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Mitteilungen 


Hohenzollerischer Geschichtsverein 




G*n. 34.11 





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COl.' V ’ 


IN COMMEMOHATION OF THE VISIT OF 
1 IIS ROYAL. HIGHNESS 

PRINCE HENRY OP PRUSSIA 

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OK BEHALF OF HIS MAJE8TY 

THE GERMAN EMPEROR 




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Von 

DR. K. Tll. ZlNGELER, fürstl. hohenz. Archivdirektor 

und 

GEORG BUCK, fürstl. hohenz. Hofkammer- und Baurat. 


Mit 141 Abbildungen. 




BERLIN. 

Verlag jvon Franz Ebhardt & Co. 
1006. 


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Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollem. 

XXXIX. Jahrgang IQ05 t>. . 


M. Lieboer'kche Hofbuchtlruekrm, 
Sigmar! zx gen. 


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Vorwort. 


Schon 1904 hatten wir den Plan gefasst, die .Zollerische Schlösser, Burgen und 
Burgruinen in Schwaben“ als eine Festgabe zum 70. Geburtstage Weiland des Fürsten Leopold von 
Hohenzollern erscheinen zu lassen; denn wir waren überzeugt, dass der hohe Herr, der die 
zollerischen Lande so »ehr liebte, besondere Freude an einer derartigen Arbeit haben werde. 
Die Vorsehung liess den Fürsten diesen Tag nicht erleben. Da die Vorarbeiten zu dem 
Buche jedoch schon weit gediehen, fast sämtliche Schlösser, Burgen und Burgruinen an Ort 
und Stelle besichtigt, vermessen und photographische Aufnahmen von ihnen zum Zwecke der 
anzufertigenden Abbildungen gemacht worden, so hielten wir dafür, die Arbeit nicht nutzlos 
liegen zu lassen. Vermögen die .Zollerische Schlösser, Burgen und Burgruinen in Schwaben“ 
auch nicht mehr den zu erfreuen, dem sie zu Lebzeiten gewidmet sein sollten, so seien sie 
doch seinem Andenken in treuer Gesinnung geweiht. 

Big ln Bringen im September 1900. 

Die Perfafler. 


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INI I Al ;rs VER ZEICHNIS. 




Seite , 


Seite 

Achberg 


. . 59 

Isikofen 

106 

Atfenscbmalz .... 


. . 107 

Jungingen .... 

107 

Apfelstetten 


. . 107 ! 

Jungnau 

102 

Hittelscbies. 


. . 90 

Krauchenwies . . . 

107 

Bubenhofen 


04 

Langenenslingen . . 

110 

Murladingen 


. . 65 

I.ichtenstein .... 

. . 111 und 114 

Bettensee 


. . 66 j 

I.indich, Der . . . 

114 

Biessen 


68 1 

M eich in gen .... 

116 

I Hatfurt 


. . 71 

Pfannenstiel .... 

120 

Eugenia, Villa . . . 


. . 75 1 

Kingingen .... 

122 

Falkenstein 


. . 70 

Salmendingen . . . 

124 

Glatt 


. . 80 

Schalksburg, Die 

43 

Uuttenstein, Hebrochen 


. . 84 

Schiltau 

102 

Haigerloeh 


. . 27 

Sigmaringen .... 

14 

Hainburg, Die .... 


. . 85 

Stauffenberg .... 

120 

Hertenstein 


. 100 

Steinbilben .... 

127 

Hettingen 


. . 87 

1 Strass bei g .... 

128 

Hohenberg 


. . 38 

Truchtelfingen . . . 

132 

Hohenfels 

. . . 

. . 91 

Veringen 

51 

Hohen zoller, Der . . . 


1 

Weckensttin .... 

136 

Holnstein 


. . 94 

Wehrstein .... 

138 

Hornstein 


. . 90 




DIE ABBILDUNGEN 

6, 42 und 10(5 verdanken wir dem königlichen Hausarchiv zu Charlotten bürg ; 

1(5 und 27 sind nach photographischen Aufnahmen erfolgt, welche Seine Hoheit Fürst 
Wilhelm von Hohenzolleru gemacht hat und uns gnädigst zur Verfügung stellte; 

17 nach einem Aquarell des f Baurates Eulenstein; 

18, 71, 78, 79, 88, 104, 105 und 184 nach uns gütigst zur Verfügung gestellten 
Cliohees des fürstlich fürsten bergi. sehen Archivs zu Donaueschingen; 

19, 20, 21, 08 und 185 desgleichen von der fürstlichen Dom&nenkanzlei zu Wulfegg; 

40, 44, 115 und 188 desgleichen von den Blattern des Schwäbischen Albvereins; 

45 und 46 desgleichen von Herrn Professor Br. Weber in Jena. 

Ausserdem fühlen wir uns verpflichtet, dem Herrn Eisele. Pfarrer zu Salmendingen 
(jetzt zu Siberatsweiler), und Herrn Schub, Steuerrat zu Sigraaringen, für ihre vielseitigen 
Bemühungen besten Bank zu sagen. — Sämtliche 119 Clichees, die wir herstellen Hessen, 
entstammen der Hof-Kunstaustnlt von Karl Pelz in Signmringen. 

Abb. 8. 106 muss die Zahl 110 >tatt lü haben. 


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DER HOHENZOLLER. 



Abb. 1. Der Hobenzoller in seiner jetzigen Gestalt. 


Das Mittelalter kannte nicht die Freude, den Genuss an der malerischen 
Schönheit der Natur, wie unsere Zeit. Die Alpenwelt hatte für es noch keine 
Reize, lockte keine kühnen Bergsteiger, um sie für waghalsiges Klettern, lebens- 
gefährliches Ringen mit den Elementen durch den herrlichen Fernblick von 
ihren Berggipfeln in eine neue Welt zu belohnen und zu entschädigen. Nur 
da, wo die Berge Gegenstand der Kultur waren, haben sie als Bestandteil des 
Agrarbesitzes auch Eigennamen, also doch nur dem praktischen Zwecke, der 
Nutzbarkeit dienend. Daher kennt das Mittelalter auch noch keine künstlerischen 
Darstellungen der Natur in landschaftlichen Gemälden. Solche besitzen wir 
erst aus neuerer Zeit, und der erste Maler, der Bilder von ihnen schuf, war 
Segantini. Winkelmann liess, als er auf seiner Reise nach Italien durch die 
Alpen fuhr, die Fenstervorhänge herunter, damit der Anblick der Berge sein 
ästhetisches Gefühl nicht beleidige, und doch schrieb er 1777 sein Buch von der 


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Fähigkeit der Empfindung des Schönen. Gewiss besingen die mittelalterlichen 
Minnesänger die zur Frühlingszeit erwachende Natur, jubeln mit den aufsteigenden 
Lerchen, begrüssen die ersten Blumen auf grünendem Anger und freuen sich 
des sprossenden Waldes. Aber das ist das Aufatmen von langer, harter 
Winterszeit, die Freude an der Möglichkeit, endlich wieder die dumpfen Stuben 
der unwohnlichen Häuser verlassen und im Freien sich ergehen zu können. 

Sollte man nicht gerade das Gegenteil in der Sinnesart unserer Voreltern 
vermuten, wenn wir ihre Burgsitze anschauen? Sollte man nicht viel eher 
annehmen, der fesselnde Zauber wechselvoller Naturschönheit habe sie gelockt? 
Aber anders urteilt der Edeling des Mittelalters, anders der Sohn der Neuzeit. 
Dieser ruft angesichts der auf hochragendem Berge liegenden Burg mit der 
weiten Ausschau über Höhen, Täler, Ebene, Wälder, Städte und Dörfer 
unwillkürlich aus: »Wie schön!« Jener wird dagegen mit prüfendem Auge 

die strategische Lage seines Steinhauses betrachtet und danach dessen Wert 
geschätzt haben. 

Wenige Berge und Burgen in deutschen Landen vermögen so sehr den 
Beschauer zu fesseln, wie der Zoller. Das ist, weil hier landschaftliche Schön- 
heit, überraschende Kühnheit der Bauanlage, gebietende Würde und eine 
geschichtliche Bedeutung höchsten Ranges sich vereinigen zu einem Gesamt- 
bilde, das in dem einen Worte: »der Zoller« mächtigen Ausdruck findet: voll- 
tönend wie der Klang einer gewaltigen Glocke. Wie einst Kaiser Wilhelm, 
glorreichen Angedenkens, eine Anzahl treuer Paladine umgab, deren Lebens- 
geschichte jede für sich einen wichtigen Platz in den Geschichtsblättern unseres 
V'aterlandes ausfüllt, so umstehen auch den Zoller auf hohen Bergen altehr- 
würdige Burgen, jede einstmals Sitz eines hervorragenden deutschen Geschlechtes. 
Da winkt von Nordosten her der Hohenstaufen, die Wiege der Staufenkaiser. 
Ihm schliessen sich in der Richtung nach Südwest, dem Zoller zu, an : die Teck, 
auf welcher die Herzoge von Teck sassen. eine Nebenlinie der Herzoge von 
Zähringen, deren Nachfolger die Grossherzoge von Baden sind; der Neuffen, 
HohenncufTen, die alte Feste der Grafen und Herzoge von Württemberg, und 
sodann die Achalm, von der ehemals die mächtigen Grafen von Achalm zu Tal 
schauten. Alle diese Burgen liegen in Trümmern, die Burg Hohenzollern 
dagegen erstand wieder, aufgerichtet in stammverwandter Gemeinschaft der 
königlichen und fürstlichen Hohenzollern. Das Geschlecht, das vor mehr als 
850 Jahren den kühnen Entschluss fasste, dort seine Veste zu erbauen, muss 
von markiger Kraft gewesen sein. 

Der Zoller — so heisst Burg und Berg das ganze Mittelalter hindurch, 
und heute noch nennt der Volksmund den Berg nicht anders — hat hinsichtlich 
seines Namens und seiner ältesten Geschichte den Forschem schon viele 
Schwierigkeiten bereitet. Gab der Berg dem Geschlechte, welches im 11. 
Jahrhundert dort oben seine Burg baute, von der es das Mittelalter hindurch 
hiess: 

Nobile Zolre castrum 

Hactenus fulgens ut astrum 

»du edle Zollernburg bis dahin glänzend wie ein Stern», den Namen, oder hiessen 
die Erbauer der Barg schon vorher Zollern? Allgemein wird das erstere 


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3 



angenommen. Aber der Beweis hierfür ist uns bis zur Stunde noch nicht über- 
zeugend geliefert worden. Ich neige mich der Ansicht ,zu, dass der Harne 
Zoller erst mit den Dynasten, die hier inmitten der Hattenhuntare ^ihre i Burg 
erbauten, einzog. Wir wollen die Gründe für beide Ansichten hören, soweit 
sie nicht in das ehemals so beliebte Gebiet phantasievoller, märchenhafter 
Genealogie gehören. 


Abb. 2. Der Zoller uacli seinem Wiederaufbau 14M. 

Zunächst sind die Forscher der erstgenannten Meinung schon gar nicht 
einig über den Namen Zoller selbst, seine Bedeutung, seinen Ursprung. Die 
sprachlichen Herltitungen von Solar — Solarium — Söller, Haches Dach, oder 
von Zuller — Schlotzer! übergehen wir. Letzteres streift an das Komische. 
Auch wurde an das keltische Tüll, Toll, Berg, Bergfeste gedacht. Mit viel 
wissenschaftlicher Gründlichkeit ist der keltische l’rsprung des Namens zu 
beweisen versucht worden. Man ging dabei auch von der Annahme aus, der 
Zoller sei ursprünglich eine keltische Volksburg gewesen. Hierzu bemerke ich, 
dass der Zoller sich zu einer solchen wenig eignete, jedenfalls weniger als 
andere in der Nähe befindlichen Höhen. Und warum soll gerade der Zoller 


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und nur dieser aus seiner Eigenschaft als keltische Volkshurg den Namen hier- 
für erworben haben, da Hohenzollem, Schwaben überhaupt doch so reich an 
Volksburgen ist, ohne überlieferte Namen? Bei diesen keltischen Erklärungs- 
versuchen erinnert man sich an das in rheinischen Gelehrtenkreisen heimische 
Wort: »Was man nicht erklären kann, sieht man gern als keltisch an«. 

Am meisten Nachdruck hat die Ableitung des Wortes Zoller von dem 
lateinischen Mons solarius gehabt. Diese Herleitung ist aber ganz bestimmt 
unrichtig, mag sic mit noch so vielen Worten zu beweisen versucht werden. 
Schon die geschichtliche Begründung ist durchaus unzutreffend. Es liegt gar 
kein Beweis für die kühne Behauptung vor, »dass auf dem Zoller einer der 
bedeutenderen römischen Beobachtungstürme mit einer kleinen stehenden 
Besatzung war.« Reines Phantasiegebilde ! Gerade die Geschichte der nächsten 
Umgebung des Zollers und des Berges selbst spricht gegen diese Annahme. 
Auf dem Zollembcrg sind, auch bei dem gänzlichen Neubau der Burg, der 1867 
vollendet war, keine Spuren römischer Befestigungen gefunden worden. Reicher 
an römischen Baurcstcn ist die Gemarkung zwischen Uechingen und Weilheim. 
Aber, und hierauf ist Nachdruck zu legen, diese Niederlassung reicht, den im 
Oktober 1904 im Aufträge des Fürsten von Hohenzollem von mir geleiteten 
Nachgrabungen zufolge, nicht über das zweite Jahrhundert hinaus, war vielmehr 
um die Mitte der genannten Zeit schon verlassen. Weder der Zoller, noch 
Weilheim, noch Hechingen kann Anspruch machen auf römische Befestigungs- 
anlage, wie ich von Weilheim früher selbst glaubte. Auch führen keine Römer- 
strassen nächst beim Zoller vorüber. Die künstlich gestaltete Beweisführung: 
1. der Zoller war einer der bedeutenderen römischen Beobachtungstürme 
Schwabens, 2. die römischen Krieger hatten auf dem Zoller einen kleinen 
Tempel und nannten die Kultstätte, den Berg, daher mnns solarius, Sonnenberg, 
und 3. aus dem Worte solarius hat sich der Name Zoller entwickelt, ist eitel 
Phantasie ohne jede stichhaltige Unterlage. Wir wissen auch nicht das geringste 
von einem mons solarius. 

Keineswegs ist aber unmöglich, dass die keltischen oder spätem schwäbischen 
Bewohner der Gegend hier eine Kultstätte hatten. Hierfür spricht die Tatsache, 
dass auf dem Zoller schon sehr früh eine dem hl. Michael geweihte Kapelle 
gebaut wurde — ein Vorgehen, das die Kirche gerne sah und unterstützte, 
um damit den heidnischen Kultstätten einen christlichen Charakter zu geben. 
Und so ist es ganz erklärlich, dass, der Überlieferung gemäss, der Berg, bevor 
die Grafen von Zollern ihre Burg auf demselben erbauten, Michaelsberg hiess. 

Der Berg bietet somit in römischer Beziehung gar keinen und in keltischer 
Hinsicht keinen ausschlaggebenden Anhalt zur Erklärung des Namens Zoller. 
Erwähnt sei hier, dass die Schreibung des Namens eine ungemein wechselnde 
und willkürliche ist So 1061 Zolorin — vielleicht die zur Erklärung wertvollste 
und brauchbarste — , 1095 Zolro, n 13 Zolra, 1083 — 1115 Zolra, Zulra, Zoller, 
1123 — 1145 Zolr, Zolro, Zolra, Zolren, 1125 — 1150 Zolre, Zolr, Zolra, Zolren, 
Zollern, dann werden Zolr und Zolre am gebräuchlichsten, wobei aber noch 
allerlei Schreibweisen Vorkommen. Erst 1350 tritt von der llochen Zolre auf, 
was verschiedentlich, immer noch neben Zolr, Zolre, Zollern, 1379 — 1412 Hohen 
Czolrre, Ilohenzolr, 1368 Zolr von Hohenzolr geschrieben wird. Bis in das 16. 


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5 

Jahrhundert bleibt Zolr, Zolre und Zollern im Gebrauch, um endlich ganz dem 
Worte Hohen Zoller und schliesslich Hohenzoller Platz zu machen. Im Volks- 
mund heisst er aber, wie schon e wähnt, bis heute noch Zoller. 

Wie wir nun hinsichtlich des Namens Schalksburg durchaus noch nicht 
sicher sind, ob in dem Worte ein Appellativ steckt, so gilt dies erst recht vom 
Worte Zoller. Keinen andern Anhaltspunkt haben wir, als dass das Geschlecht 
1061, bis dahin schon reich an Macht und Ansehen, zuerst mit dem Namen de 
Zolorin auftritt. Wer will uns beweisen, dass dies nicht der Name ist den die 
Dynasten von da ab führten, sei es, dass der Kaiser ihnen denselben verliehen, 
sei es, dass sie zur Unterscheidung von einer anderen Linie ihn annahmen, 
gleichwie die Zollem-Hohenberger, nicht mal hundert Jahre später, ähnlich 
handelten? Und ist es nicht recht auffallend, dass der 1095 auftretende Mit- 
stifter von Alpirsbach, Adalbert, sich auch schon de Zolro nennt und dabei 
Comes de Heigirloch? Der hatte doch nicht seinen Sitz auf dem Zoller, nannte 
sich nicht nach dem Burgsitz Zoller, sondern unanfechtbar nach seinem Burg- 
amtsitz Haigerloch, wiewohl er Zeitgenosse von Burkhard und Wezel de Zolorin 
war. Das bestärkt mich in der Ansicht, dass der Name Zoller der Geschlechts- 
name war, den die Dynasten schon besassen, bevor sie den Zoller bauten 
und den sie dann Berg und Burg gaben, nicht aber der Berg ihnen. 

Wann ist nun die Burg gebaut worden? Das wissen wir nicht genau. 
Ein Geschichtsschreiber der Zollern sagt: Um 1061 ward sie gebaut und des- 

halb fand ja jener Kampf statt, in welchem Burkhard und Wezel 1061 fielen. 
Wo steht das anders als in der Annahme des Aufstellers dieser Erzählung? 
Ein anderer zollerischer Geschichtsforscher behauptet: Die Väter der beiden 

Burkhard und Wezel müssen die Burg schon gebaut haben. Der Beweis fehlt. 
Die Wahrheit kann auf der einen wie auf der andern Seite liegen, in der Mitte 
muss sie wenigstens zu finden sein; denn das ist die Zeit, wo die hervor- 
ragenden Edelgeschlechter ihre Burgen auf die Berge bauten. 

Für die Annahme, der Berg habe damals schon Zoller geheissen, bieten 
diese bauzeitlichen Angaben auch keinen Anhalt. Dagegen spricht die Über- 
lieferung, wie schon oben angeführt, sehr deutlich dafür, dass, bevor die Burg 
gebaut wurde, der Berg Michaelsberg hiess, und zwar wegen der dort oben 
errichteten Kapelle. Wann diese Kapelle gebaut wurde, ist nicht mehr nach- 
zuweisen. Dass sie bei Einführung des Christentums errichtet worden sei, ist 
möglich, gerade um den heidnischen Wodankultus zu vertreiben, zu verchrist- 
lichen, und hierfür spricht auch, dass beim Bau der ersten Zollemburg im 11. 
Jahrhundert eine Michaelskapelle mit künstlerischer Ausstattung hergestellt 
wurde, von der heute noch Bildw e rke auf dem Zoller vorhanden sind. (Abb.3.) Aber 
fragen wir: Ist es wohl denkbar, dass man, schon seit Jahrhunderten bestrebt, 
dem Berg seinen heidnischen Kultuscharakter zu nehmen, ihm einen Namen 
gegeben (gelassen) hätte, der, wie mons solarius, immer wieder an die Heiden- 
zeit erinnern musste? Nein! Mons solarius hat er nie geheissen, und somit 
kommt auch nicht Zoller von dieser römischen Benennung. Und w r enn wir 
auch der Zimmerschen Chronik keine grosse geschichtliche (w r ohl kultur- 
geschichtliche) Bedeutung beilegen, so mag doch hier erwähnt werden, was sie 
über den Zollerberg erzählt, um so mehr, als im 16. Jahrhundert die Über- 


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6 


lieferung noch viele Kraft besass. Sie berichtet: ȟnd als die von Zoller in 

unser land erstlichs körnen, sich darinnen niederzulassen, haben sie sant Michels- 
perg eingenommen, ain schloss darauf -gepawcn, welches sie Zoller genant« 



Abi». :i. l)ie drei Steinbilder aus der Miehuel.sku|>rlle der liurg im II. Jahrhundert. 

Der Zoller liegt in der ehemaligen Ilattenhuntare. Wann diese in Besitz 
der Zollern kam, wissen wir nicht genau. Da aber die neueste genealogische 
Forschung auf Grund eingehender kritischer Untersuchung zu der Überzeugung 
gekommen ist, dass der älteste Genealoge der Zollern, F.rasmus Sayn de Frisinga, 
um 1 200 recht hatte, so müssen wir den io(>i gefallenen Burkhard schon als 
Graf von Zollern ansprechen. Vom n. Jahrhundert ab ist die Ilattenhuntare 
in zollerischem Besitz und führt daher mit Recht durch alle Jahrhunderte hin- 
durch den Namen Grafschaft Zollern. Sie ist dic'geschichtliche Stammgrafschaft 
der Zollern, die Wiege des Geschlechtes, das in seinen vielen Verzweigungen 


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. 


7 


die Jahrhunderte überdauert und heutigen- 
tags in der kaiserlich-königlichen und der 
fürstlichen Linie der Hohenzollem ihre Ver- 
treter hat, zu denen neuerdings noch als 
dritte Linie die hohenzollern-rumänische 
Dynastie zu rechnen ist, als deren Gründer 
König Karl, der Oheim, und als deren 
Stammvater Prinz Ferdinand von Rumänien, 
der Bruder des Oberhauptes der fürstlichen 
Linie, Wilhelm von Hohenzollem, zu 
betrachten ist 

Die Stammgrafschaft war aber kaum 
mehr als der Kern des ehemaligen gross- 
artigen Besitzes des Gesamthauses Zollern, 
das an Macht, Reichtum und daher auch 
Ansehen im 12. und 13 - Jahrhundert nur Abb. 4. Siegel des Grafen Friedrich von 
noch an den Staufern und Zähringem eben- Zollern. Es zeigt das älteste Wappen der 
bürtige Genossen hatte. Die Zollern und Zollern vor Annahme des gevierteten 
die Hohenberger waren damals so mächtig, Schildes. Umschrift: S1GILLUM. FRI- 

dass der Gesandte Gregors Df., als er die DERIC(I). (CO)MITIS. 1>E. ZOLKE. f 
schwäbischen Grossen zum Kampfe gegen 

den Kaiser Friedrich II. aufrief und die Kräfte derselben abschätzte, von den 




Zollern und Hohenbergern sagte, dass 
1 t’A sie in ihren starken Burgen dem Kaiser 
Trotz bieten könnten, so lange sie 
I wollten. 

^7 Es geht ein stolzer Zug durch die 
' jf ganze Geschichte der Stammgrafschaft, 
f die niemals dem Hause, auch nicht zur 
Zeit der höchsten Bedrängnis entfremdet 


Abb 5. Zollern-Nttrnberger Siegel vor Annahme Abb ' 6 - Allianz-Siegel der Gräfin Adelheid 
des gevierteten weiss-schwarzen Schiidee. Um- von Zollre, gob. Gräfin von Fürstenberg. 
Schrift: 8. G VN KADI. BVKCKAVII. DE. Umschrift: S.’ ADEL11. IV FV ESTEN- 

NLTUNHEItC. ET. COMITIS. DE. ZOLElt. RERC. COMITI8S. I). ZOLR. 


wurde. Man macht unserer Ansicht nach viel zu viel Aufhebens von den 
Streitigkeiten der beiden Bruder Friedrich dem Oettinger und Eitel Friedrich I. 


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8 


/ 


im ersten Viertel -des 15. Jahrhunderts. Um alles zu 
Charakter jener rauhen, 
gewalttätigen Zeit in’s 
Auge fassen, wo das Recht 
auf der Spitze des Schwer- 
tes schwebte. Für die dem 
schwäbischen Hause Zol- 
lern innewohnende Kraft 
liefert den schlagendsten 
Beweis, dass nur wenige 
Jahrzehnte später, als seine 
Feinde schon sicher waren, 
es nun für immer ge- 
brochen zu haben, die 12 - 18 . 

Zollern mächtig aufstreben, Ai>l>. 7. Ältestes weis» - sc hwär/. 

so stark und ancesehen K®riertetes Zoller-Siegel, t in - 
unu angesenen s(jhrift gR , FHM)Ej{lcl cu 

sind, dass ihre Stammver- M 1 T 1 S. IN. ZOLUE. 

wandten, die Branden- 



verstehen, muss man den 
burger Hohenzollem, Ehe- 
bündnis und Erbverträge 
mit ihnen schliessen, die 
Zugehörigkeit der frän- 
kisch - brandenburgischen 
Hohenzollem und der 
schwäbischen Linie zu ein- 
ander erneuern und für 
alle Zeiten festsetzen, und 
dass der Sohn Eitel Fried- 
richs I., Jos Niklas, in der 
Lage war, dem Grafen 
von Württemberg in gros- 
ser Bedrängnis mit einer 
für jene Zeit bedeutenden 
Summe als Bürge beizu- 
springen. — 



Die 

Nachgrabun- 
gen, welche 
nach Still- 
fried im Jahre 
1836 ange- 
stellt wur- 
den, haben 
ergeben, dass 
als ältestes 
Bauwerk auf 
dem Zoller 
die Funda- 
mente der 
heutigen 
Michaels- 
kapelle zu 
betrachten 
sind. Wann 
diesem ur- 
sprünglich 
selbständigen 
Kirchlein, das 
später in die 
Burganlage 
einbezogen 
wurde, der 
Bau der Burg 


1377.-139$. 


Abb. 8. Zollorn-Nümln-rger RpitorÄi**gel. 1878. 
Umschrift: Sigill. Fridcrici. «lei. Uracia. Uvrggrafii. Nurinbcrgcnsis. 


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9 


selbst folgte, ist weder durch T'rkunden noch sonstige Chronik auf uns 
gekommen. Festgestellt ist. dass die drei dort aufgefundenen Steinbilder (vergl. 
Abb. 3) der steinernen Burgkapelle angehörten. Diese mag einem Holzbau 
gefolgt, und gleichzeitig mit dem 
Burgbau im elften Jahrhundert ent- 
standen sein. 

Nachdem die in den Jahren 
1S30— (17 durchgeführten umfassen- 
den l’m- und Wiederaufbauten eine 
Untersuchung auf die ältesten Reste 
unmöglich machen, sind wir auf die 
Aufnahmen, welche vor jenen Um- 
bauten gemacht wurden, angewiesen. 


Nach einer vorhandenen Grund- 
rissskizze bestand die alte Burganlage, 

Über deren Grössenverhaltnisse keine 
genauen Anhaltspunkte vorliegen, 
im wesentlichen aus einem quadra- 
tischen Hauptturm und der Michaels- 
kapelle (Burgkapelle). Diese Ge- 
bäude schloss die mit 1 laibtürmen 
besetzte Ringmauer ein. Der Haupt- 
turm (Bergfried) stand weit vorgeschoben auf der Westseite an der höchsten 
Stelle des Bergkegels, die Burgkapelle lag gegen Süden. Der Eingang zur Burg 
befand sich wohl auf der Ostseite. Dass den Bergfried bewohnte Unterbauten 
umgeben haben, wie Stilllried behauptet, ist nicht nachgewiesen. Viel eher 
mag ang nommen werden, dass der Hauptturm solche Ausdehnung hatte, dass 
er zugleich als Wohnturm diente. 

Auf der Ostseite war die Burg nach den aufgefundenen Mauerresten 
durch drei runde Türme verteidigt, von denen zwei einen inneren Durchmesser 
von iS Fuss. hatten, die durch einen geradlinigen Wehrgang, der von Norden 
nach Süden lief, verbunden waren, diese bildeten mit dem dritten am öst- 
lichsten Punkt gelegenen Turme einen dreieckigen Vorhof und verteidigten 
zugleich den dort liegenden Eingang zur Burg. Dort wird wohl auch das Tor- 
haus (siehe unten) zu suchen sein. Mitten im alten Burghof, zwischen dem 
Wehrgang und dem Ihuiptturm wurden die Fundamente eines vierten runden 
Turmes entdeckt, dessen innerer Durchmesser 12 Fuss betrug und dessen 30 Fuss 
unter den Burghof reichende Untermauerung als Schachtgemäuer des ursprüng- 
lichen Brunnens anzusprechen ist. Der Burgfrieden zu Zollern, welcher 

am 33. Februar 1402 (also 21 Jahre vor Zerstörung der ältesten Burg) von den 
Brüdern Graf Friedrich dem Oettinger und Graf Eitel Friedrich 1 . und ihren 
Vettern dem Schwarzgrafen und dem Grafen Ostertag vereinbart wurde, sagt: 
dass die Grafen zu Zoller in der Veste auf ihre Kosten vier gemeinschaftliche 



Abb, n. Znllersiegel der Burggrafen von Nürn- 
berg. Umselirift.: FHIDEIUCI. RVUCOUAVH. 
DE. NVEKENHEKG. 


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10 


stetige Wächter, und zwei gemeinschaftliche Torhüter, die Kapelle, den Brunnen, 
den Vorhof und das Torhaus auf gemeinsame Kosten zu bauen, und jeder 
seinen Teil an der Ringmauer machen zu lassen hätten, dass man darauf wohl 
gehen und wandeln möge ungefährlich. Ohne Zweifel wurden aber inl Laufe 
der nächsten Jahrhunderte sowohl für die Glieder der gräflichen Familie, die 
sich in den Besitz der Burg teilten, wie für die Besatzung und das Gesinde noch 
mehrere Gebäude hinzugefügt, deren untere Teile durch den Steilabfall 
des Berges, feste Gewölbe (Kasematten) bildeten. Diese .Gewölbe“ werden 
später zu verschiedenen Malen erwähnt. 



Abb. 10. Der Zoller ini 18. Jahrhundert. 


Machtvoll und scheinbar unbezwinglich r ziertc den Zollerberg die älteste 
Burg, die noch im 15. Jahrhundert als die Krone aller Burgen in Schwaben, 
als „das vesteste Hauss in teutschen Landen“ gepriesen wurde, bis im Jahre 
1421 am iS- Mai nach hartnäckiger Verteidigung die stolze Bergveste, fast zur 
Ruine zertrümmert, in die Hände der| mit den Württembergem verbundenen 
Reichsstädte } fiel. 


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II 


Graf Ei‘:l Friedrich I. versuchte den Wiederaufbau der Burg durch 
Errichtung eines Torturmes und sonstiger Bauten. Die Städter zerstörten jedoch 



Abb. 11. Grundt Rüss der Vösstung Hochenzollem, Anno 16t>2 den 15ten April verförttiget. 
A der Vorhoff. B Dass Vorhoff Thor. C Thor durch dass Huuptwerckh. D Die Schnarr- 
Wacht-Pastey. E Die Neye Pastey. F Fuxloch-Pastcy. G Der Spiz. H Scharpff-Eggs-Pastey. 
I Die Gartten-Pastey. K S. Michles-Pastey. L Die Neye Casserme. M Der Sali. N Ftlrst- 
liche Zimmer. 0 Dass Zeighauss, worauf auch Zimmer sein. P Kaysers Thurn. Q Pischoffs 
Thurn. R Marggraffens Thum. S Cantzley Thurn. T S. Michles Khirchen. V Dass 

Bachhauss. W Schmidten Thurn. X Coinmcndantcn Wohnung, worunter Cassermen sein. 
Y Erstes Thorn ybern Rosst und anders in den Hoff Z Die Wacht Stuben. AA Der grosse 
Hoff. BB Der Brunnen. CC Die Cisternen. DD Auszeichnuss alwo ein Ney Werch sollte 
gemacht und alwie EE Ein graben verförttigt und gesprengt werden. 



Abb. 12. Grundriss der Burg in ihrer heutigen Gestult. 


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diese Gebäude und Mauern. Erst Jos Niclas I. gelang es, mit Hülfe seines 
Stammverwandten, des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg, und 
des Herzogs Albrecht von Österreich am 2 S- Mai r 4 s 4 ( 1 1 Jahre nach Zer- 
störung der alten Burg) den Grundstein zur neuen Burg zu legen und diese bis 
zum Jahre 1 4(10 fertig zu stellen. Es hatte Albrecht Achilles den Kaiser 
Friedrich 111 . zu bewegen vermocht, das strenge Edikt seines Vorgängers auf- 
zuheben, und unter dem 17. Januar 1 45t die verbriefte Erlaubnis zu geben: »dass 
Graf Jos Niklas zu Zollern den Berg Zollern, das Burgstall und den Stock 
darauf, wann und zu welcher Zeit er wolle zu seiner Notdurft ungefährlich 



Jahrhunderts. 


bauen mag, auch er und seine Erben, Grafen zu Zollern, denselben Berg und 
Schloss Zollern mit ihrem Zubehör inhaben und besitzen mögen unbehindert 
männiglich.« 

Diese Burg des 15. Jahrhunderts erhielt sich, wenn auch zum Schluss nur 
in Resten, bis zum Jahre 1S21, zu welcher Zeit man die Fundamente und Keller 
(Kasematten), die St. Michaelskapelle, auch den ziemlich gut erhaltenen Torturm 
vorgefunden und den sog. »Wartturm« neu aufgeführt hatte. 

Über die Anlage der Burg im 17. Jahrhundert giebt uns Grundriss Abb. u, 
über die heutige Burganlage der Grundriss Abb. 12 Aufschluss. 

Das unweit des Zollers an seinem Fusse liegende Hechingen steht mit der 
Burg zwar nicht, wie etwa Sigmaringen oder Veringen mit ihren Burgen, in 
unmittelbarem Zusammenhang, gehört aber geschichtlich untrennbar zürn Zoller 


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und war von jeher der Hauptort der Grafschaft Zollern. Bevor sich die Hatten- 
huntare, die spätere Grafschaft Zollern, von dem Muttergau der Perihtilinpara 
{Seherragaui abtrennte, wird Hechingen schon als Hahhingum 7S0 genannt. 
Dann heisst es 789 in der Hattenhuntare 
Hachinga. im 12. Jahrhundert Hachingen, im 
n. Haechingen und Hachingen und seit dem 
16. immer Hechingen. Der Name weist auf 
einen Gründer der Ansiedelung Hacho hin. 

Im Laufe der Jahrhunderte hat es mit dem 
Zollernhause alle Freude, alles Leid getragen 
Schon 1419 sah es neben der Burg auf dem 
Zoller in seinen Mauern auch eine zollerische 
Veste, *das Bürgle«, entstehen, das 1 576 zu einem 
schönen grossen Schlosse umgebaut wurde 
(s. Abb. n). Hechingen war vom 15. Jahrhundert 
ab ( r 4 3 4 ) Residenz der Grafen von Zollern, 

Fürsten von Hohenzollern-Heclnngen. Wann 
es Pfarrei wurde, lässt sich nicht feststellen, 
doch wird es 1275 schon als Pfarrei aufgeführt, 
hat aber ganz zweifellos schon länger vorher 
als solche bestanden. Im Jahre 1298 wird zum erstenmal ein Schultheiss hier 
genannt. Hechingen hat ein geschichtliches Recht, stolz auf seine Vergangen- 
heit zu sein. So ist cs keineswegs, wie so viele andere Städte im Mittelalter 
— man darf nur an Sigmaringen, Haigerloch u a. denken — in Verkauf oder 
Pfand aus einer Hand in die andere gegangen. Daher ist auch seine Geschichte 
einfacher als die mancher anderer Stadt. Sodann ist sein Wappen das zollerische, 
und dieser weiss-schwarz geviertetc Schild nimmt als Wappen der Stammgraf- 
schaft den Ehrenplatz als Herzschild im Wappen des deutschen Kaisers und 
der Fürsten von llohenzollem ein. 



Abb. 14. Siegel der S-tudt He'-lnngen. 
Ums lirift : S‘ C1VI VM IN HECHIN- 
GEN f- 



Abb. 15 . 


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ft-’V, 


u 


SIGMARINGEN. 



Al>b. 16. Fürstliches Schloss zu Si(.maringen. 

Sehr weit in der Zeit müssen wir zurückgehen, um den l’ranfängen des 
heutigen Sigmaringens, der Residenz der Fürsten von llohenzollerp, näher zu 


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kommen. Lange bevor sich auf dem mächtig aus dem Donaubette steil empor- 
steigenden Felsen eine Sigmarsburg erhob, ist die Gegend bewohnt gewesen. 
Das bezeugen uns die Funde, welche bis auf die Steinzeit zurückweisen. 
Mächtige Grabhügel in den Waldungen unweit der Stadt beweisen, dass Sig- 
maringen zur Ilallstadtzeit schon eine grössere Niederlassung besass. Ob der 
heutige Schlossberg mit der fürstlichen Residenzburg einst als Volksburg diente, 
lässt sich nicht mehr feststellen. Lage und Gestaltung sprechen dafür; auch 
der Umstand, dass schon seit vielen Jahrhunderten auf seiner Höhe sich eine 
Steinburg erhebt, lässt diese Vermutung wahrscheinlich erscheinen. Der kundige 
Blick der Erbauer der Volksburgen findet ja dadurch Anerkennung, dass das 
Mittelalter vielfach auf denselben Plätzen seine Steinburgen errichtete. Es ist 
durchaus nicht unwahrscheinlich, dass Sigmaringen in der La Tene-Zcit ein 
befestigter Platz war. Sein späterer und heutiger Name darf uns dabei nicht 
irre führen; giebt cs doch eine Reihe von Ortschaften in Hohenzollcm, deren 
Namen auf keltischen Ursprung hinweisen, und der südliche Teil des heutigen 
Hohenzollem bis zur Donau war jedenfalls vindelikisch. Es berichtet uns 
Ptolomäus im 2. Jahrhundert vor Christus von vier bedeutenden Orten an der 
oberen Donau, leider ohne Namen zu nennen. Näher weist ein anderer Schrift- 
steller, Edrisi, auf Sigmaringen hin, wenn er berichtet, dass an der oberen 
Donau, etwa 100 Meilen von Basel und 60 Meilen von Ulm, auf hohem, 
schroffem, in die Donau ragendem Felsen eine Stadt Eskindie gelegen 
sei. Dass man hierbei an Sigmaringen denkt, ist gar nicht femeliegend. 

Schreiten wir in der Geschichte aufwärts, so gelangen wir zunächst in die 
römische Zeit. Dass in ihr Sigmaringen eine Rolle spielte, ist ganz zweifellos. 
Dafür zeugen zahlreiche römische Funde,, die in der heutigen Stadt gemacht 
wurden, das beweisen römische Strassen, die ihr zustreben, und wenn auch 
der ehemalige Bergfried, der hochragende Schlossturm, der mit dem jüngsten 
Umbau des Schlosses von Emanuel Seidl neu aufgerichtet wurde, kein römisches 
Bauwerk ist, so mag die alte Überlieferung, er sei ein Römerturm, vielleicht 
darauf fussen, dass sich einst auf der Höhe des Schlossberges eine römische 
Warte erhob, wobei an ein römisches Kastell nicht gedacht zu werden braucht; 
denn für ein solches haben die Forscher der römischen Zeit hier keinen 
Anhaltspunkt. 

Es war nach der Mitte des dritten Jahrhunderts, als das Bollwerk römischer 
Kriegskunst und römischer l.ändergicr, der Limes, von den Germanen durch- 
brochen und das bis dahin römische Land rechts vom Rhein, das Neckar-, Alb- 
und das obere Donaugebiet germanisches Eigentum wurde. Nicht gar so hinge 
währte es, bis dass schwäbische Ansiedler sich hier in unserer Gegend sess- 
haft machten. Wann das an der Stelle der Fall war, die heute Sigmaringen 
heisst, kann nicht mit Besimmtheit gesagt werden, doch jedenfalls Jahrhunderte 
früher, als urkundliche Nachrichten uns über Sigmaringen berichten. Wenn 
auch das zweite Jahrtausend anbrechcn musste, bevor wir, 1077 zuerst, von 
Sigmaringen hören, so dürfen wir doch mit aller Bestimmtheit annehmen, dass 
die Ansiedlung um mindestens sechs- bis siebenhundert Jahre älter ist. Der 
Name Sigmaringen sagt uns, dass ein Sigmar Haupt der Sippe war, die die 
Ansiedlung gründete. Sigmar ist gebildet aus Sig (Sigin, Sigis) = Sieg und 


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mar = berühmt, Sigmar also der Siegberühmte. Sigmaringen ist somit der 
Sitz der Sigmarssöhne, der Sigmarssippe. I lass Sigmaringen eine sehr bedeutende 
schwäbische Ansiedlung war, geht auch aus dem Umstand hervor, dass seine 
Markung, vor Abtrennung der Gemarkung Tiergarten, die grösste in Holien- 
zollem ist, wobei der Umstand Erwähnung verdient, dass die Orte in Hohen- 
zollcm auf ingen überhaupt die grössten Gemarkungen besitzen. 

Die Wiedergabe des Namens hat sich im Laufe der Jahrhunderte wenig 
verändert Das Wort wird geschrieben: 1077 Sigimaringin, 1083 Sigmaringen 

und Simeringen, 1183 und 1210 Sigemaringen, 1216 Sigimaringen, 1220 und 
1231 wieder Sigmaringen, 1247 und 1263 Sigemeringen, 1273 und 1290 Sige- 
macringen, 1323 Sigmaringen, ebenso 1392, dann 1278, 1391 und 1432 Sygma- 
ringen. Wenn heute noch der Volksmund Simmeringa sagt, so trifft er, ohne 
es zu wissen, in der Endung die alte, echte Form; denn die ältesten Bewohner 
von Sigmaringen haben sich — und wurden von Anderen so geheissen — 
Sigmaringar und Sigmaringa genannt, was die Sigmarssöhne, das Sigmars- 
geschlecht, die Sigmarssippe sagen will. 



Abb. 17. Schloss 8igmaringen im Jahre 1872. 


Nachdem die Schwaben das Land, dem sie für immer ihren Namen geben' 
sollten, eingenommen hatten, teilten sie es in einzelne Bezirke. An der Spitze 
jedes Bezirks stand ein Oberhaupt, das anfangs wahrscheinlich aus freier Volks- 
wahl hervorging, später aber, um die Mitte des achten Jahrhunderts, vom 
Könige gewählt beziehungsweise belehnt wurde und als Graf (grav — grau) 


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'7 


die öffentliche Gewalt ausübte. Auch Sigmaringen lag in einer solchen Hundert- 
schaft und diese trug zuerst den Namen Goldineshuntare, was auf den Personen- 
namen Goldin hinweist. Am Ende des n. Jahrhunderts verschwindet dieser 
Name und an seine Stelle tritt die Bezeichnung Ratoldesbuch — von Buchen- 
wald des Ratold. Lange hielt sich dieser, man kann sagen, künstlich gesuchter 
Name nicht Schon im ia. Jahrhundert nimmt der Gau seinen Namen von dem 
Hauptort und heisst seitdem bis 1806 Grafschaft Sigmaringen. Von den 
Grafen der Goldineshuntare kennen wir nur zwei : Udalrich 834 und Marquard 
993. Welchem Geschlechte diese angehörten, lässt sich nicht mit Bestimmtheit 
sagen; dass sie mit den Ahnen der Grafen von Altshausen, denen wir als 
Grafen von Veringen später begegnen, versippt waren, ist wahrscheinlich. 

Eine sichere urkundliche Nachricht über Sigmaringen erhalten wir zuerst 
1077 und wir erfahren aus dieser Mitteilung, dass Sigmaringen damals eine feste 
Burg war. In dem Kriege Rudolfs von Schwaben gegen Kaiser Heinrich IV. 
belagerte ersterer die Burg zu Sigmaringen, entfloh aber, als er vernahm, dass 
Heinrich, es war um die Mitte Juni, von Ulm her zum Entsätze heranrückc. 

Mit Ende des 11. Jahrhunderts treten uns die Besitzer von Sigmaringen 
und der Grafschaft näher; denn wenn es auch mit dem 11. Jahrhundert Sitte 
wurde, dass sich die hervorragenden Adelsgeschlcchter nach ihren Burgen 
nannten, was bei der einen oder anderen Grafschaft insofern zu Irrtum führen 
kann, dass nicht immer die Burg, welche den Namen gab, auch in der Graf- 
schaft lag, so ist das aber hier nicht der Fall. Wir begegnen in der angegebenen 
Zeit drei Brüdern, Ludwig, Ulrich und Mangold, als Herren von Sigmaringen, 
und von diesen wird Ludwig auch der Graf des Bezirkes gewesen sein. Diese 
Brüder gehören vieler Wahrscheinlichkeit nach den untereinander verwandten 
Gratenhäusem Altshausen (später Veringen) und Bregenz an. Ludwigs Sohn 
Gottfried war Graf von Sigmaringen und Graf von Helfenstein. 

Nach der Mitte des 13. Jahrhunderts, vielleicht um 12(17, gelangte Sigmaringen 
in Besitz der Grafen von Montfort. Im Jahre 1272 nennt sich Graf Ulrich von 
Montfort auch Graf von Sigmaringen. Er gehörte einem sehr angesehenen und 
reichen Geschlechte an, das auch die Grafenrechte im Argengau bcsass. 

Auffallenderweise verkaufte aber schon 1290 Graf Hugo, der Sohn des 
Ulrich, Burg und Stadt Sigmaringen an Albrecht und Rudolf von Habsburg. 

Schon 1316 weist König Friedrich der Schöne Sigmaringen dem Grafen 
Eberhard von Württemberg als Pfandobjekt an, und 1323 verpfändet Herzog 
Lupoid Burg und Stadt dem Grafen Ulrich von Württemberg. Es gelang den 
Herzogen in der Folgezeit nicht, die Pfandschaft wieder einzulösen, und so blieb 
Sigmaringen württc m be rgisc h bis 1439. 

Es war ja das Los der Herrschaften, Städte und Dörfer im Mittelalter und 
auch noch später, durch Verkauf oder Verpfändung beständig die Herren zu 
wechseln. Daher sehen wir auch, wie die Städte und Gemeinden mit Zähig- 
keit darauf bedacht sind, Rechte für sich festzulegen, die der jedesmalige neue 
Herr anerkennen musste. So ist es erklärlich, dass sich kein wärmeres Ver- 
hältnis zwischen Herrschaft und Untertanen bilden konnte, dass Jeder nur auf 
seinen Vorteil bedacht war und langwierige Streitigkeiten zur Entfremdung bei- 
trugen. 


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iS 


Im Jahre 13 9Q übergab Graf Eberhard von Württemberg Sigmaringen, 
Burg, Stadt und ganze Grafschaft und dazu die Grafschaft Veringcn seinem 
Oheim, dem Grafen Eberhard von Werdenberg. Die Grafschaft Sigmaringen 
iibergiebt er als ein vollfreies eigenes Gut, das Niemanden zugehört, die Graf- 
schaft Veringcn dagegen »in der Maasse, als das unser Pfand ist von der Herr- 
schaft zu Österreich«. 

Im Jahre 1459 


machte Elisabeth, 
Gräfin von Wer- 
denberg, geborene 
Gräfin von Würt- 
temberg, an die 
württembergi- 
schen Verwandten 
Ansprüche auf ihr 
väterliches und 
mütterliches Erb- 
teil. Da übergab 
ihr Ulrich. Graf zu 
Württemberg, 
die Grafschaft Sig- 
maringen ohne 
jede Einschränkung 



Sollte Österreich 
seine Pfandschafts- 
rechte geltend 
machen, dann ver- 
pflichtet sich 
Württemberg, die 
Pfandsummc von 
8000 Gulden, um 
welche die Graf- 
schaft an Württem- 
berg gekommen, 
auszuzahlcn und 
noch 8000 Gulden 
dazu. Nur macht 
der Graf noch die 
Bedingung, dass 
Burg und Stadt 


inschliesslich des Al,k 18 (les ,iratVn J,,hann von Sigmaringen den 

, - ,. fern. 14!>8. t Inschrift: 8. jnlmns irrtive. zu ...... 

