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Full text of "Beiträge zur Landes- und Volkeskunde von Elsass-Lothringen"

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Beiträge zur 
Landes- und 



Volkeskunde 






Elsass-Lothri 




FKOM TUE FUND OF 



CHARLES MINOT 

(Claas of 1828) 



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DIE FAHNEN 

DER 

STRASSBURGER BÜRGERWEHR 

IM 17. JAHRHUNDERT. 



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o 

BKITRÄGE_ZUR LANDES- UND VOl.KKSKUNDE IN ELSASS-LOTHR INGEN. XXVIII. 

0 DIE FAHNEN 

DER 

STRASSBURGER RÜRGERWEHR 

IM 17. JAHRHUNDERT. 

VON 

JOSEPH GENY. 

/ 

MIT 12 FAHRIGEN FAHNEN ARUILDUNGEN. 




K STIUSSBUHG 
.1. H. Ed. Heitz (Heitz & Mi ndel) 

1902. 



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Die Abbildungen wurden in der Lithographischen Anstalt 
von Fr. Gabelmann Strassburg i. E. ausgeführt. 



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Inhaltsangabe. 

Seite 

Vorwort VI 

I. Zünfte und Magistrat 1 

II. Militärische Organisation der Bürgerschaft 3 

III. Errichtung von H Freiwilligen-Kompagnien im Jahre 1633 .'> 

IV. Ihre Stammrolle s 

V. Dienstordnung des Obersten nnd des Oberstleutnants . . 20 

VI. Dienstordnung der Mannschaft 22 

VII. Waffenordnung derselben -2"> 

VIII. Errichtung und Stammrolle der 2 Kompagnien zu Pferd 

im Jahre 1665 26 

IX. Reorganisation der Bürgerwehr im Jahre 1672 ...» 34 

X. Wachtordnung von 1(172 3!» 

PerBoncnverzeichnis 44 



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Vorwort. 



Vorliegendes Werk bietet die farbigen Abbildungen der 
zwölf Fahnen der ledigen Bürgerwehr oder Junymiliz 
Strassburgs aus dem 17. Jahrhundert und einige Akten- 
stücke, die einer Handschrift entnommen sind, welche früher 
im Besitze des Slrassburger Ammeisters Franz Reisseissen 
war. Sie führt den Titel: *Roll über die acht Compag- 
nien lediger und unverburgeter Manschajft sambt damahl- 
igen zwoen Compagnien zu Pferdt von der Bur gerschaß U, 
und bildet einen kleinen in weissem Pergament eingebun- 
denen Quartband, mit Goldschnitt, von 292 unpaginirten 
Seilen. Sie gehört jetzt (Nr . 226 der Collection Dorlan) 
der Bibliothek der Stadt Schletlsladt, die sie im Jahre 
1860 von dem Advokaten A. Dorlan gekauft hat. Schrift 
und Bilder dürften auf einen Muster- oder Compagnie- 
schr eiber zurückgehen, der seines Berufes Schild- oder 
Wappenmaler war, wie es dereil im damaligen Strassburg 
viele und geschickte gab, und sind, vielleicht auf Wunsch 
des damaligen Oberstleutnants Reisseissen, um 1670 vfr- 
fertigt worden. Nur die vier Einzeichnungen von den 
Jahren 1676 und 1677 unter der Liste der Obersten und 
Oberstleutnants stammen von der Hand Reisseissens. 

Die übrigen Angaben und Erläuterungen sind folgen- 
den Büchern entlehnt: 

1. Friedrich Carl Heitz, Das Zunftwesen in Strassburg. 
1856. 



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2. Rudolf Reuss, Slrassburgische Chronik von 1657 — 
1677 : Aufzeichnungen des Ammeisters Franciscus Reiss- 
eissen, Strassburg, 1880. 

3. Rudolf Reuss, Slrassburgische Chronik von 1667— 
1710 : Memorial des Ammeisters Franciscus Reisseissen. 
1877. 

4. Der Sladt Strassburg Wachtor dnungen. 1672. 
Zum Vergleiche wolle man noch heranziehen: 

5. Joh. Andreas Silbermann, Locol- Geschichte der Stadl 
Strassburg. Strassburg, 1775. 

6. Fred. Piton. Strasbourg illustre'. 1855. 

7. Rud. Reuss, L artillerie Strasboargeoise du XIV 9 au 
XVII 9 siecle, in Revue Alsacienne, 1880. 

8. Adolph Seybolh, Das alle Strassburg xovi 13. Jahrh. 
bis zum Jahre 1870. Strassburg, 1890. 

9. Ad. Seyboth, Strasbourg kislorique et pittoresque. 
Strasbourg. 1894. 

10. E. v. Borries, Sladlgesch'ichte ton Strassburg, in 
Strassburg und seine Bauten. 1894. 

11. Alfred Touchemolin, Strasbourg mililaire. Paris, 
1895. 

Schleltsladl, am 19. November 1901. 

Jos. GtfiNY. 



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I. 

Die militärische wie überhaupt die ganze politische 
Organisation der freien Reichsstadt Sirassburg beruhte 
vom 14. bis zum 17. Jahrhundert auf den Zünften. In 
dieser letztern Zeit verteilte sich die Bürgerschüft auf 22 
Zünfte : zwei adelige und zwanzig Handwerkerzünfte. Die 
Zünfte der Geschlechter oder Konstöffler, wie sie genannt 
wurden, hiessen die erste zum Mühlstein und die andere 
zum Hohensteg und sind in der Geschichte zur Genüge 
bekannt durch die Fehden und Streitigkeiten der beiden 
Familien von Mülnheim und der Zorn. 

Die nichladeligen Bürger bildeten folgende 20 Zünfte : 

1. Die nautae oder Schiffleute, die Zunft zum Anker. 

2. Die mercatores oder Kaufleute, Krämer, mit den Hul- 
machem und Secklern, die Zunft zum Spiegel. 

3. Die Freiburger, d h. caupones vel liberi cives oder 
Wirte und «Müssiggänger». 

4. Die Tucher, d. h. fullones oder Wollschläger oder 
Walker, die Wollen- und Leinenweber. 

5. Die Metzger oder laniones, die Zunft zur Blume. 

6. Die frumentarii oder Korn- und Mehlleute, die Müller 
und Scherer, die Zunft zur Lucerne oder Laterne. 

7. Die salsamentarii oder Salzleute, Salzmesser, die 
Klein- und" Althändler, Seiler, Biersieder, Fasszieher, 
Karcher und Taglöhner, die Zunft zur Möhrin. 

l 



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1 



— 2 — 

8. Die aurifabri oder Goldschmiede, die Maler, Buch- 
drucker, Buchbinder, Seidensticker, Glaser und son- 
stige Künstler, die Zunft zur Stelze. 
» 9. Die pistores oder Bäcker, 

10. Die pelliones oder Kürschner. 

11. Die doliarii oder Küfer. 

12. Die coriarii oder Gerber mit den Pergamentern. 

13. Die vinarii oder Weinsticher. 

14. Die sartores oder Schneider. 

15. Die fabri ferrarii oder Schmiede, Schlosser, Gürtler, 
Nadler, Spengler und Bader. 

16. Die sutores oder Schuhmacher. 

17. Die piscatores oder Fischer. 

18. Die fabri lignarii oder Zimmerleute, Wagner, Schrei- 
ner und Drechsler. 

19. Die horlulani oder Gärtner mit je einer Zunftstube 
in den drei Vorstädten : Weissturmstrasse, Steinstrasse 
und Krulenau. 

20. Die coementarii oder Maurer, Steinmetze, Hafner 
und Pflasterer. 

An der Spitze der Verwaltung stand der Rat, welcher 
sich aus 31 Mitgliedern zusammensetzte: nämlich 10 aus 
den Konslöfflern, deren vier Stadtmeister waren, 20 aus 
den Handwerkerzünften und einem auch von diesen letz- 
lern ernannten Amraeister. Mit diesem Ammeister wurde 
der Rat jährlich zur Hälfte wiedergewählt durch die 
Schöffen aus den Zünften, zu denen die Abgehenden ge- 
hörten. Auf jede der 20 Handwerkerzünfte kamen 15 
scabini oder Schöffen, die ihr Amt lebenslänglich be- 
hielten, und zu welchen der von dem Rate und den XXI. 
aus dem beständigen Regiment bezeichnete Oberherr und 
der von den Schöffen erkorene Ratsherr zählten. Jede 
Zunft hatte dann noch ihren Zunftmeister und ihr eigenes 
Gericht. In allen wichtigen Stadtangelegenheiten berief 
der Rat die 300 Schöffen zur gemeinsamen Berat- 
schlagung. 



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Neben dem Rale gab ts noch besondere Kollegien oder 
Kommissionen, die sogenannten drei geheimen Stuben : 
zuerst die XIII. oder Dreizehner: nämlich vier Patrizier, 
vier Handwerker und vier Altammeisler, welche die aus- 
wärtige und allgemeine Politik leiteten. Dann die XV. 
oder Fünfzehner : fünf Adelige und zehn Handwerker, 
die weder Ammeister noch Räte oder Beamte sein durf- 
ten. Sie ergänzten sich durch Kooptation und blieben im 
Amte, so lange sie kein anderes annahmen. Zu ihrer 
Kompetenz gehörte die gesamte innere Verwaltung. End- 
lich die XXI. oder Einundzwanziger, die gewöhnlich die 
Zahl von 32: nämlich 10 vom Adel und 22 von den 
Handwerkern, nicht überschritten und als alte Herren 
vom Regiment zum Rate beigezogen wurden. Zu diesen 
XXI. gehörten in der Regel die XIII. und XV., sodass, 
wenn einer zum Ammeister, zum XIII. oder XV. gewählt 
wurde, er auch zugleich zum XXI. gemacht wurde. 

Diese drei Stuben bildeten zusammen das beständige 
oder ewige Regiment der Stadt im Gegensatz zu dem 
Rat, dem Ammeister und den vier adeligen Stadtmeislern, 
welche jährlich aus den zehn Ratskonstöfflern ernannt 
wurden und deren jeder ein Vierteljahr den Vorsitz führte. 

II. 

Die meisten städtischen Verordnungen, Dekrete und 
Mandate gingen von den «Herren Rät und XXI.» aus. 
Die Militärverwaltung lag in den Händen der XIII. Jeder, 
der in Strassburg sich ansässig machen wollte, musste 
das Bürgerrecht empfangen, sei es als Bürger oderHiuter- 
sasse, und dazu in eine Zunft eintreten. Er musste sein 
gutes Seitengewehr und eine eigene Muskete haben und 
war verpflichtet, in Kriegs- oder Feuersnot, bei Geschellen 
oder Aufläufen mit seinen Zunftgenossen auf dem ihnen 
bestimmten Lärm- oder Paradeplatz zu erscheinen und den 
von den Magislratsherren oder den Offizieren erteilten 



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— 4 — 



Befehlen zu gehorchen. In früheren Zeiten nahmen die 
waffenfähigen Bürger auch an den auswärtigen Kriegen 
teil. Da dieses aber nicht im Interesse der Stadt lag, so 
wurde in diesem Falle kein Zwang mehr ausgeübt; die 
Stadt nahm Söldner oder Soldaten in ihren Dienst, die 
teils aus Freiwilligen aus ihrer Mitte, teils aus fremden 
Kriegsknechten sich rekrutierten und deren Zahl je nach 
Bedarf vermindert oder erhöht wurde. Diese Söldner 
(Guardiknechte, Soldatesca, Soldaten) hatten die Wachen 
an den Stadtthoren und an der Pfalz zu besetzen und 
dienten als Leibgarde dem Ammeister und den andern 
Herren des Magistrats. Diese Wachtposten wurden, be- 
sonders in Kriegszeiten, durch die von den Zünften ge- 
bildete Miliz oder Bürgerwehr verstärkt. In schwierigen 
Verhältnissen, wie sie etwa von 1632 bis 1681 für Strass- 
burg an der Tagesordnung waren, wurden auch die über 
zwanzig Jahre alten Söhne, Gesellen und Knechte der 
Zünftigen herangezogen und, wenn nötig, noch ein «Aus- 
schuss» von dem Lande, d. h. aus den unter der Herr- 
schaft Strassburgs stehenden Ortschaften herbeigerufen. 
Im Jahre 1616 war die Stadt in fünf Quartiere eingeteilt, 
deren jedes seine besondere Fahne hatte und nach der 
Farbe dieser Fahne das blaue, gelbe, grüne, weisse oder 
rote Quartier genannt wurde. Um diese Fahnen hatten 
sich die bewaffneten Bürger gegebenenfalls auf den 
Sammel- oder Lärmplätzen zu schaaren. 

Die blaue Fahne trug in ihrem Felde die Inschrift oder 
den Spruch : 

Zu Gottes Ehren. 
1616. 

Die gelbe : S. P. Q. A. 

C. R. P. C. 
1616. 

Die grüne : Pugna pro Patria. 

1616. 

[d. h. kämpfe fürs Vaterland.] 



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— 5 — 



Die weisse: Göll walts, 

Ich wags. 
1616. 

Die role : Spero, dum spiro. 

1616. 

[Ich hoffe, so lange ich lebe.] 1 
III. 

Nach Ausbruch des dreissigjährigen Krieges halte 
Sirassburg, obschon die Sympathien des grösslen Teiles 
der Bürgerschaft auf Seite der Evangelischen waren, 
längere Zeit zwischen der protestantischen Union und dem 
Kaiser geschwankt und zu lavieren geuscht. Aber nach 
dem Erlass des Restitutionsediktes vom Jahre 1629 und 
den in den folgenden Jahren unopportunen Versuchen der 
kaiserlichen Kommissare , dieser Verordnung auch in 
Strassburg Eingang zu verschaffen, hatte der Magistrat 
aus Furcht, die eingezogenen Kirchen- und Klostergüter 
den Katholiken wieder zurückerstatten zu müssen, in 
einem geheimen Vertrag im Juli 1632 sich mit Gustav- 
Adolf verbündet und so den Schweden das Elsass frei- 
gegeben. So gross in der Stadt die Freude über die 
Siege der Schweden gewesen war, so niederschmetternd 
wirkte dann die Kunde von dem Tode des Königs in der 
Schlacht bei Lützen. Da man den Zorn und die Rache 
des Kaisers zu fürchten hatte, wurde Tag und Nacht an 
den Mauern und Wällen gearbeitet, Söldner wurden ge- 
worben und ausser der zünftigen Bürgerwehr wurden zu 
Anfang des Jahres 1533 ■ noch acht Freiwilligen-Kom- 
pagnien zu Fuss gebildet. Bei ihrer Aufstellung blieb 
noch die alle Zunflorganisation massgebend. Die alte 
Quartiereinteilung scheint hier von keinem Einfluss ge- 

1 F. C. Heitz, Das Zunftwesen, S. 136. 

* Die Angabe Walters (Reuss, Strassburg im 30jähr. Kriege, S. 33), 
dass die acht Kompagnien erst im Jahre 1637 aufgerichtet worden 
seien, ist somit irrig. 



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— 6 — 



wesen zu sein. Höchstens lässt sich ein solcher, jedoch 
auch nicht leicht, in Bezug auf die Fahnen, deren Ab- 
bildungen diesem Werke beigegeben sind, nachweisen. 

1. Die erste Kompagnie allein hatte drei verschiedene 
Fahnen, deren Herstellung wahrscheinlich nur auf den 
Wunsch der Fähnriche zurückzuführen ist , die aber 
später gleichzeitig nie in Gebrauch gewesen sein dürften. 

Die Fahne des Fähnrichs Hans Theobald Güntzer war 
grün mit einer roten Lilie auf weissem Feld in der 
Mitte und mit dem Mutspruche am obern Rande : 

ICH WAGS, GOTT WALTS. 

Die Fahne des Fähnrichs Martin Andreas König war 
weiss mit einer roten Lilie und demselben Spruche wie 
die erste. 

Die letzte Fahne, die des Fähnrichs Matlheus Kniebs 
war rot mit dem von einem grünen Lorbeerkranz um- 
fassten Kniebs'schen Familienwappen und der Jahreszahl 
1669. An den oberen Enden des Kranzes befanden sich 
rechts das Reisseissen'sche Wappen und links ein mir 
unbekanntes, wohl das Mülb'sche. Darüber standen eine 
weisse Lilie und der Spruch : 

ZVM • SCHVTZ • ZVM TRVTZ • 

2. Die Fahne der 2. Kompagnie, welche Abraham 

Habrecht trug, war weiss und rot mit roter Stange 

und mit einem von oben nach unten querliegenden oder 

schrägrechten weissen Spruchbande : 

SPES MEA CHRISTVS. 
[Meine Hoffnung' ist Christas.] 

An jeder äussern Spitze befand sich eine weisse Lilie. 

3. Die Fahne des Fähnrichs der 3. Kompagnie, Franz 

Rudolf Gouschard, war blau mit dem von 3 weissen 

Lilien umgebenen Wappen Slrassburgs und dem Spruche : 

Gott 
Mit Vnß 
Allezeit. 

An jeder Ecke zeigte sich eine dreiteilige gelbe Flamme. 



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- 7 — 



4. Der Fähnrich der 4. Kompagnie, Joachim Rüderer, 
hatte auch eine gelbumränderte blaue Fahne mit dem 
Strassburger Wappen und einer goldenen Lilie. Ihr Mul- 
spruch lautete: 

PRO RELIGION E ET PATRIA DVLCE PERICVLVM 

TANDEM BONA 
CAVSA 
TRIVMPHAT. 
[Für .Religion und Vaterland ist süss die Gefahr, 
Zuletzt siegt die gute Sache.] 

5. Die Fahne des Fähnrichs Rudolf Beza der 5. Kom- 
pagnie war weiss-blau-rot mit joter Stange: in der Mitte 
das mit einer weissen Lilie verzierte Wappen Strassburgs 
und über dem Ganzen ein mit einem Schwerte bewehrter 
Arm. In dem obersten blauen Streifen standen die 
Worte : 

HOC VINDICE DVRABIT. 
[Es wird halten unter diesem Schutz.] 

Und auf dem mittleren die Jahreszahl MDC XXX III. 

6. Die Fahne der 6. Kompagnie war dem Fähnrich 
Lorenz Günther anvertraut. Sie war grün ; in der Mitte 
befand sich das von zwei roten Rosen und einem Dornen- 
kranze umgebene Stadtwappen und oben und unten der 
Mutspruch : 

WER HIE WILL ROSEN BRECHEN. 
SOLL NICHT ACHTEN DORNEN STECHEN. 

An den vier Ecken war je eine weisse Lilie. 

7. Der Fähnrich der 7. Kompagnie, Philipp Jakob 
Ehrhard, hatte eine blaue Fahne mit der Jahreszahl 1633 
am untern Rande. Oben stand der Spruch : 

ZV GOTTES EHREN THV ICH MICH WEHREN. 

In der Mitte war eine mit goldenem Lorbeerkranz um- 
fasste weisse Lilie. 

8. Auch die Fahne der letzten und 8. Kompagnie war 
blau und an jeder Ecke mit einer weissen Lilie verziert. 



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- 8 - 

In der Milte umgab ein goldener Lorbeerkranz das Stadt- 
wappen, über und unter welchem man die Worte las : 

MIT FREVD DARAN. 
MIT GLVCK DARVAN. 

Ihr Träger war Johann Carl Zorn. 

Ueber Zusammensetzung, Lärmplätze und Ordnungen 
dieser acht Kompagnien erteilen folgende Aktenstücke 
genügenden Aufschluss. 

IV. Stammrolle 
der acht Kompagnien zu Fuss. 

VolgeU nun die Roll über die acht Compagnien zu Fuß junger 
Mannschafft, so inn Anno 1633 zum ersten Mahl auflgericht und 
dazumahl dem Lotf nach folgender Weiß collocirt worden. 

Ueber solches Regiment gesetzte 0 bristen: 

1633. Herr Martin Andres König* XXIer, inn Anno . . XIHer. 
1664. Herr Johann Jacob Erhardt* XIHer. 
1664. Herr Johann Philipp Mulb* XVer und in Anno 1668 
XIHer. 

1676. Franciscus Reilteilten 5 XIHer. 



1 Roll etc. S. 65—187. Die Orthographie des Originals mit Aus- 
nahme der Schreibung der Anfangsbuchstaben ist beibehalten. 
9 Mitglied des grossen Rats 1631, als XIII. gestorben 1664. 

3 Wurde XXI. im Jahre 1651, dann XV. 1652, XIH. 1663 und 
starb 1670. 

4 War Buchdrucker und kam in den grossen Rat 1652, in die 
XXI. Stube 1657, zu den XV. 1658, zu den XIII. 1668. Starb 1675. 

5 Aus dem Lebenslauf des Franciscus Reisseissen können wir so 
recht ersehen, welche Aemter den vornehmsten Bürgern Strassburgs 
zugänglich waren. Reisseissen wurde geboren am 26. Oktober 1681, 
besuchte das Gymnasium 1640— 1649 und wurde als stud. phil. an 
der Universität Strassburg am 27. März 1649 immatrikuliert. (G. 
Knod, Die alten Matrikeln der Universität Strassburg, I. Bd.. S. 328.) 
Er schrieb eine Disputation de cive demoeratico und verteidigte sie 
in öffentlicher Sitzung am 20. Sept. 1651. Dann wandte er sich dem 
Rechtsstudium zu und unternahm von März 1653 bis Mai 1655 eine 
grössere Reise durch die Schweiz, Frankreich, England, Holland und 
das Rheinland. 1659 liess er sich in die Fischerzunft aufnehmen 
und wurde am 20. Dez. desselben Jahres Schöffe am Zunftgerichte; 



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— 9 — 



1C77. Herr Johann Leonhard FröreiPen* Xlller. 

Obristleütenant: 

1655. Herr Johann Jacob Erhardt XVer. 

1663. Herr Johann Philipp Mülb XVer, gewesener Adjunctus 

Herrn Xlller König. 
1665. Herr Balthasar Kraut« XXIer. 

1668. Herr Franciscus ReiPeißen XXIer und in Anno 1669 XVer. 
1676. Bin ich ahne Statt Herrn Xlller Johann Philipp Mül- 
ben seeligen zu einem Obristen bey meinen Herren 



dann nacheinander 1660 Zumann beim kleinen Bat, 1662 Beisitzer 
des Polizeigerichts und des grossen Bats, 1663 Oberfortifikationsherr, 
1665 Beisitzer des kleinen Bats als Konstoffler, 1667 Jan. 8 aber- 
mals Beisitzer des grossen Bats, Jan. 10 verordneter Herr zu den 
Kinderverträgen und Bossstreiten, Jan. 14 verordneter Herr zu den 
Oberfortifikationsherren, Mai 1 Deputierter des grossen Bats zu dem 
Jubiläum der Universität, 1668 Sept. 26 Einundzwanziger und Oberst- 
leutnant der Jungmiliz, 1669 März 20 XV., März 22 Oberherr bei 
der Gerberzunft, 1670 Assessor des Polizeigerichts, 1671 desgl. beim 
Ehegericht, 1672 Assessor Universitatis und Pfleger der Boten Kirche, 
1673 Deputierter zum Herrenstall und Obmann der Posamentierer, 
1675 Landpfleger des Amtes Marlenheim und XIII., Okt. 30 Abge- 
ordneter Strassburgs beim kaiserlichen Feldherrn Montecuculi in 
Pforzheim, 1676 Oberwachtherr und Visitator der niedern Gerichte, 
1677 Jan. 4 regierender Ammeister, 1678 Jan. 25 städt. Deputierter 
zu König Ludwig XTV. nach Metz, Juli 15 verteidigte er ohne Erfolg 
die Bheinschanzen bei Kehl gegen Crgqny, Juli 30 ging er als Abge- 
sandter nach Kehl zum kaiserl. General Herzog Karl von Lothringen, 
Aug. 13 wurde er wieder Xin., in demselben Jahre Oberkirchenpfleger 
zu St. Thomas und Pfleger des Frauenhauses, 1679 Ober-Mess- und 
Oberjägerherr, Okt. 14 städt. Abgeordneter zu Karl von Lothringen 
nach Kehl, 1682 Juni 4 desgl. zum neuen Bischof Wilhelm von 
Fürstenberg, Aug. 12 desgl. zum Gouverneur M. de Chamilly, 1683 
Jan. 7 Ammeister zum zweiten Male, 1686 Scholarch bei der Uni- 
versität und Pfleger der Karthause, 1689 Jan. 6 Ammeister zum 
dritten Mal und Konservator der Bechte und Privilegien der Stadt, 
1690 Okt. 7 Obermarstallherr, 1695 Jan. zum vierten Mal Ammeister, 
1696 Oberjägerherr, 1701 Ammeister zum fünften Male und 1707 
zum sechsten Male. Er starb plötzlich, vom Schlage gerührt, im 
80. Lebensalter am 23. Dez. 1710 und wurde nach der grossen 
Leichenfeier in St. Thomas in der Ortskirche von Fürdenheim am 
28. Dezember begraben. (B. Beuss, Aufzeichnungen und Memorial 
Beisseissens, S. 16 und XII.) 

i Geboren 1629, Mitglied des grossen Bats 1660, XXI. 1669, XV. 
1670, XHI. 1676, Ammeister 1679 and 1685, gestorben 1690. Unter- 
zeichnete die Kapitulation von 1681. 

* Im grossen Rat 1663, XXI. 1664, gestorben 1668. 



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-10- 



den XHIern erkosen wordten und Herr XVer Johann 
Philipp Würtz 1 zu einem Obristleülenant. 
1677. Alß ich zu einem regierenden Ammeyster erkosen wor- 
dten, hab ich die Charge eines Obristen resignirt, da 
dan ahn meine Stell Herr XHIer Johann Leonhardt 
Fröreilten erwehlt wordten. 

I. Compagnie. 

Hat ihren Lärmenplatz auff dem Fischmarckh bey dem newen 
Baw nahe bey der Cantzley. 

Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Spiegel undt theils 
Lucernen undt Ancker, deren Zünfftige ihre junge Leuthe 
herbey zue schaffen haben. 

C a p i t a i n : 

1633. Herr Niclaus Ammia. 

Herr Carlen Spieß. 
1669. Herr Johann Wolff» von Moltzheim. 

L e ü t e n a n t : 
1633. Herr Daniel Lefier. 
16-43. Herr Ambrosius Reichßh offer. » 

Herr Johann Carl Spieß. 
1659. Herr Johann Wolff von Molßheim. 
1669. Herr Martin Andres König.* 

Fenderich: 

1633. Herr Hannß Theobaldt Güntzer. 
1653. Herr Martin Andreß König. 
1669. Herr Matthaeus Kniebs. 



1 In der Chronik Reisseissens (ed. R. Reuss) wird er Johann Frie- 
drich genannt. Philipp wird ein Schreibfehler sein. 

* Wohl der Major Wolff, welcher im Hause des Ratsherrn Würtz 
mit dem Oberstleutnant Balth. Kraut am 18. Jan. 1667 handgemein 
wurde. (Aufzeichnungen Reisseissens, S. 71. Vergl. auch Memorial, 
S. 36.) 

3 War Ratsherr 1650 und gab im Jahre 1677 zu Strassburg eine 
Brasilianische und Westindische Reisebeschreibung heraus. (R. Reuss. 
Aufzeichnungen Reisseissens, S. 100, und ders., Abenteuer eines 
Strassburgers in Brasilien, 1629—1662, in dem Strassburger Wochen- 
blatt, Sept. 1879.) 

* War Sohn des Oberstlentnants Martin Andreas König; wurde 
1671 Ratsherr und 1672 XXL und starb am 28. Oktober 1674. 



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— 11 — 

Führer: 

1643. Herr Hannß Wolff von Monheim. 
1669. Herr Johann Jacob Saltzmann. 

Serganten- 
Herr Johann Edom. 
Herr Friderich Balthasar Kaltt. 
Herr Hannß Lamprecht. 
Herr Hannß Jacob Wydemann. 

C o r p o r a 1 : 

Herr Frantz Chuon. 

Herr Johann Conrad Huth. 

Herr Albertus Leydecker. 

Herr Rudolph Steeg. 

Herr Hannß Martin Gießbrecht. 

C a p i t a i n d'A r m e s : 
Herr Hannß Dieboldt Ulrich. 

Muster Schreiber: 
Herr Elias Winckler. 

Pfeiffer. 
Trommenschläger: 

{{anriß Philipps Küflel. 

Hannß Rudolph Schranckenmüller. 

Johannes Fehrler. 

Hannß Jacob KüfTel. 

Hannß Georg Ganß. 

Mußquetirer: 
1669. hat sich starck befunden 200 Mann. 

II. Compagnie. 

Hat ihren Lärmenplatz auff dem Stephansplan gegen dem 
Stephanscloster hinüber. 

Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Schmidt undt Maurer, 
deren Zünfftige ihre junge Leuth herbey zue schaffen haben. 



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C a p i t a i n : 

1633. Herr Andreas Capellen 

Herr Hannß Michael Fridl. 
Herr Hannß Georg Hebner. 

1663. Herr Christoph Städel. i 

L e ü t n a n I : 
1633. Herr Jacob Borst. 

Hannß Georg Hepner. 
1666. Herr Isaac Habrecht. 

Fenderich: 

4633. Herr Abraham Habrecht. 
1642. Isaac Habrecht. 
1663. Herr Daniel Habrecht. 

Führer: 

Herr Antoni Wentzel. 
Herr Hannß Jacob Schneider. 
1672. Herr Tobias Städel. 

Serganten: 
Herr Caspar Diefenbach. 
Herr Jacob Hoffmann. 

Corporalen; 
Caspar Steiner. 
Caspar Graibr. 
Gottfridt Reimischnistel. 

Capitain d 'Armes: 
Herr Antoni Füßjl. 

Musterschreiber. 

Pf ei f fer. 
Trommensch läger: 

Hannß Jacob Seyffermann. 
Hannß Jacob Hirsch. 
Hannß Dieboldt Nägelin. 
Friderich Weist er. 
Andreas Schäfler. 



1 Wohl Sohn des Ammeisters Christoph Städel; war im grossen 
Bat 1671, XXI. 1677, XV. 1678. 



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— 13 - 

Mußquetirer: 
1669 hat sich slarckh befunden 196 Mann. 

III. Compagnie. 

Hat ihren Lärmenplatz auff dem Jungen Sl.-Peter-Kirchhüff. 

Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Schneider, Gärtner, 
Under- Wagner, Gärtner- Steinstraß undt Gärtner- Crautenaw, 
deren Zünfftige ihre junge Leuthe herbey zu schaffen haben. 

C a p i t a i n : 

1633. Herr Peter Triponet. 

1648. Herr Johann Kornmann. 

1667. Herr Tobias Stadel. 

1670. Herr Ernestus Preßler. 

Leütenant: 
1633. Herr Jonas Andres von Veßenheim. 

Fenderich: 

1633. Herr Frantz Rudolph Gouschart. 

Herr Johann Korn mann. 

. . . Stadel. 
1667. Herr Johann Frantz König. 

Führer: 
Herr Ernestus Preßler. 

Serganten: 

Johann Kreß. 
Johann Funckh. 
Johann Jacob Wagner. 

Cor porale it : 

Johann Jacob Ihringer. 
Johann Michael Heyer. 
Dieboldt Rhiel. 
Dieboldt Hohe. 

C a p i t a i n d'A r m e s : 
Johann Adam Goltz. 



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— 14 - 



Musters ch reibe r. 
Pfeiffer. 
Trom menschläger: 

HannP Michael Schweitier. 
Hannß Ganß. 
Balthasar Waltz. 
Daniel Rein nach. 
Hannß Georg Glockh. 
Thoman Reißer. 

Mußquetirer: 
1669 hat sich starckh befunden 2U0 Mann. 

IV. Compagnie. 

Hat ihren Lärmenplatz gegen dem Speyerthor über. 
Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Tuecher undt Möhrin, 
deren Zünfflige ihre junge Leuth herbey zu schaffen haben. 

C a p i t a i n : 
1633. Herr Hannß Adam Hünerer. 
1655. Herr Joachim Rüderer. 
1668. Her Theobaidt Küstner. 

Leütenan t: 
1633. Herr WolfTgang Grünwaldt. 
1641. Herr Joachim Rüderer. 
1663. Her Hannß Theobaidt Küstner. 
1668. Herr Hannß Adam Hünerer. * 

Fenderich: 
1633. Herr Joachim Rüderer. 

Herr Matthis Göll. 
1652. Herr Hannß Adam Hünerer. 
1668. Rerr Daniel Reißhofier. 

F ü h r e r : 

1643. Herr Paul Friderich Marbach. 
Herr Jacob Sand rat. 



1 Vergl. Memorial, S. 140, Prozess Hünerer gegen die Stadt vor 
dem Conseil souverain zu Breisach wegen der Steinbock'schen Erb- 
schaft. 



i 

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- 15 _ 

Serganten: 

Herr Jacob Soderer. 

Herr HannP HanPer. 

Herr Johann Carlen Schräg. 

Corporal: 

Herr . . . Kipp. 
Herr . . . Spielmann. 
Herr . . . RoPa. 

Cap itain d'Armes: 

. . . Dürninger. 

Musterschreib er: 

Johann Paul Platz. 

Pfeiffer. 
Trommenschläger: 

HannP Carl GePensohn. 
Michael Seboldt. 
Niclaus Lötzenburger. 
Johannes Kepler. 
HannP Carl Kepler. 
Melchior Heckh. 

Mußquetirer: 

1669 hat sich starckh befunden 210 Mann. 

V. Compagnie. 

Hat ihren Lärmenplatz auff dem BarfüPerplatz nahe . . . 

Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Schuhmacher undl 
Weinsticher, deren Zünflftige ihr jungen Leuth herbey zu schaffen 
haben. 

C a p i t a i n : 

1633. Herr Johann Hypolitus. 

Herr HannP Lobstein. 

Herr Johann Leonhardt FröreiPen. 
1669. Herr Simon Pauli. 

Leuten an t: 

1633. Herr Michael KäP. 

Herr Augustin Schnuphagen. 



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- 16 - 



Fendericli: 

1633. Herr Rudolph Beza. 
1643. Herr Augustin Schnuphagen. 
Herr Michael Kä(ß. 

Führer: 

1643. Herr Johann Gumprecht. 
Hannß Jacob Fröreißen. 

Ser ganten: 
Matthaeus Schlachtmann. 
Michael Ziegler. 
Daniel Ficßel. 

Cor poral: 

Philipp Haffner. 
f Haniiß Georg Schimpff. 
Friderich Meyer. 
Hannß Georg von Awenen. 

C a p i t a i n d'A rmes; 
Philipp Merck el. 

Musterschreibe r. . 
Pfeiffer. 
Trommenschlägei. 
Mußquet. irer: 

1669 hat sich starck befunden 159 Mann. 

VI. Compagnie. 

Hat ihren Lärmenplatz auff dem Barfüßerplatz gegen . . . 
Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Becken undt Kürschner, 
deren Zünfltige ihre junge Leüth herbei zu schaffen haben. 

Ca p i t a i n : 
1633. Herr Lucas Roßenz weyg. 

L e ü t e n a n t : 

1633. Herr Georg Brün. 

Herr Hannß Martin Dautel. 

Fenderich: 

1633. Herr Lorentz Günther. 

Herr Hani.ß Jacob Rosenzweig. 



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— 17 — 

♦ 

Führer: 
Herr Johann Davidt Traner. 

Serga nten: 

Georg Riedel. 
Jacob Redtslob. 

C o r po r a 1 : 

Johann Mockh. 
Heinrich Uhlmann. 
Hannß Georg Helbeckh. 

C a p i t a i n d'A r m e s : 
HannP Georg Planckh. 

Muster Schreiber. 

Pfeiffer. 
Trommensch läger: 

Lorentz Rothmann. 
Hannß Jacob Rothbach. 
Hanns Michael Roth. 
Hannß Philipp Hagmeyer. 

Mußquetirer: 
1669 hat sich starck befunden 135 Mann. 

VII. Compagnie. 

Hat ihren Lärmenplatz auff dem Barfü Perplatz. 

Bestehet von einer ehrsamen ZuniTt der Steltz, Gerber undt 
Zimmerleülh, deren Zünlftige ihre junge Leüth herbey zu schaffen 
haben. 

C a j) i t a i n : 

1633. Herr Johann Jacob Schuhes. 

1634. Herr Paul Gionet. 
1643. Herr Daniel Bitto. 

Herr Johann Baptista Fecher. 
Herr Georg Bültner. 

Leütenant; 

1633. Herr Paul Gionet. 

Herr Hieronymus Berger. 

2 



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- 18 — 

Herr Hannß Georg Bfittner. 
Herr Paulus Helwig. 

Fenderich: 

1633. Herr Philipps Jacob Erhardt. 
. . . Franckenberger. 
Herr Paulus Helwig. 
Herr Hannß Jacob Erhardt. 

Führer: 

1643. Herr Baptista Fecher. 

Herr Jacob Sebastian Gambß. 

Ser ganten: 

Georg Andres Dolhopff. 
Georg Brodtfisch. 
Samuel Berion. 

Corporal: 

Herr Wendling Dieterlin. 
Georg Büttner. 
Jacob Königen. 
Johann Seppen. 

G a p i t a i n d'A r m e s. 
Conradt Weber. 

Musterschreiber: 
Johann Friderich Redwitz. 

Pfeiffer. 
Tromm enschläge r. 
Mußquetirer: 

1669 hat sich starckh befunden 218 Mann. 

VIII. Compagnie. 

Hat ihren Lärmenplatz auff dem BarfüPerplatz bey . . . 

Bestehet von einer ehrsamen Zunfft der Bluem, Freyburger, 
Küeffer undt Fischer, deren Zünfftige ihre junge Leuth herbey 
zu schaffen haben. 



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- 19 - 



C a p i t a i n : 

1633. Herr Carlen Neflf. 

Herr Hannß Martin Buckel. 
Herr Daniel Andres Widt. 

Leütenant: 

1633. Herr HannP Lobslein. 

1643. Herr Hannß Dieboldt Bechtoldl. 

1657. Herr Christoph Jacob Mockhel. 

Herr HannP Carl Zorn. 
1669. Herr Niclaus Spihlman. 

Fenderich: 

1633. Herr Johann Carl Zorn. 
Herr Philipps Lerse. 

Führer: 
1669. Herr Michael Keckh. 

Serganten: 

Herr HannP' Georg Holtzschuch. 
Herr Lorentz Arnold t. 
Herr Hannß Peter Montfort. 
Herr Bernhardt Wagner. 

C o r p o r a l : 

Sebastian Ebinger. 
Jacob Sand rat. 
Johannes Decimator. 

C a p i t a i n d'A r m e s : 
Lorentz Meyer. 

Musterschreiber. 

Pfeiffer. 
Trommenschläger. 
Mußquetirer: 

1669 hat sich starckh befunden 240 Mann. 



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— 20 - 

V. Ordinantz 1 
für 

den Herrn Oberhauptmann 
und 

Herrn Oberlieutenant 
über 

den Außschulz der jungen MannschafTt. 

Es wird der Herr Oberhauptmann und der ihme zuegeordnete 
Herr Oberlieutenant ihnen alles Fleißes angelegen sein laßen, 
daß die ihrem Commendo undergebene Compagnien in gutem 
Standt und Weßen möglichst conservirt undt erhalten werden 
mögen. Zu welchem End sie dann die Capitain deroselben sampt 
oder sonders zu sich erfordern undt von ihnen Bericht einzu- 
ziehen, ob die Compagnien mit hohen und niedern OfGciren 
annoch ersetzt undt versehen ; ob sie ahne Mannschafft zue 
oder abgenommen. Da auch von den hohen Officiren einer oder 
mehr mit Todt abgangen oder sonslen untüchtig worden were, 
haben sie solches mit den oberen Zeugherren umb fördersame 
Ersetzung der vacirenden Stellen zu communiciren, die nidere 
Ofücia aber, als Corporal undt Rottmeister, mit Zuziehung der 
oberen Befechlshaher nach ihrem gut Befinden widerumb zu be- 
stellen, insonderheit aber den Rottmeislern mit Ernst einzubinden, 
• daß jeglicher auff seine Rottgesellen wohl Achtung geben undt 
so offt einer oder mehr hinweg ziehen würde, sich 'bey den 
Zunfflbüttlen mit Fleiß erkundigen solle, was für ledige Gesellen 
inmittelst ankommen, denen dann der Verzogenen Gewehr nach 
Anweisung der auff die Zünfft ertheillen Instruction zugestellt 
werden sollen. Da auch hierinnen, das man doch nicht praesu- 
mirt, sondere Difficul täten oder auch zwischen den hohen Officiren 
Streitigkeiten vorfallen solten, were solches abermahl mit den 
oheren Zeugherren friedlich zu communiciren und durch ihr 
Miteinrathen die Hinleg- undt Auffhebung derselben zu suchen. 

Damit man auch, wie es mit diesem Außschutz eygentlich 
bewandt undt beschaffen, desto bcßere Nachrichtung jeder Zeit 



i Roll etc., S. 23-33. 



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- 21 — 



haben möge, soll derselbe alle Vierteljahr zu gelegener Zeit 
compagnienweiß gemustert undt bey solcher Gelegenheit jeglicher 
Compagnie der von unßern gnädigen Herren Rath undt XXI. 
beliebte Vortrag zur Nachricht atlemahl vor- und abgelesen werden. 

Solte, welches Gott lang wenden undt verhüten wolle, ein 
Fewr auffgehen oder ein anderer Aufflauff undt Geschöll sich 
erzeigen, alßo daß man Sturm leuthen möchte, soll bey den 
Herren dem Oberhauptmann undt Oberlieutenant alßobald von 
der Statt Marstall jeglichem ein gesattelt Pferd sampt einem be- 
rittenem Einspännigem, deren Auflwartung sie bey allen Vor- 
fallenheiten sich zu gebrauchen, zuegeschicket werden. 

Warauff der Herr Oberhauptmann alßo bald zu dem regier- 
enden Herren Ammeister in das Hauß, oder wo er anzutreffen 
sein möchte, sich verfügen und das Wortt oder Loßung von ihm 
empfangen soll. Welche er nachmahlen allein dem Herrn Ober- 
lieutenant und den Capitains, Abweßen dero Leutenanten, zu 
vertrawen hat. 

"Wann die Notdurtft erfordern würde, daß von dießen Com- 
pagnien die Wachten an den Thoren oder andern Posten müsten 
besetzt werden, soll alßdann der Herr Oberhauptmann oder Ober- 
lieutenant von den nächst darbey gelegenen Lärmenplätzen das 
Volck an die der Besatzung bedörfftige Orth comrnandiren, den 
entblößten Lärmenplatz aber mit andern auß.dem Corpore ge- 
nommenen Volckh unverweilt widerumb besetzen. 

Was in dergleichen Vorfallenheiten an ihne Herrn Oberhaupt- 
mann oder Herrn Oberlieutenant gemuthet werden möchte, wird 
ihrer bekandten Discretion überlaßen und anvertrawt, welches 
sie doch unverzüglich dem regierenden Herren Ammeister und 
die ihme in solchen Fällen bey wohnende unßere gnädige Herren 
die XIII. zu berichten, auch in Fallen, die von hoher Impor- 
tanz, ihre Ordre von ihnen zu nehmen haben. 

Der Herr Oberhauptmann oder Oberlieutenant soll auch auff 
allen ihme assignirten Lärmenplätzen den Compagnien bey 
LeibsstrafT gebieten, weder in dem Auff- noch Abziehen, oder 
alßo lang man auff der Parada sein wird, einigen Schuß nicht 
zu thun, noch andern Muthwillen, deß<m sich etwan dieß3 junge 
Leuth gelüsten laßen möchten, zu verüben, mit ernstlicher 
Commination, wer hierwider handien würdte, alßo zur Hafft ge- 
zogen und Anderen zu einem mercksamen Exempel abgestrafft 
werden* solle. 



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- 22 — 

So langg man aufF dem Lärmenplatz zu verharren, sollen die 
Spiel allerdings nicht gehen, sondern allererst nach beschehener 
Abdanckhung und bey dem Abzug, inmaßen es auch bey der 
Burgerschafft gehalten wird, gerührt werden. 

Die Abdanckhung betreffend soll solche vor deß regierenden 
Herrn Ammeisters Avisation und Befelch nicht vorgenommen, 
auch die auff gewiße Lärmenplätz verordnete Gompagnien zuvor- 
drist und dann zuletst das Corpus der vier Gompagnien uff dem 
Barfußerplatz abgedanckt undt dabey obige Erinnerung deß- 
Schießens halben repetirt und erhohl t werden. 

Allen obigen und was sonsten die Nothdurfft erforderen, auch 
ihme Herrn Oberhauptmann oder seinem Herren Oberleutenant 
durch die Herren XUIer oder den regierenden Herrn Ammeister 
zu verrichten möchte anbefohlen werden, werden dieselbe mit 
sorgfaltigem Eyffer und getrewem Fleiß, unßerer Herren ihnen 
bekandten Intention nach, ins Werckh zu setzen sich jederzeit 
angelegen sein laßen. 

Decretum bey Herren Rath und XXI. Sarabstags, den 10. 
Decembris 1664. 

VI. Vortrag 1 

so def ledigen unverburgerten Mannschafft bey den General- 
musterungen vorzuhalten. 

1. Ihr werdet hiemit samptlich im Namen undt von wegen 
unßerer gnädigen Herren Rath und XXI. erinnert und vermahnet, 
vermög ewerer hiebevor geleisteter Trew undt Pflichten, dießer 
deß heyligen Reichs freyen Statt Straßburg getrew undt hold 
zu seyn, deren Nutzen möglichst zu förderen, allen Schaden 
undt Nachtheil zu warnen undt zu wenden. 

2. Nicht weniger werdet ihr auch denen von unßeren Herren 
Rath undt XXI. geordneten Oberhauptmann und Oberlieülenant 
N. N. undt N. N. in allem demjenigen, so sie eüch von gemeiner 
Statt wegen gebieten undt befehlen werden, schuldig und willige 
Folg leisten ; ewren Capitainen, Lieutenant, Fenderich undt nach- 
gesetzten Befelchhaberen solt ihr in Sachen ihres Ampts eben- 
mäßig gehorsamb undt gewärtig seyn, denselben eüch keines 
Wegs widersetsen, noch in andere Weg widerspänstig undt 

i Roll etc., S. 35-47. 



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- 23 - 

trotzig erzeugen. Dann welche hiewieder thun oder handien 
würdten, gegen denselben wird man gebührende Abstraflung 
nach Beschaffenheit der Sachen vorzunehmen nicht under- 
laßen. 

3. Da auch, welches Gott lang wenden wolle, ein Fewer aufl- 
gehen oder sonst ein Aufflauff oder Geschöll entstehen solle, alfk» 
daß mann in dem Münster stürmen würdte, soll jeglicher mit 
seiner Mußqueten, Krauth und Loth, Pulverfläschen, Pantelieren, 
lebendigen Zündtstricken, Ladungen, guten Seithenwehr, oder was 
sonsten jedem für ein Gewehr ufferlegl, sich förderlich auff den 
seiner Compagnie assignirten Lärmenplatz verfüegen, alda dem- 
jenigen erwartten, was ihme von dem Oberhauptmann undt 
Oberlieutenant oder andern seinen vorgesetzten Befelchhabern 
commandirt undt befohlen wirdt, solches ungespartes Fleißes 
verrichten undt vollziehen, auch von dannen nicht weichen 
oder anziehen, es wurde dann durch den Herrn Oberhauptmann 
oder Oberlieütenant der gantzen Compagnie wider abgedanckt 
undt erlaubt, oder sie erheischender Noihdurfft nach andere Ort 
commandirt und verschickt, alles bey Straff nach Ermäßig- 
ung. 

4. Da auch gemeiner Statt und deß Vatterlands äußerste Noth- 
durfft erfordern solte, daß diese Compagnien samptlich oder 
sonders neben der übrigen Burgerschafft zu Verrichtung der 
Wachten, uff welchen Fall ohne daß ein jeglicher obligirt undt 
Verbunden, gebraucht werden sollen, ist unßerer Herren ernst- 
licher Will undt Meinung, daß sie sich darzu willig undt ge- 
flißen einstellen und keines Wegs solches verwegern sollen, 
weilen mann ohne das nicht bedacht, sie mit vielfaltigem Wachen 
zu fatigiren undt beschwehren, sondern allein in dem äußersten 
Nothfall zu gebrauchen, wie es auch bey unsern gnädigen Herren 
durchauß die Meynung nicht hat, daß durch dieße Anstalt einer 
oder der ander alhie zu verbleiben verbunden sein solte, sondern 
soll jedem sein Gewerb undt Handthierung anzuziehen allerdings 
frey undt unver wehrt sein. 

5. Da sie aber gedachter Maßen die Wachten beziehen solten, 
wird ihnen obligen undt gebühren, sich auff denselben aller ge- 
ziemenden Bescheidenheit zu gebrauchen, alles Zechens undt 
Volltrinckens, darauß nichts alß Hadern, Zancken undt Balgens 
entstehet, sich gäntzlich zu enthalten, gegen einander nichts thät- 
liches fürzunehmen oder einander außzufordern, dann welcher 



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— 24 — 

hierwider handlete, den werden unßere gnädige Herren der 
Gebühr nach abzust raffen nicht underlaPen. 

Alles gottslästerlichen Fluchen und Schwöhren, schändlicher 
Wortt und Werckh sollen sie sich alß christliche junge Leüth 
gäntzlich müßigen undt enthalten, dann wer solches nicht thäte, 
gegen demselben wird man ein obrigkeitlichen Ernst scheinen 
laßen. Sie sollen auch niemandts, alß wer auff die Wachten 
oder Wähl zu dem Geschütz, oder wo sie sonsten hin bescheiden 
werden, geordnet, kommen oder spaciren laßen, außerhalb die- 
jenigen, so ihnen zu gewohnlichen Zeiten Eßen bringen möchten, 
alles bey Vermeydung ernstlicher Str&flf. 

6. Sie sollen auch ferners bey gesetzten Wachten undt auff 
den Lärmenplätzen weder mit Mußqueten noch Doppelhocken 
oder großen Stuckhen, da die auffgeführt wurden, fürnemblichen 
bey Nacht, nicht schießen, es wäre dann, daß solches Nothdurtft 
erfordert, deßgleichen sich deß Geschütz und Pulvers, wie auch 
deroselben Hütten nicht beladen noch annehmen, es werde ihnen 
dann deßwegen sonderbahr Ordre undt Befelch uffgetragen. 

7. Was auch hiebevor deß vergeblichen undt unnöthigen 
Schießens halben inn- und durch die Statt, alß wadurch Kindt- 
betterin, krancke Leüth, junge Kinder undt andere gefahrlich 
erschreckt undt geängstiget werden, durch ein sonderbahr Decret 
gebotten undt befohlen worden, dabey laßens unßere gnädige 
Herren nochmahlen allerdings verbleiben, versehen sich schul- 
diger Parition undt werden gegen den Uebertrettern die ange- 
deutete Abstraffung vorzunehmen unvergeßen sein. 

8. Sie gebieten undt befehlen auch hiemit, daß nach geleiteter 
Thorglockh mann die Spiel undt Trommenschlag allerdings ein- 
undt abstellen und damit keines Wegs über die Gaß gehen 
undt wandern solle, 

9. Welcher etwas von Jemanden , wer der auch sein 
möchte, vernehmen oder spühren würdte, daß dießer Statt Straß- 
burg oder den Ihrigen zuwider, argwöhnisch oder verdächtig 
seye, das soll er alßobald in geheim seinem vorgesetztem Capi- 
tain oder denen Herren Oberhauptmann und Oberlieutenant 
selbsten anzeigen, damit alle besorgende Gefahr undt Schaden 
bey Zeiten verhüetet undt abgewendet werden möge. 

10. Was ferners zu Erhaltung gueter Disciplin und Ordnung 
für nothwendig angesehen undt verbeßert werden möchte, dem 
sollen sie fleißig, willfährig undt gehorsam nachkommen, wie 



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- 25 — 



sich deßen unsere gnädige Herren alß Vatter gäntzlich undt un- 
gezweilFelier Hoffnung zu ihnen versehen thun. Verbleiben ihnen 
auch hiemit in bestandig gnädigem Wohlwollen gewogen. 

Decretum bey Herren Rath undt XXI. Sarabstags den 40. 
Decembris Anno 4664. 

L. S. 

VII. Decretum 1 

von Herren Rath undt XXI. den Zünfften wegen der ihnen zu 
Mundirung ihrer jungen Mannschafft von der Statt Zeughoff ge- 
lüfferten Mußqueten betreffendt, 4663 geben undt 4665 renovirt 
worden. 

Auß Erkanndtnuß undt Befehl unserer gnädigen Herren Rath und 
XXI. werden hiemit diejenige ehrsame Zünfft, welchen zu Auß 
staffierung ihrer ledigen undt unverburgerten Mannschafft von der 
Statt Zeüghoff Mußqueten sampt ihrer Zugehör gegeben worden, 
erinnert, daß sie solche nicht den ledigen Söhnen oder Knechten, 
sondern ihren Eltern undt Meistern, bey denen sie sich auff- 
halten, einlüffern, darüber aber der Zunfftmeister undt Schreiber 
ein sonderbahr Büchlein halten, darin deß Burgers Nahmen, 
dem sie die Gewehr geliffert, einschreiben sollen mit der Er- 
innerung, wann sein Sohn oder Knecht hinweg ziehen oder 
sich verburgern würdte, ihnen oder wer an ihrer Stell undt 
Ambt sein* würdte, solche ohne Schaden und Abgang widerumb 
zu liffern schuldig sein solle, damit sie dießelbe einen andern 
Sohn oder Knecht, so immittelst erwachßen oder ankommen sein 
möchte, zuekommen laßen könte ; auff welchen Fall der obigen 
Nähme zu cassiren und hiengegen dießer Bürger, deren Söhn 
oder Knecht sie alßo empfangen, einzuzeichnen ist. Undt weilen 
mehr besagte Gewehr den ehrsamen Zünfften dergestalt über- 
laßen werden, daß sie solche künfftig entweder ohne Schaden 
undt Abgang wider erstatten oder mit bahrem Gelt in billichem 
Preiß bezahlen sollen, alß werden sie ihnen gleich wie ins ge- 
mein die Auffsicht desto mehr undt fleißiger angelegen sein laßen 
undt möglichst daran sein undt verhüten helffen, daß solche nicht 
etwan heimblich verpartirt oder muthwillig verderbet werden, 
alßo auch sonderlich die Anstalten zu verfügen wißen, daß jähr- • 



i Roll etc., S. 48—52. Gedruckt bei F. C. Heitz, Das Zunftwesen 
in Strassburg, S. 137. 



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■ 



lieh die Visitation dießer Gewehr nach Anleitung deß von dem 
Zunfftmeister und t Schreiber verfertigten Büchleins vorgenommen, 
die Aenderung altobalden beygeschrieben, darüber ein orden- 
liche Gewehrrechnung verfertigt und selbige nebenst der übrigen 
Rechnung bey den Zunfften vorgelegt undt abgehöret, wie in- 
gleichem dem newen Zunfftmeister jeweilen von dem abgehenden 
ein Exemplar solcher Rechnung, umb sich bey der Visitation 
darnach haben zu richten, wie nicht weniger gemeiner Statt 
Zeügwarthen eines zu seiner nothwendigen Nachricht geliffert 
undt zugestellt werde, darnach sie sich dann zu richten. 
Decretum Sambstags den '23. Septembris Anno 1665. 

VIII. 

Den 8 Kompagnien zu Fuss wurden im Jahre 1665 
noch 2 Kompagnien zu Pferd hinzugefügt, über deren 
Einrichtung und Zusammensetzung folgende Stammrolle 
Aufschluss gibt. 

Roll 1 

über die zwo Compagnien zu Pferdt, so in Anno 1665 auffge- 
richtet worden. 

0 b r i s t e n : 

1665. Herr Johann Philipp Mülb* XVer undt in Anno 1668 
XHIer. 

Obristleütenant: 
1665. Herr Balthasar Kraut XXIer. 

1668. Herr Franciscus Reilteilten XXIer undt in Anno 1669 
XVer. 

Erste Compagnie zu Pfordt. 

Rittmeister: 
1665. Herr Hannß Friderich Würtz. 

Leütenant: 
1665. Herr Peter de Bari. 



> Holl etc.. S. 195—276. 

2 Mülb wurde 1664 Oberst der Kompagnien zu Fuss, wie es oben 
S. 8, verzeichnet ist. Dies stimmt nicht ganz zu der Anmerkung 3 
von R. Reuss, Aufzeichnungen, S. 69. 



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— 27 - 



Corne t; 

1665. Herr Johann Wencker. * 
1668. Herr Jacob Spielmann. 

Quartirmeister: 
1(365. Herr Georg Christoph Raff. 

Fahnen junckherr: 

1665. Herr Johann Philipps Henrici. 

Corporalen: 

1665. Herr Hannß Georg Fleckh. 
1665. Herr Balthasar Krauß. • 
1665. Herr Anthoni Schmidt. 

Trompeter. . 
Reuter: 

Herrmann Kempffer. 

Georg Langrötiger. 

Johann Kirtzel. 

Wolff Lachmann. 

Hannß Daniel Franckh. 

Herr Johann Philipp Heüß. 

Hannß Philipp Helling. 

Peter Aßfalckh. 

Hannß Thoma Walter. 

Hannß Peter Vesu. 

Abraham Hannß, Metziger. 

Jacob Frantz, Wurth zum Hirtzen. 

Wilhelm Göbel. 

Hannß Heinrich Eyßer. 

Hannß Carle Krauß. 

Eberhardt Lefer. 

Hannß Jacob Scholl. 

Hannß Adam Göll. 

Johannes Göll. 

Hannß Friderich Hannß, Metziger. 



i Gestorben am 28. Aug. 1666, Sohn des Ammeisters Johann 
Wencker. Vergl. L. Dacheux, Les chroniques Strasbourgeoises de 
Jacques Trausch et de Jean Wencker. 1892. 



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Friderich Heßner, Würth zum Bern. 

Heinrich Bernhard von Botzheim. 

Nicolaus Herpff. 

Hannß Wilhelm Reichardt. 

Friderich Rulandt. 

Josias Andres. 

Hannß Carlen Eyßer. 

Johannes Bleyhardt. 

Hannß Georg Ammerbach. 

Hannß Jacob Kamm. 

Johannes Newbawer. 

Philipp Würdt. 

Johann Bournier. 

Jacob Göll, Würth zur Kandten. 

Hannß Joachim Haubenstrickher. 

Hannß Philipp Wittich. 

Joseph Schöny. 

Michael Otto. 

Martin Heim. 

Mathaeus Hermann. 

Lorentz Moßeter. 

Hannß Georg Aßfalckh. 

Abraham Greichel. 

Carle Schodler. 

Carle Klein. 

Caspar Wirbel. 

Jacob Wetzel. 

Johann Bittlinger. 

Christoph Störr. 

Philipps Klein. 

Simon Heim. 

Johann Carle Schneider. 

Johann Christoph Erst. 

Friderich Burger. 

Simon Matz. 

Andreas Sarburger. 

Heinrich Rohrmann. 

Claus Kuntz. 

Samuel Zeyßer. 

Hannß Jacob Höpting. 



— 29 — 

Friderich Koch. 
Friderich Ehewaldt. 
Georg Pickh zum Beeren. 

Da Gott vor sey, wann ein Schall oder Fewrsbrunst solle ent- 
stehen, seind zu folgenden Herren verordnet, alß 

Regierenden Herrn Stättmeister: 

Carle Krauß. 
Johann Bournier. 

Herrn Ammeister Reichshoffer: 
Herrn Ammeister Dieterich: 

Herr Abraham Hannß, Metziger. 
Abraham Greichel. 

H e r rn A m m e i s t e r Jundt: 

Herr Hannß Jacob Frantz. 
Wilhelm Göbel. 

Herrn XIHer Wencker: 

Hannß Peter Vesu. 
Eberhardt Lefer. 

(Herrn Obristen. 
'Herrn O.b r i s t l e ü te n a n t. 

Die zweyte Compagnie zu Pf er dt. 

Rittmeister: 
1665. Claus Conradt Schach. 

Leütenunt: 
1665. Herr Johann Wolffgang Heßler. 

Com et: 
1665. Herr Johann Reißhoffer.i 

1 Die Reiterfahne oder Standarte Jobann Richshoffers, welche auf 
der Vorderseite das Richshoffer'sche Familien wappen und auf der 
Rückseite das Strassburger Wappen trägt, befindet sich heute im 
Besitz des Herrn Richshoffer in Schiltigheim. Die gekerbte Fahnen- 
stange ist 3,08 m lang (Vergl. Katalog der Ausstellung von Kunst 
und Altertum in Elsass-Lothringen, Nr. 886, S. 100, Strassburg, 1895, 
und Lithographie in Le Mirliton, Strassburg, Nr. 6 vom 1. Juni 1883.) 
Das Fahnentuch von weisser Seide dürfte etwa einen Quadratmeter 
gross sein. 



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— 30 - 

Quartirmeister: 
1665. Herr Jacob Eckel. 

Fahnenjunck herr: 

1665. Herr Daniel Schoner. 

Gorporalen: 

1665. Herr Dieboldt von Friedelsheim der Jünger. 
1065. Herr Hannß von Borsch. 
1665. Martin Kauffer. 

Feldtbarbirer: 
Philipp Meßerschmidt. 

Trompeter. 
Reütter: 

Dieboldt Schell der Jünger. 
Hannß Riehl, Jacob Sohn. 
Beat Drenß der Jünger. 
Caspar Walter. 

Abraham von Fridelßheim, Jacobs Sohn. 

Bastian Rinckh. 

Lorentz Wunter, Eliae Sohn. 

Hannß Kley. 

Abraham von Fridelßheim, Abrahams Sohn. 

Jacob Schott. 

Andreas Lux. 

Dieboldt Lux. 

Hannß Nußmann. 

Dieboldt Schell, Hannßen Sohn. 

Beat Drenß, Beaten Sohn. 

Hannß Georg Stenger. 

Hannß Georg Werner. 

Hannß Higel. 

Lorentz Riehl. 

Paulus Heidel. 

Michael von Borsch. 

David Küentzen Sohn. 

David Voltzen Sohn. 

Wölfl Hückh. 

Dieboldt Schott. 



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- 31 — 



David Hohe. 
HannP Klein. 
Samuel Syfredt. 
HannP Fiecht. 
HannP Adolph Hüeber. 
Dieboldt Metschell. 
Dieboldt Scheer. 
HannP Klingen Sohn. 
HannP Meyger. 
HannP Voltz. 
HannP David Deinbach. 
HannP Vix. 
, Frantz Graff. 
HannP Nartz. 
Jacob Reibeil. 
Dieboldt Judt. 
Andreas Ohl. 
Lorentz Hammer. 
Andreas Reibell. 

HannP von FriedelPheim, HannPen Sohn. 

Dieboldt von FriedelPheim, HannPen Sohn. 

Marten Marten. 

Jacob Brülinger. 

Herrn Georg Luxen Knecht. 

Daniel Buxbaum. 

Jacob Buxbaum. 

Dieboldt Schuster. 

Andreas Schuster. 

Da Gott vor sey, wann ein Schall oder Feürsbrunst solte 
entstehen, seind die folgenden Herren verordnet, alP : 

Regierenden Herrn S t ä 1 1 m e i s t e r : 
HannP Rhiel. 

Herrn Ammeister Eggen:» 

Dieboldt Scheell. 
Andreas Lux. 



» Karl Ejrercn, geboren 1602, wurde Ratsherr 1655, XXI. 1656, 
XV. 1657, XIII. 1660, Ammeiater 1662 und starb 1674. 



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— 32 — 

Herrn Ammeister Brackhenhoffer:" 

• 

Martin KaufTer. 
Hannß Hägiii. 

Herrn Xlller Kügler: 

Hannß Klein. 

Abraham von Friedelsheim, Abrahams Sohn. 
Herrn Obristen: 

Dieboldl Metschell. 
Michael von Börsen. 

Herru Obristleütenant: 

Abraham von Friedelsheim, Jacobs Sohn. 
Beat Drenß. 

Die feierliche Nagelung und Uebergabe der Standarten 
fand am 2. Juni 1665 und die erste Parade der beiden 
Reiterkompagnien am 7. Juni statt. Hierüber lesen wir 
in der Chronik des Ammeisters Franciscus Reisseissen : * 

«Den 2. Juni hat man die Standarten von den zwei aufge- 
richteten bürgerlichen Compagnien zu Pferd auf dem Zeughof 
angeschlagen im Beisein fast aller Herren des Regiments. Seind 
die Officiers Herr XV. Mülb Obrister, Herr XXI. Kraut Obrist- 
leutnant, Herr Ratsherr Schach Rittmeister, dessen Leutnant 
Herr Ratsherr Hessler, Cornet Herr Johann Reisshoffer. Von 
der andern Compagnie Herr Ratsherr Würtz Rittmeister, Herr 
Peter de Barri Leutnant, Herr Johann Wencker Cornet. Es 
waren die Gorneten von Gold und Silber gestikt : auf der 
Reisshoflers auf einer Seite der Stadt Schild, auf der andern 
ein Arm aus den Wolken, so ein Schwert in der Hand, welches 
Schwert durch eine goldene Krone geht. Herrn Wenckers 
Cornet hatte auf einer Seite auch der Stadt Schild, auf der 
andern ein Pferd, darauf ein Mann mit einem Säbel. 3 Waren 
auf beiden Corneten der Cornetträger Wappen und auf dem 

1 Andreas Brackenhofer, geboren 1617. wurde XV. 1654, Ammeister 
1658, XIII. 1659 und starb 1679. 

2 Rod. Reuss, Strassburgische Chronik 1657—1677, S. 59—61. 

5 Der Herausgeber der Chronik scheint sich hier verlesen zu haben. 
Statt Säbel hat sein Druck Seckl. Im Original dürfte Sebel oder 
Säbel stehen. 



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— 



- 33 — 

ersten: Pro religione et patria, auf dem andern: In utrumque 
paratus. Und ehe man sie angeschlagen, haben Herr Ohrisler 
und Obristleutnant die Ursachen, warum man zusammenge- 
kommen, angezeigt, worauf regierende Herren Statt- und Am- 
meister die ersten Nägel angeschlagen, denen gefolgt die Ober- 
Zeugherren, darauf die Ober-Wachtherren und übrige Herren 
des Regiments, vor welchen letzteren gleichwohl die vornehmsten 
Officiers von beiden Compagnien, nach den Regimentsherren die 
gemeinen Soldaten, so da gewesen, in beiden Compagnien, und 
letztlich andere gute Freunde, worunter ich auch gewesen. Nach- 
dem die Standarten angeschlagen gewesen , haben solche die 
Rittmeister prtesentirt und seind darauf nach Haus geritten. 
Auf den Abend haben die Herren XIII. benebenst den vor- 
nehmslen Officieren eine stattliche Mahlzeil auf dem Zeughof 
gethan. 

Den 7. huius seind die zwei Compagnien zu Pferd und acht 
Compagnien junge Mannschaft dem Herrrt Obristen und Obrist- 
leutnant vor dem Wickhäusel pra?sentirt • worden. Kamen 
morgens um 5 Uhr auf dem Barfüsserplatz zusammen und 
marschirten um 6 Uhr zum Metzgerthor hinaus. War der Obrist 
zu Pferd, der Obristleutnant aber in der Stadt zu Fuss ; Hessen 
die hohen Officiers ihnen» Handpferde vorführen und waren 
sämtlich wohl montirt. Die Präsentation geschah von den 
Ober-Zeugherren, und wurde der Vortrag von Herrn Johann 
Ulrich Frid* gethan, worauf sie dreimal Salven gegeben; und 
seind sie um 11 Uhr wiederum in die Stadt marschirt. Gott 
gebe, dass man ihrer in Ernst nicht bedarf!» 

An diese Kompagnien trat der Ernst des Krieges nicht 
mehr heran, trotzdem die Stadt selbst ihrem Schicksale 
unrettbar entgegeneilte. Nach Ausbrach des holländischen 
Krieges {1672 — 1678) gingen die Franzosen mit Gewalt 
vor. Von Breisach aus Hess Conde am 14. Nov. 1672 
acht Schiffe den Rhein hinabfahren und die Rheinbrücke 
bei Kehl in Rrand stecken. 



1 d. h. sich. 

2 War seit 1656 Registrator auf der Kanzlei und folgte im Jahre 
1667 als ätadtsyndicus seinem Bruder Johann Jacob Frid. Er 
starb 1678. 



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- 34 - 



IX. 

Bei diesen drohenden Anzeichen sah sich der Magistrat 
veranlasst, eine neue Geschell- und Wachtordnung zu 
verkünden» die Zahl der Soldaten auf 1500 zu erhöhen 
und, da kein Mangel an Mannschaft vorhanden war, den 
Zünften eine bessere militärische Organisation zu geben. 

Die fünf alten Quartierkompagnien, welche die Wachen 
auf den Stadlmauern zu beziehen hatten, wurden verdrei- 
facht, d. h. statt einer erhielt jedes Quartier drei Kom- 
pagnien, indem jedem der drei Quartiermeister, die früher 
einer jeden der fünf Kompagnien angehörten, eine be- 
sondere Kompagnie unterstellt wurde. Diese fünfzehn 
neuen Kompagnien wurden auch mit neuen Quartier- 
fahnen versehen. 1 . 

Das erste Quartier mit den blauen Fahnen begriff das 
Schnakenloch, den St. Johanneswall und das Bollwerk 
Luginsland, also von der III vor den gedeckten Brücken 
bis gegen das alte Weissturm thor. 

Der Spruch lautete auf der Fahne : 

Mit der Lilie : 

Erubescant et conturbentur inimici nostri. 
[Zu Schanden und zerstreut mögen werden unsere Feinde.] 

Mit der Rose: 

Non sine vulnere franges. 
[Nicht ohne Wunde wirst du sie brechen.] 

* 

Mit der Sonnenblume : 

Mit Gott wollen wier Tahten thuen. 

Das zweite Quartier mit den roten Fahnen erstreckte 
sich von dem Weissenturm über das Heidenbollwerk bis 
zum Kronenburgerthor. 



1 F. C. Heitz, Das Zunftwesen in Strassburg, S. 135—136. 



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— 35 — 

Auf den Fahnen stand : 
Mit der Lilie : 

Coaserva Christe nilorem, 
[Bewatre, Christos, ^v^Jj Glanz] 

Mit der Rose : 

Fortes adjuvat ipse Deus. 
[Den Tapferen hilft anch Gott.] 

Mit der Sonnenblume : 

Wier achten nicht der Feinde Wuht, 
Gott ist ja vnPer Schutz vndt Huth. 

Dem dritten Quartier mit den grünen Fahnen war der 
Wall vom Roseneek-Bollwerk über den Kirschgarten oder 
das Judenbollwerk bis zum Sack oder Turin im Sack, 
d. h. etwa von der Finkmalte bis über das Judenthor, 
anvertraut. 

Die grünen Fahnen führten folgende Sprüche : 
Mit der Lilie : 

Gott gibt den Sieg in defen Handt, 
Der mannlich streit fürs Vatterlandt. 

Mit der Rose: 

Quisquis pro patria moritur, vivere incipit. 
[Wer fürs Vaterland stirbt, fängt an zn leben.] 

Mit der Son Benblume : 

Pugnate, ne iis serviatis. 
[Kämpfet, dass ihr nicht ihnen dienet.] 

Das vierte Quartier mit den gelben Fahnen umfasste 
das Fischerthor, den Giesswall und den Curtenwall. 

Die gelbe Fahne mit der Lilie hatte die Inschrift: 

Vertraue nur Gott, 
Es halt kein Noth. 

Mit der Rose: 

Delectat, sed pungit. 
[Sie gefällt, aber sticht.] 



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— 36 - 



Mit der Sonnenblume : 

Expecta Dominum, age viriliter. 
[Vertraue auf den Herrn und handle männlich.] 
[oder: Dem Herrn vertrau', fest um dich hau'.] 

Das fünfte und letzte Quartier mit den weissen Fahnen 
hatte den Wall vom Metzgerthor über das Spitalbollwerk 
und um das Elisabethbollwerk zu besetzen. 

Auf dessen Fahnen waren die Worte zu lesen : 

Mit der Lilie: 

Si non nobis, saltem posteris. 
[Wenn nicht für uns, doch für unsere Nachkommen.] 

Mit der Rose: 

Aculeata est, hanc tu rescindere cave. 
[Sie hat Dörner, hüte dich, sie zu pflücken.] 

Mit der Sonnenblume: 

Was förchten wier, 
Gott ist allhier. 

Ausser diesen Quarlierkompagnien waren noch 23 Bür- 
gerkompagnien gebildet worden, die ihre Lärm- oder 
Sammelplätze in der Stadt selbst hatten und vielleicht 
noch teilweise die alte Zunftorganisation beibehielten 
Denn für die anderen Kompagnien konnte die alte Ein- 
richtung nicht mehr aufrecht erhalten werden, da, wie 
der Magistrat sich ausdrückt, «nicht allein durch das un- 
ordentliche Hin- und Widerlaufen in der Stadt viel und 
grosse Gonfusiones erweckt» werden, sondern auch die 
Gleichheit aller Bürger und Schirmverwandte bei dem 
Wachtdienst schwer beeinträchtigt werde. 

Für diese Bürgerkompagnien wurden auch 23 neue 
Fahnen beschafft, deren Kosten sich für die Stadt auf 
589 Gulden 6 Schillinge und 9 Pfennige beliefen. 

Diese Fahnen halten folgende Symbole und Mutsprüche : 1 



1 F. C. Heitz, Das Zunftwesen in Strassburg, S. 132—134. Rod. 
Reuss, Strassb. Chronik 1667—1710, S. 37. 



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- 37 - 



1. Die Fahne vor der Pfalz [Gutenbergplatz] : 

Greifft muthig zur Wehr, 
Fürs Vatterlandts Ehr. 

2. St. Thomasplan : 

Dapffer, muthig, frisch daran, 
Gott ist rnitl vns auff dem Plan. 

3. ßarfüsserplalz [Kleberplatz] , Fahne mit der Sonne : 

Te lucente calescimus. 
[Deine Strahlen wärmen uns.] 

4. ßarfüsserplalz, Fahne mit dem Mond: 

Noctescere nequit. 
[Er will nicht, dass es Nacht werde.] 

5. ßarfüsserplalz, Fahne mit den Sternen : 

His bellatoribus occumbet Sissera. 
[Solchen Streitern wird Sissera unterliegen.] 

6. Münsterplalz, 1. Kompagnie beim Salzhaus: 

Ihr Brüder faßt ein Heldenmuth, 

Es gilt die Freyheit, Haab vnd Guth. 

7. Münsterplalz, 2. Kompagnie bei St. Lorenz : 

Viel lieber gestritten und ehrlich gestorben, 
Alß Freyheit verloren und Seele verdorben. 

8. Münsterplalz, 3. Kompagnie am Fronhof: 

Gottes Ehr, das höchste Gulh, 
Retten wier mit vnPrem Bluth. 

9. Münsterplatz, 4. Kompagnie auf dem Kirschenmarkt : 

Gute Sach, gerechte Waffen, 
Können Sieg vnd Rettung schaffen. 

10. Münsterplalz. 5. Kompagnie bei der grossen Kirchen- 
thür : 

Quid non pro religione! 
[Alles für die Religion.] 

11. Speyerthor [Brücke bei der Sl. Jolianneskirche] : 

Libertatem sanguine redimere honeslum. 
[Ehrenvoll ist es, die Freiheit mit Blut zu erkämpfen.] 

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—"■ 3© — ~ 

12. Rossmarkt [Broglieplalz] : 

Aut viocere aut raori. 
[Siegen oder Sterben.] 

13. Jung St. Peter, Fahne mit dem Stern : 

Der Stern aus Jacob hüett vndt wacht, 
Dass vhs nicht schad der Feinde Macht. 

14. Stephansplan : 

MUitemus ! 
[Lasst uns kämpfen!] 

15. Weissenturm: 

Wier werffen auff, Herr, dein Panier, 
Streit du für uns, so siegen wir. 

16. KFonenburg : 

Libertas potior vita. 
[Freiheit ist besser als Leben.] 

17. Steinslrasse : 

Des Höchsten Schutz, 
Der Feindte Trutz. 

18. Judenthor: 

Dissipentur inimici. 
[Zerstreut mögen unsre Feinde werden.] 

19. Fischerthor: 

Tuis, Jehova, auspiciis. 
[Unter deinem Schutze, Jehova.] 

20. Neuthor [hinter der Krutenau, etwa bei der Citadellen 
allee], Fahne mit der Rose : 

Wilst du diße Rooßen brechen, 
Müflen dich die Dornen stechen. 

21. Metzgerthor: 

Unverzagt, 
Frisch gewagt. 

22. Spitalthor: 

Victoriae praemium libertas. 
[Des Sieges Preis ist Freiheit.] 

23. Elisabethenthor [Ende der St. Elisabethengass«'] : 

Bona causa repulsae nescia. 
[Gates Recht geht nicht schlecht.] 



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— 39 - 



Eine jede dieser Kompagnien zählte einen Obmann, 
einen Kapitän, einen Leutnant, einen Ober- und Unter- 
fähnrich, zwei Sergeanten, zwei oder drei Korporale, die 
nötigen Rottmeister und zwei Trommler. 

* 

x. 

