Beiträge zur
Landes- und
Volkeskunde
Elsass-Lothri
FKOM TUE FUND OF
CHARLES MINOT
(Claas of 1828)
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DIE FAHNEN
DER
STRASSBURGER BÜRGERWEHR
IM 17. JAHRHUNDERT.
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o
BKITRÄGE_ZUR LANDES- UND VOl.KKSKUNDE IN ELSASS-LOTHR INGEN. XXVIII.
0 DIE FAHNEN
DER
STRASSBURGER RÜRGERWEHR
IM 17. JAHRHUNDERT.
VON
JOSEPH GENY.
/
MIT 12 FAHRIGEN FAHNEN ARUILDUNGEN.
K STIUSSBUHG
.1. H. Ed. Heitz (Heitz & Mi ndel)
1902.
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Die Abbildungen wurden in der Lithographischen Anstalt
von Fr. Gabelmann Strassburg i. E. ausgeführt.
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Inhaltsangabe.
Seite
Vorwort VI
I. Zünfte und Magistrat 1
II. Militärische Organisation der Bürgerschaft 3
III. Errichtung von H Freiwilligen-Kompagnien im Jahre 1633 .'>
IV. Ihre Stammrolle s
V. Dienstordnung des Obersten nnd des Oberstleutnants . . 20
VI. Dienstordnung der Mannschaft 22
VII. Waffenordnung derselben -2">
VIII. Errichtung und Stammrolle der 2 Kompagnien zu Pferd
im Jahre 1665 26
IX. Reorganisation der Bürgerwehr im Jahre 1672 ...» 34
X. Wachtordnung von 1(172 3!»
PerBoncnverzeichnis 44
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Vorwort.
Vorliegendes Werk bietet die farbigen Abbildungen der
zwölf Fahnen der ledigen Bürgerwehr oder Junymiliz
Strassburgs aus dem 17. Jahrhundert und einige Akten-
stücke, die einer Handschrift entnommen sind, welche früher
im Besitze des Slrassburger Ammeisters Franz Reisseissen
war. Sie führt den Titel: *Roll über die acht Compag-
nien lediger und unverburgeter Manschajft sambt damahl-
igen zwoen Compagnien zu Pferdt von der Bur gerschaß U,
und bildet einen kleinen in weissem Pergament eingebun-
denen Quartband, mit Goldschnitt, von 292 unpaginirten
Seilen. Sie gehört jetzt (Nr . 226 der Collection Dorlan)
der Bibliothek der Stadt Schletlsladt, die sie im Jahre
1860 von dem Advokaten A. Dorlan gekauft hat. Schrift
und Bilder dürften auf einen Muster- oder Compagnie-
schr eiber zurückgehen, der seines Berufes Schild- oder
Wappenmaler war, wie es dereil im damaligen Strassburg
viele und geschickte gab, und sind, vielleicht auf Wunsch
des damaligen Oberstleutnants Reisseissen, um 1670 vfr-
fertigt worden. Nur die vier Einzeichnungen von den
Jahren 1676 und 1677 unter der Liste der Obersten und
Oberstleutnants stammen von der Hand Reisseissens.
Die übrigen Angaben und Erläuterungen sind folgen-
den Büchern entlehnt:
1. Friedrich Carl Heitz, Das Zunftwesen in Strassburg.
1856.
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2. Rudolf Reuss, Slrassburgische Chronik von 1657 —
1677 : Aufzeichnungen des Ammeisters Franciscus Reiss-
eissen, Strassburg, 1880.
3. Rudolf Reuss, Slrassburgische Chronik von 1667—
1710 : Memorial des Ammeisters Franciscus Reisseissen.
1877.
4. Der Sladt Strassburg Wachtor dnungen. 1672.
Zum Vergleiche wolle man noch heranziehen:
5. Joh. Andreas Silbermann, Locol- Geschichte der Stadl
Strassburg. Strassburg, 1775.
6. Fred. Piton. Strasbourg illustre'. 1855.
7. Rud. Reuss, L artillerie Strasboargeoise du XIV 9 au
XVII 9 siecle, in Revue Alsacienne, 1880.
8. Adolph Seybolh, Das alle Strassburg xovi 13. Jahrh.
bis zum Jahre 1870. Strassburg, 1890.
9. Ad. Seyboth, Strasbourg kislorique et pittoresque.
Strasbourg. 1894.
10. E. v. Borries, Sladlgesch'ichte ton Strassburg, in
Strassburg und seine Bauten. 1894.
11. Alfred Touchemolin, Strasbourg mililaire. Paris,
1895.
Schleltsladl, am 19. November 1901.
Jos. GtfiNY.
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I.
Die militärische wie überhaupt die ganze politische
Organisation der freien Reichsstadt Sirassburg beruhte
vom 14. bis zum 17. Jahrhundert auf den Zünften. In
dieser letztern Zeit verteilte sich die Bürgerschüft auf 22
Zünfte : zwei adelige und zwanzig Handwerkerzünfte. Die
Zünfte der Geschlechter oder Konstöffler, wie sie genannt
wurden, hiessen die erste zum Mühlstein und die andere
zum Hohensteg und sind in der Geschichte zur Genüge
bekannt durch die Fehden und Streitigkeiten der beiden
Familien von Mülnheim und der Zorn.
Die nichladeligen Bürger bildeten folgende 20 Zünfte :
1. Die nautae oder Schiffleute, die Zunft zum Anker.
2. Die mercatores oder Kaufleute, Krämer, mit den Hul-
machem und Secklern, die Zunft zum Spiegel.
3. Die Freiburger, d h. caupones vel liberi cives oder
Wirte und «Müssiggänger».
4. Die Tucher, d. h. fullones oder Wollschläger oder
Walker, die Wollen- und Leinenweber.
5. Die Metzger oder laniones, die Zunft zur Blume.
6. Die frumentarii oder Korn- und Mehlleute, die Müller
und Scherer, die Zunft zur Lucerne oder Laterne.
7. Die salsamentarii oder Salzleute, Salzmesser, die
Klein- und" Althändler, Seiler, Biersieder, Fasszieher,
Karcher und Taglöhner, die Zunft zur Möhrin.
l
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1
— 2 —
8. Die aurifabri oder Goldschmiede, die Maler, Buch-
drucker, Buchbinder, Seidensticker, Glaser und son-
stige Künstler, die Zunft zur Stelze.
» 9. Die pistores oder Bäcker,
10. Die pelliones oder Kürschner.
11. Die doliarii oder Küfer.
12. Die coriarii oder Gerber mit den Pergamentern.
13. Die vinarii oder Weinsticher.
14. Die sartores oder Schneider.
15. Die fabri ferrarii oder Schmiede, Schlosser, Gürtler,
Nadler, Spengler und Bader.
16. Die sutores oder Schuhmacher.
17. Die piscatores oder Fischer.
18. Die fabri lignarii oder Zimmerleute, Wagner, Schrei-
ner und Drechsler.
19. Die horlulani oder Gärtner mit je einer Zunftstube
in den drei Vorstädten : Weissturmstrasse, Steinstrasse
und Krulenau.
20. Die coementarii oder Maurer, Steinmetze, Hafner
und Pflasterer.
An der Spitze der Verwaltung stand der Rat, welcher
sich aus 31 Mitgliedern zusammensetzte: nämlich 10 aus
den Konslöfflern, deren vier Stadtmeister waren, 20 aus
den Handwerkerzünften und einem auch von diesen letz-
lern ernannten Amraeister. Mit diesem Ammeister wurde
der Rat jährlich zur Hälfte wiedergewählt durch die
Schöffen aus den Zünften, zu denen die Abgehenden ge-
hörten. Auf jede der 20 Handwerkerzünfte kamen 15
scabini oder Schöffen, die ihr Amt lebenslänglich be-
hielten, und zu welchen der von dem Rate und den XXI.
aus dem beständigen Regiment bezeichnete Oberherr und
der von den Schöffen erkorene Ratsherr zählten. Jede
Zunft hatte dann noch ihren Zunftmeister und ihr eigenes
Gericht. In allen wichtigen Stadtangelegenheiten berief
der Rat die 300 Schöffen zur gemeinsamen Berat-
schlagung.
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Neben dem Rale gab ts noch besondere Kollegien oder
Kommissionen, die sogenannten drei geheimen Stuben :
zuerst die XIII. oder Dreizehner: nämlich vier Patrizier,
vier Handwerker und vier Altammeisler, welche die aus-
wärtige und allgemeine Politik leiteten. Dann die XV.
oder Fünfzehner : fünf Adelige und zehn Handwerker,
die weder Ammeister noch Räte oder Beamte sein durf-
ten. Sie ergänzten sich durch Kooptation und blieben im
Amte, so lange sie kein anderes annahmen. Zu ihrer
Kompetenz gehörte die gesamte innere Verwaltung. End-
lich die XXI. oder Einundzwanziger, die gewöhnlich die
Zahl von 32: nämlich 10 vom Adel und 22 von den
Handwerkern, nicht überschritten und als alte Herren
vom Regiment zum Rate beigezogen wurden. Zu diesen
XXI. gehörten in der Regel die XIII. und XV., sodass,
wenn einer zum Ammeister, zum XIII. oder XV. gewählt
wurde, er auch zugleich zum XXI. gemacht wurde.
Diese drei Stuben bildeten zusammen das beständige
oder ewige Regiment der Stadt im Gegensatz zu dem
Rat, dem Ammeister und den vier adeligen Stadtmeislern,
welche jährlich aus den zehn Ratskonstöfflern ernannt
wurden und deren jeder ein Vierteljahr den Vorsitz führte.
II.
Die meisten städtischen Verordnungen, Dekrete und
Mandate gingen von den «Herren Rät und XXI.» aus.
Die Militärverwaltung lag in den Händen der XIII. Jeder,
der in Strassburg sich ansässig machen wollte, musste
das Bürgerrecht empfangen, sei es als Bürger oderHiuter-
sasse, und dazu in eine Zunft eintreten. Er musste sein
gutes Seitengewehr und eine eigene Muskete haben und
war verpflichtet, in Kriegs- oder Feuersnot, bei Geschellen
oder Aufläufen mit seinen Zunftgenossen auf dem ihnen
bestimmten Lärm- oder Paradeplatz zu erscheinen und den
von den Magislratsherren oder den Offizieren erteilten
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— 4 —
Befehlen zu gehorchen. In früheren Zeiten nahmen die
waffenfähigen Bürger auch an den auswärtigen Kriegen
teil. Da dieses aber nicht im Interesse der Stadt lag, so
wurde in diesem Falle kein Zwang mehr ausgeübt; die
Stadt nahm Söldner oder Soldaten in ihren Dienst, die
teils aus Freiwilligen aus ihrer Mitte, teils aus fremden
Kriegsknechten sich rekrutierten und deren Zahl je nach
Bedarf vermindert oder erhöht wurde. Diese Söldner
(Guardiknechte, Soldatesca, Soldaten) hatten die Wachen
an den Stadtthoren und an der Pfalz zu besetzen und
dienten als Leibgarde dem Ammeister und den andern
Herren des Magistrats. Diese Wachtposten wurden, be-
sonders in Kriegszeiten, durch die von den Zünften ge-
bildete Miliz oder Bürgerwehr verstärkt. In schwierigen
Verhältnissen, wie sie etwa von 1632 bis 1681 für Strass-
burg an der Tagesordnung waren, wurden auch die über
zwanzig Jahre alten Söhne, Gesellen und Knechte der
Zünftigen herangezogen und, wenn nötig, noch ein «Aus-
schuss» von dem Lande, d. h. aus den unter der Herr-
schaft Strassburgs stehenden Ortschaften herbeigerufen.
Im Jahre 1616 war die Stadt in fünf Quartiere eingeteilt,
deren jedes seine besondere Fahne hatte und nach der
Farbe dieser Fahne das blaue, gelbe, grüne, weisse oder
rote Quartier genannt wurde. Um diese Fahnen hatten
sich die bewaffneten Bürger gegebenenfalls auf den
Sammel- oder Lärmplätzen zu schaaren.
Die blaue Fahne trug in ihrem Felde die Inschrift oder
den Spruch :
Zu Gottes Ehren.
1616.
Die gelbe : S. P. Q. A.
C. R. P. C.
1616.
Die grüne : Pugna pro Patria.
1616.
[d. h. kämpfe fürs Vaterland.]
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— 5 —
Die weisse: Göll walts,
Ich wags.
1616.
Die role : Spero, dum spiro.
1616.
[Ich hoffe, so lange ich lebe.] 1
III.
Nach Ausbruch des dreissigjährigen Krieges halte
Sirassburg, obschon die Sympathien des grösslen Teiles
der Bürgerschaft auf Seite der Evangelischen waren,
längere Zeit zwischen der protestantischen Union und dem
Kaiser geschwankt und zu lavieren geuscht. Aber nach
dem Erlass des Restitutionsediktes vom Jahre 1629 und
den in den folgenden Jahren unopportunen Versuchen der
kaiserlichen Kommissare , dieser Verordnung auch in
Strassburg Eingang zu verschaffen, hatte der Magistrat
aus Furcht, die eingezogenen Kirchen- und Klostergüter
den Katholiken wieder zurückerstatten zu müssen, in
einem geheimen Vertrag im Juli 1632 sich mit Gustav-
Adolf verbündet und so den Schweden das Elsass frei-
gegeben. So gross in der Stadt die Freude über die
Siege der Schweden gewesen war, so niederschmetternd
wirkte dann die Kunde von dem Tode des Königs in der
Schlacht bei Lützen. Da man den Zorn und die Rache
des Kaisers zu fürchten hatte, wurde Tag und Nacht an
den Mauern und Wällen gearbeitet, Söldner wurden ge-
worben und ausser der zünftigen Bürgerwehr wurden zu
Anfang des Jahres 1533 ■ noch acht Freiwilligen-Kom-
pagnien zu Fuss gebildet. Bei ihrer Aufstellung blieb
noch die alle Zunflorganisation massgebend. Die alte
Quartiereinteilung scheint hier von keinem Einfluss ge-
1 F. C. Heitz, Das Zunftwesen, S. 136.
* Die Angabe Walters (Reuss, Strassburg im 30jähr. Kriege, S. 33),
dass die acht Kompagnien erst im Jahre 1637 aufgerichtet worden
seien, ist somit irrig.
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wesen zu sein. Höchstens lässt sich ein solcher, jedoch
auch nicht leicht, in Bezug auf die Fahnen, deren Ab-
bildungen diesem Werke beigegeben sind, nachweisen.
1. Die erste Kompagnie allein hatte drei verschiedene
Fahnen, deren Herstellung wahrscheinlich nur auf den
Wunsch der Fähnriche zurückzuführen ist , die aber
später gleichzeitig nie in Gebrauch gewesen sein dürften.
Die Fahne des Fähnrichs Hans Theobald Güntzer war
grün mit einer roten Lilie auf weissem Feld in der
Mitte und mit dem Mutspruche am obern Rande :
ICH WAGS, GOTT WALTS.
Die Fahne des Fähnrichs Martin Andreas König war
weiss mit einer roten Lilie und demselben Spruche wie
die erste.
Die letzte Fahne, die des Fähnrichs Matlheus Kniebs
war rot mit dem von einem grünen Lorbeerkranz um-
fassten Kniebs'schen Familienwappen und der Jahreszahl
1669. An den oberen Enden des Kranzes befanden sich
rechts das Reisseissen'sche Wappen und links ein mir
unbekanntes, wohl das Mülb'sche. Darüber standen eine
weisse Lilie und der Spruch :
ZVM • SCHVTZ • ZVM TRVTZ •
2. Die Fahne der 2. Kompagnie, welche Abraham
Habrecht trug, war weiss und rot mit roter Stange
und mit einem von oben nach unten querliegenden oder
schrägrechten weissen Spruchbande :
SPES MEA CHRISTVS.
[Meine Hoffnung' ist Christas.]
An jeder äussern Spitze befand sich eine weisse Lilie.
3. Die Fahne des Fähnrichs der 3. Kompagnie, Franz
Rudolf Gouschard, war blau mit dem von 3 weissen
Lilien umgebenen Wappen Slrassburgs und dem Spruche :
Gott
Mit Vnß
Allezeit.
An jeder Ecke zeigte sich eine dreiteilige gelbe Flamme.
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4. Der Fähnrich der 4. Kompagnie, Joachim Rüderer,
hatte auch eine gelbumränderte blaue Fahne mit dem
Strassburger Wappen und einer goldenen Lilie. Ihr Mul-
spruch lautete:
PRO RELIGION E ET PATRIA DVLCE PERICVLVM
TANDEM BONA
CAVSA
TRIVMPHAT.
[Für .Religion und Vaterland ist süss die Gefahr,
Zuletzt siegt die gute Sache.]
5. Die Fahne des Fähnrichs Rudolf Beza der 5. Kom-
pagnie war weiss-blau-rot mit joter Stange: in der Mitte
das mit einer weissen Lilie verzierte Wappen Strassburgs
und über dem Ganzen ein mit einem Schwerte bewehrter
Arm. In dem obersten blauen Streifen standen die
Worte :
HOC VINDICE DVRABIT.
[Es wird halten unter diesem Schutz.]
Und auf dem mittleren die Jahreszahl MDC XXX III.
6. Die Fahne der 6. Kompagnie war dem Fähnrich
Lorenz Günther anvertraut. Sie war grün ; in der Mitte
befand sich das von zwei roten Rosen und einem Dornen-
kranze umgebene Stadtwappen und oben und unten der
Mutspruch :
WER HIE WILL ROSEN BRECHEN.
SOLL NICHT ACHTEN DORNEN STECHEN.
An den vier Ecken war je eine weisse Lilie.
7. Der Fähnrich der 7. Kompagnie, Philipp Jakob
Ehrhard, hatte eine blaue Fahne mit der Jahreszahl 1633
am untern Rande. Oben stand der Spruch :
ZV GOTTES EHREN THV ICH MICH WEHREN.
In der Mitte war eine mit goldenem Lorbeerkranz um-
fasste weisse Lilie.
8. Auch die Fahne der letzten und 8. Kompagnie war
blau und an jeder Ecke mit einer weissen Lilie verziert.
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- 8 -
In der Milte umgab ein goldener Lorbeerkranz das Stadt-
wappen, über und unter welchem man die Worte las :
MIT FREVD DARAN.
MIT GLVCK DARVAN.
Ihr Träger war Johann Carl Zorn.
Ueber Zusammensetzung, Lärmplätze und Ordnungen
dieser acht Kompagnien erteilen folgende Aktenstücke
genügenden Aufschluss.
IV. Stammrolle
der acht Kompagnien zu Fuss.
VolgeU nun die Roll über die acht Compagnien zu Fuß junger
Mannschafft, so inn Anno 1633 zum ersten Mahl auflgericht und
dazumahl dem Lotf nach folgender Weiß collocirt worden.
Ueber solches Regiment gesetzte 0 bristen:
1633. Herr Martin Andres König* XXIer, inn Anno . . XIHer.
1664. Herr Johann Jacob Erhardt* XIHer.
1664. Herr Johann Philipp Mulb* XVer und in Anno 1668
XIHer.
1676. Franciscus Reilteilten 5 XIHer.
1 Roll etc. S. 65—187. Die Orthographie des Originals mit Aus-
nahme der Schreibung der Anfangsbuchstaben ist beibehalten.
9 Mitglied des grossen Rats 1631, als XIII. gestorben 1664.
3 Wurde XXI. im Jahre 1651, dann XV. 1652, XIH. 1663 und
starb 1670.
4 War Buchdrucker und kam in den grossen Rat 1652, in die
XXI. Stube 1657, zu den XV. 1658, zu den XIII. 1668. Starb 1675.
5 Aus dem Lebenslauf des Franciscus Reisseissen können wir so
recht ersehen, welche Aemter den vornehmsten Bürgern Strassburgs
zugänglich waren. Reisseissen wurde geboren am 26. Oktober 1681,
besuchte das Gymnasium 1640— 1649 und wurde als stud. phil. an
der Universität Strassburg am 27. März 1649 immatrikuliert. (G.
Knod, Die alten Matrikeln der Universität Strassburg, I. Bd.. S. 328.)
Er schrieb eine Disputation de cive demoeratico und verteidigte sie
in öffentlicher Sitzung am 20. Sept. 1651. Dann wandte er sich dem
Rechtsstudium zu und unternahm von März 1653 bis Mai 1655 eine
grössere Reise durch die Schweiz, Frankreich, England, Holland und
das Rheinland. 1659 liess er sich in die Fischerzunft aufnehmen
und wurde am 20. Dez. desselben Jahres Schöffe am Zunftgerichte;
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— 9 —
1C77. Herr Johann Leonhard FröreiPen* Xlller.
Obristleütenant:
1655. Herr Johann Jacob Erhardt XVer.
1663. Herr Johann Philipp Mülb XVer, gewesener Adjunctus
Herrn Xlller König.
1665. Herr Balthasar Kraut« XXIer.
1668. Herr Franciscus ReiPeißen XXIer und in Anno 1669 XVer.
1676. Bin ich ahne Statt Herrn Xlller Johann Philipp Mül-
ben seeligen zu einem Obristen bey meinen Herren
dann nacheinander 1660 Zumann beim kleinen Bat, 1662 Beisitzer
des Polizeigerichts und des grossen Bats, 1663 Oberfortifikationsherr,
1665 Beisitzer des kleinen Bats als Konstoffler, 1667 Jan. 8 aber-
mals Beisitzer des grossen Bats, Jan. 10 verordneter Herr zu den
Kinderverträgen und Bossstreiten, Jan. 14 verordneter Herr zu den
Oberfortifikationsherren, Mai 1 Deputierter des grossen Bats zu dem
Jubiläum der Universität, 1668 Sept. 26 Einundzwanziger und Oberst-
leutnant der Jungmiliz, 1669 März 20 XV., März 22 Oberherr bei
der Gerberzunft, 1670 Assessor des Polizeigerichts, 1671 desgl. beim
Ehegericht, 1672 Assessor Universitatis und Pfleger der Boten Kirche,
1673 Deputierter zum Herrenstall und Obmann der Posamentierer,
1675 Landpfleger des Amtes Marlenheim und XIII., Okt. 30 Abge-
ordneter Strassburgs beim kaiserlichen Feldherrn Montecuculi in
Pforzheim, 1676 Oberwachtherr und Visitator der niedern Gerichte,
1677 Jan. 4 regierender Ammeister, 1678 Jan. 25 städt. Deputierter
zu König Ludwig XTV. nach Metz, Juli 15 verteidigte er ohne Erfolg
die Bheinschanzen bei Kehl gegen Crgqny, Juli 30 ging er als Abge-
sandter nach Kehl zum kaiserl. General Herzog Karl von Lothringen,
Aug. 13 wurde er wieder Xin., in demselben Jahre Oberkirchenpfleger
zu St. Thomas und Pfleger des Frauenhauses, 1679 Ober-Mess- und
Oberjägerherr, Okt. 14 städt. Abgeordneter zu Karl von Lothringen
nach Kehl, 1682 Juni 4 desgl. zum neuen Bischof Wilhelm von
Fürstenberg, Aug. 12 desgl. zum Gouverneur M. de Chamilly, 1683
Jan. 7 Ammeister zum zweiten Male, 1686 Scholarch bei der Uni-
versität und Pfleger der Karthause, 1689 Jan. 6 Ammeister zum
dritten Mal und Konservator der Bechte und Privilegien der Stadt,
1690 Okt. 7 Obermarstallherr, 1695 Jan. zum vierten Mal Ammeister,
1696 Oberjägerherr, 1701 Ammeister zum fünften Male und 1707
zum sechsten Male. Er starb plötzlich, vom Schlage gerührt, im
80. Lebensalter am 23. Dez. 1710 und wurde nach der grossen
Leichenfeier in St. Thomas in der Ortskirche von Fürdenheim am
28. Dezember begraben. (B. Beuss, Aufzeichnungen und Memorial
Beisseissens, S. 16 und XII.)
i Geboren 1629, Mitglied des grossen Bats 1660, XXI. 1669, XV.
1670, XHI. 1676, Ammeister 1679 and 1685, gestorben 1690. Unter-
zeichnete die Kapitulation von 1681.
* Im grossen Rat 1663, XXI. 1664, gestorben 1668.
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-10-
den XHIern erkosen wordten und Herr XVer Johann
Philipp Würtz 1 zu einem Obristleülenant.
1677. Alß ich zu einem regierenden Ammeyster erkosen wor-
dten, hab ich die Charge eines Obristen resignirt, da
dan ahn meine Stell Herr XHIer Johann Leonhardt
Fröreilten erwehlt wordten.
I. Compagnie.
Hat ihren Lärmenplatz auff dem Fischmarckh bey dem newen
Baw nahe bey der Cantzley.
Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Spiegel undt theils
Lucernen undt Ancker, deren Zünfftige ihre junge Leuthe
herbey zue schaffen haben.
C a p i t a i n :
1633. Herr Niclaus Ammia.
Herr Carlen Spieß.
1669. Herr Johann Wolff» von Moltzheim.
L e ü t e n a n t :
1633. Herr Daniel Lefier.
16-43. Herr Ambrosius Reichßh offer. »
Herr Johann Carl Spieß.
1659. Herr Johann Wolff von Molßheim.
1669. Herr Martin Andres König.*
Fenderich:
1633. Herr Hannß Theobaldt Güntzer.
1653. Herr Martin Andreß König.
1669. Herr Matthaeus Kniebs.
1 In der Chronik Reisseissens (ed. R. Reuss) wird er Johann Frie-
drich genannt. Philipp wird ein Schreibfehler sein.
* Wohl der Major Wolff, welcher im Hause des Ratsherrn Würtz
mit dem Oberstleutnant Balth. Kraut am 18. Jan. 1667 handgemein
wurde. (Aufzeichnungen Reisseissens, S. 71. Vergl. auch Memorial,
S. 36.)
3 War Ratsherr 1650 und gab im Jahre 1677 zu Strassburg eine
Brasilianische und Westindische Reisebeschreibung heraus. (R. Reuss.
Aufzeichnungen Reisseissens, S. 100, und ders., Abenteuer eines
Strassburgers in Brasilien, 1629—1662, in dem Strassburger Wochen-
blatt, Sept. 1879.)
* War Sohn des Oberstlentnants Martin Andreas König; wurde
1671 Ratsherr und 1672 XXL und starb am 28. Oktober 1674.
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— 11 —
Führer:
1643. Herr Hannß Wolff von Monheim.
1669. Herr Johann Jacob Saltzmann.
Serganten-
Herr Johann Edom.
Herr Friderich Balthasar Kaltt.
Herr Hannß Lamprecht.
Herr Hannß Jacob Wydemann.
C o r p o r a 1 :
Herr Frantz Chuon.
Herr Johann Conrad Huth.
Herr Albertus Leydecker.
Herr Rudolph Steeg.
Herr Hannß Martin Gießbrecht.
C a p i t a i n d'A r m e s :
Herr Hannß Dieboldt Ulrich.
Muster Schreiber:
Herr Elias Winckler.
Pfeiffer.
Trommenschläger:
{{anriß Philipps Küflel.
Hannß Rudolph Schranckenmüller.
Johannes Fehrler.
Hannß Jacob KüfTel.
Hannß Georg Ganß.
Mußquetirer:
1669. hat sich starck befunden 200 Mann.
II. Compagnie.
Hat ihren Lärmenplatz auff dem Stephansplan gegen dem
Stephanscloster hinüber.
Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Schmidt undt Maurer,
deren Zünfftige ihre junge Leuth herbey zue schaffen haben.
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C a p i t a i n :
1633. Herr Andreas Capellen
Herr Hannß Michael Fridl.
Herr Hannß Georg Hebner.
1663. Herr Christoph Städel. i
L e ü t n a n I :
1633. Herr Jacob Borst.
Hannß Georg Hepner.
1666. Herr Isaac Habrecht.
Fenderich:
4633. Herr Abraham Habrecht.
1642. Isaac Habrecht.
1663. Herr Daniel Habrecht.
Führer:
Herr Antoni Wentzel.
Herr Hannß Jacob Schneider.
1672. Herr Tobias Städel.
Serganten:
Herr Caspar Diefenbach.
Herr Jacob Hoffmann.
Corporalen;
Caspar Steiner.
Caspar Graibr.
Gottfridt Reimischnistel.
Capitain d 'Armes:
Herr Antoni Füßjl.
Musterschreiber.
Pf ei f fer.
Trommensch läger:
Hannß Jacob Seyffermann.
Hannß Jacob Hirsch.
Hannß Dieboldt Nägelin.
Friderich Weist er.
Andreas Schäfler.
1 Wohl Sohn des Ammeisters Christoph Städel; war im grossen
Bat 1671, XXI. 1677, XV. 1678.
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— 13 -
Mußquetirer:
1669 hat sich slarckh befunden 196 Mann.
III. Compagnie.
Hat ihren Lärmenplatz auff dem Jungen Sl.-Peter-Kirchhüff.
Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Schneider, Gärtner,
Under- Wagner, Gärtner- Steinstraß undt Gärtner- Crautenaw,
deren Zünfftige ihre junge Leuthe herbey zu schaffen haben.
C a p i t a i n :
1633. Herr Peter Triponet.
1648. Herr Johann Kornmann.
1667. Herr Tobias Stadel.
1670. Herr Ernestus Preßler.
Leütenant:
1633. Herr Jonas Andres von Veßenheim.
Fenderich:
1633. Herr Frantz Rudolph Gouschart.
Herr Johann Korn mann.
. . . Stadel.
1667. Herr Johann Frantz König.
Führer:
Herr Ernestus Preßler.
Serganten:
Johann Kreß.
Johann Funckh.
Johann Jacob Wagner.
Cor porale it :
Johann Jacob Ihringer.
Johann Michael Heyer.
Dieboldt Rhiel.
Dieboldt Hohe.
C a p i t a i n d'A r m e s :
Johann Adam Goltz.
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— 14 -
Musters ch reibe r.
Pfeiffer.
Trom menschläger:
HannP Michael Schweitier.
Hannß Ganß.
Balthasar Waltz.
Daniel Rein nach.
Hannß Georg Glockh.
Thoman Reißer.
Mußquetirer:
1669 hat sich starckh befunden 2U0 Mann.
IV. Compagnie.
Hat ihren Lärmenplatz gegen dem Speyerthor über.
Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Tuecher undt Möhrin,
deren Zünfflige ihre junge Leuth herbey zu schaffen haben.
C a p i t a i n :
1633. Herr Hannß Adam Hünerer.
1655. Herr Joachim Rüderer.
1668. Her Theobaidt Küstner.
Leütenan t:
1633. Herr WolfTgang Grünwaldt.
1641. Herr Joachim Rüderer.
1663. Her Hannß Theobaidt Küstner.
1668. Herr Hannß Adam Hünerer. *
Fenderich:
1633. Herr Joachim Rüderer.
Herr Matthis Göll.
1652. Herr Hannß Adam Hünerer.
1668. Rerr Daniel Reißhofier.
F ü h r e r :
1643. Herr Paul Friderich Marbach.
Herr Jacob Sand rat.
1 Vergl. Memorial, S. 140, Prozess Hünerer gegen die Stadt vor
dem Conseil souverain zu Breisach wegen der Steinbock'schen Erb-
schaft.
i
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- 15 _
Serganten:
Herr Jacob Soderer.
Herr HannP HanPer.
Herr Johann Carlen Schräg.
Corporal:
Herr . . . Kipp.
Herr . . . Spielmann.
Herr . . . RoPa.
Cap itain d'Armes:
. . . Dürninger.
Musterschreib er:
Johann Paul Platz.
Pfeiffer.
Trommenschläger:
HannP Carl GePensohn.
Michael Seboldt.
Niclaus Lötzenburger.
Johannes Kepler.
HannP Carl Kepler.
Melchior Heckh.
Mußquetirer:
1669 hat sich starckh befunden 210 Mann.
V. Compagnie.
Hat ihren Lärmenplatz auff dem BarfüPerplatz nahe . . .
Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Schuhmacher undl
Weinsticher, deren Zünflftige ihr jungen Leuth herbey zu schaffen
haben.
C a p i t a i n :
1633. Herr Johann Hypolitus.
Herr HannP Lobstein.
Herr Johann Leonhardt FröreiPen.
1669. Herr Simon Pauli.
Leuten an t:
1633. Herr Michael KäP.
Herr Augustin Schnuphagen.
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- 16 -
Fendericli:
1633. Herr Rudolph Beza.
1643. Herr Augustin Schnuphagen.
Herr Michael Kä(ß.
Führer:
1643. Herr Johann Gumprecht.
Hannß Jacob Fröreißen.
Ser ganten:
Matthaeus Schlachtmann.
Michael Ziegler.
Daniel Ficßel.
Cor poral:
Philipp Haffner.
f Haniiß Georg Schimpff.
Friderich Meyer.
Hannß Georg von Awenen.
C a p i t a i n d'A rmes;
Philipp Merck el.
Musterschreibe r. .
Pfeiffer.
Trommenschlägei.
Mußquet. irer:
1669 hat sich starck befunden 159 Mann.
VI. Compagnie.
Hat ihren Lärmenplatz auff dem Barfüßerplatz gegen . . .
Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Becken undt Kürschner,
deren Zünfltige ihre junge Leüth herbei zu schaffen haben.
Ca p i t a i n :
1633. Herr Lucas Roßenz weyg.
L e ü t e n a n t :
1633. Herr Georg Brün.
Herr Hannß Martin Dautel.
Fenderich:
1633. Herr Lorentz Günther.
Herr Hani.ß Jacob Rosenzweig.
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— 17 —
♦
Führer:
Herr Johann Davidt Traner.
Serga nten:
Georg Riedel.
Jacob Redtslob.
C o r po r a 1 :
Johann Mockh.
Heinrich Uhlmann.
Hannß Georg Helbeckh.
C a p i t a i n d'A r m e s :
HannP Georg Planckh.
Muster Schreiber.
Pfeiffer.
Trommensch läger:
Lorentz Rothmann.
Hannß Jacob Rothbach.
Hanns Michael Roth.
Hannß Philipp Hagmeyer.
Mußquetirer:
1669 hat sich starck befunden 135 Mann.
VII. Compagnie.
Hat ihren Lärmenplatz auff dem Barfü Perplatz.
Bestehet von einer ehrsamen ZuniTt der Steltz, Gerber undt
Zimmerleülh, deren Zünlftige ihre junge Leüth herbey zu schaffen
haben.
C a j) i t a i n :
1633. Herr Johann Jacob Schuhes.
1634. Herr Paul Gionet.
1643. Herr Daniel Bitto.
Herr Johann Baptista Fecher.
Herr Georg Bültner.
Leütenant;
1633. Herr Paul Gionet.
Herr Hieronymus Berger.
2
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- 18 —
Herr Hannß Georg Bfittner.
Herr Paulus Helwig.
Fenderich:
1633. Herr Philipps Jacob Erhardt.
. . . Franckenberger.
Herr Paulus Helwig.
Herr Hannß Jacob Erhardt.
Führer:
1643. Herr Baptista Fecher.
Herr Jacob Sebastian Gambß.
Ser ganten:
Georg Andres Dolhopff.
Georg Brodtfisch.
Samuel Berion.
Corporal:
Herr Wendling Dieterlin.
Georg Büttner.
Jacob Königen.
Johann Seppen.
G a p i t a i n d'A r m e s.
Conradt Weber.
Musterschreiber:
Johann Friderich Redwitz.
Pfeiffer.
Tromm enschläge r.
Mußquetirer:
1669 hat sich starckh befunden 218 Mann.
VIII. Compagnie.
Hat ihren Lärmenplatz auff dem BarfüPerplatz bey . . .
Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Bluem, Freyburger,
Küeffer undt Fischer, deren Zünfftige ihre junge Leuth herbey
zu schaffen haben.
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- 19 -
C a p i t a i n :
1633. Herr Carlen Neflf.
Herr Hannß Martin Buckel.
Herr Daniel Andres Widt.
Leütenant:
1633. Herr HannP Lobslein.
1643. Herr Hannß Dieboldt Bechtoldl.
1657. Herr Christoph Jacob Mockhel.
Herr HannP Carl Zorn.
1669. Herr Niclaus Spihlman.
Fenderich:
1633. Herr Johann Carl Zorn.
Herr Philipps Lerse.
Führer:
1669. Herr Michael Keckh.
Serganten:
Herr HannP' Georg Holtzschuch.
Herr Lorentz Arnold t.
Herr Hannß Peter Montfort.
Herr Bernhardt Wagner.
C o r p o r a l :
Sebastian Ebinger.
Jacob Sand rat.
Johannes Decimator.
C a p i t a i n d'A r m e s :
Lorentz Meyer.
Musterschreiber.
Pfeiffer.
Trommenschläger.
Mußquetirer:
1669 hat sich starckh befunden 240 Mann.
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— 20 -
V. Ordinantz 1
für
den Herrn Oberhauptmann
und
Herrn Oberlieutenant
über
den Außschulz der jungen MannschafTt.
Es wird der Herr Oberhauptmann und der ihme zuegeordnete
Herr Oberlieutenant ihnen alles Fleißes angelegen sein laßen,
daß die ihrem Commendo undergebene Compagnien in gutem
Standt und Weßen möglichst conservirt undt erhalten werden
mögen. Zu welchem End sie dann die Capitain deroselben sampt
oder sonders zu sich erfordern undt von ihnen Bericht einzu-
ziehen, ob die Compagnien mit hohen und niedern OfGciren
annoch ersetzt undt versehen ; ob sie ahne Mannschafft zue
oder abgenommen. Da auch von den hohen Officiren einer oder
mehr mit Todt abgangen oder sonslen untüchtig worden were,
haben sie solches mit den oberen Zeugherren umb fördersame
Ersetzung der vacirenden Stellen zu communiciren, die nidere
Ofücia aber, als Corporal undt Rottmeister, mit Zuziehung der
oberen Befechlshaher nach ihrem gut Befinden widerumb zu be-
stellen, insonderheit aber den Rottmeislern mit Ernst einzubinden,
• daß jeglicher auff seine Rottgesellen wohl Achtung geben undt
so offt einer oder mehr hinweg ziehen würde, sich 'bey den
Zunfflbüttlen mit Fleiß erkundigen solle, was für ledige Gesellen
inmittelst ankommen, denen dann der Verzogenen Gewehr nach
Anweisung der auff die Zünfft ertheillen Instruction zugestellt
werden sollen. Da auch hierinnen, das man doch nicht praesu-
mirt, sondere Difficul täten oder auch zwischen den hohen Officiren
Streitigkeiten vorfallen solten, were solches abermahl mit den
oheren Zeugherren friedlich zu communiciren und durch ihr
Miteinrathen die Hinleg- undt Auffhebung derselben zu suchen.
Damit man auch, wie es mit diesem Außschutz eygentlich
bewandt undt beschaffen, desto bcßere Nachrichtung jeder Zeit
i Roll etc., S. 23-33.
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- 21 —
haben möge, soll derselbe alle Vierteljahr zu gelegener Zeit
compagnienweiß gemustert undt bey solcher Gelegenheit jeglicher
Compagnie der von unßern gnädigen Herren Rath undt XXI.
beliebte Vortrag zur Nachricht atlemahl vor- und abgelesen werden.
Solte, welches Gott lang wenden undt verhüten wolle, ein
Fewr auffgehen oder ein anderer Aufflauff undt Geschöll sich
erzeigen, alßo daß man Sturm leuthen möchte, soll bey den
Herren dem Oberhauptmann undt Oberlieutenant alßobald von
der Statt Marstall jeglichem ein gesattelt Pferd sampt einem be-
rittenem Einspännigem, deren Auflwartung sie bey allen Vor-
fallenheiten sich zu gebrauchen, zuegeschicket werden.
Warauff der Herr Oberhauptmann alßo bald zu dem regier-
enden Herren Ammeister in das Hauß, oder wo er anzutreffen
sein möchte, sich verfügen und das Wortt oder Loßung von ihm
empfangen soll. Welche er nachmahlen allein dem Herrn Ober-
lieutenant und den Capitains, Abweßen dero Leutenanten, zu
vertrawen hat.
"Wann die Notdurtft erfordern würde, daß von dießen Com-
pagnien die Wachten an den Thoren oder andern Posten müsten
besetzt werden, soll alßdann der Herr Oberhauptmann oder Ober-
lieutenant von den nächst darbey gelegenen Lärmenplätzen das
Volck an die der Besatzung bedörfftige Orth comrnandiren, den
entblößten Lärmenplatz aber mit andern auß.dem Corpore ge-
nommenen Volckh unverweilt widerumb besetzen.
Was in dergleichen Vorfallenheiten an ihne Herrn Oberhaupt-
mann oder Herrn Oberlieutenant gemuthet werden möchte, wird
ihrer bekandten Discretion überlaßen und anvertrawt, welches
sie doch unverzüglich dem regierenden Herren Ammeister und
die ihme in solchen Fällen bey wohnende unßere gnädige Herren
die XIII. zu berichten, auch in Fallen, die von hoher Impor-
tanz, ihre Ordre von ihnen zu nehmen haben.
Der Herr Oberhauptmann oder Oberlieutenant soll auch auff
allen ihme assignirten Lärmenplätzen den Compagnien bey
LeibsstrafT gebieten, weder in dem Auff- noch Abziehen, oder
alßo lang man auff der Parada sein wird, einigen Schuß nicht
zu thun, noch andern Muthwillen, deß<m sich etwan dieß3 junge
Leuth gelüsten laßen möchten, zu verüben, mit ernstlicher
Commination, wer hierwider handien würdte, alßo zur Hafft ge-
zogen und Anderen zu einem mercksamen Exempel abgestrafft
werden* solle.
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- 22 —
So langg man aufF dem Lärmenplatz zu verharren, sollen die
Spiel allerdings nicht gehen, sondern allererst nach beschehener
Abdanckhung und bey dem Abzug, inmaßen es auch bey der
Burgerschafft gehalten wird, gerührt werden.
Die Abdanckhung betreffend soll solche vor deß regierenden
Herrn Ammeisters Avisation und Befelch nicht vorgenommen,
auch die auff gewiße Lärmenplätz verordnete Gompagnien zuvor-
drist und dann zuletst das Corpus der vier Gompagnien uff dem
Barfußerplatz abgedanckt undt dabey obige Erinnerung deß-
Schießens halben repetirt und erhohl t werden.
Allen obigen und was sonsten die Nothdurfft erforderen, auch
ihme Herrn Oberhauptmann oder seinem Herren Oberleutenant
durch die Herren XUIer oder den regierenden Herrn Ammeister
zu verrichten möchte anbefohlen werden, werden dieselbe mit
sorgfaltigem Eyffer und getrewem Fleiß, unßerer Herren ihnen
bekandten Intention nach, ins Werckh zu setzen sich jederzeit
angelegen sein laßen.
Decretum bey Herren Rath und XXI. Sarabstags, den 10.
Decembris 1664.
VI. Vortrag 1
so def ledigen unverburgerten Mannschafft bey den General-
musterungen vorzuhalten.
1. Ihr werdet hiemit samptlich im Namen undt von wegen
unßerer gnädigen Herren Rath und XXI. erinnert und vermahnet,
vermög ewerer hiebevor geleisteter Trew undt Pflichten, dießer
deß heyligen Reichs freyen Statt Straßburg getrew undt hold
zu seyn, deren Nutzen möglichst zu förderen, allen Schaden
undt Nachtheil zu warnen undt zu wenden.
2. Nicht weniger werdet ihr auch denen von unßeren Herren
Rath undt XXI. geordneten Oberhauptmann und Oberlieülenant
N. N. undt N. N. in allem demjenigen, so sie eüch von gemeiner
Statt wegen gebieten undt befehlen werden, schuldig und willige
Folg leisten ; ewren Capitainen, Lieutenant, Fenderich undt nach-
gesetzten Befelchhaberen solt ihr in Sachen ihres Ampts eben-
mäßig gehorsamb undt gewärtig seyn, denselben eüch keines
Wegs widersetsen, noch in andere Weg widerspänstig undt
i Roll etc., S. 35-47.
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- 23 -
trotzig erzeugen. Dann welche hiewieder thun oder handien
würdten, gegen denselben wird man gebührende Abstraflung
nach Beschaffenheit der Sachen vorzunehmen nicht under-
laßen.
3. Da auch, welches Gott lang wenden wolle, ein Fewer aufl-
gehen oder sonst ein Aufflauff oder Geschöll entstehen solle, alfk»
daß mann in dem Münster stürmen würdte, soll jeglicher mit
seiner Mußqueten, Krauth und Loth, Pulverfläschen, Pantelieren,
lebendigen Zündtstricken, Ladungen, guten Seithenwehr, oder was
sonsten jedem für ein Gewehr ufferlegl, sich förderlich auff den
seiner Compagnie assignirten Lärmenplatz verfüegen, alda dem-
jenigen erwartten, was ihme von dem Oberhauptmann undt
Oberlieutenant oder andern seinen vorgesetzten Befelchhabern
commandirt undt befohlen wirdt, solches ungespartes Fleißes
verrichten undt vollziehen, auch von dannen nicht weichen
oder anziehen, es wurde dann durch den Herrn Oberhauptmann
oder Oberlieütenant der gantzen Compagnie wider abgedanckt
undt erlaubt, oder sie erheischender Noihdurfft nach andere Ort
commandirt und verschickt, alles bey Straff nach Ermäßig-
ung.
4. Da auch gemeiner Statt und deß Vatterlands äußerste Noth-
durfft erfordern solte, daß diese Compagnien samptlich oder
sonders neben der übrigen Burgerschafft zu Verrichtung der
Wachten, uff welchen Fall ohne daß ein jeglicher obligirt undt
Verbunden, gebraucht werden sollen, ist unßerer Herren ernst-
licher Will undt Meinung, daß sie sich darzu willig undt ge-
flißen einstellen und keines Wegs solches verwegern sollen,
weilen mann ohne das nicht bedacht, sie mit vielfaltigem Wachen
zu fatigiren undt beschwehren, sondern allein in dem äußersten
Nothfall zu gebrauchen, wie es auch bey unsern gnädigen Herren
durchauß die Meynung nicht hat, daß durch dieße Anstalt einer
oder der ander alhie zu verbleiben verbunden sein solte, sondern
soll jedem sein Gewerb undt Handthierung anzuziehen allerdings
frey undt unver wehrt sein.
5. Da sie aber gedachter Maßen die Wachten beziehen solten,
wird ihnen obligen undt gebühren, sich auff denselben aller ge-
ziemenden Bescheidenheit zu gebrauchen, alles Zechens undt
Volltrinckens, darauß nichts alß Hadern, Zancken undt Balgens
entstehet, sich gäntzlich zu enthalten, gegen einander nichts thät-
liches fürzunehmen oder einander außzufordern, dann welcher
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— 24 —
hierwider handlete, den werden unßere gnädige Herren der
Gebühr nach abzust raffen nicht underlaPen.
Alles gottslästerlichen Fluchen und Schwöhren, schändlicher
Wortt und Werckh sollen sie sich alß christliche junge Leüth
gäntzlich müßigen undt enthalten, dann wer solches nicht thäte,
gegen demselben wird man ein obrigkeitlichen Ernst scheinen
laßen. Sie sollen auch niemandts, alß wer auff die Wachten
oder Wähl zu dem Geschütz, oder wo sie sonsten hin bescheiden
werden, geordnet, kommen oder spaciren laßen, außerhalb die-
jenigen, so ihnen zu gewohnlichen Zeiten Eßen bringen möchten,
alles bey Vermeydung ernstlicher Str&flf.
6. Sie sollen auch ferners bey gesetzten Wachten undt auff
den Lärmenplätzen weder mit Mußqueten noch Doppelhocken
oder großen Stuckhen, da die auffgeführt wurden, fürnemblichen
bey Nacht, nicht schießen, es wäre dann, daß solches Nothdurtft
erfordert, deßgleichen sich deß Geschütz und Pulvers, wie auch
deroselben Hütten nicht beladen noch annehmen, es werde ihnen
dann deßwegen sonderbahr Ordre undt Befelch uffgetragen.
7. Was auch hiebevor deß vergeblichen undt unnöthigen
Schießens halben inn- und durch die Statt, alß wadurch Kindt-
betterin, krancke Leüth, junge Kinder undt andere gefahrlich
erschreckt undt geängstiget werden, durch ein sonderbahr Decret
gebotten undt befohlen worden, dabey laßens unßere gnädige
Herren nochmahlen allerdings verbleiben, versehen sich schul-
diger Parition undt werden gegen den Uebertrettern die ange-
deutete Abstraffung vorzunehmen unvergeßen sein.
8. Sie gebieten undt befehlen auch hiemit, daß nach geleiteter
Thorglockh mann die Spiel undt Trommenschlag allerdings ein-
undt abstellen und damit keines Wegs über die Gaß gehen
undt wandern solle,
9. Welcher etwas von Jemanden , wer der auch sein
möchte, vernehmen oder spühren würdte, daß dießer Statt Straß-
burg oder den Ihrigen zuwider, argwöhnisch oder verdächtig
seye, das soll er alßobald in geheim seinem vorgesetztem Capi-
tain oder denen Herren Oberhauptmann und Oberlieutenant
selbsten anzeigen, damit alle besorgende Gefahr undt Schaden
bey Zeiten verhüetet undt abgewendet werden möge.
10. Was ferners zu Erhaltung gueter Disciplin und Ordnung
für nothwendig angesehen undt verbeßert werden möchte, dem
sollen sie fleißig, willfährig undt gehorsam nachkommen, wie
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- 25 —
sich deßen unsere gnädige Herren alß Vatter gäntzlich undt un-
gezweilFelier Hoffnung zu ihnen versehen thun. Verbleiben ihnen
auch hiemit in bestandig gnädigem Wohlwollen gewogen.
Decretum bey Herren Rath undt XXI. Sarabstags den 40.
Decembris Anno 4664.
L. S.
VII. Decretum 1
von Herren Rath undt XXI. den Zünfften wegen der ihnen zu
Mundirung ihrer jungen Mannschafft von der Statt Zeughoff ge-
lüfferten Mußqueten betreffendt, 4663 geben undt 4665 renovirt
worden.
Auß Erkanndtnuß undt Befehl unserer gnädigen Herren Rath und
XXI. werden hiemit diejenige ehrsame Zünfft, welchen zu Auß
staffierung ihrer ledigen undt unverburgerten Mannschafft von der
Statt Zeüghoff Mußqueten sampt ihrer Zugehör gegeben worden,
erinnert, daß sie solche nicht den ledigen Söhnen oder Knechten,
sondern ihren Eltern undt Meistern, bey denen sie sich auff-
halten, einlüffern, darüber aber der Zunfftmeister undt Schreiber
ein sonderbahr Büchlein halten, darin deß Burgers Nahmen,
dem sie die Gewehr geliffert, einschreiben sollen mit der Er-
innerung, wann sein Sohn oder Knecht hinweg ziehen oder
sich verburgern würdte, ihnen oder wer an ihrer Stell undt
Ambt sein* würdte, solche ohne Schaden und Abgang widerumb
zu liffern schuldig sein solle, damit sie dießelbe einen andern
Sohn oder Knecht, so immittelst erwachßen oder ankommen sein
möchte, zuekommen laßen könte ; auff welchen Fall der obigen
Nähme zu cassiren und hiengegen dießer Bürger, deren Söhn
oder Knecht sie alßo empfangen, einzuzeichnen ist. Undt weilen
mehr besagte Gewehr den ehrsamen Zünfften dergestalt über-
laßen werden, daß sie solche künfftig entweder ohne Schaden
undt Abgang wider erstatten oder mit bahrem Gelt in billichem
Preiß bezahlen sollen, alß werden sie ihnen gleich wie ins ge-
mein die Auffsicht desto mehr undt fleißiger angelegen sein laßen
undt möglichst daran sein undt verhüten helffen, daß solche nicht
etwan heimblich verpartirt oder muthwillig verderbet werden,
alßo auch sonderlich die Anstalten zu verfügen wißen, daß jähr- •
i Roll etc., S. 48—52. Gedruckt bei F. C. Heitz, Das Zunftwesen
in Strassburg, S. 137.
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■
lieh die Visitation dießer Gewehr nach Anleitung deß von dem
Zunfftmeister und t Schreiber verfertigten Büchleins vorgenommen,
die Aenderung altobalden beygeschrieben, darüber ein orden-
liche Gewehrrechnung verfertigt und selbige nebenst der übrigen
Rechnung bey den Zunfften vorgelegt undt abgehöret, wie in-
gleichem dem newen Zunfftmeister jeweilen von dem abgehenden
ein Exemplar solcher Rechnung, umb sich bey der Visitation
darnach haben zu richten, wie nicht weniger gemeiner Statt
Zeügwarthen eines zu seiner nothwendigen Nachricht geliffert
undt zugestellt werde, darnach sie sich dann zu richten.
Decretum Sambstags den '23. Septembris Anno 1665.
VIII.
Den 8 Kompagnien zu Fuss wurden im Jahre 1665
noch 2 Kompagnien zu Pferd hinzugefügt, über deren
Einrichtung und Zusammensetzung folgende Stammrolle
Aufschluss gibt.
Roll 1
über die zwo Compagnien zu Pferdt, so in Anno 1665 auffge-
richtet worden.
0 b r i s t e n :
1665. Herr Johann Philipp Mülb* XVer undt in Anno 1668
XHIer.
Obristleütenant:
1665. Herr Balthasar Kraut XXIer.
1668. Herr Franciscus Reilteilten XXIer undt in Anno 1669
XVer.
Erste Compagnie zu Pfordt.
Rittmeister:
1665. Herr Hannß Friderich Würtz.
Leütenant:
1665. Herr Peter de Bari.
> Holl etc.. S. 195—276.
2 Mülb wurde 1664 Oberst der Kompagnien zu Fuss, wie es oben
S. 8, verzeichnet ist. Dies stimmt nicht ganz zu der Anmerkung 3
von R. Reuss, Aufzeichnungen, S. 69.
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— 27 -
Corne t;
1665. Herr Johann Wencker. *
1668. Herr Jacob Spielmann.
Quartirmeister:
1(365. Herr Georg Christoph Raff.
Fahnen junckherr:
1665. Herr Johann Philipps Henrici.
Corporalen:
1665. Herr Hannß Georg Fleckh.
1665. Herr Balthasar Krauß. •
1665. Herr Anthoni Schmidt.
Trompeter. .
Reuter:
Herrmann Kempffer.
Georg Langrötiger.
Johann Kirtzel.
Wolff Lachmann.
Hannß Daniel Franckh.
Herr Johann Philipp Heüß.
Hannß Philipp Helling.
Peter Aßfalckh.
Hannß Thoma Walter.
Hannß Peter Vesu.
Abraham Hannß, Metziger.
Jacob Frantz, Wurth zum Hirtzen.
Wilhelm Göbel.
Hannß Heinrich Eyßer.
Hannß Carle Krauß.
Eberhardt Lefer.
Hannß Jacob Scholl.
Hannß Adam Göll.
Johannes Göll.
Hannß Friderich Hannß, Metziger.
i Gestorben am 28. Aug. 1666, Sohn des Ammeisters Johann
Wencker. Vergl. L. Dacheux, Les chroniques Strasbourgeoises de
Jacques Trausch et de Jean Wencker. 1892.
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Friderich Heßner, Würth zum Bern.
Heinrich Bernhard von Botzheim.
Nicolaus Herpff.
Hannß Wilhelm Reichardt.
Friderich Rulandt.
Josias Andres.
Hannß Carlen Eyßer.
Johannes Bleyhardt.
Hannß Georg Ammerbach.
Hannß Jacob Kamm.
Johannes Newbawer.
Philipp Würdt.
Johann Bournier.
Jacob Göll, Würth zur Kandten.
Hannß Joachim Haubenstrickher.
Hannß Philipp Wittich.
Joseph Schöny.
Michael Otto.
Martin Heim.
Mathaeus Hermann.
Lorentz Moßeter.
Hannß Georg Aßfalckh.
Abraham Greichel.
Carle Schodler.
Carle Klein.
Caspar Wirbel.
Jacob Wetzel.
Johann Bittlinger.
Christoph Störr.
Philipps Klein.
Simon Heim.
Johann Carle Schneider.
Johann Christoph Erst.
Friderich Burger.
Simon Matz.
Andreas Sarburger.
Heinrich Rohrmann.
Claus Kuntz.
Samuel Zeyßer.
Hannß Jacob Höpting.
— 29 —
Friderich Koch.
Friderich Ehewaldt.
Georg Pickh zum Beeren.
Da Gott vor sey, wann ein Schall oder Fewrsbrunst solle ent-
stehen, seind zu folgenden Herren verordnet, alß
Regierenden Herrn Stättmeister:
Carle Krauß.
Johann Bournier.
Herrn Ammeister Reichshoffer:
Herrn Ammeister Dieterich:
Herr Abraham Hannß, Metziger.
Abraham Greichel.
H e r rn A m m e i s t e r Jundt:
Herr Hannß Jacob Frantz.
Wilhelm Göbel.
Herrn XIHer Wencker:
Hannß Peter Vesu.
Eberhardt Lefer.
(Herrn Obristen.
'Herrn O.b r i s t l e ü te n a n t.
Die zweyte Compagnie zu Pf er dt.
Rittmeister:
1665. Claus Conradt Schach.
Leütenunt:
1665. Herr Johann Wolffgang Heßler.
Com et:
1665. Herr Johann Reißhoffer.i
1 Die Reiterfahne oder Standarte Jobann Richshoffers, welche auf
der Vorderseite das Richshoffer'sche Familien wappen und auf der
Rückseite das Strassburger Wappen trägt, befindet sich heute im
Besitz des Herrn Richshoffer in Schiltigheim. Die gekerbte Fahnen-
stange ist 3,08 m lang (Vergl. Katalog der Ausstellung von Kunst
und Altertum in Elsass-Lothringen, Nr. 886, S. 100, Strassburg, 1895,
und Lithographie in Le Mirliton, Strassburg, Nr. 6 vom 1. Juni 1883.)
Das Fahnentuch von weisser Seide dürfte etwa einen Quadratmeter
gross sein.
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— 30 -
Quartirmeister:
1665. Herr Jacob Eckel.
Fahnenjunck herr:
1665. Herr Daniel Schoner.
Gorporalen:
1665. Herr Dieboldt von Friedelsheim der Jünger.
1065. Herr Hannß von Borsch.
1665. Martin Kauffer.
Feldtbarbirer:
Philipp Meßerschmidt.
Trompeter.
Reütter:
Dieboldt Schell der Jünger.
Hannß Riehl, Jacob Sohn.
Beat Drenß der Jünger.
Caspar Walter.
Abraham von Fridelßheim, Jacobs Sohn.
Bastian Rinckh.
Lorentz Wunter, Eliae Sohn.
Hannß Kley.
Abraham von Fridelßheim, Abrahams Sohn.
Jacob Schott.
Andreas Lux.
Dieboldt Lux.
Hannß Nußmann.
Dieboldt Schell, Hannßen Sohn.
Beat Drenß, Beaten Sohn.
Hannß Georg Stenger.
Hannß Georg Werner.
Hannß Higel.
Lorentz Riehl.
Paulus Heidel.
Michael von Borsch.
David Küentzen Sohn.
David Voltzen Sohn.
Wölfl Hückh.
Dieboldt Schott.
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- 31 —
David Hohe.
HannP Klein.
Samuel Syfredt.
HannP Fiecht.
HannP Adolph Hüeber.
Dieboldt Metschell.
Dieboldt Scheer.
HannP Klingen Sohn.
HannP Meyger.
HannP Voltz.
HannP David Deinbach.
HannP Vix.
, Frantz Graff.
HannP Nartz.
Jacob Reibeil.
Dieboldt Judt.
Andreas Ohl.
Lorentz Hammer.
Andreas Reibell.
HannP von FriedelPheim, HannPen Sohn.
Dieboldt von FriedelPheim, HannPen Sohn.
Marten Marten.
Jacob Brülinger.
Herrn Georg Luxen Knecht.
Daniel Buxbaum.
Jacob Buxbaum.
Dieboldt Schuster.
Andreas Schuster.
Da Gott vor sey, wann ein Schall oder Feürsbrunst solte
entstehen, seind die folgenden Herren verordnet, alP :
Regierenden Herrn S t ä 1 1 m e i s t e r :
HannP Rhiel.
Herrn Ammeister Eggen:»
Dieboldt Scheell.
Andreas Lux.
» Karl Ejrercn, geboren 1602, wurde Ratsherr 1655, XXI. 1656,
XV. 1657, XIII. 1660, Ammeiater 1662 und starb 1674.
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Herrn Ammeister Brackhenhoffer:"
•
Martin KaufTer.
Hannß Hägiii.
Herrn Xlller Kügler:
Hannß Klein.
Abraham von Friedelsheim, Abrahams Sohn.
Herrn Obristen:
Dieboldl Metschell.
Michael von Börsen.
Herru Obristleütenant:
Abraham von Friedelsheim, Jacobs Sohn.
Beat Drenß.
Die feierliche Nagelung und Uebergabe der Standarten
fand am 2. Juni 1665 und die erste Parade der beiden
Reiterkompagnien am 7. Juni statt. Hierüber lesen wir
in der Chronik des Ammeisters Franciscus Reisseissen : *
«Den 2. Juni hat man die Standarten von den zwei aufge-
richteten bürgerlichen Compagnien zu Pferd auf dem Zeughof
angeschlagen im Beisein fast aller Herren des Regiments. Seind
die Officiers Herr XV. Mülb Obrister, Herr XXI. Kraut Obrist-
leutnant, Herr Ratsherr Schach Rittmeister, dessen Leutnant
Herr Ratsherr Hessler, Cornet Herr Johann Reisshoffer. Von
der andern Compagnie Herr Ratsherr Würtz Rittmeister, Herr
Peter de Barri Leutnant, Herr Johann Wencker Cornet. Es
waren die Gorneten von Gold und Silber gestikt : auf der
Reisshoflers auf einer Seite der Stadt Schild, auf der andern
ein Arm aus den Wolken, so ein Schwert in der Hand, welches
Schwert durch eine goldene Krone geht. Herrn Wenckers
Cornet hatte auf einer Seite auch der Stadt Schild, auf der
andern ein Pferd, darauf ein Mann mit einem Säbel. 3 Waren
auf beiden Corneten der Cornetträger Wappen und auf dem
1 Andreas Brackenhofer, geboren 1617. wurde XV. 1654, Ammeister
1658, XIII. 1659 und starb 1679.
2 Rod. Reuss, Strassburgische Chronik 1657—1677, S. 59—61.
5 Der Herausgeber der Chronik scheint sich hier verlesen zu haben.
Statt Säbel hat sein Druck Seckl. Im Original dürfte Sebel oder
Säbel stehen.
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- 33 —
ersten: Pro religione et patria, auf dem andern: In utrumque
paratus. Und ehe man sie angeschlagen, haben Herr Ohrisler
und Obristleutnant die Ursachen, warum man zusammenge-
kommen, angezeigt, worauf regierende Herren Statt- und Am-
meister die ersten Nägel angeschlagen, denen gefolgt die Ober-
Zeugherren, darauf die Ober-Wachtherren und übrige Herren
des Regiments, vor welchen letzteren gleichwohl die vornehmsten
Officiers von beiden Compagnien, nach den Regimentsherren die
gemeinen Soldaten, so da gewesen, in beiden Compagnien, und
letztlich andere gute Freunde, worunter ich auch gewesen. Nach-
dem die Standarten angeschlagen gewesen , haben solche die
Rittmeister prtesentirt und seind darauf nach Haus geritten.
Auf den Abend haben die Herren XIII. benebenst den vor-
nehmslen Officieren eine stattliche Mahlzeil auf dem Zeughof
gethan.
Den 7. huius seind die zwei Compagnien zu Pferd und acht
Compagnien junge Mannschaft dem Herrrt Obristen und Obrist-
leutnant vor dem Wickhäusel pra?sentirt • worden. Kamen
morgens um 5 Uhr auf dem Barfüsserplatz zusammen und
marschirten um 6 Uhr zum Metzgerthor hinaus. War der Obrist
zu Pferd, der Obristleutnant aber in der Stadt zu Fuss ; Hessen
die hohen Officiers ihnen» Handpferde vorführen und waren
sämtlich wohl montirt. Die Präsentation geschah von den
Ober-Zeugherren, und wurde der Vortrag von Herrn Johann
Ulrich Frid* gethan, worauf sie dreimal Salven gegeben; und
seind sie um 11 Uhr wiederum in die Stadt marschirt. Gott
gebe, dass man ihrer in Ernst nicht bedarf!»
An diese Kompagnien trat der Ernst des Krieges nicht
mehr heran, trotzdem die Stadt selbst ihrem Schicksale
unrettbar entgegeneilte. Nach Ausbrach des holländischen
Krieges {1672 — 1678) gingen die Franzosen mit Gewalt
vor. Von Breisach aus Hess Conde am 14. Nov. 1672
acht Schiffe den Rhein hinabfahren und die Rheinbrücke
bei Kehl in Rrand stecken.
1 d. h. sich.
2 War seit 1656 Registrator auf der Kanzlei und folgte im Jahre
1667 als ätadtsyndicus seinem Bruder Johann Jacob Frid. Er
starb 1678.
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- 34 -
IX.
Bei diesen drohenden Anzeichen sah sich der Magistrat
veranlasst, eine neue Geschell- und Wachtordnung zu
verkünden» die Zahl der Soldaten auf 1500 zu erhöhen
und, da kein Mangel an Mannschaft vorhanden war, den
Zünften eine bessere militärische Organisation zu geben.
Die fünf alten Quartierkompagnien, welche die Wachen
auf den Stadlmauern zu beziehen hatten, wurden verdrei-
facht, d. h. statt einer erhielt jedes Quartier drei Kom-
pagnien, indem jedem der drei Quartiermeister, die früher
einer jeden der fünf Kompagnien angehörten, eine be-
sondere Kompagnie unterstellt wurde. Diese fünfzehn
neuen Kompagnien wurden auch mit neuen Quartier-
fahnen versehen. 1 .
Das erste Quartier mit den blauen Fahnen begriff das
Schnakenloch, den St. Johanneswall und das Bollwerk
Luginsland, also von der III vor den gedeckten Brücken
bis gegen das alte Weissturm thor.
Der Spruch lautete auf der Fahne :
Mit der Lilie :
Erubescant et conturbentur inimici nostri.
[Zu Schanden und zerstreut mögen werden unsere Feinde.]
Mit der Rose:
Non sine vulnere franges.
[Nicht ohne Wunde wirst du sie brechen.]
*
Mit der Sonnenblume :
Mit Gott wollen wier Tahten thuen.
Das zweite Quartier mit den roten Fahnen erstreckte
sich von dem Weissenturm über das Heidenbollwerk bis
zum Kronenburgerthor.
1 F. C. Heitz, Das Zunftwesen in Strassburg, S. 135—136.
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— 35 —
Auf den Fahnen stand :
Mit der Lilie :
Coaserva Christe nilorem,
[Bewatre, Christos, ^v^Jj Glanz]
Mit der Rose :
Fortes adjuvat ipse Deus.
[Den Tapferen hilft anch Gott.]
Mit der Sonnenblume :
Wier achten nicht der Feinde Wuht,
Gott ist ja vnPer Schutz vndt Huth.
Dem dritten Quartier mit den grünen Fahnen war der
Wall vom Roseneek-Bollwerk über den Kirschgarten oder
das Judenbollwerk bis zum Sack oder Turin im Sack,
d. h. etwa von der Finkmalte bis über das Judenthor,
anvertraut.
Die grünen Fahnen führten folgende Sprüche :
Mit der Lilie :
Gott gibt den Sieg in defen Handt,
Der mannlich streit fürs Vatterlandt.
Mit der Rose:
Quisquis pro patria moritur, vivere incipit.
[Wer fürs Vaterland stirbt, fängt an zn leben.]
Mit der Son Benblume :
Pugnate, ne iis serviatis.
[Kämpfet, dass ihr nicht ihnen dienet.]
Das vierte Quartier mit den gelben Fahnen umfasste
das Fischerthor, den Giesswall und den Curtenwall.
Die gelbe Fahne mit der Lilie hatte die Inschrift:
Vertraue nur Gott,
Es halt kein Noth.
Mit der Rose:
Delectat, sed pungit.
[Sie gefällt, aber sticht.]
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— 36 -
Mit der Sonnenblume :
Expecta Dominum, age viriliter.
[Vertraue auf den Herrn und handle männlich.]
[oder: Dem Herrn vertrau', fest um dich hau'.]
Das fünfte und letzte Quartier mit den weissen Fahnen
hatte den Wall vom Metzgerthor über das Spitalbollwerk
und um das Elisabethbollwerk zu besetzen.
Auf dessen Fahnen waren die Worte zu lesen :
Mit der Lilie:
Si non nobis, saltem posteris.
[Wenn nicht für uns, doch für unsere Nachkommen.]
Mit der Rose:
Aculeata est, hanc tu rescindere cave.
[Sie hat Dörner, hüte dich, sie zu pflücken.]
Mit der Sonnenblume:
Was förchten wier,
Gott ist allhier.
Ausser diesen Quarlierkompagnien waren noch 23 Bür-
gerkompagnien gebildet worden, die ihre Lärm- oder
Sammelplätze in der Stadt selbst hatten und vielleicht
noch teilweise die alte Zunftorganisation beibehielten
Denn für die anderen Kompagnien konnte die alte Ein-
richtung nicht mehr aufrecht erhalten werden, da, wie
der Magistrat sich ausdrückt, «nicht allein durch das un-
ordentliche Hin- und Widerlaufen in der Stadt viel und
grosse Gonfusiones erweckt» werden, sondern auch die
Gleichheit aller Bürger und Schirmverwandte bei dem
Wachtdienst schwer beeinträchtigt werde.
Für diese Bürgerkompagnien wurden auch 23 neue
Fahnen beschafft, deren Kosten sich für die Stadt auf
589 Gulden 6 Schillinge und 9 Pfennige beliefen.
Diese Fahnen halten folgende Symbole und Mutsprüche : 1
1 F. C. Heitz, Das Zunftwesen in Strassburg, S. 132—134. Rod.
Reuss, Strassb. Chronik 1667—1710, S. 37.
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- 37 -
1. Die Fahne vor der Pfalz [Gutenbergplatz] :
Greifft muthig zur Wehr,
Fürs Vatterlandts Ehr.
2. St. Thomasplan :
Dapffer, muthig, frisch daran,
Gott ist rnitl vns auff dem Plan.
3. ßarfüsserplalz [Kleberplatz] , Fahne mit der Sonne :
Te lucente calescimus.
[Deine Strahlen wärmen uns.]
4. ßarfüsserplalz, Fahne mit dem Mond:
Noctescere nequit.
[Er will nicht, dass es Nacht werde.]
5. ßarfüsserplalz, Fahne mit den Sternen :
His bellatoribus occumbet Sissera.
[Solchen Streitern wird Sissera unterliegen.]
6. Münsterplalz, 1. Kompagnie beim Salzhaus:
Ihr Brüder faßt ein Heldenmuth,
Es gilt die Freyheit, Haab vnd Guth.
7. Münsterplalz, 2. Kompagnie bei St. Lorenz :
Viel lieber gestritten und ehrlich gestorben,
Alß Freyheit verloren und Seele verdorben.
8. Münsterplalz, 3. Kompagnie am Fronhof:
Gottes Ehr, das höchste Gulh,
Retten wier mit vnPrem Bluth.
9. Münsterplatz, 4. Kompagnie auf dem Kirschenmarkt :
Gute Sach, gerechte Waffen,
Können Sieg vnd Rettung schaffen.
10. Münsterplalz. 5. Kompagnie bei der grossen Kirchen-
thür :
Quid non pro religione!
[Alles für die Religion.]
11. Speyerthor [Brücke bei der Sl. Jolianneskirche] :
Libertatem sanguine redimere honeslum.
[Ehrenvoll ist es, die Freiheit mit Blut zu erkämpfen.]
»
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—"■ 3© — ~
12. Rossmarkt [Broglieplalz] :
Aut viocere aut raori.
[Siegen oder Sterben.]
13. Jung St. Peter, Fahne mit dem Stern :
Der Stern aus Jacob hüett vndt wacht,
Dass vhs nicht schad der Feinde Macht.
14. Stephansplan :
MUitemus !
[Lasst uns kämpfen!]
15. Weissenturm:
Wier werffen auff, Herr, dein Panier,
Streit du für uns, so siegen wir.
16. KFonenburg :
Libertas potior vita.
[Freiheit ist besser als Leben.]
17. Steinslrasse :
Des Höchsten Schutz,
Der Feindte Trutz.
18. Judenthor:
Dissipentur inimici.
[Zerstreut mögen unsre Feinde werden.]
19. Fischerthor:
Tuis, Jehova, auspiciis.
[Unter deinem Schutze, Jehova.]
20. Neuthor [hinter der Krutenau, etwa bei der Citadellen
allee], Fahne mit der Rose :
Wilst du diße Rooßen brechen,
Müflen dich die Dornen stechen.
21. Metzgerthor:
Unverzagt,
Frisch gewagt.
22. Spitalthor:
Victoriae praemium libertas.
[Des Sieges Preis ist Freiheit.]
23. Elisabethenthor [Ende der St. Elisabethengass«'] :
Bona causa repulsae nescia.
[Gates Recht geht nicht schlecht.]
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— 39 -
Eine jede dieser Kompagnien zählte einen Obmann,
einen Kapitän, einen Leutnant, einen Ober- und Unter-
fähnrich, zwei Sergeanten, zwei oder drei Korporale, die
nötigen Rottmeister und zwei Trommler.
*
x.
Wie bereits angedeutet, musste bei dieser neuen mili-
tärischen Organisation der Bürgerschaft die Aufstellung
nach Zünften, wie sie früher massgebend war, wegen
ihrer Schwerfälligkeit aufgegeben werden, da die Zünftigen
in der ganzen Stadt durcheinander wohnten und uicht aus-
schliesslich auf gewisse Viertel angewiesen waren. Nach
der neuen Wachtordnung 1 von 1672 hatten die Bürger-
Kompagnien ausser in Kriegsgefahr auch bei Feuers-
brünsten und zu Mess- oder Jahrmarktzeiten zusammen
zu treten. Besonders geschulte Leute waren zur Bedienung
der so berühmten Slrassburger Artillerie bestimmt, grade
wie einzelne Rotten der Kompagnien bei Schadenfeuern
ihre speziellen Verrichtungen und Posten hatten. Das
alte Herkommen sollte nur noch in Geltung bleiben in
der Kurnacht, am Schwörtag, bei der Ratspredigt und
der Umfahrt des regierenden Ammeisters, wo man den
Zünften bei der Aufstellung der Schutz- und Ehrenwachen
freie Hand liess. Diese bei solchen festlichen Anlässen
aufzunehmenden Bürgerpflichten gehörten mehr zu den
angenehmen, während dies von dem seit Ende des 16.
Jahrhunderts zu leistenden Sicherheits- und Kriegsdienst
nicht gesagt werden konnte.