Wiedereinlosungs- , , .... Grafen von Wurt- 

, . werden bern v. zvm Hnileenberff. /.. c. lt.'ti , .... 

rechtes seitens temberg in Not- 

Württembergs. fällen offen stehe. 

Für die späteren Herren der Grafschaft Sigmaringen, die llohenzollem, war 
cs von grosser Wichtigkeit, dass die Grafen von Werdenberg die neu erworbene 
Grafschaft nicht als vollfreies Eigen behielten, sondern es Österreich übergaben, 
um es als Reichslehen wieder zu erhalten. Dagegen sollte der Umstand, dass, 
im Falle des Aussterbens des 1 lauses Werdenberg im Mannesstamme, das Lehen 
auch auf die Töchter werdenbergischen Stammes übergehen könne, später zu 
Schwierigkeiten Anlass geben. 

Im Jahre 1 s 2 1 belehnte Kaiser Karl V. die Gebrüder Johann (Abb. 18), 
Christoph und Felix, Grafen von Werdenberg, zum letzten Male mit der Graf- 
schaft Sigmaringen (und Veringcn). 

Johann starb schon 1522 kinderlos, Felix — der Legende nach wegen des 
von ihm verübten Todschlages an Graf Andreas von Sonnenberg (Scheer) 
(Abb. 20 u. 21) enthauptet — im Jahre 1 =,30 (Abb. 19). Aus der Ehe des einzigen 
Werdenbergers, des Grafen Christoph mit der Markgräfin F.lconora von Mantua, 
waren zwar fünf Kinder hervorgegangen, aber alle gestorben ausser Anna, 
welche sich 1310 mit dem Grafen Friedrich zu Fürstenberg vermählt hatte. 

Graf Joachim von Hohenzollern übersah die immer stärker werdende 
Wahrscheinlichkeit, dass das Haus Werdenberg im Mannesstamme ganz aus- 
sterben werde, nicht, und ging 1532 mit König Ferdinand einen Vergleich ein, 


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wonach er diesem isooo Gulden bar bezahlte, dafür aber die Grafschaften 
Sigmaringen und Veringen für seine Neffen, die Grafen Karl, Eitel Friedrich 
und Felix nach dem Aussterben der Werdenberger im Mannesstamme als Mann- 



Abb. 19. Sühnctafel des Grafen Felix von Werdenberg am Hauptportal des fürstlichen 

Schlosses zu Sigmaringen. 


lehen erhalten sollte. Es mag möglich sein, dass Graf Christoph von Werden- 
berg, der überhaupt als ein Sonderling geschildert wird, dem Plane nicht un- 


wohlwollend gegen- 
überstand, wiewohl 
seine einzige Tochter 
an den Grafen von 
Fürstenberg verheiratet 
war, weil die genann- 
ten hohenzollerischen 
Grafen seine Stiefsöhne 
geworden. Er hatte 
nämlich in zweiter Ehe 
Johanna von Börsein, 
Tochter des 
angesehenen reichen 
Philipp von Wittern, 
eines Niederländers, 
Witwe des Grafen Eitel 



Abb. 20. Siegel des am 10. Mai 
1511 von Oraf Felix von Werden- 
berg erschlagenen Grafen Andreas 
von Sonnenberg (Sebeer). Um- 
schrift : S. andre graf zvo Sonen- 
b(ejrg. t. z. w. 


Friedrich III, von 1 1 < >hcn- 
zollem, der 1525 zu 
Pavia fiel, geheiratet. 
Dass auch sie bemüht 
war, die schönen Graf- 
schaften für ihre Söhne 
zu gewinnen, ist sehr 
natürlich. Tatsächlich 
stand Graf Felix von 
Werdenberg dem Plane, 
die Grafschaften den 
Zollern zuzuwenden, 
wohlwollend gegen- 
über. Als nun Graf 
Christoph 1514 gestor- 
ben war und die Grafen 


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20 



von Hohenzollem Anspruch an die Grafschaften Sigmaringen und Veringen auf 
Grund des Vertrags von 1532 machten, da erhob Fürstenberg auch Anspruch und 
stützte sich auf die Urkunde Kaiser Friedrichs III. von 1400, in welcher der 
weiblichen werdenbergischen Nachkommenschaft ebenfalls Nachfolge im Lehen 
zugesagt worden. Es lag aber ein Österreich-Werdenberger-Vcrtrag vom Jahre 

1482 vor, welcher jene 
Erweiterung aufhob und 
die beiden Grafschaften 
zu einem Mannlehen 
des Hauses Österreich 
machte. Trotzdem gab es 
zwischen Fürstenberg und 
1 Iohenzollem Streitigkeiten 
wegen den genannten 
Grafschaften, bis auch 
diese, hauptsächlich durch 
den Pfullendorfer Vertrag 
von 1540, beigelegt 
wurden. So fielen die 
Grafschaften Sigmaringen 
und Veringen an das Haus 
Hohenzollem, um diesem 
nicht mehr entfremdet zu 
werden. Der erste Hohen- 
zollern, der über die Graf- 
schaften herrschte, war 
Karl I., der Stammvater 
aller späteren Hohenzollem 
fürstlicher Linie. Seit jener 
Zeit weht auf dem Schlosse 
zu Sigmaringen die Zollem- 
Fahne. 

Es wäre noch die 
Frage zu erörtern, wann 
Sigmaringen Stadt ge- 
worden. Den genauen 
Zeitpunkt, wann das ge- 
schah, wissen wir nicht. 
Aber eine Grenze rück- 
wärts, wann Sigmaringen 
Stadt gewesen sein muss, 
kann angegeben werden, 
das ist 1275, weil in dem 
Abb. 21. Böstnng des von Graf Felix von Werdenberg Jahre zuerst ein Schultheiss 
erschlagenen Grafen Andreas von Sonnenberg. jj yon Sigmaringen als 

Zeuge genannt "wird, dem wir 1290 abermals als Heinrich der schulthaize von 


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ai 



Siegel der Stadt Sigma. 
Umschrift: 8.CIVITATIS 

SIGMARINGEN. 


Sigemäringen mit Heinrich, genannt Veseman von Sigemäringen begegnen. Aus 
dem Umstand, dass Sigmaringen stets der Hauptort der ehemaligen Goldines- 
huntare, der Grafschaft Sigmaringen, war, kann man schon die Vermutung 
hegen, dass es verhältnismässig früh Stadt wurde. 

Zur annähernden Bestimmung des Alters 
von Sigmaringen als Stadt kann uns auch das 
Wappen derselben dienlich sein. Dieses Wap- 
pen zeigt einen goldenen Hirsch in rotem Feld. 

Hieraus lassen sich nun Folgerungen schliessen. 

Erstens legte sich Sigmaringen kein Wappen 
an, bevor nicht der vorher Burg genannte Ort 
Stadt wurde. Zweitens muss dieses Wappen, 
das uns im ältesten Stadtsiegel von 1316 er- 
halten ist, schon vor 12671275 bestanden 
haben; denn mit diesem Jahre werden die 
Grafen von Montfort Herren der Grafschaft. 

Mit dem Montforter Wappen, der Kirchen- 
fahne, hat aber das Wappen der Stadt nichts 
gemein. Wohl aber weist sowohl das Bild, ““ 
der Hirsch, wie auch die Farben Gelb-Rot auf ring< '"' 
das Dynastengeschlecht hin, das vor den Mont- 
forter die Grafschaft inne hatte. Das Sigmaringer Stadtwappen war auch Graf- 
schaftswappen, denn es ist bezeichnend, dass Grünenberg in seinem 1485 voll- 
endeten Wappenbuch, wo doch die alten Grafen von Sigmaringen längst aus- 
gestorben waren, das Wappen des 
>Grau(T von Sigmaringen« als goldenen 
Hirsch in rotem Felde wiedergiebt. 

Daher führen denn auch mit Recht die 
Hohenzollem in ihrem grossen Wappen 
als Grafen von Sigmaringen den goldenen 
Hirsch in rotem Felde. Das Wappen der 
Stadt Sigmaringen geht somit bis an die 
Zeitgrenze von 1230 zurück, über welche 
hinaus Städtewappen Seltenheiten s.nd. 

Es ist zu bedauern, dass die Stadt erst in 
neuerer Zeit von diesen Farben ihres alt- 
ehrwürdigen Wappens abgegangen ist, 
und es darstellt: goldener Hirsch in 
blauem Felde. In Folge dessen ist auch 
die in der Neuzeit angenommene Fahne 
Gelb-Blau gar nicht die Flagge der Stadt 
Sigmaringen, sondern es muss diese die 
Farben des Wappens haben: Gelb-Rot, 
und zwar Gelb oben. Es kann der Stadt 
Sigmaringen aber nur zur Ehre gereichen, 
dasselbe Wappen zu führen, das im grossen 



Abb. ‘23. Hauptportal (mit l’otenie) 
fürstlichen Schlosses. 


iles 


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Wappen der Hohenzollern, und zwar sowohl der königlichen Linie, also in dem 
des deutschen Kaiserhauses, wie auch der fürstlichen Linie, deren Flagge nun schon 
fast drei und ein halb hundert Jahre über ihre Gemarkung weht, Aufnahme 
gefunden hat; die Flagge Gelb-Blau kann hierauf durchaus keinen Anspruch 
erheben. — — 

Es ist nicht unser Zweck, einen Baubeschrieb des jetzigen im östlichen 
Teil vollständig umgebauten Schlosses zu geben, vielmehr soll versucht werden, 
auf Grund früherer Aufnahmen und örtlicher Nachforschungen den Kern der 
alten Burganlage, soweit dies heute noch möglich ist, herauszuschälen. 

Die alte Burg ist auf dem mittleren Teil des jetzt ganz 
bebauten schmalen Felsrückens zu suchen, und bedeckte eine 
Grundfläche von annähernd 45 m Länge und 20 m Breite. 
Der übrige Teil des Felsens war nicht bebaut und durch 
eine Abschlussmauer, zugleich Wehrmauer, dem Felsrand 
folgend, eingefasst. Der Burgeingang lag auf der Südwestseite. 
Das Burgtor, halbkreisförmig, jetzt noch erhalten, 2,25 m breit, 
aus schön bearbeiteten Bogensteinen, steht hart neben dem 
mächtigen, in den unteren Teilen noch unveränderten vier- 
eckigen Bergfried, der aus starken Buckelquadern mit Rand- 
schlag aufgeführt ist. Dieser Turm von 8,23 m und 8,38 m 
Seitenlänge springt einerseits 4 m, andererseits 3 m über die 
westliche Ringmauer vor. Er war ursprünglich 4 Stockwerke 
hoch. Das unterste Stockwerk, 3,30 m im Licht weit, zu- 
gleich Burgverliess, hat gegen Westen eine Mauerstärke von 
3 m gegen die übrigen Seiten von 2,30 m. Das Eingangs- 
stockwerk darüber, 4 m im Licht weit, hat eine Mauerstärke 
von 2,50 m bezw. 2,0 m und zeigt noch die alte rundbogige 
Abi) 24 . Sehllitt durch Eingangspforte von 0,83 m Lichtweite gegen den ehemaligen 
den Bergfried. Burghof. Die Eingangspforte liegt etwa 8 m über dem Burg- 
hof. Der Bergfried sitzt auf Felsen und mag auf der Nord- 
westecke eine Höhe von 23 m, auf der Südwestecke von 26 m, je bis zur 
Plattform gemessen, gehabt haben. Die ehemaligen Fensteröffnungen sind durch 
die mehrfachen Durchbrüche und Mauerveranderungen nicht mehr erkennbar, 
doch wird mit Ausnahme des Burgverliesses jedes Stockwerk ein Fensterlicht 
nach verschiedenen Seiten gehabt haben. 

Von der Südseite des Turmes zog die Ringmauer, aus starken Buckel- 
quadern, auf Felsen ruhend, wie jetzt noch sichtbar, mit abgerundeter Ecke in 
nordöstlicher Richtung vor dem Burghof hin, und schloss wohl unter rechtem 
Winkel an dem Felsunterbau, etwa in der Mitte des jetzigen Leopoldsbaues, an. 
Die Stützmauern des dort gegen Nordosten liegenden sog. Burggärtchens 
sind, wie das Burggärtchen selbst, später entstanden, und bedecken wohl den 
einstigen Zugang von der Muhle zur Burg (s. unten). Nahe bei der abgerundeten 
Ecke zeigt sich noch eine kleine bogenförmige Öffnung in der Wehrmauer. 
Es ist anzunehmen, dass die Wehrmauer oben mit einem Wehrgang mit Schiess- 
scharten abgeschlossen war, der etwa auf der flöhe der jetzigen Waffenhalle 
zu suchen ist. Nicht inehr mit Sicherheit festzustellen ist der Zug der Ring- 



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mauer gegen Norden, vom jetzigen Fürst Wilhelm-Bau bis zum Felsunterbau des 
Leopoldsbaues. Nur in der Mitte an einer abgeschrägten Ecke zeigte sich ein 
Mauerstück von Buckelquadern, das auf die alte Mauer hinzuweisen scheint; 
der Rest ist durch das Burggärtchen verdeckt. Bei Herstellung der Unterbauten 
für die 
neue por- 
tugiesische 
Gallerie 
wurde in 
einem 
Abstand 
von unge- 
fähr io m 
von der 
äusseren 
oben 
beschrie- 
benen 
Ringmauer 
eine 

l m Starke Abi». 25. Wicdrrhmtellnngsvsrsncb des Ornndplans der mittelalterlichen Burg. 
Mauer aus 

schönen Buckelquadem aufgedeckt, die vom Hauptturm herkommend in paralleler 
Richtung mit der äusseren Wehrmauer zu verlaufen und an der südöstlichen 
Ecke des jetzigen Leopoldsbaus anzuschliessen schien. Hiernach darf wohl 
angenommen werden, dass dem oberen io m breiten Burghof später ein 
Vorhof vorgelegt wurde, der ungefähr 6 m unter dem oberen Burghof laj£ 
Die älteste Burganlage bestand somit nur aus dem Turm (Bergfried) mit Tor- 
eingang und Torhaus, Küchenbau, Palas und der Ringmauer, welche gegen 
Süden die aufgedeckte, jetzt nicht mehr sichtbare Mauer aus Buckelquadem 
bildete und einen kleinen Burghof einschloss. Innerhalb dieses Burghofes muss 
auch der ehemalige Braunen zu suchen sein, von welchem sich jedoch keinerlei 
Reste vorgefunden haben. 

Sollte aber die tiefer gelegene äussere Wehrmauer gleichzeitig mit der ersten 
Anlage entstanden sein, so müsste der hierdurch geschaffene Vorhof einen 
direkten Zugang von aussen gehabt und wohl auch zwischen Burghof und Vor- 
hof eine Verbindung mittelst Treppe oder Rampe besessen haben Der direkte 
Zugang des Vorhofes von aussen wird nicht auf der Südwestseite, wo ohnehin 
der schwächere Teil der Burg lag, sondern eher auf der Nordseite von der ehe- 
maligen Mühle her zu suchen sein. In der nördlichen Aussenwand des sog. 
Vehmgerichts, etwa 6 m unter dem Boden des Burggärtchens, ist jetzt noch 
eine nischenartige Öffnung von etwa 2 m Lichtweite sichtbar, die als Eingangs- 
tor von der Mühle her angesehen w r erden könnte. Das Burggärtchen selbst ist, 
wie oben schon bemerkt, samt dessen Stützmauern aus späterer Zeit. Es wäre 
deshalb wohl denkbar, dass auf der Nordostscite ein wenn auch schmaler und 
steiler Reitpfad — der Haupteingang auf der Südwestseite zeigt heute noch eine 



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24 


Steigung von mehr als 1 5 7 o — zum Vorhof führte. Ein senkrecht abgespitzter 
Felsen am Fusse der nordöstlichen Stützmauer des Burggärtchens lässt diese 
Annahme wahrscheinlich erscheinen. 

Wie lange diese Burganlage bestanden hat, lässt sich nicht mehr fest- 
stellen Als das Bedürfnis einer Vergrösserung eintrat, wurde diese durch 
Überbauung des bis dahin noch freien nordwestlichen Teils des Felsens befriedigt. 


Al)l>. Ji>. Der Bergfried (Hofseite). Schnitt und eine schmale Eingangstüre. Der 
durch Burghof, \ orlmf und Palas. nördliche Teil dieses Baus fasste noch 

den Felsen etwa 2 m hoch stehend in 
sich. Diese Seite der Burg wurde beim Wiederaufbau des abgebrannten Hoch- 
schlosses aufgedeckt und der Felsen innerhalb des Baus behufs Schaffung 
weiterer Räume mühsam gesprengt. Durch einen gegen Süden im spitzen 
Winkel zulaufenden llof von dem eben genannten Gebäude getrennt stand ein 
zweiter, annähernd rechteckiger Bau, der ebenfalls auf der alten, etwa 1,25 m 
starken Ringmauer aufgeführt wurde, gegen Norden und Süden Steingiebel hatte, 
auch Spuren von Wandmalereien an den Aussenwänden zeigte. Die beim Ab- 
bruch teilweise wieder freigelegten Fenster zeigten einfache spätgotische 
Profilierung mit steinernen Mittelpfosten. ln diesem Gebäude liegt eine 
steinerne Wendeltreppe mit profilierter Spindel und die Schlosskapelle. Diese 
Bauten wurden im drcissigjflhrigen Krieg durch die Schweden in Brand 
geschossen und später in der Weise, wie sie bis zum letzten Brand (1S93) 
bestanden, unter einem grossen Dach vereinigt, mit Zuziehung des dazwischen 
liegenden kleinen spitzwinkligen Hofraumes, jedoch so, dass die beiden ehemals 
vorhandenen Giebel (südlich und nördlich) wieder zum Ausdruck kamen. Bei 
weiterem Raumbedurfnis konnte die Befriedigung desselben nicht mehr nach 
Nordosten, sondern musste nach Südwesten erfolgen. 



jedoch unter Benützung der alten dem 
Lauf des Felsens folgenden Ringmauer. 
Die Felsen innerhalb der zu schaffenden 
Räume wurden nur insoweit entfernt, 
als dies dringend erforderlich war. So 
entstand zunächst Ende des 15. Jahr- 
hunderts unter den damaligen Besitzern 
von Werdenberg der vordere (westliche 
Teil) des Leopoldbaus mit einem Wendel- 
treppentürmchen in der Hofecke, auf 
dessen spätgotischem mit Bogenfries 
profiliertem Türsturz die Jahreszahl 149Ü 
jetzt noch ersichtlich ist. Dieser Bau 
hatte in seinem südlichen Teil (der alten 
Waffenhalle) eine Durchfahrt mit 2Toren 
1 westlich und östlich) zur Verbindung 
des kleinen Hofes mit dem Burghof; 
ferner an der damaligen nordöstlichen 
Aussenseite 2 kleinere Rundbogenfenster 


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2 } 


So entstand Anfang des 16. Jahrhunderts der noch erhaltene Torbau und 
im Beginn des 17. Jahrhunderts die Verbindung mit dem alten Hauptturm durch 



Abt). 27. Ansicht des inneren Sdilusshol'es in seiner neuen Gestaltung. 


Überwölbung der alten Burgeinfahrt (Poterne). Der Torbau zeigt zwei kräftige 
Tortürme mit Schiessscharten, unten und oben vieleckig, im oberen Teil durch 
eine Bogennische verbunden, darüber eine Plattform mit steinerner Geländer- 


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26 



brüstung. Der Bau wurde von den Werdenbergem errichtet. Das über dem 
Eingangsportal befindliche Steinrelief ist eine gediegene Arbeit aus dem Jahre 1526 
von ausgesprochenem Renaissancecharakter (Abb. iq). Die Mitte der durch zierliche 
Pilaster eingerahmten mit flachem Bogen überspannten Nische nimmt eine aus- 
drucksvolle Pietä ein, zu deren Linken ein Ritter in reicher Rüstung kniet 
Rechts das werdenberg-heiligenbergische Wappen. Der Hintergrund zeigt ein 
reiches Teppichmuster. In dem flachen Bogen zwischen Laubgewinden ein 
Spruchband mit der Inschrift: »Mater Dei memento mei«. In den Bogen- 


J f ULJ3 C_.iL V T — V r 

Alib. 2». I i rumtplHii der fctmlt Sigmar Ingen. 

zwickein sitzen Drachenfiguren. Am untern Rand die Inschrift: »Felix graff zu 
werdenberg vn zu dem hailgenberg. 1326.« Die Bemalung ist angeblich erneuert. 
Über dem Relief ein hohenzollerisches Wappen und oberhalb desselben ein 
Ölbild. Der Aufbau hierüber bis zum Haupturm und det Bau an der Südseite 
des Turmes entstand im Jahre 1627. Im fürstlichen Archiv befindet sich ein 
Vertrag mit Meister Hans Albertal von Dillingen wegen »Abbruch des Fach- 


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27 


Werks am grossen Turin und den beiden Seiten, sowie dem weitem Teil und 
den zwei vorderen Türmen*. Albertal scheint auch die Mauer der jetzigen 
Waffenhallc erneuert zu haben. 

Einem nochmaligen Umbau wurden die westlichen Teile, die heute mit 
dem Sammelnamen Fürst Josephs-Bau bezeichnet werden, im Laufe des 18. Jahr- 
hunderts unterworfen. Zu den Um- und Erweiterungsbauten der zweiten Hälfte 
des iq. Jahrhunderts bis heute gehören: die Kunsthalle, Marstall mit Wagen- 
haus, die mehrfachen Veränderungen des Hauptturmes und der kleinen Türme 
im Schlosshof, der Wiederaufbau des Leopoldsbaues, der Neubau der portu- 
giesischen Gallerte und der Um- und Erweiterungsbau des Küchenbaus 
mit Anbauten. Auch wird zur Zeit dem Wilhelmsbau (Kavalierbau) auf der 
Südostseite ein Turm (Maria Theresia-Turm) vorgesetzt, und auf der Nordost- 
seite ein Flügelbau hergestellt. 

Unter der machtvollen Hut dieses uralten Bollwerks liegt die Stadt 
Sigmartngen, einst stark befestigt und durch Mauern und Gräben geschützt. 
Von der Stadtbefestigung sind heute noch namhafte Reste sichtbar, 
so auf der Südwestecke ein Rundturm, im Volksmund »Rondell* genannt. Die 
Stadtmauer hatte eine Höhe von etwa 6 m und eine Stärke von i ,20 m. Östlich 
und westlich lagen die Haupttore, das östliche, das Mühltor, war durch einen 
Torturm geschützt. Ausserdem lag gegen Süden, in der Mitte der Um- 
wallung, ein kleines Törchen, das sog. Milchtörle, welches die Verbindung mit 
der ausserhalb der Stadtmauer gelegenen fürstlichen Sennerei herstellte. (Früher 
hiess die heutige Weingasse das Milchgässle, ein Namen, den man seiner orts- 
geschichtlichen Bedeutung wegen hätte beibehalten sollen.) Ebenfalls ausser- 
halb der Mauer am Weg nach Hedingen lag der Friedhof, in dessen Mitte eine 
Kapelle stand (Abb. 28). 



HAIGF.RLOCH. 

Wenn wir von der älteren Geschichte der Schalksburg in ihrer Beziehung 
zu den Vorfahren der iot>i auftretenden Zollern, weil sie doch immerhin mehr 
oder weniger auf Annahmen beruht, absehen und nur das urkundlich Bewiesene 
gelten lassen, so hat Haigerloch das Recht, sich zeitlich und der hausgeschicht- 
lichen Bedeutung nach sogleich neben den Zoller zu stellen. Zeitlich — gewiss. 
Der Name de Zolorin tritt im Jahre 1061 auf und lässt mit aller Betimmtheit 
auf eine Burg schliessen, der die Zollern den Namen gaben ; von der Burg selbst 


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28 


ist aber noch nicht die Rede. Bei Haigcrloch jedoch wird schon 1095 von einer 
Burg — in Castro Heigirloch — gesprochen. Und hausgeschichtlich — nicht 
minder. Es ist gerade, als sollten die ersten Nachrichten über die Zollern sich 
gegenseitig ergänzen, um ein echtes, vollständiges Bild mittelalterlicher Recken 
in ihren charakteristischen Eigenschaften zu geben: auf der einen Seite: lodernde 
Kampfesfreudigkeit, die mit hartem Schwertschlag dem Gegner Todeswunden 
schlägt und auf der anderen Seite asketische Frömmigkeit, die in Hingabe von 



Abb. . Ansicht von Schloss, Kirche und Euterstadt Hnigerloch. 


Gut und Besitztum an die Kirche, ja sogar in demutsvoller Erniedrigung der 
eigenen Person als Laienbruder eines Mönchklosters Sühne für die begangenen 
Sünden leisten will. Diese ersten Nachrichten lauten: Burkhard und Wezel 
de Zolorin fallen 1061; Adalbert de Zolro, Graf von Heigirloch, ist Mitstifter 
des Klosters Alpirsbach und Mönch daselbst 1095 — 1101. 


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29 


Es ist eine merkwürdige Zeit, dieses Ende des u. Jahrhunderts. Der 
erbitterte, hartnäckige Streit zwischen Kaiser und Papst hatte ganz Deutschland, 
und Schwaben nicht am wenigsten, in wilde Parteikämpfe gestürzt. Das Für 
oder Gegen den Kaiser, das Mit oder Wider den Papst zerriss nicht nur das 
ganze Land in feindliche Gegensätze, die nicht, wie heutigen Tages, wenn 
möglich, auf diplomatischem Wege ausgetragen, sondern mit dem allezeit 
in der Scheide lockeren Schwerte ausgefochten wurden; es warf den Brand 
der Zwietracht und der Feindschaft selbst zwischen die Angehörigen derselben 
Sippe hinein. So entstand nicht nur ein Krieg der Grossen und ihrer Meere 
gegen einander, auch die Anhänger der beiden sich um die Oberherrschaft 
streitenden Mächte, des Kaisers, wie des Papstes, befehdeten sich mit grimmem 
Masse in der eigenen Familie. Da ward viel Blut vergossen, Raub, Mord und 
Brand verübt, Greuel auf Greuel gehäuft, nicht Alter noch Stand geschont, und 
weder die Kaiserlichen, noch die Päpstlichen hielten den Fuss vor heiliger Stätte 
zurück, wenn es galt, den Gegner zu schädigen und sich selbst zu bereichern. 
Und nun aber das Merkwürdige ! Gerade in jener Zeit entsteht eine grosse 
Anzahl von Klöstern, gestiftet vom Adel, gestiftet von demselben Adel, der 
das Schwert kaum noch aus der Hand legte. Noch mehr! Man gründete nicht 
nur Klöster und Kirchen, sondern trat auch vielfach selbst in erstere als 
demütiger, weltentsagender Mönch ein, und der einst selbst befohlen, musste 
nun gehorchen, der, dem knechtische Arbeit nach alter deutscher Überlieferung 
unehrlich erschienen, diente nun dem Kloster in der Küche, in der Mühle, auf 
dem Felde als Hüter der Heerden und sonst mit niederen Diensten. Auch 
Adalbert von Zollern hatte mit dem Kaiser gegen den Papst das Schwert 
gezogen. Er war mithin ein Feind des Papstes. Und dennoch sehen wir ihn 
am Ende seines Lebens nicht nur als Mitstifter der Abtei Alpirsbach, sondern 
der mächtige, angesehene Graf, der schon in vorgerücktem Lebensalter steht, 
verlässt Frau und Kinder und tritt als Mönch, als Laienbruder in dasselbe Kloster 
ein. »Er cn wolte nicht me herren noch grafen namen han«, wie es von einem 
Grafen von Nellenburg heisst, der zu jener Zeit ebenfalls in ein Kloster (Schaff- 
hausen) trat. 

In welchem verwandtschaftlichen Verhältnis Adalbert, Comes de Heigirloch, 
zu den 1061 gefallenen Burkhard und Wezel de Zolorin gestanden hat, können 
wir nicht sagen. Aber zweifellos sicher ist, dass er wie diese ein Zoller war; 
denn an erster Stelle nennt er sich de Zolro. In durchaus willkürlicher Weise 
ist angenommen worden, er sei ein Sohn des Wezel de Zolorin. Mit demselben 
Rechte können wir ihn aber auch Bruder oder Vetter desselben nennen; denn 
daran hindert uns ein Unterschied der Jahre, nicht. Genug für uns die Tatsache : 
Adelbert der Zoller, der 1005 — 1101 genannt wird, ist Graf von Ilaigerloch. Auch 
sein Sohn Wecil (Wezel, Wezelo) nennt sich de Zolra und Graf von Ilaigerloch. 
Er wird von 1115 — 1162 erwähnt. Mit dessen Sohn Adalbert erlischt diese 
Zollern-Haigerlocher Linie und damit endet auch der erste Abschnitt der Ge- 
schichte der Grafschaft Ilaigerloch. 

Bevor wir in ihrer Geschichte weitergehen, wollen w r ir in Kürze den Namen 
der Stadt erklären und einen Blick werfen auf ihr Alter. Ehe die Grafschaft 
Haigerloch hiess, hatte sie einen anderen, echten Gaunamen, den wir aber 


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nicht mehr kennen. Der Name wird geschrieben: 1096 Heigerloh, 1125 — 1146 
Haigirlö, lleigcrlö, Heigirlö, Hairloch, Haggerlo, Hegerlo, Hegerlo, 1 132 Heigirloch, 

1 246 Haigerloch, 1 290 Haggerloch. Um 1 300 schwankt die Schreibweise zwischen 
Hagerloch und Haigerloch, bis letztere Bezeichnung die übliche wurde. Nicht 
feststeht, wie der Name abzuleiten ist. Die Einen denken an heu - = heiger = 
Hüter und loch = loh = Wald, Wald der Hüter. Andere meinen, Haigerloch 
sei das Reiherholz von Hegir oder Heigir der Reiher. Erwägt man, dass Haiger- 
loch jedenfalls eine alte schwäbische Ansiedlung ist und diese vielfach in ihren 
Namen auf den Begründer derselben zurückführen, so neige ich mich der Ansicht 
(Förstemann) zu, der an den Personennamen Hahigar denkt. Eine ähnliche Zu- 
sammensetzung eines Personennamens mit dem Wort loh = Wald finden wir 
in der Gemarkung Gammertingen, in dem Flurnamen Gammenloch = Wald des 
Gamhart oder des Gamo. 

Betreff des Alters ist uns bis jetzt die Grenze 109s gegeben, wo Haigerloch 
zuerst genannt wird. Aber wir haben das Recht, aus dieser Mitteilung zu 
schliessen, dass Haigerloch damals schon lange bestanden hat; denn es heisst 
in dem genannten Jahre, dass ein Schenkungsakt vorgenommen wurde, in Castro 
Heigerloch super reliquias martyris s. Georgii. Wir erfahren mithin, dass Haiger- 
loch 1095 schon ein befestigter Ort war und dass er zum mindesten einen Altar, 
sei es nun in einer Kirche oder in einer (Burg-) Kapelle, besessen hat. Ferner 
können wir aus dem Rechtsakt von 1095 schliessen, dass damals Haigerloch 
schon die Dingstätte der Grafen von Haigerloch war, weil derartige Rechtssachen 
an der Dingstätte erledigt wurden. 

Da komme ich nun zu einer, meines Wissens, bis jetzt noch nie angeregten 
Frage. Wo lag die Burg? Die ehemalige Burg der Grafen von Haiger- 
loch und der Grafen von Zollern-Ilohenberg lag nicht auf dem 
rechten Eyach-Ufer, sondern auf dem linken Flussufer, und der 
heute noch stehende sogenannte Oberstadt-Turm, früherRömer- 
Turm genannt, ist nichts anderes, als der Bergfried der alten Burg, 
die sich hier erhob. Da, wo heute Schloss und Pfarrkirche in malerischer 
Lage hoch über dem Eyachtal sich erheben, stand allerdings auch eine Burg, 
beziehungsweise eine Vorburg der ilauptburg, der Sitz des nach Haigerloch 
genannten Ministerialengeschlechts. Der jetzige Schlossbau auf der Höhe des 
rechten Ufers stammt erst aus viel späterer Zeit und zwar aus der Periode, wo 
Haigerloch zum dritten Male zollerisch wurde, um von da ab zollerisch zu 
bleiben. 

In wessen Besitz ging nun die Grafschaft Haigerloch nach Aussterben der 
Grafen von Zollern-Haigerloch über? Zweifellos fiel sie zunächst an das Stamm- 
haus Zollern, das sich noch nicht verzweigt hatte, zurück. Wohl erfahren wir 
in der Zwischenzeit mancherlei Wichtiges über Haigerloch. So, dass es 12 17 
einen Pfarrer besitzt und 1245 Dekanatssitz ist; wir sehen, dass es städtischen 
Charakter hat, denn 1237 wird ein Schultheiss H. hier aufgeführt — aber von 
seinem Herrschaftsverhältnis hören wir nichts, bis erst über hundert Jahre nach 
dem Tode des Grafen Wezel von Haigerloch. 

Im Hause Zollern hatte sich unterdessen jene wichtige Teilung vollzogen, 
von der wir unter IV Näheres berichten. Diese war auch für die Grafschaft 


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Jl 

Haigerloch von wesentlicher Bedeutung. Bemerkenswerter Weise wurde bei 
der Teilung ein wertvolles Stück aus dem den Hohenbergem zugewiesenen 
Scherragau ausgeschnitten, nämlich die spätere Herrschaft Schalksburg mit 
Balingen, uralter zollerischcr Hausbesitz, und, nebenbei bemerkt, auch die Herr- 
schaft Mühlheim an der Donau mit der Vogtei über das gegen Ende des n. 
Jahrhunderts gegründete Augustiner-Chorherren-Kloster Beuron. 

Die Hohenberger scheinen nun auch 
die Grafschaft Haigerloch beansprucht zu 
haben, von der man in jener Zeit noch 
wissen konnte, dass sie einst zur grossen 
Perihtilinpara, dem Scherragau, gehört 
habe. In der Folge entstehen zwischen 
den Zollcm-Hohenberg und den Zollem- 
Zollem Streitigkeiten, die viele Jahrzehnte 
dauerten und zu blutigen Zusammenstössen 
führten. 

Von dem Herrschaftsverhältnis der 
Grafschaft Haigerloch um jene Zeit, wo 
sich die Hohenberger ihren neuen Burg- 
sitz gründeten, in der zweiten Hälfte des 
12. Jahrhunderts, wissen wir aber noch 
nichts. Es ist immerhin auffallend, dass 
die Zollcm-Hohenberg neben ihrem neuen 
Namen noch lange sich auch Grafen von 
Zollern nennen, 'selbst als Herren von 
Rottenburg auftreten, was aus verschie- 
denen Rechtshandlungen hervorgeht, die in Haigerloch unter den Grafen von 
Hohenberg vorgenommen wurden. 

Die Sache liegt allem Anscheine nach so, dass Haigerloch ein Condominium, 
ein gemeinschaftlicher Besitz der beiden Linien war, den Einer dem Andern 
zum Alleinbesitz nicht einräumen wollte, bis die Waffen entschieden. Am i. 
November 1 267 kam es bei 1 laigcrloch zu einem scharfen Treffen zwischen den 
Zollem-Zollem und den Zollem -1 lohenbergem. Zwei chronikalische Quellen 
schreiben den Zollem-Zollern den Sieg zu, während eine dritte Chronik als 
Sieger die Zollem-Hohenberger nennt. Sind die Ersteren tatsächlich Sieger 
geblieben — die Quellen lassen kaum anders annehmen — dann muss es aber 
ein Pyrrhos-Sieg gewesen sein; denn — und darauf ist Nachdruck zu legen — 
die Zollem-Hohenberg treten jetzt erst recht als Herren in Haigerloch auf. 
Schon im nächstfolgenden Jahre 1368 wohnt zwei Rechtshandlungen, die von 
dem Grafen Albert von Hohenberg vorgenommen werden, der Schultheiss von 
Haigerloch bei, und 1273 sind die Brüder Albert und Ulrich Grafen von Hohen- 
berg zu Haigerloch Zeugen bei einem Rechtsakt. Von jetzt ab sehen wir die 
Grafen von Hohenberg nicht nur im ungestörten Besitz von Haigerloch, sondern 
finden sie auch häufig zu Haigerloch, wie sie daselbst Hof halten. 

Mit Graf Albert II. von Hohenberg (1238- 120S), dem Minnesänger und 
Schwager Rudolfs von Habsburg, brach für Haigerloch eine glänzende Zeit an. 



Abb. 80. Oberstadtturm. 


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33 


Sehr häufig hält der Graf und seine Brüder Hof daselbst, wobei eine Anzahl 
hohenbergischer Ministerialen um ihn versammelt ist. Auch sind viele Freunde 
und Verwandte Gäste der Grafen dort. 

Dass der Name Haigerloch mit der Bezeichnnng von Hohenberg damals 
allgemein gang und gebe war, beweisen auch die Dichtungen und Turnier- wie 
Feste beschreibungen. So singt Johannes von Würzburg um 1314 in seinem 
Gedicht: Herzog Wilhelm von Österreich mit Bezug auf den Grafen von 
Hohenberg : 

Von Rotenburg grav Czoller 

Von Hohenberg, von Heygerloch. 

Hier werden dem Hohenberger alle vier Namen gegeben, die zu führen er 
ein Recht hatte, begründet in der Abstammung und im Besitz. Albert II. wird 
überhaupt häufig von den Dichtern der llaigerlocher genannt, ja, er führt bei 
ihnen sogar diesen Namen allein, woraus die Folgerung gezogen werden darf, 
dass der Name Haigerloch in jener Zeit besonders guten Klang besass. — Trotz 
der glänzenden Höhe, welche das Haus Hohenberg erreicht hatte, wir können 
sagen, als Erbteil des Stammhauses Zollern ihm mitgegeben worden war, sank 
Cs doch immer mehr und unaufhaltsam von dieser herab. Es ist das ja eine 
Erscheinung, die wir bei so vielen ehemals mächtigen Dynasten wahmehmen 
können. Aus nächster Nähe bieten sich Beispiele in den Grafen vonVeringen, 
von Helfenstein, von Montfort, von Tübingen u. n. a, m. zur Genüge dar. Bei 
den llohenbergern ist es weniger eine an Torheit grenzende Verschwendungs- 
und Grossmachtssucht, wie bei den Vorgenannten, sondern ein Erbfehler des 
Zollemhauses im Mittelalter, der diesem so viel geschadet: Teilen und immer 
wieder teilen. Dadurch zersplitterte sich das so reiche Hausgut, ein Besitz, der 
in einer Hand vereint, die Familie zu den mächtigsten in Deutschland zu 
machen im Stande war. Auch Haigerloch, das mit dem 14. Jahrhundert ganz 
in der Grafschaft Hohenberg aufgegangen war und seinen Charakter als eigene 
Grafschaft verloren hatte, musste hierunter leiden. Im Jahre 1354 kam Stadt 
und Burg Haigerloch durch Verpfändung an die Gräfin Ursula, Witwe des 
Grafen Hugo von Hohenberg, und als diese in zweiter Ehe einen Grafen von 
Montfort heiratete, an die Montfort, welche 1367 die untere Stadt an Württem- 
berg als Pfand abtraten. Mehrere Male in kurzer Zeit wechselte Haigerloch 
seine Besitzer, da die Hohenberger die Pfandschaft zwar wieder einlösten, aber 
in Folge ihres ganz unwirtschaftlichen Verhaltens sie auch wieder verloren. 
Das letztemal befindet sie sich 1375 in Händen des Grafen Rudolf, der sie in 
demselben Jahre teilweise und 1381 ganz und endgültig an Österreich verkaufte. 

Graf Rudolf erhielt Haigerloch mit der verkauften Herrschaft Hohenberg 
als Leibgeding zurück, aber mit dem Vorbehalt des Eicentumsrechtes seitens 
Österreichs. Jedoch 1386 gab er es schon wieder ab an die Grafen von Sulz. 
Im Jahre 1392 tritt Herzog Leopold von Österreich die beiden Städte und 
Burgen zu Haigerloch an Konrad von Weitingen für 9615 Gulden, die ihm 
dieser geliehen, als Pfand ab Aber auch dort blieb es nicht, sondern wechselte 
beständig die Besitzer, bis es 1433 von der Erzherzogin Mechtild eingelöst W'urde, 
die es als persönliches Eigentum innehatte. Im Jahre 1488 finden wir dann die 
Herrschaft Haigerloch wieder im Besitz des Hauses Österreich selbst. Nun 


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51 

aber nahte sich der Zeitpunkt, wo Haigerloch vom beständigen Bcsitzwecbsel 
zur dauernden Ruhe gelangen sollte. 

Im Jahre 1452 heiratete Graf Eitel Friedrich I. 
von Hohenzollern Ursula von Räzüns und erwarb 
hierdurch die in Graubünden liegende angesehene 
Herrschaft gleichen Namens. Das sollte für 
Haigerloch von grosser Tragweite werden und 
ihm zum Segen ausschlagen. Des genannten 
Grafen Enkelsohn Eitel Friedrich II. (145.2- 15121 
war ganz, der Mann dazu, den alten Glanz des 
Zollemhauses wieder herzustellen. Er war es. 
der den ersten Erbverbrüderungsvertrag mit dem 
stammverwandten Hause Brandenburg 14SS 

schloss — seine Gemahlin war eine Markgrilfin , , , 

,, , , , , . , , Al.b.al. Haigi'rlui'litir m <‘lt .vai.iien. 

von Brandenburg — und bei dem Reichsober- 
haupte. dem er sehr wichtige Dienste tat, 

Friedrich IU, und besonders Maximilian I., stand er in hohem Ansehen. Eitel 
Friedrich ging mit dem Gedanken um, die dem Stammhause im häufe der Jahr- 
hunderte entfremdeten Besitzungen wieder an Zollern zu bringen. Mit Hohen- 
berg gelang es ihm nicht — er starb zu früh für das Zollernhaus — wohl aber 
mit der Herrschaft Haigerloch, die er 1447 von Kaiser Max, dem er bedeutende 
Summen vorgestreckt hatte, gegen die Herrschaft Räzüns eintauschte. So kam 
Haigerloch wieder an Zollern zurück und blieb von da ab in dessen Besitz. 
Im 50jährigen Krieg drohte Haigerloch nochmals Entfremdung an Württemberg. 
Der schwedische Kanzler Oxenstima, der sich als guter Bundesgenosse 
Württembergs bewies, wollte auf Wunsch des Herzogs Eberhard Haigerloch 
an Württemberg ausgeliefert wissen, fm westfälischen Frieden wurde diese 
Schenkung, die Schweden nichts gekostet hätte, nicht bewilligt. 

Hieran möchte ich noch eine Bemerkung anknüpfen mit Bezug auf 1 laigerloch 
im Titel der Fürsten von Hohenzollern. Der Fürst von Hohenzollern nennt sich 
auch u. a. Herr zu Haigerloch (und Wehrstein). Richtiger sollte es heissen: 
Graf zu oder von Haigerloch. Die Gaugrafen besassen ursprünglich ihre Sprengel 
nicht als persönliches Eigentum, waren mithin nicht die Landesherren, sondern 
nlir die Vertreter des Königs in der Verwaltung und der Rechtspflege. Wenn 
es auch Anfangs nicht rechtlich ausgesprochen war, dass das Grafenamt erblich 
sei, so wurde es doch so gehalten, dass man dem Sohne, dem Nächst- Versippten 
das Amt des Vaters liess. Hieraus entwickelte sich fast naturgemäss die tat- 
sächliche Erblichkeit, die umso grösseren Wert hatte, als die Grafschaften 
reichsunmittelbare Bezirke waren. Aber damit wuchs auch die Begehrlichkeit 
der Grafschaftsin haben Sie strebten darnach, ihre Bezirke, ihre Gaue zu terri- 
torialen Herrschaften umzugestalten, und zwar utn so eifriger, als manche Grafen 
es vermocht andere nachbarliche Grafen und Edelherrn zu beseitigen. Sie fingen 
daher an, von ihren Grafschaften als Dominum, Territorium, Herrschaft zu 
sprechen, oder auch sich comes deigratia zu nennen, womit sie sich als Landes- 
herren, als Besitzer der Territorial -Hoheit bezeichnen wollten. So lag es auch 
im Interesse der Grafen von Hohenberg, die Erinnerung an den alten Gau- 



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34 


grafschaftsverband durch Beseitigung des Namens Grafschaft auszumerzen. Und 
nun zu Haigerloch! Da, wo Haigerloch in der Geschichte auftritt, heisst es 
Grafschaft und Grafschaft bleibt es auch solange als ihre ersten Besitzer, die 
Grafen von Zollem-Haigerloch leben. Dann fällt es als Grafschaft an das 
Stammhaus Zollern zurück und geht, immer noch Grafschaft, später im 1 3. 
Jahrhundert, an die Grafen von Zollem-Hohenberg über. Noch im 14. Jahr- 
hundert wird Haigerloch von, einem Geschichtsschreiber comitatus, also Graf- 
schaft genannt. Wenn auch in der Folgezeit dann die Grafschaft Haigerloch 
nach und nach in Hohenberg aufging, so hat dennoch die Bezeichnung Graf- 
schaft für Haigerloch volle geschichtliche Begründung und damit auch der 
Titel: Graf von Haigerloch. 


Die älteste 
mittelalterliche 
Burganlage 
ist nicht auf dem 
rechten Ufer beim 
jetzigen Schloss, 
sondern auf dem 
linken Ufer bei 
dem in den 
unteren Teilen 
noch erhaltenen 
hochgelegenen 
Oberstadtturm, 
früher Römerturm 
genannt, zusuchen. 
Die Burganlage 

ist äusserst geschickt in die Mitte zwischen die beiden Eyachufer an die schmälste 
Stelle zwischen steile Felsufer gesetzt und beherrscht sowohl die rückwärtige 
Bergseite mit der Strasse nach Weildorf wie auch den nördlich jenseits der 



.VOli. :I2. Obarst.adtt.nrm mit seiner ehemaligen Burganlage. 


Eyach liegenden Felsrand. 
Von der westlichen Ring- 
mauer führten einst Flügel- 
mauem nördlich und südlich 
bis zu den Flussufem hinab, 
deren Reste jetzt noch sicht- 
bar sind. Die nördliche 
Flügelmauer fasste das obere 
Tor mit Torturm in sich. 
Das obere Tor stand unter 




«w| iiajü a yfe ll)». 



- tf eWy«,U*'. 
t Ao.to— 


dem Schutze des Bergtlicds. Alih. 113. Grundrisse Obprstadtturm. 

Burganlagc samt Flügel- 
mauern schlossen den östlich gelegenen, ganz von der Eyach umspülten Teil 
gegen den Berghang vollständig ab. Auf diesem Teil entstand die Oberstadt. 
Der Eingang zur eigentlichen Burg wird auf der Ostseite des Burgberings zu 
suchen sein. Die Ringmauer ist gegen Süden zugleich als hohe Stützmauer 


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r, 


noch sichtbar. Auf der Ost- und Nordseite fehlt die Ringmauer, auf der West- 
seite ist solche noch erkennbar, jedoch durch moderne Anbauten teilweise 
zerstört und verändert. An der höchsten Stelle nahe der westlichen Ringmauer 
liegt der Bergfried, ein mächtiger quadratischer Quaderbau von 10,7s m 
Seitenlange mit stark ausladenden Bossen. Er zeigt auf der Ostseite etwa 
10,80 m über dem Boden den ursprünglichen rundbogigen Zugang aus schön 
bearbeiteten Bogensteinen, 
links und rechts unter der 
Schwelle die Balkenlöcher 
der ehemaligen Plattform. 

Die EingangsölTnung ist 
o,HS bezvv. 1.10 m breit und 
ist mit einem Tonnengewölbe 
aus schön bearbeiteten 
Quadern überdeckt In der 
Türleibung sind die Öff- 
nungen tum Einstossen und 
Festhalten des Schluss- 
der Plattform ein hölzernes Stockwerk mit sichtbarem Holz werk und Giebel 
mit Abwalmung. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurde der Turm 
zu einem Glockenturm umgebaut und der Helm aufgesetzt, wie er sich zur 
Zeit noch zeigt. 


