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Full text of "Napoleon I. sein leben und seine zeit"

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F.  M.  KIRCHEISEN:  NAPOLEON  I. 


ALLE  KECHTE  VORBEHALTEN.  COPYRIGHT  1814 
BY  F.  M.  KIBC'JIBISEN,  GESEVB.  DRUCK  DBB 
SI'AMERS(.H£N  BÜCHDRÜCKBRBI  IN  LEIPZIG 


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NAPOLEON  I. 

SEIN  LEBEN  ÜND  SEINE  ZEH 

VON 

FRIEDRICH  M.  KiaCHEISEN 

BBILDUSaSN.  FAKSIS 
CARTEX  VtlD  PLÄXEI 

DRITTER  BASD 


MÜNCHEN  USD  LEIPZIG  1914  BEI  GEOEG  JiÜLl.ER 


VORWORT  ZUM  DRITTEN  BAND 


Dieser  dritte  Band  behandelt  —  abgeeehen  von  dem  See- 
krieg vonl793  bis  1798 — kaum  zwei  Jahre  au8  dem  Leben 
Kapoleons,  doch  zwei  Jahre,  die  überaus  reiah  an  wichtigen 
Er^gniesen  waren.  Wir  beizten  niuem  Hdden  Ton  Mai- 
land duioh  die  Schweiz  nach  Rastatt,  wo  er  als  Vorsitzen- 
der der  französischen  Oesandtechaft  den  Kongreß  mit  d^ 
Vertretern  des  Deutschen  Seichs  eröffnete.  Trotz  seiner 
Jugend  begrüßte  nnd  behandelte  man  ihn  allerorts  wie  einen 
Herrscher,  so  sehr  waren  seine  glänzenden  Eriolge  in  den 
lindem,  die  er  wie  im  Fluge  durcheilte,  bekannt  geworden. 
Er  schien  durchaus  nicht  -verlegen  zu  sein,  daß  man  ihm 
Huldigungen  darbrachte,  die  nur  gekrönten  H&nptem  zn- 
kniiien.  Auch  in  Paris  wurde  er  auf  das  schmeichelhaftste 
empfangBD,  doch  galt  dieser  Empfang,  den  ihm  das  Volk  be- 
reitete, mehr  dem  Friedensschließer  als  dem  siegreichen 
Sohlachtenlenker.  Das  Direktorium  hingegen,  dae  dem  Gene- 
ral wegen  seiner  eigenmächtigen  Handlungsweise  beimFrie- 
densabschlnß  ronCampof  ormido  noch  grollte,  sah  ihn  ungern 
tmd  begünstigte  seine  Entfernung  aus  der  Hauptstadt,  da  es 
des  Generals  Volkstümlichkeit  fürchtet«. 

Noch  T^Iurend  Bonaparte  in  Italien  weilte,  hatte  ihn 
seine  Begiemng  znm  Oberbefehlshaber  des  Heeres  von  Eng- 
land ernannt.  Als  eat  dann  nach  Paris  zurückgekehrt  war, 
mußte  er  sich  bei  einer  Besichtigungsreise  nach  der  Nord- 
küste  Frankreichs  und  Belgiens  von  der  Unmc^lichkeit 

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übeiveugen,  schon  jetzt  einen  Feldzug  nach  dem  Iiiscl- 
reiuh  zu  unternehmen.  Vielmehr  richteten  sich  seine  Blicke 
wieder  nach  dem  Orient,  In  Gemeinschaft  mit  Talleyrand. 
entwickelte  sich  der  Plan  eines  Peldzuges  nach  Ägypten. 

Während  sicli  Bonaparte  in  Paris  und  auf  der  Reise  nacli 
den  Küsten  befand,  brach  in  Rom  ein  Aufstand  aus,  der 
durch  französische  Waffen  niedergeworfen  ward.  Er  hatte 
zur  Folge,  daß  Europa  um  eine  neue  Republik  bereichert 
wurde.  B^e  im  französischen  Heere  ausgebrochene  weit- 
verzweigte Verschwörung  gefährdete  das  Dasein  der  Rö- 
mischen Republik;  das  Komplott  wurde  aber  noch  recht- 
zeitig iint«idrückt,  ehe  ea  dem  französischen  Einfluß  in 
Italien  von  größerem  Schaden  werden  konnte.  Auch  in  die 
Angelegenheiten  der  Schweiz  mengte  steh  das  Direktorium 
und  ließ  teils  durch  List,  teils  durch  Waffengewalt  die 
wichtigsten  Kantone  des  Landes  besetzen. 

Der  noch  während  Bonapartes  Anwesenheit  in  Rostatl: 
begonnene  Kongreß  tagte  fort.  Ein  Zvisohenfall  in  Wien, 
der  durch  Unvoreiohtigkeit  des  fruizöBisohen  Gesandten 
Betnadotte  verorsocht  worden  war,  hätte  die  Friedenaarbeit 
der  Gesaadten  beinahe  zunichte  gemacht  und  die  Kriegs- 
fackel von  neuem  auflodern  lassen. 

Nachdem  der  Feldzug  nach  dem  Fhaiaonenlande  einmtJ 
beso blossen  war,  ging  Bonaparte  mib  Feuereifer  an  die  Ver- 
wirklichung seiner  Pläne.  Wir  folgen  ihm  von  Poiia  nach 
Toulon,  von  dort  nach  Malta,  und  nachdem  diese  Feste  dea 
Johanniterordens  den  Franzosen  in  die  Hände  gefallen  war, 
nach  Alexandria.  Bonaparte  war  glücklich  der  Verfolgung 
Nelsons  entgangen.  Nach  seiner  Ankunft  in  Ägypten  machte 
er  sich  sofort  an  die  Eroberung  des  Landes.  Nach  einem  be- 
schwerlichen MfUBch  durch  die  \^'üste  schlug  er  die  Mame- 
lucken bei  KobraMt  und  den  Pyramiden,  leitete  im  ^rbst 
von  Kairo  aus  die  Verwaltung  der  neuen  Kolonie  und  machte 
gegen  Jahresschluß  einen  Vorstoß  nach  Suez.  Dabei  entdeckte 

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er  die  Spuren  des  alton  Kanals,  dercheiiials  daa  Rot©  mit  dorn 
MittoUändischßTi  Meere  verbunden  hatte.  Währenddessen 
setzte  Deaaix  dem  in  der  Schlacht  bei  den  Pyramiden  ent- 
kommenen Murad-Bei  nach  und  vollendete  die  Erobemng 
Oberägyptens  bis  zu  den  NUfälien. 

Die  Vernichtung  der  französischen  Flotte  bei  Abukir 
änderte  nicht  viel  an  den  weit  sc  hau  enden  Plänen  Bona- 
partes, ebensowenig  der  Aufstand  in  Kairo,  der  liald  unter- 
drückt wurde.  Da  es  jetzt  keine  Fi'indi^  mvhr  in  Ägypten  zu 
bekämpfen  gab,  die  Beruhigung  und  dli'  Hcsiedching  des 
Landes  immer  größere  Fortechrü  tf  maolite,  bwuhloli  Bona- 
partc, die  tiirkisclip  Macht  iti  Syrien  anzugreifen,  um  einem 
Einfall  der  Türken  in  Ägypten  ziivor/ukommen.  Die  Be- 
schreibung dieses  Zuge.-i  nach  Syrien  wird  den  vierten  Band 
meines  Werkes  eröffnen. 

Während  der  zweite  Band  fast  ausseUlielilicli  den  itiilieni- 
.'ichcn  Feldzug  der  Jahre  1796  und  1707  behandelte,  ist  dieser 
dritte  Band  nur  zum  Teil  knegenschen  Kreigniasen  gewid- 
met. Rr  enthalt  zahlreiche  Kapitel  über  politische,  diplo- 
matische. Ivultur- und  fteegeschic'hte.  Auch  einige  .\bschnitt-e 
Bind  darin  enthalten,  die  Bniiaparte  als  Privatmann  behan- 
deln. Besonders  gebe  ich.  wie  übrigens  auch  in  den  ersten 
beiden  Banden  zuvor,  fast  lag  für  lag  die  Tätigkeit  und 
den  Aufenthalt  Bonapartes  an.  soweit  dies  durch  Einzel- 
forschungen  festgestellt  werden  konnte. 

Wie  m  keinem  Bande  zuvor  bni  leh  in  der  l-.age  gewesen. 
Neues  zu  bringen,  sei  es  an  Tatsachen,  sei  es  an  üenbacli  tu  Il- 
gen und  ft  ertsehntzunsren.  /um  ersten  ^[ale  erfiilirt  der 
IjCser  die  genauen  l'-iuzelheiten  über  die  keise  bonaparfes 
durch  die  Schwei?^  und  wahrend  seines  kurxen  Aufenthaltes 
inllastatt  und  Paris.  Dem  Plane  eines  Keldzuges  Uiieh  Eng- 
land, der  in  den  meisten  Darstellungen  mcht  nur  völlig 
vemaohlBssigt,  sondern  meist  ^  nie  ernstlich  beabsichtigt 
hingestellt  wird,  ist  eine  eii^hende  Untersuchung  gewid- 


IX 


inet  worden,  (iicichfalls  ist  die  Frage,  wie  der  Entwurf  zum 
ägyptiseliKii  Feld/upe  cutstaiid,  fingetieiid  erörtert  worden. 
Ebensowenig  war  hislier  bekannt,  dülJ  von  dem  Plan  zum 
Fcldziige  nach  Ägypten  nielit  nur  giina  wenige,  «ondern 
sogar  viele  Personen  wußten.  Aber  aueh  in  dicKem  .Falle 
haben  die  {Je.seliiehtuscbreiber  sich  zuviel  auf  Bourrienne 
und  andere  unsichere  Menioirenseln'eiber  verlassen.  Ich 
glaube  jetzt  endgültig  das  l.linikel.  das  über  diesen  beiden 
Plänen  geschwebt,  Lfelichlet  und  den  Zu^;<lllnllenllang  fest- 
gestellt zn  haben.  Wcni;:  ist.  amli  liisber  iihei-  die  Fahrt 
Ponapartcs  nach  Ägypten  imd  das  Leben  an  Hord  der  Flotte 
bekannt  gewesen. 

Die  kriegeriscbeTi  h:rei5:nissc  .selbst  sind  seit  Erscheinen 
der  trefflichen  Dokumentensajundung  über  den  ägvi>ti- 
schen  Foldzug  des  französischen  Generals tabsoffi^iers  La 
Jontjuicre  genau  beicannt  geworden.  Aul  (Jrund  dieses  aus- 
gezeichneten Werkes  und  anderer  Dokumente  habe  ich  die 
Forschlingen  La  .lonquiere.s  noch  hier  und  da  erganzen 
können.  Neues  erfalirt  der  lA'ser  aueh  aii.s  dem  Kapitel  über 
die  ägyptischen  Zustände  vor  und  wälirend  des  Einfalls 
der  FraiiKOsen  sowie  über  die  Errichtung  des  Instituts  von 
Ägypten  und  über  die  Reise  llonapartes  nach  Suez.  heliheS- 
lich  möclite  ich  auch  noi^h  die  Darstellung  dts  S,(.kri(g 
(]79;i— 17!)7|  erwähnen,  die  hislier  in  auOerenglischen  \\  er- 
ken  naliezu  vollkoiiinien  vernachlässigt  wurde.  Auch  über 
die  Faiirt  Xelsona  von  Gibraltar  nach  Ägypten,  sowie  über 
die  Seeschlacht  von  Abuür,  habe  ich  auf  Grund  neu  bekannt 
gewordener  Papiere  eine  genauere  Darstellung  als  bisher 
geben  können. 

Spezialuntersuchungen  haben  wohl  den  Vorteil,  die  Tat- 
sachen und  handelnden  Personen  bis  ins  einzelne  kennen 
zu  lernen,  doch  gewinnt  man  oft  ein  f  alaohes  Bild  von  ihnen. 
Nur  die  Gesamtforschung,  die  auf  Grund  der  Dokument« 
und  Sonderforachungen  aufgebaut  worden  ist,  wird  uns  ein 


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der  Wahrheit  nahckoniiiiciulfs  lüiil  vcrü;iiiL:uiifr  Zfitfii 
zurückrufen.  Soiat  es  auch  bei  Napohiun.  i>  ivonig  Sondor- 
forschungen  entbehrt  werden  können,  so  vermag  doch  nur 
(iii'  (iesamtforschung,  die  Darstellung  seines  ganzen  Lebens 
\uiilseinerUniwelt,denMannerkcnnenzul;Lsst-ii,  wie  i'c  wirk- 
lich war.  Jeder  Band  wird  dazu  beitragen,  uns  l  iiu^n  iinien 
Napoleon  mit  allen  seinen  Vorzügen,  &bcr  nin-h  mii  allen 
seinen  Schwächen  und  Fehlem,  erstehen  ku  ianHe,n.  Nie  werde 
ich  nii(;h  bei  meinen  Forschungen  vor  der  Wahrheit  scheuen 
und  werde  sie  immer  aussprechen,  wenn  ich  sie  entdeckt  zu 
haben  glaube,  DeshaJb  fort  mit  allen  Landen,  aber  auch 
fort  mit  allen  Verleumdungen  und  BeBohimpfuDgen,  die  über 
fleii  Mann  verbreitet  worden  sind,  der  GroBes  gewollt  und 
auch  Großes  geschaffen  hat! 

Mein  Buch  ist  keine  Streitschrift.  Auf  Grand  der  Doku- 
mente und  Einzelforsch ungon  Füge  Ich  Stein  auf  Stein,  bis 
das  Gebäude  fertig  ist  und  lasse  mich  durch  nichts  beirren. 
Ich  stelle  zahllose  Angaben  riehtig,  doch  ohne  dabei  früher 
verbreitete  falsche  Ansichten  zu  erwähnen.  Nur  bei  be- 
sonders wiciitigen  fällen,  wie  bei  der  Entwicklung (1er  Pläne 
zum  Feldzug  nach  England  und  iiaili  Äi;y|ifen,  bei  der  Dar- 
stellung der  Schlacht  i\n  den  rvniTiiiden.  der  Seeschlacht 
bei  Abukir  und  spater  bei  der  Firschieliung  der  (fefangenen 
von  Jafa  und  der  Vergiftim.u'  der  re-ikr.\iiketi  «rhv  ich  niich 
die  entgegengesetzten  Ah'iiiMiiLieii  im. 

Für  den  dritten  Band  iiifiiiw  (iescliichte  Kapoleoiis  lialie 
ich  vorwiegend  folgende  Abteilungen  ineiner  [iil>!iograijliie 
des  napoleoniwchen  Zeitallerf^'"  benutzt:  1.  Kaiid.  Abt,  I. 
Weitgeschiehte:  Kap.  1.  I'olitiselie  (beschichte;  :i.  Ver- 
träge. —  Abt.  11.  Slaatengewhielite:  Knp.  I,  Frankreich. 
A.  IVilitifiche  Geseliichte:  n)  DirektoriiLtii :  H.  Innere  (ie- 
schichte.  e)  Heer;  4.  Italien;  5.  Deutschland;  fl.  Schweiz; 
7.  Großbntaimien  und  Irland;  13.  Balkanetaaten.  — 
Abt.  m.  Kriege;  Kap.  I  bis  4.  Allgemeines,  Seeloiege, 


XI 


Kriegskunst.  .SoldatcncrLiiiicriincfpii :  Kiip.  7.  Rastatt, 
1797—1799;  Kap.  8.  Aavpteri.  1798— 1791).  —  2.  ISand. 
Abt.  IV.  Napoleon  und  »eine  Familie:  1.  Werke:  2.  Kor- 
respondenB:  3.  Biographien;  4.  Kmz.elheiton  seines  I^ebens. 
A.  .Jugend,  17()9— 1799;  Napoleon  intime:  (i.  Familie 
Napoleons.  —  Abi.  V.  .Memoiren,  Korrespondenzen.  Hio- 
gniplnrn:  dw  i'er.-ionen,  aut  die  am  Anfang  eines  jeden 
Kapitels  oder  Abschnitts  verwiesen  wird,  £ndlich  sind 
iLßch  die  ungedruckten  Äbteilimgeii:  VI.  FlugBohnften; 
V  IL  Reison  und  VIII.  Zeitschriften  sowie  Naohtr^e  zu 
erwähnen. 

Gern  hatte  ich  bei  dieser  Gelegenheit  angokiindigt.  daß 
ich  den  noch  ungedruckten  Teil  meiner  ..Bibliographie  des 
napoleonischen  Zeitalters"  m  Druck  gegeben  habe,  da  er 
doeh  seit  ungefähr  fiinf  Jahren  im  Manuskript  beendet  ist. 
Ks  vergeht  fast  keine  Woche,  da(3  ieh  nicht  aus  Deutseli- 
land.  trankreich.  Italien.  li.nglaiid,  hußland  oder  irgend- 
eincrit  leile  di-i-  A\  clt  Anfragen  erhalte,  wann  die  übrigen 
Bände  .m-iner  Bibliographie  erscheinen  werden!  Leider  muß 
ich  meine  waldreichen  Prcunde  noch  auf  einige  Zeit  vertrö- 
sten. Ich  habe  zehn  .lahre  meines  Ijcbens  auf  die  .-Abfassung 
der  Bibliographie  des  napoleonischen  Zeitalters  verwendet 
—  leh  spreche  natürlich  von  der  großen  bibhographischen 
Sammlung  -  und  habe  dabei  auch  mein  Vermögen  ge- 
opfert, so  daß  ich  gunstigere  Zeiten  abwarten  muß.  llir 
selbst  hegt  nichts  an  der  Drucklegung  dieses  W  erkes,  denn 
ich  strebe  nicht  nach  äußerlichem  Ruhm,  Meine  em/ige 
Befriedigung  hegt  m  meiner  Arbeit,  Nur  verwahren  mochto 
ich  mich  gegen  den  Vorwurf,  der  gegen  mich  erhoben  werden 
konnte,  daß  ich  die  Bibliographie  nicht  fortsetisen 
will,  denn  sie  ist  seit  Jahren  beendet,  'wenn  sie  auoh 
noch  nicht  gedruckt  ist.  —  — 

Mir  scheint,  daß  der  Büderschmuck  des  vorliegenden 
Bandes,  sowohl  was  Auswahl  als  auch  Wiedergabe  anlangt, 

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besonders  friit  geraten  i>t.  Jedoch  werden  diejenifien.  die 
day  Budi  duruh blättern,  wohl  kaum  alinen.  mit  welelien 
Kosten  und  welcher  Mühe  das  Auffinden  der  oft  sehr  selte- 
nen Bilder  verbunden  war,  und  welches  Opfer  auch  mein 
Verleger,  Herr  Georg  Müller,  für  die  Anfertigung  der  zahl- 
reichen Druckatöcke  gebracht  hat! 

Aber  zufrieden  sind  doch  nicht  alle.  Ich  sehe  es  an  zalil- 
reiehen  Sctirift«n,  die  an  den  Vorlag  oder  an  mich  gerichtet 
mnd  und  dringend  um  Beschleunigung  des  Werkes  bitten. 
Diesen  Ungeduldigen  kann  ich  nur  sagen,  daß  ich  fortge- 
setzt an  der  Pertigatellung  meinefl  Werkes  arbeite.  So  gern 
ich  selbst  einen  baldigen  AbachluB  des  Werkes  erwünschte, 
so  wenig  dürfte  dies  auf  Kosten  der  Güte  des  Buches  ge- 
schehen, denn  lieber  wiQ  ich  die  Feder  guiz  niederlegen,  als 
irgeadwelohe  wichtige,  oft  eohwer  erreichbare  Quellen  ver- 
nachlässigen, zu  deren  Auffindung  viel  Zeit  verbunden  ist. 
Ich  bin  aber  in  der  angenehmen  Lage,  meinen  Lesern  ankün- 
dige zu  können,  daß  ich  vermutUoh  im  Laufe  des  Jahres 
1914  in  der  Lage  sein  werde,  zweiBändefertigzustellen, 
die  die  EreigDisBe  bis  zum  Kaiserreiob  führen  werden. 

Einet  dieser  Bände,  der  vierte  oder  der  fünfte,  wird  ein 
ausführliches  Personen-  und  ein  geographisches  Verzeichnis 
der  bisher  erschienenen  Sände  entlialten. 

Groß  ist  wieder  die  Zahl  derjenigen,  die  mir  in  ii^ndeiner 
Weise  bei  der  Herbeisohaffung  der  Quellen,  der  Bilder  oder 
beim  Korrekturenlesen  geholfen  haben.  Ihnen  sei  allen 
herzlichst  gedankt.  Besonders  aufopfernd  haben  üch  wieder 
meine  Stunde  Herr  Hauptmann  Fleischer  und  Herr  Paul 
Aretz  gezeigt.  Erwähnen  möchte  ich  noch  außerdem  den 
unermüdlichen  Herrn  Gustav  Gogitz  in  lA^n,  der  mir  eine 
große  Anzahl  Bilder  hat  vervielfältigen  lassen,  und  meinen 
Freund,  Herr  Aboll  Ghassem  Khan,  der  mir  bei  der  Über- 
tragung der  arabischen  und  türkischen  Namen  manchen 
Dienst  erwiesen  hat. 


xin 


Das  Übersetzui^sieoht  in  andere  Sprachen,  auch  ins 
Russische,  behalte  ich  mir  ausdrücklich  vor.  Anfragen  be- 
züglich meiner  Werke  und  deren  meiner  Prau  bitte  ich  an 
mich  zu  richten. 

Genf,  im  Dezember  1913. 

FRIEDRICH  M.  KIRCHEISEN. 


DES  ITALIENISCHEN  SIEGERS  REISE  DURCH  DIE 
SCHWEIZ 

(November  1797) 

"VTachdeni  Bonaparte  zwei,  drei  und  noch  mehr  Feinde  zu 
Boden  geworfen,  mehrere  große  Armeen  beaiegt,  zer- 
streut oder  vernichtet,  zahlreicheStaatoD  und  Frovinzeo  auf- 
gelöst oder  neugegründet  und  den  Frieden  mit  Österreich  ge- 
schlossen hatte,  verließ  der  Sieger  von  Italien  das  Land,  wo 
er  mit  einem  Schlage  zu  einem  großen  Feldherm  geworden 
frarl  Hier  hatte  er  auch  seine  erste  und  grSOte  liebe,  die 
Liebe  zur  unvergleichlichen  Josephine  durchlebt  und  um 
ihretwillen  die  schrecklichsten  Qualen  der  Eifersucht  er- 
Utten. 

Viel  Ehrungen  sollten  den  jungen  General  auf  dem  Wege 
durch  Frankreich,  die  Schweiz  und  Deutschland  nach  Paris 
erwarten.  Hit  ungeteilter  Begeisterung  kamen  die  Bewoh- 
ner derStSdte  und  Dörfer,  die  er  oft  wie  im  Fluge  durcheilte, 
herbei,  um  den  jugendlichen  Helden  zu  sehen  und  zu  be- 
wundem, den  Mann,  der  sich  in  so  kurzer  Zeit  so  unsterb- 
lichen Ruhm  als  Feldherr,  Staatengründer  und  Friedens- 
Stifter  erworben  hatte. 

Aber  aDe  diese  Gunstbezeugungen  nahm  der  bereits  sehr 
verwöhnte  General  als  selbstverständlich,  ja  gleichgültig 
an.  Sogar  die  Ehrungen,  die  man  ihm  in  Paris  darbrachte, 
nahm  er  mit  einer  Ruhe  und  Gelassenheit  bin,  als  wären  er 


und  seme  Familie  seit  Generatiimeii  an  derartige  Hiddi- 
gungen  gewöhnt!  Und  dooh  fror  Paris  die  Stadt,  anf  die 
dam^s  <üe  Augen  der  Welt  genohtet  waxen,  die  Stadt,  die 
über  Glück  und  Unglück  der  Völker  zu  enteeheiden  hatte, 
die  er  ehedem  ao  sehnsüchtig  kennen  zu  lernen  minschte, 
und  wo  er  so  gern  eine  Bolle  gespielt  hätte. 

Am  17.  November  1797  brach  Bonaparte  in  Mailand  auf 
nnd  begab  sieh,  von  den  Adjutanten  Marmont,  Lavalette 
und  Buroo,  dem  Sekretär  Bourrienne  und  dem  Arzt  Yrati 
b^leitet,  nach  Turin*),  Am  nächsten  Morgen  traf  er  sehr 
zeitig  in  der  piemontesischen  Hauptstadt  ein.  Der  König 
Karl  Emanuel  II.  ließ  den  General  durch  Yennittlnng  des 
Grafen  Saint-Macsan  einladen,  im  Schlosse  zu  bleiben  oder 
wenigstens  beiHofe  zuersoheinen.  Wegen  der  sehr  gespann- 
ten Beziehungen  zwischen  der  französischen  und  piemonte- 
sischen Regierui^;  jedoch  nahm  Bonaparte  das  Anerbieten 
nicht  an  und  zog  vor,  die  wenigen  Stunden  seines  Aufenthal- 
tes in  Turin  beim  französischen  Gesandten  Miot  de  M^Iito 
zu  verbringen. 

Mit  diesem  sprach  er  sehr  bemerkenswerte  Worte  übet  die 
Ereignisse  des  18.  Fructidot.  „Glauben  Sie  nicht,"  sagte  er 
unter  anderem,  „daß  mich  die  Übereinstimmung  mit  den 
Ideen  derjenigen,  welche  ich  unterstützt  habe,  dazu  veran- 
laßt hätte.  Ich  wollte  von  der  Bückkehr  der  Bourbonen 
nichts  wissen,  hauptsächlich  da  sie  von  der  Armee  unter 
Moreau  und  Fich^pni  zurückgeführt  worden  wären.  Die 
im  Portefeuille  von  Antraiguea  gefundenen  Papiere  hatten 
mich  genügend  über  die  Plane  der  beiden  Generale  aufge- 
klärt. Kurz,  ich  will  von  der  Rolle  eines  Moiik  nichts  ivissen ; 
ich  will  n'w  weder  spielen,  noch  erlaube  ich,  daß  andere  sie 

•)  Jiinot  echoint  cret  spülcr  m  Jii>jio]n.rtc  fi^'rtoß.Mi  zu  «cm  i  ji.>(ic>iiioll=  Wfin- 
det  ei  Bich  in  Bern  in  der  Umgebung  dee  Ccnerals.  Lavaletto  erwähnt  ihn  aber 
nicht  in  seineu  Brinnenuigm. 

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Aber  ciieae  Advokiiteii  von  l'aris  [damit  meint«  er 
Merlin  da  Douai  und  Fiun^ois  de  Neufchäteau.  die  an 
Stelle  Carnot-s  und  Barthelemys  gewählt  worden  waren], 
welche  man  ins  Direktorium  einsetzte,  verstehen  von  der  ilc- 
aierung  nichts.  Es  sind  kleine  Geister.  Ich  werde  ja  sehen, 
was  sie  in  Rastatt  anfangen  werden,  lull  /»'L-iflc  judoch  sehr, 
ob  WUT  uns  so  lange  verstehen  und  ziwaiinnen  rifliritt  hahen 
k  nn  n  I  h  -n  ß  daß  f  1  t  1  IT 
dShllnd  ll  11  1 

n  1  n  n  n  1 1  nf  1       1  t     1  II  I 

dl)  IlbSIl  1         !  Cnai 

der  Armee  von  England  /u  ernt-mien.  um  midi  von  Italien 
zu  entfernen,  wo  ich  Herr  und  viel  unumschränkter  als 
General  der  Armee  bin.  Sie  werden  sehen,  wie  sieh  die 
Sache  wenden  wird,  wenn  ich  emmal  mcht  mehr  dort  bm. 
loh  lasse  Berthier  an  memer  btelle  dort,  aber  er  wird  un- 
mogbch  imstande  sein,  als  Oberbefehlshaber  zu  komman- 
dieren, und.  ich  sage  es  im  voraus,  er  wird  nichts  wie 
Dummheiten  machen.  W  as  mich  betrifft,  mein  lieber  Miot. 
ao  muß  ich  Ihnen  sagen,  daß  ich  nicht  mehr  gehorchen 
kann:  ich  habe  nun  emmal  den  Oberbefehl  gekostet  und 
könnte  ihn  nicht  mehr  entbeliren.  Mein  Entschluß  ist  ge- 
faßt: wenn  ich  nicht  Gebieter  sein  kann,  so  werde  ichFrank- 
T^oh  Teiiaseen !  Ich  will  nicht  die  Mühe  für  so  viel  Dinge 
gehabt  haben,  um  alles  den  Advokaten  zu  überlassen. 
Wae  dleseB  Land  da  anbetrifft  (er  sprach  von  Piemont),  so 
wird  nicht  lange  in  Frieden  sein.  Ich  habe  mein  mög- 
liebstes  getui,  um  die  Ruhe  des  Königs  zu  sichern;  aber 
das  Direktorium  hat  um  sich  herum  eine  Menge  Patrioten 
und  Ideologen,  die  von  der  Politik  nichts  verstehen.  Sie 
werden  Italien  in  Aufruhr  bringen  und  uns  eines  schönen 
Tages  verjagen." 

Daranf  sprach  Miot  de  MiSlito  vom  Hofe  von  Turhi.  „loh 
will  nicht  hingehen,"  antwortete  Bonaparte,  „ich  will  weder 


genwart  am  Hofi-,  finc  rntcrhandluiig  iiiitcliMii  KÖnigwürde 
mehr  \-crs[irccli£'ii,  nU  ich  halten  könnte.  Kr  «  iircle  ^icli  in 
Sioherlicit  ghuibcn,  nachdem  er  mich  AiisKficluiuiitii'ii  umi 
Begünntigunf;i!n  ainiehnien  Hell;  und  dann  «äre  ea  mit  alle- 
dem nichts." 

Xnch  einer  kurzen  Unterredung  mit  dem  piemontosischcn 
Minister  des  Äußeren,  dem  Grafen  von  Prioeen,  im  fran- 
züsisclicn  Gesandtschaftsgebäiide,  verließ  Uonapurte  noch 
vor  lü  Uhr  die  Hauptsta^lt,  überschritt  am  nächsten  Tage 
den  Mont  (^enis  und  traf  am  20.  abends  gegen  6  Ulu-  in 
Chambery  ein.  Hier,  in  der  ersten  größeren  französischen 
Stadt  bereitete  man  ihm  einen  glänzenden  Empfang,  ließ 
ihm  zu  Ehren  die  Stadt  feierlich  beleuchten,  und  der  Stadt- 
rat gab  gelegentlich  der  Anwesenheit  des  Siegers  von  Italien 
ein  Fest  im  btadthause.  Einige  Burger  hatten  begeistert 
ausgerufen:  ,.Ea  lebe  der  Vater  der  Soldaten" ,  und  diese 
Huldigung  hatte  Bonaparte,  wie  Marmont  erzahlt,  am 
meisten  gefallen. 

In  der  Nacht  vom  20.  zum  21.  November  finden  wir  den 
General  auf  der  Heise  über  Aix.  Annecy  und  bamt-Julien 
nach  Carouge.  der  letzten  französischen  Stadt  in  der  Nahe 
von  Genf.  Hier  traf  er  am  Morgen  des  21.  November  ein. 
Wiederum  ward  ihm  ein  würdiger  Empfang  bereitet.  Der 
Rat  der  Stadt  Genf  hatte  einen  seiner  btaats.tekretare.  den 
Burger  Didier,  über  Carouge  hinaus  zur  Bewillkomnmung 
Bonapartes  entgegengesandt.  Er  sollte  auch  den  General 
fragen,  wann  dieser  die  Genfer  Abgeordneten  empfangen 
wolle.  Auf  der  Straße  nach  Saint-JuHen  traf  Bonaparte  den 
französischen  General  Ponget,  der  mit  seinem  Stahe  gleich- 
falls dem  Sieger  von  Italien  entgegengeritten  war.  Nach 
einem  kurzen  Imbiß  in  der  Herberge  zum  „Grand  Cerf", 
und  nach  abgehaltener  Musterung  über  die  kleinei  200 Maan 
starke  Gamöson  und  die  Nationalgarden  von  CWouge, 

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vetiieß  Bonaparte  in  einem  mit  acht  Pferden  bespannten 
Wagen  den  Ort.  Unter  G««cbätzdonn^  hielt  er  gegen 
3  Vi  Uhr  seinen  glänzenden  Einzug  in  Genf.  Gegen  3*/)  Uhr 
teaf  er  beim  französischen  Besidenten  Felix  Deaportes, 
einem  geistreichen  Mann,  auf  der  ^ace  du  Grand-M^zel 
ein  und  empfing  in  dessen  Wohnung  etwa  anderthalb 
Stunden  später  den  Syndikus  Gervais  mit  zwei  seiner  Kolle- 
gen (es  waren  Butin  ond  Biruxl),  die  den  General  mit 
einer  feierlichen  Bede  willkommen  hießen.  Ans  Muigel 
an  Zdt,  oder  vielleicht  auch  aus  politischen  GrSnden,  nahm 
er  das  ihm  zu  Ehren  von  der  Stadt  veranstaltete  Festessen 
nicht  an,  sondern  erbrachte  in  GeseOlschaft  von  drei  der 
C-enfer  Syndizi  den  Abend  in  der  ^lla  des  Bendenten  Des- 
portes  in  Saint-Jea^  einem  Vorort  der  Stadt. 

Ohne  Bast  und  Bube,  immer  tätig  und  handelnd,  war 
Bonaparte  bemüht,  deb  im  Interesse  seiner  Begierung,  aber 
auch  ins^em  eigenen,  über  alleszu  unterrichten.  Kachdem 
Essen  hatte  er  eine  Unterredung  mit  dem  Mailänder  Grafen 
Casatti,  der  vor  kurzem  aus  Lyon  gekommen  war,  um  ihm 
eine  Verschwörung,  die  gegen  das  Leben  dra  Generals  und 
des  Direktors  Barras  gerichtet  sei,  zu  entdecken.  Im  Laufe 
der  Unterhaltung  offenbarte  ihm  auoh  Casatti,  daß  zwei 
Genfer,  namens  Bontems  und  Hentsch,  die  Entweichung 
des  ehemaligen  Direktors  Camot  aus  Paris  begünstigt  hätten. 
Aus  Furcht  vor  der  großen  Nachbarcepublik  mid  um  Bona- 
parte gefällig  zu  sein,  ließ  die  Genfer  B^enmg  bdde  ver- 
haften und  vor  den  General  führen.  Hontsch,  ein  Bankier, 
der  nur  Caxnots  Gelder  verwaltet  hatte,  vermochte  sich 
leicht  zu  rechtfertigen.  Bontems  lüngegen  wurde  bis  zu 
eänem  Entschluß  des  Direktoriums  in  Haft  gehalten,  nach 
Verlauf  eines  Monats  jedoch  wieder  freigelassen.  Caaatti 
wurde  nach  Paris  gebracht,  aber  auoh  er  erhielt  bald  seine 
Freiheit  wieder. 

Bonaparte  hatte  seine  Abreise  auf  den  nächsten  Tag, 


früh  5  Lhr  fpstgenctzt.  aber  sein  Kciaewagcn,  der  nusgo- 
beasert  werden  mußte,  war  nicht  zur  Abfahrt  bereit.  Wohl 
oder  ubel  mußte  Bich  daher  der  General  zum  Bleiben  ent- 
schließen. Er  gestattete  sich  einige  Stimden  der  langent- 
behrte ii  Buhe. 

Tn  B('glc!tim;r  Besiportos',  Miirmoiils  und  einiger  Ge-n- 
f      1  1     ^  t    f      I     (  maclite  er  am  Vor- 

tt  \    ü  1    l    ^  l        von  Ceiif.  Er  wurde 

d     B      II  t      t  1  1 1  fter,  ungekünstelter 

Begeisterung  beL'riiUt.  Mit  eroßcin  Interesse  besuchte  er 
auch  die  Bibliothek,  die  sieh  damals  im  College  Cahin 
befand. 

Endlich,  am  Nachmittne.  war  sein  Keisewagpn  bereit. 
Gegen  fünfeinhalb  L'lir  veHielJ  er  unter  Kanonendonner 
1    S    dtl  11         tt       ßea  Interesse  zeigte. 

H  tt  1  1  1  1  1  Id  I  größten  Einfluß  auf 
die  tranzosidclio  kevoiution  austreubt.  Trotz  der  schönen 
und  verheißungsvollen  Worte  jedoch,  die  er  den  Genfem  ge- 
sagt hatte,  kümmerte  sich  das  französische  Direktorium 
wenig  um  diese  Stadt,  denn  wenige  Monate  später,  im 
April  1798.  wurde  Genf  von  französischen  Truppen  besetzt 
und  in  die  große  Nachbarrepublik  einverleibt. 

Ais  der  General  Bonaparte  durch  die  Schweiz  reiste,  hielt 
sich  der  aJte  Necker  auf  seinem  Schlosse  in  Coppet  auf.  Kr 
hoffte,  daß  ihm  Bonaparte  einen  Besuch  machen  würde. 
Aber  dieser  hatte  wenig  Interesse  für  den  ehemaligen  Finanz- 
minister Ludwigs  XVI.  Der  General  unterließ  deshalb  den 
Besucli  beiNecker.  Ebensowenig  hatte  er  Lust,  von  Genf  aus 
das  Schloß  Voltaires,  des  Philosophen  von  Femey,  zu  be- 
suchen, da  er  auch  Gründe  hatte,  mit  diesem  unzufrieden 

Der  Oberstleutnant  Wurstemberger  war  von  der  Bemer 
Regierung  zur  Bowillkommnung  des  Siegers  von  Italien  an 
die  Grenze  des  Waadtlandes  gesandt  worden  und  wartete 


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bereits  M-it  acht  Tagen  iiiigerluldig  in  t,'op]ict.  Auch  der 
I.andvogt  von  Nyon,  Herl'  vnii  Hodt,  war  Jionaparte  bis 
Coppet  entgegengegangen,  docli  der  General  Iiielt  sicli  un- 
terwegs nicht  auf*}.  Beide  Abgeordnete  konnten  dalier 
ihren  Bewilikonimniinpssgiuß  erst  in  Xyon  anbringen.  Trotz 
der  Kürze  der  Zeit  fand  Bonaparte  (ielcgenbeit,  wich  hier 
fast  eine  halbe  Stunde  mit  einer  alteren  Dame,  Friiuloin 
Agier- PrevoKt,  die  er  von  Brienne  oder  Lyon  her  kannte, 
zu  unterhalten. 

Er  äußerte  sieh  ilir  gegenüber  Kehr  günstig  über  den  Emp- 
fang, den  ibm  die  tionfer  bereitet  liatten.  Unter  anderem 
soll  er  auch  gesagt  babeu:  „Wenn  diese  Stadt  nicht  frei 
wäre,  30  verdiente  sie,  daü  man  ihr  die  Freiheit  /urück- 
päbe."  Interessant  ist  es,  zu  beobachten,  wie  sehr  Bona- 
parle  an  alten  Hekannten,  besonders  an  denen  aus  seiner 
Jugendzeit  hing;  sie  alle  konnten,  znmal  naclidcm  er  zu 
Macht  und  Ansehen  gekommen  war,  gewiß  sein,  von  ihm 
immer  ein  freundliches  Wort  oder  eine  Gunst  zu  eriialten! 

Uber  Rdlie  und  .Morge«  ging  es  weiter  nacli  LaAisanne. 
Xur  in  Rolle  ließ  er  halten,  um  die  Witwe  des  Generals 
Lahitrpe  zu  begrüßen.  In  Lausaimc  kam  der  General  am 
22.  ^iüvembcr  gegen  1  Uhr  an.  Trotz  der  vorgerückten 
Stunde  war  die  ganze  Wtadt  auf  den  Beinen,  um  den  Sieger 
über  die  Heere  des  deutsehe)!  Kaisers  von  Angesicht  zu 
Angesicht  zu  schauen  und  ku  bewundern.  Nach  eitlem 
kurzen  Halt  im  Hotel  v.yun  „Lion  d'Or",  wo  er  vom  Laiid- 
vogt  von  Büren  empfangen  wurde,  den  er  schon  von  Kor- 

lu  stallen,  ab,  da  er  mit  den  Genfer  Lohnkutschern  tlobr'iider  Vient  einen  Ver- 
trag abgeaohloasen.  hatte.  Demzufolge  lollleii  diese  ihn  bie  noch  Ueulaclilsud 
briDgon.  BU  kon  vor  Coppet  war  man  Im  Trab  gefahren,  aber  sie  man  den  Ort 
darChquerte,  güigen  die  Ptecde  iura  rasenden  Galopp  Ober,  ohne  daB  die  Kut- 
■cber  auf  die  Znmfe.  anndialt«!,  hörten.  Die  ZeiteenoaBen  sahrieben  diese 
BandtimgBiraiBe  den  Brüdern  Vicst  zu,  die  aber  offenbar  auf  Betelil  Bona- 
porles  so  solmeU  fuhren,  da  er  einem  Besoah  bei  Neoker,  deaaen  ScbioD  eich 
dicht  BD  der  StraBe  befand,  aus  dem  Wege  gehen  noUte. 


sika  her  flüchtig  kannte*),  setzte  er  seinen  Weg  gegen 
ein  und  ein  halb  Uhr  fort.  Uber  Jloudon  und  Paycrne 
crreiehtc  man  Donididier.  Es  moelite  gegen  7  oder  8  Uhr 
morgens  gewesen  sein.  Mit  seinen  Uegleitern  verließ  er  den. 
Wagen  und  begab  sieh  in  eine  schmutzige  Dorfkneipe,  wo 
er  Kaffee  und  Eier  verlangte. 

Der  Sohn  des  Oberstleutnants  Wurstemberger,  der  seinen. 
Vater  begleitete  und  damals  fast  15  Jahre  alt  war,  berich- 
tete im  Alter  üb^r  diesen  Teil  der  Eeise  in  intere-ssjuiter 
Weise:  ..Hier  sah  ich  ihn  nun  von  Angesicht,  saß  m  der 
Küche  auf  einem  alten  Stuhle,  mit  gespreizten  Beinen  vor 
dem  Feuerherde,  auf  dem  ein  so  lustiges  Feuer  Iichterloli 
emporloderte,  daß  die  Wirtsleute  ein-  oder  zweimal  den 
anzubrennen  drohenden  Schlot  mit  einem  nassen  Wisch 
kühlen  mußten.  Auf  dem  Feuer  stand  eine  gewaltige  aber 
sclimutzige  Kaffeekanne  und  eine  große  Eierpfanne  voll 
Eier  zum  eichsieden.  Bonaparte  wärmte  sich  behaglich 
an  dem  Feuer,  heitwarta  standen  seine  zwei  oder  drei  Ge- 
fährten. Generale  in  l'elzrinitzen  .  .  Bonaparte  selbst  war 
ziemlich  mager  und  schlank:  das  ebentalia  sehr  magere  Gie- 
sicht  hatte  eine  dunkle  Färbung.  Das  Profil  war  stark  her- 
vortretend. Blick  und  Ausdruck  waren  ernst  und  streng; 
seine  schwarzen  ungepuderten  Haare  hingen  in  breiten, 
langen  geraden  Locken  —  Oreilles  de  chien  —  vrie  man  sie 
nannte,  zu  beiden.  Seiten  herunter  und  waren  auf  seinem 
schmalen  Bücken  weit  unten  in  einem  ziemlich  schlaffen 
Zopf  eingebunden,  der  bis  gegen  die  Mitte  des  Rückens 
herunterhing.  Er  trug  einen  blauen  Überrock,  mit  —  wenn 
ich  mich  recht  erinnere  —  gesticktem  Kragen, 
^  Als  Met  und  Kaffee  ferUg  waren,  ging  alles  in  die  enge 
und  schmutzige  Gaststube  und  ordnete  sich  am  den  Usch. 

*)  Dar  Benw  Landvogt  vdd  Lousuuib,  General  von  Bürau,  vor  trübei'  auf 
Konika  in  Oarnisoii  Kswesen  und  hatts  dort  wich  die  Familie  Bomipatt« 
kennen  gelerni.  Bonaparte  hatte  vohl  auch  Beziehungen  zu  BofaweJEensohen 
Oflizieien  gehabt,  doch  kannte  er  sie  nicht  den  Namen  nach. 

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Bonaparte  setzte  sich  hinter  denselben,  mit  dein  lliieken 
gegen  die  Fenster:  mein  Vater,  immer  „  Raillif"*),  mußt« 
sieh  neben  ihn  setzen.  Honapai'te  schwatzte  mit  ihm  wie  mit 
einem  alten  Bekannten.  Während  den  Frühstücks  wurde 
eine  Karte  der  Schweiz  hervorgenommen  und  von  Frie- 
densprojekten gesprochen.  Bonaparte  deutete  auf  dasFrick- 
tal  und  sagte  zu  meinem  Vater;  „Wir  geben  eudi  (der 
Schweix)  das;  ihr  werdet  zwei  steinerne  Hrüeken  erlialteu, 
die  euch  gegen  jedermann,  der  wagen  sollte,  euch  anzu- 
greifen, verteidigen  werden."  Er  hielt  meinem  Vater  seine 
Tabaksdose  vor,  auf  welcher  ein  Miuiaturhild  der  (ieneralin 
gemalt  war,  und  fragte  ihn,  ob  er  es  erkenne,  was  mein 
Vater,  der  Josephine  in  Mailand  gesehen  hatte,  bejahte." 

Gegen  lü  Uhr  ging  es  weiter,  und  bald  darauf  kam  man  in 
Murten  an,  wo  man  wegen  eines  kleinen  Unfalles,  der  dem 
lieisewagcn  zugestoßen  war,  in  der  Nähe  des  Beinhauses 
halten  mu  ßte.  Die  Legende  w  ill,  daß  Bonaparte  das  Schlacht- 
feld von  M  urten  in  Hegleitung  und  unter  Führung  des  Herrn 
von  Erlacli  besucht  habe;  dem  aber  ist  nicht  so. 

Bonaparte  benutzte  vielmehr  den  unfreiwilligen  Aufent- 
halt in  Murten,  uin  einer  Einladung  des  Schultheißen  von 
Oottrau  auf  dessen  Ki'hlosse  l''olge  zu  leisten,  wo  ihm  unter 
anderen  Kchwcizern  auch  Louis  d'Affiy,  der  Sohn  des  ehe- 
maligen überstell  der  Scinveizcrgarden,  vorgestellt  wurde. 
Der  General  schien  grüßen  tJefallen  an  der  Unterhaltung 
mit  diesem  schweizerischen  Edelmann  gefunden  zu  haben; 
aus  nalieliegenden  Gründen  bezog  sie  /^u  li  nuf  die  schweize- 
rischen Verhältnisse.  Jedenfalls  vergäll  er  ihn  iiiclit  und  be- 
zeichnete ihn,  als  er  die  Konsulta  iui  -Jahre  1SU;{  nach  Paris 
berief,  zum  künftigen  LandauunauLi  der  Schweiz. 

Gegen  fünfeinlmlb  Uhr  abends  kam  Bonaparte,  oder 
der  „Räuber  des  Veitlins",  wie  ihn  ein  neuerer  schweizeri- 
acher  Gesohiohtflschreiber  nennt,  in  Bern  an.  Er  hatte  dem 
*)  So  nannte  ihn  Bonsparte. 

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Oberst  Wiiratemberger  schon  uiiterwc^iü  (lau  Hcdimern  üus- 
gesprochcn,  daß  er  sich  riclit  hiTijrc  in  tlur  Hauptstadt  auf- 
halten kiinne,  da  er  am  niiclistcn  Tnpo  in  Basel  einzutreffen 
hoffe.  Rs  scheint,  daß  ihm  der  Unfall  mit  seinem  Wagen  bei 
Miirten  sehr  zustatten  kam,  denn  nun  hatle  er  einen  ^nten 
Ci  iiml,-  nicht  zu  lange  in  Bern  verweilen  /.u  miisKeii.  .Iwlen- 
fiills  scheint  die  Abneigung  Boiiapartes  gegen  {lie  aristo- 
kratische Regierung  des  mächtigsten  Kanlmiti  der  Schweiz 
auf  Gegenseitigkeit  beruht  v.w  liahcn,  denn  der  l'Inipfang  in 
Bern  gestaltete  wich  iiieiir  als  kühl :  kein  einziges  ,,\'ivc  Hona- 
parte" warzuhören.  DerHtadtuiajorvunMunilthegriiBteden 
Generalim  Namen  seiner  Regierung.  Als  iionapartc  gegen  ein 
Mitglied  der  Kcgiening  die  .\nlJerung  tat,  man  üollc  aus  dem 
Waadtlande  einen  1+.  Kanton  maehen,  wurde  diese  He- 
merlvung  mit  Hoclnnut,  fast  mit  Verachtung  abgewiesen. 

Nachdem  die  i'fcrdc  gewechselt  worden  waren,  ging  es, 
ohne  daß  Bnnaparte  da.^  für  ilin  im  Gasthof  zum  Falken 
hergerichtete  Nachtmahl  berührt  hatte,  gegen  GUhr  weiter. 
Erst  in  P'rauhrunnen  machte  er  nach  8  Uhr  halt.  Da  er 
nicht  ohne  miütarischp  liedeckung  reisen  w<)llte,die  Husaren 
aber  unfähig  waren,  den  Kitt  fortzusetzen,  die  versprochenen 
Dragoner  auch  nicht  ankamen,  umßte  rruin  bis  .Mitternacht 
warten,  ehe  man  wenigstens  einige  Hauern  zuBanimenge- 
braoht  hatte,  die  zu  Pferde  steigen  konnten!  Er  vorbrachte 
die  Zeit  inzwischen  im  Gespräch  mit  dem  Oberstleutnant 
Wurstemberger,  dem  Oiiersirn  von  Craffenried  von  Gerzen- 
see und  besonders  mil  dem  l'atsherrn  und  Bankier  Albrecht 
H;i!ler,  einem  Neffen  des  (ieneralvcrwalters  der  Italienischen 
Ai'mee,  Rudolf  Emanuel  Haller. 

Der  Oberst  von  Graffenried  von  Gerzensee,  der  den 
(ieneral  Bonaparte  mit  dem  Oberst  Wurstemberger  bis  Solo- 
thurn  hegleitete,  hat  uns  auch  eine  interessante  Charakte- 
ristik des  jungen  Generals  aus  jenen  Tagen  hinterlassen. 
„Bonapute  trug  eine  einfache  Frackunifomi,  enganschlie- 


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ßende  Beinkleider  und  Sbefd.  die  biB  an  (1r'  W  ack  n  rcicli- 
ten  und  mit  einer  Gtoldfichnur  besetzt  waren,  hcinc  Klei- 
dung war  im  allgemeinen  aehr  einfach.  Die  herum crfü!  lan- 
den Haare  waren  m  einen  Zopf  zusammengebunden,  l'.r 
war  sehr  blaß  und  sehr  mager,  hust-ete  oft.  al«  wenn  er 
brustleidend  wäre,  und  seine  Brust  war  eingefallen.  l;,r 
hatte  eine  sanfte,  weiche  fetimtne. 

Vor.  wahrend  und  nach  dem  Abendessen  unterhielt  er 
sich  sehr  lebhaft,  stellte  viele  tragen  an  die  Herren  Wur- 
stemberger  und  Haller.  Iiorte  iliiieu  aufmerksam  zu  und 
schien  großes  Interesse  an  ihrer  Unterhabung  zu  nehmen. 
Wie  es  schien,  wav  er  sehr  zufrieden.  &eino  Rede  war  kurz 
und  bundic  und  äußerst  interessant.  Seine  Augen  waren 
sanft  und  sprcclicnd.  seine  &timme  angenehm  und  sein 
Mund  au.'-riruckHvnil. 

W  nn     n  1 1    II      la  W    t  n  i    1    d     (  ne 

rale  nchtete,  blieben  sie  .'ituiiim  wie  v  ersteinere  und  watrten 
mcnt,  aen  Muna  auizumaxinen.  Auuer  aai)  iier  tjenerm  Ju- 
not*)  bei  Tisch  einen  Bericht  über  den  Schultheißen  Steiger 
erstattete,  habe  ich  ihn  nicht  ein  einziges  Wort  sprechen 
hören.  Auch  der  General  Marmont  war  sehr  zurückhaltend, 
jedoch  beide  Herren  benahmen  sich  außerordentlich  hof- 
lich gegen  uns.  Der  General  Marmont  schien  ebenfalls  bniat- 
leidend  zu  sein  und  war  weiß  wie  eine  Wand.  Die  drei  ande- 
ren Herren  sah  ich  nur  während  des  Sasens,  denn  sie  ver- 
ließen gleich  darauf,  das  Zimmer." 

Am  24.  November  früh  1  Uhr  kam  der  General  mit  seiner 
Breitling  in  Solothum  an;  dann  ging  es  naeh  eineiu  Halt 
von  einer  Stunde  weiter,  und  gegen  7  Uhr  morgens  empfing 
er  in  Waldenburg  die  Abgeordneten  der  Stadt  Basel.  Denn 
als  der  General  an  der  Grenze  in  Lai^^enbrack  ai^ekommen 
war,  hatten  ihn  die  Abgeordneten  schlafend  angetroffen 
und  nioht  gewagt,  ihn  zu  wecken. 

*)  Junat  wurde  eist  am  9.  Januu  ITBfl  lum  Brigadegeneial  ernannt. 
12 


Schon  in  Liestal  brachte  man  ihm  das  lebhafteste  Inter- 
esse entgegen.  Aber  noch  glänzender  als  in  Genf  wurde  der 
junge  General  in  der  Stadt  Baad  empfangen,  als  er  gegen 
12  Uhr  daselbst  ankam.  Man  erwiea  ihm  fast  dieselben 
Elireii  wie  einem  gekrönten  Haupte.  Nahezu  die  ganze  Stadt 
und  die  Bewohner  der  umliegenden  Ortschaften  waren  auf 
den  Beinen  und  bildeten  Spalier,  um  die  Einfahrt  dea  in  so 


kurzer  Zeit  zu  Berühmtheit  gelangten  jungen  Generals  zu 
sehen ! 

Zwei  Kuriere  Bonapartes  eröffneten  den  Zug;  ihnen 
schlössen  sich  die  Jäger  zu  Pferd  der  Basler  Freikompagnie 
an.  Dann  folgte  eine  mit  sechs  Pferden  bespannte  Karosse 
mit  den  Abgeordneten  des  Kantons  und  darauf  der  Wagen 
des  Generals,  der  von  acht  Pferden  gezogen  und  von  Husa- 
ren begleitet  war.  In  einem  dritten  mit  sechs  Pferden  be- 

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spannten  Wogen  saßen  vier  Offiziere  seiner  Un^bung.  Ein. 
leioliter  Wagen  mit  den  Bedi«iten  der  Offiziere  und  eine 
Äbtdlung  Drt^oner  besohlosaen  den  Zug*). 

Vor  dem  St.  Albantors  wurde  Bonaparte  von  dem  fran- 
zösischen Geschäftsträger  Bacher,  von  dem  Baaler  Bürger- 
meiater  Bnxtoif,  vom  Oberzunftmeister  Peter  Oohs,  sowie 
von  den  vier  Qeheim-  und  Krtegeräten  Burkhardt,  Rosen- 
burger,  Iselin  und  Faxavioini  bewülkomnmet.  Er  stieg  im 
Hotel  zu  den  „Drei  Königen"  ab  und  konnte  vom  Fenster 
des  Speisezimmers  aus  zum  eraten  Male  den  Bhein  .sehen, 
den  er  späiter  so  oft  als  Sieger  aber  auch  bisweilen  als  Be- 
siegter üb^Bchreiten  sollte ! 

Bonaparte  beantwortete  die  Anrede  des  BürgrarmeiBters 
Buxtorf  in  einer  Weise,  die  ein  gewisses  AOBbehagen  erregte. 
Man  fand  vor  allem  den  Vergleich  mit  Genf  sehr  ungeaohiokt, 
denn  man  wußte,  daß  es  bald  mit  der  Unabhängigkeit  die- 
ser Schwesterrepublik  vorbei  ^n  werde.  Buxtorf  war  der 
Vertreter  der  gemäßigten  Aristokraten,  während  der  Ober- 
zunftmdster  Ochs  <Ue  Demokriiten  vertrat.  Beide  Par- 
teien hofften  viel  von  Bonaptu^  und  von  der  französischen 
Be^emng,  doch  soUten  beide  in  ihren  Hoffnungen  bitter 
getäuscht  werden  I 

Kach  einer  kurzen  Unterhaltung  mit  dem  General 
Uufour,  Featun^^kommandanten  von  Hüningen,  der  Bona- 
parte in  aüner  begeisterten  Anrede  als  den  größten  Hann 
der  Welt  bezeichnete,  bestieg  der  Oberbefehlshaber  gegen 
5  Uhr  seinen  Reisewagen.  Ehe  er  weiter  fuhr,  sprach  er  auch 

*)  Ea  gibl  einen  sehr  intereesaulen  Holzschnitt  von  C.  von  Mecbel,  der  den 
Emsug  Bonaportoa  in  BaacI  daratellt.  Überhaupt  aclifimt  dcc  Genoral  dto 
Basier  Künstler  saht  btf»i:li[iftißt.  ai  haben,  denn  man  besitzt  nocli  oinon 
holoncrten  at.ieli  von  SI,  Woeh-r  hus  iincn  ^'nciii.  Jii.ltf  l.-t7,trri>s  Bild 
für  sclir  ciiiirdliUTiiHiNeli  und  itilf  iej..!,inl :       i,l  «eil  rnifernt  v.m  d™ 

und  ItaniuaisclicJi  l'Qrtrateii  jener  /.eil.  Dur  htiuii  lat  nelir  weiug  bekannt; 
ich  habe  ihn  deebalb  und  seiner  Onginebtat  wegen  als  Titelbild  diese« 
Bandes  gewählt. 

11 


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noch  mit  llengaud*),  dem  Abgesandten  dos  DirektoriumB. 
Dieser  sollt«  in  der  Geachichte  der  Schweiz  der  nächsten 
Monate  bald  eine  berüchtigte  Rolle  spielen.  Dann  ging  die 


Reise  weiter,  und  in  kürneater  Zeit  befand  der  General  sich 
auf  deutschem  Boden. 

•)  .Tosppii  Slangaud,  ein  Verwandter  ReubellK,  aus  Bolfort  gübüitig.  war 
Knde  Septomber  1787  in  die  Htliweii  gesiindt  »ordeii.  am  die  AiiswoiauiiB 
des  englischen  Oeflandten  Wickliain  zu  vurlangun.  Am  2.1,  Dimetnbfr  unirde 
■  ■T  an  Stolle  Bsclivra  Gescliäftxträgcr  der  Franzi>..iH<'lieii  Rp|)iib1ik  bei  der 
Sclm-i-izerischeii  kSidgeiiaawnw'liBrt.  Sclion  im  Soiniiirr  (!e;<  fol^.'TidL'ii  JalirPH 
«•urdf  ..r  ablK-nifpn  und  vi-rlicO  \m  .Tiili  die  Spliivcii. 


15 


Bonaparte  hat  sich  im  ganzen  drei  und  einen  halben  Tag 
TOD  Dienstag  nachmittag,  den  21.  November,  bia  Freitag 
abend,  den  24.  November,  auf  ßchwrazeriaohem  Boden  auf- 
gehalten. Man  hat  diese  Böse  öfters  für  eine  culitäliBohe 
Erkundungsreise  des  wtblickenden  Generale  gehalten.  Es 
scheint  aber,  daß  man  den  Ideen  Bonapartes  za  weit  tot- 
gegriffen  und  ihm  Abdchten  unterschoben  hat,  die  er  gar 
nicht  hatte. 

Die  Beise  duroh  die  Schweiz  war  durchaus  eine  Notwen- 
digkeit für  ihn,  um  nach  Rastatt  zu  gelangen,  und  er  tat 
altes,  um  die  Fahrt  zu  beschleunigen.  Man  weiß,  daß  Bona- 
parte im  Sommer  1797  Absichten  auf  eine  Militäraixaße 
von  Frankieich  nach  Italien  durch  das  Wallis  hatte.  Dieser 
Plan  wurde  aber  vermutlich  aufVeranlassui^deaschweizer- 
freundliohen,  damals  gestützten  Direktors  Biniih^iemy  am 
13.  Juli  abschlSgig  beschieden.  Infolgedessen  wurden  auch 
keine  weiteren  Schritte  in  dex  Sohwdz  getan.  Wenn  der 
General  von  neuem  auf  diese  Angelegenhedt  hätte  zurück- 
kommen wollen,  dann  wurde  er  gewiß  smnen  Weg  über  den 
Simplon  genommen  haben,  denn  in  Sitten  hätte  'er  am  be- 
sten die  Ansichten  der  führenden  Walliser  H&mer  kennen 
lernen  können.  Natürlich  benutzte  Bonaparte  bei  seiner 
Durchreise  durch  die  Kantone  Genf,  Bern  mit  dem  Unter- 
tanehland Waadt,  Solothum  und  Basel,  seiner  Gewohnheit 
gemäß  die  Gelegenheit,  über  die  sohweizeiisohen  VerhSlt- 
nisse  Erkundigungen  einzuziehen,  die  ihm  später  einmal 
zu  statten  kommen  konnten. 


16 


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ZWEITES  KAPITEL 


DIB  SCHWEIZ  AM  ENDE  DES  ACHTZEHNTEN 
JAHRHUNDERTS 


leit  Berlin  der  Neuzeit  machte  sicH  in  den  meisten  euro- 


O  päiaclieii  Ländern  der  Wunsch  nach  Vereinigung  zu  einem 
engerenStsatBwesen  bemerkbar.  InderSchv^izeriechenEid- 
genoaeenBchaft  hingegen  war  im  Laufe  der  Jahrhunderte  ge- 
radedBsQegenteU,eineofFenbareZer8pljitterung,  eingetreten. 

Trotz  der  verschiedenen  Bündnisse,  der  Land&iedens- 
schlüsae  and  der  Verpflichtungen  dieser  oder  jener  Orte,  eich 
im  Kriegsfälle  zu  unterstützen,  trotz  des  Vororts  und  der 
TagsatzuDg  bestand  in  der  Schweiz  in  der  Tat  kein  Staaten- 
bund. Die  Schweizerische  Eidgenossenschaft  konnte  nicht 
als  ein  einheitlicher,  fest  zusammengefügter  Körper  mit 
Haupt  imd  Gliednn,  betrachtet  werden.  Jedes  Land,  sowohl 
verbündete  Orte  als  Zugewandte,  war  ein  völlig  onabhäi^- 
ger  Staat  mit  eigener  Verfassung  imd  erkannte  kein  höhe- 
res Recht  über  sich  an. 

Im  Inneren  der  Eidgenossenschaft  herrschte  die  be- 
schränkteste Kleinstaaterei.  Der  frühere  Unternehmungs- 
geist bestand  nicht  mehr;  man  war  nur  darauf  bedacht,  das 
seit  Generationen  Erworbene  zu  hüten.  „Jeder  für  sich, 
doch  keiner  für  alle"  schien  der  Wahlspruch  zu  sein.  Selten 
gelang  es  einem  Kanton*),  den  Nachbarstaat  oder  sogar 
mehrere  Staaten  zu  einem  gemeinsamen,  für  das  Wohl  der 

■)  .£anh]n" ist  die  französische  CbeTHliung  dea  dputanlicn  „Ort".  Abernst 
seit  dem  Jabre  ITBS  wurde  die  Beaeicbnung  „Kanton"  üboi«ll  angcnommon. 


17 


ganzen  Eidgenossenschaft  nutzbringenden  Friedenswerk  zu 
bewegen.  Es  gab  weder  eine  einheitliche  Münze,  noch  gute 
Postverbindimgen,  noch  eine  fahrbare  Straße  naoh  Italien. 
Dachte  doch  jeder  Staat  nicht  weiter  als  bis  an  die  Grenz« 
seines  eigenen  Gebiets  «nd  an  die  nächstliegenden  Vorteile; 
sonst  würde  er  den  Nutzen  einer  guten  Straße,  zum  Beispiel 
über  die  Alpen,  die  im  Interesse  der  gesamten  Eidgenossen- 
schaft lag,  gar  bald  erkannt  haben.  Überall  überwogen  die 
kloinstaatlicben  B^trebungen,  die  eine  kräftige,  gesunde 
Politik  nach  außen  hin  nicht  aufkommen  ließen.  So  stritten 
sich  Zürich  und  Schwyz  30  Jahre  lang  um  gewisse  Rechte 
auf  dem  Zürichsee,  und  mehr  als  einmal  drohte  der  Krieg 
wegen  dieses  Streites  zwischen  beiden  verbündeten  Orten 
auszubrechen! 

Obgleich  die  Schweiz  wegen  ihrer  vorzügliciien  Söldner 
seit  Jahrhunderten  einen  europäischen  Rni  genoß,  und  die 
beutegierigen  Nachbarn  die  120  000  wehrfähigen  Männer 
fürchteten,  die  die  gesamte  Eidgenossenschaft  aufzubrin- 
gen vermochte,  so  stand  es  doch  sehr  schlimm  mit  dem  Bun- 
desheere. Dies  lehrten  auch  die  Ereignisse  des  Jahres  179S 
zur  Genüge.  Tllaii  besaß  weder  einen  gemeinsamen  Schatz, 
noch  Mittel,  um  ein  Bundesheer  zabesolden,  noch  hatte  man 
einen  Bundosgeneral. 

Den  wichtigsten  und  ältesten  Bestand  der  Schweize- 
rischen Eidgenosse uachaft  bildeten  die  dreizehn  Orte.  An  der 
Spitze  standen  die  acht  alten  Orte:  Zürich.  Bern,  Luzcrn,  Uri, 
Schwyz,  Üntcrwaldcn  ob  und  nid  dem  Kernwald,  Zug  und 
(Slams.  Dann  folgten  die  fünf  jüngeren  Orte:  Basel,  Frei- 
burg, Solothum,  Schaff  hausen  und  AppenicelL  Alle  waren 
untereinander  verbündet  und  hatten  sich  im  Kriegsfälle 
HiKe  zu  leisten.  Obgleich  das  Bündnis  im  allgemeinen  auf 
Gleichberechtigung  beruhte,  so  hatten  die  alten  acht  Orte 
doch  gewisse  Sondervergünstigungen,  zum  Beispiel  das  freie 
Kriegs-  und  BündniBrecht. 

18 


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Set  ((^»(igecifi^e  UtfuHilintt. 


1» 


Diesen  dreizeliii  Orten  Hclilussen  sich  die  Untertanenlande 
an,  die  in  eigentliche  Untertanen  und  gemeine  HerrBchaften 
oder  Vogteien  zerfielen,  Sie  wurden  meist  von  Landvögten 
mit  großer  Willkür  behandelt  und  hatten  nur  wenige  Ver- 
günstigungen. Bern  besaß  die  Waadt  und  einen  Teil  des 
heutigen  Aargau,  Uri  das  Urseren-  und  Livinental,  Glarus 
die  Grafscliaft  Werdenberg  usw. 

Einige  der  dreizehn  Orte  besaßen  gleichzeitig  gemeine 
Herrschaften;  so  teilten  sich  Bern  und  Frf'il)iii!;  in  iM-and- 
son.  Hurten,  Bchwareenhurg  und  Orhe-E(  li:illi'ii>,  die  l^iin- 
tone  Zürich,  Bern  und  Ularus  in  die  Gnifsuhalt  Bailon, 
RapperswÜ  und  das  untere  Freiaint  im  Aarsiau. 

Schließ]  h  t     ]  n       1  1    St     i      1    /        a  It 
größerem  oder  nermaerem  Abhaneiekeits Verhältnis  zu  den 
d       InOt       h  n  i     ¥        b     Site    II  d 

•Stadt  Kanlvt  Callen.  die  Htudt  Biel  und  das  Wallis. 

In        111k         \    1  It  !     S  1      z  1 

Eidgenossenachaft  befanden  sich  Graubunden,  oder  wie  der 
Kanton  damals  hieß  ..die  drei  Bunde  m  Ratien  ".  femer  die 
Stadt  Mulhausen,  die  ein  ..ewiges  Bündnis  "  mit  den  drei- 
zehn Orten  geschlossen  hatte,  und  das  welüiche  Fürsten- 
tum  Neuchätel,  das  nur  mit  einigen  der  dreizehn  Orte  ver- 
hüll tk-t  war. 

