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Full text of "Friedrich Ludwig Schröder 2 Teile O"

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Friedrich 
Ludwig 



Schröder 2 




Berthold Litzmann 



S 3?/ 0 

L 



ftifbtidi fulimig Sdirökr. 



«groeiter Ceü. 



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»r • a •. 1 1 :o!.. t • it . 



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<£m Bettrag 
Sur 

ienifdjett Äitteratnr- unb Äl)eater0efd)iit)te 

pon 

Profeffor a. 6. Unioerfhät Bonn. 

Zweiter ^eil. 



JTtft t portrSts in ^eltograufire. 



Hamburg unb £eip$tg. 
Perlag pon Ceopolb Vo§. 



1 



2IUe Kedjte oorbeljalten. 



Ptucf i>tx Drrlagsaiijtalt uno Prutferrt JIcticn.<8rff[I{*ofl 
(vormal» 3. $• Stüter) in Hamborg. 



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Eorroort 



Die freunbliche Aufnahme, welche bem erften 23anbe 511 teil 
geworben i% t^ättc mir eigentlich ein Sporn fein foÜen, bas lüerf 
raf d? 3um 2Jbfchlufc 3U bringen. 21ber mancherlei §wi\d\enfäUe — 3ulefct 
nod? meine Uberfiebelung oon 3 cna nac h 23onn — haben wieberholt 
511 längeren Unterbrechungen ber Arbeit genötigt. So h a * es 
fommen fönnen, oa% ber stoeite Eeil, oon bem bereits im fjerbft 
\8<)\ bie erfien 5 Sogen fertig gebrueft nxtren, erft im ^erbfi \S^5 
311m 2Jbfchlu§ gelangt. Dafür foll ber britte (Schluß) *3anb — 
toilTs <5ott — nicht fo lange auf jtd? »arten lajfen. 

Der plan bes <5an3en hat msmifchen eine nx>hl allen tefern 
toillfommene Slnberung erfahren. Das gefamte, für ben „Anhang" 
aufgefparte, aftenmäfjige, ZtTaterial foll einfchliefjlich bes, möglidjft 
oollftönbig 3U gebenben, Hepertoirs ber Schröber*2lcfermannfchcn 
Cruppe als ein felbftänbiges Fjeft meiner „ Ch<?aterge|chichtlicheu 
5orf chungen " erf cheineu . 

3ch glaubte um fo eher mein 23ud? oon biefem, nur ben 
Spe3ialforfcher intereffterenben 23auaft befreien 311 bürfen, als id> 
ja in ben 21nmerfungen 3U biefeu beiben Sänben bie notroenbigen 
Belege über meine, gebrückten unb ungebrueften, Quellen fo reichlich 
gegeben l\abe, bafj banach ein 3ebev fid? über bas oon mir be» 
nufete 2T?aterial unb über bie 2lrt feiner Perioertung ein Urteil 



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l>ora>ort. 



Sur genüge bilben fauu. Die für ben Scrjlußbanb oerrjeigene 
Überfielt (Porrebe 3U öb. I, 5. VIII) fann unb foll niefy merjr 
geben, ab u?as ifyr Harne perfpridjt : eine überfid?tlid)e ,5uf amm en« 
fi eil un 9 ber au irjrem (Drte jebesmal bereits genannten (Quellen. 

Die (Originale ber biefem Sanbe beigegebenen Bilbcr 
Dorotheas unb £f?arlottens fmb 5amilienbefifc oon rtacrtfommeu 
Dorotheas. 5ür ihre Überlaffung fage id] aud? au biefer Stelle 
ben freunblictjen 5örberern meiner Arbeit rjerslidien Danf. Die 
(Originale 511 ben Silbern Schwobers unb feiner 5rau fmb jefct 
Eigentum ber Stabtbibliotfjef in Hamburg, bereu £>era?altung 
burcrj bie (ßeftattung ber Pertüelfältigung mid? gleichfalls 511 
lebhaftem DanFe oerpflid?tet bat. 

Sonn, ben (Dt tober \ 890. 

3ertboIb (it$matm. 



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Jnfjalt 

$rttfes Budi. Buftoärts. 

£rftcr 2lbfd?nitt. tefcte (ßefeüenjarjre (1767— < 770- fei« 

\. 2Iuf ber lüanberfdjaft ( 1767— 1768). 
IIa* IHainj. — 2Infd?Iug an Krn^' (Truppe. — Sebeutung bes 
Stegreiffpiels für pojfe unb öallett. — 3ofeplj oon Knr3. tfrau 
t>ou Kurj. Die neuen Kollegen. Scrgop3oomer. (Srünberg. 
«Erfolg. OTaugel an paffenben Hollen. (Erfolg im Stegreiffpiel 
trorj feiner Abneigung bagrgen. — €ntfd?lnjj ^ur HücFFerfr nadj 
Hamburg. £iebesrfänbel. 2?ücfFetjr \ 

2. Krifen (i7feö— 1769\ 
Sd>eitern bes Hatioualtrfeaters. Hlangel einer einr/eitlidjen, fadj- 
oerfränbigen feitung. — Der „Iitrerarifdje Kegijfeur". Sd)led?te 
K f ina^roirtfdjafr. ^arblofigFeit bes Hepertoirs. — Krifis in ber 
(Entroitfelung bes nationalen Dramas. — Das beutfdje National- 
trjeater auf ber ZPanberfdjaft. — Sdjröbers (Einbrürfe nadj ber 
HiitfFcrfr. — 3n fjannooer. Derrjaltnis 3U (EFqof unb Ziffer- 
mann. — Sufaune IHecour. 3ljr ^erjlcn in ber rfamburgifdjeu 
Dramaturgie. Urteile ber ^eitgeuoffen. 3 l ? rc 3ugenbfdn'cFfale. 
Sdjröbers Werbung unb (Errförnng. (Siinftiger (Einfluß auf 
Sdjröbcr. (Trennung. Spätere Sdjicffale. Späteres (Engagement 
bei Sdiröber. (Sotters (Srabfdjrift für bie flTecour. — Das 
Hationaltrfeater roieber in Hamburg. ^uualnne ber Oerlegeu* 
Reiten. Übernahme burdj 21tfermanu. — (SerjäffigFetteu gegen 
Hermann. Seine (SutmütigFeit. — IPieberum in £?annot>er. 

- Sdjröber als ©berregijfeur. — DcroollFornrnnung bes 33alletts. 

— HepertoirfdjroierigFeiten. — 3n Srauufdjmeig. — Dorothea 
:icfermanns erftc (Erfolge. — mijjerfolg (EFbofs. — 21Uerbanb 
Un3ufriebenrjeit. — Seylers Kabalen. — Abgang r»on (EFbof unb 
(Senoffeu \: 



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feit? 

3. 2ltfermanits c£nbe (17<»9 — 1 77 1). 
2Jcf ermann mit neuer (Truppe in Hamburg. — Umr^erjiet)en ber 
(Truppe in benachbarte (Drte. pfanlofes Vorgehen 2Icfermanns. 
Sein Hficf tritt. — Solbatenftücfe. 2JcFermann in Sol baten roden. 
Cetjtes Auftreten. (Tob 4* 

^weiter Abfdniitt. Die erfte Dircftion (J77i — (780). 

[. Die allgemeine £age. 
Die litterarifd^e Konftellatiou. — 3otjann 3oad?im Bobe. — Schröbers 
Verhältnis $u feiner IHutter. $rau Arfermann als Kaffen- 
uerroalterin. — Schwobers (Sehalt. — Acfermanns Sdpulben. — 
Hieolinis Kinberpantomimen. Derbinbuug mit rticolini. — 
Hicolinis tfiasco. peFuniäre Bebrängniffe. — Sobes «Einfluß 
auf Sa?röber. — Die (ScfeUfcbaft ber (Theaterfreunbe. — Die 
3ntimen bes Kaufes. — (Seguerfcfjaft ber ^adjfritifer. — Das 
publifum unb bic (Sefelifdjaft ber (Theaterfreunbe. — (Theater» 
roanbernngen naa? Schleswig, £übecf, defle, ^annooer; — ^aften- 
oorfrellungeti in Altona. 2lbfa?Iu§ bes ZDanberns. — mangelhafte 
Unterftügung in Ramburg. Iftijjglü'cf tcr Derfuch, ein Abonnement 
eitijuria^ten. — Die cnglifajcn Komöbianten in Deutfajlanb. — 
Die „tfodjteutfdjen (Tomöbianten". — ,fran3Öfifche nnb italienifd?e 
(Truppen an bentjöfen. — ^raujöftfdje KonFurreit3 in Hamburg. — 
Parteinahme für bie ^ratijofen. Der KritiFer 2Xlbrcd?t Hartenberg. 
„Briefe über bie 2Icfermannfa?e unb t?amonfche Sdjaufpteler- 
gefeflfdjaft". Unbeliebtheit ber Artermanns. 3hr „unerträglicher 
S10I3". — Strenge ftttliche §ucht ber Zruppc. — Schröbers Der- 
hältnis 3U feinen Schmeftern. — Dorothea AcFcrmanns Abneigung 
gegen ihren Beruf. — ZTodj einmal 3ohanna Hidjarb. — Anna 
(Thriftina f?art. — Schwobers Verheiratung mit 2Inna (Thrittina 
3art. Schröbers ^rau. — 3hre fchaufptelerifcbe (ThätigFeit. Das 
3beal eines beutfa>en Künftlcrhaufes 53 

2. 3m Reichen bes Dreigefiirns (1771.— \775). 
Sophie Acfermanns letjte Hollen. — Dorothea AcF ermann. Auftere 
(Erfcheinnng. (Temperament unb <£horaFter. Schaufpielerifche€nt- 
tvicfelung. DielfeitigFeit ihres Hepcrtotrs. — Charlotte Atfer- 
mann. Äußere (Erfcheinung unb (Eigenart ihres (Talents. (Ein 
naturalijtifctjes (Senie. (Enttuicfelung als Darftelleriu. — 3°" 
hanna Hicharb*5aeco. — Sophie Keinerfe. — 3°i? an,ia <Th r ^' anc 
StarFe. — Caroline Kummerfelbt unb Sufanne OTeconr. — 
Schröbers ^rau in beu Holleu (Charlotte Atfermanns. — Betty 
Heimers. — IRab. Detter. Daoib Borchers. — 3<>h^«« »friebr. 



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3nf?alt. 

Heinecfe. — 3°^ ann S xan i Hieronymus Brocfmann. 3 u 9 en0 ' 
unb tVanberjatyre. (Enrmicfelung in Sdjröbers Schule. — Sdjröber 
in fomifdjen BebientenroUen. Übergang ins (EfyaraPterfad} ; bann 
3u ernjten nnb Hoden gemifdjter (Empftnbung. 3 m Singfpiel, 
tu a>eibltd?en Hollen, im Ballett. — £ambred?t, Dauer, Sdjütj. 
(Theatermaler Zimmermann. — (Efyeatermeifter 2Id}terPircfyen. — 
3orjann <£ljrtfrian Borf als (Eljeaterbidjter. — Das „clljeatralifdpe 
IVodjenblatt" als offtiöfes Organ. — Die Komöbie im Hepertotr 
bes beutfdjen (Etjeaters. Mangel an (Driginalen. — £oPalifierung 
auslänbifdjer Stüefe. — Das „Cbeatralifdje lüodjenblatt" über 
bie Komöbte. — Vorbereitung von €milia (Salotti. prolog. 
(Erfte 2luffüt}rung. Sdjröber als tftarinellt. (Seringer Erfolg. — 
Die (Sunfi ber dürften. Brocfmann als <Effey. Symptomatifdje 
Bebeutung bes (Erfolges. — Verfcfytninben ber 2lleranbrinertragöbie 
aus bem Hepertoir. — (Erfte 2luffüf}rung bes (Oaoigo. — cSörj 
von Berlidjingen. BebenPen gegen bie 21uffüt}rung. 2Juffütirung. 
Stimmen ber Preffe. 2lufnatnne im publiPum. Sdfrobers Bear* 
beitung. Die DarfleUung. — Die (Eroberung oon UTagbeburg. 

— ^inan3ielles Ergebnis ber erfien Dtrefttonsjalfre. — Das 
„preisausfajreibcn". Die ZlnPünbigung regelt bie fjonorarfrage. 
Bebeutung für bas Verhältnis ber DramatiPer jur Bürme. Vorbilb 
ber Wiener Beftimmungen. Die 2lufnatftne ber JlnPünbigung. 
(Seringer (Erfolg. — Klingers gnriUinge unb Ceiferotfe' 3ulius 
oon (Earent. — Charlotte 2Icfermann, £ieb(ing bes pnbliPums. 
3^re Briefe an 3« 21« ^etfe. £)äuslta?e KonfltPte. (Ein3elne 
<£fyaraPter3Üge. KranPfjett unb (Eob. Brocfmanns unb Un3ers 
Itadjrufe. Unfbarfrung unb Beftattung. (Crauerfeier. (Serüdjte 
über bie (Eobesurfadje. Sajröbers unb Dorotheas Darfteönng 
ber legten Vorgänge. Vermutungen über bie (Eobesurfadje. 
Homanljafte Darfiellungen. Die legten (Sriinbe ber Katafrropljc 

3. 3»" geilen SljaPefpeares (\ 775— { 780). 

Hepertotrfa>tt>iertgPetten. — Sdjröber als l^arpagon. — Sdjröbers 
erjle Büfynenbearbeitungen. — Die preisftücfe auf ber Bürme. 

— (Soetljes Stella unb Klingers §rotüinge. — VerPelfr mit Bote 
unb £eifen>it). — Heifeu. — Sdjröber in (Sotfya. ^rtebrtdj 
IDilfjelm (Sotter. — l?amletauffüf)rung tu Prag. — fyimlet in 
Hamburg. Brocfmanns fyunlet. Sdjröbers (Seift. Bebeutung 
Sbafefpeares für Sdjröbers (Entroicfelnng. Klopflocf unb bie 
Stolberge im (Theater. Sdjröbers Bearbeitung bes Hamlet. — 
(Erfte 2luffüt}rung bes ©trjello. — 2lnfnüpfung mit Bürger. 
Boies Korrefponben3 mit Bürger wegen bes ntacbetff. Bürger 



XII 3nl?alt. 

Seite 

in tjannopcr. Bürgers IHacbettjbearbeirung. Bemühungen, 
(Sotter nadj Hamburg 311 3ieljcn. — Sdjröbers gefcllig*r Derfetjr. 
(Sotters litterarifdje p^yfiognomie. Sein Befudj in fjamburg. 
Seine 2Ibfagc. — Bearbeitung unb 2Iuffüb l ning bes Kaufmann 
von Denebig. — IHi§erfolg ber Errungen pou <Sro§mann. — 
2ib3ug pon Keinecfe, Brocfmann unb Sdjüfc. — Un3ers Werbung 
um Dorothea 2ld* ermann. Sdjipicrigreiten, Dorothea 311 erfefcen. 

— ybfdjaffung bes Balletts. - Sdjäbigung bes Sdjaufptcl- 
(Snfembles btirdj bie ©per. — 3fflanb. — tefeproben. — JTiat5 
für IHajj. Sdjröbers Bearbeitung. — Sdjröbers Dorlicbc für 
£en3. — €tu neuer Dorljang. — Sdjröbcr als IHajor in Seil}' 
fjofmeifter. — Un3ers Diego unb Ceonore 17s 

Dorothea 21cfermanns 2Ibfdjieb dou ber Bühne. — Sdjröbers Bejr* 
beitung pou König £ear. Sdjröbcr als König £ear. Sdjin? 
über Sdjröbers Cear. — Sdjröber als fjamlet. — Sdjröbers 
Bearbeitung pou Kidjarb II. unb fjeiuridj IV. — Sdjröber als 
.falftaff. — Sdjröbers (Saftfpiel in Berlin. — 3obann ^riebridj 
Jferbinaub ,flerf. — Hücfgang ber (Einnahmen. — Sdjröbers 
Bearbeitung pou UTacbcttj. IHifcerfolg ber 2lufführung. — Der- 
brie|jlidjFeitcu unb (Enttäufdjungctt. — Aufgabe {"er Direftiou. 
Sdjröbers Bcu'eggrünbe tnersu. ZPirfung bes (Entfdjluffes auf 
bas Hamburger publifum. — Sdjröber als U?egfort unb als 
Bremc. — Die Ictjte Stegreifrolle. — £effings pbilotas. — 
<Enbe ber erfreu Direftion. — Die €ntreprife ber 21ftiouifteu. 

— (Erftes (E^catcr^lbonuement 

^. Heife burd) Dcutfdjlanb. IUieu. OTündjeii. fflattnheim. 
Paris. 21bfdjicb pon Hamburg (J780 — 
(Saftrollen in Berlin. — (Slänjcnber (Erfolg in 2t>ien. — 21ubien3eu 
beim Kaifer unb bei IRaria (Eb.erefia. — Bemühungen, Sdjröber 
an Itfien 311 fcffcln. Vorläufige gufage. — Begcifiertc 2Iuf- 
natime in IHündjen. Antrag, bie Leitung ber Hlündjener Bühne 
3U übernehmen. — (Saftfpiel in ITIannljeim. (Eiutpirfung auf 
bie Sajaufpieler. — Jlusföljnung mit 2Ibel Seyler. — Brief aus 
Straßburg. — Paris. Griebels Nouveau Th&Hre allemand. 
Preoille. IHole. Hille. Doligny. Klab. Sainpal. Urteil über 
fran3Öfifdjc Sdjaufpielfunft. — Hücfreife über IHannb^cim. Bei 
(Sotter in (Sotlja. — Befudj in IPcimar. Über Braunfdjtueig 
nadj fja?nburg. — Heue Hollen. — 2Ibfdjlufi mit tPien. — 
£et}te Begegnung mit £efftng. — Sdjröber über bie Aufgaben 
feiner Kunft. £efctc Hollen. — (Totenfeier für £effing. — 
2Ibfdjieb pon fjamburg 288 



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drittes 3ucfj. 



Euftorärts. 



, SdjrWer. II. 



€rj*er 2lbfd?nitt 



J767— J77{. 
1. 3luf brc DanbBrfdjaft 1767—68. 

Kur3 oor feiner 2lbreife fah Sdjröber noch eine probe t>on 
<£ronegfs „01int unb Sophronia", mit bem am 22. 2lprÜ bie 
23ürme eröffnet tr>erben foHte. 

(Eine neue Deforation, ein Säulengang oon Hofenberg, ©er» 
riet (Sefdjmacf unb (Dpulens. Dagegen fdn'en in ber 33efefeung 
öer roeiblichen (Eitelrofle bie Direftion nicht glüeflich geroefen 3U 
fein. <£s n?ar eine neu gewonnene Kraft, Sufanna ZHecour, eine 
anmutige €rfd?einung mit fdjönen flugen Otogen, aber befcheibenen, 
im 2lffeft leicht oerfagenben Stimmmitteln. XOie fam, fragte jtch 
Sdjröber unb fpäter bas publifum, boch bie neue Direftion basu, 
eine Schaufptelerin, bie im Cufifpiel (Sutes, ja Vortreffliches (eiflen 
fottte, gerabe am erften 2Jbenb in fo ungünfiiger Beleuchtung ben 
5«fdl<m«rn ©orsufü^ren unb baburd? ben (Erfolg bes gan3en 
2lbenbs felbji 3U gefährben. (Sünfiigc Porurteile für bie IDeis- 
Ijeit unb Unbefangenheit ber regieführenben ZHächte fonnte biefe 
Ztlagregel jebenfafls nicht erroeefen. 

<5egen ZHitte ZTIärs brach Schröber non Hamburg auf, nach« 
6em er ein Sdmlbenoe^eichnis feinem Stiefoater 3ur toeiteren 
<£rlebigung rertrauensooll überantwortet hatte. 

I* 



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Das Hetfe5iel. 



Sein nächffes Heifesiel mar ZITains. (Serade an diefe Stadt 
fnüpften ftch, roie toir nriffen, für tfm oiel freundliche (Erimte* 
rungen; und die 2lusftcht auf die roeinfröhlichen Ä^cm» und 
tflatnftädte, machte ihm den 2lbfchied oon Angehörigen, freunden 
und Freundinnen leidet und verfügte ihm die Strapa$en der Heife. 
«Einer derartigen Cinderung war er allerdings um fo bedürftiger, 
als er noch fchmerslich an den Folgen feiner unoernünftigen 
tebenstoeife in Hamburg su leiden fjatte. 

2lber fdjtoerlich u>ar es diefe Porliebe für den Bljeingau 
getoefen, die ihn oeranlafcte, ftch der (Truppe des 3ofeph *>on Kurs 
an5ufcr}lie§en. <£in Schritt, der auf den erflen 23licf aufs f?öd?ße 
befremden mu§. Denn die Befirebungen und 2lnfchauungen des 
neuen Direftors fanden im denfbar fchärfflen <5egenfafee 3U denen, 
in denen er aufgemachten. €s toar immerhin eine eigentümliche 
3ronie des Sdncffals, dafj der Stieffolm und Schüler des ZHannes, 
der ftd? an der Hebung des guten (Befdjmacrs, an der Derdrän* 
gung der extemporierten Komödie round gearbeitet hotte, gerade 
in diefem 2lugenblicf dem neuen, oieloerheifcenden Hationaltheater 
trofcig den Hücfen sandte und ohne fonderliche SFrupel mit 
fliegender $alme in das £ager des Feindes, d. h- ©er ärgften 
fünjUerifchen Heaftion überlief. 

3eder, der oon dem (Lfyeater etwas mehr oerlangte, als <£r 
göfeung des hohen und niederen pöbeis mit <3oten und Unflä= 
tereien, be!reu$igte ftch dreimal bei dem Hamen 33emardon, als 
des «Eiferndes. 

Und der (Träger diefes Hamens toar es eben, den Schröder 
bei der erjien Gelegenheit, frei über ftd? 3U oerfügen, ftch 3um 
Dtreftor erfor. 

^toeifellos Ratten fein immer noerj fch* tDiderfpruchs» 
geifl und ein getoiffer Kifeel, ftch an den oerblüfften (Seftchtern 
feiner norddeutfdjen Freunde und Kunftgenoffen 3U roeiden, feine 
€ntfd?eidung mit beeinflußt. 2lber nichtsdeftotoeniger roar der 
€ntfct}lug alles eher, als ein übermütiger 5afdjingsfhreict>. Piel* 
mehr waten Hücfftchten auf feine fünfilerifche Fortbildung die 
mafj« und ausfchlaggebenden. XTlan mufj fich nur oergegentoär* 



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Seweggrünbe 311m 21nfdjlafj an Kur}' (Truppe. 



5 



tigen, bafc er noch immer ben Scrjir>erpunft feiner tEbätigfeit im 
Ballett unb in folchen jugenblicb/fomifchen Hollen fudjte, bie mehr 
als gewöhnliche gungengemanbtheit unb (Sliebergelenfigfeit per» 
langten. $ür bie Deroollfommnung auf biejem <8cbiet aber oer« 
hie§ ber neu erwählte IPirfungsfreis ungleich günfHgeren Boben, 
als bie 2lcfermannfcb,e (Cruppe, sumal nadfbem fein Stiefoater von 
beren Ceitung 3urücfgetreten mar. 

3n ber bisherigen Umgebung fonnte er für feine allgemeine 
fünfilerifche 2(usbi(bung noch unenblid} viel, unb feljr Hotroen- 
biges lernen; aber für bie tedmifche tPeiterbilbung in feinen 
5pe$ialfäc^em nxtr bort ebenforoenig $u holen, mie bei ber 
Kodjfchen (Truppe in Ceip3ig, ber einigen, bie um biefe &e\t mit 
ber Hamburger tEruppe an oornehmer, fünfllerifcher Haltung fleh 
meffen fonnte. 

Sdn-ober n>ar in (Dppofttion gegen bie ertemporierte Komobie 
exogen roorben. 2lus feinen Kinber jähren fonnte er fkb, allerbings 
noch einer ober ber anbem Stegreiffcene erinnern, aber bie tEedmif 
bes Stegreiffpiels u?ar auf ber ^Icfermannfdjen Bühne nur ge* 
bulbet, nicht gepflegt roorben. Hidjt ohne IDiberfrreben unb nicht 
ob,ne flarfe Selbftüberroinbung fyatte fid? bie ältere Schaufpieler' 
generation ben 2(nforberungen bes „gereinigten <&efd?macfs M gefügt. 
<£s maren nicht bie fchledfteften geroefen, bie in biefem Penicht 
auf freie 3ntprooifation *ine Schmälerung, eine fjerabbrücfung 
ihrer Kunft fchmerslich beflagten. 21us Pernunftsgrünben billigte 
man bas Programm ber Citteraturreformer, aber trofc ben hodf« 
tönenben phrafen auf ben 21nfchlags3etteln unb in ben Prologen, 
in benen fjarlefin unb feine Sippfdjaft t>on ber fjobe einer ge» 
läuterten Kunjknfchauung in ben tieften Slbgrunb bes Perberbens 
geroünfcht warb, in ben fersen ber 2Uten lebte noch im Stillen 
bie Sermfudjt nad? ber golbenen tollen geit, n?o noch fein frrenges 
Kunffoerbot bie glücklichen Eingebungen ber £aune bes klugen» 
bliefs oon ber Scene oerbannte. 

Sdjröber hätte bie bebenflichßen 21usfchreitungen bes beutfehen 
Stegreiffpiels, bie für bie Heformer beffen Befeitigung 3ur Pflicht 
gemacht hatten, aus eigener Beobachtung nicht mehr fennen ge» 



6 Sebeutung bcs Stegretffpiels für poffe unb Sallett. 



lernt, »of}l aber war ihm aufgefallen, bafj im niebrig fomifchen 
Ballett unb im poffenfptel bie ältere (ßeneration entfd>ieben 23efferes 
leiftete, als 5er junge 2ftach»uchs. 5ie ©erfügte über eine leben« 
bigere, ab»ed?felungsreichere OTmif, einen größeren Dorrat ber 
ZTatur abgelaufener, brafHfch »irfenber <5ejien, überhaupt über 
eine ungleich größere geiftige unb förperlidje <5elenfigfeit. <£r 
glaubte — unb feine Anficht warb r»on manchen geteilt, — biefe 
X>or3Üge barauf 5urücffüfjren 3U bürfen, ba§ jene £eute in ber 
Sdmle bes Stegreiffpiels gro§ gemorben. 

Seit <£fhofs 3eifpiel Sdjröbers (E^rgeis ge»ecft h<*tte, u>ar 
ihm fein IDeg 3U mühfam, fein 53rett 3U bohren 3U Ijart. 

Der <5ebanfe, fid? einen ähnlichen Porteil 3U oerfdjaffen, »te 
jene, unb bie erjte ftd? bietenbe Gelegenheit 3U benufeen, um bei 
einer Cruppe, bei ber bas Stegreiffpiel noch r>or»iegenb gepflegt 
»erbe, bie alte Cedmif 3U fhibieren, lag ifjm ba^er nahe genug. 
5ü^lte er jtd? bodj banf feinen «Eltern fynlänglidf gefeit gegen 
bie (Befahr, burd] biefen Schritt vom Wege, bauemb r»on ber 
Züchtung auf bas £)aupt$id abgelenft 5U »erben. 

So »ar es gefommen, bafc er jtch 3<>feprj oon Kurs, bem 
rerrufenen 23ernarbon unb feiner Schar jugefeQte. 

^ier aber darrten feiner nicht nur auf ber 33üfme allerlei 
Überrafdmngen. 

2>er Zufall ^ a tte es bisher gefügt, bafc gerabe bie perfön« 
lidj feiten, bie er als Zllujler feiner Kunft be»unberte, ihm auch 
im bürgerlichen Ceben als mafellofe Cljaraftere imponierten. 
Hillen ooran feine «Eltern. 3h nct V »n ihr* r entsaften, ge« 
festen norbbeutfdjen 2lrt ehrenfeft ihren lOeg oerfolgten unb es 
fidl um ihren Künfllerruhm unb um ihre bürgerliche Hefpeftabi« 
lität gleich, fauer »erben liegen, hatte er jenen (Beiß fhrenger 
Pflichterfüllung unb jene höh* 2luffaf[ung oon ben Aufgaben 
feiner Kunft 3U banfen, bie ihm in 5Ieifch unb 331ut übergegangen 
»aren, fo oft ihn auch 3w0«nbübermut noch über bie Stränge 
fchlagen lieg. 

£}ier fam er auf einmal in gan3 anbere £uft, begegnete er gan3 
anberen 2lnfchauungen. (ßalt bort ber Safe: „ «Erlaubt ift, »as 



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3ofept} von Kur3- 



7 



ftd^ sicmt", mar Bjier bie mit ladjenbem ZTTunbe ausgegebene 
Parole: „«Erlaubt ift, was gefällt!" 

Der prinsipal mar ein faoaliermäfjig auftretenber Cebe- 
mann, ber trofo feiner fünfjig 3<*h r * an ber Seite einer anmu« 
tigen jungen 5rau nodj gern mit ben EDeibern unb (Eödjtern 
2(nberer ben (ßalanten fpielte. 3 n feiner mienerifdj gemütlidjen 
21rt fonnte er mofyl als angenehmer <5efeHfdjaftcr, ber nie miffent* 
Cidf bas Spiel r»erbarb, gelten, aber Hefpeft ei^uflößen, 3U impo* 
nieren, roar er nidjt ber ZKann. teben unb leben laffen, mar fein 
tDafjIfprudi als KünfHer n>ie als Zfienfdj, unb mit äflfjetifa>en ober 
moralifdjen Bebenfen ftdj I?erum3ufd?lagen, mar feine Sadfe nidjt. 
Permutlidf ein leidstes IDiener Blut, fdjlenberte er roie im lDaI$er« 
taft burdfs £eben, ein3ig barauf bebad\t t ftd? unb anberen bas 
Dafein möglich luftig unb angenehm 3U gehalten. Deshalb mar 
er ein Hleifter in ber parobie ber tragifdjen 21ffefte; er beburfte 
oabei gar nidft befonbers braflifdjer mittel; es mirfte burd? ftd? 
felbß, menn ber joviale, aÜ^eit ftbele Cebemann tobternfl als fenti* 
mentaler Ciebljaber fang: 

„meine Bruft 3erretßt in Stürfen, 
Unb mein £jer3 befommt ein £odj! 
JDeld>er Sdmeifcer wirb fte flicfen, 
ITeldjer ZifäUt leimt es bod}?' 1 

Diefe fyeiterfeitserregenbe 21tmofpfjäre, bie ilm umgab, marb 
iE)m freiließ, menn er einmal, com (Teufel bes <£E?rget3es geplagt, 
tragifdje gelben fpielen moflte, 3um Derfjängnis. Denn niemanb 
glaubte tlmt. Seine fjaupttriumplje feierte er bagegen in jenen 
berbfomifdjen Singfpielen, in benen er, mit befonberem (Befdncf, 
jtdi für feine 3nbwibualität bie fomifdje 5igur bes Bernarbon, 
einen ZTTifdjIing beutfdfer unb italiemfdjer Burlesfe, 3ugejhifet ^atte. 

3n biefen Singfpielen, in benen neben iljm cor allem feine 
gleid} 3U ermälmenbe 5?au glänjte, unb in älteren Stegreiffpielen, 
3umeiß italiemfdjen Urfprungs, beruhte bie ffauptflärfe feines 
^epertoirs, unb auf biefes Hepertoir mar audj bas übrige per* 
fonai ber Cruppe pormiegenb eingefdmlt. Daneben gab er aller« 
fcings audj, bösere Bebürfniffe berütfjtdfttgenb, Cragöbien unb 



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8 



tfraw von Kurs. 



regelmäßige £uf!fpiele. 3« Scbröbers Anroefenheit fam fogar, 
fchon im ^erbfi J767, Cefftngs ZKinna o. 3arnhelm 3ur Auf. 
führung. Aber bas roaren nicht etroa Anroanblungen eines fidr 
regenden fünfUerifchen <5eroiffens, fonbern lebiglich Kon$ef|tonen 
an ben (ßefcrjmacf bes publifums, bas auch dergleichen fernen 
trollte. £Die er r^ier um bes (Befdjäftes toiOen über bas Htoeau 
feines gewöhnlichen Hepertoirs hinausging, fo fcheute er ftch 
ebenforoenig anberroärts, auch um bes <5efd}äftes tri Den, erheblich 
unter bas Ztioeau h*rctb3uftnfen. Schröber fyötte, roährenb feines 
Aufenthalts bei ber (Eruppe, aus bes prin$ipals HTunbe feine 
£ote, bemerfte allerbings mit ZKifjoergnügen, bafj biefer ohne 
jeben Sfrupel feinen Darftellern barin bie roeitgebenbffen Ste'u 
hetten einräumte. Anberroärts, roo bas Publifum bergleichen 
oertrug unb erroartete, fcbeint er auch ftch felbfl oon jeber 
Anfkmbsrücfftcht bispenftert 3U t{aben. c2r fyxtte eben, roie er 
in einer feiner Arien $u fingen pflegte „fein' Sach' auf nichts 
gefieHt." 

£u biefem jovialen Allerroeltsfreunb, an bem bie Schaufpieler 
mit Ciebe hingen unb ber als „Dater 33ernarbon" noch lange 
oon ihnen in freunblichem Anbeuten gehalten rourbe, bilbete feine 
5rau als prinsipalin eine ebenfo anmutige roie charafteriftifche 
€rgän3ung. (Eine feurige 3talienerin / bereits über bie erfte 
3ugenbblüte hinaus, aber noch immer eine berücfenbe <£rfcheinung 
mit rounberooüen fchroar3en Augen, bie fte im Ceben unb auf 
ber 33üBme 3U brauchen mußte. Als fomifche £än3erin unb 
Sängerin leitete fte gleich X?or3Ügliches, unb obroohl fte bas 
Deutfche nicht beherrfchte, roußte fte, banf einem fcharfen Auf* 
faffungsoermögen unb einem ungeroöhnlichen (ßebächtnis, auch int 
gefprocbenen Dialog, felbft ber (Eragöbie, bie 5"fch«uer 3U ent« 
3Ücfen. Auch außerhalb ber 3ürme fehlte es ber fcbönen, Hebens» 
roürbigen 5rau nicht an Verehrern, unb fte fcheint umforoeniger 
ihr natürliches Calent 3ur Kofetterie 3urücFgebrängt 3U §aben, 
als ihr fjerr unb &tyg.emafy, ber ftch anberroeitig fchablos hielt, 
roie oon anberen Vorurteilen, fo auch oon €iferfucht nicht befchroert 
roar. Xlacb. bem <5runbfa$e „erlaubt ift, roas gefällt" machte fte 



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Die neuen Kollegen. 3. 33. Sergopsoomer. 



9 



benn auch gar fein ffcBfl aus bem IDohlgefaflen, bas t^r biefer 
ober jener ihrer jungen Kunjigenoffen erregte. 3a fte fonnte 
fogar, »ie Sdjröber 311 feinem Ceibroefen erfahren folIte, fefjr 
heftig unb 3omig »erben, menn ihre sarten Segungen nicht fofort 
oerfianben ober gar mit Kälte unb «gurücfhaltung eru>ibert mürben. 

3m gan3fen aber n?ar ber erfle <£inbrucT, ben Schröber oon 
feinen neuen Kunfigenoffen empfing, fein ungünßiger. Der u>ienertfch 
gemütliche (Eon, ber f}ier im Derfehr ber Schaufpieler unb Schau« 
fpielerinnen untereinanber ^errfd^te, bie Ceutfeligfeit, mit ber bas 
v£bepaar Kurs fch ohne g>wang ben ZTCitgltebem ber Cruppe 
foßegialifch gleichfletlte, heimelte ifjn gerabe im (Begenfafc 3U ben 
unerquieflichen Perhältniffen, bie ihm bie legten HZonate in 
Hamburg ©erbittert Ratten, an. <Erft fpäter erfuhr er, ba§ im 
Anfang biefe ireunblidjfeit nur ZlTasfe geroefen, ba§ in IDirflidf« 
feit mau ftorf gegen ilm ooreingenommen n?ar infolge ber tDar« 
nungen, 3U benen ftdj ein ehemaliger abeliger IDiberfadjer 1 
beu>ogen gefunben fyatte. Sei feinen €Item märe einem fo ein« 
geführten ZTTitgliebe fdnserlich otme unoerhohlene Äußerungen 
bes Mißtrauens begegnet morben. 

2luch bie neuen Kollegen gefielen ihm gut. ZTtit bem faft 
gleichalterigen 3°h aTtn Saptifl 23ergop30omer aus IDien ©erbanb 
ilju balb tyxslidifie 5reunbfchaft. 33ergop30omer hatte erfl t>or 
fur3em ben XDinfelfjafen, ben er fdjon früher einmal mit ber 
ZTlusfete uertaufdft fyatte, aus ber fjanb gelegt unb ftch ber 33ülme 
3ugenxmbt unb bliefte 3U Sdjröber, bem beim Cheater groß 
toorbeneu, nrie 3U einem fertigen ZTCeifler auf. (Er befafj fydtyren 
fünfUerifdjen <Hhrgei3, ftrebte nach bem £orbeer bes Cragöben unb 
betrachtete ben Aufenthalt bei Kur3 nur als eine Durchgangs« 
ftation. Um fo freubiger begrüßte er ben ^ufafl, ber ihm in 
biefer Umgebung in Sdjröber einen nach &en heften HTufiern gc* 
fchulten KünfUer nahebrachte. Dlit einem $euereifer unb einer 
Eingebung, bie bem jugenblichen Cehrmeifier nicht menig fdmiei« 
chelten, fuchte er beffen Beifpiel unb mehr noch £ehre 3U nufcen; 



1 £>gl. I, 202 ff. 



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(Srünberg. Derfetyrston. 



unb es 3eugt entfdfieben von fünjllerifchem Scharfblicf, ba§ er 
fdjon um biefe «geit bem 3n?eifelnben 5r*unbe als bas Selb feiner 
fjaupttriumphe bie £ragöbie be$eidir\ete. teiber fonnte ihm biefer 
bas Kompliment nicht 3urücfgeben unb ifjm ein ähnliches pro« 
gnofhfon fteHen. Ungeachtet afler theoretifdjen Begeiferung fehlte es 
Bergop30omer an tragifcher Ceibenfdjaft. Sein Derfudj, burch eine 
Hei^e teils anbern abgeguefter, teils fein ausgeflügelter ZTuancen 
unb Zflälfrdien, bie oft in h<*arflräubenbe (SefdjmacfloftgFeiten aus» 
arteten, bas 5^I^nbe $u erfefcen ober 3U oerbeefen, führte Um, 
wie 3U erroarten mar, erft recht weit vom §'\ele ab. <£s wirb baoon 
fpäter noch gelegentlich 3U fpredjen fein. 3« fomifdfen, Üäter* 
unb (EfjarafterroÜen bagegen, u>o er fid? natürlich gab, leitete er 
Portreff liebes; aber biefe Erfolge fdjlug er gering an. 2ln bem 
feingebilbeten <5rünberg fanb bagegen Schröter einen 2JTeijter bes 
Stegreiffpiels, ber barin, fraft ber CI?arafterifttf unb unerfdjöpf* 
liehen 5üHe ber Eingebungen bes 21ugenblicfs, fein ^ntere^e unb 
feine Benmnberung immer rege 3U galten toufjte. Von geroaltigfter 
erfdfütternber IDirfung mar er als 5auft. Ztxdit nur n?u£te er 
hier bei jeber IPieberholung burd? bie nie einanber gleidjenben 
Betrachtungen über ZHagie bie §\ih,öret 3U fefjeln, fonbem er 
oerfkmb es auch, in ben entfeheibenben Scenen burch ftarfe, aber 
nie unfdiöne Ztlittel bas publifum bis ins 2Tfarf oon ZHitleib unb 
$urdjt erbeben 3U machen. 

21ud? mit ben übrigen (5liebern ber (Sefeüfchaft, meiflens 
fübbeutfd?er ober italienijcher 2Ibfunft, Sängern unb Sängerinnen, 
Cän3ern unb (Täterinnen lieg ftch's gan3 gut leben. <2s war 
luftiges, leidstes Polf, bas mit feiner tebensfreube auch ben burch 
Kranf^eit anfangs nicht gerabe 3um 5rohfmn aufgelegten norb» 
beutfdjen jungen Kollegen ummllFürltch anflecfte unb mit fortriß. 

2lber fo leicht er jtdj anfeheinenb bem tyer herrfdjenben <ßeifie 
anpaßte, innerlich blieb er bod? ein 5rembling. €s gab ba boch 
mancherlei, über bas er auch beim heften Wtüen nicht \\xnweq, 
mit bem er ftch als ettoas Selbjtoerfiänblichem nicht abftnben 
fonnte. (Bleich eine ber erfien OorfleHungen in 5ranffurt, »ohin 
bie (5efellfchaft (Dftem überftebelt u>ar, gab 21nla§ 3U einer fdjarfen 



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IHeinungsDerfdjiebeitljetten. 



2Iuseinanberfefcung steiferen ilmt unb bem prinsipal über bas 
auf ber 33üime Sdu'cflidie. 

3n einer ZtadjaEimung r»on Bourfaults Mercure galant Blatte Kurs 
in aller l}armloftgfeit fidf eines feiner gerootmten Späten geftattet. 
Der Direftor felbf*, als Dame auftretend, teilte dem Herausgeber eines 
3oumats aflerlei Zteuigfeiten mit, ersäfjlte oahei »on ber 2lnfunft 
bes beräumten fjerrn r>. Kurs unb entwarf eine ntdjt überall fefyc 
fdjmeidjelJiafte Ctjarafteriflif ber <5efellfd}aft. Sdjröber fam nodf 
t>erf?altnismä£ig gut roeg „ber fpriugt toie ber (Teufel. Die 
Ceute fagen, er foH audj als Sdjaufpieler gut fein." 2lber bas 
€^epaar €itel, bas mit ilmt oon Hamburg gefommen mar, mujjte 
ftdj auf offener Scene eine redft fatale Kritif feiner Ceiftungen 
aus bem ZHunbe bes eigenen Direftors gefallen laffen. Sdjröber 
trar empört unb fagte Kurs auf gut beutfdt feine ZlTeinung, ber 
nid?t minber fräftig unb beutlidj enoiberte. Daburdj warb bas Der* 
fyältnis einige ^eit geflört, beibe fdjmoflten. 2lber Kurs' Hebens* 
mürbige Hatur, fein Bebürfnis, mit aller tüelt gut ^reunb 3U 
fein, gewann balb bie (Dberfymb. Unb obwohl er ber ältere 
unb ber 23eletbigte war, ergriff er bie erfle pdf bietende (Seiegen* 
fyeit, treu^er$ig bem jungen l^eifcfporn bie fjanb sur PerföJmung 
3U bieten. 5ür Sdfröber war um fo weniger Deranlaffung, fie 
Surücfsumeifen, als er in bem <£ntgegenfommen bes prinsipals 
3ugleid? eine fpontane, feiner Kunfl bargebradfte fjulbigung er« 
bliefen burfte. Denn bie PerfSIjnung fanb fratt unter bem un* 
mittelbaren <£inbrucf von SdjrÖbers erflem fdfaufpielertfdjen Debüt. 
2Us <5rotesftänser war er fdjon wenige (Lage nadj feinem £in* 
treffen bei ber (Sefeüfdfaft in 2Ttains aufgetreten unb Ijatte mit 
unbefannten partnern in einem r»on feinem Hioalen gefegten 
pas de trois burdj bie (Seiflesgegenwart unb Küfmfyeit, mit ber 
er alle aus biefer Situation ftd? ergebenben fjinberniffe 1 überwanb, 
einen großen Sieg banongetragen. 

2Us Sdjaufpteler Fam er erfi in 5ranFfurt auf bie BüJme, 
unb jwar in ber HoHe bes ^eftor in Hegnarbs Spieler, bie, 



1 ITteyer I. 5. \6{ ff. fäilbert eingetienb bie te$n:fd)en Scfjanertgf eitert. 



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U^ufrtebenljeit mit ber fdjaufpielerifdSen Befa?äftigung 



wie man ftd? entftnnen mirb, fd?on f. i*wt *>°" <£fffof, unb 
iwav ebenfalls nadf einem oorausgegangenen ZDorttoedifel, unein« 
gefdjränftes tob eingetragen ^atte. Zinn »ieberftolte ftd} Ipet 
etwas gan$ ähnliches; unb ber (Eriumph, $a>ei foldje Slntipoben 
fünfHerifdien <5efdmtacfs burdf bie Creue, Cebenbigfeit unb über- 
mütige £aune feiner Darfiellung aus einer perfönlidjen DerfHm« 
mung gegen ifm Jjerausgcriffen 3U haben, mar eine (Senugthuung, 
mit ber er 3ufrieben fein fonnte. 

2lber gerade bie öefdjäftigung, bie er als Sdjaufpieler bei 
ber Cruppe fanb, befriedigte itm auf bie Dauer nidu\ Die fran> 
3Öfifd?en Komöbien mit ihren breiflen, feef in bie ^anblung ein« 
gretfenben Bebientenr ollen, in benen er bisher ben ^auptbeifaü 
geerntet, maren nur in geringer gafyl auf bem Sepertoir. €s 
fehlte ifmi alfo an ^efdjäftigung, 1 roas er um fo ftorenber 
empfanb, als er namentlid) in ber erften &eii burdf einen (Blieber* 
fd]tDamm 3U großer Porftcfjt beim ILan^en genötigt mar. Hm 
nicht gan3 3U feiern, fah er ftd? alfo gesmungen, fein BoQenfad} 
3u erweitern unb in ben (Solbonifdjen Komöbien bie fog. <£fye» 
caliers 3U übernehmen. Denn, feltfam genug, 3um Stegreiffpiel 
fonnte er ftd? nid?t entfdjliejjjen. So fehr ber prin3ipal unb bie 
Kunflgenoffen, roohl in ber fd?abenfrohen €rmartung, ber fpröbe 
felbftben?u§te Horbbeutfd?e »erbe fjier Sd?iffbrud? leiben, ibn 

1 Wie tpenig er als Sdjaufpieler überhaupt in biefem Hammen 3ur 
<8eltung tarn, gel?t u. a. aud? baraus l?er©or, ba§ bie \76& erfdjienenen 
„Briefe bie tf?eatralifa?e (Sefellfajaft bes fjerrn 3ofeplj von Kur3 be- 
treffend' bei ber <£I?araFterifH? ber Sdjaufpieler Sd?r5bers gar nidjt ge- 
benfen. €c rotrb bei ben On3em nebenher unb in 3temlid? roegiserfenbem 
(Tone abgettjan: „Der £?err Sdjröber madjt mit feinen langen Beinen bie 
r>er3tt>eifeltften Sprünge unb bie närrifajften (Sefidjter. Bei Denen, bie 
£iebf?aber von biefer 2Jrt Dorftellungen ftnb, l?at er Beifall; Denen aber, 
bie etoas feines unb Artiges fnd)en, gefällt er nidft. U>ir l?aben it?n 
aud? in Bebientenrollen gefefyen, bie 3iemlia> gut waren; aber im petit 
XHaitre gefällt er mir gegen ben £?erm 5d?ol3 gar nidjt." Auffällig ift, 
ba§ Sd?röber nid?t einmal in ben regelmäßigen Stürfen immer befebäftigt 
roarb. Bei ben erfien Aufführungen ber ITlinna von Barnljelm, bie bod? 
in bie §eit feines Aufenthaltes bei Kur3 fielen, fdjeint er 3. B. gar niajt 
mitgefpielt 3U tjaben. 



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Abneigung gegen bas Stegretffpiel. j3 

brängten, fo felyr er, wie man ftcf erinnern nnrb, gerabe bisher 
bas 2lustpenbig(ernen auf bte leidste 21cffel genommen, es ging 
tf m nun einmal miber ben Stricf . <£r f ätte nief t Der fein muffen, 
ber er mar, fätte <£igenfinn nieft bei biefer IDeigerung mit- 
gefproefen. 21ber man geft roof 1 auef nieft fcfjl, trenn man bie 
2lnfcf auungen, in benen er grofj geroorben unb oon benen er jtcf 
nieft losmachen fonnte, als bas ffauptfinbernis beseidmet. 
(ßerabe in biefer Umgebung »arb ifm, mas er unter ben etwas 
afabemijcf angefauchten Hamburger (Senojfen fidi in fecTer Caune 
als einen föfiltcfen Spa§ erlaubt, 3U einer fetalen poffe. 1 3« 
farmlofer er ftcf an bem übermütigen (Treiben ber Übrigen er« 
göfete, unb bie Kecffeit nieft int $recffett, bie Derbfeit 

nieft $ur plattfeit, bie fatirifefe Caune nteft in perfönlicfe 2ln« 
fpielungen unb Eingriffe ausartete, 1 ber erfie mar, bie Ceifhingen 
ansuer Fennen: bei bem (Sebanfen, er felber folle ba mtttfun, 
füllte er einen unbesuringlicfen <£fel. <£r erfuf r eben an ftcf bie 
IDafrfeit ber trivialen IDeisfeit: niemanb fann aus feiner £}aut 
feraus. 2*icft etwa, ba§ er ftcf nieft ZlTanns genug gefüflt 
fätte, Kur3 unb ben Seinen auef auf biefem Selbe bie Spifce 3U 
bieten. 3m (Segenteil; benn, als bes Drängens unb bes Sticf eins, 
er möge n>of 1 nieft »ollen, toas er nieft fönne, fein €nbe roarb, 
erbot er ftcf menigfiens, ben 23eu>eis 3U liefern, bafj fierin nieft 
ber <5runb feiner IDeigerung liege. Arrogant, roie immer, 
roäflte er bie fdm?ierigfte Stegreifrolle feines 5acfes: ben 
5rontin (CeporeKo) im Don 3 uan - *}ierburcf gerei3t, boten bie 
n?of Igepnnten Kollegen alles auf, if n grünblicf 3U 5<*H 3u bringen. 
IPeber erfielt er <£inftcft in bas Zftanufcript, in bem bie meinen 
fjauptfeenen ausgetrieben, bie Stegreif rollen unb Scenen ange* 
beutet »aren, noef eine für einen Heuling genügenbe münblicfe 

1 21Uerbings gingen bie Späße metfl bis fart an bte <8ren3e nnb 
bäuftg barüber tnnaus: So menn ber Diener bes ^aufi bte latente, mit 
ber er Dorleudjten foüte, cor feinen E?ofenfpiegel titelt, nnb feine Haltung 
begründete: „Damit tdj bas £td?t gletdj toieber anblafen fann, menn's ber 
IPinb ausroef t" ober roenn in einer anberen Poffe eben berfelbe leberbefletbete 
Körperteil bes Ctebbabers 3nr £)telfd}eibe oon grofien tt)afferfpriöen btente. 



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(Ein Derfud). 



Unterweifung über bie Scenenfolge unb bie l?crfömmltd?en unb 
3ur iortführung bes Stücfes 3um (Teil notwenbigen Spielnuancen. 
<£r warb barauf oertröflet, (Srünberg werbe ifm fdjon, wenn's 
^eit fei, auf bie Sühne fehiefen unb ihm allemal burch einen 
Sc^nalslaut anbeuten, wann er ftd? 3urücf3U3iefjen h<*be. 

2Hit ber tobrebe bes Sganareü auf ben Sdmupftabaf aus 
ZKolieres Don 3uan, ben er feiner geit von XTicolini gefefjen 
unb im <5ebäd)inis behalten, begann er. Die wenigjien ahnten 
wofyl ben ^ufammentjang unb gelten bie Anleihe für eigenes 
Permögen. Das publifum warb »arm, bie egmpfmbung baoon 
gab wieber bem IDagehals einen £}alt, unb nun jtrömteu bie 
IDorte, biesmal wir Flieh 3 m prooifationen, »on feinen tippen. 
5reunb Bergop30omer. als Don 3uan mit forgfältig emfhibierter 
Holle mujjte mit wadjfenbem (Entfefeen biefen IDort^crall über 
fich ergeben laffen. So oft er auch 3U reben anEmb, allemal 
fdmttt ihm ber fürchterliche 5rontin bas IDort ab. Kein IDinfen 
hilft, »ergebens giebt (ßrünberg bas Signal 3um üerfchwinben. 
nicht einen 2lugenblicf eher, als es ihm pafjte, räumte er bas 
5elb, um hin*« öen Couliffcn in bie 2lrme bes begeiferten 
prin3ipals 3U ftnfen, ber ihn mit bem Ausruf umhalfte: „ZlTorbio 
Sacferment! ber fjerr if* 21cteur! Dagegen ftnb bie anbern — ." 
Die ftcher fehr brafiifche pointe feines <2nt3Ücfens fyat bie fcham* 
hafte 5eber bes erflen Biographen nicht 3U überliefern gewagt. 
So ging es weiter, bie Bebfeligfeit bes Srontin titelt DarfleHer 
unb publifum eine Stunbe über bie gewöhnliche Seit fefi, unb 
ber arme Don 3uan, bem fein 5reunb bie beflen einftubierten 
phrafen „weggefreffen" tiatte, tonnte nur am Schluß feinen lang 
3urücfgebrängten (Befühlen in einigen Imnbert Heim3eilen £uft 
machen, bie ftimmuugsooH begannen: 

„0 CjEtPtgfeit, bu Z>onnern>ort, 

Dn Sdjroert, bas burdj bie Seele bofyrt, 

$>u Anfang fonber <£nbe!" 

2Tie wieber warb feit bem Cage feine 5ähigfeit im Steg« 
reiffpiel ange3wcifelt unb nie wieber bas 2(nftnnen an ihn gebellt, 



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StPtfttgfetten. <Entfälu§ sur Hficffctir nadj Hamburg. 



ben verheißungsvollen Perfuch 3U toieberholen. Unb fo hatte er 
ja erreicht, was er wollte; unb vielleicht hätte er fich auch mit 
ber ^eit, ba man ihm namentlich auch im Kursfdjen I}aufe, »0 
er täglich aus* unb einging, mit groger Ciebenstvürbigfeit unb 
fjerslidjfeit begegnete, tvirflicb, in bie fremben 2Tlenfchen unb An« 
fd?auungen mehr eingelebt, wenn nicht eben biefe, auf feiner Seite 
burchaus harmlofe Freiheit bes Derfehrs Konflikte h* rau f c 
befdjworen hätte, bie ihm ben Aufenthalt oerleibeten. Die erften 
Anfänge einer Derjtimmung fallen wahrfcheinlich fchon in ben 
ZHai; im 3uli, als bie (Sefeflfchaft von Sranffurt wieber nach 
ZHains surüefging, t^atte ftch ber Konflift bereits fo sugefpifct, ba§ 
Schröber [eine €ntla|fung forberte unb nach langem Xüiberjlanbe 
auch von Kurs erhielt. Die (Sefeflfchaft ging ohne ihn an ben 
neuen Sefiimmungsort ab. Schröber blieb in 5ranFfurt surücf, 
wo er bie ITCujge sur Kompofttion neuer "Ballette unb muftfalifchen 
Stubien verwenbete. Seine <&rfparniffe unb geringen 33ebürfniffe 
festen ihn in ben Stano, einige ^eit su feiern. Kegel- unb 
öiflarbfpiel, in früherer ^eit, namentlich bas lefctere, Urfacbe 
fmansiefler 23ebrängnif[e, bienten jefct im (Segenteil ba3u, feine 
fleine 23aarfchaft su vermehren. 

3n3ö?ifchen war ein gemeinfamer 5reunb thätig, 3wtfchen 
Schröber unb Kur3 3U ©ermitteln, unb fanb lefcteren fchliefclid? 
um fo eher geneigt sunt Ausgleich, als ber Cermin ber HücWehr 
Kursens ftch näherte, unb als feine Perfuche, bei einer anberen 
Cruppe ansufommen, bisher vergeblich gewefen waren. So 
glüefte es benn, ben 3Ürnenben Achiö 3u befänftigen; er ließ ftch, 
als bie (Sefeflfchaft im September 5ranffurt befuchte, beftimmen, 
wieber su ihr su treten, unb begleitete fte auch anfang ttovember 
nach 21tains. 

Aber von vornherein hatte Schröber bas nur als einen 
Auffdmb, nicht als ein Aufgeben feines €ntfchluffes, ftch oon 
Kurs 3* 1 trennen, be$eichnet. ZTlan brauchte in fjamburg, »0 
man boch ohne 33aDett nicht ausfommen fonnte, feine Kraft; 
Seyler hatte ihn sur Hücffehr eingelaben, Acfermann 3ugerebet, 
unb fo hatte er ftch oon Saften J768 ben Unternehmern bes 



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CiebestfSnbel. 



nationaltfjeaters DerpfHcfyet. Dielleidjt u>äre er roeniger bereit* 
willig bem Hufe gefolgt, ilm nid?t bie Erfahrungen ber 

legten Hlonate 3U einoringlid? belehrt Ijätten, ba§ Itter feines 
Bleibens niety fein fönne. 

Was tlmt aber ben Aufenthalt bei Kur$ fo grünblich t>er* 
Ieibete, ifi in 3u>ei IDorten gefagt. 2)ie fdjöne feurige prin$ipalin 
hatte fchon nach wenigen IDodjen für ben jungen norbifdjen 
Kollegen ein Ȋrmeres 3ntereffe Gefaxt, bas um fo leichter 
Nahrung fanb, als fte als feine Partnerin im pas de deux täg« 
lieh aufs ^anglofejie mit ihm 3U oerfe^ren <5etegenf?eit ^atte. 
Sdjröber aber fonntc fict? behaglich im Sonnenfchein ber <ßunf* 
ber fdjönen $rau, ofme ftdj »eitere (ßebanfen über bie (Tragweite 
ityrer Pertrauensbe3eugungen 3U machen, beren 3ntenfüä* ihrem 
füblichen Cemperament sufdjrieb. Vielleicht ^atte er bamit auch 
gar nicht fo unrecht, unb bie argwöhnifchen Beobachter täufd?ten 
ftch, bie mit TXeib bie Schwärmerei ber priti3ipalin für ben 
5rembling beobachteten, über auf einmal fam bie cEiferfucht 
ins Spiel, unb aus ber gan3 oeränberten, fafl fdmöben Behanb» 
lung, bie ilmt nun wiberfuhr, mußte er aderbings einen Schluß 
3ieF?en auf bie IDärme ber jählings fo arg oerroanbelten <5efühle. 
Unb boch war er gan3 unfdmlbig an bem einen wie an bem 
anbern. £Das fonnte er bafür, ba§ eine junge Kollegin, bie 
wenige IDodjen nach tym in ber Begleitung ihrer Pflegeeltern 
unb eines ihr befiimmten Bräutigams 3ur (Cruppe geftofjen war, 
irm ebenfo an3iehenb fanb, wie bie 5rau prinsipalin? 3" glück- 
licher ffcrmloftgfeit afjnte Sdjröber weber, was ilmt brohe, noch 
was ihm winfe. 2>as ©eränberte Benehmen feiner (ßönnerin 
machte ihn 3war ftufetg, aber erft <5rünberg öffnete ihm bie 
klugen über bie wahre Cage. Diefer mußte bem ^auptbeteiligten, 
wie es fo oft geht, erft fagen, mos alle, außer ihm, tängfi ge» 
fehen, ba§ bie arme fleine Dlle. Hidjarb 1 fterblidj in ihn oerliebt 
fei, um feinetwillen ihren befiimmten Bräutigam oerfchmähe, 

1 Weyer I. 167 ff. nennt nadj feiner <5en>olmljeit feinen ZTamcit; aber 
aus bem Sufammentjang gefjt flar tjerDor, bafj bie unglfic!lid)e Siebljaberin 
niemanb anbers als 3ofyanna Htd)arb, nochmalige mabame Sacco war. 



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Kinffcbr. 



um feinetmiüen von ihren Angehörigen gcfd?olten und ängfHidj 
oor feiner oerfüfjrerifdjen Zläty bewahrt werde. 

Bald darauf fand aud? die Kleine (Selegenheit, ihm fdjrift* 
lid? ihre (Befühle 3U offenbaren. Seine tage war ^öd?ft peinlich. 
<£r bemitleidete feine junge Kollegin aufs 3^nig\te, empfand aber 
feine Spur »ärmerer Neigung für fie. (Er'wünfdue ihr lebhaft, 
und fprach es ifjr aud? aus, dag fte von ihrem ungeliebten 
Bräutigam befreit »erde, aber er »erfpürte auch nicht die min* 

• 

defte £uf^ deffen Stelle 3U erfefcen. Das aber glaubten wieder 
oie Übrigen nicht, cor allem nicht 5rau von Kurs. Sie witterte 
ein geheimes «£inoerftändnts der liebenden und glaubte ftdj dem« 
Sufolge berechtigt, dem einji Begünfhgten ihre Perachtung oer» 
ftchern 3U laffen. €s machte die Sache nicht beffer, dag Schröder 
ungalant erwidern lieg, die Perachtung fei auf feiner Seite. Der 
«groifdienträgereien, «^änfereten und (Quälereien müde fagte 
Schröder fdjlieglich auf. Wie wir fafjen, fam es allerdings noch 
einmal $u einer äugeren Ausfölmung; es gelang Spröder, den 
Beweis 3U führen, dag er der Cugend der fdjöncn Dlle. Hidjard 
nicht nadjftelle, woraus ihm übrigens unter gewöhnlichen Per* 
^ältniffen niemand in der <ßefetlfd?aft, am allerwenigften der 
prin3ipal, einen Porwurf gemacht hätte, aber angeftdjts fort« 
dauernder Anwefenheit des leidenfdjaftlidjen ZHädchens, das iFjn 
mit Bitten beflürmte, mit ihr 3U fliegen, fie 3U f^eiratljen u. f. w., 
brannte ihm der Boden unter den 5ügen. Und fo blieb er Kurs* 
Drängen 3um Bleiben gegenüber ftandfjaft. Anfang Februar 
fer/rte er, wie befchloffen, nad? Hamburg surücf. 

2. ErUen 1768-1769. 

fjier hatten unterdeffen die Dinge den Perlauf genommen, 
Oer für 3«&*n, oer die Porgefdjichte und die leitenden perfönlich» 
feiten fannte, poraussufehen gewefen u>ar. 

Der Sandhügel, auf dem das erfte deutfdje Z?ationaltheatef 
errietet worden, durch geheime Ztfaulwurfsarbeit gewerbsmägiger 
3ntriguenfttfter sudem nod? unterwühlt, hotte bereits angefangen 
nadtfugeben. Der fiol3e Bau frad?te in allen $ugen, flaffende 

Cifcmann, Sdjröber II. 2 



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18 



Woran bas ZTationaltfjeater («^eiterte. 



Hiffe traten 3U Cage. €s beburfte feines befonberen Seherblicfs 
mehr, um 3U oerFünben, ba§ bie (Tage ber „£|amburgifchen 
€ntreprife" ge3ä^It feien. 

<£s ifl Ijier nicht ber <2)rt, bie ein3elnen pbafen 5er Kata* 
flroph« aFtenmäjjig 311 fchilberu, fo reisr»oll biefe Aufgabe an ft<$ 
wäre, allein fd?on um bes (Eblen willen, ber fein Sefles ber oon 
r>oruherein oerlorenen Sache 3um ®pfer brachte. 2lber einer 
(Erörterung ber tieferliegenben Urfadjen, welche ben Untergang 
herbeiführten, tonnen wir I^icr umfoweniger aus bem tPege 
ge^en, als ber 277ann, beffen Sdn'cffale ben 3"h a ^ biefer Blätter 
biloen, nur wenige 3<*h«* fpäto/ <*wf bemfelben 3oben mit 
ungleich befdjeibeneren ZHitteln, in nahesu ibealer Doüfommen» 
heit Das leiftete, roas r)ier in ben erften Anfängen fdjon fo Häg* 
lieh 3" <ßrunbe ging. 

H?ie fam es, bafj einem Sdjröber gelang, woran ein £effmg 
unb ein €Fhof gefcheitert waren? 

gunächfl fehlte es an einer einheitlichen, fadwerftänbigen teitung. 

£öwen war als Hegiffeur angeflellt; ein bebenflicher iefjler. 
Denn »er bie Sdjaufpieler Fennt, weifj, meld) einen unüberwtnb» 
liehen 21bfcheu fte, unb wohl nicht mit Unrecht, gegen noch fo 
wohlgemeinte &atfd?läge unb IDeifungen von Cheoretifem liegen, 
bie nicht felbft auf ben 33rettern ftch bie Sporen »erbient kiaben. Die 
Cheatergefchichte fennt allerbings Ausnahmen. Tiber töwen war, 
mochte er sehnmal Schönemanns Schwiegerfolm unb ber ZHann 
einer genialen Schaufpielerin fein, nicht bie perfönlidfFeit, baß 
man ihm 3ulieb eine folche Ausnahme gemacht hätte. 

nicht nur bie älteren KünfUer — <Eff?of an ber Spifee — 
an bie er ftch wohl auch fdjwerlich getraute, fonbern auch ber 
gan3e junge ZTadjwuchs, auf beffen moralifche, intelleFtueHe unb 
fünftlerifche 2lusbilbung burch eine „theatralifche 2lFabemie" er 
fo große Hoffnungen gefegt liaiie, blicFte auf ben „litterarifchen 
Hegiffeur" mit (Seringfchäfcung. Seine Porlefungcn über bie 
^erebfamfeit bes £eibes Famen über bie erfte nicht hinaus, unb 
auf ben proben machte bas junge PolF ftch offen über ben „Vietrn 
Sefretär" luftig, „fjerr SeFretär, wo tref ich auf?" „fjerr 



t>iellierrfd?aft. j9 

Sefretär, wo geh/ ich ab?" „fjerr Sefretär, wie fpred)' id? bas?" 
„fjerr Sefretär, wo foH icf? in biefer Scene fleh«"?" Diefem 
Kreusfeuer nicht einmal ernftgemeinter Steigen oermochten bie 
Heroen bes armen HTannes nicht fianb3uhatten. <£r fyatte es 
balb fatt, ber SptelbaH frember Caunen unb ^nteve^en 3U fein, 
nnb mit bem bitteren (Befühl, bag er in bem Unternehmen, bas 
er als fein eigenfies IPerf betrachtete, bas feine ftieblingspläne 
oenoirf liehen follte, gän3ltch überflüffig fei, trat er oon feinem 
poflen 3urücf. 

2tn feiner Stelle nafmi £fhof auf bem Hegiejhifjt plafe. 
Der mußte ftch allerbings perfönlid? Hefpeft 3U oerfdjaffen, aber 
eine ftraffe Dis3iplin n?ar bamit noch lange nicht htexaefteüt. 
Denn UTabame £}enfel hatte auch noch ein IDörtchen mit3ufprechen. 
Das toar um fo fdjlimmer, als bie Befeitigung töwens sugleich 
ein Aufgeben eines öffentlichen punftes bes fo pomphaft ange* 
fünbigten Programms bebeutete. &>aren ber „ litterar ifdje He» 
giffeur" unb bie „theatralifdje 2lfabemie" auch Utopien getoefen, 
fo hatten ftd? bod) bie 23egrünber ber neuen Bühne für biefe ^bee 
öffentlich engagiert; ihr 5auenlaffen fam einem tetltoeifen fünft* 
lerifchen Banfrott gleich. 3^fet unterfchieb ftch bas ZTationaltheater 
faum noch 00,1 2lcfermanns fo fyeftig angegriffener prin3ipalfcbaft; 
nur ba% \tatt ber einheitlichen Direftion bort, fyev eine gan3e 
Heifje oon mehr ober minber berufenen Ceuten mit3ufagen fyatte. 
Allerbings ein öffentlicher Unterfchieb toar noch oorfjanben. Acfer« 
manu hatte ben Schaufpteler, ben Direftor unb ben Unternehmer 
in einer perfon oereinigt, fjier bat** bie fünfilerifche Ceitung mit 
ber gefchäftlichen Dertoaltung, bem finan3iellen Hiftfo nichts 3U thun. 

€s fann 3toeifeIhaft fein, ob, toie bie Derhältntffe im 
oorigen 3 a ^ r h UMöei ^ tagen, eine berartige (Trennung überhaupt 
nottoenbig, ja auch nut erfpriefjlicb, war. ^ebenfalls aber mußte, 
ba eine berartige ücra?altung natürlich fehr oiel teurer arbeitete, 
als ber eir^dne fachmännifche Unternehmer, bie ftnau3ie(Ie Bafis 
ungetoöfmlich fiarf fein, ein fehr oiel größeres Betriebsfapital 
3iir Oerfügung fteheu. 

Daoon toar aber l\iev gar nicht bie Hebe, (ßrabe ein punft 

2« 



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20 



tfinan3telle IHigtoirtf^aft. 



in bem Programm, ber im <5egenfafe 3" töwens BilbungspFjrafen 
in Schaufpielerfreifeu befonberen 2lnflang gefunben fjattc, bie 
Perheißung einer 2Iltersoerforgung, ^alte in Hamburg bebenfliches 
Kopffdiütteln erregt. Ztlan wunberte ftd) an ber 33örfe, wie 
ZtTänner, bie eben erft einen 33anfrott überftonben, nicht nur ben 
Heft ihres Vermögens in ein unter allen Umftänben gesagtes 
(Sefchäft fieeften, fonbern auch noch oen ZTTut fanben, ihren 2In« 
geseilten ein forgenfreies Hilter 3U oerfprechen. Diefe Per« 
Neigung erweefte fein günfliges Porurteil für bie Solidität ber 
neuen <5efchäftsleitung. <£s würbe allerdings ja noch eine Heifje 
oon angefehenen, crebitfähigen Hamen genannt, bie außer ben 
brei in ben Porbergrunb tretenben UTännern Seyler, CiHemann 
unb Jübbers für bas Unternehmen gewonnen feien. 2lber ferjr 
balb verlautete, baß biefe 2Tlänner f eines wegs gefonnen feien, 
außer ihrem Hamen etwas bei3ufteucm ; ja baß ber ein3ig crebit* 
fähige bes Kleeblatts, Jübbers, auch nur bie in feiner 3ugenb 
gefammelten praftifdjen C^eatererfaf?rungen in ben Setriebsfonb 
eingefdjoffen r^abe. 

3mmerhtn wäre oielleidjt auch mit ben oorbanbenen HTitteln, 
ba thatfächlich ein bares Kapital oon etwa 60 000 .# 3«* Perfügung 
flanb, bei fluger unb fparfamer ZPirtfd^aft bas Unternehmen über 
IPaffer 3U galten gewefen. 2Iüein gerabe bas war Seylers Sache 
nicht. 33ei ihm mußte alles aus bem Pollen gehen, unb 3U ben 
großen unb notwenbigen Ausgaben, welche ber ferjr beträchtliche 
<5agenetat einfchließlich Ceffings (Behalt im Betrage oon 800 
^L^alevn, bie Übernahme ber 2Icfermannfchen <5arberobe (für 
20 000 unb bie tfliete bes fjaufes, ehe noch ein Pfennig ein« 
genommen war, ©orweg oerfchlang, häufte er mutwillig 3ahlreiche 
Curusaufwenbungen, bie ihm fchließlich bod? feiner Sanfte. 

5u ber Zerfahrenheit unb prin3iploftgfeit in ber fünfUerifdjen 
Ceitung, 311 ber unfoliben, oon oornherein mit umfänglichen Mitteln 
arbeitenben 5inan3oerwaltung, gefeilte ftdj als britter oerhängnis-- 
ooller Keim bes Perberbens: ber 2TTangel eines, ben hodjgefpannten 
(Erwartungen, auch nur einigermaßen entfprechenben Hepertoirs. 
3ebermann erwartete mit Hecht, bie Ceute, bie ben 2TTunb 



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tfarbloftgfett bes Hepertoirs. 



2\ 



fo oott genommen, bie üefermann feines fd?led}ten Hepertoirs wegen 
fo bittere Vorwürfe gemacht Ratten, würben nun ifyrerfeits etwas 
Heues, <£igentümlid}es, nie Dagewefenes bieten. Die Aufteilung 
Cefjtngs fdjien ja audj darauf fjinsubeuten unb erweefte frolje 
(Erwartung, über wie fdjmäfjlidf fanb man ficf? enttäufdjt! 

ZXid\t baß bas Hepertoir gerabe3u fdjledjt gewefen wäre: 
bas fann man, jedenfalls für bie erfie £eit, nidjt behaupten, 
über nimmt man öie emsige XTTinna von SamEjelm aus, bie nodj 
ba^n erft im September sur üuffüJjrung fam, fo unterfdueb ftd| 
bas Bepertoir bes Hationaltfjeaters in feinem wefentlidjen punfte 
oon bem bes oielgefdjmäliten üefermann. üHerbings, bas Ballett 
fehlte, aber gerabe bies warb fdfon nadj Fudern wieber ange* 
nommen, nur mit oiel geringeren Kräften befefct. Dielleidjt warb 
bie (Eragöbie etwas mefyr gepflegt, als unter ücf ermann; Zftabame 
^enfel forgte fdjon in ifjrem eigenen 2ntetefle bafür. über bas 
war audf alles. 

XHan braucht ja nur bie Dramaturgie 3U burdjblättern, um 
fidj Don ber grensenlofen 0be unb oöUigen 5arblofigfeit bes 
Hepertoirs $u überseugen. 

3nbeffen biefem ZHangel ab$ufy>Ifeii, war fein ZTTenfdj, audj 
nidjt ber Derfaffer ber ^amburgifdjen Dramaturgie, imftanbe. 

Bereits früher warb angebeutet, ba§ in Hücfjtdjt auf bie 
allgemeine litterarifdje Cage ber ^eitpunft für bie Begrünbung 
einer fo anfprudjsooflen, bie «Erwartungen aufs Ijödjfle fpannenben 
tfjeatralifd^en Unternehmung feljr unglücflidj gewählt mar. 

ZTlit bem alten <5ottfd?ebfd?en Hepertoir Ijatte man grünblid) 
abgewirtfdiaftet. Don ber 5ronweränberung, bie feit ber Ztlitte 
ber fünf3iger 3af?re unter £efftngs 5ü^rung bie litterarifdjen Kreife 
Deutfdjlanbs »orgenommen, oon ber, bei ber jüngeren Generation ber 
Diopter unb SdjriftfieHer, meljr unb mel?r 3ur fjerrfd?aft gelangenben 
übfe^r oon bem Dogma ber aüeinfeligmadjenben ^ransofen, 
wugte man im großen publifum aßerbings im allgemeinen nodj 
^exjltci? n>enig. ÜUeiu bas war audj ben nawen (Lfjeaterbefudiern 
flar: bie gelben unb ^elbinnen ber ülejanbriner«Cragöbien u>irften 
nidjt rnefr wie früher; unb ebenfo u>ar ber Heis ber Komöbien ber 



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22 



Die Krifis in ber <£nttt>irfeluitg bes nationalen Dramas. 



Destoudjes, 23egnarbs u. f. w. im laufe 6er 3ar?re abgeblagt. 2TTan 
hatte bas Sebürfnis, etroas Heues, etwas Unteres 3U feljen , Ratten 
bod? bie oerei^elten proben eines, von ber fran3Öfifchen Schablone, 
abweichenben (ßefdjmacfs Urnen ben ZTTuno wäfferig gemacht. 

2lber leiber u>ar bie bramatifche probuftion nicht fdmell 
genug in bie burch ben oeränberten <5efchma<f r>orge3eidmeten 
Salinen eingelenft. Die (Erjeorie war mit Stebenmeilenfiiefeln 
ber prajis r>orausmarfchiert. Unb fo befanben ftd? bie XDovt- 
fübrer ber neuen Bewegung in einer ferjr unangenehmen Cage: 
Sie Raiten ftd? unb anberen ben <Sefd?macf perleibet an ben ab« 
geftanbenen Heigen ber (Bottfdjebfcben Cafel, aber fte waren nun 
nicht imftonbe, an beren Stelle einen frifdjeren (Eranf in genügenb 
reicher 5üüe 3U fpenben. 

2Tltt einem IPort, bas beutfdje (Crjeater befanb ftd) — jebe 
Seite ber fjamburgifchen Dramaturgie legt baoon Zeugnis ab — 
in einer gewaltigen Krifis. 2(us langem IDinterfchlafe erwacht, 
brängten mehlige triebfähige, oerheifjungsoolle Keime ans Sicht; 
ber Saft trat in bie Zweige: frifcb.es, junges Ceben, foweit bas 
2luge reicht, 5riir}Iingsab,nen überall! 

2lber überall auch erft Knofpen unb 21nfäfee. <2s galt, ab3uwarten ; 
was reifen, was Früchte tragen »erbe, wer fonnte bas jefot fchon 
entfd?eiben, unb r>or allem, wer wollte in biefer neue Hoffnungen 
erweefenben irüfjlingsftimmung pomphaft 3U einem <£rntefef!e 
laben unb babet bie (Säfte mit ben ^Erträgen früherer 3^^re, 
mit weifen 5rüchten, abfpeifen? IDas früher gemunbet, munbete 
jefct nicht mehr, unb was man als 2lHtagsgertd?t ftch wob.1 noch 
hätte gefallen laffen, über bas glaubte man mit Hecht, an einer 
5efttafel bie Hofe rümpfen 3U bürfen. Konnte man nichts Befferes 
bieten, fo bätte man t?übfd? matten foüen, bis in Sonnenfchein 
unb Hegen bie neue Saat gereift unb aus ben jungen Knofpen 
bie Frucht ffcb, gebilbet. 

Diejer (ßebanfe inbeg war ben 33egrünbern bes Rational* 
theaters offenbar gar nicht gefommen. Unb felbft Ceffmg, fo 
ungleid? üiel oorfichtiger unb ffeptifcher er bie ihm babei 3uge* 
faHene Aufgabe übernommen, follten erft eine Heihe oon bitteren 



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Unfreiwillige H?auberfd)afL 



25 



€nttäufchungen bie 2(ugen darüber öffnen, roie ungeeignet gerade 
öiefer geitpunft für ein folcfjes Unternehmen gewählt fei. 

Die fjamburgiferje Dramaturgie mußte gefchrieben unb in 
oen Köpfen ber ^eitgenoffen ©erarbeitet fein, etje von bet 23e* 
grünbung einer nationalen öürme gereöet roerben fonnte. 

Tlls Schröber »ieber 3ur (Truppe ftie§, befanö fie fich, auch 
öarin in nichts oon bem 311 2JcFermanns Reiten fjerrfcfjenben 
Svfleme abroeichenb, auf Oer IPanoerfcrjaft in fjanuooer. 

3n Hamburg hatte man am ^. Desember \767 gefcr/Ioffen 
mit einem ferjr fpifeigeu €pi!og, ber für bie Derftimmung unb 
€nttäufdmng Oer Direftion ebeufo uuflug roie ungerecht bas 
publifum oerantroortltch machte, unö bem noch 00311 UTaöame töroen 
öurdf bie 2lrt bes Vortrages eine befonbers mafyiöfe 5ärbung 3U 
oerleirjen für gut befunoen fyatte. 

TXlan Ijat daraus, unö oor allem aus ben berühmt geroor* 
oenen Schlußworten: 

»3h r Deutfdjen, nod) ein Wort, »ergebt uns Z)eutfd)e uidjt!" 
vielfad} gefolgert, bie Xlot habe öie Schar aus Hamburg fortge- 
trieben, öie beutfehe (Eruppe hätte fich neben einer fran3Öfifcheu 
Cruppe nicht galten fonnen. 1 Dabei oergifjt man aber, ba§ in 
oen 2lboents* unb 5aftenroochen überhaupt in Hamburg nicht gefpielt 
»erben burfte. $üv biefe geit mußte alfo unter allen llmftänben, 
wollte man nicht gan3 feiern, bie (Eruppe roanbem. Das ent- 
fprach freilich wenig ber IDürbe bes „beutfehen Hationaltheaters" ; 

1 Die ZTaajrtdjt flammt aus einem 2Jrtifel ber „Unterhaltungen" 00m 
(Dftober \ 768, ber, fidjtlidj von ber oerfradjten Dircf tion infpiriert, OC13U be- 
nimmt mar, über bie eigentlidjen (Srünbe bes Ulifjerfolges tjinnjeg3ut5ufd)en. 
<Er ift, n>ie n>ir nod) feljen werben, bie (Quelle aud) anberer tenbet^iös 
entfieÖter Had?rid)ten. fjier fjeifjt es gegen ben Schluß (S. 350): „^remben 
tefern einen einigen Strid) von ber Unbanfbarfeit uuferes publifums 31t 
3eidmen, mag es genug feyn, wenn roir ilmen fageu, ba§ unferc Komö- 
bianten im Dera>id)enen tPintcr einer elenben fraujöfifdjeu . . . gefellfdjaft 
piafc madjen mußten, n>enn fie nidjt ba, wo fic bod) trjr £euer unb 
ihren fjerb hatten, »erhungern woüten." „tfrembeu £efern" tonnte man 
bamit oielleiajt Sanb in bie 2Iugen frreuen ; in Hamburg mußte jebermann, 
&a§ bie Sad>e fid) anbers oerhielt. 



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24 



€rfte (Einbrücfe Srtröbers nad? ber Hötffettr. 



aber bas gälten ftch bte Unternehmer oorher fagen tonnen. 1 
Eichtig tft aüerbings, ba§ man fein* fdjledjte (Befchäfte gemacht, 
baß bie (Eeilna^me Oes publtfums von Wod>e 3U Bloche abge« 
nommen, unb baß namentlich in Oer lefcten £eit oem ohnehin 
fcfrjon fpärlicrjen Sefuch bie Konfurren3 Oer 5ran3ofen noch mehr 
Abbruch gethau blatte. 

XTnn follte fjannooer ben Schaben wieber einbringen, uno 
Schrö'ber burch neue 0rganifahon bes Balletts ben Porftellungen 
bes Hationaltheaters eine größere 2Jn$iehungsfraft perleihen. €r 
tbßt, was in feinen Kräften ftanb, aber er täufchte ftch wohl 
Feinen 2tugenblicF barüber, bafe ber 5a II hoffnungslos war, baß 
berartige 2TTittel bie Agonie wohl oerlängern, aber bie Kataftrophe 
nicht mehr absuroenben oermöchten. 

3m übrigen fanb er ungefähr biefelben UTenfchen, unb biefe 
burch bie 5o>if^«3<?it wenig ober gar nicht üeränbert. 

€fhof war nicht liebenswürbiger geworben, Zftabame fjenfel 
nicht befchetbener. 2lcfermann war in Hamburg 3urücf geblieben, 
feine 5rau fyatte bagegen bie beiben (Tochter begleitet, nicht fo 
fehr um bereit unerfahrene 3ugenb 311 befehlen, als um auf bie 
(ßarberobe, bas wertoollfte pfanbobjeft im $all eines plöfclidjen 
^ufammenbruchs, ein wachfames 2luge 3U Reiben. 

2luch über Schwober lautete bas Urteil, baß er noch immer ber 
alte fei, was in biefem 5alle feineswegs als Kompliment galt. 
UTit <£ftjof geriet er fehr balb wieber aneinanber. Der h oc h s 
fahrenbe (Eon, ben biefer ihm gegenüber anfehlug, fteifte ihm ben 
ohnehin ftarreu ttaefen noch mehr. 3* tyr$lidiev er ben großen 
Künfiler in Sollen, bie feiner €rfcheinung unb feinem Hilter an« 
gemeffen waren, bewunberte, um fo feefer rügte er, wo jener ftch 
feiner 2lnftcht nach »ergriff. ZTTit Bleiftift unb Papier in ber 
f}anb, wachte er über jebe Blöße, bie jener ftch 9<*b, unb rücfte 

1 <£rft \7~5 voaxb bte erfte, J775 bie 3a>eite, 1,777 bie brtrte Jlboents- 
iuodje vom Senat freigegeben. €rft 1778, trotj fett 1,770 fafi alljätirlid) 
i»ieberIjoItcu (Scfndjen irarb bies auf bie erfte, 1.779 aud) auf bie brei 
folgenbeit ^aftentpoebeu ausgebefmt, unb au* bas nur unter ber öebtngnug, 
bretmal für bie 2lrmen 31t fptelen. 



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25 



ihm bann nach ber Dorfiellung mit bem fo gefammelten KlaUtial 
3u Ceibe. Dem burch. Beifall t>er»Öhnten Künjller formte biefe 
unbequeme Kontrolle natürlich wenig besagen; gleiches mit gleichem 
3U oergelten, »03U Scbröber iEm treu^ersig aufforberte, ffielt er 
unter feiner IDürbe. Um fo fataler »urbe biefe unerbetene KritiF 
hinter ben Couliffen, als fie fehr ^äuflg im fcfyärfjten U>iber» 
fpruch 3U bem bonnernben Applaus bes publifums unb 31t bem 
Urteil ber öffentlichen Kritifer jfrmb. So 3. 23. fanb Sdjröber 
€ffjofs Spiel als fjartley im britten Auftritt bes vierten 21uf3ugs von 
Beaumarchais' €ugenie grob naturaliffifch, unfünftlerifd?, unfinnig, 
»ährenb bie Kritifer ber „Unterhaltungen" ben Künftler gerabe 
biefer Scene kalbet in ben Gimmel erhoben. 

Schließlich »arb bie Sache €ftjof 3U toll, er erfla'rte, er 
»erbe bie (Cruppe oerlaffen, »enn biefe „Sdmlfnabenbehanblung" 
nicht aufhöre. Da legte ftch benn 2tcf ermann — ber Dorf all 
fpiette im 3uli nach ©er Hücffehr nach fjamburg — ins ZHittel 
unb brachte feinen Stieffolm 3um Sch»eigen. 

Aber auch ihm gelang nicht immer, bie Autorität bem 
trofeigen 3 un 9lwg gegenüber 3U »afjren. Sdjröber erfannte ihn, 
feit er nicht mehr Z>ircftor tr>ar, nicht als Übergeorbneten an, 
unb Acfermann, im Caufe ber 3<*hre mürbe ge»orben, 30g es 
uor, bie Sache nicht auf bie Spifce 3U treiben, unb gab fch»etgenb 
nach. Züit ben übrigen Angehörigen wollte ftch ebenfalls fein 
erquicflicbes Verhältnis tyvfieUen. diesmal lag aber bie Schulb 
nicht allein an Sdjröber. Unb »enn man auch bie (ßrünbe, »eiche 
ben »eiblichen Ceil ber Familie »iber ihn aufbrachten, aus ber 
Seele einer 2TIutter unb einer Sch»efter ftch erflären fann, fo 
be»ies boch in btefem Salle ber natürliche »eibliche 3"ftt"ft fite 
bas, w »as ftch 3temt", ftch ols trügerifch. 

£Dir ftehen an einem entfeheibenben IPenbepunfte oon Schröbers 
innerer <£nt»tcfelung. 

Seit er, ein fyalbet Knabe, in ZHftrs. Stuarts Zläty 3um 
erftenmal bie läuternbe Kraft einer reinen, nicht allein auf ftnn» 
lichem (Befallen begrünbeten Neigung att ftch k^ e erfahren bürfen, 
hatten bie grauen in feinem teben feine Hotte gefpielt. 



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26 



Sufütitia mecour. 



2ln Ciebfdjaften fyatte es freiließ nicht gefehlt, aber biefe 
Wallungen bes Blutes Ratten itm weber im guten noch im böfen 
nachhaltig beeinfhiffen fönnen, um fo roeniger als biejenigen, bereit 
<5unji ihm ohne Kampf, oft aus freien Stücfen angetragen, 
3ufiel, ihm roeber gefellfchaftlich noch geifhg ebenbürtig maren. 
§\\ feffeln rjatte ihn feine oermocht. Dies oon Dielen beneibete 
Cos roar einer $rau »orbehalten, bie biefes (Slücf aflerbings 
um einen teuren preis erfaufte. 

Bereits einmal ift ber Harne genattnt toorben, if! für einen 
21ugenblicf bie anmutige (ßeftalt mit ben flugen 21 u gen im halben 
Dämmerlicht einer Bürmenprobe flüchtig oor uns aufgetaucht: es 
n?ar bie DarfleHerin ber Sophronia, 5ufanna JTtecour. 1 

<£in neibifebes Sdncffal h<** biefe Künftlerin, eine ber Hebens« 
roürbigjien unb an3iehenbften €rfd?einungen, tr-elcher in biefer be* 
beulungsuollen €pod?e bes beutfehen (Theaters eine Hauptrolle 
3ugefa0en roar, «id?t nur im Ceben, nein bis ins (ßrab hin**" 
©erfolgt. 

3 h* Harne ift fo gut rote oerfcr/ollen. 2 Die £)amburgifche 
Dramaturgie, bie ber fjenfel unb ber £öu?en Hamen auf bie 
Hachtoelt gebracht hat, burchblättert man nach oent ihren per* 
gebens. Das ift fein ^ufafl; fie felber tragt bie Schulb baran, 
inbem fie in einem unglüeflichen 2lugenblicf ben Perfaffer bat, 
ihrer in feiner Kritif roeber mit tob noch mit Cabel su gebenfen. 
IDas uns $eute unbegreiflich unb r»or allen Dingen als ein 
Beroeis r»on Anmaßung erfcheint, roar es tbatfächlich nicht. 2Han 
mufj fich rergegenroärtigen, roie oerhältnismäfcig jungen Datums 

1 Da§ fie jene Schaufpielerin war, von bereu Bejielmngen 3U Sdjröber 
lHeyer, ivieber olme ihren Hamen 3U nennen, ausführlich berietet tjat. 
ifi 3tDcifelIos. 3a> Ijabe bereits in ber €tnlettung 3a Sdjröbers Briefen 
an (Sotter (1887) S. \o barauf hingeroiefen. 

" Das Blum-r}erlo§fohn'f<he Cljeaterlerifon gebenft ihrer erfr unter 
ben Zladfträgen; bie wenigen geilen wimmeln subem von Dehlern. Die 
„Allgemeine Deutfche Biographie", bieSa>aufpicIer britten nnb üierten Sanges 
mit oft übel angebrachter 21fribie ber Dergeffenheit entreißt, bie neuerbings 
noch bem Schtnberhannes fünf Seiten roibmete, h«t fl* einmal ber 

Aufnahme in bie oierte Klaffe mert erachtet! 



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fehlen iljres Hamens in b. Dramaturgie. 21u§ere <£rfd)einuug. 27 

bie öffentliche Kritif fcrjaufpielerifcher Ceiftungen bei uns über* 
haupt ift. 3" Deutfdjlanb fam fte bamals erjt auf, unb bis 5U 
bem 21ugenblicF, wo Ceffmg bie Seber 3ur Fjamburgifcrjen Drama» 
rurgie anfefete, tjatte fte in sunt Ceil fehr wenig berufenen £}änben 
gelegen, bem Cliquenwefen war Ctjür unb (Chor geöffnet 
unb ber Kunft fo gut wie nichts genügt. HTan braucht ftdj nur 
ber auf ben legten 5eiten bes t>origen Banbes gefdjilberten Vor* 
gänge 3U erinnern. Da ift es wohl $u erFlären, wie eine fein* 
furjlige, jubem burch trübe (Erfahrungen mißtrauifd? geworbene 
5rau, bie fcbufelos, ofjne jeben Anhang in einen Kreis trat, 
ber als Brutneft r>on Kabalen berüchtigt war, von oornrjerein 
burch biefen De^idft bem Heibe unb ber €iferfucht ben Stachel 
ab3ubrechen oerfuchte. Das Sdjtcffal Caroline Schubes rt>ar ein 
warnenbes Beifpiel. 

So ifi es gefommen, baß faute nur wenige, wenn fte ben 
Hamen Sufanna HTecour h 01 *" oöer lefen, bamit etwas ait3U* 
fangen wifjen, unb ba§ auch für btefe wenigen in ber Hegel ber 
einige 21nhaltspunft tji: aha, bas tft bie Schaufpielerin, bie ftd) 
für Ceffings Kritif 3U gut hielt! 

nicht genug alfo, ba§ bie &\i bie güge ihres Bilbes ab- 
blatte unb oertrifdite, fte mußte fte noch 3ur Karrifatur oer3erren. 

Wex aber bie Hlühe nicht fcheut unb mit porftchtiger Ejanb 
ben Staub unb bie Spinnweben entfernt, ber wirb belohnt burch 
bie nicht blenbenben, aber an3iehenben Hei3e, bie nach unb nach 
in frifchen Farben wieber aufleuchten. 

Eigentlich fchön Fann fie nie gewefen fein. Die oon ihr 
erhaltenen portraits 1 Rammen aüerbings aus fpäteren 3afren unb 

1 mir ftnb nur 3u>et von ifjr 3U (Seftdjt gefommen: bas gerabe3u 
fd>lea>te im „(Efteaterfalenber auf bas 3afyr 1779" unb bas oor bem 
brüten (teil ber „Citteratur- unb (Cfjeate^eitung für bas 3afjr J782" 
„Hofenberg bei. D. Berger sculpsit (782." (Hin tylifärntt, banad) in 
„«Ojr. Heblidjs feflblatt 311m S.September \88\" (oergl. I., S.3{6, 21nm.) 
31u§erbem 30»« Scenenbilbajen im (Efjeaterfalenber für *776: als £ran3isFa 
in Ceffmgs Zltinna (III. \o) mit BoeF-CelHjetm Branbes'tPerner, unb im 
felben Kalenber für \777 als IHarianne in (Sotters gleichnamigem Drama 
mit mabame Starfe, (EPtjof unb Boef (präfibenttn, präftbent, v. Waüet. 



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28 



Urteile ber g>eitgenoffen. 



gereichen, befonbers bas, eine ihren Urhebern nicht 3um Huhme. 
2lber man erfennt barau beutlich, tag bie Stirn 3U hoch unb 
bie Ha|e ein roeuig 3U jtarf Ijeroortritt. Allein man oergißt biefe 
Meinen Hlängel über ben frönen großen 2tugen, bie unter anmutig 
gemölbten Brauen Mar unb Mug fyeroorlugen, unb über bem ferjr 
fein geseidmeten Meinen HTunb, ber auch jefct, wo er feft ge< 
jdjloffen ift unb burch einen leifen &uq bes Ceibens etroas Strenges 
befommen rjat, es begreiflich macht, mie fein Cädjeln in 3ugenb* 
tagen ent3Ücfte. 

„Dein fdjlaues Jlug 1 fo blau unb frey! 
Unb Deine füge (Eänbeley, 
U?er rettet fid? t>on folgen Ketten? 
Klan roirb ber Dame ungetreu, 
Unb rjat nur fje^en für £tfetten?" 

So feiert noch ein Ungenannter 1 bie 36 jährige Künftlerin als 
unvergleichliche 2>arfiellerin ber Soubretten. 

Daß fte in biefen Hollen in ihrer 23lüte3eit ihresgleichen 
nicht gehabt , beseugen einmütig alle 3eitgenöfjtfchen Stimmen. 
2luch bie übrige äußere €rjchetnung, fchlanfer U>uchs, lebhaftes 
HTienenfpiel, gra3iö|e Haltung unb ein fyües, roohlMingenbes 
©rgan roiejen jte auf bies (5ebiet h»"- (SlansroHe roar bie 

5ran3isfa in Cefftngs Hlinna, bie fte unter bes Dichters 2tugen 
in Hamburg fpielte. 2 Diel SeifaH fanb fte auch als muntere 
unb fenttmentale Ciebhaberin, tr>ährenb man in tragifchen Hollen, 
bei aller 2lnerfennung ihrer jlets (Seift unb Hachbenfen ©erratenben 
2luffaffung unb ihrer mujterhaften DeMamation bes Derfes, 5euer 
unb Ceibenfchaft oermißte. 3" fpäteren 3ahren gab fte fomifche 
HTütter mit <5lücf. cgine ihrer lefcten Hollen roar (J783) bie 
T>aja im Hathan. 

2lls Schröber fte rennen lernte, hatte fte bie HTittagshöhe 

1 „2ln ITTabame IHecour {77<k" im (CtjeaterFalenber {775. 5. \6. 

2 Hidjt fdjuf, rote vielfad} angenommen wirb. Hadj ben ,,2lbreß» 
fomtoirnadjridjten'' J767, Hr. 77, roarb uielmetjr in ber erjren Hamburger 
21uffürfrung am 30. September \767 bie ^ranjisfa von ftlabame Sd}nl$ 
gegeben. 



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3ugettbfd)icffale. 29 

ihrer Caufbalm bereits erreicht, ein langer, an €^ren wie an 
fd^mer3lidjen Erfahrungen reicher XDeg lag hinter ihr. 

Fjalb noch ein Kino, hatte Sufanna preifjler ftch burch bie 
Ceibenfchaft für ben Ballettmeifter Couis XTfecour aus ber 
fcrn'rmeuben (Dblntt bes 5ranffurter Elternhaufes entführen laffen. 
2Us Sufanna UTecour fyatte fie bereits mit \6 3 a h rc " in 
Potsbam bei ber Schuchfctjen 03efeflfchaft bie Sühne betreten. 
(Broße Begabung, nicht minber grofje Energie hatten ihr in Der* 
binbung mit ihrer anmutigen auf eren Erfdjeinung perhältnismäfjig 
fdmeH bie ZDege geebnet. Das mußte fte entfdfäbigen für bie 
herbe Enttäufchung, ba§ bie Ceibenfchaft, bie fte auf biefe Sahn 
gelocft, ftch balb als ein 3rrtum erwies. 3h** <£h* a> a & h öc *?f* 
unglüeflich, unb beibe Ceile gingen balb jebes feinen eigenen 
IDeg. (Eine förmliche (Trennung war bagegen für fie ab Katho» 
lifen ausgefchloffen. 

E infam fyatte ftch bie junge $rau ihren IDeg weiter ge» 
bafyxt, nur ihrer Kunft lebeno unb bie ZTtufjefhtnben nur ber 
Ceftüre wibmenb. 1 Den erften Sehnte^ ber 3ugenb fyatten bie 
frühen Stürme bereits abgefireift. 2lber noch immer war bie 
grasiöfe (Beftalt mit ben Ieuchtenben blauen klugen (Begenjranfr 
Ieibenfchaftlicher fjulbigungen. Deflo mächtiger war ber Raubet, 
ben fte ausübte, je gleichgültiger fte felbf! biefen EDünfdjen unb 
tDerbungen gegenüberfianb ; fie begehrte fein 03lücF mehr für ftch, 
unb in biefer ZDunfchloftgfeit l}ielt fte ftch gefeit. So fyatte fte 
bie Schwelle erreicht, wo, im 2lbenbglan3 ber 3ugenb, bie Schön« 
heit ber 5rau noch einmal porm Scheiben wie in einem ZTach* 
frühling aufleuchtet, unb wo ber bämonifche Heis, ber oon ihr 
ausgeht, burch bie £eibenfchaften, bie er entflammt, nicht feiten 
ihr felber 3um Verhängnis wirb. Da fchlug auch »h w Stunbe; 
unb nach langem faxten Kampfe gab bie Dernunft ftch willig 
ber Siegerin Ceibenfchaft gefangen. 



1 ZXadf Sdjütje (S. 3*o) hatte fte fogar fdyott ber 23fifme entfagt unb 
prwatifierte in fjannooer, als fte ftdj nod? einmal burd) bie lotfenben Der- 
fpreä>nngen ber fjamburgtfdjen Unternehmer 3iir Hütffefjr belegen lieg. 



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3U 



Sdjröbers Werbung uut> (Störung. 



£eid}t warb Schröder ber Steg nicht gemacht. Seine erflen 
2lnnäherungsr>erfuche erfuhren eine fdjroffe <§urücFweifung. <£r= 
bittert burdj bie ungewohnte SpröbigFeit, fcfjlug er nun ein 
Verfahren ein, bas bei einer anberen oielleidtf fdmell 3um 
geführt hätte. <£r fudjte ben (Begenflanb feiner Neigung 3U ifolieren; 
jeber ber ttebenbuhlerfchaft auch nur im geringfien (ßrabe Per» 
bädjtige warb mit (5ewalt unb Drohungen oerfdfeucht. Aber 
feine fjoffnung, burd? biefe Unge$ogen^eit einen günftigen €in» 
bruef 5U machen unb bie einfiweilen angemaßte Rotte bes 
begünftigten Ciebhabers burch 33efyarrlidffeit su ertrofeen, warb 
enttäuscht. Sie gab ihm 311 oerftc^en: nicht £tebe fei fein 3e* 
weggrunb, fonbem »erlebte <£ite!Fett. €r füllte ftdj getroffen, 
aber in bemfelben AugenblicF warb ihm auch Flar, bafj Fein Opfer 
3U grofj fei, bas Hedft biefer irau, ber nädjfle su fein, 3U oer» 
bienen. Unb biefem felbfMofen, bingebonben IDerben, in bem ber 
trofcige (5ewaltsmenfch ftd) bemütigte unb burd? bie IDanblung feines 
Benehmens i£jr unb anberen gegenüber fte überjeugte, baß feine Nei- 
gung su ifjr tiefer wusele, als eine flüchtige taune bes Augenblicfs, 
uermochte fte nicht 3U wiberftehen. Sie warb fein. Sie brachte bas 
grö§ere ®pfer, inbem fte Füfm unb frei fidj 3U einem Schritte 
beFannte, ber bie Bleute ber Derleumbung unb bes Heibes u>iber 
fie eutfeffelte. Tibet fte wußte, was fte tfyat, als fte otme fjoff* 
nung, bem (Beliebten je red^tmä§ig an3ugehörett, ihm ftd} gans 
3U eigen gab. Das uiel mißbrauchte XDort oon ber (Bewiffens* 
ehe warb tyev 3ur IPahrheit. So glücFIich fpäier Sdjröber in 
einer langen €f}e gewefen, Fein 3unb i\c& fo läuternb unb för> 
bentb auf feine menfehliche unb FünjUerifche CharaFterent»icFelung 
eingewirFt, als biefes, pon feinen nächften Angehörigen fo tpftig 
befehbete, Verhältnis 3U Sufatttta Hiecour. 3hr erwuchs Fein 
fjeil aus biefer Perbinbung, bie fte nicht nur in tägliche KonfKFte 
mit Schröbers Familie brachte, fonbem bie fte auch f^h »nb bem 
(Beliebten burch eine begreifliche, aber barum nicht mittber 
quälenbe (Eiferfucht trübte. Drei 3<*h rc ^ an 9 tfidt fk trofebem 
tapfer aus. Drei 3ah re ^ an 9 bereitete fte ihm in ihrem befchei« 
benen Limmer eine anfpruchslofe XjäuslidfFeit, nahm fte als treue, 



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£öfung 



©erfiänbnisoolle (ßefährtin an feinen Arbeiten, plänen unb Sorgen 
teil. 3" »fr« ZTähe oertiefte fid? fein Streben, warb er reiner 
unb freier. 

Seife uno belmtfam, unb bod] fefi führte Um bie „3arte 
weiße fjanb" aufwärts unb 5er freute bie legten Nebel ber (Sieich* 
gültigfeit unb bes Vorurteils. Sie Ijalf ihm bie lefete Stufe er« 
flimmen 3U jenem 3beal ebler 21Tännlichfeit, auf bas bie ireuubin 
feiner Knabenjafjre 3uerft feinen ölicf gerichtet, unb bem weiter 
nadtfufhreben ber ZHutter £ehre unb <£fhofs 23eifpiel in entfehei« 
benben Augenblicfen neuen Anfporn gegeben liatten. 

Drei 3a^re lang brachte fie fo bas öefte, uxis jte geben 
fonnte, ihrer £iebe 3um (Dpfer. Dann aber brach jte 3ufammen. 
Die ewigen Aufregungen, bie Klatfdjereien unb fjefcereien, bie 
eigenen \diwat$en <5ebanfen in Stunben bes AHeinfeins Ratten fie 
innerlich mürbe gemacht unb ihre XDiberftanbsfraft oe^ehrt. Als 
fie nun gar erleben mufjte, wie bie fofette Meine 3<>h<H™ a Hicharb 
mit ber faum oer^Iten Abficht, bie feiner £eit bei Kur3 ange« 
fponnene Ciebesintrigue mit Schröber fortsufefcen, \77{ ftch bei 
Acfermanns engagierte; als fie fah, wie bie gefährliche, in frifdfer 
3ugenbb(üte beiaubetnb hübfdje Hioalin ben <5eliebten auf Schritt 
unb (tritt oerfolgte, ja als fie, bamit nicht genug, noch gar ^euge 
warb, wie Schröbers Angehörige biefes aufbringliche ZPefen ficht* 
lieh begüufligten, bajj bie Nebenbuhlerin als ftets willfommener 
(5afl in bem fjaufe ein« unb ausgehen burfte, bas ihr felbjr bie 
Pforten oerfctflofc, ba war es um ftc gefchehen. 

Sie befianb auf fofortiger (Trennung, unb Schröber, fo wenig 
er bie €iferfucht auf bie ihm äugerft unfympathifche Neben« 
buhlerin gelten laffen wollte, mußte barein willigen. Das Der« 
hältnis ber (Beliebten 3U feinen Angehörigen h^tte ftch mit ben 
3ahren immer mehr oerfchlimmert, unb ba er tpet machtlos war, 
fo wagte er nicht ihr bas (Dpfer ber täglichen Demütigungen 
unb Kräufungen um feinetwideu länger 3U3umuten, um fo weniger 
als er fich barüber ficher nicht täufchte, ba§ er eine 5ortfefeung 
biefer Perbinbung in ungewiffe ^"funft f c »&ft n ^ wünfehen 
burfte. €r mit feinen 27 3<*br*n ftanb im Anfang einer auf« 



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32 Spätere Sdjicffale. 

»ärtsftrebenben £aufbafm, bie breiunbbreifcigjährige Geliebte fyatte 
bie Sd^eitelljö^c bereits erreicht unb trxmbte fid? bem ZTiebergang 
311. Dem unreifen, in 6er 2Iusbilbung bes feineren €mpfmbungs* 
unb (ßemütslebens bisher Dernadjläffigten 3üngling mar bie 
e^ieljenbe £iebe ; ber geijl* unb gemütvollen, gan3 in tf}m auf« 
gehenben 5rau, 2lnfporn 3um £}öä?jlen geroefen; für ben fertigen 
XtTann mußten bie einfügen Hofen banben, -bie ilm an bie altembe 
(Beliebte fnüpften, 3U fd|tx>eren ^emmfetten »erben. 2ütsgefprodjen 
it>arb bas nid}t, empfunben ftdjer. 

So fdneben fte (HTai {77 \), bie $rau febmereren Wersens, 
als ber ZTTanu, beim iJjre Siebe u>ar mit ben 3<*h**n immer 
tiefer unb ftärfer geworben. Sie nafmt fte mit fynweg unb be* 
»a^rte fte bis in ben (Eob. 

£eiber aber foflte irjr felbft bas befdjeibene (Slücf nicht 3U 
teil »erben, bie (Erinnerung bavan gan3 rein unb ungetrübt be« 
»ahren 3U bürfen. 

Was fte veranlagte, fünf 3<*r?re fpäter (\776) ben gerabe 
für ihre 3n&ir»ibualität roie gefchaffenen ZPirfungsfreis in (5otba, 
n?o fte an (Rottet einen ebenfo »armen n?ie treuen 5reunb ge* 
funben fyatte, 3U oerlaffen unb ein €ngagement unter Sdjröber an» 
3unerjmen, if* fch»er oerftänblich. Hoffnung auf (Erneuerung ber 
alten 23e3iefmngen Fonnte fie nicht ^egen, ba Sd?röber feit brei 
3afyren ©erheiratet war. Zladi allem, was oorgefaüen roar, 
fonnte 3tr>tfdjen ben beiben, bie ftch einfl fo nahe gejianben, roeldje 
Saite auch angefangen rourbe, feine rein flingen. Unb baß 
Sdjröber es ber, »on Hatur rei3baren unb 3itr Sdnt>ermut neigenben, 
5rau nicht leidet gemacht, fich in bie fdjtmerige tage 3U ftnben, 
ja ba% er es, offenbar um bas alte (ßerebe nicht »ieber auf* 
fommen 3U laffen, barauf angelegt, itjr gegenüber bie unliebens« 
ȟrbigjte Seite r^eraus3ufeljren, baoon geben leiber bie nxihrenb 
biefer £eit an (Botter gerichteten Briefe Schröbers Kunbe. 1 

IDas mufj bie feinfühlige 5rau babei, was por allem aua? 



1 V$l. Sdjröber unb (Sotter. (Sine (Eptfobe aus ber beutfdjen (Etjeater- 
gefdjtdjte ic. Hamburg unb £eip3ig \B87. S. \o, 38, -H, 8<* ff., 86,92,95. 



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Hütffefjr bes ZTatioualttjeaters uadj Hamburg. 



33 



■ 

bei ber unverbleiten (Seringfdtäfcung, bie ber, beffen Urteil ifjr 
über alles ging, jefct gegen tfjre fünjUerifcrjen Ceifiungen an ben 
£ag legte, empfunben fjaben? 

XDäfjrenb biefer &\i fiarb ifyr JTCann. (Ein 3<*f?* lang fjielt 
fte in biefer unerträglichen Situation aus; bann erbat fte felbft 
ben 2lbfd)ieb unb roanbte ftd} ein tjalbes 3<*f?r barauf nad? Berlin, 
wo fte bis 3U ifjrem am \S. Februar \78% erfolgten Cobe 3U 
fcen beliebteren Künftlerinnen gehörte. 1 
<5otter fefcte if?r bie „<5rabfdirift" : 

„Künftig wirb <Ef}alta nid?t, tljr (Secten, 
Xnetjr burrt) fdjlauen Spott eudj neefen, 
ZTodj burdj treuen lX>teberfdjetn 
Der ZTatur, itjr tPeifcn, cua) erfreu'n; 
3fyre £ippen fdjlofj bes Sdjmc^es Siegel; 
Sie 3erbrad? auf btefem f^ngel 
3t?ren Spiegel. 
Diefer £jügel 
Detft ber ITtecour fdjlummernbes (Sebetn!" 
Sdjröber aber fyatte es U}r oor allein 3U banfen, bafj er, als 
feine 5*t* gefommen n?ar, an bie 3U Iöfenben Aufgaben als ein 
ernfter, 3ielbeit>uj|ter 21Tann herantrat.' 

IPir fefyren nodj einmal 3u bem <5eitpunfte 3urü<f, roo biefe 
für Sdjröber fo bebeutungsoolle Perbinbung gefdjloffen toarb, in 
beu Sommer \?6S. 

2lnfang TXlai wat man nacrj Hamburg 3urütfgefeffrt, freubig 
empfangen r»on ber Sdjar ber rjarrenben (51äubiger. Das trug 
natürlid? nid?t ba3u bei, bie ofmetnn gebrücFte Stimmung 3U Ijeben. 

1 Dgl. ben ZTefrolog in ber £itteratnr- unb (Dieate^ettung \78<k, 
Zlt. 9, S. 129 ff. 

* IHeyer orafelt (I. S. 220): „Die ^reunbin r/at ber unmanbelbare 
^reunb rotebergefetjen unb beu roftlidjen £olm geerntet bie legten Sage 
ttjres £ebens oor Sorge gefingert ju fyaben, bas letjte freunbltdje Wort ber 
Sterbenben gen>efen 3U fein." ZZadf bem ermähnten Hefrolog n>ar es aber 
nidjt Sdjröber, fonbern (Sorter, ber iljr bie legten Stunben fo erhellte; ein 
Brief, ben er au fte rtdjtete, ift bort abgebrueft, frcilia) otjue (Sotters 
Xlamen. Dalmer mag IHeyer bei (allerbiugs fetjr!) flüchtiger £eftüre tpoljl 3U 
bem (Slauben fjabeu fommcu fonuen, ber £reunb, bem bas lefcte Segens- 
roort gegolten, fei Sa>r5ber geroefen. 

Cttjmann, Sdfröbcr. II. 3 



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3^ 



Häufung bev Pcrlegeuljeiten. 



Die Üorftellungen nahmen allerbings iljren Anfang, aud? oer 
Bejudj mar nid?t jdjledjt, aber ba bas Betriebsfapital aufgesefyrt 
mar, maren bie (Einnahmen nur Cropfen auf ben feigen Stein. 
Bei Kaffeöffuung maren bie erften bie (Släubiger; mas einging, 
mußte fofort mieber $ur ^afilung ber alten Sdmlben oermanbt 
merben. $üv bie laufenden Ausgaben mar regelmäßige Decfung 
gar ntdft meljr möglidj. Selbfi bie <5agen3afylung geriet bebenf« 
lid) ins Stocfen. Den J^auptfräften marb, ben einen an biefem, 
ben anbem an jenem (tage, in ber ZKitte ber betreffenben Vov* 
jleüung ge3ab.lt: <£ftjof $. B. am 2ttittmodj, Sdjröber am ZKontag. 
lt>ar bie Porjlellung fd?ledjt befugt, ober legte ein ungebulbiger 
(gläubiger pormeg Befdjlag auf bie {Tageseinnahme, fo mußten 
felbft bie Safaufpieler fid? mit Eerfpredmngen abfpeifen laffen. 
ZTidjt alle maren in ber £age, fo auf3utrumpfen mie Sdfröber, ber 
in folgen fallen einfad? bas Auftreten oermeigerte. 

So ftanb es fdjon im 3uni. 3" &en erfien ^ulxtagen legte 
Cömen bie Direftion nieber. Stanb er audj fdjon lange nidjt 
mefyr auf ber Kommanbobrücfe bes leefen Sdjiffes, galt er bod* 
als Kapitän, unb man mußte, mie «an bem einfl fo flogen 5al>r» 
3eug fein ^cr$ tjing^ baß audf er jefct bie Sadje oerloren gab 
unb oon Borb ging, mar ein böfes geidjen. 

Schlimmer nod?, meil bie tücfe fofort im Hepertoir empfunben 
mürbe, mar ber gleid?3eitige 2(bgang feiner 5rau, ber ein3igen 
DarfteQerin, bie, fo oft fie auftrat, bes Beifalls auf allen Seiten 
fidler gemefert mar. Sie bettat bie Bütme am ^. 3 U ^ 3ulefct.. 
ZHabame Boef, ehemalige Düe. Sdml3, bie ifyre HoHen einftmeilen 
übernehmen mußte, mar in feiner IDeife ber Aufgabe gemadjfen, 
bie ungemöfmlid? begabte unb anmutige tEodjter Sdjönemanns 
5U erfefcen. 

ZHan fann es Scr/röber mdjt ©erargen, menn er in <£rinne« 
rung an bie Kunflgriffe, bie man feine^eit angemanbt batte, um 
21cFermann aus bem Sattel 3U heben, biefer <2ntmicfelung ber 
€reigniffe nidjt olme eine gemiffe Sdjabenfreube sufatj. So 
ferjr er um ber Sadje millen biefen fläglid?en Ausgang beflagte, 
fo |el>r ifjm bie peinliche Situation, in bie burd? feine Derfnüpfung 



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21efermanns neuer Oertrag. 35 

mit bem unfeligen Unternehmen, ein Ztlann wie Ceffing geraten 
war, roerje that, ben Ceuten, bie biefe Suppe eingebroeft Ratten, 
gönnte er es von £)er$en, baß jte nun bie grünblich oerfa^ene 
Srütje bis auf ben <5runb auslöffeln mußten. 

Ztod\ meniger märe es 21cfermann 3U oerbenfen gemefen, 
trenn er aus ärmlicher Stimmung fjeraus, nur feinen Porteil 
im 2luge, rücfjicr/tslos von feinem, ihm nach bem Verträge von 
J766 1 suftebenben Hechte <5ebrauch gemacht, beim nächjten nicht 
eingehaltenen ^ar/ltermin Ojeafer unb (Barberobe roieber ofme 
weiteres in Beftfc genommen unb bie 3ugleid? oer»irfte Kon« 
oentionalfirafe einsutreiben r>erfud]t hätte. 

2lber tr>ie immer (Sentleman in bergleicrjeh Dingen, Dichtete 
er nicht nur freiwillig auf fein fonnenflares Hecht, fonbem lieg ftcfy 
auch von Sreunb Jübbers, ber feinen 21Tann rannte, befcrjmafeen, 
einen neuen Vertrag 3U fließen, ber bie für irm fo günfttge 
tage in bas <5egenteil oerferjrte. 

Danach oerpflichtete er ftcf/, bas verfrachte Unternehmen 311m 
2Tlär3 ^769 roieber auf eigene Hedmung 3U übernehmen, bie 
<5arberobe um \2 000 $ 3urücF3ufaufen unb biefen Betrag in 
b 4 ret jährlichen Haten vom Frühling {770 3urücf3U3ahlen, bis 
bahin aber 3U brei pro3ent unter fyypottietarifäev Derpfänbnng 
bes (Eh^ters 3" t»er3infen. 2 

2TTan begreift, tr>ie, als 2lcFermann an einem Septembertagc 
feiner 5rau oort biefem erbaulichen 2lbfommen ZKitteilung machte, 
biefe unb Schröber gerabe3u außer ftcfj gerieten. 2lber allen Por» 
haltungen, roie er fich fo fchmachr>olI i\abe übers ©h r h<*ue" 
laffen, enoiberte ber braoe ZTfenfch, aber unfluge <5efchäffsmann : 
„Die Ceute hoben fchon genug verloren. Soll ich fte fchinben?" 

^u machen war nichts mehr. Jübbers unb Konforten 
hatten bafür geforgt, baß alles in bejier 5orm Hechtens fdjrift» 
lieh abgemacht mar, ehe ihr Opfer barüber fprechen burfte. 

1 Dgl. I. S. 3** ff. 

* Seinen ZTadjfommen follte baraus nod) monier Derbrufj enpadjfeu. 
mehrere 3aljre roarb pro3effiert. Crrfi l"79 routbe bie letjte Hate gejafjlt. 
t>gl. Weyer I. S. 2|3. 

3* 



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56 Dcrleumbtmgeu unb €ntfielliingcii. 

Damit aber nicht genug: biefe £eutc Derfianbeu es auch nun im 
publiFum bie Sache jo barsufteHen, als ob ber ZTTann, bejfen <ßut» 
mütigFeit fte fo fträflich gemißbraucht blatten, von Anfang an 
burch illoyales Perhalten bem Unternehmen Steine in ben £Deg 
geworfen unb fvfiematifch auf bicfen Ausgang Eingearbeitet h<*be. 
3n einem offoiöfen ArtiFel ber „Unterhaltungen" 1 würbe es als 
ein großer polttifcher fehler be3eidmet, baß man, „mit bemjenigen 
Ztlanne, ber es beutlich merfen ließ, baß er einen Cag 3U früh 
feine prin3ipalfdjaft niebergelegt unb ba^er ben anfcheinenb guten 
Fortgang bes abgetretenen Cfjeaters mit ungünftigen 23licfen an« 
fah, in einer 3temlich genauen üerbinbung geblieben." 2 

Die 5rioolität biefer Anfdmlbigung warb nur noch über- 
troffen burch bie (5ehäfftgFeit, mit ber in bemfelben Organ gegen 
bie neue DireFtion Stimmung gemacht würbe. „€s oerlautet, 
baß bie ifeigen Unternehmer bem Gerrit 21** alles binnen Fudern 
wieber abtreten wollen, unb baß aisbann auch 2Ttabame fjenfel bas 
übeater oerlaffen werbe. — Unfer eFles publifum, bcm 3?ithcr 
nichts gut gewefen, mag aisbann an bem £}erm 21** als (Dros* 
man unb an Znabemoifelle AcFermann als ^ayre E}er3, Aug unb 
©h^en weiben." 3n berfelben (Eonart 3wei ZHonate fpäter: 3 
„IDtr werben fünftig wiebcr AcFermannifche Sdjaufpteler in allem 
Dcrftanbe beFommen. XOet bie hönbwerfsmäßige prinsipaifchaft 
unferer beutfdjcn üorjleher bes (Theaters fennt, wirb fchon im 
ooraus wiffen, was er fich baoon ©erfprechen barf." 

Das war ber DanF bafür, baß Acf ermann bas „National» 
theater" rorm DÖlligen 3anferott mit Aufopferung feiner wohl» 
erworbenen Hechte rettete. Seine nächften Angehörigen Ratten 
freilich allen (Srunb, auf ihn ungehalten 3U fein, unb fte waren 
benn auch, namentlich feine 5rau, nicht fparfam mit ihren Eor* 

1 CDftoberhcft 1768. 5. 3^8 ff. 

2 JB09 fanb £. Sd)mibt nodj im Hadjlaß Adermanns einen Brief 
von Babbers vom April 1768, rooriu biefer AcFermann bat, fort3ufaljren, 
bie DireFtion mit feinem Hate 311 unterftiitjen unb ftd) bes ÖPerFes an3u* 
nehmen. Dgl. Alm. f. (Etjeater \8\o. S. 6. 

* De3ember (768. 5. 544. 



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«IffarafterifHfdjc <£ptfobe. 



37 



würfen. Daß er 3ur Beruhigung oerfprach, bie eigentliche 
DireftionsführUng Schröber unb feiner ZtTutter 3U überlaffen, war 
3n?ar ein £rofi; aber, n?ie ftd? balb ^erausjlellen foHte, ein Per* 
fprechen, leichter 3U geben, als 3U galten. 

€in Erlebnis, bas in biefe geit fällt, ifi für alle Betei« 
ligten, »or allem für 2lcfermann, charäfterifttfch. 

Von bcm 2htgenblicF an, wo es befannt geworben war, ba§ 
biefer 3U (Dftern bie Direftion wieber übernehmen werbe, betrachtete 
er es als feine Pflicht, ben Cghrenaufwanb bes prin3ipals fd>on 
je%t aus feiner (Eafdje 3U befreiten. Seine 5rau war auch in biefem 
punfte anberer 2(nftcht unb fchlug es runbweg ab, biefe (ßafiereien 
in ihrem X^aufe 3u bulben. So fah 2Icfermann ftch genötigt, in 
(EFfjofs StammloFal, in ber Klapmeyerfchen IDeinflube, feine <5äfie 
3U begrüßen unb 3u bewirten. 

Balb begann man i>on ungeheuerlichen Derfdjwenbungen 3U 
munfeln, unb Ztiemanb glaubte biefen fchaubererregenben <5e* 
rächten williger als ZTCabame Jlcfermann. 

Da führt Schröber eines (Eages fein £Deg bei Klapmeyer 
oorbei. Por ber Chüre gewahrt er ein 3nbiDibuum, bas er 
fofort als Spion feiner 2Tiutter erfennt. €iner plöfclichen <£in* 
gebung folgenb, tritt er ein. 

Die erfle (ßefialt, auf bie er im Korribor flößt, ift 2lcfermamt, 
ber bafelbfi einfam mit feiner pfeife luftwanbelt, benn im (Saft* 
3immer barf nicht geraupt werben. Der 2Jlte ift ftchtltch fehr 
perlegen, ber 3unge nicht minber, weil er fühlt, in welchem 
falfchen £ichte er erfcrjeint. 3ener nötigt 311m Nähertreten. 
Schröber gehorcht unb finbet bie (Bäfie feines Daters bei einem 
fleinen Pharao. «gwölf ZTTarf hatte ber gute 2lcfermann 311 biefem 
^wecfe gefiiftet; er felbft aber, wie wir gefefjen, nahm nicht 
bavan teil, fonbcrn erging ftch berweile brausen mit feiner ge« 
liebten pfeife. 2Us Schröber fpäter ben fjeimweg antrat, fanb er 
ben mütterlichen Spion noch auf ber Cauer unb fdncfte ihn mit 
einer fühlbaren Belohnung beim. Der ZITutter, bie ftch oeranlaßt 
fanb, ihn beswegen 3ur Hebe 3U fefcen, blieb er bie Antwort 
nicht fchulbig. 



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38 



21bfdneb von Hamburg, fjanuorcr. 



Unterbeffen bewegte fid? bas ZTationaltheater rüftig auf ber 
fduefen <£beue u?eiter abwärts. Sdjröbers Tßaüette unb im Zlovembet 
ein „fpanifdjer €quilibrijl" brachten bie bejten €innahmen. Anfang 
ttooember warb in <Tf>arIottc öranbes enblich ber erfer»nte <£r* 
fafc für ZtTabame töwen gefunben; fie unb ihren ZHann I?atte 
Cef fing nod? nad? Hamburg empfohlen. 1 Am 26. ZTooember 
aber tjatte bes Hamburger ttationaltheaters lefcte Stunbe ge« 
fernlagen, £>roar erreichte bie gefdfäftliche Unternehmung tljr €nbe 
erft im folgenben Frühjahr; allein ba bes llbvents roegen bie 
(Truppe ftch jefot nach «^annooer begab, um bort bis 3um 2Tlär3 
311 fpielen, fo bebeutete biefer 2Ibfd)ieb von Hamburg thatfächlicrj 
bas <£nbe bes „Hationaltbeaters". 

Dem pat^etifd?en €pilog, 2 oon 2TTabame fjenfel gefprochen, 
fehlte barjer biesmal bie übliche, aufs IDieberfefyen anfpielenbe, 
Schlufcroenbung. 

2Tiit DoramrfsDolIen, rhetorifer/en 5tagen begann fic: 

„So fann ber Jttenfdjen (5(äcf nur 2(ugenb(i<fe banern? 
3ft bies 5er Arbeit ;frudjt? 3f* 0 ' cs oer Sorgen £o!m, 
Auf ben bie SajaufpielFunft gehofft? 3*J r wertr/cn mauern! 
Derlaffen mu§ fte eud», 3erbrod?en ifi ifyr <0?ron!" 

Uno fcfjlofj in fchmel3enben Conen ber Führung: 

„Unb nun — 0 Augenblick! Sey jtonbtjaft, armes 

£ebt wotyi, lebt rooljl — bies roar ber (Trennung längfier Sdpmer3." 

3n ^annooer Ratten bie Unternehmer fchon im ooraus burdj 
bie Eröffnung eines Abonnements — bamals noch etwas Ungeroörm« 
lidies — für einen <5runbftocF ftcherer «Einnahmen geforgt, unb 
fo fonnte, ba auch ber 33efuch im übrigen billigen €rtrxtrtungen 
entfprach, bie glorreiche Unternehmung ^ier Derbältnismä§ig qe- 
mütlich ihre Cage befdjließen. 