KSVo 



Ahb. St Grundriss 
Olii'nstnrhturiu. 


riegels deutlich sichtbar. 
I )ie Mauerstärke im Eingangs- 
stockwerk beträgt i.s m. 
1 fas Burgverliess darunter 
war etwa 1 1 rn tief und 
fensterlos. 1 )er ursprüngliche 
Kranz und Abschluss des 
Turmes ist nicht mehr fest- 
zustcllen. Die Höhe bis zur 
jetzigen Plattform betragt 
ngi m. Der Turm hatte nach 
einer älteren Darstellung über 






OTtojsstaß 



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aso*n feUvqcu-uj 


Abb. ar>. S - 1 1 1 1 : 1 t und I nm imnsii ht der Eingangspforte di-s ÜbersstadHunns. 


Zu derselben Zeit wurden die grossen Rundbogenfenster nach vier Seiten 
ausgebrochen. Der achteckige Aufbau diente als Wachterhaus. Verschiedene 
Steinmetzzeichen sind am Aussem des Turmes vorhanden. 

Etwas tlussabwarts auf dem linken Ufer der Eyach, hart bei der oberen 
Brücke, liegt das sogenannte »Schlössle-r, jetzt Brauerei. 

Nördlich der alten Burganlage auf dem rechten Ufer erhebt sich die jetzige 
grosse, sehr malerisch auf hohem Felsen gelegene Schlossanlage mit kühn vor- 


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tretender Schlosskirche (Chor gegen Süden). Der auf der Westseite liegende 
ehemalige Burgsteig führt durch ein quer vorgelegtcs Torhaus und ein Rund- 
bogentor am Torhäuschen vorbei 
zum geräumigen Schlosshof. Links 
vom Toreingang liegt das grosse 
Fruchtkastengebäude, an den äusser- 
sten Felsrand gesetzt. Dieses hat auf 
der Hofseite in der Mitte des Baus 
einen vorspringenden Treppenturm 
mit steinerner Wendeltreppe nebst 
steinernem Handgriff an der Mauer- 
seite, an welchem Steinmetzzeichen 
eingehauen sind. Das gleiche Zeichen 
findet sich an den Eckquadem der 
äusseren südöstlichen Gebäudeecke. 
Das obere Stockwerk, ein grosser, 
freier Raum, ist durch eine Säulen- 
stellung (eichene, gefaste Holzsäulen) 
in zwei Teile geteilt. Darüber liegen 
noch weitere Fruchtböden. Nördlich 
anschliessend der obere Torturm, 
zugleich Glockenturm, mit dem Tor 
gegen die Strasse nach dem Seehof und Trillfingcn; östlich von diesem 
das Hofkaplaneigebäude, weiter östlich das jetzige Oberamtsgebäude; beide 
Gebäude nach Norden hart an die hohen Felsen stossend. Südlich vom Ober- 
amtsgebäude liegt der sog. neue Bau mit einem kleinen V'orhof gegen Nordosten. 



Abb. 37. Schloss auf dem rechten Ufer. Grundriss des zweiten Obergeschosses. 



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37 


Den Schlosshof schliesst östlich eine auf 
den ilussersten Felsrand gesetzte Brust- 
wehr ab, südlich bildet das eigentliche 
Schloss und das ehemalige Burgvogtei- 
gebäude den Abschluss. Das Schloss- 
gebäude aus dein Ende des 17. Jahr- 
hunderts, ein massiver dreistöckiger Bau 
mit grossem gewölbtem Schlosskeller, 
zeigt eine Steintreppe und breite Gänge 
nach der Hofseite. Im zweiten Ober- 
geschoss liegt ein kleiner Saal. Über 


n 




Abb. 38. H «ijjerlocli, Fluchtkasten Abb. 39. Cbersichtsplan des Schlosses 
oberer Torturm und Hofkaplaneigpbilude. auf dem rechten Dfer. 


einer Türe des Vorplatzes daselbst in einer geschweiften Füllung ist die Jahres- 
zahl 1697 zu lesen. Einige Räume zeigen grobe Barockomamente. Über dem 
Eingangstor zum Wirtschaftsraum im Erdgeschoss im Schlussstein ein hohen- 
zollerisches Wappen. An der Aussenseite der Stützmauer be : m Torhaus befindet 
sich ein steinerner Wasserspeier (Tierkopf) mit den Jahreszahlen 1385 und 1699, 
dazwischen der Buchstabe F. 



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HOHENBERG. 



Abb. -lu. Der » Iberhobenbprg. 

»Also was einest nit zu erobern gewesen, das getraut man jetzt nit wol 
zu erhalten, sic mutantur tempora et mores.« So klagt in bezeichnender Weise 
die zimmerische Chronik. Nicht eine der zollerischen Burgen ist so gänzlich 
verschwunden, wie Hohenberg, einstmals der Sitz eines mächtigen Grafen- 
geschlechtes, der Zollem-Hohenberg. Grausamer, rücksichtsloser als die Ein- 
wirkung von Jahrhunderten ist der Mensch. Die Natur umhüllt in schützender 
Liebe altehrwürdige Reste vergangener menschlicher Kulturtätigkeit mit Moos, 
Schlingpflanzen, Strauchwerk und selbst Bäumen und bildet daraus Humus als 
erhaltende Decke: der Mensch, der sich Träger der Kultur nennt, zerstört mit 
den Werkzeugen, die ihm jene im Laufe der Jahrhunderte gegeben, hart und 


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39 


rücksichtslos, was frühere Zeiten überliefert. So brach zunächst wilde Kriegs- 
wut die Hohenberg-Burg, auf der Albert der Minnesänger seine Lieder dichtete, 
wo Rudolf von Habsburgs tugendsame Frau Gertrud geboren worden und der 
später deutsche Herrscher seinen ritterlichen Schwager, den eben genannten 
Minnesänger, besuchte, um 12S6 das Weihnachtsfest dort zu feiern und eine 
Handlung zu begehen, die so ganz im Sinne der Erinnerungsfeier an die Geburt 
des Heilands — Friede auf Erden den Menschen _ — dahin ging, der jahrelangen 
Fehde zwischen den Zollem-Hohenberg und den Zollem-Zollem ein Ende zu 
machen. Und dann als der grimmige Zorn der Rottweiler die Burg 1449 ge- 
brochen, die stolze Grafenburg, die aber damals schon lange den Grafen von 
Zollem-Hohenberg nicht mehr gehörte, zum geringen Burgstall herabgesunken 
war, da verschwanden die einst so weit ausgedehnten Mauern immer mehr; 
denn die umwohnenden Bauern brachen Stein um Stein, um sie zu Bauzwecken 
zu verwenden, und als 1747 das »Gut Hohenberg« in Besitz der Jesuiten zu 
Rottweil übergegangen war, da errichteten diese mit den noch vorhandenen 
Steinen verschiedene landwirtschaftliche Gebäude. 

Burkhard, Graf von Zollern (1125 — 1150), der Sohn Friedrich I. de Zolra 
(7 um 1 12 ,), ist der Stifter der Linie Zollem-Hohenberg. Es war keine gute 
Sitte des Mittelalters, dass sich in angesehenen, reich begüterten Familien der 
Besitz spaltete, wenn die verschiedenen Söhne eines Vaters jeder für sich eine 
Dynastie gründete. Das Haus Zollern, fruchtbar wie es war, machte von der 
Zeit an, wo es in der Geschichte auftritt, solche Familien- und Besitzspaltungen 
nur zu viele durch. 

Mit einer einzigen Ausnahme sind die Teilungen für das Stammhaus 
Hohenzollem ungünstig ausgefallen. Diese einzige Ausnahme bildet die Ab- 
zweigung der zollem-nümbergischen Linie, der zollerischen Burggrafen, aus 
welchen sich das mächtige Geschlecht des brandcnburg-preussischen Königshauses 
entwickelte. Und es ist bemerkenswert, dass diese Abzweigung vom Urstamme, 
die unter den Söhnen Friedrich III. (um 1200) sich vollzieht, für das 
Stammhaus keine Besitzschmälerung herbeiführte; denn das Burggrafentum mit 
den fränkischen Gütern, die Konrad I. von seinem vorgenannten Vater erhielt, 
rührten von dessen Gemahlin Sophia, der Erbtochter des Grafen Konrad II. 
von Raabs, Burggrafen von Nürnberg (-j- ca. 1191) her, also von keinem Besitz 
in den schwäbischen Stammlanden. 

Ganz anders bei der Abzweigung von Hohenberg, die um beüiahe drei- 
viertel Jahrhundert früher geschah. Sie hatte eine Zersplitterung des zollerischen 
Hausbesitzes im Gefolge, wie nie zuvor und nie nachher. Andere Teilungen, 
die noch bis in das 16. Jahrhundert Vorkommen, brachten doch wenigstens nach 
Aussterben der abgetrennten Familienzweige, dank den in späteren Zeiten ein- 
gerichteten Hausgesetzen — Fideikommiss-Bestimmungen kannte das frühere 
Mittelalter ja leider nicht — die mitgenommenen Besitzungen wieder an das 
Stammhaus zurück. Nicht so bei den hohenbergischen Zollern und bedauer- 
licher Weise auch bei den schalksburger Zollern nicht Als die hohenberg- 
zollerische Linie sich abzweigte, da erhielt sie bei der Teilung des Stammgutes 
einen hervorragend grossen und wertvollen Teil. Es ist der südwestliche Teil 
der schwäbischen Alb, heute alles württembergisches Gebiet, wo wir Hohen- 


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40 


berg zu suchen haben. Heuberg heisst der Gebirgszug, der, wenn auch rauh, 
doch von vieler Naturschönheit ist. Die L’ebereinstimmung des Namens Heu- 
berg mit Hoher Berg ist nicht zutreffend : auch mit Heu hat der Name nichts 
zu tun. Dagegen wird angenommen, dass das Wort Heuberg von hauen, 
schlagen (howe, howl herrührt, und wir auf dem Ileuberg an einen uralten Wald- 
wirtschaftsbezirk zu denken haben. Auf der höchsten Kuppe dieses Teiles des 
Heuberges, der europäischen Wasserscheide, etwa i Kilometer von der Ober- 
amtsstadt Spaichingen, erhebt sich oberhalb des Pfarrdorfes Deilingen der Ober- 
hohenberg, auf dessen Kuppe einstmals die weitausgedehnte Burg der Grafen 
von Hohenberg stand. Diese Burg wird 1170 erstmals genannt und zwar wurde 
sie von Graf Burkhard von Zollern erbaut, der ihr den Namen Hohenberg gab, 
ein Name, der in den deutschen Landen lange hohen Klang hatte. Es ist uralter 
zollerischer Besitz, in dem wir uns hier befinden. Scherragau hiess der Herr- 
schaftsbezirk, bevor ihm die Zollem-I lohenberg von ihrer neuen Stammburg 
den Namen Grafschaft Hohenberg gaben, und über den Scherragau geboten die 
Ahnen der Zollern höchst wahrscheinlich im schon g. Jahrhundert. Ganz 
zweifellos, weil urkundlich bewiesen, ist Graf Friedrich I. von Zollern 1113 
Graf des Scherragaus. 

Strahlend ging der Stern der Zollem-Hohenberg auf, und fast schien es, als 
sollte die neue Linie des Altzollem-llauses die Stammverwandten auf der Wiege 
des Geschlechtes in den Hintergrund drängen und ihren Glanz verdunkeln. 
Statt gemeinsam an der Grösse ihres Stammhauses weiterzubauen, stark genug, 
mit den Zähringer und Stauffer zu wetteifern, schädigten sie einander, wo sie 
konnten, und mehrfach riefen sie in ihren Streitigkeiten den Entscheid der 
Waffen an. So stossen die Zollern-Zollem mit den blutsverwandten Zollem- 

Hohenberg am 1. November 
12(17 unweit Haigerloch in 
blutigem Kampfe aufeinander, 
und neunzehn Jahre später 
kommt es abermals zu einem 
mörderischen Treffen bei Ba- 
lingen, bei dem, der Sindelfinger 
Chronik zufolge, viele von der 
Partei der llohenberger fielen 
oder gefangen genommen 
wurden. Aus den Orten, wo 
gekämpft wurde, geht zweifel- 
los hervor, dass es sich um 
Besitzstreitigkeiten handelte und 
dass die Zollem-Hohenberger 
noch mehr vom altzollerischen 
Stammgut verlangten, als sie 
schon durch Zuweisung des 
grössten Teiles des Scherragaues 
erhalten hatten. Und es ist 
Abb. 41. Siegel Albert* v»n IIuIihi berg, de» Minnesängers, gerade der hervorragendste 



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41 


unter den Zollem-Hohenbergem, der in jahrelangen Kämpfen mit den Stammes- 
vettem liegt, Graf Albert II., der sich nach drei Herrschaften: Hohenberg, 
Haigerloch und Rottenburg nennen konnte. Er war ein sehr streitbarer Herr; 
denn nicht nur mit den Zollern kreuzt er das Schwert, sondern auf vielen 
Schlachtfeldern hat er gefochten, bis ihn, das schönste Lebensende für einen 
Mann seines Schlages, der Tod im Kampfe gegen einen übermächtigen Feind 
ereilte. Er fiel iaoS bei Leinstetten im Kampfe gegen Herzog Otto von Bayern. 

Aber diese Streitbarkeit gereichte ihm nicht zum Tadel und sie schloss 
keineswegs andere hervorragende Geisteseigenschaften aus. Das beweisen die 
Lobsprüche, die ihm die Zeitgenossen gaben, dafür legt der Umstand Zeugnis 
ab, dass sein Tod fast von allen Chroniken gemeldet wird. Man kann von ihm 
sagen, dass er nicht nur eine der hervorragendsten Persönlichkeiten jener Zeit 
war, sondern auch eine der interessantesten ; denn dieser Mann, der so viel und 
so gern dem rauhen Kriegshandwerk oblag, zeigt sich als ein Minnesänger von 
edlen Grundsätzen, der in seinen Liedern gegen die überhand nehmende Genuss- 
sucht und den ritterlichen Sport, die Ehe des Mitmenschen gering zu achten, 
und Frauengunst und Frauenlicb höher zu schätzen als Frauentreue, scharf zu 
Felde zog und hier das Schwert seines Geistes ebenso mutig und tapfer führte, 
als die Eisenwehr in seiner starken Faust. 

Ist ie man in der weite baz — Wem ist es in der Welt denn wohler, 

den einem, der sin staetez liep - - Als dem, der eignen Fraue Liebe bat, 

mit armen hat alnmb nnd umbbeslozzen — Halt sie im Arme treu umschlossen? 

Treit si im trinwe on allen baz — Wenn sie auch ibm die Treue halt, 

dazt bozzer, dan ein minnen dieb — Ist reicher er als jeder Minne-Dieb. 

ln hat der langen nahte nie verdrozzen — Ihn haben lange Nachte nie verdrossen, 

er vührt melder, noch ir baz — Nicht Horcher fürchtet er noch Hass, 

er lit gar ane sünde und ane vohrt und ane schände — Liebt ohne Sünde, ohne 

Furcht und Schande. 

Taet ie man valshiu minne baz — Wen unerlaubt* Minne freute besser, 

Da nie man trinwe erkande — Solch' Minne, die der Treu entbehrt, 
der naeme vrouwen laster vür ir ere — Unzücht'ger Frauen Liebe gehrt, 

Von siner volge ich min sinne kere — Den mag ich nicht, er mag sich von mir kehren. 

So singt Albert von Hohenberg und beklagt bitter, dass die Welt nicht 
mehr ehrbar denke, ihr vielmehr verbotenes Wasser besser schmecke, als 
eigener Wein, und Ehebruch mehr Reiz habe, als eheliche Liebe und Treue. 

Begreiflich ist, dass ein solcher Mann in harmonischer Übereinstimmung 
leben konnte mit Rudolf von Habsburg, und dass es nicht nur die verwandt- 
schaftliche Beziehung war, die zwischen ihnen bestand, sondern dass sie auch 
sonst in manchem Edlen und Grossen gleichen Sinnes, gleicher Denkart waren, 
und es ist daher sehr verständlich, dass wir die zwei Männer so viel und so oft 
beieinander sehen, nicht nur da, wo des Reiches Wohl starke Geister und 
tapfere Helden forderte, sondern auch da, wo Zeit ist, Werken des Friedens 
und der Erholung obzuliegen. Als Rudolf 1286 den Schwager auf Hohenberg 
in der Weihnacht besuchte, da war seine treue Gefährtin Gertrud, von der die 
Zeitgenossen mit grosser Verehrung erzählen, schon fünf Jahre tot. Dass der 
König, um die Versöhnung fester zu machen, eine eheliche Verbindung zwischen 


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■42 


einer Tochter Eufemia von Albert H. und dem /oUera-Grafen Friedrich vermittelt 
habe, ist nicht erwiesen. Eufemia ist vielmehr die Enkeltochter Alberts. Da aber 
damals eheliche Verlöbnisse schon im zarten Kindesalter zwischen den Eltern 
gestiftet wurden, so ist es immerhin möglich, dass jene Verbindung verabredet 
worden war, die in der Tat um 1208 mit Graf Friedrich IT. von Zollem 
geschlossen wurde. 

Für das zollerische Stammhaus hatte diese Ehe keinen wesentlichen Vor- 
teil, wenn nicht den, dass nun Frieden geschlossen wurde. Nach dem Tode 
Alberts neigte sich schon der Stern der Hohenberger vom Zenith, das er erreicht 
hatte, dem Niedergange zu. Auch hier war der Grundfehler die Zersplitterung 
des blühenden Gesamt-Besitzstandes. Und als dann erst das schöne Erbe in 
mehrere Teile zerrissen worden, da folgte als schlimmster Stoss schlechte Wirt- 
schaft im immer noch reichen Besitz. 

Dass aber im 1(1. Jahrhundert, als der letzte Hohenberger, Graf Sigmund, 
im Kloster Reuthin mit »schilt und heim« schon lange beigesetzt worden, in 
den schwäbischen Landen der ehemalige Ruhm des einst so angesehenen Ge- 
schlechtes noch nicht verklungen war, das beweisen die ehrenden Worte, welche 
die zimmerische Chronik für dasselbe hat. Sie erzählt: »Vor vierthalbhundert 
jaren sein die graven von Höchen berg am mechtigsten an landt und leuten 
gewesen und von dem jar 1 200 an zu rechnen (mit der Zeitrechnung nimmt es 
die zimmerische Chronik nie sehr genau), do hot ir verthon und übelhausen 
angefangen (im Gegenteil — da begann ihr Glanz erst recht auf- 
zugehen). Aber es hat sie der gross stat, den sic geliert, 
nit verderbt, sonder die grossen Stiftungen und gotz- 
gaben, die sie unaufhörlichen gethan an die gestiften, 
clostern, spiti, bronnen (soll heissen Bäder, Heilanstalten) 
und in ander weg; dann, wie man spracht: »wer vil 
hingibt, dem pleibt deste weniger«, das ist den frommen 
grafen, die ohn zwifel in jener weit iren lohn darumb 
empfahen, auch begegnet, dann von disem grossen hin- 
geben und Stiftungen kamen sie nach und nach zue 
annut. dass sie auch letztlich landt und leut mussten 
‘ angreifen und der grossen schulden halben butzen und 

, 11 • , still Stiel) dem haus Österreich zu kaufen geben.« 

l'mM'hrift • s‘ adki Doch der letzte Akt in der Zollcm-Hohenberger 

Haid.' n iMIT1s.se. i) ■ Geschichte entbehrt nicht eines milden, erhebenden und 
ZOI.RE, versöhnlichen Schlusses. Wie schon angeführt, starb mit 

Graf Sigmund 14S6 das Geschlecht der Hohenberger aus. 
Mehr als dreihundert Jahre vorher hatten sich die Ahnen Sigmunds, weder dem 
zollerischen Stammhau.se, noch ihnen selbst zum dauernden Glück, von einander 
getrennt. Und nun, ein merkwürdiges Geschick ! nun heiratet der letzte Hohen- 
berger die Witwe des Grafen Eitel Friedrich I. von Zollern und zwar zu einer 
Zeit, wo auch das Stammhaus fast an den Rand der Verderbens gerissen 
worden. Wenn auch der einzige Sohn aus der Ehe Eitel Friedrich I. und 
Ursula von Räzt'ins, Graf Jos Niklas kein Kind und „tumber Fant“ mehr 
war, als die Mutter diese zweite Ehe einging, so stimmen doch die Zeitgenossen 


i 3AJ. 



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43 


in dem Lobe des Charakters des Grafen Sig- 
munds so überein, dass die Überlieferung, er 
sei dem Stiefsohn ein treuer V'ater und Berater 
gewesen, zweifellos erscheint: „Dann graf Sig- 
mundtain garholdselliger, sittiger und frommer 
graf war.* Für das Ansehen, dessen sich Graf 
Sigmund bei seinen Standesgenossen erfreute, 
ist das Schutz- und Trutz-Bündnis, welches 
eine Reihe der bedeutendsten schwäbischen 
Edelirige: die Zollern, die Werdenberg, Sonnen- 
berg, Waldburg, Wolfegg, Zimmern u. s. rn. 
146$ abschlossen, Beweis; denn hier wird 
Sigmund an erster Stelle genannt, ln dieser 
Urkunde tritt er mit seinem Stiefsohn Jos Niklas, 
dem Wiedererbauer des Zollern und dessen 
Sohne, Eitel Friedrich LL, der berufen war, 
eine so bedeutende Rolle zu spielen, zusammen 
auf, ein merkwürdiger Abschluss für die Ge- 
schichte seines Hauses. 


i-m. 



Abi), 4Ü, Siegel <lt» Grafen Burk- 
hard von Hohenberg. Umschrift: 
S.‘ COMIT1S. BVHCABDI. DE. 
HOHENBERG. 



DIE SCHALKSBURG. 

Die Hauptursache, welche die Edelinge des Mittelalters bewegte, ihre 
wohnlich gelegenen Edelhöfe in der Ebene, nahe bei oder inmitten ihrer Unter- 
gebenen, zu verlassen, und kalte, steinerne Burgen auf teilweise unwirtlichen, 
fast durchweg schwer zugänglichen Höhen zu bauen, wo sie, vereinsamt gegen 
die bis dahin gepflegte Lebensweise, ihre Tage zubrachten, wird ohne Zweifel 
der Wunsch nach grösserer Sicherheit gewesen sein. Wer die vielen Hunderte 
in Trümmer gefallenen Burgen unseres Vaterlandes auch nur teilweise kennt, 
der wird sich nicht verhehlen können, dass der Tausch, nach unseren heutigen 
Begriffen von Wohnlichkeit und Behagen, kein gut« war. Allerdings lassen 
die auf den sonnigen Abhängen der Rheintalberge liegenden zahlreichen Burgen, 
die das Stromgebiet von Bingen-Rüdesheim bis zum sagenumwobenen Sieben- 
gebirge malerisch beleben und wunderbar schöne Blicke auf Strom und Gelände 
bieten, oder die nicht minder reichen Burgen des Eisass, mit ihrem warmen 
Steinton und schwungvoller Architektur, umrauscht von hochragenden Wäldern, 


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fast alle mit der Ausschau in die üppige Ebene oder sonnigen Täler, solche 
Gedanken kaum entstehen. Wer aber die Burgsitze der schwäbischen Alb 
betrachtet, der muss anders denken. Gerade hierfür bietet die Schalksburg 
eines der schlagendsten Beispiele. Emst, last finster, liegt der gewaltige Fels- 
klotz da. Der dunkle Tannenwald, der ihn vom Fusse bis zur Höhe hinauf 
bekleidet, lässt seine grauen Steinglieder, welche die Jahrtausende abgetönt 
haben, noch starrer erscheinen. Nur ein schmaler Grat verbindet die weite 



Abb. 44. Hehalkslmr^ mit Burgfelden und Böllat. 


Hochfläche des Bergrückens mit der nordöstlich von ihm sich ausbreitenden 
Hochebene und den höchstgelegenen Ortschaften Württembergs. Wie mühsam 
gestaltete sich hier der Verkehr mit der Aussenwelt schon für die Männer, 
und erst für die Frauen, wenn vom Spätherbst bis weit in den Frühling hinein 
Schnee und Eis den einzig gangbaren, fast gefährlichen Pfad bedeckte, während 
unten im Tale schon 

Winterstürme wichen dem Wonnemont, 
wie Siegmund in der Walküre singt, und Lenz- und Liebesfreude die Brust ihm 
schwellen lässt. 

ln der Geschichte der Zollern spielt die Schalksburg eine sehr wesentliche 
Rolle. Immer musste ihr nach dieser Richtung hin, schon allein aus dem 
Grunde, weil sie beinahe bis zur Wende des Mittelalters zollerisches Eigentum 
war, Bedeutung beigelegt werden. Wiewohl nun die Schalksburg seit fast 
fünfhundert Jahren dem Zollemhause entfremdet ist, trat sie in den letzten 
Jahren gerade wegen ihrer Vergangenheit stark in den Vordergrund. Es ent- 
stand die Frage : War nicht die Schalksburg Sitz der zollerischen Ahnen, bevor 
sich die Zollern iooi zum ersten Male mit diesem Namen nennen? Die Schalks- 
burg ist, darüber herrscht kein Zweifel, uralter Besitz des Zollemhauses und 
seiner Ahnen; denn sie liegt im Sclierragau und dieser ist der ureigene Gau 
der Zollern und ihrer Vorfahren. Damals, wo Burkhard und Wezel io‘>i zum 
ersten Male als Zollern — de Zolorin — genannt werden, gehört die Hatten- 


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huntare, in welcher der Zoller lag, noch nicht den Zollern. Nun liegt es nahe, 
zu fragen: wo haben denn die nächsten Vorfahren der Zollern ihren Sitz gehabt? 
Wer die Zollernburg gebaut hat. die beiden ersten Zollern Burkhard und Wezel, 
oder schon deren Vater: diese Frage bleibt deshalb doch bestehen: Wo wohnten 
denn die Väter dieser Zollern? Man sucht doch ganz von selbst, ohne 
Künstelei, den Wohnsitz eines Edelings da, wo sein Eigen liegt, bevor man 
ausserhalb seines Besitztums, seiner ureigenen Heimat, auf die Suche geht. Das 
war aber der Scherragau, und hier die spätere Schalksburgherrschaft. Um jene 
Zeit, es handelt sich um die erste Hälfte des u. Jahrhunderts, hatten aber die 
vornehmsten Geschlechter ihre Burgen schon auf Höhen gebaut. Nun betrachte 
man die Lage der Schalksburg ! Keine Burg lag so beherrschend für den Gau, 
wie gerade die Schalksburg. Kein Berg rundum, auch nicht der prachtvolle 
Zoller, bot eine solche gewaltige, natürlich befestigte Burg, eine solch unein- 
nehmbare Feste, wie der Schalksberg, eine Schalksburg. 

Aber hat denn auf dem Schalksberg um jene Zeit überhaupt schon eine 
Burg bestanden? Dass dies der Fall war vor der Gabelung des Stammhauses 
in die zw'ei Linien Hohenberg und Zollern, steht fest. Und wann war das? 
Friedrich I., dessen Söhne Friedrich und Burkhard sich in den Hausbesitz teilten, 
wird von 1085 — 1125 erwähnt. Eine wichtige Erscheinung ist bei jener Gabelung 
nicht zu übersehen. Wiewohl die Hohenberger hauptsächlich den Scherragau 
bekamen, wnrde ihnen aber gerade die Schalksburgherrschaft vorenthalten. 
Warum wohl ? Nun, w r eil die Schalksburg durch ihre Lage und Festigkeit stets 
eine Gefahr für die Zollern gew'esen wäre. Und wenn nicht schon vor der 
Mitte des 11. Jahrhunderts auf dem Schalksberg eine Burg gestanden, wie will 

man sich 
dann den 
Namen 
des schon 
um 1040, 
sicher 
iobi, vor- 
handenen 
Dorfes 
Burg- 
felden, das 
zur 

Schalks- 
burg 
gehörte, 
erklären? 
Die 

Schalks- 
burg- 
Zollem- 
Frage 

Abb. 45. Kirche zu Burgfelden mit dem Notdach Herbat 1892 bis Herbst 1893. wurde 



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durch eine kulturgeschichtlich hochinteressante Entdeckung rege. Vor zehn 
Jahren fand man in der romanischen Kirche zu Burgfelden Wand- 
gemälde von so hoher künstlerischer Bedeutung, dass sie allgemeines Staunen 
hervorriefen. In seltener Übereinstimmung schrieb man die wertvollen Gemälde 
der Kunstfertigkeit der Reichenauer Benediktiner zu. Sodann fand man in der 
Kirche sehr bemerkenswerte, alte Gräber, die wiederum nach dem Urteil der 
Sachverständigen auf das n. Jahrhundert zurückgehen können. Nun durfte 
man sich sagen: Wäre die Schalksburg nicht schon um die Mitte des n. Jahr- 
hunderts Sitz eines hervorragenden Geschlechtes gewesen, wie käme das kleine 
Dorf dort oben auf der Höhe der Rauhen Alb dazu, eine sorgsam gebaute 
romanische Steinkirche zu besitzen? Wie käme diese Kirche zu den kostbaren 
Wandgemälden? Wie kämen die Reichenauer Benediktiner dazu, dort in Burg- 
felden Wandmalereien auszuführen, die sofort an die Perlen frühmittelalterlicher 
Kunst in der Kirche zu Oberzell auf der Reichenau erinnern? Ist es da nicht 
sehr beachtenswert, dass die Vorfahren der Zollern, die Burkhardinger, sowie 
die Zollern selbst, in naher Beziehung zu den Reichenauer Mönchen standen? 
Herzog Burkhard II. liegt auf der Reichenau begraben, die Grafen von Zollem- 
Hohenberg versehen vom 12. Jahrhundert an das Obermundschenkenamt auf 
der Reichenau und im 12. Jahrhundert ist ein Zoller Abt daselbst. 



Aus alle dem kommt man zu der nahe liegenden Folgerung: Bevor die 
Zollern ihre Stammburg Zoller erbauten, haben ihre Vorfahren auf der Schalks- 
burg gesessen. Zwei Einwendungen, die man dagegen zu machen suchte, will 
ich noch erwähnen. Erstens sollen die zollerischen Vorfahren schon um 1040, 
sicher vor 1061, Burgfelden und Kirche an das Kloster Ottmarsheim im Ober- 
elsass verschenkt haben. Das ist durchaus unerwiesen. Es heisst vielmehr nur, 
dass dem Kloster Ottmarsheim praedia also Güter zu Burgfelden geschenkt 
worden seien. In der ganzen Folgezeit bis zum Verkauf an Württemberg 1403 


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waren die Zollern rector ecclesiae zu Burgfelden und vergaben die Pfarrstelle 
dort. Zweitens wollte man in dem Kamen Schalk etwas Unwürdiges finden. 
Abgesehen davon, dass das Wort , Schalk damals seine knechtische Neben- 
bedeutung schon verloren hatte, überhaupt 
eine »Diener*- oder »Knechts«-burg ein 
Unding in solcher Deutung genannt werden 
darf, ist der Ursprung des Namens noch 
nicht klargestellt. Es ist sehr leicht möglich, 
dass die Burg nach einem Besitzer genannt 
worden ist, in dessen Namen das Appellativ 
»Schalk* steckt, wie solcher Bezeichnungen 
mehr Vorkommen. 

Da dürfte es denn von Interesse sein, 
eine Stelle der Sindelfinger Chronik anzu- 
fuhren, die zum Jahre 1 286 erzählt, dass 
»comes Burchardus cum comite Friderico 
Schal ginge conflictum habuit etc.« Man 
hat Schalginge mit Baiginge übersetzt, also 
bei Balingen. Das kann sein, es muss aber am.,. 17. iSi-gel der Stadt Balingen, 

nicht sein; denn es hiess damals und noch Umschrift: SIGILL. 1 (.'[ VITA; TIS. 

früher Balginga. F.s könnte auch der BAI. INGE. 

Beinamen von Graf Friedrich (von Zolre) 

gewesen sein. In jedem Falle fehlt hier ganz, zweifellos dem Worte Schalk 
eine unehrliche, niedrige Bedeutung. 

Wir können diese Erörterung schliessen mit der Behauptung: die nächsten 
Vorfahren der Zollern, mögen sie heissen wie sie wollen, Burkhardinger werden 
sie meist genannt, müssen irgendwo ihren Burgsitz gehabt haben. Und ferner: 
dem kraftvollen Geschlechte der Zollern-Zollem und Zollem-Hohenberger kann 
keine Unehre damit geschehen, wenn wir annehmen, die Familie hat noch vor 
dem Zoller einen Burgsitz gehabt. Am Strahlenkränze des Zollers kann die 
Schalksburgfrage, mag sie nun bejaht oder verneint werden, nicht den leisesten 
Schatten hervorrufen. 

So wertvoll nun auch die Schalksburgherrschalt den Zollern in älterer 
Zeit war, so sollte doch dieser älteste Besitzteil altzollerischen Stammgutes in 
unverantwortlicher Weise dem Hause verloren gehen. Mit Friedrich I. von 
Zollem-Schalksburg, genannt Mülli, dem Sohne Friedrichs V. von Zollern, wurde 
um !2dö eine eigene Linie Zollem-Schalksburg gegründet, in Folge dessen der 
Besitz des Stammhauses abermals durch Zersplitterung eine Schmälerung erlitt. 
Mit Friedrich V. iSchalksburg) starb diese Linie wieder aus. Aber der letzte 
Zollern-Schalksburg Hess den alten zollerischen Besitz nicht wieder an das 
Stammhaus zurückgehen, sondern verkaufte in unbegreiflicher Weise die schöne 
Herrschaft um eine geringe Summe an Württemberg. Man hat in dem Tode 
seines einzigen Sohnes, der vor dem s- Juli 1403 starb, einen Grund erblicken 
wollen. Dass dem Vater der Besitz und die Lebensfreude hierdurch verbittert 
worden, lässt sich ja denken, nicht aber begreifen, dass er so wenig Stammes- 



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gefühl besass, die Herrschaft Schalkburg dem Stammhause entfremden zu können. 
Die Erklärung ist anderswo zu suchen. 

Im Stammhause herrschten gerade damals schon unerfreuliche Zustände, 

indem sich 
die beiden 
Brüder Graf 
Friedrich, der 
Öttinger, und 
Graf Eitel 
Friedrich I. 
feindlich 
gegenüber 
standen. 
Auch war 
noch keiner 
der Beiden 
verheiratet. 
Sollte sich 
nun Graf 
Mülli hier- 

Abb. 48. Grundriss der Üchalkshurg in ihrer ehemaligen Gestalt. durch bewo- 
gen gefühlt 


haben, sein schönes Besitztum in fremde Hände abzugeben? 

Nein! Mitbestimmend mag das alles gewesen sein, aber eine volle 
Erklärung giebt das nicht; denn erstens war die Feindschaft der zwei Brüder 
noch nicht so tief geworden, wie sie es später gewesen ist, sodass Friedrich 
und Eitel Friedrich bis auf heute den Namen »die feindlichen Brüder« haben; 
zweitens waren sie noch so jung, dass ihre Heirat keinesweges ausgeschlossen 
war, wie sie auch tatsächlich beide noch in den Ehestand traten. 

Der Grund liegt in der Charakteranlage des Schalksburger selbst. Er 
muss ein ganz eigentümlicher Mann ohne viel Familiensinn gewesen sein ; denn 
er besass ausser dem 1403 gestorbenen Sohne noch eine Tochter, die an Kaspar 
von Fraunhofen verheiratet war. Auf diese Tochter nimmt er in seinem Ver- 
kauf gar keine Rücksicht. Sodann ist der Preis von 38000 Gulden, um die 
Württemberg die Herrschaft erwarb, ein so lächerlich geringer, dass die Sage 
entstand, der Verkauf sei mit einem Hirschgulden gedeckt worden. 

Graf Eitel Friedrich L erhob energisch Einspruch und führte an, dass die 
Herrschaft zum mindesten 130000 Gulden wert sei. Doch diese wie alle 
späteren Versuche der Zollern, wieder in Besitz der Schalksburgherrschaft zu 
gelangen, blieben vergeblich. Württemberg bestand auf seinem Schein, und 
dem hatte es mit sehr grosser Eile Bestätigung vor dem Hofgerichte zu Rott- 
weil geben lassen. Schon zwölf Tage nach dem Verkauf fand diese statt, und 
diese kurze Frist lässt deutlich erkennen, dass es Graf Eberhard von Württem- 
berg sehr darum zu tun war, den guten Fang zu sichern. Eine der bittersten 
Ironien dieses Verkaufes ist auch der, dass kaum zwanzig Jahre später die alt- 
zollerische Stadt Balingen, nun württembergisch, an der Belagerung und 


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49 


Eroberung der Stammburg Zollern teilnahm und dass höchst wahrscheinlich die 
Balinger Mannschaft unter einem Banner stritt, das dem der Grafen von Zollern 
gleich weiss-schwarz geviertet war; denn es ist das Wappen der Stadt Balingen, 
des Hauptortes der Schalksburgherrschaft (s. Abb. 47). 

Im Jahre 1458 verpfändete Graf Ulrich die Schalksburg an die von Rech- 
berg. Hans von Rechberg war einer der grössten Raufbolde seiner Zeit. Ein 
sonderbarer Zufall wollte es, dass Graf Jos Niklas von Zollern die Schalksburg 
in einer Fehde mit dem Rechberg und Genossen erobern musste ; für sich selbst 
konnte er sie aber doch nicht erwerben. Noch mehrfach wurde die Burg 
verpfändet, bis 1510 Graf Eitel Friedrich II. von Zollern dem Herzog Ulrich 
16000 Gulden vorstreckte, wofür er sich u. a. auch die Schalksburg verpfänden 
liess. Graf Jos Niklas I. hatte 1463 dem Grafen Ulrich zu Württemberg, nach- 
dem dieser in die Gefangenschaft des Pfalzgrafen Friedrich bei Rhein gefallen 
war und 40000 Gulden Lösungsgeld zahlen sollte, für diese Summe Bürgschaft 
geleistet. Sein Plan, diese Bürgschaft zur Wiedereinlösung von Schalksburg 
zu verwenden, verwirklichte sich nicht; denn die Grafen von Württemberg 
lösten 1405 ihre Schuld ein. Es war des Grafen Bestreben, Schalksburg, wie 
er dies mit Haigerloch getan, wieder an das Haus Hohenzollem zu bringen. 
Leider starb der tüchtige Regent, der zu den angesehensten Männern im Reiche 
gehörte, schon zwei Jahre nachher. Auch seine Nachfolger hielten den 
Gedanken der Wiedererwerbung fest. Vielleicht hätten sie die grosse Geldnot 
Herzog Ulrichs besser ausnützen können. Herzog Christoph löste dann 1554 
das Pfand wieder ein, nicht ohne dass seitens der Hohenzollem Schwierigkeiten 
gemacht wurden. Oswald Gabelkover (1339 — 1616) sagt von der Schalksburg : 
»Schalzburg, denGraven de Zollern«. Aber Württemberg bestand wiederum 
auf seinem Schein, und so mussten die Hohenzollem, wenn auch schweren 
Herzens, die Schalksburg wieder abtreten. Noch einmal erwog in der Folge- 
zeit ein Hohenzoller, Ludwig, Fürst von Hohenzollem-Hechingen (1730 — 1750), 
den Plan, Schalksburg wieder zu erwerben. Aber seine Hoffnung verwirklichte 
sich nicht. Als dann 1866 die Württemberger für wenige Tage den Zoller 
besetzten, Preussen aber Sieger blieb, da wurden auch Stimmen laut, die ver- 
langten, Württemberg solle man jetzt die ganze Herrschaft Balingen mit der 
Schalksburg abnehmen. Aber Preussen bewies sich als milder und weit- 
schauender Sieger. Es wollte Württemberg für die Zukunft als Freund, nicht 
als grollenden Besiegten an seiner Seite sehen. Schalksburg blieb in württem- 
bergischem Besitz. 

Die Schalksburg ist in der Reihe der Burgen des ehemaligen Scherragaus 
eine der stärksten und mächtigsten gewesen. Das gewaltige Felsmassiv auf 
welchem die Burganlage aufgebaut war, hängt nur durch einen schmalen, nach 
beiden Seiten steil abfallenden Sattel mit dem Hauptgebirgszug zusammen. Die 
Verteidigung des Zugangs beginnt an der äussersten nordöstlichen Spitze beim 
Anschluss an den Sattel. Hier liegt der erste quer zur Angriffslinie gelegte 
Felsgraben, gegen Westen durch eine Mauer verstärkt. (Reste noch sichtbar). 
Etwa 60 m vom ersten entfernt ist der zweite und weiter 30 m westlich der 
dritte Quergraben noch deutlich erkennbar. Vor und über dem dritten Einschnitt 
liegt der starke quadratische Bergfried aus mächtigen Buckelquadem. Er hat 


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5 <> 


eine Seitenlänge von 70 m, eine Mauerstärke v< n 2,6 m und eine Lichtweite 
von 2.4 in. Der Hingang zun Turin lig gegen den Burghof. In der Nähe des 
Turmes ist auch der Eingang zum Burginnern zu suchen. Westlich vom Turm 
beginnt der ausgedehnte Burgring. Die Ringmauer, deren Zug sich noch ver- 
folgen lässt, umfasste eine Grundfläche von etwa 3 Hektar. Die Ringmauer sass 
hart auf der äusseren Felskante. In den ausspringenden Ecken auf der Nord-, 
West- und Südseite lagen viereckige und runde Türme. 

Von dem äussersten Rund- 
lurm gegen Westen stehen noch 
einige Mauerkörper 4 — 5 mhoch. 
Der Turm hatte eine Lichtweite 
von etwa 4 m und eine Mauer- 
stärke von i,o m ; gegen Norden 
ist noch eine Fensteröffnung 
erkennbar. An der Südseite 
senkt sich die Ringmauer einem 
Einschnitt des Felsens folgend. 
Hier steht die Ringmauer mit 
mächtiger Quaderverkleidung 
noch 4 — 3 m hoch, etwa 1,6 m 
stark. An dieser Stelle ist noch 
eine Türöffnung von etwa 1,6 m 
Breite und 2 m Höhe vorhanden, 
mit einem Halbkreisbogen über- 
spannt, gegen das steil anstei- 
gende Burginnere stark abge- 
schrägt. Diese Öffnung wird 
im Volksmund das Küchenlädle 
genannt. Von den umfassenden 
Gebäudeanlagen ist nichts mehr 
erkennbar. Die Burgfläche, jetzt 
ganz mit Wald bedeckt, ist nur 
noch ein grosses Trümmerfeld. 
Beim Verkauf der Schalksburg 
1403 an Württemberg und der 
Verpfändung 143S an die Rechberg wurde sie noch für ein wehrliches Haus 
und für eine sonderliche feste Gelegenheit geachtet. Spätere Rechnungsakten 
sprachen von den Toren, Brunnen, Zisternen, der Mahlmühle, die sich oben 
befanden, den Mauern, die zu unterfangen waren, vom Turm und Torhäuslein, 
von den Wallungen, der Bäckerei, von der Kapelle, und von dort befindlichen 
Geschützen und Büchsen. Am 13. Dezember 1464 wurde die Burg im Auf- 
trag des Grafen I Trich von Württemberg durch Graf Nikolas von Zollern 
erobert und zerstört. Von dem Sohn des 1464 gefallenen Hans von Rechberg • 
wiederaufgebaut, hat sie im 16. Jahrhundert schwer gelitten. Das Schloss ward 
abgängig und baufällig. Die Baureparaturen werden wohl mangelhaft durch- 
geführt worden sein. Im Jahr 1535 fiel ein Haus und ein Stück Mauer im 



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5 « 


innersten Teile ein: 1557 erfolgte der herzogliche (württ.) Befehl, die Häuser 
abzubrechen und Holz und Ziegel zu verkaufen. Jedenfalls stand aber die 
Burg noch 1 570, jedoch von einem Blitzstrahl schwer beschädigt. Die zimmerische 
Chronik schreibt etwa 1 566 : »Wie wohl das Schloss Schnlzburg in einem grossen 
Rufe gewesen, also dass auch die Städte und andere Stände daraus sind gekriegt 
worden, soll es jetzund wie man sagt, gar im Abgang sein, denn wie das 
gemein Geschrei, soll Herzog Christoph von Württemberg bei wenigen Jahren 
allda gewesen und so viel an Raht bei den Kriegsverständigen erfunden haben, 
dass es im Fall der Not nit zu erhalten. Und hat das Schloss gleichwohl eine 
grosse Burghut und Unterhaltung jährlich gebraucht, welcher Beschwerd dem 
Fürstentum damit abgeholfen.« Das Landbuch von 1014 sagt: «Schalksburg 
ein alt abgegangenes Schloss, noch ziemlich viel Gemäuer, auch der Zwingei 
und Graben darum zu sehen, dabei zehn Mannsmahd Wiesen und ein Viehwaid, 
darauf man an die zwölf Stück Vieh halten kann.« Rings um die Schalksburg 
erhob sich vom 12. — 15. Jahrhundert ein Kranz von Burgen, so zwei bei 
Margrethausen, zw'ei auf dem Heersberg, eine auf dem Thierberg, eine auf dem 
Hirschberg und eine auf dem Streichenerberg (Hundsrücken). 



VERINGEN. 

Wenn auch das Laucherttal an wild-romantischer Schönheit mit dem oberen 
Donautal nicht wetteifern kann, so entbehrt es doch keineswegs vieler land- 
schaftlicher Reize. Manche Punkte dieses Flusstales, dessen Wasserlauf nur 
kurz, dafür aber stets wasserreich ist und sich guter Fische rühmen darf, w'eisen 
malerische Reize auf. Das ist auch gerade bei Veringenstadt der Fall. Besonders 
wenn man von Norden her kommt, fesselt die Landschaft das Auge in hohem 
Masse. In weitem Bogen umfliesst der Fluss einen hochragenden Felsenvorsprung, 
der sich oben in die Hochebene verflacht. Auf dem mächtigen Gestein, das 
Wind und Wetter im Laufe der Jahrhunderte grau gefärbt, liegen Ruinen, deren 
Ausdehnung und Mächtigkeit es deutlich aussprechen, dass hier einst ein 
mächtiges Geschlecht seinen Sitz hatte. Es war in der Tat so reich und an- 
gesehen, dass man mit dem Namen Veringen unwillkürlich auch an die Dynasten 
denkt, die hier sassen. Und doch haben nicht sie Veringenstadt und Veringen- 
dorf den Namen gegeben, vielmehr haben jene Edelinge von Altshausen, die 
um 1130 Veringen erwarben, vom neuen Wohnsitz die Bezeichnung angenommen, 
die man dann vielfach auf ihre Vorfahren die Grafen von Altshausen übertrug 
und diese Grafen von Altshausen-Veringen hiess. So wird der berühmte Mönch 


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52 


Hermann der Gelähmte von der Reichenau, dessen Zeitgenossen ihn das Wunder 
des Jahrhunderts nannten und dessen hinterlassene Werke heute noch nach fast 
900 Jahren — er sagt von sich selbst, dass er am 18. Juli 1013 geboren sei — 
sehr geschätzt sind, meist als ein Graf von Veringen aufgeführt, während er den 
Vorfahren derselben, den Grafen von Altshausen, angehört. Die Ahnen der 
Veringer sind insofern auch von Interesse, als sie zu den ersten Herren in 
Schwaben gehören, die sich nach ihrem Wohnort einen Geschlechtsnamcn bei- 
legten, und zwar tut dies Wolfrad, der schon 1004 de Altshusa genannt wird. 



Abb. 5(1. Ansicht vun Veringenstadt im 1H. Jahrhundert. 


Das Laucherttal und besonders die mittlere Gegend desselben, von 
Veringen bis Gammertingen, wurde schon sehr früh bevölkert. Es ist erstaun- 
lich, wie reich das Tal von Veringen bis zum Ursprung der Lauchert beim 
Marktflecken Meldungen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit bewohnt war. 

Kaum ein Ort in Hohenzollem weist so viele Funde auf wie Veringen- 
stadt. Wenn auch noch keine neolithischen oder gar paläolithischen Artefakten 
hier gefunden wurden, so kann man, angesichts des Umstandes, dass aus dem 
benachbarten Hettingen und Gammertingen Steinwerkzeuge vorliegen und gerade 
hier bei Veringenstadt sich geräumige Höhlen befinden, die Frühmenschen zur 
Wohnung dienen konnten, kaum anders als annehmen, dass sich auch bei 
Veringenstadt Zeugen jener Periode noch finden werden. Dagegen an Funde 
aus der Bronzezeit bis zur alamannisch-fränkischen Periode hinauf ist Veringen- 
stadt sehr reich. Es sind bei Veringenstadt nicht weniger als drei Nekropole 
der Bronzezeit nachgewiesen. Ebenso ist die Hallstadtzeit reich vertreten. 
Uralte, wahrscheinlich keltische Wege sind vorhanden. Auch führt eine Römer- 
strasse durch das Tal. So steht eine Kulturepoche auf der Schulter der andern, 
nicht aber um mit der römischen Zeit abzuschliessen. 