Wie bereits angedeutet, musste bei dieser neuen mili- 
tärischen Organisation der Bürgerschaft die Aufstellung 
nach Zünften, wie sie früher massgebend war, wegen 
ihrer Schwerfälligkeit aufgegeben werden, da die Zünftigen 
in der ganzen Stadt durcheinander wohnten und uicht aus- 
schliesslich auf gewisse Viertel angewiesen waren. Nach 
der neuen Wachtordnung 1 von 1672 hatten die Bürger- 
Kompagnien ausser in Kriegsgefahr auch bei Feuers- 
brünsten und zu Mess- oder Jahrmarktzeiten zusammen 
zu treten. Besonders geschulte Leute waren zur Bedienung 
der so berühmten Slrassburger Artillerie bestimmt, grade 
wie einzelne Rotten der Kompagnien bei Schadenfeuern 
ihre speziellen Verrichtungen und Posten hatten. Das 
alte Herkommen sollte nur noch in Geltung bleiben in 
der Kurnacht, am Schwörtag, bei der Ratspredigt und 
der Umfahrt des regierenden Ammeisters, wo man den 
Zünften bei der Aufstellung der Schutz- und Ehrenwachen 
freie Hand liess. Diese bei solchen festlichen Anlässen 
aufzunehmenden Bürgerpflichten gehörten mehr zu den 
angenehmen, während dies von dem seit Ende des 16. 
Jahrhunderts zu leistenden Sicherheits- und Kriegsdienst 
nicht gesagt werden konnte. 

Eine schwere Fron war die ordentliche regelmässige 
Nachtwacht, zu welcher alle Bürger verbunden waren. 
Diese sogenannte Ordinari- Wacht, deren Teilnehmer, die 



' Der Statt Straßburg Wacht-Ordnungen. Anno MDC.LXXII. Ein 
Heft, 60 Bll. 2°; Auszug davon bei F. C. Hcitz, Das Zunftwesen in 
8trassburg, S. 126—128. 



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— 40 - 



sogenannten Ordinari-Jahrwächler, für ein ganzes Jahr be- 
zeichnet wurden, traf jeden Wächter jede zehnte Nacht. 

Zu dieser Nachtwache wurde kompagnieweise ange- 
treten. Jeder Wächter hatte sich vor Läuten der Thor- 
glocke mit seinem Seitengewehr und seiner Muskete, und 
nicht mit einem Füsil oder ßürstbüchse, auf dem für 
seine Kompagnie bestimmten Lärm- oder Sammelplatz 
einzustellen. Mitbringen musste er noch ein halbes Pfund 
Pulver, zwölf gute Palronen oder zwölf Kugeln und drei 
Ellen Lunte. War er aus wichtigen Ursachen verhin- 
dert zu kornmeu, wie krankheitshalber oder wegen vor- 
zunehmender Reise, so durfte er statt seiner einen Stell- 
vertreter oder sogenannten Spötter schicken. Auf dem 
Sammelplatz wurde dann um die verschiedenen Posten 
und Stunden gelost und gleich nachher die Wachen be- 
zogen. 

Diese wurden stündlich von den Offizieren abgelöst und 
öfters revidiert, was auch von den Herren des Magistrats 
vor Mitternacht und von den Schöffen nach Mitternacht, 
so es nötig erschien, gethan werden konnte. 

Die Schildwache sollte, wie man zu sagen pflegte, «das 
eine Ohr in das Feld, das andere in die Stadt gerichtet 
haben». Sie musste an der in jedem Schilderhause hän- 
genden Wachtglocke die Stunden nachschlagen, nachdem 
der Wächter auf dem Metzgerthorturm bereits den Anfang 
damit gemacht hatte. 

Die in dem Wachtlokal gebliebenen Wächter rausslen 
bei jeder kommenden Runde, und wann die Schelle au- 
gezogen wurde, heraustreten, sich in Reihe und Glied 
stellen und das Gewehr präsentieren. Waren sie sonst 
frei, so durften sie sich, ohne sich auszukleiden, zum 
Schlafen niederlegen mit Ausnahme von wenigstens zweien, 
die wach bleiben sollten. Zudem war ihnen «alles Dispu- 
tieren von der Religion», sowie das Tabakirinken oder 
Rauchen verboten. Seinen Ungehorsam in diesem Falle 
büssle der Bürger mit 30 Schillingen, während der Kriegs-. 



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- 41 - 

knecht oder Soldat zur Strafe zwei Stunden auf den Esel 
kam. Auch Zechen und Zehre» war untersagt, sowie 
das Einlassen oder Aufnehmen von Manns- oder Weibs- 
personen. Mit dem Holz, den Lichtern und dem Oel 
für die Lampen sollte sparsam umgegangen werden ; auch 
war Sorge dafür zu tragen, dass kein Lichtschimmer 
durch die Läden und Fenster nach aussen dringen konnte. 
Ganz besonders war ihnen anbefohlen, weder Pulver noch 
Kanonenkugeln von den Wällen mit sich nach Hause zu 
nehmen, aucli von den Dächern der Wacht- und Schilder- 
häuser kein Blei, Kupfer oder Eisen zu brechen, noch 
auch deren Läden, Fenster und Thüren zum Wärmen der 
Stuben zu gebrauchen. Mit den Soldaten sollten sie sich 
friedlich und freundlich vertragen und deren Offizieren 
wie den eigenen gehorsam sein. Zur Vermeidung jedes 
Rangstreites waren die Ehrenleistungen und Honneurs 
zwischen den Offizieren der verschiedenen Truppen und 
zwische^ diesen und den Herren vom Sladtregiment ge- 
nau geregelt. 

Am Morgen endlich nach dem Läuten der Thorglocke 
stellte sich die Wächter-Kompagnie am Thore wieder auf, 
wartete aber bis nach dem Soldatenappell und dem Oeffhen 
des Thores, um dann erst wieder nach Hause zu gehen. 
Im Laufe des Tages hatte endlich jeder abtretende Wäch- 
ter seinen für die folgende Nacht bestimmten Genossen 
auf seine Wachtpfiicht aufmerksam zu machen. 

Da die gesamte Bürgerwehr immer schlägfertig erhalten 
werden sollte, wurde «das Exerciren und sogenannte 
Trillen» von Zeit zu Zeit mit zwei oder drei Kompagnien 
vorgenommen. 

Um jede Störung im Wachtdienste zu vermeiden und 
alle Bürger gleichmässig zu demselben heranzuziehen, 
hatte der Wachtmeister die Hauptliste aller wehr- und 
wachtfähigen Bürger, Schirmverwandten und Jungmilizen 
zu führen und sich deshalb in Verbindung mit den Offi- 
zieren zu Selzen, da jeder Kapitän, Quartiermeister, Leul- 



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- 42 - 

nant oder Fähnrich eine besondere Stammrolle über die 
in seinem Quartier wohnenden Mannschaften zu verfer- 
tigen hatte. Verzog ein Wächter von einem Quartier in 
das andere, so hatte er sich alsbald bei dem Offizier 
seines neuen Quartiers anzumelden und ihm einen Ab- 
meldungsschein von der alten Ktompagnie zu bringen ; 
falls er zu den Wallkompagnien gehörte, musste er dies 
noch dem Zeugwart anzeigen. Jedes Vierteljahr waren 
diese Stammlisten zu revidieren. 

Es fehlte der Bürgerschaft im 17. Jahrhundert wahr- 
lich niemals die Gelegenheit, ihre Geduld und Ausdauer, 
sowie ihren Opfersinn zu erproben. Die Aufregungen des 
bischöflichen Krieges (1592—1604), des Jülich-Klevischen 
Erbfolgekrieges (1609—1614), des 30jährigen Krieges 
(1618 — 16i8) r der französischen Annektierung des Elsass 
und des holländischen Krieges' (1672—1678), brachten 
Sirassburg schwere Verluste und Hessen es zu keiner 
Ruhe mehr kommen. 

Zu dem gewöhnlichen Wachtdienst, der bereits eine 
schwerlastende Fron war, kam nur zu oft noch die so- 
genannte Extraordinari- Wacht, wie sie in Feuers- und 
Kriegsnot geboten war. Sie musste antreten teils an 
den erforderlichen Stellen in der Stadt, teils auf ihren 
Sammelplätzen und auf den Wällen, wann die Feuer- 
zeichen oder die Sturmglocken ertönten. 

Die Feuerzeichen bestanden 1. in dem gewöhnlichen 
Feuerioschreien der Wächter auf dem Münster, 2. dem 
Anziehen aller Wachtglocken auf den Wällen, 3. dem 
Läuten der beiden Feuerglocken auf dem Münster und 
endlich 4. dem Stürmen mit der grossen Münsterglocke, was 
jedoch nur auf besonderen Befehl des regierenden Am- 
meisters zu geschehen hatte. 

Rückte hingegen der Feind vor die Siadt oder entstand 
in der Stadt selbst ein Geschelle oder Auflauf, so wurde 
das Sturm- oder Mordzeichen gegeben, was auf verschie- 
dene Weise bewerkstelligt werden konnte: 1. Durch 



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— 43 - 



Lösung von Schüssen auf den Warten und Bollwerken 
um die Stadt, 2. durch Schiessen auf den Wällen mit 
Musketen und Doppelhaken, 3. durch Anziehen der Wacht- 
glöcklein, 4. des Nachts durch Anzünden der Schwefel- 
pfannen auf dem Müusterturm und auf der Sladtmauei , 
sowie der Feuerzeichen auf den Türmen der dem Tumulte 
am nächsten gelegenen Kirchen , und des Tags durch 
Ausstecken einer oder zweier roter Fahnen auf dem 
Münster, 5. durch Läuten der Glocken auf den nächsten 
Kirchen, 6. durch Stürmen mit den Thorglocken und 
7. durch Läuten der sogenannten Mordglocke. 

In früheren Zeilen ritten die Magislratsherren bei diesen 
Gelegenheiten selbst in der Stadt herum, um ihre Anord- 
nungen zu treffen und die nötigen Befehle zu erteilen, seit 
dem Jahre 1672 aber blieben sie in der Pfalz und sandten 
nur zwei Delegierte aus der XIII. Stube aus, Erkundigun- 
gen einzuzieheu. Die Obmänner gingen allein auf die 
Sammelplätze zu den Bürgern, während der Meldedienst 
von den Adjutanten und Ordonnanzen besorgt wurde. 

'Zum letzten Male in der freien Reichsstadt ertönte am 
28. Sept. 1681 um 2 Uhr morgens die Mordglocke und rief 
die Bürgerschaft zur Wehr gegen den Feind. Sie läulele 
der städtischen Unabhängigkeit zu Grabe. Die Franzosen 
rückten heran und besetzten die Zollschanzen zwischen 
Rhein und III. Ihrem Vorgehen konnte kein Einhalt mehr 
geboten werden. Aus Furcht vor der katholischen Reaktion 
hatte Strassburg einst mit den Schweden ^egen Kaiser 
und Reich gemeinsame Sache gemacht. Dieser für das 
ganze Elsass verhängnisvolle Bund sollte auch für Strass- 
burg unerwartete und unerwünschte Folgen haben. Die 
einseitig konfessionelle Politik des Magistrais endigte, 
aller Hilfe bar, notgedrungen in der so denkwürdigen 
Kapitulation vom 30. September 1681. 



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Personenverzeiohnis. 



Ammerbach Hans Georg- 28. 

Ammia Nicolaus 10. 

Andres Jonas von Fessenheim 13. 

Andres Josias 28 

Arnold Lorenz 19. 

Aßfalck Hans Georg 28 

Aßfalck Peter 27. 

Awcncn Hans Georg von 16. 

Bari Peter de 20. 32. 
Bechtoldt Hans Diebold 19. 
Berger Hieronymus 17. 
Berion Samuel 18. 
Bernhard Heinrich 28. 
Beza Rudolf 7, 10. 
Bittlinger Johann 28. 
Bitto Daniel 17. 
Bleyhardt Johann 28. 
Borsch Hans von 30. 
Borsch Äfichael von 30, 32. 
Borst Jacob 12. 
Bournier Johann 28, 29. 
Brackenhoffer Andreas 32. 
Brotfisch Georg 18. 
Brulinger Jacob 31. 
Brün Georg }«. 
Buckel Hans Martin 19. 
Burger Friedrich 28. 
Büttner Hans Georg 17, 18. 
Buxbaum Daniel 31. 
Buxbaum Jacob 31. 

Capeller Andreas 12 
Ohuon Franz 11. 

Dautel Hans Martin 10. 
Decimator Johann 19. 



Deinbach Hans David 31. 
Diefenbach Caspar 12. 
. Dieterlin Wendling 18. 
Dietrich Dominicus 29. 
Dolhopff Georg Andreas IS. 
Drenß Beat 30, 32. 
Drenß Beat 30. 
Durninger lf>. 

Ebinger Sebastian 19. 

Eckel Jacob 30. 

Edom Johann 11. 

Eggen Karl 31. 

Ehewald Friedrich 29. 

Ehrhard Johann Jacob 8, 9. 18. 

Ehrhard Philipp Jacob 7, 18. 

Erst Johann Christoph 28. 

Evsser Hans Heinrich 27. 

Eysser Hans Karl 28. 

Fecher Johann Baptist 17, 18. 
Fehrler Johann 11. 
Ficcht Hans 31. 
Fiesscl Daniel 10. 
Fleck Hans Georg 27. 
Franck Hans Daniel 27. 
Franckenbcrger 18. 
Frantz Jacob 27, 29. 
Frid Johann Jacob 33. 
Frid Johann Ulrich 33 
Fridt Hans Michel 12. 
Friedelsheim Abraham von 30, 32. 
Friedelsheim Abraham von 30, 32 
Friedelsheim Diebold von 30. 
Friedelsheim Diebold von 31. 
Friedelsheim Hans von 31. 
Fröreißen Hans Jacob 10. 



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— 45 - 



Fröreißen Johann Leonh. 9, 10, 15. 
Funck Johann 13. 
Füssel Anton 12. 

Gambs Jacob Sebastian 1H. 

GanP Hans 14. 

Ganß Hans Georg 11. 

Gessensohn Hans Karl 15. 

Gießbrecht Hans Martin 11. 

Gionet Paul 17. 

Glock Hans Georg 14. 

Göbel Wilhelm 27, 29. 

Göll Hans Adam 27. 

Göll Jacob 28. 

Göll Johann 27. 

Göll Mathis 14. 

Goltz Johann Adam 13. 

Gouschard Franz Rudolf 6, 13. 

Graff Franz 31. 

Grasser Caspar 12. 

Greichel Abraham 28, 29. 

Grünwald Wolfgang 14. 

Günther Lorenz 7, IG. 

Güntzer Hans Theobald 6, 10. 

Gumprecht Johann 10. 

Habrecht Abraham 6, 12. 

Habrecht Daniel 12. 

Habrecht Isaac 12. 

Haffner Philipp IC. 

Hagmeyer Hans Philipp 17. 

Hammer Lorenz 31. 

Hanser Hans 15. 

Hanß Abraham 27, 29. 

Hanß Hans Friedrich 27. 

Haubenstricker Hans Joachim 28. 

Hebner Hans Georg 12. 

Heck Melchior 15. 

Heidel Paul 30. 

Heim Martin 28. 

Heim Simon 28. 

Heibeck Hans Georg 17. 

Helling Hans Philipp 27. 

Heiwig Paul 18. 

Henrici Johann Philipp 27. 

Hermann Mattheus 28. 

Herpff Nicolaus 28. 

Heßler Johann Wolfgang 29, 32. 

Heßner Friedrich 28. 

Heuß Johann Philipp 27. 

Hever Johann 31ichel 13. 

Higel Hans 30, 32. 



1 Hirsch Hans Jacob 12. 

Hoffmann Jacob 12. 
: Hohe David 31. 

Hohe Diebold 13. 

Holtzschuch Hans Georg 19. 

Höpting Hans Jacob 28. 

Hück Wolf 30. 

Hueber Hans Adolf 31. 

Hünerer Hans Adam 14. 

Hünerer Hans Adam 14. 

Huth Johann Conrad 11. 

Hypolitus Johann 15. 

Ihringer Johann Jakob 13. 

Judt Diebold 31. 
Jundt Nicolaus 29. 

Kamm Hans Jacob 28. 
; Käß Michael 15, 16. 
i Kauffer Martin 30, 32. 
, Keck Michel 19. 

Kempffer Herrmann 27. 

Kessler Hans Karl 15. 

Kessler Johann 15. 

Kips 15. 

Kirtzel Johann 27. 
Klein Hans 31, 32. 
Klein Karl 28. 
Klein Philipp 28. 
Kley Hans 30. 
Kling Hans 31. 
Kniebs Mattheus G, 10. 
Koch Friedrich 29. 
König Johann Franz 13. 
König Martin Andreas 8, 9, 10. 
König Martin Andreas G, 10. 
Königen Jacob 18. 
, Kornmann Johann 13. 
Krauss Balthasar 27. 
Krauss Hans Karl 27, 29. 
Kraut Balthasar 9, 10, 2G, 32. 
Krcss Johann 13. 
Kuentz David 30. 
Küffel Hans Jacob 11 
Küffel Philipp 11. 
Kuntz Claus 28. 
Küstner Theobald 14. 

Lachmanu Wolf 27. 
Lamprecht Hans 11. 
Langrötiger Georg 27. 



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— 46 — 



Lefer Eberhard 27, 29. 
Leficr Daniel 10. 
Lerse Philipp 19. 
Leydecker Albert 11. 
Lobstein Hans 15. 
Lützenburgrer Nicolaus 15. 
Lux Andreas 30, 31. 
Lux Diebold 30. 
Lux Georg 31. 

Marbach Paul Friedrich 14. 

Marten Marten 31. 

Matz Simon 28. 

Merckel Philipp 16. 

Messerschmidt Philipp 30. 

Metscher Diebold 31, 32. 

Meyer Friedrich 16. 

Meyer Lorenz 19, 31. 

Meyger Hans 31. 

Mock Johann 17 

Mockel Christoph Jacob 19. 

Montfort Hans Peter 19. 

Mosseter Lorenz 28. 

Mülb Johann Philipp 8, 9, 26, 32. 

Nägelin Diebold 12. 
Nanz Hans 31. 
Neff Karl 19. 
Neubauer Johann 28. 
Nussmann Hans 30. 

Ohl Andreas 31. 
Otto Michael 28. 

Pauli Simon 15. 
Pick Georg 29. 
Planck Hans Georg 17. 
Platz Johann Paul 15. 
Pressler Ernest 13. 

Raff Georg Christoph 27. 
Redslob Jacob 17. 
Redwitz Johann Friedrich 18. 
Reibel Andreas 31. 
Reibet Jacob 31. 
Reichardt Hans Wilhelm 28. 
Reichshoffer Ambrosius 10. 
Reichshoffer Daniel 14. 
Reichshoffer Johann 29, 32. 
Reichshoffer Johann 29. 
Reimischnistel Gottfried 12. 
Reinnach Daniel 14. 



Reisseissen Franz 6, 8, 9, 26. 
: Reisser Thoman 14. 
! Riedel Georg 17. 

Riehl Diebold 13. 

Riehl Hans 30, 31. 

Riehl Lorenz 30. 

Rinck Bastian 30. 

Rohrmann Heinrich 28. 

Rosenzweig Hans Jacob 16. 

Rosenzweig Lucas 16. 

Rossa 15. 

Roth Hans Michel 17. 
Rothbach Hans Jacob 17. 
Rothmann Lorenz 17. 
Rüderer Joachim 7, 14. 
Ruland Friedrich 28. 

Saltzmann Johann Jacob 11. 
Sandrat Jacob 14, 19. 
Sarburger Andreas 28. 
Schach Claus Conrad 29, 32. 
Schäffer Andreas 12. 
Scheer Diebold 31. 
Schell Diebold 30, 31. 
Schell Diebold 30. 
Schimpff Hans Georg 16. 
Schlachtmann Mattheus 16. 
Schmidt Anton 27. 
Schneider Hans Jacob 12. 
Schneider Johann Karl 28. 
Sehn up nagen Augustin 15, 16. 
Schodler Karl 28. 
Scholl Hans Jacob 27. 
Schoner Daniel 30. 
Schöny Joseph 28. 
Schott Diebold 30. 
Schott Jacob 30. 
Schräg Johann Karl 15. 
SchranckenmüllerHans Rudolf 11. 
Schultes Johann Jacob 17. 
Schuster Andreas 31. 
Schuster Diebold 31. 
Schweitzer Hans Michel 14. 
Seboldt Michael 15. 
Seppen Johann 18. 
Seyffermann Hans Jacob 12. 
Soderer Jacob 15. 
Spielmann 15. 
Spielmann Jacob 27. 
Spielmann Nicolaus 19. 
. Spieß Karl 10. 
Städel Christoph 12. 



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47 



Städel Tobias 12. 
Städel Tobias 12. 
Steeg Rudolf 11. 
Steiner Caspar 12. 
Stenger Hans Georg 30 
Störr Christoph 28. 
Syfredt Samuel 31. 

Traner Johann David 17. 
Triponet Peter 13. 

Uhlmann Heinrich 17. 
Ulrich Hans Diebold 11. 

Vesu Hans Peter 27, 29. 
Vix Hans 31. 
Voltz Caspar 30. 
Voltz David 30. 
Voltz Hans 31. 

Wagner Bernhard 19. 
Wagner Johann Jacob 13. 



Walter Hans Thomas 27. 

Waltz Balthasar 14. 

Weber Conrad 18. 

Weister Friedrich 12. 

Wencker Johann 27, 32. 

Wencker Johann 29. 

Wentzel Anton 12. 

Werner Hans Georg 30. 

Wetzel Jacob 28. 

Widt Daniel Andreas 19. 

Winckler Elias 11. 

Wirbel Caspar 28. 

Wittich Hans Philipp 28. 

Wolff Johann 10, 11. 

Wunter Lorenz 30. 

Würdt Philipp 28. 

Würtz Johann Friedrich 10,26, 32. 

Wydemann Hans Jacob 11. 

Zeysser Samuel 28. 
Ziegler Michael 16. 
Zorn Johann Karl 8, 19 



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I 




Herr Haunss Theobaldt Güntzer. 

(Fähnrich der L Kompagnie zu Fuss.) 



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II 




Herr Martin Andres König. 

(Fähnrich der 1. Kompagnie zu Fuss.) 




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V 





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VIII 




Herr Lorentz Günther. 

(Fähnrich der 6. Kompagnie zu Fuss.) 



! 

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X 




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I f * 



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BEITRAGE 



ZUR 

LANDES- UND VOLKESKUNDE 

VON 

ELSASS-LOTHRINGEN 

XXIX. HKFT 

DER OBERELSÄSSISCHE WINTER FELDZUG 167475 

UND 

DAS TREFFEN BEI TÜRK HEIM. 



NACH ARCHIVAMSCHEN QUELLEN BEARBEITET 

VON 

S-iWan' v. KORTZFLEISCH, 

Oberstleutnant beim Stabe Jos Kui he>si>chen Infanterie- Regiments Xr. 62. 



Mit \wei Kartenbeilagen. 



STR ASSBURG 



J. H. Ed. Heitz (Heitz & Mündel) 

1904. 



i 



Verlag von J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL). 



BEITRAGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE 

von Elsass-Loihrlngen. 
Baöd i. 

1. Die deutsoh-franacö «Ische Sprachgrenze in Lothringen von 

Const. This. 34 S. mit 1 Karte (1 :3U0.tJU0). 1 50 

2. Ein andeohtlg geistliche Badenfahrt des hochgelehrten 

Herren Thomas Murner. 66 S. Neudruck mit Erläutcrgn.. insbe- 
sond. über das altdeutsche Badewesen v. Prof. Dr. E. Martin. Mit 6 
Zinkätzungen nach dem Original. 2 — 

3. Die Alamannensohlaoht vor Strassburg 357 n. Chr. von 

Archivdirektor Dr. W. Wicgand. 4b S. mit einer Karte und einer Weg- 
skizze. 1 ~~ 

4. Lena, Goethe und Cleophe Flbich von Strassburg. Ein urkund- 

licher Kommentar zu Goethes Dichtung und Wahrheit mit einem Portrat 
Araminta's in farbigem Lichtdruck und ihrem Facsimile aus dem Lenz- 
Stammbuch von Dr J oh. Froitzheim. 96 S. 250 

5. Die deutsch-französische Sprachgrenze im Elsas« von Dr. 

Const. This. 4a S. mit Tabelle. Karte und acht Zinkätzungen. 1 50 

Band II. 

6 Strassburg im französischen Kriege 1G52 von Dr. A. Hol- 

la ender. 68 S. , 1 50 

7. Zu Strasshargs Sturm- und Drangperlode 1770 bis 76. 

Von Dr. Joh. Froitzheim. 8« 'S. 2- 

8. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass. 

Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Ney, Kais. Oberförster. I. Teil 
von 1063 — 1648. 114 S. 2 — 

9. Rechts- und Wirtsohafts-Verfassung dea Abteigebietes 

Maursmünster wahrend des Mittelalters von Dr. Aug. 
Her tz o g. 114 S. 2 — 

10. Goethe und Heinrich Leopold Wagner. Ein Wort der Kritik 

an unsere Goetheforscher von Dr. Joh. Froitzheim. 63 S. 150 

Band III. 

11. Dl« Armagnaken im Elsass. Von Dr. H. Witte. 153 S. 2 50 

12. Geschichte des heiligen Forstes bei Hagenau im Elsass. 

Nach den Quellen bearbeitet von C. E. Nev, Kais. Oberförster. iL Teil 
von 164*— 1791. 158 S. 2 50 

13. General Kleber. Ein Lebensbild von Friedrich Teicher, Königl. 

bayr. Hauptmann. 4* S. 1 20 

14. Das Staatsrechtliche Verhältnis des Herzogtums Loth- 

ringen cum Deutschen Reiche seit dem Jahre 1B42 von 
Dr. Siegfried Kitte. Mit Karte. H>3 S. 2 50 

13. Deutsche und Keltoromanen in Lothringen nach der Völ- 
kerwanderung. Die Entstehung des Deutschen Sprachgebietes von 
Dr. Hans N. Witte. 100 S. Mit 1 Karte. 250 

Band IV. 

16. Der letzte Puller von Hohenburg. Ein Beitrag zur politischen 

und Sittengeschichte des Elsasses und der Schweiz im 15. Jahrhundert ■) 
sowie zur Genealogie des Geschlechts der Puller von Dr. H. Witte. i 
IV u. 143 S. 2 50 i 

17. Eine Strassburger Legende. Ein Beitrag zu den Beziehungen 

Strassburg s zu Frankreich im lb. Jahrhundert von Dr. A. Hollaender. 
28 S. 1 - 

15. Der lateinische Dichter Johannes Fabriclus Montanus (aus 

Bergheim im Elsass) 1527— 1566. Selbstbiographie in Prosa und Versen 
nebst einigen Gedichten von ihm, verdeutscht von Theodor Vul- 
pinus. 3i S. — 80 

19. Forstgesohichtliohe Skizzen aus den Staats- und Gcmcindewald- 

ungen von K'appoltsw eiler und Keiehenweier aus der Zeit vom Aus- 
gange des Mittelalters bis zu Anf ing des XIX. Jahrhunderts von Dr. '. 
Aug. Kahl, Kaiserl. Oberförster. Mit Ucbersichtslcarte. IV u. 73 S. 2 — 

20. Die Festung Bitsoh von Hermann Irle. Dritte vermehrte Auflage 

mit einem Anhange einhaltend die Umgebung von Bit«ch. Mit 2 Ansichten 
und Plan von Bilsch, nebst Karte der Umgegend. 52 S. 1 50 

Band V. 

21. Ritter Friedrich Kappler. Ein cl*n*sischcr Feld' 

dem 15. Jahrhundert von Theodor Vulpinus 

22. Die Annexion des Elsass durch Frr 

auf die Verwaltung t 

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o 

BEITRÄGE ZUR LANDES- UND VOLKESKUNDE IN ELSASS-LOTHRINGEN. XXIX. 

© DER 

OBERELSÄSSISCHE WINTERFELDZUG 

1674|75 

UND 

* 

DAS TREFFEN BEI TÜRKHEIM. 



NACH AECHIVALISCHEN QUELLEN BEARBEITET 

» 

VON 

£ ' ■ < v. KORTZFLEISGH, 

Oberstleutnant beim Stabendes 2. Kurhessisehcn Infanterie-Regiments Nr. 82. 



MIT 2 KARTENBEILAGEN. 




STRASSBURG 
J. H. Ed. Hkitz (Heitz & Mündel) 
1904. 



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I 



■ 



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INHALT. 

Seite 

Vorwort V 

1. Kriegslage im November 16T4 1 

2. Das deutsche Rcichshccr 7 

3. Tu rennes Armee 2G 

4. Winterquartiere der Deutschen 41 

Ti. Einschliessung von Brcisach IiS 

(i. Turcnncs Zug- durch Lothringen 09 

7. Reitergefecht bei Mülhausen 89 

8. Um die Jahreswende 104 

9. Treffen bei Turkheim 119 

10. Räumung des ßlsass 144 

Anlage I. Das deutsche Roichshccr lt>7 

. II. Qucllcniibcrsicht 171 



| Uebcrsichtskarte /um Winterfeldzuge 1674/75. 
" | Skizze zum Gefecht bei Mülhausen. 
II. Plan zum Treffen bei Türkheim. 



Druckfclilerbericlitigung. 

Seite 28 Zuile 14 von oben lies : Schachspiel (statt Schauspiel). 



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I 



Vorwort. 

Kaum ein halbes Jahr, bevor Friedrich Wilhelm der Grosse 
Kurfürst von Brandenburg sich durch den glorreichen Sieg von 
% Fehrbellin am 28. Juni 1675« unvergängliche Ix>rbeeren um 
seine, SJirne wand, lieferte er im Oherelsass gegen den Marschall 
Turenne das ruhmlose TrelVen von Türkheim am 5. Januar 
1075, infolge dessen er mit dein ihm unterstehenden deutschen 
Reichsheere das Elsass räumen mussle. Es ist begreiflich, das« 
die deutsche Militärliteralur .sich lieber und eingehender mit 
dem strahlenden Siege von Fehrbellin als mit dem beschämen- 
den Misserfolge von Türkheim beschäftigt hat. Dennoch ist 
auch dieser Tag, der für zwei Jahrhunderte in folgenschwerer 
Weise über das Schicksal des Elsass entschieden hat, einer 
näheren Betrachtung nicht unwert. 

Der militärische Leser, der den Soldaten vom Patriolen zu 
trennen vermag, kann in dem Gegner des Grossen Kurfürsten, 
dem Vicomte v. Turenne, einen jener grossen Feldherrn be- 
wundern, deren strategisches wie taktisches Können — unab- 
hängig vom wechselnden Stande der Kriegs Wissenschaften — 
vorbildlich für alle Zeiten bleibt. Gerade in diesen Winter- 
monalen I(574j75 hat Turennes kriegerischer Genius sich so 
glänzend bewährt, dass das Studium dieses Feldzuges seinen 
Reiz auf keinen Soldaten verfehlen wird. 

Demgegenüber macht das in dem Koalitionsheere der 
♦ Deutschen herrschende kleinliche und engherzige Wesen, die 
bei ihnen obwaltende Eifersucht und Uneinigkeit, welcher der 
nur dem Namen nach den Oberbefehl führende Brandenburger 

1 Dem IB. Juni des alte» (Julianischen) Kalenders. 



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IV 



Vorwort. 



nicht zu steuern vermochte, einen recht kläglichen Eindruck. 
Aber wir Deutsche von heute dürfen auch diese traurigen Zu- 
stände unbefangen betrachten und zergliedern — in dem ruhigen 
Bewusstsein, dass die damaligen Faktoren unserer Ohnmacht 
gründlich beseitigt und durch dieselbe strafFe Einheit ersetzl 
worden sind, die damals den Heeren Ludwigs XIV das Ueber- 
gewicht verlieh. Zum besonderen Tröste kann uns dabei der 
Umstand gereichen, dass es gerade der im Elsass unterlegene 
Kurfürst Friedrich Wilhelm war, der den festen Grund zu dem 
stolzen Gebäude der deutschen Einheit gelegt hat. Es war 
doch nicht ohne Grund, wenn er in einem zu Strassburg ge- 
druckten Volksliede 1075 zuerst mit dem Namen des «Grossen» 
begrüsst wurde : 

«Der grosse Kurfürst zog mit Macht, , 

Um Frieden zu erlangen; 

Er suchet der Franzosen Pracht 

Und ihres Trotzes Prangen 

Zu brechen durch die Kriegeskunst.» 

Darf der Tag von Türkheim schon wegen der grossen 
politischen Tragweite seiner Folgen und wegen der Person der 
beiden Feldherren, die an ihm ihre Klingen kreuzten, ein 
näheres Interesse beanspruchen, so tritt ein weiterer Urnstand 
hinzu, um eine neue Darstellung des Herganges zu rechtfertigen. 
Es hat sich nämlich um das Treffen von Türkheim ein wahrer 
Legendenkranz geschlungen. Abenteuerliche, durchaus unhalt- 
bare Angaben über die taktische Umgehung, durch die Turenne l 
den Tag entschied, haben ihren Weg aus französischen auch 
in deutsche Werke gefunden. Selbst das so gründliche und 
zuverlässige Buch des Professors Peter über den Krieg 1672—75 
hat die Sage von dem Gebirgsmarsch der Türen nischen Um- 
gehungskolonne nachgedruckt. Eine nüchterne und auf die Ur- 
quellen zurückgehende Darstellung dieses interessanten Ge- 
fechtes dürfte daher eine in der Geschichte des Zeitalters der 
französischen Raubkriege noch vorhandenen Lücke ausfüllen». 

Die Anregung zu der Schrift, in der ich diesen Versuch 
unternommen habe, gab mir mein dienstlicher Aufenthalt in 



1 Sie fügt sich zeitlich zwischen zwei der Halleschen Abhand- 
lungen zur Neueren Geschichte oin, nämlich zwischen H. Pastenacis 
Schlacht bei Enzheim (Heft XIII) und P. Lümkemanns Letzter Feld- 
zug Turcnnes 1G70 (Heft XVIII). 



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Vorwort. 



VII 



Colmar, zu dessen Umgebung das Schlachtfeld von Türk heim 
gehört. Um unanfechtbares Material für meinen Zweck zu ge- 
winnen, ging ich auf die Urquellen zurück und erhielt durch 
die Staatsarchive zu Berlin, Hannover und Darmsladt, sowie 
durch das Entgegenkommen des K. u. K. Kriegsarchives zu 
Wien Einblick in die Feldzugsakten, vor allem in den Brief- 
wechsel des Kaisers Leopold, des Grossen Kurfürsten, des Her- 
zogs v. Celle, des Landgrafen v. Homburg, des Herzogs v. 
Bournonville und des Gesandten Frh. v. Goes. Völlig unbe- 
rührter Boden sind diese Archivalien 1 freilich nicht ; denn die 
Historiker H. Peter, S. Isaacsohn, J. Jungfer und H. Hocholl 
haben eines oder das andere der betreffenden Archive für ihre 
einschlügigen Schriften benutzt. Aber eine vergleichende, zu- 
sammenfassende und dabei unparteiische Verarbeitung aller 
dieser in sich recht widerspruchsvollen Quellen lag bis jetzt 
nicht vor. Ueber die Münslerisehen, Wolfenbütleler und Loth- 
ringischen Teilnehmer der Koalition von 1674/75 war Urkunden- 
material nicht beizubringen. Dagegen stellte mir der französische 
Generalslab mit dankenswerter Bereitwilligkeit die noch nicht 
veröffentlichte Verlustliste für das Türkheimer Treffen nebst ande- 
ren Archivalien des Depot de la guerre zu Paris zur Verfügung. 

Neben diesem Zurückgehen auf die handschriftlichen Ur- 
quellen sind natürlich auch die einschlägigen Druckwerke in 
umfangreicher Weise zu Rate gezogen worden. Die wichtigeren 
dieser Schriften sind in Anlage II nachgewiesen. Hier sei 
neben den periodischen Zeitschriften jenes Jahrhunderls (Thea- 
trum und Diarium Europaeum, Verwirretes Europa usw.) 
nur noch der vorn Grafen Grimoard herausgegebene Schrift- 
wechsel des Marschalls Turenne besonders hervorgehoben. Auch 
soll nicht verabsäumt werden, die seinerzeit durch den da- 
maligen Divisionsplarrer Bocholl bewirkte Durchforschung der 
Elsässischen Quellen über diesen Feldzug nach Verdienst her- 
vorzuheben. Endlich habe ich die angenehme Pflicht, dem Archiv- 
rat D r Pfannenschmidt, dem Stadtbibliothekar Waltz und dem 
Oberlehrer Engel in Colmar für ihre Unterstützung meiner 
Arbeit auch an dieser Stelle zu danken. 



• Die bei den Vorarbeiten zu dieser Schrift gefertigten Auszüge 
und Abschriften aus Urkunden sind zu einem Heft zusammengefügt 
und der Stadtbibliothek zu Colmar übergeben worden. 



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VIII 



Vorwort. 



Manche Schwierigkeiten erwuchsen der Bearbeitung aus 
der damals noch herrschenden Kalenderverwirrung. Wahrend in 
den katholischen Ländern seit fast einem Jahrhundert der 
Gregorianische Kalender in Uebung war, wurde im protestan- 
tischen Norden noch nach dem alten Kalender gerechnet. Für die 
katholische Bevölkerung des Oberelsass war die verbesserte 
Zeitrechnung gerade 1(374 eingeführt worden (in Colmar am 11 .|2I. 
Januar 1674 auf Verordnung des Bischofs von Basel). Es kommt 
aber nicht selten vor, dass ein Schriftstück überhaupt nicht er- 
kennen lässt, wie es datiert ist. Diesem Buche ist durchweg der 
neue Kalender zu Grunde gelegt worden. Um dem Zeilbilde den 
karakteristischen Farbenion zu erhalten, wurden ferner die da- 
mals gebrauchlichen deutschen Ortsnamen (Beflbrl, Mömpelgard 
u. s. w.) und bei wörtlichen Anführungen die alte Hechtschreibung 
beibehalten. Gern hätte ich auch den für die damalige Zeil so 
kennzeichnenden Wechsel von deutschen und lateinischen Lettern 
zum Ausdruck gebracht. Leider mussle aber die ganze Schrift 
in lateinischen Leitern gesetzt werden, da ihre Aufnahme unter 
die «Beitruge zur Landes- und Volkskunde für Elsass-Lothringen» 
dies bedingt. Dem Schlachtplane von Türkheini ist unter Heran- 
ziehung der ältesten Karten das neueste Messtischblalt des 
preussischen Generalstabes zu Grunde gelegt worden. 

Erster leitender Grundsalz war bei der Abfassung dieses 
Buches eine unbegrenzte Parteilosigkeit, welche weder für die 
Deutschen als solche, noch für eine der in ihrem Heere ver- 
einigten Mächte eine Voreingenommenheit zuliess. Denn nur 
durch völlig objektive Forschung ist geschichtliche Wahrheit 
zu ermitteln. Zeiyt das so entstandene Bild unerfreuliche 
Farben, — gleichviel : auch dem Deutschen des '20. Jahrhun- 
derts kann es nicht schaden, wenn er sich mitunter daran er- 
innert, bis zu welchem Grade von Ohnmacht ein grosses und 
tapferes Volk durch das Vorwallen partikularer Interessen beim 
Fehlen einer starken und zielbewussten Zentralgewalt herab- 
sinken kann ! 

Göttingen, 1904. 

G. v. Kortzfleisch. 



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■ 



1. Kriegslage im November 1674. 

König Ludwig XIV von Frankreich sah eines der haupt- 
sächlichsten Ziele seiner Politik in der Erwerbung Spaniens 
für sein Haus. Seine Vermählung mit der Schwester des Königs 
Karl II, des kinderlosen und geistesschwachen letzten Habsbur- 
gers der spanischen Linie, sollte ungeachtet des von ihr ausge- 
sprochenen Verzichtes die Erreichung dieses Lieblingswunsches des 
französischen Königs vorbereiten. Im Jahre 1667, wenige Jahre 
nachdem er die Zügel der Regierung selbst in die Hand ge- 
nommen hatte, tat Ludwig durch den Angriff auf die Spa- 
nischen Niederlande einen weiteren Schritt zur Erreichung 
seines Endzieles. Aber hierdurch halte er, ohne es zu wollen, 
einen europäischen Krieg entfesselt, der mit geringen Unter- 
brechungen und wechselndem Gluck fast 12 Jahre hindurch die 
Heere aller grösseren Militärmächte im Felde hielt. 

Der Hauptträger des Widerstandes gegen den französischen 
Ausdehnungstrieb nach dieser Seite hin war die Republik der 
Holländischen Generalstaaten. Sie beherrschte durch ihre von 
Seehelden wie Tromp und Ruyter befehligte gewaltige Flotte 
die See und fand in ihrem Erbstatthalter, dem jugendlichen 
Prinzen Wilhelm v. Oranien, einen überaus fähigen Feldherrn. 
Ueber reiche Geldmittel veriügend, wussten die Hochmögenden 
im Haag und ihr kluges Haupt, der Ratspensionär Fagel, im 
Laufe der Zeit neben der matten Bundeshülfe der Spanier 
noch manche andere wichtige Verbündete durch Gewährung 
von Subsidien an die Seite der Republik zu fesseln. 

Im Jahre 1672 waren der deutsche Kaiser Leopold I. und 
der Kurfürst Friedrich Wilhelm v. Brandenburg in den Kampt 
gegen den ländergierigen Franzosenkönig eingetreten. Leider 

1 



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1. Kriegslage im November 1674. 



aber war die Einigkeit zwischen den beiden deutschen Gross- 
staalen so gering, dass im ersten Kriegsjahre Brandenburg, im 
zweiten Oesterreich die alleinige Last des Krieges trug. Dessen 
Erfolge konnten bei solcher Zwiespältigkeit und einer bedauer- 
lichen Lauheit der Kriegführung nur den von dem berühmten 
Turenne geführten Franzosen zufallen. Am energischen Han- 
deln hinderte den Kaiser nicht nur die Eifersucht auf den 
aufstrebenden Brandenburger, sondern auch das Bewusstsein, 
dass er selbst noch 1668 einen Geheimvertrag mit Frankreich 
über die Teilung der spanischen Monarchie abgeschlossen hatte. 
Kurfürst Friedrich Wilhelm, der sich von seinem Verbündeten 
im Stich gelassen sah, enlschloss sich im Juni 1673 zu dem 
Sonderlrieden von Vossem. 

Sowie Ludwig XIV hierdurch von seinem gefahrlichsten 
Widersacher befreit war, nützte er die Gunst des Augenblicks 
ungesäumt zu einem Gewaltstreiche gegen die freien Reichs- 
städte des Elsass aus. Dies waren die zehn Vereinsstädte der 
sogenannten Landvogtei Hagenau 1 , deren Oberhoheit allerdings 
durch den Westfälischen Frieden an die Krone Frankreich 
übergegangen war, aber unter der ausdrücklichen Verpflichtung, 
sie im Besitze der Unmittelbarkeit gegen das Römische Reich 
zu erhalten. Diese freilich auf die Dauer nicht haltbare Fest- 
setzung des § 87 des W r est laiischen Friedens wurde durch den 
französischen Gewaltstreich vom August 1073 schnöde verletzt. 
Nur wenn Frankreich sich im Kriegszustande mit dem Reiche 
befunden hätte, wäre die Besetzung dieser Reichsstädte zulässig 
gewesen. Aber dies war nicht der Fall : der Kaiser war nur mil 
den Truppen seiner österreichischen Hausmacht in den Krieg 
eingetreten, das Reich dagegen neutral geblieben. Wenige Wochen 
darauf gelang es dem kaiserlichen Feldherrn Montecuccoli, den 
weit in das Reich vorgedrungenen Marschall Turenne durch 
geschickte Operationen vom Tauber bis über den Rhein zurück- 
zudrängen. Als er sich bei Bonn mit dem gegen Gonde gleich- 
falls siegreich gewesenen niederländischen Heere des Prinzen 
von Oranien vereinigte, hatte das Jahr im Ganzen erfolgreich 
für die Wallen der Koalition abgeschlossen. 

Aber die geraubten Elsässer Städte waren nicht zurück- 

1 Colmar, Türkheim, Münster, Kaysersbcrg, Schlettstadt, Ober- 
ehnheim, Rosheim, Hagenau, Weissenburg und Landau. 



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Ereignisse im Jahre 1673 und im Sommer 1674. 



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gewonnen worden. Diese Aufgabe sollte der Feldzug des Jahres 
1074 lösen. Die Operationen begannen wie im Vorjahre auf 
zwei selbständigen Kriegstheatern. In Flandern und dem Hen- 
negau erwehrte sich das niederländische Heer des Prinzen 
Wilhelm in Verbindung mit einem spanischen Korps unter 
Monterey und einem österreichischen unter de Souches der 
Angriffe des Prinzen v. Conde, bis durch die Schlacht bei Se- 
neffe am 11. August die Entscheidung für dieses Jahr zu 
Gunsten der Franzosen fiel. Am Oberrhein konnten die kaiser- 
lichen Feldherrn Graf v. Gaprara und Herzog v. Bournonville 
lange kein einheitliches Vorgehen mit dem Herzog Karl IV 
v. Lothringen erzielen. Dadurch wurde es dem Marschall Tu- 
renne möglich, mit seiner kleinen Truppenmacht das Ober- 
elsass erfolgreich zu schützen, während König Ludwig XIV 
selbst die damals noch zum Römischen Reiche gehörige, von 
spanischen Truppen schlecht verteidigte Burgundische Frei- 
grafschaft eroberte. Ihre Hauptstadt Besancon oder Bisantz fiel 
am 21. Mai. Im Sommer drang Turenne über den Rhein vor 
und erfocht am 16. Juni bei Sinsheim einen glänzenden Sieg 
über Caprara und Lothringen, die er vor ihrer Vereinigung 
mit Bournonville ereilte und schlug. Turenne war nun Herr 
des ganzen rechtsrheinischen Landes von Basel bis Mainz und 
sog die Kurpfalz auf das rücksichtsloseste aus. 

Nun aber raffte sich Europa auf, um dem bedrohlichen 
Vorwärtsschreiten der französischen Macht Einhalt zu gebieten. 
Kaiser Leopold hielt, seit er seinen franzosenfreundlichen Mi- 
nister Fürst Lobkowitz in Ungnade entlassen hatte, treu zur 
gemeinsamen Sache. Der Reichskrieg war am 24. Mai «occa- 
sione der von den Ghurfürsten zu Trier und Pfalz gesuechten 
Guarantie und Hilffleistung» beschlossen worden. Doch versprach 
diese Massregel des Regensburger Reichstages, für die auch 
der Kurfürst v. Brandenburg warm eingetreten war, bei der 
Gleichmütigkeit und Böswilligkeit mancher Reichsslände und 
der Ohnmacht der deutschen Zentralgewalt nur geringen Erfolg. 
Der 2. Abschnitt dieser Schrift wird uns nähere Einblicke in 
diese bedenklichen Verhältnisse tun lassen. Noch am 23. De- 
zember, also nach sieben Monaten, musste ein neues Regens- 
burger Reskript unter dem Druck von Turennes eben begon- 
nener Offensive daran erinnern : «dass ein Jeder dem allgemeinen 
Wesen zum Besten sich ohnverlängt in gnugsame rechtschaffene 



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1. Kriegslage im November 1674. 



Postur und Defensive stellen solle». Glücklicherweise wurden 
solche unwirksame Reichs-Conclusa durch eine Reihe von Bünd- 
nisverträgen ergänzt, die von den kapitalkräftigen General- 
staaten und der Krone Spanien unter Garantie des Kaisers ab- 
geschlossen wurden. 

Durch solche Subsidien Verträge gelang es, den bisher mit 
dem Reichsfeinde verbündeten Bischof Christoph Bernhard v. 
Münster, die Herzöge Georg Wilhelm v. Celle und Rudolf 
August v. Wolfenbüttel, sowie als wichtigsten Verbündeten am 
1. Juli den Kurfürsten Friedrich Wilhelm v. Brandenburg an 
die Seite der Kaiserlichen und Lothringer in das Feld zu 
rufen. Kurbrandenburg hielt sich als deutscher Reichsstand 
durch die Erklärung des Reichskrieges der Verpflichtungen 
gegen Frankreich entledigt, die es als selbständige europäische 
Macht zu Vossem hatte übernehmen müssen. Kursachsen stellte 
sein Reichskontingent, zog es aber noch vor dem Einbruch ins 
Elsass von der Feldarmee wieder zurück. Kurköln leistete zwar 
nicht Heeresfolge, trat aber mit Münster vom französischen 
Bündnis zurück. Ebenso schloss der bisher mit Ludwig XIV 
verbündete König Karl II von England seinen Frieden mit der 
Koalition. Dänemark galt sogar als deren Glied und bezog 
spanisch-holländische Hülfsgelder, leistete aber keinen wirklichen 
Beistand. Man hoffte, dass es Schweden im Schach halten werde, 
dessen Haltung zweideutig zu werden begann. 

Die zweite Hälfte des August kam heran, bis ein genügend 
grosser Teil des schwerfälligen Bundesheeres bei Frankfurt am 
Main versammelt war, um die Operationen gegen Turenne auf- 
nehmen zu können. Jedoch fehlte damals ausser einem Teile 
der Braunschweig-Lüneburger noch die gesamte Brandenburgische 
Armee. Unter der Führung des kaiserlichen Feldmarschalls 
v. Bournonville nahmen die Bewegungen gegen Turenne zwar 
zögernd, aber nicht ohne Glück ihren Anfang. Die wichtige 
Strassburger Rheinbrücke fiel in der letzten Septemberwoche 
durch Capraras energisches Zugreifen in die Hände der Ver- 
bündeten. Vaubrun war um wenige Stunden zu spät gekommen, 
um den bedeutungsvollen Punkt noch für die französischen 
Waffen sichern zu können: das Elsass stand den Deutschen 
offen! Turenne hatte in dieser Epoche des Krieges nicht 
mit dem gewohnten Erfolge operiert. Nun aber raffte sich 
der alte Löwe zu einem kräftigen Schlage auf. Er griff am 4. 



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Die neue Koalition. — Enzheim und Marlenhcim. 5 

Oktober die in starker Stellung hinter der Breusch stehende 
Armee Bournonvilles an und schlug sie in der blutigen 
Schlacht bei Enzheim» trotz ihrer erheblichen Uebermacht völlig 
aufs Haupt. 

So war es eine besiegte und infolge dieses beklagens- 
werten Misserfolges von Argwohn und Zwietracht durchsetzte 
Heeresmacht, die der Grosse Kurfürst im Elsass vorfand, als er 
arn 45. Oktober seine Brandenburger im Lager von Bläsheim 
mit den Truppen Bournonvilles vereinigte. Er hatte nun eine 
Armee von ungefähr 50000 Mann beisammen und war seinem 
Gegner um mehr als das Doppelle überlegen. Friedrich Wilhelm 
brannte vor Begier, sich mit Turenne zu messen und brach 
schon nach drei Tagen zu diesem Zwecke auf. Aber gleich 
bei dieser ersten Unternehmung, dem Vorstoss auf Marlenheim 
am 48. Oktober 8 , zeigte sich die Hoffnungslosigkeit der Zu- 
stande in erschreckender Klarheit. Der dem Kurfürsten zuge- 
fallene Oberbefehl war kaum mehr als ein ehrenvoller Titel. 
Für jede wichtigere Entschliessung war ein Mehrheitsbeschluss 
des Kriegsrais erforderlich. Der methodische und übervorsichtige 
Führer der Kaiserlichen aber verweigerte seine Mitwirkung bei 
dem vom Oberfeldherrn beabsichtigten Angriff. Mit Fug und Recht 
konnte Friedrich Wilhelm klagend nach Wien melden: «der 
Eventus hat es jüngstens gegeben, dass da man alles per majora 
schliessen wollen, der Monsieur de Turenne darüber echappirel.» 

In der Tat war der französische Feldherr, der nicht mehr 
als 20000 Mann unter sich hatte, ungeschädigt und in vollster 
Ordnung nach der Zorn zurückgegangen und blieb unbehelligt 
im festen Lager bei Dettweiler stehen. Dass er dort bedeutende 
Verstärkungen von Condes Armee erwartete, deren erste noch 
vor Monatsschluss aus Flandern eintraf, das ahnten die Ver- 
bündeten freilich zunächst nicht. Aber als sie um Mitte 
November davon erfuhren«, war es ihnen nur ein Grund mehr, 



1 Wegen dieser Schlacht wird auf die Schrift Hermann Pastenacis in 
den Halleschen Abhandlungen zur Neueren Geschichte (1880) verw iesen. 

2 Das fehlgeschlagene Unternehmen gegen Marlenheim ist am 
gründlichsten, freilich ohne Benutzung österreichischer Quellen, in 
H. Peters Krieg des Grossen Kurfürsten 1672—75 (S. 282-295) 
geschildert. 

a Am 15. November kannte man Genlis und Montauban, die 
Führer des ersten Verstärkungstrupps, schon mit Namen. 



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1. Kriegslage im November 1674. 



nichts gegen ihn zu unternehmen. Bei der Haltung des kaiser- 
lichen Feldherrn war eine kräftige Offensive tatsächlich unmög- 
lich. Es war dem Kurfürsten ein schlechter Trost, wenn 
Leopold I. ihm am 29. Oktober glückliche Succes wünschte 
und zu Gott verhoffte : ces werde seine Allmacht der gerechten 
Sachen also beystehen, dass die Hochmueth des Feinds ge- 
dempfft, die teutsche Libertet, auch des Reichs Sicherheit con- 
servirt und der verlangende reputirliche beständige Friden er- 
hebt werden könne». Das mussten leere Worte bleiben, so 
lange das kaiserliche Korps ein Hemmnis statt einer Hülfe für 
kräftiges Handeln war. 

Tiefverstimmt und an der Willfahrigkeit seines Mitfeldherrn 
verzweifelnd, gab Kurfürst Friedrich Wilhelm seine Angriffs- 
pläne auf. Die schwere Erkrankung seines Sohnes Karl Emil 
drückte auf seine Stimmung und Tatkraft. Aus der Heimat 
erhielt er immer beunruhigendere Nachrichten. Den Ein- 
flüsterungen des französischen Gesandten Folge gebend, hatte 
Schweden, das am 19. September ein geheimes Bündnis mit 
Frankreich eingegangen war, als Garantiemacht des West- 
fälischen Friedens erklärt : «es lieffe wider dns Instrumentum 
Pacis, wan man die Oerter und Lande angriffe, so Frankreich 
vom Reiche dadurch erlanget habe.» Mit Recht konnte Fried- 
rich Wilhelm dem entgegenhalten, dass Frankreich die Verträge 
von Münster zuerst verletzt habe. Wohnte er doch, als er 
dies schrieb, in der deutschen Reichsstadt Colmar, der 
Ludwig XIV durch Rechts- und Wortbruch die 1648 verbürgte 
Zugehörigkeit zum Reiche geraubt halte. Gleichwohl war im 
November der bevorstehende Einbruch der Schweden in die 
Mark Brandenburg nicht mehr zu bezweifeln und musste den 
fernen Landesherrn mit banger Sorge erfüllen. 

Der Kurfürst fügte sich darein, dass die zu Ende Oktober 
erfolglos ins Lager von Bläsheim zurückgekehrte Armee den 
ganzen November hindurch untätig dort stehen blieb und 
sich auf belanglose Unternehmungen des kleinen Krieges be- 
schränkte. Diese verliefen fast immer glücklich. Der lothring- 
ische Oberst du Puy vernichtete am 5. November in Benamesnil 
den Arrierebann von Anjou völlig. Der brandenburgische Oberst- 
leutnant Hennigs nahm am 9. November bei Maursmünster 
das kostbare Gepäck des Marschalls Crequi weg. Der kaiserliche 
Generalmajor v. Dünnewald stiess am 21. November in Detl- 



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Untätigkeit der Verbündeten bei Bläshein). 



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weiler auf den Gepäckpark des Marschalls Turenne selber. 
Solcher Parteigängertaten wären noch mehr zu nennen, z. B. 
vom braunschweigischen Generalmajor Graf v. Reuss. Aber die 
grössere Unternehmung, die beständig erwogen wurde, kam 
nie zu stände. Als endlich am 20. November die vereinigten 
Brandenburger und Lüneburger unter ihren Feldmarschällen 
Georg v. Derfflinger und Johann Adolf v. Holstein über die 
Zorn vorstossen wollten, da wusste der alle Fuchs Turenne sich 
wieder in letzter Stunde der Gefahr zu entziehen, indem er sein 
Lager nach Ingweiler an der Moder zurückverlegle. Er hatte dort 
gesicherte Verbindung über Lützelstein und Zabern nach dem 
französischen Hinterlande, sowie über Hagenau nach der damals 
wichtigen Rheinfeste Philippsburg. Die Etappenorte Zabern 
und Hagenau waren durch stärkere Garnisonen gesichert. Den 
Pfalzgrafen Leopold Ludwig v. Lützelstein nötigte Turenne zur 
Aufnahme einer kleinen Besatzung. Eine Liebesgabe von 2000 
Franken machte ihm dieses Opfer erträglicher. 

Seilens der Verbündeten hörte nunmehr jede eigene Tätig- 
keit auf. Vielmehr entschlossen sie sich, zu Anfang Dezember 
nach dem Oberelsass abzurücken, um dort Winterquartiere zu 
beziehen. Marschall Turenne seinerseits bereitete in der Stille 
einen anderweitigen, weit kühneren Plan zur Ausführung vor. 
Wir aber wollen die Pause, während der sich die beiden 
Gegner noch in den Lagern von Bläsheim und Ingweiler müssig 
gegenüberstanden, dazu benutzen, uns die beiderseitigen Streit- 
kräfte näher anzusehen. 

2. Das deutsche Reichsheer 

Eine Kriegsgliederung im heutigen Sinne des Wortes lässt 
sich von den Deutschen ebensowenig geben wie von den Fran- 
zosen, da der Heeresbrauch des 17. Jahrhunderts eine bleibende 
Einteilung in Divisionen und Brigaden nicht kannte, sondern 
sich mit der Zusammenfassung der Regimenter zu Treffen und 
Flügeln begnügte. Wir müssen uns darauf beschränken, die 
Generalität und die Regimenter der einzelnen Kontingente auf- 
zuzählen, wie es in Anlage I versucht ist. Leider liegt von meh- 
reren Kontingenten ein so lückenhaftes und widersprechendes 
Material vor, dass es oft schwierig ist, der einen oder der an- 
dern Lesart den Vorzug zu geben. Noch schwieriger ist aus 



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2. Das deutsche Rcichsheer. 



den gleichen Gründen die Berechnung der Kopfstärke der Ver- 
bündeten, wobei auch die Abgänge durch die Schlacht bei Enz- 
heim und durch Krankheiten zu berücksichtigen sind. Immerhin 
soll es nicht unterlassen werden, einige Bemerkungen zu bringen, 
die zur Erläuterung der Anlage I beitragen werden. 

Ein organisiertes Armee-Oberkommando des Reichs- 
heeres gab es leider überhaupt nicht, und dieser Mangel wirkte 
äusserst verhängnisvoll auf die Kriegführung ein. Tatsächlich stand 
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg an der Spitze des 
Heeres im Eisass. Der damals 54 Jahre alte Hohenzoller, der 
schon vor fast zwei Jahrzehnten hei Warschau und in den 
nachfolgenden Schwedenkriegeu den Feldherrnlorbeer um seine 
Stirn gewunden und seitdem unablässig an der Gründung und 
Festigung seiner Wehrmacht gearbeitet hatte, fühlte in sich 
das Zeug zum Heerführer. Dass er vor kurzem in Westfalen 
an der Seite der widerwilligen kaiserlichen Generale Monte- 
cuccoli und Bournonville nichts gegen Turenne ausgerichtet 
hatte, beirrte ihn wenig. Nur umsomehr fühlte er das Bedürf- 
nis, diese Scharte auszuwetzen. Zu seinem Entschluss, die Kur- 
brandenburger nicht nach den Niederlanden, sondern nach dem 
Oberrhein zu führen, hatte nicht zuletzt der Umstand beige- 
tragen, dass ihm auf diesem Kriegsschauplatze der Oberbefehl 
zufallen mussle, den auf dem nördlichen Kriegstheater sein ju- 
gendlicher Neffe Wilhelm v. Oranien innehatte. Nur wider- 
willig willigte Kaiser Leopold darein, dem protestantischen 
Nebenbuhler kaiserliche Truppen zu unterstellen. Noch zu Ende 
August schrieb er seinem Berliner Gesandten Frh. v. Goes, 
wie lieb ihm das Zuhausebleiben der norddeutschen Fürsten 
sein würde. 

Die freundnachbarliche Mahnung blieb erfolglos : Friedrich 
Wilhelm rückte ins Feld. Verweigern Hess sich nun das Ober- 
kommando dem brandenburgischen Helden nicht ; aber der 
Kaiser setzte beim Abschluss des Bündnisvertrages vorn d . Juli 
die Bestimmung durch : dass über die Operationen vereinigter 
Armeen die Majorität der Befehlshaber zu entscheiden habe. 
Herzog v. Bournonville wurde vom Wiener Hofe angewiesen, 
dass er «Sr. Ghurfürstl. Durchlaucht den gebührenden Respect 
leisthen, die Parole von Demselben nehmen, und was die Ma- 
jora schliessen würde executiren solle». Diese heikle Frage führte 
fortgesetzt zu hässlichen Zwistigkeilen, da das Recht der Aus- 



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Der Grosse Kurfürst als Oberbefehlshaber. 



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gäbe des Paroleworles dem Selbstgefühl des Kurfürsten keines- 
wegs genügte. Er forderte ein Gutachten von seinem Kanzler 
v. Somnitz, und dieser meinte : «Und haben Ew. Churfürstl. 
Durchlaucht an dasjenige, so vom Kaiserlichen Hofe an den 
Duc de Bournonville geschrieben, Sich nicht zu kehren, sondern 
an die Alliance, krafft derselben Ew. Churfürstl. Durchlaucht 
das Obercommando und was davon dependiret unstreitig zu- 
steht». Leider war diese Ansicht falsch; mit Erfolg Hess sich 
die traurige Tatsache nicht bestreiten) dass Mehrheitsbeschlüsse 
das gesetzmässige Zubehör dieser Kriegführung waren. 

Es war, wie die Sachen lagen, ein ganz unzulänglicher 
Wirkungskreis, der dem Kurfürsten als ältestem General des 
Koalitionsheeres zufiel. Sein Feldherrntalent konnte in so un- 
möglichen Verhältnissen keine Erfolge erzählen, selbst wenn 
seine Anschauungen stets richtig gewesen wären. Wir werden 
aber sehen, dass er in dieser Zeit — krank und verstimmt wie 
er war — nicht immer auf der Höhe seiner Aufgabe stand. 
Schon der Umstand, dass er die Kurfürstin Dorothea mit einer 
sehr zahlreichen Hofhaltung, sowie viele Zivilbeamte und Diplo- 
maten mit ins Feld nahm, berührt nicht nur uns Nachlebende 
befremdlich, sondern wurde schon von den Zeitgenossen miss- 
billigend besprochen. Ueber solche Volksstimmungen bringen 
die humorvollen und scharfsinnigen «Relationen des verkleideten 
Götterbothens Mercurii» die besten Angaben. Bei ihrer unver- 
kennbar etwas anlibrandenburgischen Färbung ist es bemerkens- 
wert, dass sich darin folgendes Urteil über Friedrich Wilhelm 
v. Brandenburg findet : «Bekenne, dass ich einen sehr magni- 
fiquen, politen Hoff, an dem Churfürsten selbsten aber einen 
recht ansehnlichen Herrn fand, dergleichen ich nicht viel in 
Teutschland gesehen. Seine majestätische Gravität war mit 
einer sonderbahren Freundlichkeit untermischet. Alle seine Diss- 
kurse und gantzes Wesen schien voller martialischer Freundig- 
keit und gaben eine Begierde an Tag, dem Feinde unter Augen 
zu schauen». Aehnlich urteilte der kaiserliche Oberst Vecchia 
mit den Worten : «Chur- Brandenburg wäre resolut und thette 
die Ordre mit einem Fundament ergreiffen». Der Eindruck der 
Persönlichkeit des Oberbefehlshabers war also unzweifelhaft ein 
günstiger und imposanter. Dass er nichts ausrichten konnte, 
war der Fehler der Organisation. 

Die Kaiserlichen, die zum Reichsheere am Oberrhein 



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2. Das deutsche Rcichsheer. 



gehörten, standen zum Teil schon seit Jahren im Felde, waren 
durch Krankheiten und Verluste geschwächt und überhaupt in 
mangelhafter Verfassung, da sie sehr unregelmässig bezahlt 
wurden. Wäre den Berichten des Herzogs v. Bournonville und 
des Frh. v. Goes voller Glauben zu schenken, so müssle man 
sich die kaiserlichen Regimenter sogar im Zustande vollster 
Auflösung denken. Aber beide waren kleinmütige Schwarzseher 
und stets bemüht, ihre Tatenscheu zu beschönigen. «L'armee 
est tout-ä-fait miserable», schämte sich Bournonville nicht an 
Montecuccoli zu schreiben. Aber auch die vertraulichen Briefe 
seiner Unterführer lassen bedenkliche Blicke in die inneren 
Zustände der Truppen tun. Dünnewald schreibt : «Erstlich so 
seind die Truppen 11 gantze Mohnat im .Felde ohne Bezahlung 
undt dabei so übel gehalten, dass die alten Ruiter mannichmahl 
in 8 Tagen kein Broht gesehn haben». Wertmüller vernahm 
von Soldaten den Ruf: edass gleich wie sie bezahlt werden, 
also auch sie fechten wollen». Markgraf Hermann v. Baden 
aber klagt, «qu'il n'a pas un homme en estat de servir». 

Stark war der Kaiserstaal im Verhältnis zu seiner Grösse 
überhaupt nicht am Oberrhein vertreten. Leopold I. gebot ins- 
gesamt über 05000 Mann. Einen ansehnlichen Teil davon, an- 
geblich sogar 30 000 Mann, musste er in Ungarn belassen, wo 
französische Sendlinge zum Aufruhr hetzten. Einige Regimenter 
standen in Schlesien und an der Grenze Bayerns. Durch 
6 Infanterie- und 8 Kavallerie-Regimenter unter Graf Souches 
war Oesterreich bei der Armee des Prinzen v. Oranien vertreten. 
Das Fussregiment Grana stand in Kurköln ; von den Truppen- 
teilen Bournonville^ hielt das Fussregiment Knigge die Fesle 
Dachstein besetzt, das Kürassier-Regiment Gondola wurde zu 
Ende November nach dem Breisgau verlegt. 

So blieben für die Operationsarmee im Elsass nur noch 
5^2 Infanterie-Regimenter, 6 Reiter-Regimenter (teilweise un- 
vollständig), 1 Dragoner- und 1 Kroaten- Regiment, sowie die 
sehr geringfügige Artillerie, angeblich nur 8 Geschütze zählend. 
Die Regimenter zu Fuss waren der Regel nach in 10 oder 8 
Kompagnien gegliedert, deren jede 100 Mann Sollstärke hatte. 
Der Dienststand war erheblich geringer ; abgesehen vom Regi- 
ment Portia schwankte er zwischen 450 uud 300 Mann. Wie 
gross die Abgänge während des Winterteldzugs waren, ersehen 
wir daraus, dass z. B. das in Thüringen angeworbene Regiment 



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Die Kaiserlichen. — Der Herzog von Bournonville. 11 

des Grafen Heinrich V. v. Reuss, das erst am 20. Okiober mit 
900 Mann zur Armee gestossen war, sein schwäbisches Winter- 
quartier im Januar 1675 nur in der Stärke von 2il9 Mann be- 
zog. — Noch verschiedener an Zahl der Kompagnien und an 
Iststärke war die Reiterei. Während einige Regimenter 700 
Mann in der Front, hatten, zählten andere, die die Hälfte ihrer 
Schwadronen in den Niederlanden hatten, nur 300—350 Pferde. 
Ebenso schwach waren die Dragoner, die bekanntlich damals 
nicht zur Kavallerie zählten, sondern als berittene Infanterie 
galten. An Kroaten sollen noch elwa 700 Mann vorhanden ge- 
wesen sein, obwohl Graf Lodron sie im Juli doppelt so zahlreich 
der Armee zugeführt hatte. Sie erwiesen sich ebenso haltlos vor 
dem Feinde wie mangelhaft in der Mannszucht. — Die Gesamt- 
stärke des kaiserlichen Kontingents darf für Anfang Dezember 
1674 etwa auf 5600 Mann Fusstruppen, 4200 Reiter und 200 
Artilleristen, zusammen also auf 10 000 Mann veranschlagt 
werden. Sie schmolzen dann durch die unglücklichen Ereignisse 
um die Jahreswende noch erheblich zusammen, so dass z. B. 
die gesamte Kavallerie im Januar 1(?75 nur noch 2153 dienst- 
brauchbare Pferde halle und bald danach das ganze Korps (ohne 
die Regimenter Portia, Knigge und Vehlen, aber einschl. Gon- 
dola) nur 6263 Mann zahlte. 

Befehlshaber der Kaiserlichen war der Feldmarschall Ale- 
xander Herzog v. Bournonville. Auch er war gleich dem Branden- 
burger 54 Jahre alt. Er hatte seine Laufbahn im Dreissigjährigen 
Kriege unter den Westfälischen Kreistruppen begonnen, dann 22 
Jahre lang im Dienste Spaniens gestanden, auch unter Gondes 
Oberbefehl, und gehörte seit 1672 der Armee des Kaisers an. 
Seine Wahl zum Feldherrn am Oberrhein erwies sich als sehr un- 
glücklich. Er war ein methodischer General der alten Schule, vor- 
sichtig bis zur Aengsllichkeit, stets zur Ueberschätzung des Geg- 
ners neigend und bereit, das Gesetz des Handelns von ihm zu em- 
pfangen. Er konnte über lauter Erwägungen und «Consilia was 
der gemeinen Sache zum Dienlichsten» niemals zu einem Enl- 
schluss kommen und war jedem Wagnis grundsätzlich abhold. Er 
steckte tief in den Anschauungen des Positionskrieges, und nie- 
mals kam ihm in den Sinn, dass auch die Vernichtung der feind- 
lichen Streitmacht ein Mittel zum Gewinnen eines Feldzuges 
sein könne. Seine Tatenscheu war es in erster Linie, die die 
angeborene und oft bewährte Energie des Kurfürsten lahmlegte. 



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2. Das deutsche Reichsheer. 



Seit er dessen Angriffspläne im Oktober 1074, namentlich 
am Tage von Marlenheim, durch seine Lauheit vereitelt hatte, 
wurde er im brandenburgischen Lager der Verräterei bezichtigt. 
Dieser Vorwurf war ganz unbegründet. Selbst in seinem ver- 
trauten Briefwechsel zeigt sich Bournonville stets als redlicher 
Diener seines Kaisers, «resolviret zu crepiren, wan änderst nichts 
thuen kan». Sein persönlicher Mut unterliegt keinem Zweifel : 
er hatte ihn bei Enzheim bewährt und liess es auch bei Türk- 
heim in dieser Hinsicht nicht an sich fehlen. Dennoch muss 
ihm die Hauptschuld an den Misserfolgen dieses Winters bei- 
gemessen werden. Auch genoss er sowohl bei seinen Verbün- 
deten» wie bei seinen tatkräftigeren Untergebenen, z. B. Caprara, 
Dünnewald und Hermann v. Baden, nur ein sehr geringes An- 
sehen. Aeusserst verhängnisvoll wurden das Misstrauen und die 
Abneigung, die Bournonville seinem brandenburgischen Bundes- 
genossen entgegentrug, und die sich beispielsweise in einem 
Briefe an Montecuccoli vom 13. Januar 1675 in den höhnischen 
Worten kundgab: «Die von Strassburg, welche nur vor dem 
Churfürsten alss ihrem Bruedern in Christo geschwohren, seint 
anjetzo gantz in anderer Mainung». Es soll nicht gesagt werden, 
dass die Schuld an diesem traurigen Zwiespalt nur auf Bournon- 
villes Seite lag. Der Kurfürst und Derfflinger zahlten dem kaiser- 
lichen General seine Abneigung redlich heim und mögen ihm 
auch manchmal Grund zu Beschwerden gegeben haben. Sicher 
aber ist es, dass Friedrich Wilhelm mit einem solchen Verbün- 
deten an der Seite ausser Stande war, einem Turenne gegen- 
über die Oberhand zu behalten. 

Die Brandenburger bildeten in dem buntgemischten 
Koalitionsheere eine verhältnismässig fest gefügte Kernlruppe, 
die nach dem Urteil von Freund und Feind zu den besten 
Hoffnungen berechtigte und doch diese Erwarttingen wenig er- 
füllen sollte. Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte durch die 
Schaffung und Heranbildung seiner vortrefflichen Kriegsmacht 
mit sicherer Hand die Grundlage für die Grossmachtstellung 
und glänzende Zukunft seines Landes gelegt. Ein Feind halber 
Massregeln, hatte er jetzt alle irgend verfügbaren Truppen mit 



i Schon im Monat August berichtete der Abbe" de Gravel aus 
Mainz : *Oa ne peut pas estre plus dögouste que le Duc de Lorreyne 
Test du Duc de Bournonville>. 



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Die Kurbrandenburger. 



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sich an den Rhein geführt. Dem Hülfskorps in Polen war nur 
das Allernotwendigste — die Dragoner-Regimenter Hohendorfl* 
und Schlieben — überwiesen worden. Der als Statthalter 'in 
der Mark Brandenburg zurückbleibende Fürst Johann Georg 
v. Anhalt- Dessau war für den Schutz des Landes gegen den 
drohenden Einfall der Schweden nur auf die Festungsbesatzungen 
und einige Neuformationen angewiesen. In den westfälischen 
Landesteilen, deren Sicherung bei der Nachbarschaft des nieder- 
ländischen Kriegsschauplatzes geboten schien, wurden je 3 Kom- 
pagnien der Fussregimenter Fargel und Holstein, sowie die 
Reiter-Regimenter Spaen und Franckenberg belassen. 

Der Kern des Heeres, mit dem der Kurfürst im Oktober 
4G74 bei Strassburg ins Elsass einrückte, betrug abgesehen von 
den 1500 Mann zählenden Gardetruppen : 9 Regimenter zu 
Fuss, 11 zu Pferde, 2 Dragoner-Regimenter und die Artillerie. 
Gleich den Kaiserlichen waren auch die Brandenburgischen 
Truppenteile ungleich an Kompagniezahl und an Kopfstärke. 
Ziemliche Regelmässigkeit herrschte auch bei ihnen im Fuss- 
volke : jedes Regiment gliederte sich in 8 Kompagnien, von 
denen freilich Fargel und Holstein nur je 5 im Elsass hatten ; 
Dönhoff und Flemming waren nur je 4 Kompagnien stark. Die 
Kavallerie-Regimenter sollten 6 Kompagnien zählen; indessen 
hatten einzelne noch in Werbung begriffene nicht mehr als 3 
bis 4 im Felde, das Regiment Croy sogar nur 2 Kompagnien. 
Die Iststärke scheint 1000 Infanteristen und 6 — 700 Reiter pro 
Regiment nicht viel überschritten zu haben, blieb aber stellen- 
weise weit dahinter zurück; das Reiter-Regiment Brockdorft 
zählte am Ende des unblutigen Feldzuges nicht mehr als 226 
Pferde. Die Artillerie wird zu 47 Geschützen angegeben, der 
Tross der Brandenburger allgemein als sehr gross bezeichnet. 
Die Angaben über die Gesamtstärke des Kurbrandenburgischen 
Korps im Elsass schwanken von 16200 bis zu 17300 Mann. Nach 
den Abgängen im Oktober und November werden wir das Korps 
auf mehr als 16500 Man« keinesfalls veranschlagen dürfen; 
hiervon 8500 Mann zu Fuss, 1000 Dragoner und 7000 Reiter. 

Der äusseren Erscheinung der Brandenburger und ihrer 
Ausrüstung» wurde von allen Zeitgenossen das höchste Lob 



i Ueber die Ausrüstung, Bewaffnung usw. vergleiche W. v. Unger. 
Feldmarschall Derfflinger. 



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14 



2, Das deutsche Reichsheer. 



gezollt. Beispielsweise schrieb der Strassburger Chronist Walter: 
«Schöner undl wolmundirter undt wolbekleydter Volck hat man 
niemahlen gesehen». Der Cellische Feldprediger Berkemeyer 
bemerkte in seinem Tagebuche : «War ein recht Kernvolk als 
jemahls mag zu Felde geführet worden sein». Auch die scharfe 
Feder des Götterbothen Mercurii musste von der Armee ge- 
stehen : sie habe nicht ihres Gleichen «sonderlich was die 
Brandenburgische Infanterie angehend». Selbst Bournonville 
spricht einmal von der «schönsten Brandenburgischen Infan- 
teria». Und auch von französischer Seite liegt ein entsprechendes 
Urteil vor ; der im Januar 1675 aus der Kriegsgefangenschaft 
zurückkehrende Graf v. Bourlemont versicherte dem Marschall 
Turenne, «qu'il n'a jamais vu de si beau que l'infanterie de 
Mr. de Brandebourg». Die vortreffliche Verfassung dieser 
Truppen, besonders des Fussvolkes, ist also hinlänglich bezeugt. 
Die von den Generalstaaten eben gezahlten 200000 Taler an 
rückständigen Hülfsgeldern vom letzten Kriege her und die 
200000 Taler, die Spanien und Holland gemeinschaftlich als 
eiste Rate der neuen Subsidien entrichtet hatten, gaben fürs 
erste die Möglichkeit, die Truppen in ihrem guten Stande zu 
erhalten, wenn das Geld auch späterhin von Seiten Spaniens nur 
unregelmässig einlief. In den brandenburgischen Regimentern 
und namentlich im Offizierkorps lebte ein starkes Selbstgefühl, 
das sich mitunter etwas verletzend bemerkbar gemacht zu haben 
scheint. Unberechtigt war es an sich nicht ; denn alle Helden 
von Fehrbellin und den nachfolgenden Schweden kriegen waren 
schon im Elsass anwesend; sie fanden nur keine Gelegenheit, 
ihre Tüchtigkeit zu bewähren. 