1 Dgl- 3°h- öranbes: IHeine £ebensgefd>tajte II (J807) S. 80 ff. 
Allerbings berietet 23r. aus arg getrübter (Erinnerung : £efftngs 2Inn>efenffeit 
3U £etp3ig / bie in bie (Dftermeffc J768 fiel, perlegt er in ben fjerbji 
u. bergl. meb,r. 4 

* <£r ijt, roie fcfyon in ben „Hamburger 2Ibre§fomtotmadjrid?ten" ^ 768 
Zlr. 6^ bemerft würbe, aus dronegfs <£obrus 5ufammengefh>ppelt. 



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Dorbereitungen für bie neue Unternehmung. Sdjröber als (Dberregiffeur. 59 

5ur 2lcFermanns mar freilid? biefe Ufte, vom 2. De3ember 
\768 bis 3um 2. ZTTär3 J769 roäl?renbe Spielperiobe um fo mürfe* 
unb forgenoofler. Heben ben pflid?ten bes Cages, bie pünftlid? 
erfüllt rourben, galt es ja nun, für bie eigene Direftion fd?cm 
afles in bie richtigen IDege 3U leiten, unb babei u?aren große 
Sdjroierigfeiten 3U überroinben. Das £?aupt ber 5amilie legte, 
getreu feinem l?erfpred?en, fd?on jefet bie ^änöe in ben Sd?o§ unb 
überlief alles feiner $rau unb feinem Sorme; biefe teilten ftd? in 
ihre Obliegenheiten fo, ba§ lefeterer bie (Dberregte, erflere bie 
tfaffe übernahm. Die 5inansen bereiteten bie fjauptjorge, beim 
bie <£rfpamiffe Ztlabame Hermanns reid?ten allein nid?t bjn, 
um bas Scfnff flott 3U macr/en. Sd?röber fd?o§ 3U, u?as er rjatte, 
lieb, ©on einem $reunbe ein. paar rjunbert Ojaler, ja lieg ftd? 
aar oon Sufanna tftecour bereben, pon ifjrem Sd?mucf 3u per« 
fefcen. 

<5erabe roeil es fo flanb, mufjte bei ber <Seftoltung bes 
fünftigen Hepertoirs 3unäd?fi befonbers barauf 23ücfftd?t genommen 
rcerben, roas gute €innaf?men r»erf?ie§. Die (Erfahrungen, bie 
man beim £Tationaltf?eater gemad?t, Ratten ge3eigt, u>ie bebenflid? 
es fei, bie nun einmal im publifum r>orf?anbenen Heigungen 
gän3lidf 3U mi§ad?ten unb burd? bie boftrinäre Verfolgung eines 
an ftd? guten prin3ips ftd? oon oomberein bie Stimmung 3U r>er« 
berben. 

f}ier galt es alfo t>or allem roieber gut 3U mad?eu, bas 
publifum, an erfter Stelle bas Hamburger, 3unäd?fi roieber an 
bas Cf?eater 3U geu>öf?nen. Das eine ffitttef, bas Sdjröber fjier* 
für in 2Im»enbung braute, J?atte ftd? fd?on in ben lefcten TXio- 
naten beroäbrt: bas 53aHett. Diefes 3U oeroollfommnen, burd? 
2lnroerbung neuer Kräfte, burd? £?eran3iel?ung aller jüngeren 2ttit* 
glieber 3um 5igurieren unb burd? €influbieren neuer öaOette 
eigener €rftnbung, lie§ ftd? Sd?röber barjer oor3Üg!id? angelegen 
fein. Zttodjten bie getjiretd?en Hamburger Kritifer nod? fo fel?r 
bie ZIafe barüber rümpfen, er trmjjjte, bafc er auf btefem £>ege 
ber Kunfl beffer unb treuer biene, als wenn er ein in biefem 
^eitpunfte unburd?fürjrbares, ibealiftifd?es Programm aufgehellt 



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KepertoirfdjtDierigfetten. 2lcfermann in Srannjdnpeig. 



unb wie feine Porgänger bann von Wod\c 3U IDodje ber Kaffe 
3uliebe es ftücfroeis preisgegeben rjätte. 

Das 3n?eite Utittel, auf bas er $ur Belebung Oes Hepertoir* 
feine Hoffnung fefete, mar bas Singfpiel ober bie fomifche ©per, 
mie fie gcrabe bamals burd? Weifte unb filier in Deutfdjlanb populär 
311 merben begann. Dielleicht roaren ^ier bie (Erfahrungen, bie er 
bei ber Kur3fcr/en Cruppe gefammelt ijatte, nicht ofme (Einfluß, 
wo er bie anregenbe IDirfung ber mufifalifchen, in bem Stoff* 
freife ber Steg reif fomöbie ftdj bemegenben "^nietme^i felbft $u 
beobachten (ßclegenheit gehabt hatte. 2luch biefes Bei3mittel fanb 
cor ben 2lugen ber (Befchmacrsrtgoriften feine <ßnabe, aber 
fchmerlich hätte einer oon ihnen ein mirffameres ZTTittel angeben 
tonnen, um bie große UTaffe bes Publifums im unb beim Zfyeater 
feftsuhalten. Darauf fam es gerabe jefct r»or allem an. Klan 
befanb ftd? gemiffermaßen im großen «gmifdjenaft, 3mifchen alter 
unb neuer Kunft. Die Dermanblung ber Scene 001130g ftd} nur 
langfam, feintet ben Kuliffen mar noch alles in ben erffen Vor- 
berettungs« unb Derfudjsftabien. Damit aber Denen Dorm großen 
Dorhang bermetl bie <§eit nicht lang merbe, mürben alleriet 
3nterme33t eingeferjoben, bie paufe aus3ufüflen. <£s mar alfo im 
eigentlichen Sinne bes EDortes ein 3nterimsrepertoir, auf bas 
hin Sd?röber bie Gruppe einrichtete unb auf bas hin er t>or 
allem bie neuen Engagements abfdjloß. 

Die £}auptfräfte bes Hationaltheaters, €fhof au ber Spifce, 
blieben auch bem neuen Unternehmen treu. ZXut 2TTabame ^enfel 
erflärte im legten 2lugenblicF, fie merbe nicht bleiben. Diefer Per« 
lufi fchien aber um fo meniger bebenflich, als in ber jugenblich' 
feurigen Charlotte öranbes ein mehr als hinreichend <£rfafc für 
bie fchon etmas angejahrte fabalenfüchtige fjeroine gefunben man 

So eröffnete benn bie neuerftanbene 21cFermannfche (Truppe 
am \5. 2Tiär3 \?6<), unter oerhältnismäßig günfHgen 2lufptcien, 
bie Porftettungen in Braunfchmeig. 3efonbers mohlthnenb marb 
im ^Icfermannfchen fjaufe empfunben, baß hi^ Schröbers ältere 
Stieffchmefter Dorothea, bie in Hamburg bas Schlatt für ben 
fjotm unb Svoit ber Kritifer ber Unterhaltungen gemefen mar, 3um 



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IHifecrfoIg (EFfjofs. 21üertjanb Un$ufv\ebontytt ^ 

erften HTale ben oerbienten 33#ifall erntete, bergeftalt, baß in ber 
5olge aud? bie ffamburgifdje KritiF, bie ir?r früfjer all unb jebes 
(Talent abgefprodjen, einen anderen Con ifyr gegenüber an3U* 
fdj lagen für gut fanb. öefrembenb, ja fafi peinlich, roirfte 
bagegen Sie auffallenbe Kälte, mit ber €Ftjof aufgenommen 
»uroe. 2lls Htdjarb III. erlebte er fafi ein 5iasFo, unb felbfl 
fein (EeHfyeim, ben Scrjröber unübertrefflich nannte, freilidf mit 
bem ^ufafe* „roenn ber Körper gepaßt hätte", n>oHte nid?t an« 
fpredjen. 2lud) fein Flafftfdjer Dorimonb in oer Cenie, r>on 
oem Cefjmg uns in wenigen IDorten eine ebenfo anfdjaulidje, roie 
bebeutenbe Dorftellung gegeben §at, Fonnte biefe erften un« 
günfttgen (Einbrüdfe nid?t pertr»ifd?en, um fo weniger, als ber 
Künjtter balb barauf bie (SefdjmacfloftgFeit beging, in einer 
jugenblicr?*Fomifdien Hotte — als ^einrid? in Dolbergs politifd?em 
Kannegießer — ben 5pott fyeraussuforbern. 

2>urd? eine anbere Holle, bie er um biefelbe £eit, biesmal 
außer ber 23üfme, 3U fpielen für gut fanb, fdjabete er aber feinem 
2lnfet)en nod? mehr, inbem er baburdj ftch jelbft ben unauslöfd?» 
liehen 2TüaFel ber ^weibeutigfeit unb fdmöben HnbanFs an« 
heftete. 

IDenn man ftd) <£ff;ofs fjerrfchfucht unb 3ugleiä? bas eigen* 
tümlidje, gefpannte Verhältnis 3roifd?en ilmt unb Sdfröber r>er« 
gegenroärtigt, fann es einen nicht nwnber nehmen, baß er ftch 
bei ber neuen ©rganifation ber Cruppe nicht fonberltch wohl 
füllte, oon bem Derbruß über bie jüngften Fünftlerifchen ZTTiß« 
erfolge gatt3 abgefeben. Unb ähnlich »ie er, empfanben auch 
einige anbere ältere Hlitglieber ber Cruppe bas firaffe Hegiment 
bes jungen 25 jährigen (Dberregiffeurs, beffen Befähigung 3U 
bem Pojten ftch erft noch erweifcn foütc, Fcinestoegs als eine Per« 
befferung gegen 2lcFermanns patriarchalifche (ßemütlidjfeit. 2luch bie 
burd) bie Umftänbe gebotene SparfamFeit, bie Sdjröber im ooQften 
€inoerf!änbnis mit feiner HTutter ftrenge burdrführte, trug nicht 
3ur €rf}öfjung ber guten Caune bei. Qa$u Famen nod? €tfer« 
füchteleien 3tr>ifchen Dorothea 2lcfermann unb ber heißblütigen 
Charlotte öranbes. £efctere beFlagte ftch, oielleicrjt nicht grunblos, 

* 



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^2 Seylers Kabalen. 

bag fie bei ber Hoüenbefefeung gegen bie (Eochter bes Direftors 
3urücfgefefct rr>erbe. 

Diefes oon Cag 311 (Eag ftdj fteigernbe 2ttijjt>ergnügen erflärt 
einigermaßen bie Kataftrophe, bte in ben erjten 3ulitagen über 
ben unglüeflichen Jlcfermann I^ereinbrad?, aber fte milbert nicht 
bas Urteil über bie fjanblungsroeife ber fjauptbeteiligten, uor 
allem Seylers unb fffyofs. 

Seyler liatte trofo ber $n>eifelt}aften Corbeeren, bie ihm bas 
Rationaltheater eingetragen, (ßefa^maef am (C^eatergefd^äft ge* 
funken, unb fo I)atte er, noch u>ährenb ber legten XPodjen feiner 
erften Unternehmung, bie oorberettenben Schritte 3U ber Begrün» 
bung einer neuen eigenen Cruppe getljan. heimlich unb ohne 
Hücfjtdjt darauf, ba§ er babureb. 2lcfermann gerabe3u ben 23oben, 
auf ben biefer angeroiefen mar, abgrabe, ^atte er ftch um ein 
(Beneralprioileg für £)annor*er beworben. ZTun rächte fiel? an 2lcFer» 
. mann, bafc er \765 bas bem Statthalter r>on fjannooer gegebene 
XDort, 1 bes bamaligen Cheaterbaues roegen, nicht gehalten hatte. 
Daburcb, war 2lcF ermann lixet bauernb in Ungnabe gefallen, unb 
biefe 2tti§flimmung benufcten Seyler unb feine galante ireunbin 
ZTIabame ^enfel Flüglid], um ftch unb ber »neu 3U grünbenben 
Cruppe ein, in jeber Ziehung I?c»d7ft uorteiltjaftes, prioileg für bie 
ßannooerfchen tanbe 2 3U erfebjeichen. t>a biefes Privilegium bereits 
am 2\. Ztlati erteilt u>arb, fann man ftch, namentlich u>enn man 
bas fpätere Perhalten <£fhofs unb feiner (Benoffen erroägt, bes 
Verbuchtes nicht ermehren, ba§ bie fjenfel nicht bie einsige 
ZTCitroifferin bes planes, ba§ vielmehr manche fdjon bei ber 2lbreife 
r»on Hannover entfdjloffen roaren, trenn es Seyler glüefte, ftch 3U 



1 Pal. I. S. 312. Zlaa) einet 21u§erung. Sdfröbers tjattc ber Statt- 
halter bamals auf 21cfermanns Derfpredjen hin ben prinzipal £eppert ab« 
geunefen. Hur bem Umfiattbe, ba§ 2tcfermann bamals nid^t bie Direftion 
führte, hatten J767 unb \768 bie £?amburgtfd)en Sdjaufpteler es 3U banfen 
gehabt, ba§ fte in fymnooer fpielen burften. 

• Pgl. Weyer I. S. 200. Branbes a. a. 0. II., 5. 9?- Utfbe: 
Konrab <Eft?of/ S. *7*. 



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2Juffage von (Efyof uni> (Scttofjcn. ^3 

iljm su flogen. 1 Ebenfalls fanden ffcrj, als Seylet mit bem 
prtoileg in ber <£afd?e bie tüerbetrommel rührte, fofort €tt}of, 
bie <£rjepaare öoef, 3ranbes unb Kodt unb aufcerbem nod? einige 
anbete ZHitglieber bereit, Udermann 3U oerlaffen. Dabei warb 
bas (ßetfeimnis fo forgfältig bemafyvt, baß, als €ffjof am j. 3uli 
tm ZZamen ber Übrigen mit ber (Erfläruug fyerausrücfte, bafj ftc 
am 20. 2lugufi 3U Seyler gefjen mürben, 2lcfermann unb bie 
Seinen Dollfommen überrafdjt mürben. 

<£inem 2TJann, rote Udevmann gegenüber, ber roie ein Pater 
für feine ZTCitglieber forgte, lieber fid? felbft (Dpfer auferlegte, efje 
er' es übers £}er3 btad^te, bura? (2ntlaf[ung ein ZHitgtieb brotlos 
»erben 3U laffen, roar bies Perfjalten gerabesu nidtfsroürbig. 5ür 
bas öenefjmen <£ff}ofs aber, ber olme bie leifefte Hegung oon 
pietät feinem alten 5r«unbe unb Reifer in ber Zlot fdjnöbe ben 
Hücfen feljrte, roeil ein 2lnberer ifjm mefyr bot, ift es ferner, ben 
richtigen 2lusbrucf 3U finben. 

Scrjröber roar außer fidj; am (iebßen fyätte er ber ganzen 
(ßefellfdjaft fofort ben £aufpa§ gegeben, 3umal bie Abtrünnigen 
burcij 3™P«rtinen3 unb Auffäfftgfeit ba3U rei3ten. Die fufcige 
ZHabame 33ranbes serrifc ein Kleib, roeil es üjr ntdft glän3enb 
genug roar. Daraufhin roarb fofortige <£ntlaffung oerfügt. 2lun 
aber erflärte <2fl*of, entroeber biefe IHafjregel roerbe fofort surücf. 
genommen, ober feiner pon irmen betrete mefyr bie 23ürme. 
Sdfröber roollte irm beim IDort nehmen, nur feine ZHutter, bie 
mit (Stauen an bie möglidjen folgen biefer neuen Katajlroprje 
badete, fefcte es burd}, ba§ bie Direftion nadjgab. 

Übrigens farj Sdjröber felbft biefe Seceffton nidft als ein 
fo fdjroeres Unglücf für bie nädjfie §\xbinft ber Cruppe an. €r 
traute ftdj's 3U, oon bem täglid] ftdj fdjöner entfaltenben (Talente 
feiner Sdjroejter unterflüfet, im öunbe mit ben unlängft fürs 
Ballett unb Singfpiel neu geworbenen Kräften biefe Krife glücflid? 
3u überfielen. 

1 „<£rfjof umjjte barum", fdjreibt fogar tf. £. Sd)mibt ausbrürfltd). 
2Um. f. (Ct{. \8\o. S. 28. 



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2Ie?ermanns Hficffchr nad) Hamburg. 



2lcFermann roar weniger vertrauensvoll, vor «Üen Dingen 
nicht bavon überzeugt, ba§ gerabe fein Stiefform bie geeignete 
perfönlichFeit fei, bie (Cruppe aus tiefer Verlegenheit 3U befreien. 
Unb fo benufcte er benn bie 2lbroefenheit feiner 5rau, bie Per« 
tjanblungen roegen Vermietung ber bortigen 33üFme nach fjamburg 
gerufen bitten, Fursroeg bie DireFtion felbfi roieber 3U übernehmen. 
„Du bift 3U parteiifch", erFfärte er Sdjröber, „ju f?eftig unb 3U 
unhöflich gegen bie Ceute. Xtlan mu§ Sdjaufpieler nicht roic 
5iguranten abrichten." 

(5an3 unrecht hatte er bamit woty nicht, wenn Schröbcr es 
auch nidjt 3ugeben trollte. Übrigens roar biefer 3U fiol3, fein 
3u>eifelIofes Hecht auf bie 5ortfüljrung eines Gimtes geltenb 3U 
machen, 3U bem man ihm bie Befähigung abfprach. 3" früheren 
Cagen roürbe er rooE^l trofoig aufbegehrt unb bie empftnbliche 
KrättFung mit ber Drohung 3U gehen eru>ibert fyaben. Diesmal 
würgte er ben 2lrger h crun ^ r unö toibmete ftd? um fo eifriger 
feinen übrigen pflichten. €r felbfl geroann babei. Sein (Ehaten* 
brang mar allein burch bie Leitung bes Balletts unb ben bis« 
herigen Umfang feiner fdjaufpielerifchen (OjätigFeit nicht befriebigt, 
unb bie freigetoorbene Kraft bes (Dberregiffeurs Farn bem Schau* 
fpieler 3U gute, lange Ratten ftch noch «n feinen Steigungen 
Schaufpieler unb (Eän3cr bie tt>age gehalten. 3*6* n>ar 
2lugenblicF geFommen, wo 3unächfl nur um eines fjaares Breite 
ftch bas Zünglein 3U (ßunflen bes erftem oerrücFte, unb bamit 
ber enbliche Sieg bes (ßeiftes über ben Körper entfehieben. 

3. JÄrformanns <£nX>t 1769—71. 

<3um 3roeitenmaI erfchien 2JcFermann im fjerbfl (769 an &*r 
Spifee einer neugebilbeten (Truppe in Hamburg unb eröffnete mit 
einem färb» unb gefdjmaeFlofen , t>on Dorothea gefproerjenen 
Prologe am 2{. September bie Porftellungen. <£r mochte ftd? 
ben <£in3ug anbers ausgemalt haben. <£s tr>äre ja in ber Chat 
eine 2(rt <5enugthuung für alle vorhergegangenen KränFungen 
geroefen, trenn er mit benfelben Kräften, »ie bas Ztationaltheater, 



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Spuren bes Alters, planlofc IDanbe^iigc. 45 



ben Kampf gegen bie (Sleichgültigfeit bes publifums fyätte auf» 
nehmen unb ftegreich burchführen fönnen. Diefe ZTTöglichreit hatte 
ihm bie jüngfte Kataftrophe in 23rauufch»eig 3erfiört. Unb fo 
betrat er bie alte Stätte feines Herfens feinestoegs mit ber 2Tliene 
eines (Eriumphators. Die Sorge faß feiner toartenb am £}erbe, 
unb es roar ein mübes, reftgnirtes Cächeln, mit bem ber altembe 
Zllann ben Ieiber nur 3U oertrauten (ßafl begrüßte. 

Der Quell ber projefte war freiließ auch jefct noch nicht ©er» 
ftegt, aber bie leichtgläubige, rjoffnungsfroJie <5ui>erftcht ber 3ugenb, 
bie alle Schroierigfeiten gern unb leicht überroanb, bie n?ar bahin. 

Unb bodj brauchte er fte jefet nötiger benn je. 

(Ein «ßrfafc für ijannooer, bas im regelmäßigen 5inan3plan 
eines fjamburgifchen Unternehmers ben burdj bie unfreiwilligen 
2lboents* unb 5ajtenferien rjeroorgerufenen Ausfall beefte, u>ar 
fdjwer 3U fmben. 

2lHerbings gab es in erreichbarer Hälje eine gan$e 2ln5aM 
r>on fleinen Staaten, bie mit 5reuben für eine Zeitlang bie (Truppe 
aufnahmen. 2lber ber <£rtrag, ben ©rte wie Braunfchweig, fjil* 
besheim im Süben, Kiel unb Schleswig im Horben brachten, 
[taub in feinem Verhältnis 3U ben großen Opfern an §eit unb 
(Belb, bie allemal ber (Transport einer fo großen (ßefellfchaft er» 
forberte, gan3 abgefeilt oon ber Beeinträchtigung, bie burch 
biefes Dagabunbiren, bie planvolle (Besaitung bes Hepertoirs, bie 
befonnene pflege bes fünftlerifcben <5ufammenfpiels erlitt. 1 

1 IDie unruhig es in ben lefcten 3af}ren ber Jlcfcrmannfdjen Direftion 
3uging, mag bie naajfteljenbe Überfielt ber vom Dcscmber J7 69 bis 311m früh- 
ling \77\ von ber (Truppe befua>ten <Drte peranfdjaulidjen : Klan fpielte 
vom {5. De^bx. J769 bts {7. Septbr. J770 in £5ra unfehrocig. Dom 50. 2lpril 
bis 28. 3uni u?arb ein (Teil nadj i? Ilbesheim betadjierr, öom 3"ü big 
September nach H?olf enbüttel. Dom 2^. Septbr. bis 7. Z>e3br. fpielte man 
in Hamburg (unb 211 1 0 na); vom \\. Dt$bv. bis 3<m. i» Sdjlcs- 
n>ig, Dom 7. bis \$. ^an. in Kiel, Dom 2[. 3an. bis 2^. Hlärj in 
Sdjlesioig. (Sleicfoeitig roarb 00m bis {5. februar ein (Teil nadf 
Hamburg (neun Dorftellungen unter Sdfröber) unb in ber 3n>eiten 
fjälfte bes februar audj nad? Flensburg (unter 2lrfermann) betaa?iert. 
Dom 3. Jlpril bis 6. De3br. uneber in Hamburg. 



46 Hürftrttt 2Irfermanus von bcv Direftion. 

2luch in feinen Befielt Zagen war bas berechnen unb 216« 
träfen ber (Bewinnchancen, Me eine Verlängerung ber 5piel$eit 
rjier, eine 2lbfür3ung bort etwa bringen mochte, Slcfermanns 
fchwächfte Seite gewefen. 3**3* aber hatte fein ZtTangel an Über» 
legung einen faf! patfjoloaifchen C^arafter angenommen. Die 
alte &agabunben*&eigung brach wieber burd? unb uerrüefte ibm 
oollenbs ben Kopf, llnb fo begnügte er ftch nicht allein in ben 
Reiten, wo in Hamburg nicht gefpielt werben fonnte, bie <5efeü« 
fchaft oon ®rt 3U 0)rt 3U f?efcen, fonbern 30g es fogar ©or, in 
ber befien Spie^eit bas Hamburger (Cljeater an anbere Unter« 
nebmer für einen Spottpreis 3U vermieten unb ftch flatt beffen 
auf ber H>anberfd?aft im Schweiße feines ^ngeftcr/ts fparltchen 
Unterhalt 3U fuaVn. 

±>as Schlimme war babei, baß biefe Heifen häufig bas 
<£f>epaar 21cfermann Doneinanber trennten, unb fo in ben ent« 
fdjeibenben 2lugenbltcFen 2lcfermann ber oerftänbigflen unb ein« 
flufjreicfjflen Hatgeberin beraubt u>ar. Schröber I^ielt ftch nach 
ben €rfafjrungen in 33raunfchwetg gefliffentlich 3urücf, unb auf 
Rubere £?ätte ber. mit ben 3afjren immer eigenwilliger werbenbe 
2Tlann auch nicht gehört. 

€rft als im fjerbfl \770 21c!ermann, wä'hrenb in Hamburg 
gefpielt roarb, gleichseitig einmal wöchentlich in einem Meinen 
ZDirtshausfaal 1 in Altona Dorftellungen peranftaltete, bie nur 
Koften oerurfachten, bagegen unter ben Schaufpielern Perbrufj er* 
regten, entfcrjlofj ftch Schröber 3U einem entfcfjeibenben Schritt unb 
legte gegen biefe 21rt ber Direftionsfü^rung Verwahrung ein, bie 
baburch, ba§ er feine Befdjwerben unb Sebenfen nicht münblich, 
fonbern in einem langen, an feinen Stiefoater gerichteten Briefe 
vorbrachte, befonberen ZTachbrucf erhielt. Schwerer als bie über 
bie geringe <$ahl unb ben geringen IDert ber Ztooitäten ge* 
führte Klage, ein Übelflanb, an bem bie ,3eitr>erhältniffe min« 
befiens ebenfofehr fchulb waren, wog ber Vorwurf, ba§ auf ben 
proben alles barunter unb barüber gehe, unb ber fjinweis, ba§ nur 

' 3 n Sansfouci an ber palmaille. 



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2lrfcrmonns Icfcte Hollen. 



bas unberufene «Eingreifen Sdjröbers bie oöllige §erv\xüur\Q unb ger« 
fefcung ber (BefeHfdjaft bisher nod? oerljinbert fyibe. Diefer gans 
fadjlicb, gehaltene, in befdjeibenem tCon porgetragene protefl t>cr= 
fehlte, sumal Sdjröbers 2Tlutter ftdj ifym in allen Stücfen *anfdjlofc, 
feine IPirfung auf 2(cfermann nid?t. €r entfdflofj ftdj, bie 23e« 
fiimmung bes Hepertoirs unb bie Hoflenbefeftung »ieber feinem 
Stieffofyne su überlaffen. 

Dagegen liefj er gerabe in ben folgenben 2ttonaten bes 
Winters j 770/7 j feiner Pagabunben*ZTatur mefyr als je bie <3ügel 
• fdjiefjen unb fjemmte burdj bie gerfplitterung ber Kräfte, u>eldje 
bas Spielen an mehreren fleinen ®rten 3U gleicher ^cit mit fidj 
brachte, Sdjröbers auf firaffere FünfHerifdje ^udjt geridtfete Be« 
flrebungen aufs empfmblidtfe. 

€rfl ©ftern \77\ gab er ben briugenben Bitten feiner 
5rau unb feines Sohnes nad?, legte förmlidj unb enbgültig bas 
Kommanbo nieber unb trat als einfacher Solbat toieber in bie 
5ront ber Cruppe surücf, bie er anbertljalb 3<**ir3efynte trofe allem 
ZTTifjgefdiicf ruE?m* unb efjrent>oll geführt E?atte. 

Dafe er feine fd?aufpielerifd?c Kraft audj femer 3ur Perfügung 
{teilte, fdjien aber unter ben bamaligen Umjlänben ein befonberer 
<5eu>inn. Denn gerabe bie legten 3öJ?re, in benen bie (Entfdjlüffe 
unb ZTTafcregeln bes oerantn?ortlid?eh Ceiters nur 3U beutlidj bie 
HIerfmale bes IjerannaBjenben Alters ©errieten, Ratten für ben 
DarfleHer einettadjblüte feiner fünftlerifdjen Kraftentfaltung geseitigt. 

€s ift fd?on barauf fyngeroiefen roorben, ba§ feinem, oor« 
»iegenb Immoriftifdjen, (Talente, ber feit ber ZTTitte bes 3<*J}r« 
f}unberts immer mein* fidj Balm bredjenbe €influ§ ber englifdjen 
Citteratur auf bie beutfd?e <5efdfma<fsbilbung befonbers banfbare 
Aufgaben fdmf. 21üerbings u>ar bie Saty, ber in ber Spfjäre ber 
gemifdften €mpfinbungen fxdf beroegenben Hotten, nod? nidjt grofj 
unb ber fdjon feit 3<*fa*n «n (Bebädjtnisfdjmädje leibenbe Künftler 
roeber geneigt noch, fällig, oiel neue umfangreidje Partien 3U 
lernen, aber felbft in bem engen Kreife offenbarte ber Deteran 
eine Srifdje unb Urfprünglidjfeit ber fünjHerifd?en Sluffaffung, bie 
bie ^ufjörer entsücfte. 



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48 



Die Solbateu auf ber Säljnc. 



Dabei tarn tfmt perfonlid? nod? eins 3U fiatten, was für bie 
flleb^ahl feiner Kunftgenoffen, r>or allem aud? €fl?of, ein %mm« 
nis u>arb. 

tefftngs ZHinna von 23arn!?elm mad?te bie abgebanften 
2ttüitärs, com (Beneral bis sum Korporal J?erab, auf ber Sülme 
populär. Das publifum fonnte fid? md?t fatt feben an ben 
marttalifdjen (ßeftalten, bie ftramm, barfd? unb bieöer über bie 
Bretter fdjritten, burd? urmüdifige (ßrobfceit unb berben XDifc bie 
^>ufd?auer r»om parterre bis $um Olymp in befjaglicrjfie £aune 
oerfefcten, gelegentlia? audj, als abgebanfte unoerbientem <£lenb 
preisgegebene 3"*>aliben, mitfütjlenbe Seeleu bie füfce Cuft t^ränen« 
reicher Hüfyrung Foften ließen. 

Dramatifd? ueranlagtc Scbaufpieler roaren es 3unäd?fl, bie 
ftd? ber banfbaren iigur bemächtigten unb, mit fidjerem 3nflinFt 
für tljeatralifdje IDirfung, ben brei Solbatengeftalten aus ber 
ZHinna Kameraben jufü^rten. 

So brachte \768 3o^ann Crjriftian Branbes, ein erbärmlid?er 
Sdjaufpieler, aber als bramatifdjer Sdjriftfteller für ben Cages* 
gefcfymacf feinen plafc mit €ljren ausfüllenb, in bem fünfaftigen 
Sdjaufptel Der <5raf pon (Dlsbad? 3. 23. einen fnorrigen alten 
ffaubegen in ber <5efialt bes „oerabfdjiebeten Obriften ron Stornfels" 
auf bie Bübme, 3U bem ifyn, wie er felbfi enäfyt, alte, noch, aus 
iriebrieb. Bülheims I. 3«* ftammenbe preujjifdje Deterancn ZHobeÜ 
gejfonben Ratten. 3h™ folgte J769 ber ehemalige fjufarenofföier 
unb jefcige XDiener Sd?aufpieler Stephanie mit ben „Werbern," 
einer freien Bearbeitung x>or 5arqub.ars „The recruiting Officer" 
unb \770 mit ben „2lbgebanften ©ffaiers", trofc bem pro« 
teft bes Derfaffers, einem matten 2lbFIatfcb. ber Cefftngfdjen 
ZUinna. 

2lcfermann foüte nur ben Einfang biefer Zltobilmad^ung ber 
5riebensarmee für bas (L^eater erleben, aber jte fam bodj seitig 
genug, um bem alten Solbaten Gelegenheit 3U geben, gerabe in 
biefen Hollen, bie fo merfmürbig bas <£nbe feines Cebens an bie 
fernen friegerifdjen 3ugenbtage anfnüpften, ftd? m feiner gan3en 
fiattlidien <6rö§e 3U 3eigen. 



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2{tf ermann in Solbaten- Hollen. 



49 



<£ftjofs Cetlrjeim mar ein rrjetorifdjes ZtTeifierfiücf unb wittte 
baburdj, aber bie um ben dürftigen Körper fdjlotternbe Uniform fiörte 
empfmblidf bie 3Qufton. 2lcfermann als IDadttmeijler rotrfte fdjon 
beim erfien Auftreten burdf bie flattlid^e 5igur unb mtlitärifdje 
Haltung; frifdj, betjaglidf unö natürlich in jeber ZTTiene unö 23c* 
roegung, als \ei ifym bie Holle im eigentlichen Sinne auf ben 
Ceib gefd}rieben, perfekte er bas publifum in fonnigfte taune 1 , 
unö felbfl bie mißgünfiigften fritifdjen Stimmen reagten gegen 
bies Stücf Hatur nicr/t auf3ubegeEjren. 

Größere IDirFung ehielte er oielleicrft nod? in ber fye unb 
ba ins (Eragifdje fynüberfpielenben Holle bes alten (Dberjlen in 
33ranbes Sdjaufpiel. tiefer alte bärbeißige, jäfoorntge Krieger, 
beffen gan$er Heicfjtum feine grauen fjaare unb ein X>u^enb 
IDunben frnb, ber boef? mit jugenblicrjem Seuer jeben 2lugenblicf mit 
ber £}anb nadj bem X)egen 3ucFt, um brein3iifd}lagen, unb ber 
hinter all feiner Sdjrofffjeit unb fjärte ein meines, leidet 3U 
rüfjrenbes £jer3 oerbirgt, r/atte fo »iel r»on 2lcfermanns eigenem 
ZTaturell, baß man Derfiefy, roie biefe €rfd?einung in ber faben* 
fdjeinigen Uniform ergreifen unb rühren mußte. 

Den größten (Eriumpr) aber feierte feine Kunft in ber Holle 
bes Korporal Kau3er in Stephanies lüerbern; es u>ar bie lefcte 
pon ifmt neu flubierte. ZTadjbem er ben größten Ceil bes 
Sommers bei feinen Pernxmbten in HTecFlenburg 3ugebradjt fyatte, 
gab er fte am 20. 21uguji \77\ sum erfienmal. 

2l£lerbings r^atte ber ehemalige IDerbeoffoier Stephanie in 
biefer feef aus bem Cagerleben gegriffenen (ßeflalt eines alten 
Campagnefolbaten ba ftd? felbjt übertroffen. ZHit einem berben 
Haufd? für>rt ber 2llte ftdj ein, brollig unb ^armlos, fo lange ber 



1 „2Jtfermann als ZPadjttneiftcr erntete fajallenben Seifall. Diefer 
Beifall äußerte ftdj etnfi ungeroölmlid) laut, als ein jooialtfdjer Seefapitä'n 
in bes erfien Hanges ITtittelloge fi^enb, burd) Hermanns ireffenbes Spiel 
unb einige (Släfer punfd) begeiftert, in einer S3ene mit bem Dollen (Slafe 
in ber fjanb, in ein: 3^r IPotjlfein, mein tjerr H?adjtmeij*er! Braoo! 
Sraoiffimo! ausbrad) unb Braooruf unb <5eflatfd?e in allen Hegtonen bes 
fjaufes naa^tönen liejj." Sdjüfce 372. Dergl. aud) 2llm. f. <Cfj. \8[0, 5. 32. 

Cifcmann, Sdttöbn. II. 4 



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50 Hermanns Ie^te Kolle. 

• 

erfahrene (Dffoier, ber ifm oortrefflicf? 311 nehmen rneifc, anroefenb ifh 
Tibet gleid? barauf, als ein junger IDacrjtmeijlter unDorftdjtig 
fdjroff ben Porgefefcten rjerausfetyrt, fdjlägt bie Stimmung jählings 
um. 2lüe müfjfam ©erhaltene Bitterfeit gegen bie ZTeulinge, bie 
über bie Köpfe ber Gilten fjimpeggeftiegen ftnb, bricht los: 

„<£r ^Ie&ern>tfd?»Kommiffär. — Schreiben fanu ein jeber 23ub, aber 

reit' er erft fo lange mit, rote idj . . . idj war fdjon Jjufar — toie 

(Er nod) nidjt auf ber Welt mar!" 

ZTXit blanfem Säbel bringt er auf ben Porgefefeten ein, ben 
nur fdjleunige Sludlt rettet. 

2lls ber 2llte aus [einem Haujdje era>adjt, rjat er feine 
Atmung mefjr, a>as mit ibm vorgegangen. Derfelbe Por« 
gefefcte, gegen ben er fid] ©ergangen rjatte, bringt ilnn erfi nadj 
unb nad? alle (Eitelkeiten toieber ins (Bebädjtnis, unb oor irmt 
taudjt bas (Sefpenfi ber brorjenben <£refution auf; aber ber Deteran, 
ber un$äl?ligemal bem (Tobe in Sdjlad?ten geftanben, 3ittert audi 
jefct nidjt. 3" bem 2lugenblicfe, reo ifyn bie gan3e Cragtreite 
feines Dergetjens flar roirb, ift er gefaßt unb rurjig, unb bie 
roüjie morferje (Seflalt mädjft angeftdjts bes bräuenben Perrjängniffes 
3U tragifer/er <5rö'§e empor. 3"/ gerabe burdj ifyre Sd| licrftljeit er« 
greifenben Korten fcrjilbert er fid? felbft, feine breigigjärjrige, 
merjr umnben* als ef)renreid?e Caufbarm: 

„3d? fyabe roeber in guten Reiten für Übermut ben Dienfl oerfäumt, 
nod? bin idj in ben etenbeßen Umftänben untreu geroorben; bas Hegiment 

roet§ es unb mtrb mid) bebauem Sie finb mein Porgefetjter. 3<*?/ 

3fyr Untergebener, bas met§ idj. 2lber bebenfeit Sic nur felbft, tdj mar 
fdjon bas, mas idj itjt bin, ba Sie Hefrut mürben, tdj fjabe Sie ere^ieren 
unb ben Dienjt gelehrt, unb itjt begegnen Sie mir ftets, als wenn \df erft 
Ijeute ju bieneu anfinge. Das mu§ mir bod? roerj tljun ! — nüdjtern f?ab 
ttfj midj nodf ntdft mit einem tt>ort n>ibcrfe§t, aber im Haufdj tjat man 
nidjt immer bie Pernunft beifammen, befonbers roenn man geret3t roirb." 

€r erflä'rt audj, toarum er fo leidet beraufdjt toirb: 
„3d? tjabc flarfe Sleffuren am Kopf; non $wei, brei (ßläfern lüeirt 
tjab idj einen Haufdj, unb beim IPerben mu§ man trtnfen." 

2lber trofc ber treufyer3igen Derftdjerung 

„(Es iji alfo ntdjt mit Dorfafo gefdjeffen", 
bleibt ber junge Dorgefefete babei, bie Sadje 3ur Sl^eige 3U bringen. 



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Setjtes Auftreten. 



Der 2llte ftefy einen augenblicf unfchlüfftg: 

„Sobalb Sie es melben .... bin id? oerloren." 

plöfelid?, ehe 3ener fxch's oerfxeht, h<»t er irm gepacft, ftch 
feines Säbels bemächtigt: 

„fjerr, (freien hilft ifct nidjts. Sie ftnb aUemal ein Kinb bes (Eobes! 
3d) Fann nur einen Kopf oerlieren. Zliajt mahr? 3fct jtnb Sie in meiner 

(Seroalt Sie werben mia> n'xdft aufhalten, Ijunbert Schritt von hier 

ift eine tDerbung von einem fremben Potentaten, id? fann alfo ba letajt 
tnnfommen unb bin oon aller Strafe frei. aber nun lernen Sie einen 
roafjren Solbaten Fennen. Der (Eob, ber mir oor äugen ift ... . fdjrerft 

miefj nidjt ab, treu 3U bleiben fjter traben Sie 3fyr <9en>e^r roieber, 

unb l^ier ift mein alter Kopf, ber im Dienfte grau geworben. (Er ^at brei 
Bleffuren 3ur €fyre bes Königs; . . . madjen Sie fid) eine €t)re bamit, ba§ 
Sie bnrä) trjre Unerfatjrenheit fdjulb ftnb, bas td) itjn oerliere" .... 

als er ftch 3um (Sehen »enbet, ©ediert er ben pel3: 

„Hun? tt>illjt Du mir itjt nod) untreu werben. Hein! Da id) 
meinem Konig treu bleibe (Füfjt itm), von bem Du herFömmfi, fo mnjjt Du 
Deinem fjerrn audj treu bleiben." 

2>er 2Ute ift in bem Stücfe nur eine €pifobenftgur, unb in ber 
tufifpielatmofphäre oerflüdjtigt ftch nicht nur bas ibm brohenbe 
tragifdje Perfjängnis, fonbern er felbfl tritt im »eiteren Perlaufe 
gan3 in ben fjintergrunb. aber in biefen paar Scenen ift er 
ein f^auptFerl, beffen ftch auch ein (größerer nicht 3U fchämen brauchte. 

ZtTan Fann ftch nach biefen anbeutungen Dielleicht eine un» 
gefäffre PorfteHung machen, n?as aef ermann, bem alle bie CEöne, 
bie fner angefcrflagen »erben, von ber broüigen £aune bis 3ur 
ergretfenben (EragiF fo 3U (ßebote flanben, in biefe Sigur hinein« 
3ulegen, unb roie er bie ^ufdjauer bis ins ZHarF 3U erferjüttern 
uno 3U rühren »ufjte. 3» feinem (Bemanbe hätte er roürbiger 
unb ehrenvoller t>on ber 23ürme fdjeiben Fönnen, als im ©er« 
witterten £}ufarenpel3 bes alten Korporals. <£r almte freilich nicht, als 
er am \ \ . September \?7\ in Dolman unb Kalpaf bie Scene 
oerlte§, baß es bas lefete 2Tlal fei, bafj er bie Fretter betreten habe. 

IDenige Cage barauf ©erlebte er ftch am Knöchel. Die 
anfangs nicht beachtete JPunbe nahm balb einen bösartigen 
dharafter an. als ältliche fjülfe in anfpruch genommen »urbe, 
»ar fd?on ber 23ranb hin3iigetreten. <£inc amputation, bie einige 



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52 



2Jcfermanns ILob 



Rettung, oerroeigerte ber Kranfe bartitäcfig, unb fo ging es sunt 
€nbe. 2lm \3. ttopember \7?\ erlöfle ihn ber Cob oon acht 
IDodjen lang mit großer Stanbbaftigfeit ertragenen marteroollen 
Ceiben. Der HafHofe hatte enblidj Hube gefunben. 

„2ln mir ift nichts mehr gelegen, aber ich fage 3h n en, bas 
gan3e Regiment wirb mich bebauern", roar eines feiner lefeten 
EDorte auf ber 23üfme geroefen. 

Das erfüllte ftch nun an ihm felber. Die tErauer um ben 
roaeferen cEhrenmann roar allgemein. 

„21c?ermann, unfer guter 21cf ermann! f^at enölicrj feine £}aupt* 
rolle gefpielt", fdjrieb <£va König tEags barauf an Cefftng. Unb 
biefer erroiberte: „Der gute 2Jcf ermann! er tfmt mir leib. 
Softel Ijatte bie Hachricht mitgebracht, baß er ftch bas 23ein 
roirflid? abnehmen laffen, ober boch fefi entfdjloffen geroefen, es 
tbun $u laffen. ZHan fragte mich fdjon, ob er mit bem Stely 
fuße auch noch ben IPachtmeifter fpielen tonnte. 2lber mir roar 
um bie 5ran3isfa bange, fo oiel ich ihrer Steigung auch fonfl 
trauen roürbe." 

Die „ffamburgifdjen 2lbreßcomtoirnachrichten" oom Tto* 
r»ember rotbmeten unter ber Hubrif „fjiefige Porfälle" ihm ben 

„(Sehern Nachmittags 3rotfchen 3roey unb brey Uhr oerftarb 
hterfelbft £}err <£onrab €rnfl 2Icfermann, Directeur ber fyieftgen 
Sd^aubü^ne, im 60. 3^h^ feines Alters. IPenn u>ir fagen, baß 
bie 3ütme an if»n einen unerfefeltdjen Perluji erlitten ba&*/ fo 
fagen roir in ber Chat nicht 3U piel. 3" ben fog. röles ä manteau 
roirb er noch lange unnachahmlich bleiben unb fdjroerlich *»i*b 
ihm 3*manb ben paul XPerner in ber 2Tüinna, ben 5tornfeIs im 
<5rafen (Dlsbadj unb anbere Hollen ©on ber 2lrt gleich fptelen. 
c£r roar übrigens ein rechtfehaffener ZTTann. 2üs Directeur ber 
5chaubühne roar er fein Knicfer, unb fudjte mehr bas publifum 
3U oergnügen, als feinen eigenen Porteil 3U beförberrt. 3 n feiner 
fdjmershaften Kranfh^it 3eigte er bie größte (ßelaffenheit. cEr 
ftarb als philofopfy unenblid? mehr i% als erprift." 



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fetter 2tbfd?nttt. 



\ 77{— J780. 
1. :Bw aUgrnmm» läge. 

Vev alte <ßefdnd?tsfdjreiber bes fyamburgifdjen Creators fjat 
bie erflen jteb3iger 3^f?rc bes oorigen 3<*Wunberts als eine 
fpäter nie tpieber erreichte Blüteperiobe ber paterfiäbtifdjen Bfirme 
gepriefen, unb feine &e'\tgenoflen, audf bie, bie gleich ifftn gingen 
bes (Blaues ber adliger unb neun3iger ^ai\x<t waren, fyaben 
irmi barin redjt gegeben. 

Das ffauptoerbienfi gebührt 3meifellos bem ZHanne, ber um 
biefe £eit am Huber ftanb unb mit jtdjerer fjanb unb ooraus* 
fdjauenbem 23Ucf bas Sdjiff 3»ifd?en Wirbeln unb Klippen Inn* 
burdjbugfierte, um t>anr\ im richtigen 2IugenblicF, alle Segel bei« 
gefefct, frifdj aufs fyot)e ZHeer Bnnaus3ujleuern. 

2lber aud| ber füi?nf!e unb erfafyrenjte Seglet ijl machtlos, 
wenn es r/ei§t: 

„Keine £uft von feiner Seite! 
Cobesftiüe f ürdjterlid? ! " 

Unb fo war es benn aüerbings für Sdjröber eine unenblidj 
glücflidje 5ügung, ba§ er gerabe in einem 2lugenblicfe in 
blüljenber 3 u 9 c "&fr<*f* auf bie Kommanbobrücfe berufen warb, 
als bie Cofung erferjaßte: 



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54 



Die litterarifd)e Konficllarion. 



„Die Hebel 3errei§en, 
Der fjtmmel iß fyelle, 
Unb 2Iolus löfet 
Das ängjtlid?e 8anb." 

Zlie mar bie Htterarifche Konfteflation einem Bütmenunter* 
nehmen günfhger, als biefer erften Schröberfdjen Direftion. 

$a\t in benfelben Cagen, wo Sdjröber 2fcfermanns <£rbe an* 
trat, manberte ber „SFi330" ber (ßefchtchte (Bottfriebens oon 
Berlidnngen aus bem iranffurter poetenftüblein nach Bücfeburg, 
30g bort Fjerber bie legten Konturen 3U jenem granbiofen <ße* 
mälbe Shafefpeares, bas 3mei 3af?re fpäter in ben „Blättern oon 
Dcutfcher 2lrt unb Kunft" ans Cidjt treten unb bie «geitgenoffen 
mie eine neue Kunfioffenbarung erleuchten unb begeifern foHte. 
Unb in eben biejen (Lagen rüftete ficr? in ZPolfenbüttel ber Dichter 
ber UTinna r>on Barnhelm, an <£milia (ßalotti lefete £}anb an3u* 
legen. 

Unb mieber mar es eine eigentümlich günjtige 5ügung, bie 
bem jungen Bühnenleiter in entferjeibenber Stunbe in 3<>h anu 
3oadnm Bobe einen 5reunb unb Hatgeber 3ur Seite jtellte, 
ber ihm für bie geheimen Strömungen unb Hegungen bes geizigen 
Cebens bie 2Iugen öffnete unb ihn im eigentlichen Sinne feine 
&\i oerftehen lehrte. 

Der fprachgemaltige Überfefcer Sternes unb SmoHets, ber 
5reunb Ccffmgs unb Berbers, ber mit ben Häuptern ber Heform» 
partei in oertraulichftem 3beenaustaufch flanb, ber aus ooflfler 
Über3eugung fein geiziges unb materiefles Permögen ben ireunben 
unb ihrer guten Sache 3ur Perfügung {teilte, mar aüerbings, 
3umal er feit ben fünf3iger 3 a h rcn m ^ ocr Bühne als brama* 
tifcher Überfefcer nie bie 5ühlung verloren fyaite, mie menige 
geeignet, gerabe jefet ben Pennittlerpoften smifdjen Citteratur unb 
tEheater aus3ufüüen. 

Daburch, ba% er bie jugenbfrifche (Ehatenluft Schröbers für 
bie einftmetlen noch in ahnungsooHer Dämmerung liegenben gtele 
ber auf jtrebenben Citteratur 3U ermärmen unb 3U begeiftem mußte, 
glücfte es, bie fonfi altem Heuen f probe fkh oerfagenbe Bühne 



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Sobc als Dermittler 3t»ifa>cn £itteratur unb (Theater. 



55 



getoiff ermaßen im Sturme ju erobern unb baburdj ben Sieg auf 
ber gan3cn £inie, fdjneüer als irgenb jemaub erwartete, $u ent« 
fd?eiben. 

„(Trauriger unb toicfyiger u>irb ber (Sebanfe, bafj aucb. biefer 
Sdjö'pfer oon (ßefdjidjte unb £Deltfeele immer meljr oeralte; ba§, 
ba IDorte unb Sitten unb (Battungen ber Zeitalter u>ie ein fferbft 
oon blättern tt>elfen unb abfinfen, »ir fdjon jefet aus biefen 
großen Krümmern ber Hitternnatur fo roeit heraus fmb, ba§ felbft 
(ßarrirf ber IDieberenoecfer unb Sdmfoengel auf feinem <5rabe fo 
Diel änbern unb auslaufen, oerflümmeln muß unb balb oielleicfot, 
ba fidf aU.es fo fefyr oenoifdjt unb anberstoobin neigt, aucb. fein 
Drama ber lebenbigen Dorftedung gan$ unfähig »erben unb nur 
eine (Trümmer oon Koloffus, oon pyramibe fein toirb, bie jeber 
anfiaunt unb feiner begreift." 

So Berber \775, in ben 5liegenben Blättern oon beutfdjer 
2Irt unb Kunft, über Sbafefpeare. 

2luf bem (Eitel fiefyt ber Harne besfelben 3obe, ber als täg» 
lieber (Saft in biefen 3ab,ren im f|aufe bes jungen (Efyeaterbireftors 
am 0pernbof aus* unb einging, tt>elcb,er brei 2<*k™ fpäter fo 
glän3enb ben Bctoeis oon ber unoertoüftlidjen lebensfraft bes 
„Koloffus" lieferte. 

IDer möchte bies ein bloß 3ufäHiges ^ufammentreffen nennen. 

2lber 3u>ifdfen jenem glorreichen Septemberabenb bes 3^b,res 
\776, »o Hamlet 3uerfi auf ber Hamburger BüEme erfdnen, unb 
jenem Hooembertage, an bem Sdjröber 2lcfermanns €rbe antrat, liegt 
ein Zeitraum oon fünf 3ab l ren, unb in ibm brängt fteb. 3ufammen 
eine foldje $ülle oon ernfier unb funfh'erifdjer Arbeit, oon be* 
beutenben, bie pb^ftognomie bes beutfdjen (Theaters oöllig neu 
geftattenben cgrlebniffen, u>ie es in bem ZTIaße in ber (5efcb.icfo.te 
einer Kunfi unb eines Künftlers fdjioerlicb. ib.resgleicb.en bat. 

c£iner ber legten Hatfctyäge bes fierbenben 2lcfermann an 
feine 5rau toar eine JX>amung oor ifyrem Solm. 

3n feinen 2Iugen roar Sdjröber immer nod) ber jugenblidje 
fjifefopf, beffen 2luffäfftgfeit ib.m fo oft 2lnla§ 3U Derbruß, Sorgen 
unb Perlegentfeiten aller M gegeben batte. €s tootlte bem 



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56 



5 Gröbers Derfyältnis 3U feiner fllutter. 



alten 2Tlilitär nicht einleuchten, ba§ jemand ber unlangft noch 
jtch fo unfäfug sunt (Behorchen enmefen fyatie, auf einmal im 
Stanbe fein foflte, ein felbftänbiges, oerantoortungsoolles Korn« 
manbo 3U übernehmen. 

Da§ gerabe in ber lefeten <geit mit Sdjröber eine grofce 
tDanblung vorgegangen u?ar, bafj er es gelernt hatte, fein ungeßümes 
3d) in jirenge Sucht 3U nehmen unb bajj er mit ber frifdjen 
Chatfraft feiner ftebenunb3coan3ig 3äh r * nicht gewöhnliche 

2TTenfchenfenntnis unb IPeltfIngbott oerbanb, bas irar bem in feine 
plane unb Sorgen eingefponnenen Gilten gan3 verborgen geblieben. 

nicht feiner ZHutter. Diefe hatte 3" oft in ben lüirren ber 
lefeten 3<*hre bie Bcfonnenheit unb «Energie bes Sohnes gegen» 
über 2lcfermanns flacfernber DielgefdjäftigFeit als IDohltba* em« 
pfunben. Unb je beutlicher unb entfehiebener fte in feinem IDefeu 
c£harafter3Üge 3U Cage treten fah, bie fte als mütterliches €rb* 
teil, als Kern ihrer eigenen Ztatur erfannte, beflo 3ut>erftchtlicher fah 
fte bem <5*i*punfte entgegen, »0 fte bie ^aupt(af) ber Sorgen auf 
biefe jungen, fräftigen Schultern würbe ablaben tonnen. 

21uch bie alles eher als glän3enben finan3tellen (Ergebniffe 
ber erjkn fteb3iger 3<*h rc Reiben bies Dertrauen nicht ernjUtd? 
3U erfchüttern vermocht. Der einsige, vermutlich tvegen ZTfeinungs« 
verfchiebenfjeiten über HoHenbefefcung, im Sommer \772 3ivtfchen 
beiben entfianbene «Stvift, 1 infolge beffen Schröber vorübergehenb 



1 Zladf IHeyer (I. 236) waren Sdjröber felbfl bie Urfadjen entfallen. Da 
aber berichtet roirb, Sdjröber fjabe 3ettu>eilig ftdj um HepertoirbefKmmung unb 
Hollenbefefcung nidjt geflimmert, unb nur anf Zlicolinis (r»gl. unten S. 58 ff.) 
gureben ftd> ^0311 oerflanben, bie proben 3U leiten, liegt bie oben ausge- 
fprodjene Vermutung nafje. Wie Weyer berietet, t»ar Sdjröber feji ent* 
fdjloffen, 3U Jlboent \772 bie (Truppe 3U oerlaffen. Zlicolini ijabe fta? bas 
Derbienfr erworben, beibe miteinanber tuieber aus3uföfmen. Den preis 
ber 2Iusf$fmung nennt Uleyer nidjt. Da er aber (II*. ^8) bei Sdjröbcrs 
Hollenüer3etd?nis €nbe {772 ausbrütflidj bemerft: „fett bem 9. XTot>ember 
unter Sdjrobers alleiniger Jlnorbnung", fo ift ein innerer gufammenhang 
3n>ifd)eu beiben Vorgängen rootfl nicfyt von ber fjanb 3U tpeifen. «gettlidj 
fiel biefe Heuorbnnng übrigens mit bem enbgültigen Hücftritt fflabame 
21cfermanns ron ber Bütjne 3ufammen. (Dgl. nteyer I. 238.) 



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perfönlidje (Einnahmen ipäl^rcnb ber erfien DireFtion. 57 



fogar an eine Trennung oon feiner 2flutter oadtte, führte fchüeß* 
lieh nur öa3U, baß 5rau 2lcfermann freimiflig auf jeben Anteil 
an ber fünfilerifchen Oberleitung Belichtete unb ihrem Sohne in 
biefer 23e3iehung pöllig freie Qanb ließ. Zluv bie gefchäftlicbe 
leitung, bas ganse Kaffentoefen behielt fie auch jefct noch, 
als «Eigentümerin bes Kaufes unb bes funbus fictj allein 
r>or. Dies allerdings fo ausfdjließlich , baß jte Sdjröber als 
artiflifchem Direktor feinesroegs bie Hechte eines gleichberech* 
tigten, an <ßea?inn ober Perluft bes Unternehmens beteiligten 
Kompagnons einräumte, fonbern ihn roährenb biefer ganzen 
erften Direftion in bem 2lbhängigFeitsr>erhältnis, eines Fontraft» 
lieh oerpflichteten, auf einen beflimmten 2Dochengehalt als einsige 
fefte Einnahmequelle angeroiefenen 2TIitgIiebes ber Cruppe erhielt. 
Es fpricht für bie SparfamFeit ber 2TTutter unb bie (genüg* 
famfeit bes Sohnes, baß biefer ficrj bis 3um 3a^re \?80 mit 
berfelben <ßage — nämlich \6 (Ci{a(ern! — begnügen mußte, 
mit ber er im 5rühjahr \768 mieber bei ber Cruppe angefangen 
hatte. 5eine im taufe biefer 3 a h r * erfolgenbe Verheiratung 
änberte oavan nid]ts. Denn ber ihm baburch r>on felber 3ufallenbe 
befdjeibene ZDochengehctlt feiner 5rau, im Betrage von 5 tEhalern, er» 
höhte fein perfönlidjes EinFommen ja nicht um einen Pfennig. 21udj 
bie ihm feit bem frühling J773 3iigetr>iefene preFäre Einnahme 
aus bem Ertrage ber neugebrucFten (Dpernteytbücher u>arb fein 
Quell ber Bereicherung, beim gleichseitig mußte er bafür bie 
Beflreitung ber Koften ber Korrefponben3, bie 2lnfchaffung ber 
StücFe unb 2TtuftfaIien unb ben Ehrenauftranb ber Direftion 
auf feine Cafdje übernehmen. Ob er für feine Bearbeitungen 
frember StücFe, beren manche ja ber Kaffe große Einnahmen 
brachten, befonbere Entfchäbigung erhalten h a */ tft immerhin 
3meifelhaft. 3ebenfaHs a>irb auch biefer Cohn ftch in ben be» 
fcheibenften <5ren3en gehalten liaben. Denn ZHabame 2lcFermann 
roar fehr „genau/ 1 unb in ben erften 3ah^« h<*tte &<*3U auch 
allen (Srunb. 

2lcFermanns Schulben, bie bas (Serebe 3U ungeheuren Summen 
aufbaufchte, bergeftalt, baß „obrigFeitlicbe (Sönner" ber Witwe 



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58 



21rfermantt3 Sdjulben. Hicoltni. 



ernfUich rieten, bie €rbfchaft ausschlagen, erliefen ftd? freilich 
bei näherer Betrachtung als oerhältnismäßig unbebeutenb. 
X>ie runb ftebentaufenb 2ttarf Fonnten ferjon nach wenigen 2ttonaten 
aus ben ungeu?ötjnlid| guten (Einnahmen bes JDinters J77J/72 
gebeeft roerben. 1 

dagegen ermuchs ScrjrÖber unb feiner ZTTutter in biefen 
3afjren eine fchroere Caft unb Sorge aus einer unnatürlichen ge* 
fchäftlichen Derbinbung, bie entgehen fte burdj bie Umflänbe 
ge3«)ungen rourben. 

Ztlan entfinnt fich aus einem früheren Zlbfdmitte biefer Dar* 
flellung roofyl bes 3*ölieners ZTicolini, 2 als eines ^Hannes, ber 
ber SlcFermannfcr/en Cruppe in fehlerer <geit ftch ^ülfreid? er* 
roiefen unb ftd? baburcrj, in IDiberfpruch mit feiner Pergangenr/eit, 
um bie 5örberung beutfdjer Kunft ein unleugbares Derbienjt 
erroorben fyatte. <£ben biefer, ber bamals SlcFermann unb ben 
Seinigen als ein guter <5enius erfernenen toar, fernen jefet ba3U aus» 
erfehen, toie ein böfer Dämon Schröber unb feiner 2Xlutter bie 
erfien Direftionsjafyre 3U t>erbüftern unb fte um bie Erfolge ihres 
reblichen Strebens 3U bringen, inbem er pdf u>ie ein fehlerer 
ffemmfclmh an ihre 5erfen fjeftete. 

ZDenige XDocrjen nach Hermanns (Eobe — an einem 
2>e3embertage \??\ — tauchte Hicolini in Hamburg auf» 
Seine braunfcr?roeigifd?e fjerrlichfeit hatte ein jähes €nbe er* 
reicht, fein großes Vermögen war brauf gegangen , unb aus 
bem Schiffbruch fyatte & nut eine 2ln$ahl Deforattonsftücfe 
unb eine Untemehmungsluf! gerettet, bie feinen fjamburger 
Kollegen fehr balb fehleres Kopfserbrechen machen foflte. 3" 
Erinnerung an bie großen Criumpr/e, bie er t>or einigen sroansig 
3ahren mit feinen Kinberpantomimen in Deutfchlanb gefeiert hatte, 
beabftchtigte er nämlich in Hamburg im Derein mit 2Jcfermanns, 
bem <5lücfe aufs neue bie fjanb 3U bieten, unb auf bem Cheater 
am (Sänfemarft, eoentueß nach einem teilroeifen Umbau ber 
Bühne, bie Pantomimen roieber ins Ceben 3U rufen. 5ür ben 5aff 

1 So bertdytet wentgfiens ITlcyer I. 226. 

* I. 2{2. 



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Kontraft mit ZXicolini. 



aber, baß bie beutfdjen 5reunbe nid?t geneigt fein foflten, eine fo 
©orteilfjafte Perbinbung etn3ugefyen, rjatte ber fcfylaue Italiener 
ftd? bereits oorrjer bie Erlaubnis 3ur (Errichtung einer eigenen 
£ube gefiebert; unb fo farjen fidf 2lcfermanns nur oor bie XDatjl 
3rr>ifd?en bem problematifchen Dorteil einer Perbinbung mit 
ZTtcolini unb ber ftdjeren Sd?dbigung burdj feine Konfurren3 
geftellt. Schließlich erfdnen bodj, namentlich mit Hücfficr/t auf 
bie großen (Erfolge, bie ZTicolim einft mit feinen Dorfieflungen 
gerabe auch in fjamburg errungen hatte, bie Dereintgung mit ihm 
bas Fleinere Übel. Scrjröber unb feine ZHutter machten alfo gute 
2Kiene 3um böfen Spiel unb fchloffen ben paft, um 3U ihrem 
Schaben 3U fpät 3n erfennen, baß fte bod) bie (Befährlicr/reit ber 
tticolinifcrten Konfurren3 bct)eutent> überfchäfet Ratten, »äfyrenb auf 
ber anberen Seite bie materielle unb tbeeQe Schäbigung, bie 
ihrem Cheaterroefen aus ber Derquicfung mit ber Pantomimen» 
roirtfehaft erumchs, fich als fehr beträchtlich fyerausfteüte. 

Die Meinen baulichen Peränberungen, bie fchließlich auf nichts 
2Jnberes, als auf bie DÖHige 23efeitigung bes Amphitheaters 
hinausliefen, oerfdjlangen allein bie in biefem 2lugenblicf fchtper 
auf3ubringenbe Summe oon ^6 000 (Sani abgeferjen baoon, 
baß besroegen ber iDieberbeginn ber Dorftellungen nach ber 
5ajienpaufe um \0 Cage Ijinausgef droben »erben mußte. 

3mmerhin fonnte man ftcrj bamit tröffen, baß an ftd? biefer 
Umbau eine roef entließe Perbcfferung bebeutete. 1 XDeit bebenf* 
licher mar, baß bem großen Umbau 3afjllofe fleine Peränberungen 

1 (Es bebarf banad; bie Semerfung I. 5\5, Sdjröber fyabe an bem 
Ct|eater roä'hrenb feiner Direftions3eit nur „fleine Perbeflerungen" anzu- 
bringen für nötig befunben, einer €infdn-änfung, infofern ohne biefen oon 
Zltcolini oorgenommenen Umbau Sd?röber bod? wohl fdjroerltdj auf bie 
Daner bie aus ber fehlerhaften erflen Konfination fta> ergebenben Unzu- 
träglidjfeiten hätte begehen laffen fönnen. ^reilta? mugte aua> ein Ceti 
ber oon Hicolini für bie Pantomimen angebradjten „Perbefferungen" fpäter 
»ieber fallen. Sdjröber benufcjte bazu bie erzwungene IHu§e ber Mafien 
oon j77<*. Damals roarb u. a. bas parterre um fedjs <fuß oerlängert, 
unb von ber unnötig tiefen Bühne Dorn ein Haum für's (Drdjefier, b» n *en 
einer für bie (Sarberobe abgenommen. 



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60 



ZTicoltnis #asfo. 



ftdj anfdjloffen, bie u>äl?renb ber Spiet3eit 3u Unterbrechungen 
nötigten unb bas Hepertoir empfinblid? Nörten. 21m fcr/limmjien 
aber mar, ba§ bie «gugfraft ber Pantomimen, bie am 20. 3«"» l??2 
if^ren Anfang nahmen, nadjbem ber erfte Hei3 bec Heuzert per« 
flogen war, auch hinter ben befcfjeibenfien «Erwartungen 3urücf= 
blieb, »äfjrenb eine ZHenge Ausgaben für bie Unterhaltung 
Zticolinis unb feiner (Truppe 2lcFermanns 3ur Cafi fielen. 

X>a3u fam, bafj Hicolini feinerfeits nicht nur bie 3ugefagte 
Unterftüfcung ber Scrjaufpieloorftellungeu burd] Cieferung oon 
Kofiümen unb 2)eforationen nicht leitete, fonbern überbies h cr * 
oorragenbe Schaufpielfräfte für bie mufifalifdfen 3nterme33i feiner 
Pantomimen beanfprudjte unb baburdj bie T)is3iplin ber (Eruppe 
fd?n?er fchäbigte. Schließlich »erlangte er fogar, man foüe ilmt 
für eine IDeile bas (Eerrain allein unb 3ugleich, 3ur Perfügung 
für bie muftfalifchen 3nterme33i, bie erfte Ciebfyaberin (Dorothea 
Siefermann) überlaffen. 

2luch biefes ©pfer roarb gebracht; bie 2lcFcrmannfche (Truppe 
ging im ZTooembcr J772 roieber auf Reifen, um erft im 3"»' 
J773 auf ihre ^eimatsbülme 3urücf3ufel?ren. ZTicolini fyatte alfo 
roflauf &e\t unb Gelegenheit, bie Schaulufi bes publtfums für 
feine Dorfteüungeu allein aus3ubeuten. lüie nicht anbers 3U er« 
irarten u>ar, fdjlug aber audj biefer Perfuch, bie oerlorene Sache 3U 
retten, fehl, fo bafi im Zflävs \773 tticolini es geraten fanb, ftd? 
oon 5rau Leiermann, feiner (Eruppe unb feinen Gläubigern fran« 
3Öftfcrj 3U empfehlen. Die ^urücfgelaffenen festen bann aflerbings 
noch ein paar ZHonate bie Dorjtellungen fort, bis auch biefe im 
ZlTai für immer ihr €nbe erreichten. 1 



1 Zladj Weyer (I. 2^5 ff.) r-crfucb.te ntabamc 2IcFermanu nadj ZTteolinis 
2lbgang mit ben pornetnnften IHitgliebern feiner (Eruppe am J9. unb 
20. 2lprtl (foÜ feigen 28. unb 29. 2Iprtl!) nodj 3n>ei DorfMungen, beren 
bürftiger (Ertrag aber „von alter IPiebertjolung" abgefa?recft fjabe. Zladf 
ben Steigen in ben 2lbre6comtoirnacb,ridjten fetjte aber bie (Eruppe bie 
Dorpeüungen tDäffrenb bes tftai unb 3uni fort. Die letjte pantomimen- 
oorfieüung fanb am 25. 3uui {775 ftatt. 21m 2*. 3uli eröffnete bie 
2trfermannfcb,c (Eruppe mieber ib,re Dorfietlungen. 



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folgen ber Perbinbung mit Hicolim. 



6* 



So Fläglich biefer Ausgang war, unb fo lange noch Her- 
manns von ben Ztadtwetyn 311 leiben Ratten, fo froh waten boch 
Sdttöbex unb feine 2TTutter, oerhältnismäfjig fo glimpflich unb 
rafch ber ^ifttgen partnerfchaft entlebigt 3U fein. 

Schröber hatte unter biefen Dertjältniffen am fchmerjten 3U 
leiben gehabt. Z>ie perumären Bebrängniffe, in bie bas Unter« 
nehmen burcb. bie aufgebrungene <£ompagnie Zttcolinis geriet unb 
in benen er nach Kräften feiner ZHutter €rleichterung 3U t>er« 
fchaffen ftdj bemühte , waten babex nicht einmal bie fjaupt* 
forge. 

Diel fernerer fiel für ifm ins <$5ea>icht, baß ihm bie Hücf* 
ficht auf Htcoltni fünjHerifch bie fjänbe banb unb ihm bie (Drgani« 
fation ber (ßefeflfdjaft, bes Hepertoirs unb bes publifums, auf 
bie er mit fräftiger 3nitiatioe hmbrängte, auf Schritt unb Critt 
hemmte. <£s roar gut, ba§ er beim Cfjeater aufgemachten, früfj 
gelernt hatte, ftatt ftch in 3ßufionen ein3ufpinnen, mit ben gege* 
benen Derfjältniffen unb Chatfachen 3U rechnen unb ftdj ab3u« 
finben. So oerlor er auch jefct nicht bei biefen erflen €nt* 
täuferjungen, fo empftnblich fie Um. perfönlich trafen, ben ZHut 
unb lie§ ftd] pon ber Balm, bie er als reerjt erfannt ^atte, nur 
fcheinbar oorübergehenb abbrängen. <5ut mar es auch für ihn, 
ba% et noch 3U Hermanns Ceb3eiten genügenb proben abgelegt 
hatte, auf melches Siel er losfteuere, unb tr»ie ernfi er feine 2luf« 
gäbe erfaßte. Sonf* hätten bie mährenb bes erflen 3ahres feiner 
alleinigen Direftion getroffenen ZtTafjregeln fehr leicht feinen unb 
feiner tCruppe fünftlerifchen Huf ernfHich gefährben tonnen. So 
aber brachte ihm gerabe ber einfichtsoollfte (Eeil bes publifums 
ein Vertrauen entgegen, bas ihm feine ^nxmgslage mefentlich 
erleichterte. 

Schon £effmg hatte, wie man ftch entfinnen wirb, bei ber 
erfien flüchtigen Begegnung einen feht günftigen <£inbrucf r>on 
ber €inftcht unb bem Derflänbnts bes jungen Schaufpielers für 
bie Aufgaben bes (Efjeaters empfangen. Das baburch in ma§» 
gebenben Kreifen für ben Stieffofm Hermanns geweefte günfiige 
Vorurteil hatte bann nach Schröters Hücffehr uon Kur3, als man 



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Bobes €infTujj auf Sa>röber. 



ben Warfen unb guten (Einfluß, ben er bei ber Heorganifation ber 
^Icfermannfcrjen (Truppe auf ben feiner Aufgabe nid]t me^r ge« 
wadjfenen Stiefpater ausübte, 3U fpüren begann, nur noa? ge* 
»innen tonnen. Vor allem aber fyatte er es feinen Be3iefyungen 
3u Bobe 3U banfen, ba§ er trofc feiner 3ugenb fidj in ben fünft* 
liebenben unb litterarif dien Kreifen ein 2Infeljen unb eine Stellung 
errang, bie es ifym in ber 5olge möglid? madjte, mefjr unb 
(Sröjjjeres 3U wagen, als irgenb einer cor ifmt. 

Daß gerabe Bobe burdj feine litterarif djen 3ntereffen, wie 
feine perfonlidjen üerbinbungen mit ben $üljrern ber neuen 
Citteraturbewegung wie tr>enige befähigt war, bem jungen Bübnen« 
leiter als pilot 3U bieuen, warb bereits angebeutet. Crjatfädjlid? 
hat benn aueb. Bobe gerabe auf bie wichtigen, für bie erfte 
DireFtiou Sdjröbers charafterijiifchen ZKaftregeln entfdjeibenben 
(Einfluß gehabt ober bie Anregung ba3U gegeben. 5ür Sd?röber 
aber war er besfjalb ein um fo wertooüerer Berater, als er — 
ungleich £öwen etnfl 2lcfermann gegenüber — aus reiner Ciebe 3ur 
Sache, ofme jeben felbflifdjen &wed, 3ur Hebung bes bamburgifeben 
Bülmenwefens freiwillig feinen Beiftanb lieb,. Die innige perfön* 
liehe 5reunbfd?aft, bie beibe miteiuanber oerbanb, trug bann nicht 
wenig ba3u bei, biefe ibeale 3ntercffengemeinfa7aft im täglichen 
Derfehr fefter 3U fnüpfen. 1 €s ift leiber — unb bas ift bei einer 
fo an3iefjenben perfönlichfeit wie Bobe befonbers 3U bebauern — 
wenig ober nichts an €in3cl3Ügen aus biefem frudjtbringenben 
(ßebanfenaustaufch 3wifchen bem älteren unb jüngeren 5reunbe 3U 
berichten. Die alte Biographie gleitet leidet barüber hinweg. 
<gu brieflichem Vettert lag, ba beibe ben größten Ceti ber 



1 \77<k warb er audj burd? Bobes Dermittelung bem ^retmaurerorben 
3ugefüt?rt unb als £efjrling in bie £oge (Emanuel aufgenommen. (Es roirb 
berietet, bafj man babei von ber üblichen Kugelung mit Kncfftdn* auf 
feine notorifcfye ttJürbigfeit abgefe^en tjabe. £eiber mu§ idj, ba mir als 
Hia^tmaurcr bie £ogcnard?ir.e oerfrfjloffeu ftnb, mir ein näheres (Eingeben 
auf Sa)röbcrs bebeutungsoolle maurerifdje (Et?ätigfett unb bie fta? ifjm 
baraus ergebenben Be3ielmngen, t>erfagen. 



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Die (Sefeflfajaft ber (Etjeaterfreunbe. 



63 



Seit wenige Schritte ooneinanber Rauften, 1 fein Bedürfnis cor. 
Überhaupt fdjeint „ber biefe J?err", nach ber r>erhältnismä§ig ferjr 
geringen 2In$a^I bis jefet r>on tlmt befannt geworbener Briefe, 
ein fefyr läfftger Korrefponbent gea>efen 3U fein. Aber, wenn 
trgenbwo, fo gilt es von 23obes Ziehungen 3U Schröber: „Tin 
ihren Früchten foflt iEjr fte erFennen \ u 

Vov allen fingen möchte ich annehmen, ba§ er eine wichtige 
Hoüe fpielte bei ber 33egrünbung jener Weinen litterar ifdjen <Se= 
feflfchaft, bie Schröber, wie es fcheint, noch 3U Acfermanns £eb3etten 
bei ftch oerfammelte. Diefe gan3 3wangIofe Bereinigung von Kunft» 
freunben r>erfcfnebenen Hilters unb Stanbes, bie ftch in bem allen 
gemeinfamen 3ntereffe für bie oaterjläbttfche Sühne unb bas nationale 
Drama 3u|ammengefunben fyatte, muß als einer ber wichtigen 
iaftoren bei ber Durchführung oon Schröbers Fünfllerifchem Pro- 
gramme betrachtet werben, trofcbem fte, verhältnismäßig oon furser 
Dauer, bereits im fjerbft \77% ihr €nbe erreichte Aber in ben 
brei 3 a h rcn th r * 5 Seftehens erfüllte jte in einer nahe3u ibealen 
XDeife bie Aufgaben einer theatralifchen AFabemie. 

Denn fyex hatte ber jugenbliche Direktor Gelegenheit, in einem 
Flehten, aber in feiner SefdjränFtbeit bie <£lite bes urteilsfähigen 
publifums barftellenben Kreife in vertraulichem GebanFenaustaufcb, 
feine plane 311 entwicfeln. £jier ftreefte er für Fünftige Unter« 
nehmungen bie 5üb>r aus, inbem er ben freunben ShaFefpeare 
in IDielanbs Überfefcung, SopfjoFles in ber Stembrüchelfcheu 
Übertragung nahebrachte, fjier hatte er bie erwünfehte Gelegenheit, 
ehe er mit bem IDagnis einer Aufführung an bie große (Öffentlich« 
Feit trat, 3U prüfen, »eichen €inbrucF biefe gan3 aus bem Hahmen 
bes gewohnten Cheaterrepertoirs fyevaustretenben Dichtungen auf 
biefe urteilspode Fleine Gemoinbe machten. X}ier war er im 
Stanbe, bie auserlefeue Schar ber Kenner, auf beren Stimme bie 
öffentliche ZTTeinung mit Hecht hörte, an bie neuen Aufgaben, bte 

1 „Bei Bobe am l^bamm" (ber heutige „Alfterbamm") untcrjeiaV 
nete <£laubius feinen Brief an fjerber vom 20. September [77 \ (Aus Berbers 
Haa?Ia6 I. S. 36*); Sdjröber be3og im Ijerbft \77\ ein eigenes I?äusd?en 
im 0pernbof, bas er auf feine Xojtcn ausbauen lieg. (Weyer I. 227.) 



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6^ 



Die 3nttmen bes Kaufes 



er feinen Sdjaufpielen unb feinem publiFum 3U fleöen gefonnen 
war, 3U gewönnen. 

^ier trugen ihm wteber bie 5r«unbe frifcf?e cginbrüefe aus 
ber CeFtüre unb ben <£rlebniffen bes Cages $u. *}ier würbe, was 
bie gärenbe Citteratur beweg ung an poetifchen unb Fritifchen €r» 
3eugniffen 3U (tage förberte, in belebtem IDechfelgefpräch erörtert, 
hierher brachte 23obe frifdj aus ber preffe bie „5üegenben Blätter 
von beutfdjer 21rt unb Kunft" f Jjter taufdjte man (ßebanfen über 
«Emilia (ßalotti, über ben (Böfc bes unbefannten 5ranffurter poeten 
ober über Seyens „fjofmeifter" unb bie UTöglicrjFeit einer 2luf« 
f ü^rung biefer unb ärmlicher <£r3eugniffe ber neuen beutfdjen „21rt 
unb Kunfi". Unb trofebem als (5efefe galt, bie Unterhaltung auf 
(ßegenftänbe ber SchaufpielFunf! 311 befchränFen, n>irb aud? wohl 
gelegentlich ein tPort gefallen fein, über bie Sammlung oon 
Klopftocfs ©ben, bie unlängtf erfl 5reunb 3obes „patriotifcher 
Ungeftüm" bem 3aubernben Dieter abgerungen, ober über bie 
„tenore" bes Amtmanns oon 2Jltengleicheu. 2luch ber ZDanbs« 
beefer Bote, um biefe «§eit, wie feine Fritifdje Cbätigfeit in ben 
2lbrefjcomtoirnad}rid>ten beweijl, ein enttmfiafHfcher (Eheaterfreunb, 
wirb gelegentlich aus feiner (Tafdje ein ftimmungsoollcs £ieb ober 
einen fräftigen Spruch beigefteuert haben. 3h n h a &* n wir uns 
wohl als regelmäßigen (Teilnehmer an biefen Derfammlungen 3U 
benFen. Sonft fmb wir über bie perfönlidfFeiten ber emseinen 
(Senoffen bes Kreifes, oon Bobe unb bem ausbrücflich als foldjer 
genannten Sdjaufpieler Brocfmann abgefefyen, nur auf Ver- 
mutungen angewiefen. 

„Die (ßefeflfchaft formte ftch nad? unb nach," berichtet ber 
alte Chronifl bes fjamburgifchen CCheaters, „aus Kennern unb 
Dilettanten, aber burdjaus mannen Anhängern bes (Eheaters, 
3urifien, (Seiehrten oom fjanbwerF unb Ungelehrten, aber burch 
Seifen unb CeFtüre gebilbeten UTännern aus bem Kaufmanns» 
ftanbe." Hamen werben aber h^r ebenfowenig, wie in ber 
Darfteüung pon Sdjröbers Biographen genannt. 

Schon heraus geht tywot, bafj es Feine Fritifchen ober 
litterarifchen <5rogen waren, bie ber junge DireFtor um ftd] »er« 



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K. unb 3. fjctfc. <£. ». Pogtjt. ITC. IPeffelf. 65 



fammelte, fonbern oormiegenb junge £eute, beten perfönliche 
Ziehungen 3U Sdjröber 3um (Eeil noch in bie fecfßiger 3 a h r e 
3iirücfgef}en mochten. So bie beiben Söhne Oes 21rchibiafonus an 
5t. petrt £}eife, Karl 3°h<*nn, 1 ein 21ltersgenoffe Schröbers, öer 
feit J767 in fjamburg als praftifcher 2lrst lebte, unb fein brei 
3ahre jüngerer 23ruber 3<>h ann 2lrnolb, 2 ber nachmalige Bürger« 
meifter, ber als frtfdf gebacfener Licentiatus juris feit bem £}erbft 
\77\ am ZTiebergeridn" arbeitete. 2Iud? ben faum 3tr>an$igjäl?rigen 
Cafpar Doght, 3 {780 Schröbers Hadtfolger in ber Direftion, 
bamals ein junger Kaufmann, bürfen u>ir uns roobl fdjon um 
biefe £eit als 3"Hmen bes Kaufes benfen. Ziehen biegen jugenb* 
liehen fjeifcfpornen, beren frifdjer cgnthuftasmus in ben Porfiellungen 
bas 3aubernbe publifum untmflfürlich mit fortriß fehlte es nicty 
an befonneren, reiferen (Elementen, bie (Teilnehmer biefer ^ufammen» 
fünfte gegen ben Perbadjt frittflofer Cobrebner aller ZHafjregeln ber 
Direftion fdjüfcte ober jebenfaüs biätte fdn'ifeen foücn. £}ier roar an 
erjier Stelle Bobes PerfÖnlichfett unb bas Vertrauen unb Jlnfehen, 
beffen er auch außerhalb biefes Kreifes überall genofj, Don großem 
«Einfluß. 21ud] ber Derf affer ber „ Briefe über Ceffmgs €milia 
ißalottt", ZHofes tDeffely, bamals ein Dreißigjähriger, roirb ftdjer 
in ben Derfammlungen nicht gefehlt haben.* tPogegen es 3tr>eifel* 
haft erfcheint, ob ber Kommiffionsrat Schmibt, berfelbe, bei bem 
einft £effmg Raufte, unb ber im Perein mit feiner 5rau in ben 
fuchsiger unb ftebsiger 3<*hren mancherlei fürs (Theater lieferte, 
ZHitglieb biefer engeren <5emeinfchaft je geroefen xft. 

ZTIit ben (itterarifchen (Bröken fjamburgs, oor allem Klopfiocf, 
hatte man jebenfalls feine iühlung, rote es benn auch ote Kritifer 
oon 5ach, an ihrer Spifce Wibrecht Hartenberg, u>aren, bie gegen 
ben oon hier aus auf bas publifum ausgeübten €influ§ als 



1 Dergl. Sd)mibts Denftpiirbtgfeiten, Ijerausg. oon £j. Ufjbe, I. 2\7 ff. 

* (Efrenba I. 2*9 ff. 

* 3tm unb bic beiben fjeife fyatte tDobJ Sdpnibt im Sinn, roenn er 
(im Hlmanad) oon (8(0, 5. <*6) bemerfte, aus biefem Kreife „leben einige 
noeb, jefci unb gereichen in toieb, tigeren Ämtern nun ber Stabt 3ur §ierbe. w 

4 Sdmiibt, Denfujürbigfeiten I. S. 2*3, II. 5. (35. 

Cifcmann, Sdjröbtr II. 5 



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66 



Die <5efeUfd>aft ber (Eljeaterfreunbe unb bas pnbltfum. 



etwas Unberechtigtes protefl erhoben. SHIerbings würbe wohl 
fdjwerlich ein publifum unferer (Lage ftch oon einer Meinen, wenn; 
auch noch fo intelligenten 2ttinorität fo beherrfchen laffen, wie bas 
Hamburger publifum ber fteb3iger 3aB?re von biefem parterr 
freiwilliger Kritifer. Sie Ratten ftch, berichtet ein jüngerer <5eit= 
genoffe/ ber felbft <^euge gewefen, „3um täglichen C^eaterbefud), 
Sur Stimmengebung währenb unb nach ben Dorflellungen, öeifaü« 
geben unb Derwerfung im Stücfe, 3ur Seförberung ber Sitte unb 
(Drbnung im Schaufpielfjaufe miteinanber oerbunben. (Bewöhnlich 
befefeten fie bie Dorberbänfe bes Parterre, unb man fernen ihnen 
biefen Dorrang auf ben Sifereif?en, auch oErne Derabrebung, fo gern 
3U3ugefief?en, baß oft nicht 3U biefem Klub gehörige Parterre« 
befudjer ben fpäter fommenben Derbünbeten ihre piäfee anboten. 
Diefe felbfit gewählten Conangeber applaubierten neuen guten 
Stücfen, ober ein3elnen gut gegebenen Scenen, ober fdjön ge* 
fprochenen Stellen in benfelben; fte geboten Hufje, 0rbnung unb 
Stille, wenn im publifum, gleichviel ob aus Cogen ober oon ber 
(Salerie, ungerechtes Cob ober Bfämifdjer (Eabel ober irgenb eine 
unanflänbige Üußerung laut warb." €s ijl in ber Ct|at ein 
fchwerwiegenbes lob, wenn tynsugefügt wirb: „IDir entftnnen 
uns nicht, baß jte biefes felbj* angemaßten Dorredjts 3um Hacr/teil 
bes übrigen publifums gemißbraudft hatten. " Wxt aber bürfen aus 
biefen «geugniffen eines ungewöhnlichen Caftes unb eines feinen 
(ßefchmacFs wohl einen Schluß 3iehen auf ben (ßeift, ber bei ben 
Derfammlungen im Direftorftübchen im ©pernhofe I^crrfctite unb 
aOe Teilnehmer mit einer fo reinen Begeiferung erfüllte. 

Allein fo banfenswert unb fo fruchtbringenb auch biefe 
Perfudje einer äfthetifchen <Er3tehung bes großen Publifums fid? 
erwiefen, fo wenig ruhte boch in biefen Kunbgebungen bas Schwer« 
gewicht ber fünfilerifchen Begebungen biefes Kreifes überhaupt. 
Das lag vielmehr in bem (Bebanfenaustaufdf, ber innerhalb ber 
oier ttMnbe über bas, was ber beutfehen Bühne not thue, jtatt- 



1 Sdfüfye a. a. ©. 5. 398 ff., verql. ba$u aud> Ulmanadf fürs 
(Eljeater \8\o, 5. ^6. 



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Ijemmnngen bnrdj bie Wanbeten^en^ ber (Truppe. 7(5 



fanb. Uls ben Ztfeberfdjlag biefer €ru>ägungen barf man roorjl 
jenes fogenannte Preisausfdjreiben oom Srüfjling \ 775 be3eidmen, 
3u bem 33obe unmittelbar bie Anregung gab, unb bas über bie 
«3iele, n>eld?e Scfcröber für erftrebenstoert unb möglich, fyelt, rjeHjies 
Cict?t oerbreitet. 

Das freubige Zutrauen aber, bas in ben (Tagen ber partner« 
fdjaft tficolinis nur ber engere Hirtel ber in Sdjröbers Pläne unb 
IPünfcr/e eingeweihten 5feunbe f/egen unb ben ^rociflem gegen- 
über »ertreten fonnte, bas batte ftd} fer/on geraume *>or 
jenem, bie 2IufmerFfamfeit ber litterarifdjen Kreife Deutfdflanbs 
auf irm lenfenben, ZTTanifejie »eiteren Kreifen bes publifums mit« 
geteilt, bas feit bem 3<*rj*e J773 ^euge roar, was feine Fräftige 
3uitiatioe aus Sd?aujpiel unb Schaufpielern beraus3uarbeiten im 
Stande roar. 

2luf allen <£cfen unb €nben fpürte man bas JDalten eines 
energifd?en, nach, einem feftem plane bisponierenben (Seifies. Don 
ber unfteten, flacfernben Pielgefdiäftigfeit ber legten Dhreftions* 
jabre 2lcfermanns war nichts merjr 311 ocrfpüren. 

Unb bodj fyatte ber 2llte bem 3«ngen genug Hefte übrig gelaffen, 
bie aufsuarbeiteu aud) orme ben ^toifd?enfa(l ZTicolini fein leidstes 
StücF war. ^ierfjer gefjorte oor allem bie tt>anbere£iften3, 3U ber 
bie (Truppe, wefentlid? burdj bie Unbefonnenrjeit 2tcFermanns, einen 
großen Ceil bes 3ab.res oerbammt war. 21llerbings trug ja, wie er- 
mähnt, bie €ngrjer3tgfeit ber ^eljörbe, weldje wäfjrenb ber 
2Jboent* unb Saftenwocr/en Crjeater in Hamburg nierjt bulben 
wollte, einen (Teil ber Sdmlb. 1 (Erofebem wäre viel 2lnlafc 3U 
Derbrufj unb audj materiellen Derluften oermieben roorben, irenn 
2lcfermann ftd? nidjt in fjannooer felbft ben ZTärjrboben abgegraben 
rjätte. So lange aber fjannooer nidjt 3ugänglid? war, mußten 
für3ere 33efud?e in ben 23ad}barfiäbten biefen Ausfall, »0 nicr/t 
weit, fo boeb. weniger fühlbar mad?en. Doch, fd?on fjier ©errieten 



1 Hur tȊt}ren& ber ^aften \77* warb nidjt gereift, fonbern pauftert. 
Sdjr5bcr benutze biefc Itttijje 311 baulichen Peränberuugctt am (Theater. 
Dergl. oben S. 59 2lnm. 

6* 



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68 



Sd)lesipig, £übed\ Celle. 



Schröbers Dispofüionen im erjten 3al?r eine ungleich größere Be* 
fonnenEjeit unb <5efcf?icflid?feit. Der Foftfpielige, für eine Cruppe 
öom Umfang ber ^efermannferjen, nie bie Auslagen einbringende 
Befud? bes Kieler ttmfchlags, ben 2Icfermann noch auf bem Sterbe« 
bette feiner «Srau bringenb empfohlen hatte, u>arb ein für aflemal 
geftrichen. Dagegen roarb Schleswig, wo bie Hofhaltung bes 
funfifmnigen Statthalters ben Sdjaufpielern fiets freunblidje 2(uf* 
nähme, angenehme gefeüige Be3iermngeu unb perhältnismäßig 
lormenbe Einnahme ftdjerte, nicht fofort aufgegeben unb bis sum 
3a^re \775 n?ieber^oIt befudjt. 1 Der Ztachbarjlabt Cübecf aber 
marb in bemfelben Zeitraum nur 3toeimal ein Befudj abgeftattet 
unb bas, roie es fcheint, auch nur, roeil außer ber &e\t bie (Sefell* 
fdjaft burdf unoorfjergefe^ene Umftänbe sum Heifeu genötigt 
mar. 2 ZXadi Süben roarb erft \773 »ieber ber IDanbersug an- 
getreten, unb sn>ar nach Celle/ bas burdj bie Hofhaltung ber 
unglüeflichen (Caroline 2TIatIjiIbe unb feine für bie Hachbarftäbte im 
Braunfdjtoeigifchen unb f|annöoerfd?en bequeme Cage einen, wenn 
aud? nur befdjeibenen €rfafc für bas noch immer perfchloffene 
fjannooer oerhieß unb in ber C^at ben gehegten «Erwartungen 
entfprach. Das roertootlfte Ergebnis aber roar, unb bas mochte 
auch fdjon in Sd)röbers Berechnung gelegen fyaben f baß bie in 
Celle gepflegten Be3iehungen mit bem ^annöoerfchen 2lbel, per- 
fönliche Berührungen mit bem Statthalter uon Hannover, ber 
Cruppe roieber ben Weg nach t^annooer felbfl bahnten. Dor 
allem fcheint, u>ie gefagt, eine perfönliche Begegnung Schröbers 

1 J772 roarb Sdjlesnrig 3n>eimal befugt: Dom \o. De^bx. ^77^ bis 
3<*nuar, nnb o°»n 9. )Xl&v$ bis u«2tprü« Dann nodj einmal \Ti\l~~t: 
Vom 6. Dc3br. \7l^ bis \o. ^ebr. 1775 unb vom 6. IH8r3 bis 7. 2tprtl 
1775. IHeyer fprid)t I. 226 von pertragmäßigen Derpflidjtungen mit 
Sd/lesujig. Die wenigen über bie Xeifen ber 2lerermannfdjen Cruppe nad? 
5d>lestt>ig erhaltenen 2lften{*ficfe, im Königlichen Staatsard)ip 311 Säjles- 
toig ergeben baräber nict»ts. 

s Cinmal auf Drängen ZZicolinis 1772 pom 9. Hopember bis (8. De3br. 
Das anbere JTlal J775, unmittelbar nad> Charlotte 2Itfermanns plofclidjem 
Cobe, pom J9- IHai bis 6. ^uli. 

8 IHan fpielte bjer pom 8. 3anuar bis 2. Jlpril. 



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Jjannooer. tfafhmoorftellungen in Altona. 



69 



mit bem Statthalter fje^og Karl von Znecflenburg«Streli|3 bie\e 
günflige IDenbung herbeigeführt 3U traben. 1 Unb fo fonnte fidj 
unmittelbar an ben 33efuch in <£eü*e ein oier HTonate toährenber, 
an «Erfolgen reicher Aufenthalt in *?annooer reihen. 2 Zluv bem 
Umflanbe, bafj ber Hamburger Hat {773 bie erfle, $me\ 3<*h™ 
fpäter bie 3»eite Aboentsrooche sum 5pielen freigab, foroie 3um 
Ceil roohl auch ben aufregenben €reignif[en bes Sommers J775 
ift es 3U3ufdireiben, bafj ber 23efuch erjl im 3oh re ^776 roieber* 
holt t&aro; bann allerdings fo ausgiebig, bafj bie fjamburgiferje 
Cruppe mehr als ein Drittel bes 3<*h rc s m £}annot>er 3ubrachte. 3 
Hachbem aber J777 ber Hat auch bie britte Aboentsrooche 
freigegeben, glaubte Scrjröber überhaupt, bas Heifen in bie 5eme 
einteilen 3U fönnen, unb begnügte ftch bamit, roährenb ber Mafien 
bie Dorfieflungen nach bem benachbarten Altona 3u oerlegen, 
reo natürlich cor einem roefentlich aus fjamburgern bejiehenben 
publifum gefpielt rourbe. Als nun J779 4 auch bas Perbot für 



1 3*i>e"falls lefc idj bas aus ben im bunfelfteu (Drafclftil gehaltenen 
2Inbeutnngen ZHeyers I. 2^5 heraus. 

5 Die Dorftellungen in fjannooer (auf bem großen Sdjlojjttjeater) be» 
gannen am (3. April unb enbeten erft am (6. 3uli. Vor ber 3roeiteu 
Dorfteilung, in ber bas „mufifaltf^c Drama" Der Deferteur gegeben warb 
(am U- April), fpielte fidj 3n>ifdjcn Sdjröber unb bem ^elbmarfdjall SpÖrfeu 
jenes ergötjlidje, für beibe (Ecilneb.mer fo beseidmenbe gumgefpräd} ab, 
beffen lüortlaut uns £. W. Sdjmibt err/alteu fjat. Dergl. Almanaaj 
fürs (Theater (809, S. (28 ff. unb Denfmürbigfctten, rjerausg. dou £j. Ub.be 
I. 208 ff. 

* (776 vom 9. April bis \n. 3 un '- (776/77: vom 27. Dejbr. (77b 
bis (^. 3 un ' (777. Sdjröber füllte ftdj tn'er aud? fo berjaglidj, ba§ er eine 
3eitlang eruftlicb, fidj mit bem 03ebanfen trug, „3m ei 03efcllfd?aften 3U er' 
ridjten, bie abmedjfelub in Hamburg, in I?annor>er unb Sdjlesroig fpielen 
follten." So berietet Weyer I. 287. Der Ausbrucf ift aber nidjt glüeflid? 
getpäbjt unb ermeeft falfdye Dorftellungen. ©ffenbar Ijanbeltc es ftdj babei 
um eine DerftärFung feiner (ScfcUfdjaft, bie ihm in ben Staub fefoen foüte, 
je nadj Sebarf, einen größeren 23rud?tetl in bie betbeu ttjcaterfreunblidjen 
Stäbte 3U entfenben, ofmc barum berroeil ben Coben in Ijamburg ^remben 
preisgeben 3U muffen. 

4 Die erfte ^aftenroodje mar bereits ( 778 freigegeben morben. 



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70 Aufboren ber Keifen, migglütfter Derfud? eines Abonnement». 

bie vier erften iaftenmoerjen in Hamburg fiel, lag überhaupt fein 
Sebürfnis mehr 311m IDanbern t>or. 

Pom Zf\äv$ \7?7, voo bie leiste Porfteüung in I?annoDer 
jiattfanb, fann alfo bie llmroanblung bes Acfermannfd?en Cfjeaters 
aus einer IDanbertruppe in eine fterjenbe, auf Hamburg afleiu 
befdjränfte 53ülme batiereu. ZHan müßte benn ben 2. April 
J778, wo bie lefcte 5aftem>orftellung in Altona ftattfanb, lieber 
bafür gelten laffen roollen. 3 m ™erlnn § a ü* Sdjröber bamit in 
3ermjcU}riger harter Arbeit einen fjauptprogrammpunft bes alten 
ZTationaltrjeaters 3iir iDirFlidjfeit gemacht, (ßerabe fünfunb- 
3man3ig ^alire waren feit ber 23egrünbung ber Acfermannfdien 
Cruppe oerfloffen. 

3e euergiferjer Sdjröber auf bies <$iel, feine (5efeüfcr}aft bauernb 
in Hamburg fefjljaft 311 machen, losjreuerte, um fo empfmbltcfyer 
mußten er unb bie Seinigen baoon berührt »erben, baß in £jam* 
bürg felbft biefe öeftrebungen feinesroegs überall bie genügenbe 
Unterjiüfcung fanben, ja lue unb ba offenem IDtberfprud? unb ge* 
Ijäfftgen Angriffen begegneten. So fdjeiterte ein am Schluß ber fo 
überaus erfolgretdjen Sommercampagne t>on J776 unternommener 
Perfud?, ben «Einnahmen burd? Eröffnung eines 3af?wsabonnements 
eine geroiffe StetigFeit 3U oerleifyen, 1 an ber (Ceilnaljmloftgfeit bes 
Publifums. Hur roenige Cfyeaterfreunbe, fo ber englifd?e Äeftbent 
ZTIatruas, machten von ber gebotenen CTlöglidjfeit, ftdj ein für 
allemal einet» Plafc 311 fiebern, (ßebraucl?; bas große Publtfum 
Derzeit fidj gän3lid} ablelmenb. ZTlodjte Scfyröber ftd? nun aud? über 
biefen 2TU(jerfolg bamit tröften, baß es feit Sdjönemanns (lagen 
nod> feinem beutfcfyen Sdjaufpielunterne^mer geglüeft fei, bie 



1 €s ift nidjt ohne 3ntereffe, bie Jjauptbebtngungen fennen 311 lernen. 
IXad} bem im Horcmber »776 oeröffentltdjten plan foüte bas Abonnement 
gleid? nad? (Dftertt J777 beginnen unb bis jum Sdjluffe ber erfreu Mafien- 
tuodje 1778 tuätneu. Der preis betrug in ben £ogeu bes erften Hanges 
200, in betten bes 3tpeiten Hanges J50, im parterr [oo OTarf. Dafür 
mürben 200, nadj belieben übertragbare, Stllets gemätfrt; aufierbem mad)te 
bie Dircftion ftd> anbeifdng, alle u (Eagc ein neues Stücf 3U geben. Die 
(Salerie blieb Pom Abonnement ausgeflogen. 



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(Entroitfelung ber beutfc^ert Sdjaufpielfunf* tu fremder Sdjule. 7\ 

Abneigung ber Hamburger gegen ein Abonnement 3U überunnben, 
fo mußte es ü?n boeff mit Hedjt ©erbrießen, baß toenige ZJTonate 
3ut>or ftdj im publifum eine entfdnebene (Seneigtbeit geseigt hatte, 
einem Auslänber 311 gemäßen, tr>as man bem beutfdjen Canbs* 
mann oerfagte. 

Das alte (Erbübel ber Dentfdjen, bie blinbe Deretyrung unb 
33eDOr3ugung bes 5remben auf Koften bes <£inl}eimifd)en, ber 
ZHangel an nationalem pfüdjtbetxmßtfein unb Selbfigefüfyl, bas 
leiber in unferer politifdjen <5efdficb,te eine fo Derfyängnisoolle 
Holle gefpielt rjat unb $um (Eeil noerj Ejeute fpielt, b v at audj in 
ber (Sefdudtfe ber nationalen Sd?aufpielfunji feine ®pfer ge« 
forbert. 

Daß bie erjlen beutferjen Sdjaufpieltruppen im Anfang bes 
\ 7. 3afjrfmnberts jtd) mit frembem ZTamen als „englifdje" Konto* 
bianten einführten, um burdf bies Ausfjängefcfrjilb ifyr publifum 
ar^ulocfen, Ijatte allerdings [einen guten (ßrunb. 

Die <£ng(änber, bie feit Ausgang ber adliger ^ah^re Oes 
\6. 3at?r^unberts Deutfdjlanb burefoogen, fyatten tfyatfädjlid? ben 
Deutfdjen erft bie Augen über bas IPefen ber Sdtaufpiel f u n ft 
geöffnet. Por i^rem Auftreten fjatten in Deutfdjlanb alle mimifdjen 
DarfieÜungen in ben ffänben mefjr ober minber berufener Dilettanten 
gelegen, unb bie öefuerje fransöftfdjer ober italienifcrjer Künftler an 
ben 5ürfienljöfen roaren an ber breiten ZHaffe bes Polfes fpurlos oor» 
übergegangen. <£rft bie englifdjen Cruppen, bie fictj nid?t mit ber 
Holle oon F)offomöbianten begnügten, bie frifdj unb fütm fiefj 
baran matten, ber fremben Sprache 3um Crofe, ifyre Kunft 3U 
popularijteren, Ratten, inbem fte bureb, iljr Hepertoir unb buref] 
ihre Spielroeife ZlTufter b^erer Kunfl aufhellten, bie Anregung 
311 ber <£ntu>icfelung bes neuen funfhnäßtgen Dramas unb eines 
feiner DarfteHung fid? berufsmäßig roibmenben nationalen Sd?au= 
fpielerjtonbes gegeben. 

<£s u>ar ba^er nur natürlich, baß bie erflen Deutfdjen, 
bie aus itjrer Sdmle hervorgingen unb bie jtcrj bis auf ben 
fleinften tedmifdjen Kunftgriff als ZTacb,aI}mer oon ben €ng» 
länbern abhängig füllten, ftet) auch, als englifd?e, b. h- in 



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72 Konfurrenjnufäbigfcit b. beutfcfyen Sdjaufpielfunfi im (7. 3af?rlj. 



englifcher Hlanier auftretende Komödianten einführen 3U muffen 
glaubten. 

Cfyatfädflid? Ratten fte auch, nacbbem bie Stürme des breigig* 
jährigen Krieges bie fremben Künftler oerfdfeucht Ijatten unb all* 
mählich im Volt bie Erinnerung an jene verblaut u>ar, balb bie 
frembe 5lagge niebergeholt unb ftch mit richtigem nationalen 
(Eaft, nicht ohne Selbjtgefühl als „hodjteutfche cEomöbianten" 
beseidmct. 

tetber aber Ratten biefe armen Ceufel, 3um Ceti infolge ber 
unfeligen politifdjen Perhältniffe, 3um Ceti infolge ber eigentüm* 
liefen €nta?icFelung, bie bie beutfdje bramatifche titteratur im 
\7. 3^1?r^unbert burdjmachte, 3U €l?rcn unb ZTufcen ber beutfehen 
Kunfi nicht »iel beitragen fönnen, unb namentlich Ratten bie £}öfe, 
mit wenigen Ausnahmen, bie beutfehen 33erufsfchaufpieler neben 
fran3Öftfchen unb italienifchen Gruppen nicht für r>oH unb eben« 
bürtig gelten laffen. <2s fann bat^er nicht trmnbcr nehmen, dafc 
audi in ben Heidjsjläbten, tr>o beutfdje Komöbianten mit aus» 
läubifdjen in Konfurren3 famen, gerabe bie feiner gebilbeten Kreife 
unverhohlen bie fremben begünfHgten. Denn auch bie geringeren 
(ScfeUf djaften ber Cefeteren oerfügteu über ein gutes, funfhnäfctges 
Bepertoir unb über eine auf langjähriger Crabitton beruhenbe fd?au- 
fpielerifche Cedmif. Die beut[d?en Cruppen hingegen, bie ohne ihre 
5chulb alle 5ühlung mit ber heimifchen Citteratur oerloren Ratten, 
3ehrten 3um (Eeil von ben fpärltchen Heften bes Hepertoirs ber €ng* 
länber, bie jte burch Sufäfee eigener €rfmbung in bebenflichfter IDeife 
auf3uj)u^en für gut befunben hätten. neuen (Erwerbungen 

ihres Hepertoirs bejtonben aber in Bearbeitungen unb Uberfefcungen 
aus ben mobernen fremben titteraturen, bie überall bie fatalen 
Spuren einer nur auf bie rohejlen theatralifchen cgffefte tn" r 
arbeitenben, oon höheren litterari|d?en 3nteref[en nicht ge3Ügelten 
Komöbiantenfauft 3eigten. Die fchaufpielerijche Cedmif enblich, 
über bie fte »erfügten, wav bem ebenbürtig : formelhaft, feelenlos, 
im fjanbtoerfsmäjjigett unb tfTechanifchen aufgehenb. <£s half 
ihnen wenig, bafc fte biefem bürftigen, 3erfchltjfenen (ßewanbe 



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Die Konfnrren3 ber (fremden in fjamburg. 



73 



burch einige ben fremden Konfurrenten abgeguefte Kunftgriffe 
ein paar prunfenbe 5Utter auf3ufefcen fugten. 

<£s war alfo mit einem Wort burdjs ganse \7. 3a^unbert 
bie beutfdje Schaufpiel fünft überhaupt nicht fonfurrensfäfytg ge* 
roefen; aber bie Sdmlfc baran trugen nicht allein bie Schau» 
fpieler. 

ZTun hätte man boch meinen follen, bafj, nachbem burch 
<5ottfcheb unb bie Zteuber unb bereit Hachf olger alles in gute 
33armen geleitet toorben, nachbem bas 23ühnemt>efen in ben 
50 3a{jren nach <5ottfchebs Auftreten ungeheure ^ortfdjritte ge* 
macht, unb ZHänner rote cgfljof unb 2Icf ermann in ihrer 21rt un» 
erreichbare ZTTufter beutfdjer Schaufptelfunft aufgehellt Ratten, es 
»erbe jefct oon einer ernfHidjen <5efährbung bes beutfehen 
Creators burd? frembe Konfurrens nicht mehr bie Hebe fein 
Fönnen. 2lber bie Deutfdjen Ratten nicht Deutfcf^e fein muffen, 
roenn jte nicht burch fieinltche ZTörgelei unb t?ämi[d?e Kritif auch 
btefe Symptome aufblühenber nationaler Kultur 3U fchäbigen unb 
$u erftiefen jtd? bemüht Ratten. 

c2s ijf gelegentlich bereits früher 1 barauf htHgeu>iefen roorben, 
bafj gerabe in Hamburg nietet [eilen ber nationalen Kunft frembe 
Konfurren3 ben 33oben f?ctg gemacht hatte- Heben ber italienifdjen 
©per Ratten bie beutfehen tPanberfomöbtanten allemal einen 
fdjroeren Stanb. 

2lber fo empfmblich biefe Dorliebe ber Hamburger für bie 
©per auch bie Kaffen ber beutfehen Schau|pielprin3tpale fdjäbtgte, 
jo lag bodf an unb für jtch für lefctere in btefer 23er>or3ugung ber 
IDelfdjen nicht gerabe3u öefchämenbes, benn es ^anbcltc ftch hi*r 
nicht um einen mit gleichen Hlitteln in berfelben Mirena ausge* 
fochtenm fünftlerifchen UMtfampf. 21nbers aber geftaltete ftch 
bie tage, als fran3Öftfche Schaufpteltruppen in ber unverhohlenen 
2lbftcht, bie beutfehen Kollegen 3U überbieten unb 3U oerbrängen, 
ftd] in Hamburg ein3uniften begannen unb in ihren Begebungen 
bei einem Ccil bes publtfums eine fanatifche UnterjKtfeung fanben. 



' Dergl. I. 265. 



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^rati3Öftfd?e Sd>aufpieler in Hamburg. 



Wir traben fchon geferjen, roie im 3abre \ 767 bie Unter* 
neunter bes „ilationaltheaters" irjrett ZTItßerfolg ber Konfurren$ 
fran3Öftfcher Komödianten öffentlich 3ufchrteben; unb toenn auch 
in biefem 5aHe anbere Urfadjen mtnbeftens ebenfo ftarf für bas 
5tasfo ber beutfcrjen Kunft ins <ßea>id?t fielen, fo roar unb blieb 
es boch (Lhatfache, bajj bas rjamburgifche publifum ben 5rembeu 
bas gleiche, nicht ein größeres 3"tereffe entgegengebracht 

hatte, tr>ie bem mit fo großen Hoffnungen unb ©pfern- ins Ceben 
gerufenen erften beutfdjen itationaltheater. 

Der befte 23ea?eis für bie guten <5e(d?äfte, bie bie 5ran$ofen 
in Hamburg fchon bamals gemacht haben müffen, fmb ihre in ben 
nächften 3ahren uueberholten Befuche. Unter Rührung Hegnaults, 
an beffen Stelle fpäter £jamon trat, tauchten fte bereits fürs oor 
ben haften ^ 769 lieber in Hamburg auf unb fpielten, nachbem 
bie haften nach wenigen Dorftellungen fchon fte 3U einer Unter« 
brechung genötigt hatten, t>on ©ftern J769 bis <£nbe bes 3<*h*es, 
anfangs gleichseitig mit ber beutfehen IPäferfchen, fpäter (feit 
September) mit ber Acfermannfchen (Lruppe; ja, als lefctere 5U 
Aboent ihnen toieber bas 5elb allein überlaffen hatte, »erlängerten 
fte ihren Aufenthalt bis $u ber 5aftenpaufe \770; in biefen legten 
Wod] dt hatten fte ftch auch ber bequemen Bühne bes Acfermann 
abgemieteten neuen (Theaters 3U erfreuen, roährenb fte bis bahtn 
ftch bem fleinen Schaufpielhaufe am X)ragonerfiaü hatten behelfen 
müffen. Als ein Reichen ber (Teilnahme, welche fchon um btefc 
^eit ben Auslänbern entgegengebracht tourbe, barf »ohl eine im 
Sommer J769 erfdnenene Brofchüre gelten, bie bas 5ortbejlehen 
ber fransöftfehen Bühne burch ein Abonnement 3U ftchern empfahl. 1 

Aber alles bies mar nur ein beferjeibenes Dorfpiel 3U ben 
erbitterten Kämpfen, in welche Schröber gerabe in bem Augenbltcf, 
tpo er ftch anfehiefte, fein ambulantes (Lheatermefen in eine flehenbe 
hamburgifche Bühne umsugeftalten, fich oeraricfelt fah, unb in 
benen er mit berechtigtem Unn?tHen einflußreiche Canbsleute als 



1 „An bas bamburgifdje publifum 3iir öeförberung bes fransöfifdjen 
Sd)aufpiels", [ l /t Sogen 8°. Pergl. Sdyütje, S. 3b5. 



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Parteinahme für bie ^ranjofen. 21lbredjt Wittenberg. 73 

offene JDiberfacher fetner Unternehmungen, als fanattfdje partei» 
ganger ber 5ran3ofen fennen lernen mußte. Bereits im fjerbft 
\?7% hatte, gelegentlich ber gleichseitigen 2lmr>efenhett ber beutfdjen 
unb fran3Öftfchen Cruppe, Wibrecht Wittenberg in feinem „eilige* 
meinen beutfdjen iDochcnblatt 3ur €ljrc ber teftür" in fjerausforbern* 
bem (Eone bie £eiftungen ber fran3Öftfchen (Eruppe auf Koften ber 
21cfermannfchen t^eraussuftreietjen begonnen unb baburch eine, in 
^eitungsartifeln unb ^lugfchriften jtch £uft machenbe polemif für 
unb »iber entfacht, bie fchlteßlid? feinem ber Beteiligten 3ur 
befonberen €hre gereichte. 1 

Den fjöhepunft unb bamit aber auch ben €nbpunft erreichte 
biefer, je länger er roährte, immer unerquieflichere formen an* 
nehmenbe ^anf im Sommer (776, als bie ^ransofen, f^hu 
gemacht burch bie oor sreei 3<*h r *" eingeheimften £orbeeren unb 
fLfyaiet, mit einer aus befonbers auserlefenen Kräften beflehenben 
<5efellfchaft noch einmal auf bem plafee erfdnenen unb es offen- 
bar auf einen förmlichen <£ntfcheibungsfampf mit ber unter 
Sdjröbers Direftion j^ehenben Cruppe abgefehen liatten. 
piiblifum fchieb ftd? in 3tx>ei Parteien, bie einanber in IDort unb 
Schrift fanatifch befämpften. 

Die ^reunbe ber 5ran30feu begnügten ftch inbeffen nicht bamit, 
auf bie 3um Ceil »irflicb oortrefflichen teiftungen ihrer Schüfc* 
linge bie 21ufmerffamfeit 3U lenfen, fonbern fie glaubten ftd? auch 
berechtigt, ihre Canbsleute, bie gerabe bamals mit einer in ber 



1 Dergl. Ufj&e, ^lugfdjriften über $r. £. Sdjröber (im Urdjiv für£itte- 
ratnrgefd?ia?te VIII. \875, 5. 20<* ff.) Zlr. 7— 2\. 3<*? fersid^tc rjtcr unb im 
^olgenben naiver auf ben 3nbalt biefer pasquiüenlitteratur einjugeheu. 
Uljbe h«t ftdj bura? bie forgfältige gufammenfiellung biefer Fulturgefdfidjt- 
lidj intereffanten Materialien ein unleugbares Derbienft erworben. 2lber 
bei bem ungemein niebrigen Hioeau, auf bem bie HIetjr3a^I biefer Blätter 
ftetjt, glaube icfj einer ausfürjrlidjen öerürffidjtigung biefer Streitfajriften 
an biefer Stelle überhoben 3U fein unb midj nur auf bie Ittitteüuug bes 
3um Derftänbnis unbebingt tfotmenbigen befdjränfen 31t bürfen. 2IIbrea?t 
Wittenberg perbiente allerbings tuohl gelegentlidf eine eingetjenbere „Wrxv 
bigung" u>egen feiner im £aufe ber 3 a ^ re eigentümlid? ftd? »anbelnben 
Ziehungen 3um (Theater überhaupt unb 3ur ^amtlie Leiermann insbefonbere. 



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76 „Briefe über bie 21tfermannfd?e unb fjamonfdje Stffaufpielergefellfdjaft." 

(Scfdiidjtc bes (Efjcaiers fafl ei^ig bafiehenben 5rifche unb (Energie 
ihre Kräfte in ben Dienfl ber beften 23eftrebungen ber Dater* 
länbifcben Citteratur fieHten, 311 fdmiähen unb in ber öffentlichen 
ZHeinung als Künftler, «>ie als ZtTenfchen 3U bisfrebitieren. <£s 
warb nicht nur ben Deutjdjen, im Vergleich mit ben 5ran3ofen, 
Stümperhaftigfett sorgemorfen, fonbern es warb ihnen auch 3um 
Derbrechen gemacht, bafj fie biefe in ihren €innahmen fdjwer 
fchäbigenbe Konfurren3 nicht mit 5reuben als £ehr* unb &udiU 
mittel willfommen biegen. Die Schritte, welche bie Direftion bei 
ber (Dbrigfeit tfjat, um einen Sdmfc 3U erlangen, auf ben ihre 
langjährige fünjUerifche tE^ätigfett in unb für Hamburg wohl 
einen 21nfpruch gab, würben als unwürbige Kabalen fleinlidjften 
örotneibes bargejtellt. Ztlan überfah babei oöüig, bafc biefe 
ZTCafjregcln 3um größten Ceil ein 21ft einfacher Hotwefjr waren. 
Denn jefct mürben mit gefteigertem €ifer jene 21gitationsma§regeln 
3U (ßunften ber fransofifdjen 3üfme ins IDerf gefegt, bie fdjon 
^ 769 eine Holle fpielten, unb bie, wenn fie t>on «Erfolg gefrönt 
gewefen wären, bcn oölligen Huin bes beutfdjen C^eaters in ber 
beutfehen Stabt 3ur iolge gehabt haben würben. „Klan wollte ber 
auslänbifchen Kunj* auf ben Humen ber cinhetmifchen eine bleibenbe 
Stelle . . . errichten ; man benufcte ben n?anbelbaren (Sefchmacf ber 
ZTTenge, um ben »ermögenben Ceil ber 23ewolmer 3ur thätigen 
Unterftüfeung bes fra^öftfehen Cheaters an3urörnen. Iftan wollte 
beut Sieur fjamon ein neues Schaufpielhaus erbaut fehen, unb was 
man nicht alles wollte!" 1 Diefe Sdfilberung bes <5ebarens ber 
5ran3ofenfreunbe, bie ber alte (Sefdjichtsfchreiber bes hamburgifdjen 
(Theaters giebt, tft fetneswegs übertrieben. HTan braucht nur 
einen BlicF in bie „Briefe über bie 2IcFermannfche unb fjamonfehe 
Schaufpielergefellfchaft 3U Hamburg" 2 3U werfen, in benen wieber 
iiibrecht Wittenberg als fanatifcher Parteigänger ber 5ran5ofen 
unb hämifa?er Krittler unb Derfleinerer ber Ceiftungen feiner f.anbs* 
lente bas IDort führte, um eine DorfteHung baoon 311 befommen, 



1 Sdjüfce, S. w ff. 

2 Berlin unb Seidig (776. Uljbe Hr. 33. 



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Unbeliebtheit &er Jldermanns. 



77 



Bis 3U melchem (Stabe ftdj bie teibenfdfafteu erhifot Ratten, 21ber 
fo unerquicflich bie Ceftüre biefer Blätter auch ifi, unb fo feljr 
man aus ilmen ben <£inbrucf gewinnt, bafj ber Schreiber mit 
fcurdj perfönliche <5ereistheit getrübter Brille bie Ceifhingen 
Sdjröbers unb feiner <5cfeHfchaft betrachtet unb bent3ufoIge oer» 
urteilt, fo beanfprudjen fie bod? ein geunffes 3ntereffe, nicht allein 
um ber wenigen punfte toiHen, in benen ber Kritifer ftch 3um 
unbebingten Cob entfchließt, fonbem auch, »eil ber (ßegner natur* 
gemäß auf geroiffe djarafteriflifche 4Ein3el3Üge fdjärfer achtet unb 
fie brafHfcher fdulbert, als ein 5reunb unb unbedingter Bemunberer. 

X>or allem machen t»ir fdjon in biefen Kämpfen bie Be« 
obadjtung, bie Scbröber 3U feinem £eibn?efen in fpäteren 3<*t?ren 
noch oiel erfahren mußte, roie roenig beliebt nämlich beim großen 
publifum bie 2lcFermanns, Schröber emgefchloffen, eigentlich, toaren. 
2Tur auf (Charlotte 21cfermann fdjien ftch etmas oon ber freunb* 
liefen, tjer3gen?innenben teutfeligfeit bes alten 2lcfermanu ©ererbt 
3U haben. Schröber felbjt aber unb feine ältere Schioefier Ratten 
im (Temperament entfdjieben mehr oon ber ZTIutter; unb toenn 
Schröber auch noch als ZTIann, roie 3ahlreicb,e 5reunbesftimmen 
beroeifen, ftch benen, bei benen er auf üerftänbnis unb Ciebe 
glaubte 3äf?len 3U bürfen, mit tytslidiev, oft überflrömenber 3nni<J i 
feit erfdjloß, fo ©erlebte er bod? im gefdjäftlichen Perrehr mit 
5emerf!ehenben leidet burdj eine gennffe ^ärte unb Schroffheit, 
bie ifjm steif ad? als Dünfel unb fjodmtut ausgelegt mürbe, 
uxibrenö biefe febeinbare Kälte in tDahrrjeit bod? nur bie Sdmfc* 
toehr eines weichen, aÜ3u leidet fpontanen (Eingebungen gehör» 
djenben £jer3ens u>ar. 

Vie\e oornehme ^urücfbaltung aber, bas entfdjiebene Selbfl» 
beumßtfein, bas ftd? barin ausfprach, unb bas ebenfotsenig mit 
fomöbiantifeber Prahlerei unb <5efprei3tl?eit, rr>ie mit ber beooten 
Kafeenbucfelei ber alten Xt>anberprin3ipale gemein I?arte, u>ar in 
ben 2(ugen ber profcen unb philifier ein Derbredjen. Ztlan 
empfanb es hier als eine arge Übergebung, baß nicht nur ber 
Dtreftor unb bie 5einen feb,r entfdneben verlangten, außerhalb bes 
tLfyeatevs als ootlfommen gleichberechtigte tflitglieber ber bürgerlichen 



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78 De* „unerträgliche 5tol3" ber Atfermannfdjen <5efellfd)aft 



(Befeüfchaft befjanbelt 3U »erben, fonbern ba§ auch bie übrigen 
Angehörigen ber öütme ftch nach biejem 23eifpiele richteten. Der 
„unerträgliche 5toI$" ber Acfermanns unb ihrer (Eruppe gab 
männlichen unb n>eibltch<?n Klatfdjbafen unerfchöpflicheu Anlaß sunt 
(Berebe. 

(Ebenforoenig maren mit biefer fjaltung bie Firrel ber jungen 
Cebemänner einoerflanben, 1 bie jebe hübfd?e Sdjaufpielerin als 
rt>or|(feile öeute betrachteten unb es fehr übel oermerften, ba§ bie 
von bem Direktor unb ben Seinigen beobachtete Zurückhaltung 
auch ben leichtfinnigen unb lebenslufiigen «Elementen ber Cruppe 
menigftens nach außen getpiffe Hücfftchten auferlegte, bie für 
galante Abenteuer roenig 5pielraum liegen. 2Tlan mußte, baß ber 
Direftor, guter mütterlicher tErabition folgenb, in beriet Dingen 
abfolut feinen Spaß ©erjtanb unb lieber ein brauchbares ZKitglieb 
opferte, als eine notorifd? unftttliche perfönlichfcit an feiner £ülme 
bulbete. 

Selbjioerjtänblich fonnte — unb wollte auch nx>hl — 
Schröber burch bie HachbrücFlichreit, mit ber er r»on feinen 2Tlit* 
gliebern ein ftreng ftttliches Verhalten forberte, nicht bas h*ifr 
blütige, leichtlebige KünfUeroolf 3U mönchifcher Asfefe oerbammen. 
<Er umßte ja felbft aus eigener «Erfahrung am beften, baß nicht 
jebe, fcheinbar bem bürgerlichen ZHoralcobef roiberfprechenbe Per- 
binbung auf unsittlicher *3afts beruhe. Solche Derhältniffe, auf 



1 Scfonberes mißbehagen erregte bie r»ou Scf/röber gehanbljabte 
ftrenge Sfttmenpoltjet in ^annooer. £jicr maren bnra? bie lieberlidjc 
IDirtfdjaft, bie bei Seylers l^errfd>te, arge mißjtänbe cingerijfen. Die 
Offaiere lungerten mähreub ber Dorfteilung in einem tnntcr ben parterr- 
logen liegenbeu Heftauratiousraum, marfen bie geleerten ^lafajen bonnerub 
au bie Ctjären unb brangfalierten Sdjaufpielcr unb publifum. Sogar 
n>äb<renb ber Proben unb ber Aufführungen ljerrfd)te auf ber Sühne nnb 
in ben (Sarberoben, 3U beneu bie Herren Kaoalierc ftch §utritt oerfd>afften, 
fredjfle ^ügelloftgfeit. Sdjröbcr hob bie Heftauration hinterm parterr auf, 
unb oerbat fidj auf ben Anfd?lag3etteln energifdj jeglidjen Sefudj Unbefugter 
auf ber Sühne. <£s gelang ihm audj, biefc DTafjregel burd^ufetjen, unbe- 
fümmert barum, bafj bie (Dffaicre, bereu mandje ihm oon früher h*r & e 
frennbet roaren, barüber £ärm fdn"ugen. 



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Strenge fittltd?e §udjt ber (Truppe. 



rt>irFIicf?c Steigung ftd? grünbenb, trenn fte gleich bes fird?Itd?en 
Segens entbehrten, bulbete er benn auch ftiHfdnpeigenb, fo wenig 
ir>r häufiges Dorfommen [einem 3beal «net DÖHigen täuterung 
feines Standes auch Don biefen Schladen entfpradj. Dagegen 
oerfolgte er mit einer Strenge, bie ihm oft felbft ins 51eifch fdmitt, 
jebe ben reinen ^rieben eines Bürg er Kaufes fiörenbe Unftttlichfeit, 
jebe ins 5recb,e ausartende panbemiferje Cieberlichfeit, unb oor 
allem alles, was an birnenr/afte Käuflichkeit fhreifte. $ür berartige 
Sünben unb Perirrungen fannte er feine Per3eilmng unb Feine 
€ntfd?ulbigung. 2T7it einer Strenge unb einer (Bewiffenbaftigfeit, 
bie nicr?t nur ben bireft baoon Betroffenen oft aÜ3U peinlich et- 
fd|ien, brang er in folchen 5ällen entroeber auf fofortige Befeitigung 
bes ober ber Sdmlbigen ober gewährte im äufjerften 5aüe, falls 
fte Heue 3eigten ober Befferung gelobten, eine (Suabenfrift. 21flein 
fo fehr ihm öas auch, — wir roerben noch ein braftifer/es Beifpiel 
jpäter 3U berichten fyabe\\, — pon Dielen Seiten Derbacht würbe, er 
that boefj un3a>eifelhaft recht baran. Hur burch 21nwenbung jolcher 
örafHfcher, rabifaler tfuttel Fonnte er feinen Stanb unb feine 
Bühne dou ben aus früheren Reiten ihr aupängenben unfauberen 
Elementen reinigen unb ber Scrjaufpielfunft unb bem (Ch^ater ben 
ihnen gebührenben Hang als eines ber pornermiften Cräger einer 
höheren Kulturentroicfelung erobeni. er babei nicht nur im 

publifum, fonbem auch bei ben eigenen 5achgenoffen einem 
Warfen pafft oen £>iberftanb begegnete, war für ihn nur ein 2ln* 
fpom, feine (Energie 3U Derboppeln. 