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Die ganze Gegend ist echt schwäbisches Land. Das beweisen die Namen 
der Ortschaften. Auch Veringen verdankt seinen Namen der Besiedelung des 
Landes durch die Schwaben. Die Schreibweise ist beinahe stets dieselbe, jeden- 
falls wenig abweichend, und zwar lautet es meist Veringen, wie es heute noch 
geschrieben wird: 10,4—1:71 Veringin, 1181 Veringen, 1224 — 1-73 Feringen, 
1216 Wcringen, später bis zur Neuzeit hinauf auch Vöhringen. Auch hier 
wird, wie bei den meisten Ortsnamen auf ingen, auf einen Personennamen 
zurückgegangen und zwar auf Faro. Fara bedeutet Sippe, Geschlecht, bei den 
Langobarden auch Edelgeschlecht, und kommt in der Zusammensetzung mit 
Faramund, der die Sippe Schützende, vor. Veringen ist somit die Gründung, 
die Ansiedlung eines Faro und hiess ursprünglich Faringa. Damals und in der 
nächsten Folgezeit gehörte es zum Burichinga-Gau, das ist der Gau der 
Burichinger, der Nachkommen Burchos, und dieser Burichinga-Gau ist die 
spatere Grafschaft Gammertingen. Wir dürfen uns nicht dadurch beirren lassen, 
dass in der Folgezeit auch von einer Grafschaft Veringen die Rede ist. Das 
kam daher, weil im 1 3. Jahrhundert ein Teil der Grafschaft Gammertingen und 
insbesondere auch Gammertingen selbst abgetrennt wurde und dem Grafen 
von Wringen zufiel, der seinen Bezirk Grafschaft Veringen benannte. Nach 
den aussergewöhnlich reichen Funden, welche man in Gammertingen aus 
Gräbern der alamannisch-fränkischen Zeit gemacht hat, möchte ich den Schluss 
ziehen, dass damals der Hauptsitz des Gaues Burichinga im heutigen Gammer- 
tingen zu mutmassen ist. Aber weder der Gründer von Gammertingen, der 
Gamhart oder Gamrat oder auch Gamo geheissen haben muss, noch der von 
Veringen, hat dem Gau den Namen gegeben. Die alten Grafen von Gammer- 
tingen, die mit Vorliebe den Namen Arnold führten, starben gegen Ende des 
12. Jahrhunderts aus. Die Grafschaft fiel an Bertold von Neifen. Von da ab 
wird die nächste Geschichte der Grafschaft dunkel. Sie scheint zerfallen, 
geteilt worden zu sein; denn, wie schon oben angedeutet, wir sehen im 13. 
Jahrhundert, dass die Grafen von Veringen einen Teil besitzen, während der 
grössere Teil später sich in württembergischem Besitze befindet. 

Mit u 34 treten die Altshauser nunmehr an der Lauchert als Grafen von 
Veringen auf und zwar ist es Graf Markward, der 1130 noch als Graf von 
Altshausen vorkommt, dann 1 1 30 sich auch nach der Burg zu Veringen, Graf 
von Veringen nennt. Es war ein hochangesehenes Dynastengeschlecht und 
stand mit den mächtigsten Familien Schwabens in Verwandtschaft. Die zim- 
merische Chronik weiss von ihrer hohen Herkunft vieles zu erzählen und nennt 
sogar Herzog Burkhard von Schwaben einen Veringer. Wo immer die Hervor- 
ragendsten unter den schwäbischen Edelgeschlechtem auftreten im Frieden, oder 
Krieg, als Zeugen bei hochwichtigen Anlässen, im Gefolge der Kaiser, als 
Stifter und Schenker, da finden wir auch die Veringer. Graf Wolfrad von 
Veringen ist der Begründer der Stadt Isny 1171, nachdem seine Vorfahren, 
Graf Wolfrad 1042 eine Pfarrei zu Isny gegründet und dessen Sohn Manegold 
die Pfarrkirche zu einem Kloster erweiterte und 1096 Hirsauer Mönchen über- 
gab. Ein Nachkomme des Begründers der Stadt Isny, Graf Wolfrad zog mit 
König Konradin nach Italien. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er sich unter 


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54 


den Edelingen befand, die am 39. August 1208 zu Neapel mit dem letzten 
Staufer das Haupt auf den Richtblock legen mussten. 

Auch mit dem heiligen Ulrich, Bischof von Augsburg, waren die Grafen 
von Veringen verwandt. Die Stadt Geringen verdankt, der zimmerischen 
Chronik zufolge, dem grossen Bischof, der bei der furchtbaren Schlacht auf dem 
Lechfelde <335, wo Otto der Grosse der Ungamnot für immer ein Ende machte, 
so wesentliche Dienste leistete, eine ganz besondere Gnade, nämlich die, dass 
es keine Ratten daselbst gebe. »Also sagt man, seie in etlich hundert jaren 
kain ratz zu Veringen im stetlin an der Lachart nie gespurt werden; so auch 
ein lebendiger ratz dahin gepracht oder ungeferdt (durch Zufall! dahin kom, so 
starb er. Das soll sant Ulrich denen von Veringen, sagt man, umb Gott er- 
worben haben, dann er von der muctter ein graf von Veringen, auch im stetle 
zu Veringen soll geporen sein worden.« 

Dass Bischof Ulrich dem Grafenhause 
Altshausen verwandt war, ist zutreffend, 
aber dass er zu Veringen geboren wurde, 
ist nicht richtig. Im übrigen schrieb man 
selbst der Erde vom Grabe des bl. Ulrich 
Wunderkraft gegen Mäuse und Rattennot 
zu und liess solche öfter von Augsburg 
kommen, wie das auch Herr Gottfried 
Wemher von Zimmern zu Messkirch um 
1 3 18 tat — »aber es wollt nit thuen«, meldet 
der Chronist. 

Es ist nicht auffallend, dass Veringen 
in alter Zeit zu manchem Über- und Aber- 
glauben Stoff und Anlass hatte. Rund in 
der Gemarkung umher finden sich allüberall 
auf Äckern und Wiesen, in Waldungen und 

üuu. uj.. cuvgei «es uraien » ourfta von 1 ° 

Veringen, des Begleiters Konradins von auf den Bergen die zahlreichen Spuren vor- 
Schwaben nach Italien 1268. Umschrift: und frühgeschichtlicher Menschen. Und wie 
8.' COMITIS. WOLFRAM. DE. VER- geneigt waren nicht unsere Voreltern mit 
INGEN. 1VNI0KIS. solchen Orten wundersame Geschichten und 

Sagen in Verbindung zu bringen ! Südwestlich 
von der Kuppe des Bergrückens, den die ernst in das Tal herabschauenden, weit 
ausgedehnten Ruinen der ehemaligen Grafenburg krönen, die sich an der Stelle 
erheben, wo vor dem steinernen Burgbau höchst wahrscheinlich eine Volks- 
burg bestand, befindet sich in fast unmittelbarem Anschlüssen an die Mauei reste 
eine Nekropole längst dabin geschwundener Zeiten. Da begruben die Menschen 
der vorgeschichtlichen Zeit ihre Toten. Steinhügel an Steinhügel legt Zeugnis 
dafür ab, dass sich damals eine starke Ansiedlung hier befand und ihr reicher 
Inhalt, heute zum grössten Teile eine Zierde der fürstlichen Altcrtumssammlimg 
zu Sigmaringen, beweist, dass es keine armen Ansiedler waren ; denn in reichem 
Waffenschmuck prunkten die Männer und mit glänzendem Schmuck aller Art 
schmückten sich die Frauen. 



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55 


Cf?Q 

TW 


m 


Da ist cs nicht zu verwundern, wenn in alten Zeiten wundersame Dinge 
sich auf der Höhe ereigneten, Waffengeklirr erscholl und wildes Kampfgeschrei 
die Schlafenden schreckte. Das ist die geeignete Gegend für den grausigen 
Spuck des wilden Jägers, der mit furchtbarem Getöse im Wodansheere bei 
Sturm und Nacht und Nebel durch die Lüfte saust. 

Auf dem östlichen Bergrücken des Tales r ö ITV / 11 f i (Ti T fM*& 

liegen ebenfalls viele Grabhügel. Hier habe, so .1 j 3 . .| . y ■ . d l 

geht die Sage, ehemals ein Ort gestanden. Muote & JjllJiP W VoT rfjfjf Ä 

nennen es die Leute, und der uralte Weg, der m &. ‘%jj‘ ^ % J Ä 

vorn Ort hinaufführt, wurde bei Nachtzeit nicht -= ’% 'II P 2 

gerne begangen, weil es dort oben geisterte. *— 1 * %JL A j! k* 

Hier haben wir also eine deutliche Anspielung ggj f vP f Aj| _ S 

auf das wilde Heer; denn Muoti ist der schwa- 

bische Name für Wodan, und das wilde Heer . W "j iX I 

wird Muotisheer genannt. K /, rf-'öl 

Um die Mitte des 13. Jahrhunderts ist der ILPV |“?j 

Stern der Grafen von Veringen schon am Nieder- TJX fei 

gehen. Beständige Streitigkeiten, Fehden, Kriegs- rr* /Je kV fei 

züge und in Folge dessen schlechte Wirtschaft 5 

brachten Jas einst so mächtige und reiche Haus Ä ' xv“ff |ä" 

immer mehr dem Verfalle nahe. Auch mit dem gf j|] 

Reichsoberhaupt Rudolf von Habsburg lagen sie 15? T '" 35 

in olTenem Kriege. Wahrend 1368 noch ein ja ’ T-* I ££} 

Veringer mit Konradin von Staufen geblutet hatte. "• 5 

verschwört sich 1280 Heinrich, der sich damals «J 

noch stolz von Gottes Gnaden, Graf von Veringen, JU 

>dei gratia comes de veringen«, nannte, Rudolf JU ^ _ür Ä 

von Habsburg zum Trotz, der ihm die Territorial- 

Hoheit über die Grafschaft streitig machte, mit L - — , — ~~ 

o j - t, «u* 1. -r*- _ Abb. 52 . Grabstein des Grafen 

emer Reihe anderer schwäbischer Grossen gegen „ . . , 

, j Heinrich von Veringen lSöo. Lin* 

das Reichsoberhaupt, *wie sie ihn mochtend ver- . ... VA , vvt . A%s 4lloI 

. , , . i .. , schritt : VIII. KALhMJAfc. APRI- 

trieben oder erslahen«. Also auf Sturz und Mord us AA(J 1H)MLN1 mccclxvi. 

des Königs war es abgesehen. Aber es bekam (>UUT C uMES. HAINKICVS. 
dem Veringer schlecht. Graf Albert von Hohen- VERINOEN. 

berg (s. Haigerloch und Hohenberg), der Schwager 

Rudolfs, zog gegen den wilden Grafen Eberhard von Württemberg, und da 
Heinrich dem Bundesgenossen zu Hülfe kommen und dazu rüsten musste, war 
er gezwungen, Besitzungen zu verkaufen. Doch es ist bezeichnend für jene 
Zeit, dass Heinrich in demselben Jahre in Gegenwart einer grösseren Anzahl 
schwäbischer Edelinge, die sich auf einer Hochzeit vergnügten, dem Kloster 
Habstal ein Lehengut zu Herbertingen schenkte. 

Die Grafen hatten so abgewirtschaftet, dass sie ta>>i König Rudolf gegen- 
über auf alle Rechte an der Grafschaft Veringen verzichteten, die in die Hände 
der Söhne des Königs übergingen. Es scheint, dass die Burg Veringen, welche 
im Gegensatz zu Neu- Veringen bei Riedlingen und Unter-Veringen - Veringen- 
dorf, Alt-Veringcn genannt wird, schon unter Graf Heinrich dem Älteren 


iuBSUirai 


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(7 nach 1282) an den Grafen von Württemberg gekommen, dann aber wieder 
frei geworden war. Graf Heinrich hatte sich zu Wringen unmöglich gemacht. 
Einesteils besass er daselbst nur noch wenige Gerechtsame und anderenteils 
bedrohte er die Veringer mit Mord und Brand. Sie wandten sich Schutz suchend 
an König Rudolf, der ihnen Schutz gewahrte und ihnen am it. Oktober 1285 
einen Wochenmarkt, auf jeden Dienstag abzuhalten, bewilligte. 

Im Jahre 131^ gelangte Graf Wolfrad von Vertilgen noch einmal in einen 
Teil seiner ehemaligen Veringer Besitzungen, indem ihm König Friedrich und 
dessen Brüder Burg, Stadt und Dorf Veringen u. a. m. verpfänden. Aber der 
Ruin des Hauses konnte nicht mehr aufgehalten werden. Schon 1144 sieht 
sich Graf Heinrich gezwungen, die Grafschaft Veringen, soweit sie ihm von 
Österreich als Pfand versetzt ist, an Graf Eberhard und Ulrich von Württem- 
berg zu verkaufen. Immer wieder machen sie sich auch Gewalttätigkeiten 
schuldig. So müssen 1326 Graf Wolfrad und Graf Heinrich geloben, mit den 
Bürgern zu Veringen im Frieden zu leben, sie nicht zu schlagen noch zu stossen, 
nicht abzufangen, nicht zu brandschatzen, nicht zu verlrtumden und zu keinen 
Diensten zu zwingen, wozu sie kein Recht hätten. Zehn Jahre später sind die 
Beiden im Kirchenbann und vom Besuch der Kirche ausgeschlossen, weil sie 
das Kloster Reichenau geschädigt haben. 

Aber das einst so mächtige Geschlecht besass immer noch zu viel 
Ansehen und hatte durch seine ehelichen Verbindungen mit den edelsten Familien 
Schwabens zu starken Rückhalt, als dass es rasch zu Grunde gegangen wäre. 
Noch Jahrzente schleppen die Grafen ein Scheinleben mit ritterlichem Glanze 
hin, wenn auch rettungslos dem Siechtum verfallen. »Durch grossen Unfall und 
unsorgsams liederlichs hausen neben einem grossen bracht (Pracht) sein sie 
nach und nach umb alle ihre güeter kommen und in aine solche armut geraten, 
dass man sagt, die letzten grafen von Veringen haben die settl ab den rossen 
verkauft«. So die zimmerische Chronik. Im Jahre 1415 stirbt der letzte Graf 
von Veringen, Graf Wölflin, und zwar, wie es heisst, zu Saulgau. Arm und 
unrühmlich, ein müder Greis schied er aus dem Leben, üb man seine Leiche, 
wie Gabelkover berichtet, in der Kirche zu Hettingen, wo verschiedene seiner 
Vorfahren, die viel für das »Stift« getan, eine Ruhestätte gewühlte, meldet kein 
Gedenkstein. Das Glück w r ar dem letzten Veringer nicht hold, sonst hätte es 
ihm, dem Sprosse eines ritterlichen Geschlechtes, den Tod auf dem Schlachtfeld 
nicht vorenthalten. Graf Wölflin befand sich nämlich mit Herzog Leopold von 
Österreich in der Schlacht bei Sempach, die dem Herzog und so vielen hoch- 
angesehenen Edelingen das Leben kostete. Craf Wölflin kehrte mit den Ge- 
schlagenen zurück. Wäre der letzte Veringer in der Schlacht gefallen, so würde das 
ein würdigerer Abschluss gewiesen sein. — Die fernere Geschichte der Graftschaft 
Veringen deckt sich bald mit der der Grafschaft Sigmaringen. Nicht lange 
blieb Veringen im Besitz Württembergs. Im Jahre 1399 tritt Graf Eberhard von 
Württemberg die Grafschaft Veringen, »als das unser Pfand ist von der Herr- 
schaft zu Oesterreich« an den Grafen Eberhard von Werdenberg ab. Mit der 
Grafschaft Sigmaringen kam die Grafschaft 1533 nach dem Aussterben der 
Werdenberger an das Haus Hohenzollern und hiermit auch zu Frieden und 
Ruhe. 


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57 


Das Wappen der Grafschaft: drei rote Hirschstangen in goldenem Felde 
ist das uralte Wappen der Grafen von Veringen. Nun hat es im Gesamt- 
wappen der Hohenzollem, die sich in 
ihrem vollen Titel auch »Grafen von 
Veringen« nennen, seinen Ehrenplatz ge- 
funden für alle Zeiten. 

Nördlich der Stadt auf einem Berg- 
rücken liegen die namhaften Überreste 
der einstigen mächtigen Burg. Ein steiler 
Staffelweg und schmaler Fahrweg führen 
nach kurzem Aufstieg zum Burgeingang. 

Die Veste bestand aus einer Vorburg und 
der eigentlichen Burg. Die Burg selbst 
mit einer Ringmauer von 3 m Stärke um- 
fasste eine Grundfläche von 55 m Länge 
und 100 m Breite. Das Eingangstor, jetzt 
noch erhalten, liegt auf der Westseite; 
ein Rundbogentor aus Buckelquadem, 
innen mit einem flachen Gewölbe aus 
schön gefügten Bossenquadern abgedeckt. 

Die Verschlussvorrichtung des Tores so- 
wie der Schlitz für das Fallgitter sind 
noch vorhanden. Innerhalb des eigent- 
lichen Burgberings lag der Palas, der 
mächtige Bergfned und die Burgkapelle, 
auch Peterskapelle genannt. Der Palas ist nicht mehr vorhanden, ist aber in 



Abb. 53. Eingangstor zur Burg. 


der nordwestlichen Ecke des Burgberings zu suchen, 
quadratische Berg- ^ 

fried von 15 m Seiten- | 1 1 

länge und 9 m inne- 
rer Lichtweite steht 
nur als Stumpf etwa 
10 — 1 1 m hoch, seiner 
einst so schönen, 
kräftigen Quader- 
verkleidung nach drei 
Seiten vollständig 
beraubt Der Ein- 
gang lag auf der Süd- 
seite etwa 6 m über 
dem Burghof. Seinen 
Grundabmessungen 
entsprechend mag 
der starke Turm 
3 — 4 Stockwerke 
und eine 


Der einst so mächtige 

T *£ t 10 



Abb. 54. Grundplan der Burg. 


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\ 


58 

Höhe von 20 2 \ in gehabt haben. Er beherrschte durch seine Stellung 
(in der nördlichen Ringmauer) undse'ne Stärke nicht nur die nächste Umgebung, 
sondern auch die sich nach verschiedenen Seiten hm öffnenden Taler 
mit den sie umrahmenden Höhenzügen. Seine Wirkung muss eindrucksvoll 
gewesen sein. Etwa 1 s m vom Bergfried entfernt zieht sich die Ringmauer 
von der Nordnchtung unter rechtem Winkel, die nordöstlich vorliegende Feld- 
zunge, Gassenberg genannt, freiiassend, östlich auf etwa S5 m Lange am Berg- 
hang hin und schliesst in spitzem Winkel abbieger.d auf der Südseite am Burg- 
tor wieder an. Der östliche i.nd südliche Teil der Ringmauer fehlt. Die Burg- 
kapelle, ein 
kleiner, 
ursprünglich 
romanischer 
Bau mit halb- 
runder Absis 
ist noch vor- 
handen. Ein 
schachtartiges 
Gemäuer rechts 
an der Auffahrt 
zum inneren 
Burghof lässt 
auf den Brunnen 
schliessen. 
Die Yorburg 
liegt gegen 
Westen und ist 

gegen Norden durch eine auf Felsen ruhende Ringmauer abgeschlossen. Inner- 
halb dieser Vorburg lagen verschiedene Gebäulichkeiten, worauf die 
Fundamentreste und die noch sichtbaren Balkenlöcher in der Ringmauer hin- 
weisen. Die nördliche Ringmauer zieht sich von der Hauptburg ab in einer 
Länge von etwa us m gegen das obere Tor am alten Weg nach Harthausen, wo 
einst ein Torturm stand. Von diesem Torturm und andererseits von der süd- 
lichsten Ecke des Burgberings der Hauptburg ziehen sich abgetreppte Flügel- 
mauern gegen die beiden llaupttore des Städtchens, das «Sigmaringertor* und 
das »Gassentor*, hinab, die einst mit Türmen befestigt waren. 

Das Städtchen selbst war durch die es im Halbkreis umtliessende Lauchert 
und eine davor liegende Mauer gesichert. 





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ACHBERG. 



Hohenzollem besitzt zwei ehemalige Deutsch-Ritter Ordens-Sitze : Achberg 
und Hohenfels. Diese beiden Burgen, welche dank dem Umstande, dass sie 
bis zu Anfang des 18. Jahrhunderts von dem geistlichen Ritterorden bewohnt 
wurden, noch gut erhalten sind, sodass man sie beziehen könnte, ragen unter 
den hohenzollerischen Burgsitzen durch ihre hohe landschaftliche Schönheit her- 
vor. Das ist ganz besonders bei Achberg der Fall. Durch seine Lage unweit 
der Alpen, nur n Kilometer vom Bodensee (Lindau) entfernt, wurde es der 
südlichste Punkt der preussischen Monarchie. Die Exklave Achberg, von Bayern 
und Württemberg eingeschlossen, ist ein Besitztum von 129t Hektar mit etwa 
670 Einwohnern, die in einem Gelände wohnen, das in seiner malerischen 
Abwechslung von fruchtbaren Feldern, rauschenden Wäldern, grünen Bergen 
und dem fischreichen Flüsschen, der Argen, einem grossen Parke gleicht. 
König Friedrich Wilhelm IV. war von Achberg so entzückt, dass er den Plan 
gefasst hatte, auf dem Königsbühl, den er 185b bestiegen, ein Sommerschloss 
zu errichten. Eine Linde bezeichnet die Stelle, wo der Monarch damals die 
herrliche Rundschau genoss. Der Schlossbau zerschlug sich jedoch. 


Ahh. ftü. Schloss Aihb*rg. 


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6o 



Das Schloss Achberg liegt auf einem Bergrücken, der nach einer Seite jäh 
bis zum Bett der Argen abfällt, die in einer Tiefe von 66 Meter am Fusse des 
Berges dem Bodensce zurauscht. 

Wo sich heute das 
Deutsch -Ri tter-Ordens- 
Schloss erhebt, stand 
schon früher eine Burg, 
die 1335 zuerst erwähnt, 
wird. Doch gehen wir 
keineswegs fehl, wenn 
wir eine Burg hier schon 
im 12. Jahrhundert an- 
nehmen. Im Jahre 1194 
wird nämlich zuerst ein 
Konrad von Achberg 
(Ahperg) erwähnt, der 
freiherrlichen 
Geschlechtes gewesen 
sein muss, da seine 
Tochter 1227 nobilis 
femina genannt wird. 
Ob dieses Geschlecht 
ausstarb, lässt sich nicht 
sagen, doch finden wir 
Achberg im 13. Jahr- 
hundert in Besitz der 
Grafen von Bregenz. 
Von diesen gelangte 
Achberg, wenigstens 
teilweise, an die Grafen 
von Montfort und von 
diesen kam der Besitz an 
die Waldburg. Im Jahre 
133, verkauft Johannes, 
Truchsess von Wald- 
burg, dem Schelklin 
von Molbrechtshausen 

(später Molpertshausen) und dessen Bruder Johannes die Burg Achberg mit 
aller Zubehör um 600 Pfund Pfennige. Von da an tritt Achberg immer als 
österreichisches Lehen auf. Im Jahre 1352 kam Achberg an die Öder von 
Achberg, 1392 an Salesia Schelklin, eine Öder und Ehefrau Albrechts von 
Königseck. Hans Dyonisius von Königseck verkaufte 1530 Achberg an Ulrich 
von Sürgenstein um 7000 Gulden. Friedrich von Sürgenstein verkaufte dann 
1691 ganz Achberg, wozu auch die Dörfer Esseratsweiler, Siberatsweiler und 
Doberatsweiler gehörten, um 64000 Gulden an den Deutsch-Ritter-Ordens- 
Komtur Franz Benedikt von Baden zu Altshausen. Hierdurch wurde Achberg 


Alib. 57. (ilockentürmchen mit äusserem Tor. 


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6i 


eine Kommende der Landkomturei Altshausen, Balley Eisass und Burgund. Als 



Abb. j>8. Der Prunksaal. 


Altshausen 1806 säkularisiert wurde, fiel Achberg an das fürstliche Haus Hohen- 

zollern ‘ pjL 

Sigmaringen / \j 7 \ / .} lOr^VI 

zur Ent- — 

Schädigung 
für dessen in 
den Nieder- 
landen ver- 
lorenen 
Besitzungen. 

Von da an 
bildete es bis 
zum Über- 
gang der 
hohenzolleri- 
schen Lande 
an Preussen 
ein Ober- 
vogteiamt. 


j!Dm- 

Abb. 59. Grundiiss vom 1. Obergeschoss. 



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6a 


Jetzt gehört es zum Oberamtsbezirk Sigmaringen; das Schloss ist fürstliches 
Eigentum. — 




Das jetzige 
Schloss, an 
Stelle der 
früheren 
1335 erstmals 
erwähnten 
Burg 
errichtet, 
enthält in den 
unteren 
Mauerteilen 
der Ostseite 
noch Reste 
der alten 
Burganlage. 

Alk I'II. (I rum] riss vom - Obergeschoss. Der Bau 

wurde von 
Franz Benedikt von 
Baden in den neunziger 
Jahren des siebzehnten 
Jahrhunderts begonnen 
und 1700 beendigt. Der 
einfache dreistöckige 
Bau mit hohem Giebel- 
dach liegt nahe der 
Argen auf einem nach 
3 Seiten steil abfallenden 
Bergrücken. Der Ein- 
gang führt von Osten 
her durch das äussere 
Tor an einem Rundturm 
(jetzt Glockenturm) vor- 
bei über einen kleinen 
Vorhof durch das mit 
Halbsäulen und Wap- 
pentafeln geschmückte 
Hauptportal (s. Abb. 6a) 
und die überbaute Auf- 
fahrt zur inneren Halle. 
An dieser Halle liegen 
gegen Westen die 
Schlossküche und 
sonstige Nebenräume, 
darunter der Schloss- 


Abi». til. Innere tfaalansicbt. 


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63 

keller und die einfache zweiarmige Schlosstreppe. In den oberen Stockwerken 
trennt die einzelnen Schlossräume ein von Ost nach West führender Mittelgang. 
Der Hauptsaal liegt im zweiten Obergeschoss und nimmt die ganze Breite des 
westlichen Flügels ein. Kr hat eine reichverzierte Stuckdecke. Auch die 
sonstigen Schlossräume zeigen Decken, teils mit bildlichen Darstellungen, in 
Stuck geschmückt. Im Mittelgang des zweiten Obergeschosses sind an der 
Decke Medaillons mit den 
Wappen verschiedener Deutsch- 
ordensherren angebracht. Im 
ersten Medaillon von Osten 
her ist das Wappen des Käufers 
der Herrschaft mit der Um- 
schrift: Fran. Bened. Freyherr 
v. Baaden. Röm. Kays. Mag. 

Rath. Land. Com. der. Bai. 

Eisass. und Burgund. Com. zu 
Altshausen. T. O. R. Käufer 
dieser Herrschaft und Auf- 
erbauer dieses Hauses. Anno 
1700. Im ersten Obergeschoss 
ist eine kleine Hauskapelle mit 
einem Ölbild : heiliger Johannes 
Evang. mit der Aufschrift: 

Phil. Alb. Zehender pinxit 1700. 

Über dem rundbogigen Haupt- 
portal ein von Wappentieren 
(Löwen) gehaltenes dreifaches 
Wappen. Im rechten unteren 
Schild das jX Kreuz des deut- 
schen Ritterordens. Im linken 
unteren gevierteten Schild in 1 
und 4 dasselbe Kreuz, in 1 und 
3 das Familien wappen des Franz 
Benedikt von Baden (vergl. 

Hohenfels : Zehntscheuer, 

Wappentafel), ein von Silber 
und Schwarz in vier Reihen 
geschachteter Schild. Im dritten 
(oberen) Schild das Wappen der Hochmeister des deutschen Ritterordens, 
schwarzes Kreuz in S., belegt mit einem s. in goldenen Lilien endenden Kreuze 
und dieses nochmals belegt mit einem Mittelschild, worin m G. ein schwarzer 
Adler (seit 148g so geführt). Unter den drei Wappen die Inschrift: F. B. V. 
B. D. R. K. M. R. L. D. B. E. V. B. C. Z. A. T. O. R. Käufer dieser Herr- 
schaft Achberg anno 1693. 

Über dem Wappenfeld in einer Muschelnische eine Madonna mit dem 
Jesuskind. 



Abb. 62. Hauptportal. 


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6 4 



Abb. 68. Innere Saalansicht. 


Rechts vom Toreingang im kleinen Vorhof liegt das Amtshaus, fiskalisches 
Eigentum, ohne architektonisches Interesse. Nahe heim Schlosse in östlicher 
Richtung befindet sich die fürstliche Domäne, der sog. Kameralhof, auch Bau- 
hof genannt. Am Wohnhaus und der Scheuer sind Wappentafeln mit dem 
Wappen des obenerwähnten Komthurs und der Jahreszahl 1693 angebracht 


BITTF.LSCHIESS 

siehe bei Hornstein. 


BUBENHOFEN. 

Das Geschlecht der Herren von Bubenhofen war ein ausserordentlich ver- 
zweigtes. Träger dieses Namens begegnen uns in vielen Gegenden Süddeutsch- 
lands. Ihre Stammburg stand bei Deisslingen im württembergischen Oberamte 
Rottweil. Im 14. und 15. Jahrhundert erwarben sie viele Besitzungen, auch im 
heutigen Hohenzollem, wie Gammertingen u. a. m. Über die Burg in Grossel- 
fingen ist sehr wenig bekannt, jedenfalls spielte sie keine besondere Rolle. — 


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J 


*5 


Am südwestlichen Ende des Ortes liegen auf einem nach drei Seiten steil 
abfallenden Felshügel wenige Reste der Burg. An deren Fuss befand sich 
einst ein grosser Weiher, dessen Staudämme noch sichtbar sind. Die Ring- 
mauer war auf die Hügelkante gesetzt und folgte dem Laufe des Felsens. Auf 
der äussersten westlichen Spitze stand ein kleines Tor, welches zum Weiher 
führte. Das Wohnhaus lag gegen Süden; am südlichen Ende des jetzigen Schaf- 
stalls sind Reste eines Rundturmes erkennbar. Der Haupteingang befand sich 
gegen Osten dem Orte zu. Dort wie auch auf der Nord- und Westseite fehlt 
die Ringmauer. Die massive Scheidewand zwischen Schafstall und Zehntscheuer 
ist als ein Teil der Ringmauer anzusehen. Demnach war die älteste Burganlage 
von kleiner Ausdehnung und vier oder fünfeckiger Grundform. Später hat die 
Burg gegen Nordosten, dem Hügelrand folgend, Erweiterung erfahren Dort 
liegt noch ein Gebäude mit grosser Kelleranlage. Etwa 600 m in nordwest- 
licher Richtung jenseits des Talbachs hegt die Quellstube für den ehemaligen 
Schlossbrunnen, an welchem das Wappen der Herren von Bubenhofen noch 
vorhanden ist. Die Quelle speist jetzt noch einige Brunnen des Pfarrdorfes. 
Oberhalb des Dorfes lag einst ein zweiter Weiher, von dem auch 
Dämme sichtbar sind. Dieser stand mit dem untern Weiher in Verbindung. 
Die Flurnamen der dortigen Wiesen heissen noch »Oberer Weiher« und »Unterer 
Weiher«. Nahe der Burg am Reichbrunnenbach lag die Mühle. 


seiten abgemndeten Flügel- 
Abb. 64 . Nördliche Ansicht des ehemaligen Jngdschlösschens. bauten. Am nördlichen 



BURLADINGEN. 



In dem Marktflecken 
Burladingen baute sich 
Bischof Friedrich von Augs- 
burg, ein Sohn des Wieder- 
erbauers der Burg Zollern 
Jos Niklas I. im Jahre 1485 
ein Jagdschlösschen, das 
1670 und 1736 erneuert 
wurde, 1886 teilweise ab- 
brannte. Das Schlösschen 
ist von quadratischer Grund- 
form mit vier weit vor- 
springenden, an den Stirn- 


/ 


5 


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66 



AM». Cbersiclitsplnn. 


Flügelbau, der Kirche zu, lag das Ein- 
fahrtstor in die untere Halle. Das Schlöss- 
chen stand einst inmitten eines geräumigen 
Gartens, der von einer teilweise noch 
vorhandenen Unifriedigungsrnauer ern- 
geschlossen war und auf der Südseite 
hart an das kleine Flüsschen Fehla stiess. 
In der nördlichen Umfriedigungsmauer 
soll ein Torturm mit Plattform, zugleich 
Glockenturm, gestanden sein, der in den 
sechziger Jahren des neunzehnten Jahr- 
hunderts abgebrochen wurde. Ziemlich 
erhalten ist noch der östliche und süd- 
liche Flügel des Schlösschens, sonst ist 
alles umgebaut (jetzt Brauerei). 


DETTENSEE. 

An der Nordgrenze HohenzoUcms liegt das Pfarrdorf Dettensec, das in 
den Rahmen unserer Besprechung gehört, wenn es auch trotz seines hohen 
Alters, keine mittelalterliche Burg besitzt und auch kein Ortsadel aus früherer 
Zeit nachgewiesen werden kann. Gleichwohl ist Dettensee uralt; denn schon 
$16 schenkt ein Perahtlant dem Kloster St Gallen alle seine Besitzungen in villa 
Tatinse nuncupata, in dem Dettensee genannten Weiler. Es ist ein echt mittel- 
alterlicher Akt, der hier vorgeht. Perahtlant macht die Schenkung durch die 
Hand eines Zwischenmannes (seines Vogtes) zum Heile seiner Seele, wogegen 
er sich im Kloster bis zu seinem Tode Nahrung und Wohnung (nutrimentum 
et aptum eonservandi locum) ausbedingt. Es ist also eine im modernen Sinne 
ausgedrückte Leibrente- Versicherung. Bei der Handlung, die zweifellos mit den 
damals gebräuchlichen sinnigen Symbolen vorgenommen wurde, waren anwesend: 
der Schenker, sein Vogt und eine Reihe von Zeugen, deren Namen recht 
charakteristisch sind; Anzo, Nandger, Otpert, Adaihart, Wolfger, Sigimar, Wolfho, 
Adalho, Witliert, Thiotpert, Namen, die alle eine Bedeutung haben. 


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(■7 


Das Kloster St. Gallen verkaufte Dettensee später an die Grafen von 
Nellenburg. Bei diesen blieb es bis zum Aussterben der Besitzer, worauf Graf 
Christoph von Hohenzollem-Haigerloch Dorf und Schloss Dettensee 1595 
erwarb. Schon im folgenden Jahre kam Dorf und Schloss unter Vorbehalt des 
Wiederkaufrechtes an Wildhans von Neuneck, und von diesem kauften es die 
Brüder Johann Christoph und Karl von Hohenzollem-Haigerloch 1620 zurück. 
Graf Karl hatte Dettensee seiner Gemahlin Rosamunde, Gräfin von Ortenburg, 
als Morgengabe verschrieben, von der es nach dem Tode des Grafen Karl an 
ihren dritten Ehegatten Freiherr Keller von Schlaitheim kam, indem Fürst Meinrad I. 
von Hohenzollem-Sigmaringen Dorf und Schloss dem Genannten um 25363 
Gulden abtrat. Dieser verkaufte beides an den Fürsten Franz Anton von 
Portia, doch wurde dieser Kauf nicht dauernd vollkommen; denn 1715 tritt 
Keller von Schlaitheim Dettensee um 31200 Gulden mit allem Zubehör an das 
Stift Muri ab, von dem es 1803 wieder an das Haus Hohenzollem-Sigmaringen 
fiel (s. Glatt). Jetzt gehört Dettensee zum preussischen .Oberamt Haigerloch. 

Von dem früheren Schlosse, das Dompropst Graf Christoph Ladislaus 
(-}• 1591) erbaute, wurde der Hauptbau zu Anfang des 19. Jahrhunderts abge- 
brochen. — 

Es war eine mit hoher Mauer umfriedigte Schlossanlage in rechteckiger 
Grundform von etwa 60 m Länge und 50 m Breite und lag am nordöstlichen 
Ende des Pfarrdorfes. An den vier Ecken befanden sich Rundtürme, von 
denen der südöstliche noch erhalten ist Der Hauptzugang zum Schlosshof lag 
auf der Nordostecke nahe dem Rundturm. Das rundbogige Einfahrtstor ist 
noch vorhanden. Innerhalb des Schlosshofes lagen ausser dem eigentlichen 



Schloss, das Beamtenhaus (Vogthaus) und 
die Zehntscheuer. Das ehemalige Schloss, 
das gegen Osten hart an die Ringmauer 
stiess, war ein Bau von etwa 25 m Länge 
und 20 m Breite. Der Eingang lag auf der 
Nordseite, in der nordöstlichen Ecke befand 
sich ein Treppenturm. Die Schlosskeller 
sind noch vorhanden. Das noch bestehende 
Beamtenhaus ist an die südliche Ringmauer 
migelehnt; es zeigt steinerne, geschweifte 
Giebel und mag in der zweiten Hälfte des 
siebenzehnten Jahrhunderts entstanden sein. 
Neben dem Beamtenhaus liegt ein zweites 
Tor, das über eine Brücke und den Graben 
zum Schlossgarten führte. Die grosse Zehnt- 


Abb. 66. Schloss Dettensee (Grundriss), scheuer liegt auf der Westseite. Das Schloss 

war von einem Graben umgeben und ist 


als ein Wasserschloss anzusehen, zu dessen Umwässerung wohl die in der 


Nähe liegenden Weiher dienten. 




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63 


DIESSEN'. 

F.s gibt kaum einen Ort in Hohenzollem, der einen so ausgesprochenen 
Schwarzwald-Charakter besitzt, wie Diessen: enges Tal, dunkle Tannenwaldung 
und lustig rauschender, von Stein zu Stein springender Bach. Das Tal führt 
den bezeichnenden Namen : Fischbachtal. Diessen ist ein alter Ort und wird 
schon 1082 genannt. Sein Name hat im Laufe der Zeiten wenig Änderungen 
erfahren. Es heisst 1082 Tiezzo, 1370 Dyssen und dann stets Diesen und Diessen. 
Es leitet seine Bezeichnung von dem althochdeutschen diuzan = rauschen ab, mit- 
hin eine Stelle, wo Wasser besonders stark rauscht, was hier zutrifft 

Diessen hat schon in früher Zeit Ortsadel besessen, der aber nicht lange 
in Besitz der Burg und der zugehörigen Güter blieb; denn wir treffen zu An- 
fang des 14. Jahrhunderts mehrere adelige Besitzer zu Diessen. Neben den 
ursprünglichen Herren von Diessen — 1334 wird noch Ulrich der Diesser 
genannt und 1338 Wolf der Diesser — befinden sich auch die Herren von Ow 
und die Mülwer von Steinhülwen (Schenkenzell), zu denen bald noch die von 
Neuneck als Besitzer kamen. 

Unserem Diessen ging sogar noch 
ein Altdiessen voraus. Spärliche Reste 
einer Burg liegen in der Nähe vom 
Fischbachtal im Engental, früher Ingen- 
stall genannt. Es ist ja eine häufige 
Erscheinung, dass sich im Mittelalter 
verschiedene Herren in den Besitz ein 
und derselben, nicht einmal grossen 
Burg teilen. Das ist bei Diessen auch 
der Fall, was sich daraus erklärt, dass 
jedes Besitztum, mochte es noch so 
klein sein, eigen oder Pfandschaft, fort- 
während als Pfand versetzt wurde, um 
Geld zu machen, Schulden zu decken, 
oder als Bürgschaft zu dienen. So 
finden wir 1372 llug von Talheim, 
Albrecht von Ow und Dietrich den 
Hülwer als Besitzer von Diessen, und 
dabei war die Burg Lehen der Herren 
von Geroldseck, die im Neckartal ihren 
Wohnsitz hatten. Am 23. Juni verkauft 
Hermann von Ow seinen Anteil an 
der Burg Diessen, »wie er mit Graben 
und Mauern versehen ist«, dem Geryen 
(Jörg) von Neuneck. 

Bald darauf eroberte Graf Eberhard von Württemberg die Burg, musste 
sich aber I3 *k> wegen des angerichteten Schadens mit Hans von Ow (der also 



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auch noch dort sass) vergleichen und desgleichen 1401 mit Markgraf Bernhard 
von Baden, der in die Hechle der Geroldsecker eingetreten war, allerdings nur 
vorübergehend. Die Sache lag so: Georg von Neuneck zu Diessen war 
oberster Hauptmann des Schleglerbundes. Deshalb nahmen die Württemberger 
u. a. auch Diessen ein. Da aber Hans von Ow und Dietrich Htihver Mit- 
besitzer von Diessen waren, beanspruchte von Ow Schadenersatz, und Baden 
ebenfalls. 

Im Jahre 1464 leiht Jörg von Geroldseck dem Hans von Neuncck ein und 
ein halbes Drittel der Burg und des Burgrechtes, wahrlich ein recht verzwicktes 
Besitzverhältnis. Achtzehn Jahre spater verkaufen die Brüder Eberhard und 
Hans von Ow dem Ritter von Neuneck ihren ererbten Teil an dem Burgstall 
Diessen, als Lehen von Geroldseck. Aber in demselben Jahre wird es auch 
wieder Schloss genannt. 

Nicht nur der Württemberger Graf Eberhard belästigte Diessen, auch die 
Uberlinger zogen am 31. Oktober 1438 mit 200 Mann und 30 Pferden gegen 
Diessen, von wo sie Jorg von Neuneck vertrieb. Bittere Feindschaft, die an 
der Tagesordnung war zwischen Reichsstädten und Adel, machen einen solchen, 
für jene Zeit weiten Zug, der durch eine Reihe anderer Gebiete führte, 
begreiflich. Cnd als 1514 die Bewegung des Armen Konrad ganz Schwaben 
ergriff, da zogen aufrührerische Bauern auch gegen Diessen, das 1401 wieder 
durch Bauten ausgebessert worden. Abermals litt Diessen 1323 durch die Bauern 
im Bauernkriege, die es eroberten und schädigten. 

Im Jahre 1400 
liehen die von Gerolds- 
eck Diessen dem Burk- 
hard von Ehingen und 
1 550 an die von Wer- 
nau, von denen es erb- 
weise an die Schenk 
von Stauffenburg fiel, 
die dann 170S Diessen 
mit allem Zubehör an 
das Kloster Muri 
verkauften is. Glatt). 

Diessen bildete nun 
einen Bestandteil der Klosterherrschaft Muri bis 1803, wo dieselbe an Jas 
Haus Hohenzollem-Sigmaringen fiel. Heute gehört Diessen zum preussischen 
Oberamt Haigerloch. 

Der Burgweg führt von Osten her nach kurzem Anstieg am Ringgraben 
vorbei längs der hohen östlichen Ringmauer (s. unten) zum Burgtor. Das Tor 
zeigt Spitzbogen, doppelten Torverschluss und Torhäuschen, das Ganze einst Tor- 
tum. In der Toreinfahrt ist eine Seitenpforte mit der Jahreszahl 1364. Durch 
das Tor tritt man in den kleinen Burghof, der nördlich von einem Wirtschafts- 
gebäude, darunter Schlosskeller, südlich von einer aus TulTsteinquadem herge- 
stellten Stützmauer begrenzt wird. Am westlichen Eingang des Wirtschaftsgebäudes 



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70 


befindet sich die Jahreszahl 176S. Vom westlichen Ende des Hofes führt der 
Aufgang zum Wohnhaus. Das Eingangstor liegt auf der Ostseite, es ist ein Bogentor, 
jetzt zur Hälfte verschüttet; die alte Verschlussvorrichtung, sowie eine Schiess- 

schartenöffnung ist noch sichtbar. Über 
dem Tor ist in rechteckiger Umrahmung 
das ehingensche Wappen von einem heiL 
Christophorus gehalten ; dabei die Inschnft 
Junker Hans von Ehingen 1555; am 
Wappen ein Steinmetzzeichen. Der Palas 
ist grösstenteils zerstört, die nördliche 
Aussenwand fehlt ganz, von der südlichen 
Langseite stehen noch Reste; die östliche 
Giebelseite ist noch mit einem Teil des 
Giebeldrciecks, die westliche Seite auf 
etwa 5 m Höhe erhalten. Die westliche 
Mauer ist starker (3 m) als die übrigen 
Einfassungsmauern (1,70 m) und diente 
zugleich als Mantelmauer zum starkem 
Schutz gegen die Bergseite. Dieser Mantel- 
mauer ist gegen Westen und Süden ein 
Graben vorgelegt, nach den übrigen 
Seiten fällt der Hang steil ab. Die 
Mantelmauer ist dem ursprünglichen Bau zuzuschreiben. 

Auf der Süd- und Ostseite sind noch Reste von grossen zwei- und drei- 
teiligen Fenstern aus roten Buntsandsteinen mit profilierten Gewänden ersichtlich. 
Auch sind mehrfach Steinmetzzeichen an diesen erkenntlich. Die Umfassungs- 
mauern sind im Kern aus Muschelkalksteinen hergestellt mit grossen Verkleidungs- 
quadem aus Tuffsteinen und Eckquadem aus roten Buntsandsteinen; Bausteine, 
die sich jetzt noch in dortiger Gegend vorfinden. Auf der Ostseite ist dem 
Hauptbau ein kleiner Vorhof vorgelegt, an dessen Nordostecke ein kleiner 
Rundturm anschloss. Diesem Hof liegt weiter östlich etwa 5 m tiefer ein 
grösserer Zwinger vor, der mit einem Wehrgang mit Schiessscharten abge- 
schlossen ist Der Zwinger wird durch steinerne weit vorspringende Wasser- 
speier entwässert. Zwischen dem Torhaus und dem kleinen Rundturm war 
der Zwinger durch eine Mauer abgeschlossen. Der Ansatz der Mauer ist am 
Rundturm noch ersichtlich. Die äussere Ringmauer ist aus mächtigen, schön 
gefügten TufTsteinquadem hergestellt und führt in einer Höhe von 7 — 8 m vom 
Burgweg beziehungsweise dem südlich vorgelegten Graben gerechnet, spitz 
zulaufend auf die südwestliche Ecke des Palas zu. Die jetzige Ruine ist der 
Rest jener zum späteren Schloss erweiterten ehemaligen Burg. Die Nebengebäude 
sind noch bewohnt. 

Auf einem Bergrücken, etwa 1 Kilometer unterhalb der Hauptburg, lag ein 
Burgstall, jetzt gänzlich zerstört. 



Abb. 61). GrUDdplan der Burgunlage. 




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7 « 


DIETFURT. 



Beinahe genau in der Mitte zwischen Sigmaringen und Falkenstein liegt 
malerisch auf hohem Felsen die ehemalige Burg Dietfurt, jetzt Ruine. Sein 
Name : Volksfurt — diet das Volk (ahdsch. diota, Nation, Volk) — lässt schon 
an und für sich auf ein hohes Alter schliessen. Die Furt ist heute noch deutlich 
erkennbar. Unter den Schenkungen, die Gerold, der am i. September 799 
gefallene Schwager Karls des Grossen, dem Kloster Reichenau machte, wird 
auch ein Dietfurt genannt. Wenn auch nicht zweifellos feststeht, dass es unser 
Dietfurt ist, was dort aufgeführt wird, so spricht andererseits aber auch nichts 
dagegen. Anlässlich des Eisenbahnbaues durch das Donautal wurden nahe bei 
Dietfurt wertvolle Funde gemacht, die weit vor das achte Jahrhundert zurück- 
reichen und der Ausrüstung eines Edelings aus der Zeit kurz nach der Völker- 
wanderung angehörten (jetzt im Museum für Völkerkunde, Berlin). 