Am  lo.^eston  war  wohl  die  i^tollung  der  Stadt  (ienf  zur  Kid- 
gennssen.whüff ,  8ie  stand  mit  den  beiden  wichtigsten  Kan- 
tonen Hern  und  Zürich  im  Uiindnis,  doch  war  sie  ebensowe- 
nig wie  Neueliätel  zur  Tagsal/.ung  zugelassen.  L'rsprünglich 
eine  ai  istükralisehe  liepubük.  lialleti  in  Genf  die  demokrati- 
sohcn  Elemente  im  J-aufe  di-x  IK.  Jahrhunderts  immer  niehr 
Einfluß  erlangt  und  so  den  AriK-MulJ  an  die  Französisuhe 
Repuhlik  erleiehlert.  l^is;eTi artig  war  aueb  die  Rteilimg  des 
Fürstbisohofs  von  Basel  zu  den  dreizehn  Orten;  er  war 
zwar  ein  Eeichsfürst,  doch  war  er  niit  Biel  und  Bern  ver- 
bündet. Gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  lösten  sich  seine 

20 


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licxictiiingcn  zur  Bohweizeriaohen  EidgenossenBchaft  immer 

Im  Cchirge,  dem  ^riilJeicTi  Teile  der  Scluveiz.  vo  die  lie- 
woliner  iideh  in  fieiem  XaturKuwt:uKi  lebten,  «ar  die  deuio- 
kratisclie  Regien.ngrfform  vorlierr^eliend.  In  der  Khi-w-  und 
in  de!iMittelgebirgenliingef!;en,  wo  nicli  der  größte,  wielitig- 
9te.  gehiidetKte  und  gewerliefleißigwte  Teil  der  Bevölkerung 
befand,  liatten  sieli  in  den  versoldedenen  Kantonen  ariülo- 
kratisclie  Regierungen  gebildet. 

AIm  ein  Muaterland  in  der  Solnveiz,  überhaupt  in  patiz 
Europa,  galt  der  ..Staat  und  dii^  Republik  Bern"  .eine  reine 
Patrizieraristokrat io.  Hurke  hielt  das  Berner  Volk  für  das 
glüeklichste  und  das  Land  für  dan  am  besten  verwaltetste 
der  Erde.  Bern  stand  /war  Zürieli  im  Rnntte  naeh,  doeli  war 
er  der  wiehtigste,  angesehenste  und  volkreichste  Kanton 
der  Eidgenossenschaft,  das  Preiilien  der  Schweiz.  Er  zählt« 
gegen  400000  Einwohner,  deren  Geschiek  in  den  Himdendes 
tüchtigen  Sehiiltlieißen  Nikolaus  Friedrieb  von  Steiger  lag. 

Die  HeLsenden,  die  im  18.  .lalu  hundert  die  S<;hweiz  be- 
suchten, sind  Vül!  des  1-obes,  das  sie  dem  lierner  Staatswe- 
sen im  Vergleich  zu  den  Naelibarstaaten  zollen.  Und  in  der 
Tat  war  da-s  Lob  nieiit  unverdient.  Seit  dem  .Jahre  1712  ge- 
noß das  Land  einer  Hube,  wie  kein  zweiter  Staat  der  alten 
und  neuen  Zeit  aufzuweisen  halte.  lOin  gesunder,  arbeit- 
samer, wenn  auch  ein  wenig  nüchterner  Volksstamm  be- 
arbeitete seit  Menschcnaltern  den  Boden,  und  eine  wci.se  Ver- 
waltung tat  das  übrige,  um  den  Wohlstand  der  ]^cwollner 
des  I^andes  in  jeder  Hinsieht  zu  heben.  t>b|;le!ch  es  in  der 
Republik  Bern  fast  keine  direkten  Steuern  gab.  konnte  der 
Staat  nicht  allein  die  Kornmagazine  imd  Zeughäuser  füllen, 
gute  Straßen  anlegen  und  prachtvolle  Gebäude  aufführen 
lassen,  sondern  es  gelang  ihm  auch,  von  den  jälirlichen  Ein- 
künften etwas  beiseite  zu  legen.  Die  Überschüsse  der  Ein- 
künfte des  Kantons  wurden  teils  im  Auslande  teils  im  In- 


21 


lande  gut  und  sicher  angelegt,  und  der  Staatsschatz  schwoll 
gegen  Ende  des  18,  Jahrhunderts  bis  auf  über  30  Millionen 
Franken  an.  Begreiflicherweise  erregte  der  Beichtum  des 
Staates  tind  seiner  Bewohner  den  Neid  der  beutegierigen 
Nachbarn,  besonders  der  Franzosen,  die  eioli  vohl  gehütet 
haben  würden,  sich  in  die  inneren  Streitigkeiteii  der  Schwei- 
zer einznmiBch^  wenn  nicht  in  der  Feme  die  gefüllten 
Goldsäcke  geloekt  hätten! 

hl  äbnliofaer  Weise  wie  in  Bern  waren  die  Staatswes^ 
in  Lnzem,  SVeiburg  and  Solothum  gebildet,  nur  war  hier 
die  Bevölkerung  katholisch  im  Gegensatz  zu  dem  reformier- 
ten Bern. 

Seitdem  die  sowohl  kirchiiuhe  als  auch  politisclie  Beform 
Zwingiis  in  Zürich  Verbreitung  gefunden  hatte,  galt  Luzem 
als  der  Vorort  des  Kathohzismus  in  der  Schweizerisohcoi  Eid- 
genossenschaft. Freiburg,  dessen  Bevölkerung  zum  größten 
Tdle  französisch  war,  hing  vollkommen  von  Frankreich  ab 
und  stellte  diesem  Staate  verh^tnisrnSBig  die  meisten  Söld- 
aer  der  Schweiz.  Mit  Solothum  stand  es  nioht  besser  als 
mit  Freiburg;  hier  befand  moh  auoh  der  Sitz  des  fiamösi- 
sohen  Gesandten. 

Der  Stellung  nach  war  Zürich  der  erste,  der  Größe  nnd 
Hacht  nach  aber  der  zweite  Kanton  der  Schweizerischen 
Eidgenossenschaft.  Hier  herrschte  seit  Jahrhunderten  die 
Zunfttuistokratie.  Obgleich  die  Bürger  der  Stadt  die  ganze 
Macht  an  sich  gerissen  hatten,  so  war  doch  im  allgemeinen 
die  Kegierung  gut  und  auch  für  die  Landbevölkerung  nicht 
zu  drückend.  Wie  im  Kanton  Bern  gelang  es  der  Obrigkeit 
auch  hier,  Ersparnisse  zu  machen.  Und  dennoch  gab  de  be- 
trächtliche Summen  für  Anlegung  von  Kommagazinen, 
Krankenhäusem  und  für  andere  wohltätige  Einrichtungen 
aus.  Gkmz  besonderen  Wert  legte  die  Begierung  auf  das  BO- 
dongswesen  und  verdrängte  somit  die  Stadt  Basel,  die  sät 
Jahrhunderten  auf  diesem  Gebiete  die  erste  Stellung  in  der 

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Schweiz  einnahm.  Zschokke  rühmt  in  seiner  „Sei bstso hau" 
die  hohe  Kultur  an  den  Ufern  des  Zürcher  Sees,  besonders 
in  Stäfa.  Dort  waren  ui  den  neunziger  Jahren  des  18.  Jahr- 
hunderts Unrulien  auagehrochen.  Er  fand  nicht  nur  in  den 
armen  Bauernstuben  die  Schriften  Wielands,  Iseiins  und 
Mosers,  sondern  in  den  Dörfern  auch  Liehhabertheatcr  und 
Leeegeseliachaften.  In  Religionssachen  war  man  jedoch 
wenig  duldsam;  man  zeigte  sich  ebenso  hart  in  den  refor- 
mierten Kantonen  als  in  den  katholischen  Staaten  der 


Schweizerischen  Eidgenosse  nach  aft.  Die  poUzeilichen  Ver- 
ordnungen waren  gleichfalls  sehr  streng,  fast  überstreng, 
denn  sie  regelten  das  alltägliche  Leben  bis  ins  kleinste  und 
bestraften  vor  allem  jeden  Aufwand.  Aber  im  allgemeinen 
ertrug  man  sie  gern,  denn  das  Volk  sah  die  wohltuende 
Wirkung  einer  strengen  aber  gerechten  Regierung. 

Die  Kantone  Basel,  Schaffhauaen  und  Sankt  Gallen  hatten 
ähnliche  Verfassungen  wie  Zürich.  Basel  war  im  Laufe  des 
18.  Jahrhunderts  durch  seine  günstige  Lage,  dicht  an  der 

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Oienze  von  Deutschland  und  Prankreici,  äaa  widitige 
Fabrik-  und  HftndelBBtedt  geworden.  Audi  hier  hatte  der 
Bürger  große  Vorrechte  vor  dem  Bauer.  Die  efaemals  be- 
rühmte einzige  Umversität  war  infolge  der  materieUen  In- 
teressen der  Basier  zur  Bedeutungslosigkeit  herabgesunken 
und  sollte  fiah  erat  im  Id.  Jahrhundert  wieder  erheben. 

Die  Verfassung  dee  Kantons  war  ein  w^g  demokrati- 
scher als  in  Züiioh.  Auch  in  Ba«el  waren  die  Landbewohner 
von  den  meisten  Vorrechten  anagKohlosBen. 

In  der  Stadt  Sankt  Gallen  war  schon  vor  hundert  Jahren 
eine  blühende  Industrie  zu  Hause,  die  eine  groBe  Anzahl 
von  Arbeitern  aus  den  Nachbarkantonen  beschäftigte.  Bs 
war  eän  leinw  Stadtkanton  ohne  großes  Hinterlimd. 

Sine  eigenartige  Stellung  nahmen  die  Monarchien  Sankt 
Gallen  und  Neuch&tel  auf  dem  Boden  der  Sckweizerisdien 
EidgeiuKsenschaft  ein.  X>er  Fürstabt  von  Sankt  Gallen  ver- 
fügte über  einen  der  größten  Kantone  der  Schweiz  und  hat- 
te daa  Tiertgrößte  Kontingent  zum  Bundesheer  zu  stellen. 
Sankt  Gallen  war  fast  eine  absolute  Monarchie,  denn  das 
VoJk  hatte  nahezu  keine  politischen  Rechte. 

Das  weltliche  Fürstentum  Neuoh4tet  gehörte  zwar  seit 
dem  Jahre  1707  dem  König  ron  Preußen,  doch  bestand  die 
Herrschaft  des  Prenßenkönigs  nur  dem  Kamen  nach.  In 
Wirklichkeit  lag  die  Macht  des  Landes  in  den  Himden 
des  Keuohäteler  Adels. 

In  den  Gebirgskantonen  Schwyz,  Uri,  Ob-  undNidwslden, 
Glarus,  Appenzelli  Inner-  und  Außeroden  und  Zug  herrschte 
hingegm  die  reinste  Demokratie.  Ke  Landgemeinden, 
die  aus  allen  erwachsenen  Männern  ohne  XTntersohied  be- 
standen, entttohieden  über  Wohl  und  Wehe  des  Landes. 
Im  Frühji^  wurde  die  Maiengemeinde  einberufen.  Dort 
wurde  alles  erledigt,  wae  das  Land  anging.  la  diesen  Kan- 
tonen, vielleicht  von  Glarus  abgesehen,  bemerken  wir  noch 
ein  Stück  Mittelalter,  mit  allen  seinen  Schatten-  und  liobt- 

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aeiten.  Für  den  oberflächlichen  Reisenden  und  Beschauer 
allerdings  waren  diese  Geb irgskan tone  ohne  Steuern,  ohne 
Polizei,  ohne  Soldaten,  ohne  Zunftzwang  ideale  Staaten; 
einem  tieferen  Beobachter  aber  entgingen  die  Sohw&ohen, 
zum  Beispiel  Mangel  an  persönlicher  Sicherheit  und  der 
fanatische  Beli^onseifer,  durohaus  nicht. 

Bndlich  sind  noch  das  Wallis  und  Graubünden  zu  er- 
wähnen. In  beiden  Ländern  bestand  eine  primitiTe  Ver- 
fassung, doch  trat  dasVolk  nicht  in  der  Landsgemeinde  zu- 
sammen, Bondem  übte  daa  Referendum  aus.  Eigentlich 
bestand  das  Wallis  aus  sieben  kleinen  Bepubliken,  deren 
Angel^jenheiten  vom  Landrat  erledigt  wurden.  In  diesem 
Kanton  herrsohten  wohl  die  UTSprängliohsten  Zuetfinde  der 
Schweiz;  Viehzucht  und  Äckerbau  standen  auf  einer  sehr 
tiefen  Stufe.  Auch  war  das  Volk  sehr  faul  und  fanatisch. 

Besser  sah  es  in  Craubünden  oder  in  den  Drei  Bünden 
von  Bätien  aus,  wenigstens  was  Wohlstand,  geistige  Bil- 
dung und  ÄrbeitsfleiB  anlangt.  Hingegen  waren  die  Amter 
im  Besitze  «niger  vornehmer  Familien,  die  sich  vorwi^end 
in  fremden  Kriegsdiensten  Ansehen  und  Vermögen  erwor- 
ben hatten. 

Am  schlimmsten  war  es  mit  den  gemeinen  Herrschaften 
bestellt,  die  zweien  oder  mehreren  Kantonen  zusammen 
gehörten.  Hier  wäre  ÜLsbesondere  der  Tessin  zu  nennen. 

Dem  Beieenden,  sogar  dem  tiefer  Beobachtenden  bot 
dieses  aus  über  20  Ländohen  bestehende  Staatcngobilde  je- 
doch einen  sehr  günstigen  Anblick  dar.  Die  Bewohner  dieser 
mehr  oder  weniger  an  Sprache,  Sitten,  Religion  und  Ver- 
lesung verstriüedenen  Staaten  lebten  ruhig  und  glücklich 
dahin  und  schienen  sifdi  wenig  um  die  große  Politik  der 
Nachbarländer  zu  bekümmern. 

In  der  Tat  war  auch  die  wirtschaftliche  und  gesellschaft- 
liche Lage  der  Schweiz  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts  ver- 
hälbiismäßig  gut.  Der  Bauer  war  zumeist  Besitzer  des  von 


25 


ihm  bearbeiteten  Bodens,  und  die  Industrie  erntUixte  in  den 
Städten  und  den  umgebenden  Dörfern  zahlreiche  Bewoh- 
nfli.  Obgleich  der  strengste  Zunftzwang  bestand  und  die 
Klassen  weit  voneinander  eohied,  so  waren  doch  kdne  trif- 
t^en  Grflnde  vorbanden,  die  eine  StaatsumwSlzai^,  wie  in 
Frankreich,  nötig  gemacht  hätten. 

Das  größte  Unglück  für  die  Bchweizetische  Eidgenossen- 
schaft war  ihre  Sohwüohe  nach  außen  hin.  Wie  schon 
früher  ausgeführt  worden  ist,  gab  es  tatsächlich  keine  ein- 
heitliche Schweiz,  und  jeder  Kanton  war  mehr  auf  seme 
Sonderinteressen  als  auf  die  der  Gesamtheit  bedacht.  iDieser 
Zustand  mußte  unbedingt  den  Fall  der  alten  Schweiz,  die 
unglücklichen  Tage  von  Solothnm,  Freiburg,  Neuene^  und 
Fraubrunnen  hrobeiführen.  Senn  als  der  F^nd  im  Januar 
1798  endlich  auf  aohweizerisohem  Bodrai  stand,  der  seit 
Jahrhunderten  von  keinem  fremden  He^  betreten  worden 
war,  als  endlich  Bern  am  28.  Januar  die  verbündeten  Orte 
um  Hilfe  anging,  da  war  es  schlimm  mit  dem  Ergebnis  be- 
stellt. Nur  wenige  tausend  Mann  wurden  von  den  anderen 
Kantonen  zusammengebracht,  und  diese  zusammengewär- 
f^ten  Slfstrappen,  ohne  jegUohe  Einheit  und  ohne  tüohläge 
Führut^,  versagten  vollkommen  in  den  Stunden  der  Ge- 
fahr! 

Von  allen  Nachbarländern  hatte  Frankreich,  mehr  noch 
als  das  Deutsche  Reich,  den  größten  Einfluß  auf  die  Schweiz. 
Standen  doch  nicht  weniger  als  12  Begimenter  von  28,  die 
die  Schweiz  von  altersher  in  fremden  Staaten  unterhielt,  in 
französischem  Sold.  Es  ist  begreiflich,  daß  sich  allrän  durch 
diesen  Umstand  die  Beziehungen  der  Schweiz  zu  Prank- 
reich besonders  eng  gestalten  mußten. 

In  den  ersten  Jahren  der  französischen  St aat^um wälzung 
betrachtete  man  in  der  Schweiz  die  Vorgänge  in  dem  großen 
Naohbarstoate  mehr  mit  Neugierde  als  aus  Furcht,  durch 
die  öffenthohe  Meinung  gezwungen  zu  werden,  auch  im 

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eigenen  I^ande  Veränderungen  vornehmen  zu  müssen.  Als 
sich  aber  in  Pa.ris  ein  Schweizerklub  zu  bilden  begann,  und 
zahlreiche  des  Landes  verwiesene  pohtische  Flüchtlinge 
auch  in  der  französischen  Hauptstadt  Propaganda  für  eine 
Demokratisierung  der  Schweiz  niacliten,  da  galt  es,  aUmäh- 
lieh  Stellung  zu  den  neuen  Ideen  zu  nehmen. 

Nach  ujid  nach  fing  es  auch  an,  in  den  Untertanenländem 
unruhig  zu  werden,  denn  die  freiheitlichen  Bestrehungen 
fanden  immer  uielir  Eingang  in  den  Nachbarstaaten  Frank- 
reichs. Die  .\ufst.andsversuche  in  der  Waadt  im  Herbst  1790 
und  im  Herbat  1791  wurden  jedoch  von  den  Bemem  schnell 
unterdrückt.  Auch  die  Unruhen  im  Wallis  im  Jahre  1790 
nahmen  ein  schnelles  Ende. 

Tiefen  Eindruck  auf  die  Eidgenossenschaft  maehte  der 
Storm  auf  die  Tuilerien  am  10.  August  1792,  der  zahllosen 
Schweizern  das  Leben  kostete.  Es  wäre  beinahe  damals  zu 
einem  Bündnis  der  Schweiz  mit  Österreich  und  Preußen 
gekommen,  um  die  Revolutionggefahr  von  dem  übrigen 
Europa  abzulenken.  Dem  weitachauenden,  würdigen  Ber- 
ner Schultheißen  von  Steiger  gelang  es  aber  nicht,  die  Kan- 
tone  zu  einem  gemeinsamen,  entschiedenen  Handeln  zu  be- 
wegen. Gerade  jetzt  n^ie  die  beste  Gelegenhüt  gewesen,  das 
Sohweizervolk  aus  der  hundOTtjährigen  Buhe  und  Sorg- 
l(»igkflit  ao&urütteln  und  Maßnahmen  für  die  Sicherheit 
der  Grenzen  zu  treffen.  Zwar  forderte  Bern  am  17.  August 
I^burg,  Solothum  und  Luzem  zu  einer  Beratung  auf,  um 
Bilaßnahmen  im  Falle  eines  französischen  Angriffes  zutref- 
fen. Freiburg  und  Solothurn,  die  den  waten  feindlichen  Stoß 
auszuhalten  gehabt  hätten,  waren  wohl  zur  Tat  bereit,  doch 
verhinderte  die  Bemet  Friedenspartä,  und  zwar  nicht  am 
wenigstenanf  denBatdes  VorortsZüriohlda,  ernsteHaßnah- 
men.  Das  Land  sollte  noch  sechs  Jahre  lang  von  den  unheil- 
vollenKriegs  wirren  verschont  bleiben,  um  dann  umso  stärk»; 
verschiedenen  feindlichen  Einfällen  ausgesetzt  zu  werden! 


27 


Auf  Grund  des  Bestrebens,  Prankrdoh  auf  die  ,jiat&r- 
liohen  Grenzen"  anszudehnen,  beschloß  der  kriegalustige 
Nationalkonvent  im  Herbst  1792,  einen  Handstreich  auf 
Genf  zu  untemehnien.  Donk  der  Wachsamkeit  der  Bemer 
Kegierung  konnte  die  Gefahr  noch  abgewendet  werden, 
ehe  der  Plan  zur  Ausführung  kam.  Hehr  Glück  sollte 
die  firanzösische  Regierung  mit  dem  Pruntmt  (Forreatruy) 
haben,  das  sich  am  27.  November  17S2  als  „Bftui^<>lÜBche 
Bepublik"  (ß4publique  rauracieime)  bildete  nnd  dann  im 
nächsten  Frühjahr  als  Departement  Mont  Terrihle  in  die 
französische  Bepnblik  einverleibt  wurde.  In  den  nächsten 
Jahren  besserte  sich  ein  wenig  das  Verhältnis  zwischen  bei- 
den Staaten,  wohl  nicht  zum  wenigsten  durch  die  Geechick- 
liohkeit  und  den  Takt  des  französischen  Gesandten  Bor* 
th^my.  Die  Einverlcibungsgelüste  der  Pariser  Machthaber 
wurden  daher  einstweilen  aufgeschoben. 

Wenn  aber  die  Regierungen  der  schweizeriecheoi  Kan- 
tone keine  MaBnahmen  trafen,  um  ihre  Unabhängigkeit 
nach  auBen  hin  durch  entschiedene  Haltung  und  durch 
Aufstellung  eines  Heeree  zu  wahren,  so  unterließen  sie  es 
doch  nicht,  jede  Veränderung  im  Innern  zu  unterdrücken. 
Im  Sommer  1794  waren  in  Stäfa,  im  Kanton  Zürich,  Un- 
ruhen ausgebrochen,  die  von  der  Regierung  mit  größter 
Strenge  unterdrückt  wurden.  Noch  schlimmer  war  das 
Stra^ericht,  als  sieh  die  Aufstandsversuohe  im  nächsten 
Jahre  mit  größerer  Heiligkeit  auch  in  den  Nachbardörfern 
wiederholten. 

Meia  Erfolg  hatte  die  revolutionäre  Bewegui^  im  Ge- 
biete des  Abtes  von  Sankt  Gallen  im  Jahre  1796.  Der  alte 
Fürstabt  Beda  sah  sich  zu  Zugeständnissen  gezwungen,  die 
nach  seinem  im  niohsten  Frühjahr  erfolgten  Tode  auch 
von  seinem  Nachfolger  nicht  widerrufen  werden  konnten. 
Der  Au^leioh  führte  zur  Einsetzung  einer  Volksvertretung 
im  Sommer  1797. 

28 


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Als  durch  die  Friedensschlüsse  von  Basel  und,  zivei  Jahre 
darauf,  von  Campoformido  die  Zahl  der  Feinde  der  Franzö- 
sischen Bepublik  vermindert  worden  war,  bekam  man  in 
Paris  wieder  Lust,  eich  mit  der  Schweiz  zu  beschäftigen. 
Barthelemy,  der  beate  IVeund  der  Schweiz,  der  jahrelang 
in  den  Berichten  an  seine  Regierung  zum  (Juten  geredet 
hatte,  war  aus  dem  französischen  Direktoriuni  gewaltsam 
entfernt  worden  und  befand  sich  auf  dem  Wege  nach  Biaof 


mary!  Die  Kriegspartei,  die  vor  allem  durch  Reubell  und 
Bonaparte  in  Frankreich  vertreten  war,  bekam  jetzt  freie 
Hand  und  wurde  immer  anmaßender. 

Aber  in  der  Schweiz  erkannte  man  die  drohende  Gefahr 
erst,  als  es  zu  spät  war!  Iin  Ausland  lebende  Schweizer,  wie 
der  Historiker  Johannes  llüllcr,  der  im  Auftrage  der  öster- 
reichischen Regierung  im  Sommer  1797  eine  Reise  durch  die 
Schweiz  unternahm,  oder  der  Botschafter  der  Stadt  Frank- 
furt, Johann  Gottfried  Ebel,  verfehlten  nicht,  mündlich 


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oder  schriftlich  auf  die  beängstigenden  Absichten  der  ban- 
zösiachen  Regierung  hinzuweisen. 

Noch  im  letzten  Äugenblick,  als  es  noch  Zeit  für  die 
Bemer  Regierung  war,  einen  entscheidenden  Schritt  zu  tun, 
achrieb  Tacharner,  der  eidgenössiache  Gesandte  auf  dem 
Kongreß  in  Bastatt,  am  2.  Januar  1798  in  seine  Heimat: 
„Frankreich  wiU  uns  revolutionieren  in  der  Absicht,  uns 
brandschatzen  und  beherrschen  zu  können;  Frankreich, 
will  eine  Celdextorsation,  und  Mutach  und  Tillier  werden 
in  Paris  nichts  ausrichten,  weil  das  Direktorium  eine  große 
Kontribution  in  der  Schweiz  bereits  beschlossen  hat.  Von 


der  GeaamtBoh'weiz  hofft  es  60,  von  Bern  24  IfiHioiira  zu 
erhalten,  und  niohts  mehr  wird  nna  von  der  beabaiohtigten 
SpoUation  rettenkönnen  als derentsohlo68enste>A^erBtand; 
dieser  allein  wird  unseren  Negotiationeo  Nachdruck  geben 
und  uns  selbst  bei  Bonaparte  Ächtung  verschaffen)  weil  er 
Mut  und  Tapferkeit  ehrtt" 

Schon  die  Abtrennung  des  Veltlins  im  Sommer  1797*) 
hatte  keine  Folgen  nach  sioh  gezogen,  das  heiSt,  kdnen 
Widerstand  von  säten  der  Schweiz  hervorgemf^  Die 
Bitte  der  französischen  Biegierung,  die  Emigranten  aus- 
zuweisen, wurde  immer  dringender,  und  die  schwachen 
Kantone  beeilten  sich  meist,  den  Wünschen  des  französi- 
')  Vgl.  den  zweiten  Band,  Säte  401  bis  402. 


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aclien  Direkt oriuins  sofort  nnchzukomnicn.  Sogar  als  der 
französische  Geschäftsträger  llengaud,  im  Namen  seiner 
R«gieninf;,  am  7.  Oktober  1797,  auf  Crund  eines  Befelile 
vom  15.  September,  die  Ausweisung  des  pTigliscben  Apeuten 
Wickham  aus  der  Schweiz  verlangte,  wurde  üvieli  diesem 
Wunsche  des  Direktoriums  entsprochen,  und  Wickliajn  ver- 
ließ, wenn  auch  freiwillig,  den  Schweizerboden. 

Die  Schweiz  war  reif,  überreif  für  einen  feindlichen 
Einfall! 


31 


DRITTES  KAPITEL 


BONAPARTE  IX  KASTATT.  —  DIE  GESANDTEN 
DES  DEUTSCHEN  REICHS  UND  DER  FRANZÖSI- 
SCHEN REPUBUK.  —  ER3TE  VERHANDLUNGEN 
(November  bis  Dezember  1797) 

t^ber  Miilllioiin,  Ereiburg  im  Brt'i.igau  und  Offenburg  ging 
,■  es  jetzt  in  schnellem  Lauf  auf  liatitatt  zu.  Durch  Müll- 
heim reiste  Bonaparte  am  24.  November  17!)7  nachts  um 
ein  haib  zehn  Uhr  und  wurde  vom  Geheimrat  Groos  auf 
badischem  Gebiet  begrüßt.  In  Freiburg  scheint  der  General 
nicht  sehr  beliebt  gewesen  zu  sein;  jedenfaUs  hielt  er  sich 
dort  nicht  hinge  auf.  Er  kam  zwischen  1  und  2  Uhr  an, 
nahm  seinen  Aufenthalt  im  Gaathaua  zum  Möhren,  und, 
naclideni  die  Pferde  gcweclisolt  worden  waren  —  man 
brauchte  nicht  weniger  als  22  —  ging  nach  ein  und  einer 
halben  Stunde  wieder  weiter  nacii  Offenburi;,  Diese  Stadt 
war  damals  das  Hauptquartier  des  Generals  ^^ugereau,  der 
für  seine  Verdienste  vom  18.  Fructidor  am  23.  September 
17<j7  zum  Obergeneral  der  Rhein-  und  Moselarmee  und 
dann  nach  Koches  Tod  auch  vorübergehend  zum  Befehls- 
liaber  der  Ranibre-  und  llaafiarniee  ernannt  worden  wex. 
Hier  kam  es  ku  einem  unliebsamen  Zwischenfall  zwischen 
Napoleon  und  Augcrcaii.  Nach  den  Bonapart«  günstig 
gesinnten  Zeugnissen,  vor  allem  aber  nach  denen  seines 
Adjutanten  Lavalctte*),  habe  der  General  vor  Augereaus 
Hause  tialt  gemacht  und  diesen  bitten  lassen,  lierunter- 

*)  I.BVBleUe  WBT  zvai  Augenzeuge  der  Vingänge,  die  sicli  in  der  Drogebuug 
BonApartee  währand  dieser  Reise  absiüelten.  doch  darf  nun  nicht  vergeoen, 

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I 


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zukommeQ,  da  es  ihm  an  Zeit  fehle,  liici^er  aufzuhal- 
ten. Der  ehemahRe  Untergeni.Tal  der  Itahonischeri  Armee 
habe  aber  antworten  hiasen.  er  stn  fienulc:  mit  dem  Anklei- 
den beschäftigt.  In  Jihnlieher  Weise,  auch  ungünstig  für 
Augereau,  stellen  Marniont,  ebenfalls  als  Augenzeuge,  und 
Boulay  de  la  Jleurthe  den  Vorgang  dar. 

General  Gouvion  Samt-Cvr,  der  seclia  Divisionen  der 
Armee  Deiit^icldands  befehligte,  widmet  diesem  kleinen 
Kreignis  in  seinen  nnhtanaehen  Memoiren,  die  übrigens 
\-<>r  decien  Lavalettes  erschienen,  mehrere  &eiten.  Er  ver- 
teidigt seinen  ehemaligen  Vorgesetzten,  obgleich  er  dessen 
Sobwächen  durchaus  nicht  ubersieht.  Augereau  habe  naeh 
Gouvion  Saint-Cvrs  Aussage  die  Absicht  gehabt,  Bona- 
parte den  glänzendsten  Empfang  zu  bereiten  und  ihm  zu 
Ehl  en  über  einen  Teil  seiner  Truppen  Musterung  KU  halten, 
hiniajiarte  habe  ihm  aber  einen  Streich  gespielt,  weil  er  in 
eitlem  Dorfe  vor  üffeiiburg  Halt  gemacht  hätte  und  trotz 
der  VorsteJhmgen  dea  Adjutanten  Augereaus  sich  nioht  ins 
Hauptquartier  liegebon  wollte,  obgleioh  er  dort  von  dem 
General  erwartet  Murde, 

Augereau  war  ein  überaus  eitler,  üclbst bewußter  und 
prunksüclitiger  Menacli.  Er  hatte  sich  iveder  bei  der  Ita- 
lienischen Armee,  noch  weniger  aber  bei  den  Heeren  an  den 
( Frenzen  Deutschlands  Freunde  schaffen  Ifönnen.  Trotzdem 
scheint  es,  daß  man  von  Seiten  der  Verehrer  Napoleons  den 
unbedeutenden  Vorgang  unnötigerweise  zu  Ungunsten  Au- 
gereaus aufgebauscht  hat.  Es  ist  wohl  möglich,  daß  dieser 
die  Absicht  gehabt  hat,  seinem  ehemaligen  Vorgesetzten 
bei  dessen  Durchreise  durch  Offenburg  einen  ehrenvollen 
Empfang  zu  bereiten.  Die  Umstände  waren  aber  ungünstig, 
und  ßonaparte  hatte  groüe  Eile,  nach  Rastatt  zu  kommen. 
Sollte  es  sich  tatsächlich  so  verhalten  haben,  wie  uns 
das  er  Mine  Memoirea  wlUireiid  der  ReetouratiDiuieit,  also  inmitten  des  be- 
ginnenden  Napoleonkultos  fem  in  der  Verbannung  am  dem  Oedichtnit  nie- 
derschrieb. 

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Lavalett«  in  seinen  Erinnerungen  berichtet,  daß  Augereau 
mit  Ankleiden*)  beschäftigt  war,  so  kann  man  ihm  doch 
nicht  eine  tinchrerbictige  Haltung  Bonaparte  gegenüber 
vorwerfen,  weil  er  nicht  an  den  Wagen  des  ihm  damals  im 
ßange  gleichstehenden  (ienerals  gekommen  ist.  Denn  ein 
General  im  Nachtanzug  und  mit  Seifenschfliim  im  Gesicht 
würde  ge^^^ß  kein  zu  würdiger  Anblick  für  seinen  Kollegen 
von  der  Italienischen  Armee  gewesen  sein!**) 

Man  näherte  sich  immer  mehr  dem  Orte  der  vorläufigen 
Bestimmung  Bonapartes.  Kurz  vor  Rastatt,  am  Nachmit- 
tag des  25.  Novembers,  erreichte  ihn  eine  Abteilung  Szekler 
Husaren,  die  dem  französischen  Gieneral  das  Geleit  geben 
sollten.  Endlich  gegen  10  Uhr  abends  kam  der  kleine  Zug 
in  Sicht  der  festlich  erleuchteten  badischen  Stadt.  In  einem 
von  acht  Pferden  gezogenen  Wagen,  der  von  der  Begleitung 
des  Gener  als  und  von  k  aiserlichen  H  usaren  u  mgeben  war,  hielt 
Bonaparte  seinen  Einzug  in  Rastatt.  Ei'  wurde  von  seinem 
früheren  Generalstabschef  Berthier,  der  bereits  am  19.  No- 
vember abends  eingetroffen,  sowie  von  Murat,  der  seinem 
General  nach  Rastatt  vorausgeeilt  war,  ferner  von  den 
Generalstabaoffizieren  Sulkowski  und  Colbert  empfangen. 
Colbert  war  völlig  von  der  Größe  seines  Oberbefehlshaber 
hingerissen.  „Da  ist  mein  großer  Mann,"  rief  er  begeistert 
aus,  „für  den  ich  mich  aufopfern  würde.  Je  länger  ich  ihn 
*)  Hanh  einigen  Angaben  ist  Bonapoite  nach  HitMniaaht  dnrch  Offenlnng 
gekimunen;  vermulUchaberhater  diew  Stadt  am  irilclutai  Morpm  nach  Ta- 
gesanbruch durchreist. 

**)  Dia  „Correspondauce  loAdil«,  ofRdells  eCconfldeiitJdle  delfapoMon  Bodb- 
parle"  verzdohuet  eiaea  Briet  Augereans  an  Bonaparte  ans  jenen  Tagen,  der 
Kugnniten  Augereaui  ipricht.  Man  liest  darin:  „Sie  ätid  no  unerwartet  in  Ot- 
tenburg angekoniraen,  als  venn  Sic  au.i  den  Wolken  gefallen  waren.  Sie  haben 
damit  einem  Ihrer  aheraaligen  rnterfülirer  pinon  sehlwliten  Streich  gespielt. 

siohBrlieh  nicht  das  Vergnügen  cntyeliPn  linbeii  laNsen.  Sie  in  iiniannen.  Wis 
man  mir  sagt,  iat  Baatatt  niclit  gerade  der  beqiioiiisto  und  angeiielmiste 
Aotenthaltaort  der  Welt,  und  ich  sende  Itinen  dotier  meinen  Adjutautai 
FoomiM'.  £r  ist  beauftragt,  Ihnen  einen  Wagen,  Pferde,  kurz  alles,  was  in 
seiner  Uacht  steht,  ztir  Vertilgimg  zu  Btrllm." 

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sehe,  desto  stärker  finde  ich  ihn.  Ich  kenne  Männer  von 
großem  Verdieoat  und  großen  Talenten,  aber  keiner  besitzt 
ein  HO  vollkomme  nee  Genie  wie  er.  Ich  habe  Männer  ge- 
sehen, die  Großes  mit  großen  Mitteln  vollbracht  haben,  aber 
er,  er  weiß  dieae  Mittel  erat  zu  schaffen!" 


Der  Freiherr  Drais  von  Sauerbronn,  das  Haupt  der 
Eaatatter  Kongreßpolizei,  geleitete  den  General  nach  dem 
östhch  der  Stadt  gelegenen  Schlosse,  das  durch  Packeln  er- 
leucht  etwar.  Dort  wurde  Bonaparte  vom  General  Grafen 
Älerveldt  begrüßt,  den  er  bereits  aus  Itahen  gut  kannte. 


35 


llerveldt  war  am  Abend  des  24.  November  in  Rastatt  an- 
gekommen, während  sich  die  beiden  französischen  Unter- 
händler Treilhard  und  Bonnierd'Arco  bereits  seit  dem  18.  in 
der  Kongreßstadt  befanden.  Auch  sie  machten  dem  italie- 
nischen Sieger  sofort  nach  seiTiem  Eintreffen  einen  Besuch, 

Naelideiu  Uonapitrte  von  Bertliii-r  dvn  vom  liii-ekloriain 
ratifixii'ilen  Friedensvertrag  von  (  aniiioiiiiiuido  ^on  ie  neine 
Vollmacht  als  Präsident  der  frarii^ö.-isi'lieii  (Jcsundi^cli.ift 
empfangen  hatte,  Kog  er  Meli  in  die  von  .Mural  für  iliii  aus- 
gewählten Gemäelier  im  Heiken  l-'liieel  des  Sehlossi  S  y.uvm-h. 

Das  Seldüll  gehörte  früher  dem  l'iin/en  l.lld^^  ii;  von 
Baden.  Hier  war  am  ü.  Mär/  1711  duidi  den  ilar^eiiall 
Villnrs  und  den  Prinzen  Kugcn  von  Savoyen  der  Frieden 
zwischen  Frankreich  und  dem  Deut  sehen  Kaiser  abgeschlos- 
sen worden.  Wohl  auch  aus  iWc^om  Grunde  war  die  Wahl 
auf  tlie  kleine  hadisi  he  Stadt  gefallen.  Den  folgenden  Tag. 
den  Noveinlier,  verbrachte  Büna])arte  im  Schlosse,  nin 
sich  von  den  An.strengungcn  der  Ecise  etwas  zu  erholen. 
Er  erstattete  ancli  dem  Direktorium  Bericht  über  seine 
Fahrt  von  Mailand  bis  hierher.  Bereits  am  Abend  gegen 
8  l  lir  eiii])fing  er  die  badlsche  „Subdelegation".  Sie  weilte 
eineStunde  bei  ihm  und  war  mit  dem  liebenswürdigen  Emp- 
fang sehr  zufrieden. 

Mit  großer  Ungeduld  und  Unruhe,  nicht  minder  mit  un- 
bestimmten Hoffnungen  waren  die  Augen  des  gesamten 
Europas,  besondei^s  aber  der  zahlreichen  Staaten  Deutscli- 
lands  auf  den  in  Haslalt  /Ufiamnu'ntret enden  Kongreß  ge- 
richtet. Sollte  doch  dem  Vertrag  von  (.'ampoformido  erat  die 
richtige  Gültigkeit  und,  durch  einen  dauernden  Frieden  zwi- 
schen Frankreich  und  dem  Reiche,  ein  würdiger  Abschluß 
verliehen  werden.  Viele  Schwärmer  erhofften  von  dem  Kon- 
gi'eß  die  Wiederherstellung  des  alten  Deutschen  Reiches  in 
seiner  ehemaligen  Größe  und  Herrlichkeit,  wie  das  aus  den 
z^ilreichen  Flugschriften  hervoi^ht,  die  damals,  besondet« 

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m  dentecher  Sptache.  erschienen:  Andere  Tagesschnft- 
Bteller  dagegen  sahen  schärfer  und  bereHrtcii.  nlirnlinRs 

hl  b  b  htgt  se  1  !  I  I  ff  I  1 
Meinung  auf  den  für  Deutschland  so  uiili.-ih  olli-ji  Hlit-iu- 
bund  vor  oder  sahen  im  voraus  die  dorn  Rcii'lic  droherKif-n 
Gefahren.  War  es  doch  allbekannt,  dnll  Ostcnoicii  auf 
Preußen,  und  Preußen  auf  Osterreich  ncidis^rli  waren,  fiaö 
^ieh  jedes  Land  auf  Kosten  des  andern  oder  des  Reiches 
bcif  ichem  wollt«,  während  die  anderen  weltlichen  oder 
L'eisUichen  Fitrslen  statt  des  Wohles  der  Gesamtheit  nur 
das  eiL'fiip  im  Anao  hfibidtonl 

I)    1  I  t,    I    tt    n     P  I     b  d     b  h 

hii  Ton  der  heili.n;n  Stlirifl:  ..lliid  i-s  L'eachah.  da  Bona- 
1         1         11     i    I   tt     1  1  1  1    H  1 

(      t      S  i    ft    U  t  III  t  dt  d 

1  t       1  R    t  t       11    11     I  lac  R  h 

mit  Liat  faiiL-on  und  tiit.-n  u-olllcn.  Und  da«  Ücicli  nah.  daß 
&t     1  f,  k  1  I      !    I       M       S  1 

t  bet    bt  b        !      L    i    L    1  1  III      i  t 

h   b  k  t       1   j      I     W  1  1  1        I  1  h  1 

aa^fe  euch;  einer  unter  euch  isI  h.  dcf  inicli  verraten  wirdr 
U  d  h  d  p  ß  1  11  t  fl  t  1  k  1  Ol 
.Was  wollt  ihr  mir  geben,  so  will  ich  iliii  >-nrh  vcriiilcn !' 
Bonaparte  spricht  dem  Reich  das  Urteil:  .Wn-  IiuIhu  .  in 
Ciesetz.  und  nach  dem  Gesetz  muß  es  i^i-ilK^ii"  Tial/. 
B  IH         D       t  dt        d       "\\  1 

lltlk       Slll        1         DK  bilt 

r        I  i  ß  7  t  It     1  d  ßda^fg        \  Ik 

Ib  Ld  Ißil  I  (Jl  II  I  Iß 
Mgk       gtdDRI  1        \]  I 

Brust  und  kehrte  w-iodcr  um." 

uugieicn  ea  ststir  £u  uuuauem  ist,  uall  ein  ucntscncr  .uuiin, 
nie  Joseph  Görres,  das  Heil  Deuteohlanda  and  der  Zukunft 
von  derFranzösiBchenBepublik  erwartete,  so  muß  man  doch 

37 


ataiinei),  wie  dieser  junge  21jiihrige  xMann  schon  ao  richtig 
die  Folgen  der  Ubergabe  der  Sfadt  ilainz  an  die  Franzosen, 
die  zu  Beginn  des  Kongressen  erfolgte,  zu  beurteilen  ver- 
stand. Er  schrieb;  „Am  IJO.  Dezember  1707,  am  Ta;ie  des 
Überganges  von  Muiuz,  nachmittags  um  ;)  Uhr,  starb  zu 
Regensburg  in  dem  blühenden  Alter  von  955  Jaliren,  5  5Io- 
naten,  28  Tagen  sanft  und  selig,  an  einer  gänzlichen  Eut- 
kräftung  und  an  hinziigckomnienem  Schlagfiusse,  bei  völli- 
gem Bewußtsein  und  mit  allen  beihgen  Sakramenten  ver- 
sehen, das  heilige  römische  ii«icli.  .  .  .  Der  Verstorhcnf  seizt 
die  Fränkische  Republik  als  rechtmäßige  Erbin  <les  linken 
ßheinufcrs  ein  und  bittet  sie,  das  kleine  aber  gutwillig  ge- 
gebene Geschenk  als  ein  Zeichen  seiner  Hochaehtung  und 
Liebe  anzunehmen.  .  .  .  Die  kaiserlichen  Einkünfte  fallen 
an  das  Armenhaus  in  Repensburg,  die  Prälaten-  und  an- 
deren Bänke  Bn  die  Universität  Heidelberg,  die  Reieha- 
armee  an  den  Landgrafen  von  Hessen- Kassel,  um  sie  nach 
England,  Amerika  oder  Ostindien  zu  verhandehi.  Testa- 
mentaexekutor  wird  seine  Ex/fllcn/.  der  (ieneral  ßonaparte. 
Die  Reichsdojjutalioii  in  Rastatt  soll  ihre  Sitzungen  per- 
manent erklären  und  sich  dann  mit  dem  Abschluß  eines 
ewigen  Friedens  beschäftigen:  jeder  Artikel  darf  aber  in 
nicht  weniger  als  ÖO  <J(H>  bitzungen  abgetan  werden !  ' 

In  Wirklichkeit  glaubten  wohl  die  wenigsten  verstandi- 
gen und  weit  sc  Ii  au  enden  Leute  an  die  Dauer  des  zu  Canipo. 
formido  abgesehlossenen  Friedens.  Das  Direktorium  war 
gegenwärtig  kriegeriseher  wie  je  gesinnt,  und  einige  .Mit- 
glieder demselben  halten  den  von  Bonaparte  ahgeschlusse- 
nen,  aUcrdiiigs  vom  Volke  mit  Begeisterung  und  Cenug- 
tuuug  aufgenommenen  Frieden  von  Campnformido  nur  mit 
Widerwillen  gutgeheilicn.  Wie  im  zweiten  ISande  der  Ue- 
schichte  Napoleons  ausführlicher  dargestellt  wurde,  war 
Osterreich  vielleicht  noch  weniger  mit  dem  Ahechluß  der 
Friedensverhandlungen  einverstanden  gewesen  als  Frank- 

38 


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SSaft« 

tu    ju    5aitipo  3iinnlb6  r(fljt|tqnn 

II  g(a|l«»t  lalificitt  nitttn 
Tili  tu. 

r  t  m  (  n  , 
179  g. 

Tilelwiedetgsbo  einer  sellsnen  Brawhan!  ober  dea  KusUtter  KongroS. 
(Baiiuiiluiii  KlRbalHDj 


39 


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reioh,  denn  es  hielt  sich  durchaus  nicht  für  besiegt  und  war 
allmählioh  viedei  zum  Bewußtsein  seiner  Kraft  gekommen. 
Thugut  wäre  sofort  wieder  zum  Losschlagen  bereit  gewesen, 
wenn  er  auf  einige  Bundesgenossen,  vor  allem  auf  den  Bei- 
stand Kußlanda,  hätte  rechnen  können. 

Xach  dem  20.  Artikel  des  am  17.  Oktober  I7d7  in  Gampo- 
formido  abgeschlossenen  Friedens  beabsichtigte  man  in 
Rastatt  ein  Kongreß  einzuberufen,  auf  welchem  einzig  und 
allein  die  Vertreter  des  Deutschen  Reiches  und  der  Franzö- 
sischen Republik  zusammentreffen  sollten.  Man  gedachte 
aber  nicht  nur  den  Frieden  zwischen  dem  Reiche  und  Frank- 
reich zum  Abschluß  zu  bringen,  die  Ratifikationen  zum 
Rieden  von  Campoformido  auszuwechseln,  sondern  es  soll- 
ten auch  auf  Grund  der  ebenfalls  am  1 7.  Oktober  des  Jahres 
unterzeichnetengeheimenZuaatzkonvention  Beatimmungen 
wegen  der  Übergabe  der  Stadt  und  Festung  Mainz  an  die 
Franzosen  und  Venetiena  an  Oaterreich  getroffen  werden. 

Da  seit  dem  Beginn  der  Revolutionsfeldziige  die  mit 
Frankreich  imStreite  befindlichen  MBclitociicdiplomatischen 
IJczicliiingen  zur  Republik  abgcbrorlirn  hatten,  so  suchte 
jeder  Staat,  tier  irgend  etwas  mit  Fnuikreieh  ku  regeln  hatte, 
eine  .■Anknüpfung  in  Rastatt,  indem  er  einen  oder  mehrere 
Vertreter  liahin  beorderte.  Der  Zuspruch  zum  Kongreß  war 
daher  außerordentlich  rege;  die  gcwimtf  Friedensdeputation 
zählte  nicht  weniger  als  76  Personen*)!  Seligst  Staat<~n  wie 
Riißland  und  Schweden,  sogar  Genua,  Lueea,  der  l'apst  und 
der  Malteaerorden  suchten  mit  mehr  oder  \ieniger  Erfolg 
ihre  Vertreter  beim  Freihcrm  von  Albini  zu  beglaubigen! 

Bereits  am  18.  August  17!)5  war  vom  Reiche  aus  eine 
Friedennabordiiung  von  je  liinf  katlioüselien  und  protestan- 
tischen Keii  lis>-t  iiiidrii  i-ru:>  uut  nml  .uiw.  ( )Utnber  desselben 

•)  Noclidr-m  .,Uu8«iltt-rKoiif!ri:-UI,isci.eiLL.iichfürd»a.)nlir  17BB"  brlrug  die 
OeeaiDtzalil  der  anu  BBeiiden  BevoUitincJiligton  und  deren  Sekrete le.  Adjutan- 
ten und  IMeneticfaafl  niclit  weniger  bIb  516  Peraonen! 

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.lahips  die  Rangordnunn  fe:^tfn.>s<'t/.t  iviiidea*).  Hii,.ii  Voll- 
maclitcTi  edtspreuheiid  durften  die  Vertretor  der  zehn 
Reichsstande  nur  auf  Grundlage  der  Unversehrtheit  des 
iieiclies  verhandeln.  Jet7,t,  am  1.  November  171)7,  ergingnun 
die  kaif^crliclie  Aufforderung  an  die  Keichsstände,  ihre  De- 
putierten nach  lia-Htatt  zu  entwenden.  Obgleich  der  Kaiser 
in  den  geheimen  Artikeln  des  Vertrages  zu  Campoformido 
der  FranzÖHischen  Republik  seine  „guten  Dienste"  angebo- 
ten hatte,  um  Frankreich  das  linke  Rheinufer  zu  verschaf- 
fen, so  verlangt«  er  doeh  in  der  Verordnung  vom  1.  No- 
vi'mber,  die  Reichsstände  möchten  „dem  großen  ErhaltungH- 
gesetz  der  Einheit  und  Gesamtheit  des  Deutselien  Reiches 
in  geaetzlicher  Verbindung  mit  dessen  Oberhaupt  unverän- 
derlich getreu,  das  gemeinsame  Wohl  des  deutschen  Vater- 
lanties  mit  edlem  Pflichtgefühl  und  deutscher  St andhaftig- 
keil  wirksam  unterstützen  und  also  vereint  mit  ihrem  Reichs- 
oberhaupte den  längst  gewünschten,  auf  die  Basie  der  Inte- 
grität des  Reiches  und  seiner  Verfassung  zu  gründenden, 
billigen  und  anständigen  Frieden  bestens  befordern  und  be- 
schleunigen!"  Es  waren  nur  leere  Worte,  um  den  Beiche- 
ätänden  Sand  in  die  Augen  zu  streuen.  Wa5  ging  den  Kaiser 
das  Reich  an,  das  in  seinen  letzten  Zügen  lag?  Er  wollte  ja 
doch  nur  seine  Hausmacht  vergrößern! 

Am  17.  November  traf  der  Freiherr  von  Albini,  der  Hot- 
kanzler des  Kurfürsten  von  Mainir,  in  Rastatt  ein.  Er  sollte 
den  Vorsitz  auf  dem  Kongreß  führen.  Albini  war  einer  der 
erst«n,  der  in  dem  Schlosse  Wohnung  n^ilirn.  Seit  Anfang 
des  Monats  war  es  vom  badischen  Minister  rrciherm  von 
Edelsheim  mit  großer  Mühe  und  nicht  geringem  Kostenauf- 
wand instand  gesetzt  worden,  um  so  vielen  OSsten  ange- 
nehme und  passende  Unterkunft  zu  verschaffen. 

Die  Vertreter  der  verschiedenen  Mächte,  die  .gm  Kongreß 

'IDie  [ünfkatholiechenBeiohsBtSndEi  waren:  Mhiiiz,  Kutsaclieeii,  Oatoircicli, 
Bayamund  Wüiabuig  idia  fünf  protMtantiaehon ;  Bcomon  (Hannover),  Hess™- 
Dinnatadt,  Baden  und  die  beiden  BdcbasCidte  Augsburg  und  Frankfurt, 


41 


t«iliieli(iien  wollten,  kamen  ziemlich  unregelmäßig  an.  Wenn- 
gleich der  Kongreß  einen  Monat  nach  Unterzeichnung  des 
Friedens  von  CampoEormido,  also  am  16.  November,  er- 
öffnet werden  sollte,  ivaren  bis  zu  diesem  Tage  nur  die 
wenigsten  Mitglieder  eingetroffen.  Da  nach  früheren  diplo- 
matischen Gebräuchen  dem  zuletzt  Angekommenen  der 
erste  Besuch  gemacht  werden  mußte*),  so  war  es  den  öster- 
reichischen Bevollmächtigten  förmlich  befohlen  worden,  so 
spät  wie  möglich  in  Rastatt  zu  erscheinen.  Der  Graf  Metter- 
nich, der  wichtigste  Vertreter  des  Kaisers,  traf  sogar  erst 
einige  Stunden  nach  dem  Aufbruch  des  Generals  Bonaparte 
nach  Paris  in  Rastatt  ein! 

Franz  II,  hatte  eine  zahlreiche  Gesandtschaft  nach  Rastatt 
gesandt,  die  ihn  in  seiner  Eigenschaft  als  deutschen  Kaiser, 
als  König  von  Ungarn  und  Böhmen  und  als  Erzherzog  von 
Ostreich  auf  dem  Kongreß  vertreten  sollte.  Der  Graf 
Franz  Georg  Karl  von  Mettemich-Winneburg,  der  aus  alter 
und  angesehener  Familie  stammte,  hatte  seinen  Herrn  als 
deutechen  Kaiser  zu  vertreten;  gleichzeitig  war  er  der  kai- 
serliehe  Kommissar,  oder  in  der  damaligen  Sprache,  der 
kaiserliche  „Plenipotentiarius". 

Der  Graf  hatte  viel  Glück  in  seinem  Leben  gehabt  und 
war  fast  ohne  besondere  Vexdieuste  von  Stufe  za  Stufe  höher 
genickt.  Ol^leich  er  keine  großen  Fiüügkeiten  und  keine 
diplomatische  Geschicklichkeit  besaß,  ao  verstand  er  doch 
in  würdiger  und  glanzvoller  Weise  seinen  kaiserlichen  Herrn 
zu  verbeten.  Dieser  Eigenschaft  wegen  verdankte  er  wohl 
seine  Stellung  als  Haupt  der  kaiserlichen  Abgeordneten. 
Treilhard  entwirft  in  seiner  Depesche  an  Talleyrand,  kurz 
nach  seinem  Besuche  bei  Metternich,  ün  nicht  zu  schmei- 

*)  iWlhsnl  und  Bannier  nuohtsn  dem  Qraten  HattsniiDh  am  6.  TttamabtiT 
den  enten  Beuich.  Auf  Gnmd  dea  23.  Artikels  des  Fliedens  von  Campotonni- 
do  wu  vereinbart  wordan,  daO  in  Zulconft  dawelbe  Zenmonidl  wie  früher 
zwischen  dem  Kaiser  und  dec  Kraiiz5etaohen  Republik  beibehdtea  worden 
sollte. 

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chelhaftes  Bild  von  dem  Grafen  von  Metternich-Winne- 
burg.  Er  schien  ihm  kalt,  stolz,  unveraehiinit,  wenn  es  notig 
war.  sehr  förmlich,  jede  seiner  Bewegungen  abgemessen,  vor 
allem  aber  befürchtete  er,  7.ii  ehrlich  7,n  erscheinen.  Mit 
einem  Wort,  er  war  ein  Erzdeutscher,  was  die  Etikette  be- 
traf, im  Grunde  ein  Mann  von  wenig  Geist,  infolcedessen 
selir  hartköpfig,  kurz,  gerade  das  Gegenteil  von  einem  Men- 
schen, den  man  für  die  Unterhandlungen  notig  hatte. 

nein  Sohn,  der  spatere  Fürst  Metternich,  befand  sich  eben- 
falls m  Begleitung  seines  Vaters  m  Rastatt,  doch  zunächst 
ohne  Amt.  Erst  am  28.  Dez.eiuber  erhielt  er  eine  offlzieUe 

II  n     1  B     11      1    £,t  (,     des     stfal  s  he 

(Grafen-Kollegiums  katholischen  Teils".  Er  kam  aber  erst 
nach  der  Abreise  Bnnapnitcj;  an  und  hatte  somit  keine  Ge- 
legenheit, seinen  spateren  profJen  (.ecner  schon  jetzt  per- 
aonhch  kennen  zu  lenieii. 

Caf  Cbltt  tlnJU  lln 
Adelsgeschlecht.  Wir  haben  ihn  schon  wahrend  der  Ver- 
handlungen zu  Udme  und  Paseanano  als  einen  der  tüch- 
tigsten österreichischen,  überhaupt  der  damaligen  Diplo- 
maten kennen  gelernt.  Auch  in  Rastatt  entfaJtete  er  eine 
außerordentliche  Tätigkeit,  mclit  zum  wemgsten  ale  Iie- 
beuBwurdiger  Gesellschafter,  doch  fehlte  ilim.  wie  den  mei- 
sten Stoatsmännern  jener  Zeit,  der  nationale  Sinn.  ErdÜente 
dem  Herrscher,  dem  er  sein  Kcinnen  und  Wollen  gewidmet 
hatt«,  mehr  aus  Pflichtgefühl,  Ehrgeiz  und  Ergebenheit,  als 
ans  Liebe  zur  Sache,  und  um  seinem  Vaterlande  einen  Dienet 
xa  erweisen.  Er  vertrat  den  Kaiser  als  König  von  Ungarn  und 
Böhmen.  Viel  iat  über  die  leichten  Sitten  Cobenzla  wilhrend 
dee  Kongresses  gesprochen  worden,  doch  in  keiner  Weise 
findet  man  irgendwelchen  weiblichen  Einfluß  auf  die  diplo- 
matischen Unterhandlungen. 

Die  Chronik  jener  Zeit  erzählt  uns  allerdings  von  dem 
Grafen  eine  amüsante  Anekdote.  Ais  Cobenzl  im  April  179S 


43 


eiiig  nach  Wien  reisen  mußte,  fehlte  ihm  sein  Wagen,  Er 
hatte  ihn  seiner  Freundin,  einer  Sängerin  freburgt.  damit 
diese  nath  Stnißburg  zurückkehren  konnte.  Unglücklieher- 
weiKe  traf  die  „Citoyenne  Hyaeinthc"  unterwegs  einen  an- 
dern Freund,  dem  sie  ihrerseits  in  liebenswürdiger  Weise 
den  Wagen  Cobenzls  zur  Verfügung  stellte,  damit  dieser 
schneller  und  bequemer  niWih  Frankfurt  reisen  könne!  Das 
Gefährt  kam  aber  nicht  zuriick,  und  ticr  w  ürdige  Vertre- 
ter des  KönigH  von  Ungarn  und  Böhmen  mulitc  sich  eines 
gewÖhnHchen  Mietwngons  hedionon,  um  in  die  Österreichi- 
sche Hauptstadt  zin  iickzukehren.  Aber  auch  der  Graf  von 
Metternich-W'inncbui'g  war  ein  galanter  Mann  und  war  be- 
strebt, „den  Euf  cinea  eben  so  artigen  Mannes  wie  Cobenzl" 

Der  dritte  Vertreter  lios  Kaisers  als  Erzherzog  von  Öster- 
reich war  der  üruf  Lclirbaeh,  wie  Mctternieh  von  altem 
Reicheadek  Über  ihn  sind  die  Rtiiumcn  geteilt.  Man  schil- 
dert ihn  als  cingebikict.  schwiit/siichtig,  grob  und  dreist. 
Gleichzeitig  aber  war  er  tätig  und  in  den  Geschäften  be- 
wandert. Kr  hatte  grofe  Kenntnisse  in  den  verwickeltsten 
Reiehsangelegenheiten.  Im  allgemeinen  war  Lehrbach  nicht 
beliebt,  am  wenigsten  vicilcicht  bei  Albini,  der  mit  ihm 
manciirnal  aneinander  geriet,  in  seinem  Wesen  war  der 
Graf  ebenso  Soldat  wie  Diplomat.  Er  hatte  im  Frühjahr 
in  Tirol  bei  der  Volksei  hcbiuig  gegen  die  Franzosen  seinem 
kaiserlichen  Herrn  nicht  unwichtige  Dienste  geleistet. 

Der  Präsident  <les  Kongresses,  oder  wie  die  damalige  di- 
plomatische Sprache  sich  ausdrückte,  der  „Directorialia  der 
Deputation"  war  der  Freiherr  von  Albini,  der  das  ganze 
Vertrauen  seines  greisen  Herrn,  des  Kurfürsten  von  Mainz, 
genoß.  Obgleich  nicht  ohne  Fähigkeiten,  besaß  Albini  doch 
wenig  moralischen  Halt  und  schwankte  in  seinen  politi- 
schen Ansichten  hin  und  her.  Als  der  Kongreß  unverrichte- 
ter  Sache  auseinanderging,  und  der  Krieg  von  neuem  au»- 

U 


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DlgiiizedtiyCQOgle 


brach,  kämpfte  er  als  ;\iifülirer  der  fränkischen  Bauern 

tapfer  gegen  die  Fmnznsen. 

Er  vermochte  Kwar  niclit  das  Rerinpstc  zu  tun,  mn  die 
Übergabe  der  Stadt  Mainz  an  die  Franzosen  zu  verhindern, 
doch  gelang  es  ihm,  siel)  das  Vertrauen  t-eines  Herrn,  des 
Kurfürsten  und  Erzbischofs^  Friedrieh  Karl  .Joseph  von 
Krtlml,  und  nach  dewwn  Tode  im  Jahre  18(1^,  das  seines 
Nachfolgers,  def  Freiherrn  von  Dalberg,  7.11  erhalten. 

Kursachsen  wurde  durch  den  tirafen  von  Loben*),  einen 
Überall  beliebten,  patriotiBch  gesinnten  iin<l  recht  schaff  enen 
Mann  vertreten.  Bayern  hatte  den  (Irafen  l'reyaing  ge- 
sandt. Am  ]  (i.  Februar  1  TOS  wurde  dieser  durch  den  Grafen 
von  Horawitzky**)  abgelöst;  ilie  « ichtigste KoHe  der  baye- 
riachen  üesandtscliaft  spieUc  aher  der  Ceheiuirat  Zentner. 

Ber  Domherr  und  ("Icheimriit  (Irul  Ftitdiich  Luthar  von 
Stadion  vertrat,  obgleifli  micli  vcrhiiltiiismiilJig  jung,  den 
Fürstbischof  von  VViirzburg.  Dasprotc.-t  antisc  he  Herzogtum 
Bremen  (Hannover)  hatte  den  Freiherrn  von  Ueden,  einen 
tüchtigen  und  geschäft.^igewandtcn  -Mann,  nach  der  Kongreß- 
stadt gesehickt;  ihm  zur  Seite  stand  der  .schon  damals  sehr  be- 
kannte Völkerrechtlich rcr  Professor  Marlens  aus  ClfHtingen. 

Der  Minister  Frcilicrr  von  Ratzert  war  der  { Ics.indtc  dc.< 
I-ands;i-;ifenvou  Hcssen-Darmsladt,  iJcrStaatsminister  Frei- 
herr von  I';dcl^hcim  und  der  (ieheiuirat  Kruiuanuel  Meier 
waren  Abgeordnete  des  Markgrafen  von  Baden.  Die  freien 
Städte  Augäburg  und  Frankfurt  hatten  die  R'alo  Pflummem 
und  Schmidt,  hczichcntHch  die  Riiiedünderrode  und  Schwei- 
zer nach  Ra.ftaTt  gesehickt. 

Außer  den  zehn  Keiehssliindi'n  halten  aller  auch  notli  die 
meisten  anderen  Staaten  Deutschlands  ihre  Vertreter  auf 
dem  Kongreß  von  Rastatt.  An  der  S))itKe  der  preußischen, 
oder  wie  es  amtlich  hieß  „kurbrandenburgischen"  Gesandt- 

*)  Er  wurde  im  Februar  1798  durch  den  Grafen  von  Hohenthal  ssetst. 
**)  Seit  dem  11.  Hän  1799  Freiherr  von  Rechberg. 

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Boh&ft  stand  der  Graf  Johann  Eustachius  von  Schlitz,  genannt 
von  Görtz,  der  schon  unter  Friedrich  dem  Großen  verschie- 
denr  wichtige  Posten  bekleidet  hatte.  Er  war  ein  alter  Herr 
mit  silberweißen  Haareri  und  liebenswürdigem  Wesen.  Ihm 
iieigeordnet  waren  der  frühere  Gesandte  in  London,  Freiherr 
von  Jacobi-KlÖst,  Herr  von  Dohm  und  Karl  Heinrich  von 
Lang,  alles  bekannt«  Namen.  Görtz  und  von  .lacobi-Klöflt 
kamen  am  15.,  Dohm  langt«  am  23.  Dezember  in  Un.';tatt  an. 

Aber  auch  viele  nichtdciitschc  Staaten  hatten  trotz  des 
20.  Artikels  des  Friedens  vim  Campoformido  ihre  Vertreter 
nach  Rastatt  gesandt,  um  ilire  Kcehlc,  oder  besser.  An- 
sprüche, zu  wahren  und  Beziehungen  anzuknüpfen  oder 
»■ieder  aufzufrischen.  So  ließ  sieh  der  König  Friedrieh  VI, 
von  Dänemark  als  Herzog  von  Holsteiu-GHiekstadt  diirch 
den  K am merberm Freiherr n  von  HotienkrauK  und  den  Lega- 
lionsrat von  Eggers,  der  König  Oustuv  1\'.  von  Schweden 
als  Herzog  von  Pommern  und  als  Bürge  des  Westfälischen 
Friedens  auf  dem  Kongreß  vertreten*).  Die  liatavische  Re- 
publik hatte  zuerst  den  Agenten  Buch,  dann  den  Gesandten 
von  Graflvold**),  die  Zisalpinisehe  Hepublik  den  später  so 
bekannt  gewordenen  Ciafiii  \\v\a\  ^\'Kn\  nacli  Hastatt  lie- 
fohlen.  Endlich  nuwhu\  ahEC-elieii  von  kieineien  Staaten, 
noch  die  .schweizerische  CesandtHchafl  erwälint  werden,  an 
deren  Spitze  Karl  Ludwig  von  Tscharner  und  Kai!  Ludwig 
von  Haller  standen. 

Man  sieht,  dafl  der  Zuspruch  zum  HasliUter  Kongreß 
äußerst  rege  war,  denn  jeder  Staat,  der  etwas  zu  gewiiLiien 
hoffte,  liatte  ver.'^ucht,  sich  daselbst  vertreten  zu  lassen, 
Meist  war  es  ja  nur  die  Absicht,  sich  über  die  Politik  der 

■1  DorsehwodiBchc  Grat  von  Fcraon.diT  den  Fmiiio-ciMvifri^  iiOfllirrfit  licTn 
gleich  unangenehm  war  und  nicht  zu  den  Künf!rcUi  criiou(iIiinK<n  ziip.'l.ii=si.'n 
wnrdo,  vorließ  ßaatatt  nach  einigen  Monaten.  Mclir  Glück  hutti:  dir  Ftci- 
berr  von  Bildt,  der  sich  am  14.  Müte  ala  herzoglich  vorpommerarrlicr  Fartikii- 
largesondt«!  xu  begtoabigen  auehtc. 
")  Btät  Ai«ust  1708. 


47 


großen  Machte  zu  onoiUKTcri  oder  öich  unter  Ostcrreichfi 
oder  Preußens  l'ittichc  zu  beceben.  Es  wurde  ein  auscedehn- 
f  er.  eifriger  Handel  getrieben,  iiiii  sinli  die  (.unst  der  großen 
Hünen  und  deren  l^ekretare.  ja  sopar  deren  Bediente  und 
K.oelie  zu  verschaffen!  Nat'li  den  qebemien  Papieren  emer 
reichrifiirat  hellen  (.iOriundUchaft  erlüelt  ein  französischer 
Gesun<lt.wlinftsse];r(;tär  luii  21.  PVbnmr  17!)8  22fi  (iiilden. 
der  .Sekretiir  üonniers  am  Hi.  Jlärz  27r).  «  eni<re  Ta^e  später 
der  Sekretär  TreiUiards  miU  (iuldeii.  die  Hedienten  nattirlich 
in  den  entspreelienden  \  erlialtnisseTi. 

Es  war  nicht,  einmal  IciehL  Zutritt  zu  den  Vürziinmern 
der  wichtigeren  (gesandten,  vor  allem  der  französischen,  zu 
erhalten,  und  man  mußte  alle  Li^t  anwenden,  um  zum  Ziele 
zu  gelangen.  Jcdentalis  stand  schon  vom  Anfang  an  dir 
Sache  der  geistlichen  l'iir.sten  sein-  M  hleulit.  wenn  man  be- 
denkt, daß  sogar  die  Kammerdiener  einen  üroßen  Lnter- 
schied  maohten,  und  sie  den  geistlichen  \eitretern  nur 
sohwier^  Zutntt  zu  ihren  Herren  erlaubten ! 

Allen  diplomatischen  Gebrauchen  zum  Trotz  hatte  die 
franzosische  Regierung  nur  zwei  Vertreter  nach  Rastatt  ge- 
schickt, denn  Bonaparte  hielt  sich  nur  wenige  Tage  auf  und 
Qfthm  an  den  eigentlichen  Unterhandlungen  nicht  teil. 