Eine schwere Fron war die ordentliche regelmässige
Nachtwacht, zu welcher alle Bürger verbunden waren.
Diese sogenannte Ordinari- Wacht, deren Teilnehmer, die
' Der Statt Straßburg Wacht-Ordnungen. Anno MDC.LXXII. Ein
Heft, 60 Bll. 2°; Auszug davon bei F. C. Hcitz, Das Zunftwesen in
8trassburg, S. 126—128.
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— 40 -
sogenannten Ordinari-Jahrwächler, für ein ganzes Jahr be-
zeichnet wurden, traf jeden Wächter jede zehnte Nacht.
Zu dieser Nachtwache wurde kompagnieweise ange-
treten. Jeder Wächter hatte sich vor Läuten der Thor-
glocke mit seinem Seitengewehr und seiner Muskete, und
nicht mit einem Füsil oder ßürstbüchse, auf dem für
seine Kompagnie bestimmten Lärm- oder Sammelplatz
einzustellen. Mitbringen musste er noch ein halbes Pfund
Pulver, zwölf gute Palronen oder zwölf Kugeln und drei
Ellen Lunte. War er aus wichtigen Ursachen verhin-
dert zu kornmeu, wie krankheitshalber oder wegen vor-
zunehmender Reise, so durfte er statt seiner einen Stell-
vertreter oder sogenannten Spötter schicken. Auf dem
Sammelplatz wurde dann um die verschiedenen Posten
und Stunden gelost und gleich nachher die Wachen be-
zogen.
Diese wurden stündlich von den Offizieren abgelöst und
öfters revidiert, was auch von den Herren des Magistrats
vor Mitternacht und von den Schöffen nach Mitternacht,
so es nötig erschien, gethan werden konnte.
Die Schildwache sollte, wie man zu sagen pflegte, «das
eine Ohr in das Feld, das andere in die Stadt gerichtet
haben». Sie musste an der in jedem Schilderhause hän-
genden Wachtglocke die Stunden nachschlagen, nachdem
der Wächter auf dem Metzgerthorturm bereits den Anfang
damit gemacht hatte.
Die in dem Wachtlokal gebliebenen Wächter rausslen
bei jeder kommenden Runde, und wann die Schelle au-
gezogen wurde, heraustreten, sich in Reihe und Glied
stellen und das Gewehr präsentieren. Waren sie sonst
frei, so durften sie sich, ohne sich auszukleiden, zum
Schlafen niederlegen mit Ausnahme von wenigstens zweien,
die wach bleiben sollten. Zudem war ihnen «alles Dispu-
tieren von der Religion», sowie das Tabakirinken oder
Rauchen verboten. Seinen Ungehorsam in diesem Falle
büssle der Bürger mit 30 Schillingen, während der Kriegs-.
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knecht oder Soldat zur Strafe zwei Stunden auf den Esel
kam. Auch Zechen und Zehre» war untersagt, sowie
das Einlassen oder Aufnehmen von Manns- oder Weibs-
personen. Mit dem Holz, den Lichtern und dem Oel
für die Lampen sollte sparsam umgegangen werden ; auch
war Sorge dafür zu tragen, dass kein Lichtschimmer
durch die Läden und Fenster nach aussen dringen konnte.
Ganz besonders war ihnen anbefohlen, weder Pulver noch
Kanonenkugeln von den Wällen mit sich nach Hause zu
nehmen, aucli von den Dächern der Wacht- und Schilder-
häuser kein Blei, Kupfer oder Eisen zu brechen, noch
auch deren Läden, Fenster und Thüren zum Wärmen der
Stuben zu gebrauchen. Mit den Soldaten sollten sie sich
friedlich und freundlich vertragen und deren Offizieren
wie den eigenen gehorsam sein. Zur Vermeidung jedes
Rangstreites waren die Ehrenleistungen und Honneurs
zwischen den Offizieren der verschiedenen Truppen und
zwische^ diesen und den Herren vom Sladtregiment ge-
nau geregelt.
Am Morgen endlich nach dem Läuten der Thorglocke
stellte sich die Wächter-Kompagnie am Thore wieder auf,
wartete aber bis nach dem Soldatenappell und dem Oeffhen
des Thores, um dann erst wieder nach Hause zu gehen.
Im Laufe des Tages hatte endlich jeder abtretende Wäch-
ter seinen für die folgende Nacht bestimmten Genossen
auf seine Wachtpfiicht aufmerksam zu machen.
Da die gesamte Bürgerwehr immer schlägfertig erhalten
werden sollte, wurde «das Exerciren und sogenannte
Trillen» von Zeit zu Zeit mit zwei oder drei Kompagnien
vorgenommen.
Um jede Störung im Wachtdienste zu vermeiden und
alle Bürger gleichmässig zu demselben heranzuziehen,
hatte der Wachtmeister die Hauptliste aller wehr- und
wachtfähigen Bürger, Schirmverwandten und Jungmilizen
zu führen und sich deshalb in Verbindung mit den Offi-
zieren zu Selzen, da jeder Kapitän, Quartiermeister, Leul-
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- 42 -
nant oder Fähnrich eine besondere Stammrolle über die
in seinem Quartier wohnenden Mannschaften zu verfer-
tigen hatte. Verzog ein Wächter von einem Quartier in
das andere, so hatte er sich alsbald bei dem Offizier
seines neuen Quartiers anzumelden und ihm einen Ab-
meldungsschein von der alten Ktompagnie zu bringen ;
falls er zu den Wallkompagnien gehörte, musste er dies
noch dem Zeugwart anzeigen. Jedes Vierteljahr waren
diese Stammlisten zu revidieren.
Es fehlte der Bürgerschaft im 17. Jahrhundert wahr-
lich niemals die Gelegenheit, ihre Geduld und Ausdauer,
sowie ihren Opfersinn zu erproben. Die Aufregungen des
bischöflichen Krieges (1592—1604), des Jülich-Klevischen
Erbfolgekrieges (1609—1614), des 30jährigen Krieges
(1618 — 16i8) r der französischen Annektierung des Elsass
und des holländischen Krieges' (1672—1678), brachten
Sirassburg schwere Verluste und Hessen es zu keiner
Ruhe mehr kommen.
Zu dem gewöhnlichen Wachtdienst, der bereits eine
schwerlastende Fron war, kam nur zu oft noch die so-
genannte Extraordinari- Wacht, wie sie in Feuers- und
Kriegsnot geboten war. Sie musste antreten teils an
den erforderlichen Stellen in der Stadt, teils auf ihren
Sammelplätzen und auf den Wällen, wann die Feuer-
zeichen oder die Sturmglocken ertönten.
Die Feuerzeichen bestanden 1. in dem gewöhnlichen
Feuerioschreien der Wächter auf dem Münster, 2. dem
Anziehen aller Wachtglocken auf den Wällen, 3. dem
Läuten der beiden Feuerglocken auf dem Münster und
endlich 4. dem Stürmen mit der grossen Münsterglocke, was
jedoch nur auf besonderen Befehl des regierenden Am-
meisters zu geschehen hatte.
Rückte hingegen der Feind vor die Siadt oder entstand
in der Stadt selbst ein Geschelle oder Auflauf, so wurde
das Sturm- oder Mordzeichen gegeben, was auf verschie-
dene Weise bewerkstelligt werden konnte: 1. Durch
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— 43 -
Lösung von Schüssen auf den Warten und Bollwerken
um die Stadt, 2. durch Schiessen auf den Wällen mit
Musketen und Doppelhaken, 3. durch Anziehen der Wacht-
glöcklein, 4. des Nachts durch Anzünden der Schwefel-
pfannen auf dem Müusterturm und auf der Sladtmauei ,
sowie der Feuerzeichen auf den Türmen der dem Tumulte
am nächsten gelegenen Kirchen , und des Tags durch
Ausstecken einer oder zweier roter Fahnen auf dem
Münster, 5. durch Läuten der Glocken auf den nächsten
Kirchen, 6. durch Stürmen mit den Thorglocken und
7. durch Läuten der sogenannten Mordglocke.
In früheren Zeilen ritten die Magislratsherren bei diesen
Gelegenheiten selbst in der Stadt herum, um ihre Anord-
nungen zu treffen und die nötigen Befehle zu erteilen, seit
dem Jahre 1672 aber blieben sie in der Pfalz und sandten
nur zwei Delegierte aus der XIII. Stube aus, Erkundigun-
gen einzuzieheu. Die Obmänner gingen allein auf die
Sammelplätze zu den Bürgern, während der Meldedienst
von den Adjutanten und Ordonnanzen besorgt wurde.
'Zum letzten Male in der freien Reichsstadt ertönte am
28. Sept. 1681 um 2 Uhr morgens die Mordglocke und rief
die Bürgerschaft zur Wehr gegen den Feind. Sie läulele
der städtischen Unabhängigkeit zu Grabe. Die Franzosen
rückten heran und besetzten die Zollschanzen zwischen
Rhein und III. Ihrem Vorgehen konnte kein Einhalt mehr
geboten werden. Aus Furcht vor der katholischen Reaktion
hatte Strassburg einst mit den Schweden ^egen Kaiser
und Reich gemeinsame Sache gemacht. Dieser für das
ganze Elsass verhängnisvolle Bund sollte auch für Strass-
burg unerwartete und unerwünschte Folgen haben. Die
einseitig konfessionelle Politik des Magistrais endigte,
aller Hilfe bar, notgedrungen in der so denkwürdigen
Kapitulation vom 30. September 1681.
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Personenverzeiohnis.
Ammerbach Hans Georg- 28.
Ammia Nicolaus 10.
Andres Jonas von Fessenheim 13.
Andres Josias 28
Arnold Lorenz 19.
Aßfalck Hans Georg 28
Aßfalck Peter 27.
Awcncn Hans Georg von 16.
Bari Peter de 20. 32.
Bechtoldt Hans Diebold 19.
Berger Hieronymus 17.
Berion Samuel 18.
Bernhard Heinrich 28.
Beza Rudolf 7, 10.
Bittlinger Johann 28.
Bitto Daniel 17.
Bleyhardt Johann 28.
Borsch Hans von 30.
Borsch Äfichael von 30, 32.
Borst Jacob 12.
Bournier Johann 28, 29.
Brackenhoffer Andreas 32.
Brotfisch Georg 18.
Brulinger Jacob 31.
Brün Georg }«.
Buckel Hans Martin 19.
Burger Friedrich 28.
Büttner Hans Georg 17, 18.
Buxbaum Daniel 31.
Buxbaum Jacob 31.
Capeller Andreas 12
Ohuon Franz 11.
Dautel Hans Martin 10.
Decimator Johann 19.
Deinbach Hans David 31.
Diefenbach Caspar 12.
. Dieterlin Wendling 18.
Dietrich Dominicus 29.
Dolhopff Georg Andreas IS.
Drenß Beat 30, 32.
Drenß Beat 30.
Durninger lf>.
Ebinger Sebastian 19.
Eckel Jacob 30.
Edom Johann 11.
Eggen Karl 31.
Ehewald Friedrich 29.
Ehrhard Johann Jacob 8, 9. 18.
Ehrhard Philipp Jacob 7, 18.
Erst Johann Christoph 28.
Evsser Hans Heinrich 27.
Eysser Hans Karl 28.
Fecher Johann Baptist 17, 18.
Fehrler Johann 11.
Ficcht Hans 31.
Fiesscl Daniel 10.
Fleck Hans Georg 27.
Franck Hans Daniel 27.
Franckenbcrger 18.
Frantz Jacob 27, 29.
Frid Johann Jacob 33.
Frid Johann Ulrich 33
Fridt Hans Michel 12.
Friedelsheim Abraham von 30, 32.
Friedelsheim Abraham von 30, 32
Friedelsheim Diebold von 30.
Friedelsheim Diebold von 31.
Friedelsheim Hans von 31.
Fröreißen Hans Jacob 10.
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— 45 -
Fröreißen Johann Leonh. 9, 10, 15.
Funck Johann 13.
Füssel Anton 12.
Gambs Jacob Sebastian 1H.
GanP Hans 14.
Ganß Hans Georg 11.
Gessensohn Hans Karl 15.
Gießbrecht Hans Martin 11.
Gionet Paul 17.
Glock Hans Georg 14.
Göbel Wilhelm 27, 29.
Göll Hans Adam 27.
Göll Jacob 28.
Göll Johann 27.
Göll Mathis 14.
Goltz Johann Adam 13.
Gouschard Franz Rudolf 6, 13.
Graff Franz 31.
Grasser Caspar 12.
Greichel Abraham 28, 29.
Grünwald Wolfgang 14.
Günther Lorenz 7, IG.
Güntzer Hans Theobald 6, 10.
Gumprecht Johann 10.
Habrecht Abraham 6, 12.
Habrecht Daniel 12.
Habrecht Isaac 12.
Haffner Philipp IC.
Hagmeyer Hans Philipp 17.
Hammer Lorenz 31.
Hanser Hans 15.
Hanß Abraham 27, 29.
Hanß Hans Friedrich 27.
Haubenstricker Hans Joachim 28.
Hebner Hans Georg 12.
Heck Melchior 15.
Heidel Paul 30.
Heim Martin 28.
Heim Simon 28.
Heibeck Hans Georg 17.
Helling Hans Philipp 27.
Heiwig Paul 18.
Henrici Johann Philipp 27.
Hermann Mattheus 28.
Herpff Nicolaus 28.
Heßler Johann Wolfgang 29, 32.
Heßner Friedrich 28.
Heuß Johann Philipp 27.
Hever Johann 31ichel 13.
Higel Hans 30, 32.
1 Hirsch Hans Jacob 12.
Hoffmann Jacob 12.
: Hohe David 31.
Hohe Diebold 13.
Holtzschuch Hans Georg 19.
Höpting Hans Jacob 28.
Hück Wolf 30.
Hueber Hans Adolf 31.
Hünerer Hans Adam 14.
Hünerer Hans Adam 14.
Huth Johann Conrad 11.
Hypolitus Johann 15.
Ihringer Johann Jakob 13.
Judt Diebold 31.
Jundt Nicolaus 29.
Kamm Hans Jacob 28.
; Käß Michael 15, 16.
i Kauffer Martin 30, 32.
, Keck Michel 19.
Kempffer Herrmann 27.
Kessler Hans Karl 15.
Kessler Johann 15.
Kips 15.
Kirtzel Johann 27.
Klein Hans 31, 32.
Klein Karl 28.
Klein Philipp 28.
Kley Hans 30.
Kling Hans 31.
Kniebs Mattheus G, 10.
Koch Friedrich 29.
König Johann Franz 13.
König Martin Andreas 8, 9, 10.
König Martin Andreas G, 10.
Königen Jacob 18.
, Kornmann Johann 13.
Krauss Balthasar 27.
Krauss Hans Karl 27, 29.
Kraut Balthasar 9, 10, 2G, 32.
Krcss Johann 13.
Kuentz David 30.
Küffel Hans Jacob 11
Küffel Philipp 11.
Kuntz Claus 28.
Küstner Theobald 14.
Lachmanu Wolf 27.
Lamprecht Hans 11.
Langrötiger Georg 27.
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— 46 —
Lefer Eberhard 27, 29.
Leficr Daniel 10.
Lerse Philipp 19.
Leydecker Albert 11.
Lobstein Hans 15.
Lützenburgrer Nicolaus 15.
Lux Andreas 30, 31.
Lux Diebold 30.
Lux Georg 31.
Marbach Paul Friedrich 14.
Marten Marten 31.
Matz Simon 28.
Merckel Philipp 16.
Messerschmidt Philipp 30.
Metscher Diebold 31, 32.
Meyer Friedrich 16.
Meyer Lorenz 19, 31.
Meyger Hans 31.
Mock Johann 17
Mockel Christoph Jacob 19.
Montfort Hans Peter 19.
Mosseter Lorenz 28.
Mülb Johann Philipp 8, 9, 26, 32.
Nägelin Diebold 12.
Nanz Hans 31.
Neff Karl 19.
Neubauer Johann 28.
Nussmann Hans 30.
Ohl Andreas 31.
Otto Michael 28.
Pauli Simon 15.
Pick Georg 29.
Planck Hans Georg 17.
Platz Johann Paul 15.
Pressler Ernest 13.
Raff Georg Christoph 27.
Redslob Jacob 17.
Redwitz Johann Friedrich 18.
Reibel Andreas 31.
Reibet Jacob 31.
Reichardt Hans Wilhelm 28.
Reichshoffer Ambrosius 10.
Reichshoffer Daniel 14.
Reichshoffer Johann 29, 32.
Reichshoffer Johann 29.
Reimischnistel Gottfried 12.
Reinnach Daniel 14.
Reisseissen Franz 6, 8, 9, 26.
: Reisser Thoman 14.
! Riedel Georg 17.
Riehl Diebold 13.
Riehl Hans 30, 31.
Riehl Lorenz 30.
Rinck Bastian 30.
Rohrmann Heinrich 28.
Rosenzweig Hans Jacob 16.
Rosenzweig Lucas 16.
Rossa 15.
Roth Hans Michel 17.
Rothbach Hans Jacob 17.
Rothmann Lorenz 17.
Rüderer Joachim 7, 14.
Ruland Friedrich 28.
Saltzmann Johann Jacob 11.
Sandrat Jacob 14, 19.
Sarburger Andreas 28.
Schach Claus Conrad 29, 32.
Schäffer Andreas 12.
Scheer Diebold 31.
Schell Diebold 30, 31.
Schell Diebold 30.
Schimpff Hans Georg 16.
Schlachtmann Mattheus 16.
Schmidt Anton 27.
Schneider Hans Jacob 12.
Schneider Johann Karl 28.
Sehn up nagen Augustin 15, 16.
Schodler Karl 28.
Scholl Hans Jacob 27.
Schoner Daniel 30.
Schöny Joseph 28.
Schott Diebold 30.
Schott Jacob 30.
Schräg Johann Karl 15.
SchranckenmüllerHans Rudolf 11.
Schultes Johann Jacob 17.
Schuster Andreas 31.
Schuster Diebold 31.
Schweitzer Hans Michel 14.
Seboldt Michael 15.
Seppen Johann 18.
Seyffermann Hans Jacob 12.
Soderer Jacob 15.
Spielmann 15.
Spielmann Jacob 27.
Spielmann Nicolaus 19.
. Spieß Karl 10.
Städel Christoph 12.
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47
Städel Tobias 12.
Städel Tobias 12.
Steeg Rudolf 11.
Steiner Caspar 12.
Stenger Hans Georg 30
Störr Christoph 28.
Syfredt Samuel 31.
Traner Johann David 17.
Triponet Peter 13.
Uhlmann Heinrich 17.
Ulrich Hans Diebold 11.
Vesu Hans Peter 27, 29.
Vix Hans 31.
Voltz Caspar 30.
Voltz David 30.
Voltz Hans 31.
Wagner Bernhard 19.
Wagner Johann Jacob 13.
Walter Hans Thomas 27.
Waltz Balthasar 14.
Weber Conrad 18.
Weister Friedrich 12.
Wencker Johann 27, 32.
Wencker Johann 29.
Wentzel Anton 12.
Werner Hans Georg 30.
Wetzel Jacob 28.
Widt Daniel Andreas 19.
Winckler Elias 11.
Wirbel Caspar 28.
Wittich Hans Philipp 28.
Wolff Johann 10, 11.
Wunter Lorenz 30.
Würdt Philipp 28.
Würtz Johann Friedrich 10,26, 32.
Wydemann Hans Jacob 11.
Zeysser Samuel 28.
Ziegler Michael 16.
Zorn Johann Karl 8, 19
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I
Herr Haunss Theobaldt Güntzer.
(Fähnrich der L Kompagnie zu Fuss.)
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II
Herr Martin Andres König.
(Fähnrich der 1. Kompagnie zu Fuss.)
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V
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VIII
Herr Lorentz Günther.
(Fähnrich der 6. Kompagnie zu Fuss.)
!
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X
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I f *
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BEITRAGE
ZUR
LANDES- UND VOLKESKUNDE
VON
ELSASS-LOTHRINGEN
XXIX. HKFT
DER OBERELSÄSSISCHE WINTER FELDZUG 167475
UND
DAS TREFFEN BEI TÜRK HEIM.
NACH ARCHIVAMSCHEN QUELLEN BEARBEITET
VON
S-iWan' v. KORTZFLEISCH,
Oberstleutnant beim Stabe Jos Kui he>si>chen Infanterie- Regiments Xr. 62.
Mit \wei Kartenbeilagen.
STR ASSBURG
J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel)
1904.
i
Verlag von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL).
BEITRAGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE
von Elsass-Loihrlngen.
Baöd i.
1. Die deutsoh-franacö «Ische Sprachgrenze in Lothringen von
Const. This. 34 S. mit 1 Karte (1 :3U0.tJU0). 1 50
2. Ein andeohtlg geistliche Badenfahrt des hochgelehrten
Herren Thomas Murner. 66 S. Neudruck mit Erläutcrgn.. insbe-
sond. über das altdeutsche Badewesen v. Prof. Dr. E. Martin. Mit 6
Zinkätzungen nach dem Original. 2 —
3. Die Alamannensohlaoht vor Strassburg 357 n. Chr. von
Archivdirektor Dr. W. Wicgand. 4b S. mit einer Karte und einer Weg-
skizze. 1 ~~
4. Lena, Goethe und Cleophe Flbich von Strassburg. Ein urkund-
licher Kommentar zu Goethes Dichtung und Wahrheit mit einem Portrat
Araminta's in farbigem Lichtdruck und ihrem Facsimile aus dem Lenz-
Stammbuch von Dr J oh. Froitzheim. 96 S. 250
5. Die deutsch-französische Sprachgrenze im Elsas« von Dr.
Const. This. 4a S. mit Tabelle. Karte und acht Zinkätzungen. 1 50
Band II.
6 Strassburg im französischen Kriege 1G52 von Dr. A. Hol-
la ender. 68 S. , 1 50
7. Zu Strasshargs Sturm- und Drangperlode 1770 bis 76.
Von Dr. Joh. Froitzheim. 8« 'S. 2-
8. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass.
Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. I. Teil
von 1063 — 1648. 114 S. 2 —
9. Rechts- und Wirtsohafts-Verfassung dea Abteigebietes
Maursmünster wahrend des Mittelalters von Dr. Aug.
Her tz o g. 114 S. 2 —
10. Goethe und Heinrich Leopold Wagner. Ein Wort der Kritik
an unsere Goetheforscher von Dr. Joh. Froitzheim. 63 S. 150
Band III.
11. Dl« Armagnaken im Elsass. Von Dr. H. Witte. 153 S. 2 50
12. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass.
Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Nev, Kais. Oberförster. iL Teil
von 164*— 1791. 158 S. 2 50
13. General Kleber. Ein Lebensbild von Friedrich Teicher, Königl.
bayr. Hauptmann. 4* S. 1 20
14. Das Staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Loth-
ringen cum Deutschen Reiche seit dem Jahre 1B42 von
Dr. Siegfried Kitte. Mit Karte. H>3 S. 2 50
13. Deutsche und Keltoromanen in Lothringen nach der Völ-
kerwanderung. Die Entstehung des Deutschen Sprachgebietes von
Dr. Hans N. Witte. 100 S. Mit 1 Karte. 250
Band IV.
16. Der letzte Puller von Hohenburg. Ein Beitrag zur politischen
und Sittengeschichte des Elsasses und der Schweiz im 15. Jahrhundert ■)
sowie zur Genealogie des Geschlechts der Puller von Dr. H. Witte. i
IV u. 143 S. 2 50 i
17. Eine Strassburger Legende. Ein Beitrag zu den Beziehungen
Strassburg s zu Frankreich im lb. Jahrhundert von Dr. A. Hollaender.
28 S. 1 -
15. Der lateinische Dichter Johannes Fabriclus Montanus (aus
Bergheim im Elsass) 1527— 1566. Selbstbiographie in Prosa und Versen
nebst einigen Gedichten von ihm, verdeutscht von Theodor Vul-
pinus. 3i S. — 80
19. Forstgesohichtliohe Skizzen aus den Staats- und Gcmcindewald-
ungen von K'appoltsw eiler und Keiehenweier aus der Zeit vom Aus-
gange des Mittelalters bis zu Anf ing des XIX. Jahrhunderts von Dr. '.
Aug. Kahl, Kaiserl. Oberförster. Mit Ucbersichtslcarte. IV u. 73 S. 2 —
20. Die Festung Bitsoh von Hermann Irle. Dritte vermehrte Auflage
mit einem Anhange einhaltend die Umgebung von Bit«ch. Mit 2 Ansichten
und Plan von Bilsch, nebst Karte der Umgegend. 52 S. 1 50
Band V.
21. Ritter Friedrich Kappler. Ein cl*n*sischcr Feld'
dem 15. Jahrhundert von Theodor Vulpinus
22. Die Annexion des Elsass durch Frr
auf die Verwaltung t
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o
BEITRÄGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE IN ELSASS-LOTHRINGEN. XXIX.
© DER
OBERELSÄSSISCHE WINTERFELDZUG
1674|75
UND
*
DAS TREFFEN BEI TÜRKHEIM.
NACH AECHIVALISCHEN QUELLEN BEARBEITET
»
VON
£ ' ■ < v. KORTZFLEISGH,
Oberstleutnant beim Stabendes 2. Kurhessisehcn Infanterie-Regiments Nr. 82.
MIT 2 KARTENBEILAGEN.
STRASSBURG
J. H. Ed. Hkitz (Heitz & Mündel)
1904.
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I
■
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INHALT.
Seite
Vorwort V
1. Kriegslage im November 16T4 1
2. Das deutsche Rcichshccr 7
3. Tu rennes Armee 2G
4. Winterquartiere der Deutschen 41
Ti. Einschliessung von Brcisach IiS
(i. Turcnncs Zug- durch Lothringen 09
7. Reitergefecht bei Mülhausen 89
8. Um die Jahreswende 104
9. Treffen bei Turkheim 119
10. Räumung des ßlsass 144
Anlage I. Das deutsche Roichshccr lt>7
. II. Qucllcniibcrsicht 171
| Uebcrsichtskarte /um Winterfeldzuge 1674/75.
" | Skizze zum Gefecht bei Mülhausen.
II. Plan zum Treffen bei Türkheim.
Druckfclilerbericlitigung.
Seite 28 Zuile 14 von oben lies : Schachspiel (statt Schauspiel).
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I
Vorwort.
Kaum ein halbes Jahr, bevor Friedrich Wilhelm der Grosse
Kurfürst von Brandenburg sich durch den glorreichen Sieg von
% Fehrbellin am 28. Juni 1675« unvergängliche Ix>rbeeren um
seine, SJirne wand, lieferte er im Oherelsass gegen den Marschall
Turenne das ruhmlose TrelVen von Türkheim am 5. Januar
1075, infolge dessen er mit dein ihm unterstehenden deutschen
Reichsheere das Elsass räumen mussle. Es ist begreiflich, das«
die deutsche Militärliteralur .sich lieber und eingehender mit
dem strahlenden Siege von Fehrbellin als mit dem beschämen-
den Misserfolge von Türkheim beschäftigt hat. Dennoch ist
auch dieser Tag, der für zwei Jahrhunderte in folgenschwerer
Weise über das Schicksal des Elsass entschieden hat, einer
näheren Betrachtung nicht unwert.
Der militärische Leser, der den Soldaten vom Patriolen zu
trennen vermag, kann in dem Gegner des Grossen Kurfürsten,
dem Vicomte v. Turenne, einen jener grossen Feldherrn be-
wundern, deren strategisches wie taktisches Können — unab-
hängig vom wechselnden Stande der Kriegs Wissenschaften —
vorbildlich für alle Zeiten bleibt. Gerade in diesen Winter-
monalen I(574j75 hat Turennes kriegerischer Genius sich so
glänzend bewährt, dass das Studium dieses Feldzuges seinen
Reiz auf keinen Soldaten verfehlen wird.
Demgegenüber macht das in dem Koalitionsheere der
♦ Deutschen herrschende kleinliche und engherzige Wesen, die
bei ihnen obwaltende Eifersucht und Uneinigkeit, welcher der
nur dem Namen nach den Oberbefehl führende Brandenburger
1 Dem IB. Juni des alte» (Julianischen) Kalenders.
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IV
Vorwort.
nicht zu steuern vermochte, einen recht kläglichen Eindruck.
Aber wir Deutsche von heute dürfen auch diese traurigen Zu-
stände unbefangen betrachten und zergliedern — in dem ruhigen
Bewusstsein, dass die damaligen Faktoren unserer Ohnmacht
gründlich beseitigt und durch dieselbe strafFe Einheit ersetzl
worden sind, die damals den Heeren Ludwigs XIV das Ueber-
gewicht verlieh. Zum besonderen Tröste kann uns dabei der
Umstand gereichen, dass es gerade der im Elsass unterlegene
Kurfürst Friedrich Wilhelm war, der den festen Grund zu dem
stolzen Gebäude der deutschen Einheit gelegt hat. Es war
doch nicht ohne Grund, wenn er in einem zu Strassburg ge-
druckten Volksliede 1075 zuerst mit dem Namen des «Grossen»
begrüsst wurde :
«Der grosse Kurfürst zog mit Macht, ,
Um Frieden zu erlangen;
Er suchet der Franzosen Pracht
Und ihres Trotzes Prangen
Zu brechen durch die Kriegeskunst.»
Darf der Tag von Türkheim schon wegen der grossen
politischen Tragweite seiner Folgen und wegen der Person der
beiden Feldherren, die an ihm ihre Klingen kreuzten, ein
näheres Interesse beanspruchen, so tritt ein weiterer Urnstand
hinzu, um eine neue Darstellung des Herganges zu rechtfertigen.
Es hat sich nämlich um das Treffen von Türkheim ein wahrer
Legendenkranz geschlungen. Abenteuerliche, durchaus unhalt-
bare Angaben über die taktische Umgehung, durch die Turenne l
den Tag entschied, haben ihren Weg aus französischen auch
in deutsche Werke gefunden. Selbst das so gründliche und
zuverlässige Buch des Professors Peter über den Krieg 1672—75
hat die Sage von dem Gebirgsmarsch der Türen nischen Um-
gehungskolonne nachgedruckt. Eine nüchterne und auf die Ur-
quellen zurückgehende Darstellung dieses interessanten Ge-
fechtes dürfte daher eine in der Geschichte des Zeitalters der
französischen Raubkriege noch vorhandenen Lücke ausfüllen».
Die Anregung zu der Schrift, in der ich diesen Versuch
unternommen habe, gab mir mein dienstlicher Aufenthalt in
1 Sie fügt sich zeitlich zwischen zwei der Halleschen Abhand-
lungen zur Neueren Geschichte oin, nämlich zwischen H. Pastenacis
Schlacht bei Enzheim (Heft XIII) und P. Lümkemanns Letzter Feld-
zug Turcnnes 1G70 (Heft XVIII).
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Vorwort.
VII
Colmar, zu dessen Umgebung das Schlachtfeld von Türk heim
gehört. Um unanfechtbares Material für meinen Zweck zu ge-
winnen, ging ich auf die Urquellen zurück und erhielt durch
die Staatsarchive zu Berlin, Hannover und Darmsladt, sowie
durch das Entgegenkommen des K. u. K. Kriegsarchives zu
Wien Einblick in die Feldzugsakten, vor allem in den Brief-
wechsel des Kaisers Leopold, des Grossen Kurfürsten, des Her-
zogs v. Celle, des Landgrafen v. Homburg, des Herzogs v.
Bournonville und des Gesandten Frh. v. Goes. Völlig unbe-
rührter Boden sind diese Archivalien 1 freilich nicht ; denn die
Historiker H. Peter, S. Isaacsohn, J. Jungfer und H. Hocholl
haben eines oder das andere der betreffenden Archive für ihre
einschlügigen Schriften benutzt. Aber eine vergleichende, zu-
sammenfassende und dabei unparteiische Verarbeitung aller
dieser in sich recht widerspruchsvollen Quellen lag bis jetzt
nicht vor. Ueber die Münslerisehen, Wolfenbütleler und Loth-
ringischen Teilnehmer der Koalition von 1674/75 war Urkunden-
material nicht beizubringen. Dagegen stellte mir der französische
Generalslab mit dankenswerter Bereitwilligkeit die noch nicht
veröffentlichte Verlustliste für das Türkheimer Treffen nebst ande-
ren Archivalien des Depot de la guerre zu Paris zur Verfügung.
Neben diesem Zurückgehen auf die handschriftlichen Ur-
quellen sind natürlich auch die einschlägigen Druckwerke in
umfangreicher Weise zu Rate gezogen worden. Die wichtigeren
dieser Schriften sind in Anlage II nachgewiesen. Hier sei
neben den periodischen Zeitschriften jenes Jahrhunderls (Thea-
trum und Diarium Europaeum, Verwirretes Europa usw.)
nur noch der vorn Grafen Grimoard herausgegebene Schrift-
wechsel des Marschalls Turenne besonders hervorgehoben. Auch
soll nicht verabsäumt werden, die seinerzeit durch den da-
maligen Divisionsplarrer Bocholl bewirkte Durchforschung der
Elsässischen Quellen über diesen Feldzug nach Verdienst her-
vorzuheben. Endlich habe ich die angenehme Pflicht, dem Archiv-
rat D r Pfannenschmidt, dem Stadtbibliothekar Waltz und dem
Oberlehrer Engel in Colmar für ihre Unterstützung meiner
Arbeit auch an dieser Stelle zu danken.
• Die bei den Vorarbeiten zu dieser Schrift gefertigten Auszüge
und Abschriften aus Urkunden sind zu einem Heft zusammengefügt
und der Stadtbibliothek zu Colmar übergeben worden.
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VIII
Vorwort.
Manche Schwierigkeiten erwuchsen der Bearbeitung aus
der damals noch herrschenden Kalenderverwirrung. Wahrend in
den katholischen Ländern seit fast einem Jahrhundert der
Gregorianische Kalender in Uebung war, wurde im protestan-
tischen Norden noch nach dem alten Kalender gerechnet. Für die
katholische Bevölkerung des Oberelsass war die verbesserte
Zeitrechnung gerade 1(374 eingeführt worden (in Colmar am 11 .|2I.
Januar 1674 auf Verordnung des Bischofs von Basel). Es kommt
aber nicht selten vor, dass ein Schriftstück überhaupt nicht er-
kennen lässt, wie es datiert ist. Diesem Buche ist durchweg der
neue Kalender zu Grunde gelegt worden. Um dem Zeilbilde den
karakteristischen Farbenion zu erhalten, wurden ferner die da-
mals gebrauchlichen deutschen Ortsnamen (Beflbrl, Mömpelgard
u. s. w.) und bei wörtlichen Anführungen die alte Hechtschreibung
beibehalten. Gern hätte ich auch den für die damalige Zeil so
kennzeichnenden Wechsel von deutschen und lateinischen Lettern
zum Ausdruck gebracht. Leider mussle aber die ganze Schrift
in lateinischen Leitern gesetzt werden, da ihre Aufnahme unter
die «Beitruge zur Landes- und Volkskunde für Elsass-Lothringen»
dies bedingt. Dem Schlachtplane von Türkheini ist unter Heran-
ziehung der ältesten Karten das neueste Messtischblalt des
preussischen Generalstabes zu Grunde gelegt worden.
Erster leitender Grundsalz war bei der Abfassung dieses
Buches eine unbegrenzte Parteilosigkeit, welche weder für die
Deutschen als solche, noch für eine der in ihrem Heere ver-
einigten Mächte eine Voreingenommenheit zuliess. Denn nur
durch völlig objektive Forschung ist geschichtliche Wahrheit
zu ermitteln. Zeiyt das so entstandene Bild unerfreuliche
Farben, — gleichviel : auch dem Deutschen des '20. Jahrhun-
derts kann es nicht schaden, wenn er sich mitunter daran er-
innert, bis zu welchem Grade von Ohnmacht ein grosses und
tapferes Volk durch das Vorwallen partikularer Interessen beim
Fehlen einer starken und zielbewussten Zentralgewalt herab-
sinken kann !
Göttingen, 1904.
G. v. Kortzfleisch.
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■
1. Kriegslage im November 1674.
König Ludwig XIV von Frankreich sah eines der haupt-
sächlichsten Ziele seiner Politik in der Erwerbung Spaniens
für sein Haus. Seine Vermählung mit der Schwester des Königs
Karl II, des kinderlosen und geistesschwachen letzten Habsbur-
gers der spanischen Linie, sollte ungeachtet des von ihr ausge-
sprochenen Verzichtes die Erreichung dieses Lieblingswunsches des
französischen Königs vorbereiten. Im Jahre 1667, wenige Jahre
nachdem er die Zügel der Regierung selbst in die Hand ge-
nommen hatte, tat Ludwig durch den Angriff auf die Spa-
nischen Niederlande einen weiteren Schritt zur Erreichung
seines Endzieles. Aber hierdurch halte er, ohne es zu wollen,
einen europäischen Krieg entfesselt, der mit geringen Unter-
brechungen und wechselndem Gluck fast 12 Jahre hindurch die
Heere aller grösseren Militärmächte im Felde hielt.
Der Hauptträger des Widerstandes gegen den französischen
Ausdehnungstrieb nach dieser Seite hin war die Republik der
Holländischen Generalstaaten. Sie beherrschte durch ihre von
Seehelden wie Tromp und Ruyter befehligte gewaltige Flotte
die See und fand in ihrem Erbstatthalter, dem jugendlichen
Prinzen Wilhelm v. Oranien, einen überaus fähigen Feldherrn.
Ueber reiche Geldmittel veriügend, wussten die Hochmögenden
im Haag und ihr kluges Haupt, der Ratspensionär Fagel, im
Laufe der Zeit neben der matten Bundeshülfe der Spanier
noch manche andere wichtige Verbündete durch Gewährung
von Subsidien an die Seite der Republik zu fesseln.
Im Jahre 1672 waren der deutsche Kaiser Leopold I. und
der Kurfürst Friedrich Wilhelm v. Brandenburg in den Kampt
gegen den ländergierigen Franzosenkönig eingetreten. Leider
1
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2
1. Kriegslage im November 1674.
aber war die Einigkeit zwischen den beiden deutschen Gross-
staalen so gering, dass im ersten Kriegsjahre Brandenburg, im
zweiten Oesterreich die alleinige Last des Krieges trug. Dessen
Erfolge konnten bei solcher Zwiespältigkeit und einer bedauer-
lichen Lauheit der Kriegführung nur den von dem berühmten
Turenne geführten Franzosen zufallen. Am energischen Han-
deln hinderte den Kaiser nicht nur die Eifersucht auf den
aufstrebenden Brandenburger, sondern auch das Bewusstsein,
dass er selbst noch 1668 einen Geheimvertrag mit Frankreich
über die Teilung der spanischen Monarchie abgeschlossen hatte.
Kurfürst Friedrich Wilhelm, der sich von seinem Verbündeten
im Stich gelassen sah, enlschloss sich im Juni 1673 zu dem
Sonderlrieden von Vossem.
Sowie Ludwig XIV hierdurch von seinem gefahrlichsten
Widersacher befreit war, nützte er die Gunst des Augenblicks
ungesäumt zu einem Gewaltstreiche gegen die freien Reichs-
städte des Elsass aus. Dies waren die zehn Vereinsstädte der
sogenannten Landvogtei Hagenau 1 , deren Oberhoheit allerdings
durch den Westfälischen Frieden an die Krone Frankreich
übergegangen war, aber unter der ausdrücklichen Verpflichtung,
sie im Besitze der Unmittelbarkeit gegen das Römische Reich
zu erhalten. Diese freilich auf die Dauer nicht haltbare Fest-
setzung des § 87 des W r est laiischen Friedens wurde durch den
französischen Gewaltstreich vom August 1073 schnöde verletzt.
Nur wenn Frankreich sich im Kriegszustande mit dem Reiche
befunden hätte, wäre die Besetzung dieser Reichsstädte zulässig
gewesen. Aber dies war nicht der Fall : der Kaiser war nur mil
den Truppen seiner österreichischen Hausmacht in den Krieg
eingetreten, das Reich dagegen neutral geblieben. Wenige Wochen
darauf gelang es dem kaiserlichen Feldherrn Montecuccoli, den
weit in das Reich vorgedrungenen Marschall Turenne durch
geschickte Operationen vom Tauber bis über den Rhein zurück-
zudrängen. Als er sich bei Bonn mit dem gegen Gonde gleich-
falls siegreich gewesenen niederländischen Heere des Prinzen
von Oranien vereinigte, hatte das Jahr im Ganzen erfolgreich
für die Wallen der Koalition abgeschlossen.
Aber die geraubten Elsässer Städte waren nicht zurück-
1 Colmar, Türkheim, Münster, Kaysersbcrg, Schlettstadt, Ober-
ehnheim, Rosheim, Hagenau, Weissenburg und Landau.
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Ereignisse im Jahre 1673 und im Sommer 1674.
3
gewonnen worden. Diese Aufgabe sollte der Feldzug des Jahres
1074 lösen. Die Operationen begannen wie im Vorjahre auf
zwei selbständigen Kriegstheatern. In Flandern und dem Hen-
negau erwehrte sich das niederländische Heer des Prinzen
Wilhelm in Verbindung mit einem spanischen Korps unter
Monterey und einem österreichischen unter de Souches der
Angriffe des Prinzen v. Conde, bis durch die Schlacht bei Se-
neffe am 11. August die Entscheidung für dieses Jahr zu
Gunsten der Franzosen fiel. Am Oberrhein konnten die kaiser-
lichen Feldherrn Graf v. Gaprara und Herzog v. Bournonville
lange kein einheitliches Vorgehen mit dem Herzog Karl IV
v. Lothringen erzielen. Dadurch wurde es dem Marschall Tu-
renne möglich, mit seiner kleinen Truppenmacht das Ober-
elsass erfolgreich zu schützen, während König Ludwig XIV
selbst die damals noch zum Römischen Reiche gehörige, von
spanischen Truppen schlecht verteidigte Burgundische Frei-
grafschaft eroberte. Ihre Hauptstadt Besancon oder Bisantz fiel
am 21. Mai. Im Sommer drang Turenne über den Rhein vor
und erfocht am 16. Juni bei Sinsheim einen glänzenden Sieg
über Caprara und Lothringen, die er vor ihrer Vereinigung
mit Bournonville ereilte und schlug. Turenne war nun Herr
des ganzen rechtsrheinischen Landes von Basel bis Mainz und
sog die Kurpfalz auf das rücksichtsloseste aus.
Nun aber raffte sich Europa auf, um dem bedrohlichen
Vorwärtsschreiten der französischen Macht Einhalt zu gebieten.
Kaiser Leopold hielt, seit er seinen franzosenfreundlichen Mi-
nister Fürst Lobkowitz in Ungnade entlassen hatte, treu zur
gemeinsamen Sache. Der Reichskrieg war am 24. Mai «occa-
sione der von den Ghurfürsten zu Trier und Pfalz gesuechten
Guarantie und Hilffleistung» beschlossen worden. Doch versprach
diese Massregel des Regensburger Reichstages, für die auch
der Kurfürst v. Brandenburg warm eingetreten war, bei der
Gleichmütigkeit und Böswilligkeit mancher Reichsslände und
der Ohnmacht der deutschen Zentralgewalt nur geringen Erfolg.
Der 2. Abschnitt dieser Schrift wird uns nähere Einblicke in
diese bedenklichen Verhältnisse tun lassen. Noch am 23. De-
zember, also nach sieben Monaten, musste ein neues Regens-
burger Reskript unter dem Druck von Turennes eben begon-
nener Offensive daran erinnern : «dass ein Jeder dem allgemeinen
Wesen zum Besten sich ohnverlängt in gnugsame rechtschaffene
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4
1. Kriegslage im November 1674.
Postur und Defensive stellen solle». Glücklicherweise wurden
solche unwirksame Reichs-Conclusa durch eine Reihe von Bünd-
nisverträgen ergänzt, die von den kapitalkräftigen General-
staaten und der Krone Spanien unter Garantie des Kaisers ab-
geschlossen wurden.
Durch solche Subsidien Verträge gelang es, den bisher mit
dem Reichsfeinde verbündeten Bischof Christoph Bernhard v.
Münster, die Herzöge Georg Wilhelm v. Celle und Rudolf
August v. Wolfenbüttel, sowie als wichtigsten Verbündeten am
1. Juli den Kurfürsten Friedrich Wilhelm v. Brandenburg an
die Seite der Kaiserlichen und Lothringer in das Feld zu
rufen. Kurbrandenburg hielt sich als deutscher Reichsstand
durch die Erklärung des Reichskrieges der Verpflichtungen
gegen Frankreich entledigt, die es als selbständige europäische
Macht zu Vossem hatte übernehmen müssen. Kursachsen stellte
sein Reichskontingent, zog es aber noch vor dem Einbruch ins
Elsass von der Feldarmee wieder zurück. Kurköln leistete zwar
nicht Heeresfolge, trat aber mit Münster vom französischen
Bündnis zurück. Ebenso schloss der bisher mit Ludwig XIV
verbündete König Karl II von England seinen Frieden mit der
Koalition. Dänemark galt sogar als deren Glied und bezog
spanisch-holländische Hülfsgelder, leistete aber keinen wirklichen
Beistand. Man hoffte, dass es Schweden im Schach halten werde,
dessen Haltung zweideutig zu werden begann.
Die zweite Hälfte des August kam heran, bis ein genügend
grosser Teil des schwerfälligen Bundesheeres bei Frankfurt am
Main versammelt war, um die Operationen gegen Turenne auf-
nehmen zu können. Jedoch fehlte damals ausser einem Teile
der Braunschweig-Lüneburger noch die gesamte Brandenburgische
Armee. Unter der Führung des kaiserlichen Feldmarschalls
v. Bournonville nahmen die Bewegungen gegen Turenne zwar
zögernd, aber nicht ohne Glück ihren Anfang. Die wichtige
Strassburger Rheinbrücke fiel in der letzten Septemberwoche
durch Capraras energisches Zugreifen in die Hände der Ver-
bündeten. Vaubrun war um wenige Stunden zu spät gekommen,
um den bedeutungsvollen Punkt noch für die französischen
Waffen sichern zu können: das Elsass stand den Deutschen
offen! Turenne hatte in dieser Epoche des Krieges nicht
mit dem gewohnten Erfolge operiert. Nun aber raffte sich
der alte Löwe zu einem kräftigen Schlage auf. Er griff am 4.
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Die neue Koalition. — Enzheim und Marlenhcim. 5
Oktober die in starker Stellung hinter der Breusch stehende
Armee Bournonvilles an und schlug sie in der blutigen
Schlacht bei Enzheim» trotz ihrer erheblichen Uebermacht völlig
aufs Haupt.
So war es eine besiegte und infolge dieses beklagens-
werten Misserfolges von Argwohn und Zwietracht durchsetzte
Heeresmacht, die der Grosse Kurfürst im Elsass vorfand, als er
arn 45. Oktober seine Brandenburger im Lager von Bläsheim
mit den Truppen Bournonvilles vereinigte. Er hatte nun eine
Armee von ungefähr 50000 Mann beisammen und war seinem
Gegner um mehr als das Doppelle überlegen. Friedrich Wilhelm
brannte vor Begier, sich mit Turenne zu messen und brach
schon nach drei Tagen zu diesem Zwecke auf. Aber gleich
bei dieser ersten Unternehmung, dem Vorstoss auf Marlenheim
am 48. Oktober 8 , zeigte sich die Hoffnungslosigkeit der Zu-
stande in erschreckender Klarheit. Der dem Kurfürsten zuge-
fallene Oberbefehl war kaum mehr als ein ehrenvoller Titel.
Für jede wichtigere Entschliessung war ein Mehrheitsbeschluss
des Kriegsrais erforderlich. Der methodische und übervorsichtige
Führer der Kaiserlichen aber verweigerte seine Mitwirkung bei
dem vom Oberfeldherrn beabsichtigten Angriff. Mit Fug und Recht
konnte Friedrich Wilhelm klagend nach Wien melden: «der
Eventus hat es jüngstens gegeben, dass da man alles per majora
schliessen wollen, der Monsieur de Turenne darüber echappirel.»
In der Tat war der französische Feldherr, der nicht mehr
als 20000 Mann unter sich hatte, ungeschädigt und in vollster
Ordnung nach der Zorn zurückgegangen und blieb unbehelligt
im festen Lager bei Dettweiler stehen. Dass er dort bedeutende
Verstärkungen von Condes Armee erwartete, deren erste noch
vor Monatsschluss aus Flandern eintraf, das ahnten die Ver-
bündeten freilich zunächst nicht. Aber als sie um Mitte
November davon erfuhren«, war es ihnen nur ein Grund mehr,
1 Wegen dieser Schlacht wird auf die Schrift Hermann Pastenacis in
den Halleschen Abhandlungen zur Neueren Geschichte (1880) verw iesen.
2 Das fehlgeschlagene Unternehmen gegen Marlenheim ist am
gründlichsten, freilich ohne Benutzung österreichischer Quellen, in
H. Peters Krieg des Grossen Kurfürsten 1672—75 (S. 282-295)
geschildert.
a Am 15. November kannte man Genlis und Montauban, die
Führer des ersten Verstärkungstrupps, schon mit Namen.
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1. Kriegslage im November 1674.
nichts gegen ihn zu unternehmen. Bei der Haltung des kaiser-
lichen Feldherrn war eine kräftige Offensive tatsächlich unmög-
lich. Es war dem Kurfürsten ein schlechter Trost, wenn
Leopold I. ihm am 29. Oktober glückliche Succes wünschte
und zu Gott verhoffte : ces werde seine Allmacht der gerechten
Sachen also beystehen, dass die Hochmueth des Feinds ge-
dempfft, die teutsche Libertet, auch des Reichs Sicherheit con-
servirt und der verlangende reputirliche beständige Friden er-
hebt werden könne». Das mussten leere Worte bleiben, so
lange das kaiserliche Korps ein Hemmnis statt einer Hülfe für
kräftiges Handeln war.
Tiefverstimmt und an der Willfahrigkeit seines Mitfeldherrn
verzweifelnd, gab Kurfürst Friedrich Wilhelm seine Angriffs-
pläne auf. Die schwere Erkrankung seines Sohnes Karl Emil
drückte auf seine Stimmung und Tatkraft. Aus der Heimat
erhielt er immer beunruhigendere Nachrichten. Den Ein-
flüsterungen des französischen Gesandten Folge gebend, hatte
Schweden, das am 19. September ein geheimes Bündnis mit
Frankreich eingegangen war, als Garantiemacht des West-
fälischen Friedens erklärt : «es lieffe wider dns Instrumentum
Pacis, wan man die Oerter und Lande angriffe, so Frankreich
vom Reiche dadurch erlanget habe.» Mit Recht konnte Fried-
rich Wilhelm dem entgegenhalten, dass Frankreich die Verträge
von Münster zuerst verletzt habe. Wohnte er doch, als er
dies schrieb, in der deutschen Reichsstadt Colmar, der
Ludwig XIV durch Rechts- und Wortbruch die 1648 verbürgte
Zugehörigkeit zum Reiche geraubt halte. Gleichwohl war im
November der bevorstehende Einbruch der Schweden in die
Mark Brandenburg nicht mehr zu bezweifeln und musste den
fernen Landesherrn mit banger Sorge erfüllen.
Der Kurfürst fügte sich darein, dass die zu Ende Oktober
erfolglos ins Lager von Bläsheim zurückgekehrte Armee den
ganzen November hindurch untätig dort stehen blieb und
sich auf belanglose Unternehmungen des kleinen Krieges be-
schränkte. Diese verliefen fast immer glücklich. Der lothring-
ische Oberst du Puy vernichtete am 5. November in Benamesnil
den Arrierebann von Anjou völlig. Der brandenburgische Oberst-
leutnant Hennigs nahm am 9. November bei Maursmünster
das kostbare Gepäck des Marschalls Crequi weg. Der kaiserliche
Generalmajor v. Dünnewald stiess am 21. November in Detl-
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Untätigkeit der Verbündeten bei Bläshein).
7
weiler auf den Gepäckpark des Marschalls Turenne selber.
Solcher Parteigängertaten wären noch mehr zu nennen, z. B.
vom braunschweigischen Generalmajor Graf v. Reuss. Aber die
grössere Unternehmung, die beständig erwogen wurde, kam
nie zu stände. Als endlich am 20. November die vereinigten
Brandenburger und Lüneburger unter ihren Feldmarschällen
Georg v. Derfflinger und Johann Adolf v. Holstein über die
Zorn vorstossen wollten, da wusste der alle Fuchs Turenne sich
wieder in letzter Stunde der Gefahr zu entziehen, indem er sein
Lager nach Ingweiler an der Moder zurückverlegle. Er hatte dort
gesicherte Verbindung über Lützelstein und Zabern nach dem
französischen Hinterlande, sowie über Hagenau nach der damals
wichtigen Rheinfeste Philippsburg. Die Etappenorte Zabern
und Hagenau waren durch stärkere Garnisonen gesichert. Den
Pfalzgrafen Leopold Ludwig v. Lützelstein nötigte Turenne zur
Aufnahme einer kleinen Besatzung. Eine Liebesgabe von 2000
Franken machte ihm dieses Opfer erträglicher.
Seilens der Verbündeten hörte nunmehr jede eigene Tätig-
keit auf. Vielmehr entschlossen sie sich, zu Anfang Dezember
nach dem Oberelsass abzurücken, um dort Winterquartiere zu
beziehen. Marschall Turenne seinerseits bereitete in der Stille
einen anderweitigen, weit kühneren Plan zur Ausführung vor.
Wir aber wollen die Pause, während der sich die beiden
Gegner noch in den Lagern von Bläsheim und Ingweiler müssig
gegenüberstanden, dazu benutzen, uns die beiderseitigen Streit-
kräfte näher anzusehen.
2. Das deutsche Reichsheer
Eine Kriegsgliederung im heutigen Sinne des Wortes lässt
sich von den Deutschen ebensowenig geben wie von den Fran-
zosen, da der Heeresbrauch des 17. Jahrhunderts eine bleibende
Einteilung in Divisionen und Brigaden nicht kannte, sondern
sich mit der Zusammenfassung der Regimenter zu Treffen und
Flügeln begnügte. Wir müssen uns darauf beschränken, die
Generalität und die Regimenter der einzelnen Kontingente auf-
zuzählen, wie es in Anlage I versucht ist. Leider liegt von meh-
reren Kontingenten ein so lückenhaftes und widersprechendes
Material vor, dass es oft schwierig ist, der einen oder der an-
dern Lesart den Vorzug zu geben. Noch schwieriger ist aus
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2. Das deutsche Rcichsheer.
den gleichen Gründen die Berechnung der Kopfstärke der Ver-
bündeten, wobei auch die Abgänge durch die Schlacht bei Enz-
heim und durch Krankheiten zu berücksichtigen sind. Immerhin
soll es nicht unterlassen werden, einige Bemerkungen zu bringen,
die zur Erläuterung der Anlage I beitragen werden.
Ein organisiertes Armee-Oberkommando des Reichs-
heeres gab es leider überhaupt nicht, und dieser Mangel wirkte
äusserst verhängnisvoll auf die Kriegführung ein. Tatsächlich stand
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg an der Spitze des
Heeres im Eisass. Der damals 54 Jahre alte Hohenzoller, der
schon vor fast zwei Jahrzehnten hei Warschau und in den
nachfolgenden Schwedenkriegeu den Feldherrnlorbeer um seine
Stirn gewunden und seitdem unablässig an der Gründung und
Festigung seiner Wehrmacht gearbeitet hatte, fühlte in sich
das Zeug zum Heerführer. Dass er vor kurzem in Westfalen
an der Seite der widerwilligen kaiserlichen Generale Monte-
cuccoli und Bournonville nichts gegen Turenne ausgerichtet
hatte, beirrte ihn wenig. Nur umsomehr fühlte er das Bedürf-
nis, diese Scharte auszuwetzen. Zu seinem Entschluss, die Kur-
brandenburger nicht nach den Niederlanden, sondern nach dem
Oberrhein zu führen, hatte nicht zuletzt der Umstand beige-
tragen, dass ihm auf diesem Kriegsschauplatze der Oberbefehl
zufallen mussle, den auf dem nördlichen Kriegstheater sein ju-
gendlicher Neffe Wilhelm v. Oranien innehatte. Nur wider-
willig willigte Kaiser Leopold darein, dem protestantischen
Nebenbuhler kaiserliche Truppen zu unterstellen. Noch zu Ende
August schrieb er seinem Berliner Gesandten Frh. v. Goes,
wie lieb ihm das Zuhausebleiben der norddeutschen Fürsten
sein würde.
Die freundnachbarliche Mahnung blieb erfolglos : Friedrich
Wilhelm rückte ins Feld. Verweigern Hess sich nun das Ober-
kommando dem brandenburgischen Helden nicht ; aber der
Kaiser setzte beim Abschluss des Bündnisvertrages vorn d . Juli
die Bestimmung durch : dass über die Operationen vereinigter
Armeen die Majorität der Befehlshaber zu entscheiden habe.
Herzog v. Bournonville wurde vom Wiener Hofe angewiesen,
dass er «Sr. Ghurfürstl. Durchlaucht den gebührenden Respect
leisthen, die Parole von Demselben nehmen, und was die Ma-
jora schliessen würde executiren solle». Diese heikle Frage führte
fortgesetzt zu hässlichen Zwistigkeilen, da das Recht der Aus-
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Der Grosse Kurfürst als Oberbefehlshaber.
9
gäbe des Paroleworles dem Selbstgefühl des Kurfürsten keines-
wegs genügte. Er forderte ein Gutachten von seinem Kanzler
v. Somnitz, und dieser meinte : «Und haben Ew. Churfürstl.
Durchlaucht an dasjenige, so vom Kaiserlichen Hofe an den
Duc de Bournonville geschrieben, Sich nicht zu kehren, sondern
an die Alliance, krafft derselben Ew. Churfürstl. Durchlaucht
das Obercommando und was davon dependiret unstreitig zu-
steht». Leider war diese Ansicht falsch; mit Erfolg Hess sich
die traurige Tatsache nicht bestreiten) dass Mehrheitsbeschlüsse
das gesetzmässige Zubehör dieser Kriegführung waren.
Es war, wie die Sachen lagen, ein ganz unzulänglicher
Wirkungskreis, der dem Kurfürsten als ältestem General des
Koalitionsheeres zufiel. Sein Feldherrntalent konnte in so un-
möglichen Verhältnissen keine Erfolge erzählen, selbst wenn
seine Anschauungen stets richtig gewesen wären. Wir werden
aber sehen, dass er in dieser Zeit — krank und verstimmt wie
er war — nicht immer auf der Höhe seiner Aufgabe stand.
Schon der Umstand, dass er die Kurfürstin Dorothea mit einer
sehr zahlreichen Hofhaltung, sowie viele Zivilbeamte und Diplo-
maten mit ins Feld nahm, berührt nicht nur uns Nachlebende
befremdlich, sondern wurde schon von den Zeitgenossen miss-
billigend besprochen. Ueber solche Volksstimmungen bringen
die humorvollen und scharfsinnigen «Relationen des verkleideten
Götterbothens Mercurii» die besten Angaben. Bei ihrer unver-
kennbar etwas anlibrandenburgischen Färbung ist es bemerkens-
wert, dass sich darin folgendes Urteil über Friedrich Wilhelm
v. Brandenburg findet : «Bekenne, dass ich einen sehr magni-
fiquen, politen Hoff, an dem Churfürsten selbsten aber einen
recht ansehnlichen Herrn fand, dergleichen ich nicht viel in
Teutschland gesehen. Seine majestätische Gravität war mit
einer sonderbahren Freundlichkeit untermischet. Alle seine Diss-
kurse und gantzes Wesen schien voller martialischer Freundig-
keit und gaben eine Begierde an Tag, dem Feinde unter Augen
zu schauen». Aehnlich urteilte der kaiserliche Oberst Vecchia
mit den Worten : «Chur- Brandenburg wäre resolut und thette
die Ordre mit einem Fundament ergreiffen». Der Eindruck der
Persönlichkeit des Oberbefehlshabers war also unzweifelhaft ein
günstiger und imposanter. Dass er nichts ausrichten konnte,
war der Fehler der Organisation.
Die Kaiserlichen, die zum Reichsheere am Oberrhein
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2. Das deutsche Rcichsheer.
gehörten, standen zum Teil schon seit Jahren im Felde, waren
durch Krankheiten und Verluste geschwächt und überhaupt in
mangelhafter Verfassung, da sie sehr unregelmässig bezahlt
wurden. Wäre den Berichten des Herzogs v. Bournonville und
des Frh. v. Goes voller Glauben zu schenken, so müssle man
sich die kaiserlichen Regimenter sogar im Zustande vollster
Auflösung denken. Aber beide waren kleinmütige Schwarzseher
und stets bemüht, ihre Tatenscheu zu beschönigen. «L'armee
est tout-ä-fait miserable», schämte sich Bournonville nicht an
Montecuccoli zu schreiben. Aber auch die vertraulichen Briefe
seiner Unterführer lassen bedenkliche Blicke in die inneren
Zustände der Truppen tun. Dünnewald schreibt : «Erstlich so
seind die Truppen 11 gantze Mohnat im .Felde ohne Bezahlung
undt dabei so übel gehalten, dass die alten Ruiter mannichmahl
in 8 Tagen kein Broht gesehn haben». Wertmüller vernahm
von Soldaten den Ruf: edass gleich wie sie bezahlt werden,
also auch sie fechten wollen». Markgraf Hermann v. Baden
aber klagt, «qu'il n'a pas un homme en estat de servir».
Stark war der Kaiserstaal im Verhältnis zu seiner Grösse
überhaupt nicht am Oberrhein vertreten. Leopold I. gebot ins-
gesamt über 05000 Mann. Einen ansehnlichen Teil davon, an-
geblich sogar 30 000 Mann, musste er in Ungarn belassen, wo
französische Sendlinge zum Aufruhr hetzten. Einige Regimenter
standen in Schlesien und an der Grenze Bayerns. Durch
6 Infanterie- und 8 Kavallerie-Regimenter unter Graf Souches
war Oesterreich bei der Armee des Prinzen v. Oranien vertreten.
Das Fussregiment Grana stand in Kurköln ; von den Truppen-
teilen Bournonville^ hielt das Fussregiment Knigge die Fesle
Dachstein besetzt, das Kürassier-Regiment Gondola wurde zu
Ende November nach dem Breisgau verlegt.
So blieben für die Operationsarmee im Elsass nur noch
5^2 Infanterie-Regimenter, 6 Reiter-Regimenter (teilweise un-
vollständig), 1 Dragoner- und 1 Kroaten- Regiment, sowie die
sehr geringfügige Artillerie, angeblich nur 8 Geschütze zählend.
Die Regimenter zu Fuss waren der Regel nach in 10 oder 8
Kompagnien gegliedert, deren jede 100 Mann Sollstärke hatte.
Der Dienststand war erheblich geringer ; abgesehen vom Regi-
ment Portia schwankte er zwischen 450 uud 300 Mann. Wie
gross die Abgänge während des Winterteldzugs waren, ersehen
wir daraus, dass z. B. das in Thüringen angeworbene Regiment
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Die Kaiserlichen. — Der Herzog von Bournonville. 11
des Grafen Heinrich V. v. Reuss, das erst am 20. Okiober mit
900 Mann zur Armee gestossen war, sein schwäbisches Winter-
quartier im Januar 1675 nur in der Stärke von 2il9 Mann be-
zog. — Noch verschiedener an Zahl der Kompagnien und an
Iststärke war die Reiterei. Während einige Regimenter 700
Mann in der Front, hatten, zählten andere, die die Hälfte ihrer
Schwadronen in den Niederlanden hatten, nur 300—350 Pferde.
Ebenso schwach waren die Dragoner, die bekanntlich damals
nicht zur Kavallerie zählten, sondern als berittene Infanterie
galten. An Kroaten sollen noch elwa 700 Mann vorhanden ge-
wesen sein, obwohl Graf Lodron sie im Juli doppelt so zahlreich
der Armee zugeführt hatte. Sie erwiesen sich ebenso haltlos vor
dem Feinde wie mangelhaft in der Mannszucht. — Die Gesamt-
stärke des kaiserlichen Kontingents darf für Anfang Dezember
1674 etwa auf 5600 Mann Fusstruppen, 4200 Reiter und 200
Artilleristen, zusammen also auf 10 000 Mann veranschlagt
werden. Sie schmolzen dann durch die unglücklichen Ereignisse
um die Jahreswende noch erheblich zusammen, so dass z. B.
die gesamte Kavallerie im Januar 1(?75 nur noch 2153 dienst-
brauchbare Pferde halle und bald danach das ganze Korps (ohne
die Regimenter Portia, Knigge und Vehlen, aber einschl. Gon-
dola) nur 6263 Mann zahlte.
Befehlshaber der Kaiserlichen war der Feldmarschall Ale-
xander Herzog v. Bournonville. Auch er war gleich dem Branden-
burger 54 Jahre alt. Er hatte seine Laufbahn im Dreissigjährigen
Kriege unter den Westfälischen Kreistruppen begonnen, dann 22
Jahre lang im Dienste Spaniens gestanden, auch unter Gondes
Oberbefehl, und gehörte seit 1672 der Armee des Kaisers an.
Seine Wahl zum Feldherrn am Oberrhein erwies sich als sehr un-
glücklich. Er war ein methodischer General der alten Schule, vor-
sichtig bis zur Aengsllichkeit, stets zur Ueberschätzung des Geg-
ners neigend und bereit, das Gesetz des Handelns von ihm zu em-
pfangen. Er konnte über lauter Erwägungen und «Consilia was
der gemeinen Sache zum Dienlichsten» niemals zu einem Enl-
schluss kommen und war jedem Wagnis grundsätzlich abhold. Er
steckte tief in den Anschauungen des Positionskrieges, und nie-
mals kam ihm in den Sinn, dass auch die Vernichtung der feind-
lichen Streitmacht ein Mittel zum Gewinnen eines Feldzuges
sein könne. Seine Tatenscheu war es in erster Linie, die die
angeborene und oft bewährte Energie des Kurfürsten lahmlegte.
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2. Das deutsche Reichsheer.
Seit er dessen Angriffspläne im Oktober 1074, namentlich
am Tage von Marlenheim, durch seine Lauheit vereitelt hatte,
wurde er im brandenburgischen Lager der Verräterei bezichtigt.
Dieser Vorwurf war ganz unbegründet. Selbst in seinem ver-
trauten Briefwechsel zeigt sich Bournonville stets als redlicher
Diener seines Kaisers, «resolviret zu crepiren, wan änderst nichts
thuen kan». Sein persönlicher Mut unterliegt keinem Zweifel :
er hatte ihn bei Enzheim bewährt und liess es auch bei Türk-
heim in dieser Hinsicht nicht an sich fehlen. Dennoch muss
ihm die Hauptschuld an den Misserfolgen dieses Winters bei-
gemessen werden. Auch genoss er sowohl bei seinen Verbün-
deten» wie bei seinen tatkräftigeren Untergebenen, z. B. Caprara,
Dünnewald und Hermann v. Baden, nur ein sehr geringes An-
sehen. Aeusserst verhängnisvoll wurden das Misstrauen und die
Abneigung, die Bournonville seinem brandenburgischen Bundes-
genossen entgegentrug, und die sich beispielsweise in einem
Briefe an Montecuccoli vom 13. Januar 1675 in den höhnischen
Worten kundgab: «Die von Strassburg, welche nur vor dem
Churfürsten alss ihrem Bruedern in Christo geschwohren, seint
anjetzo gantz in anderer Mainung». Es soll nicht gesagt werden,
dass die Schuld an diesem traurigen Zwiespalt nur auf Bournon-
villes Seite lag. Der Kurfürst und Derfflinger zahlten dem kaiser-
lichen General seine Abneigung redlich heim und mögen ihm
auch manchmal Grund zu Beschwerden gegeben haben. Sicher
aber ist es, dass Friedrich Wilhelm mit einem solchen Verbün-
deten an der Seite ausser Stande war, einem Turenne gegen-
über die Oberhand zu behalten.
Die Brandenburger bildeten in dem buntgemischten
Koalitionsheere eine verhältnismässig fest gefügte Kernlruppe,
die nach dem Urteil von Freund und Feind zu den besten
Hoffnungen berechtigte und doch diese Erwarttingen wenig er-
füllen sollte. Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte durch die
Schaffung und Heranbildung seiner vortrefflichen Kriegsmacht
mit sicherer Hand die Grundlage für die Grossmachtstellung
und glänzende Zukunft seines Landes gelegt. Ein Feind halber
Massregeln, hatte er jetzt alle irgend verfügbaren Truppen mit
i Schon im Monat August berichtete der Abbe" de Gravel aus
Mainz : *Oa ne peut pas estre plus dögouste que le Duc de Lorreyne
Test du Duc de Bournonville>.
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Die Kurbrandenburger.
13
sich an den Rhein geführt. Dem Hülfskorps in Polen war nur
das Allernotwendigste — die Dragoner-Regimenter Hohendorfl*
und Schlieben — überwiesen worden. Der als Statthalter 'in
der Mark Brandenburg zurückbleibende Fürst Johann Georg
v. Anhalt- Dessau war für den Schutz des Landes gegen den
drohenden Einfall der Schweden nur auf die Festungsbesatzungen
und einige Neuformationen angewiesen. In den westfälischen
Landesteilen, deren Sicherung bei der Nachbarschaft des nieder-
ländischen Kriegsschauplatzes geboten schien, wurden je 3 Kom-
pagnien der Fussregimenter Fargel und Holstein, sowie die
Reiter-Regimenter Spaen und Franckenberg belassen.
Der Kern des Heeres, mit dem der Kurfürst im Oktober
4G74 bei Strassburg ins Elsass einrückte, betrug abgesehen von
den 1500 Mann zählenden Gardetruppen : 9 Regimenter zu
Fuss, 11 zu Pferde, 2 Dragoner-Regimenter und die Artillerie.
Gleich den Kaiserlichen waren auch die Brandenburgischen
Truppenteile ungleich an Kompagniezahl und an Kopfstärke.
Ziemliche Regelmässigkeit herrschte auch bei ihnen im Fuss-
volke : jedes Regiment gliederte sich in 8 Kompagnien, von
denen freilich Fargel und Holstein nur je 5 im Elsass hatten ;
Dönhoff und Flemming waren nur je 4 Kompagnien stark. Die
Kavallerie-Regimenter sollten 6 Kompagnien zählen; indessen
hatten einzelne noch in Werbung begriffene nicht mehr als 3
bis 4 im Felde, das Regiment Croy sogar nur 2 Kompagnien.
Die Iststärke scheint 1000 Infanteristen und 6 — 700 Reiter pro
Regiment nicht viel überschritten zu haben, blieb aber stellen-
weise weit dahinter zurück; das Reiter-Regiment Brockdorft
zählte am Ende des unblutigen Feldzuges nicht mehr als 226
Pferde. Die Artillerie wird zu 47 Geschützen angegeben, der
Tross der Brandenburger allgemein als sehr gross bezeichnet.
Die Angaben über die Gesamtstärke des Kurbrandenburgischen
Korps im Elsass schwanken von 16200 bis zu 17300 Mann. Nach
den Abgängen im Oktober und November werden wir das Korps
auf mehr als 16500 Man« keinesfalls veranschlagen dürfen;
hiervon 8500 Mann zu Fuss, 1000 Dragoner und 7000 Reiter.
Der äusseren Erscheinung der Brandenburger und ihrer
Ausrüstung» wurde von allen Zeitgenossen das höchste Lob
i Ueber die Ausrüstung, Bewaffnung usw. vergleiche W. v. Unger.
Feldmarschall Derfflinger.
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2, Das deutsche Reichsheer.
gezollt. Beispielsweise schrieb der Strassburger Chronist Walter:
«Schöner undl wolmundirter undt wolbekleydter Volck hat man
niemahlen gesehen». Der Cellische Feldprediger Berkemeyer
bemerkte in seinem Tagebuche : «War ein recht Kernvolk als
jemahls mag zu Felde geführet worden sein». Auch die scharfe
Feder des Götterbothen Mercurii musste von der Armee ge-
stehen : sie habe nicht ihres Gleichen «sonderlich was die
Brandenburgische Infanterie angehend». Selbst Bournonville
spricht einmal von der «schönsten Brandenburgischen Infan-
teria». Und auch von französischer Seite liegt ein entsprechendes
Urteil vor ; der im Januar 1675 aus der Kriegsgefangenschaft
zurückkehrende Graf v. Bourlemont versicherte dem Marschall
Turenne, «qu'il n'a jamais vu de si beau que l'infanterie de
Mr. de Brandebourg». Die vortreffliche Verfassung dieser
Truppen, besonders des Fussvolkes, ist also hinlänglich bezeugt.
Die von den Generalstaaten eben gezahlten 200000 Taler an
rückständigen Hülfsgeldern vom letzten Kriege her und die
200000 Taler, die Spanien und Holland gemeinschaftlich als
eiste Rate der neuen Subsidien entrichtet hatten, gaben fürs
erste die Möglichkeit, die Truppen in ihrem guten Stande zu
erhalten, wenn das Geld auch späterhin von Seiten Spaniens nur
unregelmässig einlief. In den brandenburgischen Regimentern
und namentlich im Offizierkorps lebte ein starkes Selbstgefühl,
das sich mitunter etwas verletzend bemerkbar gemacht zu haben
scheint. Unberechtigt war es an sich nicht ; denn alle Helden
von Fehrbellin und den nachfolgenden Schweden kriegen waren
schon im Elsass anwesend; sie fanden nur keine Gelegenheit,
ihre Tüchtigkeit zu bewähren.
Dies gilt auch von dem Feldmarschall, der unter dem
Kurfürsten die Brandenburger befehligte. Der damals bereits
68jährige Freiherr Georg v. Derfflinger hat in den folgenden
Jahren seinen Feldherrnruhm dauerhaft und ein wandsfrei be-
festigt. Im Jahre 1674 — erst ein Jahr nachdem er vom Kur-
fürsten, bei dem er völlig in Ungnade gefallen war, wieder
angestellt worden war — scheinen die Meinungen über ihn
auch in Berlin noch einigermassen auseinander gegangen zu
sein; jedenfalls hatte er auch unter seiner eigenen Generalität
viele Feinde. Es lässt sich nicht behaupten, dass seine Rat-
schläge bei den Colmarer Verhandlungen um die Jahreswende
sich durch Klarheit und Kühnheit ausgezeichnet hätten. Sicher
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Feldmarschall von Derfflinger. 15
aber ist es, dass Derfflinger in den ohnehin schwierigen Ver-
hältnissen des Koalitionskrieges ein Element der Zwietracht
war. Er, der Emporkömmling und geborene Oesterreicher»,
war dem vornehmen Befelshaber der Kaiserlichen und dem
Diplomaten Goes bitter verhasst. Wie ein roter Faden zieht
sich durch ihre Berichte die Klage über Derfflingers üblen
Willen, so dass Leopold I im Februar 1675 in der Tat die
Frage erwog: «ob nicht errnelter Derfflinger bey des Chur-
fürstens zu Brandenburg Liebden pro dissidente, 1 zu erklären
und dessen Amotion zu begehren seye». Bei solchen bundes-
freundlichen Gesinnungen konnte den Kaiserlichen auch aus
der Hülfe der tüchtigen brandenburgischen Truppen unter
ihrem erfahrenen Feldmarschall nicht viel Segen erwachsen.