Wir finden 
sodann vor 
>095 drei 
Brüder 
Heinrich, 

Heberhardus 
(■Eberhard) 
und 

Herimannus 
(Hermann) 
von Dietfurt 
als Zeugen 
bei der 
Gründung 
des Klosters 
Alpirsbach, 
und da die 
Brüder 
unmittelbar 
nach den 
Grafen auf- 
geführt 
werden, ist 
zu schliessen, 
dass es 
angesehene 

Männer Abb. 70. Burg Dietfurt mit der ehemaligen Mü’.ile. 

waren. Als 

1125 eine neue Urkunde über Alpirsbach ausgestellt wurde, da sind auch die 
Brüder von Dietfurt wieder als Zeugen anwesend. Es ist nicht zutreffend, dass 


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73 


Dietrich von Nusplingen Dictfurt gegründet und seine Frau Adelheit sich von 
Dictfurt-Nusplingen genannt hat. Auch fiel Dietfurt nach dem Aussterben der 
Edeln von Dietfurt nicht an die Brüder der Adelheit, Gattin des Grafen Alwik 
von Sulz; denn diese Adelheit von Nusplingen war die Erbtochter des Heinrich 
von Nusplingen, hatte keine Brüder und ging in das Kloster Zwiefalten. Im 
Jahre 1274 wird zum ersten Male Dietfurt casfrum genannt. Selbstredend ist 
aber die Burg viel alter : denn die 101)3 aufgeführten Bruder besassen zweifellos 
daselbst schon eine Burg, und sodann weist der noch vorhandene stattliche 
Bergfried auf eine frühere Zeit als »274. Was uns interessiert, ist, dass Dietfurt 
damals Reichslehen war. Die ortsansässigen Kdeln von Dietfurt waren schon 
n 32 ausgestorben. ln jenem Jahre nun verzichtet Berthold, Truchsess von 

Waldburg, in Gegenwart König Rudolfs auf das vom Reiche zu Lehen getragene 
Schloss Dietfurt mit Zubehörden zu Gunsten des Grafen Mangold von Nellen- 
burg, erhalt es aber von diesem wieder zurück als Afterlehen. Als nellen- 
btirgisches Lehen erhielten dann spater die allenthalben begüterten Reischach 
Dietfurt. Wir wollen aber erwähnen, dass Dietfurt schon 1253 in Besitz des 
Truchsess Berthold von Rohrdorf ( Waldburg) war, der auf Dietfurt seinen Silz 
hatte, und es in einer Urkunde von 12s 3 Ditwrt nennt, während Hugo 
von Montfort in einer Urkunde von 1257 deutlich Dietfurt schreibt. Es scheint 
demgemäss, dass Dietfurt erst Reichslehen der Grafen von Montfort war und 
dann an die Grafen von Nellenburg kam. 

Im Jahre 1421 verkaufen die Brüder Egg und 
Heinrich von Reischach Dietfurt als nellenburgisches 
Lehen an Anna, Gräfin von Werdenberg, worauf 
Graf Eberhard von Nellenburg am 24. Juni 1421 
der Käuferin, die seine Muhme ist, die Veste Diet- 
furt eignet. Trotzdem hielten die Reischach noch 
lange den Titel von Dietfurt bei, wiewohl sie eine 
Berechtigung hierzu nicht mehr besassen. Diese 
Anna von Werdenberg war eine Tochter des Frei- 
herm Johann von Zimmern (•71416) und hatte Eber- 
hard 11 . von Werdenberg geheiratet Bösen Leu- 
mund giebt ihr die zimmerische Chronik und nennt 
sie die zimmerische Tullia. Bezüglich Dietfurt er- 
zählt sie Folgendes: Als ihre Mutter, Frau des Frei- 
herm Johann von Zimmern, gestorben sei, habe sie 
sich unter einem Vorwand vom Begräbnis ferngehalten, dann aber, während 
ihr Vater ahnungslos die Leiche von Schloss Seedorf nach Messkirch überfühlte, 
rasch allen Hausrat, der vorhanden gewesen, Betten, Silbergeschirr und was 
nur an fahrender Habe vorhanden war, aus Seedorf geplündert und nach Diet- 
furt gebracht. Am 1. März 1445 se ' sic zu Dietfurt gestorben und zu Inzigkofen, 
einem Kloster unterhalb Dietfurt, begraben worden. — Dass zu Dietfurt, welches 
viel umfangreicher war, als cs auf den ersten Blick vermuten lässt, lange Zeit 
Haushaltung gewesen ist, das beweisen die zahlreichen Küchenabfalle und 
Scherben, die unten am Felsen bei der Mühle bis in die Neuzeit gefunden 
wurden. 



Al>b. 71. Umschrift: K. 
Peinig ( 1’elngui.si von Kischag 

ir.no. 


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j 


73 


Dietfurt bildete in der alten Grenzbeschreibung der Grafschaft Sigmaringen 
eine Marke. So heisst es 1400: »von Buttelbronnen (bei Kreenheinstetteni gen 
Dietfurt in das m 11 Ir ad» etc. Wir sehen daraus, dass vor 14(10 schon die Mühle 
unten am Burgfelsen lag. Auf unserer Abbildung ist die alte Mühle noch 
sichtbar; die jetzige ist neu erbaut. Im Jahre 1468, Juni 6, schliesst eine 
grosse Anzahl vom Hochadel ein Schutz- und Trutzbündnis gegen die Rauf- 
und Fehdelust so mancher Edclleute. Unter den festen Plätzen, die genannt 
werden, ist auch Dietfurt, damals, wie wir schon sahen, werdenbergisch. 
Nach Aussterben der Grafen von Werdenberg 1534 (s. Sigmaringen) fiel Diet- 
furt an das fürstenbergische Haus, bei dem es blieb und mit dem Vogteiamte 
Jungnau, zu dem es geschlagen wurde, dessen Schicksale teilte. Im Jahre 1806 
kam es unter die Souveränität der Fürsten von Hohenzollem-Sigmaringen ; dagegen 

sind die Bürger zu Dietfurt F.igentümer der Ruine. 

Die Ruine liegt hart am rechten Ufer der Donau auf massigem 
schroffem Felsklotz, der nur gegen Süden flach abfällt. Von Süden her zieht sich 
der alte Burgsteig über einen jetzt aufgefüllten Graben und eine Felszunge gegen 
das Burgtor hin, welches an der jetzigen Durchbruchstelle der südlichen Ring- 
mauer zu suchen ist. Diese Ringmauer ist noch in Resten vorhanden, sie zeigt 
vielfach Gerüstlöcher und hatte eine Stärke von 1,8 m. Innerhalb der Ring- 
mauer in einem Abstand von 4 m von dieser ist noch ein Mauerstück aus 
schön gefügten Quadern sichtbar, das als ein Rest der Umfassungswand des 
Palas anzusehen ist. Weiter gegen Nordosten lag der Küchenbau. Zwischen 
Palas und westlicher Ringmauer führt der Burgsteig steil ansteigend zu dem 
auf der höchsten Stelle liegenden Bergfried. 



Der Turm mit mächtigen 
weit ausladenden Bossen- 
quadem an den Ecken ist 8,27 m 
breit und 8,60 m lang bei einer 
Mauerstärke von 3 m. Die 
Bekrönung des .Turmes, der 
jetzt noch eine Höhe von 1 1,32 m 
— am höheren Teil, gegen Nor- 
den, von 15,48 m — hat, fehlt. Die 
alte Eingangspforte liegt gegen 
Osten 5 — 6 m über dem Boden. 

Der jetzige Durchbruch zu 
ebener Erde rührt aus neuester 
Zeit her, auch ist der Boden 
am Fusse des Turmes später 
aufgefüllt worden. Die Ein- 
gangspforte ist halbkreisförmig, 

0,73 m, weit 1,9 m hoch, innen 
und aussen aus schön gefügten Abb. Ti 
Sandsteinquadem hergestellt. 

Die DurchgangsöfTnung zwischen 
einem flachen auch aus Sandsteinquac 


Gnmdpl&n der Burg mit der ehemaligen Muhle. 

der äusseren und inneren Türe ist mit 
em hergestellten Tonnengewölbe über- 


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74 




deckt, während der Turm im übrigen aus Kalksteinquadem aufgeführt ist. Die 

Pforte hatte zweifachen Verschluss. Die alte 
Verschlussvorrichtung d. h. die Öffnungen für 
die Verschlussriegel sind beiderseits deutlich 
sichtbar, auch finden sich noch weitere Öff- 
nungen, in denen nach dem hinterlassenen 
Abdruck im Mörtel zu schlicssen, Holzstücke 
(Dübel i, eingesetzt waren, an welchen wohl 
die Türen beweglich befestigt wurden. Der 
doppelte Verschluss diente einerseits zur 
Sicherung gegen Aussen, andererseits gegen 
Innen auch zum Verschluss des Burgverliesses, 
das unter dem Kingangsstockwerk lag. Das 
Verlicss hatte kein direktes Licht, war etwa 
(> m hoch und eben abgedeckt. Von 4 er ehe- 
maligen Balkenlage ist noch ein mächtiger 
eichener Balken vorhanden. Das Eingangsstockwerk ist mit einem Tonnen- 
gewölbe aus schönen, gefügten Quadern überdeckt, 3,34 m im Licht weit, und 
gegen Norden und Westen durch schmale Fensterschlitze beleuchtet. Der west- 
liche diente zugleich zur Beleuchtung des 
Treppenaufgangs, welcher im oberen Teil 
der Aussenwand eingebaut ist. Dieser 
Aufgang führte zur ehemaligen Plattform 
über dem Gewölbe, die ein Zinnenkranz 
abschloss, von dem noch zwei grosse 
Eckquader vorhanden sind. 

Die alte Furt führte etwa 100 bis 
120 m unterhalb des jetzigen Brücken- 
übergangs ziemlich rechtwinkelig über 
den Fluss. Am linken Ufer sind die 
Böschungseinschnitte noch deutlich er- 
kennbar. 

Am nördlichen Fusse des Burgfelsens, 
nächst der Baustelle der alten abge- 
brochenen Mühle, liegt noch ein 
Keller mit Rundbogeneingang; der Keller 
stand einst durch einen Fusssteig mit dem 
nordöstlichen Burgteil in Verbindung. 
Auf der Nordost- und Nordwestseite fehlt 
die Ringmauer, nur spärliche Mauerreste 
zeigen, dass eine solche vorhanden gewesen 
sein muss. Auch auf der nördlichsten 
Felsspitze sind Mauerreste eines Turmes 
Abb. 74 . Schnitt durch den Bergfried. erkennbar. Der Burghof fällt stark von 

Süd nach Nord ab. Unter den Mauerresten 
gegen Süden, wo das Wohnhaus lag, zeigt sich noch ein Kellergewölbe, auch 


f 


Abb. 73. Grundriss des Bergfrieds 
in der Höhe des Ein gnngsstock werks. 


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75 


eine tiefe Felsspalte, welche in westlicher Richtung streicht. Die jetzt teilweise 
verschüttete Spalte mag einst eine Ausmündung ins Freie an der Felswand 
gegen Westen gehabt haben. Die Ausmündung ist aussen türartig abgeschlossen 
und diente vielleicht als Notausgang. Auf der Südseite hart am Fusse des 
Felsens liegt auf einem aufgefullten ehemaligen Graben ein Bauernhof. 



VILLA EUGENIA 



Abb. 75. Villa Eugenia. 

Das auf dem Wege von der Stadt llechingen zum Brühlhof in grossem, 
schönem Garten liegende Schlösschen Villa Eugenia besteht in seiner heutigen 
Form erst seit 1833/34. Der Mittelbau war zwar damals schon vorhanden als 
Garten-Pavillon, führte aber nicht den Namen Villa Eugenia, den er erst nach 
seinem Ausbau durch die Erbprinzessin Eugenie von Hohenzollem-Hechingen 
erhielt Mit dem Jahre 1834 verlegte das erbprinzliche Paar, Friedrich Wilhelm 
Konstantin und Eugenie, seine Residenz vom Lindich in die Villa. Liszt wohnte 
1844 über einen Monat als Gast des Fürsten dort, beziehungsweise in einem 
Nebengebäude. Anlässlich der Huldigungsfeier 1851 stieg Friedrich Wilhelm IV. 
in der Villa Eugenia ab. Im Jahre 1873 wohnte die ganze fürstlich-hohen- 
zollerische Familie auf der Villa (s. Lindich), wie auch in der Folgezeit der Fürst 
und die Fürstin von Hohenzollem oftmals in der Villa auf kürzere und längere 
Zeit Wohnung nahmen. 


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76 


Der mittlere Teil mit dem ovalen Kuppelbau stammt aus den siebenziger 
Jahren des achtzehnten Jahrhunderts und wurde unter Fürst Josef Wilhelm von 
Hohenzollern-Hechingen (1750 — 1798) erbaut; im Jahre 1833 unter dem damaligen 
Erbprinzen Friedrich Wilhelm Constantin in seiner jetzigen Gestalt, nicht zum 
Vorteil, umgebaut und erweitert. Der ovale Mittelbau, durch a Stockwerke 
gehend, wird durch Flügeltüren und quadratische Fenster beleuchtet. Er zeigt 



n«j„v.k uw« 

; ;i 1 n f ? 1 k'u’- u f r r r t - W 

Alib 7G. Qrnndplan zu ebener Erde. 


nach aussen einfache jonische Pilasterarchitektur, innen ebene Decke mit Mittel- 
feld, Fries und Felderteilung mit Stuckornamenten. Über dem Mittelbau liegt 
ein Kuppeldach mit Plattform, die Seitenflügel sind mit schweren, grossen Giebeln 
abgeschlossen. 



FALKENSTEIN. 

Herrlich ist es, durch das obere Donautal am murmelnden Flusse entlang 
zu wandern, ungemein lohnend der Aufstieg zu den schwindelerregenden 
Höhen, wo die Sonne den Pfad und die Felskämme schon golden erglänzen 
lässt, während unten noch dichter, weisser Nebel lagert und an den steil auf- 
steigenden Bergen ein lustiger, wilder Kampf wogt zwischen den vordrängenden 
Lichtstrahlen und den eigensinnigen Nebelgestalten, d'e nicht wollen, dass der 
blaue Himmel sich widerstrahle im krystallhellen Flusse. Für Jäger und Fischer 
war hier immer guter Jagdgrund, und prächtig, wenn auch beschwerlich, ist 
es zur Winterzeit in den wild zerklüfteten Felsen zu jagen, wenn der Fuss tief 
in den Schnee einsinkt, jeder Schuss das donnernde Echo der Berge erdröhnen 


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77 


lässt und von der Hochebene das Auge schwelgt im Anblick der gewaltigen 
Alpenkette, von den ernsten Herren des Berner Oberlandes bis zu den dichter 
und enger gestellten Firnen Tirols und Oberbayems. Aber unwiitlich ist es 
für den Landmann. Dem erwächst dort unten im 1 ale wenig Gewinn ; er 
muss in mühsamer Arbeit seine Felder auf den Abhängen und den Höhen 
aufsuchen und bestellen. 


Oberhalb des ehemaligen fürsten- 
bergischen Hüttenwerkes Tiergarten, das 
jetzt still und verlassen daliegt, erheben 
sich auf der Höhe des bewaldeten 
Gebirgszuges des linken Donauufers die 
Ruinen von Falkenstein, heute ein 
beliebter Ausflugspunkt der Sigmaringer 
und d.er frischen Wanderer des schwäbi- 
schen Albvercins, der durch die Wälder 
und die Berge des Donautales in sehr 
verdienstlicher Weise zahlreiche Wege 
und Wegweiser geschaffen hat. 

Die zimmerische Chronik hat vor 
dem hohen Alter unseres Falkenstein 
grosse Achtung; denn ihr zufolge steht 
es fest, dass Falkenstein eines der uralten 
Schlösser an der Tonaw (Donau) sei und 
schon beim Einfall der Hunnen erbaut 
worden. Wer aber Erbauer und Inhaber 
des Falkensteins und der Falkenburg 
darunter gewesen, das wisse Niemand 
mehr. 



Abb. 77. Die untere Burg Kalkenstein 
(Falkenburg). 


Im Jahre 1255 begegnen wir zuerst einem Gero von Falkenstein als Zeuge 
bei einer Schenkung des Grafen Friedrich von Zollern an das Kloster Salem 
und 1237 einem Heinrich von Valkenstein, der, aus den Namen der anderen 
Zeugen zu schliessen, von dieser Burg stammte. Ob er derselbe ist, der 1279 
nobilis von Falkenstein genannt wird, kann leicht sein. Dass er ein Ministeriale 
der Grafen von Hohenberg war, wie behauptet wird, - 

ist gar nicht erwiesen. Sechs Jahre später hören wir, 
dass Ritter Konrad von Falkenstein, der den wenig 
ritterlichen Namen Hasenbein führte, Güter an das 
Kloster Wald verkaufte. 

Die Aigelwart von Falkenstein, welche im ersten 
Viertel des 14. Jahrhunderts auftraten, sind nicht den 
Donau-Falkensteinem zuzuweisen. Die gehören nach 
Falkenstein bei Schramberg. 

Schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts sind die Abb . 7a SieKel des t;rafen 
Grafen von Lupfen Besitzer der beiden Burgbn, zu Hans von Lupfen. 14H8. 
denen auch der Ort oder Hof Umnaw bei Falkenstein, Umschrift : graf. bans. vo. 
jetzt ganz verschwunden, gehörte. Sie übergeben lnupfen. laut. grof. I 45 !i. 



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7 » 




Falkenstein den Herren von Magenbuch als Lehen. Albrecht von Magenbuch 
wird n<>2 genötigt, die Veste Wemhem von Zimmern auf fünf Jahre in Dienst 
zu stellen und sich selbst mit drei Mannen, wofür er die Kost erhalten solle. 
Um 1390 giebt Albert von Magenbuch Falkenstein als lupfen ’sches Lehen an 
Hans von Bubenhofen. Die Bubenhofen blieben über hundert Jahre in Besitz, 
und 1472 belehnt der Graf Sigmund von Lupfen den Hans von Bubenhofen 
mit »Valkenstein die Feste an der Thunaw, die obere Burg und das Burgstall 
daselbst, genannt die untere Burg, Vmnow den Hof und eine Fischenz an der 
Thunaw«. Hieraus geht also klar hervor, dass beide Burgen zusammen die 
eine Veste Falkenstein bildeten. Der Burgstall oder die niedere Burg führte 
auch den besonderen Namen Falkenburg und war nichts anderes als ursprünglich 
die Vorburg, eine Verstärkung der Hauptburg. Sie wurde auch, wie z. B. 1567 
von Anna von Falkenstein, die Frau Konrads, Vogt von Hattingen, besonders 
verliehen und war 1 367 Lehen von den Grafen von Lupfen. Aber auch 
diese hatten mit den Grafen von Zimmern viele Spän, bis dann die Zimmern 

Falkenstein für sich erwarben. Im Jahre 1555 wäre 
Falkcnstein beinahe in zollerischen Besitz gekommen. 
Es wollte nämlich Graf Jos Niklas II. von Zollem 
Falkcnstein kaufen, um eine Unterkunft zu haben, 
wenn er im hohenbergischen Forst jagte. Man kam 
zu dem Zwecke auf der Burg zusammen ; der Handel 
zerschlug sich aber, weil Jos Niklas die Summe von 
4000 Gulden, nur für die Burg allein, zu hoch 
dünkte. 

Gute Dienste tat Falkenstem — wie auch 
Wildenstein — im schmalkaldischen Kriege 1546, 
indem viele weltliche und geistliche höhere Leute 
Kostbarkeiten dorthin flüchteten. 

Dass Falkcnstein im Bauernkrieg oder vom 
Herzog Ulrich von Württemberg zerstört worden 
sei, ist nicht richtig; denn die zimmerische Chronik erzählt, dass Gottfried 
Wemher von Zimmern Falkenstein ausgebaut habe 1525 *uf die form ungefarlich, 
wie es noch heutigs Tags vor äugen«, und das war 1 369. Man benutzte 
Falkenstein immer weniger, liess es mehr und mehr verfallen, und so wurde 
es zu der malerischen Ruine, wie sie heute der Freund vom Romantischen, 

zumal in so prächtiger Wald- und Gebirgsnatur gerne aufsucht. 

Die obere und untere Burg sind beide Ruinen. Die untere Burg, auf einem 
steil über dem Tal stehenden Felsen gelegen, ist ein kleiner turmartiger Bau aus 
Buckelquadem, gegen die Bergseite durch zwei künstliche, tief eingeschnittene 
Felsgräben (Halsgräben), geschützt, jetzt unzugänglich. Der Eingang lag auf der 
Nordostseite (Bergseite) und w-ar nur durch eine Leiter oder Fallbrücke 
möglich. Die äusseren Umfassungswände sind der Felsform angepasst. Fels- 
spalten sind durch eingelegte Holzschwellen überdeckt. Die Grundform ist ein 
unregelmässiges Fünfeck oder Sechseck. Die Umfassungswand gegen die Berg- 
. Seite ist scheinbar stärker als die übrigen; einige Fensteröffnungen sind noch 
sichtbar. Die Wasserversorgung dieser Vorburg ist unaufgeklärt ; vielleicht war 



Abb. 79. .Siegel des Gottfried 
von Zimmern. 1489. Umschrift : 
S : gotfrid. vo. Zimmern. 


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79 


eine Zisterne im Innern vorhanden, die das Dachwasser aufgenommen hat, oder 
von der nahegelegenen oberen Burg, wo ein Brunnen nachgewiesen ist, 
mit Wasser versorgt wurde. 

Etwa 20 bis 
25 m höher 
und 100 in in 
nordöstlicher 
Richtung ent- 
fernt liegt die 
obere Burg 
(Hauptburg) 
auf einem 
etwa 6 m 
hohen künst- 
lich freige- 
stellten Fel- 
sen von lüng- 
lich recht- 
eckiger 
Grundform, 
auf der Ost- 
seite stark abgerundet. Auf der nördlichen Langseite ein etwa 6,30 m 
über die Umfassungsmauer vorspringender halbrunder, turmartiger Ausbau 
mit Schiessscharten aus starken Buckelquadem, aussen mit einfachem Sockel- 
gesims, innen mit Mauerabsatz, im unteren Stock 1,30 m stark. Auf der südlichen 
Langseite gegen Osten liegt ein Turm, 5,80 m lang, 5,20 m breit, im untern Stock 
1,10 m stark, vom Zwinger ab hohl aufgeführt, der vielleicht die Kapelle ent- 
hielt Die zimmerische Chronik erzählt nämlich : »Als Herr Gottfried Wemher 
diesen Kauf (Schloss Falkenstein an der Tonow) gethon, hat er das Schloss 
Falkenstein auch anfahen zu pawen, uf die form ungefarlich, wie es noch 
heutigs tags vor äugen, und hat das eingehagt bis uf das jhar 1523.« Weiter 
heisst es dort : »Wer nun die ersten erbawer und inhaber des schloss Falken- 

stains und des schlosses darunder, genannt die Falkenburg, so iezundt auch ain 
burgstall, gewesen seien, das ist user länge der zeit und das unsere vorfaren so 
gar ungelert und unfleissig gewesen in ain vergess körnen« und später: »Aber 
herr Gottfridt Wemher ist nach erkauftem schloss Falkenstain vil daselbst 
gewesen, hat das mehrtails, wie es iezundt ist erbawen, zugericht. Es hett uf 
der capeilen ein hochen thum, der war so hoch, das man über alle welder 
und helzer bihs gar nahendt geen Mengen sehen megte. Der war oben mit 
holz und rigelwerk uf die alten manier weit auhsgelassen, und wie ich von 
den alten mehrmals gehört, so war derselbig thum, wann ain starker Luft 
gieng, dermassen wacken und sich bewegen, das am schüssel mit wasser un- 
verschütt uf dem tisch nit bleiben mogte. Denselbigen Hess herr Gottfridt 
Wemher abbrechen von merer Sicherheit wegen und sonst hin und wider im 
haus bawen.« Gegen Süden ist der Burganlage ein ungefähr 20 m breiter Zwinger 
vorgelegt, dessen Abschlussmauer auf der Südwestecke noch auf eine Höhe 



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So 


von etwa 3 m sichtbar ist. Die westliche Seite dieses Zwingers schloss in 
gleicher Flucht mit der westlichen Umfassungswand der Burganlage an diese 
bezw. die Felsen auf der Südwestecke an. Gegen den Burghof (östlich* sind 
noch Reste eines viereckigen Vorbaues erkennbar. Weiter gegen Osten zog sich 
der Zwinger gegen den Burgweg hin mit einer Einfahrt zwischen dem hier 
vermuteten inneren und ausseren Torabschluss. Weiter gegen Süden (Talseite) 
scheint, nach einer noch deutlich sichtbaren Steinböschung zu schliessen, ein 
zweiter Zwinger in einer Entfernung von etwa 35 m vom ersten und einer Länge 
von etwa 120 m vorgelegt gewiesen zu sein, der gegen Osten an das äussere (erste) 
Tor anschloss. Der östliche Teil vom Burghof ist gegen Norden durch den 
hoch zu Tag stehenden Felsen, gegen Süden durch eine von dem obengenannten 
Turmrest zum inneren Tor führende Mauer begrenzt gewesen. Im westlichen 
Teil dieses Burghofes liegt nahe bei der Hauptburg ein schachartiges Ge- 
mäuer, zweifellos der ehemalige Brunnen. Der nördliche und westliche Teil des 
Burghofes war durch eine Ringmauer abgeschlossen; die gegen Nordosten 
an den zu Tag stehenden Felsen (dort vielleicht ein weiteres Tor), gegen Westen 
und Süden an den Hauptbau anschloss. Der südwestliche, stark abgerundete 
Teil dieser Ringmauer ist noch auf eine Höhe von 3 m sichtbar und hat oben 
eine 'Mauerstärke von 80 cm. Der Eingang zur Burg ist nicht mit Bestimmtheit 
festzustellcn, dürfte aber auf der Südwestecke (an dem jetzt abgestürzten Teil) 
zu suchen sein. Der westliche Teil der Burganlage ist als der ältere anzusehen. 
Die spätere Erweiterung geschah nach Osten. 


GLATT. 

Burg und Pfarrdorf Glatt liegen in einem Schwamvaldtale, das vom Glatt- 
bach durchströmt wird, und dem die enge einschliessenden Berge mit 
den dunklen Wäldern einen emsten Charakter verleihen. Das Glattbachtal 
stösst nach Osten zu fast senkrecht auf das breitere und lichtere NeckartaL 
Glatt selbst ist nur etwa 3 Kilometer vom Neckar und dem an seinem Ufer 
liegenden Neckarhausen entfernt. Das Kloster Lorsch besass schon 767 hier 
Eigentumsrechte, und damals hiess der Ort Glade, ein Name, der aus dem 
keltischen clot herkommen soll, der aber auch mit glataha (=hell, glänzendes 
Wasser) verwandt sein kann. In der Folgezeit, wie 1246, 1275, 12QQ und 
weiter heisst es Glatte und schleift sich dann in Glatt ab. Es hat den Anschein, 
als ob ehedem, in der ältesten Zeit, Ortsadel hier gew-esen sei; denn 1246 wird 
ein Bertold de Glate genannt, doch ist über ein solches 'Geschlecht weiter 
nichts bekannt. Dagegen ist Glatt mehr als 400 Jahre in Besitz der Herren von 


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8i 


Neuneck, die schon 1230 auf der nach ihnen benannten Burg N'cuneck, unweit 
Glatt, im württembergischen Oberamt 
Freudenstadt lebten. Ein Ulrich von 
Neuneck, von dem ausdrücklich gesagt 
wird, dass er zu Glatt gewohnt habe, 
baute 1293 die Kirche daselbst — 1275 
nennt der über decimationis hier eine 
Pfarrei, in der die Neunecker die Grab- 
lege besassen. Die letzte dieses einst 
blühenden Geschlechtes, das, eine 
Seltenheit des mittelalterlichen Adels, 
sich Jahrhunderte wenigstens auf dem 
ererbten Familiensitz Glatt — Neun- 
eck war schon lange mit vielen anderen 
reichen Besitzungen veräussert — bis 
zum Aussterben behauptete, war Agnes 
Apollonia von Neuneck, die Glatt nach 
ihrem 1678 erfolgten Tode dem Erz- 
und Domstifte Trier, an welchem ihr 
Onkel Johann Wilhelm von Elz als 
Dechant sich befand, vermachte. Im 
Jahre 1681 verkaufte das Domstift das 
Erbteil Glatt an die Herren von Land- 
see, die es 1706 mit aller Zubehör um 
55000 Gulden an das gefürstete Stift Muri in der Schweiz abtraten. Im Jahre 
1803 fiel Glatt, zu dem eine ganze 
Herrschaft gleichen Namens gehörte, 
an das fürstliche Haus Hohenzollem- 
Sigmaringen und bildete ein eigenes 
Oberamt. Nunmehr gehört Glatt zum 
preussischen Oberamte Haigerloch. 

Das mitten im Dorfe liegende 
ehemalige neuneckische Schloss bildet 
eines der seltenen Beispiele, dass eine 
mittelalterliche Burg im Orte selbst 
und nicht auf einer Anhöhe lag ; denn 
es ist nicht bekannt, dass es eine 
andere Burg zu Glatt gab, wenn auch 
das heute noch vorhandene Schloss 
nicht aus dem Mittelalter stammt. 

Nördlich vom Schlossgarten am linken 
Glattufer befand sich ausserdem ein 
Bau, der 1496 als Wohnsitz für ein 
Glied der Familie errichtet, 1762 Schaf- 
haus wurde, nachdem Anton von 
Neuneck 1496 den Turm im Schlosse 




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82 


zu Glatt, samt seinem Teil am C raben, Vorhof und Burghof dem Hans von 
Neuneck verkauft hatte. 





Im Bauernkriege 
spielten verschiedene 
von Neuneck zur 
Unterdrückung der 
Bauern eine wesent- 
liche Rolle. Am 28. 
April 1525 nahm der 
Bauernhauptmann 
Thoma s Mayer von 
Vogclsbcrg-Lossburg, 
den Hans Oswald 
von Neuneck später 
nach der mörderi- 
schen Schlacht von 
Böblingen am 1 2. Mai 
mit Behagen im Auf- 
träge des Bundes- 
heeres zu Tübingen 
enthaupten liess, das 
Glatter Schloss ein. 
Hans von Neuneck 
erklärte, mit den 
Bauern »so er wieder 
darzu käm, kein 
Miserikordiam 

Abb. 88. C t>ersirhts|i|nn des Schlosses mit Nebengebäuden. zu haben, sondern 

zu erstechen und ver- 
dcr Kirche zu Glatt haben sich 
die Neunecke durch originelle 
Grabsteine der Nachwelt über- 
liefert. — 

Das Glatter Schloss, ein gut 
erhaltenes Wasserschloss, ehemals 
auch Weiherschloss genannt, liegt 
nächst dem Flüsschen Glatt und 
hat je einen Rundturm an seinen 
vier Ecken. Im südlichen Flügel 
liegt die im halben Sechseck gegen 
den Ringgraben ausgebaute 
Schlosskapelle. Der Zugang zum 
Schloss befindet sich auf der 
Nordostseite und führt über eine 
steinerne Brücke durch einen Tor- 
turm zum inneren Hofe (s. Abb. 82). 


prunnen, wem er könde 

- *ni=- 


ankommen«. In 


nj 


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I“ 




-NAr- 


Abb. 84 


-$*v- 

Grundriss zu ebener Erde. 


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83 




Auf der Nordseite ist ein Vorhof (Wirtschaftshof) vorgelegt, der westlich vom 
Torhaus mit Durchfahrt, nördlich vom alten Fruchtkasten und östlich von der 
ehemaligen Hof- und Zehntscheuer 
eingeschlossen ist. Das Fruchtkasten- 
geb.iude ist auf der westlichen und 
östlichen Ecke mit Rundtürmen ver- 
stärkt und hegt hart am Mühlkanal. 

Weiter östlich befindet sich der aus- 
gedehnte Schlossgarten, dessen Um- 
friedigungsmauer nördlich vom östlichen 
Rundturm des Fruchtkastengebäudes 
ab der Glatt folgt und südlich an die 
Ringgrabenmauer anschliesst. Der 
Ringgraben ward vom Flüsschen Glatt 
mit Wasser gespeist. Über dem spitz- 
bogigcn Portal des Torturmes im 
Schlussstein ist das neuneckische 
Wappen mit der Jahreszahl 1513 an- 
gebracht. Im inneren Hof über dem 
Portal der Schlosskapelle befindet sich 
grösseren Mittelwappen, Landsee und Trassberg, sind von acht kleineren Wappen 
umgeben, nämlich Schilling von Cannstatt, von Rollin, Kayser, Herbst von 
Herbstburg, von 
Furtenbach, Papus 
von Trassberg, 

Freiherr von 
Landsee und Rein- 
hold von Baben- 
wohl. Über dieser 
Wappentafel das 
Wappen von Muri. 

Über den Ein- 
gängen zu den 
östlichen und 
westlichen Flügeln 

bezw. den dortigen Treppenaufgängen sind das landseeische und trassbergische 
Wappen mit den Jahreszahlen 1686 angebracht. Uber dem äusseren Portal des 
Torhauses ist das Wappen von Muri mit der Jahreszahl 1768, an dem nahe- 
gelegenen Schafhaus auch das Wappen von Muri mit der Jahreszahl 1761. 


Abb. 85. Grundriss vom ersten Obergeschoss, 
eine grosse Wappentafel: die beiden 


Abb. 86. Schnitt durch Schlossbnu und Ringgr&ben. 


1 


1 




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84 


GEBROCHEN GUTTENSTEIN. 

An einem der schönsten Punkte des 
Donautales, etwa 7 Kilometer von Sigma- 
ringen aufwärts, liegt das ehemalige Burg- 
stall Guttenstein, schon lange zum Unter- 
schied von Gutenstein zwischen Dietfurt 
und Falkenstein (Tiergarten) Gebrochen 
Guttenstein genannt. Nur noch wenige 
Ruinen sind vorhanden, aber die stehen 
so kühn, hart an den jäh abfallenden 
Berg gestellt, dass kaum begreiflich ist, 
wie hier ein Bauwerk sich erheben und 
einen Zugang haben konnte. Dicht bei 
der ehemaligen Veste öffnet sich rechts 
das Schmeiental. Von der Höhe des 
trotzig in das Donautal vorspringenden 
gewaltigen Felsens bietet sich ein pracht- 
voller Blick talauf, talabwärts auf die 
malerischen Berggebilde, dem hier noch 
breiteren Gelände mit dem glitzernden 
Fluss und der kecken Ruine Dietfurt 
Und gerade dieser letztere Ausblick lässt 
den (jedanken aufsteigen, ob nicht Gutten- 
stein, das richtiger Gutenstein geschrieben 
würde, eine Vorburg, ein Beobachtungs- 
werk für die grössere Veste Dietfurt gewesen ist. Sein Name taucht zum ersten 
Male 1^4 auf, wo es bezeichnender Weise »New Guotenstain« also Neu-Guten- 
stein genannt wird im Gegensatz zu dem oberhalb Dietfurt gelegenen Dorf und 
Burg Gutenstein, das aber viel früher, 1 274, schon erwähnt ist. Es heisst 1374 
und 1 362 New Gutenstain ob der Tonaw, 1373 und 1377 Nidre Gutenstein (es 
liegt zwar höher als Gutenstein aber flussunterhalb) ; 1410 Underguttenstain und 
140g wieder Nyderguttenstain. In dem genannten Jahre 1354 besass es Burk- 
hard von Reischach, den wii ja auch in Besitz von Dietfurt sahen, und zwar 
als lehenbare Veste des Herzogs Albert zu Österreich. Acht Jahre später gehört 
es Konrad und Ruf von Magenbuch, wahrscheinlich als Pfand von den Reischach. 
Herzog Rudolf giebt ihnen einen Revers über die Pfandschaft und nennt »Nuwen 
Guotenstein" Burg. Und schon elf Jahre nachher 137 3 sind die Reischach wieder 
in Besitz: denn Burkhard von Reischach zu Nidren Guotenstain stellt den Grafen 
Eberhard von Württemberg, wegen der Stösse, die er mit diesem gehabt, seine 
Veste als offenes Haus gegen Jedermann dar, nur nicht gegen das Haus Öster- 
reich, von dem er sie zu Lehen habe. 1377 versetzt Herzog Leopold die Veste 
Nidergutenstain an Ulrich von Stüben, und 1410 erlaubt Herzog Friedrich dem 
Stephan von Gundelfingen das Pfand von den Pfandinhabem Hans von Stüben 





AI»!». *7. Gut teilst« 1 . 


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85 


einzulösen, was dann auch zwei Tage später geschieht. Als die Gebrüder von 
Gundelfingen 14hg ihr väterliches Erbe teilten, fiel Nvder-Guttenstain als öster- 
reichisches Lehen an Jörg von Gundelfingen. Von da ab behielt Guttenstein 
bis in die Neuzeit hinauf den Namen das Gundel- 
finger Gut, auch dann noch, als es im 16. Jahr- 
hundert durch Heirat in Besitz des Reichserbtruch- 
sessen von Waldburg zu Scheer übergegangen war, 
woher der Wald auf der Höhe von Gebrochen 
Guttenstein heute noch der Scheerer Hau heisst. 

Im Jahre 1540 lieh es Wilhelm von Wald- 
burg dem Sigmaringer Bürger Holdenriedt und nennt 
es Burgstall. Dann vertauschen inyi die Grafen 
Karl und Otto von Waldburg das Gundelfinger 
Gut nebst »Prochen Guettenstein« gegen den Faul- 
bronner Wald mit dem Kloster Laiz. Nachdem aber 
das »freiadelige Gut Brochcngutenstein* Streitig- 
keiten halber wieder an die Grafen von Waldburg- Aül>. »8. Sic«*! «le» Erhärt von 
Scheer gefallen war, tauschte es der Fürst von Omdelfiniri-ii 14 s."> Um-. lintt: 
Hohenzollem-Sigmaringen 178t endgültig ein, und vu. gvmlelKngt-. tn. 

es blieb von da an in Besitz des fürstlichen Hauses. 

Der kleine, turmartige Bau von unregelmässiger viereckiger oder fünfeckiger 
Grundform ist jetzt Ruine und unzugänglich. Gegen die Nordseite (Bergseite) 
mit schmaler Stirnfläche nimmt der Bau nur einen Teil der an sich kleinen 
Felsspitze ein. Der Aufbau zeigt schön und regelmässig gefügtes Mauerwerk 
aus Buckelquadern und ist noch in einer Höhe von 6 — 7 m erhalten. Der Ein- 
gang lag auf der Ostseite bezw. Südseite. Auf der üstseite sind noch die 
Balkenlöcher sichtbar für die Plattform, die nur mittelst Leiter erstiegen werden 
konnte. Die Eingangspforte selbst lag wohl auf der Südseite versteckt zwischen 
Felsen und südlicher Aussenwand. Auf der Nordostecke ist ein schmaler 
Fensterschlitz sichtbar; ausserdem zeigt sich nach Osten ein kleines Fenster, 
dessen Stutz ausgebrochen ist. Die westliche L'mfassungswand ist ganz abge- 
stürzt. Der Fels darunter ist tief ausgehöhlt und durch eine Vormauerung ge- 
schützt. Auf der Innenseite der östlichen Aussenwand sind die Balkenlöcher 
der Gebälklagen noch sichtbar. Der Bau war von sehr kleinem Umfang und 
nicht über zwei Stockwerke hoch. 





DIE HAINBURG. 

Geht man von Grosselfingen in westlicher Richtung Owingen zu, diesem 
uralten Pfarrdorfe mit der ältesten, romanischen Kirche, die wir in Hohenzollern 
besitzen, so erblicken wir nach einer Wanderung von etwa 2". Kilometer in 
eigentümlich abgeschiedener Lage auf einem Bergvorsprunge über dem Eyach- 


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8 (> 

taie die immer noch ansehnlichen Ruinen der ehemaligen Hamburg, im Volks- 
mund irrtümlicher Weise Homburg genannt Die Hamburg gab einer kleinen 
Herrschaft, die aber als solche keine Rolle spielte, den Namen. ( ber Ursprung 
des Namens, wie über Entstehung der Burg liegt Dunkel. Was den Namen an- 
betrilTt, so ist die älteste Bezeichnung stets Hainburg, woneben später auch noch 
Hamburg, Heimburg und das moderne Homburg Vorkommen. Zum ersten 
Male taucht der Name der Burg und sie selbst 1 ■544 auf und zwar als Heim, 
als Wohnsitz des Grafen Friedrich von Zollern, seit 1 32S Viztum zu Augsburg, 
1331; Administrator auf Zollern. Von ihm wird 1344 gesagt: »der alt, des Hain- 
burg ist»:. Es scheint, dass sich der Viztum, der aber nicht Priester war, wie- 
wohl 1313 schon Kirchherr zu Pfullingen genannt, sich hier einen behaglichen 
Wohnsitz baute, wie etwa 130 Jahre später ein anderer Zoller, Friedrich, Bischof 
zu Augsburg, das Schlösschen zu Burladingen errichtete. Gleich diesem wird 
auch die Hainburg hauptsächlich ein Absteigequartier für die Jagd gewesen sein, 
der damals auch die adeligen geistlichen Herren in ausgedehntem Masse oblagen. 

Als sich 1302 die Z.ollem-Grafen in das 
Erbteil des Viztum teilten, heisst es 
wiederum : des Grafen Friedrich von 
Zolr von Hainburg. Bei dieser Teilung 
erhielt Friedrich der Schwarzgraf »Hain- 
burg die burg«(mit Grosseltingen, Owingen 
und Stetten bei Haigcrloch). Daher kommt 
es, dass seine Witwe Adelheit von Hohen- 
berg 1 37*> in Besitz von Hainburg der 
»vesti» ist. Dass 1 Iainburg vorher hohen- 
bergisches Lehen gewesen sein soll, ist 
daher nicht erklärlich, erklärlich wohl 
aber, dass es nunmehr hohenbergisches Lehen wurde. Und so heisst es in 
einer Handschrift (vom Ende des 14. Jahrhunderts) Aufzeichnung hohenbergischer 
Lehen- 1 Iainburg, die die Zolre inne hant, ist von mir Lehen. Zu Anfang des 
it>. Jahrhunderts gelangten die von Bubenhofen, die auch in dem benachbarten 
Grosselfingcn ansässig waren, in Besitz der Burg, verkauften sie aber 1522 an 
Hans von Weitin gen. Damals wurde das Schloss noch bewohnt und es besass 
sogar eine Kapelle; denn 1323 bewilligt Hugo I. von Hohenlandenberg, Bischof 
zu Konstanz, dass in dem Schlosse zu Hainburg Messe gelesen werde. Im 
Jahre 1334 verkauft Hans von Weitingcn das Schloss Hainburg an Fritz Jakob 
von Anweil, der es aber 1539 wieder an den Grafen Jos Niklas zu Hohen- 
zollem abgiebt. Die Burg bleibt nun im Besitz der Hohenzollem, wird aber 
wenig mehr genannt. Nur 158(3 kommt nochmal ein zollerischer Burgvogt auf 
1 Iainburg vor. 

Von dem ziemlich ebenen Hinterland führte der Zugang über einen tief 
eingeschnittenen Felsgraben mittelst Brücke zum Burgtor auf der Nordseite. 
Das Tor hatte eine Weite von 2,60 m. Am rechten Pfeiler ist die Öffnung zum 
Einstosscn des Verschlussriegels deutlich sichtbar. Die Ringmauer, 3 m stark, 
aus schön gefügten Bossenquadem, umfasst einen unregelmässigen viereckigen 
Hof von 18—19 m Seitenlange, und steht auf der Nordseite noch etwa 12 m 



Atib. 8‘J. fibersiclitsplan. 


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»7 


hoch. Auf der Südseite sind noch einige Reste derselben erhalten. Die übrigen 
Teile der Ringmauer fehlen. Die Wohnräume lagen auf der Südseite an die 
Ringmauer angelehnt und liessen aut der Nordseite einen kleinen Hof frei. Dort 
nächst dem Burgtor ist eine schachtartige Vertiefung, die dem ehemaligen 
Brunnen angehörte. Gegen Süden und Südosten etwas tiefer als die Burg am 
Steilabfall sind noch Mauerkörper sichtbar, die einst zur Verstärkung der Haupt- 
burg und zum Abschluss des Ringgrabens dienten. Jetzt ist der Bergvorsprung 
wie die Umgebung der Burg bewaldet. In nächster Nähe der Ruine liegt ein 
fürstlicher Pachthof der sog. »untere Homburgerhof«. 



HETTINGEN. 


Was wir bei Besprechung 
der anderen Burgen des 
Laucherttales hinsichtlich der 
Gegend, in denen sie liegen, 
gesagt haben, gilt in gleicher 
Weise für Hettingen. (s. 

Veringen). Auch hier be- 
finden wir uns auf uraltem 
Kulturboden. Es ist fast 
selbstverständlich, dass bei 
Hettingen eine ganz bedeu- 
tende vor- und frühgeschicht- 
liche Ansiedlung bestanden 
haben muss, da es zwischen 
Gammertingen und Verin- 
gen liegt, deren Namen in 
der Litteratur über jene Perioden einen hervorragenden Klang haben, zumal nach 
dem kunstgeschichtlich und kulturgeschichtlich wertvollen Helmfund aus dem 
6. Jahrhundert n. Chr., der im Winter u>o} zu Gammertingen gemacht wurde. 
Es ist kaum zu zweifeln nach den Funden, die man schon bei Hettingen zu 
verzeichnen hat und angesichts des grossartigen vorgeschichtlichen Friedhofes 
auf der Höhe des Bruckberges, dass auch hier noch wichtige Entdeckungen zu 
Tage treten werden. 

Wie bei Veringen und Gammertingen so haben wir auch bei Hettingen 
eine frühschwäbische Ansiedlung vor uns. Darauf führt uns neben anderem 
sein Name hin. Um ioqö und noS wird es Hatingen. 1117 Hetingin, 1240 



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88 


Hettingen, 1254 Haetingin, 1202 und 1272 Haetingen, 1288, 1289 Hetingen und 
Hatingin, 1300 Hattingen, 1407 Haetingen und Hattingen, 1508 Hettingen ge- 
schrieben. In dem Worte liegt der Personenname Hatto = Heddo = Krieger 
zu Grunde. 

Hettingen gehörte zum Burichinga - Gau, der später in die Grafschaft 
Gammertingen uberging (vergleiche Veringen). Von 1267 an sehen wir Hettingen 
im Besitz der Grafen von Veringen. Bei dem raschen Verfall dieses einst so 
mächtigen Geschlechtes blieb auch Hettingen nicht in deren Besitz. Mehrfach 
nennen sich Mitglieder der Veringer auch Grafen von Hettingen. Übrigens 
begegnen wir schon 1096 einem Grafen Adalbert von Hettingen, der den alten 
Grafen von Gammertingen angehört haben wird. Zur Zeit der Veringer muss 
es auch Ortsadel gehabt haben; denn 1240 finden wir einen Rudolf, miles von 
Hettingen, 1272 einen Hilteboldus von Hettingen und einen Friedrich, der miles 
et nobilis genannt wird, als Zeugen. 

Schon 13 11 waren die Grafen von Veringen genötigt, einen Teil ihrer 
Grafschaft an Reichenau zu verpfänden, um es als Mannlehen zurückzuerhalten. 
Im Jahre 1374 besitzen die von Rechberg die Pfandschaft über Hettingen von 
den Grafen von Veringen, um sie 1447 an Württemberg abzutreten. Aber 
schon 1468 verkaufen diese Hettingen an die Herren von Bubenhofen. Als 

Hans Kaspar von 
Bubenhofen 1508 Gam- 
mertingen, das immer 
noch reichenauer Lehen 
war, frei machte, setzte 
er dafür Hettingen in 
Pfand. Fünfzehn Jahre 
später verkauften die 
von Bubenhofen 
Hettingen an die Herren 
von Speth, ein schwä- 
bisches Rittergeschlecht, 
das sich im Laufe der 
Zeit bald Spät, bald 
Spätt und Spett schrieb. 
Die Speth waren nun 
im Besitz der gesamten 
Herrschaft Gammer- 
tingen. Herzog Ulrich von Württemberg rächte den Verrat seines Vasallen 
Dietrich von Speth, indem er ihm 1534 die ganze Herrschaft abnahm und die 
Burg Hettingen zerstörte. Erst nach dem Tode Ulrichs kamen die Besitzungen 
wieder an die Söhne Dietrichs, deren Nachkommen bis 1827 Herren zu Hettingen 
(und Gammertingen etc.) blieben, um es in dem genannten Jahre an das 
fürstliche Haus Hohenzollem käuflich abzutreten. Die Souveränität gehörte 
Hohenzollem-Sigmaringen schon seit 1806 zu. Nun ist Hettingen ein Bestand- 
teil des preussischen Oberamtes Gammertingen. 