Dor allem aber wachte er in (ßemeinfehaft mit feiner ZTCutter 
mit argroöhnifcher Strenge barüber, bafc auch nicht ber leifefte 
2TlaFeI eines ber (Blieber feines fjaufes träfe. 1 Seine beiben Diel« 
umworbenen Schroeftern bitten in biefer Besiehung einen fdjweren 
Staub ihm gegenüber. Sein in jeber lebhaften fjulbigung, in 
iebem freieren Sichgeh*nlaffen Böfes roitternber Argwohn, ber ftch 



1 So 30g er fidj 3. 23. in ijannoDer {773 von allen feinen ehemaligen 
lebensluftigen (Benoffen 3urücf unb bulbete nidjt, ba§ einer von itjnen eine 
feiner Sd?u>eftern über bie Strafe geleite. 



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80 Sdjröbers Dertjältnis 311 feinen 5d?roefiern. 



gelegentlich in heftigften ^ornausbrüchen Cuft machte, bereitete 
ben beiden 277äbchen manche trübe Stunbe unb entfrembete fte 
innerlich ihrem öruber gerabe in ben 3ahren, u>o fte eines Der» 
trauten brüderlichen 5reunbes unb Beraters mehr bedurften, als 
eines ftrengen <§uchtmeifiers. Denn lefcteren Gimtes mattete fchon 
mehr als 3ur (5enüge bie Butter, beren fjanb mit 3unehmenbem 
Hilter unb 3unehmenber Kränflichfett nicht tDeidjer geworben war. 
Reiben ZHäbchen ertrmchs aus biefer Überftrenge fein I}eil. 

Dorothea, bie ältere, eine überhaupt von f}aus aus nicht glücf* 
lieh angelegte, 3ur Melancholie neigenbe ZTatur, ©erhärtete unb r>er* 
bitterte frül? in biefen täglichen Heibereten. <5erabe ihr, bie in 
^(efermanns legten Direftionsja^ren Jjäuflg auf Heifen von ber 
UTutter getrennt get»efen, »aren, tr>ie es fdjeint, früf^ Derfuchungen 
nahegetreten, benen fie, nach ber ZHeinung ihrer Angehörigen, 
nicht immer mit ber nötigen (Energie, 3U begegnen ober, 
vielleicht richtiger, nicht mit ber nötigen Klugheit Por3ubeugen 
perftanben fyatte. Da gab es Donrmrfe unb 2lnflagen, leibenfehaft« 
liehe Xnafmbriefe ber Hlutter, bie mit 2Inbrohung tbres 5lud?es 
fchloffen, unb heftige Scenen mit bem Sruber, ber oerlefeenbe 
Schroffheit für [eine Pflicht hielt. Unter biefer gutgemeinten, aber 
übelangebrachten <gucht oerfümmerte bic, trofe ihrer fcheinbaren 
Kälte cgmpftnbungen u>ohl fähige, Seele bes ZHabchens, 

bas nicht einmal in ihrer Kunfl einen Crofl fanb. Denn biefe 
trar ihr, toohl nicht 3um menigften infolge ber gerabe3u grau« 
famen Kritif, bie fie in ben erften Hamburger 3 a h*en h<*tte er« 
fahren müffen, früh verleibet, unb alle ihre fpäteren Crtumphe 
halfen ihr nicht ben cEfel übern?inben, ber fte nun einmal 
gegen ihren 23eruf erfaßt hatte. So erflärte es fich, bafj fte 
fchliefjliä?, um biefen unerqutcfltchen ,§uftänben entrueft 3U fein, 
einem braoen 2Tlanne bas 3amovt 9<*&, 3" oem fte eine tiefere 
ZTeigung nicht hi"3og, in beffen Häbe fte in ber 5olge ftch immer 
mehr oereinfamte, bis nach 3<*hren, nicht ohne grelle Diffonansen, 
ber 23unb getrennt »erben mußte. 

3hre jüngere Schtoefier Charlotte hatte auch in biefer 23e* 
3iehung ein glücfltcheres SchicFfal; fte roarb mitten aus ber 331üte 



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Chkujtine Sch«Cdi''r {V?b. Hart. 

Koch « it»^w A.ruri'll 
.vif de r - H«*n»L'if*ilpr Stod'l ' liul ,, ok. 



Ve r # o «0* 1 c t tu- . d Vofl ir liar-SJT». U»:»»rr> ich MKet .\\.'c..Vl-tir. i-»- F 



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TXod) einmal 3otjanna Hidjarb. 



81 



ber 3ugenb unb bes Hümmes plöfclich fynmeggeriften, ehe fte btc 
cgnttäufchungen unb Kämpfe tfyrcs Berufes bis 3ur steige aus* 
gefofiet fyatte. Aber auch fte ging, mie mir feljen »erben, batan 
3U <5runbe, bafj ihr in cntfdjeibenber Stunbe nur mit garten 
IDorten unb Berber Strenge, anflatt roeidjem, oerftänbnisDoHem 
üertrauen von ihren nächflen Angehörigen Begegnet roarb. 

Diefelben jlrengen (Srunbfäfce, biefelbe 5orberung einer aud? 
über bas leifefie (ßerebe erhabenen mafellofen Feinheit bes Hufes 
tparen für Sdjröber bei ber IDafyl ber eigenen Cebensgefährtin in 
toomöglich noch höherem (ßrabe mafjgebenb. 

Die tiebesroerbungen 3o^anna Hicrjarbs Fjatte er fdjroff 3U* 
rücFgeanefen mit ber €rflärung: „er tonne nur einer perfon bie 
fjanb bieten, bie ftch unb ber bie IDelt nichts r»or3urrerfen r?abe." 
IDeber bas gureben feiner Angehörigen, noch bie un3tr»eibeutigeu 
proben ihrer tiefen Neigung unb bes perebelnben «Einfluffes, ben 
bie Ciebe 3U itjm auf fte ausübte, hatten irjn in feinem <£nt* 
fdjluffe roanfenb machen fönnen, ber bann bas unglücflidje HTäbcheu 
einem ungeliebten ZTTanne, bem 23aflettmeifler Sacco in bie Arme trieb. 

Das roar im Sommer {77 \ geroefen. 

Aber feit ihn Sufanna ZHecour ben 2*ei3 behaglicher fjäus* 
lichfeit fennen gelehrt, ruhte bie Setmfucht banadi nicht mehr. 
3n oen Aufregungen unb Sorgen, bie bie erjten DtreFttonsjahre 
ihm brachten, Dermifjte er boppelt fchmer3lich bie roeiche, linbernbe, 
ausgleichenbe 5rauenhanb, bie bie Sturme feines nur 3U leicht 
aufbraufenben Cemperaments fo oft 3U befchtrören oerftanben 
hatte. Ztlan ©erfleht, roie gerabe in biefer tage für ihn ber (Bebanfe 
an eine 5rau, bie gar nichts mit bem Cfjeater 3U thun l^abe, 
ftch nur ber fjäuslidjfeit roibmen foHte, etmas befonbers Der* 
Iocfenbes blatte. €ine 3eitlang glaubte er auch in einer 5reunbin 
fetner jüngeren Schroejler, einer jungen £übecferin, biefes 3beal 
gefuuben 3U haben. 23eibe fanben im perfönlichen Derfehr 
entfehieben (Befallen aneinanber unb in ben nach &er (Trennung 
geroechfelten, burch <£h<*riotte sroifcheu ben Ciebenben ©ermittelten, 
Briefen lebte ftch Schröber immer mehr in ben <5ebanfen an eine 
oauernbe Derbinbung mit feiner anmutigen Korrefponbentin ein. 

f tfcmann, Scfcröbrt II. 6 



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82 



(Enttäufdjunjjen. 



211s er aber, Siefen €tnbrücfen unb bem ^ureben der 
Sdjmefter nadjgebenb, eine offene IPerbung magte, erhielt er 
nach mancherlei Ausflüchten eine Tlntwovt, bie einer ^Hrücfmeifung 
gleidjfam unb ihm 3ugleich einen fo völligen ZTTangel an Per* 
fiänbnis für feine 3"0ioibualität offenbarte, ba§ ilm biefe €nt« 
täufdjung nur im erfien 2higenbli<fe fränfen fonnte. Perlangte 
man boch nicht meniger als, er fofle einen anberen öeruf er« 
greifen, „ber ihm an jlänbtges 23rot gäbe." Diefe Zumutung 
febjen felbft ber fchmefterlidjen Permittlerin ein 3U ffoljer preis. 

Hoch mar aber in biefer Sache bas lefcte IPort nidyt ge* 
fprodjen, noch burfte ftd? Sdjröber mit ber Hoffnung auf eine 
günflige £Öfung fdjmeicheln, ba begann bereits ein freunblidjes 
(ßefd?icf bie erften golbenen 5äben su sieben unb 3U nerfnüpfen 
für jenen 23unb, ber beftimmt mar, itm aufs (ßlücFlichfte für 
biefe Ijerbe €nttäufchung 3U entfd?äbigen. 

€s war in ben erfien 3<>nuartagen bes 3 a hr c s a * 5 
bie Schmelle bes 21cfermanufchen Kaufes ein jugenblicher 5remb* 
Hng überfdjritt, ber, trofc ber flrengen Kälte, in leidster Sommer* 
fleibung unb in fo anmutiger 3ugenb unb 5rifd?e ftch barftellte, 
bafj er ben forgenooüen 23emohnern bes Kaufes mohl mie 
ein DerheifjungspoHer Frühlingsbote erfdjeinen mochte. 21 n n a 
£f?rijHna Jjart mar es, eine junge Deutfchrufftn, aus 5t. peters« 
bürg gebürtig, bie mit einer mannen perfönlidjen (Empfehlung 
ber 5d?aufpielprin3tpalin IPäfer im 21cFermannfchcn £)aufe Sdmfc 
unb fjetmat fudjte. Leiber mar fie nur 3U feljr bebürftig. Schon 
im 3artefien 2llter Ratten fie ihre armen €Itern ber, cou ber 
Kaiferin gegrünbeten, unter Scolarys teitung ftebenben Can3» 
fdmle übergeben, um fie, mo3U fte ihre <5eftalt unb ihre 23e* 
gabung 3U befähigen fdjienen, für bie 33üfme aus3ubilben. £}ter 
hatte fte als ein Kinb r»on 9 3<*h ren / 1 damals 2)eutfch* 

rufclanb bereifenbe 5chaufpiclprin3ipal IPäfer gefehen, unb fte, ba er 
fid? »on ihrer <£ntmicflung r>iel oerfprad?, nad? Deutfdjlanb 
mitgenommen. IPäfer unb feine 5rau gehörten in ben fed^iger 

* 

1 Sie war am 9. Uovcmbev \755 geboren. 



2Inna dlirifitna fjart. 



83 



unb erflen fieb3iger 3<*h rcn bes oorigen 3<*h r h unö *rt s $u ben un« 
fläteften unb fargftchft oom €rfolg begünfttgten Sdjaufpielunter* 
nehmern. ZTirgenb wollte es recht glücfen, woran 23eiber per* 
fönlidjfeiten cor allem bie Sdjulb trugen. Um fo Ijo^er mu§ es 
ihnen angerechnet werben, baf fie in tiefen tDirren fief? nach 
bejien Kräften treu ihres Meinen Schüblings annahmen unb fich 
ntdjt allein auf beffen fünjHerifche Dreffur befchränften. Dtelmehr 
war es ein echt frauenhafter £>ug mütterlicher 5ürforge, ber, als 
bie aufblühenben Hei3e bes 27Täbchens biefes 3um (ßegenftonb 
Ieibenfchaftlicher fjulbigungen unb Werbungen $u machen be» 
gannen, 5rau IDäfer in richtiger <£rfenntnis, wie wenig Stüfee 
ihr Pflegling an ihr felbfi fyabe, oeranlafjte, bas fchöne Kinb in 
reinere £uft unb fichere (Dbhut 3U bringen. XTirgenbwo aber 
fchien hierfür w"b 3ugleich für ihre fünfitlerifche 5ortbilbung belfere 
(Bewähr geboten, als im 21cfermannfchen ^aufe unb Kreife. Tin 
Stau 2lcfermann roanbte fte fich alfo. „3d? »eifj bas gute Kinb 
feinen befferen fjänben an3ut>ertrauen, als ben Deinigen/ fchrieb 
fie, 1 unb h attc auc h bie Sreube, ba§, nachbem bie einge3ogenen 
<£rfunbigungen Dollauf befriebigt blatten, ihre Sitte erfüllt unb 
ber fleinen fjart im 2Icfermannfchen fjaufe ein ^Ifyl unb an ber 
fjamburgifchen Bühne eine ihren Kräften entfpredjenbe Befchäf. 
tigung in 2(usftcht gepeilt mürbe. 

Die Faum 21cht3ehnjährige, bie ohne eine blenbenbe Schönheit 3U 
fein, burch ben gra3iöfen JPudjs, burch bie freunblich leuchtenben 
blauen klugen, bie feinen eblen ^üge bes ©on einer 5üüe üppiger 
blonber £}aare umrahmten <5efichts als eine gar anmutige 
Perförperung göltet 3»«9fföulichfeit erfdnen, eroberte ftch auf 
ben erflen 21nblicf bas fjer3 ber erfahrenen, flreng urteilenben 
IHutter Schröbers. Va gerabe um biefe Seit bie (Sefellfchaft, mit 
Ausnahme Dorothea Hermanns, bie 3ur Unterflüfcung ZTicolinis 
3urücfgeblieben war, fich in ber 5erne befanb, fonnte bie Debu« 
tantin 3unächft nur fich i" einem pas de deux am \3. 3anuar 
bem fjamburgifchen publifum oorfteflen. 



1 £. Sdfmibt, 21lmanad) fürs (Theater [8\o. 5. 58. 

6« 



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8« 



IPerbung. 



Sur €ntfaltung ihrer (Latente fanb fte bagegen erj* (Betegen* 
heit, als fte im 5ebruar mit Dorothea 21cFermann ftdj in (Eefle 
3ur (Truppe gefeflte. fjier fatj fte auch 3um erfien TXlale Schröber 
unb in einer ber erften Sollen, bie er an ihrer Seite fpielte, 
hatte er über bie „ftumme Schönheit" bie IDorte $u fagen, bie 
nachmals tr>ie eine eigentümliche Porbebeutung erfdjienen: 
„(Seht fte mir nur 3tir tfrau, roetl fte ntdjt reben fann." 

„2lber fein £}er3 mar noch nicht bei ben tDorten." Hoch 
tobte in [einem 3nn*™ oie €rbitterung über bie unoeroiente 
fdmöbe <3urücftr>eifuug, unb pon fchtoeren gefchäfttichen Sorgen, 
bie in Zticolinis Huin ihren (Srunb fyatten, bebrängt, ba3u Förper* 
lieh angegriffen, hatte ber neroöfe gehefete ZHann toeber 2Iuge 
noch ©hr f ur öcn fünften £iebrei3 feiner jugenblichen fjaus« 
genofftn. (Erfl als mit ber im 2lpnl erfolgten Überftebelung nach 
fjannooer ftdj bie Derhältniffe freunblicfjer gematteten, unb er 
innerlich fich freier 3U fühlen begann, rearb er es inne, ba§ oon bem 
jüngflen pftegefinb 1 feiner ZHutter ein Räuber ausgebe, ben fein 
munbes %r3 als tyilenb tpohltbätig empfanb. 3eber Cag liefe 
ihn <2igenfchaften an ihr entbeefen, bie in feinen 2Iugen bie bochfte 
gierbe bes IPeibes bilbeten. Sein tpachfenbes 3ntereffe blieb 
nicht unbemerft. QUe. fjart fchien ihm, ohne bafj ^avin ber 
leifefte Hinflug pon Kofetterie ftch ge3eigt hätte, aus3uu?eichen. 
Die Schtoeflern, ins Pertrauen gesogen, begannen porftchiig 3U 
fonbieren. Sie aber n?ar auch biesmal bie „fhunme Schönheit". 
Sie lieg alles gebulbig über fich ergehen unb fdnpieg. So trentg 
biefe Ieibenbe Haltung ermutigte, fo toenig fonnte fte boch auch 
als 2lbfchrecfung gelten. 

Unb in ber Chat fanb ein fdmeH gewagter Antrag <£r« 
hörung. 2tber fo gelaffen nahm fte bie lüerbung, tpie fjccnctci? bie 

1 Bereits im Jlugufi ^772 hatte IKabame 2lcfermann in ber aus 
Hamburg gebürtigen Betty Meimers ein foldjes Pflegefinb angenommen, 
beffen ungetDÖtmltdfe fdjaufpielerifdjc Scgabung in ihrer Sd?ule ftdj rafdj 
enttoicfelte unb 3U ben fdjönften <Ertt>artungeu für bie guhmft 3U beredj- 
tigen faxten, feiber 3erftörte fiernadj eine unglncflia^e <Etje, bie fte in bie 
^rembe unb ins (Elenb fährte, alle biefe Hoffnungen. Dergl. Weyer I. 237. 



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85 



<5ärtlid}feitsbe3eugungen bes Bräutigams bin, bafj bis $um (Tage 
ber (Trauung fie bas Derljaltnis fyätte löfen FÖnnen, olme ba^ 
baburdj auf iljr Setragen ein ZHafel gefallen roäre. 21m 26. 3 u "i 
fanb aber bie (Trauung 1 roirFlidj burdj ben Konjiftorialrat Stiegel 
ftatt, r»on „5reunben unb ^reunbinnen bes jungen paares" burd? 
ein „Singgebicr/t" fejilidj begrübt. €ine fjodtfeitsreife fonnten ftd? 
aber, aud? roenn bas bamals fdjon ZHobe getoefen märe, bie 
jungen (Eheleute nidjt geftatten. Denn ber fjerr DireFtor war 
fdtledjterbings unabFömmlid}. 21m fjodtfeitstage, einem Sonn» 
abenb, mar fo rote fo fein (Tfjeater. Sonntag warb ebenfalls nidjt 
gefpielt; aber fcfrfon am folgenben ZHontag mußte ber junge cgfrje* 
mann n>ieber auf bie Bretter. 5rau Sdjröber bagegen erfdjien 
crfi \$ (Tage fpäter in ber fomifcfrfen ©per „Das Hofenfeft" $um 
erften ZTlale roieber oor ber (ÖffentlidjFeit. 

Sdjröber fyat ben (Tag feiner €ljefcrjliefjung immer als ben 
glücflidjften (Eag feines Cebens gepriefen, unb roenn man ifjre 
gemeinfame CebensbaFm, bie alles eljer als in ebenen glatten <5e» 
Ieifen fid* bewegte, überfdjaut, fo Fommt man in ber (Tfyat 3U ber 
Über3eugung, bafj bieje €B|e unter einem befonbers fegenbringenben 
<5ejiiru gefdjloffen toarb. (Tfjrifune Sdiröber roar 3roar an Fünft- 
lerifd?er Begabung (es tt>irb über tfjre fdjaufpielerifdje (TfjätigFeit 
nod) 3U fprecr/en fein) ifjrem Hlanne nidjt entfernt ebenbürtig, aber 
fte be|a§ bod) fo oiel Fünftlertfdjes (Temperament, ba§ fie ber 
fdjroeren Aufgabe, bie oft grell aufFreifdjenben Dtffonan3en in ben 
Saiten einer fenfibeln Künftlerfeele in Ijarmonifdien (BleidjFlang 
auf3ulöfen, geroadifen roar. 

Sie übernahm, als fte Sdjröbers 5rau warb, eine £aft auf 
iljre Sdmltern, bie Feinestoegs mit ben 3^^ren leidster »arb. <£s 
getjörte eine ftdj felbft r>öü*ig oergeffenbe Siebe unb 2lufopferungs« 
fäljigfeit ba3u, biefen großen unb in [einen fielen aufs cgbelfie 
gerichteten (Seift in allen Cagen unb Stimmungen eines rei3» 
baren, bis ins Ijolje Hilter nod? unoerfeljens in bämonifer/er <5Iut 
auflobemben, (Temperaments alle3eit 3U oerftefyen unb nie irre an 

1 „mit Conaefftoti olme Aufgebot im Jjaufe copulirt" mefoet bas 
Kira>enbudf. 



86 



Sdjröbers frau. 



fym su werben. Sd?röbers 5rau Bfat biefe Probe beftanben, wie 
feiten ein ZDeib. Die wenigen aus t^rer nädtfen Umgebung ^aben 
eine 21fmung baoon gehabt, meld] Fjeroifd?er Selbftüberwinbung 
biefe fdjeinbar fo gelaufen, mit flets gleidfbleibenber 5reunblidjfeit 
i^ren Weg gefyenbe 5rau fäfjig war. fjunberte tr>ären an biefer 
Aufgabe gefächert; um fte rein 3U löfen, beburfte es einer foldjen 
Bereinigung oon eigenem fünfUerifdiem Cemperament mit einer fo 
bis auf ben tieften (ßrunb Flaren unb lauteren ed?t frauenhaften 
reinen Ztatur, wie fie Cfjrijline Scbröber in ber Zitat befaß. 

Don bem 2lugenblicfe an, wo fie Sd?rÖbers 5rau warb, r>er» 
3id?tete fie auf jeben anberen Sufmt, als ben, bie würbige <5attin 
biefes XHannes $u fein. Das galt oor allem aud? oon iFjrer 
Fünftlerifcrjen (EljätigFeit, in ber fte mit feinftem Cafte unb weifer 
SelbfterFenntnis ftd] auf bie Holle bes ZTIonbes, ber allein oon 
ber großen Sonne bas Ctdjt empfängt, befdjränfte. 0b fie über« 
fiaupt einen ftarfen fünfllerifd?en <£Ejrgei3 je befeffen Ijat, mag 
batjin geftellt bleiben. Wenn es ber $aü war, seigte fte barin 
einen feltenen (Srab oon Klugheit, baß fie aud? ben leifeflen 
Sdjein, als Künftlerin etwas für ftd? bedeuten ju wollen, 3U ver- 
meiben wußte. SlHerbings war Sd?röbers großangelegter ZTatur 
bas fleinlidje (ßefüfjl perfönlidjen Heibes auf bie fünjHertfd?en 
Criumpfye feiner <5enoffen fremb, fo fefjr er ftdj über bie ephemeren 
(Erfolge dou Kuliffenreißern unb ZTCäfcchcnmadjern entrüjten 
fonnte; wie er benn 3. 3. felbft 3ffJanb nie als feinen eben» 
bürtigen Hioalen fjat gelten laffen wollen. 2lber in bem fompli* 
3ierteu Organismus einer fdjaffenben Künftlernatur fdjwtngen 
mandje Saiten bod? audj leife mit, bereit Sdjwtngungen nur bas 
immer wad?e (Dfjr fürforgenber Ciebe als Diffonan3en pernimmt. 
Sd?mer3ltd> bßt Sdjröber ftets beflagt, baß bie 5rifi bes gufammen* 
wirfens mit feinen beiben Sdjweflem fo Fur3 bemeffen gewefen 
fei, er $at nie mit ben 21usbrücFen tieffter Sewunberung über 
ifyre Begabung gefargt, unb er fytt es nietet an garten IDorten 
fehlen laffen, baß in Hamburg biefe Calente, namentlich bas 
Dorotheas, nie gatt3 nadj £>erbienjl gewürbigt worben feien. 

21ber er Ijätte nidjt ein ZTlenfd? fein muffen, wenn nidtf in 



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Sdjröfcers £rau. 



87 



grillenhaften Stunden der, gan3 naturgemäß, 3t»ei blühenden 
jungen 2Tlädchen gegenüber enthuftafiifchere formen annehmende 
Beifall in ilmt ein leifes mißbehagen erroeeft h^tte. freunde des 
Kaufes in jenen Cagen tcollten aus einem geunffen gereisten Con, 
den er 3un>eilen den Sd]tt>cftern gegenüber auch in (Segemoart 
Anderer anfcfjlug, dergleichen h crau5 9 c ^ört Reiben. *^ er k<üte 
das auch oem von 3 u 9*n ö « u f immer In"*** öcn <ßefchn?iftern 
§urücfgefe&ten oerdenfen tonnen, n?enn er, unter der £afi der 
DeranttDortung und einer ungeheuren fünjilerifchen Arbeit faft er« 
liegend, die Schreejlern um ihre verhältnismäßig fpielend erhalten 
Corbeeren ein roenig — beneidete! 

3edenfa0s lag fyev eine verborgene Klippe, an der eine 
Heinere Hatur nur 3U leicht gescheitert u?äre. Und h^ r 3cigtc 
eben Schröders frau, die ja ^eugin diefes <5ufammentx>irfens der 
drei <Sefchtr>tfter 3 a ^ rc h möurc h getoefen, u?ie richtig fie tbre 2luf« 
gäbe an der Seite eines fo gemaltigen Händlers roic Schröder 
faßte. ZTie drängte fte ftd? tyxvov, nie trollte fte, auch auf oer 
Sühne, mehr fein, als die rerftändnisoolle Begleiterin. Und 
trenn fte in der folge aus einer fchüchternen DarfteÜerin fanfter 
21gnejen ftch 3U einem der meijtbefcbäftigten Mitglieder der 
Bühne ihres ZTIannes in großen tragifdjen Sollen enttr>icfelte, fo 
midi fte darin nur dem unabläfftgen Drängen ihres ZTTannes, der 
3ugleich ihr Cehrmeifter toard, und der mit einer argrootmifchen 
Sorge, die in ihrer KeisbarPeit die Schwäche perriet, darüber 
wachte, daß man jte überall auch als grofe Künftlerin anerfenne. 
V\e freunde des fjaufes, die felbfl unter dem Raubet der edlen 
frau ftanden und bald fte auch mit feinen 2(ugen fafjen, haben 
ihm denn auch den (Befallen getban und piel freundliches und 
lobendes über die Scbaufptelerin Chrifiine Schröder gefagt und 
gefchrieben; und der große 2J7eifter freute ftch dann allemal n>ic 
ein Kind, n?enn ihm fo ein warmes €ob der geliebten Stina 31t 
©h rcn t am > ^> a ß c $ aD *t f° un0 TUC ht anders ausging, das 
durfte ftch die feinfühlige frau als ein Derdienft befonderer 2lrt 
anrechnen. 

Übrigens unterliegt es roohl feinem Zweifel, daß der (ßlaube 



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88 Das 3&cal eines KtinfHert^aujes. 



an bie große ZHabame Sdjröber ein frommer 2Tfvthus aar, ber 
von ben 3"ttmen ©es Kaufes optima fide gehegt mürbe, ber aber 
bei oer unbefangenen Kritif, oon ber feinblichen gan3 3U fdjmeigen, 
auf Warfen unb berechtigten XDiöerfprud? fließ. Schmerlich Ijat 
fid? auch bie befcheibene KünfHerin felbft darüber getäufdjt. 3hr 
mar überhaupt am roofylften im 3""**" Oes fjaufes, bas fie für 
ben geliebten ZHann 3U einer frteblid^en Hufyejiatt oon Sorgen, 
311 einem fiets gajlfreunblich geöffneten Sammelplafe für bie fünft« 
lerifdjen unb litterarifchen Pertrauten, mit einem IDort, 3U bem 
3beal eines beutfehen Künfllerhaufes 3U gehalten mußte. ZTur 
ein Schatten ruhte auf biefer fonft fo glücf liefen (£f?e: Die "Kxnbex 
blieben ihnen rerfagt. 

2. Seinjcn br« $mftejlfcns 1771—1775. 

Die oorangeEjenben Sdjilberungen follten bem £efer einen auf» 
flärenben Überblicf eröffnen über geroiffe ^emmniffe unb 5örberungen, 
bie aus ber allgemeinen litterarijcfjen Cage, foroie aus örtlichen 
unb perfönlicrfen Per^ältniffen Sdfröber in feinen erjlen Direfhons* 
jähren ermuchfen. Dabei mußte aubeutungsmeife nicht feiten fchon 
auf fpätere €reigniffe oorgreifenb Besug genommen »erben. 

IDollen mir jebod? einen mirflidjen €inblicf in bie (Tiefen 
biefes rafilofen (Betriebes aufs fyödtfe angefpannter, erfolgreich 
mirfenber (ßeijlesfräfte geminnen, fo ift es notmenbig, ben chrono* 
logifdjen 5aben mieber anfsunehmen. Zlidit um unferem gelben 
jeben Schritt auf feiner aufmärtsftrebenben 13aty\ nadftumeffen, 
mobl aber, um an entfdjeibenben IDenbepunften fjalt 3U machen 
unb uns bie €rgebniffe ber 3urücfge!egten Xüegjirecfen in ihrer 
23ebeutung für bie <£ntmicfelung bes KünjHers unb bes CBjeaters 
unb Dramas feiner &c\t 3U oergegenmörtigen. 

Da ifl es aber r»or allem notmenbig, bie Kräfte etmas nä'fjor 
fennen 3U lernen, mit benen Schröber in biefem Zeitraum feine 
Sd)Iad?ien fchlug unb feine Siege erfocht. 

Hoch einmal, 3um Iefcienmal, begegnen mir fyev bem Hamen 
Sophie 2lcfermanns. 

Seit ber ZKitte ber Sechsiger hatte, mie man fich entftnncn 



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Sophie Lrfermanns lefcte Hollen. 



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wirb, bie fränfelnbe 5rau, bie im Caufe ber 3<*h r * mit Set 
äußeren €rfchetnung auch bie Stimme perloren hatte/ bie Sühne 
nur noch feiten betreten. Unter ber SeYler*£öu>enfchen Direftion 
hatte ihre fchaufpielerifdje C^ätigFeit überhaupt gan3 geruht. Lber 
in bem Lugenblicf, wo Lcfermann unter fcfjtoierigen »erhält» 
niffen roieber an bie Spifee ber Cruppe trat, trieb fte ihr reges 
Pflichtgefühl 3ur Bühne 3urücf. Sie übernahm nicht nur einen 
Ccil ihres alten Hepertoirs wieber, fonbern fügte auch eine 21n3abl 
neuer Hollen noch hi n 3U. 2 Luch Leiermanns (£ob, ber fte oorüber* 
gehenb roieber bem tLtyatet ent3og, bebeutete für bie energifche 
5rau noch nicht ben Lbfchlufjj ihrer fünfilerifchen taufbahn. 3" 
Bobes „IPejHnbier", mit bem Zteujahr J772 bie Sühne roieber 
eröffnet u?urbe unb auf ben man große Hoffnungen fefete, über« 
nahm fte noch einmal eine neue Holle unb fpielte bie £aby 
Husport mährenb ber 3ablreichen IDieberholttngen bes Stücfs bis 
5um Ausgang bes Sommers. 21m 3 \. Lugufi J772 beteat fte bie 
Bühne 3um lefctenmal unb enbigte bamit, ohne Sang unb Klang, eine 
mehr als breißigjährige, an €fjren unb Sorgen reiche Künftlerlauf« 
bahn. Sie tonnte um fo leichteren Wersens oom öffentlichen 
Schaupla^ abtreten, als fte ber Öürme einen XTachumchs fpnterlteg, 
ber ihres Samens unb ihrer Schule roürbig t»ar. 

&>as fte felbft in ihren jungen 3ahren für Leiermann ge* 
roefen tx>ar, bie nie oerfagenbe, mit ungemeiner (Energie unb 
ftaunenstuerter Dielfeittgfeit jeber Aufgabe gerechtroerbeube, ein3tg 
unb aüetn 3um ZTufcen bes <6an3en »irfenbe Stüfce bes Hepertoirs, 
bas nmrben für Schröber in biefer £eit feine Schu?ef!ern X)orothea 
unb (Charlotte. 

1 JPie Llbred?t Hartenberg unffen tpollte, infolge 3U flarfen Schnupfens. 

% tfrau von <£apellet unb bie (Sräfiu von (Dlsbadj ftnb bereits früher 
(I. 2T0 genannt tuorben. 3n erflerer Holle erregte fte noct) befonbers 
im gufammenfpiel mit Dorothea als 3ulia oielfa<h Betsunberung. 3 n 
Leiermanns (Eobesjaljr fallen nod> als neue Hollen Iltutter Haaßel in 
«Engels Danfbarcm Solm unb tfrau ptulibert in Socf -Hölligs fomifcfjer 
Operette dlartffa. festere fpielte fte oom \0. (DFtober bis \. ITooember 
1 77 1 piermal, unb gab fte erfl am 2*. Hooember, ber erflen IPieber- 
tyolung nad? ihres IHannes (Eobe, in anbere f>Snbe. 



00 Dorothea 2ld ermann : 3Iu§erc (Erfajetnung, Temperament u.Ctjaraftcr. 

Der rjerben Erfahrungen, n>eld>e erfierer fd>on in ben 21n* 
fangen irjrer Caufbafjn iti ben erften fea^iger 3<*hren bas £eben 
verbittert unb verleibet Ratten, ift bereits gebaut roorben. 

2lud? für bie glücflidtf angelegte Hatur tft bie taufbctiin 
einer Sdjaufpielerin ein XTlarterroeg, mit glüfjenben Steinen 
gepflajkrt: nur leibenfdjaftlidje Ciebe 3ur Kunfl unb bie unerferjütter* 
Iidje ^UDerftd)t auf bie bafmbredjenbe 2Tfacn,t bes eigenen (Talentes 
vermag ben Sommers ber 53ranbmale an ben munden 5ü§en er* 
träglid? unb oergeffen 3U machen. 

Dorothea 21cfermann verjagte fidj aud) biefes Cinberungs» 
mittel; ifn* rvar bas (Ctjeater, ifjr eigener 33eruf ein (Sreuel. Unb 
trofcbem ift fie ibren lüeg emporgefdjritten, rjat ade ^roeiflfer an 
irjrer Begabung fiegreid? rviberlegt unb ben berufenden &\U 
genoffen bie fjöcrjfie 23etvunberung abgerungen. 

Die vertvüftenben Spuren biefes Martyriums Ijat fie freilid? 
nid?t verleugnen fönnen. Die eigentlid^e 3uge"&M c *? c unb 3"9*nb* 
freube Ratten ibr bie frühen €nttäufdjungen umviebcrbringlid? 
geraubt, ein grillenhafter £?ang, burd] faft unaufrjörlid?es Kränfclu 
noch, begünftigt, machte fie für itjrc nädjfie Umgebung 311 allem 
efjer als einer liebenstvürbigen (Sefeflfd^afterin; 1 unb ein verbroffener 
<§ug, ber fidj in ben tfTuubrvinfeln fo eingenijiet tjatte, baß er 
audj auf ber 23üfme nicht immer 3U tilgen rvar, verlieh ber 
gra3iöfen, bureb, fdjonen IDuchs, fleine fjänbe unb 5ü§e unb einen 
blenbenben (Eeint fonjt angenehm ins 2luge fattenben €rfd?einung 
etwas Unnahbares. 8 

1 Sie tfr oljne ^meifel nadj biefer Seite Inn bas llrbilb für bie 
21urclie in (Socttjes „n?tlrjelm JTteijiter" gemefen. (Ebenfo mie itn* £ruber 
in ei 113 einen §ügen für Serlo fllobell gefeffen f?at. 

* <£tuc ntcb,t gefdjmeidjclte, aber fid?er aud? nidjt gan3 unätmlidje 
Sdnlberung ttfres dufteren giebt gelegentlich 21lbrea>t Wittenberg: „IHlIe. 
Dorothea 21cfermann r?at für ein £rauen3immer eine fd?one fänge, fte Ijat 
feljr fdjöne mei§e £?änbe, einen flehten nieblidjen $n%, eine feljr meifjc 
fjaut, unb mie fie nodj im 21ufblüt{en mar, fdjien es, als menn il?r Sufeu 
cinji bem 23ufen .... ber Helena nidjts nachgeben mürbe. Dodf biefe 
fdjöne ^frudjt fdjeint, beoor fie 3ur rolligen Heife gelangt ift, Iciber fdbott 
311 melfen; bas gute IlTäbdjeu fdjetnt fieb, burdj gar 3U ftarFe Jlufirengung 



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Dorothea Acfermann: Sdfaufpielerifdje (Entmicfelung. 



(Erobern rtmfjte fte, nähern bie Unjtcherhrit unb Steifheit 
ber befangenen Anfängerin einmal überrrmnben waten, mit eiferner 
£DtHensFraft, bie aderbings burch ben Heichtum ihrer natürlichen 
Begabung eine nicht 3U unterfdjäfcenbe Anregung unb Anfeuerung 
erhielt, teibenfdjaft unb «gärtlichfeit, gra3iöfen fjumor unb heroifdjes 
Pathos in überroältigenber 3Üufton 3um Ausbrucf 3U bringen. 
Natürlich fonnte fte bei ber ftaunensroerten Dielfeitigfeit ihrer 
Befchäfrtgung nicht in jeber Holle, in jebem 5ad?e bas (Bleiche 
leiften. ZTocfj nie bat es ein Künftler fertig gebraut, gleichseitig 
in ber großen (Eragöbte, im rührenben Vvama, im feinen Cufifpicl, 
in ber berben poffe, im Stngfpiel unb im Ballett biefelbe <S3rö§e 
3U 5eigen. Unb ftcher tr»ar fte auch, \<t>on ihrer Kränflicbfeit 
roegen, nicht immer im ftanbe, biefelbe Holle mit ber gleichen 
5rijche unb bem nämlichen, ftd? felbfi oergeffenben $euet $u 
fpielen. 

(5IeichmohI roar fte in ben 3<*h* m ^ rer Kraft «n« 
Künftlerin, ber an Ciefe unb Umfang bes Calentes feine ihrer 
geitgenofftnnen ftd? Dergleichen fonnte. Der Schrcerpunft ihrer 
Begabung ruhte u>ie bei ihrer ZHutter in ben särtlich leibenfd?aft« 
liehen Hollen; für bas fjeroifdje befähigte fie roohl bie fto^e, 
oornernne Haltung unb ZtTiene, rote bie flattliche €rfcheinung, aber 
hier legte ihr boch ih^ Stimme, bie nur mittleren Umfangs roar, 
eine gerr>iffe Befcrjränfung auf. 

Den Berounberern ber fran3Öftfchen (Eragöbie unb ber fran* 
3Öfifchen Spielroeife im allgemeinen, bie ja für bie ältere beutferje 
Schaufpielergeneration noch burchroeg bas Dorbilb mar, rooflte 

ber £cibes* unb SeelenrrSftc bereits bie SdjtDinbfudjt 3uge3ogcn 3a t)aben, 
unb Dertnutlid? u>irb bie Bütjne biefe Sdjaufpiclertn, bie in einem getpiffen 
tfadje unter Deutfdjlanbs bejien Sdjaufpielertnnen genannt 3U tpcrbeu 
rerbtent, nid?t lange behalten. ITlIIc. Acfermann rjat ein längliches (Seftd>t, 
n>eldfes aber von Blattern gar feljr oerborben ifi; fte hat feljr fleine Augen, 
bie aber nidjt riel tfeuer haben, unb gcmetntglia? rjat fte eine 3icmlich per- 
briefliche IHiene. Sie trägt ftd? feb.r gut, in ihrem gausen Betragen bmfd}t 
otel Anfianb unb (Sraste, unb ihres finftern Blitfs ungeachtet fanu fte in 
33rtlta>en Hollen ftd> fehr ret3enb gebärbeu." (Allgein. Deurfdjes Itfodjen' 
blatt 3itr (Et?« oer £eftür.. j"7*. 2. (Teil. S. 25 \ f.) 



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92 Dorothea 2lrfermann : in tragifdjen Hollen bas Porbilb ber (Eruppe. 

freilief? überhaupt irjre Darftetlung tragifd?er Hoüen niefft besagen. 
Die fcrjlidjte Ztatürlicr/Feit irjres Spiels, bie jeben „Druder", jebe 
nur ourd? ben muftfalifd?en JPofjlfiang wirfenbe XTuance Oer 
DeFlamation oerfijmärjte unb auf bie IDarjrtjeit bes 2lusbrucfs unb 
bie Scr/ärfe ber (£r?arafterifiif bas fjauptgeroidjt legte, bie audj in 
ber <5eftifulation ZHonotonie roie Übermaß malenber (ßebärben 
gleidjera>eife oermieb, erfdjten benen, bie in 2TIab. fjenfel bas 
3beal einer tEragöbin farjen, Die! $u fdjlidjt unb bürftig. 1 €ben 
barum aber erroies fte fid] für bas <£nfemble ber 2Icf ermann« 
fer/eu (Truppe bureb, üjr fcr/ulemadjenbes 23eifpiel ebenfo bebeutenb 
wie einft ibre ZTTutter. 3" 1 ooflfkn <£inr>erflänbms mit biefer 
unb irjrem öruber bilbete fie bie feit ben fünf$iger 3^^" für bie 
Cruppe trabitionefle Spielroeife weiter aus unb fdjuf in if|ren 
Hauptrollen gereifte Cypen naturn?ab.rer, crjarafteriftifcb.er T>ar* 



1 Der Derfaffer ber betten „Schreiben über bie Jjamburgifche Sühne" 
({77\ ; r>gl. Uhbe, £lugfd)riften Ztr. 6) rühmt an tr>r : „bas ausbruefsfähigfte 
(Seftcht", „berebte güge". Xlur It>ut unb fiarfe 21ffefte gelängen ihr nicht gan3. 
21m befien glürf ten : „3Ürnenbc unb beleibigte (Eugenb, ebler Stol$ gegen bas 
£afier, angftpolle De^meiflung, nagenber Kummer unb bas gütige gefällige 
lächeln einer 3ärtltd?en £tebt}aberin unb (Sattin..." (Ebenfo ©erben tljre 
freien mannigfaltigen unb unge3tx>ungenen (Seflen, ihre malerifchen 21ttitübett, 
ihr fhtmmes Spiel gerühmt: „3hre fjänbe fallen tf^r nicht 3ur £aft; fte 
tonnte bas obligate Sd)uupftud? fehr gut entbehren." 3^ re anmutige unb 
umfangreiche Stimme fei nur im f}ödjften 2lffeft bisroeilen 3U fdjroach, 
baffir fdjrete unb Freifd)e fte aber auch nie, n>ie bie £}enfel. Dortrag unb 
2lusfpradje feien oortrefflid), irjrc clharaFterijtif gut, iljre fjauptfiärfe feien 
bie rütjrenbett Holten im Drama. — Dagegen urteilt 2Jlbred)t Wittenberg 
(a. a. (D. S. 25* f.), itjre (gefiifulation unb (gebärbenfpradje fei mangel- 
haft. „3tire fleinen 2tugen fagen nicht ciel, mit bem <Seftd>te fann fte 
wenig, bie Blattern haben eine grofje Derroirrung in bemfelben angerichtet, 
bie IHusFeln ftnb baburdj fieif geroorben unb haben ihre SeroeglichFeit oer* 
lorett. 3^ rc (SefHFulation ift überhaupt fehr einfach; immer btefelben 
Beroegungen mit ber Jjanb, btefelben IKanteren, biefelbe Stellung, auch 
3U einfach in ocr Deflamation. Denn obgleich HWe- 21 • gröjjtcntheils fehr 
richtig accentuirt, fo fann fte boch ihre (Töne roegen ihrer fetnpachen Stimme 
nach ben uerfdnebenen Situationen nicht genug abänbern unb gerät baher 
nicht feiten in eine OTonotonie, bie auf ber Sühne rote auf ber Kartei 
nicht roohl 3U leiben ift." 



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Dorothea 2Irfermann: Ptelfeitigfeit ihres Hepertoirs. 



93 



fteHung, bie nicht ohne «Einfluß auch auf bie Darfieller ber Heben* 
rollen blieben unb balb ben Porfteflungen Oer 2lcFermannfchen 
Cruppe jenes eigentümliche (ßepräge roiebergab, bas $uerft ihren 
Huf begründet hatte. 

Ungeheuer bie 21nforberungen, bie an ihre Ceifhingd* 

fähigfeit gejieQt mürben. 3« ©en 3efm 3<*hi*n ih^r f?aupt» 
thätigfeit J769 — 78 furo nur 3ir>ei 3afjre, in benen bie <§ahl ber 
neuen Hollen unter 20 blieb, in manchen tarn es auf annäfyemö 50. 
Dabei fxnb bie neueinjlubirten Hollen, alle pantomimifchen nnb 
choreograplnfchen Ceifiungen, alle mufifalifchen (Einlagen, bie 
3at}lreid?en Prologe unb (Epiloge, bie ade ihr $uftelen, noch gar 
nicht mitgerechnet. <E ine große tragifdje Holle, eine erjte partie 
im Singfpiel ober ein anfkengenbes Solo im Ballett, unb ein 
prolog an einem 2lbenb n>ar nichts Seltenes für fie. 

Sie fang heute in IDeißes Cuftigem Sclmjter bie £ene, rührte 
morgen als Sara 3U Cfjränen unb ent3Ücfte menige Cage barauf 
buret? bie liebensroürbige <ßra3ie ihrer ZYItnna. 3fjr floffen teilnahmst 
ooHe Säften als 3ulia (in feiges Homeo unb 3ul»<0, unb bie tragifdje 
E>er3n?eiflung ber^u>an3igjährigen als 0rfina erfchütterte bie^ufchauer 
bis aufs HTarP. IDelchen bebeutenben Anteil aber fie buretj bie 
Originalität ihres freifetjaffenben {Talentes an ben großen epoche* 
madjenben theatralifchen Siegen ihres 33rubers tjattc, mie fie por 
allen T>ingen für bie Darftellung ber 5*auencharaftere im Drama 
bes Sturmes unb Dranges unb bann SfjaFefpeares mit ben (Eon unb 
bie HTelobie angab, bas mirb noch weiterhin 3U berühren fein. 

Schröber mußte, was er an ihr befaß, unb n>as er, als fie 
J778 oorn (Cheater abging, mit ihr oerlor. „Hamburg," fchrieb 
er bamals, 1 „ oerbient folche Schaufpielerin nicht, bie mit allen ihren 
Sehlern, beren fie wirf lieh h<**/ fid?« öie erfle Deutfchlanbs ifh" 

ZTTußte Dorothea ftch biefen Huhmestitel unter fdjweren inneren 
Kämpfen im eigentlichen Sinne bes XPortes mit ihrem Ejerjblut 
erfaufen, ohne bes (Errungenen je eigentlich froh 3 U »erben, fo 
fchien an (Charlotten, ihrer fünf 3<*hre jüngeren Schwerer, in 

1 Dgl. SdjrÖber unb (ßotter. (Eine (Eptfobe aus ber beutfd>en (Eljeater- 
gcfdjia>te (1887). 5. 91- 



9^ Charlotte ermann : 2lu§ere <£rfa>einung unb (Eigenart ilires (Talents. 

intern f ursen Künfllerleben ber alte Stammbuchrounfch „ber 5reuben 
oiel, ber leiben wenig", jich erfüllen 311 [ollen. 

Charlotte 2lcfermann roar feine blenbenbe Schönheit; aud> 
in ihrem <5efid)t Ijatten, ebenfo roie in bem ihrer älteren Schroefter, 
bie Blattern* Derroüftungen angerichtet, 1 aber ihre fchönen, feurigen, 
berebten 2lugen, ihr liebensroürbiges Cädjeln, bie temperament* 
Dollen, unb babei nie uufchönen Bewegungen ber mittelgroßen 
ein roenig 3ur 5ülle neigenben (5eftalt, gaben im Perein ihrer 
<£rf Meinung etroas ungemein 2ln3ieheubes unb machten auch, in 
ftummen Köllen fie 3um 2HitteIpunft ber 2lufmerffamfeit. 

Vor allem aber lag in ihrer ntdjt umfangreichen Stimme 
jener b.er3ergreifenbe Klang, ber „(Crjränen ins 2luge locft 
unb £uft in bie Seele". „Zlur einen Con burfte man Don ibr 
rjören," rühmt ein ^ufchauer jener (Eage 2 oon ihr, „unb man mar 
gewonnen, gefeffelt für ben gan3en 2lbenb. " Das £jauptger/eimnis 
aber bes Räubers, ben fie auf 2Ut unb 3ung, auf ^reunb unb 
5einb ausübte, unb bas fie inmitten einer auserlefenen Künftler« 
fchar, neben fo genialen 2)arfleflem roie Sdjröber unb Dorothea, 
als etroas gan3 Befonberes, mit feinem anbern Vergleichbares 
erfcheinen ließ, bas roar bie überroältigenbe, elementare ZTaturfraft, 
mit ber fie ihre Hollen oerförperte. 3bw Darjiellungen roaren 
nicht bas Ergebnis einer alle 5arbennuancen forgfältig berechnenben 
fünfUerifcben (Sebanfenarbeit, fonbern augenblicfliche €ingebungen 
einer fünfilerifcben 3»fpirorton, oer fie gehorchen mußte unb ber 
nur fie fo unbebingt gehorchen burfte. Sie roar im Slugenblicf, 
roas fie fpielte, bis an bie <5ren3e oölligen Selbftoergeffens, 3 unb 

1 Zladf ITIqper (I. 28 0 fianben ihr felbft bie Blatternarben gut; fie 
„gaben ihr auf berSüfme ein frifdjeres, lebhafteres Jlnfehen" (?). Zllbredjt 
Hartenberg, ber fie als 12— 1 5 jähriges tnäbdjen i>or ber Kranfrjeit nod) 
fpielen fal?, Ijielt fie bagegen roegen ber babura? cerurfadjten geringen 
Beroeglidjfeit ber (Sefia^tsmusfeln gerabe auf ber Bütme babura? febr beein- 
trächtigt. (Mgem. *t>oa?enbl. II. S. 2^9.) 

* Dr. 3. 21. t}eife. £>gl. ^ . £. Sdnnibts Denfumrbigfeiten, fyerausQ. 
von fj. Uhbe. I. S. 249 f. 

3 „Sie bi§ roirflidf in bie Kette unb raufte ftd) [roirflia^ bas fjaar 
aus, roenn ber Dichter es uorgef abrieben hatte," e^ätjlte Sdjröber an ,£. £. 
Sajmibt. (DenfttJÜrbigfeiten I. S. 226.) 



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<£fyarIotte 21tfermann: Scfyaufpielertfdje <Entn>irfcIung. 



in biefem «gujfanb ber cgraltation firömten ifjr naturalifiifche Cime, 
Nuancen unb Sechen 5U, wie man fte bis öafnn nie auf ber 
23ürme gefehen unb gehört hatte. 

Sic war ein naturalifiifches <5enie, wie unter aü ihren 
großen deitgenoflen vielleicht nur noch Borchers. 

2Jud} fte Bjatte gleich ihren älteren (Sefchwifiern bereits im 
Sarteften Kinbesalter 1 bie öürme betteUn unb, wie bereits erwärmt 
würbe, 2 nach unb nach biefelben Kinberrollen übernommen, aus 
benen biefe rjerausgen?ad?fen waren. Seit J769 waren ba3U 
jugenbliche ^ofenrollen u. bergt, gefommen. Doch war fte bis 
3U SJcfermanns (Eobe als Schaufpielerin oerhältnismäfjig wenig 
hervorgetreten, wogegen fte im 23aHett, bem fic ftdj mit gleicher 
Ceibenfcrjaft wibmete wie Sdjröber, bereits um biefe <£jeit burch 
ihr jugenblicr/es 5euer unb ibre (ßrasie ^luffeEjen unb 23ewunberung 
erregte. 

<£rfr 77 ^ fiel ihr bie Aufgabe 3U, bas burd) Sufanna 
Zllecours Abgang oerwaifle 5<*dj ber erften Soubretten unb jugenb* 
liehen munteren tiebhaberinnen 3U übernehmen; eine Aufgabe, 
bie, wenn fte ihr auch fünftlerifch gewadjfen war, bodj faft über« 
natürliche 21nforberungen an bie phyftfchen unb pfychifchen Kräfte 
bes h*™"tt>ad>fenben ZHäbchens fteüte, 3umal ifjr auch Singfpiel* 
rollen sugemutet würben unb fte für bas öallett eher noch 
ftärfer als bisher in 2lnfpruch genommen würbe. Seit bem beginn 
bes 3afjres ^77^ bis 31t ihrem im 2TTai J775 erfolgten Cobe 
hatte fte \\6 neue Hollen 3U fpielen. Davon in ben lefcteu 
V* 3<*hren ihres £ebens allein 39! 3" biefer £}inftcht trifft 
Sdjröber entfdjieben ein Porwurf. <£r, ber ftch felbfl nicht fdjonte 
unb mit feinen Kräften va banque fpielte, um in biefen fdjweren 
Reiten bas Unternehmen über IDaffer 3U halten, glaubte ftch. auch 
berechtigt, bas CEalent unb bie Slrbeitsfraft feiner Sdjweftern bis 
3um äufjjerften aus3unufeen. <£r überlegte ftch nicht, bafj biefen 
forcierten 2lnfirengungen über fur3 ober lang ein bebenflicher 

1 \76; am \6. (Df tober in Karlsruhe als £uisd)en in Zllolieres CHin* 
gebildetem Kranfen. 

" I. 5. 286. 



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()6 Charlotte Jlrf ermann: <5ipfel tfrfrer Kunfientfalrnng. 

Hücffdflag folgen müfife. freilief? war bie feurige «Energie, mit 
Oer <£fjarlotte alle irjr gefteüten Aufgaben ergriff unb burchfüfjrte, 
nur $u geeignet, Um über bie <ßefärjrlid?feit feines €rperiments 
51t täufdjen. <£s toar auch n>or}I nicht fo fehr sarte perfönliche 
Hücfftcht auf bie Schmefter, als auf oie Stimme Oer öffentlichen 
XlTeinung, oie ifjn Deranlafcte, in oem unruhigen 3aljre {772, in 
bem (Charlotte fonfirmiert roarb, ihre (Effätigfeit oorübergetjenb 
etroas eiti3ufchränFen ; fonft hätte er bas Dier3el}njärjrtge 2Häbd?en in 
eben biefem 3af? r * nidjt in tefftngs cgmilia (Salotti bie Citetroue 
fpielen laffen. IDenn fie fchon in ZHercicrs ©linth unb Sopbronia 
als Sophronia am 5. X)e$ember \77\ eine nicht gewöhnliche 
Begabung für tragifche Hotten offenbart fyatte, fo lieferte fte 
in ben folgenben ^}ai\ven, befonbers burch ihre cEmilia am 
\5. lYlai \772, unb oor aQem burch itjre (ßräftn Hutlanb in ber 
<5unft ber 5ürften überroältigenbe proben, bafj fie 3ur tragifchen 
Ciebfjaberin berufen fei. Unb fo fielen itjr benn auch in ben 
3afyren ^773 unb \77% außer ben ZTaioen, ben Soubretten, ben 
jugenblidjeu Ciebhaberinnen in ber Komöbie unb einer nicht un* 
beträchtlichen 2ln3ahl chargierter Sollen 1 tragifche Aufgaben erjien 
Sanges, roie bie (Titelrolle in 23ranbes (Dlioie, ZHarie im Claoigo, 
2lbelheib im <Bofc 3u, bie fte frets oon einer neuen Seite 3eigten. 
23efonbers in ihrer 2lbeltjeib offenbarte fie überrafdjenb eine (Semalt 
bes 3>ä"monifd}en, bie es boppelt beFlagensroert erfdjeinen läßt, 
ba§ fte 3U früh um ShaFefpearefdje (ßeflalten noch oerFörpent 
3U Fönnen. 

ZTeben Schwobers beiben Schroeflern hatten bie übrigen roeib« 
liehen 2Tlitglieber ber (ßefeüfchaft Feinen gan3 leichten Sta\\Z>. 3*"* 
beanfpruchten, unb oerbienten auch, burch bie (ßröfce unb bie 
ZHannigfaltigFeit ihrer (latente eine bominierenbe Sonberfteflung, 
bie einen ernftlichen lüettFampf mit ihnen r>on oomheretn ausfd?lo§. 



1 So 3. 23. bie Kirfcf/in in Stephanies (Eabler nadj ber rHoi>e. 3" 
besfelben Perfaffers <£s tfi n\d}t alles cßolö, n>as glä^t, überrafa?te fte 
in ber Hotte einer Sudlerin burd) eine faft untieimltd) rotrfenbe ZTatur» 
roarjrljeit. 



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3ofycmna Kidjarb-Sacco 



97 



namentlich Dorothea »achte eiferfuchtig barüber, bag feine ebr- 
gei3tge Bioalin ihr ben tfjeuer erfauften plafc einer primabonna 
ftreitig machte. Charlotte war $n?ar in biefer Ziehung Diel 
liebensroürbiger ; aber gerabe fte trar ohne ihr «^utEmn eine 
3nbir>ibualität / neben ber feine 2lnbere auffommen fonnte. 

(Erofebem vereinigte bie <5efetlfchaft in biefen 3ab,ren noch 
eine 2In3ab.l nicht gewöhnlich veranlagter 2)arfteflerinnen, bie ofme, 
roenigfiens fo lange bie ^Icfermannfdjen (Töchter thätig »aren, in 
ben Dorbergrunb su treten, burch ihre Ceiftungen ntcf?t wenig $u 
bem trachfenben Huhme bes Ejamburgtfchen (Ebeaters beitrugen. 

^ier tf* vor allem 3o*l<*nna Htcharbs roieber 3U ge* 
benfen, bie, nachbem bie €nttäufcb l mtg in ibren Ciebesb. Öffnungen 
fie im Sommer \77{ fortgetrieben hatte, im 2lugujl J773 als 5rau bes 
23aflettmeijfers Sacco 3urücffeb,rte unb bis <2nbe (Dftober 1 \77% mit 
n>adjfenbem Erfolge als jugenbliche Ciebbaberin unb Salonbame 
thätig mar. IDährenb fte bei ihrem erflen Engagement noch aÜ*3ufehr 
bie Schule ber Weinen prot>in3ialtruppen »erraten hatte, gelang es 
ihr biesmal beffer, bie <5unjl bes publifums 3U erwerben. ZHan 
merfte, bafj jte bie bamals bei ihrer fur3en 2(nu>efenheit empfangenen 
Einbrücfe ftch 3U Hufcen gemacht unb bafj bie £ebren ber ZKab. 
2lcfermann bei ihr auf fruchtbaren 23oben gefaflen waren. Sie 
war eben fein Original, aber eine um fo begabtere ZTadjafjmerm, 
unb fo mußte fie benn auch jefct aus bem überreich, fprubelnben 
Quell ber genialen (Eingebungen Charlotte 2IcFermanns ftch einen 
ZTebenbacb, ab3uleiten, aus beffen Sammelbecfeu fie fpäter in ber 
5erne noch, lange sefjrte. Ein pifantes, Bjübfdjes (ßeftcht, ^in- 
reigenbe Stimme, tabellofer IDudjs begunftigten fie babei nicht 
roenig. 2lber 3U einer eigentlichen Entfaltung ihres (Talentes fam 
fte unb fonnte fte in Hamburg nie fommen, auch. u>enn man fte 
häufiger in größeren Hollen befdjäftigt hätte, hingegen trug fte 
in an unb für ftch unbebeutenben Nebenrollen, beren DarfleHung 

1 So (nad) Sdjröbers Angaben) Meyer I. 27<k u. II 2 89. Dagegen 
fdjreibt ZPittenberg bereits im 2\. Stiicf bes 21. D. Notenblattes 3. €. b. 
leftfir vom 25. 2luguft [77$, Sacco unb £rau feien am *9- biefes 
IHonats nadj tParfajau gegangen. 

Ciftmann, Sdfrödet II. 7 



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98 



Sophie Heinecfe. 



fic ftd] ebenfo miüig wie Sd?röbers Sdjroeftern untersog, ntdjt 
menig 3U jener muflerfyaften, flimmungsDolIen Abtönung ber Farben 
im «gufammenfpiel bei, bie um biefe £eit bie £jamburgifd?e 23ülme 
oor allem aus3eidjnete. 

(größeren Spielraum gemährte bas Hepertoir unb bie <£igen« 
tümlicrjfcit ifjres Talentes ifyrer Kollegin, ber ferjönen, bamals 
fünfunb3n?ait3igiäfirigen 1 Sophie Hein eefe, bie feit J770 bereits 
mit ifjrein, nod? 3U errcäfmeitben, 21Tanne ber Jlcfermannfdjen (Eruppe 
ftdj sugejeüt trotte unb bis J777 3U beren ^ierben gehörte. Sie 
u>ar ein tEtjeaterftnb, bie Cocr/ter eines fübbeutfdjen IDanber* 
prinsipals Pen3ig. «Einige prooinsmanieren unb bialeftifcfye Um 
arten untfjte fte balb absufhreifen unb entn?icfelte ftdj unter Scrjröbers 
2(ugen $u einer gans oortrefflidjen 2>arfieUerin tragifdjer 2T?üttcr» 
rollen, audj im lufifpiel leitete fte im $ad\e ber Salonbamen, 
Fofetten IDittoen unb bergl. r>or$üglid?es ; nidjt minber glüeften 
i^r gelegentlid] fjofenroüen. 2>urd? ib K v (Temperament unb itjr 
2leu§eres, roeniger burd? ifjr (Drgan fd?ien fte für bie rjödjften 
Aufgaben in ber (Tragöbie berufen, 2 tr>ie fte benn aud? voofy als 
rfadtfolgerin ber %nfel unb ber Sranbes für bas 5ad? ber 
Heroinen urfprünglidj auserfefjen mar. 2lber roenn fte aud? 
in Hollen une ZHanpoob unb 2TTiIu>oob großen Beifall erregte, 
fo u>arb fte bodj burd? bie aud? auf biefes (ßebiet binübergreifenbe 
Üielfeitigfeit Dorothea Leiermanns aümäfjlid) in jenes ältere 5adf 
gebrängt, gegen bas ifyre jugenbltdj funfelnben klugen unb iljre 
blüfyenbe Sdiönfjeit trofc beu angefdjminften Hungern nur 3U oft 



1 tTad? ber, rooljl autfjentifdjen, Unterfdjrift unter itn-em porträt im 
(Efjeaterfalenber von 1790 wav fte am 2. De3cmber [7^5 geboren. Danaa) 
ift bie Angabe bes 21. Z>. Stograptjie XXV1U. S.2\, fte fei „etwa \"50" 
geboren, 3U bertajtigen. 

* Sdjiitje (S. <*05) nennt fte „eine tDÜrbtge Hadjfolgcrin ber fjenfel 
in fjeftigen, fnröfen Hollen. 3n btefem tfaaje tuar fte roaljrljaft groß". 
€r rüfmtt ihre „ungemeine Kunfi perfcb.önernber ZTadjat{mung ber Hatur. 
Spraajc, <ScbefH"bung, ZHFtton unb ftummes Spiel, Konoerfattonston, 
IHäßigung im 21usbrucf ber Ijeftigen £etbenfdjaft Fjatte fte in itjrer 
<Sett>alt." 



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3ofyanna <£tfrifüane StaxU. 



99 



3U protefhren fchienen. 1 2lber ihrer (Oaubia in ber €milia 
(ßalotti, ber (ßräfm in Branbes <DIit>ic, 2lmalia in Klingers 
Twillingen, €lifabeth im <5öfc, <£ecilie in (Soethes Stella, Königin 
im £}amlet, (Sräfin Ztottingham in ber (Bunft ber 5ürften toarb 
noch lange gebadfk <5ans iji fte nie toieber erfefct morben. 
2lflerbings roar es Schröber, noch ehe Sophie Beinecfe feine Bühne 
©erließ, gelungen, gerabe für tKütterrotlen eine Darftellerin $u 
gewinnen, bie burch ihre 3ah>* roie ihre eigentümliche Begabung 
ungleid? mehr als biefe berufen erjdnen, bas 5adj aus3ufüllen; 
bafür aber auch roeniger oielfeitig, weniger elafiifch, für manche 
Aufgaben fich als ungeeignet erroies, bie Sophie Xteinecfe fpielenb 
bewältigt fyatte. 

Das roar bie bamals fechsunbpiersig jährige 3oh<*nn<* 
Xhriftiane Starfe, geb. (ßerfjarb, bie auf (Sotters «Empfehlung 
am 5. 5ebruar \777 3uerft Schröbers Bühne betrat unb oon ba an 
bis 3U Schröbers Hücftritt oon ber Direftion eine ber oerftänbnis* 
oofljien, fleifcigfien, treueften, uneigennüfcigften, unb auf ihrem (ßebiet, 
auch erfolgreichen (Sehülfinnen Schröbers geroefen ift. €r h<*t 
ihr auch nach ihrem Cobe ein biographifches Denfmal 

gefegt, 2 bas in einer ebenfo roarmen roie gerechten XDürbigung 
ihrer menfehlichen unb fünjMerifchen cgigenfehaften gipfelt. 

IDährenb biefer erfien Direftion Schröbers fonnte allerbings 
ihre unvergleichliche Begabung für bie Darftellung jener gemüt* 
©ollen, leicht humorifhfeh angehauchten Alten, mit benen namentlich 
3fflanb nachmals bie beutfehe Bühne bereicherte , nicht 3ur (Beltung 
fommen. (ßrabe in ben legten fieb3iger 3ahren, roo im Cragifchen 
bas Drama ber Stürmer unb Dränger noch unb Shafefpeare fchon 
bas Hepertoir beherrfchte, rootlte es ber alternben, noch gan3 ;:t ben 
tragifchen HIanieren ber Schönemannfchen Schule befangenen 



1 <2tne An3arfl ber oon iln* im erften 3 a *t rc *h rcs Aufenthalts bei 
Acf ermann gefpielten Sollen ijt oe^eidjnet in bem (CErfien) Sajreiben über 
bie ßamburgtfaje Bür/ne \77\. Dgl. oben S. 92 Anm. 

' 3n Sd)mtbts Almanad) fürs (Ojeater \8\o, S. 8\— 109. „ffefrolog. 
3ob. Cb,rijiiane Starfe, geb. (Serrjarb." tüieber abgebrneft (mit einigen 
Säuberungen) bei Weyer II* S. 2\5—5\. 

7* - <■ 

V:" 



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Sufcmna OTecour uno Caroline Kummerfelbt. 



KünjHerin nid?t glücfen, in tragifchen Hollen ben auf bas übrige 
€nfemble abgeftimmten (Eon $u treffen, fjier jiörten ihre ge» 
Sterte, letje Sprache unb ihre monotonen Bewegungen. Das 
obligate roeifce Schnupftuch Oer Schönemannfchen Sdmle, bas man 
in Hamburg als überflüfjtg unb jebe natürliche Bewegung flörenb 
längji nicht mehr auf bie Bühne brachte, war t^r noch ein 
unentbehrliches Hequiftt. Unb fo mar jte außer ftanbe, bie 
jugenbliche, in unge$u>ungener ZTatürlichfeit ihre (Biteber regenbe 
Sophie Heinecfe in h cro M^? cn un0 tragifchen Hoden su erfefcen. 
Dagegen cut$ücfte fie jehon bamals in ber Darßeflung bürgere 
Itcher <£haraftere, burch bie Ctefe ihrer 2luffaffung unb bie ihr 
bann $u (Sebote fiehenbe Schlichtheit bes 2Iusbrucfs. #uch ihre 
rein fomifchen Gilten Ratten ftch großen Beifalls 3U erfreuen. 

XOenn es biefer Künftlerin noch in reifem Hilter, trofcbem jte eine 
gan3 anbere Schule burdjgemacht hatte, infolge ihrer Schmiegfam* 
feit unb infolge ber für ihre befonbere Begabung günfHgen €nt. 
»icfelung bes Dramas gelang, ftch noch in öas €nfemble ber 
ffamburgifchen Bühne harmonifch einsuretfjen, fo fdjlug biefes 
<£{-periment bei 3tr>et anberen, in ähnlicher Cage beftnblichen 
Darßederinnen oollfommen fehl. IDeber Su\anna HTecour, noch 
Caroline Kumme rfelbt, Jefetere als Caroline Schule 1 in ben 
erßen Hamburger 3<*h r en eine ^ierbe ber 2(cfermannfchen Bühne, 
roelche, bie eine im fjerbfte \776, bie anbere im 5rühling J777, 3U ber 
Stätte ihrer einftigen Criumphe 3urücffehrten, glüefte es hier, »ieber 
Boben 3U faffen. Beiber Spiel fiel fo oöllig aus bem Hahmen 
ber übrigen (Befamtbarftellung, bafc fte nach einer Heihe oergebltcher 
Perfuche, ftch in bie neue Spielmeife 3U ftnben, es Donogen, ben 
plafc 3" räumen. 

Schröber felbfi fat einmal bie Bemerfung gemacht, ba§ ein 
publifum einem Schauspieler, ber jtd? unter feinen klugen btlbe 
unb burch gute neue Hollen felbji 3um haften Betfall jteige, 
eine HTanier leicht oe^ethe, »eil man ftch unmerflich an fte 
g,eu>öhne. Komme bann berjelbe Künftler nach einigen 3 a ^ f en 



1 Dgl. I. 5. 272 ff. 




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Urfadjen bes tnifjerfolges. 



ber (Entfernung 3urücf, fo erfchemc eben biefe ZHanier als etwas 
$rembes, ZTeues, unb bas publifum urteile, er fei fdjlechter ge* 
worben, wätprenb in tDafyrfjeit ber Künfiler ber 2Ute geblieben fei, 
unb nur bas publifum fteb. ber ZlTanier entwöhnt f^abe. 

Diefe Beobachtung trifft fidjer 3um (Ceil auf bas Sdncffal 
5ufanna 2Tlecours unb Caroline Kummerfelbts 3U. 5 um ober 
lag ebenfo un3weifelhaft ber (ßrunb ihres 5iasfos baran, bafj fte 
aüerbings bie Gilten geblieben, aber barum auch oeraltet waren. 
Tlidit bie Schwäche, bie man früher überfeinen hatte, fah man 
jefct mit Unbehagen; fonbern was man früher gern gefehen 
^atte, gefiel nicht mehr. ZPieber Ratten, roie fdjon einmal in 
ben fünf3iger 3 a h rct V bie, bureb, bie eigentümliche «Entwicfelung 
bes Dramas, ber Schaufpielfunfi gesellten neuen großen Aufgaben, 
in beren Bewältigung bie Hamburger Bühne cor allen anberen, 
banf Sdjröber, einen ungeheuren Porfprung geroonnen hatte, 
eine Deränberung ber Spielweife 3ur 5oIge gehabt. <5erabe fte 
gab ben DorfieHungen biefer (Truppe einen eigenen Hei3, flellte 
aber bereits als fertige Künfiler neu hi"3"tr«tenbe tflitglieber oor 
bie fdjwierige Aufgabe, gewiffermafjen oon porn wieber an3ufangen ; 
unb bem roaren nur bie IDenigfien geroachfen. 

^u ben erwähnten weiblichen Kräften, bie oo^ügltd} in ben 
erften fahren bie fjauptfiüfee Sdjröbers waren, gefeilte ftch. im 
Caufe ber 3ahre mannigfach jugenblicher nachwuchs, ber 3um 
(Teil oon oornherem nur für Hollen 3weiten unb britten Hanges 
auserfehen war, 3um Ceil aber auch in bie burch Abgang unb 
unb (Eobesfaü geriffenen £ücfen allmählich einrüefte. fjier aber 
erwies fich Schröbern ber 5nfa&* rstct?t fo günfitg wie bisher. 
(Ein fchaufpielerifches Phänomen wie (Charlotte 2lcfermann, bie ba3u 
ein fo ausgefprochener perfönlicher Ciebling bes publifums war, 
war überhaupt nicht 3U erfefeen. 3eber ibrer Darftellungen hatte fte 
&en Stempel ihrer h^I^^ingenben 3nbioibualität einsuprägen 
gewußt, unb oor allem in ihren Hauptrollen i>erfchmol3 ftch bie 
trebmütige (Erinnerung an fleine perfönliche ^ ü 3 e öcc f° jählings 
Dahingerafften mit bem Bilbe ber bar3ufieÜenben Perfönlichfeit, 
Öafj auch bie glän3enbfie fchaufpielerifche Begabung an ber 



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\02 



Sd}röbers £rau als Sdjaufpielerin. 



Aufgabe, ben r>ielbetr>einten 5d\attcn $u bannen, fjätte fdjeitem 
muffen. 

Der I}auptteil biefer »ielbeneibeten unb bod] roenig neibens* 
roerten €rbfd?aft fiel Sd?rÖbers Svau 3U. Sie naljm fte, ferneren 
Wersens, aus Siebe 3U irjrem ZITanne, in bem (ßefüljl, eine Pflicht 
bamit 3U erfüllen, auf ftd?, unb es gelang il>r audj in gewiffen 
23otlen, in benen bie 3arte Znäbdjenfjaftigfcit unb unfcfmlbige 
Hemljeit ifjrer äußeren <£rfcr?einung unb irjres gan3en lüefens int 
<£rjarafter lag, 311 ergreifen unb 3U rüfjren. 1 Sie fjatte ftdj nacrj 
itjrer Scrjmägerin gebildet, bas tarn ir?r jefet 3U nufeen. 2lber 3U 
einem efjrgei3igen Streben, es jener gleid? 3U tr?un, ba3U fehlte 
H\v, ebenfo u>ic 3U beren £eb3eiten, Steigung unb Selbfloertrauen. 
2>as publifum fafj fte im gatt3en gern, benn fte oerbarb aucrj in 
ben Ho0cn, bie ifjrer 3"&i»>ioualität ferner lagen, nie etroas. 
2lbcr jenes gerjeimnisoolle (Sefürjl fügen U>orjIber»agens, bas roie 
ein eleftrifcr/er Schlag bie fje^en ber ^orer burd?3ucfte, fo oft 
Charlotte bie S3ene betrat unb 3U fpredjen anfyub, r;at fte nie 311 
erregen oermoerjt. 2 

3mmerf}in mar fie unter ben obtoaltenben Perr/ältniffen bas« 
jenige weibliche ZHitglieb ber (ßefeüfcrjaft, bas, von Sophie Heinecfe 
abgefeljen, bie aber gar nicr/t besu>egen in 2Jnfprucrj genommen 
tüorben 3U fein fd?eint, burdj jugenblicfje irifdje unb äußere €r* 
fer/einung am beften geeignet erfdjien, ben Derlufl ifjrer Vorgängerin 
roeniger fühlbar 3U machen, Setty Keim er s, ein Pflegefinb 

1 Sosljaft fdjreibt Wittenberg 1776: „Ifiab. Sdjröbcr fpielt Stgnefcn, 
einfältige mäbgeit; unb Inerjn ift fie von Hatur mit reiben (Sahen aus- 
gerüfiet. Sic ifi ujotjlgcbilbet unb tjat eine fdjöne £igur; mandjem möa)te 
babei ber Sprud? bes ^udjfes in ber ^abel einfallen: 0 fdjoner Kopf! 
ad) Ijätteft bu (Seljtrnc!" (Briefe über bie Jldermannfdje unb fjamonfa^e 
Sdjaufptclergefellfdjaft 5. 65.) 

* Hlan oergleidje bas bei altem Wohlwollen bod) fetjr gebämpfte tob, 
bas Sdmtje (S. ^63) itjrcr (Emtlia fpenbet: „Had) einer oorfjerigen be» 
fd)eibenen (Entfdjulbigungsrebe roagte fte es, biefe (EriumpfyroUe ber un* 
Derge§lid)eu Charlotte 2lcfermann nad^ufpielcn. IDir n>aren §euge itjres 
fanften empfmbungst>ollen Spiels. 3n jeber S3ene fab, man es biefer marferen 
Künftlerin (bie audj als tPeib iffrem (Sefd)led)t (Eljre madjt) an, n>ie oor- 
bereitet fie erfaßten, n>ie fein gefügt fte tl?re <Scfäf?Ic als (Emiita roiebergab." 



Setty Heimers. Ulab. Vetter. Damb Sordjers. j03 

unb sugleidj eine Schülerin ZFtab. 2Icfermanns, ber ebenfalls ein (Eeil 
»on Cljarlottens <£rbfchaft 3uftel, roollte es trofc unleugbarer 23e* 
gabung unb feurigem (Temperament nicht recht glücfen, tooran 
3um Ceil ihre fleine Statur unb ihre finblich unfertige (Bejtalt 
bie Sdmlb tragen mochten. Ms ©oflftänbig oerfeBjIt ermies ftd] 
ber üerfuch, ber achtunbbreißigjährigen 1 Sufanna XTCecour eine 
2ln3afy Soubrettenrotlen, bie (Efjarlotte einfi von itjr übernommen 
hatte, »ieber 3U übertragen; 2 mätjrenb eine bisher nur in ZTeben* 
rollen oerroanbie Schaufpielerin, Zttab. Detter, burch anmutiges 
2leußere begünjtigt, jtdj berfelben Aufgabe nicht ohne <5cfdjtcF unb 
(Erfolg 3U entlebigen uerjtonb. 

2tud? unter ben männlichen Z)arfteHern überwog bie traten» 
freubige, aufjkebenbe 3 u 9 c "b. 

Von 2)enen, bie mit 2fcFermamt 2Lnno \76% nach Hamburg 
gekommen rt>aren, war außer Sdjröber nur noch <£iner im Per* 
banbe ber Cruppe, ber fdjon bamals eine Holle gefpielt Bjatte: 
DaoibSorchers, unb auch ber mar, am Ausgang ber ^n?an3tger 
fiefyenb, noch ein junger Hlann. <£s ijt bereits früher 3 feiner eigen* 
thümlichen, gerabesu phänomenalen Begabung gebacht tt»orben, bie 
ihm fdjon als Anfänger eine beoo^ugte Sonberjteflung »erfchafft unb 
ihn, nachbem (EFhof jtch oon 2lcfermanns getrennt hatte, 3U beffen 
berufendem ZTadrfolger geftempelt hatte. Tins bem bamals (Sefagten 
ift erftchtlich, »eich' unfchäfcbare Kraft biefer, eine fchier unerfchöpfliche 
Pielfeitigfeit mit einer frappierenben Urfprünglichfeit r»erbinbenbe, 
mit jugenblicher 5ri|che reiffte fünftlerifche <£inftcht unb Seherrfdmng 
ber äußeren (Eedmif oereinenbe KünjUer für Schröber in ben 

1 Diefe 2lltersangabe ijt allerbtngs nidjt über jeben §n>eifel ergaben. 
Zladp neuerbings von frau <E. IHenfcel in tfranffurter Kird)enbüa?ern 
angebellten Hadfforfdjungen fdpeint fie bereits {75[ geboren 3U fein, Ijätte 
alfo 3ur §eit ihres Dcrljaltniffes mit Sdjröber bereits an ber Sdftoefle ber 
Diesig geftanben. Die obige 2Ingabe fiiitjt ftdj, n>ie meine früheren auf 
ihren ZTefrolog, uaa> bem fie im <*6. 3a^re ihres Alters geftorben 

fein foll. 

8 Sic mußte fogar eine ber tragtfdjen <51au3rollen <£ljarlottens, bie 
<5räfin Htttlanb in ber (Sunft ber tfürflen, fpielen! 
8 I. S. 287 f. 



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\0<k 



3olj. ^rtebr. Xetnecfe. 



Witten unb Sorgen feiner erflen Direftionsjafyre fein mußte. 3" 
ernften unb fetteren CEjarafterroQen, in fyeroifcr/en unb rürjrenben 
Pätern glätte er als ein Stern erfier (Drbnung, ein txmroiger 
Schüler, aber nidtf ZTadjaljmer, (Ettjofs. 

Heben ibjn wetteiferte, von glüfjenbem €^rgeis befeelt, 3ofjann 
5riebridtHeinecfe, Oer \770 mit feiner jungen irau als ein un« 
bebeutenber prooin3fd?aufpieler 3U ^efermann gefommen war uno 
fidf fcrmell in biefem Kreife 3U einem mer/r burdj bie Sdjärfe 
feiner (ErjarafterifHf unb bie unge3tr>ungene Ztatürlidifeit feines 
Spiels als burdj 5euer unb teibenfdjaft fidf aus3eidmenben Dar» 
fteller entwicfelte. 2lber erft nacrjbem es ifmt gelungen mar, feinen 
Hioalen Sorcr/ers burd] ein nidjt fefyr anfiänbiges 3 n *riguenfpiel 
im 3<*n u <* r X^'k 5 U rinem Kontraftbrudj 3n »eranlaffen, fjatte er 
für feinen tEfyatenbrang gan3 freien Spielraum, ben er mit ebenfo 
oiel <£ifer wie <ßefd?icf 3U benufcen wußte. 

TXn Pielfeitigfeit fonnte er ftcf? mit 33ordjers nicr?t meffen, 
aber er Ijatte <£ines cor irmt ooraus: eine glän3enbe äußene 
€rfdjeinung. Diefe machte felbfi in tiebfyaberrollen fein tölücf, 
für bie es irmt im übrigen an jugenblicr/em 5euer unb <£legan3 
ber Bewegungen fehlte. Dagegen ftanb ifmt in rüfyrenbeu unö 
patf}etifdjen Detter« unb ^elbenroüen eine fraftoofle Znännlidjfeii, 
eine fdjlicfyte (ßröße in (Eon unb (ßebärbe 3ur Verfügung, bic 
ifjm allemal bie Hje^en im Sturm gewann. 1 Pielleidjt fyat es 
nie einen Sctjaufpieler gegeben, ber $ur Perforperung bes (ßöfc 
oon Serlidnngen in aflem unb jebem fo berufen war, rote 
üeineefe. Vergegenwärtigt man ftd?, roie biefer tLypus bieberer 
Ereulier3igfeit im folgenben Desennium auf ber 33üEme Sdmle 
madjte, fo begreift man, wie Heinecfe einer ber gefeiertflen Dar» 
fieüer feiner £eit werben mußte. $ür tragifdje (Ojarafterrollen mit 
einem Stier/ ins 23osfjafte unb 3"trigante war ifjm bagegen feine 
äußere €rfdjetnung ein entfdnebenes fjtnbemis, fo fefjr fein perfön» 

1 <2ine gI3n3enbe <£fjaraftertfnf ber fd>aufpielerifd)en 3nbioibualität 
Heinetfes tjat IHefer im f eben Sd^röbers (I. 243 f.) gegeben, wobei man 
nur bedauern fann, ba§ ilmt für bie <£t}araftertjnf feines gelben nidjt eine 
ätmlidje glürflid?e prägnan3 311 (Sebote gefianben fjat. 



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örocFmanns erjres Auftreten. 



\05 



Iicher Charafter, in bem DerflanöcsFälte unb ein fjang $ur 3"trigue 
entfdn'eben beroortraten, ihn gerade ba3U 5U befähigen fchienen. 

IDeniger glücflich f]atte es nach ben erßen €inbrücfen bie 
2)ireftion mit einem jungen aus <5ra3 gebürtigen unb für bas 
$adi ber jugenblictjen gelben unb tiebfjaber auserfefjenen Schau* 
fpieler getroffen, ber noch 3U Hermanns £eb3eiten im Frühling 
^ 77 ^ angeworben roar unb bei feinem erfien Auftreten Pom 
publifum entfehieben surüefgetoiefen u>urbe. 2luch bie Sdjaufpieler, 
Heinecfe, ZHöller 1 unb Borchers an ber Spifce, flellten bem neuen 
Kollegen ein ungünjttges prognojHfon. Zlut Sdjröber glaubte 
hinter bem gefprei3ten pathos, bem 3t»ifchen neroöfer $ahrigFeit 
unb peinlicher Steifheit unftcher tjin« unb f?ertaßenben Spiel bes 
21nfömmlings , beffen unperfälfehter öflerreichifcher Dialeft ihm 
nicht minber unerträglich flang als allen Übrigen, bie 5unfen jenes 
lobemben 5?uers aufbüken 3U fehen, welches bas erfie cürforbemis 
eines tragifchen gelben imb lieb Räbers iß. Unb ba ber junge 
2Tlann im übrigen ein portreffliches Außere bafür mitbrachte, 
— einen nicht über mittelgroßen, aber wohlproportionierten Körper, 
ausbrucFspolle fdjöne männliche äuge, flug unb feurig 3ugleich 
bliefenbe klugen unb ein angenehmes unb Fräftiges 0rgan — fo 
Fnelt er bie Sache Feinesroegs für ausftcbtelos, allen Zweiflern 3um 
(Erofe aus biefem <5egenjknb bes Spotts unb XHitleibs einen KünjHer 
heraus3uarbeiten, beffen fid? feine Bühne 3U fchämen brauchte. 
„<£r wirb €uch allen noch Sanb in bie 2Jugcn ftreuen," rief er 
öen Ungläubigen 3uoerfkhtlich 3u. Unb er behielt gläit3enb Hecht. 

3ohann5ran3 Hieronymus Brocfmann, geboren 3U <ßra3 
am 30. September \7%5 t alfo ein 3 a *l r jünger als Schaber, hatte, 
als er \770 in Begleitung 3°^ ann Hicharbs oon Kur3* Cruppe 
3U 2lcfermann fhefj, eine 3"9*"& Eintet fldf/ m manchem an 

1 fjeinrtd) ^erbinanb OTötler, ber 00m ,früf}ling (770 bis 3um f}erbfi 
^772 IHttglieb ber 2lcfcrmannfdjen trappe war. (Er n>ar Örotfmanns 
nädfftev Hioale unb il|m fielen aud), ba (Erfterer in ber (EragSbie gati3 
rerfagte, bis 311 feinem Abgang fajt alle jugenblittyen gelben nnb £t ebb, aber 
in ber (Tragobie 3a. Dod) bradjte er es, n>ot}l 3umetfl roegen feiner n>enig 
helbenmäfjigen (Erfdjeinnng. nnr 3U befdjeibenen €rfolgen. 



\06 



Srocfmanns ^ugenb- unb tPanberjaljre. 



Sdjröbers Sturm« unb teibensjahre erinnert. Der Solm eines 
armen, aus Paderborn ftammenben öinngiefjcrmeifters, rjatte er 
bei ben 3*fuiten bis 3U feinem \2. 3oh r * eine gute fYßematifche 
Sdmlbilbung erhalten. Dann hatte ihn mit 3ahren bie 
XDauberluft unb bie Scheu t>or einem bürgerlichen (Setoerbe in 
bie IDelt, in bie Stürme bes ftcbenjäfjrigen Krieges hinausgetrieben. 
Abenteuer folgte auf Abenteuer. Hadjbem er oor ber Cyrannei 
eines, 3U umrürbigem 5rohnbienfi irm migbraud?enben, faifer* 
liehen (Dffi$iers unb bem gelinberen, aber nicht minber umoiH* 
fommenen §uxmge, burd) ben eifrige 2Tüönche ilm 3U einem ihres* 
gleichen machen trollten, entronnen, toar er nach 3ielIofen Streif3Ügen 
an ber Kü fte ber 21bria fchliefjlich mit fünf 3erm 3<*hi* n unter eine Sanbe 
Seiltän3er, bie auch gelegentlich bramatifdje 3nterme33i aufführte, 
geraten, bei ber er fafl ein 3<*f?f ausfielt. iDenn er auch biefes 
Cebens balb überbrüfftg geroorben unb, nach fur3er Befdjäftigung 
als Klofterfcrjreiber, im Ztlär3 \762 nach £}aufe 3urücfgefehrt roar, 
fo t/atte bod] bie fragtoürbige fchaufpielerifcrje (Etjätigfeit in ihm 
einmal bie bämonifche €ufi 3um (Theater getoeeft unb bamit feinem 
bisher 3iellofen Chotenbrang eine bestimmte Hichtung gegeben. 
3m 2lpril \762 begann er als ZTCitglieb ber in Ungarn unb 
Siebenbürgen ihr Umoefen treibenben 23obenbergifchen (Truppe bie 
fchaufpielerifcrje lauf bahn, bie ihn, nach manchen Kreu3* unb ÖJuer« 
3Ügen, unb nachbem er fich { 765 mit einer Codier feines prin3ipals 
©erheiratet fyatte, \766 nach Wien führte. Da aber fyer nur 
bie hübfehe 5rau Ztyres 23efd}äftigung unb öcifaH fanb, roährenb 
er ftch mit bem ^elbjäger in 2JTinna oon Marnheim unb Hollen 
uon ähnlicher öebeutung begnügen mußte, oerlieg bas <£fyepaar 
\767 IDien, gefeilte fich ber (Truppe 3°f c P*? von Kur3 3U, bie 
fte unmittelbar nach Schröbers 21bgang oon bort erreicht haben 
müffen. 3hr gehörte ^rocFmann bis 3um Frühling j77j an, 
roährenb feine 5rau, mit ber er übrigens in glücflichfier c2r>e 
lebte, fd?on \76$ roieber nach lOien 3urücfgefehrt mar. 

211s Sechsunb3n?an3igjähriger trat örocFmann alfo in ben 
Kreis ber Slcfermannfchen 33ürme ein: €in junger ZTTann mit 
frifchen offenen Sinnen, jeber Anregung 3ugänglich unb oon einem 



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Srotfmanns «Enmncfelung in Sdft'öbets Schule. 



heiligen äEifer für feine Kunft befeelt. ZTüit richtigem Blicf Fjattc 
er joforf erFanni, wieviel ihm noch fehlte, um in biefer Um* 
gebung bas iach aussufüflen, bas man ihm 3ugebacht Ijatte, unb 
er pries ben §ufaO glücFlich, ber itm in feinem jugenblidjen 
Direftor einen fo molgeftnnten Berater unb einen, in ber 2(uf* 
faffung feines Berufs, fo gleichgeftnnten Kameraben hatte finben 
laffen. Sdjröber mieber begrüßte in bem jungen ©efterreidjer, 
ber feiner €inftd?t ein fo unbegren$tes Pertrauen entgegenbrachte 
unb ber, mit guten SprachFenntniffen ausgerüftet, auch auf bie 
in biefen 3<iJ?ren ttm befchäftigenben litterarifchen 3nteve\\en vmt> 
plane mit mohltfmenber Züärme einging, einen <5enoffen, bem er 
ftch mefjr erfctflofj als irgenb einem anberen 2Tfitgliebe feiner 
23üfme. BrocFmann mar benn auch ber (Einige, ber 3U ben 
Slbenben, mo fidj bie <5efeHfdjaft ber Cfjeaterfreunbe bei SchrÖber 
perfammelte, I^in3uge3ogen mürbe. 

Unter biefen belebenden cginbrücFen unb cSinjlüffen entmicFelte 
ftd? Brokmanns Talent 31« $reube feines Cefyrcrs unb 3um 
Staunen bes publifums. Seine un3»eibeuttgen ZTTifcerfolge in 
tragifdjen Hollen Ratten es ber DireFtion 3ur Pflicht gemalt, irm 
fürs erfte bafür nidjt meljr 3U oermenben; unb fo fielen ihm 
3unäd$ Ciebfjaberroüen aller 2Irt, 3ntriganten, Chargen, (EfjeDalicrs 
unb bergl. 3U, in benen er mit ungeheurer €nergie ber feiner 
Spielmeife anhaftenben Untugenben 3U entäußern ftd? befirebte. 
(Er brauchte Ijicr eigentlich weiter nichts 3U trmn, als 3U t>er* 
geffen, was er gelernt, unb 3ur eigenften Ztatur 3urücf3uf ehren. 
Denn ber fchöne junge ZTÜann, ber übrigens auf biefen Por3ug 
nicht wenig ftol3 roar, mit bem gefchmeibigen Körper, bem leb* 
haften 2fltenenfpicl unb bem mohlFlingenben ®rgan, fchien basu 
gefchaffen, fje^en 3U erobern unb grauen 3U bethören. 21 Hein 
menn es ihm auch gelang, in ber Komöbie mehr unb mehr fich 
in bie (ßunft bes publifums Ijinetnsiifptelen, 1 fo mährte es boch 
perhältnismäßig fehr lange, bis er bas Vorurteil gegen feine 
Begabung in ber Cragöbie beftegte. Perfduebene Perfudje, bie 



1 Daneben trat er aud) im Singfptel auf! 



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*08 



öjarofteriflif von Srocfmanns Calent. 



ib,n auf fein unruhiges Drängen Sdjröber machen Heg, fd?lugen 
gän3lidj febL €rft fein prin3 in ber (Emilia <5alotti am j5. TXlai 
\772 roirfte toie er [oUte, aber erft fein <£ffer. in ber (Sunft ber 
iürflen am 28. 3uli \773 überwältigte audt bie groeifler unb 
erregte einen Sturm ber 33egeif*erung. Don ba an fielen ibm 
alle tragifdjen fjelben* unb £iebI?aberroIIen oon felbji 3U, unb in 
jeber bemies er aufs neue bie Kraft bes eigenen Calentes unb 
bie Kunfl feines tebrers. £reilidf in €inem fjatte ftdj Sdjröber 
getäufdjt : Die große teibenfdjaft, bie aus jebem £)ort, aus jeber 
(ßebärbe in rjeifjer £or>e auffdjlägt unb in bie £}er3en ber fjörer 
unb ^ufd^auer breinfdjlägt roie ein feuriges Sdjroert, bie roar 
aud? 23ro<fmann perfagt. „€r fpielte ben heftigen/ bemerft 
gelegentlid? fein ein Kunftridner, 1 „er erinnerte an Um; er roar 
es nid?t!" 21ber roofyl befaß er in oerfdjtoenbertfdjer 5ütle alles, 
roas menfdjlicbe pfyantafie an beflricfenben binreifcenben (Seines« 
unb Körpereigenfdjaften für bas 3bealbilb eines „gelben" je er» 
fonnen bat. Seine fjauptftärfe beruhte jebod? in ben Hotten, in 
benen ein blenbenber überlegener <5eijf, in allen Stimmungs* unb 
5arbennuancen oon tieffler Sdftoermut bis 3U lädjelnbem fjumor, 
oon feiner 3*onie 3U Bjerbem Spott, oon bämomfer/er uberrebungs* 
fünft 3U fdjmeidjelnber 21nmut fdnllernb, bie äußere ijelbengeftolt 
3U befeelen rjatte. 

„Das Ciebfofen, meldjes bie ffe^en befiad?;" rübmt ber eben 
ermähnte Kunjhricrfter 2 oon ibm, „ber 331itf, ber alles ausbrüefte, 
n?as er »ollte ; bas (ßefidft, bem ofme Der3errung gelang, 3ur ffälfte 
Spott, 3ur Hälfte €rgebenbeit 3U malen; ber Stol3, ber in feiner 
fjerablaffung Stol3 blieb; bie IPolFe ber Sdjtoermut, bie ber 5reube 
plafc madjte: ftnb nie glücflid?er ausgebrüht als bureb, Um." 

kleben bem glänsenb aufgefyenben <5efurn bes Sdjülers 
feinen 3unäa?ft bie reifere unb reidjere Kunfi bes ZITeiflers in ben 
Statten 3U treten. 

Die bagere, überfdjlanfe — „er rjält bas oöllige preufcifdfe 
2TTaß", oerftd?ert aibrecrjt lüittenberg — , meifl ein toenig nad? 

1 Weyer, Sdjröber I. 260. 
* 21. a. <D. S. 26(. 



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Sd?röber in formten Sebientenroüen. 



com geneigte «Bejkilt, bas blaffe längliche (ßeftdjt mit beu auf* 
fallenb Meinen, menig ausbrucFsoollen 21ugen, 1 ben bünnen Cippen, 
fdjienen ifm als Sdjaufpieler auf bas (ßebiet 311 befdjränFen, auf 
bem er fett feinen 3ugenbjabren fidi fafi ausfdfliefjlid? getummelt 
fyatte: auf bie Fomifcben 33ebientenrollen. 

Der trocfene fjumor, bie liflige Perfdjmifctbeit, bie ftdf felbfi 
parobierenbe <5ranbe33a, bie uferlofe (ßefdjmäfcigFeit, bie quecF» 
füberne öeroeglidjFeit ber 23ebientenrypen ber älteren fran3Öfifd}en 
Komöbie unb bei (ßolboni fdiienen in ifym eine überroältigenb natur« 
ma^re Derförperung gefunben 3U f?aben. Die blöben 21ugen 
fonnten bann fo unmiberfiefjlidj luftig unb fdjelmifdj blifeen, bas 
ausbrucfslofe (ßeftd?t ein fo überrafdjenb brolltges 2Tlienenfpiel 
entmicFeln, ba§ auch, berufsmäßige Krittler unb perföultaV <5egner 
cor biefem Sprungquell unerfdjöpflidfer Komif ladjenb bie Segel 
ftridjen unb ftd? für befiegt erflärten. 2 

2lngeftdjts biefer großen €rfolge mag es, 3umal menn man 
bie ungeheure, auf feinen Sdmltern ru^enbe Slrbeitslaft erwägt, 
3a>eifelEjaft erfdjeinen, ob er aus eigenem Antrieb an eine (Er» 
»eiterung feines Hottenfadjes gebadet fjaben u>ürbe. 2lber burdj 
bie Derfyältniffe mürbe er umpiberfteljlidj ba3u gebrängt. 

5um Ceil mar es ber IDunfdf, im ^}nteve^e feinet ZHutter 
ben <5agenetat moglid?fi ein3ufdjränFen, ber tl?n veranlagte, bei 
einfterjenben Dafan3en 3unäd?fi oerfudjsmeife Hollen eines »er» 
manbten 5acb.es 3U übernehmen. 

^um (Ceil nötigte ifm auch, bie allmäl}lid?e Ummanblung bes 
Hepertoirs, burdj bas abfterbenbe 3"^ff^ für bie alte <£barafter« 
Fomöbie geboten, ftd? einen neuen IDirFungsFreis 3U fudjen, ober 

1 Sic waten ein (Erbteil ber UTutter. 

* €ine Zlnalyfe ber eisernen f?icrl>cr gehörigen Hollen roärbe, aud) 
roenn ffir btefe periobe bas fiberlieferte JTlatcrial reid^alttger märe, roenig 
frudjten. Die ungeheuren HoUenmaffen, bie Weyer im laufe feiner Dar- 
flellung befprid)t, geben, nadj meiner (Erfahrung, bod) Fein lebenbiges Silb, 
ba felbfi bem mit ben bamaligen HepertoirfrucFen 3iemltd} Oertrauten bie 
(Eitelkeiten ber betr. Holle nie fo gegenwärtig ftnb, um fidj banaa> bie 
fdjanfpielcrifd)e £eifhing Dorftetten 3U Fonnen. Dergl. and) bas oben 
I. 5. 56, 2mm. 2, Cöefagte. 



Übergang ins <£fiarafterfad) : 3ufh Kaiser. 2lgapito 



richtiger, er rourbe, inbem er bie fdjeinbar [einem früheren Hotten« 
fach entfpredjenbcn öebtenten Oer Comedie larmoyante unb ber ihr 
r*ert»anbten (ßattungen bes Dramas übernahm, gans »on felbft 
$u einer Umgeflaltung feiner fchaufpielerifchen (Ehätigfeit geführt. 

Weldi ein fjimmelrociter Unterfdjieb 3tmfdjen ben (Erioellinos 
unb Cruffalbinos ber <5olbonifdjen Komöbien unb bem 3ujl in 
tefftngs 2TTmna, ben er (769 übernahm! T>et gan$e ifmt geläufige 
Apparat für bie DarfieHung ber 23ebiententypen oerfagte hier- 
über bie fd?öpferifd?e (Bejialtungsfraft bes KünfHers fanb an 
biefem ungehobelten <5efellen ein 5tücf unoerfälfchter ZIaiur, bas 
in allen feinfien 5afem unb 5äferd?en auf3ufaffen unb barsufteüen 
einen anfeuernben Hei3 gemährte, roie noch nie oor^er eine 2luf= 
gäbe. Unt>ermerft nxtr er aber baburch ins Crjarafterfacrj über« 
getreten. <£iuen Stritt meiter auf biefer 23atm be3eidmete bie 
ungleich mehr erfdjutternb als fomifch rrurfenbe Holle bes Kau3er 
in Stephanies IDerbem, bie er rcenige tDodjen 1 nach 2Icfermanns 
tEobe übernahm. Hach einer anberen Hichtung beseiermete eine 
€ra>eiterung bie Holle bes 2lgapito in (Solbonis Perjieütem Kranfen, 
bie er fdjon am 22. 3a™ar \?70 übernommen unb in ber ber 
bisherige fomifche Bebiente 3um erftenmal als Protagonifi in 
einer fomifdjen Charafterrofle erjlen Hanges auf ber Ssene erfchien. 
Vie Holle bes, oon rer3ehrenber Neugier geplagten, Cauben führte 
er mit einer brofligen Haturroahrheit unb irifche burdj, bie ihm 
felber fpäter als ber höchfte (Sipfel feiner Kunfl erfaßten unb bie 
21cfermanu in ber Kuliffe einen 5luch um ben anberen als 2lus* 
bruef bes höchften €nt3Ü<Jens entlocFte. 

2llle biefe Hollen, menn jie auch 3uroeilen aus bem Komifchen 
ins Hübrenbe unb pathetifdje hinöberfpielten, beroegten fich noch 
burchroeg in ber Sphäre bes Drajttfdjen unb Derben. €s fehlte 



1 Haaj Weyer (I. 225) fpielte er bie Holle bereits am \2. Zlov. \77\, 
alfo am Zlbenb vov Sltfermanns (Eob. Dem nnberfpriajt aber ein Bericht 
über bie 21ufffitjrung vom \2. Zlov. \e?\ im (2.) Schreiben „Über bie 
Jjamburgifdje Bülme" (\"?<\), wo ausbrücrTidf tüolfram als Darfteller bes 
Kaiser genannt roirb. 3n Hamburg umrben bie IPerber bann erft roieber 
am u. 3uni *772 gegeben. 



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fjemmntffe unb Segünfiigungen ber Hepertotrerujeiterung. j j j 



aber nidjt an überweifen unb überfeinen Beurteilern, bie im 
(ßönnerton ihm ben Hat erteilten, er möge in feinem eigenen 
3nteref[e fid? mit feinen niedrigen 23ebientenroflen begnügen. <£r 
fei ber geborene poffenreißer, unb wenn er ben Perfuch mache, 
fein Komtfergeftcht, bas man gewohnt fei mit tacken 3U begrüßen, 
in ernjtyafte galten 3U legen, fo wirfe bas nur ftörenb unb 
peinlich. 

2lHerbings gab bie allgemeine 2Tüeinung öiefen 5timmen nicht 
Hecht; aber jte ließen ftch boch oft unb laut genug hören, um 
ben Künftler immer wieber 3U flrengfler Selbflfritif 3U oeranlaffen 
unb ihm bie größte öehutfamfeit in ber weiteren 2tusbehnung 
feines HoÜenfaches 3ur pflid?t 3U machen. 

2lber bie €reigriiffe brängten ifm übermächtig oorwärts, unb 
er ließ fid? um fo williger u>ie ein rüfttger Schwimmer oon ber 
IDelle hinaustragen ins weite ZKeer, je freubiger er bei jebem 
Stoß oorwärts feiner mit ber gefleigerten Aufgabe gefieigerten- 
Kraft fidj bewußt warb. ZTirgenbwo bie neroöfe Dielgefdjäftigfeit 
bes mobernen Dirtuofen, ber h cutc oen ZTarren im £ear unb 
morgen ben Homeo unb übermorgen ben 3 a 9° fpwlt unb burd? 
biefe raffinierten Kontrafte feine unb ber «gufchauer Kerpen rei3t unb 
überrei3t. Schwober ließ bie Aufgaben an fich heranfommen, faßte 
fie fefi ins 2luge, unb wenn er in ernfler Selbftfritif 3U ber Uber« 
3eugung gefommen war, ihr gewachfen 3U fein, bann führte er 
fie burdj mit einer fpielenben teidjtigfeit , einer rtatürlid?feit, 
bie ben (ßebanfen an einen erften Perfuch eigentlich nie auf» 
fommen ließ. 

3n ber Sphäre ber tYptfdpn Bebienten hatte er ftch allmählich 
aus ben nieberen Hegionen ber luftigen 2Tlantelträger 3U ben oor« 
nebmeren Vertrauten mit elegantem, weltmännifchem Auftreten 
hinübergefpielf. 

IDenige tEage oor 2JcFermanns (Tob (7. Zlov. \77\) erfchien 
er 3uerft in einer rührenben 33ebientenrofle ohne jebe fomifche 
5ärbung, als Drinf in Beaumarchais (Eugenie. Die fchlichte 
(Ereuh^igfeit feines 2lusbrucFs, fowie bie fparfame, aber eben 
baburch unenblich wirffame (Sefiifulation überrafchten äße. IPenige 



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OTarineÜi. paribom VOtantpott 



XHonate fpäter galt es (Emiita (Salotti 3U befefcen. Sd?röber 
wählte für ftd? bie feinem bisherigen fjauptroüenfadt am näd?ften 
liegende Holle bes 2lngelo; erf! auf Drängen ber 5reunbe unb 
Kollegen übernahm er ben 2TTarinefli, eine ber fdjunerigjten Per« 
trautenrollen, bie je gefdjrieben toorben. 

IPenige Wodien fpäter bagegen n>ar es ein ^roeifcl an feiner 
DertDanblungsfäfngfeit, ber ihm einen neuen 21nla§ $ur 2lus* 
befmung feiner fünftlerif djen ZHachtfphäre gab. <£s roar in ben 
tCagen jenes früher 1 ermähnten fünftes mit feiner 2Tiutfer, als 
er oorübergefyenb ben <£ntfchlufc gefaßt Jjatte, jtch r>on il?r su 
trennen. 

Die Sdjaufpieler erörterten unter jtd} bie möglichen folgen 
feines Slusfcheibens unb tarnen 3U bem Schluß, bafc bei ber immer 
mehr fidj oerringernben 23ebeutung bes fransöjtfdjen Cufifpiels, in 
beffen 33ebientenroHen Sdjröber aQerbings unübertrefflich fei, man 
feinen Abgang nicht aÜ3U fefyr oermiffen »erbe, freilich „roäre 
er im (Ernfi^aften ebenfo ausge3eidmet, fo möchte ilmt ber (Eeufel 
nadjfpielen ! " Der (ßegenfianb biefer Kritif mar ungefehen &euge 
bes (Befprächs unb befchlofj fofort, bie Kunjtrichter ad absurdum 
ju führen. €ben bie Sollen 3U Soers paribom tt>rantpott, 

einer lofalifterenben Bearbeitung oon (ßolbonis Le Bourru bien- 
faisant, ausgeteilt. Die tEitelrolle bes djolerifchen, unter rauher 
2lufjenfeite ein meines <5emüt oerbergenben polterers u>ar Hemecfe 
3ugebacht, mährenb Sdjröber, roie gewdiinUd), ben Sebienten 
fpielen foHte. plöfclid) begehrte Sdjröber ben Gilten für fid?. 
Allgemeines €rftaunen. Stau Jlcfermann ferytoieg, aber bie Kollegen 
prop^eiten Znijjjerfolg. Wie in aller IDelt follte Sdjröber mit 
feiner gellen Cenorfiimme bie obligaten Brumm« unb Bafctöne 
für ben murrifdjen <5raufopf treffen unb oor aßen Dingen burdf 
bas gan3e Stücf fefthalten. Der 2lbenb ber Aufführung fam, unb 
auf ber Sühne ffcmb ber alte ZHurrfopf, in fo überu?ältigenber 
unb 3ugleich fo liebensmürbiger ZtatürlichFeit, ba§ er allein ben 
€rfolg entfdjieb. (ßerabe ein fleiner dfafafc t>on brolliger taune, 



1 Oben S. 56. 



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Übergang 3U ernflen unb Kotten gemifajter «Smpftnbung. 



bie wie lichte Sonnenffrahlen bie (Beftalt bes nmnberlichen 
Sonderlings umfpielte, gab ber Schöpfung einen eigentümlichen 
Hei3, ben Heinecfe ihr fchroerlich 3U »erleiden gerou§t hätte. Unb 
bas ©rgan geborgte roiHig, auch in ber tieferen Conlage; nur 
Schröber felbfi fpürte bie 2lnftrengung, bie es ihm foftete. <£s 
n?ar eine t>on ben (Behalten, wie fte 2Icfermann feiner &eit mit 
unoergleidjlidier £iebensn>firbigfeit 3U r*erförpern oerjianben hatte, 
unb mit freubigfter Überrafdmng fahen bie §u\dtauet in bem 
Sofme unb Schüler bie oerloren geglaubte Kunjl in frifchen 5arben 
mieber aufleuchten. 

Blatte er mit biefen unb ähnlichen Hauptrollen aus ber Sphäre 
ber gemifdjten (Empftnbungen ftch als ein ebenbürtiger, in manchen 
^ügen fogar überlegener ZTebenbuljler Heinecfes erauefen, fo legte 
er, noch &äs 3<*h* 3 U €nbe ging, ben 33eroeis ah, baß er 
auch in ga"3 ernfthaften, oornelmte IDürbe ©erlangenben Hollen 
reine unb ooll flingenbe (Cöne an3ufchlagen roiffe. 

2Ln biefem <3iele fah er fidj, fa|t »iber IDiHen, angelangt 
am (Hnbe feines erften Direftionsjahres. 1 

So roenig ben 5ernerjtehenben noch um biefe ^eit flar fein 
mochte, n?as biefe Etappen in feiner fünfilerifchen €ntn?icfelung 
bebeuteten, 3umal er nach »fe bas gefamte, früher oon ihm 
innegehabte, Hottenfach beibehielt, fo michtig maren bie gefammelten 
egrfahrungen für ihn felber. €r fyatte in biefem, an trüben €nt* 
täufchungen unb Sorgen fo reichen 3<*h** roenigfiens bas <£ine 
errungen : ben feften (Stauben, ba§ es nur feines ernten Drillens 
bebürfe, um bie bebeuteubßen unb fchu>ierigften Probleme feiner 
Kunjt 3U löfen, unb ba§ bem Sdjaufpielbireftor Schröber 



1 Ms entfdjeibenbe Hotte nennt Weyer (I. 267) ben (Dberjlen Hioers 
in tjugb Kellys Ungegrünbeter öebenPUcb.feit, bie Seb,röber am 27. 3anuar 
\77* 3uerfi fpielte: „Don biefer gett an fällte fid? ber fomifaje Sd?aufpieler 
in ftdjerem 33efifee, ernfttiafte, rülirenbe unb gemtfdjte Hotten übernehmen 
311 bfirfen, otme bie §ufd?aner irre 30 madfen." 21ber bereits am 30. (Dftober 
(772 blatte er im (Eudrfabrifanten von £onbon bie gan3 ernftljafte Hotte 
bes Dr. IDilltam mit fo günfxigem (Erfolge gefpiclt, „als ein beglaubigter 
(EragiPer blatte erwarten tonnen". (HTeyer I. 237.) 

Cifcmann, Sdjröber II. 8 



Sefdjäftigung im Singfpiel. IDeiblidje Hollen. 



für Sic großen Aufgaben, bie er mit ber jungen bramatifdjen 
titteratur feiner Künftlerfdjar {teilte, fein berufenerer Reifer ge* 
fuuben merben fonnte, als ber Sdja ufpieler Sdjröber. 

<£ines 5er oielfeitigfien unb meiftbefdjäftigien ZHitglieber ber* 
Büfme u?ar er jebenfaüs. Denn feine fünftlerifdje Cfjätigfett 
befdjränfte ftd? feinestoegs auf bas Sdjaufpiel allein. Pielmerjr 
fielen in ben erften ^al\ten audj alle fomifcbeu SUten 1 im Singfpiel 
irnu 3U, unb erjr burdf ben ©nlritt bes für biefe Sollen befonbers 
geeigneten Sd?aufpielers unb Sängers Klos, im Sommer \773, 
gewann er bie ZTtöglicrffeit, ftd? aus biefem 5ad} allmäfjUd? gan3 
3urücf3U3iefyen. €r beburfte biefer €ntlajtung um fo melir, ba 
Borgers' 21usfd?eiben {77% ifm eine 23eir>e bisher r»on biefem 
gefpielter fomifc^er ^ararterroflen 3 u übernehmen 3 n>ang. 

ZTeben biefer immer roeitere Kreife 3ier?enben fdjaufpielerifdjen 
(Efjätigfeit 8 ging aber eine einfftoeilen unoerminberte, angeßrengte 
23efd?äftigung im 23aHet nebenher, unb roeun er audj, ber 
eigenen ZTeiguug unb ben Derr/ältniffen nadjgebenb, hieraus ficrj 
aHmäfylidj 3urücf3U3ier/en begann, fo ifi er bodj bis 3um 5rübling 

1 Seibit 3i»ei n>ci blidje Hoücn finben ftd} in feinem Hepertoir aus 
biefer §ett; bie (Sou per n ante in einer gleidmamtgen (Sefangspöffe Wiener 
Urfprungs, einem rotten tfladjmerf, bas fidj mob.1 nur burd) §ufaü in bas 
21cfermannfdjc Hepertoir verloren. Die Hauptfigur ifl ein fdmapfenbes 
tPeibsftürf, bas fid) in Hofoli 311m €rgötjen itjrcr göglinge beraufd?t! unb 
bie „Iftutter Tlnne", „ein altes IPeib t>on 95 3atpren" in Sebaincs Sing- 
fpiel Hösdjen unb <£olas. „Der unDerglcidjlidje Sebatne," urteilt Weyer 
(I. 2J6) bärüber, „fyat in bem 3artett unb glücflidjen (Semälbe länb(id)er 
(Einfalt bie gan3e (Entmicfelung bes letdftgefdjn^ten Knoten oon einer 
alten, Finbifd? gemorbenen, aber gutmütigen unb ridjtig füblenben Sä'uerin 
abhängen laffen. IHan foü über fte ladjen, aber man foll itjr mofflmollen. 
Sajröber oerbanb bie Sdjroädjen unb ben (Higcnftnn bes Alters mit ber 
tföcfyftert, faft an DerPlärung ftreifenben Heinliajfeit. <Er mar eine ^eilige 
aus Hembranbts Sdjulc. 3a? b,abe bas StücF in feiner Heimat unb in 
ber ^rembe, biefe öauerfrau nur in Sdjröbern gefeiten unb trage fein 
Bebenfcn, bie lflcinigfcit neben bas Doüenbetfte 3U fiellen, mas er geleitet. " 

2 Dag er and) für bie fleinjte ncbenrollc, roeun es bas 3 ntcrc ff c öc * 
<San3eh erljeifdjte, ftd) ntdjt 3U gut tn'clt, bemeifi, bafj er 3. 73. jahrelang 
in ber (Sunft ber dürften ben £ieutenant bes Corner gab. 



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Sefdjäftigung im Baüet. £ambrea?t> Dauer, 5<$ütj, gimmermamt. ^5 

\7?9, wo er überhaupt das 23alleit aufgab, immer nodj als 
erfter Solotän3er aufgetreten. 5ür Anordnung und (Erfindung de* 
23aüet5 1(1 er ebenfalls in diefem ganzen Zeitraum allein auf» 
gefommeu, mit ausnähme der Seit ©om 5rüf}Ung \773 bis 
CDftober [77%, wo er in dem BaÜettmeifier Saczo, einem fjeifr 
blutigen Italiener aus (ßalaotfis Schute, eine, toie es fdjetnt, uön 
i^m nidjt gans nad? Derdienj* gewürdigte UnterfWifcung und €nt« 
laftung gefunden fjattc. 5d)on damals fjatte er den €ntfd}lu& 
gefaxt, überhaupt im 23aüet nid?t mel?r aufsutretreten, Und fid? 
nur bereit erflärt, „im fyödjften Xlotf all" in Saccofd?en Palleten 
3U tansen. 2lber da merFiPÜrdigerroeife diefer „rjödjfte Notfall" 
bei jedem neuen 33aUet fidj fyerausftedte, und Schröder, n>o es 
fidj um das 3ntereffe feiner Hlutter handelte, öor feinem (Dpfer 
5urücffd?recfte, blieb alles beim Gilten. 

Den Koryphäen, die teils gleichzeitig, teils einander aWÖfend 
ftd) in die großen Aufgaben des Hepertotrs teilten, reifte ftdj 
eine ebenfalls im taufe der 3<*ty* roedtfelnde Sdjar jugendlicher, 
pormiegend in Reiten Hotten befdjä'ftigter Kräfte an, die nur 
fetten in den Vordergrund traten, aber, jeder an feiner Stelle, 3nm 
(gelingen des tßansen bei3utragen trmfcten. So leifiete tambted\t 
<\7?5— \780) in 3tr>eiten £iebf?aberrollen fefjr Süchtiges, n>ar in 
3otj, €ruft Dauer (j 769— 75) ftfldburgfymfen, einem 
23ruder der 2TJad. Detter und 3ugleidj einem der Wenigen, denen 
Schröder freundfdjaftlidj na^etrat, 1 ein frifdjes Calent für Ztatnr« 
burfd?en vorfanden, n?ätjrend 5riedrtd} Sdjtifc aus Strasburg 
(J773— J778) in <£r>eüalters, (ßeefen und Chargen, aud? neben 
Schräder, <5lücf machte. 

^um Stabe der Dtreftion gehörte außerdem aud? der tal&nt* 
oolle (Erjeatermaler ^i^mermann, der mit Ricolini aus 33raun* 
fdju>eig nadj Hamburg Farn, nad) deffen Sanferoit bei Schröder 
blieb und, mit (ßefdjmacf und (Erfindungsgabe ausgerüffet, dutdf 
fiimmungsüOlle Dekorationen den Darftellungen eme roirffame 

1 <£r unb Brocfmanu waten einige 3atjre Sdjrobers ijausgenojfen; 
fie betDolniten bie unteren Limmer feines \77\ bejogenen ^äusdjeus im 
(Dpernljof, tüäljrenb Sdjröbcr fta? ben oberen Storf rorbeljalten ijatte. 



^6 "2 in neuer CE^eateröidjtcr. 

5olie $u geben wußte, ßebacht fei fjter auch bes waeferen 
•Kvatermeifters 21chterFirchen, ber, fchon fett (763 $ur (Truppe 
gehörig, ftch bei Sdjröber burch [einen bieberen dharaFter nicht 
minber wie burch feine 21nßeüigFeit fehr halb eine 2lusnabme« 
unb Dertrauensftellung $u erobern wußte, bereu er ftch auch bis 
$u feiner J799 erfolgten penftonierung im h&hften (Brabe würbig 
erwies. 

Seit 21ft im Dejember J766 21cfermanns oerlaffen hatte, tt>ar 
ber poften eines Crjeaterbic^ters bei ber (Truppe eingegangen. 

<£s ift be3eii?nenb für ben (Seift, in bem Schröber an feine 
Aufgabe herantrat, baß er, ungeachtet ber burch bie preFäre Cage 
gebotenen SparfamFeit, es eine feiner erften Sorgen fein ließ, 
biefen fo lang oerwaiften poften wieber $u befefeen. 

2TTit richtigem Blicf tjatte er erfannt, baß gerabe in biefem 
^ettpunft bie 33ütme einen foldjen Iitterarifcfjen 23eiftfeer minbeftens 
ebenfo notwenbig brauche, als 21nno Pierunbfünf$ig, ba 2Icfermann 
2lf) jum erftenmale angeworben hatte. 

€s galt eine Heform bes Kepertoirs an f}aupt unb (ßltebem ; 
cor allem aber galt es, fehlten unb reichlich <£rfafe $u fdjaffen für 
bie große ZHaffe »erbrauster öeftänbe, bie sunt (Ceil noch aus 
(Sottfdjebs (tagen t?errür?rten unb bie bas publifum enbltch fatt 
befommen hatte. Unb Ceute, bie es ©erfianben, mit fdjarfem 
ölicf aus ber ZHaffe bie frudjtbarften unb wirFfamfien Stoffe 
heraus3ulefen, mit <ßcfd?tcf in gewanbtem Dialog 3U übertragen 
unb gleichseitig mit leichter fjanb aü$u 5rembartiges für bie 
23ebürfniffe unb ben (ßefchmacF eines beutfehen publifums gefällig 
311 mobein, waren ba^er für einen (ErjeaterbireFtor, ber feinen 
€fyrgei3 barin fucfjte, fein (L^eater nach feinen 3been, für anbere 
3um XHufter 3U gehalten, ein Schafe. 

(Einen folgen glaubte Schröber in 3<>hann £h*iftian 33ocF 
aus Bresben gefunben 3U haben, einem jungen Schriftfleßer, ber 
erfl unlängjt als CynFer, 1 fowie mit einem profaifchen Derfuch in 
Sternes Zltanier bebütiert 2 unb burch Unteren Bobes 3"tereffe erregt 

1 cfrfHinge meiner OTufe *770. 
1 Die Cagereife. [7 70. 



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3obann Qrijtfan Botf 



Ijatte, bas biefer Scfyröber mit3uteilen roufjte. Befonbers empfahlen 
irm aber einige bramatiferje Arbeiten, 1 bie nidjt nur ein lebhaftes 
3ntereffe, fonbem audj entfdjiebene Begabung fürs (Efyeater oer« 
rieten. (Eine feiner Bearbeitungen, bie fomiferje ©per (Oariffe 
ober bas unbefannte XKenftmäbdjen, nacrj ZTTarmontets <Er3äf}lung 
La Bergere des Alpes, rjatte nodj $u 2lcfermanns £eb3eiten * mit 
ber Zftujtf bes Korrepetitors HöHig mit <01ücf bie Feuerprobe auf 
ber Büime bejtanben, unb 3U>ar Ijatte 3U biefem (Erfolg nidjt 
irenig bie reaüftifcfye Cebenbigfeit bes fomifdjen Dialogs beigetragen. 
Wohl unter bem (EinbrucF biefes (Erfolges engagirte Sdjröber 
Bocf als Ojeaterbicbter 3U ©ftern \7?2. s 3« geroiffer Be3ietmng 
fonnte audf biefe JDafy als eine glücFlidje be3eidmet werben. 
Denn BocF oereinte mit ben €igenfdjaften eines gutmütigen, 
Weiteren unb anfprudjslofen (Befellfdtafters in ber tErjat eine 
geizige Beroeglidjfeit unb Dielfeitigfeit, meldte bie auf Um 
gefegten Hoffnungen noefy übertraf. Seine Stärfe beruhte weniger 
in bem Heidjtum eigener «Erftnbungen, als in ber gefdneften 2ln* 
paffung an bie 3been 2lnberer, befonbers ber Säfngfeit, einen 



1 ^nr bas beutfdje (Ebeater. II. \ 770/7 \. 

■ €rfie Aufführung 8. (Dftober [77{. IPieberholungen \o., \\., h., 
23. Oftober, \. unb 2. Zlopember. Zladj [773 war bas Stücf auf bem 
Kepertoir. 

8 Sd)on besbalb ijt bie 3uerfl in ber Chronologie bes beutfdjen Ctfeaters 
(5. 32^) aufgebraßte, aua> pon Ubbe (^Iugfd>riften Hr. 6) angenommene 
Behauptung, Borf fei ber Derfaffer ber mehrfach erwähnten, unter bem 
Pfeubonym 2Inton Kreyenburg erfdjtenenen beiben Schreiben „Über bie 
fymtburgifd?e Bühne", Hamburg, Berlin unb £etp3ig \77[, tfldflk unwahr- 
fdjetnlid); benn in biefer Schrift werben bie Vorgänge bei ber Hamburger 
Bühne Pom \. (DFtober bis 6. De3ember \77[ befprodjen. Mein felbfi 
wenn man annehmen wollte, baß B. ftcb, um ^i*f e S e it porübergebenb in 
Hamburg aufgehalten unb ba feine Kenntnijfe gefdjöpft i\abe, fo fehltest 
bie Beurteilung, bie Bobes Schule ber £iebb,aber unb Bocfs eigene ©per 
erfahren, entfdjteben bie ITlöglißfeit pon Bocfs 2lutorfdjaft aus. 

Dagegen rührt bie anonym erfdjienene tflugfehrift: „(Etwas Drama- 
rurgifa>es. «Einige ffiegenbe Hbapfobten 3ur Ztaajlefe aus ben 2lrd>iuen ber 
Erfahrung. €rfies pafet. *77*"/ uit3weifelbaft pon Borf unb nicht, wie 
ber (Epeaterfalenber \775 angab, pon Bobe unb Clanbius her. 