Ein weiteres sehr brauchbares Glied des verbündeten
Heeres waren die Braunschweig-Lüneburger. Die
WelQschen Lande, die durch fortwährende Erbleilungen völlig
der Kleinstaaterei verfielen und nicht zu bleibenden Zuständen
gelangen konnten, bestanden damals aus den Herzogtümern
Wolfenbuttel, Celle und Calenberg, sowie dem Bistum Osnabrück.
Es kam zunächst auf die Entschliessungen dreier Weifenfürsten
an: Budolf Augusts von Wolfenbültel, Georg Wilhelms von
Celle und Johann Friedrichs von Calenberg. Dieser, ein katholisch
gewordener Franzosenfreund, entzog sich nichl nur möglichst
lange der Gestellung seines matrikelmässigen Kontingents zum
Reichsheere, sondern er nahm sogar eine so zweifelhafte Stel-
lung ein, dass Friedrich Wilhelm v. Brandenburg ihm auch
beim Einfalle der Schweden in sein Land auf das Aeusserste
misstraute. Ging der Renegat zu Hannover seine eigenen un-
deutschen Wege, so hiellen die Herzöge von Celle und Wolfen-
büttel um so treuer zur allgemeinen Sache, Sie gingen ausserdem
so einträchtig Hand in Hand, dass der gewöhnliche Nach-
teil der Kleinstaaterei dadurch einigermassen aufgehoben
wurde. Zu einer einheitlichen Sireitmacht vereinigt, waren ihre
Truppen in der Lage, ein namhaftes Gewicht in die Wagschale
zu werfen. Ernst August von Osnabrück, der Bruder Georg
1 Er entstammte einer zu Neuhofen in Oberösterreich ansässigen
schlichten Familie. Dass er anfangs Schneider gewesen sei, ist nicht
nachweisbar, wurde aber, — wie wir aus den Gesandtschaftsberichten
des Marquis v. Verjus wissen, — schon damals behauptet.
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2. Das deutsche Reichsheer.
Wilhelms und Johann Friedrichs, schickte seine Truppen erst
1675 ins Feld.
Die Herzöge von Celle und Wolfenbüttel hatten sich durch
den Subsidienvertrag vom 20. Juni 1674 verpflichtet, zusammen
15000 Mann zur verbündeten Armee zu stellen. Holland und
Spanien zahlten für jeden Infanteristen 40, für den Reiter 80
Gulden Werbegeld. Sie vergüteten ausserdem pro Regiment
Fussvolk 11147, für jedes Reiter-Regiment 12303 Gulden. Diese
reichlichen Hülfsgelder» ermöglichten es, die Truppen in vor-
trefflicher Ausrüstung abzusenden. Dagegen scheint es nicht
gelungen zu sein, die vertragsmässige Koptstärke voll aufzu-
bringen. Bis zur Enzheimer Schlacht zählte das braunschweig-
lüneburgische Kontingent rund 12000 Mann. In diesem mör-
derischen Kampfe büsste es über 1000 Mann ein* ; aber diese
Verluste wurden durch die vom Herzog Georg Wilhelm am
13. Oktober dem Heere zugeführten 2575 Mann Verstärkung
mehr als ausgeglichen. Wir dürfen daher der Kriegsmacht der
Weifenfürsten für den November 1674 eine Kopfstärke von
etwa 13500 — 14000 Mann zuschreiben. Alle zeitgenössischen
Urteile über die Cellischen und Braunschweigischen Truppen*
stimmen darin überein, dass sie nach Ersatz, Ausrüstung und
Haltung hohes Lob verdienten. «Des gens choisis, bien faits,
bien habilles et en tres-bon estat» nannte sie Abb& Gravel.
Besonders gerühmt wurde die Artillerie der Weifischen Herzöge.
Sie zählte neben 2 Vierundzwanzigpfündern (Mörsern) und 4
Achtpfündern auch eine grössere Anzahl Dreipfünder ; dazu
kamen 66 wohlgefüllte Munitionswagen und 208 Stückknechte.
Um die Heeresleitung und Truppenführung war es bei
den Braunschweig-Lüneburgern gut bestellt. Generalmajor
v. Ende füllte seinen Platz als Führer der Fusstruppen und
Generalmajor Chauvet (ein gebürtiger Pfalzburger) als Komman-
deur der Reiterei völlig aus. Feldmarschall Herzog Johann
1 Alle Kontingente des verbündeten Heeres bezogen ihre Sub-
sidien durch die Vermittelung Frankfurter Kautieute.
2 Eine im Staatsarchive zu Hannover befindliche Verlustliste führt
400 Gefallene und 700 Verwundete auf. Eine andere sehr genaue
Verlustliste im Stadtarchive Strassburg nennt freilich nur 283 Tote
und 517 Verwundete, so dass volle Klarheit darüber nicht herrscht.
8 Hinsichtlich der Kriegsgliederung sei bemerkt, dass wegen
Verworrenheit der Quellen die Cellischen von den Wolfenbütteler
Regimentern nicht immer mit voller Sicherheit zu sondern sind.
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Die Braunsen weig-Lüneburger.
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Adolf v. Holstein-Plön i hatte sich bei Enzheim glänzend be-
währt. Herzog Georg Wilhelm v. Celle aber, der seit Mitte
Oktober den Oberbefehl führte, war einer der brauchbarsten
Generale des Koalitionsheeres. Fast mehr noch als der Grosse
Kurfürst selber war er auf militärischem wie politischem Ge-
biet das treibende Element im Hauptquartier. Zwischen ihm
und Friedrich Wilhelm herrschten Vertrauen und Freundschaft,
deren Pflege jedoch dem an seinen heimischen Grenzen be-
drohten Hohenzollern mehr am Herzen lag als dem minder ge-
fährdeten Weifen. Wenigstens zeigt sich dieser im vertrauten
Briefwechsel mit seinem Wolfenbütleler Vetter recht miss-
trauisch gegen Friedrich Wilhelms Liebes werben. Im Seplember,
als dieser die brandenburgischen und braunschweig-cellischen
Truppen am liebsten «conjungiren und ä part agiren» lassen
wollte, hielt Georg Wilhelm dies für bedenklich, da er näher
mit dem Kaiser als mit dem Kurfürsten ver bunden sei. Ebenso
zurückhaltend zeigte er sich im November, als Friedrich Wil-
helm «eine sonderbahre Begierde contestirte, mit dem Fürst-
lichen Gesambthauss ein Defensiv-Bündnüss auszurichten».
Wenn Georg Wilhelm nicht einsah, welchen Vorteil ihm eine
so enge Verbindung bringen solle, so war er doch stets darauf
bedacht, ein gutes Einvernehmen mit seinem mächtigen Nach-
barn aufrecht zu erhallen. In militärischen Dingen waren
beide Fürsten als Freunde einer kräftigen Kriegsführung ineist
einig. Mitunter freilich trat auch bei Georg Wilhelm das
paiiikularistische Selbstgefühl zutage, wie er denn am Tage von
Türkheim gegenüber einer ganz sachgemässen Anordnung des
Oberfeldherrn den Gehorsam verweigerte.
Das Schmerzenskind des verbündeten Heeres waren die
Münsteraner. Christoph Bernhard v. Galen, der un-
ruhige und streitbare Bischof von Münster, war bis 1674 ein
treuer Verbündeter Frankreichs gewesen. Aber bei Bildung
der grossen Koalition im Frühling des genannten Jahres
glaubte er seine Rechnung besser an der Seite der Alliierten
' Johann Adolf hatte im Jahre vorher eine Tochter des Herzogs
Rudolf Augast von Braunschweig geheiratet und war demnächst in
dessen Kriegsdienste getreten. Er war der ältere Bruder des Kur-
brandenburgischen Fcldzcugmcistors Herzog August v. Holstein-
Norburg. Beide waren Neffen der Kurfürstin Dorothea v. Branden-
burg geborenen Herzogin v. Holstein-Glücksburg.
2
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18
2. Das deutsche Reichsheer.
zu finden. Die Energie, mit der das Reich im Februar gegen
Wilhelm v. Fürstenberg, den französisch gesinnten Ratgeber
des Kurfürsten von Köln vorgegangen war», hatte dem Münster-
ischen Ränkeschmied einen heilsamen Schrecken eingejagt. Er
schloss am 22. April zu Köln Frieden mit den Generalstaaten,
trat der Koalition hei und verpflichtete sich durch den Subsidien-
vertrag vom 12. Mai zur Gestellung von 6000 Mann Fusstruppen
und 4000 Reitern. Es war nicht leicht, diese Regimenter von
ihren mehrjährigen Verbündeten schnurstracks zu den bisherigen
Feinden hinüberzuführen. Der Bischof von Paderborn wirkte
auf Nagel und Post, die ältesten der Münsterischen Obersten,
dahin ein, dass sie nicht gegen die Franzosen ziehen möchten.
Auch unter der Mannschaft fehlte es nicht an Aufwi«gelungs-
versuchen. Und in der Tat musste zunächst eine Militärrevolte
im Lager von Borken niedergeschlagen werden, die sich haupt-
sächlich auf das Nageische, sowie das Uflelnsche nnd Wester-
hollsche Regiment erstreckte.» Nachdem die Rädelsführer ge-
hängt, die Uebrigen durch Soldzahlung zufriedengestellt waren,
vollzog sich an der Maas die Vereinigung der Bischöflichen
mit den Kaiserlichen unter dem Markgrafen Hermann v.
Baden, der zunächst das Kommando über sie behielt und sie
nach Mainz zu Bournonville heranführte. Unter ihm befehligte
General-Wachtmeister Post das Münstersche Korps, starb jedoch
schon am 19. November.
Dem schlimmen Anfange im Lager von Borken entsprach
der Fortgang. Die Truppen des Bischofs wurden beständig
schlecht bezahlt, und aus dieser Wurzel entsprangen andere
Uebel, z. B. eine zahlreiche Fahnenflucht und mangelhafte
Mannszucht, mehrfach auch tadelnswerte Haltung vor dem
Feinde. Wegen des unverhältnismässig starken Abganges, den
dieses Kontingent erlitt, ist es bei ihm noch schwerer als bei
den übrigen Heereskörpern, eine zuverlässige Berechnung der
Kopfstärke aufzustellen. Während der französische Gesandle
1 Fürstenberg wurde am 4. Februar 1674 zu Köln verhaftet
und als Gefangener nach Wien abgeführt. Er sollte enthauptet
. Merden, was freilich unterblieb. Seine Brüder, der Fürstbischof von
Strassburg, und der Oberhofmeister des Kurfürsten von Bayern,
waren ebenfalls feste Stützen der französischen Partei.
- Dass Oberst Nagel gleich darauf seinen Abschied nahm, hing
jedenfalls mit diesen Vorgängen zusammen.
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Die Münsteraner. 19
Verjus zu Berlin in einer Nach Weisung vom Mai 1674* die
Münslersche Reiterei zu 4648, die Dragoner zu 905 Mann be-
ziffert — vom Fussvolke schweigt er — berichtet Abbe Gravel
aus Mainz im August nur von 1770 Reilern, 150 Dragonern,
2050 Infanteristen. Durch solche Widersprüche ist es schwer,
sich durchzu finden; aber Gravels Angabe muss schon nach der
Zahl der beteiligten Regimenter weitaus zu niedrig sein. Verjus
andrerseits nennt ausser unsern 7 Reiter-Regimentern noch zwei
weitere (Masbach und Lenard), die wohl nicht mit nach dem
Oberrhein marschiert sind. Mit weniger als 7000 Mann werden
wir das bischöfliche Kontingent für den Monat November kaum
veranschlagen dürfen, wiewohl es dann rasch zusammenschmolz.
Der innere Zustand der Münsterschen Truppen war wie
gesagt ein sehr übler. Die Fussregimenter zählten kaum
4 — 500 Mann ; nur das von Oberst G. W. v. Wedel geführte
Regiment war 700 Köpfe stark uud bewährte sich sowohl bei
Enzheim wie bei Türkheim recht gut. Die Reiterei aber, deren
Kompagnien selten auf 100 Mann stiegen, meist aber nur 50
Mann zählten, werden wir bei Mülhausen völlig versagen sehen,
während die Artillerie bei Türkheim mit Auszeichnung gewirkt
hat. Welches traurigen Rufes «ceux de Munster» im Lager der
Verbündeten genossen, das mögen einige Proben beweisen.
«Ruinierte, malcontenle Regimenter» nennt sie der Markgraf
Hermann, der sie seit dem Sommer unter sich hatte. Frh.
v. Goes rechnet sie nur «für ein Imbarazzo undt die man lieber
nit darbey hette». Generalmajor Schultz meint nach dem Ge-
fecht von Alt-Münsterol von ihnen : «sie hetten verdienet, dass
man sie ein Theil solte hencken». Ihre eigenen Führer aber,
die Obersten Westerholt und Macdonelli, erklärten, «dass sie
ihre Reputation auf ihren Leuthen in dem Standt, wie sie
gegenwärtig sein, nit vertrauen noch setzen wollten». Es war
also fraglos eine recht zweifelhafte Hülfe, die Bischof Christoph
Bernhard v. Galen der Koalition durch seinen Beitritt hatte
zuteil werden lassen.
Besseres ist über das letzte Glied der Koalition, die Loth-
ringer, zu sagen. Das Herzogtum Lothringen gehörte damals
1 Abgedruckt in <Dcppings Geschichte des Krieges der Müns-
tcrer und Cölner gegen Holland 1072— 74> mit namentlicher Liste
aller Konipagnicchcfs der Kavallerie und Dragoner.
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20
2. Das deutsche Reichsheer
amtlich noch zum Deutschen Reiche. Aber sein Landesherr
Karl IV war schon 1642 durch Richelieu aus seinem Staate
vertrieben und hatte seitdem nur einmal für wenige Jahre
(1662—70) dorthin zurückkehren dürfen. Obgleich das Herzog-
tum seitdem völlig in französischer Verwaltung war, hatte der
landflüchtige Fürst seine Ansprüche niemals aufgegeben, hielt
sich Truppen und lag gegen die Franzosen zu Felde, wo sich
nur eine Gelegenheit dazu bot. Im Jahre 1672 — 73 hatten 12
lothringische Kompagnien in den Reihen der Brandenburger
gefochten. Jetzt standen die Truppen des Herzogs in naher
Verbindung mit den Kaiserlichen. Sie finden sich sogar mit-
unter in deren Listen, aber nur summarisch unter der Be-
zeichnung «Alt-Lothringische Truppen* 1 . Da sie in der Nach-
weisung der Winterquartiere in Schwaben mit 3 Stäben auf-
geführt sind, scheinen sie irgendwie in drei Unterabteilungen
(Brigaden) zusammengefasst gewesen zu sein. Ihre Kriegs-
gliederung erstreckt sich nach Roberts Angabe 2 , die sich auf den
Frühling 1674 bezieht, 9 Regimenter und ausserdem die Garden
und Chevaulegers. Sicher ist, dass es nur berittene Truppen
— Kavallerie und Dragoner — waren. Einzelheiten über sie
waren aber nicht zu erlangen, da der schriftliche Nachlass
des vertriebenen Fürstenhauses nicht eingesehen werden konnte*.
Die Stärke des Lothringischen Korps findet sich bei Robert
für den Frühling zu 6000 Mann beziffert. Es war durch Ver-
luste bei Sinsheim und Enzheim bedeutend geschwächt. Da
im Januar 1675 für die Alt-Lothringer 3400 Mundportionen
(zweitägiger Bedarf) und 282U Rationen angefordert wurden, so
gehen wir vielleicht nicht fehl, wenn wir ihre üienststärke für
den Monat November noch zu mindestens 2000 Mann veran-
schlagen. Ihre Ausrüstung und Bewaffnung schilderte Persode
1 Diese Benennung unterschied sie vom Regiment Jung-Loth-
ringen, welches ein kaiserliches Reiter-Regiment war und des Herzogs
Neffen Karl Leopold zum Inhaber hatte. Dieser, der spätere Be-
freier Wiens und Staramherr der jetzigen österreichischen Dynastie,
befand sich übrigens beim Heere des Grafen Sporck in Flandern.
» F. des Robert, Les campagnes do Turenne en AUemagne
1G72— 75 (Nancy 1903).
3 Einige auf die Bequartierung und Verpflegung der Lothringer
bezügliche Schriftstücke sowie der Briefwechsel des Herzogs Karl mit
dem Kaiser Leopold befinden sich im Staatsarchive zu Wien, konnten
aber nicht benutzt werden, da dieses Archiv nichts versendet.
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Die Lothringer.
21
de Maizery, der französische Gesandte in Frankfurt, noch im
April als sehr schlecht. Aber er machte den Zusatz : «mais
ies hommes paraissent estre de vieux soldats et fort ze16s
Lorrains». Und in der Tat erwiesen sie sich als tüchtige und
unternehmende Krieger, die sich sowohl beim Ueberfall von
Benamesnil wie beim Reitergefecht von Mülhausen von der besten
Seite zeigten. «Die Alt-Lothringer haben mit extraordinari
Valeur gefochten», versichert Goes nach diesem Gefecht, und
ahnlich günstig lautete das allgemeine Urteil. Ihr Kriegsherr,
der unruhige und wunderliche Herzog Karl IV, ein bereits 70
Jahre alter, unter den Waffen ergrauter Kriegsmann, genoss
im Hauptquartier der Verbündeten da reputation de Grand-
Capitaine.» Er war, schon weil sein ganzes Streben auf die
Wiedergewinnung seines Landes gerichtet war, ein Vertreter
des offensiven Gedankens. Aber wenn sein Urteil auch Ansehen
genoss, vermochte er doch nicht, die schwerfällige Masse des
Reichsheeres zu kühner Tat aufzurütteln. Bald zog er sich,
am Erfolge verzweifelnd und ausserdem fieberkrank, zu seiner
Gemahlin auf das Schloss St. Pilt zurück, welches in dem öst-
lichsten, weit in das Elsass hineinragenden Zipfel seines Landes
gelegen war und ihm daher noch offen stand. Er hielt sich jetzt
ganzlich von der Heeresführung zurück, und es ist ganz falsch,
wenn vielfach behauptet wird, er habe für die Entscheidungs-
tnge bei Colmar zweckmässige und tapfere Ratschläge erteilt.
So waren im Wesentlichen die Bestandteile des Reichs-
heeres beschaffen, das zusammengetreten war, um das deutsche
Elsass vor weiteren Uebergriffen der französischen Ländergier
zu schützen. Es zählte, wenn unsre Rechnung richtig ist, ins-
gesamt nicht über 49—50 000 Mann, wenig genug für einen
so wichtigen Zweck. Kein Wunder, dass die Grenzmark an
den Vogesen mit solchem Volksaufgebote nicht zu behaupten
war. Rund 20 mal mehr Krieger mussten im Sommer 1870 über
den Rhein rücken, um das Elsass mit Erfolg wiederzuholen.
Wie es im Jahre 1674 um die deutsche Zentralgewalt
aussah, das zeigt sich am besten durch einen Blick auf die-
jenigen Reichsstände, die sich ihren Pflichten gegen das Vater-
land mehr oder minder entzogen, obwohl die Regensburger
Versammlung den Reichskrieg verkündet hatte. Zahlreiche
Kleinstaaten fehlten nicht nur beim Heeresaufgebot, sondern
suchten auch alle Quartier- und Verpflegungsleistungen nach
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22
2. Das deut8che Reichsheer.
Möglichkeit von sich abzuwenden. Die Behauptung des fran-
zösischen Gesandten in Frankfurt, die Reichsstände stellten ihren
Zuzug mit einem Eifer, als solle es gegen die Muselmänner
gehen, war leider sehr unbegründet. Dass Fürsten in so aus-
gesetzter Lage wie Graf Georg v. Mörnpelgard 1 oder Plalzgraf
Christian v. Rappoltsiein », wie Gräfin Anna Magdalena v.
Lichtenberg» oder Pfalzgraf Leopold Ludwig v. Lützelstein*
sich vorsichtig zurückhielten, lässt sich begreifen. Ihnen
mochte das Schicksal des Grafen v. Nassau- Saarbrücken vor-
schweben, der im Frühjahr 4674, weil er sich nicht von der
deutschen Sache trennen wollte, aus seiner Residenz gefangen
nach Metz fortgeführt worden war. Das Fehlen der West-
fälischen Kreistruppen ist durch die Nähe des flandrischen
Kriegsschauplatzes allenfalls erklärlich, wiewohl sie auch dort
keine aktive Hülfe leisteten. Kurfürst Friedlich Wilhelm
mahnte schon im Oktober in Wien, dass auch der Westfälische
Kreis zu seiner Pflicht angehalten werden möge. Aehnlich
war die Lage für Kurtrier, dessen Bischof seine Milizen zwar
marschbereit hielt, ein aktives Eingreifen aber vorsichtig ver-
mied. Als eine Abteilung seiner Truppen im November vor der
Festung Blieskastel erschien, zog sie sich vor der vom Grafen
Saulx entsendeten Entsatztruppe schleunigst wieder zurück.
Auch der so unmittelbar bedrohte Oberrheinische Kreis*
war bei der zum Schutz des Oberrheines versammelten Feld-
armee nur zeitweilig und schwach vertreten. Der Kreis hatte seine
mal rikel massigen drei Regimenter schon im Juni aufgebracht.
Es blieben aber, da das Reiter-Regiment nach Ungarn abrückte,
für die Westgrenze nur zwei Fussregimenter unter Graf Solms
und Graf v. Nassau-Saarbrücken übrig, zusammen 1573 Mann 6 .
1 Das jetzige Montbeliard, damals von einer Nebenlinie des
Hauses Württemberg-Teck regiert.
* Aus dem Hause Pfalz-Sponheim.
3 Aus dem Gräflich Hanauischen Hause.
4 Aus dem Hanse Pfalz-Veldenz.
5 Kaiser Maximilians Kreiseinteilung vom Jahre 1512 bestand
noch immer zn Recht.
6 Die 5. Kompagnie des ersten Regiments war ausschliesslich
von den treuen Reichsstädten des oberen Elsass aufgebracht worden,
obwohl Frankreichs Joch auf ihnen lastete. Colmar hatte dazu 61
Mann, Schlettstadt 48, Münster 24, Türkheim 10 und Oberchnheim
28 Mann gestellt.
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Das Reservekorps des Markgrafen v. Durlach.
23
Von ihnen ging nur das letztere mit ins Elsass und focht bei
Enzheim, wurde aber zu Ende November über den Rhein
zurückgenommen und gleich dem Regiment Solms einem
Reservekorps unter dem Reichsfeld marschall Markgraf
Friedrich v. Baden- Durlach zugeteilt. Dessen Aufgabe war
hauptsächlich die Besetzung der Kehler Rheinbrücke und des
sogenannten Zollschänzels 1 , also gewissermassen Etappendienst.
Ferner die Beobachtung der von den Franzosen unter Graf
Maulevrier besetzten Rheinfestung Philippsburg.
Auch was vom Kurrheinischen, Schwabischen und Frän-
kischen Kreistruppen zusammengebracht war, gehörte zu diesem
locker gefügten und niemals einheitlich beisammen gewesenen
Reservekorps. Es war wenig genug, alles in allem nicht über
6000 Mann. Kurfürst Maximilian Heinrich v. Köln, der nur
ungern dem französischen Bündnisse entsagt hatte, hielt
seine Truppen dem Kriege fern. Kurfürst Karl Ludwig von
der Pfalz war bei Ankuntt der Brandenburger noch mit einem
kleinen, etwa 2000 Mann starken Korps bei der Armee, führte
es aber zu Anfang Dezember über den Rhein zurück. Sein
Streben ging vor allem dahin, dass Philippsburg im Schach
gehalten werde, da er eingedenk der Turennischen Verwüstung
vom vergangenen Sommer sein Land vor neuer Schädigung
bewahren wollte. Ein Fränkisches Kreisregiment unter Oberst-
leutnant Roth wird im März 1675 am Neckar genannt; auch
sind ein Kulmbachisches und ein Würzburgisches Bataillon unter
den Majors Bauzan und Winterscheid vorübergehend beim
Bournonvillischen Heere gewesen, lagen aber später vor Philipps-
burg. Das Schwäbische Kreiskontingent fand sich ebenfalls in
der Hauptsache zusammen und lag um Mitte Dezember bei
Pforzheim und Heilbronn. Den Reichsständen, die ihrer Waffen-
pflicht nachkamen, wurden zur Deckung der Kosten vier
Römerrnonate 2 erlassen.
Die Mehrzahl der Staaten des deutschen Südwestens stellte
das vorgeschriebene Reichskontingent überhaupt nicht. Es
1 Auch Sternschanze genannt; das Werk lag aaf einer grossen
Rheininsel, dem östlichen Teile der heutigen Sporeninsel.
- So nannte man die den Reichsständen obliegende Kriegssteuer
für die Reichsoperationskasse. Sic wurde berechnet nach der beim
Römerzuge Karls V im Jahre 1521 aufgestellten Matrikel der
monatlichen Zahlungen für das Kriegsvolk. "
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2. Das deutsche Reichsheer.
waren die Kernlande jenes ersten Rheinbundes vom Jahre 1658,
der noch 4663 erneuert worden war. Kurfürst Ferdinand
Maria v. Bayern, ein Werkzeug der vaterlandsverräterischen
Fürstenberge, schloss noch am 5. Juli 4674 einen Subsidien-
vertrag mit Frankreich, der ihn zum Losschlagen nach dem
Eintritt Schwedens in die Aktion verpflichtete. Seine Haltung
war derart, dass Kaiser Leopold es für nötig fand, das Regiment
Baden und 5 Kompagnien Wopping-Dragoner in Oberöster-
reich «in den Posten gegen Kurbayern» stehen zu lassen, und
dass gegen Jahresschluss erwogen wurde, oh nicht «ä cause de
la Baviere» der Röckzug über den Rhein notwendig sei. Es
liess den Bayernfürsten völlig ungerührt, wenn Friedrich
Wilhelm v. Brandenburg ihm von Schweinfurt aus beweglich
vorstellte : «wasgestalt alle Unsere bisshero geführte Consilia
und Actiones einzig und allein dahin gerichtet gewesen, dass
unser geliebtes Vaterlandt von auswertigem Dominat und aller
Vergewaltigung befreyet werden möchte.»
Wie der Wittelsbacher, so hatte auch sein Nachbar Herzog
Wilhelm Ludwig v. Württemberg keinerlei Verständnis für
die Sprache des Patriotismus. Er zeigte so bösen Willen, dass
er am Jahresschluss den anrückenden Ober- und Niedersachsen
den Marsch über die Lauffeuer Neckarbrücke offen verwehrte.
Andere Kleinfürslen wählten das bewährte Mittel der Ver-
schleppung. So der dem Hause Metternich entstammende,
ganz französisch gesinnte Erzkanzler in Germanien (!) Kurfürst
Lothar Friedrich v. Mainz. Der beantwortete alle Mahnungen
zur Gestellung seiner Mannschaft mit der Phrase : «er habe
die Angelegenheit allbereits zu behörigen Bedacht gezogen und
wolle auch nicht unterlassen, dieselbe noch ferner zu überlegen.»
Die Mainzer Rheinbrücke hatte er im Sommer 1674 dem Heere
Bournonvilles erst überlassen, als der Grosse Kurfürst ihm mit
der Wegnahme der Kurmainzischen Stadt Erfurt drohte. Auch
die Hessischen Landgrafen wussten sich der Erfüllung ihrer
Wehrpflicht zu entziehen.
Besser sah es in Norddeutschland aus. Brandenburg, Braun-
schweig und Celle sahen wir in star ker Rüstung zu Felde
ziehen. Auch Kursaehsen hatte das ihm Obliegende getan,
indem es 2 Fussregimenter (Prinz Moritz und Schweinitz)
und 2 Reiter-Regimenter (Noitzsch und Goldacker) sowie 4
Dragoner-Kompagnien aufstellte. Sie fochten bei Sinsheim
Süddeutsche Staaten und norddeutsche Kreistruppen. 25
wacker gegen Turenne, durften aber nicht mit über den Rhein.
Nach den ersten Misserfolgen seiner Volksgenossen beeilte sich
Kurfürst Johann Georg, mit Frankreich zu liebäugeln, dessen
König er glühend bewunderte. Noch im Dezember tat er
Schritte «pour rentrer dans le bon party». Sein vom Prinzen
Moritz geführtes Korps gehörte zur Reservearmee des Mark-
grafen von Durlach und wurde erst um Weihnachten auf die
Elsässischen Hiobsposten hin vorgezogen, ohne über den Neckar
hinaus zu gelangen. Von Thüringischen Staaten war nur
Sachsen-Gotha mit 300 Mann beim Korps des Prinzen Moritz
vertreten, und ein Reussisches Regiment zu Fuss focht im
Solde der Kaiserlichen.
Die Niedersächsischen Kreistruppen kamen langsam in
Fluss; aber sie versagten sich nicht ganz. Selbst ein so aus-
gesprochener Franzosen freund wie Johann Friedrich v. Hannover
verstand sich dazu , 2 Kompagnien (Küchenmeister und
Biesewangk) aufzustellen. Sie verliessen aber die Heimat erst
zu Anfang November, zusammen mit 2 Mecklenburgischen
Kompagnien unter Oberst Viereck, 3 Holsteinischen Kompagnien
unter Oberstleutnant Voigt, sowie mit den Sachsen-Lauenburgern
und Lübeckern. Herzog Georg Wilhelm v. Gelle als Nieder-
sächsischer Kreisoberst bemühte sich eifrig, aber erfolglos, die
Vereinigung dieser Kreistruppen mit den Braunschweig-Lüne-
burgern durchzusetzen. Sie blieben dem Reichsfeldmarschall
unterstellt. Von norddeutschen Bistümern beteiligten sich nur
Münster und Osnabrück am Reichskriege. Der Bischof von
Paderborn besorgte nach Kräften die Geschäfte Frankreichs
und- hetzte im Stillen die ihm als lässige Glieder des Reiches
bekannten Stünde zum Abfall.
So sah es damals in Deutschland aus ! Die Ausweisung der
französischen Gesandten war bei einigen Kleinstaaten den ganzen
Feldzug hindurch nicht zu erreichen. Und war sie erfolgt, so
war damit auch noch nicht immer geholfen. Persode de Maizery
Hess, als er um Weihnachten Frankfurt verlassen musste, seinen
Sohn dort, der unier der Hand über München weiter berichtete.
So wurde- Deutschland durch Vermittelung der Gesandten mit
einem Heere von Spähern beobachtet. Leider muss es gesagt
werden, dass sich auch Deutsche in Amt und Würden zu diesem
traurigen Geschäfte hergaben. Sogar ein brandenburgischer
Offizier, der lange Jahre unter Turennes Fahnen geschulte
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2G
3. Turcnnes Armee.
v. Podewils, hat den französischen Feldherrn noch im August
1674 mit Nachrichten versorgt. In einem solchen Zustande
von innerer Auflösung schickte das heilige Römische Reich
deutscher Nation sich an, dem schlachten gewohnlen Heere des
französischen Sonnenkönigs unter dem allezeit siegreichen
Kriegeshelden Turenne entgegenzutreten.
3. Turennes Armee.
Der Zerfahrenheit und Ohnmacht der politischen und mili-
tärischen Verhältnisse hei den Deutschen stellte sich die straffe
Einheit der französischen Wehrkraft entgegen, deren Stärke
gerade da lag, wo die Machte der Koalition am verwundbarsten
waren. Die in den letzten Jahrhunderten von den französischen
Königen zäh und rücksichtslos durchgeführte und von den
beiden unter Ludwig XIII und dem minderjährigen Ludwig XI V
das Staatsruder führenden grossen Kardinälen vollendete Unter-
werfung der mächtigen Vasallen trug jetzt ihre Früchte. Der
von Mazarin niedergeworfene Aufstand der Fronde blieb die
letzte Zuckung des Parlikularismus in Frankreich. Es war
eine unvergleichliche Machtfülle, die Ludwig XIV übernahm,
als er im Jahre 1661 die Zügel der Regierung ergriff. Sie
verringerte sich unter seiner Herrschaft nicht; denn es war
dieses Königs Stärke, dass er die richtigen Männer an den
richtigen Platz zu stellen und sie in ihrem Wirkungskreise zu
stützen wusste, ohne dabei seiner Stellung über ihnen allen
etwas zu vergeben.
Dasjenige Gebiet, das den unumschränkten Absolutismus
und einen hohen Grad von Zentralisation am besten verträgt,
ja ge wissermassen fordert, ist das Heerwesen. Unter der
Leitung des hervorragenden Organisators Louvois nahm das
französische Heer einen ausserordentlichen Aufschwung. Die
durch die unruhige Politik des ländersüchtigen Königs entfachten
beständigen Kriege sorgten für Uebung und Fortschritt der
Truppen in der Kunst des Krieges. Frankreichs hoher Adel, der
seine Selbständigkeitsgelüste aufgegeben hatte, bot ein unerschöpf-
liches Material an brauchbaren Offizieren. Aus ihrer Mitte
bildete sich eine stattliche Reihe ausgezeichneter Generale heraus,
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Das Heer Ludwigs XIV.
27
unter denen jedoch Conde und Turenne als die glänzendsten
Erscheinungen turmhoch emporragten. Beide standen 1674 be-
reits in höherem Lebensalter. Beide waren schon im Dreissig-
jährigen Kriege hervorgetreten. Beide hatten im Burgerkriege der
Fronde eine führende Rolle gespielt : teils gegen, teils für den
Hof; bald Schulter an Schulter, bald einander bekämpfend.
Prinz Ludwig v. Conde, genannt le grand Conde, war 1660
aus der Verbannung zurückgekehrt. Erst acht Jahre darauf
hatle ihm der König wieder ein Kommando anvertraut. Er
befehligte seit 1673 die in den Spanischen Niederlanden
operierende französische Armee und erwehrte sich mit gutem
Erfolge der Angriffe des holländisch-spanisch-österreichischen
Heeres unter Wilhelm v. Oranien, Monterey und Souches.
Der blutige und wenigstens in seinen Folgen entscheidende
Sieg aber, den Cond6 am 11. August 1674 bei SenefTe erfocht,
sicherte ihm ein solches Uehergewicht auf dem Flandrischen
Kriegstheater, dass er — wie wir näher erfahren werden —
einen namhaften Teil seiner Streitkräfte seinem grossen Rivalen
und jetzigen Kameraden Turenne abtreten konnle.
Heinrich la Tour d'Auvergne Vicomte v. Turenne und
Herzog von Bouillon, geboren 1611 zu Sedan als Sohn des so-
genannten Marschalls v. Bouillon, zählt ohne Frage zu den be-
deutendsten Feldherrn aller Zeiten und stand in dem Jahre,
das wir hier betrachten, auf dem Höhepunkt seines Könnens
und seines Ruhmes, übrigens auch fast am Ende seines taten-
reichen Lebens. Von seinem Oheini, dem bekannten Prinzen
Heinrich Friedrich v. Oranien, in die Kriegskunst eingeführt,
war er schon als 20 jähriger Jüngling in den Dienst Frankreichs
übergetreten. Er trug seit 1644 den Marschallstab, dessen er
sich bald darauf durch den Sieg von Nördlingen würdig erwies.
In den französischen Bürgerkriegen führte er kurze Zeil hin-
durch das Heer der Fronde, seit 1651 aber die Truppen des
Königs. Im Jahre 1672 erhielt der erst wenige Jahre vorher
zum katholischen Glauben übergetretene Feldherr den Ober-
befehl im westlichen Deutschland. Er zeigte sich seinen Geg-
nern — dem kaiserlichen Feldmarschall Montecuccoli und dem
Kurfürsten Friedrich Wilhelm v. Brandenburg — weitaus über-
legen, drang fast ohne eigentliche Kämpfe bis Hamm vor und
nötigte den Kurfürsten zum Sonderfrieden von Vossem. Dass
das Jahr 1673 weniger glücklich für die französischen WafFen
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3. Turcnnes Armee.
verstrich, dass sich Turennes Stern aber 1674 nochmals strahlend
erhob, wurde schon im 1. Abschnitt erzählt.
Der Marschall bewahrte sich in den beiden grossen Schlachten
dieses Jahres, bei Sinsheim am 16. Juni und bei Enzheim am
4. Oktober, als kaltblutiger, erfahrener und geschickter Taktiker.
Schon darin, dass er den Wert, der Waffenentscheidung durch
die Schlacht überhaupt zu würdigen wusste, zeigt er sich über
seiner Zeit stehend; denn im Allgemeinen war man damals von
eiuer solchen gesunden Auffassung des Krieges weit abgekommen.
H. Peter, kennzeichnet die damals herrschenden Anschauungen
in seinem ausgezeichneten Buche über den Krieg 1672—75
überaus treffend wie folgt: «Es macht einen eigentümlichen
Eindruck zu beobachten, wie die Feldherren des 17. Jahrhunderts
den Krieg als ein Schauspiel ansehen, und wie ihnen im
wechselseitigen Wetteifer fast mehr um den Ruf eines guten,
unfehlbaren Spielers als um entscheidende Erfolge zu tun ist. Die
unaufhörlichen Kämpfe hatten die Menschen so an den Kriegszu-
stand gewöhnt, dass es nicht zu verwundern ist, wenn sie über dem
Mittel den Zweck vergassen». Zwar knüpfen sich diese Betrach-
tungen gerade an Turennes Massnahmen zum Schutze des Elsass
im Jahre 1674; aber der Marschall verstand mehr als nur den
Positionskrieg. Eben in dem folgenden Winter sollte er in ver-
blüffender Weise an den Tag legen, mit welcher Energie er die
feindliche Armee ali das eigentliche Kampfobjekt anzusehen und
zur Schiacht zu zwingen wusste. Auch die Genialität seiner
strategischen Entwürfe werden wir in dem bevorstehenden
Winlerfeldzuge in glänzendster Weise hervortreten sehen.
Turenne verband Kühnheit in seinen Entschlüssen und
Energie in deren Durchführung mit vorsichtigem Abwägen der
Kräfte. Wir sehen ihn sowohl bei Enzheim wie bei Mülhausen
und bei Türkheim den Tatendrang seiner Truppen zügeln. Er
war weit entfernt von leichtsinniger Unterschätzung seiner
Gegner. Wohl aber wusste er deren Schwäche und Uneinig-
keit als Faktor in seine Berechnungen einzustellen. Es war
nichts als ruhiges und wohlberechtigles Selbstbewusstsein, wenn
er im September 1674 seinem Könige schrieb : «Je connois la
force des troupes imperiales, les generaux qui les commandent,
le pays oü je suis ; je prends tout sur moi et me Charge des
evenemens». Er hat es bewiesen, dass er der Mann war, so
stolze Worte durch die Tat zu bewähren.
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Der Marschall Turenne.
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Zur Vervollständigung des Bildes diene, dass Turenne nie-
mals einen Kriegsrat berief, vielmehr seine Enlschlösse auch
vor seinen Unterführern so lange verborgen hielt, bis die Stunde
der Ausführung schlug. Ferner, dass er im vollsten Masse die
Liebe und das Vertrauen seiner Soldaten genoss, für deren
Wohl er wie ein Vater sorgte. Mit einem gesunden Blick in
politischen Fragen ausgestattet, wusste Turenne unter Um-
ständen klug und massvoll zu verhandeln, wie er dies z. B. im
Januar 1675 mit der Stadt Strassburg tat. Als Sohn einer auch
mit dem Hohenzollernhause verwandten deutschen Prinzessin *
war er, wie beiläufig bemerkt werden möge, der deutschen
Sprache mächtig. Sein persönlicher Charakter war von makelloser
Beinheit und Uneigennützigkeit. Die Verwüstung der Pfalz, die
er im Frühjahr 1674 vornehmen musste, geschah auf den gemes-
senen Befehl des Kriegsministers Louvois. Sie gehörte zum Systeme
der französischen Staatskunst unter Ludwig XIV und entsprach
keineswegs Turennes Neigungen. Sehr bemerkenswert ist ferner
seine Bescheidenheit und Wahrhaftigkeit. Beide Eigenschaften
prägen sich auch deutlich in seinen Briefen und Berichten aus.
Alles in Allem bietet sein Wesen ein anziehendes Soldatenbild,
dessen Reiz sich auch der Deutsche nicht entziehen wird.
Die Armee, die das Glück halte, einem so ausgezeichneten
Feldherrn unterstellt zu sein, war bis zum Herbst 1674 nur
klein, so dass es der ganzen Meisterschaft ihres Führers be-
durfte, um mit ihr siegreich bis zum Neckar vorzudringen und
nachmals das Unterelsass gegen die Uebermacht der Verbün-
delen zu schützen. Alle Quellen stimmen darin überein, dass
seine Streitmacht 20000 Mann nicht überstieg. Es war also
nicht viel mehr als eine heutige Division ; aber die Gliederung
des Turennischen Heeres unterschied sich wesentlich von einer
solchen. Zwar war das in den Anschauungen der Zeit be-
gründete Ueberwiegen der Reiterei über das Fussvolk nicht so
krass wie beim Heere der Deutschen ; aber als die Hauptwaffe
durfte die Reiterei auch bei den Franzosen gellen. Die Ar-
tillerie war gering an Zahl und spielte eine untergeordnete
Rolle. Die Infanterie-Regimenter standen meist nur mit zwei
1 Turennes Mutter Elisabeth war eine Tochter Wilhelms des
Schweigers von Nassau-Oranien. Ihre Nichte Luise Henriette, die
erste Gemahlin des Grossen Kurfürsten, war somit Turennes Base.
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3. Turcnnes Armee.
Bataillonen, vielfach nur mit einem solchen im Felde. Daheim
hatten die älteren Regimenter freilich noch eine ganze Anzahl
weiterer Bataillone. Von irgendwelcher Gleichmässigkeil in der
Stärke der Regimenter war noch keine Rede. Ihre Grösse
war wesentlich abhängig von den Mitteln ihres Chefs. Die
sechs ältesten Regimenter der Armee zählten seit dem März
4074 nicht weniger als 125 Kompagnien!
Die Liste der Kern regi men ter Turennes, die schon
hei Sinsheim unter ihm gestritten hatten, ist nicht ganz sicher
aufzustellen, da die Quellen sich vielfach widersprechen. Sie
wurden im September durch Nachschub aus der Heimat und
Heranziehung einiger Truppenteile aus den benachbarten
Festungen unbedeutend verstärkt. Um die Zeit der Schlacht
bei Enzheim und der Operationen von Marlenheim gehörten
zur Armee mit Sicherheit folgende Regimenter, die auch im
Winter bei der Feldarmee blieben.
F u s s v o 1 k :
Champagne
la Marine
Bourbonnais
Bandeville
Royal
Lyonnais
Anjou
Orleans
Bretagne
la Ferte
Royal-Marine
Languedoc
Royal- Wal Ionen
Royal-Anglais
Hainilton
Roscommons
Monmouth
Churchill
Douglas
Rei terei:
Colonel-General d'Humieres
Mestre de Camp
König
Dauphin
Orleans
St. Aoust
Beaupre
Prouville
Bulonde
Grignan
Crillon
Coaslin
Foucault
Foix
Bordage
Roquelaure
Pilloy
Calvo
Coulange
Seyssac
Vins
Saldagne
A r t i 1 1 e r
. \
i e : ;
Dragoner:
Royal
Königin
Listenay
Hocquincourt
Tilladet
Komm. : St. Hilaire.
Mannschaft : vom Regiment de
gestellt.
Frezeliercs
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Turenncs Kernregimcntcr. 31
In Susanes Geschichte der Französischen Infanterie und
Kavallerie findet sich noch hei zahlreichen anderen Regimentern
der Vermerk, sie hätten im Sommer 1674 und im Winter
1675 zu Turennes Armee gehört. Dies vereinigt sich aber
schwer mit der vielfach bezeugten Talsache, dass der Marschall
bei Sinsheim nur 16000, bei Enzheim höchstens '22000 Mann
unter sich hatte. Daher sind vorstehend nur solche Regimenter
aufgeführt, deren Anwesenheit bei Turennes Winlerfeldzug
auch anderweitig bestätigt ist. Auch mussten einige Regimenter
— wie Picardie, Burgund, la Fere, Krone, Turenne, Vaubrun,
St. Sylvester usw. — ausgeschieden werden, da sie bei Be-
ginn des Turennischen Winterzuges zu Besatzungszwecken
zurückgelassen wurden. Wie unsicher bei alledem die ganze
Aufstellung ist, erhellt daraus, dass sie sich mit der Zusammen-
setzung der Armee, die H. Peter für den Tag von Enzheim
angieht (20 Bataillone Infanterie, 12 Schwadronen Dragoner,
73 Eskadrons Kavallerie) keineswegs deckt. Unsere Liste
weist als zweifellos zur Stelle mindestens 25 — 30 Bataillone
(19 Regimenter) Fussvolk, 5 Dragoner-Regimenter und wenigstens
80—100 Schwadronen (23 Regimenter) Reiterei. Die Kopfstärke
des Heeres im November 1674 ist noch viel zweifelhafter als seine
Zusammensetzung. Sicherlich waren die Anstrengungen des Som-
mer- und Herbst feldzuyes an den Truppen nicht ohne Schädigung
ihrer Schlagfertigkeit vorübergegangen. Heber mehr als 20000
Mann hat Marschall Turenne vor dem Eintreffen der flandrischen
Verstärkungen schwerlich verfügt. Auch fühlte er sich verpflich-
tet, zu Ende Okiober nach Paris zu berichten : dass die Armee
sehr gelitten habe und dass die Pferde äusserst mager seien.
Als der Prinz von Oranien nach der Schlacht von Senefle
seine offensiven Pläne für dieses Jahr — wenngleich wider-
strebend — aufgab und seine Truppen zu Ende Oktober in
die Winterquartiere legte, war die französische Heeresleitung
in der Lage, von den Vorteilen der inneren Linie Nutzen zu
ziehen. Sie konnte die schwache und gefährdete Armee des
Marschalls Turenne aus dem grösstenteils verfügbar gewordenen
Heere des Prinzen v. Gonde verstärken. Es ist bemerkenswert,
dass die Anregung dazu nicht von Turenne ausgegangen ist.
Es muss wohl das Bewusstsein der eigenen Kraft, vielleicht
auch ein gewisser Stolz gewesen sein, der ihn abhielt, sich
bei dem ihm abgünstig gesinnten Kriegsminister Louvois um
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32
3. Tarennes Armee.
Verstärkungen zu bewerben. Ausweislich des vom Grafen
Grimoard veröffentlichten Briefwechsels Turennes erhielt dieser
durch ein vom 16. Oktober datiertes Schreiben des Staats-
sekretärs le Tellier» zuerst Kenntnis davon, dass er aus dem
Heere Condes verstärkt werden würde.
Es waren nicht weniger als 20 Bataillone und 80 Eskadrons,
die von Conde nach dem Elsass befehligt wurden, so dass
Turennes Heer annähernd verdoppelt wurde. Conde sandle
diese Verstärkungen aus Flandern in vier verschie-
denen Kolonnen ab. Freilich stimmen auch hierüber die vorlie-
genden Angaben nicht genau überein. Nach den ältesten fran-
zösischen Quellen aber lässt sich der Marsch doch ziemlich ge-
nau verfolgen. Als erste Verstärkung traf Marquis v. Genlis mit
10 Eskadrons am 30. Oktober im Lager von Dettweiler ein ; gleich
darauf St. Loup mit einem etwa ebenso starken Transport Reiterei .
Am 20. November folgte Marquis v. Montauban mit 8 Bataillonen
und 20 Schwadronen, sowie Marquis de la Feuillee mit 10 Es-
kadrons. Einen schon früher herangerückten, 14 000 Mann
starken Zuschub — 10 Bataillone 9 und 24 Schwadronen unter
Graf v. Saulx und General Sourdis — liess Turenne nicht nach
Dettweiler heranrücken, sondern hielt ihn bereits in Lothringen
an. Bei diesem Transporte befand sich die gesamte Gendarmerie,
während *i Bataillone Fussgarde am 41. November, gleichzeitig
mit dem aus Metz kommenden Regiment Rambures, im Lager
von Dettweiler anlangten. Einige anderweitige Verstärkungen
kamen aus dem Innern des Landes 3 . Ferner war das Auf-
gebot des Adels, der sogenannte Arrierebann unter Marschall
Crequi, im Anmarsch begriffen und zum Teil schon angelangt.
Endlich werden wir sehen, wie Marschall Turenne sich noch
im Dezember auf dem Marsche gen Süden zu verstärken wusste,
indem er von dem in Metz kommandierenden General die
Kavallerie-Brigade Resnel und vom Gouverneur der Freigraf-
schaft die Kavallerie-Brigade le Cateux nebst einigen Infanterie-
truppen an sich heranzog.
Von den Regimentern, die auf diese Weise das Turennische
1 Le Tellier war der Vater des Kriegsministers Louvois.
* Nach dem Diarium Europaeum wären es 13 Bataillone Fuss-
volk gewesen.
3 Die ersten drei Bataillone dieser Art trafen schon am 13.
Oktober in Marlenheim ein.
Verstärkungen aus Flandern.
33
Heer verstärkten, versuchen wir im Folgenden eine Liste zu
bringen, deren Aufstellung jedoch den früher berührten
Schwierigkeiten ebenfalls unterlag:
Garde:
1. Bataillon
: Bocquemar
2. »
: Figueras.
Ge ndarmerie:
Gendarmen :
O TT
o Kompagnien
Chevaulegers :
2 Kompagnien
F u s s v o 1 k ;
Reiterei:
Navarra
Royal-Cravates
Rambures
Bellegarde
Königin
Floren.sac
des Vaisseaux
Chazeron
Vermandois
l'Houmeau
Bourlemont
Bligny
Estrades
Dragoner:
Sourdis
Königin (4 Esk.)
Lancon
Broglie
Artillerie:
Cateux
unbekannt
Boncourt
Die königlichen Haustruppen und Gendarmen genossen im
französischen Heere ein besonders hohes Ansehen. Und ge-
rade Ludwig XIV Hess es sich angelegen sein, durch weitere
Ausgestaltung dieser seiner Lieblingstruppen den Glanz seiner
Krone zu mehren. Die 8 Kompagnien der Garde du Corps
zogen nur mit dem Herrscher selbst zu Felde. Dies war zu-
letzt im Frühjahr 1674 in der Burgundischen Freigrafschaft
der Fall gewesen. Sie waren von dort dem Könige wieder
nach seiner Residenz gefolgt und dort geblieben. Die eigent-
liche Maison du Roi stiess also nicht zum Turennischen Heere ;
wohl aber 18 Eskadrons Gendarmen, sowie 2 Bataillone Garde-
Infanterie zu je 5 .Kompagnien, befehligt, vom Marquis von
Bocquemar und dem Ritter v. Figueras. Die Gendarmerie
war eine Art jüngerer Garde. Ihre Kompagnien sollten 4
Offiziere, 8 Unteroffiziere, 3 Spielleute, 160 Gendarmen stark
sein. In dieser Zahl sind sie aber bestimmt nicht im Felde
gewesen; denn die Gesamtstärke der 18 Schwadronen findet
3
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34 3. Tarennes Armee.
sich zu 1400 Mann angegeben. Die Gendarmerie war so or-
garnisiert, dass sie sowohl zu Ross wie zu Fuss fechten konnle. Ihre
Spielleute waren sowohl als Trompeter wie als Tambours aus-
gebildet. Die Kompagnien der Gendarmen waren in den ver-
schiedensten Farben sehr prächtig gekleidet und überhaupt in
jeder Art bevorrechtete Elitetruppen. Ihre vielumworbenen
Offizierstellen wurden ausschliesslich an Grandseigneurs aus
den vornehmsten Geschlechtern des Landes vergeben. Hoch-
stehende Offiziere, die längst Inhaber von Regimentern waren,
fühlten sich geehrt, wenn ihnen eine Fähnrichs- oder Leutnants-
slelle bei der Garde du Corps oder bei den Gendarmen zufiel
oder gar eine Kompagnie dieser bevorzugten Truppen anvertraut
wurde. Diese Chefs waren :
Schottische Gendarmen : Dailli v. Hautefeuille
Englische » Hamilton Graf v. Abercorn
Burgundische » Graf v. Broglie
Flandrische » Marquis v. Clermont
Königin » Graf v. Lannion
Dauphin » Marquis de la Trousse
Anjou » Marquis v. Genlis
Orleans » Graf v. Beauvau
Königin-Chevaulegers Marquis v. Fervacques
Dauphin » Graf v. Villarceau.
Die beiden Chevaulegers- Kompagnien waren erst kürzlich er-
richtet und schwächer als die Gendarmerie-Kompagnien. Nur
die letzteren waren in sich in zwei Schwadronen eingeteilt. Hier-
aus erklärt sich le Telliers Angabe, dass 18 Eskadrons der
Gendarmerie zu Turcnne stossen würden. Das Kommando
über diese 18 Schwadronen führte Marquis de la Trousse als
Rangältester der Eskadronchefs.
Ueber Turennes Linientruppen liegt ein so genaues Material
nicht vor. Sicher ist vor allem, dass die Infanterie-Regi-
menter im Gegensatz zu den Verhältnissen, die wir bei den
Deutschen kennen lernten, in Frankreich erstaunlich verschieden
an Stärke und Zusammensetzung waren. Die Zahl ihrer Kom-
pagnien schwankt von 10 bis zu l k 25, in die die ältesten
Regimenter (Champagne, Navarra , Marine usw.) zerfielen.
Hierunter waren aber nur wenige (1 — 3) Feldbataillone, deren
jedes der Nonn nach 10 Kompagnien zu üü Mann zählen
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Gendarmerie. — Fusstruppen.
35
sollte 1 . Bei vielen kam noch eine Grenadier-Kompagnie
zu 70 Mann hinzu. Ein Feldbataillon hätte hiernach 960 Mann
zahlen müssen. Die tatsächliche Dienststärke war jedoch in
der für uns in Betracht kommenden Winterzeit erheblich ge-
ringer ; sie wird 600 Mann kaum überstiegen haben. Viele
Regimenter waren erst ein Bataillon stark ; manche finden
sich ebenso oft als Bataillon bezeichnet wie al.s Regiment.
Kurzum, es ist eine recht zweifelhafte Liste, die wir oben
bringen konnten. Auch bleibt es nur eine unsichere Schätzung,
wenn wir die dem Marschall Turenne im Dezember 1674 ins
Feld folgende Infanterie zu 40—45 Bataillonen veranschlagen.
Dabei sind die in Hagenau und Zabern verbleibenden 9
Bataillone nicht mit gerechnet; ebensowenig das Regiment
Frezelieres, das in Saar-Bockenheim zurückblieb, jedoch auch
an der Artilleriebedienung beteiligt war.
Rechnen wir nun die von uns ermittelten 40 —50 Bataillone
zu je 600 Mann, so ergiebt sich eine Gesamtstärke von etwa
24— 27 000 Mann, was mit den Angaben Beaurains und des
Diariums Europaeum ziemlich übereinstimmt. Zu den Fuss-
truppen Turennes dürften ausser den genannten Regimentern
noch einige der 113 Freikompagnien gehört haben, die der
König im Lauf der Jahre errichtet hatte ; wenigstens stossen
wir auf den Namen le Brosse, der eine solche Kompagnie be-
fehligte. Eine besondere Erwähnung verdienen ferner die
Frenidlruppen, deren Frankreich damals 26 Regimenter besass.
Da es gegen die Kapitulationen verstiess, Schweizer und Deutsche
gegen den Kaiser ins Feld zu stellen, hatte Turenne an Fremd-
truppen nur die Briten und die auf dem flandrischen Kriegs-
theater nicht verwendbaren Regimenter Royal-Wallonen und
Bouillon unter sich. Die britischen Regimenter Royal-Anglais,
Hamilton, Roscommons, Monmouth, Churchill« und Douglas er-
freuten sich des besten Rufes in der Armee. Ihre Kompagnien
hatten eine Sollstärke von 100 Mann. Die Bezeichnung der
beiden vornehmsten Kompagnien der Gendarmerie als Schottische
1 So lag das Regiment Champagne im Jahre 1G73 mit 32 Kom-
pagnien in Colmar.
- Unter dem Befehl des nachmaligen Herzogs v. Marlborongh,
der sich unter den französischen Fahnen die Kriegskunst erwarb,
die er später mit so grossem Erfolge gegen Frankreich anwenden
sollte.
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36
3. Tnrcnnes Armee.
und Englische hatte nur noch geschichtliche Bedeutung-
Ebensowenig gehörte das Regiment Royal-Cravates zu den-
Fremdtruppen ; es war zwar einst aus entlassenen Kroaten gebildet
worden, hatte aber längst französischen Ersatz.
Von den berittenen Truppen bleiben, da von den Gendarmen
und Chevaulegers schon eingehend die Rede war, noch die
leichte Kavallerie und die Dragoner zu besprechen. Noch vor
zwei Jahren hatte Frankreichs leichte Reiterei* aus nur
6ü Eskadrons bestanden, deren jede sich in 3 Kompagnien zu 60
bis 70 Mann gliederte. Im Jahre 1672 wurden diese Eskadrons
zu Regimentern erklärt und dabei grösstenteils auf ö Kom-
pagnien gebracht. Wie allmählich diese Erhöhung aber in.
Wirklichkeit vor sich ging, erhellt daraus, dass noch 1678 die
Regimenter — nunmehr Ü9 an der Zahl — von 3 bis zu 8 Kom-
pagnien schwankten. Im Jahre 4674 waren die Regimenter, die
4 Kompagnien oder mehr zählten, noch in der Minderheit.
Viele hatten nur 2 Kompagnien, die jüngsten Aufstellungen
mitunter nur eine einzige. Ueber die Regimenter, die den Oher-
elsässischen Winterfeldzug mitmachten, liegt nur ein sehr
lückenhaftes Material vor 2 . Um die Stärke der Turennischen
Reiterei wenigstens annähernd zu berechnen, müssen wir be-
achten, dass die Sollstärke der Kompagnien 54 Mann betrug.
Ziehen wir den unvermeidlichen Abgang an Kranken ab
und berücksichtigen wir zudem den Einfluss der Verschieden-
heiten der Organisation, so werden wir mehr als 300 Mann
pro Regiment keinesfalls rechnen dürfen. Wir gelangen damit
zu einer Gesamtstärke von etwa 10000 Mann Kavallerie.
Dazu treten noch gegen 1500 Mann Dragoner, die zwar zu
Fuss fochten, aber beritten waren. Unter weiterer Hinzurechnung
der Gendarmerie ergibt dies insgesamt etwa 13000 Mann be-
rittener Truppen. Genau dieselbe Ziffer nennt das Beaurainsche
W'erk. Wir werden daher, obwohl das Diarium Europaeum
dem französischen Feldherrn 16000 Mann zu Pferd zuteilt, an-
nehmen dürfen, dass es mehr als 13000 nicht gewesen sind.
Die Artillerie nahm damals in Frankreich noch eine geringe
Stellung ein. Bespannung und Fahrer wurden gemietet. Die
1 Die Bezeichnung «leicht» hatte keine weitere Bedeutung; es
waren auch Kürassiere darunter.
* Susane führt noch bei zahlreichen oben nicht genannten Re-
gimentern den Feldzug Turennes 1674/75 an.
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Leichte Reiterei, Dragoner and Artillerie. 37
Bewachung des Artilleriematerials, die eigentlich dem Füsilier-
Regiment oblag, wurde bei Turenne vom Regiment Frezelieres
besorgt. Den Dienst der Batterien in der Schlacht versahen die
Kommissäre des nur aus Offizieren zusammengesetzten Artillerie-
korps. Ueber die Starke der von St. Hilaire befehligten Tu-
rennischen Artillerie besitzen wir nur eine Notiz vom September
1674, die sie zu 30 Geschützen, also auffallend schwach, angibt.
Die Infanterie- und Kavallerie-Regimenter wurden im fran-
zösischen Heere ebenso wie bei den Kontingenten der deutschen
Staaten in der Regel nach ihrem Oberst (Mestre de Camp) be-
nannt. Einzelne Regimenter waren jedoch geographisch (Cham-
pagne, Orleans) gekennzeichnet oder mit Ehrennamen (des
Vaisseaux, Colonel-General) begnadigt, so dass es an einem
durchgeführten Prinzip der Benennung mangelt. Bemerkt muss
ferner werden, dass die Mestre de Camps, die das Eigentums-
recht der Regimenter erworben hatten, keineswegs immer deren
Führer waren. Es waren mitunter blutjunge, aber vermögende
Herren aus dem hohen Adel, die bei den vornehmen Truppen
•der Maison du Roi einige Zeit den Dienst erlernt und sich so-
dann ein Regiment gekauft hatten 1 . Dessen taktische Führung
lag in solchem Falle in der Hand des Oberstleutnants. So ist
es zu erklären, dass zu Brigadiers mitunler nicht Obersten, son-
dern Oberstleutnants ernannt wurden. Es konnte das eigentüm-
liche Verhältnis vorkommen, dass ein solcher zum Brigadier er-
nannter Oberstleutnant während der Operationen der Vorgesetzte
seines eigenen Obersten wurde. Beim Beziehen der Winterquar-
tiere trat er wieder unter dessen Refehl zurück ; denn hier traten
die wirtschaftlichen Eigentumsrechte des Obersten an seinem
Regiment in den Vordergrund. Uebrigens war es dem unbe-
mittelten Offizier, der kein Regiment unterhalten konnte, un-
benommen, vom Oberstleutnant direkt zum Marechal de Camp,
dem untersten Grade der Generalität, aufzurücken.
Schliesslich bleibt in diesem Zusammenhange noch von dem
zu Ende August aufgebotenen Arrierebann zu sprechen. Diese
uralte Einrichtung bestand in einer Art aristokratischem Land-
sturm. Es war ein Aufgebot des Adels aus acht Provinzen des
i Die wirtschaftliche Beziehung der Regimenter zn ihren In-
habern war in ähnlicher Art auch in Deutschland, namentlich bei
<leu Kaiserlichen, herkömmlich.
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38 3. Turennes Armee.
mittleren Frankreich», wie es in Fällen ernster Bedrohung des
Vaterlandes erfolgen durfte und oft mit gutem Erfolge ergangen
Mar. Aber der Adelsbann wurzelte zu fest im Ritter- und Feudal-
wesen, als dass er in den Zeiten der Feuertaktik und des Ab-
solutismus noch am Platze gewesen wäre. Der Bann versagte
1674 grundlich und ist nie wieder aufgeboten worden! Langsam,
in schwerfalligem Zuge und mit einem gewaltigen Xross be-
lastet, rückten die Kolonnen der Edelleute heran. Ihre 48 Schwa-
dronen waren nach Gauverbänden in 4 Brigaden unter Beauvau,
Senay, Clinchamp und Nancre zusammengefasst *. Sie unter-
standen dem gemeinsamen Oberbefehle des Marschalls v. Crequi,.
der von diesem Auftrage keineswegs entzückt war.
Das Soldatenauge des Vicomte Turenne ruhte von vorn
herein mit geringem Wohlwollen auf den undisziplinierten
Haufen der verwöhnten Noblesse. Dennoch wies er um Mitte
Okiober angesichts der bedeutenden Verstärkung des feindlichen
Heeres die Hülfe des Arrierebannes nicht zurück, sondern
ordnete am 12. Oktober dessen Vorrücken über die Saar nach
Maursmünster an und Hess sich am Ii), bei seinem Rückzüge
von Marlenheim gern von 40 Schwadronen der Edelleute auf-
nehmen, die ihn vor Dettweiler erwarteten. Aber nur als Not-
behelf wollte sich der Feldherr ihre Hülfe gefallen lassen, und
die Erfahrungen der nächsten Zeit zeigten, dass seine Abneigung
gegen das Aufgebot seiner Slandesgenossen wohlberechtigt war.
Unter dem Eindruck der schweren Schlpppe, die der erst im
Anmarsch befindliche Bann von Anjou» sich am 5. November
in Benamesnil durch die Lothringer beibringen Hess, entschloss
sich Turenne, das gesamte Adelsaufgebot, das er noch nördlich
von Steinburg in Ortsunterkunft hielt, zurückzusenden. Wurden
doch aus der Mitte der Normännischen Edelleute schon mur-
rende Stimmen laut: es sei wider ihre Gerechtsame, dass man
sie ausserhalb des Reiches aut die Schlachtbank liefere! Was
noch nicht heran war, wie der Bann von Limousin, wurde
1 Champagne, Islc de France, Normandie, Anjou, Foitou, Or-
Icannois, Limousin, Auvergne und Lyonnois.
* Dazu kamen noch 7 Eskadrons unter Clialmazel, die nicht im
Brigadcveibando standen.
3 Die dortigen Edelleute waren zur Versammlung in Senlis am
17. September nicht erschienen, da sie nicht im Stande seien, sich
beritten zu machen. Sie waren erst gekommen, als ihnen bedeutet
wurde, sie dürften auch zu Fusse ins Feld ziehen.
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Der Arrierebann.
— Gesamtstärke des Heeres
unterwegs angehalten. Am 9. November trat der Arrierebann
den Abmarsch an, teils nach St. Dizier und Toul, teils nach
Melz und Verdun. Von dort aus sollte Marschall Crequi das
Turennische Heer gegen Gefahren schützen, die ihm etwa von
Lüttich her drohen konnten. Denn der Feldherr rechnete mit
der Möglichkeit, dass Graf Sporck — der Nachfolger des un-
fähigen de Souches — mit dem kaiserlichen Korps aus Flandern
dem Kurfürsten zu Hülfe kommen werde. Die Noblesse aus
der Auvergne, der Heimat seines eigenen Geschlechtes, beliess
Turenne zunächst in Lothringen. Wie schon früher erwähnt
wurde, vollzog sich auch der Abmarsch des Arrierebannes nicht
ohne einen ernsteren, durch brandenburgische Parteigänger
herbeigeführten Unfall, der dem Marschall Crequi sein ganzes
Gepäck samt wertvollem Silbergerät kostete.
Somit ist von unserer Betrachtung des französischen Heeres,
das im Winter 1674/75 indasOberelsass einbrach, der Arrierebann
auszuscheiden. Die Stärke des eigentlichen Feldheeres, — das dem
deutschen Oberkommando als aus 32 Bataillonen und 100 Es-
kadrons bestehend bezeichnet wurde, — war in Wahrheit viel
grösser. Es darf etwa zu 40 -45 Bataillonen und 140—150 Schwa-
dronen veranschlagt werden. Seine Kopfstärke lässt sich mit
ziemlicher Sicherheit zu 38 —40000 Mann angeben. Ein kur-
brandenhurgischer Trompeter, der am 2ß. Dezember aus dem
Turennischeu Hauptquartier zurückkehrte, berichtete gleichfalls,
dass die Franzosen ihre Stärke zu 4O00O Mann angaben. Der
Marschall war somit den Verbündeten, die wir auf fast 50 000
Mann berechneten, an Zahl längst nicht ebenbürtig und stand
namentlich an Artillerie ausserordentlich gegen sie zurück.
Aber dieser Unterschied wurde mehr als ausgeglichen durch
die in seinem Heere herrschende straffe Einheit an Organisation
und Ausbildung, sowie durch ihre stolze Siegeszuversicht und
das Genie ihres Feldherrn, dessen bewährter Führung die
Truppen mit unbegrenztem Vertrauen folgten.
Vorn Stabe des Marschalls Turenne kann nur berichtet
werden, dass Generalmajor v. Cezen eine Art Quarliermeister-
slellung innehatte, dass der Armee-Intendant de Machault hiess,
dass Marquis v. Harcourl-Beuvron Adjutantendienst versah, und
dass des Marschalls Sekretär, der seine Schlachtberichte auf-
setzte und seine Korrespondenz führte, Hasset hiess. Unter
Turenne kommandierten eine grosse Zahl brauchbarer Unter-
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40
3. Turcnncs Armee.
führer; aber ihre Truppenverbände wurden ihnen nach der
Sitte der Zeit nur je nach Bedarf zugewiesen, weshalb wir
auch statt einer eigentlichen Kriegsgliederung des französischen
Heeres nur eine Aufzählung seiner Regimenler geben konnten.
Zu deren Zusammenfassung in Brigaden war man freilich be-
reits vorgeschritten ; aber sie erfolgte immer nur für die Dauer
eines Feldzuges und erlosch mit dem Beziehen der Winter-
quartiere. Die Brigadiers waren ältere und kriegserfahrene
Männer, die meist dem armen Provinzialadel entstammten.
Einige der am meisten hervortretenden Unterführer Turennes
mögen schon hier kurz genannt werden.
Nächst dem Marschall Crequi, der aber schon im November
mit dem Arrierebann das Heer wieder verliess, um das Kom-
mando in Metz zu übernehmen, war General-Leutnant Marquis
v. Vaubrun der älteste Offizier der Armee. Aber er machte
den Zug nach Süden nicht mit, sondern blieb krank in Buchs-
weiler zurück. Nach ihm rangierte Turennes Neffe: General-
Leutnant Durfort Herzog v. Lorge. Ferner sind Graf v. Roye
und Marquis v. Genlis, sowie der Infanterieführer General-
Leutnant Graf v. Foucault und die Reiterführer Marquis v. Mon-
tauban und Baron v. Montclar hervorzuheben. Graf v. Saulx-
Tavannes, der den letzten grossen Zuschub aus Flandern heran-
geführt hatte, schied bald aus, da er in die Gefangenschaft der
Lothringer geriet. Von den Brigadiers der Fusstruppen seien
die Herren v. Lancon, v. Moussy, v. Bourlemont und v. Pierre-
fitte, von den Dragonerführern die Herren v. Bouffiers und
v. Hocquincourt, und von den Brigadiers der Reiterei die Herren
v. Sourdis, v. St. Aoust, le Cateux und v. Resnel genannt.
Schliesslich möge noch Erwähnung finden, dass ein anderer
Neffe Turennes, Durlbrt Herzog v. Duras, als Gouverneur von
Burgund den Zug seines Oheims nach Kräften unterstützte, und
dass die Verteidigung von Beifort und ßreisach dem General
d'Aubigny und dem Oberst le Roy anvertraut war. Beide,
namentlich aber der Kornmandant der eingeschlossenen Rhein-
feste, sahen dem Nahen des Feldherrn sehnsüchtig entgegen.
Le Roy mochte wohl gleich den Generalen der Verbündeten
der irrigen Meinung sein: das starke Heer, das wir soeben
betrachteten, sei nur zum Entsätze von Breisach in Bewegung
gesetzt. In Wahrheit waren es weit höhere Aufgaben, die Mar-
schall Turenne mit ihm zu lösen beabsichtigte.
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Turcnncs Unterführer. — Das Lager bei Bläsheim. 41
4. Winterquartiere der Deutschen.
Nachdem wir nun die beiden gegnerischen Heere, die sich
zu Ende November 1674 in ihren festen Lagern an der Breusch
und an der Moder gegenüber lagen, naher kennen gelernt haben,
gehen wir zur Betrachtung der Ereignisse über, die sie zu-
nächst weit voneinander trennten, um sie später zu blutiger
Waflenentscheidung wieder aneinander zu bringen. — Als sich
erwiesen hatte, dass eine tatkräftige Kriegsführung im Unler-
elsass nicht zu erreichen war, und dass aus dem vom Kaiser
Leopold in Aussicht gestellten Eingreifen des Grafen Sporck
mit den kaiserlichen Hüllsvölkern aus dem Lüttichschen nichts
wurde 1 , da trat an die bei Bläsheim vereinigten Führer der
x Deutschen die Frage heran : was nun? Zur Verteidigung
des Breuschabschnittes waren sie entschlossen ; als aber kein
Angriff erfolgte und das Ueberwintern im Zeltlager von Bläs-
heim doch undurchführbar war, da drängte sich ihnen der
Gedanke der Winterquartiere auf, der ja auch durchaus im
Systeme der damaligen Kriegskunst lag.
Kurfürst Friedrich Wilhelm wies den in seiner Umgebung
auftauchenden und bei der drohenden Haltung Schwedens nicht
einmal befremdlichen Vorschlag, mit dem Gros der Branden-
burger aus dem Elsass abzurücken, entschieden zurück, da sein
Abmarsch die völlige Auflösung des Reichsheeres zur Folge haben
musste. Wohl aber stimmte er dem allgemein gebilligten Vor-
schlage zu, in Winterquartiere abzurücken. Im Blasheimer Lager
konnte wegen der Schwierigkeiten der Verpflegung und der Jahres-
zeit, ohnehin nicht länger verharrt werden. Krankheiter, griffen
mehr und mehr um sich, und die Missstimmung des Heeres
war im Wachsen. Geispolsheim, wo Bournonville mit seiner
Generalität lag, war durch eine Feuersbrunst, teilweise zerstört.
Kurzum, alles sehnte sich von der Breusch fort. Schon am
21. Oktober, gleich nach dem missglückten Vorstosse j;egen
Marlenheim, hatte man sich über die Winterquartiere geeinigt.
Sie sollten sich auf dem linken Rheinufer zwischen Strassburg
1 Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte einen Verstoss Sporcks auf
Trier und Metz beantragt und der Kaiser dem zugestimmt.
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42
4. Winterquartiere der Deutschen.
und der Schweizer Grenze hinziehen 1 . Die Vorbereitungen zu
ihrer Belegung begannen frühzeitig, indem die Quartiermeister
der verschiedenen Kontingente schon zu Anfang November
dorthin abgingen. Die Lothringer und einzelne Vortruppen der
andern Korps rückten ebenfalls schon in der ersten November-
hülfte nach dem Oberelsass ab, um die Festung Breisach im
Schach zu halten und deren Beitreibungen zu verhindern. Aber
mit dem Abmarsch des Gros des verbündeten Heeres zögerte
man, bis keine Gefahr mehr von den Franzosen zu drohen
schien. «Sobalde sich der Feindt movirea, wollte der Kurfürst
das Abrücken befehlen. Das Gesetz des Handelns nahmen die
deutschen Feldherren also auch in diesem Punkte von ihrem
grossen Gegner an.