Jean  Baptiste  Treilhard,  ein  tüchtiger  Jurist  in  gesetztem 
Alter,  hatte  während  der  ersten  Jahre  der  Revolution  eine 
hervorragende  Rolle  gespielt.  Er  war  Abgeordneter  des  drit- 
ten Standes  in  der  Konstituierenden  Versammlung  gewesen 
und  behielt  auch  seinen  Sitz  im  Konvent  bei,  in  dem  er 
vom  27.  Dezember  1792  bis  10.  Januar  179U  Präsident  war. 
Femer  wurde  er  in  den  Wohlfahrtsausschuß  gewählt  und 
war  während  des  Monats  Kivöse  de.s  .Jahres  l\'  J'räsident 
desBates  der  Fünfhundert,  Ob^vleieh  er  wahrend  des  Pro- 
zesaea  Ludwige  XVI,  für  den  Tod  des  Königs  gestimmt  hatte, 
so  gehörte  er  doch  nicht  zu  den  Anhängern  Bobespierres. 

Nachdem  er  im  Mai  1797  aus  dem  Rate  der  Fünfhundert 

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ausgeschieden  war,  führte  er  in  GemeiiiBchaft  mit  Bonnier 
die  Unterhandlungen  mit  Lord  Malmesbury  in  Lille  und 
wurde  dann  nach  deren  ergebniBloaem  Ausgang  nach  Ra- 
statt gesandt*).  Als  Fran^ois  de  Neufchäteau  im  Jahre  1798 
auB  dem  Direktorium  ausschied,  wurde  Treilhard  vom  Rate 
der  Ahcn  mit  166  Stimmen  zum  Direktor  gewählt. 


Treilhard  war  zwar  fast  noch  ein  Neuling  im  diplomati- 
schen Dienst,  seine  politischen  Ansichten  standen  aber  be- 
reits fest.  Er  war  immer  einer  von  denen  gewesen,  die  im 
Konvent  die  Rheingrenze  verlangt  hatten.  Er  war  wenig  be- 
redt. Seine  Umgangsformen  waren  die  der  neuen  französi- 

•)  Zuvor,  am  13.  Oklnbi-r  1797,  wür  c-r  iiHii  CeBandt^.i  in  Xeapol  ftnnnnt 
norden,  aber  phe  rr  aeinP  Hpisf  antpetfi.  lii.nnii-.  i-rliifll  c-r  tlip  npiip  Hi-»lim- 
nmng. 


49 


I 


Bcheii  Gi-sellsciiiift.  ;.tancicii  also  ganz  im  i.;egeiisatz  zu  denen 
der  nach  der  ehemaligen  franzi  wiächen  Sitte  erzogenen  deut- 
schen Dipinniaten.  Oft  le^e  er  sich  mit  den  Armen  und  der 
BruM  auf  ilen  Tisch,  wenn  er  sich  in  der  Sitzung  befand.  | 
Man  kau«  sich  leiclit  die  Entrüstung  der  wohlerzogenen,  | 
%'omehmen  deutschen  Diplomaten  vorstellen !  Sonderbarer- 
weise nannte  ihn  der  junge  Metternich  verschiedentlich  in 
den  Briefen  an  seine  Fran  „äußerst  höflich".  Auch  der  Frei- 
herr von  Edelsheim  Mar  von  dem  ..guten  Empfang  Bona- 
partes  und  von  den  verbindlichen  Manieren  der  Bürger  Mi-  j 
nister  TreiDiard  und  Bonnier"  ent/.iickt.  Allerdinga  rühren 
die  Zevipiiidse  vom  Anfang  Dezember  1797  her,  ehe  noch  die 
eigentlichen  YerhandUmpen  begonnen  hatten. 

Treilhard  wurde  am  27.  Oktober  ernannt  und  war  der 
hauptsächlichst«  Vertreter  der  fianeösiacheD  Gesandtechaft. 

Der  andere  Bevollmächtigte,  Ange  Elisabetli  Louis  Bon- 
nier d'Arco«  war  ein  ehemaliger  Adlige  tmd  vor  derKevo- 
lution  Präsident  des  Gerichtshofes  von  Montpellier  gewesen. 
Er  wurde  in  die  Gesetzgebende  Yersammlung  und  dann  io 
den  Konvent  gewählt  und  stimmte  ebenfalls  für  den  Tod  des 
Kimigs.  Nach  denergebnislosen  Verhandlungen  in  Lille,  ward 
er  mit  Treilhard  nach  Rastatt  geschickt  und  w-urde,  als  man 
Treilhard  durch  Jean  Debrj'  ersetzte,  das  Haupt  der  fran- 
zödsohen  Gesandtschaft. 

Seiner  Freundschaft  mit  Beubell,  mit  dem  er  während  des 
Kongresses  einen  legen  privaten  Briefwechsel  unterhielt, 
verdankte  er  die  Emeimung  zum  Bevollmächtigten.  Sie 
erfolgte  am  31.  Oktober  1797.- 

Bonnier  war  meist  leidend,  deshalb  in  seiner  Unterhal- 
tung oft  nn&eundliob,  mürrisch  und  hart.  Er  verstand  es 
aber,  sich  mehr  Stunde  zu  erwerben  als  sein  Kollege 
Treilhu'd,  dem  er  an  Kenntnissen  und  diplomatischer  Ge- 
schicldichkeit  nicht  gewachsen  war.  Er  blieb  in  Rastatt 
bis  zum  Abbruch  der  Unterhandlungen  und  wurde  später 

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mit  DSbcy  and  Roberjot  toil  östeneichischen  Husaren 

ermordet. 

CJeneralsekretär  der  französischen  Gesandtschaft  war  der 
KIsiisser  Rosenstie),  ein  bescheidener  aber  befähigter  Mann. 
<icr  von  Talleyrand  für  diesen  Posten  beatiniint  worden  war. 
Er  beherrschte  beide  Sprachen  vollkoniineii  und  war  des- 
halb von  großem  Nutzen.  Da  er  mit  dem  llinister  von 
Gatzcrt,  dem  hossen-dnrmatädti seilen  Abgesandten,  vcr- 
arhwägert  war,  erfuhr  er  oft  von  Dingen,  die  den  Franzosen 
.selir  angenehm  sein  konnten.  Ro.sen.stiel  kam  ei>>i  um  1:2.  De- 
zember 1797  in  Rastatt  an.  Währenddessen  erh^digte  Treil- 
hard  selbst  alle  für  ihn  bestimmten  ;\jbeiten. 

Bonaparte  war  mit  größter  Sclinelligkeit  durcli  Italien, 
Frwikreich,  die  Sehweiz  und  Deutschland  gereist,  um  recht- 
zeitig in  Rastatt  einzutreffen  und  die  Unterhandlungen  mit 
den  österreichischen  Abgeordneten  zu  beginnen.  Kr-  war  da- 
her sehr  erstaunt  und  ärgerlich,  daß  noch  keiner  von  ihnen 
angelangt  war.  „Es  ist  nicht  schön  von  den  Osterreiehern,'' 
sagte  er,  „daß  sie  mich  und  die  doulsehen  Kolleuen  so  lange 
warten  lassen.  Ich  bin  durch  die  Huliliir.ni-.'u,  <\i.-  mim  mir 
auf  meiner  Reise  überall  erwies,  aiiljeinidiiillifh  aufgehal- 
ten worden  und  habe  deshalb  befürchtet,  zu  spät  zu  kom- 
men. Ich  sehe  aber,  daß  meine  Sorge  nnbegriindet  war." 
Sein  Verdruß  würde  gewiß  größer  gewesen  sein,  wenn  er  ge- 
wußt hätte,  daß  den  österrdc)iischen  lfevollma<  hl  igten  di- 
rekt anempfohlen  worden  war,  nach  ihm  an/nkoinmeul 
Denn  so  verlangte  en  die  k!U^;erliclLc  \"orHclirift ! 

Nur  der  General  (irat  von  .Mervcidt,  der  voiii  Kaiser  auf 
Orund  des  .\rtikc!s  der  Zusat/aktc  /.um  frieden  von  Cani- 
Jioformidn  betreffs  der  Käinnung  und  der  Ul-ergah,-  <k-i 
Festung  Mainz  zum  Abgeordneten  ernannt  worden  war, 
befand  Bich  seit  dem  24.  November  in  Raatatt.  Er  hatte  je- 
ioeb  noch  keine  Vollmachten  erhalten.  Erst  am  27.  Novem- 


51 


bcr  kam  der  Graf  von  Lolirbach  an,  der  aber  den  Kaiser  nur 
a!s  Erzlierzog  von  Ostcrrcicli  zu  vortreten  hatte. 

Doimpartc  empfing  am  Slorgen  des  28.  November  den 
Major  von  Stetten,  der  im  Auftrage  des  Markgrafen  von  Ba- 
den gekommen  wiir,  dem  General  für  die  am  Tage  zuvor  be- 
wiesene .\ufiJierksamkeit  zu  danken.  Bonaparte  hatte  näm- 
lich am  zl.  November  seinen  Adjutanten  Ju not*)  nach  Karls- 
ruhe zum  greisen  Markgrafen  Karl  Friedrich  gesandt,  um 
di^en  im  Namen  des  franzosischen  Oberbefehlshabers  auf 
badischem  Gebiet  zu  begrüßen. 

Gegen  Mittag  desselben  Tages  erfiielt  dann  der  Obergene- 
ral vom  Freiherrn  von  Albini  den  ersten  Besuch,  darauf  den 
des  Graf en  von  Fersen  und  gegen  8  Uhrabends  den  der  übrigen 
in  Rastatt  anwesenden  Mitglieder  der  B«ichsdeputation. 

In  großer  Generals  uniform  ging  Bonaparte  den  Gesand- 
ten bis  zur  Türe  des  V'orzinimera  entgegen  und  begrüßte  zu- 
vorkommend die  Vortreter  der  verschiedenen  Staaten.  Mit 
ganz  besonderer  Auazeichnung  sprach  er  mit  den  Vertretern 
der  Reichsstädte  Augsburg  und  Frankfurt. 

Ohne  eine  bestimmte  Rangordnung  zu  beobachten,  nahm 
man  um  den  Kamin  herum  Platz  und  begann  zwanglos  zu 
plaudern.  Jeder  Abgeordnete  suchte  so  schnell  wie  möglich 
auf  den  Gegenstand  zu  sprechen  zu  kommen,  der  ihn  am 
meisten  interessierte,  und  trachtete,  Bonaptutes  geheime 
Absichten  zu  ergründen.  Nach  einigen  einleitenden  Worten 
über  die  ungünstige  Lage  des  Schlosses,  den  Hchlecht  ge- 
wählten Ort  und  nach  den  nie  fehlenden  Bemerkungen  übra 
die  Langsamkeit  des  Kaisers  begann  man  wichtigere  Gegen- 
stände ine 'Gespräch  zu  ziehen. 

Albini  frt^te  den  General  ohne  Umschweife,  wo  der  Kur^ 
*)  NichtHumont,  vUolt  angegeben  wild.  JunolhBtteriohiiiKularulieire- 
nig  taktvoll  benommen  und  eine  Sinladung  lam  Esaen  mm  Hofe  Eari  Friod- 
Ticha  auBgesdilogen.  Bonaparte  sandte  Jetzt  erat  nm  30.  November  «einen  Ad- 
jutanten Marmont  jiach  der  bwliachen  Hauptstadt,  um  dem  Markgraien  für 
die  fbersendung  von  vier  Pferden  zu  danken. 

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fürst  seinen  Wohnsitz  nehmen  solle,  wenn  ilmi  Mainz  gc- 
nommen  werde.  Er  erhielt  eine  ihn  miT  wenig  befriedigende 
Antwort.  Der  Craf  von  Stadion,  der  im  geistlichen  Gewand 
erschienen  wur  und  et^vus  iiiler  die  Zukunft  des  Fürstbi- 
schofs von  Wiirzbiirg  erfnbren  wollte,  wurde  von  Bonaparte 
nicht  be?nnderH  sanft  mit  den  Worten  angerodet  „Die  deut- 
schen Jiiachöfe  sind  geistHche  Regenten  und  Kriegaleute  zu- 
gleicli."  Dann  bemerkte  er  höhnisch:  ,,\Vic  stimmen  diese 
Titel  miteinander  überein  ?  Wie  sind  sie  im  Evangelium  be- 
gründet ?  Die  Kurfürsten  von  Trier,  Köln  imd  Mainz  reden 
immer  vom  Himmelreich;  aber  ihre  Schlösser  und  Reich- 
tümeraindfürsieeinHindcmis,  hinein  zu  gelangen.  WiEisen 
sie  nicht,  daß  das  Evangelium , sagt:  .Die  Reichen  werden 
nicht  ins  Himmelreich  gelangen?'" 

Die  Unterhaltung  ward  immer  einseitiger,  und  schließlich 
sprach  Bonapartenurnoohganzalldn.  Uber  die  Reich  »Verfas- 
sung äußerte  er  sich  mit  Geringschätzung.  Es  sei  kein  Zu- 
sammenliang  luiter  den  einzelnen  Gliedern  des  Deutschen 
Reichs;  die  einen  fülirten  Krieg,  während  sich  die  anderen 
neutral  verhielten.  Es  sei  gewiß  schwer,  zum  Frieden  zu 
kommen.  Und  ließe  sich  dieser  auch  nicht  binnen  24  Stun- 
den schließen,  so  glaube  er  doch,  innerhalb  24  Tagen  zum 
Abschluß  zu  kommen.  Meist  stimmten  ihm  die  Abgeordne- 
ten mit  verbindlichen  iiedeiis^irten  bei. 

Wenn  auch  manche  Wrlretcr  der  liei.'hsdeputation  liarte 
Worte  aus  Bonapartes  -Munde  hören  niuÜtcn,  so  erging  es 
(loch  keinem  so  scldecht  wie  dcrti  (.irafcn  von  Fersen,  der 
(icn  König  von  Schweden  als  liiirgcn  des  westfülisiOicii  i'rie- 
ilpns  7.U  vertreten  hatte.  Die  Waid  des  seliwedisehen  ilerr- 
^thcrs  war  entschieden  unglücklich  aUHgefaüen,  di^iin  Wersen 
»ar  unter  Ludwig  XVI.  Gesandter  in  Faris gewesen  und  dem 
jetzigen  republikanischen  Frankreich  wegen  seiner  Freund- 
schaft zm  ehemaligen  königlichen  Familie  sehr  verhaßt. 

Als  der  schwedisehe  Gesandte  am  Nachmittage  des  28.No- 

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vember  bei  Bonaparte  erschien,  richtete  der  General  so- 
gleich die  Frage  an  ihn,  wer  gegenwärtig  schwedischer  Ge- 
sandter in  Paris  sei.  Fersen  mußte  ausweichend  antworten, 
denn  der  Baron  von  Stael,  der  den  König  von  Schweden  bei 
der  Republik  vertreten  hatte,  aber  aus  allerlei  Criinden  eelir 
»ngern  von  dcv  frunzösiBchen  Kogierung  gesehen  wurde,  war 
von  t^iMiK.'!!!  Posten  abberufen  worden.  Das  Direktorium 
hatte  indes  auch  den  an  seiner  Stelle  ernannten  Geöchäftfi- 
träger  nicht  angenommen.  Schweden  besaß  somit  gegen- 
wärtig keinen  diplomatischen  Vortreter  in  Paris. 

Nach  einigen  einleitenden  l.iemrrkungen  sagte  ihm  Bona- 
parte ungefähr  folgendes:  ,,  I  )ie  friiir/Jwische  Nation  und  das 
Haus  Schweden  sind  w-it  uiclnerfii  ■lahrhundcrten  verbün- 
det. Sie  liaben  sieh  Re^cnsciti!:  uiiter>=Lützt,  um  den  Ehrgeiz 
eines  iiber)i)iilif!en  Herisclierhauses  zunichte  zu  machen, 
das  in  den  vergangenen  .iiilirhuntlerten  mit  einiger  Aussicht 
nach  der  Universalmonarchie  strebte.  Eine  Macht,  die  für 
Schweden  gefährliclier  ist,  weil  sie  ihm  naher  liegt,  macht  eti 
ihm  zu  einer  niclit  weniger  gcbieterisclien  l'tliclit,  gegen  die 
Französische  Republik  rücksichtsvoll  zu  verfahren,  und  sie 
verbindet  in  geographischer  Hinsicht  das  politische  System 
der  beiden  Mächte.  Wie  soll  man  sieh  nun  das  Benehmen  des 
schwedischen  Hofes  erklären,  der  es  sieii.  nie  es  scheint,  an- 
gelegen sein  läßt,  bei  ji'der  (k'lc^H'iilieit,  sei  es  nach  Paris, 
sei  es  zu  den  versehiedeiK-ii  liaiizr>üi«'licri  Bevollmächtigten, 
Agenten,  Minister  odci-  Ce^andte  y.u  !;tliicken,  die  persönlich 
jedem  französisrhen  Bürger  von  l^rund  aus  zuwider  sind! 
Der  Konig  v..n  ^^einveilen  win  de  ^ielleriich  nicht  einen  Ge- 
sandten mit  Gleiehgöltigkeit  betraeliten,  der  versucht  hätte, 
das  Volk  in  Stockholm  auf/.u wiegeln.  Nein,  mein  Herr,  die 
Pranzüsi.sehe  Republik  wird  es  nicht  dulden,  daß  Männer,  die 
durch  ihre  Beziehungen,  zum  ehemaligen  französischen  Hof 
nur  zu  bekannt  sind,  die  vielleicht  auf  der  Emigiantenliate 
Btehen,  die  Geaaoidtea  des  ersten  Volkesder  Erde  höhnen.  Ehe 

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das  Iranzösieche  Volk  auf  Politik  und  Vorteil  liikksiclit 
iiimmt,wirdesvoraUemtuii,waae8eeinerWürdesdiuldigiBt." 

Diese  Unterhaltung,  die  Bonaparte  an  Talloyrand,  den 
Minister  der  auawärtigen  Angelegenheiten,  nach  Paris  be- 
richtete, wird  im  allgemeinen  durch  Cobenzl  und  Lehrbach 
an  ihre  Regierung  bestätigt.  Fersen  zog  sich  als  echter 
Höfling  mit  Geschick  aus  der  unangenehmen  Lage.  Er  sagte, 
er  würde  über  die  Unterredung  mit  dem  General  nach  Stock- 
holm berichten,  und  verließ,  von  Honaparte  bis  zur  Tür 
b^leitet,  das  Zimmer.  Er  machte  jedorli  no(;h  verschiedene 
Versuche,  um  am  Kongreß  teilKunehmen,  ist  also  nicht, 
wie  oft  berichtet  wird,  sogleich  al^reist.  Erst  nach  vier 
Monaten  verließ  er  Rastatt,  da  er  sah,  daß  er  nichts  aus- 
richten konnte. 

Am  Abend  desselben  Tages,  am  28.  November,  kam  endlioh 
Cobenzl  mit  einer  zahlreichen  Begleitunginder  Kongre  Bstadt 
an.  Er  ließ  dem  General  Bonaparte  sofort  seine  Ankunft  mel- 
den. Den  diplomatischen  Gebräuchen  entsprechend,  machte 
IhmBonapacte,  von einomglänzenden  Generalstab  umgeben, 
am  näohaten  Mittag  den  ersten  Besuch ;  er  stattete  auch  an 
demselben  Tage  dem  Grafen  von  Lehrbach  und  dem  Ftei- 
herm  von  Albini,  sowie  nachmittags  gegen  2  Uhr  dem  IVei- 
herm  von  Edelsheim  seinen  Gegenbesnoh  ab.  Den  an- 
deren Abgeordneten,  die  meist  außerhalb  des  Schlosses 
wohnten,  sandte  er  nur  seine  Adjutanten  mit  der  Entschul- 
digung, er  sei  zu  beschäftigt,  um  selbst  zu  kommen. 

Am  Kachmittag  empfing  Bonaparte  auch  den  Gegen- 
besuch des  österrMohiscben  außerordentUahen  Gesandten. 
Bs  waren  außer  dem  Grafen  Cobensl  die  Generale  Grafen  von 
Merveldt  und  Baillet  de  Latour,  letzterer  in  seiner  Eigen- 
schaft als  Obetstkommandierender  der  kaiserlichen  Heere 
in  Deutsohland. 

Bonaparte  und  seine  Regierung  hatten  es  natürlich  sehr 
eilig,  in  den  Besitz  der  Festung  Mainz  zu  gelangen.  So- 


56 


bald  man  sich  über  dio  Art  der  Auswechslung  der  Rati- 
fikationen der  Frio<ienKurkiinrfen  von  Campoformido  ver- 
ständipl  liattf.  I)egaini  man  zu  plaudern.  Die  beiiien  an- 
deren fnuizösiiichGn  Abgesandten  Treilhard  und  Hannier 
d'Äreo  nahmen  an  den  Unterhandlungen  nicht  teil,  dagegen 
war  außer  dem  General  Grafen  Merveldt  noch  der  Feld- 
zeugmeister (iraf  de  Latour  anwesend. 

Am  ;iO.  Xovcmber  fand  die  eigentliche  Ausweclishmg  der 
Ratifikationen  dea  Friedens  von  Campoformido  statt,  die 
der  General  Bcrthier,  bcziehungswciüe  der  Graf  von  Uobenzl 
mitgebracht  hatten.  Darauf  trat  man  sogleich  wegen  der 
Abtretung  von  Mainz  in  Unterhundlnnfr,  A'icl  war  nicht 
mehr  7.n  regeln,  dit  man  schon  in  licr  ^ehi-iiiicn  Überein- 
kunft vom  17.  ()kti)l)erdie  allgeriieiucu  Fragen  vollständig 
erledigt  liatte.  Übrigens  sind  uns  keine  Einzelheiten  über 
diese  Unterhandlung  vom  ;iU.  November  bekannt  geworden. 

fJonaparte  war  an  diesem  Abend  licRonder.s  liebenswürdig. 
Erbehielt  die  drei  ö.sterreicliiselien  Unterhändler  zum  Abend- 
essen bei  sieh.  Der  Freiherr  von  Albini  warebcnfailn  zugegen. 
Bonaparte  sagte  dem  FeldzeugmeiHter  Grafen  de  Latour 
wepen  seiner  ausgezeicluieten  Fülii'un;:  im  voi  jälirigen  Feld- 
zug von  TJcutsclilnnd  allerlei  Ai  ti^kriten.  Kr  vciteilte  auch 
an  die  Grafen  Uolienzl  und.Mcrveldi  werl  v,.lle  Geschenke*). 
Für  den  Freiherrn  von  Degelmann.  der  den  Frieden  von 
Campoformido  rjiitnnter/.eichiiet  lialte,  bestimmte  er  eine 
mit  lirillantcn  Ix'sctzte  Hutspange.  Uer  Manpiis  von 
Gallo,  (lerriienfidls  ;m  den  l'ntcrliandlungen  in  Udine  und 
Pas-sariaiii)  Icil^-cnoiumen  luitte,  .sollte  ein  mit  Brillanten  ge- 
."chmiiektes  Aeliseiatüek  erhalten,  das  100  OÜO  Franken  wert 
war.  Bonapacte  kam  aber  von  seiner  Absicht  ab  und  gab 
Anfang  ^Vpril  dem  General  Berthier  den  Auftxag,  das  für 

•)  Die  preußischen  "Gegüldtan  meldeten  am  26.  MBn  1798  ihtem  Hof.  daB 
Graf  Cabenil  von  Bonaparte  —  vermutlii^  dunth  Vennittlung  von  deraan 
Adjutanten  Lavalette  —  noch  eine  Uhr  mit  Diamanten  Im  Wert  von  40  000 
Dulden  erhalten  habe. 

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deQ  Marquis  von  Gallo  beatiiiimte  Geschenk  zu  verkaufen, 
konnte  man  das  dafür  erlöste  Geld  doch  besser  für  den  ägyp- 
tischen Feldzug  verwenden ! 

Auf  Sankt  Helena  bemerkt«  der  gefallene  Kaiser  einmal 
zum  General  Gourgaud:  „Ich  verteilte  in  Rastatt  viele  Ge- 


schenke, denn  ich  hatte  viel  Geld  ans  Italien  mitgebracht. 
Die  beiden  armen  Gesandten  (es  sind  wohl  Cobenzl  und 
Merveldt  gemeint)  waren  ganz  verblüfft,  daß  ich  so  viel  Geld 
hatte,  denn  sie  waren  sehr  knapp  daran." 

Bei  einer  anderen  Gelegenheit  sagte  er  jedoch,  daß  er  kaum 
300  000  Franken  mit  aus  Italien  gebracht  hätte.  Entweder 


57 


vergaß  er  versehentlich  eine  Null,  oder  ei  gab  die  Summe 
abaichttich  ao  gering  an*). 

Ohne  großeSthwierigkeiteiieinigttnsichdie  beiderseitigen 
Unterhändler  liinsiulitlich  der  Abfassung  des  Vertrags  zur 
Räumung  von  Main/,  und  ^'enetien.  Am  i .  Dezember  bereits 
konnte  Bonapiirlc  ^t;inc  Adjutnnten  Murat  und  Colbert  mit 
dem  ratifizierten  l''rieden^vortrag  des  Kaisers  nach  Paris 
senden  und  gleieliKnitig  unterwegs  seine  Ankunft  anmelden, 
damit  überall  Pferde  für  den  Obergeneral  bereit  stünden.  Er 
selbatbegab  sich  zum  Grafen  Coben?,!,  um  die  letzten  Punkte 
der  militärischen  Konvention  zu  beraten.  Gegen  6  Uhr 
kam  man  zum  Abschluß.  D.r;  rntor/.rirlmimg  wMrdc  unf  den 
niichsten  Mittag  festge.wl/l,  Unccihikiif;,  di'ii  Vertrug  noch 
andemselbenTage/.uuntcr/eichiien,  begalxT  wich  iilicr  Tiach 
dem  Abendessen  nocbmals  v.u  dem  örfterri'iehiselien  Diplo- 
maten. Man  wurde  ne!ineli  einig.  l)ie  endüLiltigen  Selirift- 
stücke  wurden  in  zwei  li.\einplaren  inisgcfertigt,  und  gegen 
Mitternaeiit  konnten  sie  uiileri'.oieiinel  werden. 

Aufgrund  de^  Ahkninrnens  voiii  1 .  Dezember  sollten  die 
Franzosen  am  10.  Dezember  die  Festung  Mainz  einschließen, 
die  Österreicher  die  Reichsfestungen  Mannheim,  Philipps- 
burg, Ehrenbreitstein,  Ulm,  Ingolstadt  und  Würzburg  räu- 
men und  bis  zum  25.  Dezember  sieh  hinter  den  Inn,  teil- 
weise bis  Innter  den  I.«ch  zurückziehen.  Die  Franzosen 
dagegen  sollten  Venetien  am  25.  Dezember  zu  räumen 
beginnen,  damit  die  Österreicher  am  30.  des  Monats  von 
dem  veneUanisoben  Gebiete  Bedtz  ergreifen  könnten. 
*}  BonapBThi  erhielt  als  Obergmeial  jähiUidi  40000  E^anksn,  als  ibgM^Bd- 
tec  zum  Kougiel)  monatliob  6000  Fr.  Für  die  erste  Einriohtaug  bekam  jeder 
dar  UnterhSodUir  SOOO  Fr.  Die  Bebeimkoeteu  wurden  besonders  berechnet. 
AnEong  Deiember  teilte  TBlIc^rraiid  den  in  Bastett  zurUokgeUiebeDeD  Oe- 
■andten  mit,  daS  ihr  monatliohn  Oeholt  auf  7000  Fi.  erhSht  sei,  da  sie 
würdig  aullreteii  sollMn. 


SS 


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VIERTES  KAPITEL 


BONAPARTES  RÜCKKEHR  NACH  PARIS 

Empfang  bei  der  Begienmg.  —  Sein  Privatleben.  —  Er- 
nennting  zum  Mitglied  des  Instituts.  —  Seine  Pläne 
(Dezember  1797) 

/  ihne  sich  Ruhe  zu  gönnen,  reiste  der  General  Bonaparte 


fast  unmittelbar  nach  Unt«r Zeichnung  des  Vertrags  vom 
1.  Dezember  aus  Rastatt  ab.  Am  2.  Dezember,  früh  3  Uhr, 
verließ  er  die  Stadt  und  maohtf  siüli  auf  den  Weg  nach 
Paris,  Daa  Direktorium  wünschtp,  lialJ  iT  sirli  s(ii;leich  noch 
der  Hauptstadt  begebe,  sobald  die  liutifikaf  iom-n  des  Frie- 
dens von  Campoformido  ausgewechwuli  und  X  fitüfiiiiigenfür 
den  Einmarsch  der  Franzosen  in  Mainz  getroffen  seien.  Viel- 
leicht ivoUten  die  Direktoren  ihm  niolit  (iaa  VerdioiiKt  gön- 
nen, die  Unterhandlungen  wegen  der  Abtretung  des  linken 
Rheinufera  7.\i  einem  glücklichen  Abschlüsse  zu  bringen, 
denn  tiaduroh  wäre  Bonapartea  Volkstümlichkeit  in  Frank- 
reioli  noch  gehoben  worden. 

„Es  ist  ungeduldig,"  schrieb  Lürevclliere-Lepeau-x  am 
26.  November  im  Namen  doH  Direktoriums  an  den  Gene- 
ral, ,,8ie  zu  sehen  und  mit  Ihnen  über  viele  wichtige  Au- 
ge,] e^renh  ei  ten  des  Vaterlandeft  zu  sprechen.  Deshalb  wünacht 
es,  daß  Sie  nelbst  die  .A.u.sweehshniy;  der  Ratifikationen  und 
den  Bericht  über  die  Verfügungen  überbringen,  die  Sie  für 
den  Einmarsoh  der  Franzosen  in  Mainz  getroffen  haben . . . 
Ihre  augenbllokliche  Reise  nach  Paris  wird  gleichzeitig  den 


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Wmisch  des  T>iiTktnHiiiiis  erfüllen.  Ihnf.n  öffcntlicli  seine 
aulJecordentlirlie  Ziifripdenlieit  -m  beweisen  und  Ilinen  ge- 
genüber der  erste  Vermittler  der  Dankbarküit  des  Vulk&s 
zu  »ein.  Es  ist  übrigens  notwendig,  duß  Sie  die  Absiüht«n 
des  Direktoriums  wegen  der  späteren  Folgen  der  Opera- 
tionen, mit  denen  Sic  bctnmt  sind,  kennen  lernen  .  .  ." 

Der  Brief  der  Regierung  war  am  ^10.  November  in  liastatt 
eingetroffen,  und  der  General  hatte  dem  Direktorium  ao- 
gleicli  seine  Abreise  für  den  nächsten  oder  übernäclisten  Tag 
angekündigt. 

Trnt7.  seiner  .lugend  hatte  Bonnpiirte  es  verstanden,  sich 
überall,  u'o  er  hinkam,  besondere  .Achtung  zu  erwerben.  1 
Selbst  die  in  (iescliSften  ergrauten  (iesündten  oder  Staats- 
männer ordneten  sich  dem  tienerul  unter  und  wurden  von 
seinem  Genie  mit  fortgerissen.  In  einem  Schreiben  des  Kon- 
grcßabgeorducten  Treilhard  an  Tallcyrand  vom  2.  Dezem- 
ber heißt  es;  ..Seit  einigen  Tagen,  seitdem  Bonaparte  an- 
gekommen ist.  liat  sich  der  Schauplatz  der  Handlung  ein 
wenig  belobt  .  .  .-,  und  gegen  Schluß  des  Briefes:  „Halten 
Sie  JJonaparte  so  iverng  wie  möglich  in  Paris  zurück,  er  ist 
hier  in  jeder  Beziehung  notwendig.  ,  .:  ich  erwarte  seine 
Rückkehr  mit  der  lebhaftesten  Ungeduld." 

Von  den  Generalen  Bertliier  und  Ghampionnet,  sowie  von 
einigen  Adjutanten  begleitet,  machte  sich  der  Oberbefehls- 
haber auf  den  Weg.  Er  hatte  aiia  seiner  näheren  Umgebung 
niir  Lavalotte  in  Rastatt  zurückgelassen,  teils,  weil  dieser 
wegen  seines  Verhalten«  vor  dem  18.  Fructidor  dem  Direk- 
torium unangenehm  war,  teils,  diimit  er  ihn  von  allem 
Wissenswerten,  vor  allem  aber  von  dem  ,, diplomatischen 
Qeschwätz"  unterrichten  könne*).  Auch  ein  Teil  von  Bona- 

*)  Außer  LavBletto  wat  nooh  der  Legationssekiotir  Peiret,  den  Bonsptutc 
b«rFits  in  Udine  verwendet  hatte,  in  Rut«tt  EorückirebUeben.  —  Von  Rastatt 
her  rühren  die  ersten  Bedehungen  des  jungen  Metternicli  zu  Lavatette; 
beide  scheinen  groOes  Inleresao  aneinander  gefunden  zu  haben.  Lavalstle 
und  Perret  begaben  eicli  erst  am  27.  Män  nach  Paria. 

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partes  Dienerschaft  und  sein  Reisewagen  waren  in  Ra- 
statt zurückgeblieben,  um  überall  glauben  zu  machen,  daß 
er  bald  wiederkommen  werde.  Obgleich  auch  das  Direk- 
torium anfänglich  gewünacht  liatte,  daß  der  General  nach 
Rücksprache  mit  den  führenden  Männern  Frankreichs  wie- 
der nach  Rastatt  zurückkehren  möchte,  um  die  Verhand- 
lungen zu  Ende  zu  führen,  so  wußte  doch  Bonaparte  sehr 
genau,  daß  er  auf  die  Dauer  den  Schlichen  und  der  Lang- 


Bamkeit  der  damaligen  Diplomaten  nicht  gewachsen  sei, 
und  daß  sein  Ruf  als  Unterhändler  nur  leiden  würde,  wenn 
er  nach  dem  Kongreßort  zurückkehrte  und  dort  seine  Zeit, 
statt  mit  Taten,  mit  Worten  vergeudete! 

Am  2.  Dezember  früh  gegen  achteinhalb  Uhr  traf  Bona- 
parte mit  seiner  Begleitung  in  Straßburg  ein  und  wurde 
vom  General  Dommartin,  einem  seiner  früheren  Unterfüh- 
rer, und  einer  großen  \'olksmenge  außerordentlich  begei- 


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fitert  empfangen.  Er  liiplt  sich  ahi;r  nicht  lange  auf,  aondem 
nahm  seinen  Weg  über  Kaarburg,  Blamonf,  Luni'Ville  nach 
Nancy,  wo  er  am  Abend  des  nächsten  Taget*  ankam.  Uber- 
all, wo  sich  der  General  zeigte,  wurde  er  mit  ungekünsteltem, 
wahrem  Tubel  empfangen,  denn  man  sah  in  ihm  nicht  allein 
den  großen  Peldherrn,  unndern  auch  den  Wiederhersteller 
des  Friedens.  Hchou  seit  langem  war  das  Land  zum  Frieden 
geneigt.  Uberall  fehlte  es  an  kraftigen  Männerhänden,  um 
den  Boden  zu  boMtellcn  oder  die  Webstühle  und  Maschinen 
in  den  Industriegebieten  7,u  bedienen. 

Obgleich  lionapaife  in  Nancy  einer  ihm  zu  Ehren  ge- 
gebenen Theatervor.steliung  beiwohnen  mußte,  brach  er, 
Heiner  CJe«'ohnheit  gemäß,  am  nächsten  Tage  schon  in  den 
ersten  Morgenstunden  auf,  berührte  Toul,  Chälons-sur- 
Marne,  Epernay  und  am  nächsten  Tage  Chät«au-Thierry. 
La  Ferte  und  Meaux.  Am  5.  Dezember  früh  gegen  5  Uhr 
kam  der  von  den  Parisern  mit  Sehnsucht  und  begreiflicher 
Neugierde  erwartete  General  mit  Berthier  und  Champion- 
net in  der  Haujitstadt  an.  Er  stieg  in  seinem  kleinen  Hause 
in  der  Hue  Chantereine  Nr.  6  ab*). 

Trotz  der  eiligen  Reise,  auf  der  er  kaum  Zeit  gefunden 
hatte,  einige  Stunden  zu  schlafen,  bestieg  der  General  mit 
Championnet  kaum  eine  Viertelstunde  nach  seiner  Ankunft 
einen  Wagen,  um  nach  dem  Lu.xembourgpalast  zu  eilen 
und  sich  dem  Direktorium  vorzustellen.  Er  wurde  sogleich 
von  Barras  in  dessen  Frivatwohnung,  wo  sich  auch  die 
anderen  Direktoren  eingefunden  hatten,  empfangen. 

Je  nach  den  verschiedenen  politischen  Ansichten,  der  Zu- 

*)  Uta  Hnu,  däa  Bonaparto  in  der  Kuc  CliBnUTvinD  bewohnte,  gsbSrta 
eigentlich  noch  der  Frau  dea  Sehe  Iis  pif  Lore  Taltiia.  Trotzdem  [ieS  joaephms 
nährend  der  Abweeenlieit  ihroq  .ManiK'U  in  Italiou  croBe  bauLiclie  VerSnde- 
rungen  und  Versuhönerungen  darin  l  umc hnicn.  deren  Kosten  aich  anf  flbfr 
100000  Franken  beliefen.  Erst  am  31.  Mün  179S  kaufte  Boaaparte  das 
Haus  für  die  Summe  von  52  400  Franken.  Nach  seiner  Bückkehr  am 
Italien  war  dio  Rede  davon,  ihm  das  SchtoO  Chtunbord  und  ein  Haus  in 
Poris  vom  Staate  auH  zu  schenken,  doch  die  Direktoren  waiea  dagegen. 

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neigung  oder  Abneigung  der  Mitglieder  des  Direktoriuiiirt 
für  den  jiinjten  Oeneral,  gestaltete  sich  dessen  'Empfüng 
.tiieh  in  verseil iecteiicr  Weise.  Heiß  und  mit  oltenen  Annen 
nahmen  ihn  Barraa  nnd  Lareveliiere-Lcpcaux  auf,  fretind- 
sc-haftlich  Hurde  er  von  Eeubell  und  kalt  von  Fran9oi9 
de  N'piifchäteau  nnd  Merlin  de  Douai  empfangen.  So  be- 
riL'htete  wenigstens  der  prenßiseho  Ccsandte  von  SiUidoz- 
liollin  am  8,  Dezember  n;uOi  H^inse. 

Bereiis  :un  sell>cii  Al)end  )ii;Lciite  iäurras  dem  General 
lionaparle  seinen  l legenlie^iu  h.  Viele  interesHnnte  und  für 
die  Geschitlite  Frankreichs  dor  näeliwten  Zeit  wichtige  Dinge 
mögen  an  jenem  Abend  /.wiselien  beiden  .Männern  y.iir  Sjira- 
che  gekinnmen  seini 

Nach  dem  Direktorium  galt  Jionapartea  nächster  Resnth 
nicht  dem  Kriegsini niater  Scherer,  seinem  eigentlichen  Vor- 
gesetzten, über  dessen  Kopf  hinweg  er  ganz  eigenmächtig 
/.II  handeln  gewohnt  war,  sondern  Talleyrand,  dem  Mi- 
nister der  auswärtigen  Angelegenheiten,  dem  zu  jener  Zeit 
iiaeh  den  Fünf  Männern  einflußreichsten  Mann  in  Paris. 
Ilonaparte  hatte  Talleyrands  große  Geschicklichkeit  in 
^taatsmännischen  Dingen  bereits  im  Laufe  des  vergangenen 
-lahres  schätzen  gelernt  und  war  bald  nach  dessen  Eintritt 
ins  Ministerium  mit  ihm  in  regen  Briefwechsel  getreten. 
Mit  scharfem  Bliek  und  praktischem  Simi  hatte  er  in  dem 
neuen  Minister  des  Äußern  bald  den  Mann  erkannt,  der 
iieinen  Zielen  nützlich  sein  konnte.  Ilm  wollte  er  sich  Kum 
Freunde  machen.  Beide  Männer  kannten  sich  noch  nicht 
persönlich.  Talleyrand  hatte  auch  bald  begriffen,  daß  Bona- 
parte der  Mann  der  Zukunft  \ind  ilini  selbwt  in  diplomati- 
schen Angelegenheiten  überlegen  sei. 

Er  empfing  den  Sieger  von  Italien  am  (i.  Dezember  früh 
gegen  11  Uhr  und  war  von  dem  ersten  Eindruck,  den  Bona- 
parte auf  ihn  machte,  sehr  entzückt.  Die  erste  Unterhaltung 
wurde  von  selten  des  Generals  ganz  vertraulich  gefiilirt. 


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Plötzlich  sagte  er  ganz  unTenuibtelt  zu  TaUeyiand:  „Sie 
sind  der  Neffe  des  Erzbiscbofs  von  Reims,  der  sich  in  der 
Umgebung  Ludwigs  XVIIL  befindet.  Ich  besitze  auch 
einen  Onkel,  der  in  Korsika  Archidiakon  ist  und  mich  er- 
zogen hat.  Wie  Sic  wissen,  ist  in  Korsika  ein  Archidiakon 
dasselbe  wie  ein  Bischof  in  Frankreich." 

Es  konnte  sich  beim  Minister  des  Außem  in  der  Rue 
du  Bac,  im  ehemaUgen  Palast  Gallifet.  zunächst  nur  um 
einen  kurzen  offiziellen  Besuch  handeln,  denn  es  befanden 
sich  bei  Talleyrand  eine  Menge  Leute,  die  durch  Vermitt- 
lung des  Ministers  den  berühmten  General,  dessen  Nameii 
in  aller  .Munde  war,  so  b;ilil  wie  niiiglidi  sehen  und  sprechen 
wollten. 

Auch  ]i'rau  von  Stacl  wartete  sehnsüchiig  darauf,  den 
Mann,  den  sie  .sclion  wklirend  seiner  italienisclien  Siege  mit 
Briefen  überschüttet  hatte,  iiersünlich  kennen  zu  lernen. 
Wenn  man  den  Memoiren  Bourrienncs  Glauben  schenken 
darf,  so  hatte  sich  Bonapnrtc  über  die  begeisterten  Äuße- 
rungen dieses  ,,l!laust.nuii]ifes",  wie  er  die  Tociiter  Xeckera 
nannte,  lustig  gemacht  und  niemals  auf  diese  Epistel  ge- 
antwortet. Frau  von  Stael  heß  sich  aber  nicht  abschrecken 
sondern  wartete  bereits  seit  10  Uhr  früh  auf  den  Besuch  des 
Generals,  der  für  11  Uhr  früh  angekündigt  worden  war- 
Bonaparte  richtete  zwax  einige  verbindliche  Worte  an  sie, 
als  sie  ihm  von  Talleyrand  vorgestellt  wurde,  doch  dabei 
blieb  ca. 

Trotz  de-s  Hasses,  den  Frau  von  Stael  ihr  gan/.cs  Leben 
hindurch  Napoleon  gegenüber  bewahrte,  urteilte  sie  über 
ihn  Kiemlich  unparteiisch  in  ihren  nach  ihrem  Toile  er- 
schienenen „t'onsideratiiins  siir  l.a  rcvoliition  frun^aise". 
Dort  schildert  sie  die  erste  Hegegnung  mit  dem  jugend- 
lichen Sieger  mit  folgenden  Worten:  ,,Ich  fand  keine  Worte, 
als  er  mir  sagte,  er  habe  meinen  Vater  vergebens  in  Coppet 
gesucht  und  bedaure,  in  der  Schtreiz  gewesen  zu  sein,  ohne 

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ilia  gesehen  zu  haben.  Ah  ich  mich  jedoch  ein  wenig  von 
meiner  bewnndernden  Verwirrung  erliolt  hatte,  stieg  ein 
sehr  ausgesprochenes  Furclitgefiild  in  mir  auf. 

Bonaparte  besaß  damals  keinerlei  Macht,  man  gliiulite 
sogar,  daß  er  sehr  unter  dem  .Mißtrauen  des  Direktoriums 
zu  leiden  hätte,  und  so  war  die  Furcht,  die  er  einflößte, 
nur  eine  Folge  des  .«elt-iamon  Kindrueke«,  den  seine  Per- 


sonhchkeit  auf  alle  machte,  die  mit  ihm  m  Berührung  kn- 
iiien.  Ich  hatte  sehr  achtunggebietende  Manner  gesellen, 
ich  war  auch  wilden  Mannern  begegnet,  aber  der  Eindruck, 
den  Bonaparte  auf  mich  machte,  erinnerte  mich  weder  an 
die  einen  noch  an  die  anderen.  Bei  den  verschiedenen  Ge- 
legenheiten, die  sich  mir  boten,  ihn  wahrend  seines  Auf- 
Duthaltes  in  Paria  zu  sehen,  bemerkte  ich  sehr  bald,  daß 

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man  seineti  Charakter  nicht  in  allgemein  üblichen  Worten 
auseinandersetzen  konnte.  Er  war  weder  gut,  noch  heftig, 
noch  sanft,  noch  grausam  nach  der  Art  der  uns  bekanntea 
Menschen.  Ein  solches  Wesen,  das  nicht  seinesgleichen 
hatte,  konnte  weder  Zuneigung  erwecken  noch  empfmden; 
er  war  mehr  oder  auch  weniger  als  ein  Mensch !  Sein  Wesen, 
sein  Geist,  seine  Sprache,  alles  an  ihm  hat  ein  fremdes  Ge- 
präge, und  das  ist  ein  Vorteil  mehr,  um  die  Franzosen  zu 
unterjochen." 

Obgleich  sich  der  französische  Obergeneral  gar  nicht  um 
Frau  von  Stael  bekümmerte,  die  damals  mehr  als  Tochter 
des  ehemaligen  FinanKiiiiiiisters  Xccker  als  wegen  ihrer 
Scluiften  bekannt  war,  fanil  diuse  iloch  Öfters  Gelegenheit, 
sich  dem  jungen  Sieger  xu  näh(;rn.  Aber  sie  fühlte  sich  nie 
recht  behaghch  in  seiner  Xähe.  ,,Weit  entfernt,"  .sclirieb 
sie,  „daD  ich  in  Zukunft  grnljrri'  Wiclierheit  gewaiui,  Ki-hüch- 
terte  er  mich  immer  mehr  ein,  je  öfter  ich  ihn  sah.  Ich  hatte 
ein  unbestimmtes  Gefühl,  daß  keinerlei  Herzensbewegung 
Einfluß  auf  ihn  habe.  Er  betrachtet  einen  Menschen  wie 
eine  Sache,  aber  nicht  wie  seinesgleichen.  Er  haßt  nicht 
mehr,  als  er  liebt.  FUr  ihn  existiert  nur  er  selbst;  alle  anderen 
GoBChdpfe  sind  Nummern.  Seine  Willenskraft  besteht  in  der 
unerschütterlichen  Berechnung  seines  Egoismus.  Er  ist  ein 
gesohickter  Schachspieler,  für  den  die  Menschheit  die  Ge- 
genpartei bildet,  die  er  schachmatt  zn  setzen  sich  vor- 
ninunt.  Er  verdankt  seine  Erfolge  ebenso  den  Eigenschaf- 
ten, die  ihm  fehlen,  vie  den  Fäh^ikcnten,  die  et  besitzt. 
Weder  Mitleid,  noch  Reize,  noch  Bcligion,  noch  das  Ver- 
knnpftsein  mit  irgendwdcher  Idee  können  ihn  von  seinem 
Hauptziel  abwende  Er  ist,  wenn  es  äch  um  seine  Inter- 
eesen  handelt,  das,  was  der  Gerechte  für  die  Tugend  sein 
soll:  wenn  das  Ziel  gnt  wäre,  würde  die  Hartnäckigkeit, 
mit  der  er  es  verfolgt,  schon  sein. 

Jedesmal,  wenn  ich  ihn  sprechen  hSrte,  war  ich  von  seiner 

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Überlegenheit  überrascht,  und  doch  hatte  sie  nichts  mit 
der  Überlegenheit  von  Männern  gemein,  die  Studium  oder 
(icsellschaft  unterrichtet  und  gebildet  haben,  wie  Kngland 
und  Frankrcieh  viele  solche  Beispiele  aufweisen  können. 
Aber  seine  Reden  ließen  die  Umatände  ahnen,  wie  der  Jäger 
Beine  Beute  wittert.  Bisweilen  erzählte  er  die  [lolitischen 
und  militürisclien  Ereignisse  seines  Lebens  auf  eine  sehr 
interessante  Weise.  Ja,  er  liatte  sogar,  wenn  ei'  Heiteres 
berielitete.  etwas  von  der  italienischen  Einbildungskraft. 
Nichts  konnte  jedoch  meine  unüberwindliche  Abneigung 
vor  dem,  was  ich  in  seinem  Innern  bemerkte,  he„siogen.  Ich 
fühlte  in  seiner  Seele  einen  kalten,  scfmcidenclen  Dolch,  der 
eisige  Wunden  schlug,  ich  fühlte  in  seinem  Geiste  eine  tiefe 
Ironie,  der  nii:hti5,  weder  das  Erhabene,  noch  das  Scliiine, 
ja  nieht  einmal  sein  Kuhni  entging.  Denn  er  verachtete  die 
Xation,  deren  Beifall  er  orheisehto.  und  kein  Funken  von 
Begeisterung  mischte  sich  in  sein  Bedürfnis,  die  Mensch- 
heit in  Erstaunen  zu  setKcn  .  .  .  Niemals  habe  ich  in  seiner 
Gegenwart  frei  zu  atmen  vermocht." 

Mit  einer  Beaclireibung  des  iiiißeren  Mensehen  und  einer 
Beurteiicng  seines  Verhaltens  in  der  Gesellschaft  beaciiließt 
Frau  von  Stael  ihre  interessante  Charakteristik:  ,,Sein  da- 
mals mageres,  blasses  Gesicht  war  ziemlich  angenehm  .  ,  . 
Da  er  klein  von  Gestalt,  sein  Oberkörper  aber  viel  länger 
als  seiTi  Unterkörper  ist,  sieht  er  weit  besser  zu  Pferd  aus, 
als  wenn  er  geht ;  im  großen  und  ganzen  ist  es  nur  der  Krieg 
allein,  der  wahrhaft  für  iim  paßt. 

In  Gesollschaft  gibt  er  sich  linluseh.  ohne  gerade  .schüch- 
tern zu  sein.  Wenn  er  sich  zusammennimmt,  liat  er  etwas 
Verachtendes  in  seinem  Wesen,  und  wenn  er  sich  unge- 
zwungen gibt,  ist  er  gewöhnlich.  Das  Verachtende  kleidet 
ihn  besser,  daher  verfehlt  er  auch  nicht,  es  immer  zu  zeigen. 

Infolge  seiner  natürlichen  Veranlf^ung  zum  Herrenmen- 
Bohen  richtete  er  bereits  vie  ein  Fürst  unbedeutende  Fragen 


67 


alle  diejeiuger 


Überlegenheit  des  Fragestellers  über  denjenigen  klarlegen, 
der  sich  auf  diese  Weise  auafragen  laßt.  Er  liebte  es.  die 
Leute  in  Verlegenheit  zu  bnngen.  indem  er  ihnen  Unange- 
nehmes sagte...- 

Jedenfalls  übte  Bona|.iiru-  t-iiu  ii  svUr  großen  Einfluß  auf 
1       F  d  III  1     It  ar 

L    en  Bonapartc  gl  I    ff        \  Ih 

Bruder  werde  ich  blöde,  weil  ich  ihm  gefallen  möchte.  Ich 
weiß  plötzlich  nichts  mehr,  möchte  mit  ihm  sprechen,  suche 
nach  Worten  und  drehe  meine  Sätze  hin.  und  her.  Ich  wUl 
ihn  7.\s'ingcn,  wich  mit  mir  zu  beschäftigen;  mit  eiiifin  Wori. 
ich  hm  m  seiner  (.eirennart  dumm  wie  eine  Gans.  " 

Interessant  ist  es.  dem  Urteile  der  sreistreichen  (ienfer 
Schriftstellerin  die  htcrarischfLi  Porträte  zweier,  zu  jener 
Zeit  m  Paris  lebenden  Deutschen  e]iti;cgcn/.i  ist  eilen,  deren 
Namen  leider  unbekannt  geblieben  sind.  f5eidc  haben  Bona- 
parte gesehen,  beide  urteilen  unmittelbar  unter  dem  Ein- 
druck der  Ereignisse  in  Biicfen  nach  der  Heimat.  ,, Bona- 
parte ist  klein  1111(1  schmüclitig,"  berichtet  der  eine  Augen- 
zeuge Ende  des  Jahres  1797,  , .Stellung,  Gang  und  Gebärde 
sind  mehr  die  eines  Alten  als  eines  Jünghngs.  Die  Trocken- 
heit seiner  Gesichtsmuakeln  und  die  etwas  olivenfarbige 
Haut  geben  ihm  Finsterheit.  Sein  blaugrau  und  bräun- 
liches Auge  hat  weder  Feuer  noch  Schönheit;  es  liegt  tief 
unt«r  der  Stirn,  wodurch  die  Wirkung  seines  Blickes  ver- 
mehrt wird,  der  ohne  Anmut  ist  aber  Haltung  und  Dauer 
besitzt.  Interessanter  machte  Bonaparte  der  festen  TeOe 
Bau.  Oberhalb  breit,  sohlieBt  das  Gesicht  länglich  nach 
unten  schmal  ab.  Ganz  leicht  erhebt  eich  die  Stirn  über  die 
Nasenwurzel.  Übrigens  liegt  erstere,  eine  reine  Fläche,  mit 


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dem  ßik'ken  der  Xasc  iti  einer  fasi  setikieeliteti  l.iiiie.  Üie 
Xase  hat  einen  überaus  edlen  ChiirnUter:  niclits  rici.^thigefi 
scheint  f^ie  ein  zarter  Knoriiel.  dessen  Hiejisanikeit  M-lir 
empfäti^lieli  ist,  (Jeraile.  -:il>l  ilu-  iler  Ausihnrk  de.s  Mundes 
eine  sanfte  ^eHilliw-  Jiie^iniir.  Der  .Mnml  ist  lialliriuuk  «eil- 
sesehlit/t.  das  Kinn  spitz,  und  stark  lieiviusleeliend.  die 
IviTinladeii  hin.üfizen  -/.eirliTien  sieii  scimaeli.  was  niieii  der 
Mf-inun!2  der  l'lix siopnimiei,  ein  sein-  !;ntes  Mt-rkmal  isl. 
indem  <ias  Gefientcü  grnlje  Arii inalii iit  lieileuten  >i>]]. 

feil  habe  lioual)arfe  niebt  mir  t;eselien,  Hindern  aurli  ge- 
liort,  uTid  er  ist  mir  in  beiden  als  ein  wirklieli  an-gf/.eieh- 
netcr  ^lenseli  ersehienen.  Wns  er  sii^'te,  war  last  lieständig 
lics.sfr.  als  was  die  hinderen  t.'e.-;igl  liatten :  tausenderlei 
wunderlich  zusammengeraffte,  oft  alltägliehe  Komplimente, 
alle  die  welken  Blumeneträußchen,  die  man  ihm  über- 
brachte, erwiderte  er  jedesmal  mit  Feinheit,  Geschmack 
und  Grazie. 

Jionajiartes  (-iesiebtsKilgf  /.usaninien^enniunien  sind  hai'- 
moniseh.  voll  edler  ^\"iirde  und  haben  viel  Einladendes;  «ad 
ich  aber  nicht  erwartet  hatte,  war,  um  seinen  Mimd  ebenso- 
viel naive  Gutmütigkeit  /u  finden,  als  ieh  l'\'inheit  antraf." 

In  einem  anderen,  vom  l.'i.  Mär/.  I7!)S  dadeilen  Briefe 
heiiJt  P6  von  .i^onaparte :  ..Denken  Sie  sieh  i'inen  kleinen 
Mann-  wohl  eb.'iis-.  klein  ..Is  dei  g.v.l.le  I-Vii^drieh  war 
von  sehr  ie<ji'Ini,"n,li:.!eiii  unil  /aiLeni  Kia']i,'i'linii.  niEiger.  aber 
fest  in  «ieh  7.nsainnient;ednin<ieri.  mit  verhällnisniiU3ig  gr,>- 
IJem  Ko()l'e,  edler,  fein^ewülbter  Stirn,  dunkelblauen  Augen 
und  starkem,  dunkelbraunem  Haar;  die  Xaso  grieelnseli 
gerade  mit  der  Stirn  fortlaufend,  unten  fn,st  naeh  dem 
Munde  zuhängend,  einen  .Mund  voll  Mcnsehlielikeit  und 
Grazie,  das  gedrungene  Kinn  et\^"a'?  hervortretend,  so  haben 
Sie  ein  ziemlieh  treues  Bild  voq  diesem  merkwüi-digcn  Men- 
.  sehen,  dem  auch  alle  französisohen  Kupferstiche,  die  man 
von  ihm  hat,  mehr  oder  weniger  ähnlich  sind.  Seine  Be- 

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wegUDgcoi  Bind  immer  lebh^  und  dooli  voll  Anstand  und 
Wiirde.  Sie  können  ihn  eine  holie  Treppe  mit  fünf  bis  seolu 
Sprüngen  herunterkommen  sehen,  und  doch  steht  er  mit 
dem  letzten  Sprunge  im  schönsten  Anetaad  und  mit  heroi- 
scher Würde  da.  Wo  seine  Augen  nichts  BcBtimmtes  zu 
fixieren  haben,  sind  sie  fast  immer  in  die  Höhe  geriohtet; 
das  war  mir  jedesmal  am  wahrer  Genuß,  in  das  schöne^ 
tiefe,  gefühlvolle  Auge  zu  blicken,  das  auch  die  seltene 
Eigenschaft  mit  dem  schönen  Auge  des  großen  und  guten 
Friedrich  gemmn  bat,  ebenso  fürcbterliob  streng  als  ein- 
nehmend freundlicb  zu  sein." 

Die  Direktoren  hatten  den  10.  Dezember  1797  bestimmt, 
um  den  Sieger  von  Italien  in  feieilioher  Sitzong  zu  emp- 
fangen, sowie  die  am  17.  Oktober  1797  in  Campoformido 
unterzeichnete  und  vom  Kaiser  ratifizierte  Itiedensurkunde 
in  Empfang  zu  nehmen. 

Die  größten  Vorbereitungen  waren  getroffen  worden,  am 
das  Fest  so  glänzend  und  so  feierlich  wie  möglich  zu  ge- 
stalten. Der  große  Hof*)  des  Luxem bourgpalastes  war  mit 
Waffen  und  Fahnen  geschmückt,  die  man  in  den  RevcJu- 
tionsfcldzügcn  erbeutet  hatte.  Um  nicht  den  UnffiUen  d« 
Witterung  ausgoRctzt  7.u  Hein,  hatte  man  den  Hof  mit  einrai 
riesengroßen  blau- weiß -roten  Zelt  überspannt,  das  an  den 
Seiten  durch  goldene  Borten  und  Quasten  verziert  war. 

Im  Hintergrund  des  Hofes,  oberhalb  eines  für  die  fünf 
Direktoren  bestimmten  erhöhten  Trittes  erblickte  man  drei 
Statuen,  die  den  Frieden,  die  Freiheit  und  die  Gleichheit 
darstellten.  liechts  und  links  des  Sitzes  der  Direktoren  be- 
fand sich  ein  riesiges  Amphitheater,  wo  die  zahlreichen  Be- 
hörden und  nicht  weniger  als  1200  Mucker  Platz  nebmeu 
sollten. 

']  Niobt  der  kleine  Hof,  wie  Harmont  und  andere  UemoirenHhreiber  bd- 

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ISn  Teil  der  IMb&ien,  die  Fenster  des  Palastes,  die  nach 
dem  Hofe  zu  lagen,  und  die  DScber  -waren  von  zahllosen 
Neugierigen  besetzt,  die  bei  derartigen  Gelegenheiten  nie 
fehlen  und  sich  gewöhnlich  für  die  Hauptpersonen  des  Ta* 
ges  halten. 

Gegen  10  Uhr  &üh  verließ  Bonaparte  seine  Wohnung  und 
begab  sieh  in  einem  dnfachen  Wagen,  von  den  Generalen 
Berthier,  Joubert  und  C!hampionnet  begleitet,  naeh  dem 
Lnzemboui^.  Bas  Wetter  war  kalt  und  unfreundlich.  Den- 
noch waren  alle  Straßen  und  Kais,  die  nach  dem  Direikto- 
rifUgebSode  führten,  von  einer  schaulustigen  Menge  wie  be- 
sät. Besonders  groß  war  der  Andrang  am  Pont  Neuf;  ver- 
stärkte KaTalleriepatrouiDen  schienen  die  b^dlge  Ankunft 
des  Generals  Bonaparte  anzuzeigen.  Jedoch  sollte  die  Hoff- 
nung der  meUten,  den  Sieger  zu  sehen,  getäuscht  werden. 

Seitdem  sich  Bonaparte  in  Paris  befand,  war  es  aeäa  eif- 
r^stes  Bestreben,  sich  den  Blicken  und  dem  Befall  der 
Menschen  zu  entziehen.  Er  Mtte  es  gern  gesehen,'  wenn  ihn 
das  Birektarium  auch  von  dieser  Schaustellung  entbunden 
haben  wärde,  da  er  sieh  darin  gefiel,  sich  ma  als  einen 
einfachen  Bürger  zu  betrachten. 

Sein  Wagen  nahm  den  Weg  durch  die  entlegensten  Stra- 
ßen. Bann  übeisohritt  man  die  Seine  auf  dem  Pont  Kational, 
folgte  dem  Quai  Voltaire,  dann  dem  sich  daxan  anschlie- 
ßenden Quai  Maiaquais  und  bog  nach  rechts  in  die  Bue 
de  Seine  ein,  die  direkt  auf  das  Luxembourggebäude  führt. 
In  dßc  Nähe  der  Kirche  Saint-Sulpioe  war  der  Mensoh^- 
aoflauf  am  größten,  und  nur  mit  Muhe  kcmnte  der  Wagen 
des  Generals  hinduxchft^iren. 

Endlich,  um  11  Uhr,  hielt  der  Wagen.  Ber  General  begab 
sich  in  den  Hof  des  Kleinen  Luxembourg  und  ging  in  die 
Privatwohnung  des  Direktors  LarevelMrfl-L^peaux  hin- 
auf, wo  sich  die  anderen  vier  Direktoren  bereits  befanden. 
Talleyruid  war  ebenfalls  dort  und  stellte  dem  Birektorium 


71 


d«i  neuen  preußisohen  GeBimdten  von  Sajidoz-RoUin  nod 
den  Abgeotdneten  von  Basel,  Feter  Ochs,  vor.  Sandoz- 
KoUin  benutzte  die  Gelegenheit,  den  General  in  ein  langes 
Gespräch  zu  verwickeln  und  »hielt  die  Eriaufonia,  Bona- 
parte in  seiner  ^vatwohnung  besuchen  zu  dürf«i*). 

bizvischai  langten  die  übrigen  Minieter,  das  di{kIoma- 
tische  Korps,  der  Gteneralstab  der  17.  Militäidiriaion  (Paris) 
an.  Die  Ititg^ieder  des  Seinedepartements  und  der  Stadt 
Paris  veisammelterL  sich  w^irenddeBBfin  beim  TXrekbor 
Francis  de  Neufoh&teau. 

Gegen  Mittag  kündigten  die  im  Garten  des  Luxembourg 
aufgestellten  Geschütze  den  Beginn  des  £W»s  an.  Die  Mu- 
sik an  der  Spitze,  daran  sich  anschließend  die  verschiedenen 
Körpereofaaft^  Beamten  und  Offiziere,  zuletzt  die  fünf 
Direktoren  im  römischen  £oatäm,  sezte  sich  der  stattliche 
Zug  in  Bewegung,  wandte  sich  auf  das  groBe  Tor  zu  und 
begab  sich  in  den  großen  Hof,  wo  die  Feierlichkeit  statt- 
finden sollte. 

Etwa  um  zwölfcinhalb  Uhr  gab  Barras  Befehl,  die  Mini- 
ster des  Kriegs  und  der  auswärtigen  Angelegenheiten,  Soh^ 
rer  und  Talleyrand,  sowie  die  Generale  Bonaparte,  Joubert 
und  den  Brigadeohef  Andi4osBy,  dio  noch  in  der  Privat- 
wohnung  des  Direktors  Larevelherc-X.opeaux  geblieben  wa- 
ren, holen  zu  lassen. 

Als  die  Menge  die  fünf  Direktoren  erblickte,  wmrden  diese 
mit  Beifallsrufen  empfangen ;  aber  auch  Stimmen  der  WQß- 
gunst  ließen  sich  im  Volke  vernehmen.  Als  dann  Bonaparte 
mit  seinen  Begleitern  erschien,  erhob  sich  ein  nicht  enden- 
wollender Jubel,  und  die  Rufe  „'Es  lebe  die  Republik",  „Es 

*J  Sandoz-Höllin  berichl^l«  lun  1 1 .  Dräembpr  in  auaführlichec  Weise  über  dka 
Frat  und  dia  UaterhnllunB.  die  er  mit  Bonsparte  gehabt  halte,  nach  Hause. 
Bs  heiCt  unter  anderem  darin:  „loh  habe  mich  dem  General  nähom  und  mit 
ihm  Bproohen  könnm.  Sein  Wesen  ist  trocken  und  Eurüaltliallend  gegen  su- 
diin^ohe  Nengiarde.  aber  offen,  liebenswürdig,  ja  selbat  vertiaoIiDh  8*8^° 
diejenigen,  die  beauftragb  Hiiid,  mit  ilim  xa  sprechen.  Ich  habe  dim  selbst 
an  mir  arfahren." 

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I 

! 


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Ie))p  (!ie  große  Nation"  wurden  noch  durch  die  Worte  „Es 
lebe  Bonaparte"  übertönt. 

Fraii  von  Staei,  die  Freundin  TaUfviandM.  wniinte  natür- 
lich auch  dem  Schauspiel  bei,  das  /n  Khrcn  des  von  ihr 
danialü  noch  so  sehr  verehrten  und  bewunderten  Helden 
von  Italien  gegeben  wurde.  Sic  schreibt  in  ihren  ,.(>Dn- 
sidcrations  sur  la  r^voiution  fran9aisc":  ,, Honaparte  er- 
schien ganz  einfach  gekleidet,  gefolgt  von  seinen  Adjutan- 
ten. Sie  waren  alle  viel  größer  als  er:  die  .Achtung  jedocli, 
die  sie  ihm  bewiesen,  vcranlaßte  sie  immer,  in  gebüektcr 
Stellung  vor  ihm  /u  ntehon.  Die  Elite  Frankreichs,  die  zu- 
gegen war,  überhäufte  den  siegreichen  üeneral  mit  ßeifalln- 
rufen.  Er  war  die  Hoffnmij;  eines  jeden;  Republikaner, 
lioyaüstcn,  alle  sahen  die  CJcgenwart  oder  die  Zukunft  auf 
>i'ine  tniichtigc  Hand  gfstülzi.^^ 

Als  lionn|inrtc  m  Hofe  d,'s  I  .uxemhourg  erschien,  schwieg 
die  Musik  einen  .Vu^enblick.  eine  Artilleriesalve  ertönte, 
und  unter  furtgcset/.tcn  Bcifiillsrnfen  wurde  der  „Befreier 
lralicns'%  der  ..]''ncdcnsstiftcr  des  Festlands"  von  dem 
-Minister  des  Tnncm  am  gi-o(Jen  Tor  empfangen. 

Von  seinen  Generalen  und  Adjutanten  umgeben,  näherte 
sieh  Bonaparte  in  eiDfacher  Felduniform,  ruhigen  Schritts, 
mit  bescheidener  Miene  der  Tribüne  der  Direktoren,  Die 
Musik  ließ  jetzt  die  Hymne  an  die  Freiheit  ertönen,  und  die 
Anwesenden  stimmten  in  den  Kehrreim  mit  ein.  Ent- 
blößten Hauptes  erwarteten  die  Direktoren  und  die  an- 
wesenden Körperschaften  stehend  den  jungen  Sieger,  der 
von  TaJleyrand  den  Kegierungsmitgliedom  in  feierlicher 
Weise  vorgestellt  wurde. 

Nachdem  Talteyrand  eine  geschickte,  meisterhafte  ßede 
gehalten  hotte,  ergriff  Bonaparte  das  Wort.  In  kurzer,  mar- 
kiger, BoldatiacherWeise  sagte  er:  „Bürger  Direktoren!  Um 
frei  zu  sein,  mußte  dos  französische  Volk  die  Fürsten  be- 
kämpfen. 


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Um  eine  auf  vernünftigen  Grundsätzen  begründete  Ver- 
faBBung  zu  erhalten,  hatte  es  Vorurteile  zu  besiegen,  die  sät 
achtzehn  Jahihunderten  eingawurzelt  waren. 

Die  Verfassung  des  Jahres  III  und  Sie  haben  alle  dieee 
Hindemisse  überwunden. 