Dies gilt auch von dem Feldmarschall, der unter dem 
Kurfürsten die Brandenburger befehligte. Der damals bereits 
68jährige Freiherr Georg v. Derfflinger hat in den folgenden 
Jahren seinen Feldherrnruhm dauerhaft und ein wandsfrei be- 
festigt. Im Jahre 1674 — erst ein Jahr nachdem er vom Kur- 
fürsten, bei dem er völlig in Ungnade gefallen war, wieder 
angestellt worden war — scheinen die Meinungen über ihn 
auch in Berlin noch einigermassen auseinander gegangen zu 
sein; jedenfalls hatte er auch unter seiner eigenen Generalität 
viele Feinde. Es lässt sich nicht behaupten, dass seine Rat- 
schläge bei den Colmarer Verhandlungen um die Jahreswende 
sich durch Klarheit und Kühnheit ausgezeichnet hätten. Sicher 



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Feldmarschall von Derfflinger. 15 



aber ist es, dass Derfflinger in den ohnehin schwierigen Ver- 
hältnissen des Koalitionskrieges ein Element der Zwietracht 
war. Er, der Emporkömmling und geborene Oesterreicher», 
war dem vornehmen Befelshaber der Kaiserlichen und dem 
Diplomaten Goes bitter verhasst. Wie ein roter Faden zieht 
sich durch ihre Berichte die Klage über Derfflingers üblen 
Willen, so dass Leopold I im Februar 1675 in der Tat die 
Frage erwog: «ob nicht errnelter Derfflinger bey des Chur- 
fürstens zu Brandenburg Liebden pro dissidente, 1 zu erklären 
und dessen Amotion zu begehren seye». Bei solchen bundes- 
freundlichen Gesinnungen konnte den Kaiserlichen auch aus 
der Hülfe der tüchtigen brandenburgischen Truppen unter 
ihrem erfahrenen Feldmarschall nicht viel Segen erwachsen. 

Ein weiteres sehr brauchbares Glied des verbündeten 
Heeres waren die Braunschweig-Lüneburger. Die 
WelQschen Lande, die durch fortwährende Erbleilungen völlig 
der Kleinstaaterei verfielen und nicht zu bleibenden Zuständen 
gelangen konnten, bestanden damals aus den Herzogtümern 
Wolfenbuttel, Celle und Calenberg, sowie dem Bistum Osnabrück. 
Es kam zunächst auf die Entschliessungen dreier Weifenfürsten 
an: Budolf Augusts von Wolfenbültel, Georg Wilhelms von 
Celle und Johann Friedrichs von Calenberg. Dieser, ein katholisch 
gewordener Franzosenfreund, entzog sich nichl nur möglichst 
lange der Gestellung seines matrikelmässigen Kontingents zum 
Reichsheere, sondern er nahm sogar eine so zweifelhafte Stel- 
lung ein, dass Friedrich Wilhelm v. Brandenburg ihm auch 
beim Einfalle der Schweden in sein Land auf das Aeusserste 
misstraute. Ging der Renegat zu Hannover seine eigenen un- 
deutschen Wege, so hiellen die Herzöge von Celle und Wolfen- 
büttel um so treuer zur allgemeinen Sache, Sie gingen ausserdem 
so einträchtig Hand in Hand, dass der gewöhnliche Nach- 
teil der Kleinstaaterei dadurch einigermassen aufgehoben 
wurde. Zu einer einheitlichen Sireitmacht vereinigt, waren ihre 
Truppen in der Lage, ein namhaftes Gewicht in die Wagschale 
zu werfen. Ernst August von Osnabrück, der Bruder Georg 



1 Er entstammte einer zu Neuhofen in Oberösterreich ansässigen 
schlichten Familie. Dass er anfangs Schneider gewesen sei, ist nicht 
nachweisbar, wurde aber, — wie wir aus den Gesandtschaftsberichten 
des Marquis v. Verjus wissen, — schon damals behauptet. 



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16 



2. Das deutsche Reichsheer. 



Wilhelms und Johann Friedrichs, schickte seine Truppen erst 
1675 ins Feld. 

Die Herzöge von Celle und Wolfenbüttel hatten sich durch 
den Subsidienvertrag vom 20. Juni 1674 verpflichtet, zusammen 
15000 Mann zur verbündeten Armee zu stellen. Holland und 
Spanien zahlten für jeden Infanteristen 40, für den Reiter 80 
Gulden Werbegeld. Sie vergüteten ausserdem pro Regiment 
Fussvolk 11147, für jedes Reiter-Regiment 12303 Gulden. Diese 
reichlichen Hülfsgelder» ermöglichten es, die Truppen in vor- 
trefflicher Ausrüstung abzusenden. Dagegen scheint es nicht 
gelungen zu sein, die vertragsmässige Koptstärke voll aufzu- 
bringen. Bis zur Enzheimer Schlacht zählte das braunschweig- 
lüneburgische Kontingent rund 12000 Mann. In diesem mör- 
derischen Kampfe büsste es über 1000 Mann ein* ; aber diese 
Verluste wurden durch die vom Herzog Georg Wilhelm am 
13. Oktober dem Heere zugeführten 2575 Mann Verstärkung 
mehr als ausgeglichen. Wir dürfen daher der Kriegsmacht der 
Weifenfürsten für den November 1674 eine Kopfstärke von 
etwa 13500 — 14000 Mann zuschreiben. Alle zeitgenössischen 
Urteile über die Cellischen und Braunschweigischen Truppen* 
stimmen darin überein, dass sie nach Ersatz, Ausrüstung und 
Haltung hohes Lob verdienten. «Des gens choisis, bien faits, 
bien habilles et en tres-bon estat» nannte sie Abb& Gravel. 
Besonders gerühmt wurde die Artillerie der Weifischen Herzöge. 
Sie zählte neben 2 Vierundzwanzigpfündern (Mörsern) und 4 
Achtpfündern auch eine grössere Anzahl Dreipfünder ; dazu 
kamen 66 wohlgefüllte Munitionswagen und 208 Stückknechte. 

Um die Heeresleitung und Truppenführung war es bei 
den Braunschweig-Lüneburgern gut bestellt. Generalmajor 
v. Ende füllte seinen Platz als Führer der Fusstruppen und 
Generalmajor Chauvet (ein gebürtiger Pfalzburger) als Komman- 
deur der Reiterei völlig aus. Feldmarschall Herzog Johann 



1 Alle Kontingente des verbündeten Heeres bezogen ihre Sub- 
sidien durch die Vermittelung Frankfurter Kautieute. 

2 Eine im Staatsarchive zu Hannover befindliche Verlustliste führt 
400 Gefallene und 700 Verwundete auf. Eine andere sehr genaue 
Verlustliste im Stadtarchive Strassburg nennt freilich nur 283 Tote 
und 517 Verwundete, so dass volle Klarheit darüber nicht herrscht. 

8 Hinsichtlich der Kriegsgliederung sei bemerkt, dass wegen 
Verworrenheit der Quellen die Cellischen von den Wolfenbütteler 
Regimentern nicht immer mit voller Sicherheit zu sondern sind. 



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Die Braunsen weig-Lüneburger. 



17 



Adolf v. Holstein-Plön i hatte sich bei Enzheim glänzend be- 
währt. Herzog Georg Wilhelm v. Celle aber, der seit Mitte 
Oktober den Oberbefehl führte, war einer der brauchbarsten 
Generale des Koalitionsheeres. Fast mehr noch als der Grosse 
Kurfürst selber war er auf militärischem wie politischem Ge- 
biet das treibende Element im Hauptquartier. Zwischen ihm 
und Friedrich Wilhelm herrschten Vertrauen und Freundschaft, 
deren Pflege jedoch dem an seinen heimischen Grenzen be- 
drohten Hohenzollern mehr am Herzen lag als dem minder ge- 
fährdeten Weifen. Wenigstens zeigt sich dieser im vertrauten 
Briefwechsel mit seinem Wolfenbütleler Vetter recht miss- 
trauisch gegen Friedrich Wilhelms Liebes werben. Im Seplember, 
als dieser die brandenburgischen und braunschweig-cellischen 
Truppen am liebsten «conjungiren und ä part agiren» lassen 
wollte, hielt Georg Wilhelm dies für bedenklich, da er näher 
mit dem Kaiser als mit dem Kurfürsten ver bunden sei. Ebenso 
zurückhaltend zeigte er sich im November, als Friedrich Wil- 
helm «eine sonderbahre Begierde contestirte, mit dem Fürst- 
lichen Gesambthauss ein Defensiv-Bündnüss auszurichten». 
Wenn Georg Wilhelm nicht einsah, welchen Vorteil ihm eine 
so enge Verbindung bringen solle, so war er doch stets darauf 
bedacht, ein gutes Einvernehmen mit seinem mächtigen Nach- 
barn aufrecht zu erhallen. In militärischen Dingen waren 
beide Fürsten als Freunde einer kräftigen Kriegsführung ineist 
einig. Mitunter freilich trat auch bei Georg Wilhelm das 
paiiikularistische Selbstgefühl zutage, wie er denn am Tage von 
Türkheim gegenüber einer ganz sachgemässen Anordnung des 
Oberfeldherrn den Gehorsam verweigerte. 

Das Schmerzenskind des verbündeten Heeres waren die 
Münsteraner. Christoph Bernhard v. Galen, der un- 
ruhige und streitbare Bischof von Münster, war bis 1674 ein 
treuer Verbündeter Frankreichs gewesen. Aber bei Bildung 
der grossen Koalition im Frühling des genannten Jahres 
glaubte er seine Rechnung besser an der Seite der Alliierten 



' Johann Adolf hatte im Jahre vorher eine Tochter des Herzogs 
Rudolf Augast von Braunschweig geheiratet und war demnächst in 
dessen Kriegsdienste getreten. Er war der ältere Bruder des Kur- 
brandenburgischen Fcldzcugmcistors Herzog August v. Holstein- 
Norburg. Beide waren Neffen der Kurfürstin Dorothea v. Branden- 
burg geborenen Herzogin v. Holstein-Glücksburg. 

2 



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18 



2. Das deutsche Reichsheer. 



zu finden. Die Energie, mit der das Reich im Februar gegen 
Wilhelm v. Fürstenberg, den französisch gesinnten Ratgeber 
des Kurfürsten von Köln vorgegangen war», hatte dem Münster- 
ischen Ränkeschmied einen heilsamen Schrecken eingejagt. Er 
schloss am 22. April zu Köln Frieden mit den Generalstaaten, 
trat der Koalition hei und verpflichtete sich durch den Subsidien- 
vertrag vom 12. Mai zur Gestellung von 6000 Mann Fusstruppen 
und 4000 Reitern. Es war nicht leicht, diese Regimenter von 
ihren mehrjährigen Verbündeten schnurstracks zu den bisherigen 
Feinden hinüberzuführen. Der Bischof von Paderborn wirkte 
auf Nagel und Post, die ältesten der Münsterischen Obersten, 
dahin ein, dass sie nicht gegen die Franzosen ziehen möchten. 
Auch unter der Mannschaft fehlte es nicht an Aufwi«gelungs- 
versuchen. Und in der Tat musste zunächst eine Militärrevolte 
im Lager von Borken niedergeschlagen werden, die sich haupt- 
sächlich auf das Nageische, sowie das Uflelnsche nnd Wester- 
hollsche Regiment erstreckte.» Nachdem die Rädelsführer ge- 
hängt, die Uebrigen durch Soldzahlung zufriedengestellt waren, 
vollzog sich an der Maas die Vereinigung der Bischöflichen 
mit den Kaiserlichen unter dem Markgrafen Hermann v. 
Baden, der zunächst das Kommando über sie behielt und sie 
nach Mainz zu Bournonville heranführte. Unter ihm befehligte 
General-Wachtmeister Post das Münstersche Korps, starb jedoch 
schon am 19. November. 

Dem schlimmen Anfange im Lager von Borken entsprach 
der Fortgang. Die Truppen des Bischofs wurden beständig 
schlecht bezahlt, und aus dieser Wurzel entsprangen andere 
Uebel, z. B. eine zahlreiche Fahnenflucht und mangelhafte 
Mannszucht, mehrfach auch tadelnswerte Haltung vor dem 
Feinde. Wegen des unverhältnismässig starken Abganges, den 
dieses Kontingent erlitt, ist es bei ihm noch schwerer als bei 
den übrigen Heereskörpern, eine zuverlässige Berechnung der 
Kopfstärke aufzustellen. Während der französische Gesandle 



1 Fürstenberg wurde am 4. Februar 1674 zu Köln verhaftet 
und als Gefangener nach Wien abgeführt. Er sollte enthauptet 
. Merden, was freilich unterblieb. Seine Brüder, der Fürstbischof von 
Strassburg, und der Oberhofmeister des Kurfürsten von Bayern, 
waren ebenfalls feste Stützen der französischen Partei. 

- Dass Oberst Nagel gleich darauf seinen Abschied nahm, hing 
jedenfalls mit diesen Vorgängen zusammen. 



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Die Münsteraner. 19 

Verjus zu Berlin in einer Nach Weisung vom Mai 1674* die 
Münslersche Reiterei zu 4648, die Dragoner zu 905 Mann be- 
ziffert — vom Fussvolke schweigt er — berichtet Abbe Gravel 
aus Mainz im August nur von 1770 Reilern, 150 Dragonern, 
2050 Infanteristen. Durch solche Widersprüche ist es schwer, 
sich durchzu finden; aber Gravels Angabe muss schon nach der 
Zahl der beteiligten Regimenter weitaus zu niedrig sein. Verjus 
andrerseits nennt ausser unsern 7 Reiter-Regimentern noch zwei 
weitere (Masbach und Lenard), die wohl nicht mit nach dem 
Oberrhein marschiert sind. Mit weniger als 7000 Mann werden 
wir das bischöfliche Kontingent für den Monat November kaum 
veranschlagen dürfen, wiewohl es dann rasch zusammenschmolz. 

Der innere Zustand der Münsterschen Truppen war wie 
gesagt ein sehr übler. Die Fussregimenter zählten kaum 
4 — 500 Mann ; nur das von Oberst G. W. v. Wedel geführte 
Regiment war 700 Köpfe stark uud bewährte sich sowohl bei 
Enzheim wie bei Türkheim recht gut. Die Reiterei aber, deren 
Kompagnien selten auf 100 Mann stiegen, meist aber nur 50 
Mann zählten, werden wir bei Mülhausen völlig versagen sehen, 
während die Artillerie bei Türkheim mit Auszeichnung gewirkt 
hat. Welches traurigen Rufes «ceux de Munster» im Lager der 
Verbündeten genossen, das mögen einige Proben beweisen. 
«Ruinierte, malcontenle Regimenter» nennt sie der Markgraf 
Hermann, der sie seit dem Sommer unter sich hatte. Frh. 
v. Goes rechnet sie nur «für ein Imbarazzo undt die man lieber 
nit darbey hette». Generalmajor Schultz meint nach dem Ge- 
fecht von Alt-Münsterol von ihnen : «sie hetten verdienet, dass 
man sie ein Theil solte hencken». Ihre eigenen Führer aber, 
die Obersten Westerholt und Macdonelli, erklärten, «dass sie 
ihre Reputation auf ihren Leuthen in dem Standt, wie sie 
gegenwärtig sein, nit vertrauen noch setzen wollten». Es war 
also fraglos eine recht zweifelhafte Hülfe, die Bischof Christoph 
Bernhard v. Galen der Koalition durch seinen Beitritt hatte 
zuteil werden lassen. 

Besseres ist über das letzte Glied der Koalition, die Loth- 
ringer, zu sagen. Das Herzogtum Lothringen gehörte damals 



1 Abgedruckt in <Dcppings Geschichte des Krieges der Müns- 
tcrer und Cölner gegen Holland 1072— 74> mit namentlicher Liste 
aller Konipagnicchcfs der Kavallerie und Dragoner. 



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20 



2. Das deutsche Reichsheer 



amtlich noch zum Deutschen Reiche. Aber sein Landesherr 
Karl IV war schon 1642 durch Richelieu aus seinem Staate 
vertrieben und hatte seitdem nur einmal für wenige Jahre 
(1662—70) dorthin zurückkehren dürfen. Obgleich das Herzog- 
tum seitdem völlig in französischer Verwaltung war, hatte der 
landflüchtige Fürst seine Ansprüche niemals aufgegeben, hielt 
sich Truppen und lag gegen die Franzosen zu Felde, wo sich 
nur eine Gelegenheit dazu bot. Im Jahre 1672 — 73 hatten 12 
lothringische Kompagnien in den Reihen der Brandenburger 
gefochten. Jetzt standen die Truppen des Herzogs in naher 
Verbindung mit den Kaiserlichen. Sie finden sich sogar mit- 
unter in deren Listen, aber nur summarisch unter der Be- 
zeichnung «Alt-Lothringische Truppen* 1 . Da sie in der Nach- 
weisung der Winterquartiere in Schwaben mit 3 Stäben auf- 
geführt sind, scheinen sie irgendwie in drei Unterabteilungen 
(Brigaden) zusammengefasst gewesen zu sein. Ihre Kriegs- 
gliederung erstreckt sich nach Roberts Angabe 2 , die sich auf den 
Frühling 1674 bezieht, 9 Regimenter und ausserdem die Garden 
und Chevaulegers. Sicher ist, dass es nur berittene Truppen 
— Kavallerie und Dragoner — waren. Einzelheiten über sie 
waren aber nicht zu erlangen, da der schriftliche Nachlass 
des vertriebenen Fürstenhauses nicht eingesehen werden konnte*. 

Die Stärke des Lothringischen Korps findet sich bei Robert 
für den Frühling zu 6000 Mann beziffert. Es war durch Ver- 
luste bei Sinsheim und Enzheim bedeutend geschwächt. Da 
im Januar 1675 für die Alt-Lothringer 3400 Mundportionen 
(zweitägiger Bedarf) und 282U Rationen angefordert wurden, so 
gehen wir vielleicht nicht fehl, wenn wir ihre üienststärke für 
den Monat November noch zu mindestens 2000 Mann veran- 
schlagen. Ihre Ausrüstung und Bewaffnung schilderte Persode 



1 Diese Benennung unterschied sie vom Regiment Jung-Loth- 
ringen, welches ein kaiserliches Reiter-Regiment war und des Herzogs 
Neffen Karl Leopold zum Inhaber hatte. Dieser, der spätere Be- 
freier Wiens und Staramherr der jetzigen österreichischen Dynastie, 
befand sich übrigens beim Heere des Grafen Sporck in Flandern. 

» F. des Robert, Les campagnes do Turenne en AUemagne 
1G72— 75 (Nancy 1903). 

3 Einige auf die Bequartierung und Verpflegung der Lothringer 
bezügliche Schriftstücke sowie der Briefwechsel des Herzogs Karl mit 
dem Kaiser Leopold befinden sich im Staatsarchive zu Wien, konnten 
aber nicht benutzt werden, da dieses Archiv nichts versendet. 



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Die Lothringer. 



21 



de Maizery, der französische Gesandte in Frankfurt, noch im 
April als sehr schlecht. Aber er machte den Zusatz : «mais 
ies hommes paraissent estre de vieux soldats et fort ze16s 
Lorrains». Und in der Tat erwiesen sie sich als tüchtige und 
unternehmende Krieger, die sich sowohl beim Ueberfall von 
Benamesnil wie beim Reitergefecht von Mülhausen von der besten 
Seite zeigten. «Die Alt-Lothringer haben mit extraordinari 
Valeur gefochten», versichert Goes nach diesem Gefecht, und 
ahnlich günstig lautete das allgemeine Urteil. Ihr Kriegsherr, 
der unruhige und wunderliche Herzog Karl IV, ein bereits 70 
Jahre alter, unter den Waffen ergrauter Kriegsmann, genoss 
im Hauptquartier der Verbündeten da reputation de Grand- 
Capitaine.» Er war, schon weil sein ganzes Streben auf die 
Wiedergewinnung seines Landes gerichtet war, ein Vertreter 
des offensiven Gedankens. Aber wenn sein Urteil auch Ansehen 
genoss, vermochte er doch nicht, die schwerfällige Masse des 
Reichsheeres zu kühner Tat aufzurütteln. Bald zog er sich, 
am Erfolge verzweifelnd und ausserdem fieberkrank, zu seiner 
Gemahlin auf das Schloss St. Pilt zurück, welches in dem öst- 
lichsten, weit in das Elsass hineinragenden Zipfel seines Landes 
gelegen war und ihm daher noch offen stand. Er hielt sich jetzt 
ganzlich von der Heeresführung zurück, und es ist ganz falsch, 
wenn vielfach behauptet wird, er habe für die Entscheidungs- 
tnge bei Colmar zweckmässige und tapfere Ratschläge erteilt. 

So waren im Wesentlichen die Bestandteile des Reichs- 
heeres beschaffen, das zusammengetreten war, um das deutsche 
Elsass vor weiteren Uebergriffen der französischen Ländergier 
zu schützen. Es zählte, wenn unsre Rechnung richtig ist, ins- 
gesamt nicht über 49—50 000 Mann, wenig genug für einen 
so wichtigen Zweck. Kein Wunder, dass die Grenzmark an 
den Vogesen mit solchem Volksaufgebote nicht zu behaupten 
war. Rund 20 mal mehr Krieger mussten im Sommer 1870 über 
den Rhein rücken, um das Elsass mit Erfolg wiederzuholen. 

Wie es im Jahre 1674 um die deutsche Zentralgewalt 
aussah, das zeigt sich am besten durch einen Blick auf die- 
jenigen Reichsstände, die sich ihren Pflichten gegen das Vater- 
land mehr oder minder entzogen, obwohl die Regensburger 
Versammlung den Reichskrieg verkündet hatte. Zahlreiche 
Kleinstaaten fehlten nicht nur beim Heeresaufgebot, sondern 
suchten auch alle Quartier- und Verpflegungsleistungen nach 



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22 



2. Das deut8che Reichsheer. 



Möglichkeit von sich abzuwenden. Die Behauptung des fran- 
zösischen Gesandten in Frankfurt, die Reichsstände stellten ihren 
Zuzug mit einem Eifer, als solle es gegen die Muselmänner 
gehen, war leider sehr unbegründet. Dass Fürsten in so aus- 
gesetzter Lage wie Graf Georg v. Mörnpelgard 1 oder Plalzgraf 
Christian v. Rappoltsiein », wie Gräfin Anna Magdalena v. 
Lichtenberg» oder Pfalzgraf Leopold Ludwig v. Lützelstein* 
sich vorsichtig zurückhielten, lässt sich begreifen. Ihnen 
mochte das Schicksal des Grafen v. Nassau- Saarbrücken vor- 
schweben, der im Frühjahr 4674, weil er sich nicht von der 
deutschen Sache trennen wollte, aus seiner Residenz gefangen 
nach Metz fortgeführt worden war. Das Fehlen der West- 
fälischen Kreistruppen ist durch die Nähe des flandrischen 
Kriegsschauplatzes allenfalls erklärlich, wiewohl sie auch dort 
keine aktive Hülfe leisteten. Kurfürst Friedlich Wilhelm 
mahnte schon im Oktober in Wien, dass auch der Westfälische 
Kreis zu seiner Pflicht angehalten werden möge. Aehnlich 
war die Lage für Kurtrier, dessen Bischof seine Milizen zwar 
marschbereit hielt, ein aktives Eingreifen aber vorsichtig ver- 
mied. Als eine Abteilung seiner Truppen im November vor der 
Festung Blieskastel erschien, zog sie sich vor der vom Grafen 
Saulx entsendeten Entsatztruppe schleunigst wieder zurück. 

Auch der so unmittelbar bedrohte Oberrheinische Kreis* 
war bei der zum Schutz des Oberrheines versammelten Feld- 
armee nur zeitweilig und schwach vertreten. Der Kreis hatte seine 
mal rikel massigen drei Regimenter schon im Juni aufgebracht. 
Es blieben aber, da das Reiter-Regiment nach Ungarn abrückte, 
für die Westgrenze nur zwei Fussregimenter unter Graf Solms 
und Graf v. Nassau-Saarbrücken übrig, zusammen 1573 Mann 6 . 



1 Das jetzige Montbeliard, damals von einer Nebenlinie des 
Hauses Württemberg-Teck regiert. 

* Aus dem Hause Pfalz-Sponheim. 

3 Aus dem Gräflich Hanauischen Hause. 

4 Aus dem Hanse Pfalz-Veldenz. 

5 Kaiser Maximilians Kreiseinteilung vom Jahre 1512 bestand 
noch immer zn Recht. 

6 Die 5. Kompagnie des ersten Regiments war ausschliesslich 
von den treuen Reichsstädten des oberen Elsass aufgebracht worden, 
obwohl Frankreichs Joch auf ihnen lastete. Colmar hatte dazu 61 
Mann, Schlettstadt 48, Münster 24, Türkheim 10 und Oberchnheim 
28 Mann gestellt. 



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Das Reservekorps des Markgrafen v. Durlach. 



23 



Von ihnen ging nur das letztere mit ins Elsass und focht bei 
Enzheim, wurde aber zu Ende November über den Rhein 
zurückgenommen und gleich dem Regiment Solms einem 
Reservekorps unter dem Reichsfeld marschall Markgraf 
Friedrich v. Baden- Durlach zugeteilt. Dessen Aufgabe war 
hauptsächlich die Besetzung der Kehler Rheinbrücke und des 
sogenannten Zollschänzels 1 , also gewissermassen Etappendienst. 
Ferner die Beobachtung der von den Franzosen unter Graf 
Maulevrier besetzten Rheinfestung Philippsburg. 

Auch was vom Kurrheinischen, Schwabischen und Frän- 
kischen Kreistruppen zusammengebracht war, gehörte zu diesem 
locker gefügten und niemals einheitlich beisammen gewesenen 
Reservekorps. Es war wenig genug, alles in allem nicht über 
6000 Mann. Kurfürst Maximilian Heinrich v. Köln, der nur 
ungern dem französischen Bündnisse entsagt hatte, hielt 
seine Truppen dem Kriege fern. Kurfürst Karl Ludwig von 
der Pfalz war bei Ankuntt der Brandenburger noch mit einem 
kleinen, etwa 2000 Mann starken Korps bei der Armee, führte 
es aber zu Anfang Dezember über den Rhein zurück. Sein 
Streben ging vor allem dahin, dass Philippsburg im Schach 
gehalten werde, da er eingedenk der Turennischen Verwüstung 
vom vergangenen Sommer sein Land vor neuer Schädigung 
bewahren wollte. Ein Fränkisches Kreisregiment unter Oberst- 
leutnant Roth wird im März 1675 am Neckar genannt; auch 
sind ein Kulmbachisches und ein Würzburgisches Bataillon unter 
den Majors Bauzan und Winterscheid vorübergehend beim 
Bournonvillischen Heere gewesen, lagen aber später vor Philipps- 
burg. Das Schwäbische Kreiskontingent fand sich ebenfalls in 
der Hauptsache zusammen und lag um Mitte Dezember bei 
Pforzheim und Heilbronn. Den Reichsständen, die ihrer Waffen- 
pflicht nachkamen, wurden zur Deckung der Kosten vier 
Römerrnonate 2 erlassen. 

Die Mehrzahl der Staaten des deutschen Südwestens stellte 
das vorgeschriebene Reichskontingent überhaupt nicht. Es 



1 Auch Sternschanze genannt; das Werk lag aaf einer grossen 
Rheininsel, dem östlichen Teile der heutigen Sporeninsel. 

- So nannte man die den Reichsständen obliegende Kriegssteuer 
für die Reichsoperationskasse. Sic wurde berechnet nach der beim 
Römerzuge Karls V im Jahre 1521 aufgestellten Matrikel der 
monatlichen Zahlungen für das Kriegsvolk. " 



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24 



2. Das deutsche Reichsheer. 



waren die Kernlande jenes ersten Rheinbundes vom Jahre 1658, 
der noch 4663 erneuert worden war. Kurfürst Ferdinand 
Maria v. Bayern, ein Werkzeug der vaterlandsverräterischen 
Fürstenberge, schloss noch am 5. Juli 4674 einen Subsidien- 
vertrag mit Frankreich, der ihn zum Losschlagen nach dem 
Eintritt Schwedens in die Aktion verpflichtete. Seine Haltung 
war derart, dass Kaiser Leopold es für nötig fand, das Regiment 
Baden und 5 Kompagnien Wopping-Dragoner in Oberöster- 
reich «in den Posten gegen Kurbayern» stehen zu lassen, und 
dass gegen Jahresschluss erwogen wurde, oh nicht «ä cause de 
la Baviere» der Röckzug über den Rhein notwendig sei. Es 
liess den Bayernfürsten völlig ungerührt, wenn Friedrich 
Wilhelm v. Brandenburg ihm von Schweinfurt aus beweglich 
vorstellte : «wasgestalt alle Unsere bisshero geführte Consilia 
und Actiones einzig und allein dahin gerichtet gewesen, dass 
unser geliebtes Vaterlandt von auswertigem Dominat und aller 
Vergewaltigung befreyet werden möchte.» 

Wie der Wittelsbacher, so hatte auch sein Nachbar Herzog 
Wilhelm Ludwig v. Württemberg keinerlei Verständnis für 
die Sprache des Patriotismus. Er zeigte so bösen Willen, dass 
er am Jahresschluss den anrückenden Ober- und Niedersachsen 
den Marsch über die Lauffeuer Neckarbrücke offen verwehrte. 
Andere Kleinfürslen wählten das bewährte Mittel der Ver- 
schleppung. So der dem Hause Metternich entstammende, 
ganz französisch gesinnte Erzkanzler in Germanien (!) Kurfürst 
Lothar Friedrich v. Mainz. Der beantwortete alle Mahnungen 
zur Gestellung seiner Mannschaft mit der Phrase : «er habe 
die Angelegenheit allbereits zu behörigen Bedacht gezogen und 
wolle auch nicht unterlassen, dieselbe noch ferner zu überlegen.» 
Die Mainzer Rheinbrücke hatte er im Sommer 1674 dem Heere 
Bournonvilles erst überlassen, als der Grosse Kurfürst ihm mit 
der Wegnahme der Kurmainzischen Stadt Erfurt drohte. Auch 
die Hessischen Landgrafen wussten sich der Erfüllung ihrer 
Wehrpflicht zu entziehen. 

Besser sah es in Norddeutschland aus. Brandenburg, Braun- 
schweig und Celle sahen wir in star ker Rüstung zu Felde 
ziehen. Auch Kursaehsen hatte das ihm Obliegende getan, 
indem es 2 Fussregimenter (Prinz Moritz und Schweinitz) 
und 2 Reiter-Regimenter (Noitzsch und Goldacker) sowie 4 
Dragoner-Kompagnien aufstellte. Sie fochten bei Sinsheim 



Süddeutsche Staaten und norddeutsche Kreistruppen. 25 



wacker gegen Turenne, durften aber nicht mit über den Rhein. 
Nach den ersten Misserfolgen seiner Volksgenossen beeilte sich 
Kurfürst Johann Georg, mit Frankreich zu liebäugeln, dessen 
König er glühend bewunderte. Noch im Dezember tat er 
Schritte «pour rentrer dans le bon party». Sein vom Prinzen 
Moritz geführtes Korps gehörte zur Reservearmee des Mark- 
grafen von Durlach und wurde erst um Weihnachten auf die 
Elsässischen Hiobsposten hin vorgezogen, ohne über den Neckar 
hinaus zu gelangen. Von Thüringischen Staaten war nur 
Sachsen-Gotha mit 300 Mann beim Korps des Prinzen Moritz 
vertreten, und ein Reussisches Regiment zu Fuss focht im 
Solde der Kaiserlichen. 

Die Niedersächsischen Kreistruppen kamen langsam in 
Fluss; aber sie versagten sich nicht ganz. Selbst ein so aus- 
gesprochener Franzosen freund wie Johann Friedrich v. Hannover 
verstand sich dazu , 2 Kompagnien (Küchenmeister und 
Biesewangk) aufzustellen. Sie verliessen aber die Heimat erst 
zu Anfang November, zusammen mit 2 Mecklenburgischen 
Kompagnien unter Oberst Viereck, 3 Holsteinischen Kompagnien 
unter Oberstleutnant Voigt, sowie mit den Sachsen-Lauenburgern 
und Lübeckern. Herzog Georg Wilhelm v. Gelle als Nieder- 
sächsischer Kreisoberst bemühte sich eifrig, aber erfolglos, die 
Vereinigung dieser Kreistruppen mit den Braunschweig-Lüne- 
burgern durchzusetzen. Sie blieben dem Reichsfeldmarschall 
unterstellt. Von norddeutschen Bistümern beteiligten sich nur 
Münster und Osnabrück am Reichskriege. Der Bischof von 
Paderborn besorgte nach Kräften die Geschäfte Frankreichs 
und- hetzte im Stillen die ihm als lässige Glieder des Reiches 
bekannten Stünde zum Abfall. 

So sah es damals in Deutschland aus ! Die Ausweisung der 
französischen Gesandten war bei einigen Kleinstaaten den ganzen 
Feldzug hindurch nicht zu erreichen. Und war sie erfolgt, so 
war damit auch noch nicht immer geholfen. Persode de Maizery 
Hess, als er um Weihnachten Frankfurt verlassen musste, seinen 
Sohn dort, der unier der Hand über München weiter berichtete. 
So wurde- Deutschland durch Vermittelung der Gesandten mit 
einem Heere von Spähern beobachtet. Leider muss es gesagt 
werden, dass sich auch Deutsche in Amt und Würden zu diesem 
traurigen Geschäfte hergaben. Sogar ein brandenburgischer 
Offizier, der lange Jahre unter Turennes Fahnen geschulte 



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2G 



3. Turcnnes Armee. 



v. Podewils, hat den französischen Feldherrn noch im August 
1674 mit Nachrichten versorgt. In einem solchen Zustande 
von innerer Auflösung schickte das heilige Römische Reich 
deutscher Nation sich an, dem schlachten gewohnlen Heere des 
französischen Sonnenkönigs unter dem allezeit siegreichen 
Kriegeshelden Turenne entgegenzutreten. 



3. Turennes Armee. 

Der Zerfahrenheit und Ohnmacht der politischen und mili- 
tärischen Verhältnisse hei den Deutschen stellte sich die straffe 
Einheit der französischen Wehrkraft entgegen, deren Stärke 
gerade da lag, wo die Machte der Koalition am verwundbarsten 
waren. Die in den letzten Jahrhunderten von den französischen 
Königen zäh und rücksichtslos durchgeführte und von den 
beiden unter Ludwig XIII und dem minderjährigen Ludwig XI V 
das Staatsruder führenden grossen Kardinälen vollendete Unter- 
werfung der mächtigen Vasallen trug jetzt ihre Früchte. Der 
von Mazarin niedergeworfene Aufstand der Fronde blieb die 
letzte Zuckung des Parlikularismus in Frankreich. Es war 
eine unvergleichliche Machtfülle, die Ludwig XIV übernahm, 
als er im Jahre 1661 die Zügel der Regierung ergriff. Sie 
verringerte sich unter seiner Herrschaft nicht; denn es war 
dieses Königs Stärke, dass er die richtigen Männer an den 
richtigen Platz zu stellen und sie in ihrem Wirkungskreise zu 
stützen wusste, ohne dabei seiner Stellung über ihnen allen 
etwas zu vergeben. 

Dasjenige Gebiet, das den unumschränkten Absolutismus 
und einen hohen Grad von Zentralisation am besten verträgt, 
ja ge wissermassen fordert, ist das Heerwesen. Unter der 
Leitung des hervorragenden Organisators Louvois nahm das 
französische Heer einen ausserordentlichen Aufschwung. Die 
durch die unruhige Politik des ländersüchtigen Königs entfachten 
beständigen Kriege sorgten für Uebung und Fortschritt der 
Truppen in der Kunst des Krieges. Frankreichs hoher Adel, der 
seine Selbständigkeitsgelüste aufgegeben hatte, bot ein unerschöpf- 
liches Material an brauchbaren Offizieren. Aus ihrer Mitte 
bildete sich eine stattliche Reihe ausgezeichneter Generale heraus, 



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Das Heer Ludwigs XIV. 



27 



unter denen jedoch Conde und Turenne als die glänzendsten 
Erscheinungen turmhoch emporragten. Beide standen 1674 be- 
reits in höherem Lebensalter. Beide waren schon im Dreissig- 
jährigen Kriege hervorgetreten. Beide hatten im Burgerkriege der 
Fronde eine führende Rolle gespielt : teils gegen, teils für den 
Hof; bald Schulter an Schulter, bald einander bekämpfend. 

Prinz Ludwig v. Conde, genannt le grand Conde, war 1660 
aus der Verbannung zurückgekehrt. Erst acht Jahre darauf 
hatle ihm der König wieder ein Kommando anvertraut. Er 
befehligte seit 1673 die in den Spanischen Niederlanden 
operierende französische Armee und erwehrte sich mit gutem 
Erfolge der Angriffe des holländisch-spanisch-österreichischen 
Heeres unter Wilhelm v. Oranien, Monterey und Souches. 
Der blutige und wenigstens in seinen Folgen entscheidende 
Sieg aber, den Cond6 am 11. August 1674 bei SenefTe erfocht, 
sicherte ihm ein solches Uehergewicht auf dem Flandrischen 
Kriegstheater, dass er — wie wir näher erfahren werden — 
einen namhaften Teil seiner Streitkräfte seinem grossen Rivalen 
und jetzigen Kameraden Turenne abtreten konnle. 

Heinrich la Tour d'Auvergne Vicomte v. Turenne und 
Herzog von Bouillon, geboren 1611 zu Sedan als Sohn des so- 
genannten Marschalls v. Bouillon, zählt ohne Frage zu den be- 
deutendsten Feldherrn aller Zeiten und stand in dem Jahre, 
das wir hier betrachten, auf dem Höhepunkt seines Könnens 
und seines Ruhmes, übrigens auch fast am Ende seines taten- 
reichen Lebens. Von seinem Oheini, dem bekannten Prinzen 
Heinrich Friedrich v. Oranien, in die Kriegskunst eingeführt, 
war er schon als 20 jähriger Jüngling in den Dienst Frankreichs 
übergetreten. Er trug seit 1644 den Marschallstab, dessen er 
sich bald darauf durch den Sieg von Nördlingen würdig erwies. 
In den französischen Bürgerkriegen führte er kurze Zeil hin- 
durch das Heer der Fronde, seit 1651 aber die Truppen des 
Königs. Im Jahre 1672 erhielt der erst wenige Jahre vorher 
zum katholischen Glauben übergetretene Feldherr den Ober- 
befehl im westlichen Deutschland. Er zeigte sich seinen Geg- 
nern — dem kaiserlichen Feldmarschall Montecuccoli und dem 
Kurfürsten Friedrich Wilhelm v. Brandenburg — weitaus über- 
legen, drang fast ohne eigentliche Kämpfe bis Hamm vor und 
nötigte den Kurfürsten zum Sonderfrieden von Vossem. Dass 
das Jahr 1673 weniger glücklich für die französischen WafFen 



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28 



3. Turcnnes Armee. 



verstrich, dass sich Turennes Stern aber 1674 nochmals strahlend 
erhob, wurde schon im 1. Abschnitt erzählt. 

Der Marschall bewahrte sich in den beiden grossen Schlachten 
dieses Jahres, bei Sinsheim am 16. Juni und bei Enzheim am 
4. Oktober, als kaltblutiger, erfahrener und geschickter Taktiker. 
Schon darin, dass er den Wert, der Waffenentscheidung durch 
die Schlacht überhaupt zu würdigen wusste, zeigt er sich über 
seiner Zeit stehend; denn im Allgemeinen war man damals von 
eiuer solchen gesunden Auffassung des Krieges weit abgekommen. 
H. Peter, kennzeichnet die damals herrschenden Anschauungen 
in seinem ausgezeichneten Buche über den Krieg 1672—75 
überaus treffend wie folgt: «Es macht einen eigentümlichen 
Eindruck zu beobachten, wie die Feldherren des 17. Jahrhunderts 
den Krieg als ein Schauspiel ansehen, und wie ihnen im 
wechselseitigen Wetteifer fast mehr um den Ruf eines guten, 
unfehlbaren Spielers als um entscheidende Erfolge zu tun ist. Die 
unaufhörlichen Kämpfe hatten die Menschen so an den Kriegszu- 
stand gewöhnt, dass es nicht zu verwundern ist, wenn sie über dem 
Mittel den Zweck vergassen». Zwar knüpfen sich diese Betrach- 
tungen gerade an Turennes Massnahmen zum Schutze des Elsass 
im Jahre 1674; aber der Marschall verstand mehr als nur den 
Positionskrieg. Eben in dem folgenden Winter sollte er in ver- 
blüffender Weise an den Tag legen, mit welcher Energie er die 
feindliche Armee ali das eigentliche Kampfobjekt anzusehen und 
zur Schiacht zu zwingen wusste. Auch die Genialität seiner 
strategischen Entwürfe werden wir in dem bevorstehenden 
Winlerfeldzuge in glänzendster Weise hervortreten sehen. 

Turenne verband Kühnheit in seinen Entschlüssen und 
Energie in deren Durchführung mit vorsichtigem Abwägen der 
Kräfte. Wir sehen ihn sowohl bei Enzheim wie bei Mülhausen 
und bei Türkheim den Tatendrang seiner Truppen zügeln. Er 
war weit entfernt von leichtsinniger Unterschätzung seiner 
Gegner. Wohl aber wusste er deren Schwäche und Uneinig- 
keit als Faktor in seine Berechnungen einzustellen. Es war 
nichts als ruhiges und wohlberechtigles Selbstbewusstsein, wenn 
er im September 1674 seinem Könige schrieb : «Je connois la 
force des troupes imperiales, les generaux qui les commandent, 
le pays oü je suis ; je prends tout sur moi et me Charge des 
evenemens». Er hat es bewiesen, dass er der Mann war, so 
stolze Worte durch die Tat zu bewähren. 



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Der Marschall Turenne. 



29 



Zur Vervollständigung des Bildes diene, dass Turenne nie- 
mals einen Kriegsrat berief, vielmehr seine Enlschlösse auch 
vor seinen Unterführern so lange verborgen hielt, bis die Stunde 
der Ausführung schlug. Ferner, dass er im vollsten Masse die 
Liebe und das Vertrauen seiner Soldaten genoss, für deren 
Wohl er wie ein Vater sorgte. Mit einem gesunden Blick in 
politischen Fragen ausgestattet, wusste Turenne unter Um- 
ständen klug und massvoll zu verhandeln, wie er dies z. B. im 
Januar 1675 mit der Stadt Strassburg tat. Als Sohn einer auch 
mit dem Hohenzollernhause verwandten deutschen Prinzessin * 
war er, wie beiläufig bemerkt werden möge, der deutschen 
Sprache mächtig. Sein persönlicher Charakter war von makelloser 
Beinheit und Uneigennützigkeit. Die Verwüstung der Pfalz, die 
er im Frühjahr 1674 vornehmen musste, geschah auf den gemes- 
senen Befehl des Kriegsministers Louvois. Sie gehörte zum Systeme 
der französischen Staatskunst unter Ludwig XIV und entsprach 
keineswegs Turennes Neigungen. Sehr bemerkenswert ist ferner 
seine Bescheidenheit und Wahrhaftigkeit. Beide Eigenschaften 
prägen sich auch deutlich in seinen Briefen und Berichten aus. 
Alles in Allem bietet sein Wesen ein anziehendes Soldatenbild, 
dessen Reiz sich auch der Deutsche nicht entziehen wird. 

Die Armee, die das Glück halte, einem so ausgezeichneten 
Feldherrn unterstellt zu sein, war bis zum Herbst 1674 nur 
klein, so dass es der ganzen Meisterschaft ihres Führers be- 
durfte, um mit ihr siegreich bis zum Neckar vorzudringen und 
nachmals das Unterelsass gegen die Uebermacht der Verbün- 
delen zu schützen. Alle Quellen stimmen darin überein, dass 
seine Streitmacht 20000 Mann nicht überstieg. Es war also 
nicht viel mehr als eine heutige Division ; aber die Gliederung 
des Turennischen Heeres unterschied sich wesentlich von einer 
solchen. Zwar war das in den Anschauungen der Zeit be- 
gründete Ueberwiegen der Reiterei über das Fussvolk nicht so 
krass wie beim Heere der Deutschen ; aber als die Hauptwaffe 
durfte die Reiterei auch bei den Franzosen gellen. Die Ar- 
tillerie war gering an Zahl und spielte eine untergeordnete 
Rolle. Die Infanterie-Regimenter standen meist nur mit zwei 



1 Turennes Mutter Elisabeth war eine Tochter Wilhelms des 
Schweigers von Nassau-Oranien. Ihre Nichte Luise Henriette, die 
erste Gemahlin des Grossen Kurfürsten, war somit Turennes Base. 



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30 



3. Turcnnes Armee. 



Bataillonen, vielfach nur mit einem solchen im Felde. Daheim 
hatten die älteren Regimenter freilich noch eine ganze Anzahl 
weiterer Bataillone. Von irgendwelcher Gleichmässigkeil in der 
Stärke der Regimenter war noch keine Rede. Ihre Grösse 
war wesentlich abhängig von den Mitteln ihres Chefs. Die 
sechs ältesten Regimenter der Armee zählten seit dem März 
4074 nicht weniger als 125 Kompagnien! 

Die Liste der Kern regi men ter Turennes, die schon 
hei Sinsheim unter ihm gestritten hatten, ist nicht ganz sicher 
aufzustellen, da die Quellen sich vielfach widersprechen. Sie 
wurden im September durch Nachschub aus der Heimat und 
Heranziehung einiger Truppenteile aus den benachbarten 
Festungen unbedeutend verstärkt. Um die Zeit der Schlacht 
bei Enzheim und der Operationen von Marlenheim gehörten 
zur Armee mit Sicherheit folgende Regimenter, die auch im 
Winter bei der Feldarmee blieben. 



F u s s v o 1 k : 
Champagne 
la Marine 
Bourbonnais 
Bandeville 
Royal 
Lyonnais 
Anjou 
Orleans 
Bretagne 
la Ferte 
Royal-Marine 
Languedoc 
Royal- Wal Ionen 
Royal-Anglais 
Hainilton 
Roscommons 
Monmouth 
Churchill 
Douglas 



Rei terei: 
Colonel-General d'Humieres 



Mestre de Camp 

König 

Dauphin 

Orleans 

St. Aoust 

Beaupre 

Prouville 

Bulonde 

Grignan 

Crillon 

Coaslin 



Foucault 

Foix 

Bordage 

Roquelaure 

Pilloy 

Calvo 

Coulange 

Seyssac 

Vins 

Saldagne 



A r t i 1 1 e r 



. \ 

i e : ; 



Dragoner: 

Royal 

Königin 

Listenay 

Hocquincourt 

Tilladet 

Komm. : St. Hilaire. 
Mannschaft : vom Regiment de 
gestellt. 



Frezeliercs 



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Turenncs Kernregimcntcr. 31 

In Susanes Geschichte der Französischen Infanterie und 
Kavallerie findet sich noch hei zahlreichen anderen Regimentern 
der Vermerk, sie hätten im Sommer 1674 und im Winter 
1675 zu Turennes Armee gehört. Dies vereinigt sich aber 
schwer mit der vielfach bezeugten Talsache, dass der Marschall 
bei Sinsheim nur 16000, bei Enzheim höchstens '22000 Mann 
unter sich hatte. Daher sind vorstehend nur solche Regimenter 
aufgeführt, deren Anwesenheit bei Turennes Winlerfeldzug 
auch anderweitig bestätigt ist. Auch mussten einige Regimenter 
— wie Picardie, Burgund, la Fere, Krone, Turenne, Vaubrun, 
St. Sylvester usw. — ausgeschieden werden, da sie bei Be- 
ginn des Turennischen Winterzuges zu Besatzungszwecken 
zurückgelassen wurden. Wie unsicher bei alledem die ganze 
Aufstellung ist, erhellt daraus, dass sie sich mit der Zusammen- 
setzung der Armee, die H. Peter für den Tag von Enzheim 
angieht (20 Bataillone Infanterie, 12 Schwadronen Dragoner, 
73 Eskadrons Kavallerie) keineswegs deckt. Unsere Liste 
weist als zweifellos zur Stelle mindestens 25 — 30 Bataillone 
(19 Regimenter) Fussvolk, 5 Dragoner-Regimenter und wenigstens 
80—100 Schwadronen (23 Regimenter) Reiterei. Die Kopfstärke 
des Heeres im November 1674 ist noch viel zweifelhafter als seine 
Zusammensetzung. Sicherlich waren die Anstrengungen des Som- 
mer- und Herbst feldzuyes an den Truppen nicht ohne Schädigung 
ihrer Schlagfertigkeit vorübergegangen. Heber mehr als 20000 
Mann hat Marschall Turenne vor dem Eintreffen der flandrischen 
Verstärkungen schwerlich verfügt. Auch fühlte er sich verpflich- 
tet, zu Ende Okiober nach Paris zu berichten : dass die Armee 
sehr gelitten habe und dass die Pferde äusserst mager seien. 

Als der Prinz von Oranien nach der Schlacht von Senefle 
seine offensiven Pläne für dieses Jahr — wenngleich wider- 
strebend — aufgab und seine Truppen zu Ende Oktober in 
die Winterquartiere legte, war die französische Heeresleitung 
in der Lage, von den Vorteilen der inneren Linie Nutzen zu 
ziehen. Sie konnte die schwache und gefährdete Armee des 
Marschalls Turenne aus dem grösstenteils verfügbar gewordenen 
Heere des Prinzen v. Gonde verstärken. Es ist bemerkenswert, 
dass die Anregung dazu nicht von Turenne ausgegangen ist. 
Es muss wohl das Bewusstsein der eigenen Kraft, vielleicht 
auch ein gewisser Stolz gewesen sein, der ihn abhielt, sich 
bei dem ihm abgünstig gesinnten Kriegsminister Louvois um 



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32 



3. Tarennes Armee. 



Verstärkungen zu bewerben. Ausweislich des vom Grafen 
Grimoard veröffentlichten Briefwechsels Turennes erhielt dieser 
durch ein vom 16. Oktober datiertes Schreiben des Staats- 
sekretärs le Tellier» zuerst Kenntnis davon, dass er aus dem 
Heere Condes verstärkt werden würde. 

Es waren nicht weniger als 20 Bataillone und 80 Eskadrons, 
die von Conde nach dem Elsass befehligt wurden, so dass 
Turennes Heer annähernd verdoppelt wurde. Conde sandle 
diese Verstärkungen aus Flandern in vier verschie- 
denen Kolonnen ab. Freilich stimmen auch hierüber die vorlie- 
genden Angaben nicht genau überein. Nach den ältesten fran- 
zösischen Quellen aber lässt sich der Marsch doch ziemlich ge- 
nau verfolgen. Als erste Verstärkung traf Marquis v. Genlis mit 
10 Eskadrons am 30. Oktober im Lager von Dettweiler ein ; gleich 
darauf St. Loup mit einem etwa ebenso starken Transport Reiterei . 
Am 20. November folgte Marquis v. Montauban mit 8 Bataillonen 
und 20 Schwadronen, sowie Marquis de la Feuillee mit 10 Es- 
kadrons. Einen schon früher herangerückten, 14 000 Mann 
starken Zuschub — 10 Bataillone 9 und 24 Schwadronen unter 
Graf v. Saulx und General Sourdis — liess Turenne nicht nach 
Dettweiler heranrücken, sondern hielt ihn bereits in Lothringen 
an. Bei diesem Transporte befand sich die gesamte Gendarmerie, 
während *i Bataillone Fussgarde am 41. November, gleichzeitig 
mit dem aus Metz kommenden Regiment Rambures, im Lager 
von Dettweiler anlangten. Einige anderweitige Verstärkungen 
kamen aus dem Innern des Landes 3 . Ferner war das Auf- 
gebot des Adels, der sogenannte Arrierebann unter Marschall 
Crequi, im Anmarsch begriffen und zum Teil schon angelangt. 
Endlich werden wir sehen, wie Marschall Turenne sich noch 
im Dezember auf dem Marsche gen Süden zu verstärken wusste, 
indem er von dem in Metz kommandierenden General die 
Kavallerie-Brigade Resnel und vom Gouverneur der Freigraf- 
schaft die Kavallerie-Brigade le Cateux nebst einigen Infanterie- 
truppen an sich heranzog. 

Von den Regimentern, die auf diese Weise das Turennische 



1 Le Tellier war der Vater des Kriegsministers Louvois. 
* Nach dem Diarium Europaeum wären es 13 Bataillone Fuss- 
volk gewesen. 

3 Die ersten drei Bataillone dieser Art trafen schon am 13. 
Oktober in Marlenheim ein. 



Verstärkungen aus Flandern. 



33 



Heer verstärkten, versuchen wir im Folgenden eine Liste zu 
bringen, deren Aufstellung jedoch den früher berührten 
Schwierigkeiten ebenfalls unterlag: 



Garde: 


1. Bataillon 


: Bocquemar 


2. » 


: Figueras. 


Ge ndarmerie: 


Gendarmen : 


O TT 

o Kompagnien 


Chevaulegers : 


2 Kompagnien 


F u s s v o 1 k ; 


Reiterei: 


Navarra 


Royal-Cravates 


Rambures 


Bellegarde 


Königin 


Floren.sac 


des Vaisseaux 


Chazeron 


Vermandois 


l'Houmeau 


Bourlemont 


Bligny 




Estrades 


Dragoner: 


Sourdis 


Königin (4 Esk.) 


Lancon 


Broglie 


Artillerie: 


Cateux 


unbekannt 


Boncourt 



Die königlichen Haustruppen und Gendarmen genossen im 
französischen Heere ein besonders hohes Ansehen. Und ge- 
rade Ludwig XIV Hess es sich angelegen sein, durch weitere 
Ausgestaltung dieser seiner Lieblingstruppen den Glanz seiner 
Krone zu mehren. Die 8 Kompagnien der Garde du Corps 
zogen nur mit dem Herrscher selbst zu Felde. Dies war zu- 
letzt im Frühjahr 1674 in der Burgundischen Freigrafschaft 
der Fall gewesen. Sie waren von dort dem Könige wieder 
nach seiner Residenz gefolgt und dort geblieben. Die eigent- 
liche Maison du Roi stiess also nicht zum Turennischen Heere ; 
wohl aber 18 Eskadrons Gendarmen, sowie 2 Bataillone Garde- 
Infanterie zu je 5 .Kompagnien, befehligt, vom Marquis von 
Bocquemar und dem Ritter v. Figueras. Die Gendarmerie 
war eine Art jüngerer Garde. Ihre Kompagnien sollten 4 
Offiziere, 8 Unteroffiziere, 3 Spielleute, 160 Gendarmen stark 
sein. In dieser Zahl sind sie aber bestimmt nicht im Felde 
gewesen; denn die Gesamtstärke der 18 Schwadronen findet 

3 



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34 3. Tarennes Armee. 

sich zu 1400 Mann angegeben. Die Gendarmerie war so or- 
garnisiert, dass sie sowohl zu Ross wie zu Fuss fechten konnle. Ihre 
Spielleute waren sowohl als Trompeter wie als Tambours aus- 
gebildet. Die Kompagnien der Gendarmen waren in den ver- 
schiedensten Farben sehr prächtig gekleidet und überhaupt in 
jeder Art bevorrechtete Elitetruppen. Ihre vielumworbenen 
Offizierstellen wurden ausschliesslich an Grandseigneurs aus 
den vornehmsten Geschlechtern des Landes vergeben. Hoch- 
stehende Offiziere, die längst Inhaber von Regimentern waren, 
fühlten sich geehrt, wenn ihnen eine Fähnrichs- oder Leutnants- 
slelle bei der Garde du Corps oder bei den Gendarmen zufiel 
oder gar eine Kompagnie dieser bevorzugten Truppen anvertraut 
wurde. Diese Chefs waren : 

Schottische Gendarmen : Dailli v. Hautefeuille 

Englische » Hamilton Graf v. Abercorn 

Burgundische » Graf v. Broglie 

Flandrische » Marquis v. Clermont 

Königin » Graf v. Lannion 

Dauphin » Marquis de la Trousse 

Anjou » Marquis v. Genlis 

Orleans » Graf v. Beauvau 

Königin-Chevaulegers Marquis v. Fervacques 

Dauphin » Graf v. Villarceau. 

Die beiden Chevaulegers- Kompagnien waren erst kürzlich er- 
richtet und schwächer als die Gendarmerie-Kompagnien. Nur 
die letzteren waren in sich in zwei Schwadronen eingeteilt. Hier- 
aus erklärt sich le Telliers Angabe, dass 18 Eskadrons der 
Gendarmerie zu Turcnne stossen würden. Das Kommando 
über diese 18 Schwadronen führte Marquis de la Trousse als 
Rangältester der Eskadronchefs. 

Ueber Turennes Linientruppen liegt ein so genaues Material 
nicht vor. Sicher ist vor allem, dass die Infanterie-Regi- 
menter im Gegensatz zu den Verhältnissen, die wir bei den 
Deutschen kennen lernten, in Frankreich erstaunlich verschieden 
an Stärke und Zusammensetzung waren. Die Zahl ihrer Kom- 
pagnien schwankt von 10 bis zu l k 25, in die die ältesten 
Regimenter (Champagne, Navarra , Marine usw.) zerfielen. 
Hierunter waren aber nur wenige (1 — 3) Feldbataillone, deren 
jedes der Nonn nach 10 Kompagnien zu üü Mann zählen 



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Gendarmerie. — Fusstruppen. 



35 



sollte 1 . Bei vielen kam noch eine Grenadier-Kompagnie 
zu 70 Mann hinzu. Ein Feldbataillon hätte hiernach 960 Mann 
zahlen müssen. Die tatsächliche Dienststärke war jedoch in 
der für uns in Betracht kommenden Winterzeit erheblich ge- 
ringer ; sie wird 600 Mann kaum überstiegen haben. Viele 
Regimenter waren erst ein Bataillon stark ; manche finden 
sich ebenso oft als Bataillon bezeichnet wie al.s Regiment. 
Kurzum, es ist eine recht zweifelhafte Liste, die wir oben 
bringen konnten. Auch bleibt es nur eine unsichere Schätzung, 
wenn wir die dem Marschall Turenne im Dezember 1674 ins 
Feld folgende Infanterie zu 40—45 Bataillonen veranschlagen. 
Dabei sind die in Hagenau und Zabern verbleibenden 9 
Bataillone nicht mit gerechnet; ebensowenig das Regiment 
Frezelieres, das in Saar-Bockenheim zurückblieb, jedoch auch 
an der Artilleriebedienung beteiligt war. 

Rechnen wir nun die von uns ermittelten 40 —50 Bataillone 
zu je 600 Mann, so ergiebt sich eine Gesamtstärke von etwa 
24— 27 000 Mann, was mit den Angaben Beaurains und des 
Diariums Europaeum ziemlich übereinstimmt. Zu den Fuss- 
truppen Turennes dürften ausser den genannten Regimentern 
noch einige der 113 Freikompagnien gehört haben, die der 
König im Lauf der Jahre errichtet hatte ; wenigstens stossen 
wir auf den Namen le Brosse, der eine solche Kompagnie be- 
fehligte. Eine besondere Erwähnung verdienen ferner die 
Frenidlruppen, deren Frankreich damals 26 Regimenter besass. 
Da es gegen die Kapitulationen verstiess, Schweizer und Deutsche 
gegen den Kaiser ins Feld zu stellen, hatte Turenne an Fremd- 
truppen nur die Briten und die auf dem flandrischen Kriegs- 
theater nicht verwendbaren Regimenter Royal-Wallonen und 
Bouillon unter sich. Die britischen Regimenter Royal-Anglais, 
Hamilton, Roscommons, Monmouth, Churchill« und Douglas er- 
freuten sich des besten Rufes in der Armee. Ihre Kompagnien 
hatten eine Sollstärke von 100 Mann. Die Bezeichnung der 
beiden vornehmsten Kompagnien der Gendarmerie als Schottische 



1 So lag das Regiment Champagne im Jahre 1G73 mit 32 Kom- 
pagnien in Colmar. 

- Unter dem Befehl des nachmaligen Herzogs v. Marlborongh, 
der sich unter den französischen Fahnen die Kriegskunst erwarb, 
die er später mit so grossem Erfolge gegen Frankreich anwenden 
sollte. 



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36 



3. Tnrcnnes Armee. 



und Englische hatte nur noch geschichtliche Bedeutung- 
Ebensowenig gehörte das Regiment Royal-Cravates zu den- 
Fremdtruppen ; es war zwar einst aus entlassenen Kroaten gebildet 
worden, hatte aber längst französischen Ersatz. 

Von den berittenen Truppen bleiben, da von den Gendarmen 
und Chevaulegers schon eingehend die Rede war, noch die 
leichte Kavallerie und die Dragoner zu besprechen. Noch vor 
zwei Jahren hatte Frankreichs leichte Reiterei* aus nur 
6ü Eskadrons bestanden, deren jede sich in 3 Kompagnien zu 60 
bis 70 Mann gliederte. Im Jahre 1672 wurden diese Eskadrons 
zu Regimentern erklärt und dabei grösstenteils auf ö Kom- 
pagnien gebracht. Wie allmählich diese Erhöhung aber in. 
Wirklichkeit vor sich ging, erhellt daraus, dass noch 1678 die 
Regimenter — nunmehr Ü9 an der Zahl — von 3 bis zu 8 Kom- 
pagnien schwankten. Im Jahre 4674 waren die Regimenter, die 
4 Kompagnien oder mehr zählten, noch in der Minderheit. 
Viele hatten nur 2 Kompagnien, die jüngsten Aufstellungen 
mitunter nur eine einzige. Ueber die Regimenter, die den Oher- 
elsässischen Winterfeldzug mitmachten, liegt nur ein sehr 
lückenhaftes Material vor 2 . Um die Stärke der Turennischen 
Reiterei wenigstens annähernd zu berechnen, müssen wir be- 
achten, dass die Sollstärke der Kompagnien 54 Mann betrug. 
Ziehen wir den unvermeidlichen Abgang an Kranken ab 
und berücksichtigen wir zudem den Einfluss der Verschieden- 
heiten der Organisation, so werden wir mehr als 300 Mann 
pro Regiment keinesfalls rechnen dürfen. Wir gelangen damit 
zu einer Gesamtstärke von etwa 10000 Mann Kavallerie. 

Dazu treten noch gegen 1500 Mann Dragoner, die zwar zu 
Fuss fochten, aber beritten waren. Unter weiterer Hinzurechnung 
der Gendarmerie ergibt dies insgesamt etwa 13000 Mann be- 
rittener Truppen. Genau dieselbe Ziffer nennt das Beaurainsche 
W'erk. Wir werden daher, obwohl das Diarium Europaeum 
dem französischen Feldherrn 16000 Mann zu Pferd zuteilt, an- 
nehmen dürfen, dass es mehr als 13000 nicht gewesen sind. 
Die Artillerie nahm damals in Frankreich noch eine geringe 
Stellung ein. Bespannung und Fahrer wurden gemietet. Die 

1 Die Bezeichnung «leicht» hatte keine weitere Bedeutung; es 
waren auch Kürassiere darunter. 

* Susane führt noch bei zahlreichen oben nicht genannten Re- 
gimentern den Feldzug Turennes 1674/75 an. 



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Leichte Reiterei, Dragoner and Artillerie. 37 

Bewachung des Artilleriematerials, die eigentlich dem Füsilier- 
Regiment oblag, wurde bei Turenne vom Regiment Frezelieres 
besorgt. Den Dienst der Batterien in der Schlacht versahen die 
Kommissäre des nur aus Offizieren zusammengesetzten Artillerie- 
korps. Ueber die Starke der von St. Hilaire befehligten Tu- 
rennischen Artillerie besitzen wir nur eine Notiz vom September 
1674, die sie zu 30 Geschützen, also auffallend schwach, angibt. 

Die Infanterie- und Kavallerie-Regimenter wurden im fran- 
zösischen Heere ebenso wie bei den Kontingenten der deutschen 
Staaten in der Regel nach ihrem Oberst (Mestre de Camp) be- 
nannt. Einzelne Regimenter waren jedoch geographisch (Cham- 
pagne, Orleans) gekennzeichnet oder mit Ehrennamen (des 
Vaisseaux, Colonel-General) begnadigt, so dass es an einem 
durchgeführten Prinzip der Benennung mangelt. Bemerkt muss 
ferner werden, dass die Mestre de Camps, die das Eigentums- 
recht der Regimenter erworben hatten, keineswegs immer deren 
Führer waren. Es waren mitunter blutjunge, aber vermögende 
Herren aus dem hohen Adel, die bei den vornehmen Truppen 
•der Maison du Roi einige Zeit den Dienst erlernt und sich so- 
dann ein Regiment gekauft hatten 1 . Dessen taktische Führung 
lag in solchem Falle in der Hand des Oberstleutnants. So ist 
es zu erklären, dass zu Brigadiers mitunler nicht Obersten, son- 
dern Oberstleutnants ernannt wurden. Es konnte das eigentüm- 
liche Verhältnis vorkommen, dass ein solcher zum Brigadier er- 
nannter Oberstleutnant während der Operationen der Vorgesetzte 
seines eigenen Obersten wurde. Beim Beziehen der Winterquar- 
tiere trat er wieder unter dessen Refehl zurück ; denn hier traten 
die wirtschaftlichen Eigentumsrechte des Obersten an seinem 
Regiment in den Vordergrund. Uebrigens war es dem unbe- 
mittelten Offizier, der kein Regiment unterhalten konnte, un- 
benommen, vom Oberstleutnant direkt zum Marechal de Camp, 
dem untersten Grade der Generalität, aufzurücken. 

Schliesslich bleibt in diesem Zusammenhange noch von dem 
zu Ende August aufgebotenen Arrierebann zu sprechen. Diese 
uralte Einrichtung bestand in einer Art aristokratischem Land- 
sturm. Es war ein Aufgebot des Adels aus acht Provinzen des 



i Die wirtschaftliche Beziehung der Regimenter zn ihren In- 
habern war in ähnlicher Art auch in Deutschland, namentlich bei 
<leu Kaiserlichen, herkömmlich. 



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38 3. Turennes Armee. 

mittleren Frankreich», wie es in Fällen ernster Bedrohung des 
Vaterlandes erfolgen durfte und oft mit gutem Erfolge ergangen 
Mar. Aber der Adelsbann wurzelte zu fest im Ritter- und Feudal- 
wesen, als dass er in den Zeiten der Feuertaktik und des Ab- 
solutismus noch am Platze gewesen wäre. Der Bann versagte 
1674 grundlich und ist nie wieder aufgeboten worden! Langsam, 
in schwerfalligem Zuge und mit einem gewaltigen Xross be- 
lastet, rückten die Kolonnen der Edelleute heran. Ihre 48 Schwa- 
dronen waren nach Gauverbänden in 4 Brigaden unter Beauvau, 
Senay, Clinchamp und Nancre zusammengefasst *. Sie unter- 
standen dem gemeinsamen Oberbefehle des Marschalls v. Crequi,. 
der von diesem Auftrage keineswegs entzückt war. 

Das Soldatenauge des Vicomte Turenne ruhte von vorn 
herein mit geringem Wohlwollen auf den undisziplinierten 
Haufen der verwöhnten Noblesse. Dennoch wies er um Mitte 
Okiober angesichts der bedeutenden Verstärkung des feindlichen 
Heeres die Hülfe des Arrierebannes nicht zurück, sondern 
ordnete am 12. Oktober dessen Vorrücken über die Saar nach 
Maursmünster an und Hess sich am Ii), bei seinem Rückzüge 
von Marlenheim gern von 40 Schwadronen der Edelleute auf- 
nehmen, die ihn vor Dettweiler erwarteten. Aber nur als Not- 
behelf wollte sich der Feldherr ihre Hülfe gefallen lassen, und 
die Erfahrungen der nächsten Zeit zeigten, dass seine Abneigung 
gegen das Aufgebot seiner Slandesgenossen wohlberechtigt war. 
Unter dem Eindruck der schweren Schlpppe, die der erst im 
Anmarsch befindliche Bann von Anjou» sich am 5. November 
in Benamesnil durch die Lothringer beibringen Hess, entschloss 
sich Turenne, das gesamte Adelsaufgebot, das er noch nördlich 
von Steinburg in Ortsunterkunft hielt, zurückzusenden. Wurden 
doch aus der Mitte der Normännischen Edelleute schon mur- 
rende Stimmen laut: es sei wider ihre Gerechtsame, dass man 
sie ausserhalb des Reiches aut die Schlachtbank liefere! Was 
noch nicht heran war, wie der Bann von Limousin, wurde 

1 Champagne, Islc de France, Normandie, Anjou, Foitou, Or- 
Icannois, Limousin, Auvergne und Lyonnois. 

* Dazu kamen noch 7 Eskadrons unter Clialmazel, die nicht im 
Brigadcveibando standen. 

3 Die dortigen Edelleute waren zur Versammlung in Senlis am 
17. September nicht erschienen, da sie nicht im Stande seien, sich 
beritten zu machen. Sie waren erst gekommen, als ihnen bedeutet 
wurde, sie dürften auch zu Fusse ins Feld ziehen. 



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Der Arrierebann. 



— Gesamtstärke des Heeres 



unterwegs angehalten. Am 9. November trat der Arrierebann 
den Abmarsch an, teils nach St. Dizier und Toul, teils nach 
Melz und Verdun. Von dort aus sollte Marschall Crequi das 
Turennische Heer gegen Gefahren schützen, die ihm etwa von 
Lüttich her drohen konnten. Denn der Feldherr rechnete mit 
der Möglichkeit, dass Graf Sporck — der Nachfolger des un- 
fähigen de Souches — mit dem kaiserlichen Korps aus Flandern 
dem Kurfürsten zu Hülfe kommen werde. Die Noblesse aus 
der Auvergne, der Heimat seines eigenen Geschlechtes, beliess 
Turenne zunächst in Lothringen. Wie schon früher erwähnt 
wurde, vollzog sich auch der Abmarsch des Arrierebannes nicht 
ohne einen ernsteren, durch brandenburgische Parteigänger 
herbeigeführten Unfall, der dem Marschall Crequi sein ganzes 
Gepäck samt wertvollem Silbergerät kostete. 

Somit ist von unserer Betrachtung des französischen Heeres, 
das im Winter 1674/75 indasOberelsass einbrach, der Arrierebann 
auszuscheiden. Die Stärke des eigentlichen Feldheeres, — das dem 
deutschen Oberkommando als aus 32 Bataillonen und 100 Es- 
kadrons bestehend bezeichnet wurde, — war in Wahrheit viel 
grösser. Es darf etwa zu 40 -45 Bataillonen und 140—150 Schwa- 
dronen veranschlagt werden. Seine Kopfstärke lässt sich mit 
ziemlicher Sicherheit zu 38 —40000 Mann angeben. Ein kur- 
brandenhurgischer Trompeter, der am 2ß. Dezember aus dem 
Turennischeu Hauptquartier zurückkehrte, berichtete gleichfalls, 
dass die Franzosen ihre Stärke zu 4O00O Mann angaben. Der 
Marschall war somit den Verbündeten, die wir auf fast 50 000 
Mann berechneten, an Zahl längst nicht ebenbürtig und stand 
namentlich an Artillerie ausserordentlich gegen sie zurück. 
Aber dieser Unterschied wurde mehr als ausgeglichen durch 
die in seinem Heere herrschende straffe Einheit an Organisation 
und Ausbildung, sowie durch ihre stolze Siegeszuversicht und 
das Genie ihres Feldherrn, dessen bewährter Führung die 
Truppen mit unbegrenztem Vertrauen folgten. 

Vorn Stabe des Marschalls Turenne kann nur berichtet 
werden, dass Generalmajor v. Cezen eine Art Quarliermeister- 
slellung innehatte, dass der Armee-Intendant de Machault hiess, 
dass Marquis v. Harcourl-Beuvron Adjutantendienst versah, und 
dass des Marschalls Sekretär, der seine Schlachtberichte auf- 
setzte und seine Korrespondenz führte, Hasset hiess. Unter 
Turenne kommandierten eine grosse Zahl brauchbarer Unter- 



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40 



3. Turcnncs Armee. 



führer; aber ihre Truppenverbände wurden ihnen nach der 
Sitte der Zeit nur je nach Bedarf zugewiesen, weshalb wir 
auch statt einer eigentlichen Kriegsgliederung des französischen 
Heeres nur eine Aufzählung seiner Regimenler geben konnten. 
Zu deren Zusammenfassung in Brigaden war man freilich be- 
reits vorgeschritten ; aber sie erfolgte immer nur für die Dauer 
eines Feldzuges und erlosch mit dem Beziehen der Winter- 
quartiere. Die Brigadiers waren ältere und kriegserfahrene 
Männer, die meist dem armen Provinzialadel entstammten. 
Einige der am meisten hervortretenden Unterführer Turennes 
mögen schon hier kurz genannt werden. 

Nächst dem Marschall Crequi, der aber schon im November 
mit dem Arrierebann das Heer wieder verliess, um das Kom- 
mando in Metz zu übernehmen, war General-Leutnant Marquis 
v. Vaubrun der älteste Offizier der Armee. Aber er machte 
den Zug nach Süden nicht mit, sondern blieb krank in Buchs- 
weiler zurück. Nach ihm rangierte Turennes Neffe: General- 
Leutnant Durfort Herzog v. Lorge. Ferner sind Graf v. Roye 
und Marquis v. Genlis, sowie der Infanterieführer General- 
Leutnant Graf v. Foucault und die Reiterführer Marquis v. Mon- 
tauban und Baron v. Montclar hervorzuheben. Graf v. Saulx- 
Tavannes, der den letzten grossen Zuschub aus Flandern heran- 
geführt hatte, schied bald aus, da er in die Gefangenschaft der 
Lothringer geriet. Von den Brigadiers der Fusstruppen seien 
die Herren v. Lancon, v. Moussy, v. Bourlemont und v. Pierre- 
fitte, von den Dragonerführern die Herren v. Bouffiers und 
v. Hocquincourt, und von den Brigadiers der Reiterei die Herren 
v. Sourdis, v. St. Aoust, le Cateux und v. Resnel genannt. 
Schliesslich möge noch Erwähnung finden, dass ein anderer 
Neffe Turennes, Durlbrt Herzog v. Duras, als Gouverneur von 
Burgund den Zug seines Oheims nach Kräften unterstützte, und 
dass die Verteidigung von Beifort und ßreisach dem General 
d'Aubigny und dem Oberst le Roy anvertraut war. Beide, 
namentlich aber der Kornmandant der eingeschlossenen Rhein- 
feste, sahen dem Nahen des Feldherrn sehnsüchtig entgegen. 
Le Roy mochte wohl gleich den Generalen der Verbündeten 
der irrigen Meinung sein: das starke Heer, das wir soeben 
betrachteten, sei nur zum Entsätze von Breisach in Bewegung 
gesetzt. In Wahrheit waren es weit höhere Aufgaben, die Mar- 
schall Turenne mit ihm zu lösen beabsichtigte. 



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Turcnncs Unterführer. — Das Lager bei Bläsheim. 41 



4. Winterquartiere der Deutschen. 

Nachdem wir nun die beiden gegnerischen Heere, die sich 
zu Ende November 1674 in ihren festen Lagern an der Breusch 
und an der Moder gegenüber lagen, naher kennen gelernt haben, 
gehen wir zur Betrachtung der Ereignisse über, die sie zu- 
nächst weit voneinander trennten, um sie später zu blutiger 
Waflenentscheidung wieder aneinander zu bringen. — Als sich 
erwiesen hatte, dass eine tatkräftige Kriegsführung im Unler- 
elsass nicht zu erreichen war, und dass aus dem vom Kaiser 
Leopold in Aussicht gestellten Eingreifen des Grafen Sporck 
mit den kaiserlichen Hüllsvölkern aus dem Lüttichschen nichts 
wurde 1 , da trat an die bei Bläsheim vereinigten Führer der 
x Deutschen die Frage heran : was nun? Zur Verteidigung 
des Breuschabschnittes waren sie entschlossen ; als aber kein 
Angriff erfolgte und das Ueberwintern im Zeltlager von Bläs- 
heim doch undurchführbar war, da drängte sich ihnen der 
Gedanke der Winterquartiere auf, der ja auch durchaus im 
Systeme der damaligen Kriegskunst lag. 

Kurfürst Friedrich Wilhelm wies den in seiner Umgebung 
auftauchenden und bei der drohenden Haltung Schwedens nicht 
einmal befremdlichen Vorschlag, mit dem Gros der Branden- 
burger aus dem Elsass abzurücken, entschieden zurück, da sein 
Abmarsch die völlige Auflösung des Reichsheeres zur Folge haben 
musste. Wohl aber stimmte er dem allgemein gebilligten Vor- 
schlage zu, in Winterquartiere abzurücken. Im Blasheimer Lager 
konnte wegen der Schwierigkeiten der Verpflegung und der Jahres- 
zeit, ohnehin nicht länger verharrt werden. Krankheiter, griffen 
mehr und mehr um sich, und die Missstimmung des Heeres 
war im Wachsen. Geispolsheim, wo Bournonville mit seiner 
Generalität lag, war durch eine Feuersbrunst, teilweise zerstört. 
Kurzum, alles sehnte sich von der Breusch fort. Schon am 
21. Oktober, gleich nach dem missglückten Vorstosse j;egen 
Marlenheim, hatte man sich über die Winterquartiere geeinigt. 
Sie sollten sich auf dem linken Rheinufer zwischen Strassburg 



1 Kurfürst Friedrich Wilhelm hatte einen Verstoss Sporcks auf 
Trier und Metz beantragt und der Kaiser dem zugestimmt. 



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42 



4. Winterquartiere der Deutschen. 



und der Schweizer Grenze hinziehen 1 . Die Vorbereitungen zu 
ihrer Belegung begannen frühzeitig, indem die Quartiermeister 
der verschiedenen Kontingente schon zu Anfang November 
dorthin abgingen. Die Lothringer und einzelne Vortruppen der 
andern Korps rückten ebenfalls schon in der ersten November- 
hülfte nach dem Oberelsass ab, um die Festung Breisach im 
Schach zu halten und deren Beitreibungen zu verhindern. Aber 
mit dem Abmarsch des Gros des verbündeten Heeres zögerte 
man, bis keine Gefahr mehr von den Franzosen zu drohen 
schien. «Sobalde sich der Feindt movirea, wollte der Kurfürst 
das Abrücken befehlen. Das Gesetz des Handelns nahmen die 
deutschen Feldherren also auch in diesem Punkte von ihrem 
grossen Gegner an. 