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Das „Chcatralifaje JDodjenblatt" . 



gegebenen, bereits bramatifd? gefalteten Stoff aus fremder 
Sprache unb Umgebung auf beutfdje Petf>ältniffe 3U über- 
tragen. Uno fo rjätte er in öer fcbat mit unb unter Sd>röber 
auch. mer?r als blofje Arbeit für ben Cag fd?affen Tonnen, roenn 
ntcrjt eine unregelmäßige Cebensroeife ir?n förperlid? unb geiftig 
ruiniert unb uor ber ^cit ruhmlos bafyingerafft tjätte. Sdjon in 
ben legten ^aiiren feiner Cbätigfeit in Hamburg ging es ftarf 
mit it)m bergab, unb als er J778 fiety uon Sa^röber trennte unb 
Heinecfe nad? Ceipsig begleitete, war er nur ein Statten pon 
bem, was er einft gerpefeu. Balb barauf, J785, ftarb er. 2lber 
für bie (Slansjafyre ber erfteu Sdjräberfdjen 2>ireftion ifi fein 
ZZame als eines begabten unb »erftänbmsoollen Helfers am 
IDerfe mit bem feines großen 5reunbes unb IDobJtfoäters per= 
fnüpft. Tiber auf bid?terifd?e Arbeiten allein befebränfte ftd> feine 
(Ebätigfeit nid?t. Dielmefjr tearb er auch 3ettrr>eilig mit ber 
Ceitung einer bramaturgiferjen tPodjenfdtrift betraut, bie 5<t?rober 
— Cefftngs Beifpicl modtfe ibm tiabei porfdfroeben ! — als eine 
2lrt offatöfes 0rgan ber Direftion ins leben rief unb bie \ 77^/75 
unter bem (Eitel ( , Cfyeatralif djes IDodjenblatt" 1 in Bobes 
E>erlag erfcrn'en, 

1 Ub,be, tflugfdjriften Hr. 2*. 3m ga^en 2* Stüde. Das erfle erfaßten 
am 50. 2luguft \77<k, bas 23. unb 2*. am 28. 2Jpril ;775. „Die Weng* berer," 
hie§ es tn ber „Porcriunernng", bte bic fjambuTgifaje Bühne 314m «Segen« 
tfanb tt?rcd <Sefctjn>äöes unb i^rer nia?i felteu frutnmcu u»b {Riefen Urteile 
madjen, bie Unbifligfeit, mit u>eld?er man jefet einer (Truppe begegnet, bie 
fonfi in Deutfdflanb ftets einen gen>iffen Hang behauptete unb gereift Crofc 
allen ^röfdjen, ^trlefa»3eu unb Knaben behaupten roitb, §aben eine <5e(efl- 
fdjaft oon Cicbhabern ber Buirne beipogen, bies n^oa^enblatt t^eraus3ugeben. / ' 
Da feine Hamen genannt waren, hatte ber (£f}eaterfalenber pon (775 bie 
Cermutuug aufgehellt: „Die J)t}. Bubbers, Bobe unb <£laubius foöen 
batan 2luteil haben." Darauf n>arb aber im 20. Stncf bes „(Eh- VO," er* 
n>ibert: „(Oaubius unb Bubbers fommen gan3 uufdnilbig basu, unb Bobes 
Anteil ift nur fetjr gering." 

IHeyer (L 272) fpridjt nur gelegentlid) pon „Bobens unb Botfs ©j. 
Den wahren Sadjperhalt giebt mohl am treffenbjten Böttiger in „3- 3> Bobes 
£itterarifA>em £eben" (S. LXXXVIII): „Der Sd?aufpielbia>ter Botf gab ein 
theatralifa)es Jt)oä>enblatt h^aus, 311 weldjem Bobe bie y>een hergab." 



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Bebentung bes „(Efjeatraltfdjen Wotyn Mattes" als offttöfes (Drgan. ^9 

So begreiflich es ift, ba§ Schröber, angeflehte ber mannig* 
fachen cEntfleÜungen unb Eingriffe, benen [eine Bühne, feine Schau« 
fpieler, bie 2Tla§nahmen unb plane ber DircfHon ausgefegt waren, 
ben IPunfch iiegte, fich $u mehren unb bas unparteiifche publifum 
über feine wahren 2lbftchten aufsuflären, fo wenig glücflich war 
bod? ber <5ebanFe, bamit einen 2lngefietlten ber Bühne 3U beauf= 
tragen, ber felbft burch feine Bearbeitungen unb Dichtungen einen 
fo wef entlichen Anteil am Hepertoir hatte unb batjer auch bei bem 
beften IDillen nicht im ftanbe aar, unparteiifch 5U urteilen. 
tThatfächlich ging es benn auch ohne bebenfliche orationes pro 
domo 1 nicht ab, unb bie gewonnene cEinficht, bafj burch berartige 
2TTi§griffe mehr gefchabet als genügt werbe, war wohl auch bie 
Urfache, bafj Schröber fchon nach 3 a h rC5 f r ^ 0as ©rgan wieber 
eingehen lieft. 3»"werhin gehört bas „(Eheatraltfche IPochenblatt" 
3U ben wertoollften 21Ftenfiücfen ber Cheatergefchichte jener (Epoche, 
benn feine alterbings nicht 3ahlreichen prtn3ipieUen cErorterungen 
geben authentifche (Erläuterungen 3U bem Programm, beffen Perwirf» 
lichung fich Schröber unb feine 5reunbe 3um &i<ti gefefct h^ten« 

IPenn 3. B. im 7. Stücf in bem „Fragment eines Briefes" 
bie 5rage, „ob bie Neigung 3U ben Balletten ein Kenn3eichen 
eines guten ober Derberbten (ßefchmacFs fey?" aufgeworfen unb 
im allgemeinen 3U Ungunften bes BaHets beantwortet wirb, fo 
Fnüpfen fich ^<xxa\\ cErorterungen über bie üble Cage eines 
„Directeurs", „ber es mit einem parterre 3U tlmn hat, bas fichs 
3utraut, teffmgs ober (ßöthens Arbeiten bey einer erfien Por- 
fieQung 3U Fritifteren unb oft bey falten Gräften in ein lautes 
fjänbeFlatfchen ausbricht: £afc ihn bey ben befien 2lbfid}ten thun, 
was er will, lafc ihn weber 2ftühe noch Kofien fcheuen — — 
wiH er fich «ich* fcrrneU an ben Bettelftab fpielen, fo fmb ihm 
oie fjänbe immer gebunben. So wenig ich fl&er ein 5reunb 
oon Bafletten feyn fanji, fo wenig Fann ichs boch einem Directeur 



1 £>• B. gleid) im erften Stücf: „(Einen großen TOtxfy erhält biefe 
<Sefellfd>aft burd> iljrcn (Er{eaterbid?ter £jn. Bod\ ber fiefc burd? bie <Hrft« 
linge feiner lUnfe rürfmlidtft beFannt gemalt r?at." 



120 



(Dfftyöfe 2Jrttfel fiber bas Ballet nnb bte Operette. 



übelnehmen, baß er Ballette giebt, wenn er bte tägliche Erfahrung 
r»or 21ugen fyat, baß ihm ein neues Badet mehr in bie Kaffe 
liefert, als bas bejle neue (Drigiualflüd. XDenn er Diclleicht nur 
burdj Sa tlett unb poffenfpiele in ben Stanb gefegt wirb, uns 
Strufdienburdj gute Stüde 3U geben? JParum foHt* id? bas eben feinem 
Ztlangel an (Befdnnatf 3ufd?reiben, wenn er nach einem (Trauer« 
fpiele, welches bas £}er3 gefühwoüer 5ufd?auer in tiefe Beflemmung 
gefefet unb ihren 2lugen l?et§e jähren bes ZlTitleibs ausgepreßt 
Ijat, ein Ballet ober ein ttachfpiel giebt, welche ben porigen gan3 
«übrige unb mir in ber tage meiner Seele gan3 unangenehme 
<£mpftnbungen erweden. 3d? roette barauf, würbe bas Parterre 
unb bie £ogen gegen Anfang bes Ballets ober bes Radffpicls 
leer, einmal, jn^ymal, breymal : — er würbe ben IDinf balb per» 
fielen unb ben 21ufwanb auf Ballette erfparen (fopiel Hed?enfunji 
muß man ihm 3ittrauen), bie gemeiniglich h^h*? laufen, als bie 
Kofien 3U fedjs neuen (Driginalfiüden. Das publifum h a * es 
alfo gänslid? in ber (ßewalt — baß feine Ballette ober fdjledfte 
Stüde 3um Dorfchein fommen ober balb wieber Pom (Chcater 
muffen. <£s V\abe nur einen befühlbaren puls." 

JPährenb alfo rjier bie Direftion felbft auf eine faule Stelle 
bes Hepertoirs bie 2Iufmerffamfeit lenft, ftd? bereit erflärt, beffernbe 
fjanb an3ulegen unb 3U biefem Behuf an ben Beiftanb bes 
publifums appelliert, wirb im \Z. Stüde bie Operette mit guten 
(Brünben oerteibigt, als ein Beftanbteil bes Hepertoirs, ber, „wenn 
fte bann unb wann mit anberen Stüden abwechselt, wie ein 
(Bericht auf einer Cafel, bas mehr 3ur Erholung als 3ur Sättigung 
aufgetragen iß, 3war wohlfcrmtedenb, allein nur in ber 21bfic^t 
bem (Baumen angenehm, bamit es auf eine angenehme 2lrt bem 
Appetit ^eit laffe, ftdj auf bie folgenben nahrungspouen Speifen 
wteber 3U fammeln." IDobei mit Hecht auf bas „Dann unb 
IPann" bas entfebeibenbe (Bewidjt gelegt wirb. 

Ungleich bebeutungspoüeren, weil eine pofttbe Aufgabe ins 
2luge faffenben (Erörterungen begegnen wir im 3., 6. unb 9. Stüde. 

Durch bie weitausgreif enben unb tiefeinbobrenben Unter« 
fudmngen über ZDefen unb §med ber Sragöbie, in ber fjamburgifdjen 



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Die Stellung 5er Komöbte im Hepertoir bes beutfdjen CCIjeaters. \2\ 

Dramaturgie, toaren für bie <£ntn>icfelung bes nationalen Dramas 
im engeren Sinne getmffe Hidjtpunfte gegeben, bie Ojeoretifern u>ie 
praftifern, trofc Znemungsoerfdnebenfyetten im einseinen, im großen 
unb gan3en als unbebingt maßgebenb gelten tonnten. Die^am* 
burgifdje Dramaturgie Platte bie beutfdje (Eragöbie t>on ben legten 
5äben, bie fte an bie ausgelebten unb erharrten formen ber fran« 
SÖfifdjen Cragöbie fnüpften, enbgültig befreit; bie (ßefefce für ben 
2lufbau einer aus bem £r?arafter bes tragifdfen gelben heraus* 
roadjfenben fjanblung roaren anfdjaulictf an ben Betfpielen alter 
unb neuer Dramatifer entroicfelt, unb, olme inbiuibueüe Begabung 
unb Temperament als bilbenben Saftor aus3ufdiließen, toar burd? bie 
merjr anbeutenben als ausbeutenben fjimoeifungen auf Sfyafefpeare 
für bie Dramatifer ber <3eit eine große, freie Hennba^n eröffnet, 
bie sum fröfytdjen IDettfampf einlub unb Streitern unb £>u« 
fdjauern bie Seele mit freubigen Hoffnungen erfüllte. 

Die KomÖbie hingegen u>ar im Dergleid} bamit redjt fiief* 
mütterlid] bebacrft toorben. Der Didjter ber 2TTinna oon 23arnfyelm, 
ber über bie brei «Einheiten unb bie Katfjarfe fo erfdjöpfenb unb 
anregenb ftdj ausgelaffen, fjatte bie bodj minbejiens ebenfo feljr 
im Birgen Iiegenbe beutfdje Komöbie unb bie oon ir>r 3U löfenben 
Aufgaben faum flüchtig geftreift. Unb bodj fonnte barüber fein 
«groetfel befielen: foHte bem beutfdjeu Ojeater mirflid? geholfen 
»erben, fo galt es aud) an biefer Stelle bes Hepertoirs ben 
fjebel an3ufefcen, galt es gerabe für bie €rneuerung biefes Ceiles 
t>es Hepertoirs neue Quellen 3U bohren. Denn nodj nie, feit 
das tEfjeater ein täglidfes (Benuß* unb Unterrjaltungsmittel ge» 
roorben, fyat es mit ber einfeitigen pflege bes ernjlen Dramas 
feine Aufgabe erfd?öpft. 

ZU\t einem Meinen (Dragöbienrepertoir 3U toirtfdiaften ift 
leidet. Denn bas publifum oerlangt nur bas Sefte unb leimt 
in ber 2*egel ZTTittelgut ta\dt unb entfdneben ab. Seim Cuftfpiel 
aber muß bie ZTTenge es bringen ; nidjt nur bas 33efte u?irb toteber 
unb u>ieber ©erlangt, fonbem 2lbn>edifelung. Diefe 23efdjaffung 
oon 2Tltttelgut, 3ur Decfung bes täglidjen 33ebarfs, bas angenehm 
unterhält, ift gerabe für ben Bühnenleiter, ber feine Aufgabe fo 



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Die bcuifd?e Komöbie im fatjrtpajfer ber fran3Öftfd)en. 



ernjt ix>ie möglich faßt, ber nidjt ber 2Tfenge bienen roill unb bod? 
oon ifyr leben mu§, eine ber fd?roerften Sorgen. Hirgenbroo 
aber liegen in biefer 23e3ielmng bie Derrjältnijje fo ungünfiig n>ie 
in Deutfdjlanb. 

Zlie fjat bie beutfdfe CuftfpielprobuFtion auf ber fjötje ifjrer 
Aufgabe gejtonben, roeber rjeute nod? oor Imnbert 3<Jr»ren ; nie tjat 
jie mit guten Durcr/fdmittslejfiungen ben öebarf ber Süfme 3U 
becfen oermodjt, immer ift biefe auf 2lnleir/en oon ausroärts an- 
geroiefen geroefen, bie ju Reiten einen gerabesu bebenFlidjen Umfang 
angenommen Bjaben. 

23is in bie Ztlitte ber fed^iger 3ar?re bes porigen 3afyrf?i l nberts 
roar biejer 23ebarf fafl ausfcrflieglidj aus 5ranfreid? gebecft roorben, 
unb in ben Safmen ber fran3Öfifcr/en CrjaraFterFomö.bie batte ftd] 
aud? bas r?eimifd?e Cufrfptel berocgt. 2lber bas tjatte ficrj überlebt. 
3n 5ranfreid? felbjt Ijatte man bas (Experiment mit ber Comedie 
larmoyante perfudtt, aud) biefen Schritt nom IDege Ratten roir 
nadigemadit. Das (Befühl ber (frbe unb Un3ulänglicr|Feit blieb. 
t?prübergef)enb brachte ber J>todienev <5olboni, ber burcfy eine 
3iemlid} mittelmäßige Überfefeung bem beutfdjen publifum unb 
ben 2>arjieüern d ermittelt rourbe, frijerfes €eben unb neues 33Iut. 
Unb gerabe bie 2Icr>rmann|dje (Truppe bemächtigte ftdj um bie 
IDenbe ber feefoiger unb feiger 3ar^re 1 biefes neuen Hei3tnittels, 
bas aber eben fid? als ein 2Sei3inittel errotes. 3" frifdjem, 
lebenbigem, bem burdj bie Sdmle bes Stegreiffpiels gegangenen 
2>arftefler geläufigen, CEempo gegeben, getragen burd? fo aus bem 
sollen fdjöpfenbe KomiFer roie 2lcFermann, Sdjröber unb 33ordjers, 
roirften biefe 2tugenblicfsbüber italienifdfen tebens auf bas publifum 
roie (Ojampagner. 2lber bie Situationen unb bie Znenfdjen biefer 
XDelt blieben bod} bem beutfdjen unb nun gar einem norbbeutferjen 
publifum innerlid? $u fremb, um auf bie Dauer in öfteren XDieber* 
Rötungen es 3U fejfeln unb itjm <£rfafc 5U bieten für bie ^eiteren 

1 Das erfie (Solbontfdje SrütF Pamela roarb bereits J756 ins 
Hepertoir aufgenommen. 3 m Bremer Hepertotr oon ^65 (r»gl. I. S. 29s) 
to erben au§erbcm nodj aufgeführt: <£at>alier unb Dame unb Die Se- 
Feb,rung bes al<ten Komöbianten. 



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Illangel an bcutfdjen (Originalen. ^23 

« 

Spjegelbilber aus feiner eigenen 2Itmofphäre, bie es je länger 
i>efk> fd>mer5lid?er unb mit ooHem Hecht auf feiner Bühne oer* 
mifcte. 2lud? einem Bühnenleiter, ber meniger als Sdnrober barauf 
ausging, bem publifum „ben puls su befühlen", mu§te ftdj biefe 
Beobachtung aufdrängen. VOo unb u?ie aber u?ar fyiev Hat 3U 
fchaffen? „3>ie IDolfenbüttelifdje Bibliothef, nad? ber," a>ie es 
einmal in ben 2lbre§comtoirnad)ridjten tyi%t, „unfere arme Bühne 
fo oft binfeufset/' tpar unb blieb pcrfdjloffen. X)er Sdjaufpieler 
Branbes, ber ntdft ohne <5tfd\\d unb babei anfprudjslos ben 
burch ZHinna pon Barnhelm gefd?affencn Cuftfpieltypus $u panieren 
jid? befkebte, n?ar nur ein 2ftann- originelle Htbeitm ber jungen 
Schule, por allem pon £enj, auf bie bas Cheatralifd?e IDodjen. 
Jblatt unb bie 21bre§comtoimachrichten bie SlufmerFfamfeit bes 
publifums 3U lenfen fudjten, 1 roaren su abroeidjenb oon ber 
landläufigen Sd?ablone, um auf bas publifum ohne Vorbereitung 
3u roirfen. c£s galt alfo u>ieber eine Anleihe beim 2luslanb, unb 
für biefe Stimmung 3U mad?en, n?ar eine ber Hauptaufgaben bes 
Htieattali\d\en IDochenblattes. 



1 2lm \8. 3u1i [7i<k braßten bie 2Jbrc§comtotrnadjria>teu bie 5. unb 
6. S$ene bes J. Elftes pon Per fjofmeiftcr, ober Dortheile ber prioat- 
e^ietmng. €me Komöbte bes fjerrtt Dr. (Sptfje [!], De.rfaffer bes <5öt$ 
Don Berlid^ingen. 21m {8. (Dftober {77$ brueft bas CEfycatralifdje 2£>ochen- 
blatt bie 2. u. 3. S3ene bes 5. Uftes von fens' Heuern IHenosa mit 
ber djarafteriftifdjen cEmfiifyrting : „Uber bie fjerren, bie alles beffer roiffen, 
alles reformieren, alles nadj ihrem Sinne haben motten. £eben mir benn 
in ber (Cürfei unb ift etroann ein jeber Kunjtridjter ein Kabi ober gar 
<Sro§oe3ier / ber jebem, ber feine Befehle übertritt, ein paar Imnbert prügel 
auf bie (fu§fohlen geben laffen fann! Difttren, ja biftiren merben fie; 
aber bie <Dt|nmädjtigen ! <Es giebt nodj freye Jttenfchen, bie nadj (Sefetjett 
manbeln, bie fie aus ihrem tnnern marmett (Seffitj! nehmen; bas Äeid? 
ber phaniafte als ihr« «9«"* Spuperänität beljanbeln unb bes falten Hilters 
Iadjeu, mte ein europäifdjer OTonara^ über bas fefta eines IHufti. {71er finb 
ein paar S3eneu eines folgen unbänbigen (Sciftes, momit er feinen neuen 
meno3a fd?lte§t. it>arum fie bas Stücf fd?lie§en? HTit ben emigen 
IDarumsl (Er fließt mit einem Cetferbtjfen für bie Kunjfr-tdjter, bie 
Dteüeidjt im gan3en Stüde feinen anberen für ihren (Säumen finben motten, 
roeil bas (Eifd?gerä* nid?t naa> ihrem Sinne." 



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Die iofoltfierung frember Stürfe. 

Sdjon in ben Zagen ber (Bottfdjebin Ratten bie litterarif d?en 
Reformer bie auslänbifdjen (Originale burd? Perbeutfdfung ber 
ZTamen unb Übertragung ber ffanblung auf beutfeben Boten, 
beutfebe Derbältniffe iljrcs frembartigen Crjarafters 3U entfleiben 
»erfudjt. Durch, bie Stümpertjaftigfcit ber Zlusfüljrung waren 
aber biefe egyperimente mit Hedjt arg in Derruf geraten, J}in« 
gegen mar es 33obe mit einer Übertragung r>on (Cumberlanbs 
XDcftinbier \772 bereits geglücft, permöge ber ib,m eigenen 
2lccommobationsfäfjigFeii bas fpe3ififd? englifdje, für ein beutfdjes 
Publifum nid)t genießbare Kolorit bes (Driginafs burdj entfpredjenbe 
bcutfdje Cofaltöne 3U erfefoen. Hnb biefer, trofc Sllbrecrjt Wittenbergs 
H?iberfprudj mit Beifall aufgenommene Derfudj ermutigte ifjn 
unb feinen 5reunb, eine Heubelebung bes Cujifpielrepertoirs 
unter biefem (5eftd|tspunft einmal planmäßig im (großen 3U 
tragen. 

Die ausfütjrenbe fjanb war 3unäd?ji Bocf, ber 3. B. in ber 
Sdjule für IDeiber bie 53ene aus <£nglanb nad? Sdjlefien oer* 
legte, ben rypifdjen 3rlänber ConnoIIy in einen typifdien pommern 
Dammin ocrwanbelte unb fidj biefer unb äfcmlidjer ireiljeiten, bie 
er jtd? mit bem (Driginal erlaubte, als eines Dorsugs gegen bie 
bis batjin übliche wortgetreue Übertragung befonbers rühmte. 
Daß biefe unb ärmlidje Perfudje jefct fo gut einfd]lugen, lag aber 
nidjt allein an ber größeren (ßefdncf lieb, feit ber Bearbeiter, fonbern 
t>or ädern audj an ber glücflid?en VOaty ber (Originale. 2lua? 
rner war offenbar Bobe ber spiritus rector für ben Direftor wie 
für feinen Dramaturgen. <£r, ber als Überfefcer Sternes ben 
fpe3iftfd? englifcfjen f)umor in feinen fraufefien, aber aud? genialflen 
formen feinen Canbsleuten erfctyoffen rjatte, er, beffen geifiige 
^eimat meb,r unb merjr bas merry old England geworben war, 
er wies auf bie bis baljin fo gut wie gän3Üd? ©ernacrjläfjtgte 
englifebe Komöbie als eine 5unbgrube für bie 21uffrifd?ung bes 
abgefianbenen Cujifpielrepertoirs rjin. 5cin €igentfyum jtnb, wenn 
auch, nid}t ber Sovm, fo boeb, bem (Sebanfen nach,, bie beiben 



1 (Efieatraltfdjes HJodjen&latt 3. Stäcf vom ^3. September. 



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Das (Efjeatralifcfye tDodjenblart über bie Komobie. 



21uffäfee bes Cbcatra Ii fd]cn IDochenblatts, 1 in benen treffend 
mit rafd?en fieberen <<>ügen bas Programm aus einem allgemeinen 
Uberblicf über bie (ßefdjidjte bes Cufifpiels entwicfelt wirb. 2llle 
Pölfer, meint ber Derfaffer im 6. Stücf, gärten in ber 231üte3eit 
ihrer Cttteratur ben <5efdjmacf für bas etgentlid?e tuftfpiel 
gehabt, „wie es 3U ihren Reiten 2(rifiophanes, ZTlenanber, piautus 
u. a. m. lieferten." Unb fo h<*&e auch noch Hloliere geglaubt, 
„feine 5ufd?auer fämen unb befudtfen bas Sdjaufpielhaus eines an* 
ftänbigen fröhlichen «geiwertreibes, einer aufmuntemben (Erholung 
wegen. Darum machte er ftch's 3ur Pflicht, fte auf 3U Reitern, barum 
fuebte er ihre fifclichen SlecFdjen auf, fte $u einem gefunben (Belächter 
5u reisen. <£r wußte, fte waren ber gerfhreuung, bes Vergnügens 
wegen ba, unb ihr Vergnügen war alfo bas §iei feines brama* 
tifchen Stubiums." Die fran3Öftfche nachmolierefche Komöbie fei ba» 
gegen entartet, fte wollte „ben belefyrenben philofopben" fptelen. 
Die Deutfchen Ratten bas lange blinb nachgeahmt. „<2in Schwad 
bergleichen fran$öftfcrfer Uberfefoungen tyrannifirte auf ber beutfdjen 
33ürme, unb es war nur e i n 2Tlittel, biefe Tyrannen 3U oertreiben — 
bafj man ftch nämlich oon Calais nach Dooer überfein lieg unb 
unter ben Griten (bie nächfi ben Spaniern unb 3*alienern bem 
eigentlichen Cuflfpiele unb bem wahren (ßefdmiacfe noch treu 
geblieben) beffere ZHufier auffuchte." .... (Einer ber erften 
mit, ber „unferem (BefchmacF baburch beffere Hidtfung 3U geben 
»erfuetjt, bafc er uns auf bie fräftigeren Stüde ber €nglänber 
aufmerffam machte", fei ber Überfefcer ber €iferfüchtigen €h* s 
frau oon Colman* (b. i. 23obe!) gewefen. Anfangs hätten 
$war bie ^ufd?auer bie ZTafe gerümpft über bie „poffen", manche 
hätten bie €inheiten oermtfjt, Dritte fyätte ber „freie IDife" »erl- 
iefet, item fte hätten aber 2lQe lachen müffen, unb man fei 3U 
ber <£inftcht gefommen, bafj 3eaumont unb 5letcber, cEumberlanb, 
cColman u.a. „eben feine Dummföpfe gewefen". „Der Junior 
oerbrängte bie ernfthaft pi nfelnbe Hlora! unb bas Cheater 

1 6. Stud vom (Dftober unb 9. Stürf 00m 25. ©Fiober. 
« Die fiberfefcung erfaßten bereits 1762. Die 21tfermannfa>e (Truppe 
nab,m bas Stficf (765 in itjr Hepertotr. 



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\26 tV. M über bie englifdje Komöbte a. Dörbtlb b. bentfdjen. 

trarb, n?as es feiner 23eftimmung nad? fein foHte — fein philo* 
fophifd?er fjörfaal, fonbern ein Sammelplafc erlaubter Scheie unb 
anftänbiger Vergnügungen." 

„3c*? 3errei§c fyer ben 5aben," fdfliefct ber Bericht, „ben id} 
über ad?t (Cagc wieber an$ufnüpfen gebenfe, um ^errn SchröbeT 
bas berbiente tob 3U erteilen, ba§ er, fo oft es ftch tlmn laffen 
will, bie beften englifchen Stüde auf ber 23ürme erfdjeinen läßt." 

Die Befpredjung ber Aufführung oon Beaumont unb iletdjers 
Der befte ZTCann giebt im 9« Stficf Anlaß, bas Cbema roiebeT 
aufsunel^men : „3d? freute mich über ben Beyfall bes publifums, 
bert es biefem Cuftfptele erteilte, fcrjloß baraus in ber Stille einen 
Beweis für mich urtb meine Behauptung ; unb ftehe, er bauert 
fort, biefer Bevfall, unb fagt an, ba§ bodj fo etu>as bran feyn 
müffe. 'S iji auch, benn Wir ftnben ntd?t 2TTenfd?en, u>ie fte feyn 
follen, jonbern (nach prin3 Canbis AusbrucF), wie fte aus 
bem 5eberfiel fommen. Wir h°rcn fte fpredjen, wie wir fte 
überall hören. tDir gehen gleichfam felbfl mit ibnen um, unb 
belufligen uns über uns felbfl, inbem mir uns über unfers* 
gleichen belufligen." Dasfelbe, fährt er fort, fei bei ber 
2Holierefchen Komdbie ber $aU gewefen. Zlut fei in feinen 
<£f>arafterftücfen, „in benen ber Dichter aus hünbert (ßeisigen (Einen, 
aus h u «bert Unentfchloffen €inen 2c. machte unb in biefen €irten 
(Einigen alles lächerliche fyneinpftopfU, was er bei aßen *}un* 
berten gefunben", fchliefjlich ein Ctjatafter ^erausgefornmen, „ber 
3u überhäuft mar". Die ZTadff olger ZHolteres gälten bar^er mit 
2?ed?t bie tflilberung biefer Übertreibung als tf>re Hauptaufgabe 
ins Auge gefaßt, es aber in ber Ausführung oerfe^en. it 5\e fielen 
port einem €rtrcmö ins anbere; unb baf?er ber gdn3e Schwall 
Don weinerlichen £ufifpielen, womit fte Me eigentliche Komöbie 3Ü 
<5rabe wimmerten." 

Die <2nglänber feien ber Statur getreuer geblieben, unb „wir 
Deutfchen, als ihre guten Stiefbrüber empftnben's. Daraus ftd> 
benn für bie beutfehe Schaubühne bie fichere ttatioität 
fiellen lä§t> ba§ bie englifchen probufte längeres <Blücf 
barauf machen werben, als bie uon jenfeits unb biesfeits 



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nottt>cni>tgfett ber £ofafifierung. 



ber Hl^one fjcr, orjnerachtet es bort roahrlich nicht an 
fömifchen (Segenftäuben fehlen fann." 

€s lag naf?e, gerabe im Anfchlufj hieran barauf #"3"' 
roeifen, baß gerade bie roifeigften unb lufiigften englifchen 
Komöbieu aus ber älteren <§eit, öeaumorit unb Bleichers Sad\en 
»or allen, orrne tflilberungen, orrne Ausmer3ung von unerträg* 
liefen Derbheiten unb Hoheiten, ja ohne eine teilroeife Umge« 
ftaltnng ber <£f?araftere unb Ztlotive auf ber beutfeben Bürme 
unmöglich feien, unb ba§ Heraus bem Dramaturgen bas Secht 
unb bic Pflicht erroacbje, um bes öffentlichen, bes fruchtbaren 
fömifchen (ßrunbgebanfens, roiHen im einzelnen fieb. alle möglichen 
Freiheiten 311 nehmen. Aber biefes Argument, bas mit (Slficf 
gegen bie an jebe Silbe bes (Driginals fid) flainmernben Kritifer 
vorgebracht »erben tonnte, tji nicht oerroertet. €s erflärt ftch 
bas aus bem befultorifcrjen cCbarafter biefer Ausführungen über« 
baupt, bie auch biesmal unoermittelt abbrechen. 

Dafj fie aber nicht ber augenblicflichen taüne eines um 
Stoff Perlegenen XDochenblattfchreibers ihren Urfprung banfen, 
fonbern ba§ fie einen roefentlichen Ceil eines roohlüberbachten 
funftlerifcrjeu Programms enthielten, mit beffen Perroirflichung es 
bem Direftor unb feinen Beratern emfi roar, bas berr>ies nicht 
nur bie <5ejtaltung bes Hepertoirs in ber nächfiten &eit, fonbern 
auch Schröbers eigene fpätere litterarifche (Ehätigfeit. 

5ur Durchführung bes gan3en Programms aber, bas ja 
auf eine Dcrjüngung aller (Eeile bes Hepertoirs absielte, marb 
auf 33obes Anregung balb barauf eine ZHafjregel ergriffen, bie 
in einer bisher nie bageroefenen (ßrofcartigfeit alle bramatifchen 
Kräfte Deutfchlanbs sur ZHitarbeit h«an3og unb beren wir an 
ihrer Stelle noch ausführlich 3U gebenfen haben. 

Um bie <5efchloffenheit unb «Energie feines XPirferts, bie bei 
ber (ßefialtung bes Hepertoirs oon Anfang an 311 (Tage trat, 
gans 3U roürbigen, müffen roir tyci 3unächft unferc 231icfe noch 
einmal 3U bem Seitpuntt 3urücfn>enben, roo Schröber unter 
fchroierigften äußeren DerbäÜniffen — ich erinnere an bie fatale 
partnerfebaft £ticolinis — Acfermanns <£rbe autrat. 



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\28 



Dor Bereitung von (Emilia (Salotti 



Hic Rhodus — hic salta r}ie§ es, aber er füllte ftdj an 
fjänben unb 5ü{$en gefeffelt. Crofcbem trägt gletct? bas erfie große 
FünjHerifd?e Ereignis bes 3atyes J??2 ben Stempel feiner energi* 
fdjen tljatfroben perfönlid?feit. 

Zladt ber ©fiermeffe \?72 war es, ba§ in 33obes fjaufe bic 
Leiermanns, Hetntcfes, 23orcr?ers unb Srocfmann oerfammelt 
roaren. ^um 2Tad?ttfclt übergab ber IDirt (Emilia <55alotti 
Scijröber 311m Porlefen. 3" tiefer 2lnbad?t nahm bie fleine 
Künßlergemetnbe bas IDerf bes oerefyrten ^reunbes auf, bas ifmen 
ber junge Direftor mit einer HMrme ber Ceibenfdjaft unb mit 
einer Seinrteit ber CfyarafterifHF oortrug, bie 23obe 3U lauten 
2lusbrüä?en ber 3en?unberung fynrifj. Unb mit bem Dollen 
23etDußtfem, bafe es f\d\ um eine Aufgabe b.anble, bie r»on jebem 
bas Aufgebot ber tjodiflen fünßlerifdjen Kraft perlange, roarb in 
ben folgenben XDocrjen bie (Einftubierung begonnen. Seit „2lcfer< 
mann feinem Sorme sum erfienmal bie 5üt)rung ber Sülme 
übertrug, Ijatte biefer jebes neue StücF ber <5efellfdjaft oorgelefen. 
<£milia (Salottt las er ilmen 3n>eimal cor unb lie§ fte 3»ei 
Cefeproben galten." 1 <£r felbft wählte für fictj ben 2lngeIo, unb 
nur bem Drängen ber Kunflgenoffen unb 5reunbe nacrjgebenb, 
nafym er ben ZTiarmeOt. 23ordjers erhielt ben ©boarbo, ber in 
Scfyröbers Dorlefung unb Luffaffung trofc bes fyeüen (Eenorflangs 
feiner Stimme auf bie fiörer ben ttefften cHinbrucf gemacht Ijatte. 
Dorothea fiel bie ©rfina, ber neu^elmjäfjrigen Crjarlotte bie 
<£milia 3U. 33rocfmann gab ben prüfen, Heinecfe ben Lppiani, 
feine 5rau bie Claubia. 

3n biefer 33efefcung unb bei fo forgfältiger Porbereitung 
fottte man meinen, tiätte ber X>ireftor n?obl getrogen tflutes ber 
<£ntf Reibung entgegenfef?en fönnen. 2lber bie öeforgnis, es fönne 
bie reine IDirfung buret? bie im publifum u>iber ©boarbos (El?at 
ftdf regenben SebenFen getrübt, bie 2lbftcf?t bes Didiers oerfannt 
»erben, oeranlafcte ibn 3U bem in unferen Lugen gefdjmacflofen 
Lusfunftsmittel, in einem oon ©boarbo gefprodjenen cgpilog 



1 Weyer I. 5. 230. 



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Prolog 311 (Emiüa (Salotti. 



Diefen feine Cfjat felbfi breit unb fdju>ülfHg rechtfertigen 3U laffen. 
€s roar ein FünfHerifcrjer $er}tgriff, aber fjeroorgegangen aus reinften 
funfilerifdjen 2Ibfidjten. 2lnbers ©erhielt es ftct? mit bem Prolog, 1 ben 
er in ber Hotte bes Znarinedi felber fpradj. Die (BefcrfinacflofigFeit, 
bie für uns barin liegt, r»or bem beginne eines emftrjaften Stüdes 
eine ber fjauptperfonen de omnibus rebus bas publifum fjaran- 
guiren 31t laffen, oerlefete bie bamaligen &\x\di<mev nid?t, jte 
roaren baran geroöfmt unb rjörten aus ben IDorten gerne ben 
freunblidjen (Eon einer perfönlidjen 23egrü§ung heraus. Uns 
aber berührt es eigentümlich, wie hier ber junge Direftor bie 
erjie fkfy irmt bietenbe größere Aufgabe 3um 2lntafj nimmt, 
tapfer unb befdjeiben 3ugleid? ftd? 3U einem Programm, unb 3tr>ar 
einem inbir>ibuellen Programm 3U beFennen, in bem ber energifdje 
Hinweis auf Sfyafefpeare unb (Barrief faji proprjetifa? Hingt: 

„Der (Tag, 3fyr fjerrn, fdjeint a^ubredjen, 
Unb nodj b.at, et}' ber pritt3 erfdjeint, 
Per Kammerfjerr ein IDörtdjen erft als ^reunb, 
(Ein ID5rtd)en im Dertraun 3U fpred)en. 
Unb fo ein IDort 3U feiner §ett gehört, 

3ft, fagt bas Spridjmort, (Solbes roert. 

„tPas mad)t bie Kunft?" tpirb balb ber prin3 ben ITTaler fragen — 

„Sie geljt naaj 8rot," wirb <£onti fagen 

Woty uns, menn Hamburg bann mit Sefftugs pri^en fpridyt: 

Das foü fte utd)t! Das foU fte nidjt! 

3n unferem CBebtete ntdjt! 

So umdjfen Künftler auf 3U ITleifiern, 

Arbeiten gern unb gtüfyn, ftd) 3U peretoigen. 

Das fann unb roirb unb mu§ 3U mefjr (Emilien 

Den Dtdjter unfers Dolfs begeifern. 

Der in ber alten Briten (Seif! <Eud) buraj bes £ebens Sjenen führet, 

(Sud) burd) bas £abyrintb. ber £eibenfd)aften reißt, 

(Eud? lädjeln lägt unb mäd)tig rühret, 

Der als ein Siebermann ftd) breift, 

Den flogen Hadjbarnationen, 

Unb tffren pulten unb iljren Desbemonen 

(Emilien 3ur Heäjten fieUt. 

Unb feine Deutfd»en fdjablos f^ält. — 

1 (Ebenfo roie ber (Epilog oon SocF gebidjtet. 

Ci$mann, Sdjrdbrr II. 9 



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€rfle Jluffn^rung ber (Emilia (ßalotti. 



Die Dieter ftnb ber Künfller Pater, 
Sffafefpeare fam erfl, fein (Sarrtc! fpater. — 
Wot\[l Unfern Sarben hätten n>ir; 
Das gute <51ütf erhalt uns ilm! 

Dod? — (Sarricfs, (Dlbftelbs audj für irjn unb <£udj ersierm, 
Das, ^rcunb', tji (Euer IDerf — bas, ^reunbe, fönnet 3tjr!" 

Der <£inbrucf ber erjlen Porftellung am \ö. ZTiat rrar benn 
aud? fo rein unb bedeuten«), roie es bei ber forgfamen Dorberct* 
hing unt) ber Eingebenden Begeiferung, bie alle DarfteHer er* 
füllte, 3U erwarten roar. „<£s tft niefy unferc 21rt/ rjeifjt es in 
ben 2(bre§comtoirnad}ricr}ten oom \S. 2Tiai, „jede Porfteüung 
von unferen Sdjaufpielern mit fcrjalem lob unb nod} weniger 
mit riämifdiem Cabel 311 belegen/ unb foll es aud? jefet nid?t feyn. 
Slber von ber 2luffürjrung ber €milta (Salotti fönnen wir nid?t 
nnterlaffcu, öffentlid? 311 rühmen, bafj bie Sd?aufpieler ben größten 
5leiß unb bie forgfamfte 33emülmng über [!] bas ftttlicrje Per« 
gnügen irjrer ZTCttbürger an ben (Cag gelegt, weldje ifjrerfcits ferjr 
3ar|lreid? waren unb burd? bie aufmerffame 2lnf}örung bes Stücfs 
einen Beweis ber allgemeinen IPafyrfjeit gaben, bafj in freien Staaten, 
wo Künfte protegtrt unb freiwillig unterftüfct werben, ber gute <ße* 
fdmtacf 3U fjaufe fey. M Das fjöd?fie tob warb Dorothea 2lcfcrmann 
als ©rfina unb Borchers als 0boarbo ertrjeilt. „Das 3 u 9enblidje 
unferer (Emtlia (Crjarlotte 2lcfermann) errjob biefe Holle fo fef>r, bafj 
man ntdtf wei§, ob man ber Ztatur ober ber Kunft ober beiben es an 
ifyr 3ufd]reiben foü." Der prin3 (BrocFmaun) rjätte nur an einer 
Stelle (in ber S3ene mit (Conti über bie Kunft) fälter, referierter reben 
fönnen. „Der Kammerrjerr 2ttarinelli (Sd?röber), ber uns fd?on 
als 2TIeifter in feiner (ßattung betannt ifi, erfüllte in biefer Holle 
unferc €rwartung »ölltg, ob es gleid) nad? ©rfma bie fctjwerfte 
Holle im Stücfe ift." ,,<£r fcbmücfte ZHarineHts Derborbenfjett 
nierjt," bertditet aus ber €rtnnerung ein anberer (Sewärjrsmann, 2 
„aber er rrar weit entfernt, fte 311 übertreiben. Den 27Teifier be* 
3eidmeten befonbers bie <$üge, aus benen eine Spur nierjt gan3 

1 Dies entfprad? burdjaus ber IDaIjrt}eit. 

2 Weyer, £. Sdjröber I. S. 23<*. 



Sdjröber als morincUi. Urfadjen bes geringen (Erfolgs. j5j 

vertilgtet 2TTenfcr}licr}Feit rjeroortritt. „,,<5eftern rcafjrlidt hat fie midj 
fonberbar gerührt u. f. n>. — Sic fmb aufcer ftdj, gnäbiger £}err — 
2lber weis ift 3*?nen? — <£rfennen Sie bie irudtf 3fy*r 5«r»^ s 
rjaltung"" unb alles, mas barnn 311 rechnen ift, Dornernnlid} aber 
„ „2lti, mein prui3, fobalb Sie roieber Sie fmb, bin id\ mit gantet 
Seele triebet ber y^tiqeV" blatten in feinem 2ftunbe einen 2l\u 
Wang, ber ben Pertrauten empfahl unb bem «gufdjauer begreiflich, 
machte, bafj ber (ßebraueb, eines Dieners, ber feinen anberen 
iDillen fyat, als ben feines fjerrn, leichter 311 tabeln als 3U er\U 
beeren ift. (Ein boppelter, reicr/er unb gefdmiacFDoHer 2ln$ug 
Doüenbete bie <£rfcr/einung." 2ludj bie „21. <£. ZI." rühmen, bie 
^lusftattung 1 fei fogar bis auf bie betben porträts fo gemefen, 
baß „fte von ber SorgfamFeit ber 2lcfermannfd?en 5amilie bas 
fxttlid? Sdiöne bes Scfyaufpiels in Hamburg 3U fjeben, bie äugen« 
fcrjeinlicriften Semeife gegeben." 

2TlerFroürbtgern?eife aber entfpracrj biefem großen Fünftlerifdjen 
<£rfoIge feinesroegs ber materielle. Sdjon bie 3tr>eite unb britte 
Dorftellung am unb 25. 2TIat fanb por nicty ©ollem, bie 
oierte, nach, breiroödjentlidjer paufe, am \6. 3 u "i/ 9 ar vov leerem 
fjaufe itatt; allerbings u>ar biefe lefcte erft in 3tr>ölfter Stunbe, 
roegen 2lnr»efenb,eit bes prin3en Karl r»on Reffen, angefefct roorben. 
Sdjröber ferjob bie Sctmlb bes if>m um ber Sad?e willen \d\met^ 
lid?en ZHifjerfolges auf feine ungenügenbe Darftellung bes 2ftarinetli. 
€r taufdjte, 3um ärger feiner Sreunbe, mit bem 2lngelobarfteller 
XKöller bie Hollen, orme bajj bie am 2lugufi* auf Per langen 
„eines nidjt unbeträcrjtlidjcn Ojeiles bes £jamburgifd?en publiFums" 
erfolgte lüieberljolung baburdj gewonnen b,ätte, im (ßegenteil, 
was ber 2lngelo gewann, uerlor ber ZHarinelli. 3 Crofcbem wollte 



1 „Der (Theatermaler Zimmermann ffatte 311 biefer Dorflellung ein 
treffliches mobernes 5taats3tmmer oerfertigt, bas, als ber Dorljang auf- 
rollte, mit ^änbeflatfdjen bebetfallt roarb." Sdfütje, Hamburg. (Etjeater- 
gefdjidjte 5. 388. 

* nidjt \8. 2lugufi! 

3 Sdjröber febeint benn audj ben ITIartnelli balb ipieber fibernommen 
3u haben. 3ebenfalls gab er \775 bei ben beiben Aufführungen bes 

9* 



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\32 



Die (Stmft ber dürften. 



er (ich nicht baoon übeneugen laffen, ba§ boch meßeicht bie 
Dichtung felbft bie Sdmlb trage. Seine perfönliche Derehrung 
bes Dichters, feine 33erounberung oor ber oirtuofen Beherrsch ung 
ber bramattfehen Cedmif, bie fid? barin offenbarte, perfchlog ihm 
bie 2lugen r»or ber c£rfenntnij|, bafj ber bramatifche Konflift 
felbft, gerabe bei biefer unerbittlich ftraffen Kon3entration auf bas 
unbebingt XTotmenbige, bei btefem gefliffentlid?em Per3icht auf bie 
gro§e meltgefd?id?tlid?e Solie, von ber ftch eine Pirginia fo be* 
beutenb abgebt, auf bas große Publifum eher peinlich, bebrücfenb, 
beängftigenb mirfen mu§te unb baburdf bamals tr>ie tjeute bas 
Drama 3U einem bauemb bie Käufer füHenben ,§ugftücf von t>orn< 
herein untauglich machte. 

Dagegen ertoies ftch ein 3af?r fpäter ein an fünftlerifchem 
IPert nicht entfernt mit ber „€milia ißalottt" 3U pergleichenbes 
Drama als ein ^ugfiücf adererjUen Hanges, roas um fo roünfcheus« 
werter mar, als bie übrigen tragifchen Ztomtctten bes ^afytes { 772 
(Der Henegat, Der 5reigetfi oon örame, cElementina von poretta, 
tEanfreb oon Poltaire in neuer Überfefeung, ®refi unb pylabes 
von einem Ungenannten) vom publifum mit einiger Ausnahme 
bes 5reigeiftes 3iemlich entfehieben abgelehnt maren. 

21m 28. 3u(i \773 warb 3uerfi bie (Sunft ber dürften 
gegeben, jenes munberliche Mixtum compositum, bas ber t>iel« 
gemanbte o3iejjener profeffor <£h*- Sdjmib aus ben €ffer< 
bramen ber Sanfs, 33roofe, ^}ones unb Halph 3ufammengebraut 
hatte unb meines bas h^mburgifchc publifum in einen (Taumel bes 
€nt3Ücfens perfekte, beffen fjauptoerbienjt ftch oie Sa?aufpieler 
3ufdjreiben burften. <£s mar r»or allem Srocfmanns (Ehrentag: 
alle 2lnerfennung, bie ihm bis bahin, mie feine 2TIitfpieler meinten, 
bas parterr mit Unrecht ©orenthalten blatte, u>arb ihm mit «ginfen 
heute h e * m 9 c 3öhlt. „IDenn ich f<*9*, in Deutfchlanb fein 



Dramas in fjannooer (2*. unb 29. 2Jpril) feine alte Holle. Um 23. 3uli 
oesfelben 3at}res warb Cr. <5. in Hamburg gegeben, unb bei biefer (Seiegen- 
heit fpielte Sdjröber naa> IReyer (1. 5. 25?) ben OTarinelli „3um legten 
mal". Den ©boarbo übernahm er J777. 



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3rorfmann ols <Effer. 



\33 



HTann — felbf* S3rü<fner ntd?t — fferrn örocfmann in biefer 
Holle übertreffe Fönne, fo wirb mir bas niemanb sur partheylichfeit 
auslegen/' fchretbt ein 3ah* fpäter bas (Elfeatralifdje Wochenblatt 
(5. 5t. 2^. Sept. unb fügte, gegen Wittenberg polemijierenb, 

biii3u: „trenn id? fage, ba§ bie thöridjten HTänner, bie and? in biefer 
Holle 33rocfmann ansugreifen, ilm burd) (Epigramme $u läfiem 
jucken, blofj (Epigramme auf ihr fchledjtes £jer$ unb ihren feierten 
Perftanb (abreiben, fo wirb mich niemanb billig anflogen; wenn ich 
enblidj behaupte, ba§ 3r. uns bie Schönheiten feiner Holle 
boppelt empfinben läßt, bafi n>ir bie Xüoüufi mancher (Ehräne, 
bie wir bem <£ffer nachmeinten, ihm ju banfen haben, fo 
bies niemanb übertrieben tabeln, als biejenigen 2lfter?ritifer, 
beren (Eabel tob unb beren tDiberfpruch 8efräftigung bem ift, 
beffen §iel bie IDafjrheit unb ber ben iüeg 3U ihr mit bem 
feften Porfafc betritt, fid? auf bemfelben nicht burch bie Domen 
unb Difteln aufhalten 3U laffen, womit ihn X>orurth**l unb parthey 
Iichfcit beflreun." 

2TTag auch ©er djolerifche (Dffaiofus in feinem €ifer, es bem 
boshaften He3enfenten h c i m 3 u aeben, bie Farben ein wenig 3U 
ftarf auftragen, es war biesmal fidjerlich bas allgemeine Urteil, 
3U beffen Dolmetfcher er fich machte. HTodjte Brocfmann auch nach bes 
5reunbes unb Cehrmeijiers Urteil bie Holle 3U fehr auf ben Cieb* 
haber h«ausfpielen, bie Ijeroifcrrcn, ftoatsmännifchen 5»g« ©es 
<£harafters 3U wenig herausbringen, °em großen publifum im« 
ponierte ber weiberberücfenbe glän3enbe Kaoalier, ber 3ubem 
rhetorifch ftd? oor3Üglich mit feiner Aufgabe ab3ufinben wufjte, 
gan3 ungemein. Unb ba er an Dorothea 21cfermann eine in jeber 
Se3iehung ebenbürtige Partnerin als €lifabeth hatte, ba Charlotte 
bie „bange Hutlanb" mit ben nur ihr eigenen h«3erareifenben 
(Conen 3U befeelen mußte, 1 ba auch aDe übrigen Hollen aufs 
glücflichfle befefet waren, unb felbft erfte Kräfte, ber Direftor an 

1 Sd)rober felbfi I?ielt biefe «eifruna für iljre bebeiitenbjte. 211s 1778 
feine $rau bie Holle übernahm, fd?rieb er an (Sotter: „Das ijt nod) eine 
fdra>ere Klippe, bie meine ^rau 311 erzeigen hat* benn id) Ijalte bie Holle 
fär meiner feltaen Sd)u>ef*er gröfjte." (Sdjröber nnb <5otter. S. \oi.) 



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\ 3<$ X)ic (Sunft ber dürften : Symptomatifdje 2Sebeutmtg bes (Erfolgs. 



ber Spifce, in fchönem (ßemeingcift fich als Statiften oertoenben 
ließen, fo Farn in ber Crjat alles 3ufammen, um über biefe t>or* 
ftelluug jenen (0lan3 unb Ijersberücfenben Räuber 3U ©erbreiten, 
bem Fein Zuhörer mit offenen Sinnen ftd? ent$ietjen fonnte. 2Uich 
ber erfahrene unb Fritifdje (Erjeaterbefud?er trefft, baß es feines« 
rocgs immer bie größten JHeiftermerfe ftnb, bie in ber DarfteHung 
ben mächtigften unb nachhaltigjien EinbrucF machen. 3" 1 <ßcgen* 
teil. IDir toiffen alle, baß nicht feiten gerabe bie lebhafteren unb 
bebeutenbjkn IDirfungen, bie auch in ber Erinnerung 5arbe 
behalten, von verhältnismäßig gehaltlofen Stücfen ausgeben, 
bie eine geniale Ein3elbarfteHung ober ein burch bie ö3unft bes 
21ugenblicfs iufpiriertes Enfemble 3U einer neuen, höheren Xunft- 
fprjäre hinüberträgt. So ging es ben Hamburgern mit ber (Sunft 
ber 5ürften; fie übte nicht nur in 3afflreichen IPieberholungen 
eine unoerminberte ai^iclmngsFraft aus, fonbem bie Erinnerung 
baran blieb auch noch nach 3ahren, unoerbunFelt, für fte bas 
Schönfte, was fie je genoffen. 3n biefem (Sefühl waren parterr 
unb (Balerie einig. „Es ifl bod? Feine (ßunft ber Sürßen," war 
noch oft ber wehmütige SchlußaFforb eines lebhaften 2lpplaufes. 

Süt Schröber aber lieferte biefer, alle Erwartung über« 
treffenbe, Erfolg nicht nur ben beweis, baß (eine KünfUerfchar 
in ihrem frifchem jugenblidjen Seuer unter feiner Ceitung felbft 
ben höchflen Aufgaben gewachfen fei, fonbem befejiigte in ihm 
auch enbgültig bie Über3eugung, baß es mit ber fran3Öftfchen unb 
fran3Öjterenben 21le£anbrinertragöbie ein für aßemal auf bem 
beutfd?en tLtyater »orbei fei. Die £ehren, bie Ceffing oor fedjs 
3ahren in ber Dramaturgie gegeben fyatte, waren jefct auch bem 
publiFum in 51eifch unb 31ut übergegangen. Er burfte nicht 
nur, er mußte feinen ^ufdjauern aud? auf bem (ßebiete ber 
heroifchen (Eragöbie Fräftigere Nahrung geben. Der ^eitpw"** 
war geFommen, mit ben alten Crabitionen 3U brechen; n>ie oor 
3ahren 2lcFermann burch bie Einfügung ber bürgerlichen (Eragöbte 
in fein Hepertoir bie SchaufpielFunß oor eine neue Aufgabe 
geftellt hotte, fo war es jefct an ihm, burch bie Pflege bes neuen, 
an englifche Dorbilber fich anlehnenben <£ypus cmer h^oifchen 



Vevfävo'mben ber aiejanbertncrtragöbie aus bem Hepertoir. ^35 

Cragöbie ber tragifdjen Sdjaufpielfunft ein jungfräuliches (Bebtet 
ju erfdjlie&en. 3m (grunbe brauste er ja nur an bas, u>as 
21cFermann begonnen, an3ufnüpfen, unb bie in biefem Kreife feit 
einem Dierteljahrfmnbert gepflegte realijHfcbe Spielroeife burcb. 
entfpredjenb abgetönte h^oifche 21ccente 3U bereichern. Da§ er 
ftch. biefes «^ufammenhanges Mar bemüht tpar, uno ba§ er Pom 
erften 2lugenbltcFe feiner 2Ifleinfyerrfd?aft auf biefe IDenbung plan« 
mäßig Einarbeitete, bemeifi mir Oer Umfianb, bafj er nietet nur 
(am 5. ZITär3 J772) burdj bie Aufnahme pon 23rau?es 5reigeift 
eine alte ^^renfdjulb, bie gerabe ber 21cfermannfchen Cruppe 
auflag, einlöse, fonbern auch, in biefem 3<*fyre nach. 3iemlicb. 
langer Unterbred?ung bie Dramen tpieber 3ur Aufführung brachte, 
an benen fich. feiner3eit bie ebarafterifttfehe Spielroeife ber AcFer* 
mannfeben Cruppe entrricfelt I^atte: Sara Sampfon (bie aüerbings 
nie 00m Hepertoir perfdjtpunben wat), 2Tloores Spieler (\2. ZTCai 
\772) f Cillos Kaufmann pon £onbon (\2. ©ftober J773). 
Doltatres Canfreb, ber „nach, einer neuen, befferen Überfefeung" 
noch, im 3uli J772 auf ber 33ülme erfdjien unb ber auch in ber 
5olge neben ^aparts Soliman II. (J765) gelegentlich, gegeben 
n>arb, mar bie lefcte 21leranbrinertragöbie, bie er bem Hepertoir 
einperleibte. Die <5unft ber 5ürften, ber im De3ember besfelb en 
3äh r * 5 Ztlaüets <£(pira folgte, besegelte bie Itieberlage bes alten 
Syfiems, bie bann ein 3<*f?r fpäter in ber „21nfünbigung" 1 einen 
eigentümlichen 21usbru<f fanb in ber öemerfung: „<Db wir gleich. 
(Erauerfpiele in Derfen nicht gan3 ausfcbüefjen, fo werben uns 
gleicbroohl bie in profa, pon fonft gleicher (Büte, piel lieber feyn." 
3m <5ebanfen an bie 3antben ber Scb.illerfcb.en unb (5oetb.efch.en 
Dramen empfinbet bies ber moberne Cefer — bie IDortfübrer „ber 
2Tioberne" urteilen allerb ings anbers — als eine Barbarei. Selbft* 
perftänblicb. richtete ftd? aber b am als biefe Spifee nur gegen beu 
211eranbriner als bas einige herkömmliche Dersmag ber dragöbie. 

Das 3^h r \77<{ tiatte eben in biefer *3e3iehung neue 2luf* 
gaben unb neue €rfenntnis gebracht. 



1 5. unten 5. H5 f. 



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\36 



<£rftc :iuffüljrung bes Clartgo. 



ZHehr unb mehr hätte ficb. ber Brauch eingebürgert, in ber 
H)od?e minbejicns einen Abenb ber (Tragödie 3U roibmen, unb bas 
publifum brachte gerate tiefen Dorfiellungen, bie in ben legten 
3at/ren ber alten Hepertoirmirtfchäft am meiflen unter feiner Ctycil* 
nahmlofigfeit gelitten Ratten, ein fteigenbes 3ntereffe entgegen. 
Branbes (Erauerfpiel ©lioie, ein nicht übel gelungener Derjuch 
im Stile t>on teffmgs <£milia, machte mit (Eljarlotte Adermann 
in 6er (Titelrolle faft noch mcljr (ßlücf als bie (5unft ber dürften 
unb oerbürgte burdj bie mit ber ftaunensroerten <£nta>icfelung ihres 
(Talents fchritthaltenbe Beliebtheit ber Künftlerin oon oomherein 
bem Abenb ben «Erfolg, an bem jum erfien 2Tüale in Hamburg 
ber Ztame <5oettje auf bem Ojeater$ettel fianb. 1 

2lm 23. Augufi \77% ging (Claoigo in 53ene. <£rtarlotte 
Adermann als ZTlarie, Heinecfe als <£Iaoigo, Sdjrober als 
Carlos, Brodmann als Beaumarchais boten ihr Bejfes, unb 
XTTariens rürjrenbe (ßejiatt/ ™it bem Reichen bes (Eobes auf 
ber Stirn, wortlos ertragene Qual im fieberhaft glän3enben 
Auge unb um bie neroös 3udenben tippen, ergriff alle fje^en 
aufs (Lieffte unb haftete noch lange in ber «Erinnerung. So wie 
fie, meinten nachmals bie £eute, bie fie gefehen, fyabe nie roieber 
eine Schaufpielerin biefe fo leicht 3U oergreifenbe Holle 3U geben 
perftanben. ZHinbcr glücfte es, jedenfalls bei einem (Teil bes 
publifums, ihrem Bruber, beffen Carlos, weil man aus feinem 
tftanbe an fo ernfte unb gewichtige (Töne nicht gewöhnt war, nicht 
oerftanben würbe. X>ie Befferu>iffer aber rümpften höJmifcb, bie Itafe 
über ben gefdjmadlofen Direftor, ba§ er fich «biefes bei weitem 
fdjwächfte StücF bes fjerrn (Böthe" 3ur Aufführung ausgefucht 
unb ben nach bem Urteil aller Kenner ungleich bebeutenberen 
(göfc Don Berlichingen fleh entgehen laffe. Sie ahnten nicht, 
bag bie Erfüllung ihres „IDunfches" gan3 nahe fei. 



1 Dies, unb nicr/t roie Sdnitje berichtet, ber 28. Augufl, tfi ber (Tag 
ber crßen Aufführung. Die erfte #>teberr|olung fanb am 26. Angufi ftatt- 
3hr folgten im September Aufführungen am 7. unb 20., im (Dftober am 
5. unb 26., bann erft roieber am 30. Z^ember in Sdjlesroig. 



<5oö von Serlidjtngen : Sebenfen gegen bie 31nffulirang. ^37 

Was Sdjröber oeranlafjte, (ßoethe mit Claoigo bei feinem 
publifum ein3ufübren, liegt auf ber fjanb. (Eine 2luffübrung 
bes (Söfc r»on Berlicbmgen, auch unter ben heutigen Sühnen* 
©erhcütniffen immer ein tPagnis, 3U bem ftch nur feiten eine 
Direktion entfdjHefjt unb bas noch feltener wirklich glüeft, war 
unter ben bamaligen Derbältniffen ein Unternehmen, bas gerabe 
ein mit ben Begebungen ber jungen bramatifdjen Hid?tung 
innerlich fYmpatfjijtrenber CLIjeaterprafttfer ftch boppelt unb breifadf 
überlegen mußte. 3eber, ber nur Fjalbmegs ftch auf Bühnen» 
wirfungen oerftanb, fonnte Dorausfagen, baß mit biefem aus einer 
granbiofen (Seftaltungsfraft fferoorgegangenen, burd} (Energie ber 
Sprache unb Cebensfülle ber eisernen Cfjaraftere jeben £efer ent» 
3Ücfenben Dichtung ein bem fünfMerifchen IDert bes IDerfes auch 
nur einigermaßen entfprechenber theatralifdjer €rfo!g nicht ju er« 
Sielen fei. Da3U war bas Knochengerüfle 3U forglos aufgebaut 
unb basu fehlte es 3U feljr an jenem von einem Zentrum aus ben 
gan3en bramatifchen Organismus bewegenben unb belebenben brama* 
tifeben Zletv, mochte er in eisernen Ssenen noch fo ftarf oibrteren. 

<£s war eine munberooöe fyer3erquicfenbe probe ber neuen 
beutfeben 21rt unb Kunft überhaupt, aber nicht bes neuen beutfeben 
Dramas, n>ie es bie Kenner ber Bühne wünfdjten unb erfeljnten. 
(Serabe, baß es bie 2Tiaffe ber blinben €ntfyufiaften auch ba für 
nahm, erfdjwerte bie Situation für ben Bühnenleiter, ber burd} 
einen matten ober gar ZHigerfolg eines Dramas ber Dichtung auf 
ber Sü^ne bie gan3e Verjüngung bes Hepertoirs in 5rage 
gebellt glauben mochte. äfmltdie «Erwägungen — unb ftdjer 
nicht allein bie ^weifet, ob ftch bas iX>agnts auch pefuniär lohnen 
werbe — waren es, bie Sdjröber »erhältnismäßig lange für bas 
Drängen ber 5reunbe, ihnen (ßofc pon Berlidjingen 3U bringen, 
harthörig machten. 

Schließlich aber im £aufe bes Sommers trugen bie (EntFmftaflen 
ben Sieg baoon. Unb bie 2TTahnung, ber wir im (Cheatralifchen 
IPodfenblatt r»om 27. September begegnen, „bie Slcfermannifche <ße« 
feüfchaft möge fich boch ja nicht bewegen (äffen, aus UTangel an 
Dekorationen bas portreffliche Sdjaufpiel unferes — nicht 



\38 <8ötj oon öerlidnngen: Porbereitungen, exftt 2luffül}rung. 

Shafefpear 1 — unferes (ßötbe unaufgefübrt $u laffen", roar fcrjon 
nur 3um Schein an biefe 2lbreffe gerietet unb hatte lebiglid? ben 
groeef, im publifum für bas im Hate 5er Direftion 33efd?loffene 
unb bereits ins IDerf (ßefefcte Stimmung 3U machen unb auf bas 
Kommenbe oor$ubereiten. 

bereits ad?t Cage fpäter ©ftober) folgte bie offaiöfe ZTCit* 
teilung: „JDie roir 3uoerläffig erfahren r»aben, roirb fünftige IDocbe 
(Boetrjens <J5öfc oon Serli dringen mit bereifernen £janb 
aufgeführt roerben. Daß es nicht eher gefcfjehen ifi, I?at bloß an ben 
nothroenbigen Einrichtungen ber Deforationen gelegen. IDir 
roünfchen, ba§ ZHab. 2lcfermann für ihre auf biefes ferjöne Stücf 
oerroenbete oiele 2TiäEjc unb Kojien belohnt »erben möge, roeldjes 
geroijjj gefchefyen roirb, roenn unfer publifum fortfährt, rote es 
bisher getfjan fyat, gefällige Hücfftdft auf bas Seftreben 3U nehmen, 
Seinen (ßefchmaef am Natürlichen unb Watyen 3U oergnügen." 

3n bem am (tage nach ber Aufführung batterten, inbes 
natürlich, oorrjer gefdjriebenen Statte ftnben roir aber, anläßlich. 
3eaumonts unb 5letd?ers, mit ber Einheit ber «Seit etwas roilh 
fürlid] umfpringenber, Komöbie Der hefte ZITann, bie 33e« 
merfung, bafe auch bie größten pebanten babet oergäfcen, ba§ fte 
„roenigftens acht Cage im parterre flehen müßten". Dabei entfehlüpft 
bem Schreiber ber fromme IDunjcr/: „unb ich roill Ijier im 
Vorbeigehen roünfchen (unb <£uch 3ur <£f>re hoffen), ba§ 3h r ü°* r 
<5öfo oon 33 er lieh in gen unb Konforten breimal fo oiel ^altte 
oergeffen fyaben unb noch, oergeffen mögt. Quod Apollo B. V. — !" 

Ztadi ben begeifterten Stimmen, bie in ber preffe über bie 
erfie PorfteHung, am 2<\. ©ftober, laut rourben, 2 hätte man benn 
aud? glauben follen, ba§ bas IDagnis in grogartiger IDeife 
geglüeft fei: „Das ffaus roar fo ooü* ^ufchauer, als es faffen 

1 Dtefe (Segenüberfiellung erflärt ftdj ans bem Doraugegangencn Satj: 
„^iil^ren boa> bie Griten ein Sdjaufpiel iljres Sfjafefpear auf olme alle 
Deforationen." 

* Mes hierauf 8e3Üglid?e t{at im Wortlaut tfrttj Winter in feinem 
Huffafc: „Die erfie Aufführung bes (Soft oon Serlidnngen in Hamburg" 
((Eb l eatergefa>icb i tlid?e ^orfdjungen, herausgegeben von 8. Eitjmann. II. 
*89l, S. 1-59), mitgeteilt. 



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<S8fc von 33erlt($tngen : Stimmen ber preffe. 



139 



Fonnte; Diele mußten umFehren, benn jedermann drängte ftd?, das 
große Hationalbrama 3U fehen, welches wir ofme Scheu unb mit 
einiger Kecfheit gegen ShaFefpeares tear ober fjamlet aufhellen 
Fönnen, wenns ber Pergleicfmng bebürfte. — 3>ie 5reuube bes 
Volts haben über bie 21ufmcrFfamFeit ber «^uferjauer 5reube gehabt 
unb wie bie Derfammlung fo Dielen Anteil nahm, auch, ungeachtet 
bes Heuen unb Ungewöhnlichen, ihren 23evfall oielfältig su er* 
fennen gab. Va ficht man bod?, wie ZKuth unb Kühnheit bem 
Strettenben unb 5ri<?bfertigen gefällt, " t^ub ein mit »Ingenuus« 
unter3etd?neter 2IrtiFel, ber Dielleicht t>on Matthias (Oaubius 
^errü^rt, in ben 2lbreß*<£omtoir*Hachrichten an. Hoch enthu* 
ftaftifcher ließ ftch bas (Ebeatralifche Züodjenblatt Deruefjmen, 
bas in bret Hummern, r»om {., 8. unb \5. Hooember, bas (Er* 
eignil feierte. „ZHöchte bodj ber Dichter (ßöthe aus allen iüinFeln 
Deutfchlanbs folche Reifungen lefen unb Björen, als ich ilmt Ijier 
mit gutem <5ewiffen Ijerfdjreiben Fann, um ftch einigermaßen für 
fein Fofibares (SefcbenF belohnt 3U füllen." . . . 2lber nachbem 
bie Bemühungen ber DireFtion, bie 2lusftattung in Kojlümen unb 
DeForationen , bie notwenbigen fsenifdjen 2tnberungen unb fchlteß* 
lieb, bas Spiel ber T)arfleller im ein3elnen in ben höchften Conen 
gepriefen, ba heißt es am Schluß bes britten 2lrtiFels : „£Die bieft 
allgemeine tDetteiferung, wie <5ötf}e oon bem publiFum auf- 
genommen worben? Das foüte jefct Derfprochenermaßen bie 
5ortfefcung feyn? — Vielleicht mit ber &e\t einmal! 3efct Füffen 
wir (ßöthe mit bem Kuß brüberlicheu BevfaHs, Ferren uns gegen 
(Sövens <Srab, werfen eine fjanbooH hteitigen Sanb barauf unb 

rufen über Umt aus: IPeh« bem 3<*h* : h unöcr */ oas ot< h pon 
fich flößt! H>ef?e ber HachFommenfchaft, bie bich Der* 
Fennt! — " 

<£r mußte wohl, ber begeifterte Offotofus: warum er ber 
formlichen Beantwortung ber Steige aus bem XDege ging: liiev 
über war nichts «Erfreuliches 3U berichten, unb ber aufmerFfame 
lefer Fonnte aus gelegentlich eingefrrcuten 23emerFungen fchon 
genügenb entnehmen, baß ber IPeheruf nicht nur (Böfcens 
§eitgenoffen , fonbern ber Blaffe bes hamburgifchen publiFums 



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(Sög von öerltdjingen : 3Iufnalmie im publifnm 



galt. Die Ceute maren bie Ausnahme, bie, mie ber Machbar 
bes Schreibers, bei ber erfien Porfiellung allerbings ben Kopf 
fcbüttelten, bei ber britten aber meinten: „^m! id? habe 0007 
neulich pieles perhört. 3ch muß es je eher je lieber nod? einmal 
mit anfehen! IPer weiß, mas mir aud? beute noch entgangen?" 
Die 2TTel?r3abl waren bie, „bie beim erften 2TTaIe bie Z*afe rümpften 
unb ben 2ttunb ©exogen, meil fie über allem Schönen nicht fing 
merben fonnten, meil öas 2Iuge bem (Dhre (Eintrag tfjat unb bas 
£jer3 barüber 3U fur3 tarn," unb bereu Sd?In§ urteil mar: „3 a , 
3a I €inmal lägt fich ber Spaß fachte mit anfehen, meil's mas 
ZTeues iflt, aber auch nur einmal!" 

Sollte bem Kritifer, ber im €ingang im (Begenfafc 3U <5öfc* 
auffübrungen „anbermärts, mo man jtdj begnügen laffen mufjte, 
ben Urelteroater (ßöfc in fran3Öftfcher Kleibung fpredjen 3U hören 
unb ftch in ein mobernes 3ar1haufen führen laffen mußte," unb b od? 
„über bem Dichter ben Dccorateur pergeffen" habe, ber bie 
beneibensmerte läge bes hamburgifchen publifums herporgeboben, 
„bie mir ben alten (ßöfcen faben, mie er leibte unb lebte, bie 
mir uns in [einer 23urg 3ugleich in feinem 3«b.rljunbert befanben 
ber nachmals bie neuen Deflorationen „bas £immet in (Sövens 
öurg, gan3 im (Befdjmacfe ber bamaligen &\t, u ben unterirbifchen 
(Sang 3um ^eimlid|en (Bericht, „ber fich burdj ^erablaffung einer 
ein3igen Säule in ber ZTTitte 3U einem (ßefängnis oermanbelt," 
bas „hinten fo oorteilhaft angebrachte £id?t einer b^ngenben 
tampe" unb bie „brachten, mie fte uns aus jener &eit auf« 
behalten morben: bitter unb Heutersfnecbte in ihren Hüfhmgen, 
ZHönchs!utte unb Bifcbofstalar , fjof* unb Stabtfleiber," bie „bas 
2hige meibeten unb bie <£inbilbungsFraft nährten," begeifert ge» 
priefen — ich jage, follte bem Kritifer unb por allem feinen 
5rennben nicht bod? angeflehte ber IDirfung, bie biefe fofrfpielige 
2lusftattung auf bas große publifum hatte, bie 2Jfmung auf* 
gebämmert fein, roeniger märe tyev mehr, jener (SebanFe, 
ben beutfehen SbaFefpeare auf einer beForationslofen 23ühne unb 
burdj fich felber mirFen 3U laffen, märe im 3 n to*ffe &es Dichters 
ber glüeflichere gemefen? Denn offenbar lag es boch fo, im 



(8ö$ von Berltdjingen : Sdjröbers Bearbeitung. 



Hl 



befien Seflreben bie Dichtung fo tDirfungspott tote möglid? »or 
bas publicum 3U bringen; n>ar man in ber IDafjl ber Hlittel 
nidjt glücflicb, gercefen. 3h <Slan3e ber Koftüme unb T)efora* 
tionen oerfd?n>anb für btc große ZtTaffe oöllig 6er poetifdie Kern, 
bie Dichtung roarb 3um Sdjau* unb SpeftafelftücF. €s war fo 
gefommen, man mußte trfatfädilicfj, rt>as ber Krittfer nur bedingt 
Jnnflellte, „bem Deforateur mit bem genfer Danf miffen, baß er 
bem Dichter oor ben IDeg 3um £jer3en trat." 

Unb bas mar um fo mef^r 3U beflagen, als, abgeben oon 
biefem, 5er?lgriff aus beften 2lbftd?ten, 3U bem Sdjröber bie reegen 
ber 3"fcemrung in ber <5unfl ber 5ürften ber Direftion gemachten 
PortDÜrfe oeranlagt Ratten, roob.1 noch, nie ein Vvama auf 
ber beutfdjen 3ürme mit fo siel £iebe unb dJefdncf vorbereitet 
tx>orben roar. 

Scrjröber hatte felbfi bie fd}tr>ierige Aufgabe übernommen, 
bas bem gebilbeten publifum aus ber Ceftüre roohloertraute 2£>erF 
für bie Süfme ei^uridjten, unb er fyatte bie Aufgabe fo 3art unb 
fo befonnen 3ugleidj angefaßt, baß roir uns nod? Ijeute, n>o wir 
tt?ol meljr als ein Dufcenb unter ungleich, günfttgereu 23ebingungen 
3U fianbe gefommener (ßöfcbearbeitungen fennen, feine Arbeit Hefpeft 
abnötigt. 1 2>ie Streichungen 3. 23. ber erjten 53ene, ber tEafel* 
f3ene in Samberg, ber 2Iugsburger S3enen, erfläreu fict? 3um 
tEeil aus ber Hücfjtcht auf bie Dauer ber PorfteÜung, 3um Ceil 
finb fie, fotoie einige Umftellungen, offenbar 3U jtrafferer Per« 
fnüpfung ber bramatifdjen ZHomente porgenommen, 3um Ceti 
fctiließlicb, bienen fte ba3u, ben S3enenroechfel auf bas unumgänglich 
ZTotoenbige 3U befcb,ränfen. 21 Des in allem roar babureb, ein 
<San3es gefdjaffen, mit bem ber Dichter felbjt woty 3ufrieben fein 



1 mit Pennen fie allerbings nid)t im Wortlaut, tonnen uns aber 
eine 3temlid> beutlidje Dorflellung bavon madjen nadf bem „2ius3ug unb 
3npalt ber Auftritte bes Sdjaufpiels: (Soft von 33erlid)ingen mit ber 
eifemen £janb, vom Jjerrn D. (Sottje in fünf 2luf3Ügen. 2X?ie es auf bem 
£}amburgifd>en beutfdjen (Etfeater aufgeführt mirb, $um leidjtern Derftänb» 
niffe ber §ufd>auer. Hamburg, <5ebrucft bey 3. 3. €. 23obe." 2Ibge- 

brudt bei lüinter a. a. 0. 5. 28—37. 



<5ö{j von Serlidjingen: Die Barftellung. 



fonnte. <£in guter (ßebanfe mar es, ben „2UtS3ug" biefer Sc» 
arbeitung bem publifum $ur (Orientierung in bie fjanb 3U geben. 

Die Sdjaufpieler wieber boten alles auf, um bas große 
IDerf irmrbig 3U üerförpern. £eid?t mar bie Aufgabe fd?on um 
besmiüen uid?t, meil bie <5 a *?l öcr ZHitglieber bismeilen nidjt $ur 
33cfefeung reichte 1 unb mancher, fo mie Sdjröber, mehrere Hotten 
fpielen mußten. Heineef e unb öroefmann fdjon in ber 

äußeren <£rfd?einung unb im Temperament ein r>or3Üglid?er (ßöfc 
unb Haßlingen. Srocfmann entmicfelte uamentlid? in ber Sterbe* 
f3ene einen Healismus ber Darjiellung, ber, obmorjl er manchem 
bamals 3U meit getrieben fdjien, bodj gemaltigen €inbrucf madjte. 
Charlotte 21cfermann entfaltete als 2lbeü}eib bämonifdje Hei3e, 
bie ifjr (Talent ©on einer gan3 neuen Seite 3eigten. „Hei3enb unb 
|iol3; als £iebfyaberin unb <5ema^lin ränfeooll unb Ijerrfdjfücrjtig ; 
tu eigenen Cüjten erjoffeu unb unbänbig in 23ef riebig ung frember; 
t>erfü fyrerif dje tiebe in ifyren 2lugen unb moHüfhger Trug auf 
ifyrer Stime." 2 Dorothea als Xflaria „fanft unb gut; füllen lieb* 
Iidjen Trofl in ihren 21ugen unb bie fjeiterfeit iljrer Seele auf 
iljreu XPangen." 5rau Heineef e als (Eüfabetf? „bie ganse, gute, 
gefdjäftige unb für bie ^tigen beforgte fjausfrau. 3ebe ZTTiene 
ein Kinb ber Sreube, jeber <§ug ein Kinb bes iriebens." Sdjröber 
felbf* als ZTTartin: „Die ganse 5üüe menfdjliaVr <£mpfmbungen, 
bie ber Dichter [0 5ur redeten Stunbe in biegen Crjarafter gelegt, 
ergoß fid? oom 2Tiunbc bes Sd)aufpielers in unfere fjc^en." — 
Unb als £erfe: „ — öruber Zftartin mar gemanbert unb an feiner 
Stelle ftanb 5 ran 3 £erfe ba, unb täuf crjte nur, als fei er nidjt 
3um ZTZöndje, fonbern ein3ig 3um Heitersmann geboren . . . XDorin 
nur ber Sdjaufpieler bem Dichter 3U fjülfe fommen fonnte, barin 
fam er ifmt reblid? 3U f^ülfe, unb man meiß ferjon aus «Erfahrung, 



1 Dicfc Sdjroierigfeit war offenbar bie Deranlaffung für bie einfdjrän- 
Fenbc Seftimmung \c ber „21nfünbigung" oom 28. ^ebruar J775. 

2 3m tDiberfpmdj 311 Sdjröbers oben 5. 133 2inm. mitgeteilter 
2inßerung, JJutlanb fei <£b,arlottens größte £eifrnng gewefen, berietet ZHeyer 
(I. 277): Sdjröber rfabe tl?re 21bell{eib „als bas Dollfommenfie, roas biefes glücf- 
lidje Haturfinb geleitet, was er je auf irgenb einer Sütme gefeb,en", be3eidmet. 



^ina^tellc (Ergebniffe ber erfien Direftionsjalfre. ^3 

tpie glücflich." 1 — Dauer als (5eorg, „ein guter 3«nge unb 
rüfHger Kamerab," Schüfe als 5ran3, alle traten „jeber €in3elne 
Ellies, ein üoflfommeues <&an$es $u hüben, unb bas roarb es 
alfo burdj bie Derbienfte nnferer Schaufpieler." 

2lber auch ihre Kunft unb ihre Eingebung oermocrjten nicht, 
bem Drama auf ber 33ühne biejenige, alle fritifchen Stimmen 
unb bie blöbe 031eichgültigfeit bes fatten parterrs jiegreid) über 
ben Raufen rrerfenbe Sturmgewalt 3U geben, mit ber beim Cejen 
bie Dichtung faft ausnahmslos fortriß unb bie allein ben bauemben 
Sieg auf ben Brettern verbürgt. 

£Die aber bas grofce publifum bie 33ebeutung bes 21ugenblicfs 
unb bie 2lbftd]ten ber Direfiion oerfannte, beroeifi am beften, ba§ 
Schummeis öbes SpeftaFelfiücF Die Eroberung von 
XTlagbeburg, 3U bem gleichfalls ber Cljeatermaler eine neue 
Deforation geliefert fyatte, tut$ barauf mit bemfelben, roenn nicht 
größerem Seifall aufgenommen rourbe. <5öfe fonnte im garten 
bis €intritt ber 2lboentspaufe (2. De3ember) nur fünf mal gegeben 
werben; bie am \7. Hooember 3uerft aufgeführte «Eroberung 
oon ZUagbeburg brachte es in biejen brei IDochen auf oicr Tluf- 
führungen. 

(Erofcbem alfo gerabe bie Perfudje, bem Hepertoir eine 
litterarifche Färbung 3U geben, feinesroegs fehr ermutigenb, jebem 
falls ber Kaffe alles eher als günftig abgelaufen roaren, obroohl 
ber 3ahresabfd]lu§ ber (Einnahmen, bie feit \77\ bis (Djtern \773 
ftetig unb nicht unbebeutenb geftiegen waren, in biefem 3<*hre 
3um erften mal mieber einen nicht unerheblichen HücFgang er* 
geben fyatte* trofcbem gerabe in biefem Ijerbft bie Konfurren3 



1 Der Beifall, ben er in biefer Holle bei feinen natoen plattbeutfa>- 
rebenben Derefirern fanb, nerbrofj Sdjröbcr befonbers, „weil biefe Holle 
r>on feinem letbltajen Sdjaufpieler 3U Derberben fei". 2lu§erbem gab er nodj 
ben jllteften bes heimlidjen <5erid>ts unb überrafdjte barin bnrdj ben iPofjl- 
Hang feines fünftlia? ncrtiefteu Organs. (Weyer I. 272.) 

s ^770 — 7| : 50500 \77{ — 72: 5090(. 1772— 73: 66860. 

U73—7^: 65 130. J77^— 75: 58026. Über bie (Einnahmen früherer 
3afjre pgl. I. S. 5\\ f. 



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Das^prcisausfc^rciben": Jlnfunbigung im <El>eatralifdjentPodjenblatt. 

ber 5ran$o|cn ihnen in fjamburg fchweren Schaben gebracht blatte, 
fagten Sdjröber unb feine ZTTutter um biefe ^eit ben cgntfdjluß 
3U einer großartigen Heform bes Hepertoirs, ber bei ben per* 
fönlichen großen ©pfern, bie er irrnen auferlegte, wohl als ein 
feltener Beweis von ibealem Sinn unb fünfHerifchem Scharfbltcf 
be3eichnet werben muß. 

Das \7. Stüd bes Cf?eatralifa>en U)od?enbIattes com 
3. IHärs J775 berichtete barüber 3uerft folgenbes: 

„iDir machen burd? bas heutige Stüd auf ausbrüdlidjes 
Verlangen ber Direftion ber fnefigen fjamburgifchen beutjehen 
Bühne folgenbes befannt unb erfud?en bie Xjerren Derfaffer ber 
politifchen unb gelehrten Rettungen, es mit in ihre Blatter ein« 
fließen 3U laffen, meil es nicht gan3 ohne <£influß auf ben 
^ujlanb bes allgemeinen beutfer^en (EJjeaters bleiben fann. 

2Hab. 2lcf ermann unb fj. Scbröber geben buref? bie 
folgenben Dorfdjläge unb 2lnerbietungen einen beutlichen Beweis, 
baß ihnen bie Aufnahme ihrer Kunft unb bie guten «Einflüffe 
berfelben 3um Vergnügen unb moralifer/en ZTufeen ihrer ZXliU 
bürger am fje^en liegen, unb folche nierjt blos burch Be« 
ßrebungen 3U ihrem eigenen Kaffenoortheil, fonbern auch burd? 
fold?e Aufopferungen 3U bewirten fudjen, bie, ihren eigenjten 
Umftänben gemäß, gar nicht unbebeutenb ftub, unb meldte 
man r*on ben Unternehmern eines Prioattheaters nicht fo leicht 
erwartet fyätte. <£s wäre fehr 3U wünfehen, baß unfere guten 
bramatifchen SchriftfteHer ftch burch biefen fleinen Heben3ufluß 
(ba ihnen bas (gigentfmm ihrer Stüde in Anfetmng ber <£b % te 
unb bes Dortheils bes öffentlichen Druds noch immer perbleibt) 
trollten rei3en laffen, bas 5clb ber beutfehen Bühne mehr 3U 
cultwieren , fo fönnte man mit höh**" IPahrfcheinlichrett hoff*"/ 
baß mir ein &ationaltheater befommen müßten, bas jtd) nicht 
fdjeuen bürfte, mit ben <L\jeatevn unferer ZTachbarn ebenfo gut 
in Dergleidmng gefleHt 3U werben, als bereits anbere fdjöne 
Künjte unter uns bie Pergleichung nicht 3U fcheuen Reiben; 
obgleich ber fplenetifche [!] <£nglänber Smoüet noch im 3<*h>* 
\765 uuoerfchämt genug war, in feinen gebrudten Briefen 3U 



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anfunbigiing von \775. 



fagen: The German genius lies more in the back than in the 
brain. 

Tin biefe bod? wofn* offotöfe «Einführung rcitjt ftd? un« 
mittelbar bie: 

„2lnf ünbigung. 

3n Betrauung, bafj unfere guten Sdjrtftfteller bisher faft 
gar feine 2tuf munterung gehabt Ijaben, für bas (Et^ater 3U 
arbeiten, als ben Crieb i^res (Senies, inbem bie unreblid>e 
<5ewinnfud?t ber XI adjbrucfer, nebft anderen Umftänben 
es nod} beftänbig ben beutfdjen 3ud$änblern unmöglich machen, 
ben Perfaffern ein t>erhältnismägiges fjonorartum 3U aecorbieren, 
unb weil wir nidjt ofme Urfadje glauben, ba§ eine 5er fiärfßen 
Urfacben fey, u>arum mandjer für bas bramatifd?e 5adj fefyr 
fäfjige Kopf lieber foldje Arbeiten unternimmt, bie i^m bie 
oarauf perwenbete &eit beffer vergelten, als Derleger es f önnen ; 
haben wir geglaubt, es fei unfere pfttdjt, nad| u uferen 
Kräften etwas beisutragen, bajj öiejenigen unter unferen 
beutfdjen (Senies, bie nid?t in folgen (ßlücfsumjMnben leben, 
ba§ fxe bloß ihrem (Triebe Haum geben Fönnen, gleidjwohl 
einen CB?eiI ihrer Züu^e ber 23üfme wibmen bürfen, ohne 3U 
fürchten, bafi jie <5eit, 2Tiühe unb (Latente gan3 umfonjf oer* 
fchwenben möd?ten. 

IDir erbieten uns alfo, für jebes 0rtginaIftücf r>on 5 ober 
5 2lftcn, es |ey Crauerfpiel ober Cuftfpiel, bem Derfaffer 
20 alte Coutsb'or, jeboeb, unter folgeuben öebmgungen 3U 
be3al?Ien. 

£Dir muffen nemlich \. erfud?en, ba§ bas StücF oon ber 
öefchaffenbeit fey, ba§ es a) in 2Jnfeb,ung feines fitttid?en 3nhalts 
auf bie 23ütme gebracht werben bürfe; ba§ es auch b) um 
aufs (Efjeater gebracht 3U »erben, feine aufcerorbentlidje große 
Koften an ungewöhnlichen Kleibertrachten unb fonftigen Defo* 
rationeu erforbere; ferner c) nicht bie 21n3af}I ber agirenben 
perfonen überfteige, bie man billigerweife auf einer beutfdjen 
33üfme erwarten fann. d) 0b wir gleich (Erauerfpiele in Derfen 

Ci^mann, Sdjrö&er II. 10 



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2lnfünbigung von (775. 



nidjt gan5 ausfdiließen, fo werben uns gleidjmofjl bie in Profe, 
oon foufit gleicher (Süte, viel lieber feyn. 

2. ZHüffen mir bitten, ba§ man uns nidjt fo Derfterjen 
möge, als machten mir uns oerbinblidj, jebes Stücf, bas uns 
ber Perfaffer 3ufducfte, mit \00 Crfalern be$afylen 3U moüen. 
EPir n?ünjd^en burch biefen Weg merjr gute (Driginalftücfe auf 
unfer Crjeater 3U bringen. Unb bafjec lägt ftd? freilid? fd?on 
fd?Itc§cn , bafc , wenn wir uns aud? br amaturgifd?e 
Kriticfeu anmaßen bürften, mir bennod? unter ben 
jefcigen ilmftänben nidjt fo gar jtrenge feyn mürben. 
Allein, roenn ein Perfaffer uns ein Stücf 3ufdncft, bas mir aus, 
uns auch, nur befannten (Srünben, nidtf auffürjrbar fänben, müfcte 
fid? ber Perfaffer nidn* für beleibigt galten, menn mir irjm 
fpäteftens innerhalb ^ IPodjen fein Stücf an bie uns befannt 
gemachte 2lbreffe mieber 3urücfliefem. 

5. Bleibt ber Perfaffer 3mar immer tferr über fein 2TTanu» 
feript unb fann es nad? eigenem Belieben einem Perleger Der-- 
faufen, ober für eigene Bedmung bruefeu laffen, bis es, oom 
(Eage ber erften PorfteHung an gerechnet, 6 HZonate auf bem 
(Theater gemefeu. Sollte er uns aber fein gan3es ZTCanufcript 
mit bem Perlagsredjte abtreten moüen, fo märe biefes eine Sadje, 
über bic mir uns befonbers mit ifym Dergleichen mürben. 1 

^. taffen mir es uns gerne gefallen unb ferjen es gemiffer- 
maßen fogar lieber, menn uns bie Stücfe ofme Hamen ber 
Perfaffer eingefanbt unb nur eine fidlere 2lbreffe, mobin mir 
entmeber bas Stücf ober bas <5elb remittiren follen, befannt 
gemacht roerbe : jebod? müßte bie (Quittung über bas empfangene 
(Selb, meldjes gleid? nad) ber erften PorftcHuug ausbe3arjfet merben 



1 (776, als Sdjröber ftd? cutfcfjlofj, in öobes Perlag bas „fjambur- 
gifdjc (Eb^ater" heranssngeben, um „bie bnrdj unfer 3nfritut erhaltenen unb 
auf unferer öülme aufgenommenen Stücfe oermittelji einer periobtfdjen 
Sammlung für alle bcutfdjcn öütmen gcmeinnütjtg 3U madjen", marb btefer 
punft batnn abgeänbert, ba§ ftd) bie DireFtion ausnahmslos bas Perlags» 
redjt jebes angenommenen Stücfes „gegen bie billigfle Pergleidmng mit bem 
Perfaffer" porbcrftelt. Pgl. i7amburgifcb.es (Eb,eatcr. I. ((776) S. VII. 



Anfünbigung von \775. 



foll, oon bem Perfaffer jelbjf ober von einem ftcheren ZTtanne 
unterjehrieben merben, ber 3ugleid? für ben im oten punfte 
ermähnten fechsmonathlichen alleinigen Beftfe Bürge mürbe; unb 
5tt>ar bey Derluft ber £}älfte bes fjonorarii. Übrigens r>er= 
fprechen mir, menn, unb folange es »erlangt mirb, ben tarnen 
bes Perfaffers aufs f^eiligjle su oerfchmeigen. 

Unter ben oben angeführten Bebingungen erbieten mir 
uns, für eine gute beutfdje Hberfefeung eines guten Stücfs 
6 Couisb'or ober 30 (Egaler $u 3at)Ien. 3*&od? mirb. es 
nötfng fein, baß bie Herren Überfefeer uns erft bie Stücfe an* 
Seigen, meldje fte überfein mollen, bamit nid)t mehrere 3ugleidj 
ein unb basfelbe Stücf einfenben, unb berjenige, melchem mir 
feine Überfefcung 3urücffdncfen müßten, glauben möchte, 
(meldjcr 3rrtf?um bey ©rigmalftücfen nicht entftehen Fann) menn 
er, abmefenb, erführe, bas Stücf märe aufgeführt, man fyabe 
feine Überfefeung miberrechtlich abgefdjrieben , ober auch nur 
3um Perbeffenx einer anberen gebraucht: 1 auch bünft uns, baß 
mir es, ohne (Eabel 3U beforgen, äußern bürfen, baß es uns fefjr 
angenehm fein mürbe, menn gan3 frembe unb ferjr menig 
befannte Sitten unb (Gebräuche anberer Rationen mit beutjerjen 
oertauferjt mürben. £Dir leugnen es nicht, baß mir eine folcfce 
Perpflan3ung einer fonft übrigens getreuen Überfefcung ©or- 
Steden mürben. 

Rod? bitten mir, bie öffentliche Befanntmacrmng biefes 
Anerbietens feiner anbereu Abftcht 5U3ufchreiben , als oamit es 
baburd] fo!d?e (Belehrte erfahren mögen, bie mir nicht bie (Ehre 
haben 3U fennen, um es ihnen prioatim 3U tfmu. 



1 Dicfc 23eftimmung wavb nad) ben (Erfahrungen bes erften 3atjres 
bah«n abgeänbert, baß bie Ausführung berarttger Uberfetjungen „mehr auf 
ben engeren Kreis unferes Aufenthaltes" eingefdjränft unb r»on Aus- 
wärtigen rninbeflcns oorher (Einfenbung bes ©rigtnals oerlangt u>urbe, um 
banadj bejtimmen 3U fönneu, ob ftdj bie Überfefcung überhaupt rerlohne. 
(Es warb hin3ugefügt, baß gerabe bie genninfAte „Cofalifierung für 
uns in unferer Zladjbarfajaft angemeffener gerathen tonnte." Hamburg. 
(Eh. I. S. IX f. 

10* 



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Die Hnfunbigung fein pretsausfd?reiben. 



Sollte einer ober ber anbere fjerr Derfaffer uns unter 
anberen 33ebingungen feine Arbeiten überlaffen »ollen, fo toirb 
aus bem porigen febon erretten, u>te geneigt mir ftnb, brama« 
ttfdje Calente 3U oererjren unb bte für uns angetpenbete ZTiüfye 
nad? unferen Kräften 5u erfennen. 

Hamburg, ben 28ften Februar \775. 

5opb.ie (Charlotte 2lcfermann. 
5riebrtdj Cubtpig Sdjröber." 

Das ift im genauen IDortlaut bie piefterufene fog. ,,I}am« 
burger preisausfebreibung", bie in ibrer eigentümlidjen ZKifcbung 
einer gerabe$u großartigen 2lnffaffung ber fünfllerif d?en Aufgabe 
unb einer flugen, faufmännifeb. nüdjternen Beredmung aller bei 
ber praftifdjen Durchführung ftdj ergebenben ZHöglichfetten bas 
treue Spiegelbilb ber Perfönlidffeiten ber beiben Unter3etcbner if*, 
mag audj bie Hebaftion t>on 3obe herrühren , ber wie Hlutter 
unb Sohn nachmals öffentlich erflärten, ihnen „ben patriotifcb.cn 
(Bebauten $uerfl eingegeben tjatte". 1 

Der aufmerffame Cefer erfennt fofort, baß f}ter pon einem 
„Preisausfehreiben" im mobemen Sinne nicht bie Hebe ifi.* 3" 
ber 2lnfunbigung felbfi Fommt bas IDort „Preis" ober „Preis» 
fiüct u überhaupt gar nicht por. <£rft in einer fpäteren <£rflärung s 
bebiente ftdj bie Direftion bes 2lusbrucfes „preisfiücF" für bie 
angenommene Dichtung, offenbar a>eil bas publifum biefe pon 
bem Hicolaifchen preisausfehretben pon J757 b.er geläufige 33e» 

1 ^amburgifdjes (Eljeater I. S. IV. 

' Diefe für bie Beurteilung bes IDettfampfes 3tr>ifdjen Klingers 
„gnußingen" nnb ietferot^' „3ulius r>on (Latent" fo entfdjetbenbe Sach- 
lage ift bis auf bie nenefre &e\t von allen, bte barüber gehanbelt haben, 
oerfannt tporben. t88? tjabe idf 3uerft auf biefen Derljängnisüotten 3rrrnm 
aufmerffam gemad)t (Sdjröber unb (Sottet 5. ^ ff). 3m felben 3ahre 
fam unabhängig von mir «Eugen ÖPolff 31t bemfelben Ergebnis: &tfd)r. 
f. beutfa>e Philologie XXI. S. 39— *7. 

3 Hamburg. Cheater I. S. XII. f. 



Die 2Jn?ünbigung regelt bie fjonorarfrage. 



3eicfmung unbefehen auf biefes fcheinbar gleichartige Unternehmen 
angetoanbt Bjafte. 21ber gerade biefe cgrflärung toeift bie mit bem 
XDorte „Preis" unb „preisftücfe" oerbunbene DorfieUung, als fei 
es barauf abgefehen, aus großer ZlTenge eins ober einige ber 
beflen aus3urr>äblcn unb als 2Tiufterleifhingen 3U prämiieren, als 
in biefem 5aÜe un$utreffenb 3urücf. 3™ Gegenteil gerabe barauf 
fam es an, möglich!* Diele für bie Bühne oermertbare Stücfe 
3ur Perfügung 3U befommen. „preifcfiücfe alfo!" — rnefc es/ — 
„u>as fmb bas? ttletjlerjtücFe ettoa, bie mit allen bisherigen 
um ben prei& breiten follen? — Hidjt bod?! preifcftücfe fmb in 
unferer Bebeutung, um allen Auslegungen r>or3ubeugen , gute 
unb brauchbare (ba3U bie Hote: „(ßerabe ein tfTeijterftüc! ober 
XDerf bes <5enies fann 3iia>eilen nicht brauchbar feyn") Originale 
unb gute unb brauchbare Derbeutfdmngen. Die Kritif alfo mu§ 
ftch tiaupt\äd)l\di über ihre Brauchbarfeit erjlrecfen unb barum 
mehr praftifch feyn." 

Ticin, nicht auf ben leeren prunf einer in ben feltenften 
Säüen ber Kunfl unb bem Künfller fegenbringenben preisfrönung 2 
u>ar es abgefeben, fonbern auf bie thatfräftige Unterjtüfeung bes 
bis bahin siemlich recht* unb fdmfclos ber fjabgier ber ZTachbrucfer 
unb ber <5nabe ber Büfmenbireftoren preisgegebenen bramatifchen 
Dichters. 

Diefe Ch<*tfache, ba§ eine grojje angeferjene prioatbüfme 
ftch aus freien Stücfen bereit erflärte, für jebe bramatifche Dichtung, 
bie fie als eine u?irfliche Bereicherung bes Sepertoirs anfah unb 
oon ber fie ftch bauernben Sühnenerfolg ©erfprach, ein für jene 
§eit recht anfefmliches fjonorar 3U 3ahlen, n?ar mehr als irgenb 
ettoas anberes geeignet, bie bramatifchen (Talente ansufeuern, all 
ihre Kraft auf bie Bebauung biefes bis bahin in felteneu $aüen 



1 fytmburgifäjes (Efyeater I. S. XII. f. 

a Wie 3. B. ber preis pon \oo ^riebricb.sbor, ben Döbbelin in Berlin 
für bie brei beßen unb „audj ber Kaffe am 3uträglidjflen" Zlationaltrauer* 
fpiele (50, 30, 20 tfriebrid?sbor) 1787 ausfegte. £>gl. «Epljemeriben ber 
Citteratur unb bes (Theaters 00m 3. Februar \7&7. (V. S. 80.) 



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j50 öebeutung b. 2lnPünbigung f. b. Perljältnts v. Dramatifer 3. 33ütme. 

fpärlidjen, häufiger gar feinen €rtrag liefernben Selbes 3U fon- 
3entrieren. Daburd? voat mit einem Sd?lage bie Stellung bes 
DramatiFers gehoben unb fein Perrjältnis 3ur 33üfme auf ein 
annäfyernb gleiches Hioeau gebracht rr>ie bas bes SdjriftfieHers 
überhaupt 311m Perleger; aud? ein nierjt um bas tägltdje 23rot 
allein fdjreibenber 2lutor Fonnte fortan auf biefer 23afts, olme 
ftdj etwas 3U ©ergeben unb ormc jlcr? Demütigungen ans3ufefeen, 
mit ber Büfme in Unterrjanbluugen treten. 

€s u?ar nidjt nur ein großer <5et»inn für bie Kunfi, baß 
2TCutter unb Sofm in unirbigfter 5orm alle bramatiferjen Calente 
3ur gemeinfamen Arbeit aufriefen unb für alle roirFlid? guten 
33efirebungen iljre Kräfte, irjre *3ürme 3ur Perfügung (teilten, 
fonbern es rr»ar audj ein entfdjiebener ©oIFsroirtfcrjaftlidfer $ort* 
fcrjritt, bafj fner aus freien StücFen bie Pfiicrjt bes 23ülmenletters 
3ur ^onorar3atjlung als Prin3ip proflamiert mürbe. 3 n biefer 
33e3ietmng ift befonbers ber lefcte 2lbfafe ber 2JnFünbigung 3U 
beachten, ber fid) an bie richtete, bie „etwa unter anberen Be« 
bmgungen" ibre Arbeiten ber 23ürme 3ur Perfügung freuen »ollten, 
bie alfo Arbeiten entroeber geringeren ilmfanges ober befdjeibeneren 
Kunfhoertes an3ubieten Ratten; aud? irjnen rr>arb bie 33ereitrr»illigFeit 
3U erFenneu gegeben, „bramatifdie Calente 3U oereJjren, unb bie für 
uns angereenbete 2Ttüt}e nad] unferen Kräften 3U erFennen". 

2lllerbings gab es hierfür bereits einen präceben3fafl in 
T>eutfd?lanb. Serjon J770 1 rjatte bie F. F. (EljeairalbireFtion 3U 
IPien bei ber bamaligen Heorganifation ber IPiener Bütme auf 
Sonnenfels' Porfdjlag ben Tutoren für jebes StücF, „baoon man 
auf ber tneftgen 23üFme (Sebraudj madjen tr>irb", ein Honorar 



1 Der (SebanPe n>ar fogar fdjon ein ^atn" älter. Denn bereits J769 
am 25. fjornung fjarte bie bamalige „DireFtion bes beutfdjen <Eb,eaters" in 
IDien, an beren Spitje ber ^retljerr oon Senber ftanb, fidj „3U einer bem 
IDcrte bes Stiicfes angemeftenen Selofymmg, tranbert unb meb,r (Sulben für 
ein Stücf 311 geben, fobalb man es auf bie Bütmc bringt", erboten unb 
babet ausbrü(flidj erFlärt, „bie Belohnungen follen Feiue preife auf bas 
befte Stücf feyn". (t>gl. 3. £7. f. Müllers <5efd?id>te unb (Eagebucb, ber 
IPiener Sdjaubüfme. Wien 1.776. S. 25 ff.) 



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Dorbilb ber tüiener 23efttmmungcn J770. 

3uge)td?ert; unb rr>enn man bte eisernen 23eftimmungen ber bamals 
erlaffenen 2(nFünbigung 1 (oom 2Iugufi \?70) Itcfl / fo Fann 
man jtcfy audj bes <£inbrucFes mdjt erireljren, baß jte in getüiffcn 
punften bas bireFte Dorbilb für Sdjröber unb feine ZTIutter 
gett>efen ift. 2lber baburd? oerliert bie t£f?at ber beiben Feines« 
H>egs an IDert. Denn in IDien ^anbelt es ftd? um eine große, 
unter ftaatlid?em Sdjufee fteljenbe £ürme, rceldje ber eble <£t?rgei$ 
ttlaria (Efjereftas 3U einer mit ber italienifdjen (Dper unb bem 
fransöftfdjem Sdjaufpiel, bie bisfjer in IPien bominiert Ratten, 
FonFurren3färngen 2lnftalt, 3U einer ZTlufterbürme mit allen irjr 3U 
(ßebote fterjenben 2Ti a djt mittcln umsugeftalten entfdjloffen tr»ar. 

Sdjröber aber gab, inbem er tfjatfädjlid} von \775 an jebe 
auf feiner 23ütme aufgeführte Dichtung Fjonorierte, baburd?, als 
ein ber IDillFür unb ben £aunen bes publiFums fdjufclos preis» 
gegebener prioatunternefymer, ein Seifpiel, bas gerabe, je länger 
eine gefefclid^e Hegelung bes Oerljältniffes 3roifd]en 33ürme unb 
2lutor auf ftdj »arten ließ, um fo fegensreid?er geroirFt fyat. 
Den Sütmen, bie etmas auf ftcfj gelten, ertrudjs baraus eine 
Pflicht bes 21nftanbes, ber fte jtdj n>ot)l ober übel fügen mußten. 2 

5reilidj Fann nidjt geleugnet werben, baß gerabe bie 5orm 
ber Xjonorierung, weld\e in ber 21nFünbigung in ben Porbergrunb 

1 „£ür jebes neue (Erauer- ober £ufifpiel, wovon man auf ber tneftgen 
Sülme (Sebraudj madjen tuirb, erbietet man ftcfj bem £>erfaffer 3U einer 
<£rfenntltdjFett von \oo (Bulben, ^ür FIciuere StiicFe von 3 unb 2 2Iuf- 
3Ügen auf bie fjalbfdjeib, unb für ZTadjfpiele pon \ Jtufauge 3um Dritttfjeile. 
Bei motflgeratfyenen Uberfetjungen fetjen von bas fjonorarium auf bie 
l^albfdjeib feft." 2Jußerbem heißt es — unb infofern n?arb in Hamburg bas 
Dcrljättniß alfo gerabe umgeFetjrt — : „Jüan n>irb bey Sdjaufpiclen, roeldje 
bas (SIücF tjaben foHten, einen außerorbentlidjen Beyfaü 311 erhalten, 
feine (ErFenntlidjFeit ntd)t auf bie beftimmte Summe allein bcfajränFen; bie 
üerfaffer fold?er Stücfe bürfen neben bem beftimmten preife auf unfere 
oertjältnißmäßigc DanFbarFeit redmen." (fllüllers <5efa>id?te unb (Tage 
bua> 5. 6* f. £>gl. aud> müßers 2Ibfd?ieb zc. (1802) 5. 82 f.) 

8 21m [5. ^ebruar (777 unirben in IPicn bie bisher beftanbenen 23c- 
ftimmungen batnn abgeänbert, baß ben Tutoren bie Bruttoeinnahme ber 
3. Dorfietlung als Honorar 3U 3ablen fei. (Ebeatcrjournal für Deutfdjlanb 
1779. S. *7f. 



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\o2 



Die Aufnahme ber Anfunbigung. 



gebellt würbe, unb bie burd? geroiffe Augerltchfeiten — ©or allem 
bie gerr»ünfchte Anonymität Oes Autors — ben £?auptan(a§ 311t 
Perroechfelung mit einem gewöhnlichen preisausf ^reiben gegeben 
hatte, in ber praris ftch nicht bewährte. 1 Die 33e3eicrmung als 
„preisftücfe", 311 ber ftch bie Direftion nachträglich bewegen ließ, 
erweefte, wie bei unferen mobernen, mit einem preis belafteten 
«Dichtungen, unwiüfürlich oon oornherein im publifum Erwar* 
tungen, bie biefe „guten, brauchbaren" Stücfe nicht immer erfüllten. 
Da$u fam aber, baß 3unächft bie beutfehe bramatifche Dichtung 
feines wegs entfpredjenb auf biefe „Ermunterung" reagierte. 

Ungefähr ein 3<*h r na <h °* m Erlaß ber Anfunbigung gab bie 
Direftion ben erften 23anb bes Hamburg if d?en Cheaters 2 heraus, 
bas benimmt war, in regelmäßiger .folge bie angenommenen Stücfe 
3U oeröffentlichen. Der 23anb enthielt ein Crauerfpiel (Klingers 
Zwillinge), ein tufifpiel (K. <ß. Ceffings reiche 5rau) unb 3tt>et 
•Bearbeitungen aus bem Englifchen. 5ür ben Anfang ja gan3 gut; 
aber boch flang aus ben IDorten ber Porrebe, in benen auf einige ffep* 
tifcho „iDenns" unb „Abers" im Deutfchen Hierfür fräftig erwibert 
würbe, ein leifer ©berton ber Hefignation: „<§ur h^^fönten S3e» 
forberung unb Erreichung jeglicher guten Abficht gehören nothwenbig 
3wei fjaupterforbermffe, ohne bie fie alle3eit unbeforbert unb 
unerreicht bleiben wirb — unverbrüchliche Stnbung an gegebenes 
IDort unb fjanbfchlag gegen jeben thätigen unb brauchbaren 
Mitarbeiter unb anhaltenber befcffloffener Ernft, was jtch auch 
bann unb wann für Derbriefclichfetten unb Per3Ögerungen ereignen 

1 Aud> fjierfür war bie IDiener 33efliminung Dorbilb geroefen: „Die» 
jenigen Stücfe, roeldje man aus n>as immer für einer Urfadje nid)t foüte 
uütjen tonnen, werben ben <£infenbenben fogleid? 3urttcfgefiellt, unb baron 
nie einige <Ern>äl|nung gemacht roerben. H?ir tuünfcfyten bahnet Dielmeljr, 
bajj bie Derfaflfer ib,re Stücfe, nad) ber Art ber preisfdjrif ten, mit 
einer Auffdjrift auf bem Stücfe unb einem ebenfo be3eieb,netcn ocrfctyloffeneit 
§ettel, ber iljren Hamen enthielte, einfenben möchten" u. f. n>. 3- £j. 
IHüllers <Sefcb,id?te u. (Eagebucb, b. W. Sctjaubülme S. 65 f. u. „Abfajieo" 

S. 83. 

* Hamburg \776. (Sebrucft bey 3. 3. <£. Sobe, unb im Derlag ber 
(CIjeatral-Direcftion. Die Dorrebe ifi batiert: „Hamburg, im ITIai [776." 



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(Enttäufd^ungcn. 



(53 



möchten. Befriebigung genug, bafc benn fchon einige gefommen 
find; jte merken bas gefüllte Derbienfi (|aben ; fidj ZTachfolger 
ihresgleichen su ertsirfen: unb bas mar bie Hb[\d\t." 2tber tro^ 
ber 2Tlahnung am Schluß: „2X>tr hangen nur noch ben EPunfdj 
unb bie Bitte an Deutfcfjlanbs dichter an, bies tPerf $u unter» 
ftüfcen. 3hr €ifer nnb unfer Danf unb Aufmunterung fönnen 
uns in ben Stanb fefcen, bas eigentlich Zluslänoifche 3U entbehren, 
uno öen frommen (ßeöanfen r>om ZTationaltheater 3ur IDirflichfeit 
3u bringen," mar Oer 3tx>eite Banb, Oer um pfmgften (777 erfdnen, 
nicht geeignet, in öiefer Be3tehung hoffnungsvoller 3U fiimmen: 
„IPir geben barin, was wir haben, unb überladen es ben 
Dichtern, bie uns KünjHem vorangehen müffen, ob roir unfere 
<5>ufchauer unb £efer balb nach Jüunfch unb Perfprechen mit neuen 
fruchten ber beutfehen ZHufe 3U befchenfen unb unterhalten haben 
werben, ^reubig u>crben roir ihnen folgen ans <§iel, bas fich 
3n>ar <£nthujiasmus, aber nicht getäufer/t r>on 3"iagination, oor* 
gefieeft hat; unb welche <<$ufriebenheit für fte in ber wachjenben 
^ufriebenheit reblicher Canbsleute, benen bas (Etwas nach beutfeher 
2lrt unb Kunft unperrüeft in jebem Sache als Paterlanbspflicht am 
£jer3en liegt. lOir fehen unferen Hoffnungen auf fte unb bas 
publifum 3utraulich entgegen unb fchmeicheln uns, oon beyben 
jebes beförbernben Beyltonbes." Diefem suoerftchtlichen tEone ber 
Porrebe entfprach wenig ber 3"balt: abermal 3wei beutfehe 
Originale, (Brokmanns Henriette unb Schtnfs (Crauerfpiel 
<5tanetta ZHontalbi, unb 3wei lofalijterte Überfefeungen. Die 
Dorrebe 3um brüten Banbe, 1 ber nur Bearbeitungen enthält, macht 
benn auch ausber €nttäufdmng fein fjehl mehr: „2TTan foflte billig 
halten, was man oerfpricht. Doch glaube ich, bafj ber €ntfcfmlbigung 
perbient, ber gerne halten will unb nicht fann. — ^wey Originale unb 
3wey umgearbeitete Stücfe anberer Nationen bem publifum jährlich 
3u geben, fchien mir äufjerfl wahrfcheinlich; unb boch hat mich 
ber €rfolg gelehrt, bafj ich »iel 3U piel perfprodjen, obgleich bie 

1 Hamburg {778. (Sebruefi bei 3. UT. Xnidjaclfen unb im Derlag 
ber (Ofeatral-Direcftion. Die unbatterte Porrebe iß 311m erfienmal oon 
Sdjröber unte^etcfynet. 



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llrfadjen bes geringen (Erfolgs. 



2ln3aljl ber eingefanbten Stüde beträchtlich, ift. 3^? würbe auch. 
fd?on mit bem 3u>eYten Banbe 1 geenbigt rjaben, wenn ich, nicht 
geglaubt, and? burch Bearbeitungen biefer Art bem beutfdjen 
tLfyeatet 3U nüfcen." 

Der vierte, \ 78 \ erfdnenene Banb enthält nur oier Bearbeitungen 
aus &cr 5eber Schröters. 

Das Hefultat, im gan3en oier beutjetje (Originale unb etwa 
ein Dufcenb Überfefcungen, fonnte atlerbings 3ur 5ortfefcung nicht 
ermutigen. Crofcbem ha* Schwober auch in ber 5olge an bem 
priii3ipe fejtgehalten, wenn er auch, bie unglücflid?e Be3etchnung 
„preisftücf" fallen lte§ unb bie Bebingungen ber Ignorierungen, 
roie es fcheint, etn?as änberte. 2 

Die Urjache aber für bie befrembenbe ^urücfhaltung ber be« 
rufenen beutfdjen Dramatifer gegenüber bem grofjfye^igen Anerbieten 
ift oielleicht in ben eigentümlichen Schicffalen von £eifetmV 3 U ^* U5 
von Carent 3U fuchen, bas manchen portjer (ßeneigten abfdjrecfte. 

2TIerf roürbig ! ZHit fo ausgefudjter Klügelei ZTIutter unb Sorm 
alle 2Höghd?fetten glaubten »orgefefjen 3U haben, fo forgfältig fte 
fid) gegen bie aus ber <£infenbung 3u>eier ober mehrerer Be* 
arbeitungen eines unb besfelben Stüdes ergebenben Hlifjuerftänb* 
niffc unb Perbrte§Iid?Feiten glaubten gefdjüfct 3U Bjaben, fte ent» 
gingen ihrem Schicffale nicht. (Es ereignete ftd), was feiner er* 
»arten unb feiner im ooraus verhüten fonnte. Drei Dramati fer 
rvaren gleichzeitig auf benfelbcn Stoff perfallen, unb alle brei 
fanbten ihre Arbeiten nach Hamburg. Bruberfeb.be unb Bruber* 

1 Bereits im ©ftober ^ 776 fatj ber Wiener Sdjaufpieler 3. £j. 
Illüller bei Himburg in Berlin einen Brief Schwobers, roorin biefer Himburg 
btc ^ortfetjung bes fjamburgifdjen (Eljeaters antrug, n>eil er als Direftor 
3U oiel (Sefdjäfte tjabe, aud) mit bem Bud^anbel nicb.t un^ufpringen miffe. 
S. bot Himburg oier Stücfe 3um 3 weiten CEeil an, bie er £f. für bas 
be3af]lte Honorar unb nodj billiger laffen wollte. Himburg faxten bamats 
geneigt, barauf eiti3ugcl}en. 3- *f« IHnllers Abfdjteb ron ber K. K. 
l?of* unb tTatioual'Sa^aubiiline. tüien J802. 5. U6. Dgl. autb, 5eb,robers 
Brief an <5otter v. 2^. (Dftober J77 7. (Scb, rober unb (Sotter. S. 80.) 

* Dgl. 3. <£tn\ Branbes. meine Sebensgefcbtcb.te. 2. Aufl. J807. III. 

S. 2\2 f. 



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Klingers gnnllinge unb £ctfen>i^' Julius von (Earent. 



morb bebanbdten Klingers ,3 an Hinge, 3ruberfebbe unb 33ruber« 
morb £eifer©t&' 3 u li**s ©on (Earent, Bruberfefybe unb Bruber« 
morb „Die ungl tief liefen Brüber eines Ungenannten, in dem 
man neuerdings bie erjüe Raffung r>on Craugott Benjamin 
Bergers „(Salora ©on Denebig" bßt erfennen wollen, lüas 
mar bjer 3U tlmn? „Die unglücf liefen Brüber" mürben fefyrbalb 
als f ,3u leer an fjanblung, ntcftf überbackt unb reif genug" aus 
ber Konfurren3 ausgefebieben. Uber bie Porgänge innerhalb bes 
„ Preisrichter foÜegiums", bas nun 3t©ifcben teifemtfe' 3"l»ws 
unb Klingers <5mttlingen $u mahlen batte, unb bas fijliefclicii 
ficfy für Klinger entfdueb, ftnb bie ©erfdjiebenartigften unb aben* 
teuerlidjften (Ersätyungen ©erbreitet, fo baß es morjl lolmt, ber 
Sad\e näJjer 3U treten, 3umal ber mYtfjifd^e 2Ttebel, nadjbem 
einmal bas fjauptmißoerflänbnis befeitigt ift, gar nicht fo fdjmer 
3u 3ertetleu ift 

Der offateüe Bericht ber Direftion, bie fidj mit ihren Be» 
ratem miber <£rmaiten burch biefen &wi\dienfaü 3U ber 22olle 
eines Preisrichters ©erbammt fab., ift fo tnapp mie möglich, gefaßt. 
Das 3tr»eite Drama, beiß* es, 3uftus ©on (Earent, „hanblungsooü, 
fdiön bialogiert, ©oll Peroe unb (Seift; alles entbeeft ben Kenner 
ber teibenfebaft, ben benfenben Kopf, ben Sprecher bes menfeh» 
liefen f?er3ens unb fürs — ben Dichter ©on (Talenten; es mar 
bes preifes entfcrjieben mert, bis ihm bas britte, bie 3wiüinae, 
benfelben baburch abgewann, baß es bie mächtige gewaltige (Trieb« 
feber ber unentfdjieben gebliebenen €rftgeburt ©oraushatte." 
„„VOtt betoeift mir, bag nid>t id) ber CErfigeborene von uns §n>ilHngen 
irar?"" Das entflammt ben Ȇben, bjntennacr) gefegten (Suelfo, 
unb barüber fallen fte beibe." 

Danach Fönnte es fcheinen, als fei burcrj bas fpäter eingereichte 
Drama Küngers, Ceifemifc ber fiebere preis gemiffermaßen aus ben 
f}änben geriffen morben. Dem mar aber nicht fo. Ptelmefjr erflärten 
Bobe unb Brokmann fid? ©on ©ornhereiu mit großer <£ntfdj iebentjeit für 
bie <5>t©ininge. 5rau 2tcfermann mar um ber gewaltigen bramatifdjen 
Jlccente, ©on benen fte ftch bie größte IDirfung auf bas publifum 
©erfprad?, geneigt, irmen 3U3ufummen. 2lnbere ins Pertrauen ge3ogene 



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Die (Entfdjeibung bes „pretsricfyterfollegiums''. 



5reunbe waren unentfchteben, liegen ftch sunt (Ecil umftimmen unb 
mürben sunt Ceti übernimmt. Schröber fchlug ben 2lusu>eg oor, 
beibe 5« honorieren. Dem roiberfprach aber feine 2TTutter im 3"tereffe 
ber Kaffe, unb 23obe pflichtete i^r eifrig bei, in bem (Befühl, ohnehin 
fdjon burch fein 2lnjtiften bie Kaffe feiner 5reunbe mit einer 2lus* 
gäbe belaftet 3U haben, von ber es bod? fraglich u>ar, ob ftc fich 
entfprecbenb rentieren irürbe. 21ufjerbem aber machte er bas 33e« 
ben fliehe bes präceben3faUs geltenb, trenn man einmal fich bereit 
fmben liege, mehrere Behanblungen besfelben Chemas gleichseitig 
3U honorieren. So fiel bie <£ntfcheibung 3U (ßunfien Klingers, uno 
Schröber, ber gern aus eigener (Eafche bas 3tr>eite Honorar be3ahlt 
hätte, roenn feine befcheibenen ZTIittel es gemattet hätten, mußte 3U« 
frieben fein, ba§ er ein 3ahr fpäter auch ben Julius, natürlich 
unter für ben Dichter weniger günfligen Sebingungen, boch nod? 
feinem Hepertoir einuerleiben burfte. 1 

2lber biefe Spröbigfett ber beutfehen DramatiFer — bie, 
u>ie gefagt, oiellcicht bnreh bie oielbefprochene Ceiferoifeifche 2lffaire 
oeranlagt warb — marb »on bem jugenblichen Direftor feinesmegs 
als bequemer Dortoanb benufct, ben einmal auf neue Sahn ge* 
brachten Karren toieber reftgniert ins alte ausgefahrene (Seieis 
3urücffchlurren 3U laffen. 3m (Begenteil : es warb ihm 3um Sporn, 
mit gefteigerter Energie, fclbft fjanb an3ulegen unb feine Kräfte 
3U oerboppeln. 



1 3**? folge in biefer Darßeltnng bem bisher, fooiel iä) fetje, von Wien 
überfeinen 53eria)te <S. Zimmermanns in feinen tt Z>ramaturgifd?en 
Blättern für Hamburg" (\82{) II. S. 87 f. Zimmermanns Beridjt fugt 
offenbar auf bireften münbliajen ober fa?rifHia>en IHitreilungen f. £. Meyers, 
ber befanntlid? in feiner Biographie Sdjröbcrs ben pielberütmvten Streitfall 
faum mit 3n>ct Worten erroätmt. für Weyer, als (Setpäfyrsmann, fpredjen, 
abgefetjen oon innern (Srünben, nod> geauffe ajarafterifiifdje <Higentnmlia?Feiten 
ber 2lusbrutfstpeife. ZTur einBebenfen fiel]t ber abfoluten Cölaubumrbigfeit 
biefes Berichtes entgegen: bie (Hr^äljlung f. £. Sdjmtbts in feiner <5e- 
fdndjte ber fjamburgifcfyen (Theaters (Sllmanadp fürs (Theater. \8\o. 5. 66). 
„<Es ift bem litterarifdjen publifum unerflärlidj geblieben, roarum Klingers 
Zwillinge neben 3ulius oon CEarent ben preis erhielten. Die Beurteiler 
nmren babet außer Sdmlb. £eifemit$ hatte fein IHanufcript an einen 



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Charlotte 21<f ermann. 



t 57 



2lßerbiugs tfyat es not, merjr benn je. Denn gerabe bas 
3aJjr \ 775, bas fo fto(3 unb fyoffnungsfreubig mit bem Appell Oer 
rfamburgifdjen 3üfme an bie beutfdjen Dichter begonnen Jjatte, 
fottte aus Oer, mit itjrem teiter in retner Eingebung an bie 
Kunfl, reichem, fprüJjenben Calent unb ^eiligem (Ernfi roett* 
etfemben, Künjilerfdjar gerabe bie jugenblidje, tei$voüe (Scftalt 
funtoegraffen, bie ben meinen in ifyrer tnnreigenben Zlatürlidjfeü 
als ber glän3enbjte 5tern nidjt allein biefcs Kreifes, fonbern über« 
fyiupt ber beutfdjen 23übne erfdjien. 

2Jm 23. 2(ugufi ^77^, am (tage ber erjien 2Juffüfjrung bes 
Clacigo, oollenbete (Ojarlotte 2lrfermann irjr j7. Cebensjarjr. Drei 
Cage barauf erfdnen in ben 2lbrefc * <£omtoir « ZTad?rid?ten ein 
(ßebidit: 

„21 n bie D e m o i f e 1 1 e ZT. H. 

21m (Tage itjrer <S5eburt. 
U?*. 23. 21ugufi. 

So feimte jüngfi bes (Sartens gierbe, 
Die Hof aus iljrer Kuofp' tjeroor. 
Xlun fietjt fte ba in ooüer ZPürbe 
Unb tjebt iljr f*ol3es fjaupt empor. 

Oergebens magt's ein Sdjmarm t>on Sietien, 
Unb butylt unb flattert um fte tjer: 
€in §ept{ir miberfefct fidj if^neu 
Derfd)eua?t bas bubjerifer/e fjeer. 



tjieftgen berühmten 03eleb,rten gefdjicft, ber bie 2Jbfajrift mehrere ITlonate 
unter feinen tneftgen (freunben 3irfulieren lieg; uttterbeffen mürben bie 
^tDtüinge burd) (Soettje eingefanbt unb angenommen." Da Sdjmibt unter 
Sd>röbers 2(ugen fdjrieb (ogl. I. S. 326, ilnm.), fo oerbient attarbings feine 
(Hrjäfjlung befonbere 33ead)tung. 2Iber ber iPiberfprndj jrotfdjen beiben 
Berieten ift bod) nur fdpetnbar. Der auf Weyer 3urticfgc^cnbe giebt btc 
mefentlidjen entfd?eibenben Umfiänbe, Sd)mibt berührt nur einen an ftd> nidjt 
ansfdjlaggebenben Zlebenumftanb, ber £eifen>itj' ungünfligere Situation 
ttodj i>erfd>led)tert b,at. (Eigentämlidj ift — unb bas fprid)t gegen Sdmtibts 
<5laubmfirbigfeit — , ba§ ber offaielle öeridjt bie Sadje gerabe umgeferjrt 
barfteüt: Die Stimmung mar für Seifemifc, ba Famen bie groiflinge, unb man 
entfd>ieb für biefe. 



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\58 



Der £tebling bes publifums. 



tüenngleid? ein Wtxrm am Stengel flettert 
Unb nagt, audj er jernagt fte nidjt, 
© wefye beut, ber fte entblättert! 
Woi)l bem, ber biefc Hofe brid)t!" 

Die Vex\e fmb h**3l»d? mittelmäßig, bod? fonnte in all ber 
llubeholfenrjeit ber KerngebauFe : „Du bifi ber allgemeine 
Ciebling, Du ftehfi in unfer 2111er Sdjufc u faum ergreifender 
3um 2lusbrucF fommen. 21ber auch eh»as, wie Sorge, glauben rr>ir 
heraus3uhören ; eine Sorge um ben IDurm, ber am Stengel nagt. 
H>er bürgte bafür, baß er bie 3arte Blüte nicht 6007 3eritagen toerbe! 