Seit  zwanzig  Jahrhunderten  ist  Europa  nacheinander  von 
der  Kirche,  dem  Lehnswesen  und  dem  Königtum  beherrscht 
worden;  mit  dem  Frieden  aber,  den  Sie  geschlossen  haben, 
beginnt  die  Ära  der  repräsentativen  Regierungen! 

Es  ist  Ihnen  gelungen,  die  große  Nation  zu  bilden,  dra^n 
weites  Gebiet  nur  deshalb  beschränkt  ist,  weil  die  Natur 
selbst  die  Grenze  bestimmt  hat. 

Sie  haben  mehr  getan! 

Die  beiden  schönsten  Teile  Europas*),  ehemals  so  berühmt 
durch  Künste,  Wissenschaften  und  die  großen  Mtmner,  de- 
ren Wiege  sie  waren,  sehen  unter  den  schönsten  Hoffnungen 
den  Genius  der  Freöheit  aus  den  Gräbern  ihrer  Ahnen  er- 
stehen. 

Das  sind  zwei  Sockel,  auf  welche  das  Sohioksat  zwei  mäch- 
tige Nationen  stellen  wird! 

Ich  habe  die  Ehre,  Ihnen  den  in  Campoformido  unter- 
zeichneten und  Ton  seiner  Mlajestät  dem  Kaiser  ratifizierten 
Vertrag  zu  überreichen. 

Der  Frieden  sichert  die  Freiheit,  das  Gedeihen  und  den 
Buhm  der  Bepublik! 

Wenn  daa  Glück  des  traazöüschen  Volks  auf  den  besten 
Grundgesetzen  aufgebaut  ist,  wird  ganz  Europa  frei  sein!" 

Die  kurze  aber  kraftvolle  Rede  verfehlte  nicht  ihren  Ein- 
druck. Die  tiefer  Beobaditenden  deuteten  de  auf  ihre  Weise 
und  glaubten  besonders  aus  dem  letzten  Satz  zu  ersehen, 
daß  Bonapartes  Ehi^eiz.  der  berühmteste  General  der  Re- 
publik zu  sein,  noch  nicht  befriedigt  sei.  Die  Menge  aber 
begrüßte  die  Ansprache  des  großen  Itallkers  mit  lautra 

*)      und  Italien  und  Holland  ifemeial. 

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Rufen:  Es  lebe  die  Republik!  Es  lebe  Bonaparte!  Bs  lebe 
der  General  der  großen  Armee!  Die  Rufe  wurden  von  den 
entfernt  Sitzenden  weiter  getragen  und  auf  dem  Platze  und 
den  angrenzenden  Straßen  von  der  dort  versammelten 
schaulufitigon  Volksmenge  begeiflterfc  wiederholt. 

Barras  dankte  dem  General  in  einer  langen,  schwülstigen 


Rede,  die  nicht  viel  Inlialt,  desto  mehr  aber  nichtssagende 
Redensarten  hatte.  Als  er  beendet  hatte,  küßte  er  Bonapart« 
im  Namen  des  französischen  Volkes.  Die  anderen  Direktoren 
ahmten  seinem  Beispiele  nach;  jeder  gab  ihm  den  Bruder- 
kuD. 

Darauf  führte  der  Minister  des  Innern  den  General  an 
seinen  Lehnstulil  zurück,  den  man  ihm  vor  der  diplomati- 

75 


sehen  kor]>orsili!ifl.  zurec 

htuestelll 

liatte.  Das  Orcliester 

stnmnte  tlen  ..(Jinnt.  de  rr 

■tour-  an. 

KU  weleheni  -Mehiil  die 

Musik  iitul  (  lienier  den  Text  ^enia< 

■lit  hatten. 

Jt'tzt  ersehifii  dei'  Kriei 

iHui  sfellle  dem  Direk- 

toniiin  den  I)iviHiorLs;;enei 

-al  .loül)er 

t  und  den  lirigadechef 

Andreossv  vor.  Andrer^^is 

III  General  Bonaparte 

vor  seiner  A)ireise  aii-=  It; 

1    [    1    1  1 

:t  ragt  worden,  der  Rc- 

gieriiiift  die  i'iihiie  xii  iib^ 

■1  Illingen. 

tiie  die  Gesetzgebende 

Körperschaft  dem  ll^diei 

11    1    n  H 

[■ei'e  gesulienkt  hatte. 

Aach  einer  lanj:;en  Jiede  d 

KlK  . 

iiiiistera  erfmffen  Jou- 

bert.  und  AiidriW^^v  ehenf 

Ii     ii  W 

Der  l'iiisi<Ie]it  de-  Direl 

laliKi  die  ilnii  dar;iobo- 

tene  hiüiiie  III  Kiiipt.itm.  i 

i^nilUr  dei 

1  (ieiieraleii  der  llülie- 

II  t     1     ^  ul  lim  1  1  1  (It  und 

Andrcossv  wieder  \'\:Ü7.  ;;enoiiiJiien  liatteii.  stiiiiinTe  die 
Musik  den  h^nil  de  de|)arl  an.  und  die  ^il/un^:  wurde 
aufgehoben.  Alle  kelirten  in  (h'rselbcii  (.>rdiiuiiL'  -/.uruek.  wie 
SIC  gekoninien  waren. 

Dir  Peiedichkeit     Iii  i    i  \I   t  i  Mi  Ce- 

deikfii  II  Ii  u  I  Ii  tll  I  ii  ii  Ii  I  I  iid^  iKibeii 
waren.  ]-:iii  -lUin/endiT  Hall  beendete  diesen  TaL'. 

Trolz  der  firoljen  UlanzciiUali  uns  Gestaltete  sieh  die  Feier- 
lichkeit inil,ii\enibour}!  kalt.  Man  wuüteselirwohl.daß  keine 
wahre  Preundschaft  nwiselien  Isonaparte  und  dem  Direkto- 
rium bestand  noeli  bestehen  konnte.  Dazu  war  das  Direkto- 
rium zu  unbebebt.  .lederniann  selinle  sich  nach  einer  An- 
deninii  der  Dnise  und  nach  dem  kommenden  Mann,  den  man 
m  Honaparte  erbliekli'.  ..\\  enn  der  ( )rt  der  Handlung  grofi 
und  Bewunderung  erregend  war.  schreibt  Doulcet  de  Pon- 
tecoulant  in  seinen  krninernnKen,  ..so  kann  man  sagen.  daLI 
wenigstens  diese.'i  Mal  die  handelnden  Personen  ganz  auf 
der  Hohe  standen.  Niemals,  bei  keiner  Gelegenheit  seines 
Lebens,  zeigte  Bonaparte  eine  edlere  Beredsamkeit,  eine 

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\ DÜetidetere  Klugheit.  Seine  Kleidung  war  ernst,  seine  Hal- 
iviriLT  kalt,  bescheiden  und  doch  voller  Würde.  Seine  Rede 
war  kin-/.,  iilx^r  jeder  Satz  enthielt  einen  Oedanken  und 
<i■\m'^^  tief  durchdacht  zu  sein." 

Der  scharte  Beobachter  Thibaudeaii  sagt  in  seinen  „M6- 
nioires  Bur  la  Convention  et  le  directoire"  von  Btmaparte  in 
jenen  Tat;en:  ..hr  l>eobachtet^>  die  l'arteien.  hielt  es  aber 
scheinbar  mit  keiner.  Es  war  besonders  dem  Direktonum 
eine  sc-lnveve  l!\irde.  einen  sief;reicheii  General  um  sich  zu 
haben,  der  keine  BeyL-haft^unt;  hatte,  -leder  Direktor,  der 
sich  mit  liiiii  maß,  war  von  seiner  üroße  iibenasciit.  Mit 
-I.Ti  Tiicrmuioriiinern  BarrfiiS  und  Tallicn  unterhielt  er  Be- 
/.'(■nuiiüen.  Die  Jakobiner,  die  immer  einen  wunderbaren 
Instinkt  besitzen,  ihre  leinde  zu  wittern,  zoj^erteii  luoht. 
den  Sieger  von  Italien  öffentlich  anzugreifen,  Sie  begannen 
damit,  seinen  Ruf  zu  untergraben,  um  seinen  Einfluß  zu 
venmndeiTi.  Bonaparte  aber  bcnrieille  seine  Lage  sehr  nch- 
lif;  und  sah  voraus,  daß  iiuiii  D^dd  seine  Verdienste  ver- 
sessen und  seinen  kiiliiii  t)e?i  liiiiipfen  wurde,  wenn  er  m 
I'ans  auf  seinen  Lorbeeren  ciusohluiumerte." 

Nach  dem  ihm  zu  Ehren  gegebenen  l'esle  im  Luxem- 
bourgpalast  und  nach  einein  Kssen  beim  Direktor  Ulerliii 
de  Douai  an  einem  der  nächsten  Tatte.  wo  unter  anderen 
auch  die  Generale  Berthier.  Desaix.  hieber.  Joubert  und 
der  Bchweizoriache  Abgesandte  Ochs  zugegen  waren,  zog 
Mch  Bonaparte  wieder  vollkommen  ins  Privatleben  zurück, 
i'bizieich  die  Bbcke  der  verandeiangbebenden  Pariser  auf 
:)iii  als  den  Mann  genchtet  waren,  von  dem  man  sich  das 
Heil  des  Landee  versprach,  suchte  er  Bich  —  absichtlich 
oder  sohembai  —  so  viel  wie  moghch  der  Öffentlichkeit  zu 
entzieheu. 

Er  speiste  fast  immer  zu  Hause  im  kleinen  EYeundes- 
kreise.  Von  seiner  Familie  hatte  er  nur  den  jungen  J^röme 
bei  Bich,  den  er  aber  sehr  bald  im  College  von  JuiUv  unter- 


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braclite.  Frau  Bonaparte  hffand  sioli  damaln  nicht  in  Paris. 
Der  „NaiTatcur  uiiivcrsel"  vom  18.  Friniaire  (8.  Dezember 
1797)  hatte  die  Aidtunft  der  (Jeneralin  zwar  auf  den  20. 
oder  21.  Frimaire  ange,kiindigt,  aber  Joeephiiic  traf  erst  am 
29.  oder  30.  Dezember*)  1797  in  der  Hauptstadt  ein.  Sie 
hatte  länger  ala  zwei  Monate  gebraucht,  um  von  Italien  nach 
Paris  zu  gelangen.  Zwar  behauptete  sie,  sehr  eilig  gereist  zu 
sein,  docli  hielt  sie  aich  unterwegs  überall  gern  und  lange 
auf,  um  die  der  Onttin  des  Siegers  von  Italien  gegebenen 
Feste  bis  auf  die  Neige  auszukosten! 

Obgleich  Micli  die  Zuneigung  Bonapartes  zu  seiner  Frau 
ein  wenig  abgeschwächt  hatte,  so  liebte  er  sie  doch  noch 
über  alles  imd  zeigte  sieh  bei  den  geringsten  Anlässen  sehr 
eifersüchtig.  Aber  auch  jetzt  brachte  Josephine  ihm  noch 
keine  Liebe  entgegen  und  scheint  wie  früher  zu  Barras  in 
vertraulichen  Beziehungen  gestanden  zu  haben.  Wir  kennen 
einen  Brief,  den  sie  in  Eile  an  Bottot,  den  Sekretär  und  Ver- 
trauten des  Direktors,  bei  der  Llückkehr  Bona])artes  nacli 
Paria  richtete.  Es  karui  nur  am  21.  Februar  1798  gewesen 
sein,  denn  an  diesem  Tage  kehrte  Bonaparte  aus  Brüssel 
von  einer  Besichtigung  der  Küsten,  die  er  als  Obergeneral 
der  nach  England  bestimmten  Armee  unternommen  hatte, 
nach  Paris  zurück.  ,, Bonaparte  ist  diese  Naeht  zurückge- 
kehrt", schrieb  die  Ungetreue.  ,,Ich  bitte  Sie,  mein  lieber 
Bottot,  Barraa  mein  Bedauern  auszusprechen,  daß  ich  nicht 
bei  ihm  zu  Abend  speisen  kaim.  Sagen  Sie  ihm,  daß  er  mich 

*t  F.  Hbuoo  gibt  täi  die  ROoklcalir  Joeepltmeaiiaoh  Vvk  den  2.  Januar  I7B8 
an,  doch  Bahreibt  der  „Ami  daa  lois"  vom  0.  NivAae  (SB.  Dezember  1797) 
bcBtinunt:  „La  cltoysune  ipousa  de  Bonaparte  arrive  Mjaind'bui  eo  oatte 
comnume."  —  Diea«r  Tag  atinnnt  onoh  mehr  mit  dem  Fest«  TaUctyraads. 
das  am  3.  Jen  aar  stattfand,  über^  TaUeyrond  Bialte  dataelbe  sorrrit  hin- 
ousgaachoben,  damit  auvh  die  Gemahlin  des  Generab  Bonap«rt«  daran  toil- 
nehmen  Icoiuit«.  Wenn  Jesephine  ent  am  8.  Jumor  in  Pari«  angekommen 
«^iie.  hätte  der  Minister  des  AuDem  nicht  die  Einladungen  forden  3.  Januar 
erst  ain  Togo  verlier  versenden  kSnnen  I  —  Noch  dem  .^urveillant"  vom 
12.  NivAar  (1,  Januar]  kam  die  Oeneralin  am  3D.  Deiember  in  Paris  ao. 

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joaephinp  [tnnnpBCle. 


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nicht  vergeHse.  Sie  kennen  beaaer  als  irgeiidiemand  meine 
T.age.  Leben  Sie  wohl,  aufrichtige  Freundschaft!  LaPagerie- 
Ronaparte." 

Die  abgelegene  Straße,  die  Bonaparto  bewohnte*),  war 
jntzt  fast  ebenso  menschenleer  wie  früher.  Der  General 
i'tiipfing  nur  wenige  Besuche  und  stattete  nur  wenige  ab. 
Er  zog  die  Arbeit  in  der  Zurückgezogenheit  dem  lebhaften 
Treiben  der  Großstadt  vor.  Aus  Intereaae  und  gleichzeitig 
auch  aus  Berechnung  empfing  er  Gelehrte,  Scliriftatelier 
und  Künstlet  bei  sich,  um  sich  den  Anschein  zu  geben,  als 
ob  er  deh  ganz  ins  Privatleben  zurückgezogen  habe.  Dies 
geschah  besonders  zu  dra  Zeit^daer  zum  Mitglied  des  Natio- 
nalinstituts  gewählt  wurde.  Damals  Gnden  wir  Namen  wie 
Amaiilt,  I^emercier,  Laplace,  Ducis,  Bemudiu  de  SaJnt- 
Keire,  Daunou,  L^ouv^,  M&hul,  David,  Bouilly  unter  de- 
nen, die  tx  bevorzugte. 

Es  schien,  aia  wollte  er  der  Regierung  absichtlich  keine 
Terlegeoheiten  bereiten,  da  die  Zahl  der  Unzufriedenen 
damals  sehr  groß  war.  Et  wollte  keinem  seiner  Anhänger 
Gietegeoheit  geben,  sieh  und  ihn  bloßzustellen.  „Dieses  Ver- 
halten", schreibt  Doulcet  de  Ptmt^coulant  in  seinen  Er- 
innerungen, „verdoppelte  sogst  die  Ungeduld,  die  alle  Klas- 
sen der  Bevölkerung  bewiesen,  um  ihn  zu  sehen.  Niemals 
wurde  ein  Mann,  der  dazu  bestimmt  war,  die  Geschicke 
eines  großen  Volkes  zu  leiten,  zu  Be^n  seiner  Laufbahn 
von  einem  größeren  Gefühl  der  Zuversicht  und  Bewunde- 
ning  umgeben.  Die  aufgeklärten  Männet  erkannten  ihm 
alle  Abzeichen  eines  ebenso  vielseitigen  als  überl^enen  Ge- 
nies an.  Das  Volk,  das  viel  mehr  mit  den  Augen  als  mit  dem 

')  All  Bonapoile  niu»  Abendi  nach  Hause  zurückkehlte  —  es  war  in  der 
Kaclit  vom  30.  zum  31.  Deiember  — ,  sah  er,  daO  Arbeiter  damit  beHcliältigt 
men,  die  TaltH  nüt  der  Inschrift  der  StraDe  m  vechseln  und  dafür  eia 
Schild  mit  der  Au&chrilt  ,3ae  de  la  Victoire"  anzumachen.  I>i<r  Genera] 
war  durch  diese  Au&nerksamlieit  des  Seinedepartf^mentn  überaiin  antninehin 
ibeiTBBcht. 


79 


Verstände  urteilt,  da  es  so  viel  Ruhm  in  einem  so  jungen 
Manne  sah,  tler  in  einem  Alter,  wo  iunleiv  sieli  erst  iiT> 
WaifenluuKhvurk  aiisbilden,  «c:li<.ii  ao  viele  Siege  davon- 
getragen  hatte,  kam  aus  düin  Staunen,  der  Anfikeiiiuiiij 
und  der  Aelitung  nicht  lierau^.  Ulierall.  wo  er  sit-h  zt-igir. 
und  sobald  die  ntteiiLlielic  Neugierde  ilin  unter  tlein  in- 
kognito, mit  dein  er  nieli  niiigab,  erk;iiiiit  lialle,  ertüiiteri 
ungclieure  Zurufe  auf  deinem  Wege,  und  im  Triumph  be- 
gleitete man  ihn  nach  seiner  beselieidencn  Wohnung." 

Wenn  läonaparte  auj-fulir.  bediente  er  sieli  eines  einfachen 
Wagens,  ohne  Begleitung.  Selir  oft  ging  er  in  dem  kleinen 
Garten  spazieren,  wo  ihm  seine  Frau  t'iin-  kh-hn-  l'riieke, 
„Pont  de  Lodi",  wie  sie  sie  namite.  li.iUe  liaueii  la.ssen. 

Eines  Tages,  so  erzählt  man  sich  im  \'ölksjnnnde.  begab  er 
sieh  in  einem  einfachen,  blauen  Rock  ohne  Abzeichen  nm  l- 
dem  Luxembourgpalasl.  Die  ychildwache  kannte  ihn  nielii 
und  bat  ihn  um  seine  Einlaßkarte.  Er  antwortet«  ruhig  uiüi 
bescheiden:  „Teli  lialie  keine,  doch  das  Direktorium  kennt 
mich."  Der  iL'osferi  lielJ  sieh  aber  nicht  überzeugen,  und 
IJonaparte  muUte  er.-t  seinen  Niimen  nennen.  Jetzt  grüßtP 
die  Scliildwaehc  mil  den  ihm  zukommenden  Ehren,  und  er 
durfte  hineingehen. 

Eine  andere  Anekdote  mag  hier  ihren  Platz  finden,  um 
zu  kennzeiehnen,  wie  selir  es  der  General  verstand,  sich  be- 
liebt zu  machen  und  sich  Freunde  zu  verschaffen. 

Am  11.  Deüember,  es  war  am  Tage  nach  dem  feierlichen 
Empfang  im  Luxernbourg,  war  Bonaparte  bei  Fran9ois  de 
Neufchäteau  eingeladen,  wo  sicli  etwa  zwanzig  der  bedeu- 
tendsten Mitglieder  des  Nationalinstituts  befanden.  Er  über- 
raschte alle  Anwesenden  durch  die  Vielseitigkeit  soine- 
Wissena,  Mit  Laplace  uid  Lagrange  sprach  er  über  iNIatiir- 
matifa,  mit  Siey^s  über  Metaphysik,  mit  Joseph  de  Chenicr 
über  Dichtkunst,  mit  Gallois  über  Politik  und  mit  Daunou, 
dem  ehemaligen  einflußreiohen  Konventsmitglied,  über  Ge- 

80 


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setzgebung.  Besonders  schätzte  er  die  Unterhaltung  mit 
DaunoH,  da  dieser  sehr  vernünftige  Ansichten  über  Ver- 
fassung und  Gesetzgebung  entwickeltB. 

Als  der  General  die  Gelelirten  Laplace  und  Lagrange  fragt  e, 
ob  ihnen  ein  erst  kürzlich  in  Italien  erschienenen  Werk  über 


Geometrie  bekannt  sei,  worin  eine  neue  Art,  den  Kreis  ein- 
zustellen, besclirieben  *var,  antworteten  sie  verneinend.  Da 
nahni  Bonaparte  einen  Zirkel  und  einen  Bleistift  zur  Hajid 
und  erklärte  schnell  die  Methode.  „General,"  sagte  Laplace 
zu  ihm,  „wir  erwarteten  aDes  von  Ihnen  lernen  zu  können, 
ausgenommeo  Stunden  in  der  Mathematik  zu  erhalten!"  . 


Sl 


Bonapaite  liebte  sehr  das  Theater  und  ging  trotz  <i<  s 
suräolcgezogeneD  Lehens,  das  er  führte,  oft  dahin.  Einst,  e.- 
war  am  30.  Dezember  1797,  gab  man  den  „Horatius  Cocle^" 
im  „Thtötre  de  la  Eepubhque  et  des  Arts".  Das  Schauspiel 
hatte  eine  nnReheure  Mensch enniOTige  angelockt.  Obgleich 
Üonajiarte  in  /ivilkleidiing  erschienen  war  und  sicli  im 
Hiiiteitii'ijiul  .scuiw  Lo£fe  aufhielt,  wurde  er  doch  erkanni. 
Die  Nnchneiu  vun  seiner  Anwesenheit  verbreitete  sich 
schnell  unter  der  .\lcn^i\  uiiii  lange  und  laute  Beifallsrufe 
ertonten  im  .'r^aalc.  Der  General  aber  zeigte  sich  nicht; 
er  zog  sich  noch  \(eiler  in  den  Hintergrund  seiner  Lot-'c 
zurück  und  sagt«  bescheiden  zu  emem  Herrn  in  der 
Nebenloge:  „Wenn  ich  gewußt  hatte,  daß  die  Iiogen  so 
wenig  geschlossen  waren,  dann  wurde  ich  nicht  gekoniiiifii 

Ein  andermal,  es  war  nach  der  Rückkehr  Josephines  naL'ii 
Paris,  beauftragte  er  seinen  Sekretär,  bei  der  Theatorleitimg 
anzufragen,  ob  man  nicht  zwei  Stücke  aufführen  könne,  die 
er  sehr  bevorzugte,  und  in  denen  die  Schauspielerinnen 
Saint-Aubin  und  Phillis  mitwirkten.  Bourrienne  hatte  de» 
Auftrag,  beizufügen,  nur  wenn  es  „möglich"  sei.  Der  Direk- 
tor antwortete  geistreich,  daß  ea  nichts  „Unmögliches" 
gäbe,  seitdem  der  Sieger  von  Italien  dieses  Wort  aus  dem 
Wörterbuch  gestrichen  hätte! 

Die  Verbannungsgesetze  vom  5,  und  8.  September  1797,  die 
das  Direktorium  nach  dem  Staatsatreiche  vom  18.  Fructidor 
erließ,  um  sich  seiner  lästigen  Feinde  zu  entledigen,  hatten 
auch  die  Mitglieder  des  Nntionaünatituts  Barth^leniy,  Pa- 
storet,  Sicard,  Fontanes  und  Caniot  betroffen.  Eü  galt  da- 
her, fünf  neue  Mitglieder  in  das  Institut  zu  wählen. 

Den  Statuten  gemäD  wurde  am  11.  November  1797  eine 
vorläufige  list«  von  Bewerbern  aufgeatdlt,  die  die  aus- 
geeolÜBdenen  Ifitglieder  ersetzen  sollten.  Dieser  AnloB  be- 

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geisterte  den  Dichter  Lebrun  zu  folgendem  vierzeiligen  Ge- 
dicht über  den  Sieger  von  Italien,  der  in  die  Section  des  arts 
m^cuiiqiies  gew^t  werden  sollte: 

CoUdgues,  amantfi  de  la  gloire, 

Bonaparte  ea  est  le  aoatien; 

Pout  votre  m^anioien 

Prenez  colm  de  la  vlotoire. 

An  Stelle  CBimots,  der  früher  der  Seetion  des  arts  mäca- 
niguea  der  ersten  Klasse  des  NationsJinBtitiita  angehört 


flEPUBLIQUE  fBAN^AlSE. 

INSTITUT  NATIONAL 
DES  SCIENCES  ET  ARTS. 

S/ance  publique  du  \  5  Nivise,  an  i,  contmtngtat 
d  nintj  hcures  tris-pfecisti  da  loir. 

Les  pones  s'ouvriront  b  quatre  heurei. 

On  entrFn  par  U  porte  qui  Mt  din»  l'Mgle 
Occidental  de  !■  C0U(  do  Lwfit,  k  t*  gtaCM 

du  Tficgraphe. 

BtnlaDkule  in  einer  BITenUlchen  Sitiung  dei  IiutllDt». 

hatte,  erhielten  Bonaparte  411,  DUIon  371,  Montalembeit 
367,  Lamblardy  34S,  die  übrigen  zwischen  267  und  106 
Stimmen,  Am  25.  November  schritt  man  auf  Veranlassung 
der  Section  des  arts  mäoaniques  zur  Aufstellung  der  end- 
gSHigen  Liste,  die  nur  die  Kamen  Bonaparte,  Dillon  und 
Montalembert  enthielt. 

Dillon  und  Montalembert  waren  zwei  ausgezeichnete  In- 
genieure, die  sich  durch  praktische  und  theoretische  Ar- 
beiten einen  geachteten  Namen  in  Frankreich  gemacht  hat- 
tfln.  Bonsparte  war  zwar  ein  tüchtiger  Mathematiker  und 
auch  als  solcher  bekannt,  aber  abgesehen  von  seinem  mili- 
tirischen  Ruhm  waren  die  Augen  der  meisten  Institutfi- 


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mitglieder  vor  allem  deshalb  auf  ihn  gerichtet,  weil  er  Vfah- 
reod  des  italienischen  Fcldzugs  die  Künste  tind  Wissen* 
Schäften  ganz  besonders  begünstigt  hatte. 

Als  dann  am  2d.  Dezember  1797  die  endgSltige  Abettm- 
tnung  stattfand,  entfielen  auf  Um  305,  auf  IHibm  166  imd 
auf  Montalembert  123  Stimmen.  In  be&ondera  feierlicher 
Weise  wurde  der  General  vom  damaligen  Präsidenten  Ga- 
rn ob  in  die  Section  des  orts  m4caniques  der  eisten  Klasse 
des  Nationalinstitats  anfgenommen. 

Am  Tage  setner  Eroennong  richtete  er  an  den  Präsidm- 
fcen  Cunns  ^en  geschickt  abgefaßten,  schmeiobdht^ten 
Brief,  der  seine  Wirkung  auf  die  Umwelt  nicht  TerfeMte. 
Das  Schreiben  lautete:  „Die  Wahl,  die  die  anqjezrächneten 
Männer  des  Instituts  getroffen  haben,  ehrt  mich.  Ich  vkoü, 
daß  ich  lange  Zeit  ilir  Schüler  sein  muß,  ehe  ich  ibre^lei- 
chen  werde.  Gäbe  es  eine  ausdnicksvcdlete  Art,  ihnen  meine 
Hochachtung  darzubringen,  so  würde  ich  mich  derselben 
bedienen. 

Die  wahren,  einzigen  Erobenrngeu,  die  hdn  Bedauern  in 
uns  zurücklassen,  sind  die,  welche  man  auf  dem  Gebiete  der 
Unwiasenfaeit  macht.  Die  ehrenvollste  und  zugleich  nütz- 
liebste Beschäftigung  für  die  Natitmen  ist,  zur  Erweiterung 
der  menschlichen  Ideen  beizutragen.  Die  wahre  Macht  der 
EranzÖEÖschen  Bepublik  muß  künftig  darin  bestehen,  keine 
einz^  neue  Idee  aufkommen  zu  lassen,  die  nicht  Ha  ge- 
hört!" 

Bs  ist  bekannt,  welch  großes  Intereeae  Bonaparte  dem 
Nationalinstitut  entgegenbrachte.  Noch  während  des  ägyp- 
tischen Fetdzuges  verwendete  er  Briefpaiüer,  auf  welchem 
zunächst  der  Titei  als  Mi^ed  des  Nattoualimtituts  imd 
datm  erst  der  als  kommandierender  General  der  Armee  tDu 
Agyptea  vorgedmckt  war.  Mmi  konnte  die  Bescheid^iheit 
wirklich  nicht  weiter  treiben!  Solange  sich  der  General  in 
Paris  befand,  besuchte  er  die  Sitzungen  der  gelehrten  Ge- 


84 


seUschaft  ziemlicli  regehiiädig*).  Er  wurde  mit  uiitli-reii  (.iu- 
lehrten  auch  zu  verschiedenen  Malen  beauftragt,  einen  Be- 
richt über  eine  eingesandte  Arbeit  oder  Erfindung  zu  rer- 
faseen. 

Talleyrand  hatte  seit  langem  ilii^  Absiflii,  di^ni  Sieger  von 
Italien  ein  glänzendes  Fest  zu  pehen.  das  den  killten  Emp- 
fang, den  man  diesem  im  Ijuxejnboiirg  bereitet  hatte,  ver- 
gessen machen  sollte.  Aber  Joaepliine  Bonapartc  war  noch 
nicht  in  Paris  eingetroffen.  Sie  beeilte  sich  nicht,  nach  der 
Stadt  zu  kommen,  ohne  die  sie  früher  nicht  leben  zu  können 
glaubte.  Kndlich  traf  sie  Ende  Dezember  ein,  und  das  Fest 
des  Ministers  der  auswärtigen  Angelegenheiten  konnte  für 
den  3.  Januar  1798  angekündigt  werden. 

Ursprünglich  poIUp  es  im  ,,.Muwrum'",  dem  heutigen 
Louvre  stattfiTtden.  Man  halte  bereits  niohr  als  (iOO  Kunst- 
werke aus  dem  Apollos  aal  ausgeräumt,  um  genügend 
Platz  zu  haben.  Dann  aber  war  man  wieder  auf  das  Ge- 
sandtach aftsgebäude  im  Hotel  Gallifct,  in  der  Rue  de  Gre- 
oelle,  zurückgekommen,  obgleich  der  Ra\mi  dort  ziemlich 
eng  bemessen  war. 

Die  Festlichkeil  zu  Ehren  Boiiapartes  und  de»  voji  ihm 
abgeschlnsaeneri  Friedens  verlief  äußerst  glänzend.  Mehr 
als  50<)  Personen  waren  der  Einladung  gefolgt.  Man  war 
dem  Wunsche  des  Ministers  nachgekomiuen,  keinen  Schmuck 
und  keine  Kleider  englischen  Ursprungs  zu  tragen. 

Mit  großem  Geschick  und  wahrhaftem  Geachmaek  hatte 
man  die  Sale  mit  Nachbddungen  der  aus  Italien  mitge- 
brachten Kunstwerke  geschmückt.  Em  vortreffltcheN  Or- 
thcster  und  Einzelvortrage  der  Sauger  und  Schauspieler 
Lays,  Oheron,  Ch^nard  und  Dugazon  trugen  zum  Uelingen 
des  -festes  würdig  bei.  Mehrere  Direktoren,  die  -uimater, 

■)  Bonaporte  trohnte  den  SltEungen  vom  31.  Dozombei'  1797,  *.,  SO.,  24.  und 
».Januar,  «.Februar,  11.,  21.,  25.  und  Sl.Mirz,      25.  und  3a  April  17flt)  bn. 

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die  dipIomaUBoben  Yertireter  der  mit  iEVaiikieioh  im  Ftiedeo 
leb^den  Mächte,  eine  Menge  berühmter  Generale  in  glän- 
zenden Uniformen,  hervorragende  Politiker,  bedeutende 
Gelehrte,  Schriftsteller  nnd  Künstle,  dazu  200  der  sohön- 
sten  und  eleganteaten  Frauen  von  Paris  waren  ersohietten. 

Um  10  Uhr  begum  äst  Ball,  und  eine  halbe  Stunde  sp&ter 
betrat  der  General  Bonaparte  in  einfacher  Zivilkleidnng  mit 
seiner  Frau  den  Saal.  Einen  Äugenblick  herrschte  lautlose 
Stille,  als  der  Oberbefehlshaljer  erschien.  Allw  Augen  waren 
auf  den  jugendtichen  Helden  gerichtet;  einer  zeigte  ihn  dem 
andern,  und  jeder  war  von  dem  Zauber  seiner  FeiaSnliah- 
keit,  seiner  gewinnenden  Liebenswürdigkeit  und  Einfach- 
heit entzückt. 

Bald  nach  11  Uhr  fand  ein  Bankett  statt,  bei  welchem 
nur  die  Damen  saßen,  während  die  Herien  hinter  ihren 
Stühlen  standen.  Die  Generalin  Bonaparte  7.n^  be^ioaders 
die  Aufmerksamkeit  auf  si(;]i ;  hinler  ihrem  Stulile  bemerkte 
man  ihren  Gemahl  und  TnWeyrnm],  der  es  glänzend  ver- 
stand, den  liebenswürdigen  Casii^eher  zu  spielen.  Auf- 
fallend war  die  Liehenswürdigkeit,  mit  welcher  der  Gene- 
ral Boiiaparte  mit  (iem  Ces.andtcu  der  Türkei  Esseid  Ali 
8pra<;li;  [iian  wolltt'  davaun  entnehmen,  daß  ein  baldige.'^ 
Bündnis  mit  der  Pforte  Zustandekommen  werde.  Mit  einem 
Hoch  Talleyrands  auf  eine  glückliche  Landung  in  England 
endete  der  offizielle  Teil  des  wohlgelnngenen  Festes. 

Xauh  der  Darstellung  deri  Kmpfungs  Bonapartes  heini 
Direktorium  und  bei  den  einflußreichsten  Pcrsünlichkoiten 
der  Jiejmhiik  niul  nach  Schilderung  seiner  Lebensweise  als 
Privatmann  in  Paris  sei  noch  [■estattel.  einen  Ausblick  zu 
versuchen. 

Phantasiereiehe  Geschichtsschreiber  wollen  genau  wissen, 
was  ein  Feldherr  oder  Staatsmann  in  dieser  oder  jener  kri- 
tischen h&gB  seines  Lebens  gedacht  haben  könnte.  Es  ist 

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auch  oft  darüber  gesproclien  worden,  dnll  Bonaparte  aohon 
(inmals  bestinimtf  Absichten  tiuf  einen  Shiiitswlreieb  gehabt 
hiitt«,  der  ilim  die  Allein herrscimft  in  l'rankreieli  verschaf- 
fe» sollte.  Wenn  die«  der  Fall  fiewe^-en  ist.  so  wird  er  es  als 
kluger  MüTin  wielierlieli  sorpHam  geheim  gt'hiiltcn  haben,  war 
er  doch  gerade  in  jenen  .laliren  verschlossener  als  wiibreiid 
irgendeiner  Zeit  seines  Lebens!  Erst  später,  als  auch  ihn 
fler  Cäsarenwahn  /u  packen  neliien,  wurde  er  mit  teil  Ran  er, 
und  seine  Feinde  nnterliellon  es  nicht,  aus  seinen  unbedacht 
hingeworfenen  Worten  den  grölJteii  Xul/.eii  /.u  /.iehen!*)  Ks 
ist  aber  nicht  die  Aufgabe  des  kritiselien  (iesclnclilsschrei- 
hers,  KU  ermitteln,  was  llonapartn:'  y.u  jener  Zeit  gedacht 
haben  mag.  Man  sollte  viel  mehr  uiitersncheii,  oh  die  poli- 
tische Lage  in  Frankreich  damals  SO  beschaffen  war,  daß  der 
tJeneral  mit  Wahrseheinlielikoit  auf  Erfolg  einen  Staats- 
.'itreich  hiitte  wagen  können,  eine  Fr^e,  die  man  mit  Fug 
und  Recht  verneinen  nuiß. 

Bonaparte  nahm  alle  die  ihm  in  Paris  dargebrachten  Hul- 
digungen mit  Bescheidenheit  auf  und  schien  sich  ihrer  so 
weit  wie  möglich  zw  entziehen.  Sicher  ist  aber,  daß  sie  ihn 
sehr  schmeicheUen.  Seine  Freuode  raunten  ilim  ofl  xu.  die 

an  sieh  zu  reißen,  um  den  überall  so  verhaßten  18.  Fruetidor 
vergessen  zu  machen.  Bonaparte  war  aber  klug  genug,  nieht 
:nis  seiner  Zurückhaltung  herauszugehen,  denn  er  wußte 
sehr  wohl,  welches  Los  ihn  treffen  würde,  wenn  das  Uiit«r- 
nehnieii  fehlschlüge.  Vorerst  mußte  er  seinen  Ruhm  ver- 
mehren, sieh  dem  Volke  unontbolirlicher  machen  und  die 
Herrschaft  des  Direktoriums  noch  nnbelifihter  werden  las- 
sen, ehe  er  selbst  entscheidenil  in  die  ( beschicke  Frankveichü 
eingreifen  komitc. 

")  leli  tnöcliU'  bei  di™er  Gelegciüiail  miF  du«  imiiiiirlir  ab(!f.'<^lilusm:in  tirei- 
bKudige  Weik  „Gespräche  Napoleons",  Stuttgart  1911—1013,  R.  Lutz,  hin- 
wriaen.  Iah  habe  darin  nun  enten  Male  die  wichti^ten  Unteifaaltuiigen 
Napt^eoiM  roh  Minaii  Zätgttumtea  vCTeintgt, 


87 


Daß  es  ihm  wegen  seiner  Ji;^end  unmöglich  war,  Hit- 
gfied  des  Direktoriums  zu  werden,  ist  schon  in  einem  frü- 
heren Bande  eriÄ^Uint  worden.  Überdies  war  die  B^emng 
des  Direktoriums  viel  zu  abgewirtschaftet,  als  daß  er  ein 
Glied  dieser  verhaßten  Regierung  zu  werden  wünschte. 
Auch  konnte  man  dem  Direktorium  damals  kdne  aUzo- 
großen  Vorwürfe  maeheo,  da  es,  wenn  auch  wider  Willen, 
den  allgemein  gewünschten  Frieden  mit  Österreich  bestär 
tigt  hatte.  Der  Gedanke,  erst  im  Ausland  neue  Ijotbeeren  zu 
sammeln,  ehe  er  höhere  Pläne  in  Angriff  nehme,  mag  ihm 
daher  immer  von  nenem  im  Geiste  voi^schweht  haben; 
und  daß  dies  in  einem  nüchternen  Lande  wie  Irland  oder 
England  bei  den  unzulänglichen  Hilfsmitteln  nicht  möglich 
sei,  sondern  nur  durch  einen  Feldzug,  der  die  phantasti* 
sehen  Franzosen  zur  Begeisterung  hinriß,  das  wurde  ihm, 
znmid  na«h  seiner  Besichtigung  der  Nordküste  Frankrüche, 
immer  klarer! 

Das  DirekUirium  zog  Bonaparte  während  seinOT  Anwe- 
senlicit  in  Paris  sowohl  in  militärischen  als  auch  in  diplo- 
matischen Angelegenheiten  oft  zu  Rate,  doch  mehr  aus 
Xotvciuligkcit  nU  ^uis  w  ii-k)iflii'iii  Interesse.  Zwar  hatte  der 
Genci^il  (lif  .Mcliilicil  (l<v  Dil i'kt oriiuns  für  »ich,  doch  Bar- 
ras, i'iiir  der  w  irlil  ig-ictL  Stüt/cn  der  Regierung,  hatte  bald 
Eona])iirtcs  i'lii'ilcgorilifit  in  allni  Dingen  bemerkt  und 
füreht.'l.-  ihn  als  \.-b,-iil>iihlcr. 

Tallcyinnd  iin<l  Hoiiii|iarle  hatten  sich  bald  gegenseitig 
crkannl.  Siu  wnlJtcii,  daß  ans  ciiicni  Zu^-aminenarbeiten  für 
beide  IVilo  l^rsprießlichcs  tüilslrlu'ii  kfiunf.  Auch  Sieyfe, 
ÄU  <lcni  dei-  (Icncral  dun  Ii  \"i?riidttliiiig  Tallcyranda  von 
Italirn  aus  in  He7iHiun^'  gctrtdt-n  war,  näherte  or  sich.  Aiu 
21.  Fviinairi',  Mährend  eines  ICssens  liei  Franvois  de  Neaf- 
cliäteau,  hatte  er  die  erste  längere  Unterredung  mit  ihm. 
Sieyes  war  seit  dem  21.  November  1797  Präsident  des 
Bates  der  Fünfhundert.  Infolge  seines  großen  Einflusses 

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ten  gegebe nenf Iii la  auf  ihn,  ala  einen  zweiten  ^[onk,  zählen 
zu  können.  Wenige  Tage  nach  Bonapartes  Riiekkelir  nneli 
Paris,  ea  war  in  der  Nacht  vom  18.  zum  Ifl.  Dezember  1707, 
fand  man  in  versehiedenen  Orten  der  Gemeinde  von  Saint- 
Diii  Jfauc  ran  seh  läge  folgenden  Inhalts:  „En  lebe  der  Ktinig! 

89 


BoiiapartC! ,  rette  uns  von  diesen  800  Schurken*).  Es  lebe 
der  Kuiiig!  Ernennen  wir  Bonaparte,  daß  er  diese  800  Schur- 
ken ersetze,  die  unser  Hab  und  Gat  verzeluen !"  Bonaparte 
war  aber  schlau  genug,  niemand  in  Beine  Karten  sehen  zu 
lassen,  um  sich  keine  Gegner  zu  schufen. 

Vor  allem  konnte  er  natürlich  auf  das  Heei  zählen.  Es 
gab  dam^,  besonders  nach  dem  Tode  Hoches,  nachdem 
Fichegru  und  Camot  unschädlich  gemaoht  worden  waren, 
und  nach  den  wenig  glücklichen  Feldzligen  Joordans  und 
MoreauB  in  Peutaehlaiid  keinen  Obergenexal,  der  eich  einer 
ähnliche  Berühmtheit  und  Volkstümlichkeit  erfreute  wie 
Bonaparte. 

-  Alle  militärischen  und  manche  <üplomatischen  Opera- 
tionen am  ScUusae  des  Jahres  1787  und  Anfang  1798  ge- 
schahen unter  seiner  direkten  oder  indirekten  Leitung.  Er 
erteilte  den  Unterhändlern  in  Rastatt  Voraohiiften,  g^b 
dem  General  Hatiy,  der  Mainz  dnoebmen  sollte.  Befehle 
und  arbeitete  für  den  General  Berthier  Instruktionen  aus, 
als  dieser  nach  Italien  ging.  Er  selbst  war  der  Obergeneral 
des  nach  England  bestimmten  Heeres,  auf  das  man  die 
größten  Hoffnungen  setzte.  Berthier  befehligte  zwar  in 
Rom,  doch  tat  er  nur,  was  Bonaparte  ihm  schrieb.  Mit 
Brune,  dran  ehemaligen  Brigadegeneral  der  Italienischen 
Armee,  staml  es  ebenso.  Als  Brune  Anfang  Januar  17B8 
mit  einer  diplomatischen  Sendung  nach  Neapel  gehen  sollte, 
arbeitete  Bonaparte  für  ihn  die  Vorschriften  aus.  Als  d«m 
Brune  nach  der  Schweiz  geschickt  wurde,  gab  ihm  Bona- 
parte mündlich  Verhaltungsmaßre^ln  mit  auf  den  Weg. 
Auch  seine  wichtigste  polittöohe  Sohöpfui^  die  Zü^pini- 
sche  Republik,  vergaß  et  nicht.  Ende  März  1798  wandte  er^ 
sich  an  das  französisohe  Direktorium,  um  Fürsprache  für 
zwei  von  ihm  eingesetzte  Direktoren  der  Schwesterrepublik 
einzulegen. 

*)  Diu  beiden  Räte. 

90 


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FHAGMENTE  AUS  TARIS 


Trotx  clor  wi'iiif;  kamprAdachaftliclien  Beziehungen  zwi- 
schen den  Offizieren  der  Rhein-  und  der  Italienischen  Armee 
war  es  ihm  gelungen,  sich  die  wichtigsten  Generale  dei 
Rheinarmee  zu  seinen  Freunden  zu  machen.  Finden  wir 
doch  die  Namen  eines  Desaix,  Kleber,  Gouvion  Saint-Cyr, 
Lefebvre  und  Championnet  auf  der  Liste  der  nach  Eng- 
land bestimmten  Armee. 

Es  fehlte  Bonaparte  aber  auch  nicht  an  Feinden.  Da  war 
bfHondcrfi  der  unversöhnliche,  wenig  beliebte  Augereau,  der 
si'lion  seit  dem  italienischen  Feldzug  seinem  ehemaligen 
Ohrrgencral  grollte.  Zum  Lohn  für  seine  Beihilfe  am  18. 
l''n[otidi>r  war  Augereau  vom  Direktorium  zwar  zum  Ober- 
Ijeffhishiiber  ^amtlicher  Heere  am  Rheine  ernannt  worden, 
aber  nach  Bonapartes  Rückkehr  nach  Paris  wurde  seine 
Machtbefugnis  auf  dossfm  Veranlassung  hin  stark  geschma- 
lei-l.  Es  ist  offenbar,  dall  die  neue  \'erteilung  der  Heere  am 
a,  Dezember  auf  Honapartes  Einfluß  hin  erfolgte.  Der 
frühere  Generalat absehet  der  Italienischen  Armee  Berthier 
win'dc  jetzt  ihr  Oberbefehlshaber.  Die  Rheinarmee  ^vurde 
geteilt;  den  Befehl  über  die  eigentliche  Rheinarmee  er- 
hielt Augereau,  den  über  die  Armee  von  Münz  der  Geoe- 
ral  Hatry. 

Augereau  fühlte  sich  duroh  die  Veränderung  im  Ober- 
befehl sehr  gekränkt,  denn  mittelbar  hatte  er  jetzt  nieder 
von  Bonaparte  Befehle  zu  empfangen.  Das  Direktorium 
suchte  ihn  zwar  zu  beschwichtigen,  tat  aber  nichts,  »un  ihn 
ganz  zufriedenzustellen.  Im  Gegenteil  1  Als  die  Bhemarmee 
am  29.  Januar  1798  aufgelöst  worden  var,  erhielt  Augereau 
den  Befehl  über  die  10.  Divimon  in  Perpignw,  die  ge- 
gebenenfalls den  Kern  eines  gegen  Portugal  bestimmten 
Heeres  bilden  sollt«. 

Nicht  nur  in  Pozzo  di  Borgo,  sondern  auch  in  einem  an- 
dern seiner  Landsleute,  in  Bartolomeo  Aiena,  hatte  Bona- 
parte einen  unversöhnlichen  Feind.   „Sie  kennen  diesen 

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Mann  nicht,"  sagte  Arena  vi>n  ihm;  ,, nachdem  er  Aiigereau 
nach  Paris  gesandt  hat,  um  den  18.  Fructidor  zU8tande  zu 
bringen,  hat  er  iim  beim  Direktorium  in  Ungnade  fallen 
lassen.  Er  hat  die  Undankbarkeit  so  weit  getrieben,  daß 
IT  in  Erwägung  zog,  ihn  zu  verhaften.  Er  hat  in  Italien 
20  .Millionen  gestohlen  und  alle  seine  Generale  naeh  seinem 
\  orbilde  plündern  laasen.  Er  ist  der  gefährlichBt«  Mann  für 
die  Freiheit!" 

Sogar  damals  schon  machte  man  einen  Anschlag  auf 
Bonapartes  Leben.  Eine  Frau  war  zu  ihm  gekommen  und 
hatte  ihm  gesEtgt,  daß  man  ihn  und  die  fünf  Direktoren 
während  eines  Essens  vergiften  wiirde.  Als  der  Polizei- 
minister  Nachforschungen  nacb  dieser  Frau  anstellen  lieQ, 
fuid  man  sie  ermordet  in  Ihiem  Blute  liegend.  VermutUch 
hatten  ihre  HelferBfaelfer,  die  sie  verraten  hatte,  diese  Tat 
vollbraoht. 

Die  Feinde  Bonapartes  snohten  so  viel  wie  möglich  den 
Ruf  des  Oberbefehlshabers  zu  verkleinem;  ja  man  scheute 
sich  nicht,  schadenfroh  seinen  baldigen  Fall  vorauszusagen. 
So  schrieb  Midlet  du  Fan  am  4.  Januar  1798  von  Freiburg 
aus  an  den  Hof  zu  Wien:  „Es  ist  augenscheinlich,  daß  der 
Stern  Bonapartes  täglich  mehr  und  mehr  erbleicht.  Dem 
Volke  ist  er  gleichgültig,  den  Jakobinern  flößt  er  Mißtrauen 
ein,  und  ^en  ist  er  ein  Gegenstand  der  Eifersucht.  Weder 
Festmähler,  noch  Lobgesänge,  noch  Trinksprüche  vermoch- 
ten die  schnell  erk^tete  Bewunderung  wieder  zn  entfachen. 
Man  wagt  sogar  ziemlich  sicher  vorauszusagen,  daß  es  mit 
diesem  Manne  entschieden  zu  Ende  ist,  wenn  man  ihn  nicht 
auf  einem  neuen  Kriegsschauplatz  in  Wirksamkeit  setzt, 
und  wenn  ihn  nicht  ^nige  glänzende  Erfolge  bei  der  eng- 
lischen Expedition  über  Wasser  halten ..." 

Und  wenige  Tage  sfSter,  am  28.  Januar,  heißt  es  in  einem 
andern  Bri^e  desselben  Mannes;  „Bonaparte  spielt  den  Be- 
scheidenen und  Selbstlosen.  Er  scheint  die  Pläne  seiner 


93 


Kotte  zurückzuweisen  und  ist  gezwungen,  den  grenzenlosen 
Ehrgeiz,  der  ihn  ia»t  verzehrt,  zu  verbergen,  um  noch  eine 
Zeitlantr  das  Damoklesschwert  von  sich  air^uw  cmlcn,  das 
über  seinem  Haupte  schwebt.  Ein  Mann,  der  nicht  einmal 
üo  viel  Achtung  genoß,  daß  er  sich  in  Rastatt  als  Gesandter 
halten  konnte,  scheint  nicht  in  der  Lage  za  sein,  die  Dikta- 
tnr  an  sich  zu  reißen." 


FONFTES  KAPITEL 


DAS  ENDE  DER  ALTEN  SCHWEIZ 

In  der  Yo^esohiolLte  der  Revolation  der  Schweiz  im  Jahre 
1797  Bpieien  zwei  Uänner,  die  in  ihrem  engeren  und  wei- 
teren Vaterlaade  eine  ungleiche  Beurteilung  gefunden  haben, 
öne  große  Bdle.  Es  sind  der  Basler  Oherzunf  tmeiater  Feter 
Ochs  und  der  Oberst  Friedrich  Cäsar  Laharpe  aus  Bolle. 
Beide  haben  großen  Einfluß  auf  die  Gesohicke  der  Gesamt- 
Schweiz  gehabt,  abwr  der  Erfolg  ihres  Wirkens  war  sehr  ver- 
schieden. Laharpe  hatte  das  Glück,  das  Woadtland  zu 
einem  der  schönste  und  blühendsten  Kantone  der  Schweiz 
erstehen  zu  sehen,  während  Oohs,  verlassen  und  vea^;eBsen, 
den  Undank  der  Mit-  und  Nachwelt  auf  sich  lud,  da  er  in 
Beinen  Bestrebungen  scheiterte !  Mehr  als  hundert  Jahre  hat 
der  Much  auf  dieeem  unglücklichen  Manne  gelastet,  und  es 
Boheint,  als  ob  erst  das  20.  Jahrhundert  ihm  Gerechtigkeit 
widerfahren  lassen  und  ihn  milder  beurteilen  wollte. 

Wie  wir  borräts  gesehen  haben,  hatte  Bonaparte  während 
mnea  Aufenthaltes  in  Basel  großen  Gefallen  an  der  Unter- 
haltung mit  dem  Oberzunttmeister  Ochs  gefunden.  Als  äasm 
der  Gweral  in  Paris  mit  dem  Direktorium  und  mit  Tt^ey- 
laad  auf  die  sohweizerisohen  Angdegenheiten  zu  sprechen 
kam,  m^  er  sich  dieses  Mannes  erinnert  haben,  der  ihm  ge- 
eignet schien,  den  Vermittler  zwischen  der  Schweiz  und 
iEVtmkreidi  zugunsten  des  französiBohen  Staates  zu  spielen. 
Ende  November  1797  brachte  der  französische  Geschäfts- 


96 


träger  Mengaud  beim  Baaler  Aititsbürgermeiater  das  An- 
liegen seiner  Regierung  vor,  man  möchte  einen  von  der 
französischen  Regierung  gern  gesehenen,  geeigneten  Mann 
nach  Paris  senden,  um  mit  ihm  wegen  verschiedener  Dinge, 
unter  anderen  wegen  Abtretung  des  Fricktak  zu  unterlian- 
dehi*).  Es  war  augenscheinlich,  daß  man  Oche  haben  wollt«. 


Wm  Jluere  ^utllükkcliteiidec  frunzi^lncher  KriegBkiiiiimi!is.ir 


und  am  30.  November  reiste  dieser  nach  der  französiadicji 
Hauptstadt  ab. 

Ochs  war  im  Jahre  1752  in  Nantes  geboren,  wo  sich  seine 
Eltern  vorübergehend  aufhielten.  Sein  Vater  war  ein  Basler. 
seine  Mutter  eine  Deutsche,  Peter  Ochs  verlebte  seine  Ju- 
gend teils  in  Hamburg,  teils  in  Basel;  auch  unternahm  er 

')  Auf  Grund  (UvssrrhsWn  ArliltclR  der  geheimen  BestimiouiiEPii  des  Frieden? 
v(!n  Campofunnido  soUte  das  Frickul  vom  Kainer  an  Frankn'[e]i  alinetrelcTi 
und  vondicMMu  nocli  degenzu  bealimmenda  GeBeuleiBiuogen  mitderSchmi- 

96 


DlBilijattDyGuoglE 


Ulnare  Reisen  nach  Stcaßbu^  -and  naoh  Paris.  Somit  mtrde 
er  gleiofazeitig  mit  der  deutschen  und  &antSeieoh^  Kultur 
verbwit.  Der  Kaufmannsberuf,  für  den  er  bestimmt  war, 
gefiel  ihm  nicht  lange.  Er  schied  deshalb  aus  dem  v&ter- 
lidien  Handrishanse  in  Hamburg  aus  und  erwirkte  die  Er- 
laubnis, in  Basel  studieren  zu  dürfe».  Nachdem  er  dort  dm 
jnristischeti  Doktorhut  erworben  hatte,  widmete  er  siob 
größtenteils  geschichtliohen  Studien,  deren  wichtigste  Frucht 
die  treffhche  neunbändige  Qesohiohte  der  Stadt  und  Land- 
schaft Baad  ist*). 

Da  Ochs  besonders  in  seiner  Jugend  im  Ausland  gelebt 
hatte,  besaß  er  nicht  die  Vorurteile  seines  Stand«.  Er  fühlte 
sich  aber  auch  nicht  als  Schweizer,  sprach  nicht  den  heimat- 
lichen Dialekt  und  kritisierte  mit  bitterem  Spott  die  klein- 


staaüiehen  Bestrebungen  und  spießbürgerlichen  Anschau- 
ungen seiner  Landsleute.  Die  Zeitgenossen  schildern  ihn  im 
allgemeinen  als  ein^  umgönj^cben,  befähigten,  liebens- 
würdige und  gewandten  Mann.  Seine  Liebe  zu  allem,  was 
firanzösiBoh  wfu*,  machte  ihn  jedoch  hlind.  was  damcds  wohl 
zu  veratehrai  war,  denn  zahlreiche  aufgeklärte  Ausländer, 
vor  allem  Deutsche,  besaßen  diese  Schwäche. 

Nach  und  nach  kam  Ochs  zu  Ansehen  und  Einfluß  in 
BaseL  Der  franz&öaohe  Gesandte  Borth^ilemy  nahm  in 
seinem  Hause  Wohnung,  und  auch  der  Basler  Frieden  war 
am  5.  April  1795  dort  abgeschlossen  worden.  Im  folgenden 
Jahre  wurde  Ochs  Oberzunftmeister  der  Stadt  Basel  und 
mit  politischen  Aufträi^i'n  miu'Ii  Paris  gesandt.  Es  war  daher 

')  IJor  erste  Band  ^t^.linc:  lin  I.lIu'.  IT  Mi,  dpt  latite  erst  n«ch  »einem  TocIp, 
im  Jalirc  1822.  Ocha  starb  im  Julirt-  1821. 


7 


111  doiipelter  Hinmoht  verständlich.  dalJ  die  ^\alil  auf  ihn 
fiel,  aia  Meugaud  um  Sendung  emea  Unterhändlers  naob 
Pans  bat. 

Die  Frage,  wer  die  Einmisehung  Frankreiclis  in  dio  schwei- 
zeriBChen  Verhaltniese  veranlaßte.  hat  sowohl  schweizer- 
ische eia  fremde  (leschichtssolireiber  langer  als  ein  Jahr- 
hundert lebhaft  bftiehiitl  Igt.  Aus  Mangel  an  genugenden  Be- 
weisen furdiesf  (iilt-rjeneAutfa,ssung  aber  hatmajizalüreiclie 
\criiiutunfien  aiitsiesteill  und  weiter  ausgebaut.  Waren  es 
die  unKiifni;den<'ii  Scliueiwr.  die  in  ihrer  Heimat  und  in 
Pans  sehurten;  War  es  die  Mehrheit  des  Direktonnms,  die 
der  Bemer  und  der  /uricher  St  aal  ssehat-/.  loekU;n  War  es 
nur  das  eine  oder  das  andere  eiiilhillrcu  lic  Mitöln-d  d<-r  aus- 
führenden Resierun^',  etwa  der  L'eldL'ierijie  Harras  oder  der 
rücksiehtfilose  P.euhell,  <lt-i-  eine  l'rivalangelegenlieit  zur 
Staatshandluiit;  maeheii  "ollte.  denn  er  lialte  als  Anwalt 
einen  Prozeb  ni  Jscrn  verloren  und  haßte  die  Berner?  Oder 
wollte  man  die  bchweizer  bestrafen,  weil  sie  so  lange  den 
Lniigranteii  Aufnahme  m  ihrem  gastlichen  Lande  gewährt 
halten  ;  Oder  war  es  linnaparte,  der  unbedingt  eine  Jlilitär- 
dur.-li  ilcn  Wallis  iiaeli  der  Zi'ialpinieclien  Republik 
und  aulierdeiiL  l.ekl  flü'  seine  iilierseeisclie  Expedition 
brauchte';  \'iellcielit  war  es  auch  Trtlle\Tand.  dem  eme  In- 
trige, eine  Jlissetat  mehr  oder  wenmer  nichts  ausmathte  V 
Waren  es  endlich  die  reiiiiblikanifelien  Ideen  uberha\iiit, 
die  ilahin  i;iiigen.  Frankreieh  miL  Si:lnvesteiTepiibliken  oder 
vielriirlii-  ]Liii  I.i'li.isstaateii  y.Li  umgeben? 

Aul  S.Ulk;  H..le[ia  kkiL'tc  NapoleoTi  das  Dii'cktorium  und 
Kcubdl  m  I  1       M  M  n  nun  na  h  kiicn  Napole- 

ons BeHehriel)eu  haT.  wnli  d;c  L';ui/e  \  crantwortung  auf  den 

•1  13(ii  i   t    )  1  n     1    I     Mil  t  tstraüo 

durch  doQ  Wollis  c  Ti,Hiw„.  Um  WalliK,  I-  imtWij  Bieli  aber  dimi  frnniÖBisdien 
Oesohäfteti^ger  gogonUber  ablulmond  veiholten.  AU  dann  auoh  das  Direkto- 
rium mgon  elw^er  VerwicklDagen  dem  Plane  vmig  gendgt  gegenübei- 
Btand,  hatto  Bonsparto  die  Angulegcaibeit  auf  sioh  bsmhea  liim  iii 

98 


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General  Bonaparte.  Talleyrand  auclit  die  Schuld  ebenfalls 
auf  das  Direktorium  zu  wälzen;  schweizeriHche  Zeitgenos- 
sea  endlich  Idagen  Laharpe  und  vor  allem  Ochs  an,  da 
er  das  vom  Direktorium  auserwählte,  ungüickliclie  Werk- 
zeug war,  das  man  nach  Paria  hatte  kommen  lassen. 


Peter  Ochs. 


Wir  aber,  wir  Nachlebenden,  die  wir  klarer  und  folglich 
kritischer  sehen  können,  wir  betrachten  die  Umwälzung  der 
Schweiz  als  eine  notwendige  Folge  der  Umstände,  als  eine 
durch  zalilreiche  Verhältnisse  geschaffene  Notwendigkeit 
im  Laufe  der  Geschicke,  nicht  zum  wenigsten  als  eine  Folge 
der  vom  Direktorium  und  von  Bonaparte  beschlossenen 
llaßnahmenl 


98 


Ocha  gehörte  zu  den  Leuten,  die  eine  staatliuhe  Verändf- 
rung  in  Basel  von  oben  herab,  eine  Gleichstellung  der  Land- 
bewohner mit  den  bevorzugteren  Städtern  anstrebten.  Und 
wegen  dieser  Bestrebungen  hat  er,  wenigstens  beim  VoUte, 
immer  eine  gerechte  Beurteilung  gefunden.  Da  die  Ange- 
legenheit der  Regelung  der  SohadenersatzaneprUche  wegen 
des  FrioktalB  gewiß  nicht  seine  ganze  Zeit  in  ÄnBpruch  neh- 
men würde,  60  wollte  er  mit  den  einflußtdchsten  M&mem 
der  B^enmg  auch  auf  den  ihn  am  meisten  interessierenden 
Gegenstand,  die  Verfassungsänderung  in  Basel,  zu  sprechen 
komtn^ 

Ochs  trai  am  6.  Dezember  in  Paris  ein.  Er  untedieS  nicht, 
Talleyrand  noch  an  demselben  Tage  um  eine  Äudieiu  zu 
bitten  und  gab  ihm  gleichzeitig  den  Zweck  seiner  Sendut^ 
nach  Paris  an.  Am  nächeten  Tage  machte  er  beim  Diiek- 
torialmitf^ed  Beubell  seinen  Besuch,  der  bereits  von 
Ochs'  Brief  an  Talleyrand  Mitteilung  erhalten  hatte.  Ocha 
wurde  von  Beubell  für  den  8.  Dezember  zum  Essen  in  Beine 
Privatwohnung  im  Lnxembouig  dnge^oden,  und  hier  fmd 
jene  denkwürdige  Unterhaltung  zwischen  Bonapatte,  Beu- 
bell und  dem  Basier  Oberzunftmeister  statt,  die  auf  die  Er- 
eignisse in  der  Schweiz  von  größtem  Einfluß  sein  sollte. 
Denn  schon  in  den  nächsten  T^en  erf  algte  die  Besitznahme 
des  Münstertales. 

Ooha  selbst  gibt  nns  in  dem  S.  Bande  seiner  Geschichte 
von  Basel  Einzelheiten  über  diese  Unterredung. 

Unter  den  Gasten  befanden  sich  außer  Bonaparte  und 
seiner  Gemahlin  die  Generale  Berthier,  Murat  und  Cham- 
pionnet.  Der  Obergeneral  war  sehr  gut  aufgelegt,  sehr  ge- 
sprächig und  beklagte  sich  bitter  über  die  Aristokraten  in 
der  Schweiz.  Beubell  schien  derselben  Ansicht  zu  sein,  denn 
er  stieß  leise  gegen  sie  Drohungen  aus,  die  Ochs  nicht  ent- 
gingen. 

Nachdem  die  Tafel  aufgehoben  worden  war  tmd  die  G«- 
100 


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ReiibeU  den  Basler  Abgesandten,  ihm  in  eine  Ecke  des 
Spcisi'waales  zu  folgen,  wo  bereits  drei  Lehnseasei,  wie  es 
sihi?!!  für  den  Direktor,  Bonaparte  und  Oclia,  bereit.stan- 
riiTi.  Die  [Tnterhaltnnp  wurde  \ei>*e  gefii5irl  und  konnte  von 
den  anderen  (.;äsien  niciit  f,'eliört  werden.  H(inii|)äi^e'-iÜ)or- 
rnschlf  (Jclis  sificli  durdi  die  Frji[!e:  ..Kr.nnteD'ilH'.  Piv^tt'^'- i.': ': 
li'n  in  der  Seliwei/.  niiiit  eine  lievolution  unternehmen, 
wi'nn  wir  in  /weiter  Linie  ständen?"  Oolis  will  verneinend 
^jeantwnrtet  haben.  Bonaparte  si.Il  darauf  um  die  Gründe 
jiebeten  iiahen.  warum  es  nielit  ungängig:  sei.  In  längerer 
Rede  habe  ihm  der  Basier  OberKunftnieister  ausgeführt, 
daß  es  wegen  der  Waehsiimkeil  dei'  l'<iii/ei,  der  Landvogte, 
der  geheimen  Rate,  der  engen  lie/.iehungen  der  Regierun- 
gen der  verscluedenen  Kantone  imteremander  und  der- 
^eichen  nicht  moghch  sei.  Nach  mancherlei  Abschweifun- 
gen, wobei  auch  Reubell  das  Wort  ergriffen  habe,  sei  Hona- 
parte immer  wieder  auf  die  .Moghehkeit  einer  htaatsumwal- 
Kung  in  der  Schweiz,  und  zwar  einer  baldigen,  zu  sprechen 
Sekorainen.  Endlicli  habe  Ochs  zugegeben,  daß.  wenn  eine 
Revolution  nun  einmal  statttimleii  miissp.  diese  durcli  die 
oberen  Kiassen  der  Bevolkerunt;.  aber  hk'Iu  dnreli  da'^ 
Volk  geschehen  miisse.  wie  m  l'raiikreieiu  Kr  wurde  hei  der 
nathsten  Sitzung  am  (j.  rianuiu'  einen  Entwurf  zu  einer  \  ei- 
fassimgsandcrung  vorhrnigen.  \  orliiiitig  aber  solle  man  Ln- 
iiarpe  unterstützen  nnd  Meiiga\id  weitere  \  oi-selinflen  über 
sem  VerhaUen  der  Schweiz  gegenüber  zukommen  lassen. 

Am  lolgenden  Tage,  am  9.  Dezember,  fand  der  Besiieli 
des  Basier  Abgesandten  bei  Talleyrand  statt.  Oclis  suchte 
vergebhch  da»  Gespräch  auf  die  Angel^enheiten  des  Frick- 
tals  zu  lenken.  Hingegen  wurde  er  zu  dem  am  10.  statt- 
findenden offiziellen  Empfang  des  Generals  Bonaparte  im 
LiixemboLii%  eingeladen,  überhaupt  mit  allerlei  Aufmerk- 
Bamkeiten  umgeben. 