Die Tatsache, dass Turenne zunächst seine Reiterei, am 
20. November auch das Fussvolk aus dem ausgesogenen Land- 
strich um Dell weiler nach Ingweiler zurück verlegte, war man 
im deutschen Hauptquartiere sehr bereit, sich dahin auszulegen: 
dass der französische Feldherr den diesjährigen Feldzug für 
beendigt ansehe. Darauf schien auch die von den Alliierten 
wahrgenommene Rücksendung des Arrierebannes hinzudeuten ; 
nicht minder die Kunde, dass Graf Saulx und General Sourdis 
in ihrem Anmarsch schon bei Finstingen angehalten worden 
waren und sich mit ihrer Unterkunft weiter nach Lothringen 
ausdehnten. Zwar versicherte ein Kundschafterbericht aus Lix- 
heim vom 13. Dezember, dort sei nichts von Winterqartieren 
zu hören. Auch schrieb der Gellische Kanzler Sinold v. Schütz 
aus Strassburg: cFalss aber die Alliirten nach dem Winter- 
quartier eylen undt Turenne im Feldt stehen lassen solten, 
würde er ohnfehlbar auf dieselbe lossgehen». Man glaubte 
solchen warnenden Stimmen nicht. Ueberzeugt, dass Turenne 
im Begriffe sei, Ruhequartiere in Lothringen zu beziehen, 
wollte die deutsche Heeresleitung nun auch ihren Truppen 
die Erholung in den wohlhabenden Gauen des Oberelsass 
gönnen. 

Die Lothringer hatten sich mit Erlaubnis des Grossen 
Kurfürsten schon am 30. Oktober vom Reichsheere getrennt und 



i Abbe Gravel, der noch immer unbehelligt in Mainz weilte, 
war schon am 10. November in der Lage, diese Elitschliessung mit 
allen Einzelheiten dem Marschall Turenne mitzuteilen. 



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Die Lothringer in ihrem Stammlande. 



waren zur Bewachung der Vogesenpässe nach Epfig, Dambach 
und St. Pill abgerückt. Dies war ein Lieblingswunsch 
Karls IV ; denn dort sland er am Eingange des Weiler- und 
Lebertales, die ihm die Pforte zu seinem verlorenen Lande er- 
schliessen sollten. Von dort aus hatte er am 3. November den 
Oberst du Puy mit 700 Reitern zu dem schon im vorigen Ab- 
schnitte erwähnten Anschlage gegen den Adeligen Bann von Anjou 
entsendet, der dann auch im Dorfe Benamesnil ereilt und völlig 
aufgerieben wurde. Die nähere Schilderung dieses Ueberfalles 
liegt ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit. Es genüge die 
Angabe, dass die vier lothringischen Regimenter mit einem 
Verluste von 14 Offizieren 1 und 40 Mann eine unermessliche 
Beute erkauften. Sie brachten ausweislich der im Diarium 
Europaeum veröffentlichten Liste 127 Edelleule. gefangen ein, 
darunter den Führer des Anjouer Bannes Marquis v. Sable. 
Die Gefangenen wurden übrigens bis auf 30 Herren, die Herzog 
Karl dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm anbot, bald in ihre 
Heimat entlassen. Durch diesen schönen Erfolg in seinem 
Selbstgefühl gehoben, plante der alte Fürst unermüdlich weitere 
Unternehmungen nach Lothringen und der Freigrafschaft. 

Einen grösseren geschlossenen Bezirk erhielten die Loth- 
ringer überhaupt nicht zugewiesen. Sie blieben hauptsächlich 
in dem kleinen Zipfel ihres Landes, der sich bei Markirch und 
Leberau ins deutsche Sprachgebiet erstreckt. In St. Pilt, dem 
östlichsten Orte, hielt das Herzogspaar Hof. Als jedoch dieser 
Aufenthalt der Lothringer im Lebertale zu Reibungen mit dem 
Oberst v. Rumohr, dem Quartiermeister der Lüneburger, führte, 
war Karl IV sofort bereit, seine Truppen mit Bewilligung des 
Oberbefehlshabers weiter in .sein Stamrnla nd vorzuschieben. Er 
machte sich dadurch wenigstens östlich der Mosel zeitweilig wieder 
zum Herrn in seinem Staate. Für den Bedarfsfall halte der 
Kurfürst von Brandenburg ihm die Unterstützung des Herzogs 
Georg Wilhelm von Celle zugesichert. In der ersten Woche 
des Dezembers rückten die Lothringer in das Land ihres 
Fürsten ein. Remiremont erhielt 200 Mann, Espinal 400 
Mann Besatzung. Auch Chastel, Rambervillers und sogar 
Badonviller sollten besetzt werden. Da jedoch die Vortruppen 



1 Darunter Oberstleutnant St. Croix (tot) und Oberst Mcrcy 
(verwundet gefangen . 



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44 



4. Winterquartiere der Deutschen. 



des Grafen Saulx den Lothringern* zuvorkamen, so blieben 
Rambervillers und Badonviller in französischem Besitz». Auch 
weiter südlich Hess Herzog Karl seine Truppen streifen. Wenig- 
stens erfahren wir gelegentlich, dass lothringische Abteilungen 
schon in der ersten Hälfte des November mit den branden- 
burgischen Vorposten bei St. Amarin Fühlung nahmen. Auch 
t retten wir sie in der Nähe des Welschen Belchen an, wo 
sie den nach Lothringen führenden Pass «zur Linden» und 
das Kastel St. Lambert 2 besetzt hielten. 

Hinter diesem Lothringischen Grenzgürtel erstreckten sicli 
über die ganze linksrheinische Ebene die Winterquar- 
tiere der übrigen Reichskontingente. Die Kaiserlichen und Mün- 
sterländer belegten den südlichen, die Brandenburger den mitt- 
leren, die Braunschweiger und Celler den nördlichen Abschnitt s . 
Der Abmarsch dorthin wurde so geregelt, dass am 25. November 
Bournonville mit den Seinen, am 26. die Kurbrandenburger, 
und am 27. Herzog Georg Wilhelm mit seinen Truppen aus 
dem Lager abrückten. Was sonst noch an deutschen Truppen 
bei Bläsheim war, verliess die Armee und ging über den Rhein 
zurück. Anfangs war beabsichtigt, auch den Kurpfalzern und 
Kreistruppen einen linksrheinischen Bezirk zuzuweisen, näm- 
lich den Landstrich zwischen Strassburg und den Cellischen 
Standquartieren. Beispielsweise war das der Stadt Strassburg 
gehörige Amt Barr für die Pfälzer in Aussicht genommen. 
Diese Gegend erwies sich jedoch als so ausgesogen, dass man 
von ihrer Belegung Abstand nahm und diese Truppen auf das 
rechte Rheinufer verlegte. 

Zuerst brachen die Oberrheinischen und Fränkischen 
«Kreisvölker» auf. Sie marschierten schon a*m 21. November 
ab, gingen bei Kehl über den Rhein und wurden in dem 
Hanau-Lichtenbergischen Amte Willstett untergebracht, um 
zur Sicherung der Kehler Brücke zu dienen. Sie traten damit 
unter den Befehl des Reichsfeldmarschalls Friedrich v. Baden- 
Durlach, der ein fränkisches, vom Markgrafen v. Baireuth 



1 Rambervillers gehörte ohnehin nicht zu Lothringen, sondern 
als Teil des Bistums Metz zu den französischen Trois-Eveches. 

* An der Stätte dieses alten Schlosses steht jetzt eine hoch- 
ragende Mariensäule. 

* Die Abgrenzung der einzelnen Unterkunftsbezirke ist auf der 
Uebersichtskarte ersichtlich gemacht. 



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Abmarsch der Kurpfälzer und Kreistruppen. 



Aufgestelltes Regiment in die Heimat zurücksandte 1 . — Auch 
Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz zog mit seinem Hülfskorps 
ab, um sich am 6. Dezember mit dem Reichsfeldmarschall zu 
vereinigen. Die Kurpfalzer blieben in dem östlich von Will- 
stett gelegenen Raden-Durlachischen Amte Oberkirch, bis sie 
durch die zunehmende Unternehmungslust der Besatzung von 
Philippsburg in das Plalzerland abberufen wurden. 

Der Plan einer Relagerung der damals wichtigen Festung 
Philippsburg wurde im Lager der Koalition stets erwogen, in 
Wien erörtert und vom Kurfürsten von der Pfalz eifrig befür- 
wortet; denn der rührige Graf Maul6vrier beunruhigte von dort 
aus die weitere Umgegend fortgesetzt. Aber man konnte keine 
ausreichende Truppenmacht dafür verfügbar machen, und so 
kam es schliesslich nur zu einer schwächlichen Reobachtung 
der Festung durch einige Reichstruppen, die der Markgraf v. 
Raden-Durlach dafür hergeben konnte. — Etwas ernsthafter 
wurde die Erschliessung von Rreisach betrieben ; denn dieses 
andere rechtsrheinische Rollwerk des Feindes lag in bedrohlicher 
Nähe der detitschen Winterquartiere. Wir widmen den dortigen 
Ereignissen einen besonderen Abschnitt und erwähnen an dieser 
Stelle nur, dass das kaiserliche Kürassier-Regiment Gondola aus 
dem Lager von Rläsheim abrückte, um im vorderösterreichischen 
Dreisgau zu überwintern und von Freiburg her nach Anord- 
nung des Generalmajors Schütz an der Einschliessung von 
Rreisach mitzuwirken. — Dadurch dass Philippsburg und 
Dreisach in französischen Händen waren, wuchs die Redeutung 
des «Strassburger Rheinpasses» als der einzigen zwischen den 
beiden Festungen gelegenen Rrücke. Wir wissen einige Ober- 
rheinische, Schwäbische und Fränkische Kreistruppen dort auf- 
gestellt, zu denen noch ein Paar Niedersächsische und Ober- 
sächsische Kompagnien hinzutraten. Eine eigentümliche Stellung 
nahm die Stadt Strassburg ein, indem der Rischof mit 
vielen Domherren zur französischen, Rat und Bürgerschaft 
aber zur deutschen Sache hielten. 

Bischof Franz Egon v. Fürstenberg, einer der gefährlichsten 



1 Die nach den Angaben des Kammerjankers v. Buch und des 
Herzogs von Celle naheliegende Annahme, «lies sei das zur kaiser- 
lichen Reiterei gehörige Regiment Baireuth gewesen, trifft nicht zu. 
da letzteres noch bei Mülhausen initgefochteu hat. 



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46 4. Winterquartiere der Deutschen. 

Französlinge des Reiches, war seit «lern 23. November durch 
den Regensburger Reichstag seiner Stimme auf dieser Ver- 
sammlung verlustig erklärt worden, «weill ofTternannter Herr 
BiseholT mit Hindansetzung seiner Pflichten zum Feind über- 
gangen sei*. Der Grosse Kurfürst hielt dem verräterischen 
Prälaten in einem wuchtigen Schreiben seine Sünden vor. 
«C'etoit ä luy», schrieb er ihm, «d'examiner s'il n'avoit 
pus contribue ä allumer la guerre; que Dieu en seroit le 
Juge, et que ce qu'il avoit desia soufTert n'etoit qu'un prölude 
des vengeances que le Ciel preparoil conlre les autheurs 
des troubles, qui avoient desia cousfä le sang de tant de 
milliers d'hommes». Die Leiden, auf die der Kurfürst hier an- 
spielt, bestanden darin, dass auf des Bischofs im ganzen Elsass 
zerstreuten Besitztümern alle Getreide- und Weinvorräte von 
den Verbündelen beschlagnahmt worden waren. Bischof Franz 
Egon selbst weilte übrigens in diesen Jahren fast immer ausser- 
halb Strassburgs. 

Ganz anders stellte sich die alte Reichsstadt selbst. Der 
vom Slältemeister Zorn geleitete Rat der Dreizehn und die fast 
durchweg lutherische Bürgerschaft standen wie ein Mann zu 
Deutschland. Freilich beobachtete die städtische Behörde eine 
vorsichtigere Haltung als die scharf anlifranzösische Bürgerschaft. 
Die Stadt, in der als Vertreter des Kaisers ein Graf v. Hohen- 
lohe weilte, wurde von der deutschen Heeresleitung sorgsam 
geschont. Obwohl Mittelpunkt des Verpflegungswesens und Sitz 
der verschiedenen Kommissariate, blieb Strasshurg von Truppen 
aller Mächte frei. Auch musslen die Befehlshaber der Reichs- 
truppen im Zollschanzlein und in der Ruprechtsau sich durch 
Handschlag verpflichten, der Stadt Bestes mit wahrzunehmen. 
Deren Bürgermiliz versah den Wachtdienst an den Toren, musste 
aber mitunter, wenn die Kreisvölker zu anderer Verwendung 
abrückten, auch die Brückenwacht bei Kehl übernehmen. 

Ferner besetzten sie die der Stadt gehörige kleine Vogeseu- 
feste Wasselnheim, welche die Brandenburger den Franzosen 
abgenommen hatten, die aber dann durch Vereinbarung des 
Kurfürsten mit Turenne für neutral erklärt worden war. In 
der benachbarten bischöflichen Festung Dachstein blieb für die 
Dauer der Winterquartiere das kaiserliche Fussregiment Knigge 
als Besatzung zurück. Es war 8 Kompagnien stark und wurde 
vorn Oberstleutnant v. Haugwitz befehligt. Bei ihm befand sich 



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Strassburg. — Die Braunschweig-Lüneburger. 



47 



eine kleine Abteilung: Reiflenberg-Dragoner. Am 9. Dezember 
gelang es der Wachsamkeit dieser Truppe, einen französischen 
Transport vom Regiment Prouville in den Bergen bei Mutzig 
abzufangen und gänzlich zu zerstreuen. Um einem ernstlichen 
Angriff widerstehen zu können, war Dachstein jedoch zu schwach, 
wie sich im Januar 4675 zeigen sollte. — Dies war alles, was 
die deutsche Heeresleitung zur Deckung ihrer rechten Flanke 
tat. Es war nicht eben viel. Hätte Turenne die Winter- 
quartiere von Norden her aufgerollt statt von Süden, so wäre 
ihm vermutlich auch dies geglückt. Es hätte sogar die Ab- 
drängung der Verbündeten von ihrer einzigen rückwärtigen 
Verbindungsstrasse zur Folge haben können. 

Die erste Abwehr gegen einen solchen Angriff von Norden 
her lag den Braunseh wei g-L ü ne b urger n ob. Herzog 
Georg Wilhelm war sich dieser Verantwortlichkeit voll bewusst. 
Er entwickelte aus seinem Hauptquartier Schlettstadt, das er am 
26. November bezog, eine rege Tätigkeit. Seine Sendboten 
reisten emsig umher, um die Fürsten von Baden, von Württem- 
berg, von der Pfalz im Sinne der gemeinsamen Sache zu be- 
arbeiten. Sein Werk war es auch in erster Linie, dass der 
Reichsfeldmarschall mit seinem buntgemischlen Korps sich um 
Weihnachten wirklich in Bewegung setzte. Bei der Verteilung 
der Gellischen und Wolfen bütteler Truppen in ihrem Unter- 
kunftsbezirke wurden neben den Rücksichten auf die Bequem- 
lichkeit und Verpflegung auch die taktischen Gesichtspunkte 
nicht vergessen. Oberst v. Rumohr, der die Unterbringung 
regelte, meldete darüber: die Armee könne aus allen Quartieren 
in sechs Stunden zusammengezogen werden. 

Erschwert wurde das Geschäft durch die unglaubliche Zer- 
filzung und Verquickung der Landesgrenzen. Der Unterkunfts- 
bezirk der Braunschweig-Lüneburger, der zwischen Erstein, 
Benfeld, Markireh, Kaysersberg, Hausen und Balzenheim ge- 
legen war und in seiner weitesten Ausdehnung kaum 50 Kilo- 
meter mass, gehörte 34 verschiedenen Landesherren, worunter 
28 reichsunmittelbare Edelleute ! Am Ostfusse der Vogesen 
la^en dicht nebeneinander : Scherweiler (fuggerisch), Kestenholz 
(bischöflich), Orscb weiter (sickingisch), St. Pilt (lothringisch), 
Bergheim (französisch), Rappertsweiler (birkenfeldisch), und 
alles dies auf einer Wegstrecke von i2 Kilometern ! Dass die 
lothringischen Truppen den Lüneburgern erst langsam Platz 



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48 



4. Winterquartiere der Deutschen. 



machten, wurde schon erwähnt. Auch Markirch, oder doch 
seine Rappoltsteinische, deutschsprechende Hälfte, wurde schliess- 
lich von ihnen geräumt und dem Cellischen Fussregimente v. Ende 
zugewiesen. Die Regimenter Joquet und Melleville scheinen 
ehenfalls im Lebertale gelegen zu haben, eines von ihnen wohl 
in Kestenholz. Nach Kappollsweiler kam Herzog Johann Adolf 
v. Holstein mit seinem braunschweigischen Regiment, nach 
Reichenweier ein lüneburgisches Regiment, dessen Oberst «mit 
sammt seinen Weibern» beim KirchenschafTner Chemnitius 
Wohnung nahm. Kaysersberg und Ammerschweier, die dem 
Herzoge noch vom Kurfürsten eingeräumt wurden, dürflen 
ähnlich belegt gewesen sein. Auch Gemar und Markolsheim 
erhielten Einquartierung. In dem festen Plalze Bergheim hatten 
sich die Lüneburger schon im November einen Stülzpunkt ge- 
schaffen. Zur Bewältigung der dort liegenden französischen 
Besatzung rückte ein Regiment «mit etlichen Feldstücklein» vor 
die Feste, deren Kommandant dann bald kapitulierte. 

Die Reichsstadt Schleltstadt , deren Bevölkerung nur aus 
600 Bürgern bestand l , musste den Cellischen Hofstaat, den 
Generalstab, die Dragonergarde, das Leibregiment zu Fuss und 
einige Artillerie aufnehmen. Die Geschütze und Fahrzeuge 
wurden im Zeughause und im Kaufhause untergestellt, die 
Pferde aber auf die umliegenden Dörfer verlebt. Georg Wilhelm 
betrieb mit grossem Eifer die Wiederherstellung der von den 
Franzosen vor Jahr und Tag zerstörten Festungswerke. Auch 
die auswärtigen Unterkunftsorte mussten dazu Arbeitskräfte, 
Pallisaden, Latten und Nägel liefern, obwohl sie sich dagegen 
in endlosen Bittschriften verwahrten. Der Herzog sorgte ferner 
mit Umsicht für die Verpflegung seiner Soldaten. Seine Räte 
Müller und v. Heimburg mussten Lebensmittel nicht nur aus 
Strassburg, sondern auch aus Freiburg und den Kleinstaaten 
des Schwäbischen Kreises herbeischaffen. Nehmen wir noch 
dazu, dass der Herzog am 22. Dezember in einer eingehenden 
Verordnung die Einquartierung, den Proviantempfang und die 
Krankenpflege bei seinem Korps regelte«, so gewinnen wir 



1 Es werden wohl (iOÖ Haushaltungen gemeint sein. 

2 Vergleiche die im Jahre 1879 erschienene Dokumentensammlnng 
des Divisionspfarrers Rocholl zum Feldzuge des Grossen Kurfürsten 
gegen Frankreich. 



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Schlettstadt und Colmar. 49 

den Eindruck, dass hier alles in guter Verfassung und in guten 
Händen war. 

Südlich an den Bezirk der Braunschweiger schlössen sich 
die Quartiere der Bra ndenbu rger an. Ihr Mittelpunkt war 
die Stadt Colmar, wo auch die allgemeinen Angelegenheiten des 
Reichsheeres zusammenflössen. Die deutsch gesinnte alte 
Reichsstadt, die 16 Monate hindurch das fremde Joch hatte 
ertragen müssen, begrüsste freudig ihre Befreier. Gleich den 
Bewohnern der andern Elsüsser Reichsstädte halten auch die 
Colmarer im Jahre 1662 den von Ludwig XIV. geforderten 
Huldigungseid nur in der Form geschworen : «dem Könige mit. 
aller Treue das zu leisten, was sie ihm kraft der im West- 
fälischen Frieden festgesetzten Abtretung der Landvogtei zu 
erweisen schuldig wären.» Ihre völlige Unterwerfung im 
Sommer 1673 war eine durchaus gewaltsame gewesen. Wie 
die Gesinnung der Bürgerschaft in Wahrheit war, erfahren 
wir von einem Chronisten, der vom Herbst 1674 erzählt : 
«Sie haben sich resolvirt, ohnerachtet weder Wälle noch 
Mauren vorhanden waren, bey einander zu leben und zu ster- 
ben.» Sowie sich die ersten Kurbrandenburger blicken Hessen, 
lebte sofort die von den Franzosen unterdrückte Bürgerwehr 
wieder auf und übernahm die Bewachung der Wälle und 
Stadttore. 

Schon am 3. November traf der Oberquartiermeister von 
Berlepsch in Colmar ein, um im Einvernehmen mit dem Ober- 
meister Sandherr die Unterkunft der Truppen und des Hofes 
vorzubereiten. Er brachte das Dragoner-Regiment v. Börnsdorf! 
mit, welches zur Sicherung gegen Breisach in das jenseits der 
III gelegene, dem Fürsten v. Württemberg-Mömpelgard zu- 
gehörige Schloss Horburg verlegt wurde. Dessen Kommandant 
Bitambrod übergab es ohne Widerstand». Die bevorstehende 
Ankunft des evangelischen Fürsten fachte die in Colmar be- 
stehenden religiösen Zwistigkeiten sofort von neuem an. Die 
Akten des katholischen St. Martinsstiftes berichten ausführlich, 
wie der lutherische Magistrat schon am Tage nach Berlepschs 
Ankunft des Läuten der katholischen Kirchenglocken verboten 
und sogar die Beseitigung des eben erst eingeführten ver- 



1 Derfflinger verringerte die Besatzung des Horburger Schlosses 
demnächst auf eine Kompagnie, die Grumbkowsche Dragonergarde. 

4 



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50 



4. Winterquartiere »1er Deutschen. 



besserten Kalenders verlangt habe. Schliesslich musste der 
protestantische Oberst die Lutheraner und der katholische 
Bischof von Basel die Papisten beschwichtigen und zur Nach- 
giebigkeit ermahnen! Politisch waren die Verhältnisse in der 
Stadt minder gespannt; alles stand einträchtig gegen die 
welschen Unterdrücker zusammen, und es verdient hervor- 
gehoben zu werden, dass sich die Mönche des Dominikaner- 
Klosters von dieser Stimmung keineswegs ausschlössen. 

Am 27. November traf Kurfürst Friedrich Wilhelm mit 
seiner Gemahlin Dorothea v. Holstein-Glücksburg 1 in Colmar 
ein und bezog den Wagkeller an der Langen Strasse, ein ge- 
schichtlich bekanntes altes Haus, in dem sonst der Stadtrat 
Recht zu sprechen pflegte 8 . Hier hielt der Kurfürst den 
ganzen Dezember hindurch den emagnifiquen» Hof, der dem 
Götterboten Merkur so imponierte. Leider war Friedrich 
Wilhelm die ganze Zeit krank. In Stotzheim, seinem Nacht- 
quartier vom 215., hatte ihn plötzlich während des Kartenspiels 
ein heftiger Gichtanfall betrotfen, der ihm das Gehen fast un- 
möglich machte und ihn noch wochenlang am Schreiben ver- 
hinderte. Baron Bidal, der französische Gesandte in Hamburg, 
knüpfte hieran die geschmackvolle Bemerkung* «Dieu punit 
les parjures et les princes sans foy». Ausser diesem Leiden 
des Fürsten drückte auch der Umstand auf die Stimmung des 
Colmarer Hofes, dass Kurprinz Karl Emil, des Kurfürsten 
hoffnungsvoller Sohn aus erster Ehe, am 7. Dezember zu Strass- 
burg seinem Leiden erlag. 

Auf militärischem wie auf politischem Gebiete war in 
Colmar viel zu erledigen. Ausser dem Generalslabe, der 
übrigens allein 491 Pferde bei sich hatte, und der Adjutanlur 
befanden sich zahlreiche Räte und Diplomaten des Kurfürsten 
in Colmar, darunter sein Kanzler v. Somnitz. Ferner die aus- 
wärtigen Gesandten, die ihm ins Feld gefolgt waren. An 
ihrer Spitze stand der Freiherr v. Goes, ein alter ängstlicher 
Herr, der schon an den Verhandlungen zum Abschluss des 
d reissigjährigen Krieges mitgewirkt hatte und es jetzt für seine 

1 Schwägerin Georg Wilhelms v. Celle, da sie vordem mit 
dessen älterem Bruder Christian Ludwig vermählt war. 

* Der Wagkellcr, in den 161)8 de Conscil sou verain d'Alsace 
verlegt wurde, ist 1760 abgebrochen worden. Heute steht dort das 
Oberlandcsgericht. 



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Colmar. 



51 



Aufgabe hielt, den Brandenburgischen Hof argwöhnisch zu 
überwachen, in seinen Berichten nach Wien über Benach- 
teiligung der Kaiserlichen zu jammern und die Lage stets in 
den schwärzesten Farben zu schildern. Im Hintergrunde seiner 
Jeremiaden stand stets der Gedanke des Rückzuges über den 
Rhein. Besser verstanden sich die von den Generalstaaten und 
Spanien bevollmächtigten Herren van Heemskerck und de los 
Baibasses mit dem fürstlichen Heerführer. 

An militärischer Einquartierung lagen nicht mehr als 
i200 Mann in Colmar, und diese setzten sich nur aus dem 
Oberkommando, der Generalität, Adjutantur und wenigen 
Leibwachen zusammen 1 . Sogar die Trabantengarde und die 
Leibgarde-Dragoner Hess der Kurfürst ausserhalb Colmars in 
Elsheim und Hoburg unterbringen. Dennoch war die Stadt 
überfüllt und mangelte es namentlich an Stallungen so gänz- 
lich, dass sich sämtliche Kommandeure der Reiter-Regimenter 
in einer Eingabe vom 4. Dezember beim Landgrafen von Hessen 
darüber beklagten, dass sie bei dienstlichem Aufenthalte in 
Colmar ihre Pferde nirgends unterstellen könnten. Der Hafer 
war ausreichend und an Wein Ueberfluss ; aber es herrschte 
wie überall Mangel an Getreide und Mehl, so dass Geheimrat 
Meinders auch jetzt alle Hände voll zu tun hatte, um das 
Korps aus Strassburg und dem schwäbischen Kreise mit Brot 
zu versorgen. Colmar hatte im Herbst hohe Lieferungen an 
•die Festung Breisach leisten müssen. Nachher waren deutsche 
Parteigänger nicht viel glimpflicher verfahren, z. B. der kaiser- 
liche Reiteroberst Heinzy (?), der am 7. November bei Bebeinheim 
einen Zusammensloss mit einem Streifkorps aus Breisach hatte. 
Um das «so miserabel desmantelirte» Colmar wieder verteidi- 
gungsfahig zu machen, wurde fleissig an der Wiederherstellung 
der Wälle gearbeitet, deren Abreissung Ludwig XIV und Vau- 
brun nach ihrem Gewaltstreiche im August 1073 selbst geleitet 
hatten. An den drei Toren der Stadt, dem Deinheimer, Stein- 
brucker und Kerkertor, war die Zerstörung am weitesten vorge- 
schritten und machte daher auch der Wiederaufbau die meiste Ar- 
beit. Oberst v. Berlepsch beschäftigte täglich über 100 Mann dabei. 



1 Geht aus Darmstädter Archivalien hervor; in den Colmarer 
Batsprotokoll-Büchcrn klafft eine Lücke vom Juli 1G74 bis zum 
Februar 1675. 



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52 



4. Winterquartiere der Deutschen. 



Die Kurbrandenburgische Armee nahm ihre Winterquartiere 
in einem Landstrich, der sich von Colmar südwestlich bis fast 
zum Welschen Belchen erstreckte. Am Weissbachtale stiessen 
die Quartiere der Brandenburger mit denen der Braunschweiger 
zusammen. Die Derfllingerschen Dragoner reichten mit ihrem 
rechten Flügel sogar bis nach Urbach, während sie sich südlich 
Iiis Stossweier ausdehnten. Auch wurden sie angewiesen, den 
Bonhomme-Pass zu verpallisadieren. Diese Massregel war ebenso 
wie die Besetzung von Walting» an der Meurthe von dem 
rührigen Herzog v. Celle angeregt worden. Das evangelische 
Gregorien- oder Mönstertal hatte um eine Besatzung von 150 Mana 
für Münster ausdrücklich gebeten. Sie wurde ihm auch zu teil, 
freilich in weit grösserer Starke. Nicht weniger als vier Reiter- 
Regimenter (Prinz Friedrich, Anhalt, Homburg und Croy) waren 
von Zimmerbach bis Sulzern und Melzeral verteilt. Das kleine 
Dorf Griesbach musste in 26 Haushaltungen etwa 150 Hom- 
burgische Reiter unterbringen. Indessen war die Aufnahme des 
Militärs im ganzen Münstertale eine sehr freundliche. 

Die nähere Umgebung von Colmar war stark belegt. Die 
Ortschaften, die sich von Winzenheim nördlich um die Stadt 
bis nach Fortschweiler erstrecken, hatten die Artillerie aufzu- 
nehmen. Die Brockdorflschen Reiter und das Leibregiment zu 
Pferde füllten den Raum von Weltolsheim nach Hattstatt, sowie 
die Dörfer an der III von Andolsheim bis Meienheim. Die Quar- 
tiere der BomsdortT-Dragoner dehnten sich bis nach Blodelsheim 
am Rheine aus. In Regisheim war enge Verbindung, aber auch 
viel Reibung mit den Kaiserlichen in Ensisheim. In Rufach 
rückten am 28. November die Fussregimenter Dohna und Goltz: 
ein, zusammen 2100 Mann mit 300 Weibern «undt gar viel 
Kindtern». Bei mittelmässigen Bürgern lagen oft 18 Mann mit 
Verpflegung. Sulzmatt, ein kleines Städtchen von 80 Häusern,, 
hatte das ganze Regiment Dönhoff aufzunehmen. Den Bezirk 
von Bergholz-Zell und Munweiler bis nach Feldkirch hin be- 
legten die Regimenter Lüdeke und Mörner, während sich die 
Quartiere der Derfflingerschen und Görlzkeschen Reiter vor* 
Osenbach und Westhalten bis nach Lautenbach-Zell, Murbach 
und Gebweiler an der Lauch erstreckten. 

Weiter südlich schlössen sich in Sulz die Regimenter Hol- 



1 Der jetzt französische Ort 1c Valtin. 



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Unterkunft der Brandenburger. 



53 



ist ein und Fargel an. Nördlich von Sennheim war Oberst 
v. Prinlzen mit dem Kurprinz-Regiment zu Pferde unterge- 
kommen, in Sennheim selbst das Regiment Flemming. Im Tale 
■der Thür hatten sich die Brandenburger schon einige Wochen 
vor dem allgemeinen Abrücken in die Winterquartiere einen 
Stützpunkt geschaflen. Oberst v. Schöning nahm mit dem In- 
fanterie-Regiment Kurprinz das Slädtchcn Thann schon am 
10. November ein. Das dortige Schloss Eugelsburg 1 hatte eine 
französische Besatzung von 150 Mann und beherbergte einige 
Vorräte. Der dort kommandierende Hauptmann ergab sich erst, 
als das Schloss «mit einem Feuer-Mörsel und 6 Stücken» be- 
schossen , wurde. Oberst v. Schöning legte t200 Mann in das 
Schloss, die übrigen in die Stadt. Von St. Amarin aus, wo 
wohl nur Vorposten standen, wurde Verbindung mit den 
Lothringern aufgenommen, die wir ebenfalls schon im No- 
vember in diesen Grenzgebieten wissen. Dass bereits am 6. De- 
zember die Vorschiebung eines Kurbrandenburgischen Korps 
unter Herzog August v. Holstein in der Richtung auf die Frei- 
grafschaft begann, werden wir im 6. Abschnitt genauer erfahren. 

Kurfürst Friedrich Wilhelm hielt bei seinen Truppen aut 
strenge Mannszucht und Hess gleich nach dem Einrücken in die 
Winterquartiere bei allen Regimentern unter Trommelschlag 
und Trornpetenschall vor allen Ausschreitungen und Vergehungen 
gegen das Eigentum der Landeseinwohner nachdrücklichst 
warnen. In diesen Schutz schloss er «diejenigen auss Lothe- 
ringen undt Burgund!» ausdrücklich ein. Als aber Beschwerden 
gegen seinen General-Quartiermeister v. Berlepsch einliefen, 
als ob er sich widerrechtlich bereichert habe, da Hess der 
Kurfürst in allen L'nterkunftsorten Nachforschungen anstellen. 
Uebrigens ergaben die an alle Ortsvorstände, Hausbesitzer, 
Müller und Schmiede ergangenen Anfragen die volle Unschuld 
des verdächtigten Offiziers. Auch erliess der Kurfürst eine ein- 
gehende «Verpflegungs-Ordinanlz» in Letterndruck, die aller- 
dings erst im Januar an die Truppen verausgabt weiden konnte. 
Auch bei diesem Kontingent können also die inneren Zustände 
als ordnungsmässig und gut geregelt bezeichnet werden. 

Den Kaiserlichen war bei der Austeilung der Winter- 



i Sein Besitzer" war la Mailleraye Hcrzo<r v. Mazarin, ein Neffe 
des Kardinals und Inhaber der Hagenauer Landvo^tci. 



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04 



4. Winterquartiere der Deutschen. 



quartiere die Südostecke des Elsass zugefallen, der sogenannte 
Sundgau, der erst 1G48 vom Habsburgischen Kaiserslaate los- 
getrennt und an Frankreich gefallen war. Bournonville erklärte 
denn auch in einer Proklamation, die er durch Reiflenberg im 
Sundgau verbreiten liess : dass der Krieg der Zurückführung 
der treuen deutschen Lande zu ihrer alten Freiheit gelte. Obwohl 
es sich um Alt-Habsburgisches Land handelte, war Bournon- 
ville nach seiner kleinlichen Art sehr unzufrieden mit der ge- 
troffenen Entscheidung, die ihm nicht mehr als 100 Ortschatlen 
zuwiese. Seine Klagen über Benachteiligung nahmen mitunter 
einen recht gehässigen Ton an, z. B. wenn er schrieb : «Aber 
es waren Etliche, welche nur verlangt, dass Fette von ihren 
Quartieren auflf eine kleine Zeith herunter zu nehmen, wohl- 
wissende dass selbe nicht aufT den ganlzen Winter erklecklich. 
Sie haben die Kayserliche sehr übel undt eng logirt, nur damit 
sie bedeckt seyn mögten». Wie ungerecht dieser letzte Vorwurf 
war, lehrt ein Blick auf die Karte ; der Unterkunftsbezirk der 
Kaiserlichen grenzte nur auf wenige Kilometer an Lothringen, 
von wo ein Angrifl Turennes zunächst nur erwartet werden 
konnte. Aller menschlichen Voraussicht nach waren die Quar- 
tiere der Kaiserlichen gerade die bestgesicherlen gegen einen 
Angriff des Feindes. 

Besonders hartnäckig und unerquicklich war der Streit der 
beiden Nachbarn über den Zipfel der Ammannschaft Landser, 
der sich nordöstlich über Ensisheim hinaus erstreckte». Rlodels- 
heim z. B. war vom Regiment Kaiserstein schon belegt, mussle 
aber auf drohendes Verlangen der Bomsdorflschen Dragoner 
diesen eingeräumt werden. In der Tat wies die Quartiers- 
Dislribution den Kaiserlichen hier nur den Landstrich «von 
Ensissheim hinnüberwertss gegen den Rhein biss an Münch- 
husen und Blodelssheim exclusive» zu. In Ensisheim selbst 
nahm der Herzog v. Bournonville sein Hauptquartier. Es war 
zwar kleiner als Colmar, aber eine nicht unwichtige Stadt, die 
im Jahre 1657 bei der Errichtung des Provinzialrates für Fran- 
zösisch-Elsass zu dessen Sitz erwählt worden war. Freilich war 
diese hohe Behörde kürzlich nach Breisach übergesiedelt. Seinem 
Generalstabe wies Alexander v. Bournonville das benachbarte 



i Der Sundjrau zerfiel in die drei Ammannschaften (ammannics) 
Altkirch, Pfirt und Landser. 



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Ensisheim. — Die Kaiserlichen. 



55 



Dorf Rülisheim zu Verpflegungszwecken zu. Das Kürassier- 
Regiment Bournonville und wohl auch Jung-Holstein lagen 
gleichfalls in dieser Gegend. Auch Dragoner scheinen zur Be- 
satzung von Ensisheim gehört zu haben. Wenigstens hat Frau 
v. ReiiTenberg, die Gattin des Dragonerchefs, dort gewohnt. 
Auch Teile des Fussregimenls Kaiserstein und der Artillerie 
lagen in diesem Städtchen, wo man beim Einrücken noch 
einige Franzosen von der Breisacher Garnison angetroffen und 
in kaiserliche Dienste genommen hatte. 

Weiterhin war den Kaiserlichen alles Land südlich der 
Doller zugefallen. Die ansehnliche Stadt Mülhausen mussle 
leider davon ausgeschlossen bleiben, da sie zur Schweizer Eid- 
genossenschaft gehörte und neutral war. Nur zum Ankauf von 
Lebensmitteln durfte sie ausgenutzt werden. Aus dem ihr zu- 
gehörigen Dorfe Illzach wurde freilich am 3. Dezember gewalt- 
sam, aber widerrechtlich Vieh beigetrieben. In und bei Altkirch 
lag das Fussregiment Portia und das Reiter-Regiment Jung- 
Lothringen, vielleicht auch Jung-Holstein. 150 Mann von Portia 
lagen imAltkircher Schloss, und auch Landser war von diesem 
Regimenle belebt. Den Grafen Sereny und Caprara war der 
südlich der Doller gelegene Teil des Amtes Thann zugewiesen. 
Sie hatten dort Verbindung mit den Alt-Lothringern am Passe 
zur Lind?n, der aus dem Masmünster-Tale hinausführt. Die 
Stadt Masmünster war das Quaitier des Grafen Caprara. In 
Pfirl lagen die Kroaten und Dünnewald. Vor Landskron, ein 
von den Franzosen besetztes Durlachisches Schloss hart an der 
Schweizer Grenze, legte General Werlmüller das Infanterie- 
Regiment Vehlen. Das Alt-Habsburgische Schloss Hüningen bei 
Basel, wo eine französische Besatzung lag, ergab sich am -13. 
Dezember dem General v. Dünnewald. Später wurde Hüningen 
der Standort des Generals Wertmüller, der unter anderen das 
Regiment Strein unter sich hatte. Uebrigens bewarb sich auch 
der aus lothringischen in brandenburgische Dienste übergetretene 
Oberst la Roche, der zu irgend welchen, etwas unklaren Ge- 
schäften in Basel weilte, dringend darum, dass ihm das Dorf 
Hüningen zur Unterhaltung seiner Equipage und Pferde einge- 
räumt werde. 

Aus den mitgeteilten Notizen über die kaiserlichen Truppen 
lässt sich, obwohl sie nicht alle Regimenter nennen, ein ziem- 
lich klares Bild der österreichischen Winterquartiere gewinnen. 



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56 4. Winterquartiere der Deutschen. 



Aber schon in den ersten Tagen des Dezember begannen die 
Kaiserlichen, sich mit einem vom Markgrafen Hermann v. Baden 
befehligten Teile ihrer Truppen auch im Eisgau aufBefTort und 
Mömpelgard zu auszudehnen. Wir werden auf dieses Vorgehen, 
das in Verbindung mit der entsprechenden Vorwärtsbewegung 
der Kurbrandenburger unter Herzog August v. Holstein stand, 
in anderem Zusammenhange näher eingehen. Die Truppen, die 
auf soche Weise ihr Winterquartier weiter südlich suchen wollten, 
waren das Infanterie- Regiment Reuss und das Reiter-Regiment 
Baireuth. Ferner gehörte dazu das den Kaiserlichen zur Unter- 
bringung zugeteilte gesamte Münsterische Truppenkorps. Wir 
wissen darüber nur wenig : jedenfalls hatten die Bischöflichen 
den äussersten Posten nach Südwesten inne und verloren in 
dieser Zeit durch den Tod nicht nur den Reileroberst Hautyn, 
sondern auch ihren Führer, den Generalmajor Post. 

Dass die Winterquartiere- der Kaiserlichen und Münsteraner 
zu wünschen übrig Messen, scheint richtig zu sein ; oder ihre 
Intendantur muss völlig versagt haben. Jedenfalls stimmen alle 
Berichte darin überein, dass die Truppen in ihren Ruhequartieren 
immer mehr zusammenschmolzen statt sich zu erholen. Mül- 
hauser Ratsherren, die aus Ensisheim zurückkehrten, erzählten 
beispielsweise: die Soldaten seien ansehnlich und tapfer, aber 
ausgehungert und mit Pferden und Gewehr übel versehen ; sie 
ässen was sie auf dem Felde fanden und zögen sich dadurch 
vielfach das Fleckfieber zu. Die Abgeordneten der Stadt Mül- 
hausen, von denen diese Aeusserung stammt, waren nach En- 
sisheim entsandt worden, um dem kaiserlichen Feldmarschall 
eine Ehrengabe zu überbringen, wie das damals üblich war. 
Bei Deutschen und Franzosen war gleichmässig die schlechte 
Sitte in Uebung, dass die irgendwo einquartierten höheren 
Offiziere sich bei ihrem Abzüge eine «Discretion» in Geld und 
Wein von der Ortsbehörde zahlen Hessen oder abnötigten, wie 
es mitunter in den städtischen Kontobüchern heisst. Die Mül- 
hauser Herren urteilten jedenfalls unparteiisch ; der kaiserliche 
Heerführer selbst schildert den Zustand seiner Truppen in den 
Berichten an Montecuccoli in noch viel dunkleren Farben. 

Bournonvilles eifrige Bemühungen, den Fürsten Georg von 
Mömpelgard auf die Seite der Verbündeten hinüberzuziehen, 
schlugen fehl, weil Marschall Turenne wirksame Gegenminen 
legte. Dagegen bestanden befriedigende Beziehungen mit Mül- 



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Die Münstcraner. — Beziehungen zur Schweiz. 



57 



tiausen und Basel. Beide Städte standen wie Bern und Zürich 
im Bundesverhältnis mit Strassburg. Im Monat Oktober befanden 
sich hech Schweizertruppen dorlselbst ; denn der französische 
Gesandte v. St. Romain stellte an Bern und Zürich das Ver- 
langen, sie möchten ihre Völker von Strassburg abfordern. 
Der in Pruntrut wohnhafte Bischof Johann Konrad von Basel 
war ein der deutschen Sache zugetaner Mann, verstand sich 
aber merkwürdigerweise mit dem protestantischen Branden- 
burger besser als mit Bournonville. Auf die Schweizer Eid- 
genossenschaft waren sowohl Frankreich wie die Verbündeten 
eifrig aber im Ganzen erfolglos bemüht, in ihrem Sinne ein- 
zuwirken. Für den Kaiser war der spanische Gesandte Graf 
Casati tätig. Kurfürst Friedrich Wilhelm schickte den Diplo- 
maten Thomas v, d. Knesebeck zu den in Aarau versammelten 
Kantonen, erzielte jedoch auf seine eindringlichen Vorstellungen 
nur eine gewundene und nichtssagende Antwort, die auf voller 
Neutralität bestand, gleichzeitig aber betonte, man könne die 
Werbungen zu den französischen Schweizer-Regimentern nicht 
hindern. Für die Verpflegung der Kaiserlichen blieb die 
Schweiz jedoch eine sichere Basis. Bournonville legte deshalb 
Wert auf seine Postierungen zu Landskron und Hüningen. 

Dass der vorderösterreichische Breisgau den Winterquar- 
tieren der Kaiserlichen so benachbart lag, war ebenfalls sehr 
günstig für sie. Leider aber war die einzige dorthin führende 
Brücke, die von Breisach, im Besitze der Franzosen. Man 
sollte meinen, dass bei dieser Sachlage und der ängstlich vor- 
sichtigen Eigenart ihres Befehlshabers die Kaiserlichen dem 
Auftrage des Grossen Kurfürsten, eine Schiffbrücke bei Nambs- 
heim herzustellen, mit besonderem Eifer hätten nachkommen 
müssen. Sonderbarerweise wurde aber diese Angelegenheit, 
deren im nächsten Abschnitte näher gedacht werden wird, 
von ihnen sehr lässig betrieben. Schon am 4. Dezember 
wusste Turenne von der im Werke betindlichen Brücke. Als 
aber um die Jahreswende sein Einbruch in das Oberelsass er- 
folgte, war mit dem eigentlichen Brückenschlage noch nicht 
einmal begonnen. Hätte Turenne durch eine Offensive von 
Norden her seine Gegner vom Strassburger Rhcinpass ab- 
gedrängt, so hätte d»s Säumnis bei Nambsheim sich bitter 
strafen können. So beschränkte sich der Nachteil darauf, dass 
das angesammelte Brückenmaterial nicht für die Belagerung von 



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5. Einschliessung von Breisach. 



Breisach nutzbar gemacht werden konnte. Diese Festun?, die 
gerade im Rucken der deutschen Winterquartiere lag, machte 
den Verbündeten so viel zu schaffen, dass wir uns ihr jetzt 
in einem besonderen Abschnitte zuwenden wollen. 

5. Einsohliessung von Breisaoh. 

Die Festung Breisach, die sich auf zwei steil vom Rhein 
aufsteigenden Felsen erhob, galt im 17. Jahrhundert für eines 
der stärksten Bollwerke, ja für den Schlüssel des südlichen 
Deutschlands. Herzog Bernhard von Weimar halte die wichtige 
Rheinfeste im Jahre 1638 nach einer denkwürdigen Belagerung 
zu Falle gebracht. Seitdem war Breisach für das Haus Oester- 
reich verloren. Der Westfälische Frieden hatte die Stadt 1648 
sehr gegen den Willen ihrer gut deutsch gesinnten Bewohner 
an Frankreich gebracht. Froh, hierdurch auf dem rechten 
Rheinufer festen Fuss gefasst zu haben, hatte die französische 
Regierung Breisach durch ihren berühmten Festungsbaumeister 
Vauban stärker denn je befestigen lassen. 

Seine Werke umfasslen ausser der Umfassungsmauer der 
Oberstadt, aus der sich das Schloss und das Münster erhoben, 
auch die westlich vorgelagerte Unterstadt und den südlich der 
eigentlichen Stadt gelegenen hohen Eckartsberg. Das Ganze 
war gegen den Breisgau durch ein reichgegliedertes System 
von Bastionen und Ravelinen in Vaubans bekannter Manier ab- 
geschlossen. Zwei Tore führten aus diesem Teile der Festung 
hinaus : nach Norden das Kupfertor, nach Süden das Neue Tor. 
Ein dritter Ausgang, das Brucktor, führte nach Westen zur 
Brücke über den reissenden, damals noch in mehrere Anne 
gegliederten Rheins! rom. Sie berührte eine mit einer Flesche 
versehene Insel, die sogenannt« Strohinsel 1 , und endete auf 
dem linken Ufer südöstlich von Biesheim in einem starken 
Brückenkopf, der sogenannten Lunette de France, die aus zwei 
Bastionen mit einem Ravelin bestand und vor kurzem den 
Namen Fort Mortier erhallen hatte. Endlich gehörte noch die 
Redoute Eisenberg auf einer nördlich der Stadt gelegenen Rhein- 
insel zu den Festungswerken. 

i Hier auf der Isle de Paille erbaute Ludwig- XIV 1681 nach 
dem Nymwegcr Frieden eine neue Stadt, die Strohstadt St. Louis, 
die aber nach kurzer Blüte wieder verfiel, als Neubreisach entstaud. 



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Die Festung Breisach. 



59 



Ludwig XIV machte ßreisach zur Hauptstadt der Provinz 
Elsass und ersetzte die anfangs dort die Verwaltung führenden 
Landvögte nach und nach durch ganz französische Behörden. 
Auch als er im Sommer 1673 seinen Elsässischen Besitz durch 
gewaltsame Unterwerfung der dortigen Reichsstädte vervoll- 
ständigt hatte, behielt die Verwaltung des Landes ihren Mittel- 
punkt in der rechtsrheinischen Feste. Im April 1674 siedelte 
auch der höchste Gerichtshof des Landes, der Conseil Provincial^ 
von Ensisheim dorthin über. Die Bevölkerung setzte diesen 
Bestrebungen einen hartnäckigen, wenn auch passiven Wider- 
stand entgegen. Wir erfahren das beispielsweise aus einem 
Schreiben, das der Prinz v. Conde am 20. Juni 1673 an Louvois 
richtete und worin er sich bitter über die offenkundige Hin- 
neigung der Bevölkerung Breisachs zu Deutschland beklagte. 
Der Einbruch des grossen Heeres der Verbündeten in das 
Elsass im Herbst 1674 konnte die Breisacher in ihrer deutschen 
Gesinnung und ihren Hoffnungen auf Wiedervereinigung mit 
dem Mutterlande nur bestärken. Aber an offenen Widerstand 
gegen die von dem energischen Oberst le Roy befehligte Be- 
satzung war nicht zu denken. Die Bürgermeister mussten sich 
fügen, als le Roy ihnen die Errichtung einer Bürgerwehr aut- 
erlegte. Alle widerstrebenden Bürger wurden ohne weiteres ver- 
haftet, und am 10. Dezember konnte der Kommandant dem 
Kriegsminister melden, dass die Bürgerwehr errichtet sei und 
aus 4 wohlbewaffneten Kompagnien zu 100 Mann bestände. 

Natürlich durfte das Heer der Deutschen, dem die freie 
Passage über den Rhein von so grosser Wichtigkeit war, dieses 
Bollwerk des Feindes nicht unberücksichtigt lassen. Dass es 
unschädlich gemacht wurde, war eine Vorbedingung der Winter- 
quartiere im Oberelsass. Der in Breisach befindliche Intendant 
de la Grange Hess, während die Deutschen im Lager von Bläs- 
heim lagen, das Oberelsass rücksichtslos ausfouragieren. Die 
Beitreibungen dehnten sich bis nach Schlettstadt, Maikirch, 
Münster und Ensisheim aus. Vom 30. September an mussten 
aus der ganzen Gegend bedeutende Vorräte nach Breisach an- 
gefahren werden. Da nun gleichzeitig auch Lebensmittel für 
die Deutschen nach der Breusch zu liefern waren, so lusst es 
sich wohl denken, dass «das gantze Land auff und ab ziemlicher 
Massen gleert worden von Früchten und Wein und Vieh». 
Auch dass nach Nicolaus Kleins naiver Erzählung «die Leit in 



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CO 



5. Einschliessung: von Breisach. 



Engslen hinweg geflöht» sind, soll nicht bezweifelt werden. 
Dennoch gelang es hinsichtlich mancher Lebensbedürfnisse nur, 
begrenzle Vorraismengen in der Festung anzusammeln, und 
darauf setzten die Deutschen ihre Hoffnung, als sie gegen 
Breisach vorgingen. Zu einer regelrechten Belagerung mit 
Parallelen, Approchen und Minengängen fehlte es an Be- 
lagerungsgerät und an geschultem Personal. Wohl aber durfte 
man hoffen, die Besatzung zur Uebergabe zu zwingen, wenn 
man ihr die Zufuhr abschnitt und sie aushungerte. 

In diesem Sinne entschied sich nach Anhörung des Kriegs- 
rates und in Gemässheit der am 10« Dezember vom Obersten 
la Roche aus Basel ergangenen Vorschläge der Kurfürst Fried- 
rich Wilhelm. Die Einschliessung wurde so geregelt, dass 
von Freiburg her Generalmajor Schütz mit dem kaiser- 
lichen Kürassier-Regiment Gondola und etwas Fussvolk die 
Festung gegen Osten abschliessen sollte, während Branden- 
burger und Kaiserliche auf dem linken Ufer den Einschliessungs- 
ring vollendeten. Vom Anfang November an, als die Vortruppen 
der Verbündeten in ihren Unterkunftsbezirken eingetroffen 
waren, richtete sich deren Sorge darauf, der Festung Breisach 
die Zufuhr abzuschneiden. Die Dragoner des Obersten v. 
Bomsdorff erbeuteten zu Anfang November einen Transport 
von 7 Wagen und 30 Pferden sowie 713 Kanonenkugeln, die 
von Beffort nach Breisach unterwegs waren. Ein anderer 
Lebensmittel-Transport fiel am 22. November in die Hände 
einer brandenburgischen Abteilung, die bis ziemlich dicht an 
das Fort Mortier aufklärte und zwei Mühlen zerstörte. Der 
lüneburgische Quartiermeister v. Rumohr wurde von seinem 
brandenburgischen Kollegen v. Berlepsch ersucht, keinerlei 
Lebensmittel von Markolsheirn nach Breisach durchzulassen. 
Ferner trafen die genannten Herren Abrede, die Postverbindung 
zwischen Strassburg und Basel von ihrem jetzigen Wege über 
Breisach, wo sie natürlich der Einsichtnahme durch die Franzosen 
unterlag, nach dem allen Wege über Schlettstadt und Colmar 
zurückzulenken. 

Die eigentliche Blockade von Breisach begann erst nach 
der Ankunft des Grossen Kurfürsten in Colmar. Am 9. De- 
zember erkundete Landgraf Friedrich von Hessen -Homburg, 
am 13. der Kurfürst selbst, von Kanonenschüssen begrüsst, die 
Westfront der Festung. Er beliess 300 Dragoner, die sehr 



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Erschliessung auf dem linken Rheinufer. 



61 



bald durch 200 Infanteristen verstärkt wurden, in Biesheim. 
In diesem Dorfe, das noch von der Belagerung 1638 her in 
Trümmern lag, belegten sie ein altes Schloss und eine Kirche,, 
die sie verschanzten, und hatten hinfort die Einschliessung 
gerade gegenüber der Strohinsel durchzuführen. Da sie oft 
durch das Feuer der feindlichen Geschütze belastigt wurden, 
stellte der Kurfürst noch vor dem 48. Dezember auch seinerseits 
Kanonen in Biesheim auf, wiewohl Bournonville diesen Ort für 
viel zu gefährdet hielt. Die Brandenburgischen Einschliessungs- 
truppen, zu denen alle Kavallerie-Regimenter je 10—25 Mann 
kommandiert hatten, wurden dem Oberstleutnant v. Geismar vom 
Regiment Homburg unterstellt. Am 16. Dezember konnte der 
Kurfürst berichten, dass eine «Parthey» von 15 Reitern einen- 
erfolgreichen Zusammenstoss mit einem stärkeren Trupp Fran- 
zosen gehabt und 14 Gefangene eingebracht habe. 

Weiter südlich schlössen sich in Volgelsheim, Weckolsheim, 
Algolsheim und Obersaasheim die Einschliessungstruppen der 
Kaiserlichen an. Dem Befehle des Kurfürsten gemäss hätten- 
sich 200 Mann Infanterie in Volgelsheim verschanzen sollen, 
wogegen aber Bournonville wieder allerhand Ausflüchte und 
Bedenken hatte. Welche Truppenteile der Kaiserlichen sich 
am Einschliessungsdienst von Breisach beteiligten, ist nicht er- 
mittelt 1 . Das Regiment Kaiserstein war jedenfalls dabei, da es 
seinen Unterkunftsbezirk nordöstlich von Ensisheim halte. Sehr 
energisch geschahen die Angriffsarbeiten der Oesterreicher 
nicht. Man begnügte sich bei ihnen im Allgemeinen damit, 
keine Verpflegung in die Festung zu lassen, die Mühlen zu 
zerstören und die Besatzung am Hoizhauen zu hindern. An- 
einigen Orten wurden Holzvorräte niedergebrannt, um sie den 
Franzosen zu entziehen. Am 17. Dezember berichtete Bour- 
nonville allerdings, er lasse dem Fort Mortier gegenüber Brust- 
wehren aufwerfen; aber diese Erdarbeiten befanden sich, als 
die Festung durch Turennes Heer entsetzt wurde, noch in den 
ersten Anfängen. 



i Das <Verwirrete Europa» behauptet, diesseits des Rheinstromes 
sei das Regiment des Obersten Schneidau vor Breisach geschickt 
worden, während jenseits der General Schütz agiert habe. Diese 
Angabe ist unbedingt eine «verwirretc» ; denn das Kürassier-Regiment 
Schneidau hiess seit dem Frühjahr 1674 Gondola und war die Truppe 
des rechten Rheinufers. 



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5. Erschliessung von Breisach. 



Etwas tätiger zeigte sich Generalmajor Schulz aus Freiburg, 
der die EinSchliessung auf dem rechten Rhemufer durchführte. 
Er hatte dazu, wie wir hörten, das Kürassier-Regiment Gondola 
und etwas Fussvolk zu seiner Verfügung und setzte sich mit 
ihnen in dem alten Lager des Herzogs Bernhard von Weimar 
vom Jahre 1G38 fest. Seine Absicht, Hochstetten zu besetzen, 
konnte er nicht durchführen, da le Roy dieses Dorf rechtzeitig 
niederbrennen Hess. Dagegen glückten ihm einige erfolgreiche 
Anschläge gegen die Mühlen der rechten Rheinseite. Schon 
am 30. November wurde eine solche von den Kürassieren in 
Brand gesteckt. Am 4. Dezember machte Schütz die Aue- 
Mühle durch Ableitung des Wassers unbrauchbar und erbeutete 
bei dieser Gelegenheit 1000 Klafler Brennholz. Auch einer 
Pulvermühle liess Schütz das Wasser abgraben. Endlich ge- 
lang es ihm sogar, die Wassermühle auf dem Rheine zum 
Sinken zu bringen, die mit ihren acht Gängen die leistungs- 
fähigste von allen war. Auch mit der Anlage von Laufgräben 
und Brustwehren ging es auf dem rechten Ufer etwas besser 
vorwärts als auf dem linken. 

Eine weitere Unternehmung der Verbündeten gegen die 
eingeschlossene Festung richtete sich gegen die Rheinbrücke. 
Punkt 2 der la Roche'schen Vorschläge vom 10. Dezember 
lautete: «dass man mit grossen Eichbeumen Flöss machen undt 
dardurch die Brüge ruiniren solle». Dementsprechend wurden 
aus Rheinfelden, Neuenburg und Freiburg Brandschifle und 
Brand flösse beschafft, die man brennend gegen Breisach treiben 
liess, «umb die Bruck vor dieser Vestung zu verderben, ge- 
stalten dann durch dieselbe zwey Joch schadhafft gemacht 
wurden». Freilich waren diese Schäden von den Franzosen 
ba4d wieder ausgebessert, so dass eine nachhaltige Unterbrechung 
der Verbindung zwischen den beiden Stromufern gar nicht 
eingetreten ist. Die schon im vorigen Abschnitt erwähnte, vom 
Grossen Kurfürsten geplante Schiffbrücke zwischen Nambsheim 
und" Hartheim die in jeder Hinsicht notwendig war, sollte 
vorzugsweise den Einschliessungstruppen von Breisach zu Gute 
kommen. Die Sache wurde aber österreichischerseits gänzlich 
verschleppt. Langsam und gemächlich wurden von Basel her 



1 Ursprünglich scheint sie bei Neuenburg geplant gewesen zu 
sein ; begonnen wurde sie aber bei Hartheini. 



Massnahmen auf dem rechten Rheinufer und beim Verteidiger. G3 



Balken und Kahne angefahren, sowie aus dem Münstertale 
Holz und Zimmerleute beschafft. Sodann wurden Flösse von 
£0 Fuss Breite hergestellt; aber es dauerte sehr lange, bis sie 
fertig waren. Der unter dem Decknamen des «Götterbolhen 
Mercurii» schreibende Schriftsteller äusserte sich am 18. De- 
zember dahin, die Schiffbrücke hätte längst fertig sein können, 
wäre aber erst vor einigen Tagen angefangen worden. So 
konnte es geschehen, dass die Brücke überhaupt nicht fertig 
wurde, und dass der kaiserliche Befehlshaber um Neujahr beim 
Nahen Turennes nichts tun konnte, als das bei Hartheim an- 
gesammelte Material Hals über Kopf nach Neuenbürg abfahren 
zu lassen, von wo es dann wohl über Land nach Freiburg ge- 
rettet sein mag. Wenn Herr v. Goes am Neujahrstage 1G75 
seinem Kaiser schrieb : aUnter meinen gröslen Klagen ist, 
dass diese Brückhe nit verfertigt worden», so hätte er nicht 
verabsäumen sollen hinzuzufügen, dass die Schuld daran in 
erster Linie dem kaiserlichen Feldherren beizumessen war. 

Einen besseren Eindruck als die lauen Massnahmen der 
Angreifer macht das Verfahren des Verteidigers der Festung, 
in welcher Oberst le Roy, ein Kavallerie-Regiments-Kommandeur, 
mit kräftiger Hand den Befehl führte. Unter Leitung des 
Ingenieurs Sauvage wurde eifrig an der Instandhaltung und 
Ausbesserung der Werke gearbeitet. Ein Kanal wurde ausge- 
hoben, die Batterien verstärkt, Anschlusslünetten auf dem 
linken Rheinufer neben dem Fort Mortier hergestellt. Herr v. 
Tarades, der die Besatzung dieses Forts kommandierte, kam 
gleich seinen Leuten den ganzen Dezember hindurch nicht aus 
den Kleidern. An diese meistbedrohte Stelle wurden wohl nur 
Kerntruppen verlegt. In der Stadt selbst aber hatte Oberst le 
Roy ausser mit der Feindschaft des überwiegenden Teiles der 
Bevölkerung auch mit dem Uebelstande zu rechnen, dass sich 
unter der Garnison selbst eine Anzahl unzufriedener Elemente 
befand. Die Besatzung von Breisach zählte ungefähr 1500 
Mann. Unter ihnen waren 300 Schotten vom Regiment Douglas, 
die nicht als zuverlässig galten. Auch Oberst la Roche schloss 
aus brieflichen Nachrichten, die er aus Breisach erhalten hatte: 
«dass absunterlich die Frembten wegen continuierlicher Fatigue 
leicht zu einem Auffstandt bewogen werden möchten». Um in 
diesem Sinne auf die Schotten einzuwirken, liess er einige 100 
Zettel in der Festung ausstreuen, auf denen in schwedischer (?) 



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5. Einschliessung von Breisach. 



Sprache zu lesen war: «diese Nation solle, weil ihr König 
nuhnmehro auch in die Keyserliche Allianz getredten, die Waffen 
niederlegen und zu unss komen, doch dan einem Jeden 4 
Monath Soll und, da sie nach Hauss verlangen, ein Pasport 
gegeben werden solle*. Viel Wirkung scheint dieses nicht 
sehr ritterliche Mittel nicht ausgeübt zu haben. Immerhin 
sah le Roy sich genötigt, aus den Reihen der Schotten einige 
Missvergnügte, die nicht fechten wollten, festzunehmen und in 
einer Kirche einsperren zu lassen. Was übrig blieb, nament- 
lich das Regiment Piemont, war zuverlässige Mannschaft, die 
sich auch durch den bald eintretenden Mangel an Lebens- 
bedürfnissen nicht entmutigen liess. 

Etwa 60 Tage hindurch blieb der Festung alle Zufuhr ab- 
geschnitten, und die Mühlen wurden zumeist zerstört. Es ist 
daher begreitlich, dass es nach und nach an Mehl und Brot 
zu mangeln begann. Ferner ging das Salz zu Ende. Immerhin 
war die Einschliessung nicht so eng, dass nicht einzelne Bei- 
treibungs-Kommandos sich hätten durchschleichen können. Am 
12. Dezember erfuhr z. B. Bournonville von einem solchen, 
der sich schon seit mehreren Tagen im Hartwalde verborgen 
hielt, um Lebensmittel aus Mülhausen und Basel in die Festung 
zu geleiten. Es dauerte nicht lange, bis ein für die winterliche 
Jahreszeit recht bedenklicher Mangel an Brennholz eintrat. An- 
fangs konnten die Eingeschlossenen bei Nambsheim genug 
finden. Als die Verbündeten ihnen aber das Holzholen immer 
mehr erschwerten, schritt der Kommandant dazu, Häuser ein- 
zureissen, um die Balken als Brenn- und Kochholz zu verwerten. 

Gewiss hätte bei vielmonatlicher Einschliessung auch das 
System der Aushungerung zum Ziele führen können. Denn wie 
wir aus einem Bericht des Intendanten la Grange vom 22. Ja- 
nuar ersehen, waren auch durch Geldmangel schon Verlegen- 
heiten entstanden. Aber wie die Ereignisse sich gestalteten, 
konnte den Eingeschlossenen eine ernstliche Gefahr aus dem 
Verfahren der Belagerer nicht erwachsen. Der Geschützkampf 
war sehr matt und fand überhaupt nur bei besonderem An- 
lasse statt. Oberst le Roy liess ausserdem die Dörfer Volgels- 
heim und Hochstetten, wo die Kaiserlichen ihre Batterien auf- 
bauen wollten, durch einen seiner Offiziere Namens de Vissac 
in Asche legen und erreichte damit in der Tat die beabsichtigte 
Verzögerung der Beschiessung. Dass Marschall Turenne mit 



Entsatzaussichten. 65 

# 

Hülfe nahte, war dem Kommandanten der Festung wohlbekannt; 
denn so völlig war die Erschliessung nicht, dass keine Nach- 
richten dorthin durchgedrungen wären. Das naive Verlangen, 
mit dem le Roy am 4. Dezember an den Kurfürsten herantrat: 
der Intendant la Grange möge durchgelassen werden, um 
Lebensmittel aus der Freigrafschaft zu holen, — würdigte 
Friedpich Wilhelm keiner Antwort. Für die Rücksendung von 
40 Gefangenen aber bedankte er sich höflich, obwohl der 
Festung natürlich nur darum zu tun war, sich dieser unnützen 
Esser zu entledigen. 

Auch die Verbündeten hatten inzwischen von Turennes 
Zug gen Süden erfahren. Als sie erkannt hatten, dass der 
Feldherr mehr im Sinne hatte als seine Winterquartiere auf- 
zusuchen, legten sie sich seinen Zug dahin aus, dass er den 
Entsatz von Breisach plane. Gewiss hoffte Turenne bei seinem 
Unternehmen auch dies zu erreichen ; aber es war nur ein 
Nebenzweck. Die deutschen Heerführer aber mit ihrer Ueber- 
schätzung der geographischen Momente glaubten fest, sein 
einziges Ziel sei : aquocunque modo Volck in Breysach zu 
bringen, — wan ers auch nit thun kan alss vermittelst einer 
Batailla!» In den französischen Unternehmungen gegen die 
Vogesenpässe, die wir noch kennen lernen werden und die 
nichts als Scheinmanöver waren, sah auch der Grosse Kurfürst 
nur den Versuch «de jetter du monde dans Brisacq». Der 
Herzog v. Bournonville aber, der sich besonders fest in diesen 
Gedanken verrannt hatte, wollte noch nach dem Gefecht bei Mül- 
hausen und selbst noch am Vorabende des Treffens von Türk- 
heim nicht daran glauben, dass Turenne eine Schlacht suche. 
Er versicherte : der Feind werde sich gewiss über Neuenburg 
oder durch den Hartwald auf Breisach wenden. 

Diesen Anschauungen entsprechend wurde bei den ersten 
beunruhigenden Nachrichten über Turennes Anrücken auf Bef- 
fort den Angriflsmassregeln vor Breisach etwas mehr Nachdruck 
gegeben als bisher. Am 27. Dezember konnte Turenne an Lou- 
vois melden, Breisach werde stärker bedrängt. Die Werke 
wurden durch die deutschen Geschütze drei Tage lang be- 
schossen. Auch wurde gegen den linksrheinischen Brückenkopf 
ein Unternehmen geplant, von dem der Kurfürst einige «rsonder- 
bahre Avantagen» erwartete. Aber es ging mit diesem Plane 
wie mit den meisten Projekten dieses unglücklichen Feldzuges: 

5 



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66 5. Einschliessung von Breisach. 

er kam vor lauter Zwistigkeiten und Missverständnissen nicht 
zu stände. Am 18. Dezember meldete Bournonville, er habe die 
gegen das Fort von Breisach bestimmten Truppen gestellt, aber 
die 300 brandenburgischen Reiter seien ausgeblieben. Am 27. 
wiederum vermerkte Herr v. Buch in seinem Tagebuche, die 
Kaiserlichen hätten nicht einen Mann zu der Unternehmung 
kommandiert, die der Oberst der Artillerie in einigen Tagen 
leiten sollte. Am 28. wurde der lüneburgische Oberst v. Kettel- 
horst* bei einem Erkundungsritt vor Breisach von einer Sechs- 
pfünder-Kugel tötlich getroffen. 

Wie eine Bombe schlug am 30. Dezember die Nachricht 
der Niederlage von Mülhausen in das Colmarer Hauptquartier. 
Schon am folgenden Tage wurde die Blockade von Breisach 
aufgehoben, Biesheim geräumt, Brücken und Gerätschaften 
abgefahren. Selbst Bournonville tadelte diese Massregel als vor- 
schnell und unnötig. Er äusserte sein Bedauern, dass er nun 
auch seinerseits den General Schütz anweisen müsse, sich in 
gleicher Weise von der Festung zurückzuziehen. Der Gesandte 
v. Goes aber, der im Geiste schon die Gondola-Kürassiere abge- 
schnitten und gefangen sah, Hess Schütz am Sylvesterabend 
durch einen Leutnant dieses Regiments beschwören : seine In- 
fanterie in Sicherheit zu bringen und die Schiffe in Hartheim 
zu verbrennen, wenn er sie nicht mehr nach Neuenburg retten 
könne. Es erscheint nach alledem sehr glaublich, wenn der 
Herzog von Celle am 30. schrieb, er finde die Leute in Colmar 
«zimblich irresolut in dem, wie man die Sachen angreiften soll». 
Marschall Turenne aber empfing mit grosser Befriedigung die 
Meldung le Roys von der Aufhebung der Einschliessung BreN 
sachs, die ihm am 31. Dezember vor Brunstatt zuging. 

Aber auch dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm scheint es 
sehr bald klar geworden zu sein, welchen Fehler er durch 
seinen kleinmütigen Entschluss hinsichtlich Breisachs begangen 
hatte. Schon am 31. Dezember sandte er seinen Neffen Land- 
graf Friedrich von Homburg und den Generalmajor Chauvet 
mit 5000 brandenburgischen und braunschvveig-lüneburgischen 
Reitern wieder gegen die eben erst freigegebene Festung vor, 
um die — wie man nicht bezweifelte — von Turenne bereits 
in Marsch gesetzten Verstärkungstruppen abzufangen und zu 
schlagen. Es waren zusammen 22 Schwadronen Reiterei nebst 
einer entsprechenden Dragoner-Abteilung. Der Marsch ging 



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Aufhebung der Einschlicssung. 



67 



durch den Kastenwald und zwar auf einem Wege, den die 
Franzosen 1673 durchgeschlagen hatten, um das Geschütz der 
Stadt Colmar nach Breisach zu schaffen. Am Ostrande des 
Waldes wandte sich die Reiterei der Verbündeten unter Zurück- 
lassung von 400 Mann des Leibregiments unter Rittmeister v. 
Piöck angesichts der feindlichen Festung südwärts und folgte 
dem Waldsaume bis nach Wolfganzen, begleitet vom Oberst- 
leutnant v. Geismar, der Biesheim hatte aufgeben müssen. 

Der Zweck der Unternehmung konnte nicht erreicht werden, 
da gar keine französischen Verstärkungen nach der Festung 
unterwegs waren. Marschall Turenne wusste genau, dasseine sieg- 
reiche Schlacht den Belagerten von selbst Entsatz bringen musste. 
Der Prinz v. Homburg biwakierte also nutzlos die ganze kalte 
Neujahrsnacht hindurch ohne Lagerfeuer. Seine Patrouillen, die 
nach Heiligkreuz, Ensisheim und Obersaasheim aufklärten, 
brachten die Meldung zurück, dass sie abgesehen von einem 
kleinen Pulk kaiserlicher Nachzügler auf keine Truppen ge- 
stossen seien. Dagegen sah man das Dorf Biesheim brennen, 
welches die Franzosen gleich nach dem Abzüge der Branden- 
burger angezündet hatten. Auch wurden in der Nacht Feuer- 
signale aus der Festung wahrgenommen. 

Die Expedition der Kavallerie der Norddeutschen in die 
Gegend von Breisach dauerte mehrere Tage. Der Landgraf 
blieb im Allgemeinen bei Wolfganzen, ging aber zeitweilig bis 
dicht an das Fort Mortier, um die Franzosen hinauszulocken. 
Hierzu Hessen sie sich aber nicht verführen. Nur am Abend 
des 2. Januar, als die Deutschen in ihrem Lager ruhten und 
General Chauvet und Oberst v. Mörner mit 4500 Mann gegen 
Ensisheim ausgerückt waren, brachen 4 Eskadrons der Piemont- 
Reiter aus dem Fort heraus, zogen sich aber rasch wieder über 
die Rheinbrücke zurück, als der Prinz von Homburg mit kleinem 
Gefolge gegen sie vorritt. An demselben Abend schien sich 
Aussicht zu bieten, den erwarteten Hülfstransport für Breisach 
doch noch abzufangen ; denn es kam die Nachricht, dass sich 
weiter südlich zwischen Rhein und III mehrere Schwadronen 
näherten. Landgraf Friedrich brach mit der brandenburgischen 
Reiterei sofort von Wolfganzen auf und bezog einen neuen 
Logerplatz zwischen Algolsheim und Obersaasheim. Aber statt 
des erwarteten Feindes kam nur ein Trupp versprengter Oester- 
reicher. Er bestand aus dem Kroatenoberst Graf Lodron und 



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5. Einschliessung von Breisach. 



einigen anderen Offizieren nebst etwa 50 Reitern, die nach dem 
unglücklichen Gefecht von Mülhausen bis Basel geflüchtet, aber 
bei Neuenburg wahrscheinlich auf einer Fähre über den Rhein 
zurückgekehrt waren und sich nicht wenig freuten, als sie hier 
auf den kurbrandenburgischen Oberstleutnant Hennigs» sliessen, 
der sie den Verbündeten zuführte. 

Auch diese Nacht wurde bei strenger Kälte ohne Lagerfeuer 
biwakiert. Aber nun trafen bald nacheinander die General- 
adjutanten v. Vitzthum und v. Küssow ein, die dem Landgrafen 
von Hessen den Befehl des Kurfürsten überbrachten, : nach 
Colmar zurückzukehren, um nicht von den direkt auf Rufach 
vorrückenden Franzosen abgeschnitten zu werden. Dem tapfern 
Homburger war diese Weisung gar nicht recht, zumal Jeremias 
Chauvet mit 1500 Mann, sowie auch einige andere Streifpartien 
unter Oberstleutnant v. Slrauss und Major v. Dewitz noch ab- 
wesend waren. Die kampt'esfreudige Verwegenheit und selbst- 
tätige Entschlusskraft, durch die Prinz Friedrich v. Homburg 
sich am Tage von Fehrbellin berühmt machen sollte, gehörten 
von jeher zu seinem Wesen ; und so hatte er auch diesmal Lust, 
auf eigene Verantwortung vor Breisach zu bleiben, wo er immer 
noch auf das Erscheinen des Feindes hoffte. Aber der General- 
major v. Lüdeke und der braunschweigische Generalmajor 
Prinz v. Reuss* stellten ihm mit Recht vor: die Gefahr, die 
Armee von aller Reiterei zu entblössen, sei bedenklicher als 
das Risiko, die kleinen Korps Chauvet und Strauss einem Miss- 
geschick auszusetzen. Landgraf Friedrich sah dies ein und trat 
am 3. Januar um l Uhr früh den Rückmarsch an. Er zog 
ganz nahe an dem Breisacher linksrheinischen Werke vorbei ; 
Kammerjunker v. Buch, der den Zug mitmachte, erzählt, man 
habe verstehen können, was die Franzosen jenseits des aMörtier- 
Walles» sprachen. Bei Andolsheim wurde ein Kommando von 
;,00 Mann vom Regiment Mörner unter Major v. Dewitz zur 
Aufnahme des noch vorne befindlichen Generals Chauvet be- 
lassen. Mit dem Gros der Kavallerie rückte der Landgraf am 
Morgen des 3. Januar zur Armee heran, bei der auch Chauvet 



1 So ist wohl statt Heinrich zu lesen, welche Lesart vielleicht • 
nur auf einem Uebersetzungsfehler der Buchschen Schrift beruht. 

2 Heinrich IV aus der Greizer Linie, ein Bruder des im kaiser- 
lichen Korps befindlichen Heinrich V. 



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Unternehmung Friedrich v. Homburgs gegen Breisach. 69 

mit seinen 1500 Mann noch rechtzeitig eintraf, um am Ent- 
scheid ungstage von Türkheim mitwirken zu können. 