Die Tatsache, dass Turenne zunächst seine Reiterei, am
20. November auch das Fussvolk aus dem ausgesogenen Land-
strich um Dell weiler nach Ingweiler zurück verlegte, war man
im deutschen Hauptquartiere sehr bereit, sich dahin auszulegen:
dass der französische Feldherr den diesjährigen Feldzug für
beendigt ansehe. Darauf schien auch die von den Alliierten
wahrgenommene Rücksendung des Arrierebannes hinzudeuten ;
nicht minder die Kunde, dass Graf Saulx und General Sourdis
in ihrem Anmarsch schon bei Finstingen angehalten worden
waren und sich mit ihrer Unterkunft weiter nach Lothringen
ausdehnten. Zwar versicherte ein Kundschafterbericht aus Lix-
heim vom 13. Dezember, dort sei nichts von Winterqartieren
zu hören. Auch schrieb der Gellische Kanzler Sinold v. Schütz
aus Strassburg: cFalss aber die Alliirten nach dem Winter-
quartier eylen undt Turenne im Feldt stehen lassen solten,
würde er ohnfehlbar auf dieselbe lossgehen». Man glaubte
solchen warnenden Stimmen nicht. Ueberzeugt, dass Turenne
im Begriffe sei, Ruhequartiere in Lothringen zu beziehen,
wollte die deutsche Heeresleitung nun auch ihren Truppen
die Erholung in den wohlhabenden Gauen des Oberelsass
gönnen.
Die Lothringer hatten sich mit Erlaubnis des Grossen
Kurfürsten schon am 30. Oktober vom Reichsheere getrennt und
i Abbe Gravel, der noch immer unbehelligt in Mainz weilte,
war schon am 10. November in der Lage, diese Elitschliessung mit
allen Einzelheiten dem Marschall Turenne mitzuteilen.
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Die Lothringer in ihrem Stammlande.
waren zur Bewachung der Vogesenpässe nach Epfig, Dambach
und St. Pill abgerückt. Dies war ein Lieblingswunsch
Karls IV ; denn dort sland er am Eingange des Weiler- und
Lebertales, die ihm die Pforte zu seinem verlorenen Lande er-
schliessen sollten. Von dort aus hatte er am 3. November den
Oberst du Puy mit 700 Reitern zu dem schon im vorigen Ab-
schnitte erwähnten Anschlage gegen den Adeligen Bann von Anjou
entsendet, der dann auch im Dorfe Benamesnil ereilt und völlig
aufgerieben wurde. Die nähere Schilderung dieses Ueberfalles
liegt ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit. Es genüge die
Angabe, dass die vier lothringischen Regimenter mit einem
Verluste von 14 Offizieren 1 und 40 Mann eine unermessliche
Beute erkauften. Sie brachten ausweislich der im Diarium
Europaeum veröffentlichten Liste 127 Edelleule. gefangen ein,
darunter den Führer des Anjouer Bannes Marquis v. Sable.
Die Gefangenen wurden übrigens bis auf 30 Herren, die Herzog
Karl dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm anbot, bald in ihre
Heimat entlassen. Durch diesen schönen Erfolg in seinem
Selbstgefühl gehoben, plante der alte Fürst unermüdlich weitere
Unternehmungen nach Lothringen und der Freigrafschaft.
Einen grösseren geschlossenen Bezirk erhielten die Loth-
ringer überhaupt nicht zugewiesen. Sie blieben hauptsächlich
in dem kleinen Zipfel ihres Landes, der sich bei Markirch und
Leberau ins deutsche Sprachgebiet erstreckt. In St. Pilt, dem
östlichsten Orte, hielt das Herzogspaar Hof. Als jedoch dieser
Aufenthalt der Lothringer im Lebertale zu Reibungen mit dem
Oberst v. Rumohr, dem Quartiermeister der Lüneburger, führte,
war Karl IV sofort bereit, seine Truppen mit Bewilligung des
Oberbefehlshabers weiter in .sein Stamrnla nd vorzuschieben. Er
machte sich dadurch wenigstens östlich der Mosel zeitweilig wieder
zum Herrn in seinem Staate. Für den Bedarfsfall halte der
Kurfürst von Brandenburg ihm die Unterstützung des Herzogs
Georg Wilhelm von Celle zugesichert. In der ersten Woche
des Dezembers rückten die Lothringer in das Land ihres
Fürsten ein. Remiremont erhielt 200 Mann, Espinal 400
Mann Besatzung. Auch Chastel, Rambervillers und sogar
Badonviller sollten besetzt werden. Da jedoch die Vortruppen
1 Darunter Oberstleutnant St. Croix (tot) und Oberst Mcrcy
(verwundet gefangen .
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44
4. Winterquartiere der Deutschen.
des Grafen Saulx den Lothringern* zuvorkamen, so blieben
Rambervillers und Badonviller in französischem Besitz». Auch
weiter südlich Hess Herzog Karl seine Truppen streifen. Wenig-
stens erfahren wir gelegentlich, dass lothringische Abteilungen
schon in der ersten Hälfte des November mit den branden-
burgischen Vorposten bei St. Amarin Fühlung nahmen. Auch
t retten wir sie in der Nähe des Welschen Belchen an, wo
sie den nach Lothringen führenden Pass «zur Linden» und
das Kastel St. Lambert 2 besetzt hielten.
Hinter diesem Lothringischen Grenzgürtel erstreckten sicli
über die ganze linksrheinische Ebene die Winterquar-
tiere der übrigen Reichskontingente. Die Kaiserlichen und Mün-
sterländer belegten den südlichen, die Brandenburger den mitt-
leren, die Braunschweiger und Celler den nördlichen Abschnitt s .
Der Abmarsch dorthin wurde so geregelt, dass am 25. November
Bournonville mit den Seinen, am 26. die Kurbrandenburger,
und am 27. Herzog Georg Wilhelm mit seinen Truppen aus
dem Lager abrückten. Was sonst noch an deutschen Truppen
bei Bläsheim war, verliess die Armee und ging über den Rhein
zurück. Anfangs war beabsichtigt, auch den Kurpfalzern und
Kreistruppen einen linksrheinischen Bezirk zuzuweisen, näm-
lich den Landstrich zwischen Strassburg und den Cellischen
Standquartieren. Beispielsweise war das der Stadt Strassburg
gehörige Amt Barr für die Pfälzer in Aussicht genommen.
Diese Gegend erwies sich jedoch als so ausgesogen, dass man
von ihrer Belegung Abstand nahm und diese Truppen auf das
rechte Rheinufer verlegte.
Zuerst brachen die Oberrheinischen und Fränkischen
«Kreisvölker» auf. Sie marschierten schon a*m 21. November
ab, gingen bei Kehl über den Rhein und wurden in dem
Hanau-Lichtenbergischen Amte Willstett untergebracht, um
zur Sicherung der Kehler Brücke zu dienen. Sie traten damit
unter den Befehl des Reichsfeldmarschalls Friedrich v. Baden-
Durlach, der ein fränkisches, vom Markgrafen v. Baireuth
1 Rambervillers gehörte ohnehin nicht zu Lothringen, sondern
als Teil des Bistums Metz zu den französischen Trois-Eveches.
* An der Stätte dieses alten Schlosses steht jetzt eine hoch-
ragende Mariensäule.
* Die Abgrenzung der einzelnen Unterkunftsbezirke ist auf der
Uebersichtskarte ersichtlich gemacht.
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Abmarsch der Kurpfälzer und Kreistruppen.
Aufgestelltes Regiment in die Heimat zurücksandte 1 . — Auch
Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz zog mit seinem Hülfskorps
ab, um sich am 6. Dezember mit dem Reichsfeldmarschall zu
vereinigen. Die Kurpfalzer blieben in dem östlich von Will-
stett gelegenen Raden-Durlachischen Amte Oberkirch, bis sie
durch die zunehmende Unternehmungslust der Besatzung von
Philippsburg in das Plalzerland abberufen wurden.
Der Plan einer Relagerung der damals wichtigen Festung
Philippsburg wurde im Lager der Koalition stets erwogen, in
Wien erörtert und vom Kurfürsten von der Pfalz eifrig befür-
wortet; denn der rührige Graf Maul6vrier beunruhigte von dort
aus die weitere Umgegend fortgesetzt. Aber man konnte keine
ausreichende Truppenmacht dafür verfügbar machen, und so
kam es schliesslich nur zu einer schwächlichen Reobachtung
der Festung durch einige Reichstruppen, die der Markgraf v.
Raden-Durlach dafür hergeben konnte. — Etwas ernsthafter
wurde die Erschliessung von Rreisach betrieben ; denn dieses
andere rechtsrheinische Rollwerk des Feindes lag in bedrohlicher
Nähe der detitschen Winterquartiere. Wir widmen den dortigen
Ereignissen einen besonderen Abschnitt und erwähnen an dieser
Stelle nur, dass das kaiserliche Kürassier-Regiment Gondola aus
dem Lager von Rläsheim abrückte, um im vorderösterreichischen
Dreisgau zu überwintern und von Freiburg her nach Anord-
nung des Generalmajors Schütz an der Einschliessung von
Rreisach mitzuwirken. — Dadurch dass Philippsburg und
Dreisach in französischen Händen waren, wuchs die Redeutung
des «Strassburger Rheinpasses» als der einzigen zwischen den
beiden Festungen gelegenen Rrücke. Wir wissen einige Ober-
rheinische, Schwäbische und Fränkische Kreistruppen dort auf-
gestellt, zu denen noch ein Paar Niedersächsische und Ober-
sächsische Kompagnien hinzutraten. Eine eigentümliche Stellung
nahm die Stadt Strassburg ein, indem der Rischof mit
vielen Domherren zur französischen, Rat und Bürgerschaft
aber zur deutschen Sache hielten.
Bischof Franz Egon v. Fürstenberg, einer der gefährlichsten
1 Die nach den Angaben des Kammerjankers v. Buch und des
Herzogs von Celle naheliegende Annahme, «lies sei das zur kaiser-
lichen Reiterei gehörige Regiment Baireuth gewesen, trifft nicht zu.
da letzteres noch bei Mülhausen initgefochteu hat.
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46 4. Winterquartiere der Deutschen.
Französlinge des Reiches, war seit «lern 23. November durch
den Regensburger Reichstag seiner Stimme auf dieser Ver-
sammlung verlustig erklärt worden, «weill ofTternannter Herr
BiseholT mit Hindansetzung seiner Pflichten zum Feind über-
gangen sei*. Der Grosse Kurfürst hielt dem verräterischen
Prälaten in einem wuchtigen Schreiben seine Sünden vor.
«C'etoit ä luy», schrieb er ihm, «d'examiner s'il n'avoit
pus contribue ä allumer la guerre; que Dieu en seroit le
Juge, et que ce qu'il avoit desia soufTert n'etoit qu'un prölude
des vengeances que le Ciel preparoil conlre les autheurs
des troubles, qui avoient desia cousfä le sang de tant de
milliers d'hommes». Die Leiden, auf die der Kurfürst hier an-
spielt, bestanden darin, dass auf des Bischofs im ganzen Elsass
zerstreuten Besitztümern alle Getreide- und Weinvorräte von
den Verbündelen beschlagnahmt worden waren. Bischof Franz
Egon selbst weilte übrigens in diesen Jahren fast immer ausser-
halb Strassburgs.
Ganz anders stellte sich die alte Reichsstadt selbst. Der
vom Slältemeister Zorn geleitete Rat der Dreizehn und die fast
durchweg lutherische Bürgerschaft standen wie ein Mann zu
Deutschland. Freilich beobachtete die städtische Behörde eine
vorsichtigere Haltung als die scharf anlifranzösische Bürgerschaft.
Die Stadt, in der als Vertreter des Kaisers ein Graf v. Hohen-
lohe weilte, wurde von der deutschen Heeresleitung sorgsam
geschont. Obwohl Mittelpunkt des Verpflegungswesens und Sitz
der verschiedenen Kommissariate, blieb Strasshurg von Truppen
aller Mächte frei. Auch musslen die Befehlshaber der Reichs-
truppen im Zollschanzlein und in der Ruprechtsau sich durch
Handschlag verpflichten, der Stadt Bestes mit wahrzunehmen.
Deren Bürgermiliz versah den Wachtdienst an den Toren, musste
aber mitunter, wenn die Kreisvölker zu anderer Verwendung
abrückten, auch die Brückenwacht bei Kehl übernehmen.
Ferner besetzten sie die der Stadt gehörige kleine Vogeseu-
feste Wasselnheim, welche die Brandenburger den Franzosen
abgenommen hatten, die aber dann durch Vereinbarung des
Kurfürsten mit Turenne für neutral erklärt worden war. In
der benachbarten bischöflichen Festung Dachstein blieb für die
Dauer der Winterquartiere das kaiserliche Fussregiment Knigge
als Besatzung zurück. Es war 8 Kompagnien stark und wurde
vorn Oberstleutnant v. Haugwitz befehligt. Bei ihm befand sich
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Strassburg. — Die Braunschweig-Lüneburger.
47
eine kleine Abteilung: Reiflenberg-Dragoner. Am 9. Dezember
gelang es der Wachsamkeit dieser Truppe, einen französischen
Transport vom Regiment Prouville in den Bergen bei Mutzig
abzufangen und gänzlich zu zerstreuen. Um einem ernstlichen
Angriff widerstehen zu können, war Dachstein jedoch zu schwach,
wie sich im Januar 4675 zeigen sollte. — Dies war alles, was
die deutsche Heeresleitung zur Deckung ihrer rechten Flanke
tat. Es war nicht eben viel. Hätte Turenne die Winter-
quartiere von Norden her aufgerollt statt von Süden, so wäre
ihm vermutlich auch dies geglückt. Es hätte sogar die Ab-
drängung der Verbündeten von ihrer einzigen rückwärtigen
Verbindungsstrasse zur Folge haben können.
Die erste Abwehr gegen einen solchen Angriff von Norden
her lag den Braunseh wei g-L ü ne b urger n ob. Herzog
Georg Wilhelm war sich dieser Verantwortlichkeit voll bewusst.
Er entwickelte aus seinem Hauptquartier Schlettstadt, das er am
26. November bezog, eine rege Tätigkeit. Seine Sendboten
reisten emsig umher, um die Fürsten von Baden, von Württem-
berg, von der Pfalz im Sinne der gemeinsamen Sache zu be-
arbeiten. Sein Werk war es auch in erster Linie, dass der
Reichsfeldmarschall mit seinem buntgemischlen Korps sich um
Weihnachten wirklich in Bewegung setzte. Bei der Verteilung
der Gellischen und Wolfen bütteler Truppen in ihrem Unter-
kunftsbezirke wurden neben den Rücksichten auf die Bequem-
lichkeit und Verpflegung auch die taktischen Gesichtspunkte
nicht vergessen. Oberst v. Rumohr, der die Unterbringung
regelte, meldete darüber: die Armee könne aus allen Quartieren
in sechs Stunden zusammengezogen werden.
Erschwert wurde das Geschäft durch die unglaubliche Zer-
filzung und Verquickung der Landesgrenzen. Der Unterkunfts-
bezirk der Braunschweig-Lüneburger, der zwischen Erstein,
Benfeld, Markireh, Kaysersberg, Hausen und Balzenheim ge-
legen war und in seiner weitesten Ausdehnung kaum 50 Kilo-
meter mass, gehörte 34 verschiedenen Landesherren, worunter
28 reichsunmittelbare Edelleute ! Am Ostfusse der Vogesen
la^en dicht nebeneinander : Scherweiler (fuggerisch), Kestenholz
(bischöflich), Orscb weiter (sickingisch), St. Pilt (lothringisch),
Bergheim (französisch), Rappertsweiler (birkenfeldisch), und
alles dies auf einer Wegstrecke von i2 Kilometern ! Dass die
lothringischen Truppen den Lüneburgern erst langsam Platz
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48
4. Winterquartiere der Deutschen.
machten, wurde schon erwähnt. Auch Markirch, oder doch
seine Rappoltsteinische, deutschsprechende Hälfte, wurde schliess-
lich von ihnen geräumt und dem Cellischen Fussregimente v. Ende
zugewiesen. Die Regimenter Joquet und Melleville scheinen
ehenfalls im Lebertale gelegen zu haben, eines von ihnen wohl
in Kestenholz. Nach Kappollsweiler kam Herzog Johann Adolf
v. Holstein mit seinem braunschweigischen Regiment, nach
Reichenweier ein lüneburgisches Regiment, dessen Oberst «mit
sammt seinen Weibern» beim KirchenschafTner Chemnitius
Wohnung nahm. Kaysersberg und Ammerschweier, die dem
Herzoge noch vom Kurfürsten eingeräumt wurden, dürflen
ähnlich belegt gewesen sein. Auch Gemar und Markolsheim
erhielten Einquartierung. In dem festen Plalze Bergheim hatten
sich die Lüneburger schon im November einen Stülzpunkt ge-
schaffen. Zur Bewältigung der dort liegenden französischen
Besatzung rückte ein Regiment «mit etlichen Feldstücklein» vor
die Feste, deren Kommandant dann bald kapitulierte.
Die Reichsstadt Schleltstadt , deren Bevölkerung nur aus
600 Bürgern bestand l , musste den Cellischen Hofstaat, den
Generalstab, die Dragonergarde, das Leibregiment zu Fuss und
einige Artillerie aufnehmen. Die Geschütze und Fahrzeuge
wurden im Zeughause und im Kaufhause untergestellt, die
Pferde aber auf die umliegenden Dörfer verlebt. Georg Wilhelm
betrieb mit grossem Eifer die Wiederherstellung der von den
Franzosen vor Jahr und Tag zerstörten Festungswerke. Auch
die auswärtigen Unterkunftsorte mussten dazu Arbeitskräfte,
Pallisaden, Latten und Nägel liefern, obwohl sie sich dagegen
in endlosen Bittschriften verwahrten. Der Herzog sorgte ferner
mit Umsicht für die Verpflegung seiner Soldaten. Seine Räte
Müller und v. Heimburg mussten Lebensmittel nicht nur aus
Strassburg, sondern auch aus Freiburg und den Kleinstaaten
des Schwäbischen Kreises herbeischaffen. Nehmen wir noch
dazu, dass der Herzog am 22. Dezember in einer eingehenden
Verordnung die Einquartierung, den Proviantempfang und die
Krankenpflege bei seinem Korps regelte«, so gewinnen wir
1 Es werden wohl (iOÖ Haushaltungen gemeint sein.
2 Vergleiche die im Jahre 1879 erschienene Dokumentensammlnng
des Divisionspfarrers Rocholl zum Feldzuge des Grossen Kurfürsten
gegen Frankreich.
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Schlettstadt und Colmar. 49
den Eindruck, dass hier alles in guter Verfassung und in guten
Händen war.
Südlich an den Bezirk der Braunschweiger schlössen sich
die Quartiere der Bra ndenbu rger an. Ihr Mittelpunkt war
die Stadt Colmar, wo auch die allgemeinen Angelegenheiten des
Reichsheeres zusammenflössen. Die deutsch gesinnte alte
Reichsstadt, die 16 Monate hindurch das fremde Joch hatte
ertragen müssen, begrüsste freudig ihre Befreier. Gleich den
Bewohnern der andern Elsüsser Reichsstädte halten auch die
Colmarer im Jahre 1662 den von Ludwig XIV. geforderten
Huldigungseid nur in der Form geschworen : «dem Könige mit.
aller Treue das zu leisten, was sie ihm kraft der im West-
fälischen Frieden festgesetzten Abtretung der Landvogtei zu
erweisen schuldig wären.» Ihre völlige Unterwerfung im
Sommer 1673 war eine durchaus gewaltsame gewesen. Wie
die Gesinnung der Bürgerschaft in Wahrheit war, erfahren
wir von einem Chronisten, der vom Herbst 1674 erzählt :
«Sie haben sich resolvirt, ohnerachtet weder Wälle noch
Mauren vorhanden waren, bey einander zu leben und zu ster-
ben.» Sowie sich die ersten Kurbrandenburger blicken Hessen,
lebte sofort die von den Franzosen unterdrückte Bürgerwehr
wieder auf und übernahm die Bewachung der Wälle und
Stadttore.
Schon am 3. November traf der Oberquartiermeister von
Berlepsch in Colmar ein, um im Einvernehmen mit dem Ober-
meister Sandherr die Unterkunft der Truppen und des Hofes
vorzubereiten. Er brachte das Dragoner-Regiment v. Börnsdorf!
mit, welches zur Sicherung gegen Breisach in das jenseits der
III gelegene, dem Fürsten v. Württemberg-Mömpelgard zu-
gehörige Schloss Horburg verlegt wurde. Dessen Kommandant
Bitambrod übergab es ohne Widerstand». Die bevorstehende
Ankunft des evangelischen Fürsten fachte die in Colmar be-
stehenden religiösen Zwistigkeiten sofort von neuem an. Die
Akten des katholischen St. Martinsstiftes berichten ausführlich,
wie der lutherische Magistrat schon am Tage nach Berlepschs
Ankunft des Läuten der katholischen Kirchenglocken verboten
und sogar die Beseitigung des eben erst eingeführten ver-
1 Derfflinger verringerte die Besatzung des Horburger Schlosses
demnächst auf eine Kompagnie, die Grumbkowsche Dragonergarde.
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4. Winterquartiere »1er Deutschen.
besserten Kalenders verlangt habe. Schliesslich musste der
protestantische Oberst die Lutheraner und der katholische
Bischof von Basel die Papisten beschwichtigen und zur Nach-
giebigkeit ermahnen! Politisch waren die Verhältnisse in der
Stadt minder gespannt; alles stand einträchtig gegen die
welschen Unterdrücker zusammen, und es verdient hervor-
gehoben zu werden, dass sich die Mönche des Dominikaner-
Klosters von dieser Stimmung keineswegs ausschlössen.
Am 27. November traf Kurfürst Friedrich Wilhelm mit
seiner Gemahlin Dorothea v. Holstein-Glücksburg 1 in Colmar
ein und bezog den Wagkeller an der Langen Strasse, ein ge-
schichtlich bekanntes altes Haus, in dem sonst der Stadtrat
Recht zu sprechen pflegte 8 . Hier hielt der Kurfürst den
ganzen Dezember hindurch den emagnifiquen» Hof, der dem
Götterboten Merkur so imponierte. Leider war Friedrich
Wilhelm die ganze Zeit krank. In Stotzheim, seinem Nacht-
quartier vom 215., hatte ihn plötzlich während des Kartenspiels
ein heftiger Gichtanfall betrotfen, der ihm das Gehen fast un-
möglich machte und ihn noch wochenlang am Schreiben ver-
hinderte. Baron Bidal, der französische Gesandte in Hamburg,
knüpfte hieran die geschmackvolle Bemerkung* «Dieu punit
les parjures et les princes sans foy». Ausser diesem Leiden
des Fürsten drückte auch der Umstand auf die Stimmung des
Colmarer Hofes, dass Kurprinz Karl Emil, des Kurfürsten
hoffnungsvoller Sohn aus erster Ehe, am 7. Dezember zu Strass-
burg seinem Leiden erlag.
Auf militärischem wie auf politischem Gebiete war in
Colmar viel zu erledigen. Ausser dem Generalslabe, der
übrigens allein 491 Pferde bei sich hatte, und der Adjutanlur
befanden sich zahlreiche Räte und Diplomaten des Kurfürsten
in Colmar, darunter sein Kanzler v. Somnitz. Ferner die aus-
wärtigen Gesandten, die ihm ins Feld gefolgt waren. An
ihrer Spitze stand der Freiherr v. Goes, ein alter ängstlicher
Herr, der schon an den Verhandlungen zum Abschluss des
d reissigjährigen Krieges mitgewirkt hatte und es jetzt für seine
1 Schwägerin Georg Wilhelms v. Celle, da sie vordem mit
dessen älterem Bruder Christian Ludwig vermählt war.
* Der Wagkellcr, in den 161)8 de Conscil sou verain d'Alsace
verlegt wurde, ist 1760 abgebrochen worden. Heute steht dort das
Oberlandcsgericht.
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Colmar.
51
Aufgabe hielt, den Brandenburgischen Hof argwöhnisch zu
überwachen, in seinen Berichten nach Wien über Benach-
teiligung der Kaiserlichen zu jammern und die Lage stets in
den schwärzesten Farben zu schildern. Im Hintergrunde seiner
Jeremiaden stand stets der Gedanke des Rückzuges über den
Rhein. Besser verstanden sich die von den Generalstaaten und
Spanien bevollmächtigten Herren van Heemskerck und de los
Baibasses mit dem fürstlichen Heerführer.
An militärischer Einquartierung lagen nicht mehr als
i200 Mann in Colmar, und diese setzten sich nur aus dem
Oberkommando, der Generalität, Adjutantur und wenigen
Leibwachen zusammen 1 . Sogar die Trabantengarde und die
Leibgarde-Dragoner Hess der Kurfürst ausserhalb Colmars in
Elsheim und Hoburg unterbringen. Dennoch war die Stadt
überfüllt und mangelte es namentlich an Stallungen so gänz-
lich, dass sich sämtliche Kommandeure der Reiter-Regimenter
in einer Eingabe vom 4. Dezember beim Landgrafen von Hessen
darüber beklagten, dass sie bei dienstlichem Aufenthalte in
Colmar ihre Pferde nirgends unterstellen könnten. Der Hafer
war ausreichend und an Wein Ueberfluss ; aber es herrschte
wie überall Mangel an Getreide und Mehl, so dass Geheimrat
Meinders auch jetzt alle Hände voll zu tun hatte, um das
Korps aus Strassburg und dem schwäbischen Kreise mit Brot
zu versorgen. Colmar hatte im Herbst hohe Lieferungen an
•die Festung Breisach leisten müssen. Nachher waren deutsche
Parteigänger nicht viel glimpflicher verfahren, z. B. der kaiser-
liche Reiteroberst Heinzy (?), der am 7. November bei Bebeinheim
einen Zusammensloss mit einem Streifkorps aus Breisach hatte.
Um das «so miserabel desmantelirte» Colmar wieder verteidi-
gungsfahig zu machen, wurde fleissig an der Wiederherstellung
der Wälle gearbeitet, deren Abreissung Ludwig XIV und Vau-
brun nach ihrem Gewaltstreiche im August 1073 selbst geleitet
hatten. An den drei Toren der Stadt, dem Deinheimer, Stein-
brucker und Kerkertor, war die Zerstörung am weitesten vorge-
schritten und machte daher auch der Wiederaufbau die meiste Ar-
beit. Oberst v. Berlepsch beschäftigte täglich über 100 Mann dabei.
1 Geht aus Darmstädter Archivalien hervor; in den Colmarer
Batsprotokoll-Büchcrn klafft eine Lücke vom Juli 1G74 bis zum
Februar 1675.
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4. Winterquartiere der Deutschen.
Die Kurbrandenburgische Armee nahm ihre Winterquartiere
in einem Landstrich, der sich von Colmar südwestlich bis fast
zum Welschen Belchen erstreckte. Am Weissbachtale stiessen
die Quartiere der Brandenburger mit denen der Braunschweiger
zusammen. Die Derfllingerschen Dragoner reichten mit ihrem
rechten Flügel sogar bis nach Urbach, während sie sich südlich
Iiis Stossweier ausdehnten. Auch wurden sie angewiesen, den
Bonhomme-Pass zu verpallisadieren. Diese Massregel war ebenso
wie die Besetzung von Walting» an der Meurthe von dem
rührigen Herzog v. Celle angeregt worden. Das evangelische
Gregorien- oder Mönstertal hatte um eine Besatzung von 150 Mana
für Münster ausdrücklich gebeten. Sie wurde ihm auch zu teil,
freilich in weit grösserer Starke. Nicht weniger als vier Reiter-
Regimenter (Prinz Friedrich, Anhalt, Homburg und Croy) waren
von Zimmerbach bis Sulzern und Melzeral verteilt. Das kleine
Dorf Griesbach musste in 26 Haushaltungen etwa 150 Hom-
burgische Reiter unterbringen. Indessen war die Aufnahme des
Militärs im ganzen Münstertale eine sehr freundliche.
Die nähere Umgebung von Colmar war stark belegt. Die
Ortschaften, die sich von Winzenheim nördlich um die Stadt
bis nach Fortschweiler erstrecken, hatten die Artillerie aufzu-
nehmen. Die Brockdorflschen Reiter und das Leibregiment zu
Pferde füllten den Raum von Weltolsheim nach Hattstatt, sowie
die Dörfer an der III von Andolsheim bis Meienheim. Die Quar-
tiere der BomsdortT-Dragoner dehnten sich bis nach Blodelsheim
am Rheine aus. In Regisheim war enge Verbindung, aber auch
viel Reibung mit den Kaiserlichen in Ensisheim. In Rufach
rückten am 28. November die Fussregimenter Dohna und Goltz:
ein, zusammen 2100 Mann mit 300 Weibern «undt gar viel
Kindtern». Bei mittelmässigen Bürgern lagen oft 18 Mann mit
Verpflegung. Sulzmatt, ein kleines Städtchen von 80 Häusern,,
hatte das ganze Regiment Dönhoff aufzunehmen. Den Bezirk
von Bergholz-Zell und Munweiler bis nach Feldkirch hin be-
legten die Regimenter Lüdeke und Mörner, während sich die
Quartiere der Derfflingerschen und Görlzkeschen Reiter vor*
Osenbach und Westhalten bis nach Lautenbach-Zell, Murbach
und Gebweiler an der Lauch erstreckten.
Weiter südlich schlössen sich in Sulz die Regimenter Hol-
1 Der jetzt französische Ort 1c Valtin.
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Unterkunft der Brandenburger.
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ist ein und Fargel an. Nördlich von Sennheim war Oberst
v. Prinlzen mit dem Kurprinz-Regiment zu Pferde unterge-
kommen, in Sennheim selbst das Regiment Flemming. Im Tale
■der Thür hatten sich die Brandenburger schon einige Wochen
vor dem allgemeinen Abrücken in die Winterquartiere einen
Stützpunkt geschaflen. Oberst v. Schöning nahm mit dem In-
fanterie-Regiment Kurprinz das Slädtchcn Thann schon am
10. November ein. Das dortige Schloss Eugelsburg 1 hatte eine
französische Besatzung von 150 Mann und beherbergte einige
Vorräte. Der dort kommandierende Hauptmann ergab sich erst,
als das Schloss «mit einem Feuer-Mörsel und 6 Stücken» be-
schossen , wurde. Oberst v. Schöning legte t200 Mann in das
Schloss, die übrigen in die Stadt. Von St. Amarin aus, wo
wohl nur Vorposten standen, wurde Verbindung mit den
Lothringern aufgenommen, die wir ebenfalls schon im No-
vember in diesen Grenzgebieten wissen. Dass bereits am 6. De-
zember die Vorschiebung eines Kurbrandenburgischen Korps
unter Herzog August v. Holstein in der Richtung auf die Frei-
grafschaft begann, werden wir im 6. Abschnitt genauer erfahren.
Kurfürst Friedrich Wilhelm hielt bei seinen Truppen aut
strenge Mannszucht und Hess gleich nach dem Einrücken in die
Winterquartiere bei allen Regimentern unter Trommelschlag
und Trornpetenschall vor allen Ausschreitungen und Vergehungen
gegen das Eigentum der Landeseinwohner nachdrücklichst
warnen. In diesen Schutz schloss er «diejenigen auss Lothe-
ringen undt Burgund!» ausdrücklich ein. Als aber Beschwerden
gegen seinen General-Quartiermeister v. Berlepsch einliefen,
als ob er sich widerrechtlich bereichert habe, da Hess der
Kurfürst in allen L'nterkunftsorten Nachforschungen anstellen.
Uebrigens ergaben die an alle Ortsvorstände, Hausbesitzer,
Müller und Schmiede ergangenen Anfragen die volle Unschuld
des verdächtigten Offiziers. Auch erliess der Kurfürst eine ein-
gehende «Verpflegungs-Ordinanlz» in Letterndruck, die aller-
dings erst im Januar an die Truppen verausgabt weiden konnte.
Auch bei diesem Kontingent können also die inneren Zustände
als ordnungsmässig und gut geregelt bezeichnet werden.
Den Kaiserlichen war bei der Austeilung der Winter-
i Sein Besitzer" war la Mailleraye Hcrzo<r v. Mazarin, ein Neffe
des Kardinals und Inhaber der Hagenauer Landvo^tci.
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4. Winterquartiere der Deutschen.
quartiere die Südostecke des Elsass zugefallen, der sogenannte
Sundgau, der erst 1G48 vom Habsburgischen Kaiserslaate los-
getrennt und an Frankreich gefallen war. Bournonville erklärte
denn auch in einer Proklamation, die er durch Reiflenberg im
Sundgau verbreiten liess : dass der Krieg der Zurückführung
der treuen deutschen Lande zu ihrer alten Freiheit gelte. Obwohl
es sich um Alt-Habsburgisches Land handelte, war Bournon-
ville nach seiner kleinlichen Art sehr unzufrieden mit der ge-
troffenen Entscheidung, die ihm nicht mehr als 100 Ortschatlen
zuwiese. Seine Klagen über Benachteiligung nahmen mitunter
einen recht gehässigen Ton an, z. B. wenn er schrieb : «Aber
es waren Etliche, welche nur verlangt, dass Fette von ihren
Quartieren auflf eine kleine Zeith herunter zu nehmen, wohl-
wissende dass selbe nicht aufT den ganlzen Winter erklecklich.
Sie haben die Kayserliche sehr übel undt eng logirt, nur damit
sie bedeckt seyn mögten». Wie ungerecht dieser letzte Vorwurf
war, lehrt ein Blick auf die Karte ; der Unterkunftsbezirk der
Kaiserlichen grenzte nur auf wenige Kilometer an Lothringen,
von wo ein Angrifl Turennes zunächst nur erwartet werden
konnte. Aller menschlichen Voraussicht nach waren die Quar-
tiere der Kaiserlichen gerade die bestgesicherlen gegen einen
Angriff des Feindes.
Besonders hartnäckig und unerquicklich war der Streit der
beiden Nachbarn über den Zipfel der Ammannschaft Landser,
der sich nordöstlich über Ensisheim hinaus erstreckte». Rlodels-
heim z. B. war vom Regiment Kaiserstein schon belegt, mussle
aber auf drohendes Verlangen der Bomsdorflschen Dragoner
diesen eingeräumt werden. In der Tat wies die Quartiers-
Dislribution den Kaiserlichen hier nur den Landstrich «von
Ensissheim hinnüberwertss gegen den Rhein biss an Münch-
husen und Blodelssheim exclusive» zu. In Ensisheim selbst
nahm der Herzog v. Bournonville sein Hauptquartier. Es war
zwar kleiner als Colmar, aber eine nicht unwichtige Stadt, die
im Jahre 1657 bei der Errichtung des Provinzialrates für Fran-
zösisch-Elsass zu dessen Sitz erwählt worden war. Freilich war
diese hohe Behörde kürzlich nach Breisach übergesiedelt. Seinem
Generalstabe wies Alexander v. Bournonville das benachbarte
i Der Sundjrau zerfiel in die drei Ammannschaften (ammannics)
Altkirch, Pfirt und Landser.
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Ensisheim. — Die Kaiserlichen.
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Dorf Rülisheim zu Verpflegungszwecken zu. Das Kürassier-
Regiment Bournonville und wohl auch Jung-Holstein lagen
gleichfalls in dieser Gegend. Auch Dragoner scheinen zur Be-
satzung von Ensisheim gehört zu haben. Wenigstens hat Frau
v. ReiiTenberg, die Gattin des Dragonerchefs, dort gewohnt.
Auch Teile des Fussregimenls Kaiserstein und der Artillerie
lagen in diesem Städtchen, wo man beim Einrücken noch
einige Franzosen von der Breisacher Garnison angetroffen und
in kaiserliche Dienste genommen hatte.
Weiterhin war den Kaiserlichen alles Land südlich der
Doller zugefallen. Die ansehnliche Stadt Mülhausen mussle
leider davon ausgeschlossen bleiben, da sie zur Schweizer Eid-
genossenschaft gehörte und neutral war. Nur zum Ankauf von
Lebensmitteln durfte sie ausgenutzt werden. Aus dem ihr zu-
gehörigen Dorfe Illzach wurde freilich am 3. Dezember gewalt-
sam, aber widerrechtlich Vieh beigetrieben. In und bei Altkirch
lag das Fussregiment Portia und das Reiter-Regiment Jung-
Lothringen, vielleicht auch Jung-Holstein. 150 Mann von Portia
lagen imAltkircher Schloss, und auch Landser war von diesem
Regimenle belebt. Den Grafen Sereny und Caprara war der
südlich der Doller gelegene Teil des Amtes Thann zugewiesen.
Sie hatten dort Verbindung mit den Alt-Lothringern am Passe
zur Lind?n, der aus dem Masmünster-Tale hinausführt. Die
Stadt Masmünster war das Quaitier des Grafen Caprara. In
Pfirl lagen die Kroaten und Dünnewald. Vor Landskron, ein
von den Franzosen besetztes Durlachisches Schloss hart an der
Schweizer Grenze, legte General Werlmüller das Infanterie-
Regiment Vehlen. Das Alt-Habsburgische Schloss Hüningen bei
Basel, wo eine französische Besatzung lag, ergab sich am -13.
Dezember dem General v. Dünnewald. Später wurde Hüningen
der Standort des Generals Wertmüller, der unter anderen das
Regiment Strein unter sich hatte. Uebrigens bewarb sich auch
der aus lothringischen in brandenburgische Dienste übergetretene
Oberst la Roche, der zu irgend welchen, etwas unklaren Ge-
schäften in Basel weilte, dringend darum, dass ihm das Dorf
Hüningen zur Unterhaltung seiner Equipage und Pferde einge-
räumt werde.
Aus den mitgeteilten Notizen über die kaiserlichen Truppen
lässt sich, obwohl sie nicht alle Regimenter nennen, ein ziem-
lich klares Bild der österreichischen Winterquartiere gewinnen.
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56 4. Winterquartiere der Deutschen.
Aber schon in den ersten Tagen des Dezember begannen die
Kaiserlichen, sich mit einem vom Markgrafen Hermann v. Baden
befehligten Teile ihrer Truppen auch im Eisgau aufBefTort und
Mömpelgard zu auszudehnen. Wir werden auf dieses Vorgehen,
das in Verbindung mit der entsprechenden Vorwärtsbewegung
der Kurbrandenburger unter Herzog August v. Holstein stand,
in anderem Zusammenhange näher eingehen. Die Truppen, die
auf soche Weise ihr Winterquartier weiter südlich suchen wollten,
waren das Infanterie- Regiment Reuss und das Reiter-Regiment
Baireuth. Ferner gehörte dazu das den Kaiserlichen zur Unter-
bringung zugeteilte gesamte Münsterische Truppenkorps. Wir
wissen darüber nur wenig : jedenfalls hatten die Bischöflichen
den äussersten Posten nach Südwesten inne und verloren in
dieser Zeit durch den Tod nicht nur den Reileroberst Hautyn,
sondern auch ihren Führer, den Generalmajor Post.
Dass die Winterquartiere- der Kaiserlichen und Münsteraner
zu wünschen übrig Messen, scheint richtig zu sein ; oder ihre
Intendantur muss völlig versagt haben. Jedenfalls stimmen alle
Berichte darin überein, dass die Truppen in ihren Ruhequartieren
immer mehr zusammenschmolzen statt sich zu erholen. Mül-
hauser Ratsherren, die aus Ensisheim zurückkehrten, erzählten
beispielsweise: die Soldaten seien ansehnlich und tapfer, aber
ausgehungert und mit Pferden und Gewehr übel versehen ; sie
ässen was sie auf dem Felde fanden und zögen sich dadurch
vielfach das Fleckfieber zu. Die Abgeordneten der Stadt Mül-
hausen, von denen diese Aeusserung stammt, waren nach En-
sisheim entsandt worden, um dem kaiserlichen Feldmarschall
eine Ehrengabe zu überbringen, wie das damals üblich war.
Bei Deutschen und Franzosen war gleichmässig die schlechte
Sitte in Uebung, dass die irgendwo einquartierten höheren
Offiziere sich bei ihrem Abzüge eine «Discretion» in Geld und
Wein von der Ortsbehörde zahlen Hessen oder abnötigten, wie
es mitunter in den städtischen Kontobüchern heisst. Die Mül-
hauser Herren urteilten jedenfalls unparteiisch ; der kaiserliche
Heerführer selbst schildert den Zustand seiner Truppen in den
Berichten an Montecuccoli in noch viel dunkleren Farben.
Bournonvilles eifrige Bemühungen, den Fürsten Georg von
Mömpelgard auf die Seite der Verbündeten hinüberzuziehen,
schlugen fehl, weil Marschall Turenne wirksame Gegenminen
legte. Dagegen bestanden befriedigende Beziehungen mit Mül-
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Die Münstcraner. — Beziehungen zur Schweiz.
57
tiausen und Basel. Beide Städte standen wie Bern und Zürich
im Bundesverhältnis mit Strassburg. Im Monat Oktober befanden
sich hech Schweizertruppen dorlselbst ; denn der französische
Gesandte v. St. Romain stellte an Bern und Zürich das Ver-
langen, sie möchten ihre Völker von Strassburg abfordern.
Der in Pruntrut wohnhafte Bischof Johann Konrad von Basel
war ein der deutschen Sache zugetaner Mann, verstand sich
aber merkwürdigerweise mit dem protestantischen Branden-
burger besser als mit Bournonville. Auf die Schweizer Eid-
genossenschaft waren sowohl Frankreich wie die Verbündeten
eifrig aber im Ganzen erfolglos bemüht, in ihrem Sinne ein-
zuwirken. Für den Kaiser war der spanische Gesandte Graf
Casati tätig. Kurfürst Friedrich Wilhelm schickte den Diplo-
maten Thomas v, d. Knesebeck zu den in Aarau versammelten
Kantonen, erzielte jedoch auf seine eindringlichen Vorstellungen
nur eine gewundene und nichtssagende Antwort, die auf voller
Neutralität bestand, gleichzeitig aber betonte, man könne die
Werbungen zu den französischen Schweizer-Regimentern nicht
hindern. Für die Verpflegung der Kaiserlichen blieb die
Schweiz jedoch eine sichere Basis. Bournonville legte deshalb
Wert auf seine Postierungen zu Landskron und Hüningen.
Dass der vorderösterreichische Breisgau den Winterquar-
tieren der Kaiserlichen so benachbart lag, war ebenfalls sehr
günstig für sie. Leider aber war die einzige dorthin führende
Brücke, die von Breisach, im Besitze der Franzosen. Man
sollte meinen, dass bei dieser Sachlage und der ängstlich vor-
sichtigen Eigenart ihres Befehlshabers die Kaiserlichen dem
Auftrage des Grossen Kurfürsten, eine Schiffbrücke bei Nambs-
heim herzustellen, mit besonderem Eifer hätten nachkommen
müssen. Sonderbarerweise wurde aber diese Angelegenheit,
deren im nächsten Abschnitte näher gedacht werden wird,
von ihnen sehr lässig betrieben. Schon am 4. Dezember
wusste Turenne von der im Werke betindlichen Brücke. Als
aber um die Jahreswende sein Einbruch in das Oberelsass er-
folgte, war mit dem eigentlichen Brückenschlage noch nicht
einmal begonnen. Hätte Turenne durch eine Offensive von
Norden her seine Gegner vom Strassburger Rhcinpass ab-
gedrängt, so hätte d»s Säumnis bei Nambsheim sich bitter
strafen können. So beschränkte sich der Nachteil darauf, dass
das angesammelte Brückenmaterial nicht für die Belagerung von
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58
5. Einschliessung von Breisach.
Breisach nutzbar gemacht werden konnte. Diese Festun?, die
gerade im Rucken der deutschen Winterquartiere lag, machte
den Verbündeten so viel zu schaffen, dass wir uns ihr jetzt
in einem besonderen Abschnitte zuwenden wollen.
5. Einsohliessung von Breisaoh.
Die Festung Breisach, die sich auf zwei steil vom Rhein
aufsteigenden Felsen erhob, galt im 17. Jahrhundert für eines
der stärksten Bollwerke, ja für den Schlüssel des südlichen
Deutschlands. Herzog Bernhard von Weimar halte die wichtige
Rheinfeste im Jahre 1638 nach einer denkwürdigen Belagerung
zu Falle gebracht. Seitdem war Breisach für das Haus Oester-
reich verloren. Der Westfälische Frieden hatte die Stadt 1648
sehr gegen den Willen ihrer gut deutsch gesinnten Bewohner
an Frankreich gebracht. Froh, hierdurch auf dem rechten
Rheinufer festen Fuss gefasst zu haben, hatte die französische
Regierung Breisach durch ihren berühmten Festungsbaumeister
Vauban stärker denn je befestigen lassen.
Seine Werke umfasslen ausser der Umfassungsmauer der
Oberstadt, aus der sich das Schloss und das Münster erhoben,
auch die westlich vorgelagerte Unterstadt und den südlich der
eigentlichen Stadt gelegenen hohen Eckartsberg. Das Ganze
war gegen den Breisgau durch ein reichgegliedertes System
von Bastionen und Ravelinen in Vaubans bekannter Manier ab-
geschlossen. Zwei Tore führten aus diesem Teile der Festung
hinaus : nach Norden das Kupfertor, nach Süden das Neue Tor.
Ein dritter Ausgang, das Brucktor, führte nach Westen zur
Brücke über den reissenden, damals noch in mehrere Anne
gegliederten Rheins! rom. Sie berührte eine mit einer Flesche
versehene Insel, die sogenannt« Strohinsel 1 , und endete auf
dem linken Ufer südöstlich von Biesheim in einem starken
Brückenkopf, der sogenannten Lunette de France, die aus zwei
Bastionen mit einem Ravelin bestand und vor kurzem den
Namen Fort Mortier erhallen hatte. Endlich gehörte noch die
Redoute Eisenberg auf einer nördlich der Stadt gelegenen Rhein-
insel zu den Festungswerken.
i Hier auf der Isle de Paille erbaute Ludwig- XIV 1681 nach
dem Nymwegcr Frieden eine neue Stadt, die Strohstadt St. Louis,
die aber nach kurzer Blüte wieder verfiel, als Neubreisach entstaud.
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Die Festung Breisach.
59
Ludwig XIV machte ßreisach zur Hauptstadt der Provinz
Elsass und ersetzte die anfangs dort die Verwaltung führenden
Landvögte nach und nach durch ganz französische Behörden.
Auch als er im Sommer 1673 seinen Elsässischen Besitz durch
gewaltsame Unterwerfung der dortigen Reichsstädte vervoll-
ständigt hatte, behielt die Verwaltung des Landes ihren Mittel-
punkt in der rechtsrheinischen Feste. Im April 1674 siedelte
auch der höchste Gerichtshof des Landes, der Conseil Provincial^
von Ensisheim dorthin über. Die Bevölkerung setzte diesen
Bestrebungen einen hartnäckigen, wenn auch passiven Wider-
stand entgegen. Wir erfahren das beispielsweise aus einem
Schreiben, das der Prinz v. Conde am 20. Juni 1673 an Louvois
richtete und worin er sich bitter über die offenkundige Hin-
neigung der Bevölkerung Breisachs zu Deutschland beklagte.
Der Einbruch des grossen Heeres der Verbündeten in das
Elsass im Herbst 1674 konnte die Breisacher in ihrer deutschen
Gesinnung und ihren Hoffnungen auf Wiedervereinigung mit
dem Mutterlande nur bestärken. Aber an offenen Widerstand
gegen die von dem energischen Oberst le Roy befehligte Be-
satzung war nicht zu denken. Die Bürgermeister mussten sich
fügen, als le Roy ihnen die Errichtung einer Bürgerwehr aut-
erlegte. Alle widerstrebenden Bürger wurden ohne weiteres ver-
haftet, und am 10. Dezember konnte der Kommandant dem
Kriegsminister melden, dass die Bürgerwehr errichtet sei und
aus 4 wohlbewaffneten Kompagnien zu 100 Mann bestände.
Natürlich durfte das Heer der Deutschen, dem die freie
Passage über den Rhein von so grosser Wichtigkeit war, dieses
Bollwerk des Feindes nicht unberücksichtigt lassen. Dass es
unschädlich gemacht wurde, war eine Vorbedingung der Winter-
quartiere im Oberelsass. Der in Breisach befindliche Intendant
de la Grange Hess, während die Deutschen im Lager von Bläs-
heim lagen, das Oberelsass rücksichtslos ausfouragieren. Die
Beitreibungen dehnten sich bis nach Schlettstadt, Maikirch,
Münster und Ensisheim aus. Vom 30. September an mussten
aus der ganzen Gegend bedeutende Vorräte nach Breisach an-
gefahren werden. Da nun gleichzeitig auch Lebensmittel für
die Deutschen nach der Breusch zu liefern waren, so lusst es
sich wohl denken, dass «das gantze Land auff und ab ziemlicher
Massen gleert worden von Früchten und Wein und Vieh».
Auch dass nach Nicolaus Kleins naiver Erzählung «die Leit in
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CO
5. Einschliessung: von Breisach.
Engslen hinweg geflöht» sind, soll nicht bezweifelt werden.
Dennoch gelang es hinsichtlich mancher Lebensbedürfnisse nur,
begrenzle Vorraismengen in der Festung anzusammeln, und
darauf setzten die Deutschen ihre Hoffnung, als sie gegen
Breisach vorgingen. Zu einer regelrechten Belagerung mit
Parallelen, Approchen und Minengängen fehlte es an Be-
lagerungsgerät und an geschultem Personal. Wohl aber durfte
man hoffen, die Besatzung zur Uebergabe zu zwingen, wenn
man ihr die Zufuhr abschnitt und sie aushungerte.
In diesem Sinne entschied sich nach Anhörung des Kriegs-
rates und in Gemässheit der am 10« Dezember vom Obersten
la Roche aus Basel ergangenen Vorschläge der Kurfürst Fried-
rich Wilhelm. Die Einschliessung wurde so geregelt, dass
von Freiburg her Generalmajor Schütz mit dem kaiser-
lichen Kürassier-Regiment Gondola und etwas Fussvolk die
Festung gegen Osten abschliessen sollte, während Branden-
burger und Kaiserliche auf dem linken Ufer den Einschliessungs-
ring vollendeten. Vom Anfang November an, als die Vortruppen
der Verbündeten in ihren Unterkunftsbezirken eingetroffen
waren, richtete sich deren Sorge darauf, der Festung Breisach
die Zufuhr abzuschneiden. Die Dragoner des Obersten v.
Bomsdorff erbeuteten zu Anfang November einen Transport
von 7 Wagen und 30 Pferden sowie 713 Kanonenkugeln, die
von Beffort nach Breisach unterwegs waren. Ein anderer
Lebensmittel-Transport fiel am 22. November in die Hände
einer brandenburgischen Abteilung, die bis ziemlich dicht an
das Fort Mortier aufklärte und zwei Mühlen zerstörte. Der
lüneburgische Quartiermeister v. Rumohr wurde von seinem
brandenburgischen Kollegen v. Berlepsch ersucht, keinerlei
Lebensmittel von Markolsheirn nach Breisach durchzulassen.
Ferner trafen die genannten Herren Abrede, die Postverbindung
zwischen Strassburg und Basel von ihrem jetzigen Wege über
Breisach, wo sie natürlich der Einsichtnahme durch die Franzosen
unterlag, nach dem allen Wege über Schlettstadt und Colmar
zurückzulenken.
Die eigentliche Blockade von Breisach begann erst nach
der Ankunft des Grossen Kurfürsten in Colmar. Am 9. De-
zember erkundete Landgraf Friedrich von Hessen -Homburg,
am 13. der Kurfürst selbst, von Kanonenschüssen begrüsst, die
Westfront der Festung. Er beliess 300 Dragoner, die sehr
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Erschliessung auf dem linken Rheinufer.
61
bald durch 200 Infanteristen verstärkt wurden, in Biesheim.
In diesem Dorfe, das noch von der Belagerung 1638 her in
Trümmern lag, belegten sie ein altes Schloss und eine Kirche,,
die sie verschanzten, und hatten hinfort die Einschliessung
gerade gegenüber der Strohinsel durchzuführen. Da sie oft
durch das Feuer der feindlichen Geschütze belastigt wurden,
stellte der Kurfürst noch vor dem 48. Dezember auch seinerseits
Kanonen in Biesheim auf, wiewohl Bournonville diesen Ort für
viel zu gefährdet hielt. Die Brandenburgischen Einschliessungs-
truppen, zu denen alle Kavallerie-Regimenter je 10—25 Mann
kommandiert hatten, wurden dem Oberstleutnant v. Geismar vom
Regiment Homburg unterstellt. Am 16. Dezember konnte der
Kurfürst berichten, dass eine «Parthey» von 15 Reitern einen-
erfolgreichen Zusammenstoss mit einem stärkeren Trupp Fran-
zosen gehabt und 14 Gefangene eingebracht habe.
Weiter südlich schlössen sich in Volgelsheim, Weckolsheim,
Algolsheim und Obersaasheim die Einschliessungstruppen der
Kaiserlichen an. Dem Befehle des Kurfürsten gemäss hätten-
sich 200 Mann Infanterie in Volgelsheim verschanzen sollen,
wogegen aber Bournonville wieder allerhand Ausflüchte und
Bedenken hatte. Welche Truppenteile der Kaiserlichen sich
am Einschliessungsdienst von Breisach beteiligten, ist nicht er-
mittelt 1 . Das Regiment Kaiserstein war jedenfalls dabei, da es
seinen Unterkunftsbezirk nordöstlich von Ensisheim halte. Sehr
energisch geschahen die Angriffsarbeiten der Oesterreicher
nicht. Man begnügte sich bei ihnen im Allgemeinen damit,
keine Verpflegung in die Festung zu lassen, die Mühlen zu
zerstören und die Besatzung am Hoizhauen zu hindern. An-
einigen Orten wurden Holzvorräte niedergebrannt, um sie den
Franzosen zu entziehen. Am 17. Dezember berichtete Bour-
nonville allerdings, er lasse dem Fort Mortier gegenüber Brust-
wehren aufwerfen; aber diese Erdarbeiten befanden sich, als
die Festung durch Turennes Heer entsetzt wurde, noch in den
ersten Anfängen.
i Das <Verwirrete Europa» behauptet, diesseits des Rheinstromes
sei das Regiment des Obersten Schneidau vor Breisach geschickt
worden, während jenseits der General Schütz agiert habe. Diese
Angabe ist unbedingt eine «verwirretc» ; denn das Kürassier-Regiment
Schneidau hiess seit dem Frühjahr 1674 Gondola und war die Truppe
des rechten Rheinufers.
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62
5. Erschliessung von Breisach.
Etwas tätiger zeigte sich Generalmajor Schulz aus Freiburg,
der die EinSchliessung auf dem rechten Rhemufer durchführte.
Er hatte dazu, wie wir hörten, das Kürassier-Regiment Gondola
und etwas Fussvolk zu seiner Verfügung und setzte sich mit
ihnen in dem alten Lager des Herzogs Bernhard von Weimar
vom Jahre 1G38 fest. Seine Absicht, Hochstetten zu besetzen,
konnte er nicht durchführen, da le Roy dieses Dorf rechtzeitig
niederbrennen Hess. Dagegen glückten ihm einige erfolgreiche
Anschläge gegen die Mühlen der rechten Rheinseite. Schon
am 30. November wurde eine solche von den Kürassieren in
Brand gesteckt. Am 4. Dezember machte Schütz die Aue-
Mühle durch Ableitung des Wassers unbrauchbar und erbeutete
bei dieser Gelegenheit 1000 Klafler Brennholz. Auch einer
Pulvermühle liess Schütz das Wasser abgraben. Endlich ge-
lang es ihm sogar, die Wassermühle auf dem Rheine zum
Sinken zu bringen, die mit ihren acht Gängen die leistungs-
fähigste von allen war. Auch mit der Anlage von Laufgräben
und Brustwehren ging es auf dem rechten Ufer etwas besser
vorwärts als auf dem linken.
Eine weitere Unternehmung der Verbündeten gegen die
eingeschlossene Festung richtete sich gegen die Rheinbrücke.
Punkt 2 der la Roche'schen Vorschläge vom 10. Dezember
lautete: «dass man mit grossen Eichbeumen Flöss machen undt
dardurch die Brüge ruiniren solle». Dementsprechend wurden
aus Rheinfelden, Neuenburg und Freiburg Brandschifle und
Brand flösse beschafft, die man brennend gegen Breisach treiben
liess, «umb die Bruck vor dieser Vestung zu verderben, ge-
stalten dann durch dieselbe zwey Joch schadhafft gemacht
wurden». Freilich waren diese Schäden von den Franzosen
ba4d wieder ausgebessert, so dass eine nachhaltige Unterbrechung
der Verbindung zwischen den beiden Stromufern gar nicht
eingetreten ist. Die schon im vorigen Abschnitt erwähnte, vom
Grossen Kurfürsten geplante Schiffbrücke zwischen Nambsheim
und" Hartheim die in jeder Hinsicht notwendig war, sollte
vorzugsweise den Einschliessungstruppen von Breisach zu Gute
kommen. Die Sache wurde aber österreichischerseits gänzlich
verschleppt. Langsam und gemächlich wurden von Basel her
1 Ursprünglich scheint sie bei Neuenburg geplant gewesen zu
sein ; begonnen wurde sie aber bei Hartheini.
Massnahmen auf dem rechten Rheinufer und beim Verteidiger. G3
Balken und Kahne angefahren, sowie aus dem Münstertale
Holz und Zimmerleute beschafft. Sodann wurden Flösse von
£0 Fuss Breite hergestellt; aber es dauerte sehr lange, bis sie
fertig waren. Der unter dem Decknamen des «Götterbolhen
Mercurii» schreibende Schriftsteller äusserte sich am 18. De-
zember dahin, die Schiffbrücke hätte längst fertig sein können,
wäre aber erst vor einigen Tagen angefangen worden. So
konnte es geschehen, dass die Brücke überhaupt nicht fertig
wurde, und dass der kaiserliche Befehlshaber um Neujahr beim
Nahen Turennes nichts tun konnte, als das bei Hartheim an-
gesammelte Material Hals über Kopf nach Neuenbürg abfahren
zu lassen, von wo es dann wohl über Land nach Freiburg ge-
rettet sein mag. Wenn Herr v. Goes am Neujahrstage 1G75
seinem Kaiser schrieb : aUnter meinen gröslen Klagen ist,
dass diese Brückhe nit verfertigt worden», so hätte er nicht
verabsäumen sollen hinzuzufügen, dass die Schuld daran in
erster Linie dem kaiserlichen Feldherren beizumessen war.
Einen besseren Eindruck als die lauen Massnahmen der
Angreifer macht das Verfahren des Verteidigers der Festung,
in welcher Oberst le Roy, ein Kavallerie-Regiments-Kommandeur,
mit kräftiger Hand den Befehl führte. Unter Leitung des
Ingenieurs Sauvage wurde eifrig an der Instandhaltung und
Ausbesserung der Werke gearbeitet. Ein Kanal wurde ausge-
hoben, die Batterien verstärkt, Anschlusslünetten auf dem
linken Rheinufer neben dem Fort Mortier hergestellt. Herr v.
Tarades, der die Besatzung dieses Forts kommandierte, kam
gleich seinen Leuten den ganzen Dezember hindurch nicht aus
den Kleidern. An diese meistbedrohte Stelle wurden wohl nur
Kerntruppen verlegt. In der Stadt selbst aber hatte Oberst le
Roy ausser mit der Feindschaft des überwiegenden Teiles der
Bevölkerung auch mit dem Uebelstande zu rechnen, dass sich
unter der Garnison selbst eine Anzahl unzufriedener Elemente
befand. Die Besatzung von Breisach zählte ungefähr 1500
Mann. Unter ihnen waren 300 Schotten vom Regiment Douglas,
die nicht als zuverlässig galten. Auch Oberst la Roche schloss
aus brieflichen Nachrichten, die er aus Breisach erhalten hatte:
«dass absunterlich die Frembten wegen continuierlicher Fatigue
leicht zu einem Auffstandt bewogen werden möchten». Um in
diesem Sinne auf die Schotten einzuwirken, liess er einige 100
Zettel in der Festung ausstreuen, auf denen in schwedischer (?)
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64
5. Einschliessung von Breisach.
Sprache zu lesen war: «diese Nation solle, weil ihr König
nuhnmehro auch in die Keyserliche Allianz getredten, die Waffen
niederlegen und zu unss komen, doch dan einem Jeden 4
Monath Soll und, da sie nach Hauss verlangen, ein Pasport
gegeben werden solle*. Viel Wirkung scheint dieses nicht
sehr ritterliche Mittel nicht ausgeübt zu haben. Immerhin
sah le Roy sich genötigt, aus den Reihen der Schotten einige
Missvergnügte, die nicht fechten wollten, festzunehmen und in
einer Kirche einsperren zu lassen. Was übrig blieb, nament-
lich das Regiment Piemont, war zuverlässige Mannschaft, die
sich auch durch den bald eintretenden Mangel an Lebens-
bedürfnissen nicht entmutigen liess.
Etwa 60 Tage hindurch blieb der Festung alle Zufuhr ab-
geschnitten, und die Mühlen wurden zumeist zerstört. Es ist
daher begreitlich, dass es nach und nach an Mehl und Brot
zu mangeln begann. Ferner ging das Salz zu Ende. Immerhin
war die Einschliessung nicht so eng, dass nicht einzelne Bei-
treibungs-Kommandos sich hätten durchschleichen können. Am
12. Dezember erfuhr z. B. Bournonville von einem solchen,
der sich schon seit mehreren Tagen im Hartwalde verborgen
hielt, um Lebensmittel aus Mülhausen und Basel in die Festung
zu geleiten. Es dauerte nicht lange, bis ein für die winterliche
Jahreszeit recht bedenklicher Mangel an Brennholz eintrat. An-
fangs konnten die Eingeschlossenen bei Nambsheim genug
finden. Als die Verbündeten ihnen aber das Holzholen immer
mehr erschwerten, schritt der Kommandant dazu, Häuser ein-
zureissen, um die Balken als Brenn- und Kochholz zu verwerten.
Gewiss hätte bei vielmonatlicher Einschliessung auch das
System der Aushungerung zum Ziele führen können. Denn wie
wir aus einem Bericht des Intendanten la Grange vom 22. Ja-
nuar ersehen, waren auch durch Geldmangel schon Verlegen-
heiten entstanden. Aber wie die Ereignisse sich gestalteten,
konnte den Eingeschlossenen eine ernstliche Gefahr aus dem
Verfahren der Belagerer nicht erwachsen. Der Geschützkampf
war sehr matt und fand überhaupt nur bei besonderem An-
lasse statt. Oberst le Roy liess ausserdem die Dörfer Volgels-
heim und Hochstetten, wo die Kaiserlichen ihre Batterien auf-
bauen wollten, durch einen seiner Offiziere Namens de Vissac
in Asche legen und erreichte damit in der Tat die beabsichtigte
Verzögerung der Beschiessung. Dass Marschall Turenne mit
Entsatzaussichten. 65
#
Hülfe nahte, war dem Kommandanten der Festung wohlbekannt;
denn so völlig war die Erschliessung nicht, dass keine Nach-
richten dorthin durchgedrungen wären. Das naive Verlangen,
mit dem le Roy am 4. Dezember an den Kurfürsten herantrat:
der Intendant la Grange möge durchgelassen werden, um
Lebensmittel aus der Freigrafschaft zu holen, — würdigte
Friedpich Wilhelm keiner Antwort. Für die Rücksendung von
40 Gefangenen aber bedankte er sich höflich, obwohl der
Festung natürlich nur darum zu tun war, sich dieser unnützen
Esser zu entledigen.
Auch die Verbündeten hatten inzwischen von Turennes
Zug gen Süden erfahren. Als sie erkannt hatten, dass der
Feldherr mehr im Sinne hatte als seine Winterquartiere auf-
zusuchen, legten sie sich seinen Zug dahin aus, dass er den
Entsatz von Breisach plane. Gewiss hoffte Turenne bei seinem
Unternehmen auch dies zu erreichen ; aber es war nur ein
Nebenzweck. Die deutschen Heerführer aber mit ihrer Ueber-
schätzung der geographischen Momente glaubten fest, sein
einziges Ziel sei : aquocunque modo Volck in Breysach zu
bringen, — wan ers auch nit thun kan alss vermittelst einer
Batailla!» In den französischen Unternehmungen gegen die
Vogesenpässe, die wir noch kennen lernen werden und die
nichts als Scheinmanöver waren, sah auch der Grosse Kurfürst
nur den Versuch «de jetter du monde dans Brisacq». Der
Herzog v. Bournonville aber, der sich besonders fest in diesen
Gedanken verrannt hatte, wollte noch nach dem Gefecht bei Mül-
hausen und selbst noch am Vorabende des Treffens von Türk-
heim nicht daran glauben, dass Turenne eine Schlacht suche.
Er versicherte : der Feind werde sich gewiss über Neuenburg
oder durch den Hartwald auf Breisach wenden.
Diesen Anschauungen entsprechend wurde bei den ersten
beunruhigenden Nachrichten über Turennes Anrücken auf Bef-
fort den Angriflsmassregeln vor Breisach etwas mehr Nachdruck
gegeben als bisher. Am 27. Dezember konnte Turenne an Lou-
vois melden, Breisach werde stärker bedrängt. Die Werke
wurden durch die deutschen Geschütze drei Tage lang be-
schossen. Auch wurde gegen den linksrheinischen Brückenkopf
ein Unternehmen geplant, von dem der Kurfürst einige «rsonder-
bahre Avantagen» erwartete. Aber es ging mit diesem Plane
wie mit den meisten Projekten dieses unglücklichen Feldzuges:
5
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66 5. Einschliessung von Breisach.
er kam vor lauter Zwistigkeiten und Missverständnissen nicht
zu stände. Am 18. Dezember meldete Bournonville, er habe die
gegen das Fort von Breisach bestimmten Truppen gestellt, aber
die 300 brandenburgischen Reiter seien ausgeblieben. Am 27.
wiederum vermerkte Herr v. Buch in seinem Tagebuche, die
Kaiserlichen hätten nicht einen Mann zu der Unternehmung
kommandiert, die der Oberst der Artillerie in einigen Tagen
leiten sollte. Am 28. wurde der lüneburgische Oberst v. Kettel-
horst* bei einem Erkundungsritt vor Breisach von einer Sechs-
pfünder-Kugel tötlich getroffen.
Wie eine Bombe schlug am 30. Dezember die Nachricht
der Niederlage von Mülhausen in das Colmarer Hauptquartier.
Schon am folgenden Tage wurde die Blockade von Breisach
aufgehoben, Biesheim geräumt, Brücken und Gerätschaften
abgefahren. Selbst Bournonville tadelte diese Massregel als vor-
schnell und unnötig. Er äusserte sein Bedauern, dass er nun
auch seinerseits den General Schütz anweisen müsse, sich in
gleicher Weise von der Festung zurückzuziehen. Der Gesandte
v. Goes aber, der im Geiste schon die Gondola-Kürassiere abge-
schnitten und gefangen sah, Hess Schütz am Sylvesterabend
durch einen Leutnant dieses Regiments beschwören : seine In-
fanterie in Sicherheit zu bringen und die Schiffe in Hartheim
zu verbrennen, wenn er sie nicht mehr nach Neuenburg retten
könne. Es erscheint nach alledem sehr glaublich, wenn der
Herzog von Celle am 30. schrieb, er finde die Leute in Colmar
«zimblich irresolut in dem, wie man die Sachen angreiften soll».
Marschall Turenne aber empfing mit grosser Befriedigung die
Meldung le Roys von der Aufhebung der Einschliessung BreN
sachs, die ihm am 31. Dezember vor Brunstatt zuging.
Aber auch dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm scheint es
sehr bald klar geworden zu sein, welchen Fehler er durch
seinen kleinmütigen Entschluss hinsichtlich Breisachs begangen
hatte. Schon am 31. Dezember sandte er seinen Neffen Land-
graf Friedrich von Homburg und den Generalmajor Chauvet
mit 5000 brandenburgischen und braunschvveig-lüneburgischen
Reitern wieder gegen die eben erst freigegebene Festung vor,
um die — wie man nicht bezweifelte — von Turenne bereits
in Marsch gesetzten Verstärkungstruppen abzufangen und zu
schlagen. Es waren zusammen 22 Schwadronen Reiterei nebst
einer entsprechenden Dragoner-Abteilung. Der Marsch ging
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Aufhebung der Einschlicssung.
67
durch den Kastenwald und zwar auf einem Wege, den die
Franzosen 1673 durchgeschlagen hatten, um das Geschütz der
Stadt Colmar nach Breisach zu schaffen. Am Ostrande des
Waldes wandte sich die Reiterei der Verbündeten unter Zurück-
lassung von 400 Mann des Leibregiments unter Rittmeister v.
Piöck angesichts der feindlichen Festung südwärts und folgte
dem Waldsaume bis nach Wolfganzen, begleitet vom Oberst-
leutnant v. Geismar, der Biesheim hatte aufgeben müssen.
Der Zweck der Unternehmung konnte nicht erreicht werden,
da gar keine französischen Verstärkungen nach der Festung
unterwegs waren. Marschall Turenne wusste genau, dasseine sieg-
reiche Schlacht den Belagerten von selbst Entsatz bringen musste.
Der Prinz v. Homburg biwakierte also nutzlos die ganze kalte
Neujahrsnacht hindurch ohne Lagerfeuer. Seine Patrouillen, die
nach Heiligkreuz, Ensisheim und Obersaasheim aufklärten,
brachten die Meldung zurück, dass sie abgesehen von einem
kleinen Pulk kaiserlicher Nachzügler auf keine Truppen ge-
stossen seien. Dagegen sah man das Dorf Biesheim brennen,
welches die Franzosen gleich nach dem Abzüge der Branden-
burger angezündet hatten. Auch wurden in der Nacht Feuer-
signale aus der Festung wahrgenommen.
Die Expedition der Kavallerie der Norddeutschen in die
Gegend von Breisach dauerte mehrere Tage. Der Landgraf
blieb im Allgemeinen bei Wolfganzen, ging aber zeitweilig bis
dicht an das Fort Mortier, um die Franzosen hinauszulocken.
Hierzu Hessen sie sich aber nicht verführen. Nur am Abend
des 2. Januar, als die Deutschen in ihrem Lager ruhten und
General Chauvet und Oberst v. Mörner mit 4500 Mann gegen
Ensisheim ausgerückt waren, brachen 4 Eskadrons der Piemont-
Reiter aus dem Fort heraus, zogen sich aber rasch wieder über
die Rheinbrücke zurück, als der Prinz von Homburg mit kleinem
Gefolge gegen sie vorritt. An demselben Abend schien sich
Aussicht zu bieten, den erwarteten Hülfstransport für Breisach
doch noch abzufangen ; denn es kam die Nachricht, dass sich
weiter südlich zwischen Rhein und III mehrere Schwadronen
näherten. Landgraf Friedrich brach mit der brandenburgischen
Reiterei sofort von Wolfganzen auf und bezog einen neuen
Logerplatz zwischen Algolsheim und Obersaasheim. Aber statt
des erwarteten Feindes kam nur ein Trupp versprengter Oester-
reicher. Er bestand aus dem Kroatenoberst Graf Lodron und
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68
5. Einschliessung von Breisach.
einigen anderen Offizieren nebst etwa 50 Reitern, die nach dem
unglücklichen Gefecht von Mülhausen bis Basel geflüchtet, aber
bei Neuenburg wahrscheinlich auf einer Fähre über den Rhein
zurückgekehrt waren und sich nicht wenig freuten, als sie hier
auf den kurbrandenburgischen Oberstleutnant Hennigs» sliessen,
der sie den Verbündeten zuführte.
Auch diese Nacht wurde bei strenger Kälte ohne Lagerfeuer
biwakiert. Aber nun trafen bald nacheinander die General-
adjutanten v. Vitzthum und v. Küssow ein, die dem Landgrafen
von Hessen den Befehl des Kurfürsten überbrachten, : nach
Colmar zurückzukehren, um nicht von den direkt auf Rufach
vorrückenden Franzosen abgeschnitten zu werden. Dem tapfern
Homburger war diese Weisung gar nicht recht, zumal Jeremias
Chauvet mit 1500 Mann, sowie auch einige andere Streifpartien
unter Oberstleutnant v. Slrauss und Major v. Dewitz noch ab-
wesend waren. Die kampt'esfreudige Verwegenheit und selbst-
tätige Entschlusskraft, durch die Prinz Friedrich v. Homburg
sich am Tage von Fehrbellin berühmt machen sollte, gehörten
von jeher zu seinem Wesen ; und so hatte er auch diesmal Lust,
auf eigene Verantwortung vor Breisach zu bleiben, wo er immer
noch auf das Erscheinen des Feindes hoffte. Aber der General-
major v. Lüdeke und der braunschweigische Generalmajor
Prinz v. Reuss* stellten ihm mit Recht vor: die Gefahr, die
Armee von aller Reiterei zu entblössen, sei bedenklicher als
das Risiko, die kleinen Korps Chauvet und Strauss einem Miss-
geschick auszusetzen. Landgraf Friedrich sah dies ein und trat
am 3. Januar um l Uhr früh den Rückmarsch an. Er zog
ganz nahe an dem Breisacher linksrheinischen Werke vorbei ;
Kammerjunker v. Buch, der den Zug mitmachte, erzählt, man
habe verstehen können, was die Franzosen jenseits des aMörtier-
Walles» sprachen. Bei Andolsheim wurde ein Kommando von
;,00 Mann vom Regiment Mörner unter Major v. Dewitz zur
Aufnahme des noch vorne befindlichen Generals Chauvet be-
lassen. Mit dem Gros der Kavallerie rückte der Landgraf am
Morgen des 3. Januar zur Armee heran, bei der auch Chauvet
1 So ist wohl statt Heinrich zu lesen, welche Lesart vielleicht •
nur auf einem Uebersetzungsfehler der Buchschen Schrift beruht.
2 Heinrich IV aus der Greizer Linie, ein Bruder des im kaiser-
lichen Korps befindlichen Heinrich V.
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Unternehmung Friedrich v. Homburgs gegen Breisach. 69
mit seinen 1500 Mann noch rechtzeitig eintraf, um am Ent-
scheid ungstage von Türkheim mitwirken zu können.
So verlief der letzte Versuch der Verbündeten nach der
Seite der Festung Breisach ohne jedes Ergebnis. Es schwebte
ein Unstern über allem, was sie unternahmen. Diesmal war
eine ausreichend starke Streitmacht unter einem energischen
Führer mit einem klaren und erfolgverheissenden Auftrage aus-
gesandt worden. Und dennoch gestaltete sich das Ganze zu
einein Luftstosse; denn die zugrunde liegende Voraussetzung,
dass Entsatztruppen von Turennes Heer herannahten, erwies
sich als irrig. Die ganze französische Armee war es, die an-
rückte, um zu siegen und dadurch der Festung Breisach einen
Entsatz zu bringen, wie ihn sich Kommandant le Roy wirksamer
nicht wünschen konnte. Die rechtsrheinische Feste, der Schlüssel
Süddeutschlands, war für Frankreich gerettet und sollte erst
durch den Ryswiker Frieden 169/ dem Deutschen Reiche zurück-
gewonnen werden.