101 


Äii^  allen  dicrfeii  Auszei.'l.nuiigen,  wie  dem  Empfang  am 
8.  beim  Direktor  Ecubcll,  am  10.  bei  der  offiziellen  A'orstel- 
lung  Bonapartes  und  am  11.  beim  Direktor  ^lerlin  de  Douai, 
wo  sich  außer  anderen  Generalen  und  StaatHmatmern  auch 
Bonaparte  emfaiid,  kann  man  ersehen,  daß  das  Direktorium 
lib'd:  äer-ßeneral  den  (Iborzunftmeister  für  ihre  Plane  zu  ge- 

"Diese  Bevfivy,i!i;iui2  konntf  ihre  Wirkiinp  auf  Ochs  nicht 
verfolilen.  iVutz  aller  seiner  \  (ir/ime  war  er  sehr  ehrjieizig 
wnd  eitel  und  lufülgede^^^cn  kriLikki^.  Der  damals  m  Paris 
lebendebchloHier  Ebel  vernu  Ute  an  ihm. .selbHtandjge  Würde, 
edlen  Stolz,  Charakter  eines  Mannes".  Ochs  hoffte  selbst, 
eine  entscheidende  Rolle  in  der  Gieschichte  seines  Vater- 
landes zu  spielen.  In  der  Tat  aber  war  und  blieb  er  nur  ein 
Werkzeug  der  leitenden  Jlänner  Frankreichs,  Sie  ließen 
in  den  Gespräehen,  die  sie  mit  ihm  führten,  klar  diircli- 
blicken,  da(J  sie  durch  einen  Widerstand  der  Schivei?,  in 
ihren  Absichten  niclit  wankend  werden  würden.  Wir  kennen 
eine  Anzahl  Briefe  von  Ochs  an  Bonaparte,  aber  nicht  die 
Antworten;  es  ist  überhaupt  fraghch,  ob  solche  vorhanden 
waren.  Jedenfalls  ist  aus  den  Briefen  von  Oehs  zu  entneh- 
men, daß  er  die  meisten  der  darin  beliandelten  Dinge  aueli 
mündlich  mit  Bonaparte  besprochen  hat.  Ochs  ging  in  seiner 
Verblendung  sogar  so  weit,  daß  er  der  französischen  Regie- 
rung empfahl,  ihre  Rechte  auf  das  Münstertal  (Val  Moutieri. 
Erguel  und  Biel  geltend  zu  machen,  sowie  Häuser  und  Grund- 
stücke des  ehemaligen  Bistums  Basel  und  Bürgschaften  für 
die  Freiheit  in  der  Waadt  zu  verlangen !  Vielleiclit  hoffte  er 
durch  diese  Zugeständnisse  sein  Vaterland  zu  retten.  Jeden- 
falls hat  er  in  seinen  Sehreiben  vom  12.  und  16.  Dezember 
an  Buxtorf  und  in  denen  vom  15.  und  18.  an  den  Geheimen 
Rat  seine  Landsleute  gewarnt,  sich  aUzu  sehr  in  Sicherheit 
zu  ^egen.  Obgleich  ei  befürchten  mußte,  daß  seine  Briefe 
geöffnet  werden  könnten,  schrieb  er  einmal  nach  Hause: 

102 


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„Ich  sehe  Veränrferangcn  voraus,  und  gluckliuli  die  Kantone, 
welche  dieselben  von  sich  aus  vornehmen!  Bonaparte  nnd 
das  Direktorium  sind  diefechiedarichterfurdie  ganze  Welt." 
In  seinen  Bestrebungen,  veraltete  Ansprüche  an  Frank- 


reich geltend  zu  machen  und  die  Angelegenheit  mit  dein 
Fricktal  zu  ordnen,  scheiterte  er.  Seine  Denkschrift  vom 
4.  Jajiuar  1798  wurde  von  Talleyrand  zu  den  Akten  gelegt, 
und  man  sprach  nicht  melir  davon.  Das  Direktorium  liatfe 
ja  anderes  zu  tun,  als  sich  um  solche  Kleinigkeiten  zu  küni- 

103 


mern!  Dagegen  entwarf  Oelw  im  Auftrage  dnfnmzÖeisofaoi 
Beigjenuig  emeTabaBong  für  die  nnun^eetattcnde  Schweix, 
die  TOD  Meriin  mit  Vcnndemi^eD  nfsefien  and  dann  g»iz 
rerstümmelt  id  den  dia  a^wieixeris^en  Landeeg^achen 
gedruckt  wurde.  Ende  Februar  reiste  er  von  Paris  ab  und 
kam  ani  4.  März  1T9S  in  Ba^l  wieder  an.  Dort  hatte  sich 
inzwii^heu  die  P.t^vdliition  voDzt^nt.  Er  vinde  mit  großem 
Jubel  begrüßt  und  bereite  am  6.  Man  eum  KäsidMiteD  der 
National  Versammlung  gewählt. 

Am  Tage  darauf,  an  welchem  Oclis  die  für  die  Verhält- 
nisse der  Schweiz  so  wielitige  und  verhängnisvolle  Unter- 
haltung mit  Reubell  und  BL'na|iiirte  gehabt  hatte,  über- 
reichte Laharpe  dem  Direktorium  eine  Denkschrift.  Diese 
war  von  einigen  in  Frankreich  lebenden  schweizerischen 
Flüchtlingen  unter7^ichnet.  Se  fMderten  die  franzöeiacfae 
Regierung  auf,  sich  in  die  inneren  AngelegenheiteB  der 
Schweiz  zu  mischen. 

Der  Urheber  dieser  Deuksclirift,  Friedrich  CSsar  I^aliarpe, 
ein  energischer  und  befähigter  Mann,  war  zwei  Jahre  jünger 
als  sein  Landsmann  Peter  Ochs.  Er  war  in  dem  reizenden, 
am  Ufer  des  Genfer  Seo.s  gelegenen  Städtchen  itolle  ge- 
boren, hatte  in  (ieni  und  Tübingen  studiert  imd  den 
IJoktorirrad  i  i  w  nirbt-n.  Daun  \(-urde  er  Sachverwalter  in 
Bern,  liieli  <\<,-h  aber  uii'ht  lange  dort  auf,  da  er  den  Druck, 
den  das  alliiiiiihiigf  Bern  auf  sein  Heimatland  ausübte, 
nicht  länger  mit  ansehen  konnte.  Nur  zu  oft  Heß  man  ihn 
fühlen,  daß  er  als  \\'aadtlEiider  weiter  nichts  ala  ein  „Unter- 
tan" sei.  Im  Jahre  1782  kam  er  nach  Sankt  Petersburg,  wo 
ihm  ilie  Zarin  Katharina  II.  Hie  Erziehung  Alexanders 
und  Konstantins,  der  Kinder  Piiul-^  1..  :iiivt'rlraiite. 

Der  Ausbruch  der  ftanziisisLlieii  Revolution  erweckte 
Hoffnungen  in  ihm,  daß  es  auch  mit  der  Waadt  einmal  bes- 
ser werdrai  würde;  liebte  er  doch  über  alles  aeäaa  engere 

UM 


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Heinuit,  zu  deren  Befreiung  ihm  jeili's  .Miit.^l  vccht  schien. 
An  den  in  den  Jahren  1790  und  IV'Jl  iiusgehioc^henen  Auf- 
ständen im  Waadtlande  war  er  indirekt  beteiligt.  Seinen 
Vetter  Amcde  Emmanuel*)  verurteilte  man  in  Abweeen- 
lieit  zum  Tode,  zog  das  Vermögen  seiner  Familie  ein  und 
machte  sein  Verbleiben  am  rassischen  Hofe  unmöglich,  so 
daß  er  wieder  nach  der  Sohweiz  zurüoblKhrte  und  in  Genf 
»einen  Aufenthalt  nahm. 

Der  Tod  seines  VetterH  im  Frühjahr  1796  diente  Laharpe 
iuni  Vonvand,  sieh  dem  französischen  Gesandten  Barth^- 
iemy  zu  nähern  und  sich  zum  Vormund  für  die  vier  Kinder, 
jiowiß  als  Vertreter  der  Witwe  dea  Generals  zu  erklären.  Die 
iiemerHet^ierung  aber  war  nicht  geneigt,  die  Hinterlassenen 
des  Generale  Laharpe  zu  entschädigen,  und  sein  Vetter  begab 
sich  deshalb  im  Oktober  1796  selbst  nach  Paris.  In  einigen 
Flugschriften  suchte  er  von  der  fraiizösi sehen  Hauptstadt 
aus  auf  die  Befreiung  der  Waadt  hinzuarbeiten.  Schließlich 
wurde  der  Direktor  Rcubell  aufinerkwaiii  auf  Laharpe,  der 
ihm  seinen  „Essai  nur  ]a  Constitution  du  paya  dt-  Vaud"  und 
andere  Sclmft-en  über  denselben  (legenstand  zugesandt 
liatte.  Barthf'lenij-  wurde  bei  der  Hemer  liegierunt;  nouh- 
mais  vorstellig,  und  diese  erließ  am  13.  .luü  17i>7  finf  Be- 
gnadigung der  politischen  Verbrecher  vom  Jahre  1791  und 
eine  Ehrenerklärung  des  Generals  Laharpe,  ohne  jedoch 
seine  Familie  zu  entschädigen.  Da  Frledricli  Cäsar  Laharpe 
in  den  Straferlaß  nicht  mit  einbegriffen  war,  setzte  er  sein 
Wühlen  gegen  die  Bemer  Regierung  fort,  bis  endlich  die 
Abtrennung  der  Waadt  erfolgte! 

Am  9.  Dezember  1797  übergab  Laharpe  dem  Direkto- 
rium eine  Ton  nooh  18  andren  Schweizern  unterzeichnete 
pefikscbrift,  in  welcher  die  feanzösische  Regierung  ge- 
*)  Diaes  dient«  imt  Amsiohnung  in  der  It^ianischan  Armee.  Er  war  einer 
ätr  besten  DirisioiUbe  Bon^nrtea.  Durch  ein  bedauerilcheg  Vemehen  wurde 
er  in  dar  Dunkelheit  von  aeincD  eigenen  Leuten  am  s.  Hai  179B  bei  Codogna 
endtoMen.  Tgl.  den  nveiteo  Band  dleaee  Wericea  S.  30  und  117. 


106 


beten  wurde,  sich  in  die  Streitigkeiten  zwischen  der  Waadt 
einerseitH  und  den  Ivantonen  Bern  nnd  Freiburg  anderer- 
seits ein/.u mischen.  Diese  .Schrift  fulite  auf  Verträgen, 
die  längst  ihre  (JJültifjkeit  verloren  hatten*).  Talleyrand 
wurde  jedoch  vom  Direktoriuui  aufgefordert,  seine  Mei- 
nung über  die  Eingabe  der  Schweizer  abzugehen.  Wir 
kennen  zwei  Gutachten  des  franaösi sehen  Ministers,  eins 
ohne  Batum,  das  andere  vom  10,  Dezember  1797.  Beide 
weichen  etwas  \-oneinaii(ier  ab,  und  es  scheint,  als  wäre 
Talleyrand  von  seiner  Freundin,  der  Frau  von  Stael,  be- 
einflußt worden,  die  zaiilreiche  Interessen  mit  ihrer  achwei- 
/erischen  Heiinai  verbanden.  Jedenfalls  empfahl  der  Mi- 
niMter  in  den.  zudteri  Schriftstück  dem  Uirektoriuni.  .siol. 
einer  Einmisehimg  in  die  schweizerischen  Angelegenheiten 
zu  enthalten.  Die  Ereigniase  waren  aber  Bohon  zu  weit  vor- 
geschritten; es  gab  für  das  Direktorium  und  für  Bonaparte 
kein  Zurück  mehr. 

Dan  Direktorium  betrachtete  sich  als  Rechtsnachfolger 
des  früheren  Bischofs  von  Basel  und  hatte  dem  General 
Gouvion  Saint-Cyr  von  der  Rheinarmee  Befeld  erteilt,  die 
Landschaft  Krgnel.  das  Münstertal  und  Neuenstadt  zu  be- 
setzen. Der  Oeneral  führte  ilie  Befehle  seiner  Regierung  am 
15.  Dezember  aus  und  nahm  die  fremden  Gebietsteile  für 
Frankreich  in  Besitz.  Der  (icsohäftatr^er  Mengaud  hatte 
die  Eidgenossenschaft  erst  am  13.  von  der  vom  Direktorium 
angeordneten  Maßnahme  benachrichtigt,  so  daß  es  gai 
nicht  möglich  gewesen  wäre,  vorher  Einwendungen  zu 
majjhen ! 

Gern  hätte  die  französische  Regierung  ihre  Eroberungen 
auf  dieser  Seite  der  Schweiz  fortgesetzt,  doch  fehlten  ihr  die 

-)  Bereits  um  11.  Scptcinbor  1797  hatte  Laharpe  dorn  Diroktorium  eine  Dcnk- 
Bc)irift  ilhnlichen  Inhalt«  eingereicht,  die  aber  damals  ohne  Folgen  blieb. 
Bemerkenswert  ist,  daß  in  dieser  Sohrilt  Labupeg  sohon  auf  den  wdJ- 
gefUllteii  StaatsBchatz  Berns  hingewiesen  wurde,  um  die  Habsooht  de*  geU- 
gierigen  Direktorioms  ta  leiienl 

106 


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ESSAI 


SUR  LA 

CONSTITUTION 

J>  V 

PATS   DE  VAUD; 
il/jt  le  Coktnel  Frd^ric'Cisar  Ljbams. 
SECOKDE  PARTIE, 


cc  Oui  ,  je  le  d^clire  ,  je  ne  connoltrois  rien  de 
u  plus  lertible  que  l'ariitocratie  souveriioe  de  6ao 
n  penonnea  qui  pounoient  le  rendre  inamoribles,  spres 
s  demain  birdditürea  t  et  finin^enc  comme  lei  aristo' 
»  cntet  da  loui  lei  ptjri  du  monde,  par  touc  envakii.  v 

(  OiOfkttl^n  JtJUiiateaiiiiti  tommtuv  ,  pag.  39.  } 


J  PARIS, 
Cbai  BATIE1.10T  Miei  t  Imprimenra-Libraiiei , 
xne  da  Foin  Stint-Jacquu ,  H"-  K- 

L' AW  V  DE  LA  RÄP.  (  1796.  ) 

Abdniidc  der  entsn  Seite  des  Werke«  von  F.  0.  Lalaipe, 
du  luni  Anattach  der  KsTolutian  im  Wudtland  viel  beitmir. 


107 


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(irüinle,  /.uiiiiil  ilir  der  Große  Hat  von  liasel  xuvorkani  und 
eine  Demokratisierung  des  Ijandes  vornahm.  Zwar  hatte 
man  dort  noch  am  18.  Dezember  ein  Gesuch  des  Ratsherrn 
Peter  Vischer  abgewiesen,  das  Gleichstellung  der  ländlichen 
Untertanen  mit  den  Städt«m  erstrebte,  jedoch  sah  sii'li  die 
Regierung  durch  die  drohende  Haltung  der  LarKlIieviilke- 
rung,  die  zahlreiche  Schlösser  und  Gehöfte  einiim.'licrtc  und 
zu  anderen  Gcwaltmaßregeln  griff,  gezwungen,  am  18.  .Ja- 
nuar 1798  Rechtsgleichheit  zu  gewähren.  Am  ö.  Februar 
1798  dankte  der  Große  Rat  in  Basel  ab,  und  eine  National- 
versammlung von  fiO  Mitgliedern,  7u  deren  President  Peter 
Ochs  nach  Keiner  Riii'kkelir  Paris  crniinnt  wurde,  nahm 
es  auf  sich,  die  künftigen  (Je^eliielie  des  Landes  leiten. 

Da  das  franzüsische  Direktorium  seine  Kroberungageiüstc 
im  Nordwesten  der  Schweiz  nicht  weiter  verfolgen  konnte, 
suciite  man  an  einer  anderen  Stolle  und  in  anderer  Weise 
zum  Ziele  zu  kommen,  indem  man  dem  von  Laharpc  vor- 
gezeigten Wege  folgte. 

ÜBnde  Dezember  1797  ließ  das  Direktorium  den  Regie- 
rungen von  Bern  und  Freiburg  durch  Mengaud  mitteilen, 
daß  es  die  Mitglieder  der  beiden  scliweizeriachen  Kantone 
für  die  persönliche  Sichcrlieit  der  Waadtländer,  überhaupt 
aller  Schweizer,  ilie  sieh  an  die  französische  Regienu^  wen- 
deten, veraotwmtlieli  machen  würde.  Und  um  den  Worten 
mehr  Oewiülit  zu  verleihen,  erhielt  der  General  Menard  mit  der 
etwa  ]  Ü  7()Ü  Mann  starken  ehemaligen  Division  Massena  von 
der  Italien isc Ii en  Armee  Befehl,  nach  den  Departenients  Aiu, 
Jura  und  Doubs  zu  marschieren  undsich  dort  so  aufzustellen, 
daß  in  kürzester  Zeit  die  Wandt  besetzt  werden  konnte*)- 

•)  Ex  scheint,  doß  Bonapnrt«  bereits  nneh  seiner  Uatcrredong  mit  Ocha  .Iü 
Mügliclikoit  eincB  milititrisehcD  Einfalls  in  die  Seliweiz  in  Betracht  zog.  Dorn 
als  Berthier  am  10.  Dezember  Paria  verließ,  um  den  Oberbefehl  der  Italil:^- 
msohen  Armee  an  iibernehnieii,  nahm  er  anoh  «Den  Befehl  Bmiapart«  initi 
die  Biviaion  Masaena  nach  Veimii  [(wiaoben  Genf  und  Nyon)  niBnwhieTen 

108 


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Die  mit  der  Bemer  Be^erong  waadtländisoheii  Unzu- 
friedeneo  mehrten  sich.  Franzödsohe  Agenten  schärten  in 
den  Städte  und  auf  dem  Luide.  Noah  aber  glaubte  man 
nicht  an  die  Möglichkrit  einer  Abwerfung  des  fremden  Joobs. 
Die  Alteren  and  Besonnener«!  unter  ihnen  wiesen  atif  den 
mißgltickten  Aufstandsversuch  Abb  ungÜioldiohen  Majors 
Davel  im  Jahre  1723  hin.  Und  als  die  Bemer  R^erimg  die 
Milizen  des  Waadtlandes  wegen  der  von  Frankreich  dro- 
henden Kriegegefahr  für  den  10.  Januar  179S  eiaberief,  da 
leisteten,  wenn  auch  nicht  ganz  ohne  Einsohränkung,  von 
30  Bataillonen  24  den  Treueid. 

Es  deuteten  jedooli  genügend  Anzeichen  darauf  hin,  daß 
die  Lage  in  der  Waadt  gefährlich  sei.  Die  Exzellenzen  von 
Hern  schickten  zuerst  eine  Standeskommission  in  das 
Untertanenland.  Dann  lieSen  de  eine  Abordnui^  der  eid- 
genöseisohen  Volksvertreter  nach  Lausanne  nachfolgen. 
Schließlich  sandten  sie  am  14.  Januar  den  Genend  Rudolf 
Yon  Weiß  mit  den  weitest  gehenden  militärischen  Vollmach- 
ten  nach  Lausanne.  Einige  am  12.  aufgehobene  deutsche 
Bataillone  setzten  sich  am  20.  Januar,  am  Tage  der  Ankunft 
Menards  in  Carouge,  nach  .■Vvenchcs  in  Bewegung.  Aber 
dafi  alles  half  nichts,  um  die  gespannten  Beziehungen  zu 
bessern. 

Die  Lage  für  die  Schweiz  war  ernst,  sehr  ernst.  Seit  der 
Besetzung  dw  Mimstertales  und  öderer  Gebiete  befanden 
sich  die  Franzosen  nur  einen  Tagesmarsch  von  Freibui^, 
Bern  und  Solothum  entfernt.  In  wenigen  Stmiden  konnten 
sie  auch  von  verBobiedeueu  Seiten  aus  die  Waadt  besetzen. 
Nur  ein  entschiedenes  Handeln  der  Kantone,  vor  tdlem 
Berns,  des  mächtigsten  und  am  meisten  ausgesetzten 
Schweizersfcaates,  hätte  dem  Gang  der  Üingc  eine  andere 
Wendung  geben  kömien,  demi  eine  würdige  und  feste  Hal- 
tung flößt  auch  dem  kühnsten  Gegner  Achtung  ein.  Aber 
die  Partei  des  wackeren  Bemer  Schultheißen  Steiger  war  zu 


109 


schwach,  und  die  Anhänger  des  Altsäckelmeistera  von 
Frisching,  der  zum  Frieden  hinneigte,  wurde  immer  zahl- 
reicher und  mächtiger. 

Ala  die  Franzosen  im  Dezember  1797  durch  Besitzergrei- 
fung einiger  Gebiete  im  Jura  zuerst  die  Bchweizerieche  Neu- 


tralität verletzt  hatten,  hatte  Bern  zwar  sofort  einige  Tau- 
send Mann  auaheben  lassen,  aber  ein  Angriff  auf  die  fran- 
zösischen Stellungen  wäre  einer  Kriegserklärung  gleich- 
gekommen. Man  hatte  auch  um  Sendung  von  schweizeri- 
schen Abgeordneten  der  verschiedenen  Kantone  gebeten; 
diese  fanden  Bich  bald  in  Bern  ein.  Hier  vereinbarte  man  eine 

IIU 


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auBerordentliche  Tagaatizimg  in  Aarau,  die  beiräts  am 
26.  Dezember  dort  zneammentrat.  Der  franzosiHGhe  Ge- 
schäftsträger Mengaud  besaß  die  Dreiati^eit,  bioIi  ebenfalls 
nach  Aarau  zn  begeben,  um  unter  dem  Deckmantel  eines 
Friedensapostels  Uneinigkeiten  unter  den  Abgeordneten 
hervorzurufen.  Es  wurde  in  Aarau  viel  gesprochen,  doch 
wenig  gehandelt,  denn  der  am  25.  Januar 1798  feierlich  gelei- 
stete BundessohwoT  bedeutete  nur  leere  Worte.  Am  31.  Ja- 
nuar ging  die  Versammluing,  ohne  etwas  erzielt  zu  haben, 
auseinander. 

Nach  günstigen  Schätzungen  konnte  die  Sohweizecisohe 
Eidgenossenschaft  den  Feiaden  ein  Heer  von  120  000  Mann 
entgegeustellen,  um  ihre  Grenzen  zu  verteidigen.  Die  Wirk- 
lichkeit aber  war  weit  von  di^r  Schätzung  entfernt,  vor 
allem,  da  nicht  alle  Kantone  ^eichzdtig  vom  Feinde  he- 
droht  wurden,  und  maiwhe  die  Gefahr  nicht  vor  Augen 
sfthen.  Als  Bern  endlich  am  28.  Januar  die  verbündeten 
Kantone  um  Hilfe  tmgii^,  da  kamen  im  Laufe  des  nächsten 
Sfonats  kaum  5000  Mann  zusammen!  Und  dos  geschah 
wenige  Tage,  tinolulcin  man  sich  von  neuem  in  Aarau  engste 
UnterstiitKimg  ^if^lobt  hatte! 

Die  englierzigii  [\lcinstaaterei  der  achweizenachen  Aid- 
genossenachaft  liatte  ihre  besten  itiiciih-  tiriimucn,  (imiri 
jeder  Kanton  war  auf  die  kleinliciime  iitui  n(Miirtisiiii.:iiuii8Uf 
Weise  mir  mit  seinen  Angelegenht 

eipene  Wohl  bedacht.  Keiner  dachte  iiiinui,  iim.i  m  r  i  luri  - 
i;ang  eine«  einzigenStaatea  den  der  | 

uach  sich  ziehen  könnte,  gleichwie  ciie  i'junuiniiiiL;  i'iim'^ 
Gliedes  des  menschlichen  Körpers  ncn  i  iki  ucs  •jtiw/i  it  .um- 
sehen 7.Hr  li'olgc  hiilien  kann!  [)ii'  iiieiiini  i-iiiiiiiiTi  wincii 
nur  mit  iluen  iimereTi  Verhältnissen  iii'S(:niiivii!i.  und  iicTer- 
lon  ganz  geringe  o(ier  gar  keine  HiUscruppen.  Nur  die  seiir 
bL'droliten  Kantone  Wolothum  und  Freiburg  hatten  emige 
Tausend  Mann  aufgest«Ut. 


III 


Die  Ankunft  des  französischen  Generals  Menard  in  Ca- 
rouge  bei  Genf,  am  20.  Januar  179^!,  hatte  den  Waadtlän- 
dcrd  Vertrauen  und  Zuversicht  eingeflößt.  Sie  hofften  jetzt, 
<ias  IJerner  Joch  abschütteln  zu  können,  denn  der  General 
aetzte  sich  sogleich  mit  dem  schweiKerischen  Revolutions- 
komitee in  Nj'on  in  Verbindurif;.  Menard  liatte  seine  Halb- 
brigaden in  einem  Halbkreise  südlich  am  Genfer  See  und 
längs  des  Juras  aufgestellt,  damit  er  in  schnellster  Zeit  von 
verschiedenen  Seiten  aus  die  Waadt  besetzen  könne.  Er 
selbst  schlug  sein  Hauptquartier  in  Ferney  auf  und  erließ 
von  hier  aus  am  23.  Januar  eine  Bekanntmachung,  die  den 
Waadtländern  franzÖsiaohen  Sahutz  veispracb.  Die  Bot- 
schaft kam  am  Abend  in  Lanfiaome  an.  Am  naobaten 
Morgen,  dem  24,  Jimuar,  wurde  hier  die  Lemamaohe  Bepu- 
blik ausgemfen.  Die  Waadtläader  benahmen  aich  jedoch 
ihren  frübeien  Heiren  gegenüber  aufieroidentlioh  gemäßigt. 

Der  Graieral  Weiß,  der  in  franzöeiscben  und  preußtsohen 
Dienaten  gestanden  hatte,  aber  doch  die  Feder  besser  als 
den  Degen  zu  föhien  verstand,  hatte  bei  Annäherung  der 
franzöaiscben  Division  Lausanne  verlassen  und  sich  nach 
Tveidan  am  Neuenburger  See  zurückgezogen.  Dort  erst 
begann  er  von  seiner  diktatorisohen  Gewidt  Gebrauch  zu 
machen  und  einige  Truppen  um  dch  zu  sammehi. 

Nach  dm  y<a8ohriften  des  Direktoriums  vom  17.  De- 
zember 1797  sollte  der  General  Ibnard  die  Truppen  von 
Bern  und  Ereiburg  aufftnxlem,  die  Woadb  zu  verlaes^  falls 
die  Kegieningen  nicht  die  Besohwerdm  ihres  ehemaligen 
Untertanenlandes  tmerkennen  wollten.  Bereits  am  24.  Ja- 
nuar begaben  sich  zwei  Abgeordnete  des  Komitees  von 
Nyon  zn  Menard  und  teilten  ihm  die  Trappenbewegungen 
der  Bemer  mit.  Der  General  ergriff  sofort  die  Gelegenheit, 
den  General  von  Weiß  aufzufordern,  die  Waadt  zu  iäum«i. 
Sein  Adjutant  Autier  sollte  das  Schieiben  am  2S.  dem  BeX' 
ner  Befehlahabei  übeibringen.  Unterw^ns.  zwischen  Ifon- 

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doD  tmd  YveFdon,  bdm  Dorfe  Thierrens,  stieß  der  franzö- 
sische OSizira  beim  Einbruch  der  Nacht  auf  aohwmerisohe 
Vorposten.  Sei  es  aus  Absieht,  sei  es,  weil  man  sich  nicht  gnt 
verständigen  honnte,  brnt,  der  eine  der  beiden  französischen 
Hasaren  der  Bedeckung  hieb  auf  einen  Schweizer  ein,  und 
dieser  streckte,  obgleich  et  schwer  verwundet  -war,  den  An- 
greifer durch  einen  Schuß  zu  Boden.  Darauf  gaben  die  an- 
deren Schweister  Feuer  und  töteten  auch  den  zweiten  fran- 
zösischen Husaren.  Autier,  der  in  einem  Foetwagen  ssß, 
rettete  sich  mit  Mühe  mit  den  zwei  Mit^edem  der  vor- 
läufigen waodtländischen  Regierung  und  ließ  den  Brief  an 
den  General  von  Weiß  durch  einen  Dragoner  auf  einem 
anderen  Wege  an  seinen  BestimmungBOrt  befördern. 

Weiß  entschuldigte  sich  zwar,  doch  kam  dieser  Vorfall, 
der  franzöräscfaerseits  zu  einer  unerhörten  Verletzung  des 
Völkerrechts  aufgebauscht  wurde,  den  Franzosen  sehr  ge- 
l^n.  Dieser  „Moid"  genügte  Menard  vollkommen,  um 
nun  der  Schw^  gegenüber  alle  Bücküchten  außer  acht  zu 
hissen.  Er  b^ab  sich  am  28.  Januar  nach  Lausanne,  gab 
Befehl,  40OO  Mann  Hübtruppen  auszuheben,  und  vei^aß 
vor  allem  nicht,  als  vorläufigen  Lohn  für  die  Befreiung  vom 
fremden  Joche  eine  Zwangsanleihe  von  700  000  Franken 
aufzunehmen,  die  allerdings  später  von  seinem  Nachfolger 
Brune  auf  210  OODIVanken  herabgesetzt  wurde.  Am  selben 
Tage  wurden  Divonne  und  Nyon  und,  von  Thonon  und 
Evian  aus,  Rolle,  Morges  und  Lausanne  vgn  franzöBiscben 
Trappen  besetzt.  Am  Tage  vorher,  am  27.  Januar,  war  der 
General  von  Weiß  nach  Bern  zurückgekehrt  und  hatte  so- 
mit sedne  ruhmlose  Laufbahn  büendet. 

Inzwischen  war  man  in  Paris  den  Plänen  zu  einem  Einfall 
in  die  Schweiz  nähergetret«n,  Keubell  scheint  der  Ansii;lit  ge- 
wesen zu  sein,  daß  man  sich  nur  im  letzten  Augenblick  der 
Gewalt  bediene;  der  Eifer  der  waadt!ändist'beuRe]>ublikivmT 
und  vor  allem  des  ungestümen  Mcagaud  mag  ihn  aber  zu 

8  113 


schnellerem  Handeln  bestimmt  haben.  Noch  ehe  der  Vorfall 
von  Thierrena  in  der  französischen  Hauptstadt  bekannt  ge- 
worden war,  hatte  das  Direktorium  am  26.  Januar  den 
Entwurf  einer  Kriegscrklürung  an  die  Bemer  Regierung 
aufgesetzt,  der  für  den  General  Brune  bestimmt  war.  Dieser 
Offizier  sollte  den  General  Menard  ersetzen,  überhaupt  den 
Oberbefehl  sämtiiolLer  Truppen  übernehmen,  die  g^en  die 
Schweiz  operierten.  In  den  Briefen  Brünes  aa  Bonaparle 
finden  sich  oft  Anspielungen  auf  die  Batsdiläge  des  Ober- 
generals, doch  und  keine  Briefe  Bonapartes  über  diese  An- 
gelegenheit  bekannt.  VermuÜioh  hat  er  seinem  früheren 
Untergeneral  mündliche  Weisungen  erteilt. 

Brune  erhielt  am  28.  Janaar  vom  Kri^smimst^  Schärer 
den  Befehl,  sich  sogleich  nach  Versoix  zu  herben  und  dort 
den  General  Menard  im  Oberbefehl  abzulösen.  IMeser  sollte 
nach  Korsika  gehen.  W&hrenddeseen  hatte  Menard  die 
Waadt  durch  seine  Untergenerale  Bampon  und  Fijon  be- 
setzen lassen.  Bald  aber  hatten  beide  Gelegenheit,  zu  be> 
merken,  daß  die  BeTÖlk^uDg  durchaus  nicht  überall  mit 
der  Bemer  Ifeneohaft  unzufrieden  war! 

Brune  kam  am  4.  Februi^  in  Lausanne  an.  Er  war  ein 
sogenannter  politischer  General  und  suchte  Bonaparte, 
unter  dessen  BefeWen  er  in  Italien  gestanden  hatte,  ver- 
geblich uaohznabmen.  Er  wtur  ein  !^und  des  Bürektors 
Barras  und  Verdtmkte  dieser  Bekanntsohaft  die  Ernennung 
zum  kommandierenden  General  in  der  Schweiz. 

Am  7.  Februar  übernahm  der  neue  Gener^  den  Ober- 
l)ef^  übet  die  dne  Kvision.  Eine  zweite  Division,  die  vom 
Bhdniieere  genommen  wurde,  sollte  vom  mittleren  Jura  her 
über  Biel  die  Bewegungen  Brünes  unterstützen.  Den  Be- 
fehl über  diesen  Heeresteü  erhielt  der  General  Schauen- 
bourg*).  Am  9.  Februar  traf  er  in  Biel  ein. 

*)  Ecb&u«iiboutg  nbenuüini  den  Oburbefeld  über  diese  Divüion  an  BUUa  de» 
Qeoenli  Qourion  Baint-Cyr,  der  noch  Bant  giug,  um  MaBoens  sbuilSno. 

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In  Bern  hatte  man  nun  endlich  eingesehent  daß  ea  den 
Franzosen  Emst  sei.  und  daB  man  dea  gleißnorisohen  Vor- 
spi^elnngen  Mengauds  oder  Brünes  keinen  Glauben  mehr 
schenken  dürfe,  da  beide  offenbar  nur  eine  Verfassungs- 
ve^aderung  in  den  Kantonen  bezweckten,  um  diese  zu 
schwächen  und  äa  dann  leichter  zu  überwältigen ! 

Sobald  der  Anmarsch  der  Division  Schauenbourg  in 
Bern  bekamt  worden  war,  wurde  eine  neue  Verteilung  der 
Truppen  vorgenommen,  um  den  Ai^riff  der  Franzosen  von 
Norden  und  von  Süden  her  besser  abwehren  zu  können. 

Das  schweizerische  Heer  war  zwar  von  den  besten  vater- 
ländischen Gefühlen  beseelt,  doch  seine  Ausbildung  und 
Manneszucht  HeBen  viel  zu  wünschen  übrig.  Daa  Offizier- 
koi  p^  war  wohl  unterrichtet,  aber  keiner  von  den  höheren 
(Iftizicren  b&saß  genügend  Einfluß,  um  ein  Volksheer  zu  be- 
!Vli]igftn.  Hätte  sich  die  Bemer  Regierung  oder  der  Bemer 
Kriegsrat  x.u  uiiirtii  kiiiftigot]  EiithfliliilJ  aufgerafft,  so  würde 
ein  tüciiti^'fr  (IciiiTal  uolil  in  d<;i'  Lage  !;(M\oaen  sein,  zuerst 
Brune  und  dann  Srlmuenhuurg  zu  sc-ldiigen  und  zu  ver- 
nichten, denn  da^  srliei/ufrisrlif  Wrvv  ln'liff  si<-li  damals 
auf  nahezu  40  (Hin  Alaiui*). 

Und  wenn  au,-li  diis  frau/-;isi-.clic  DiioMoriuni  iit-iu^  'l'rup- 
|iou.  in.  vicllf.i.-h1  l^l.na|n^l■t^■  s.-n>si  nai-li  der  Si  luM-i/  gi-- 
■ihii'kt  hÄitf,  SD  wiiidr  vcriiiiitlicli  der  l-'all  di'r  S<li\vci/ 
■.viinii <■(■]■  vdiLstMlU'ii  gi'L'aiLgcii.  iiiiflricrricits  ,kT  l''i'Id/,u(i 
nAch  Agyptcri  viclh'irlil  yaii/.  unlcrl.lifli.'ii  sein  1 

Ks  fcliltc  aiHT  Icidfr  s.mold  an  ciiiein  kräftigen  EiitschlulJ 
als  aui'h  an  cinoui  liirlitigcn  (Irncral!  Man  liatlc  sirli  /.uitsi 

■^'■liallciitnaiit  \on  UfHv.c.  uiiicii  gi'hcn'iii'i)  Ziiiclirr,  -c- 
»aiidt.  doch  als  difscr  am  Ii.  \Iär/  in  ^KirgriUal  ankam,  war 

Stiirkc  ilc's  Hoerfs  kniiTi  ober  fitrinKLT  ongi>aclilu(!i-n  nirdpn. 


115 


Bern  bereits  gefallen.  Inzwisolieti  liatte  man  .'^icli  für  den 
General  Karl  Ludvig  von  Erlacli  entscliieden,  der  bisher 
die  1.  Division  befehligte*).  Der  neue  Oberbefehlahaber,  ein 
tiicbtiger  und  liefaliigter  Offizier,  war  trotz  seines  schwacli- 
liulien  Aussehens  ein  selir  energischer  Mann.  Er  war  erst 
Jahre  alt  und  hatte  seine  Zeit  meist  in  französischen 
Dieiusten  zugebracht.  Deshalb  war  Erlaeh  beim  Heere  und 
im  Volke  wenig  bekannt  und  wenig  behebt. 

Der  Oberbefehlshaber  hatte  zwar  in  dem  fechultheilien 
von  Bern,  dem  tatkraftigen  alten  Nikolaus  von  Steider, 
emen  treuen  und  ergebenen  Freund,  doch  der  Große  Rat. 
der  die  wichtigsten  Entachlüsse  zu  fassen  hatte,  neigte  meist 
nur  zu  halben  Maßnahmen  hin,  und  die  Partei  Frischings 
gewann  allmählich  die  Oberhand.  Mengaud  und  Brune  hat- 
ten, um  Zeit  und  Anhänger  zu  gewinnen,  überall  bekannt 
gemacht,  daß  die  französischen  Truppen  das  Land  verlas- 
sen würden,  wenn  die  aristokratischen  Regierungen  durch 
demokratische  ersetzt  würden. 

Schließlich  war  es  der  Partei  Frischings  am  2.  Februar 
gelungen,  52  Vertreter  den  Volkes  in  den  Großen  Rat  zu 
bringen.  Solothurn,  Froiliiirg,  Lu/.ern,  Schaffhausen  und 
Zürich  ahmten  dem  Beisiiiel  Berns  in  der  Demokratisierung 
ihrer  VerfasBUngen  bald  mehr  oder  weniger  nach,  ohne  daß 
jedoch  hierauf  die  Franzosen  ihre  Verspreohiingen  gehalten 
hatten. 

Während  des  ganzen  Monats  Februar  verhandelte  man. 
Nachdem  Brune  seiner  Regierung  am  6.  seine  Ankunft  in 
Latisanne  und  den  Vorfall  von  Thiorrena  gemeldet  hatte, 
schrieb  er:  „Wenn  der  General  Menaid  meine  Voiscliriften 
gehabt  hätte,  wäre  er  jetset  in  Bern.  Ich  bin  ärgerlich,  zu 
spät  oder  zu  früh  gekommen  zu  sein,  da  die  Bemer  infolge 
unserer  Truppenstellung  sich  in  Verteidigungszustand  ge- 

*)  Et  wurde  im  Kotnmando  der  1.  Divteioa  dtnoh  den  Obent  Ludwig  von 
Wnttpnvj'l  ersetzt. 

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detzt  liaben.  Icli  habt'  iiiiuh  nun  entschlossen,  niieh  in  Untei- 
handlungcn  einzulassen,  bis  der  General  hei  Biel  Stellung 
genommen  haben  wirrt.  Dann  werden  die  Oligftrchen  wohl 
tun,  was  Sie  von  ihnen  verlangen,  oder  mein  Unternehmen 


wird  nur  ein  Handstreich  sein.  Ich  glaube  jedoch,  duli  sie 
teils  aus  Furcht,  teils  aus  Gewissenhaftigkeit  an  sieh  aelbMt 
Gerechtigkeit  üben  werden,  ohne  daß  man  zu  den  Waffen 
greifen  muß.  Im  letzteren  Falle  ist  es  um  ao  schlimmer  für 
sie,  denn  sie  haben  nicht  vemünftig  sein  wollen." 


117 


Am  17,  Februar  schloli  Brune  in  Payenie  mit  dem  Seckel- 
meister  von  Friseliing  und  dein  Oberst  von  Tsüharaer  ei- 
nen Waffenstillstand  bis  zum  26-  Februar  ab.  Er  hoffe,  än- 
ßerte  er  den  schweizerischen  Unterhündlem  gegenüber,  bis 
dahin  für  die  Schweiz  annehmbare  Vorschläge  von  seiner 
ßegierung  zu  erhalten.  Trotzdem  aber  hatte  er  den  Angriff 
auf  den  26.  Eebruar  festgesetzt,  da  er  bis  dahin  sein  Heer 
auf  41  000  Mann  zu  bringen  hoffte.  Von  diesen  entfielen 
16350  Mann  auf  Bruno,  6350  auf  die  Waadtländer  Hilfs- 
truppen und  19  650  Hann  auf  die  Division  des  Generals 
Schauenbourg  im  Jura. 

Die  Ernennung  des  Generals  von  Erlaeh  zum  Oberbe- 
fehlshaber der  grämten  Truppen  war  am  22.  iFebruar  er- 
folgt. Zum  Sitz  des  Hauptquartiers  hatten  die  Bemer 
Kriegsräte  die  Stadt  Aarburg  bestimmt.  Ein  Befehl  zum 
Vormarsoh  wurde  aber  nicht  gegeben.  Durch  das  lange 
Zaudern  fing  schon  hie  und  da  die  Alannszuoht  an,  sich  zu 
lockern,  wie  dies  so  oft  bei  Volksheeren  vorkommt,  die 
nicht  durch  beständigen,  Vormarsch  und  öftere  Sie^e  in 
Atem  gehalten  werden.  Erlach  beschloß  deshalb  zu  handeln, 
ehe  es  zu  spät  sein  würde. 

Von  72  seiner  Offiziere  b^ldtet,  erschien  der  schweize- 
rische General  am  26.  Februar  in  Bern  und  begab  sich  in  der 
Nacht  in  die  Sitzung  des  Großw  Rate.  ,)Ich  komme," 
sagte  er  feierlioh,  „um  von  Ihnen  die  Erlaubnis  zu  erbitten, 
lieber  das  Heer  zu  verabschieden,  b3b  so  vide  tiefere 
lieute  dem  Tode  auszusetzen  und  die  Schande  einer  unver- 
meidlichen Niederlage  in  den  Stellungen,  die  man  ans  an- 
zunehmen zwingt,  zu  ertragen.  Es  sei  denn,  daß  Sie  alle 
halben  Maßnahmen  beiseite  lassen,  sich  der  Gefühle  der 
Ehre  und  Vaterlandsliebe,  die  in-Ihnen  erloschen  zu  sun 
scheinen,  erinnern  und  mir  Befehl  erteilen,  drai  guten  Wil- 
len und  den  Wert  des  tapfersten  aller  Völker  auf  die  Probe 
zu  stellen!" 

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Seine  markige  Sprache  und  seine  würtfige  Hidtimg  mach- 
ten großen  Sindrack  auf  die  Versammlung,  vad  der  Qener^ 
erhielt  die  Erlaubnis,  tun  2.  Mürz,  nach  Ablauf  dea  Waffen- 
stiUatandes,  zum  Angriff  vorzugehen. 

Brune  hatte  am  17.  und  18.  Febmar  dem  Direktorium 
Bericht  über  seine  Unterhandlungen  in  Fayeme  abgestat- 
tet. Am  25.  früh  zweieinhalb  Uhr  erhielt  er  die  Antwort  und 
den  Befehl,  ohne  Verzug  auf  Bern  zu  marschieren  und 
Solothum  durch  den  General  Sobauenbourg  besetzen  zu 
lassen.  Die  Vorbereitungen  zum  Angriff  auf  die  schweize- 
rischen Stellungen  waren  zwar  bereits  beendet,  doch  hin- 
derte ein  reichlicher  Schneefall  die  Ausführung.  Der  An- 
griff wurde  infolgedessen  vom  26.  auf  den  28.  Februar  ver- 
schoben. 

Sei  es  nun,  daB  Brune  wirklich  nochmals  versut^en 
wollte,  auf  friedliche  Wdse  eine  voUkommene  Be^erun^ 
änderung  in  Bern  diirohzufühien,  oder  sei  es,  daß  er  von 
den  Absichten  Erlachs,  d^  Angriff  za  beginnen,  erfahren 
hatte  und  eist  Schauenbourg  Befehle  zukommen  lassen 
wollte,  jedenfallfi  lud  er  am  2S.  Frisching  und  Tschamer 
noobmalfl  zu  einer  Besprechung  in  Fayeme  auf  den  27.  Fe- 
bruar ein.  Bdde  begaben  sich  im  Auftrage  ihrer  Regierung 
axi  dem  imgegebenen  T^e  zu  Brune,  doch  erst  am  nächsten 
Tage  fwd  die  entscheidende  Unterredung  statt  Brünes 
Bedingungen  waren  aber  zu  entehrend,  als  daß  sie  von  den 
schweizerisohen  Abgeordneten  angenommen  werden  konn- 
ten. Sie  kehrten  in  der  Nacht  vom  28.  zum  29.  nach  Bern 
zurück  und  unterbreiteten  am  nächsten  Tage  dem  Großen 
Eat  das  französische  mtiniatum.  Die  Vorsehläge  Brünes 
wurden  mit  großer  Stimmenmehrheit  abgelehnt,  doch  be- 
ging man,  um  Brune  nochmals  die  guten  Absichten  zu  be- 
weisen, die  große  Schwäche,  den  General  Eriach  aufzu- 
fordern, die  Feindseligkeiten  vorläufig  noch  nicht  zu  be- 
ginnen! 


119 


Bereits  am  25.  Februar  hatte  Brune  semem  Untergeiiei  al 
Schauenbourg  Vorschriften  für  den  Angriff  auf  Solothuru 
und  auf  licrri  erteilt.  Am  28.  gab  er  dann  Befehl,  falls  keine 
neut^n  \\'c'Lsui)gon  eintreffen  sollten,  am  1.  Marz  abends  den 
Angriff  zu  beginnen. 

Am  Abend  des  1.  März  kam  eine  neue  Abordnung  der 
Berner  bei  Brune  an.  Der  französische  Oberbefehlshaber 
war  aber  niclit  gesonnen,  den  Waffenstillstand  zu  ver- 
längern. AIh  die  Abgesandten  am  2.  März  nach  Bern  zuriiek- 
kehrten,  befanden  sich  die  französischen  Kolonnen  bereit.s 
im  Vormarsch,  während  die  eigenen  Truppen,  die  vor  Be- 
gier braimten,  sich  mit  dem  Feinde  zu  messen,  wegen  der 
schwankenden  Maßnahmen  ihrer  Begiertmg  zm-  Untätigkeit 
verdammt  waren. 

In  «enigPM  Tagen  sollte  der  Feldzug  beendet  sein.  Nacli- 
ileni  SfhimciihoiiTg  bereit«  am  I.  Miirz  von  Biel  aus  das 
SiOiIdI.S  lli>niaili  weggenommen  hatte,  griff  er  am  2.  die 
feindlit'licii  Slnnlkrafte  in  I^ngnau  an,  warf  sie  über  den 
Hauten  und  kam  gegen  Slittag  vor  Solothurn  an.  Die  Stadt 
öffnete  bald  ihre  Tore.  Vor  der  Ubergabe  hatt«  General  von 
Büren  mit  seinen  Beraem  die  Stadt  verlaasen,  kam  aber 
fast  allein  nach  Bern  zurück,  da  seine  Division  sich  unter- 
wegB  zerstreut  hatte! 

Unterdessen  hatte  auch  Brune  seine  Bewegung^  am 
2.  März  begonnen.  General  Pijon  griff  von  Bomont  aus 
Freiburg  an.  Auch  hier  war  der  Widerstand  sehr  gering. 
Die  Stadt  übra^b  eloh  sm  Abend,  und  der  Oberst  Stetter 
zog  äoh  mit  seinen  beiden  Bemer  Bataillonen  in  die  SteUung 
bei  NeuenegB  zurück.  Die  Sieger  setzten  sofort  tnne  neue 
Beiperung  ein,  die  von  Brune  am  nächsten  Tage  gutge- 
heißen wurde. 

General  Rampon  hatte  den  Marsch  auf  Murten  in  der 
Nacht  vom  1.  zum  2.  März  angetreten;  die  Stadt  wurde  aber 
erst  am  3.  besetzt. 

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Durch  den  Fall  Solothurns  auf  ilem  eine»,  Freibiivgs  auf 
dem  Emderen  Flügel  war  die  Hauptstellung  der  Schweizer 
stark  gefährdet  worden.  Dazu  kam  die  schlechte  Lage  des 
Heeres.  Durch  die  widerspreclienden  Befehle  hatte  es  alles 
Vertraoen  zu  seinen  Führern  und  zur  Regierung  verloren, 
und  aohon  begann  es  laut  Verrat  zu  rufen.  Manche  Truppen 
ßngen  ber^ts  an,  den  Gehorsam  zu  Terweigem.  Tn  seiner 
Veizweiflung  schrieb  der  General  von  EMaoh  am  3.  MKra 
an  den  Srie^at  in  Bern:  „Alles,  was  ich  Euer  Gnaden 
gestern  vorhe^esagt,  erfüllt  sieh  stündlich;  von  acht  Ba- 
taillonen, die  ich  geglaubt  hatte,  hier  zu  konzentrieren, 
sind  daher  nur  zwä  angelangt,  von  denen  im  ersten  drei 
Kompagnien  wirklich  ohnerachtet  aller  möglichen  Mühen 
nach  Hause  ziehen,  gleich  wie  dne  Kompagnie  Jlger  und 
eine  Kompagnie  Scharfschützen,  so  daB  ich  mit  einer  Kom- 
pagnie dem  Feinde  widerstehen  soll.  Von  den  zwei  Füsüier- 
bataillonen  hat  eäaa  gax  nicht  marschier«!  wollen,  und  von 
den  andern  hat  mir  diesen  Morgen  schon  dreimal  Herr 
Major  Manuel  sagen  lassen,  daß  sie  sich  nach  Hause  vor 
Ablauf  einer  Stunde  begeben  werden . . .  Alles  Volk  schreit 
Zeter  über  die  Offi:deFe  und  ist  überzeugt,  daß  ne  es  verraten 
und  verkauft  haben.  Da  stehe  ich  mit  acht  Kanonen  vom 
gröbsten  Geschütz,  einer  Kompagnie  Infanterie  und  dem 
ddgenÖBsischeD  Kontingent  von  Schwyz.  Nicht  klagen 
will  ich,  nur  einen  schuldigen  Bericht  abstatten.  Alle  Be- 
fehle, die  ieh  gestern  erteilt  habe,  sind  widersprochen  wor- 
den oder  unausgeführt  geblieben . . .  Wenn  Euer  Gnaden 
wollen,  daß  ich  mich  wehren  soll,  so  senden  Sie  mir  gleich 
vier  bis  fünf  Bataillone." 

Der  Bericht  sagt  mehr  als  eine  lange  Beschreibung  der 
Lage  des  Heeres.  Als  der  Brief  in  Bern  ankam,  fand  dort 
eine  große  Veränderung  im  Schöße  der  Be^emng  statt 
und  trug  dazu  bei,  die  Lage  noch  mehr  zu  verwirren.  An 
die  Stelle  des  G^Qen  Rates,  der  am  4.  März  abdankte,  trat 


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eine  vdrlÜufiKe  RtigicruiiK  von  lOo  Mitj^liedein  mit  Fri- 
sching  an  der  Spit7.c.  Als  der  n\tc  Steiger  am  Ende  der 
Sit/nng  vo[i  .seinem  Prasiiienierisl  iililc  aufstand  und  dei 
Siiiil  verlielJ.  um  ilm  nie  «iedt-r  xu  botreleii.  I.emäulitiiit. 
aich  der  ganzen  Versammlung  tiefe  Bewegung,  begrub  man 
docli  an  diesem  Tage  das  alte  Bern,  dessen  Regierung 
600  Jahre  gedauert  hatte! 

Obgleich  man  eine  neue  Regierung  eingesetzt  hatte,  um 
Brune  zu  gefallen  und  vielleielit  p;unstiL'ere  Hociingungen 
von  ihm  /.u  erlialten,  hesiiB  docli  die  neue  KecLerung  nocli 
soviel  Würde,  den  Antrag  des  Generals,  die  HaupUtad; 
mit  600  Mann  zu  besetzen,  abzuweisen ! 

Die  Waffen  iiatten  nun  das  letute  Wort  zu  .sprechen. 

Die  Bemer  hatten  bei  Laupen.  Gummen  und  ?<eu<;neg- 
an  der  Sense  Stellung  genommen.  (Jeneral  Pijon  griff  sii- 
am  5.  März  an  und  warf  sie  naeh  teilweise  sehr  heftigen^ 
Ringen  zurück.  Durch  die  Kaltblutiskett  einiger  Schari- 
achützenkompagnien  aher  i\  urde  die  \  erfolgung  in  der 
Naeht  zum  Stillstand  gebracht .  urul  der  Oberst  von  (*raffen- 
ried  eilte  nach  Bern,  um  alle  dort  befindlichen  Truppen 
herbeizuholen.  Dann  griff  er  am  nächsten  Morgen  früh 
9  Uhr  den  doppelt  iiberlegenen  Feind  beim  Wangenhubel. 
nordweethch  von  ^leuenegg,  an  und  warf  die  Franzosen 
schließlich  bis  über  die  Sense  zurück.  Anstatt  den  Erfoi;: 
auf  dem  anderen  Ufer  dea  Flusaes  fortzuaetzen.  mußte  niaii 
jedoch  die  Verfolgung  des  Feindes  aufgeben,  da  am  Nach- 
mittag die  traurige  Mitteilung  im  Lager  eintraf,  daß  Bern 
in  die  Hände  der  Franzosen  gefallen  sei! 

In/wiachen  hatte  namheh  Sehaiicnbourg  am  5.  Mäiv 
früh  die  läemer  bei  Frauenbrunnen  angegriffen.  Dort  bi'- 
fandeii  sich  kaum  1000  iMann,  denn  die  meisten  Truppen, 
die  Erlach  noch  treu  gebheben  wai«n,  standen  längs  der 
Straße  von  Solothom  naoh  Bern  und  folgten  schon  nicht 
mehr  den  Anordnungen  ihres  Oberbefehlshabers!  Südliob 

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von  Frauen brunnen,  itn  Grauholz,  befand  sich  Erloch  eetbet 
und  bei  ihm  sein  Freund,  der  ehrwürdige  Schultheiß  Stei- 
ger, der  mit  ihm  siegen  oder  sterben  wollte.  Xatiirlich 
konnte  das  Häuflein  Truppen  den  wiedorli ollen  Angriffen 
der  sieggewohnten  Franzosen  nicht  lange  «t  and  halten. 
Gegen  2  Uhr  mittags  zog  Schauenbourg  in  dem  stolzen 
IJcm  ein,  das  seit  Jahrhunderten  keinen  Feind  vor  seinen 
Toren  gesiehen  hatte.  BniiiP  folgte  am  6,  'SMin.  von  Neuen- 
i'gg  hei'  und  iüieniahm  den  Olierbefehl  iiher  siiintlielie  tr^iu- 
iiöf? lache  Truppen. 

Erlach  suchte  sich  nach  dem  Bemer  Oberland  durchzu- 
schlagen, doch  imterwegs  wurde  er  von  seinen  eigenen 
Truppen,  die  ihn  als  Landesverräter  ansahen,  erschlagen. 
So  ging  mit  einem  stolzen  Staate  auch  ein  edler  Mensch 
zugrunde,  der  vor  allem  die  Interessen  seines  Vaterlandes 
im  Auge  gehabt  hatte  und  ein  würdigeres  Scliicksal  ver- 
dient hättel  Steiger  hatte  das  Glück,  in  der  allgemeinen  Ver- 
wirrung zu  entkommeD*)  und  nach  Deutschland  zu  ent- 
Sieben,  wo  ec  im  nächsten  Jahre  starb. 

*)  „bh  war  elnea  Augenblick  in  Qelabr,  elrooidet  m  weiden,  wie  Erlaeh", 
■chiieb  er  am  28.  HBn  an  aelne  Tochter  in  Raad.  „BSa  Teil  der  Soldaten, 
mit  denen  ich  im  TtxUea  war,  umgab  miob,  and  einige  Baoern  veceinigten 
'ich  mit  ihnen  tmd  befr^ten  mioh  von  etwa  htmdert  laaendsn  und  beaotfMtan 
SchurliBii." 


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SECHSTES  KAPITEL 


DER  KONGBESS  VON  KASTATT  NACH  BONA- 
PABTES  ABREISE.  —  SENDUNG  BERNADOTTES 
NACH  WIEN.  —  DIE  KONPEREiraEN  VON  SELZ 

(Dezember  1797  bis  JuU  1798) 


"TVie  lu-iiere  Wc-If gcHfliuluelu-iiiLt  kaiuii  t^in  zweitem*  Beispiel 
L '  vonoinerVcr.inmnilung  von  Diplomaten,  die  iinwiehtigen 
und  ncbonf;üchliclicn  I-Vagoii  wfit  mohr  licdoufiiiia  licimaß 
aia  hraieiit  enden  und  srli  wer  wiegende  ci.  Selten  sind  wolil 
mphi-  Ströme  von  Tinte  ■jeflosM'ii  als  filier  diesen  unseligen 
Kongreß  vi.n  Hitstatl!  Kr  war  .'in  würdiger  Al)se}ihil.l  des 
Heiligen  JiÜJLiisclieii  Rdehr,  Deutselier  Nation; 

Naelidem  man  ^^ieh  Tage  und  Woehen  lang  über  die  uii- 
lergeordnetsteii  Dinge,  über  Kiikel  leangelegenheitcn,  die 
Aniiiiliiiir  kAvv  \"riv,(  riung  i\rr  \  oiltnaeliten  der  beteiligten 
Ktaal-iiiaiinec  l  iUeii  Ii ,i1 1 1-,  ,1:1 1 1 rtiaii  eiullieli  an  die  Un- 
ferhamüiingen.  .|el/.t  aber  wurile  es  fast  noeh  sehliminei'! 
Neid,  Mißgunst  und  Haß  zviselien  den  tranzösiselien  und 
deutschen  Abgeaandten,  vor  allem  aber  zwiHclion  den  öster- 
leiehisi-tien  und  preußischen  waren  ao  groß,  daß  einsichts- 
volle üeni  teÜer  schon  beim  Zusammentritt  des  Kongresses 
fiiliHeii,  man  werde  nie  7,u  einem  befriedigenden  Abschluß 
kommen.  Alle  suchten  ihre  Sonderinteressen  zu  vertreten. 
Das  Deutsche  Bdch  achien  sie  nicht*  anzugeben  t  So  schloBsen 
aieh  die  Vertreter  der  kleinen  deutschen  Staaten  an  Östo- 

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reich  oder  Preußen,  ja  selbst  m  den  Srbfeind  Frankreich 
an!  SohlieQIioh  bannte  mm  üob,  naobdem  man  länger  als 
ein  Jahr  bin  und  ber  verbandelt  hatte,  ohne  etwas  erreicht 
za  haben! 

Preußen  war  auf  Österreich  eitersüchtig  und  suchte  auf 
Kosten  des  Beiohs  und  im  EinTerständuiB  mit  Frankreich 
Gebietsvergrößerungen  in  Franken  und  Westfalen  zu  er- 
langen. Öeteneich  mißgönnte  natürlich  Preußen  die  ge- 
ringsten Vorteile.  Da  es  Frankreich  behilflich  war,  die 
Rheingcenze  zu  erlangen,  hoffte  es,  nicht  nur  so  schnell  wie 
möglich  in  den  Besitz  des  noch  von  den  Franzosen  besetzt 
gehaltenen  Venetiens  zu  gelangen,  sondern  es  gedachte  ndt 
auch  Bayerns  zu  bemächtigen.  Die  kleinen  Reichasl^de 
unterstützten  mehr  oder  weniger  die  Forderungen  Preußeoa 
oder  ÖsterreichB,  meist  aber  waren  sie  auf  ihren  eigene 
Vorteil  bedacht.  NatürUch  geschah  dies  immer  auf  Kosten 
des  Reichs  und  der  geistlichen  Besitzungen. 

Frankreicli  hatte  infolgedessen  verhältnismäßig  leichtes 
Spiel.  Es  versprach  Oötcrrüieli  Bayern,  obgleich  es  nie  wil- 
lens war,  diesen  Plan  zu  unterstiit/.en,  da  es  dann  Preußen 
gegen  sicii  gehabt  hätte.  Diesem  I^ande  hingegen  sicherte 
es  \'ergrü]lcriingen  zu,  wodurch  es  sich,  wenn  es  sie  wirk- 
lieh  bewilligt  hätte,  Österreich  ■/.um  Feinde  gemacht  hüben 
würde.  Infolge  die:^er  Taktik  über  war  Frankrcict!  ]m  Lauf- 
der  Verhandlungen  allniälilich  in  eine  Snckg.Tsr^c  geraten, 
denn  es  hatte  mit  l)oi(ien  Miii  lilcn  vdllkoiiiiiR'ü  w iderspre- 
ehentle  Verträge  abgeselilos-^-d.  .Mit  Ösleneicli  1 1 Eitle  t-s  ver- 
einbart, daß  Preußen  kviw  iMUsi  liiidiguiigen  lialieii  sollte, 
diesem  hingegen  hatte  es  gewisse  Ent^eliädigungen  und  Ah- 
rurKlnngen  gegen  Aüsweebsluiig  der  linksrlieiniseben  Bi- 
sitzungen  ver;f[irocbenl  Kur  iin  einem  Grundsatz  hingen 
die  franzüsiaehen  Vertreter  ihren  Instruktionen  gemäß 
fest:  das  ganze  linke  Bheinufer  zu  erwerben,  koste  es,  was 
es  wolle! 

126 


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Von  beiden  Seiten  kam  man  ^kh  niclit  sonderlich  ent- 
ien.  die  Unlerliuiidlunpeu  m  sclnioll  nie  möglich  zum  Ab- 

■  liluB  zu  lii-ingc^i.  Ihittf  m:u\  nich  mündlich  ZugeatÜnd- 

■  L'iMuaeiu,  uriii  diüni-'te  der  (iegner  auf  schriftliche  For- 
iimliernng,  so  huchte  man  durch  allerlei  Ausflüchte  sich 
dessen  zu  entziehen.  War  man  dann  einmal  so  weit,  daß 
uian  einen  Entwurf  an  seine  Regierung  senden  konnte, 
dünn  d\irft-e  man  geiv-iß  sein,  daß  durch  allerlei  Einflüsse  die 
i  jitschciiliing  verweigeri  wiTdc! 

Es  wiir  jedenfalls  eine  sehr  si'hliiue  Politik  vnii  v;iten  des 
Dircktüiiums.  den  General  HmiaiJarle  als  Haupl Vertreter 
nach  Rastatt  zu  senden.  Er  hatte  sieh  in  kür^.ester  Zeit  nicht 
aliein  einen  glänKendeti  Namen  als  FeldhciT  gemiieht,  aon- 
dern  sich  auch  als  gesuhiekter  Unterhändler  große  Ver- 
dienste en,vorbeii.  ^lan  wußte  sowohl  in  Paris  als  auch  in 
Wien,  daß  Honaparte  welbat  nicht  vor  den  verwickelt  steil 
Fragen  /iniiekschrcekte  und  mit  ihnen  gegebenenfalls  wie 
,\!exandei-  der  Große  mit  dem  gordischen  Knoten  verführe. 
.413  die  Kegicruug  ihn  am  26.  Oktober  1797  zum  Abseliluß 
des  Friedens  von  Campoforniido  beglückwünschte  und  ihn 
gleichzeitig  zum  Haupt  der  Gesandtschaft  in  Hastatt  er- 
nannte, fügte  Larevelliere-Lepeaux  im  Namen  des  Direk- 
toriums hinzu:  ,,Ihre  Gegenwart  und  Ihr  Genie  werden  den 
langsamen  Gang  der  germanischen  Unterhandlungen  be- 
schleunigen," 

Eigentlich  fand  man  es  sonderbar  vom  Direktorium,  daß 
es  den  General  Bonaparte  nach  Rastatt  sandte,  da  dieser 
doch  den  Frieden  von  Carapoformido  abgeaehlossen  hatte. 
Mit  anderen  Worten  also  sollte  er,  der  mit  den  österreichi- 
schen Unteriiändlem  in  Udine  und  Passeriano  Far^aphen 
für  Paragraphen  dniohgesprochen  hatte,  dem  Vertrag  jetzt 
eine  ganz  andere  Auslegm^  geben!  Hätte  er  länger  in  Ba> 
statt  verweilt,  so  wäre  er  manchmal  gewiß  in  eine  seltsame 
Lage  versetzt  worden. 

127 


I 

Mwist  nicht  genau  unterrichtet,  ob  Bonaparte  wieder  naen 
Rastatt  zurückkehren  sollte  oder  nicht;  vermutlich  ist  »icii 
die  Regierung  selbst  nicht  darüber  klar  gewesen.  Jedenlallä 
\ag  es  dem  General  persönhch  durchaus  nicht  daran,  dcl 
am  grünen  Tiiwh  mit  don  deutschen  Diplomaten  hemm 
zustreiten,  die  ihm  in  Etikettefragen  sicherlich  weit  über 
legen  v/aienl  Klug  war  es  jedoch  vom  Direktorium,  wen^ 
stena  einen  Mann  von  europSieohra  Bedeutung  zum  Hanp 
der  französischen  Gesandtschaft  Jn  Rastatt  ernannt  zu  ha 
ben.  Als  Bonaprate  wieder  nach  Paris  zurückgekehrt  war 
drohte  die  jEuuutösieche  Begienmg  bestäiLdig,  den  Geners 
von  neuem  nach  Rastatt  zu  senden.  Man  fürohtete  don 
aäa  Kommen,  denn  die  öeterreichischen  Diplomaten  wüßt«! 
genau,  daß  es  keine  Kleinigkeit  war,  mit  diesem  Warn  zu  ua 
terhandeln,  der  sich  weniger  wie  irgendedn  republikanische! 
Unterhändler  um  althei^ebraohte  Formen  bekümmerte! 

In  den  Briefen,  die  der  junge  üifettemiah  in  jenen  Tagen 
an  seine  Frau  nach  Hause  schrieb,  kehrt  fast  beständig  die 
Bemerkung  wieder:  ,^an  vermutet,  daß  er  (Bonaparte)  in 
etwa  acht  Tagen  nach  Rastatt  zurückkommen  wird",  oder: 
„Man  erwartet  ihn  am  nächsten  Dienst^",  oder:  „Wir  er- 
warten ihn  morgen."  Der  Freih^  von  Edebheim  berichtet 
an  den  Kurfürsten  Karl  Friedrich  von  Baden,  daß  'Bona- 
parte  am  1 8.  oder  19.  Dezember  in  Rastatt  ankommen  werde. 
Dann  wird  dessen  Ankunft  für  den  31.  Dezember  angekün- ' 
digt ;  endlich  spricht  man  davon,  daß  der  General  am  26.  Fe- 
bruar 1738  von  Paris  abreisen  solle.  In  den  anderen  Gesandt- 
Bchf^beriohten  und  Privatsehreiben  liest  man  ähnliohe  Be- 
merkungen. Man  sieht,  wie  schon  damals  der  Name  Boiw- 
jMurte  in  aller  ^htnde  war  und  seine  Wirkung  nicht  vericUt«! 

Aber  auch  der  General  wies  den  Gedanken,  wieder  nach 
Rastatt  zu  gehen,  nicht  ganz  von  sieh.  Schrieb  er  dooh  nocb 
am  24.  Januar  1798  an  Berthierr„£!B  ktmn  möglioh  seiOr 
daß  ich  in  diesen  Tagen  nach  Rastatt  reisen  werde." 

128 


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Auf  Grund  de»  am  I.  Dezember  in  Rastatt  abgeechlosBe- 
iien  Räumungs vertrage  war  der  General  Hatry,  der  Ober- 
befehlshaber iler  Mainzer  Armee,  am  16. Dezember  bei  Oppen- 
heim über  den  Rliein  gegangen  und  hatte  die  Festung  Mainz 
von  allen  Seiten  eingeaohloaaen.  Am  nächsten  Tage  fordert« 


er  den  kurmamziachen  General  von  Ruedt  auf,  die  Festung 
zu  ubergeben.  Dieser  widersetzte  sich  zuniichat  dessen  im 
Namen  des  Kurfiiraten:  schließlich  aber  fügte  er  sich  den 
Umstanden,  da  er  auf  eine  Unterstützung  der  Österreicher 
niolit  rechnen  konnte.  Am  28.  Dezember  fand  die  über- 


gäbe  .-^tiitT,  und  ;un  30,  bfsrtztcn  franzöaischo  Tnippori  die 
alte  Reichsstadt.  .Tosef  Giirrps,  der  ganz  F ran irosen freund 
geworden  wttr.  wcliriob  am  Neujalirstage:  ..Wie  iwt  verloren, 
diese  Sternsdian/e  des  Despotismue.  TOrschnitten  der  Saum 
der  berüchtigten  Reich  ein  tcgritüt.  "Die  Freiheit  hat  ihr  Ei- 
gentiini  wieder  in  Besitz  genommen;  vernichtet  ist  die  Hoff- 
nung unserer  Despoten,  abgeworfen  die  alte  Brücke,  die  sie 
noch  mit  dem  linken  Bheinufer  verband.  Trauert  .  Despoten  I 
Die  Ühergnlie  von  :\Iainz  iiat  Eueh  den  Todesstoß  versetzt: 
freut  Fiieli.  N'ationen.  Km'e  Sache  hat  gesiegt,  die  Arme 
Eurer  WidersiU'lier  sind  gelülinit.  ihre  Rtärke  ist  von  ihnen 
gewichen :  freut  Kiicli.  Hcwohner  des  linken  Uheiniifers,  der 
Vulkan,  der  auf  die  ^'ertcidigiing  Eurer  und  ihrer  Freiheil 
Flammen  und  Lava  spie,  ist  erlnsehen!" 

Nicht  so  sclinell  sollte  die  Räumung  Vi-netiens  d\ircb  die 
Franzosen  und  die  Übernahme  des  tiebiet.s  durch  die  Ortter- 
reicber  erfolgen!  Nacb  derselben  Ubereinkunft  vom  1.  De- 
zember mußten  die  Franzosen  bis  spätestens  den  ^SO.  De- 
zember 1797  das  venetianische  flebiet  verlassen  haben,  Gc- 
neral  Berthier  war  von  seiner  Refrierunp  beauftragt  worden, 
die  Verhandlungen  hinsichtlich  der  Ubertiabe  Venetiens  mit 
dem  General  Mack  zn  leiten.  Aber  bis  zum  -Januar  ITStS 
hatte  er  noch  keine  Befehle  au«  Pari.'i  erhalten,  das  Land 
den  Österreichern  zu  übergeben.  Thugut  kam  daher  in  nicht 
geringe  Unriihe,  da  er  glaubte,  es  sei  der  französischen  Re- 
gierung mit  der  Räumung  Venetiens  nicht  ernst  gewesen. 
Die  Verzögerung  hatte  aber  nichts  weiter  auf  sich,  und  das 
von  den  Franzosen  inzwischen  aufs  äußerste  ausgesogene 
ungliiekliehe  Gebiet  konnte  am  18.  Januar  1798  von  den 
Österreichern  in  Besitz  genommen  werden. 