So verlief der letzte Versuch der Verbündeten nach der 
Seite der Festung Breisach ohne jedes Ergebnis. Es schwebte 
ein Unstern über allem, was sie unternahmen. Diesmal war 
eine ausreichend starke Streitmacht unter einem energischen 
Führer mit einem klaren und erfolgverheissenden Auftrage aus- 
gesandt worden. Und dennoch gestaltete sich das Ganze zu 
einein Luftstosse; denn die zugrunde liegende Voraussetzung, 
dass Entsatztruppen von Turennes Heer herannahten, erwies 
sich als irrig. Die ganze französische Armee war es, die an- 
rückte, um zu siegen und dadurch der Festung Breisach einen 
Entsatz zu bringen, wie ihn sich Kommandant le Roy wirksamer 
nicht wünschen konnte. Die rechtsrheinische Feste, der Schlüssel 
Süddeutschlands, war für Frankreich gerettet und sollte erst 
durch den Ryswiker Frieden 169/ dem Deutschen Reiche zurück- 
gewonnen werden. 

6. Turennes Zug duroh Lothringen. 

Als Marschall Turenne im Spätherbst 1G74 die Ueber- 
zeugung gewann, dass weder eine kräftige Offensive des vom 
Brandenburgischen Kurfürsten befehligten Reichsheeres, noch 
ein Eingreifen des alten Grafen Sporck von Norden her zu be- 
sorgen sei 1 , war er sich bewussl, einer nicht geringen Gefahr ent- 
gangen zu sein. Kaum aber sah er durch das Eintreffen der 
Condeschen Verstärkungen das Missverhältnis zwischen ihm und 
seinen Gegnern sich einigermassen ausgleichen, als er auch 
schon Angriffspläne zu schmieden begann. Er beschloss die 
Verbündeten in ihren Winterquartieren anzufallen. Von welcher 
Seite konnte dies am besten geschehen? Ein Vorgehen direkt 
von Norden bot die Möglichkeit, die Deutschen von der Strass- 
burger Rheinbrücke abzuschneiden. Aber es war fraglich, ob 
das Unternehmen gelang ; denn man fand das verbündete Heer 
hier sicherlich versammelt und kampfbereit vor; man musste 
auch mit dem Eingreifen des Markgrafen Friedrich v. Durlach 



1 Sporck hatte sich nach dem am 21. November erfolgten Falle 
der Festung Dinant nach Huy zurückgewandt und bezog bald darauf 
Winterquartiere im Bezirk Lüttich. 



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6. Turennes Zug durch Lothringen. 



rechnen. Turenne zog es vor, von einer Seite zu kommen, 
von der ihn Niemand erwartete. Er entschloss sich, die feind- 
lichen Winterquartiere von Westen her strategisch zu umgehen, 
um sodann durch das Oberelsass plötzlich über sie herzufallen. 
Ob dies von Lothringen her durch die Vogesen oder von der 
Burgundischen Freigrafschaft her zu bewirken sei, behielt sich 
der Feldherr noch vor. 

Ein Winterfeldzug war im Zeitalter der Winterquartiere 
ein höchst ungewöhnliches Unternehmen, das nur ein genialer 
Feldherr ins Auge fassen konnte. Mit wie klarem Bewusstsein 
Turenne seinen Plan von vornherein erfasste, geht aus einem ^ 
Briefe hervor, den er am 30. Oktober an den Staatssekretär le 
Tellier richtete. «Um die Feinde besser in Sicherheit zu wiegen», 
schrieb er, «werde ersieh ganz nach Lothringen zurückziehen. Sie 
würden dann nicht verfehlen, sich über das ganze Elsass auszu- 
breiten. Sodann werde er an einer Stelle, wo sie sein Nahen ge- 
wiss nicht argwöhnten, über ihre Winterquartiere herfallen und 
sie vielleicht zwingen, über den Rhein zurückzugehen und in 
ihrem eigenen Lande zu überwintern». Es verdient wahrlich Be- 
wunderung, wie deutlich der ganze Verlauf des Feldzuges schon 
damals vor dem geistigen Auge des grossen französischen Feld- 
herrn dastand. Er hielt seinen Plan von nun an unverrückbar 
fest und schritt zu seiner Ausführung, sowie die Verbündeten 
in die Winterquartiere rückten. «Nachdem er wie Fabius zu- 
rückgegangen war», sagt Friedrich der Grosse von dieser Unter- 
nehmung Turennes, «ging er wie Hannibal vor». 

In den letzten Tagen des November trat die französische 
Armee den Abmarsch aus dem Lager von Ingweiler an. Wohl 
oder übel musste Turenne einige Truppen im Unterelsass zu- 
rücklassen, schon um der Besatzung von Philippsburg die Ver- 
bindung mit dem Heimatlande zu erhalten. In Hagenau ver- 
blieb Oberstleutnant Mathieu de Castellas vom Regiment Marine 
mit 6 Bataillonen, musste jedoch einige Kompagnieen nach 
Lützelstein abzweigen. In Zabern wurde Oberstleutnant Fouge- 
raies mit 3 Bataillonen belassen». Spater wurde noch der 



1 Die Besatzung von Hagenau war den Regimentern Burgund, 
la Fere, Turenne, Douglas und Bouillon, die Besatzung von Zabern 
den Regimentern Rouergue, Royal-Marine und dem Kronregiment 
(de la Couronne) entnommen. 



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Turennes Feldzugsplan. — Aufbrach von Ingweiler. 71 

Brigadier St. Sylvestre mit 6 Schwadronen zum Schutz des 
Saargebietes abgezweigt. Endlich entsandte Turenne noch 
Herrn v. Courcelles mit einer Eskadron und einem Bataillon 
des Regiments Frezelieres — naturlich ohne dessen bei der Ar- 
tillerie verwendete Mannschaft — nach dem lothringischen 
Flecken Saar-Bockenheim, um Mehl beizutreiben und bis auf 
weiteres dort zu verbleiben. 

Der ganze Rest des Heeres wurde zur Teilnahme an dem 
Zuge durch Lothringen bestimmt und sollte sich mit den 
von verschiedenen Seiten noch heranbeorderten Zuzügen zu einer 
schlagfertigen Streitmacht von etwa 40 000 Mann vermehren. 
Der Stamm des Feldheeres brach am 4 29. und 30. November 
4674 aus dem Lager von Ingweiler auf». Marschall Turenne 
begleitete die zweite Kolonne. Das erste Tagesziel war Lützel- 
stein, das wir bereits als die Residenz eines für Frankreich 
gewonnenen Duodezfürsten aus dem Pfälzischen Hause kennen. 
Turenne verstärkte die Besatzung der kleinen Bergfeste und 
scheint einen Tag dort gerastet zu haben. Der Marsch, der ja 
den Eindruck des Abrückens in Winterquartiere hervorrufen 
sollte, ging nur langsam und in kleinen Etappen vor sich. Arn 
2. Dezember passierte der Marschall den Nassau-Saarwerdischen 
Flecken Hirschland, bog hier aber scharf nach Süden ab 8 und 
rückte in Lixheim ein, wo er wieder zwei Tage rastete, um 
seine Vereinigung mit dem von Finstingen herangerückten 
14000 Mann starken Korps des Grafen v. Saulx-Tavannes zu 
vollziehen. Von nun an ging der Marsch in regelmässigen 
Tagesleistungen, aber «doucement» vorwärts. Am 4. Dezember 
wurde bei Saarburg die Saar überschritten und in Lörchingen 
Nachtquartier genommen 3. Der Marschall erhielt an diesem 
Tage Meldungen aus Badonviller und Rambervillers, dass die 
Truppen Karls IV von den Vogesen her in die Lothringische 
Ebene hinabstiegen. Diese Nachricht erschien um so bedrohlicher, 



1 Der ganze Zug Turennes ist in der Uebersichtskarte rot ein- 
gezeichnet. 

2 Der Zweck des Umweges über Hirschland ist nicht ganz klar. 
Ch. Gerard nennt sogar die südöstlich von Bockenheim gelegenen 
Dörfer Weisungen, Adamsweiler und Dürstel als Sammelplatz der 
Armee. 

3 In Saarburg wurde ein Lazarett eingerichtet; ebenso später 
in Rambervillers. 



72 



6. Turennes Zug durch Lothringen 



als erhebliche Vorräte an Schuhen und Strumpfen für die Armee 
eben erst vom Intendanten Charuel in Rambervillers aufge- 
speichert waren. Ritter v. Sourdis musste mit 400 Reitern sofort 
aufbrechen, um die genannten beiden Orte zu besetzen. 

Am 5. Dezember folgte die Armee bei dichtem Schneefall 
über ßlamont und nächtigte bei der Abtei Domevre. Der Marsch 
des folgenden Tages führte auf schmalen Landwegen zur Meurthe, 
die bei Baccarat überschritten wurde. Sodann ging es weiter 
nach Domptail, wo das Hauptquartier vom 6. bis 9. Dezember 
blieb. Turenne Hess inzwischen sein Fussvolk au fsch Hessen, 
da die Marschkolonnen infolge der Ungunst der Witterung 
häufig sehr lang wurden. Der Marschall regelte den Marsch 
durch Lothringen so, dass auf drei Parallelstrassen gleichzeitig 
marschiert wurde. Die Armee konnte jederzeit binnen 24 
Stunden zusammengezogen werden. Obwohl bei massiger Kälte 
starker Schneefall herrschte, wurde vielfach biwakiert; denn 
wo es sein musste, stellte Turenne hohe Anforderungen an 
seine Soldaten. Alle Marsch unfähigen sandte er von Lörchingen 
aus nach Nanzig zurück. Das Ziel seines Zuges wusste der 
Feldherr in tiefes Geheimnis zu hüllen. Angeblich erfuhren 
nicht einmal die einzelnen Marschkolonnen etwas von ihren 
Nachbarkolonnen. Nach aussen hin Hess Turenne verbreiten, 
dass er durch Mangel an Lebensmitteln genötigt sei, Winter- 
quartiere in Burgund aufzusuchen. Der Briefwechsel des Grossen 
Kurfürsten mit Bournonville lässt keinen Zweifel darüber, dass 
dem Marschall die Täuschung vollkommen gelang. Die deutschen 
Generale waren allesamt fest überzeugt, dass Turenne nur 
beabsichtige, Burgund durch seine Winterquartiere zu schützen. 

Das französische Heer hatte sich nun dem eben von den 
Lothringern besetzten Bezirke derart genähert, dass eine Aus- 
einandersetzung mit ihnen unausbleiblich war. Turenne sandte 
am 7. Dezember den Brigadier Sourdis mit den Kavallerie- 
Regimentern Orleans und St. Aoust nebst 200 Mann Fussvolk 
gegen Remiremont vor. Hier befanden sich 200 Lothringer, 
welche die Befestigungen des alten Moselstädtchens nach den 
Angaben eines lüneburgischen Ingenieurs verstärkt hatten. Sie 
lehnten Sourdis Aufforderung zur Uebergabe ab. Darauf Hess 
Turenne, der seit dem 10. Dezember mit seinem Gros bei Pa- 
doulx lagerte, den General Graf Saulx mit Dragonern und der 
Gendarmerie nebst den beiden Fussgarde- Bataillonen am 12. früh 



Einnahme von Eemiremont. 



73 



auf Remiremont vorgehen. Ferner befehligte der Vicomte die 
Bataillone Vermandois, Artois, Navarra und Vaisseaux mit (3 Ge- 
schützen im Eilmarsch gegen die Stadt heran. Er selbst begab 
sich zur Leitung des Angriffes nach Eloyes. Die Besatzung von 
Remiremont lehnte eine nochmalige energische Aufforderung zur 
Uebergabei wiederum ab. Aber am Abend erschien ein Haupt- 
mann als Unterhändler und versprach Abzug nach 24 Stunden, falls 
bis dahin keine Weisungen vom Lothringer Herzoge gekommen 
seien. Turenne sagte freien Abzug zu, verlangte aber sofortige 
Entschliessung. Nunmehr zog die Besatzung am Morgen des 
13. ab, und der Marschall hielt seinen Einzug in die Stadt. 
Er versichert, fernere 400 Deutsche und zwar anscheinend 
Lüneburger seien im Anmarsch gewesen, aber wieder zurück- 
gegangen, als sie auf die Brigade Sourdis stiessen. 

Die entfestigten Moselstädte Ghastel und Espinal, wo 400 
Lothringer gelegen hatten, waren schon vorher geräumt worden, 
da es an Zeit zur Befestigung von Espinal gefehlt hatte. Die 
abziehenden Lothringer wandten sieh, verfolgt vom Grafen v. 
Saulx und dem Ritter v. Hocquincourt, an der Mosel aufwärts 
nach St. Maurice. Von da aus folgten sie auf Weisung des 
Kurfürsten von Brandenburg unter Allamonts Führung der 
Strasse über Giromagny, um mit den auf Beffort vorgerückten 
Truppen der Prinzen von Holstein und Baden zusammenzuwirken. 
Wir werden ihnen späterhin wieder begegnen. Die Verfolgung 
der Lothringer kostete den Franzosen ein empfindliches Opfer: 
General Graf v. Saulx-Tavannes geriet in der Nähe des von 
den Lothringern besetzten Kastells St. Lambert in deren Ge- 
fangenschaft. 

In Longuet an der Mosel, 5 Kilometer nördlich von Remi- 
remont, wo Turenne am Abend des 43. sein Hauptquartier 
nahm, verweilte er bis zum 23. Dezember. Es trat also eine 
neuntägige Unterbrechung des Zuges ein. Der Feldherr hielt 
sie für unbedenklich, da der Gegner offenbar noch keine Ahnung 
von seinen eigentlichen Zielen hatte und keine Massregeln zur 
Versammlung seines Heeres traf. «Comme l'on ne seait pas 
encore certainement», meinte der Kurfürst, « juelle route Mr. 



» «Unter Androhung des Stranges» behauptet F. W. v. Zanthier 
in seinein Buche über Turcnnes Kriege ; aber diese Angabe erscheint 
nicht recht glaublich. 



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74 



6. Turennes Zug durch Lothringen. 



de Turenne prendra ny le nombre de ses trouppes, il ne faut 
rien precipiter a mon advis pour la marche et ne quitler pas 
nos quartiers ny les affoiblir sans necessite*. Offenbar konnte 
Turennes langes Verweilen in der Gegend von Remiremont die 
Deutschen nur in der Ansicht bestärken, er sei im Begriff» 
sich in seinen Winterquartieren einzurichten. In Wahrheit 
war er auch während der neun Tage in Longuet sehr tätig und 
zwar nach drei Richtungen. Erstens sorgte er in umfassender 
Weise für die Verpflegung des Heeres während der geplanten 
Operationen ; zweitens Hess er Scheinangriffe gegen die Vogesen- 
pässe richten ; und drittens tat er Schritte, um den inzwischen 
erfolgten Vorstoss der Verbündeten gegen Beffort zum Stehen 
zu bringen und die Freigrafschaft zu schützen. 

Das Verpflegungswesen war in der damaligen Krieg- 
führung ein überaus wichtiger und oftmals hemmender Faktor» 
da ein regelmässiger Lebensmittelnachschub aus der Heimat mit 
den damaligen Verkehrsmitteln nicht möglich war. Turennes 
Willenskraft und Umsicht wusste alle Schwierigkeiten zu be- 
siegen. Er hatte vor dem Aufbruch des Heeres erhebliche Pro- 
viantmengen aus Metz nach Ingweiler herangezogen und jedem 
Mann eine dreitägige Verpflegungsportion mitgegeben. Jetzt 
wurden Feldbäckereien in Neufchasteau, Mirecourt, Espinal und 
Remiremont angelegt. Ihre Lage lässt die neue Etappenlinie 
erkennen, die der Feldherr sich zunächst sichern wollte. In 
Remiremont kamen ihm einige Korn- und Mehlvorräte zu statten, 
die von den weichenden Lothringern dort hinterlassen waren. 
Aus der Umgegend wurden Fahrzeuge beschafft, die der Truppe 
als Brotkarren folgen sollten. Aber gleichzeitig erstreckte sich 
die Sorge des Heerführers schon auf Burgund und die Franche 
Comte, da er demnächst hauptsächlich auf deren Vorräte an- 
gewiesen war. Er Hess Magazine in Luxeuil, Lure und Vesoul, 
bald auch solche in Hericourt, Clerval und l'Isle am Doubs an- 
legen. Zu ihrer Füllung tat der Intendant Camus de Beaulieu 
aus Langres das beste, während die Armee bisher auf die 
Fürsorge des Intendanten Charuel zu Nanzig angewiesen war. 
Auch mit dem Fürsten v. Mömpelgard wurden schon jetzt Unter- 
handlungen über den Ankauf von Lebensmitteln angeknüpft. 

In der Zeit seines Stilliegens in Longuet sandte Marschall 
Turenne verschiedene höhere Offiziere zu Scheinangriffen 
gegen die Gebirgspässe vor, die über die Vogesen nach 



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Verpflegungswesen. — Scheinangriffe gegen die Vogesenpässe. 75 

Schlettstadt, Colmar und Thann führten. Der Vicomte hatte sich 
jetzt für die Ebene von Beffort als Basis für seinen Angriff ent- 
schieden. «Durch die Vogeseni, schrieb er sehr richtig an Louvois, 
«würde er nur gehen, wenn es sich um eine kleine Armee 
handelte; denn nur eine solche könne den Gebirgswall durch- 
schreiten, und zwar mit vieler Mühe». Sehr geeignet erschien ihm 
das Gebirge jedoch zum Demonstrieren, um die Deutschen im 
Unklaren über seine Absichten und darum in ihrer weit aus- 
einander gezerrten Aufstellung zu erhalten. Graf v. Bourlemont 
sollte den Col de St. Marie vor Markirch, Marquis v. Bouffiers 
den Col du Bonhomme vor Schnierlach, Ritter v. Hocquincourt 
den Gol de Bussang vor Wesserling beunruhigen. Gegen die 
kleineren Pässe» wurden, wie versichert wird, kleinere Ab- 
teilungen entsandt. Die Leiter dieser Unternehmungen waren 
angewiesen, ernste Gefechte zu vermeiden, da ihr einziger Zweck 
darin bestand, die Verbündeten an allen Stellen zu beunruhigen. 

An einem der Gebirgspässe aber, und zwar an dem nörd- 
lichsten, Hess der Führer die gebotene Vorsicht ausser Augen 
und zog sich dadurch eine so ernste Niederlage zu, dass das 
Lebertal noch lange im Volksmunde Val de la Defaite genannt 
wurde. Graf Heinrich d'Anglures Marquis v. Bourlemont hatte, 
wie wir hörten, den Vorstoss zu leiten, der sich südlich an 
St. Di6 vorbei gegen Markirch richtete. Seine Fusstruppen 
werden in französischen Quellen nur zu 250 — 300 Mann an- 
gegeben. Ferner begleitete ihn Graf v. Clermont mit 50 Heitern 
vom Regiment Royal-Piemont unter Rittmeister v. St. Jean. 
Auch ein Rittmeister vom Regiment Dauphin namens v. Fla- 
xieux hat die Expedition mitgemacht. Graf Bourlemont fand 
am 15. Dezember die Markircher Steig oben auf der Passhöhe 
unbesetzt und nistete sich dort mit seinem Detachement ein, 
scheint aber den Sicherungsdienst gröblich vernachlässigt zu 
haben; denn er wurde am 17. in der Frühe von allen Seiten 
umstellt und von einer überwältigenden Uebermacht angegriffen. 

Wir erinnern uns, dass in Markirch das Cellische Regiment 
zu Fuss des Generalmajors v. Ende in Ortsunterkunft lag, 
während die lothringische Hälfte des Ortes von Truppen des 
Herzogs Karl und zwar anscheinend den Dragonern des Obersten 



1 Die Heerstrasse zwischen Gerardmer und Münster über die 
Schlacht war 1674 noch nicht vorhanden. 



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76 



6. Turennes Zug durch Lothringen. 



Silbach belegt war'. Auf die von einem Trupp lothringischer 
Cbevaulegers eingebrachte Nachricht vom Anmarsch der feind- 
lichen Abteilung verstärkte Herzog Georg Wilhelm die Be- 
satzung durch alle in der Nähe befindlichen Truppenteile, so 
dass angeblich 1000 Musketiere, 300 Dragoner und 1200 Reiter 
vereinigt wurden. Sicher ist, dass drei lüneburgische Fuss- 
regimenter und ein braunschweigisches Regiment, ferner das 
Kavallerie-Regiment Chauvet, die cellischen Garde-Dragoner, 
sowie lothringische Chevaulegers und Dragoner dabei waren. 
Generalmajor Chauvet übernahm das Kommando. Am 17. De- 
zember eine Stunde vor Tage war die Umstellung des feind- 
lichen Lagers bewirkt und erfolgte der Angriff von allen vier 
Seiten zugleich. Das sogenannte Regiment Landvölker unter 
Oberst Melleville, das sich erst bei Enzheim seinen Platz in 
der Reihe der regulären Regimenter erkämpft hatte, stiess mit 
den Dragonern zuerst auf den Feind. Die Rotröcke vom Re- 
giment Ende wirkten erfolgreich mit, und das Regiment Joquet 
l>e\vährte sich unter den allerschwierigslen Umständen. Das 
Regiment ging nämlich tapfer auf den Feind los, obwohl Oberst 
Joquet das Zurückgehen befahl. Dieser Befehl sollte aber ernste 
Folgen für ihn haben. Major Ludemann von den Wolfenbüttelern, 
dem er die Schuld zuschieben wollte, begehrte kriegsgerichtliche 
Untersuchung. Joquet entschuldigte sich nun damit : «die 
Bursche netten sich verschossen gehabt und hette es also die 
Noth erfordert». Es stellte sich jedoch heraus, dass jeder Mann 
noch wenigstens G Kugeln nebst Pulver hatte. Oberst Joquet 
wurde daher seiner Stellung entsetzt 2 . Man sah sogar einen 
Verräter in ihm, zumal er ein gebärtiger Franzose war. Dass 
Turenne einen Korrespondenten unter den Lüneburgern hatte, 
ist übrigens aus seinen eigenen Briefen ersichtlich. 

Der Angriff der Lüneburger und Lothringer auf das kleine 
Häuflein der Franzosen verlief natürlich siegreich. Bourlemont 
wehrte sich 2*| 2 Stunden hindurch tapfer. Als sich aber die 
Reiterei nach der Verwundung der Herren v. Glermont, St. Jean 
und Flaxieux zur Flucht wandte, ging der Widerstand zu 
Ende. Die Mehrzahl des Fussvolkes wurde niedergemacht oder 
gefangen. Die Zahl der Gebliebenen und Verwundeten, die in 

1 Die Landes- und Sprachgrenze ging mitten durch die Stadt. 
s Sein Kegiment wurde dem Oberst v. Malortie verliehen. 



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Gefecht bei Markich. 



77 



französischen Quellen nur zu 80 Mann beziffert sind, betrug 
nach den deutschen Berichten 140 Tote und 56 Verwundete; 
ferner waren 1 Oberst, 2 Hauptleute, 4 Leutnants und 50 Sol- 
daten gefangen. Da das Detachement tatsächlich aufgerieben 
wurde, haben in diesem Falle die deutschen Angaben mehr 
Wahrscheinlichkeit für sich. Unter den Verwundeten befand 
sich Leutnant Valentini, unter den Gefangenen Oberst Graf 
Bourlemont und die tötlich verwundeten Herren Graf Clermont 
und Flaxieux. Letzterer wurde, in den Mantel eines lothrin- 
gischen Gardekapitäns gehüllt, nach Markirch getragen, wo er 
bald starb. Der Verlust der Verbündeten war ganz unbedeutend : 
es waren 14 Mann tot und eine entsprechende Anzahl ver- 
wundet, unter ihnen 4 Hauplleute und der Leutnant der cel- 
lischen Dragoner-Garde. 

Von den Unternehmungen gegen die andern Vogesenpässe 
ist wenig zu berichten. Marquis v. Bouffiers, der Mestre de 
Camp des Königs-Dragoner-Regiments, spielt bei der Katastrophe 
des Grafen Bourlemont eine etwas eigentümliche Rolle. Er hielt 
nämlich mit seinen Dragonern ruhig bei Wisembach, knapp 
3 Kilometer vom Gefechtsfelde, ohne dem schwer gefährdeten 
Kameraden zu Hälfe zu kommen. Vielmehr begnügteer sich damit, 
dessen versprengte Flüchtlinge aufzunehmen. Wie er überhaupt 
nach Wisembach gekommen ist, ist unverständlich; denn sein 
Auftrag wies ihn nach dem Bonhomme-Pass, der von Plainfaing 
in das Kaysersberger Tal sowie über Urbeis in das Münstertal 
führt. Was er am Orte seiner eigentlichen Bestimmung aus- 
gerichtet hat, ist nicht überliefert. Vielleicht können wir mit 
ihm eine Notiz des Diariums Europaeura in Verbindung bringen, 
wonach der Leutnant Maisonneuve von der kurbrandenburgischen 
Leibgarde eine erfolgreiche Streife im Gebirge ausführte und 
am 15. Dezember 14 Gefangene in Colmar einbrachte. Waren 
dies wirklich Boufflerssche Dragoner, so wäre der Marquis am 
17. wohl schon auf seinem Rückmärsche nach Wisembach ge- 
kommen. — Noch weiter südlich ritt der Mestre de Camp der 
Königin-Dragoner Ritter v. Hocquincourt gegen das St. Ama- 
riner Tal an. Von St. Maurice kommend, vertrieb er eine Ab- 
teilung lothringischer Dragoner aus Bussang und drang am 
14. Dezember über Wesserling auf St. Amarin vor. Aber bald 
erschien von Thann her der Oberst v. Schöning mit dem branden- 
burgischen Regiment Kurprinz zu Fuss und schlug den Angriff 



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78 



6. Turennes Zug durch Lothringen. 



siegreich ab, trug aber dabei eine schmerzhafte Verwundung 
an der rechten Hand davon. Hocquincourts Dragoner aber 
wandten sich nunmehr auf Masmünster und versetzten dadurch 
den Markgrafen Hermann v. Baden in nicht geringe Aufregung 1 . 

So verliefen die vom Marschall Turenne angeordneten Vor- 
stösse gegen die Vogesenpässe. Wie es nach Lage der Sache 
nicht anders sein konnte, blieben die Deutschen überall Sieger. 
Aber Turenne erreichte seinen Zweck vollkommen. Gerade der 
so völlig verunglückte Vorstoss Bourlemonts auf Markirch war 
von den verhängnisvollsten Folgen. Das Gerücht liess die Stärke 
der dort erschienenen Franzosen auf 7000 Mann anschwellen. 
Der Herzog v. Celle hielt seine Winterquartiere für bedroht, 
und seine Vorstellungen waren es, die den Kurfürsten v. Bran- 
denburg bewogen, den. bereits beschlossenen Marsch nach dem 
Ochsenfelde bei Sennheim zur Vereinigung mit den Kaiserlichen 
aufzugeben, obwohl Friedrich Wilhelm gleich Bournonville den 
Vorstoss auf Markirch ganz richtig als «fausse attaque» erkannte. 
So konnte also Marschall Turenne mit dem Ergebnis seiner 
Scheinangriffe gegen die Vogesen durchaus zufrieden sein. 

Wichtiger waren die Massregeln, die er von Longuet aus 
zur Vertreibung der Verbündeten aus dem französischen Sund- 
g a u traf, wo sie sich im Laufe der letzten Wochen festgesetzt 
hatten. Schon mehrfach war vom Vordringen der Kaiserlichen, 
Münsteraner und Brandenburger auf Beffort die Rede, und wir 
müssen uns jetzt dieser Angelegenheit zuwenden. Wenn auch 
die deutschen Generale an Unternehmungslust dem französischen 
Feldherrn weit nachstanden, so hatten doch auch sie nicht die Ab- 
sicht, den ganzen Winter hindurch auf der Bärenhaut zu liegen. 
Schon um Mitte November wurde die Vorschiebung von Truppen 
in die Freigrafschaft Burgund beschlossen. Die Wiedergewinnung 
der «Franca Contea» war ein Lieblingsgedanke des Kaisers Leo- 
pold ; denn sie war althabsburgischer Besitz und erst im Früh- 
jahr 4074 an Ludwig XIV verloren gegangen *. Auch der spa- 

* Er schrieb dem Herzog August v. Holstein am 14. Dezember : 
20000 Feinde (!) seien im Begriff, sich einen Weg durch den Wald 
von Masmünster zu bahnen. 

* Die Freigrafschaft war 1493 von Frankreich an den Kaiser 
Max abgetreten worden und später an die spanischen Habsburger 
übergegangen. Dagegen war das westlich davon gelegene Herzogtum 
Burgund seit lf>29 französisch und der östlich der Freigrafschaft ge- 
legene Sundgau 1G48 an dieselbe Macht gefallen. 



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Vordringen der Deutschen im Sundgau. 79 

nische Gesandte betrieb angelegentlich den Plan der Zurücker- 
oberung der Provinz für seinen König. Der Weg dorthin führte 
aber durch den Sund- und Eisgau und die Grafschaft Mömpel- 
gard. Diese mussten also zunächst besetzt werden. Die Einnahme 
von Befrort erschien auch darum erwünscht, weil die Einschlies- 
sung von Breisach dadurch besser gesichert war. Ferner war 
sie wichtig, um den Grafen v. Mömpelgard für die deutsche 
Sache zu gewinnen. Endlich musste eine Ausdehnung der 
Winterquartiere nach Süden der Unterkunft und Verpflegung 
der Truppen zugute kommen. Die Bewohner des Sundgaus 
und der Freigrafschaft waren zumeist habsburgisch gesinnt und 
sehnten die Verbündeten als Befreier herbei. 

Schon in den ersten Tagen des Dezember, also gleichzeitig 
mit dem Beziehen der Winterquartiere, nahm die Vorschiebung 
von Truppen in dieser Richtung ihren Anfang, sodass Turenne 
schon am 4. in Saarburg die ersten Meldungen darüber erhielt. 
Es war Feldzeugmeister Markgraf Hermann v. Baden, der sich 
mit 11 Münsterschen und 2 Kaiserlichen Regimentern (Reuss 
zu Fuss und Baireuth zu Ross) zuerst in der Richtung auf 
Beffort in Bewegung setzte. Bald zeigte es sich, dass die Fran- 
zosen auf ihrer Hut waren. Bournonville fand es daher am 
11. Dezember für nötig, die Regimenter Portia und Sereni, 
bald darauf auch das Regiment Caprara hinterher zu senden 
oder dem' Markgrafen zu unterstellen. Inzwischen war am 
6. Dezember auch Herzog August v. Holstein-Plön mit den 
Generalen v. Görtzke und v. Götzen an der Spitze eines Korps 
von 6000 Brandenburgern «sampt 8 Stücken Geschülze und 
Feuermörseln» nach der Freigrafschaft aufgebrochen. Das Re- 
giment Schöning aus Thann schloss sich ihm erst später an. 
Der Prinz v. Holstein scheint, ursprünglich Luxeuil und Lure 
zum Ziel erhallen zu haben, wo nach einer Meldung des Her- 
zogs v. Lothringen eine nicht unbeträchtliche Besatzung einge- 
troffen war. Auch dem Oberst d'Allamont mit seinen Loth- 
ringern war von Giromagny und . Faucogney aus die Richtung 
auf Lure angewiesen worden. 

Leider war zwischen den beiden fürstlichen Führern keine 
Einigkeit zu erzielen, obwohl die aus Colmar und Ensisheim 
kommenden Befehle ihrer Oberfeldhern sie dringlich auf gutes 
Zusammenwirken hinwiesen. Beide wurden durch die Kunde vom 
Herannahen Turennes beunruhigt. Jeder verlangte vom andern, 



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HO 



6. Turcnnes Zug durch Lothringen. 



er solle zu ihm heranrucken und klagte ihn nachher an, den 
Bundesgenossen im Stich gelassen zu nahen. Hermann v. Baden 
sollte nach den getroffenen Vereinbarungen mit 1000 Mann und 
etwas Artillerie Befforl einnehmen oder in Brand schiessen. 
Correts Hisioire de Beifort behauptet sogar, die Stadt sei wirk- 
lich mit 24 Geschützen beschossen worden ; aber diese Angabe 
ist unzutreffend. Der Markgraf rückte zögernd vor und konnte 
auch wirklich mit seinen schwachen Kräften nichts gegen die 
ansehnliche Festung » ausrichten, zumal er weder Haubitzen 
noch Mörser besass. cSi nos Messieurs se scavoyent servir de 
boulets ardens», schrieb Bournonville am 13. dem Kurfürsten, 
«ils pourroyent essayer de mettre le feu en la ville avec les 
canons 'de Munster. Mais comme ils sont chambres et se 
chargent par la culasse, je ne scay s'ils seront uliles aux 
boulets ardens». Der Markgraf musste also von der Beschiessung 
mit glühenden Kugeln absehen und beschränkte sich auf eine 
vorsichtige Beobachtung der Festung durch Caprara und Schultz, 
die übrigens durch tägliche Rekognoszierungen eine sehr häufige 
Beunruhigung der Besatzung bewirkten. 

Mit den übrigen Truppen rückte Hermann östlich an Befibrt 
vorbei in der Richtung auf Mömpelgard und Pruntrut vor. Er be- 
setzte Dattenried (das heutige Delle) sowie angeblich auch Beaucourt 
und Audincourt in der württembergischen Grafschaft. Seine Haupt- 
aufgabe sah der Feldzeugmeisler darin, den Grafen Georg v. Möm-' 
pelgard zur deutschen Seite hinüberzuziehen. Er versprach ihm 
sogar, die Verbündeten würden nicht vor seinem Beitritt in die 
Freigrafschaft einrücken. Am 14. befürwortete er seine Vorschläge 
persönlich in Mömpelgard ; aber der Graf war vom Herzoge v. 
Duras, dem Gouverneur von Burgund, so eingeschüchtert, dass er 
diesen Lockungen widerstand. Es waren also völlig ergebnislose 
Verhandlungen, um deretwillen der Markgraf den Herzog v. 
Holstein veranlasste, sein Vorgehen ebenfalls um zwei Tage zu ver- 
zögern. August seinerseits ärgerte sich sehr über diese Hemm- 
nisse und war schlecht auf den Badischen Prinzen zu sprechen. 



1 Die nachmals so berühmt gewordenen Festungswerke von 
Beifort sind freilich erst nach 1681 durch Vauban erbaut worden. 
Aber auch 1674 war die kleine Stadt mit dem auf steilem Felsen 
thronenden Schloss, mit ihren drei Fronten und den starken Türmen 
(Mömpelgarder, Schleusen-, Bürger- und Rosenbergturm] recht wider- 
standsfähig. 



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Bedrohung von Beffort. 



Sl 



Ueber die Einzelheiten der Operation der beiden Invasions- 
korps fehlt es fast ganzlich an Material. Nur für die Mitte des 
Dezember kennen wir ihre Stellungen ziemlich genau. Sie 
standen um diese Zeit dicht bei einander nordöstlich von Beffort. 
Herzog August v. Holstein lag vom 14. zum 45. mit Görtzke 
und Götzen in Brunn 1 . Nordöstlich davon in St. Cosman sollte 
am 16. die österreichisch-münsterscbe Kavallerie nächtigen. 
In deren Nähe in Wälsch-Kapellen 8 finden wir das Regiment 
Caprara. Das Gros der Infanterie des Markgrafen v. Baden sollte 
sich am 16. in Willern 8 bei Dammerkirch vereinigen. Die unter- 
nehmungslustigen Lothringer unter d'Allamont hatten den An- 
schluss an die beiden deutschen Prinzen gefunden und standen 
wieder in erster Linie. Sie trafen am 15. zu Manbour ein, 
sollten am folgenden Tage Blumberg * erreichen und am 17. zu 
den Verbündeten stossen. Leider hat sich der Ort Manbour 
nicht feststellen lassen ; dass Mandeure am Doubs im Mömpel- 
gardschen gemeint sein sollte, ist nicht wahrscheinlich ; Allamont 
hätte nur durch einen sehr verwegenen Ritt hinter Beffort herum 
dorthin gelangen können. 

Marschall Turenne war, wie bereits erwähnt wurde, seit 
dem 4. Dezember über das, was im südlichen Teile des Sund- 
gaues vorging, unterrichtet. Noch von Saarburg aus hatte er 
seinen Neffen, den Gouverneur von Burgund Jakob Heinrich 
Durfort Herzog v. Duras, angewiesen : Beffort zu schützen und 
den Grafen v. Mömpelgard bei der Neutralität zu erhalten. Da- 
raufhin sandte Duras ein Detachement von 6 Kompagnien Fuss- 
volk und 12 Kompagnien Reiterei nach Lure. Die gegen 1000 
Mann starke Reiterbrigade le Cateux aber, bestehend aus den 
Regimentern Boncourt und Cateux, rückte nach Beffort, wo sie 
am 8. Dezember vom Kommandanten d'Aubigny — einem Bruder 
der Frau v. Maintenon — freudig willkommen geheissen wurde. 
Beflort war freilich schon durch seine Mauern und Türme und 
durch seine Besatzung von 14 Kompagnien Infanterie stark genug, 
um einem Angriff zu trotzen. Ein solcher ist aber gar nicht 
erfolgt. Cateux dehnte seine Quartiere östlich gegen die Elsässer 
Grenze aus und belegte auch Alt-Münsterol mit 50 Musketieren 

1 Das heutige Fontaine am St. Nicolas. 

2 Jetzt la Chapelle sous Rougeraont genannt. 

3 Hiess bis 1871 Romagny. 
* Das heutige Floriraont. 



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82 



(5. Turcnncs Zug durch Lothringen. 



und 200 Reitern. Hierbei halle er einen erfolgreichen Zusammen- 
stoss mit einer vom Markgrafen v. Baden vorgeschobenen Münster- 
schen Abteilung von 140 Reitern und 40 Dragonern unter dem 
kaiserlichen Generalmajor Schultz. Die Bischöflichen benahmen 
sich dabei höchst mangelhaft. Während ihr Verlust an Toten 
und Verwundeten nur 3 Offiziere und 7—8 Mann betrug, ver- 
loren sie 18 Gefangene und 00 Pferde ; der Rest floh in Unordnung 
fast widerstandslos. Merkwürdigerweise wird dasselbe Schar- 
mützel von einem französischen Zeitgenossen 1 erheblich anders 
geschildert. Er spricht sich keineswegs befriedigt über das Er- 
gebnis aus und beklagt den Tod des Oberstleutnants vom Ca- 
teuxschen Regiment, der auf der Zugbrücke des Alt-Münsteroler 
Schlosses gefallen war. Der General-Einnehmer von Beflbrt 
flüchtete noch selbigen Tages nach Langres. 

Zur Besprechung über die Lage der Provinz Burgund fand sich 
der Gouverneur Herzog v. Duras selbst in Begleitung desIntendanten 
Beaulieu im Hauptquartier zu Longuet ein. War die Lage ohnehin 
nicht mehr bedrohlich, sc besserte sie sich noch mehr dadurch, 
dass Turenne am 14. Dezember die Kavallerie-Brigade Sourdis 
von Remireinont aus im Eilmarsch auf Beflbrt vorgehen liess, 
wo eine Kompagnie schon in der folgenden Nacht einrückte. 
Eine weitere Verstärkung näherte sich aus nordwestlicher Rich- 
tung. Wir erinnern uns, dass Turenne dem M irschall Crequi 
das Kommando in Metz übertragen halte, um den Kaiserlichen 
entgegenzutreten, die etwa aus dem Lültichschen anrücken 
könnten. Da sich aber Graf Sporck völlig ruhig hielt, erschien 
es dem Vicomte zulässig, einen Teil des Crequischen Korps nach 
Burgund heranzuziehen. Von Pont ä Mousson rückten daher 
10 Schwadronen Kavallerie und 8 Schwadronen Dragoner unter 
der Führung des Marquis v. Resnel heran. Sie trafen am 253. 
Dezember in Mirecourt ein und fanden hier den Befehl vor, 
nach Line weiter zu marschieren. Turennes Reiterei wuchs 
hierdurch auf 15000 Mann an. Jede Gefahr für die Freigraf- 
schaft war durch die Entsendung der Brigaden Sourdis, Cateux 
und Resnel beseitigt. 

Des Marschalls Truppenbewegungen verursachten bei den 
Verbündeten eine ratlose Beunruhigung, da sie deren Bedeutung 

' H. de rHcnniue, Meinoires de deux voyagcs et sejours en 
Alsace 1G74-7Ö et liisi. 



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Alt-Münsterol. — Unschlüssigkeit bei den Verbündeten. 83 

nicht durchschauen konnten. Sie hatten ihm offensiv in die 
Flanke stossen oder auf seine sehr gefährdeten rückwärtigen 
Verbindungen drücken können. Aber zu solchen Angriffsgedanken 
vermochte sich keiner der deutschen Heerführer aufzuschwingen. 
Die meiste Besorgnis fühlte natürlich der Herzog v. Bournon- 
ville; denn ein Stoss des Feindes von Beffort her musste zuerst 
die Winterquartiere der Kaiserlichen treffen. Es wurden Rauch- 
signale und nächtliche Feuerzeichen auf den Kirchtürmen ein- 
gerichtet, wodurch der Anmarsch feindlicher Truppen schnell 
von Ort zu Ort weitergemeldet werden sollte. Schon am 12. De- 
zember hatte Bournonville begonnen, beim Kurfürsten den Ge- 
danken einer Versammlung der verbündeten Armee anzuregen. 
Der Brandenburger erkannte zwar aus seiner weiter rückwärts 
gelegenen Residenz den Ernst der Lage nicht in gleicher Schärfe ; 
aber er lud doch Bournonville und den Herzog v. Celle zum 14. 
zur Beratung nach Colmar ein. Der Oesterreicher erschien je- 
doch nicht, und der Lüneburger wollte seinen Unterkunftsbezirk, 
den er über Markirch gefährdet glaubte, noch nicht verlassen. 

In dieser Lage wäre es am Kurfürsten gewesen, die Ent- 
scheidung zu treffen. Aber er wusste ja, dass ihm ohne Kriegs- 
ratsbeschluss doch Niemand gehorchte. Auch scheint er dieser 
schwierigen Kriegslage nicht recht gewachsen gewesen zu sein. 
Genug, es geschah nichts für eine Versammlung des Reichs- 
lieeres, wie sie Bournonville mit vollem "Rechte immer dringlicher 
forderte. Am 16. Dezember z. B. schrieb der kaiserliche General : 
«Je crain qu'il n'y ayt point de tems ä perdre surtout pour ceux 
de Lunebourg et les plus esloignes de Votre Altesse Electorale. 
Je crois que leur rendesvous pourroit estre vers le Tolder pas 
loing de Achpack». Es war also das altberühmte Ochsenfeld 1 , 
das er für die Versammlung des Heeres empfahl. Unzweifel- 
haft war dieser Plan vollkommen angemessen und durchführbar. 
Auch erliess Friedrich Wilhelm in der Tat die Befehle an seine 
Truppen zum Marsch nach Sennheim. Da kam am 17. Dezember 
die schon erwähnte unglückliche Alarmnachriehl aus Markirch 
über den angeblichen Anmarsch von 7000 Franzosen. Sofort 

1 Vom Dreissigjährigen Kriege her durch den Sieg des Herzoers 
Bernhard v. Weimar über den Herzog v. Lothringen am 15. Oktober 
1638 in frischer Erinnerung; von Vielen auch für das Schlachtfeld 
zwischen Cäsar und Ariovist gehalten. Mit Achpack ist Oberaspach 
gemeint. 



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84 6. Turennes Zug durch Lothringen. 

nahm der Kurfürst, der eine ausgesprochene Abneigung gegen 
übereille Massregeln hatte, die Marschbefehle wieder zurück. 
Friedrich Wilhelm war aber doch wohl in einiger Selbsttäu- 
schung befangen, wenn er stets glaubte, noch Zeit zu haben. 
Jedenfalls klingt es etwas optimistisch, wenn wir immer wieder 
von ihm hören : «Je seray aupres de vous en cas de besoing 
plutost que vous ne pensez». 

Zunächst blieben die Truppen der ersten Linie also auf 
sich angewiesen. Sie fühlten sich durch die Nähe des ge- 
fürchteten Gegners lebhaft beunruhigt und gaben ihre vorge- 
schobenen Posten schnell auf. Auf den Äfarkgrafen von Baden, 
der die ganze Expedition unlustig und schwächlich begonnen 
hatte, wirkte das Eintreffen der vor den Franzosen zurück- 
weichenden Lothringer vollends beängstigend. Er zog sich 
schleunigst aus dem Dattenrieder Bezirk und von den Grenzen 
Mömpelgards in die Gegend von Dammerkirch und Altkirch 
zurück. Bournonville, der sein Hauptquartier am 18. von En- 
sisheim nach Zillisheim vor verlegte, urteilte darüber : «II me 
semble bien que nos gens avances ont pris raiarme un peu vite 
et trop chaude». Fast ebenso eilig hatte es der Herzog von 
Holstein mit dem Rückzüge. Er ging am 18. Dezember von 
Brunn nach Aspach, und der Kurfürst machte ihm bemerkbar : 
er könne sich dieses Zurückweichen nur gefallen lassen, wenn 
der Herzog nunmehr allen Fleiss anwende, um gute Aufklärung 
über den Feind zu schaffen. Zu diesem Zweck sandte er ihm 
den Oberstleutnant Hennigs 1 mit 1000 Reitern als Verstärkung 
zu. Das Brandenburgische Korps war bei seinem Abzüge der 
natürlichen Rückzugsstrasse auf Sennheim gefolgt. Die Kaiser- 
lichen und Münsteraner aber wandten sich östlich auf Alt kirch, 
wohin ihnen Herzog August gar nicht folgen konnte, ohne dem 
Feinde den geraden Weg in die Elsässische Rheinebene zu öffnen 
Uebrigens hielt sich auch Caprara zunächst noch abgesondert 
vom Markgrafen und sicherte Masmünster. Es gelang also 
nicht einmal, die vorgeschobenen Korps, die ihre Vereinigung 
eben erst bewirkt hatten, zusammen zu halten. 

Ebensowenig glückte es, die Versammlung des Hauplheeres 
rechtzeitig zu bewirken. Die deutsche Heeresleitung — man 



1 Derselbe, der auf dem Schlachtfelde von Fehrbellin mit dem 
Zunamen v. Treffenfcld geadelt wurde. 



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Büekzug der Prinzen v. Baden und v. Holstein. 



85 



darf es sich nicht verhehlen — versagte in dieser schwierigen 
Lage völlig, sei es aus Mangel an Machtmitteln, sei es aus 
unzureichender eigener Enlschlusskraft. Den Herzog v. Bournon- 
ville verfolgte gleich einer fixen Idee der sonderhare Gedanke: 
Turenne werde von Beffort aus, um nach Breisach zu gelangen, 
den weiten Umweg über Landskron und Basel wählen ! Offen- 
bar war es nur die Sorge um den österreichischen Breisgau, 
die dem kaiserlichen Feldherrn eine so ganz unwahrscheinliche 
Idee eingab. Der verderbliche Einfluss der Vielslaaterei er- 
streckte sich also seihst auf diese einfachen, militärischen 
Erwägungen. Der Herzog v. Bournonville beliess in Ensisheim 
und Hüningen kleine Besatzungen und zog mit allem Uebrigen 
gen Altkirch. 

Die Kurbrandenburger ihrerseits fühlten sich sehr beun- 
ruhigt durch jede Alarmnachricht aus Masmünster, wo noch 
immer einige Kaiserliche vom Regiment Seren i standen. Am 
21. Dezember wurde Kurfürst Friedrich Wilhelm ernstlich be- 
sorgt ; denn einerseits berichtete August v. Holstein, dass die 
feindliche Armee sich von Beffort her nähere, und andrerseits 
meldete Caprara, der Feind sei bereits nahe am Holz von Mas- 
münster. Der Kurfürst selbst war durch sein Gichlleiden in Colmar 
festgehalten, sandte aber noch am selben Abend den Feldmarschall 
Derfflinger mit der ganzen Generalilät nach Sennheim und er- 
teilte seinen Truppen erneuten Marschbefehl. «J'ay donne aussi- 
töt ordre ä toute mes trouppes», schrieb er an Bournonville, 
«de marcher soubs la conduite de mon Marechal de Camp droit 
ä l'ennemy et de lui livrer combat. Je vous prye de les joindre 
avec les vostres au rendezvous, qui sera ä Sennen sur la ri viere 
de Thour». In diesem Sinne bestellte er auch das braunschweigisch- 
cellische Korps nach dem Sammelplatz auf dem Ochsenfelde. 

Es schien also, als solle Bournonvilles verstandiger Vorschlag 
vom 10. doch noch zur Ausführung kommen. Aber merkwürdiger- 
weise war es jetzt Bournonville, der nicht mehr dorthin wollte. 
Ebensowenig erschien Herzog Georg Wilhelm mit seinen Truppen, 
da er sich anscheinend immer noch von Lothringen her bedroht 
glaubte. Aber auch die brandenburgische Armee hat das 
Ochsenfeld nicht erreicht ! Herzog August v. Holstein erkannte 
bald, dass er falschen Alarm gemacht hatte. Er hatte von 
seinem Lager bei Aspach drei Kavallerie-Regimenter nach ver- 
schiedenen Seiten zum Aufklären vorgesandt: den Oberst v. 



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8G 



6. Turennes Zug durch Lothringen. 



Sydow mit dem Regiment Derfflinger, den Oberstleutnant 
Hennigs mit dem Regiment Mörner und den Oberst v. Printzen 
mit dem Regiment Kurprinz. Es war der letztgenannte Offizier, 
der am 21. Dezember morgens bei Sulzbach einen Zusammen- 
stoss mit feindlicher Reiterei von der Brigade Sourdis hatie. 
Printzen verlor bei diesem Scharmützel einige Leute und er- 
stattete eine sehr übertriebene Meldung. Er wollte von 2 —3000 
1 Mann, denen vermutlich die ganze feindliche Armee folge, an- 
gegriffen sein. Diese unrichtige Meldung übte die bedauerlichste 
Wirkung auf den Herzog aus. Er gab das Notsignal der drei 
Kanonenschüsse ab und zog sofort seine Vorposten von Wälsch- 
Kapellen und Sulzbach, sowie sein Gros von Aspach auf Sennheim 
zurück. Ja, er beschloss auf die erste Meldung, die Printzen 
schon nach zwei Stunden widerrufen mussle, in übereiltester 
Weise und ohne Rücksicht auf die Bundesgenossen den Rück- 
zug auf Colmar ! Ein so schwächliches Verfahren lag natür- 
lich nicht im Sinne des ritterlichen. Kurfürsten, der es gewiss 
bereut hat, nicht den verwegenen Landgrafen v. Homburg auf 
den Posten des ängstlichen Holsteiners gestellt zu haben. Er 
sandte durch Derfflinger Gegenbefehl nach Sennheim, und des 
Feldmarschalls Ankunft hatte die Wirkung, den vorsichtigen 
Herzog für einige Tage zum Ausharren zu bewegen. 

Leider fehlt es über die folgenden Tage fast gänzlich an 
Quellenmaterial. Sicher ist nur, dass das Gros der branden- 
burgischen Armee in Colmar zurückgehalten und seine Ver- 
sammlung auf den 25. nach Rufach verlegt wurde. Ferner 
steht fest, dass die brandenburgischen Generale am 24. von 
Sennheim zurückkehrten. Auch Herzog August hat den be- 
absichtigten Rückzug mit seiner Infanterie und Artillerie um 
diese Zeit zur Ausführung gebracht. Nur die Generale v. 
Görtzke und v. Götzen blieben mit einem Teile der Reiterei 
und des Fussvolkes vorläufig noch bei Sennheim stehen. Auch 
zu diesem Zeitpunkte lässt sich der Abzug der Brandenburger 
nicht entschuldigen. Herzog August erfüllte angeblich nicht 
einmal die selbstverständliche Pflicht, den Markgrafen Hermann 
von seinem Abmarsch zu benachrichtigen. Man muss leider 
der Opinio des Wiener Hofkriegsrates beipflichten, die dahin 
lautete: «Dass die voran commandirten Chur Brandenburgischen 
so unversehens zuruckh gezogen worden, findet mann nit für 
löblich.» Herzog August v. Holstein hatte seine Bundesgenossen 



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Das verbündete Heer nicht versammelt. 



87 



tatsachlich im Stich gelassen 1 , obwohl der Gegner noch so 
wenig drohte, dass Caprara am 25. bis vor die Tore von Bellort 
streifen konnte, ohne auf einen Franzosen zu stossen. 

Die Versammlung auf dem Ochsenfelde wurde am 23. auch 
amtlich vom Oberbefehlshaber abbestellt, indem er den General 
der Kaiserlichen benachrichtigte: es sei jetzt nicht mehr not- 
wendig, dass er zum Marsche dorthin seine Quartiere verlasse. 
Bournonville aber zog nun die kaiserlichen Truppenteile, die er 
noch zwischen Thür und Doller stehen hatte, in der Richtung 
auf Mülhausen zurück und verteilte sein ganzes Korps längs der 
III und seitwärts davon. Feldmarschall-Leulnant Wertmüller 
z. B. lag mit den Regimentern Strein und Vehlen in Hunds- 
bach, Portia in Altkirch, Sereni und Caprara nördlich davon, 
Reuss in Zillisheim. Feldmarschall Bournonville schlug vor, das 
Land zwischen Larg und Doller derart zu verwüsten und in Brand 
zu stecken, dass es für Turenne unbetretbar würde; aber 
diesem barbarischen Plane versagte sich der Kurfürst v. Branden- 
burg. Wohin wir bei den Verbündeten blicken, wir sehen 
überall Uneinigkeit, Unschlüssigkeit und Schwäche. Es kann 
unmöglich überraschen, dass der Erfolg sich dem zielbewussten 
und willenstarken französischen Feldherrn zuwandte. 

Am 23. Dezember brach Marschall Turenne mit seiner aus- 
geruhten Armee von Longuet zur Fortsetzung seines Zuges auf. 
Seit drei Tagen hatte helles Frostwetter den bisherigen Schnee- 
fall abgelöst. Die Wege waren jetzt hart und gut, wenngleich 
etwas glatt. Die Armee marschierte auch jetzt dem damaligen 
Kriegsbrauche gemäss in drei Kolonnen. Sie zog ausser der 
von Mirecourt herankommenden Kavallerie-Brigade Resnel auch 
die Besatzung von Lure sowie die in der Ebene von Baudoncourt 
bei Luxeuil vereinigten Truppen an sich, die der Herzog v. 
Duras aus den Garnisonen von Vesoul, Gray und Besan^on 
hatte abgeben können. Marschall Turenne rückte am 23. mit 
seinem Fussvoik nach la Rochotte, Corravillers und la Fernere 



1 Die scharfe Zunge des Götterbothen Mercurii. der sich in 
diesen Tagen in Colmar aufhielt, bemerkt sarkastisch : clnmittelst 
wurde dem Hertzog von Holstein die General-Feldzeugmeister-Charge 
zum Recompens seiner bisshero, sonderlich in Burgund, geleisteten 
guten Dienste conferiret.» Der Herzog, der in der Tat gerade 
am 21. Dezember 1674 zum General-Feldzeugmeister befördert wurde, 
trat späterhin in die Dienste der Generalstaaten. 



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88 6. Tarcnnes Zug durch Lothringen. 

in der Gegend von Faucogney, mit der Reiterei bis Eboulet. 
Er hatte nunmehr die Freigrafschaft erreicht. Am folgenden 
Tage marschierte das Gros der Armee nach Melisey am Ognon 
und den umliegenden Orten. Hier rastete es am ersten 
Weih nach tsfesttage und ging am 26. nur bis Roncharap und 
Champagney, um am 27. Valdoye nördlich von Beffort zu er- 
reichen. Der Feldherr, der die Vorhut seines Heeres per- 
sönlich begleitete, durchquerte an diesem Tage die Grafschaft 
Mömpelgard. Man kann auch von dieser Periode des Zuges 
nicht sagen, dass Turenne es sehr eilig hatte. Auch wird es 
nicht weiter überraschen, dass er von Valdoye aus nach Paris 
melden konnte : die Truppen seien bis jetzt durch den Marsch noch 
nicht geschwächt. Nicht in der Raschheit seiner Bewegungen 
lag es, wenn Turenne die Verbündeten in ihrer Vereinzelung er- 
eilte, sondern in dem tauschenden Dunkel, das er über seine 
Ziele zu verbreiten wusste. Es ist zu beachten, dass er für 
den Marsch von Remiremont nach Beflbrt nicht die grosse 
Heerstrasse über St. Maurice und Giromagny wählte, sondern 
kleinere Landstras<=en weiter westlich, wodurch er immer noch 
den Anschein aufrecht erhielt, als beabsichtige er nur, das 
Burgundische Land zu schützen. 

Am 22. Dezember hatte Turenne in einem Schreiben an den 
Herzog v. Vitry die Tatkraft seiner Gegner noch überschätzt, 
indem er von ihnen annahm : sie hätten ihre nördlichen Quar- 
tiere bereits geräumt und versammelten sich im Süden. Zwei 
Tage darauf aber berichtete er von Melisey aus an Louvois, 
dass es ihm jetzt an neueren Nachrichten über die Verbündeten 
fehle. Die in der Vorhut befindliche Brigade Sourdis, schrieb 
er, bringe zwar ziemlich viele Gefangene ein ; aber deren An- 
gaben über die Lage beim deutschen Heere seien so wirr, «que 
je n'ay pas encore vu cl.ur, en quelle posture ils voudroient se 
mettre.» Kein Wunder; denn das wusste die deutsche Heeres- 
leitung in diesen Tagen selbst noch nicht ! Beide Gegner 
waren also im Unklaren über einander ; der Unterschied war 
aber der, dass der französische General entschlossen war, den 
Feinden das Gesetz des Handelns aufzulegen, während diese 
nichts Höheres erstrebten, als Nachrichten über des Gegners 
Stärke und Contenance, damit sie sich «umb so viel mehr 
darnach richten undt den Feindt observiren» könnten. Welch 
ein anderer Geist den an der Spitze des französischen Heeres 



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Turennes Vorrücken nach Beifort. 



80 



stehenden allen Helden beseelte, zeigte eine halb militärische, 
halb symbolische Massregel, die er am 27. Dezember Nach- 
mittags bei seiner Ankunft in Valdoye traf. Er sandte dem 
Kommandanten von Beflört den Auftrag, die Stücke der Festung 
zu lösen. Ihr Donner sollte die Verbündeten aus ihren Quar- 
tieren aufschrecken, damit sie sich ihm stellten und möglichst 
noch während der Märsche zur Vereinigung von seinem Stosse 
ereilt würden. 

7. Reitergefecht bei Mülhausen. 

Der Ruf der Alarmkanonen von Beffort .wurde auch in 
Colmar als das verstanden was er war, als die drohende An- 
kündigung: Turenne ist da! Jetzt musste gehandelt werden; 
aber nach der schwerfalligen Verfassung des Reichsheeres be- 
durfte es auch hierzu eines Kriegsrates. Kurfürst Friedrich 
Wilhelm berief ihn ungesäumt ein, und schon am 28. Dezember 
um 10 Uhr Vormittags trat die Versammlung in Colmar unter 
seinem Vorsitze zusammen. Der Herzog v. Celle, der wegen 
Unpässlichkeit nicht erschien, liess sich durch den General- 
major Chauvet verlreten. Von kurbrandenburgischer Seite 
nahmen Feldmarschall v. Derfflinger, Landgraf Friedrich v. Hom- 
burg und Herzog August v. Holstein teil. Oesterreich war 
durch den Diplomaten v. Goes und den über Nacht aus Zillis- 
heim herbeigeeilten Feldmarschall v. Bournonville vertreten, dem 
die Einladung erst am Tage vorher durch seinen Oberquartier- 
meister Seeliger überbracht worden war. 

Wir besitzen über den Verlauf der Beratung einen 
genauen Bericht aus Goes' Feder. Danach stellte der Kurfürst 
die beiden Fragen : «Weillen der Feindt sich nun herzu nahete, 
ob man mit demselben schlagen solle oder nit ?» und dann : 
«Wie undt wo man sich zu postiren?» Als sich auf die erste 
Frage die beiden Oesterreicher fürs Schlagen erklärt hatten, 
nahm Seine Durchlaucht sie nach dem bezeichnenden Ausdruck 
des Berichtes «gleichsamb beym Wort, als wan Sie dergleichen 
von uns nit erwarttet hellen». Da wichen die beiden 
Herren freilich wieder aus. Sie erinnerten daran, dass zunächst 
die Zustimmung der übrigen Mitglieder erforderlich sei, be- 
rechneten die Gesamtstärke des deutschen Heeres auf nur 
18000 Mann, und es stellte sich heraus, dass sie an einen 



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90 



7. Reitergefecht bei Mülhausen. 



feindlichen Angriff überhaupt nicht glaubten, sondern überzeugt 
waren, Turenne werde sich auf Basel und Breisach wenden. 
Derfflinger und Chauvet stimmten für die Schlacht, wobei der 
celli«che Vertreter meinte, dass man sich auch mit etwas 
weniger, als der Feind hatte, einlassen könne, obwohl er zu 
wissen meinle : Herr v. Bussy bedrohe immer noch mit 1500 
Mann die Vogesen passe 1 . 

Es ging mil den Vorschlägen wie gewöhnlich : «die Sache 
wurde in Deliberation gestellt, debattirt undt verschoben, biss 
mann dess Feindts Macht recognoscirt undt der unssrigen ver- 
sichert sein werde*. Immerhin war das Endergebnis des Kriegs- 
rates der Beschluss, dass das ganze Heer zwischen Ensis- 
heim und Colmar um Rufach und Heiligkreuz zusammenzuziehen 
sei, um dem Feinde die Spitze zu bieten. Von einer engen 
Aufstellung zur Schlacht wurde auf Goes' Antrag abgesehen, 
da man aus Verpflegungsgründen nur wenige Tage beisammen 
stehen könne. Wohl aber sollte die Aufstellung so sein, dass 
man in wenigen Stunden völlig zusammenrücken könne. Dieser 
Entschluss war rund 24 Stunden zu spät gefasst worden. Am 
27. hätten die Befehle dazu noch mit Aussicht auf Durch- 
führung erlassen werden können. Das war nun nicht mehr 
möglich ; denn Bournonville erreichte erst am Abend Ensisheim, 
wo er endlich erkannte, der Feind könne auch vielleicht direkt 
auf das verbündete Heer losgehen. Als die Befehle zum Rück- 
züge der kaiserlichen Truppen am 29. früh von Ensisheim 
abgingen, waren diese bereits bei Mülhausen in ein sehr nach- 
teiliges Gefecht verwickelt. 

Denn Turenne zögerte nun nicht länger. Nachdem er 
BeiTort endgültig entsetzt hatte, traf er zunächst mit Hülfe seiner 
Proviantmeister Jacquier und Berthelot diejenigen Massregeln, 
die ihm eine neue Basis in der Freigrafschaft schaffen sollten. 
Beffort selbst wurde neben Lure zum Hauptmagazinplatz des 
Heeres ausgestaltet und die Vorräte aus HeVicourt und Mömpel- 
gard dorthin vorgeschoben. Der Vicomte hatte schon am 26. 
eine Freikompagnie unter la Brosse nach dem Südostwinkel der 
Freigrafschaft und dem württembergischen Fürstentume ab- 
gezweigt. Herzog Georg, ein nur für die Wissenschaften 



1 Bussy war der zeitweilige französische Gouverneur von 
Lothringen. 



Turennes Anmarsch. 



9t 



lebender Sonderling, der mit einer Tochter des Marschalls 
Coligny Herzogs v. Chatillon vermahlt war, legte den Franzosen 
keine Schwierigkeiten in den Weg. 16 U00 für die Kaiserlichen 
gebackene Brote fielen der la Brosseschen Abteilung in Mömpel- 
gard in die Hände. Sie besetzte auch Dattenried, legte sich 
daselbst «mit Feuerröhren» ins Quartier und sprengte wenige 
Tage darauf das dortige Schloss. 

Dies waren aber Nebenaktionen. Turenne selbst, der durch 
den Marsch vom 27. erst die Strasse von ßeflbrt nach Giromagny 
erreicht halte, führte seine Vorhut am folgenden Tage nach Brunn 
oder Fontaine an der Strasse nach Sennheim, wo jedoch auch 
die Strasse nach Mülhausen abzweigt. In einer dieser beiden 
Richtungen gedachte er vorzustossen ; an Altkirch hat er zu- 
nächst nicht gedacht. Der Feind war ihm auf der Ebene von 
Sennheirn gemeldet worden. Dorthin schob er noch am 28. 
seine hauptsächlichste Aufklärung, den Mestre de Camp St. Aoust 
mit 300 Pferden vor. Dort kam es auch zu einem leichten 
Zusammenstoss mit einer zu den Vorposten des Generals v. 
Görlzke gehörigen Abteilung». Die Brandenburger wehrten 
sich wacker; einer der Anhaltischen Reiter trug nicht weniger 
als 'J4 Degenbiebe davon. In der folgenden Nacht warf eine 
andere französische Partei unter Herrn v. Maurevert vom 
Regiment Orleans eine Feldwache des Regiments Lüdeke zurück 
und nahm dabei den Major Dalchow mit 4 Reitern gefangen*. 
Durch diese Erkundungen erfuhr Marschall Turenne den Abmarsch 
des Gros der Brandenburger. Andrerseits blieb ihm der Auf- 
enthalt der Kaiserlichen an der III zwischen Altkirch und Mül- 
hausen nicht verborgen, zumal er auch Münsterol am 28. hatte 
besetzen lassen. Insbesondere wurden ihm die Truppen des 
Bischofs von Münster als noch nicht abgezogen gemeldet. 

Als energischer Soldat, der nicht den Besitz geographischer 
Landstriche, sondern die Besiegung der feindlichen Truppen- 
macht erstrebte, beschloss er nunmehr, sich am 29. Dezember 
nach Osten zu wenden, da nur dort der Feind noch erreichbar 



1 Das Görtzkesche Korps war aus Mannschaften aller Kavallerie- 
Regimenter zusammengesetzt ; «las Regiment Monier hatte allein 124 
Mann dort kommandiert, das schwache Regiment Brockdorff 49 Mann. 

2 Die Zahl der in Gefangenschaft geratenen Reiter war ur- 
sprünglich grösser; aber den meisten gclanjr es, zu entwischen und 
ihr Regiment wieder zu erreichen. 



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92 



7. Reitergefecht bei Mülhausen. 



schien. Die Teile der Regimenter St. Aoust und Orleans, die 
wir unter St. Aoust und Maurevert bei Aspach wissen, schlugen 
die Strassen über Schweighausen und Burnhaupt ein, ver- 
wandelten sich also aus einer Vorhut in eine Seitendeckung. 
Der Marschall selbst begleitete den Marsch der Kavallerie-Bri- 
gaden Sourdis und Cateux, denen 41 Kompagnien der Gen- 
darmerie unter la Trousse folgten. Die vorderste Fusstruppe 
gehörte dem Fussregiment Garde an. Der Marsch ging über 
Ober-Traubach und folgte sodann dem Tale der Larg. Bei 
Nieder- Spechbach dicht vor der Einmündung dieses Flusses 
in die III teilte Turenne seine Reiterei derart, dass eine Kolonne 
über Hochstätt, die andere über Fröningen ritt ; bei Didenheim 
vereinigten sie sich wieder. 

Turenne hatte sich jetzt der Stadt Mülhausen auf 5 Kilo- 
meter genähert. Sie war aber wegen ihrer Zugehörigkeit zur 
Schweizer Eidgenossenschaft neutral*. Um ihre Behörden zu 
beruhigen und sich über die Stimmung der Bürgerschaft zu 
unterrichten, sandte der Feldherr seinen Adjutanten Marquis 
v. Harcourt-Beuvron mit einem Geleit von 50 Reitern dorthin 
voraus. Dieser Offizier war es, der auf seinem Ritte den Ge- 
päckpark kaiserlicher Regimenter im Marsche jenseits der Iii 
auf der von Altkirch nach Mülhausen führenden Strasse be- 
merkte. Auch brachte er in Erfahrung, dass dem Fuhrwerk die 
dazugehörigen Truppen folgten. Nicht lange und er vernahm 
sogar die Klänge der Trompeter. Er sandte schleunigst Mel- 
dung über seine wichtigen Wahrnehmungen an Turenne zurück. 
Diesem wurden Harcourts Ermittelungen auch von anderer 
Seite bestätigt. Sogar über die Losungschüsse, durch die 
Hermann v. Baden am Morgen seine Truppen alarmiert hatte, 
hat Turenne Meldung erhalten. Er zögerte nun nicht, den 
sorglosen Feind von der Flanke her anzufallen. 

In der Tat war es ein beträchtlicher Teil des kaiserlich- 
münsterisch-lothringischen Korps, der jetzt erst im Begriffe 
war, sich von Altkirch, wo man den Feind vergeblich erwartet 
hatte, nach Norden abzuziehen. Eine Art Versammlung des 



1 Mülhausen war im Jahre 1515 der Eidgenossenschaft beige- 
treten, mit der es sich schon fast 50 Jahre vorher verbündet hatte. 
Es gehörte gänzlich zum deutschen Sprachgebiet, unterhielt aber 
rege Beziehungen zu Frankreich. Eine Kompagnie des französischen 
Schweizer-Regiments Ptyffer bestand nur aus Mülhausen!. 



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Anmarsch des Markgrafen Hermann v. Baden. 



93 



Korps bat allerdings auf Grund der als Signal verabredeten 
dreifachen Geschützsalve bei Zillisheim stattgefunden. Aber 
Markgraf Hermann v. Baden, der nur angewiesen war, nach 
Ensisheim zu rücken, tat nicht das dem Ernst der Lage Ent- 
sprechende. Er ordnete den Marsch der Truppen am 29. De- 
zember ganz sorglos und nach Art eines Friedensmarsches. 
Der Aufbruch der einzelnen Truppenteile erfolgte je nach ihrem 
Eintreffen mit langen Zwischenpausen. Es konnte sogar vor- 
kommen, dass das Infanterie-Regiment Portia, weil es keinen 
Marschbefehl erhielt, in Altkirch stehen blieb und dass auch 
das Kürassier-Regiment Baireuth ausblieb und für sich mar- 
schierte. Von den angelangten Truppenteilen wurde ganz sach- 
gemäss zuerst der Gepäckpark, darauf die Artillerie — nur 
5 münsterische und 3 kaiserliche Geschütze zählend, — sodann 
das Fussvolk und zuletzt die Reiterei in Marsch gesetzt. Auch 
verabsäumte General Wertmüller nicht, bei Zillisheim, wo die 
ganze Infanterie und Bagage von Fröningen über die III gehen 
musste, eine Kompagnie stehen zu lassen. In der ganzen Ko- 
lonne aber war kein Zusammenhang und kein Schluss. 

Auch fehlte es gänzlich an der unmittelbaren Aufklärung 
zur Sicherung des Marsches. Mit der Entsendung des General- 
Wachtmeisters Schultz an der Spitze von 300 Reitern gegen 
Münsterol glaubte man genug getan zu haben. Als man sich 
in den ersten Nachmittagsstunden der Stadt Mülhausen näherte, 
wurden die Truppen, wie sie ankamen, in ihre Quartiere ent- 
lassen. Diese hatte Bournonville dem Vorschlage des Oberst 
Vecchia gemäss westlich von Mülhausen festgesetzt. Der Feld- 
zeugmeister änderte dies aber und brachte die Truppen weiter 
östlich unter. Die Infanterie-Regimenter, die nach Ba Mersheim 
und Sausheim sollten, marschierten an der Ostseite des neu- 
tralen Mülhauser Gebietes vorbei durch Riedisheini. Das Kü- 
rassier-Regiment Bournonville zweigte sich nach Osten ab, um 
in Eschenzweiler Ortsunterkunft zu beziehen. Die Kroaten und 
ein Teil der Münsterischen Reiterei sollten in Riedisheim 
nächtigen; die Bischöflichen schlugen dabei, um den Kaiser- 
lichen zuvorzukommen, einen Richtweg ein. Das Ziel der Alt- 
Lothringer des Oberst du Puy war Brunstatt; aber sie waren 
noch nicht heran. Die Kroaten und Münsteraner waren es, auf 
die um 3 Uhr Nachmittags der Stoss der angreifenden Fran- 
zosen mit aller Wucht und gänzlich überraschend traf. Letzteres 



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94 



7. Reitergefecht bei Mülhausen. 



ist um so befremdlicher, als man gewarnt sein konnte. Dem 
Feldmarschall-Leulnant Wertmüller war von dem bei Zillisheim 
zurückgelassenen Hauptmann die Meldung zugegangen : ein 
Dragoner habe etwa eine Stunde weiter westlich grosse fran- 
zösische Kolonnen gesehen. Dass des Feindes am 28. erreichte 
Quartiere nur sechs Slunden von Zillisheim lagen, wusste man 
durch den General Schultz. Dennoch Hess sich Markgraf 
Hermann vom Feinde völlig uberraschen. 

Die Oertlichkeit des sich nun entspinnenden Reitergefechtes 1 
ist nicht leicht genau zu bestimmen, weil sich das Gelände in- 
zwischen durch die Anlage des Rhein-Rhone-Kanals und der 
Eisenbahn Mülhausen-Belfort stark geändert hat. Das Gefechts- 
feld lag nördlich von Brunstatt und wahrscheinlich östlich des 
Hofes Illberg. Es führten zwei Furten in massiger Entfernung 
voneinander durch die III*; die südlichere Furt war sehr breit. 
Bei ihr zog sich am linken Ufer ein Höhenzug mit Weinbergen 
•und Weidengestrüpp hin, vermutlich die Kuppe 291 südlich 
von Illberg. Vom rechten Ufer wird ein kleines Rärin genannt, 
das die Kaiserlichen gerade vor sich hatten, als sie zwischen 
dem Fluss und den Bergen gegen Süden Front machten. Damit 
ist wohl der Galgengraben oder Tiefengraben gemeint, der von 
Osten her durch das Niemandstal floss. Er bildete die Grenze 
zwischen dem Eidgenössischen Gebiet und dem Sundgau. Zu 
seinen beiden Seiten standen auf kleinen Hügeln der Mülhäuser 
und der Brunstätter Galgen. Hier spielten sich die Kämpfe des 29. 
Dezember ab; denn M. Grafs Geschichte der Stadt Mülhausen 
bezeugt ausdrücklich, das Gefecht sei «ober dem Galgengraben», 
teils auf städtischem, teils auf Brunstätter Boden geliefert worden. 
Die Berge, die das Gefechtsfeld östlich begrenzten, kleine Hügel 
mit Weingärten, sind nordöstlich von Brunstatt zu suchen, 
etwa an der Stelle der jetzigen Kalksteinbrüche. Damit stimmt 
General W T ertmüllers Angabe : von der Furt bis zu den Wein- 



1 Vergleiche die auf der Uebersichtskarte angebrachte Gefechts- 
skizze. 

2 Die Behauptung Ch. Geraids, dass es sich bei den Furten 
überhaupt nicht um die III. sondern um den Mühlirraben gehandelt 
habe; ist unbegründet. In Wahrheit Mar der Mühlbach oder Quatel- 
bach ein Arm der III. der sich erst bei Mülhausen abzweigte und 
sich erst bei Baldersheim wieder mit ihr vereinigte. Er hat also 
das Gefechtsfeld vom 2y. Dezember gar nicht berührt. 



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Das Gefechtsfeld. — Durchfurtung der III. 



95 



gärten seien ungefähr 1500 Schritt gewesen. Das Attackenfeld 
bildeten also die Wiesen nordwestlich und nördlich von Brunstatt, 
darunter auch das jetzt vom Kanal, der Eisenbahn und den 
südlichen Hausern der Mülhäuser Rebberg- Vorstadt einge- 
nommene, heutzutage wohl angebaute Gelände. 

Marschall Turenne Hess zunächst den General vom Tages- 
dienst, Marquis v. Montauban-Latour du Pin mit Ü Eskadrons 
vom Kavallerie-Regiment Orleans bei der nördlichen Furt durch 
den Fluss gehen. Brigadier Sourdis, der mit dem Rest der Bri- 
gade St. Aoust etwa 400 Meter dahinter war, sollte ihm folgen. 
Die Gendarmerie wurde auf die südliche Furt angesetzt. Der 
erste, der auf das linke Ufer gelangte, war Montauban. Sein 
Nahen konnte natürlich bei den Deutschen nicht unbemerkt 
bleiben. So überraschend das Ganze auch vor sich ging, hatten 
die kaiserlichen Führer dennoch die Schwadronen von den 
Höhen des linken Ufers auf die Furt zutraben sehen. Aber in 
ihrer erstaunlichen Arglosigkeit hielten sie die Ankömmlinge 
für Lothringer oder Brandenburger. Als Caprara und Dünnewald 
endlich Verdacht schöpften, sandten sie in Eile die nächsten 
erreichbaren Abteilungen zur Abwehr gegen den Feind. Leider 
waren es gerade die unzuverlässigsten Truppen des ganzen 
Heeres : die Kroaten und einige Münsterische Schwadronen, 
darunter die Regimenter Bönninghausen und Macdonell, sowie 
die bischöflichen Dragoner 1 . Ihrem Führer Oberstleutnant 
Barleben rief Dünnewald zu : «er habe, so lieb ihm seine 
Ehre sei, diesen Pass zu defendiren, bis die andern Truppen 
Zeit gewonnen hätten, sich in Positur zu setzen». 

Die Münsteraner und Kroaten ritten zwar an, gaben aber 
dadurch dem Marquis v. Montauban nur den Anstoss, seine 
Attacke zu beschleunigen. Unter seiner sowie des Barons 
v. Montclar Führung stürzten die beiden Eskadrons des Re- 
giments Orleans mit ihrem Mestre de Camp Herrn v. Vatte- 
ville sich «in aller Furie» mitten auf die anreitenden deutschen 
Schwadronen. Der Erfolg war ein überraschend glänzender. 
Sowohl Kroaten wie Münsterländer wendeten sich ohne Gegen- 
wehr zur Flucht und trugen den Schrecken in die Reihen der 



1 Die ganze Münstcrisehe Reiterei war jedenfalls nicht bei- 
sammen; vom Regiment Westerholt z. B. ist es bezeugt, dass es an 
dem Gefecht nicht beteiligt war. 