Wenn auch die Grafen von Veringen recht schlechte Haushalter waren, 



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89 


so muss man doch sagen, dass sie für die kirchlichen Verhältnisse zu Hettingen 
viel taten. Die heute noch bestehende spätgotische Kirche ist zwar nach ihrer 
Zeit entstanden ; zu dem Gotteshause jedoch, das zu ihrer Zeit vorhanden war, 
hielten sie nahe Beziehungen. Sie machten viele Stiftungen in das Stift, wie 
die St. Martinskirche genannt wird. Auch gründeten sie in der Pfarrkirche, die 
schon vor 1240 bestand, wo ein Hartmannus als Pfarrer genannt wird, ein Erb- 
begräbnis; mehrere schöne Grabsteine der Veringer sind noch erhalten. 

Von der Burg zu Hettingen hören wir zuerst 1267, wo sie castrum genannt 
wird, um dann in der Folgezeit merkwürdig wenig mehr aufzutreten. Das 
heutige Schloss ist Eigentum des hohenzollerischen Fürstenhauses. 





Das Schloss liegt malerisch über dem Städtchen auf einem lang gestreckten 
Bergrücken. Der alte Burgw r eg führt von Süden her zum äusseren Tor in der 
Ringmauer. Der früheren eigentlichen Burganlage war gegen Süden ein 
Vorhof (Wirtschaftshof) vorgelegt. Dieser Vorhof war durch eine starke Mauer 
abgeschlossen. Auf der Südostecke sind noch Reste eines Rundturmes ersicht- 
lich. Auf der Ost- und Westseite ist die Mauer abgetragen. Innerhalb des 
Vorhofes liegen noch Reste zweier Gebäude. Der noch erhaltene Schlossbau 
stammt im wesentlichen aus dem 18. Jahrhundert, er enthält Teile einer 
früheren mittelalterlichen Anlage; so an der Südseite einen auf Felsen gestellten 
turmartigen Vorbau. Die Schlossdurchfahrt führt zum höher gelegenen inneren 


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Hof, der gegen Norden durch eine auf Felsen ruhende Mantelmauer, gegen Osten 
und Westen < Berghang) durch hohe Stützmauern abgeschlossen ist. Von der 
nordwestlichen und südwestlichen Ecke der ganzen etwa 170 m langen Burg- 

anlagc führ- 
ten Flügel- 
mauem zu 
den ehemali- 
gen Toren am 
nördlichen 
und südlichen 
Ende des 
Städtchens 
hinab, die 
einst bis zum 
Ufer der Lau- 
chert fortge- 
setzt waren. 
Im inneren 
Hof liegt ge- 
gen Westen 
der sog. 
Haberkasten, 
darunter ein 
gewölbter 
Keller; gegen 
Osten die 
Ruinen eines 

AI1I1. f't Orundri*» vom ersten Stock (erstes ( Ihergesehoss). abgebrannten 

Schlossteils. 

Dieser Schlossflügel hatte im obersten Stockwerk einen etwa 21,5 m langen, 
8 m breiten Saal mit zusammen n Fenstern an beiden Langseiten. Der Saal 
stand mit dem Hauptbau mittelst eines Ganges und der Haupttreppe in Ver- 
bindung. 

Der Hauptbau mit grossem Walmdach enthält unten die geräumige Schloss- 
küche mit Nebenrnumen. Die dreiarmige Schlosstreppe hat auf den Untersichten 
bildnerischen Schmuck in Stuck: auf den Treppen pfosten stehen geschnitzte 
Figuren als Leuchterhalter. Die Decken der Schlossräume zeigen noch reiche 
Stuckverzierungen, teilweise bemalt, jetzt vielfach beschädigt. Auch die Fuss- 
böden waren reich in farbigen Hölzern gemustert, wovon noch wenige Reste 
vorhanden sind. Im ersten Obergeschoss vor dem turmartigen Bau lag die 
kleine Schlosskapelle mit dem Chörchen gegen Osten. 

C ? 



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91 


HOHENFELS. 


Es ist auffallend, dass 
in jenem Teile von Hohen- 
zollem, der zu der Graf- 
schaft Sigmaringen gehörte 
und an Fruchtbarkeit kaum 
einem anderen Gebiete 
Hohenzollems nachsteht, 
weit weniger Burgen 
bestanden, als in dem 
nicht so wohnlichen 
Laucherttale an den Ab- 
hängen der rauhen Alb 
oder in dem wilden 
Donautale mit seinen zer- 
rissenen Felswänden. 

Reichere Jagdgründe und ergiebige Fischwasser mögen wohl hierbei mit- 
gesprochen haben. In landschaftlicher Beziehung kann seiner ausserordentlich 
malerischen Lage wegen Hohenfels mit der grössten Mehrzahl der hohen- 
zollerischen Burgen in Schwaben den Wettbewerb aufnehmen. Von welcher 
Seite wir uns auch Hohenfels, das 32 Kilometer südlich von Sigmaringen liegt 
und schon Ausblicke auf den Bodensee gewährt, nähern, immer ruft sein Bild, 
das es dem Wanderer bietet, laute, freudige Überraschung hervor. Rings von 
prächtig bewaldeten Anhöhen umgeben, die aber den Burgberg selbst so frei 
lassen, dass fruchtbare Felder und sehr zahlreiche Obstbäume, die in ihrer 
Grösse schon an die des Bodensees erinnern, sich um ihn ausbreiten können, 
bildet Hohenfels in seiner traulichen Waldeinsamkeit ein liebliches Idyll. Man 
begreift es, dass die Burg ein liebgewordener Sitz der Deutsch-Ordens-Herren 
war, wenn auch erst in späterer Zeit. Vorher war Hohenfels Wohnort eines 
angesehenen Ministerialengeschlechtes, dessen Wiege auf Alt-Hohenfels stand, 
einer Burg, deren Trümmer heute noch oberhalb Sipplingen am Bodensee zu 
suchen sind. Die Herren von Hohenfels w’erden schon 119: erwähnt, und 
höchst wahrscheinlich ist der damals genannte Burkhard von Hohenfels der 
bekannte Minnesänger. Im 13. Jahrhundert teilte sich die Familie in zw r ei 
Linien; die jüngere baute sich auf unserem Hohenfels eine Burg, die 1295 zum 
ersten Male als Neu-Hohenfels, als novum castrum Hohenvelz urkundlich vor- 
kommt, während die Stammburg »daz alt Hohenfels« genannt wird, ln der 
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts starben die Hohenfelser aus, und nun kommen 
die Herren von Jungingen in Besitz der Burg. Wolf gang von Jungingen ver- 
kaufte aber schon 1473 Hohenfels um 4000 Gulden an Hugo von Landenberg, 
dessen Sohn Beringer es 1479 an das reiche Spital zu Überlingen um 3100 
Gulden abtrat. Vom Spital erwarb der Deutsch-Ordens-Ritter-Komtur Wolfgang 



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Treppenturm mit steinerner Wendeltreppe. Später im iS. Jahrhundert wurde 
dieser Flügel einem nochmaligen inneren Umbau unterworfen, worauf die Stuck- 
decken und Kachelöfen hinweisen. Die beiden Turmspitzen zieren Wetterfahnen 
mit dem Deutschordenskreuz. Von 
diesem Flügel führt ein Verbindungs- 
gang zur Empore der Schlosskapelle 
(Chorabschluss im halben Sechseck). 

Die Decke ist flach mit Engels- 
köpfen geschmückt. Hinter dem 
Altar ein Stuckvorhang von Engels- 
kindem gehalten. Über dem Portal 
aussen ein gevierteter Wappenschild 
des Komturs von Königseck, i und 
3 Komturkreuz, schwarz in weiss, 

2 und 4 Rauten, rot in Gold, darunter 
die Jahreszahl 1761. Im Rundturm 
(Glockenturm) eine Glocke mit 
Wappen, und der Inschrift: Kaspar 
Bobleter derzeit Obervogt Salem 17,88. 

Der östliche Flügel hat unten eine 
Bogenhalle auf starken Säulen und 
enthält die Schlossküche. Auf der 
südlichen Ecke liegt ein Rundturm. 

Am südlichen Treppengiebel in der 

Giebclspitze ist ein halbkreisförmiges J “‘“ H 

Feld. Darin die Jahreszahl 1564 oder Abb. 96 . Schnitt. 

1584 (verwittert und nicht mehr 

deutlich erkennbar). An diesem Flügel befindet sich gegen die Hofseite ein 
grosses Giebelfeld mit dem Deutschordenswappen, von Wappentieren gehalten 
und von Kriegstrophäen umgeben. Auf der nordwestlichen Ecke des Hofes 
bei der Einfahrt liegt das Torhaus. Der nördliche Flügel ist ohne architektoni- 
sches Interesse. Das Einfahrtstor, im Halbkreis geschlossen, zeigt flache Bossen- 
steine. Vor dem nördlichen und südlichen Flügel liegen zwingerartige Vorhöfe, 
teils durch hohe, teils durch Brüstungsmauem abgeschlossen. Im südlichen 
Vorhof ist eine Ausgangspforte nach der Ostseite. Am Fusse des Berghangs 
liegt die sogenannte Neumühle, an dieser ist eine Wappentafel : ein gevierteter 
Wappenschild mit Helmzieren, 1 und 4 Kreuz des deutschen Ritterordens, 2 
und 3 Familienwappen des Freiherrn von Baden; darunter die Inschrift: Franz 
Benedict von Baden Rom. Kay. May. Rath Land Comentur Der Balley Ellsass 
und Burgund Comenthur zu Altshausen Herr zu Adlberg. T. O. R. 1695. Nahe 
beim Schloss an dem Schafstall des fürstlichen Pachthofes, ehemals Zehntscheuer, 
ist eine Wappentafel mit dem gevierteten Wappen-Schild des F. B. von Baden 
mit abgekürzter Inschrift wie oben und der Jahreszahl MDCC (1700). 



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HÖLSTHIN bei Stetten. 



Abb. *.*7. Ruine Holstein. 


Die Burg Holstein ist eine der in Hohenzollem nur wenig vorkommenden 
Edelsitze, welche einen anderen Namen führen, als der bei ihnen liegende Ort. 
Das Pfarrdorf Stetten nennt sich zur Unterscheidung von vielen Ortschaften 
gleichen Namens Stetten unter Holstein. Noch 1402 befand sich Kastenvogtei, 
Kirchensatz und Widdum zu Stetten in Besitz der Herren von Meldungen. 

Der Name der Burg und ihrer Besitzer bietet sowohl seiner Schreibweise 
als auch seiner Ableitung nach einige Schwierigkeit. Sehen wir von den durch- 
aus unrichtigen Bezeichnungen Hohlstein, Höllstein und auch Hellenstein oder 
Helenstein ab — letzteres ist der Name eines sehr alten freiherrlichen Geschlechtes, 
das aber mit unserem Holstein nichts zu tun hat — , so bleiben noch Holstein 
und Holnstein. Heute ist die Schreibweise Holstein die gebräuchliche, die 
urkundlich richtige ist aber Holnstein, wie sich die Glieder der Familie im 
Mittelalter bis zum Aussterben schrieben. Auf die Ableitung des Namens wird 
diese zweifache Schreibart kaum Einfluss haben. Man hat bei Holstein an 
höl = häl = steil gedacht, also steiler Fels. Nachdem ich aber erfahren, dass 
man die bei der Burg gelegene interessante Höhle Muoteshöhle heisse und die 
Höhe in der Nähe Muoteshöhe, also die Bezeichnung für Wuotan, Wodan, liegt 
es nahe, an höl = heilig zu denken, mithin eine heilige Höhe, vielleicht auch 
die Höhe, der Berg, den das wilde Heer streitt, benutzt, das ja durch diese 
Gegend toste. 


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95 


Die Herren von Hölnstein oder Holstein, wie wir den Namen weiter 
führen wollen, zählen zum ältesten Adel Hohenzollerns. Schon im u. Jahr- 
hundert gab es adelige Dienstleute dieses Namens, die zu den alten Graft n von 
Achalm gehörten. Eine Guta von Hölnstein, Frau des Oggtr von Hölnstein, 
sowie ihr Sohn Adalbert, miles des Grafen Luithold von Achalm, tiaten als 
Nonne beziehungsweise Mönch in Zwiefalten um ioy8 ein. Hiermit scheint 
dieses Geschlecht erloschen zu sein. 

Die ersten Hölnstein treten dann wieder mit Bertold 1274 und 1280 auf. 
Einer dessen Söhne, Anselm, schlug, älter geworden, das Gewissen. Er machte 
um 1704 zahlreiche fromme Stiftungen, um seiner und seiner Vorderen und 
»aller derer, die er geschädigt,« Seelenheiles willen. Jene Zeit war eben nur 
zu geneigt, Gewalttaten zu begehen. 

Im Jahre 13SS verkaufte Ursula, die Witwe Anselm II. von Hölnstein, die 
Kurt von Magenbuch wieder geheiratet hatte, ihren Teil an der Burg, in die 
sich, wiewohl sie nicht gross war, doch mehrere Besitzer zu gleicher Zeit 
teilten. Ebenso verkauft Klaus Ungelter seinen Teil 1401 wieder an Heinrich 
von Killer, genannt AfTenschmalz. Nach 1 3 SS sassen auf Holstein Klaus Ungelter 
von Reutlingen, der Käufer von Ursula, Swenegger von Lichtenstein, ein Ver- 
wandter der Holstein, dem die Reutlinger 1 (88 seine Burg Lichtenstein bei 
Honau zerstört hatten, und Herren von Holstein, denen somit nur ein Dritteil 
ihrer Stammburg zustand, Die von Hölnstein starben als Edelleute mit Jakob 
von Hölnstein aus. Er war so verarmt, dass sein Sohn Jakob bei seiner Mündig- 
keit eine Bettstatt und 100 Gulden als einziges Erbteil erhielt. Er wurde Hand- 
werker und verscholl. Bei den überaus verworrenen Besitzverhältnissen fast 
der meisten Burgen und Besitzungen jener Zeit, wechseln auch die Lehn- und 
Dienstverhältnisse der Adeligen. So sind die von Hölnstein ursprünglich zollerisch, 
dann hohenbergisch, dann teilweise württembergisch, dann wieder zollerisch ; denn 
1412 belehnt Graf Friedrich von Zollern Hans Schweler von Lichtenstein (Honau) 
mit dem Teile der Burg, den Schwenger selig von Lichtenstein besessen; und 
1474 kauft Graf Jos Niklas von Zollern »Hölnstein, daz sloss und Stetten daz 
Dorf« und zwar von Burkhard von Sachsenheim. Auffallender Weise 
führt der fleissige Oswald Gabelkover (1539 — 1616) in seinem Verzeichnis der 
Burgen, Schlösser und Burgställe auch unser »Höllstain, ain alt herrlich Burg- 
stal« noch als württembergisch an. Es war das aber nicht der ganze Ort Stetten ; 
denn in dessen Besitz teilte sich Zollern mit Werdenberg beziehungsweise dessen 
Erben Fürstenberg. Im Jahre 1583 trat Fürstenberg alle Rechte, hauptsächlich 
die hohe und niedere Gerichtsbarkeit an Hohenzollem ab, wofür dieses von 
seinen Ansprüchen über Ringingen zurücktrat. Von wo an die Burg unbewohnt 
und zu zerfallen begann, ist nicht bekannt, im 16. Jahrhundert war sie schon 
unbewohnt 

Etwa 100 m über der Talsohle, östlich vom Pfarrort Stetten, auf dem 
höhlenreichen Felsmassiv eines Bergrückens sehen wir die malerische Ruine, jetzt 
mit Wald bedeckt Der Eingang liegt auf der Hach verlaufenden südlichen 
Geländeseite und führt über einen etwa 13 m breiten, ehemals 4 m tiefen 
Torgraben zum äusseren Tor in der Ringmauer. Die Ringmauer ist auf der 
Südseite etwa 33 m lang, 1,13 m stark und steht noch 3 — 0 m hoch. Das 


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Tor ist aussen halbkreisförmig, innen mit geradem Sturzbalken überdeckt, 3,1 m 
breit und bis zum Sturz 3 m hoch. Im Sturzbalken sind die Löcher für die 
Torangeln sichtbar. Über dem Tor lag, nach den Balkenlöchern zu schliessen, 

ein hölzerner Vorbau, vielleicht ein Wehrgang, 
der sich wohl auf der ganzen Ringmauer und 
dem noch sichtbaren Mauerabsatz an der 
Innenseite derselben fortsetzte. Rechts vom 
Toreingang in der Südostecke lag ein 15 m 
langes, 12 m breites Gebäude, dessen Süd- 
und Ostseite die Ringmauer bildete. Der süd- 
liche Giebel steht noch zum Teil aufrecht 
Links vom Toreingang liegt ein kleiner 
gewölbter Kellerbau, 6,3 m lang, 4,8 m breit 
mit Zugang von der Ostseite. Der Keller ist 
teilweise verschüttet, das Gewölbe noch gut 
erhalten. Weiter gegen Nord westen auf 
erhöhtem Unterbau (Felsen) befindet sich das 
Wohnhaus, 1 3 m lang und breit ; gegen Norden 
steht die Umfassungswand noch 7 bis 8 m 
Abb. 98 . Gmndplan der Ruine Holstein, hoch, sie ist 1,2 m stark und zeigt verschieden 

grosse Fenster und Schlitze, die nach innen mit 
Holzdielen abgedeckt sind. Die übrigen Umfassungs wände sind abgebrochen. 
Der Eingang lag auf der Ostseite; diese Aussenwand ist stärker (1,8 m) als 
die übrigen. Die Umfassungswände sind aus kleinen, unregelmässigen Bruch- 
steinen hergestellt. Die nordöstlichen und nordwestlichen Ecken sind stark 
abgerundet. Der ausgedehnte Burgring ist gegen Norden weit vorgeschoben. 
Er hat eine grösste Länge von 60 m und eine Breite von 46 m. Die Ring- 
mauer ist ringsum noch sichtbar. Etwa in der Mitte der Burganlage befindet 
sich ein freistehender Felskopf, der vielleicht einst einen Turm trug. Von hier 
aus geniesst man einen umfassenden Ausblick auch in weitere Feme. An der 
östlichen Ringmauer ist ein schachtartiges Gemäuer von etwa 1 m Durchmesser, 
zweifellos der einstige Brunnen; jetzt noch ein Wasserloch. 

**!«•- 



HORNSTEIN und BITTELSCHIESS. 

W'er hielte sich wohl längere Zeit in Sigmaringen auf und besuchte nicht 
das Bitteischiesser Tälchen. dieses Kleinod landschaftlicher, still behaglicher 
Schönheit, wo die Natur so viele Mittel zur Hülfe nimmt, um auf kleinem Erden- 
fleckchen ein Meisterwerk landschaftlichen und malerischen Reizes zu bilden! 
Auf nicht hohem, aber anmutig im Grün halb versteckt liegenden Felsen erhebt 


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sich der Turm der ehemaligen Feste Bittelschiess. Eine mächtige Höhle nimmt 
einen grossen Teil des Felsens ein und wölbt sich wie eine Kuppel zur Höhe 
hinan, von wo das Tageslicht anheimelnd hereinlugt. Durch das schmale Tal 
fliesst still und gleichsam gedankenschwer die Eauchert, tiefdunkel, fast schwarz, 
so dicht hängen Felsen und Bäume sich über sie hin, als wollten sie alle, eitel 
wie Narziss, ihr 
eigenes Bildnis 
beschauen. Aber 
nur wenige 
Schritte weiter, 
und die Wasser 
stürzen sich weiss- 
schäumend und 
brausend einen 
Abhang hinunter 
und führen dabei 
so lautes Zwie- 
gespräch, dass die 
Menschen schwei- 
gen. Und blicken 
wir unterhalb des 
Wasserfalles links 
hinüber, dann 
fesselt uns ein 
neues Bild: 

Drüben von hohem 
Bergrücken, hart 
an den Rand des 
Felsens gedrängt, 
schauen die Ruinen 
der Burg Hornstein 
zu Tal. Ihre Ge- 
schichte, sowie die 
des Burgstalles 

Bittelschiess läuft Abb. 09. Ruine Hornstein, 

vielfach neben 

einander her, und da sie örtlich so nahe zusammen liegen, wollen wir sie hier 
zugleich behandeln. 

Der erste Hornstein, der mit seinem vollen Namen genannt wird, ist Ritter 
Heinrich von Hornstein 1257. Wiewohl wir um dieselbe Zeit noch nichts von 
der Burg selbst hören, ist es doch zweifellos, dass diese vor der Mitte des 
13. Jahrhunderts gebaut wurde. Da wo von ihr die Rede ist, 1363, bestand 
sie aus drei Teilen: Einem obern und untern Hause und dem Turm. Jeder 
dieser drei Teile war von einer von homsteinischen Familie bewohnt. Auf 
dem obem Hause sass ein Kunz von Hornstein, auf dem untem ebenfalls ein 
Kunz von Hornstein (Vetter) und auf dem Turm der den Hornstein durch Heirat 


7 


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verwandte S wigger von W'ildnau. Um 1390 sehen wir die Burg (nebst Bittel- 
schiess) in den Händen eines Hornstein, Benz von Hornstein, der sie mit fünf 
Söhnen bewohnte, die sich dann aber schon ein Jahr später in Hornstein und 
Bittelschiess teilten. 

Im Jahre 1420 spielt Hornstein vorübergehend eine Rolle in dem leidigen 
Zwist der beiden Brüder von Zollem, dem Grafen Friedrich von Zollern, dem 
Öttinger, und dem Grafen Eitel Friedrich I. Letzterer war um diese Zeit von 
Friedrich aus der Burg Zollem und der Stadt Hechingen verdrängt worden und 
hielt sich bei Wilhelm von Hornstein auf. Am 22. Juni 1420 erliess er von hier 
aus ein Schreiben an den Öttinger mit der Aufforderung, ihre Streitsache vor 
dem königlichen Hofgerichte zu Rottweil zur Entscheidung zu bringen. Falls er 
hierauf eingehe, soll er ihm dies wissen lassen vierzehn Tage vorher »zu der 
Linde gen Horastein«. Diese Aufforderung blieb ohne Antwort. 

Von Hornstein werden zu Anfang des 15. Jahrhunderts zwei Teile genannt : 
Das grosse Haus und der Turm. Benz von Hornstein verkaufte 1427 das grosse 
Haus um 600 Gulden an Heinrich von Reischach als freies Eigentum, dessen 
Sohn Konrad um 1459 auch den Turm erwarb, um dann acht Jahre später 
ganz Hornstein an Graf Ulrich von Württemberg als Lehen aufzutragen, das er 
aber als württembergisches Lehen wieder zurückerhielt. Im Jahre 1501 ver- 
kaufte Wilhelm von Reischach Hornstein an seinen Schwager Hieronymus von 
Croaria, der es als Lehen von Württemberg trug. Mehrfach wechselten in 
dieser Zeit Haus und Turm ihren Karakter als Lehen undAllod. Wilhelm von 
Reischach, einer der tollsten und rauflustigsten Edelleute seiner Zeit, von dem 
die zimmerische Chronik manches Stücklein zu erzählen weiss, kaufte 1510 
Hornstein von seinem Schwager zurück und verkaufte es um 4260 Gulden an 
den kaiserlichen Sekretär Johann Rennen, und zwar das grosse Haus als würt- 
tembergisches Lehen und den Turm als Allod. Dann aber fiel 1512 Hornstein 
an die ehemaligen Besitzer zurück, indem es am 28. April Bronn von Hornstein, 
genannt Hertenstein, um 4400 Gulden erwarb. Der Name Hertenstein hängt 
mit dem von Hornstein aufs engste zusammen. Oberhalb Sigmaringen, hart an 
der Lauchert, lag die Burg Hertenstein. Heute noch heisst der Felsen das alte 
Schloss, wiewohl die Burg vollständig verschwunden ist, Eine Linie der Hom- 
steiner sass auf Hertenstein. Die Hornsteiner Hornstein sind längst ausgestorben. 
Die heute noch lebenden verschiedenen Linien von Hornstein führen ihren 
Stammbaum auf diese Hertensteiner Hornstein und zwar auf Brun und Jörg 
zurück. Erst Ausgang des 16. Jahrhunderts legten die Vorfahren der heutigen 
Hornstein ihren Namen Hertenstein ab. Nun blieb die Burg gerade 275 Jahre 
wieder in homsteinischem Besitz, bis sie 17S/ von dem Fürsten Anton Aloys 
von Hohenzollem-Sigmaringen erworben wurde. Es lässt sich denken, dass 
es den von Hornstein kein angenehmes Gefühl war, als die Burg ihrer Väter 
1818 zu einem Zucht- und Strafarbeitshaus gemacht wurde. Nachdem dieses 
1869 wieder aufgehoben worden, erwarben es die von Hornstein zurück, be- 
hielten es mehrere Jahre und verkauften es dann auf teilweisen Abbruch an 
die Gemeinde Hornstein, der die Ruine nunmehr gehört. 

Die ehemalige Veste, später Burgstall Bittelschiess, t>oo m von Hornstein 
entfernt, leitet ihren Namen von einem Vornamen Putilo ab. Schiess bedeutet 


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99 



soviel wie Winkel, Ecke, auch Giebel. Das passte nun ganz besonders gut für 
unser Bittelschiess an der Lauchert. Etwas später als Hornstein wird Bittelschiess 
1265 zuerst genannt und zwar als Burgstall in Besitz eines Albert von Bittel- 
schiess, apud Bveningen, bei Bingen. Dass aber die Veste nicht so klein war, 
als sie heute auf den ersten Blick scheint, beweist die räumliche Ausdehnung 
der Mauern. Die obem Gelasse boten sicher prächtige Ausschau nach Bingen, 
in das Oberschwäbische hinein und nach Westen zur Sigmarsburg. Im Jahre 
1313 besitzen es die Herren von Hornstein und zwar als habsburger Lehen. 
Die Hornstein auf 
Bittelschiess bildeten 
in der Folgezeit eine 
besondere Linie, 
von denen eine Adel- 
heid Abtissin zu 
Heihgkreuztal 
(•373 — *399) war. 

Aus dem Jahre 1416 
erfahren wir, dass in 
der Veste mehrere 
Gebäude bestanden. 

Die Bitteischiesser 
Hornstein hatten das 
Recht, dem Hirten 
zu Bingen den Stab 
zu leihen, ein schlich- 
tes Recht, das aber, 
wie manches Recht 
jener Tage, einen 
patriarchalischen 
Charakter besass. 

Der neu gewählte 
Gemeindehirt zu 
Bingen musste zu- 
nächst nach Bittel- 
schiess wandern, um 
dort sich den Stab 
zu erbitten. Traf er 
den Herrn nicht an, 

SO schlug er dreimal AM>. 1IHI. Tuim dir Ruine B ttelsehiess. 

mit seinem Stock an 

den Felsen. Traf er dann den Herrn anderswo, so durfte er ihn um den Stab 
bitten. Er erhielt einen Laib Brot und hatte die Verpflichtung, das Bitteischiesser 
Vieh zu hüten, wenn dieses Fingen zu getrieben wurde. Als dann einmal ein 
neu gewählter Hirt »aus Stolz" den Stab von Ulrich von Hornstein 1430 nicht er- 
bitten wollte, schlug ihm dieser mit dem Stab zwei Finger entzwei. Er war 
(1466) der letzte Hornstein, dir sich nach Bittelschiess nannte, ln dem Kriege 


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IOO 


1479 zwischen Erzherzog Sigmund von Österreich und Graf Eberhard von 
Württemberg zerstörte der damals auf Hornstein sitzende Konrad von Reischach 
die nachbarliche Veste. Am 26. Juli 1490 verkaufte Bernhard von Hornstein, 
dem Bittelschiess entleidet war, die Veste, die aber in Trümmern lag und nicht 
wieder aufgebaut wurde, mit den zugehörigen Besitzungen an Graf Andreas 
von Sonnenberg, denselben, der kurze Zeit nachher von Graf Felix von Werden- 
berg erschlagen wurde. Im Jahre 1512 kam dann Bittelschiess auch wieder an 
die von Hornstein und teilte mit der Burg Hornstein deren spätere Schicksale. 
Als es in hohenzollerischen Besitz überging, war von der Veste fast noch weniger 
vorhanden als jetzt; denn der Wert des »zerfallenen Mauerstock», wird 1792 
gleich Null geschätzt. Der malerisch gelegene Turm wurde, nachdem er zum 
Teil abgetragen worden, ausgebessert, mit einem Dache versehen und in dem 
Raume eine kleine Kapelle eingerichtet, die an gewissen Tagen von Betern 
gerne besucht wird. 

Erwähnen wollen wir, der Vollständigkeit halber, dass beim Dorfe Bittel- 
schiess, oberhalb Krauchenwies, einstmals auch ein Geschlecht jenes Namens 
ansässig war. Wenn dasselbe hier eine Burg hatte, so kann die auf dem 
sogenannten Burstl (vielleicht Burgstall) rechts von der Strasse Krauchenwies — 

Klosterwald, der am Kehlbach 
liegenden Mühle gegenüber, ge- 
legen haben. Erdbefestigungen 
(Ringgraben) sind noch vor- 
handen. — 

Der älteste Teil der Burg 
Hornstein ist am weitesten gegen 
Süden vorgeschoben, teilweise 
hart auf der Felswand errichtet. 
Auf der südlichsten Ecke aus- 
gebaut liegt die Schlosskapelle 
mit Resten spätgotischer Fenster. 
Den Abschluss der ältesten Burg- 
anlage gegen Nordosten bildet 
die jetzt noch grössten Teils vor- 
handene 2,20 m starke Mantel- 
mauer aus grossen ßuckelquadem 
an beiden Stirnseiten. Die Mauer 
hat eine Gesamtlänge von 18,50 m 
bei einer Höhe von 7 — 8 in. 
Etwa in der Mitte derselben, an 
der jetzigen Durchbruchstelle, 
wird der Burgeingang zu suchen 
sein. Am linken Pfeiler ist noch 
ein Stück eines eingemauerten 
wagerechten Ankerbalkens sicht- 
bar. Diese Burganlage wurde 
AM.. 101. ifiiind|ü;ui <l*-r liiüju- HianMeiii. durch das ganze Mittelalter benutzt 



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IOI 


und von den obengenannten verschiedenen Familien bewohnt; die sich in das 
»obere«, »untere« Haus und den Turm teilten. Der mittelalterlxhe Turm wird 
innerhalb des alten, jetzt ganz verschütteten Burgraumes zu suchen sein. Wenn 
zu Anfang des 15. 

Jahrhunderts zwei 
Teile genannt 
wurden: das 
grosse Haus und 
der Turm ; so kann 
das untere und 
obere Haus (zwei 
Stockwerke) 
zusammengezogen 
worden sein. 

In den folgenden 
Jahrhunderten 
von 1512 ab hat 
die Burg in dem 
Besitz der Horn- 
stein mehrfache 
Erweiterungen 
erfahren, die sich 
in nördlicher Rich- 
tung erstrecken mussten. An die obengenannte Mantelmauer, an deren südöstlichen 
bezw. nordwestlichen Ecke wurden 2 Rundtürme aufgeführt, der östliche als 
Erweiterungsbau für die oberen Räume, der westliche als gemeinsamer Trcppen- 
turm für den alten Bau und einen nördlich anstossenden schmalen Flügelbau 
von 27 m Lange und 9 m Breite, letzterer schloss den geräumigen Vorhof 
gegen Nordwesten ab. Nördlich schliesst sich ein starker Rundturm, jetzt Kapelle; 
weiter das Torhaus unten mit Durchfahrt, oben mit Wachraum an. Südlich 
begrenzt den Burghof eine etwa 6 m hohe Ringmauer. Nordöstlich 
lag mit Anschluss an das Torhaus ein grosses 40 m langes und 16 m breites 
Wirtschaftsgebäude (Stallungen), dessen östliche äussere Langseite und beide 
Giebelseiten noch aufrecht stehen. Auf der südöstlichen Ecke des Hofraumes 
befindet sich ein zweites Tor. Der Burghof war einst durch eine von Nord nach 
Süd führende Mauer geteilt. Die Tore führten zunächst in den äusseren Hof. 
Der innere vor dem Hauptbau gelegene Hof war vom äusseren Hof aus zu- 
gänglich. Vor beiden Toren waren Gräben angeordnet, welche quer vom 
westlichen zum östlichen Hang liefen. Über die Gräben führen steinerne jetzt 
zugeschüttete Bogenbrücken. Vor der südlichen Ringmauer liegt ein mit Stütz- 
mauern eingefasstes Burggärtchen Weiter südlich ist ein Zwinger vorgelegt, 
der mit Brüstungsmauern und Zinnenkranz abgeschlossen ist. Auf der süd- 
westlichen F.cke sind Reste eines Rundturmes, An der Ostseite dieses Zwingers 
zieht der alte Burgweg vorbei. 

Etwa 100m vor der Burganlage Bittelschiess am Rand des jetzigen Waldes sind 
Spuren eines Mauerabschlusses mitTor und vortretendem Turm gegen das Hache Vor- 



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102 


land erkennbar. Steintrümmer und Mörtelreste lassen hierauf schliessen. Der 
Burgweg führt südlich über die jetzt bewaldete Fläche über einen Torgraben 
(Felsgraben) zum Tor. Innerhalb des Tores, gleich linker Hand auf dem 
höheren Felsen stand das Wohnhaus, ein kleines Gebäude von etwa 16,5 m 
Länge und 10,5 m Breite mit der Schmalseite gegen die Lauchert gerichtet. Der 
Eingang lag auf der Nordseite. Der Burghof war von einer Ringmauer einge- 
fasst, deren Spuren auf der Süd-, West- und Nordseite noch erkennbar sind. 
Die Ringmauer sass auf der äusseren Felskante und folgte dem Zug des 
Felsens. Der Burghof war etwa 18 m lang und 9 m breit. Die südlichste 
Spitze der ganzen Anlage bildet ein Rundturm, der das romantische Lauchertal 
überschaut. 




JUNGNAU und SCHILTAU 

mit Isikofen, Hertenstein, Apfelstetten und Jungingen. 

Es ist bemerkenswert, dass sich in 
den hohenzolleriscben Flusstälem viele 
Adelige, freie Dynasten und Ministerialen 
ihre Burgen bauten. Für das Lauchert- 
tal mag mitbestimmend gewirkt haben, 
dass die Burgbewohner an einer uralten 
Kulturstrasse lagen, die den Verkehr er- 
leichterte. Dazu kamen der fischreiche 
Fluss und die Wälder mit zahlreichem 
Wild. In kurzer Aufeinanderfolge lagen 
hier eine Reihe von Burgen : Bittelschiess, 
Hertenstein, Isikofen, Schiltau, Jungnau 
und Apfelstetten. Alfe diese Burgen lagen 
aber in der Nähe des Flusses, während auf 
den Höhen, die sich dem Laucherttal ent- 
lang ziehen, keine Burgen zu finden sind, 
wiewohl dort stattliche Pfarrdörfer liegen. 

Eine sonderliche Eigentümlichkeit 
bieten die beiden Burgen Schiltau und 
lungnau ; denn sie standen in ein und 
demselben Orte, und zwar so nahe bei- 
einander, dass sich die Insassen freund- 
Ai.ii. 1 1 >;!. Pui'io'uinp Juugiian. nachbarlich, aber auch derbfeindlich, wie 



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Alili. 104. Siegel des 
Berthold von Schiltau. 
Umschrift. S. BEHHTODI. 
1».' 8IIILT0W. 


das vielfach nach dem klassischen Beispiel schimpfender homerischer Helden 
auch bei uns Deutschen der Fall war, mit einander unterhalten konnten. Man 
war vielfach der Ansicht, Schiltau habe aufgehört zu bestehen, als Jungnau, 
die Burg von den Herren von Jungingen erbaut wurde. Das ist unrichtig. Es 
haben beide Burgen noch eine zeitlang beide nebeneinander bestanden, doch 
ging Schiltau viel früher ab. 

Schon im Jahre iaoo wird Schiltau genannt. Es 
besassen es die Edlen von Schiitowe, (1253 Konrad 
de Schiitowe) die zum Dienstadel der Grafen von 
Veringen gehörten. Im Jahre 1316 verkaufte Berhtold 
der Schiltower seine Burg mit den dazu gehörigen 
Besitzungen an Ritter Burkhard von Jungingen, der 
nun eine zweite Burg nebenan erbaute, die er nach 
seinem Namen Jungenowe nannte. Beide Burgen be- 
standen aber noch längere Zeit, wiewohl höchst wahr- 
scheinlich die neuen Besitzer manches Steinmaterial 
vom Schiltau herüber nahmen zum Bau der neuen 
Burg; denn während das ältere Schiltau keinen Turm 
besitzt, steht in Jungnau noch der Bergfried, der sicher 
einst in Schiltau sich erhob. Im Jahre 1367 heisst es 
von jeder Burg: die Burg mit dem Vorhof. Schiltau 

wird 1423 zum ersten Male Burgstnll genannt, um 1444 giebt man ihm aber 
nochmals den Namen Veste und mit dieser Zeit verschwindet es als Burgsitz 
aus der Geschichte. 

Die Erklärung seines Namens bietet keine Schwierigkeit, zumal es stets 
gleich geschrieben wird: Schiitowe, Schiltaw, Schiltau. Nur einmal, 1423, heisst 
es Schilto. 

Die Burg Jungnau, welche unmittelbar nach Erwerbung 
von Schiltau aufgebaut, auch dem Ort den Namen gab, 
wird 1333 zuerst genannt. Aber schon 1307 verkauften 
die von Jungingen Jungnau und Schiltau an die von Rei- 
schach. Mehr als ein Grund spricht dafür, dass der Ort 
Jungnau damals erst entstand: denn in den Urkunden jener 
Zeiten ist nie vom Orte die Rede, wenn auch von der 
Mühle. Im Laufe der Jahre bauten sich immer mehr Leute 
an, sodass, als 1418 die Grafen Werden berg Jungnau von 13r>7. 

den Reischach erwarben, es schon hiess »Jungnau die Abb, lü.v SieiH des 
Vestin und das Städtlin«, eine Bezeichnung, die aber stark Wolfgang von Jungin- 
übertrieben ist Damals behielt Ruff von Reischach Schil- gm. Umschrift: 8 .’ 
tau für sich, das aber dann auch in Besitz der Werdenberg Wül.FGAGI. 1 >. .JUX- 
überging. Als im Jahre 1468 eine Anzahl Grafen und gk;E. MII.ITI, 
Freiherm ein Bündnis schlossen zur Aufrechterhaltung des 
Friedens, und ein jeder mit seiner Burg und befesigtem Ort eintritt, da führt 
Eberhart Graf zu Werdenberg seine Stadt Trochtelfingen und sein Schloss 
Jungnow an. Damals war es mithin noch wehrfest. Von Schiltau ist keine 
Rede. Die Burg diente einem Zweige der Werdenberger als Sitz Hans von 



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104 


Werdenberg wohnte mit seiner Frau, einer Freiin von Gundelfingen hier und 
starb 1522, worauf man ihn zu Trochtelfingen beisetzte. Nach dem Aussterben 
der Werdenberger, 1544 fiel Jungnau, das einer Anzahl von Ortschaften den 
Namen Herrschaft Jungnau gab, an Fürstenberg und es wurde Sitz eines Ober- 
vogteiamtes. Im Jahre 1806 kam die Herrschaft Jungnau unter fürstlich hohen- 
zollerische Souveränität und 1840 wurde das Obervogteiamt aufgelöst. Heute 

gehört Jungnau zum preussischen Oberamt Sigmaringen. 

Die beiden Burgreste liegen mitten im jetzigen Pfarrort 
auf dem rechten Ufer der Lauchert. Von der älteren Burg 
Schiltau, zunächst der Staatsstrasse Sigmaringen— Gammertin- 
gen, sind noch Reste der Ringmauer vorhanden. Die Burg 
lag auf einem 12 m frei aus dem Tal aufsteigenden Felsen; 
der sich gegen Nordwesten abflachte. Die Ringmauer folgte 
dem Zug des Felsens und war 1,2 m stark. Gegen Nord- 
westen steht die Ringmauer noch 5 — 6 m hoch. Der von 
der Ringmauer eingeschlossene Burghof war ursprünglich 
etwa 30 m lang, 17 m breit und ist jetzt durch später ein- Abb. 10«. Allianz- 
gebaute Gebäude verengt. Das Wohnhaus lag auf dem süd- Siegel der Agnes 
lichsten höchsten Teil des Felsens, dem sogen. Scheibenfelsen vnn Rundelfingen, 
gegenüber. Unter dem Wohnhaus lag ein jetzt verschütteter Gräfin von 

Keller. Die F.infahrt in den Burghof geschah wie heute noch Zollern ' 

von Süden her. Der rechte Torpfeiler an der Hausecke ist 
noch erkennbar. Die südliche, massive, 1,2 m starke Giebelseite des hier 
stehenden Gebäudes ist noch ein Teil der Ringmauer, der linke Torpfeiler fehlt, 
auch ist die ehemals anschliessende Ringmauer auf der Südwestecke abgebrochen. 



Vom ehemaligen Burgweg führt ein Ortsweg zu 
den starken Quellen an der Südspitze des Felsens. 
Dieser Weg heisst heute noch »Schiltach« und 
bezeichnet die Lage der Burg am Wasser. Im 
Falle der Gefahr war es möglich, den Burgfelsen 
mit Hülfe eines Seitenarmes der Lauchert, der 
jetzt noch den südwestlichen Teil des Ortes 
umfliesst, mit Wasser zu umgeben. Nördlich der 
Burganlage, umittelbar vor dem flach auslaufenden 
Felsen liegt ein quadratisches turmartiges Ge- 
bäude von 7,5 m Seitenlänge, dessen steinerner 
Unterbau Buckelquader zeigt (vielleicht der Rest 
eines ehemaligen Turmes). 

Von der ehemaligen Burg Jungnau, die etwa 
100 m nördlich von Schiltau nächst der Lauchert 
lag, ragt heute noch der mächtige Bergfried 
trotzig über dem Pfarrort empor. 

Der Haupteingang befindet sich auf der 
Südwestseite unter dem Schutze des Bergfrieds, 
der sich auf einem Felsunterbau erhebt. Links 
vom Toreingang innerhalb des Burghofes liegt 



Abb. 107. Übersichtsplan von 
Schiltau. 


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io 5 




die Kirche, ein spaterer Bau aus dem iS. Jahrhundert. Gegen Nordosten lag 
der sog. Kasten, jetzt zum Pfarrhaus umgebaut, an dessen Unterbau Buckel- 
quader. auch kleine Fensterschlitze erkennbar sind. Auf der Nordseite, der 
Mühle zu, ist noch ein zweites Tor 
zu suchen, das vielleicht durch einen 
Rundturm geschützt war. Die dort 
vorhandene stark abgerundete Ecke 
lässt dies vermuten. Der Bergfried 
von 8,4 m Lange und 8,6 m Breite, 
im oberen Teil etwas schwächer, mit 
abgetrepptem Sockel, steht als Rumpf 
noch etwa iS m hoch Er ist aus 
stark vortretenden Bossenquadern mit 
Randschlag aufgeführt. Die alte Ein- 
gangspforte auf der Nordseite ist gut 
erhalten und liegt etwa 12 m über 
dem jetzigen Hof. (Der Hof soll beim 
Umbau des Schlosses zum Schul- und 
Rathaus tiefer gelegt worden sein.) 

Die Eingangspforte .zeigt nach aussen 
Spitzbogen, in der Mauerstärke ist sie 
eben mit oben bogenförmigen Quadern 
abgedeckt. Die Verschlussvorrichtung 
ist noch sichtbar. Die Mauerstärke be- 
trägt im Eingangsstockwerk 3,5 bezw. 

3,8 m, die Lichtweite 2,4 auf 2,78 m. 

Gegen Süden ist ein Fensterlicht mit tie- 
fen Abschrägungen, innen bogenförmig, Abi.. 108 . Schnitt durch den Bergfried 
aussen gerade abgedeckt ; gegen Osten von Jungnau 

und Westen sind kleine Mauernischen. 

gegen Westen zwei übereinander. Unter dem Eingangsstockwerk befindet 
sich das Burgverliess; ursprünglich fensterlos. Die jetzigen Durchbrüche gegen 
Norden und Westen stammen aus späterer 
Zeit. Das Burgverliess ist 2,75 m im Licht 
weit; oben mit einem Kreuzgewölbe ohne 
Rippen abgedekt ln der Gewölbemitte be- 
findet sich eine viereckige mit Quadern ein- 
gefasste Öffnung (Angstloch.) Burgverliess und 
Eingangsstockwerk zeigen innen schön gefügtes 
Quadermauerwerk. Das über dem Eingangs- 
stockwerk liegende, zur Hälfte eipgestürzte 
Backsteintonnengewölbe ist später eingesetzt 
worden. Auf der Ostseite dieses Stockwerks 
befindet sich oben eine weitere Fensteröffnung 
aus schön bearbeiteten Bogensteinen, mit inne- 
rem Backsteinbogen, wohl gleichzeitig mit dem ^hb. 10!l - Grundriss des Bergfrieds 

von Jnngnan. 


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IO0 

Einsetzen des Backsteingewölbcs, zugemauert. Diese Öffnung bildete einst den 
Aufgang zur Plattform mittelst einer teilweise in der Mauer liegenden Treppe, 
(s. Dietfurt). Der obere Abschluss des Eingangsstockwerks fehlt, es lässt 

sich auch nicht mehr fest- 
stellen, ob dieser mittelst 
eines Gewölbes oder einer 
Balkenlage hergestellt war. 
Auf der jetzigen Mauerkrone 
sind noch Reste von Holz- 
schwellen sichtbar, die das 
im Jahr 1843 abgebrochene 
hölzerne Stockwerk getra- 
gen haben. Das Schloss 
stand in der nordöstlichen 
Ecke des Burghofes, es ist 
vollständig umgebaut und 
dient jetzt als Schul- und 
Rathaus, Bis 1806 war das 
Schloss Sitz des Obervogtei- 
amts, und stand mit dem 
Bergfried durch die oben- 
genannte, jetzt vermauerte Türöffnung auf der Nordseite unter der alten Ein- 
gangspforte in Verbindung. 

Bei Jungnau sind noch die schon genannten ehemaligen Burgen zu er- 
wähnen. Zunächst: 

ISIKOFEN. Diese Burg (imrichtig Einzigkofen, Einzighofen genannt) lag 
etwa 2 Klm. unterhalb von Jungnau auf dem Enken Ufer. 

Bevor die Burg stand, befand sich liier eine kleine Niederlassung, 
die, sehr alt, schon unter den wenigen Orten genannt wird, die zum Gau 
Rotoldesbuch, der späteren Grafschaft Sigmaringen, gehörte. Bei Isikofen be- 
fand sich eine Furt, und durch diese lief die alte Grenze der Grafschaft Sigma- 
ringen Egelfingen zu. Von der ehemahgen Burg sind nur noch geringe Reste 
übrig geblieben. 

Da wo die Lauchert von dem Felsen nach ' Südwesten abgedrängt wird, 
führt der alte Burgweg in wenigen Minuten vor den Burgeingang auf der Nord- 
ostseite. Der Hügel, auf dem die Burg stand, jetzt ganz bewaldet, fällt gegen 
Süden, Westen und Osten steil ab. Auf der Westseite, gegen die Lauchert, 
befindet sich noch ein Teil der Ringmauer in etwa 2 m Höhe. Die Ringmauer 
zog sich am Hang des Berges hin, und schloss wohl an einem Tortum an, der 
in der Nordostecke, wo jetzt ein grosser Steintrümmerhaufen liegt, zu suchen 
sein wird. Inmitten des Burgberings auf der höchsten Stelle stand ein jetzt 
ganz zerstörter viereckiger Turm. 