6. Turennes Zug duroh Lothringen.
Als Marschall Turenne im Spätherbst 1G74 die Ueber-
zeugung gewann, dass weder eine kräftige Offensive des vom
Brandenburgischen Kurfürsten befehligten Reichsheeres, noch
ein Eingreifen des alten Grafen Sporck von Norden her zu be-
sorgen sei 1 , war er sich bewussl, einer nicht geringen Gefahr ent-
gangen zu sein. Kaum aber sah er durch das Eintreffen der
Condeschen Verstärkungen das Missverhältnis zwischen ihm und
seinen Gegnern sich einigermassen ausgleichen, als er auch
schon Angriffspläne zu schmieden begann. Er beschloss die
Verbündeten in ihren Winterquartieren anzufallen. Von welcher
Seite konnte dies am besten geschehen? Ein Vorgehen direkt
von Norden bot die Möglichkeit, die Deutschen von der Strass-
burger Rheinbrücke abzuschneiden. Aber es war fraglich, ob
das Unternehmen gelang ; denn man fand das verbündete Heer
hier sicherlich versammelt und kampfbereit vor; man musste
auch mit dem Eingreifen des Markgrafen Friedrich v. Durlach
1 Sporck hatte sich nach dem am 21. November erfolgten Falle
der Festung Dinant nach Huy zurückgewandt und bezog bald darauf
Winterquartiere im Bezirk Lüttich.
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70
6. Turennes Zug durch Lothringen.
rechnen. Turenne zog es vor, von einer Seite zu kommen,
von der ihn Niemand erwartete. Er entschloss sich, die feind-
lichen Winterquartiere von Westen her strategisch zu umgehen,
um sodann durch das Oberelsass plötzlich über sie herzufallen.
Ob dies von Lothringen her durch die Vogesen oder von der
Burgundischen Freigrafschaft her zu bewirken sei, behielt sich
der Feldherr noch vor.
Ein Winterfeldzug war im Zeitalter der Winterquartiere
ein höchst ungewöhnliches Unternehmen, das nur ein genialer
Feldherr ins Auge fassen konnte. Mit wie klarem Bewusstsein
Turenne seinen Plan von vornherein erfasste, geht aus einem ^
Briefe hervor, den er am 30. Oktober an den Staatssekretär le
Tellier richtete. «Um die Feinde besser in Sicherheit zu wiegen»,
schrieb er, «werde ersieh ganz nach Lothringen zurückziehen. Sie
würden dann nicht verfehlen, sich über das ganze Elsass auszu-
breiten. Sodann werde er an einer Stelle, wo sie sein Nahen ge-
wiss nicht argwöhnten, über ihre Winterquartiere herfallen und
sie vielleicht zwingen, über den Rhein zurückzugehen und in
ihrem eigenen Lande zu überwintern». Es verdient wahrlich Be-
wunderung, wie deutlich der ganze Verlauf des Feldzuges schon
damals vor dem geistigen Auge des grossen französischen Feld-
herrn dastand. Er hielt seinen Plan von nun an unverrückbar
fest und schritt zu seiner Ausführung, sowie die Verbündeten
in die Winterquartiere rückten. «Nachdem er wie Fabius zu-
rückgegangen war», sagt Friedrich der Grosse von dieser Unter-
nehmung Turennes, «ging er wie Hannibal vor».
In den letzten Tagen des November trat die französische
Armee den Abmarsch aus dem Lager von Ingweiler an. Wohl
oder übel musste Turenne einige Truppen im Unterelsass zu-
rücklassen, schon um der Besatzung von Philippsburg die Ver-
bindung mit dem Heimatlande zu erhalten. In Hagenau ver-
blieb Oberstleutnant Mathieu de Castellas vom Regiment Marine
mit 6 Bataillonen, musste jedoch einige Kompagnieen nach
Lützelstein abzweigen. In Zabern wurde Oberstleutnant Fouge-
raies mit 3 Bataillonen belassen». Spater wurde noch der
1 Die Besatzung von Hagenau war den Regimentern Burgund,
la Fere, Turenne, Douglas und Bouillon, die Besatzung von Zabern
den Regimentern Rouergue, Royal-Marine und dem Kronregiment
(de la Couronne) entnommen.
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Turennes Feldzugsplan. — Aufbrach von Ingweiler. 71
Brigadier St. Sylvestre mit 6 Schwadronen zum Schutz des
Saargebietes abgezweigt. Endlich entsandte Turenne noch
Herrn v. Courcelles mit einer Eskadron und einem Bataillon
des Regiments Frezelieres — naturlich ohne dessen bei der Ar-
tillerie verwendete Mannschaft — nach dem lothringischen
Flecken Saar-Bockenheim, um Mehl beizutreiben und bis auf
weiteres dort zu verbleiben.
Der ganze Rest des Heeres wurde zur Teilnahme an dem
Zuge durch Lothringen bestimmt und sollte sich mit den
von verschiedenen Seiten noch heranbeorderten Zuzügen zu einer
schlagfertigen Streitmacht von etwa 40 000 Mann vermehren.
Der Stamm des Feldheeres brach am 4 29. und 30. November
4674 aus dem Lager von Ingweiler auf». Marschall Turenne
begleitete die zweite Kolonne. Das erste Tagesziel war Lützel-
stein, das wir bereits als die Residenz eines für Frankreich
gewonnenen Duodezfürsten aus dem Pfälzischen Hause kennen.
Turenne verstärkte die Besatzung der kleinen Bergfeste und
scheint einen Tag dort gerastet zu haben. Der Marsch, der ja
den Eindruck des Abrückens in Winterquartiere hervorrufen
sollte, ging nur langsam und in kleinen Etappen vor sich. Arn
2. Dezember passierte der Marschall den Nassau-Saarwerdischen
Flecken Hirschland, bog hier aber scharf nach Süden ab 8 und
rückte in Lixheim ein, wo er wieder zwei Tage rastete, um
seine Vereinigung mit dem von Finstingen herangerückten
14000 Mann starken Korps des Grafen v. Saulx-Tavannes zu
vollziehen. Von nun an ging der Marsch in regelmässigen
Tagesleistungen, aber «doucement» vorwärts. Am 4. Dezember
wurde bei Saarburg die Saar überschritten und in Lörchingen
Nachtquartier genommen 3. Der Marschall erhielt an diesem
Tage Meldungen aus Badonviller und Rambervillers, dass die
Truppen Karls IV von den Vogesen her in die Lothringische
Ebene hinabstiegen. Diese Nachricht erschien um so bedrohlicher,
1 Der ganze Zug Turennes ist in der Uebersichtskarte rot ein-
gezeichnet.
2 Der Zweck des Umweges über Hirschland ist nicht ganz klar.
Ch. Gerard nennt sogar die südöstlich von Bockenheim gelegenen
Dörfer Weisungen, Adamsweiler und Dürstel als Sammelplatz der
Armee.
3 In Saarburg wurde ein Lazarett eingerichtet; ebenso später
in Rambervillers.
72
6. Turennes Zug durch Lothringen
als erhebliche Vorräte an Schuhen und Strumpfen für die Armee
eben erst vom Intendanten Charuel in Rambervillers aufge-
speichert waren. Ritter v. Sourdis musste mit 400 Reitern sofort
aufbrechen, um die genannten beiden Orte zu besetzen.
Am 5. Dezember folgte die Armee bei dichtem Schneefall
über ßlamont und nächtigte bei der Abtei Domevre. Der Marsch
des folgenden Tages führte auf schmalen Landwegen zur Meurthe,
die bei Baccarat überschritten wurde. Sodann ging es weiter
nach Domptail, wo das Hauptquartier vom 6. bis 9. Dezember
blieb. Turenne Hess inzwischen sein Fussvolk au fsch Hessen,
da die Marschkolonnen infolge der Ungunst der Witterung
häufig sehr lang wurden. Der Marschall regelte den Marsch
durch Lothringen so, dass auf drei Parallelstrassen gleichzeitig
marschiert wurde. Die Armee konnte jederzeit binnen 24
Stunden zusammengezogen werden. Obwohl bei massiger Kälte
starker Schneefall herrschte, wurde vielfach biwakiert; denn
wo es sein musste, stellte Turenne hohe Anforderungen an
seine Soldaten. Alle Marsch unfähigen sandte er von Lörchingen
aus nach Nanzig zurück. Das Ziel seines Zuges wusste der
Feldherr in tiefes Geheimnis zu hüllen. Angeblich erfuhren
nicht einmal die einzelnen Marschkolonnen etwas von ihren
Nachbarkolonnen. Nach aussen hin Hess Turenne verbreiten,
dass er durch Mangel an Lebensmitteln genötigt sei, Winter-
quartiere in Burgund aufzusuchen. Der Briefwechsel des Grossen
Kurfürsten mit Bournonville lässt keinen Zweifel darüber, dass
dem Marschall die Täuschung vollkommen gelang. Die deutschen
Generale waren allesamt fest überzeugt, dass Turenne nur
beabsichtige, Burgund durch seine Winterquartiere zu schützen.
Das französische Heer hatte sich nun dem eben von den
Lothringern besetzten Bezirke derart genähert, dass eine Aus-
einandersetzung mit ihnen unausbleiblich war. Turenne sandte
am 7. Dezember den Brigadier Sourdis mit den Kavallerie-
Regimentern Orleans und St. Aoust nebst 200 Mann Fussvolk
gegen Remiremont vor. Hier befanden sich 200 Lothringer,
welche die Befestigungen des alten Moselstädtchens nach den
Angaben eines lüneburgischen Ingenieurs verstärkt hatten. Sie
lehnten Sourdis Aufforderung zur Uebergabe ab. Darauf Hess
Turenne, der seit dem 10. Dezember mit seinem Gros bei Pa-
doulx lagerte, den General Graf Saulx mit Dragonern und der
Gendarmerie nebst den beiden Fussgarde- Bataillonen am 12. früh
Einnahme von Eemiremont.
73
auf Remiremont vorgehen. Ferner befehligte der Vicomte die
Bataillone Vermandois, Artois, Navarra und Vaisseaux mit (3 Ge-
schützen im Eilmarsch gegen die Stadt heran. Er selbst begab
sich zur Leitung des Angriffes nach Eloyes. Die Besatzung von
Remiremont lehnte eine nochmalige energische Aufforderung zur
Uebergabei wiederum ab. Aber am Abend erschien ein Haupt-
mann als Unterhändler und versprach Abzug nach 24 Stunden, falls
bis dahin keine Weisungen vom Lothringer Herzoge gekommen
seien. Turenne sagte freien Abzug zu, verlangte aber sofortige
Entschliessung. Nunmehr zog die Besatzung am Morgen des
13. ab, und der Marschall hielt seinen Einzug in die Stadt.
Er versichert, fernere 400 Deutsche und zwar anscheinend
Lüneburger seien im Anmarsch gewesen, aber wieder zurück-
gegangen, als sie auf die Brigade Sourdis stiessen.
Die entfestigten Moselstädte Ghastel und Espinal, wo 400
Lothringer gelegen hatten, waren schon vorher geräumt worden,
da es an Zeit zur Befestigung von Espinal gefehlt hatte. Die
abziehenden Lothringer wandten sieh, verfolgt vom Grafen v.
Saulx und dem Ritter v. Hocquincourt, an der Mosel aufwärts
nach St. Maurice. Von da aus folgten sie auf Weisung des
Kurfürsten von Brandenburg unter Allamonts Führung der
Strasse über Giromagny, um mit den auf Beffort vorgerückten
Truppen der Prinzen von Holstein und Baden zusammenzuwirken.
Wir werden ihnen späterhin wieder begegnen. Die Verfolgung
der Lothringer kostete den Franzosen ein empfindliches Opfer:
General Graf v. Saulx-Tavannes geriet in der Nähe des von
den Lothringern besetzten Kastells St. Lambert in deren Ge-
fangenschaft.
In Longuet an der Mosel, 5 Kilometer nördlich von Remi-
remont, wo Turenne am Abend des 43. sein Hauptquartier
nahm, verweilte er bis zum 23. Dezember. Es trat also eine
neuntägige Unterbrechung des Zuges ein. Der Feldherr hielt
sie für unbedenklich, da der Gegner offenbar noch keine Ahnung
von seinen eigentlichen Zielen hatte und keine Massregeln zur
Versammlung seines Heeres traf. «Comme l'on ne seait pas
encore certainement», meinte der Kurfürst, « juelle route Mr.
» «Unter Androhung des Stranges» behauptet F. W. v. Zanthier
in seinein Buche über Turcnnes Kriege ; aber diese Angabe erscheint
nicht recht glaublich.
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74
6. Turennes Zug durch Lothringen.
de Turenne prendra ny le nombre de ses trouppes, il ne faut
rien precipiter a mon advis pour la marche et ne quitler pas
nos quartiers ny les affoiblir sans necessite*. Offenbar konnte
Turennes langes Verweilen in der Gegend von Remiremont die
Deutschen nur in der Ansicht bestärken, er sei im Begriff»
sich in seinen Winterquartieren einzurichten. In Wahrheit
war er auch während der neun Tage in Longuet sehr tätig und
zwar nach drei Richtungen. Erstens sorgte er in umfassender
Weise für die Verpflegung des Heeres während der geplanten
Operationen ; zweitens Hess er Scheinangriffe gegen die Vogesen-
pässe richten ; und drittens tat er Schritte, um den inzwischen
erfolgten Vorstoss der Verbündeten gegen Beffort zum Stehen
zu bringen und die Freigrafschaft zu schützen.
Das Verpflegungswesen war in der damaligen Krieg-
führung ein überaus wichtiger und oftmals hemmender Faktor»
da ein regelmässiger Lebensmittelnachschub aus der Heimat mit
den damaligen Verkehrsmitteln nicht möglich war. Turennes
Willenskraft und Umsicht wusste alle Schwierigkeiten zu be-
siegen. Er hatte vor dem Aufbruch des Heeres erhebliche Pro-
viantmengen aus Metz nach Ingweiler herangezogen und jedem
Mann eine dreitägige Verpflegungsportion mitgegeben. Jetzt
wurden Feldbäckereien in Neufchasteau, Mirecourt, Espinal und
Remiremont angelegt. Ihre Lage lässt die neue Etappenlinie
erkennen, die der Feldherr sich zunächst sichern wollte. In
Remiremont kamen ihm einige Korn- und Mehlvorräte zu statten,
die von den weichenden Lothringern dort hinterlassen waren.
Aus der Umgegend wurden Fahrzeuge beschafft, die der Truppe
als Brotkarren folgen sollten. Aber gleichzeitig erstreckte sich
die Sorge des Heerführers schon auf Burgund und die Franche
Comte, da er demnächst hauptsächlich auf deren Vorräte an-
gewiesen war. Er Hess Magazine in Luxeuil, Lure und Vesoul,
bald auch solche in Hericourt, Clerval und l'Isle am Doubs an-
legen. Zu ihrer Füllung tat der Intendant Camus de Beaulieu
aus Langres das beste, während die Armee bisher auf die
Fürsorge des Intendanten Charuel zu Nanzig angewiesen war.
Auch mit dem Fürsten v. Mömpelgard wurden schon jetzt Unter-
handlungen über den Ankauf von Lebensmitteln angeknüpft.
In der Zeit seines Stilliegens in Longuet sandte Marschall
Turenne verschiedene höhere Offiziere zu Scheinangriffen
gegen die Gebirgspässe vor, die über die Vogesen nach
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Verpflegungswesen. — Scheinangriffe gegen die Vogesenpässe. 75
Schlettstadt, Colmar und Thann führten. Der Vicomte hatte sich
jetzt für die Ebene von Beffort als Basis für seinen Angriff ent-
schieden. «Durch die Vogeseni, schrieb er sehr richtig an Louvois,
«würde er nur gehen, wenn es sich um eine kleine Armee
handelte; denn nur eine solche könne den Gebirgswall durch-
schreiten, und zwar mit vieler Mühe». Sehr geeignet erschien ihm
das Gebirge jedoch zum Demonstrieren, um die Deutschen im
Unklaren über seine Absichten und darum in ihrer weit aus-
einander gezerrten Aufstellung zu erhalten. Graf v. Bourlemont
sollte den Col de St. Marie vor Markirch, Marquis v. Bouffiers
den Col du Bonhomme vor Schnierlach, Ritter v. Hocquincourt
den Gol de Bussang vor Wesserling beunruhigen. Gegen die
kleineren Pässe» wurden, wie versichert wird, kleinere Ab-
teilungen entsandt. Die Leiter dieser Unternehmungen waren
angewiesen, ernste Gefechte zu vermeiden, da ihr einziger Zweck
darin bestand, die Verbündeten an allen Stellen zu beunruhigen.
An einem der Gebirgspässe aber, und zwar an dem nörd-
lichsten, Hess der Führer die gebotene Vorsicht ausser Augen
und zog sich dadurch eine so ernste Niederlage zu, dass das
Lebertal noch lange im Volksmunde Val de la Defaite genannt
wurde. Graf Heinrich d'Anglures Marquis v. Bourlemont hatte,
wie wir hörten, den Vorstoss zu leiten, der sich südlich an
St. Di6 vorbei gegen Markirch richtete. Seine Fusstruppen
werden in französischen Quellen nur zu 250 — 300 Mann an-
gegeben. Ferner begleitete ihn Graf v. Clermont mit 50 Heitern
vom Regiment Royal-Piemont unter Rittmeister v. St. Jean.
Auch ein Rittmeister vom Regiment Dauphin namens v. Fla-
xieux hat die Expedition mitgemacht. Graf Bourlemont fand
am 15. Dezember die Markircher Steig oben auf der Passhöhe
unbesetzt und nistete sich dort mit seinem Detachement ein,
scheint aber den Sicherungsdienst gröblich vernachlässigt zu
haben; denn er wurde am 17. in der Frühe von allen Seiten
umstellt und von einer überwältigenden Uebermacht angegriffen.
Wir erinnern uns, dass in Markirch das Cellische Regiment
zu Fuss des Generalmajors v. Ende in Ortsunterkunft lag,
während die lothringische Hälfte des Ortes von Truppen des
Herzogs Karl und zwar anscheinend den Dragonern des Obersten
1 Die Heerstrasse zwischen Gerardmer und Münster über die
Schlacht war 1674 noch nicht vorhanden.
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76
6. Turennes Zug durch Lothringen.
Silbach belegt war'. Auf die von einem Trupp lothringischer
Cbevaulegers eingebrachte Nachricht vom Anmarsch der feind-
lichen Abteilung verstärkte Herzog Georg Wilhelm die Be-
satzung durch alle in der Nähe befindlichen Truppenteile, so
dass angeblich 1000 Musketiere, 300 Dragoner und 1200 Reiter
vereinigt wurden. Sicher ist, dass drei lüneburgische Fuss-
regimenter und ein braunschweigisches Regiment, ferner das
Kavallerie-Regiment Chauvet, die cellischen Garde-Dragoner,
sowie lothringische Chevaulegers und Dragoner dabei waren.
Generalmajor Chauvet übernahm das Kommando. Am 17. De-
zember eine Stunde vor Tage war die Umstellung des feind-
lichen Lagers bewirkt und erfolgte der Angriff von allen vier
Seiten zugleich. Das sogenannte Regiment Landvölker unter
Oberst Melleville, das sich erst bei Enzheim seinen Platz in
der Reihe der regulären Regimenter erkämpft hatte, stiess mit
den Dragonern zuerst auf den Feind. Die Rotröcke vom Re-
giment Ende wirkten erfolgreich mit, und das Regiment Joquet
l>e\vährte sich unter den allerschwierigslen Umständen. Das
Regiment ging nämlich tapfer auf den Feind los, obwohl Oberst
Joquet das Zurückgehen befahl. Dieser Befehl sollte aber ernste
Folgen für ihn haben. Major Ludemann von den Wolfenbüttelern,
dem er die Schuld zuschieben wollte, begehrte kriegsgerichtliche
Untersuchung. Joquet entschuldigte sich nun damit : «die
Bursche netten sich verschossen gehabt und hette es also die
Noth erfordert». Es stellte sich jedoch heraus, dass jeder Mann
noch wenigstens G Kugeln nebst Pulver hatte. Oberst Joquet
wurde daher seiner Stellung entsetzt 2 . Man sah sogar einen
Verräter in ihm, zumal er ein gebärtiger Franzose war. Dass
Turenne einen Korrespondenten unter den Lüneburgern hatte,
ist übrigens aus seinen eigenen Briefen ersichtlich.
Der Angriff der Lüneburger und Lothringer auf das kleine
Häuflein der Franzosen verlief natürlich siegreich. Bourlemont
wehrte sich 2*| 2 Stunden hindurch tapfer. Als sich aber die
Reiterei nach der Verwundung der Herren v. Glermont, St. Jean
und Flaxieux zur Flucht wandte, ging der Widerstand zu
Ende. Die Mehrzahl des Fussvolkes wurde niedergemacht oder
gefangen. Die Zahl der Gebliebenen und Verwundeten, die in
1 Die Landes- und Sprachgrenze ging mitten durch die Stadt.
s Sein Kegiment wurde dem Oberst v. Malortie verliehen.
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Gefecht bei Markich.
77
französischen Quellen nur zu 80 Mann beziffert sind, betrug
nach den deutschen Berichten 140 Tote und 56 Verwundete;
ferner waren 1 Oberst, 2 Hauptleute, 4 Leutnants und 50 Sol-
daten gefangen. Da das Detachement tatsächlich aufgerieben
wurde, haben in diesem Falle die deutschen Angaben mehr
Wahrscheinlichkeit für sich. Unter den Verwundeten befand
sich Leutnant Valentini, unter den Gefangenen Oberst Graf
Bourlemont und die tötlich verwundeten Herren Graf Clermont
und Flaxieux. Letzterer wurde, in den Mantel eines lothrin-
gischen Gardekapitäns gehüllt, nach Markirch getragen, wo er
bald starb. Der Verlust der Verbündeten war ganz unbedeutend :
es waren 14 Mann tot und eine entsprechende Anzahl ver-
wundet, unter ihnen 4 Hauplleute und der Leutnant der cel-
lischen Dragoner-Garde.
Von den Unternehmungen gegen die andern Vogesenpässe
ist wenig zu berichten. Marquis v. Bouffiers, der Mestre de
Camp des Königs-Dragoner-Regiments, spielt bei der Katastrophe
des Grafen Bourlemont eine etwas eigentümliche Rolle. Er hielt
nämlich mit seinen Dragonern ruhig bei Wisembach, knapp
3 Kilometer vom Gefechtsfelde, ohne dem schwer gefährdeten
Kameraden zu Hälfe zu kommen. Vielmehr begnügteer sich damit,
dessen versprengte Flüchtlinge aufzunehmen. Wie er überhaupt
nach Wisembach gekommen ist, ist unverständlich; denn sein
Auftrag wies ihn nach dem Bonhomme-Pass, der von Plainfaing
in das Kaysersberger Tal sowie über Urbeis in das Münstertal
führt. Was er am Orte seiner eigentlichen Bestimmung aus-
gerichtet hat, ist nicht überliefert. Vielleicht können wir mit
ihm eine Notiz des Diariums Europaeura in Verbindung bringen,
wonach der Leutnant Maisonneuve von der kurbrandenburgischen
Leibgarde eine erfolgreiche Streife im Gebirge ausführte und
am 15. Dezember 14 Gefangene in Colmar einbrachte. Waren
dies wirklich Boufflerssche Dragoner, so wäre der Marquis am
17. wohl schon auf seinem Rückmärsche nach Wisembach ge-
kommen. — Noch weiter südlich ritt der Mestre de Camp der
Königin-Dragoner Ritter v. Hocquincourt gegen das St. Ama-
riner Tal an. Von St. Maurice kommend, vertrieb er eine Ab-
teilung lothringischer Dragoner aus Bussang und drang am
14. Dezember über Wesserling auf St. Amarin vor. Aber bald
erschien von Thann her der Oberst v. Schöning mit dem branden-
burgischen Regiment Kurprinz zu Fuss und schlug den Angriff
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6. Turennes Zug durch Lothringen.
siegreich ab, trug aber dabei eine schmerzhafte Verwundung
an der rechten Hand davon. Hocquincourts Dragoner aber
wandten sich nunmehr auf Masmünster und versetzten dadurch
den Markgrafen Hermann v. Baden in nicht geringe Aufregung 1 .
So verliefen die vom Marschall Turenne angeordneten Vor-
stösse gegen die Vogesenpässe. Wie es nach Lage der Sache
nicht anders sein konnte, blieben die Deutschen überall Sieger.
Aber Turenne erreichte seinen Zweck vollkommen. Gerade der
so völlig verunglückte Vorstoss Bourlemonts auf Markirch war
von den verhängnisvollsten Folgen. Das Gerücht liess die Stärke
der dort erschienenen Franzosen auf 7000 Mann anschwellen.
Der Herzog v. Celle hielt seine Winterquartiere für bedroht,
und seine Vorstellungen waren es, die den Kurfürsten v. Bran-
denburg bewogen, den. bereits beschlossenen Marsch nach dem
Ochsenfelde bei Sennheim zur Vereinigung mit den Kaiserlichen
aufzugeben, obwohl Friedrich Wilhelm gleich Bournonville den
Vorstoss auf Markirch ganz richtig als «fausse attaque» erkannte.
So konnte also Marschall Turenne mit dem Ergebnis seiner
Scheinangriffe gegen die Vogesen durchaus zufrieden sein.
Wichtiger waren die Massregeln, die er von Longuet aus
zur Vertreibung der Verbündeten aus dem französischen Sund-
g a u traf, wo sie sich im Laufe der letzten Wochen festgesetzt
hatten. Schon mehrfach war vom Vordringen der Kaiserlichen,
Münsteraner und Brandenburger auf Beffort die Rede, und wir
müssen uns jetzt dieser Angelegenheit zuwenden. Wenn auch
die deutschen Generale an Unternehmungslust dem französischen
Feldherrn weit nachstanden, so hatten doch auch sie nicht die Ab-
sicht, den ganzen Winter hindurch auf der Bärenhaut zu liegen.
Schon um Mitte November wurde die Vorschiebung von Truppen
in die Freigrafschaft Burgund beschlossen. Die Wiedergewinnung
der «Franca Contea» war ein Lieblingsgedanke des Kaisers Leo-
pold ; denn sie war althabsburgischer Besitz und erst im Früh-
jahr 4074 an Ludwig XIV verloren gegangen *. Auch der spa-
* Er schrieb dem Herzog August v. Holstein am 14. Dezember :
20000 Feinde (!) seien im Begriff, sich einen Weg durch den Wald
von Masmünster zu bahnen.
* Die Freigrafschaft war 1493 von Frankreich an den Kaiser
Max abgetreten worden und später an die spanischen Habsburger
übergegangen. Dagegen war das westlich davon gelegene Herzogtum
Burgund seit lf>29 französisch und der östlich der Freigrafschaft ge-
legene Sundgau 1G48 an dieselbe Macht gefallen.
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Vordringen der Deutschen im Sundgau. 79
nische Gesandte betrieb angelegentlich den Plan der Zurücker-
oberung der Provinz für seinen König. Der Weg dorthin führte
aber durch den Sund- und Eisgau und die Grafschaft Mömpel-
gard. Diese mussten also zunächst besetzt werden. Die Einnahme
von Befrort erschien auch darum erwünscht, weil die Einschlies-
sung von Breisach dadurch besser gesichert war. Ferner war
sie wichtig, um den Grafen v. Mömpelgard für die deutsche
Sache zu gewinnen. Endlich musste eine Ausdehnung der
Winterquartiere nach Süden der Unterkunft und Verpflegung
der Truppen zugute kommen. Die Bewohner des Sundgaus
und der Freigrafschaft waren zumeist habsburgisch gesinnt und
sehnten die Verbündeten als Befreier herbei.
Schon in den ersten Tagen des Dezember, also gleichzeitig
mit dem Beziehen der Winterquartiere, nahm die Vorschiebung
von Truppen in dieser Richtung ihren Anfang, sodass Turenne
schon am 4. in Saarburg die ersten Meldungen darüber erhielt.
Es war Feldzeugmeister Markgraf Hermann v. Baden, der sich
mit 11 Münsterschen und 2 Kaiserlichen Regimentern (Reuss
zu Fuss und Baireuth zu Ross) zuerst in der Richtung auf
Beffort in Bewegung setzte. Bald zeigte es sich, dass die Fran-
zosen auf ihrer Hut waren. Bournonville fand es daher am
11. Dezember für nötig, die Regimenter Portia und Sereni,
bald darauf auch das Regiment Caprara hinterher zu senden
oder dem' Markgrafen zu unterstellen. Inzwischen war am
6. Dezember auch Herzog August v. Holstein-Plön mit den
Generalen v. Görtzke und v. Götzen an der Spitze eines Korps
von 6000 Brandenburgern «sampt 8 Stücken Geschülze und
Feuermörseln» nach der Freigrafschaft aufgebrochen. Das Re-
giment Schöning aus Thann schloss sich ihm erst später an.
Der Prinz v. Holstein scheint, ursprünglich Luxeuil und Lure
zum Ziel erhallen zu haben, wo nach einer Meldung des Her-
zogs v. Lothringen eine nicht unbeträchtliche Besatzung einge-
troffen war. Auch dem Oberst d'Allamont mit seinen Loth-
ringern war von Giromagny und . Faucogney aus die Richtung
auf Lure angewiesen worden.
Leider war zwischen den beiden fürstlichen Führern keine
Einigkeit zu erzielen, obwohl die aus Colmar und Ensisheim
kommenden Befehle ihrer Oberfeldhern sie dringlich auf gutes
Zusammenwirken hinwiesen. Beide wurden durch die Kunde vom
Herannahen Turennes beunruhigt. Jeder verlangte vom andern,
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HO
6. Turcnnes Zug durch Lothringen.
er solle zu ihm heranrucken und klagte ihn nachher an, den
Bundesgenossen im Stich gelassen zu nahen. Hermann v. Baden
sollte nach den getroffenen Vereinbarungen mit 1000 Mann und
etwas Artillerie Befforl einnehmen oder in Brand schiessen.
Correts Hisioire de Beifort behauptet sogar, die Stadt sei wirk-
lich mit 24 Geschützen beschossen worden ; aber diese Angabe
ist unzutreffend. Der Markgraf rückte zögernd vor und konnte
auch wirklich mit seinen schwachen Kräften nichts gegen die
ansehnliche Festung » ausrichten, zumal er weder Haubitzen
noch Mörser besass. cSi nos Messieurs se scavoyent servir de
boulets ardens», schrieb Bournonville am 13. dem Kurfürsten,
«ils pourroyent essayer de mettre le feu en la ville avec les
canons 'de Munster. Mais comme ils sont chambres et se
chargent par la culasse, je ne scay s'ils seront uliles aux
boulets ardens». Der Markgraf musste also von der Beschiessung
mit glühenden Kugeln absehen und beschränkte sich auf eine
vorsichtige Beobachtung der Festung durch Caprara und Schultz,
die übrigens durch tägliche Rekognoszierungen eine sehr häufige
Beunruhigung der Besatzung bewirkten.
Mit den übrigen Truppen rückte Hermann östlich an Befibrt
vorbei in der Richtung auf Mömpelgard und Pruntrut vor. Er be-
setzte Dattenried (das heutige Delle) sowie angeblich auch Beaucourt
und Audincourt in der württembergischen Grafschaft. Seine Haupt-
aufgabe sah der Feldzeugmeisler darin, den Grafen Georg v. Möm-'
pelgard zur deutschen Seite hinüberzuziehen. Er versprach ihm
sogar, die Verbündeten würden nicht vor seinem Beitritt in die
Freigrafschaft einrücken. Am 14. befürwortete er seine Vorschläge
persönlich in Mömpelgard ; aber der Graf war vom Herzoge v.
Duras, dem Gouverneur von Burgund, so eingeschüchtert, dass er
diesen Lockungen widerstand. Es waren also völlig ergebnislose
Verhandlungen, um deretwillen der Markgraf den Herzog v.
Holstein veranlasste, sein Vorgehen ebenfalls um zwei Tage zu ver-
zögern. August seinerseits ärgerte sich sehr über diese Hemm-
nisse und war schlecht auf den Badischen Prinzen zu sprechen.
1 Die nachmals so berühmt gewordenen Festungswerke von
Beifort sind freilich erst nach 1681 durch Vauban erbaut worden.
Aber auch 1674 war die kleine Stadt mit dem auf steilem Felsen
thronenden Schloss, mit ihren drei Fronten und den starken Türmen
(Mömpelgarder, Schleusen-, Bürger- und Rosenbergturm] recht wider-
standsfähig.
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Bedrohung von Beffort.
Sl
Ueber die Einzelheiten der Operation der beiden Invasions-
korps fehlt es fast ganzlich an Material. Nur für die Mitte des
Dezember kennen wir ihre Stellungen ziemlich genau. Sie
standen um diese Zeit dicht bei einander nordöstlich von Beffort.
Herzog August v. Holstein lag vom 14. zum 45. mit Görtzke
und Götzen in Brunn 1 . Nordöstlich davon in St. Cosman sollte
am 16. die österreichisch-münsterscbe Kavallerie nächtigen.
In deren Nähe in Wälsch-Kapellen 8 finden wir das Regiment
Caprara. Das Gros der Infanterie des Markgrafen v. Baden sollte
sich am 16. in Willern 8 bei Dammerkirch vereinigen. Die unter-
nehmungslustigen Lothringer unter d'Allamont hatten den An-
schluss an die beiden deutschen Prinzen gefunden und standen
wieder in erster Linie. Sie trafen am 15. zu Manbour ein,
sollten am folgenden Tage Blumberg * erreichen und am 17. zu
den Verbündeten stossen. Leider hat sich der Ort Manbour
nicht feststellen lassen ; dass Mandeure am Doubs im Mömpel-
gardschen gemeint sein sollte, ist nicht wahrscheinlich ; Allamont
hätte nur durch einen sehr verwegenen Ritt hinter Beffort herum
dorthin gelangen können.
Marschall Turenne war, wie bereits erwähnt wurde, seit
dem 4. Dezember über das, was im südlichen Teile des Sund-
gaues vorging, unterrichtet. Noch von Saarburg aus hatte er
seinen Neffen, den Gouverneur von Burgund Jakob Heinrich
Durfort Herzog v. Duras, angewiesen : Beffort zu schützen und
den Grafen v. Mömpelgard bei der Neutralität zu erhalten. Da-
raufhin sandte Duras ein Detachement von 6 Kompagnien Fuss-
volk und 12 Kompagnien Reiterei nach Lure. Die gegen 1000
Mann starke Reiterbrigade le Cateux aber, bestehend aus den
Regimentern Boncourt und Cateux, rückte nach Beffort, wo sie
am 8. Dezember vom Kommandanten d'Aubigny — einem Bruder
der Frau v. Maintenon — freudig willkommen geheissen wurde.
Beflort war freilich schon durch seine Mauern und Türme und
durch seine Besatzung von 14 Kompagnien Infanterie stark genug,
um einem Angriff zu trotzen. Ein solcher ist aber gar nicht
erfolgt. Cateux dehnte seine Quartiere östlich gegen die Elsässer
Grenze aus und belegte auch Alt-Münsterol mit 50 Musketieren
1 Das heutige Fontaine am St. Nicolas.
2 Jetzt la Chapelle sous Rougeraont genannt.
3 Hiess bis 1871 Romagny.
* Das heutige Floriraont.
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82
(5. Turcnncs Zug durch Lothringen.
und 200 Reitern. Hierbei halle er einen erfolgreichen Zusammen-
stoss mit einer vom Markgrafen v. Baden vorgeschobenen Münster-
schen Abteilung von 140 Reitern und 40 Dragonern unter dem
kaiserlichen Generalmajor Schultz. Die Bischöflichen benahmen
sich dabei höchst mangelhaft. Während ihr Verlust an Toten
und Verwundeten nur 3 Offiziere und 7—8 Mann betrug, ver-
loren sie 18 Gefangene und 00 Pferde ; der Rest floh in Unordnung
fast widerstandslos. Merkwürdigerweise wird dasselbe Schar-
mützel von einem französischen Zeitgenossen 1 erheblich anders
geschildert. Er spricht sich keineswegs befriedigt über das Er-
gebnis aus und beklagt den Tod des Oberstleutnants vom Ca-
teuxschen Regiment, der auf der Zugbrücke des Alt-Münsteroler
Schlosses gefallen war. Der General-Einnehmer von Beflbrt
flüchtete noch selbigen Tages nach Langres.
Zur Besprechung über die Lage der Provinz Burgund fand sich
der Gouverneur Herzog v. Duras selbst in Begleitung desIntendanten
Beaulieu im Hauptquartier zu Longuet ein. War die Lage ohnehin
nicht mehr bedrohlich, sc besserte sie sich noch mehr dadurch,
dass Turenne am 14. Dezember die Kavallerie-Brigade Sourdis
von Remireinont aus im Eilmarsch auf Beflbrt vorgehen liess,
wo eine Kompagnie schon in der folgenden Nacht einrückte.
Eine weitere Verstärkung näherte sich aus nordwestlicher Rich-
tung. Wir erinnern uns, dass Turenne dem M irschall Crequi
das Kommando in Metz übertragen halte, um den Kaiserlichen
entgegenzutreten, die etwa aus dem Lültichschen anrücken
könnten. Da sich aber Graf Sporck völlig ruhig hielt, erschien
es dem Vicomte zulässig, einen Teil des Crequischen Korps nach
Burgund heranzuziehen. Von Pont ä Mousson rückten daher
10 Schwadronen Kavallerie und 8 Schwadronen Dragoner unter
der Führung des Marquis v. Resnel heran. Sie trafen am 253.
Dezember in Mirecourt ein und fanden hier den Befehl vor,
nach Line weiter zu marschieren. Turennes Reiterei wuchs
hierdurch auf 15000 Mann an. Jede Gefahr für die Freigraf-
schaft war durch die Entsendung der Brigaden Sourdis, Cateux
und Resnel beseitigt.
Des Marschalls Truppenbewegungen verursachten bei den
Verbündeten eine ratlose Beunruhigung, da sie deren Bedeutung
' H. de rHcnniue, Meinoires de deux voyagcs et sejours en
Alsace 1G74-7Ö et liisi.
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Alt-Münsterol. — Unschlüssigkeit bei den Verbündeten. 83
nicht durchschauen konnten. Sie hatten ihm offensiv in die
Flanke stossen oder auf seine sehr gefährdeten rückwärtigen
Verbindungen drücken können. Aber zu solchen Angriffsgedanken
vermochte sich keiner der deutschen Heerführer aufzuschwingen.
Die meiste Besorgnis fühlte natürlich der Herzog v. Bournon-
ville; denn ein Stoss des Feindes von Beffort her musste zuerst
die Winterquartiere der Kaiserlichen treffen. Es wurden Rauch-
signale und nächtliche Feuerzeichen auf den Kirchtürmen ein-
gerichtet, wodurch der Anmarsch feindlicher Truppen schnell
von Ort zu Ort weitergemeldet werden sollte. Schon am 12. De-
zember hatte Bournonville begonnen, beim Kurfürsten den Ge-
danken einer Versammlung der verbündeten Armee anzuregen.
Der Brandenburger erkannte zwar aus seiner weiter rückwärts
gelegenen Residenz den Ernst der Lage nicht in gleicher Schärfe ;
aber er lud doch Bournonville und den Herzog v. Celle zum 14.
zur Beratung nach Colmar ein. Der Oesterreicher erschien je-
doch nicht, und der Lüneburger wollte seinen Unterkunftsbezirk,
den er über Markirch gefährdet glaubte, noch nicht verlassen.
In dieser Lage wäre es am Kurfürsten gewesen, die Ent-
scheidung zu treffen. Aber er wusste ja, dass ihm ohne Kriegs-
ratsbeschluss doch Niemand gehorchte. Auch scheint er dieser
schwierigen Kriegslage nicht recht gewachsen gewesen zu sein.
Genug, es geschah nichts für eine Versammlung des Reichs-
lieeres, wie sie Bournonville mit vollem "Rechte immer dringlicher
forderte. Am 16. Dezember z. B. schrieb der kaiserliche General :
«Je crain qu'il n'y ayt point de tems ä perdre surtout pour ceux
de Lunebourg et les plus esloignes de Votre Altesse Electorale.
Je crois que leur rendesvous pourroit estre vers le Tolder pas
loing de Achpack». Es war also das altberühmte Ochsenfeld 1 ,
das er für die Versammlung des Heeres empfahl. Unzweifel-
haft war dieser Plan vollkommen angemessen und durchführbar.
Auch erliess Friedrich Wilhelm in der Tat die Befehle an seine
Truppen zum Marsch nach Sennheim. Da kam am 17. Dezember
die schon erwähnte unglückliche Alarmnachriehl aus Markirch
über den angeblichen Anmarsch von 7000 Franzosen. Sofort
1 Vom Dreissigjährigen Kriege her durch den Sieg des Herzoers
Bernhard v. Weimar über den Herzog v. Lothringen am 15. Oktober
1638 in frischer Erinnerung; von Vielen auch für das Schlachtfeld
zwischen Cäsar und Ariovist gehalten. Mit Achpack ist Oberaspach
gemeint.
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84 6. Turennes Zug durch Lothringen.
nahm der Kurfürst, der eine ausgesprochene Abneigung gegen
übereille Massregeln hatte, die Marschbefehle wieder zurück.
Friedrich Wilhelm war aber doch wohl in einiger Selbsttäu-
schung befangen, wenn er stets glaubte, noch Zeit zu haben.
Jedenfalls klingt es etwas optimistisch, wenn wir immer wieder
von ihm hören : «Je seray aupres de vous en cas de besoing
plutost que vous ne pensez».
Zunächst blieben die Truppen der ersten Linie also auf
sich angewiesen. Sie fühlten sich durch die Nähe des ge-
fürchteten Gegners lebhaft beunruhigt und gaben ihre vorge-
schobenen Posten schnell auf. Auf den Äfarkgrafen von Baden,
der die ganze Expedition unlustig und schwächlich begonnen
hatte, wirkte das Eintreffen der vor den Franzosen zurück-
weichenden Lothringer vollends beängstigend. Er zog sich
schleunigst aus dem Dattenrieder Bezirk und von den Grenzen
Mömpelgards in die Gegend von Dammerkirch und Altkirch
zurück. Bournonville, der sein Hauptquartier am 18. von En-
sisheim nach Zillisheim vor verlegte, urteilte darüber : «II me
semble bien que nos gens avances ont pris raiarme un peu vite
et trop chaude». Fast ebenso eilig hatte es der Herzog von
Holstein mit dem Rückzüge. Er ging am 18. Dezember von
Brunn nach Aspach, und der Kurfürst machte ihm bemerkbar :
er könne sich dieses Zurückweichen nur gefallen lassen, wenn
der Herzog nunmehr allen Fleiss anwende, um gute Aufklärung
über den Feind zu schaffen. Zu diesem Zweck sandte er ihm
den Oberstleutnant Hennigs 1 mit 1000 Reitern als Verstärkung
zu. Das Brandenburgische Korps war bei seinem Abzüge der
natürlichen Rückzugsstrasse auf Sennheim gefolgt. Die Kaiser-
lichen und Münsteraner aber wandten sich östlich auf Alt kirch,
wohin ihnen Herzog August gar nicht folgen konnte, ohne dem
Feinde den geraden Weg in die Elsässische Rheinebene zu öffnen
Uebrigens hielt sich auch Caprara zunächst noch abgesondert
vom Markgrafen und sicherte Masmünster. Es gelang also
nicht einmal, die vorgeschobenen Korps, die ihre Vereinigung
eben erst bewirkt hatten, zusammen zu halten.
Ebensowenig glückte es, die Versammlung des Hauplheeres
rechtzeitig zu bewirken. Die deutsche Heeresleitung — man
1 Derselbe, der auf dem Schlachtfelde von Fehrbellin mit dem
Zunamen v. Treffenfcld geadelt wurde.
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Büekzug der Prinzen v. Baden und v. Holstein.
85
darf es sich nicht verhehlen — versagte in dieser schwierigen
Lage völlig, sei es aus Mangel an Machtmitteln, sei es aus
unzureichender eigener Enlschlusskraft. Den Herzog v. Bournon-
ville verfolgte gleich einer fixen Idee der sonderhare Gedanke:
Turenne werde von Beffort aus, um nach Breisach zu gelangen,
den weiten Umweg über Landskron und Basel wählen ! Offen-
bar war es nur die Sorge um den österreichischen Breisgau,
die dem kaiserlichen Feldherrn eine so ganz unwahrscheinliche
Idee eingab. Der verderbliche Einfluss der Vielslaaterei er-
streckte sich also seihst auf diese einfachen, militärischen
Erwägungen. Der Herzog v. Bournonville beliess in Ensisheim
und Hüningen kleine Besatzungen und zog mit allem Uebrigen
gen Altkirch.
Die Kurbrandenburger ihrerseits fühlten sich sehr beun-
ruhigt durch jede Alarmnachricht aus Masmünster, wo noch
immer einige Kaiserliche vom Regiment Seren i standen. Am
21. Dezember wurde Kurfürst Friedrich Wilhelm ernstlich be-
sorgt ; denn einerseits berichtete August v. Holstein, dass die
feindliche Armee sich von Beffort her nähere, und andrerseits
meldete Caprara, der Feind sei bereits nahe am Holz von Mas-
münster. Der Kurfürst selbst war durch sein Gichlleiden in Colmar
festgehalten, sandte aber noch am selben Abend den Feldmarschall
Derfflinger mit der ganzen Generalilät nach Sennheim und er-
teilte seinen Truppen erneuten Marschbefehl. «J'ay donne aussi-
töt ordre ä toute mes trouppes», schrieb er an Bournonville,
«de marcher soubs la conduite de mon Marechal de Camp droit
ä l'ennemy et de lui livrer combat. Je vous prye de les joindre
avec les vostres au rendezvous, qui sera ä Sennen sur la ri viere
de Thour». In diesem Sinne bestellte er auch das braunschweigisch-
cellische Korps nach dem Sammelplatz auf dem Ochsenfelde.
Es schien also, als solle Bournonvilles verstandiger Vorschlag
vom 10. doch noch zur Ausführung kommen. Aber merkwürdiger-
weise war es jetzt Bournonville, der nicht mehr dorthin wollte.
Ebensowenig erschien Herzog Georg Wilhelm mit seinen Truppen,
da er sich anscheinend immer noch von Lothringen her bedroht
glaubte. Aber auch die brandenburgische Armee hat das
Ochsenfeld nicht erreicht ! Herzog August v. Holstein erkannte
bald, dass er falschen Alarm gemacht hatte. Er hatte von
seinem Lager bei Aspach drei Kavallerie-Regimenter nach ver-
schiedenen Seiten zum Aufklären vorgesandt: den Oberst v.
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8G
6. Turennes Zug durch Lothringen.
Sydow mit dem Regiment Derfflinger, den Oberstleutnant
Hennigs mit dem Regiment Mörner und den Oberst v. Printzen
mit dem Regiment Kurprinz. Es war der letztgenannte Offizier,
der am 21. Dezember morgens bei Sulzbach einen Zusammen-
stoss mit feindlicher Reiterei von der Brigade Sourdis hatie.
Printzen verlor bei diesem Scharmützel einige Leute und er-
stattete eine sehr übertriebene Meldung. Er wollte von 2 —3000
1 Mann, denen vermutlich die ganze feindliche Armee folge, an-
gegriffen sein. Diese unrichtige Meldung übte die bedauerlichste
Wirkung auf den Herzog aus. Er gab das Notsignal der drei
Kanonenschüsse ab und zog sofort seine Vorposten von Wälsch-
Kapellen und Sulzbach, sowie sein Gros von Aspach auf Sennheim
zurück. Ja, er beschloss auf die erste Meldung, die Printzen
schon nach zwei Stunden widerrufen mussle, in übereiltester
Weise und ohne Rücksicht auf die Bundesgenossen den Rück-
zug auf Colmar ! Ein so schwächliches Verfahren lag natür-
lich nicht im Sinne des ritterlichen. Kurfürsten, der es gewiss
bereut hat, nicht den verwegenen Landgrafen v. Homburg auf
den Posten des ängstlichen Holsteiners gestellt zu haben. Er
sandte durch Derfflinger Gegenbefehl nach Sennheim, und des
Feldmarschalls Ankunft hatte die Wirkung, den vorsichtigen
Herzog für einige Tage zum Ausharren zu bewegen.
Leider fehlt es über die folgenden Tage fast gänzlich an
Quellenmaterial. Sicher ist nur, dass das Gros der branden-
burgischen Armee in Colmar zurückgehalten und seine Ver-
sammlung auf den 25. nach Rufach verlegt wurde. Ferner
steht fest, dass die brandenburgischen Generale am 24. von
Sennheim zurückkehrten. Auch Herzog August hat den be-
absichtigten Rückzug mit seiner Infanterie und Artillerie um
diese Zeit zur Ausführung gebracht. Nur die Generale v.
Görtzke und v. Götzen blieben mit einem Teile der Reiterei
und des Fussvolkes vorläufig noch bei Sennheim stehen. Auch
zu diesem Zeitpunkte lässt sich der Abzug der Brandenburger
nicht entschuldigen. Herzog August erfüllte angeblich nicht
einmal die selbstverständliche Pflicht, den Markgrafen Hermann
von seinem Abmarsch zu benachrichtigen. Man muss leider
der Opinio des Wiener Hofkriegsrates beipflichten, die dahin
lautete: «Dass die voran commandirten Chur Brandenburgischen
so unversehens zuruckh gezogen worden, findet mann nit für
löblich.» Herzog August v. Holstein hatte seine Bundesgenossen
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Das verbündete Heer nicht versammelt.
87
tatsachlich im Stich gelassen 1 , obwohl der Gegner noch so
wenig drohte, dass Caprara am 25. bis vor die Tore von Bellort
streifen konnte, ohne auf einen Franzosen zu stossen.
Die Versammlung auf dem Ochsenfelde wurde am 23. auch
amtlich vom Oberbefehlshaber abbestellt, indem er den General
der Kaiserlichen benachrichtigte: es sei jetzt nicht mehr not-
wendig, dass er zum Marsche dorthin seine Quartiere verlasse.
Bournonville aber zog nun die kaiserlichen Truppenteile, die er
noch zwischen Thür und Doller stehen hatte, in der Richtung
auf Mülhausen zurück und verteilte sein ganzes Korps längs der
III und seitwärts davon. Feldmarschall-Leulnant Wertmüller
z. B. lag mit den Regimentern Strein und Vehlen in Hunds-
bach, Portia in Altkirch, Sereni und Caprara nördlich davon,
Reuss in Zillisheim. Feldmarschall Bournonville schlug vor, das
Land zwischen Larg und Doller derart zu verwüsten und in Brand
zu stecken, dass es für Turenne unbetretbar würde; aber
diesem barbarischen Plane versagte sich der Kurfürst v. Branden-
burg. Wohin wir bei den Verbündeten blicken, wir sehen
überall Uneinigkeit, Unschlüssigkeit und Schwäche. Es kann
unmöglich überraschen, dass der Erfolg sich dem zielbewussten
und willenstarken französischen Feldherrn zuwandte.
Am 23. Dezember brach Marschall Turenne mit seiner aus-
geruhten Armee von Longuet zur Fortsetzung seines Zuges auf.
Seit drei Tagen hatte helles Frostwetter den bisherigen Schnee-
fall abgelöst. Die Wege waren jetzt hart und gut, wenngleich
etwas glatt. Die Armee marschierte auch jetzt dem damaligen
Kriegsbrauche gemäss in drei Kolonnen. Sie zog ausser der
von Mirecourt herankommenden Kavallerie-Brigade Resnel auch
die Besatzung von Lure sowie die in der Ebene von Baudoncourt
bei Luxeuil vereinigten Truppen an sich, die der Herzog v.
Duras aus den Garnisonen von Vesoul, Gray und Besan^on
hatte abgeben können. Marschall Turenne rückte am 23. mit
seinem Fussvoik nach la Rochotte, Corravillers und la Fernere
1 Die scharfe Zunge des Götterbothen Mercurii. der sich in
diesen Tagen in Colmar aufhielt, bemerkt sarkastisch : clnmittelst
wurde dem Hertzog von Holstein die General-Feldzeugmeister-Charge
zum Recompens seiner bisshero, sonderlich in Burgund, geleisteten
guten Dienste conferiret.» Der Herzog, der in der Tat gerade
am 21. Dezember 1674 zum General-Feldzeugmeister befördert wurde,
trat späterhin in die Dienste der Generalstaaten.
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88 6. Tarcnnes Zug durch Lothringen.
in der Gegend von Faucogney, mit der Reiterei bis Eboulet.
Er hatte nunmehr die Freigrafschaft erreicht. Am folgenden
Tage marschierte das Gros der Armee nach Melisey am Ognon
und den umliegenden Orten. Hier rastete es am ersten
Weih nach tsfesttage und ging am 26. nur bis Roncharap und
Champagney, um am 27. Valdoye nördlich von Beffort zu er-
reichen. Der Feldherr, der die Vorhut seines Heeres per-
sönlich begleitete, durchquerte an diesem Tage die Grafschaft
Mömpelgard. Man kann auch von dieser Periode des Zuges
nicht sagen, dass Turenne es sehr eilig hatte. Auch wird es
nicht weiter überraschen, dass er von Valdoye aus nach Paris
melden konnte : die Truppen seien bis jetzt durch den Marsch noch
nicht geschwächt. Nicht in der Raschheit seiner Bewegungen
lag es, wenn Turenne die Verbündeten in ihrer Vereinzelung er-
eilte, sondern in dem tauschenden Dunkel, das er über seine
Ziele zu verbreiten wusste. Es ist zu beachten, dass er für
den Marsch von Remiremont nach Beflbrt nicht die grosse
Heerstrasse über St. Maurice und Giromagny wählte, sondern
kleinere Landstras<=en weiter westlich, wodurch er immer noch
den Anschein aufrecht erhielt, als beabsichtige er nur, das
Burgundische Land zu schützen.
Am 22. Dezember hatte Turenne in einem Schreiben an den
Herzog v. Vitry die Tatkraft seiner Gegner noch überschätzt,
indem er von ihnen annahm : sie hätten ihre nördlichen Quar-
tiere bereits geräumt und versammelten sich im Süden. Zwei
Tage darauf aber berichtete er von Melisey aus an Louvois,
dass es ihm jetzt an neueren Nachrichten über die Verbündeten
fehle. Die in der Vorhut befindliche Brigade Sourdis, schrieb
er, bringe zwar ziemlich viele Gefangene ein ; aber deren An-
gaben über die Lage beim deutschen Heere seien so wirr, «que
je n'ay pas encore vu cl.ur, en quelle posture ils voudroient se
mettre.» Kein Wunder; denn das wusste die deutsche Heeres-
leitung in diesen Tagen selbst noch nicht ! Beide Gegner
waren also im Unklaren über einander ; der Unterschied war
aber der, dass der französische General entschlossen war, den
Feinden das Gesetz des Handelns aufzulegen, während diese
nichts Höheres erstrebten, als Nachrichten über des Gegners
Stärke und Contenance, damit sie sich «umb so viel mehr
darnach richten undt den Feindt observiren» könnten. Welch
ein anderer Geist den an der Spitze des französischen Heeres
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Turennes Vorrücken nach Beifort.
80
stehenden allen Helden beseelte, zeigte eine halb militärische,
halb symbolische Massregel, die er am 27. Dezember Nach-
mittags bei seiner Ankunft in Valdoye traf. Er sandte dem
Kommandanten von Beflört den Auftrag, die Stücke der Festung
zu lösen. Ihr Donner sollte die Verbündeten aus ihren Quar-
tieren aufschrecken, damit sie sich ihm stellten und möglichst
noch während der Märsche zur Vereinigung von seinem Stosse
ereilt würden.
7. Reitergefecht bei Mülhausen.
Der Ruf der Alarmkanonen von Beffort .wurde auch in
Colmar als das verstanden was er war, als die drohende An-
kündigung: Turenne ist da! Jetzt musste gehandelt werden;
aber nach der schwerfalligen Verfassung des Reichsheeres be-
durfte es auch hierzu eines Kriegsrates. Kurfürst Friedrich
Wilhelm berief ihn ungesäumt ein, und schon am 28. Dezember
um 10 Uhr Vormittags trat die Versammlung in Colmar unter
seinem Vorsitze zusammen. Der Herzog v. Celle, der wegen
Unpässlichkeit nicht erschien, liess sich durch den General-
major Chauvet verlreten. Von kurbrandenburgischer Seite
nahmen Feldmarschall v. Derfflinger, Landgraf Friedrich v. Hom-
burg und Herzog August v. Holstein teil. Oesterreich war
durch den Diplomaten v. Goes und den über Nacht aus Zillis-
heim herbeigeeilten Feldmarschall v. Bournonville vertreten, dem
die Einladung erst am Tage vorher durch seinen Oberquartier-
meister Seeliger überbracht worden war.
Wir besitzen über den Verlauf der Beratung einen
genauen Bericht aus Goes' Feder. Danach stellte der Kurfürst
die beiden Fragen : «Weillen der Feindt sich nun herzu nahete,
ob man mit demselben schlagen solle oder nit ?» und dann :
«Wie undt wo man sich zu postiren?» Als sich auf die erste
Frage die beiden Oesterreicher fürs Schlagen erklärt hatten,
nahm Seine Durchlaucht sie nach dem bezeichnenden Ausdruck
des Berichtes «gleichsamb beym Wort, als wan Sie dergleichen
von uns nit erwarttet hellen». Da wichen die beiden
Herren freilich wieder aus. Sie erinnerten daran, dass zunächst
die Zustimmung der übrigen Mitglieder erforderlich sei, be-
rechneten die Gesamtstärke des deutschen Heeres auf nur
18000 Mann, und es stellte sich heraus, dass sie an einen
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90
7. Reitergefecht bei Mülhausen.
feindlichen Angriff überhaupt nicht glaubten, sondern überzeugt
waren, Turenne werde sich auf Basel und Breisach wenden.
Derfflinger und Chauvet stimmten für die Schlacht, wobei der
celli«che Vertreter meinte, dass man sich auch mit etwas
weniger, als der Feind hatte, einlassen könne, obwohl er zu
wissen meinle : Herr v. Bussy bedrohe immer noch mit 1500
Mann die Vogesen passe 1 .
Es ging mil den Vorschlägen wie gewöhnlich : «die Sache
wurde in Deliberation gestellt, debattirt undt verschoben, biss
mann dess Feindts Macht recognoscirt undt der unssrigen ver-
sichert sein werde*. Immerhin war das Endergebnis des Kriegs-
rates der Beschluss, dass das ganze Heer zwischen Ensis-
heim und Colmar um Rufach und Heiligkreuz zusammenzuziehen
sei, um dem Feinde die Spitze zu bieten. Von einer engen
Aufstellung zur Schlacht wurde auf Goes' Antrag abgesehen,
da man aus Verpflegungsgründen nur wenige Tage beisammen
stehen könne. Wohl aber sollte die Aufstellung so sein, dass
man in wenigen Stunden völlig zusammenrücken könne. Dieser
Entschluss war rund 24 Stunden zu spät gefasst worden. Am
27. hätten die Befehle dazu noch mit Aussicht auf Durch-
führung erlassen werden können. Das war nun nicht mehr
möglich ; denn Bournonville erreichte erst am Abend Ensisheim,
wo er endlich erkannte, der Feind könne auch vielleicht direkt
auf das verbündete Heer losgehen. Als die Befehle zum Rück-
züge der kaiserlichen Truppen am 29. früh von Ensisheim
abgingen, waren diese bereits bei Mülhausen in ein sehr nach-
teiliges Gefecht verwickelt.
Denn Turenne zögerte nun nicht länger. Nachdem er
BeiTort endgültig entsetzt hatte, traf er zunächst mit Hülfe seiner
Proviantmeister Jacquier und Berthelot diejenigen Massregeln,
die ihm eine neue Basis in der Freigrafschaft schaffen sollten.
Beffort selbst wurde neben Lure zum Hauptmagazinplatz des
Heeres ausgestaltet und die Vorräte aus HeVicourt und Mömpel-
gard dorthin vorgeschoben. Der Vicomte hatte schon am 26.
eine Freikompagnie unter la Brosse nach dem Südostwinkel der
Freigrafschaft und dem württembergischen Fürstentume ab-
gezweigt. Herzog Georg, ein nur für die Wissenschaften
1 Bussy war der zeitweilige französische Gouverneur von
Lothringen.
Turennes Anmarsch.
9t
lebender Sonderling, der mit einer Tochter des Marschalls
Coligny Herzogs v. Chatillon vermahlt war, legte den Franzosen
keine Schwierigkeiten in den Weg. 16 U00 für die Kaiserlichen
gebackene Brote fielen der la Brosseschen Abteilung in Mömpel-
gard in die Hände. Sie besetzte auch Dattenried, legte sich
daselbst «mit Feuerröhren» ins Quartier und sprengte wenige
Tage darauf das dortige Schloss.
Dies waren aber Nebenaktionen. Turenne selbst, der durch
den Marsch vom 27. erst die Strasse von ßeflbrt nach Giromagny
erreicht halte, führte seine Vorhut am folgenden Tage nach Brunn
oder Fontaine an der Strasse nach Sennheim, wo jedoch auch
die Strasse nach Mülhausen abzweigt. In einer dieser beiden
Richtungen gedachte er vorzustossen ; an Altkirch hat er zu-
nächst nicht gedacht. Der Feind war ihm auf der Ebene von
Sennheirn gemeldet worden. Dorthin schob er noch am 28.
seine hauptsächlichste Aufklärung, den Mestre de Camp St. Aoust
mit 300 Pferden vor. Dort kam es auch zu einem leichten
Zusammenstoss mit einer zu den Vorposten des Generals v.
Görlzke gehörigen Abteilung». Die Brandenburger wehrten
sich wacker; einer der Anhaltischen Reiter trug nicht weniger
als 'J4 Degenbiebe davon. In der folgenden Nacht warf eine
andere französische Partei unter Herrn v. Maurevert vom
Regiment Orleans eine Feldwache des Regiments Lüdeke zurück
und nahm dabei den Major Dalchow mit 4 Reitern gefangen*.
Durch diese Erkundungen erfuhr Marschall Turenne den Abmarsch
des Gros der Brandenburger. Andrerseits blieb ihm der Auf-
enthalt der Kaiserlichen an der III zwischen Altkirch und Mül-
hausen nicht verborgen, zumal er auch Münsterol am 28. hatte
besetzen lassen. Insbesondere wurden ihm die Truppen des
Bischofs von Münster als noch nicht abgezogen gemeldet.
Als energischer Soldat, der nicht den Besitz geographischer
Landstriche, sondern die Besiegung der feindlichen Truppen-
macht erstrebte, beschloss er nunmehr, sich am 29. Dezember
nach Osten zu wenden, da nur dort der Feind noch erreichbar
1 Das Görtzkesche Korps war aus Mannschaften aller Kavallerie-
Regimenter zusammengesetzt ; «las Regiment Monier hatte allein 124
Mann dort kommandiert, das schwache Regiment Brockdorff 49 Mann.
2 Die Zahl der in Gefangenschaft geratenen Reiter war ur-
sprünglich grösser; aber den meisten gclanjr es, zu entwischen und
ihr Regiment wieder zu erreichen.
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92
7. Reitergefecht bei Mülhausen.
schien. Die Teile der Regimenter St. Aoust und Orleans, die
wir unter St. Aoust und Maurevert bei Aspach wissen, schlugen
die Strassen über Schweighausen und Burnhaupt ein, ver-
wandelten sich also aus einer Vorhut in eine Seitendeckung.
Der Marschall selbst begleitete den Marsch der Kavallerie-Bri-
gaden Sourdis und Cateux, denen 41 Kompagnien der Gen-
darmerie unter la Trousse folgten. Die vorderste Fusstruppe
gehörte dem Fussregiment Garde an. Der Marsch ging über
Ober-Traubach und folgte sodann dem Tale der Larg. Bei
Nieder- Spechbach dicht vor der Einmündung dieses Flusses
in die III teilte Turenne seine Reiterei derart, dass eine Kolonne
über Hochstätt, die andere über Fröningen ritt ; bei Didenheim
vereinigten sie sich wieder.
Turenne hatte sich jetzt der Stadt Mülhausen auf 5 Kilo-
meter genähert. Sie war aber wegen ihrer Zugehörigkeit zur
Schweizer Eidgenossenschaft neutral*. Um ihre Behörden zu
beruhigen und sich über die Stimmung der Bürgerschaft zu
unterrichten, sandte der Feldherr seinen Adjutanten Marquis
v. Harcourt-Beuvron mit einem Geleit von 50 Reitern dorthin
voraus. Dieser Offizier war es, der auf seinem Ritte den Ge-
päckpark kaiserlicher Regimenter im Marsche jenseits der Iii
auf der von Altkirch nach Mülhausen führenden Strasse be-
merkte. Auch brachte er in Erfahrung, dass dem Fuhrwerk die
dazugehörigen Truppen folgten. Nicht lange und er vernahm
sogar die Klänge der Trompeter. Er sandte schleunigst Mel-
dung über seine wichtigen Wahrnehmungen an Turenne zurück.
Diesem wurden Harcourts Ermittelungen auch von anderer
Seite bestätigt. Sogar über die Losungschüsse, durch die
Hermann v. Baden am Morgen seine Truppen alarmiert hatte,
hat Turenne Meldung erhalten. Er zögerte nun nicht, den
sorglosen Feind von der Flanke her anzufallen.
In der Tat war es ein beträchtlicher Teil des kaiserlich-
münsterisch-lothringischen Korps, der jetzt erst im Begriffe
war, sich von Altkirch, wo man den Feind vergeblich erwartet
hatte, nach Norden abzuziehen. Eine Art Versammlung des
1 Mülhausen war im Jahre 1515 der Eidgenossenschaft beige-
treten, mit der es sich schon fast 50 Jahre vorher verbündet hatte.
Es gehörte gänzlich zum deutschen Sprachgebiet, unterhielt aber
rege Beziehungen zu Frankreich. Eine Kompagnie des französischen
Schweizer-Regiments Ptyffer bestand nur aus Mülhausen!.
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Anmarsch des Markgrafen Hermann v. Baden.
93
Korps bat allerdings auf Grund der als Signal verabredeten
dreifachen Geschützsalve bei Zillisheim stattgefunden. Aber
Markgraf Hermann v. Baden, der nur angewiesen war, nach
Ensisheim zu rücken, tat nicht das dem Ernst der Lage Ent-
sprechende. Er ordnete den Marsch der Truppen am 29. De-
zember ganz sorglos und nach Art eines Friedensmarsches.
Der Aufbruch der einzelnen Truppenteile erfolgte je nach ihrem
Eintreffen mit langen Zwischenpausen. Es konnte sogar vor-
kommen, dass das Infanterie-Regiment Portia, weil es keinen
Marschbefehl erhielt, in Altkirch stehen blieb und dass auch
das Kürassier-Regiment Baireuth ausblieb und für sich mar-
schierte. Von den angelangten Truppenteilen wurde ganz sach-
gemäss zuerst der Gepäckpark, darauf die Artillerie — nur
5 münsterische und 3 kaiserliche Geschütze zählend, — sodann
das Fussvolk und zuletzt die Reiterei in Marsch gesetzt. Auch
verabsäumte General Wertmüller nicht, bei Zillisheim, wo die
ganze Infanterie und Bagage von Fröningen über die III gehen
musste, eine Kompagnie stehen zu lassen. In der ganzen Ko-
lonne aber war kein Zusammenhang und kein Schluss.
Auch fehlte es gänzlich an der unmittelbaren Aufklärung
zur Sicherung des Marsches. Mit der Entsendung des General-
Wachtmeisters Schultz an der Spitze von 300 Reitern gegen
Münsterol glaubte man genug getan zu haben. Als man sich
in den ersten Nachmittagsstunden der Stadt Mülhausen näherte,
wurden die Truppen, wie sie ankamen, in ihre Quartiere ent-
lassen. Diese hatte Bournonville dem Vorschlage des Oberst
Vecchia gemäss westlich von Mülhausen festgesetzt. Der Feld-
zeugmeister änderte dies aber und brachte die Truppen weiter
östlich unter. Die Infanterie-Regimenter, die nach Ba Mersheim
und Sausheim sollten, marschierten an der Ostseite des neu-
tralen Mülhauser Gebietes vorbei durch Riedisheini. Das Kü-
rassier-Regiment Bournonville zweigte sich nach Osten ab, um
in Eschenzweiler Ortsunterkunft zu beziehen. Die Kroaten und
ein Teil der Münsterischen Reiterei sollten in Riedisheim
nächtigen; die Bischöflichen schlugen dabei, um den Kaiser-
lichen zuvorzukommen, einen Richtweg ein. Das Ziel der Alt-
Lothringer des Oberst du Puy war Brunstatt; aber sie waren
noch nicht heran. Die Kroaten und Münsteraner waren es, auf
die um 3 Uhr Nachmittags der Stoss der angreifenden Fran-
zosen mit aller Wucht und gänzlich überraschend traf. Letzteres
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7. Reitergefecht bei Mülhausen.
ist um so befremdlicher, als man gewarnt sein konnte. Dem
Feldmarschall-Leulnant Wertmüller war von dem bei Zillisheim
zurückgelassenen Hauptmann die Meldung zugegangen : ein
Dragoner habe etwa eine Stunde weiter westlich grosse fran-
zösische Kolonnen gesehen. Dass des Feindes am 28. erreichte
Quartiere nur sechs Slunden von Zillisheim lagen, wusste man
durch den General Schultz. Dennoch Hess sich Markgraf
Hermann vom Feinde völlig uberraschen.
Die Oertlichkeit des sich nun entspinnenden Reitergefechtes 1
ist nicht leicht genau zu bestimmen, weil sich das Gelände in-
zwischen durch die Anlage des Rhein-Rhone-Kanals und der
Eisenbahn Mülhausen-Belfort stark geändert hat. Das Gefechts-
feld lag nördlich von Brunstatt und wahrscheinlich östlich des
Hofes Illberg. Es führten zwei Furten in massiger Entfernung
voneinander durch die III*; die südlichere Furt war sehr breit.
Bei ihr zog sich am linken Ufer ein Höhenzug mit Weinbergen
•und Weidengestrüpp hin, vermutlich die Kuppe 291 südlich
von Illberg. Vom rechten Ufer wird ein kleines Rärin genannt,
das die Kaiserlichen gerade vor sich hatten, als sie zwischen
dem Fluss und den Bergen gegen Süden Front machten. Damit
ist wohl der Galgengraben oder Tiefengraben gemeint, der von
Osten her durch das Niemandstal floss. Er bildete die Grenze
zwischen dem Eidgenössischen Gebiet und dem Sundgau. Zu
seinen beiden Seiten standen auf kleinen Hügeln der Mülhäuser
und der Brunstätter Galgen. Hier spielten sich die Kämpfe des 29.
Dezember ab; denn M. Grafs Geschichte der Stadt Mülhausen
bezeugt ausdrücklich, das Gefecht sei «ober dem Galgengraben»,
teils auf städtischem, teils auf Brunstätter Boden geliefert worden.
Die Berge, die das Gefechtsfeld östlich begrenzten, kleine Hügel
mit Weingärten, sind nordöstlich von Brunstatt zu suchen,
etwa an der Stelle der jetzigen Kalksteinbrüche. Damit stimmt
General W T ertmüllers Angabe : von der Furt bis zu den Wein-
1 Vergleiche die auf der Uebersichtskarte angebrachte Gefechts-
skizze.
2 Die Behauptung Ch. Geraids, dass es sich bei den Furten
überhaupt nicht um die III. sondern um den Mühlirraben gehandelt
habe; ist unbegründet. In Wahrheit Mar der Mühlbach oder Quatel-
bach ein Arm der III. der sich erst bei Mülhausen abzweigte und
sich erst bei Baldersheim wieder mit ihr vereinigte. Er hat also
das Gefechtsfeld vom 2y. Dezember gar nicht berührt.
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Das Gefechtsfeld. — Durchfurtung der III.
95
gärten seien ungefähr 1500 Schritt gewesen. Das Attackenfeld
bildeten also die Wiesen nordwestlich und nördlich von Brunstatt,
darunter auch das jetzt vom Kanal, der Eisenbahn und den
südlichen Hausern der Mülhäuser Rebberg- Vorstadt einge-
nommene, heutzutage wohl angebaute Gelände.
Marschall Turenne Hess zunächst den General vom Tages-
dienst, Marquis v. Montauban-Latour du Pin mit Ü Eskadrons
vom Kavallerie-Regiment Orleans bei der nördlichen Furt durch
den Fluss gehen. Brigadier Sourdis, der mit dem Rest der Bri-
gade St. Aoust etwa 400 Meter dahinter war, sollte ihm folgen.
Die Gendarmerie wurde auf die südliche Furt angesetzt. Der
erste, der auf das linke Ufer gelangte, war Montauban. Sein
Nahen konnte natürlich bei den Deutschen nicht unbemerkt
bleiben. So überraschend das Ganze auch vor sich ging, hatten
die kaiserlichen Führer dennoch die Schwadronen von den
Höhen des linken Ufers auf die Furt zutraben sehen. Aber in
ihrer erstaunlichen Arglosigkeit hielten sie die Ankömmlinge
für Lothringer oder Brandenburger. Als Caprara und Dünnewald
endlich Verdacht schöpften, sandten sie in Eile die nächsten
erreichbaren Abteilungen zur Abwehr gegen den Feind. Leider
waren es gerade die unzuverlässigsten Truppen des ganzen
Heeres : die Kroaten und einige Münsterische Schwadronen,
darunter die Regimenter Bönninghausen und Macdonell, sowie
die bischöflichen Dragoner 1 . Ihrem Führer Oberstleutnant
Barleben rief Dünnewald zu : «er habe, so lieb ihm seine
Ehre sei, diesen Pass zu defendiren, bis die andern Truppen
Zeit gewonnen hätten, sich in Positur zu setzen».
Die Münsteraner und Kroaten ritten zwar an, gaben aber
dadurch dem Marquis v. Montauban nur den Anstoss, seine
Attacke zu beschleunigen. Unter seiner sowie des Barons
v. Montclar Führung stürzten die beiden Eskadrons des Re-
giments Orleans mit ihrem Mestre de Camp Herrn v. Vatte-
ville sich «in aller Furie» mitten auf die anreitenden deutschen
Schwadronen. Der Erfolg war ein überraschend glänzender.
Sowohl Kroaten wie Münsterländer wendeten sich ohne Gegen-
wehr zur Flucht und trugen den Schrecken in die Reihen der
1 Die ganze Münstcrisehe Reiterei war jedenfalls nicht bei-
sammen; vom Regiment Westerholt z. B. ist es bezeugt, dass es an
dem Gefecht nicht beteiligt war.