7. Reitergefecht bei Mülhausen. 



Kaiserlichen, die sich eben in zweiler Linie zu ihrer Unter- 
stützung formierten. Oberst v. Bönninghausen geriet dabei in 
die Gefangenschaft der Franzosen. Die Kroaten flohen durch 
den städtischen Rebberg», wo Major v. Burgstall sich vergeblich 
bemühte, sie zum Stehen zu bringen, teilweise sogar bis nach 
Basel. Von da aus hat ihr Führer Graf Lodron — wie im 
5. Abschnitt erzählt wurde — nach Verlauf einiger Tage in 
der Gegend von ßreisach den Anschluss an die Brandenburger 
erreicht. Der Wiener Hofkriegsrat aber meinte : c Wegen der 
Croaten ist sich nit zu verwundern, zumahlen ihre Arth und 
AigenschatTt nit mit sich bringt, in geschlossenen Squadronen 
zu fechten; darumb sie auch die Generale nit auf solche Weiss 
employiren solten». 

Inzwischen — wir müssen uns den Verlauf des Reiter- 
scharmützels äusserst rasch denken — ging auch General Sourdis 
selbst durch die III, um links rückwärts gestaffelt in das Ge- 
fecht Montaubans einzugreifen. Er führte sein eigenes Regiment 
und den Rest der Brigade St. Aousl, insgesamt 4 Schwadronen, 
mit sich. Vom Regiment Orleans war nur ein kleiner Teil zur 
Stelle, da es an den Seitendeckungen bei Schweighausen und 
Burnhaupt beteiligt war. Auf dem rechten Flügel Montaubans 
trat die Gendarmerie in Wirksamkeit. Deren 11 Kompagnien 
liess der Marschall nicht versteckt, sondern sichtbar über die 
Höhe zur südlichen Furt anrücken. Sie sollten den Findruck 
hervorrufen, der Anfang einer lieferen Kolonne zu sein, während 
in Wahrheit erst ein sehr geringer Bruchteil der französischen 
Armee heran war. Die südliche Furt war so breit, dass Marquis 
de la Trousse sie in aufmarschierten Eskadrons durchschreiten 
konnte. Unweit des Galgengrabens blieb er halten, aber nur 
für wenige Minuten, um sich das Ziel seines Angriffs zu wählen. 

Marschall Turenne, der vom linken Illufer aus die Entwicke- 
lung der Dinge aufmerksam verfolgte, sandte nach und nach fast 
seine ganze Generalität auf die andere Flussseite, um die Stösse 
seiner Schwadronen anzuführen. Zuerst musste General-Leutnant 
v. Foucault, der ebenfalls den Tagesdienst hatte, hinüber. So- 
dann Graf v. Roye und Herr v. Genlis; endlich auch Herr 



i «Par notre Rebberg>, wie Bürgermeister und Rat von Mül- 
hausen berichteten. Der Name Rebberg ist noch heute für die süd- 
westliche Villenvorstadt Mülhausens gebräuchlich. 



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Die ersten Zusammenstösse. 



97 



v. Tallard, der Oberst des Regiments Royal -Cravates, der der 
Brigade Resnel vorausgeeilt war, um deren Ankunft für den 
folgenden Tag anzumelden. Der Feldherr selbst blieb auf dem 
linken Ufer, behielt die Regimenter Cateux und Boncourt bei 
sich und liess sie auf weithin sichtbarer Höhe so manövrieren, 
dass sie wie beständig neu eintreffende Verstärkungen aussahen. 
Die Dragoner des Regiments Königin hatten sich hinter hoben 
Bäumen am linken Ufer eingenistet und unterstutzten die 
Angriffe der Kavallerie durch ihr Feuer. 

Gegenuber dieser Kräfteentfaltung waren auch die Führer 
der Kaiserlichen eifrig bemüht, aus ihrer ungünstigen Gefechts- 
läge möglichst wirksame Gegenmassregeln zu treffen. Feld- 
marschall-Leutnant Graf v. Caprara und General- Wacht meist er 
v. Dünnewald rafften alles zusammen, was von den Regimentern 
Caprara, Jung-Lothringen, Jung-Hol stein und Dünnewald in 
der Nähe war, und führten es dem Feinde entgegen. Aber 
alles dies geschah sehr übereilt. «Der zehnte Ruifer», erzählt 
Dünnewald, «hatt sein Gewehr nit gespannen gehabt». Bei den 
Reiterkämpfen jener Zeit wurde nämlich viel geschossen. Nach 
französischen Quellen waren es zunächst 6 Schwadronen, die 
deutscherseits den Kampf aufnahmen ; später 5 andere, die sie 
unterstützten. Der Führer des Fussvolkes Feldmarschall-Leutnant 
Wertmüller war zwar an der gefährdeten Stelle schon vorbei ; 
aber als er hinter sich den Lärm von Pistolen- und Karabiner- 
schüssen hörte, machte er sofort Front und besetzte einen Weg, 
«so mit einen Graben versehen auf der Seithe, welcher gerad 
gegen Mühlhausen zu den ungefehr 1500 Schritt entlegenen Wein- 
gärtten gehet.» Artillerie beteiligte sich nicht an dem Gefecht; 
sie war wohl schon nördlich von Mülhausen. Der Führer des 
Ganzen Markgraf Hermann v. Baden scheint etwas später er- 
schienen zu sein, war aber schliesslich bei den entscheidenden 
Attacken der beiderseitigen Kavallerien zur Stelle. 

Der Verlauf des Reiteikampfes entzieht sich durchaus der 
näheren Beschreibung ; er wogte hin und her. Ein Teil der 
Kaiserlichen tat seine Schuldigkeit im vollsten Masse, während 
ein anderer Teil versagte. Dünnewald, der mit den 6 Kom- 
pagnien seines Regiments die Nachhut halte, formierte sie in 
2 Schwadronen und stürzte sich zweimal mit Wucht auf den 
Feind, stiess aber auf eine so starke Uebermacht, dass er ge- 
worfen wurde und in eine üble Lage geriet. Caprara bemühte 

7 



98 



7. Reitergefecht bei Mülhausen. 



sich, ihn wirksam zu unterstützen, indem er mit grosser Muhe 
aus seinem Regiment sowie den Jung-Lothringern und Jung- 
Holsteinern etliche Schwadronen sammelte und gegen den Feind 
führte. Wassergräben und Hecken waren diesen Vorstössen 
hinderlich. Auch war die Haltung der kaiserlichen Reiterei 
teilweise schlecht. Während die Tapferkeit der vom Oberst- 
leutnant Graf v. Taaffe geführten zwei Schwadronen vom Re- 
giment Jung-Lothringen allseitig gerühmt wird, Hessen es andre 
Eskadrons ander Unterstützung fehlen. Einige der «Holsteinisgen 
undt Gaprarisgen» (wie sie Dünnewald im Dialekte seiner 
westfälischen Heimat nennt) zeigten sich direkt feige. «Undt 
ob sowohl der Feltmarschall-Leutenant Caprara alss ich», er- 
zählt Dünnewald, «uns bederseits äuisserst bemühet haben, 
obgemelte Esquadronen an dem Feinde zu bringen, auch Selbsten, 
um ihnen ein guhtes Exempel zu geben, etzliche Mahl unter 
dem Feindt geritten undt ihnen befohlen, uns zu folgen, so 
seind sie nit allein nit aus der Stelle zu bringen gewesen, 
sondern sobalden der Feind widerom auf sie avansiret, haben 
sie uns Beden laschement verlassen undt die Flucht ergriffen». 
Graf Caprara, für seine Person verwundet, war sehr entrüstet 
über die mangelhafte Haltung des altberühmten Regimentes, das 
seit 18 Jahren seinen Namen trug 1 , und machte seinen Leuten 
«starckhe Reprochen». Dünnewald aber meinte in einem Schreiben 
an Montecuccoli entschuldigend : «Und können Eure Excellenz 
gar leicht judiciren, dass bei einem verhongerten Corpen wenich 
Curage zu finden ist.» Und auch Caprara schrieb den Misserfolg 
zum meisten der Miserie des armen Volckhs zu, dem es an 
allem mangele, was Herz und Mut machen könne. In welchem 
Zustande von Auflösung die kaiserliche Reiterei das Gefechts- 
feld verliess, zeigt Wertmüllers Erzählung : «kaum alss ich mich 
postirt, khäme darvon geloffen ein Theil von unserer Ca valleria; 
Stendarten ohne Cavalleri, Cavalleri ohne Stendarten, Obriste 
ohne Regiment.» Viele entwichen in die Weingärten, wo Wert- 
müller sich vergeblich bemühte, sie zum Stehen zu bringen. 
Aus dem Vorstehenden ist ersichtlich, dass die französische 



1 Es war das vormalige Kürassier-Regiment Alt-Piccolomini, 
d\s bei seiner Errichtung* 1028 Teile des noch berühmteren Pappen- 
heimischen Regiments in sich aufgenommen hatte. Capraras Mutter 
war eine Schwester Oktavio Piccolominis. 



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Erfolge der Gendarmerie. — Eingreifen der Lothringer. 99 

Reiterei nicht nur an Zahl, sondern auch an Güte überlegen 
war. «On ne peut pas mieux agir qu'ont fait M. de la Trousse 
et M. de Sourdis», schrieb Turenne, der keineswegs freigebig 
mit Lob war. Und im Privatbriefe eines Ofüziers (de Cagnot 
vom Regiment Dauphin) lesen wir : «Nostre Cavallerie legere 
y a fait des miracles.» Die Billigkeit verlangt aber hervorzuheben, 
dass auch die" französischen Truppen sich nicht alle gleichwertig 
zeigten. Wenigstens wurde in den Kreisen der Gendarmerie- 
Offiziere erzählt, die leichle Kavallerie habe nach dem ersten 
Vorstosse nicht wieder angreifen wollen; auch wiederholte, 
vom Marschall gesandte Befehle hätten daran nichts geändert; 
«Ton n'obeissoit point.» Und auch in einem der ältesten im 
Druck erschienenen französischen Berichte» lesen wir, dass die 
Verbündeten, «attaquant par differens endroits quelques-uns de 
nos escadrons, les firent un peu plier.» Als eine wirkliche 
Elitetruppe aber bewährte sich die Gendarmerie. Zuerst ritten 
die vornehmsten ihrer Kompagnien, die sogenannte Schottische 
und Englische, zu einer Schwadron vereinigt über einen kleinen 
Hügel hinweg mit Erfolg gegen kaiserliche Kürassiere an. Dabei 
wurde der eine Fähnrichsslelle bekleidende« Marquis v. Beau- 
mont im Einzelkampf mit einem kaiserlichen Offizier durch 
einen Schuss aus dessen Pistole schwer verwundet. Die dahinter 
befindliche Burgundischen und Flandrischen Gendarmen mussten 
sich gegen einen neuen Feind wenden. 

Eben trat nämlich d'Allamont mit 8 Eskadrons der Alt- 
Lothringer über Brunstatt ein. Einige seiner Schwadronen 
bogen rechts aus, um den Anschluss an die Kaiserlichen zu 
gewinnen. Der alte Allamont aber griff mit seinem und noch 
zwei weiteren Regimentern mit Kraft in das Gefecht ein. So- 
fort warf sich ihm die Burgundische Kompagnie entgegen. 
Deren Führer Graf v. Broglie griff die weissen Chevaulegers der 
Lothringer im Aufmarschieren an. Er drängte ihren rechten 
Flügel zurück, wurde aber von dem im Galopp aufmarschierenden 
linken Flügel selbst umfasst, erhielt einen Pistolenschuss in 
den Hals und wäre total geschlagen worden, wenn ihm nicht 



i €Etat present des affaires d'Allemagne,» gedruckt noch im 
Jahre 1675 zu Paris. 

* Es muss daran erinnert werden, dass sich die Fähnrichsstellen 
der Gendarmerie in Händen hochstehender Offiziere befanden, mit- 
unter früherer Mestre de Camp's, (vgl. Seite 34). 



100 



7. Reitergefecht bei Mülhausen. 



auf Weisung des eben hinzukommenden Grafen v. Roye der 
Marquis de )a Trousse mit den Kompagnien Flandern und 
Dauphin Hülfe gebracht hätte. Sanguin Marquis v. Livry und 
Graf v. Rozamel, die Fähnrichs der Burgunder und Flandrer, 
wurden verwundet ; einige Marechaux de Logis (Unteroffiziere) 
fanden im Reitergetümmel ihren Tod. Graf Roye, der den 
eben geschilderten Angriff selbst angeführt hatte, wurde bald 
durch frische feindliche Kräfte, die flankierend aus den Hecken 
vorbrachen, zum Stehen gebracht und musste ihnen die Gen- 
darmen von Anjou entgegen werfen, damit der Sieg ihm nicht 
noch entrissen würde. 

Die Lothringer gingen zwar zuletzt über die dortige Höhe 
— vielleicht war es der Brunstätter Galgenhügel — zurück, 
aber nicht ohne eine kostbare Beute mit sich fortzuführen. 
Sie hatten den General-Leutnant Marquis v. Montauban, den 
der Wirrwarr des Reiterkampfes inzwischen nach dem rechten 
Flügel verschlagen hatte, in ihre Gewalt gebracht und zwar im 
letzten Moment, als die Franzosen schon die Verfolgung aufge- 
nommen hatten. Die Gefangennahme dieses hohen «Ofßciers 
von gutter Experienz und berüembter Condotta» wurde mit 
Recht als ein schöner Gewinn betrachtet. Aber drei lothrin- 
gische Offiziere, die Kapilains d'Herbeville und du Houx und 
der junge Graf v. Apremont, waren nebst 35—40 Reitern ge- 
blieben. Unter den Verwundeten befand sich Oberst Majastre; 
dem General d'Allamont selbst war das Pferd getroffen und 
der Hut mehrmals durchschossen. 

Das energische Eingreifen der Lothringer war ein grosses 
Glück für die Verbündeten. Es wendete eine völlige Katastrophe 
noch glücklich ab ; denn auch die Brigade Sourdis blieb trotz 
einiger Rückschläge schliesslich im Vorteil. Gerade gegen den 
linken Flügel der Franzosen setzte Prinz Hermann v. Baden 
seine Reserven an, angeblich 6 Eskadrons stark. Er hätte 
vielleicht Erfolg gehabt, wenn nicht auch seine Gegner ein 
zweites Treffen unter Sourdis verfügbar gehalten hätten. Es 
attackierte allerdings erst, als ihm die Gendarmerie auf den 
mahnenden Ruf eines hohen Offiziers: «Messieurs, oü est Thon- 
neur de la France?» ein gutes Beispiel gegeben halte. Eben 
jetzt hatte Turenne seinen Neffen den Grafen v. Lorge durch 
den Fluss gesandt. Er setzte eine starke Abteilung des zweiten 
Treffens links von der Gendarmerie ein, anscheinend das Re- 



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Ausgang des Gefechtes. 10L 

giment Sourdis. Als diese frischen Kräfte sich mit Pauken- und 
Trompetenschall auf die Flanke der anreitenden Kaiserlichen 
stürzten, wandten sich diese zur Flucht. 

Lorge verfolgte sie nur bis zu einem Hügel, auf dem er 
zwei Eskadrons anhielt und zwei andere zur Reserve zurück- 
führte. Die bedeutenden Verluste der Kaiserlichen werden 
jedenfalls zum grössten Teile auf die. eben berührten Gefechts- 
momente entfallen. So Helen Major Reich und Rittmeister 
Graf Arrigetti vom Regiment Dünnewald verwundet in Feindes 
Hand ; ebenso wurde der Major des Regiments Caprara gefangen. 
Dass die beiden tapferen Reitergenerale der Kaiserlichen ihre 
Schuldigkeit nach jeder Richtung getan haben, steht ausser 
Zweifel. Wiewohl sie beide unverträgliche Naturen waren und 
erst vor kurzer Zeit einen heftigen Zwist miteinander gehabt 
hatten, konnte ihr Oberbefehlshaber von ihnen schreiben; 
«undt kann der Graff Caprara dess Dünewaldts Dapfferkeit und 
der Dünnewald dess Graff Caprara erwisen Valor nicht ge- 
nuegsamb rühmen». Die fliehenden Oesterreicher, denen ihre 
tapferen Führer erst folgten, als sie sich verlassen sahen, 
fanden etwa um -4 Uhr an den Weingärten Aufnahme durch 
die vom Feldmarschall-Leutnant Wertmüller dort aufgestellten 
Fusstruppen. Es waren dies 6 Bataillone, darunter der grösste 
Teil des Regiments Kaiserstein und das münsterische Regiment 
Wedel. Ferner waren auch einige wenige Dragoner dort be- 
teiligt. Als sie eben wieder aufsassen, wurde ihr Chef Oberst 
Frh. v. Reiffenberg erschossen, während er gerade den Fuss in 
den Steigbügel setzte 1 . Oberstleutnant Graf v, Kuefstein über- 
nahm an seiner Stelle vorläufig das Kommando der Dragoner. 

Leider Hessen die Kaiserlichen eine beträchtliche Beute in 
den Händen der Sieger. Sie büssten nicht weniger als 17 oder 
18 Standarten (darunter einige niünslerische) und 2 Paar 
Kesselpauken ein. Ausser den schon genannten 3 Stabsoffizieren 
waren noch 5 Offiziere und einige 1U0 Soldaten in Gefangen- 



i Johann Schweickhard v. Reiffenberg, ein erst 1674 aus kur- 
trierischen in kaiserliche Dienste übergetretener Rheinländer, wurde 
am Neujahrstage mit 13 andern Gefallenen vor dem Tore Mül- 
hausens beerdigt. Aber seine Gemahlin sandte aus Ensisheim seinen 
Adjutanten, der die Leiche ausgrub und fortführte. Für das frei- 
gewordene Regiment suchte der Wiener Hof von neun Bewerbern, 
unter denen sich auch Berlepsch befand, den Oberst Chavagnac aus. 



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102 



7. Reitergefecht bei Mülhausen. 



schaft geraten. Auch der Verlust an Toten und Verwundeten 
war beträchtlich. Das Regiment Dünnewald 1 verlor allein 27 
Reiter als tot oder gefangen, über 60 Mann als verwundet ; 
3 Kornets dieses Regiments waren mit der Standarte in der 
Hand gefallen, Rittmeister v. Nostiz am Schenkel verwundet. 
Auch das Regiment Caprara hatte stark gelitten. Von den 
andern Truppenteilen fehlt es an Nachrichten. Die französischen 
Verluste waren viel geringer; bei der Brigade Sourdis waren 
der Kapitän de la Roque und 60 Reiter geblieben ; die Ver- 
luste der Gendarmerie wurden bereits besprochen. Die Bürger 
Mülhausens, die von ihrer Ringmauer aus dem Gefecht zuge- 
sehen hatten und denen nachher die Bestattung der Toten zu- 
fiel, berichten: es seien von beiden Seiten zusammen 250 Mann 
gefallen. Aehnlich hoch schätzt ein kaiserlicher Offizier, der 
von Basel kam und am Abend über das Gefechtsfeld ritt, die 
Verluste: er glaubte ungefähr 200 Leichen gesehen zu haben. 

Französischerseits wurde die Verfolgung nur mit grosser 
Vorsicht betrieben, und es war Marschall Turenne selbst, der 
sie hemmte. Er war noch immer ohne alles Fussvolk ; denn die 
beiden mit einigem Geschütz aus Brunn im Anmarsch befind- 
lichen Garde-Batailione waren noch etwa 8 Kilometer zurück. 
Auch machte den Feldherrn eine Meldung besorgt, wonach 
jenseits der Berge von Basel her noch eine feindliche Kolonne 
mit Infanterie im Anmarsch sein sollte, wobei allerdings 
wohl ein Irrtum vorlag. Der vorsichtige General nahm einen 
Teil der zu weit vorgekommenen Eskadrons hinter die III zurück, 
während er selbst mit der Brigade Cateux über den Fluss vor- 
ging. Oestlich desselben war nur noch der Graf v. Lusignan 
mit einem Teile der Schottischen und Englischen Gendarmerie; 
er ging sogar ncch etwas vor, um die noch in Sicht befind- 
lichen Nachtrupps der Kaiserlichen zu vertreiben. Marquis 
de la Fare aber wurde, als er sich anschliessen wollte, von 
Turenne daran gehindert. Der Vicomle Hess zum Sammeln 
blasen und räumte auch seinerseits das Gefechlsfeld. Er wollte 
zunächst das Aufschliessen seiner rückwärtigen Heeresteile ab- 
warten. Nur die notwendigen Aufklärungs- und Verfolgungs- 
massregeln wurden vorher angeordnet. Für die Verwundeten 



1 Als 7. Dragoner-Regiment noch heute in der österreichischen 
Armee vorhanden. 



Rückzug der Kaiserlichen. 



103 



sorgte die Stadt Mulhausen in menschenfreundlicher Weise. 
Sie Hess die verwundeten Franzosen durch das Obertor, die 
Deutschen durch das Spiegeltor in ihre Mauern ein. Broglie und 
Beaurnont konnten erst zu Ende Januar nach Langres abreisen. 

Feldmarschall-Leutnant Wertmüller wollte mit den ihm 
unterstellten 6 Bataillonen nicht aus den Weingärten sudlich 
von Mülhausen weichen, musste aber auf Befehl des Markgrafen 
v. Baden abmarschieren. Er langte bei voller Dunkelheit in 
Sausheim an und wollte hier mit seinen ermüdeten Truppen 
bleiben. Er versicherte, «dass er ein wenig den Turennischen 
Humor kenne, und dass der Apparenz nach Turenne nicht 
nachfolgte». Der Markgraf nötigte ihn aber, noch weitere 9 
Kilometer bei Begenwetler auf gänzlich durchweichtem Wege 
bis nach Ensisheim zu marschieren. Kein Wunder, dass seine 
Truppen dort in slarker Auflösung nach Mitternacht einrückten. 
Aber die Hoffnung, nun endlich Ruhe zu finden, trog. In die 
höheren Führer war ein solcher Schrecken gefahren, dass der 
merkwürdigerweise den ganzen Tag über in Ensisheim ver- 
bliebene Herzog v. Bournonville den Infanterieführer trotz 
seiner Gegenvorstellungen noch 18 Kilometer weiter bis nach 
Heiligkreuz marschieren liess ! Freilich gelang es Wertmüller 
nicht vor 4 Uhr früh, seine Leute wieder in Marsch zu bringen. 
Die armen Fusstruppen hatten 43 Kilometer Marsch und ein 
Gefecht hinter sich, als sie endlich am Morgen des 30. Dezem- 
ber Heiligkreuz erreichten. Es ist wahrlich kein Wunder, 
dass W T ertmüller mit nur 150 Mann dort eintraf. Hauptleute und 
Wachtmeisler waren unterwegs, um die Nachzügler zu sammeln 
und nachzuführen. Dass man ganz ohne Nachricht von dem 
am Morgen in Altkirch verbliebenen Regiment Portia war, war 
keineswegs geeignet, die Stimmung zu heben. 

In Ensisheim fand sich nach und nach auch die geschlagene 
Reiterei der Verbündeten ein. Die Alt-Lothringer konnten 
von Brunstatt her nur auf einem beträchtlichen Umwege, 
wahrscheinlich unter Benutzung des Zureinwaldes, dorthin ge- 
langen ; vier Schwadronen blieben vorläufig abgedrängt. Das 
Kürassier-Regiment Bournonville', das am Gefecht gar nicht 

1 Der Hofkriegsrat nahm sein Fernbleiben unter die Zahl der 
kriegsrechtlich zn untersuchenden Punkte auf. Es war ebenfalls ein 
altberühmtes Regiment, dessen Chef vormals Johann v. Werth ge- 
wesen war; es ist das heutige 8. Dragoner-Regiment. 



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104 



8. Um die Jahreswende. 



teilgenommen hatte, rückte von Eschenzweiler direkt heran ; 
ein Teil seines Gepäckes aber verirrte sich und ging verloren. 
Dünnewald und Caprara trafen mit ihren stark gelichteten vier 
Regimentern erst bei völliger Dunkelheit in Ensisheim ein. 
Ebenso was von den Münsterländern und Kroaten noch übrig 
war; viele waren freilich auf Basel entwichen oder in den 
Wäldern rings umher versprengt. Das Regiment Baireuth, 
das schon beim Alarm am Morgen ausgeblieben war, fehlte 
noch immer, scheint sich aber am nächsten Tage eingefunden 
zu haben. So war es der traurige Eindruck einer erlittenen 
gänzlichen Niederlage, mit dem das kaiserliche Korps den ver- 
hängnisvollen Tag beschloss. 

8. Um die Jahreswende. 

Am 30. Dezember setzte der Befehlshaber der Kaiserlichen 
mit allem, was er beisammen hatte, seinen Rückzug nach 
Heiligkreuz fort. Die als Besatzung in Ensisheim gewesene 
Abteilung des Regiments Kaiserslein und zahlreiche Trupps 
Versprengter, die in der Nacht von Wertmüller abgekommen 
waren, schlössen sich an. In Ensisheim selbst wurde zu guter- 
letzt noch geplündert. Kurz vor Tage war auch General Schultz 
mit den 300 Pferden, die er am Morgen vorher gegen Alt- 
Münsterol vorgeführt hatte, noch angelangt. Die Münsterischen 
und Kroaten marschierten voran. «Die Infanteria, Stuckh und 
Bagage», bemerkt Bournonville, «marschirten zur rechten 
Hand». Sie werden also die alte Strasse über Enzen und 
Hergheim an der III entlang benutzt haben». Die Nachhut 
übernahm das Bournonvillische Kürassier-Regiment nebsteinigen 
Münsterischen Schwadronen, mit denen sich Oberst Schade 
freiwillig dazu erboten hatte. Gegen Mittag wurde ohne 
weiteren Zwischenfall Heiligkreuz erreicht. Kurfürst Friedrich 
Wilhelm v. Brandenburg und Herzog Georg Wilhelm v. Celle 
empfingen hier die Truppen Bournonvilles, die «comme une 
armee mise en vraie deroute» eintrafen. Einen Tag später 



» Ucbrigens sah der Kurfürst v. Brandenburg am 30. die Ba- 
gage des Markgrafen v. Baden südöstlich von Colmar. Sie ging 
c^anz rechts nach Strassburg». ist also wohl auf Andolsheim gelenkt 
worden. 



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Vorsichtige Verfolgung. 105 

langten auch die verspäteten vier Standarten der Alt-Lothringer 
unter du Puy an. Das kaiserliche Fussregiment Portia aber war 
und blieb verloren. 

Marschall Turenne Hess diesen Abzug der Kaiserlichen 
ziemlich unbehelligt, obwohl ein energisches Nachdrängen die 
grössten Erfolge versprach. Der Marschall mag wohl über den 
bei den Kaiserlichen herrschenden Grad von Auflösung nicht 
unterrichtet gewesen sein. Er hätte sich sonst schwerlich so 
viel Zeit zum Aufschi iessen seiner Armee genommen. War er 
selbst doch am Abend des Gefechtes bis nach Brunn zurück- 
geritten! An Verfolgungsmassregeln geschah nur das Not- 
dürftigste; aber auch damit wurde mancher Erfolg erreicht. 
Merkwürdig spät wurde die Verfolgung namentlich auf der 
eigenl liehen Rückzugsstrasse des Feindes begonnen. Erst am 
31. Dezember gingen auf ihr 6 Schwadronen der Brigade 
Sourdis nebst 200 Dragonern vor, jedoch nur bis Ensisheim, 
das sie am Neujahrstage besetzten. — Weiter westlich war der 
Bereich der Streifkorps von St. Aoust und Maurevert, die sich 
am Gefechtstage an der Doller entlang ihrem Gros wieder ge- 
nähert hatten. Ihnen fielen zahlreiche Gefangene und manches 
Beutestück in die Hände, vielleicht von brandenburgischen 
Nachzüglern. Denn General v. Görtzke war, wie er an Bour- 
nonville meldete, mit dem Rest seiner Kavallerie nach Rufach 
abgezogen. Am 27. stand er noch mit Götzen bei Sennheim 
und berichtete dem Landgrafen v. Hessen, er sende fleissig 
Parteien von 5—11 Pferden gegen den Feind; eine von ihnen 
sei so nahe an Beflbrt gekommen, dass sie die Franzosen auf 
den Mauern habe sprechen hören. Am 30. stand Görtzke schon 
in PfafTenheim, wohin sich auch das Regiment Schöning aus 
Thann und die übrige Infanterie abgezogen hatte 1 . Am 31. 
wurde auch das Schloss Engelsburg bei Thann von seiner 
kleinen Besatzung geräumt und in der Folge von den Fran- 
zosen geschleift. — Nach Süden, wo sich zunächst noch einige 
Abteilungen der Kaiserlichen und Lothringer befanden, wurde 
der Brigadier d'Humieres entsandt. Er streifte bis nach Lands- 



l Das Regiment Götzen war jetzt in Gcberschweier, Derfflingcr 
in Herlisheim und Heiligkreuz. An Kranken hatte das Regiment 
Schöning 16 Mann in Thann, das Regiment Derfttiuger 20 Mann in 
Sennheim zurückgelassen. 



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106 



8. Um die Jahreswende. 



krön. Schloss Allkirch mit 150 Mann Besatzung unter einem 
Hauptmann ergab sich am 31. ohne Widerstand an Humieres. 
Die Jesuilenablei St. Morand zu Altkirch ging durch Unvor- 
sichtigkeit der französischen Einquartierung in Flammen auf. 

Eine andere Partei, die vom Grafen V. Lorge in Richtung 
Basel entsandt war, gelangte bis nach Häsingen und griff viele 
Versprengte auf. Ein Trupp nichtsahnender Kroaten wurde in 
nächster Nähe des Marschalls Turenne aufgehoben, als der 
Feldherr gerade den Vorbeimarsch der 5 Kavallerie- und 2 Dra- 
goner-Regimenter abnahm, die General Resnel von Pont-a-Mousson 
herangeführt hatte. Wieder ein Detachement schlug am 30. von 
Mülhausen den Weg zum Rheine, also vermutlich die Strasse 
nach Neuenburg ein, um etwaigen weiteren Nachzüglern und 
Fuhrwerken den Anschluss an ihre Truppenteile zu ver- 
wehren. Viele deutsche Flüchtlinge befanden sich in Mülhausen. 
Um Niemand hinaus zu lassen, stellten die Franzosen vor dem 
Baseler und dem Spiegeltore Poslen aus. Dennoch entkamen 
nach und nach fast alle verkleidet aus der Stadt. Während 
dieser Tage, so berichtet der Mülhäuser Magistrat, verübten die 
in die Stadt kommenden französischen Soldaten mehr Aus- 
schreitungen als die Deutschen während der ganzen Zeit ihres 
Aufenthalts irn Lande, acela notamment en payant en fausse 
monnaie et en usant de vrais procedes de filous et de voleurs.» 
Als die Gefangnisse überfüllt waren, schritt der Rat dazu, 
solche Räuber ohne weiteres zu hängen. 

Weitaus die wertvollste Beute, die den Franzosen in die 
Hände fiel, wurde von der Brigade Lancon entdeckt: dies war 
das kaiserliche Infanterie-Regiment Porti a. Es hatte schon seit 
Wochen in Altkirch gelegen und zwar unter dem Kommando 
des Oberstleutnants v. Dietrichstein, da der Inhaber des Re- 
giments. General-Wachtmeister. Fürst v. Portia u. Mitterburg, 
wohl noch nicht von seiner Verwundung bei Enzheim genesen 
war. Dieses Regiment war nicht zum Korps herangezogen 
worden. Markgraf Hermann behauptet in seiner Verteidigungs- 
schrift, er habe kein Verfügungsrecht darüber gehabt. Bour- 
nonville hingegen schob die Schuld wohl mit grösserem Recht 
dem Markgrafen zu und berichtet wegen Portia : «Er hatte ein 
Befelch, wann die Armada sich rucken würde, er mit einer 
Batallion darzustossen sollte.» Einen solchen Befehl stellt jedoch 
Dietrichstein in Abrede. Bei Karsbach südwestlich von Altkirch 



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Katastrophe des Regiments Portia. 



107 



aufgestellt, hatte er um 7 Uhr früh die Alt- Lothringer mit der 
Nachricht vom Nahen des Feindes vorbeiziehen sehen. Dennoch 
halte er sich zum selbständigen Abrücken nicht entschliessen 
können, sondern nur nach Zillisheim gesandt und um Befehle 
gebeten. Erst um 3 Uhr Nachmittags traf die Weisung des 
Markgrafen zum sofortigen Aufbruch ein, gleichzeitig mit einer 
früher erlassenen Ordre Bournonvilles. Der Bericht Dietrich- 
steins behauptet, das Regiment sei um 4 Uhr abgerückt und 
habe erst um Mitternacht Brunstatt erreicht. Obwohl ein grosser 
Tross und viele Frauen den Marsch des Regimentes verlang- 
samen mochten, ist diese Angabe unglaubwürdig, da es nur 
15 Kilometer Weges waren. Wahrscheinlich erfolgte die An- 
kunft in Brunstatt lange vor Mitternacht, aber freilich bei voller 
Dunkelheit. Der Regimentsführer erfuhr hier, dass das kaiser- 
liche Korps geschlagen sei und dass die Strasse nach Mülhausen 
durch den Feind gesperrt sei. Er besetzte nunmehr das Schloss 
zu Brunstatt. Dieses damals dem Sololhurner Ratsherrn Martin 
Besenwald gehörige Kastell 1 , ein schwerfällig massiver Bau mit 
zwei runden Ecktürmen, war von einem Wassergraben um- 
geben, so dass Dietrichstein hoffte, sich darin halten oder am 
folgenden Tage noch entkommen zu können. 

Bei der unmittelbaren Nachbarschaft Brunstatts am Ge- 
fechtsfelde des 29. Dezember konnte die Anwesenheit des Re- 
giments Portia den Franzosen nicht verborgen bleiben. Nach 
dieser Richtung war die Aufklärung dem Brigadier Lancon mit 
400 Pferden übertragen. Seine Vorhut, 150 Reiter vom Re- 
giment Dauphin unter Rittmeister v. Cagnot, entdeckten das 
kaiserliche Regiment und wagten den Angriff, wurden aber 
mit Verlust abgeschlagen. Ein Unteroffizier blieb tot, die Leut- 
nants v. Monbrisson und d'Arbusigny wurden verwundet. Der 
erste AngrifT war also gescheitert und ebensowenig richtete 
bald danach der Brigadier Lancon aus. Vielmehr beantragte er 
beim Marschall Turenne Verstärkungen. Zwar gelang es auch 
Dietrichstein, einen Freiwilligen durchzubringen, der Entsatz- 
truppen suchen sollte; aber er fand keine und hätte auch 
höchstens noch bei den letzten Schwadronen der Alt-Lothringer 
Hülfe finden können. Desto sicherer konnten die Belagerer 



» Schloss Brunstatt ist im Jahre 1856 beim Bau der Mülhausen- 
Belforter Eisenbahn abgebrochen worden. 



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108 



8. Um die Jahreswende. 



baldiger Unterstützung sein. Noch am Abend des 30. Dezember 
langten Tilladets Dragoner an und bemächtigten sich während 
der Nacht des unteren Schlosshofes. Am 31. traf Turenne selbst 
vor Brunstatt ein. Er hatte um 2 Uhr Nachmittags eine kurze 
Unterredung am Obertor von Mülhausen mit dem regierenden 
Bürgermeister gehabt und ihm für die Pflege der Verwundeten 
gedankt, aber die Aufforderung zum Betreten der Stadt abge- 
lehnt. Von da kam er nach Brunstatt und forderte die Besatzung 
zur Uebergabe auf. Dietrichstein setzte den Widerstand jedoch 
fort und wagte mehrere Ausfälle. Der Ort Brunstatt ging bei 
diesen Kämpfen in Flammen auf und brannte zwei Tage lang. 

Turenne sah sich genötigt, die beiden Garde-Bataillone 
Bocquemar und Figueras mit etwas Geschütz heranzubeordern. 
Er selbst begab sich sodann in sein neues Hauptquartier Nieder- 
morschweiler und übergab das Kommando vor Brunstatt dem 
General-Leutnant v. Foucault. Als der kaiserliche Regiments- 
iührer seine Belagerer durch Infanterie und Artillerie verstärkt 
sah, musste er die Nutzlosigkeit weiteren Widerstandes einsehen. 
Er kapitulierte am Morgen des 1. Januar gegen die Zusicherung 
ehrenvoller Behandlung und übergab das ganze 800—900 Mann 
starke Regiment mit 10 Fahnen und zahlreichem Gepäck dem 
General Foucault, der es zunächst durch die Eskadron Cagnot 
in Brunstatt bewachen liess. Die beiden ältesten Offiziere Oberst- 
leutnant v. Dietrichstein und Hauptmann v. Röder wurden 
auf Ehrenwort entlassen, um die Unglücksbotschaft ihren Vor- 
gesetzten zu überbringen. Das Versprechen ehrenvoller Be- 
handlung der übrigen Mannschaft wurde erfüllt. Niemand wurde 
seines Eigentums beraubt; die Offiziere erhielten ihren Degen 
sowie ein Pferd zurück. Am 7. Januar wurde die Bewachung 
verschärft, da ein Gerücht den Oberst la Roche als zur Be- 
freiung der Gefangenen aufgebrochen bezeichnete. Etwas später 
wurden Offiziere und Mannschaft nach Beffort abgeführt. Das 
Bournonvillische Korps war um ein volles Regiment ärmer. 

Dieser grosse Erfolg und die zahlreiche an andern Stellen 
gemachte kleinere Beute blieb das materielle Ergebnis des ge- 
wonnenen Gefechtes für den französischen Marschall. Dazu 
kam freilich der durch die Niederlage verursachte moralische 
Druck auf die Verbündeten und die abermalige Vermehrung 
ihrer inneren Zwietracht. Wahrend Bournonville bemüht war, 
alle Schuld auf die Brandenburger zu schieben, die ihn im Stiche 



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I 

Pause in den Operationen. 



109 



gelassen hätten, hielt Kurffirst Friedrich Wilhelm sich für ver- 
pflichtet, beim Kaiser Leopold öher die schlechte Haltung seiner 
Regimenter Klage zu fuhren. Der Hofkriegsrat und der Kaiser 
selbst zeigten sich so aufgebracht über das Geschehene, dass 
eine kriegsrechtliche Untersuchung und weiterhin die Abbe- 
rufung Bournonvilles vom Kommando die Folge war. 

In den eigentlichen Operationen liess Turenne eine mehr- 
tägige Pause eintreten, die seinen Gegnern nur erwünscht sein 
konnte* Bei Bournonville und Goes entstand sogar die Hoff- 
nung, Turenne werde sie überhaupt nicht angreifen, sondern 
sich mit der Befreiung Breisachs begnügen. Namentlich der 
kaiserliche Gesandte Goes glaubte sich etwas sehr Feines aus- 
gedacht zu haben, wenn er annahm, «dass der Tourenne alss 
ein witziger undt erfahrener Capitain uns keine Battaille 
liefleru, sondern dahir consumiren werde» ! Am 2. Januar ging 
der französische Feldherr, dem solche Gedanken ganz fern lagen, 
nach Ensisheim und nahm sein Hauptquartier im sogenannten 
Reinacher Hof. Die inzwischen bei Brunstatt versammelte Armee 
setzte er am 3. gegen Colmar in Bewegung. Dass seine Ope- 
rationen sich durch Schnelligkeit ausgezeichnet hätten, lässt sich 
kaum behaupten. Wir müssen wohl annehmen, dass die Heeres- 
organisation des 17. Jahrhunderts, die Verpflegungs-Schwierig- 
keiten, das Fehlen eines geregelten Fuhrparkes und die Un- 
gunst der Jahreszeit eine schnellere Bewegung nicht gestatteten. 

Mit der Ankunft der Kaiserlichen, Münsteraner und Alt- 
Lothringer in Heiligkreuz war die Vereinigung des verbündeten 
Heeres vollzogen. Die Braunschweig-Lüneburger hatten im 
Sinne der Kriegsrat-Entschliessung vom 28. Dezember Befehl 
erhalten, nach Colmar heranzurücken. Herzog Georg Wilhelm, 
der sich endlich überzeugt hatte, dass bei Markirch keine Ge- 
fahr mehr drohe, versammelte sein Korps und liess es so mar- 
schieren, dass es am 30. nordwestlich von Colmar bereit stand. 
Seine gesamte Infanterie lag in Katzenthal und fand dort Heu 
für ihre Pferde und «des köstlichsten Weines gnug». Die 
Reiterei brach am folgenden Tage unter Chauvets Kommando 
zu der im 5. Abschnitt geschilderten Unternehmung gegen 
Breisach auf. Die kurbrandenburgische Infanterie und Artillerie 
stand kampfbereit bei Colmar, während sich die Kavallerie zum 
Teil unter Görtzke bei Rufach befand, zum Teil unter Land- 
graf Friedrich v. Homburg gegen Breisach rückte. 



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110 



8. Um die Jahreswende. 



Am Sonntag den 30. fuhr Kurfürst Friedrich Wilhelm, 
obwohl noch immer an beiden Händen von der Gicht geplagt, 
mit seiner ganzen Generalität nach Heiligkreuz hinaus, um das 
geschlagene Bournonvillische Korps zu erwarten und die Lage 
des umliegenden Feldes in Augenschein zu nehmen. Der 
Herzog v. Celle und Frh. v. Goes schlössen sich ihm an. Ein 
kunter Bericht Bournonvilles über den Unfall von Mülhausen 
war bereits eingetroffen. Beim Hinausfahren begegnete man 
den ersten Verwundeten, sowie dem münsterischen Proviant- 
direktor v. Brockhausen. Von ihnen erfuhr der Kurfürst Näheres 
über den Umfang der erlittenen Niederlage. Einen wahrhaft 
niederschlagenden Eindruck aber machte das Aussehen der nach 
und nach im Zustande der vollsten Auflösung eintreffenden 
Truppenteile. Die gesamte kaiserliche Kavallerie wurde nebst 
Bournonville, Caprara und dem Markgraten Christian Ernst v. 
Baireuth nach Sundhofen gelegt. Die Münsterischen kamen in 
ein anderes, die Lothringischen in noch ein anderes benach- 
bartes Dorf, vermutlich Logeinheim und Appenweier oder viel- 
leicht Herlisheim. Während die Reiterei bei diesen Ortschaften 
grösstenteils biwakieren musste, wurden das Fussvolk und die 
Artillerie nebst dem Markgrafen Hermann v. Baden in Heilig- 
kreuz einquartiert. Kurfürst Friedrich Wilhelm hielt in diesem 
Dorfe Mittagstafel und lud dazu die kaiserliche Generalität und 
den gefangenen Marquis v. Montauban ein. Sodann hielt er 
Kriegsrat ab, befahl für den 31. das Heranrücken der Bundes- 
genossen zu den norddeutschen Kontingenten und begab sich 
mit den Seinigen nach seinem Hauptquartiere zurück, wohin 
der österreichische Befehlshaber ihm folgte. 

Der Herzog v. Bournonville hat sich fortgesetzt auf das 
Bitterste darüber beklagt, dass er bei Heiligkreuz nur von den 
beiden norddeutschen Fürsten, nicht aber von ihren Truppen 
empfangen worden sei. «Le plus grand desplaisir>, schrieb er 
beispielsweise an Montecuccoli, «et la plus grande faute est, 
que contre la resolution prise au conseil les armees alliees ne 
se sont pas trouvees au rendez-vous resolu ä Ste. Croix». Ge- 
wiss war die Aenderung des Aufmarsch platzes eine Abweichung 
von dem am 28. gefassten Kriegsratteschlusse, und wir wissen 
nicht, welche Gründe hierzu geführt haben. Irgend welche 
nachteilige Folgen hat diese Massregel aber in keiner Weise 
gehabt. Da Bournonville seine fluchtartige «Retirada und Re- 



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Versammlung: des verbündeten Heeres bei Colmar. 



111 



troguardia» gänzlich unverfolgt bewirkte, so bedurfte er auch 
keiner Aufnahme. Die Vorführung der Norddeutschen nach 
Heiligkreuz wäre, da gerade Bournonville sich nur bei Colmar 
selbst schlagen wollte, ein ganz zweckloser Marsch gewesen. 
Wenn der zaghafte Führer der Kaiserlichen nachträglich erklärt 
hat, er wäre am liebsten «geradt aufT den Turenne losgangen», 
so wird das wohl Niemand ernst nehmen. Sein Freund 
und Gesinnungsgenosse Goes brachte am selben Tage seines 
Herzens Meinung mit folgenden Worten zu Papier : «Si nous 
serons assez heureuz de pouvoir repasser le Rhin, o Dieu, quelle 
sorte de bonheur!» 

Am 31. Dezember wurde durch die Zurückziehung des Bo- 
urnonvillischen Korps der Zusammenschluss des verbündeten 
Heeres völlig durchgeführt. Die neuen Ankömmlinge wurden 
am rechten Flügel der kampfbereit aufmarschierten Lüne- 
burger und Brandenburger aufgestellt. Zu Verpflegungszwecken 
wurden ihnen «einige Dörfler hinter ihnen am Gebürg» zuge- 
wiesen, wahrscheinlich Ingersheim, Niedermorsch weier und 
Türkheim. In diesem Städtchen nahm Bournonville sein Stabs- 
quartier. Manche Dörfer der Colmarer Umgegend waren in 
diesen Tagen mit sechs bis sieben Regimentern belegt. «Weil 
die Einwohner», lesen wir in einer Colmarer Chronik, «da sie 
bey Abmarsch der Völcker bereits ausgeplündert worden, bey 
derselben Wiederkunft weggeloflen, haben sie alle Fenster, 
Oefen, Thüren, Kirchen, Gärten usw. eingeschlagen und weg- 
genommen, dass also eine rechte Einöde aus diesem Lande 
worden ist». In Colmar selbst begannen am Sylvesterabend 
die Arbeiten zur Verteidigung der Stadt. 

Man war am 31. darauf gefasst, dass der feindliche Angriff 
unmittelbar bevorstehe. Gleich nach dem Mittagessen ritt der 
Kurfürst mit der ganzen Generalität aus, um die einzunehmende 
Verteidigungsstellung auszusuchen. Nach der Relation des Götter- 
bothen Mercurii und dem Bericht von der Reiterada könnte 
es scheinen, dass diese Besprechung im Gelände erst am 4. 
Januar stattgefunden habe». Aber die Acta capitularia des 
St. Martinstiftes lassen keinen Zweifel darüber, dass wir sie 
auf den 31. Dezember verlegen müssen. Denn dort ist in 



1 Allerdings sind der Kurfürst und Bournonville am 4. Januar 
ebenfalls auf dem Egisheinier Felde beisammen gewesen. 



112 



8. Um die Jahreswende. 



gleichzeitigen tagebuchartigen Notizen bestimmt angegeben, 
dass die Armee am 31. auf die Ebene bei Egisheiin gerückt, 
am 1. Januar aber von da über den Mühlbach zurückgegangen 
sei und mit der Befestigung dieser Stellung noch am selben 
Tage begonnen habe. 

Friedrich Wilhelm wollte die Armee auf der Ebene von 
Egisheim aufstellen und hatte die Stellung nördlich dieses Dorfes 
den Lüneburgern zugedacht. Bournonville sollte sich bei einem 
mit guten Mauern versehenen Orte «da der Feind nicht hätte 
vorbeygehen können» — jedenfalls Wettolsheim — an das 
Gebirge lehnen, dessen winterliche Ungangbarkeit ihn vor Um- 
gehung schützen musste. Die Brandenburger aber sollten mit 
ihrem linken Flügel an den Herlisheimer Wiesen stehen, die 
damals noch völlig morastig waren und vor Umfassung ebenso 
sicher schützten wie das Gebirge auf der andern Seite. Die 
Stadt Colmar lag dann in sehr günstiger Weise hinter der 
Schlachtordnung der Armee. Dieser Plan des Grossen Kurfürsten 
war militärisch zweifellos der* beste, der gefasst werden konnte. 
Auch zog der Kurfürst seine Brandenburger bereits vor und 
Hess sie am Sylvesterabend Biwaks zwischen Colmar und Hatt- 
statt beziehen. Aber der Herzog v. Bournonville, der sich allen 
Absichten seines Oberfeldherrn entgegenstemmte, erhob auch 
diesmal Widerspruch. Er legte den grössten Wert auf ein Front- 
hindernis. Unterstützt von einigen seiner Generale, nament- 
lich dem Markgrafert Hermann v. Baden, setzte er es wirklich 
durch, dass die Entscheidung für die Nordseite des Mühlbaches 
— heute Logelbach genannt — fiel. Der Kurfürst erhob gegen 
den Bach das ganz richtige Bedenken, dass er einer eigenen 
Offensive ebenso hinderlich sei wie dem Ansturm des Feindes : 
«woselbst der Feind nicht zue uns und wir auch nicht zue 
ihn hetten kommen können.» Aber er wurde überstimmt und 
musste nachgeben. Demgemäss brach die Armee am Neujahrs- 
tage 1675 aus dem Egisheimer Felde wieder auf und ging in 
die neue Stellung nördlich des Mühlbaches zurück. 

Für die Befestigung dieser Stellung liess Turenne den 
Verbündeten volle Müsse und sogar die Freiheit, ihre Ent- 
schliessungen noch zu ändern. Aber es war in der Tat nicht 
anders als Bournonville in einem Schreiben an Montecuccoli 
bemerkt : «Mann haltet alle Tag Rath undt beschliesset nichts 
von Importanz.» Sowohl am 2. wie am 3. Januar sah der Kur- 



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Kriegsrat zu Colmar. 



fürst die Führer des verbündeten Heeres sowie Goes und die 
spanischen Gesandten zum Kriegsrat um sich vereinigt. Die 
Protokolle beider Beratungen sind erhalten i, so dass wir über 
ihren Verlauf eingehend unterrichtet sind. Arn 2. Januar stellte 
Friedrich Wilhelm zunächst die Frage zur Erörterung: ob man 
die Schlacht annehmen solle? Alle Bevollmächtigten sprachen 
sich für den Kampf aus, wennschon der Herzog v. Celle nur 
bei Heranziehung des Markgrafen v. Durlach, andere unter 
allerlei unklaren Klauseln. Der Grosse Kurfürst konnte allge- 
meine Bereitwilligkeit zum Schlagen feststellen, wozu er seiner- 
seits von Anfang an geraten habe. Allerdings müsse man zuerst 
Gewissheit haben, wie stark der Feind sei, wo er stünde und 
was er vorzunehmen beabsichtige ; alsdann aber solle man in 
Gottes Namen auf ihn losgehen. 

Mehr gingen die Meinungen bei der zweiten Frage aus- 
einander: was zu tun sei, falls Turenne sich der Schlacht ent- 
zöge? Während die Spanier den Gedanken laut werden liessen, 
mit der ganzen Reiterei nach Lothringen und Luxemburg oder, 
wie Herzog August v. Holstein riet, nach Trier aufzubrechen, 
empfahl Bournonville, ins Stift Basel zu gehen, damit man 
Freiburg «auf dem Rucken hätte». Auch Wertmüller, ein ge- 
borener Schweizer, der freilich im Kriegsrate selbst keine Stimme 
hatte, war ein eifriger Verfechter des Gedankens, von Basel 
oder Hüningen aus gegen Burgund zu wirken. Einige Stimmen, 
darunter sogar Derfflinger, sprachen vom Rückzüge über den 
Rhein, und beide Oesterreicher wünschten einen Brücken- 
schlag zwischen Strassburg und Breisach. Aber der Herzog v. 
Holstein und der Landgraf v. Homburg erklärten ein Zurückgehen 
über den Rhein für so schimpflich, dass es «ein Disgusto beim 
ganzen Reiche geben würde» und der Herzog v. Celle wünschte 
lieber nie gekommen zu sein, als dass dies geschehe 2 . Der 
kleinmütige Vorschlag durfte als abgelehnt gelten, als auch der 
Brandenburgische Kurfürst sich unter Berufung auf Kaiser 
Leopolds Willen und wegen Württembergs und Bayerns zwei- 



1 Im Berliner Staatsarchive; abgedruckt in H. Peter, der Krieg 
des Grossen Kurfürsten gegen Frankreich, Seite 393— 3U7. 

2 Vom brandenburgischen Kanzler v. Somnitz. der einen Rück- 
zug als «disreputirlich» bezeichnete, meinte Goes ironisch, «der 
gute ehrliche Mann» vermöge wohl die vorliegenden Schwierigkeiten 
nicht zu übersehen. 

8 



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1H 



8. Um die Jahreswende. 



deutiger Haltung entschieden gegen einen solchen Rückzug 
aussprach. 

Da der Gedanke eines Einfalles in Lothringen trotz der 
ihm offenbar entgegenstehenden schweren Bedenken nicht ohne 
Anklang geblieben war, wurde Herzog Karl IV für den folgenden 
Tag nach Colmar eingeladen, um die M.einung dieses «unter 
den Waffen ergrauten Kriegers» zu vernehmen. Aber der Herzog 
entschuldigte sich in einem glatten, nichtssagenden Briefe mit 
Krankheit, stellte alles dem Kurfürsten anheim und erinnerte 
daran, es sei der Wunsch des Kaisers, dass man westlich des 
Rheines verbleibe 1 . Im Uebrigen sandte er seinen Adjutanten 
Pont-ä-Mougeat und seinen Präsidenten Canon. Dieser gab im 
Kriegsrate eine schwer verständliche Erklärung ab, die sich 
unter Berufung auf Strassburgs Leistungsfähigkeit an Proviant 
und Fourage anscheinend gegen den Einfall in Lothringen aus- 
sprach. Im Uebrigen enthält das ausnehmend konfuse Protokoll 
des Kriegsrates vom 3. Januar nur vieldeutige Phrasen. Land- 
graf Friedrich aber erklärte nochmals mit Nachdruck : zu- 
rückzugehen sei schimpflich. 

So blieb denn der Entschluss zur Schlacht aufrecht er- 
hallen, wenigstens für den Fall, dass Turenne angreifen würde. 
Und dass er seine Armee wieder in Bewegung gesetzt hatte, 
war arn Morgen des 4. Januar in Colmar bekannt. An den 
Markgrafen Friedrich v. Durlach ging das Ersuchen ab, mit 
allen verfügbaren Kreistruppen zur Feldarmee heranzurücken. 
Die Armee aber, die der Reichsfeldmarschall schwerlich noch recht- 
zeitig erreichen konnte, richtete sich inzwischen in ihrer Vertei- 
digungsstellung ein 8 . Der Mühlbach, auf den Alexander 
v. Bournonville so grossen Wert legte, ist der Arm der Fecht, 
der sich bei Türkheim von diesem Flusse abzweigt, um bei 
Colmar in die Lauch einzumünden 3 . Er heisst heute Logelbach, 
ist durchschnittlich 3 Meier breit und 1 Meter tief und diente 



1 Darauf beschränkte sich seine Aeusseruug. Wenn an vielen 
Orten zu lesen ist, Karl habe die zweckmässigsten Ratschläge für 
die Schlacht gegeben, die man leider unbeachtet gelassen habe, so 
ist das grundfalsch. 

2 Vergleiche den beigefügten Gefechtsplan. 

3 Wenn in vielen französischen Büchern von der Fecht selbst 
als dem Fronthindernis der Deutschen die Rede ist, so ist das der 
erste der zahlreichen Irrtümer, die sich über dieses Gefecht ver- 
breitet haben. 



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Verteidigungsstellung- der Verbündeten. 



115 



schon 1675 vorwiegend industriellen Zwecken. Er speiste eine 
Anzahl Mühlen, Pulverfabriken, Kupferhämmer usw., aus denen 
seither das Dorf Logelbach erwachsen ist*. Den Windungen 
dieses Baches schmiegte sich die Geländeverslärkung an, die 
die Verbündeten an den ersten Tagen des neuen Jahres vor- 
nahmen. Die Erddeckungen, die man aufwarf, erinnerten die 
Franzosen an Deiche». Alle Weidenbäume wurden zur Her- 
stellung von Verhauen gefällt. Die Aufzeichnungen des Colmarer 
St. Martinsstiftes vermerken nicht ohne Bedauern, dass «an 
vielen Orthen an dem Muhlbach LauiTgräben auffge worfle n, die 
Früchte im Feld verderbt und alle Rebstecken in derselben Gegend 
verbrenth, auch viel Reben abgehauwen» wurden. Zweifellos 
wurde der Stellung durch diese fortifikatorischen Arbeiten ein 
hoher Grad von Stärke in der Front verliehen. 

Bei Besetzung der Stellung übernahm die Infanterie über- 
oll die erste Linie, war aber in sich in zwei Treffen gegliedert. 
Hinter ihr wurde nebst einigen Fussregimentern der grösste 
Teil der Reiterei in Reserve aufgestellt 3. Dazu gehörten auch 
die Regimenter des Homburger Landgrafen und Chauvets, die 
am 3. Januar von ihrem vergeblichen Zuge gegen ßreisach 
zurückkehrten. «Die Artigleiie aber», vernahm der Götterbote 
Mercur, «habe man hin und wieder gar bequem disponiret und 
etliche Batterien aufgeworffen». Der rechte Flügel unter dem 
Kommando des Herzogs v. Bournonville lag im Bentzen, dem 
schmalen Landstrich zwischen dem Mühlbach und der Fecht. 
Das Städtchen Türkheim war nur von einer Infanterie-Feldwache 
(1 Fähnrich 30 Mann) des Regiments Kaiserstein bewacht*; 
es lag also ausserhalb der eigentlichen Stellung. Der sehr zu- 
verlässige Bericht Turennes sagt, Türkheim habe «environ ä 
12 ou 1500 pas de leur aisle droite» gelegen. Wertmüller be- 

1 Im Jahre 1484 bestanden schon 16 solcher Mühlen; wir dürfen 
also für 1675 mindestens 20 annehmen. 

* <Ils aroient relevö la tere,» schreibt Cezen an Louvois, 
«comme Ton fait ä des digues; la tere estait remue6 partout, mais 
non pas esgallement bieu». 

3 Beaurains freilich nicht sehr zuverlässiger Plan zeichnet die 
Reserve in einem Treffen bei Pnnkt 200,3 an dem Weinbergswege 
ein, der von Ingersheim nach dem kleinen Exerzierplatz an der 
Strassbnrger Chaussee führt. 

* Wenn brandenburgische Quellen behaupten. Bournonville 
habe drei Regimenter in Türkheim gehabt und zu früh von da fort- 
gezogen, so ist dies wieder eine der Legendenbildungen. 



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11G 



8. Um die Jahreswende. 



merkt von diesem Zwischenraum sogar : «resto un vacuo circa 
di 2500 e piu passi». Der rechte Flügel reichte somit kaum 
bis zum Fusse des Letzenberges. Mit den Kaiserlichen ver- 
einigt war das Münsterische Korps; vermutlich auch die Loth- 
ringer, von denen aber nirgends die Rede ist. 

Die Mitte der Schlachtordnung hatte Herzog Georg Wil- 
helm v. Celle mit seinen Truppen und den Braunschweigern 
inne. Der von den Kurbrandenburgern besetzte linke Flügel 
war ein wenig zurückgebogen und reichte bis zum sogenannten 
Rappentanz, also nördlich an der jetzigen Dragoner-Kaserne 
vorbei und über die Strassburger Strasse hinweg bis nahe an 
die Lauch, die dort seither zum SchiflTahrlskanal erweitert 
worden ist. Die gesamte Stellung hatte bei geringer Tiefe eine 
Breite von 7000 Metern 1 . Sie war also offenbar viel zu aus- 
gedehnt und litt trotz ihrer frontalen Stärke unter sehr be- 
denklichen Mängeln. Der rechte Flügel konnte von Winzenheim 
her umgangen werden. Der linke Flügel aber hatte die Stadt 
Colmar gerade vor sich, die das eigene Schussfeld behinderte, 
dem Feinde aber zu gedeckter Annäherung dienen konnte. 

Freilich sollte Colmar nicht unverteidigt bleiben. Des 
Kurfürsten Durchlaucht Hess dem Obermeister Sandherr sagen : 
«Sie wären nunmehr resolviret, folgenden Tages dem Türen ne 
mit göttlicher Hülffe eine Feldschlacht zu liefern. Wie sie nun 
pro bono publico alle Dero Lande und Leute aufgesetzet, auch 
Ihre eigene Churfürstliche Person nicht schoneten, sondern zur 
Rettung des Elsasses und damit vornemlich auch die gute 
Stadt Coli mar des frantzösischen Joches entledigt werden 
möchte, in bevorstehender Occasion ungescheuet zu wagen ge- 
dächten, so würde dabey der Magistrat selbsten begreiffen, 
woferne alles wol von Statten gehen und erwünschter Success 
erfolgen solte, dass nothwendig ein Heben und Legen seyn 
müsse. Möchten derhalben ihrer Bürgerschafft anbefehlen, der 
Ch urfürstlichen Infanterie, so währender Battallie zu der Stadt 
Defension darinnen verbleiben solte, redlich beyzustehen und 
zu solchem Ende die Waffen zur Hand nehmen. Welche aber 
deren mangelten, könnten mit Schüppen und Spaden bey der 



i Von Türkheim bis zum Rappentanz gemessen. Bleibt die 
Türkheimer Abzweigung ausser Betracht, so waren es noch immer 
mehr als 5000 Meter. 



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Besetzung der Stellung durch die Deutschen. 



117 



Arbeit ihre Schuldigkeit erzeigen». Im Sinne dieser vom 
Götterboten Mercur überlieferten Kundgebung Hess der Kur- 
fürst einen General mit 3 Infanterie-Betaillonen in der Stadt. 
Magistrat und Zunftmeister Hessen es an Eifer nicht fehlen. 
Selbst die Dominikaner-Mönche halfen treulich zum Besten der 
deutschen Sache mit 1 . Auf den Wällen der Stadt wurden 
etwa 20 Kanonen aufgepflanzt. Beim Katharinenkloster und 
am St. Peterswall war dies schon am 31. Dezember geschehen. 
Man gedachte diese Geschütze zu flankierender Bestreichung des 
Vorfeldes der Logelbach-Stellung zu verwenden. Die Kurfurstin 
Dorothea reiste am Abend des 4. Januar «mit dem Frauen- 
Zimmer» nach Schlettstadt ab. Alle entbehrlichen Kostbarkeiten 
waren von den Brandenburgern sowohl wie von den Kaiserlichen 
vorsichtigerweise nach Strassburg in Sicherheit gebracht worden. 
Bournonville machte den Anfang damit, indem er seine Kranken 
zu des Kurfürsten Verdruss schon am 29. nach Strassburg 
abschob. Auch Georg Wilhelm fand, dass das Flüchten viel 
zu frühe sei und leicht einen bösen Effekt bei der Armee 
machen könne. 

Am 4. Januar um Mittag hatte der Oberbefehlshaber so 
bestimmte Nachrichten über des Feindes Anmarsch auf Rufach, 
dass er durch die üblichen drei Losungsschüsse Jedermann aut 
seinen Posten berief. Er. selbst rill mit den Generalen noch- 
mals bis Egisheim vor und kehrte erst zur Nacht nach Colmar 
zurück, während Derfflinger mit den übrigen Generalen im 
Lager schlief. Die verbündete Armee war nunmehr bereit, den 
Feind zu empfangen. Ueber seinen weiteren Anmarsch musste 
man durch die vorn befindliche Reiterei unbedingt rechtzeitig 
Nachricht erhalten. Was von brandenburgischem Fussvolk 
zunächst noch bei Egisheim verblieben war, war am 4. eben- 
falls hinter den Mühlbach zurückgenommen worden. Bei 
Plaffenheim aber befand sich General -Leutnant v. Görtzke mit 
den aus Sennheim zurückgeführten 10 Schwadronen. Er hatte 
den Oberst v. Printzen mit 300 Pferden auf Vorposten nach 
Rufach vorgeschoben. Görlzke war durch das 400 Mann starke, am 
1. Januar von Colmar vorgesandte Dragoner-Regiment v. Börnsdorf! 
verstärkt worden, welches das Städtchen Rufach besetzt hatte. 



1 Zwei Mönche wurden wegen ihres bei dieser Gelegenheit ge- 
zeigten Eifers im April vom General Vaubrun ausgewiesen. 



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118 



8. Um die Jahreswende. 



Ferner hatte sich ihm Oberstleutnant v. Strauss angeschlossen, 
der vom Landgrafen v. Homburg aus Wolfganzen zum Aufklären 
nach Egi.sheim entsendet, mit seiner Abteilung aber bis Rufach 
vorgegangen war. Auch hatte der Kurfürst am 3. Januar, als 
er den Marsch des Feindes auf Ensisheim erfahren hatte, den 
Kapitän-Leutnant v. Wangenheim mit *24 Mann seiner Trabanten- 
garde vorgeschickt. Diese verschiedenen Entsendungen führlen 
neben ihrem eigentlichen Zweck mitunter auch zum Zusammen- 
treffen mit versprengten oder fouragierenden Abteilungen der 
Verbündeten. Wangenheim z. B. traf auf einen Trupp Kaiser- 
licher, den er in der Dunkelheit für Franzosen hielt und beschoss. 
Der Kurfürst selbst aber begegnete am 4., als er mit zahlreichem 
Gefolge über Egisheim vorritt, einem Trupp Münsterscher Reiter, 
die bei seinem Anblick eiligst ihre Fourage zur Erde warfen 
und «wie derTäufeb flohen. Neben solchen Zwischenfällen führte 
das zahlreiche Kavallerie-Aufgebot auch zu seinem eigentlichen 
Zwecke; man erfuhr es rechtzeitig, als der Feind anrückte. 

Wir erinnern uns, dass Marschall Turenne nach dem Ge- 
fecht bei Mülhausen weniger auf rastlose Ausnutzung seines 
Sieges als vielmehr auf völlige Versammlung seiner Armee be- 
dacht war. Am 3. Januar 1675 trat er endlich den Vormarsch 
an i. Seinen höheren Unterführern setzte er an diesem Ta^e 
in einem Kriegsrate zu Ensisheim seine Absicht auseinander, 
von Munweiler ab zur Vermeidung zahlreicher Engwege und 
Sümpfe nicht an der III entlang und über Heiligkreuz, sondern 
am Gebirge entlang über Rufach marschieren zu wollen. Die 
schon in Ensisheim befindliche Kavallerie-Brigade Sourdis be- 
hielt mit den Dragonern die Vorhut. Das Gros brach am 3. 
von Brunstatt auf; es bestand aus der Infanterie und Artillerie, 
dem Rest der Kavallerie und den Lebensmittel-Kolonnen. Nördlich 
von Mülhausen wurden zwei Parallelst rassen benutzt: die über 
Illzach— Rülisheim und die über Kingersheim— Wiltenheim. 
Bei Ensisheim wurde ein Lager aufgeschlagen, das sich rechts 
an die III, links an den Pulversheimer Wald anlehnte. Manche 
Truppen scheinen auch weiter rückwärts in Orlsunterkunft 
gelegen zu haben; wenigstens wissen wir, dass das Kavallerie- 
Regiment Dauphin in Battenheim lag. 



1 Nach anderen Angaben hätte er seine Armee am 1. Januar 
in Brunn versammelt und am 2. nach Brunstatt vorgeführt. 



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Vormarsch Turennes. 119 

Am 4. Januar wurde der Marsch über Reilsheim und 
Rufach forlgesetzt. Die gesamte Kavallerie marschierte dabei 
unter Heranziehung aller abgezweigten Abteilungen vereinigt, 
um auch einem ernsthaften Reiterkampfe gewachsen zu sein. 
Aber General Görtzke ging unter Vermeidung eines Zusammen- 
stosses mit dem Feinde auf Hattstatt zurück, und auch vom 
Obersten Bomsdorff war nicht viel zu befürchten. Der Marsch 
dieses Tages führte über die Thür und die Lauch hinweg dem 
Fusse der Vogesen zu. Als Graf v. Roye, der die Vorhut be- 
fehligte, sich der Lauchbrücke 1 südlich von Rufach näherte, 
sah er dort Bomsdorff mit seinen 4 Dragoner-Schwadronen 
halten und ging sofort mit 2 Eskadrons leichter Kavallerie und 
den Dragonern gegen ihn vor. Da über die grosse Ueberlegenheit 
der Franzosen kein Zweifel sein konnte, wich Bomsdorff der 
Attacke aus und zog sich in die Stadt Rufach zurück. Wenn dies 
in der Hoffnung geschah, den Marschall Turenne dadurch in 
seinem Unternehmen aufzuhalten, so erwies sich dies bald als 
ein Irrtum. Nur Graf Roye folgte den abziehenden branden- 
burgischen Dragonern, wobei ihm einige Wagen mit Lebens- 
mitteln, die eben aus Rufach abfahren wollten, zur Beute 
wurden. Der Vicomte Turenne Hess an der Brücke halten, um 
seine Artillerie abzuwarten ; als sie aber heran war, waren die 
Brandenburger schon verschwunden. Der Feldherr Hess nur 
ein schwaches Detachement unter dem Brigadier Lancon vor 
Rufach Hegen. Alles Uebrige setzte unter Umgehung der Stadt 
seinen Marsch nach Pfaffen heim fort. Hier wurde das Biwak 
aufgeschlagen ; aber es wurde später Abend, bis die letzten 
Bataillone zur Ruhe kamen. Auch hier zeigt sich, wie gross 
die Schwierigkeiten gewesen sein müssen, welche Jahreszeit und 
Witterung dem Marsche entgegenstellten. Die Kolonnen kamen 
stets nur langsam vorwärts und wurden sehr lang. 

9. Treffen bei Türkheim. 

Der 5. Januar 4675 sollte die Entscheidung des Feldzuges 
bringen. Es war ein Sonnabend; die noch nach dem alten Ka- 
lender rechnenden Evangelischen schrieben erst den 20. De- 



1 Es wäre auch möglich, dass es die Brücke über den Holz- 
kanal war. 



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120 



9. Treffen bei Türkheim. 



zember oder zweiten Weihnachtsfeiertag 1674. Den ganzen 
Vormittag hindurch herrschte nebeliges Wetter, wie wenigstens 
Dr. Kocholl in einer seiner Schriften angibt. Man wusste aber 
im Lager der Verbündeten genau, was bevorstand. Der Kurfürst 
v. Brandenburg war, wie wir hörten, noch am Nachmittage 
vorher über Egisheirn vorgeritten und hatte vom Hattstatter 
Buckel aus die Geschehnisse bei Hufach und Pfaffenheim be- 
obachten lassen. Auch hatte Görtzke ihn gut mit Meldungen 
versorgt, deren wichtigere der Kurfürst stets an Ghauvet und 
Bournonville weitergab. General v. Görtzke blieb auch den 
Vormittag des 5. Januar hindurch mit seinen Schwadronen im 
Vorgelände. Aber * dabei scheint man sich auch beruhigt zu 
haben ; von einer Nahaufklärung direkt vor der deutschen 
Stellung hört man nichts, abgesehen etwa von einem kleinen 
Erkuridungsritt des Kammerjunkers v. Buch im Auftrage des 
Kurfürsten. An Bournonvilles Flügel geschah offenbar garnichts. 
In Winzenheim sowie in Wettolsheim kann nicht eine Pa- 
trouille gewesen sein ; sonst hätte Turennes Umgehung, von 
der wir gleich zu berichten haben werden, unmöglich unbemerkt 
vor sich gehen können. 

Die französische Armee brach am 5. Januar morgens von 
Pfaflenheim auf und zwar in drei Kolonnen mit einer Vorhut. 
Diese Marschordnung entspricht völlig dem damaligen Kriegs- 
gebrauch. Das Fussvolk und die Reilerei wurden in der Regel 
an zwei Marschkolonnen verteilt und waren nicht so wie heute 
an die Strassen gebunden; sie benutzten vielfach «r Kolonnen- 
wege» durch Weide- oder Brachland. Artillerie und Gepäck 
folgten als dritte Kolonne auf einer Strasse. Eine Vorhut schützte 
das Ganze; sie war in diesem Falle, wie Deschamps berichtet, 
aus 2000 Musketieren und 400 Grenadieren zusammengesetzt. 
In den beiden Hauptkolonnen war die Infanterie im Hinblick 
auf den bevorstehenden Kampf nach vorne genommen. Wahr- 
scheinlich stand die rechte Kolonne unter dem Herzog v. Lorge, die 
linke unter Marschall Turennes eigenem Befehl. Ersterer zog 
wohl östlich an Hattstatt vorbei, letzterer durch Obermorschweier 
auf Egisheirn. Als dieses Dorf in Sicht war, stiess man auf die 
lü brandenburgischen Schwadronen, die unter General v. Görtzke 
«an dem Kreuzwege zwischen Colmar und Hattstatt» gehalten 
hatten und nun schrittweise vor den Franzosen zurückwichen. 
Nach Angabe Beaurains standen sie jetzt hinter einem kleinen 



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Hinhaltendes Gefecht des Herzogs v. Lorge. 121 

Bach — jedenfalls demselben, der von den nördlichsten Häusern 
Egisheiras her den Herlisheimer Wiesen und der Lauch zufliesst. 
Görtzke nahm den Angriff auch hier nicht an, sondern zog 
sich langsam nach Colmar ab. 

Der Marschall aber setzte seinen Marsch fort. Es lässt sich 
unschwer erkennen, dass der Weg seiner rechten Kolonne 
östlich an Egisheim vorbei, der der linken Kolonne durch dieses 
Dorf hindurch auf dem Winzenheimer Feldwege geführt haben 
muss. Beide Strassen führen in die Nähe der kleinen Feldkirche 
nordöstlich von Wettolsheim i, wo die Armee ungefähr um 12 
Uhr Mittags versammelt war. Da sie erst 10 Kilometer zurück- 
gelegt hatte, so ist auch dies wieder ein Beweis der ausserordent- 
lichen Langsamkeit ihrer Bewegungen, die nur durch die Jahres- 
zeit und das viele Marschieren querfeldein erklärbar wird. Bei 
der Feldkirche nahm Marschall Turenne eine Teilung seiner 
Kräfte vor, die auch nach den heutigen taktischen Anschauungen 
unbedingt zu billigen ist. Er formierte einen Flügel unter seinem 
Neffen dem General-Leutnant Guy Aldonce v. Durfort Herzog 
v. Lo rg e -Quentin, zu hinhaltendem Fronlalgefecht, während 
er selbst mit dem andern Flügel durch Umfassung des Gegners 
von Westen her die Entscheidung herbeizuführen suchte. Es ist 
anzunehmen, dass diese Kräfteteilung schon in den beiden 
Marschkolonnen vorbereitet war. 

Den Geländeverhältnissen entsprechend wurde der weitaus 
grösste Teil der Reiterei dem Herzog v. Lorge unterstellt, bei dem 
auch Graf Roye und Baron Montclar blieben. Auf diesem Flügel 
verstrich der Gefechtstag so gut wie tatenlos. Da die Lüneburger 
und Brandenburger sich durch die blosse Anwesenheit dieses 
Bruchteils der feindlichen Macht in ihrer Stellung festhalten 
liessen, hatte Turennes Neffe keine Veranlassung, gegen die 
verstärkte Stellung der Deutschen frontal anzulaufen. In Ram- 
says Schlachtplan sind Lorges Truppen freilich parallel zur 
feindlichen Stellung und bis zur Rufacher Strasse reichend ein- 
gezeichnet. Aber dies ist irrig; eine so bedenkliche Ausdehnung 
hat der französische Feldherr seinem Heere nicht gegeben. In 
Wirklichkeit hielt Lorge seinen rechten Flügel an den Kies- 

1 Dieses uralte, dem heiligen Fridolin geweihte Gotteshaus, eines 
der ältesten des Elsass. ist während der französischen Revolution 
abgebrochen worden; der Kirchhof steht noch heute. 



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122 



9. Treffen bei Türkheim. 



gruben fest, wo die Reiterei freies Gelände vor sich hatte. Die 
Infanterie marschierte nach links in den Weinbergen derart 
auf, dass sie noch Winzenheim besetzte, kus dieser Haupt- 
stellung waren — wenn Beaurains Plan richtig ist — einige 
Schwadronen 1 etwa einen Kilometer weit gegen die Furten des 
Mühlbaches vorgeschoben. Die Stellung des Herzogs v. Lorge hatte 
also die Front nach Nordosten und Hess den äussersten linken 
Flügel der Verbündeten ganz unberücksichtigt. Wenn hierin 
auch unter Umständen eine gewisse Gefahr liegen konnte, so 
darf uns das doch nicht abhalten, es anzuerkennen, dass die 
Franzosen ihre Kräfte zusammenhielten, während ihre Gegner 
sich so übermässig ausgedehnt hatten. 

Doch wir wenden uns zu der Umgehungskolonne, 
welche Marschall Turenne selbst nach Türkheim in die rechte 
Flanke des verbündeten Heeres führte. Sie bestand aus 14 Batail- 
lonen, einiger Kavallerie unter St. Aoust und Florensac und meh- 
reren Geschützen unter St. Hilaire. An die Spitze des Fussvolks 
kam eine aus allen Grenadier-Kompagnien zusammengestellte 
Abteilung von 1000 Mann. Demnächst folgte das Regiment Cham- 
pagne unter dem Marquis v. Montgaillard. Es galt als ortskundig, 
da es vom Dezember 1673 an als erste französische Garnison 
mehrere Monate lang in Colmar gestanden hatte. Turenne 
hatte durch seine aufklärenden Dragoner bereits in Erfahrung 
gebracht, dass die Stadt Türkheim so gut wie unbesetzt sei. 
Um gedeckt dorthin zu gelangen, schlug er mit seiner Kolonne 
den in den Weinstöcken verborgenen und teilweise einge- 
schnittenen Feldweg Wettolsheim — Winzenheim ein. Er ver- 
mied aber dieses von Lorges Truppen besetzte Dorf, indem er 
500 Meter südlich davon links schwenkte », um etwa 2 >/i Kilo- 
meter weit in das Gregoriental hineinzurücken. Er durchquerte 
dabei das Bärental und benutzte schmale, holperige, in der 
winterlichen Jahreszeit sehr schwierige W T ege zwischen Wein- 
stöcken und Hecken, «oüjamais on n'auroit crü. que des troupes 
eussent pü marcher en corps». Noch vor St. Gilgen nahm er 
die Marschrichtung wieder nach Norden auf die Westecke von 
Türkheim. Die kleine in der Stadt postierte österreichische 



i Beaurain zeichnet 5 solcher Eskadrons ein; doch sind seine 
Angaben wenig zuverlässig. 