Isikofen schief gegenübei am rechten Ufer der Lauchert auf der dort vor- 
springenden Felskuppe lag das Stammschloss der Herren von Hornstein (s. d.) 
die Burg HERTENSTEIN die gänzlich verschwunden ist is. Hornstein). 



| ] — W- -»v iA \ 

Abi». 10 ( iK i'suhtsplan von Jungnau. 


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i07 


Oberhalb Jungnau zwischen diesem und Veringendorf lag die Burg der 
Herren von APFELSTETTEN. Dieses Geschlecht kommt im 14. Jahrhundert 
mehrfach vor und gehört zu den Dienstmannen der Herren von Jungingen. 
Apfelstetten kam mit Jungnau, zu dem es gehörte, 1367 an die Herren von 
Reischach und von diesen 1418 an die Grafen von Werdenberg (s o.). Es sind 
nur noch geringe Reste der Burg vorhanden. Sie liegen auf einem Felsenvor- 
sprung etwa 80 m über der Lauchert. Steigt man von Südwesten an, so trifft 
man auf den etwa 5 m tiefen Felsgraben. Der Felspfad führt sodann steil zur 
Höhe hinan zu den Resten eines viereckigen Turmes mit anstossendem Wehr- 
gang oder Wachthaus auf dem nördlichen dem Tale zugekehrten Felsgrat 
Mauerreste, aus äusserst hartem Gussmörtel hergestellt, sind auf der Nord- und 
Ostseite noch erkennbar. Der Wehrgang oder das Wachthaus lehnte sich 
südlich und westlich an die höher stehenden Felsen an. Auf der höchsten 
Stelle des Felsgrates, über dem Felsgraben, sind auch noch Spuren von Mauer- 
werk ersichtlich, das vielleicht einem Turm angehörte. 

JUNGINGEN. Von den Herren von Jungingen ist bei Jungnau besonders 
die Rede. Um nicht den Anschein zu erwecken, wir hätten die ehemalige 
Burg der Herren von Jungingen vergessen, sei Folgendes erwähnt: Südlich 

vom Pfarrdorfe Jungingen, etwa 2 km entfernt, liegt auf der Vorhöhe des 
ziemlich ansteigenden Gebirges das sogenannte Bürgle. Hier stand höchst 
wahrscheinlich die Burg der Herren von Jungingen, ein angesehenes Herren- 
geschlecht, das vom 13. bis 1 6. Jahrhundert blühte, sein Stammschloss Jungingen 
aber schon früh verlor oder aufgab und sich in Jungnau anbaute. Heute ist 
von der Burg nur noch Wall und Graben vorhanden. Jenseits des Tales liegt 
abermals ein ehemaliger Burgplatz; hier stand die Burg der Herren von 
Affenschmalz. 



KRAUCHENWIES. 

Krauchenwies hat in der Neuzeit unter den hohenzollerischen Orten einen 
bevorzugten Ruf, weil es alljährlich für mehrere Monate der fürstlichen Familie 
zum Sommeraufenthalte dient. Die Nähe von Sigmaringen, welches nur 8,8 
Kilometer entfernt ist, sowie die schönen, weitausgedehnten Park- und Garten- 
Anlagen, welche dem Publikum zugänglich sind, machen es als Ausflugsort 
sehr beliebt • 

Krauchenwies ist auch ein sehr alter Ort, dessen Anfänge im Dunkeln 
liegen. Die Deutung des Namens ist bis jetzt nicht zur Zufriedenheit gelungen. 
Es schreibt sich: 1202 Crvchinwis, 1216 Cruchermvise, 1242 Cruchenwise, 1243 
Cruchuwise, 1281, 1371 und 1392 Kruchenwis, 1313 Cruchemwis, 1427 Kraw- 
chenwise, 1493 Kruchenwiss und dann Krauchenwies. 


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Schon im i Jahrhundert hat Krauchenwies Ortsadel; denn wir hören 
1202, also gleich nach der Wende des genannten Jahrhunderts, von einem 
Albertus de Crvchinwis, Ministcriale des Klosters Reichenau, sowie von Heinrich 
und Eberhard de Crvchinwies. Im Jahre 1281 ist Ber.(told) de Kruchenwis 



Al>l>. 111. Der Suhlosslinf von Krauehenwie». 


Zeuge bei einer Schenkung des Grafen Mangold vcn Nellenburg an das Kloster 
Habstal. Lange Zeit war Krauchen wies Dekanatssitz; so wird 124 t als Dekan 
Artolf, 1312 und 1111 Dekan Haertnit genannt. Der Ortsadel von Krauchen- 
wies starb mit dem 13. Jahrhundert aus; denn in dieser Zeit treten als erste 
urkundlich nachweisbare Besitzer die Herren von Leiterberg auf, die 1248 das 
Dorf und den Turm daselbst an das Haus Österreich verkauften. Dieses gab 
Burg und Dorf den von Buwenberg als Lehen. Im Jahre 1371 sendet Konrad 
von Buwenberg, Ritter, den Herzogen Albrecht und Leopold zu Österreich 
Krauchenwies »bürg und dorf« als Lehen auf und bittet, es dem Diethelm 
Graemlich zu leihen. Aus der Urkunde geht hervor, dass die Grafen von 
Montfort Krauchenwies ebenfalls schon zu Lehen gehabt hatten. 

Die Graemlich waren ein viel verzweigtes, begütertes Adelsgeschlecht. 

Im Jahre 1451 sendet Konrad Graemlich das Lehen, welches er nennt 
»myn wasserhus«, dem Herzog Sigmund von Österreich, auf und teilt diesem 
mit, dass er das »wasserhus« dem Freiherm von Zimmern zu Messkirch ver- 
kauft habe, dem er es zu Lehen zu geben bitte. 

Wir haben nun schon drei Bezeichnungen: Im habsburger Urbar 1303 

heisst es Turm, zweifellos ein Wohnturm, im buwenberger Lehenbrief 1371 
wird es Burg genannt und nun 1431 lautet die Bezeichnung zum ersten Male; 
»Wasserhaus«. 

In der Folgezeit wechseln die Lehensinhaber ausserordentlich rasch. 
Wir finden: Zimmern, Ramsperg (1453), wieder Zimmern (1456), wieder 

Graemlich (1404), Homburg (1441), Sürgenstein (151b), wieder Homburg (1562), 
schliesslich Scharenstetten 11 504). Nun sollte Krauchenwies endlich in ruhigen 


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Besitz gelangen. Nach mancherlei Auseinandersetzungen mit den früheren 
Lehensinhabern wurde 1595 Krauchenwies, das Wasserhaus und das Dorf, 
von Erzherzog Ferdinand von Österreich dem Grafen Karl II. von Hohen- 
zollern-Sigmaringen verliehen, nachdem dieser das Lehen von Karl von Schorn- 
stetten um 39000 Gulden gekauft hatte. Jetzt hatte Krauchenwies einen 
Besitzer gefunden, in dessen Hände es bleiben und sich wohl finden sollte. 

Fürst Karl Anton von Hohenzollern wurde hier am 7. September 1811 
geboren, desgleichen von seinen Kindern die Prinzessin Stephanie am 15 Juli 
1837, die spätere Königin von Portugal, und ebenso Fürst Leopold am 22. 
September 1835. 

Der Ort hat im Laufe der Zeiten manchen hohen erlauchten Gast am 
fürstlichen Hofe gesehen. Könige und sonstige Regenten, deren Namen mit der 
deutschen und europäischen Geschichte enge verknüpft sind. — - 

Von den beiden Land- 
häusern des Fürsten von Hohen- 
zollern liegt der ältere Bau hart 
an der Staatsstrasse nach Sig- 
maringen, der jüngere in west- 
licher Richtung im Park. 

Karl II. (1576—1606) liess das 
»alt Schloss oder Wasserhaus« 
neu aufführen mit einer Kosten- 
summe von 3795 Gulden für 
»Behausung, Kirche (Kapelle), 

Glockenthürmchen und Küche«. 

Dieser Bau wurde später unter 

Fürst Karl Friedrich 
(1769- 1785) und noch in unseren 
Tagen mehrfach verändert. 

Das Schloss hat eine hufeisen- 
förmige Grundform. Im nörd- 
lichen Flügel liegt die Durch- 
fahrt zum Hof. Der westliche 
Flügel ist gegen Süden halb- 
rund geformt. Hier ist der 
älteste Teil der Anlage zu 
suchen. Er enthält unten die Hauskapelle mit einem nischenartigen Ausbau 
für den Hochaltar, mit darüberliegenden Wohnräumen. Die weiter nördlich 
liegenden Räume sind umgebaut und dienten früher als Küche. Im fürstl. Ilaus- 
archiv wird unter anderem ein Verdingzettel aufbewahrt, abgeschlossen im 
Auftrag des Grafen Karl II. zu Hohenzollern-Sigmaringen von dem Rentmeister 
Hilarius Hornstain und dem Baumeister Hans Waldner aus Ravensburg mit 
dem Zimmermeister Hans Lacher von Langenenslingen über die Herstellung 
des ganzen neuen Baus zu Krauchenwies mit »Behausung, Kürchen, Gloggen- 
thürmlin und Kuchen« für 400 Gulden nebst Materialien. Geschehen zu 
Sigmaringen 20. Oktober 1597. 



Alib. 112. Übersieht spinn vom Schloss Krauchenwies. 


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1 10 


LANGF.NENSLINGEN. 


Das Schlösschen in 
l.angenenslingen steht mit 
dem Ort in keiner wesent- 
lichen geschichtlichen Be- 
ziehung, sodass wir hier 
davon absehen müssen, auf 
die Geschichte des stattlichen 
Marktfleckens einzugehen, 
wenn er auch zu den ältesten 
in Hohenzollcm zu zahlen 
ist, da er schon 935 als 
Ersilingen vorkommt. 

Erst Karl II. (1576 — 
1606) von Hohenzollern- 
Sigmaringen liess 1576 bis 
1578 das Schlösschen erbauen, wodurch er mit dtr Gemeinde in Streit geriet, 
weil die ihm das Recht bestritt, das Eichenholz dazu in den Gemeindewaldungen 
schlagen zu dürfen. Es kam zu einer Beschwerde beim Kaiser; der Entscheid 
aber erfolgte, recht bezeichnend für den Gang der damaligen Rechtspflege, 
erst 1005. Im Jahre 1027 wurde dem Turm gegenüber eine kleine Kapelle 
auf der südöstlichen Ecke erbaut, die Weihbischof Georg Sigmund erst 1659 
ein weiht. 

Fürst Meinrad 11 . (1689 - 1715) von Hohenzollern-Sigmaringen liess Schlöss- 
chen und Kapelle wieder hersteilen, und die dritte Cemahlin des Fürsten Joseph 
Friedrich (1713 1765), Maria Theresia, starb hier am 7. Mai 1761. Als 1811 

das Schlösschen in Privatbesitz überging, brach man die Kapelle ab. Im Jahre 
1858 wurde das Schlösschen um 7400 Gulden Eigentum der Gemeinde und ist 
jetzt Rathaus. 



M 


j**- 


AI 1 I 1 . 114. Griimlplan vom Sehiössle 
Lnngom>nslin}rf n. 


Etwa 3 Kilometer von Langenenslingen 
liegt der Berg, auf dem einst die Burg 
Habsberg, schon 1116 als Habechis- 
perg genannt, lag Heute sind kaum noch 
Spuren vorhanden. — — 

Das ehemalige »Sehiössle«, mitten im 
Ort, ist ein einfacher, langgestreckter 
Bau, 40 m lang, 15 m tief und hat vier 
achtseitige Türme an den Ecken, über 
dem Portal ist das Allianzwappen des 
Fürsten Meinrad II. zu Hohenzollern- 
Sigmaringen und der Fürstin Johanna 


Katharina, geborene Gräfin von Montfort Jahreszahl 1719. 


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III 


LICHTENSTEIN. 


Geht man auf 
der Strasse Gam- 
mertingen — Bur- 
ladingen dem 
Killertale zu, so 
erblickt man etwa 
3 km nordwestlich 
von Neufra, dem 
mittelalterlichen 
Niuferon, links 
auf beträchtlicher 
Höhe, in schöner 
malerischer Lage, 
von der sich eine 
weite, umfassende 
Fernsicht bietet, 
die Ruinen der 
ehemaligen Burg 

Lichtenstein. Es giebt verschiedene Burgen dieses Namens. Am bekanntesten 
ist Lichtenstein bei Honau, allgemein berühmt geworden durch den gleich- 
namigen Roman von Hauff, wiewohl die von dem Dichter erzählten Ereignisse 
fast sämtlich in das Gebiet der Fabel, der Erfindung gehören. Die Besitzer der 
beiden Burgen sind stammverwandt gewesen. 

Sieht man unsem Lichtenstein von Südosten her, so erscheinen zwei 
abgesonderte Bergkegel, die nur durch einen Grat verbunden sind, beide von 
prächtigen Buchenwaldungen umrauscht. Die östliche Ruine, Neufra zugewendet, 
ist die bedeutendere und heisst auch im Volksmund Lichtenstein, während die 
nordwestliche Bubenhofen genannt wird. Letztere Bezeichnung ist unrichtig; 
denn beide Burgen heissen Lichtenstein und gehören zueinander. Der nord- 
westliche Teil war nur eine Vorburg, eine Verstärkung, ein Beobachtungsturm, 
wie wir solche bei grösseren Burgen öfter wahmehmen können. Die andere 
Ruine ist die der Hauptburg. Diese Verwechslung der Namen kommt daher, 
weil die Herren von Bubenhofen 146S einige Zeit in Besitz von Gammertingen 
und llettingen waren. In allen Belehnungsurkunden des Mittelalters heisst es 
stets: Vorder- und Hinter-Lichtenstein. 

Die ersten Lichtensteiner begegnen uns 127S, Sweniger und Bertold von 
Lichtenstein. Ob sie damals Lehensleute der Grafen von Hohenberg waren, 
wie behauptet wird, scheint mir nicht; denn 1425 nennen die Grafen von 
Zollern sie ausdrücklich »unsere Diener«:, sie waren somit zollerische Dienstleute. 
Dieser Sweniger, auch Swänger, stiftete 1732 eine Kapelle auf dem Friedhof 
zu Neufra. Der Name Sweniger, Swaeniger, Svvenger, Schwenger ist erblich 



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1 12 


in der Familie und findet sich von 1278 — ^386. Auch die Namen Dietrich und 
Burkhard sind häufig bei ihnen. Ulriche von Lichtenstein kommen im 14. und 
IV Jahrhundert vor. Um 1344 war ein Ger (wohl Gerig, Georg) von Liehten- 
stain Komtur zu Villingen. Ein anderes Glied der Familie, Heinrich, hatte sich 
1425 ebenfalls dem geistlichen Stande gewidmet; er war Mönch zu Salem. In 
den Jahren 1413 — 1418 begegnen wir einem Ulrich von Lichtenstein als württem- 
bergischer Vogt zu Rosenfeld. Die Schreibweise Liehtenstain kommt häufig 
vor, wohl weil im Mittelalter das h scharf wie ch gesprochen wurde. 

Vorder- und Hinter-Lichtenstein erfuhren vielen Besitzwechsel. Sehr wahr- 
scheinlich brachte Adelheit von Zollern (•}• vor 1382» Lichtenstein ihrem Gatten, 
dem Grafen Heinrich von Veringen (-5-136*1), zu. Deren Sohn Wöltlin vermachte 
die Pfandschaft von Lichtenstein 1407 an Heinrich von Rechberg von Hohen- 
rechberg. Aber schon hatten die verschuldeten Veringer das Meiste der Burg 
an Württemberg verkauft; denn 14 11 versetzte Graf Eberhard von Württemberg 
dem Heinrich von Rechberg die vordere Burg ganz und Lichtenstein die hintere 
Burg halb. Es herrscht auch bei Lichtenstein, wie bei vielen Burgen und Be- 
sitzungen in jener Zeit, ein krauser Durcheinander, indem durch stetes Verpfänden 
die Pfandinhaber häufig wechseln. Als 1442 die Württemberger ihre Besitzungen 
teilten, kam Vorder-Lichtenstein und halb Hinter-Lichtenstein an Graf Ludwig I. 
Im Jahre 1447 kaufte Graf Ulrich das Burgstall Hinter-Lichtenstein. Um 
1437 wird auf Vorder-Lichtenstein als Burgvogt Lenz von Hausen genannt. Nun 
fielen 1474 das Burgstall Vorder-Lichtenstein und halb Hinter-Lichtenstein an 
Hans von Bubenhofen als württembergisches Lehen. Die von Bubenhofen ver- 
kauften das Lehen an Dietrich Speth, Erbtruchsess von Württemberg. Bei dieser 
Familie blieb es bis nach dem 30jährigen Krieg. Jetzt ist Vorder- und Hinter- 
Lichtenstein in Besitz des fürstlichen Hauses Hohenzollem. 

Wann die Burg Lichtenstein bei Neufra zerstört wurde, ist nicht bekannt. 
Wahrscheinlicher ist, dass sie nicht mit Gewalt gebrochen wurde, sondern seit 
langer Zeit unbewohnt blieb und dann zerfiel, wobei Menschenhände durch 
Abbnich noch mitwirkten. 

LTnsere Lichtenstein waren auch bei Neckarhausen begütert Eine interessante 
Kirchenfahne, eine Seltenheit in Leinenknüpfarbeit, fand ich vor Jahren zu 
Neckarhausen; sie ist jetzt in der fürstlich hohenzollerischen Sammlung zu 
Sigmaringen. 

Vorderlichtenstein, hoch über dem Fehlatale, dem Orte Neufra 
zunächst gelegen, ist eine Burganlage von unregelmässig dreiecker Grundform 
von etwa 30 m Seitenlänge. Die starke Ringmauer ruht auf einem 6 — 8 m 
hohen Felsunterbau. Ln der nördlichen Ecke erhob sich ein rechteckiger Turm 
von 8.4 m Länge und 6,6 m Breite aus mächtigen Buckelquadem, dessen nord- 
östliche Ecke noch etwa 5 m hoch aufrecht steht. Der übrige Teil ist in sich 
zusammengestürzt. Der Eingang zum Turm lag gegen Süden dem Burghof zu. 
Der Eingang zum Burginncm befand sich in der östlichen Ringmauer nahe dem 
Turme. Die Ringmauer, mit noch sichtbarem Wehrgang, ist gegen Nordwesten 
2,2 m, gegen Osten 2,1 m, gegen Süden 1,7 m stark. Die auf der Nordwest- 
seite erhaltene Wehrmauer ist 1,35 m hoch, 0,8 m stark; der nach innen 
liegende Wehrgang 1,4 m breit. Der Wehrgang liegt etwa 3 m über dem 


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1 13 

Burghof und 6 — 7 m über dem äusseren Felsen. Im Burginnern an der südlichen 
Ringmauer ist ein Mauerteil aus schön gefügten Quadern erkennbar, vielleicht 
ein Rest des ehemaligen Wohnhauses. Jetzt ist alles dicht verwachsen und 
fast unzugänglich. 



Abb. Illi. Rechts (inuuiplan von Vnrder-Lichtensteiii, links Grundplan von Hinter- Licbtenstein. 

Ilinter-Lichtenstein liegt 300 m westlich von Vorder-Lichtenstein entfernt, 
ebenfalls auf schroffem Felsen und etwas höher als Vorder-Lichtenstein. Der 
Burgbering bildet ein unregelmässiges Viereck von etwa 25 in Seitenlänge. 
Die südöstliche Ecke ist stark abgerundet. Hier lag, nach den vorhandenen 
Mauerresten zu schliessen, das Wohnhaus von 12 m Länge und 7 m Breite. 
Die Ringmauer ist grösstenteils abgestürzt, auf der Nord- und Südseite stehen 
noch einige Stücke derselben aufrecht. Sie war auf der Ostseite und auf 
der Nordseite 1,6 m, auf der Südseite 2,3 m stark und meist auf Felsen aufge- 
setzt. Der südlichen Ringmauer war ein schmaler Zwinger von 1,4 m Breite 
vorgelegt. Der Eingang zum Burghof lag auf der Ostseite zwischen dem Turm und 
dem Wohnhaus. Der Turm in der nordöstlichen Ecke der Burganlage ist aussen 
viereckig, 7,6 m lang und 6,7 m breit, innen rund {2,8 m Durchmesser), aus 
mächtigen Buckelquadem mit Randschlag hergestellt. Die südwestliche Ecke 
mit dem schön abgetreppten Sockel ist noch in einer Höhe von 12 — 15 m vorhanden. 
Die nordöstliche Hälfte ist abgestiirzt. Von der ehemaligen Eingangspforte auf 
der Südseite steht noch in einer Höhe von etwa 6 m vom stark verschütteten 
Burghof ab der linke (westliche) Pfeiler und ein Teil des Rundbogens, auch 
der Gewölbeansatz des ehemaligen Durchgangs zum Turminnern. Die 
Eingangspforte war etwa 0,90 m breit und 2 m hoch. Die alte Öffnung für den 
Verschlussriegel ist noch sichtbar; ebenso die Balkenöffnung eines Tragbalkens 
der Plattform vor der Eingangspforte. Die Mauerstärke des Turmes beträgt auf 
der Südseite 2,3 m, auf der Nordseite 1,55 m einschliesslich der Ringmauer, 


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1 14 


ohne letztere 1,15 m. Burghof und nächste Umgebung ist jetzt ganz 
bewaldet. 

Die von Lichtenstein waren auch in und bei Neckarhausen ansässig 
und begütert. Von der auf der jetzt bewaldeten Bergkuppe etwa 200 m über 
der Talsohle gelegenen Burg sind nur noch ein Ringgraben und wenige Mauer- 
reste sichtbar. 


4k 


DER L1NDICH. 



Das Lust- 
schloss Lin- 
dich ist mit 
der Villa 
Eugenia das 
jüngste unter 
den hier be- 
handelten 
Schlössern 
Hohen- 
zollems. Es 
ist ein schön 
gelegener 
Sommersitz, 
etwa 4 Klm. 
westlich von 
Hechingen, 
oberhalb der 
Staufenbur- 

Abb. 117 . Der Lindieh. ger Höhe. Im 

Jahre 1742 er- 
baute Fürst Friedrich Ludwig von Hohenzollem-Hechingen den Lindieh. 
Vom Jahre 182b — 1834 diente der Lindieh dem Erbprinzen Friedrich 
Wilhelm Konstantin und der Erbprinzessin Eugenie als Residenz. Als König 
Friedrich Wilhelm IV'. 1856 die Burg Hohenzollem besuchte, wohnte er, die 
Königin und Prinz Wilhelm von Preussen, der spätere Kaiser Wilhelm I., Gäste 
des Fürsten Karl Anton von Hohenzollem, auf dem Lindieh. Im folgenden 
Jahre nahm die Prinzessin Stephanie von Hohenzollem, als Braut des Königs 
Dom Pedro V'. von Portugal, mit ihren Eltern nnd Brüdern und dem portugie- 


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i>5 


sischen Gesandten Grafen Lavradio für eine Nacht Aufenthalt im Lindich. Ein 
weiteres geschichtliches Ereignis von ganz besonderer Bedeutung für Hohen- 
zollem war der Aufenthalt König Wilhelm I. von Preussen am 2. Oktober 
1SÖ7 mit der Königin Augusta 
und dem Kronprinzen Friedrich 
Wilhelm zur Empfangnahme 
der Schlüssel der neu erbauten 
Zollerburg. Die königliche 
Familie w'ar auch dies Mal 
wieder Gast der fürstlich- 
hohenzollerischen Familie, des 
Fürsten Karl Anton von Hohen- 
zollem, Miterbauers der Burg. 

Auch 1873 sah der Lindich hohe 
Gaste, indem die fürstlich hoben- 
zollerische Familie aus Sigma- 
ringen nebst dem Fürsten Karl 
und der Fürstin Elisabet von 
Rumänien sowie dem Grafen 
und der Gräfin von Flandern 
längere Zeit in der Villa Eugenia 

und dem Lindich Wohnung Abb, 118 . Grundriss des zweiten Obergeschosses. 



nahmen. Jetzt wird der 
Lindich nicht mehr be- 



wohnt. — 

Das Schloss, ein 
quadratischer Bau von 
21,35 m Seitenlänge mit 
Eingang auf der Süd- 
seite ist im Innern durch 
breite Gänge kreuzweise 
geteilt. Im Mittel- 
raum sind die Ecken 
abgeschrägt und mit 
Nischen versehen. Im 
östlichen Seitenarm 
liegt die Treppe, im 
westlichen Flügel die 
Hauskapelle. Südlich ist 
ein Balkon, auf Säulen 
ruhend, angeordnet. Im 
zweiten Obergeschoss 




bildet der Kern ein 


regelmässiges Achteck. 

Über diesem inneren • ■ 


Raum wölbt sich eine Abb. 119 . Grundriss des Erdgeschosses. 


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1 16 



Abli. ISO. rbmichtgplan des Lindich. 


Kasettenkuppel ' von dorisirenden 
Säulen getragen, darüber liegt eine 
zweite, über Dach geführte Kuppel. 
Nach einem alten Plan vom Lindich 
war ein dreistöckiges Gebäude mit 
mächtigem Wappengiebel gedacht; 
jetzt zeigt der Bau nur 2 Stock- 
werke mit 4 einfachen Giebelauf- 
sätzen nach jeder Seite ; Mansarden- 
dach und über diesem die achteckige 
Kuppel mit geschweiftem Dach und 
Vasenabschluss. Der jetzt um das 
Gebäude geführte Laubgang ist nach 
dem Jahre 1800 entstanden. 




MELCHINGEN. 

Uralter Kulturboden, eine Gegend, die der Mensch seit Jahrtausenden 
als Wohnstätte sich erwählte! Daraus folgt, dass ihn die Alb anmutete, dass 
sie ihm bot, was er suchte. Lhid das war auch bei Meldungen der Fall. Hier 
befinden sich die Überreste und deutliche Spuren einer vorgeschichtlichen 
Volksburg, hier wohnten Menschen der Hallstadtzeit, hier fanden es die 
Römer gut, bauten eine Strasse und setzten ihre Ansiedler hierher. Auf dem 
PfafTcnberg opferten sie ihren Gottheiten, dafür zeugen die Funde, die dort 
und in nächster Umgebung gemacht wurden. Die sich hier ansiedelnden 
Schwaben nannten ihren Wohnort Malichingen — nicht Mulichingen - wie 
der Name zweifellos unter den Schenkungen, die Bleon und sein Sohn Otto 
772 an das Kloster Lorsch machten, gelesen werden muss. Als noch die 
spätere Grafschaft Gammertingen ihren ehemaligen Gaunamen Burichinga 
führte, bestand Malichingen schon. 

Wir lesen, wie schon gesagt. 772 Malichingen, 1040 — 1100 klar, deutlich 
und für Malichingen sprechend, Malichingin und Malechingen, 1275 '284 

Melchingen, dann im 14. Jahrhundert Maelchingen und von’ da an ebenso 
Maelcbingen wie Melchingen Genau geschrieben müsste somit der Name 
Mälchingen lauten. Diese Bezeichnung deutet auf einen Gründer des Ortes mit 
dem Personennamen Malicho und das ist von besonderer Wichtigkeit für die 
Ansiedlung. Er leitet sich nämlich ab von Malulf, Malbad, Malkop u. dergl. m. 


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'«7 


Hierin steckt der Stamm mal = Versammlung = Rede, gebildet aus madal = 
Versammlungsplatz. Das erinnert aber sofort an mahal — Gerichtsstätte, 
Malstätte, uud somit wäre Melchingen in altschwäbischer Zeit schon die 
angesehene Malstätte der Burichinger Marca gewesen. 



Alib. 121. Ruine Melchingen. 

Dass sich an einem solchen Orte ein Edeling schon in früher Zeit seine 
Burg bauen würde, nachdem er vorher vielleicht mehr als viele Jahrzehnte im 
Orte selbst auf seinem Herrenhofe gewohnt, kann nicht auffallend sein. Es 
überrascht uns daher nicht, dass wir unter den Schenkungen an das Kloster 
Zwiefalten (1100-1138) auch solche von einem Albertus de Malichingin finden, 
wenn dieser nicht ein Edler von Hölnstein war. In den Jahren 127g und 1287 
werden dann Burkhard und Amold von Melchingen als Zeugen bei einem 
Kaufakte der Grafen von Zollern genannt Wie wir das immer wieder bei 
den Edelleuten sehen, dass sie ihr Eigentum als Lehen einem Mächtigeren auf- 
geben, um es in gleicher Eigenschaft wieder zurück zu erhalten, so auch bei 
denen von Melchingen: denn schon 1344 besitzen die Grafen von Württem- 
berg die Burg zu Melchingen und geben sie Burkhard dem Melchinger zum 
Lehen. Es wird sich hier aber nicht um die ganze Burg gehandelt haben; 
denn wir sehen in der Folgezeit verschiedene Teile der Burg in verschiedenen 
Händen. So war 1402 Hans von Zimmern Herr eines Drittteils der Burg; 
denn in diesem Jahre leiht er den genannten Teil dem Wilhelm Schenk von 
Stauffenburg, wobei erwähnt wird, dass vorher Kunz der Melchinger selig 
darauf gesessen habe. Und 1439 verkauft Hans von Melchingen seinen Teil 
an der Burg, nämlich das Vorderhaus halb und den hinteren Stock an die 
Grafen von W erdenberg. Wieder fünf Jahre später verkauft Renhard von 


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Meldungen seine Hälfte der Burg an Graf Eberhard von Werdenberg. Es ist 
hieraus zu schliessen, dass die Burg ziemlich umfangreich gewesen ist und 
aus mehreren Wohnungen, Häusern und dem Turm bestand. Oswald Gabel- 
kover zählt Melchingen noch zu den württembergischen Burgen, was nicht 
zutrifft (s. Holnstein). 

Die Grafen von Werdenberg waren durch mehrere Käufe in Besitz der 
ganzen Burg und vieler Liegenschaften des Pfarrdorfes gekommen, das schon 
sehr früh eine eigene Pfarrei besass, die 1375 zum Dekanat Ringingen gehörte. 
So angesehen und mächtig die Grafen von W’erdenberg waren, den Melchinger 
sollte die neue Herrschaft verhängnisvoll werden. 

Die Werdenberger hatten drei Knechte des Eberhard von Klingen berg 
gefangen genommen und, nach der unbarmherzigen Sitte damaliger Zeit, jene 
sehr hart und grausam behandelt. Einer dieser drei Knechte, Konrad Rouber, 
genannt Guttelin, vei langte, wieder frei geworden, Schadenersatz, der ihm ver- 
weigert wurde. Da nahm 1464 Hans von Rechberg mit Eberhard von Klingen- 
berg und Wolf von Asch sich des Knechtes an, der ihnen eine willkommene 
Ursache bot, Raub und Brand zu üben, was dem wüsten Rechberg der liebste 
Sport war, und kündigten den Werdenbergem Fehde an. Beide Parteien ver- 
stärkten sich durch zahlreiche Adelige, und es entstand ein fast ganz Schwaben 
in Mitleidenschaft ziehender Krieg, der unsagbar viel Elend über Land und 
Leute brachte. Hans von Rechberg sammelte bei dreihundert Schnapphähne 
zu Pferd und etliches Gesindel zu Fuss, Alle seiner würdig, und zog, ein rechter 
Raubritter, in den werdenbergischen Ortschaften umher, brennend, raubend, 
brandschatzend und mordend. Hierbei erlitt auch Melchingen als werden- 
bergischer Ort das Schicksal, heimgesucht zu werden. Viele Burgen wurden 
belagert und zerstört. Hans von Rechberg besass nicht weniger als drei Burgen, 
auf denen er seinen Raub zu bergen wusste. In einem Zusammentreffen bei 
Homberg ereilte ihn sein Geschick. Er stiess sich durch Zufall einen Pfeil in 
den Leib, den ein armer Bauer auf ihn geschossen, der ihn jedoch nicht einmal 
verwundet hatte. Mit dem ihm eigentümlichen Kraftwort hosta madostha 
kündete er sich selbst den Tod an und starb drei Tage später in Villingen, 
wahrscheinlich an Blutvergiftung, immer noch besser daran als jener von Rech- 
berg, dem die LTmer wegen seines Wegelagems den Kopf abschlugen. 

Aus jenen Tagen wird uns von Melchingen auf Grund urkundlicher Nach- 
richt eine für die Zeit des ausgehenden Mittelalters charakteristische Busse er- 
zählt. Hans Nollhart und Boltz, beide aus Melchingen, die den Hans Singer von 
Undingen erschlagen hatten, sollten für dessen Seelenheil 40 Messen lesen lassen. 
Dabei mussten sie mit 60 Männern, deren jeder eine einhalb Pfund schwere Kerze 
trug, während ihre eigene ein Pfund im Gewicht haben sollte, zum Opfer 
gehen. Ferner waren sic verpflichtet, ein fünf Fuss hohes und drei Fuss breites 
Steinkreuz aufrichten zu lassen, einen Jahrtag für Hans Singer zu stiften, deren 
Verwandten 20 Gulden zu geben und binnen Jahresfrist eine Wallfahrt nach 
Ach und eine nach Einsiedeln zu »Unser lieben Frowen« zu machen. So hatten 
es Graf Jos Niklas zu Zollern, Graf Eberhard von Württemberg und Graf 
Georg von Werdenberg mit einander verglichen, Graf Eberhard als Herr von 
t 7 ndingen, Werdenberg als Besitzer von Melchingen und Graf Jos Niklas als 


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Hauptmann der Herrschaft Hohenberg. Angesichts der grausamen Justiz jener 
Zeit fiel die Strafe für den Todschlag, denn Mord wird es nicht gewesen sein, 
sehr gelinde aus. Die städtischen Gerichte gingen schärfer gegen solche Übel- 
täter vor. Da sassen die Köpfe loser. Bei diesem Vorfall denkt man unwill- 
kührlich an eine Erscheinung, die uns in Melchingen auffällt. Bei der Bemhards- 
kapelle stehen nämlich — wie das auch von anderen Orten in llohenzollem 
nachzuweisen ist — zwei rohgearbeitete, etwa 0,90 m hohe Steinkreuze. Diese 
Steinkreuze boten dem flüchtigen Verfolgten Sicherung. Hatte er ein solches 
erreicht, so durfte er nicht mehr verhaftet werden, daher trugen diese Kreuze 
den Namen Freisteine. Es kommt aber auch vor, dass solche oder ähnliche 
Steinkreuze nur Sühnekreuze sind, wie sie die Verbrecher zur Sühne errichten 
mussten ; denn Taten, wie Nollhart und Boltz sie büssten, kamen in jener rohen, 
gewalttätigen Zeit vielfach vor und ebenso Sühnen, wie wir sie oben schilderten. 

Melchingen blieb im Besitz der Werdenberger bis zum Aussterben der- 
selben und fiel dann an die Fürstenberg. Nun gehört es zum preussischen 
Oberamt Gammertingen. 

So blickt der stattliche Marktflecken auf eine fast zwölfhundertjährige 
Geschichte, und könnten wir feststellen, wann die ersten Ansiedler sich hier 
an dem Ursprung der Lauchert niederliessen, dann käme eine Zeit heraus, die 

wohl gut doppelt so hoch zu bemessen wäre. 

Südöstlich vom Ort Melchingen auf dem 
nordwestlichen Ausläufer eines Bergrückens, 
dem Pfaffenberg gegenüber, liegt die umfang- 
reiche malerische Ruine, jetzt ganz bewaldet. 
Der Burgbering umfasst eine Grundfläche 
von rund 60 m Länge und 45 m Breite 
und enthält drei selbständige Gebäude. Der Ein- 
gang führt von der nordwestlichen Ecke an der 
westl. Ringmauer entlang zu dem freistehenden 
fünfeckigen turmartigen Wohnhaus mit zwei 
Eingängen auf der Nord- und Südseite. Dieses 
ist jetzt noch 4 Stockwerke hoch und wird 
in den Urkunden als »Vorderhaus-« bezeichnet. 
Die Mauerstärke im Erdgeschoss ist 1,70 m, in 
den oberen Stockwerken um etwa 25 cm ab- 
gesetzt. Im obersten Stockwerk ist die Mauer 
noch 0,9 m stark. Die Eingänge waren mit 
Holzbalken abgedeckt, darüber Entlastungs- 
bögen (flache Spitzbögen) in der äusseren und inneren Mauerflucht. An beiden 
Türöffnungen sind noch die I^öcher der Verschlussriegel sichtbar. Im unteren 
Stockwerk sind schlitzartige Fensteröffnungen, in den oberen Stockwerken teils 
grössere Fensteröffnungen mit Resten des alten Wandverputzes, teils (gegen 
Süden) kleine schmale Fensterschlitze. Nördlich vom Vorderhaus, jenseits des 
hohen Felsens, an die nördliche Ringmauer angelehnt, liegt ein kleineres 
Gebäude, vielleicht die ehemalige Badstube, 12 m lang, 9 m breit, auf der 
Südseite an der südwestlichen Ecke ist der Eingang zu suchen, daneben ist ein 



Abli. 122. Grnndplan der Burg 
Meidling)-!). 


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120 


schmaler Fensterschlitz sichtbar. Am i.Juni 1451 verkaufte Hans von Melchingen 
zu Reutlingen gesessen, die Badstube, welche er beim Verkauf am 6. November 
143U ausgenommen hatte, an die Grafen Heinrich, Hans und Eberhard von 
Werdenberg, weil dieselbe inzwischen baufällig geworden war. In der nord- 
östlichen Ecke der Burganlage und weit über die nördliche Ringmauer vor- 
springend liegt ein langgestrecktes Gebäude 20 m lang und n m breit dessen 
3 I'mfassungsmauern nördlich, östlich und westlich noch etw 5—6 m hoch 
stehen. Die südliche Schmalseite gegen das Burginnere fehlt. Dieses Gebäude 
war wohl der obengenannte »hintere Stock«. Die Ringmauer sitzt meist auf 
Felsen, der sich an der südlichen Seite bis zu 3 m erhebt. Sie hat gegen 
Norden und Westen 1,20 m Mauerstärke und steht gegen Westen noch 5 - 6 m 
hoch, die hier vorhandenen 4 Schiessscharten sind aussen 0,15 m breit und 
1,05 m hoch. Um die Ringmauer läuft auf der Ost-, Süd- und Südwestseite 
ein 10 m breiter Ringgraben Im oberen Burghof nahe der östlichen Ring- 
mauer unweit des Vorderhauses, welches nach dieser Seite (nach dem oberen 
Burghof) einen weiteren Ausgang gehabt haben mag, ist der Brunnen zu 
suchen, jetzt noch an einem schachtartigen Wasser loch von etwa 1 m Durch- 
messer erkennbar Der Unterhof lag 6 — 7 m tiefer als der Oberhof. Zur Ab- 
grenzung führte vom Haupteingang in der nördlichen Ringmauer eine Schutz- 
mauer gegen den Haupteingang an der Nordseite des Vorderhauses. Mehrfache 
Mauerreste lassen dies annehmen. Der Unterhof ist gegen Süden durch Heraus- 
ziehen der Ringmauer stark erweitert. Die äusserste westliche Spitze der 
Mauer daselbst ist abgerundet. 




»» 


PFANNENSTIEL. 

In stiller Waldeinsamkeit, etwa eine Stunde südwestlich von der Abtei 
Beuron im Donautal, liegt hart an der württembergischen Grenze, hoch über 
dem Bdratal, die Ruine Pfannenstiel. Nicht eine der Burgen, die wir in unsere 
Besprechungen eingezogen, hat eine so ärmliche Geschichte aufzuweisen, wie 
Pfannenstiel. Unweit der Ruine, die auf einen ziemlich ansehnlichen Bau 
schliessen lässt, liegen eine Reihe bedeutender adeliger Sitze, wie das ganz 
nahe stattliche Kallenberg, Bronnen, der trotzige Wildenstein, Werenw-ag, einst 
der Sitz des Minnesängers Hug von Werenwag, u a. ; von allen diesen Burgen 
sind uns mehr oder weniger urkundliche Nachrichten überliefert. Von der 
Burg Pfannenstiel dagegen wissen wir soviel wie gar nichts Erst im 15. Jahr- 
hundert wird ihr Name genannt, doch ist die Burg damals schon in Verfall 
geraten und wird als Burgstall mit Gütern verkauft. Damals scheint sie in 
Besitz eines von Werenwag gewesen zu sein; denn Margareta von Urbach, 
des Jörg von Werenwag Hausfrau, giebt ihre Einwilligung zum Verkauf des 


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12 


Burgstalls mit der Gemarkung Eck und allem Zubehör an das Kloster Beuron 
und den Mitkäufer Hans von Spretter von Rottweil zu Mühlheim. Es scheint 
demnach, dass Frau Margareta Pfannenstiel als Heiratsgut mitbrachte, oder Jörg 
von Werenwag ihr das Besitztum als Gegengabe für ihre Mitgift verschrieben 
hatte. Pfannenstiel blieb von da an in Besitz des Klosters Beuron und ist nun 

Eigentum dej fürstlichen Hauses Hohenzollem, 

Von der Höhe 
läuft der schmale Burg- 
weg auf dem Grat hin 
zu einem künstlich 
erweiterten Felsein- 
schnitt und durch diesen 
zu dem Eingang auf der 
Süd Westseite des Vor- 
hofes. Von hier führt 
der Zugang der östlichen 
Ringmauer entlang, 
mittelst Rampe oder 
Treppe, zu der jetzt 
ausgebrochenen Ein- 
gangspforte auf der 
Mitte . der östlichen 
Ringmauer und durch 
diese in das jetzt stark 
verschüttete Burginnere. 

Das Balkenloch für den 
Sturzriegel der Eingangspforte ist am rechten Torpfeiler noch sichtbar. Die 
Ringmauer ist 2,30 m stark und aus geschickt gefügtem Bruchsteinmauerwerk 
hergestellt Sie umfasst eine Grundfläche von rund 23 m Länge und 12 m 
Breite und steht auf der Ostseite noch 6 — 7 m hoch. Auf der Nordseite sitzt 
die Ringmauer quer über dem gegen Nordosten steil abfallenden Felsgrat, führt 
unter rechtem Winkel über den steilen Hang auf der Westseite und schliesst 
mit Abschrägung an der östlichen Ringmauer wieder an. Im Burginnem, rechts 
vom Haupteingang, ist die Wasserzisterne an einem schachtartigen Gemäuer 
von etwa 1,30 m Lichtweite erkennbar. An die westliche Ringmauer angelehnt 
liegen die stark verschütteten Wohnräume von geringer Ausdehnung, im 
wesentlichen 2 Räume durch eine 80 cm. starke Mauer getrennt, jedoch wohl 
im oberen Stockwerk durch eine Türe verbunden. Der nördlich gelegene 
Raum zeigt eine Fensteröffnung auf der Westseite. Der südwestlich gelegene 
Raum, als Wohnturm anzuprechen, etwa 9 m lang, 4,60 m breit, gab freien 
Ausblick ins Bäratal. Gegen Süden Lst ein kleiner Bau in die Ecke gesetzt, 
dessen Mauerreste noch erkennbar sind; dort fehlt die Ringmauer. Es ist 
möglich, dass sich an dieser Stelle ein Fenster befand. Der dem abgeschrägten 
Turmbau vorliegende hohe Felsunterbau springt torartig vor und schliesst den 
Grabeneingang an dieser Stelle ab. Gegen Osten ist der eigentlichen Burg ein 
etwa 22 m breiter und 25 m langer Vorhof mit ringsumlaufender Mauer 



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122 


vorgelcgt. Diese Mauer folgt dem Felsen und schliesst an der nördlichen und 
südlichen Ecke der Ringmauer an; an der Nordseite ist der Anschluss an der 
abgebrochenen Ecke der Ringmauer zu suchen. In dem Vorhof lag gegen 
Südosten an der Mauer angelehnt ein kleines Gebäude (Stallung). Jetzt noch 
bietet sich ein umfassender Ausblick von der Höhe der Ringmauer: gegen 
Osten und Südosten hoch aufstrebend die Burg Wildenstein und Schloss 
Bronnen; die Burg Kallenberg ist nicht sichtbar, gegen Nordwesten schweift 
der Blick ins Bäratal. Nördlich am Fusse des Felsens liegt der Rainfelderhof. 


£ 


Mit Melchingen zählt 
Ringingen zu den ältesten 
Orten auf der Alb. Nach 
Gallus Oheim befand es 
sich unter jenen Schenkun- 
gen, die Graf Gerold im 
8. Jahrhundert (796) dem 
Kloster Reichenau machte. 
Es wird dort >Ringingen 
uff der Schär« genannt, 
woraus man folgern sollte, 
dass es zum Scherragau 
gehört habe. Das ist aber 
nicht der Fall; denn seiner 
Lage nach muss es zur 
Grafschaft Gammertingen 
(Burichinga-Gau) 
gerechnet werden, wenn 
die angeführte chronikali- 
sche Nachricht überhaupt 
richtig ist. Dass Ringingen 
eine sehr alte Ansiedlung ist, beweist sein Name, der fast immer ganz gleich 
Ringingen geschrieben wurde und von einem Personennamen Ringo, Hringo, 
was soviel heisst als der Gepanzerte, herzuleiten ist. 

Das Geschlecht der von Ringingen kommt schon in einem Eberhard von 
Ringingen 1277 vor, wo der Ort eine eigene Pfarrei besass. In demselben 
Jahre wird uns nämlich ein Swiger als Dekan zu Ringingen überliefert. Die 
Edlen von Ringingen, ein begütertes Geschlecht, waren ein Nebenzweig der 


RINGINGEN. 



Abb. 124. Ruine des Ringinger Bergfrieds. 


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12 ? 


Truchsesse von Urach und hiesscn sich auch Truchsesse von Ringingen. Im 
Jahre 1342 nennt sich Kuon von Ringingen Ritter, Truchsess von Urach. Ein 
Konrad Truchsess ist 1 398 Bürge für Graf Rudolf von Hohenberg. Besonders 
häufig kommt in dem Geschlechte der Name Georg, Jerig, Jörg, Gerie vor. 
Heute noch sagt der Volksmund für Georg — Gore. Wir begegnen diesem 
Namen von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis Ende des fünfzehnten, 
wo 1480 Jörg Truchsess von Ringingen auftritt. Dieser Jörg scheint der letzte 
Truchsess von Ringingen gewesen zu sein. Württemberg und Zollem waren 
stark begütert zu Ringingen. Oswald Gabelkover zählt Ringingen noch zu den 
württembergischen Burgen (s. Hölnstein). Von Württemberg gingen die Rechte 
und Besitzungen an die Werdenberg über, und deren Erben waren die Fürsten- 
berg. So kam es, dass Hohenzollem und Fürstenberg sich in die Rechte über 
Ringingen und Holstein teilten, bis durch den Vertrag von 1384 diese Sache 
geregelt wurde (s. bei Holstein). 

Die zimmerische Chronik erzählt von den Herren von Ringingen, sie seien 
1279 noch Freiherren gewesen. Die Burg scheint unter Herzog Ulrich zerstört 
worden zu sein. Der genannte Chronist sagt (1306) von der Burg — »die 
maum steen noch mertails und ist ein schöner, ahnsehnlicher edelmannssitz 
gewesen«. Der letzte Besitzer war Schmeller von Ringingen, ein wilder 
Geselle, der nach seinem Tode als ruheloser Geist im Schlosse rumorte, bis es 

wie vorhin angegeben, zerstört wurde. 