7. Reitergefecht bei Mülhausen.
Kaiserlichen, die sich eben in zweiler Linie zu ihrer Unter-
stützung formierten. Oberst v. Bönninghausen geriet dabei in
die Gefangenschaft der Franzosen. Die Kroaten flohen durch
den städtischen Rebberg», wo Major v. Burgstall sich vergeblich
bemühte, sie zum Stehen zu bringen, teilweise sogar bis nach
Basel. Von da aus hat ihr Führer Graf Lodron — wie im
5. Abschnitt erzählt wurde — nach Verlauf einiger Tage in
der Gegend von ßreisach den Anschluss an die Brandenburger
erreicht. Der Wiener Hofkriegsrat aber meinte : c Wegen der
Croaten ist sich nit zu verwundern, zumahlen ihre Arth und
AigenschatTt nit mit sich bringt, in geschlossenen Squadronen
zu fechten; darumb sie auch die Generale nit auf solche Weiss
employiren solten».
Inzwischen — wir müssen uns den Verlauf des Reiter-
scharmützels äusserst rasch denken — ging auch General Sourdis
selbst durch die III, um links rückwärts gestaffelt in das Ge-
fecht Montaubans einzugreifen. Er führte sein eigenes Regiment
und den Rest der Brigade St. Aousl, insgesamt 4 Schwadronen,
mit sich. Vom Regiment Orleans war nur ein kleiner Teil zur
Stelle, da es an den Seitendeckungen bei Schweighausen und
Burnhaupt beteiligt war. Auf dem rechten Flügel Montaubans
trat die Gendarmerie in Wirksamkeit. Deren 11 Kompagnien
liess der Marschall nicht versteckt, sondern sichtbar über die
Höhe zur südlichen Furt anrücken. Sie sollten den Findruck
hervorrufen, der Anfang einer lieferen Kolonne zu sein, während
in Wahrheit erst ein sehr geringer Bruchteil der französischen
Armee heran war. Die südliche Furt war so breit, dass Marquis
de la Trousse sie in aufmarschierten Eskadrons durchschreiten
konnte. Unweit des Galgengrabens blieb er halten, aber nur
für wenige Minuten, um sich das Ziel seines Angriffs zu wählen.
Marschall Turenne, der vom linken Illufer aus die Entwicke-
lung der Dinge aufmerksam verfolgte, sandte nach und nach fast
seine ganze Generalität auf die andere Flussseite, um die Stösse
seiner Schwadronen anzuführen. Zuerst musste General-Leutnant
v. Foucault, der ebenfalls den Tagesdienst hatte, hinüber. So-
dann Graf v. Roye und Herr v. Genlis; endlich auch Herr
i «Par notre Rebberg>, wie Bürgermeister und Rat von Mül-
hausen berichteten. Der Name Rebberg ist noch heute für die süd-
westliche Villenvorstadt Mülhausens gebräuchlich.
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Die ersten Zusammenstösse.
97
v. Tallard, der Oberst des Regiments Royal -Cravates, der der
Brigade Resnel vorausgeeilt war, um deren Ankunft für den
folgenden Tag anzumelden. Der Feldherr selbst blieb auf dem
linken Ufer, behielt die Regimenter Cateux und Boncourt bei
sich und liess sie auf weithin sichtbarer Höhe so manövrieren,
dass sie wie beständig neu eintreffende Verstärkungen aussahen.
Die Dragoner des Regiments Königin hatten sich hinter hoben
Bäumen am linken Ufer eingenistet und unterstutzten die
Angriffe der Kavallerie durch ihr Feuer.
Gegenuber dieser Kräfteentfaltung waren auch die Führer
der Kaiserlichen eifrig bemüht, aus ihrer ungünstigen Gefechts-
läge möglichst wirksame Gegenmassregeln zu treffen. Feld-
marschall-Leutnant Graf v. Caprara und General- Wacht meist er
v. Dünnewald rafften alles zusammen, was von den Regimentern
Caprara, Jung-Lothringen, Jung-Hol stein und Dünnewald in
der Nähe war, und führten es dem Feinde entgegen. Aber
alles dies geschah sehr übereilt. «Der zehnte Ruifer», erzählt
Dünnewald, «hatt sein Gewehr nit gespannen gehabt». Bei den
Reiterkämpfen jener Zeit wurde nämlich viel geschossen. Nach
französischen Quellen waren es zunächst 6 Schwadronen, die
deutscherseits den Kampf aufnahmen ; später 5 andere, die sie
unterstützten. Der Führer des Fussvolkes Feldmarschall-Leutnant
Wertmüller war zwar an der gefährdeten Stelle schon vorbei ;
aber als er hinter sich den Lärm von Pistolen- und Karabiner-
schüssen hörte, machte er sofort Front und besetzte einen Weg,
«so mit einen Graben versehen auf der Seithe, welcher gerad
gegen Mühlhausen zu den ungefehr 1500 Schritt entlegenen Wein-
gärtten gehet.» Artillerie beteiligte sich nicht an dem Gefecht;
sie war wohl schon nördlich von Mülhausen. Der Führer des
Ganzen Markgraf Hermann v. Baden scheint etwas später er-
schienen zu sein, war aber schliesslich bei den entscheidenden
Attacken der beiderseitigen Kavallerien zur Stelle.
Der Verlauf des Reiteikampfes entzieht sich durchaus der
näheren Beschreibung ; er wogte hin und her. Ein Teil der
Kaiserlichen tat seine Schuldigkeit im vollsten Masse, während
ein anderer Teil versagte. Dünnewald, der mit den 6 Kom-
pagnien seines Regiments die Nachhut halte, formierte sie in
2 Schwadronen und stürzte sich zweimal mit Wucht auf den
Feind, stiess aber auf eine so starke Uebermacht, dass er ge-
worfen wurde und in eine üble Lage geriet. Caprara bemühte
7
98
7. Reitergefecht bei Mülhausen.
sich, ihn wirksam zu unterstützen, indem er mit grosser Muhe
aus seinem Regiment sowie den Jung-Lothringern und Jung-
Holsteinern etliche Schwadronen sammelte und gegen den Feind
führte. Wassergräben und Hecken waren diesen Vorstössen
hinderlich. Auch war die Haltung der kaiserlichen Reiterei
teilweise schlecht. Während die Tapferkeit der vom Oberst-
leutnant Graf v. Taaffe geführten zwei Schwadronen vom Re-
giment Jung-Lothringen allseitig gerühmt wird, Hessen es andre
Eskadrons ander Unterstützung fehlen. Einige der «Holsteinisgen
undt Gaprarisgen» (wie sie Dünnewald im Dialekte seiner
westfälischen Heimat nennt) zeigten sich direkt feige. «Undt
ob sowohl der Feltmarschall-Leutenant Caprara alss ich», er-
zählt Dünnewald, «uns bederseits äuisserst bemühet haben,
obgemelte Esquadronen an dem Feinde zu bringen, auch Selbsten,
um ihnen ein guhtes Exempel zu geben, etzliche Mahl unter
dem Feindt geritten undt ihnen befohlen, uns zu folgen, so
seind sie nit allein nit aus der Stelle zu bringen gewesen,
sondern sobalden der Feind widerom auf sie avansiret, haben
sie uns Beden laschement verlassen undt die Flucht ergriffen».
Graf Caprara, für seine Person verwundet, war sehr entrüstet
über die mangelhafte Haltung des altberühmten Regimentes, das
seit 18 Jahren seinen Namen trug 1 , und machte seinen Leuten
«starckhe Reprochen». Dünnewald aber meinte in einem Schreiben
an Montecuccoli entschuldigend : «Und können Eure Excellenz
gar leicht judiciren, dass bei einem verhongerten Corpen wenich
Curage zu finden ist.» Und auch Caprara schrieb den Misserfolg
zum meisten der Miserie des armen Volckhs zu, dem es an
allem mangele, was Herz und Mut machen könne. In welchem
Zustande von Auflösung die kaiserliche Reiterei das Gefechts-
feld verliess, zeigt Wertmüllers Erzählung : «kaum alss ich mich
postirt, khäme darvon geloffen ein Theil von unserer Ca valleria;
Stendarten ohne Cavalleri, Cavalleri ohne Stendarten, Obriste
ohne Regiment.» Viele entwichen in die Weingärten, wo Wert-
müller sich vergeblich bemühte, sie zum Stehen zu bringen.
Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, dass die französische
1 Es war das vormalige Kürassier-Regiment Alt-Piccolomini,
d\s bei seiner Errichtung* 1028 Teile des noch berühmteren Pappen-
heimischen Regiments in sich aufgenommen hatte. Capraras Mutter
war eine Schwester Oktavio Piccolominis.
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Erfolge der Gendarmerie. — Eingreifen der Lothringer. 99
Reiterei nicht nur an Zahl, sondern auch an Güte überlegen
war. «On ne peut pas mieux agir qu'ont fait M. de la Trousse
et M. de Sourdis», schrieb Turenne, der keineswegs freigebig
mit Lob war. Und im Privatbriefe eines Ofüziers (de Cagnot
vom Regiment Dauphin) lesen wir : «Nostre Cavallerie legere
y a fait des miracles.» Die Billigkeit verlangt aber hervorzuheben,
dass auch die" französischen Truppen sich nicht alle gleichwertig
zeigten. Wenigstens wurde in den Kreisen der Gendarmerie-
Offiziere erzählt, die leichle Kavallerie habe nach dem ersten
Vorstosse nicht wieder angreifen wollen; auch wiederholte,
vom Marschall gesandte Befehle hätten daran nichts geändert;
«Ton n'obeissoit point.» Und auch in einem der ältesten im
Druck erschienenen französischen Berichte» lesen wir, dass die
Verbündeten, «attaquant par differens endroits quelques-uns de
nos escadrons, les firent un peu plier.» Als eine wirkliche
Elitetruppe aber bewährte sich die Gendarmerie. Zuerst ritten
die vornehmsten ihrer Kompagnien, die sogenannte Schottische
und Englische, zu einer Schwadron vereinigt über einen kleinen
Hügel hinweg mit Erfolg gegen kaiserliche Kürassiere an. Dabei
wurde der eine Fähnrichsslelle bekleidende« Marquis v. Beau-
mont im Einzelkampf mit einem kaiserlichen Offizier durch
einen Schuss aus dessen Pistole schwer verwundet. Die dahinter
befindliche Burgundischen und Flandrischen Gendarmen mussten
sich gegen einen neuen Feind wenden.
Eben trat nämlich d'Allamont mit 8 Eskadrons der Alt-
Lothringer über Brunstatt ein. Einige seiner Schwadronen
bogen rechts aus, um den Anschluss an die Kaiserlichen zu
gewinnen. Der alte Allamont aber griff mit seinem und noch
zwei weiteren Regimentern mit Kraft in das Gefecht ein. So-
fort warf sich ihm die Burgundische Kompagnie entgegen.
Deren Führer Graf v. Broglie griff die weissen Chevaulegers der
Lothringer im Aufmarschieren an. Er drängte ihren rechten
Flügel zurück, wurde aber von dem im Galopp aufmarschierenden
linken Flügel selbst umfasst, erhielt einen Pistolenschuss in
den Hals und wäre total geschlagen worden, wenn ihm nicht
i €Etat present des affaires d'Allemagne,» gedruckt noch im
Jahre 1675 zu Paris.
* Es muss daran erinnert werden, dass sich die Fähnrichsstellen
der Gendarmerie in Händen hochstehender Offiziere befanden, mit-
unter früherer Mestre de Camp's, (vgl. Seite 34).
100
7. Reitergefecht bei Mülhausen.
auf Weisung des eben hinzukommenden Grafen v. Roye der
Marquis de )a Trousse mit den Kompagnien Flandern und
Dauphin Hülfe gebracht hätte. Sanguin Marquis v. Livry und
Graf v. Rozamel, die Fähnrichs der Burgunder und Flandrer,
wurden verwundet ; einige Marechaux de Logis (Unteroffiziere)
fanden im Reitergetümmel ihren Tod. Graf Roye, der den
eben geschilderten Angriff selbst angeführt hatte, wurde bald
durch frische feindliche Kräfte, die flankierend aus den Hecken
vorbrachen, zum Stehen gebracht und musste ihnen die Gen-
darmen von Anjou entgegen werfen, damit der Sieg ihm nicht
noch entrissen würde.
Die Lothringer gingen zwar zuletzt über die dortige Höhe
— vielleicht war es der Brunstätter Galgenhügel — zurück,
aber nicht ohne eine kostbare Beute mit sich fortzuführen.
Sie hatten den General-Leutnant Marquis v. Montauban, den
der Wirrwarr des Reiterkampfes inzwischen nach dem rechten
Flügel verschlagen hatte, in ihre Gewalt gebracht und zwar im
letzten Moment, als die Franzosen schon die Verfolgung aufge-
nommen hatten. Die Gefangennahme dieses hohen «Ofßciers
von gutter Experienz und berüembter Condotta» wurde mit
Recht als ein schöner Gewinn betrachtet. Aber drei lothrin-
gische Offiziere, die Kapilains d'Herbeville und du Houx und
der junge Graf v. Apremont, waren nebst 35—40 Reitern ge-
blieben. Unter den Verwundeten befand sich Oberst Majastre;
dem General d'Allamont selbst war das Pferd getroffen und
der Hut mehrmals durchschossen.
Das energische Eingreifen der Lothringer war ein grosses
Glück für die Verbündeten. Es wendete eine völlige Katastrophe
noch glücklich ab ; denn auch die Brigade Sourdis blieb trotz
einiger Rückschläge schliesslich im Vorteil. Gerade gegen den
linken Flügel der Franzosen setzte Prinz Hermann v. Baden
seine Reserven an, angeblich 6 Eskadrons stark. Er hätte
vielleicht Erfolg gehabt, wenn nicht auch seine Gegner ein
zweites Treffen unter Sourdis verfügbar gehalten hätten. Es
attackierte allerdings erst, als ihm die Gendarmerie auf den
mahnenden Ruf eines hohen Offiziers: «Messieurs, oü est Thon-
neur de la France?» ein gutes Beispiel gegeben halte. Eben
jetzt hatte Turenne seinen Neffen den Grafen v. Lorge durch
den Fluss gesandt. Er setzte eine starke Abteilung des zweiten
Treffens links von der Gendarmerie ein, anscheinend das Re-
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Ausgang des Gefechtes. 10L
giment Sourdis. Als diese frischen Kräfte sich mit Pauken- und
Trompetenschall auf die Flanke der anreitenden Kaiserlichen
stürzten, wandten sich diese zur Flucht.
Lorge verfolgte sie nur bis zu einem Hügel, auf dem er
zwei Eskadrons anhielt und zwei andere zur Reserve zurück-
führte. Die bedeutenden Verluste der Kaiserlichen werden
jedenfalls zum grössten Teile auf die. eben berührten Gefechts-
momente entfallen. So Helen Major Reich und Rittmeister
Graf Arrigetti vom Regiment Dünnewald verwundet in Feindes
Hand ; ebenso wurde der Major des Regiments Caprara gefangen.
Dass die beiden tapferen Reitergenerale der Kaiserlichen ihre
Schuldigkeit nach jeder Richtung getan haben, steht ausser
Zweifel. Wiewohl sie beide unverträgliche Naturen waren und
erst vor kurzer Zeit einen heftigen Zwist miteinander gehabt
hatten, konnte ihr Oberbefehlshaber von ihnen schreiben;
«undt kann der Graff Caprara dess Dünewaldts Dapfferkeit und
der Dünnewald dess Graff Caprara erwisen Valor nicht ge-
nuegsamb rühmen». Die fliehenden Oesterreicher, denen ihre
tapferen Führer erst folgten, als sie sich verlassen sahen,
fanden etwa um -4 Uhr an den Weingärten Aufnahme durch
die vom Feldmarschall-Leutnant Wertmüller dort aufgestellten
Fusstruppen. Es waren dies 6 Bataillone, darunter der grösste
Teil des Regiments Kaiserstein und das münsterische Regiment
Wedel. Ferner waren auch einige wenige Dragoner dort be-
teiligt. Als sie eben wieder aufsassen, wurde ihr Chef Oberst
Frh. v. Reiffenberg erschossen, während er gerade den Fuss in
den Steigbügel setzte 1 . Oberstleutnant Graf v, Kuefstein über-
nahm an seiner Stelle vorläufig das Kommando der Dragoner.
Leider Hessen die Kaiserlichen eine beträchtliche Beute in
den Händen der Sieger. Sie büssten nicht weniger als 17 oder
18 Standarten (darunter einige niünslerische) und 2 Paar
Kesselpauken ein. Ausser den schon genannten 3 Stabsoffizieren
waren noch 5 Offiziere und einige 1U0 Soldaten in Gefangen-
i Johann Schweickhard v. Reiffenberg, ein erst 1674 aus kur-
trierischen in kaiserliche Dienste übergetretener Rheinländer, wurde
am Neujahrstage mit 13 andern Gefallenen vor dem Tore Mül-
hausens beerdigt. Aber seine Gemahlin sandte aus Ensisheim seinen
Adjutanten, der die Leiche ausgrub und fortführte. Für das frei-
gewordene Regiment suchte der Wiener Hof von neun Bewerbern,
unter denen sich auch Berlepsch befand, den Oberst Chavagnac aus.
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102
7. Reitergefecht bei Mülhausen.
schaft geraten. Auch der Verlust an Toten und Verwundeten
war beträchtlich. Das Regiment Dünnewald 1 verlor allein 27
Reiter als tot oder gefangen, über 60 Mann als verwundet ;
3 Kornets dieses Regiments waren mit der Standarte in der
Hand gefallen, Rittmeister v. Nostiz am Schenkel verwundet.
Auch das Regiment Caprara hatte stark gelitten. Von den
andern Truppenteilen fehlt es an Nachrichten. Die französischen
Verluste waren viel geringer; bei der Brigade Sourdis waren
der Kapitän de la Roque und 60 Reiter geblieben ; die Ver-
luste der Gendarmerie wurden bereits besprochen. Die Bürger
Mülhausens, die von ihrer Ringmauer aus dem Gefecht zuge-
sehen hatten und denen nachher die Bestattung der Toten zu-
fiel, berichten: es seien von beiden Seiten zusammen 250 Mann
gefallen. Aehnlich hoch schätzt ein kaiserlicher Offizier, der
von Basel kam und am Abend über das Gefechtsfeld ritt, die
Verluste: er glaubte ungefähr 200 Leichen gesehen zu haben.
Französischerseits wurde die Verfolgung nur mit grosser
Vorsicht betrieben, und es war Marschall Turenne selbst, der
sie hemmte. Er war noch immer ohne alles Fussvolk ; denn die
beiden mit einigem Geschütz aus Brunn im Anmarsch befind-
lichen Garde-Batailione waren noch etwa 8 Kilometer zurück.
Auch machte den Feldherrn eine Meldung besorgt, wonach
jenseits der Berge von Basel her noch eine feindliche Kolonne
mit Infanterie im Anmarsch sein sollte, wobei allerdings
wohl ein Irrtum vorlag. Der vorsichtige General nahm einen
Teil der zu weit vorgekommenen Eskadrons hinter die III zurück,
während er selbst mit der Brigade Cateux über den Fluss vor-
ging. Oestlich desselben war nur noch der Graf v. Lusignan
mit einem Teile der Schottischen und Englischen Gendarmerie;
er ging sogar ncch etwas vor, um die noch in Sicht befind-
lichen Nachtrupps der Kaiserlichen zu vertreiben. Marquis
de la Fare aber wurde, als er sich anschliessen wollte, von
Turenne daran gehindert. Der Vicomle Hess zum Sammeln
blasen und räumte auch seinerseits das Gefechlsfeld. Er wollte
zunächst das Aufschliessen seiner rückwärtigen Heeresteile ab-
warten. Nur die notwendigen Aufklärungs- und Verfolgungs-
massregeln wurden vorher angeordnet. Für die Verwundeten
1 Als 7. Dragoner-Regiment noch heute in der österreichischen
Armee vorhanden.
Rückzug der Kaiserlichen.
103
sorgte die Stadt Mulhausen in menschenfreundlicher Weise.
Sie Hess die verwundeten Franzosen durch das Obertor, die
Deutschen durch das Spiegeltor in ihre Mauern ein. Broglie und
Beaurnont konnten erst zu Ende Januar nach Langres abreisen.
Feldmarschall-Leutnant Wertmüller wollte mit den ihm
unterstellten 6 Bataillonen nicht aus den Weingärten sudlich
von Mülhausen weichen, musste aber auf Befehl des Markgrafen
v. Baden abmarschieren. Er langte bei voller Dunkelheit in
Sausheim an und wollte hier mit seinen ermüdeten Truppen
bleiben. Er versicherte, «dass er ein wenig den Turennischen
Humor kenne, und dass der Apparenz nach Turenne nicht
nachfolgte». Der Markgraf nötigte ihn aber, noch weitere 9
Kilometer bei Begenwetler auf gänzlich durchweichtem Wege
bis nach Ensisheim zu marschieren. Kein Wunder, dass seine
Truppen dort in slarker Auflösung nach Mitternacht einrückten.
Aber die Hoffnung, nun endlich Ruhe zu finden, trog. In die
höheren Führer war ein solcher Schrecken gefahren, dass der
merkwürdigerweise den ganzen Tag über in Ensisheim ver-
bliebene Herzog v. Bournonville den Infanterieführer trotz
seiner Gegenvorstellungen noch 18 Kilometer weiter bis nach
Heiligkreuz marschieren liess ! Freilich gelang es Wertmüller
nicht vor 4 Uhr früh, seine Leute wieder in Marsch zu bringen.
Die armen Fusstruppen hatten 43 Kilometer Marsch und ein
Gefecht hinter sich, als sie endlich am Morgen des 30. Dezem-
ber Heiligkreuz erreichten. Es ist wahrlich kein Wunder,
dass W T ertmüller mit nur 150 Mann dort eintraf. Hauptleute und
Wachtmeisler waren unterwegs, um die Nachzügler zu sammeln
und nachzuführen. Dass man ganz ohne Nachricht von dem
am Morgen in Altkirch verbliebenen Regiment Portia war, war
keineswegs geeignet, die Stimmung zu heben.
In Ensisheim fand sich nach und nach auch die geschlagene
Reiterei der Verbündeten ein. Die Alt-Lothringer konnten
von Brunstatt her nur auf einem beträchtlichen Umwege,
wahrscheinlich unter Benutzung des Zureinwaldes, dorthin ge-
langen ; vier Schwadronen blieben vorläufig abgedrängt. Das
Kürassier-Regiment Bournonville', das am Gefecht gar nicht
1 Der Hofkriegsrat nahm sein Fernbleiben unter die Zahl der
kriegsrechtlich zn untersuchenden Punkte auf. Es war ebenfalls ein
altberühmtes Regiment, dessen Chef vormals Johann v. Werth ge-
wesen war; es ist das heutige 8. Dragoner-Regiment.
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104
8. Um die Jahreswende.
teilgenommen hatte, rückte von Eschenzweiler direkt heran ;
ein Teil seines Gepäckes aber verirrte sich und ging verloren.
Dünnewald und Caprara trafen mit ihren stark gelichteten vier
Regimentern erst bei völliger Dunkelheit in Ensisheim ein.
Ebenso was von den Münsterländern und Kroaten noch übrig
war; viele waren freilich auf Basel entwichen oder in den
Wäldern rings umher versprengt. Das Regiment Baireuth,
das schon beim Alarm am Morgen ausgeblieben war, fehlte
noch immer, scheint sich aber am nächsten Tage eingefunden
zu haben. So war es der traurige Eindruck einer erlittenen
gänzlichen Niederlage, mit dem das kaiserliche Korps den ver-
hängnisvollen Tag beschloss.
8. Um die Jahreswende.
Am 30. Dezember setzte der Befehlshaber der Kaiserlichen
mit allem, was er beisammen hatte, seinen Rückzug nach
Heiligkreuz fort. Die als Besatzung in Ensisheim gewesene
Abteilung des Regiments Kaiserslein und zahlreiche Trupps
Versprengter, die in der Nacht von Wertmüller abgekommen
waren, schlössen sich an. In Ensisheim selbst wurde zu guter-
letzt noch geplündert. Kurz vor Tage war auch General Schultz
mit den 300 Pferden, die er am Morgen vorher gegen Alt-
Münsterol vorgeführt hatte, noch angelangt. Die Münsterischen
und Kroaten marschierten voran. «Die Infanteria, Stuckh und
Bagage», bemerkt Bournonville, «marschirten zur rechten
Hand». Sie werden also die alte Strasse über Enzen und
Hergheim an der III entlang benutzt haben». Die Nachhut
übernahm das Bournonvillische Kürassier-Regiment nebsteinigen
Münsterischen Schwadronen, mit denen sich Oberst Schade
freiwillig dazu erboten hatte. Gegen Mittag wurde ohne
weiteren Zwischenfall Heiligkreuz erreicht. Kurfürst Friedrich
Wilhelm v. Brandenburg und Herzog Georg Wilhelm v. Celle
empfingen hier die Truppen Bournonvilles, die «comme une
armee mise en vraie deroute» eintrafen. Einen Tag später
» Ucbrigens sah der Kurfürst v. Brandenburg am 30. die Ba-
gage des Markgrafen v. Baden südöstlich von Colmar. Sie ging
c^anz rechts nach Strassburg». ist also wohl auf Andolsheim gelenkt
worden.
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Vorsichtige Verfolgung. 105
langten auch die verspäteten vier Standarten der Alt-Lothringer
unter du Puy an. Das kaiserliche Fussregiment Portia aber war
und blieb verloren.
Marschall Turenne Hess diesen Abzug der Kaiserlichen
ziemlich unbehelligt, obwohl ein energisches Nachdrängen die
grössten Erfolge versprach. Der Marschall mag wohl über den
bei den Kaiserlichen herrschenden Grad von Auflösung nicht
unterrichtet gewesen sein. Er hätte sich sonst schwerlich so
viel Zeit zum Aufschi iessen seiner Armee genommen. War er
selbst doch am Abend des Gefechtes bis nach Brunn zurück-
geritten! An Verfolgungsmassregeln geschah nur das Not-
dürftigste; aber auch damit wurde mancher Erfolg erreicht.
Merkwürdig spät wurde die Verfolgung namentlich auf der
eigenl liehen Rückzugsstrasse des Feindes begonnen. Erst am
31. Dezember gingen auf ihr 6 Schwadronen der Brigade
Sourdis nebst 200 Dragonern vor, jedoch nur bis Ensisheim,
das sie am Neujahrstage besetzten. — Weiter westlich war der
Bereich der Streifkorps von St. Aoust und Maurevert, die sich
am Gefechtstage an der Doller entlang ihrem Gros wieder ge-
nähert hatten. Ihnen fielen zahlreiche Gefangene und manches
Beutestück in die Hände, vielleicht von brandenburgischen
Nachzüglern. Denn General v. Görtzke war, wie er an Bour-
nonville meldete, mit dem Rest seiner Kavallerie nach Rufach
abgezogen. Am 27. stand er noch mit Götzen bei Sennheim
und berichtete dem Landgrafen v. Hessen, er sende fleissig
Parteien von 5—11 Pferden gegen den Feind; eine von ihnen
sei so nahe an Beflbrt gekommen, dass sie die Franzosen auf
den Mauern habe sprechen hören. Am 30. stand Görtzke schon
in PfafTenheim, wohin sich auch das Regiment Schöning aus
Thann und die übrige Infanterie abgezogen hatte 1 . Am 31.
wurde auch das Schloss Engelsburg bei Thann von seiner
kleinen Besatzung geräumt und in der Folge von den Fran-
zosen geschleift. — Nach Süden, wo sich zunächst noch einige
Abteilungen der Kaiserlichen und Lothringer befanden, wurde
der Brigadier d'Humieres entsandt. Er streifte bis nach Lands-
l Das Regiment Götzen war jetzt in Gcberschweier, Derfflingcr
in Herlisheim und Heiligkreuz. An Kranken hatte das Regiment
Schöning 16 Mann in Thann, das Regiment Derfttiuger 20 Mann in
Sennheim zurückgelassen.
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106
8. Um die Jahreswende.
krön. Schloss Allkirch mit 150 Mann Besatzung unter einem
Hauptmann ergab sich am 31. ohne Widerstand an Humieres.
Die Jesuilenablei St. Morand zu Altkirch ging durch Unvor-
sichtigkeit der französischen Einquartierung in Flammen auf.
Eine andere Partei, die vom Grafen V. Lorge in Richtung
Basel entsandt war, gelangte bis nach Häsingen und griff viele
Versprengte auf. Ein Trupp nichtsahnender Kroaten wurde in
nächster Nähe des Marschalls Turenne aufgehoben, als der
Feldherr gerade den Vorbeimarsch der 5 Kavallerie- und 2 Dra-
goner-Regimenter abnahm, die General Resnel von Pont-a-Mousson
herangeführt hatte. Wieder ein Detachement schlug am 30. von
Mülhausen den Weg zum Rheine, also vermutlich die Strasse
nach Neuenburg ein, um etwaigen weiteren Nachzüglern und
Fuhrwerken den Anschluss an ihre Truppenteile zu ver-
wehren. Viele deutsche Flüchtlinge befanden sich in Mülhausen.
Um Niemand hinaus zu lassen, stellten die Franzosen vor dem
Baseler und dem Spiegeltore Poslen aus. Dennoch entkamen
nach und nach fast alle verkleidet aus der Stadt. Während
dieser Tage, so berichtet der Mülhäuser Magistrat, verübten die
in die Stadt kommenden französischen Soldaten mehr Aus-
schreitungen als die Deutschen während der ganzen Zeit ihres
Aufenthalts irn Lande, acela notamment en payant en fausse
monnaie et en usant de vrais procedes de filous et de voleurs.»
Als die Gefangnisse überfüllt waren, schritt der Rat dazu,
solche Räuber ohne weiteres zu hängen.
Weitaus die wertvollste Beute, die den Franzosen in die
Hände fiel, wurde von der Brigade Lancon entdeckt: dies war
das kaiserliche Infanterie-Regiment Porti a. Es hatte schon seit
Wochen in Altkirch gelegen und zwar unter dem Kommando
des Oberstleutnants v. Dietrichstein, da der Inhaber des Re-
giments. General-Wachtmeister. Fürst v. Portia u. Mitterburg,
wohl noch nicht von seiner Verwundung bei Enzheim genesen
war. Dieses Regiment war nicht zum Korps herangezogen
worden. Markgraf Hermann behauptet in seiner Verteidigungs-
schrift, er habe kein Verfügungsrecht darüber gehabt. Bour-
nonville hingegen schob die Schuld wohl mit grösserem Recht
dem Markgrafen zu und berichtet wegen Portia : «Er hatte ein
Befelch, wann die Armada sich rucken würde, er mit einer
Batallion darzustossen sollte.» Einen solchen Befehl stellt jedoch
Dietrichstein in Abrede. Bei Karsbach südwestlich von Altkirch
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Katastrophe des Regiments Portia.
107
aufgestellt, hatte er um 7 Uhr früh die Alt- Lothringer mit der
Nachricht vom Nahen des Feindes vorbeiziehen sehen. Dennoch
halte er sich zum selbständigen Abrücken nicht entschliessen
können, sondern nur nach Zillisheim gesandt und um Befehle
gebeten. Erst um 3 Uhr Nachmittags traf die Weisung des
Markgrafen zum sofortigen Aufbruch ein, gleichzeitig mit einer
früher erlassenen Ordre Bournonvilles. Der Bericht Dietrich-
steins behauptet, das Regiment sei um 4 Uhr abgerückt und
habe erst um Mitternacht Brunstatt erreicht. Obwohl ein grosser
Tross und viele Frauen den Marsch des Regimentes verlang-
samen mochten, ist diese Angabe unglaubwürdig, da es nur
15 Kilometer Weges waren. Wahrscheinlich erfolgte die An-
kunft in Brunstatt lange vor Mitternacht, aber freilich bei voller
Dunkelheit. Der Regimentsführer erfuhr hier, dass das kaiser-
liche Korps geschlagen sei und dass die Strasse nach Mülhausen
durch den Feind gesperrt sei. Er besetzte nunmehr das Schloss
zu Brunstatt. Dieses damals dem Sololhurner Ratsherrn Martin
Besenwald gehörige Kastell 1 , ein schwerfällig massiver Bau mit
zwei runden Ecktürmen, war von einem Wassergraben um-
geben, so dass Dietrichstein hoffte, sich darin halten oder am
folgenden Tage noch entkommen zu können.
Bei der unmittelbaren Nachbarschaft Brunstatts am Ge-
fechtsfelde des 29. Dezember konnte die Anwesenheit des Re-
giments Portia den Franzosen nicht verborgen bleiben. Nach
dieser Richtung war die Aufklärung dem Brigadier Lancon mit
400 Pferden übertragen. Seine Vorhut, 150 Reiter vom Re-
giment Dauphin unter Rittmeister v. Cagnot, entdeckten das
kaiserliche Regiment und wagten den Angriff, wurden aber
mit Verlust abgeschlagen. Ein Unteroffizier blieb tot, die Leut-
nants v. Monbrisson und d'Arbusigny wurden verwundet. Der
erste AngrifT war also gescheitert und ebensowenig richtete
bald danach der Brigadier Lancon aus. Vielmehr beantragte er
beim Marschall Turenne Verstärkungen. Zwar gelang es auch
Dietrichstein, einen Freiwilligen durchzubringen, der Entsatz-
truppen suchen sollte; aber er fand keine und hätte auch
höchstens noch bei den letzten Schwadronen der Alt-Lothringer
Hülfe finden können. Desto sicherer konnten die Belagerer
» Schloss Brunstatt ist im Jahre 1856 beim Bau der Mülhausen-
Belforter Eisenbahn abgebrochen worden.
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108
8. Um die Jahreswende.
baldiger Unterstützung sein. Noch am Abend des 30. Dezember
langten Tilladets Dragoner an und bemächtigten sich während
der Nacht des unteren Schlosshofes. Am 31. traf Turenne selbst
vor Brunstatt ein. Er hatte um 2 Uhr Nachmittags eine kurze
Unterredung am Obertor von Mülhausen mit dem regierenden
Bürgermeister gehabt und ihm für die Pflege der Verwundeten
gedankt, aber die Aufforderung zum Betreten der Stadt abge-
lehnt. Von da kam er nach Brunstatt und forderte die Besatzung
zur Uebergabe auf. Dietrichstein setzte den Widerstand jedoch
fort und wagte mehrere Ausfälle. Der Ort Brunstatt ging bei
diesen Kämpfen in Flammen auf und brannte zwei Tage lang.
Turenne sah sich genötigt, die beiden Garde-Bataillone
Bocquemar und Figueras mit etwas Geschütz heranzubeordern.
Er selbst begab sich sodann in sein neues Hauptquartier Nieder-
morschweiler und übergab das Kommando vor Brunstatt dem
General-Leutnant v. Foucault. Als der kaiserliche Regiments-
iührer seine Belagerer durch Infanterie und Artillerie verstärkt
sah, musste er die Nutzlosigkeit weiteren Widerstandes einsehen.
Er kapitulierte am Morgen des 1. Januar gegen die Zusicherung
ehrenvoller Behandlung und übergab das ganze 800—900 Mann
starke Regiment mit 10 Fahnen und zahlreichem Gepäck dem
General Foucault, der es zunächst durch die Eskadron Cagnot
in Brunstatt bewachen liess. Die beiden ältesten Offiziere Oberst-
leutnant v. Dietrichstein und Hauptmann v. Röder wurden
auf Ehrenwort entlassen, um die Unglücksbotschaft ihren Vor-
gesetzten zu überbringen. Das Versprechen ehrenvoller Be-
handlung der übrigen Mannschaft wurde erfüllt. Niemand wurde
seines Eigentums beraubt; die Offiziere erhielten ihren Degen
sowie ein Pferd zurück. Am 7. Januar wurde die Bewachung
verschärft, da ein Gerücht den Oberst la Roche als zur Be-
freiung der Gefangenen aufgebrochen bezeichnete. Etwas später
wurden Offiziere und Mannschaft nach Beffort abgeführt. Das
Bournonvillische Korps war um ein volles Regiment ärmer.
Dieser grosse Erfolg und die zahlreiche an andern Stellen
gemachte kleinere Beute blieb das materielle Ergebnis des ge-
wonnenen Gefechtes für den französischen Marschall. Dazu
kam freilich der durch die Niederlage verursachte moralische
Druck auf die Verbündeten und die abermalige Vermehrung
ihrer inneren Zwietracht. Wahrend Bournonville bemüht war,
alle Schuld auf die Brandenburger zu schieben, die ihn im Stiche
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Pause in den Operationen.
109
gelassen hätten, hielt Kurffirst Friedrich Wilhelm sich für ver-
pflichtet, beim Kaiser Leopold öher die schlechte Haltung seiner
Regimenter Klage zu fuhren. Der Hofkriegsrat und der Kaiser
selbst zeigten sich so aufgebracht über das Geschehene, dass
eine kriegsrechtliche Untersuchung und weiterhin die Abbe-
rufung Bournonvilles vom Kommando die Folge war.
In den eigentlichen Operationen liess Turenne eine mehr-
tägige Pause eintreten, die seinen Gegnern nur erwünscht sein
konnte* Bei Bournonville und Goes entstand sogar die Hoff-
nung, Turenne werde sie überhaupt nicht angreifen, sondern
sich mit der Befreiung Breisachs begnügen. Namentlich der
kaiserliche Gesandte Goes glaubte sich etwas sehr Feines aus-
gedacht zu haben, wenn er annahm, «dass der Tourenne alss
ein witziger undt erfahrener Capitain uns keine Battaille
liefleru, sondern dahir consumiren werde» ! Am 2. Januar ging
der französische Feldherr, dem solche Gedanken ganz fern lagen,
nach Ensisheim und nahm sein Hauptquartier im sogenannten
Reinacher Hof. Die inzwischen bei Brunstatt versammelte Armee
setzte er am 3. gegen Colmar in Bewegung. Dass seine Ope-
rationen sich durch Schnelligkeit ausgezeichnet hätten, lässt sich
kaum behaupten. Wir müssen wohl annehmen, dass die Heeres-
organisation des 17. Jahrhunderts, die Verpflegungs-Schwierig-
keiten, das Fehlen eines geregelten Fuhrparkes und die Un-
gunst der Jahreszeit eine schnellere Bewegung nicht gestatteten.
Mit der Ankunft der Kaiserlichen, Münsteraner und Alt-
Lothringer in Heiligkreuz war die Vereinigung des verbündeten
Heeres vollzogen. Die Braunschweig-Lüneburger hatten im
Sinne der Kriegsrat-Entschliessung vom 28. Dezember Befehl
erhalten, nach Colmar heranzurücken. Herzog Georg Wilhelm,
der sich endlich überzeugt hatte, dass bei Markirch keine Ge-
fahr mehr drohe, versammelte sein Korps und liess es so mar-
schieren, dass es am 30. nordwestlich von Colmar bereit stand.
Seine gesamte Infanterie lag in Katzenthal und fand dort Heu
für ihre Pferde und «des köstlichsten Weines gnug». Die
Reiterei brach am folgenden Tage unter Chauvets Kommando
zu der im 5. Abschnitt geschilderten Unternehmung gegen
Breisach auf. Die kurbrandenburgische Infanterie und Artillerie
stand kampfbereit bei Colmar, während sich die Kavallerie zum
Teil unter Görtzke bei Rufach befand, zum Teil unter Land-
graf Friedrich v. Homburg gegen Breisach rückte.
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8. Um die Jahreswende.
Am Sonntag den 30. fuhr Kurfürst Friedrich Wilhelm,
obwohl noch immer an beiden Händen von der Gicht geplagt,
mit seiner ganzen Generalität nach Heiligkreuz hinaus, um das
geschlagene Bournonvillische Korps zu erwarten und die Lage
des umliegenden Feldes in Augenschein zu nehmen. Der
Herzog v. Celle und Frh. v. Goes schlössen sich ihm an. Ein
kunter Bericht Bournonvilles über den Unfall von Mülhausen
war bereits eingetroffen. Beim Hinausfahren begegnete man
den ersten Verwundeten, sowie dem münsterischen Proviant-
direktor v. Brockhausen. Von ihnen erfuhr der Kurfürst Näheres
über den Umfang der erlittenen Niederlage. Einen wahrhaft
niederschlagenden Eindruck aber machte das Aussehen der nach
und nach im Zustande der vollsten Auflösung eintreffenden
Truppenteile. Die gesamte kaiserliche Kavallerie wurde nebst
Bournonville, Caprara und dem Markgraten Christian Ernst v.
Baireuth nach Sundhofen gelegt. Die Münsterischen kamen in
ein anderes, die Lothringischen in noch ein anderes benach-
bartes Dorf, vermutlich Logeinheim und Appenweier oder viel-
leicht Herlisheim. Während die Reiterei bei diesen Ortschaften
grösstenteils biwakieren musste, wurden das Fussvolk und die
Artillerie nebst dem Markgrafen Hermann v. Baden in Heilig-
kreuz einquartiert. Kurfürst Friedrich Wilhelm hielt in diesem
Dorfe Mittagstafel und lud dazu die kaiserliche Generalität und
den gefangenen Marquis v. Montauban ein. Sodann hielt er
Kriegsrat ab, befahl für den 31. das Heranrücken der Bundes-
genossen zu den norddeutschen Kontingenten und begab sich
mit den Seinigen nach seinem Hauptquartiere zurück, wohin
der österreichische Befehlshaber ihm folgte.
Der Herzog v. Bournonville hat sich fortgesetzt auf das
Bitterste darüber beklagt, dass er bei Heiligkreuz nur von den
beiden norddeutschen Fürsten, nicht aber von ihren Truppen
empfangen worden sei. «Le plus grand desplaisir>, schrieb er
beispielsweise an Montecuccoli, «et la plus grande faute est,
que contre la resolution prise au conseil les armees alliees ne
se sont pas trouvees au rendez-vous resolu ä Ste. Croix». Ge-
wiss war die Aenderung des Aufmarsch platzes eine Abweichung
von dem am 28. gefassten Kriegsratteschlusse, und wir wissen
nicht, welche Gründe hierzu geführt haben. Irgend welche
nachteilige Folgen hat diese Massregel aber in keiner Weise
gehabt. Da Bournonville seine fluchtartige «Retirada und Re-
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Versammlung: des verbündeten Heeres bei Colmar.
111
troguardia» gänzlich unverfolgt bewirkte, so bedurfte er auch
keiner Aufnahme. Die Vorführung der Norddeutschen nach
Heiligkreuz wäre, da gerade Bournonville sich nur bei Colmar
selbst schlagen wollte, ein ganz zweckloser Marsch gewesen.
Wenn der zaghafte Führer der Kaiserlichen nachträglich erklärt
hat, er wäre am liebsten «geradt aufT den Turenne losgangen»,
so wird das wohl Niemand ernst nehmen. Sein Freund
und Gesinnungsgenosse Goes brachte am selben Tage seines
Herzens Meinung mit folgenden Worten zu Papier : «Si nous
serons assez heureuz de pouvoir repasser le Rhin, o Dieu, quelle
sorte de bonheur!»
Am 31. Dezember wurde durch die Zurückziehung des Bo-
urnonvillischen Korps der Zusammenschluss des verbündeten
Heeres völlig durchgeführt. Die neuen Ankömmlinge wurden
am rechten Flügel der kampfbereit aufmarschierten Lüne-
burger und Brandenburger aufgestellt. Zu Verpflegungszwecken
wurden ihnen «einige Dörfler hinter ihnen am Gebürg» zuge-
wiesen, wahrscheinlich Ingersheim, Niedermorsch weier und
Türkheim. In diesem Städtchen nahm Bournonville sein Stabs-
quartier. Manche Dörfer der Colmarer Umgegend waren in
diesen Tagen mit sechs bis sieben Regimentern belegt. «Weil
die Einwohner», lesen wir in einer Colmarer Chronik, «da sie
bey Abmarsch der Völcker bereits ausgeplündert worden, bey
derselben Wiederkunft weggeloflen, haben sie alle Fenster,
Oefen, Thüren, Kirchen, Gärten usw. eingeschlagen und weg-
genommen, dass also eine rechte Einöde aus diesem Lande
worden ist». In Colmar selbst begannen am Sylvesterabend
die Arbeiten zur Verteidigung der Stadt.
Man war am 31. darauf gefasst, dass der feindliche Angriff
unmittelbar bevorstehe. Gleich nach dem Mittagessen ritt der
Kurfürst mit der ganzen Generalität aus, um die einzunehmende
Verteidigungsstellung auszusuchen. Nach der Relation des Götter-
bothen Mercurii und dem Bericht von der Reiterada könnte
es scheinen, dass diese Besprechung im Gelände erst am 4.
Januar stattgefunden habe». Aber die Acta capitularia des
St. Martinstiftes lassen keinen Zweifel darüber, dass wir sie
auf den 31. Dezember verlegen müssen. Denn dort ist in
1 Allerdings sind der Kurfürst und Bournonville am 4. Januar
ebenfalls auf dem Egisheinier Felde beisammen gewesen.
112
8. Um die Jahreswende.
gleichzeitigen tagebuchartigen Notizen bestimmt angegeben,
dass die Armee am 31. auf die Ebene bei Egisheiin gerückt,
am 1. Januar aber von da über den Mühlbach zurückgegangen
sei und mit der Befestigung dieser Stellung noch am selben
Tage begonnen habe.
Friedrich Wilhelm wollte die Armee auf der Ebene von
Egisheim aufstellen und hatte die Stellung nördlich dieses Dorfes
den Lüneburgern zugedacht. Bournonville sollte sich bei einem
mit guten Mauern versehenen Orte «da der Feind nicht hätte
vorbeygehen können» — jedenfalls Wettolsheim — an das
Gebirge lehnen, dessen winterliche Ungangbarkeit ihn vor Um-
gehung schützen musste. Die Brandenburger aber sollten mit
ihrem linken Flügel an den Herlisheimer Wiesen stehen, die
damals noch völlig morastig waren und vor Umfassung ebenso
sicher schützten wie das Gebirge auf der andern Seite. Die
Stadt Colmar lag dann in sehr günstiger Weise hinter der
Schlachtordnung der Armee. Dieser Plan des Grossen Kurfürsten
war militärisch zweifellos der* beste, der gefasst werden konnte.
Auch zog der Kurfürst seine Brandenburger bereits vor und
Hess sie am Sylvesterabend Biwaks zwischen Colmar und Hatt-
statt beziehen. Aber der Herzog v. Bournonville, der sich allen
Absichten seines Oberfeldherrn entgegenstemmte, erhob auch
diesmal Widerspruch. Er legte den grössten Wert auf ein Front-
hindernis. Unterstützt von einigen seiner Generale, nament-
lich dem Markgrafert Hermann v. Baden, setzte er es wirklich
durch, dass die Entscheidung für die Nordseite des Mühlbaches
— heute Logelbach genannt — fiel. Der Kurfürst erhob gegen
den Bach das ganz richtige Bedenken, dass er einer eigenen
Offensive ebenso hinderlich sei wie dem Ansturm des Feindes :
«woselbst der Feind nicht zue uns und wir auch nicht zue
ihn hetten kommen können.» Aber er wurde überstimmt und
musste nachgeben. Demgemäss brach die Armee am Neujahrs-
tage 1675 aus dem Egisheimer Felde wieder auf und ging in
die neue Stellung nördlich des Mühlbaches zurück.
Für die Befestigung dieser Stellung liess Turenne den
Verbündeten volle Müsse und sogar die Freiheit, ihre Ent-
schliessungen noch zu ändern. Aber es war in der Tat nicht
anders als Bournonville in einem Schreiben an Montecuccoli
bemerkt : «Mann haltet alle Tag Rath undt beschliesset nichts
von Importanz.» Sowohl am 2. wie am 3. Januar sah der Kur-
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Kriegsrat zu Colmar.
fürst die Führer des verbündeten Heeres sowie Goes und die
spanischen Gesandten zum Kriegsrat um sich vereinigt. Die
Protokolle beider Beratungen sind erhalten i, so dass wir über
ihren Verlauf eingehend unterrichtet sind. Arn 2. Januar stellte
Friedrich Wilhelm zunächst die Frage zur Erörterung: ob man
die Schlacht annehmen solle? Alle Bevollmächtigten sprachen
sich für den Kampf aus, wennschon der Herzog v. Celle nur
bei Heranziehung des Markgrafen v. Durlach, andere unter
allerlei unklaren Klauseln. Der Grosse Kurfürst konnte allge-
meine Bereitwilligkeit zum Schlagen feststellen, wozu er seiner-
seits von Anfang an geraten habe. Allerdings müsse man zuerst
Gewissheit haben, wie stark der Feind sei, wo er stünde und
was er vorzunehmen beabsichtige ; alsdann aber solle man in
Gottes Namen auf ihn losgehen.
Mehr gingen die Meinungen bei der zweiten Frage aus-
einander: was zu tun sei, falls Turenne sich der Schlacht ent-
zöge? Während die Spanier den Gedanken laut werden liessen,
mit der ganzen Reiterei nach Lothringen und Luxemburg oder,
wie Herzog August v. Holstein riet, nach Trier aufzubrechen,
empfahl Bournonville, ins Stift Basel zu gehen, damit man
Freiburg «auf dem Rucken hätte». Auch Wertmüller, ein ge-
borener Schweizer, der freilich im Kriegsrate selbst keine Stimme
hatte, war ein eifriger Verfechter des Gedankens, von Basel
oder Hüningen aus gegen Burgund zu wirken. Einige Stimmen,
darunter sogar Derfflinger, sprachen vom Rückzüge über den
Rhein, und beide Oesterreicher wünschten einen Brücken-
schlag zwischen Strassburg und Breisach. Aber der Herzog v.
Holstein und der Landgraf v. Homburg erklärten ein Zurückgehen
über den Rhein für so schimpflich, dass es «ein Disgusto beim
ganzen Reiche geben würde» und der Herzog v. Celle wünschte
lieber nie gekommen zu sein, als dass dies geschehe 2 . Der
kleinmütige Vorschlag durfte als abgelehnt gelten, als auch der
Brandenburgische Kurfürst sich unter Berufung auf Kaiser
Leopolds Willen und wegen Württembergs und Bayerns zwei-
1 Im Berliner Staatsarchive; abgedruckt in H. Peter, der Krieg
des Grossen Kurfürsten gegen Frankreich, Seite 393— 3U7.
2 Vom brandenburgischen Kanzler v. Somnitz. der einen Rück-
zug als «disreputirlich» bezeichnete, meinte Goes ironisch, «der
gute ehrliche Mann» vermöge wohl die vorliegenden Schwierigkeiten
nicht zu übersehen.
8
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1H
8. Um die Jahreswende.
deutiger Haltung entschieden gegen einen solchen Rückzug
aussprach.
Da der Gedanke eines Einfalles in Lothringen trotz der
ihm offenbar entgegenstehenden schweren Bedenken nicht ohne
Anklang geblieben war, wurde Herzog Karl IV für den folgenden
Tag nach Colmar eingeladen, um die M.einung dieses «unter
den Waffen ergrauten Kriegers» zu vernehmen. Aber der Herzog
entschuldigte sich in einem glatten, nichtssagenden Briefe mit
Krankheit, stellte alles dem Kurfürsten anheim und erinnerte
daran, es sei der Wunsch des Kaisers, dass man westlich des
Rheines verbleibe 1 . Im Uebrigen sandte er seinen Adjutanten
Pont-ä-Mougeat und seinen Präsidenten Canon. Dieser gab im
Kriegsrate eine schwer verständliche Erklärung ab, die sich
unter Berufung auf Strassburgs Leistungsfähigkeit an Proviant
und Fourage anscheinend gegen den Einfall in Lothringen aus-
sprach. Im Uebrigen enthält das ausnehmend konfuse Protokoll
des Kriegsrates vom 3. Januar nur vieldeutige Phrasen. Land-
graf Friedrich aber erklärte nochmals mit Nachdruck : zu-
rückzugehen sei schimpflich.
So blieb denn der Entschluss zur Schlacht aufrecht er-
hallen, wenigstens für den Fall, dass Turenne angreifen würde.
Und dass er seine Armee wieder in Bewegung gesetzt hatte,
war arn Morgen des 4. Januar in Colmar bekannt. An den
Markgrafen Friedrich v. Durlach ging das Ersuchen ab, mit
allen verfügbaren Kreistruppen zur Feldarmee heranzurücken.
Die Armee aber, die der Reichsfeldmarschall schwerlich noch recht-
zeitig erreichen konnte, richtete sich inzwischen in ihrer Vertei-
digungsstellung ein 8 . Der Mühlbach, auf den Alexander
v. Bournonville so grossen Wert legte, ist der Arm der Fecht,
der sich bei Türkheim von diesem Flusse abzweigt, um bei
Colmar in die Lauch einzumünden 3 . Er heisst heute Logelbach,
ist durchschnittlich 3 Meier breit und 1 Meter tief und diente
1 Darauf beschränkte sich seine Aeusseruug. Wenn an vielen
Orten zu lesen ist, Karl habe die zweckmässigsten Ratschläge für
die Schlacht gegeben, die man leider unbeachtet gelassen habe, so
ist das grundfalsch.
2 Vergleiche den beigefügten Gefechtsplan.
3 Wenn in vielen französischen Büchern von der Fecht selbst
als dem Fronthindernis der Deutschen die Rede ist, so ist das der
erste der zahlreichen Irrtümer, die sich über dieses Gefecht ver-
breitet haben.
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Verteidigungsstellung- der Verbündeten.
115
schon 1675 vorwiegend industriellen Zwecken. Er speiste eine
Anzahl Mühlen, Pulverfabriken, Kupferhämmer usw., aus denen
seither das Dorf Logelbach erwachsen ist*. Den Windungen
dieses Baches schmiegte sich die Geländeverslärkung an, die
die Verbündeten an den ersten Tagen des neuen Jahres vor-
nahmen. Die Erddeckungen, die man aufwarf, erinnerten die
Franzosen an Deiche». Alle Weidenbäume wurden zur Her-
stellung von Verhauen gefällt. Die Aufzeichnungen des Colmarer
St. Martinsstiftes vermerken nicht ohne Bedauern, dass «an
vielen Orthen an dem Muhlbach LauiTgräben auffge worfle n, die
Früchte im Feld verderbt und alle Rebstecken in derselben Gegend
verbrenth, auch viel Reben abgehauwen» wurden. Zweifellos
wurde der Stellung durch diese fortifikatorischen Arbeiten ein
hoher Grad von Stärke in der Front verliehen.
Bei Besetzung der Stellung übernahm die Infanterie über-
oll die erste Linie, war aber in sich in zwei Treffen gegliedert.
Hinter ihr wurde nebst einigen Fussregimentern der grösste
Teil der Reiterei in Reserve aufgestellt 3. Dazu gehörten auch
die Regimenter des Homburger Landgrafen und Chauvets, die
am 3. Januar von ihrem vergeblichen Zuge gegen ßreisach
zurückkehrten. «Die Artigleiie aber», vernahm der Götterbote
Mercur, «habe man hin und wieder gar bequem disponiret und
etliche Batterien aufgeworffen». Der rechte Flügel unter dem
Kommando des Herzogs v. Bournonville lag im Bentzen, dem
schmalen Landstrich zwischen dem Mühlbach und der Fecht.
Das Städtchen Türkheim war nur von einer Infanterie-Feldwache
(1 Fähnrich 30 Mann) des Regiments Kaiserstein bewacht*;
es lag also ausserhalb der eigentlichen Stellung. Der sehr zu-
verlässige Bericht Turennes sagt, Türkheim habe «environ ä
12 ou 1500 pas de leur aisle droite» gelegen. Wertmüller be-
1 Im Jahre 1484 bestanden schon 16 solcher Mühlen; wir dürfen
also für 1675 mindestens 20 annehmen.
* <Ils aroient relevö la tere,» schreibt Cezen an Louvois,
«comme Ton fait ä des digues; la tere estait remue6 partout, mais
non pas esgallement bieu».
3 Beaurains freilich nicht sehr zuverlässiger Plan zeichnet die
Reserve in einem Treffen bei Pnnkt 200,3 an dem Weinbergswege
ein, der von Ingersheim nach dem kleinen Exerzierplatz an der
Strassbnrger Chaussee führt.
* Wenn brandenburgische Quellen behaupten. Bournonville
habe drei Regimenter in Türkheim gehabt und zu früh von da fort-
gezogen, so ist dies wieder eine der Legendenbildungen.
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11G
8. Um die Jahreswende.
merkt von diesem Zwischenraum sogar : «resto un vacuo circa
di 2500 e piu passi». Der rechte Flügel reichte somit kaum
bis zum Fusse des Letzenberges. Mit den Kaiserlichen ver-
einigt war das Münsterische Korps; vermutlich auch die Loth-
ringer, von denen aber nirgends die Rede ist.
Die Mitte der Schlachtordnung hatte Herzog Georg Wil-
helm v. Celle mit seinen Truppen und den Braunschweigern
inne. Der von den Kurbrandenburgern besetzte linke Flügel
war ein wenig zurückgebogen und reichte bis zum sogenannten
Rappentanz, also nördlich an der jetzigen Dragoner-Kaserne
vorbei und über die Strassburger Strasse hinweg bis nahe an
die Lauch, die dort seither zum SchiflTahrlskanal erweitert
worden ist. Die gesamte Stellung hatte bei geringer Tiefe eine
Breite von 7000 Metern 1 . Sie war also offenbar viel zu aus-
gedehnt und litt trotz ihrer frontalen Stärke unter sehr be-
denklichen Mängeln. Der rechte Flügel konnte von Winzenheim
her umgangen werden. Der linke Flügel aber hatte die Stadt
Colmar gerade vor sich, die das eigene Schussfeld behinderte,
dem Feinde aber zu gedeckter Annäherung dienen konnte.
Freilich sollte Colmar nicht unverteidigt bleiben. Des
Kurfürsten Durchlaucht Hess dem Obermeister Sandherr sagen :
«Sie wären nunmehr resolviret, folgenden Tages dem Türen ne
mit göttlicher Hülffe eine Feldschlacht zu liefern. Wie sie nun
pro bono publico alle Dero Lande und Leute aufgesetzet, auch
Ihre eigene Churfürstliche Person nicht schoneten, sondern zur
Rettung des Elsasses und damit vornemlich auch die gute
Stadt Coli mar des frantzösischen Joches entledigt werden
möchte, in bevorstehender Occasion ungescheuet zu wagen ge-
dächten, so würde dabey der Magistrat selbsten begreiffen,
woferne alles wol von Statten gehen und erwünschter Success
erfolgen solte, dass nothwendig ein Heben und Legen seyn
müsse. Möchten derhalben ihrer Bürgerschafft anbefehlen, der
Ch urfürstlichen Infanterie, so währender Battallie zu der Stadt
Defension darinnen verbleiben solte, redlich beyzustehen und
zu solchem Ende die Waffen zur Hand nehmen. Welche aber
deren mangelten, könnten mit Schüppen und Spaden bey der
i Von Türkheim bis zum Rappentanz gemessen. Bleibt die
Türkheimer Abzweigung ausser Betracht, so waren es noch immer
mehr als 5000 Meter.
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Besetzung der Stellung durch die Deutschen.
117
Arbeit ihre Schuldigkeit erzeigen». Im Sinne dieser vom
Götterboten Mercur überlieferten Kundgebung Hess der Kur-
fürst einen General mit 3 Infanterie-Betaillonen in der Stadt.
Magistrat und Zunftmeister Hessen es an Eifer nicht fehlen.
Selbst die Dominikaner-Mönche halfen treulich zum Besten der
deutschen Sache mit 1 . Auf den Wällen der Stadt wurden
etwa 20 Kanonen aufgepflanzt. Beim Katharinenkloster und
am St. Peterswall war dies schon am 31. Dezember geschehen.
Man gedachte diese Geschütze zu flankierender Bestreichung des
Vorfeldes der Logelbach-Stellung zu verwenden. Die Kurfurstin
Dorothea reiste am Abend des 4. Januar «mit dem Frauen-
Zimmer» nach Schlettstadt ab. Alle entbehrlichen Kostbarkeiten
waren von den Brandenburgern sowohl wie von den Kaiserlichen
vorsichtigerweise nach Strassburg in Sicherheit gebracht worden.
Bournonville machte den Anfang damit, indem er seine Kranken
zu des Kurfürsten Verdruss schon am 29. nach Strassburg
abschob. Auch Georg Wilhelm fand, dass das Flüchten viel
zu frühe sei und leicht einen bösen Effekt bei der Armee
machen könne.
Am 4. Januar um Mittag hatte der Oberbefehlshaber so
bestimmte Nachrichten über des Feindes Anmarsch auf Rufach,
dass er durch die üblichen drei Losungsschüsse Jedermann aut
seinen Posten berief. Er. selbst rill mit den Generalen noch-
mals bis Egisheim vor und kehrte erst zur Nacht nach Colmar
zurück, während Derfflinger mit den übrigen Generalen im
Lager schlief. Die verbündete Armee war nunmehr bereit, den
Feind zu empfangen. Ueber seinen weiteren Anmarsch musste
man durch die vorn befindliche Reiterei unbedingt rechtzeitig
Nachricht erhalten. Was von brandenburgischem Fussvolk
zunächst noch bei Egisheim verblieben war, war am 4. eben-
falls hinter den Mühlbach zurückgenommen worden. Bei
Plaffenheim aber befand sich General -Leutnant v. Görtzke mit
den aus Sennheim zurückgeführten 10 Schwadronen. Er hatte
den Oberst v. Printzen mit 300 Pferden auf Vorposten nach
Rufach vorgeschoben. Görlzke war durch das 400 Mann starke, am
1. Januar von Colmar vorgesandte Dragoner-Regiment v. Börnsdorf!
verstärkt worden, welches das Städtchen Rufach besetzt hatte.
1 Zwei Mönche wurden wegen ihres bei dieser Gelegenheit ge-
zeigten Eifers im April vom General Vaubrun ausgewiesen.
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118
8. Um die Jahreswende.
Ferner hatte sich ihm Oberstleutnant v. Strauss angeschlossen,
der vom Landgrafen v. Homburg aus Wolfganzen zum Aufklären
nach Egi.sheim entsendet, mit seiner Abteilung aber bis Rufach
vorgegangen war. Auch hatte der Kurfürst am 3. Januar, als
er den Marsch des Feindes auf Ensisheim erfahren hatte, den
Kapitän-Leutnant v. Wangenheim mit *24 Mann seiner Trabanten-
garde vorgeschickt. Diese verschiedenen Entsendungen führlen
neben ihrem eigentlichen Zweck mitunter auch zum Zusammen-
treffen mit versprengten oder fouragierenden Abteilungen der
Verbündeten. Wangenheim z. B. traf auf einen Trupp Kaiser-
licher, den er in der Dunkelheit für Franzosen hielt und beschoss.
Der Kurfürst selbst aber begegnete am 4., als er mit zahlreichem
Gefolge über Egisheim vorritt, einem Trupp Münsterscher Reiter,
die bei seinem Anblick eiligst ihre Fourage zur Erde warfen
und «wie derTäufeb flohen. Neben solchen Zwischenfällen führte
das zahlreiche Kavallerie-Aufgebot auch zu seinem eigentlichen
Zwecke; man erfuhr es rechtzeitig, als der Feind anrückte.
Wir erinnern uns, dass Marschall Turenne nach dem Ge-
fecht bei Mülhausen weniger auf rastlose Ausnutzung seines
Sieges als vielmehr auf völlige Versammlung seiner Armee be-
dacht war. Am 3. Januar 1675 trat er endlich den Vormarsch
an i. Seinen höheren Unterführern setzte er an diesem Ta^e
in einem Kriegsrate zu Ensisheim seine Absicht auseinander,
von Munweiler ab zur Vermeidung zahlreicher Engwege und
Sümpfe nicht an der III entlang und über Heiligkreuz, sondern
am Gebirge entlang über Rufach marschieren zu wollen. Die
schon in Ensisheim befindliche Kavallerie-Brigade Sourdis be-
hielt mit den Dragonern die Vorhut. Das Gros brach am 3.
von Brunstatt auf; es bestand aus der Infanterie und Artillerie,
dem Rest der Kavallerie und den Lebensmittel-Kolonnen. Nördlich
von Mülhausen wurden zwei Parallelst rassen benutzt: die über
Illzach— Rülisheim und die über Kingersheim— Wiltenheim.
Bei Ensisheim wurde ein Lager aufgeschlagen, das sich rechts
an die III, links an den Pulversheimer Wald anlehnte. Manche
Truppen scheinen auch weiter rückwärts in Orlsunterkunft
gelegen zu haben; wenigstens wissen wir, dass das Kavallerie-
Regiment Dauphin in Battenheim lag.
1 Nach anderen Angaben hätte er seine Armee am 1. Januar
in Brunn versammelt und am 2. nach Brunstatt vorgeführt.
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Vormarsch Turennes. 119
Am 4. Januar wurde der Marsch über Reilsheim und
Rufach forlgesetzt. Die gesamte Kavallerie marschierte dabei
unter Heranziehung aller abgezweigten Abteilungen vereinigt,
um auch einem ernsthaften Reiterkampfe gewachsen zu sein.
Aber General Görtzke ging unter Vermeidung eines Zusammen-
stosses mit dem Feinde auf Hattstatt zurück, und auch vom
Obersten Bomsdorff war nicht viel zu befürchten. Der Marsch
dieses Tages führte über die Thür und die Lauch hinweg dem
Fusse der Vogesen zu. Als Graf v. Roye, der die Vorhut be-
fehligte, sich der Lauchbrücke 1 südlich von Rufach näherte,
sah er dort Bomsdorff mit seinen 4 Dragoner-Schwadronen
halten und ging sofort mit 2 Eskadrons leichter Kavallerie und
den Dragonern gegen ihn vor. Da über die grosse Ueberlegenheit
der Franzosen kein Zweifel sein konnte, wich Bomsdorff der
Attacke aus und zog sich in die Stadt Rufach zurück. Wenn dies
in der Hoffnung geschah, den Marschall Turenne dadurch in
seinem Unternehmen aufzuhalten, so erwies sich dies bald als
ein Irrtum. Nur Graf Roye folgte den abziehenden branden-
burgischen Dragonern, wobei ihm einige Wagen mit Lebens-
mitteln, die eben aus Rufach abfahren wollten, zur Beute
wurden. Der Vicomte Turenne Hess an der Brücke halten, um
seine Artillerie abzuwarten ; als sie aber heran war, waren die
Brandenburger schon verschwunden. Der Feldherr Hess nur
ein schwaches Detachement unter dem Brigadier Lancon vor
Rufach Hegen. Alles Uebrige setzte unter Umgehung der Stadt
seinen Marsch nach Pfaffen heim fort. Hier wurde das Biwak
aufgeschlagen ; aber es wurde später Abend, bis die letzten
Bataillone zur Ruhe kamen. Auch hier zeigt sich, wie gross
die Schwierigkeiten gewesen sein müssen, welche Jahreszeit und
Witterung dem Marsche entgegenstellten. Die Kolonnen kamen
stets nur langsam vorwärts und wurden sehr lang.
9. Treffen bei Türkheim.
Der 5. Januar 4675 sollte die Entscheidung des Feldzuges
bringen. Es war ein Sonnabend; die noch nach dem alten Ka-
lender rechnenden Evangelischen schrieben erst den 20. De-
1 Es wäre auch möglich, dass es die Brücke über den Holz-
kanal war.
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9. Treffen bei Türkheim.
zember oder zweiten Weihnachtsfeiertag 1674. Den ganzen
Vormittag hindurch herrschte nebeliges Wetter, wie wenigstens
Dr. Kocholl in einer seiner Schriften angibt. Man wusste aber
im Lager der Verbündeten genau, was bevorstand. Der Kurfürst
v. Brandenburg war, wie wir hörten, noch am Nachmittage
vorher über Egisheirn vorgeritten und hatte vom Hattstatter
Buckel aus die Geschehnisse bei Hufach und Pfaffenheim be-
obachten lassen. Auch hatte Görtzke ihn gut mit Meldungen
versorgt, deren wichtigere der Kurfürst stets an Ghauvet und
Bournonville weitergab. General v. Görtzke blieb auch den
Vormittag des 5. Januar hindurch mit seinen Schwadronen im
Vorgelände. Aber * dabei scheint man sich auch beruhigt zu
haben ; von einer Nahaufklärung direkt vor der deutschen
Stellung hört man nichts, abgesehen etwa von einem kleinen
Erkuridungsritt des Kammerjunkers v. Buch im Auftrage des
Kurfürsten. An Bournonvilles Flügel geschah offenbar garnichts.
In Winzenheim sowie in Wettolsheim kann nicht eine Pa-
trouille gewesen sein ; sonst hätte Turennes Umgehung, von
der wir gleich zu berichten haben werden, unmöglich unbemerkt
vor sich gehen können.
Die französische Armee brach am 5. Januar morgens von
Pfaflenheim auf und zwar in drei Kolonnen mit einer Vorhut.
Diese Marschordnung entspricht völlig dem damaligen Kriegs-
gebrauch. Das Fussvolk und die Reilerei wurden in der Regel
an zwei Marschkolonnen verteilt und waren nicht so wie heute
an die Strassen gebunden; sie benutzten vielfach «r Kolonnen-
wege» durch Weide- oder Brachland. Artillerie und Gepäck
folgten als dritte Kolonne auf einer Strasse. Eine Vorhut schützte
das Ganze; sie war in diesem Falle, wie Deschamps berichtet,
aus 2000 Musketieren und 400 Grenadieren zusammengesetzt.
In den beiden Hauptkolonnen war die Infanterie im Hinblick
auf den bevorstehenden Kampf nach vorne genommen. Wahr-
scheinlich stand die rechte Kolonne unter dem Herzog v. Lorge, die
linke unter Marschall Turennes eigenem Befehl. Ersterer zog
wohl östlich an Hattstatt vorbei, letzterer durch Obermorschweier
auf Egisheirn. Als dieses Dorf in Sicht war, stiess man auf die
lü brandenburgischen Schwadronen, die unter General v. Görtzke
«an dem Kreuzwege zwischen Colmar und Hattstatt» gehalten
hatten und nun schrittweise vor den Franzosen zurückwichen.
Nach Angabe Beaurains standen sie jetzt hinter einem kleinen
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Hinhaltendes Gefecht des Herzogs v. Lorge. 121
Bach — jedenfalls demselben, der von den nördlichsten Häusern
Egisheiras her den Herlisheimer Wiesen und der Lauch zufliesst.
Görtzke nahm den Angriff auch hier nicht an, sondern zog
sich langsam nach Colmar ab.
Der Marschall aber setzte seinen Marsch fort. Es lässt sich
unschwer erkennen, dass der Weg seiner rechten Kolonne
östlich an Egisheim vorbei, der der linken Kolonne durch dieses
Dorf hindurch auf dem Winzenheimer Feldwege geführt haben
muss. Beide Strassen führen in die Nähe der kleinen Feldkirche
nordöstlich von Wettolsheim i, wo die Armee ungefähr um 12
Uhr Mittags versammelt war. Da sie erst 10 Kilometer zurück-
gelegt hatte, so ist auch dies wieder ein Beweis der ausserordent-
lichen Langsamkeit ihrer Bewegungen, die nur durch die Jahres-
zeit und das viele Marschieren querfeldein erklärbar wird. Bei
der Feldkirche nahm Marschall Turenne eine Teilung seiner
Kräfte vor, die auch nach den heutigen taktischen Anschauungen
unbedingt zu billigen ist. Er formierte einen Flügel unter seinem
Neffen dem General-Leutnant Guy Aldonce v. Durfort Herzog
v. Lo rg e -Quentin, zu hinhaltendem Fronlalgefecht, während
er selbst mit dem andern Flügel durch Umfassung des Gegners
von Westen her die Entscheidung herbeizuführen suchte. Es ist
anzunehmen, dass diese Kräfteteilung schon in den beiden
Marschkolonnen vorbereitet war.
Den Geländeverhältnissen entsprechend wurde der weitaus
grösste Teil der Reiterei dem Herzog v. Lorge unterstellt, bei dem
auch Graf Roye und Baron Montclar blieben. Auf diesem Flügel
verstrich der Gefechtstag so gut wie tatenlos. Da die Lüneburger
und Brandenburger sich durch die blosse Anwesenheit dieses
Bruchteils der feindlichen Macht in ihrer Stellung festhalten
liessen, hatte Turennes Neffe keine Veranlassung, gegen die
verstärkte Stellung der Deutschen frontal anzulaufen. In Ram-
says Schlachtplan sind Lorges Truppen freilich parallel zur
feindlichen Stellung und bis zur Rufacher Strasse reichend ein-
gezeichnet. Aber dies ist irrig; eine so bedenkliche Ausdehnung
hat der französische Feldherr seinem Heere nicht gegeben. In
Wirklichkeit hielt Lorge seinen rechten Flügel an den Kies-
1 Dieses uralte, dem heiligen Fridolin geweihte Gotteshaus, eines
der ältesten des Elsass. ist während der französischen Revolution
abgebrochen worden; der Kirchhof steht noch heute.
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9. Treffen bei Türkheim.
gruben fest, wo die Reiterei freies Gelände vor sich hatte. Die
Infanterie marschierte nach links in den Weinbergen derart
auf, dass sie noch Winzenheim besetzte, kus dieser Haupt-
stellung waren — wenn Beaurains Plan richtig ist — einige
Schwadronen 1 etwa einen Kilometer weit gegen die Furten des
Mühlbaches vorgeschoben. Die Stellung des Herzogs v. Lorge hatte
also die Front nach Nordosten und Hess den äussersten linken
Flügel der Verbündeten ganz unberücksichtigt. Wenn hierin
auch unter Umständen eine gewisse Gefahr liegen konnte, so
darf uns das doch nicht abhalten, es anzuerkennen, dass die
Franzosen ihre Kräfte zusammenhielten, während ihre Gegner
sich so übermässig ausgedehnt hatten.
Doch wir wenden uns zu der Umgehungskolonne,
welche Marschall Turenne selbst nach Türkheim in die rechte
Flanke des verbündeten Heeres führte. Sie bestand aus 14 Batail-
lonen, einiger Kavallerie unter St. Aoust und Florensac und meh-
reren Geschützen unter St. Hilaire. An die Spitze des Fussvolks
kam eine aus allen Grenadier-Kompagnien zusammengestellte
Abteilung von 1000 Mann. Demnächst folgte das Regiment Cham-
pagne unter dem Marquis v. Montgaillard. Es galt als ortskundig,
da es vom Dezember 1673 an als erste französische Garnison
mehrere Monate lang in Colmar gestanden hatte. Turenne
hatte durch seine aufklärenden Dragoner bereits in Erfahrung
gebracht, dass die Stadt Türkheim so gut wie unbesetzt sei.
Um gedeckt dorthin zu gelangen, schlug er mit seiner Kolonne
den in den Weinstöcken verborgenen und teilweise einge-
schnittenen Feldweg Wettolsheim — Winzenheim ein. Er ver-
mied aber dieses von Lorges Truppen besetzte Dorf, indem er
500 Meter südlich davon links schwenkte », um etwa 2 >/i Kilo-
meter weit in das Gregoriental hineinzurücken. Er durchquerte
dabei das Bärental und benutzte schmale, holperige, in der
winterlichen Jahreszeit sehr schwierige W T ege zwischen Wein-
stöcken und Hecken, «oüjamais on n'auroit crü. que des troupes
eussent pü marcher en corps». Noch vor St. Gilgen nahm er
die Marschrichtung wieder nach Norden auf die Westecke von
Türkheim. Die kleine in der Stadt postierte österreichische
i Beaurain zeichnet 5 solcher Eskadrons ein; doch sind seine
Angaben wenig zuverlässig.