* Da wo jetzt die Kellereien der Brauerei Eglinsdörffer liegen. 



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Turennes Umgehungsmarsch. 



123 



Feldwache scheint gar nicht aufgepasst zu haben. Auch hatte sie 
versäumt, eine der über den Muhlbach und die Focht führenden 
Brücken zu besetzen, so dass Turennes Truppen die Sladt ohne 
Schwertstreich besetzen konnten. 

Dies ist der einfache Hergang des Umgehungsmarsches, 
der im Laufe der Jahrhunderte durch die Legenden bildung ins 
Phantastische und Abenteuerliche aufgebauscht worden ist. In 
keiner zeitgenössischen Quelle, weder in einer französischen 
noch einer deutschen, weder in einer handschriftlichen noch 
einer gedruckten, findet sich ein Wort davon, dass Turenne 
noch weiter ausgeholt und das Gebirge selbst betreten hätte. 
«Serrant toujours le pied de la montagne», tä travers les c6- 
teaux qui sont au pied des montagnes», «längs der Weinberge 
am Fusse des Gebirges», «zwischen dem Gebürge und den 
Weinbergen» usw. — in dieser Weise kennzeichnen die Augen- 
zeugen ganz übereinstimmend den Marsch des französischen 
Feldherren. Auch die meisten Autoren des 18. Jahrhunderts 
wie Deschamps ( ) 756), Ramsay (1774), v. Zanthier (I77ü) 
wissen noch nichts von einem Zuge durch die Vogesenberge. 
Erst Beaurain kommt in seiner Histoire des quatre dernieres 
campagnes du marechal de Turenne (1782) plötzlich mit der 
ungeheuerlichen Behauptung : der Marschall habe seinen Weg 
über die Hohlandsburg (627 m) nach der Pflixburg genommen 
und sei durch das Wilspachtal zur Fecht hinabgestiegen, um 
von dort aus Türkheim zu gewinnen ! 

Obgleich diese sonderbare Erzählung eigentlich Jedem, der 
diesen Teil der Vogesen kennt, ohne Weiteres unglaubwürdig 
und unmöglich erscheinen musste, hat sie sich ihren Weg doch 
auch in neuere Geschichtswerke gebahnt, sogar noch in die 
in dem denkwürdigen Jahre 1870 erschienenen Bücher des 
Colmarer Advokaten Ch. Gerard und des Berliner Professors 
H. Peter. Keiner der beiden Autoren wusste, dass die Fabel 
von Turennes Hohlandsberg-Marsch schon vor zwölf Jahren von 
dem französischen Leutnant Nieger widerlegt war. Sogar heute 
noch wird in Colmar von Turennes Zug über die Hohlandsburg 
gesprochen. Man hat gemeint, in einem Turennestein auf der 
Hohlandsburg und einem oberhalb der Pllixburg gefundenen 
alten Kanonenrohr Beweisstücke zu finden, die sich aber auch 
anders erklären lassen. 

Der Erste, der sich gegen das Beaurainsche Märchen ge- 



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1-24 



9. Treffen bei Türkheim 



wandt hat, war wie gesagt ein französischer Offizier, der Sous- 
Lieutenant A. Nieger vom 35. Linien-Regiment. Aher seine 
vom 25. August 1858 datierte Arheit ist niemals dem Druck 
übergeben worden i und konnte daher nicht wirksam werden. 
Nieger erklärte durchaus zutreffend : «Cette marche est com- 
pletement impossible. Eul eile meme ete praticable, Turenne, 
dont le but etait d'arriver le plus promptement possible ä 
Turckheim, n'aurait pas commis la faute de perdre une demi- 
journee ä traverser la montagne de Hoh-Landsberg, tandis 
qu'il avait ä sa disposition une route bien plus courte et plus 
facile». Ebenso klar und ohne die vorstehenden Ausfuhrungen 
zu kennen, erkannte Divisionspfarrer Rocholl in seinem 1877 
erschienenen Buche «der Grosse Kurfürst von Brandenburg im 
Elsass» den Widersinn der Beaurainschen Erzählung. Aber 
weder Nieger noch Rocholl haben die Weinbergswege am 
Fusse des Gebirges als Turennes Marschroute erkannt. Viel- 
mehr sind beide auf den Gebirgspfad verfallen, der von Wettols- 
heim in die Vogesen führt, um beim Forsthause St. Gertrud 
in scharfem Winkel zum Roten Berge umzubiegen und durch 
das Bärental nach Winzenheim hinabzusteigen. 

Das Verdienst, auch diese Lesart noch als zu künstlich 
erkannt und durch den jetzt als feststehend zu betrachtenden 
Marsch am Fusse des Gebirges ersetzt zu haben, gebührt einem 
preussischen Offizier. Im Jahre 1894 liess Leutnant Braubach, 
der damalige Adjutant des Bezirkskommandos in Colmar, eine 
kleine Broschüre von wenigen Seiten drucken, die sich über 
diese Frage in mustergültig klarer Weise wie folgt ausspricht: 
«L)a Turenne unzweifelhaft ein glänzender Stratege und hervor- 
ragender Taktiker gewesen ist, so wird er wohl wie sonst 
überall auch bei Türkheim mit den denkbar einfachsten 
Mitteln und unter möglichster Schonung der Truppen seinen 
Erfolg errungen haben. Diesem Gedanken würde ein Marsch 
über den Roten Berg in keiner Weise entsprechen, da er einer- 
seits unnötig erscheint und andrerseits zur Winterszeit gewaltige 
Anstrengungen an Menschen und Pferde stellt». Braubach 
erörtert dann die Schwierigkeiten des Weges über St. Gertrud, 



1 Erst 1885 ist Niegers «Travail historique sur la bataille de 
Turckheim» als Gescheuk des Notars F. Martin an die Colmarer 
Stadtbibliothek gelangt. 



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Widerlegang des Hohlandsberg-Märchens. 125 



der auf lange Strecken für unsere heutigen Feldgeschütze sogar 
im Sommer unpassierbar ist, also für die schweren Kanonen 
Ludwigs XIV mit ihrer abgetriebenen Bespannung im strengen 
Winter gar nicht in Frage kommen konnte. Nach näherer 
Berechnung der Länge der Marschkolonne und der Zeitdauer 
eines solchen Gebirgsmarsches kommt die kleine Schrift zu dem 
Schlüsse : tDies alles ist bei einem Marsche am Fusse der Berge 
nicht erforderlich. Hier war auch die Möglichkeit geboten, die 
Truppen nach vorn zu verwenden, wenn es nötig erschien, — 
während sie für die Zeil, während der sie in den Hohlwegen 
des Roten Berges gesteckt hätten, nach keiner Seite hin zu 
einer eventuellen Unterstützung herangezogen werden konnten.» 
Diese Erwägungen sind für den militärischen Beurteiler so 
überzeugend, dass sie nur durch vollwichtige Beweise des 
Gegenteils entkräftet werden könnten. Solche liegen aber nicht 
vor ; vielmehr hat die Durchforschung der Archive die Brau- 
bachsche Anschauung in fast überraschendem Masse bestätigt, 
indem sich nirgends die geringste Andeutung eines Gebirgs- 
marsches der Franzosen findet, während eine so ungewöhnliche 
Leistung mitten im Winter doch irgendwo hervorgehoben worden 
wäre. Die Frage des Weges der Turennischen Umgehungs- 
kolonne von Wettolsheim nach Türkheim darf somit als end- 
gültig gelöst gelten. 

In einem Punkte aber scheint selbst ein so klarer und 
nüchterner Beobachter wie Leutnant Braubach noch geirrt zu 
haben. Er schliesst sich nämlich der Auffassung des Konsistorial- 
rats Rocholl an, welche den Fechtübergang der Franzosen 
nach den östlich von Zimmerbach gelegenen sogenannten Elf- 
tägen- Wiesen verlegt. Einen zwingenden Grund für ein so 
weites Ausholen konnte die in Türkheim befindliche Feldwache 
von 30 Mann unmöglich bilden. War der Umweg, aber nicht 
nötig, so war er auch ein Fehler, indem er den rechten Flügel 
des Heeres zeitweilig isolierte. Die zeitgenössischen Quellen er- 
wähnen weder ein solches Herumgreifen bis 2 Kilometer süd- 
westlich von Türkheim, noch eine Durchwatung der Fecht, die 
allerdings nach Rocholls Ermittelungen am günstigsten auf den 
nicht-sumpfigen Elftäg-Matten hätte bewirkt werden können«. 



i Cezen nennt die Fecht einen ziemlich ansehnlichen Fluss, «qui 
ne se passe pas partout aisement». 



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12G 9. Treffen bei Türkheim. 

Die Herstellung von Brückenstegen <rä une demie lieue au des- 
sous de Dürkheim vis-a-vis d'un endroit, oü le Vallon s'elargit*, 
von der )a Fare berichtet, geschah erst nachträglich, als die 
zum ersten Eindringen benutzte Brücke, «oü Ton ne passoit 
tout au plus que quatre de front», sich als unzureichend er- 
wiesen hatte. Diese Brückenstege scheinen ausserdem, wenn 
der Ausdruck «au dessous» kein irrtümlicher ist, östlich von 
Türkheim angelegt worden zu sein». In der zuverlässigsten 
aller Quellen, in Turennes Gefechtsbericht vom 7. Januar an 
Louvois, finden wir die bestimmte Angabe: «il vit un pont 
abandonne et qu'il n'y avoit personne ä la porte de Turckheim». 
Eine Brücke aber gab es bei den Elftägen im Jahre 1675 ebenso- 
wenig wie heute. Es ist also unzweifelhaft die Oberbrücke 
von Türkheim, eine dicht beim westlichen Tore der Stadt 
gelegene 3 m breite und 32 m lange Holzbrücke gewesen, auf 
der die Franzosen zuerst in Türkheim eindrangen. 

Durch diese Erkenntnis &c'hwindet freilich der letzte Rest 
des romantischen Schimmers, der die Turennische Umgehung 
seit mehr denn 100 Jahren umgab. Aber dafür bietet sich uns 
das Bild einer nach gesunden taktischen Grundsätzen einfach 
und geschickt gehandhabten Truppenführung, bei welcher die 
gegenseitige Unterstützung und einheitliche Verwendung der 
beiden Heereshälften stets gewährleistet, und der linke Flügel 
während seines Flankenmarsches stets durch Lorges Truppen - 
abteilung gedeckt war. Dem Ruhme des französischen Feldherrn 
entspricht der wahre Hergang, wie er sich uns jetzt enthüllt 
hat, besser als das sinnlos gefährliche Experiment, das ihm von 
Beaurain und seinen Nachbetern angedichtet worden ist. Fragen 
wir uns nun, wie eine so völlig haltlose Fabel entstehen konnte, 
so ist ihre ursprüngliche Quelle unschwer zu erkennen. Man 
hat eine Erzählung des Marquis h Fare 2 über den Umgehungs- 
marsch missverstandeo. Zwar sagt auch dieser Augenzeuge nur, 
der Marschall habe sich mit einer Kolonne so formiert, «comme 
s'il eüt voulu gpmper ra Montagne». Statt aber hieraus den 
Schluss zu ziehen, dass er eine solche Bergkletterung nicht 



i Auch Vecchia erzählt von den Franzosei»; «Sie bemächtigten 
sich der Wege, welche den Uebergang ihrer Armee zwischen uns 
und Türkheim und den Bergen sicherten». 

* Memoires et reflexions sur les principaux evenemens du regne 
de Louis XIV par Mr. L. M. d. 1. F. (Rotterdam 1716). 



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Turcnncs Gespräch mit la Fare. 127 

wirklich ausführte, sondern nur den Anschein davon erweckte, 
hat man sich la Fares weitere Erzählungen über das Befremden 
der französischen Offiziere wegen des Linksabmarsches, sowie 
seine Schilderung der Schwierigkeiten des Weges nur durch 
die Annahme eines wirklichen Gebirgsmarsches erklären können. 

«Niemand verstand des Marschalls Absicht», erzählt la Fare, 
ordenn er schien seine Flanke dem Gegner blosszustellen, der 
den Bach durchfurten und über ihn herfallen konnte, bevor er 
aufmarschiert war.» Während des Marsches hinter Winzenheim 
hinweg und am Bärental vorüber erscheinen solche Erwägungen 
der Offiziere ganz erklärlich. La Fare, der beim Feldherrn in 
Gunst stand, ritt zu ihm vor und gab den Besorgnissen der 
Offiziere Ausdruck, worauf Turenne ihn in gütigen Worten 
darüber aufklärte : dass vom Feinde nichts zu befürchten sei, 
dass er vielmehr in dessen Flanke zu gelangen gedenke. In 
diesem Gespräche nun gebraucht la Fare sehr starke Ausdrücke 
über die Schwierigkeit der gewählten Wege. Wenn er z. B. 
sagt, «que nous allons donner du nez dans celte Montagne et 
sommes tous les uns sur les auties dans cette vallee», so liegt 
es allerdings nahe, diese Worte auf einen wirklichen Gebirgs- 
pfadzu beziehen. In ihnen müssen wir den eigentlichen Ursprung 
der Hohlandsberg-Mythe suchen. Aber es erscheint gleichwohl 
nicht zulässig, den allgemein gehaltenen und vielleicht über- 
treibenden Worten des lebhaften Südfranzosen» eine ausschlag- 
gebende Bedeutung gegenüber allen sonstigen Berichten bei- 
zumessen. Wahrscheinlich wollte la Fare mit den Worten «les 
uns sur les autres» nur ausdrücken, dass dicht aufgeschlossen 
marschiert wurde und dass man in diesem durchschnittenen Ge- 
lände nicht manövrier- und gefechtsfähig war; mehr braucht 
in den Worten nicht gesucht zu werden. 

Die Auskunft, die der Vicomte v. Turenne seinem Günst- 
ling über den Sinn seines Marsches ins Münstertal gab, ist so 
interessant und so wichtig für die Auffassung des Feldherrn, 
dass wir sie in wörtlicher Uebersetzung folgen lassen. «Ich 
bin sicher», sagte er, «dass die feindliche Armee, die den 
Türkheimer Bach vor sich und Colmar mit ihren Lebensmitteln 
und ihrer Munition links von sich hat, nicht aus ihrer guten 



1 La Fare stammte aus Languedoc, also aus der nächsten Nach- 
barschaft der Gascogne. 



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128 



9. Treffen bei Türkheim. 



Stellung vorbrechen wird, um über mich herzufallen. Sie wird 
ausserdem Colmar mit seinen Magazinen nicht verlassen, aus 
Furcht ich könne mich von dieser Seite darauf stürzen. Auch 
weiss ich, dass die feindliche Armee nicht stark genug ist, um 
Türkheim anders als mit einem Detachement zu besetzen. Indem 
ich mich dieses Punktes bemächtige, was ich eben bemüht bin 
zu tun, verschaffe ich mir einen Weg in ihre Flanke, was sie 
veranlassen wird, ihre Armee zurückzunehmen und in einem 
öelände mit mir zu fechten, das dem Einen wie dem Andern 
gleich günstig ist.» Man wird diese Worte nicht ohne die auf- 
richtigste Bewunderung für den Scharfblick des genialen Mannes 
lesen, der sich in so überlegener Weise zum Herrn der Lage 
zu machen wusste, der seinen Gegnern bis ins innerste Herz 
blickte und ihre kleinmütigen EntSchliessungen mit voller Sicher- 
heit vorhersagte. 

Türk heim, trotz seiner Kleinheit eine uralte und reichs- 
unmittelbare, zur Hagenauer Landvogtei gehörige befestigte Stadl», 
deren Mauerlücken man mit Pallisaden gesperrt hatte, fiel gegen 
1 Uhr Mittags ohne Kampf in die Hände der Franzosen, «par 
un tres-grand bonheur» wie Turenne selbst sagt. Der Fähnrich 
des Regiments Kaiserstein, der darin stand, konnte sich mit 
seinen 30 Mann auf eine ernstliche Verteidigung gegenüber dem 
anrückenden Dragoner-Regiment Tilladet nicht einlassen. Aber 
er scheint auch die gebotene Aufmerksamkeit gröblich vernach- 
lässigt und seine Absperrungsmassregeln auf die Schliessung 
des Obertores beschränkt zu haben. Die Feldwache, die wir 
uns wohl an der steinernen Unterbrücke (Strasse nach Winzen- 
heim) denken dürfen, zog sich bei Annäherung des Feindes 
schleunigst aus Türkheim ab, tallermassen er in Befelch hatte» 
wie Bournonville entschuldigend bemerkt. Auch ein Wein 
holendes Beitreibungs-Kommando, das kein Geringerer als der 
Oberquartiermeister Seeliger mit dem General-Stabsfourier be- 
gleitete, entkam mit genauer Not. Auch die gut deutsch ge- 
sinnten Einwohner des Städtchens flüchteten Hals über Kopf, 
angeblich grösstenteils durch Löcher der hinfälligen Nordmauer, 
was ihnen in der Umgegend den Spottnamen «Lochschlupfer* 
eintrug. Nur der Pfarrer des Ortes hielt tapfer auf seinem 



1 Türkheims Umwallung . wurde im Jahre 1681 niedergelegt ; 
einige Türme und Mauerreste haben sich bis zur Gegenwart erhalten. 



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Die. Franzosen in Türkheim. 



Posten aus. Graf Tilladet war es, der mit seinen 200 Mann 
über die Oberbrücke in die Westspitze Türkheims eindrang, 
nachdem das verschlossene Obertor den Axthieben seiner Dra- 
goner nachgegeben hatte. Bald folgten einige hundert Gre- 
nadiere nach. Schnell war das Slädtchen bis zum Ostrande 
besetzt, woselbst einige versprengte Kaiserliche gefangen ge- 
nommen wurden. Das offene Untertor wurde verschlossen, das 
Oeltor dagegen besetzt. 

Bald traf auch Marschall Turenne selbst in Türkheim ein, 
wohin ihn sein bewegtes Kriegerleben schon vor mehr als drei 
Jahrzehnten einmal geführt hatte «. Er sorgte zunächst dafür, dass 
auch die steinerne Unterbrücke besetzt wurde. Um eine Art 
Brückenkopf zu haben, warf er eine kleine, angeblich 140 
Mann starke Besatzung vom Regiment Tilladet in den südlich / 
des Mühlbaches gelegenen Kirchhof der St. Symphorions-Kapelle. 
Auch die gleich daneben gelegene Mühle, in der die Kaiser- 
lichen noch einiges Mehl lagern hatten, wurde von den Dra- 
gonern besetzt. Die früher erwähnte Elite-Abteilung seiner 
Grenadiere setzte sich in Türkheim selbst fest. Mit dem Fuss- 
regiment Champagne verliess der Marschall die Stadt an ihrer 
Nordostspitze und postierte dieses Regiment in den Weingärten 
östlich der Stadt zu Füssen des Brand*. Auf diese Weise 
fasste er festen Fuss in Türkheim, wo nun in längeren Zwischen- 
räumen ein Regiment nach dem andern eintraf. Die Generale 
Foucault, Moussy und Genlis unterstützten den Feldherrn in 
der Dirigierung dieser frischen Kräfte. Brigadier Genlis führte 
das Regiment , la Marine, dem nach einiger Zeit das Regiment 
Bandeville folgte, ebenfalls in die Weingärten vor Türkheim. 
Auch etwas leichle Kavallerie scheint verhältnismässig früh an- 
gelangt zu sein ; wenigstens wird der Reiterführer St. Aoust 
als anwesend namhaft gemacht. Es war auch Zeit, dass Tu- 
rennes schwache Streitkräfte in Türkheim sich verstärkten ; 
denn ein Auslugeposten, der auf einen Baum kletterte^ meldete 
bald : dass die Deutschen sich näherten, um sich des verlorenen 
Postens wieder zu bemächtigen. 



1 Turenne hatte am 8. Juni 1644 sein Hauptquartier in Türk- 
heim genommen, als er im Begriff war, von Breisach aus das Ober- 
elsass zu besetzen. 

2 So heisst der Südhang des Steinglitz, bedeckt mit Rebstöcken, 
die den bekannten Türkheimer Brand liefern. 

9 



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130 



0. Treffen bei Türkheini. 



Es hatle einer Häufung militärischer Fehler auf dem 
rechten Flügel der Verbündeten bedurft, damit der Schlüssel 
ihrer Stellung ihnen ohne Schwertstreich verloren gehen konnte. 
Dass Türkheim nicht von vornherein in die Verteidigungslinie 
einbezogen wurde, lässt sich rechtfertigen; denn sie war ohne- 
hin zu weit ausgedehnt und wäre dadurch noch mindestens um 
2000 Meter breiter geworden. Als sich aber Turennes Absicht 
der Umfassung des rechten Flügels aussprach, musste die Be- 
setzung Türkheims unbedingt erfolgen. An Zeit dazu hätte es 
nicht gefehlt ; aber die ganze Umgehungsbewegung des Feindes 
blieb durch strafwürdige Nachlässigkeit aller zur Aufklärung 
berufenen Organe völlig unbemerkt. Gewarnt war die kaiser- 
liche Generalität ; denn Dünnewald hatte es am Vorabend des 
Gefechts dem Markgrafen Hermann vorhergesagt, die Stellung 
werde von den Weinbergen her in der Flanke gefasst werden. 
Auch Werlmüller versichert, gemahnt zu haben, man möge 
Turenne nicht die von Remiremont kommende Strasse im 
Münslertale freigeben. Kurfürst Friedrich Wilhelm, der durch 
Görtzke auf dem Laufenden erhalten wurde, hatte Mittags die 
üblichen drei Alarmschüsse abgeben lassen. Vom Lager aus 
hörte man die französischen Trompeten blasen, ihre Trommeln und 
Zimbeln schlagen. Zeitweise konnte man den Marsch der Feinde 
am Fuss des Gebirges sogar mit eigenen Augen beobachten, da 
die Deckung nicht überall ausreichte. Trotzdem ging es wieder 
wie vor einer Woche bei Mülhausen : die Kaiserlichen wurden 
abermals in ihrer Flanke überraschend angegriffen ! 

Es war der rührige General- Wachtmeister Schultz, der die 
Meldung vom Eindringen des Gegners in Türkheim und von 
der Besetzung des Kirchhofes zurückbrachte. Er hatte mit dem 
General Wertmüller Turennes bedrohliche Bewegung beobachtet 
und schickte Meldung an den Markgrafen v. Baden mit der Bitte, 
Unterstützung vom linken Flügel zu erwirken. Der Markgrat 
entsandte den Oberst Vecchia zum Zelle des Kurlürsten. Sofort 
gab dieser «voll Eifer und Tapferkeit» seinem Pferde die Sporen, 
sprengte herbei und befahl dem Markgrafen, mit seinem Fuss- 
volke den Feind zurückzuwerfen. Der österreichische Gefechts- 
bericht sagt freilich: «dahero der Duc de Bournonville den 
rechten Flügel etwass mehr gegen Türckheim ausbreiten müessen». 
Tatsächlich aber kam das Gefecht erst in Fluss, als der Kur- 
fürst von Brandenburg mit seinem Stabe auf dem rechten 



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Kampf um den Symphorions-Kirchhof. 



131 



Flügel eingetroffen war. Er zeigte sich sehr ungehalten, als 
er wahrnahm, wie leichtsinnig der Fecht Übergang von Türkheim 
dem Feinde preisgegeben worden war. 

Ungesäumt veranlasste der Oberbefehlshaber Unternehm- 
ungen zur Wiedergewinnung der vordersten Stellungen des 
Feindes : der Mühle und des Kirchhofes. Zuerst gingen 
Dragoner- Abteilungen dagegen vor, die «etwass mehr zur rechten 
Handt einen Pass verwahret», also wahrscheinlich am Katzen- 
thaler Wege gestanden halten. Es waren Kaiserliche vom 
Reiffenbergischen Regiment, Kroaten, Lothringer und Münster- 
länder. Sie griffen die Mühle an und warfen die Franzosen 
glücklich aus dem vordersten Gebäude hinaus, konnten aber 
weitere Fortschritte nicht machen. Namentlich trotzte der 
Kirchhof ihren Bemühungen. Zu einem Angriff auf diesen er- 
bot sich aber der von einer Rekognoszierung über das Fliess 
zurückkehrende General- Wachtmeister Schultz. Sofort stellte 
Friedrich Wilhelm ihm das vom linken Flügel herangezogene, 
0 Kompagnien starke hinterpommersche Dragoner- Regiment v. 
Derfflinger unter Oberstleutnant v. d. Marwitz, sowie 2 Kom- 
pagnien cellischer Dragoner des Majors v. Franke zur Verfügung. 
Offenbar hielt man damals Dragoner für hervorragend geeignet 
zu Ortsgefechten. 

Schultz Hess von jeder Kompagnie 8 Freiwillige vortreten 
und absitzen, stellte den Kapitän v. Arnim an die Spitze dieser 
Abteilung und schritt zum Angriff. Da der Symphorions-Kirchhof 
südlich des Logelbaches liegt, so muss — obwohl es nirgends 
erwähnt ist — eine Durchschreituug dieses Wassers, das 
höchstens einen Meter Tiefe hat, dem Angriff vorhergegangen 
sein. Die Franzosen lagen hinter einer fast einen halben Meter 
dicken Umfassungsmauer und hatten in der Mitte des 56 bezw. 
40 Meter grossen Kirchhofsviereckes die St. Symphorions-Kapelle 
:ds eine Art Reduit zu ihrer Verfügung. Gleichwohl glückte 
es der Tapferkeit der angreifenden Dragoner, den Kirchhof mit 
«lern Degen in der Faust zu erobern. Die daneben gelegene 
Mühle wurde, nachdem sie von den Franzosen geräumt war, 
in Brand gesteckt. So war hier ein erfreulicher, aber keines- 
wegs ausschlaggebender Teilerfolg errungen. Von den Derfl- 
lingerschen Dragonern waren 10—12 Mann tot, Major v. Ucker- 
mann mit etwa 20 Mann «gequetscht», wie der damalige 
Sprachgebrauch die Verwundeten nannte. Generalmajor Schultz, 



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132 0. Treffen bei Turkheim. 

den der Kurfürst nach der Haltung seiner Dragoner fragte, 
antwortele höflich : mit diesen Leuten wolle er nicht nur die 
Franzosen, sondern sogar den Teufel in der Hölle angreifen. 

Nachdem der Kampf an dieser Stelle entbrannt war, dehnte 
er sich schnell auf die meisten deutschen Regimenter des 
rechten Flügels und auf die nacheinander in Türkheim ein- 
treffenden französischen Streitkräfte aus. Der weitere Verlauf 
des Treffens aber bietet der Forschung grossere Schwierigkeiten 
als der vielumstrittene Umgehungsmarsch Turennes. Wohl 
kennen wir alle Truppenteile, die mit einander um den Sieg 
rangen; aber wo dies geschah, ist aus den Berichten nicht mit 
voller Klarheit zu ersehen. Sicher ist, dass die französischen 
Bataillone durch Weingärten vordrangen und dass sie durch 
einen Wasserlauf von ihren Gegnern getrennt waren. Diese 
Kennzeichen passen ebenso gut auf ein Vordringen vom Oeltore 
aus durch den Brand gegen die Fecht, wie auf ein Vorgehen 
über den Symphorions- Kirchhot und durch die Heilgass-Reben 1 
gegen den Mühl- oder Logelbach. 

Leutnant Nieger hat mit Nachdruck die Ansicht verfochten: 
nicht die Fecht, sondern nur der Mühlbach habe die Gegner 
von einander getrennt. Er beruft sich namentlich auf Turennes 
Bericht vom 7. Januar, wo es heist : aL'infanterie du Roy estoit 
dans les vignes et Celles de l'Ennemy dans un pr£ de l'autre 
coste d'une petite riviere, qui n'a que quatre pas de large». 
Es ist zuzugeben, dass diese Worte besser auf den Logelbach 
als auf die Fecht passen, da dieser Fluss allerdings breiter ist. 
Dennoch dürfte der geistvolle französische Offizier in diesem 
Punkte irren. General Wertmüller beschreibt das Flüsschen 
schon anders, wenn er sagt : «e largo circa 8 — 10 passi piu e 
meno profonda di 1 1/2 piede». Die deutsche Stellung lag zudem 
auf der Nordseite des Mühlbaches; der Angriff darauf mussle 
also von Süden her d. h. frontal erfolgt sein. Wozu aber dann 
die ganze Umgehung? ! Ausserdem passen andere Angaben des 
Turennischen Berichtes ganz und gar nicht auf den Mühlbach, 
beispielsweise die, dass Foucautt von bergiger Höhe in einen 
schmalen Wiesenstreifen am Fluss hinabgestiegen sei. Wir 



1 Der patriotische Elsässer von 1777 versichert, die Bewohner 
Türkheims wüssten noch viel von der Schlacht im Dürren-Loglcn, 
im Benzen und der Hägeigasse zu erzählen. 



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Fecht oder Mühlbach ? 133 

werden gut tun, an der Auffassung aller früheren Forscher über 
diesen Punkt festzuhalten K 

Dass auch um den Bach gestritten worden ist, steht aller- 
dings ausser Zweifel. Cezens Schlachlbericht spricht vorwiegend 
von diesem «canab. Könnten nicht beide Wasserläufe der 
Schauplatz der Kämpfe des 5. Januar gewesen sein? Könnte 
Turenne nicht versucht haben, sowohl im Norden wie im Süden 
Boden zu gewinnen? Militärisch richtig wäre ein solches Ver- 
fahren unbedingt gewesen. Nur so waren die Früchte der so 
kühn angelegten Umgehung zu ernten. Einem Taktiker vom 
RangeTurennes müssen wir zutrauen, dass er den Besitz von Türk- 
kheim zu einem Versuch gegen Flanke und Rücken des Feindes 
ausgenutzt hat. Auch stimmt damit die Angabe Deschamps : 
die Truppen der Brigade Champagne seien in den Rebgärten 
rechts und links der Stadt aufgestellt worden. Aus diesen 
Gründen ist in dem diesem Buche beigegebenen Schlachtplan der 
Angriff der Franzosen als von der Symphorions-Kapelle bis zu 
den Hängen des Brandes und des Lutzenbergs sich erstreckend 
und die Flanke der Deutschen umklammernd dargestellt worden. 

Sicher ist, dass Marschall Turenne zuerst den Marquis v. 
Genlis-Belhaucourt, Chef des Kron-Regiments (la Couronne), mit 
300 Musketieren in die Weinberge sandte, um festzustellen wie es 
seitwärts der Stadt aussähe («afin de voir le flanc de la ville«). 
Daraus dürfte vielleicht geschlossen werden können, dass diese 
Postierung, die bald durch das ganze Marine-Regiment verstärkt 
wurde, sich im Brande nördlich der Fecht befunden hat. Das 
Regiment der Marine unter dem Grafen de la Motte blieb längere 
Zeit ohne Unterstützung und hatte die deutschen Gegenstösse zu- 
nächst allein auszuhalten. Es zeigte grosse Festigkeit und erlitt 
nicht unbedeutende Verluste (17 Offiziere 1 47 Mann). Der alte 
Herr v. Goes, der zu Pferde mit dem Kurfürsten hinausgeeilt war, 
bemerkte die Vorschiebung feindlicher Truppen in den Wein- 
bergen östlich von Türkheim und machte den Herzog v. Bour- 
nonville darauf aufmerksam. Markgraf Hermann v. Baden 
hatte sich schon vorher nach rechts ziehen wollen, als es noch 



1 Auch Peter, Görard und Rocholl fassen die Gefechtsberichte 
in unserm Sinne auf. Die Verwirrung in den Berichten ist sehr 
gross; Vecchia und Buch sprechen sogar von der III ; andere wieder 
verlegen die Symphorions-Kapelle an die Fecht. 



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181 



e. Treffen bei Türkheim. 



möglich war, dem Feinde zuvorzukommen. Damals halle 
Bournonville es verholen ; «ich weiss nicht aus was für mili- 
tärischen Rücksichten», sagt Vecchia, der uns diese Talsache 
erzählt. Nun endlich sandte der Führer der Kaiserlichen dem 
Feldmarschall-Leutnant Werlmüller den Befehl, zwei Bataillone 
dorthin vorgehen zu lassen. 

Daraufhin ging Baron v. Beck, der das am rechten Flügel 
hefindliche Kaisersteinische 1. Bataillon befehligte 1 , «längs 
den Bach» gegen den Feind vor, gefolgt vom Oberst v. Wedel 
mit seinem Münslerischen Regiment. Der Herzog v. Bournonville 
und Markgraf Herman v. Baden leiteten persönlich das Vorgehen 
der Bataillone Beck und Wedel. Der österreichische Bericht rühmt 
von beiden Truppenteilen, sie hätten Wunder getan ; auch waren 
ihre Verluste beträchtlich. Oberstleutnant v. Beck selbst wurde 
«durch und durch» geschossen, kam aber mit den Leben davon. 
Im Lobe des Regiments v. Wedel sind alle Berichte einig. Ein 
munsterischer Priester ging beständig zwischen den Truppen und 
den Munitionskarren hin und her, um den Soldaten Kugeln und 
Pulver zuzutragen. 13 Offiziere dieses Regiments waren ver- 
wundet, unter ihnen 2 Hauptleute; ferner der Oberstwacht- 
meisler, dem der Arm zerschmettert wurde, und Oberst v. 
Wedel selbst, den eine Kugel in die Achsel traf. Indessen 
werden diese Verluste der Kaisersteinschen und Wedeischen 
zum Teil erst später eingetreten sein ; denn sie blieben auch 
weiterhin in vorderer Linie, als sie unterstützt wurden. 

Sowohl Turenne wie Bournonville und der Kurfürst waren 
bemüht, rasch weitere Truppen ins Gefecht zu werfen. Der 
französische Feldherr sorgte zunächst dafür, den Symphorions- 
Kirchhof und die dortige Mühle wieder in seine Gewalt zu 
bringen, was frischen Kräften unter Führung des Marquis v. 
Genlis auch gelang. Neben den Regimentern Champagne und 
Marine wird zunächst das Regiment Bandeville erwähnt*. Es 
wurde fast gleichzeitig mit la Marine vorgesandt. Da Graf lu 
Motte aber nachweislich lange ohne direkte Unterstützung 



1 Das 2. Bataillon und der ftegiinents-Inhaber waren im Lüttich- 
schen beim Grafen Sporck. 

a Des Regiments Champagne, das andere Quellen in die erste 
Stelle rücken, und dessen Grenadiere (laut Susane. an der Türkheimer 
Brücke fochten, wird merkwürdigerweise weder in Cezens Bericht 
noch in der Verlustliste Erwähnung getan. 



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Infanterickämpfe in den Bentzen-Matten. 



blieb, so muss der Ritter v. Bandeville wohl an einer andern 
Stelle vorgegangen sein. Vielleicht war er es, der über die 
Unterbrücke vorging und den Kirchhof zurückeroberte ». Die 
aus diesem und der Mühle verdrängten Dragoner der Ver- 
bündelen gingen nördlich des Mühlbaches zurück ; denn dort 
begegneten ihnen Beck und Wedel bei ihrem Vorgehen. Dass 
es nicht nur «in der Cappel und in der Mühle beym Symphorion», 
sondern auch in den benachbarten Matten und Reben bis zum 
Einbruch der Dunkelheit sehr heftig zugegangen ist, vermerkte 
auch der Pfarrer von Türkheim in seinem Ehebuche. 

Bei den Kaiserlichen hatle inzwischen Graf Sereni, ein 
älterer Oberst, der bereits Generalsdienste tat, auf Wertmüllers 
Befehl die Regimenter Sereni und Strein zur Unterstützung von 
Beck und Wedel vorgeführt. Den Anlass dazu gab eine Salve 
der in den Reben auf der andern Seite des Flüsschens vorge- 
drungenen Franzosen auf die Dragoner der Verbündelen, die 
mit der Front gegen Türkheim im Gefecht lagen. Dabei waren 
zwei vom Gefolge des Markgrafen Hermann verwundet worden 
und sein 20jähriger Nefle Ludwig Wilhelm — der nachmals 
berühmte Türkenbezwinger — auf den Kürass getroffen. Der 
Markgraf setzte nunmehr das Regiment Strein links von Wedel, 
das Regiment Sereni links von Kaiserstein ein. Tapferkeit und 
aCuraggio» werden auch diesen Truppen nachgerühmt. Oberst 
Sereni selbst wurde nebst vielen seiner Offiziere verwundet, 
Major Moriggi vom Streinischen Regiment durch die Hand ge- 
schossen. Die Mehrzahl des kaiserlichen Fussvolkes war nun- 
mehr in den Kampf eingetreten. Der Regimenter Reuss und 
Vehlen wird aber nirgends Erwähnung getan*; ebenso scheinen die 
münsterschen Fussregimenter Limburg-Stirum, Mias und Erden 
nicht am Kampfe beteiligt gewesen zu sein. 

General Wertmüller, der die Infanterie des rechten Flügels 
befehligte, hatte den berechtigten Wunsch nach weiterer Ver- 
stärkung, damit er sich in den Weinbergen halten könne. Er 
brachte diesen Wunsch durch Vermittelung des Kammerjunkers 



1 Cezen bringt dies jedoch mit dem noch zu erwähnenden Vor- 
stoss der Garde in Zusammenhang. Die Quellen widersprechen sich 
eben an allen Orten. 

2 Wenn Bournonville in seinem Bericht an den Kaiser auch die 
Kniggischcn nennt, so ist dies offenbar eine Verwechslung, vielleicht 
mit Strein; denn das Regiment Knigge lag in Dachstein. 



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136 



9. Treffen bei Türkheim. 



v. Buch, und Markgraf Hermann das gleiche Begehren durch 
den Mund des Oberst Vecchia beim Kurfürsten von Branden- 
burg zur Sprache. Dieser sandte, da seine eijrenen Truppen 
zu weit entfernt waren, ganz sachgemäss dem Herzoge v. Celle 
das Ersuchen : «man möchte die Lüneburger rechtsumb mar- 
chiren lassen», worauf die Kurbrandenburger folgen würden. 
Aber auch hier zeigte sich, wie schwach es um das Ober- 
kommando des Kurfürsten bestellt war. Georg Wilhelm, sonst 
ein williger und eifriger General, weigerte sich zu gehorchen : 
er könne seine Leute nicht trennen ; aber wenn die Kaiserlichen 
zur Rechten den «Gegenmarsch:» machen wollten, so würde er 
sich an sie halten. Zu einem solchen Offensivstosse war jedoch 
Bournonville nicht zu bewegen. 

Als äusserst nützlich bewährte sich in diesem Treffen die 
Artillerie. Gleich zu Anfang des Gefechts hatte der General- 
Feldzeugmeister Hermann v. Baden 3 Geschütze nach einer 
Höhe (?) gesandt. Sie wurden später durch noch 3 Geschütze 
verstärkt, die teilweise der Münsterischen Artillerie angehörten. 
Die Kanonen wurden durch den Hauptmann Koch und einige 
bischöfliche Artillerie-Offiziere vorteilhaft aufgestellt und geschickt 
verwertet. Turennes Artillerie war noch nicht heran, konnte 
auch in den Weinbergen nicht auffahren; die deutschen Ge- 
schütze hatten also leichtes Spiel. Die Berichte beider Parteien 
erzählen übereinstimmend, dass die auf nahe Entfernung ein- 
schlagenden Kartätschschüsse furchtbar unter den Franzosen 
aufräumten. Dabei wird aber behauptet, die im Kartätschhagel 
splitternden Weinstöcke hätten mehr Leute der Franzosen ver- 
wundet als die Kugeln selbst. 

Inzwischen verstärkte sich die französische Streitmacht in 
Türkheim mehr und mehr. Der Brigadier Marquis v. Moussy 
war beauftragt, die neu anlangenden Truppenteile an der über- 
brücke in Empfang zu nehmen und vorzusenden. Die Regimenter 
Orleans und les Vaisseaux, sowie die englischen Bataillone Mon- 
mouth und Hamilton (vielleicht auch Churchill und Roscommons) 
traten sofort ins Gefecht. Das Regiment Orleans wurde neben 
dein Regiment Marine eingesetzt und brachte diesem hart be- 
drängten Truppenteile eine sehr willkommene Unterstützung. 
Doch litt es auch selbst namhaft; seine Führer Oberst Marquis 
v. Aubijoux und Oberstleutnant Beilay wurden verwundet; 
ersterem wurden beide Hände durchschossen. Das Schiffs- 



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Artilleriewirkung. — Eingreifen weiterer Regimenter. 137 



Regiment (des Vaisseaux) unter Oberstleutnant l'Aubarede kam 
zum äussersten linken Flügel der Schlachtordnung. Hier hatte 
inzwischen General-Leutnant v. Foucault das Kommando über- 
nommen. Er schob seine neuen Bataillone, wie es scheint, über 
die nach Niedermorsch weier führende Strasse hinweg in die 
Hänge des Letzenberges hinein. Wo der Herzog v. Monmouth 
mit seinen Engländern verwendet worden ist, wissen wir nicht. 
Er hatte geringe Verluste; doch befand sich unter seinen Ver- 
wundeten ein Stabsoffizier, der Major Stanier. 

In der Mitte zwischen den beiden Wasserläufen schickte 
Turenne seine Garde-Bataillone vor. Sie hatten längere Zeit 
hindurch mit etwas leichter Reiterei unter St. Aoust «ä la t£te 
de l'avenue principale de Turckheim», al*o wohl südlich der 
Kirche gehalten. Nun Hess Graf Bocquemar aufmarschieren und 
stiess mit schlagenden Tambours «droit au canal ä la gauche 
de son cours» vor, also offenbar in den Bentzen-Matten nördlich 
des Logelbaches. Dazu passt auch die Angabe, dass das wohl- 
gezielte Feuer der Garden die deutsche Infanterie flankiert habe. 
Da wir die Verbündeten in dem schmalen Wiesenstreifen teils 
mit der Front nach Norden, teils nach Süden wissen, so konnte 
eine solche Flankierung in der Tat sehr leicht eintreten. Der 
Vorstoss der Garden erfolgte ziemlich spät; das 2. Bataillon 
unter Figueras kam erst nach dem 1. Bataillon in Aktion. Ver- 
luste haben beide Bataillone nicht angemeldet. 

Auch auf deutscher Seite waren einige frische Truppen 
bereit, den Angriffen des Feindes zu begegnen. Der Herzog 
v. Gelle fand sich, als aus der erhofften Offensive seines öster- 
reichischen Nachbarn nichts wurde, schliesslich doch bewogen, 
ihn in seinen Verteidigungs-Massnahmen zu unterstützen. Er 
sandte seinen Oberquartiermeister Oberst v. Rumohr mit zwei 
Regimentern zum rechten Flügel. Dies war das cellische Fuss- 
regiment Mollesson und das vom Oberstleutnant Keller geführte 
wolfenbültelsche Fussregiment des Herzogs Johann Adolf v. Hol- 
stein. Bournonville setzte das Regiment Mollesson gleich links 
vom Geschütz und den Oberstleutnant Keller links von seiner 
Infanterie ein, wo sie bald «etliche guette Sa Iva» taten. Lo- 
renz Müller und Fritz v, Hehnburg, die Räte dur beiden Wei- 
fenfürsten, sagen über den Anteil ihrer Truppen lakonisch : 
«Bey Occupirung der Collinen hat es ein scharfes Gefecht ge- 
geben, welches von den Mollesonnischen und Rumorischen ge- 



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9. Treffen bei Türkheim. 



halten, da der Feind in seiner eingenommenen Vertheilung an- 
gegriffen und herausgetrieben wurde». Der Verlust der beiden 
Regimenter wird an anderer Stelle — vielleicht etwas über- 
trieben — zu 50 Mann angegeben. 

Auch kurbrandenburgische Verslärkungen trafen noch ein. 
Bournonville hatte sie beantragt, «umb die Flanque des rechten 
Flügels zu bedeckhen». Aber sie langten erst an, als es bereits 
zu dunkeln begann ; jetzt strafte sich die viel zu grosse Aus- 
dehnung d«r deutschen Stellung. Es war Graf Friedrich v. Dön- 
hoff, der den Kaiserlichen zwei Bataillone aus der Reserve des 
kurfürstlichen Korps zuführte, nämlich sein eigenes nur 4 Kom- 
pagnien starkes ostpreussisches Regiment unter Oberstleutnant 
v. Möhlen und ein Bataillon des Regiments v. Götzen. «Der 
Duc de Bournonville postirete dieselben bey sich in die Wein- 
berge», berichtete Friedrich Wilhelm an den Kaiser. Der öster- 
reichische Führer hingegen behauptet, die Bataillone seien erst 
nach Schluss des Kampfes bei ihm eingetroffen. 

Das Treffen von Türkheim erreichte seinen Höhepunkt erst 
mit dem Eintritt der Dämmerung., Es war ein ausgesprochenes 
und sehr erbittertes Infanteriegefecht. Das unaufhörliche, äusserst 
starke Schiessen wird von allen Ohrenzeugen hervorgehoben. 
Vecchia sagt, es sei verhältnismässig mehr geschossen worden 
als in der Schlacht bei Enzheim ; Cezen bemerkt : «Le feu fut 
grand et de pres», und der Frh. v. Goes versichert, «dass offt 
bey einer formel Bataille nit so scharpff gefochten wirdt» als 
in diesem Gefecht, — woraus beiläufig hervorgeht, dass der 
Name einer Schlacht dem Zusammenstosse von Türkheim auch 
von den Zeitgenossen vorenthalten wurde. Die Wagschale des 
Erfolges neigte sich bald nach der einen, bald nach der andern 
Seite. Dass Rückschläge auch bei den Franzosen mehr als ein 
Mal erfolgten, bezeugt kein Geringerer als der wahrheitsliebende 
Turenne, wenn er schreibt: cell a fallu ceder quelquefois au 
plus grand feu». Gegen 6 Uhr, als es bereits stark dunkelte, 
hatte der Vicomte seine letzten Fusstruppen längst eingesetzt. 
Die Regimenter Navarra, Königin und Anjou waren am äussersten 
linken Flügel in das Gefecht eingetreten ; ebendort griff ganz 
zuletzt auch das Regiment Royal ein. 

Nach Deschamps Bericht war es der General Foucault, der 
die entscheidende Bewegung auf dem linken Flügel anordnete 
und anführte. Er liess die genannten Regimenter aus den Wein- 



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Vorrücken Foucaults; sein Heldentod. 139 

bergen, wo sie sehr litten, ohne von ihren Wallen zwischen 
den dichten Rebslöcken den rechten Gebrauch machen zu 
können, in den Wiesen» rund hinabrücken, «so längs des Bachs 
als ein schmaler Streif gebildet» wird, — eine Beschreibung, 
die offenbar nur auf den Fuss des Letzenberges passt. Un- 
mittelbar auf der andern Seite der Fecht standen in den Bentzen- 
Matten die Deutschen. Dieser Schlussakt des Treffens verlief 
sehr blutig. Schwer waren die Verluste des französischen Re- 
giment« Königin 1 ; seinen Inhaber Armand Franz le Boutellier 
de Senlis Marquis v. Moussy ereilte an der Spitze des Regiments 
die tölliche Kugel. Ebendort starb der Führer des linken Flügels 
General-Leulnant Ludwig Foucault Graf v. Oignon den Helden- 
tod. Er war zu Pferde gestiegen und in seiner grünen Kleidung 
mit wallender weisser Feder auf dem Hute weithin sichtbar 2. 
Das Regiment Anjou büsste nicht weniger als 23 Offiziere, 
21 Sergeanten und 200 Mann ein. Es weist weitaus die höchsten 
Verlustziffern auf ; sein augenblicklicher Führer Hauptmann la 
Melloniere war unter den Schwerverwundelen. 

Nach Foucaults Tode übernahm Marschall Turenne per- 
sönlich die Führung des linken Flügels. Er hatte augenscheinlich 
die Absicht, es nicht zum Bajonettkampfe kommen zu lassen. 
Als die Obersten d'Albret und l'Aubarede sich anschickten, 
mit den Regimentern Navarra und les Vaisseaux die Fecht zu 
durchschreiten, die an jener Stelle nur knietiefes Wasser hatte*, 
schickte er sofort seinen Stabschef Cezen hinterher, um sie 
zurückzuholen. Aehnlich war es laut Vecchia und Buch bei den 
Deutschen. Auch dort wurde von einzelnen Truppen versucht, 
den Fluss mit der blanken Waffe zu durchschreiten, «ein Be- 
ginnen, welchem Vernunftgründe und die Pflicht entgegen 
waren». So standen sich beide Gegner keine 30 Meter von 
einander, nur durch die Fecht getrennt, gegenüber, ohne sich 
noch etwas zu tun. Es war 0 Uhr vorbei und völlig dunkel, 



1 Die Angabe, von seinen , r »4 Offizieren seien nur 4 unverletzt 
geblieben, ist jedoch ausweislich der Verlustliste unrichtig. 

* Die Türkheimer Lokalsage, wonach ein dortiger Schlosser 
ihn von der Zinne eines Stadtturmes erschossen habe, darf wohl 
der verdienten Vergessenheit übergeben werden. Foucault wurde am 
7. Januar auf dem Dominikaner-Kirchhofe in Colmar bestattet. 

a «Jusques au-dessus du genouil», eine Beschreibung, die durchaus 
auf die Fecht passl. 



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140 9. Treffen bei Türkheim. 

als das Treffen erstarb und beide Teile ihre Truppen ein wenig 
zurückzogen und Biwaks beziehen Hessen. 

Die Teilnahme der Kavallerie an diesem Gefechte hatte des 
Geländes wegen nur unbedeutend sein können. Das Kürassier- 
Regiment Bournonville hatte sich um 3 Uhr Nachmittags hinter 
das Fussvolk begeben und einige Verluste durch zu hoch gehende 
Geschosse erlitten. Der Regimentschef selbst erzählt darüber: 
«Zwahren die Squadronen von der ersten Lini dess linckhen Flügels 
setzten sich hinter ihre Infanteria, selbe zu sousteniren, undt haben 
die ersten, so von dem Bournonvillischen Regiment wahren, 
auch arn maisten gelitten, indem sie 25 Pferdt undt 19 Mann 
Totte oder Verwundte verlornen». Auch Jung-Lothringen scheint 
ins Feuer gekommen zu sein ; wenigstens wurde der Adjulant 
dieses Regiments am Fuss verwundet, anachdeme er mit seinem 
zogen Rohr einige frantzösische Officier erschossen». Die 
müusterische Reiterei wurde vom brandenburgischen Kurfürsten 
in kurzer begeisternder Ansprache ermahnt, den bei Mülhausen 
begangenen Fehler unbedingt wieder gut zu machen. Sie riefen, 
sie wollten mit Seiner Durchlaucht leben und sterben, und sind 
auch wohl, freilich nicht zur Attacke, aber doch ins Feuer 
gekommen ; denn Buch erzählt : der Kurfürst habe seine Börse 
einem münsterischen Reiler geschenkt, der dicht neben ihm 
einen Schuss ins Bein erhielt. Der Reitergeneral Caprara hielt 
sich ständig beim Fussvolk auf, da er mit seiner eigenen WalFe 
nicht wirken konnte. Dünnewalds Reiter sollen, wenn der 
Götterbote Mercurius recht unterrichtet ist, «in dem engen 
Thal zwischen dem Slröhmlein und einem hohen Berge* auf- 
gestellt gewesen sein, womit wieder mit grösster Deutlichkeit 
die Gegend am Fuss des Letzenberges bezeichnet ist. 

Die Dragoner der Kaiserlichen — drei Eskadrons stark — 
sowie die der Lothringer und Münsteraner schössen, hinter 
Bäumen eingenistet, lebhaft über den Fluss hinweg. Aber sie 
zählten bekanntlich nicht ^ur Kavallerie. Auch bei den Fran- 
zosen sehen wir zwar Dragoner, aber fast gar keine Reiterei 
auftreten. Nur zwei Reiterführer, St. Aoust und Florensac, 
finden sich bei Türkheim genannt. Ersterer nahm nach dem 
Vorstosse der Garden auf dem Colmarer Wege Aufstellung, also 
südlich des Mühlbaches und in Fühlung mit den vorgeschobenen 
Schwadronendes Herzogs v. Lorge. Der MestredeCamp Marquis 
v. Florensac war mit seinem aus 2 Eskadrons bestehenden 



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Die Reiterei. - Untätigkeit des deutschen linken Flügels. 141 

Regiment frühzeitig am linken Flügel zur Stelle. Er hielt sich 
hinter der Infanterie und soll etwas durch Zufallstreffer verloren 
haben, was die Verlustliste jedoch nicht bestätigt. 

Eine sehr bedauernswerte Tatsache ist es, dass das Braun- 
sen weig-Cellische und das Kurbrandenburgische Korps abgesehen 
von wenigen nach dem rechten Flügel entsandten Bataillonen 
völlig untätig geblieben sind. Bournonville bemerkt in seinem 
Schlachtbericht ohne weiteren Zusatz : «Unterdessen thette 
weder die Battaglia so von der schönsten Brandenburgischen 
Infanteria componiert, noch der gantzc linckhe Flügel nicht einig 
Schuss». Wirklich bedarf diese Tatsache keines Kommentars. 
Dass sich die deutsche Heeresleitung durch die blosse Anwesen- 
heit der ebenfalls in Untätigkeit verbliebenen Heeresabteilung 
des Herzogs v. Lorge so völlig im Schach halten Hess, ist auf 
keine Weise zu entschuldigen, auch nicht durch falsche Mel- 
dungen über französische Truppen östlich der III. Es war ohne 
Frage geboten, mit der verfügbaren grossen Truppenmasse an- 
griflsweise in der Richtung auf Winzenheim vorzugehen. 
Wurde auch Lorge schwerlich in der Vereinzelung getroffen, 
da Turenne seine Armee besser zusammengehalten hat, als 
Beaurain und seine Nachbeter ihm zutrauten, so wurde das 
französische Heer doch zu einer Schlacht mit dem Rücken 
gegen das ungangbare Vogesengebirge gezwungen und aller 
Voraussicht nach in Auflösung in das Münstertal hineingeworfen. 
General Wertmüller will dem Kurfürsten ein solches Vorgehen 
mit der brandenburgischen Kavallerie empfohlen haben, um das 
letzte Drittel des feindlichen Heeres abzuschneiden. Auch Land- 
graf Friedrich von Homburg hat, wie der Gölterbote erzählt, 
zu einem solchen Oflensivstosse geraten und inständigst um das 
Kommando des Vortreffens gebeten. Dass dieser Angriff nicht 
erfolgte, bleibt ein dunkler Flecken auf dem Ehrenschilde 
des Reichsheeres. Aber wir entsinnen uns aus Turennes Ge- 
spräch mit la Fare, wie sicher der französische Feldherr darauf 
baute, dass seine Gegner den Entschluss zu einer solchen 
rettenden Tat nicht würden finden können. 

So stellt sich nach gewissenhafter Vergleichung aller vor- 
handenen Quellen der Verlauf des Treffens vom 5. Januar 1675 
dar. Mag in den örtlichen Einzelheiten (Fecht oder Mühlbach) 
und in der zeitlichen Aufeinanderfolge der Infanteriekämpfe bei 
Türkheim dieser oder jener Irrtum untergelaufen sein, so wird 



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142 



9. Treffen bei Türkheim. 



dies doch das Bild des Waffenganges zwischen Franzosen und 
Deutschen kaum in wesentlichen Punkten beeinträchtigen. Beide 
Teile glaubten sich den Sieg zuschreiben zu dürfen. In der 
Tat hatten die Verbündeten ihre Stellung behauptet, eine un- 
mittelbare taktische Niederlage also nicht erlitten. Erst der 
zwar freiwillige, aber folgenschwere und entscheidende nächtliche 
Rückzug, den sie — wie wir im 10. Abschnitt sehen \Verden 
— dem Gefechte folgen Hessen, stempelt den Tag von Türkheim 
zu einem französischen Siege. 

Die Opfer des Treffens waren bei den Franzosen zahlreicher 
als bei den Deutschen Ihre Verlustliste lautet wie folgt : 



Truppenteil 



Tot 



(tcn. Hptl. Lcur. Serir. Sohl, 



V e r w u n il e t 



!ßu." H l irL Leut - S(?r - 



Sold- 



(irneralität 
Navarra 
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Orleans 
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4 



20 
04 

3r, 
52 

52 



2 35 

Diesem aus den Akten des französischen Generalstabes genau fest- 
gestellten Verluste von 109 Offizieren 764 Mann, den Turennes 
Heer erlitten hatte, steht bei der Armee der Verbündeten nach 
allen vorliegenden Zeugnissen ein wesentlich geringerer Verlust 
gegenüber. Leider gebricht es aber an allem Material, um 
eine einigermassen zuverlässige Verlustziffer festzustellen. Bour- 
nonville gibt in seinem Bericht an den Kaiser die Zahl der 
Gefallenen als <aiit über 200 Mann» an, hat dabei aber ver- 
mutlich nur die kaiserlichen Regimenter im Sinne. Kurfürst 
Friedrich Wilhelm schreibt : «Auff unserer Seithen seynd etwa 
'J00 Todle und Gequetschte gewesen». Trotz dieser niedrigen 



i Die Verlustliste jribt die Gefallenen und Verwundeten des 
Regiments Anjou nur summarisch zu 200 Mann an. 



Die Verluste. 



143 



Angaben, zu denen jedoch der lüneburgische Verlust noch 
zuzuzählen bleibt, ist es nicht wahrscheinlich, dass der Gesamt- 
verlust des verbündeten Heeres weniger als 5 —600 Mann be- 
tragen haben könnte. 

Die Tapferkeit der Streitenden — darüber kann kein 
Zweifel sein — war diesmal allseitig überaus gross und rühmens- 
wert gewesen. Der Grosse Kurfürst von Brandenburg halte 
sich in seiner persönlichen Haltung vvüidig seines Ruhmes und 
seines Hauses gezeigt. Er war stets irn stärksten Kugelregen 
und zwar ohne Harnisch. Alle Aufforderungen, sich zu schützen, 
wies er mit den Worten ab : es sei ihm zuwider, den Kürass 
vor allen Soldaten zu nehmen, welche keinen solchen trügen. 
Han's «Seelzagendes Elsass» erzählt, der Kurfürst habe die 
Soldaten mehrfach selbst mit dem blanken Degen in der Faust 
vorgeführt. Auch Oberst Vecchia kann «Chur- Brandenburgs 
Kampfesmuth undt Entschlossenheit» nicht genug rühmen. 
Aber auch Friedrich Wilhelms grosser Gegner, der Marschall 
Turenne, hielt sich «trop expose pour Tinterest du Roy», so 
dass ihm ein Pferd unter dem Leibe verwundet wurde und das 
Schicksal, das ihn ein halbes Jahr spater bei Sasbach ereilte, 
ihn Jeicht schon diesmal hatte treffen können. Auch von den 
Unterführern beider Parteien wird viel Rühmliches berichtet. 
Markgraf Hermann v. Baden hielt sich allezeit an dem Ort, 
wo man getroffen werden konnte, und tat alles «wass mann 
von einem Fürsten von seiner Nascita erwarthen kann». Graf 
Caprara war in augenscheinlicher Gefahr, als sein in den Kopf 
geschossenes Pferd sich hoch aufbäumte und ihn unter sich be- 
grub ; sein Adjutant und drei Ordonanzen seines Stabes wurden 
neben ihm verwundet. Welche Todesverachtung andrerseits Ge- 
neral-Leutnant Foucault an den Tag legte, hörten wir schon bei 
Gelegenheit seines Heldentodes. 

Wie die Führer, so zeigte sich die Mannschaft. Von Freund 
und Feind wurde anerkannt und bezeugt, dass die in Tätigkeit 
getretenen Truppenteile aller Kontingente und aller Waffen- 
gattungen an diesem Tage ihr Devoir sehr wohl getan hätten. 
Feldmarschall-Leutnant Wertmüller aber sagte: «Dieser Tag 
hat uns die Achtung der Armee zurückgewonnen, die wir bei 
Beffort, Mülhausen und Masmünster fast ganz eingehüsst hatten». 
So gewährt die Betrachtung des Treffens von Türkheim wenig- 
stens in dieser Hinsicht durchweg erfreuliche Eindrücke. In 



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f 

i 



144 10. Räumung des Elsass. 

der Gefechtsführung freilich finden wir die zielbewusste Klar- 
heit nur auf Seilen der Franzosen, während wir die Verbündeten 
aus kopfloser, durch innere Zwietracht vermehrter Schwäche 
ausser Stande sahen, ihre bedeutenden Streitkräfte einheitlich 
und an der richtigen Stelle zur Geltung zu bringen. 

10. Räumung des Elsass. 

Das Treffen bei Türkheim war unentschieden geblieben. 
Marschall Turenne hatte den Verbündelen zwar die Flanke 
abgewonnen, ihre Stellungen aber hatten sie behauptet. Die 
üeberzahl an Truppen war auf ihrer Seite, und noch immer 
halten sie die Aussicht des Erfeiges für sich. Eine seltene 
Gunst des Schicksals hatte es gefügt, dass die begangenen 
Fehler sich wieder gut machen liessen. Die vielversprechende 
Offensive der Brandenburger gegen Wettolsheim oder Winzen- 
heim, welche das französische Heer gegen das Gebirge drücken 
musste, konnte auch atn Morgen des 6. Januar noch erfolgen. 
Erschien aber ein solches Unternehmen zu kühn, so war es 
wenigstens möglich, den intakten linken Flügel über Nacht 
nach Ingersheim und Niedermorschweier heranzuziehen, um 
Türkheim am andern Tage zurückzuerobern. 

Marschall Turenne seinerseits war auf solche Möglichkeiten 
durchaus gefasst, wenn er sie auch nicht eben für wahr- 
scheinlich hielt. Weit entfernt, den Sieg schon als erfochten 
anzusehen, zog er seine Truppen am Abend des Schlachttages 
zum Biwakieren zurück, grösstenteils sogar bis südlich von 
Türkheim, während der Herzog v. Lorge in seiner Stellung bei 
Winzenheim und Wettolsheim nächtigte. Es heisst in den Akten 
des Colmarer Domkapitels: cNach vorgangener dieser Rencontre 
haben sich beide Armeen, die Frantzösische am Gebürg von 
Wedoltzheim an biss nacher Türckheim, die Kayserliche aber 
von dem Rappendantz an, an dem Mühlbach hinauss biss in 
Bentzen gelagert; in welchen beiden Läger auss der Statt viel 
tausend Feuhrer gesehen worden, wahr schön anzusehen». 
Auch Deschamps berichtet : die gesamte Infanterie Turennes 
habe in Schlachtordnung südlich des Flusses genächtigt, wo 
auch die noch am Abend angelangten Reiter-Regimenter Colonel- 
General und Mestre de Camp ihr Lager aufschlugen. 



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Die Nacht nach dem Treffen. 



1-15 



Vorposten blieben aber zweifellos nördlich der Fecht. Be- 
sonders wird das Reiter-Regiment Florensac als Vortruppe 
namhaft gemacht. Aber der Marschall Hess auch eine Höhe 
über Türkheim besetzen, um sich ihrer zu bedienen, wenn der 
Feind den Kampf am andern Tage erneuern wurde. Diese 
Deschamps entnommene, also wohl zuverlässige Noliz kann 
sich nur auf den Letzenberg, den Steinglitz oder den Eichberg 
beziehen. Taktisch am wirksamsten erscheint eine Besetzung 
des Lelzenberges. Gerard behauptet, eine Infanterie-Postierung 
mit Artillerie sei auf dem Blumberge i nordwestlich von Ingers- 
heim aufgestellt worden; er bezeichnet aber nicht die Quelle 
dieser Angabe. Beglaubigt dagegen erscheint die auch von 
Nieger gebrachte Notiz : die von Turenne entsandten Grena- 
diere, die sich von Berg zu Berg vorschlichen, hätten auf den 
verschiedenen Höhen zur Täuschung des Feindes Feuer ange- 
zündet. 

Offenbar war es diese Kriegslist, die auf die Enf Schliessungen 
der Verbündeten auf das verhängnisvollste eingewirkt hat. «Wie 
mann vermercket, das der Feindt sein Vorhaben längs den 
Bergen mitt Faveur der Nacht fortgesetzt», lesen wir in 
brandenburgischen Berichten, da habe man besorgt, Turenne 
setze seine Umgehung über Katzenthal und Ammerschweier 
fort, um den Verbündeten durch Besetzung der Landwehr bei 
Gemar die Rückzugs- und Zufuhrstrasse abzuschneiden. Auch 
der Götterbote Mercurius bestätigt, dass man dem Kurfürsten 
— Gott wisse aus welches Geistes Antrieb — diese Besorgnis 
beigebracht habe. Und noch vier Tage später berichtete Friedrich 
Wilhelm dem Kaiser Leopold, «welchergestalt der Feindt seinen 
March an den Beigen und theils über dieselben fortsetzte und 
also gegen die Rhein-Brücken bei Strassburg sich wandte.» 

Diese Besorgnis hatte sich aber nicht nur des Branden- 
burgers bemächtigt, sondern wurde von seinen Bundesgenossen 
durchaus geteilt. In einem Kriegsrate in einer der Logelbach- 
mühlen nicht weit von Colmar beschlossen sie auf Grund jener 
unbegründeten Sorge und wegen des herrschenden Brot- und 
Futtermangels einstimmig den R ü c k z u g nach Schlettstadt, um 
dem Feinde dort noch zuvorzukommen. Der unter dem Deck- 



1 Blumberg ist der alte Name des Berges, den die neueren 
Karten Dorfburg benenneu. 

10 



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146 



10. Räumung' des Elsass. 



namen des Götterbolen schreibende Zeitgenosse macht dazu 
einige kritische Bemerkungen, die auch im Hinblick auf die 
Hohlandsberg-Fabel vom 5. Januar von Interesse sind. Er sagt : 
«So wäre solches vorgeblich besorgte Herumbschleichen auch 
allerdings unmöglich gewesen; denn durch das Gebürge hätte 
er in etlichen Wochen nicht kommen können.» Die deutschen 
Heerführer waren offenbar anderer Meinung; denn auch die 
Herzöge v. Bournonville und Gelle stimmten für den Rückzug. 
Die Einzelheiten wurden dahin verabredet, dass der Gepackpark 
sofort bei Horburg über die III gehen, die Truppen aber ihren 
Abzug um 10 Uhr Abends beginnen sollten. Die Ehre der 
Nachhut wurde den Brandenburgern zugestanden. 

Bei der Ausführung dieses bedauerlichen Beschlusses er- 
eigneten sich wieder sehr hässlicbe Zwischenfalle, die zu heftigen 
gegenseitigen Anschuldigungen führten. Die Berichte über diesen 
Punkt widersprechen sieh derart, dass es unmöglich ist, den 
Hergang völlig aufzuhellen. Während Herr v. Buch dem kaiser- 
lichen General ziemlich unverhüllt den Vorwurf macht, gegen 
die Abrede verräterisch abgezogen zu sein, will Bournonville nur 
widerstrebend den wiederholten Abzugsbefehlen des Kurfürsten 
nachgekommen sein. Die eine Lesart ist so unwahrscheinlich 
wie die andre, ganz zu geschweigen von der unsinnigen Strass- 
burger Version, wonach die Brandenburger den Rückzug vor- 
zeitig begonnen hätten. Dagegen lässt der amtliche Bericht des 
Oberbefehlshabers über seine Retirade von Colmar in Verbindung 
mit der Erzählung dor weifischen Räte und den vom Götter- 
boten eingezogenen Nachrichten das Ganze als eine Kette von 
gegenseitigen Missverständnissen erscheinen, hervorgerufen durch 
die unklare Befehlserteilung, über die sich der kaiserliche Ge- 
neral Werlmüller so bitter beklagt 1 . 

Kurfürst Friedrich Wilhelm sandte um 7» ( ' 2 Uhr Abends, 
also wohl nicht lange nach dem Kriegsrate, einen Adjutanten 
nach Horburg, um den Abmarsch der Bagage zu überwachen. 
Dieser meldete, der Iiiübergang des Parkes würde bis in die 
späte Nacht währen. Darauf schickte der Oberfeldherr, der mit 
Derffiinger und August v. Holstein in seinem Zelt bei der er- 



1 «Qui taccio moltc veritä». sasrt Wertmüller, <taccio anche Ii 
ordini irregolati, che sone stati dati», ein Vorwurf, der wahr- 
scheinlich auf den Fcldmarschall Bournonville gemünzt ist. 



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Rückzug der Kaiserlichen und Lüneburger. 



147 



wähnten Mühle geblieben war, den General-Adjutanten v. Küs- 
sow zu Bournonville mit der Weisung: so lange zu verweilen, 
bis die Bagage etwas Vorsprung habe, damit sich der Feind 
ihrer nicht bemächtigen könne. Der Führer der Kaiserlichen 
war hiermit nicht nur einverstanden, sondern schlug sogar 
sehr verständig vor: erst eine Stunde vor Tage aufzubrechen, 
da in der Nacht allerlei Wirrwarr unvermeidlich sei. Er 
werde, fügte er aus eigenem Antriebe hinzu, nicht ohne 
ausdrücklichen Befehl des Kurfürsten abrücken. Dem Herzog v. 
Celle wurde hiervon Kenntnis gegeben, und so hielt Friedrich 
Wilhelm alles für geregelt. 

Aus unaufgeklärten Gründen begann der Abzug des rechten 
Flügels jedoch schon um 10 Uhr Abends, also so wie es ur- 
sprünglich geplant worden war. Nach Bournonvilles wenig 
wahrscheinlicher Darstellung hätte ihm General Chauvet die 
Weisung des Kurfürsten zum Abrücken überbracht. In Wahr- 
heit wird irgend ein Missverständnis die bedauerliche Irrung 
verschuldet haben. Nach der Schilderung des Götterboten scheint 
es, als hätten die kaiserlichen Generale noch einen besonderen 
Rescheid erwartet, dass der Abmarsch bis zum andern Morgen 
verschoben sei. Da ein solcher nicht einging, glaubten sie sich 
verpflichtet, im Sinne des ersten Kriegsratsbeschlusses sofort 
abzurücken. Der cellische Reiterführer Chauvet war anwesend, 
als Bournonville seinen Rückzug einleitete. Der Herzog stellte 
<1 ie brandenburgischen Bataillone Dönhoff und Götzen an einen 
Graben, «um die Flanckh seines rechten Flügels zu bedeckhen» und 
unterstützte sie durch zwei Schwadronen Bournonville-Kürassiere 
nebst einigen Kroaten und Dragonern sowie drei münstersehen 
Schwadronen. Unter deren Schutze Hess er die Artillerie auf- 
brechen und die andern Waffen folgen, jedenfalls am rechten 
Ufer der Fecht auf Schoppen weier. Die Braunschweig-Lüneburger, 
die den Abmarsch der Kaiserlichen bemerkten, glaubten ihm 
folgen zu müssen. Beordert hat Bournonville sie nicht dazu; 
ihre Geheimräte Müller und v. Heimburg bezeugen ausdrücklich : 
er sei abmarschiert, «ohne Jemand der Herrn Allyrten zu aver- 
tiren». Der Feldprediger des Regiments Ende gibt 10 Uhr 
Abends als Stunde des plötzlichen Aufbruchs der Cellischen an. 
Die Folge davon war, dass das Brandenburgische Korps mit 
unbedeckter Flanke allein blieb. 

Kurfürst Friedrich Wilhelm erfuhr diese bedenklichen Vor- 



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148 



10. Räumung des Elsas?. 



gänge erst zwischen 12 und 1 Uhr- Nachts i, als Herzog Georg 
Wilhelm mit Chauvet an seinem Wachtfeuer erschien und ihm 
meldete : am rechten Flügel sei ausser Dönhoff und Götzen 
Niemand mehr vorhanden. Der Kurfürst war empört; ja, er 
ritt zunächst selbst hin, um sich von der Wahrheit der selt- 
samen Kunde zu überzeugen. In der Tat war ausser Chauvets 
Küchenwagen und einigen verschlafenen Nachzüglern Niemand 
mehr zu finden. Nun blieb nichts übrig, als auch die Branden- 
burger abmarschieren zu lassen. Der Gepäckpark hatte in- 
zwischen, bedeckt vom Heiter- Regiment Croy unter Oberst v. 
Hülsen, die Horburger Brücke passiert. Colmar war geräumt 
worden, auch von den darin untergebrachten brandenburgischen 
Garden. Der dort kommandierende General hatte zum grossen 
Schrecken der Einwohner, die sich des angeblich erfochtenen 
Sieges freuten, erklärt : cdass man rathsam funden sich zu reti- 
riren, uud könnten sie nunmehr ihren paix mit den Franzosen 
machen so gut als möglich». Die Geschütze aus der Stadt wurden 
zum Lager zurückgeführt ; die drei Bataillone folgten ihnen noch 
vor Mitternacht. Batlos schauten die Colmarer hintendrein, als 
ihre Retter «spöttisch» aus dem Feld abzogen. 

Graf Dönhoff rückte mit seinen beiden Bataillonen vom 
rechten Flügel ebenfalls heran. Er war von Bournonville ge- 
radezu im Stiche gelassen, verliess aber seinen Posten erst, als 
Chauvet ihn dazu anwies. Drei Mann der Regimenter Götzen 
und Dönhoff, die sich in der französischen Gefangenenliste 
finden, sind jedenfalls in dieser Nacht von ihrer Truppe abge- 
kommen. Den übrigen Regimentern brachte der Kurfürst selbst 
stillen Alarm, und um 2 Uhr Nachts war auch der linke Flügel 
in vollem Rückzüge. Die Brandenburger marschierten in guter 
Ordnung, in zwei Treffen formiert, ab. Das zuerst aufbrechende 
Treffen, die Infanterie und Artillerie, wurde vom Generalmajor 
v. Lüdeke kommandiert ; ihm folgte der Landgraf v. Hessen 
mit der Reiterei. Bei diesem Rückzug gelang es dem Stall- 
meister Froben endlich, seinen fürstlichen Herrn zum Anlegen 
des Kürasses zu bewegen. Bei einigen Defileen gab es längeren 
Aufenthalt, bis die Artillerie und das Fussvolk hindurch waren. 



i Die Behauptung Ch. Görards, der Kurfürst sei schon um 10 
Uhr Abends lange vor seinen Truppen in Schlettstadt eingetroffen, 
ist eine dreiste Lüge. 



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Abzug der Brandenburger. — Stellung bei Schlettstadt. 149 

An der Fechtbrücke von Ostheim hielten die Geschütze den 
nächtlichen Marsch sogar um mehr als eine Stunde auf. 

Als die Regimenter aus dem Hölze nördlich dieses Borfes 
auf das Gemarische Feld traten, Hess der Kurfürst sie auf- 
marschieren. Aber da Bournonville auch hier nicht Halt ge- 
macht hatte, musste der Rückzug fortgesetzt werden. Jedoch 
wurde hier Fühlung mit der lüneburgischen Infanterie aufge- 
nommen. In dieser Weise wurde nicht nur die Nacht, sondern 
auch den ganzen Vormittag des 6. Januar hindurch weiter- 
marschiert. Bei St. Pill wurde die Vereinigung mit den 
Kaiserlichen endlich bewirkt. Beren Rückzug war, — wie 
Herr v. Haxthausen, der Kommandeur des cellischen Leib- 
regiments, versicherte — etwas eilig geworden. Wegen Wasser- 
mangels wurde auch bei St. Pilt nicht geblieben. Man setzte 
den Rückzug bis nach Schlettstadt fort, wo man den Feind zu 
erwarten beschloss. Ber Kurfürst speiste hier bei seinem 
Bundesgenossen Georg Wilhelm, der bekanntlich in Schlettstadt 
sein Winterquartier gehalten hatte. Bie Kurfürstin war wenige 
Stunden vorher abgereist, auf die Weisung ihres Gemahls hin, 
«sich ohne einige Säumniss vollends nach Strassburg zu 
machen». 

Ber erwartete Angriff der Franzosen erfolgte nicht. .Wieder 
wie nach der Schlacht bei Enzheim und nach dem Gefecht bei 
Mülhausen zeigte sich Turenne als überaus vorsichtiger General, 
der sich mit dem errungenen Erfolge zu bescheiden wusste. Ja, 
es will uns scheinen, dass er in der Ausnutzung erfochtener 
Siege nicht ganz auf seiner sonstigen Höhe stand. Auch ein 
so sachkundiger Beurteiler wie Napoleon I hat ihm das Zaghafte 
seiner Verfolgungs-Massnahmen im Elsässischen Feldzuge zum 
Vorwurf gemacht, lieber Turennes Verfahren am Abend von 
Enzheim gebraucht der Kaiser sogar die scharfe Wendung : <nl 
a poussö la circonspection jusqu'ä la teme>it£». Wir finden 
aber wohl den Schlüssel zu Turennes Verhalten in den Worten, 
die er am 11. Januar nach Paris schrieb: «die Armee des 
Königs war in einem Zustande, dass sie nur völlig unentbehr- 
liche ßinge tun konnte». Ber Marschall hat den Abzug der 
Deutschen wahrend der Nacht anscheinend nicht gemerkt. Er 
erfuhr ihn aber am Morgen des 6. Januar durch eine Meldung 
des Herzogs v. Lorge. Gegen 9 Uhr Hess er die Armee auf 
Colmar vorgehen, aber vor den Toren der Stadt Biwaks beziehen. 