N Südlich vom Pfarrort in dessen nächster Nähe 
auf bewaldetem Bergkopf, Näh- oder Nehberg ge- 
nannt, steht als Rest der ehemaligen Burg Ringel- 
stein ein mächtiger viereckiger Turm, 8 m lang, 7,5 m 
breit, noch 12 m hoch mit einer Mauerstärke von 
rund 2,60 m. Der Eingang zum Turm liegt auf der 
Südostseite b m über dem Boden, er ist 1,20 m 
breit, gewölbt, bis zum Widerlager 2,17 m, bis zum 
Scheitel 2,45 m hoch. Das Loch für den ehemaligen 
0 Verschlussriegel der Eingangstüre ist noch vorhanden. 
Das Eingangsstockwerk ist durch ein Fenster be- 
leuchtet. Das obere Stockwerk von der jetzigen 
Mauerkrone bis zum Mauerabsatz 4 m hoch hat 
eine Lichtweite von 4,22 auf 4,30 m. Es ist nach 
der Nordwestseite um 1,25 m, nach den übrigen 
Seiten um 0,80 m abgesetzt und ist ebenfalls durch 
ein Fenster beleuchtet. Die Umfassungsmauern sind aus regelmässig geschichteten 
Kalksteinen, die Ecken aus grossen Buckelquadern hergestellt. Der Turm liegt 
in der Nordostecke des Burgberings. Die Anschlüsse der Ringmauer sind auf 
der Ostseite 1,20 m und auf der Nordseite 2,00 m stark. Ein Ringgraben auf 
der Nordseite schloss die Burganlage von dem höher gelegenen Bergrücken ab. 
Am Fusse des Berges gegen Südwesten liegt eine ummauerte Hülbe von ovaler 
Grundform. 

Von Ringingen 20 Minuten entfernt, oberhalb der Strasse nach Burladingen 
im Buckental, liegt auf schroffem Felsen 70 — 80 m über der Talsohle das sog. 


« 



* • * » 4 t 

»444-14 

Abb. 125. Grundriss des 
Bergfrieds. 


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>34 


»Aloysi-Schlössle«, die ehemalige Vorburg der llauptburg, und von letzterer 
aus deutlich sichtbar. Der turmartige Bau aus ungleich grossen geschichteten 
Mauersteinen mit grossen Quaderstücken an den Ecken ist von unregelmässiger 
fünfeckiger Grundform. Der Eingang ist auf der Ostseite (Bergseite) zu suchen. 
Der jetzige Name stammt aus viel späterer Zeit. 




SALMENDINGEN. 


Burg und Ort 
Salmendingen 
liegen auf dem 
Heufeld. Die 
Erklärung des 
Wortes Heufeld 
ist ganz ähnlich 
der des Heu- 
berges, wovon 
wir bei der Burg 
Hohenberg 
sprachen. So 
angesehen und 
bedeutend wie 
das nahe 
Meldungen 
(s. d.) war 
Salmendingen 
nicht, wiewohl 
es kaum viel 

später seine ersten Ansiedler in geschichtlicher Zeit besass; denn in seinem 
Namen liegt, dass es auch bei der Besitznahme des Landes durch die Schwaben 
gegründet wurde. Allerdings tritt es nachweisbar erst in verhältnismässig später 
Zeit aut. Es wird zuerst 1245 als Salbeningen erwähnt, 1275, wo es schon 
eine eigene Pfarrei besitzt, heisst es auffallender Weise Saelberingen, 1313 — 131)4 
wird es stets Salbadingen geschrieben, 1387 zuerst Salmadingen neben Salba- 
dingen und dann in der Folgezeit Salmandingen und Salmendingen. Man hat 
den Namen auf den Personennamen Salmunt (sal = Haus, Heim, und munt = 
Schutz, Schützer) zuruckgeführt, da aber die ältesten Schreibweisen auf b lauten, 



Abb. 126. Ruine Salmendingen (Bergfried). 


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so liegt es eigentlich näher, an den Personennamen Salbod zu denken, gleich- 
bedeutend mit Hausgebieter. 

Die von Salbeningen waren ursprünglich zollerische und dann hohen- 
bergische Ministerialen, genossen aber nicht unbedeutendes Ansehen. Zuerst 
erscheint Peregrinus von Salbeningen 1245; dann 1260 Hartmann und 1202 ein 
weiterer Peregrin. Im Jahre 1313 ist Ritter Johann von Salbadingen Bürge für 
Graf Friedrich von Zollem-Ostertag. Die von Salbadingen waren mehrfach 
versippt mit denen von Ow, von Pflummem, von Stain, von Stadion und von 
Lichtenstein. Schon 1330 verloren sie ihren Besitz zu Sahnendingen und mit 
Heinrich von Salbadingen, der 1 392 mit anderen schwäbischen Adeligen bezeugte, 
dass in einem Feldzug gegen die Türken und Heiden ein Deutscher das St. 
Georgspanier tragen dürfe, scheint das Geschlecht erloschen zu sein. 

Schon 1363 erscheint ein anderes Geschlecht, das den Truchsessen von 
L’rach angehörte und sich Truchsess von Salbadingen nannte. Dieses war 
aber nicht in Besitz der Burg; denn als Besitzer des Burgstalls und verschiedener 
Güter und Leute tritt in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Burkhard 
Schilling auf, der das alles an Wilhelm Ungelter von Reutlingen verkaufte. 
Damals war Salmendingen schon Reichslehen. König Wenzel belehnt 1380 
den Ungelter damit. Von Bestand war dieses Ungelter Lehen nicht; denn 
König Ruprecht lieh alles an Graf Eberhard von Werdenberg. Als Graf Johann 
von Werdenberg 144S versäumte, das Lehen bei dem neuen König Friedrich III. 
zu empfangen, gab dieser es dem Hans von Rechberg. Doch schon 1445 ver- 
lieh König Maximilian den Burgstadel den Werdenbergem wieder. I111 Jahre 
1523 kommt die Burg nochmals als österreichisches Lehen vor, war aber schon 
lange nicht mehr bewohnt und zwar höchst wahrscheinlich schon seit Ende 
des 14. Jahrhunderts nicht mehr. Sie zerfiel in Folge dessen. Wenn Oswald 
Gabelkover (1330—1616) Salmendingen noch zu den württembergischen Burgen 
zählt, so ist das ein Irrtum. <S. Hölnstein.) 

Es lässt sich wohl begreifen, dass die Umgegend auf dem Heufeld eine 
öde und bei Nachtzeit unheimliche war. Dass bei dem abergläubischen Zuge 
jener Zeit die Leute dort vielfach Gespenster sahen, ist um so erklärlicher, als 
sich bei Salmendingen heute noch ein vorgeschichtlicher Grabhügel befindet, 
Die zimmerische Chronik weiss denn auch so ein Geschichtchen, das an sich 
ganz harmlos und begreiflich ist, zu erzählen und schliesst • »Man sagt, es sei 
daselbs uf der Alb oft umgehend. Gott waist die Ursach, warumb es 
beschicht!« 

Auf einem jetzt bewaldeten Ausläufer des Kaiberges (Köbele) in geringer 
Höhe oberhalb des Pfarrdorfes liegt die Ruine mit dem Burgeingang auf der 
Nord Westseite. Der Burgbering umfasst eine Fläche von etwa 20 m Breite und 
23 m Tiefe. Die Ringmauer, ganz zerfallen, war bei der Landesvermessung 
(1847) noch sichtbar. Sie bildete ein unregelmässiges Fünfeck mit einer Mauer- 
stärke von 1,50 m. Der Turm in der südwestlichen Ecke der Ringmauer ist 
nahezu quadratisch mit einer Seitenlange von 10 m und einer Mauerstarke von 
3,70 — 3 m. Er ist noch durchschnittlich 4.5 m hoch erhalten. Der Eingang 
zum Turm lag auf der Nordseite. Aus einer Handskizze des früheren Salmen- 


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126 


dinger Pfarrers Werner aus der Mitte des iS. Jahrhunderts mit der Ansicht 

gegen Norden ist dies deutlich zu 
entnehmen. Damals mag der Turm, 
zwar auch schon Ruine, noch io bis 
12 m hoch gewesen sein. Auf der- 
selben llandzeichnung ist östlich vom 
Turm und an diesen anstossend ein 
zweites turmartiges Gebäude mit 
nördlichem Eingang zu ebener Erde 
und einem Fenster im oberen Stock- 
werk ersichtlich. Dieser Bau wird 
das Wohnhaus gewesen sein; und 
war etwa io m breit und lang. Ge- 
gen die Bergseite schloss ein tiefer 
jetzt noch erkennbarer Ring-Graben 
die Burganlage ab. Ein zweiter 
Graben lauft weiter südlich als 
weiterer Schutz gegen das hier flach 
verlaufende Gelände. Auf der Süd- 
westecke etwa 30 m vom Bergfried 
entfernt wurden Mauerreste entdeckt, 
vielleicht die Reste eines den Grabeneingang verteidigenden Turmes. Innerhalb 
des Burgberings hart an der nördlichen Ringmauer in der Verlängerung des 
Quellaufes, welcher auf halber Höhe des Burgberges zu Tage tritt, wird der 
Brunnen zu suchen sein. Am Fusse der Burg 1 nordwestlich) lag eine Mühle 
mit oberschlächtigem Rad, die in den mittelalterlichen Lehenbriefen vielfach 
genannt wird. 



Abb. 


- — ' HrA : 11 * 0 . • 

127. (irundplan der Burg Salniendingen. 


SCHILT AU 

siehe bei Jungnau. 


STAUFFENBERG. 

Das Geschlecht, das einst hier seinen Sitz hatte, hiess Stauffenberg. Es 
stand zu den Grafen von Zollern im Ministerialverhältniss und bekleidete das 
Schenken-Hofamt, woher sich die Edlen von Stauffenberg Schenken von Stauffen- 
berg nannten. Geschlecht und Burg gehen bis auf das 13. Jahrhundert zurück. 
Im Jahre 1317 begegnen wir drei Brüdern Burkhart, Wemher und Bertold, 
die sich alle Schenken von Stauffenberg hiessen und von denen sich Burkhart 
Ritter nannte. Im Jahre 1393 werden Hansli und Wemli die Schenken von 


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127 


Stauffenberg als Edelknechte aufgeführt. Nach 1417 nennt Graf Friedrich von 
Zollern Konrad und Rudolf von Stauffenberg seine lieben Diener. Als derselbe 
Zollemgraf 1408 vom Bischof von Konstanz die Bestätigung der von ihm ge- 
stifteten Kapelle zum hl. Kreuz am Fusse des Zollern nachsuchte, präsentirt er 
Wemher von Stauffenberg als Geistlicher auf diese Pfründe. 

Wann die Burg verlassen wurde, ist nicht bekannt. Bei dem vor einigen 
Jahren hier angelegten Waldweg hat man die noch vorhandenen Reste der Burg 
leider als Steinmaterial benutzt. 

Etwa 200 m nordwestlich der fürstlichen Domäne stauffenburger Hof beim Ein- 
fluss des Weilheimer Baches in die Starzei auf deren linker Seite lag auf dem 
scharf vorspringenden Bergrücken die Ruine Stauffenberg, heute auch das »Schlössle« 
genannt. Die Burgstelle bezeichnet jetzt nur noch ein grosses Trümmerfeld 
von Steinen und Ziegeln. Der ehemals tiefe Ringgraben sowie die ganze 
Burgstclle ist vollständig mit Wald bedeckt. 



STEINHILBEN. 

Der Vollständigkeit wegen möchten wir noch der ehemaligen Burg zu 
Steinhilben Erwähnung tun, die vielfach schlichtweg das Steinhaus, zuweilen 
auch Burg und Steinhaus, also wohl ein Turm und ein Wohnhaus, genannt 
wird. Es sind nur noch geringe Reste von diesem ehemaligen Burgsitz erhalten. 
Das Geschlecht, das eine Reihe von Namen führte, Hülwer, Pfützer, Pfutz — 
alles Bezeichnungen, die auf die in Steinhilben bis zur neuen Wasserversorgung 
gebräuchlichen Hülben (Hülwe) zurückzuführen sind, kommt vom 17. bis 16. 
Jahrhundert vor. 

Die ehemalige Burg- 
anlage ist von unregelmässiger 
Grundform und lag hart an 
einer jetzt noch vorhandenen 
Hülbe, die ausserhalb des 
Burgberings in einer ein- 
springenden F.cke liegt. Die 
Hülbe ist jetzt noch durch 
eine rundbogige Türöffnung 
vom Burghof aus zugänglich. 

Die eigentliche Burg, vielleicht 
auch das sog. Steinhaus, 
lag im westlichen schmä- 
leren, das Schloss und die 
Scheune im breiteren öst- Abb - '-*• < : "“»lplan der Burg, 

liehen Teil. Die alte Burganlage wurde ihrer Zeit nach Osten erweitert Das 
Schloss soll im Jahre 1S57 abgebrochen worden sein. Die gewölbten Schloss- 



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is8 


keller sind noch vorhanden. Die Einfahrt zum Schlosshof lag in der Nordwest- 
ecke. Nordwestlich vom Schloss liegt die noch erhaltene Scheune. Ihr 
westlicher Teil ist der ursprüngliche. Auf der Ostseite und Südseite fehlt die 
Ringmauer. Auf der West- und Nordseite ist sie noch erhalten, 0,85 m stark, 
und bildet zum Teil den Unterbau angebauter Gebäude. Bemerkenswert ist 
der vorhandene, heute noch benützte Schlossbrunnen mit Brunnenhaus, ein 
Schachtbrunnen, aus schön gefügten Sandsteinquadem hergestellt, mit der 
alten Wasserhebung mittelst Zieheimem. Jetzt stehen verschiedene neuere Ge- 
bäude im ehemaligen Burghof und Schlossgarten ; die übrige Burgfläche ist Gras- 
und Baumgarten: unter diesem Teil liegen alte Fundamentreste. 


STRASSBERG. 



AliK 12 *. Burg SUrassberg. 


Während das Laucherttal 
sehr reich ist an Burgen, besitzt 
das andere Seitental der Donau, 
das der Schmeien oder wie sie 
früher hiess Smihen, auch 
Smichen, wenige Burgsitze, 
ln den Rahmen unserer Dar- 
stellung fallen nur die Burgen 
Strassberg und Weckenstein. 
Von diesen beiden ist Strass- 
berg die älteste. Schon 843 
schenkt ein Adalbert an die 
Kirche, welche der heiligen 
Verena geweiht ist, in dem 
Orte, der Burg (burc) genannt 
wird und in dem Gau liegt, 
der Scherra (Scerra) heisst, 
verschiedene auswärtige 
Besitzungen, giebt die Kirche 
an das Kloster St. Gallen und 
nimmt dafür einen Jahreszins. 
Man hat behauptet, dieses Burg 
sei dasselbe wie Strassberg. 
Das ist nicht ganz zutreffend. 
Die Sache liegt vielmehr so: 
Burg war zweifellos vor dem 
heutigen Strassberg gegründet 
Später aber entstand daneben 
noch Strassberg, das wohl den 


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Namen von seiner Lage an der alten Strasse, die hier vorbeiführt, erhielt. In 
der Folgezeit ging Burg ganz in Strassberg auf. Aber noch 1326 bestehen beide 
Orte neben einander: denn da treten als Zeugen zugleich auf: Herr Konrad, 

Leutpriester zu Burg und Joh. der Schultheiss von Strassberg. Ja, es gab sogar 
noch einen dritten Ort daselbst: Oitringen. Im Jahre 1265 wird nämlich von 
diesem Oitringen als Pfarrort gesprochen und sein Viceplebanus genannt. Hs 
ist bedauerlich, dass in der Urkunde nicht auch der Name des Kirchenheiligen 
angeführt wird, wie dies 843 geschieht, wo ausdrücklich gesagt wird, dass die 
Pfarrkirche der heiligen Verena geweiht sei. Nahe bei Strassberg. auf der Höhe 
Ebingen zu, soll noch die Bezeichnung Oitringen Vorkommen und eine Burg 
gestanden haben. Ich bin somit der Ansicht, dass das heutige Strassberg alle 
drei Orte in sich vereint, und dass Oitringen ein späterer Name für Burg ist: 
denn es ist ganz undenkbar, dass so dicht nebeneinander zwei Pfarreien bestanden 
haben, von denen die eine spurlos verschwunden sein sollte. In dem Pfarrort- 
Verzeichnis von 1275 findet sich auch kein Oitringen, wohl aber Burk = Burg; 
es sind eben damals noch beide Namen gebraucht worden. 

Aber auch Strassberg kommt sehr früh unter diesem Namen vor, so 1 1 36 
als Strazperg und 1313 Strazperg. Ein Ortsadel wird schon 1253 und 1313 
erwähnt. 

Wiewohl nun 843 Ort und Kirche an das Kloster St. ( fallen geschenkt 
wurden, finden wir St. Gallen nicht als Besitzer von Strassberg, wohl aber das 
Stift Buchau. Adalbert wird von dem Vorbehalt, Ort und Kirche wieder an 
sich ziehen zu dürfen, Gebrauch gemacht haben. Von dem Stifte Buchau trugen 
es die Grafen von Hohenberg zu Lehen bis 1345, wo es an die von Reischach 
fiel. Deren Nachfolger waren von 1420 — 1508 die Schwelher, dann die von 
Homburg, die 1532 Strassberg mit Kaiseringen und Frohnstetten an die von 
Westersetten um 10000 Gulden verkauften. Oswald Gabelkover (1539 — itno) 
nennt Strassberg damals Schloss: »Straussberg, schloss, Herr Wolfen de Hon- 
burg.« Nachdem die Homburger 1622 ausgestorben waren, nahm Buchau die Herr- 
schaft in eigene Verwaltung. Von 1696 — 1708 war vorübergehend Fr. Jos. von 
Pflummem Lehensinhaber. In Folge des Reichsdeputationshauptschlusses 1802 
fiel Strassberg 1803 an Thum und Taxis. Im Jahre 1833 erwarb das gräflich 
langensteinische Rentamt die Herrschaft, die aber schon 1830 von dem Erb- 
prinzen Karl Anton von Hohenzollem-Sigmaringen um 80000 Gulden als Privat- 
eigentum gekauft wurde und fürstliches Eigentum blieb. — — 

Die Burg liegt auf hohem Felsvorsprung etwa 90 m über der Talsohle 
nächst dem jetzigen Pfarrort, auf der linken Seite der Schmeien. Der stärkste 
Teil ist der auf einen Felsunterbau gesetzte fünfeckige Turm (Wohn- und Wacht- 
turm) ursprünglich vier jetzt noch zweieinhalb Stockwerke hoch, der mit der Spitz- 
ecke nach Norden zeigt und reichlich mit teils halbkreisförmigen, teils liegend recht- 
eckigen Schiessscharten nach drei Seiten versehen ist Der Eingang lag auf der jetzt 
eingebauten Südostseite etwa 7,5 m über dem inneren Burghof. Die Umfassungs- 
wändesind, 2,8ound 2,60 m stark, aus Buckelquadem hergestellt. Das Eingangsstock- 
werk hat einen tonnengewölbten Raum mit kleinen gewölbten Nebenräumen, die 
durch rundbogige Türöffnungen verbunden sind (s. unten). Unter dem nördlichen 
fünfeckigen Raum liegt das gewölbte Burgverlies, das bis zum Felsen reicht; die 


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no 




Lichtzufuhr erfolgt nur von oben mittelst einer viereckigen Öffnung im Boden, dem 

sog. Angstloch. Im da- 
rüberliegenden Stock- 
werk sind die Mauern 
2.bo und 3,36 m stark. 
Im Jahre 1834 wurden in 
diesem Stockwerk zwei 
Kriminalarreste einge- 
baut, und die jetzigen vier 
Fensteröffnungen unter 
der Decke ausge brochen. 
Das vierte und dritte 
Stockwerk, letzteres zur 
1 lälfte, wurden im Jahre 
1 782 abgetragen. Aus 
dieser Zeit rührt auch 
Abb. 130. Cberaicbtaplan der Burg Strass berg. der jetzige Dachstuhl 

her. Für die Annahme 

von vier Stockwerken des Turmes (ohne das Burgverliess) sprechen die Ab- 
bildungen der Burg auf dem Grabstein des Eitel Friedrich von Westerstetten 

und seiner Frau Maria von 
Zillenhard aus dem ersten 
Viertel des siebzehnten 
Jahrhunderts, der im Innern 
der Pfarrkirche aufgestellt 
ist, sowie das Bild auf 
dem 1 lochaltar. Nicht auf- 
geklärt ist, wie die Stock- 
werke über dem Eingangs- 
stockwerk erreicht 
wurden, da keinerlei Tür- 
öffnungen in den Um- 
fassungswänden zu finden 
sind. Nur in der nörd- 
lichen Aussenwand des 
dritten (Halb-) Stockwerks 
ist eine Aussparung für eine Treppe 
ersichtlich, die wohl zum zweiten Stock- 
werk geführt haben mag, aber keine 
Fortsetzung nach unten zum Eingangs- 
Stockwerk zeigt. Es lasst sich nicht 
feststellen, ob der Turm eine Zeit lang 
allein stand und als Wohn- und Wacht- 


Abb. 13 ]. tirundplan vom I Stockwerk des türm diente. Für die Möglichkeit spricht 
onnhauses. 5,. r »0 nt über dem Burghof, und . . . . , .. , . . 

vom 2 in hflher liegenden Eingangsstorkwerk ^ orhandensem von Buckelquadeni 
des Wachtturmes (Wohnturm). auch auf dem südlichen eingebauten Teil 


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, 3 I 


der Aussenwand. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass an den Turm 
eine Wehrmauer oder ein Wohnhaus anschloss, von welchem aus das Eingangs- 
stockwerk und die oberen über diesem liegenden Stockwerke erreicht werden 
konnten. Kaum anzunehmen ist, dass die Einbauten des Eingangsstockwerks 
aus späterer Zeit stammen und über diesem 
Stockwerk früher ein Holzgebälk mit 
innerer Treppe statt der Gewölbe lag. Der 
Einbau südlich des an den Turm angebauten 
Teiles ist im wesentlichen in das sechzehnte 
Jahrhundert zu verlegen. An einem 
Pfosten im Treppenaufgang befindet sich 
das Wappen der Westerstetten mit der 
Jahreszahl 1597. Dieser Gebäudeteil, 
ursprünglich wohl dreistöckig, zeigt 
gegen Süden, Westen und Osten 
starke Mauern von 2,70, 2,40 und 

2,28 m Stärke mit Buckelquadem, die 
auf den älteren Bau hinweisen. Die 
unteren Räume sind sämtlich gewölbt. 

Weiter südlich wurden später weitere 
Nebenräume mit einem halbrunden Turm- 
ausbau nach Osten angebaut ; und zugleich 
der Zugang zur Burg mittelst gewölbter 
Einfahrt überdeckt. In dieser Einfahrt ist 
gegen die Stützmauer hin der untere 
Teil eines Rundtürmchens vorhanden. 

Das zweite Türmchen lag weiter südlich, 
beide konsolenartig auf die Ringmauer 
aufgesetzt (siehe obengenannten Grabstein). Auf der äussersten Felsspitze gegen 
Westen, etwas tiefer als der innere Burghof, sind Mauerreste eines Rundturmes 
sichtbar. Ausserhalb des Burgtores jenseits der jetzigen Holzbrücke (früher 
steinerne Bogenbrücke) und des Grabens liegt der äussere Hof. Zwischen dem 
Burgeingang und den Ruinen der Schlosskapelle befindet sich der Brunnen. 
Die ehemalige Schlosskapelle, ein Renaissancebau, wurde von der Äbtissin 
Katharina Gräfin von Spaur Flävony und Valaus zu Buchau in derZeit zwischen 
1635 — 1650 errichtet und 1657 konsekrirt. Die noch vorhandene Ruine ist der 
Unterbau des ehemaligen Turmes. Nach den aufgedeckten Fundamenten war 
das Schiff 20,80 m lang und 9,89 m breit. Gegen Osten lag der im halben 
Sechseck geschlossene Chor. Die Fundamente der 3 Altäre (Hochaltar, zw f ei 
Seitenaltäre) wurden ebenfalls festgestellt. 



Abb. 132. 


Schnitt durch den Wachtturm 
(Wohnturm). 


Nördlich der Burg etwa 900 m entfernt, fast in gleicher Höhe wie die 
Hauptburg, liegen auf schroffem, steil abfallendem Felsen die Reste eines 
quadratischen Turmes aus schön gefügtem Quadermauerwerk, dessen Lichtweite 
2,40 m und dessen Mauerstärke gegen Osten (Bergseite) 3 m, gegen die übrigen 
Seiten etwa 2 m beträgt. Der Eingang zum Turm ist auf der Ost Seite zu 


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132 


suchen. Auf dem westlichen Vorfelsen vom Turm durch einen Felseinschnitt 
getrennt, sind Reste von Mauerwerk erkennbar. Der Bergkopf ist jetzt bewaldet 
und schwer zugänglich. 



TROCHTF.LFINGEN. 



Aldi. l-i-'i Trochtelfingen. 


Es giebt nicht viele Ortschaften in Hohenzollem, die sich so vorteilhaft 
und malerisch dem Auge darbieten, wie Trochtelfingen. Besonders ist das der 
Fall, wenn man von Gammertingen her sich dem Städtchen nähert, das mit 
seinen Mauern, Befestigungstürmen, dem ehemals werdenbergischen, jetzt fürsten- 
bergischen Schlosse, der stattlichen Kirche einen viel grösseren Eindruck her- 
vorruft, als es in der Tat wirklich ist. Das anmutende Bild wird noch gehoben 
durch die Trochtelfingen umgebenden Höhen, die zum Teil mit kirchlichen 
Gebäulichkeiten besetzt sind, früher aber auch Sitz von kleineren Edelleuten 
waren. Man gewinnt bald den Eindruck, dass hier alter Kulturboden zu finden 
ist und man begreift es, dass Trochtelfingen, wie schon sein Name sagt, in jene 
Zeit zurückgeht, wo die Schwaben im Lande sich sesshaft machten. Die 
Schreibweise des Namens wechselt im Laufe der Jahrhunderte, wenn auch der 
Stamm desselben unverkennbar bleibt. Im Jahre 1161, wo es urkundlich zuerst 


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auftritt, wird es Truhdolvingir. geschrieben, 1256, fast wie heute, Trochtel- 
wingen und Trochtelfvingen. 127s Trühtelvingen = Trühteluingen. 1282, 1287 
Truochtelvingen, 1297, 1300 und 1370 Truhtolvingen, 1170 auch Trochteluingen, 
von 1 •553 ab fast immer Trochtelfmgen. Dem Worte liegt ein Personennamen 
zu Grunde. Schon im 6. Jahrhundert finden wir einen Alamannen Droctulf, 
der sich als Heerführer zu Ravenna auszeichnet. Der Name kommt ferner in 
den Formen Tructolf, Trohtolf, Thruodolf vor, dem der Stamm truht, drocht, 
Volk im Sinne von Kriegsvolk, Heer, zu Grunde liegt. Truhtolf = Trochtolf 
ist also der Volkwolf, der Heerwolf. 

Trochtelfmgen gehörte zum Gau Burichinga. der späteren Grafschaft 
Gammertingen (s. bei Veringen). Mit dieser fiel es an Bertold von Seifen 
(-J- 1219). Im Jahre 1256 finden wir Trochtelfmgen in Besitz der Pfalzgrafen 
von Tübingen. Von diesen ging es zu Ende des 
13. Jahrhunderts an die Grafen von Hohenberg 
über, die es aber schon 1310 an Graf Eberhard 
von Württemberg verkauften. Um 1316 über- 
liess der Genannte Trochtelfmgen seiner Tochter 
Agnes als Aussteuer bei ihrer Heirat mit Graf 
Heinrich von Werdenberg. Um 1445 versuchten 
die Württemberger, Trochtelfmgen wieder an sich 
zu bringen, die Werdenberger bestanden jedoch 
mit Erfolg auf ihrem Besitzrecht. Nach Aus- 
sterben der Werdenberger 1334 (s. bei Sigma- 
ringen) fiel Trochtelfmgen an die Grafen von 
Fürstenberg, in deren Besitz es blieb, bis zur 
Aufhebung des Fürstentums Fürstenberg durch 
die Rheinbundakte 1800, wo Trochtelfmgen unter 
hohenzollerische Landeshoheit kam. 

Trochtelfmgen besass auch eigenen Ortsadel. So finden wir vor 1287 
einen Swiggei von Truchtelvingen, Vasall des Grafen von Württemberg, 1290 
wird ein Albert von Trochtelfmgen, 1333 einejudenta von Trochtelfmgen, 1392 
ein Kunz und 1400 ein Heinrich von Stimmelin, Ritter, von Trochtelfmgen ge- 
nannt 

Im Jahre 1273 ist es schon Pfarrei und 1310 wird es Stadt genannt: beides 
sowohl der pfarrliche wieder städtische Charakter kann aber auch noch weiter 
zurückreichen. 

Ein böses Schicksal erfuhr Trochtelfmgen im Kriege Ludwig des Baiem 
mit Friedrich dem Schönen, indem die Stadt 1332 zerstört wurde, und 66 Jahre 
spater verbrannten sie die Reutlinger teilweise, nahmen 30 Trochtelfinger ge- 
fangen und tödteten 20 Mann, und zwar nur weil sie mit den Herren von 
Lichtenstein (llonau 1 und von Holnstein in Fehde lagen und Trochtelfmgen, dem 
Lehnsherrn der Genannten, den Grafen von Werdenberg, gehörte. Im fahre 
1497 erfahren wir, dass Trochtelfmgen ggo rheinische Gulden seinen Herren, 
den Grafen von Werdenberg, 1 während Sigmaringen 2100 Gulden) einbrachte. 
Die Stadt besass auch (13861 eigenes Mass und (1408) eigene Währung. 



Abi». 1U4. HtudtriejT i von Trochtel- 
fingeu. MOt». ('m-i-lirift: .Sigilhun 
troilili ltii gen. 


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Von wesentlicher Bedeutung für Trochtelfingen war sein Eigentumsver- 
haltniss zu Werdenherg, denen dann ohne Verpfandung die Fürstenberger 
folgten. Die Werdenberger taten viel für die Stadt und machten sie zu ihrer 
Residenz. Auch errichteten sie sich in der von ihnen neu erbauten Pfarrkirche 
ein F.rbbegräbniss, in welchem verschiedene des Geschlechtes beigesetzt wurden 
und über welches mehrere Sagen rund gingen. So lag auf dem Zugang zur 
Gruft ein schwerer, grosser Stein. Wiewohl derselbe mit Kalk allemal fest 
gelegt wurde, geschah es doch, dass er »anfahe lotter werden und wacken«, 
ein untrügliches Zeichen, dass Einer aus der Familie sterben müsse. Graf 
Christoph, der letzte Werdenberger, nahm sich die Sache sehr zu Herzen. Er starb 
bald nachdem das Gerücht wieder aufgetaucht war und wurde mit Schild und 



Abb. 1 35. Votivtafel auf Schloss Zeit, die Ermordung des Grafen Andreas von Sonnenberg 

betreffend. 

Helm hier begraben. Auch mit der Beisetzung des Grafen Felix, des Bruders 
von Christoph, verband sich eine gruselige Behauptung. Graf Felix hatte 15 n 
den Grafen Andreas von Sonnenberg erschlagen, (s. S. 18 f.), und es ging die 
Sage, auf dem Reichstag zu Augsburg habe ihn der Kaiser isio dafür enthaupten 
lassen. Tatsächlich starb Felix zu Augsburg, angeblich an einem Blutsturz. 
Man brachte die Eei< he nach Trochtelfingen und da hat man, wie die zimmerische 
Chronik zu erzählen weiss, »das haupt in der bar rollen hören.« Als Neugierige 
dennoch den Sarg öffnen wollten, wehrte der Kämmerling ab mit den Worten : 
»Ach, was wellen wir ain herzlaidt sehen«. Wie beim Schlosseingang zu Sig- 
maringen (s. d.), so befindet sich auch ein Votivbild mit Bezug auf den Tod- 
schlag des Grafen Andreas am Schloss Zeil. 





>35 


Die ursprüngliche Lage des Schlosses, welches nach dem Jahre 1330 vor- 
handen war, kann nicht mehr festgestellt werden. Von Graf Eberhard I. (ge- 
storben 1383) wird berichtet, dass er zeitweilig im Schlosse zu Trochtelfingen 
wohnte. Das jetzige Schloss ist in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahr- 
hunderts entstanden. Es liegt innerhalb der einst stark befestigten Stadt hart 
an der westlichen Ecke zwischen dem noch stehenden »Hohen Turm« (s. unten) 
und dem ehemaligen »Oberen Tor « Der rechteckige grosse Bau mit Staffel- 
giebeln im Übergangsstil mit einfachen steinernen Fensterkreuzen zeigt noch starke 
gotische Anklänge, so an den Wasserspeiern des polygonalen nach der Hof- 
seite ausgebauten Treppenturms, wie auch an der Profilierung der Wendel- 
treppe. Über dem Portal zum Treppenturm ist in einfacher rechteckiger Um- 
rahmung das Wappen 1 Werdenberg— Heiligenberg) angebracht. Später nach 
Übergang der Herrschaft an Fürstenberg diente das Schloss als Sitz des Ober- 



vogts. Im Jahre 1860 erwarb die Gemeinde das Schloss von der fürsten- 
bergischen Standesherrschaft, um es als Rat- und Schulhaus und zu Wohnungen 
zu verwenden, welchem Zweck es heute noch dient. Das Schloss und die 
sonstigen herrschaftlichen Gebäude, wie Herrenhaus, Zehntscheuer, Fruchtkasten, 
auch Kirche und Pfarrhaus bildeten einst einen besonderen für sich abge 
schlossenen Stadtteil, der fasst ein Viertel des alten Stadtinnern einnahm. Die 
Stadtbefestigung, von der noch namhafte Reste vorhanden sind, war eine drei- 
fache. Die Stadtmauern bildeten im wesentlichen ein unregelmässiges Viereck 
von etwa 300 m Länge und 350 m Breite, das sich östlich an die Seckach an- 


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lehnte und das Flüsschen auf dieser Seite in sich aufnahm. Die erste inneie 
Mauer ist jetzt noch auf allen vier Seiten sichtbar. Östlich lief diese unmittel- 
bar dem rechten Ufer der Seckach entlang. Die jenseits des Flüsschens liegen- 
den Gartenmauern sind Überreste der zweiten und dritten Stadtmauer. Hinter 
einem basteiartigen Vorsprung lag ein kleines Tor, das mittlere Türle genannt. 
Südlich bildete die innere und die äussere Gartenmauer des Schlossgartens die 
erste und zweite Stadtmauer, die dritte Mauer ist abgebrochen. Deren Zug 
lässt sich an der von der Seckach dem Hohen Turm zu führenden Steinböschung 
verfolgen. Der Mauerzug ist nach innen gezogen; in dessen Mitte lag ein 
bastionartiger Vorsprung. Der Vorsprung der zweiten Mauer mit einem Rund- 
türmchen besteht jetzt noch. Während drei Ecken des befestigten Vierecks 
(gegen Süposten, Nordosten und Nordwesten) mit weit ausholenden bastions- 
artigen Vorbauten verstärkt waren, lag in der Südwestecke der heute noch 
erhaltene sog. Hohe Turm, ein mächtiger Rundturm von etwa 15 m Durch- 
messer, jetzt noch vier Stockwerke hoch, reichlich mit Schiessscharten ver- 
sehen; er gehört dem Ende des 16 Jahrhunderts an Bis 1832 war der Turm 
um zwei Stockwerke höher und mit einem Dach abgeschlossen. Jetzt ist in 
dem Turm der Hochbehälter einer Wasserleitung untergebracht. Die flach liegen- 
den grossen Schiessscharten sind aussen mit bossenartigen Steinbuckeln ver- 
stärkt. Hart neben dem Turm in der zweiten Umfassungsmauer gegen 
Westen lag ein Ausfallstor. Tor und Mauer sind abgebrochen. Auch die 
dritte Mauer fehlt. Einen Teil der ersten Mauer nach dieser Seite bildete das 
Schloss. Nördlich vom ehemaligen oberen Tor steht jetzt noch ein runder 
Backsteinturm, gleichfalls mit Schiessscharten versehen. Der zweite Turm nächst 
dem Schloss ist abgebrochen. An den ersteren Turm schliesst die zweite Stadt- 
mauer etwa 6 — 7 m hoch mit vorgelegtem Graben an, die von Osten nach 
Norden bis zum unteren Tor und dem dort liegenden Lindenplatz führte. In 
dessen Nähe trat die Seckach in die Stadtbefestigung ein. Der Eintrittsbogen 
in der inneren Stadtmauer ist heute noch sichtbar. Graf Heinrich Werden- 
berg soll Trochtelfingen erstmals befestigt haben. Die jetzt noch vorhandenen 
Überreste der Festungswerke stammen aus späterer Zeit. 

* 


WECKENSTEIN. 

Nur noch wenige Nachrichten haben sich aus dem Mittelalter von der 
Geschichte der Herren von Wekkenstein, oder Weggenstein, wie sie geschrieben 
wurden, in unsere Zeit hinüber gerettet, und ebenso spärlich sind die Überbleibsel 
ihrer Burg, die in dem wildromantischen Tale der Schmeien unterhalb Storzingen 
liegen. Mit dem Jahre 1200 treten die von Weckenstein auf, und der damalige 
Burkard von Weckenstein gründete sich ein Denkmal, das seinen Namen, der 
sonst wohl längst vergessen wäre, erhalten hat, durch Stiftung des in der Folge- 
zeit in Ansehen stehenden Qsterzienser-Frauenklosters Wald, heute ein statt- 


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licher Marktflecken (Klosterwald I im Oberamte Sigmaringen. Er wird damals 
geschrieben Burkardus de Wekinsten. Mit dem Jahre 1 387 starb das Geschlecht aus. 

Auch in der Geschichte der alten Grafschaft Sigmaringen spielt Wecken- 
stein eine Rolle. In den Grenzbeschreibungen des Mittelalters heisst es im 
Grenzzug: >ausser dem selben mulrad (bei der Burg Dietfurt) dieTunaw ab in 
die Smihen, da sy in die Tunaw gat, und die Smihen daselbs auf gen Wecken- 
stain in das burkstal«. Es ist das insofern von Interesse, als heute noch auf 
der Ruine der Grenzstein zwischen Hohenzollem und Baden steht. 

Die Burgruine liegt 30 Minuten 
südlich von Storzingen, etwa 140 m 
über der Talsole auf dem rechten 
Ufer der Schmeien auf schroffem 
Felsen hart an der badischen Landes- 
grenze Die Burgfläche ist jetzt ganz 
bewaldet Der Burgbereich bildet ein 
unregelmässiges Fünfeck von etwa 
18 m Breite und 27 m Tiefe Der 
kleine Burghof fällt stark von Süd 
nach Nord. Die aus unregelmässigen 
Bruchsteinen hergestellte Ringmauer 
gegen Westen 2.20 m, gegen Norden 
1,2—1,65 m stark, ist auf der Nord- 
ostecke turmartig ausgebaut, auf der 
Nordwestecke stark abgerundet. 

Auf der Süd- und Ostseite ist die 
Ringmauer abgestürzt Der Zugang lag auf der Westseite und führte über einen 
der Hauptburg vorliegenden Felskopf und einen künstlich erweiterten Felsein- 
schnitt mittelst Brücke oder auf der Südwestecke durch den Graben (Zwinger) 
(s. unten) zu einem in der westlichen beziehungsweise südwestlichen Ringmauer 
gelegenen Tor. In beiden Fällen ist nur ein Fusspfad, kein Fahrweg denkbar. 
Gegen Südwesten liegt ein Vorhof (Zwinger), 7 — 8 m tiefer als die Hauptburg, 
gegen Süden dem Berghang zu abgeschlossen. Vom Wohnhaus ist nichts 
mehr erkennbar; es ist in dem höher gelegenen Teil anstossend an die Ring- 
mauer zu suchen. Der Brunnen ist nicht mehr feststellbar. In der nördlichen 
Ringmauer bei dem Mauerdurchbruch ist vielleicht ein Seitenptörtchen zu suchen. 
Vom westlichen Eingang führten Fusspfade abwärts nach Storzingen zur Mühle 
und aufwärts gegen Nusplingen. 

In nördlicher Richtung etwa 400 m entfernt und 70—80 m tiefer als die 
Hauptburg liegt auf dem westlichen Teil einer hart über der Schmeien stehenden 
Felsgruppe die Vorburg, von der Hauptburg deutlich sichtbar, gegen Norden, 
Osten und Süden ganz unzugänglich, gegen Westen mit dem höher ansteigen- 
den Hang verbunden. Es sind noch Reste eines Turmes mit Verkleidungs- 
quadern etwa 16 m vom jetzigen Strässchen entfernt sichtbar Ein davor ge- 
legter jetzt ganz verschütteter Graben schützte die Anlage gegen die Bergseite. 
Der Zugang ist nicht mehr erkenntlich. 



Abb. 137. Grundplan der Burg Weckenstein. 


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WEHRSTEIN. 


i 



Abb. IHK. Wehrstein mit Fisebingen von Südwestern 

Wenn man in den Altlanden Preussens davon Sprüche, dass die Monarchie 
auch im Schwarzwald ihre schwarz- weissen Grenzpfahle stehen habe, dass auch 
dort preussisches Gebiet liege, würde Mancher ungläubig sein. Und dennoch 
ist es so. Die nordwestliche Spitze von Hnhenzollcm erstreckt sich in den 
südöstlichen Ausläufer des Schwarzwaldes, und hier, wo der Neckar, der Haupt- 
fluss Württembergs, einer der bedeutendsten Nebenflüsse des Rheines, noch 
keinen weiten Weg von seinem Ursprung auf der Wasserscheide des Schwarz- 
waldes unweit Schwenningen, im schönen Neckartal und seinen nächsten Ein- 
mündungen zurückgelegt hat, liegen viele Burgruinen, wiederum ein Beweis, 
dass die Edelleute des Mittelalters gerne und mit Y'orliebe da ihre Burgen er- 
bauten, wo waldreiche Gegend viel Wild, und Wasserläufe schmackhafte Fische 
lieferten. Das übrige besorgten ja die Bauern. Nahe bei der Stelle, wo der 
Neckar das hohenzollerische Gebiet betritt, erblickt man an seinem rechten 
Ufer das Pfarrdorf Fischingen, überragt von den Ruinen der Burg Wehrstein. 
Diese Namen lassen nicht vermuten, dass sie Beide zu den ältesten Hohen- 
zollems und Schwabens zählen. Mit Fischingen haben wir es hier eigentlich 
nicht zu tun, weil die Burg zu den wenigen zählt, die mit der Ansiedlung an 
ihrem Fusse nicht den gleichen Namen führen. Es sei jedoch erwähnt, dass 
Fischingen schon im 8. Jahrhundert vorkommt unter den Schenkungen, die 
Gerold an das Kloster Reichenau machte, und auch das Kloster Lorsch hier 
schon 772 Besitzungen hatte. Damals liiess es Fiscina, wahrscheinlich entstanden 


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aus dem althochdeutschen fisgizza = Fischteich, Fischbehälter. Wiewohl der 
Name die schwäbische Endung ingen besitzt, ist es doch nicht auf einen 
Personennamen zurückzuführen. 



Wir möchten es als nicht unwahrscheinlich hinstellen, dass Fischingen 
der Burg Wehrstein seinen Ursprung verdankt. Als sicher kann man behaupten, 
dass jenes Werestein, von dem Pipin der Kurze am 27. Mai 752 eine Urkunde 
datiert, mit unserem Wehrstein der gleiche Ort ist. Wir wissen, dass Pipin 
um jene Zeit in Schwaben weilte. So war es kein zu gewagter Sprung der 
Phantasie, wenn eine kulturgeschichtliche Erzählung »Kaiser Karls erste Liebe« 
Pipin zu Wehrstein damals weilen lässt als Gast einer hier ansässigen Herzogs- 
familie, und bei dieser Gelegenheit sein Sohn Karl seine erste Frau, die 
Schwäbin Hildegard, kennen lernte.*) 

Schon noi wird ein Hugo von Wehrstein genannt. Die von Wehrstein 
waren Edelfreie, besassen aber ihre Burg zuerst als Erblehen von den Grafen 
von Tübingen und später von den Grafen von Zollern-Hohenberg. Das war 
im 12. und 13. Jahrhundert. 

Im 14. Jahrhundert kam Wehrstein pfandweise an die Herren von Weitingen. 
Die von Weitingen geloben 1373, dass Wehrstein dem Grafen Rudolf von 
Hohenberg »von der pfandung wegen 
ze Wehrstain — - ein offen hus sein 
solle.« Nun erwarb Oesterreich 13S1 
Wehrstein, gab es aber 1 401 als pfand- 
weisen Besitz den Herren von Mans- 
perg. Nach dem Tode des Burkhard von 
Mansperg 1432 kam Wehrstein noch- 
mals an die Weitinger. Nun wechselte 
der oesitz mehrfach. Auch an die 
Hohenzollern fiel Wehrstein auf kurze 
Zeit als Lehen, bis 1529 Graf Christoph 
von Nellenburg, Herr zu Thengen, 

Wehrstein mit Zubehör, eine Herrschaft 
für sich, als Lehen erhielt. Er starb 
1539 auf Wehrstein. Im Jahre 1359 
wurde Graf Karl I. von Hohenzollern 
mit der Herrschaft Wehrstein belehnt. 

Österreich behauptete bis 1806 die 
Landesoberhoheit; diese ging dann mit 
dem Besitz der Herrschaft ganz an 
Hohenzollem-Sigmaringen über. Jetzt 
gehört die ehemalige Herrschaft \\ 'ehr- 
stein zum Oberamt Haigerloch. Im ... .... _ ... „ ... . , 

Titel der Fürsten von Hohenzollern t , eim Eill!fBnj? 


’) Kaiser Karls erste Liebe. Eine geschichtliche Erzilblam». Von Karl Theodor Zindeler. 
Gotha. Friedlich Andrea'» l’erthea. 


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140 





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.■#* ’S* 


Abb. 140« Burg Wehrstein. 


nimmt auch die Herrschaft Wehrstein eine Stelle ein: Herr zu Haigerloch und 
Wehrstein. Unweit Wehrstein, bei Leinstetten, fiel 1208 Albert von Hohen- 
berg, und it>45 brannten die Baiem, die wohl auch damals Wchrstein als 

hohenbergischem Besitztum 
böse mitgespielt haben, 

die Burg ab. 

Die Burg (jetzt Ruine) 
liegt unmittelbar über dem 
Ort Fischingen auf einem 
nach Norden, Westen und 
Süden steil abfallenden 
Bergrücken. Vom süd- 
lichen höher gelegenen 
Teil des Ortes führt der 
schmale Burgweg am Hang 
aufwärts, über einen jetzt 
zugeschütteten Graben 
zum Tor. Links vom Tor 
liegt noch der Rest eines 
Rundturmes 

von 6 m Durchmesser. 

Das untere Stockwerk 
(jetzt verschüttet) zeigt 
zwei Schiessscharten 
gegen den Graben und 
die Ringmauer. Zwischen 
der südlichen Ringmauer 
(zugleich Stützmauer) 
und den teilweise auf 
Felsen ruhenden Mauer- 
resten der einst nördlich 
gelegenen Gebäude, führt 
die Einfahrt in westlicher 
Richtung zum Burghof. 
Die Ringmauer gegen 
Süden trug einst 
einen Wehrgang. In dem 

ausspringenden Winkel dieser Seite stand wohl ein viereckiger Turm (Brunnen- 
haus?). Der westliche Abschluss der Ringmauer steht noch <> — io m hoch, 
hat Schiessscharten und Mauerabsätze nach Innen. Die Mauer ist unten 
2,2 m, oben etwa i m stark. Im mittleren Teil der ganzen Anlage auf einem 
Felsunterbau stehen noch Reste eines starken Rundturmes nach Nordwesten 
gerichtet. Daran anschliessend waren Wohnräume, deren Umfassungswände 
auf der Süd- und Nordseite fehlen, gegen Osten ist noch ein Mauerstück vor- 
handen. Auf der Nord- und Ostseite fehlt die äussere Ringmauer. Der nördlich 
vorgelegte Graben ist mit Steintrümmern ausgefüllt und jetzt ganz bewaldet. 


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14 ! 


Auf dem höchsten Teil der Burganlage mag einst ein Turm (Rund- 
turm) gestanden sein ; 


worauf viele Mauer- 
steine und Mörtel- 
reste hinweisen. Auf 
der Ostseite ist der 
sehr breite künstlich 
erweiterte 
Felsgraben noch 
sichtbar, dcrnördliche 
Graben führt zu dem 
sog. Polzgraben. Auf 
der Nordostecke der 
ganzen Anlage ist 
der Küchenbau zu 
suchen, nach den 
Knochenresten zu 
schliessen, die sich 
dort jetzt noch vor- 
finden Am Fusse des 
Berghanges gegen 
Südwesten- liegt die 



Abb. 141. («rundplan der Burg Wehrstein. 


Mühle. 



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