Als  die  eigentlichen  Verhandlungen  in  Rastatt  begannen, 
waren  die  Beziehungen  der  am  lebhaftesten  beteiligten  {Staa- 
ten Österreich,  Preußen  und  ^Frankreich  äoSeist  gespannt. 
Osterreich  hatte  im  Frühjahr  1797  die  preußische  Yermitt- 

130 


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hing  nicht  angenommen,  und  die  Beziehungen  waren  seit- 
dem nicht  besser  geworden. 

Der  Abschluß  des  Friedens  von  Cainpoforniido  hatte 
Preußen  außerordentlich  überrascht.  Eeiibell,  der  dem 
preußischen  Gesandten  Sandoz-Rollin  sehr  geneigt  war,  ver- 


hehlte diesem  nicht,  daß  auch  er  persönlich  nicht  mit  dein 
Abschluß  dieses  Friedens  einverstanden  sei.  Er  hoffe  aber 
wenigstens,  auf  dem  Kongresse  mit  den  Preußen  Hand  in 
Hand  zu  gehen.  „Die  Österreicher  sind  Schwätzer,  Recht- 
haber, Ränkeschmiede  und  Lügner",  äußerte  er  sich  zu 
dem  neuen  preußischen  Gesandten;  „man  kann  seine  Ge- 


131 


duld  und  Beine  Lunge  an  ihnen  übi-nl"  Dor  Tod  des  alten 
Königs  Friedrich  Wilhelm  II,,  der  am  lö.  isovember  1707 
erfolgte,  mag  gewiß  dazu  beigetragen  haben,  eine  Verstän- 
digung zwischen  Preußen  und  Frankreich  hin  au  S7.ii  schie- 
ben, denn  der  neue  Herrscher  Friedrich  Wilhelm  III.  war 
noch  zu  jung  und  unerfahren,  um  selbständig  in  die  große 
Politik  einzugreifen.  Frankreich  machte  großeVerii  ei  Bungen. 
Außer  den  bereits  versprochenen  Entschädigungen  sollte  der 
preiißisclie  König  die  Kaiserkrone  und  die  Stadt  Hamburg 
erhalten  und  den  Vermittler  zwischen  Frankreich  und  Eng- 
land spielen.  Friedrich  Wilhelm  III.  wies  aber  ^e  Angebote 
zurück.  Erst  wollte  er  erfahren,  was  man  Österreich  in 
Campoformido  versprochen  hatte! 

Der  Gang  der  Verhandlungen  war  äußerst  umständlich. 
Jedes  einzelne  Mitglied  der  Reich  sab  Ordnung  las  seine  "Vor- 
schlage  vor;  dann  wurde  darüber  verhandelt,  und  der  „Di- 
rectonalis  faßte  die  einzelnen  Vorschläge  in  einem  soge- 
nannten ..Conolusium"  zusammen,  das  in  der  nächsten  Sit- 
zung ..ajustiert"  wurde.  Darauf  wurde  der  Beschluß  der 
kaiserlichen  ,,Plenipot«nz"  übersandt,  und  diese  übermit- 
telte dann  das  Schriftstück,  das  in  deutscher  Sprache  abge- 
faßt wnr.  den  französisclien  Bevollmächtigten.  In  irgend- 
welchen mündlichen  Verkehr  traten  die  beiden  Parteien  je- 
doch nicht;  man  kffim  Bich  daher  denken, 'wie  lange  die  Ant- 
wort, die  oft  umstöndlich  beraten  würde,  auf  sioh  wart«D 
ließ. 

Am  9.  Dezember  1797  hielt  die  Beäefasdeputation  endlich 
die  erste  Sitzung  ab.  Natürlioli  begann  eie  mit  nichtigen 
Streitigkeiten  über  den  Vorsitz  imd  allerlei  Freien  der 
Etikette.  Als  dann  am  16.  Dezember  der  ÄustaiiBoh  der 
Vollmachten  der  französischen  BemUmächtigten  und  der 
Beiofasabordnung  erfolgen  BoUte,  da  erklärte  TreLÜtard,  öaä 
diese  unannehmbar  seien,  da  sie  auf  Grundlage  derUnteübat- 
keit  des  Beicha  abgefaßt  wären.  Nachdem  diese  Angelegra- 

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wiederliolte  er  am  nnchatcii  Tage  in  aluiliclieii  \\  orti'ii  tli'ii 
österreiehiaeheii  Abgeordneten.  Die  Reichsdcpiittttion  be- 
riet am  22,  Januar  das  franzosische  Verlangen,  doch  da  es 
Bich  mit  der  Unverietzhchkeit  des  Reiclia  nicht  vcrciri- 

133 


barte,  so  erklärte  man  es  für  tinannehmbar.  Am  28.  Ja- 
nuar  wiedrabolteii  die  franzöeisohen  SevoUmäohttgten  ihre 
FoTdenmg.  SchlieBlioh  kam  mau  nadi  neuen  VerhaadlungeD 
im  Sohoile  der  Deputation  daMn,  Frankreich  die  Hälfte 
des  linken  Bheinufers  anzubieten.  Hit»  geschah  am  26.  Fe- 
bruar. Am  1.  und  2.  MStz  wurde  das  Conolusium  angenom- 
men ui^  am  nächsten  Tage  durch  den  Grafen  Mettemioh 
den  SVainzosen  übersandt.  Diese  antworteten  bereits  am 
4.  März  durch  eine  Art  Ultimatum,  daß  sie  eine  bejahende 
oder  verneinende  Antwort  auf  ihre  Vorschläge  ei'^  arteten. 
Endlieb  nach  nochmaligen  langen  Beratungen  gab  die 
Reiohsabordnung  nach,  und  der  Beschluß  wurde  den  Fran- 
zosen durch  Metternich  am  11.  A&irz  äberr^ht. 


Treilhiird  iiiid  lionnior  ruilinu-i,  do.i  l)r|puti!lionHheaclilulj. 
die  AlitretiKig  des  ganzen  linken  Kliciiiufers  tietreffend,  an 
und  cntfregiiclen,  dall  sie  daw  rechte  Ufer  des  Jjlusses  erst 
nai^li  dem  abgeNuhloMst'iien  Friedun  mit  dem  lleich  räumen 
könnten.  Xaclideni  die  erste  Hiiuplfrage  geregelt  aei,  könne 
nun  am-h  die  zweite,  die  Entsclindignngsfmge  durch  Siiku- 
lai'isation  geislliciier  licsitKungen  geregelt  werden.  Die  De- 
putation lioli  (.■milii'h  am  4.  April  antworten,  daß  im 
Gruiulsat/.  bereit  sei.  die  Knt.si'liadiguiigen  durch  Sükidari- 
sation  zn  bewirken. 

Die  Siikularisalinnsfrage  f^licll  jedoch  auf  groHe  Schwie- 
rigkeiten, denn  es  niiiBte  vurher  erst  ein  Einvernehmen 
zwisclien  PienBeii  un.l  Österreich  hergestellt  werden,  und 
das  war  sicherlich  nicht  leicht  durchführbar.  Sehr  richtig 
kennzeichnet  Talleyrand  die  damalige  Lagia  in  einem  Brief 
an  Treilhard  vom  7.  Februar  1798: 

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.,Weiiii  ich  an  Tliror  Stelle  wäre,  so  wurde  loh  folgendes 
tun:  Mir  sohemt,  em  ächiedsapniob  setet  einen  Sbmt  vor- 
aus. In  der  Lage,  in  der  Ste  aieh  befinden,  zwisohen  zwei 
Mächten,  die  sich  schwer  verstiindigen  können,  müßte  es 
Ihr  erstes  BemShen  sein,  Neid  und  Erbitterung  hervorzu- 
rufen, ja  sogar  einen  Streit  anzuregen  und  aufrechtzuer- 
halten, um  dann  Ihre  Vermittlung  notwendig  zu  machen. 
Denn  sie  kann  nur  dann  mit  Leichtigkeit  und  Vorteil  zur 
;\jiwendung  kommen,  wenn  sie  angerufen  wird.  Man  muß 
die  Leute  erat  uneinig  machen,  wenn  man  sie  zusammen- 
bringen will!  Diese  hier  haben  vortreffliche  Anlagen,  sich 
/.II  hassen.  Benutzen  Sie  das,  um  sie  dahin  zu  briiigfii.  ivu 
wir  sio  haben  wollen!" 


Andorersfüts  war  ■ 

man  sich  so 

wohl  in  Wien  ids  aiieli  in 

Berlin  tinnihi^r  einis. 

rIpilJ  man  n 

ur  duirli  rin  L^piiK-inuameB 

\orgelien  gegen  hai 

iUn-id,  /.Uli. 

/i  K  .  1,  L_i  II  X  uiile,  und 

rl  sei,  die  n 

issiH,:l.e  \  fi-iiLiilkiiis  anzu- 

niton.  Rrleu.'litort  wi 

Ilde  ilie  prc 

iiIlisch-ÖBtern-iciiiiic-lic  Aii- 

nälu-mif;  durch  die  1' 

,rhitt*rini£r  ( 

ier  prpiilii«.;hcn(;esaniltrii. 

.iie  von  TieiUiaid  iii 

Iii  lioiiiuer 

in  fast  noülj  iinluifliulicirr 

und  gröberer  \\  eise 

behandelt  \ 

undui  >U  <U<  <.,lMi(uhi 

sehen  Abgeordneten. 

jn  einem  Briofr  vo 

ni  13.  .Mär/. 

17iW  stellte  es  ThiiL'Ut.  di'iii 

(;ralen  (.'obt-uzl  ^iiilif 

'iiu.  siuli  d.- 

n  l'reulieii  vm  niiliern  und 

<lcr<;n  Ahsiclileii  y.u 

GeL'el>etU'ufidls  m>IIi^. 

ben/J  uuch  mit  den 

1  Abgr-siuidten  einen  Ver- 

Iragscntwiirf  aiit.sct/. 

livaehte  diesen  \  orsehlag 

seines  .\hTiiMters  als  < 

-igciicu  (,(■<! 

anken  auf,  und  nach  ver- 

.-iliiedc-iieii  Vei-iiiiiKiluni;c4i.  l'ai^ 

ii-  März  1798,  mit  Cort/. 

und  Juüubi  -  -  wcdet 

■  .Dohm  iin,.) 

1  r^ehrbaeh  nahmen  daiaii 

Uli     dib.itdi  ei  III 

aui  \uU  i„ 

«•iiltt'urf  aus.  der  zwar  den 

Beifall  der  Preußen, 

aber  niclit  den  dea  Grafen  Lehrbach 

fondl  Dieser  hielt  es  für  unmöglich,  daß  man  gleichzeitig 
den  geistlichen  und  weltlichen  Fuisten  eine  Entschädigungs- 


135 


pfliaht  auferle^  und  doch  die  weLtliohen  Fürsten  davon 
freispraab!  CobenEl  maßte  räch  von  den  bereohfigten  Ein- 
wänden seineB  Kt^egen,  der  den  Preußen  übrigens  miS- 
trauto,  überaeugen.  Er  teilte  dem  Ckaien  GSrtz  mit,  daß 
er  die  von  Lebrbaob  M^efoohtene  Klausel  nicht  e^ehmen 
kinme.  ' 

In  Wien  und  Berlin  war  man  jetzt  im  Grundsatz  für  ^ne 
Annäherung  beider  Staaten.  Thugat  hatte  mit  dem  preoBi- 
Bohen  GesEmdten  Grafen  Keller  ebenfalla  unterhandelt;  nur 
in  dOT  Entsohädigungafrsge  konnte  man  südi  nicht  einigen.  ! 
InswiBchen  hatte  Franz  II.  sich  an  Faul  I.  gewandt  und  ! 
ihn  gebeten,  den  Vermittler  zwischen  Preußen  und  Oater'  | 
reich  zu  spielen.  Der  Kaiser  war  daher  sehr  ftoh,  daß  der  | 
Zar  am  19./27.  März  1798  antwortete,  daß  er  nicht  nur  die 
Bolle  eines  Vermittlers  zwischen  beiden  Mächten  annehme,  j 
sondern  daß  er  schon  duroh  seinen  Gesandten  in  3Ber]inähn'  i 
liehe  Vorschläge  unterbreitet  habe.  Femer  wünsche  er 
engen  Anschluß  an  Österreioh  und  Preußen  und  hoffe  auch,  i 
Großbritannien  und  Dänemark  für  seine  Abstohten  zn  ge- 
winnen. 

Inzwischen  hatte  Bonaparte  an  Oobenzl  geschrieben,  äaii  i 
er  nicht  wieder  nach  Bastatt  kommen  würde.  Cobenzls  An- 
wesenheit war  jetzt  nicht  mehr  so  notwendig  wie  früher,  eis 
man  nocli  mit  der  Möglichkeit  der  Rückkehr  Bcmapartes 
nacii  der  Kongreßstadt  reclmen  konnte,  undao  erhidt »  von 
Thugut  am  12.  April  die  Auffordei  ung,  nach  Wien  zurüokzn- 
kehren.  Drei  Tage  später  finden  wir  den  Grafen  bereite  auf 
dem  Wege  nach  der  österreichischen  Hauptstadt. 

Alles  war  im  besten  Gange.  Kine  Einigung  Preußens  mit 
Osterreich  durch  russische  Vermittlung  schien  auch  naie 
bevorstehend.  Da  trat  ein  Ereignis  ein,  mit  dem  man  am 
wenigsten  gerechnet  hatte,  und  das  den  Frieden  auf  einige 
Zeit  stark  bloßstellte. 

136 


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II. 


Noch  als  sich  Bonaparte  in  Boatatt  befand,  kam  er  mit 
Cobenzl  auf  die  gegenseitig  zu  ernennenden  Graandten  zu 
sprechen.  Xbugut  aber  wußte  aus  anderen  Hauptstädten, 
wie  schwer  ob  sei,  mit  den  Tertretem  der  französischen  Re- 
publik zu  verhandeln.  Er  hatte  deshalb  immer  gezögert, 
den  seit  vielen  Jahren  freien  Qesandtenposten  in  Paris  be- 
setzen zu  lassen. 

Der  Öateireiehisohe  Minister  war  daher  nicht  wenig  ei- 
Btaunt,  als  nn  neuer  &anzö«Baher  Botschafter  in  Gestalt 
des  Generals  Bemsdotte  am  8.  Februar  1798  abends  in 
Wien^trafl  Bemadottewaram  II.  Januar  zum  Geetuidten 
in  Wien  eonannt  worden  und  hatte  von  s^er  Regierung 
Befehl  erhalten,  sieh  ohne  Vorschriften,  ohne  das  voUstän- 
dige  GestmdtscfaaitspeiBonal*)  und  ohne  Paß  von  Nailand 
aus,  nach  der  österreichisohen  Hauptstadt  zu  begeben.  Man 
hatte  nicht  gewagt,  ihn  an  der  Grenze  anzuhalten,  da  Bei- 
nadotte  er^trte,  er  werde  es  als  einen  Akt  der  Peindsehg- 
k^t  aaxsehen,  weim  man  ihm  Schwierigkeiten  mache,  seinen 
Weg  nach  Wien  fortznseteen.  Bonaparte  hatte  es  zwar  auf 
sioh  genommen,  Cobenzl  von  der  Ernennung  Bemadottes 
zum  Botschafter  beim  Kaiser  zu  benachrichtägen;  die  Er- 
eignisse spielten  sich  aber  so  schnell  ab,  daß  Cobenzl  erst 
dmxjb  Privatnochricht^  oder  aus  Zeitungen  die  Ankunft 
BemadotteB  in  Wien  erfulir!   

Obgleicii  das  französische  Direktorium  wich  nicht  ein- 
mal die  y\ü\\v.  gfnoiiimen  hatte,  bei  der  kaiserlichen  HeK't^- 
riuig  anzufragen,  ob  Bernadotte  als  CJesanrltcr  ani^i'iieli m 
sei,  nahm  man  wohl  oder  ühel  den  n<:m-u  J.lnl^i-iuifli  i-  in 

•)  Ee  begleiteten  ihn  uur  der  Adjijtft.ii,  Villiii.-,  <hr  i,.  [.;■■»  Uj  Llr.iiJiriiL/..iin/ii  n' 
Oiraid  und  ToDSMint  and  der  Sekretär  ViJlot-Fr^vilk-.  Der  miilL-n:  ä<'kr<'tHr 
GatidiD  aolUa  mit  den  Votsohiifteii  nud  dem  Bottlüesel  xai  Oebeimsahrif t  aus 
Farä  kdnuoKi;  ebenao  wai  der  auden  Adjatani  Maurin  nooh  nicht  in  Wien 


137 


Witil  Ks  war  jedoi'li  iiiir  /.u  natürlich.  dalJ  <i<  h  iiiit^r 

den  ubwaltendeu  Zustanden  der  Empfang  Bernndottcs  nieht 
zu  glänzend  gestalten  konnte! 

Xaoh  Talleyrands  Vorscliriftcn,  die  vom  17.  -lanuar  da- 
tiert und  nac'h  den  \'()rtiängen  in  Rom  ausgefertifit  worden 
waren,  war  die  .Stellung  BernadoEtcs  zunächst  als  ein  Be- 
obachtungajioHten  podaclu.  Er  sollte  so  wonig  wie  nuiglich 
auf  die  italienisclien  Wrliähnisse  zu  spret'hen  konmieii  und 
jede  Einmisuhung  Neapels  in  die  romi.schen  .-Viigelej^enhei- 
ten  zu  verhindern  suchen.  Gegebenenfalls  durfte  <?r  sofort 
den  Krieg  erklären.  Wegen  der  wenig  geklärten  Lage  in 
Deutsellland  crliLflt  Bernadolle  von  Taileyrand  zunächst  in 
bezuf!  auf  die  deutschen  Veibültnisse  noch  keine  Weisunt:. 
Dagegen  üullte  er  die  russischen  und  englischen  EiiiflÜÄSt 
in  Wien  zu  ergründen  suchen  und  die  .^iüglichkeit  einer 
Wiederherstellung  Polen.s  zur  .Sprache  bringen. 

Die  Aufgabe  des  neuen  franKÖsischen  Gesandten  war 
diinOiaus  nicht  leicht,  /.uiual  man  die  diplomatischen  Be- 
ziehungen zwischen  Frankreich  und  Österreich,  die  jahre- 
lang unterhrochon  waren,  von  ueiieui  anknüpfen  mußte. 
Um  dies  auszuführen,  hiittc  o  i-mi--  anderen  .Mannes  be- 
duril  als  Bernadotie!  Denn  wenn  dic-^er  .^icli  auch  später 
zu  i'inein  tiii-litiiren  Dijdüniatcn  entwickelte,  so  war  er  doch 
daiiiiii--  iir-ch  i'iii  junger  Hitzkopf,  der,  von  jakobinisehen 
Ifhicii  diiii-lMlniiü-'eti.  geradewegs  aufs  Ziel  los  ging.  Später 
eihieken  zwar  lici'nadotte,  sowie  aiich  die  anderen  auswär- 
tigen \'f'iirett'r  ankreichs  als  Ergänzung  zu  ihren  Vor- 
ncluifien  iio<  li  allgeijieine  Verhaltungsmaßregeln,  die,  wenn 
man  sie  richtig  verstanden  und  befolgt  hätte,  gewiß  zum 

•)  Aus  SparsaiiiktitBirnikhiL-Jiteii  v^ullte  der  Kaiser  nur  eitieii  Gfsandloi 
zwoilcr  Klsnao,  olsci  t-iiii-ii  Ijcvolliiiüeliliglf  n  Minister,  iincli  Paris  senden,  Dtt 
FV-ilHTT  von  DegL-lrnjunn  wurde  zu  diesem  Posten  bestimmt.  Da  atjer  die 
FnuiEÖiiischE  itcpublik  einen  Botschafter  nach  Wien  gesandt  hatt«,  so  dachte 
man  daran,  auch  einen  Oeaaudt«n  emter  Klasse  zu  emennea.  Doch  bHeb  ca 
HchlieljUch  beim  alii-a,  so  doB  Uexelniann  ab  bevoUiaftohtigter  Uinixt«  nach 
Paria  ging. 

138 


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DlflilijattDyGuoglE 


Vorteil  dor  f r an zösischen  Gesandten  ausgefalifii  v*  iin;ii.  Zu- 
dem hatt«  Uernadotte  nur  ganz  junge  I-eute  Adjutanten 
und  Sekretären,  die  ilun  wegon  ilirt'r  genngen  l^beneer- 
fahmng  viel  mehr  schadeten  als  nützten,  war  daeh  der  äl- 
teste der  beiden  Adjutanten  kaum  2ö  Jahre  alt*). 

Brst  am  21.  ]'\'i)[-u;ir  ian<l  (li<'  ofti/.icllc  \'oi-stelluilg  Bema- 
dotles  iK'im  Fn-iherni  von  'riiufiiU  siall.  und  am  2.  März 
iLnfla££ri  crtolf^te  der  Empfang  beim  Kaiser. 

iJurrh  ein  feine«  einschmeichelndes  Henehmeti  halti'  ein 
lie^^inilter  viel  hei  Thugiit  und  bei  den  einflufiieicbeii  l'er- 
^iinliehkeiten  des  J^ande»  erreichen  kiinnen.  Bernatlotte  hin- 
gegen verschaffte  sich  durch  sein  herbes,  herausforderndes 
und  unhöfliches  Verhalten  bald  viele  Feinde.  Er  beging  so- 
gar die  Unklugheit,  den  Erzherzog  Karl,  der  schon  damals 
der  volkstümlichste  Mann  in  Wien  war,  zu  beleidigen. 

Unter  dem  Adel  vermochte  Bemadotte  nur  wenige  Be- 
ziehmigen  anzuknüpfen;  etwas  mehr  Glück  hatte  er  in  den 
iinttleren  Schichten  des  Volkes,  die  durch  die  Lasten  des 
Krieges  am  meisten  zu  leiden  gehabt  hatten.  Hei  dem  ide- 
cieren  Volke  dagegen  fielen  seine  immer  zur  Seliau  ffctrage- 
nen  Gleiclihoitsideen  auf  unfruchtbaren  Boden. 

Die  Wiener  Polizei  hatte  uatiirlieli  ein  ivaclisamos  Auge 
Mif  den  unliebsamen  Gast  und  das  Gesandtsc haftspersonal ; 
sie  tat  alles,  um  ihnen  den  Aufenthalt  so  imangenelini  wie 
möglich  zu  gestalten.  Bemadotte  zahlte  mit  gleicher  Münze. 
Darin  übertrafen  ihn  noch  seine  Sekretäre  und  Adjutanten, 
(lii^  sich  über  die  österreichischen  Zustünde  lustig  machten 
Mnc!  besonders  an  öffentlichen  Orten  und  in  den  Theatern 
lieii  Unwillen  des  Volkes  durch  ihr  wenig  taktvolles  Beneh- 
men herausforderten.  Bernadotteseinerseitshm^l'.wertfüik'li, 
daß  die  Emigranten  den  Orden  des  Heiiigen  Ludwigs  tragen, 
daß  man  im  Hofalmanach  Ludwig  XVlIl.  noch  als  König 
von  Erankreiok  anführe,  und  über  ähnliche  NiohUgkeit«n. 
*)  Oaudin  kam  ent  um  22.  Februar  und  Maurin  Anfimg  April  in  Wien  an. 


139 


Ebensowenig  wie  bei  den  Wienern  war  Eerniidotte  unter 
seinen  Kollegen  beliebt.  Er  stattete  nur  dem  Gesandten  der 
Pforte  und  dem  von  Spanien  Besuche  ab;  den  Gesandten 
zweiter  Klasse  sandte  er  gedruckte  Karten,  auf  denen 
geschrieben  stand,  daß  er  ihren  Besuch  annehmen  würde. 
Sein  Verkehr  beschränkte  sich  fast  ausschließlich  auf  die 
Vertreter  der  mit  Frankrdcti  befreundeten  Gesandtacliaf- ' 
ten  TOD  SpanieOf  Bardinien,  der  BatavisoheD  Bepofalik  und  i 
von  KeapeL  Alle  diese  IDiplomaten  aber  verkehrten  mit  ihm 
mehr  aus  Zwang  als  aus  Neigui^,  denn  die  I<&nder,  deren  | 
Inteiessen  sie  Ti^traten,  waren  bisher  von  der  FranzoeisoheD  j 
Bepablik  nicht  gerade  mit  Gunstbezeugung^  überhäuft 
worden! 

Wegen  der  Krankheit  der  Kaiserin  Maria  Theresia,  die  { 
am  1.  ABirz  einer  Tochter  das  Leben  geschnikt  hatte,  Ua-  ^ 
den  damals  in  der  Hofburg  keine  größeren  Festiiobkeiten  . 
statt.  Erat  am  8.  April,  am  T^  eines  großes  Empfangs . 
beim  Hofe,  machte  Bernadette  die  Bekanntschaft  der  Moo- 
aichin.  3e  schien  sehr  Uebeiuwüzdig,  auch  der  Kaiser  un- 
terhielt sich  eine  Yiertelstande  lang  mit  dem  fianzonsoheD 
Gesandten,  natürlich  zum  größten  A^^r  des  patriotisch  ge- 
sinnten Adels.  ' 

Obgleich  Bemadotte  versucht«,  die  Absichten  des  ruBÖ- 
sehen  Gesandten  Grafen  Andrei  Kasumowsld  und  des  eng- 
lischen Gesandten  Iiord  Auokland  zu  erforschen,  so  kam  er 
natüriioh  in  seinen  Bestxebungen  nioht  weit,  denn  beide  wa- 
ren erprobte  I%lomaten,  die  sich  von  einem  Neuling  vk 
ihm  nicht  ausforschen  ließen.  Auch  bei  Thugut  nnd  den 
führenden  österreichischen  Persönlichkeiten  sollte  er  nicht 
viel  Glück  haben! 

Sein  politischer  Erfolg  war  daher  in  Wien  so  viel  wie  nnS- 
Nur  glaubte  er  ermittelt  zu  haben,  daß  ein  neues  Bündnia 
gegen  Frankreich  im  Entstehen  begriffen  sei. 

Da  keine  Aussichten  vorbanden  waren,  daß  eich  Bema- 

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dottes  Beziehlingen  ziun  ^i!^tp^^ei^:hiKolleIl  Miiiififfr  und  v.w 
den  nicht  mit  Frankreich  verliiiniieten  oder  befieiindcteii 
diplomatischen  Vertretern  bessern  würden,  bat  er,  zumal 
er  den  Gesandtschaftspoeten  in  Wien  nur  mit  ^^■ider\^■ilIen 
angenommen  hatte,  am  12.  April  den  Minister  Talleyrand 
um  seine  Abberufung,  Er  liabeaeine  Aufgabe  erfüllt.soweites 
möglich  gewesen  sei,  und  ersuche  nun  das  Direktorium,  ihn 
wieder  als  General  im  Heere  zu  verwenden, 

Inzivischen  aber  trat  ein  Vorfall  ein,  der  ihn  verEinlaßte, 
aus  Wien  abzureisen,  ehe  er  von  Beiner  Regierung  den  Be- 
fehl dazu  erbaltm  hatte. 

Die  fi!ui/,ösi.-^r]R'  l^i-.aiKllM>baft  befand  sich  im  erst«n 
Stock  deii  olit.'mLils  !h:m  riir^teii  Karl  von  Lieelitenstcin  ge- 
böriscn  Hnuws  in  der  Wallner.straßc.  Um  auch  äußerlich 
die  neuen  französi^t'hen  Ideen  zur  Schau  zu  tragen,  wie  ihm 
da.'!  erst  kürzlich  voci  Talleyrand  wieder  ins  Gedäclitnis  ge- 
rufen worden  war.  hatte  Beniadotte  einem  Wiener  .Maler 
den  Auftrag  gegcljcn.  ein  Wappenschild  zu  malen,  auf  dem 
die  Göttin  der  l'reilieit  abgebildet  sei.  Ea  sollte  an  dem 
Haus,  worin  .sieli  der  Sitz  der  Gesandtschaft  befand,  ange- 
bracht werden.  Seit  der  Gründung  der  Republik  war  das 
Arcliivsifgel  durch  ein  neues  er.setzt  worden,  das  eine  Frau 
daiMlellte,  die  sieli  mit  der  einen  Hand  auf  ein  Bündel 
i^tützte  und  mit  der  anderen  eine  Picke  hielt,  auf  dorea 
Spitze  sich  die  .lakobiiierjnütze,  das  Zeichen  der  Freiheit, 
befand.  VAn  ähidielies  läild  sollte  das  von  Hernadotte  be- 
stellte Wapi)en  schuiücken. 

Die  Polizei  schien  aber  von  dein  Vorliuhcn  des  franziidi- 
sehen  (iesandteu  Wind  bekommen  zu  liaben,  denn  sie  ver- 
nnlalJle  den  Kiinsth>r,  gegen  eine  gewisse  Kntscbüdigung 
die  j'Vrtigsiellung  des  lüMes  zu  verzügern.  Als  es  endholi 
fertig  war,  war  es  so  liälilicb  ausgefallen,  daß  der  franzö- 
siache  Gesandte  befahl,  es  nicht  zu  verwenden,  sondern  ein 
anderes  in  Paris  in  Auftr^  zu  geben.  Inzwischen  sollte  die 

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ilreifarbiiie  französisclie  Fitline  di^n  Platx  einiif limeii.  dcT 
für  das  Wappen  bestinnnt  var,  Rfrnndotte  rntwcliiod  dica 
aus  cigftipr  Machtbefugnis,  ohne,  vom  Dirfk-toriiim  dazu 
bcaTiftragt  ivordcn  kii  seir:.  .Icdeiifalls  war  eine  bisher 
injcli  nie  vnruekiinirnene  Tatsache,  (iail  niaii  in  Wien  eine 
fremde  Fahiir  an  riiicni  (iesiiiidtKiiliiit'l  ^H<'l'^'Hde  angebracht 
hatte. 

Nooli  an  lieniwelben  Tage,  an  welclietii  liernadntte  den 
-Minister  des  AulScrn  in  Paris  hat,  ein  Wappen  anfertigen 
zu  lassen,  wurde  <he  fritn/./isiscIie  i''aliue*|  ani  Hause  auf- 
gehißt, Ea  war  am  13,  A|>ril,  /.wischen  f)  und  Ii  Uhr  abend«. 

Ziinäehat  fiel  die  Fahne  den  «cnipcn  Leuten,  die  der 
Wog  um  diese  Zeit  durch  die  Wallnerstraße  führte,  nicht  auf. 
-■Ulmählieh  ».lier  entstanden  (lrii])|icn  von  Neugierigen,  und 
man  stritt  siih  iibci'  i\fu  7,\\i-rk  der  französischen  Flagge 
hin  unil  lier,  Teils  liicll  man  --ie  für  einen  französischen 
Freiheilsbiiuni,  teils  glauluf  iii;iu  ein  Sinnbild  darin  7ai  er- 
blieken,  dalJ  die  Frünznscn  Wien  als  eine  eroberte  Stadt  bc- 
lra<^hteteii! 

Es  war  gerade  ein  .I:ihr  lier.  daß  die  Wiener  ^ich  intnlge 
des  Aniniirsches  Bon^ipartes  in  grolJcr  ( iei'alu'  befunden 
liiitten,  und  in  wenigen  Tagen  wollte  man  die  voi-  einem 
■lahre  glücklich  ahgewendete  (icfahr  feierlich  lieL;elien,  Hie 
Oemüter  waren  daher  sehr  nnfgeregl.  und  die  \'i>ll;-mengr 
vor  der  Gesandtschaft  wurde  immer  griiller.  Der  Pohzei- 
direktor  von  der  Leyen  und  8])äter  ein  Adjutant  des  Stadt- 
kommandanten begaben  sich,  um  Unheil  zu  verhüten,  zum 

*j  Die  blau-neiQ-rote  Fehnt  war  un  uiner  langen  Starke  auf  dem  Balhou 
()«■!.  G«iani!t*i-haft*igelilinrf<-H  b^fc-t-tift.  Rn  nie  nur  kurze  Zeit  lu  seilen  wnr. 
mil  tlie  Nfifht  bald  lu-iriribnw  h.  hatUi  sii^h  daa  Volk  Bllerlci  falaoh«  VorBlel. 

.I.  Lit.,.i:Ur,i,  I>an.ltTlii..KüK  ü,i,!>:t  man  di«  *jfc-in('rkiing,  d"-  Valuu'  ^i'i  «'L^hs 
KUen  lang  gewesen  und  habe  die  Inschrift  „LiberW,  feaüto  üu  la  mort" 
geUagen.  Dem  ist  aber  nioht  ao.  I>ie  FaJmePStange  war  allenlings  sehr  lutg, 
das  Fahnentnch  aber  viel  klraner.  Auf  der  einen  Seite  war  aufgedruckt 
■.R^abliqne  tranfalBe"  und  auf  der  anderen  Seite  „AmbasBade  de  Vienne". 


143 


französischen  Botacliafter  und  fordert oii  ihn  auf,  die  Fahne 
entfernen  zu  lassen.  Man  befiireliteto,  daß  das  Volk  noch 
nieiir  aufgereizt  werden  könnte,  denn  es  war  das  Gerücht 
verbreitet  \sorden.  dalJ  iSernadotte  einen  Äufatuid  gegen 
den  Kaiser  ins  Werk  leiten  \s  ollte. 

in  pcht  republikanischer  i)reiKtigkeit  antwortete  der 
französische  Gesandte,  die  Falnie  liliebc  hängen,  selbst  wenn 
er  sie  mit  dein  Säbel  in  der  Hüiid  verLeidij^en  noUt«.  l'ui 
seinen  Worten  mehi'  Xauhdruek  zu  verleihen,  ging  er  in 
großer  Uniform  vor  dem  Hausse  auf  und  ah  und  versiicliti- 
durch  Drohungen  di{!  Menge  zu  veranla-'isen,  .sieh  zuriii  k- 
ziizieheo. 

Da  die  ÜHleneicId-i  lK  ii  lU'hJinlru  .,ahen.  dull  Beinadolte 
nicht  nachgehen  würde,  so  wäre  es  ihre  Pflicht  geweweu. 
sofort  bewaffnete  Maeht  herbeiKU holen.  Die  endgiltige  Re- 
gelung desStreitfalles  hätte  die  Polizei  dann  den  Diplomat  i'ii 
überlassen  können.  Man  neheint  aber  zu  jener  Klunde,  es 
war  gegen  7  Uhr  uheiids,  den  Knist  der  Lage  mit,  ihren  Fulgeri 
noch  nicht  erkannt  m  haben. 

Von  Stunde  zu  Stunde  wurde  die  \'<)lksnicngc  drohendei. 
Steine  flogen  gegen  die  Fenster,  die  liakl  keine  Keheihen 
mehr  aufzuweisen  hatten.  Km  besonders  mutwilliger  l!ur- 
Mohe,  der  Sehornsteinfegerlehrling  Kugler  aus  äeliwabcii. 
stieg  sogar  bis  zum  Balkon  des  Hauses  hinauf  und  riß  die 
Fahne  herunter.  Halb  zerfetzt  und  verbrannt*)  wiirde  sie 
von  der  wütenden  Menge  bis  zum  Schlosse  geschleift  und 
dorl  dem  Offizier  d<T  Wache  übergeben. 

Nitlit  zulrieden  mit  der  Kntfernung  der  Fahne,  wurde 
das  Volk,  das  von  einigen  Führern  noch  mehr  gegen  die 
Franzosm  auf  gestachelt  wurde,  immer  heftiger.  Es  begnügte 
steh  nicht  mehr,  das  Qebäude  mit  Steines  zu  bewerfen,  eoa- 

*)  VnlenregB  tiat  das  aufgelegte  Volk  den  Wagen  des  FOntm  OoUnedo. 
Mau  entriß  seinen  Dienern  die  Faokeln,  um  damit  die  veriiaBts  baiuiluaolB 
Fuhne  eu  verbrannen. 

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dem  sprengte  achlicßlirh  das  Tor  :nii  iitu!  vcrKiiehte,  die 
Treppe  Iii nauf zusteigen.  Aber  Berniuliitrc  liatt(^  sich  mit 
dem  Personal  der  Oesantttsdh.ift  diirt  auffiestellt  und  suchte 
den  Eingang  in  seine  Wolmuiii;  y.n  verhindern.  Es  fielen  ho- 
Sar  Schüsse  von  Seiten  der  Franzosen,  die  aber  von  der 
Monge  nieht  erwidert  wurden.  Diese  begnügte  sich,  den  Wa^ 
!>eri  des  franzosinclien  i  -esnndten  und  alles,  wa«  ihr  in  den 
Weg  kam.  y.n  i'.ertnnniueru. 

Bereits  gegen  «  L  hr  aheiids  liattc  fSeniadotte  wetjen  des 
N'orfalk  an  den  Freilierrri  von  Thugiit  L'esehriel)en:  etwas 
s^päter  wiederholte  er  seine  lütte  und  fiürte  bei.  daß  die 
Mhn    \   T    r  bei  il  ^E-  .  I  le  (  le   h/eitiE  1  it 

er  um  l'^nisehreiten  der  bewaffneten  Macht,  ['erner  ver- 
lin^tt  1  '.uni.  P  <  fdNdumll  lli^  Cu  f,t  i  m„ 
geschehe,  und  die  1'  ahne  von  neuem  an  fiemem  Hause  an- 
gebracht wnrde. 

Kurz,  vor  Mitternaclit  wandte  er  sieh  7,mn  letzten  Male 
iin  den  österreichischen  Minister  und  bat  um  umgehende 
Zustellung  seiner  Pässe.  Endlich  nach  Mitternaclit.  fiinf 
stunden,  nachdem  sich  der  lolizcidircktür  zum  franzosi- 
^chen  (icsandten  besehen  hatte  und  man  voraussetzen 
mullt«.  daü  der  Volksauflauf  crößere  .Vusdehnunir  anneh- 
men würde,  trafen  Infanterie  und  Kavallerie  ein.  In  kurzer 
Zeit  wurde  nun  die  Menge  aus  dem  Gesandl^i  liaft^LTbliLLdc 
und  den  unihegenden  htrafjcn  entfernt,  -fel/i  In-Lfiit)  sicli 
imcli  der  Freiherr  von  Dcgelmann.  der  altf  hevollmüchtigter 
.^UlUster  nach  Pari.s  gehen  sollte,  /.u  Benuiiiotte,  um  ihn  zu 
benihigen.  Er  veriieli  den  friin/ösischen  Gesandten  bald 
wieder,  um  in  Kürze  mit  einem  Seineiben  des  Herrn  von 
Thugut  zurückzukehren,  worin  der  östen-eichiflohe  Minister 
sein  TSedüuem  wegen  des  \'orfalle8  au.^driiokte  und  die  Be- 
strafung der  Schuldigen  versprach. 

Am  nächfiteoi  Tage  tat  der  Kaiser,  bei  dem  dch  Bema- 
dotte  iDzwisohen  über  das  naohUseige  Verhalten  Thugots 


10 


146 


Imttc  heschweren  la.ssen,  alles,  um  einen  Bruch  mit  der 
Französischen  liepublik  zu  vermeiden.  Gef;en\värtifT  der. 
Krieg  von  neuem  beginnen,  lag  durchaus  nicht  in  der  Ab- 
sicht der  leitenden  Männer  OsterreichB,  denn  Thiignt  wolltr 
sich  erst  die  Hilfe  anderer  Staaten  verschaffen,  ehe  er  wiedei 
zu  den  Waffen  greifen  ließ.  Bei  den  Franzosen  stand  e- 
nicht  anders.  Bonaparte  war  völlig  mit  seiner  uberseeischen 
Expedition  beschäftigt,  und  nichts  wäre  ihm  uncrwünsch- 
t«r  gekommen,  als  wenn  die  Knepsfackel  auf  dem  Pest- 
lande von  neuem  aufgelodert  wäre!  Der  unliehwanie  Zwi- 
schenfall mußt^-  daher  eine  friedliche  Losunü  finden,  die  von 
beiden  Seiten  ersehnt  ward. 

Bernadütte  l>ef*ali  damals  noch  wenig  Verstündiiis  für 
höhere  Politik.  Der  Besuch  des  Kabinettsministers  Grafen 
Franz  CoUoredo  konnte  ihn  auch  nicht  licnihigen.  Eine  Be- 
kanntmachung des  Staats-  und  Pnliwiniinistei-s  Grafen  von 
Bergen,  in  welcher  der  Kaiser  die  Bevölkerung  seiner  Haupt- 
stadt 7.m  Kuhe  mahnen  lielJ.  lira<>hte  den  französischen  Ge- 
sandten noch  mclir  nnf,  da  sie  ihm  zu  mild  abgefalit  dünkte. 

Wiederholte  Versuche  des  Freiherm  von  Degelmann,  so- 
wie des  Ministers  des  Innern  Grafen  Saurau,  ßemadotte  zu 
beschwichtigen,  schlugen  ebenfalls  fehl.  Der  französische 
Botschafter  wollte  unbedingt,  daß  man  die  Fahne  wieder 
anbrächte.  Man  kam  jedoch  seinem  Wtmsche  nicht  nach, 
und  so  verließ  er  am  näohstenSonntag  mittags,  den  16.  April, 
mit  seiner  Begleitung  die  KsiBeTstadt.  Thugut  hatte  ihm 
Torsiohtigerweiee  eine  starke  Bedeckung  mitgeben  lassen. 
Ohne  weiteren  Unfall  gelangte  die  framÖBiBche  Gesandt- 
schaft bis  an  die  Grenze  des  Reichs.  Am  23.  Äjiril  traf 
Bemadotte  in  Rastatt  ein*). 

•)  Stet  am  16.  Hai  nluelt  Bemadotte  von  TbUbttbikI  die  MitteQong.  daC  et 
am  13.  Hai  xam  Befehlshaber  der  Ililitfirdivision  in  StraBfamg  enuumt  wor- 
dsD  sei.  Er  ^ubta  uoh  aber  dundi  dieae  Ernennung  ■nrQokgeBetst,  be(alj 
siob  aofort  netäi  Paria  und  erhielt  am  S7.  Uai  den  Poaten  eines  bevollmächtig- 
ten Hinisters  bei  der  Batavischen  R^wblUc. 

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Unterwegs  riciitete  er  aus  Wels  ein  «eitere«  Sehreiben  nn 
Taileyrand,  denn  er  hatte  den  Minister  des  Äußeren  schon 
von  Wien  aus  kurz  von  dem  Z\vischenfall  in  Kenntnis  ge- 
setzt*). In  diesem  zweiten,  am  16.  April  abgefaßten  Schrei- 
ben, heißt  eti  unter  anderem;  „HiPKe  Bösewichte  haben  den 


Plan  gefaßt,  die  französisclie  Gesandtschaft  zu  ermorden 
und  unsere  Köpfe  auf  Piken  durcli  die  Straßen  zu  tragen. 
Der  ebenso  feige  als  barbarische  Russe  konnte  während  des 
Tages  weder  sein  Verlangen  noch  seine  Hoffnung  verbergen. 
Der  schurkische,  nichtswürdige  Thugut,  der  unter  der  Laat 
seiner  Verbrechen  und  Jahre  einherschreitet,  erwartete 

•)  Diu  crato  Dcpeseliu  Bcmndoth^a  kam  am  23.  April  in  den  ersten  Horgen- 


147 


jeden  Augenblick,  daß  man  ihm  die  Meldung  brächte,  vir 
hätten  aufgehört,  zu  leben !  Der  englische  Gesandte  nüBt 
sich  selbst  den  Ruhm  dieses  Tages  bei  und  macht  denen, 
die  die  Ausführung  übernahmen,  den  Vorwurf,  daß  sie  sich 
mit  einem  halben  Erfolge  begnügt  hätten.  Es  war  die  Ab- 
sicht dieser  (frei  Tiger,  daß  wir  erwürgt  worden  wären !" 

Wie  wankelmütig  ist  doch  der  Mensch,  wie  schwankt  der 
Mann,  Avr  auf  Kosten  anderer  emporzukommen  sucht,  in 
seinen  Ansichten  und  AVertschiitzungen  hin  und  her!  Nichts 
ist  ihm  heilig,  wenn  er  nur  zum  Ziele  kommt !  ,, Diese  ebenso 
feigen  als  harbarisehon  Russen"  wurden  etwa  ein  Jalirzehnt 
später  Bevnaciotte,'!  beste  Freunde,  und  der  Mann,  um  dessen 
Gun^t  er  seit  seiner  Hpkanntwchaft  mit  ihm  ijuhlte,  wurde 
zum  ,, Usurpator",  zum  „Ogre  corse",  den  es  mit  allen  Mit- 
teln zu  hckämpfon  galt.  Bemadotte  war  nicht  der  einzige, 
der  so  handelte ;  und  doch  hatte  ihm  Napoleon  nur  Gutes  ge- 
tan! Es  gibt  noch  Hunderte  von  Staatsmännern  und  Gene- 
ralen jener  Zeit,  die  ihre  ]\feinung  änderten  wie  die  Wetter- 
fahnen ihre  Biclitung.  Es  sind  sogar  zahlreiche  gekrönte 
Häupter  unter  denen,  die  einat  überglücidich  waren,  einen 
liebenswürdigen  Blick,  eine  Gunstbezeugung,  ein  freund- 
liches Wort  von  Napoleon  zu  erhaschen.  Als  aber  des  Kai- 
sers Stern  erblich,  waren  sie  die  ersten,  die  ihn  verließen 
und  beschmutzten ! 

Der  Vorfall,  der  sich  vor  und  in  dem  französischen  Gte- 
sandtschaf tage  bände  zu  Wien  ereignete,  war  außerordent- 
lich bedauernswert,  ^lan  kann  die  Quellen  auslegen  wie 
man  will,  es  hli'ibt  iiniufr  zu  beklagen,  daß  die  Wiener  Po- 
lizei nicht  beizeiten  wirksam  eingriff,  und  daß  Thugut,  der 
gewiß  rechtzeitig  von  dem  Aufruhr  Kenntnis  erhielt,  nicht 
sogleich  Jlaßnahmen  traf,  um  Soldaten  aus  den  Vorstädten 
herbeizurufen.  Mögen  sich  Bemadotte  und  seine  Leute  noch 
so  herausfordecnd  benommen  haben,  die  erhöhte  petsön- 
Uche  Sicherheit  eines  Gesandten,  die  allgemaöi  sogar  nüt 

148 


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TJnvedetzliolikeit  bezeichnet  wird,  ist  seit  dem  Altertum  an- 
erkannt und  eine  der  erst^  Vorrechte  des  diplomatischen 
VertxeterB  eines  I^andes! 

Das  Verhalten  Bemadottes  in  Wien  fand  natürlich  ver- 
aohiedentliche  Benrt^nng.  Beeondeis  aoharf  richteten  ihn 
die  diplomatisofaen  Vertreter  Osterreit^  im  Auslände. 

Der  Saterreichische  Gesandte  in  Bralin,  der  alte  Fürst 
Heinrich  XIV.  von  ReuB,  schrieb  entrüstet  über  diesen  Vor- 
fall an  seinen  Koliken  in  Petersbmg,  den  Grafen  Dietrioh- 
stein,  in  ^nem  Privatbriefe :  „Empört  sich  nicht  jeder  Trop- 
fen Muts  in  jeglicher  ehrlichen  Brust  übra:  das  beöllose  Be- 
tragen dieses  niohlosen  Jakobiner-^oheuBaUt  O,  möchte 
doch  die  Bache  Gottes  ffl^nroohen  und  diese  Höllenbrut  zer- 
knirsGhen,  und  der  guten  Sache  endlich  die  Oberhand  ge- 
winnen laasenl  Dies  nur  lasse  mioh  der  Himmel  erieben, 
dann  will  ich  mioh  gern  zu  nnaero  Vätern  schlafen  legen  1"*) 

Während  man  in  Wien  den  Vorgang  so  harmlos  wie  mög- 
lich hinzustellen  suchte,  tat  man  in  Paris  das  Gegenteil. 
Man  glaubte  sich  schwer  gekränkt  und  nahm  an,  daß  es  wie- 
der zum  Kriege  kommen  würde.  Erst  am  23.  April  hatte 
Bonaparte  an  den  Obergenoral  Brune,  sowie  an  die  Generäle 
Baraguay  d'Hilliers  und  Desaix  ge.schrieben,  daß  sie  die  für 
die  beabsichtigte  überseeische  Expedition  y.n  mt wendenden 
Truppen  wieder  ausschiffen  sollten.  DieKc  Soldaten  hiitte  er 
dann  dem  Obergeneral  Brune  zur  Verfügung  gestellt,  denn 
er  glaubte,  in  Italien  den  ersten  Angriff  der  Österreicher 
erwarten  zu  müssen.  Noch  am  24.  April  früh  war  man  ent- 
schlossen gewesen,  die  Sache  bis  zum  Äußersten  gehen  zu 
lassen. 

Aber  am  25.  AprU  war  die  Stimmung  umgeschlagen.  Was 
war  gescliüheii '!  Es  scliüint,  als  ob  es  Bonaparte  und  Talley- 
rand,  die  mit  ihren  orientalischen  Plänen  beschäftigt  waren, 

*]  In  Shclichor  Weise  sprach  sieh  der  Junge  Uettemiota  seinei  Frau  gegenOber 
in  einem  Brief  aus  Bsatatt  auB. 

149 


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gelungen  war,  d  Direktorium  nmzostiiiuiien  und  es  zu  einer 
friedlichen  Beilegung  des  Vorfalls  in  Wien  in  bev^en. 
AuBBchlaggebend  wird  aber  die  Ankunft  des  franzÖdscheo 
Ges&iultechaftesekietärs  T^ot-Fr£viIle  ans  Wirai,  der  Ein- 
zelheiten über  den  Vorfall  brachte,  .sowie  das  bald  darauf 
erfolgte  Eintreffen  eines  kaiserlichen  Kuriers  gewesen  sein. 
Jedenfalls  hatte  sich  Bonaparte  dem  Direktorium  angebo- 
ten, selbst  nach  Rastatt  zu  gehen,  um  die  Angelegenheit  mit 
den  Oi^terreichem  auf  friedliche  ^Veise  abzoschlie&en*).  Id 
der  Tat  konnte  der  Regierung  ein  neuer  Krieg  nur  die  größ- 
ten Ungelegenheiten  bereiten,  denn  weder  die  äußere  noch 
die  innere  Lage  der  Französischen  Republik  waren  so  be- 
schaffen, daß  man  sich  in  einen  neuen  Kri^  einlassen 
konnte. 

Zur  Klärung  der  unsicheren  Lage  mag  der  Umstand  viel 
beigetragen  haben,  daß  Thugut  sofort  nach  dem  Vorfall  ein 
Schreiben  an  Talleyrand  abgefertigt  hatte,  worin  er  den  im- 
sngenehnien  Zwischenfall  aufzuklären  suchte.  Er  beteuerte 
dieFriedensliebeseinesHerrsohere  und  kündigte  gleichzeitig 
die  Abreise  Degelmanns  nach  Paris  an.  Bonaparte  seiner- 
seits schrieb  am  25.,  als  sich  das  Direktorium  endlich  su 
einer  friedlichen  Beilegung  des  Vorfalls  bereit  erklart  hatte, 
an  Cobenzl :  „Um  alle  dunklen  Wolken  zu  zerteilen  und  eine 
schnelle,  wirksame  Erklärung  zu  erhalten,  die  den  Frieden 
befestige  oder  den  Krieg  entscheide,  hielt  man  es  für  nütz- 
lich, daß  ich  eine  Zusammenkunft  mit  Ihnen  oder  einem 
andern,  von  Seiner  Majestät  dem  König  von  Ungarn  und 
Böhmen  betrauten  Gesandten  hätte. 

Trola  meines  Widerwillens,  mein  Herr,  gegen  die  diplo- 
matischeljaufbabn  und  gegen  diplomatische  Vorhandlungen, 
habe  ich  sofort  diese  Gelegenheit  ergriffen,  um  Europa  und 
Seine  kaiserliche  Majestät  von  dem  Wunsche  Frankreichs 

*)  Vnt  BcBchluQ  Bclieint  solart  nach  Ankunft  des  Kuriers  geCaSt  woidep  ta 
Bein.  Dor  Entwurf  ist  Von  der  Hand  MerÜna. 

160 


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y.u  über/fugeil,  ilaß  (-.<  die  Solircn  ki'u  i-iiies  Krietics  veniici- 
(IfU  möchte,  der  für  imscirn  ariiKMi  Eriltcil  vuii  u (i berechet i- 
luiren  Foigon  wäre.  Sinvett  es  vun  mir  ulihiiiif;!.  suche  ieh 
ilfis  iViedensiveik  /.u  belest ifjeii.  das  icli  für  dauernd  j;e- 
Ualten,  «eil  wir  es,  ubgeselieii  von  den  üiihtiiiisflieri  Ereig- 
nissen, auf  <leiii  gef^ensei eigen  Wühle  der  l)ei(ieii  Staati-ii 
begründet  hatten! 

Wenn  wir  alle  Leiden seliafteii  Iteiseit«  liisseii,  wird  t^s  uns 
nicht  schwer  fallen,  allen  Argwohn  zu  heben,  alle  Interessen 
auszugleichen,  die  Intrigen  der  Mächte  zu  vereiteln,  denen 
die  Leiden  des  Erdteils  gleichgültig  sind.  Sie  suchen  nur  eine 
Gelegenheit,  bei  sich  Frieden  zu  hahcu,  ijidern  sie  hier  Un- 
ruhe stiften  . . . 

Wenn  aber  das  Wiener  Kabinett  von  dem  Kinfhill  oder 
<len  besonderen  Intere.ssen  geleitet  würde,  die,  wie  es  srlieiul, 
die  Maßnahmen  der  Polizei  am  24.  Gerniinal  ( Aju  il)  ge- 
leilet haben,  dann  bleibt  dem  französischen  \'olke  niclits 
weiter  übrig,  als  sieh  aus  der  Zahl  der  euro])iiis<.lieii  Aliiclitc 
^Ireiehen  zu  lassen  oder  hclbat  das  Haus  üstcrieii^li  daraus 
/.u  streichen.  Es  wird  aich  ein  fui-elitbarer  Kampf  entwik- 
ksln,  der  eine  weite  militärische  Laufbahn  darbietet,  an  den 
indes  der  Mann,  der  die  I^eiden  eines  solchen  Krieges  kennt, 
nur  denken  kann  mit  dem  Fluche  auf  den  Lippen  gegen  die 
Völker  und  deren  Nachkommen,  die  diesen  Krieg  hervor- 
gerufen haben!  , . ," 

Wenige  Tage  naoh  Abgang  dieses  Schreibens  teilte  er  am 
'28.  April  dem  \'iKeaduiii'al  liiueys  und  den  Generalen 
Kleber  und  Caffarelli  mit,  dulJ  seine  Abreise  um  emige 
Tage  verschoben  werden  müsse;  er  hoffe  jedoch,  daß  ibr 
keine  emstliehen  Hinderungsgründe  im  Wege  stehen  würden. 
Auf  alle  Fälle  entwarf  er  für  den  General  Brune  einen 
Plan  zur  Verteidigung  Italiens,  wenn  es  zum  Kriege  mit 
Österreich  kommen  sollte,  und  sandte  ihn  an  Aforlin  de 
Douai,  der  damids  Präsident  des  Direktoriums  -war. 


161 


Obgleich  der  General  Bonaparte  alle  Vollmachten  von 
seiner  Regierung  erhalten  hatte,  die  Angelegenheit  wegen 
des  Zwischenf  alle  in  Wien  mit  Cobenzl  persönlioh  iu  Rastatt 
zu  erledigen,  entschied  er  sioli  doeh  in  letzt»  Stunde  andere, 
da  er  glaubte,  daß  man  aiioh  ohne  ihn  zum  Ziele  kommen 
würde.  In  der  Nacht  vom  3.  zum  4.  Mu  verlieS  er  Farie,  um 
sich  nach  Toulon  zu  begeben. 

III. 

Die  Besprechungen  in  Selz  im  Frühjahr  und  Sommer  17flS 
können  als  eine  Art  Zwischenspiel  zum  Raetatter  Kongreli 
angesehen  werden.  Das  Ergebnis  dieser  Vcrliaiidl«ng*-ii 
konnte  nichts  anderes  als  ein  MiUerfoIp  auf  l)ciili;n  Si-iten 
sein.  Frankreich  hoffte,  für  die  Kränkung;  scinct!  Cesandten 
in  Wien  Genugtuung  zu  erhnlt-en.  Diew  war  ahcz-  bt'rcit>  dujvh 
Thugiit  geMcht'heu,  soweit  es  iu  desst'n  Macht  und  Abäiflu 
stand,  eine  solelie  /.n  gebüii.  Andererseits  hoffte  der  üsler- 
reictiiwrlie  Hof  clurcji  Sonderverhandhmgen,  EntschÜdigim- 
geu  i(i  Italien  erlangen,  ohgleicli  das  französische  Direk- 
ttiriuiu  von  voriilicrein  cutschlosseu  war,  diese  Frage  über- 
haupt nicht  zur  Verhandlung  zuzulassen.  Du  weder  die 
französirtehe  Itcgierung  noch  der  Freiherr  vou  Thugiit  be- 
reit waren,  Ziigestiiudnisse  zu  machen,  so  konnte  man  we- 
nigstens froh  wein,  dal.l  die  Beendigung  der  Konferenzen 
keinen  Bruch  Kwisfheu  heideu  Mäditirn  herbeifiihrtel 

Seil  den  langwierigen  \  <TlLaTidlungen  von  Leoheti  und 
Udine  war  es  beständig;  Thuguts  Absicht  gewesen,  von  dem 
verantwortlichen  Posten  eines  Ministers  des  Äußeren  zu- 
rückzutreten. .Diese  Stelhmg  hatte  ihm  außerordentlich  viel 
Arbeit,  aber  wenig  Anerkennung  seiner  rastlosen  und  auf- 
regenden Tätigkeit  gebracht.  Er  hätte  sich  lieber  mit  dem 
Posten  eines  Konferenz-Marineministers  begnügt  und  sich 
mit  der  Verwaltung  der  durch  den  Frieden  von  Campo- 
formido  an  Osterreich  gekommenen  italienischen  Provinzen 
beschäftigt. 

152 


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Thuguts  Abschiedsgesuch  wurde  aber  mir  7.um  Teil  an- 
genommen. IDr  blieb  als  Konferenzininiater  weiterhin  im 
Amte  und  erhielt  in  dem  Oiafen  Cobenzl  eineo  Mitarbeiter, 
der  zum  größten  Teile  die  Geschäfte  eines  Ministers  des 
Äußern  übemalim. 

Aber  kaum  war  die  Ernennung  Cobenzls  erfolgt,  als  man 
am  2.  Mai  in  Wien  die  Nachricht  erhielt,  daß  der  General 
Bonaparte,  das  Haupt  der  französiechen  Friedenegesandt- 
schaft,  seibat  wieder  nach  Rastatt  kommen  wolle,  um  alle 
strittigen  Punkte  zwischen  der  IVanzösischen  llepublik 
und  dem  Kaiser  selbst  mit  dem  Grafen  Cobenzl  zu  erledigen. 
DeshiJb  führte  Thngut  vie  vordem  die  GeecfaSfte  des  Mi- 
nieteriiims  des  Auswärtigen  weiter,  denn  es  galt  als  ausge- 
macht, daß  Cobenzl  der  AuHorderung  Bonapartes  Folge  lei- 
sten müsse. 

Kit  dngebendea  Yorschriften  versehen,  reiste  Cobenzl 
am  8.  Mai  von  Wien  ab  und  traf  in  der  Nacht  vom  II.  zum 
12.  in  Rastatt  ein.  Er  \rax  nicht  wenig  überrascht,  weder 
Sonaparte  dort  vorzufinden,  noch  etwaa  Bestimmtes  über 
dessen  bevorstehende  Ankunft  erfahren  zu  können!  Einige 
Tage  später  erHelt  er  äuxch  Talleyrand  die  Mitteilung, 
daß  der  General  nioht  kommen  würde.  Dem  Briefe  desfoan- 
zöaiachen  Ministers  WM  ein  Schreiben  Bonapartea  vom  4.  Mai 
beigeschlossen,  in  dem  dieser  Cobenzl  mitteilte,  daß  er  im 
Begriff  gewesen  sei,  sich  nach  Rastatt  zn  hieben;  da  er 
jedoch  erfahren  habe,  daß  Cobenzl  nach  Wien  gereist  sei, 
habe  er  seine  Reise  aufgegeben.  In  einem  ausführlicheren 
Brief  vom  12.  Mai  machte  Talleyrand  Cobenzl  die  Mitteilung, 
daß  an  Bonapartes  Stelle  Franfois  de  Neufchfiteau  mit  ihm 
unterhandeln  werde. 

Fran^ois  de  Nenfchätean  war  soeben  aus  dem  Direkto- 
rium anageschieden.  Da  es  verfassungsgemäß  einem  ehe- 
maligen Direktor  nicht  erlaubt  wax,  sich  innerhalb  zweier 
Jahre  nach  Aufgabe  seines  Amtes  aus  der  IVanzösieohen  Re- 


1S3 


publik  zu  entfernen,  so  schlug  Talleyrand  dein  iist^rreichi- 
sohen  Unterliändler  vor,  da*  kleine  Städtuheii  Sei/,  auf  dem 
linken  Rheinufer,  das  damals  zu  Frankreich  gehörte,  zum 
Sit/,  der  Verhandlungen  zu  wählen.  Cobenzl  schien  die  Wahl 
des  französischen  Unterhändlers  nicht  zu  milJfailen,  denn 
man  halle  ilnii  diesen  sehr  vorteilhaft  geschildert.  Er  ent- 
Bchie<l  wich  daher,  ZU  bleiben. 

Frani;oiB  de  Neufchäteau  war  damals  ein  Mann  von 
48. Jahren.  Er  hatte  schnell  seinen  Lauf  Inder  Welt  gemacht. 
Kr  war  sehr  hegabt  und  hatte  sich  mehr  auf  schöngeistigem 
als politiBcheni<Jebiet  einen geachtetenNamenerworben.  Im 
Jahre  I7!ll  wiii  di'  er  Sekretär  der  Gesetzgebenden  Versamm- 
luiiji,  dann  Präsident  derselben  Körperschaft.  Er  behielt  auch 
seinen  Sitz  als  Abgeordneter  im  Konvent.  Nachdem  er  vom 
](').  Juli  bis  14,  Spptcndier  I7i»7  Minister  des  Innern  gewesen 
war,  kam  er  lui  Stelle  Canicls  ins  Dirfklorium,  schied  aber 
am  9.  Mai  I7!I8  wicili-r  aus.  Spater  schloß  er  aich  Napoleon 
an,  trat  in  den  Senat  und  wm-de  im  Jahre  1808  zum  Reichs- 
grafen ernannt. 

Fran^ois  de  .Xeufcliäleau  war  sanften  Charakters  und  dem 
Kriege  abhold.  Die  Zeitgenossen  schildern  ihn  als  einen  ver- 
söhnlichen, ehrlielien  Manu  mit  guten  Umgangsformen,  alec 
ganz  das  Gegenteil  von  Treilhard  und  Bonnier!  Im  Direk- 
torium hatte  er  anfangs  nur  eine  untergeordnete  Rolle  ein- 
genonnnen  und  sich  vorwiegend  mit  dem  Elementarunter- 
richt beschäfti^it.  Krst  s]iä(er  liatle  .sich  Reubell  mit  ihm  in 
die  li:rlcdLf.aniL:  i\cr  rliplouiaiisi'heii  AngelegeidiciLen  geteilt, 

Nach  seinen  \  or^chi-illcu  diErtlr  I-'ninv<>is  de  Noiifchäteau 
über  Koni.  Tn^cuia  iiiul  die  Scliwciz  unterha7idclii. 

dofli  mir  iWfi  i  li-cn-inudi-,  die  iiiclil  in  Uastüttzur  VYAy.v 
koiiuiieLisolllL-i,,  Al-i>  liuh  rier  ■A\u-iiv  S'Uz  den  ersten  wiediT 
auf !  Dann  haUu  er  wogen  der  Bernadottc  angetanen  Belei- 
digungen Genugtuung  zu  fordern.  Weitere  Vorschriften  er- 
hielt er  erst  später.  Der  ehemalige  Direktor  schien,  ^e  er 

I5i 


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selbst  später  einmal  an  Tallevraiid  achrieb,  nur  deshalb  nacb 
Welz  gesandt  worden  /ii  sem.  um  das  Niebtkomnien  Hoiiii- 
l>artes  (  "obeiizl  gcgeniiber  zu  cntsi^liuliligeM. 

Cohenil       It      I        II    (  t  f       i  jiwiinlige 

Verhalten  Bernudotits  in  \\  ii>n  \  iTiiiiii/c n.  denn  man  be- 


tra<;hlct('  I  I  cnllirlir.iL 

L'rhelH.T  d     I  1      \|    I    I  I  Il-1(h>/.u- 

liesteheii.  1    J  Uli  I     \  .■.aiLlliiuls 

bestrafen  woiie.  tiaupcsauruicn  aoersume  nur  «jcaandte  ver- 
suchen, Eutechädigungen  für  den  Kaiaei  in  Italien  heraus- 
zuschlagen und  die  Büokgabe  Roms  an  den  Papst  verlangen. 


155 


Am  30.  Mai  1798  begab  Bich  Cobcn/.l  y.um  erstenmal  auf 
das  linke  Rheinufer  nach  Selz,  und  wurde  dort  von  b'ran- 
(ois  de  Neufchäteau  sehr  liebenswürdig  empfangen.  Der  An- 
fang schien  günstig  zu  sein.  Beide  Unterhändler  kamen  ii  ber- 
ein, die  beiderseitigen  Ansprüche  in  Form  von  Denkschrif- 
ten zusammenKufasscn  und  sie  bei  der  nächsten  Zusammen- 
kunft vorzulegen.  Gleichzeitig  überreichte  Fran^ois  de  Neuf- 
chäteau seinem  Kollegen  eine  sehr  schöne  Büste  Bonapartes 
in  Marmor.  Cobenzl  dagegen  machte  dem  französischen  T^n- 
terbändler  im  Auftrage  seines  kaiserlichen  Herrn  für  den 
General  Bonaparte  einen  reich  mit  Edelsteinen  geschmück- 
ten Säbel,  der  auf  80  000  Gulden  Wert  geschätzt  wnrde,  zum 
Geschenk. 

Im  Laufe  des  Jlonats  Juni  fanden  in  Selz  verschiedene 
Sitzungen  der  beiden  Diplomaten  statt.  Es  wnrde  viel  ge- 
sprochen und  imterliandelt,  doch  konnte  man  zu  keinem  be- 
friedigenden Ergebnis  gelangen.  Der  französische  Unter- 
händler forderte  Genugtuung  für  Bernadette:  das  Wiodi  i- 
anbringen  der  Fahne  durch  österreichische  Offiziere  oder 
Beamte  und  Bestrafung  der  Übeltäter !  Wenn  dies  geachelien 
sei,  dann  werde  man  auf  die  österreichischen  Forderung^ 
eingehen, 

Cobenzl  hingegen  bielt  EÖch  fest  an  seine  Vorschriften, 
keiae  offizielle  Genugtuimg  zu  leisten  und  war  im  übrigen 
bestrebt,  den  zweiten  und  wichtigeien  Teil  sdner  Instrok- 
tioaen  znr  Ausführung  zu  bringen.  Er  suchte  vor  aUem  in 
Italien  für  den  Kaiser  und  für  den  Papst  EctBchädigungen 
zu  erlangeiL  Aber  davon  wollte  Fran^ois  nichts  wissen!  Er 
hatte  die  österrelohisohe  Denkschrift,  die  ihm  Cobenzl  über- 
geben hatte,  nach  Paris  gesandt  tmd  über  die  weitezen  Un- 
terhandlungen bmchtet.  An  Stelle  Fraa^^  de  NeufchS- 
teauB  war  Treilhtad  ins  Direktorium  geirälilt  worden*).  In 
Abwesenheit  ßeubells  arbeitete  er  am  7.  und  10.  Juni  neue 

*)  Er  verlioB  am  19.  Mal  Rastatt,  um  di«  neue  Wörde  antitntluiicn. 
156 


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^  orsclmfton  fiir  den  Lnterhandler  in  Selz  a\iH.  die  die  f;c- 
spaiiTitc  I.aüo  nur  mn-h  vprsnlwrftori.  Fran^ois  sollte  noch- 
imtls  (•i'mi'juuuüT  liir  den  heriiiidotte  angetanen  Schimpf 
■.  LTlaiiL'1.11.  aut  Italien  üll'Ii  abiT  gar  nicht  emlafisen  und 
»cgii-n  der  Deutschland  betretfunden  Anftelegenheiten  auf 
Ftastatt  verweisen,  da  dort  der  (trt  für  diew  Uewliäfte  sei. 