* Da wo jetzt die Kellereien der Brauerei Eglinsdörffer liegen.
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Turennes Umgehungsmarsch.
123
Feldwache scheint gar nicht aufgepasst zu haben. Auch hatte sie
versäumt, eine der über den Muhlbach und die Focht führenden
Brücken zu besetzen, so dass Turennes Truppen die Sladt ohne
Schwertstreich besetzen konnten.
Dies ist der einfache Hergang des Umgehungsmarsches,
der im Laufe der Jahrhunderte durch die Legenden bildung ins
Phantastische und Abenteuerliche aufgebauscht worden ist. In
keiner zeitgenössischen Quelle, weder in einer französischen
noch einer deutschen, weder in einer handschriftlichen noch
einer gedruckten, findet sich ein Wort davon, dass Turenne
noch weiter ausgeholt und das Gebirge selbst betreten hätte.
«Serrant toujours le pied de la montagne», tä travers les c6-
teaux qui sont au pied des montagnes», «längs der Weinberge
am Fusse des Gebirges», «zwischen dem Gebürge und den
Weinbergen» usw. — in dieser Weise kennzeichnen die Augen-
zeugen ganz übereinstimmend den Marsch des französischen
Feldherren. Auch die meisten Autoren des 18. Jahrhunderts
wie Deschamps ( ) 756), Ramsay (1774), v. Zanthier (I77ü)
wissen noch nichts von einem Zuge durch die Vogesenberge.
Erst Beaurain kommt in seiner Histoire des quatre dernieres
campagnes du marechal de Turenne (1782) plötzlich mit der
ungeheuerlichen Behauptung : der Marschall habe seinen Weg
über die Hohlandsburg (627 m) nach der Pflixburg genommen
und sei durch das Wilspachtal zur Fecht hinabgestiegen, um
von dort aus Türkheim zu gewinnen !
Obgleich diese sonderbare Erzählung eigentlich Jedem, der
diesen Teil der Vogesen kennt, ohne Weiteres unglaubwürdig
und unmöglich erscheinen musste, hat sie sich ihren Weg doch
auch in neuere Geschichtswerke gebahnt, sogar noch in die
in dem denkwürdigen Jahre 1870 erschienenen Bücher des
Colmarer Advokaten Ch. Gerard und des Berliner Professors
H. Peter. Keiner der beiden Autoren wusste, dass die Fabel
von Turennes Hohlandsberg-Marsch schon vor zwölf Jahren von
dem französischen Leutnant Nieger widerlegt war. Sogar heute
noch wird in Colmar von Turennes Zug über die Hohlandsburg
gesprochen. Man hat gemeint, in einem Turennestein auf der
Hohlandsburg und einem oberhalb der Pllixburg gefundenen
alten Kanonenrohr Beweisstücke zu finden, die sich aber auch
anders erklären lassen.
Der Erste, der sich gegen das Beaurainsche Märchen ge-
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1-24
9. Treffen bei Türkheim
wandt hat, war wie gesagt ein französischer Offizier, der Sous-
Lieutenant A. Nieger vom 35. Linien-Regiment. Aher seine
vom 25. August 1858 datierte Arheit ist niemals dem Druck
übergeben worden i und konnte daher nicht wirksam werden.
Nieger erklärte durchaus zutreffend : «Cette marche est com-
pletement impossible. Eul eile meme ete praticable, Turenne,
dont le but etait d'arriver le plus promptement possible ä
Turckheim, n'aurait pas commis la faute de perdre une demi-
journee ä traverser la montagne de Hoh-Landsberg, tandis
qu'il avait ä sa disposition une route bien plus courte et plus
facile». Ebenso klar und ohne die vorstehenden Ausfuhrungen
zu kennen, erkannte Divisionspfarrer Rocholl in seinem 1877
erschienenen Buche «der Grosse Kurfürst von Brandenburg im
Elsass» den Widersinn der Beaurainschen Erzählung. Aber
weder Nieger noch Rocholl haben die Weinbergswege am
Fusse des Gebirges als Turennes Marschroute erkannt. Viel-
mehr sind beide auf den Gebirgspfad verfallen, der von Wettols-
heim in die Vogesen führt, um beim Forsthause St. Gertrud
in scharfem Winkel zum Roten Berge umzubiegen und durch
das Bärental nach Winzenheim hinabzusteigen.
Das Verdienst, auch diese Lesart noch als zu künstlich
erkannt und durch den jetzt als feststehend zu betrachtenden
Marsch am Fusse des Gebirges ersetzt zu haben, gebührt einem
preussischen Offizier. Im Jahre 1894 liess Leutnant Braubach,
der damalige Adjutant des Bezirkskommandos in Colmar, eine
kleine Broschüre von wenigen Seiten drucken, die sich über
diese Frage in mustergültig klarer Weise wie folgt ausspricht:
«L)a Turenne unzweifelhaft ein glänzender Stratege und hervor-
ragender Taktiker gewesen ist, so wird er wohl wie sonst
überall auch bei Türkheim mit den denkbar einfachsten
Mitteln und unter möglichster Schonung der Truppen seinen
Erfolg errungen haben. Diesem Gedanken würde ein Marsch
über den Roten Berg in keiner Weise entsprechen, da er einer-
seits unnötig erscheint und andrerseits zur Winterszeit gewaltige
Anstrengungen an Menschen und Pferde stellt». Braubach
erörtert dann die Schwierigkeiten des Weges über St. Gertrud,
1 Erst 1885 ist Niegers «Travail historique sur la bataille de
Turckheim» als Gescheuk des Notars F. Martin an die Colmarer
Stadtbibliothek gelangt.
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Widerlegang des Hohlandsberg-Märchens. 125
der auf lange Strecken für unsere heutigen Feldgeschütze sogar
im Sommer unpassierbar ist, also für die schweren Kanonen
Ludwigs XIV mit ihrer abgetriebenen Bespannung im strengen
Winter gar nicht in Frage kommen konnte. Nach näherer
Berechnung der Länge der Marschkolonne und der Zeitdauer
eines solchen Gebirgsmarsches kommt die kleine Schrift zu dem
Schlüsse : tDies alles ist bei einem Marsche am Fusse der Berge
nicht erforderlich. Hier war auch die Möglichkeit geboten, die
Truppen nach vorn zu verwenden, wenn es nötig erschien, —
während sie für die Zeil, während der sie in den Hohlwegen
des Roten Berges gesteckt hätten, nach keiner Seite hin zu
einer eventuellen Unterstützung herangezogen werden konnten.»
Diese Erwägungen sind für den militärischen Beurteiler so
überzeugend, dass sie nur durch vollwichtige Beweise des
Gegenteils entkräftet werden könnten. Solche liegen aber nicht
vor ; vielmehr hat die Durchforschung der Archive die Brau-
bachsche Anschauung in fast überraschendem Masse bestätigt,
indem sich nirgends die geringste Andeutung eines Gebirgs-
marsches der Franzosen findet, während eine so ungewöhnliche
Leistung mitten im Winter doch irgendwo hervorgehoben worden
wäre. Die Frage des Weges der Turennischen Umgehungs-
kolonne von Wettolsheim nach Türkheim darf somit als end-
gültig gelöst gelten.
In einem Punkte aber scheint selbst ein so klarer und
nüchterner Beobachter wie Leutnant Braubach noch geirrt zu
haben. Er schliesst sich nämlich der Auffassung des Konsistorial-
rats Rocholl an, welche den Fechtübergang der Franzosen
nach den östlich von Zimmerbach gelegenen sogenannten Elf-
tägen- Wiesen verlegt. Einen zwingenden Grund für ein so
weites Ausholen konnte die in Türkheim befindliche Feldwache
von 30 Mann unmöglich bilden. War der Umweg, aber nicht
nötig, so war er auch ein Fehler, indem er den rechten Flügel
des Heeres zeitweilig isolierte. Die zeitgenössischen Quellen er-
wähnen weder ein solches Herumgreifen bis 2 Kilometer süd-
westlich von Türkheim, noch eine Durchwatung der Fecht, die
allerdings nach Rocholls Ermittelungen am günstigsten auf den
nicht-sumpfigen Elftäg-Matten hätte bewirkt werden können«.
i Cezen nennt die Fecht einen ziemlich ansehnlichen Fluss, «qui
ne se passe pas partout aisement».
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12G 9. Treffen bei Türkheim.
Die Herstellung von Brückenstegen <rä une demie lieue au des-
sous de Dürkheim vis-a-vis d'un endroit, oü le Vallon s'elargit*,
von der )a Fare berichtet, geschah erst nachträglich, als die
zum ersten Eindringen benutzte Brücke, «oü Ton ne passoit
tout au plus que quatre de front», sich als unzureichend er-
wiesen hatte. Diese Brückenstege scheinen ausserdem, wenn
der Ausdruck «au dessous» kein irrtümlicher ist, östlich von
Türkheim angelegt worden zu sein». In der zuverlässigsten
aller Quellen, in Turennes Gefechtsbericht vom 7. Januar an
Louvois, finden wir die bestimmte Angabe: «il vit un pont
abandonne et qu'il n'y avoit personne ä la porte de Turckheim».
Eine Brücke aber gab es bei den Elftägen im Jahre 1675 ebenso-
wenig wie heute. Es ist also unzweifelhaft die Oberbrücke
von Türkheim, eine dicht beim westlichen Tore der Stadt
gelegene 3 m breite und 32 m lange Holzbrücke gewesen, auf
der die Franzosen zuerst in Türkheim eindrangen.
Durch diese Erkenntnis &c'hwindet freilich der letzte Rest
des romantischen Schimmers, der die Turennische Umgehung
seit mehr denn 100 Jahren umgab. Aber dafür bietet sich uns
das Bild einer nach gesunden taktischen Grundsätzen einfach
und geschickt gehandhabten Truppenführung, bei welcher die
gegenseitige Unterstützung und einheitliche Verwendung der
beiden Heereshälften stets gewährleistet, und der linke Flügel
während seines Flankenmarsches stets durch Lorges Truppen -
abteilung gedeckt war. Dem Ruhme des französischen Feldherrn
entspricht der wahre Hergang, wie er sich uns jetzt enthüllt
hat, besser als das sinnlos gefährliche Experiment, das ihm von
Beaurain und seinen Nachbetern angedichtet worden ist. Fragen
wir uns nun, wie eine so völlig haltlose Fabel entstehen konnte,
so ist ihre ursprüngliche Quelle unschwer zu erkennen. Man
hat eine Erzählung des Marquis h Fare 2 über den Umgehungs-
marsch missverstandeo. Zwar sagt auch dieser Augenzeuge nur,
der Marschall habe sich mit einer Kolonne so formiert, «comme
s'il eüt voulu gpmper ra Montagne». Statt aber hieraus den
Schluss zu ziehen, dass er eine solche Bergkletterung nicht
i Auch Vecchia erzählt von den Franzosei»; «Sie bemächtigten
sich der Wege, welche den Uebergang ihrer Armee zwischen uns
und Türkheim und den Bergen sicherten».
* Memoires et reflexions sur les principaux evenemens du regne
de Louis XIV par Mr. L. M. d. 1. F. (Rotterdam 1716).
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Turcnncs Gespräch mit la Fare. 127
wirklich ausführte, sondern nur den Anschein davon erweckte,
hat man sich la Fares weitere Erzählungen über das Befremden
der französischen Offiziere wegen des Linksabmarsches, sowie
seine Schilderung der Schwierigkeiten des Weges nur durch
die Annahme eines wirklichen Gebirgsmarsches erklären können.
«Niemand verstand des Marschalls Absicht», erzählt la Fare,
ordenn er schien seine Flanke dem Gegner blosszustellen, der
den Bach durchfurten und über ihn herfallen konnte, bevor er
aufmarschiert war.» Während des Marsches hinter Winzenheim
hinweg und am Bärental vorüber erscheinen solche Erwägungen
der Offiziere ganz erklärlich. La Fare, der beim Feldherrn in
Gunst stand, ritt zu ihm vor und gab den Besorgnissen der
Offiziere Ausdruck, worauf Turenne ihn in gütigen Worten
darüber aufklärte : dass vom Feinde nichts zu befürchten sei,
dass er vielmehr in dessen Flanke zu gelangen gedenke. In
diesem Gespräche nun gebraucht la Fare sehr starke Ausdrücke
über die Schwierigkeit der gewählten Wege. Wenn er z. B.
sagt, «que nous allons donner du nez dans celte Montagne et
sommes tous les uns sur les auties dans cette vallee», so liegt
es allerdings nahe, diese Worte auf einen wirklichen Gebirgs-
pfadzu beziehen. In ihnen müssen wir den eigentlichen Ursprung
der Hohlandsberg-Mythe suchen. Aber es erscheint gleichwohl
nicht zulässig, den allgemein gehaltenen und vielleicht über-
treibenden Worten des lebhaften Südfranzosen» eine ausschlag-
gebende Bedeutung gegenüber allen sonstigen Berichten bei-
zumessen. Wahrscheinlich wollte la Fare mit den Worten «les
uns sur les autres» nur ausdrücken, dass dicht aufgeschlossen
marschiert wurde und dass man in diesem durchschnittenen Ge-
lände nicht manövrier- und gefechtsfähig war; mehr braucht
in den Worten nicht gesucht zu werden.
Die Auskunft, die der Vicomte v. Turenne seinem Günst-
ling über den Sinn seines Marsches ins Münstertal gab, ist so
interessant und so wichtig für die Auffassung des Feldherrn,
dass wir sie in wörtlicher Uebersetzung folgen lassen. «Ich
bin sicher», sagte er, «dass die feindliche Armee, die den
Türkheimer Bach vor sich und Colmar mit ihren Lebensmitteln
und ihrer Munition links von sich hat, nicht aus ihrer guten
1 La Fare stammte aus Languedoc, also aus der nächsten Nach-
barschaft der Gascogne.
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9. Treffen bei Türkheim.
Stellung vorbrechen wird, um über mich herzufallen. Sie wird
ausserdem Colmar mit seinen Magazinen nicht verlassen, aus
Furcht ich könne mich von dieser Seite darauf stürzen. Auch
weiss ich, dass die feindliche Armee nicht stark genug ist, um
Türkheim anders als mit einem Detachement zu besetzen. Indem
ich mich dieses Punktes bemächtige, was ich eben bemüht bin
zu tun, verschaffe ich mir einen Weg in ihre Flanke, was sie
veranlassen wird, ihre Armee zurückzunehmen und in einem
öelände mit mir zu fechten, das dem Einen wie dem Andern
gleich günstig ist.» Man wird diese Worte nicht ohne die auf-
richtigste Bewunderung für den Scharfblick des genialen Mannes
lesen, der sich in so überlegener Weise zum Herrn der Lage
zu machen wusste, der seinen Gegnern bis ins innerste Herz
blickte und ihre kleinmütigen EntSchliessungen mit voller Sicher-
heit vorhersagte.
Türk heim, trotz seiner Kleinheit eine uralte und reichs-
unmittelbare, zur Hagenauer Landvogtei gehörige befestigte Stadl»,
deren Mauerlücken man mit Pallisaden gesperrt hatte, fiel gegen
1 Uhr Mittags ohne Kampf in die Hände der Franzosen, «par
un tres-grand bonheur» wie Turenne selbst sagt. Der Fähnrich
des Regiments Kaiserstein, der darin stand, konnte sich mit
seinen 30 Mann auf eine ernstliche Verteidigung gegenüber dem
anrückenden Dragoner-Regiment Tilladet nicht einlassen. Aber
er scheint auch die gebotene Aufmerksamkeit gröblich vernach-
lässigt und seine Absperrungsmassregeln auf die Schliessung
des Obertores beschränkt zu haben. Die Feldwache, die wir
uns wohl an der steinernen Unterbrücke (Strasse nach Winzen-
heim) denken dürfen, zog sich bei Annäherung des Feindes
schleunigst aus Türkheim ab, tallermassen er in Befelch hatte»
wie Bournonville entschuldigend bemerkt. Auch ein Wein
holendes Beitreibungs-Kommando, das kein Geringerer als der
Oberquartiermeister Seeliger mit dem General-Stabsfourier be-
gleitete, entkam mit genauer Not. Auch die gut deutsch ge-
sinnten Einwohner des Städtchens flüchteten Hals über Kopf,
angeblich grösstenteils durch Löcher der hinfälligen Nordmauer,
was ihnen in der Umgegend den Spottnamen «Lochschlupfer*
eintrug. Nur der Pfarrer des Ortes hielt tapfer auf seinem
1 Türkheims Umwallung . wurde im Jahre 1681 niedergelegt ;
einige Türme und Mauerreste haben sich bis zur Gegenwart erhalten.
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Die. Franzosen in Türkheim.
Posten aus. Graf Tilladet war es, der mit seinen 200 Mann
über die Oberbrücke in die Westspitze Türkheims eindrang,
nachdem das verschlossene Obertor den Axthieben seiner Dra-
goner nachgegeben hatte. Bald folgten einige hundert Gre-
nadiere nach. Schnell war das Slädtchen bis zum Ostrande
besetzt, woselbst einige versprengte Kaiserliche gefangen ge-
nommen wurden. Das offene Untertor wurde verschlossen, das
Oeltor dagegen besetzt.
Bald traf auch Marschall Turenne selbst in Türkheim ein,
wohin ihn sein bewegtes Kriegerleben schon vor mehr als drei
Jahrzehnten einmal geführt hatte «. Er sorgte zunächst dafür, dass
auch die steinerne Unterbrücke besetzt wurde. Um eine Art
Brückenkopf zu haben, warf er eine kleine, angeblich 140
Mann starke Besatzung vom Regiment Tilladet in den südlich /
des Mühlbaches gelegenen Kirchhof der St. Symphorions-Kapelle.
Auch die gleich daneben gelegene Mühle, in der die Kaiser-
lichen noch einiges Mehl lagern hatten, wurde von den Dra-
gonern besetzt. Die früher erwähnte Elite-Abteilung seiner
Grenadiere setzte sich in Türkheim selbst fest. Mit dem Fuss-
regiment Champagne verliess der Marschall die Stadt an ihrer
Nordostspitze und postierte dieses Regiment in den Weingärten
östlich der Stadt zu Füssen des Brand*. Auf diese Weise
fasste er festen Fuss in Türkheim, wo nun in längeren Zwischen-
räumen ein Regiment nach dem andern eintraf. Die Generale
Foucault, Moussy und Genlis unterstützten den Feldherrn in
der Dirigierung dieser frischen Kräfte. Brigadier Genlis führte
das Regiment , la Marine, dem nach einiger Zeit das Regiment
Bandeville folgte, ebenfalls in die Weingärten vor Türkheim.
Auch etwas leichle Kavallerie scheint verhältnismässig früh an-
gelangt zu sein ; wenigstens wird der Reiterführer St. Aoust
als anwesend namhaft gemacht. Es war auch Zeit, dass Tu-
rennes schwache Streitkräfte in Türkheim sich verstärkten ;
denn ein Auslugeposten, der auf einen Baum kletterte^ meldete
bald : dass die Deutschen sich näherten, um sich des verlorenen
Postens wieder zu bemächtigen.
1 Turenne hatte am 8. Juni 1644 sein Hauptquartier in Türk-
heim genommen, als er im Begriff war, von Breisach aus das Ober-
elsass zu besetzen.
2 So heisst der Südhang des Steinglitz, bedeckt mit Rebstöcken,
die den bekannten Türkheimer Brand liefern.
9
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130
0. Treffen bei Türkheini.
Es hatle einer Häufung militärischer Fehler auf dem
rechten Flügel der Verbündeten bedurft, damit der Schlüssel
ihrer Stellung ihnen ohne Schwertstreich verloren gehen konnte.
Dass Türkheim nicht von vornherein in die Verteidigungslinie
einbezogen wurde, lässt sich rechtfertigen; denn sie war ohne-
hin zu weit ausgedehnt und wäre dadurch noch mindestens um
2000 Meter breiter geworden. Als sich aber Turennes Absicht
der Umfassung des rechten Flügels aussprach, musste die Be-
setzung Türkheims unbedingt erfolgen. An Zeit dazu hätte es
nicht gefehlt ; aber die ganze Umgehungsbewegung des Feindes
blieb durch strafwürdige Nachlässigkeit aller zur Aufklärung
berufenen Organe völlig unbemerkt. Gewarnt war die kaiser-
liche Generalität ; denn Dünnewald hatte es am Vorabend des
Gefechts dem Markgrafen Hermann vorhergesagt, die Stellung
werde von den Weinbergen her in der Flanke gefasst werden.
Auch Werlmüller versichert, gemahnt zu haben, man möge
Turenne nicht die von Remiremont kommende Strasse im
Münslertale freigeben. Kurfürst Friedrich Wilhelm, der durch
Görtzke auf dem Laufenden erhalten wurde, hatte Mittags die
üblichen drei Alarmschüsse abgeben lassen. Vom Lager aus
hörte man die französischen Trompeten blasen, ihre Trommeln und
Zimbeln schlagen. Zeitweise konnte man den Marsch der Feinde
am Fuss des Gebirges sogar mit eigenen Augen beobachten, da
die Deckung nicht überall ausreichte. Trotzdem ging es wieder
wie vor einer Woche bei Mülhausen : die Kaiserlichen wurden
abermals in ihrer Flanke überraschend angegriffen !
Es war der rührige General- Wachtmeister Schultz, der die
Meldung vom Eindringen des Gegners in Türkheim und von
der Besetzung des Kirchhofes zurückbrachte. Er hatte mit dem
General Wertmüller Turennes bedrohliche Bewegung beobachtet
und schickte Meldung an den Markgrafen v. Baden mit der Bitte,
Unterstützung vom linken Flügel zu erwirken. Der Markgrat
entsandte den Oberst Vecchia zum Zelle des Kurlürsten. Sofort
gab dieser «voll Eifer und Tapferkeit» seinem Pferde die Sporen,
sprengte herbei und befahl dem Markgrafen, mit seinem Fuss-
volke den Feind zurückzuwerfen. Der österreichische Gefechts-
bericht sagt freilich: «dahero der Duc de Bournonville den
rechten Flügel etwass mehr gegen Türckheim ausbreiten müessen».
Tatsächlich aber kam das Gefecht erst in Fluss, als der Kur-
fürst von Brandenburg mit seinem Stabe auf dem rechten
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Kampf um den Symphorions-Kirchhof.
131
Flügel eingetroffen war. Er zeigte sich sehr ungehalten, als
er wahrnahm, wie leichtsinnig der Fecht Übergang von Türkheim
dem Feinde preisgegeben worden war.
Ungesäumt veranlasste der Oberbefehlshaber Unternehm-
ungen zur Wiedergewinnung der vordersten Stellungen des
Feindes : der Mühle und des Kirchhofes. Zuerst gingen
Dragoner- Abteilungen dagegen vor, die «etwass mehr zur rechten
Handt einen Pass verwahret», also wahrscheinlich am Katzen-
thaler Wege gestanden halten. Es waren Kaiserliche vom
Reiffenbergischen Regiment, Kroaten, Lothringer und Münster-
länder. Sie griffen die Mühle an und warfen die Franzosen
glücklich aus dem vordersten Gebäude hinaus, konnten aber
weitere Fortschritte nicht machen. Namentlich trotzte der
Kirchhof ihren Bemühungen. Zu einem Angriff auf diesen er-
bot sich aber der von einer Rekognoszierung über das Fliess
zurückkehrende General- Wachtmeister Schultz. Sofort stellte
Friedrich Wilhelm ihm das vom linken Flügel herangezogene,
0 Kompagnien starke hinterpommersche Dragoner- Regiment v.
Derfflinger unter Oberstleutnant v. d. Marwitz, sowie 2 Kom-
pagnien cellischer Dragoner des Majors v. Franke zur Verfügung.
Offenbar hielt man damals Dragoner für hervorragend geeignet
zu Ortsgefechten.
Schultz Hess von jeder Kompagnie 8 Freiwillige vortreten
und absitzen, stellte den Kapitän v. Arnim an die Spitze dieser
Abteilung und schritt zum Angriff. Da der Symphorions-Kirchhof
südlich des Logelbaches liegt, so muss — obwohl es nirgends
erwähnt ist — eine Durchschreituug dieses Wassers, das
höchstens einen Meter Tiefe hat, dem Angriff vorhergegangen
sein. Die Franzosen lagen hinter einer fast einen halben Meter
dicken Umfassungsmauer und hatten in der Mitte des 56 bezw.
40 Meter grossen Kirchhofsviereckes die St. Symphorions-Kapelle
:ds eine Art Reduit zu ihrer Verfügung. Gleichwohl glückte
es der Tapferkeit der angreifenden Dragoner, den Kirchhof mit
«lern Degen in der Faust zu erobern. Die daneben gelegene
Mühle wurde, nachdem sie von den Franzosen geräumt war,
in Brand gesteckt. So war hier ein erfreulicher, aber keines-
wegs ausschlaggebender Teilerfolg errungen. Von den Derfl-
lingerschen Dragonern waren 10—12 Mann tot, Major v. Ucker-
mann mit etwa 20 Mann «gequetscht», wie der damalige
Sprachgebrauch die Verwundeten nannte. Generalmajor Schultz,
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132 0. Treffen bei Turkheim.
den der Kurfürst nach der Haltung seiner Dragoner fragte,
antwortele höflich : mit diesen Leuten wolle er nicht nur die
Franzosen, sondern sogar den Teufel in der Hölle angreifen.
Nachdem der Kampf an dieser Stelle entbrannt war, dehnte
er sich schnell auf die meisten deutschen Regimenter des
rechten Flügels und auf die nacheinander in Türkheim ein-
treffenden französischen Streitkräfte aus. Der weitere Verlauf
des Treffens aber bietet der Forschung grossere Schwierigkeiten
als der vielumstrittene Umgehungsmarsch Turennes. Wohl
kennen wir alle Truppenteile, die mit einander um den Sieg
rangen; aber wo dies geschah, ist aus den Berichten nicht mit
voller Klarheit zu ersehen. Sicher ist, dass die französischen
Bataillone durch Weingärten vordrangen und dass sie durch
einen Wasserlauf von ihren Gegnern getrennt waren. Diese
Kennzeichen passen ebenso gut auf ein Vordringen vom Oeltore
aus durch den Brand gegen die Fecht, wie auf ein Vorgehen
über den Symphorions- Kirchhot und durch die Heilgass-Reben 1
gegen den Mühl- oder Logelbach.
Leutnant Nieger hat mit Nachdruck die Ansicht verfochten:
nicht die Fecht, sondern nur der Mühlbach habe die Gegner
von einander getrennt. Er beruft sich namentlich auf Turennes
Bericht vom 7. Januar, wo es heist : aL'infanterie du Roy estoit
dans les vignes et Celles de l'Ennemy dans un pr£ de l'autre
coste d'une petite riviere, qui n'a que quatre pas de large».
Es ist zuzugeben, dass diese Worte besser auf den Logelbach
als auf die Fecht passen, da dieser Fluss allerdings breiter ist.
Dennoch dürfte der geistvolle französische Offizier in diesem
Punkte irren. General Wertmüller beschreibt das Flüsschen
schon anders, wenn er sagt : «e largo circa 8 — 10 passi piu e
meno profonda di 1 1/2 piede». Die deutsche Stellung lag zudem
auf der Nordseite des Mühlbaches; der Angriff darauf mussle
also von Süden her d. h. frontal erfolgt sein. Wozu aber dann
die ganze Umgehung? ! Ausserdem passen andere Angaben des
Turennischen Berichtes ganz und gar nicht auf den Mühlbach,
beispielsweise die, dass Foucautt von bergiger Höhe in einen
schmalen Wiesenstreifen am Fluss hinabgestiegen sei. Wir
1 Der patriotische Elsässer von 1777 versichert, die Bewohner
Türkheims wüssten noch viel von der Schlacht im Dürren-Loglcn,
im Benzen und der Hägeigasse zu erzählen.
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Fecht oder Mühlbach ? 133
werden gut tun, an der Auffassung aller früheren Forscher über
diesen Punkt festzuhalten K
Dass auch um den Bach gestritten worden ist, steht aller-
dings ausser Zweifel. Cezens Schlachlbericht spricht vorwiegend
von diesem «canab. Könnten nicht beide Wasserläufe der
Schauplatz der Kämpfe des 5. Januar gewesen sein? Könnte
Turenne nicht versucht haben, sowohl im Norden wie im Süden
Boden zu gewinnen? Militärisch richtig wäre ein solches Ver-
fahren unbedingt gewesen. Nur so waren die Früchte der so
kühn angelegten Umgehung zu ernten. Einem Taktiker vom
RangeTurennes müssen wir zutrauen, dass er den Besitz von Türk-
kheim zu einem Versuch gegen Flanke und Rücken des Feindes
ausgenutzt hat. Auch stimmt damit die Angabe Deschamps :
die Truppen der Brigade Champagne seien in den Rebgärten
rechts und links der Stadt aufgestellt worden. Aus diesen
Gründen ist in dem diesem Buche beigegebenen Schlachtplan der
Angriff der Franzosen als von der Symphorions-Kapelle bis zu
den Hängen des Brandes und des Lutzenbergs sich erstreckend
und die Flanke der Deutschen umklammernd dargestellt worden.
Sicher ist, dass Marschall Turenne zuerst den Marquis v.
Genlis-Belhaucourt, Chef des Kron-Regiments (la Couronne), mit
300 Musketieren in die Weinberge sandte, um festzustellen wie es
seitwärts der Stadt aussähe («afin de voir le flanc de la ville«).
Daraus dürfte vielleicht geschlossen werden können, dass diese
Postierung, die bald durch das ganze Marine-Regiment verstärkt
wurde, sich im Brande nördlich der Fecht befunden hat. Das
Regiment der Marine unter dem Grafen de la Motte blieb längere
Zeit ohne Unterstützung und hatte die deutschen Gegenstösse zu-
nächst allein auszuhalten. Es zeigte grosse Festigkeit und erlitt
nicht unbedeutende Verluste (17 Offiziere 1 47 Mann). Der alte
Herr v. Goes, der zu Pferde mit dem Kurfürsten hinausgeeilt war,
bemerkte die Vorschiebung feindlicher Truppen in den Wein-
bergen östlich von Türkheim und machte den Herzog v. Bour-
nonville darauf aufmerksam. Markgraf Hermann v. Baden
hatte sich schon vorher nach rechts ziehen wollen, als es noch
1 Auch Peter, Görard und Rocholl fassen die Gefechtsberichte
in unserm Sinne auf. Die Verwirrung in den Berichten ist sehr
gross; Vecchia und Buch sprechen sogar von der III ; andere wieder
verlegen die Symphorions-Kapelle an die Fecht.
-
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181
e. Treffen bei Türkheim.
möglich war, dem Feinde zuvorzukommen. Damals halle
Bournonville es verholen ; «ich weiss nicht aus was für mili-
tärischen Rücksichten», sagt Vecchia, der uns diese Talsache
erzählt. Nun endlich sandte der Führer der Kaiserlichen dem
Feldmarschall-Leutnant Werlmüller den Befehl, zwei Bataillone
dorthin vorgehen zu lassen.
Daraufhin ging Baron v. Beck, der das am rechten Flügel
hefindliche Kaisersteinische 1. Bataillon befehligte 1 , «längs
den Bach» gegen den Feind vor, gefolgt vom Oberst v. Wedel
mit seinem Münslerischen Regiment. Der Herzog v. Bournonville
und Markgraf Herman v. Baden leiteten persönlich das Vorgehen
der Bataillone Beck und Wedel. Der österreichische Bericht rühmt
von beiden Truppenteilen, sie hätten Wunder getan ; auch waren
ihre Verluste beträchtlich. Oberstleutnant v. Beck selbst wurde
«durch und durch» geschossen, kam aber mit den Leben davon.
Im Lobe des Regiments v. Wedel sind alle Berichte einig. Ein
munsterischer Priester ging beständig zwischen den Truppen und
den Munitionskarren hin und her, um den Soldaten Kugeln und
Pulver zuzutragen. 13 Offiziere dieses Regiments waren ver-
wundet, unter ihnen 2 Hauptleute; ferner der Oberstwacht-
meisler, dem der Arm zerschmettert wurde, und Oberst v.
Wedel selbst, den eine Kugel in die Achsel traf. Indessen
werden diese Verluste der Kaisersteinschen und Wedeischen
zum Teil erst später eingetreten sein ; denn sie blieben auch
weiterhin in vorderer Linie, als sie unterstützt wurden.
Sowohl Turenne wie Bournonville und der Kurfürst waren
bemüht, rasch weitere Truppen ins Gefecht zu werfen. Der
französische Feldherr sorgte zunächst dafür, den Symphorions-
Kirchhof und die dortige Mühle wieder in seine Gewalt zu
bringen, was frischen Kräften unter Führung des Marquis v.
Genlis auch gelang. Neben den Regimentern Champagne und
Marine wird zunächst das Regiment Bandeville erwähnt*. Es
wurde fast gleichzeitig mit la Marine vorgesandt. Da Graf lu
Motte aber nachweislich lange ohne direkte Unterstützung
1 Das 2. Bataillon und der ftegiinents-Inhaber waren im Lüttich-
schen beim Grafen Sporck.
a Des Regiments Champagne, das andere Quellen in die erste
Stelle rücken, und dessen Grenadiere (laut Susane. an der Türkheimer
Brücke fochten, wird merkwürdigerweise weder in Cezens Bericht
noch in der Verlustliste Erwähnung getan.
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Infanterickämpfe in den Bentzen-Matten.
blieb, so muss der Ritter v. Bandeville wohl an einer andern
Stelle vorgegangen sein. Vielleicht war er es, der über die
Unterbrücke vorging und den Kirchhof zurückeroberte ». Die
aus diesem und der Mühle verdrängten Dragoner der Ver-
bündelen gingen nördlich des Mühlbaches zurück ; denn dort
begegneten ihnen Beck und Wedel bei ihrem Vorgehen. Dass
es nicht nur «in der Cappel und in der Mühle beym Symphorion»,
sondern auch in den benachbarten Matten und Reben bis zum
Einbruch der Dunkelheit sehr heftig zugegangen ist, vermerkte
auch der Pfarrer von Türkheim in seinem Ehebuche.
Bei den Kaiserlichen hatle inzwischen Graf Sereni, ein
älterer Oberst, der bereits Generalsdienste tat, auf Wertmüllers
Befehl die Regimenter Sereni und Strein zur Unterstützung von
Beck und Wedel vorgeführt. Den Anlass dazu gab eine Salve
der in den Reben auf der andern Seite des Flüsschens vorge-
drungenen Franzosen auf die Dragoner der Verbündelen, die
mit der Front gegen Türkheim im Gefecht lagen. Dabei waren
zwei vom Gefolge des Markgrafen Hermann verwundet worden
und sein 20jähriger Nefle Ludwig Wilhelm — der nachmals
berühmte Türkenbezwinger — auf den Kürass getroffen. Der
Markgraf setzte nunmehr das Regiment Strein links von Wedel,
das Regiment Sereni links von Kaiserstein ein. Tapferkeit und
aCuraggio» werden auch diesen Truppen nachgerühmt. Oberst
Sereni selbst wurde nebst vielen seiner Offiziere verwundet,
Major Moriggi vom Streinischen Regiment durch die Hand ge-
schossen. Die Mehrzahl des kaiserlichen Fussvolkes war nun-
mehr in den Kampf eingetreten. Der Regimenter Reuss und
Vehlen wird aber nirgends Erwähnung getan*; ebenso scheinen die
münsterschen Fussregimenter Limburg-Stirum, Mias und Erden
nicht am Kampfe beteiligt gewesen zu sein.
General Wertmüller, der die Infanterie des rechten Flügels
befehligte, hatte den berechtigten Wunsch nach weiterer Ver-
stärkung, damit er sich in den Weinbergen halten könne. Er
brachte diesen Wunsch durch Vermittelung des Kammerjunkers
1 Cezen bringt dies jedoch mit dem noch zu erwähnenden Vor-
stoss der Garde in Zusammenhang. Die Quellen widersprechen sich
eben an allen Orten.
2 Wenn Bournonville in seinem Bericht an den Kaiser auch die
Kniggischcn nennt, so ist dies offenbar eine Verwechslung, vielleicht
mit Strein; denn das Regiment Knigge lag in Dachstein.
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136
9. Treffen bei Türkheim.
v. Buch, und Markgraf Hermann das gleiche Begehren durch
den Mund des Oberst Vecchia beim Kurfürsten von Branden-
burg zur Sprache. Dieser sandte, da seine eijrenen Truppen
zu weit entfernt waren, ganz sachgemäss dem Herzoge v. Celle
das Ersuchen : «man möchte die Lüneburger rechtsumb mar-
chiren lassen», worauf die Kurbrandenburger folgen würden.
Aber auch hier zeigte sich, wie schwach es um das Ober-
kommando des Kurfürsten bestellt war. Georg Wilhelm, sonst
ein williger und eifriger General, weigerte sich zu gehorchen :
er könne seine Leute nicht trennen ; aber wenn die Kaiserlichen
zur Rechten den «Gegenmarsch:» machen wollten, so würde er
sich an sie halten. Zu einem solchen Offensivstosse war jedoch
Bournonville nicht zu bewegen.
Als äusserst nützlich bewährte sich in diesem Treffen die
Artillerie. Gleich zu Anfang des Gefechts hatte der General-
Feldzeugmeister Hermann v. Baden 3 Geschütze nach einer
Höhe (?) gesandt. Sie wurden später durch noch 3 Geschütze
verstärkt, die teilweise der Münsterischen Artillerie angehörten.
Die Kanonen wurden durch den Hauptmann Koch und einige
bischöfliche Artillerie-Offiziere vorteilhaft aufgestellt und geschickt
verwertet. Turennes Artillerie war noch nicht heran, konnte
auch in den Weinbergen nicht auffahren; die deutschen Ge-
schütze hatten also leichtes Spiel. Die Berichte beider Parteien
erzählen übereinstimmend, dass die auf nahe Entfernung ein-
schlagenden Kartätschschüsse furchtbar unter den Franzosen
aufräumten. Dabei wird aber behauptet, die im Kartätschhagel
splitternden Weinstöcke hätten mehr Leute der Franzosen ver-
wundet als die Kugeln selbst.
Inzwischen verstärkte sich die französische Streitmacht in
Türkheim mehr und mehr. Der Brigadier Marquis v. Moussy
war beauftragt, die neu anlangenden Truppenteile an der über-
brücke in Empfang zu nehmen und vorzusenden. Die Regimenter
Orleans und les Vaisseaux, sowie die englischen Bataillone Mon-
mouth und Hamilton (vielleicht auch Churchill und Roscommons)
traten sofort ins Gefecht. Das Regiment Orleans wurde neben
dein Regiment Marine eingesetzt und brachte diesem hart be-
drängten Truppenteile eine sehr willkommene Unterstützung.
Doch litt es auch selbst namhaft; seine Führer Oberst Marquis
v. Aubijoux und Oberstleutnant Beilay wurden verwundet;
ersterem wurden beide Hände durchschossen. Das Schiffs-
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Artilleriewirkung. — Eingreifen weiterer Regimenter. 137
Regiment (des Vaisseaux) unter Oberstleutnant l'Aubarede kam
zum äussersten linken Flügel der Schlachtordnung. Hier hatte
inzwischen General-Leutnant v. Foucault das Kommando über-
nommen. Er schob seine neuen Bataillone, wie es scheint, über
die nach Niedermorsch weier führende Strasse hinweg in die
Hänge des Letzenberges hinein. Wo der Herzog v. Monmouth
mit seinen Engländern verwendet worden ist, wissen wir nicht.
Er hatte geringe Verluste; doch befand sich unter seinen Ver-
wundeten ein Stabsoffizier, der Major Stanier.
In der Mitte zwischen den beiden Wasserläufen schickte
Turenne seine Garde-Bataillone vor. Sie hatten längere Zeit
hindurch mit etwas leichter Reiterei unter St. Aoust «ä la t£te
de l'avenue principale de Turckheim», al*o wohl südlich der
Kirche gehalten. Nun Hess Graf Bocquemar aufmarschieren und
stiess mit schlagenden Tambours «droit au canal ä la gauche
de son cours» vor, also offenbar in den Bentzen-Matten nördlich
des Logelbaches. Dazu passt auch die Angabe, dass das wohl-
gezielte Feuer der Garden die deutsche Infanterie flankiert habe.
Da wir die Verbündeten in dem schmalen Wiesenstreifen teils
mit der Front nach Norden, teils nach Süden wissen, so konnte
eine solche Flankierung in der Tat sehr leicht eintreten. Der
Vorstoss der Garden erfolgte ziemlich spät; das 2. Bataillon
unter Figueras kam erst nach dem 1. Bataillon in Aktion. Ver-
luste haben beide Bataillone nicht angemeldet.
Auch auf deutscher Seite waren einige frische Truppen
bereit, den Angriffen des Feindes zu begegnen. Der Herzog
v. Gelle fand sich, als aus der erhofften Offensive seines öster-
reichischen Nachbarn nichts wurde, schliesslich doch bewogen,
ihn in seinen Verteidigungs-Massnahmen zu unterstützen. Er
sandte seinen Oberquartiermeister Oberst v. Rumohr mit zwei
Regimentern zum rechten Flügel. Dies war das cellische Fuss-
regiment Mollesson und das vom Oberstleutnant Keller geführte
wolfenbültelsche Fussregiment des Herzogs Johann Adolf v. Hol-
stein. Bournonville setzte das Regiment Mollesson gleich links
vom Geschütz und den Oberstleutnant Keller links von seiner
Infanterie ein, wo sie bald «etliche guette Sa Iva» taten. Lo-
renz Müller und Fritz v, Hehnburg, die Räte dur beiden Wei-
fenfürsten, sagen über den Anteil ihrer Truppen lakonisch :
«Bey Occupirung der Collinen hat es ein scharfes Gefecht ge-
geben, welches von den Mollesonnischen und Rumorischen ge-
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9. Treffen bei Türkheim.
halten, da der Feind in seiner eingenommenen Vertheilung an-
gegriffen und herausgetrieben wurde». Der Verlust der beiden
Regimenter wird an anderer Stelle — vielleicht etwas über-
trieben — zu 50 Mann angegeben.
Auch kurbrandenburgische Verslärkungen trafen noch ein.
Bournonville hatte sie beantragt, «umb die Flanque des rechten
Flügels zu bedeckhen». Aber sie langten erst an, als es bereits
zu dunkeln begann ; jetzt strafte sich die viel zu grosse Aus-
dehnung d«r deutschen Stellung. Es war Graf Friedrich v. Dön-
hoff, der den Kaiserlichen zwei Bataillone aus der Reserve des
kurfürstlichen Korps zuführte, nämlich sein eigenes nur 4 Kom-
pagnien starkes ostpreussisches Regiment unter Oberstleutnant
v. Möhlen und ein Bataillon des Regiments v. Götzen. «Der
Duc de Bournonville postirete dieselben bey sich in die Wein-
berge», berichtete Friedrich Wilhelm an den Kaiser. Der öster-
reichische Führer hingegen behauptet, die Bataillone seien erst
nach Schluss des Kampfes bei ihm eingetroffen.
Das Treffen von Türkheim erreichte seinen Höhepunkt erst
mit dem Eintritt der Dämmerung., Es war ein ausgesprochenes
und sehr erbittertes Infanteriegefecht. Das unaufhörliche, äusserst
starke Schiessen wird von allen Ohrenzeugen hervorgehoben.
Vecchia sagt, es sei verhältnismässig mehr geschossen worden
als in der Schlacht bei Enzheim ; Cezen bemerkt : «Le feu fut
grand et de pres», und der Frh. v. Goes versichert, «dass offt
bey einer formel Bataille nit so scharpff gefochten wirdt» als
in diesem Gefecht, — woraus beiläufig hervorgeht, dass der
Name einer Schlacht dem Zusammenstosse von Türkheim auch
von den Zeitgenossen vorenthalten wurde. Die Wagschale des
Erfolges neigte sich bald nach der einen, bald nach der andern
Seite. Dass Rückschläge auch bei den Franzosen mehr als ein
Mal erfolgten, bezeugt kein Geringerer als der wahrheitsliebende
Turenne, wenn er schreibt: cell a fallu ceder quelquefois au
plus grand feu». Gegen 6 Uhr, als es bereits stark dunkelte,
hatte der Vicomte seine letzten Fusstruppen längst eingesetzt.
Die Regimenter Navarra, Königin und Anjou waren am äussersten
linken Flügel in das Gefecht eingetreten ; ebendort griff ganz
zuletzt auch das Regiment Royal ein.
Nach Deschamps Bericht war es der General Foucault, der
die entscheidende Bewegung auf dem linken Flügel anordnete
und anführte. Er liess die genannten Regimenter aus den Wein-
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Vorrücken Foucaults; sein Heldentod. 139
bergen, wo sie sehr litten, ohne von ihren Wallen zwischen
den dichten Rebslöcken den rechten Gebrauch machen zu
können, in den Wiesen» rund hinabrücken, «so längs des Bachs
als ein schmaler Streif gebildet» wird, — eine Beschreibung,
die offenbar nur auf den Fuss des Letzenberges passt. Un-
mittelbar auf der andern Seite der Fecht standen in den Bentzen-
Matten die Deutschen. Dieser Schlussakt des Treffens verlief
sehr blutig. Schwer waren die Verluste des französischen Re-
giment« Königin 1 ; seinen Inhaber Armand Franz le Boutellier
de Senlis Marquis v. Moussy ereilte an der Spitze des Regiments
die tölliche Kugel. Ebendort starb der Führer des linken Flügels
General-Leulnant Ludwig Foucault Graf v. Oignon den Helden-
tod. Er war zu Pferde gestiegen und in seiner grünen Kleidung
mit wallender weisser Feder auf dem Hute weithin sichtbar 2.
Das Regiment Anjou büsste nicht weniger als 23 Offiziere,
21 Sergeanten und 200 Mann ein. Es weist weitaus die höchsten
Verlustziffern auf ; sein augenblicklicher Führer Hauptmann la
Melloniere war unter den Schwerverwundelen.
Nach Foucaults Tode übernahm Marschall Turenne per-
sönlich die Führung des linken Flügels. Er hatte augenscheinlich
die Absicht, es nicht zum Bajonettkampfe kommen zu lassen.
Als die Obersten d'Albret und l'Aubarede sich anschickten,
mit den Regimentern Navarra und les Vaisseaux die Fecht zu
durchschreiten, die an jener Stelle nur knietiefes Wasser hatte*,
schickte er sofort seinen Stabschef Cezen hinterher, um sie
zurückzuholen. Aehnlich war es laut Vecchia und Buch bei den
Deutschen. Auch dort wurde von einzelnen Truppen versucht,
den Fluss mit der blanken Waffe zu durchschreiten, «ein Be-
ginnen, welchem Vernunftgründe und die Pflicht entgegen
waren». So standen sich beide Gegner keine 30 Meter von
einander, nur durch die Fecht getrennt, gegenüber, ohne sich
noch etwas zu tun. Es war 0 Uhr vorbei und völlig dunkel,
1 Die Angabe, von seinen , r »4 Offizieren seien nur 4 unverletzt
geblieben, ist jedoch ausweislich der Verlustliste unrichtig.
* Die Türkheimer Lokalsage, wonach ein dortiger Schlosser
ihn von der Zinne eines Stadtturmes erschossen habe, darf wohl
der verdienten Vergessenheit übergeben werden. Foucault wurde am
7. Januar auf dem Dominikaner-Kirchhofe in Colmar bestattet.
a «Jusques au-dessus du genouil», eine Beschreibung, die durchaus
auf die Fecht passl.
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140 9. Treffen bei Türkheim.
als das Treffen erstarb und beide Teile ihre Truppen ein wenig
zurückzogen und Biwaks beziehen Hessen.
Die Teilnahme der Kavallerie an diesem Gefechte hatte des
Geländes wegen nur unbedeutend sein können. Das Kürassier-
Regiment Bournonville hatte sich um 3 Uhr Nachmittags hinter
das Fussvolk begeben und einige Verluste durch zu hoch gehende
Geschosse erlitten. Der Regimentschef selbst erzählt darüber:
«Zwahren die Squadronen von der ersten Lini dess linckhen Flügels
setzten sich hinter ihre Infanteria, selbe zu sousteniren, undt haben
die ersten, so von dem Bournonvillischen Regiment wahren,
auch arn maisten gelitten, indem sie 25 Pferdt undt 19 Mann
Totte oder Verwundte verlornen». Auch Jung-Lothringen scheint
ins Feuer gekommen zu sein ; wenigstens wurde der Adjulant
dieses Regiments am Fuss verwundet, anachdeme er mit seinem
zogen Rohr einige frantzösische Officier erschossen». Die
müusterische Reiterei wurde vom brandenburgischen Kurfürsten
in kurzer begeisternder Ansprache ermahnt, den bei Mülhausen
begangenen Fehler unbedingt wieder gut zu machen. Sie riefen,
sie wollten mit Seiner Durchlaucht leben und sterben, und sind
auch wohl, freilich nicht zur Attacke, aber doch ins Feuer
gekommen ; denn Buch erzählt : der Kurfürst habe seine Börse
einem münsterischen Reiler geschenkt, der dicht neben ihm
einen Schuss ins Bein erhielt. Der Reitergeneral Caprara hielt
sich ständig beim Fussvolk auf, da er mit seiner eigenen WalFe
nicht wirken konnte. Dünnewalds Reiter sollen, wenn der
Götterbote Mercurius recht unterrichtet ist, «in dem engen
Thal zwischen dem Slröhmlein und einem hohen Berge* auf-
gestellt gewesen sein, womit wieder mit grösster Deutlichkeit
die Gegend am Fuss des Letzenberges bezeichnet ist.
Die Dragoner der Kaiserlichen — drei Eskadrons stark —
sowie die der Lothringer und Münsteraner schössen, hinter
Bäumen eingenistet, lebhaft über den Fluss hinweg. Aber sie
zählten bekanntlich nicht ^ur Kavallerie. Auch bei den Fran-
zosen sehen wir zwar Dragoner, aber fast gar keine Reiterei
auftreten. Nur zwei Reiterführer, St. Aoust und Florensac,
finden sich bei Türkheim genannt. Ersterer nahm nach dem
Vorstosse der Garden auf dem Colmarer Wege Aufstellung, also
südlich des Mühlbaches und in Fühlung mit den vorgeschobenen
Schwadronendes Herzogs v. Lorge. Der MestredeCamp Marquis
v. Florensac war mit seinem aus 2 Eskadrons bestehenden
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Die Reiterei. - Untätigkeit des deutschen linken Flügels. 141
Regiment frühzeitig am linken Flügel zur Stelle. Er hielt sich
hinter der Infanterie und soll etwas durch Zufallstreffer verloren
haben, was die Verlustliste jedoch nicht bestätigt.
Eine sehr bedauernswerte Tatsache ist es, dass das Braun-
sen weig-Cellische und das Kurbrandenburgische Korps abgesehen
von wenigen nach dem rechten Flügel entsandten Bataillonen
völlig untätig geblieben sind. Bournonville bemerkt in seinem
Schlachtbericht ohne weiteren Zusatz : «Unterdessen thette
weder die Battaglia so von der schönsten Brandenburgischen
Infanteria componiert, noch der gantzc linckhe Flügel nicht einig
Schuss». Wirklich bedarf diese Tatsache keines Kommentars.
Dass sich die deutsche Heeresleitung durch die blosse Anwesen-
heit der ebenfalls in Untätigkeit verbliebenen Heeresabteilung
des Herzogs v. Lorge so völlig im Schach halten Hess, ist auf
keine Weise zu entschuldigen, auch nicht durch falsche Mel-
dungen über französische Truppen östlich der III. Es war ohne
Frage geboten, mit der verfügbaren grossen Truppenmasse an-
griflsweise in der Richtung auf Winzenheim vorzugehen.
Wurde auch Lorge schwerlich in der Vereinzelung getroffen,
da Turenne seine Armee besser zusammengehalten hat, als
Beaurain und seine Nachbeter ihm zutrauten, so wurde das
französische Heer doch zu einer Schlacht mit dem Rücken
gegen das ungangbare Vogesengebirge gezwungen und aller
Voraussicht nach in Auflösung in das Münstertal hineingeworfen.
General Wertmüller will dem Kurfürsten ein solches Vorgehen
mit der brandenburgischen Kavallerie empfohlen haben, um das
letzte Drittel des feindlichen Heeres abzuschneiden. Auch Land-
graf Friedrich von Homburg hat, wie der Gölterbote erzählt,
zu einem solchen Oflensivstosse geraten und inständigst um das
Kommando des Vortreffens gebeten. Dass dieser Angriff nicht
erfolgte, bleibt ein dunkler Flecken auf dem Ehrenschilde
des Reichsheeres. Aber wir entsinnen uns aus Turennes Ge-
spräch mit la Fare, wie sicher der französische Feldherr darauf
baute, dass seine Gegner den Entschluss zu einer solchen
rettenden Tat nicht würden finden können.
So stellt sich nach gewissenhafter Vergleichung aller vor-
handenen Quellen der Verlauf des Treffens vom 5. Januar 1675
dar. Mag in den örtlichen Einzelheiten (Fecht oder Mühlbach)
und in der zeitlichen Aufeinanderfolge der Infanteriekämpfe bei
Türkheim dieser oder jener Irrtum untergelaufen sein, so wird
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142
9. Treffen bei Türkheim.
dies doch das Bild des Waffenganges zwischen Franzosen und
Deutschen kaum in wesentlichen Punkten beeinträchtigen. Beide
Teile glaubten sich den Sieg zuschreiben zu dürfen. In der
Tat hatten die Verbündeten ihre Stellung behauptet, eine un-
mittelbare taktische Niederlage also nicht erlitten. Erst der
zwar freiwillige, aber folgenschwere und entscheidende nächtliche
Rückzug, den sie — wie wir im 10. Abschnitt sehen \Verden
— dem Gefechte folgen Hessen, stempelt den Tag von Türkheim
zu einem französischen Siege.
Die Opfer des Treffens waren bei den Franzosen zahlreicher
als bei den Deutschen Ihre Verlustliste lautet wie folgt :
Truppenteil
Tot
(tcn. Hptl. Lcur. Serir. Sohl,
V e r w u n il e t
!ßu." H l irL Leut - S(?r -
Sold-
(irneralität
Navarra
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Königin
Anjou 1
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T
7
Iii
4
20
04
3r,
52
52
2 35
Diesem aus den Akten des französischen Generalstabes genau fest-
gestellten Verluste von 109 Offizieren 764 Mann, den Turennes
Heer erlitten hatte, steht bei der Armee der Verbündeten nach
allen vorliegenden Zeugnissen ein wesentlich geringerer Verlust
gegenüber. Leider gebricht es aber an allem Material, um
eine einigermassen zuverlässige Verlustziffer festzustellen. Bour-
nonville gibt in seinem Bericht an den Kaiser die Zahl der
Gefallenen als <aiit über 200 Mann» an, hat dabei aber ver-
mutlich nur die kaiserlichen Regimenter im Sinne. Kurfürst
Friedrich Wilhelm schreibt : «Auff unserer Seithen seynd etwa
'J00 Todle und Gequetschte gewesen». Trotz dieser niedrigen
i Die Verlustliste jribt die Gefallenen und Verwundeten des
Regiments Anjou nur summarisch zu 200 Mann an.
Die Verluste.
143
Angaben, zu denen jedoch der lüneburgische Verlust noch
zuzuzählen bleibt, ist es nicht wahrscheinlich, dass der Gesamt-
verlust des verbündeten Heeres weniger als 5 —600 Mann be-
tragen haben könnte.
Die Tapferkeit der Streitenden — darüber kann kein
Zweifel sein — war diesmal allseitig überaus gross und rühmens-
wert gewesen. Der Grosse Kurfürst von Brandenburg halte
sich in seiner persönlichen Haltung vvüidig seines Ruhmes und
seines Hauses gezeigt. Er war stets irn stärksten Kugelregen
und zwar ohne Harnisch. Alle Aufforderungen, sich zu schützen,
wies er mit den Worten ab : es sei ihm zuwider, den Kürass
vor allen Soldaten zu nehmen, welche keinen solchen trügen.
Han's «Seelzagendes Elsass» erzählt, der Kurfürst habe die
Soldaten mehrfach selbst mit dem blanken Degen in der Faust
vorgeführt. Auch Oberst Vecchia kann «Chur- Brandenburgs
Kampfesmuth undt Entschlossenheit» nicht genug rühmen.
Aber auch Friedrich Wilhelms grosser Gegner, der Marschall
Turenne, hielt sich «trop expose pour Tinterest du Roy», so
dass ihm ein Pferd unter dem Leibe verwundet wurde und das
Schicksal, das ihn ein halbes Jahr spater bei Sasbach ereilte,
ihn Jeicht schon diesmal hatte treffen können. Auch von den
Unterführern beider Parteien wird viel Rühmliches berichtet.
Markgraf Hermann v. Baden hielt sich allezeit an dem Ort,
wo man getroffen werden konnte, und tat alles «wass mann
von einem Fürsten von seiner Nascita erwarthen kann». Graf
Caprara war in augenscheinlicher Gefahr, als sein in den Kopf
geschossenes Pferd sich hoch aufbäumte und ihn unter sich be-
grub ; sein Adjutant und drei Ordonanzen seines Stabes wurden
neben ihm verwundet. Welche Todesverachtung andrerseits Ge-
neral-Leutnant Foucault an den Tag legte, hörten wir schon bei
Gelegenheit seines Heldentodes.
Wie die Führer, so zeigte sich die Mannschaft. Von Freund
und Feind wurde anerkannt und bezeugt, dass die in Tätigkeit
getretenen Truppenteile aller Kontingente und aller Waffen-
gattungen an diesem Tage ihr Devoir sehr wohl getan hätten.
Feldmarschall-Leutnant Wertmüller aber sagte: «Dieser Tag
hat uns die Achtung der Armee zurückgewonnen, die wir bei
Beffort, Mülhausen und Masmünster fast ganz eingehüsst hatten».
So gewährt die Betrachtung des Treffens von Türkheim wenig-
stens in dieser Hinsicht durchweg erfreuliche Eindrücke. In
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f
i
144 10. Räumung des Elsass.
der Gefechtsführung freilich finden wir die zielbewusste Klar-
heit nur auf Seilen der Franzosen, während wir die Verbündeten
aus kopfloser, durch innere Zwietracht vermehrter Schwäche
ausser Stande sahen, ihre bedeutenden Streitkräfte einheitlich
und an der richtigen Stelle zur Geltung zu bringen.
10. Räumung des Elsass.
Das Treffen bei Türkheim war unentschieden geblieben.
Marschall Turenne hatte den Verbündelen zwar die Flanke
abgewonnen, ihre Stellungen aber hatten sie behauptet. Die
üeberzahl an Truppen war auf ihrer Seite, und noch immer
halten sie die Aussicht des Erfeiges für sich. Eine seltene
Gunst des Schicksals hatte es gefügt, dass die begangenen
Fehler sich wieder gut machen liessen. Die vielversprechende
Offensive der Brandenburger gegen Wettolsheim oder Winzen-
heim, welche das französische Heer gegen das Gebirge drücken
musste, konnte auch atn Morgen des 6. Januar noch erfolgen.
Erschien aber ein solches Unternehmen zu kühn, so war es
wenigstens möglich, den intakten linken Flügel über Nacht
nach Ingersheim und Niedermorschweier heranzuziehen, um
Türkheim am andern Tage zurückzuerobern.
Marschall Turenne seinerseits war auf solche Möglichkeiten
durchaus gefasst, wenn er sie auch nicht eben für wahr-
scheinlich hielt. Weit entfernt, den Sieg schon als erfochten
anzusehen, zog er seine Truppen am Abend des Schlachttages
zum Biwakieren zurück, grösstenteils sogar bis südlich von
Türkheim, während der Herzog v. Lorge in seiner Stellung bei
Winzenheim und Wettolsheim nächtigte. Es heisst in den Akten
des Colmarer Domkapitels: cNach vorgangener dieser Rencontre
haben sich beide Armeen, die Frantzösische am Gebürg von
Wedoltzheim an biss nacher Türckheim, die Kayserliche aber
von dem Rappendantz an, an dem Mühlbach hinauss biss in
Bentzen gelagert; in welchen beiden Läger auss der Statt viel
tausend Feuhrer gesehen worden, wahr schön anzusehen».
Auch Deschamps berichtet : die gesamte Infanterie Turennes
habe in Schlachtordnung südlich des Flusses genächtigt, wo
auch die noch am Abend angelangten Reiter-Regimenter Colonel-
General und Mestre de Camp ihr Lager aufschlugen.
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Die Nacht nach dem Treffen.
1-15
Vorposten blieben aber zweifellos nördlich der Fecht. Be-
sonders wird das Reiter-Regiment Florensac als Vortruppe
namhaft gemacht. Aber der Marschall Hess auch eine Höhe
über Türkheim besetzen, um sich ihrer zu bedienen, wenn der
Feind den Kampf am andern Tage erneuern wurde. Diese
Deschamps entnommene, also wohl zuverlässige Noliz kann
sich nur auf den Letzenberg, den Steinglitz oder den Eichberg
beziehen. Taktisch am wirksamsten erscheint eine Besetzung
des Lelzenberges. Gerard behauptet, eine Infanterie-Postierung
mit Artillerie sei auf dem Blumberge i nordwestlich von Ingers-
heim aufgestellt worden; er bezeichnet aber nicht die Quelle
dieser Angabe. Beglaubigt dagegen erscheint die auch von
Nieger gebrachte Notiz : die von Turenne entsandten Grena-
diere, die sich von Berg zu Berg vorschlichen, hätten auf den
verschiedenen Höhen zur Täuschung des Feindes Feuer ange-
zündet.
Offenbar war es diese Kriegslist, die auf die Enf Schliessungen
der Verbündeten auf das verhängnisvollste eingewirkt hat. «Wie
mann vermercket, das der Feindt sein Vorhaben längs den
Bergen mitt Faveur der Nacht fortgesetzt», lesen wir in
brandenburgischen Berichten, da habe man besorgt, Turenne
setze seine Umgehung über Katzenthal und Ammerschweier
fort, um den Verbündeten durch Besetzung der Landwehr bei
Gemar die Rückzugs- und Zufuhrstrasse abzuschneiden. Auch
der Götterbote Mercurius bestätigt, dass man dem Kurfürsten
— Gott wisse aus welches Geistes Antrieb — diese Besorgnis
beigebracht habe. Und noch vier Tage später berichtete Friedrich
Wilhelm dem Kaiser Leopold, «welchergestalt der Feindt seinen
March an den Beigen und theils über dieselben fortsetzte und
also gegen die Rhein-Brücken bei Strassburg sich wandte.»
Diese Besorgnis hatte sich aber nicht nur des Branden-
burgers bemächtigt, sondern wurde von seinen Bundesgenossen
durchaus geteilt. In einem Kriegsrate in einer der Logelbach-
mühlen nicht weit von Colmar beschlossen sie auf Grund jener
unbegründeten Sorge und wegen des herrschenden Brot- und
Futtermangels einstimmig den R ü c k z u g nach Schlettstadt, um
dem Feinde dort noch zuvorzukommen. Der unter dem Deck-
1 Blumberg ist der alte Name des Berges, den die neueren
Karten Dorfburg benenneu.
10
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146
10. Räumung' des Elsass.
namen des Götterbolen schreibende Zeitgenosse macht dazu
einige kritische Bemerkungen, die auch im Hinblick auf die
Hohlandsberg-Fabel vom 5. Januar von Interesse sind. Er sagt :
«So wäre solches vorgeblich besorgte Herumbschleichen auch
allerdings unmöglich gewesen; denn durch das Gebürge hätte
er in etlichen Wochen nicht kommen können.» Die deutschen
Heerführer waren offenbar anderer Meinung; denn auch die
Herzöge v. Bournonville und Gelle stimmten für den Rückzug.
Die Einzelheiten wurden dahin verabredet, dass der Gepackpark
sofort bei Horburg über die III gehen, die Truppen aber ihren
Abzug um 10 Uhr Abends beginnen sollten. Die Ehre der
Nachhut wurde den Brandenburgern zugestanden.
Bei der Ausführung dieses bedauerlichen Beschlusses er-
eigneten sich wieder sehr hässlicbe Zwischenfalle, die zu heftigen
gegenseitigen Anschuldigungen führten. Die Berichte über diesen
Punkt widersprechen sieh derart, dass es unmöglich ist, den
Hergang völlig aufzuhellen. Während Herr v. Buch dem kaiser-
lichen General ziemlich unverhüllt den Vorwurf macht, gegen
die Abrede verräterisch abgezogen zu sein, will Bournonville nur
widerstrebend den wiederholten Abzugsbefehlen des Kurfürsten
nachgekommen sein. Die eine Lesart ist so unwahrscheinlich
wie die andre, ganz zu geschweigen von der unsinnigen Strass-
burger Version, wonach die Brandenburger den Rückzug vor-
zeitig begonnen hätten. Dagegen lässt der amtliche Bericht des
Oberbefehlshabers über seine Retirade von Colmar in Verbindung
mit der Erzählung dor weifischen Räte und den vom Götter-
boten eingezogenen Nachrichten das Ganze als eine Kette von
gegenseitigen Missverständnissen erscheinen, hervorgerufen durch
die unklare Befehlserteilung, über die sich der kaiserliche Ge-
neral Werlmüller so bitter beklagt 1 .
Kurfürst Friedrich Wilhelm sandte um 7» ( ' 2 Uhr Abends,
also wohl nicht lange nach dem Kriegsrate, einen Adjutanten
nach Horburg, um den Abmarsch der Bagage zu überwachen.
Dieser meldete, der Iiiübergang des Parkes würde bis in die
späte Nacht währen. Darauf schickte der Oberfeldherr, der mit
Derffiinger und August v. Holstein in seinem Zelt bei der er-
1 «Qui taccio moltc veritä». sasrt Wertmüller, <taccio anche Ii
ordini irregolati, che sone stati dati», ein Vorwurf, der wahr-
scheinlich auf den Fcldmarschall Bournonville gemünzt ist.
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Rückzug der Kaiserlichen und Lüneburger.
147
wähnten Mühle geblieben war, den General-Adjutanten v. Küs-
sow zu Bournonville mit der Weisung: so lange zu verweilen,
bis die Bagage etwas Vorsprung habe, damit sich der Feind
ihrer nicht bemächtigen könne. Der Führer der Kaiserlichen
war hiermit nicht nur einverstanden, sondern schlug sogar
sehr verständig vor: erst eine Stunde vor Tage aufzubrechen,
da in der Nacht allerlei Wirrwarr unvermeidlich sei. Er
werde, fügte er aus eigenem Antriebe hinzu, nicht ohne
ausdrücklichen Befehl des Kurfürsten abrücken. Dem Herzog v.
Celle wurde hiervon Kenntnis gegeben, und so hielt Friedrich
Wilhelm alles für geregelt.
Aus unaufgeklärten Gründen begann der Abzug des rechten
Flügels jedoch schon um 10 Uhr Abends, also so wie es ur-
sprünglich geplant worden war. Nach Bournonvilles wenig
wahrscheinlicher Darstellung hätte ihm General Chauvet die
Weisung des Kurfürsten zum Abrücken überbracht. In Wahr-
heit wird irgend ein Missverständnis die bedauerliche Irrung
verschuldet haben. Nach der Schilderung des Götterboten scheint
es, als hätten die kaiserlichen Generale noch einen besonderen
Rescheid erwartet, dass der Abmarsch bis zum andern Morgen
verschoben sei. Da ein solcher nicht einging, glaubten sie sich
verpflichtet, im Sinne des ersten Kriegsratsbeschlusses sofort
abzurücken. Der cellische Reiterführer Chauvet war anwesend,
als Bournonville seinen Rückzug einleitete. Der Herzog stellte
<1 ie brandenburgischen Bataillone Dönhoff und Götzen an einen
Graben, «um die Flanckh seines rechten Flügels zu bedeckhen» und
unterstützte sie durch zwei Schwadronen Bournonville-Kürassiere
nebst einigen Kroaten und Dragonern sowie drei münstersehen
Schwadronen. Unter deren Schutze Hess er die Artillerie auf-
brechen und die andern Waffen folgen, jedenfalls am rechten
Ufer der Fecht auf Schoppen weier. Die Braunschweig-Lüneburger,
die den Abmarsch der Kaiserlichen bemerkten, glaubten ihm
folgen zu müssen. Beordert hat Bournonville sie nicht dazu;
ihre Geheimräte Müller und v. Heimburg bezeugen ausdrücklich :
er sei abmarschiert, «ohne Jemand der Herrn Allyrten zu aver-
tiren». Der Feldprediger des Regiments Ende gibt 10 Uhr
Abends als Stunde des plötzlichen Aufbruchs der Cellischen an.
Die Folge davon war, dass das Brandenburgische Korps mit
unbedeckter Flanke allein blieb.
Kurfürst Friedrich Wilhelm erfuhr diese bedenklichen Vor-
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148
10. Räumung des Elsas?.
gänge erst zwischen 12 und 1 Uhr- Nachts i, als Herzog Georg
Wilhelm mit Chauvet an seinem Wachtfeuer erschien und ihm
meldete : am rechten Flügel sei ausser Dönhoff und Götzen
Niemand mehr vorhanden. Der Kurfürst war empört; ja, er
ritt zunächst selbst hin, um sich von der Wahrheit der selt-
samen Kunde zu überzeugen. In der Tat war ausser Chauvets
Küchenwagen und einigen verschlafenen Nachzüglern Niemand
mehr zu finden. Nun blieb nichts übrig, als auch die Branden-
burger abmarschieren zu lassen. Der Gepäckpark hatte in-
zwischen, bedeckt vom Heiter- Regiment Croy unter Oberst v.
Hülsen, die Horburger Brücke passiert. Colmar war geräumt
worden, auch von den darin untergebrachten brandenburgischen
Garden. Der dort kommandierende General hatte zum grossen
Schrecken der Einwohner, die sich des angeblich erfochtenen
Sieges freuten, erklärt : cdass man rathsam funden sich zu reti-
riren, uud könnten sie nunmehr ihren paix mit den Franzosen
machen so gut als möglich». Die Geschütze aus der Stadt wurden
zum Lager zurückgeführt ; die drei Bataillone folgten ihnen noch
vor Mitternacht. Batlos schauten die Colmarer hintendrein, als
ihre Retter «spöttisch» aus dem Feld abzogen.
Graf Dönhoff rückte mit seinen beiden Bataillonen vom
rechten Flügel ebenfalls heran. Er war von Bournonville ge-
radezu im Stiche gelassen, verliess aber seinen Posten erst, als
Chauvet ihn dazu anwies. Drei Mann der Regimenter Götzen
und Dönhoff, die sich in der französischen Gefangenenliste
finden, sind jedenfalls in dieser Nacht von ihrer Truppe abge-
kommen. Den übrigen Regimentern brachte der Kurfürst selbst
stillen Alarm, und um 2 Uhr Nachts war auch der linke Flügel
in vollem Rückzüge. Die Brandenburger marschierten in guter
Ordnung, in zwei Treffen formiert, ab. Das zuerst aufbrechende
Treffen, die Infanterie und Artillerie, wurde vom Generalmajor
v. Lüdeke kommandiert ; ihm folgte der Landgraf v. Hessen
mit der Reiterei. Bei diesem Rückzug gelang es dem Stall-
meister Froben endlich, seinen fürstlichen Herrn zum Anlegen
des Kürasses zu bewegen. Bei einigen Defileen gab es längeren
Aufenthalt, bis die Artillerie und das Fussvolk hindurch waren.
i Die Behauptung Ch. Görards, der Kurfürst sei schon um 10
Uhr Abends lange vor seinen Truppen in Schlettstadt eingetroffen,
ist eine dreiste Lüge.
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Abzug der Brandenburger. — Stellung bei Schlettstadt. 149
An der Fechtbrücke von Ostheim hielten die Geschütze den
nächtlichen Marsch sogar um mehr als eine Stunde auf.
Als die Regimenter aus dem Hölze nördlich dieses Borfes
auf das Gemarische Feld traten, Hess der Kurfürst sie auf-
marschieren. Aber da Bournonville auch hier nicht Halt ge-
macht hatte, musste der Rückzug fortgesetzt werden. Jedoch
wurde hier Fühlung mit der lüneburgischen Infanterie aufge-
nommen. In dieser Weise wurde nicht nur die Nacht, sondern
auch den ganzen Vormittag des 6. Januar hindurch weiter-
marschiert. Bei St. Pill wurde die Vereinigung mit den
Kaiserlichen endlich bewirkt. Beren Rückzug war, — wie
Herr v. Haxthausen, der Kommandeur des cellischen Leib-
regiments, versicherte — etwas eilig geworden. Wegen Wasser-
mangels wurde auch bei St. Pilt nicht geblieben. Man setzte
den Rückzug bis nach Schlettstadt fort, wo man den Feind zu
erwarten beschloss. Ber Kurfürst speiste hier bei seinem
Bundesgenossen Georg Wilhelm, der bekanntlich in Schlettstadt
sein Winterquartier gehalten hatte. Bie Kurfürstin war wenige
Stunden vorher abgereist, auf die Weisung ihres Gemahls hin,
«sich ohne einige Säumniss vollends nach Strassburg zu
machen».
Ber erwartete Angriff der Franzosen erfolgte nicht. .Wieder
wie nach der Schlacht bei Enzheim und nach dem Gefecht bei
Mülhausen zeigte sich Turenne als überaus vorsichtiger General,
der sich mit dem errungenen Erfolge zu bescheiden wusste. Ja,
es will uns scheinen, dass er in der Ausnutzung erfochtener
Siege nicht ganz auf seiner sonstigen Höhe stand. Auch ein
so sachkundiger Beurteiler wie Napoleon I hat ihm das Zaghafte
seiner Verfolgungs-Massnahmen im Elsässischen Feldzuge zum
Vorwurf gemacht, lieber Turennes Verfahren am Abend von
Enzheim gebraucht der Kaiser sogar die scharfe Wendung : <nl
a poussö la circonspection jusqu'ä la teme>it£». Wir finden
aber wohl den Schlüssel zu Turennes Verhalten in den Worten,
die er am 11. Januar nach Paris schrieb: «die Armee des
Königs war in einem Zustande, dass sie nur völlig unentbehr-
liche ßinge tun konnte». Ber Marschall hat den Abzug der
Deutschen wahrend der Nacht anscheinend nicht gemerkt. Er
erfuhr ihn aber am Morgen des 6. Januar durch eine Meldung
des Herzogs v. Lorge. Gegen 9 Uhr Hess er die Armee auf
Colmar vorgehen, aber vor den Toren der Stadt Biwaks beziehen.