Den ungeheuren ptjyfifd^cn unb pfvehifchen 21nßrengungen, 
welche ihr ihr Beruf unb ihr leibenfehafflicher €rjrgei3, ber boa? frei 
war r>on perfönlicher €itelfett, täglich 3umutete, hätte aud? ein 
fräfttgerer Organismus fchmerlich ofme Schaben auf bie Dauer 
roiberftanben. Unb fte mar 3art, bie, noch ein falbes Kinb, £eiben« 
fdjaften bar3ufiellen hatte, beren Bilb felbft bas reife U>eib nie ofme 
genxtltigfie feelifche€rfchütterung, ber fünftlerif djen 3&*ufion ber Klinge 
3iiliebe, fünftlich in ftd? erseugt. Unb boch ferjeint feiner von benen, 
bie 3unäcrjfi berufen waren, über ihr 3U machen, baran gebadet 3U 
traben, it>r eine Schonung auf3uerlegen, bie fte felber Derfdjmäljte. 
2Iucr] bas 2Tiemento, baß im ^erbji \77%, unmittelbar r>or ber 
Aufführung bes <5öfc, bie Leitungen 3wei IDodjen lang oerfünben 
mußten, wegen Unpäßlidtfeit ber jungen Sdjaufpielerin fei bas 
Hepertoir nicht Doraus3ubeftimmen, fd?eint bamals niemanb, 1 am 



1 Pod? fdjrteb fdjon ein 3afyr vor ihrem (Tobe ber intime <fetnb bes 
fjaufes, 2Ilbredjt IDtttenberg: „Sie fdjeint für bas (Theater geboren 3a 
feyn unb man fleljt es gan3 beutlid?, ba§ fte fidj bemfelben aus Hetgung, 
aus natürltdjem (Triebe tDtbmet. (Es lobert <Etu>as in itjrer 33ruft, bas fte 
antreibt, ftd? gatt3 btefer Kunft 31t ergeben ; fte ifi ein f leines ruhmbegieriges 
Ding, unb tdf glaube, fte roäre im Staube, ftd? auf3Uopfern, roenn fte nur 
ben Beifall ber §ufa>auer 3ur Selobung erhält. IPentgftens b.abe ia> ntdjt 
feiten 3U bemerfen <ScIegenl]ett gehabt, baß fte ftdj außerorbentlid) angreift, 
unb obgletdj bie gütige Zlatur fte mit außerorbentlidjen Kräften für ihre 
3atjre begäbet hat, btefelben gleidnpol}! fo feljr erfd)öpfet, baß man befürdjten 
muß, fte n?erbe nidjt lange im Staube feyn, ihre Kunft 3U treiben." 
(21. 5. W. 3. (Ehre ber £eftür II. S. 2\8.) 



(£r?arlottens Briefe an 3. 21. fjeife. 



159 



rpenigften fte [elber beachtet 311 fyaben ; fie, öie nie an ftd?, immer 
3uerjt an anbete backte, für anbere forgte. 

€s ift bas feine gebanfenlos einem irjrer 3af?lreid?en jugenb* 
lierjen Derefjrer nacfygefprocbene Hebensart. 

Dor mir liegen bie lauterften beugen, eine 2ln3aljl pon irjr 
gefdjrtebener Briefe aus ben 3<*f?*eN {773 unb 7$, aus beuen bie 
ptel gepriefene unb piel perrpörmte uns unter pier klugen als ein fo 
finbltct) reines unb boeb. über iljre 3afjre befonneues, felbftlofes 
<5efd]öpf entgegentritt, bajj man ben auf ben erjten Blicf grotesfen 
Kultus, ber nadj itjrem £}in|'cr?etben von irjren 3urücfbleibenben 
5reunben mit tbr getrieben rpurbe, poüauf perfterjt. €s ftnb Briefe, 
gerietet an ben jungen Cicentiaten 3 0 t?ann 2lrnolb fjeife, 1 ben 
nochmaligen Bürgermetfter pon Hamburg. 

Ciebesbriefe, aber nidjt im gerpörm liehen Sinne. Denn nidjt fte, 
fonbern ifjre ältere Sdjrpefter Dorothea liebte £)eife. 2 Unb nun ift 
es bie fünf3efmjärjrige Charlotte, bie, anfangs mütterlich abratenb, 
bem ungeftümen Ciebrjaber 3ufpridjt, fpäter, ba feine tetbenfdjaft 
ftärfer ift als tbre Dernunftgrünbe, 3rpifcb.en ilmt unb ber an* 
fprudjspolleit, ret3baren Sdjroefter in liebensmürbigfter JDeife, oft 
ohne bafc jene bapon a>ei§, ben ausgleidjenben Oermittler fpielt. 

f ,3ft ben nichts permögenb, fte pon einer Krancffjeit 3U 
peilen, bie nierjt allein 3r?r £}er3, fonbern auch. 3^?ren Perftanb 
angreift," fdjreibt fte im erften Brief, im 2Här3 J775. „ Können 
Sie an meiner 5reunbfcbaft 3tt>eifflen? ich. b,abe kirnen feine fjofnung 
gemacht, roo ich. feinen Schimmer bapon farje. Sie fjaben mir 
nicht geglaubt: — fte jtitb es tfc felbft gewähr rporben. Dermag 
ich. noch roohl etwas über 3*wen • fo *bun fie roenigftens U3, was 
ich 3^nen fagen rpttl. — td) la§ gejtern abenb meiner 2Thttter 
3I?ren Brief por. IDir haben beybe gerpeinet, unb ich. midi beflagt 



1 3<t? t>erbanfe ttjre Senutjuug ber £iebeusn>ürbtgFeit r>on Reifes 
Urgro§neffen, Fjerru Dr. <£rnft Baafd?, Dorjianb ber Komme^bibltotfjef 
in Hamburg, welkem ict/ für biefe perf önlidje £iebensn>ürbigfett ben für 
mannigfache von 2lmts wegen mir geleitete ^orberung bereits in bem 
Donport jnm erflen Banbe abgematteten Dan? aufs n>ärm)le tyier roieberfyole. 

s f}. l^atte ruirflid?, n>ie aus ben Briefen fieroorgcljt, ernjtlid? bie 
2lbfidjt, Dorothea Jlrfcrmann 31t betraten. 



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*60 



Cbarlottens Briefe an 3. 21. F?cifc. 



— bas Sie nid?t meffr Vertrauen in meiner ireunbferjaft festen 

3dj Ijabe 3fyr (Dorothea) fein tDort von 3f?ren Briefen gefagt, 
id? mu§ fo genug Crbulben, meine Sdjwefter ifi mir böfe unb 
oermurjtlid? ^iiicenttoegen." 

„3d? r)abe," f einreibt fte ein 3<*l?r fpäter, „jeber seit gefudjt, 
meinen Bed?fdfaffenen $reunben $u btenen. Sie fjaben ben 
Stärcfften anfprud? barauff, wenn man aber bie Hnmödjlicrffett 
fiefy, fo mu§ man fie wenigftens tröfien. id? «Erwarte fic Sonn* 
abenb 2lbenb um 7 U^r. Die ^ett wirb 3*?«*" (3war nid?t um 
meinetwillen) fehr lang porfommen. allein oefto befcer, fud?en Sie 
unter biefer ^eit ftdj in (BefeUfdjaft anberer $rauen3immer auf* 
3itfjeitern, welkes 3*men, wenn Sie es ftd? pornefmten, gewi§ 
gelingen wirb, fjaben Sie mir aber unter biefer £eit nod? was 
3U .fagen, fdjreiben Sie es mir. id) werbe wofjl »orferjen, 
bas Sie Sonnabenb nimanb anber§ fpredjen, als allenfals meine 
ZHutter unb 3fjre befienbige 5reunbin! 

Charlotte 2lcfermann. /y 

„<£s ifi nidn* nörjtig," fdjreibt fte einen 2TTonat fpäter, nadjbem 
eine fefjr gereiste 2lusemanberfefeung 3wifdjcn Dorothea unb irjrem 
freier jtottgef unben , „3*?n*n erf% 3U fagen: wie feljr mid? 3*?* 
Brief gerüfjrt tjat; idj fann mieb, nidjt Perftellen, unb gejiebe 
3l?nen r bas Sie ein Zllann ftnb, ben idj fetjr glüeflid? 3U fefyen 
wünfdjte. allein ©erfennen Sie meine Sdjwefter nid?t; fte ifl meine 
Sdjwefter! wir finb alle oon einer ZTTutter! bie nid)t fo fd?led?t 
benefen Kann, unb bie uns benefen gelehrt rjat! £fat €ines ron 
uns (bas r>on 3l?rer <£r5ief}ung in ber beften geit feiner Bilbung 
entfernet gewefen), 1 ZTTängel ber Cebensart befommen, fo ferjen 
Sie auf fein £jer3, bas warJjafftig gut ijl! unb Urteilen md?t 
nad? bem Scheine. Sefcen Sie Sidj in ber Situation meiner 
Sdjwefler! unb barnad? rieten Sie fte! nad? meinen gebanefen 
tft fte metjr 3U beflagen als 3U fdjelten. Sprechen Sie mit meiner 

1 Sie meint offenbar iljren Sttefbrnber, ber, roie es fajeint, burdj 
febroffes Wtfen ben tfreunb oerletjt tjatte; bie Perfitmmung barüber glauben 
xpir nod? ans bem Sendete t|eraus3ub,ören, ben ber alte fjeifc S. Sdjmtbt 
über Sdjröber unb feine Sajroeftem lieferte. 



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Qarlottens Briefe an 3. 71. fjeife. 



HTutter! Sie ift eine aufrichtige 5rau unb unfere 5üF}rerin! ich 
I^offe, bas »irb 3h ncn am meiflen nüfeen. liefen Haht gebe 
ich 3*?«*"/ ift ber 3»eyte Pernünftige, ben ich 3hn*n 9*be, 
bis bahin »erbe ich 3hre Briefe behalten: tragen Sie feine 
Sorge, Sie ftnb in ben ^änben 3hrer aufrichtigen 5reunbin 
(Dj. 21." p. S. ich banefe 3hnen für 3h«n 5cinbfct(aftlicr?en Habt, 
ben Sie mir in anfefmng 3h r * 5 gefcf|lechtes geben, ich »erbe 3h" 
geroig nüfeen." 

w <£yI m €y! w neeft fte übermütig ben angeblich Kurierten 
ein paar IDochen fpäter (5. ZHai 7^.) „Die Peränberung fam ja 
fehr gefch»inbe — Oerliebt ftnb Sie noch, öber nicht mehr fo 
oerblenbet; ach ja Sie ftnb es noch mehr als 3U fehr, 3h* fyti 
lag auf bem pappiere. ich fah c hinein nnb fanb bas 3h rc an * 
genommene IDarfcheinliche Peränberung Keine Peränberung tjt. 
ob ich gleich f«h r roünfchte bas es roahr fein möchte ; ich »ill 
3h"«n <*lfo glücF & a 3 u »ünfehen, fo ungläubig ich auch in bifen 
falle bin. 0 hätten Sie im anfang bas gefchrieben, unb auch 
etwas banach gerjanbelt. Sie hätten mehr ausgerichtet, boch 
bi§ tjl ja tfct oorbey unb Sie ftnb ja tfct, (roie Sie behaubten 
rootlen) fchon $ur fjälffte genefen. ich »iß oen Herfen Segen 
barüber fprechen. Doch »arten Sie, tfc fommt bas befie. — auch 
wir fyaberi etwas mit einanber aus3umachen. Bilben Sie ftch 
nur ja nicht ein, bas ich * 5 f° gcbulbig hinnahmen »tH. 
meine Hache foH Schröcfüch fein, ich kabe fchon eine Kleine an 
3h"*" ausgeübt, ich »iH fte auch mit attermöchlichen Schaben* 
$reube €r$äh^ n « 

<£s »ärc t^oute fehr gut angegangen bas Sie meine ZtTutter, 
bas £iebe Hnempfmbliche HTäbchen (»te Sie fie $u nennen beliben) 
unb meine IDenigfett $u ^aufe angetroffen hätten unb 3roar 
alleine benn »ir fyaben Keinen Befucfj. um 3h»* n bie £eit fo 
lang als möchlich 3U machen, fo »erbe ich tyute ZTCabame (Eelomus 
befuchen — befto beffer (»erben Sie fagen) bejlo lieber fomme 
ich, toenn Sie nicht 311 fjaufe ftnb, — aber großen Dancf! auch 
bafür tj* geforgt. meine Sch»ejter foll auf ausbrücfltchen Befehl 
heute 3ur ITTabemoifeHe IDtüers gehen unb ttlama foll Befuch 

Clfcmanti, Sdjröfcer n. U 



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162 



<£t?arlotte 2Icf ermann: £?ä'uslta?e KonfliFte. 



pon ZHabame Sacco beFommen, unb bamit \d) mir aud? bie lefete 
Sveu.be nid?t verspäte, fo Fanu id? Sie Derfid?ern, bas alles von 
meiner (Einrichtung herrührte. Das iji nur eine KleinigFeit von 
bem, u?as id? 3hn*n sugebad?t fyabe, wenn id? Sic münblid? 
fpred?en werbe, unb bifes foH (fo lautet mein Befehl) morgen 
nachmittag gefdjehen, ober aud? morgen gegen 2lbenb. ZtTeine 
Straffe foü 3h res gleichen nid?t fyahen: id? u>iU Sie lehren ein 
Kleines <Empfinblid?es Stolpes (Befd?öpf 3U Heifeen. " 

Vdan fleht, bie anmutige, fd?alFf?afte 33rieffd?reiberin, beren gutes 
fjer3 aud? „auf bem pappiere" liegt, leibhaftig por ftd? unb fühlt ftd? 
untpillFürlid? fyngesogen 3U biefer, Kinblid?Feit ber €mpftnbungen 
mit frauenhafter Heife pereinigenben, perfönlid?Feit, bie auch n^h* 
im leifeflen bie Sd?aufpielerin perrät. Alles offen, Flar, burchftchtig. 

Unb boch, fo »olfenlos, n?ie es nach biefen Äußerungen fcheinen 
Fönnte, mar ber fjimmel bes „Kleinen, Stolfeen <£mpfmblid?en 
<ßcfd?Öpfes" Feinesmegs. <£s iji aber be3eid?nenb für bie tapfere 
XTatur, baß eine Einbeulung bapon ihr nur gelegentlich, tpiber 
IDiHen faft, entfehlüpft. Hm fo rührenber unrFt bie Z*ad?fchrift 
in einem ber erfleu Briefe: „ich n?ünfd?e, bas bie Had?e bes 
Rimmels bey 3h«cn aufhöre unb bey mir anfangen möchte. Dod? 
biß ift nicht mehr nöbHg. Sie ijl fd?on im fjöchtfen grabe €rfüüt." 

Das ifl bie einsige Äußerung, außer jener über bas Der» 
hältnis 3U ihrer Sd?n?efler, bie perrät, baß biefes Ptel be« 
neibete, burd? fein Dafein überall 5reube bereitenbe, <5efd?öpf 
in ftd? unb mit ftd? manches burch$uFämpfen blatte, pon bem 
gerabe ihre nächflen Angehörigen nichts ahnten. Den 5reunben 
bes fjaujes freilich, bie nicht bloß bie glän3enbe Außenfeite fahen, 
bie Gelegenheit Ratten, ihr im täglichen PerFehr nahe 3U treten, 
Fonnte nicht entgehen, baß aud? fie, nicht allein unter ber Dis« 
harmonie ber häuslichen Perhältniffe ebenfo 3U leiben blatte wie 
Dorothea, fonbem baß jie auch infolge ihres ungemein reisbaren 
(Temperaments auf berartige Dif)onan3en momentan fiärFer reagierte, 
burd? fte tiefer erregt unb erfchüttert rourbe, als bie übrigen 
ZTlitglieber bes Kaufes. Aber bies tparb aufgewogen burd? bie 
£eid?tigFcit unb 33etpeglid?Feit einer Stahlfebernatur, bie fofort 



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<£fyarlotte lidermann: «Ei^elne (£fyarafter3Üge. 



roieber in bie fjöhe fdmellte, fobalb ber äußere Drucf gehoben, 
ober ein fiärferer freudiger 21ffeft bie gegen biefe Berührungen 
nidjt minber leidjt cmpfmblid?e Seele in SdjtDingungen oerfefcte. 

3m <5egenfafc 3U Vototbea voat Charlotte urfprüngltdj eine 
lebensfreudige Zlatür, gefdjaffen, 5reube 3U genießen unb 5reube 
3u fpenben. Diefer Sonnenfchein, ber von ihr ausging, unb 
beffen Hefler ihr u>ieber 2Tienfa>n unb Dinge um fte Ijer tt>ie in 
einer golbenen Wolfe 3eigte, madjte fie 3um Ciebling aller, nicht 
nur berer, bie fie auf ber 23üfme als KünjUerin betrmnberten, 
fonbem ebenfo, ja mehr nodj berer, bie itjr im leben menfd}lidf 
nahe traten. €in finblid? reines £)er3, ein für ihre 3<*h rc , ihren 
Staub unb ihr Temperament ungeroöhnlidj ernfter religiöfer Sinn 
©eretnten ftch in ifjr mit einer leibenfdjaftliaVn Ciebe 3U ihrer 
Kunfi. „Sie glidj", berietet aus ber Seit ihres Konftrmations» 
unterridjts 3oI^ann 21rnoIb fjeife, 1 „in IDahrheit ben infpirierten 
3üngern 3ur geit bes erjlen CljrijientBmms. 3^? h<*& e fte oft ge- 
troffen, inbem fie ben Katedjismus unb ihre Holle roechfelfeitig 
lernte, midi flamm begrüßte unb fort memorierte, roäfyrenb jte 
hin unb »ieber ein IDort 3U unferen (ßefprädjen gab, bis fte 
midi enblidf mit bem ooHflen €rnjt aufforberte, fte 3U überhören, 
unb 3tx>ar erfl ben Katednsmus unb bann bie Holle. 3h* feufdjes, 
r»öflig ftttlidjes (Semüt fanb in biefer feltfam fdjeinenben HTifchung 
ber Befdjäftigungen nichts 21nberes, als bie reine unb gleite 
pflidjt bes (Driften roie ihres Berufs." 

„Sie roar gut im ftrengflen Sinne bes IPortes", fdjreibt lange 
3afy:e nadf ihrem <Eobe (\7^^) ein ünberer 1 < oon ihr unb belegt 
biefes Urteil mit einer allerbings fefjr djarafteriftifchen Slnefbote: 
3n einem Kreife oon Sd?au[pielerinnett roirb über eine 2lbroefenbe, 
es «>ar bie Fofette ZTTabame Sacco, geborene Hidjarb, gefpöttelt. 
(Erjarlotte aber menbet ftch an einen ihrer Srevmbe unb fagt „mit 
bem (Eone ber XDahrheit unb bes Unwillens: Sellen Sie boeff 
nteine S. an, es ift bodj wahrlich ein nieblid?es Züeib, nur ber 
llexo fann ihr bas abfpredjen roouen." 

1 $. t. SdmttM, DenftDÜrbigfettcn I. 25 \ f. 

1 Sdjütje, Jjamburgifdje (Efjeatergefdjtdjte 5. 404. 



Charlotte Leiermann: tetjte (Tage. 



<£s iß felbjtoerftänblich, ba§ es bem f lugen, liebensroürbigen 
2Tfäbchen, ber genialen, bie Sinne bcthörenben Schaufpielerin 
nicht an einer Schar Don leibenfchaftlichen Berounberern unb 
Verehrern fehlte, barunter auch folgen, benen es nicht nur um 
einen freunblidjen Blicf, um l?armlofes (ßeplauber 3U trmn u>ar. 
21ber mit ^rgusaugen »achten HTutter unb Bruber unb bulbeten 
auch nicht bie leifefie Annäherung, bie ben Stol3 bes Kaufes, ben 
mafellofen Huf, wenn auch nur $um Schein hätte gefährben fönnen. 

ähnliche Sorge fpricht aus ben oben angeführten Perfen, unb 
bafj auch bie ireunbe bes Kaufes es an gelegentlichen IDamungen 
nid^t fehlen liegen, fehen roir aus ben Briefen an fjeife. 

5ür (Einen aus bem näheren Kreife fcheint jie ein lebhafteres 
3ntereffe empfunben unb oor Diefem f}eife ftc ausbrücflich geroamt 
3U bähen: „Hoch eins", fchreibt fte in ihrem lefcten Briefe, 
„(ßraap 1 ober 3h r 5reunb, rote Sie ihn nennen, §at auch 2T7orgen 
fommen »ollen, ich fehe fehr gerne roenn Sie 3*? m mitbrächten, 
ich bände 3*wen auch, Sie fo einige Brocfen »on 3h f em 
5reunbe in 3h*en Briefen fefcen, ich Wn roeit <£rfenntl icher gegen 
3hre IDarnungen als Sie gegen bie Peinigen, ich h<**>e 3h*en 
$reunb fennen lernen, inbefcen Pergefcen Sie nicht ihn mit3ubrmgen." 
2lber einen eigentlichen fjerjensfonflift ©erraten auch biefe feilen nicht. 

Unb bodj ift man geneigt, einen foldjen, u>enn nicht als 
bie einige, fo boch als eine ber ffaupturfachen $u permuten für 
bie tragifche Katafirophe, bie im HTai \775 über bas 2lcfermannfche 
fjaus hereinbrach unb bie roeit über bie Bannmeile ber Sta^t 
tiefte (Erauer erroecfte. 

21m ^. 2TZai \775 hotte Charlotte noch fcheinbar in ooUer 
<5e|unbheit unb Kraft in bem neuen £ufifpiel, Die (Temperamente, 
eine neue Ho He gegeben, am 8. in Branbes Komöbie, Der 
Schein betrügt, mitgeroirft unb im nachfolgenben Ballet, Der 
Böttcher, getagt. 2lm 9. foUte Die (Sunfi ber Sürßen gegeben 



1 3ot}ann CSottfrieb «Sraape, beffen Harne aua> als einer ihrer $ reunbe 
auf einem oon Sufe bei ifjrem (Eobe oerferttgten <Erauergebid?t fie^t. <Se- 
boren \7^7, war er bamals Hilter beim Hiebergericb.t. €r ftarb *?96. 



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Charlotte 2Itf ermann: Krantyett unb CEob. 



werben, in ber fic als Hutlanb glätte. 3n 3wölfter Stunbe 
mußte bie Porfteflung wegen einer angeblichen Unpäpcrffeit ber 
jüngern Demoifefle 2lcf ermann geändert »erben. 2lm ZTTorgen bes 
(0. ZHai 1 erfuhr man, ba§ in ber oorangefjenben Ztadjt, um \ Urnr, 
Charlotte 2Icfermann an einem Sd}lagflu£ geworben fei. 

Die ben meinen gän$licrj unvermutete Crauerfunbe cerfefcte 
bie 33ex>ölferung in bie größte (Erregung, bie (Trauer roar all' 
gemein, unb felbft an ber 23örfe tjatte man an biefem (Tage faum 
für etwas anberes 3«tereffe, als bie lefcten Slugenbltcfe bes armen 
Komöbiantenfinbes. 

Serjon tags brauf brachten bie Leitungen 3ugleidj mit ber 
erfien fu^en fcrfriftlid?en Mitteilung 2 über bas beklagenswerte 
€reignis Stimmen Ieibenfdjaftlidjer Klage aus bempublifum unb 
aus bem Kreifc ber Kollegen. Slls ber merfwürbigjten eine möge 
rjier ber, ein wenig trjeatralifd] anmutenbe, aber ftdjer aus wirflidf 

1 3n ben Sterberegiftern ber petrtfirdje iji naa> Vf. Utfbe (Sajmibt, 
Denftpnrbigfeiten I. 255, 2lnm.) ber 9. Hlat notiert. II. t)at ftd) grofje 
mfilje gegeben, aus einer $ufammenßellung ber Hn^aben ber Ijamburgtfdjen 
Rettungen ben \o. Tttai als roirflidjen (Eobestag 30 ern>eifen. Den 
fd?Iagenbfien Beweis hat er aber äberfehen, bas offtyielle „t?er3etdmi§ ber 
gegebenen Dorßellnngen r»on (Dfiern 1775 bis 0jtern J776" im „Slnhang" 
3um \. Banbe bes „r)amburgifd)en (Theaters". Da h*i§t es: 
„IHay 

ben 8ten Der Schein betrugt. Die 3öttd}er. 

9ten (Sollte bie (Sunfl ber durften gegeben »erben; allein 
roegen ber pl6fclia>en Krantyeit ber jungem Demoifelle 
Siefermann mürbe aufgeführt :) 

Die fluge €fjefrau. Der (Quäcfer. 
(3" ber ZTad)t um (Ein Hin* ftarb (Tbarlotte Siefermann 
bura? einen Sd?lagflufj im 2llter t>on \7 3ahren, sUlonatcn 
unb \7 (tagen.) 

X 5ten (tt>urbe auf Perlangen ber $ reunbe bes Ctjeaters aufgeführt:) 
Der CfbelFnabe" u. f. w. 
* Sie lautete in ben 2lbre§-<£omtoir-nadjrid)tcn : „Die Ijieftge (Sefell* 
fdjaft ber Sajaufpieler hat einen unehlichen Perlufi erlitten, ba in ber 
geftrigen Zladjt bie jfingfte Dlle Slcfermann burd) einen fa>neUen (Eob hin- 
ujeggenommen worben. Sie jtarb in ber Slüthe ihrer 3tigenb, von 
bie fie gefannt fjaben, in ihrem £eben benmnbert, in ihrem Cobe bef läget." 



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J66 Charlotte 2l<fermann: Brokmanns unb U^ers HaArufc. 

traurigem fersen fommenbc <£rgu§ iljres Kollegen 33rocfntann 
feinen plafc finden, ben er feltfamerweife an bie 2Xbreffc Klopftocfs 
rtdjtete: 1 

„2ld? fte ift gebrochen, bie Hofe, fie ift gebrodjen! Uufer 
£iebling, bie Sterbe ber beutfdjen Bülme, unfre €milte! fte ift 
baF^in ! — <£in unerfefclidjer Perluft für uns, für iljre red?tfd}affene 
HTutter, für gan$ Deutfdjlanb. tDir fönnen md?t ntefjr mit 
iljr, wir müffen um fte weinen; wie fü§ waren unfere »origen, 
wie bitter unfere jefetgen (Ebränen. £tebenswürbiges großes 
2Tläbd*en, fo bift Du uns benn auf ewig entriffen? 2Uif ewig! 
o mein 5reunb, idj fann ben fdjrecf lieben (ßebanfen nidjt ben fen, 
wir foüen fie nidjt mein* fefyen? nidjt mefyc iljr inniges, warmes, 
feelenootles Spiel? — Keine «Emilie, feine ©Ihne, Feine Hutlanb 
mcljt, — feine Hutlanb! 21dj i tjr lefctcr Sd)laf iß gefommen, 
unb fte wirb nierjt wieber für uns erwachen. Xlodt vot 3wei 
(Eagcn; wie füfj! wie liebenswürbig ! unb nun falt, bla§, eine 
Seiche! — CD mir fd?winbelt, tränen! Ojränenü!" 

Der allgemeinen Stimmung aber gab wofyl, im Sinne unb 
Stile ber «^eit, ben ftnnigften 21usbrucf ber Doftor Un$er in 
Altona, ber bamals bem 2lcfermannfcr>en £)aufe perfönlid) nod? 
Siemlid) fem ftanb, in ben 21ltonaifdjen 2lbre§=£omtoir £?adn:id}ten: 

„3dj rjab einen Weinen (Barten, bariu blühen feit brey tlagen 
alle Bäume. 3^? freue midi baran unb lächle fo in mir felbft 
ben fommenben 5rüd?ten 3U. 2Jber geftern fam ein tücfifd?er 
Sturm unb warf mir bie beften Blütfym herunter. 3a? weinte 
bitterlid? barüber. — (Seffern im ATay ftarb aud? in Hamburg 

1 <Hr fleljt in ben 2l.-<£.-n. vom \\. ITlai, unmittelbar Ijinter ber 
GCobesnadpridft: „2ln Jjerrn K***" überfdjrieben, unte^eidmet: „33**. " 2£>ieber' 
abgebrudt mit ber Uberfdnift: „2ln fjerrn Klopftocf ben Didier", unb mit 
bem ausgetriebenen Hamen Brokmanns am ^u§e, roarb ber 2Xuffatj in 
ber „Sammlung ber burd? ben (Eob ber Demoifelle IHagbalene ITTarte 
<£tjarlotte 2lcf ermann »eranlafcten (Sebtdjte unb Jluffäfce. Hamburg {775. 
S. 8. — Uber biefe „Sammlung", ber balb barauf eine streite" folgte, 
fomte über bas aus betben tjernorgegangene: „(Sefammelte IRitletben beym 
Ableben ber jüugern Dlle Ctjarlottc Jlcfermann" r>gl. Uffbe, tflugfajrtften 
Xlo. 23— 26C. 



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Charlotte 2ld ermann: 2Infbatjrung unb Seftathmg. 



2Hagbalene ZHarie Charlotte 2lcf ermann, ein XTTäbdjen von \73arjren. 
— %ute reifct ber Sturm nod? manaV ölütfje herab, aber mid} 
Fümmerts nid?t weiter! Denn nun — u>as ift 23Iütr?e ! nxis ift 
5rud]t! — 2lber fagt mir, mo wollt 3h* bas Znäbdjen Einlegen? 
Jüenn 3h* «in Stücfdjen cErbreich wißt, nur 3efm Spannen lang, 
bas nicht mit näcr/tlidjen Sünben bcflecft, burch sermfadjen betrug 
nicht erroudjert ift, fo grabt es auf unb legt ihren Kolben £eib 
hinein" u. f. rt>. u. f. u>. 

Die ZHenge poetifcher (CraucrFunbgebungen Raufte ffch, wert« 
eifernb mit 23lumen|penben, in ben wenigen tEagen, bie 3wifd?en 
bem Cobe unb ber 23cftattung lagen, über ber lefeten Huheftatt 
bes Kinbes farjrenber £eute, wie über ber teiche eines auf bem 
Selbe ber €fyre gefalleneu Reiben. 1 

3m Crauerhaufe im (Dpernhof, wo nach althamb urgifdjer Sitte 
bie £eicrje öffentlich aufgebahrt 3ur Sd\au fianb, brängte fich bis in 
bie elfte 2lbenbftunbe bes \3. ZTTai eine unaufhörlich flutenbe 2Tlenge 
r»on Neugierigen unb £eibtragenben, bie noch einen legten 23licF 
auf bie jebem 2tuge wiüFommene (Seftalt werfen wollten. Der 
Ceidmam war mit 231umen, <ßebia?ten unb <5emälben bidjt bebeeft, 
als enblich gegen ZHitternacht ber Sarg gcfcrjloffen u>urbe. 21m 
Nachmittag bes folgenben tEages fanb bie Beerbigung vom (Dpern= 
rjofe aus jiatt. €ine unabferjbare ZTCenge »artete fd?on fiunbenlang 
am (Sänfemarft unb ben 3un9fcrnjueg entlang, als ftd? abenbs 
7 Ufp ber CErauersug in Bewegung fcfcte. 3" tiefem, von ben 
fonft bei berartigen großen CrauerFonbuFten fdjwer oermeiblichen 
Speftafel|3enen a>of;lthätig abjlechenben, Schweigen warb ber 
mit jungfräulichen 2ftyrthen unb 5rüfjlingsgrün gefchmücfte Sarg 



1 Die fymptqueUe fär bie (Eitelkeiten beim (Eobe unb ber Begattung 
Ctjarlortens tfl ber bem „(Sefammelten Ulitleiben" angehängte „Sriefroedjfel 
bey (Selegenfjeit bes 2lbflerbens ber Demoifeüe <£fjarlorte 21cFermann, einer 
beutfcfyen Sdjaufptelerin", ben Sdjütje (fjambg. (Efieatergefdjtdjte S. <*35) 
2IIbr. Hartenberg, root{I mit Hedjt, 3ufdjreibt. 21us iljm tjaben foipofyl 
Sdjütje, rote nadjmals befonbers ausfütjrltdj £j. Ur^be („Charlotte 21cf ermann. 
€in (Hrinnerungsblatt 311 ir/rem joojäftrtgen (Eobestagc." Hamburger ttadV 
rieten *875, Ztr. \\o— gcfdjöpft. 



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Charlotte 21cfermamt: (Eranerfeier im (Theater. 



empfangen, unb „jedermann begleitete fHIIfditDeigenb mit tfpänenben 
^liefen" bie Cetdje, bis fte bei ber petrirtrdje ben ^liefen ber 
Draufjenjlelienben entfdjroanb. 

Solange (Ebarlottens irbtfdje fjüue nod? über ber (Erbe ftonb, 
rc>ar bas (Theater gefdjloffen. 2lm £age nadj iljrem Begräbnis 
umrbe „auf Perlangen ber 5reunbe bes Cbeaters tt im Sweater eine 
2lrt (Totenfeier oeranftoltet: 2ttan gab (Engels (Ebelfnaben unb 
3ejlers Duell. Dann fnelt Srocfmann auf ber fdjtpar} aus« 
gefd?Iagenen Süfme eine oon Sufe, einem 5reunbe bes 2l<fermann» 
|d?en Kaufes, perfafcte (Erauerrebe 1 in Derfen, bie auerbtngs baburd? 
einen Ijödtf merfroücbigen 2lbfd)lufc fanb, bajj bie Klage in eine 
2lrt <ße[d}äftsempfeb,lung ber Direfhon ausflang: 

„Don bem (Srabe Fommt nid)t leer, 

(Eble männcr, fütflts — iljre ernfte leftte IHiene 

Bring (Eud) oft Inerter — 

— Sdjiitjet bie oermaifte Biifme. 

Soü" ber (Setfl, ber eud) umfdra>ebt, feines £Pnnfd)es 

ftd) erfreun? 
Wollt 3^ r Jreunbe tfyres Blutes feyn? 
Sinb r>erfd)miflerte (Talente (Sud) nodj immer rperttf ? 
Soll (Charlotte ftd) barin geehrt 
(Eurer £reunbfdjaft Seugniß felm? 
Soll (Eiwliens freubenlofe glitte 
Sey ber tDieberfefyr 
Hiijt oon ^freunben leer 
(Einfam, obe ftelyn ? 
Wirft bes ttjeuren ZTläbdjens Bitte, 
Da mir meinenb pon (End) gelm? 
Wenn mir miebertetirten aus ber tferne, 
Sefjt itjrs gerne? — * 

„Die 3ar?Ireid?e Perfammlung " , lautet ber 23eridit, „antwortete 
einftimmig: 3<*l »orauf ber Hebner bie ältere DemoifeHe 2Jcfer« 
mann auf ben Sdjauplafc führte, meldte r>or Sdjmer3 fpradjlos 
mit einer tiefen üerbeugung ©on ben gerührten «gufdfaucrn 
2lbfdneb nalwi." 



1 2Jbgebrutft in ber „&woten Sammlung" S. 28 ff. 



(Erbitterung im publifum gegen Sd)röbet 



Aber um rceldjcn „Abfdneb" rubelte es ficf? benn? 

Unmittelbar nach cTharlottens (Eobe Ratten Sdjröber unb feine 
UTutter ben €ntfchlu§ gefaxt, mit ber Cruppe Hamburg für einige 
^eit 3U perlaffen. fjals über Kopf toarb 3ur Heife gerüftet, in 
CübecF bte Spielerlaubnt§ eingeholt unb mer Cage nach ber Crauer* 
feter in Hamburg bereits bort mit ben Porftellungeu begonnen. 

So toar für eine Weile ber KünfUerfreis ben Augen unb 
©fjren ber Hamburger entrücf t, bas publifum Ijatte ^ett, jtdj an 
ben (ßebanfen bes Perlufies $u gewonnen unb ftd? ber (Bebanfen 
über bie Ur fachen 3U enrf dalagen. Unb bas roar allerbings 
brtngenb $u roünfchen. Denn noch harte <£harIotte faum bie Augen 
gefcr/loffen, als ftch über ihrem Cetcrmam ein Haunen unb 5lüf!ern 
erhob, als Stimmen laut »urben, bie »on geheimen, befonberen 
Urfadjen ber traurigen Katajtrophe 3U reben roufcten, unb bie ent« 
(Rieben bte Neigung 3eigten f bie nädtfen Angehörigen CJiarlottens, 
ihre Schroefter unb ihren Sttefbruber, für ihren Cob oerantroortltch 
3U machen. Dorothea fclbfl gejkmb nach 3ar?ren einem Präger, 1 
mau tjabe Hamburg oerlaffen müffen, „roeil bas aufgebrachte 
publifum Sdjröber mit öffentlicher Sefdnmpfung brodle." 2 Danach 
erfcheint uns benn aud) bte Scfflufjapojhroprje ber Sufefchen Hebe 
an bas Publifum in einem etroas anberen £td?te. Den hinter« 
bitebenen mußte angeftdjts biefer Simmung alles barauf anfommen, 
fchon jefet ein flares Pertrauensootum 3U erhalten; ber Schatten 
(Erjarlottens burfte ntcfjt 3n?ifdjen fte unb bas Publifum treten. 

tag benn aber irgenb ein <5runb 3U einer berarttgen 23e* 

1 £. Sdjmibt, Denfronrbigfetten, rjerausg. r». £j. Utjbe I. S. 257. 

* Weyer in feinem Übereifer, aua? nidft ben leifeften IHafel anf bem 
23ilbe bes geliebten ^rennbes 30 bulben, fagt über bie Stimmung fein 
IDort, unb beruft ftdj gegenüber (nur angebeuteten) „tJerleumbungen, roelaje 
Bosheit ftcb, erlaubte", auf 23rocfmann, ber am 6. OTai Acfermanns gefünbigt 
gehabt unb aus freien Stücfen am u« iHai feine Abfage roiberrufen habe, 
roeil er bie ^amilie burd? fein Dableiben tröfien rooHte. „<Er roürbe fte 
biefer Cröfiung unwert geachtet Reiben, wenn er ben Derlufi nid)t für 
unrerfdmlbet gehalten hätte." Dag urir Deutfd)e dolus unb culpa gleicher- 
tpeife mit „Sd)ulb" überfetjen, rotrb bei biefer Seroeisffihrung gefliffentlicb, 
ignoriert. 



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J70 Charlotte 2Irfermann: <5er1ia)te über bie <£obesurfaa>e. 



fdmlbigung cor? 2tllcrbings. Unb 3 war merjr (ßrunb, felbft: als 
bas publifum anfangs afmte. 

„Den plöfclid)en (Eob biefer jungen Sdjaufpielerin fdjreibt 
man einem <5lafe falten J£>affers $u, bas fte, r>om tLan^e errjifct, 
am JTlontag (8. DTai), ausgetrunfen f?at unb barauf mit ent- 
blößter 23rujr an ein offenes 5enjter getreten iji. <2s fann aud) fein, 
bajj fte, wie von einigen ersäht wirb, auf bem tEljeater einige 
Derbriefjlidjfeiteu gehabt Ijat, bie von bem Stanoe Oer Sdfaufpieler 
faft un3ertrennlid] fino. 3^? Iciffc lefctere barjingefiellt feyn, inbeffen 
will ber Cob, wie es im Sprid>wort fyeifjt, „eine Urfadjc traben"." 

T)ie rjämifd^e i3osfjcit eines 2tlbrecr?t IDittenberg 1 war es, 
weldje wenige (Lage nad} bem tEobe bie von ZTTunb 3U IHunb 
geljenben (ßerücrjte fo in Sdjrift nnb Drucf feftlegte. €r ix>ar es aud?, 
ber 3uerft öffentlid? von „gewiffen öeforgniffen" fprad?, 2 bie bie 
2tcfermanns r>eranla§t Ratten, fjamburg Knall unb 5aü 311 oerlaffen. 

2lber biesmal, wie gefagt, log er ausnaljmsweife nid?t. Die 
i£r3ä^Iungen ber beiben Überlebenben (ßefdjwifter über bie Porgänge 
am oerljängnisoollen 2lbeno unb am folgenben (Eage, weiden 3war 
in «Eitelkeiten r»oneinanber ab, (was, wenn man bebentt, ba§, als fie 
3um Heben oeranlafjt würben, merjr als breifcig 3a*?r« feit ber Kata= 
ftropfye oerfloffen waren, Fein IDunber ijt,) in ber £jauptfad?e aber 
ftimmen fte genau, unb baraus ergiebt ftd) un3weifelrjaft, 3 baß 
Sdjröber von einer gewiffen Sdmlb nidjt gan3 frei3ufpred]eu ijl; aber 



1 3m erften vom \o. IHai batierten Sriefe bes oben S. [67 2Inm.; 
erwähnten „Briefroedjfels". 

* 2ld)ter 23rtef vom \ 6. Xtlai. 

3 $. i. Sdjmibt f^at in feinen 2)enfn>ürbigfeiten (I. S. 22^—226 nnb 
253—257) mitgeteilt, roas tljm im 3ar?re J8ü8 auf befragen Sa^röber 
unb Dorottjeo e^äljlt Reiben. Die obige Darfiellung ber Vorgänge beruht 
auf einer Kombination biefer beiben Beriete ber einigen 
bamals nodj lebenben 2lugen3eugen unb Fommt ber n?ab,rr{eit baburdj, 
glaube taj. am nädjften. Dorotheas Seridjt ift rtel rebfeliger, an <2in3el- 
3Ügcn, bie aber bas (Sepräge ber (Edjtfyeit tragen, reicher. 3^ r ^ am oas 
3nterr>ietD offenbar gan3 gelegen, roäfyrenb Sdjrober aus feinem Unbehagen 
fein fjefyl mad?tc unb ftd), nidjt otme geidjen tiefer Semegung, auf bas 
2tllernotn>enbigfte befd)ränfte. 



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Sdjröbers unb Dorotheas Darficüung ber legten Dorgänge. ^ 7 1 



auch bie Zttixttet hatte Urfache,ftch nachträglich Porwürfe 311 machen, oiel- 
leicht auch Dorothea. Die jäh aufflacfernbe «^ornmütigfett ber Familie, 
bie im ^lugenblicf alles 2Hag überfchreitet, Ijatte ihr ©pfer gefordert. 

Schon am 5. TXlai hatte es wegen bes Koftüms im 23öttd?erbatlet 
3wifchen Bruber unb Schwerer einen erregten U)ortwechfel gegeben. 
„3d? machte ihr heftige Vorwürfe", er3ählt er fclbft. „IPie foü* id) 
mich beim fleiben?" fragte fte. „Itach ber Porfdjrift", gab ich 3iir 
Antwort." 21 m 8. 2Tiat warb bas Ballet wieberholt, unb Charlotte 
erfdnen wieber in einem feiner 2TIeinung nach unpaffenben Koftüm, 
jebcnfaHs gegen bie „Porfdjrift". IPä^renb bes fLan^es murmelt er 
ihr burch bie ^äfme 3U: „IDas ifi bas? Dich foll bas tDetter 
holen!" Unmittelbar von ber 53enc ftürmt er in ben (ßarten bes 
©pernhofes, wo feine ZTTutter mit Dorothea unb bem alten 5reunbe 
bes Kaufes, bem englifdjen Hefibenten 2T?athias, plaubernb faß. 
Kodjenb r>or ^orn ersäfjlt er bie 3ntpertinen3 unb brofyt : „3<h gefje 
ab." 3"3 tt) ifd?en tfi Charlotte, furchtbar erregt burch bie öffent- 
liche ^urücfweifung, unb genötigt, aus bem Stegreif auch bie Solls 
ihres Brubers 31t tan3en, feuchenb »on ber Bühne abgetreten, bßt 
in ihrer (ßarberobe bie 5enfter aufgeriffen unb fjaftig ein (Sias 
IDaffer hinuntergeftiu*3t. 3« mütterliche £Dof>uung surücFgefehrt, 
bietet fte guten 2lbenb. ZTlan oantt ihr nicht. Unb als fte nach 
ber Urfache fragt, erwibert bie burch bie Ssene mit bem Sohne 
aufs hödtfe erbitterte 5rau : „(Seh, laß mich in Huh, 3hr 
5urien meines £ebens!" Saffungslos fragt Charlotte: „2luch Sie, 
ttlutter, auch Sie?" Das war bas lefcte lüort, bas man pon 
ihr bei Bewußtfein vernommen h at - IDeinenb gebt fie in ihr 
Limmer, ohne etwas 3U genießen. Später ftefy man fie im (ßarten 
bitterlich fdjluchjenb umhergehen, fnieen unb beten. 2lber weber 
2Tiutter noch Schwefter haben ein IDort ber Beruhigung unb bes 
Croftes für bie tief (Erregte. 2lm anberen borgen tft fie unfähig, 
auf3uftehen. ZHan mochte es anfangs für üerfteHung ober £aune 
halten. Doch läßt man fie gewähren. 2lls aber gegen ZTTittag 
noch einmal nach ih* gefel^n wirb, ©erraten auf ben erften Blicf bie 
furchtbar entftellten ^üge fdjweres förperliches Ceiben. Zlim werben 
2k3te gerufen. Der erfte, ber 3iir Stelle ift, erfennt ben €rnji ber 



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\ 72 <£f?arloite Acfermann : Vermutungen über b. unmittelbare (Cobesurfacbe. 

Cage unb roenbet bie energifchtfen XXlittel an. Der in3tt>tfchen 
herbeigeholte ^ausarst unb noch ein dritter, ber SubphYlifas 
Dr. <£ropp, geben gleich alle Hoffnung verloren. Bis um bie 
erjie Stunbe bes folgenben (Eages bauert noch ber Cobesfampf, 
bann erfi ifi fte von ihren Qualen erlöfi. 

Das ifi bas äußere Bilb ber egreigniffe, roie es bie nächften 
Angehörigen fejtgehalten ^aben, unb beffen roefentlich* £üge ja 
auch in ben gleich nach bem (Tobe umgehenben (Serüdften nach= 
3uroeifen ftnb. 

Aber u>ar benn eine verhältnismäßig fo geringfügige Ur* 
fad?*, n?ie ein 5treit 3n?ifdjen trüber unb Schwerer, ein Scheltroort 
ber ZTTutter — beibes wahrhaftig nicht feltene Porfommniffe 
im %mfe im ©pemhof — roirflich eine fynxeidienbe cgrflärung 
für ben plöfelichen (Eob? Die Acfermanns felbjt empfanben bie 
Berechtigung biefes ^roeifels unb führten 3ur €rflärung an, einen 
Sturs com pferbe, 1 roenige IDochen vorher, bei bem fich 
Charlotte vielleicht bereits eine innere Perlefeung suge3ogen f^abe, 
bie nachmals ihren (Eob tytbeigefütitt ober boch befchleunigt habe. 

Das publifum aber tvoKte an biefen ^ufammenhang nicht 
recht glauben. Ztlan munfelte von Selbfhnorb. 3h r verstveifeltes 



1 Had? Weyer, beffen Bericht über biefe (Ereigniffe ftd) allerbings burd? 
eine große Un3noerläfftgfeit unter gleichseitiger etmas oerbäcfytiger unabläffiger 
Beteuerung, er beriete nur bie &>ab,rr/eit — bie (Erbitterung bes Hamburger 
publifums roirb totgefd?n>iegen ! — aus3eiajnet, oerlegt biefen Unfall auf ben 
\ 2. m&ty, Charlotte habe bei einer ianbpaviie in ber Hä^e oon Schleswig, 
mä^renbber Bruber am Spieltifd)e faß, ein anfa>einenb 3a!nnes pferb beftiegen. 
Das Clfier fei mit ib.r burdjgegangen auf ein oberhalb gefcfyloffenes Sajeuntbor 
3u; fte fei aber noch, oor bem Anprall oom pferbe gefrürjt unb b,abe lange „wie 
3erfa?mettert" gelegen. „Sdjröber merPte Unruhe an feinen Begleiterinnen, 
marb gebrängt, 3ur Stabt 3urütf3ufeb.ren, erfuhr aber bie Urfadje in ben 
erften Sagen nidjt. Als er fte erfuhr, burfte er ftd) nichts bavon merfen 
laffen, um bie <£mpfinblid}feit ber Kranfen nid}t 3U oermefjren, toeld)er 
fogar bie leife (Öffnung ib,res 5cr/laf3immers Sctyme^en oerurfadfte. Sie 
mußte in Sdjlesmig febr gefd>ont toerben." Ab,nliaj e^äfilte Sdjröber ben 
Porgang an 5cb.mibt, ber suerft im Almanad? fürs (Eb,eater *8io, S. 55 f. 
bavon berichtete. Was IHeyer babei oon 5d>röbers Abneigung gegen bas 
Keiten feiner Sdjtoeftern e^ältlr, iji jebenfalls ftarf übertrieben. Dgl. 
„Sdjröber unb <5otter" S. 68 u. 7[ (Anm. 2*). 



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I 

Qarlotte Zlcf ermann: Selbftmorb? 



J73 



(ßebafyren am 21benb, iljr Beten im (Ratten, ber tPertfyer, ber, 
aufgefdjlagen, auf einem Seitentifd?djen in irjrer Kammer lag, 1 
waven allerdings in Perbinbung mit bem fo überrafd}enb ein- 
tretenden <£nbe motil geeignet, ben E>erbaä?t in biefer Hiduung su 
bewarfen. Was fjätte man nun gar gefagt, roenn man gemußt hätte, 
ba§ ein 5läfdjdjen mit (Dpium, bas ifyr einige (tage oorber gegen 
5afynfctmter3 perorbnet roar, geteert im Senfter fteljenb, gefunben 
n?urbe? 

Tibet wenn man fo bem (Eobe eine Urfad?e gefunben su 
haben glaubte, fehlte bocb. immer nodj ein fyinreidjenber (ßrunb 
3ur getoaltfamen tC^at. Kein IPuuber, bag bie Heugier unb 
Sfanbalfudjt nun immer »eiter 3U fpüren begann. 3«de§ fo Diele 
Sdra?eifjrmnbe aud? auf bie ^äbrte losgelaffen u>urben, nidft einem 
glücfte es, etroas (greifbares, Über3eugenbes auf3uflobern. 

Da erfdnenen balb nadj Ctjarlottens (Eobe, im 2lugujt unb 
im ©ftober, 3»ei 3rofdfüren, bie ftdj ben 2lnfdiein gaben, als 
formten fte ben Soleier lüften. 

Die erfle, 8 enthaltene „Sriefe ber (Efjarlotte an Sophien, 
ber Sophie an (Charlotten unb bes Sarons 5** an 

1 „man e^äbjt", berichtet ber (Bottf. (Etjeaterfalenber \776, S. 95, 
„ba§ 31D0 Stellen barin ge3etdmet geroefen mären; unter anbein folgenbe: 
„Wei%<SoHl xd) lege midj fo oft 311 Bette, mit bemiPunfaje, ja mana?mal 
mit ber Hoffnung, nidjt mieber 3» en»aa?en: unb morgens fdjlage ia? bie 
2lugen auf, fetje bie Sonne mteber unb bin elenb." 

* Die legtem (Eage ber jungem Demoifelle Kl. ITT. <£fj. 21***. 21us 
auttjentifd)en Quellen 3um Drucf beförbert oon K** Hamburg bey 3ud>en* 
rober unb Sitter J775. t>orbertd)t VIII SS. (unter3.: Hamburg ben 
7. 21uguft [775 Budjenröber unb Hitter) u. \\2 SS. Da3U rnarb nad)- 
trägltd) ein fcfyledjtes Portrait, oon IDeljrs gejeidmet unb von ^rttfa^ ge» 
ftodjen, 3ugegeben, mit ber Unterfdjrift : „magbalenemarte Charlotte 21der* 
mann, geboren J757 ben 23. 21ng., gefi. ben \o. IHay 1775." — €s gtebt audj 
einen Zla&)brud, bei bem ber Harne 21rfermann auf bem (Eitel ausgebrurft 
ift, ber gufafc „oon K**" unb bas Portrait fehlen. Statt ber Derlegerfirma : 
„3U befommen in ben fyieftgen gettungsbuben". Die Dorrebe tfi (gan3 
ftnnlos) oom „Herausgeber" unte^eidmet. mit Dorrebe 6* Seiten. — 
Dagegen beruht bie Had>rid)t bes <Sotfiaifd?en (Et^eaterPalenbers (776, bas 
maa>n>erf fei noa> einmal unter bemmobetitel „£eiben unb freuben 



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Sie „Intern (Eage ber jüngent Qüe. in. 2TT. <£f}. 21.*** " 

[einen 5reunb", bie streite, 1 enthaltenb bie „Briefe ber 
Sophie an Charlotte unb bes ZTIajors (E** an ben 
Baron 5**", bas (ßanse eine romanhafte Darfteilung einer 
romanhaften Ciebesgefduchte im Stil bes IPerther, bie bie leiben- 
fchaftliche £iebe (Ebarlottens 3U bem Baron r>on S** 3um (Begen* 
ftanb bat Baron oon S** roiü* fchließlich Charlotten bewegen 
mit i^m 3U fliehen; unb ba fte bies ablehnt, fudjt er, um fte 
feinen ZPünfchen gefügiger 3U machen, fte 3ur <2iferfucht 3U reisen; 
jte jebod? nimmt bas Spiel für €rnft, unb in bem Slugenblicf, wo 
jener ftdj rüftet, fte mit (Semalt su entführen, erliegt ihr burdf 
heftige (5emütsaufregungen entfräf teter Körper." 

<£s tr>arb ben Angehörigen unb ben 5reunben bes Kaufes 
nicht fchwer, bas <Batt3e als eine bobenlos freche unb fchamloje 
iälfchung, als eine Buchhänblerfpefulation fchlimmfier Sorte 3U 
erroeifen. 3^er, ber nur fyalbweqs bie äußeren Porgänge bes 
legten Chcaterjahres im (Sebächtnis fyatte, unb ber 3. B. auf ber 
3tx>citen Seite in <£harlottens angeblichem Brief com 2. 3<* nuac 
{775 las: „XPir fyaber\ tyute ben c£laoigo gefpielet", ober im 
oierten Briefe 00m J3. 3<*" u <tt: „Claoigo ift trieber aufgeführt 
roorben", wußte oon oornherein, ba§ bies Charlotte nie gefchrieben 
haben Fonnte. Denn im 2<muav J775 rourbe c£Iaoigo auf ber 
2lcFermannfche" Bühne überhaupt nicht gegeben! 

21üerbings begegnete biefem €inu>anbe ber „Herausgeber", als 
ber fich fpäter ein gerpiffer Hathlef entpuppte in ber Porrebe sur 
Streiten Brofchüre. fjier, u?o er ftch nicht nur als einen 5**unb ber 

ber jiingern Demotfeüe Jlcfermann" an ben ZHann gebracht tporben, rooljl 
auf 3 rrtum - £?ad? ber Porrebe ber Perleger roar bie Sdjrift allerbings 
unter biefem (Eitel angefäubtgt roorben. Da aber „ein getptffer 
Heceufent" fdjon vor bem (Erfdjeinen biefen (Eitel „fet^r luftig angriff", 
„ljaben unr ben XHobetttel fahren laffen unb ben eigentlia>en (Eitel bafür 
geißlet." 

1 Beytrag 3U ben Centern (Eagen ber jungem DemoifeHe ITC. IH. €lj. 
X*** Hamburg bey Budjeuröbcr unb Hilter. t775. XVI. (I— XII. 2In bie 
£efer unters.: „ber Herausgeber". XIII— XVI ZTad)ridft ber Perleger. 
Unters«: fjambnrg ben 6ten (Dctober (775. Budjenröber unb Hitter.) u. 
91 SS. m. e. Kupfer. Uber beibe t>gl. llfjbe, ^lugfa>riften Ho. 27 u. 28. 



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„Beitrag 311 ben letjtern (Eagen k." 



Slcfermannfdien Familie auffpielte unb behauptete, bie Peröffent« 
Hebung mit unternommen 3U haben, „einige elenbe Schartefen ba* 
burdj 3U unterbrächen, meldje toirflich bereits aus §a% gegen eine 
Familie gefdjmiebet tmtrben, oie fdjon öfter ohne Urfache in 
öffentlichen Blättern angegriffen roorben", hielt er an Oer €ct}%tt 
oes <5an3en feft unb rooElte bies mit bem »örtlichen Abbrucfe 
Stoeier ©riginalbriefe, mit ber richtigen Datierung nadm>eifen. 

Das gelang ilmt aüerbings auch biesmal nicht, unb burd) bie 
ben 5abriff!empel an ber Stirn tragenbe 5ortfefcung brachte er 
ftch ooüenbs um ben Krebit eines Cannes, bem es um bie <£tye 
unb ben Rieben bes 2(cfermannfchen f)au|es 31t ttmn fei. 

21ber auf ber anberen Seite trugen bie beiben richtig batierten 
unb jefct in ber urfprünglichen 5orm, b. h« in fran3Öftfcher Sprad^e 
oeröffentlidjten Briefe ebenfo un3t»eifelhaft ben Stempel ber (Echtheit. 

Durchmuftert man baraufhin noch einmal bie gan3e Sammlung, 
fo fommt man 3U bem überrafchenben «Ergebnis, ba§ ber heraus« 
geber toirflich einige wenige echte Briefe 1 (Eharlottens auf irgenb 
eine XDeife in bie ^änbe befommen höben mu§, unb bafj er aus 
ben 2lnbeutungen, bie fte enthielten, fid? feinen Homan 2 famt ben 
übrigen Briefen 3iirechtgeIogen hat. 2>as Kennseichen biefer 
echten Briefe ift es aber, ba§ in ihnen nie oon jenem mYfieriöfen 
S. bie Hebe ift, roohl aber oon fchretenben Diffonan3cn inner« 
halb bes ^cFermannfchen 5amilienf reifes, unter benen Charlotte 
fchwer 3U leiben hat, unb bie, rote es fcheint, aus bem Perbrufc 
ber Angehörigen über <£har!ottens Benehmen ftch beschreiben. 
Die leibenfehaftliche €raltation, oon ber nachmals ihre freunbe 



1 2Iuffallenb ifl 3. B. bie Ztadjfd?rift 311 bem Briefe vom „30. m&v$": 
„3d? t? a be einen (fall mit bem Pferbe getrau unb einige (Eage bas Limmer 
hüten muffen. (Eine Kontufion am Kopfe mürbe mtd) für bie folgen be* 
forgt madjen, wenn mir bas £eben weniger entbebrlid) n>äre." 3 n ferner 
ber gleichzeitigen (Erörterungen über <£barlottens lob wirb biefer Stur3 
cru>ärmt. 

a <Er bilbet bie (Srunblage für 0tto OTüllers J85<$ erftf/ienenen Vornan 
„Charlotte Jlrfermann", ber übrigens roeber als §eitbilb noch, als Kunft- 
roerf bas 3utereffe oerbient, bas ihm f. §. 311 teil marb. 



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^ 76 Ctfarlottc 2lcf ermann: Die letjten (Srünbc ber Katafiroptje. 

fooiel 3U jpredjen mußten, unb beten Slbmefenfyeit in ben Briefen 
an ifcife uns fo morjltlfuenb berührte, fommt rjter 5U ergreifenbem 
2(usbrucF. 

„Helas Sophie", Reifet es in Dem 3roeiten ber ermähnten, 
„Schleswig le 12 Dec. 1774" Datierten Briefe, „je suis ici, 
mais avec tous les tourments et toute la souffrance de mon 
coeur, qui est plus dechire que jamais, parceque j'ai perdu 
l'amour et la tendresse de ma mere, qui n'est plus la meme. 
Sa froideur est extreme et je ne puis plus le soufirir. Que 
pensez vous de mon etat? Ne suis-je pas bien ä plaindre? Je 
fais tout ce qu'on exige de moi et Ton n'est pas encore content 
de moi. Je m'arracherois le coeur et je le donnerais ä ma mere. 
On ne me laisse pas un moment toute seule. II y a toujours 
beaueoup de monde chez moi, m£me dans le temps que je vous 
ecris 44 u. f. m. 

Der £efer mag nidjt beforgen, baß er fyer mit einer, nach, 
ben <5runofäfcen leerer Kritif angebellten, pemlidjen Unterfudjung 
über bie edflen unb unedjten Cfjarlottenbriefe behelligt »erben fofl. 
3d? miberfterje ber Derjudmng, eine „<£barlottenforfdmng" ins 
Dafein $u rufen. IDorjl aber meinte id? biefen fjinmeis auf ben 
3tt>eifeIlos edjten, fieinen Kern jener r>on ber 5amilie als 5älfdjung 
gebranbmarften Brofdjüre nidjt unterbrüefen 3U bürfen, meil er uns 
ben Sdjlüffel giebt für bie „lefcten tEage" (Erjarlotte 2lcFermanns. 

3ener Konflift am 8. TXlai, ber unmittelbar bie Deranlaffung 
irjrer töblia^en (Erfranfung mürbe, mar nur ber lefcte (Tropfen, ber 
ben Bedjer bes teibes 3um Überlaufen bradfte. IDas Charlotten 
innerhalb bes Kreifes irjrer 2IngeE|örigen ifolierte, mas jene gegen 
fte aufbraßte, ob es eine un^eilooDe tfeigung mar, miffen mir 
nidjt unb merben es morjl audf nie erfahren. 2lber mer bie 
ftrenge unb Ijarte^ucrjt bes SlcfermannfaVn Kaufes fennt, ben fd?roffen 
rjerriferjen (Eon, bie graufamc (Einbringltdjfeit in ber IParjl ber 
IDorte, menn jte miteinanber rjaberten, ber mirb bie Kataftropbe, 
bie am 8. 2Tlai alle überrafdjte, meniger jäfj unb unerflärlidj finben. 

0b fte mit eigener l}anb freimillig einem leben ein <£nbe 
madjte, bas ifjr 3ur unerträglidjen £aft gemorben mar, mirb 



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£barlotte Jlrfermann: Denfmal 



\77 



ebenfalls ein Bätfei bleiben. 2>afc fie in ben le^en tftonaten 
„eine geroiffe Abneigung gegen bas leben blicfen ließ, aus ber 
fte gar fein (Beljeimntfj mad?te", roirb felbft in einem, aus bem 
Zlcfermannfcrjen Kreife infpirierten, Hefrolog 3ugeftanben. 1 2Tlit 
ber Ztlöqliditeit einer Vergiftung rechnete aud] einer ber Ür3te, 2 
ofme Selbfhnorb behaupten 3U roollen. €ine Seftion \dieint 
merfroürbigerroeife nietet gemacht roorben 3U fein. 

3nt erßen 2lnfturm ber Crauer planten ifjre 5reunbe, ifjr ein 
Denfmal 3U fefeen; bas Unternehmen, 3U bem anfangs bie (Selber 
reidjlidf floffen, fam aber balb ins Stocfen; es rourben Stimmen 
laut, bas fei für eine Komöbiantin bodj 3U Diel <ßtjre. 2llbredjt 
Wittenberg tfcat bas Seinige, biefe <Begnerfd?aft 3U ©erftärfen. 
Unb fo blieb, ba aud? bie (Dbrigfeit allerlei Sct?»ierigfeiten 
madne, 8 ber plan unausgeführt. 4 

21ber aud? orme €r3 unb ZTtarmor lebt (Efjarlotte 2(dermann 
in ber «Erinnerung fort, als eine ber reidjftbegabten unb reinften 



1 (Sotljaer (E^eaterfalenber \776. S. 95. 

* Dr. Cropp, ber nadj Reifes (H^ä^Inng biefem aud) Mitteilung von 
bem leer aufgefunbenen <Dpiumfläfd)d)en mad>te. £. Sd)mibt, Denf- 
mürbigfeiten I. 5. 25 1 . 

8 2llbred)t tPtttenberg fprid)t a. a. (D., im Briefe 00m 22. IRai, von 
einem feitens ber Beljörbe an bie gehangen ergangenen IPeifung, „bie 
Demoifeüe 2Icfermann nid)t meiter in iljren Blättern 3a ermähnen". Daß 
aud) bie ortqobore <Seiftlid)feit an bem mit ber Komöbiantin getriebenen 
Kultus 2lnflo§ nal?m, bemeifi ber Oorfall mit bem Kanbibaten r)eufinger, 
ber am Sonntag,, ben u. JTTai, bei Derlefung ber tiblid)en „Danffagung" 
aon ber Kanjel ftd) alfo oerneljmen Iie§ : Wo$n bie SJ^eige aon bem (Tobe 
biefer großen ^reunbin ber IPelt? ID03U? IHödjte fie uns 3ur liebe 3efu 
bod) anfeuern. Sie mar eine ^rennbin ber U?elt unb Ifatte ben Beyfall 
ber tt>elt; unb was fonnen mir hoffen? — Der öefefjl 3efu mill, bajj mir 
bas Sefte hoffen, besmegen u>ünfd)en mir, ba§ fie möge ein fjodtfeitlid) 
Kleib angaben unb bereinft mit ber Seele Dereiniget an ben tfreuben oes 
Rimmels teilnerrnien." 3*1™ n>arb barauf in einem „Sd)reiben an ben 
Jjerrn . . r in Hamburg" überfdjriebenen, „Hamburg ben 16.11% (775 oon 
einem tfreunbe ber rOatyrrfeit" unter3eid)neten Flugblatt (Uffbe Zlo. 29) 
fräftig rjetmgeleud)tet. 

4 Über eine eigentümlid)e 2lrt fie 3U uereroigen, ogl. S. 237. 

f tfemann, Sdjrööet II. \2 



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\7S 



Hcpertoirfdjroicrigf exten . 



priefterinnen ber Kunfi, bie mehr als irgend eine anbere gegen 
bic, mefche ihr bienen, graufam ijl. 

„€in langes £ebens3iel", urteilte nachmals Schröber, 
„hätte jie ohnehin nicht erreicht, fie mar 3U neroös, 311 rei3bar." 
lüieotel er, mieoiel bie Kunjl an ifjr oerlor, foflte er nur $u balb 
fcr»mer3lid? empfinden, um fo fchmer3licher, ba er jtch jagen mußte, 
baß größere HücFficht auf einen 3arten Organismus unb ein gutes 
IPort 3ur rechten ^eit, liefen unehlichen Perlufi, roenn nicht 
gans abroenben, fo boch ^inausfdjieben Fonnte. 

3. 3m 5eiä>n Sljaktfptatts. 1775—1780. 

21m \0. 3uli mürben bie PorftcHungen in Hamburg mieber 
aufgenommen. <£s mar ein fdjmerer Anfang. <£f}ar!otte tiefer« 
mann fehlte überall, all bie Dramen, in benen fie geglast hätte, 
unb bie nicht nur bem Hepertoir frifdjes £eben eingeflößt, fonbern 
auch ber Kaffe bie größten €innafjmen gebracht Ratten, Fonnten 
in abfe^barer £eit nicht gegeben »erben. Den IPettfampf mit 
ber «Erinnerung an Charlotte fcheute 3ebe. €rft gan3 allmählich 
magte Schröber, in bas oermaifte 5ach jeine 5rau eintreten 3U 
Iaffen; aber 3unäcf?fl burfte bas nur in Flehten anfpruchslofen 
Hollen gefd?efjen. Hutlanb unb €milia erfdnenen erfi €nbe \77? 
unb Anfang 1(778 auf ber Hamburger 23ülme. Die ZUarie im 
<£lar>igo unb bie ©lioia übernahm, aber auch erft ein 3 a h r na< h 
C^arlottens Cobe, Dorothea 2lcfermann. 

21Tan muß bie E?öd?jlt beben fliege tage, in bie, bas mit allen 
Segeln »ormärtsftrebenbe Schiff ber DireFtion ^ierburch geriet, 
ftd] oergegenmärtigen, um ben, im <5egenfafe 3U ben Porjatjren, 
etmas farblofen <£haraFter bes Hepertoirs richtig 3U beurteilen. 
Denn burd? <£B?arlottens Derlufl mar ntctjt nur ber beffere 
Ceil bes bereits eingeführten Hepertoirs lahm gelegt, fonbern 
auch in ber Slusmahl ber Hooitäten boppelte Dorficht geboten. 
Stücfe, bie mit Charlotte in einer ber £}auptrofi*en unbebingten 
Erfolges ficfjer gemefen mären, fdnenen auf einmal ber eigent» 
liehen SchmungFraft beraubt. 

Diefe Hotlage mar es mohl, bie Schröbcr oeranlaßte, 3um 



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Sdjröber als fjarpagon. 



erften ZKale mit feiner ganzen fdjaufpielerifchen Kraft t>or ben 
Hiß 3U treten unb in einer großen fomifchen <£^arafterrofle, in 
ber ^efermann einft Criumphe gefeiert fyatte, bas gan3e Htfifo 
bes 2lbenbs auf feine Schultern 3U nehmen. 

21m 28. 2lugufl gab er sunt erfien 2TIaIe ben ^arpagon 
in ZHolieres (Beisigen, nicht leichten £}er3ens, oenn öas Porbilb 
feines Stiefvaters in biefer Holle, bas Dielen Cfieaterbefudjem 
noch in lebhafter Erinnerung war, beorüefte irm. 

IDenn man fidj ber Betrachtungen entfinnt, öie \ 77 \ bas C^ea» 
tralifche IDodjenblatt über bie Ct^araftere in ber Komöbie unb 
fpe3ieü bei 2TüoIi£re angeheilt tjatte, wirb man fdjon oermuten 
tonnen, wie unter bem (Einfluß biefer 2lnfchauungen Schröber feine 
Holle gemattete, ^^r fjarpagon ift ja oon jeher bis auf ben 
heutigen Cag bas oogelfreie ©pfer ber Künfie unb 2TJäfcd}en 
bes Dirtuofentums gewefen. Die fcfyaufpielerifche (Erabition 3»eicr 
3aljrf>unberte 1 h<*t biefe mit braftifchen, fyart an bie Karrifatur 
fireifenben, ^ügen ohnehin fo reich r»om Dichter ausgerottete 
5igur in eine folche biefe Schale r»on i?answurflfpäßen in* 
fruftiert, baß ber (Efyeaterbefudjcr b en <8et3igen, ben HToltere 
gefdjaffen, nie mehr 3U fetjen befommt. Tludi Schröbers fjarpagon 
hielt, nach ben «Stählungen ber 21ugen3eugen, einen großen Ceil 
biefer trabitionellen Späßcben feft, auch füllte fich ein Dütdjen 
mit Cabaf aus ber Dofe bes anberen, auch cr fah 1 ö * r Dame 
Srofme bie Stecfnabel r»om ärmel weg, auch er blies (wie 
heute noch poffart!) bas eine Sicht am (Cifche bes ZTotarius aus; 
unb als ein befonberer gug warb oon ihm aufbewahrt, wie er 
in unmutige (ßebanfen oerfunfen ftfet unb plöfclich beim <£rblicfen 
einer Habel auf ben Soben sufährt. 2Jber trofc biefer burlesfen 
2luswüchfe legte er bie Holle mehr als tragifche, benn als 
fomifche an; er erfchien* als ein öemitleibenswerter, oon un« 

1 Unfer oortrefflidjer neuefler IHoIiere-Uberfetjer, £ubtr>ig <fulba, ti\ut 
Dmgelftebtunrea}t,u>enn er iljn allein für biefe ZnäödjenoeranttDortlidj madjt. 

* fyer unb im folgenden tjalte idj mia? an bie oortrefflidje Jlnalyfe, 
bie 3- Sdf'int tfriebr. £nbn>. Sdjröbers CfjaraftertfKf als Bühnen- 
fityrer, mimifdjer Künfiler, bramatifajer Dieter unb menfa?) in ben „geh- 



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\S0 



Sdjröbers f?arpagou. 



fyeimlicfyer Kranfb,ett Befallener, der in feiner perfonlicb,en £r* 
bärmlidffeit allerdings läd?erlid}e HTomente f?at und durd? feine 
Umgebung, durdj Creigniffe in lädjerliäV tagen gerät, dem es 
aber mit diefer niedrigflen und crbärmlidjflen fögenfdfaft tot«ernß 
ifi, und der deshalb viel meljr erfdjütternd als erweiternd wirft. 

„Dürr, fleifdjarm, fpärlid} weißes fjaar auf dem IjalbfabJen 
„Sdjeuel; ein ausgefaftetes, abfafieites <Beftd?t; ein abgemagertes 
«fpife b^roorfpringenbes Kinn. 2>er ^als dünn und fnödjem, mit 
„einer formalen meinen Binde bedeeft; 3)er übrige (teil des Körpers 
„ein nur mit fjaut befleidetes Sf eiert . . . <£in fnapper, abgetragener, 
„woHfabter, fd}war3er Hocf, überall wie $u eng und $u fur$, be. 
„fonders über den Firmen; lange, den 5ü£en einer <5artenfpinne 
„cUjnlidje Ringer fpringen an den fafi entfleifdjten fänden fyeroor; 
„ feb, waerje Beine tragen den (Quaftrumpf ; die gan3e (ßeftalt f läglicr» 
„ jerf allen, die gan$e pfiYjiognomie das Bild der KnicFerei, der 
„Selbjtmarter, der Dtebesfurdtt. XDas für 2lrgusblicfe gleidj bei 
„feinem erften 1 Auftreten, weld?e 21ngft in allen feinen ZHienen, 
„da§ man den Befifc feines Sdjafces almel ZDelaY ein tödtlidjes 
„ «Erfahrneren, als er, oor lauter 5urd}t oerraten $u werden, ftij 
„felbji oerrät. (I. 5.) IPie {prüfend 2lerger und (ßrimm in feinen 
„(Beberden, als er ftd? <5ei3Ms, Knaufer und 5Ü5 nennen Wort (I. 5), 
„wie fdmeidend, freifdjend da der (Eon feiner Stimme. Und weld? 
„ein 3ammer» und 2lngftmenfdj, wenn er über feinen ZHammon 
„ftd? mit fid? felbft beratend, überfallen wird, ftd? belaufet glaubt! 
„Wie oor der €rfdjeinung eines (Beiftes fä^rt er sufammen, wie 
„einem (Engbrüftigeu oerfagt ibm der 0dem. Ztlit watjren £ud?s» 
„äugen ftarrte er den Um fo Überfaflenden an, als wollte er aus 
„feinen ITCienen Werausbudffiabieren, weld? unglücflid^es, ifmt ent- 
„fallenes U?ort er aufgefdmappt b,abe? Sicrj reid?, einen ZHann 



genoffen" öb. III. £eip3ig (8^8. S. 68 ff . von Sdjröbers ^arpagon gegeben 
tjat. Die oben enpÄtmten burlcsfen ^üge berietet Böttiger in ber Httneroa, 
(Eafd)enbua> f. b. 3atjr \s\s. S. 306 f. 

1 rjiernaa? fd)eint es, als ob ber S3ene mit £a $ l£d?e (I. 3) ber erften 
in roeldjer im Original tjarpagon auftritt, ein IHonolog ober frommes 
Spiel bes rjarpagon oorangegangen fei. 



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Schwobers fjarpagon. 



„oon Vermögen nennen Ijören, 1 welch ein Donnerfcbfog für feine 
„<Dl)ren! Sein ganzes IDefen fühlt jich erfebüttert, feine bleiche 
„Caroe überfliegt ein glühenbes Hot, feine ZTIusfeln beben, in 
„fprubelnben Conen ergießt ftd? feine in IDut oerwanbelte 2lngfh 
„So wechfeln 21ngfi unb ^om, Ätotf unb 5*eube unaufhörlich in 
„feiner gerei5ten Seele; fo fteigt fein peinlichfeitsgefühl von Zttoment 
„3u ZHoment, jeber £aut, bas leifefle <5eräufch fefcen ihn in fieberhafte 
„Schauer, unb, wie t>on tEobesfdjrecfen gejagt, flür3t er ab, nach 
„bem verborgenen <&elbfaßen 5U fehen (I. 7), langfam Altern fchöpfenb, 
„wenn er, ihn in Sicherheit wiffenb, 3urücffehrt. (I. 9.) 

„Diefer 3ömmer» unb ZlTartermenfch nun in feinem Limmer 
„oerfchloffen,* in Ciebesunterhalrung mit feiner Schatulle, u>e!ch ein 
„gan3 anberes 33ilb. c2ine reine Derf iätungspliyfxognomxe 1 Die 
„21ugen funfeln oon Seligfeitsgefühlen , mit liebefchmachtenben 
„Slicfen h^ngt er an feinem (Böfeen, um ben 2TTunb fchwimmt ein 
„füßes lächeln; bie Stimme girrt tiebesaccente. <2in wahrhaft 
„bithyrambifches <2nt3Ücfen bemächtigt ftch feiner, wenn er fein <ßelb 
„apofirophiert, * s »°<*s Cabfal ber ZHenfchen, ben (Crofl ber €lenben, 
„ben ZTTagnet ber £}er3en" nennt. Unb wenn er es 3ählt, jebes 
„ein3elne Stücf beliebäugelt, mit ber fjanb wiegt, ftch an feinem 
„Klange ergöfct: wie in einen offenen Gimmel fcheint er hmein« 
„3iiblicfen, ber Sphären ^ubeltlang 3U vernehmen. Dann bas 
„ liebreiche Schmachten in bem IDunfche: „taufenb 3<*h rc 3 U leben, 
„taufenb 3<»h^ &ie Schatulle 3U füllen unb bann mitten unter 
„taufenb Schatullen 3U fterben; es war, als ob eine flötenbe Hoch« 
„tigaU ihr Ceben aushauchte, fo lieblich quoll in biefem 2lugenblicf 
„bas IDort „flerben" oon feinen Cippen. Tibet faum ifl es aus« 
„gefprochen, fo übersieht CEotenbläffe fein (Beftcht, ein Schauber 



1 I. 5. Cleantlj „mein (ßott, Sie b,aben 311m Klagen gar Feinen 
03runb; man n>ei§ redjt gut, ba§ Sie (Selb genng faben." — fjarpagon. 
„Was? 3a> b,abe (Selb genng? Wer bas behauptet, ber lägt. Das gerabe 
(Segen teil ifi n>ab,r. Sdjurfen finb's, bie foldje öerüdjte oerbreiten" u.f.n>. 

* Diefe gan3e S3ene einfd)Ite§lia} bes groiegefprädjes mit bem Der* 
meintlidjen (Eeufel ifi ein §ufatj, ron bem im Original ma)t ein §ug 3U 
fnben ift. 



J82 



5d)r5bers ßarpagon. 



„durchfliegt feine (Bliebet; ber <5ebanfe ber (Trennung von bem 
„Abgott feiner Seele lähmt ihm bie «gunge, unb bie 5urd?t baoor 
„fieigert ftch $ur roirFlichen (Eobesangft. — Doch nicht lange, 
„plöfelich löft bie Starrheit feines Slicfes fid? »ieber in €nt3Ücfen 
„auf. 2I05uIieblid) funfelt ber <Blan3 bes (Bolbes itjm in bie klugen; 
„unb noch nennt er es fein. Diefer (Sebanfe oerflärt fein 21n= 
„geftdjt toieber, neues £iebesent3Ücfen geht in feiner Seele auf, 
„firafjlt aus feinen 21ugen; unb n?ie ber ent3Ücfte Bräutigam bie 
„geliebte 23raut, umfchlingt er bie teure Schatulle, oerfunfen im 
„feiigen Pergeffen feiner Sterblichkeit unb ber Snxd\t vor ihrem 
„Derlujte. 

»3*fct oer Steinwurf in fein Limmer. IPie f abrieft er auf, 
„bes fjaufes fönfhirs fürdjtenb, aber nur bie klugen auf bie 
„Schatulle, nur über fic bie 2lrme fd?üfcenb oorftreefenb, fd?u>inbet 
„an fid? felbft ifjm jebe €rinnerung. Die Deere über ihm bricht 
„nicht, leifes 2ltemfd>öpf en ! — Zinn bas unfidjtbare liefen bes ihn 
„belaufdjenben f^ausfnechts. — (Ein tDetterfchlag fd?eint iljn 3U 
„treffen, eine £}anb ihm an bie Kehle 3U fahren, fo ergreift ilm 
„bas €ntfefeen. <£r ftefy fief? belaufest, »erraten, Häuber, 2TIörber 
„nahe; laut freifdjt er auf, bann erftarrt er, eine Silbfäule bes 
„Cobes, atemlos, leblos. Sich »ieber erholenb, fid? allein fefjenb, 
„neuer ©betrug, neues liebäugeln mit bem geliebten (Selbfaften. 
„£afj liegen!" erfdjaüt's tr>ie (ßeifterjttmme. 21ngfl preßt itjm die 
„23rufi; faum Fann er bas „t£>er ba? £Oer bift Du?" heraus* 
„äcbjen, unb mit J?otyem taute antoortet's ihm: „Der (Teufel!" 
„fjimmel, welch ein 21ntlifc jefet! €s verlängert fkh, ber ab- 
„gelagerte fjals beJmt ftch, mit gebrochenen Conen ftammelt er: 
„0 weh!" Den Ceufel erwartenb, ergiebt er ftch mit vorgebeugtem 
„teibe feinem Sdjicffal, bie erftarrenbe fjanb auf ben (ßelbfaften. 
„Diefen Haub fann er bem (Sottfeibeiuns nicht laffen, ben muß 
„er retten. Unb nun, als ihm feine Schatulle geraubt ift (IV. 7). 
„laut unb Con ber hödjften Per3u?eiflung brang in unfer <Dty, 
„nod] e^e wir ihn erblicften. Dann flürst er fyervor, entfleüt von 
„2lngfl, Schrecfen unb (Entfefoen, bie klugen wilb umherfpähenb, 
„bie 2lrme um ftch greifend, ben leib vorgebeugt, bie 3itternben 




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Sdjrobcrs fjarpagon. 



\83 



„5üfce fyaflig oorfcfyreitenb, bie IDorte: „Diebe, Zltörber, Spifcbuben, 
„(Beredjtigfeit" geflügelt fferausjiofjenb, ^aftig ftdj umljertummeinb. 
«3*0* fiteren feine 2(ugen auf, feine erfyfote pfyantafte fptegelt ifym 
„bie (ßeflalt bes Häubers cor, er greift nad\ ifmt, mit feft um- 
„fraflenber I}anb feinen eigenen 2lrm pacfenb, mit bem gansen 
„laute gelbgieriger 21>ut ben Zlanh von fictj felbji 3urücfforbemb, 
„unb, feinen 3rrtum getsafyrenb, erlahmt, oerfleinert feine lebens* 
„traft; feine Stimme erftarb, faum oerneljmbar roaren bie per* 
„fKicfelten IDorte, in bie er ausbrad?. Porübergingen bie Stürme 
„ber Der3tr>eiflung, IPefymut unb a>eicber Schmers traten an itjre 
„Stelle; fdjmelsenbe, elegifdje Cöne entflojfen feinen tippen, feine 
„klugen bünften uns oerbunfelt von Cfyräneu. Einem Dater älmlidf, 
„ber am <5rabe feines ein3igen Kinbes jammert, fallen u>ir ityi, 
„in feinem Sdime^e, bem Ceben fdjon *}alb entfdjieben. Unb als 
„er, immer leifer fpredjenb, leifer atmenb, ftd? fcbon tot, für fd?on 
„begraben tnelt, glaubten roir felbji, er Ijab' es überflanben, fo 
„wa^aft leidjenartig flanb er oor uns. — Eine f leine fd?n?eigenbe 
„paufe, unb in iljr bie HücFfeljr ber 23eftnnung, bie Erinnerung 
„an Ceben unb Haub; bas (Erseugnis biefer Erinnerung, erljöt}te 
„Per3tt>eiflung, gefteigerte ZDut gegen ben Häuber, gegen fid] felbft. 
„Die gan3e ZPelt foü an ben <5atgen, ftnbet er bie Schatulle nidit 
„träeber, er mit; unb mit einer (Seberbe, mit einem 23licF, als 
„ujoüte er ftd? unb bie gause IDelt mit eigener £|anb auffnüpfen, 
„ftürmt er hinaus." 

Dtefe erfdjütternben (Cöne ber Dersmeiflung rührten bie 
gufdjauer bis 3U Cfyränen, unb man Derftefy es angefidjts biefer 
Sdjilberung feines Spieles, ba§ feine Holle bes tjödjfien Craucr« 
fpiels itm je innerlich, mefjr angegriffen Ijat, als bie bes f^arpagon. 

2ludj eine Hei^e anberer neuer, wichtiger unb banf barer 
Hollen brachte iljm bies 3<rf?t ; aua? feine »eber burcb, 

ifyre Sebeutung an ftd?, nodj baburcb,, bafj fie Sdjröbers Dar* 
ftedungsfreis erweiterte, bem fjarpagon an 23ebeutung gleidffam. 

Damit nidjt 3uf rieben, legte er audj in biefem ^aiive 3um 
erßenmal felber energifdj ^anb an bie Bereicherung bes Hepertoirs 
burdj eigene Arbeiten. Der erfle Perfucb, batierte allerbings fdjon aus 



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Sd>röbers erfie Bfilmenbearbeitungen. 



2lcfermanns £eb$e\ten. 2lm \7. 3uni \77{ war Sdjröber $uerfl mit 
einer Überfefeung — nid?t Bearbeitung — pon (Eongrepes 
Double Dealer, unter bem (Eitel Der 2lrglifHge, anonym por 
Oos publifum getreten. Der Stoff rjatte aber einfloß erregt, 
bie streite Porftellung mar perboten toorben, unb als bas Stüo? 
im September mit EVränberungen »ieber aufgenommen rpurbe, 
begrub Borchers £eidjtfmn, ber bie (Eitelrolle fo gut roie gan3 
pergeffen Ijatte unb aus bem Stegreif fpielte, bas bramaturgifebe 
£rjUingsrperf für immer. Beffer war es Ujm J773 mit einer, 
unleugbares (Befdno!, aber audj eine geroiffe Ceidjtfertigfeit 
perratenben, Bearbeitung pon <£rorons Komöbie Sir Courtly 
Nice or it cannot be, unter bem (Eitel Die unmögliche Sadje 1 
geglüeft, bie forpofjl bei ber erften Zluffüfyrung in Celle (20. 3a» 
nuar), n>ie fpäter, beim publifum Beifall gefunbett rjatte. 2lber 
feitbem rjatte er, roie es fer/eint, 311 feiner neuen Arbeit &eit ober 
Cujt gefunben. 2 €rjl feit bem Sommer J775 begann er jtdi biefer 
bramaturgifdjen (Efyätigfett mit fteigenbem €ifer unb «Erfolg $u 
roibmen. 3™ September erfahrenen 3n?ei Bearbeitungen, (Das 
2TTutterf öfyndjen pon <5olboniunb Die ^rpillingsbrüber pon 
Hegnarb), an benen er feinen Anteil aud? äufcerlicf} im offaiellen 
Hepertoir ber (Sefeüfdjaft burdj ben^ufafe „fürs beut fd?e (Theater 

4 

1 2lbgebrucft in ^riebrid> Cubroig Sdjrobers bramatifdjen Werfen, 
tjerausg. r>. €. v. BülotD. I. S. 55 ff. 

2 Der Zlnteil Sdjröbers an ber Bearbeitung t>on Colmans unb (Sarrief s 
Clandestine Mariage, bie in Bäloros Ausgabe ben Heigen ber Sdjröberfdjen 
Bearbeitungen eröffnet unb beren (Entflelmng oon B. (I. S. LXVIII) <2nbe 
\7?*t angelegt wirb, ifi mtnbefJens fetjr fragronrbig. Die 2lcfermannfaje 
(Eruppe gab bas Stücf bereits nad) Sdjmibs Überfetjung (im (Englifdjen 
Sweater Bb. I.) feit \76<). 3m Hooember J773 n>arb es nad? langer paufe 
u>ie?>er ins Hepertoir aufgenommen; Sdjröber gab bie feit Hermanns 
(Eobe üerroeifie Holle bes £orb (Dgleby. Weyer nennt u>eber bei biefer 
(Selegenrjeit (I. 265) Sdjrober als Bearbeiter, nod) fyat er bas Stäcf in t>as 
Perjetdmis ber oon Sdjrober bearbeiteten Stficfe (II.t 5. \72) aufgenommen. 
r>a§ Weyer fpäter ben t>on Sdjmib ausgelaffenen fd)u)ei3erifd)en Kammer* 
biener „mit Sdjröbers Bewilligung" roieber einfdjaltete, beroeifi an ftd? 
nichts für Scf/röbers 2Iutorfd?aft. Dgl. aud? (Etecf in ber (Hinleitung 3U 
Sdjröbers bramattfdjen IPerfen S. LVIII. 



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Sdjicffale ber „preisftüdV auf ber Sülme. 



\85 



eingerichtet Don S." fenn3eicrmete. TOoxx biefen Arbeiten wirb 
fpäter im ,5ufammenhang 311 fprechen fein. 3" biejem 3<*h rc traten fie 
im Hepertoir noch gau3 befdjeiben 3urücf hinter ben fog. preisftücfen, 
bie am September mit bem Cuftfpiel Henriette ober jie ift 
fd?on oerheiratrjei r>on (Brokmann auf ber ^amburgifc^en 
Bühne ihren (Eilzug gelten. 3h* folgten am J3. 0ftober bes 
j ungern Cef fing Komöbie Die reiche Stau, am \0. ZTooember 
Sheribans Rivals in einer lofalifterten Bearbeitung t>on 3- 21- 
(Engelbredjt, am 2^. Hooember bas Crauerfpiel (ßianetta 
2TI 0 n t a I b i t>on S d? i n f , am \ 5. De3ember <B 0 1 b 0 n i s Un accidente 
curioso in einer lofalifterten Bearbeitung oon Bocf „(Befchwinb, 
erje es 3emanb erfährt, ober ber bejonbere gufall". 
€rjt am 23. Februar bes folgenben 3 a *? ws famen Klingers 
Zwillinge. Dtefe, auch qualitatio nicht fonberlicb erfreuliche, (Ernte 1 
ber 21usfaat 00m 28. 5ebruar J775 war nicht geeignet, ben 
IDagemut einer fo guten ZDirtfdjafterin , roie Scbröbers ZHutter, 
bie bod? noch immer bei allen Ausgaben bie entfetjeibenbe 5timme 
^atte ; 3U erhöhen, benn bie Kaffenrapporte müffen, nach ber ge= 
ringen ^ahl ber IDiebcrfjoIungen 3U fcrjliefjen, fefjr trübe gelautet, 
unb manche roerben ftdjer bie Koften nur 3ur Xlot eingebracht 
haben. 8 <5leidnr>ohl «>arb noch »or 3ahresfchluf$ am 5. Desember 
IPagn ers Heue nach ber (Chat, auf bie Bühne gebracht, unb 
erwies fich 3imächft burd? Heinecfes ergreifenbe Darstellung bes 
Kutfcrjers J£>al3 lebensfähiger, als man nach bem unerquieflicheu 
Chema hätte erwarten fallen, bergeftalt, bafc nach Heinecfes 
Abgang J777 Sdjröber felbft fich entfcrjloß, ben TDal$ 3U fpielcn, 
weil bas publifum noch immer baran (Befallen fanb. Dagegen 
fanb bas größere lOagnis, (Boetrjes Stella, mit Dorothea 2lcfer* 



1 Dom (Tag ber erften Jluffüljrung bis ju beren 3 a h r estag brachte es 
üUctu <ßro§manns Henriette auf 3U)6If Porßellungen, (Engelbredjts Heben« 
bubjer auf 3c!?«. feffings reiche ^rau blieb mit fedjs unb Borfs „(Sefdjirinb, 
ehe es 3emanb erfahrt" mit fünf Dorftellungen roett hinter ben <Eru>ar- 
tungen 3urücP. (Sianetta ITtontalbi überlebte bie brüte Dorfiellung nta)t 
unb Klingers gmtllinge fonnteu in langen paufen and? nur fedjsmal 
gegeben roerben! 



(Soetties Stella unb Klingers groillinge. 



mann in ber Citelrolle 1 am 8. Februar J776 unb bei 5er £Dieber= 
Ijolung am \5. tr>oty großen öeifaü beim publicum, aber 
nid?t (Bnabe por ben klugen eines roobjroeifen Senats, ber aus 
Sittlichfeitsgrünben bas StücF für Hamburg perbot. Unb nueber 
fonnte am 25. Februar ein großer Ceil bes publifums fid? für 
öie fo teuer erfauften & w i l 1 i n g e von Klinger nkfyt erwärmen. 
Die raub, supaefenoe 5auft bes mit Donner unb Slift fpielenben 
Dramatifers, beffen <5eftalten ourdj bie Darftellung — HeinecFe 
als alter (Suelfo, öroefmanu als junger <5uelfo, Cambrecht als 
5erbinanbo — noch, befonbers nachbrücflicrje realiftifdje Slccente er» 
gelten, u>ar für bie sarten Heroen bod? 3U getpaltfam, unb mehr als 
eine Dame perliefj por €nbe, pon (Brauen überwältigt, bas 
(Ebeater. Dett Darftefler bes Surften (ßrimalbi aber — es war 
Sdjröber — begleitete, wenn mir einer, fonji immer unparteitfefj 
urteilenben Stimme glauben bürfen, eine gelinbe fjeiterfeit aus 
ben Kreifen berer, welche in iBjm noch immer nur ben Komifer 
xaz'i^oxfjv anerfannten. Da $u allem Überfluß bie (Dbrigfeit 
auch, biesmal wieber — es war freilich, bas lefcte Ztlai — bas 
<5efuch, in ber 5öfteit3eit weiterfpielen 3U bürfen, abfdjlug unb 
baburdf bie Direftton, bie offenbar ficher auf Erfüllung gerecb.net 
hatte, nötigte, in Altona in einem pripathaufe pom \. bis 27. THär3 
3U jpielen, unb ba fchliefjlich unb enblich auch, ber Kaffenabfdjlufc 
abermals einen 3iemlich erheblichen Hücfgang ber 3al?re5einnab.me 
ergab, fo fann man ftch leidet bie herben (Befühle oorjteUen, mit 
benen Schwober, 3um erjien tflale wieber auf längere &eit, Hamburg 
ben Hücfen u>anbte, am €nbe bes 3<*f?res, bas fo piele Hoffnungen 
unb plane sertrümmert blatte. 

<£s lag wohl bei biefer 3eitweiligeu Verlegung bes {Theaters 
pon Hamburg nach tyannovet, in Solge beren QambutQ nicht nur 
in b i e f e m 3<*f?re ois 2Tüitte 3uni olme bie gewohnte Unterhaltung 
blieb, fonbem auch pon cgnbe De3ember bis 3um 2lpril bes 
folgenben ^al\ves ebenfo fein Cfyeater entbehren mußte, nicht nur 
ber IDunfch 3u (ßrunbe, in anberer Umgebung ben Perfucb. mit 

1 ^ernanbo — 33rotfmantt, <£äctlie -- ITZabame 2?einecfe, £u$te — 
UTabame Sdjröber. 



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f?annooer. Vettert mit Boie unb £eifen>itj. 



J87 



dem <2rfafe für Charlotte $u machen, fondern aud? die 2Xbftd)t, die 
Hamburger empfinden 511 laffen, roeffen ftc ftdj durdj Derfaguug 
der befdjeidenften Kon3effionen und durdj die unroürdige 23et>or* 
3ugung, die fran$öjtfd?cn Komödianten, oielleidjt für immer, $u be* 
rauben, (Sefafjr liefen. 2lber diefes 3<*l?r J??6, öas unter fo 
wenig freundlichen 21ufpi3ien begann und das im Sommer die 
erbitternden Kämpfe mit den 5ransofen brachte, ward dodj das 
glorreidjfte 3a*K in Schröders langem £eben. 

Hie, fett er im Srüfjlmg J768 roieder 3ur 2lcfermannfcrjen 
(Truppe gebogen mar , hatte Schröder anders als mit der 
(Truppe ftdj auf Heijen begeben, und nie fjatte er feit ©ftern \77{ 
auch nur für einen 2lugenblicf feinen Pojien am Steuer oerlaffeu. 
3n diefem Sommer glaubte Spröder 3um erfienmal den geitpuntt 
gefommen, roo er ohne Sorge r»or ernfilichen «gmifchenfällen eine 
IPeile das 5ahr3eug ftdj felbft überlaffen fonnte. 

<£s roaren fröhlidie Frühlings* und Sommertage, in denen er mit 
33oie und £eifea>i(3 in herslichem Derfehr freundfdjaftlidje 23e3iehungeu 
fürs Ceben fnüpfte und an deren frifdjer 3egeifterungsfätjigfeit und 
unbefangener ^e^lidjfeit feine ©erbitterte Seele erquiefte. 

„3^? roollte, da§ Du unfer Schaufpiel fäheft, Du roürdeft 
gewiß nicht ruhen, bis Du auch Dich »on 3rocfmann, Schröder 
und der 2lcfermann gefpielt gefetjen t)ätteft. \ 50— 200 Ojaler 
fdjaff ich Dir für ein Stücf mit Deinem tarnen. 3dj gehe t>iel 
mit den drei genannten Sdjaufpielern um; es find edle ZTtenfctfcn 
und DolI<ßenie und Kunj*. Ceifemifc 1 if* Ijier gewefen aber fd?on 
abgereifl", fdjreibt 23oie am \0. 3"»« <*" Bürger. 

ZHitten aus diefen angeregten, frofjberoegten Stunden trat er 
am \3. 3 UTU eme Heife au, roie es l}ie§, „um einige (Theater 
Deutfdjlands 3U fe^en". 3" ©er Cr)at galt es, einmal felber an 
anderen 33üfmen Umfdjau galten, mit eigenen 2lugen 3U fernen, und 
3U fy'6ven, was und roie man dort fptele, um fo für die eigenen 
Ceiftungen den richtigen ZHafcjtob 311 gewinnen; daneben, aber oder 
eigentlich an erfter Stelle, mar fein «gweef, den Fünftlerifdjen ZTaaV 



1 £etfett>itj war srocimal nnt biefc geit in fymnooer: im 21pril unb 
im 3uni. 



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(88 



Hetfceinbrfitfe. 



wuchs auswärts 3U prüfen unb für bie, burdj ben bereits erfolgten 
ober bemnächf* in 2lusftd)t ftehenben Abgang einiger tflitglieber ftch 
ergebenden, Cücfen feines perfonals geeigneten €rfafc 3U fmben. 

fjinficrftlidj bes erften punftes faßte Schröber nach feiner 
Hücffehr »on biefer Heife, u>eld>e ilm über 33raun(d?a>eig, £}atle, 
Dresben unb präg nach ZDien unb x>ou ba über (Sotfya nach 
Hamburg 3urücf führte, fein Urteil bafyin 3ufammen: „Bei ber Per« 
gleichung anberer Bühnen mit ber meinigen, fiel mir oft ber (Ge- 
kernte ein: warum mußte meine 5<*niilie nach Hamburg oer« 
fernlagen werben! 3<h erftaune, wenn id? einen Blicf auf bas 
X>er3eidwis ber oon irjr aufgeführten Stücfe werfe, wenn ich be* 
benfe, welche KünfHer fte oereinigt, wie fte arbeiten mußte, um 
in acht tflonaten 36 000 2fiarf ei^unehmen, unb auswanbern, um 
nidtf einen beträchtlichen (Eljeil biefer Summe wieber eh^ubüßen. 
Doch oielleicrjt Ratten, befonbers meine Schweflern unb ich, bie 
erreichte Kunfiflufe nicht erfiiegen, wäre ber Beifall ben (Talenten 
angemeffen gewefen." 

SCrofc ber burd? bie <Erlebniffe bes legten ^ai^ves gerechtfertigten 
Bitterfeit, bie fich in biefen IDorten ausfpr»cht, Ijören wir bodj aus 
ihnen auch ben mehr gerechtfertigten Stol3 auf bas, was er mit 
feinen Künftlern geleiflet, unb u>as mit ben Ceifhmgen feiner anberen 
Bülme ben Pergleich 3U fdjeuen hatte, heraus. 3 n f°f cm durfte 
er alfo mit bem Hefultat feiner Heife mehr als 3ufrieben 3U fein. 

(Eine cgnttäufdmng aber blieb ihm nicht erfpart. <Baft* 
jpiele, ohne baß es babei auf eine 2lnfleHung abgefehen war, 
bamals freilid? noch nicht HTobe. €rfi ZTlichael Boef 
follte ein 3ahr barauf bas beutfehe fLtyatet mit bem Begriff bes 
tranbemben Pirtuofen bereichem, um nur 3U fchnet! Nachahmer 
3U finben. 2lber in Schröbers Koffer lagen forglich eingepaeft 
3wei Koftüme (bes €fftghanblers in 2TIerciers gleichnamiger Komöbie 
unb bes Paters Hhobe in «Engels Danfbarem Sohn) unb 
biefe brachte er ungelüftet wieber fye'im; 3U feinem Schmede I Denn 
fo fern es ihm lag, auf biefer anßrengenben Heife in fur3 be» 
meffener $v\ft ftd? noch ©^r bem fremben publifum irgenb einer 
beliebigen Stakt fehen 5U laffen, unb obwohl er alle bahin 



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Sdjröber in (Sotfa: <gft?of, ^. W. Cöotter. 



jielenben Bitten abfdjlug, an einem (Drte hätte er für fein leben 
eine 2tusnahme gemacht unb ben Ceuten ge$eigt, mas er gelernt. 
Unb gerabe an bem einen Orte bat man ihn nicht: in (ßotha 
weilte er r»ier (Eage, oom \6. — 20. fjier an 5er Stätte, 

wo, roenn auch fdjon mit gebrochener Kraft, €tt?of mirfte, ^ier, 
mo jtch unter Oes 2lltmeiflers klugen unb an feinem Beifpiel ein 
Künfilerfreis herangebildet fyatte, ber, bem <5erücr/t nach, allein 
Don aflen beutfd|en Bühnen es mit ber hantburgifdjen auf* 
nehmen fonnte, hier brannte er barauf, feine Kräfte mit ihnen 
ju meffen unb aus bem bunflen 2Juge bes Eliten ben Strahl 
freubiger 2lnerfennung aufbüken 3U fehen, bie jener bem r»or» 
lauten, bünfelhaft fich gebarenben 3ünglinge ©ermeigert h att *- 
2lber cEfijof, 3U beffeti Cugenben neiblofe Anerkennung eines 
H malen ja nie gehört l^atte, t>erfpürte offenbar feine Cuft, in einer 
feiner beflen Hollen ftdj auf feiner eigenen Bühne übertrumpfen 
ju laffen. 3a, es fcheint fogar, als Ratten feine $reunbe, jebe 
perfönliche Berührung bes unbequemen 5remblmgs mit bem 
tunjiftnmgen dürften 3U hintertreiben gemußt. 5ür biefe Unliebens* 
mürbigfeit, bie inbes feinesmegs ben äußerlichen freunblichen Perfehr 
3n>ifchen (gfhof unb Sdjröber beeinträchtigte, rächte ftch lefeterer auf 
bie, unter Ch*<*terbireftoren üblichen, IPeife: er machte bem (Sotfjaer 
f^oftheater, natürlich in «Her 5orm Hechtens, eine bort fehr 
beliebte unb ©ermenbbare Kraft abfpenfh'g: Sufanna ZHecour. 

Übrigens befcherte ihm ber Aufenthalt in (Botba neben biefer 
oorübergehenben €nttäufchung auch eine große unb bauernbe 
5reube: bie perfönliche Befanntfcbaft mit 5 rieb riet} Ä>ilh«lm 
(ßotter, 1 bie nach rudern Sehen in eine Don beiben Seiten »arm ge* 
hegte 5reunbfchaft überging. Der noch nicht breißtgjäbrige Cegations- 
fefretär, ber mit großer eigener fchaufpielerifdjer Begabung ein 
glühenbes 3ntereffe unb, roas noch mehr mar, mirfliches Per* 
ftänbnis für alles, mas mit bem Cfjeater 3ufanrmenhing, oerbanb; 

1 Dgl. Sdjröber unb (Sotter. (Ein €ptfobe aus ber beutfajen CCljcatcr- 
gefdjidjte. Briefe tfriebridf £ubu>ig Sdjrobers an ^riebridj iDiltjdm (ßotter. 
(Eingeleitet unb herausgegeben von Berttjolb £tfcmann. Hamburg u. £etpig. 

(887. 



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190 



W. (Softer, tjamlctauffüljrung, in präg. 



ber bas beutfehe unb bas fran3Öfifd?c (Etjcatcr aus eigener 2ln* 
fchauung fo genau Fannte, toie faum ein 2lnberer; ber fpradjen« 
getoanbt, anregbar unb anregfam für ade littcrarifchen fragen 
unb €r3eugniffe ein offenes ©fjr unb für bühnengerechte 
richtung, auch ber fpröbeften Stoffe, eine ungemein gefdjicfte l}anb 
hatte; ber subem ein ZTCenfch mar, beffen Iiebenstoürbtge Perlfehrs« 
formen nur bie natürliche Äußerung eines Iiebensroürbigen 
<Zl\arattets waren, — biefer geborene Dramaturg mit einem 
XDorte, ber mit all biefen glän3enben (ßaben im Schatten bes 
(ßotbaifchen fjoftfjeaters müßig am ZTlarfte ftanb, ber mußte 
Sdjröber oorfommen, als habe ihn ber liebe (ßott eigens für ihn 
in feinen ttöten gefchaffen unb aufgefpart. Unb trenn es auch 
in biefen flüchtigen Stunben roohl fchroerlich fchon 3U einer förm* 
liehen Derabrebung 3toifchen beibeti fam, fo roar boch ber (ßebanfe, 
(Sotter bauernb in feine Xlähie 311 3iehen, mit ihm ftch 3U gemein» 
famer Arbeit 3U oerbinben, für Schröber in ben nächften 3 a *) r * rt 
einer ber angenebmften unb tröfHichften. 3 cöcn f a ös toar bie 
«Erinnerung an bie mit (ßotter »erlebten Stunben bie erfreulichfte 
€rrungenfchaft, welche er oon feiner Heife am 23. 3"K nach 
Hamburg 3urücFbrachte. 

2ttan müßte benn bas Sänbchen ausnehmen bas fein Koffer 
barg: „fjamlet, prins oon Dänemarf. <£in Crauerfpiel in 
fünf 2luf3Ügen nach bem Schafefpear. Aufgeführt auf bem Kaif. Kön. 
prit>il. (Theater. — mit vom. Kaif. aflergnäbigfter 5reyhcit. &u ftnben 
bey bem Cogcnmeifter. 2Ü3€^. {772." 1 Seit präg, tr>o er oon 
ber Srunianfchen (ßefeüfchaft 3um erften ZTTale ein Shafefpearfctjes 
Drama — eben fjamlet — auf ber 33ülme gefehen, r\atte biefer 
oon bem IDiener Dramaturgen 5ran3 fjeufelb bearbeitete fjamlet 
feine Seele beunruhigt, roie nur je ber (Seift bes alten Königs 
ben unglücklichen Dänenpriu3en felbft. ^a^velang h a ^e bie 
(Seftalt Hamlets, mit ernfter ZlTafmung, ihr Hecht oon ihm tyi\dtenb, 



1 So ber (Eitel bes 0riajnalbrutfs, roie tfm bas im Befitj von 3. 
Eolte beflnblid?e (Ejemplar 3cigt. Die 2Iuffütjrnng in ttJien fanb aber 
nidjt i?72, fonberu erft am \6. 3anuar J773 fiatt. 



fyimlet in Hamburg (625. 



vor ilnu geflanben. 3mmer war er 3agenb cor bem ungeheuren 
Wagnis surücfgefdjrecFt. 3*fet, f*ü *r &en mittelmäßigen proDtn$» 
fd?aufpie(ern, bie nidjt mußten, was fte traten, 3ugeferjen, Ijatte 
es ilm gepaeft : IDie muß bas wirfen, wenn D\x mit Deinen Ceuten 
bavan bie gan3e Kraft fefceft! Unb aus biefem (Sebanfen war 
ber €ntfdjluß gewadjfen: 3d? will es wagen! 

JDenn es ein «gufaH war, fo fpielte er eigentümlidj: (Berabe 
am <£age r>or Sdjröbers Hücffeljr, am 22. 3uli, begannen bie 
2tbreßcomtoirnacrjriditen mit bem 2lbbrucf ron Cidjtenbergs Briefen 
über (Sarrief, ben IDiebererwecFer Sfjafefpeares in <£nglanb. Pier 
VOodien fpäter, am 2^. ZJuguft, legte Sdjröber £}anb an bie 
Bearbeitung bes fjamlet; unb abermals pier tüodjen fpäter, am 
5reitag ben 20. September \776, warb fjamlet 3uerft auf ber 
bamburgifdfen BüBme gegeben. 

Sdjon einmal, fafi genau anbertfjalb 3 a J) r fy unö * r te oorljer, 
war ber melandjoltfdje Z>änenprin3 über bie Bretter ber fyam« 
burgifdjen Büfyne gefdjritfen. <£nglifcb.e Komöbianten 1 waren es, 
bie im 3 a ^ rc \62o auf iljrem befdjeibenen nadj brei Seiten 
offenen, mit anbeutenben Deforationen unb fpärlid]en Perfafc» 
jtücfen befefcten Bretter gerüfl bas getjeimnisoollfle unb tieffmnigfte 
IDerf ifjres großen Canbsmannes meEjr fdjlecfjt als red?t bem 
bamburgifaVn publifum 3ur Kur3wcil tragierten. 2>änifdjes 
Kriegsoolf füllte mit €inf?eimifd?en ben ^ufdjauerraum, unb ba 
biefe beiben Beflanbteile ftd? femblidj fdueben, wie Öl unb XDaffer, 
fo warb jebe (Erwähnung bes Staates Dänemarf unb ber König» 
Iid?en ZHajeftät wie eine perfönlicrje Jlnfpielung auf ben Status 
praesens, oon ben (Einen mit rjefler Sdjabenfreube, »on ben 2tnberen 
mit 2lusbrüd?en ber <£ntrüftung begrüßt. <£s muß fefjr Iärmenb 
unb luftig 3ugegangeu fein, unb ba aud? bie Komöbianten fiefj 
braftifdjer CCertoerbefferungen ex tempore beflliffen 3U fyaben 
ferjeinen, fo artete bas <5an3e fdjlicßlid? in ein wüftes Speftafelfrücf 
aus, in bem bie tragiferje (ßeftalt bes mit bem IDarmfinn fpielenben, 



1 Dgl. meinen Jtnffafc : „fjamlet in Hamburg (625" in ber Deutzen 
Kunbfcb.au (8. 3ab,rgang. (892. 5. 427 ff. 



192 



fjamlet in Hamburg J776. 



Dänenprin3en $ur irafce eines poffenreifjers berabgeumrbigt nmrbe. 
Die Bofenfranje unb <5ülbenfiems fpielten ben Hamlet für ein 
publifum oon Bofenfra^en unb <5ülbenfterns. Unb über biefes 
Z?ir>eau erljob fidj audj nid|t ber junge beutfdfe Poet, bec an 
jenem (Tage unter ben ^ufc^auem fa§, ber nachmalige paffor 3U 
ZDebel, 3- Htfi, bem oon bem gan3en Porgange nur bie burlesfen 
53enen als bas intereffanteße uub n>id?tigfte im <5ebädjtnis blieben. 
€r fyat barüber als alter Zttann, in feiner 2lrt gefdjroäfcig* 
befyaglicb, in einem fetner HTonatsgefprädje feinen ^reunben be= 
richtet, unb fo, oEjne es 3U afmen, ben erften Sertdjt über eine 
^amletauffübrung auf beutfdjem Boben geliefert: ein müftes 
gerrbilb, toie bie Aufführung felber. 

2lud? bei ber Auffübrung am 20. September \776 fehlte es 
an Hofenfran3en unb (ßülbenflerns im publifum nidjt. Unb einer 
pon ifmen, ber fidf biesmal Albredjt Wittenberg nannte, fprad? 
fogar bas große IDort gelaffen aus unb lte§ es bruefen: 1 „Der 
5onbs bes Stücfes taugt, bünft midi, nichts. Der <5eift bes 
Königs Hamlet, ber im fjarnifdj fpufen geb.t, ift bas pioot, auf 
roeldjem ftcb, bie ganse Zftafdune berumbre^t; oon biefer uuge* 
reimten <£rbidjtung Ijängt bas gan3e Stücf, bie Badje ab, bie 
^amlet am Könige ausübt aber midj beudjt, es ift ungereimt, 
auf einem fold?en <5runb 3U bauen, unb ein (Befpenfl, 3umal ein 
(ßefpenft im fjarnifd?, ift immer ein lädjerlidies Ding. PieUeidjt 
roar biefe €rftnbung 3U Sbafefpears Reiten, ba ber Aberglaube 
nodj größere fjerrfdjaft über bie ZTIenfdjen, als in unferen (Tagen, 
ausübte, unb man nodj an (ßefpenfier glaubte, erträglicher als 
jefct. Da man ftcb. baoon losgemacht bat, unb ^ödjflens nur nodj 
ber pöbel biefe <2rftnbung ber ZHöndje für eta>as IDirflidjes hält; 
bei uns aber mirb bergleidjen lächerlich; unb man follte alfo 
biefes 5tücF, beffen <5runb toeber mahr ift, noch n?afyr feyn farin, 
gar nicht auf bie 23übne bringen/ fjätte biefer roeife (Cb,ebaner, 
für ben bas \\. Stücf ber fjamburgifeben Dramaturgie nicht 



1 Briefe über bie 2ld ermannte unb fyimonfd?e SdjaufpielergefeHfd?aft 
3u Hamburg. Berlin u. £eip3tg J776. S. 70 f. 



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Schreiben an e. tfreunb in §*** über b. Dorfteil, b. Hamlet in Hamburg. ^93 

gefdjrieben mar, redjt gehabt, fo märe alfo fjamlet, mie J625 
3U früfj, fo je%t ^776 3U fpät auf bie beutfdje Süfme gefommen. 
21ber er irrte fidj, mie immer; es mar fein Cetdjenfdjmaus, 3U 
bem ftctj an jenem Septembertage bas Ijamburgifdje Publifum 
brängte, fonbern ein 21uferflerjungsfeft, ein 5reubentag bes beutfdfen 
(Theaters, mit bem eine neue c£pod}e anr^ob. 

„So ein »telf ö'pftgtes, oie^üngigtes Ding aud? bie Oerfammlung 
in einem Sdjaufpielfyaufe tft", fdf reibt nadj ber britten DorfieHuug 1 
ein anberer klugen» unb <Dr}ren3euge ber €reigniffe, „fo fcljr 
r»erfd?ieben aud? bie ein3elnen Urteile über Spiel unb Stücf fonji 
3U feyn pflegen; fo mar bodj bey ber breymal rnntereinanber 
erfolgten Porfteüung bes Hamlet in Hamburg bas jebesmalige 
fefjr sarjlreidje publifum im Sdjaufpieltjaufe fo aufmerffam, jo 
fyngerifjen, bafj es festen, als menn es nur eine perfon märe, 
nur ein Paar klugen, nur ein paar £}änbe 3ugegen mären, fo 
allgemein u>ar bie Stille, bas cgrflarren, Staunen, IDeinen unb 
öeYfaflflatfcben. hierüber mein 5reunb werben Sie ftdj nidjt 
fo fer/r munbern, ba Sie eben 3U 3U ber Seit Ijter waren, als <$5oe3 
»on 23erlidungen gefpielt mürbe unb einigen PorfieHungen bes* 
felben mit beymormten. Damals faljen Sie aud? bas Scrjaufpiel« 
Ijaus gan3 angefüllt, fallen, mie überhaupt bie Stille unb bie 
21ufmerffamfeit rjerrfcfyen; Nörten aber aud* ljinterfy»r bie fd?iefen 
Urteile über bas Stücf unb bie Sd?aufpieler. Der Cabcl unb 
bas Znißfatlen nahmen fo fefyr 3U, ba§, ba es 3um lefctenmal 
gefpielt mürbe, mentge 5 u f^ aucr W einfanben. Sie merben 
pielleidit glauben, beym Hamlet rjabe bie Heugierbe einen (ßeift 
auf bem (Erjeater 3U fefyen, uicfjt menig 2Henfdjen rj€rbe\'ge3ogen. 
21ber menn bas anfangs aud? gemefen märe, fo mufc id? 3*?"*" 



1 „Schreiben an einen ^rennb in f?* # * über bie Porßellung bes 
fjamlet in Hamburg", in ben Jjambg. &bre§«C£omptoir»ITadH'id?ten (776 vom 
30. September, Hr. 77. 3 0 ? vermute als Derfafier öoef, unter £7*** ift an 
E?annor>er 3a benfen. (Db eine beßimmte perfönlicfyFett r>orfdni>ebt, bleibe 
bafyingefiellt. Das intereffante Dofument fyat bereits Htdjarb Coening in 
feinem fdjarfftnnigen unb bebeutenben 2Z?erfe „Die £?amlettragobie 
Stjafefpeares" (Stuttgart, 1893) S. 5 f. nad? meiner 2lbfa)rtft abgebrueft. 

Cifcmann, Sd?r3ber II. (3 



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„Schreiben an einen tfreunb :c": Srorfmanns fjamlet. 



bodj 3ur €I?re bes f}amburgifdjen Publifums fagen, bafj bie 
Urteile Innterljer, bie boeb, fo oft von €igenfmn, pon ber 33e« 
gierbe $u miberfprecrfen, von erborgter unb er3mungener Schon* 
geifterei geleitet »erben, unb bie id?, mie 5ie miffen, immer, unb 
beym Hamlet por3Üglicfj, begierig mar auf3ufangen, biesmal pon 
Ceuten aflerley Stanbes unb IDürben nur allgemeines tob ent» 
hielten. €in jeber befeuerte, ben abermaligen Porftellungen bes 
fjamlet pon neuem beY3umob l nen. IDen aber auch, ber gewaltige 
(Seift Sfjafefpears nidjt erfdjüttert, nidjt fortreißt, er, ber bas 
Falte Phlegma 3U (Ertönen unb 3um ladjen bemegen fann, ber 
mufj nur leblofe ZTTaterie feyn, porausgefefct, baß bie 5d?au« 
fpieler ifu-em Dichter fo portreflid) folgen, mie Ijier auf ber 23üfme 
gefdjafy. I}err 3rocfmann madjte ben ffamlet unb ba§ er ilm 
fefyr gut fpielen u>ürbe, Ijat jeber biefem Portrefflidjen Sdjaufpieler 
3ugetrauet; aber er bat fid? in biefer Bolle felbft übertroffen. Sei 
ber erften Dorfteüung roar fein Spiel nidtf \o metfterfjaft, unb es 
feinen, als wenn er furdrtfam märe. €r, ber 3um erften mal in 
(ßarriefs ZTIeifterrolle por einem publifum auftrat, worunter fo 
ptele bie Holle pon <5arricF felbft gefeiten Ratten, fürchtete ftd? 
pieüeidjt por ber parallele, bie biefe 3iefjen mürben. Du 5urd]t 
mar mol nidjt gan3 ungegrünbet; benn mie piele permögen eine 
folcfye parallele ridjtig 3U sieben? Überbem mußt* er glauben, 
bie <£nglänber lieben ifyren (Sarrief, unb bie T>eutfcb,en, bie bas ein* 
Ijeimifctje ofmebem gern peracfyten, merben es oann um fo mefyr 
t^un, meil (te bie Beife nad? Conbon getfyan Ijaben. Dalmer fam es 
mol, ba(j er ben malmmifcigen unb ben nidjt malmmifcigen I}amlet 
nid?t genug in Sprache, 2Iftion unterfdjieb ; ber bodf um befto 
mein* abftecr/enb gefpielt merben mu§, meil fjainlet fidj toll ftellt. 
fjerr Brocfmann bat biefen 5eb>r in ben folgenben Dorftellungen 
gan3 oerbeffert, unb alle, bie (ßarrief fpielen gefeBjen, fyaben auch, 
il>m bas perbiente lob beygelegt. (Semijj ift, ba§ unfer T3tod 
mann in feinem 5adje ber erfte Sdjaufpieler Deutfcb.Ianbs ift, unb 
mär' er auf ber englifd?en Bülme, bey ber XTation, bie fo miliig 
unb reichlich, Künfte unb (Talente belohnt unb efyrt; er mürbe 
gemiß pon ibr als mürbiger Hadtfolger (Sarricfs angenommen 



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„Schreiben an einen tfreunb ic." : bie übrigen Darfteller. 



trerben. HTamfell 2(cf ermann machte bie (Dpbclia unb u?te Sie, 
olme bafc idj's 3*f" en jage, über3eugt ftnb, oortrefltdj. Die 
fo fdjöne, als fdiroer 311 fpielenbe Sjene, u>o Ophelia roatmftnmg 
erfdjeint, fyat fle aufjerorbentlidj metfterrjaft gcfpielt. Befdfreiben 
läßt ftd? trjr Spiel in btefer 53ene nidjt, nur feljen unb empftnben. 
Hod? blutet mir mein £}er3 über bas arme 3errüttete Hläbgen! 
Sie Ratten feljen f ollen, rote 2lfle um mtdj rjerum aus ftteren 
klugen »einten 1 Dies tfi bie einige S3ene im fjamlet, »0 ber 
große Sffafefpear ben ^ufdiauern erlaubt, mit einigen (Elnränen 
irjrem ängfUtd? erroartenben ^ufd?auen Cuft 511 machen. 3^? 
flauere Sie mein 5*eunb, bie 21cfermann fyxt biefe S3ene fo toaljr 
gefpielt, bafj id? erfdfraf", wie tdj fte falf. f}err Sdjröber machte 
ben (Betfr, feine 5tgur fam tlmt fefjr 3U ijülfe, unb bajj er Um 
meifterfiaft gefprodjen l?at, brauche idj ^nen ntdjt 3U fagen. 
^err Heineef e fyit ben König ebenfafls meifterfyaft oorgefteüt, nur 
fjat biefer Sdjaufpieler ein 3U etjrlidjes unb gutes <5eftdjt für feine 
Holle. HTab. Hetnecfe rjat bie Königin audj fetjr gut gemacht; 
nur eine einige Stelle fdjetnt fte falfdi »erfianben 3U traben. 3" 
ber S3ene ; n?o ^amlet mit feiner HTutter allein fprtdjt unb ber 
(Beifi erfdjetnt, erfd?rtcft fte, ba§ iljr Sorm mit ber Cuft rebe, unb 
befeuert, fte fäfye Hidjts, fagt aber gleich barauf : „unb bodj felj 
tdj Ellies"; biefe legten lüorte fpradj 2Tüab. Heinefe mit einer 
fjeftigfeit unb tr>eggen>anbtem (ßeftdjt aus, als n?enn fte fagen 
wollte, fte fälje ben (ßetft. Sdjabe um ben einigen ilecf in bem 
übrigen reinen (ßenxtnbe. fjerr Cambredjt fptelte ben fjoratio 
unb fjerr Klos ben polonius 1 ebenfalls red?t gut. Die tjtefige 
tE^eaterbtreftton ^atte nidjt gefpart, was 3U Decorattonen, £ofhtm 
unb Kleibungen gehört. Dtelleidjt fünftig ein niedreres über bies 
StücF." 

Sollte man nad> ben entlmftajtifdjen, befonbers ber Dar« 
fteQung gefpenbeten £obpretfungen oielleidjt geneigt fein, aus 

1 öeibe Hamen fennt aüerbings bie Sdjröberfdfe Bearbeitung nidjt. 
Bei iimt ljie§ nad) Jjeufelbs Dorbilb polonins— ©Ibenljolm, Jjoratio — 
<Suflar>, Marcellus— Sernfielb, Sernarbo— (EHrtd), tfrancesco— tfrenjom. 

13* 



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j96 Beriet 3. fj. & ITIüllers über b. 2. u. 5. fyimletporftellung. 

biefer Stimme fo etwas wie eine 3"fpi«itiou »on hinter ben 
Couliffen ^craussufiörcn, 3um minbeften bie Stimme eines ben 
Darftellern ferjr mohlgefinnten unb wofyl aud? perfönlid? nar^e* 
fle^enben ^ufdjauers, fo roirb man um fo bereitwilliger einem 
anberen 2lugen3eugen (Stauben fdjenfen, ber über ben leifefien 
Perbadjt oon Parteilichkeit ergaben trat". 

21m Nachmittage bes 23. September, 1 am (Lage ber 3n?eiten 
fjamleloorfleHung, fam in Hamburg ein Beifenber an, ber einen 
äfm(id?en &we<f oerfolgte, roie wenige Hlonate suoor Scfjröber auf 
feiner Beife: ber iPiener Sehaufpieler 3oh<*nn Heinrich $rtebrich 
2T?üller, ber auf bireften faiferlichen Befehl nach Hamburg fam, 
um 23rocfmann fpielen 3U fetten unb et>entueH für bie IDiener 
23ülme 3U engagieren unb ber bei biefer (Gelegenheit auch, bie anberen 
auf feinem IDege liegenben 23ürmen 3U befuchen unb über fte 3U 
berichten hatte. Da er auf bem 21nfchlag3ettel Hamlet angefünbigt 
fah, ging er noch benfelben 2tbenb ins Ctjeater unb berichtete 
£ags barauf an feine Se^örbe als erften rtieberfdjlag ber 
empfangenen <£inbrücfe: „Hamburg beftfct brey 2TIänner, meldje 
unferer Hationalbürme 3U einer großen ^iexbe gereichen mürben: 
Srocfmann, Schröber unb Heineef e." 

„Schon in ber erflen S3ene bes X}amlet", begrünbet er fein 
Urteil 3tt>ei (Tage barauf, zeigte 3rocfmann ben benfenben Künftler. 
<£r trat mit eblcm 2lnftanb auf. Seine Sprache ift rein, runb, 
fraftood unb rjat nicht bas minbefte mehr r»on ber weichen, öfter* 
reidjifdjen 3ufammenge3ogenen ZHunbart, Der 2Tiann tjat feit ben 
eilf 3<*h rcn / °<* oey uns war, unglaubliche 5ortfd)ritte in ber 
Kunjt gemacht. 8 — Seine Stellung, ba er ben (Seift feines Paters 

1 3- £?• $■ Müllers 21bfa>teb poh ber f. f.fjof- unb rtattonalfdjaubütme k. 
Wien J802, S. \o? f. Hadj bem erflen, vom „25." September batterten, 
Schreiben, wo er pon fetner „geftern" erfolgten 21nfunft fpria>t, roäre er aller» 
bings erft in ber britten fjamletporfiellung getpefen. Da er aber in feinem 
3U>etten, 00m 26. batierten, 23eria?t erjagt, er n,abe am 24. ben fjamlet 3um 
3 weiten OTale gefeiten, unb ba3U alle übrigen eingaben ftimmen, fo tft 
flar, ba§ bas erfte Schreiben pom 2^. batiert fein mu§. 