Jio  unterhandelte  man  in  den  niiehstenSit/.ungeu  ergebnis- 
los, obgleidi  derTtminimerliöflicli  undKiivorkoiumend  blieb, 
i  .-  >;cliien  jedem  der  beiden  Diplomaten,  als  ob  der  andere 
1 1  II-  l.  nterliandhmgen  nur  bin.nisse hieben  "  olle.  um  /eit  /,n 
L'eniimen,  damit  ihre  Regierungen  waiirenddessen  einen 
neuen  Kneg  vorbereiten  konnten,  Schüeßlieh  teilte  Fran- 
C018  de  Neufchateau  im  Namen  seiner  Regierung  dem  Gra- 
fen Cobeozl  mit.  daß  die  franzosische  Regierung  verzichte, 
eme  offizielle  Genugtuung  für  Bemadotte  ku  erhalten.  Eb 
genage  dem  Direktorium,  wenn  die  österreichische  Regie- 
rung die  Schuldigen  bestrafe  und  den  matenellen  Schaden 
ersetze.  Vielleicht  wollte  man  in  Pans  freie  Hand  für  den 
ägyptischen  Feldzug  haben  und  gegenwärtig  emen  Kneg 
vermeiden.  Oobenzl  jedoch  blieb  fest,  denn  inzwischen  hatte 
er  von  der  Besitznahme  Maltas  durch  Boiiaparte  erfahren. 
Bie  Schweiz  war  auch  größtenteils  von  französischen  Trup- 
pen besetzt  worden.  Was  würde  der  Welt  noeh  bevorstehen, 
wenn  das  so  weiter  ginge  7 

Cobenzl  glaubte  nicht  mehr  an  die  Aufrichtigkeit  des  Di- 
rektoriums, den  Frieden  zu  erhalten,  denn  das  wahre  Ziel 
der  überseeischen  Expedition  Bonapartes  war  ihm  damals 
noch  nicht  bekannt,  „Es  bleibt  Eurer  Majestät  nur  übrig", 
'ichrieb  er  an  den  Kaiser,  „zu  den  Waffen  zu  greifen.  Frank- 
reich ivill,  nach  dem,  was  in  Italien  und  der  Schweiz  vorge- 
fallen ist,  nicht  zurücktieten  noch  unsere  Grenzen  ausdehnen 
lassen.  Das  Direktorium  wänaoht  zwar  noch  keinen  offenen 
Streit.  Eb  ist  aber  augenscheinlichf  daß  ein  bleibender  Frie- 
den nur  dann  möglich  ist,  wenn  unsere  gerechten  Beschwer- 


157 


den  erledigt  und  die  wesentlichen  Interessen  unserer  Mo- 
narchie befriedigt  werden!" 

Erreicht  wurde  also  trotz  des  persönlichen  guten  Willens 
der  Unterhändler  in  Selz  nichts.  Es  erfolgte  aber  (UK'h  kein 
Bruch  der  diploninti.tclien  Beziehungen,  sondern  man  scIiipH 
in  der  ]et7,t«n  SitKunfi  vom  7.  .luli  nh  gute  Freunde.  Kacli- 
deni  sich  Cobenz!  vergewissert,  dalJ  Fran^'oiK  am  9.  Juli  IScl? 
verlassen  hatte,  reiste  er  am  10.  nach  Wien  ab,  wo  er  be- 
reits am  \  eintraf.  Kr  war  bis  nach  der  Al>reise  des  fran- 
zösischen rnterliändlers  gebliehen,  damit  man  seiner  Re- 
giei  iuig  nicht  den  Abbnicli  der  friterhandlungen  zur  Last 
legeii  könne. 

nie  leitenden  Staatsmänner  Österreichs  waren  naeh  den 
crgelmisloKcn  Verhandlungen  in  Selz  entschlossen,  nicht 
früher  an  einen  wirkliclien  Frieden  mit  l'"rankreich  zu  glau- 
ben. ;i]s  bis  die  l''r:in/,osen  die  Schwei/  und  Italien  verlassen 
hä1  ten.  und  l>is  die  verloren  gegangenen  österreichischen  (!e- 
bicte  wieder  gewonnen  wären.  Um  mit  Erfolg  die  Fraiizo- 
sisclic  Kcpuhlik  zu  bckiini]ifcn,  daxu  bedurfte  man  kräfti- 
ger Bundesgenossen,  vor  allem  a,ber  hoffte  man  auf  ein 
tätiges  Eingreifen  des  neuen  Zaren  Faul  1. 1 


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SIEBENTES  KAPITEL 

DAS  ENDE  DES  KIRCHENSTAATS 
(September  1797  bis  März  1798) 

VERFARSUNfiRÄNDERTlNO  !N  DER  ZISAL- 
l'INIS('HI';\  RKITHI.IK 
(Februar  Iiis  Dezember  ITHa) 

1. 

Boiiaparte  verfolgte  dem  KirclieiiHtaat  gegenüber  eine 
andere  Politik  als  das  Diroktorium*).  Die  f^i'gii'riiriir.  vor 
allein  Larevelliere-ljepeaiix  und  später  auch  .Merlin  de 
Douai,  waren  für  eine  Auflösung  der  päpstlicben  Herrschaft. 
Booaparta  hingegen  wollte,  teils  aus  nulitäriachen  und  poli- 
tisohen  Gründen,  teils,  um  mehr  Hilfsquellen  aus  Kom  zu 
ziehen,  den  Papst  schonen.  Er  riet  daher  zur  Mäßigung. 

Hätte  er  im  Februar  1797  die  Dinge  auf  die  Spitze  ge- 
trieben, so  wäre  der  Krieg  mit  Neapel  unausbleiblich  ge- 
wesen. Und  gerade  damals  machte  der  Kaiser  große  An- 
strengungrak,  um  nochmals  das  Kiiegeglüok  auf  die  Probe 
zu  stellen  und  Italien  wieder  zu  erobern.  Bei  einem  Zu- 
sammeDstoß  mit  Neapel  wäre  Bonapartes  Heer  wischen 
zwei  Feuer  geraten  und  die  französische  Herrschaft  in 
Italien  sehr  gefährdet  worden.  Femer  hätte  fVankreioh, 
falls  ea  im  Frühjahr  17Ö7  der  weltlichen  Ma<;ht  des  Papstes 
ein  Ende  geniaeht,  niemals  su  viele  Millinaen  und  Kunst- 

•)  Vgl.  daiu  (la.'i  10.  Kapit,-!  des  im-il"ri  Ballcll■^'.  Hi;it/-  iJ-fl— 2H7. 


159 


schätze  aus  dem  Kirchenstaate  gezogen,  denn  man  hatte 
sich  mit  der  Zahluog  einer  Kriegsateuer  durch  den  Vertrag 
von  Tolentino,  wenn  auch  wider  Willen,  einverstanden  er- 
klärt. 

Die  ungeheuren  Kriegskosten,  die  Auslieferung  und  Weg- 
fühnmg  zahlreicher  Kunstwerke,  die  Unterschleife  Hallerti. 
des  General  Verwalters  der  Finanzen,  und  der  übrigen  fran- 
zoaischen  Zivilkornmissare  brachten  in  Rom  allmählich  eine 
Erbitterung  hervor,  die  einen  baldigen  Ausbruch  von  Feinti- 
seligkeitcn  gegen  die  verhaßten  Fremden  vermuten  ließ. 

Das  gerade  war  es,  was  die  leitenden  Kreise  Franhreicbf 
wünschten,  denn  nach  dem  18.  Fructidor  war  die  Kriegs- 
Partei  in  Paris  immer  stärker  und  anmaSender  geworden. 
Der  Frieden  mit  Österreich  war  abgeschlossen,  der  mit  dem 
DeutBohen  Beiohe  stand  bevor.  Man  hatte  jetzt  die  HSnde 
frei,  lim  den  Einfluß  Frankreiobs  und  seiiie  Maohtbefng- 
nisse  auszudehnen.  Man  befürohtete  dnrohans  moht  mebr, 
mit  Neapel  in  offene  Zwistigkeiten  zu  geraten,  gesohwe^ 
denn  mit  Rom,  das  nooh  im  Februar  1797  Beine  unglaab- 
liebe  militäriBohe  Schwäche  bewiesen  hatte. 

Da  Caoault  den  Papst  mit  zu  viel  Achtung  behandelte, 
hatte  das  Direktorium  Joseph  Bonapwrte  zum  GesimdteD 
in  Rom  ernennen  lassen.  Am  1.  Angust  trat  dieser  seinen 
neuen  Posten  an.  Joseph  war  ein  Mann  von  gemäßigten 
Grundsätzen  und  in  diplomatischen  Dii^en  wenig  eifahreiL 
Uber  seine  Rolle  in  Rom  ist  nicht  viel  bekannt;  er  scheint 
aber  persönlich  zu  den  Bepnblikanem  im  Kirchenstaat 
nicht  in  Beziehung  getreten  zu  sein. 

Das  Direktorium  war  jetzt  zn  einem  Bruch  mit  dem  Papst 
bereit.  Schon  am  10.  Oktober  1797  hatte  TaQc^and  im  Auf- 
trage des  Direktoriums  w  den  neuen  friuizösiBoben  Ge- 
sandten in  Rom  in  diesem  Sinne  schreiben  müssen.  Die 
große  Sohu^  der  diplomatischen  Agenten  niederen  Grades 
tat  das  ihrige,  um,  so  viel  sie  konnte,  Unfrieden  und  Unzu> 

160 


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friedenheit  zu  stiften,  wußte  sie  doch  sehr  wohl,  daß  sie  im 
Palazzo  Corsini,  dem  Sitze  der  französischen  Gesandtschaft, 
immer  Schutz  und  Unterstützung  fuiden  ^viirde. 

Daß  Pius  VI.  die  Zisalpmische  Repubhk  anzuerkennen 
verweigerte,  und  den  General  Marquis  de  Provera,  der  den 
"Franzosen  so  oft  auf  Seiten  der  Österreicher  im  Felde  gegen- 
tanden,  zum  Oberbefehlshaber  der  päpstlichen  Trup- 


pen ernannt  hatte,  trug  nicht  wenig  dazu  bei,  die  Beziehun- 
gen zu  Frankreich  zu  verschlimmern. 

Eine  CJelegenheit,  sich  in  die  inneren  Angelegenheiten  des 
Staates  einzumischen,  sollte  sich  den  Franzosen  gar  bald 
bieten.  Am  27.  Dezember  1797  kam  es  in  der  Nähe  der  fran- 
zösischen Botschaft  zu  einem  Auflauf,  der  am  nächsten  Tag 
f^ößeren  Umfang  annahm.  Unruhestifter  hatten  einen 
päpstlichen  militäriachen  Posten  angegriffen,  waren  aber 

11  m 


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zurückgeworfen  worden  und  suchten  Schutz  im  Bereiche 
der  französischen  Gesandtschaft.  Ein  Teil  der  päpstlichen 
Soldaten  verfolgte  die  Aufriihrcr  bis  in  den  Hof.  Es  war  ge- 
rade Essenszeit.  Joseph  Bonaparte  eilt«,  von  den  Generalen 
Duphot  und  Sherlock,  dem  jungen  Eugen  Beauharnais  umi 
anderen  Offizieren  seines  Gefolges  begleitet,  in  den  Hof  und 
machte  den  eindringenden  päpstlichen  Soldaten  heftipe 
Vorwürfe,  daß  sie  das  Gesandtschaftsrecht  auf  die  groben 
Weise  zu  verletzten  wagten.  Bei  dieser  Gelegenheit  wunif 
der  junge  General  Duphot  getötet.  Nur  mit  Mühe  koniitr 
man  den  verstümmelten  und  beraubten  Leichnam  im  Ge- 
sandteoliaft^liäude  in  Sicherheit  bringen. 

!Bb  ist  schwer,  sich  ein  genaues  Bild  über  diese  Yot^sip 
vor  der  (ranzSsisohen  Geeandtscbeft  und  beeondas  über 
den  Tod  Duphots  zu  bilden,  .denn  die  Mcdnungen  der  Aogeii' 
zeugen  gehen  anSerordentUch  auseinander.  Auch  Aex  Be> 
riebt  Joseph  Bonapartes  an  seine  Begierung,  der  in  grÖBfer 
Eile  und  Bestürzung  abgefaßt  wurde,  verschafft  uns  beiiie 
Klwhät.  Jedenfalls  sind  die  Depesche  des  spanischen  Ge- 
sandten Azara  und  des  pieußisoh^  LegaläonssekretSTs  dem 
römischen  H<rfe  entschieden  ungünstig. 

Joeepli  Bonaparte  war  uhec  den  Tod  des  Mannes,  der  die 
Absicht  hatte,  sich  in  deniüobBten  Tagen  mit  aräner  Schwä- 
gerin zu  verheiraten,  und  über  die  Verletzung  des  Gesandt- 
schaftsrechts außer  sieh.  Trotz  aller  VorsteQungen  des  be- 
freundeten Gesandten  von  Spanien,  Chevalier  d' Azara,  imd 
des  GeschSftstrt^^  des  GroSherzogs  von  Tosoana,  An^»- 
lini,  vor  allem  aber  des  päpstlichen StaatssekretöirB,  Kudinal 
Doria  Pamfili,  änes  gemäßigten  und  einächtsvtdlenMannc^. 
beschloß  Joseph  Bonaparte  unveiztigliob  abzureisen.  \m 
29.  Dezember  früh  brachte  er  seine  Al»iaht  zur  Ausführung. 

Nichts  konnte  dem  IHiektortum  imgenehmfflr  sein,  ai£ 
diese  von  der  päpstiioheu  Regierung  ganz  unversohnidete 
Verletzung  des  Völkerrechts! 

162 


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i 


Die  Nachricht  von  den  Vorfällen  in  Rom  kuni  jim  11.  .fn- 
nuar  1798  in  Paria  an.  Sogleich  vereinigtpn  sich  die  Direk- 
toren in  auilerordentliehcr  Sitzung  und  beriefen  auch  Honii- 
(larlc  liazii.  Zuerst  wollte  man  die  üuüersten  Maßnahmen 
treffen,  den  Papst  absetzen  und  den  Kirehenstaat  der  Zis- 
alpitüachen  Peijublik  einverleiben.  Der  General  riet  aber 
auch  jetzt  noeh  zu  einer  ruhigeren  lietraehtung  der  Sach- 
lage und  sprach  Joseph  gegenüber  ^eine  Ünzufriedenheit 
über  die  Rreignisae  in  Rom  aus.  Im  Auftiape  des  Direkto- 
riums, besonders  unter  Mitwirkung  dc^  daniuhgen  Präsi- 
denten Merlin  de  Douai,  erteilte  Bunajiarte  dem  Generai 
Berthier,  der  nach  seinem  Abf,'ang*)  das  ItaHeniselie  Heer 
befehligte,  in  einem  Schreiben  vom  1 1.  .lanuar  eingehende 
Vorschriften  über  einen  nach  Rom  zu  unternelimenden 
Marsch,  Das  Schriftatiick  zeugt  von  einer  gewissen  Eüe,  und 
es  mangelt  ihm  an  Klarheit  und  Schärfe. 

Berthier  sollte  einige  bereits  auf  dem  Wege  nach  Frank- 
reich befindliche  Halbbrigaden  auflialten,  um  seine  Trup- 
pen zu  verstärken  und  dann  so  schnell  wie  mögHeh  naeli  dein 
Kirchenstaat  marschieren.  Ki'sl  in  Macerata  sollte  er  ein 
Manifest  gegen  den  l'apst  erlassen,  daß  er  käme,  um  die 
Mörder  des  Generals  Dujihot  zu  bestrafen.  In  Rom  ange- 
kommen, hatte  er  den  Auftrag,  die  Häupter  der  Gegner 
Frankreichs,  vor  allem  den  Kardinal  Albani,  verhaften  au 
lassen.  Ferner  war  ihm  ans  Herz  gelegt  worden,  seinen  gan- 
zen Einfluß  aufzubieten,  um  eine  Römische  Republik  ein- 
zurichten, ohne  daß  er  sich  jedoch  selbst  daran  beteilige. 

An  demselben  Tage  fertigte  Bonnparte  auch  \'orschrif- 
ten  für  den  General  Brune  ans,  der  als  anUerordctilliclu  r 

einer  Besi-t/iiii;^  des  Kirc!u.:u^hiul-  iih/iilKilU>;i  U)i.|  ihiii  di.- 

■}  BenbiST  hat!«  am  12,  Dtsamboc  17B7  Befelil  erholten,  Parm  zu  verlasiieD, 
um  aioh  naoh  Mailand  EU  begeben,  wo  et  am  IS.  oder  IB.  Dezember  eintieHen 
aoUSo. 


11* 


daraus  entstehenden  (iplahren  vor  Augen  zu  führen.  Jeden- 
falls wurde  Brune  beauftragt,  wenn  es  sein  müßte  mit  cineni 
sofortigen  Einfall  zu  Wasser  und  zu  Lande  zu  drohen. 

General  Berthier  war  wenig  von  der  Ehre  erbaut,  da!- 
man  ihn  mit  dem  Befehl  über  eine  Straf expedition  nacli 
Rom  betraut  hatte.  Er  war  zu  unselbständig,  ein  Heer  z\: 
befehligen  und  fürchtete  auch  die  Verantwortlich krit,  dif- 
ein  sol  eil  er  Posten  mit  sich  bringt.  Viel  Heber  wäre  er  Bona- 
partes  Generalat absehe f  der  Armee  von  England*)  geweeen, 
statt  die  Kassen  für  dessen  Heer  füllen  zu  müssen,  wie  ^ 
flieh  Bonapart«  gegenüber  beklagte! 

Am  18.  Januar  erhielt  Berthier  den  Befehl  Bonapartes, 
und  noch  am  Ende  desselben  Monats  setzte  er  sich  von 
Ancona  aus  in  zwei  Kolonnen,  von  denen  die  eine  über  Ma- 
cerata,  Tolentino  und  Serravole,  die  andere  über  Fossom- 
brone,  Cagli  und  NTocera  marschierte,  auf  die  Ewige  Stadt 
in  Bewegung, 

Unterwegs,  in  Lorctto,  nahm  er  einige  hundert  päpst- 
liche Soldaten  gefangen;  die  ihm  entgegengeschickten  Ge- 
sandten des  Papstes  und  der  Könige  von  Neapel  und  Spa- 
nien empfing  er  jedoch  nicht.  Am  10.  Februar  kam  er  vor 
den  Toren  Roms  an  und  nahm  in  der  Villa  MeUini  auf  dem 
Monte  Mario  sein  Hauptquartier.  Hier  schloß  er  am  selben 
Tage  mit  den  Abgeordneten  des  Papstes  ein  Ubernnkom- 
men  ab,  auf  Grund  dessen  die  Herrschaft  des  Papstes  be- 
stehen bleiben  sollte.  Doch  mtißte  äoh  Pins  VI.  verpflioh- 
ten,  sechs  Millionen  Piaster  zu  bezahlen,  zaiüzeiche  Kunst- 
werke auszuliefern,  3000  Pferde  zu  stelle  die  „Mörder" 
■)  Daa  wuQte  Bonaporte  aehr  wobl,  denn  iJa  er  Berthlei  am  11.  Jaimar  ■& 
VotHbiUten  f  Üi  den  Matsoh  auf  Rom  übermittelte,  fügte  er  nooh  sin  vcc- 
tnnilich  gehaltenes  Schreiben  hinzu,  in  dem  ea  hießt  ,J8S»  ahid  Slmgais  mm 
Oeneialstabechef  der  Armoe  von  England  OTnannt  -worden,  dooh,  wohlw 
standen  ont.  wenn  Sis  Italien  den  Frieden  und  dis  nationale  Ehre  wiedra- 
gegobon  haben!"  BonopoTle  hatte  Beithier  übrigens  bereite  am  6.  Jaunat  an- 
gekündigt, daD  er  zum  OenGralstabschef  der  noch  BngtandbealimmteiiAtmw 
ernannt  irpiden  würde. 

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Dupliota  bestrafen  zu  lassen  und  diu  Besetzung  der  Isiigtls- 
burg  durch  die  Franzosen  zu  pestiitt«n.  Am  naehsten  Tage, 
den  11.  Februar,  es  war  an  einem  honiitaj;i^.  niL'liteii  die 
•trsten  französischen  Truppen  unter  dcneral  Ccrvoni  in 
Rom  ein  und  besetzten  auber  dem  Monte  Mole,  den  Forta 


Perugia  und  Civita  (Jastellana  das  Kapitol.  dfn  Monte 
Cavallo  und  den  Dreieiiiigkeifsherg. 

Noch  ehe  Berthier  seinen  Jlarseh  nach  Boin  antietrett-n 
hatte,  waren  ihm  zwei  Bittseliriften  von  der  deiiiokrati- 
sohea  Partei  in  Born  zugegangen.  Man  bat  ihn,  die  tyran- 
nische Begierung  des  Papstes  umzustoßen  und  für  die  Er- 


I 


niorcliiiig  lies  GoiieraiM  Diipliot  blutige  Eaislie  ku  nehniei! 
AIh  er  dann  vor  Rom  angekommen  war,  hoffte  er,  dalJ  ihn 
die  römigclien  Republikaner  mit  offenen  Armen  empfangen 
wiirdi'ii.  Kr  täuwc^lite  sicii  aber  sehr  und  machte  noch  am 
selben  Tage  (am  10.  Februar)  in  einem  Briefe  an  den  Ge- 
nera! Bonaparte  seinem  Herzen  Luft:  „Ich  habe  in  diesem 
Lande  nichta  wie  die  tiefste  Bestürzung  gesehen,"  schrieb 
er;  „von  einem  Sinn  für  Freiheit  habe  ich  nirgends  die 
geringste  Spur  gefunden.  Ein  einziger  Patriot  ist  zu  mir 
gekommen;  er  hat  mir  das  Anerbieten  gestellt,  ich  solle 
2000  Galeerensklaven  in  FreiheitsetKcn;  Sie  können  sich  vor- 
stellen, wie  ich  ihn  verabsehiedet  habe.  Der  größte  Dienst, 
den  Sie  mir  leisten  könnten,  wäre  meine  Abberufung," 

Berthier  verfuhr,  seinem  reclitscliaffenen  Charahter  uiui 
seinen  Vorsehriften  gomälJ,  sehr  mild ;  doch  bald  nach  seinci 
Ankunft  in  liom  erhielt  er  ein  neues  Schreiben  vom  Direk- 
torium, das  wesentlich  schärfere  Maßnahmen  gegen  den 
Fapst  verlangte.  Berthier  sollte  nichts  weniger  tuoi  als  die 
Herrschaft  des  FapBtes  auflösen  und  eine  Römische  Re- 
publik einrichten. 

Der  Generalverwalter  der  Finanzen,  Haller,  der  mit  den 
römischen  Zuständen  trohl  vertraute  aber  rüchBtohtsIoBe 
General  Cervooi,  vor  allem  aber  der  verhaSte  Bassal,  äa 
ehemaliger  Pfarrer  von  Notre-Dame  in  Paris  und  ISit^xd 
des  Jakobinerldabs,  tragen  eifrig  dazu  bei,  die  Wünsche  des 
Direktoriums  bald  zu  verwirklichen  und  das  Volk  gegen  die 
päpsÜiche  Herrschaft  aufzuwiegeln.  Senn  um  der  Staats- 
veränderung einen  gewissen  Schein  des  Rechts  zu  vei^ 
leihen,  sollte  der  Anlaß  aus  dem  Sohoße  des  römischen  Vol- 
kes selbst  erfolgen. 

Berthier  hatte  vorsichtigerweise  alle  militärischen  Maß- 
nahmen treffen  lassen,  um  in  jeder  Weise  den  Ereignissen 
gegenüber  gerüstet  zu  sein.  Es  sollte  aber  nicht  so  wrät 
kommen,  denn  am  16.  Februar,  dem  J^irestage  der  Wahl 

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des  Papstes  Pius  VI.,  vereamnielten  sich  einige  hundert 
Leute,  Republikaner,  Neugierige  oder  Nichtstuer,  die  zu 
jeder  Zeit  zu  Unruhen  bereit  sind,  auf  dem  Carapo  Vaccino, 
dem  ehemaligen  Forum,  pflanzten  einen  Freiheltebaum  auf 
und  liielten  begeisterte  Keden  auf  die  Fr^eit  des  römischen 
Volkes, 

Unter  den  Rufen  „Es  lebe  die  Freiheit"  erklärte  sich  diis 
römische  Volk  für  frei,  und  vier  Notare  naiinien  diese  „Tat 
des  souveränen  Volkes"  offiziell  in  einer  Urkunde  auf,  die 
von  den  Anwesenden  unterzeichnet  wurde.  Slan  wählt«  eine 
provisorische  Regierung  von  läiebfn  Konsuln*)  und  t^andte 
acht  Abgeordnete  an  Berthier,  um  den  französischen  Ober- 
general von  dem  Entschluß  der  römischen  Nation  in  Kennt- 
nis zu  setzen.  Berthier  nahm  die  Abgesandten  gnädig  auf, 
und  an  der  Spitze  seines  glänzenden  Generalstabes,  eiaeä 
Bataillons  Grenadiere  und  300  Mama  Kavallerie  hielt  er  zum 
ersten  Male  seinen  feierliohen  Einzug  in  Kom,  um  dem  rö- 
mischen Volke  die  IWheit  zu  geben.  Als  ihm  eine  zweite 
Abordnung  am  Porto  del  Popolo  einen  Ohvenhranz  über- 
reichte, nahm  er  diesen  in  bescdteidener  Weise  nur  im  Namen 
des  Generals  Bonaparte,  des  Befreiers  von  Italien,  an.  Auf 
dem  Kapitol  hielt  er  darauf  eioe  fdediohe  Ansprache  an 
das  Volk,  das  er  zu  der  wiedergewonnenen  Freiheit  beglück- 
wünschte und  es  an  seine  Vorfahren  Cate,  Pompejus,  Cicero 
und  Brutus  erinnerte. 

Währenddeesen  überbrachte  der  General  Cervoni  dem 
Papste  die  Mitteilung,  daS  Pius  VI.  an^^ehört  habe,  zu  re- 
gieren. Es  war  gerade  am  23.  Jahrestage  aemea  Refpernngs- 
antrittes.  In  erbärmlicher  Weise  wurde  der  durch  Kammer, 
Sorgen  und  Krankheit  niedergebeugte  Pius  von  Haller  be- 
handelt. Fr  ertrug  aber  alle  ihm  angetMien  Kränkungen  mit 
Würde  undGeduld.  Als  ihm  der  GeneralCervoniimNamen  der 

*)  Es  vraren:  Carlo  Luigi  Coatantini,  RiguiU,  Baasi,  Oioaohmo  Pesauti,  der 
Herzog  Bunelli,  Hsggi  und  Stampa. 

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friinzösipchrn  Regierung  eine  Pension  von  IJIHIIKKI  Fiitnkeu 
iinhot,  faila  er  auf  seine  Wü nie  verzieliteii  wolle,  aiitwijrtete 
er:  ,,Ich  erkenne  keine  anderen  Kliren  an,  dh  die.  mit  denen 
niich  die  Kirche  ausgezeiclinet  hat.  Auf  Onuui  einer  freien 
Wahl  besitze  ich  meine  Würde  allein  von  (lott  nnd  kann 
und  darf  nicht  darauf  verzichten.  Ich  hin  heinahe  SO  .lalire 
alt,  branclie  keine  Pension  und  hahe  niclits  mehr  im  i-ehen 
zu  befürchten.  Diejenigen,  die  die  Macht  in  den  Händen 
haben,  mögen  meinen  Körper  der  Gewalt  und  neniiitiguiig 
preisgeben,  doch  ist  meine  Seele  bo  stark,  m  frei  und  ho 
standhaft,  sali  sie  lieber  in  den  Tort  gehen,  als  ihre  Ehre 
und  ihren  Gott  beleidigen  würde!" 

Genera!  Tcrvoni  war  von  llerthicr  zum  liefehlshaber  der 
Stadt  Rom  ernannt  worden.  Als  solcher  hatte  er  am  nächsten 
Tage,  am  16.  Februar,  vom  Monte  Citorio  aus  dieZuaammen- 
sotzung  der  von  Nicola  Corona  und  Ennio  Qiürino  Visconti 
geleiteten  vorläufigen  Regierung  dem  Volke  bekannt  zu 
geben. 

Am  22.  Februar  kamen  die  JvouimisHare  des  Direktori- 
ums Monge,  Daunou  und  Florent  in  Rom  an.  Faipoult  war 
schon  früher  aus  (Jenua  eingetroffen.  Außer  Florent  waren 
es  lauter  bekannte  Namen.  In  wenigen  Tagen  sollten  sie  auf 
Grund  der  vom  Direktorium  empfangenen  Vorschriften  ge- 
meinsam mit  dem  kommandierenden  General  in  Itom  die 
Verfassung  der  Römischen  Republik  aiisarbeiten.  . 

Zum  Teil  nach  dem  Muster  der  französischen  Verfassung 
wurden  fünf  Konsuln*),  32  Senatoren  und  72  Tribiuien  ein- 
gesetzt. Als  Qeneraleekretär  erhielt  die  neue  Bepublik  den 
ehemaligen  Jakobiner  Bassal,  einen  schlecht  beleumundeten 
Mann.  Bas  Land  wurde  in  aoht  Departements  imd,  eben- 
falls nach  französiBobem  Muster,  in  entsprechend  viele  Kan- 
tone und  Oemeinden  eingeteilt. 

')  Eg  iTMaoi  Angetaoci,  Ennio  Qnirino  Viaeonti  and  Reppi  ftua  Rom,  Psnoici 
MH  Anooua  und  De  Matjieb  aus  Froainone. 


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ihf6v  III  trroilk'r  Schiiplligkoit  aiisgearbeitete  \erfaseuiiL; 
trat  boioitHaii)  21).  Mäiv.  m  Kraft.  Ehe  aber  die  neue  Republik 
mit  Fraiikrei.  li  cm  huiKims  abL'wdiloBsen  hatte,  durftfi; 
die  Gesetze  aal"  l.:i  vuid  dc^^  Paiaeniphen  369  nur  mit  Zu- 
ftimmuiiL'  fies  tratiKiiHiPchon  Oborgprioriils  erlassen  werden. 

DicL-an/f  Khirii  liliinf;  der  Itiimist'heii  Republik  «  ar  wei- 
ter iiLulils  als  oiti  L'osweiiyiiiel  des  liirektoruniiK.  und  die  Ver- 
fassunfi  war  nur  emo  inif  telniaßieeNathahmuDg  der  franzo- 
sischen. Nachdem  mnn  Miüioiirn  über  Mdhonen  aus  dem 
ungiuokht^tieii  Kirclicustaal  '^i-v.'uji'i,  hatte,  gab  man  ihm  in 
kürzester  Zeit  eine  Regierung,  die  das  Land  ganz  voni^rank- 
reich  abiiängig  machte.  £ilatürlioh  waron  die  fünf  Konsuln 
aoH'ie  die  übrigen  Beamten  nur  willige  Werkzeuge  der  Fnm- 

In  achamloser  Weise  verfuhr  man  mit  den  Besitzungen 
des  Papstes,  seiner  Familie  und  der  Kirchenfiirsten.  In 
gleicher  Weise  gingen  auch  die  Agenten  des  DirektoriumB 
initdenRirehen,  den  öffentliohen  und  privaten  Sammlungen 
um,  die  sie  schonungslos  ausplSnderten.  Zahlreiche  Ver- 
haftungen wurden  vorgenommen,  und  die  Stadt  mirde  mit 
neuen  Krieg«steuern  belas'tt't.  Xatürüch  wandert«  ein  proßi'i 
Teil  der  gestohlenen  und  simst  uiireohirnäüig  erworbenen 
Saohen  in  die  Hände  ungetreuer  Beamter  und  höherer  Offi- 
ziere, die  dann  den  Krlös  mit  liederlichen  Frauen  verpralJ- 
tea,  während  da«  Heer  Hunger  und  äußerste  Not  litt. 

Haller  besaU  sogar  die  Dreistigkeit,  die  Hinge  von  den 
Händen  des  Heiligen  Vatera  zu  verlangen.  Und  als  Pius  Tl. 
ihn  bat,  man  möge  ihn  doch  in  Bom  sräie  alt«n  Tage  be- 
schließen lassen,  antwortete  ihm  der  Elende:  „Sterben 
können  Sie  überall!"  Haller  scheute  sich  auch  nicht,  sich 
die  Privatbibliothek  und  die  Garderobe  des  Papstes  aosu- 
eignen.  Nichts  war  vor  diesen  Buiditen  mcher:  die  Privat- 
sammlungen  des  Papstes,  überhaupt  der  ganze  Vatikan 
wurde  von  den  französischen  Zivilbeamten  ao^eplündertl 

170 


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Atn  1 7.  Fclini^^r  teilte  man  dem  Kardinal  Doria  mit,  daß 
der  Pftijst  nach  Toscana  gebracht  werden  sollte.  Am  20.  Fe- 
hruiir,  noch  vor  Tagesanbruch,  mußte  der  ungliickliclk' 
kranke  Greia  Rom  verlassen,  um  sich  als  einfacher  Privai- 
mann  nach  dem  Ort  seiner  Bestimmiing  zu  begeben.  Ubti 
Monterosi,  Viterbo  und  Montcfiascone  kam  der  Heilige  Va- 
ter am  23.  Februar  an  der  Crenz.e  ToscanaH.  und  am  25.  in 
Siena  an.  Hier  stellte  ihm  der  Erzbischof  das  Augustiiier- 
kloBter  zur  Verfügung,  Gern  hätte  der  Großherzog  von  To-- 
cana  dem  Papste  mehr  Erleichterung  und  Entgegenkom- 
men erwiesen,  aber  er  war  selbst  nicht  mehr  eigener  Herr 
in  seinem  Lande  und  fiircliteto  cioii  Zorn  Direktoriumf!. 

Die  Direktoren  wollten  dfn  Papst  zuerst  nach  Portugal 
bringen  lassen;  in  einem  IJriefe  vom  26.  Februar  befahlen  sie 
sogar  dem  General  Berthier,  den  Gefangenen  nach  Brasilien 
zu  schaffen!  Es  ist  au gonsc heinlich,  daß  die  französische 
Regierimg  hoff te,  der  gebrechliche,  todkranke  Mann  würde 
auf  der  Überfahrt  sterben.  Vermutlich  wurde  die  zu  seiner 
Überführung  bestimmte  Fregatte  von  den  Engländen 
aufgegriffen ;  jedenfalls  blieb  Piue  VI.  vorläufig  in  Siena, 
bis  der  Ciroßherzog  Ferdinand  III.  ihn  aus  politischen 
Gründen  am  25.  Jlai  1798  nach  der  Kartause  bei  Florenz 
schaffen  ließ.  Des  alten  Papstes  Tage  waren  gezählt, 
aber  man  ließ  ihn  hier  nicht  einmal  in  Ruhe  sterbe». 
Nach  der  Besetzung  Toscanas  im  nächsten  Jahre  wurde 
er  zuerst  nach  Turin,  dann  nach  Volence  überführt,  wo  er 
am  29.  August  179d  sein  trauriges  Dasein  beschloß. 

Berthier  hatte,  wie  erwähnt,  den  Befehl  über  das  zur  Be- 
setzung des  Kirchenstaates  bestimrote  Heer  nur  sehr  un- 
gern übernommen.  Beständig  raging  er  sich  in  Klagen  gegen 
Bonaparte  wegen  der  Stdiimg,  die  ihm  dieser  g^eben  habe. 
Bereits  am  I.  Januar  1798,  lange  noch  ehe  äah  das  Heer 
in  Marsch  gesetzt,  und  später  noch  zu  wiederholten  Malm, 
hatte  er  das  Direktorium  um  seine  Entlassung  gebeten.  Sie 

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sollte  ihm  auch  bald  bewilligt  werdcnl  Sei  es,  ilaß  ilm  ihif 
Direktorium  für  zu  milde  zum  Oberbefehlshaber  der  Armee 
in  Rom  hielt  iinci  mit  seinen  menschonfrcimdhohen  !Mnß- 
niihnicn  unzufrieden  wiir.  sei  es,  diilJ  TSonapaiie  ihn  für 
seine  überseeisulie  Kxpeclition  in  der  Xähe  liaben  wollte, 
jedenfalls  \vTirdc  lierthier  durch  den  Cieneral  Massena  er- 
setzt, der  sieh  infolge  seiner  Riic!isiclitsl<j;iigkeit  hesser  zur 
Hrandschnt7,UTig  des  Kirclienstaats  eignete  ais  lierthier*). 

Masscna  Iraf  am  1».  Februar  in  Rom  eiu.  Widireiid  seiiieN 
(»berbefehls  erfolgte  die  Wcgfiihrung  des  Papstes,  und  die 
■systematische  Ausheutunfr  und  Plünderung  der  Stadt  linni 
?ialiin  erst  jetzt  die  richtige  Ausdehnung  an. 

Xicht  allein  Perthier,  simdern  das  j;auKe  Heer,  das  si,;li 
nach  Euiie  und  nach  der  Heimat  sehnte,  war  mit  dem  Zuge 
nach  Rom  iin/.ufriodei5  Aus  Achtung  vor Berthier 

schwieg  man,  doch  subald  Miuisena  den  Oberbefehl  Sber- 
naliin,  brach  der  offene  Aufstand  aus. 

Masseila  war  als  Ceiieral  vor  dem  Feinde  bei  seinen  ■'Sol- 
daten Kwar  sehr  beliebt,  das  hinderte  jedoch  nicht,  daß  er 
\"on  Freund  und  l''einc!  ^^■egen  seines  habgierigen  Wesens  bit- 
ter gehalit  wurde.  Als  Verwaltungsbeamter  und  Organisator 
taugte  er  gar  niehts,  da  er  statt  dafi  Wohl  des  Staates  immer 
nur  sein  eigenes  Interesse  im  Auge  hatte.  Wie  gewöhnlich 
befanden  sich  in  seinem  Gefolge  eine  .Menge  Leute,  die  sich 
unter  dem  Namen  voa  französischen  Beamten  allerlei  Aus- 
schreitungen zu  Schulden  kommen  ließen  und  sogleich  daran 
gingen,  englische  Waren,  Besitztümer  von  Emigranten  und 
römischen  Einwohnern  zu  besch! agaahmen  oder  sie  sich 
unter  irgendeinem  Vorwand  anzueignen. 

Während  sich  so  mancher  höhere  Offizier  und  Zivilbeamte 
auf  Kosten  des  Staates  bereicherte,  befand  sich  das  übrige 
Heer,  wohl  auch  infolge  schlechter  Verwaltung  der  einge- 
gai^enen  Gelder,  in  dw  denkbar  ungünstigsten  Verfaaaung. 
*)  Zunächst  ging  aber  Berthier  wieder  naeh  Hailand  Euräok. 

173 


Ohne  Sold,  ohne  Schulic,  die  Kleidung  in  Ftitzcn  und  ohne 
genügende  Emähning,  fehltfi  i'.s  den  niederen  Offizieren  und 
SokiiUfnaiunntigslen.SlalldcriTlioiiifnVorniteanLebeiis- 
nlitttin,  Kloidinifrstetüek.'ii  iiiid  aiidercr)  nnentbelirüelien Ge- 
genKtändi'iL  fand  man  iail  niehis  viii;  und  das  wenige,  das 
vorhanden,  wurdr  aui  li  notli  von  ungetreuen  Beamten  ver- 
schleudert. ]>c  i'  (lorli  von  H(  rt  hier  ausgeschriebene  Kriegs- 
koNlonlieit  ragging  nurlangsiiTn  ein.  Die  Krbittening  im  Heere 
erreichte  ihren  HriliepiLnkl.,  als  man  erfuhr,  daß  der  von 
Uertlne!  \  er^jprücliene  rüekstandige  Hold  imr  teilweise  aus- 
gezahlt werden  sollte,  und  dalJ  der  (icnoral  Maascna  den 
Oberbefehl  über  das  Heer  iiliomolniieii  würde.  Man  war  em- 
pört, dalJ  man  dieTriii^prn  \  ei  jiaeklassigte,  und  daß  man 
den  geaolileteu  f)'a(i/,(i--i--(ihcii  Nainrn  in  den  Schmutz  zog. 
Inden  Lagern  lie;;auii  e^  zu  üäreii.  llirI  am  Taf^c  nach  dem 
feierlichen  Trauerte-.:  /.u  lehren  des  licneials  "Duplmt.  am 
24.  Februar,  begaben  sieli  nneli  einer grolien  I'arade  auf  dem 
Piazza  Colonna  etwa  IttK»  .Suballernoffiziere,  die  sich  von  der 
gesamten  MannseliafI  luiterstiitzt  wußten,  nach  dem  Pan- 
theon und  erließen  eine  Tiittschrift  an  den  General  Bertliier, 
ihren  ehemaligen  Oberbefeldshaber.  Sie  verlangten  in  wür- 
digen, aber  entselnedenen  Worten  Auszahlung  des  rück- 
ständigen Holdes  innerhalb  24  Stunden,  Bestrafung  derer, 
die  sich  unreehtmiilJigus  Gut  an;:cci^iici  liaiten  nnd  Kiick- 
gube  denselben  an  die  rechtmaßi;jcn  l''is;cHtiinier.  Es  gelang 
aber  weder  dem  Oneral  Valette  nm-li  dein  General  Leopold 
Bortbier.  dem  Bruder  des  Obergencrals  .\loxnndor  Betthier 
und  (leiieralstabsehef  .\1  a.ssena.s.  die  auf^l  iindischcn  Offiziere 
und  Ahnniscbaftan  zur  ['flicht  /.unick/.urufen. 

Noch  am  Abend  desselben  T-A'^c^  begaben  sieh  eine  Ab- 
ordnung von  12  Offizieren,  dann  ^amtliche  aufriihrcridche 
Offiziere,  ^ — 400  an  der  Zahl,  zu  Massena  seibat  und  über- 
reichten ihm  eine  Abschrift  der  Beschwerde  an  den  General 
Berthier.  Maeaen&  empfing  die  Abgeordneten  Bchleoht.  Diese 

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aber  ließen  sicli  nicht  cinMchüchtem  und  aagton  ihrem  Ober- 
befehlshaber Dinge,  <lip  ein  kommandierender  General  der 
FranzÖaiscliL'n  Republik  vorlifir  wohl  noch  nicht  zu  hören 
bekommen  hutte!  Nachdem  man  Wachen  vor  dem  Hause 
Maeaenas  gelassen  hatte,  begab  aicli  die  Abordnung  von 
neuem  zum  General  Berthier,  von  dem  man  erfahren  hatte, 
daß  er  die  Stadt  mit  zwei  Millionen  barem  Gelde  verlassen 
wollte.  Aber  auch  ihm  gelang  es  nicht,  die  Offiziere  zu  be- 
ruhigen; jedoch  versprach  er  ihnen,  zu  bleiben. 

Der  nächste  Tag  brai;lit*  keine  Besserung  der  Lagr. 
Nicht  weniger  als  fünf  Abordnungen  von  Offi7.ieren  fanden 
sich  bei  Massena  ein  und  verlangten  die  Verhaftung  meh- 
rerer Zivil-  und  .Militarbeumten,  vor  allem  aber  des  ver- 
haßten Haller*).  Der  General  sah  sieh  gezwungen,  den  Wün- 
aehen  der  Offiziere  naelizugeben.  Naehdem  er  sieh  mit  sei- 
nen höheren  Offizieren  beraten  hatte,  ließ  er  den  General- 
marach  schlagen.  Offiziere  und  Mannschaften  gehorchten, 
doch  als  i}i;in  sie  zur  Stiiilt  Ii iiuiu.sf Uhren  wollte,  verweiger- 
ten sie  den  Gehorsiani.  Sie  weigerten  wich  iiberliaupf .  ferner- 
hin unter  MaaMena  zti  dienen.  ..(.lelit  iuih  Dallemugne!  Wir 
wollen  Diiliemagne  zu  unserm  Hefelilshaber  I"  riefen  sie.  i 

.Mosptenii  sah  sich  machtlos  und  wuÜte  nichts  Besseres  zn 
tun,  alsdenallgenieinenWunsch  der  Offiziere  und  Soldaten  zu 
erfüllen  und  abzureisen.  Berthier  übernahm  das  Kommaniio 
von  neuem,  doch  nur,  um  es  sofort  Dallemagne  zu  über- 
geben. Dieser  stand  damals  in  seinem  22.  Dienstjahre  und 
war  bei  den  Truppen  sehr  beliebt.  Er  besaß  eine  höhereBU- 
dung  als  viele  seiner  Waffen gefährten,  war  ruhig,  besonnen, 

tapfer  und  ein  kluger  Beobachter.  

*)Hällerwpfdevon<tenButrttodi»ehroOtfirierroinAnfcl»gfBO»^ 

Er  veratand  es  aber,  siah  gBeahickt  hecauBniredai,  denn  er  batte  in  dm  Hbl 

Diielooren  und  m  Bonapui»  bohs  Garnier.  IhnGD  hatte  ei  aohSns  KanweD ' 

natürlich  bub  dem  VatUam  geraubte  —  gsBandt,  die  vertvdllate  für  BoM- 

parte,  der  sie  aefner  Frau  acbeukte.  Jedenfalla  verteidigte  Bonaparte  HiHer, 

und  dieBBT  Iconntie  sp&ter  wieder  nach  der  Ziealidnlaoben  BepablUc  niröok- 

ImbreD. 

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Maasena  selbst  verließ  Rom  noch  an  demselben  Abend. 
Es  war  am  25.  Februar.  Er  begab  dch  zuerst  nacb  Viterbo, 
dann  nach  Bonciglione*),  auf  dem  Wege  nach  Äncona. 

Ein  Teil  der  Bevölkerung  Borns,  besonders  die  Bewohner 
von  Trastevere,  die  mit  ihren  „Befr^em"  wenig  zufrieden 
waren,  benutzten  den  Zwiespalt  im  französischen  Heere. 
Von  einigen  Priestern  zu  Pferde  angeführt,  griffen  sie  am 
Abend  der  Abreise  MasBenas  zu  den  Waffen  und  töteten 
etwa.  20  friuizöeiscbe  Soldaten.  Die  aufständischen  Ofßzlere 
und  Miumschaften  vergaßen  jedoch  ihre  Pflicht  nicht  und 
stellten  sich  sogleich  dem  General  Dallemagne  zm:  V^ügung. 
Sohonungdos  wurde  der  Anstand,  der  sich  auch  auf  das 
flache  Land,  bis  naich  Velletri,  ausgedehnt  hatte,  von  den 
Generalen  Vtal  und  Muiat  niedergeworfen.  IMes  geechafa 
in  der  Nacht  vom  25.  zum  26.  Februar. 

Sowohl  Berthier,  Massenn,  die  Kommissare  Faipoutt  und 
Daunou  als  auch  der  Ausschuß  der  Offiziere  berichteten  in 
mehreren  Schieben  an  die  französische  Regierung,  der  sie 
den  Sachverhalt  auseinandersetzten,  um  ihr  Verhalten  bei 
den  jfii^t  stattgefundenen  Vorgängen  in  Bom  zu  recht- 
f^tigen.  Besondere  intereaeant  iat  das  Schreiben  Daunous 
vom  28.  Februar  an  seinen  früheren  KonventskoUegen 
Larevelliere-Lepeaux.  Tn  zieriilicli  unparteiischer  Weise 
erstattet  der  Kommissar  Bcriclit  über  das  unvcrscliämte 
Treiben  gewisaer  Generale  und  liöherfir  Offiziere  und 
Verwaltungsbeamter.  Er  verdamnile  /.mw  die  Ci'Iku- 
samB Verweigerung  der  Subaltornofti/iore  und  Sniilafcii, 
doch  fand  er  ihre  Klagen  und  Wünsche  ilmelians  peTi!;;ht- 
ferHgt. 

infolge  des  einsiclitHVolleii  Verhaltens  Dalleiiuignes  Sellien 
die  Ruhe  in  Heere  allniählieli  \i  iedt'rzukeliren,  und  der 
■^t  eil  vertretende  Ohergeneral  ulnidite,  daß  Massena  jetzt 

'1  Von  liiLT  Ulla  stattoti.'  LT  um  ^U.  i'i  bruiu-  ärin  Dir.  ktiirium  rincn  langen  Be- 
richt übtT  die  Vorgang«  vom  34,  -27.  Fcbraar  ab. 

12  177 


wohl  den  Oberbefehl  wieder  übernehmen  könne.  Masscna 
kehrte  deshalb  am  13.  März  naeh  Rom  zurück  und  erließ 
am  folgenden  Tage  eine  Bekamitmaohang  an  die  Trappen, 
worin  er  sich  gegen  die  erhobenen  Ansehnldlgtingen  zu  ver- 
teidigen suchte. 

Er  hatte  jedoch  nicht  mit  der  Unversöhnliohkeit  der  Sol- 
daten und  Offiziere  gerechnet,  die  sich  von  neuem  zusammen- 
taten und  ihn  durchaus  nicht  mehr  als  ihren  Oberbefehlshaber 
anerkennen  wollten.  Von  neuem  forderten  sie  ihn  auf,  die 
Stadt  zu  verlassen !  Auf  den  Rat  seiner  höheren  Offiziere 
blieb  aber  Massena  in  Rom.  Man  kam  endlich  init  den  auf- 
ständischen Offizieren  überein,  daß  er  sicii  den  Triifipen 
nicht  zeige,  und  daß  bis  auf  Eintreffen  eines  Beaclieids  vom 
Direktorium  der  General  Dallemagne  nacli  wie  vor  die  Ge- 
schäfte des  Oberbefehlshabers  führen  sollte.  Zu  gleicher  Zeit 
richteten  die  Offiziere  eine  neue  Adresse  an  die  Regieruu;i 
in  Paris,  in  der  sie  ihre  Wünsche  und  Beschwerden  noob- 
mals  auseinandersetzten  ond  um  Abhilfe  baten.  Mit  Er- 
laubnis des  Genwals  Dallemagne  begaben  sich  vier  Ofß- 
zieie  am  18.  iSMsx  nach  Paxis,  um  die  Bittsohrift  dem  Direk- 
torium zu  überreiohen*). 

Wenige  Stunden,  nachdem  die  Abgeordneten  der  Offi- 
ziere Rom  verisfisen  hatten,  kamen  Terschiedene  Schrei- 
ben des  Direktoriums  im  Hauptquartier  an.  Die  Begiernng 
hatte  sich  nun  entsahieden,  Stellung  zu  dem  Zwist  zwüohen 
Heer  und  Oberbefehlshaber  zu  nehmen.  Massena  wurde 
am  8.  März  ai^wiesen,  den  Oberbdehl  vorläufig  au  Dalle- 
magne abzugeben  und  sich  zunächst  nach  Gtonua  zurück- 

*}  Oenenl  Dallamngnc  h»tte  dan  vier  Offiiinsa  amen  IMaab  von  neun  Do- 
ksden  beniUigt.  Kaum  m  Paria  aiigelBiigt,iTniilen*ievaluttet  und  mit  nodi 
Eiroi  nnderan  Offiiieran  von  der  Römiubaii  Armee  nach  BriBDCon  8BtM<U, 
um  dort  vor  Kriegsgeileht  gsatellb  au  wardoD,  Naeh  mehreren  VeiUinD 
wurde  das  Urti^  im  Augosb  gelÖUt.  Ei  fiel  aber  sehr  müde  am,  dnn  die 
aeolis  angeklagten  OBixiere  wurden  oieht  nur  freigMproohen,  sondwn  taet 
in  ilm  Mberao  Bangst^nng  viedw  eingeaetEt. 

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zusEiehea*),  wo  er  weitere  Befehle  erhalten  würde.  In  einer 
Bekanntmachung  an  die  Truppen  warfen  die  Direktoren 
zwar  dem  Heer  ihr  Unrecht  vor,  jedoch  in  sehr  schonender 
Weise.  Nach  vier  weiteren  Tagen  kam  cndiieh  in  Rom  riif- 
Nachricht  an,  daß  Massen»  endgültig  diircli  den  General 
Gouvion  Saint-C'yr  ersetzt  yci.  der  sieh  bereits  auf  dem 
Woge  /um  Heere  befinde. 

Die  Krnennung  (iouvion  Maint-Cyrs  war  in  griiljter  Eile 
erfolgt.  Am  H.  März  hatte  der  General  dem  Direktor  Reii- 
hell  einen  Besuch  geniuclit,  und  dieser  hatte  ihn  gefragt,  ob 
er  ftalienisch  spriiehe.  Auf  seine  bejahende  Antwort  erhielt 
er  am  nächsten  Tage  vorn  Präsidenten  des  Direktoriums. 
Merlin  de  Dimai.  den  amtlichen  Auftrag,  binnen  24  Stun- 
den nach  Rom  abzureisen,  um  den  General  Massena  im 
(H)erh|.f|.lil  ui./uKwen. 

Am  -M.  Miiiv.  kam  Coiivion  Saint-Cyr  in  Rom  an,  wo  er 
das  Heer  noeh  in  groüer  Unruhe  vorfand.  Er  war  ein  Mann 
von  Talent  und  bei  den  Moklaten  beliebt.  Er  hatte  bereit^ 
im  Vorjahre  sechs  Divifiioncn  des  Heeres  von  Deutsch- 
land unter  Augereau  befehligt.  Am  Tage  nach  seiner  An- 
kunft ließ  er  die  Offiziere  zu  sich  kommen  und  warf  ihnen 
ihr  Verhalten  vor.  Sie  antworteten,  daß  die  Ehre  des  Hecro^ 
auf  dem  Si)iel  gestanden  hätte,  aber  weder  Berthier  noch 
Massena  habe  sie  erlitircn  wollen.  Sie  hätten  folgUdi 
nicht  anders  luindeln  köiuien.  Die  Adresse  an  das  Direk- 
torium k<)rinten  sie  durchaus  nicht  für  ungesetzlich  ansehen, 
denn  Bonapartc  habe  ihnen  im  vorigen  Jahre  selbst  das 
Beispiel  ihr/AI  gei.'ebeu,  das  auch  von  den  Generalen  Auge- 
reau, Jlasscna  und.Touhert  von  der  Italienischen  Armee  und 

*)  MsBBeiia  ging  dann  tibcIi  Aiitib«..  Er  sollte  etat  bei  der  Ex]>editiDn  nach 
England  verwendet  \vi.nii;ri.  S.'in  Kmiiu  l»!faiid  akli  zwar  auf  der  von  Bon»- 
parto  am  12.  Januar  ausgefertigten  Lute,  BOhlieClich  wurde  er  aber  gerio- 
cben.  Eret  im  August  wurde  er  wieder  angestellt,  und  iwoi  zarächBi  bei  äxni 
Heere  Jouberts  in  Mainz.  Am  19.  Dezember  17SS  erhidl  ei  den  Befehl  ebr 
die  Helvetische  Armee. 

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Hoohe  von  der  Sambre-Moaaarmee  nachgeahmt  worden  sei ! 
Man  sieht,  welch  zweisobneidigeB  Schwert  ihnen  die  Gene- 
rale aeibst  in  die  Hände  gegeben  hatten,  nnd  wohl  aus  die- 
sem Grande  fiel  später  der  UrtdlsBpruoh  des  Direktoriums 
gegen  die  Abordnung  der  Offiziere  so  mild  aus.  Jedenfalls 
veisprachen  die  Truppen  Gehorsam  und  baten  den  neuen 
Obei^neral,  er  möge  sieh  für  sie  beim  Direktorium  ver- 
wenden. 

Gouvion  Saint-dyr  hatte  zwar  im  Hewe  die  Ordnung 
wiedw  bei^;estellt,  doch  g^en  die  !bitrigen  der  Zivil- 
kommissaxe  war  er  maehtlos.  Die  !E^(uizoseQ  machten 
sich  im  Kirchenstaate  immer  uobeliebtei,  und  überall 
drohte  der  Au&tand  ausKnbreohen.  Die  Unruhen  in  der 
Nähe  des  Traäimenischen  Sees  im  April,  in  der  Gegend  von 
ToBcana  und  im  Juli  in  Terraoina  und Frosinone,  femer  in 
der  Umgegend  der  Hauptstadt  wurden  bald  blutig  unter- 
drückt. 

Die  Stellung  Gouvion  Saiiit-Cyra,  eines  durchaus  recht- 
schaffenen Mannes,  wurde  wegen  der  Umtriebe  und  An- 
achwär^ungen  Bassais  und  der  französischen  Kommis- 
sare immer  unhaltbarer.  Schließlich  erhidt  der  Ober- 
general seine  Abberufung  und  bekam  ein  Kommando  bei 
der  Rhcinarmoe.  An  seiner  Stelle  ging  Cliaiiipionnet  mieli 
Rfmi. 

Inzwischen  war  die  neue  Kölnische  Republik  ins  Ijeben 
getreten,  eine  weitere  uiifiliickli.'lif  Si.lL;>|ifuiii;  dv<.  Dirck- 
toriunis.  Durch  die  ncur-n  KrLcg-ki.stenlieit iüs;o  \-.:ir  da- 
Land  dem  Untergänge  ii.ilit',  und  jetxt  mußte  auch  noch  in 
l'ivita  Veechia  auf  Kosten  diT  neuen  Kepublik  eine  voll- 
ständige Division  für  die  l'l'ipedition  Bonapartes  na^^h 
Ägypten  ausgerüstet  worden: 

Das  Direktorium  hatte  \v(hwU  ^>-mt'.  Maclit  w.'ifer,  Iiis  an 
die  (;ren-/.eii  Neajjels  ausgedehtif  und  sieh  ivur  Celduüttcl 
verschafft.  Sonderbarerweise  tat  der  Kaiser  nielLts,  ebenso- 


181 


wenig  wie  bei  der  JJeiiiokratisierung  dor  St'iiweiz,  um  den 
Ausdchnungsgelüsten  Franicreichs  halt  zu  gebieten  i 

II. 

Wenden  mr  jetzt  unsere  Blicke  nach  dem  Norden  von 
Italien,  nach  der  jungen  Ziaalpinisclien  Republik,  die  ihr  Da- 
sein Bonapartc  verdankt«.  Sic  bestand  seit  dem  iJtüi  1 797*). 
])ort  lagen  zwar  die  Dinge  besser,  als  in  der  römischen 
Sl!lu^f'Hter^epubUk,  denn  Bonaparte  hatte  die  fünf  Direk- 
toren und  die  höchsten  Beamten  selbst  eingesetzt.  Als  er  aber 
das  Land  verlassen  hatte,  begannen  die  Schwierigkeiten  der 
neuen  Regierung,  die  ebenfalls  wie  die  in  Hoiii  bis  zum  Ab- 
schluß eines  Bündnisses  mit  der  Mutterrepublik  von  dem  in 
Mailand  befehligenden  französisclien  Obergeneral  abhängig 

Bonaparte  am  12.  Dezember  1797  dem  General  Ber- 
thier  eingehende  Vorschriften  über  seine  militärischen  Be- 
fugnisse übersandte,  verfehlte  er  nicht,  ihm  auch  tnitza- 
teilen,  (vie  er  sich  der  zis alpinischen  Regierung  g^en&ber 
zu  verhalten  habe.  Er  ermächtigte  ihn  sogar  nach  eigenem 
Ermessen,  Mitglieder  der  beiden  Räte  abzusetzen  oder  sie 
des  Landes  zu  verweisen. 

Auf  Wunsch  Talleyrands  hatte  Bonaparte  ihm  am  14.  Ja^- 
nuar  1798  Angaben  über  die  Ziaalpinisohe  Republik,  be- 
sonders in  bezng  auf  ihre  militärische  Lage,  gemacht.  Talley- 
rand  liatte  dar'aiif  noch  im  selben  Monat  einen  Bündnisver- 
trag aurtarbc-itcii  lassen,  der  dem  neuen  Staate  große  Lasten 
aufbürdete.  Das  Land  sollte  im  Kriegsfalle  nicht  allein 
Frankreich  seine  sämtlichen  Hilfsquellen  zur  Verfügung 
stellen,  eine  Besatzung  von  25  000  Mann  Franzosen  er- 
näinen,  für  deren  Unterhalt  allein  eine  Sumuie  von  18  Mil- 
lionen jährlich  angesetzt  worden  war,  sondern  auch  noch 
22  000  Mann  eigener  Truppen  unterhalten.  Die  Festongen 
*)  VgL  den  zweiten  Band  dor  Oeachichto  ITapoleona.  Seite  401  und  426. 
182 


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Dlgiiized  tu  Cgoglc 


blieben  in  den  Händen  der  Franzosen*).  SelbetveietäncUich 
-wurden  anoh  die  englischen  Waren  im  ganzen  Lande  ver- 
boten. 

Der  Yertrt^;  wurde  am  26.  Februar  1798  in  Paria  zwischen 
Talleyiand  und  den  zisalpiniBchen  Abgesandten  abgesohlos- 
sen  und  den  Baten  in  Mailand  zur  Annt^me  voi^elegt  Im 
Bäte  der  Jungen  wurde  der  Vertrsg,  wenn  anoh  mit  ge- 
ringer Stimmenmehrheit,  angenommen,  doch  im  Bäte  der 
Alten  fast  einatiriunig  am  13.  März  1798  abgelehnt. 


Da*  Direktorium  der  Zisalpinificheii  Republik  wies  je- 
doch darauf  hin,  daß  der  franKÖsischc  Obergeneral  auch  ein 
Wort  mitsiircdcn  hiittc,  Rertliirr  haitr  in7windioii  Rom 


ima  Baragu^y  d'HiluBTfl  erst 
lUgen  SOOOOOFranlceii  ver- 


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Iiende  Bekatiiitinacliung  an  die  Zisalpiuej',  die  iliie  Wirkung 
iiicht  verfehlte.  Der  Bat  der  Alten  gab  am  20.  März  seine 
Zustiniiiiung. 

Daß  riuaii  in  einem  von  den  französischen  Waffen  er- 
oberten I^ande  gewagt  liatte,  einen  Vorschlag  des  franzö- 
sischen Direktoriums  nicht  sofort  iniKuneluiien,  erregte  die 
größte  Erbitterung  in  Paris,  und  maji  *\ollte  wie  gewölin- 
lich  sogleich  zu  den  äußersten  Maßrialirtien  schreiten.  Aber 
auch  jetzt,  wie  seinerzeit  in  Rom  und  in  der  Schweiz,  riet 
Bonaparte  wieder  zur  Mäßigung-  Er  schrieb  am  27.  März 
1798  an  die  Regierung:  „Bürger  Direktoren,  die  Zeitungen 
verbreiten  die  Nachricht,  daß  Sie  verschiedene  Mitglieder 
der  Eäte  der  Zisalpinlschen  Republik  haben  verhaften  las- 
sen, und  daß  in  diesem  Augenblick  die  Bede  davon  ist,  Mos- 
cati  und  Paradisi.  zwei  Mitglieder  der  genannten  Republik, 
festnehmen  zu  lassen. 

Ich  glaube,  es  ist  meine  Pfhcht  als  Burger.  der  gewisse 
Kenntnisse  über  die  Personen  und  Ereignisse  der  letzten 
zvrei  Jahre  besitzt.  Ihnen  zu  bemerken,  daß  Frankreich 
und  die  Freiheit  keine  aufnehtigeren  Freunde  hat  als 
diese  beiden  Direktoren  .  .  . 

Eine  HerabwurdiRung  der  Zisalpimschen  Republik,  be- 
rcita  im  Anfang  ihrer  Entstehung,  und  der  Verlust  ihrer 
besten  Biirger  wäre  ein  wirkliches  Lugliick  für  Frankreich 
und  ein  Truiiuph  für  den  Kaiser  und  seine  Anhänger: 

Das  Direktorium  nalini  aber  keine  Xotiz  von  diesem 
Schreiben;  es  beantwortete  es  nicht  emnial. 

Inzwischen  hatt«  das  Diroktonuiii  es  für  zweckentspre- 
chender gehalten.  Berthier.  der  Bonapart«  auf  seiner  iiber- 
seeisclien  I'.xpecbtioii  begleiten  sollte,  durch  Brune  zu  er- 
setzen. Dessen  politische  Kenntmsse  schienen  hier  besser 
am  Platze  zu  sein  als  in  der  fechiveiz.  Aui  2.  April  kam  der 
neue  Obei^eneral  in  Mailand  an  und  übernahm  am  4.  Apnl 
das  KoDimondo  über  das  Itahenieche  Heer. 


185 


Bine  der  ersten  MaQnaliinf^ii  Brünes  war,  die  Direktoren 
MoBoati  und  Paradisi  durch  den  ehemaligen  Minister  der 
auswärtigen  Angelegenheiten  Testi  und  durch  den  Inspek- 
tor Lamberti  zu  ersetzen.  Der  Generalsekretär  SommaxiTa 
und  verschiedene  Abgeordnete  w  urden  von  ihren  Posten  ent- 
fernt und  die  Zeitungen  unterdrückt.  Man  sieht,  wie  wenig 
die  gemäßigten  Ratstilihißc  Bon  apart  es  befolgt  wurden  i 

Dft  man  im  Schöße  des  fr;.nKÖsiKclicn  Direktoriums  seibat 
nicht  einig  war.  konnte  natürlich  auch  keine  einheitlu-he 
Politik  m  Italien  befolgt  werden.  Harras  bei;iinsligt*  IJniiie. 
und  Larevellicre-Lcpcaux  sandte,  um  dessen  KintluB  zu 
vermmderji.  einen  j;e«  iM-:cn  I  ri>u  v.  einen  imeli  ii[ii;;cn.  aber 
tatigen  und  f.c  IilHu  M  h  1  (  i  il  i  Ii  M  »ihnd 
AlsMoscnti  iiocti  l'rasident  des /isalpinisehen  nirektoriunis 
war.  hatte  er  seinen  Koile^ieu  .Merlin  de  Douai  ceheten.  einen 
geeigneten  Mann  iiacli  Mailand  /u  schiekeu,  mit  dem  man 
mundhcli  verltaiidclTi  konnte.  Lurevelliere-l-epeau-x  hatte 
dem  Wunsche  Moecatis  cntHproeiicn. 

Trouv6  sollte  die  VerfassungHÜndcrung  der  Zisalpiniiielien 
Republik  durchsetzen,  die  Macht  des  Direktoriums  vei- 
raehreii.  hingegen  die  /aiil  der  Mitglieder  der  beiden  Rate 
KU  vermmdorn  Buchen.  Am  1.).  Mai  kam  er  in  Mailand  an. 
"Rs  gelang  ihm  ebensowcnic  wie  Brune,  viele  Anhänger 
unter  den  einflußreichen  .\lanncrn  des  Landes  zu  finden. 
,A,uch  vermochte  er  sich  lur^ht  iint  dem  Obergeneral  ins  Ein- 
vernehmen zu  setzen.  Dieser  glaubte Bimaparte  nachahmen 
zu  können  und  wollte  seinen  persönlichen  Willen  zur  Aus- 
führung bringen. 

Schließlich  hatte  das  Direktoriuni  auch  noch  den  Zivil- 
kommisaar  Faipoiüt  nach  Mailand  gesandt,  der  in  die  vei  - 
wiri-ten  Finanzen  der  Ziealpinisohen  Republik  ein  wenig 
Ordnung  bringen  sollte.  Das  untergrub  natürlich  auch  das 
Ansehen  Brünes  und  seiner  Generale,  und  dieee  vurden 
noch  mehr  gegen  die  Zivilbeamtcn  aufgebracht. 

166 


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Die  MeinungsverHchiedenheiten  zwisohen  der  französi- 
aohen  Militär-  und  Zivilgewalt  in  Mailand  spitzten  sich  der- 
art  zu,  daß  Brune  sich  am  22.  Juli  selbst  nach  Paris  begab, 
während  TrouvÄ  seinen  Sekretär  David  ebenfalls  dahin 
sandte.  Das  ziBalpinische  Direktorium  seinerseits  schickte 
den  General  Lahoz,  das  Haupt  der  radikalen  Partei  und  den 
Befehlshaber  der  zisalpinischeh  Truppen  nach  der  franzö- 
sischen Hauptstadt,  Dort  hatte  Lucien  ßonaparte  im  Rate 
der  Fünfhundert  das  Wort  für  seinen  Bruder  Napoleon  er- 
griffen und  in  scharfen  Worten  die  Verfassungsändernng 
der  Sohwesterrepublik,  das  Werk  Napoleons,  verteidigt. 