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150
10. Räumung des Elsass.
Dem Baron v. Montclar übertrug er die Verfolgung des feind-
lichen Heeres und schickte dem vor Rufach belassenen Brigadier
Lancon Verstärkungen sowie den Auftrag, das Slädlchen in
seinen Besitz zu bringen.
In Colmar selbst rückte eine Kavallerie-Kompagnie schon
am Morgen ein und griff zahlreiche Nachzügler der Deutschen
auf. Insgesamt fielen 2 — 300 Gefangene in tind bei Colmar in
französische Hand ! , darunter sehr viele Kranke. Ein Trupp
Franzosen bemächtigte sich des Horburger Schlosses und plün-
derte es völlig aus, wobei ein Mömpelgardischer Gardist ver-
wundet wurde. Eine andere Abteilung folgte über Weier aufm
Land dem brandenburgischen Tross, wurde aber von den Croy-
Kürassieren derb abgewiesen und verlor einige Tote und lt>
Gefangene. Sehr übel hausten die Franzosen in Türkheim.
Wie der Ortsgeisl liehe klagend notierte, wurde dort weder Kind
noch Mutter verschont, sogar die Kirche und der Friedhof nicht
(«nec Ecclesia secura nec coemiterium»). Auch Weier im Tal
wurde arg geschädigt. Reichenweier entging der Plünderung
mit knapper Not, indem der Kirchenschaffner Chemnitius sich
unmittelbar an Turenne wandte, der ihm seine Hülfe nicht
vorenthielt. Auch in Colmar selbst wurde von der übermütigen
Soldateska übel gehaust, bis der Feldherr kam und dem Un-
wesen steuerte.
Marschall Turenne, der vor dem Kerkertor mit seinem
Neffen Lorge zusammengetroffen war, ritt um 11 Uhr, geleitet
von nur 300 Mann der Garde, in Colmar ein, wo sich die
Bürgerwehr schleunigst aufgelöst hatte. Da es Heiliger Dreikönigs-
Tag war, hörte der Feldherr zunächst in der Dominikaner-Kirche
die Messe und stieg sodann für einige Stunden im Schwarzen-
berg ab. Hier schrieb er einen vorläufigen Gefechtsbericht,
der in seiner knappen und bescheidenen Fassung, so kenn-
zeichnend für Turennes Wesen ist, dass wir ihn fast unverkürzt 3
wiedergeben wollen. Er lautete : «J'ai creu, Monsieur, que le
Roy seroit bien aise de seavoir ce qui se fait ä l'armee. Les
1 Ludtfig XIV Hess sie grösstenteils nach Moulins bringen, um
sie zur Verstärkung des naeh Katalonien bestimmten Fremdregiments
Fürstenberg zu verwenden; andere wurden in Besan<jon und Gray
interniert.
* Fortgelassen sind nur die Namen einiger höherer Offiziere,
deren der Feldherr schon hier ehrenvolle Erwähnung tat.
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Turennc in Colmar.
151
ennemis s'estant mis en un tres-bon poste pres Colmar, je me
saisis par un tres-grand bonheur d'une pelite ville nommee
Turquem ä leur aisle droile. Leur Infanterie attaqua un poste
qui la flanquoil. Le combat (d'infanterie seulement) a dure
trois ou quatre heures ; ils ont este repousses ä Tentree de la
nuict. Le combat a este fort grand ; il y avoit un ruisseau
entre deux. Iis se sont reines toute la nuict et j'arrive presente-
ment pres de Colmar, oü il n'y a personne. On prend beau-
coup de prisonniers». Einen ausführlichen Bericht liess Turenne
am folgenden Tage durch den Sekretär Hasset niederschreiben.
Dagegen trat er noch am G. durch Vermittelung des Komman-
danten von Breisach mit dem Strassburger Rat in Verbindung.
Weit entfernt, ihm aus seiner Freundschaft mit den Deutschen
einen Vorwurf zu machen, liess Turenne den Slätl meisler be-
nachrichtigen : dass er von der Königlichen Majestät besondere
Weisung habe, nicht das Geringste wider die Neutralität der
Stadt zu tun. Am Abend verliess Turenne Colmar und nahm
sein Hauptquartier in Egisheim, beliess jedoch einige Garde-
Kompagnien in der Stadt.
Während der Feldherr sich der Berichterstattung und
Politik widmete, rechnete der Brigadier Pouilly Seigneur v.
Lancon vor Rufach mit den« Oberst v. Bomsdorff ab. Wir er-
innern uns, dass dieser sich am 4. Januar mit seinem Dragoner-
Regiment vor dem anrückenden Heere Turennes in die be-
festigte Stadt Rufach zurückgezogen hatte. Er hatte das in der
Nordostecke des Städtchens gelegene, dem Bischof von Strass-
burg gehörige Schloss Isenburg besetzt und den schwer begreif-
lichen Entschluss gefasst, sich darin zu verteidigen. Dies
scheint sogar in seiner Instruktion gelegen zu haben. Wir
wissen bereits, dass der vermutliche Zweck dieser Massregel,
Turenne vor Rufach festzuhalten, verfehlt wurde. Nur General
Langon blieb mit 150 Musketieren, 3 Eskadrons und 4 Ge-
schützen vor Rufach liegen, um BomsdorfT zu beobachten. Er
lagerte sich zunächst an der St. Odilien-Kapelle 1 einen Kilo-
meter südlich der Stadt. Doch ist anzunehmen, dass er arn
5. auch deren Nordseite, wo Bomsdorff nur ausbrechen konnte,
1 Dieses alte Gotteshaus wurde in der Revolutionszeit auf Ab-
bruch versteigert; die Flur, auf der es stand, heisst noch jetzt das
St. Otilgen-Käppelc.
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152
10. Räumung des Elsass.
gesperrt haben wird. Am Nachmittag des 6. Januar wurde
Lancon durch den Brigadier v. Pierrefitte mit 4 Bataillonen
und 2 Geschützen verstärkt. Ungesäumt begann er nun aus
seinen sechs Kanonen die Beschiessung des Schlosses Isenburg.
Nach den ersten 20 Schüssen erklärte Oberst v. Börnsdorf! sich
zur Uebergabe des Schlosses bereit. Brigadier Lancon willigte in
die Kapitulation nur bei Kriegsgefangenschaft der Besatzung.
Da Börnsdorf! sich vor zwei Jahren schon einmal mit seinem
Regiment an Turenne ergeben hatte 1 , mag es ihm schwer genug
geworden sein, nochmals darein zu willigen ; aber da ein
längerer "Widerstand offenbar zwecklos war, fugte er sich. Etwa
250 Dragoner und £0 Reiter Helen durch diese Kapitulation, die
ein Gegenstück zur Katastrophe des Regiments Portia war, in
Kriegsgefangenschaft, darunter Oberst v. Börnsdorf! und Kapitän
v. d. Marwitz. Die Gefangenen wurden nach Besancon abgeführt,
Börnsdorf! selbst demnächst gegen Ehrenwort nach Strassburg
entlassen und später gegen Bourlemont ausgewechselt.
Wichtiger als die Rufacher Nebenaktion war die jetzt her-
gestellte Verbindung mit der befreiten Festung Breisach, deren
Besatzung durch das Regiment Rambures verstärkt wurde. Am
10. Januar erschien Oberst le Roy in Türen nes Hauptquartier
und wurde angewiesen, Geschütz bereitzustellen, um die auf der
rechten Rheinseite noch gegen ßreisach vorgeschobenen kaiser-
lichen Vorposten zu vertreiben. — Das Notwendigste aber wäre
die Verfolgung der feindlichen Hauptarmee gewesen. Wir
hörten schon, dass mit dieser Aufgabe der Marechal de Camp
Pons de Guimera Baron v. Montclar, Chef eines katalonischen
Reiter- Regiments, betraut wurde. Der Oberbefehlshaber unter-
stellte ihm dazu die Kavallerie-Brigaden Humieres und Lambert,
zusammen 31 oder 32 Schwadronen. Montclar brach mit ihnen
am 6. Januar um 9 Uhr Vormittags auf ; Marquis v. Resnel
nahm mit 200 Reitern die Vorhut. Er bekam schon nördlich
von Ostheim den brandenburgischen Nachtrab zu Gesicht, ver-
mied aber einen Zusammenstoss und folgte nicht über die Ge-
marer Landwehr hinaus. Auf dem Felde zwischen Gemar und
Bergheim schlug Montclar sein Lager auf und stellte nur durch
Patrouillen die Stellung der Deutschen fest. Er meldete sie an
Turenne, der am 8. Januar über Ingersheim vorritt, um die
1 Zu Unna in Westfalen am 4. Februar 1673.
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Fall von Rufach. — Verfolgung durch Montclar. 153
Stellung seiner Reiterei zu besichtigen. Etwas Ernstliches ge-
schah weder von Montclar noch von Turenne, so lange die
Verbündeten bei Schlettstadt blieben.
Durch den Feind wurden sie also nicht genötigt, ihre
Stellung zwischen Kestenholz und Schlettstadt aufzugeben. An-
geblich beklagten sie es, dass sie nicht angegriffen wurden,
und verspürten € grossen Lüsten» zu einer abermaligen Schlacht.
Tatsächlich aber waren sie allesamt entschlossen, über den
Rhein zurückzuweichen. In Wahrheil war die Reichsarmee
sozusagen schon in der Auflösung begriffen. Bei den Münste-
rischen gab es in den Schlettstädter Tagen wegen dauernd
ausbleibenden Soldes Revolte. Sie sehnten sich ebensosehr
nach ihrer Heimkehr wie ihr Bischof. Von diesem hatte Goes
schon Ende Dezember bei Herrn v. Brockhausen Briefe ein-
gesehen, in denen er dringend die Rückkehr seiner Völker
nach Westfalen wünschte. Jetzt wo sich alle Bande der Dis-
ziplin bei ihnen gelöst hatten, wurden sie in der Tat sofort ab-
gedankt. Auch die Kaiserlichen hielten üble Manneszucht und
plünderten, als wären sie in Feindes Land. Zwischen den
einzelnen Kontingenten herrschten Abneigung und Zwietracht.
Der brandenburgische, früher lothringische Oberst la Roche,
auf den seine Landsleute einen grimmigen Hass hegten, wurde
am Tore von Schlettstadt heimtückisch überfallen 1 . «Alles ist
uneinig», erzahlt ein Strassburger Brief, «und keiner folgt dem
andern; die Kaiserlichen klagen über die Brandenburger und
diese über sie.» Auch war es schwach mit den Lebensmitteln
bestellt und man litt in den Biwaks unter der Kälte.
Bei solchen Zuständen war die Räumung des Elsass aller-
dings wohl notwendig, «rumb die Armeen zu refraichiren und
mit Gottes Hülfte in Slandt zu setzen». Auch hielt den Ober-
befehlshaber, in dessen Land inzwischen die Schweden einge-
fallen waren, jetzt nichts mehr im Elsass. So ging es denn
rückwärts ! Die fürstlichen Frauen waren bereits nach Strass-
burg geflüchtet : Herzogin Margarethe v. Lothringen am 5. aus
1 La Roche, ein etwas dunkler Ehrenmann, verteidigte sich
diesmal noch mit Glück. Nach einigen Wochen wurde er bei Offen-
burg aufgehoben und standrechtlich zum Tode verurteilt Es gelang
den Bemühungen des Kurfürsten mit vieler Mühe, bei den Lothringern
seine Auslieferung durchzusetzen.
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154 10. Räumung: des Elsass.
St. Pilt, Kurfürstin Dorothea v. Brandenburg am 6. aus Schlett-
stadt. Der 7. Januar wurde dazu benutzt, den Gepäckpark
über Benfeld zurückzusenden, teilweise auf dem Wasserwege.
Am Abend entstand ein falscher Alarm durch Scbweinejagd,
die von hungrigen Reitern im Walde veranstaltet war, aber als
feindlicher Anschlag auf den Tross gedeutet wurde. In Wahr-
heit erreichte dieser zum grösslen Teil schon am 7. unangefochten
die Metzgerau vor Strassburg. Am folgenden Morgen wurde
das Lager der Verbündeten abgebrochen und der Rückzug fort-
gesetzt. Nach dem Abzüge der Lüneburger aus Schlettstadt
begann man die Stadt zu plündern ; die Sturmglocken er-
klangen, die Bürgerschaft lief zusammen. Zum Glück erschien
bald Herr v. Goes und veranlasste den General Chauvet, zwei
Dragoner-Kompagnien in die Stadt zurückzusenden, um sie von
den Schnapphähnen zu säubern.
Die Armee wurde der Hauptsache nach zwischen Benfeld
und Erstein angehalten und verweilte auch hier zwei Tage lang,
während Montclar sich am 9. mit seinen beiden Brigaden in
SchJettstadt und Kestenholz festsetzte und sein Stabsquartier in
dem letztgenannten Orte nahm. Beim deutschen Heere ver-
strichen auch diese Tage nicht ohne Streitigkeilen. Sie begannen
gleich anfangs in dem befestigten Städtchen Benfeld, wo die
Leute des Herzogs von Celle weder den Kaiserlichen noch den
HofTourieren des Kurfürsten den Eintritt gestatten wollten. Es
kam darüber zu einem erregten Auftritt zwischen den beiden
Fürsten, die aber demnächst versöhnt ihr gemeinsames Haupt-
quartier in Erstein nahmen. Schlimmer war ein Zwist zwischen
Bournonville und Derfflinger, die sich nur mit Mühe durch das
Dazwischentreten das Kurfürsten beschwichtigen liessen. Turenne
aber wussle schon wenige Tage darauf an Louvois zu melden:
Bournonville sei so weit gewesen «de mettre Pepee ä la main
contre Mr. d'Orfling».
Kurfürst Friedrich Wilhelm verfasste am 9. Januar einen
langen Bericht (datiert Eyersheim 30. Dezember) an den Kaiser,
worin er eine freilich nicht sehr überzeugende Erklärung des
unbefriedigenden Ausgangs des Feldzuges zu geben versuchte.
Am selben Tage verursachten einige von Montclar vorgesandte
Aufklärungstrupps einen Alarm bei den Verbündeten, der
grossen Umfang annahm. Der Kurfürst Hess die ganze branden-
burgische Reiterei aufsitzen, rief auch die Lothringer unter die
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Rückzug bis Grafenstaden. 155
Waffen und ritt selbst nach Benfeld vor. Freilich überzeugte
er sich hier, dass keine Gefahr vorlag ; aber die Fortsetzung
des Rückzuges war für den folgenden Tag ohnehin beschlossen.
Teile des Heeres waren wohl schon jetzt über Erstein hinaus.
Wenigstens fand der Strassburger Stättmeister Zorn, der am
9. Januar mit einem Ammeister nach Grafenstaden kam, um
den Kurfürsten zu sprechen, zwar nicht diesen, wohl aber den
Markgrafen Hermann v. Baden mit Truppen dort vor.
Am 10. Januar kam es bei der Fortsetzung des Rückzuges
wieder zu sehr hässlichen Ausschreitungen. Die Stadt Benfeld
war schon seit 1 Vi Stunden geräumt, als «die Canaille durch
den Graben setzte» und den Ort ausplünderte, der dabei in
Flammen auffing. Goes schrieb darüber empört an Montecuccoli,
und den Elsassern isl es kaum zu verdenken, wenn sie klagten :
die Deutschen erwiesen sich nur dem Namen nach als ihre
Freunde, in der Tat aber als Feinde. Der Marsch vom 10.
Januar führte die Armee der Hauptsache nach in die Gegend
von Grafenstaden, Geispolsheim und lllkirch, also fast bis unter
die Mauern Strassburgs. Man fand den Markgrafen v. Baden-
Durlach mit den Oberrheinischen Kreisregimentern hier, wo
seine Hülfe freilich nichts mehr nutzen konnte, vor.
Das Reservekorps des Reichsfeldmarschalls Friedrich VI
v. Baden-Durlach war, wie im 4. Abschnitt berichtet wurde,
teils an der Kehler Rheinbrücke, teils zur Beobachtung von
Philippsburg verwendet, teilweise aber jenseits des Neckar, sogar
bis nach Würzburg hin zerstreut. Die eben jetzt aus der
Heimat als Verstärkung eintreffenden Niedersächsischen Ab-
teilungen waren vom Reichsfeldmarschall nach Heilbronn be-
fehligt. Da wo sie am nötigsten waren, an der Kehler Brücke,
wurden die Kreistruppen um Mitte Dezember durch Abberufung
des oberrheinischen Regiments Solms zur grossen Beunruhigung
der Strassburger Bürgerschaft noch gesell wacht. Der Durlacher
Markgraf blieb dabei, er müsse diese Truppen auf Befehl des
Kaisers zu einer anderweitigen Operation an sich ziehen, —
wobei er wohl an Philippsburg dachte. Als die Gefabreiner Offen-
sive Turennes von Beffort her naherückte, musste sich diese Aus-
einanderzerrung des Korps notwendig strafen.
Der Kurfürst v. Brandenburg bemühte sich jetzt natürlich,
den Markgrafen Friedrich mit seinen Truppen an sich zu ziehen.
Zu demselben Zwecke war auch der Herzog v. Gelle eifrig
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156
10. Räumung des Elsass.
tätig; aber freilich geschah auch dies zu spät 1 . Erst am 29. De-
zember, als Turenne schon dabei war seinen ersten Schlag zu-
iühren, sandte Georg Wilhelm seinen Hofjutiker v. BemstorfT
nach Pforzheim, um dem Markgrafen Friedrich die dringliche
Notwendigkeit darzulegen, dass die Kreisvölker sich ungesäumt
mit der Feldarmee vereinigten. Namentlich aber forderte er
«kraffi tragenden Creyss Obersten Ambts» den Anschluss der bei
Heilbronn angelangten Niedersachsen an das Celle- Wolfen -
bütteler Korps. Auch mit dem Kurfürsten von der Pfalz und
dem Herzoge v. Württemberg trat Georg Wilhelm in Ver-
bindung, um das Anrücken der Kreistruppen zu beschleunigen.
Der Reichsfeldmarschall schickte seinen Generaladjutanten
v. Löthen zum Herzog Moritz v. Sachsen zurück, um den ober-
und niedersächsischen Truppen den Marschbefehl zu bringen.
Sie waren aber unglaublich schwer zusammen und in Bewegung
zu bringen und halten es keineswegs eilig. Erst als drüben
im Elsass bereits die Entscheidung fiel, brachen die Sachsen
endlich auf. Aber schon zwischen Heilbronn und LaufTen, also
nach einem kurzen Tagesmarsch, geriet ihre Vorbewegung
wieder ins Stocken. Herzog Wilhelm Ludwig v. Württemberg
betätigte nämlich seine deutsche Gesinnung dadurch, dass er
seinen Obervogt zu Heidenheim Oberstleutnant v. Eyb anwies,
den Reichstruppen die Passage über den Neckar und den Kniebis
zu verwehren ! Als sie endlich am 12. Januar bei Lauffen den
Neckar überschreiten konnten, kam gerade Gegenbefehl vom
Reichsfeldmarschall.
Also auch bei dieser sehr bezeichnenden Episode zeigt
sich das hässliche Bild, dass Unschlüssigkeit, üebelwollen und
verblendete Selbstsucht die ohnehin so schwerfallige Maschine
des Koalitionsheeres bis zum völligen Versagen hemmen. Dass
die Sachsen «so geschwindt daroben bey Strassburg nicht an-
langen würden*, sah Markgraf Friedrich freilich gleich voraus.
Er eilte daher für seine Person nach Strassburg voraus und
Hess die in der Gegend von Pforzheim versammelten schwä-
bischen, fränkischen und oberrheinischen Regimenter schon
1 "Wenigstens wenn unsre Annahme richtig ist, dass die ein-
schlägigen im Staatsarchive zu Hannover befindlichen Schriftstücke,
die mit dem 19. Dezember beginnen, nach dem alten Kalender da-
tiert sind.
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Anmarsch des Reservekorps.
157
am Neujahrstage- über Ettlingen aufbrechen. Er hoffte auf diese
Weise am 4. Januar gegen 6000 Mann bei Kehl versammelt
zu haben. Es verzögerte sich aber auch hier etwas ; die Schwaben
gingen erst am 5. und 6. über den Rhein. Auch hatte der
General-Kommissarius Eisner v. Löwenstern über Verpflegungs-
Schwierigkeiten zu klagen, da die Kreise nicht einmal Proviant-
meister mitgeschickt hatten.
Eine Heranziehung der Kreistruppen zum Treffen von
Türkheim, wie der Herzog v. Celle sie im Colmarer Kriegsrat
gewünscht hatte 1 , wäre somit kaum möglich gewesen, auch
wenn die obere Heeresleitung den Markgrafen v. Durlach sofort
darum ersucht hätte. Wohl aber stand der Oberrheinische
Kreisoberst Graf v. Hüningen mit etwa 3000 Mann bei Grafen-
sladen zur Aufnahme des verbündeten Heeres bereit, als es
am 10. Januar, von Erstein kommend, die III überschritt. Die
Kreistruppen halten die Nacht hindurch südlich von Iiikirch
biwakiert, bedeckt durch 100 Heiter unter Major Hall weil, da
nach einein natürlich falschen Gerücht 800 französische Dra-
goner einen Anschlag auf das Lager vorhaben sollten. Mit den
Kaiserlichen gingen auch die Kreistruppen, über deren Betragen
in den Illkircher und Grafenstadcner Gärten und Häusern sehr
geklagt wurde, über den Rhein zurück. Markgraf Friedrich
selbst hatte sich nach Erstein zum Kurfürsten v. Brandenburg
begeben und an den Beratungen mit den Herzögen von Celle,
Lothringen und Bournonville, dem Markgrafen Hermann, Derff-
linger und Goes teilgenommen, in denen die Reihenfolge des
Rheinüberganges vereinbart wurde, während die nähere Re-
gelung der neuen Winterquartiere in Süddeutschland zunächst
noch vorbehalten blieb.
Dem Hohenzollernfürsten wurde die traurige Erschliessung
dadurch erleichtert, dass er die Schweden unter Wrangel in
der Uckermark wusste. Diese schwedische Gefahr, mit der sich
die Möglichkeit offener Feindseligkeiten Johann Friedrichs
v. Hannover, sowie des Abfalls des dänischen Hofes von der
Koalition verknüpfte, hatte den Kurfürsten schon den ganzen
Winter hindurch beunruhigt. Diplomatische Verhandlungen und
militärische Massregeln hatten die Zeit des deutschen Ober-
1 Er sagte am 2. Januar wörtlich : man solle die Markgräflichen
erwarten und alsdann anf den Feind losgehen und schlagen.
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158 10. Räumung des Elsass.
feldherrn in Anspruch genommen, der dem Kaiser schon zu Ende
September die Wendung der schwedischen Politik voi hergesagt
hatte. Gegen Schluss des November hatte er die Fargeischen und
Holsteinschen Eskadrons aus Minden und Lippstadt, bald darauf
auch die Regimenter Spaen und Franckenberg nach Berlin be-
fehligt und die Errichtung einer Märkischen Landwehr verfügt.
Nachdem der Kurfürst um die Mitte Dezember auch die Heim-
sendung der Regimenter Hohendorfl* und Schlieben aus Polen vom
Könige Sobieski verlangt hatte, hatte er wenigstens das seinige
getan, um dem Fürsten v. Anhalt-Dessau die vorläufige Abwehr
der Schweden zu ermöglichen. Zu seiner Unterstützung war
General-Leutnant v. d. Goltz — ein naher Bekannter des schwe-
dischen Generals Wrangel — aus d*»m Elsass heirugesandt
worden. Fortgesetzt bemühte Friedrich Wilhelm sich beim
Kaiser um Bundeshülfe seitens der kaiserlichen Truppen in
Schlesien, sowie von den Kursachsen und Westfalen, die dem
Kriege an der W 7 estgrenze so vorsichtig fern geblieben waren.
Nachdem der Einbruch Wrangeis in die Mark am 1U. De-
zember wirklich erfolgt war, unterzeichnete der Kurfürst noch
am Morgen des 5. Januar dicht vor dem Beginn des Trebens
von Türkheim eine Weisung an seine Gesandten in Wien, Ko-
penhagen und dem Haag: den Beistand der Verbündeten «aufs
Beweglichste zu urgiren». In Erstein erhielt er durch einen
Expressen aus Berlin neue Hiobsposten. In solcher Lage war
es dem Fürsten, der im Elsass unter so widerwärtigen Um-
ständen das Kommando führte und seinen Ruhm aufs Spiel
setzte, kaum zu verargen, wenn ihn sein Herz gen Osten zog,
wo er seinen Stammlanden näher war. Er brach beim Ein-
treffen der Kunde aus der Uckermark, wie Goes erzählt, « scharpß
herauss» und sprach in seinem Abschiedsbriefe an den Strass-
burger Rat 1 'offen aus, dass er seine Truppen zur Defension
seiner eigenen Lande gebrauchen wolle.
Der Uebergang der Armee über den Rhein erforderte noch
eine angestrengte Tätigkeil der Heeresleitung und mancherlei
1 Gleichzeitig empfahl Friedrich Wilhelm den lutherischen Rats-
herren die in Strassburg wohnenden Calvinisten, denen es sehr
schwer falle, dass sie bisher ihr Exercitium religionis nicht in der
Stadt hätten. Indessen beschlossen die Dreizehner kühl, die Sache
solle in suspenso bleiben.
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Schwedengefahr. — Rheinübergang.
159
Verhandlungen mit Strassburg. Der dortige Rat hatte ein be-
greifliches Interesse daran, die Wirren und Unordnungen des
Rückzuges von seiner Stadt fern zu hallen, ganz abgesehen
davon, dass er Turenne nicht reizen durfte. «Wir eindt leyder
ühell daran», meinte man in Strassburg, «undt kombt unss der
Betlell gar übern Halss». Am 11. Januar traten die Bürger-
wachen in Tätigkeit und zogen drei Kompagnien vor das Metzger-
tor, um allen Unbefugten den Eintritt zu wehren. Gegenüber
dem Verlangen des Kurfürsten, keinen Versprengten über die
Hheinbrücke zu lassen, machte der Dreizehner-Ausschuss nicht
ohne Grund die Ansicht geltend: «Sollen nun, wie Ew. Chur-
fürslliche Durchlaucht gnädigst verlangen, diese Leuth, die ärger
alss oflenbahre Feind sich bezeugen, dergestalt vor unseren Thoren
liegen verbleiben und ihnen die Pass über die Rheinbrucken
verwaigert werden, würden wir dadurch ja selbsten zu unserm
Ruin allen Vorschub thun».
Der Rhein ü her gang des Heeres verlief derart, dass am
10. Januar die Kaiserlichen, Lothringer und Kreistruppen, am
11. die Draunschweiger und Celler, am 12. die Kurbrandenburger
den Strom überschritten. Bournonville nahm in Goldscheuer,
der Kurfürst in Willslett Quartier. Der Herzog v. Lothringen
blieb ebenso wie die Markgrafen Hermann und Friedrich v. Baden
in Strassburg. Vier Kompagnien der Kreisvölker blieben als
Br ückenwache in der Rheinschanze; die Besatzung von Dachstein
wurde unnötigerweise dort belassen. Das aus Köln stammende
kaiserliche Regiment Vehlen war mit den Münsteranern strom-
abwärts abmarschiert. Letztere wollten in Mainz Schifte zur
Fuhrt in ihre Heimat besteigen. Ihr Bischof trug kein Bedenken,
sofort wieder in Unterhandlungen mit Schweden, Hannover und
Bayern einzutreten; doch führten diese Umtriebe nicht zum
Ziele, und seine Truppen standen im nächsten Jahre wieder
im Felde, zum Teil an der Weser gegen die Schweden, zum
Teil bei Trier gegen die Franzosen. — Dass die Deutschen den
Feldzug des Jahres 1674 und damit das Elsass verloren gaben,
war nun vor aller Welt kundgetan und besiegelt. Ueber den
Eindruck dieses Ereignisses äussert sich ein Strassburger Be-
richt wie folgt: «Was dieser plötzliche AufTbruch undt Rück-
kehr für Schrecken, Furcht, Elendt undt desperate Gedancken
hier und im gantzen Landte setzet, ist nicht zu beschreiben».
Der alte Herzog v. Lothringen aber, der boshafte Bemerkungen
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10. Räumung des Elsass.
liebte, meinte : ein Prinz von Ludwigs XIV Gnaden habe fünf
Prinzen von Gottes Gnaden gedemütigt (humilie).
Grosse Befriedigung herrschte natürlich im Lager Türen nes.
"Wir wissen bereits, dass der Vicomte sich wenig energisch in
der Verfolgung zeigte. Da die Verbündeten aber das Land frei-
willig räumten, so durfte er es sich allerdings gestatten, ihren
Abzug nur durch Montclar beobachten zu lassen. Der Marschall
selbst blieb während der ersten drei Tage nach dem Türkheimer
Treffen in Egisheim und verlegte sein Hauptquartier erst am
9. Januar Nachmittags nach Gemar, wohin er mit der ganzen Armee
vorrückte. Die Umgegend wurde dicht belegt ; nach Bergheim
kamen angeblich nicht weniger als acht Regimenter. Rappolts-
weiler aber wurde verschont und zwar um seines Landesherrn
des Pfalzgrafen Christian II v. Birkenfeld willen, der als Oberst-
inhaber des Regiments Elsass unter Conde diente. Die Bewohner
der Stadt, versicherte Turenne dem Hofschaffner, sollten so
sicher wie in Paris sein.
In Gemar empfing der Feldherr auch einen Sendling des
Strassburger Rates namens Güntzer. Er legte ihm die heiklen
Fragen vor : ob Strassburg die Kreisvölker am Kehler Pass für
Feinde ansehe? oder ob sie von der Stadt in Pflicht genommen
seien? Als Güntzer die zweite Frage bejahen musste, erwiderte
Turenne rasch: «Wenn ein anderer als ich mit den Herren
vom Rate zu tun hätte, so würde er ihnen jetzund alle Freund-
schaft aufsagen ; aber mein Humor ist nicht also. Es ist nun-
mehr an dem, dass ich den Feind aus dem Lande getrieben
und viele Gefangene von ihm bekommen habe. Wenn aber
die Herren vom Rat keine Parteien von den Alliierten herüber
lassen wollen, — denn die völlige Armee, weiss ich wohl, kann
nicht unterstehen, — so soll ihnen von den Meinigen kein
Leid widerfahren. Wenn sie es aber dennoch tun, so bin ich
gezwungen, meine Leute an die Pässe zu legen, die Stadt ein-
zuschliessen und ihr alle Commerden abzuschneiden». Natürlich
hütete sich der Rat wohl, den siegreichen Feldherrn zu reizen.
Er verweigerte die Aufnahme einer deutschen Besatzung und
versprach, für die Nichtbenutzung der Kehler Brücke durch
Truppen der Verbündeten zu sorgen. Weiter aber hatte Turenne
nichts gewünscht. Am 11. Januar besuchte der Vicomte Schiet t-
stadtund hatte eine Unterredung mit dem dortigen Bürgermeister.
Inzwischen war auch am Hofe Ludwigs XIV zu St. Ger-
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Letzte Massnahmen Turennes im Elsass.
161
main der ganze Umfang des errungenen Erfolges bekannt ge-
worden. So sachlich und bescheiden Turennes Berichte auch
waren, der Abzug der Deutschen aus dem Elsass bewies, was
er geleistet hatte. Auch war am 11. Januar Herr v. Boisguyault
heimgereist, um dem Könige die bei Mülhausen eroberten Stan-
darten, die Fahne des Regiments Portia und die Standarte des
Regiments Bomsdorff zu uberbringen. Der König liess dem
versammelten Hofe jenes Schreiben Turennes vorlesen, worin
er am 30. Oktober seinen seitdem so glorreich durchgeführten
Plan entwickelt hatte. Auch entbot Ludwig den siegreichen
General «cnostre Cousin» am 13. Januar zur Empfangnahme des
königlichen Dankes nach St. Germain. Ferner ordnete er die
Abhaltung eines feierlichen Tedeums in ganz Frankreich an
und befahl am 19. dem Breisacher. Conseil Provincial, dieser
mit militärischem Pomp verbundenen religiösen Feier beizu-
wohnen; «car tel est nostre plaisir». Turenne reiste am 22. Ja-
nuar von Schlettstadt aus über St. Die ab und traf am 9. Fe-
bruar in St. Gennain ein. Er liess sich durch die grossen
Ehrungen, deren Gegenstand er hier war, in seiner bescheidenen
und würdigen Haltung nicht beirren. Der König liess sogar
eine Denkmünze auf den Sieg von Türkheim schlagen. Sie
zeigte zwei flüchtige feindliche Soldaten, die sich voll Schrecken
nach einigen französischen Waffen (Helm, Speer und Kürass)
umblicken. Die Umschrift der Medaille lautete : Sexaginta millia
Germanorum ultra Rhenum pulsa MDGLXXV.
An Turennes Stelle übernahm der als genesen aus Buchs-
weiler bzw. Nanzig zur Armee zurückgekehrte General -Leutnant
Marquis v. Vaubrun den Oberbefehl im Elsass. Ihm wurden
der Brigadier v. Pierrefitte, sowie als Kommandant von Colmar
der Ritter v. Bouillon unterstellt. Es wurden übrigens nur
6 Bataillone Fussvolk und 4 Regimenter Reiterei für die el-
sassischen Winterquartiere bestimmt. Dies waren an Fuss-
truppen» die Regimenter Rambures (Breisach), Turenne und
Bouillon (Colmar), Orleans, Bandeville und Barillon (Rufach,
Schlettstadt und Benfeld). Die Kavallerie bestand aus den Re-
1 Nach Turennes Schreiben vom 21. Januar an Lonvois. Des-
champs nennt noch Bretagne und Rouergue, lässt dagegen Orleans
und Barillon unerwähnt.
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162 10. Räumung des Elsass.
gimentern Vaubrun, Doucet und beide Elsass «. Die Besatzungen
von Zabern, Hagenau, Landau und Philippsburg traten gleich-
falls unter Vaubruns Oberbefehl. Doch trat in Hagenau ein
Wechsel ein, indem das Reiter-Regiment Doucet und die Ba-
taillone Turenne, la Fere und Burgund von dort herangezogen
und durch la Ferte und Douglas ersetzt wurden. Andere
Truppenteile traten zur Besatzung Burgunds zurück. Der Herzog
v. Duras erschien selbst in Ostheim, um sie zu übernehmen.
Er wurde angewiesen, auch Pruntrut zu belegen, um den Bi-
schof v. Basel für seine Deutschenfreundschaft zu bestrafen.
Alle übrigen Regimenter des Turennischen Heeres rückten am
20.» 21. und 22. Januar durch das Weiler-, Urbeis- und Lebertal
ab, um in Frankreich zu überwintern. Den Marsch der letzten
Kolonne begleitete Turenne selbst bis nach St. Die.
Dem General Vaubrun Gel, bevor er zur endlichen Quartier-
verteilung für sein kleines Korps schreiten konnte, als letzte
kriegerische Aufgabe noch die Bezwingung Dachsteins zu. Die
kleine Feste war mit 11 Geschützen armiert und von 8 Kom-
pagnien des kaiserlichen Regiments Knigge unter Oberstleutnant
v. Haugwitz besetzt. Sie halle eine gute Mauer mit Türmen
und einige Aussenwerke von Erde, aber keinen gedeckten Weg.
Das Schloss war noch besonders mit Vorgräben und einer vier-
eckigen Mauer versehen. Vaubrun rückte am 25. Januar von
Molsheim und Mutzig, wo er Pierrefittes vier Bataillone mit
den Regimentern Champagne, la Marine und Bretagne vereinigt
hatte, vor Dachstein. Er verwendete in erster Linie die Regi-
menter Champagne und Turenne. Am 26. wurden die Laufgräben
eröffnet und die Beschiessung eines vor der Südfront gelegenen
tenaillierten Werkes aus sechs Breisacher 24pfündern begonnen.
Am folgenden Tage wurde dieses Werk gestürmt und Bresche in
die Hauptmauer gelegt. Die Besatzung zog sich ins Schloss zurück,
um hier den weiteren AngritT der Franzosen anzunehmen, die
in der folgenden Nacht in die brennende Stadt eindrangen.
Leider war der tapfere Haugwitz gefallen. Sein kläglicher
Vertreter aber, der Venetianer Contarini», kapitulierte ohne
1 Die beiden Kavallerie-Regimenter, die den Namen Elsass
führten, gehörten nicht zu den deutschen Truppen im Dienste Frank-
reichs, sondern waren französische Regimenter.
* Er hatte seinerzeit wegen vorzeitiger Uebergabe der Insel
Tenedos an die Türken den venetianischen Dienst verlassen müssen.
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Einnahme Dachsteins durch Vaubrun. 163
weitere Gegenwehr, als er neun Halbkartaunen am Kirchhofe
aufgepflanzt sah. Ob dabei wirklich französisches Geld mit-
gewirkt hat, bleibe dahingestellt. Jedenfalls fiel Dachstein am
29. Januar, ohne die Waffenehre durch Annahme des Sturmes
gewahrt zu haben. Halten konnte sich die kleine Feste ohne
Unterstützung allerdings nicht. Ihren Entsatz hatte Kurfürst
Friedrich Wilhelm von Gollhofen aus bei Bournonville angeregt.
Aber es kam nicht dazu, obwohl Markgraf Hermann v. Baden
am 25. Januar in einem Kriegsrate zu Kehl den Beschluss
durchsetzte, dass ein Entsatzkorps bei Wanzenau über den
Rhein gesetzt werden sollte ! . Es bestand aus dem Kürassier-
Regiment Gondola, den Kurpfalzischen Dragonern und einigen
Kreistruppen und war schon unterwegs, als die Nachricht vom
Falle Dachsteins eintraf. Wieder waren 800 brave Soldaten in
Gefangenschaft geraten ; den Regimentern Portia und Börnsdorf!
war das Regiment Knigge gefolgt. Viele seiner Soldaten ent-
wischten nach Strassburg; die übrigen steckte Vaubrun meist
unter französische Regimenter und nötigte die Offiziere, sich
zu lösen. Kapitän Contarini ging mit Haugwitzens Leiche nach
Strassburg, wo er sich der kriegsgerichtlichen Aburteilung durch
Selbstmord entzog. Nach der Einnahme Dachsteins Hess Vaubrun
auch die Regimenter Champagne, la Marine und Languedoc
nach Lothringen abrücken, während die übrigen Truppenteile
ihre Winterquartiere im Elsass bezogen.
Es erübrigt noch ein Blick auf die nächsten Schritte, die
deutscherseits nach dem Uebergange auf das rechte Rheinufer
geschahen. Vom 11. bis 13. Januar präsidierte Kurfürst Friedrich
Wilhelm den Beratungen, in denen unter Zuziehung eines Ver-
treters des Strassburger Rates die Winterquartiere endgültig
ausgeteilt wurden. In der Strassburger Zollschanze blieben zu-
nächst nur einige 70 Mann der Schwäbischen Kreistruppen,
welche sich aber — wie der Herzog v. Celle am 22. Januar
<iem Markgrafen v. Durlach meldete — «fast unwillig erzeiget,
auch bereits eigenes Gefallens wiederum!) von dar abgezogen».
Georg Wilhelm bat daher dringend, die Brückenbesatzung durch
400 Mecklenburger, Lauenburger und Lübecker zu ergänzen,
um den Slrassburgern den gefassten Wahn, als ob man ihnen
1 Die Kehler Brücke wurde von der Stadt Strassburg in Ge-
mässheit ihrer Vereinbarung mit Turenne nicht mehr frei gegebon.
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10. Räumung des Elsass.
Dicht helfen wolle, und damit auch die Gelegenheit zu benehmen,
den französischen Anerbietungen Gehör zu geben. Der Reichs-
feldmarschall scheint diesem patriotischen Ratschlage auch Folge
gegeben zu haben; die vier Kompagnien an der Rheinschanze
sollten monatlich wechseln. Mit seinem Gros ging Markgraf
Friedrich am 30. Januar in der Gegend von Ettlingen 1 ins
Winterquartier.
Die Kaiserlichen rückten nach dem Landstrich zwischen
Oberrhein, Bodensee, Algäuer Alpen, Lech und Donau ab. Es
war zum Teil habsburgisches Gebiel, zum grösseren Teile aber
kleinstaatliche Gebilde, von denen die Grafschaft Fürstenberg,
das Fürstentum Sigmaringen und das Bistum Augsburg noch
die grössten waren. Kaiser Leopold war übrigens — so un-
wahrscheinlich es klingt — sehr ungehalten darüber, dass
seine Länder mit zur Beherbergung seiner Truppen herangezogen
wurden. Der Breisgau blieb mit den Regimentern Strein und
Gondola besetzt ; sie genossen wegen der Nähe der Festung:
Breisach nur einer beschränkten Ruhe, behielten aber den
Uebergangspunkt Neuenburg der Vorsicht wegen besetzt. Feld-
marschall Alexander v. Bournonville nahm sein Hauptquartier
in Ravensburg, wurde aber verdientermassen noch vor dem
Beginn des nächsten Feldzuges abberufen 2 und durch den un-
gleich tüchtigeren Feldmarschall Graf v. Montecuccoli ersetzt.
Die den Kaiserlichen beigegebenen Alt- Lothringer kamen
nach einer kurzen Rast im Offenburgischen in die Markgraf-
schaft Burgau bei Augsburg. Ihr tapferer Führer von Mül-
hausen, der alte Graf d'Allamont, starb noch im Januar und
auch der hochbetagte Herzog Karl IV sollte das Jahr 1675
nicht überleben. — Für die Braunschweiger und Celler fand
sich zwischen den unfreundlich gesinnten und deshalb sorgsam
geschonten Herzogtümern Württemberg und Bayern ein Bezirk
ohnmächtiger Kleinstaaten, die man zu belegen wagte. Unter
ihnen waren die Reichsstadt Ulm, die Propstei Ellwangen, die
Grafschaften Limpurg und Oeningen. Herzog Georg Wilhelm
nahm sein Hauptquartier in Geisslingen, kehrte aber bald, un-
» So ist wohl statt Esslingen, das im Diarium Europaeum an-
gegeben ist, zu lesen.
* Er ist 1690 in spanischen Diensten als Vizekönig von Navarra
und Katalonien gestorben.
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Winterquartier der Verbündeten jn Süddeutschland. 165
befriedigt von dem was er hatte leisten können, nach Celle
zurück und übergab dem Feldmarschall Herzog Johann Adolf
v. Holstein-Plön das Kommando seiner Truppen, die sich im
folgenden Jahre an der Conzer Brücke reiche und wohlverdiente
Lorbeeren pQücken sollten.
Wenn der Unterkunftsbezirk der Kurbrandenburger noch
weiter nördlich gewühlt wurde, so geschah dies wohl nicht
allein aus zarler Rücksicht gegen den undeutsch gesinnten
Herzog v. Württemberg. Kurfürst Friedrich Wilhelm musste
mit der Möglichkeil rechnen, dass er aus seinen Winterquar-
tieren den Schweden entgegeneilen müsse. Hatte doch sein
Wiener Gesandter v. Krockow ihm noch am 8. Januar gemeldet :
General v. Wrangel wolle mit seiner ganzen Armee in der
Kurmark Quartier nehmen und habe dies dem Fürsteh v. Anhalt
angezeigt. So war es denn ganz im Sinne des Kurfürsten,
dass der Kriegsrat ihm seine Winterquartiere in Franken zu-
gestand. Sie lagen der Hauptsache nach um den Main von den
Grafschaften Hanau und Erbach über die Bistümer Würzburg,
Fulda und Bamberg bis nach dem Hohenlohischen, Ansbach-
Baireuthischen und Nürnbergischen. Bald aber dehnten sie
sich auch auf das Vogtland, die Grafschaften Reuss, Coburg,
Schwarzburg und Henneherg bis nach Erfurt und sogar ins
Eichsfeld sowie nach Mansfeld und dem Stolbergischen aus.
Der Marsch der Brandenburger nach ihren Winterquartieren
vollzog sich nicht ohne eine Störung, die von der Festung
Philippsburg ausging. Dieses rechtsrheinische Bollwerk des
Feindes machte sich neuerdings, seit Turennes grosse Aktion
Leben in die winterliche Stille gebracht hatte, wieder lebhaft
bemerklich. So wurde Hockenheim (gegenüber Speyer) von
Philippsburger Truppen gebrandschalzt. Eine andere Partei
streifte südwärts bis gegen Rastatt und hob in dem nahe ge-
legenen Dorfe Muggensturm eine Kreiskompagnie von 62 Mann
auf. Als aber ein vom Kommandanten entsandtes Delache-
ment von 94 Mann am 19. Januar auch gegen brandenbur-
gische, in Elmendingen einquartierte Truppen einen Ueberfall
versuchte, wurde es vom Oberstleutnant v. Sydow und dem
Oberst v. Printzen mit blutigen Köpfen heimgesandt, wobei 34
Gefangene in den Händen der Sieger blieben.
Dieser Erfolg konnte dem Grossen Kurfürsten nur ein ge-
ringer Trost sein, wenn er ihn mit dem vielen Ungemach ver-
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10. Räumung: dos Elsass.
glich, das ihn im Elsass gewiss nicht ohne seine Mitschuld,
aber doch hauptsächlich durch die hoffnungslos zerfahrenen Zu-
stände des deutschen Staats- und Kriegswesens betroffen hatte.
Friedrich Wilhelm hatte an der Südwestmark des heiligen Rö-
mischen Reiches viel von seinem wohl erworbenen Ruhm und
Ansehen eingebüsst, glücklicherweise nur auf kurze Frist.
Seinen hoffnungsvollsten Sohn, den Kurprinzen Karl Emil,
brachte er nur als Leiche zurück ; der Sarg des Prinzen wurde
am 16. Januar unter Leitung des Oberhofmarschalls v. Canitz
in feierlichem Zuge, begleitet von der gesamten stadtischen
Körperschaft der Dreizehner, aus dem Sterbehause im Dettling-
schen Hof zu Strassburg über den Rhein zum brandenburgischen
Hauptquartier geleitet. So zog der Kurfürst in trüben Gedanken
weiter den fränkischen Quartieren zu. Eine unbefriedigende
Episode seines tatenreichen Lebens lag hinter ihm.
Aber kein halbes Jahr sollte vergehen, bis die Sonne des
Glückes ihm wieder lachte. Sein grosser Gegner der Vicomle
v. Turenne, dessen Heldenlaufbahn eine österreichische Kanonen-
kugel am 27. Juli 1675 auf dem Schlachtfelde von Sasbach ein
Ziel setzte, hat es noch erlebt und erfahren, dass der Grosse
Kurfürst — jetzt befreit von den Fesseln der unseligen Koalitions-
Feldherrnschaft — am 28. Juni 1675 auf dem Felde von
Fehrbellin jenen entscheidenden Erfolg erstritt, der alles wieder
gut machte, was im Elsass seinerseits verfehlt worden war.
Es war das erste Glied einer Kette herrlicher Siege, die ge-
radenwegs zum Ruhmestage von Sedan führt. Aber noch
musste das deutsche Volk die Schule zweier wechselvoller Jahr-
hunderte durchmachen, bis es ihm unter Besiegung seiner
inneren Zwietracht gelang, sich unter der Führung eines kraft-
vollen Nachkommen des Grossen Kurfürsten das Kleinod zurück-
zuholen, das ihm in traurigen Zeiten der Schwäche entrissen
worden war, und um das es 1674/75 vergebens gekämpft hatte :
das deutsche Elsass!
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ANLAGE I.
Das Deutsche Reichsheer im Elsass
im Winter 1674|75.
Oberbefehlshaber.
Friedrich Wilhelm Kurfürst v. Brandenburg.
Gen.-Adj.: Oberstleuts. v. Kanowsky, v. Vitzthum, v. Küssow; Majors
v. Koepping, v. Kallenberg.
Kaiserliche.
Befehlshaber: Feldmarschall Alexander Herzog v. Bournonville.
Adjutantur: Gen.- Adjutant Mensage
Gen.-Quartiermstr. : Gen.-Quartmstr. Scholtas
Verpfleg.-Wesen: Oberstleutnant Seeliger
Rechtspflege : Gen.-Auditeur Völcker
Generalität: Feldzeugm. Markgraf Hermann v. Baden
Feldm.-Leut. Graf v. Caprara
» » Wertmüller
General-Major v. Dünnewald
» » Schultz
Fuss volk: Regiment Portia
> Reuss
> Sereni
» Strein
» Vehlen
Halbes Regt. Kaiserstein
Dragoner: Regiment Reiffenberg
Reiterei: Kürass.-Regt. Bournonville
> • Caprara
> > Baireuth
Halbes Regt. Dünnewald
• » Jung-Lothringen
• • Jung-Holstein
Kroaten: Regiment Lodron
Artillerie (angebl. 8 Geschütze): Kapit. Koch
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168
Anlage I: Kriegsgliederung
Brandenburger.
2. Befehlshaber: Feldmarschall Frh. v. Derfflinger
Gen.-Quartiermstr. : Oberst v. Berlepsch
Intendantur: Geheimer Rat ' Meinders
Verpfleg.-Wesen : Gen.-Proviantmstr. Edlinger
Rechtspflege: Gen.-Auditeur Portz
Generalität: Gen. d. Kav. Landgr. Friedrich v. Hessen- Homburg
Gen.-Leut. Herzog August v. Holstein
» » v. d. Goltz
Gen.-Maj. v. Görtzke
» » v. Lüdeke
» > v. Götzen
> > v. Pöilnitz
» » d'Espense
Fuss volk: Leibgarde zu Fuss (v. Pöilnitz)
Regiment Derfflinger
» Dohna
> Goltz
» Götzen
» Schöning
> Dönhoff
» Flemming
Halbes Regt. Holstein
» > Fargel |
Dragoner: Dragoner-Garde (v. Grumbkow)
Regiment Derfflinger
> Bomsdorff
Reiterei: Trabanten-Garde I
Leibregt, zu Pferde | < d ' Es P e " 8 *)
Regiment Prinz Friedrich
> Anhalt
» Derfflinger
» Hessen-Homburg
> Görtzke
» Lüdeke
» Momer
» Printzen
Reiterei: Regiment Brockdorff
> Croy
Artillerie (47 Geschütze): Oberst Brustorp v. Schönt.
| je 4 Komp.
je 5 Komp.
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Regiment Holstein
» Reuss
des deutschen Reichsheeres 1674/75. 169
Braunschweig-Lfinebarger.
Befehlshaber: Herzog Georg Wilhelm v. Celle
Adjutantur: Oberstleut. Erskin
Ober-Quartiermstr. : Oberst, v. Rumohr
Intendantur: Präsident v. Heimburg (Wolfenb.)
Geheimrat Müller (Celle)
Generalität: Feldmarschall Herzog Johann Adolf v. Holstein
General-Major v. Ende | iQ B \\ e \ [(Wolfenb.)
> » Chauvet I
» » Graf Reuss (Wolfenb.)
F u 8 s v o 1 k : Garde- od. Leib-Regt.
Regiment Ende
» Moilesson
> Joquet . } (Celle >
Melleville
> Linstow
» vac. Xoot | ( Wolfenb >
» Schmiedeberg )
Dragoner: Regiment Franke (Celle)
» Schack (Wolfenbüttel)
Reiterei: Leib Regt. (v. Haxthausen) .
Regiment Chauvet f ,, %
Meilinger \ < Celle )
» Beauregard 1
Regiment Reuss I
> Lobech f
Ziegler \ (Wolfenb.)
Wilke 1
Artillerie (32 Geschütze): Oberstleut. v. Bobart
Munsterauer.
Befehlshaber: General-Major Post
Verpfleg.- Wesen: Kommissar v. Brockhausen
F us sv olk: Regiment Wedel
Limburg- Stirum
» Mias
» Erden
Dragoner: Regiment Barleben
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170
Anlage I : Kriegsgliederung.
Reiterei: Bischöfl. Garde: Ob. Schade
Regiment Post
Uffeln
> Bönninghansen
» Westerholt
Artillerie (6 Geschütze) : Maj. Renkemeyer
Befehlshaber: Herzog Karl IV v. Lothringen
Adjutantur de Pont-ä-Mougeat
Verwaltung: Kanzler Canon
Reiterei: Chcvaulegcrs : Gr. d'Allamont
Dragoner: Regiment Silbach.
Von der Feldarmee abkommandiert:
Nach Freiburg: kais. Gen.-M8j. Schütz
kais. Kür.-Regt. Gondola
Nach Dachstein : kais. Fuss-Regt. Knigge.
»
Macdonelli
Hautyn
Lothringer.
Garde:
Regiment
Chausse
du Puy
du Houx
de Mcrcy
Thouvenin
Rheingraf
vac. Berriere
Rucheraferd (?)
Weiden
ANLAGE II.
Quellenübersicht.
I. Urkunden ans Archiven.
Kais. u. Kön. Kriegsarchiv Wien.
Berichte an den Kaiser Leopold I und den Präsidenten des
Hofkriegsrats Feldmarschall Graf v. Montecuccoli, erstattet vom
Kurfürsten v. Brandenburg General-Maj. v. Dünnewald
Herzog v. Bournonville General-Maj. Schultz
Gesandten Frh. v. Goes Oberst Gabriel Vecchia
Markgrafen Hermann v. Baden Oberstleut. v. Dietrichstein.
Feldm.-Leut. Wertmüller
Als Berichte von Augenzeugen vom höchsten Werte, jedoch — soweit die
Briefschreiber von sich selbst sprechen — mit Vorsicht zu benutzen. Auch
ist die Voreingenommenheit und Abneigung gegen Kurbrandenburg in der»
Briefen Bournonvilles und Goes in Rechnung zu stellen. Einige wenige dieser
Urkunden sind vom Dr. S. Isaacsohn schon veröffentlicht.
König 1. Staatsarchiv Berlin.
Schriftwechsel des Oberbefehlshabers Kurfürsten Friedrich Wil-
helm v. Brandenburg mit
Kaiser Leopold I Kanzler v. Somnitz
Alexander v. Bournonville Geheirarat Meinders
Herzog Georg Wilhelm v. Celle Rat der Stadt Strassburg
Herzog Karl IV v. Lothringen Marschall Turenne
Herzog August v. Holstein Obers le Roy (Breisach)
Aufgefangene Schreiben französischer Offiziere, namentlich des Herrn
v. Cagnot vom Regiment Dauphin.
Aktenstück: Kriegessachen de 1674 und 75.
Nouvelles von dem wass Ao. 1674 im Elsass vorgangen.
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17:2
Anlage II.
Bericht von der Reiterada von Colmar nach Strassburg.
Aktenstück wegen der Schwedischen und Französischen Ministrorum
Jlachinationes.
Auch diese Berliner Archivalien sind Quellenschriften ersten Ranges ;
Jedoch wird auch bei ihnen die Objektivität durch eine grosse Gereiztheit
gegen die Kaiserlichen beeinträchtigt. Eine stattliche Anzahl der Berliner
Urkunden ist schon in H. Peters Werk abgedruckt.
König 1. Staatsarchiv Hannover.
Akten des Celler Briefarchives, enthaltend d>n Schriftwechsel
des Herzogs Georg Wilhelm mit
Karfürst Friedrich Wilhelm v. Brandenbarg
Herzog Rudolf Aagust v. Braunschweig
Markgraf Friedrich v. Baden-Durlach
Kurfürst Karl Ludwig v. d. Pfalz
Kanzler Sinold v. Schütz
Rat der Stadt Strassburg.
Berichte der Geheimräte L. Müller und Fr. v. Heimburg, auch über
das Treffen bei Türkheim.
Berichte des Hofjunkers v. Bernstorff.
Kriegsakten über die Winterquartiere bei Schlettstadt.
Aktenstück über die Aufstellung des Hannoverschen Kontingents
zum Reichsheere.
Die Urkunden des Celler Briefarchives sind völlig zuverlässiges Material,
zumal sich in ihnen keinerlei Parteilichkeit bemerkbar macht. Viele der Ur-
kunden sind vom Militär-Oberpfarrer Rocholl veröffentlicht. Das Wolfen-
bütteler Archiv besitzt keine Militärakten aus dem 17. Jahrhundert mehr.
Grossherzog 1. Archiv Darmstadt.
Schriftwechsel des Landgrafen Friedrich II v. Hessen-Homburg mit
dem Grossen Kurfürsten, dem General v. Görtzke, dem
Oberst la Roche und anderen.
Rapporte der Brandenburgischen Kavallerie.
Quarticrs-Repartition vom Dezember 1674.
Der Nachlass des Landgrafen von Homburg ergänzt in- wünschenswerter
und völlig zuverlässiger Weise das Material über die brandenburgwehen
Truppen. Einzelne dieser Dokumente sind schon in Jungfers Biographie des
Landgrafen enthalten.
Elsässer Archive.
Acta Capitularia des St. Martinsstiftes zu Colmar (Bezirksarchiv des
Oberelsass).
Ratsprotokolle und Abrechnungsbücher der Stadt Colmar (Stadt-
archiv daselbst).
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Qnellenübersicht.
173
Akten des Magistrats Rappertsweiler und
Akten des Hohen Rats zn Breisach (Bezirksarchiv des Oberelsass).
Urbar der Stadt Rufach nebst Ratsprotokollen (Stadtarchiv Rufach).
Die Elsässer Archivalien enthalten nicht viel von Wichtigkeit, sind aber
zur Feststellung verschiedener Einzelheiten nicht ohne Nutzen. Sie sind fast
alle schon nebst den recht wertvollen Auszügen aus dem Strassburger Proto-
kollbuch des Rates der Dreizehn vom Oberpfarrer Rocholl veröffentlicht.
Kriegsarchiv zu Paris.
Bericht des Herrn v. C6zen, Generalstabschef Turennes, vom 7.
Januar 1670.
Französische Verlustliste für das Treffen von Türkheini, nach Regi-
mentern geordnet, für Offiziere namentlich.
Alle übrigen,' sehr reichhaltigen einschlägigen Dokumente des Depot de
la guerre zu Paris sind schon anderweitig (Nieger, Gerard, Choppin usw.)
eingesehen und verwertet worden.
II. Gleichzeitige periodische Zeitschriften.
Theatri Europaei eilfiter Theil (1672—1679) herausgegeben durch
Merian und Götz; Frankfurt a/M 1682.
Diarii Europaei oder Täglicher Geschichts-Erzehlungen 31. und 32.
Theil; Frankfurt a|M 1675-76.
Jacobi Franci Historische Beschreibung der denckwürdigsten Ge-
Geschichten zwischen jüngit verflossener Mess bis 1675,
von Sigism. Latomi Erben; Frankfurt a/M 1675.
Des verwirreten Europae Continuation (1673—1676), von Andr.
Müllern ; Amsterdam 1680.
Alle diese regelmässig zur Frankfurter Messzeit erschienenen Zeitschriften
bringen in Gestalt von zahlreichen zeitgeschichtlichen Notizen und grösseren
Berichten aus den verschiedenen Ladern unentbehrliches Material. Doch ist es
oft weder objektiv noch fehlerfrei, daher stets der Nachprüfung bedürftig.
III. Sonstige gleichzeitige Quellen.
Comte de Grimoard, Collection de lettres et memoires du Marechal
de Turenne; tome IL; (Paris 1782).
Obgleich erst nach mehr als 100 Jahren erschienen, ist diese Sammlung
doch ein zeitgenössisches Quellenwerk ersten Ranges, da es nur aus Briefen
von und an Turenne besteht. Bei der Wahrheitsliebe und Zuverlässigkeit
des Marschalls sind seine eigenen Aeusserungen vom höchsten Werte für den
Geschichtsschreiber, der einen seiner Feldzüge behandeln will.
Tagebuch Dieterich Siegismund v. Buchs aus den Jahren 1674—1683;
herausgegeben von G. v. Kessel; (Jena und Leipzig 1865).
Sehr wichtige Quelle, da der Kammerjonker v. Buch zur täglichen Um-
gebung des Grossen Kurfürsten gehörte ; aber mit grosser Vorsicht zu be-
nutzen, da es äusserst gehässig gegen Bournonville geschrieben und ausser-
dem schlecht übersetzt ist.
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174 Anlage II.
L. M. de la Fare, Mcmoires et reflexions sur les principaux evenc-
mens du regne de Louis XIV ; (Rotterdam 1716).
Als Erinnerungen eines Augenzeugen zu den gleichzeitigen Quellen zu
zahlen. La Fare« Darstellung de* Treffens von Türkheim hat durcb ihre
Angaben über Turennes Umgebungsmarsch von Wettolsheim nach Türkheim
eine besondere Bedeutung erlangt.
Fernere Continuation abgestatteter Relationen des verkleideten
Götter-Bothens Mercurii ; (Wahrburg [!] 1675).
Eine sehr gut unterrichtete, mit Geist und Witz geschriebene, übrigens
etwas gegen die Kurbrandenburjrer eingenommene kleine Schrift. Neu heraus-
gegeben vom Oberpfarrer Rocholl, Berlin 1878.
Bruneau, Etat present des affaires d'AUemagne et la relation de ce
qui s'est passe dans la campagne de M. le Vicomte de
Turenne 1674—75; (Paris 1675).
Als gleichzeitige Darstellung des Krieges vom französischen Standpunkte
beachtenswert; bietet im Uebrigen nicht viel Neues.
ChroniconBodendicense; Aufzeichnungen des Pfarrers G. Berckemeyer
über seine Kriegserlebnisse 1674—1679 als Feldprediger
des Cellisohen Regiments v. Ende.
Diese persönlichen Erinnerungen finden sich im Kirchenbuche zu Boden-
teich. Sie sind an und für sich sehr wertvoll, bieten aber leider über das
Treffen bei Türkheim nur geringe Ausbeute, wahrend die Tage von Enzheim
und Markirch genau erzahlt sind.
Urkunden und Aktenstucke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich
Wilhelm v. Brandenburg; 14. Band; (Berlin 1890).
Ist im gleichen Sinne wie die Correspondance de Turenne zu den gleich-
zeitigen Quellen zu rechnen; enthält übrigens nur für die diplomatische Ge-
schichte des Jahres 1674/75 einiges Material.
IV. Spätere Druckwerke.
a) Politisch-geschichtlich.
L. Laguille, Histoire de la province d'Alsace; (Strasbourg 1727).
J. ab Alpen, Vita Christophori Bernardi Episcopi et Prineipis
Monasteriensis ; «Münster 1709).
A. Calmet, Abrege de.l'Histoire de Lorraine; (Nancy 1734).
M. Philippson, der grosse Kurfürst Friedrich Wilhelm von Bran-
denburg. 2. Teil; (Berlin 1902).
Diesen Geschichtswerken konnten nur verhältnismässig wenige und unter-
geordnete Angaben entnommen werden.
b) Kriegsgeschichtlich.
Rny de St. Genies, Histoire militaire du regne de Louis le Grand;
(Paris 1755).
Dürftige Darstellung, für den vorliegenden Zweck kaum irgendwie ver-
wertbar und nur wegen des frühen Erscheinungsjahres aufgeführt.
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Qaellenüber8icht. 175
Deschamps, M6raoires des dcux dcrnieres Campagnes de Monsieur
de Turenne en Allemagne; (Maubeuge 1756).
L'in zuverlässiges, objektiv gehaltenes, in jeder Hinsicht vorteffllches
Werk, dessen Verfasser den Krieg 1674175 unter Turenne mit Verständnis
durchgemacht hat. Sein Buch ist weitaus das beste, was darüber in älterer
Zeit aus französischer Feder erschienen ist.
de Bamsay, Histoire du Vicomte de Turenne; (Paris 1774).
Ein ziemlich konfuses Buch, das mit zahlreichen Irrtümern durchsetzt
ist; auch der dem Werke beigegebene Schlachtplan von Türkheim ist völlig
unbrauchbar.
F. W. v. Zanthier, Feldzüge des Vicomte Turenne ; (Leipzig 1779).
Ein ausführliches, nur auf französischen Autoren beruhendes, militärisches
Werk. Ueber die Verhältnisse auf deutscher Seite zeigt sich der deutsche
Verfasser — ein portugiesischer Offizier — wenig unterrichtet.
de Beaurain, Histoire des quatre dcrnieres campagnes du marechal
de Turenne en 1672—1675; (Paris 1782).
Dieses vom Hofgeographen Ludwigs XIV herausgegebene, jedoch auf
einem Grimoardschen Manuskripte beruhende Werk ist mit Vorsicht zu be-
nutzen. Von Beaurain stammt die Fabel von Turennes Zug über den Hoh-
landsberg: auch sein Schlachtplan ist unzuverlässig.
A. Nieger, Travail historique sur la bataille de Turckheim, (1858).
Diese ungedruckt gebliebene Arbeit eines französischen Offiziers, der ein-
gehende Lokalstudien gemacht und die Akten des Pariser Kriegsarchivs be-
nutzt hat, ist fleissig, geschickt und für die Verhältnisse auf französischer
Seite sehr brauchbar, blieb aber den späteren Autoren bis in die neueste Zeit
unzugänglich. Sie befindet sich in der Colmarer Stadtbibliothek.
H. Peter, der Krieg des Grossen Kurfürsten gegen Frankreich 1672 —
1675 ; {Halle 1870).
Ein ausgezeichnetes Geschichtswerk, kritisch und objektiv geschrieben ;
ohne Frage das beste, was über diesen Krieg erschienen ist. Gestüzt auf genaue
Durcharbeitung der Berliner Archivalien, aber ohne solche aus Wien und da-
her nicht ganz gerecht gegen die Kaiserlichen. Die Schilderung der Gefechte
von Mülhausen und Türkbeim steht nicht auf der Höhe der Erzähluug der
politischen und strategischen Vorgänge.
Ch. Gerard, La bataille de Turckheim (Colmar 1870).
Eine fleissig und mit genauer Kenntnis der Oertlichkeit, auch mit Heran-
ziehung der Schätze des D£pöt de la guerre geschriebene Schrift. Jedoch
lediglich vom französischen Standpunkte und nicht frei von Einseitigkeiten
und Irrtümern; daher sorgfältiger Nachprüfung bedürftig.
S. Isaacsohn, der deutsch^französische Krieg im Jahre 1674 und
das Verhältniss des Wiener Hofes zu demselben; (Berlin 1871).
Verfasst nach Einsichtsnahrae der Urkunden des Wiener Kriegsarchives
(Montecuccoli- Akten). Notwendige Ergänzung zu Peters Darstellung; neigt viel-
leicht zu sehr zur österreichischen Aufassung.
H. Choppin, Campagne de Turenne en Alsace 1674—75; (Paris 1875).
Ganz einseitig französisch geschrieben; verwertet besonders die in der
Bibliothek zu Tours eingesehenen Mainzer Berichte des Abbe de Oravel.
Diese sind aber zum grössten Teil schon bei Griinoard gedruckt.
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t
176 Anlage II.
Dr. H. Rocholl, der Grosse Kurfürst von Brandenburg im Elsass
1674—75, mit einer Karte; (Strassburg 1877\
Verfasst unter Verwertung gründlicher Studien in Elsässer Archiven
und bei Türkheim. Nicht ganz objektiv gehalten, indem eine grosse Vorliehe
für Kurbrandenburg die Darstellung unverkennbar beeinflusst. Der Hohlands-
berg-Mythos wird in dieser Schrift zum erstenmale öffentlich widerlegt.
Braubach, Bemerkungen zum Treffen von Türkheira am 5. Januar
1675; von einem Preussischen Offizier; (Colmar 1894).
Die kleine Schrift beschäftigt sich nur mit dem Marsche Turennes von
Wettolsheim nach Türkheim, löst aber diese seit langer Zeit streitige Frage
in mustergültiger Weise.
F. des Robert, Les campagnes de Turenne en Alleraagne 1672—1675;
(Nancy 1903).
Wichtiger neuer Beitrag zur Geschichte jener Jahre, aber weniger auf
kriegsgeschichtlichem als auf politischem Gebiete. Der Verfasser hat im Archiv
des Auswärtigen Amtes zu Paris die Gesandtschaftsberichte von Vitry (München).
Persode de Maizery (Frankfurt)» Grave! (Mainz), Vidal (Hamburg). Verjus
(Berlin) usw. gründlich durchforscht.
Dr. H. Rocholls Broschüren zum Feldzuge 1674,75:
1. Sammlung der in den elsässischen Archiven beruhenden,
die Brandenburgischc Carapagnc betreffenden hand-
schriftlichen Documente; (Berlin 1879).
2. Die Braunsen weig-Lüneburger im Feldzuge des Grossen
Kurfürsten gegen Frankreich 1674 — 75; (Hannover 1895).
3. Studien über den Feldzug des Grossen Kurfürsten gegen
Frankreich 1674-75; (Berlin 1900).
Verfasser hat als Divisionspfarrer in Colmar, sowie später in Hannover
durch gründliche Durchforschung aller ihm erreichbaren Archive viel Material
zusammengetragen, das als Bausteine 2u einer wirklichen Geschichte jenes
Krieges sehr willkommen sein muss.
c) Lokalgeschichtlich.
Strassburg: Rod. Reuss, La Chronique Strasbourgeoise du peintre
J. J. Walter pour 1672-76; (Paris 1898).
Colmar: N. Klein, Chronica Colmariensis 1662-1703.
Wie die Stadt Colmar durch die Franzosen eingenommen
worden.
A. Waltz, Siegmund Billings Kleine Chronik der Stadt
Colmar.
Hunkler, Geschichte der Stadt Colmar; (Colmar 1838).
Breisach: P. Rosmann und F. Ens, Geschichte der Stadt Breisach;
(Freiburg 1851).
A. Coste, Notice historique et topographique sur la ville
de Vieux-Brisache ; (Mulhouse 1860).
Mülhausen : M. Graf, Geschichte der Stadt Mulhausen : (Mulhausen
1822).
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Quellenübersioht.
177
H. de l'Hcrminc, Memoires de deax voyages et sejours
en Alsace 1674— 7G et 1681 ; (Mulhouse 1886).
E. Meininger, La bataille de Mulhouse, recit contemporain
tire des archives municipales; (Bulletin du Musee his-
torique 1902).
Bclfort. Corret, Histoire de Beifort et de ses environs; (Beifort 1855).
Etüde historique Bur Beifort; (Bulletin de la societ6 Bel-
fortainc 181)7).
Diese loknlgeschichtlichen Schriften nebst anderen, hier nicht besonders
aufgeführten Stadtffcschicliten (Schlettatadt. Münster, Rufach. Thann usw.)
konnten das aus den Archiven und kricffsgeschichtlichen Werken genommene
Bild nur in Einzelheiten ergänzen.
d) Truppengcschichtlich.
Kaiserliche: G. Anger, Illustrierte Geschichte der k. k. Armee; 2.
Band; (Wien 1887).
A. Marx, der Feldzng 1675 in Deutschland; ^Oesterr.
Militär-Zeitschr. 1841).
J. Victorin, Geschichte des k. k. 7. Dragoner-Regiments :
(Wien 1879).
Brandenburger: G. A. v. Mülverstedt, Die brandenburgische Kriegs-
macht unter dem Grossen Kurfürsten; (Magdeburg 1888).
G. Lehmanns scharfe Kritik über dieses Buch, (Forschungen
z.. Brandenb. u. Preuss. Geschichte; Leipzig 1888).
A. C. v. d. Oelsr'tz, Geschichte des Königl. Preuss. 1. In-
fant.-Regts.; (Berlin 1855).
J. Jungfer, Zur Geschichte Friedrichs v. Homburg 1674—75 ;
(Göttingen 1886).
W. v. Unger, Feldmarschall Derfflingcr; Beiheft zum
Mil.-Wochcnbl. ; (Berlin 1896).
Lüneburger: Fr. v. Wissel, Geschichte der Errichtung sämmtlicher
Chur-Brannschweigisch-Lüneburgischen Truppen ; (Celle
1786)
v. Sichart, Geschichte der Kgl. Hannoverschen Armee
1. Band ; (Hannover 1866).
Braunschweiger: C. Venturini, Umriss einer pragmatischen Ge-
schichte des Kriegs-Wesens im Herzogthum Braun-
schweig; (Magdeburg 1887).
0. Elster, Geschichte der stehenden Truppen im Herzog-
thum Braunschweig- Wolfernbüttel von 1600—1714; (Leip-
zig 1899).
Münsteraner: G. B. Depping, Geschichte des Krieges der Münsterer
und Cölner 167*2-74; (Münster 1840).
K. Tücking, Geschichte des Stifts Münster unter Christoph
Bernhard v. Galen ; (Münster 1865).
12
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L
178
Anlage II: Quellenübersicht.
Lothringer: de Beaurau, Memoire« pour tervir ä l'Histoire de
Charles IV Duc de Lorraioe; (Gologne 1688).
Franzosen: le Pippre de Noeufvilie, Abregt chroaologique et histo-
rique de la Maison d* Roi et de toutes les troapes
de France ; (Liege 1734).
Susane, Hietoire de l'infeaterie et de la cavalerie Fran
c>ise; (Parle 1876 u. 1874).
Belhomrae, Histoire de l'infanterie en France; (Paris et
Limoges).
K. Engel, der Regimentsstab des deutsehen Infant -Regts.
Elsass; (Zeit8chr. fQr die Geschichte des Oberrheins).
E. Fieff6, Geschichte der Fremdtruppen im Dienste Frank-
reichs; (München 1860).
Diese und andere Bacher ergänsten das aus den Akten der Staatsarchive
gewonnene Material zur Abfassung des 2. und 8. Abschnitts dieser Schrift
und zur Kriegsgliederung des deutschen Reiclisheeres (Anlage I).
V. Karten.
Homannsche Erben, Karte des Elsass; (1663 bis 1724).
J. B. Homann, Provincia Brisgoia; (1718).
Seuttersche Karte Alsatia; (1678 bis 1754).
Casinische Karte aus dem 18. Jahrhundert.
le Rouge, Le cours du Rhin de Bale et Hert pres Pbilisbourg (1745);
corrigee en 1772; les camperoents servent a l'Abregä des
Campagnes de Türen ne.
Alter Umgebungsplan von Mülhausen; im dortigen Stadtarehive
aufbewahrt.
Flurkarten des französischen Oberelsass; hergestellt von der fran-
zösischen Intendanz im 18. Jahrhundert ; im Bezirksarchive
zu Colmar aufbewahrt.
G. Stoffel, Topographisches Wörterbuch des Ober-Elsass.
Karte des Deutschen Reiches 1:100000, nebst Messtischblättern
1:25000; hergestellt seit 1871 von der Landesaufnahme des
Preuasibchen Generalstabes.
Zu Grunde gelegt sind den Kartenbeilsgen dieses Buches die neuesten
Aufnahmen des Freussischen Generalstabes. Die ausserdem aufgeführten äl-
teren, meist recht mangelhaften Karten dienten dazu, das Strassennetz, die
Ortschaften usw. in möglichste Ueberelnstimmung mit dem Zustande vou
1674—76 zu bringen.
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