8 „Hidjt allein," fdjretbt 21. Hartenberg über öroefmanns fjamlet 
am 5. 0ftober, „in bem Hamburg, unpart. (Eorrefponbenteu tjat man 



3. f). IKüüers Bericht: Brotfmanns fjamlei, Schobers <5etfi. \<)7 

erblicfie, wat malerifch. Sein ftarrer auf biefes Phantom ge» 
hefteter Blicf entroicfelte fid?, ba er in ber 5olge bas fchrecfliche 
Derbrechen feines Gleims erfuhr mit nach unb nach fieigenber, 
richtiger (ßrabation, in Hache brohenbe güge. — 21udj im IDarm* 
tr»ifce oergafj er bie ZXatut nicht, ba er 3uroeilen abftchtlich Pemunft 
Miefen liejj, ftd? aber meijlerljaft toieber fafcte unb in feine er* 
fünftdte Derioirrung 3urikffehrte. • — Unter bem Meinen Sdjaufpiele, 
welches auf feine 21norbmmg bem Könige unb feiner ZHutter 
Dorgefiellt n?irb, 1 fixierte er feinen ©Bjeim mit forfdjenben 2tugen 
unb in feinen öliefen las man über beffen Betroffenheit triumphirenbe 
5reube, bie IDorte bes (ßeifies betätigt 3U ftnben. — 2luch Heineef e 
unb Sdjröber f^ahen große Perbienfte. T>et Cefete, ein langer 
hagerer ZITann fpielte bie untergeorbnete Holle bes (Beifres mit 
einer (Eäufchung, bie Schaubern erregte. <£r ging nicht — er 
fernen 3U fchroeben. €in bumpfer r>cftifd?cr (Eon, ben er an* 
genommen hatte unb bis ans <£nbe beybernelt, brachte eine ungemein 
gute IDirfung h*n>or" 2 • . • • »,2>*n 2^.", fährt er fort, M fah 
id? ben f}amlet 3um 3t»eYten HTaf}!. Schon gebachte brey 2Tlänner 
hielten mich burch ihr fchönes, richtiges 5piel in befiänbiger 33e* 
»unberung unb 2Iufmerffamfeit*\ 



biefen Hlann, ber einer Dratpuppe oöflig gleich, beffen ganjes ttJefen 
fleif unb ge3tert, beffen Sprache ge3U>ungen tfl, unb ben man befjmegen 
Pom lOtener (Theater herunterpodjte, Z)eutfd)Ianbs cSarricf genannt, 
fonbern u. f. w.l" (Briefe über bie 2lcfermannfcfje u. ^amonfdje Sajaufp.- 
(Sef. *776 S. 72.) 

1 OTüller rühmt !|ier befonbers bie f3enifd)e 2lnorbnung : „Die mimifd)e 
Sjene unb bas vom ijamlet anbefohlene §n>ifd)enfpiel würbe befjer unb 
richtiger als bey uns oorgejlellt. 3 n oer Ciefe bes C^eaters fat; man eine 
erhöhte, fetjr gut beleuchtete Sülme. Kult§en unb profpeft waren mit 
<ßefd)macf gemalt unb fielen fetnesoegs ins Kinbifcfcjc. 2ln beiben Seiten 
n>ar ein 3irfelfÖrmtges, orbentltd) befetjtes (Drehefter angebracht, fo ba§ es 
bie £ütme felbjt nicht beeftc. Überhaupt rühmt er bie Deforationcn als „nett 
unb reinlich". „3ch fah einen Königlichen Saal nach Bibienafcher Zeichnung." 
(2lbfchieb S. uo f.) 

2 „Sein platter Zebiententon fdjtcft ftd? nicht für biefe Solle." 
21. iPtttenberg a. a. (D. S. 77. 



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Die r)amletauffül}rung ein (Eriumplj &er Sdjaufpielfunfi. 



lüarum aber, wendet melleidft ein tefer ein, erfahren mir 
fo piel oon ber EDirfung ber 2>arfieflung unb fo gut mie 
gar nidfts »on 5er IPirfung bes Ä>erfes felber, bas bod? bjer 
an erfter Stelle $u nennen märe? ttein, eben nidjt! Wenn je bie 
Sd?aufpielfunfi einen glän3enben (Triumph gefeiert fyat, fo mar 
es an biefem 21benb, ber Sfyafefpearc für bie beutfdje Bülmc mieber 
eroberte, unb ber bamit über bie €ntmicfelung ber tEragöbie in 
Deutfc^IanÖ entfdjieb. 

Seit fafl 5»ei De$ennien Ijatten Sdjriftfieüer unb Didjter 
gemetteifert, bem beutfdjen Dolfe bas Perftänbnis für bie <Sro§c 
Sfyafcfpeares 5U erfdjliejjen; unb noerj oor brei 3 a *!* en 
fjerber feine Stimme in ben Blättern oon beutfdjer 2Jrt unb Kunfi 
madjtpoll erhoben unb für ilm <5eljör »erlangt. 21udj an Der- 
fudjen, if^n auf bie Bretter 3U bringen, Ijatte es, feit IDielanbs 
Ü6erfefeung porlag, nidjt gefehlt. IDielanb felbft mar in Biberadj \ 76\ 
mit bem „Sturm" mit gutem Beifpiel porangegangen. 2lber alle 
Derfudje — unb cor allem nodj ber lefcte in !E>ien \ 773 
bisher gefdjeitert an ber UngefdncflidjFeit ber Bearbeiter unb ber 
Hn$ulängtid?feit ber i£jrer Aufgabe nicn,t gemadjfenen Darfteller. 

2lucb, bie Hamburger Bearbeitung bes fjamlet, bie oon ber 
ZDiener, meb.r als gut, abhängig mar, lieg noeb. piel 3U münfd>en 
übrig. Uber bie Darflefler, meldje 3um erßenmal mit jener gläubigen 
Begeiferung unb jenem firengen (Ernfi, bie S^afefpeare meb,r als 
irgenb ein anberer 2)ramatifer forbert, in bie geljeimften unb 
tieften (ßebanfen unb Slbftdjten bes Dichters einsubringen, alle 
Kräfte aufs äu§erfi e angefpannt Ratten, tjoben audj biefe Bearbeitung 
auf ein b^eres ttioeau. Sie felbft unb in biefer 

Aufgabe mit einem Schlage um Haupteslänge gemadjfen; unb 
mieber blatte, mie por 20 3ab,ren, mit ber (Einfügung ber bürger. 
liefen (Cragöbie, fo jefct mit ber «Einfügung S^arefpeares ins 
Hepertoir bie beutfdje Sdiaufpielfunfi einen Hiefenfdjritt pormärts 
gemacht. Dafj berfelben Cruppe, melcfye bamals ben notmenbigen, 
porbereitenben Porftojj getfym, nun aud? biefen ^auptfdflag 3U 
führen befdjieben war, mar reblidj perbient. 

5ür Sdjröber aber brängten pdf in biefen Slugenblicfen , mo 



Sebeittuug Stjafefpeares für Sdjrobers (EnttDttfelung. 



bie JDeüen bes tojenben 23eifaÜs an fein (Dty raufdjten, Per» 
gangenfjeit, (Segenwart unb «gufunft in einem Cuftgefüfy orme« 
gleichen 3ufammen. 3*"* fjerbfttage in Königsberg J758, wo 
er bureb, Znidjael Stuarts ZTIunb bie erfte Kunbe r»on bem ge* 
waltigen Dicbterfürften aus <£nglanb oernabm, jene fjerbfttage 
in *Hain3 (762, wo ber erjle Sanb t>on IPielanbs Überfefeung 
ilmt in bie fjänbe fiel unb feine Seele rührte, jene Stunben im 
Kreife ber 5reunbe unb Kunfigenoffen, wo er aus feinem „fjanbbuay, 
3u bem iljm Sfjafefpeare metjr unb mefyr geworben war, ben Tin* 
bäcfjtigen Dorlas, jene Stunben, wo er mit iljnen 3tr>eifelnb unb 
Ijoffenb bie $taqe erwog, ob wofjl eines Cages ber KünfHer unb 
fein publifum fo mürben gereift fein, ba§ man es tragen bürfe, 
biefen „Koloffus" auf bie Fretter felbfl 3U bringen. Unb nun 
war ber (Lag unb bie Stunbe gefommen unb mit iljm ein Sieg 
orme 23eifpiel! 2lber audt anbere, bittere, Erinnerungen famen 
herauf, bie inbes im (SlüctsgefübJ biefer Stunbe b.inweggefpült 
würben: bie «Erinnerung an jenen Kampf auf Cob unb Ceben, 
ben beutjdje Kunji auf beutfebem Soben in eben biefem Hamburg, 
bas jefct irmt unb ben Seinen 3ujubelte, fjatte fämpfen muffen. 
(Serabe in biefen tDocrjen roaren fte con ^aus 3U f|aus gelaufen, 
bie ^reunbe ber 5ran3ofen, um (Selber 3U fammeln, in ber beutfdjen 
Stabt ben 5remben ein Sctfaufpielljaus 3U bauen, bas ber fjeimifdjen 
Kunft ben (Saraus machen foflte unb für bas aueb, bie fdjam* 
lofe 3 n f c ^nf t : »Rumpantur ut ilia Codro« [erjon porgefctjlagen war. 
HTit ber tDaffe, bie ib.m ber heutige 2tbenb in bie f^änbe gebrüeft 
fjatte, bas wußte er, Fonnte er einftweilen biejem 2Jnfhirme gelaffen 3U- 
fefyen. Unb noeb, eine britte Erinnerung, audf eine bittere, tief 
oerlefcenbe, warb an biefem 2Ibenbe für immer ausgelöst: bie 
Erinnerung an ben 2(benb bes 23. 5ebruar, an bie faum unter« 
brücFte fjetterfeit, mit ber ein (Ceil bes publifums feineu „Komifer" 
in ber Holle bes büfieren (Srimalbi an fein eigentliches Hollen« 
bereidj gemeint fyatte erinnern 3U müffen. Pon fyeute an, wo 
er itmen als (Seift, wie ein wefenlofes (Sefpenfi über bie 
23üfme gleitenb, alle Schauer bes (Srauens in bie Seele gejagt 
unb jie ge3wungen l^atte, an ben (Seift 3U glauben, wußte er, 



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200 X>ic Dorftellung bes Erfolges auf Sdjröber. 



würben fte nie wieber Iacfjen, wenn er es nierjt wollte. Der 33aim 
bes Vorurteils, ber bem (Eänscr unb Poffenreifjer immer nodj bie 
patt?etifd?en Sollen ber fieroifdjen (Eragöbie oerfdjloffen, mar feilte 
cnbgültig burdjbrodjen. Sdjon begann in 5 u f<^ aucrn tieferer 
<£inftcrft bie 2llmung auf3ubämmern, welcher Cefftngs 5reunb 
Heimarus, ber Sorm bes IDolfenbütteler Ungenannten, in ben 
IDorten Slusbrucf gab : „Was\pvedit 3br immer allein oon23rocfmann? 
2luf ben (Seift fefjt! Den (Seift bewunbert. Der fann mefyr als 
bie anbem sufammen!" 1 

21ber nidjt nur ein neues Boflenfad) erfdjlofj ifmt biefer 
2Ibenb. ZTein, er Ijätte nidjt mit £obe fo ernft über bie Ver- 
jüngung bes Hepertoirs gefonnen fyaben, nid?t felbjt fo über$eugt 
fein müffen oon ber JDafyrfjett bes IDortes, bas er im prolog 3ur 
€milia ben ^ufd?auern 3ugerufen blatte: 

„Die Dtdjter fltib ber Kfinftler Däter, 
Sfjafefpear fam evft, fein (Sarritf fpäter." 

unb er fjätte fd|Iie§lid> nid?t fo fdjme^ltd? bie unerwartete £urücf* 
Haltung ber beutfcfjen Dramatifer empfinben müffen, an benen fein 
grof fjersiges 2lnerbieten 3U gemeinfamer 2lrbeit faji fpurlos vorüber« 
gegangen war, rcenn nidjt in bem 21ugenblicf, »0 ber faüenbe 
Vorgang feinem 2Iuge ben 2InbIio? ber tief bewegten, begeiferten 
ZTIenge ent3og, r»or feines „(Seiftes 2lug" bas nädjfte flar 
unb beutlicrj aufgegangen wäre, Stjafefpeare bie beurferje Süime 
3u erobern unb bamit ber beutfdjen Scrjaufpielfunft, bem beutfdjen 
rjeroifdjen Drama neue Carmen 3U eröffnen. 

fjamlet unb Brokmann waren bie Cofung bes (Eages in 
Hamburg. Srocfmanns 33ilb als fjamlet, — mit waHenbem toefen« 
fjaar, breitranbigem, fdjwar3em 5*oerbarett, breiter Spifcenf raufe 



1 Die fjofrä'tin fjeyne, bie im IDtnter 76/77 fjamlet in fjannooer 
farj, urteilte *820: „Der (Seift im fjamlet fielet nod) oor mir unb erfüllt 
mid) mit (Entfetjen; id) ftimme gan3 bem Urteil bes Dr. Heimarus bei; 
n>erSd)röber in biefer Holle fatf, fann itm nie »ergeffen." (&ur (Erinnerung 
an f. £. XV. meyer. Sraunfajroetg *8<t7. II. 5. \$7.) 



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Klopjiocf unb bie Stolberge im (Theater. 



um ben fjals, 1 beu bunflen HTantel mit bem getieften Kragen, 
aus bem an breitem 23anb bas bebeutungspofle mebaiflon*23ilb 
bes Paters fjeroorlugte, 3ufammengerafft, ben Blicf ins IPeite ge« 
rietet — jianb in allen £3ua?läben 3um Kauf aus. 23is 3um 
Sdjlufj bes 3<*faes warb ^amlet brei3ermmal unb immer cor 
poüem ^aufe gegeben, fo bafj bei 6\ Porfteüungen überhaupt, 
ba nur an fünf Cagen ber Wod\e gefpielt werben burfte, ungefähr 
auf jeben fünften Spieltag eine ^amletoorfiellung fommt. Das 
mar ein «Erfolg, mie ifm nie bisher ein ernftes Drama auf ber 
beutfcfjen 23üfme errungen. 2 

3n biefer gehobenen Siegesftimmung wagte Sdjröber, am 
\5. (Dftober ben Hamburgern roieber Klingers Zwillinge 3U bieten, 
unb ficEje ba, niemanb ladete. <£s n>ar aüerbings ein auserlefenes 
publifum biefen 21benb. 3" einer £oge fafj Klopjrocf unb 
perfolgte mit gefpannter 2lufmerf|amfeit bie Porgänge auf ber 
Büfme, neben ifnn bie beiben 5 tot berge, bie aüerbings in 
ir>rer Cebfjaftigfeit bem Sdjaufpiele weniger 21ufmerffamfeit fdjenften. 
2Us aber einer feiner jungen Sreunbe, ber ifm feit 3afjren nidtf 
gefefjen fyatte unb ins QCfjeater geeilt war, um ifm 3U begrüben, ifm 
lebfjaft anrebete, wanbte ber 2)id?ter bes HTefftas ntdjt einmal bas 



1 Dtefes allerbtngs nidjt „Ijtftorifdje" Kojtüm „aus fjeinriajs IV. 
fetten", weites aber bas an Koftiimtreue überhaupt nidjt gewöhnte Pu blifnm 
flauer nidjt jlörte, gab natürliaj Wittenberg 2lnla§, fjöfmifa? „über bie 
roenige (Stuftest bes Zttreftors ber Sajaubüfme 3U ladjen". (Had?riä?t von 
bem (Tobe bes <Engltfd?en Komebianten (Sarrief ic. 21us bem 36. Stücf 
ber Zlnnalen bes finguet überfetjt [unb mit 21nmerfungen bes Uberfetjers 
Derfefien!]. Hamburg gebrueft bey (Sottlieb ^riebrid? Sdmiebes." S. <*2 f. 
(pgl. Urjbe, tflugfdjriften, Hr. 36). müfler (21bfd)ieb 5. j \o) rüljmt bagegen 
roteber: „Das Kojtüm n>ar feljr gut unb ben Reiten angemeffen." Hur 
bog man Heineef e als König „einen rofenfarbenen, retdj gefttrften türf ifdjen 
Calar ange3ogeu Ijatte", fanb er mit Hcdjt unfdntflid?. 

2 2Iua> J777 roarb Jjamlct noa> J6mal gegeben (\., 2., 9., 22. 3a* 
nuar, U- tfebrnar, {5. ITIai, J6., 19., 27. 3uni, 25. 3uli, 29. 2Iugufr, 
9., 23. September, 2., (Dftober, 25. Hooember). l??8 8 ma l (6., \2., 

20., 23. Februar, 23., 28. ©ftober, \o. unb 23. Hooembcr). 1779 ^mal / 
februar, 2., 30. Jlugufi, 25. (Dftober). 



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202 



Sdjröbers Bearbeitungen bes fyamlet. 



fjaupt, fonbern 3eigte blofc auf ben Sdjauplafc unb fprad} bie 
energtfdjen IDorte: „<£rfi fyören, bann fpreerjen." 1 

2tm 2J. ZTosember lautete bie Hnfünbigung : „Hamlet. ZtXit 
Veränberungen". €s waven bie 5igur bes Caertes 2 unb bie Cobten* 
gräber=S3ene, bie man nad? bem Vorbilb ber tDiener Bearbeitung 
anfangs gefkidjen fjatte, 8 unb bie man jefot, auf mefjrfad? geäußerte 
IDünfdje, mit einem von 23ocf gebtdjteten (Eobtengräberlieb 4 fynsu* 
fügte. Daburd? ergab ftd> audj bie Xtohpenbigfeit einer <£in» 
teilung in fedjs 2Ifte. Unb in biefer 5orm erfduen bie Arbeit balb 
barauf im Drucf: „fjamlet, Prin5 oon Dänemarf. €tn Trauer« 
fpiel in 6 21uf3Ügen. ^um 33etmf bes £}amburgifd?en (Efjeaters. 
Hamburg in ber fjerolbfdjen Budjbanblung. {777." ZXux 
ungern tjatte fict? Sdjröber 3U biefer Veröffentlichung entfdjloffen. 
„Der Verleger erfudne mtd> um ben Quid", fdjretbt er fpäter, 5 
„idf oerfpradt es, meil id? glaubte <3eit 311 haben, trmt bie gegen* 
tpärtige (Sefialt geben 3U Fönnen. Den erflen 2Iuf3ug gab 
id? tun; rjemadi erlaubten meine (Befdjäfte nicht, aud? bie 
folgenben 3U änbern. Der Verleger Ijtelt ftch an mein IVort — 



1 So berietet 21. Pennings in feinen fyinofd?riftIid?en 21uf3eidfnungen, in 
bie mir 30b,. klaffen vor ^aljren (Einfielt geipätjrt l|at. Pennings fägt b^u: 
„<Hs ijt roalir, in ben §a>illingen oon Klinger, einem Stüde, wo ftorfe £eiben- 
fdjaften aus fleinen (Quellen fließen, fpielte Örotfmann mit beujunberungs* 
ujürbiger Kraft unb oerbiente Klopftocfs gan3e 21ufmerffamfeit . . . . idj 
liabe naa^mals Brotfmann im fjamlet gefeljen unb gan3 gefüllt, n>eld)es 
3nterejfe er erroeeft." 

* £ambredft, ber bisher ben fjoratio ((ßuftao) gegeben fyatte, fpielte 
tfm. Den (üobtengräber übernahm Sd)röber felbft. 

3 #ir bie Streidjung ber (EobtengrSberfjene fonnte Sdjröber ftd) aua> 
auf (Sarricfs Beifpiel berufen. 

1 Das roar ber eitrige ünteil, ben Bocf an ber Bearbeitung ffatte; 
trotjbem marb er tjäuftg als alleiniger Bearbeiter ober bod) als Reifer 
Sajröbers be$e\<bnet. Be3ugnelnnenb barauf fa)rieb Sdjrober an (Sotter 
am (5. 3<muar (778: „IDob.er fommt bas (Scrüdjt, ba§ bie Bearbeitung 
von Bocf ifi? Keidjarb ifi nidjt ber einige; audf in anbern Hecenftonen 
wirb es Bocf 3ngefd}rieben, ber es auf meine CEljre roeber gelefen nodj 
gefeljen fjat." (Sdjröber unb (Sotter, 5. (07.) 

6 Vorrebe 3nm 3. TSanbe bes Jjamburgifdjen (Efjeaters, 5. V f. 



Sdjrobers Jjamlet: Derlegung ber <5ebetf3ene. 



203 



unb jo erfdjien es". 2>ie Un3ufriebenfjeit mit fetner eigenen Be- 
arbeitung, „in welcher id? aus 5urd?t r»or ber 21ufnafjme, 
Srjafefpearn metjr narjm als nöttug — fieifer unb niety feiten 
unoerfiänMidfer Dialog" »eranlafjten it?n aber, »ie er teeiter be» 
rietet, 3U einer neuen, biesmal mieber fünfaftigen Bearbeitung, 
bie er im 3. Banbe feines fjamburgifdjen Crjeaters im 5rüfying 
\77S l Deröffenttidtfe. 

2Tlan Fann fid? alfo banadj ein siemlidf beutlidjes Bilb 
machen, in meiner (5eftalt fjamlet bie beutfdje Büfme eroberte. 
Zftag man nun bie erfle ober bie 3u>eite Bearbeitung auffdjlagen, 
fo fdjaubert man 3unädfft $urü<f oor ber entfestigen Profa. Denn 
audj bie ungleich geroanbtere Überfefoung cgfdjenburgs, 2 bie 
Sdjröber bei ber 3n?eiten Bearbeitung 3U Hate 30g, mutet unfere 
burd? ben IDorfHaut Sdtfegelfdjer Derfe ©erujötmten (Ö^ren faum 
minber barbarifdf an, als Dater tDielanbs erfter ftammelnber 
Derfudj. 

IDir fdjlagen aufs (Seratemoljl auf unb ftojjjen auf bas 
(Bebet bes Königs <Oaubius: s 

„<D mein Derbredjen iß graufenooll, es fdjreit 3um Gimmel, 
es ifl mit bem älteren $lud\e beladen — €in Bruber*ZIIorb — 
beten fann id? nidjt — XDie tonnt' idj, ba id] im innerlichen 
Streite, 3tr>ifdjen meiner Steigung unb meinem Dorfafce, bem- 
jenigen gleidj bin, ber $a>ey (ßefdjäfte oor ftdj liegen tjat, unb 
unterm ^roeifel, u>cld?e er 3uerfr tfmn foH, beybe oerfäumt? — 
IDie roenn biefe »erbredjerifdje ffanb, biefer als fie tfi, mit 
Bruberblut über3ogen roäre? £}at ber allgütige Gimmel nidjt 
Hegen genug, fte fdnteeroei§ 3U mafdjen? 21ber 0 ! u>as für eine 
5ormeI oon (Bebete fann idj brausen? Dergieb mir meinen 



1 (Befpielt warb Jjamlet nad? biefer Raffung 3uerfi am 20. Februar *778. 

* iDilliam Stiafefpear's Sdjaufpielc. Heue Ausgabe oon 30t}. 3oaa>. 
(Egenburg, profeffor am <£oIlegio in Braunfajroeig. äüriaj, bey ©rell, 
(Sefner, tfüefjli n. <£omp., (2 Bbe. 1775—77. 

3 Setjr be3eidmenber §ufatj von [776 finb bie oorangeljenben Worte: 
„<D id) fürchte, idj fürdjte, fjamlet argu>otmt meine <Et{at, unb Dater» 
2tad?e biirdjtDÜljlt fein 3nneres." 



Stfyroöers fjamlet-Eearbeitung : Die (Sebetfsene. 



fdjänblidjen 2Tforb! Das fann nidjt feyn, ba idj nodj immer im 
öeftfce ber Portheile bin, um berenttoillen id? biefen HTorb 
beging — meiner Krone, unb meiner Königin. IDie benn? roas 
bleibt übrig? Derfudjen, was Heue oermag? Was oermag jte 
nidfi? 2lber roas oermag blofje unfrudjtbare Heue? © un» 
feiiger ^uftanb! <D im Sdtfamm oerfunfene Seele! Die bn 
befto tiefer oerftnffl, je inebr Du Did? lo§arbeiten toillft. ^elft 
mir ib,r (Engel, belft! 3U €rbe irjr ungefdjmeibigen Knie! Unb 
bu £jer3 mit 5iebem oon Stafy, »erbe toeidj, toie bie Seinen 
eines neugebornen Kinbes! €s fann noerj afles gut »erben. 
(€r fniet nieber.)" 

Zinn fommt Hamlet: „3fe* tonnt* idjs am füglidjften tb.un, 
ifot ba er betet, unb ifct toiü idjs trmn — — fo fäb,rt er bod) 
gen Gimmel — — unb bas foHte meine Hacrje feyn? Das 
u>ürbe fein lauten. — £in Böfetoidjt ermorbet meinen Dater unb 
baoor fd?icf idf fein emsiger Sorm, biefen nemltcben BÖfetoidjt 

gen Gimmel o, bas roäre Selormung nidjt Hadje! 

<£r überfiel meinen Dater unoerfefjens, bey oollem HTagen, mit 
allen feinen in ooUer 33!üte ftefjenben Sünben. — Unb u?ie es 
nun um ifjn flerjt, toeifc allein ber Gimmel. — Unfern Gegriffen 
nadj übel genug. IDäre id? alfo gerächt, roenn idi tbn in bem 
2lugenblicf toegnäljme, ba ftcrj feine Seele ifyrer Sdmlben entlaben 

rjat, ba fie 3U biefem Übergange gefdjicft ifi? hinein mein 

Sdjtoert; bu bifi 3U einem fd?recflid?ern Dienfl beftimmt. EDenn er 
betrunfen ifi unb fcrjläft, ober im 2Iusbrudje bes £otns ober 
mitten in ben blutfdjänberifdjen 5reuben feines Lettes; trenn er 
fpielt, fmdjt, ober fonft etroas trjut, bas feine Hoffnung mit ber 
SeeligFeit übrig läßt, bann gieb ibm einen Stoß, ba§ er feine 
Beine gen Gimmel flrecfe, inbem feine fd}ioar3e Seele 3ur f^öHe 
fäbrt." — (2lb.) 

König (fielet auf unb tritt oortoärts): „meine tDorte fliegen 
auf. ZTIeine (5ebanfen bleiben 3urücf, unb IDorte orme (Sebanfen 
langen nie im Gimmel an." 

XDir blättern roeiter. 21ber roas ift bas? f}ier mufj ein Slatt 
oerfyeftet fein. 3efct fommt bod? bie Königin mit polonius, unb 



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robers tjamlet-Searbeitung : jinberungen ber Hlottoc. 205 



bann Hamlets S$ene mit ber ZHutter. Statt beffen folgt b,ier: 
„Vierter ^lufsug. €rjter Auftritt. (€in Saal jum Scbaufpiele 
eingerichtet.) fjamlet, <5uftap (fjoratio) unb ein Sdjaufpieler" . 
fjamlet: „Sprecht €ure Hebe, id? bitte cgudj" u. f. n>. 

2lber nein, es ijt fein Derfefyen. Die obigen IDorte bes 
Königs fyaben ben britten 2Iufsug befd?loffen. Unb ber eierten 
2lft bringt roirflicb, erfi bas Sdjaufpiel im Sdjaufpiel. 2IIfo 
bie pfvcffologifcrje IDirfung, bie bie Komöbie auf ben $repler 
haben foD, antieipiert! <£in feltfames Perfafyren, bas pon einem 
befonbers feinen <5efdimacf jebenfaüs nidjt 3eugt unb bas bod? 
nierjt fo unerflärlid? ijt, u>ie es auf ben erften 23licf fdjetnt. Offenbar 
nahm ber Bearbeiter, oon feiner Sluffaffung f^amlets ausgefyenb, 
2lnfio§ baran, ba§ er, auch, nadjbem bie Sdjaufptelfsene iejm ben 
Beroeis ber Sdmlb geliefert hat, noch, sögern fann, bie gebotene Bache 
3U erfüllen ; unb barum glaubte er, ber mangelhaften pfychologie 
bes Dichters ein menig nachhelfen unb bem Drama b.ier fachte 
ein paar Stüfeen 1 aus eigener ^abrif unterfdfieben 3U bürfen. 
Die böfe Krude freilich, bie ben gefunben Organismus erft 3um 
Krüppel umfehafft, bie cginfdjaltung bes ZHotips ber ZKitfdmlb 
ber Königin, nach ihrem (ßefpräcb, mit Hamlet bereits angebeutet, 
unb am Schluß burch ein ausbrücfliches BeFenntnis befräftigt 2 
war IDiener 2TlacrjrperF unb oon Sdjröber nur mit einigen Der* 
3ierungen perfehen. Das Hecht 3U biefem für unfer (Befühl 
gerabe3u u>iberfinnigen unb bie <5reuel ber (Cragöbie riöcrjft un« 
nötig noch übertrumpfenben «^ufafc nahmen ftch bie Bearbeiter 
offenbar aus bem lüorte bes <5eijtes: „überlafj fie (bie Königin) 
bem fjimmel unb bem nagenben IDurm, ber in ihrem Bufen 
mühlt". Sie Nörten baraus ein oerfteefte Auflage heraus unb 



1 f^ierjer gehört u. a. ber &ufafc 311 ben tDorten bes ßamlet (oor ber 
Komöbie) „Da Fommen fie 31U Komöbie — id? m u § roieber ben (Serfen 
maa>en!" 

s „3m (Tobe ift IDabrljeit. <£r mar ein IHörber (Euer König; er oer» 
giftete meinen (Semal. Unb biefe eure Königin — 0 ba§ meine eigene 
§unge mein 2lnFläger ©erben muß — willigte in ben ITTorb. (<2s bonnert, 
fie fällt in ben Seffel)" u. f. id. 



206 Sdjröbers rjamlet-Bearbettung: Der gute Sdjlufj. 



glaubten nun ifyrerfeits, bem publifum bie Sadje etroas beutlictfer 
geben 3U muffen. 

3nt Pergletdj mit biefen beiden uub einem, gleich $u erroär}» 
nenöen, dritten geroaltfamen €ingriff erfdjeinen bie übrigen 
fsenifdjen Anberungen, Srreidmngen unb Umftellungen ber Bear» 
beitung als Derrfältnismäfcig geringfügiger ZTatur. 1 Daß bie $iguv 
bes Caertes erfi in ber Sdjröberfcrjcn Bearbeitung, n?ie fte im 
Drucf erfer/ien, roieberrjergefleHt rourbe, roärjrenb fie in ben erften 
Aufführungen, ebenfo roie bie (£obtengräberf3ene, gejrricfyen roar, 
bafc bie gan3e Unterrebung mit ben Sdiaufpielern in ben gebrueften 
Bearbeitungen 8 bis auf ein paar BrocFen ausgemerzt roar, ba§ 
5ortimbras nid?t auftrat, alles bas, unb nodj mandje anbere 
5reitjeiten ftnb nidjt oiel roiUfürlicrjcr unb graufamer, als fie fia? 
3u allen Reiten Hegiffeure mit einer roefyrlofen Dichtung erlaubt 
haben unb immer erlauben »erben. 

Aber ba§ Sdjröber in allen Bearbeitungen feinen fjamlet, 
nad? bem Porbilbe bes tPieners, am Ceben unb bie Hegierung 



1 <2tnc eingeb,enbe Pergletdjung ber r»erfd)tebenen Bearbeitungen roirb 
man an biefer Stelle nid)t ermarten. Um fo weniger, ba neuerbings 
merfa?berger in feiner Abtfanblung „Die Anfänge Srjafefpeares auf ber 
Hamburger Bürme" (CDfterprogramm bes HealgymnaOurns bes 3ob l anneums / 
Hamburg J890, unb baraus im 5b,afefpeare'3ab l rbua> XXV, S. 205 ff.) 
bie ^rage erfdpöpfeub berjanbelt rjat. Pgl. aud) <5. ^rtjr. o. Pincfe, (Sefammelte 
Auffätje 3ur Bürmengefd) td)te (<Eb,eatergefd). ^orfdmngen, rjerausg. 0. B. £tt$. 
mann VI) Hamburg unb £eip3tg 1893, 5. 5 ff. 

1 Zladf Sdjinfs §eugnis (Dramaturgifdje Fragmente I (J780 S. {66 
bereute allerbings Sdjröber, gleid) nad?bem bie neue Ausgabe erfdjienen roar, 
biefe Auslaffung unb fügte bei ber Aufführung nadjträgltdj bie gan3e 
5a>aufpielerf3ene einfd}liefilid) fjamlets nadrfolgenbem ITIonolog ein. 0b 
aber eine neuerbings dou 3. Bolte entbedte Ausgabe bes fjamlet, bie ftd) 
als „britte genau burd)geferjene Auflage, Berlin in ber Pofjifdjen Bud> 
rjanblung (795" be3eid)net, unb roeldje, im (Segenfafc 3U ber oon \778, roieber 
fedjsaftig ifi (roie bie erfte uon \777) unb bie, r»on anberen Abroeidmngen unb 
Suffixen abgeferjen, bie gan3en Sd)aufpielerf3enen enthält, oon 
Sdjrobcr felbft oeranfialtet roorben, mödjtc ia? be3u>eifeln. \7S6 fpielte 
Sdjröber in f?annooer, nad) bem mir oorliegenbeu (Erjeate^ettel, ben tjamlet 
in ber saftigen Bearbeitung. 



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Sdjröbers fjamlet-Bearbeirung : Das r^amletproblem i. Sinne t>. geit. 207 

antreten ließ mit ben IDorten: „3h r / bie ihr mit erblaßten <5e* 
ftchtern von egrfiaunen gefefjelt umherjlehet, unb oor <£ntfefcen 
über biejeu Porfall $ittert r feib beugen 3roifcben mir unb Däne« 
marf oon biefer fdjauernben Begebenheit, oenn euch überlaß ich 
meine €I?re unb meine Rechtfertigung", bas erfdjeint bodj als ein 
(Beroaltaft, Oer oas Drama aufs greuliche fdjänbet. 

Sur unfere <5efühle geroißl JDir ZUobernen haben einen oiel 
höheren Hefpeft oor ber Unantaftbarfeit einer Dichtung als <Ban3es, 
rotr haben auch, (unb baoon ftnb felbfi bie berufsmäßigen ^uridfter, 
Regiffeure unb Dramaturgen, angefteeft) einem großen Dichterroerfe 
unb infonberBjeit Shatefpeare gegenüber, ein Diel größeres Pertrauen 
3U [einer (Eigenfraft. Der ZTZann bes \8. 3abrhunberts aber, ber 
Shafefpeare bie beutfdje Bühne erobern rooHte, hatte roeber 
felber oon vornherein biefen unbebingten (Stauben an bie (Eigen* 
traft ber Dichtung, noch burfte er etroas berartiges bei feinem 
publifum oorausfefeen. 

<£s galt bie c£r$iehung bes publüums 3U einem neuen (Sefdmtacf, 
unb biefe (Erstehung fonnte nur fchritt* unb ftufenroeife erfolgen. Unb 
wenn ber Cehrmeifter auch ein paar Stufen höh** ftanb, als feine 
Zöglinge, fo mar unb blieb auch er boch immer noch ein Kinb, 
feiner «geit roie fte. fcreffenb hat jüngfl ein Beurteiler bes fjamlet 1 
barauf fyngem\e\en, roie bas ^amletproblem, roelches bie Ceute oon 
\776 reiste unb begeifterte, ein gan3 anberes roar, als roas bem 
Dichter oorfchroebte. Diefen in roeieber, energielofer Schwermut 
fich fo gern ergehenben Seelen !am fjamlet, ber Hlelancholifer, 
ber nicht, oon bes „(Sebanfens Bläffe" angefränfelt, feinem <Se* 
fehiefe unterliegt, fonbern als Sieger aus bem Kampfe tietvotgetit, 
roie ein Befreier, ein Dorbilb cor, an beffen 21nblicF unb Beifpiel 
fie fich erquiefen unb ZHut fchöpfen Fonnten. Der roirfliche fjamlet 
Shafefpeares, ber unterliegt, hätte ihnen nicht halb ben (Benuß 
gewährt, roie biefer, ber über bie Bosheit unb Hänfe feiner 



1 K. Soening im erfien Kapitel (Die erfte 2IufnaI?me unb Jluffaffung 
bes fjamlet in Dcutfa)laniO feines Bud?es über „Die t}amlet * (Eragöbie 
Shafefpeares". Stuttgart *895. 



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208 Srotfmanns fjamlet melfr Sterne's als Stjafefpeare's. 



5embe triumphiert, n?enn es aud? nur ein Sieg mar, au dem 
ber Zufall mehr teil B>at, als Klugheit unb (Capferfeit. Der 
Kampf nämlidj 3mifchen Caertes unb Hamlet iji geflrichen. €s 
gilt einen Perfötmungstrunf 3mifchen beiden, einen Abfdnebstrunf, 
ehe ^amlet nach €nglanb geht, fjamlets Becher ift oergiftet, 
Caertes meifc fcaoon. Die Königin trinft ahnungslos aus Hamlets 
Becher. 3 m Slugenblicf, wo Hamlet ben feinen anfefct, ftnft fte um : 

fjamlet: „Was iji €uch, ttlutter?" 

König: „Hur eine Ofmmadjt." 

Königin: „Hein, Oer (Eranf — o mein tfjeurer fjamlet! Der 
Cranf mar 03ift — " 

fjamlet: „<5ift? f)ier ift <ßift für Dich oerbammter ZJTörber!" 

(€t erftidft t>*n König.) 

König: „Perrätherey ! helft! 7 ' 

Hun folgt bas (Befiänbnis ber Königin, 1 ihr (£ob, Perföfmung 
3mifchen Hamlet unb Caertes unb Schlußapoftrophe. 

Diefer f}amlet, ber im fjinblicf auf feinen fröhlichen Ausgang 
nun auch vom Bearbeiter eine gan3c Heihe fleiner, auf feine 
(Ehatfraft unb Chatentfd?Ioffenheit hinöeutenber „ftüfcenber" <5üge 
erhielt, biefer fjamlet mit feinem mehr Sternefdjen als Stjafefpeare* 
fchen fjumor, n>ie ihn Brocfmann, mohl nicht, ohne oon Bobe 
beeinflußt 3U fein, barjieOte, mar aus ber Seele nicht bes Zeitalters 
heraus, in bem er entftanben, fonbem in bem er mieber entbeert marb. 

tPie fiarf biefe Berührung mit bem ^eitgeijl ben theatralifd?en 
<£rfolg begünfiigte, follte Schröber nur 3U balb erfahren, als er, 
burch fjamlet ermutigt, nunmehr planmäßig ben Perfuch, auch 
bie übrigen Dramen ShaFefpeares auf ber beutfehen Bühne ein3u* 
bürgern, unternahm. 

Schon am 26. XZooember, acht ZPodjen nach öer erften Aufführung 
bes „ß amlet", n>arb „(Dthello, ber 2TTohr r>on Penebig," 
ein Crauerfpiel in 5 21uf3Ügen nach bem Shafefpear, mit neuen 
Kleibungen unb Cheaterpe^ierungen" angefünbigt. Das fyrus 
mar bidjt befefct; unb ber Uame Shafefpeare unb bie Hollen» 



1 S. oben S. 205 21nmcrfung 2. 



CErftc 21 11 ff Urning bes ©ttjello. 



209 



©erteilung, meldte Set Zkeatet$ettel aufwies : HeinecFe — 23rabantio, 
Brocfmann— (Dtfjetto, Sd?üfe — (Caffio, Scbröber— 3ago, Dorothea 
21cfermann — Desbemona, 2ttab. 2T?ecour — €milia — oertfiejjen ber 
freubig gefpannten 2Henge einen streiten fjamletabeno. Uber es fam 
anbers. Diesmal tjatte ber fonfl fo oorficrjtige Direftor fein 
publifum überfdiäfet. Die betmontfebe Ceibenfdfaft bes 2lfrifaners, 
bie fatanifdje fEücfe feines $äfmridjs, bie graufame fjinfcbladjrung 
ber unfdjulbigen Desbemona, alles bas überfHeg bei roeitem bas 
2TTa§ beffen, was Sie Heroen ber Hamburger, unb mefyt noeff Set 
fjamburgerinnen, von \776 ©ertragen fonnten. 3* ntefn* bie 
DorfteÜung fidf ber Katafiropl?e näherte, beflo unruhiger marb 
bas publifum. „0b.nmacb.ten über (DBmmacbten erfolgten/ be-- 
ridjtet ein ^ugenseuge. 1 „Die Cogentfjüren f läppten auf unb 3U, 
man ging baoon ober roarb 23ot{jfaHs baoongetragen unb (be* 
glaubigten ttacbrtcblen 311 5olge) mar bie früfoeitige mifjglücfte 
Ztieberfunft biefer ober jener nambaften fjamburgerin 5olge ber 
21nftcrft unb 21nb,örung bes übertragifeben Crauerfpiels". IPeffen 
Zteroen es ausweiten, ber roarb freiließ für feinen tflut belohnt. 
Denn 23rocfmann lag ber „ZDürgengel" eigentlich beffer als ber 
melandjolifdje ^amlet, Scfjröber befeftigte als 3ago feinen 2lnfprud? 
auf tragifcfye Hollen, unb Dorothea 21cFermann war eine oortreff- 
liebe Desbemona. 2lber, als bas Stücf tags barauf roieberholt 
marb, gähnten bie Cücfen im «gufcfyauerraum. Das gab 511 benfen. 
JDoHte man ben „(DtfyeuV auf ber 23ürme galten, fo mußte man 
ftdj $u Kon$efftonen an bas publifum entfdjlie§en. 2 2llfo toarb 
für bie britte Porfiellung, am 4. Dezember, „(Dtljello, mit Per» 
änberungen" angefünbigt, bie benn aüerbings niety nur auf be« 
fcfyeibene 21bfcfytt>ädmngen unb Streichungen aÜ3U fraffer 21usbrücfe 
unb S3enen, fonbern oor allem auf einen guten Sdjlufj binaus» 



1 Sd)äfce, Jjamburgifdje <Eljeatergefd)ia>te S. 

8 21ber ntdjt „auf Befehl bes Senats", wie Dielfad?, fo aud) nod) bei 
21. Köfier, Sd}iller als Dramaturg (\ 890 S. 63, 3U lefett. Da§ bies (Eingreifen 
bes Senats eine (Erfinbung 23runiers, (^at bereits 6. Uljbe [876 in bem 
S. 2\o 21nm. 2 cttterten2luffaft nad)geu>iefen. £>ergl.aud)Dincfe, <5efammelte 
21uffätje 3ur 8ülmengefdfid}te ((Etfeatergefdj. #>rfdjungen VI) S. \o f. 

f ifcmann, Sd?röbet 11. U 



2\0 



2tnfnupfung mit Börger. 



liefen : (Dtrjeüo famt 2)esbemona blieb am leben, unb Hamburgs 
ttacrffommenfdjaft war bis auf weiteres oor tfyeatralifdjen 2lccoudje* 
ments bewahrt. 1 2Han fdjelte barum nidft ben HTann, bafc er, 
fetner Kajfe 3ulieb, jtcr? fein fünfHerifdjes <5ewiffen mit einer 
5reoeItrjat belaflete. Diefes (Sewiffen war, rote id> fd)on bemerfte, 
überhaupt bamals audj bei ben (größten feineSK>egs fo 3art be= 
faitet, wie bei uns. <£r wußte aber audj gan$ genau, was er 
tbat. <£r f;anbelte wie ein 5elbrjerr, ber einen 3U weit oor- 
gefdjobenen Poften lieber 3urücf3ief>t, elje er bie Sidjerfyeit ber 
gan3en 21rmee unb bie 2lusfid}t auf ben pöQigen Sieg gefärjrbet. 
3f?m galt Sfjafefpeares Einbürgerung als bie Hauptaufgabe, unb 
biefer 23ücfftcbt mußten alle anberen weichen. Dier IDodjen nadj 
ber fdjetnbaren Hieberlage fd?rieb er lafonifcrj an (Sotter: „Der 
XTTorjr von Penebig ift ben Hamburgern 3U fd?recflidf gewefen. 
Xtvm bin id? beim tflacbetr?!" 2 

€r ging mit Htefenfdjritten vorwärts, unb mit jener fprüfyenben 
HegfamPeit, bie in biefen erften ZHonaten nad? ber Hamletauf fürjrung 
alle feine Handlungen fenn3eidmet, Ijatte er audj ferjon oon Hau« 
nooer aus, woln'n feit bem 27. T>e$embet \776 nod? einmal ber 
Scr/auplafe »erlegt war, ftdj burdj 5*eunb ^oies Dermittelung 
einen Mitarbeiter geworben, ber biefe 2lTacbetrj«23earbeitung weit 
über bas Hioeau ber fdme [(fertigen 5 ur *d?tungen bes Hamlet 
unb (Dtfyeflo ergeben mußte. 21m 29- Qe$embev rjatte 23oie an 
Bürger gefdirieben: „Seit oorgeftern r/aben wir wieber Komöbte. 
3d? gefje oiel mit Sdjröber unb öroefmann um. ZteujaBjrsiag 
geben Sie uns Hamlet. 3" Hamburg fyxt es gefallen oon ber 
erften £oge bis 3ur (5allerie. 3d? bin neugierig auf ben <£inbrucf, 



1 2lber aud) in biefer ^orm wollte ber (Dtljello bem publicum nid)t 
mnnben. <Hr marb \777 nur nod) 3ioeimal gegeben (H. 3anuar, 5. ^ebruar). 

* 2lus einem Briefe Sdjröbers an (Sotter r»om 5. 3annar 177? mit- 
geteilt oon £7. Uljbe in ben Blattern für £itterartf<r/e Unterhaltung 1876, 
Hr. \n, S. 2\6 (gelegentlid? einer Befpredjung oon Dintfes Dortrag „Sljafe- 
fpeare unb Sd)röber"). <2s u>äre mir angenehm, burd) biefes <£itat auf 
bie Spur bes gan3en Briefes 3U fommen. Bei ben oon mir \&B7 oer* 
öffentlidften Briefen befanb er fid) bereits nid>t met|r! 



öotes <£orrefpon&en3 mit Bürger wegen bes Uflacbetti. 



ben er r?ier machen toirb. 1 2lber iji es benn nicht möglich, ba jjj 
J)u einmal fyerfommft? . . . 2lflem BrocFmann unb Schwober 
oerbienen bie Heife." Schon am fünften (Eage barauf übermittelte Boie 
bem 5reunbe Schwobers Porfcbfag, ib,m bie fjerenf3enen für feinen 
ZTTacbeth 3U oerbeutfehen. 

Bürger toar fofort bereit. „«Empfiehl mich Schrober unb 
Brocfmann", fchreibt er am 6. 3<*nuar. „3<h h°ff* gewiß Sie 
balb perfönlich fennen 311 lernen; fofl es auch, erfl bey ber Por» 
ftettung bes ZJTacbeth feyn." 

Die Korrefponben$, bte jtch nun 3tt>tfchen ben beiben $reunben 
entfpann, tfi ungemein charafteriftifch nicht nur für bie beiben, 
fonbern auch für ben brüten, um bie fte ftch. breBjt, Scfjröber. 
XDie alles bas, toas Bürger über Sdjröber fjört, biefen, bisher 
ber Bühne gan3 abgetoanbten Dichter für bas (Theater erwärmt, 
unb wie er felbfi von theatralifchen (Triumphen 3U träumen 
beginnt! „2luch foü mir", fchreibt er am 9. 2<^nnat, „ber 
271acbetb. oor meiner 2lnfunft in ijannooer nicht aufgeführt »erben. 
3a? muß ben ertfen Speftafel feben unb Ijören, ben er gan3 
gewiß machen wirb. 2Denn mich, jemals oerlangt hat ein Schau» 
fpiel oorgefleflt 3U fehen, fo iji es r>on jeher, feit ich. iBm Fenne, 
Sbafefpears ZHacbetb. gewefen. 2JcbJ unb König £ear! König 
£ear! VO&t es benn nicht möglich, baß Schwober auch ben auf 
bie Bärme brächte? . . . Zlun laß Schröber ftch nur um eine 
gute Xjejen» unb ^aubermußf befümmern. (Sem mär' ich, mit 
bey ben proben gegenwärtig, um ben Dortrag unb bie ^anblung 
wie fte mir oor ber Seele fdnoeben, mit beftimmen 3U fönrten" 
u. f. w. „JDenn ich Gelegenheit hätte", fchreibt er am 23. 3anuar 
auf bie XTachricht oon bem Beifall, ben bie proben feiner £}e$ enfsenen* 
bearbeitung in ffannooer gefunben, „ein gutes (E^eater öfter 3U 
befudjen, fo ließe id? mich einmal 00m Ceufel oerleiten, auch ein 
Scbaufpiel 3U 3eugen\ 2ln eine Bearbeitung bes £ear — offenbar 
hatten bte ^annooeraner biefen <5ebanfen gleich, aufgegriffen — 
habe er oft gebaut, allein Sljafefpeare ehoas 3U nehmen febeint 



1 Dcrgl. K. IDetnffolb, Bote S. 8* ff., 209 ff. 



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2\2 



Särger in fymnooer 



fafl „Kirchenraub" unb „meine «gufäfce würben Kupfer feyn ju 
feinem (Bolbe". Aus Boies Briefen ^ören wir immer Schröber 
als spiritus rector heraus. €r fudft bem wiberljaarigen Sreunbe 
plaufibel 3U machen, ba§ „nur 3um Dortheil ber Porfiellung" eine 
£ufammen3tel?ung ber beiben erfien fyrenfsenen in eine ebenfo 
notwenbig fei, wie bie Cilgung bes gan3en König Dunfan. rt 2Tlacbeth 
gan3 aufführbar 3U machen unb fo 3U bearbeiten, bafj er gebrueft 
werben FÖnnte, ba3u gehört fafl ein an Shafefpear gren3enber (ßeifl. 
Aber 2ttacbeth wirb unb muß trofc allem jefct gefallen. 3« *>i** 
XDochen gewifj wirb er aufgeführt." Die Umarbeitung bes £ear 
fei „ZTZannsarbett", aber Bürger tonne es fkher, „wenn Du nur 
recht wiHfi". 

w Xt>as vooüte ich," fdjreibt Bürger, ber ftd? immer noch nicht 
in bie 3ufammenge3ogenen £}erenf3enen finben fonnte unb eben 
um biefer Unbelehrbarfeit willen wofjl an feiner Begabung fürs 
„tEheater" glaubte 3u>eifeln 3U muffen, „nicht barum geben, n>enn 
ich noch einmal in meinem Ceben fo glücflid? würbe, in einer 
Statt 3U wohnen, wo nur unterroeilen Sdjaufpieler wären. Das 
würbe oielletcht ben bramatifcfyen Saamen, wenn welcher in mir 
liegt, befruchten. Sobalb ich nur in fjannooer gewefen bin, follt 
3h* f><*lb erfahren, was bie (Slocfe gefchlagen h a *« Kommt als« 
bann nichts 3um Oorfchein, fo bürfte wol in biefem iadje f}opfen 
unb ZtTa(3 an mir oerloren feyn." 

„&>enn Du h^fommft, unb es fpielen ftehfV' tröftet ihn 
Boie am 9. 5ebruar wegen ber £jerenf3enen, „gibft Du mel- 
leicht einen befferen Ausweg, £}ier wirb es fo nur beinet* unb 
meinetwegen gefpielt. Deforatiou, Kleiber u. f. w. müffen erfi in 
Hamburg ba3U gefchafft werben." Unb inbem er für €nbe bes 
5ebruar ober Anfang 2Tlär3 bie Aufführung bes 2TIacbeth in 
Ausftcht fieflt, fchliefjt er: „3<*? wollte Du hättefi mit mir nur 
ein paar Ztfonate theatraltfche Dorfteflungen gefehen; mehr als 
eine ich Bin gewifj, wäre fchon in Deinem Kopf entftanben 

unb würbe hernach bey ZHufje reif." 

Am 22. Februar fam 3war Bürger wirflich nach fjannooer 
unb blieb fogar bis über ben Schluß ber Porjteflungen ber £}am* 



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Bürgers Jttaebetlibearbcirung 



2\3 



Burger Cruppe bort. c2r fab. u. a. ben 3u(ius oon (Laren t (ben 
fjamlet nicrft). 2lber 3U einer 2luffüfjrung bes tflacbetr} fam es 
in tiefen IDodjen nidjt. Denn bas Ergebnis biefer perfönlicrjcn 
Berührung bes poeten mit bem tErjeater war 3r»ar feine neue 
bramatifdje „3bee" in bes €rfieren Kopfe, roorjl aber 3unädifi ein 
Sieg ber ibealijiifcrjen (Etjeorie über bie praris. ZTCan roarb, bas 
fd?eint {ebenfalls aus ben in ber 5olge geroedffelten Briefen rjer* 
oorsuge^en, eins, baß ber Didier ntcrjt nur feine £}erenf3enen 
einftroeilen überflügelt bewahren, fonbern aucb, ben ganzen, von 
Sdjröber für bie 23üfme rjergerid?teten, ZHacbetb, einer grünblidjen 
Durdjftdjt unte^ieffen unb, roo es irmt gut fd}ien, auch, beffernbe 
£}anb anlegen fofle. 1 Daß hieraus nichts »arb, unb baß, als 
Scfyröber fdjließlidj nadj merjr als streijäljrigem Xüarten ben 
Zftacbetf? auf bie Büfme brachte, biefer von Bürgers i^anb nichts 
anberes enthielt, als eben bie pielberufenen £}erenf3enen, — baran 
trug allein Bürger bie Sdjulb, beffen Feuereifer in feinem ein* 
famen 21mtr)aufe balb rerraucrjte, unb ber trofc meb,rfad?er Anläufe 
unb rcieberfyolter ZKatmungen mit feiner Arbeit nicrjt red]t oom 
^lecfe fam. 2 Der „bramatifd?e Saamen" in tfmt erroies fid? bod? 
fd?ließlid) als r>on aÜ3u geringer Keimfraft. 

Z>er gan3e Porfall ift aber ungemein be3eidmenb für bie 
belebenbe Kraft, bie oon Sdjröber unb feiner (Truppe bamals 
ausging, für ben €ifer unb ben €rnfi, mit benen Sdjröber bie 
bidjterifcr/en (Talente 3U gemeinfamer 2lrbeit 3U »erben fudjte, unb 
für bie Befdjeibenfyeit, mit ber er feine fadnuännifdjen Dramaturgen« 
fünfte bem überlegenen (Seifte eines in (Erjeaterfadjen gleidjwoljl 
gan3 unerfahrenen Dichters untersuorbnen bereit n?ar. 

<£r mußte bann freilich,, roie ferjon einmal bei bem fog. 
preisausfdjreiben, roieber bie «Erfahrung madjen, baß, einen Dogel 

1 21. Kofier, ber in „Sct/iller als Dramaturg", 5. 62 f. u. 67, bie 
Sadfe fo barfiellt, als habe Sd^röber ben OTacbetb, fo lange liegen laffen, 
a»eil er „nod? nidjt bühnenreif" gen>efen, irrt. CTacbeit; war, n>ie aus 
Botes Briefen nn3n>eifelb l aft hervorgeht, tfjatfädjlidj im Ttlär^ 1 77? 
„bühnenreif". 

* Bürgers Bearbeitung erfdjien erft 178*. 



2H 



Bemühungen (Sott er nad? Hamburg 3U 5 t eben. 



tm $tuge $u fjafdjen, faum fd?t»ieriger fei, als einen roirflidjen 
poeten für feine &mede bauernb 3U intereffteren. 

Daß es iJnn bei öürger fo feljlfd?lug, war aüerbings, rro|j- 
bem Um bie verlorene ^eit t>erbroß, fdfließtid? fo fdjlimm nid?t, 
benn große Hoffnungen auf Bürgers (Efjätigfeit, als regelmäßiger 
Mitarbeiter am Cljeater, »iro er nad? ber erften perfönlid?en 
23efanntfd?aft mit bem oon unberedfenbaren 3"ipulf« n befyerrfdjten 
ZlTanne fd)tt>erlid| gefefct l^aben. Daß bagegen aud? feine Hoffnung, 
<5otter an fein Cfjeater 3U feffeln, ftd? nidjt erfüllte, mar ein 
Schlag, ben er nidjt fo leidjt oeripinben foÜte. 

„Sdjließen Sie, mein tfyeuerfier $reunb!" {einreibt er am 
\3. ZHär3 ^777 an (Botter, „oon meinem feltenen Schreiben 
nidjt auf Abnahme meiner ewigen, unoeränberlidjen Ciebe 3U 
3*men. ZKeine (ßefdjäfte Käufen ftd? oon tflonatlj 3U ZHonattj 
fo fefjr, baß idj faum mein: burdjfmben fann — Öa3u fommt 
nod? oer bittere (ßebanfe, baß idf mit aller ZTTü^e unb möglichem 
ileiße nidjt im Staube bin, bas (C^eater 3U oem (ßrabe oon 
DoHförnmen^eit 3U bringen, ben idj feit einigen 3al?ren fo eyfrtg 
fudje — bies madit mid? fo menfdtenfeinblid? (benn ber mefyrefte 
(£f?eil ber ZTCenfdien, mit benen id? leben muß, ift böfe) — baß 
idi mid? jeben (Eag 20 2JIaf}l aus meiner Situation wegu>ünfd?e, 
midf oon einer profeffton entfernen mödjte, bie fo wenig Reiter 
unb un3ät)(ige misoergnügte Augenblicfe an ftd? fettet, (leyber 
tfVs bey ben meljrfien fogenannten Sdjaufpielern profeffton.)" 

So beginnt bie Antwort auf einen 33rief (Sotters, in bem 
biefer bas Anerbieten 5d?röbers, 3ur fyjmburgifdjen 33ülme in ein 
bauembes fontraftlic^es Perfyältnis 3U treten, aus Kücfftdjten, wie 
es fdjeint, auf feine Familie, abgelehnt Ijatte. ZTTan füljlt aus 
btefen IDorten heraus, u>ie bitter bie <£nttäufdmng für Sdjröber war. 
w Daß es mid? fdimer3t", fä^rt er fort, „baß Sie meinen Porfdjlag 
nidjt angenommen, baß Sie Hedjt faben, Hm nidjt an3une^men, 
betljeure idf bey einem Cropfen guten Sluts in meinen Abern 
— unb ein Cropfen ifi gewiß ba. auf bas „mir bienen 3U 
fönnen", will id? nid?t antworten. Sie fönnens gern iß ober 
fonfl Keiner. Aber bie Ciebe 3U 3fnrer iamilie muß Alles auf« 



Sajme^ltdj empfundener IHangel eines tfreunbes. 2j5 

lieben, bas ifi gerpifj. Hudi midf heftet 5reunb Ijält bies Sanb 
an alle meine Zftübjeligfeiten, bie micb, por ber &eit 3um <Sreife 
machen, mich pon ben Vergnügungen ber IDelt entfernen — eben 
feb, ich aus 3h** m öriefe, baß ich 3h nen »n meinem porigen 
fdjon bergleidjen porgefchroast r^abe, alfo genug bapon! — " 

ZHan braucht nicht weiter 3U lefen, nicht bis 3U bem Schlußwort, 
u>o er, auf ben für ben Sommer perljeißenen 33efuch (ßotters an- 
fpielenb, in bie rDorte ausbricht: „ZHit Verlangen fehe id? ber 
feiigen Stunbe entgegen, ba id? Sie an mein £}er3 brüefen unb 
3um erjlenmahl in meinem Ceben fagen fann: 3<h ba& einen 
guten 5reunb bey mir!" — , um 3U wiffen, baß für Sdfröber mit 
bem Scheitern biefes projeftes mehr in bie Brüche ging, als ein 
feiner 23üEme Porteil perfpredjenbes Engagement. 

2lußer Sobe, ber aber piel älter mar, als er unb wohl auch um 
biefe ^eit tief in eigene fyäuslidje Sorgen perflricft war, trotte er 
Feinen eigentlichen $reunb. 33rocfmann, bem er jtcb, in ben erften 
3ab,ren mehr als irgenb einem Kunftgenoffen erfdjloffen, war ib,m an 
3nteref[en unb (Eljarafter bodj 3U wenig ebenbürtig, unb war 
befonbers bod? 3U ausfchließlidj Komöbiant, als baß er in biefem 
Derfebr fiel? bauernb blatte bef riebigt füllen fönnen. 1 <£s war 
auch in ber legten <§eit eine entfdnebene €rraltung 3wifchen beiben 
eingetreten, offenbar hervorgerufen buref? Brokmanns mit feinem 
wacbjenben Hub.m auch wachfenbe 21nfprüche. 7>et fleine Kreis 
jener Kunflfreunbe, bie in ber erften Direftions3eit ftd? 3U an« 
regenbem (ßebanfenaustaufcb, regelmäßig bei ib,m eingefunben, 
hatte fteb. fdjon por mehreren 3<*bmt aufgelöjl unb 3erflreut. 
21ud) fyatte feiner pon ihnen Schröber perfönlich nahegeftanben. 
21n Stelle ber litterarifchen Unterhaltungen waren muftfalifcbe 
21benbe 2 getreten, an benen er 3»ar bei feinem großen 3"tereffc 

1 Der Sdjaufpieler Daner, bem Sd)röber, roie aus ben Briefen an 
(Softer fjeroorgeltt roegen feines oortrefflia>en geraben Ctjarafters aud) aus 
ber tferne eine faft 3ärtlia>e tfreunbfajaft meitfte, n>ar itjm getitig erft rea>t 
n\d)t ebenbürtig. 

8 Diefen §ug Ijat (Soetfje, rote fo mannen anbetn — 3. 33. bie 
Cefeabenbe im f?aufe bes DirePtors — für feinen Serlo benutjt. Dgl. IDtltf. 
iTTeijter 23udj, Kapitel. 



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2\6 



Sdjröbers gefelliger Derfeb,r. 



unb feiner entfdnebenen Begabung für ZITufi? 1 große ireube 
hatte, mit beren (Teilnehmern aber — Sängern unb (Drchefter* 
mitgliebern bes Theaters, unb als ^uE}örer gelegentlich bie Herren 
Oer englifdjen (Sefanbfchaft, an tEjrcr Spifee ber Hefiöent HTathias, 
Dr. Unser aus 2Utona, Dr. Ceppentin aus Hamburg, ber Komponift 
unb langjährige 5reunb bes Kaufes (Eelonius u. a. m. — ihn 
aufcerbem faum tiefere 3 nterc ff en »erbanben. 2luch bie £oge, bie 
er häufig, im EDinter regelmäßig, befugte, 2 bot ihm in biefer 
^infterjt feinen €rfafc. Unb ber fonfiige gefeüige Perfehr, fo roeite 
Kreife er 30g unb obroorjl er ihn am britten ®rte, roie bei ben 
Sdnmmelmanns in UDanbsbecf , mit Klopftocf unb feinem Anhang, 
ben Familien 3üfd) unb <£beling in 33e3iehung brachte, erfüllte 
ihm ebenfalls nicht, wonach er ftch fehnte. Sein litterarifcher 
2lblatus enblich, 33ocf, mar aüerbings ein gefcheiter XTTenfch unb 
auch recht anfieüig; aber sugleich ein fo 3erfahrenes unb moralifch 
haltlofes <5efchopf, bafj er Schröbern je länger befto mehr ftatt einer 
fjülfe eine Cafi warb unb oon ihm fchließlich mehr aus ZHitleib 
mit burchgefchleppt mürbe. 3 

3n <5otter glaubte er nun enblich bas gefunben 3U h^ben, 
roas ihm bisher gefehlt: nicht nur ben litterarifchen ZTTitarbeiter, 
beffen Fähigkeiten 3ur Verrichtung auslänbifcher ober r»eralteter 
Dramen für bie Sebürfniffe ber beutfehen 23ürme, feiner oielfeitigen 
33ilbung entfprechenb, bie 3ocfs bei weitem übertrafen, fonbern 
audj oor allem ben Freunb, mit bem er, über bem 2>unfi bes 



1 mir liegt ein qan^es TS&nbtyn feiner £ieberfompofttionen oor. 

2 Die maurerifdje (Erabition, als ob Sdjröber im Anfang feiner 
maurerifdjen £aufbafm (b. h* bis 3n feiner Uberftebelung nad) IDten) nur 
feiten in ber Soge erfdjtenen unb aud> an ben Arbeiten berfelben feinen 
tätigen Anteil genommen habe, beruht, mie aus ben Briefen an (Sorter 
tjeroorgelft, auf einem 3rrtum. 

n Ungemein be3eid>nenb ift, wenn Sdjrdber, ber mit feinem „tjambur' 
gifdjen CCb.eater" fo rtel Derbrag hatte, (777 ben plan faßt, 3U (Dfrern 78 aua> 
ein „Komifa?es (Theater ber ^ran3ofen" b,e™us3ugeben, mit 3U bem groed 5 , 
„and) bem armen öoef ein roenig aus ber Suppe 3U Reifen, bnrd) biefen 
erfien Seil, in n>eld)en lauter Bearbeitungen von iltm fommen fotlen". 
(Jln (Sottet 3. De3. 1777. Sdjröber u. dJotter, 5. 9l0 



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(Sotters Iitterartfd?e pljfftognomie 



2\? 



Ch^aterflätfches unb ber Komöbiantenintriguen fchtoebenb, <5e= 
banfen austauf djen fonnte über bas, was ihm bas ^cr$ am 
tiefften bewegte ; einen 2T?enfchen, mit bem tJjn nicht nur ein fünb* 
barer (Befchäftsoertrag, fonbern eine a>irflia?e innere (Bemeinfchaft 
ber liodtften geizigen 3ntereffen oerbanb. 1 (ßotter flanb, feiner 
ZTeigung unb feinem Bilbungsgang entfprechenb, allerbings eigentlich 
im £ager ber (Begner ber bisher am fyamburgifcfyen C£|eater »or» 
herrfdjenben Hichtung. €r u>ar ein entfduebener Perehrer ber 
5ran3ofen, mehr als irgenb einer feiner gleichaltrigen §eit* 
genoffen. 2Jber biefe, aus feiner Porliebe für eine geroiffe 
Korreftheit unb ^ierlidffeit ber fünftlerifchen Arbeit h 
gegangene, perfönliche Sympathie fyatte ihm feinesroegs ben Blicf 
getrübt für poetifetje c£rfcb,einungen, roelche ftch in bie bei unferen 
n>eft(id?en Hachborn oon alters f)ergebrad?ten unb geheiligten 
formen unb Hegeln nicht wollten preffen laffen. HTit offenen, 
empfänglichen Sinnen n>ar er bereit, jeber 3 n °toibualität, oie 
mirflich einen ftarfen eigenen (Eon h°tte, ihr Hecht 3U3ugejtehen. 
Unb toährenb er Poltaires 2Herope taftooll unb fomtgeroanbt 
für bie beutfehe Bühne neu bearbeitete, laufchte er mit oollem 
Behagen auf (Boettjes (Böfe unb oerfenfte ftd? mit freubigem 
c2ntbufiasmus in feinen Shafefpeare. Seine litterarifche Zfy&tiQ' 
feit, foreeit jte bisher 3U Cage getreten roar, gravitierte freilich 
gans nach 5ranfreich. Seine falfchen €ntbecfungen nach 
Zttarioaur, fein bürgerliches (Erauerfpiel HTariane, nach ta 
Harpes Htelanie, feine 3eanette nach Poltaire roiefen 
ihm eine Sonberftellung unter ben bramatifchen nachwuchs ber 
erften fieb3iger ^ahre an; aber wie roenig er einfeitig in biefer 
Hichtung 3U verharren gefonnen roar, bewies feine Bearbeitung 
pou fjoableys Suspicious Husband, bie Schröber im 3wli \77? 
als „Slrgmöhnifchen (Ehemann" auf bie Bühne brachte. 

1 3ntereffante CEtn3eIfyeiten über (Sotters unb Sd?röbers gemetnfame 
litterarifche (Ctjätigfeit bringt eben ein — mir im Korrectnrab3ug oor» 
liegenber — 2luffatj in ber t>terteljalirsfd}r. f. f itteratnrgefdj. : „Sdjröber 
unb <6otter" r>on Hub. Sdjlöfjer. Von bemfelben Derfaffer i\aben wir 
bemnädjft aud? eine eingerfenbe Biographie (Sotters 3U eramrten. 



I 



2\S <5otters 8efud? in Hamburg. 

Das mar, als <5otter ben r>er[prod?enen 23efud? 3ur 2lus- 
füfjrung brad?te. Dom \3. 3uü bis J6. Zlugufi J777 »eilte er in 
Sdfröbers fjaufe, unb Sdjröber bot alles auf, irm in feinem €nt* 
jdjluffe wanfenb su machen. 

Hod? r?atte er nid?t alle fjoffmmg aufgegeben uub nod? im 
3uni bem Spröben gefd?rieben: „IDas Sie mir ba oon 2TIiett?ling 
unb nüslidi 3U feyn fdjreiben fann id? nid?t beantworten — 
Sie foflen mein 5reunb feyn — mit mir gemeinfd?aftlid? nod? 
einen Derfud? 3um befien bes (Et?eaters reagen. fjerr 3^cr <§eit, 
3r?rer 8efud?e an 3*? rc Familie feyn. Die IDelt genie§en — 
fur3 5reub unb £eib mit mir trjeilen. (Erfi fommen Sie Iiebßer 
(5 otterl unb fefyen Sie unb bann entfd?lie£en Sie. Sie tjaben 
mef?r Derfianb unb falt |331ut als id? — aljo fann feine 3^ rer 
€ntfd?lie($ungen Übereilung feyn." 

2lber obrooljl Sdjröber es an nid?ts fehlen lie§, bem 5reunbe, 
außer berpremiere bes 2Irgroörmifd?en, feine Komöbie 3«a"«^«, 
fein ZTlelobram 2X1 ebea, fein Singfpiei Der 3<*{?rmarft 3" fer?en 
unb 3U rjören gab, obtrofjl beibe ftd? in biefen IDod?en bes un> 
gehörten 33eifammenlebens unter einem Dad?e roomoglid? nod? 
inniger aneinanber anfdjloffen, 1 in ber *}auptfad?e blieb es beim 
alten: (ßotter fonnte jtd? nidjt entfd?lie§en, fid? aus feinen <5otf?aer 
Dert?ältniffen, in benen er feflgeroadjfen u?ar, 3U löfen unb bie 
Heine bet?aglid?e, auf ben fran3Öftfd?en (Eon gejiimmte tf?üringifd?e 
2?ejtben3 mit bem, in jeber 23e3tet?ung, rauheren Klima ber fjanfe* 



1 21nd? in ben Derftimmungen, bie nun einmal 3nrifd?en ben 03liebern 
bes 2lcfermannfd?en Jjaufes an ber Cagesorbnung nmren, roirfte feine 
perfonlidjfeit, 3a ber alle fd?ne0 Dertrauen faßten, berutjigenb unb aus« 
gleidjenb. „IDenn td? mir nid?t 311 Diel fd?meid?le", l?etfjt es in einem (un* 
gebrueften) 23riefe (Sotters an Dorothea Hermann t>om 30. 2lugnfl {777, 
„roenn es n>at?r tft, ba§ meine 2lna>efenljeit 3a 2IufFIärnng geroiffer ttlifr 
perflänbnijfe beigen>ürfet bat, bie unter fo guten menfdjen als 3t?r 3ufammen 
feyb, nie pla3greifen follten, fo gönnen Sie mir ferner in allen fällen 
btefer 2lrt 3f?r Zutrauen. Die (Entfernung fömmt l?ier nidjt in 2lnfa>lag. 
Deßo unpartt?eiifd?er fann id? entfd?eiben. Ulan oerfdjirft ja in (Sendeten 
bie 2lften immer am ttebften nad? ber Unioerfttät, bie am tr>eiteften ent- 
legen ifi." 



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©otters Jtbfage. 2lnteil am „Hanfmamt oott Dettebia". 2j9 

ftabt an ber <EIbe $u oertaufchen. 21llerbings gab er beim Scheiben, 
wie es fcheint, bie HTöglichfeit einer Sinnesänderung 3U, unb fo 
hat denn auch Schröber jahrelang bie Hoffnung nicht auf* 
gegeben, iljn bod? noch $u gewinnen unb burch feine tagebud?« 
artig geführten Briefe, in denen er über bie fleinften Vorfälle 
auf feiner Bärme unb in feinem fjaufe berietet, ben $teunb 
gewiffermafjen in feinen (ßefcanfen* unb 3ntcreffenrrets ein$ufpinnen 
gefudjt. Ttodi im 2lpril \77S fdjreibt er: „Bey ^tem Befucbe 
hier, ber burd?aus feyn muß, fjoffe ict? mit 3h ncn 3U JDirfliaY 
feiten fommen su fönnen. (Behls nicht auf eine, boch geunfj auf 
bie anbere 2lrt." — 

21m €nbe mußte auch er fpüren, ba% bie fjmberniffe, bie 
ber Permirriidmng feines planes entgegenmirften, ftärfer waren, 
als <5otters perfönliche 5reunbfd?aft unb fein 3ntereffe für bie 
2Irbeit am fLfyeatev. ZPieber einmal war ein aus reinften Hb* 
flehten unb mit frifdjefter Begeiferung für bie höchften giele feiner 
Kunft tjeroorgegangener, Derfuch bes Sdjaufptelers gef Deitert an 
ber unbeftegbaren Spröbigfeit ber litterarifchen Kretfe, auf bereu 
Beiftonb bie Schaufpielfunfi nun einmal angewiefen tfi, wenn fie 
etwas mehr erffrebt, als ben Bebürfniffen bes Cages 3U bienen. 

21us ber $evne freiließ f?at (ßotter bie Unternehmungen bes 
^reunbes mit feiner (Teilnahme begleitet unb auch mit ^anb an* 
gelegt, wenn es galt, bem Hepertoir neues Blut 3U$ufüJ}ren. <£r 
war es 3. 23., ber Sdjröbers Slufmerffamfeit auf <So33is bramati* 
fierte ZHärchen lenfte, bie bamals in IDerthes Überfefcung in 
Deutfctjlanb berannt 3U werben begannen, unb er r?at gemeinfam 
mit irjm <5o33is Doribe unter bem (Eitel 3"li<*ne oon Cinboraf 
bearbeitet. 

€r r^at auch an ber Bearbeitung bes britten SljaFefpearefchen 
Dramas, bas Schröber, ba Bürger irm mit bem Vdacbetfy 
ungebührlich lange roarten lieg, {778 auf bie Bühne brachte, 
bem Kaufmann t> 0 n V e n e b i g , einigen Anteil gehabt. 
7>a% er fehr wef entlich gewefen, möchte ich inbes faum glauben, 
unb jebenfafls würbe bann ber 2lusbrucf bes Bebauerns, ba§ 
fich gerabc biefe fyelfenbe fjanb 3ur fjebung bes CChcaters 



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220 Bearbeitung unb Jluffür/rung bes Kaufmanns »on Denebig. 

Schröbern oerfagt habe, von unferer Seite erheblich ein3ufchränfen 
fein. Denn biefer Kaufmann von Venebig „ein tufifpiel in 
q ^ufeügen" 1 oerrät 3roar roteber bie feef unb berb 3ugreifenbe 
fjanb bes Bübnenpraftifers, ber unbequeme S3enenroechfel, aÜ3U 
fülme djronologifche Sprünge, einigermaßen entbehrliche perfonen 
mit rafdfem 5*berflrich aus ber IDelt 3U febaffen oerftebt 2lber 
in bem Beflreben, alles recht fnapp, anfdjaulidf, natürlich 311 
machen, ift auch ber eigentliche Duft unb Schnief oon ber 
Dichtung abgeflreift. Unb roie bie pri^en oon ZHarocco unb 
oon 2lrragon jtch in einen Don Hobrigo bi (ßranaba unb einen 
Picomte be Querchy hoben oerroanbeln laffen müffen, fo ift auch 
ber romantifche, einem „Kaufmann" a>enig 3temliche tetchtftnn bes 
Antonio flüglich bamit motioiert, ba§ er bes Bajjanio Bruber 
ift 3«ff»ca unb £oren30 betreten überhaupt bie Bühne nicht, 
unb gleich ihnen ijl auch ber fünfte 2(ft bem Bearbeiter 3um (Dpfer 
gefallen; unmittelbar an bie <Serichtsf3ene fchliefct jtch bie €r- 
fennung 3roifcb,en porcia unb ttertffa unb Baffanio unb <5ratiano. 

Unb eben beshalb möcht ich meinen, ba§ biesmal ber 
Cheaterpraftifus es über ben poeten baoongetragen, unb eben 
beshalb ift es boppelt 3U beflagen, ba§ (ßotter jtoifchen jtch unb 
ben, einer poetifchen 2lufeuerung burch ifm fo f*h r bebürftigen 
unb bafür fo fehr banfbaren $reunb fo oiele ZTTeilen fefete unb 
jich baburch bes roirflieben <£infutffes beraubte. 

2lber auch fo toar ber Kaufmann oon Peneöig, roie ihn Schröber 
am 7. Hooember J777 in Hamburg auf bie Bühne brachte, 
eiti toaeferes Stücf Arbeit, benn es bebeutete roieber einen Schritt 
oorroärts; unb roas ber Bearbeiter bem Stücf e genommen, machte 
ber Scbaufpieler jebenfaÜs 3um (Teil mieber gut: „Der 3&be fianb 
ba, ben Shafefpeare fah! Hlir ift fein Schaufpieler oorgefommen, 
ber jtch iJ?m genähert, als ZtTacflin unb boch hob ich Kemble gern 
gehabt", oerjicbert ZHeyer oon Bramftebt. 2 „€ine treffliche Zladf 



1 Dgl. 21. J?aujfen: Sdjröbers Bearbeitung bes Kaufmanns von 
Denebig. (t>ierteljalKsfa>rift f. £itt. <ßefcr,id>te V, 5. 87—97.) 
* (fr. £. Sdn-öber. I. 297. 



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IHi§crfolg ber „Errungen" von (Sro§mann, 



aljmung jübifdjer Sitte unb Benehmens, mit bem feinften Be» 
obadjtungsgeijle ber 3ubennatur abgelaufdjt", rüljmt ein Ruberer. 1 
„Spradfton, ^änbefdjlagung unb<Beberbung imfjanbel unbJDanbel" 
war aufs glücflidtfe getroffen; vor einer Übertreibung ins (Brotesfe 
fdfüfete außer öem Caft bes Darftellers ber entfdfieben pr/ilofemitifdie 
£ug oes Zeitalters. 2 Dorothea als porcia, $rau Sdjröoer als 
tferifja n>aren roürbige Partnerinnen. Uno fo fanb bas Drama 
benn aud> beim publifum eine fefyr freunblicfye 2lufnafyme, tr> enn= 
gleidf ber (Erfolg nidjt entfernt an ben bes £}amlet ^eranreidjte. 3 
„Das E}aus n?ar fefyr t>oU", fd?rieb Sdjröber an <5otter , „bie 
ZTTeinungen geseilt, aber r»iel lauter BeYfatt — bie Decorationen 
bes legten unb ^ten Elftes feljr applaubirt roorben. Das au"ge-' 
meine UrtJjeil aber mar, ber lefete 2lft fey nidjt intereffant genug. " 

Dagegen lehnte wenige (Lage fpäter, am 28. ttooember, bas 
Publifum „Die 3rrungen, ein Cuftfpiel in 5 2luf3Ügen nadj bem 
Sfyafefpear" 3iemlidj entfdneben ab unb fonnte fta? aucrj bei ber 
H}teberf?oIung am \. De$ember nidjt bafür erwärmen. Unb es 
r/atte redjt, benn bie 2lrt, Srjafefpeare 3U bearbeiten, ging benn 
bod? über bas €rlaubte weit hinaus. 2lus ben beiben 21ntipJjolus 
mit itjren beiben Dromios ber „Komöbie ber 3rcungen" f?atte 
ber Bearbeiter (Brokmann einen Heidjarb ©on Hamburg unb 
Heidjarb r»on Berlin mit Bebienten 3°^ ann gemadjt unb einen 
foldfen Brei oon (Eritüalitäten über bas luftig prjantaftifdje Ding 



1 Sdjiitje, a. a. 5. *6\. 

3 Dem aud) Sd)röber folgte: „Des ^aben "Ubiidft fetj id) freilid) ein", 
Iä§t er am Sdjluffe ber Dortragsf3ene 3n>tfd)en Antonio unb Stjylocf ben 
erfleren fagen; „ntdjts als bie pünftlid)fle (Erfüllung ber Sebingung tüürb' 
iim befriebigen. 2Iber id? tjab tfm gerei3t, feine Dornmrfe oerbient. Dor* 
urteile ber (E^ieljung unb bes Umganges mad)en aud) ben Dernünfttgjten 
gegen fein Dolf ungeredjt. ITTid) biefem KontraFte, 3U unterwerfen ifk eine 
2lrt oon (Senugtbnung, »on tDiebererftattung." Jjauffen a. a. <D. S. 91 f. 

9 (Es voatb allerbings bis Sd)lu§ bes 3aljres 5mal (7., \0., \\., \l; 

24. Xlooember), \77B aber im gan3en nur 3mal (5. Februar, 9. unb 

25. Hooember) gegeben. Dann erfi roieber im Februar \78[. Die erfreu 
brei Dorflellungen tragen 500, 650, 312 # ein. Damit maren bie Koften 
bejat^It. (Sdjröber unb (Sotter S. 87.) „ , 



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222 



Arbeit an „Hlaa§ für IHaaß". pcrfonalnöte. 



geftürst, baß bie in irjrer natürlidjen Sphäre immer eines fetter« 
feitserfolges fierjeren 53enen fab unb platt anmuteten unb alle 
it>irfung einbüßten. 

Sdjröber rjatte ftdj 3rt>ar wie über ben Wext, fo aud? über 
bie Sugfraft biefes neueren Sfyafefpeare feines Hepertoirs von Dorn» 
herein feinen 3*^0"*" Eingegeben. Immetbiin war irmt ber 
qänslidie 2Tlij|erfolg 0007 überrafdjenb unb fatal; benn er fab, baburd} 
feinen plan, bemnädjft fjolberg mit feinem ,. Kannegießer" 
trieber auf bie Sürjne 3U bringen, fürs erfie oereitelt. „Das ifr 
ffier fo ber (ßebraudf", fdjrteb er an (Sotter, „fdflägt ein fomifd? 
Stüd feljl, fo geljts mit bem folgenben ebenfo." 2lber im felben 
Sltrjem fefct er rjin3U : „Hun arbeiten alfo 23ocf unb Scbröber aus 
allen Kräften an „ZHaaß für 2tlaaß\ 

€s waren nidjt nur arbeits«, fonbem aud? forgenooHe (Lage. 
Unb lefctere mieber bereitete nidjt nur bas Hepertoir, fonbem 
ebenfo bas perfonal. 

3m 5rürjling \777 fyatte bas €r?epaar Heinecfe bie (Truppe 
oerlaffen. 5 eine Hollen blatte 3um größten Zeil Sdjröber über; 
uommen, unb fo roar biefe tücfe faum bemerft roorben. 2lls 
5ürfi im 3 U ^ U5 von Carent am 7. 3"li u nb oor allem als 
(Dboarbo in ber <£milia (ßalotti am 5. De3ember eroberte fidf 
Sd?röber aud] biefes Hoflenfacb, unter lebhaftem Beifall ber &u* 
fer/auer. Das Urteil tr»ar, baß er feinen Porgänger übertreffe. 1 
€r felbjt meinte 3toar, baß er als ©boarbo fterjireut, »eil an 
bemfelben 2Jbenb feine $rau 3um erjtenmale bie €milia gab) „mie 
ein \ 3 jähriger tümmel, ber oorm 0fen fniet", gefpielt rjabe, unb 
wollte es nidjt begreifen, baß man feinen 0boarbo „3um beflen 
machte, ber gefe^en tx>orbcn". 2 3n&effcn & in ©er 3tx>eiten 
PorfteUung, u>o ber Seifafl nod? größer a>ar als bas erflemal, 
„ungleich 3ufriebener" mit ftd? felber. 

$rau Heinetfe aber war nicb.t fo leidjt erfefet. Die alternbe 
Sufanna ZHecour, bie einen t£eil ifjrer Hollen übernehmen follte, 



1 Sdnifce, S. 463. 
.* Sdjröoer unb (Sotter, 5. 92. 

: ■ . - 



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£rorfmanns unb SdjtiV Abgang. 



223 



mißfiel fo entfdneben, baß Sdjröber froh voav, als fle im ffcrbft 
aus freien 5tücfen auffagte unb ifmt bas peinliche ber Kündigung 
erf parte. Sdjlimm nur, baß am felben Cage auch Srocfmann 
unb ber oielgeajanbte CJ?argenf pieler 5 et? ü ihm ihren 3U Ofiern 
J778 beoorftehenben Abgang an$eigten. freilich u>ar Schröber 
ferjon feit geraumer ^cit feinestt>egs fo unbedingt mit feinem 
ehemaligen Schüler 5ufrieben, fanb ihn oft fetjr affeftiert unb 
entbeefte, ober glaubte menigftens an ihm gen>iffe clharafterfehler 
311 entbeefen, bie ihm perfonlid? bie Cöfung bes langjährigen 
Perhältniffes nicht untvillfommen matten. 5ür bie Bühne aber 
irar 33rocfmanns 5ortgang gerabe in biefem 2Jugenblicfe ein un* 
geheurer Derluft. Ztlod\te Scr/rober ftd? nodj fo feljr bamit tröjten, 
Brocfmann fei wegen feines anmafjenben IDefens eigentlich fehr 
unbeliebt, ber allerbings lännenbe Kreis feiner Derefjrer im (ßrunbe 
bodj fehr Mein, bas publifum n?erbe feinen Fortgang leicht vex* 
fchme^en, fo täufebte er fid? tyevin bebenflid}. Brokmanns 
2lbfd?ieb oon fjamburg entfprad? allerbings feinesmegs ben hodj* 
gefpannten €rn?artungen bes eitlen, r»em>öhnten KünfHers, ber 
infolgebeffen bie Hamburger falt unb unbanfbar fchalt. 2lber 
es ift eine alte Ch^tererfaljrung, baß es 3U ben fchroerften 2luf» 
gaben gehört, für einen Sdjaufpieler, ber im Caufe ber 3ahre 
r»or feinem publifum eine Heilje großer Hollen creirt unb baburdf 
einen Cypus für bie Darfleüung gefchaffen fjat, in biefen Hollen 
einen €rfafc 3U ftnben. 2TTag bas publifum noch fo otel per* 
fönlich unb auch fünfilerifch an bem erflen aus3ufefcen gehabt 
haben, es fleht bodj unter bem Banne feiner 2luffaffung, ber erfte 
€inbrucf ifl ber maßgebenbe, unb ber Nachfolger, ber oielleidjt 
ein größerer ZHeifier ifi, mirb immer große 2Hühe iiabcn, biefe 
€iubrücfe 3U r»ent>ifd?en unb feiner perfön lieh feit unb feiner 2luf» 
faffung 3um Hecht 3U verhelfen. Unb öroefmann hatte boch an all 
ben großen €hrentagen ber ha"»^«rgifchen Sühne im Dorber» 
treffen als protagonij* gefianben. Wo voav für biefen ©ielfeitigen 
unb mit biefem Ccnfemble fo oerreachfenen Künfller gleich ein 
ctrfafc $u ftnben, ber ihm ben <£ffer, cOaoigo, ben pri^en in ber 
€111 Uta, vov allem ben £}amlet nad|$ufpielen fich getraut hätte? 



Utters tDerbung um Dorothea 2Irfermann. 



Wae es boch bem „henoglich <5otfjmfdjen fjoffchaufpieler'' ZTIichael 
23oef, ber im September bes 3<*hi*s bie Hamburger suerft mit 
bem jüngften €r$cii<mts bes beutfdjen (Ef^eaters, nämlich einem auf 
<5afifpiel reifenben Dirtuofen in feiner Perfon berannt gemacht, 
unb ber febon als alter Sefannter freunblich aufgenommen war, 
nicht geglücFt, in Brokmanns Sollen biefen $u erreichen! 2luch 
für Schüfe, ein fo winbiger unb Schröbern unfYmpatlnfdjer (ßefeH 
er fein mochte, u>ar in feinem $adje ferner ein £rfafe $u fmben. 
3nbeffen felbfi Brokmanns Abgang u>ar perhältmsmäfcig leicht 
3u oerfdjmer3en im Dergleich 3U bem neuen Perluft, welcher ber 
23üfme bro^te mit Dorothea 2lcfermanns Hücftritt oom fLtyatet. 
Schon feit einiger §eit h atte Schröber mit ber ZMöglidffeit eines 
foldjen rechnen muffen. tErofebem fam ihm jefct bie €nh»icfelung 
ber (Ereigniffe überrafebenb. 

Seit längerer £eit war es in Hamburg öffentliches Geheimnis, 1 
ba& Dorothea 2ld ermann „im fjannöoerfchen oerfprodjen fei". 3»« 
2lpril u>ar fie fcower leibenb aus f^annooer 3urücfgefehrt unb Ijatte 
balb barauf 3U bem jungen Dr. 3<>l?ann CljriftopB} Un3er in 
Altona ihre ältliche Zuflucht genommen, tiefer, ber fie bisher aus 
ber 5eme fdjon bewunbert unb nur burd] bas (ßerücht, fie fei oerlobt, 
ftch ^atte abhalten laffen, fta? tf>r su nähern, gewann bei feinen 
ältlichen 33efuchen fehr balb bas Vertrauen bes unter ihrem um 
glüeflichen (Temperament faum weniger, als unter ihrer förper* 
liehen Kranffjeit leibenben ZHäbcbens. Sie fah in ifjm ihren 
Cebensretter, unb ba fie gleichseitig ihm gegenüber ebenfowenig 
aus ber Aufhebung ihres früheren Perlöbniffes, wie aus ihrem 
mit ben 3ahren womöglich noch wachfenben 2lbfcbeu oorm ^eatet 
ein £}ehl machte, fo fanb er ficrj ermutigt, um fie 3U werben. 
Schröber unb feine ZHutter, bie Anfang September t>on ber Sache 
erfuhren, waren oon biefer 2lus ficht feineswegs erbaut. 2 Zllan 
hatte allerlei Hngünftiges über feinen (Eharafter gehört, unb fein 

1 So berietet linjer felbft über bie Dorgefdnd?te fetner <Eljc in ber 
von Ulfbe, (tflugfdjrtften, S.22\, 2lnm.), erahnten Schrift, beren Benufcung 
mir Fjerr Dr. Berber in Hamburg ermöglichte. 

8 Dgl. Sdjröber unb (Sotter, 5.56, 76, 9*, <os, \\2, U9- 



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Sd?tt>ierigFett Dorothea 3U erfcfcen. 225 



etwas affeftiertes tPefen, bas irjm ben Spifcnamen Dr. Saft 
— eines „affectierten . 2Tlebicus" in £e <5ranbs Komöbie „Der 
Ijetlferjenbe Blinbe" — eingetragen Platte, trug nierjt baju bei, itmt 
bie IPege 3U bahnen. (Erobern gelang es irjm, r»errfältnismä§ig 
fdmefl alle I}inberni{fe 3U überunnben. Dorotfjeens entfdtfebener 
XOiüe unb feine bei näherer Sefanntfcrjaft geroinnenbe perfönlid}* 
feit brängten bie öebenfen ber 5amilie merfr unb mebr in ben 
fjintergrunb. Sdjon am \5. <Dt tober [abrieb Sdjröber an (öotter: 
„TXlxt ber ^eyratl? meiner Sdm?ejier roirbs allem 2Infd?eine nad? 
3ur Hidjtigfeit fommen, aber nidjt erjer als Mafien übers 3afc"\ 
Unb am \. 3>e3ember: „Ulit meiner Sdjmefter roirb es $anj 
ftdfer richtig — idj felbfl rjabe mid? gegen meinen Scrjroager in 
fjoffnung oerbinblidj gemacht, fie auf ©jtern fer/on vom (Theater 
3u lagen". (Er Blatte ftdj alfo ©errfältnismäßig fdmell mit biefer 
IDenbung, bie feiner 33ülme „bie erfte Scrjaufpielerin Deutfdjlanbs" 
raubte, otjne alle fjintergebanfen ausgefötmt, fobalb er bie Uber« 
3eugung geroonnen hatte, bafj Unser in Iüar/rr?ett „ein herrlicher 
3unge" fei, ber feine Sdjroejler glücflich machen roerbe. Die 
5reunbe in ^annooer, bie ben freier gar nicht, mofy aber Dorothea 
fehr genau rannten unb trofe aller »armen unb perfönlichen CEeil« 
nähme, bie fte ihr entgegenbrachten, ihren fdjmierigen <£^arafter 
nicht unterfdjäfeten, fa^en roeniger hoffnungsvoll in bie ^ntunft. 
„ZHan fagt r?ier", fdjrieb 33ote an Bürger am 2. Oktober \777 f 
„bafc bie 21cFermann 33raut unb mit bem Dr. Un3er oerfprodjen 
fey, unb ich glaube es fafi; benn ich roeijjj, »03U ber c2fel cor 
bem Cr;eater unb ihrer €age fte bringen fonnte. 2lber glücfltcr? 
»irb fte mit ifjm nicht feyn". 

Scr/röber aber erwuchs hieraus 3unächft bie Sorge, biefen 
bräuenben Derlufl, ben er allerbings fchliejjlich bod? noch bis in 
ben 3uni rjinaus3ufd?ieben umfjte, bureb, uorbeugenbe ZHafjregeln 
fo roenig fühlbar als möglich 3U machen. 

gu erfefcen n?ar eine fo eigenartige, fo t>ielfeitige unb subem 
burd} ir/r uerroanbtfchaftliches Verhältnis mit ben 3"tereffen oer 
8ürme fo oeroxtehfene unb baber 3U jebem (Dpfer bereite KünjHerin 
überhaupt nicht. Unb fo befchloß Scr/röber, oorläufig roenigflens 

Ci^mann, Schröter II. 15 



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226 Sd?röbers tfrau ein uugenügenber €rfafc. 



nid?t von auswärts eine oielletdjt oerfagenbe Kraft mit großen 
©pfern t}erbet3urufen, fonbern fo, tüte er für Heinecfe in bie Cücfe 
getreten u>ar, fo jefct feine 5rau, bie in einigen Oer roirfungsooHften 
Hollen <£r»arlottens bas Publifum ja freunblid? aufgenommen 
rjatte, in bas freiroerbenbe $adt eintreten $u laffen. 2lbgefefyen 
oon Sparfamfeitsrücfftdjten, beroog ifm 3U biefem Derfudje geraoe 
bie «Erfahrung, bie er mit feinen Sd?u>eftern gemacht Jjatte. 
Sdjtoerlidj tx>äre es ifym geglüeft, Dcr^ältnismäßig [o glatt uno 
leidet alle Klippen in ben erfien Direftionsjafyren 3U umfduffen, 
menn er nidjt auf feine beiben fjauptbarfteüerinnen in jebem 
2lugeubltcf ftd] fo f?ätte oerlaffen fönnen. Unb es lag ja audi un- 
leugbar ein Dorteil für bie Stetigfeit bes Unternehmens unb für 
bie «Einfjettlidjfeit ber Kunftlcifhmgen barin, roenn bie ausfd?lacj= 
gebenben Hollen bem öeretd?e ber tEljeaterFabalen ein für alle» 
mal entsogen blieben. TXux überfat) er babei bie £jauptfad?e, ba§ 
ein berartiges Hollenmonopol ber Dertoanbtfdfaft bes DireFtors 
nur bann für bie Dis3iplin ber Cruppe unb bas fünfilerifcrje 
ZTioeau ber Ceifmngen t>on Dorteil ift, roenn bie betreffenbe Per* 
fönlidjfeit biefen plafe tr>irflidj aus3ufüHen oermag, unb, wenn nidtf 
oon ben Hioalinnen, fo bod? r>om publifum bebingungslos als 
fjerrfdjer anerfannt roirb. Das toar bei Charlotte ber 5all 
geroefen, bas traf auf Dorothea, bas traf auf itm felber 3U; aber 
nid?t auf feine 5rau. „Wenn Sdjönfyeit unb 5igur allein bie 
Sdjaufpielerin machte", fdn-ieb J7?9 ein fein* roorjlioollenber 
unb in geuuffen Hollen fogar oon irjr begeifterter Beurteiler, 1 „fo 
märe fte geu>i§ eine ber ersten in 2>eutfd>lanb. Denn fte l?at 
einen föniglidjen IDudjs, unb it)r (Sang, ber nad? allen Hegeln 
ber Cansfuuft abgemeffen ift, oerrätfy gletdj iljr (Benie 3um (Eansen, 
u?opon nod? gan3 fjamburg mit 33etrmnberung unb <£nt3Ücfen 
fprid^t. Sie fletbet ftd? mit bem größten (SefdjmacF unb ber beften 
2lustx>afyl, eine Sorgfalt, bie iljrem Derftanbc bie fjödjfle <£rjre madjt. 
„2lber", fügte erfnnsu, „id? roeifc nidji, u?ie id? es ßerrn Sdjröber ans* 

1 3ofj. (Djrifi. Koppe, (Sebanfen über einige Dorftellungen ber l?am- 
burgifdjen Sa?aufptelergefeUfd>aft im 2Jpril unb Ttlai 1779 in Keid)arbs 
Cl|eater>3ountal für Z)eutfd)lanb, \6. Stücf (1780), S. 32 ff. 



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2Jbfdjüffttttg bes Baücts. 



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legen foll, baß er nad? bem Abgang 5er Demoifelle 2Icfermann feiner 
5rau afle Hauptrollen 3utb.eilt, rr>03U ibre Schultern nodf viel 3U 
fer/tpadj unb ilu-e (Elieaterfenntniß $u tr>enig Innreicrjenb ifh . . . 
Pflicht ijl es ibr in 2lnfelmng ber Fur$en &it, baß fte bas 
(Efjeater betreten, (ßeredjtigfeit n>iberfab,ren 3U laßen. Sie ifi 
ferjon eine gute Sdjaufpielerin, aber nod? lange nid?t bas, roas 
man oon ir?r als erjier 2lftrife mit Hedjt ©erlangen fann." 
Sdjröber aber legte, indem er bie 5rau bes Direftors in eine 
Stellung fjineinbrängte, auf bie fte als KünfMerin nur fer»r 
bebingt einen 2lnfprudj Ijatte, ber fünftlerifdjen <£nttt>icfelung ber 
Cruppe einen fjemmfdmb an, ber feinen eigenen, freien, nad? großen 
(Traten ftcb, fermenben (Seift ununflfürlid? felbjt 3U einem 
gelaffenern Cempo nötigte. <Es ift aüerbings erftaunlicrj, mit 
tr>eld?er gäbjgfeit unb <5efcn,icflid?feit bie 5rau fd)ließlidj ifyrer 
Aufgabe gerecht 3U »erben perftanben bat, tpeldje 5ülle ber ©er* 
fdnebenartigften Ceiftungen fte im laufe ber 3ab.re immer porneljm 
unb ftd?er bewältigt bat, aber bas, toas feine Scbroeflern ge» 
roefen, bas ZHufter unb Porbilb für bie Gruppe, unb bie ebenbürtige 
Partnerin feiner felbft fonnte fte nie roerben. 

Die großen beporftefyenben Peränberungen im Perfonal blieben 
felbfiperflänblicb, nidjt ofme <£influß auf bie <5eftaltung besHepertoirs. 
<£ine Steuerung, bie nunmehr mit oerboppelter Energie burdj* 
geführt rpurbe, mar aflerbings bereits oorfjer ins 2luge gefaßt 
roorben. Das 23a ü et, ber feit bem 23efteb,en ber Cruppe für biefe 
fo d?arafteriftifdje öefianbteil bes Hepertoirs, Ijatte mefjr unb 
mehr feine 2ln3ietmngsfraft beim publifum eingebüßt. Da3u 
fam, baß foroob.1 Sdjröber u?ie Dorothea fdjon feit längerer 
<2>eit ben IDunfd? Regten, biefen anfkengenbften Ceil iljrer Cfyätig* 
feit, bie audj für fjauptbarfteöer in tragifdjen Hollen Fautn 
nodj fdjicflidj erfdnen, auf3ugeben. Der junge fdtaufpielerifdje 
ZTadttPudjs aber ernstes ftd? 3U tpenig porgebilbet unb bilbungs* 
fällig. 3nfoIgebeffen entfdjtoß ftcb, Sdjröber, mit bem ©ftern J778 
fdjließenben (Eb.eaterjab.r bas 33aüet gan3 eingeben 311 laffen. 1 €in 



1 Sdfröfcer ta^te 311m le&temnal am 2. Iflävs in ber „IKasquerabe". 

ts* 



228 



Sd>äi>igung bcs Sd?aufpielenfembles t>ur<b bie (Dper. 



etwas abenteuerlicher (Bebanfe, burd? von Kindern gefpielte fleine 
Komöbien eine 2lrt <2rfafc für bas Ballet $u fchaffen, warb halb 
wieber aufgegeben, bagegen warb nunmehr bem Stngfpiele unb 
ber anfprudjsDOÜeren (Dper ein ungleich größerer Spielraum im 
Hepertoir als bisher eingeräumt, unb für bie Bilbung eines guten 
(Drdjefiers unb eines gefdjulten Sängerperfonals Dertjältnismäßiq 
großer 21ufwanb gemacht. Die (Erfahrung hatte Sdjröber gelehrt, baß 
bas publifum für bie gefälligen 0pern Schwei3ers, fjiflers unb 
23enbas mehr unb mehr jtd? intereffterte , unb ba§ bie hierfür 
gebrachten (Dpfcr ftch nicht nur balb wieber besagt machten, fonbem 
bafc fleh auch Überfchüffe ergaben, bie wieber feinem ernftf>aften 
Hepertoir 3U gute famen unb Um in ben Stanb fefcten, von 
feinem SfyaU\peate fo viel, als er £ufi f^atte, auf bie Bühne 3U 
bringen. Sei feinen Bemühungen, (ßotter an Hamburg 3U feffeln, 
war auch bas ein (ßefichtspunft gewefen, baß ber tuelgewanbte 
unb erfolgreiche Cibrettobidjter gemeinfam mit bem oon (ßotha 
fortjkebenben Kapellmeifter (ßeorg 3enba biefen neuen Beftanbtetl 
feines Hepertoirs beleben unb J^eben folle. Das Sängerperfonal 
war oerhältnismä^ig leicht $u werben. Denn ebenfo, wie es 
©or breifjig 3ah ren allgemein üblich gewefen, bafj bie jungen 
Sdjaufpieler fich im Ballet ausbilbeten unb barin mitwirften, 
-ebenfo gehörte es jefet ba^u, bajj jeber fyalbmegs fhmmbegabte 
Sdjaufpieler fo weit mufifaltfcb gefchult war, baß er in ber Oper, 
unb 3 war nicht nur im Chor, mitfingen fonnte. <Es fonnte aller* 
ibings babei nicht fehlen, baß nun bei ben Anwerbungen neuer 
Kräfte häufig mehr (gewicht auf bie mnftfaltfche, als auf bie 
fchaufpielerifche Begabung gelegt würbe, unb baß infolgebeffen 
bas ^ufammenfpiel in ber eigentlichen Komöbie, wo gerabe biefe 
teute oft wichtige Partien 3U oertreten Ratten, unter bas bisherige 
Zliveau allmählich herunterging unö ntancherlei 3U wünfdjen übrig 
ließ. Don bem portrefflichen €nfemble, bas noch im ZTTai \7?7 in 
Beaumarchais' Barbier t>on Seoilla bie ^ufchauer ent3Ücfte: 



Das lefcte anf ber 2lrfermannfd?en Bülme gegebene Ballet warb im 2lnfd)la§ 
an Brokmanns 2tbfd?tei>sr>orfiellung am ITtärj oargeftellt. 



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Ifitjjerfolg in ber 21nn>erbung junger Kräfte. 3fflanb. 229 



Schüfe — 5igaro, Srocfmamt — 2Umaoioa, T>orothea 2lcfermann 
— Hoftne, Sdjröber — Sartholo, mar nach 3<*h r * 5 frift nur ber 
eine Sdjröber noch auf bem plafee. Unb eigentlich mar auch 
auf irjn nicht mehr 3U 3äljlen , benn in bem Zftaße , als er ge* 
nötigt mürbe, erfi für Heineef e, bann für Srocfmann als <£rfafe 
mehr unb mehr tragifcfje Hollen 3U übernehmen, mußte er barauf 
bebadjt fein, ftd? in ber Komöbie allmählich ein menig 3U entladen. 
So fehlte auch er bort, unb oieHeicfft feine tücfe marb fo fehr 
00m publifum empfunben, mie gerabe biefe. 

,3ety W ©er ^eitpunft fyet für 2TTanns* unb irauensperfonen 
in Hollen 3U fotnmen unb 3U merben", fcfjrieb er um biefe <§eit 
an (ßotter. 2lber fo oiele iürjler er auch ausfireefte, unb fo manche 
klugen für irm ftch müßten, um bas Hicfjtige 3U ftnben, man fann 
nic^t fagen, baß er bei feinen 2lnmerbungen eine glüefliche Ijanb 
hatte. HTit richtigem 3nfti"ft h a *te * v , offenbar burch (ßotters 
cEr3äh!ungen geleitet, fein ^auptaugenmerf auf ben jungen 3 ff lanb, 
ber im 2Tläv3 \777 3uerft in (Sottja bie Sühne betreten hatte, ge* 
richtet. £eiber aber 3erfchlugen fich bie Perhanblungen, mie es 
fcheint, meil 3ff^nb ftcrj in (Sotlja in ber fur3en &eit fo in 
Schulben oerfhrieft hatte, baß felbjl Schröbers Sürgfcfjaft ihn 
nicht 3U löfen oermochte. &\x nw^r 'onnte f 1 ^ a &* r tiefer nicht 
oerftehen, ba er felbft nicht über bie notigen Saarmittel oerfügte 
unb „bey ber fdfledjten (Einnahme unb ber großen Ausgabe", 
roie er (Sottet fchrieb, feiner HTutter ben großen Dorfchuß nicht 
3umuten mochte. 1 

IPohl feiten mar eine fo 3arte Hücf ficht meniger am plafee, 
als fyet. ZDelchen (ßeminn i^ätte bie Kunfi gehabt, menn 3fffanb, 
maren's auch nur bie nächflen 3mei 3 a h rc gemefen, ftch unter 
Schröbers klugen hätte bilben unb oon ihm bie Hichtfcfmur für feine 
meitere Caufbarm erhalten fönnen ! Statt beffen gab es auf ber harn» 
burgifchen Sühne für bie nächfie <geit einen tDechfel für allerlei, 3um 

1 Dgl. „Sajröber unb (ßotter", 5. 79, 8?, 132. Übrigens gefjört 
ber bort S. \32 als erfter 2lbfafc bes Briefes Hr. \5 abgebruefte paffus 
über 3fflanb , n>ie ich jeö* bem (Original feftfiellen fann , als Sa)lu§ 
an ben Srief Hr. 8, S. 88. 



250 



Ccfeprobcn. ITlaafj für IHaa|g. 



£eil fünftlerifcff redjt fragroürbige (ßefellen, »ort benen {ebenfalls 
nid?t ein einiger audj nur entfernt an Begabung mit 3ffl<mb 
ftdj meffen tonnte. 

„Sie fdjreiben t>on ber großen Heform bes tOjeaters", fcbjrieb 
Schwober ZHitte 33or»ember [77? 1 an ben 5reunb in (Sotba, „fie 
ift bod? rrmrflid? fo grofj nicr/t. (Lrauerfpiele bleiben liegen, in 
tr>elcbe fo fein iHenfd? fommt — mebr £uji-- unb poffenfpiele 
fommen baran, auf melcbe bas publifum rafenb erpicht ift. 
Wenn meine Scbmefter abgebt, befommt bas Crjeater einen tr>eit 
tr»id?tigeren 5to§, unb aud} ben wiü idj pariren. Sd?on merjr= 
mals babe icr? 3f?"<m gefebrieben, liebfier (Botter; icb. abftrabire 
gan5 t>om guten Cbeater unb bie Kaffc foll fidj 3UDerläfftg efyer 
beffer als fcrjlecrjter fiefjen rr»ie jefct. — Tluv £teuigfeiten — Das 
macfjt 2Wes aus — unb babe icr? niebt meinen lieben <5otter?" 

Die „tteuigfeiten" , bie biefer t>om „guten Ctjeater" gan$ 
abftrarjierenbe, nur auf ben Dorteil ber Kaffe bebaute Direftor 
feinem nur auf poffen erpichten publifum auffifdjte, maren unter 
anbercu nur r>ier Dramen Sfjafefpeares! 

(Serabe in ben Cagen, n?o Srocfmanu 3U einem <5afifpiel nad? 
Berlin ging, bielt Sdfröber eine Cefeprobe oon „2ftaafj für ZHaafj"; 
fte bauerte oier Stunben, benn er hatte feit einiger Seit ben 
Anfang gemacht, „bie fogenannten Cefeproben bas feyn 3U laffen, 
roie fie nüfcen tonnen", b. Ij. er lieg fld? bas ialfcrjgefprodjene 
fo lange n?ieberrjolen , „bis es redjt nwrbe" ; „icf? fjabe aud?", 
fdjrieb er nad? ber 2Juffürjrung, 2 „bemerft, bafj feit langer <§eit 
fein Stücf richtiger ift gefprodjen (niebi gefpielt) roorben. icb. rjoffe 
in ber ^cit eines 3afyr?s foll man biefe <£inrid?tung merflieb 
fpüren." 21ud? bas hatte natürlich, mit einer „Heform bes 
Crjeaters" uidjts 3U trjun. 

Über bie 21uffüfjrung felbft aber notierte er für (Sottet: 
„ZKontag ben (5. (De3ember) ZHaa% für ZKaaß — »olles 
fjaufj — fonnten aber nierjt redjt flug braus roerben. 

Dienftag, b. \6. Ztlaafc für Zflaa%. wat nid?t febr doU 
— ©erftanbens aber beffer. 

1 Scfyrober unb (Sotter, 5. (32. £>gl. b. porige 21nm. 
* Sd^röber utib (Sotter, S. 9<*. 



ttlaag für IHaag: Sdjröbers Bearbeitung. 



3)onnerftag b. \8. TXlaafa für Ztlaafa, Von 3uan* €in* 
nar/me von $00 Gabens qan$ t>erftanben, unb fid? erftaunenb 
gefreut." 

<£s ift merfwürbig, bafj in ber fchlaflofen Sommernacht , in 
ber er fedjs 23änbe Shafefpeare burchblätterte, gerabe biefer 
pon allen Z)ramen Shafefpeares fpröbefle, für bie moberne Bülme 
faft unmögliche Stoff itm rei3te; es ifi boppelt befremblich, bei 
Sdjröbers fonjriger an prüberie fkeifenber StngjUichfeit irgenb 
etwas auf bie Bühne 3U bringen, bas fütlidjen 21nfto§ erregen 
tonnte. Unb nun griff er gerabe bas gewagtere Problem, bas 
Shafefpeare je befjanbelt rjat unb bas auch burcr? feinerlei 
2lbfchwädmngen weniger anftößig gemacht werben tonnte, tjeraus 
unb tifchte es feinen Hamburgern, bie in biefem punfte ebenfalls 
feineu Spafj ©erlauben, auf, unb biefe — „haben es gan3 r»er* 
flanben unb fictf erftaunenb gefreut" ! 2W311 lange freilich nicht, 2 
unb bas mar roieber fchabe, benn an ftch fleht biefe Beor^ 
beitung, mit itjrer gefchieften unb bisfreten Slusfchetbung bes 
überflüfjigen unb aÜ3u oerlefcenben, ihrer auf jtcherer Be« 
rechnung ber theatralifchen IDirfungen beruhenben ^ufammeu« 
3iehung unb 2lnorbnung ber ein3elnen 2lfte unb S3enen, ber 
glüeflichen üetmeibung aÜ3U r>äufigcr S3enenoerwanblungen, 
unb in ber ^urücftjaltung mit eigenen «gutbaten, weit über ben 
früheren Bearbeitungen. 3 Daß bie erf!e S3ene bes erjien 2luf3uges, 
bie <£infefcung ber Hegentfchaft, gefirichen war, unb man r>on 
biefen Porgängen erft aus bem <5efpräche bes, bereits in ber 
Perfleibung als 2TTönch auftretenben, £}er3ogs mit bem 2Tiöuche 



1 Xls BaUet! 

* <£s marb bis Sdflufj bes ^al\tes (nur nodj brei Dorftetlungen) nidjt 
tDteber unb j<78 nur breimal gegeben (8. 3<*nuar, 9. unb 2;. September). 
Bramels freie Bearbeitung „(Seredjtigfeit unb Had?e" fann nidjt roobj, 
roie IHerfdjberger meint, Sdjröbers unb Boefs Bearbeitung (Eintrag getljan 
tjaben; fte erfa?ien erft J783 unb tarn in Hamburg erft <78<* auf bie Bütjne. 

5 Sa?röber Iie§ fle fpfiter im erften ISanbe ber „Sammlung von 
Sdjaufpielen fürs r)amburgifd)e (Efjeater" (Scb.merin unb Wismar J790) 
bruefen. 



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252 



IIlaa§ fnr OTaa§: Sdjröbers Bearbeitung 



peter erfuhr, hatte feinen <5runb offenbar in bem Beflreben, 
oiefen 2luf3ug nicht mit Ssenenroechfel $u belafien. 1 Überhaupt 
machen mir fyäuftg bie Beobachtung , bafj gerabe Sdjaufpieler 
bei ben Bearbeitungen frember StücFe bie Porteile einer bra- 
matifchen <£ypofition auffällig gering anfdflagen, unb, um 
<3eit unb S3enenroechfel 3U fparen, fymblung burd? Bericht su 
erfefeen, geneigt finb. Dafj ber Föfiliche 3unFer Schaum, ber 
Ellbogens Stau fo beleibigt, gefallen, unb feine Chat bem 
(nicht anroefenben) Cucto in bie Sdmhe gefdjoben warb — 
»oburd? u. a. bas XPort „So »erben <£uer (ßnaben nMffen, 
ba§ fein <5eftcht bas fdjlimmfle an ihm ifi" — alle pointe 
oerlor, erFlärt fid? roohl aus ber UnmöglichFeit , bie Hotte ent« 
fpredjenb $u befefcen. Denn gerabe r»on bem ausgeladenen, oft 
frechen fjumor ber tucio unb pompejus ifl fonfl oiel flehen ge» 
blieben unb mancher £ug aus fonfi geflrichenen 53enen in bie 
erhaltenen ^mfibergerettet. Ellies in allem eine 2Irbeit, bie für 
bie &\t, in ber fte entftanben unb für bie Umßänbe, unter benen 
fte in fliegenber £}afi fyergeftellt »erben mufjte, alle 2Jnerfennung 



1 Der erfte 2luf3ug t^at fo 3roet S3enen. y—\ (£}er3og unb peter; 
(£laubio mit bem KerFermeifter ; fjerjog mit lucio [aus III a corroeg» 
genommen]; f?er3og unb peter) fpielen auf ber Stra§e; 5 unb 6 im Klofter 
3fabellens. 2(uaj im 3roeiten 2lnf3ug roarb bie 53ene nur einmal oerroanbelt. 
\— 5 — 2lngelo unb (Escalo; ITtelbung 3fabeHens; JIngelo unb ber KerFer- 
meifter; ^abeüa, £ucio unb 21ngeIo; 2IngeIo allein — fpielen in einem 
Saal bes fyer3ogüd}en palafies ; 6—8 — £jer3og unb KerFermeifter ; (Escalo 
unb bie Porigen; (Ellbogen mit ^iumo (pompejus) 3U ben Portgen — 
fpielen im (Sefängnis. 3 m britten 2Iuf3ug fpielen uneber \ — t — 21ngelo; 
ITtelbung 3fabeHens; 2Ingelo unb 3fabella ; ^\abeüa allein — im Saal bes 
Palaftes; 5—\o — fyt$og, Claubto, KerFermeifter; 3fabella ba3u; <£Iaubio 
unb 3fabeüa allein; £jer3og unb KerFermeifter ba3u; fje^og unb 3fabella 
allein; ^e^og allein (ber Monolog, ber im Original an bie Unterrebung 
mit (Escalo anfa> lie§t : „IPem (Sott oertraut bes Rimmels Sajroert" u. f. n>.) — 
im (ßefängnis. 3™ vierten 2Iuf3ug {— 3 — ITlariane unb ein mäbdjen; fje^og 
unb ITlariane; ba3u ^\abeüa — in TTlarianens £Dormung, ? — KerFer- 
metfter unb ber fjenFer; Claubio unb KerFermeifter; tjer3og unb KerFer- 
meifter; ba3U 2Ingelos Bote; — im (Sefängnis. Der fünfte 21uf3ug orjne 
Perroanblnng „auf einem plat) oor ber Stabt". 



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HIaa§ für IHaaß: Sajröbers Bearbeitung. 



233 



oerbient unb iebenfatls eines befferen Cofes txmrbig ift, als ifyr 
bamals unb bis auf ben heutigen tEag 3U teil geworben ift. 1 

3ei ber tDafyl bes Stüdes wirb übrigens, abge[et)en von 
ben Derfyältnismäßig geringen ScfytDierigfeiten , bie bas Stucf 
tedmifdf bereitete, ber Hei3, ben bie Holle bes fje^ogs auf 
Sdjröber perfönlid? ausübte, mit ins <5ewidit gefallen fein. Hameni* 
lidj Svenen mit Cucio im erjlen 2lfte »erraten bas Belagen 
bes Bearbeiters an ber fjerausarbeitung ber roirffamen Situation. 2 
2luffallenb ift babei allerbings, ba§ <£scalos gmieaefotädi 
mit bem serfappten fjer3og über beffen (Efyaraftereigenfdjaften, 
bas bei Sfjafefpeare im unmittelbaren 2lnfcr?lu§ an Cucios freche 
Derleumbungen fo bebeutenb unrft, fyier aus bem 5ufammen> 
Ifang geriffen, gan3 unvermittelt gegen ben Sd?lu£ bes 2. 21uf3uges 
gelegt ift. ZDie bem auefy fei, jebenfafls roirb bie Z>arjleüung, 
Sdjröber als f}er3og, Dorothea als 3fabella, Stau Sdfröber als 
ZTIarianne bas 3f?re ba3U beigetragen Ijaben, bas gesagte €r* 
periment gelingen 3x1 laffen. Da§ bamit eine bauernbe Bereicherung 
bes Hepertoirs 3U er3ielen fei, wixb Sdjröber felbft toofjl nid>t 
era>artet f>aben. 

«Einfhoeilen machte er gerabe biefen IDinter bie feljr er* 
freulidje Beobachtung, bafj bie 2ln3iefyungsfraft ber alten <Blan3* 
ftücfe aus ben erften feiger 3<*f? rcn <*uf &as publifum eljer 



1 Dgl. ITlerfdjberger (Programm S. 32). (Eine 21usnafytne madjt H. 
(5en6e: ©efdjidjte ber Srfafefpearefdjen Dramen in Deutfdjlanb. £eip3tg 
»870. S. 250 f. 

* §. B. I, 2. „f?cr3og (3nm Kerf ermeifler) : Was bringt aber 
biefen jungen IHann rjier in Derfjaft? Cucio: €m>as, bas ifyn elf er 3U 
De^eiljen ift, als 3*1«*«- £jer3og : 3d) fyatte Sie nid)t gefragt, mein £}err ! 
Cucio: Defio bienfrferttger mar idj mit meiner 2lntn>ort, mein Jjerr. 
Jjer3og: Was tjat btefer (Befangene rerbrodjen? Cncio: (Ein Sdjlog er- 
brodjen; aber ftatt 3a nehmen, gegeben, bas unterfdjeibet ifjn oon anberen 
Dieben. f)er3og: Sie erfd)öpfen fid) mit 31]rem 21nm>orten 3ur Ut^eit, 

mein fjerr! f?er3og : 2t>as fyat ber mann begangen, ba§ man ifm 

fo ins 03efängnis fdjleppt? Cucio: 3 n einem fremben Sadje Forellen 
geftfd)t. f^er3og: Können Sie für ftd) and) fo fertig antworten, mein ^err? 
Cncio: (Es gilt bie probe. Qerjog: JDer u>ei§, wie balb!" u. f. w. 



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25* 



21lte uni> neue HepertoirfiHcf e ; £eii3. 



nod? im $uneb K men begriffen fei. Die (Bunfi ber durften, Claoigo, 
€milia füllten bie Käufer, unb ber Beifall war raufdjenber, beim je. 
5reilid} wußte man ja, bafj bie (Cagc biefes <£nfembles ge3äfjlt feien, 
unb fo beeilte ftd? jeber, nod? einmal Dorothea 2Icfermann unb 
BrocFmann als €ffer unb €lifabetl?, ober als ©rjtna unb prinsen 
Don (ßuajkilla 3U ferjen. Sd?röber Farn biefe Porliebe bes 
publiFums für feine alten £ieblinge aud? infofern gelegen, als 
er nun, was er im 3"tereffe oer FünfHerifd?en Crabition feiner 
(Eruppe bringenb wünfd?te, es tragen Fonnte, eine 21tt3abl älterer 
Hepertoirftücfe wieber auf3ufrifd?en, in benen feine Sd?wefier in 
einer Hauptrolle befd?äftigt war. Hid?t um iljr nod? in ber 
legten &eit ifyres IDirfens auf ber 33üf?ne befonbere (£riumpt?e 3U 
r>erfd?affen, fonbem um ben 3um (Eeil neu angeworbenen, jugenblid?en 
Kräften feiner 23ül?ne eine Heif?e von muftergültigen Darfteüungen 
r>or3ufüf?ren. So erfd?ienen nad? längerer paufe wieber <£milia 
(ßalotri (5. De3ember), Die (Sunfi ber Surften (22. 3anuar 78), 
2TCafons <£lfricbe (29. 3anuar), lüitljeabs Sd?ule für £iebt?aber in 
Bobes Bearbeitung (4. Februar), Bcaumard?ais' (Eugenie (\1. 5e< 
bruar). <<$u äl?nlid?em «SwecFe, wie es fdjeint, Fjatte er aud? fd?on im 
Ü?erbfi J777 in neu einftubierten älteren fran3Öftf d?en Komöbien 
eine 2Jtt3at?l Bebientenrollen wieber gegeben, aus benen er ftd? 
fonft fd?on gan3 3urücFge3ogen Ijatte. 2lber wenn burd? biefe $ai>l* 
reichen Züieberaufnafjmen unter anberen Umfiänben bas Bepertoir 
3eitweilig einen etwas altmobigen (£l?araFter l?ätte erhalten 
Fönnen, fo warb biefer (ßefaJjr l?ier oorgebeugt burd? bie utmmer- 
mübe €nergie, mit ber er Hmfd?au nad? allem f?telt, was frifd?es 
£eben bringen Fonnte. Die beutfd?e Überfefcung oon <8o33is 
2Ttärd?en, auf bie il?n (ßotter aufmerFfam gemacht f?atte, unb r>on 
benen er (Euranbot eigentlich gleid? nad? bem Kaufmann oon 
Denebig rjatte bringen wollen, erfduen für feine <Ef?atenlufl 3U 
langfam. hingegen griff er jefet auf einen feiner älteften unb 
mit befonberer £iebe gehegten pläne 3urücF, bie tramattfdje (Sewalt, 
bie in £eu3' Dramen ©erborgen lag, für bas beutfdje (Ef?eater 
frud?tbar 3U madjen. 

Bereits { 11 \ Ratten, wie man ftd? entftnnen wirb, bie 2lbre§» 



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Votliebe Sdjröbers für £0113. 