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150 



10. Räumung des Elsass. 



Dem Baron v. Montclar übertrug er die Verfolgung des feind- 
lichen Heeres und schickte dem vor Rufach belassenen Brigadier 
Lancon Verstärkungen sowie den Auftrag, das Slädlchen in 
seinen Besitz zu bringen. 

In Colmar selbst rückte eine Kavallerie-Kompagnie schon 
am Morgen ein und griff zahlreiche Nachzügler der Deutschen 
auf. Insgesamt fielen 2 — 300 Gefangene in tind bei Colmar in 
französische Hand ! , darunter sehr viele Kranke. Ein Trupp 
Franzosen bemächtigte sich des Horburger Schlosses und plün- 
derte es völlig aus, wobei ein Mömpelgardischer Gardist ver- 
wundet wurde. Eine andere Abteilung folgte über Weier aufm 
Land dem brandenburgischen Tross, wurde aber von den Croy- 
Kürassieren derb abgewiesen und verlor einige Tote und lt> 
Gefangene. Sehr übel hausten die Franzosen in Türkheim. 
Wie der Ortsgeisl liehe klagend notierte, wurde dort weder Kind 
noch Mutter verschont, sogar die Kirche und der Friedhof nicht 
(«nec Ecclesia secura nec coemiterium»). Auch Weier im Tal 
wurde arg geschädigt. Reichenweier entging der Plünderung 
mit knapper Not, indem der Kirchenschaffner Chemnitius sich 
unmittelbar an Turenne wandte, der ihm seine Hülfe nicht 
vorenthielt. Auch in Colmar selbst wurde von der übermütigen 
Soldateska übel gehaust, bis der Feldherr kam und dem Un- 
wesen steuerte. 

Marschall Turenne, der vor dem Kerkertor mit seinem 
Neffen Lorge zusammengetroffen war, ritt um 11 Uhr, geleitet 
von nur 300 Mann der Garde, in Colmar ein, wo sich die 
Bürgerwehr schleunigst aufgelöst hatte. Da es Heiliger Dreikönigs- 
Tag war, hörte der Feldherr zunächst in der Dominikaner-Kirche 
die Messe und stieg sodann für einige Stunden im Schwarzen- 
berg ab. Hier schrieb er einen vorläufigen Gefechtsbericht, 
der in seiner knappen und bescheidenen Fassung, so kenn- 
zeichnend für Turennes Wesen ist, dass wir ihn fast unverkürzt 3 
wiedergeben wollen. Er lautete : «J'ai creu, Monsieur, que le 
Roy seroit bien aise de seavoir ce qui se fait ä l'armee. Les 



1 Ludtfig XIV Hess sie grösstenteils nach Moulins bringen, um 
sie zur Verstärkung des naeh Katalonien bestimmten Fremdregiments 
Fürstenberg zu verwenden; andere wurden in Besan<jon und Gray 
interniert. 

* Fortgelassen sind nur die Namen einiger höherer Offiziere, 
deren der Feldherr schon hier ehrenvolle Erwähnung tat. 



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Turennc in Colmar. 



151 



ennemis s'estant mis en un tres-bon poste pres Colmar, je me 
saisis par un tres-grand bonheur d'une pelite ville nommee 
Turquem ä leur aisle droile. Leur Infanterie attaqua un poste 
qui la flanquoil. Le combat (d'infanterie seulement) a dure 
trois ou quatre heures ; ils ont este repousses ä Tentree de la 
nuict. Le combat a este fort grand ; il y avoit un ruisseau 
entre deux. Iis se sont reines toute la nuict et j'arrive presente- 
ment pres de Colmar, oü il n'y a personne. On prend beau- 
coup de prisonniers». Einen ausführlichen Bericht liess Turenne 
am folgenden Tage durch den Sekretär Hasset niederschreiben. 
Dagegen trat er noch am G. durch Vermittelung des Komman- 
danten von Breisach mit dem Strassburger Rat in Verbindung. 
Weit entfernt, ihm aus seiner Freundschaft mit den Deutschen 
einen Vorwurf zu machen, liess Turenne den Slätl meisler be- 
nachrichtigen : dass er von der Königlichen Majestät besondere 
Weisung habe, nicht das Geringste wider die Neutralität der 
Stadt zu tun. Am Abend verliess Turenne Colmar und nahm 
sein Hauptquartier in Egisheim, beliess jedoch einige Garde- 
Kompagnien in der Stadt. 

Während der Feldherr sich der Berichterstattung und 
Politik widmete, rechnete der Brigadier Pouilly Seigneur v. 
Lancon vor Rufach mit den« Oberst v. Bomsdorff ab. Wir er- 
innern uns, dass dieser sich am 4. Januar mit seinem Dragoner- 
Regiment vor dem anrückenden Heere Turennes in die be- 
festigte Stadt Rufach zurückgezogen hatte. Er hatte das in der 
Nordostecke des Städtchens gelegene, dem Bischof von Strass- 
burg gehörige Schloss Isenburg besetzt und den schwer begreif- 
lichen Entschluss gefasst, sich darin zu verteidigen. Dies 
scheint sogar in seiner Instruktion gelegen zu haben. Wir 
wissen bereits, dass der vermutliche Zweck dieser Massregel, 
Turenne vor Rufach festzuhalten, verfehlt wurde. Nur General 
Langon blieb mit 150 Musketieren, 3 Eskadrons und 4 Ge- 
schützen vor Rufach liegen, um BomsdorfT zu beobachten. Er 
lagerte sich zunächst an der St. Odilien-Kapelle 1 einen Kilo- 
meter südlich der Stadt. Doch ist anzunehmen, dass er arn 
5. auch deren Nordseite, wo Bomsdorff nur ausbrechen konnte, 



1 Dieses alte Gotteshaus wurde in der Revolutionszeit auf Ab- 
bruch versteigert; die Flur, auf der es stand, heisst noch jetzt das 
St. Otilgen-Käppelc. 



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152 



10. Räumung des Elsass. 



gesperrt haben wird. Am Nachmittag des 6. Januar wurde 
Lancon durch den Brigadier v. Pierrefitte mit 4 Bataillonen 
und 2 Geschützen verstärkt. Ungesäumt begann er nun aus 
seinen sechs Kanonen die Beschiessung des Schlosses Isenburg. 
Nach den ersten 20 Schüssen erklärte Oberst v. Börnsdorf! sich 
zur Uebergabe des Schlosses bereit. Brigadier Lancon willigte in 
die Kapitulation nur bei Kriegsgefangenschaft der Besatzung. 
Da Börnsdorf! sich vor zwei Jahren schon einmal mit seinem 
Regiment an Turenne ergeben hatte 1 , mag es ihm schwer genug 
geworden sein, nochmals darein zu willigen ; aber da ein 
längerer "Widerstand offenbar zwecklos war, fugte er sich. Etwa 
250 Dragoner und £0 Reiter Helen durch diese Kapitulation, die 
ein Gegenstück zur Katastrophe des Regiments Portia war, in 
Kriegsgefangenschaft, darunter Oberst v. Börnsdorf! und Kapitän 
v. d. Marwitz. Die Gefangenen wurden nach Besancon abgeführt, 
Börnsdorf! selbst demnächst gegen Ehrenwort nach Strassburg 
entlassen und später gegen Bourlemont ausgewechselt. 

Wichtiger als die Rufacher Nebenaktion war die jetzt her- 
gestellte Verbindung mit der befreiten Festung Breisach, deren 
Besatzung durch das Regiment Rambures verstärkt wurde. Am 
10. Januar erschien Oberst le Roy in Türen nes Hauptquartier 
und wurde angewiesen, Geschütz bereitzustellen, um die auf der 
rechten Rheinseite noch gegen ßreisach vorgeschobenen kaiser- 
lichen Vorposten zu vertreiben. — Das Notwendigste aber wäre 
die Verfolgung der feindlichen Hauptarmee gewesen. Wir 
hörten schon, dass mit dieser Aufgabe der Marechal de Camp 
Pons de Guimera Baron v. Montclar, Chef eines katalonischen 
Reiter- Regiments, betraut wurde. Der Oberbefehlshaber unter- 
stellte ihm dazu die Kavallerie-Brigaden Humieres und Lambert, 
zusammen 31 oder 32 Schwadronen. Montclar brach mit ihnen 
am 6. Januar um 9 Uhr Vormittags auf ; Marquis v. Resnel 
nahm mit 200 Reitern die Vorhut. Er bekam schon nördlich 
von Ostheim den brandenburgischen Nachtrab zu Gesicht, ver- 
mied aber einen Zusammenstoss und folgte nicht über die Ge- 
marer Landwehr hinaus. Auf dem Felde zwischen Gemar und 
Bergheim schlug Montclar sein Lager auf und stellte nur durch 
Patrouillen die Stellung der Deutschen fest. Er meldete sie an 
Turenne, der am 8. Januar über Ingersheim vorritt, um die 



1 Zu Unna in Westfalen am 4. Februar 1673. 



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* 



Fall von Rufach. — Verfolgung durch Montclar. 153 

Stellung seiner Reiterei zu besichtigen. Etwas Ernstliches ge- 
schah weder von Montclar noch von Turenne, so lange die 
Verbündeten bei Schlettstadt blieben. 

Durch den Feind wurden sie also nicht genötigt, ihre 
Stellung zwischen Kestenholz und Schlettstadt aufzugeben. An- 
geblich beklagten sie es, dass sie nicht angegriffen wurden, 
und verspürten € grossen Lüsten» zu einer abermaligen Schlacht. 
Tatsächlich aber waren sie allesamt entschlossen, über den 
Rhein zurückzuweichen. In Wahrheil war die Reichsarmee 
sozusagen schon in der Auflösung begriffen. Bei den Münste- 
rischen gab es in den Schlettstädter Tagen wegen dauernd 
ausbleibenden Soldes Revolte. Sie sehnten sich ebensosehr 
nach ihrer Heimkehr wie ihr Bischof. Von diesem hatte Goes 
schon Ende Dezember bei Herrn v. Brockhausen Briefe ein- 
gesehen, in denen er dringend die Rückkehr seiner Völker 
nach Westfalen wünschte. Jetzt wo sich alle Bande der Dis- 
ziplin bei ihnen gelöst hatten, wurden sie in der Tat sofort ab- 
gedankt. Auch die Kaiserlichen hielten üble Manneszucht und 
plünderten, als wären sie in Feindes Land. Zwischen den 
einzelnen Kontingenten herrschten Abneigung und Zwietracht. 
Der brandenburgische, früher lothringische Oberst la Roche, 
auf den seine Landsleute einen grimmigen Hass hegten, wurde 
am Tore von Schlettstadt heimtückisch überfallen 1 . «Alles ist 
uneinig», erzahlt ein Strassburger Brief, «und keiner folgt dem 
andern; die Kaiserlichen klagen über die Brandenburger und 
diese über sie.» Auch war es schwach mit den Lebensmitteln 
bestellt und man litt in den Biwaks unter der Kälte. 

Bei solchen Zuständen war die Räumung des Elsass aller- 
dings wohl notwendig, «rumb die Armeen zu refraichiren und 
mit Gottes Hülfte in Slandt zu setzen». Auch hielt den Ober- 
befehlshaber, in dessen Land inzwischen die Schweden einge- 
fallen waren, jetzt nichts mehr im Elsass. So ging es denn 
rückwärts ! Die fürstlichen Frauen waren bereits nach Strass- 
burg geflüchtet : Herzogin Margarethe v. Lothringen am 5. aus 



1 La Roche, ein etwas dunkler Ehrenmann, verteidigte sich 
diesmal noch mit Glück. Nach einigen Wochen wurde er bei Offen- 
burg aufgehoben und standrechtlich zum Tode verurteilt Es gelang 
den Bemühungen des Kurfürsten mit vieler Mühe, bei den Lothringern 
seine Auslieferung durchzusetzen. 



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154 10. Räumung: des Elsass. 

St. Pilt, Kurfürstin Dorothea v. Brandenburg am 6. aus Schlett- 
stadt. Der 7. Januar wurde dazu benutzt, den Gepäckpark 
über Benfeld zurückzusenden, teilweise auf dem Wasserwege. 
Am Abend entstand ein falscher Alarm durch Scbweinejagd, 
die von hungrigen Reitern im Walde veranstaltet war, aber als 
feindlicher Anschlag auf den Tross gedeutet wurde. In Wahr- 
heit erreichte dieser zum grösslen Teil schon am 7. unangefochten 
die Metzgerau vor Strassburg. Am folgenden Morgen wurde 
das Lager der Verbündeten abgebrochen und der Rückzug fort- 
gesetzt. Nach dem Abzüge der Lüneburger aus Schlettstadt 
begann man die Stadt zu plündern ; die Sturmglocken er- 
klangen, die Bürgerschaft lief zusammen. Zum Glück erschien 
bald Herr v. Goes und veranlasste den General Chauvet, zwei 
Dragoner-Kompagnien in die Stadt zurückzusenden, um sie von 
den Schnapphähnen zu säubern. 

Die Armee wurde der Hauptsache nach zwischen Benfeld 
und Erstein angehalten und verweilte auch hier zwei Tage lang, 
während Montclar sich am 9. mit seinen beiden Brigaden in 
SchJettstadt und Kestenholz festsetzte und sein Stabsquartier in 
dem letztgenannten Orte nahm. Beim deutschen Heere ver- 
strichen auch diese Tage nicht ohne Streitigkeilen. Sie begannen 
gleich anfangs in dem befestigten Städtchen Benfeld, wo die 
Leute des Herzogs von Celle weder den Kaiserlichen noch den 
HofTourieren des Kurfürsten den Eintritt gestatten wollten. Es 
kam darüber zu einem erregten Auftritt zwischen den beiden 
Fürsten, die aber demnächst versöhnt ihr gemeinsames Haupt- 
quartier in Erstein nahmen. Schlimmer war ein Zwist zwischen 
Bournonville und Derfflinger, die sich nur mit Mühe durch das 
Dazwischentreten das Kurfürsten beschwichtigen liessen. Turenne 
aber wussle schon wenige Tage darauf an Louvois zu melden: 
Bournonville sei so weit gewesen «de mettre Pepee ä la main 
contre Mr. d'Orfling». 

Kurfürst Friedrich Wilhelm verfasste am 9. Januar einen 
langen Bericht (datiert Eyersheim 30. Dezember) an den Kaiser, 
worin er eine freilich nicht sehr überzeugende Erklärung des 
unbefriedigenden Ausgangs des Feldzuges zu geben versuchte. 
Am selben Tage verursachten einige von Montclar vorgesandte 
Aufklärungstrupps einen Alarm bei den Verbündeten, der 
grossen Umfang annahm. Der Kurfürst Hess die ganze branden- 
burgische Reiterei aufsitzen, rief auch die Lothringer unter die 



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Rückzug bis Grafenstaden. 155 

Waffen und ritt selbst nach Benfeld vor. Freilich überzeugte 
er sich hier, dass keine Gefahr vorlag ; aber die Fortsetzung 
des Rückzuges war für den folgenden Tag ohnehin beschlossen. 
Teile des Heeres waren wohl schon jetzt über Erstein hinaus. 
Wenigstens fand der Strassburger Stättmeister Zorn, der am 
9. Januar mit einem Ammeister nach Grafenstaden kam, um 
den Kurfürsten zu sprechen, zwar nicht diesen, wohl aber den 
Markgrafen Hermann v. Baden mit Truppen dort vor. 

Am 10. Januar kam es bei der Fortsetzung des Rückzuges 
wieder zu sehr hässlichen Ausschreitungen. Die Stadt Benfeld 
war schon seit 1 Vi Stunden geräumt, als «die Canaille durch 
den Graben setzte» und den Ort ausplünderte, der dabei in 
Flammen auffing. Goes schrieb darüber empört an Montecuccoli, 
und den Elsassern isl es kaum zu verdenken, wenn sie klagten : 
die Deutschen erwiesen sich nur dem Namen nach als ihre 
Freunde, in der Tat aber als Feinde. Der Marsch vom 10. 
Januar führte die Armee der Hauptsache nach in die Gegend 
von Grafenstaden, Geispolsheim und lllkirch, also fast bis unter 
die Mauern Strassburgs. Man fand den Markgrafen v. Baden- 
Durlach mit den Oberrheinischen Kreisregimentern hier, wo 
seine Hülfe freilich nichts mehr nutzen konnte, vor. 

Das Reservekorps des Reichsfeldmarschalls Friedrich VI 
v. Baden-Durlach war, wie im 4. Abschnitt berichtet wurde, 
teils an der Kehler Rheinbrücke, teils zur Beobachtung von 
Philippsburg verwendet, teilweise aber jenseits des Neckar, sogar 
bis nach Würzburg hin zerstreut. Die eben jetzt aus der 
Heimat als Verstärkung eintreffenden Niedersächsischen Ab- 
teilungen waren vom Reichsfeldmarschall nach Heilbronn be- 
fehligt. Da wo sie am nötigsten waren, an der Kehler Brücke, 
wurden die Kreistruppen um Mitte Dezember durch Abberufung 
des oberrheinischen Regiments Solms zur grossen Beunruhigung 
der Strassburger Bürgerschaft noch gesell wacht. Der Durlacher 
Markgraf blieb dabei, er müsse diese Truppen auf Befehl des 
Kaisers zu einer anderweitigen Operation an sich ziehen, — 
wobei er wohl an Philippsburg dachte. Als die Gefabreiner Offen- 
sive Turennes von Beffort her naherückte, musste sich diese Aus- 
einanderzerrung des Korps notwendig strafen. 

Der Kurfürst v. Brandenburg bemühte sich jetzt natürlich, 
den Markgrafen Friedrich mit seinen Truppen an sich zu ziehen. 
Zu demselben Zwecke war auch der Herzog v. Gelle eifrig 



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156 



10. Räumung des Elsass. 



tätig; aber freilich geschah auch dies zu spät 1 . Erst am 29. De- 
zember, als Turenne schon dabei war seinen ersten Schlag zu- 
iühren, sandte Georg Wilhelm seinen Hofjutiker v. BemstorfT 
nach Pforzheim, um dem Markgrafen Friedrich die dringliche 
Notwendigkeit darzulegen, dass die Kreisvölker sich ungesäumt 
mit der Feldarmee vereinigten. Namentlich aber forderte er 
«kraffi tragenden Creyss Obersten Ambts» den Anschluss der bei 
Heilbronn angelangten Niedersachsen an das Celle- Wolfen - 
bütteler Korps. Auch mit dem Kurfürsten von der Pfalz und 
dem Herzoge v. Württemberg trat Georg Wilhelm in Ver- 
bindung, um das Anrücken der Kreistruppen zu beschleunigen. 
Der Reichsfeldmarschall schickte seinen Generaladjutanten 
v. Löthen zum Herzog Moritz v. Sachsen zurück, um den ober- 
und niedersächsischen Truppen den Marschbefehl zu bringen. 
Sie waren aber unglaublich schwer zusammen und in Bewegung 
zu bringen und halten es keineswegs eilig. Erst als drüben 
im Elsass bereits die Entscheidung fiel, brachen die Sachsen 
endlich auf. Aber schon zwischen Heilbronn und LaufTen, also 
nach einem kurzen Tagesmarsch, geriet ihre Vorbewegung 
wieder ins Stocken. Herzog Wilhelm Ludwig v. Württemberg 
betätigte nämlich seine deutsche Gesinnung dadurch, dass er 
seinen Obervogt zu Heidenheim Oberstleutnant v. Eyb anwies, 
den Reichstruppen die Passage über den Neckar und den Kniebis 
zu verwehren ! Als sie endlich am 12. Januar bei Lauffen den 
Neckar überschreiten konnten, kam gerade Gegenbefehl vom 
Reichsfeldmarschall. 

Also auch bei dieser sehr bezeichnenden Episode zeigt 
sich das hässliche Bild, dass Unschlüssigkeit, üebelwollen und 
verblendete Selbstsucht die ohnehin so schwerfallige Maschine 
des Koalitionsheeres bis zum völligen Versagen hemmen. Dass 
die Sachsen «so geschwindt daroben bey Strassburg nicht an- 
langen würden*, sah Markgraf Friedrich freilich gleich voraus. 
Er eilte daher für seine Person nach Strassburg voraus und 
Hess die in der Gegend von Pforzheim versammelten schwä- 
bischen, fränkischen und oberrheinischen Regimenter schon 



1 "Wenigstens wenn unsre Annahme richtig ist, dass die ein- 
schlägigen im Staatsarchive zu Hannover befindlichen Schriftstücke, 
die mit dem 19. Dezember beginnen, nach dem alten Kalender da- 
tiert sind. 



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Anmarsch des Reservekorps. 



157 



am Neujahrstage- über Ettlingen aufbrechen. Er hoffte auf diese 
Weise am 4. Januar gegen 6000 Mann bei Kehl versammelt 
zu haben. Es verzögerte sich aber auch hier etwas ; die Schwaben 
gingen erst am 5. und 6. über den Rhein. Auch hatte der 
General-Kommissarius Eisner v. Löwenstern über Verpflegungs- 
Schwierigkeiten zu klagen, da die Kreise nicht einmal Proviant- 
meister mitgeschickt hatten. 

Eine Heranziehung der Kreistruppen zum Treffen von 
Türkheim, wie der Herzog v. Celle sie im Colmarer Kriegsrat 
gewünscht hatte 1 , wäre somit kaum möglich gewesen, auch 
wenn die obere Heeresleitung den Markgrafen v. Durlach sofort 
darum ersucht hätte. Wohl aber stand der Oberrheinische 
Kreisoberst Graf v. Hüningen mit etwa 3000 Mann bei Grafen- 
sladen zur Aufnahme des verbündeten Heeres bereit, als es 
am 10. Januar, von Erstein kommend, die III überschritt. Die 
Kreistruppen halten die Nacht hindurch südlich von Iiikirch 
biwakiert, bedeckt durch 100 Heiter unter Major Hall weil, da 
nach einein natürlich falschen Gerücht 800 französische Dra- 
goner einen Anschlag auf das Lager vorhaben sollten. Mit den 
Kaiserlichen gingen auch die Kreistruppen, über deren Betragen 
in den Illkircher und Grafenstadcner Gärten und Häusern sehr 
geklagt wurde, über den Rhein zurück. Markgraf Friedrich 
selbst hatte sich nach Erstein zum Kurfürsten v. Brandenburg 
begeben und an den Beratungen mit den Herzögen von Celle, 
Lothringen und Bournonville, dem Markgrafen Hermann, Derff- 
linger und Goes teilgenommen, in denen die Reihenfolge des 
Rheinüberganges vereinbart wurde, während die nähere Re- 
gelung der neuen Winterquartiere in Süddeutschland zunächst 
noch vorbehalten blieb. 

Dem Hohenzollernfürsten wurde die traurige Erschliessung 
dadurch erleichtert, dass er die Schweden unter Wrangel in 
der Uckermark wusste. Diese schwedische Gefahr, mit der sich 
die Möglichkeit offener Feindseligkeiten Johann Friedrichs 
v. Hannover, sowie des Abfalls des dänischen Hofes von der 
Koalition verknüpfte, hatte den Kurfürsten schon den ganzen 
Winter hindurch beunruhigt. Diplomatische Verhandlungen und 
militärische Massregeln hatten die Zeit des deutschen Ober- 



1 Er sagte am 2. Januar wörtlich : man solle die Markgräflichen 
erwarten und alsdann anf den Feind losgehen und schlagen. 



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1 



158 10. Räumung des Elsass. 

feldherrn in Anspruch genommen, der dem Kaiser schon zu Ende 
September die Wendung der schwedischen Politik voi hergesagt 
hatte. Gegen Schluss des November hatte er die Fargeischen und 
Holsteinschen Eskadrons aus Minden und Lippstadt, bald darauf 
auch die Regimenter Spaen und Franckenberg nach Berlin be- 
fehligt und die Errichtung einer Märkischen Landwehr verfügt. 
Nachdem der Kurfürst um die Mitte Dezember auch die Heim- 
sendung der Regimenter Hohendorfl* und Schlieben aus Polen vom 
Könige Sobieski verlangt hatte, hatte er wenigstens das seinige 
getan, um dem Fürsten v. Anhalt-Dessau die vorläufige Abwehr 
der Schweden zu ermöglichen. Zu seiner Unterstützung war 
General-Leutnant v. d. Goltz — ein naher Bekannter des schwe- 
dischen Generals Wrangel — aus d*»m Elsass heirugesandt 
worden. Fortgesetzt bemühte Friedrich Wilhelm sich beim 
Kaiser um Bundeshülfe seitens der kaiserlichen Truppen in 
Schlesien, sowie von den Kursachsen und Westfalen, die dem 
Kriege an der W 7 estgrenze so vorsichtig fern geblieben waren. 
Nachdem der Einbruch Wrangeis in die Mark am 1U. De- 
zember wirklich erfolgt war, unterzeichnete der Kurfürst noch 
am Morgen des 5. Januar dicht vor dem Beginn des Trebens 
von Türkheim eine Weisung an seine Gesandten in Wien, Ko- 
penhagen und dem Haag: den Beistand der Verbündeten «aufs 
Beweglichste zu urgiren». In Erstein erhielt er durch einen 
Expressen aus Berlin neue Hiobsposten. In solcher Lage war 
es dem Fürsten, der im Elsass unter so widerwärtigen Um- 
ständen das Kommando führte und seinen Ruhm aufs Spiel 
setzte, kaum zu verargen, wenn ihn sein Herz gen Osten zog, 
wo er seinen Stammlanden näher war. Er brach beim Ein- 
treffen der Kunde aus der Uckermark, wie Goes erzählt, « scharpß 
herauss» und sprach in seinem Abschiedsbriefe an den Strass- 
burger Rat 1 'offen aus, dass er seine Truppen zur Defension 
seiner eigenen Lande gebrauchen wolle. 

Der Uebergang der Armee über den Rhein erforderte noch 
eine angestrengte Tätigkeil der Heeresleitung und mancherlei 



1 Gleichzeitig empfahl Friedrich Wilhelm den lutherischen Rats- 
herren die in Strassburg wohnenden Calvinisten, denen es sehr 
schwer falle, dass sie bisher ihr Exercitium religionis nicht in der 
Stadt hätten. Indessen beschlossen die Dreizehner kühl, die Sache 
solle in suspenso bleiben. 



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Schwedengefahr. — Rheinübergang. 



159 



Verhandlungen mit Strassburg. Der dortige Rat hatte ein be- 
greifliches Interesse daran, die Wirren und Unordnungen des 
Rückzuges von seiner Stadt fern zu hallen, ganz abgesehen 
davon, dass er Turenne nicht reizen durfte. «Wir eindt leyder 
ühell daran», meinte man in Strassburg, «undt kombt unss der 
Betlell gar übern Halss». Am 11. Januar traten die Bürger- 
wachen in Tätigkeit und zogen drei Kompagnien vor das Metzger- 
tor, um allen Unbefugten den Eintritt zu wehren. Gegenüber 
dem Verlangen des Kurfürsten, keinen Versprengten über die 
Hheinbrücke zu lassen, machte der Dreizehner-Ausschuss nicht 
ohne Grund die Ansicht geltend: «Sollen nun, wie Ew. Chur- 
fürslliche Durchlaucht gnädigst verlangen, diese Leuth, die ärger 
alss oflenbahre Feind sich bezeugen, dergestalt vor unseren Thoren 
liegen verbleiben und ihnen die Pass über die Rheinbrucken 
verwaigert werden, würden wir dadurch ja selbsten zu unserm 
Ruin allen Vorschub thun». 

Der Rhein ü her gang des Heeres verlief derart, dass am 

10. Januar die Kaiserlichen, Lothringer und Kreistruppen, am 

11. die Draunschweiger und Celler, am 12. die Kurbrandenburger 
den Strom überschritten. Bournonville nahm in Goldscheuer, 
der Kurfürst in Willslett Quartier. Der Herzog v. Lothringen 
blieb ebenso wie die Markgrafen Hermann und Friedrich v. Baden 
in Strassburg. Vier Kompagnien der Kreisvölker blieben als 
Br ückenwache in der Rheinschanze; die Besatzung von Dachstein 
wurde unnötigerweise dort belassen. Das aus Köln stammende 
kaiserliche Regiment Vehlen war mit den Münsteranern strom- 
abwärts abmarschiert. Letztere wollten in Mainz Schifte zur 
Fuhrt in ihre Heimat besteigen. Ihr Bischof trug kein Bedenken, 
sofort wieder in Unterhandlungen mit Schweden, Hannover und 
Bayern einzutreten; doch führten diese Umtriebe nicht zum 
Ziele, und seine Truppen standen im nächsten Jahre wieder 
im Felde, zum Teil an der Weser gegen die Schweden, zum 
Teil bei Trier gegen die Franzosen. — Dass die Deutschen den 
Feldzug des Jahres 1674 und damit das Elsass verloren gaben, 
war nun vor aller Welt kundgetan und besiegelt. Ueber den 
Eindruck dieses Ereignisses äussert sich ein Strassburger Be- 
richt wie folgt: «Was dieser plötzliche AufTbruch undt Rück- 
kehr für Schrecken, Furcht, Elendt undt desperate Gedancken 
hier und im gantzen Landte setzet, ist nicht zu beschreiben». 
Der alte Herzog v. Lothringen aber, der boshafte Bemerkungen 



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160 



10. Räumung des Elsass. 



liebte, meinte : ein Prinz von Ludwigs XIV Gnaden habe fünf 
Prinzen von Gottes Gnaden gedemütigt (humilie). 

Grosse Befriedigung herrschte natürlich im Lager Türen nes. 
"Wir wissen bereits, dass der Vicomte sich wenig energisch in 
der Verfolgung zeigte. Da die Verbündeten aber das Land frei- 
willig räumten, so durfte er es sich allerdings gestatten, ihren 
Abzug nur durch Montclar beobachten zu lassen. Der Marschall 
selbst blieb während der ersten drei Tage nach dem Türkheimer 
Treffen in Egisheim und verlegte sein Hauptquartier erst am 
9. Januar Nachmittags nach Gemar, wohin er mit der ganzen Armee 
vorrückte. Die Umgegend wurde dicht belegt ; nach Bergheim 
kamen angeblich nicht weniger als acht Regimenter. Rappolts- 
weiler aber wurde verschont und zwar um seines Landesherrn 
des Pfalzgrafen Christian II v. Birkenfeld willen, der als Oberst- 
inhaber des Regiments Elsass unter Conde diente. Die Bewohner 
der Stadt, versicherte Turenne dem Hofschaffner, sollten so 
sicher wie in Paris sein. 

In Gemar empfing der Feldherr auch einen Sendling des 
Strassburger Rates namens Güntzer. Er legte ihm die heiklen 
Fragen vor : ob Strassburg die Kreisvölker am Kehler Pass für 
Feinde ansehe? oder ob sie von der Stadt in Pflicht genommen 
seien? Als Güntzer die zweite Frage bejahen musste, erwiderte 
Turenne rasch: «Wenn ein anderer als ich mit den Herren 
vom Rate zu tun hätte, so würde er ihnen jetzund alle Freund- 
schaft aufsagen ; aber mein Humor ist nicht also. Es ist nun- 
mehr an dem, dass ich den Feind aus dem Lande getrieben 
und viele Gefangene von ihm bekommen habe. Wenn aber 
die Herren vom Rat keine Parteien von den Alliierten herüber 
lassen wollen, — denn die völlige Armee, weiss ich wohl, kann 
nicht unterstehen, — so soll ihnen von den Meinigen kein 
Leid widerfahren. Wenn sie es aber dennoch tun, so bin ich 
gezwungen, meine Leute an die Pässe zu legen, die Stadt ein- 
zuschliessen und ihr alle Commerden abzuschneiden». Natürlich 
hütete sich der Rat wohl, den siegreichen Feldherrn zu reizen. 
Er verweigerte die Aufnahme einer deutschen Besatzung und 
versprach, für die Nichtbenutzung der Kehler Brücke durch 
Truppen der Verbündeten zu sorgen. Weiter aber hatte Turenne 
nichts gewünscht. Am 11. Januar besuchte der Vicomte Schiet t- 
stadtund hatte eine Unterredung mit dem dortigen Bürgermeister. 

Inzwischen war auch am Hofe Ludwigs XIV zu St. Ger- 



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Letzte Massnahmen Turennes im Elsass. 



161 



main der ganze Umfang des errungenen Erfolges bekannt ge- 
worden. So sachlich und bescheiden Turennes Berichte auch 
waren, der Abzug der Deutschen aus dem Elsass bewies, was 
er geleistet hatte. Auch war am 11. Januar Herr v. Boisguyault 
heimgereist, um dem Könige die bei Mülhausen eroberten Stan- 
darten, die Fahne des Regiments Portia und die Standarte des 
Regiments Bomsdorff zu uberbringen. Der König liess dem 
versammelten Hofe jenes Schreiben Turennes vorlesen, worin 
er am 30. Oktober seinen seitdem so glorreich durchgeführten 
Plan entwickelt hatte. Auch entbot Ludwig den siegreichen 
General «cnostre Cousin» am 13. Januar zur Empfangnahme des 
königlichen Dankes nach St. Germain. Ferner ordnete er die 
Abhaltung eines feierlichen Tedeums in ganz Frankreich an 
und befahl am 19. dem Breisacher. Conseil Provincial, dieser 
mit militärischem Pomp verbundenen religiösen Feier beizu- 
wohnen; «car tel est nostre plaisir». Turenne reiste am 22. Ja- 
nuar von Schlettstadt aus über St. Die ab und traf am 9. Fe- 
bruar in St. Gennain ein. Er liess sich durch die grossen 
Ehrungen, deren Gegenstand er hier war, in seiner bescheidenen 
und würdigen Haltung nicht beirren. Der König liess sogar 
eine Denkmünze auf den Sieg von Türkheim schlagen. Sie 
zeigte zwei flüchtige feindliche Soldaten, die sich voll Schrecken 
nach einigen französischen Waffen (Helm, Speer und Kürass) 
umblicken. Die Umschrift der Medaille lautete : Sexaginta millia 
Germanorum ultra Rhenum pulsa MDGLXXV. 

An Turennes Stelle übernahm der als genesen aus Buchs- 
weiler bzw. Nanzig zur Armee zurückgekehrte General -Leutnant 
Marquis v. Vaubrun den Oberbefehl im Elsass. Ihm wurden 
der Brigadier v. Pierrefitte, sowie als Kommandant von Colmar 
der Ritter v. Bouillon unterstellt. Es wurden übrigens nur 
6 Bataillone Fussvolk und 4 Regimenter Reiterei für die el- 
sassischen Winterquartiere bestimmt. Dies waren an Fuss- 
truppen» die Regimenter Rambures (Breisach), Turenne und 
Bouillon (Colmar), Orleans, Bandeville und Barillon (Rufach, 
Schlettstadt und Benfeld). Die Kavallerie bestand aus den Re- 



1 Nach Turennes Schreiben vom 21. Januar an Lonvois. Des- 
champs nennt noch Bretagne und Rouergue, lässt dagegen Orleans 
und Barillon unerwähnt. 

11 



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162 10. Räumung des Elsass. 

gimentern Vaubrun, Doucet und beide Elsass «. Die Besatzungen 
von Zabern, Hagenau, Landau und Philippsburg traten gleich- 
falls unter Vaubruns Oberbefehl. Doch trat in Hagenau ein 
Wechsel ein, indem das Reiter-Regiment Doucet und die Ba- 
taillone Turenne, la Fere und Burgund von dort herangezogen 
und durch la Ferte und Douglas ersetzt wurden. Andere 
Truppenteile traten zur Besatzung Burgunds zurück. Der Herzog 
v. Duras erschien selbst in Ostheim, um sie zu übernehmen. 
Er wurde angewiesen, auch Pruntrut zu belegen, um den Bi- 
schof v. Basel für seine Deutschenfreundschaft zu bestrafen. 
Alle übrigen Regimenter des Turennischen Heeres rückten am 
20.» 21. und 22. Januar durch das Weiler-, Urbeis- und Lebertal 
ab, um in Frankreich zu überwintern. Den Marsch der letzten 
Kolonne begleitete Turenne selbst bis nach St. Die. 

Dem General Vaubrun Gel, bevor er zur endlichen Quartier- 
verteilung für sein kleines Korps schreiten konnte, als letzte 
kriegerische Aufgabe noch die Bezwingung Dachsteins zu. Die 
kleine Feste war mit 11 Geschützen armiert und von 8 Kom- 
pagnien des kaiserlichen Regiments Knigge unter Oberstleutnant 
v. Haugwitz besetzt. Sie halle eine gute Mauer mit Türmen 
und einige Aussenwerke von Erde, aber keinen gedeckten Weg. 
Das Schloss war noch besonders mit Vorgräben und einer vier- 
eckigen Mauer versehen. Vaubrun rückte am 25. Januar von 
Molsheim und Mutzig, wo er Pierrefittes vier Bataillone mit 
den Regimentern Champagne, la Marine und Bretagne vereinigt 
hatte, vor Dachstein. Er verwendete in erster Linie die Regi- 
menter Champagne und Turenne. Am 26. wurden die Laufgräben 
eröffnet und die Beschiessung eines vor der Südfront gelegenen 
tenaillierten Werkes aus sechs Breisacher 24pfündern begonnen. 
Am folgenden Tage wurde dieses Werk gestürmt und Bresche in 
die Hauptmauer gelegt. Die Besatzung zog sich ins Schloss zurück, 
um hier den weiteren AngritT der Franzosen anzunehmen, die 
in der folgenden Nacht in die brennende Stadt eindrangen. 

Leider war der tapfere Haugwitz gefallen. Sein kläglicher 
Vertreter aber, der Venetianer Contarini», kapitulierte ohne 



1 Die beiden Kavallerie-Regimenter, die den Namen Elsass 
führten, gehörten nicht zu den deutschen Truppen im Dienste Frank- 
reichs, sondern waren französische Regimenter. 

* Er hatte seinerzeit wegen vorzeitiger Uebergabe der Insel 
Tenedos an die Türken den venetianischen Dienst verlassen müssen. 



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Einnahme Dachsteins durch Vaubrun. 163 



weitere Gegenwehr, als er neun Halbkartaunen am Kirchhofe 
aufgepflanzt sah. Ob dabei wirklich französisches Geld mit- 
gewirkt hat, bleibe dahingestellt. Jedenfalls fiel Dachstein am 
29. Januar, ohne die Waffenehre durch Annahme des Sturmes 
gewahrt zu haben. Halten konnte sich die kleine Feste ohne 
Unterstützung allerdings nicht. Ihren Entsatz hatte Kurfürst 
Friedrich Wilhelm von Gollhofen aus bei Bournonville angeregt. 
Aber es kam nicht dazu, obwohl Markgraf Hermann v. Baden 
am 25. Januar in einem Kriegsrate zu Kehl den Beschluss 
durchsetzte, dass ein Entsatzkorps bei Wanzenau über den 
Rhein gesetzt werden sollte ! . Es bestand aus dem Kürassier- 
Regiment Gondola, den Kurpfalzischen Dragonern und einigen 
Kreistruppen und war schon unterwegs, als die Nachricht vom 
Falle Dachsteins eintraf. Wieder waren 800 brave Soldaten in 
Gefangenschaft geraten ; den Regimentern Portia und Börnsdorf! 
war das Regiment Knigge gefolgt. Viele seiner Soldaten ent- 
wischten nach Strassburg; die übrigen steckte Vaubrun meist 
unter französische Regimenter und nötigte die Offiziere, sich 
zu lösen. Kapitän Contarini ging mit Haugwitzens Leiche nach 
Strassburg, wo er sich der kriegsgerichtlichen Aburteilung durch 
Selbstmord entzog. Nach der Einnahme Dachsteins Hess Vaubrun 
auch die Regimenter Champagne, la Marine und Languedoc 
nach Lothringen abrücken, während die übrigen Truppenteile 
ihre Winterquartiere im Elsass bezogen. 

Es erübrigt noch ein Blick auf die nächsten Schritte, die 
deutscherseits nach dem Uebergange auf das rechte Rheinufer 
geschahen. Vom 11. bis 13. Januar präsidierte Kurfürst Friedrich 
Wilhelm den Beratungen, in denen unter Zuziehung eines Ver- 
treters des Strassburger Rates die Winterquartiere endgültig 
ausgeteilt wurden. In der Strassburger Zollschanze blieben zu- 
nächst nur einige 70 Mann der Schwäbischen Kreistruppen, 
welche sich aber — wie der Herzog v. Celle am 22. Januar 
<iem Markgrafen v. Durlach meldete — «fast unwillig erzeiget, 
auch bereits eigenes Gefallens wiederum!) von dar abgezogen». 
Georg Wilhelm bat daher dringend, die Brückenbesatzung durch 
400 Mecklenburger, Lauenburger und Lübecker zu ergänzen, 
um den Slrassburgern den gefassten Wahn, als ob man ihnen 



1 Die Kehler Brücke wurde von der Stadt Strassburg in Ge- 
mässheit ihrer Vereinbarung mit Turenne nicht mehr frei gegebon. 



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1Ö4 



10. Räumung des Elsass. 



Dicht helfen wolle, und damit auch die Gelegenheit zu benehmen, 
den französischen Anerbietungen Gehör zu geben. Der Reichs- 
feldmarschall scheint diesem patriotischen Ratschlage auch Folge 
gegeben zu haben; die vier Kompagnien an der Rheinschanze 
sollten monatlich wechseln. Mit seinem Gros ging Markgraf 
Friedrich am 30. Januar in der Gegend von Ettlingen 1 ins 
Winterquartier. 

Die Kaiserlichen rückten nach dem Landstrich zwischen 
Oberrhein, Bodensee, Algäuer Alpen, Lech und Donau ab. Es 
war zum Teil habsburgisches Gebiel, zum grösseren Teile aber 
kleinstaatliche Gebilde, von denen die Grafschaft Fürstenberg, 
das Fürstentum Sigmaringen und das Bistum Augsburg noch 
die grössten waren. Kaiser Leopold war übrigens — so un- 
wahrscheinlich es klingt — sehr ungehalten darüber, dass 
seine Länder mit zur Beherbergung seiner Truppen herangezogen 
wurden. Der Breisgau blieb mit den Regimentern Strein und 
Gondola besetzt ; sie genossen wegen der Nähe der Festung: 
Breisach nur einer beschränkten Ruhe, behielten aber den 
Uebergangspunkt Neuenburg der Vorsicht wegen besetzt. Feld- 
marschall Alexander v. Bournonville nahm sein Hauptquartier 
in Ravensburg, wurde aber verdientermassen noch vor dem 
Beginn des nächsten Feldzuges abberufen 2 und durch den un- 
gleich tüchtigeren Feldmarschall Graf v. Montecuccoli ersetzt. 

Die den Kaiserlichen beigegebenen Alt- Lothringer kamen 
nach einer kurzen Rast im Offenburgischen in die Markgraf- 
schaft Burgau bei Augsburg. Ihr tapferer Führer von Mül- 
hausen, der alte Graf d'Allamont, starb noch im Januar und 
auch der hochbetagte Herzog Karl IV sollte das Jahr 1675 
nicht überleben. — Für die Braunschweiger und Celler fand 
sich zwischen den unfreundlich gesinnten und deshalb sorgsam 
geschonten Herzogtümern Württemberg und Bayern ein Bezirk 
ohnmächtiger Kleinstaaten, die man zu belegen wagte. Unter 
ihnen waren die Reichsstadt Ulm, die Propstei Ellwangen, die 
Grafschaften Limpurg und Oeningen. Herzog Georg Wilhelm 
nahm sein Hauptquartier in Geisslingen, kehrte aber bald, un- 



» So ist wohl statt Esslingen, das im Diarium Europaeum an- 
gegeben ist, zu lesen. 

* Er ist 1690 in spanischen Diensten als Vizekönig von Navarra 
und Katalonien gestorben. 



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Winterquartier der Verbündeten jn Süddeutschland. 165 



befriedigt von dem was er hatte leisten können, nach Celle 
zurück und übergab dem Feldmarschall Herzog Johann Adolf 
v. Holstein-Plön das Kommando seiner Truppen, die sich im 
folgenden Jahre an der Conzer Brücke reiche und wohlverdiente 
Lorbeeren pQücken sollten. 

Wenn der Unterkunftsbezirk der Kurbrandenburger noch 
weiter nördlich gewühlt wurde, so geschah dies wohl nicht 
allein aus zarler Rücksicht gegen den undeutsch gesinnten 
Herzog v. Württemberg. Kurfürst Friedrich Wilhelm musste 
mit der Möglichkeil rechnen, dass er aus seinen Winterquar- 
tieren den Schweden entgegeneilen müsse. Hatte doch sein 
Wiener Gesandter v. Krockow ihm noch am 8. Januar gemeldet : 
General v. Wrangel wolle mit seiner ganzen Armee in der 
Kurmark Quartier nehmen und habe dies dem Fürsteh v. Anhalt 
angezeigt. So war es denn ganz im Sinne des Kurfürsten, 
dass der Kriegsrat ihm seine Winterquartiere in Franken zu- 
gestand. Sie lagen der Hauptsache nach um den Main von den 
Grafschaften Hanau und Erbach über die Bistümer Würzburg, 
Fulda und Bamberg bis nach dem Hohenlohischen, Ansbach- 
Baireuthischen und Nürnbergischen. Bald aber dehnten sie 
sich auch auf das Vogtland, die Grafschaften Reuss, Coburg, 
Schwarzburg und Henneherg bis nach Erfurt und sogar ins 
Eichsfeld sowie nach Mansfeld und dem Stolbergischen aus. 

Der Marsch der Brandenburger nach ihren Winterquartieren 
vollzog sich nicht ohne eine Störung, die von der Festung 
Philippsburg ausging. Dieses rechtsrheinische Bollwerk des 
Feindes machte sich neuerdings, seit Turennes grosse Aktion 
Leben in die winterliche Stille gebracht hatte, wieder lebhaft 
bemerklich. So wurde Hockenheim (gegenüber Speyer) von 
Philippsburger Truppen gebrandschalzt. Eine andere Partei 
streifte südwärts bis gegen Rastatt und hob in dem nahe ge- 
legenen Dorfe Muggensturm eine Kreiskompagnie von 62 Mann 
auf. Als aber ein vom Kommandanten entsandtes Delache- 
ment von 94 Mann am 19. Januar auch gegen brandenbur- 
gische, in Elmendingen einquartierte Truppen einen Ueberfall 
versuchte, wurde es vom Oberstleutnant v. Sydow und dem 
Oberst v. Printzen mit blutigen Köpfen heimgesandt, wobei 34 
Gefangene in den Händen der Sieger blieben. 

Dieser Erfolg konnte dem Grossen Kurfürsten nur ein ge- 
ringer Trost sein, wenn er ihn mit dem vielen Ungemach ver- 



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166 



10. Räumung: dos Elsass. 



glich, das ihn im Elsass gewiss nicht ohne seine Mitschuld, 
aber doch hauptsächlich durch die hoffnungslos zerfahrenen Zu- 
stände des deutschen Staats- und Kriegswesens betroffen hatte. 
Friedrich Wilhelm hatte an der Südwestmark des heiligen Rö- 
mischen Reiches viel von seinem wohl erworbenen Ruhm und 
Ansehen eingebüsst, glücklicherweise nur auf kurze Frist. 
Seinen hoffnungsvollsten Sohn, den Kurprinzen Karl Emil, 
brachte er nur als Leiche zurück ; der Sarg des Prinzen wurde 
am 16. Januar unter Leitung des Oberhofmarschalls v. Canitz 
in feierlichem Zuge, begleitet von der gesamten stadtischen 
Körperschaft der Dreizehner, aus dem Sterbehause im Dettling- 
schen Hof zu Strassburg über den Rhein zum brandenburgischen 
Hauptquartier geleitet. So zog der Kurfürst in trüben Gedanken 
weiter den fränkischen Quartieren zu. Eine unbefriedigende 
Episode seines tatenreichen Lebens lag hinter ihm. 

Aber kein halbes Jahr sollte vergehen, bis die Sonne des 
Glückes ihm wieder lachte. Sein grosser Gegner der Vicomle 
v. Turenne, dessen Heldenlaufbahn eine österreichische Kanonen- 
kugel am 27. Juli 1675 auf dem Schlachtfelde von Sasbach ein 
Ziel setzte, hat es noch erlebt und erfahren, dass der Grosse 
Kurfürst — jetzt befreit von den Fesseln der unseligen Koalitions- 
Feldherrnschaft — am 28. Juni 1675 auf dem Felde von 
Fehrbellin jenen entscheidenden Erfolg erstritt, der alles wieder 
gut machte, was im Elsass seinerseits verfehlt worden war. 
Es war das erste Glied einer Kette herrlicher Siege, die ge- 
radenwegs zum Ruhmestage von Sedan führt. Aber noch 
musste das deutsche Volk die Schule zweier wechselvoller Jahr- 
hunderte durchmachen, bis es ihm unter Besiegung seiner 
inneren Zwietracht gelang, sich unter der Führung eines kraft- 
vollen Nachkommen des Grossen Kurfürsten das Kleinod zurück- 
zuholen, das ihm in traurigen Zeiten der Schwäche entrissen 
worden war, und um das es 1674/75 vergebens gekämpft hatte : 

das deutsche Elsass! 



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ANLAGE I. 



Das Deutsche Reichsheer im Elsass 
im Winter 1674|75. 
Oberbefehlshaber. 

Friedrich Wilhelm Kurfürst v. Brandenburg. 

Gen.-Adj.: Oberstleuts. v. Kanowsky, v. Vitzthum, v. Küssow; Majors 
v. Koepping, v. Kallenberg. 

Kaiserliche. 

Befehlshaber: Feldmarschall Alexander Herzog v. Bournonville. 
Adjutantur: Gen.- Adjutant Mensage 

Gen.-Quartiermstr. : Gen.-Quartmstr. Scholtas 
Verpfleg.-Wesen: Oberstleutnant Seeliger 
Rechtspflege : Gen.-Auditeur Völcker 
Generalität: Feldzeugm. Markgraf Hermann v. Baden 
Feldm.-Leut. Graf v. Caprara 

» » Wertmüller 
General-Major v. Dünnewald 
» » Schultz 
Fuss volk: Regiment Portia 

> Reuss 

> Sereni 
» Strein 

» Vehlen 
Halbes Regt. Kaiserstein 
Dragoner: Regiment Reiffenberg 
Reiterei: Kürass.-Regt. Bournonville 

> • Caprara 

> > Baireuth 

Halbes Regt. Dünnewald 

• » Jung-Lothringen 

• • Jung-Holstein 
Kroaten: Regiment Lodron 

Artillerie (angebl. 8 Geschütze): Kapit. Koch 



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168 



Anlage I: Kriegsgliederung 



Brandenburger. 

2. Befehlshaber: Feldmarschall Frh. v. Derfflinger 

Gen.-Quartiermstr. : Oberst v. Berlepsch 

Intendantur: Geheimer Rat ' Meinders 

Verpfleg.-Wesen : Gen.-Proviantmstr. Edlinger 
Rechtspflege: Gen.-Auditeur Portz 

Generalität: Gen. d. Kav. Landgr. Friedrich v. Hessen- Homburg 

Gen.-Leut. Herzog August v. Holstein 

» » v. d. Goltz 
Gen.-Maj. v. Görtzke 
» » v. Lüdeke 
» > v. Götzen 
> > v. Pöilnitz 
» » d'Espense 

Fuss volk: Leibgarde zu Fuss (v. Pöilnitz) 
Regiment Derfflinger 
» Dohna 

> Goltz 

» Götzen 

» Schöning 

> Dönhoff 
» Flemming 

Halbes Regt. Holstein 
» > Fargel | 

Dragoner: Dragoner-Garde (v. Grumbkow) 
Regiment Derfflinger 

> Bomsdorff 

Reiterei: Trabanten-Garde I 

Leibregt, zu Pferde | < d ' Es P e " 8 *) 

Regiment Prinz Friedrich 

> Anhalt 
» Derfflinger 
» Hessen-Homburg 

> Görtzke 
» Lüdeke 
» Momer 
» Printzen 

Reiterei: Regiment Brockdorff 

> Croy 

Artillerie (47 Geschütze): Oberst Brustorp v. Schönt. 



| je 4 Komp. 
je 5 Komp. 



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Regiment Holstein 
» Reuss 



des deutschen Reichsheeres 1674/75. 169 

Braunschweig-Lfinebarger. 

Befehlshaber: Herzog Georg Wilhelm v. Celle 
Adjutantur: Oberstleut. Erskin 

Ober-Quartiermstr. : Oberst, v. Rumohr 
Intendantur: Präsident v. Heimburg (Wolfenb.) 

Geheimrat Müller (Celle) 
Generalität: Feldmarschall Herzog Johann Adolf v. Holstein 

General-Major v. Ende | iQ B \\ e \ [(Wolfenb.) 
> » Chauvet I 
» » Graf Reuss (Wolfenb.) 
F u 8 s v o 1 k : Garde- od. Leib-Regt. 
Regiment Ende 
» Moilesson 

> Joquet . } (Celle > 
Melleville 

> Linstow 

» vac. Xoot | ( Wolfenb > 
» Schmiedeberg ) 
Dragoner: Regiment Franke (Celle) 

» Schack (Wolfenbüttel) 
Reiterei: Leib Regt. (v. Haxthausen) . 

Regiment Chauvet f ,, % 

Meilinger \ < Celle ) 

» Beauregard 1 
Regiment Reuss I 
> Lobech f 

Ziegler \ (Wolfenb.) 

Wilke 1 

Artillerie (32 Geschütze): Oberstleut. v. Bobart 

Munsterauer. 

Befehlshaber: General-Major Post 

Verpfleg.- Wesen: Kommissar v. Brockhausen 
F us sv olk: Regiment Wedel 

Limburg- Stirum 
» Mias 
» Erden 
Dragoner: Regiment Barleben 



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170 



Anlage I : Kriegsgliederung. 



Reiterei: Bischöfl. Garde: Ob. Schade 

Regiment Post 
Uffeln 
> Bönninghansen 
» Westerholt 



Artillerie (6 Geschütze) : Maj. Renkemeyer 



Befehlshaber: Herzog Karl IV v. Lothringen 

Adjutantur de Pont-ä-Mougeat 

Verwaltung: Kanzler Canon 
Reiterei: Chcvaulegcrs : Gr. d'Allamont 



Dragoner: Regiment Silbach. 



Von der Feldarmee abkommandiert: 

Nach Freiburg: kais. Gen.-M8j. Schütz 
kais. Kür.-Regt. Gondola 
Nach Dachstein : kais. Fuss-Regt. Knigge. 



» 



Macdonelli 
Hautyn 



Lothringer. 



Garde: 
Regiment 



Chausse 
du Puy 
du Houx 
de Mcrcy 
Thouvenin 
Rheingraf 
vac. Berriere 
Rucheraferd (?) 
Weiden 




ANLAGE II. 

Quellenübersicht. 

I. Urkunden ans Archiven. 

Kais. u. Kön. Kriegsarchiv Wien. 

Berichte an den Kaiser Leopold I und den Präsidenten des 
Hofkriegsrats Feldmarschall Graf v. Montecuccoli, erstattet vom 
Kurfürsten v. Brandenburg General-Maj. v. Dünnewald 

Herzog v. Bournonville General-Maj. Schultz 

Gesandten Frh. v. Goes Oberst Gabriel Vecchia 

Markgrafen Hermann v. Baden Oberstleut. v. Dietrichstein. 
Feldm.-Leut. Wertmüller 

Als Berichte von Augenzeugen vom höchsten Werte, jedoch — soweit die 
Briefschreiber von sich selbst sprechen — mit Vorsicht zu benutzen. Auch 
ist die Voreingenommenheit und Abneigung gegen Kurbrandenburg in der» 
Briefen Bournonvilles und Goes in Rechnung zu stellen. Einige wenige dieser 
Urkunden sind vom Dr. S. Isaacsohn schon veröffentlicht. 

König 1. Staatsarchiv Berlin. 

Schriftwechsel des Oberbefehlshabers Kurfürsten Friedrich Wil- 
helm v. Brandenburg mit 
Kaiser Leopold I Kanzler v. Somnitz 

Alexander v. Bournonville Geheirarat Meinders 

Herzog Georg Wilhelm v. Celle Rat der Stadt Strassburg 
Herzog Karl IV v. Lothringen Marschall Turenne 
Herzog August v. Holstein Obers le Roy (Breisach) 

Aufgefangene Schreiben französischer Offiziere, namentlich des Herrn 

v. Cagnot vom Regiment Dauphin. 
Aktenstück: Kriegessachen de 1674 und 75. 
Nouvelles von dem wass Ao. 1674 im Elsass vorgangen. 



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17:2 



Anlage II. 



Bericht von der Reiterada von Colmar nach Strassburg. 
Aktenstück wegen der Schwedischen und Französischen Ministrorum 
Jlachinationes. 

Auch diese Berliner Archivalien sind Quellenschriften ersten Ranges ; 
Jedoch wird auch bei ihnen die Objektivität durch eine grosse Gereiztheit 
gegen die Kaiserlichen beeinträchtigt. Eine stattliche Anzahl der Berliner 
Urkunden ist schon in H. Peters Werk abgedruckt. 

König 1. Staatsarchiv Hannover. 

Akten des Celler Briefarchives, enthaltend d>n Schriftwechsel 
des Herzogs Georg Wilhelm mit 

Karfürst Friedrich Wilhelm v. Brandenbarg 
Herzog Rudolf Aagust v. Braunschweig 
Markgraf Friedrich v. Baden-Durlach 
Kurfürst Karl Ludwig v. d. Pfalz 
Kanzler Sinold v. Schütz 
Rat der Stadt Strassburg. 
Berichte der Geheimräte L. Müller und Fr. v. Heimburg, auch über 

das Treffen bei Türkheim. 
Berichte des Hofjunkers v. Bernstorff. 
Kriegsakten über die Winterquartiere bei Schlettstadt. 
Aktenstück über die Aufstellung des Hannoverschen Kontingents 
zum Reichsheere. 

Die Urkunden des Celler Briefarchives sind völlig zuverlässiges Material, 
zumal sich in ihnen keinerlei Parteilichkeit bemerkbar macht. Viele der Ur- 
kunden sind vom Militär-Oberpfarrer Rocholl veröffentlicht. Das Wolfen- 
bütteler Archiv besitzt keine Militärakten aus dem 17. Jahrhundert mehr. 

Grossherzog 1. Archiv Darmstadt. 

Schriftwechsel des Landgrafen Friedrich II v. Hessen-Homburg mit 
dem Grossen Kurfürsten, dem General v. Görtzke, dem 
Oberst la Roche und anderen. 

Rapporte der Brandenburgischen Kavallerie. 

Quarticrs-Repartition vom Dezember 1674. 

Der Nachlass des Landgrafen von Homburg ergänzt in- wünschenswerter 
und völlig zuverlässiger Weise das Material über die brandenburgwehen 
Truppen. Einzelne dieser Dokumente sind schon in Jungfers Biographie des 
Landgrafen enthalten. 

Elsässer Archive. 

Acta Capitularia des St. Martinsstiftes zu Colmar (Bezirksarchiv des 
Oberelsass). 

Ratsprotokolle und Abrechnungsbücher der Stadt Colmar (Stadt- 
archiv daselbst). 



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Qnellenübersicht. 



173 



Akten des Magistrats Rappertsweiler und 

Akten des Hohen Rats zn Breisach (Bezirksarchiv des Oberelsass). 

Urbar der Stadt Rufach nebst Ratsprotokollen (Stadtarchiv Rufach). 

Die Elsässer Archivalien enthalten nicht viel von Wichtigkeit, sind aber 
zur Feststellung verschiedener Einzelheiten nicht ohne Nutzen. Sie sind fast 
alle schon nebst den recht wertvollen Auszügen aus dem Strassburger Proto- 
kollbuch des Rates der Dreizehn vom Oberpfarrer Rocholl veröffentlicht. 

Kriegsarchiv zu Paris. 

Bericht des Herrn v. C6zen, Generalstabschef Turennes, vom 7. 
Januar 1670. 

Französische Verlustliste für das Treffen von Türkheini, nach Regi- 
mentern geordnet, für Offiziere namentlich. 

Alle übrigen,' sehr reichhaltigen einschlägigen Dokumente des Depot de 
la guerre zu Paris sind schon anderweitig (Nieger, Gerard, Choppin usw.) 
eingesehen und verwertet worden. 

II. Gleichzeitige periodische Zeitschriften. 

Theatri Europaei eilfiter Theil (1672—1679) herausgegeben durch 
Merian und Götz; Frankfurt a/M 1682. 

Diarii Europaei oder Täglicher Geschichts-Erzehlungen 31. und 32. 
Theil; Frankfurt a|M 1675-76. 

Jacobi Franci Historische Beschreibung der denckwürdigsten Ge- 
Geschichten zwischen jüngit verflossener Mess bis 1675, 
von Sigism. Latomi Erben; Frankfurt a/M 1675. 

Des verwirreten Europae Continuation (1673—1676), von Andr. 

Müllern ; Amsterdam 1680. 

Alle diese regelmässig zur Frankfurter Messzeit erschienenen Zeitschriften 
bringen in Gestalt von zahlreichen zeitgeschichtlichen Notizen und grösseren 
Berichten aus den verschiedenen Ladern unentbehrliches Material. Doch ist es 
oft weder objektiv noch fehlerfrei, daher stets der Nachprüfung bedürftig. 

III. Sonstige gleichzeitige Quellen. 

Comte de Grimoard, Collection de lettres et memoires du Marechal 

de Turenne; tome IL; (Paris 1782). 

Obgleich erst nach mehr als 100 Jahren erschienen, ist diese Sammlung 
doch ein zeitgenössisches Quellenwerk ersten Ranges, da es nur aus Briefen 
von und an Turenne besteht. Bei der Wahrheitsliebe und Zuverlässigkeit 
des Marschalls sind seine eigenen Aeusserungen vom höchsten Werte für den 
Geschichtsschreiber, der einen seiner Feldzüge behandeln will. 

Tagebuch Dieterich Siegismund v. Buchs aus den Jahren 1674—1683; 

herausgegeben von G. v. Kessel; (Jena und Leipzig 1865). 

Sehr wichtige Quelle, da der Kammerjonker v. Buch zur täglichen Um- 
gebung des Grossen Kurfürsten gehörte ; aber mit grosser Vorsicht zu be- 
nutzen, da es äusserst gehässig gegen Bournonville geschrieben und ausser- 
dem schlecht übersetzt ist. 



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174 Anlage II. 

L. M. de la Fare, Mcmoires et reflexions sur les principaux evenc- 

mens du regne de Louis XIV ; (Rotterdam 1716). 

Als Erinnerungen eines Augenzeugen zu den gleichzeitigen Quellen zu 
zahlen. La Fare« Darstellung de* Treffens von Türkheim hat durcb ihre 
Angaben über Turennes Umgebungsmarsch von Wettolsheim nach Türkheim 
eine besondere Bedeutung erlangt. 

Fernere Continuation abgestatteter Relationen des verkleideten 
Götter-Bothens Mercurii ; (Wahrburg [!] 1675). 

Eine sehr gut unterrichtete, mit Geist und Witz geschriebene, übrigens 
etwas gegen die Kurbrandenburjrer eingenommene kleine Schrift. Neu heraus- 
gegeben vom Oberpfarrer Rocholl, Berlin 1878. 

Bruneau, Etat present des affaires d'AUemagne et la relation de ce 
qui s'est passe dans la campagne de M. le Vicomte de 
Turenne 1674—75; (Paris 1675). 

Als gleichzeitige Darstellung des Krieges vom französischen Standpunkte 
beachtenswert; bietet im Uebrigen nicht viel Neues. 

ChroniconBodendicense; Aufzeichnungen des Pfarrers G. Berckemeyer 
über seine Kriegserlebnisse 1674—1679 als Feldprediger 
des Cellisohen Regiments v. Ende. 

Diese persönlichen Erinnerungen finden sich im Kirchenbuche zu Boden- 
teich. Sie sind an und für sich sehr wertvoll, bieten aber leider über das 
Treffen bei Türkheim nur geringe Ausbeute, wahrend die Tage von Enzheim 
und Markirch genau erzahlt sind. 

Urkunden und Aktenstucke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich 

Wilhelm v. Brandenburg; 14. Band; (Berlin 1890). 

Ist im gleichen Sinne wie die Correspondance de Turenne zu den gleich- 
zeitigen Quellen zu rechnen; enthält übrigens nur für die diplomatische Ge- 
schichte des Jahres 1674/75 einiges Material. 

IV. Spätere Druckwerke. 

a) Politisch-geschichtlich. 

L. Laguille, Histoire de la province d'Alsace; (Strasbourg 1727). 

J. ab Alpen, Vita Christophori Bernardi Episcopi et Prineipis 
Monasteriensis ; «Münster 1709). 

A. Calmet, Abrege de.l'Histoire de Lorraine; (Nancy 1734). 

M. Philippson, der grosse Kurfürst Friedrich Wilhelm von Bran- 
denburg. 2. Teil; (Berlin 1902). 

Diesen Geschichtswerken konnten nur verhältnismässig wenige und unter- 
geordnete Angaben entnommen werden. 

b) Kriegsgeschichtlich. 

Rny de St. Genies, Histoire militaire du regne de Louis le Grand; 
(Paris 1755). 

Dürftige Darstellung, für den vorliegenden Zweck kaum irgendwie ver- 
wertbar und nur wegen des frühen Erscheinungsjahres aufgeführt. 



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Qaellenüber8icht. 175 

Deschamps, M6raoires des dcux dcrnieres Campagnes de Monsieur 

de Turenne en Allemagne; (Maubeuge 1756). 

L'in zuverlässiges, objektiv gehaltenes, in jeder Hinsicht vorteffllches 
Werk, dessen Verfasser den Krieg 1674175 unter Turenne mit Verständnis 
durchgemacht hat. Sein Buch ist weitaus das beste, was darüber in älterer 
Zeit aus französischer Feder erschienen ist. 

de Bamsay, Histoire du Vicomte de Turenne; (Paris 1774). 

Ein ziemlich konfuses Buch, das mit zahlreichen Irrtümern durchsetzt 
ist; auch der dem Werke beigegebene Schlachtplan von Türkheim ist völlig 
unbrauchbar. 

F. W. v. Zanthier, Feldzüge des Vicomte Turenne ; (Leipzig 1779). 

Ein ausführliches, nur auf französischen Autoren beruhendes, militärisches 
Werk. Ueber die Verhältnisse auf deutscher Seite zeigt sich der deutsche 
Verfasser — ein portugiesischer Offizier — wenig unterrichtet. 

de Beaurain, Histoire des quatre dcrnieres campagnes du marechal 

de Turenne en 1672—1675; (Paris 1782). 

Dieses vom Hofgeographen Ludwigs XIV herausgegebene, jedoch auf 
einem Grimoardschen Manuskripte beruhende Werk ist mit Vorsicht zu be- 
nutzen. Von Beaurain stammt die Fabel von Turennes Zug über den Hoh- 
landsberg: auch sein Schlachtplan ist unzuverlässig. 

A. Nieger, Travail historique sur la bataille de Turckheim, (1858). 

Diese ungedruckt gebliebene Arbeit eines französischen Offiziers, der ein- 
gehende Lokalstudien gemacht und die Akten des Pariser Kriegsarchivs be- 
nutzt hat, ist fleissig, geschickt und für die Verhältnisse auf französischer 
Seite sehr brauchbar, blieb aber den späteren Autoren bis in die neueste Zeit 
unzugänglich. Sie befindet sich in der Colmarer Stadtbibliothek. 

H. Peter, der Krieg des Grossen Kurfürsten gegen Frankreich 1672 — 

1675 ; {Halle 1870). 

Ein ausgezeichnetes Geschichtswerk, kritisch und objektiv geschrieben ; 
ohne Frage das beste, was über diesen Krieg erschienen ist. Gestüzt auf genaue 
Durcharbeitung der Berliner Archivalien, aber ohne solche aus Wien und da- 
her nicht ganz gerecht gegen die Kaiserlichen. Die Schilderung der Gefechte 
von Mülhausen und Türkbeim steht nicht auf der Höhe der Erzähluug der 
politischen und strategischen Vorgänge. 

Ch. Gerard, La bataille de Turckheim (Colmar 1870). 

Eine fleissig und mit genauer Kenntnis der Oertlichkeit, auch mit Heran- 
ziehung der Schätze des D£pöt de la guerre geschriebene Schrift. Jedoch 
lediglich vom französischen Standpunkte und nicht frei von Einseitigkeiten 
und Irrtümern; daher sorgfältiger Nachprüfung bedürftig. 

S. Isaacsohn, der deutsch^französische Krieg im Jahre 1674 und 

das Verhältniss des Wiener Hofes zu demselben; (Berlin 1871). 

Verfasst nach Einsichtsnahrae der Urkunden des Wiener Kriegsarchives 
(Montecuccoli- Akten). Notwendige Ergänzung zu Peters Darstellung; neigt viel- 
leicht zu sehr zur österreichischen Aufassung. 

H. Choppin, Campagne de Turenne en Alsace 1674—75; (Paris 1875). 

Ganz einseitig französisch geschrieben; verwertet besonders die in der 
Bibliothek zu Tours eingesehenen Mainzer Berichte des Abbe de Oravel. 
Diese sind aber zum grössten Teil schon bei Griinoard gedruckt. 



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t 



176 Anlage II. 

Dr. H. Rocholl, der Grosse Kurfürst von Brandenburg im Elsass 

1674—75, mit einer Karte; (Strassburg 1877\ 

Verfasst unter Verwertung gründlicher Studien in Elsässer Archiven 
und bei Türkheim. Nicht ganz objektiv gehalten, indem eine grosse Vorliehe 
für Kurbrandenburg die Darstellung unverkennbar beeinflusst. Der Hohlands- 
berg-Mythos wird in dieser Schrift zum erstenmale öffentlich widerlegt. 

Braubach, Bemerkungen zum Treffen von Türkheira am 5. Januar 

1675; von einem Preussischen Offizier; (Colmar 1894). 

Die kleine Schrift beschäftigt sich nur mit dem Marsche Turennes von 
Wettolsheim nach Türkheim, löst aber diese seit langer Zeit streitige Frage 
in mustergültiger Weise. 

F. des Robert, Les campagnes de Turenne en Alleraagne 1672—1675; 
(Nancy 1903). 

Wichtiger neuer Beitrag zur Geschichte jener Jahre, aber weniger auf 
kriegsgeschichtlichem als auf politischem Gebiete. Der Verfasser hat im Archiv 
des Auswärtigen Amtes zu Paris die Gesandtschaftsberichte von Vitry (München). 
Persode de Maizery (Frankfurt)» Grave! (Mainz), Vidal (Hamburg). Verjus 
(Berlin) usw. gründlich durchforscht. 

Dr. H. Rocholls Broschüren zum Feldzuge 1674,75: 

1. Sammlung der in den elsässischen Archiven beruhenden, 
die Brandenburgischc Carapagnc betreffenden hand- 
schriftlichen Documente; (Berlin 1879). 

2. Die Braunsen weig-Lüneburger im Feldzuge des Grossen 
Kurfürsten gegen Frankreich 1674 — 75; (Hannover 1895). 

3. Studien über den Feldzug des Grossen Kurfürsten gegen 
Frankreich 1674-75; (Berlin 1900). 

Verfasser hat als Divisionspfarrer in Colmar, sowie später in Hannover 
durch gründliche Durchforschung aller ihm erreichbaren Archive viel Material 
zusammengetragen, das als Bausteine 2u einer wirklichen Geschichte jenes 
Krieges sehr willkommen sein muss. 

c) Lokalgeschichtlich. 

Strassburg: Rod. Reuss, La Chronique Strasbourgeoise du peintre 
J. J. Walter pour 1672-76; (Paris 1898). 

Colmar: N. Klein, Chronica Colmariensis 1662-1703. 

Wie die Stadt Colmar durch die Franzosen eingenommen 
worden. 

A. Waltz, Siegmund Billings Kleine Chronik der Stadt 
Colmar. 

Hunkler, Geschichte der Stadt Colmar; (Colmar 1838). 
Breisach: P. Rosmann und F. Ens, Geschichte der Stadt Breisach; 
(Freiburg 1851). 
A. Coste, Notice historique et topographique sur la ville 
de Vieux-Brisache ; (Mulhouse 1860). 
Mülhausen : M. Graf, Geschichte der Stadt Mulhausen : (Mulhausen 
1822). 



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Quellenübersioht. 



177 



H. de l'Hcrminc, Memoires de deax voyages et sejours 
en Alsace 1674— 7G et 1681 ; (Mulhouse 1886). 

E. Meininger, La bataille de Mulhouse, recit contemporain 
tire des archives municipales; (Bulletin du Musee his- 
torique 1902). 

Bclfort. Corret, Histoire de Beifort et de ses environs; (Beifort 1855). 

Etüde historique Bur Beifort; (Bulletin de la societ6 Bel- 
fortainc 181)7). 

Diese loknlgeschichtlichen Schriften nebst anderen, hier nicht besonders 
aufgeführten Stadtffcschicliten (Schlettatadt. Münster, Rufach. Thann usw.) 
konnten das aus den Archiven und kricffsgeschichtlichen Werken genommene 
Bild nur in Einzelheiten ergänzen. 

d) Truppengcschichtlich. 

Kaiserliche: G. Anger, Illustrierte Geschichte der k. k. Armee; 2. 

Band; (Wien 1887). 
A. Marx, der Feldzng 1675 in Deutschland; ^Oesterr. 

Militär-Zeitschr. 1841). 
J. Victorin, Geschichte des k. k. 7. Dragoner-Regiments : 

(Wien 1879). 

Brandenburger: G. A. v. Mülverstedt, Die brandenburgische Kriegs- 
macht unter dem Grossen Kurfürsten; (Magdeburg 1888). 
G. Lehmanns scharfe Kritik über dieses Buch, (Forschungen 

z.. Brandenb. u. Preuss. Geschichte; Leipzig 1888). 
A. C. v. d. Oelsr'tz, Geschichte des Königl. Preuss. 1. In- 

fant.-Regts.; (Berlin 1855). 
J. Jungfer, Zur Geschichte Friedrichs v. Homburg 1674—75 ; 

(Göttingen 1886). 
W. v. Unger, Feldmarschall Derfflingcr; Beiheft zum 
Mil.-Wochcnbl. ; (Berlin 1896). 
Lüneburger: Fr. v. Wissel, Geschichte der Errichtung sämmtlicher 
Chur-Brannschweigisch-Lüneburgischen Truppen ; (Celle 
1786) 

v. Sichart, Geschichte der Kgl. Hannoverschen Armee 
1. Band ; (Hannover 1866). 
Braunschweiger: C. Venturini, Umriss einer pragmatischen Ge- 
schichte des Kriegs-Wesens im Herzogthum Braun- 
schweig; (Magdeburg 1887). 

0. Elster, Geschichte der stehenden Truppen im Herzog- 
thum Braunschweig- Wolfernbüttel von 1600—1714; (Leip- 
zig 1899). 

Münsteraner: G. B. Depping, Geschichte des Krieges der Münsterer 
und Cölner 167*2-74; (Münster 1840). 
K. Tücking, Geschichte des Stifts Münster unter Christoph 
Bernhard v. Galen ; (Münster 1865). 

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Anlage II: Quellenübersicht. 



Lothringer: de Beaurau, Memoire« pour tervir ä l'Histoire de 

Charles IV Duc de Lorraioe; (Gologne 1688). 
Franzosen: le Pippre de Noeufvilie, Abregt chroaologique et histo- 
rique de la Maison d* Roi et de toutes les troapes 
de France ; (Liege 1734). 
Susane, Hietoire de l'infeaterie et de la cavalerie Fran 

c>ise; (Parle 1876 u. 1874). 
Belhomrae, Histoire de l'infanterie en France; (Paris et 
Limoges). 

K. Engel, der Regimentsstab des deutsehen Infant -Regts. 
Elsass; (Zeit8chr. fQr die Geschichte des Oberrheins). 

E. Fieff6, Geschichte der Fremdtruppen im Dienste Frank- 
reichs; (München 1860). 

Diese und andere Bacher ergänsten das aus den Akten der Staatsarchive 
gewonnene Material zur Abfassung des 2. und 8. Abschnitts dieser Schrift 
und zur Kriegsgliederung des deutschen Reiclisheeres (Anlage I). 

V. Karten. 

Homannsche Erben, Karte des Elsass; (1663 bis 1724). 
J. B. Homann, Provincia Brisgoia; (1718). 
Seuttersche Karte Alsatia; (1678 bis 1754). 
Casinische Karte aus dem 18. Jahrhundert. 

le Rouge, Le cours du Rhin de Bale et Hert pres Pbilisbourg (1745); 

corrigee en 1772; les camperoents servent a l'Abregä des 

Campagnes de Türen ne. 
Alter Umgebungsplan von Mülhausen; im dortigen Stadtarehive 

aufbewahrt. 

Flurkarten des französischen Oberelsass; hergestellt von der fran- 
zösischen Intendanz im 18. Jahrhundert ; im Bezirksarchive 
zu Colmar aufbewahrt. 

G. Stoffel, Topographisches Wörterbuch des Ober-Elsass. 

Karte des Deutschen Reiches 1:100000, nebst Messtischblättern 
1:25000; hergestellt seit 1871 von der Landesaufnahme des 
Preuasibchen Generalstabes. 

Zu Grunde gelegt sind den Kartenbeilsgen dieses Buches die neuesten 
Aufnahmen des Freussischen Generalstabes. Die ausserdem aufgeführten äl- 
teren, meist recht mangelhaften Karten dienten dazu, das Strassennetz, die 
Ortschaften usw. in möglichste Ueberelnstimmung mit dem Zustande vou 
1674—76 zu bringen. 



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