255 



comtoirnadjridjteu unb bas Cb^atralifdje XDod\enblatt mit ber 3bee 
einer 2luffüfjrung pou Cens' fjofmeifier unb bes U?eno3a ober bie 
5reunbe-mad>en ben pbjlofoprjen, geliebäugelt; unb n?ir geljen »orjl 
nierjt fe*jl, rpenn rpir biefe 3emerfungeu als infpiriert anfetjen, benn 
£en3 n?ar für Scb,röber Pom erften 2Iugenblicf feiner Befanntfd>aft 
mit irmi ein (ßegenfianb befonberer Dererjrung. Don allen Der* 
tretern ber jüngeren <5eneration n>ar feiner ifmt perfönlicb. fo 
fympatbjfch, roie biefcs fdfruHenfyafie <Senie, biefer „whimsical 
character". <£s bßt 3unäcf}fi etuxts Befrembenbes, ba§ gerabe 
Sdjröber, ber als Künftler allem (Ercentrifcfyen bis 3ur Scfyrpädje 
abrjolb war, unb ber aueb. als ZHenfd? in feiner Umgebung eraltiertes 
IDefen nidjt bulbete, an Cen3' 3nöiDtbualität, bie gerabe in 
biefer Hicfytung am meiflen fünbigte, folgen (Befallen fanb. (Es 
fdjeint biefe Sympathie 3U allem übrigen, por allem aueb. Scbröbers 
nachmaligen Urteil über Schillers erjie Dramen nierjt 3U fHmmen. 
Cljatfäcrjlicb. H>ar, toas Sdjröber 3U £en3 fo fynsog, eine 
gerpiffe geifiige Derroanbtfcrjaft, bie ben (ßefunbeu mit bem 
Kranfen, fo paroboj es Hingt, oerbanb. Dtefe jad? auflobernbe 
^omrpütigfeit ber Cen3[crjen 5tguren, biefe leibenfchaftlicfyen £ieb* 
fofungen, mit Sdjelttporten untermiferft, biefe ZHifcrmng pon 
fanguinifd?em, cb.oIerifcb.em unb melandjolifcfyem (Temperament, 
biefes alles roar fo auf benfelben Hon gefiimmt, in bem bie <5e* 
noffen bes Sd?röber*2icfermannfcr)en Kaufes fteb. unb anberen bas 
Ceben fdjtper machten, ba§ icb. glaube, fyer ifi ber Sdtfüffel 311 
fucfyen für bie fonfi rätfelfjafte Sympathie. 2)enn barüber fonnte er ficb 
ja feinen 2lugcnblicf täufdjen, bajj Cens' Dramen fo erfdjütternbe unb 
aueb. trjeatralifeb. tpirffame 2lccente bem Dichter in eisernen 
53enen 3U <5ebote fianben, gerabe ber Einbürgerung auf ber 23ürme 
fajt unüberroinblicrje fjinberniffe in ben tOeg fieflten. Unb fo 
bat er benn aueb. feinen geheimen liebling Ztieno$a nie auf bie 
23üfme 311 bringen getoagt aus bemfelben (ßrunbe, cm 5 bem er 
aueb. fpäter teffmgs ZTatrjan nie geben rpollte; bagegen rjiett er 
bie Sdiroierigfeiten beim fjofmeifter ober Dortrjeile ber 
pripater3ief? ung ntety für unüberrpinblicr?, 3umal er an feinem 
Ser?u>ager in spe einen gleierjgeftimmten unb perflänbigen 2TJit= 
prbeiter gefunben hatte. 



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236 



Der neue Dorljang. 



Ceiber ijl oon biejer in mehr als einer 23e$ierjung intereffanten 
Bearbeitung nichts erhalten, in ber, roie Sdjröber an (ßotter fchrieb, 
er „ZHittel gefunden alle <£aftrations*Heben bes Sdmlmeijlers" 
bei3ubehalten, orrne ba§ bie Sache (roie bei €en3) cor fich ging, 
unb in ber infolgebeffen taufer unb <5uftcben fchliefclich ein 
paar rourben. Ui^er t/atte 3tr>ei Ssenen neu gejehrieben, in benen 
bas Ciebespaar (ßelegenheit 3U einigen fchroärmerijchen Be« 
teuerungen erhielt, bie ebenfo ber Stimmung ber «geit, roie bem 
guten Sdjluffe entfpraerjen. 

5ür bie erfte Aufführung tjatte Scfjröber fict? einen befonbers 
feierlichen (Tag erroäbjt. 3m Hlär3, unmittelbar naetfbem Brocf* 
mann in ber (Bunff ber dürften 00m Hamburger publifum 2lbjct?ieb 
genommen rjatte, roar bie (Truppe für einige ^eit nach Altona 
übergefiebelt. lüährenb biefer IDochen rjatte Schröber allerlei Der» 
änberungen im (Theater oornehmen, bie (Barberobe ber Sdjaufpieler 
unb bie Kaffenräume umbauen unb oor allem bie Bürme mit 
einem neuen Dorbang oerfehen laffen, ber ben alten, recht gefchmaef* 
lofen 1 3U erfefcen benimmt roar. Diefer Dorrjang, ber am 22. 2lpril 
fich 3um erjlen ZTCale ben Blicfen ber Hamburger präventierte — 
ein IDerf bes (Theatermalers ^tmmerman, bem „ein feiner Kopf " 
bie 3°een eingegeben — enthielt in fo eigentümlicher IDeife ein 
Bilb oon bem, roas bem Ceiter ber Bärme als 3&eal oorfdjroebte, 
entroicfelte fo braftifdj bas Programm, bajj es roorjl auch für uns 
oerlohnt, einen ZTToment unfer 2luge barauf ruhen 3U laffen: 

„ZTIan erblicft", heißt es in ber alten Beitreibung, 8 „ben innern, 
runbum offenen Cempel ber IDahrheü. Zlcu&i hinten 3U bas Bilb ber 
Ä>ahrheit <*"f einem burdj Stufen erhöhten poftament. €in oon ihr 
ausgebenbes Sicht oerliert ftch ringsherum. 3h r 3 ur Hechten fteht 
bie trag if che 2Tiufe, mit ihrem linfen 2lrm auf bas poftament 
gelehnt, unb an ihrer £}anb ein Kinb in einem fimplen (Seroanb, 
bas empfmbungsooH 3U ihr fnnauffieht, unb bie £}anb aufs §evi 
hält. ( w 2ln3U3eigen, bafc bas roahre Cragifcfrfe nicht im leeren 



1 <2ine Befdjretbung giebt 3. £}. iHuüer, 2lbfdjiei> 2c. S. U*. 
* ütteratur- unb (Etjeaterjeitung \778, 5. 295 f. 



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Der neue Dorffang. 



257 



Sdjioulfi, fonbern im ungefünftelten 2lusbru<f bes leibenben 
Reviews unb ber regen £eibenfd?aft beftetjt"). 3*? r 3 ur £infen btc 
fomifd?e ZHufe; an iJjrcr £}anb eine Weine <Bra3ie, bie mit £äd?eln 
unb in tan$enber Stellung im Begriffe ijr, teuren Blumenfrau 3U 
ben 5üfjen ber tDarjrrjeit 3U legen, hinter roelcrjer ein Satyr mit 
bem Kopfe Bferoornicft. (<£ur Be3eidmung bes Siegs ber Komöbie 
über bas Poffenfpiel".) 2luf einer ber oberften Stufen fifet 
Sfyaf efpear in aufmerffamer Stellung unb fter?t ben Slnfommenben 
enoartenb entgegen. 2ln ben unterjien Stufen bes poftoments, 
ft^t jtnfenb bie fterbenbe <£milia; hinter iljr (Dboarbo, ber fte 
fjält, unb ber ZDafyrrjeit feinen blutigen Voldi 3uu?erfen roifl. 
(„£effings (ßebädjtmfj".) IPeiter 3urucf fiefyt <5öfc oon Ber* 
lidfingen, ber com efyrlicrjen Bruber IHartin mit ber Iinfen 
fjanb 2lbfdjieb nimmt unb mit feiner eifemen redeten fjanb an« 
$etgen rein, ba§ er fein Säumen fyabe. („Die neuefte <Epod?e".) 
IDeiter beym €ingange 3iirücf bringt bie ZHuftf in ber <8eftatt 
eines Knaben ein Bauermäbd?en mit irjrem Körbchen doH 
Blumen unb ^rüdjte ber IDarjrrjeit 3ugefürjrt. („Bebeutung ber 
Operette".) (Ein Diener ber IDarjrfjeit seiget einigen Dichtern ben 
IDeg 3um 3"**™ Oes Cempels. €in anberer Diener roeifet ff in» 
gegen eine ZTTenge Dichter hinaus, bie [\d\ auf bie 2Tlenge ifyrer 
Schriften berufen. Die fed?s freyen Künfie jinb im (Eempel 3erfkeut, 
in Befdjäftigung. Die Bilbrjauerfunji an einer Büfte 1 , ein 
IPanberer, als Knabe, auf feinen Stab gelernt jlarrt bas ZTConument 
an. Die Xnalerey ifi befdjäftigt mit Verfertigung bes fjamburgifdjen 
Wappens. (Ein Diener ber IDaljrrjeit roirft oerfdnebenen fremben 
plunber, ber nicfjt ins beutfdje (gebiete gehört, 3um Cempel 
hinaus. Die uolle 21usftcr?t oerliert fidj in eine tiefe IDcite; auf 



1 Die bte ^üge Charlotte 2Icfermanns trug. „Hodj ein IPörtdjen" — 
f^etßt es im (Efjeaterjournal für Deutfdjlanb, 9. Stücf, W. S. 73 — „bie 
feelige IHfie SIrfermann tjat nun ein Denfmal. — Man fagt, es t|ab itjr 
unb fjageborn eins in fjaroftefmbe f ollen errietet »erben — aber fjage- 
born tjat feins unb Sajarlortens Silbntfj jieljt nun ba, roo ftd? bas Urbtlb 
Hamburg unocrgeßlidj gemadjt tjat. 3rjre Büfte ift auf bem aüegortfd?en 
Dortfang angebraa>t, unb ein (Senius arbeitet baxan" u. f. n>. 



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238 



Der neue Döring. 



ber einen Seite eine romantijcrje (ßegenb, burd? bic ftdj ein 
reißenber Strom von einem trmjien felftdjten (Sebirge ins braufenbe 
TXlecv ergießt, von oeffen Spifce Ariabne unter Blifcen in bie 
5lutr»en flür3t. <3rr>ey <Senien umfdjroeben jie mit 5löie unb Ceyer. 
(„Das ZUonO' unb Duobrama".) 21n ben erften Kolonnen bangen in 
oralen Basreliefen bie ZTamen 1 oerfdjiebener beutfdjer Dtdjter" u.f.n?. 

2Tlan lad}e nidjt über biefe bunte ZTiufterfarte oon Allegorien 
unb Symbolen. So rrmuberlid} uns ber ganse Uppatat anmutet, 
bie 3 0e e»/ 5" beten Perjinnlid?ung er aufgeboten ifi unb bie im 
(Segen jafc 3U manchem anbern Holsen, gefdjriebenen unb gemalten, 
Programm bem Urheber »irflidj in 5leifd? unb Blut übergegangen 
waren, oerbienen roorjl, baß man fie aud? in biefem frembartigen 
Aufpufc roürbigte unb ben efyrt, ber fid? ein einselner r>or Dielen 
)"o tapfer unb fo mutig 3U itjnen befannte, unb ber bie IDorte bes 
oon Dorotbea Acfermann gefprodjenen Prologes oor allen anbern 
auf ftcb, anroenben burfte: 

„Unb \ebex glütit in feinem Kämmerlein 

<Eucf? allen n>ertrj 31t feyn. 

Oft lang nad? burdjftubirter ITtitternadjt 

Wadjt ber (Bebanf an €ua>, baß unfer Auge n>ad?t; 

Unb oft in fiirmer Hoffnung, oft in Sorgen 

€udj 3U gefallen, finbet uns ber morgen." 

Als bann biefer infjaltreidjfie aller (Erjeatenjorljänge 3um 
erften iftale cor ben ^ufetjauern in bie fjöfje ging, gab er ifmen 
£eu3' fjofmeifier 3U fernen. 

Sdjröbers ZHajor mar eine oon ben Hollen, für bie er aus 
ben angebeuteten (ßrünben über gereifte gewaltige Haturlaute 
oerfügte, unb bie bestjalb benen, bie ilm einmal barin gefefjen 
blatten, als eine ber größten proben feines (Sejtaltungs* 
oermögens 3eitlebens im (Sebädjtnis blieb. 3dj meine aber, 

1 £(cffmg), <E(ngel), <S(oetlie), H?(eifjc). „^IjrerAufmerffamFeit", Ijetßt 
es in ber £itt.* u. (Efyeate^eitg. (1778, S. 39t) rotrb ffterbey ber bem 
^errn £. baburd? gegebene Por3ug, baß iljm bie anbern Drey nadf bem 
Alphabet folgen, ntajt entgegen." 



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Sdn-öber als IHajor in tenf ^ofmctftcr. 



239 



bafc bie Hatur an biefem erfdjütternben (ßemälbe ausnar»mstt>eife 
mefjr Anteil rjatte, als btc Kunft. 2)iefer 2Tlann, ber, mie es 
in einem 33erid?te Reifet, 1 „feine togif nid?t beym Kanonen* 
feuer erlernt fjat, unb ben auf Oer ganzen runoen tDelt 
nidjts intereffiert, als fein bis 3ur Abgötterei von ifmt geliebtes 
(Suftctjen", biefer Dater, in beffen Seele ftnftere Sd?tr>ermut brütet 
unb „ber beym i^inroelfen feines Kinbes, fein eigenes Dafeyn su 
oergeffen münfdjt, biefer Wiloe, ber bei ber Hadjricrjt von ber 
€nter?rung feines Kleinobs bie Überbringerin ber 23otfd?aft in 
rafenber tDut mit fid? fortfdjleift, unb enblid? biefer Dater, ber 
bas aus bem IDaffer gerettete Kinb in ben Armen rȊlt, in einem 
Augenblicf in überjkömenbem (ßlücf fte mieber 3U fjaben, im 
näcrjften aufgepeitfdjt oon bem (Bebauten, warum fte in ben tEob 
gegangen, unb an bas uxts unroieberbringlid? bafym, nun aus einem 
IDirbel r>on Ciebe, ^>orn unb Stols, tobenb, fofenb, fdjeltenb, 
fdjmeidjelnb fid? bodj $u bem einen reinen (ßefüfjl: id? fjab fie 
tpieber! burdjringt — biefes alles oerforperte Sdjröber, tonnte er 
uerforpern, inbem er bie tiefflen (Tiefen ber eigenen <5efüf?le aus* 
flrömen liefj. €r ging bis Jjart an bie <5ren3e bes fünftlerifd? 
Darfteilbaren unb aud? bis oafyn tonnten nur bie IDenigjten if?m 
folgen. Dem an berartig realifhfdje Cöne im Cragifdjen immer 
nod? nidjt genügenb genormten publifum trmrbe unljeimlid? babet. 
Unb in ber (EE?at mutete er irmt audj biesmal in anberer IDeife 
nod? 23efonberes 3U. Die unglücflidje Codjter, bie er einer Ster= 
benben gleid? über feinem Arm tjängenb auf bie 23üfme trug, — es 
tr>ar feine eigene 5rau — fam toirFlid] aus bem IDaffer, „irjr 
(ßeroanb lag an, unb tfjre langen fjaare 2 trieften." 

Alles in allem, bas publifum fraunte, grufelte, aber marb 
nicr?t »arm babei, unb roenn Sdjröber aud? in ber Solge 
uid?t nur in Hamburg, fonbem aud? in Berlin unb ZDien ben 

1 3n ber ütteratur- unb (Efjeate^eitung (\778, 5. 395), ber icf? l?icr, 
n>enn aud? ntdjt roörtfid?, folge. 

2 TXodf bei ber (Sreiftn roar bas ungeroölmlid? lange unb fdjöne £?aar 
ein <5egenfianb ftauneuber Berounberung für bie Kinber iljres Arjtes, wie 
mir eine fetner (Eöajter aus eigener Erinnerung e^äfjlte. 



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Utters Diego unb £eonore. 



üerfudj roieberrjolte, ein tieferes Derftänbnis für bies tieblingsfiücf 
3U erreidjen, es glüefte ifyn nid?t; bas publifum, bas r»telleid?r 
um feines ZHajors willen gern k}in unb »ieber bodf bas übrige 
5tücf mit in Kauf genommen tjätte, glaubte, als er balö oarauf 
-als XPegforo in Spricfmanns Sdfmucf einen ärmlichen Ctjarafter 
in einer ber ZHaffe mebr bebagenoen Umgebung auf bie 23ürme 
bradjte, ben unerquief liefen „fjof meiner" ftd} oollenos fcfjenfen 311 
tonnen. 

ZHittlertpeile näherte ftd} ber^eitpunftoon Dorothea 2lcfermanns 
Hücftritt von Oer 3ürme mefjr unb merjr. bereits am 3. 2fiär3 
fyatte fie in bem (Erauerfpiel ifyres Verlobten „Diego unb Ceonore" 
oie lefcte neue tragifdje Holle im recitierenben Drama gefptelt. 
Diefe (Eragöbie, bie Hn3er bereits J775 gefdjrieben unb ben 
Scfm>e|iern 2Icfermann geroibmet rjatte, fam 3u?ar jefct Feinesroegs 
in ifyrer urfprünglidjen (Beflalt, in ber ein junger proteftant aus 
£iebe 5U ber portugiejtn Ceonore feinen (Stauben abfdjroört unb 
beibe fd}ltefjlidf burd) eigene Scrjulb unb ^rxtxigixm bes Klerus 
in ben CCob getrieben »erben — auf bie öüfme. Crofcbem marb fie 
auf 2lnfud?en bes Kaiferlicfyen Hefibenten £or ber 3»eiten Porfleöung 1 
in Hamburg ©erboten. So Fonnte . fie alfo in biefer Holle ftd? 
nidjt oerabfdueben. Pielmefjr n?arb, nadjbem fte nodj in ben 
legten IDodjen als 2Xlebea unb 2lriabne 2 in ber H7obegattung 
bes HTono* unb Duobramas bie madjtooüflen tragifdjen Cöne 
angefd?lagen, als ^ulia * n tDeißes Homeo unb 3 u ^ a unö 
ZMinna in ZHinna rxm 23arnf}elm, in 3tr>ei ifjrer älteren (5Ian3= 
roflen fierf ge3eigt Ijatte, für ben 2lbfd?iebsabenb Homeo unb 



1 21m 6. waren bie Dorjteüungen in Hamburg megen ber tfaflen ge- 
fd?loffen. Seit bem 9- u>urbe in Altona gefpielt. Um 13. iporb Diego bort 
nodf einmal gegeben. Pom 26.-27. fpielte bic (Truppe, trotj ber ^aften, 
noaj einmal in fjamburg, auf iPunfdf bes pri^en Karl r>on Reffen. 
„So viel tann ein prin3 in Hamburg ausridjten!" fdjrieb Sd)röber. 
2lm 26. roarb Sdjrober bas Derbot bes Diego 3ugefietlt. 

" Utiabne, von Sranbes, IHufif von Senba, mar J776, u>o es am 
6. September 3uerft gegeben mürbe, mit örotfmann als (Lfjefeus unb Dorothea 
.als 2lriabne, nädjft ijamlet bas erfolgreiche Hepertoirftürf. 



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DORJ THKA A-'KF.kMANN 
Vt-h e>r.em "Ver-Mdu in Pi-ivatbes:' ? 



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Dorothea Hermanns 2Xbfd?ieb von ber Bütme. 2%\ 

3ulia als ©per, 1 Cert von (Sotter, HTujif von 23enba, unb ZHafons 
<£lfriebe gewählt. Der Komponiji felbft fdjmang ben CaFtftocF, 
unb bas publifum, bas audf in biefer me^r als fragamrbigen 
5orm bas Sdncffal ber £iebenben von Derona (mit gutem 2lus* 
gang!) mit C^eilna^me begleitete, Ijatte 3um lefctenmal bie roefy« 
mütige 5reube, 3n?ei Kinber bes 2lcFermamt»Sdfröberfcfjen Kaufes 
auf ber 8üfme 3ufammen 3U jefyen. Scrjröber gab ben alten 
<£apellet. 2 211s fie ben (Epilog, ben iljr Un3er gebietet, 8 fprad?, 
rjerrfdjte tiefe Stille. „Das parterr n?ar tief gerührt," fie tourbe 
oon ber «Erregung übermannt unb ©ergoß fyeiße <Efyränen in bem 
21ugenblicf, n?o fie ber Stätte tebewofyl fagte, bie ify: ftets meljr 
ein (Drt ber Qual als ber £ufi gen?efen; es u>ar gans richtig, 
wenn fie in ifjrem 21bfcr}iebsu>ort betonte, 

„Da§ fünfttg ntdjt in fmblid? fttller (Ereue 
3a? ber, bie mid> gebar, bas leben tDeifje, 
Das tlwt mir n>elj, bas tfjut mir ©et}." 

Crofc allem fjaber, ber üjr unb ben 3*}rigen bas leben oer* 
gällte, fie hielten alle treu 3ufammen, unb u>enn etu>as fie fo lange 
auf ben ©erfaßten Brettern feftgebalten unb i^r über ben cgfel 
Ifintoeggeljolfen rjatte, fo u>ar es bas (Befüfyl ber Pflichterfüllung. 
Dasfelbe (Befühl, bas audj ben festen bes Kaufes an biefer Stätte 
unb auf biefem 23oben fefilnelt, ben er — ob mit Hed?t, ift eine 
anbere $rage — nie gern als feine f}eimat gelten ließ. 



1 Die erfie Jluffüfyrung fanb im Zitat flatt. 

* „Sdfrober", fyetjjt es über eine fpätere Dorfteilung aus bem 3 a *l rc 
1779, „machte ben <£apeüet brat), war anfängltdj gan3 ber graufame, fyernadf 
aber ber gute Dater, ber 210es für bie HeHung fetner Heben 3ulta bafytn 
gegeben tjStte unb ftdj als ben UTorber feiner einigen [(Eoäjter] anklagte, 
mit oteler Züärme beflamirte erbtetüorte: „Hein idj, felbft, täj Unmenfdj 
Flage mtdj als ifjreu Illörber an. 1 ' Sein Singen rebüttrte feljr, unb fdjabe, 
ba§ audj btefes Calent bem XJIanne nta?t 3U (Efjetl tuarb, in bem ftd> fonß 
bie anberen alle, bie ben großen 21ftenr machen, Bereinigen." C^eater' 
3oumal f. Deutfdjlanb. 16. Stflrf. (780. S. 52. 

3 3. <£. Un3ers fjinterlaffene Sajrtften poettfd)en 3nljalts. \8\\. I. 
S. 8* f. 

Ciömann, Sdjtöber II. 16 



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Das Sommerrepertoir. König £eor. 



5aft fdjien es, als follten bie Unglücfsproprjeten Hedjt be* 
galten, bie mit Brokmanns unb Dorothea 2Idermanns 2Iusfd?eiben, 
bem perrfeißungsooden Vorhang 3um Crofc, bas <£nbe ber <ßlan3* 
3eit ber rfamburgifdjen Bülme gefommen reälmten. Die Kinber» 
fdfaufpiele, bie an Stelle ber Ballets traten, erregten, fo anmutige 
üieloerfpredjenbe (Talente barin ftd? 3etgten, Kopffdjütteln, metjr 
nod? ein an tticolihis (Tage gemalmenber fjerr Blad?e, „fönigltdjer 
<Eän3er in Berlin", berKinber in rfollänbifdjen Ballets tan3en unb 
in fran3Öftfd?en Komöbien agieren ließ. Volle Pier Wodien lang 
fd?ien bie Direftion alle ir?re guten (Erabitionen oergeffen 3U b^aben 
unb auf treuer nia?ts beoad?t 3U fein, als fidj fdjledjt unb redft 
mit einem Sommerrepertoir oon Singfpielen, Kinberbaflets unb 
Komöbien burd^ufdflagen. 2lües natürlidj IVaffer auf bie 2Ttüf?le 
ber Ceute, bie oon jetjer Sdjröber beu eigentlidjen Beruf, eine 
Bülrne 3U leiten, abgefprodjen Ratten. Da, um bie ^eit ber fjunbs* 
tage, am \7. 3uli, oerfünbigte ber (Djeatcrsettel bie grofje Xteufyeit: 
„König Cear. €in Crauerfpiel in fünf 21uf3Ügen. Itacrj 
SBjafefpear." €igentlidj batte Sdjröber biefe Überrafd?ung feinem 
publifum, geroiffermafcen 3um (Erofl für Dorothea 2Icfermanns 
Perluft, gleich nad? pfingften 3ugebad?t. 21ber trofebem Un3er 
irm bei ber Bearbeitung unterftüfete, roar bas IVerf nidjt fo fdmell 
311 bewältigen getoefen: bas erfte Drama Sfyaffpeares, in bem er 
felbfl als Sdjaufpieler bie £?auptr>eranttx>ortung 3U tragen, bie erfle 
große tragifdje Holle, in ber er audj bie lefcten Stifter über« 
3eugen follte, ba§ er 3um (Eragöben metjr natürlid?en Beruf 
beftfce, als irgenb ein anberer Dorweiler, ber je auf ber rjam« 
burgifeben Bürme geftanben. Die Bearbeitung felbft ift, »enn 
rotr uns auf ben Stanbpunft ber ^eitgenoffen Scfyröbers fiellen, 
unb von einem tüdjtigen (Eljeaterarbciter nia?t Sl?afefpeare fon* 
geniale &üge ©erlangen, mit einem IVort, Sdjröber in ben (ßrensen 
feiner Begabung refpeftieren, ib.ren «gtoeefen entfpredjenb. 

IViebcr ift bie gan$e bramatifdje <£fpofition — (Teilung bes 
Heidjes; Verflojjjung Korbelias; Kents Verbannung — gefkieben 
unb in €r3ärflung t>ern>anbelt; ber oerbannte Kent beridjtet in ber 
erfreu S3ene bes erften 21uf3ugs über all biefe Vorgänge an (ßlofter. 



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"König £ear: Sdftobevs Bearbeitung. 



Der Dramaturg fdjeute offenbar oor bem £inbrucf, ben bie voatyi* 
roifeige Ungeredjtigfeit, oor klugen gebellt, auf fein publifum machen 
roürbe, fürdjtete, es möge baburdf bas (Sefüffl oerroirrt unb burdf 
bie x>on oornfyerein erfdjütterte Sympathie für bie f?auptgeflalt 
bas Sdn'cffal bes gan3en Dramas gefärjrbet roerben. ZTidjt biefe 
€ra>ägung, woty aber ber IDunfdj, bas Übermag tragifdfer €r* 
fdfütterung, bas Sljafefpeare feinen £ufd?auern sumuten tonnte, 
für bie sarter befaiteten Kinber bes \8. 3<*Mun&ert etroas 3U 
milbern, roar es, ber ttm Korbelia, bas fdmlblofe Opfer ber 
Derfnüpfung bes €reigniffe, $um Sdjlufj am (eben erhalten ließ. 
Daburd? roar audj für ben Sdjlujjjaft ein jiemlid? jfarfer (Eingriff 
in bie Struftur bes Dramas geboten, roäljrenb im übrigen fidf 
bie .Bearbeitung auf 3u>ecfentfpredjenbe Kür3ungen, Deretnfadjung 
ber nohoenbigen Perroanblungen innerhalb ber 2lfte unb baburd? be- 
dingte ^ufammenlegung perfdjiebener 53enen in eine befdjränfte, 
Zlad\ ben IDorten bes flerbenben €bmunb: „3d? t)abe einen fctjrift« 
lidjen Befehl gegen Cear's unb Korbelia's Ceben ausgefeilt — 
fenbet Inn, elje es 3U fpät iji," brechen Albanien unb <£bgar, 
festerer mit ben IDorten: „0 ifyr (ßötter laßt unfere ^ülfe nidjt 
3u fpät fommen!" 3ur Bettung auf. Die 53ene verwandelt fid? 
ins <5efängnis. Cear unb Korbelia werben oon Sotoaten herein* 
geführt. Cear, ber am Sdjlufc bes oierten 2lftes txrie bei Sljafefpeare 
bem leben »iebergemonnen fernen, iji jefct roieber oom iüafmfmn 
umbüfiert: „Hein, nein, nein, roir »ollen immer r>ter bleiben. 
Das iji ja ein (Befängnifj! VOit beybe allein ujoflen fingen, u>ie 
Dögel im Käftdjt. IPenn Du mid? um meinen Segen bitteji, roifl 
tdj nieberfnicen unb Dtdj um Vergebung bitten. So rootten roir 
leben, beten unb fingen unb uns alte ZTZärlein er3äf^len unb oon 
ben gefyeimjien Dingen fo suoerfidjtlidf reben, als ob roir <J3ottes 

Kunbfdjafter roären Pfui, pfui, martert Hegan nidjt fo 

lange, ftc ifi beffer als (5onerifl." — Korbelia: „^llmädjtiger Gimmel, 
nimm Did? meiner an." — Cear: „Hedjt, gan3 redjt: auf fold?e (Dpfer 
flreut ber Gimmel felbji XDeir>raudj rjerab. — Siel? — fiel} — 
(ßoneriH — Hegan — ftefy H ffier fmb nun bie prjantafxen aus 
ber S3ene in ber ^ütte, bie bort gefiridjen ftnb, eingefdjaltet. 

16» 



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2^4 König £ear: ber Sdjlufc in Sd>rpbers Bearbeitung. 

„St.! id? roill fie r>or <5erid?t fürjren — Bringt bie beugen 
rjerbeY — Du ZHann im reidjbefHcften Kleib jpridf Hedjt un& 
<Bered?tigfeit über bie|en n?eiblid?en (Cygcr." u. f. w. u. f. m. mit 
<3rotf dienrufen Korbelias bis $u ben IDorten: „ZTun anatomirt 
Began. Sefy n>as fle in ifyrem £jer$en ausbrütet! (Biebt es 
irgenb eine Urfadje in ber XTatur, bie fold?e fjarte fersen mad?t? 
Wo ift fie tun? 5alfd?er Hilter, marum Ijafi Du fie 
entrinnen la|fen? w — Korbelia: „Pater, mein guter Dater! er= 
fennt 3*jr midj nid?t mebr?" — ZTun erfennt er fie: „Korbelia, meine 
Korbelia ! bab id? Did? nun? — JDer uns trennen tr>iH, muß einen 
23ranb r>om Gimmel holen unb uns mit 5euer auseinanber fdjeudjen. 
(Erocfne Deine 2lugen — €a§ ja nid?t feffen, ba§ Du reeinft — 
€t] foH ber 21usfafc irjr 5leifd? oon ben Knochen nagen, er? fie 
uns f ollen 3um iDeinen bringen." 3" biefem 2lugenblicf jiürmeu 
Don ber einen Seite Solbaten (mit bem ZTTorbbefel}!), auf ber an» 
beren bie Hetter herein. 2üs einer ber erften auf Korbelia mit 
bem Huf: „€rbroffelt fte!" 3urrttt, ftnft fte in ©tmmadjt: „TUein 
Pater." £ear entreißt mit ben IDorten: „Korbelia, Korbelia!" einem 
Soloaten bas Sdjroert „unb »errounbet ben, ber Korbeita am nädtfen 
jieljt." Die Senblinge <£bmunbs »erben funausgebrängt, bie Ketter 
jammeln fid? um Korbeita. Kent jmft $u tears 5üjjen: „ZHein 
t^eurer König ! " — £ear: „^inroeg, t}inn?eg." — <£bgar: „<£s iji ber 
eble Kent, mein König!" — £ear: „Derberben über <£ud? ade, Der« 
rätfyer, ZHörber! Koröelia, Korbelia! bleib nod? ein wenig! fja! 
mas fagft Du! — Sie ift baljin, auf immer barjin — fjeult, l?eult, 
tjeult, fymlt! — <D, 3fyr feyb 2J7enfd}en von Stein; fyätt tdf <2ure 
jungen unb klugen, idj wollte fie fo brauchen, bafc bas Rimmels» 
(ßeroölbe fraerjen foHte. <D, fie ift auf ewig bafnn!" — Kent: 
„Sie lebt, mein guter König; 2lngft unb Sdjrecfen tjaben jidf ttjrer 
Sinne bemächtigt. " — £ear: „3cff oerfterje midj barauf, ob einer 
tobt ober lebenbig ift. Sie ift tobt wie <£rbe — (ßebt mir einen 
Spiegel; wenn if}r 2Ufyem bas <51as trübe madjt; ja bann lebt 
fie — Hein, fein teben merjr! — IDie foU ein fjunb, ein pferb, 
eine Kafce £eben haben u. f. w." wie im (Driginal. Had? ben 
IDorten Kents: „plagt feinen (Seift nicht" u. f. w. „«muntert 



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Konig lear: Sd)röoers Bearbeitung. 



2^5 



f«t?" Korbelia: „ZTIein Dater, roo ift mein Pater!" — Albanien (ane 

hroetfen Cear, Damit Kororfia iljn nidjt feb,en foll): „5a§t <£ucr/, tf]CUrC Königin, 

unb begebt €udj r>on ruer." — Korbelia: „£aßt mid?, laßt mid?, 
fort — tf* reist fid» ios unb erbiirft Cear) 0, mein Dater, mein Pater — 
£a§t mierf feine flierjenöe Seele aufhalten (fmft witbn bey cear nieber; 

alle perfammeln fld} um Kotbelia.) 

Albanien: Crjeure Sdm?efter! \ 
Kent: Unglücflicr/e Codier! 1 j« 9 iet*. 
<£bgar: Königin! J 
X>iefer Schluß, ber jugleidj eine ungefähre DorfteQung r»on 
bem <£f?arafter unb ber Sprache ber übrigen Bearbeitung geben mag, 
erroeeft fidler manches Bebenfen. (Siebt man inbeffen bie prämiffe — 
Bettung ber Korbelia — einmal 3U, fo mufe man fagen, ba§, oon 
einigen graufamen Strichen in Cears legten Heben abgefetjen, 
bem Bearbeiter bas IDagnis einer fo tief einfdmeibenben Der» 
änberung geglüeft ifi; bie Derroertung oon 2ftotir*en aus ber 
(Seridjtsfsene in ber fjütte ift fütm, aber in biefem 5aÜ"e nidjt 
unbebingt 311 oerroerfen, unb fidjer fjat bie Ssene fo auf bie §\x* 
flauer jener &eit bie oolle erfdjütternbe IDirfung ausgeübt. 

Durch, bie Streidmng ber <2jpofition mar für bie Darftettung bes 
lear pon oornrjerein bie moberne 2Iuffaffung unmöglich, in ber Der« 
teilung bes Beides ben fer/einbar nod? in ooller Kraft freifdjaltenben 
(Beiß mit ben Spuren beginnenber Zerrüttung oorbereitenb 3U 
3eidmen. So roie er jefet in bem 3elmten Auftritte bes erjten Elftes 
juerf! oor ben 5ufd?auern erfdn'en, „ein fräftiger, rüftiger, föniglidjer 
(Breis, umgeben t>on feinen Bittern, mit ben gebieterifdjen IDorten: 
„tagt mid? feinen 2lugenblicf auf bas ZTCittageffen roarten; gefft, madft 
es fertig," trübte fein fjaud? ber €rinnerung an Dörfer gefebaute 
Bilber befrembenben c2igenfmnes, rafenben Zornes ben cSinbrucf 
ungebrochener Kraft. tttcr/t aus 21(tersfd}u>äd}e hatte biefer in 
feiner gan3en Haltung, in jebein XDort ben geborenen König ein* 
bringlid? unb über3eugenb oerförpernbe 2lltc feine Krone roeg* 
gegeben, fonbem „fein £eben gemächlicher 3U genießen", hatte er ben 
Sorgen ber Hegierung r>or ber §eit entfagt. Das n?ar Sdjröbers 
Cear in ben erflen S3enen, fo empfing er Kent, fo ben Harren. 



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3d?roöer als König fear: Die 21uftrittf3enen. 



Xlun bie S$ene mit <5oneril: 6er erfte ZDiberfpruch, bie erfte 2luf* 
letmung gegen bie od t erliefe, bie föniglich? Autorität. Cobernbe 
23 liefe unb jtürmenbe Äußerungen bes aufgeregten (Seift es, „EDetter» 
fdjläge bes ^orns oeränbern in jäher Stufenfolge in einer 5$ene 
bie gan3e (geflalt. plöfelich fleht er ba, „ein flammen roirbelnber, 
ieuermaffen fdjleubernber Dulfan, unb über (Sonerils fjaupt braufen 
feine 5Iöd?c, ein trogenempörtes IHeer": „f?ö're mich Hatur, 
ttjeure (Böttin, höre einen Dater! f^emme Deinen Dorfafc, 
icennDubies <Bef chöpf fruchtbar machen roollteft" u. f.u>. 
„(ßlutrotb bie 5arbe feines 21nt(ifees, Qlifee feine 2tugen, fieberifch 
Sucfenb jebe 2TIusfel, bie tippen frampfhaft 3ittemb; Cdne bes 
Donners feine IDorte, feine £}änbe emporgeftreeft, als trollten fte bie 
(Erfüllung feines ^ludjes vom Gimmel herunterreißen; bie gan3e 
Haltung feines KÖrperS, ber 2Ibbrucf feines gefpannten Seelen* 
3uflanbes." 2fls aber bie im gewaltfamen 21ffeft brechenbe Stimme 
ben gräßlichen 5Iud? über bie Hachfornmenfchaft h*n>orfchleubert: 
„Muß fie aber geboren, fo erfdjaff ihr Kinb aus 
(Balle, unb laß es leben, fie ohne Haft mit unnatür* 
lid er Bosheit 3U peinigen. £aß es Hudeln in ihre 
junge Stirn graben unb mit glüfyenben (Ehränen Kanäle 
tn ihre Wangen äfcen. €aß es all ihre ZHutter* 
fdimersen mit f}ohn9*lächter, alle ihre IDohlthaten mit 
Perachtung erroibern, bamit fie fühle, tote oiel fcfjärfer 
als ein Schlangenbiß es ift, ein unbanfbares Kinb 3U 
haben". — , ba ging ein 33eben burd? bie <gufchauer, ein un» 
toitlfürliches 33eben burch bie freche (Boneril felbft, 1 unb „»ie 
bas Scheiben eines Derberben bräuenben Eobesengels" erfchütterte 
fein (Enteilen. 

So ungefähr fdulbert, auch et nur anbeutenb, einer von ben 
21ugen3eugen feines Spieles bie JDirfung ber erflen S3enen. ZDir 
ahnen banach, u>as in biefem Schröberfchen Cear gelegen fyaben muß, 
oon bem felbft 3ffl a "° fpäter auf bie 3u?eifelnbe 5rage, ob benn ber 
Tllte in biefer Holle »irflich fo grof geroefen fei, urteilte: „3a, ja. 

1 3n Wien roeigerte ftcfy nachmals bie ZtarßeUertn ber (Soneril, je aus 
Sdjröbers Ifiunbe biefen tflueb, mteber über ftd) ergeben 3U laffen. 



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Sdjrober als König £ear: (Et^elne §fige. 2^7 



Das läßt jtch gar nicht befdjreiben. Sehen, füllen mußte man es. 
Sein ölicf entfdned; wobm er den wandte, da erblindete man, 
die Hebenfpieler wagten faum 311 fpredjen!" 

So find denn auch nur eiserne <3üge, nichts (Banses, 5 U * 
fammenfjängendes und Jlnfchaulicbes 3ugleich, oon diefer nach dem 
Urteil der^^itgenoffen größten Kunflfchöpfung Schröders aufbewahrt. 1 
IDir wiffen, daß der Kunjrgriff des Hegiffeurs, der den ZTarren in dem 
21ugenblicf, n>o Cears XDarmfmn ausbricht, wo er ttm (Eoms ärmlich 
werden und ftch die Kleider abreißen ftety, in Cljränen ausbrechen 
und weinend ftch an den geliebten ^erm anfdjmiegen ließ, tiefen 
cgindruef machte. 2 lOir wijfen, dag der Kunftgrtff des Scbaufpielers 
bei den tDorten: „3ch will Dir predigen — gieb Sicht!" auf 
einen Baumfhimpf jtch 3U fchwingen, aber, ehe es gelingt, mit 
perjagenden Kräften surücfjtufmfen, 3 als eine befondere Reinheit 
bemerft ward. IDir wiffen, daß in der S3ene auf der fjeide mit 
Kent und dem Harren (Kent: „Gimmel mit bloßem Raupte" 
u. f. w.) der 2lnbltcf des barhäuptig im Ungewitter umherirrenden 
föniglicben (ßretjes einmal mit fo lpr$et\diüttetnbet CEäufdmng 
wirfte, 4 daß aus dem parterr eine halbgebrochene Stimme aus» 
rief: „2ld?! fo laß ihn doch niederjtfcen ! " 

Allein fo intereffant und charafteriftifch diefe €in3el3Üge für 
den Schaufpieler und fein publifum find, fie erfefcen uns nicht 
eine befonnene uerfiändnisoolle Zergliederung der Holle. Sein 
23iograph hat uns fyev fajt gan3 im Stich gelaffen, 5 und wenn 



1 €inc Silhouette, „Sdjröber als £ear", ans oem 3ahre J780 ifi eben- 
falls für unfere §n>erfc wertlos. 

* 21breß'<£omtotr*Had?rtdjren 23. 3nlt [778, Zlr. 57 „2lus einem ab- 
gefdnrften Sdjreiben." Daraus abgeorutft: £itterarur- uno (El?eater3eitung 

1778, S. 582 ff. 

a Dgl. $. £. W. SdjmiM, Denfronroigfeiten, 1, 169. 

* Die 3uefoote, als am 2. Ulax \780 in INÜndjen bei Sdjröbers 
(Saftfpiel pafftert, tjat ber präftbent moratPtfefy felbft in Sdpöbers Stamm- 
bud) eingetragen. Dgl. „Sajröbers Stammbudj" in £ebrnns 3al^rbua? für . 
Ct?eater unb (Etjeaterfreunbe. J8<u, S. {3. 

6 Don IPert ifl allerdings fein Pergleid? Xeinecfes mit Sd)röber in 
biefer Ho0e: (Erfteren nennt er tabellos, meint aber „(Einige ftol3e 



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2^8 



Sdjröber als König £ear: Die legten S$enen. 



diefe Andeutungen mit einer Schilderung streier 5$enen aus dem 
Sdjluffe der (Tragödie, wie fie fidj in Schröders Spiel den £u« 
flauem cor Augen ftellten, fctjließen, fo danfen mir jie, roie die 
3ft33c der erften Ssenen, wieder dem begeiferten und t>erftändnis» 
t>oUen Beurteiler, 1 deffen Bericht uns r»on Schröders Ijarpagon 
bereits rpenigftens eine Art Dorftetlung oerfdjaffte. 

„Der höchfte Criumph diefes mimifdjen ZHeifterroerfs nxtr 
„Cears <Erir»achen aus dem dumpfen Schlafe des IDafmjtnns in 
„Kordelias liebender ttähe und die ihm folgende Ssenenreifje. 3" 
„einem tehnjiuhle fchlummernd, non einem retchen Schlafgeroande 
„umfloffen, r»or ihm die fnieende Kordelia, ihm sur Seite der Ar$t 
„und Kent, lag er da. Das Ieicrjenblaffe, in allen feinen ^ügen 
„abgefpannte (ßeftcht, die tiefgefcfyloffenen Augen, die leifen CDdem* 
„3Üge des leicht geöffneten ZtTundes, die jdjlaff niedergefunfenen£}ände 
„gaben die lebendigfte Peranfchaulidmng feiner inneren und äußeren 
„ZTatur in diefer <5emüts< und Seelenlage. Bald oerfündete ein 
„fjÖljeres Aufatmen fein «Erroachen. ITiatt erfjob er die geöffneten 
„Augen und mit halb erlofchener Sefjfraft richtete er jie auf die irm 
„Umjle^enden. Kordelia redet irjn an. Und nun oerroeilt fein 
„noch immer irrer Blicf auf ihr. <Eine dunfle (Erinnerung an 
„fein r>erfto§enes Kind durchfliegt ihn und in dem IDafme man 
„hab ihu feinem (grab entnommen, ifr fte ihm eine Abgefdjiedene, 
„ein fel'ger (Seift, länger hängt fein Auge an der holden (ßefialt 
„und bellet, lebendiger tritt fte por feine (Erinnerung. Aber noch 
„ift fein (Seift befangen, ein IDarmbild fcheint ihm, roas er fteht. 
„§meifeln1> fchüttelt er das fjaupt, und indem er roieder um jtch 



Überrefte bes Königtums unb elbenalters , feinere §üge 
bes IDaljnfinns unb ber Kränflidjfeü, inniges Belagen an 
bem jugenblidjen Harren, oielleidjt wenigen bemerflidj, blieben €tgen- 
tum bes teeren Jtteifters. 

1 Sdjinf in ben „^eitgenoffen" S. <*6 ff. Breiter Ijat fta? Sa)inf über 
Sdjröbers £ear ausgefprodjen in feinen „Dramaturgifdjen Iflonaten" , Bb. 
(J790) S. (08?— U42. fjier ifl 3n>ar ber Derfua) einer „€ntroirfelung w 
von Sdjröbers Spiel als fear gemadjt; aber ber flatterige Bertdjt fietjt an 
Anfdjaulidjfeit roeit hinter ber 5Pi33e in ben „geitgenoffen" 3örärf. 



t 

Sa?röi>er als König £car: Die letjten Svenen. 



2^9 



„blicft unb ftcr? überall t>on fremben <5egenftänben umringt fierjt, 
„glaubt er ftd) gan3 täufdjenben Blenbroerfen Eingegeben; ja 
„ftdj felbft fremb geroorben, 3tr>eifelt er fogar an feiner eigenen 
„perfönlid?Feit. Das ©erfunbet fein prüfender 23ltcf, bie rürjrenbe 
„iDelmtut, bie aus allen ^ügen feines <5eftcr/tes fprtcfjt, ber elegifcfye 
„taut fetner Stimme. Unb als nun Korbelias Bilb immer leben« 
„biger, immer über3eugenber IDafjrfjeit, tDirfltdjfett r>or trjm rotrb, 
„als er in ben Conen ber fmbltdjen liebe immer fpredjenber, ein» 
„brmgenber, ergreif enber bie alten einft fo geliebten Klänge toteber 
„pernimmt, ba rnirb fein 2luge geller, ba ftreeft er bie für 5reube 
„3ittemben 21rme aus unb bie Umfterjenben freubig, roeljmütfyg 
„anbltcfenb, ruft er mit fd?mel3enber in (Zoranen erlöfcrjenber Stimme: 
„Cacrjt nidjt über mich., benn fo roaljr ich, lebe, ictf 
„benfe biefe £aby I7 i er , fey mein Kinb Korbelia." Unbfie 
„nun gan3 erfennenb, umfaffen fie feine 21rme unb feine Seele 
„fliegt in ir»ren finblid?en Küffen in tfyre Seele über. 

„Dann bie S3ene, u>o er mit Korbeltas Ceidje auftrat. IDeldje 
„Cöne erfd)ütternben Sd|mer3es, meiere laute bes fcrmeibenbften 
„£}er3ensmebes! Das IDerj einer gan3en <£rbe festen in tfmt 
„3ufammengeprefct! Unb tr>enn er il?r ben Spiegel oorljielt, ängftlidf 
„auf ben fjaui? fyarrenb, ber bas <51as trüben follte, auf einen 
„einigen laut, nur auf ein leifes lüifpern ifyrer fanften Stimme 
„laufdjenb. Dann bie fd^recflic^e <5ea>t§fjeit, tljr leben fei ent< 
„flogen, tfym roarb, fein ijers 3ufammenpre§te, feine 23ruft engte, 
„ben Sdjlag feiner Pulfe rjemmte, unb mäblicb, bes Cobes 5<*rbe fein 
„eigenes (ßeftdjt über3og, fein leben nur nodj in leifen 21tf}em3Ügen 
„an feinen tippen fnng unb fein erfterbenbes 21uge, nur immer 
„auf bie Perblidjene gerichtet, enblidj brad?, fein gequälter (ßeifl 
„auf tfjren Cippen entfd?n?ebte ! tt>em fam ba aueb, nur bie fleinfie 
„Erinnerung an Dichtung, an Bütme, an mimtferfe Kunft? Die 
„XDirf Itcrtf eit n?ar ba, 2lHes ging cor, ber unglücFltdje lear ent- 
„locfte uns Coronen unb ttTitgefür;!!" 

<£s roar roteber einmal ein Cag im leben bes Scfyaufpielers, 
biefer \7. 3uli {778, ber ilm für raele fer/toere Stunben, Sorgen, 
Kämpfe, <£nttäufdmngen im leben bes Direktors entfdtäbtgte. 



250 Weyer über Sd)röbers £ear. 

<2r batte erreicht, roas feinem vor tljm, aud? cgfbof 1 nid?t 
3U teil gerooröen. Durdj feinerlei Porbilb, feine tErabitton beengt, 
fyatte er ein IPerf bes größten bramatifdjen (Benies, bas bie <£rbe 
getragen, sunt erftenmal ben Dolfsgenoffen erfdjließen bürfen. 
5reifdjaffenb Ijatte er an bie Perförperung einer, bie 3arteften unb 
getoaltigften Cöne tragifdjen teibens in umnberbarfier 2X)eife in ftdj 
oereimgenben (ßeftalt, bie gan$e Energie unb ben gansen Heid)tum 
feiner fünftlerifdjen perfön lid?feit fefcen unb wie ein (Bott über bie 
Seelen ber fjörer feine Seele ausftrömen fönnen. 

Solcher Stunben giebt es in ber <5efcr|icfjte ber Kunft, ber 
Sdjröber ftd) gemeint, in 3«l?rl?unberten oielleidtt faum eine. 

Die Sd^aufpielfunft ift bie bienenbe. 3n folgen 2lugenblicfen 
aber, roie tjier, wo ein großes fdjaufpielerifdjes (Benie, int 
f}öljepunft feiner Kraftentfaltung, in geheimer <3tx>iefpradt mit 
bem (Seift eines ber geroaltigften Dramen aller «Reiten eins 
u>irb, bas feines Stümpers fjanb nodj oer3errt tjat, ba roerben 
audj in bem 3ünger biefer bienenben Kunft Kräfte lebenbig, bie 
ifm über ftcb, felbft ergeben. Das Cuftgefürjl foldjer 2lugenblicfe 
nacfojuempftnben oermag aber jeber, ber überhaupt für bie ge« 
Reimen Porgänge fünftlerifcben Staffens Sinn unb (Befüfjl bat. 

„IHeBjr Derbienft rjat felbft ber große Didier um biefen 
<£barafter nidjt gehabt", febreibt fein leiber über «Eitelkeiten 
fo fdjtoeigfamer öiograpl?, ber Scrjröber oft in biefer Holle gefeljen 
unb ifm audj mit anberen oerglid?en rjat. „Keine feiner Sd}önb,eiten 
ging oerloren, anbere gingen auf, bie er rool felbft für bie 
Schöpfung bes Deutfdfen erfannt fyaben nmrbe. Darüber allein 
ließe ftcb. ein 8udj fdjreiben." 2lber audj nodj auf eines roeifi 
er Ijin, bas bie ungeheure, unb feiner 2lnjtd?t nadj r>on feinem 
anberen je mieber erreichbare ZDirfung bes Sd?röberfcrjen Cear er- 
flären foH: „2lber eben biefe Holle befiärft midj aud? in ber 
Überseugung, baß ber (Bipfei ber PoUfommenljeit nidjt ber Kunft 
allein gebübrt. IDas Scr/röber bewußtlos für fte trjat, mußte ftdf 



1 <Er war gerabe einen IHonat vorder, am \6. 3uni, ans bem £eben 
gefdjieben. <Eme feiner legten Hollen n>ar nod? ber (Seif* im fytmlet geroefen. 



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König Cear: Änberung ber Sajluffoene. 



mit bem 'Bewußten verbinden, um ein fo »oHenbetes (ßai^es $u 
fchaffen." £r Ijat ficher recht. <£s ift, mit einem IDorte, bas 
Temperament bes Sdjaufpielers, bas ifmt auch für ben Cear geroiffe 
Uaturlaute unb ZTuancen eingab, bie feiner ihm nachmachen 
fonnte, es fei benn, ba§ es ber Hatur „beliebte ben nämlichen 
ZHenfchen mit aßen feinen <£igentümlichfeiten noch einmal tjeroorsu» 
bringen unb bem Schicffal, ihm bie nämliche Bilbung 3U geben". 

Das Temperament, bie perfönltchfeit, bie Acfermann in 
gerotffen fomifchen Boden ebenfo unerreichbar machten, hatte auch 
an Sdjröbers Cear, an ber erfdjütternben <5eu>alt feiner Darfteilung 
einen Anteil. VOeld\e &üge es u>aren, bie fjierburd? eine gan3 
befonbere naturalijtifche Färbung erhielten, brauche ich nach früher 
(ßefagtem nicht noch befonbers hcn>or3uhebeti. 

Was ber erften Aufführung für unfere Auffaffung noch einen 
Dor3ug r»or ben IDieberholungen gegeben hoben muß, mar, bafj nicht, 
u>ie in ber oben citierten Bearbeitung 1 Korbelia — bie oon Schröbers 
5rau gefpielt umrbe — auf ber Bühne lieber erroachte unb mit 
Albanien unb Kent noch Heben trechfelte. „Die Korbelia", heißt es * in 
bem Bericht, „fieht ber gufchauer tr>eber ftegreich noch fterbenb. €ine 
©rmmacht ergreift fte . . . Der Dater hält fte für tobt unb giebt 
eben, als fte fich ermuntert, mit Auffdmeüen unb <£mpor« 
fteigen feines £jer$ens ben (Seift auf. Der f|er$og, Kent unb €bgar 
fmb um fie bemüht — unb bie DecFe fallt nieber." Unleugbar 
oerbient biefe iPenbung ben Dorsug r>or ber fpäteren, gefchroäfci* 
geren Raffung, bie fich u>ohI als eine übel angebrachte Konseffton 
an bas publifum barftellt, bas um jeben preis über Korbelias 
Sdudfal beruhigt fein roollte. 

Die £}auptfache blieb aber, u>ie ftch's gebührt, Cear. Heben 
ihm fam fein Anberer auf, obrnohl man feine 5rau als Korbelia, 



1 Sie erfdnen bereits [778 unter bem (Eitel: König Cear. (Ein (Crauerfpiel 
in 5 21uf3Ügen. Haa? Sljafefpear. Hamburg, gebrueft bei 3. Itt\ OTidjaelfen. 
[778. Dann als: Fjamburgtfdjes (Efjeater. Dierter Banb. ^weytes Stiief. 
Hamburg in ber tjcrolbfdjen Budjtianblung 

* 3n bem Beriete ber Abrefc-Comtoir-ZIadjricb.ten cgi. oben 5. 2^7 
2(nm. 2. 



252 



fear als Beneftoorficllung Sdjrebers. 



Cfyrifi als <£bgar, unb ben jungen «gimbar, ber fiel] in Brocfmannfdje 
Hollen rnnetn3uarbeiten befliffen rt>ar, als Starren gelten liefj. So 
durfte Sd?röber ftdj benn aud? perfönlid? ben groften unb nachhaltigen 
€rfolg, ben bas Drama auf ber rjamburgifdjen BüBme fyatte, 3U« 
f abreiben. 1 Unb als er ba^er am 30. ®f tober 3um erjien ZHale 
feine Benefoporfieüung rjatte, biefe bettelfyafte Unfrtte bes beutfd^en 
(Efyeaters, gegen bie er ftdj lange genug gefträubt Jjatte, 2 fiel feine 
Wahl fefjr natürlid? auf ben Cear. Zlut fd?abe, ba§ ber große 
Künftler, ber „bas Befte gab, roas er 3U geben fyatte", eben an 
biefem 2lbenbe, feine unb feiner Kunft IDürbe fyerabroürbigte 
burd? eine oon bebientenfyaften 2luferungen bes Danfes für bie 
<J3ro§mut unb Ermunterung bes publifums überfliefcenbe Hebe, 
bie übrigens fein Sdju>ager Unser auf bem <5etx>iffen Ijaite. 

Unb bod? fyatte er roenige (Tage 3uoor biefem felben publifum in 
einer ungleid? ungünfHgeren pofttion entfmftaftifdjen Beifall ab3u= 
Sunngenbermodrt, ber managen feiner Kunftgenoffen bamals — oon ben 
heutigen gan3 5U fdjtreigen — 3ur Anbetung oor bem eigenen (5enius 
nur aÜ3U roillfommenen, brünftig ergriffenen Hnla% geboten fjätte. 

Seit Brocfmanns 5ortgang n?ar Hamlet nidjt gegeben 
n?orben. ZTatürlid? n?ar es unmöglidj, gerabe bies Drama, 
bas nod? immer ein £ieblingsfiücf ber Hamburger roar, unb 
beffen <£rfo!g aud? nidjt annäljernb eines ber anberen 
Sfyafefpearefdfen Dramen erreicht batte, bauemb oom Bepertotr 
absufefeen. (Ojrifi, ber eigentlid? in biefer Holle Brocfmann 

1 1778 warb £ear im ga^en ad)tmal gegeben (j7., 24. 3uli; 6., 
13. JJuguft; 7., 25. September (auf Begehren); 30. (Dftober (3um Benefa 
bes fjerrn Sdjröber); 15. Dcsember). 1779 oiermal (20. Iltai, 2. 3uni, 
\5. 2Juguft, 9. De3ember). 

* Die erfte Benefoporflellung Ratten SdjrobersSdjnjeftem am (8.(Dftober 
\773 burdjgefetjt, unb barauf audj Brokmann eine baburdf erlangt, ba§ 
er ber Direftion bie Durdjfdmittseinnaljme eines gemolmlidjen (Eljeaterabenbs 
— 400 Warf — für bie (Erlaubnis bot, ba§ bie 03uuft ber dürften sn 
feinem Beften gegeben roerbe (\\. 3anuar \77<k). Das u>ar jebenfalls 
infofem ein glücflidjer prScebcn3faö, als nun Sajröber ben bas (SIeidje 
perlangenben Heinecfe unb Borgers bie gleite Bebingung fletlen fonnte, 
auf bie biefe aus guten 03rünben nidjt eingingen. 



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Sdjröber als rjamlet. 



253 



3U erfefeen beftimmt war, war feiner garten Veranlagung 
nadj gerade für ben £}amkt ungeeignet; audj war er fdjon im 
begriff, bie bamburgijd]e 33üfme su r»erlaffen. Die beiden jugenb* 
liefen gelben unb tiebtjaber aber, £ambred?t unb ^imoa*, 2TlitteI= 
gut unb Anfänger außerbem, freuten mit Bed?t, ben Kampf mit 
Srocfmanns 2lnbenfen in biefer <ßlan3rolle aufjuneJimen. So, 
entfdjloß ftd? Sd?röber, ermutigt burd? ben Beifall bes Publifums 
im £ear, felbf! in bie Brefdje 3U treten unb ben Derfudj $u wagen, 
nadj Brocfmann als erfter ben Hamlet 3U fpielen. <£r behielt 
ftdj aber ausbrüeflidt oor — unb ließ aud? feine 21bftdjt befannt 
»erben — es foflten eine Heilte oon KünfHern feiner Büfyne naaV 
einanber an biefer Aufgabe fid? perfudjen, bamit bas Publifum ent« 
fdjeibe, wer oon ilmen am erften geeignet fei, „gerechten forberungen 
3U genügen". Diefe 5orm machte ber Befdfeibenfjeit unb ber Klugheit 
ber Direftion alle <£f>re; fte erwies fidj aber tf^atfäd^ltd? als über* 
flüfftg. Denn fdjon ber erfie 21benb, fo wenig bie mittelmäßige 
(Einnahme (626 ben «Erwartungen ber Direftion entfprad?, 
enttäufdjte bie Zweifler im publifum aufs angenefymjte. 

„Ratten Sie boeb, ben 3ubel bes gejtagen Jlbenbs mit mir ge* 
tbeilt, unb fkb. zugleich, bie r>olle Über3eugung getjolt, baß Sdjröber 
einer ber größten tbeatralifdjen Dirtuofen unferes Daterlanbes ift. 
Derbient ber 2ttann, ber mit fo inniger £Daljrl}eit unb mit fo ausgc 
grübelter 5einljeit (bie aber nichts weniger als nach, ber Campe 
fdjmecft) bie entgegengefefeteften 5ädjer bearbeitet, nidjt bafür 3U 
gelten, fo oerbient es Keiner. <5eftem war er £}amlet! ! ! Allgemeiner 
Seif all lofmte ifm bafür. — Daß ber Beifall unferes publifums 
fdjon etwas ifi, worauf ber KünfHer fe^r ftol3 feyn fann, baß er 
nie weber aus Porurtbdl nod? fjänbejucfen, ober gar aus 
Kabale entfpringt, ift 3*?"«" bereits bjnlänglid? befannt. — Bey 
bem bloßen ^änbeflatfdjen fyatte es nidjt Bewenben. €ine 
Stimme aus bem parterr rief: Sdjröber fofl fünftigsmal wieber 
fpielen. 2llsbann wolle man feine ttadjfolger gerne fefyen." Sdjröber 
mußte bas feierlid? oerfpredjen unb Äufer unb parterr fdu'eben fetjr 
bef riebigt aus bem Sdjaufpielfyaufe." 

Diefer unter bem unmittelbaren €inbrucf ber erfien Dor« 



Sd?rö6er als fjamlet. 



fieHung gefdjriebene Beridjt, 1 oergegenwärttgt uns aufs an 
fd?aulid]fte bie Situation. €s if) nur nod? ljin3U3ufügeu, bafc 
bie 3weite Dorftellung am 28. 0Ftober nidjt nur eine erBjeb» 
licrje Steigerung ber €innafmte (82 \ Jj), fonbern audj bes 
Beifalls aufwies; bajj als Cambredjt unb ^imbar, ber eine am 
5. unb 23. ZTooember, ber anbere am {\. rtooember, i^r f|eil 
oerfudjten, fte fünfUerifd? fo weit tnnter ifyrem Dorgänger unb 
gleid^eitig bie (Einnahmen fo flarf hinter bem Durd?fd?nitt (5. ZToo. 
37 \$, \\. Zlov. 322 23. Zlov. 25^ _#) 3urütfblieben, ba§ oon 
einem »eiteren IDettfampfe nid?t ernjtyaft mefyr gerebet »erben 
tonnte. €s gab nur einen fjamlet: Sdfröber. 

(Db er felbft ftdj ben Sieg, nid\t übet feine jungen Sdjau« 
fpieler, tx>of^l aber über Brocfmann, fo letdjt gebadet, mödjte idj be* 
3weifeln. Denn, wenn ifjm perfönlid) audj ber Brocfmannfdje Hamlet 
nie ganj Ijatte gefallen wollen, fo mar bodj beffen 2luffaffung, sumal 
fett er audj in Berlin in biefer Holle lärmenbe, unb oon ben 
Leitungen laut auspofaunte, (Triumphe gefeiert Blatte, in ben klugen 
bes publifums, u>ie es nun einmal ifl, bie allein richtige. IDeim 
es Sdjröber alfo trofebem gelang, fo fdmetl nid?t nur in Hamburg, 
fonbern fur3 barauf aud? in Berlin, feinen Porgänger nidjt nur 
3U erreidjen, fonbern 3U übertreffen, fo ifl bas ein Beweis oon 
einer gan$ ungeheuren ZTCadjt feiner runjllerifdjen perfönlidjfeit. 
Denn fein ^amlet glidf bem Brocfmanns nur in ber Kleibung 
unb in ben IDorten. 2luffaffung unb Spiel roar fein eigen, unb 
gerabe in ben Ssenen, in benen Brocfmann am meifien €nt3Ücfen 
erregt ^atte, widj Sdjröbers Darftetlung am fdjärffien oon ilmt ab. 

Ceiber Ijat jener entfyuftaftifdfe Brieffdjreiber aus Hamburg, 
ber über ben erften Sdjröberfdten fjamletabenb berichtete, feine 
2lbftd?t, „im nädtften Briefe" oon ber Porflellung biefer Holle bie 
genaueren Details 3U geben, „woraus Sie erfefyen werben, ba& 
Sdjröber gar oft oon ber Brocfmannfdjen Beljanblung biefes 
C^arafters abweidet, unb wie tief erwogen biefe Abweichungen 



1 „2lus3ug eines Briefes aus Hamburg", Citteratur- n. (Eljeaterseitimg 
\778. S. 753. 



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Sd)röber als $amlet: «Hi^elne §üge. 



255 



feyn," nicht ausgeführt, dagegen fefct uns ein Berliner Bericht 1 
über bie bortige DarfteBung ber Holle burdj Schröber in ben 
Staub, tiefe £ücFe 3U ergäben unb uns eine ungefähre DorfteHung 
r>on Schröbers (unb mittelbar auch r»on Brocfmanns) fjamlet $u 
machen. „BrocFmann", meint biefer Beurteiler, — ber oielleidjt mit 
bem Derfaffer ber Schrift „Über Brocfmanns fjamlet" ein unb 
biefelbe perjon ijt — „fabe, burdf Cidjtenbergs Briefe über 
<5arrtcfs fjamlet 2 irregeführt, ^tngeriffen burdj bie Cebhaftigfeit 
feines (ßeifies, angeregt burd? bie Begier, ein gan$es Aubitorium 
3U feffeln, ben Hamlet 3u»eilen in ein gan3 falfcb.es Cid^t gebellt. 
Schröber hingegen, immer prüfenb, fiel? nie burdf Porurteil unb 
Autoritäten blenben laffenb, nidjtachtenb auf bas ßefchrey ber 
ZTTenge, fefete ben Vfamlet in ein gehöriges £id)t, inbem er mit 
feinem gewöhnlichen Sdjarffmn ben ^atattet DÖHig ergrünbete." 

X>er erße frappante ^ug mirb gleich im 8. Auftritt bes erfien 
Aftes 3 (I. 2) gefunben. Brocfmann fyatte in ben IPorten: 
„Scheint? Hein, es ift; bey mir fdjeint nichts. <£s ift nicht blos 
biefes fdfu?ar3e Kleib" u. f. w. einen flagenben, elegifdjen Con 
angefdjlagen; feine Spur »on Bitterfeit. Bei Schröber bagegen fiel ber 
CLon ber Sdjmermuth gar merfltcb, in ben bes Unwillens, ben er swat 
3u oerfteefen fid? bemühet war, ber aber bennoeb. gegen <£ nbe bey 
ben IDorten: „„Dies alles ift freylich nur Schein; benn es ftnb 
fjanblungen, bie man burch Kunft nachmachen fann."" 4 mit 
Stärfe l\etx>orbtidit ; mit Stärfe 3»ar aber bod} mit einem ge- 
n>iffen Anfichhalten ; es ift nicht ber (Eon bes oöllig losberfienben 
Unmuths." 

3n bem folgenben ZHonologe : „<D ba§ biefes fefte — afläu» 



1 Citteratur- unb (Erteate^eitung 17?9, S.3<*ff. 
* Dgl. oben S \9\. 

3 3a> citiere naa? Sajröbers 3U>eiter gebrueften Bearbeitung im £?am» 
burgifdjen Cfyeater Bö. III. Die in Klammern beigefefcten §arjlen oern>eifen 
auf bie eutfpredjenbeu S3enen in ber Sdjlegelfdjen Überfettung. 

4 Der Beriet giebt bas <£itat nadj ber erften Bearbeitung, nadj ber 
Srorfmann bie Worte gefprod?en tjattc, nidjt aber Sa?röber: „Diefe Dinge 
fa>einen in ber (Eljat; benn" u. f. n>. 



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256 Sdjxöber als fjamlet: (grfle Begegnung mit i>em (Seift. 

fefle ^leifcb. fdjmelsen unb in (Ebränen aufgelöft 3errinnen möchte" 
u. f. ben Brocfmann mieber nur auf ben elegifdjen (Eon ge* 
ftimmt hatte, lie§ Sdjröber bie roecijfelnben, in feiner 23 ruft fämpf enden 
2lffeFte im iDedjfel bes (Eones fyeroortreten. ZTur bie (Eingangs; 
n?orte „brachte er mit ber tiefften Hüfjrung fjeroor, bic aber in 
oer folgenden Stelle : <D, (Bott, (5ott n>ie efelfjaf t, fdjal, abgefkmben 
u. f. w. burefo. iDiberroillen oerbrängt trmrbe," uub fo fort. 

öemerfenstoert ijl femer bie erfte Begegnung mit bem (Beift, 
II. 5, (I. bie er u>ieber gan3 anbers, als Brocfmann, natmi. 
„ w <£rflaunungspoll taumelte er hinter fid?, im ^urücf taumeln flürjte 
„ilmt ber ^ut ab, feudjenb unb an jebem (Bliebe 3itternb, bog 
r/ ficf7 fein £eib noch, immer rücFrr>ärts, er blieb einige ZTTomente 
„in ber Stellung, bann beugte er fteto, aümärjlid^ mieber r>ortr>ärts 
„Inn," laufdjte bem <ßetfte entgegen, unb nun erji fanb er IPorte, 
„bie aber [eine ^unge nur Ijalb t?eraus$ubringen oermodjte. ZTacb, 
„unb nach, oerlor fid> bie (Erfdjrocfentjeit aus feiner Seele, bas 
„Beben feiner (Blieber borte auf, fein (Eon marb f efter unb bey ben 
„IDorten: „ „IDofür fotl icf? midj fürchten? ZKein teben ijl mir um 
„eine Stecfnabel feil"" u. f. u>., las man aufs beutlidjfte €ntfd?loffen« 
„fjeit in feiner UTiene. Hafdf eilte er nadj ben 2Dorten: „„3^1 
„»in mit Dir gelten!"" hinter bem (Seifte fjer. 2luf ber ZTTitte bes 
„Theaters überfiel ilm — roie man aus feinem ftummen Spiel fafye — 
„ber (Bebanfe, nidjt olme einen f leinen Schauer: 0b Du's aud? 
„tr>ol tfyuji? Allein faum geboren, erftiefte er ilm als 3U Flein* 
„mütlng, feiner oöllig unroertb. Unb mit bem feftefien ZHutfye folgte 
„er ber €rf Meinung. 3n ber Unterrebung mit bem (ßeifte feines 
„Paters, bey beffen €r3äfylung, mar an Sdjröbern feine Spur uon 
„3aQen mefjr malzunehmen. 5ejten ZHutljes ftanb er ba, »oller 
„Begier nad? ben Dingen, bie er fdjon 3um (Eeil almte. XPäljrenb 
„ber «Stählung fab, man toedjfelsmeife 2Hit(eiben, Habgier unb ben 
„Ijerbfien Sdjmer3 in feinem 3nnern arbeiten. Der folgenbe TXlo- 
„nolog ift einer feiner fcb,önjten. Perfunfen in ein 2fteer mannig« 
„faltiger (Empfmbungen, roorin ilm teils bie (Erfdjeinung, teils bie 
„€r3db.lung geftü^t Ijat, jlarrt er bem perfd?u>inbenben (ßeifte eine 
„Zeitlang fpradjlos nadj. «Enblicb, bricht er in bie IDorte aus: 



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Sdjröber als f?amlet. 



257 



„„©, bu ganzes £}eer bes Rimmels! o (Erbe! unb was nodi mefyr!"" 
H u. f. u>. Darm fefjrt er 3urücf aus feiner (Efftafe, tDteberljolt 
„ftd? in <5ebanfen bie lefeten IPorte feines Palers, unb ruft mit 
„ber Stimme bes innigften (Sefüfjls aus : „ „Deiner gebenfen?" " unb 
„fäfyrt im (Eon ber feierlichen Betonung fort: ,,„3a Du armer 
„unglücfliaVr (Beifi"" u. f. u>. Der Befehl feines oerftorbenen 
„Paters tritt nochmals in aller feiner Klarheit ror feine Seele, ent« 
„flammt fie, jebe feiner 33eu>egungen toirb lebhafter, feine Hebe 
„bricht in ooHem Strom aus: „ „Deiner gebenfen? ja, ja, 
„idf mill fie alle oon ber (Tafel meines (S5ebädjtniffes roeg» 
„rx>ifdjen!" " u. f. w. Ztlit einem 2TIaI fallen ifmt bie Urheber bes 
„2Tiorbes ein. Diefe (Erinnerung burdjfcrfüttert fein ganzes iüefen, 
„unb ooH bes ftärfften 2lbfdjeues fagt er bie IPorte: „ „(D abfdjeu* 
„lid?es IPeib! o 23öferoidjt, lädjelnber oerbammter 33öfeu>idjt ! " " 
„fjaftig reißt er nunmehr feine Sdjreibtafel fyeroor, IPutft funfeit 
„ifjm im 2luge, fdmnllt jebe feiner <5eftd}tsmusfeln auf, mit bit« 
„terem täfeln unb mit IjalberfHcfter Stimme fnirfd)t er: MH 2TTan 
„fann lächeln unb immer lädjeln, unb bodj ein ööfemidjt fevn."" 1 
„ZTTit r>or &om bebenber fjanb fdfleubert er biefe 33emerfung in 
„feine Cafel unb nun im (Eone bes glüfjenbften (ßrimmes unb ber 
„bitterften Perading: 2 „,,So0f?ehu, ba ftefifr Du! "" plöfelidt er* 
„innert er fidj ber legten IPorte feines Paters, ZTIiene unb (Eon 
„änbern fidi, be3eidmen IPerjmutr} unb er roiebertjolt fie fidf mit 
„ber innigften Bütjrung unb mit ber 5eYerlicrjfeit, momit fie irmt 
„gefagt rourben: „„Ceb rooll £eb u>ol! Solm, geben fe meiner!"" 3 
„Perfunfen in all ben €mpftnbungen, bie biefe Cofung in tfpn rege 
„madjt, bas eine 21uge glän3enb t>or öeirübnifc über feinen Pater, 
„unb bas anbere lobernb oor Habgier, inbem es fid? burdj roieber« 
„^oltes fjinblicfen auf bie 21bfd]ilberung feines (Dljeims neueHarjrung 
„feiner VOutii fdföpft, roirb er oon (ßuftao unb 3ernftelb überrafdjt. 



1 3n ber erfien Bearbeitung fehlte biefe gansc Stelle, ber OTonolog 
fdjlofj mit ben tPorien „lad)enber, oerbammter Böfeandft". 

* 3n allen Sdjröberfdjen Bearbeitungen ift bie Bemerfung: „g>um 
toentgfien n>ei§ ia> gerotg, in Dänmarf fann's fo fein" geftrid)en. 

* »3a? fabs gefajworen" ift gepriesen. 

Ctfcmann, S*rdt>ec n. I? 



258 Sd)röber als fjamlet: 53cnen mit polomus unb ©pljelia. 

„Kaum n>irb er fte anfidftig, fo eilt er mit ber Sdjreibtafel in 
„feinen <5ürtel, 3urüd unb bie Unterredung beginnt." 

„Seine Jlnreben an ben (Beift", fyeißt es weiter (in ber fol» 
genben Ssene), „fmb ein ßemifdj oon €rflaunen über feine 
2lflgegemr>art unb von Sebaurung, baß er fo untergetrieben 
wirb. Unb fo paßt audj ooflfommen fein lefcter gunxf an Um: 
w „<Bieb Vidi sur Bufye, unglüdlid^er <5eifl!"" ben er mit ber 
größten Bü^rung bes £jer3ens Ijert>orbradfte." 33rocfmann ba- 
gegen fyabe „alle biefe Heben bis auf bie lefcte" in bem (Eon 
„fdjäcfernber Caune" gegeben. 

3n ben Sjenen bes 3. 2Iuf3uges mit (Dlbenfyolm (Polonius) 
(II, 2.) unb mit <5ülbenflern (Hofenfran3 ij* gejhridjen) blieb er, u?ie 
ausbrücflidj tjeroorgeljoben rr>trb, „immer unter ber Dermummung 
bes Harren nodj £jamlet." „<£r artet nie 3um bloßen CufHgmadjer, 
3um Popper aus, läßt gar oft bie €arr»e fallen, bie er blos aus politif 
oorgenommen, oerrät^ fobann bie £>unben feines Wersens unb 
ir>oburd? er fte empfangen, n?eld}es er 3u>ar glcid) toieber 3U be* 
mänteln befiiffen ijf." Dies alles im (5egenfafc 3U 23rocfmann. 

2lud) bie 53ene mit Ophelia fyatte er auf einen gan3 anöeren 
Con geftimmt, als fein Vorgänger. „<£r bearbeitete fte fürs 
f}er3, 23rocfmann bloß für unfere Cadjmusfeln, inbem er nodi 
immer ben (ßecf fort3ufpielen für gut befanb." Sdjröber „n?ar 
ber freunbfdjaftlidje lüarner, ber 3uu>eilen, menn ifm fein Unmutlj 
anroanbelt, ins 3ronifd?e unb bittre fällt". Unb »äfjrenb 33rod* 
mann gerabe bie IDorte : ,,„<ßefj in ein Honnenfl öfter" " mit £aune 
gefprodjen, fd?lug Sdjröber luer warme ffc^enstöne an: „Vflit 
aller ber Hüljrung, mit bem fanfteinbringenben, fyer3ergreifenben 
Cone . . . ben er fo meijterfyaft aufs mannigfadjfte ab3uänbem 
mußte." Keine Sitterf eit, fein f)audj bes Komifd^en, „fonbern 
immer ber (Eon bes freunbfdjaftlidjen Trebens, ber aber je mefjr er 
wieberfjolt warb, je mefyr £Därm' unb Seelanbrmgenbes befam." 

2Ius ber 53ene mit ber ZITutter — IV, \\ (III, /$) — werben 
wieber befonbers bie Übergänge „r>on Sdjmer3 3ur Mitterreit unb 
3um fyödjfien Unwillen unb oon biefem in ber 5oIge 3ur wieber 
erwadjenben finblidjen gärtlidjfeit" fyeroorgefyoben. Dor allem aber 



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Sdjröber als fjamlet: S3ene mit ber Hlutter 



259 



bas Spiel mit ben beiden porträts -- 3toei Ztliniaturgemälben : 
bas feines Paters trägt Hamlet am Fjalfe an einer Kette, öas 
bes ©tjeims ift in ben fjänben 6er ZTTutter. Hamlet balt betbe 
gegeneinander. — 23ei ben EDorten „ein getiefter tumpenfönig" 
fdjlug Scrjröber fo fyeftig auf bas Porträt bes ©rjeims, bag es 
3ertrümmerte. „(Er oerfolgt mit feinem 21uge bie auf oer (Erbe 
rotlenben Stüde, unb inbem er es emporbeben roifl, trifft er auf 
ben <5eift!" ZHit Hecr/t toirb bie Reinheit biefes ^uges bemerft. 
So ifl bas bei Brokmann brüsfe unb unoermittelte 2lbroenben 
bes (Beftdjts oon ber ZITutter, aufs glücfltcrifie motioiert. 2lm 
erfcrjüttembften aber roirfte bas Spiel bes Sdjaufpielers angeftcfys 
biefer (Erfdjeinung : „Das IDort faum b,alb gefagt, erflarb ib,m 
auf ben tippen; fein Körper bebte 3ufammen / jebes feiner (Blieber 
erjiarrte, er atmete fdjtoerer, feine klugen fduenen „„aus iljren 
Kreyfen rjeroor3utaumeln"", fein fjaar ftd? bergan 3U firäuben; er 
toar bas lebenbigjte 23ilb bes (Entfefcens. Büfm' unb Komöbiant 
fdjroanb gan3 aus unferen 2Iugen roeg." 

„Sey ben rOorten: „„IPie ftety es um (Euch, ttlutter?"", 
b,ei§t es am Schlug, „oermieb Sdjröber roieberum einen iefyler, 
ben Srocfmann begangen, festerer blicfte babei nach, feiner 
ZHutter um. (Erjlerer tfjat ofyne fein 21uge 00m (ßeifl im min« 
bejlen abglitfd?en 3U laffen, auf ben es fejl geheftet roar, feiner 
tfTutter, bie er mit fdjroanfenber ßanb hielt, bie 5rage. M 

Das toar Schwobers £jamlet. 1 

JPir oerfieben banadj, toie es ib,m möglid? roarb, mit einem 
Schlage felbft bas für 3rocf mann am rjödjjten begeiferte publifum 
um3uflimmen unb 3U feiner 2luffaffung 3U 3toingen. Über <Eiu3el« 
Reiten in ber 2luffaffung, toie aud? im Spiel (bie Sa?reibtafel!) 
mag man mit u?m redeten: aber eines fteb,t man hieraus flar, 
gegen ben auf tjorief »Sternes (Eon gefiimmten Hamlet 23rocFmanns 

1 Heben itjm fpielte jefot feine ^rau bie (Dptjelta. „3b,r gelang es 
fid? als gläcflid?e Hadjbilberin ifjres großen Dorbilbes 30 3eigen. 3b,r 
Spielen ber iPalmfinnsf3enen erfdjntterte, fo feb,r es Fann. 21ud> roar 
(irren wir nidjt) fic bie erfie <Dpb,elia, n>eld>e bie befannten Strophen 311 
fingen mit Gllid wagte." Sa?nfce, t?amburgifd?es Ch,eater, S.\72. 

17* 



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260 



Das Urteil über Sd)r5ber unb örotfmann. 



gehalten, liefen 5u>ifdieniPeid?lidjFeit unb eraltierter CufttgFett l^inunb 
fax fdjroanFenben ffelben, war biefer männlidiere, fräfttgere unb 
babei 3um 3lusbrucf ber medifelnben feelifdfen Porgänge ungleid? 
reicherer unb mannigfaltiger Nuancen fähige fjamlet ein un= 
geheurer 5ortfdjritt. 3efet erj* n?arb man inne, bafj, was 23rocf* 
mann gegeben, bie blenbenbe Ceiflung eines ftdj [elber ausfpteten* 
ben KomÖbianten gewefen, ba§ bagegen erft in Scfjröber ber 
Dorweiler bes Hamlet geFommen n>ar, ber nidjt nur ben IPtllen, 
fonbern aud? bie Kraft befa§, ben geheimen, nietet auf ber ©ber» 
flädje liegenben 2lbftd?ten bes Dichters auf ben (ßrunb 3U getreu 
unb fte burdf feine DarfteHung 3U uera>irFlid?en. 

„öroefmann," Blatte ein entfjuftaftifdjer Kritifer gefd?rieben, 1 
„Fniete r>or Sl?aFefpears ötlbfäule ijin unb bas nid?t umfonft, 
glücflid} entoanb er ifym einen ber Krän3e, bie feine Stirn um= 
floaten unb fefete tbn fid? fclbft auf." 

„Sdjröber/ fd?rieb, barauf be3ugneljmenb, ein anberer, 2 
nadjbem er Sdjröbers Hamlet unb £ear gefefyen: „Sdjröber Fniete 
audj nieber r>or SfjaFefpeares 33i(bjäu(e, unb SljaFefpeare neigte 
ftd} gegen ilm, umroanb feine Sdjeitel mit einem Corbeer, ben 
er oon ben feinigen natym unb rief ilmt 3U: Sey ber <£rfte metner 
Darjteller unter deinem PolFe, fotr>ie Du ber <£rfüe, ber trmrbigfte 
metner Umänberer bift. Selbjf (Sarrief erfenn' idf für ben Cefcteren 
nid?t. 2lus falfdjer DeliFateffe, . . . raubte er mir 3U viel unb gab 
mir 3U wenig <£rfafc. Du aber riebeft mir ben Hoft weg, ben 
mein 3afyrfmnbert angelegt, unb was Du mir naljmfl ober gabft, 
war weife genommen unb glücFlidj erftattet. Piel oon meinem 
(Seifte rufjte auf Dir; jefet fd?web er gan3 über Did|, unb erleuchte 
Dtdj, fowie Du Brocfmann erleud?tet i?aft unb fo manchen Sdjau' 
fpieler Deines Polfs. Sd?röber Derliefe ben Cempel mit feigem 
DanF, ging fyin, fieflte ben £ear unb fjamlet mit aller itmt 
eignen Kunjt bar." 

&iety man bie Überfd?wängltd?Feit bes ^usbruefes, bie ben 
Kinbern jener ^cit mm einmal Bebürfnis war, ab, unb fdjränft 



1 £ttteratur» unb (Lljeate^eitung [778, 5.6. 
* Cttteratur- unb {Etfeate^cttung (779, 5. 2* f. 



Sdjr5bers fyimletnatnr. 



26 \ 



bas bem Bearbeiter gesoflte lob ein wenig ein, fo müffen mir 
fagen, ba§ biefe 5timme mit ihrem Urteil nicht nur bie allgemeine 
Meinung wiebergab, fonbem auch bas Nichtige traf. 

€s war ein merfwürbiges ^ufammentreffen, ba§ 3oh. iriebrtcb, 
Sdjinf, ber in feiner Schrift „Über Brocfmanns fjamlet" manche unb 
wohl begrünbete Ausfüllungen an bejfen 2luffaffung unb Spiel r>or= 
gebracht, faft in allen wefentlicben punften mit ber Sdjröberfchen 21uf* 
faffung übereinfam,ohne ba§ weberSchröber burcb, Sdnnf noch Iefeterer 
(gefprädjsweife) burd? Sdjröber irgenbwie beeinflußt worben wäre. 

2Tieyer pon Bramjiebt b,at aus biefem ^ufammentreffen 
gemeint, wieber ben Schluß $iet}en $u bürfen, baß feine eigene 
fjamletnatur Sdjröber ben ricbtigen 2X)eg Ijabe finben laffen. w €r 
würbe fie fo getroffen baben, wenn er auch nicht ber Künfiler 
gewefen wäre, ber er war. Denn gerabe bie Stimmung, woburcb 
er fid? im £eben aus3eid|nete, tyv$lidies (Befühl, Fjang $ur Schwer» 
mutb, mit fdmeibenbem H)tfc unb genialifdjer Caune abwedjfelnb, 
machten ihn 3um <5eiftesoerwanbten bes Sb.afefpearefcb.en tarntet. 
<£r würbe ihn erratfjen b.aben, wenn er itm aud) nicht ergrünbet 
hätte ; er würbe in ähnlichen Derhältniffen felbft fjamlet gewefen feyn. M 

Offenbar ift aber b.ier ber Biograph, inbem er in feinen 
ireunb fyamletifdje 5 U 9* f^ineinpljantafiert, oiel 3U weit gegangen. 
€ine fjamletnatur, wie er fte faßte, würbe nie unb nimmer mit 
fo eiferner «Energie unb ^älngfeit bas beutfd?e (Efjeater, unb \pe$ieü 
bie fjamburgifd?e Bühne auf einen folchen (Bipfei ber Poüfommen* 
t?ett erhoben traben. Da3U gehörten anbere cgigenfcbaften, neben 
benen jene fcheinbar an tarntet gemabnenbe 2lrt, wie Sdjröber 
ftcb, gelegentlich, im (ßefprädje gab, gar nicht ins (Bewicht fällt. 
JDenn irgenbwo, fo war ber Criumph Sdjröbers im Hamlet ein 
(Triumph ber Kunß, bes genialen 2Hmungsoermögens bes Dorweilers 
unb bes tief einbringenben Stubiums bes bar$ufieflenben Cb^arafters 
aus bem (Seift ber Dichtung heraus. Unb babureb, fdjlug er 
Brocfmann, ber nun nachträglich oerfuchte, aud) feinen fjamlet 
entfpredjenb um3ugeftalten, aber hiermit weiter nichts erreichte, als 
baß er feinen alten, auf feine perfönlidjfeit 3ugefdmittenen fjamlet 
Derbarb, unb biefe einheitliche teiftung burcb. ein 5licfwerf erfefete, 
bas ihm feiner baufte. 



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262 



Ktdjarb II. 



Hod? waten in Hamburg Sdjröbers Cear unb Sdjröbers 
^amlet bas Cagesgefpräd?, nodj mar ber 3»eite fjamletfubjiitut 
nidjt 3um streiten Ztla\ Dorm publifum erfdnenen, unb fdjon roieber 
fünbigte ber Unermüblidje für ben \7. Hooember einen neuen 
Sfyafefpeareabenb an : „Hidjarbll. (ErauerfpielnadjSrjafefpear 
in 5 tfften." 

„(Er fjat immer eine Dorliebe für biefes Stucf unb für 
biefe Hotte gehabt," er3äl?lt fein Biograph; unb tr»tr begreifen 
es aueb, oottfommen, ba§ ben Sdfaufpieler, ber eben feine Kraft am 
Cear geprüft, nun bie Aufgabe locfte, biefen in manchem bem 
Cear ja fo permanbten <£fjarafter bar3ujietten, ben gefjeimnis- 
oottften unb fprobeften Dtelleidtf, ben Sbafefpeare je gefdjaffen. 
Unb nia?t minber begreifen roir es, ba§ bie fintfduebenfyeit, mit 
ber bas fjamburgifd?e publifum feine (Babe ablehnte, bergeftalt, 
bafj bie streite 2luffü^rung am 20. Hopember aud? bie lefcte blieb, 
ifm oerbrofj. €s fdjeint aber bod?, als ob biefer 2Tlt§erfolg — 
fo bebeutenb bie fdjaufpielerifdje Ceiftung, in ber ifjm feine 5rau 
als Königin fefunbierte, mar — itm nid>t gan3 unperbient traf. Denn 
offenbar trug nidjt bie atterbings ntd?t su unterfdjäfcenbe 5remb= 
artigfeit bes Stoffes, ber für ein beutfdjes publifum allemal 
geringes ^ntere\\e rjat, bie Sdjulb, jebenfafls nidjt attein, fonbern 
bie Bearbeitung 1 felbfi mufj ein arger 5er?lgriff geroefen fein. 

1 Don ber Bearbeitung ifi oermutlid} nidjts weiter enthalten, als bie 
von Sdjrober eigenljä'nbig gefdjri ebene Rolle Hid?arb IL, leiber audj biefe nnr 
Fragment, bie ftdj jefct im Befttje ©tto Deorients in 3*na befinbet. Danadj 
tjt bie (ßlieberung fo: „2lct \ oacat." <£r enthielt offenbar ejponterenbe, über 
bie Dorgefdjidjte aufflärenbe 53cnen, in benen Htdjarb nidjt auftrat. „2lct 2. 
S3ene \. Hidjarb, 2lumerle, Solbaten. Riä)arb: „Barflougffty-Cafrle b,et§t 
jenes Sfb,lo§ bort?" u. f. ro. bis 3um Sdjlufj ber S^ene. (Die bei ben 
Unglücrsbotfdjaften finb Scroop in ben IHunb gelegt.) — „S3ene 3. 2Jumerle, 
Scroop. S3cne Bolingbrofe, Hortliumberlanb, tjorf, (Befolge. 53ene 5. 
perey. Dorige" entfpredjen bem Anfang ber 4. S3ene bes 3. Elftes ber Stiegel* 
fdjen Uberfetjung bis 3U ben tPorten Bolingbrofes: (Bety, beutet ifmt bas an, 
inbefj roir Ijter auf biefer (EbneHafentcppicb, 3ieb,n. — „Ssene 6. Hi(b,arb,2lumerle, 
Scroop auf ben IHauern" mit bem Stidjroort l)orfs „<5ram entfieüt roerben 
foll". Dann Hidjarb : „Sd)on lange fteb< idj Ijier unb roarte", entfprtdjt mit 
ben groifdjenreben im roefentlid?en bem Fortgang obiger Ssene bis 3U ben 



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Htd)arb II. Sd)r3bers Bearbeitung. 



265 



Va fte erft mit ber HücFFerjr Hidjarbs nacrj (England etnfefete, bie 
crften anbertljalb 2lFte bes Originals find}, 5eigte fte ben König 
nur als leibenbe <5rö§e. Don ber befpotifdjen IDiflFür biefes 
Cfjarafters in ben erjien 2lFten erfuhr ber gufdjauer nichts anbers, 
als burdj €r3äfylung. Daß bamit bem Stüde ber eigentliche 
bramatifa?e Xtero ausgefdmitten roar, liegt auf ber fjanb; unb im 

Worten Hid)arbs: ,,3d) roifl meine 3uu>elen für einen Hofenfranj geben, 
meinen paüaft für eine «infieoeley, meine Kleiber für eines Bettlers." 
Dann Fommt eine £ücfe in ber Holle, offenbar ift eine tage uerloren ge- 
gangen. Die Holle beginnt roieber mit bem Stichwort Hortfyumberlanbs 
„bafj 3^ r mit 2Sed)t entfefct morben feyb" unb Hid)arbs {frage: „Htu§ id) 
bas tinin?" füfjrt alfo mitten in bie erfle Sjene bes 2lFtes bei Stiegel 
hinein. Die 3U>eite Hebe Hid)arbs, beginnenb: „2ITeine 2lugen ftnb voü 
(Dft&nen" bricht mit ben Worten „3a? bin felbft ein Derrätljer toie bie 
übrigen" ab. Darauf Stid)u>ort ZTorttmmberlanbs (im Original tjorf) 
„Unb eure Krone an %inrid) BolingbroFe"; unb nun (alfo 3urücfgreifenb) 
Hid)arb: „(Sebt mir bie Krone" u. f. n>.; an bie Worte „ber id) meinen 
(5ram eintrinfe, inbeg Du in bie fjölu? fieigefr," ftnb bie oben ausgeladenen 
3d)lufjn>orte ber 3roeiten Hebe Hid)arbs angefd)loffen : „Denn meine Seele 
Ijat baretn gebilligt" u. f. tu. Das folgenbe bis 3um 5d)lufj ber S3ene 
mie im Original. Hur geljt nad) ben JDorten Hid)arbs „Wofyin 3*? r u>ollt, 
nur aus (Huren klugen" biefer gleid) ab. Die Derfjaftung fällt alfo fn'er 
toeg. „Tlct <k oaeat." Weld)e Svenen er enthielt, ift mit 5id)erl}eit nid)t 3U 
beftimmen. „2kt 5, S3enei" entfprid)t mit ben Worten Htd)arbs„ Derein ige Dia) 
nid)t mit meinem <5ram" u. f. m. beginnenb, mit einigen Kür3ungen IV, 2. 
bei Stiegel; „S3ene 2. Zlorttmmberlanb, (Befolge, Porige." bem Sd)lu§ 
oonIV,2. — „S3ene 3. Königin, Jjofbamen" roirb tDofjl bie aus Konig 3ol?ann 
entlehnte Hebe ber (Eonftance „Kummer ijt ftol3 unb mad)t feinen Befifcer 
flol3." (Stiegel: Denn (Sram ijt P0I3, er beugt ben «Eigner tief" u. f. n>.) 
enthalten traben. Ztad) bem Stid)u>ort für bie folgenbe S3ene 3U fd)liefjen : 
„meine ^reube, meine Haltung, meine gaii3e Welt" fd)eint aud) aus ber 
Klage donftances um Jlrttmr: „<D (Sott, mein Kinb! IHein Ijolber Sotm, 
mein 21rthur. Klein £eben, meine £uft, mein Ellies Du!" etroas 
entlehnt 3U fein. „S3ene V fd)lie§t unmittelbar an bie vorige an: 
Hidjarb: „3ft fic fort? — So bin id) benn allein! fjange an nid)ts meljr 
auf ber Welt, als an mir felbft. Dies (Sefängnifj ifi meine Welt unb 
meine (SebanFen follen" nun — mit Kflr3ungen — ber OTonolog V, ^ bei 
Sd)legel. — „S3ene^. Hid)arb, ein 5taUFned)t". Bei bem Stid)u>ort : „als ob 
er ben Boben oerad)tete" brid)t bas UlanufFript ab. Der Sd)Iu§ ber Hofle 
ift oerloren. 



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F^einricf? IV. 



Dergleich mit biefem geroaltfamen (Eingriff in bas <5efüge bes 
Dramas roaren bie mit ^amlet unb fear oorgenommenen 
Anbetungen befdjeiben 3U nennen. Da§ gerabe in Hidjarb II. 
bie bramatifche €rpofttion burch bie für bas Derftänbnis unbedingt 
erforberliche genaue Kenntnis ber tyftarifäien Dorausfefeungen cor 
einem beutfchen (Eheaterpublifum befonbere Schunerigfetten bereitet, 
if! ja nicht 3U leugnen. 3"beffen eben biefe Schtoierigfeit tjätte 
ihn pon biefem (Experimente surücf^alten foDen, bas fich als ein 
foldjes auch baburch fenn$eidjnete ; baß er um ber BoQe ber Königin, 
bie feine 5rau fpielte, mehr 5üfle 3U geben, aus ben Heben ber 
Königin <£onfiance in König 3<>*?<u"i ein paar Brocfen Rexaus* 
fdjnitt unb ber <5emafjlin Hicrjarb II. in ben ZHunb legte. 

IDeit entfernt aber, ftch burdj biefen ZHifcerfolg entmutigen 3U 
lajfen, gab er bereits \$ (Tage barauf ben Hamburgern ein neues 
XJeifpiel feiner unerfchöpflidjen Unternermtungslufl unb Chatfraft, 
inbem er für ben 2. De3ember „Vi einrieb, IV. Sdfaufpiel in 
5 Elften Don Shafef pear, fürs beutfdje Cljeater eingerichtet 
Don S" anfünbigte. Unb als auch an biefem 2lbenbe ber fpärliche 
23eifaü bes publifums roeit hinter feinen (Erwartungen 3urücFbIieb, ba 
trat 3U ber üblichen 21nfünbigung ber Dorfiellung für ben folgenben 
Zag ber Direftor felbft oor bie (ßarbine unb fagte feinem lieben 
parterr aus bem Stegreif feine ZHeinung, bie aflerbings oon^ben 
hergebrachten niebrigen Schmeicheleien in ben eingelernten Prologen 
unb «Epilogen burdj eine her$erquicfenbe Deutlichfeit fich unterfchieb: 
„3n ber Hoffnung, bafj biefes ZHeipermerf Shafefpeares, 
melches Sitten fchilbert, bie oon ben unfrigen ab- 
weichen, immer beffer toirb ©erftanben werben, wirb es 
morgen wie berholt." 

Das fonft fo empftnbliche publifum aber nahm biefe Hüge aus 
bem ZHunbe bes für feine Kursweil besohlten Komobianten ruhig h*«- 
Denn auch bem (BebanFenlofeften mochte in biefem 2lugenblicf fo 
eine Ahnung aufbämmem, ba§ ber ZTTann, ber fo 3U fprechen 
roagte, nicht in eigner Sache, fonbern als Vertreter einer fünftleri= 
fchen ZtTiffton bas IDort führte. Sie famen auch nneber, ben 
folgenben unb nächftfolgenben Cag; unb am \6. Desember noch 



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ijeinridj IV: Sd)röbers Bearbeitung. 



265 



einmal. <Db jtdj aber bie Hoffnung bes Direftors, ba§ bas ZTCetfter* 
roerf „immer beffer roerbe oerftonben werben", wirf lieh erfüllt Ijat, 
tjl fer?r 3U besweifeln. (Offenbar Ijatte er burch bte ttm felbft 
überrafdjenben (Erfolge erft bes tarntet unb nachher bes £ear boeb, 
ein wenig ben tftafcftab oerloren für ben <5rab oon fünjUerifchem 
Derfiänbts, ben er bei feinem publifum oorausfefeen fonnte. Unb 
vor allem r?atte, barauf beutet auch bas (Experiment mit Hidfarb II., 
jein perfönlicher (Erfolg, als Sdjaufpieler ben fonfi fo befd?eibenen 
Künftler ba3u verleitet, bte ftegenbe ZTTacht feiner eigenen DarfieHung 
in einer ben ZHittelpunft bübenben Holle, bei einem fonft etwas fpröben 
Stoffe, 3u überfchäfcen. 

€s war in ber Cfyat ein ungewöhnlich fpröber Stoff in mehr 
als einer Bestellung, trofe Salfktff unb prtn3 fjeins, unb trofebem 
Schröber als 5alfiaff burdj ben ljinrei§enben fprubelnben ^umor, 
mit bem er ben btefen feuchtfröhlichen (Befetlen barfiellte, ben faum 
unb fo fauer erkämpften Huf, ba§ feine größte Begabung bod? auf 
bem (Gebiete ber Cragöbie liege, emftlich hätte erf djüttern fönnen. 

^unächji galt es, bte weitfdnchtigen Derhältniffe ber Srjafe« 
fpearefchen 3)Uogte auf bie tjerförnm liefen fünf 2lfte eines ben 
21benb gerabe ausfüllenben Stücfes 3U rebu3ieren. 2ludj bas u>ar 
eine „Zttannsarbeii", welche ber am Cear nicr?t nachfianb, aber 
r»iel weniger loljnenb mar. Denn, wenn h^utagc fdjon unfer 
Shafefpeare*fefies publifum bie fjiftorien mehr pflichtmäfjig, 
um auch bas einmal gefeiten 3U haben, über ftdj ergeben lägt 
unb ftdj entfehieben ein wenig mehr barin langweilt, als es für 
flug hält, 3U3ugeben, fo war es wirflich eine faft unmögliche Auf- 
gabe, ben faum eben für Stjafefpeare warm geworbenen unb in 
ber englifd?en (Befduchte fchwerltch fefjr bewanberten 5 u f<^ aucc öcs 
\8. 3<if?rljunberts für biefe auf ein gan3 anberes publifum unb 
eine gan3 anbere Bühne berechneten fjtflocten 3U begetftern. 
Daburch, bafj er als <£rpofttion Hid?arb II. oorangefdueft, hatte 
Schröber allerbings fidf biefe Aufgabe erleichtert, anbererfeits aber 
auch wieber burch ben entfduebenen ttIt§erfolg bes Porläufers bie 
Stimmung bes publifums nicht gerabe günflig beeinflußt. 

(ßefdncf oerrät auch biefe Bearbeitung, unb fo viel, ein befferes 



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266 



tjeinrid) IV: Sd)röbers Bearbeitung. 



Sdncffal oerbtenenbe, Befianbteile bes Stücfes bem theatralifdjen £}obel 
als roertlofe Späne 3um ©pfer gefallen ftnb,bas eine hat ber Dramaturg 
burd? feine Arbeit erreicht, bie ffanblung ijl fnapp, firaff sufammem 
gefaßt; unb bie $igur bes prin3en f}ein3 gan3 anbers in ben 
ZTlittelpunFt geräeft. 1 tüährenb ber erfle 21Ft ben pri^en, in ben 
2higen bes Königs tuenigflens, noch gan3 in bas lieberliche (Treiben 
mit 5alftaff unb feinen (ßefellen oerflrtcFt 3eigt, unb auch im 
3U>eilen, trofc bes fich immer brohenber 3ufammen3tehenben <5en?ölfes 
ber (Empörung, anfangs noch ber (Thronfolger aflein bie (Sefafjr 
nicht 3U fetten fcheint, bringt ber Schluß bes 21ftes febon ben Um= 
fd?lag. 3™ brttten ift er auf ber £jöt}e ber Situation, er 3teB?t 
gegen fjeifcfporn 3U 5elbe. 3»n eierten befiegt er J}ei§fporn unb 
legt burch fein Debatten babet, burch feine Segnabigung bes 
Douglas oollgültige Betoeife Föniglid? tjelbenljafter (Sefinnung ab.* 
3m fünften tritt er bas €rbe bes Daters au, bie umßen 2lus= 
fchtoeifungen ber 3 u 9 cnö * a 9 c f" 10 verronnen, tr>ie im (Eraum. 

ZTTit btefer fietgenben ^anblung geht bie fallenbe, in ber 5alflaff 
ben ZTTittelpunft bilbet, parallel. 21uch ihm ift, n?ie bem Prisen, 
mancherlei roeggejteidjen, unb Dortdjen erfdjeint nia?t auf ber 
Ssene, aber roieber fmb, a>ie auch in ben früheren Bearbeitungen, 
aus geftrtchenen Ssenen £üge in bie erhaltenen hi""bergerettet. 
Salfkffs Ausgang ift etwas milber unb 3ugleid? für ben Darjteller, 
ber bei Sfjafefpeare mit einem bef dm>örenben : „ttlylorb, ZTtYlorb!" 
feinen „Abgang" fyat, auch wirfungsDoüer geftaltet. 3« oie Per* 
hanblungen bes Saljtaff mit Domblebon? (<£rfafc für Scrjaal) Fommt 
ber (Dberrichter mit ber JPadje, befiehlt, fie alle fortsufüljrcn, unb 
oerfünbet : „Der großmütluge junge König h at befohlen <£uch mit 
Widern, t»as 3f? r braucht 3U oerfehen. Sieben 217eilen ©erbannt 
er <£udj aber fo lange oon fich, bis man beffere Sinne an <£udj 

fteht. ab.) (^aDjlaff unb bie übrigen fefjen einanber lange an, enblid? fagt) ^aßftaff I 

„(Sute Ztacht, Bauch!" (Dorbang faat.) 

Daburch n>ar nun allerbings für biefe beiben Figuren ein 

1 Wit mit Hedjt Iflerfdjberger a. a. <D. S. 33 fjerorgeljoben l}at. 
* tyer beginnt bie Perfd)mel3ung mit bem 3n>eiten (Teil fjeinridjs IV. 
Die KranP^eit bes Königs roirb fd?on tjier als motte benufct. 



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tfemrio? IV: Sdjröber als falftaff 



26? 



a>irfungsr>olles (Efieaterfiücf gefdtaffen, aber alles andere unb oor 
allem ber, für uns oon fjeinrieb, IV. unsertrennlidje, fjeinricb, perey fo 
empftnblicb. befdmitten , märjrenb bod? anberfeits für ibn 3ntereffe 
unb Derftänbnis beanfprudjt rourbe, baß man wofyl begreift, rote 
bas publifum mit gemifcrjten €mpftnbungen ben (Sang ber Dor« 
Teilung perfolgte unb 311 einem reinen Döllen 2(pplaufe ftd? nierjt 
aufraffen tonnte. Crofc Sdjröbers 5<*lftoff, ber „ber 5aljiaff 
Sfjafefpeares unb ber ZTatur" mar. ZHan fiaunte 3unäd?ft über „bie 
fünftlicbe Perbicfung bes fdjmalen Körpers $u einer pubbtngmaffe, bie 
ifym bennoeb, Spielraum genug su rorperlicb,er Bewegbarfeit ließ; 
bie tfyeatralifcbe (ßeftcbtemalerei, morin er fo feljr ZHciftcr ift, unb 
ixjoburcb. er ftd? in biefer Bode fo gan3 unb gar falfiafftftrt 
hatte." 1 Seiner Stimme tjatte er eine „lallenbe, ben Sefttrinfer 
oerratenbe 5einfrimmigfeit an3U3tx>ingen gemußt", bie 5ad?funbige 
befonbers bemunberten, menn auch, einige r>on ihnen eben biefeu 
Con als ben cb.arafteriftifcb.en ber „Bie-rljeiferigfeit" be3eidmeten. 
3n biefer ijütle lebte nun aber bas munberoolle (ßemifeb. oon 
3ot>talität, Prahlerei, 5red}r}eit, (Butmütigfeit, 5eigl?eit, Selbftironie, 
foreutje^igfeit, tPifc unb taune, mie es Sbafefpeare erfonnen, fo 
über3eugenb unb befirief enb, baß „Srjafefpeares ireunbe", bie über« 
fjaupt üerftänbnis für bie gan3e 5igur fjatten, „tbn mit 3ubel auf* 
nahmen". 21ber „Sfjafefpeares ^reunbe" in biefem Sinne mareu 
bamals bünn gefät in Deutfcfylanb ; unb mäljrenb ein 3<*br fpäter 
in Berlin Scfyröber gerabe als 5alftaff großen Beifall fanb, blieben 
bie Hamburger immer lau, 2 unb in tDien mißfiel er fo, baß bas 

1 Dorm „3. (Erjeil" ber £itteratur» unb (Eljeate^eitung \780 befinbet 
fta? ein Bilb mit ber Utiterfa>rift „(Erad)t, toorinn £>err Sdjröber ben ^aüftoff 
fpielt". (Erofcbem aUo bie 2Ibbtlbung nidjt ben 2Jnfprud) ergebt, porträt 
3U fein, iftbod) offenbar aua? Sa>röbers (Erfdjeinung u>teber3ugeben t>erfud)t. 
Darauf beuten bie auffallenb langen, fdjmalen, fpttjen Ringer. Das Koftüm 
ifi fi^r gefdjttft getuäblt, Körperfülle 3U Ijeudjeln: roeite boppelte pluber- 
Ijofen, über bem (ausgetopften) tPams ein halblanger OTantel mit Foloffalen 
pluberärmeln, bie über bie »reite ber Sdjulteru täufdjen. Der fjals bureb 
eine breite Kraufe gebebt. 

* (Es roarb bis Sajröbers Abgang r>on ber Sürfnc nur noa> breimal 
gegeben (^??9 gar nia?t). 



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268 



Calberon unb (80331: Sd)röbers Bearbeitungen. 



Stücf nach einmaliger Aufführung (\8. Zlovembet \782) von 
Sdnröber 3urücfge3ogen »urbe. 

Beffer würbe bie Arbeit bes Dramatutgen gelohnt unb 
lebhafter bie DarfteHung bes Schaufpielers aufgenommen, als 
roieber \$ (Eage nach ^cmrici? IV. Sdjröber mit einer neuen 
Bearbeitung einer tragifdjen Begebenheit r>or fein publifum trat : 
„Amtmann (ßraumann ober bie Begebenheiten auf bem 
2Tlarfch", Schaufptel in 5 Aufsügen. Diesmal rcar bie (Quelle aller* 
bings nicht jenfeits bes Kanals 3u fuchen, fonbern in Zacharias „Spa* 
nifchem (Ebeater 14 , aus bem bereits J769 unb 70 bie Acfermannfche 
Cruppe mit (Erfolg einiges für bie beutfdje Bühne oermertet 
hatte. 1 Das Original u>ar ber ben beutfcrjen Cheaterbefuchern 
unferer (Eage tt>ohl befannte Hichier r>on <$alamea bes halberem. 
An anberer Stelle »erbe ich im §ufammenhang über Sdjröbers 
Bearbeitungen für bie Bühne unb babei auch über ben IPert 
biefer unb anberer in biefe &eit faöenben Bearbeitungen 3U 
fpredjen fyaben. £}ier fei ihrer nur gebacht, unb babet 3ur Per* 
anfchaulidmng ber fprubelnben Pielfeitigfeit bes Hepertoirs in 
ber 3u>etten fjälfte bes 3äh r * s \?78 auf bie am 2. ©ftober 
auf bie Bühne gebrachte Bearbeitung bes Kaufmanns t>on Conbon 
„Die (Befahren ber Perführung", bas am 7. ©ftober gegebene 
breiaftige tragifomifche Härchen „Die glüeflichen Bettler" nach 
(ßo33i unb bas am \\. De3ember gefpielte Drama besfelben Per» 
faffers: „Das Unglücf ber Donna €toira", ein tragifcher Prolog, 
unb „Der 5afl im Abgrunbe", ein Sdjaufpiel in 5 Auf3Ügen, auf* 
merffam getnacht, an benen beiben, ux>hl ebenfo, roie an (5o33is am 
27. Augufl gegebener 3ulianer>on Cinboraf (ßotter, erheblichen Anteil 
hatte. 2 Dabei erfchien Shafefpeare in ben legten beiben ZHonaten bes 

1 Pgl. Pintfe, (Sefamtnelte Auffä'fce 3ur Bütmengefajidjte. S. {^8 ff. 

* tfad? ber Bemerfung in ber £itteratnr» unb (Eljeate^eitung 1779, 
5. 726, fdjeint es allerbings, als ob bie Raffung, in ber 3uliane oon 
Ciuboraf l??8 gegeben mürbe, mefentltd) Sdjröbers IDerf geroefen. Da* 
gegen fam (779 am 5. 3uli bas Stücf mit mefentliäjen Peränberungen 
aufs neue auf bie Büljuc, bie (Sotter 3ugcfrf?rieben mürben. Uber bie 
(Senefts biefer unb ber übrigen tfjeatralifäjen Arbeiten Sdjrobers mirb ber 
britte Banb ausführliche Mitteilungen bringen. 



Scfjröbers (Safifpiel in Berlin 



269 



3a^res (pom 23. ©ftober bis \5. De3ember) mit fünf Dramen nidjt 
weniger als oie^elmmal auf ber öüEme. 

Die IDenbe biefes in ber <Bef du'djte ber beutfdjen ScrjaufpielFunft 
f o bebeutfamen 3ar}res benufete SdjrÖber 3U einem 2lusfluge nach. Berlin. 
Döbbelin, ber bort feit J775 tfjeatralifdjer 2ltleinr}errfdier u>ar unb 
bereits feit geraumer ^eit mit breitem Selbftoertrauen ftdj in ber 
Darfiellung SfjaFefpcarefdjer Hoden oerfünbigte, fjatte ben alten 
(Senoffen 3u einem freunbnadjbarlidien (Saftfpiel eingelaben. Unb 
biefer, fo fefjr er nodj unlängfl über Brocfmanns KünfHerfafjrt 
gefpöttelt, roiberftanb ber Perfudjung nidjt, nun audj auswärts 
einmal ben Beroeis ab3ulegen, bafj er nidjt bloß, rr>ie Srocfmanns 
Betfpiel beriefen, ein Dor3Üglid}er teurer anberer, fonbern felbfl 
ein ZKetfter ber Kunft fei. 

Hlerjr als \0 3al?re »aren oerfloffen, feit er 3ulefct in einem 
fremben <£nfemble jtcr] r>or einem fremben publiFum ge3eigt Blatte. 
Ulan begreift, roie nad? ben (Triumphen, bie 23rocfmann in Berlin 
gefeiert fyatte, es ifm reisen mugte, gerabe auf biefem Boben, 
Dor biefem publifum ben erften Derfud) 3U machen. Serjr forgfam 
l^atte er fein Hepertoir gerodelt unb in ber 3eitlidjen 2Inorbnung 
ber Hollen ein fafl bebenFlicfyes Haffmement beriefen. 

21m 2^. De5ember eröffnete er fein (ßaftfpiel mit „König 
£ear" unb Ijatte in biefer Holle, bie er am erften Feiertage 
roieberljolte, mit einem Schlage bes gefamte publifum gewonnen. 
Daraufhin burfte er es roagen, am 3roeiten Feiertage feinen £iebling, 
ben „ffafmeifter", su bringen, unb Fonnte es oerfcrjmersen, ba§ 
man bas Stücf nur um bes Darfleflers willen fiel? gefallen Iie§. 
Den 27. Desember trat er nur im Hacrjfpiel, als Dater Hobe 1 
in €ngels Danfbarem Solm auf. Das nxir mieber etn?as gans 
anberes: reine, »arme, oofle £}er3enstöne unb jene biebermännifd}« 
treub,er3ige Färbung bes CtjaraFters, bie immer Sympathie roeeft. 
€r felbft legte auf biefe Fleine Holle, in ber <£ft?of geglast blatte, 
ein befonberes (Beroidjt; fte war ja eine oon ben beiben, bie er 
fo gern bem Gilten oorgefpielt rjätte unb bie jener nid?t fernen 



1 Dgl. Sd)inf, Dramaturg. IHonatc. III. S. 666 f. 



270 Sdjröber als (Dbrifl von ^reyfyof in (Sroftmanns Henriette. 

wollte. Die Iüirfung, bie er fuer bura> bie fdflidjte 3nnigfeit 
ftines Cones tjeroorrief, belehrte tbn, ba§ fein Zutrauen su fxd? 
felber in biefer Holle nidjt grundlos mar. 21m fünften 2lbenb 
(28. De3ember) erfdjien er als ©brifi oon 5rcyl?of in (Brokmanns 
tufifpiel: „Henriette, ober Sie ifl fd?on oerbriratbd" in ber Holle 
eines liebensmürbigen Cfjolerifers, mit militärifd?en 2lÜuren, berb 
Sufafyreno, polternb, aber gutmütig unb leidjt bejänftigt; burd? 
bie fd?arfe £}erausl?ebung 3m ei er 00m Dichter nur angedeuteter 
<§üge, 2lfmenfiol3 unb 5ran3ofenljafj, mußte er biefer, bem Publt» 
fum aus früheren Dorfteüungcn toobj pertrauten 5igur fo oiel 
neue Seiten ab3ugea>innen, ba§ feine Darfiellung toie eine ZTen« 
fdjopfung urirfte. 

„Der (Dbrift 5reYf?of," fdjreibt ein Kritifer, „tfl nidjt aus 
„ber ttatur, fonbern aus bem (Bebädjtnis gefdföpft, aus ein balb 
„Dufoenb Komdbien sufammengeftoppelt, lauter disjecta membra, 
„aus ben u>iberfpred?enbfien, abenteuerlidjflen Stoffen sufammen« 
„gefnetet, bie burdjaus mit fid? felbfi uneins ftnb, balb fjartlei in 
„ber <2ugenie, balb ©boarbo <5alotti, balb Komtur im £)aust>ater, 
„balb Kapulet in Homeo unb 3uHe; fogar in Spradie unb 2lusbru<f 
„23rocFen, balb aus biefer balb aus jener Komöbie. Das un« 
„beftimmtefte, un3ufammenb.ängenbfte (ßemifdf; bas fcrfioanFenbfie 
„roibernatürlidjfte Ding r>on einem <£barafter, ber einen galten 
„2lufroanb oon Kräften oon Seiten bes Sdjaufpielers erforbert, um 
„ir/n intereffant 3U madjen, unb felbft mit biefem Jlufroanb r-on 
„Kräften faum intereffant gemacht werben fann. So ein 3erfefcter, 
„perftümmelter (Ojarafter mu§ in Sdjröbers fjanbe fommen, um 
„roas 3u werben. Unb er wirb was. 2IUe bie abgeriffenen Süae 
„unb 5äben in (Brokmanns ^eidjnung fudjt Sdjröber in einem 
„<5emälbe 3ufammen, in bem <5emälbe bes btebern, fto^en, raufjen, 
„in feinem fjaufe Ellies unumfdfränft wollenben, blinben (Sefyorfam 
„forbernben ZTTannes. <£r miH unb es mu§ fein; bei bem ge* 
„ringften IDiberfprucrj fäfyrt er auf, unb jemefyr man in ifm bringt, 
„befto b.artnäcfiger, befto unerbittlich, er ifl er. IDilb bis 3ur 
„Cyrannei unb fnirfcbenb oor 33osf)eit, als er oon bem 5ran3ofen 

1 Sdjinf, Dramaturgifdje Fragmente I, S. ff . 



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Weitetet Derlauf bes Berliner <5afifptels. 



„hört. Die plöfcliche Höte, bic ftch über fein (ßefid}t 3ieht, bas 
„blifcenbe 21uge, bie 3ufammengebtffenen <5ähne, öer ffompfenbe 
„5uß, bie Freifcbenben Cöne finb Schönheiten, bie bem (Bemälbe 
„ein £eben geben, von bem fidj (Brokmann in bem größten 5*uer 
„feiner Begeiferung gar Feinen Begriff gemacht Ijat. Unb wenn 
„et nun erfährt, baß ein $ran3ofe, ein ZTame, bei beffen bloßem 
„Klange fein Blut in flammen gefegt wirb, fein Sdjroiegerfolm fein 
„foll, unb eben ber 5ran3ofe ; ber ftch mit Sdmlmeiftem abgegeben: 
„fo ijl bas Bilb bes auffchroellenben, außer ftd? gefegten ^orns fo 
„jlarF, fo roafyr geseidjnet, fein herumlaufen, fein Beben an jebem 
„(Bliebe, fein Ijerumroüenbes 2luge, fein Kreifchen fo r>ott «Energie, 
„baß ber «gufebauer mit ihm herumlaufen mit i£mt Freifdjen möchte. 
„Daher auch felbji in feiner (Einwilligung noch bas oerfieefte 
„Bittere, bie er nur giebt, u?eil bie Sache nicht mehr 3U anbern 
f/ ift, eine BitierFeit, bie nur bann einigermaßen 3U fchtotnben fcheint, 
„wenn ihm ber 5ran3ofe (ßeredjtigFeit roiberfahren läßt, baß feine 
„£eute, roie bie Ceutfchen gefianben." 

2lm 6. 2lbenb (29.) verblüffte er als ber roeftfälifche Kraut' 
junFer „3unFer 2lcf erlaub" in ben oon <£ngelbred^t loFalifterten 
„Hebenbuhlern" bes Sheriban 1 bas publiFum bureb, feine un* 
glaubliche PermanblungsfätngFett. „2lfler (ßeifl roar aus feinen 
klugen, alle BebeutfamFett aus feinem (ßeftchte tueggelöfcht unb bas 
Fa^le nichtsfagenbe fktrräugige (ßeftcht bes DummFopfs" — „bas 
platte KomiFergeftcht", bas ihm bei feinem Übergang ins tragifdje 
5adj fo oiel Zlot gemacht fyattel — oerfefcte bie ^ufdjauer pon 
pomherein in bie behaglidjfte Stimmung. Der trocFene fjumor, 
ber ihm fo reichlich 3U (ßebote ftanb, unb ber ihm fchon als 
3üngling einen fo großen Huf in Fomifdjen Hollen oerfdjafft 
hatte, imponierte biefem publiFum, bas ihn 3uerft oon einer gan3 
anberen Seite Fennen gelernt fyatte, boppelt. Unb nun, nachbem 
er an ben beiben folgenben llbenben als fjartley in Beaumarchais 
€ugenie unb als präfibent in (5otters IKariane in mehr pathetifch« 
fentimentalen Päterrotlen bie gan3e SFala ber ihm 3U (ßebote 



1 fjamburgifcfyes (Efjeater I. 



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272 Cinbrücfe b. berliner (Safifptels auf publifum u. b. Künfiler. 

flehenden <Eöne in ein3elnen 3)arflellungen erfdjöpft, nun, nachdem 
er das publifum an feine ^errfdjaft über alle Nuancen wechfelnder 
«Empfindungen 3U glauben ge3wungen, nun wagte er am\. 3anuar 
\779 den fjamlet und fpielte itjn bis 3um 6. 3anu<*r jedesmal 
hintereinander r>or tief ergriffenen ^ufdjauern, die ftch 3U diefcn 
Dorftellungen, ab gelte es ein r»öllig neues Stücf, in Scharen 
einfanden. 21m legten 2lbend, nach dem fallen des Porhanges, 
ward der Darfteller, was r»or Brocfmann noch feinem Sdjaufpieler 
in Berlin widerfahren, fhirmifdj licrausgcrufcn und beim €rfd?einen 
„mit (auteßem (Sejauchs und<Beflatfd?" empfangen. 3" f deichten 
Danfesworte, die er an das publifum richtete, flocht er einen 
fur3en, fräftigen, aus warmem ^er3en gebornen IDunfdj für 
den gro§en König und fein fjeer, die gegen (Djlerreich 3U ielde 
lagen. Diefe fpontane und Don diefer Stelle aus gan3 ungewölm* 
lid?e Huldigung, „fo warm gefagt, fo paffend auf §cit und Um* 
fiände, fo willfommen dem fje^en jedes Patrioten", entfeffelte neue 
Beifausftürme, fo da§ „der Sdjaufpielfaal noch lange nach feinem 
Fortgänge und nach h^abgefunfener (ßardine oon dem unauf= 
hörlidtfen (Beflatfdje ertönte." 

So hatte Schröder 3um erflen ZTTale an ftch den füfcen Hei3 erfahren 
dürfen, der dem Schaufpieler mehr als irgend einem anderen KünfUer 
fchmeichelt und — gefährlich ift : eine durch feinerlei gefchäftlidje oder 
freundfchaftliche Bande mit feiner Perfon oerfnüpfte ZTCenge, gan5 
auf fid? allein gefteüt, aus dem Bahnten der fünfUerifchen (5c 
fammtleifhtng heraustretend, an ftch 3" feffeln durch die (ßewali 
feiner Hede und die Schöpfecfraft feiner (Eharafteriftif. €r hotte 
empfunden, wie diefer Beifall feine Kunftleiflung fieigerte, und 
glaubte wenigfiens, empfunden 3U h^ben, dajj diefe fremden freu= 
diger, bedingungslofer dem (Bafi ihre $reude und ihre Bübrung 
an den Cag 3U legen, ihn felbft beffer 3U würdigen oerftänden, 
als feine falten widerhaarigen Hamburger, die ihm feinen Bichard II. 
und feinen 5a!ftaff trofc allem gütlichen Zureden nicht nach Per« 
dienft 3U fchäfcen wußten. 5reundfdjaftliche Berührungen mit 
Ceffings Berliner freunden ZHendelsfohn und Nicolai, die mit 
ihrem enthuftafiifdjen Beifall nicht fargten, machten ihm wieder 



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finanjiefle (Enttäufajungen. Das Hepertoir. 



273 



einmal den Langel eines anregenden litterarifdjen Perfefjrs in 
Hamburg fdjme^lid} fühlbar. 

3edenfaQs waren die <£indrücfe diefes 3^^nfanges nicfjt 
gerade geeignet, ifnn die 21usfid?t, mit Arbeit und Sorgen über« 
(aftet, bei fpärUdjem (ßefyalt in Hamburg feine tlage ins unab« 
fefjbare fort3ufpinnen, befonders ©erlocfend 3U machen ; $umal 
jefot ferjon Fein gmetfel darüber obwalten fonnte, daß die <£in» 
nahmen, die in den 3 a ^ ren ?6 auf 77 und 77 auf 78 eine bis 
darjin nidjt dagewefene fjörje erreicht Ratten, 1 diesmal feljr erfyeb* 
lidj 3urücfgegangen waren. 2 T>afc dafür in dem jungen 3<>l?ann 
5riedridj Ferdinand 5le<f aus Breslau, der ftdj bereits {777, 
damals rergeblid?, Schröder angeboten fyatte, 3 und der jefct am 20. 2Tlai 
als (ßlofter debütirte, allem Slnfcfjeine nad?, ein €rfafc für 23rocf* 
mann gefunden, der feinen Vorgänger an glasenden (Saben 
nodj übertraf, dafc der r>iel oerwendbare Schüfe wiedergewonnen 
wurde, und dafj fpäterfnn aud? 23ordjers fid) wieder an der alten 
Stätte feines IDirfens, die er mit fdjnödem Derfrauensbrud? im 
3anuar {773 cerlaffen fyatte, einteilte, t>erljie§ allerdings für 
die fjebung des Niveaus der (ßefamtleiftungen erfreuliches, be* 
freite aber nid\t von der Sorge, wie dem weiteren Hücf gange der 
«Einnahmen 31t fteuem fei. IDer einen 23lkf auf das Hepertoir 
diefes ^riifyings und Sommers wirft, wird, namentlid}, wenn er 
es mit dem früherer 3ar/re oergleid?t, den <2indrucf nidtf los, 
dag die frifdje 3nitiaht>e des Ceiters merflidj erlahmt, und dag 
die taunen des publifums mefyr <£influ§ auf die ^ufammen* 
fefeung gewinnen, als bisher der 5all gewefen. 4 Und fo wenig 
man r>on einer 33ülmenleimng verlangen Fann, dafj fic jahraus 
jahrein dem pnblifum eine fo reierje üafel bietet, wie Schröder 

1 J777: 7<*886 1778: 72 673 # 

* (Dflern 1778 — (Dftern 1779: 58 28* # 

* Sajröber unb (Sottet 5. 66. 

* E>gl. audjSdjütje, S <*7<k f. „Koppe's (Sebanfen über einige Vor* 
Rettungen ber ^amburgtfdfen Sdjaufpielergefellfdjaft im 21prit unb ZHai 1779." 
((Theater journal für Deurfdjlanb; *6. Stücf, S. 28—67.) Das sottjlänbige 
Hepertoir in ber Citterarur- unb Ctfeate^ettung 1779: S. <*38, 460, <*76, 

5*8, 726, 778, 8*2. J780: S. 136; 23*. 

Ciftmann, Sdjrdbec II. 18 



27< k 



Das Hepertoir. machet!} 



bies feit ber OTtte ber fteb3iger 3afpe gethan hatte, fo mar boch bies« 
mal ber 21bftanb ein wenig gar 311 fühlbar. ZHan Ijätte fajl arg« 
mölmen foflen, ber Direftor moUe fich an bem unbanfbaren 
publifum für bie fühle Aufnahme ber legten ooitäten bes Vor- 
jahres rächen. Denn bie Neubearbeitung r»on 2Tloores Spieler, 
bie Schröber am 28. 2Tlai auf bie Bühne brachte, bot, fo fefyr 
fie trieb er ber gefdjicften fjanb Sdjröbers cEhre machte, unb fo 
fehr fte ihm in ber Holte bes Beoerley Gelegenheit 3U einem neuen 
fdjaufpielerifchen Crtumphe gab, boch ebenfomenig genügenben 
€rfafc für bie fefjlenben IDerfe großen Stiles, mie feines 
Schwagers Un3er Sdjaufpiel, Die neue (Emma, (am J9. 2lpril) — bie 
(Sefdndjte (Eginharbs unb (Emmas auf mobeme Perhältniffe über« 
tragen — gerabe bie ein^eimifdjen Dichtung befonbers mürbig 
pertrat. Sbafefpeare fam im 3<*nuar un b 21Tär5 überhaupt nicht, 
im Februar, 2Tiai, September unb<Dftober nur einmal, 3ur Aufführung 
unb brachte es aua? in ben übrigen ZTTonaten, mit Ausnahme bes 
Auguft (mit brei Porfteflungen) nicht über 3mei Dorfteflungen. 

AHerbings mar barunter mieber eine ZTooität: ber fdjon für \ 77? 
geplante 2Tlacbeth, ber enblid? am 2\. 3uni ^ 779 m 53ene ging. 
Da Bürger nicht fertig geworben mar unb ein weiteres fjinaus« 
fdjieben ber Aufführung aus oerf ergebenen (Brünben nicht ratfam 
fernen, fam bas Drama nun boch in ber 5orm, bie Schröber ihm 
oon oornherein hatte geben motlen, 3ur Darjtellung. Xlut bie 
£}erenf3enen, 3U benen ber Sänger Stegmann eine ZTTuftf fomponiert 
hatte, rührten r»on Bürger h*r. 

Aber es leuchtete biefem IDerfe fein günfliger Stern. 1 
©b bie Ausfdjeibung ber (ßeflalt bes Honigs aus bem Drama 
Schröbers eigener 3nitiatioe entfprang, ober ob er auch h**rin, »i« 
in fo manchen anbern £ügen, nur einer Bearbeitung bes ZKacbeth 

1 Uber bie Sajröberfdjetnacbetlibearbeitung, bie in einem IHanuffript 
ber Hamburger dt)eaterbtbliotfyef erhalten ifr, perbanfen nur A. Köfter ein- 
geljenbe ITCittetlungen. (Schiller als Dramaturg, S. 63 ff. nnb S. 299.) 
Zlad) einer freunbltdjen ITTttttjeilung (Eugen Kilians beftfct bas Mannheimer 
(Eljeaterardjii) eine Dublette btefer Bearbeitung, obrool Macbeth, bort nie 
i>anad? gefpielt roorben ifl. 



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tnacbetlj: Sdjröbers Bearbeitung. 



275 



von bem prager Sdjaufpieler $. 3- Sifän, bie im 3<*h>* J777 
erfetfienen uxib in präg, Dresben unb £etp3ig aufgeführt roorben 
n>ar, folgte, mag batyngefleflt bleiben. Sicher ifi, ba§ er ftd? bei 
feiner Bearbeitung, mehr als bei irgenb einem Shafefpearefdjen 
ZDerfe feit fjamlet, an frembe Dorlagen anlehnte. Denn auger 
^ifchers \ ebenfalls gutgemeintem Zftacbetli Derfdmtäbte er auch nicht, 
bie unglaubliche bramatifche 2Hi§geburt, bie ber lüiener Sdjaufpieler 
Stephanie ber jüngere aus ZHacbetBf sufammengebraut fyatte, 3U be* 
nufcen. 1 Unb menn Schröber in feinen früheren Bearbeitungen in ber 
2lbftcht, bem lüerPe su einer ftcheren Bühnentoirfung $u perhelfen, für 
unferen (Befdjmacf fchon mehr als 3U oiel getrau hatte, fo ließ er 
jtd] fyet von feinen Vorgängern noch r»iel tr»eiter oerlocfen. 3h* em 
23eifpiele folgte er auch, inbem er ber <5ef)alt bes HTacbetf} alles 
Dämonifche nahm, bie grauftgepfychologie Sbafefpearefdjer <£harafter» 
3etchnung, bie uns 3U beugen macht, rr>ie bas Samenf orn bes freolerifchen 
(ßebanfens in ber Seele riefenmächtig allmählich roädjfi bis 3ur 
mörberifeben tE^at y in haltlofe Schwäche, „bei fonft guten Anlagen* 
perroanbelte. 2111es Dämonifche ifi in ber (Beflalt ber Caby 
fon3entriert, in beren ^änben ZRacheti) weiches Wad\s iji. 

£rofcbem maren „bieKaraftere bes Macbeths unb feiner 5rau 
bem fjamburger publico 3U abfd?eulich". 2 Das roar bas Schluß« 
ergebnis biefes tLtyatetabenbs, von bem ftch einfi ber Amtmann 
oon 2(ltengleichen, im Derein mit feinen fyannövet\dien 5feunben, 
fo piel oerfprochen l\aüo. Der fjefenfpuf oerfehlte feine XDtrfung 
oöflig. „So fehr", heifet es in bem Bericht, 8 „nimmt bie 5reigeifterei 
in Hamburg überhanb, ba§ man £)ejenf3enen für Ztarrenspoffen 
hält. 2luch nicht auf ein paar Stunben toiU man ftch in ben 
(Seift bes 3ah r *? unöct * 5 oerfefeen, in bem Shafefpear bichtete. . . 

1 <2r fyatte es (772, als <£rfat$ für bas am (Eage nad) 2111er Seelen 
(nta>t an 2lller Seelen felbft, aue fafl überall fälfdjlia> berietet roirb ; benn 
tueber 21Her ^eiligen nodj 2111er Seelen burfte in IDien gefpielt werben) 
regelmäßig gegebene Drama (Eirfo be IHolinas, Don 3uan, mit bem aus- 
gefproajenen gtoeef , ein rechtes Speftafelftücf 3U Hefern, aus SljaPefpeare 
unb ber Quelle 3ufammen gebtdjtet". 

1 Citteratur- unb Cffeate^ettung (779, S. 523. 

* Citteratur- unb (Efjeate^ettung (779, a. a. 0. 

18* 



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276 



IHacbetli: OTigerfolg ber Slufffiljrung. 



Die tteugierbe Ijattc in3tr>ifchen bas gan^e fjaus angefüllt. Weil 
nun bey einer folgen ZKenge frey geborner Hamburger, bie jeber 
ihren einmal eingenommenen plafe O0I3 behaupten, es niemal ohne 
£anf unb Gemurmel abgebt, fo ging oieles pon ben fjefenf$enen 
für bie &u\d\auev uerloren, ba auch überbem bie lieben l}e£en 
felbft, ber tiefen Sprache toegen, bie jte annehmen mußten, 3iem« 
lieh in ben 23art murmelten." 

2ttan fühlt oon oomherein: Konträrer IDinb! Unb roenn 
fchon fonfl berartige, an ftch unbebeutenbe Störungen unb 2lb» 
lenfungen in ben erften 53enen bem publifum bie Caune oer» 
öerben unb bas Schicffal eines Dramas beftegeln fönnen, wie 
viel mehr Jjier, tr>o 3n?i[d?en einem »eichen empftnbfamen publi« 
fum unb bem unbarmfyer3igen ZTlörberpaar auf ber 23üEme bie 
23rücfe ber Sympathie nidjt nachträglich ^ersufleUen u?ar. Der blutige 
23anfo an ber Cafel txnrfte als überrafchenbes <2jfeftftücf fehr flarf ; 
aber oon allen Ssenen am meinen gefiel bie 3U cgnbe bes oierten Elftes 
3n>i|chen ZTTalcolm, 2Tlacbuff unb Hoffe. („<2r fjat feine Kinber!") 

„ZTlacbeth ifi: fein ZHelobrama". ZTTit biefen IDorten juckte 
jtch ber öerichterftatter ben lauen cErfolg 3U erflären. 

Sicher fyatte er recht. 2luch h^te noch ifi 2TTacbeth, ähnlich, 
ja mehr noch als ©theüo, in feiner fonnenlofen, büfteren 
(Bröfce ein Drama, bas rein 3U genießen nur bie tt»enigften im 
ftonbe ftnb, unb biefe auch nur bann, trenn bie fchaufpielerifchen 
Ceifiungen ben gigantifchen Dimenftonen ber <£haraftere entfprechen. 
Dajj in biefer Hichtung Schröber, foroeit bas bei ber burch bie 
Umarbeitung bebiugten Dermeichüchung bes <£harafters möglich 
u>ar, ganj auf ber £)Öt}e ftanb, unterliegt feinem <§rocifel, unb 
ba§ feine 5rau eine treffliche Caby 2T?acbeth gett>efen, roirb 
roenigftens behauptet. 21ber biefe beiben <2in3elleifhwgen roären, 
f elbft roenn fte beffer, als es gefdjah, r»on ben übrigen 1 unterfhtfct 

1 Die Befetjung mar: 23anfo-Jjenfe; IHacbuff— £ambredjt; £aby 
maebuff— Ih*ab. fjenfe; IHacbnffs Solm— DUe. OTnrr; Hoffe— £lerf; £enoy— 
£ampe; Seyroarb— KIo§; beffen Solw— gimbar; Sey ton— Stegmann; 21r3t — 
IHnrr; Kammerfrau— OTab. Detter. Die Darfteilerinnen ber £}e$en ftnb 
uid?t benannt. 



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folgen bes BTifjerfolgs bes IRacbell^. 277 



roorben roären, nicht im ftonbe gerr-efen, ein publifum, bas für 
ben biabolifchen £)umor ber fjerenfsenen nur ein ffeptifches Cächeln 
hatte, mit bem gan3en XDerfe in bie richtige Stimmung 3U 
bringen. 

ZPieber einmal prallte 5er pfeif, mit bem ber KünfHer auf 
bas fjers ber liörer gesielt, ab unb fdmetlte surücf. Wat es ein 
IDunber, ba§ er oerbroffen unb mutlos ben Bogen fmfen ließ? 

<£s roar bas lefcte ZTCal, 1 bajj er mit einem Shafefpearefdjen 
Drama cor biefem publifum feine unb feiner (Truppe Kraft unb 
Begeiferung einfette. Die bereits eingebürgerten fyelt er freiließ, 
fo (ange unb fo oft bas publifum Perlangen nach ihnen an ben 
Sag legte, aber bie Unternehmungsluft 3U neuen ZPagniffen mar 
mit biefer (Erfahrung am 2ttacbeth für immer barjin. 

Um fo peinlicher warb biefer halbe (Erfolg mit bem ZHacbeth 
empfunben, als unmittelbar oorher ein gefchmacFIofes Craner. 
fpiel, Cl^eobor unb 3uKe, bas ftd? auf bie fyamburgifdje Bühne 
oerirrt l?atte, mit feiner ©erlogenen Sentimentalität oon biefem 
felben Hamburger publifum begeiftert aufgenommen roar. 2 21fler» 
bings rourbe ZTTacbeth bei ber 3«?eiten Dorftellung, bie nach orc i 
IDochen (^2. 3nli) ftattfanb, „gans trüber Dermuthen" oon 
einem gefüllten fjaufe mit lebhafterem Beifall begrüßt unb 
fonnte fogar oor Ablauf bes ZHonats (26. 3uli) „auf Begehren* 
noch einmal gegeben »erben, bergeftalt, bafj berfelbe Bericht* 
erfkttter, ber bem hamkurgifchen publifum alles Derjtcmbnis 
für bas StücF abgefprochen, nun felber meinte: „ijerr Schröber 
fann ftch auf ben lüinter ttufcen baoon oerfprechen". 
21 ber biefe nachernte eines immer noch, mit anberen oerglichen, 



1 «Engels „Dermäljlungstag", Sdjaufpiel in s Tlufoüqen, bas am 20. 
September gegeben warb, fann, trotjbem es ben Stoff mit Sfyafefpeares 
Diel £ärmcn um Zitats gemein t/at, nidft als eine Bearbeitung Sbafe» 
fpeares gelten. t>gl. aud? (Senee, <8efdjid)te ber Sljafefpearfdjen Dramen in 
Deutfajlanb. S. 263 f. 

1 „Diefes (Crauerfpiel ift bas £teblingsftätf ber tjamburgifdjen Damen, 
unb hat auf Begehren oerfdjiebene mal roieberljolt »erben muffen." 
fitteratur* u. <El|eater3eitung 1779. S. 52{. 



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278 



Perbrte§lidjfeiten uub Gntto'ufdjungen. 



fpärlia>n (Erfolges u>og feineswegs bie erfie €nttäufdmng 
auf. 1 

Dor allem nicht, weil fte nicht bie einige biefes Sommers blieb. 

(ßerabe in fetner gegenwärtigen Stimmung mußte Sdjröber 
eine (Erfahrung, welche er mit ber Künftlerin feiner Bühne 
machte, ber er in ihrem 5ach unbegrenste Berounberung joflte 
unb bie er als ireunbin wirf lieb. F?odj fyielt, aufs tief fte perftimmen. 

ZTTabame Starfe glaubte ftch über Pemachläfftgung be* 
flagen 3U bürfcn, weil fte in ber großen Cragöbie nicht ent* 
fprechenb befdjäftigt »erbe. Vielleicht r;atte fte ftd? auf bie £aby 
ZTlacbetb. Hoffnung gemacht. Schröber, ber in ihrem eigenen 
3ntereffe fte pon biefen Sollen, für bie ihr ®rgan unb ihre 
äußere <£rfcheinung nicht ausreisten, ferngehalten rjatte, t^orte 
burd? britte bat>on unb füllte ftch. burd? biefen ZtTangel an Der* 
trauen, ben gerabe er nicht perbient su haben glaubte, tief perlefct. 
<£r gab irjr wenige (Cage nach ber ZHacbetoPorftellung <5elegenbeit, 
in einer neuen rjeroifctten 2nutterrone 8 ftch 3U 3«gen, unb ber 
Erfolg gab ihm fo ferjr recht, baß bie Künftlerin feitbem nie 
wieber nac^ biefen torbeeren (Belüfte trug. 

Bei Schröber aber blieb baoon noch lange ein Stachel 
3urücf. 3« feltener er fidf freunbfdjaftlicb, einem ZTTttgliebe feines 
(Theaters erfdjloß, befk> bitterer empfanb er bie €nttäufchung, baß 
auch Dtefe, bie er für eine Ausnahme gehalten, in biefem einen 
punfte nicht beffer fei, als alle anberen. 

Unter biefen anberen aber gärte ein <5eifi ber Un3ufriebenbeit. 

2luch bas fam Schröber 3u0tjren, unb ein <£ntfchluß, ben er 

1 Die propl^eiung traf aud? ntdjt 3U. IHacbeth warb im 2lugufi 
gar uidjt, im September (jo.) nod? einmal „auf Begeljreu" gegeben. 
Dann erfl roteber am 28. De3ember. 3 n ben bret letjten ITlonaten ber 
Sdjröberfdjen DireFtiou Fam er überhaupt nidjt auf bie Sühne. 

8 Itteyer c^ä'ltlt, er Ijabe fie bie „HTutier" in ben „ITT e b iceern" 
fptelen laffen, bie am 3. De3ember \7V) gegeben mürben. Dielletdjt liegt 
aber eine Derroedtfelung oor mit bem Sdjaufptel „Die ^reunbe ober bie 
ZPette 3U IHalta", bas am 25. 3uni J779 3uerfi aufgeführt mürbe, unb in 
bem IKabame Starfe als „(Dlimpta" eine berartige, iljrer Begabung nid>t ent- 
fpredjenbe heroifdje mutterrolle gab. 



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Aufgabe 5er Dtreftion. 



279 



morjl fdjon feit feiner Hücffe^r von Berlin mit ftdf herumgetragen, 
in bem irm bie €rlebniffe bes Sommers beftärft Ratten, fam 
nun 5ur Heife. 

Befonnen unb jHtt traf er im ooüen <£im>erftänbnis mit feiner 
ZHutter feine ZTCafjregeln, unb als an einem ber legten September» 
tage — es mar am 29. — , in benen, nad? Cfyeaterbraud?, 6ie 
2)ireftion mit ben Büfynenmitgliebern über Bleiben uno Fortgang 
3U oerfjanbeln, Kündigung 3U geben unb entgegen3unetjmen pflegte, 
bie anfefmfid?eren ZHitglieber ber (Befeüfcrfaft, gefdfloffen, mit einer 
5orberung wegen <£rböfyurtg ber <5age unb ber Zuteilung biefer ober 
jener Holle, als Bebingung i^res ferneren Bleibens, oor tfm hin* 
treten moü*ten, fam er ihnen, noch e^e fte ben HTunb aufttmn 
fonnten, mit ben IDorten 3tu>or: „Sie ftnb Pom ^. 2TTär3 an 
entlaffen!" 

Polier <2ntfefcen ftarrten fte itm ungläubig an, benn biefe 
HTittetlung bebeutete nicht mehr unb nicht mentger, als bas 
(Eingeben ber rjamburgifdjen Büffne überhaupt, bie 2Iuflöfung 
ber glorreichen 2Jcfermannfchen tEruppe, mit ber an Hilter unb 
(Erfolgen ftdj nicht eine pergleichen founte. 2lber es tjalf nichts, 
bas ZDort mar gefprochen unb nicht trieber rücfgängig 3U machen. 
Dajg einigen pon ihnen aus freien Stücfen für ben Heft ihrer &eit 
bie (Erhöhung bewilligt mürbe, um bie fte fjatten bitten moüen, 
mog nicht entfernt bie lärjmenbe XDirfung biefer £}iobspoft auf. 

Sd?röber aber atmete auf. €r fah ftdj bura? biefen <£ntfd?lufc 
enblid? aus einer tage befreit, bie, je länger beflo mehr, immer 
unhaltbarer gemorben mar. Hoch immer mar ber 35 jährige ZHann, 
auf beffen Schultern bie gatt3e Derantmortung bes (Clj^termefens 
lag, ber bie tedmifdje unb fünfülerifd^c teitung, ben Dramaturgen, 
ben erften tragiferjen unb ben erften fomifchen Dorweiler ber Bühne 
in feiner perfon peretnte, er, beffen Hurmt als bes größten Schau» 
fpielers, ben bas beutfdje C^cater feit <£ffyof befeffen, ftch pon (Cag 
3U (Eag perbreitete, auf ben Bettelgehalt pon \6 C^alern 1 möchentlich 
angemiefen, ben ihm por elf 3atjren bie 2)ireftion bes National» 



1 t>gl. oben 5. 57. 



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280 



Sdjrobers 33etpeggrün&e für bie Aufgabe bes (Etjeaters. 



tfjeaters ausgebt hatte. Denn in (inet merFirürbigen Perblenbung 
unb <SEngher3igFeit Fonnte feine ZTlutter, bie ihm alles öanfte, bie 
ein forgenlofes Hilter burdj ifyi genoß, ftcb, auch, jefot nicht ent» 
fdjließen, ihm einen, feiner ZTTüFje auch nur einigermaßen ent* 
fpred^enben, Anteil am <ßetr»inn 3U gewähren. Dielleicht, f>ätte er 
fte barum gebeten, umrbe fie ein <£infefjen gehabt haben. 21ber ba3u 
t»ar er 3U O0I3 unb legte lieber ftd? unb feiner 5rau Entbehrungen 
auf, ehe er auf ettras 21nfprud) erhob, was ihm nicht aus 
freien Stücfen gemährt trmrbe. 2Inberfeits fonnte bei ber ©er« 
hältnismäßigen Hüftigfeit feiner HTutter biefer <gufianb nod? jähre« 
lang bauern. 

Unb biefe 3 a h r * n?areu gerabe für if^n bie Foftbarflen. 

«Die <^eit ber Kraft, ber 23lütl?e unb 5rud?t", fdjreibt treffenb 
fein Biograph, „ift jebem Künfiler Färglid? 3ugemeffen. 2TZan fd?äfet 
feiten an ib,m roas er gett>efen, man belohnt immer nur t©as er 
ift." 3<?fet, mußte er ftd? fagen, irar, trenn überhaupt, ber «geitpunft, 
wo er in ber Pollfraft ber ZHeifierfdjaft bie 5rüd?te faurer, ent* 
beljrungsreid?er tebrjahre ernten fonnte. Zladf ben Erfahrungen 
bes legten 3<*h rcs aber glaubte er auch baran, mehr benn je 
3tr»eifeln 3U bürfen, ob felbft, t©enn feine ZHutter i^n feinen Der* 
bienften augemeffen hätte be3ahlen wollen, roirflid? Hamburg ber 
Boben fei, auf bem er immer auf jenes tiefere Derflänbnis 
für feine Begebungen unb Ceiftungen t©ürbe rechnen Fönnen, 
beffen jeber Arbeiter, r>or allem aber ber Künftler, bebarf, um 
freubig 3U fdjaffen. 

€r glaubte, (ßrunb 3U haben, mit feinen Mitbürgern 
grollen, ftd? über ©erlefcenbe Kälte unb DcrFennung feiner 
heften 2lbftd?ten beflagen 3U bürfen. 3a tf>r Beifall felbfl, 
mit bem fte ja wahrhaftig nicht geFargt t\atten, „machte feinem 
fjersen bang", £?ier, wo man ihn allmählich aufmachten unb ftd? 
bilben gefef?en, mifd^le ftd? aud? in ben Ȋrmften Applaus 
ettoas ©on ber fatalen (SönnerljaftigFeit bes Sdjulmeifiers, ber 
feinem ehemaligen Högling eine gute ZTote erteilt. Daß bas 
braußen anbers fei, hatte er bis ©or Fur3em nur ©ermuten Fönnen. 
Seit feinen Berliner (Triumphen roar biefe Permutung 3ur <ßet©ißl?eit 



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IDtrfung bes <£ntfd?hiffes auf bas Hamburger publifum. 



geworben, unb in feinen Bibern hätte fein leibenfehaftliches, ehr« 
gei3iges KünfHerblut pulfteren müffen, wenn ibn nicht bie £uji 
gepaeft hätte, fich einmal ba braufjen doH aus3uleben. 

„€s ifl unglaublich", fchrieb Schröber fpäter in ben Auf« 
Segnungen über fein Ceben, 1 „wie fdjwer man mir in Hamburg 
bie Ausübung meiner Kunft gemacht J?at unb — bie fogenannten 
Kunflfenner waren es eben, bie mir feiten (ßerechtigfeit 3U (E^eil 
werben liefen; ich mochte tlmn, was ich wollte — jie tabelten, 
geiferten, oerleumbeten. Das Hamburger Publifum an ftdj ift bas 
ungebilbetfte, bas ich je fennen gelernt habe." 

Das ift ein hartes, in ber Allgemeinheit ber Schlußfolgerung 
fteber fehr anfechtbares Urteil. Aber wenn es je eine &eit gab, wo er 
wegen ber ihm perfönlidj beseugten Derftänbnisloftgfeit bes 
publifums (5runb 3ur Perjhmmung hatte, fo war es ber Augen* 
blief, wo er im <£im>erftänbnis mit fetner 2ttutter bie Begehrlichfeit 
ber 5chaufpieler 3um Porwanb nahm, um bie (Druppe auf3ulöfen 
unb ben Hamburgern ben Stuhl »or bie (Thür 3U fefeen. 

Die 23eflür3ung, bie ber <£ntfchlu§, nicht nur bei ben 
ZHitgliebem ber Bühne, fonbern in ber ganzen Stabt, heroorrief, 
war ungeheuer. „3" aßen (Sefeüfchaften, <5irfeln, <5aftftubeu 
tx>aren bie fragen: was u>irb aus unferer Bülme werben?" 
3efet erft warb man ftch, wie immer in bergleichen Säüen, fo recht 
bewu&t, wieoiel, auch materielle, Dorteile im lefeten 3ahr3ehnt bie 
Stabt von bem wadjfenben Huhm biefer Künftlerfdjar ge3ogen. 
Zllan entfann ftch, wie ber Huf biefer Bühne pon weither bie 
5remben angelocft, unb wie bie Aufführungen bes <5Öfc oon 
Berlidnngen, ber (ßunft ber Surften unb cor allem bor Shafefpeare* 
fchen Dramen „einen jtdjtbaren ^ufammenfiu§ " oon Kunftfreunben 
bewirft hatten. (Bleid^eitig entfann man fkh wohl auch, mit 
einiger Befchämung, wie wenig bie ©brigfeit biefe, ber reinften 
Kunfi bienenben, Bestrebungen 3U förbern für wert gehalten, wie 
biefe Bühne, um bie anbere Stäbte Hamburg beneibeten, biet mit 
ZHühe unb 2Tot, in un3ähligen Petitionen fich Schritt für Schritt eine 



1 t. Sajmtbt, DenFtoürbigfctten I, S. 233. 



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282 



Sdjröoer als iPegfort. ^fr. £. TO. Weyer. 



etwas unirbigere Behanblung Jjatte erfämpfen unb erbetteln müffen, 
als man fte bem obf füren prinzipal einet sufammengelauf enen 33anbe 
gemährte. JPeldje Seit unb meldte 21nftrengungen blatte es gefoflet, 
bas Derbot bes Schaufpiels für bie 2Iboents« unb Sajlenmochen $u 
befettigen, unb n>ie fchachermäfcig hatte ber mohlmeife Senat ftd? bie 
Pergünftigungen abfaufen laffen! Hoch im 3<»uiar {779 mar bie 
Erlaubnis, in brei »eiteren $af!enmochen fpielen 3U dürfen, an bie 
Öebingung gefnüpft morben, ba% je einmal für bas Züaifenfyaus, 
bas 3 uc ^^aus unb ben peftfjof gefpielt merbe. 3 e fc* kcitte man 
bas XTachfehen, unb bie Heue fam 3U fpät. 

Sdjröber aber lie§ bas 3<*h* ntcf?t 3U €nbe gehen, ohne noch 
burch 3n?ei Darftellungen jtdj in bas (Bebächtnis ber Hamburger 
unauslöfchltch ein3ugraben. Ilm \7. De^ernbet fpielte er 3um 
erften ZlTale ben Hauptmann IPegfort in SpricFmanns gans theatra* 
lifebem, aber eben barum mirfungsoollen Cujffpiel „Der Schmucf*'. 
<2s mar berfelbe Cljarafter, mie ich bereits ermähnte, mie ber 
ZTTajor in £en3' fjofmeifter; unb alles, mas bort von Sdjröbers 
glücflidjer Veranlagung gerabe für biefe Holle gefagt ift, trifft baber 
auch Ijier 3U. Schröber felbft mar ber HTeinung unb blieb auch nach* 
mals babei, ba§ er nie beffer gefpielt habe, wie an biefem 2(benb. 

fjöchft intereffant ift, mas barüber fein nochmaliger Biograph 
aus eigener Beobachtung 3U berichten meifc. Denn in biefen be« 
megten Cagen, mo Sdjröbers SdncFfal eine fo bebeutungsoolle 
tDenbung nahm, magte ber 3man3igjährige Stubent ZHeyer aus 
Harburg, ber als Schüler bes 3ohanneums bis 3um 3<*h r * \ 776 unb 
nachmals bei gelegentlichen Befuchen &euae von Sdjröbers mach* 
fenbem Huhm gemefen unb fchon lange 3U feinen eifrigften Bemun* 
berern gehörte, jiierfi fich feinem 3 öca ^ 3 U nähern. Der gemein« 
fchaftliche freunb <5otter, ber ben iugenblichen €nthuftaften befonbers 
in fein f}er3 gefchloffen h a ^e unb Schröber gerabe in feinen 
bamaligen Ztöten unb Sorgen eine berartige 21uffrifdmng befonbers 
gönnte, h<*fo &en Schüchternen ba3U ermutigt: 1 „XDiHfornmen 



1 Dergl. (Sotters Brief an Weyer 00m 25. Klüt} J779 (§ur «Erinnerung 
an £. W. Weyer. S. (32.) 



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IXleyets Sertajt über Sajrobers tDegfort. 



283 



liebet Ztleyet", fdjrteb et am 25. (Dt tobet, „in bet Stabt ber 
bonne ch6re unb bes guten Scbaufpiels, in bet Stabt, bie 
unfere Cafein mit Sluftern nnb un|er tLtyatet mit Patents uerforgt, 
bie €Fljof gebar unb <Zt}atlottens <5ebeine vetwafytt. ZDillfommen 
$ur redeten Stunbe! benn von ^tem (Entbujtasmus erwart' idf 
Uftes. Sie wiffen, mos oorgegangen iji, porgefcjen foH, r>erhtnbern 
Sie, lenFen Sie ein unb geben mit Zladitidit, ob idi etwas r>er» 
mittein fann unb fotl." 1 

Vermitteln unb oerhinbem Fonnten freilieft, weber Ztleyet noch 
bet (Sottjaer $reunb. IDob.1 aber war bie tjingebenbe (Teilnahme 
bes Jünglings in biefen IDodjen für ScfjrÖber eine reine <£rquicfung. 
2lus ben Stunben, bie ber Künftler nach bem fLfyeatet im breiteten 
Kreife junger ireunbe an feinem gajllicb,en Cifd?e 3ubrachte, 
flammen bie erjten für uns fo wertvollen perfönltd>en (Erinnerungen 
bes Biographen. Unb fo ets&tilt et vom XPegfort: 2 „Der be- 
fdjeibene KünjWer erfiaunte oor feinem eigenen £DerF, unb Fonnte 
fich in ber erjien Überrafdjung nicht enthalten es $u gejlehen. 
2Xlab. Sdjröber füllte fidj (als Cuife) in bem Auftritt mit ihm 
fo erjehüttert, baß fte eine Zeitlang allein bleiben mußte um aus- 
3utoeinen. 1t) ir oerweilten bis fpät in bie Xladt]t 3ufammen, unb 
wußten nicht wie uns gefdjehen war. ZToch nach. ZHonaten be- 
zeugte et Aufwallungen ber ^ufrteben^eit mit mir bureb. bie 
lOorte: „<2s ift mir bodj lieb, baß Sie meine erfle Porfteüung 
bes IDegfort gefeben Ijaben." 

<2s iji eine eigentümliche 3ronie bes 5d?icffals , baß 
ber größte AugenblicF im teben bes größten Schaufpielers jener 
Seit, bes erflen Dorweilers 5b.aFefpearefcb.er Cbaraftere auf ber 
33ürme, bie DerFörperung eines burch unb burch tbeatralifdjen, auf 
raffinierter ZHofaiFarbeit beruhenben (EfjaraFters war in einem 
Drama, bas heute längjf uerfchollen, nur uod? CitterarhiftoriFern 
betannt unb nur für biefe genießbar ifU 

Den lefeten großen fdjaufpielerifchen (Triumph biejes 3ahres 



1 §ur (Erinnerung an $. £. W. nteyer. 5. 13*. 
' Sdjröber I. S. 323. 



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28<$ Dolbergs Kannegießer: Sdjröber als 23reme. 



errang Scfcröber eigentlich miber EDiüen, als fjermann Breme in 
Dolbergs politifdjem Kannegießer. 

tPie man ficrj entfmnen wirb, ^attc er bie iPteberein» 
fügung biefer, grabe auf ^amburgifdjen Boben befonbers 
mirffamen, Komöbie in bas Hepertoir bereits <£nbe \77? 
geplant; unb bas StücF, bas Socf auf (ßrunb ber alten 
Detharbingfdjen Überfefoung neu bearbeitet hatte, bamals 
nur bestiegen 3urücflegen $u müffen geglaubt, tr>eü <5ro£* 
manns 3rrungen bem publifum ben (Sefcbmacf an fomifchen 
Stücfcn für ben 2(ugenblicf oerborben hatten. 3 c fe* o>ör für 
ben 3 a l?resfdjlufc bie Aufführung befdfloffen, Borchers follte ben 
Hermann Dreine fpielen. (Eben mar am 28. Desember nach einer 
2Tlacbethr>orftellung, in ber eine neue Darfteflerin ber Caby, 2Tlab. 
Bennfdfüb bebüttert l^atte, ber Porhang gefallen unb als Por« 
flellung bes folgenben (Tages follte ber Kannegießer angefüubigt 
»erben. Da ließ Borchers ftd? franf melben. Die Permutung 
lag nahe, baß ber lieberliche <5efed bie Holle einfad? nicht 
gelernt fyabe. (Crofebem marb bas Stücf angefünbigt unb ber 
Direftor erflärte ben 23reme felbft fpielen 3U motten. Denen, bie 
mußten, baß Schröber in früheren Sahiren mol häufig im 
Kannegießer in serfchiebenen Heineren Nebenrollen befdjäftigt 
gemefen, aber nie ben Breme ober auch nur feinen fjaupt* 
(ßegenfpieler ffeinrid? gefpielt rjabe , floefte ber 21tl?em bei ber 
Permegenheit biefes Unterfangens. €r aber bulbete auch an 
biefem 2lbenb nicht, baß ber fleine Sreunbesfreis, auf bas Per« 
gnügen mit ifjm $u plaubern Belichtete unb {fielt fte in leb« 
rjafteftem rjeiterften (ßefprädj bis mehrere Stunben nach ZHitter* 
nacht feft. Keine ZHiene r»erriet Aufregung, Sorge, PerfHmmung. 
(Erofebem mar er am anbem 2TTorgen auf ber probe jebes IPortes 
feiner fehr umfangreichen Holle mächtig unb fpielte fie am 21benb 
mit einer Sicherheit unb Poüenbung, bie nicht nur bie in bie 
Porgefdjidtfe <£ingemeihten in Bemunberung unb €rflaunen r>er* 
fefcte. Das ganse Stücf geftel ungemein. Bocf fyatte nur hie 
unb ba bie Sprache etwas moberniftert, einige Derbheiten ge« 
milbert unb bie politifdjen HeuigFeiten, bie in ZKeifler Bremes 



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Die lefcte „eftemporierte" Koüc. 



285 



Colleghim politicum perfjanbelt werben, burch entfpred?enbe *Teuig« 
feiten bes tEages erfefet: „ kluger ben polnifchen trmrben auch bie 
amerifanifchen 2lffairen oorgenommen. " 1 2TTit Sdjrober bilbeten 
5rau Starfe (5rau 23reme) unb Schüfc (^einrieb, ber Cehrjunge) 
„ein fomifdjes (Criumpirat [!], bas fye^Iidjes (Belachter erregte". 
Dem tetjrjungen ^voar, meint Sdjröbers Siograph, Ijabe bei aller 
Cebhaftigfett unb (ßutmütigfeit, mit ber er feine Holle gefpielt 
„ber eigentliche £janbir>erfs3ufchnitt" gefehlt. „Dejlo unnachahm- 
licher befa§ biefen Sdjröber. (Er tr>ar ftattlich, er tr>ar auffallenb 
reinlich- Seine grünfammtene pel3Perbrämte ZTiü&e sierte bas treibe 
runbe Ijaar." Kein poffenhafter gug entfteüte bie €rfcheinung 
unb bas Spiel, bas aud? bei bem lächerlichen Perfuch bes Selbfl- 
morbes nie bie (Srensen überfchritt: „Die Dersmeiflung bes 2Tiannes, 
fein äEntfchlujjj ftdj utn3ubringen erregte ZUitletb, unb boch fam 
man nicht aus bem lachen." Dafj nach biefem öreme auch, 
Borchers feinen 23reme noch, fpielen unb babei eine entfdjtebene 
ttteberlage erleiben mufjte, mar bie einsige Hache, bie Sdjröber 
an bem leichtsinnigen <5efellen nahm. 

Die 3U €nbe neigenbe (Etjeaterfaifon roarb übrigens pon ber 
Dtreftion, rote Pom publtfum noch grünblich ausgenufct. 

$ür litterarifche 5einfchmecfer gabSdjröber am J0.3anuar£effmgs 
pfjt Iotas. Die (Titelrolle fpielte Schwobers pflegefchtpefter unb 
Schülerin, 33etty Heimers, mit teibenfchaft unb iOärme, ohne boch, 
tote es fcheint, bas IDeib oergeffen 3U machen, unb ohne bas 
Stücf über bie 3tr>ette Porfteüung hi" aU5 holten 3U fönnen. Um 
fo freunblidjer nabm bas publtfum, bas ftdjer baburd) nicht in 
Schröbers Achtung flieg, ber an ben phtlotas grofce Ciebe unb 
$le\% getpanbt hatte, ein neues tuftfpiel oon bem Schaufpieler 
unb ehemaligen Diplomaten <ßro§mann „nicht mehr als fechs 
Schüffein" auf, in bem Borchers bie banfbare Ho He bes fjofrats 
Hetnharb portrefflich gab, unb Schröber, rpob.1 3um legten ZHale 
in feinem Ceben, eine Stegreifrode fpielte. nicht fo ein luftiges 
<£rtempore, roie er es fich \773 in (5emetnfchaft mit bem <£typaax 



1 £itteratur w. Clieaterseirang. \780, S. 237. 



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286 



€noe bei erften Direktion. 



Heinecfe, Brocfmann, Charlotte 2lcf ermann unb Borchers nod? 
einmal erlaubt hatte, um in (Celle bie unglüefliche Königin Caroline 
ZHaityloe 3um Cachen 3U bringen, unb bas als größter tadjerfolg, 
ben fte je baoongetragen, allen (Teilnehmern in fröt?licr?fler egrinne« 
rung geblieben mar. 1 2ln biefem unfreiwilligen €rtempore 
tpar pielmetu* toieber Borchers Cieberlichfeit fdfulb, ber fämtltche 
Hollen bes (Broßmannfchen Stücfes mitgebracht hatte, bis auf 
3u?ei, pon beneu allerbings bie eine wegfallen Fonnte, bie anbere aber, 
ber pon Schröber 3U fpielenbe Hauptmann pon 2lltborf, unent« 
behrlid) »ar. So blieb Schröber nichts übrig, als feinen part 
aus bem ber anberen 3U erraten unb $u „erfchaffen". Das 
publifum merfte natürlich, pon biefem Qui pro quo nichts; bas 
Stücf machte großes <51ü<f unb perbiente es, als ein in feiner 
2lrt gelungenes ^eitbilb, jebenfalls mehr als besfelben Derfaffers 
tuftfpiel Henriette, bas rein theatralifdj war, währenb biefes 
auf wirFlidj guter Beobachtung bes Cebens beruhte. 

Die &eit ber ZTopitäten an ber t^ambur^tfei^cn Bühne war 
aber jefot porbei. nichts Heues warb mehr begehrt, fonbern 
bas 2llte, Befannte, bas man fchon oft gefehen unb bas nun 
untpiberruflich 3um lefeten 2TJale auf ben Brettern erfchien. 
gum legten ZTIale warb am 3\. 3«nuar unb 3. 5cbruar <5öfc pon 
Berlichingen, 2 am \6. 5ebruar (Oapigo, am 2<$. Heinrich IV., 
am 28. tjamlet gegeben. 

2lm 3. ZHärs fchlug mit ber lefeten Aufführung pon <£milta 
(ßalotti bie lefete Stunbe bes 21cFermannfchen Theaters. Die 
€milia gab sunt erßen 2TTa(e bas Pflegefinb bes 2lcfermannfchen 
Kaufes, Betty Heimers, Schröber ben 0boarbo, feine 5rau bie 
(Drfma. Dann fprach Schröber ben, pon Un$er gebichteten, cfpilog, 
„ebenfo portrefflich", l?ci§t es im Bericht ber neuen fjamburgifchen 
Leitung, „als fxe ®rt unb Umftänben angemeffen war". 

3n ber (Einfamfeit feines 2Irbeits$immers aber fefcte er an 
ben Schluß bes Derjeidmiffes ber PorfleÜungen : „Sit Nomen 
Domini benedictum ! - 

1 Dgl. UTey er, Sdjröber I, S. 2^2 f. 

* <frau Sdjrober gab Dorothea Jlrfermanns ehemalige Holle IHarie. 



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Die „<Entreprife" ber HFtioniften. 



287 



cgrheblid? geladener tonnte bas Publifum biefen ^bfdneb unb 
biefen 2Ibfd?Iu§ hinnehmen, als man beim erjlen Sefannfoerben 
bes beoorflehenben €reignif[es befürchtet Fjatte. Denn nicht nur 
n>ar für eine umrbige IDeiterführung ber Büfyie im felben (ßeifte, 
rote bisher — fo meinte man roenigftens — geforgt, fonbem 
audi ber Stamm ber Schaufpteler — bas (Ehepaar Sdjröber an ber 
Spifee — blieb, jedenfalls t>orläuftg, auch bem neuen Unternehmen 
bas fidf als „(Entreprife" oon 30 Jlftioniften anfünbigte, erhalten. 

Da§ an ber Spifee biefer neuen (Einrichtung roieber berfelbe un« 
oerroüfUiche Capetenfabrifant Subbers ftonb, beffen ZTame mit 
bem jämmerlichen Ausgang bes Itationaltheaters fo oerhängnisooll 
oerfnüpft roar, fonnte freilich nicht als ein gutes (Dmen gelten. 
Die €tn$elhciten bes, wegen Vermietung bes fjaufes, foroie bes 
gefamten Sunbus, auf fedjs 3ahre mit Stau Leiermann gefdjloffenen, 
bereits am 30. CDFtober Donogenen Vertrages gehören nicht 
hierher. 1 Schröbers ZTTutter u>ar baburch ein forgenlofes, ruhiges 
Hilter gefächert, unb bie fmari3ietle Begründung bes gan3en Unter* 
nehmens ließ überhaupt, im <5egenfa$ 3U bem ZTationaltheater, 
nichts 3U roünfdjen übrig. IDichtig roar vor allem, baß biesmal 
bie Anregung aus ben bejien Kreifen ber Hamburger Bürgerfchaft 8 
herrorgegangen roar, unb baß roirflidj in allgemeinem 2lnfehen 
fiehenbe ZKänner, roie Caspar Doght, 3 ber 21gent peter (Steve 
unb pofibireftor Bofiel, bie 0beraufftcht führten unb mit ihrer 
Perfon für ben Fünfllerifchen €mft unb bie fman3ielle Solibität 
Bürgfchaft leiteten. Poght roar 3ugleich ein ZTTann, beffen 
€injtcht, Kunftliebe unb (ßroßmut Schröber unb ben Seinigen höchftes 
Pertrauen einflößte, unb beffen gefeüfchaftliche Be3iermngen ihm 
in Kreifen einen (Einfluß ftcherten, bie ftch bisher bem tEheater» 



1 Dergl. darüber Sd?ät$e, a. a. <D., S. 484 ff. 

' „<8s ftttb 30 IHänner, bie angefefjenfien unb reidjfhm ber Stabt, 
unter benen fid? fclbjt einige fjerren bes Hatfys beftnben," melbct ein 23eridj 
aus Hamburg vom 27. ©ftober in Heidjarbs (Efyeaterjournal für Dcutfdj* 
lanb (h. Srütf, 1780, S. *06 f.). Dort ift audj „bas in bie Ijiefigcn 
Rettungen eingerfiefte (offtyöfe) 21oertiffement" abgebruefi. 

* Dergl. oben, S. 65. 



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288 



Sdjröbers Heife burd) Deutfdjlanb. 



roefen gegenüber 3iemlich aBle^nenb ©erhalten fjatten. 3hm u>ar 
es $u banfen, bafj einige ber angefehenften Familien ftd? bereit 
erflärten, einen befttmmten Abenb ber IDodje unbedingt für ben 
(Lbeaterbefuch frei$ufjalten unb an ifjm roeber <5efellfchaften 5U 
geben, noch $u befugen. Dafür toarb ihnen benn für biefe 
Abenbe ein befonbers gewähltes Hepertoir, ber beften älteren unb 
intereffanteften neuen Stücfe in Ausftcht geftellt. Das Derbienft 
feiner perfönlichen 3niti<*tir>e n?ar es tr>ohl auch, bajjj im Sommer 
\ 780 $um erften TXlale in Hamburg ein Abonnement für ben folgenben 
IDinter 3U ftanbe fam. Someit lie§ fich alfo für ben Anfang 
alles gan3 gut an, unb Schröber hätte roof?! Anla§ gehabt, ein 
roenig neibifd? auf bie glatten <£rfolge biefer homines novi $u 
bliefen, benen alles beim erften lOidfornmen fpielenb gelang, 
»orum er r»iele 3 a ^ rc vergebens gefchlichen roar. Aber er hörte 
baoon nur aus ber 5eme. Denn oba>ofjl er bem bringenben 
IDerben ber neuen Direftion 5olge gegeben unb bem Unternehmen 
feine fchaufpielerifdje Unterftüfoung nicht gan3 abgefctyagen hatte, 
fo Jjatte er bod? 3unächft fich einen Urlaub auf unbeftimmte Seit 
ausgemacht unb biefen unmittelbar nach Schluß ber Sühne, am 
4. ZHär3, angetreten. 

4. Reife burdj aeirffdjlanb. Dien. MündjBn. Bannljeim. Paris. 
Jtbfdjtfb von Hamburg. 1780-81. 

„Pier 3oh*c 3ur»or roar Schröber gereift," f ehret bt fein 
Biograph, „um Deutfdjlanb 3U erfunben, jefet n>oHte er reifen fich 
ihm funbsugeben. Diefc Heife foflte ber prüfftein bes tPertes 
feyn, ben er ftd? beilegen bürfe." 

Damit ift treffenb 3ufammengefaftt, um n>as es fich in biefem 
Augenblicf für Schröber hmbefte, was bie erfte Frucht feiner eben 
errungenen 5reiheit fein follte. €s muß aber fnn3ugefügt merben, 
bafc auch 5ranfreich unb 3talien mit auf feinem Heifeplane ftanben, 
um an (Drt unb Stelle bas fran3Öftfche unb italienifche Cheater 3U 
ftubieren, bie ZDirFungen fran3Öftfcher unb italienifcher Schaufpiel» 
fünft 3U beobachten unb Umfchau 3U galten nach bramatifchen 
Houitäten, beren Übertragung unb €inoer!eibung in bas Hepertotr 
ber beutfehen Sühne [ich oerlofme. 



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Berlin unb Wim. 



289 



Sein nächtens Heife3iel wav Berlin, wo er brei H)od?en oer* 
»eilte unb, dou Döbbelin aufgefordert, an fecfoelm Abenben auftrat, 
kluger in ben bereits r>on feinem erften (5aftfpiel befannten Hotten, 
bie er 3um Ceil roieb erholte, erregte er befonberen Betfall in ben 
aufeinanberfolgenben Porfiellungen am \6. f \7. unb J9 2TIär3 ote 
IDegfort in SpricFmauns Scrjmucf, am 23. als (Dboarbo, am 25., 
26., 27. unb 28. als 5al|iaff. Stilein fo rpol?ltrnienb ihn auch, 
biesmal roieber ber entfjufiaftifdje Beifall berühren modtfe, ber 
gerabe feinem pon ben Hamburgern oerfannten Salftaff 3" teil 
nnirbe, unb fo angenehme Stunden er im Kreife pon Hantier, 
2ttenbels|ofm, 3- 3- <£ngel, Nicolai unb ZTTarcus £)cr$ »erlebte, fo 
ftol3 ilm bic Derftcberungeu ber 5rcunbfcbaft unb ber Betpunberung 
biefer 2Tiänner machten, bie er in bem für bte Heife angelegten 
Stammbuch baoon trug, 1 in feinen (ßebanfen unb Hoffnungen 
bebeutete bas alles nur einen Porfdmtacf pon bem, u>as feiner 
am fjauptstel feiner Heife, in iPien, »artete. 

<Db er bereits bei feinem erften Aufenthalte, im Sommer \ 776, 
bort mit ben tfycatralifdien Kreifen unb t>or allen Dingen mit ben 
in Cfjeaterfadjen mafcgebenbeu perfonlidtfeiten 5üb.luug gefud?t 
unb gefuuben, möd?te id? be3tt>eifeln. Sicher aber ift, ba§ mau, feit 
2Tiüfler im 2luguft J776 in Hamburg getpefen rpar unbifm bort Hatte 
fpielen feb,en, oon lOien aus Schwobers fdjaufptelerifdje i£ntmirfelung 
mit größtem 3ntereffe perfolgte. 2 3wci ehemalige ZHitglieber [einer 
Gruppe, Brocfmann unb IHabame Saceo, 3äfjlten jeftt bereits feit 
mehreren 3ab.ren 31t ben gefeiertfteu Künftleru bes IDiener Ctjeaters. 



1 Dergl. £. Sdjröbers Stammbudj, abgebrueft in <£. £cbrüus 3 a H r " 
budj für (Ebeatcr unb (Eljeaterfreunbe. \8\[, 5. 3—^2. teiber ift ber 
2lbbrud? nidn fo „genau", wie bte Dorrebe behauptet. (Eine Derglctcbung 
mit bem (Original mar iitbes nidjt möglidj, ba ber gegenwärtige B'fitjer 
mir meine Bitte, es in feiner (Segenmart einzufetten, furjmeg abidjlug! 
Die <Ein3etd>nungen ber genannten Berliner ^reunbe erfolgten am 30. unb 
31.. mär$ 1780. 

* „IDäre er nidjt ber Sotm ber Ifteftgen Unternehmerin unb tonnten mir 
ttjn in Wien beptjen, er mürbe bey uns bie größte Senfatiou erregen", 
fdjrieb mütler nad? Sd>röbers 21cferlanb. Dgl. Müllers Hbfdjieb 2c, S.U3. 

Cijjmann, Sdjröber n. 19 



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290 



Was man in Wien von Sd)röoer erwartete. 



Unb noch im fjerbft \ 779 ber Wiener Schaufpielor Stephanie 
ber 3""9ere auf einer theatralifdjen IDerbereife ftd? länger in 
Hamburg aufgehalten, unb Schüfe für ZPien gewonnen. €s unterliegt 
alfo root?! feinem groeifel, baß, fobalb Sdjröbers 2?ücf tritt von ber 
Direftion befannt tnarb, man in lüien ben plan faßte, ben 2Tleifler 
feinen Schülern nad^ujiehen unb auf tiefe EDeife eine fomifche Kraft 
erften langes 5U gewinnen. £s erging an ti^rt bie Aufforderung, 
in IDien einige (ßafirollen 311 geben. Denn ba fein Biograph 
ausbrücflicb, betont, baß er auch auf biefer Heife feine 33ülme 
uneingelaben betteten habe unb baß er besbalb burd? Vtesben unb 
präg nur burdjgereift fei, fo muß r>on IDien bie 3nitiatioe ausge* 
gangen fein. ZDahrfcheinlicb. ift, baß fogar bereits bei biejen Derbanb* 
lungen ein IDiener Engagement als n?ünfcr/ensu?ertes €nb5tel ron 
beiben Seiten ins Auge gefaßt nmrbe. 

Aber immer fyatte man babei in IDien an ben Komi! er 
gebacfyt. „Unjkeitig einer ber größten Komifer. Hoch, fyxbe 
ich feinen fo feinen fomifchen Schaufpieler gefehen" hatte fieb, 
UTüller, \776, notiert. Auch XHabame Sacco, bie im fjerbft 
^ 77^ bereits bie fyamburgifdje i3ütme oerlaffen I?atte, fianb 
noch gans unter bem <£inbrucf, Schwobers eigentliches Sadf 
feien bie fomifd?en unb bie Sollen mit gemifcrjter (Empfmbung. 
Don feinen (Triumphen als (Eragöbe hatte man »oljl gehört, mochte 
fie aber für übertrieben galten, unb in biefem (Blauben fcheint 
33rocfmann, ber bod? einige proben Pom (Begenteil bereits erfahren, 
feine (ßenoffen beftärft 3U ba&en. Dem gegenüber fiel Stephanies 
Urteil, ber ihn im September als 2Tiacbeth gefehen, unb bas bes 
eben aus Hamburg angelangten Sdjüfe nicht ins (gereicht. Der 
einsige, ber biefe 23otfd]aft unbefehen glaubte, mar 8ergop30omer, 
ber feine alte propheseiung 1 mit (ßenugthuung beftätigt fah- 

Unter biefen Umfiänben erregte es großes öefremben, 
baß Schröber als erfte Holle ben König Cear mahlte. Am 
8. April mar er in IDien angefommen, am \3. foflte er auftreten. 
Alfo £eit genug für roohlgemeinte Hatfchläge unb hämifche 3ntri* 



1 Dgl. oben, S. *o. 



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IPolgemeinte XDarnungen n>egen bes £ear als Antrittsrolle. 29 \ 

guen. Die Sreunbe, bie es gut mit ifym meinten, glaubten, ibn 
entfdjieben roarnen 3U müffen : SrocFmann, ber anfangs in ZDien 
einen fetjr fdjroeren Stanb gehabt fyatte, jefet aber als ber erflärte- 
Ciebling bes publifums galt, Ijabe als £ear fo gefallen, baß febon 
um bestr>iflen 23rocfmanns Clique Sdjröber nidjt werbe auffommen 
laffen. 5ein £}ausrr>irt aber, Stephanie ber jüngere, ber tlm fo 
bringenb eingelaben fjatte, baß Ablehnung unmöglidj fcf^ien, bot 
alles auf, Scbröber in [einem <£ntfd}luffe 5U beftärfen : „Spielen Sie 
ben Cear, unb 3^* (ßlütf ift gemacht." Daß biefer ©erlogen jte 
3ntriguenfpinner fo auf feiner Seite ftanb, rjätte Scfyröber roorjl 3U 
benfen geben foflen. Denn roenn er ben €blen aud? noch, nidjr 
in feiner gan3en ^errlidtfeit fannte, fo mußte er t>od) rtnffen, baß 
fidj nod? feiner etmas <5utes oon iBmt oerfetjen. <5leid?a>of}l blieb er 
bei feinem €ntfd}luffe, unb bie 2Tlißfttmmung gegen ben perroegenen 
$rembling aus ber prooin3, „ben Kleinftäbter", ber ftdj erbreiftete, 
mit ben anerfannten (BünfUingen bes XDiener publifums 3U roett» 
eifern, n>udjs im publifum meb.r unb mefjr. 

3n einer 2lubien3 beim dürften Kaunifc, bem bie Xjebung bes 
IDiener CBjeaters fefyr am Bietzen lag unb ber ben fremben Künfller 
mit großer £?erablaffung unb ungefyeudjeltem ZDotilwolleu empfing, 
fam biefe bebenflidje Stimmung unb bie <5efarjr, ber Sd?röber 
jtd) burdj ein SeBjarren auf feinem plane ausfefee, 3ur Spraye. 
Der 5ürft riet entfdjieben ab: „3er? tr>eiß", fdjloß er, „weldje 
2Xlänner für Sie ge$eugt Ijaben; idf roeiß, baß icb. benfen »erbe, 
roie biefe 2TIänner. 2lber mer fann gegen bas Porurteil? Unb 
in biefem 5aHe »erben Sie unglücflicb.ertoeife mit 3fjren eigenen 
IDaffen befämpft: 23rocfmann ifi 3fjr Schüler!" Sd?röber antwortete 
„mit ©erbinblidjer Derbeugung": „Der 2Tleifter behält fteb. immer 
etwas r>or. M 1 

Das leudjtete bem großen Staatsmanne ein. Schwober aber 
warb, feines IDertes ftd? bewußt, burd? biefen offenen unb geheimen 

1 So ffle^er, Sdjröber I, 5. 3^. (Htroas anbers bei Sdnnibt, Denf« 
nmrbtgfetten I, S. 19<*. 3$ folge in ber Darfteilung biefer Dorgä'nge balb 
ber einen, balb ber anberen Quelle, bie einanber ergäben unb nur in un- 
wefenlidjen punften ooneinanber abtpetd)en. 



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292 



Die aufnähme bes teav burd) bie tüiener. 



IDiberftanb immer Ijartnäcf iger ; er erFlarte Stephanie entfdneben, 
es bleibe beim £ear als Antrittsrolle. „ Dortreff lidj", jubelte jener, 
begab ftd? 311 feinem Kollegen, rieb ftd? ferjabenfrotj bie l^änbe 
unb fagte: „Zinn ift's richtig; er will ben tear fpielen. Durd?« 
gefallen ift er nun!" 

2Tun tjatte 3um Überflufj Scfyrober in einer Unterredung mit 
bem Crjef ber XDiener Bülme, bem (Srafen Hofenberg, ber ihn 
wegen eines Engagements in IDien fonbierte, bie etwas unoor- 
fidjtige Äußerung getlian: „3d? fürchte nur, idj möchte $u teuer 
für 3*?r Cljeater fein." 

Daraus unb aus feiner BemerFung Kaunifc' gegenüber, 
madjte ber KomöbiantenFlatfd?, Sdjröber frjabe erflärt, IDien fönne 
feine Derbienfte nid?t bellen, unb Brokmann fei gegen tlm nur 
ein Sdniler. Dergejtott war FünfUid? eine folcfje Derftimmung im 
publifum wiber beu breiften irembling er3eugt tx>orben, baß, wie 
Sdjröber nad?mals an ZTleyer fd?rieb, oor Anfang ber Dorftellung 
bas Ijalbe publifum entfdjloffen war, ifm aus3upfeifen. Hodj 
wäfjrenb bes AnFleibens brang ein 5reunb aus Hamburg in 
feine (ßarberobe, ber es für feine Pflicht fnelt, ifyi auf bie unan* 
genefmtften Auftritte Dor3ubereiten. 3" &er (Lfjat faxten ber 
Anfang ber DorfteHung bie Befürchtungen ber 5reunbe unb 
bie Hoffnungen ber Seinbe 3U betätigen. (Erofebem nadj bem 
erften AFte ber Kaifer felbft mit einigen Kaoalieren bas Signal 
3um Beifall gab, ben bie gewaltige 53ene mit (Soneril oerbiente, 
gebot bie 2Tleljrl?eit Sdjweigen. Zlad] bem 3wetten AFte warb 
ber Beifall ftärFer, aber aud? biesmal warb er Don ber Majorität 
nteberge3ifd]t. Der britte AFt aber warf bie ©ppofition über 
ben Raufen, bie IDogen bes ftürmifdjcn Beifalls waren ntdjt 
meEjr eiit3ubämmen. Unb oon nun an begleitete eine Begeiferung 
unb ein rafd? aufgreifenbes Derftänbnis jeben <3ug bes Darftellers, 
bafj wieberfjolt bei offener 53ene lauter Tipplaus erfolgte. 3»" 
inerten AFte pflegte Brocfmann als wafynftnntger €ear für feine 
prebigt an (ßlofter einen Baumflumpf 3U bezeigen. Das galt als 
ein befonberer (trumpf, unb natürlich war man gefpannt, was 
Sdjröber in biefem Salle tlmn werbe. Als er nun mit ber oben 



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Äunfi^CMgnngcn, 2Jubien3 beim Kaifer 



295 



ermähnten Nuance 1 aud? in biefer S$ene feinen Htoalen überbot, 
ba „burcrjbrang ein <ßefcr/rei bes 3ubels bas fjaus". Itad? bem 
fallen bes Dorfrjanges ,am Scrflujj tofle ein Beifall burdjs tEbeater, 
ber nidjt roieber 3ur Bufje fommen wollte. Zftan rief ben Künftler, 
trofcbem buretj faiferlicr/en 33efefyl ben Sdjaufpielern ftreng unter« 
fagt roar, btefem Hufe 5olge $u leiften. „2ftan ließ roeber ben 
2lnfünbiger nod? ben ^n\picier\ien, roelctier bem publifum jagen 
rooüte, baß es ber Kaifer perboten, 3U IPorte fommen. Sie 
mußten fjinein, unb es toarb gar nierjt angefünbtgt". 2 Unb fdjon 
roar Sd?röber roieber in feiner 23erjaufung angelangt, „als bas 
publifum nodj immer im Oeater roar unb itm Ijerausrief". 
Stephanie, ber treue 5reunb, aber fiel ifyn um ben fyals : „fjab idj 
nierjt gut geraten 5reunb? rjab idj mit bem €ear nid)t gut ge« 
raten?" 

Damit roar bas <£is gebrochen, unb bas publifum, bas 
roegen fetner rounberoollen c2mpfänglidjfeit für bramatifebe Kunft 
unb ber liebensroürbigen unb temperamentvollen 21rt, in ber es 
feinen 33eifall befunbet, oon jerjer bis auf ben heutigen tCag, als 
bas 1}beal eines beutferjen Cfyeaterpublifums gegolten tjat, roarb 
nun nierft mübe, ben Künftler für feine anfängliche ^urücttialiung 
3U entferjabigen. 3 Der Kaifer unb feine Familie gingen allen 
ooran. „21m (Tage nadj ber DorfteHung bes <5ei3igen", fd?rieb 
(am 25. 2Iprtl) Sdjröber an Ztleyev, „überreizte mir berCDberfämmerer 
eine golbene Dofe unb eine 2TTün3e, bie auf bes Kaifers Heife 
nad? 3talien gefdjlagen roorben, 25 Dufaten fdjroer. nachmittags 
lieft midi ber Kaifer 3U ftd? fommen, unb fpradj eine gan3e 
Stunbe mit mir. <£r rebete mit fold?er (ßüte, mit folcr/er Kennt« 
nt§, ba§ id] erfktunte, oerfpracri bas CCfjeater 3U behalten u. f. ro. 
3m fjamlet fmb über \0OO ZTlenfdien roeggegangen, (Erküren ein« 

1 DqI. oben 5. 2^7. 

* 2ln Weyer. Weyer, Sdjröber I, 5. 3^6. 

3 (Er gab am J5. 21prü in (Srofjmanns Henriette ben (Dberften, am 
1.8. ben Dater Hobe, am 19. Werders (Effigtjänbler, am 20. fjarpagon, am 
22. fjamlet, am 2\. Diberots fjausoater, am 27. (Dboarbo, am 2. IHai 
tDegfort, am ben JJttjelflan. 



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2<M 



2Iubiett3en bei Kaimig nnb bei tXlavia (Cljerefia. 



gefprengt. 3d? bin fd?on 3tr>eimal beim dürften Kauntfc getoefen unb 
mit einer 21rt aufgenommen, bie feiten einem 2Tleifter (ZHtmfler ?) 
rotberfäljrt. <£r l?at ftd? angeboten mir Briefe nad? paris mit* 
3ugeben, auf bafj, roie er ftd? ausbrüeft, ein ZHann meiner 2(rt 
mit gehöriger Diflinftton aufgenommen »erbe. Kurs n?enn td? 
aus €tgenbünfel toll würbe, fo fönnte ftd? fein ZTlenfd? barüber 
umnbern." 

<£r übertrieb ntdjt; unb n>ol?l mochte er, ben feit feinen 
Kinberjafyren bie 2TCenfd?en nie mit liebe Dement, unb ber ftd? 
aud? als HZann jebes IPort ber Slnerfennung fauer fyatte er« 
fämpfen müffen, 3U träumen glauben, trenn er jefct faf?, wie bie 
<J5ett>aItigen ber €rbe ben fremben Komöbianten mit tl?rer (Bunft 
überfd?ütteten. 

2TTtt bem 21tljclflan l?atte er am ^. ttlat fd?liefcen trotten, 
fdjon n>aren bie poftpferbe bejletlt, ba liefjj ifym bie Kaiferin 
ZTTaria <El?erefta mitteilen, fte erroarte in »entgen Cagcn tf?re 
Cod?ter, bie <£r3l?er3ogin ZHarie <£f?rifhne aus Prefjburg, unb 
roünfdje biefer bas Pergnügen, eine Holle r»on tl?m 3U fefycn. 
Ztatürlid? fügte er ftd? btefem IPunfd?e unb erflärte ftd? bereit, 
am \\. Ztlai nod? einmal als (ßeneral in 23römels 2lbjutant 
unb als Pater Hobe aufsutreten. Diefe Sereitmt lüg feit trug 
tf?m bie f?dd?fie (ßunfi, eine 2Iubiens bei ber Kaiferin felbfi, ein. 

Tim 7. Zdai ließ fte ib,n, oor ber ZHeffe, 3U ftd? befdjeiben 
unb empfing tJ?n in (Begemrart ifjres £?offiaates. „3fy* $reunb» 
ltdjfeit unb Hltlbe", berichtet fein Biograph, „übertraf alle 
3efd?reibung. 3^re (Sefunbfjeit unb Stimmung, fagte fte, Ratten 
tl?r feit geraumer ^eit unterfagt bas Sdjaufpiel 3U befud?en unb 
folgltd? aud? abgehalten Sd?röber 3U fef?en. Die <55enugtf?uung 
fönne fte ftd? nid?t rauben laffen, feine perfönlid?e 3efanntfd?aft 
3u mad?en unb tfyn für bas Pergnügen 3U banfen, bas er tl?ren 
Kinbern unb ifyren guten IPienern gemacht, bie ntd?t genug oon 
tf?m 5U er3äl?len u?ü§ten unb bas er itjrer lieben tEod?ter nod? 
mad?en trolle." 3" ber tJ?r eigenen t?er3geminnenben 2lrt fügte 
fte nod? manches freunbltd?e IPort fynsu unb befd?enfte il?n als 
<5eid?en tf?rer (Sunfl mit einem fofibaren Hinge. „Sd?röber M , 



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Dorläufige §ufage nad) Wien 3U fommen. 295 



beruhtet wieber fein Siograpfy, „mußte feine gan3e Raffung 
3ufammenfyalten, um bie tiefe Hüfjrung bes erfdjütterten (ßemüts 
nicfyt laut werben 3U laffen." 

Tille Ratten fie feit jenem £ear*abenb gewetteifert, ifm an 
IDien bauernb 3U feffeln, unb in ben Stammbud?einträgen ber 
neuen IDiener 5reunbe, welche in ben überfdjwenglidjften 2lus* 
brüefen ben „unübertroffenen Sdjröber" (Sonnenfels) „ben nmr« 
bigften IHann unb größten Scftaufpieler, ben Deutf d?lanb je 
gefeiten fyat" (<5reiner) ifjrer 5reunbfdjaft unb öemunberung 
oerfidjerten, mar bei ben meiften bas Sdjlußmort eine 33itte, 
»ieber3u!ommen unb bann ntcrjt wieber 3U gelten. „Ztotur, 
Kunft, Hedjtfdjaffenfyeit — oereinbart — bilben ben ächten, 
ben großen Sd?aufpieler", fd?rieb ber Dramatifer Steitiett oon 
(Bebler, „Süt wen fjatte Wien nur eine Stimme, bafj <£r es 
fey? Ztlödite ber IDunfdt ber Kaiferftabt Sdjröbern balb mieber 
3U feigen, auf immer 3U befifeen erfüllt werben." 

2lHen biefen IDerbungen unb Cocfungen, allen, audf oon maß» 
gebenben perfönlidjfeiten, ifmt gemachten beftimmteu Porfcfylägen 
war er bisher ausgetrieben. <£in leifer «Zweifel, ob trofc all 
biefem oerlocfenben Sdjein JDien gerabe für einen ZTIenfdjen feiner 
2lrt, mit feinen <5efinnungen unb feinen 23ebürfniffen ber redete 
33oben fei, fyatte ifm immer oon bem oerpflidjtenbem iDorte 3urücF» 
gehalten. Tibet ber be3aubemben fjenensgüte 2Tfaria CCfjerefias 
gegenüber In'elt biefer Dorfafc nidjt Staub, unb wenn er aud? 
bie enbgültige 1 lefete €ntfd?eibung nodf an bie Erfüllung gewiffer 
Sebingungen fnüpfte unb bis 3U feiner Hücffefjr nadj Hamburg 
oerfd?ob, fo gab er bodj jefet foldje <5ufid)erungen für feine Hücf« 
fefjr, baß bie Kaiferlidje Familie fein Kommen als fidler anfaf}. 



1 Weyer berichtet 3n>ar (a. a. 0. S. 3^5), er fyabe fid? fdjon jefct „Der- 
pflichtet auf (Dftevn bes folgenben 3abres in Wien einzutreffen, wo er jetjt 
nod) einige (Tage t>era>eilte um feinen fünftigen 2lufentb,alt Doruiberetten", 
aber üermuilid) entfprtd)t bas nid)t ben <Ettatfad)en; was fidjer oon bem 
folgenben Safce gilt: „Die ^reube, tDeldje biefe ZTad?rid}t verbreitete n>ar 
allgemein." Dergl. bie folgenbe 2tnmerfnng. 



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2<)() 



öegeiflerte 2tufnab,me in müncben. 



<£inft weiten blieb jebod? biefe 2Jbmad?ung nod? (ßefyeimnis für bas 
publifum. 1 

2tm [5. 2Tlai brad? er von Wien auf. Sein nädjftes Heifesiel 
mar 2Tii'md]en, wo er auf bem furfür|Hid?en fuboentionirten (Erjeater 
vom 22. illai bis 3"ni eine 2ln3arjl ißaftrollen* gab. 

3m (ßegcnjafc 311 Wien fanb er fyer von oornrjerein bie günfligjte 
Stimmung. Das, unter bem (ßrafen r>on Seeau ein 3iemlidf fümmer» 
Iid?es Däfern frifteube, Kunftinftitut fanb fidj geehrt, ba§ ber große 
Sd?au1pieler, ber in IPien ftd? mit ben (Sröfcen ber bärtigen Bürme 
gemeffen unb ben preis baoongetragen fyatte, aua? in biefem ungleid? 
befdjeibeneren <£nfemble fid? 3U 3eigen nid?t Derfd?mäl?te. 3 n bem« 
felben bedingungslos fiel? fnngebenben €ntlmfiasmus wetteiferte 
bas publifum, <ßclel?rtc unb Ungelernte, ben 2Tiann 3U feiern, ber 
trmen über bie fjöd?ften &wle ber Kunjl, ber 2ttenfd?enbarfteflung 
überhaupt erft bte klugen öffnete, ber ttmen, weldje burd? an 
fraii3Öfifd?en 2Tluftern gebilbete Sd^aufpieler an ein gewiflfes ge* 
fprei3tes patbos gewö'lmt waren, in (einer monumentalen Sd?lid>t« 
f?eit unb itatürlidjfeit fo gewaltig imponierte. 

„Sic riefen Sdjaufpiclfunjt! 

Da Tain bie fteife Dame 

Behängt 1 mit frember gterb', 

(ßepuf^ert, parfumirt 

Unb a. k J?eriffon frifirt, 

mit Sdjminr unb OTufdjen im <5e(td?t! 

<Hs waren Diele, bie ba fdjrien: 

tüot?I uns! f?eil uns! ba§ fte erfaßten ! 



1 2tm \. Horembcr \7BO fdjrcibt Sdjröber an Dalberg, „(Dfiern gel? 
ta? auf ein 3 fl l? r na( *? Wien. Der Kaifer ift fo juuorfommenb geroefen, 
ba§ idjs nid?t ausfragen fonnte." Unb am 8. ttopember an benfelben: 
„tlteine Heife nad? Wien muß nun rool feft foyn, ba bie §eitungsfd?reiber 
fdjon miffeu, mit roeldjer Rotte id> bebutiren werbe; obgletdj meine 
letjte Rcfolution er fi morgen in IPien feyn fann." 

• <8r fam am \7. an, gab am 22. mat tjamlet, am 26. ben (Dberften 
in (Srofjmanus Henriette, am 28. ben (Effigtjänbler unb ben Dater Robe, am 
30. £orb ©gleby in ber f?cimlia?en betrat, am 2. unb 3uni König £ear. 



Antrag bie £eitung ber IHündjener 8ülme 3U übernehmen. 297 



Die Werfen aber fagten unter fidj: 

TXe'xn, tDatjrlid?, nein, bas tfl fte nidjt! 

Sic flehten sur ZTatur: 0 tfjeure Ulutter fyöre, 

Senb uns Dein eigen Kinb 3U beiner <£t\rel 

Sie fanbt' uns — Sdjröbern. 

Da — fpradj fie — rjabt irjr 3tjn 

Der — n>o unb was icf? bin — miß? Fennt; 

Die tPeifen fdjrte'n: 

© ijeil, Ijeil uns, ba§ (Er erfdjien!" 

7>ie\e Worte, bie bev Dichter bes ©tto von Wittelsbad] am 
„legten ZlTaytage" — alfo noch vor bev Aufführung bes £ear — 
bem „(Einigen, grojjj burdj Sich, orrne prunf, eblen §ev$ens ofme 
Sal\d\" ins Stammbuch einzeichnete, geben in Opern ftammelnben 
€ntrjuftasmus vielleicht am treueren bie Stimmung wiebev, bie 
Schröbers perfönlichfeit als Zllenfch unb Künfller in ben litterarifchen 
Kreifen ber 3fartfabt hervorrief: Wie ex von bev Sülme aus 
auf bas fchlicfye Volt voirtte, beweist am bebten jener Vorgang, 
bev fterf in bev erften Porfiellung bes König £ear 3ufrug, beffen 
roir oben 1 bereits gebad\t haben. 

TXudt bem fürftlichen Sdurmherrn ber 33üfme felbfi, bem 
Kurfürjien Karl Ojeobor, trat Sdjröoer in biefen Cagen nahe; 
anfängliche ^urücfrjaltung erroies ftcfj balb als Schüchternheit, 
unb bev Sdjaufpieler fanb (ßelegenheit, auch außerhalb bes 
(Theaters bem ungewöhnlich funftperftänbigen £)errn in freier €r» 
örterung über fragen ber Citteratur unb bes Sweaters ein folches 
Dertrauen 3U feinem <£f?arafter einzuflößen, ba§ auch tjier roieber 
bie Anfrage an itjn erging, ob er nicht geneigt fei, in Zliündjen 
3U bleiben unb bie teitung ber öüfme in feine fjanb 3U nehmen. 
2lud} biesmal antwortete Schröber ausa>eid?enb, n?ar er boch burd) 
fein iüort eigentlich fchon an lüien gebunben, unb burfte, ooraus» 
gefefet, baß man ihm bort feine Bebingungen erfüllte, nicht mehr 
nachträglich 3urücf3utreten. 2lber ebenforr>euig roies er bie Sache 
gan3 ab. Die €ntfdjeibung u>ar auch nicht bringenb, ba ber 



' Vgl. 5. 2^7. Vgl. and) (Sranbaur Qromf bes fjof- unb national- 
ttjeaters in IHündjen (1878) 5. 2\. 



298 



(Saftfpiel in Ittannfyeim 



Kontraft bes (5rafen Seeau noch ein 3<*h r lief unb er in IDien fidj 
unter feinen Umftänben auf länger als ein 3 a h r btnöen tooHte. 1 
Ttad] faft oierroöchigem Aufenthalte, ben Schröber im befjag« 
liehen Ausfoften ber angenehmen ZHünchener (Befelligfeit im Kreife 
ber 8abo, Cörring, Dufresne, in ben Käufern bes präfibenten 
ber Oberlanbesregierung <5rafen ZTToratoifcfY unö bes (Srafen oon 
€a Hofee nod? eine IDoche über feinen lefcten Spielabenö Der« 
längert hatte, brach er am \2. 3uni auf, um 5er 3tr»eiten furfürft« 
liefen öürme, bem erft oor einem 3 a h r e unter bes 5reiherm von 
Dalberg Cettung neu organifierten £}of« unb Itationaltheater in ZHann* 
Ijeim, einen 23efuch ab3uftatten. Pom \7. 3 u "i °t 5 3 um 2. 3 U K 
trat er fyer an neun Abenben auf. 2 Auch h»er fehlte es an entrm» 
ftafiifcrjcn Seifallsbe3eugungen unb €hren nicht. Auch ln* r f an0 CT 
einen Kreis funftfreuublicher unb funftoerftanbiger ZHenfchen, oor 
allem bei bem 3nfc"&anten Dalberg felber, bei bem Derfaffer 
bes beutfehen fjausoaters, ireiherrn oon (ßemmingen, bei bem 
Überfefcer ßoftis, XPerthes, freubigfte Aufnahme, bie fid? nicht 
bloß auf IDürbigung feiner fchaufpielertfchen teifhmgen befdjränfte. 
Dalberg unb (ßemmingen trat er freunbfchaftlich nahe unb mit 
beiben hat er bie bamals angefnäpften Sesiehungen bis ans 
Cebensenbe unterhalten. 

1 „Seeaus Contractu fd)retbt Scfyröber am \. Hopember an Dalberg, 
unmittelbar anfd)liefjenb an bie auf 5. 295, Anmcrfung2, mitgeteilte Stelle, „ift 
übers 3atn" um — fann id) sum Bcficn bes beutfd)en (Theaters etwas beitragen, 
fo mär es ja bann nod? immer geit, benn Ojtern übers 3at}r bin id) frey, 
Hur mu§ es in btefem »falle freyltdj etmas (Srofjes feyn, menn id) mid) ent* 
fdjliefien foll. 3$ überlaffe in biefem ^alle alles ber IDiUfür (Em. <Ejcellen3 
mit mir 311 fdjalten. ^inben Sie es für nötrjtg, ba bas projeft burd? meine 
Heife nad) 2t>ien Der^ögcrt mirb, ba§ id) 31? ncn etmas bem Cllmrfürflen 
Dor^eiglidjes fdjretbe, fo befehlen Sie." Diefe Stelle ift es u>ol, bie pidjler 
(cEtjroutf bes cSroJjlje^oglicben £}of* unb Hationaltb,eaters in IHannljeim 
(879/ S. 57) 3U ber Annahme perleitet fyat, Dalberg fyabe Sd)röber für 
niannfjeim „ein glänjenbes €ngagement" angeboten. 

1 \6. 3nni fyimlet; (8. §arpa$on unb Dater Hobe; 20. (Dberfl in 
(Srogmanns Henriette; 22. Dan ber ^oeft in Socfs fjollänbern; 25. (Dboarbo; 
27. £ranf in ©orters Argroöfmifdjem (Ehemann; 28. unb 30. £ear; 2. 3uli 
tjamlet. Das Honorar betrug nadj pidjler (a. a. 0., S. 57) 325 dJulben. 



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tüirfung feiner Kunf* auf bie Mannheimer Sajaufpieler. 299 



2ln feiner Station feiner IDanberfchaft aber hatte er oorbem 
ein fo anbädjtiges publifum gefunden, bas ans feiner tiefen 
«Ergriffenheit fein fjehl machte, n>ie unter ben Schaufptelern 
biefer Bärme. 3n VDim Ratten ftd? ifnn bie eigenen Kunfl* 
genoffen nur rciberanUig gebeugt unb manche r>on ilmen ben 
2frger über ben unbequemen Hioalen nur aÜ3U beutlii) an ben 
(Eag gelegt. Die ZHündjener Ratten fiel? ihm gegenüber gefüllt 
wie „geringe Ceute" gegenüber einem „großen fjerrn", ein wenig 
fcheu unb bebrüeft im (ßefühl ber eigenen Un3ulänglid]feit. 

fjier in ZtTannrjeim begegnete er ben lefcten Schülern €frjofs, 
bem h°ffnungsr>oflfien ZTacr/nmdjs ber beutfehett Bulrne: Daoib 
Seil, Heinrich BecF, 21ug. IDilf?. 3fflanb. 

HTit reiner, aufrichtiger Benmnberung hingen fte an ben Sippen 
bes ZHannes, Don bem jebes tDort unb jebe (Seberbe irrnen anfeuern» 
bes Porbilb n?ar, mit jugenbltch*fchn>ärmerifcherBegeifterung fdjloffen 
fte fid) an ihn an, ber ihnen als Künftler roie als ZUenfch bas 3beal 
eines beutfd^en Sdjaufpielers oerförperte. Unb fo gewaltig bie Über« 
legenheit feiner Kunft über alles, a>as fte bisher gefehlt Ratten, 
ihnen imponierte, unb foreeit bie Kluft einteilen tt>ar, bie ihr 
Streben uon feinem Können trennte, fte fühlten ftcfy baburch nicht 
beflemmt, fonbern gehoben, angefpornt, ihm nach3ueifem, mit ber 
£eit feiner roürbig, ihm ähnlich 3U »erben. 

„ZTTit Schröbers €rfd?einung in 2TTannh«m im 3ahre \?80/ 4 
fchrieb 3ffl<*nb nachmals, 1 „begann auch in jenen (Segenben eine 
neue periobe für beutfdje Schaufpielfunft, beren (Seroalt man 3ur»or 
in folchem (ßrabe nicht geahnt hotte. Was fräftig unb regfam 
u?ar, begann oon ber ^eit an einen höheren $lug. u 

ZUan hatte bisher in ZTIamtheim geglaubt, in ZTTichael Boef 
einen mujlergültigen £}amlet 3U haben. 21ber nach Schröbers 
Auftreten meinten bie „Hbeinifchen Beiträge" : * 3n Schröber habe 
man ben „fjamlet fefbjt" gefefjen. „Sur Schröber foüte man bie 

1 3 U ber £ebensbefd?tetbung Beils im „2IImanad? fürs (Theater [808", 
herausgegeben Don 2lugnft IPiltjelm 3ffl an &- Berlin \808. S. {65. 

* 21. pidjler, Ctjrom? bes Ztationalttyeaters in IHanntjeim. (1879.1 
S. 55 f. 



500 



2(usf51mung mit 21bcl Seyler. 



Unterweifungen, bie fjamlet ben Scrjaufpielern giebt, in €r3 graben, 
unb barunter fefeen: „„Scrjröber rjat bas erfüllet!"" Den Konig 
£ear fjaben tr>ir oor irmi nid?t gefefyen unb man glaubt, ba§ man 
irm nad? ifjm nierjt beffer ferjen werbe, fjamlet fannte ein großer 
Crjeil unferes publifums erft burd? Sdn-öbern, »eil irm bie Sd?au* 
fpielcr, bie ifm oorrjer fptclten, aller ifyrer oortrefflidjen (Eigen« 
fetjaften ormgeadjtet, felbft nierjt fannten." 

Den Cear wagte irjm benn auch, fo balb Feiner nacfoufpielen, 
weil feiner fidj jefct fd?on getraute, einem publifum, bas Sdjröber 
in biefer 23ofle gefeljen, 311 genügen. Das mar nidjt oe^agter 
Kleinmut, fonbem jene cd?te öefcrteibenrjeit, bie aud? bem größten 
Künftler worjl ge3temt. rtidjts beweift eben fcfyagenber, wie läuternb, 
befrudjtenb unb errjebenb Scr/röbers €r|d?einung auf biefc KünfHer« 
gemeinfd?aft gewirft batte, als bie Antwort, bie fte bem 3nten« 
banten (Sluguft \7S\) auf fein Drängen: 1 ZTCeyer, 3fflanb unb 
23eil foÜteu beu Cear nad?einanber fpielen, erteilten: „IDenn <£r» 
fenntnis, 2lnftaunen ber rjödjften <ßrö§e beinahe fooiel Perbienjl 
als bie bödtfe <ßrö§e felbft ift, fo jtnb wir ftol3 barauf, burd? bie 
2T?ängcl unferer Darftellung im publifum Sdjröbers gan3e 
<5röjje 3urücf3urufen, feinen (Triumph 3U perfyerrlid^en. " 2 

Sdjröber felbft fanb ftd? 3U feiner eigenen Überrafdmng am 
meiften von *3eil ange3ogen, wäljrcnb irm 3fflanö / bem er nad? 
(ßotters Säuberungen mit bem günftigften Dorurteil entgegenfam, 
entfdjieben enttäufdjte. Unb biefer erfte €inbrucf ift aud?, wie wir 
nod? ferjen werben, burd> fpätere Serür/rungeu nidjt r*erwifd]t 
worben. 

Dagegen bot ifym biefer, an freunblidjen 3egegungen fo reidje, 
2Tlannl}eimer 2lufentf}alt erwünfcrjte (ßelegentjeit, mit einem alten 
(Befänden, oon bem er fteb. por meb.r als 3elm 3öb,ren in Unfrieben 
getrennt unb ber aud? fettbem ibm mehrfach. 2lnlafj 3U gerechtem 
<5roH gegeben Ijatte, mit 2t bei Seyler bas ehemalige gute €inoer* 



1 IKarterfteig, protofolle bes Znannfjeimer nationaltljeaters \78\— 83. 
(OTannfieim \S9o) 5. 29. 

8 marterfieig, a. a. <D. f S. 3*. 



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Brief aus Strasburg. 



ftänbnis 3U erneuern unb bem gutmütigen, aber fdjmadjen 2Tianne 
alle [eine Sünben förmlich, 3U r>er3etrfen. Seyler fungierte unter 
Dalberg als „Direftor" unb bie ehemalige Hlab. fjenfel, nun» 
mefyrige 2Tiabame Seylcr, u>irfte an feiner Seite als erfte Heroine 
unb Dämon ber <3u>ietrad?t am 2Tlannr)cimer Cljeater, mie nur 
je $ut>or. Sdjröber mar fein <8aft unb fdneb am ^. 3 U ^/ e * nc 
Strecfe IPeges geleitet von feinen jungen ^reunben, oon ifym unb 
von gan3 ZTiannfjetm in einer ausgelaffen gehobenen Stimmung, 
bie fid? beutlid} in einem von Straßburg aus an feinen (Quartier* 
geber geridjteteu Briefe 1 fpiegelt: 

„Straßburg b. 5. 

fjier fifc id? lieber Seyler, unb möcbt für 5reuben bes Ceufels 
»erben. 3^? fomme geftern mit genauer ZTotrf, trofc bes unmenfaV 
liefen Crinfgeibs um 5 Urjr rjier an; (beim man fjat micr? auf 
einigen Stationen eine Stunbe märten laffen) mill nad? ber 
<£omöbie — ift feine — frage nad? ber Diligeuce — gcfjt nur 
alle Dienstage. — Darauf bab' id? mir r>on einer 23anbe £uft» 
fpringer 2lequilibriften, pantomimiften, Seiltän3eriften, 5euer» 
merfiften, unb orbcntlidjen 23allettän3eriften etmas oormadjen laffen. 

Saig genug für 30 Sous! IDie befinbet fief? 2Tlab? 

idi fyoffe beffer! Sinb meine Heifegefärjrtcn glücflicb, 5urücfgefommen? 
Caufenb Danf ! befter 5reunb für 3bre gütige Zlufnabme — idj 
münfdje nichte meljr als (ßelegenrjeit 311 fjaben, fte einmal er« 
mtebern 3U tonnen. (Empfehlen fie mid? £}. r»on Dalberg aufs 
befte. Sie glauben nidjt mie ferjr id\ itm febäfee! €s tbut einem 
freyen Bürgersmann fo mofy, einen foleben Caoalier 3U fernen. 
<ßrüße, Hüffe, Komplimente an ganj ZTTannfjeim!" u. f. tr>. 

Zftit eigenen (JEmpfmbungen muß er dou Ketjl aus bie „munber« 
ferjöne Stabt" begrüßt fjaben. Don hier aus batierte fidj eine 
neue €pocbe feines Cebens. 8 fjier mar bie Stelle, mo er t>or 

1 3fjn fyat 3ugleidj mit ben (42) Briefen an Balberg aus bem fjanb» 
fajriftenbanbe ber Konigl. ^ofbtbliotljef 3U Ittündjen aus3ugsu>cife 3uerft oer- 
offenilidjt fjertnann Ub.be in ben Sonntags -Beilagen 3um fjamburgtfdjen 
(torrefponbenten 00m \3., 20., 27. 3unt unb <\. unb \\. 3«li t*?5. 

* t>gl. I., 5. 185 ff. 



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302 



Stragburger (Erinnerungen, paris 



\9 3 a faen härter als je vot bem 2lbgrunb eines rettungs- 
lofen prwfifaVn unb moralifdjen 3anfrotts gefianben. Xlun fuhr 
berfelbe, ber damals ein ilüdjrling aus bem €lternhaufe, ein 
biebifdter Taugenichts unb Pagabunb an ber Kepler fjeerftrafee 
gefeffen, als ruhmgefrönter, r>ielber©unberter ZHeifter ber Kunft 
bes IDeges 3urücF, mit fcrjmeicrjelfyaften «Empfehlungen bes 5ürfien 
Kaimig an ben faiferlidjen <5efanbten in paris in ber (Eafd?e, 
um bort fran3Öfifdjes Cljeater 3U ftubieren unb unter anberen 
benfelbeu preoiüe 3U ferjen, ben er t>or 3<*h r,?n in ber Selbjt« 
gefälligfeit unb 3"&olen3 feines Kneipeiiiebens glaubte über bie 
2ld]fel anferjen 3U bürfen. 

Den 2Ibfiedjer nach 3talien ^atte er bereits in IDien aus 
feinem Programm geftrichen, ba irjm bort gefagt trmrbe, bie 
Saccrjifche Truppe, um bie es ifjm cor allem 3U tfyun roar, lohne 
bie Heife nicht. 2Iuch freute er bie erheblichen Höften. Um fo 
metjr oerfprach er fidj oon paris. 5ran3Öfifdje Kunft unb fran3d* 
ftferjes Theater r^atte er bisher, oon bem einen preoiüe abgefehen, 
nur an jenen, aus <ßrö§en 3roeiten unb britten Hanges befteljenben 
IDanbertruppen ftubieren fönnen, roie fte ihm noch uulängfi in 
Hamburg bas leben fauer gemacht Ratten. €s galt jefct, an ®rt 
unb Stelle 3U prüfen, roelcher IDirfung auf ihrem nationalen 
Soben, ausgeübt oon ihren erjien ZTieifiem, biefe, t>on ben oon 
ihm für richtig erfannten (ßrunbfäfcen fo roefentlich abroeidjenbe, 
Kunftübung fähig fei. 

Die <£eit bafür roar aüerbings ein wenig tnapp bemeffen, 
3uma( für einen, ber Paris überhaupt 3um erjien Zftale fah, benn 
nur \^ Cage (r>om 2. — 2\. 3 U ») ftanben tlmt 3ur Verfügung. 
XX)enn er trofebem in biefen gebrängten Stunben eine 5üöe ber 
angenernnfien, anregenbjien unb belerjrenbjien €inbrücfe empfing, 
fo rjatte er bas nicht 3um »enigfien bem faiferlid?en (ßefanbten, 
(ßrafen Ulercy 3U banFen, ber ben beutjehen Künftler in ber 
liebensmürbigften lüeife mit ben namhafteren Vertretern ber 
parifer <Selef]rten= unb Sdjaufpielerroelt befannt machte. Der 
^eitpunft mar auch infofern für eine perfönltdje Berührung mit 
bem parifer Kunftleben günftig gewählt, als man gerabe bort 



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Parts: Die litterar. Konfieflation. Ute (Cljeater. 303 



bem beutfehen Drama unb beutfehen Cl?eatcr eine größere Be» 
achtung 3U fdjenfen begann, (Berabe bamals bereitete ber profeffor 
an ber pagenfdjule 2TT. 5 riebet, ber mit bem Ittterarifchen unb 
fünftlerifchen Parts intime Fühlung fyaüe, fein Nouveau Theatre 
allemand t>or, in bem (Boethes Claoigo 1 unb tefftngs <£milta 
ben 5ran3ofen in einer guten Überfefcung betamxt gemacht tourben. 
Der 3^Y^ e "^^ cr Berguin arbeitete an einer Bearbeitung ber 
€milta für bie fran3Öftfche Bühne, in Perfen, unb Hier et er, „von 
ber fynreifcenben Schönheit biefes Stüdes faji nnber feinen tPtüen 
entsücft", n>ar im Begriff, bie oon feinem 5reunbe oeranftaltete 
Überfefcung ber Ijamburgifcrjen Dramaturgie mit feinen 2ln« 
merfungen ^eraus3ugeben, in benen er feinen Canbsleuten berb 
bie tDaJjr^eit fagte. 2 So burfte alfo ein beutfdjer Künfller, bem 
als Schaufpteler unb als €mfüfjrer Sfjafefpeares ein fo bebeutenter 
Huf voranging, unb ber subem fo roirfungsoofl burch ben <5e* 
fanbten eingeführt war, auf ernfte Beachtung unb freunbliches 
<£ntgegenfommen rechnen. 

5ür ben eigentlichen &med ber Heife, bas (Theater 3U ferjen, 
mar hingegen bie Konfieflation nicht fo günftig. Das Theätre 
Italien befaß aflerbings in <£arltn einen Arlequino aflererften 
Hanges, toar aber gerabe rnnftctjtlid? bes ihm eigentümlichen 
Kunftjliles nur noch ein Schatten feiner einftigen Bebeutung. 
Unb auch int Theatre fran^ais roaren bie (Cräger ber großen 
Hamen entroeber com Schauplafc oerfchumnben ober 3eigten 
beutlichc Spuren bes Perfalls. preoille, einfl, für niebrig*Fomifche 
Hotten, ber viel unb mit Hecht bemunberte Hleifler, Fonnte afler- 
bings immer noch als Säule gelten, aber Spuren abnehmenber 
Kraft ©erriet auch er. Schröters Bemunberung erregte er be> 
fonbers in Bourfautis Mercure galant, roährenb er ihm im 



1 3m Claoigo mar Beaumarais' Harne auf beffen ausbrfi<flia>en 
tPunfd) in de Ronai perroanbelt, (Soetfjes roörtlidje «Entletmnngen aus bem 
memoire bagegen in ber Raffung bes Originals gegeben. 

1 Cttteratur- u. (Ebeater3citung {780, 5.67\. Die Überfefcung erfaßten 
übrigens erfi \785. 



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304 



paris: (Eljearralifdje (Etnbrürfc. 



Bourru bienfaisant bes (ßolboni, einer Holle, in ber er felbfr 
als paribom IDrantpott 1 großen €rfolg gehabt rjatte, roor^l burd? 
bie Kon|equen3 feiner Durchführung bes (Zfyatattevs, wie er 
irm einmal angelegt rjatte, imponierte, irm bagegen r>inftcf?tlid7 
ber 21uffaffung ber Holle 311m IDiberfpruch rei3te; „er Fonnte," 
er3äfjlt fein Biograph 2 „ftch nicht über3eugen, baß männlicher 
Unwille burch Finbifches, ärgerliches unb Fleinliches hinauftreiben 
ber Stimme bezeichnet werben bürfe." preoitle, meint nXeyer, 
habe fid? auf (ßolbonis Urteil berufen tonnen, ber itm in biefer 
Holle für unübertrefflich erflärt rjabe. 21ber (Bolboni rjabe feinen 
anberen gefeben. tfiir ferjeint in bem Urteil bes beutfdjen Künftlers 
über biefe 21uffaffung einer oon einem *italienifcr»en Dichter ge« 
fchaffenen unb oon einem 5ran3ofen bargeftellten Holle ber Haffen« 
unterfcrjieb 3tr>ifchen germaniferjer unb romanifcher Komif roieber 
einmal r}eroor3utreten. Der beutferje Darfteller legt bei berartigen 
Hollen bas entferjeibenbe (Seiricbt auf bie (ßefüfylstöne, er ifl 
fjumorift, ber Homane auf bie crjaraFtcriftifchen, bem Ceben ab« 
geläufigen, 3um lachen rei3enbeu <3üge, if* Komifer. 

hingegen mar Scrjröber ent3Ücft oon bem oornetjmeu, eleganten 
ITTole, bem 3&eal einen feines KomiFers, burch bie IDarjrfjeit unb 
natürlich Feit feines Spiels, befonbers als Dorcal in (5olbonis Bourru 
unb in einem Hachfpiel, Adelaide ou TAntipathie pour l'Amour, 
in bem 2T!lle. Doligny, eine überaus häjjlichc, aber in fentimentalen 
Ciebbaberinnen Dor3Üglicr/e, temperamentoolle Schaufptelerin, bie 
(Titelrolle gab. 3 m tragifchen 5od} machten ibm tieferen €inbrucF 
nur bie Sa int) al als ^p^igeme in 21ufis unb bie Haucourt als 
Cornelie im Mort de Pompee, einer Holle, bie nach ^obe 
ber Cecouorcur Feine anbore Schaufpielerin fyatte übernehmen 
wollen. Dagegen fcheint ber eigentliche Ciebling ber parifer 
Hlabame Peftris, bie bem burchgefaDenen Drama be "geüoys, 
Pierre le cruel, nachträglich sunt Siege oerhalf, ihm nicht gefallen 
3U haben, trofebem bies Drama, mit bem ermähnten Hachfpiele 



1 Dgl. oben 5. \[2 f. 
* Sa?röoer I, 5. 3*8. 



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Urteil üb. franj. Sctyrafpieffanfi. Zlod) einmal in IHann^eim. 305 

unb (Bretrys ©per Andromaque, bie einigen HepertoirftücFe waten, 
bie er 3ur (Einführung auf ber beutfehen 33ürme geeignet erachtete. 

2lHes in allem u>ar fein Urteil über bie DarjtetlungsiDeije 
ber 5ra"3ofen „in ber von irrnen einmal beliebten 2lrt" r>oll Tlncv 
fennung unb 23eu>unberung. Z>agegen fonnte er jtdj nicht baoon über» 
3eugen, ba% biefe 21rt in irgend einer IDeife ben X>or3ug oor ber 
beutfehen oerbiene. Namentlich in ber Cragöbie erflärte er bie, 
gerabe bamals auf bem parifer (Theater auffommenbe, ZtTanier, bas 
ftilgemä {je, hohe Pathos jählings burd? ben Konoerfationston 3U unter« 
brechen, für im höchften <5rabe unfünfHerifch. Unb fo fehr er felbf! 
burdj fein Seifpiel unb feine Schule burdnt>eg auch für bie Cragöbie 
fchltcr/te, realifiifche DarfMungsmittel bepor3ugte, fo roenig rooflte 
ihm bie Übertragung biefes Cones auf ein Drama gefallen, bas 
burch ben ffofjen Schtrmng ber Hebe unb ben Hr/Ytr/mus bes 
Perfes einer berartigen 23er/anblung toiberftrebte. 

Die tanbsleute, 5riebel, ber Kupferfiecher p. 21. -Wille, ber 
ZITufifbireftor 3 oh- Philipp Schönfelb, traten ihm, rote bie 
<£in$etcrmungen ber beiben erften in fein Stammbuch, unb f|in- 
ftditHdj bes lefeteren Schröbers Biograph be3eugen, in biejen ZPochen 
nahe unb beeiferten fkh, burch ihre Sreunbfcrjaft ihm ben Aufenthalt 
nicht nur tntereffant, fonbern auch behaglich 3U machen. 

3n bem Augenblicf, roo Schröber paris t>erltefj, befanb er 
jkrj auf ber HücFreife. Zlodt einmal warb, auf bringenben IDunfcrj 
ber borttgen Sreunbe, in ZHannheim am 26. 3uli Haft gemacht; 
biesmal n?ar es nur auf ein behagliches öeifammenfein abgefehen. 
Aber ba jene nicht nachließen mit 23itten, fo fpielte er auch an 
brei Abenben (am \., 2., 7. Auguft) ben 2X>efHnbier, ben (Seneral 
in Srömels Abjutanten unb ben Atr/elftan. Von biefem legten 
Cage feines Auftretens batiert Dalbergs Eintrag in fein Stammbuch : 

„IZatur unb IDafyrljeit, bie Didj leiten 

Durdj's alte treue Patterlanb, 

Befdjä'fft'gen fidj, Dir 31t bereiten 

Von teutfd?er örüber biebrer £)anb 

(Ein Denfmal eu>ig, «)ro§, brauf jeber fahret ben fann: 

Das roar ein ITIann!" 

(i^mann, Sdiröbet II. 20 



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506 Befndj in «Sot^a un^ Jüeimar. XücFfet}r. Heue HoUen. 



Tim 9. 2luguft brad? er oon Znannbetm auf unb mad?te 
bei <5otter in (Botba 00m J2. bis 311m \6. Haft, lüddj ein 
2lbfianb 5wifd>en jenem erjten 8efudj cor pier 3afr*n! Damals 
£Ff?of nodf am Ceben unb bas <5otb,aer Cfyeater eine pflan$= 
ftätte frtfdj auffirebenber (Talente, ber Sefudfer felbfl ein auger 
F>alb feines unmittelbaren IDtrfensfreifes fyödjflens bem Hamen 
nadj 23eFannter; heute €Fhof im (ßrabe, feine KünfHer in alle 
IDinbe serftreut, <J3otter in enge <3irfel etngefponnen, unb ber 
Sreunb aus ber irembe, ber (Träger eines von Z>eutfd?Umbs 
5ürften, DeuFern unb Diestern laut gepriefenen Hamens! Hlan 
begreift, wie (ßotter unter bem <£ inbruef biefer <£mpfmbungen bem 
$reunbe bas IDort ins Stammbuch, fdjrieb: 

„Dafc Du bie Cempe! befucrjtefi, bie 2Tfelpomene unter ben 
Deutfdjen bat, bafür lohnt Dich himmelanfieigenber EDeibraud? 
unb bie 33ewunberung <5ermaniens unb bie 2ld}tung feiner Be* 
herrfdjer, wie fte, oor Dir, nod? Keinem warb. 2lber bafj Dich 
Corbeerbebecfter bas £>ergi§meinnicht am Bache nod? reist, — (D 
wie fann Dir mein Fjers bas banfen?" 

2lm ^5. 2(uguft war er von (Sotfya aus mit bem 5reunbe 
3ufammeii in lüeimar, unb „3ur €rinnerung eines ZTTorgenfpaster« 
gangs seidjnete ftch ber Dichter bes (ßöfc oon Berltdjmgen in bas 
Stammbudj bes Schaufpielers, beffen Ceben unb XDirFen er für 
feinen Serlo fo manchen cbaraFterifHfchen gug perbanFt. 

Had) swettägigem Aufenthalte in Sraunfdjweig traf 5d?röber 
am 2\. 2luguft wieber in Hamburg ein unb fanb bie öülme 
bereits „in etwas oerwirrten Umftänben" vor. Wenn er auch 
bas fjauptübel, woran fie FranFte, ben UTangel einer energtfeheu 
einheitlichen Ceitung, nidyt feilen Fonnte, fo fledte er feine 
gan3e Kraft als Sdjaufpieler unb Hegiffeur 3ur Perfügung. 3 n 
nicht weniger als swölf neuen Hollen erfdnen er oom 29. 2luguft 
bis <£nbe Desember auf ber Bühne. <5um erften HTale gab er 
ben paul XDcrner in ber CTlmna, ben (Drosman in ber ^atre, 
ben (ßuelfo in Klingers Twillingen. Zflit lefcterer Holle, bie er 
am 27. September 3uerft gab, ging es ebenfo, wie mit fjamlet. 
BrocFmanns Ceijhmg, bie bisher alle gerabe in biefer wilb leiben 



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ZTac^iptrfnng ber Heifeeinbriicfe. 



307 



fdfaftlid^en partie bewunbert Ratten, warb burcb, SdjrÖber tot ge» 
madn\ €r tobte unb rajte nidjt fo wie jener, aber gerabe bas 
innerlich freffenbe ieuer öer teibenfdjaft, bas feine Hlienen, feine 
IDorte nur erraten ließen, wirftc um fo erfdfütternber. Durdj feine 
Darfteüung roar bas Stücf 3U neuem £eben erwadjt unb barjer 
ber Didjter boppelt 3U beflagen, bafc irmt biefes Sd>aufpiel für 
immer entging. 2luf ber Durchreife nad? Petersburg tjatte 
Kling er faum \$ (Lage vorder erfl Hamburg berührt. „Marte 
Venereque" lautet fein Stamm bud> ein trag 00m \%. September. 

<£s waren reid)bewegte IDocrjen, unb tro^bem er ben 2lb* 
ftanb ber fühlen ^urücfb.altung bes publifums, „weldjes richtig 
urteilt, aber aufs rjödjfie fagt: ber rjat gut gefpielt! beffen <5efürjl 
fo oerbärtet ift, ba& es nie 3U Coronen gebradtf werben fann", 1 
im (ßegenfafe 3U ben liebenswürbigen, temperamentvollen Süb» 
beutfdjen, „weldje füllen unb bie ber Sdfaufpieler in (Eäufcrjung 
oerfefeen Fann, ba§ jie Sdjaufpiel, Sd?aufpieler unb S;baufpiel» 
frjaus uergeffen" jefet fefjr empfanb, fo roarb bod? feine £f?atfraft 
baburdj nid?t gelähmt. Z>iefe 5reubigFeit unb CebenbigFeit 
fdnen fidj aud) feiner Umgebung mit3uteilen. Boie, ber Anfang 
September in Hamburg ftd? auffielt, roar gan3 überrafd?t t>on ber 
Pcränberung, bie mit Sdjröbers 5rau oorgegangen. „Sie mufc 
notr/wenbig jefct beffer fpielen" fdjrieb er, 2 „ba fte audj in anberer 
^Ibfidjt ftd? gan3 geänbert tjat. Sie ift etwas ftärfer geworben 
unb ib,re Sigur fyat fleh, baburd? mebr gehoben unb fie ift über* 
biefc munter in <ßefeüfd?aft, unb fpridjt irjr VOottdien mit." 

Dem (ßuelfo lie§ Sdjröber fdjon am 4. <DF tober ben (Brafeu 
ZDobmar in (Semmingens fjausoater folgen, unb wir bürfen wor>I 
feinem Biographen (Blauben fdjenFen, baff bie liebenswürbige 2inmut 
unb männlidje iDürbe, bie biefer HaraFter verlangt, tb,m oorsüg= 
lieb, gelangen, „äußere IDürbe unb ffobeit mit innerer oerbunben, 
Kürjrung mit ^eftigfeit, r/ödjfie 2Infprud?sIojigFeit mit Selbft» 
bewufjtfein, ungeFüufielte fjerablaffung, Sdjer3, (ßefäüigFeit unb 



1 Brief an IHefer vom \.<Dttobet \~so. Weyer, Sdjrö&er I, S. 352. 
» Tin £uife IHeyer 5. 6. September 1780. 



308 SAröber als <5raf tDobmar. 2lbfa^Iufj mit Wien. 



fd?Iid?tcr Sinn bei adeligen Sitten, fonnten nicht treffender bar» 
gefieHt werden. Unter dem Dielen (Suten, was ihm der Dichter 
in den HTund gelegt, ijl einiges weder neu noch tief gefchöpft : 
aber Schröder gab es auch orrne <5ewicht darauf 3U legen. Seine 
bedeutenden Heden und Zählungen hingegen roaren ZlTeifler* 
ftücfe des Vortrags. Die Ceichtigfeit und (Sewandthett, womit 
er ftdf in feinem prächtigen und gefchmacfoollen 2ln3uge bewegte, 
ooflendeten die wtflfommene €rfcheinung." 

Der Künfiler offenbarte in diefer Holle wieder eine ganj neue 
Seite feines (Talentes, und oielleicht ift auf die befonders betonte 
Pornerjmfyeit und weltmännifctje Haltung das Dorbild des, in diefer 
^infterjt unübertrefflichen, ZTTole nicht ofme <£influ§ gewefen. 3" 
einer Holle des lefcteren oerfuchte er fiel? noch in diefem IDinter, als 
5aroiöe in der Adelaide, die er gleich nach feiner Hücffebr von 
paris in profa überfefet hatte. <£s war eine £iebhaberroHe, 3U deren 
Übernahme irm Doght 3uin Dorteil des Stüdes überredet Bjatte, 
denn es gefiel in diefer Befefcung fo, dafj es oiermal hinterein- 
ander wiederholt werden mufjte. 

IDenige (Tage Dorfyer war die endgültige «Entfdjeidung über 
Schröders nächfte <£u fünft gefallen, ^unächft auf ein 3 a h r K> ar 
er Don (Dftem ^78^ an die Liener Sühne gebunden unter fo 
glasenden Bedingungen, wie jte nie 3W>or einem deutfdjen Schau« 
fpieler an irgend einer deutfehen Bühne 3ugefianden waren, und 
die in geradesu fomifchen Kontrajt 3U dem bisherigen IDochcngehalt 
pon \6 (Ehalern ftanden. 1 €r fclbfr erhielt einen 3<*h*esgehalt 
oon 2550 (Sulden, feine 5rau ^50 <5ulden. 

So ftand Schröder alfo 3um 3«>eiten Zftale im Begriff, 
3U freierer Entfaltung feiner Kräfte das Band 3U löfen, das ihn 
mit der £?amburgifchen Bühne oerfnüpfte. <<)um Stetten H?ale 
galt es, wie r>or \% 3<*h* e "/ in ber $remde ein (Slücf 3U fuchen, 
das ihm im 21ugenblicf die Heimat nicht gewähren 3U Fönnen 



1 JDieoiel er felbft als tflitglieb unter der neuen Hamburger Direftiou 
erhielt, ift nirfjt befannt ; feine ^ rau erhielt ein Woa)enqebaU von 3U>olf 
(Efyalcru (gegen bisher 5!). 



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£ctjte Begegnung mit Cefftng. 



309 



fdjien, unb wieget freute ficf?, jefct sunt lefcten ZTTale, an btefem 
IDenbepunfte [eines Sdncffals fein JDeg mit bem teffings. 21ber 
währenb ber jüngere Sreunb fid? rüftete, äße 5egel bei3ufefeen 311 
luftiger 5ahrt ins iDeite, rüftete fid? jener sur fjeimfeJjr in ben 
tefeten £}afen. 

Dom 7. bis 29- (Öftober weilte Ceffing in Hamburg, aber bic 
^reube, bic er feinen bortigen ^reunben 3U bereiten gebadet h<*tte, 
warb jenen empftnblich getrübt burdj ben 2lnblicf feiner »erfatlenben 
Kräfte. 5ür Sdjröber oerfnüpften ftdj mit feinem Hamen bie 
teuerjlen perfönlidjen Erinnerungen, unb feit ber egmilia (Salotti, 
dem in feinen Zlugen fein anberes in beutfdjer Sprache gefdfriebenes 
Drama gleichfam, Ijatte er audj äußerlid? teffmg mit ber tjambnr- 
gifchen 3üBme baburd? enger 3U oerbinben gefudjt, ba§ er 
ihm oertragsmäfcig für jebes ungebruefte aufführbare Schaufpiel 
\0O 5pe3iesbufaten 3uftd?ertc. 3m Ztathan wteber, ber cor 3ahres= 
frifi erfdjienen war, fyatte Schröber fo fefyr ben geläuterten, r>cr 
flärten 2iusbrucf feiner eigenften (gefügte unb (ßebanfen gefunben, 
ba§ ir/m bies Iüerf faft als ein beiliges gemeintes önch galt. 
Crofc feiner Begeiferung bafür, unb trofo ber Dorliebe unb 
tfleifterfchaft, mit ber er im oectrauten Kreife baraus oorsutragen 
pflegte, rjat er fidj benn aud? nie entfd?Iie§en tonnen, es ber 
lüiflfür unb ben Caunen eines gewöhnlichen Cljeaterpublifums 
preis3ugeben. So war Ceffing ihm ber Inbegriff ber Ijöc^fteu 
ftttlidfen unb fünftlerifd?en 3oeale, benen er felbft nacheiferte, unb 
jebe Berührung mit ihm ein (Sewinn fürs Ceben. Doppelt fd?mer3« 
lief? jefct ber cginbruef, ba er fidj fagen mufcte, es ift bas lefcte 2Tüal 

tt>as bie Reiben in ben Stunben, bie ber mübe Dichter im 
£}aufe im ©pernfyofe 3ubrad)te, miteinanber über Pergangenljeit 
unb ^ufunft ber Kunfi, bie ihnen beiben am fje^en lag, aus* 
getaufdft haben, ift uns ebenfo wenig aufbewahrt, wie ber 3"h a ^ 
i^rer (ßefprädje, »ie^elm 3 a & rc früher. 

2lber ein geugnis ift uns bodj erhalten : Der Beifefegen, 
welchen ber 2tteif*er, ber 3um legten ZTIalc am (2. ©f tober unter 
Schröters Dad?e geweilt, am 20. ©ftober ibm in bas Stammbud? 
fchrieb: 



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3^0 



Sdjröber über bie Aufgaben feiner Kunft. 



„Da§ öeffaü Didj nidjt f%ol3, titelt (Eabel furd^tfam madje! 
Des Känfilers Sdjätjung ifl nidjt jebes tfßlilers Sadje! 
Denn aud? ben BHnben brennt bas £id}t, 
llnb n>er Didj füllte, ^reunb, rerfianb Did> barum nidrtV* 

«Iroft für ©ergangene €nttäufd]ungen, ZPamung r>or fünftigen 
3üufionen in berebter Kür$e 3itfammengebrängt. (Ereffenber tonnte 
bas, roorauf es für ScrjrÖöer in liefern 2lugenblicfe feines Cebens 
anfam, nid?t in tPorten ausgebrüeft roerben. 

Tin einem ber folgenben 2lbenbe biefes IDinters 1 braefr/te bei 
ber Durdjblätterung bes Stammbuches ber 21nblicf oon £effmgs 
„geliebten Sdjrifaügen", »ie uns Scrjröbers Biograph crjä^It, 
ben jungen 5reunb 3ur Äußerung ber öeforgnis cor bem (Einfluß 
„gebrannter Ölinber auf unoerftänbige Sebenbe", unb gab baburd? 
Sdjröber 2tnlafj, jtd} felbfi über feine 2luffaffung feiner nädfften 
Aufgaben aus3ufpred|en, bereu iDortlaut an biefer Stelle md?t 
entbehrt werben fann: „3d? mu§ erfahren, woran idj mit 
bor Kunft bin," antwortete Sd7röber. „Was id? gefefjen unb fennen 
gelernt, I?at mid) in meinen 03runbfäfeen beftärft. <£s mag feyn, baß 
jebe meiner ein3elncn Hollen oon einem Sdjaufpieler übertroffen wirb, 
ben feine perfönlidtfeit ober feine nähere SeFanntfdjaft mit ben 
gefdjilberten Derrjältniffen mefjr als mid? für jie begünjiigen. 2lber 
es ijl feine eigentliche Kunji ftd} felbft 3U fpielen. Das roirb jebem 
ocrflänbigen Uicrjtfd^aufpieler gelingen, ber gut 3U fpredjen unb jid? 
anflänbig 3U benehmen toeifj. T>er allein fdjeint mir eine roirfltdje 
Kunftfhife erftiegen 3U Bjaben, ber jeben Cfjarafter fo auffaßt, ba§ 
fiefj ir^m nid?ts ^rernbes beimiferjt; bag er nidjt blos an eine all- 
gemeine (ßattung malmt, fonbem ficr? aud? oon feinen Derwanbten 



1 IHeycr, Sdjröber T, S. 336 f., perlegt bie Unterrebung allerbings ein 
3aln- früher, in ben ZPinter 1779/80, etje Sdjröber feine Hetfe antrat. Der 
Irrtum liegt aber auf ber ßanb. IDarjrfdjeinlid} ift IHeyer bei ber 2Inorbnnng 
baburdj irre geführt roorben, baß Sdjröbcr oon ber $ufunft fpriajt, bie »Im 
lehren folle. 2lber Sdjröbcr betrachtete eben bas (Engagement nadj tüten als 
einen folgen Derfucb,, roie er benn andj in feinen Briefen immer nnr oon 
einer „Keife" nad? Wien fpridjt. 



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Sdfrdber über bie Aufgaben feiner Kunfh 



burch eigentümliche £>üge unterfchetbet, bie er aus feiner Kunbe her* 
nimmt, um ben IDünfcrjen bes Dichters 3U entfpreerjen. Das unter* 
fcheibet ben Schaufpieler oon bem guten Dorlefer unb Declamator. 
Der lefcte Fann ben ^ufchauer, fo lange er irm mit bem erfteu 
noch nicht perglichen b t at, fer^r beliebigen. 2lber fobalb er tiefen 
fleht, mu§ er begreifen, ba§ er Porb,er nur an bie perfon erinnert 
roorben, bie er jefet felbfi erblicft. Dahin meine ich es gebracht 
5U haben. 3ch glaube Ellies ausbrüefen 3U Fönnen, 
toas ber Dichter, wenn er ber Ztatur treu geblieben 
ifi, burch bie lüorte ober £}anblungen feiner Per* 
fönen ausbrüefen roollen; unb td> hoffe in Feinem Stüde 
hinter ben billigen iorberungen bes 21Tenfchenfenners 3urücF« 
3ubleiben, ohne einen anberen Spiegel $u Hate 3U 3ierjen, als ben 
ber lOahrheit. Die Kunft Fann nicht mehr auf3ufaffen begehren, 
roenn fie nicht Künftelei roerben roill. Sie fehen, roarum mir ber 
rtaturfohn 5haFefpeare 2lHes fo (eicht unb fo 3U Dan! macht; 
toarum mir manche fehr berounberte unb bichterifch glänsenbe 
Stelle Kampf unb 2(nfhrengung Foftet, um fie mit ber Hatur aus» 
3iigleichen; roarum ich fte gleichfam oerrotfehen mu§, bamit fie 
bem Cfyarafter nicht roiberfpreche. <£s Fommt mir gar nicht barauf 
an 3U fchimmern unb herpor3uflecbeu, fonbern aus3ufüüen unb 3U 
fein. 3*h u>iß jeber Holle geben roas ihr gebort, nicht mehr unb 
nicht roeniger. Daburch mu§ jebe roerben, roas Feine anbere fein 
Fann. Die HidjtigFeit biefes öeflrebens roirb man meinem Perflanbe 
nicht oerbächtig machen. Darauf Fommt es an 3U erproben, ob 
es mir gelungen ift. Unb bas perbürgt mir roeber bas Urteil 
meiner 5reunbe, noch ber Kenner allein. 3*ne fmb an mich 
geroörmt; unb biefe Fönnen beftechlich roerben, roeil fie einer großen 
IDahrheit Emsigen. Sie mögen nicht rechten, roo bie blo§e 
2(bftcht ihren tDünfdfen jufagt. IDirFIidjes Perbienfi beroährt ftet? 
baburch/ ba§ es bie Vorurteile oernidjtet. 33in ich, roas ich 3u 
fein nicht Per3»eifle, fo mu§ aller hcrFömmliche 3rctum, 2lües, 
roas Kunft 3U fein glaubt, ohuerachtet es ber ZTatur roiberfprid)t, 
ber <Erfch«nung ber Funfigebilbeten Hatur roeichen; fo mu§ id? 
auf ben unroiffenbfleu «gufdjauer roirFen, roie auf ben gelehrteren, 



3\2 



Seftte Hollen. 



fo muß jeber 3Ii<f in fein eigenes £fer3 ben 21nroefenben übet« 
3eugen, er fefje von mir, was er fefyen fotle." 1 

5o Flar, fd?arf umriffen ftanben irmt bie Konturen feines fünft* 
lerifd?en 3öeals oor klugen, fo fidler unb fejt ruljte jebe fletnfie 
Huancc feiner Darfteüung auf einer burdj feinerlei effeftfyafdjerifd?e 
IDtnfelsüge 3U beirrenben 2Infdjauung, fo frarf war in trmt öer IPiUe 
uub bas Vermögen, bas richtig €rfannte in Ctjat um3ufefcen. 
Das war es, was irmi, außer feiner angeborenen Begabung, in 
biefer €podie feines Cebens bie fdjranfenlofe ZHadjt über bie 
Seelen ber ^ufdjauer gab; er fpielte auf ifmen, wie auf ben 
Saiten eines 3"ftnunents bie fjanb bes ZHeifiers. 

21ud} bas lefete Vierteljahr, bas erfle bes neuen 3arjres mar 
für Sdjröber arbeitsreidf unb bewegt wie nur je. Der IDiber* 
ftreit ber (BefdjmacFsrtcrftungen im Sdjofje ber DireFtion, ber 
fd?on im fjcrbft eine &aite roieber auf bie öübne gebradjt blatte, 
3wang ifm, am \5. 3anuar in einer gefdmtacflofen, bie ^üge bes 
(Driginals bis 3ur völligen UnfenntlidjFeit oerwifdjenben 23e* 
arbeitung oon Sfjafefpeares gäfymung ber IDiberfpenfttgen, 2 am 
\2. Februar in Voltaires Canfreb unb am 28. in Cörrings büJmen* 
wirffamem unb ergreifenbem Hitterbrama eignes Seniauer bie 
oerfcr/iebenjten Stilgattungen 3U pertreten unb einer jeben ifyr 
Kedjt 3U teil »erben 3U laffen. 2Us fyx$oq Ulbtedit in Cörring* 
Drama erwärmte er fogar feine „füfjüofen" Hamburger fo, ba§ jte 
irm — «>as bisfjer nod? nie einem Sdjaufpieler in Hamburg 
gefdjefjen — nad? ber VorßeHung rjerausriefen. XDenn fie bamit 
meinten, iJmt eine befonbere 5reube 3U machen, fo irrten fte 
fretltd? fetjr. 

2Tiit ber ttlitte bes OTär3 fanb bie XDinferfaifon ib,r €nbe, 



1 Sofort mad)te ihn Weyer aufmerffam auf bie merfroärbige Überetn- 
jttmmnng biefes ans eigenfter perfönlidjer (Erfahrung gefdjSpften (Srunbfatjes 
mit bem <£iceronianifd?en: Est summi oratoris tummom oratorem popnlo 
videri. Nunquam de bono et malo oratore doctis hominibus cum populo 
dissensio mit. 

* Unter bem Ittel „Die be3at{mte IDiberbellerin ober <8asner ber 
Streite". Bearbeiter mar Sdjtnf. 



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Üeffnigs Cobtenfeier. abfdjieb von Hamburg. 3j3 



unb bamit Ejatte für Sdjröber unb feine 5rau enbgültig bie 
Sdieibejhinbe oon ber Büfme, bie ilm sunt ZHetper Ijatte roadffen 
felien, gefef? lagen. 

Tibet Dörfer galt es nodj, eine lefctc Pflicht 3U erfüllen. 

21 m (5. $ebruar ^atte Cef fing in ZDolfenbüttel bie 2(ugen 
aefdjl offen. 2lm 9* 217ä r 3 warb auf ber fjamburgifdfen 23ülme 
eine Crauerfeier begangen. 2T7an gab <£milia <5alotti. Zlad} 
bent Stüde begann eine feierlidje Znuftf, tx>äf?renb »eldjer ber 
Porbang aufrollte: auf ber fdjtoars ©ergangenen 33ütme ftanb bas 
gan$e perfonal in tiefer (Erauer um eine, auf erstem poftament 
rufjenbe, Urne gruppiert. (Befang folgte, bann fprad? Sdjröber 
bie uon 2>'2lrien gebiä?tete Crauerrebe. 

21d?t £age barauf, am \6. ZKärs \7S\ f traten Scbröber unb 
feine 5rau 3um legten ZTTalc im 2ltl>elftou auf. 33eibe fpradfen 
nadj bem Sdflufj bes Dramas in gereimten Heben bem publicum 
ifyren Danf unb ifjre (Trauer über bie beuorftetjenbe 21bfd}iebsfiunbe 
aus. 23eibe aber betonten mit richtigem Caft, ba§ ifyrcs Wersens 
freier EDille fte in bie $eme $ie^e; unb sumScfjlufj gab bie $rau 
auä? ber Hoffnung auf IDieberreljr Jlusbrucf: 

„(Es wäre ftfyrecfftd}, f5tm mit nidjt von weiten 

Die Hoffnung unfrer tDieberfetn*. 

ta%t uns tlu* ^reunbe biefen (Eroft begleiten, 

Dag es (Eudj etnfi a>illfommen mar, 

Wenn mit, bie itjt naa> meljr Dollfommenlfeiten ftreben, 

So ausgerüftet, bann allein für Hamburg leben." 

21uo7 bas mar feine pfjrafe. 

2lls Heifenbe, nidjt als Slusnxmberer sogen fte in bie 5erne. 

Die Hamburger <5aleriebefud?er aber, beren tiebling Sdjröber 
in allen p^afen feiner <£ntu>icfelung geroefen, faßten itjre 2lbfd}iebs« 
Kimmung in bie IDorte: „fje fpeelt n>af?rf}aftig goob! aberft nu 
geity fje u>eg, be unbanfboare Keerl! l£>ie ^efft em biflb't! w 

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6 §. 15 p. o. 1.: tuurbe ftatt tuerbe 

5^ „ 5 p. o. I. : 2IoIus ftatt 2lolus 

60 „ i p. u. I.: 3unt ftatt IHat 

73 „ 7 p. u. 1.: nidjts ftatt nta?t 
109 „ 5 p. n. I.: entftefienben ftatt einfielt enben 
W\ „ u p. u. I.: ba§ uns nodj flatt bag wir uns noa> 
1*5 „ 2 p. o. I.: brain." ftatt brain. 
» 53 „ 6 p. n. 1.: aus ber ftatt ausber 
^oHnm. 1 §. \ l. : 2lnm. flatt 2Inm; 
J74. §. 2 p. u. [.: entpuppte, ftatt entpuppte 

„ „ \ p. u. I.: als tfreunb flatt nt d>t nur als einen 

^freunb 

189 „ u »• u. I.: übliche ftatt üblichen 

<92 „ 6 p. o. I.: 3ol?. H i fi ftatt 3. Hl. Kift 

200 Überfäjrift I.: JPirfung bes (Erfolges ftatt r>or- 

ftellnng bes (Erfolges 
205 §. 6 p. 0. \.\ ber pierte ftatt ber pierten 
2\\ „ \2 p. 0. I. : um ben ftatt um bie 



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