Alles  dies  aber  brachte  keine  Änderung  in  der  Politik  der 
französischen  ßegierang  hervor.  In  Mailand  zeigte  man  sich 
auch  nicht  willföhriger.  Schließlich  griff  das  französische 
Direktorium  zu  dem  radikalen  IliCttel  eines  Staatsstreiches. 
Trouv4  ließ  infolgedessen  am  30.  August  den  Sitzungssaal 
des  Gesetzgebenden  Körpers  umstellet),  und  nur  die  Ab- 
geordneten, die  von  Trouv6  und  Brune  unterzeichnete  Ein- 
trittskarten besaßen,  wurden  eingelassen.  Auf  diese  Weise 
erlangte  der  franzSatsohe  Gesandte  die  Annahme  der  neuen 
TenrfasBnng.  Der  Bat  der  Jungen  -wurde  auf  80,  der  der 
Alten  auf  40  vermindert^  auch  die  Zahl  der  Beamten  wurde 
herabgesetzt.  Der  ehemaligePöIizeiminiBterSopranzi  und  der 
ehemalige  Justizminister  Lnosi  ersetzten  Testi  und  Savoldi 
und  bildeten  mit  Adelasio,  Alessandri  tmd  Lamberti  das 
Ausführende  Direktorium.  Natürlich  wurde  auch  der  Bat 
der  Abgeordneten  auf  Wunsch  Trouves  stark  verändert. 

Weder  die  Mehrheit  des  zisalj^nischen  Volkes,  noch  Brune 
und  seine  ihn  beratenden  OCSzieie,  noch  die  französisohe 
Begimit^  waren  miit  dieser  erneuten  Verfassunga&nderung 
zufrieden.  Die  Ssalpiner  verhieltm  sich  passiv.  Brune  ver- 
hehlte gelegentlioh  der  Feier  des  18.  Fruotidor  nicht  seine 
Abneigung  g^en  die  neuejB«gierung,  und  sein  General- 
stabschef Leolerc,  der  Gemahl  Pauline  Bonapartes,  bat  um 


187 


seine  Entlassung.  Als  das  Direktorium  endlicii  einsah,  daB 
ein  Zusammenwirken  Brünes  und  Trouväs  nicht  möglich 
sei,  ernaimtc  es  TiouT^  zum  GesobSfUträger  in  Stuttgiut 
und  forderte  Brune  auf,  eine  neue  Verfassungsänderung  tot- 
nehmen  zu  lassen. 

Am  12.  Oktober  kam  Foiiulie  als  Nachfolger  Trouves  an. 
Schon  der  Name  sagt  genug  für  die  Wahl  des  Direktoriuiii> ' 
Der  neue  Qescuidte  suchte  sich  zuerst  bei  den  leitenden 
Männern  Maihuids  einzuschmeicheln,  um  seine  wahren  Ge- 
sinnungen zu  verbeißen.  Bald  trat  er  aber  mit  seinen  wirk- 
lichen Absichten  hervor. 

In  der  Naoht  vom  18,  zum  19.  Oktober  1798  ließ  Brune 
von  neuem  das  Gebäude  der  Gesetzgebenden  Körperschaft 
umstellen.  Die  Direktoren  Adelasio,  Luod  und  Sopraozi 
muBt^  ihre  Entlaeanng  geben  und  wurden  durch  den  ehe- 
maligen  Folizeiminist»  Brunetlä,  den  Abgeordneten  des 
Rates  der  Jungen,  Sabatti,  und  den  Polizeibeamten  Sman- 
cini  ersetzt.  Ebenso  wurde  ein  Teil  der  Abgeordneten  neu 
gewählt.  Fouohä  huidelte  seiner  Gewohnheit  gemäS  und 
leugnete,  seine  Hand  mit  im  Sfäele  gehabt  zu  hab^! 

Aber  auch  diese  Veränderungen  waren  nicht  im  Sinne  der 
fraazosiBohen  Be^^ierung  ausgefallen.  Die  {ranzöeischen 
Kommissaie  Faiponlt  und  Amelot  erhoben  Einspruch  g^n 
die  Maßnahme  Brunee  und  der  Militärpait^  imd  brachten 
sie  zur  Kenntnis  ihi'er  Regierung.  Das  Direktorium  schrieb 
darauf  am  26.  Oktober  an  Brune,  daß  es  die  von  ihm  ver- 
anlaßten  Veränderungen  für  ungültig  ansähe.  Es  verbot 
Fonohä,  weiterhin  mit  der  Zisalpinischen  Bepublik  zu  ver- 
handeln, bis  die  Verfassung  wieder  so  hergestdlt  word^ 
sei,  wie  sie  vor  dem  19.  Oktober  bestanden  habe! 

Brune  wurde  seines  Postens  enthoben*)  und  erhielt  Jou- 
bert,  der  sich  wenig  in  politdsche  Angelegenheiten  mischt«. 

■)  Er  verlkB  H^land  am  2.  November  1 798  und  erhielt  BpStei  dm  Oberbefehl 
über  dos  Heer  in  Holtuid. 

188 


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''IUI  Xaclif olger.  Man  beging  jcdocli  die  Unkluglicit,  Fouclu' 
in  Heineiii  Amte  zu  lassen.  Er  und  der  französische  Genoral- 
-fah  fiiliren  fort,  zu  intrigieren.  Mncllicli  wurde Fouohö durch 
liivaiid  ersetzt,  der  am  (i.  Dezember  das  wenig  beaeidens- 
\u-rte  Amt  seiner  Vorgänger  übernahm. 

Am  7.  Dezemi)er  I79S  sehritt  man  zu  einem  viei'teii 
Staatsstreieh !  Das  zisalpinisehe  Direktorium  wurde  fi\.-;i 
wieder  so  hergestellt,  wie  es  vor  dem  I!).  Oktober  war;  je- 
dneh  behielten  einige  von  Biiiiie  eingc^ct'/fc  Vbfrenrdnete 
iiire  Stellung.  Jedenfalls  war  man  in  Miiihuid  ^uieli  iiieht 
zufriedener  als  zuvor.  Das  .Vn^ielun  <.k■^  neuen  Siaale.s,  der 
nur  voiL  den  wenir;sle]i  .^I;i^.■ll^^■n  anETkannt  «iinle,  gewitnu 
jedenfalls  nirlit  Hiireh  die  wiederholten  Aiideningcn  in  der 
Kegierung,  die  natürlich  viel  mehr  dem  fraiizositKihen  Direk- 
torium als  dem  zisalpinischeii  Volke  zur  Last  gelegt  werden 
müssen  I 


IR» 


ACHTES  KAPITEL 


DER  SEEKRIEG  ZWISCHEN  FRANKREICH  UND 
ENGLAND  tJND  DEREN  VERBÜNDETEN 


Die  franzÖBisclie  tiucl  die  englisclie  Marine.  —  Touloc, 
1793.  —  Korsika,  1794-1797.  —  Gefecht  im  Meerbusen 
von  Getuin,  Ct.  imil  14.  Mär/,  1 7115.  —  Schlacht  im  Meer- 
busen \o:i  l!a,<f(.;;iic,  1.  .luiii  1 7114.,  —  (.k'feebt  bei  den 
Hyerisulieu  iiisehi,  Iii.  -Juli  1795.  -  -  .Seeschlacht  beiii: 
Kap  Säo  Viüciite,  14.  Februar  1797.  —  Unternehmen 
NelHoiw  iuif  Teneriffa,  24.  und  2».  Juli  1797.  —  Meu- 
terei in  der  englischen  Marine,  1797.  —  Expeditionen 
nach  Irland,  17dÖ— 178S.  —  Seeschlaoht  bei  Kamper- 


|er  Seokricfr,  der  mit  geringen  Unterbrechungen  von  1793 


I'  bi.'i  IHlö  dinierte,  begründete  und  befestigte  ffif 
iiiiiiier  Kntjhuida  Überlegenheit  zur  See  über  die  übrigen 
euiopäisi'bcii  Staaten  und  versclüiffte  dem  britischen  RoieliP 
eine  große  Anzahl  von  Kolonien,  die  es  für  die  in  den  Krieg;- 
jahieu  erliliciK'u  Opfer  an  (Jehl  und  Gut  in  den  folgenden 
l''rieilen.-.iiiliren  reiuhUch  entschädigten.  Obgleich  auch  die 
l\a])crder  Franzosen  und  ihrer  Verbündeten  demcnglisclicii 
Handel  fortgesetzt  großen  Schaden  zufügten,  ao  wurde  docli 
dessen  Entwicklung  nicht  gehemmt.  Die  Eioanzkraft  des 
Landes  mußte  damals  eine  harte  Prüfung  bestehen,  war  dooti 


I. 


(1793—1798) 


duin,  11.  Oktober  1797. 


190 


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Ez^laud  zu  jener  Zeit  der  Baskier  aller  Staaten^  die  mit 
Fnuikreich  im  Kriege  lagen  oder  sieh  von  der  napolecmiBoheii 
Herrschaft  befreien  wollten.  Trotz  der  ungeheuren  Staate- 
acholden,  die  das  Parlament  während  des  nordamerihani- 
Bchen  TJnabbängigkeitskriegeB  und  iriihrend  der  Kriege  mit 
der  Französisehen  Bepublik  und  dem  Kaiaerreioh  wiederholt 
aufnehmen  mußte,  erholte  sioh  das  Land  dank  der  unbe- 
greozten  Herrschaft  zur  See  während  des  Konsulats  und  des 
KaiserreicheB  bald  wieder,  nachdem  der  Frieden  unter  den 
Großmächten  durch  die  beiden  Verträge  zu  Paris,  in  den 
Jahren  1814  und  1815,  auf  Jahre  hinaus  aesichert  worden 

Beim  Ausbruch  des  Krir'^^  mit  i^iiglund  konnte  Frank- 
reich seinem  (Icgncr  nur  eine  weit  geriiigorcZiilil  iiii  Sclilaclit- 
Kchiffen  cntgej^enätclteti,  als  dieser  auf^ulirin'jen  vfi  riKK  lite, 
England  besaß  llö  Scliiaclitsuliiffc,  Frankreich  aber  nur  77, 
von  denen  »ic-h  noch  einige  auf  den  Werflen  lififandi'n.  Die 
Eranziisisclien  Fahrzeuge  liingegen  waren  prfilJer.  mit  '/.alil- 
reiclieren  GescliiltMii  stärkeren  Ivalibers  l)ewaffneL  und 
meist  bessere  Segler.  Das  Admiralsselnff  Trügoff- Kerlessye 
.,l,e  Commerce,  de  Marseille"  liatte  118  Kanonen  an  Hord 
un<l  galt  fiir  das  sebÖnHttU\riegsseliitT<ier  Welt.  Ks  wurde  nur 
in  bezug  auf  Stärke  der  Ai'tillerie  von  der  EpaniMclien  ..Santis- 
simaTi-inidad'S  die  i:!0<  ;eseliiit?^e  au  liord  fülu'te.  üliertrof- 
fen.  Als  die  EngläudtT  Laufe  des  Krieges  mehren-  Sehiffe 
erbeutete»,  bedienten  sie  sie.li  ihrer  als  Modelle  für  ihre  ei- 
genen Schiffe,  wie  zum  Beispiel  des  Le  ,.Tonnant"  und  des 
..ITranklin". 

Die  durch  die  Meiirzahl  der  britischen  Schiffe  bedingte 
Übermacht  wurde  durch  die  Güte  des  französischen  Schiffs- 
materials  nahezu  ausgeglichen.  Dagegen  bestand  ein  sehr 
großer  Unterschied  in  der  Bemannung  beider  Marinen.  Und 
dieser  Unterschied  sollte  auch  entscheidend  auf  den  Aiis- 
i    gang  des  Krieges  wirken. 

I  m 


Bereits  bei  der  Darstellung  der  Bela^nmg  von  Tonlon 
konnte  man  einen  Einblick  in  das  Wesen  der  Offiziere  tmd 
Mannschaften  der  r^ublikaniaohen  Marine  tun.  Die  Offi- 
ziere ^hörten  den  adligen  und  b^äterten  StSndm  an  und 
waren  dem  Königtum  treu.  Die  Unteroffiäere  und  Soldaten 
hingegen  fühlten  eich  begreifUchetweise  zu  den  neuen  repo- 
blikanischen  Ideen  hingezogen,  die  ihn^  Boräale  Gleich- 
atellung  mit  ihren  Vorgesetzten  zusicherten.  Schon  dadurch 
mußte  ein  unnatürlicher  Zustand  entstehen,  der  infolge  des 
zunehmenden,  durch  die  Zersetzung  der  Gesellschaft  be- 
dingten Ungehorsams  noch  versohhmmert  wurde. 

Viele  der  franzcisi sehen  Offiziere,  die  nicht  wenigstens 
äußerlich  den  neuen  Ideen  anhingen,  waren  dem  Schaffet 
zum  Opfer  gefatl^n,  wenn  sie  nicht  bei  Zeiten  Gelegenheit 
gefunden  liattrn.  sicli  ins  Ausland  zu  retten.  Andere,  die  sich 
der  Revoliiljii>iL  in  lüi'  Anne  warfen,  taten  ea  aus  persön- 
lichem Intei-cssi.'.  \\  vi\  sie  für  sich  daraus  Nutzen  zu  ziehe» 
hofften;  sie  gohöi'tcn  iiKlc;  flnreVij\ii=  nicht  zu  den  bes^iercii 
Bestandteilen  il.--^  ()ffi/.ii'.skoi|is,  Dülier  w.u-  es  natüriicli. 
daß  viele  OHiziersstellen  unbesetzt  blieben  oder  durcli  Ijeu!<- 
ausgefüllt  ivurdoiL,  die  nidits  uder  nur  sehr  wenig  von  ilireiu 
si'liworen  Berufe  verstanden.  So  ereignete  es  sich  einmal  in 
den  ersten  Jaliren  des  Krieges,  daß  die  .Mannscliaft  einn 
Fregatte  eine«  Xiichts  ilu-eii  Kapilan  al):^etz1i>  und  die 
tuiig  de.-i  Seliiffes  einem  Leutnnnl  ilrr  ^larinoinfanterie  an- 
vertraute, der  vtelleiolit  ein  liiclil itier,  riU'igiselipr  Offizii'f 
war,  gewiß  al)er  wenig  davon  verstand,  ein  IvriegKsebiff  in 
einem  heftigen  Sturme  uder  im  liitzigen  Gefecht  zu  befeldisren'. 

Die  Unordnung  in  der  Verwaltung  und  die  daraus  liervor- 
gehende  Verschleuderung  der  Vorräte  in  den  staatlichen 
Magazinen  durch  unredliche  Beamte  trugen  auch  dazu  bei, 
den  VPert  der  französischen  Marine  herabzusetzen.  Man  ver- 
wendete nur  minderwertige  Hölzer,  schlechtes  Eisen,  sowie 
schlechten  Hanf  für  das  Takelwerk  imd  die  Segel.  Infolge 

1S2 


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des  Riii'kgangps  oder  v ollst äniii gm  StiilstandcH  zahlreicher 
Hanthverke  tmd  Gewerbe  in  den  ersten  .laliren  der  Hevohi- 
tioii  fehlte  es  an  vielen  Materialien;  und  wenn  mau  die  Ver- 
träf^e  liest,  die  Bonaparte  während  des  ersten  itülienisclion 
l'eklzuges  mit  den  Besiegten  abschloß,  wird  man  verstehen 
kr>nnen,  warum  bei  den  geforderten  Naturalli^^ningen  der 
Hanf  und  manchmal  auch  das  Bcbiffsbauholz  eine  so  groBe 
Holle  spielten ! 

Die  Besatzung  der  englischen  Schiffe  w;ir  dei'  der  fran- 
Kü^ischen  an  Güte  meist  überlegen.  Tlie  britisclien  Offiziere 
waren  größtenteils  bessere  Seelcntt^  nU  die  Franzosen,  und 
die  englischen  Sfatrosen  und  Seesnidaten  ivnren  infiilge  bes- 
serer Schnlung,  größerer  Übung  und  strafferer  ManTiesKuehl 
im  Fiüiren  der  Segel  und  im  Bedienen  der  Geschütze  ihren 
Gegnern  ^'oraus. 

Obsehon  es  der  englischen  Marine  beim  Beginn  des  Krie- 
ges an  Mannschaften  fehlte,  und  man  zu  dem  gewaltKainen, 
eines  freien  und  hoohs  teilenden  J^andes  durchaus  unwürdigen 
Mittet,  dem  Pressen,  greifen  mußte,  so  gelangt«  man  doch 
im  Laufe  des  Krieges  nacli  und  nach  dahin,  annähernd  ge- 
nügende Uesatzungsmannschaften  für  die  Seluffe  aufzn- 
iiringeii.  .leder  Kapitän  war  jedoch  gewissernudJen  sein  eige- 
ner Werbeoffizier,  und  die  Zusanunensetzung  der  Scldffs- 
mannsehaft  ließ  in  moralischer  Hinwiclit  oft  sehr  viel  zu 
wünschen  übrig.  War  aber  ein  Kapitän  beliebt  und  im  Kr- 
greifen  von  Pv-ii^en  vom  {Jlück  begünsHgt,  dann  wnr  es  ihm 
ein  Leichtes,  die  nr.li-en  .Mannschaflen  zusainnu'n  zu  be- 
kommen. 

Als  Hoiatio  iS"eUou  am  30.  Juiuiaj-  1703  zum  iäefehls- 
haber  des  „Agamemnon"  ernannt  wurde,  sollte  es  ihm 
keine  großen  Schwierigkeiten  machen,  die  Besatzung  seines 
Schiffes  zu  vervollständigen,  denn  trotz  seiner  Jugend  war 
er  als  ein  tüchtiger  und  von  der  Glück^öttin  begünstigter 
Offizier  bekannt. 


Er  war  im  Jahre  1758  geboren  und  machte  bereits  in  sö- 
neni  zwölften  Lebensjahre  mit  seinem  Onkel,  dem  Kapitia 
Suckling,  seine  erste  Seereise  nach  Westindien,  Nach  ver- 
schiedenen anderen  Reisen  wTirde  er  am  10.  April  1777  zum 
Leutnant  auf  dem  „Lowestoffe"  und  am  11.  Juni  1779  zun 
Fostkapttfin  auf  der  Fregatte  „ffinchingbrock"  ernannt 
Mit  ÄTtszeiohnimg  focht  er  in  dem  funerikanisohen  TJnab- 
bängigkeitekiiege.  Die  darauf  folgenden  zehn  Fiiederasjohn 
verwendete  er,  um  seöne  -wissenBohaftliche  ÄnsbildTu^  <a 
vervollkommnen,  die  er  in  jnogen  Jahren  etwas  verna^- 
läasigt  hatte. 

Am  18.  März  1784  war  er  zum  Befehlshaber  der  'Froga.Uf 
„Boreas"  ernannt  worden,  die  nach  Westindien  beordert 
wurde.  I>(»:t  lernte  erdie^twedes  Arztes  Dr.  Hisbet,  eine 
Kreolin,  l^nnen,  mit  der  er  üidt  am  11.  1787  in  Nevis 
vermählte.  Er  wurde  abeo-  kurze  Zeit  nach  sdner  Yerheirs- 
tong  in  die  Heimat  abberufen.  Am  4.  Juli  desBelben  Jahns 
ging  er  im  Hafen  von  Splthead  vor  Ankcor. 

Die  fünf  Jahre,  die  zwisohen  seiner  Rückkehr  nach  Eng- 
land und  dem  Wiederausbruch  des  Krieges  mit  Frankreich 
hegen,  gehören  zu  den  unglücklichsten  und  unfruohtbaiBten 
im  Leben  Nelsons.  Obgleich  er  die  Qonst  des  Prinzen  WU- 
Uam  Henry  besaß,  vielleicht  auch  gerade  deshalb,  schuf  er  | 
sich  viele  Feinde  im  Ministerium  und  bei  Hofe,  und  tiotE  ' 
aller  s^ner  Bemühungen  sollte  es  ihm  nicht  gelingen,  wieder 
ein  Kommando  zur  See  zu  bekommcm.  Endhoh  aber  hatUai 
seine  Schritte  doch  Erfolg,  und  am  30.  Januar  1793  erhidt 
er  den  Oberbefehl  über  den  „Agamemnon",  ein  Schlacht- 
schiff von  64  Kanonen. 

Zwei  Tage  nach  Nelsons  Ernennung  erklärte  der  Konvent 
England  den  Krieg,  dra  bein^e  zum  vollständigen  Yerlnat 
der  französischenMarine  führen  und  das  größte  seemännische 
Genie  Englands  aller  Zeiten  hervorbringen  sollte. 

Eine  der  ersten  Maßnahmen  der  englischen  AdmiraUtSt 

194 


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'ar,  eine  !Flotte  unter  dem  Vizeadndral  Lord  Hood  nadi 
em  ^tfittelmeere  zu  senden.  Bereita  drei  Wochen  nach  er- 
algter  Kriegserklärung  ging  das  englische  Geschwader  am 
3.  Februar  1793  von  Spithead  ab  und  traf  am  15.  Juli  vor 
7ouloii  ein.  Dieser  wichtige  französiBche  Kriegshafen  befand 
ich  da^mals  in  den  Händen  der  Royalisten,  die  die  Stadt  am 
;9.  August  den  verbündeten  Englfindem  und  Spaniern  uber- 
;abeii*). 

Am  22.  August  1H05  schrieb  der  Kaiser  Napoleon  in  Ver- 
'.weiflung  über  die  fortgesetzten  Niederlagen  oder  Unglücks - 
ialle,  die  seine  Flotten  erlitten,  au  den  Adiniral  Villeneuve 
in  Cadix:  „Wenn  Frankreich  zwei  oder  drei  Admiräle  hätte. 


die  sterben  wollten,  so  würden  die  Engl^ider  bald  klein 
werden !"  Der  Kaiser  täuschte  sich  ebenso  wie  diejenigen, 
die  wühlend  der  Beyolution  die  Zügel  der  Bi^ierung  in 
den  Händen  hatten.  Zu  sterben  waren  Frankreichs  Admi- 
räle und  Eapitioie  wohl  gern  bereit,  und  die  Revolutione- 
zeit  hat  auch  genügend  BeiE^iele  von  wahrem  Heldenmut 
und  glühendec  Vaterlandsliebe  gekannt.  Aber  mit  dem 
bloBen  Einsetzen  seines  Lebens  gewinnt  kein  General  oder 
Admiral  dne  Schlacht  1  Der  Grund  lag  Uefer.  Es  fehlte  der 
französischen  Ma^e  dei  Bepublik  und  des  Kaiserreichs 
nicht  an  Leuten,  die  ihr  Leben  dem  Vaterlande  gern  geopfert 
litten,  sondern  an  großen  Männern,  die  die  Fähigkeiten 
besaßen,  die  in  den  ersten  J^uren  der  Revolution  zugrunde 
gerichtete  Marine  wieder  zu  organisieren  und  zum  Siege  zu 

*)  Die  Belagerung  roulona  zu  WaBser  und  zu  Lande  wurde  bereits  im  ersten 
Baude  der  OesoMchta  Napoieoiu  auf  S.  241  hk  270  auafUhrlich  dargest^, 
wtnauf  ich  die  Leser  dieses  Bandes  verwoiBen  muD. 


195 


fiUtren.  Jai  wenn  man  aas  einem  guten  General  einen  ehea- 
Bolchen-  Ädmiial  hätte  machen  können,  äaxm  wäre  es  um  dia 
Engländer  soMeoht  bestellt  gewesen,  und  mttncherSieg  vän 
ihnen  wohl  antrissen  worden! 

England  dagegen  fehlte  es  nicht  an  großen  Seehelden. 
Kineiii  Samuel  Hood,  einem  Jervia,  einem  Nelson,  kai^r 
einem  Cornwallis,  Cotlingwood  oder  Duncan  konnte  Fran. - 
reich  iilmliche  Namen  entgegenstellen.  Hood,  Jerris  unJ 
Xolson  konnten  den  beuten  franxowiBclien  Jlarachällen,  was 
Genie  und  Selbstäiuli^iieit  im  Handeln  anlangte,  an  die 
Seite  gestellt  «erden;  Nelson  aber  übertraf  sie  alle! 

Lange  Zeit,  ehe  Nelson  Sir  John  Jervia  kennen  lernte, 
hielt  Kr  J^oni  Hood  für  den  hervorragendsten  Seeoffizier 
seiiier  Zeit.  Als  er  aber  dann  Gelegenheit  hatte,  unter  Jervis' 
Flapge  /u  dienen,  änderte  sich  seine  Ansicht,  ohne  daß  ei 
deshalb  die  Eigenschaften  Hoods  geringer  cinschiil/to. 

Mit  der  Übernahme  des  Oberbefehls  über  die  Jlittelmeer- 
flotte  durch  Sir  John  Jervis  begann  eine  neue  Ära  in  der 
Seegesehitihte  Englands:  dieser  Admiral  ist  als  der  eu;:- 
lisclie  ,,Orgamsateur  de  la  victoire"  zu  betrachten*).  f'Jvi 
Zus(antl  d<-v  Scliiffe  Seiner  Flotte,  die  militärische  Ausbil- 
duii«;  Lind  dif  .Mannszucht  der  Offiziere  und  Mannschaften 
sind  iimstcrliiift  nnd  epochemachend  für  die  cnglisi-in' 
.\Iiuiiu'  v.u  iHv.ciclinen.  Der  junge  Kapitän  Nelson  konnti' 
keinen  l)f.--frc[i  Lehrmeister  alw  Sir  John  finden.  Ihm  i« 
auch  das  Verdienst  v^uaufiohreihen.  die  Fähigkeiten  Nelson- 
voll  und  ganz  erkannt  zu  haben.  Denn  als  ein  Teil  di') 
Slittehneerflotte  im  Jahre  ITflS  Bonapartc  verfolgen  aollif- 
ernannte  er  zum  Befehlshaber  dieses  Geschwaders  den 
jüngsten  Admiral  und  zog  Bich  dadurch  viele  Feinde  lu. 

Jlerkwürdig  ist.  daß  sich  aus  den  Handlungen  Napoleon«, 
des  größten  Feldherm  seiner  Zeit  ahnhche  Grundsätze  ent- 

•)  Sir  John  Jervia  wurde  im  Jahre  1734  geboron,  tnt  mit  16  J&hnn  inj» 
Marine  pin  und  wnrde  1787  Konter-,  I7fl3  ViwadniirJ. 

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wickeln  laaaen,  wie  aus  den  Taten  und  Handlungen  Nelaona, 
des  größten  Seehelden  jener  Tage.  Dieser  begnügte  sich  nicht, 
dem  Feinde  einige  Schiffe  genommen  oder  ihn  zur  Aufgabe 
der  Schlacht  gezwungen  zu  haben:  Die  völlige  Vermchtui^ 
seines  Gegners  war  sem  eifrigstes,  sein  größtes  Beatreben. 
Und  trotz  des  glänzenden  Siogpa  bei  Abular  bereitete  es 
ihm  großen  Kummer,  daß  ihm  Viürneuve  mit  einigen  Schif- 
fen entwischt  war!  In  dieser  Hinsicht  wie  m  nianuher  an- 
deren fmden  wir  voUige  Ubt'iyiristniiniiing  in  den  Tdei'ii  Na- 
poleons und  Nelsons.  Trotz  iiuriieriHclier  bch\\'!u:lio  «iahen 
beide  nicht  dem  Feinde  aus,  sondern  suchten  ihn  auf.  Je- 
doch strebten  sie  danach  durch  größere  Schnelhgkeit  in 
ihren  Handlungen,  bei  größerer  Beweglichkeit  und  Gute 
ihrer  Truppen  oder  fecliiffe  im  gegebenen  Augenbücke  da, 
wo  sie  über  den  ieind  herfielen,  die  Ubermacht  zu  haben, 
um  den  Gegner  zu  sclilagen  und  zu  vernichten. 

In  einer  Beziehung  aber  unterscheidet  sich  Nelson  von  Na- 
poleon vollkommen.  Nelson  suchte  Seehelden  heranzubilden, 
ihnen  Initiative  anzuerziehen,  während  Napoleon  sich  nur 
geeignete  Werkzeuge  schaffen  wollte,  die  fast  mechanisch 
seine  Befehle  aoBzufubrenliatiten.  Kelsoos  Befehle  waren  klar 
abgefaßt  und  erschöpfend  in  den  Umrissen.  Seine  Unter- 
fiiiirer  waren  so  erzogen,  daß  sie  bei  veränderten  Verhält- 
nissen entsprechend  handeln  konnten  und  die  Einzelheiten 
selbst  bestimmen  mußten.  Man  denke  nur  an  die  Fahrt,  die  er 
im  Sommer  1798  im  Mittelländischen  Meere  unternahm,  um 
die  Flotte  Brueya'  auafindig  zu  machen.  Sobald  sich  die  Ge- 
legenheit bot,  veraammelte  er  seine  Kapitäne  auf  dem  „Van- 
guard",  um  jede  MögKclikeit  im  FaUe  dca  Zusammentref- 
fens in  Betracht  zu  ziehen  und  zu  crürtorii ! 

Napoleon  hingegen  ordnete  in  acinen  ßcfehlon  gewöhnlich 
alles  bis  In  die  kleinste  Einzelheit  an,  wodurch  er  zwar  sein 
großes  Genie,  dos  alles  srfaBte,  bewies,  aber  vergaß,  daß  die 
geiingeten  Zwdsohenfalle,  besonders  wenn  es  sieh  um  große 


197 


GtLtfeFniuigeii  des  Schauplatzes  handelte,  alle  MaJtnahzneo 
umstoBenmuBten.  UnddoohlagwiUirendderfrühereiiJalue 
sein«  liebem  das  Qehemuüs  seines  Erfolg  in  dieser  aaßer- 
otdentlichen  Konzentratäoa  in  ^nem  einzigen  Him !  Als  es 
aber  später  galt,  von  Fuis  aus  nach  Spanien,  nach  KTeapel, 
nach  Polen  Befehle  zn  übermitteln,  die  schon  in  dem 
Allgenblick,  in  dem  sie  g^eben  wurden,  überfläsaig  oder 
falsch  waren,  dasich  die  Verhältnisse  inzwischen  Tollkommea  i 
geändert  hatten,  da  sollte  diese  Kfethode,  die  nnr  lUbsohinen, ' 
aber  keine  selbständig  handelnden  Feldherren  oder  Polita^ : 
erzog,  wesentlich  zu  seinem  Falle  beitragen. 

Xadicieiii  Toulüii  im  Dizi  uibur  1793  den  Repiiliükanen, 
wieder  in  die  Hände  grfiillcn  war,  und  die  englische  Flotu- 
den  Hafen  hatte  verlui-si'n  iniiwcii.  begab  sich  Lord  Hood. 
der  zu  jener  Zeit  für  den  aiisj^c/fiilmetsten  Admiral  der  eng- 
lischen Flotte  galt,  mit  Heiiicjii  Geachwader  nach  Korsika. 
Paoh  hatte  bereits  seit  August  1793  zu  den  Engländern  Be- 
ziehungen angeknüpft,  da  er  bei  einer  fremden  Besitz- 
ergreifung der  Insel  der  englischen  Herrschaft  den  Vorzug 
gab*).  An  Bord  der  englischen  Flotte  befand  sich  Sir  Gilbert 
Klliot,  der  die  Unterliandlungen  mit  Paoli  leiten  und  die 
Zivilgewalt  Korsikas  übernehmen  sollte.  Am  17.  Februajfiel 
San  Fiorenzo  in  die  Hände  der  Engländer,  und  den  Franzosen 
blieben  nur  noch  Bastia  und  Calvl  als  letzte  Stützpunkt« 
ihrer  Macht. 

Sil  QUbert  Elliot,  der  späteie  (inif  .Minto,  war  von  seiner 
Regierung  zum  ViwU<inig  über  die  neue  englische  Besit- 
zung ernannt  worden.  Kaum  43  -lahro  alt,  hatte  er  schon  ein 
sehr  tätiüefi,  an  Krfolgon  ri'iclu'H  Leben  hinter  sich.  Er  hatte 
erst  kurz  vor  seiner  Ernennung  versciiiedene  diplomatische 
Sendungen  in  Italien  erfüllt  und  konnte  gewissermaßen  als 

•)'VgL  Bd.  I  S.  293fr. 

198 


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Pn!K|iinle  Panli. 


Dlgiiized  Cgoglc 


iixx  Köherer  Kommissar  der  ei^^isohen  Begienmg  im  Mittel- 
äridiBciLenMeere  ai^eseheD  werden.  WegenseinwClereolitig- 
i^eitsliebe  und  ecdnes  gemessenen  Verhaltens  in  kritischen 
L.£tgen  war  Sir  Gilbert  bei  Frennd  und  Feind  in  gleicherweise 
geachtet  und  beliebt. 

Am  10.  Joni  1794  versanunelten  moh  die  korsischen  Abge- 
orÖDebm.  in  Corte,  und  in  der  Etmsulta  vom  16.  Juni  wurde 
die  Insel  als  von  Frankreich  lo^elSst  erklärt.  Am  19.  er- 
folgte die  Gründni^  des  anglo-koraisohen  Erädgreichs,  das 
von  Sir  Gilbert  Elliot  als  Vizekönig  an  Stelle  Geoi^  HI. 
verwaltet  werden  sollte.  Nachdem  Bastia  im  Mai  1794  ka- 
l>ituliert  hatte,  begab  sich  Ädmiral  Hood  vor  Calvi,  das  sieh 
iiEich  länger  als  zweimonatiger  Belagerung  endlich  Anfang 
August  den  Engländern  ergab. 

Paolis  Rolle  auf  Korsika  war  nun  ausgespielt.  Für  seine 
großen  Verdienste  ums  Vaterland  gab  man  ihm  den  Titel: 
Gründer  und  Wiederherst«ller  des  Vaterlandes".  Außer- 
dem ließ  ihm  der  Kimig  Georg  III.  ein  Jahigeld  von  2000 
l'fund  Sterling  anbieten  imd  ihn  auffordern,  seine  Tage  in 
England  zu  beschließen. 

Wenn  auch  PaoH  scheinbar  sein  Amt  aiia  freiem  Willen 
niedergelegt  hatte,  so  tat  er  es  doch  mehr  aus  Xotwendig- 
keit,  da  ihm  die  Mittel  zu  weiterem  Widerstand  gegen  die 
Fratizoseu  fehlten  als  aus  Zuiieigimg  für  die  Engländer,  die 
dureh  ihre  Sprache,  Gesinnungsart  und  Religion  den  Korsen 
vollständig  fern  standen.  Hatte  er  auch  auf  seine  politische 
Tätigkeit  verziciitet,  so  hhehei'dochnochimmerdereigent- 
liehe  Fülirer  seines  Volkes,  das  ilin  mehr  als  einen  bloßen 
.Sterblichen  verehrte,  obgleich  man  schon  anfing,  zu  ihm 
nicht  mehr  dasselbe  Vertrauen  zu  hallen  wie  ehedem!  Er 
ließ  keine  Gelegenheit  vorübergelien,  den  Engländern  den 
Einfluß,  den  er  auf  seine  Landsleute  ausübte,  zu  zeigen.  Zur 
groSen  Erleichterung  des  Yizekönigs  verließ  Faoli  endlich 
im  Herbst  die  Insel  für  immer.  Er  schiffte  sich  am  14.  Ok- 


199 


tober  1794  in  San  Fiorenzo  ein,  begab  sich  zunächst  nacb 
Livomo  und  dann  nach  London. 

Die  ersten  Handlungen  der  neuen  Regierung  muOtezi  sich 
auf  die  Verteidigung  der  Inael  beziehen,  und  Elliot  tat  alles, 
was  ihmniitaeuienBclnviiclien  Hilfskräften uinnhchn'ar,  um 
einen  Handstreich  dei-  J'  iiumosen  auf  die  Insel  abzuwehxen 
Ende  des  Jahres  1794  verfugte  er  über  kaum  3500  Mmti 
eiuschheßiich  der  korsiijclicn  ^lüizcn.  so  daß  es  der  gaosen 
Wachsamkeit  der  Flotte  bodurfte.  um  eme  Landiing^' der 
Franzosen  auf  Korsika  zu  verhindern.  Lord  Hood  kehxte 
im  Oktober  1794  nach  England  zurück,  um  den  Wintear  in 
der  Heimat  zu  verbrinsen.  hr  durfte  seine  AdmiralBBagge 
auf  der  „Victory"  niclit  wieder  aufziehen,  denn  er  gnäet 
wegen  der  Verstärkung'  der  ^üttelmeerflotte  mit  dem  iiBiien 
Lord  der  Admiralität.  Loni  Spencer,  in  Aleinungsvorscäiie- 
dcnheiten  und  mußte  den  Oborbofobl  ganz  niederl^en*). 
Als  Nelson  die  Absetzunt;  Hoods,  den  er  sehr  verehrte,  er- 
fuhr, schrieb  er  an  seinen  Bruder:  „O,  die  elende  Admirali- 
tät! Diese  Leute  haben  den  besten  Offizier  unserer  Madse 
zum  Aufgeben  seiner  Bcfeblsbaboratellung  gezwungen.  Die 
frühere  Admiralität  mag  durch  ihre  Untätigkeit  und  durch 
ihre  Nachlässigkeit  den  Verlust  einiger  Kauffahrtdsofaiffe 
verursacht  haben,  die  jetzige  hat  aber  eine  ganze  Kriegs- 
flotte gefährdet.  Lord  Hrmds  Abgang  ist  ein  Nationaiim- 
glüok." 

Der  Vizeadmiral  Hotham  erhielt  an  Stelle  Hoods  den  vor- 
läufigen Oberbefehl  über  die  Flotte  im  Mitteil ändiachen 
Meere.  Wenn  er  sich  in  dem  Treffen  am  Capo  Corao  im  Golf 
von  Genua  energischer  gezeigt  hätte,  würde  er  vielleicht  dos 
dauernde  Kommando  über  das  (Jeschwader  erhalten  haben. 

„Hotham  ist  sicherlich  der  beste  Mensch,  der  sich  denken 
läßt,"  schrieb  damals  Nelson,  „aber  er  nimmt  alles  zu  phOo- 

•)  Er  wurde  Im  Mftn  ITOG  Gouvpnitur  dcB  Grocnwich-Hospitals  und  sUrb 
im  Jahn  ISIS. 

200 


□Igiiized  tu  Cpogle 


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.-iopliisL'li.  H  it'i'  w  üro  ein  t  litipci-  und  unternehmender  -Manner- 
t  ortierlifh,  er  irft  aber  weder  das  eine  noch  das  andere.  \Venn 
nur  jeder  !^[o(irtt  liingeht,  ohne  daß  wir  einen  Verlust  erlit- 
lon  liiibeii.  fiililt  er  sich  befriedigt.  In  keiner  Beziehung  ist 
er  mit  Lord  Hood  zu  \'ernlcifhen.  Die.ser  ist  wirklich  der 
bedeutendste  Offi/icr.  den  ii'li  kciun-ii  j;c]f.']r[t  Imbe.  Lord 
Howe  ist  allerdings  nucli  ein  Offizier  von  ungeineiiirn  Fähig- 
keiten zur  Führung  und  Lcituiif;  einer  Klutte.  iiber  daa  ist 
auch  alles.  Lord  Hood  ist  gleich  ausgezeielinet  in  jeder  Lage, 
worin  ein  Admiral  eich  befinden  kann." 

Wie  Mir  im  ersten  Band  gesehen  hatten,  war  bereits  seit 
Kode  des  Jahres  1794  eine  Expedition  g^en  Korsika  im 
Gange,  bei  welcher  Napoleon  die  Artillerie  befehligen 
soUte*). 

Dieses  Unternehmen  fand  aber  schon  -sein  Knde,  ehe  man 
die  Küste  Frankreichs  verließ,  denn  die  Flotte,  die  sich  vor 
Abgang  der  Transportschiffe  mit  der  feindlichen  um  13.  und 
14.  März  1795  in  der  Nähe  des  Capo  Corso  gemessen  hatte, 
war  geschlagen  worden,  und  die  Landungstruppen  erhielten 
am  19.  März  Befehl,  sich  wieder  zur  Italienischen  Armee  zu 
bc|;eben. 

Obgleich  der  Verteidigongszustand  der  Insel  wegen  der 
za  geringen  Trappenstärke  viel  zu  wünschen  äbriglieQ,  war 
die  administrative  L^e  Korsikas  im  Laufe  des  JaJires  17S5, 
dank  der  Mtarbeit  Fozzo  di  Borgos,  der  bei  der  Gründung 
des  KSnigreidiH  einstämmig  zum  Staatsrat  ernannt  worden 
war,  zufriedenstellend.  AberPozzodiBorgo  schuf  räch  durch 
Bein  herrisches  und  wenig  zugängliches  Wesen  viele  Feinde, 
und  bei  dem  znr  Unruhe  geneigton  Charakter  des  korsisohen 
Volkes  war  es  vorauszusehen,  daß  der  Sturm  bald  wieder 
losbrechen  würde. 

Inzwischen  hatte  Elliot  das  100.  Regiment  aus  Gibraltar 
erhalten,  und  auch  eine  Yerstärkong  der  englischen  Flotte 
*)  Vgl.  Bd.  I.  B.  293—897. 


201 


trag  wesentlich  dazu  bei,  die  Sicherheit  nach  au&en  hin  zu 
Termehren,  so  daß  das  Jahr  1795  unter  weit  günstigeren 
VoraiisBetzungeD  als  das  verflossene  für  den  Vizekönig  sei- 
nen Anfang  nahm.  Elllot  begann  bereits  seine  Augen  aof 
Sardinien  zu  werfen,  das  er  für  die  Krone  Englands  zu  er- 
obern trachtete. 

Aber  die  Siege  BcHiapartes  in  Italirai  nnd  andere  Umstän- 
de, die  der  Weltlage  bald  eine  andere  Geetaltm^  nnd  der 
englischen  Politik  eine  andere  Bichtang  gaben,  sollten  andi 
auf  Korsika  von  großem  Einfluß  sein! 

lÄDgs  der  Bivieia,  besonders  in  dem  Korsika,  am  näch- 
sten liegenden  Hafen  ÜTomo,  hatten  sich  alle  mit  der  jet- 
zigen Lage  unzufriedenen  und  Frankreich  geneigten  Kor- 
sen gesammelt.  Sie  warteten  nur  auf  eine  günstige  Gel^en- 
heit,  um  von  neuem  einen  Handstreich  auf  die  bisel  zu  un- 
ternehmen. Bereits  am  21.  Mai  1796  und  dann  am  20.  Juli 
aus  Castäg^one  ergingen  an  den  Bataülonschef  BoneUi,  der 
Bich  nach  Korsika  begeben  sollte,  W^ungen,  den  Aufstand 
auf  der  Insel  vorzubereiten.  Ja  Bocognano,  wohin  sich  Bo- 
nelli  begeben  hatte,  brachen  zuerst  die  Unruhen  aus.  An  da" 
Spitze  von  2000 Mann,  denn  die  B^imenter  Boll  imd  Dillon 
waren  kürzlich  auf  Korsika  gelandet  und  hatten  die  Besat- 
zung in  willkommener  Weise  verstärkt,  machte  sich  der 
^^zekön^  auf,  den  Widerstand  zu  unterdrücken.  Es  aoDte 
ihm  auch  auf  gütigem  Wege  gelingen.  Aber  mit  der  Eahe 
auf  KoRdka  war  es  vorbei.  Man  war  die  englischen  Regie- 
rung satt;  die  republikanischen  Agenten  taten  das  ihrige, 
und  der  Vizekönig  sah  immer  mehr  seine  Macht  und  seine 
Volkstümlichkeit  schwindsn.  Als  kluger  und  vorsichtiger 
Mann  war  er  beizmten  darauf  bedacht,  für  die  Motte  seine« 
Königs  einen  anderen  Stützpunkt  im  äßttelländisohen 
zu  wählen,  falls  es  die  Verhältiüsse  mit  sich  bringen  sollt«iii 
die  Insel  Korsika  zu  räumen. 

Ohne  seine  Begierung  zu  benachriohtigen,  beschloß  er  im 

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EiiivcTi^tändnis  mit  dem  Adniiral  Sir  .Jofin  Jervis.  ein  Tnip- 
peokürpa  nach  Elba  hinüberzusenden,  um  sich  Porto  Ferraios 
zu  bemächtigen.  Jerris  war  mit«rdessen  am  II.  Xovember 
1795  nach  dem  Mittelmeere  abgegangen,  um  an  Stelle  Hot- 
hama  die  englische  Hotte  zu  befehligen.  Die  Ausführung  des 
Unternehmens  gegen  Elba  übernahm  der  Kommotlore  Xel- 
son  mit  seinem  ana  drei  Schiffen  bestehenden  Geschw  ader. 
Faflt  ohne  Schwertstreich  nahmen  die  Engländer  am  10.  Juli 
von  Elba  Besitz,  Die  Tn.sel  gekürte  dem  Großherzog  von 
Toscana,  mit  dem  England  divniak  iu  Frieden  lebte.  Elliot 
beunruhigte  sich  jedoch  wegen  dieser  widerrechtlichen 
Handlung  nicht  besonders.  Er  beschloß  seinen  Bericht  vom 
11.  Juü  1796  an  den  Heraog  von  Portland*),  den  Minister 
des  Innern,  mit  den  Worten:  „Unser  Einfall  in  einen  Teil 
des  pro  13 herzoglichen  Gebietes  wird,  wie  ich  hoffe,  nicht  als 
eine  Verlet/.img  daa  Völkerrechts  betrachtet  werden.  Da  die 
Franzosen  in  Toscana  sind,  kann  sich  der  Großherzog  von 
Rechts  wegen  nicht  beklagen,  daß  die  Engländer  die  In#el 
Elba  besetzen."  Nachdem  auch  Capraja  in  die  Hände  der 
Engländer  gefallen  war,  hoffte  der  VizekÖnig  sich  aach  des 
bereite  durch  ein  englisoheB  Geschwader  blockierten  livorno 
bemächtigen  zu  können. 

Alles  war  zur  Abf^irt  bereit.  Da  traf  eine  Depesche  dee 
Herzogs  von  PorÜoud  ein,  die  alle  Hoffnungen  Elliota  zu- 
nichte machte.  Es  sollte  ihm  nicht  allein  das  100.  Regiment 
entzogen  werden,  sondern  dem  VizekÖnig  wurde  auch  be- 
fohlen, Maßnahmen  zur  Bäumung  Korsikas  za  txeKen.  In- 
folge der  Siege  der  Franzosen  in  Deutschland  und  Italien, 
besonders  aber  infolge  des  Bündoisrertrags  zu  Ildefonso 
vom  27.  Jon!  1796  zwischen  Frankreich  und  Spanien,  hatte 
sich  die  Lage  für  die  Engländer  vollkommen  verändert. 
Spanien  war  zu  einem  Kriege  mit  England  bereit.  Dieees 
mußte  jetzt  bedacht  sein,  seine  veffügbaten  TruppMi  ans 

*J  WllÜHii  Henry  Cavendish  Beuünalc,  dritter  Lorä  von  Fortlaad. 
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dem  Glitte! iiicorc  zur  Vcrteklifjunt;  der  cigmoii  Küsten  her- 
anzuziehen, denn  die  Gefahr  einer  feindlichen  Lundinig 
rückte  immer  näher.  Nicht  allein  Korsikas,  Hondorn  auch 
(Gibraltars  Besetzung  wurde  vom  englischen  Volke  vielfach 
f:ctndelt!  Trotz  aller  Einwände  Elliots,  daß  die  tnael  nicht 
schwer  zu  halten  nci,  und  daß  Korsika  aufgeben  auch  Ita- 
lien aufgehen  hiel3e,  wurde  er  dringend  aufgefordert,  den  er- 
haltenen Befehlen  nachzukoniinen.  Er  traf  infolgodeaaen 
Anstalten  zur  Räumung  der  Insel. 

Inzwischen  war  aber  die  von  Bonaparte  vorbereitete  Ex- 
pedition nach  Korsika  in  vollem  Gange.  Am  1!,  August  er- 
hielt der  DivisionKgeneral  Casabianca  von  Bonapartc  die 
Weisung,  sich  nach  Livomo  zu  begeben.  Am  2ö,  August 
erfolgte  der  Befehl  zur  Bildung  korsischer  Kompagnien  in 
Livomo,  und  am  nächsteti  Ti^,  am  26.  August,  erhielt 
Salioeti  eingehende  Vorsohiiften,  nach  und  nach  kleine  Ab- 
teilungen unter  dem  Generai  Cervoni  nach  Bastäa  über- 
setze» zu  lasBen.  Endlich,  ab  Bonaparte  vom  General  G^- 
tili  erfahren  hatte,  daß  die  Engländer  im  Begriff  seien,  die 
Insel  zu  Terlaesen,  erhiedt  Gentiii  als  Oberbefehlshaber  des 
LandungßkorpB  am  17.  Oktober  von  Modena  aus  die  ein- 
gehendsten Yorschiiften.  Bereits  am  14.  Oktober  hatte  Ca- 
salta  mit  dem  Begierungskommissar  Saliceti  livomo  ver- 
laesen,  und  schon  am  nächsten  Tage  landeten  sie,  trotzdeiii 
sich  das  engUsohe  Geschwader  in  der  Nä^e  des  Hafens  be- 
fand, in  Maccinaggio,  beim  Capo  Corso. 

Ohne  Z&i  zu  verlieren,  marschierte  Casalta  auf  Bastia, 
und  trotz  seiner  geringen  Truppenzahl  ließ  er  EUiot  zur  Ab- 
fahrt auffordern.  Nelson  und  andere  höhere  Seeoffiziere  rie- 
ten zwar  zum  Wideratand,  doch  der  Vizekönig  ließ  sich  von 
korsischen  Abgesandten  tunstimmen  und  erteilte  Befehl, 
sich  sogleich  an  Bord  zubegeben.  Die  Einschiffung  geschah 
fast  mit  Überstürzung,  undam  17.  Oktober  1796  verließ  das 
ganze  enghsche  Geschwader  Bastia. 


205 


1 


Ajatioio  war  bereits  am  16.  Oktober  geräumt  worden,  nur 
in  San  Fiorenzo  befand  sich  noch  eine  englische  Besatzung. 
Hierher  begab  sich  nun  Elliot  mit  dem  Geschwader  Nelsons. 
Aber  General  Casalta  beschloß,  den  Engländern  keine  Zeit 
mehr  zum  wirksamen  Widerstande  zu  lassen,  obgleich  die^c 
auch  durch  die  Besatzungen  von  Ajaccio  und  Calvi  ver- 
stärkt worden  waren.  Schnell  marschierte  er  den  Enj;- 
ländem  auf  dem  Landwege  nach,  wußte  er  doch,  daß 
ihm  Gcntih  bald  folgen  würde.  Es  kam  aber  auch  hier 
nicht  zum  Kampfe,  denn  Elliot  heß  sämtliche  Tniijpoii 
einschiffen  und  wandte  sich  dann  nach  Porto  Ferraio. 
Inzwischen  hatte  rLÖnUioh  unter  den  Mauern  tohj  San 
Fiorenzo  die  Vereinigung  beider  korsischen  Generale  statt- 
gefunden. 

Elliot  ließ  noch  durch  Sir  John  Jervis  Piombino  besetzen, 
legte  dann  sein  Amt  als  Vizokönig  von  Korsika  nieder  und 
gab  den  Befehl  über  die  Landtruppen  an  den  General 
von  Burgk.  So  endete  nach  zweijährigem  Bestehen  das  Kö- 
nigreich Korsika,  für  dessen  Besitzergreifung  durch  die  Eng- 
länder ebensowenig  Blut  vergossen  worden  war  als  bei  der 
Zurückeroberung  durch  die  Franzosen,  Die  Insel  sollte  nun 
für  immer  zu  Frankreich  gehören. 

Trotz  der  dreijäiudgen  Anwesenheit  einer  starken  eng- 
lischen Flotte  im  Mittelländischen  Meere  unter  den  Be- 
fehlen Hoods,  später  Hothams  und  schließhch  Jervis'  hatte 
sie  fast  zu  nichts  anderm  gedient  als  zur  vorübergehenden 
Besetsung  Korsikas!  Infolge  der  ungünstigen  poUtisohen 
Lage  im  Sommer  1796  sah  eäcb  GroBbritannien  veranlaßt, 
auf  sdne  MachtateUnng  im  Mittelmeere  zu  veiadchten.  Als 
dann  die  Regierung  auf  Grund  der  dringenden  Vorstellun- 
gen Elliots  und  Jerm'  Gegenbefehl  zur  Bdnmnng  Korsikae 
und  somit  des  Hauptetützpunktes  der  Hotte  gab,  w»  ee 
zu  spät.  Viel  mag  auch  das  Verhalten  des  Konteradmir^ 
Man  beigetragen  haben,  daß  die  Lage  sieh  nioht  günstiger 

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gestaltete,  denn  dieser  liatto  Sir  .lohn  .Tervis  die  !\Iöglich- 
^eit  ge.iöiiimeii,  eine  eiituclieidende  Selilaelit  /ii  liefern. 

I>(5r  Kojitcradiiiiral  Man  blockierte  im  Frülijahr  Cadix, 
AI  »iewsen  Hafen  eine  französisclie  P'jolte  vor  Anker  lag. 
Wegen  des  gespannten  Verliültnisses  zwischen  Knfrland 
und  Spanien  aber  gab  .lervia  ilun  Befehl,  mit  Keinen  sieben 
Schlacht sebiffcn  7.\i  ihm  in  die  korsischen  (iewÜHscr  zurüuk- 
zukehren.  Infolgedessen  hob  Man  am  '2i).  .hili  die  Blockade 
von  Ca<iix  auf.  Er  unterlieli  es  aber,  wieli  genügend  mit  Pro- 
viant zu  versehen,  so  daß  ilni  .Sir  .(olin  .lorvis  wieder  nach 
Gibraltar  zurücksandte,  um  Lebensmittel  zu  holen.  Der 
Ädmiral  kam  aber  nicht  wieder,  denn  inzwischen  war  der 
Krieg  mit  Spanien  ausgebrochen.  Eine  weit  iibei'legcne  spa- 
nische ilotte  von  19  Schlachtschiffen  unter  Admiral  Lan- 
gara  hatte  auf  das  englische  Geschwader  Jagd  gemacht.  Ad- 
miral Man  entkam  zwar,  sah  sich  jedoch  veranlaßt,  seinen 
Wej;  nach  England  7.n  nehmen.  Die  Admiralität  war  mit 
^^einem  A'erbalten  sehr  unzufrieden,  und  er  mußte  bei  seiner 
Ankunft  in  Spithcad  seine  Admiralsflagge  streichen. 

Da  Man  nicht  zurückkehrte,  ging  Jervis  Anfang  November 
mit  seinem  Geschwader  in  See.  Am  1.  Dezember  erreichte 
er  Gibraltar.  Von  dort  brach  er  am  16.  wieder  auf,  und  am 
^1.  Dezember  1796  warf  er  im  Hafen  von  Ussabon  Anker, 

Während  sich  diese  Ereignisse  im  Mittelländischen  Meere 
abspielten,  hatte  am  1.  Juni  1794  im  Heerbusen  von  Gas- 
c(^e  eine  Seesohlaoht  zxrischen  Admiral  Lord  Howe,  dem 
Oberbef ehMiaber  der  Kraialflotte,  und  Vizeadmiral  Villaret- 
Joyeuse  Btatt^;efunden,  die  für  die  Engländer  zwar  ai^^ch 
ausging,  doch  anoh  mcht  ohne  Ruhm  für  den  Gegner  endete. 
Der  französische  Admiral  sollte  einem  bedeutenden  Getreide- 
transport,  der  aus  Nordamerika  erwartet  wurde,  entgegen- 
fahren und  ihn  durch  die  englischen  Kreuzer  hindurch  in  die 
feuizösisoben  Häfen  geleiten.  Mb  der  Zusammenstoß  beider 


207 


Flotten  erfolgte,  zählte  die  englische  Kanalflotte  26  Schlaolii- 
scliiffc,  also  ebensoviel  als  die  französische.  Villaret-JoyeuK 
verlor  in  flir>«ctii  Troffen  Hinhon  seiner  Si'hiffe,  Aber  au. 
die  enfrliselie  Holle  liatte  .-tark  irelillen.  so  dnß  der  eini;:. 
Tage  daniiif  nna  Amerika  uiilungeiuie  (iftrt'idetrunsport  mii 
dem  Rest  der  Schlaehtflottc  ungehindert  in  Brest  einlaufen 
konnte. 

TrntK  tlieser  Xiederlape  verlielj  Villaret-loyeuwe  mit  einer 
zahlreichen  Flotte  von  :i4  Linienschiffen  nnd  13  Fregatt*n 
um  31.  Dezeinher  iJrest  von  neuem  und  steuerte  südwärU 
in  die  Hee  hinaus.  Obgleich  viele  Schiffe  nur  ungenügend 
atiKgehesserl  niid  ausgerüstet  worden  waren,  sandte  der 
Wolilfulirtsaussehuß  mitten  im  Winter  eine  Flotte  hinaus 
Ein  Teil  sollte  unter  dem  Konteradmiral  Eonaudin  mit 
sechs  Schiffen  zum  Vizeadmiral  Martin  im  Mitteliändischen 
Meere  stolien,  fails  es  ihm  gelänge,  der  Waehsanikeit  der 
englisclicn  Flotte  zu  entrinnen.  Aber  ea  kam  gax  nicht  so 
weit.  Heftige  Stürme  und  empfindlicher  Proviant mangel 
veranlaiJten  die  zahlreiche  Flotte,  die  einige  ihrer  Einhei- 
ten cinbüBle,  wieder  umzukehren,  ohne  ihre  Aufgabe  er- 
füllt /.u  haben. 

Die  französische  Marine  jener  Tage  war,  ganz  im  {.Sogen- 
satz zur  englisehen,  arm  an  gi-oßeii  Seehelden,  obgleich  reich 
an  tapferen  Männern.  Leider  glaubte  man  im  Nationalkon- 
vent, daß  mandenMangel  an  fachmännischer  Bildung  durch 
persönliche  Tapferkeit  ersetzen  könne.  Der  Wohlfahrtsaus- 
schuß und  die  späteren  Regierungen  fanden  daher  immer 
mutige  Leut«  genug,  die  nicht  zurückschreckten,  auf  schlecht 
ausgebesserten  und  ausgerüsteten  Schiffen  in  See  zu  ste- 
chen, um  den  Engländern  eine  Sehiaclit  zu  liefern,  die  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  zu  deren  Vorteil  ausfallen  mußte- 
Die  Engländer  hatten  alles  für  sich;  vor  allem  besaßen  sie 
tüchtige  seemänniBche  Bildung,  die  den  Franzosen  selbst 
noch  während  der  Kaiserzeit  abging,  und  einen  -  unbeug- 

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siimen,  gestählten  Willen,  Eigenschrften,  die  da«  Glüok  an 
ihre  Fahnen  fesseln  mußten! 

Kaiun  war  die  französische  Flotte  wieder  uaeli  Brest  zu- 
rückgekehrt, als  der  Wohlfalirtaaussuhuß  im  Februar  1795 
durch  den  Konteradmiral  Renaudin  einen  neuen  Versuch 
machen  ließ,  einige  Schiffe  zum  Geschwader  des  Vize- 
admirals Martin  stoßen  zu  lasseii.  Am  22.  Februar  1795 
segelten  sechs  Linienschiffe  und  diei  J'regatten  ans  Brest 
ab,  nnd  am  4.  April  langten  sie  glücklich  im  Hafen  von 
Toulon  an.  Inzwischen  aber  hatte  auch  der  Vizeadmiral  Ho- 
tham  eine  Vcrstärkimg  von  neun  Linienschiffen  rmter  dem 
Konteradmiral  Man  erhalten,  so  daß  die  vprliiindete  Flotte 
21  englisciie  und  zwei  neapolitani.sclie  Schlachtschiffe  Kühlte. 
Am  13.  Juli  1795  kam  es  bei  den  Hyerischen  Inseln  zum  Ge- 
feclit,  das  trotz  der  großen  eogUsohea  Vbermooht  zn  kernen 
großen  Ergebnissen  führte,  denn  die  Franzosen  verloren  nur 
ein  einziges  Linienschiff. 

Ein  entscheidender  Sieg  der  Engländer  hätte  die  müitäri- 
sc;he  Lage  der  Franzosen  an  der  Kiviera  äußerst  gefährden 
niid  denFeldzugBonaportes  im  nächstenFrühjahr  arg  bloß- 
stellen können.  Aber  das  Schicksal  wollte  oioht,  daB^Nel- 
s<3n  an  .Steile  HothamB  die  englische  Flotte  befehligte  und 
zum  Siege  führte! 

Das  Gefecht  bei  den  Hyerischen  Inseln  war  der  letzte  be- 
merkenswerte Zusammenstoß  zwischen  der  englischen  imd 
der  französischen  Marine  bis  zur  Schlacht  bei  Abukir  und 
der  Zerstörung  einer  der  besten  französischen  Flotten.  Jetzt 
r^olitcn  die  Schläge,  die  lilnglands  Admirale  austeilten,  mu" 
die  neuen  französischen  Bundesgenossen  treffen,  die  Spa- 
nier und  die  Holländer,  mit  denen  Frankreich  am  22.  Juli, 
beziehentlich  bereits  am  16.  Mai  1795,  Frieden  und  Bünd- 
nisse geschlossen  hatte! 

Schern  jetzt  mußte  die  franzSaische  Marine  leider  auf  eine 
stattliche  Zahl  von  Verlosten  zurückblicken  I  Während  der 


14 


ersten  diei  Kriegsjahre  hatte  ^Frankreioh  nicht  weniger  s.h 
33  Sohlaohteohiffe  verloren,  woTon  allerdings  13  in  Toulon 
TOn  den  Boyalisten  dem  Feinde  übergeben  worden  waren. 
Ebensoviel  hatte  England  erobert  oder  in  den  Gnind  ge- 
bohrt, und  sieben  8ohi£te  waren,  da  räe  za  mangelhaft  aus- 
gerüstet oder  ihre  Mannschaften  zu  wenig  seetüchtig  waren, 
den  Unbüden  des  Meem  zum  Opfer  gefallen.  Hingegeo 
konnte  sich  die  ei^lisohe  Marine  bis  zur  Seeeohlacbt  von 
Abukir,  also  während  dreier  Jahre,  keiner  größeren  Siege 
über  die  Franzosen  rühmen  I 

Ehe  Sir  John  Jervis  das  Mittelländische  Meer  verließ, 
hatte  er  K'elson  beauftragt,  die  Garnison  und  die  zurückge- 
lassenen Vorräte  von  der  In&el  Elba  zu  holen.  Am  26.  Di'- 
zemberl7d6trafNelsonmit8einenbeidenI^regatteninPorto  j 
Ferraio  ein.  Er  hielt  »ch  hier  einen  Monat  lang  auf  und  ver- 
ließ d^m  mit  Sir  Gilbert  Elliot,  dem  ehemaligen  Tizekönig 
von  Korsika,  am  29.  JaouBrl797  die  Insel*).  Am  9.  Februar 
eneiohte  Nelson  mit  aeiow  Flottille  Gibraltar,  und  am  13., 
dem  Vorabend  der  Schlacht  von  8äo  Vicento,  traf  er  wieder 
bei  seinem  Vorgesetzten  ein  nnd  übernahm  von  neuem  den 
Oberbefehl  über  daa  Ijnienschiff  „The  Captoin*'. 

Auf  Chimd  des  zwisohen  Frankreich  und  Spanien  abge- 
BohloeBenen  Vertrags  vom  19.  August  1796  hatte  die  eine 
Macht  der  anderen  im  Kriegsfalle  21 000  Mann,  16  linien- 
schiffe  und  10  Fregatten  zu  stellen.  IHe  Ratifikationen  wur- 
den am  12.  September  ausgewechselt,  und  wenige  Tage  dar- 
auf erfolgte  der  Befehl  zur  Beeohlagnahme  sämtlioher  apa- 
nischea  Schiffe  durch  die  Engländer.  Sie  Spanier  antworte- 
ten mit  einer  Kriegserklänrng  an  Großbritannien. 

Die  spanische  Marine  verfügte  zwar  über  prachtvoll  ge- 

■)  D,.r  H(.fp(il>lu.lH  r  tl.  r  r,ii„dlnii.p..n,  Gpnoral  de  Burgli,  blkt.  j«iix-ti.  .h. 
aieh  die  liefeld"  Sii-Julu)  .li-rvis'  imr  auf  die  Soetroppon  und  Vorrülc  Ijl'iori  t, 
Im  Frülijtthr  17Ü7,  nach  der  Öclilaclit  von  S5o  Vicente.  holt«  Nebon  den 
Konvoi  mit  den  Laadtnippen  aus  dem  HitMlmeero  ab,  am  lie  nach  Oibmllv 

210 


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baute,  scliiiell  seeelncie  , Schilfe,  docli  Olfi/ici!'  \ind  die 
.Miuiiiauliiiften  waren  miTiderwertig,  Naiiüleoii  setzte  wah- 
rend des  Ivaiserreiclis  den  Uefeuhtswert  eines  französischen 
l^chiffes,  wohl  nicht  vollkommen  mit  Recht,  dem  zweier 
spanischen  gleich.  Und  da  die  Mann  Schäften  eines  franzosi- 
schen Hchlaehtm-hilfeseinem  gleichstarken  engliselientSehilfe 
an  Gescliickhchkeit  im  Handhaben  der  Hegel  und  im  Be- 
dienen der  tJeüchütze  auf  offener  See  zweifellos  bedentend 
unterlegen  waren,  so  war  da.s  Verhältnis  m  beziig  auf  Gute 
der  Besatzung  zwisi^hen  der  englischen  und  der  spanischen 
Fltitte  noch  viel  ungünstiger.  Andemteils  wieder  verfugte 
äpanieu  damals  über  mehr  als  50  schone  Schlachtschiffe, 
denen  Jcrviü  kaum  em  Drittel  entgegenzoBtellen  ver- 
mochte. 

Die  zum  Auslaufen  bereite  spanische  Flotte  zahlte  2fi 
Schlachtschiffe  und  11  Fregatten.  Sie  «fand  unter  dem  Ober- 
befelile  des  Adinirals  Jose  de  Cordova.  eines  tüchtigen  See- 
manns. Am  I.  Februar  1797  verließ  diese  stolze  Armada  Car- 
tagena,  passierte  am  ö.  Februar  das  Vorgebirge  von  Gibral- 
tar und  steuerte  auf  Cadix  zu.  Ungünstige  Winde  jedoch 
verhinderten  den  s|)aiüM'h('n  A<lnHriil.  iu  den  heimatlichen 
Hafen  einzuliuifeii. 

Sir  John  Jcr\'i8  hatte  am  6.  Februar  aus  England  eine  V'or- 
stärkung  von  sechs  Linienschiffen  erhalten,  —  denn  die  Ge- 
fahr einer  französischen  Landung  inIrland  war  vorläufig  vor- 
über*), —  so  daß  er  seine  Flotte,  die  in  den  letzten  Monaten 
durch  allerlei  Uii!;lüdv:^fälle  fünf  Einheiten  verloren  hatte, 
wieder  auf  ITi  Schlachtschiffe  bringen  konnte.  Admiral  Cor- 
dova hatte  von  cier  aus  England  eingetroffenen  Verstärkung 
noch  niehts  erfahren.  Er  glaubte  auch  nicht,  daU  es  die  be- 
deutend schwächere  feindliche  Flotte  wagen  würde,  ilm  anzu- 
greifen. Uberhaupt  hofften  seine  Schiffe  nach  dem  soeben 
tiberetandenen  Sturm  bo  schnell  wie  möglieh  den  Hafen  zu 

nV^S.  230. 

14»  211 


erreichen,  wodurch  ihio  Bewegungen  sich  weniger  einheit- 
hch  gestalteten. 

Der  englische  Ädmiral  kreuzte  seit  Anfang  Februar  in  dw 
Nähe  des  Kap  Säo  Vieente,  da  er  irgendein  na«h  Cadix  be- 
fltimmtes  feindliches  Geschwader  abzufangen  hoffte.  Da  be- 
kaiiieri  sich  plötzlich  am  13.  Februar  beide  Flotten  in  Siclit. 
Am  Morgen  des  14.  wTirden  dem  englischen  Ädmiral  erstäl 
dann  25  foindjiche  Schlachtschiffe  gemeldet,  die  in  zwei 
Cruppen  von  19  und  sechs  Schiffen  segelten,  während  Seilte 
eigene  Flotte  eng  beisammen  in  zwei  ÄbteQiingen  von  acht 
und  aieben  Selüffen  fuhr. 

Mit  größter  Geschicklichkeit  manövrierten  seine  Kap- 
täne,  denn  sie  alle  waren  sich  beiv-ußt,  wieviel  auf  dem  Spiek 
stand,  und  daß  England  dringend  eines  Sieges  bedürfe,  m. 
die  Öffentliche  ileinung  zufrieden  zu  steilen.  Der  Admiral 
ließ  direkt  auf  die  Lücke  zwischen  beiden  Gruppen  zu- 
steuern und  gab  dann  Befehl,  eine  Kolonne  zu  bilden.  Cor- 
dova  suchte  /war,  als  w  den  Feind  erblickte,  aogküch  seine 
Flotte  KU  ordnen,  aber  sei  es,  daß  seine  Sclüffc  zu  weit  aus- 
einander fuhren,  sei  es,  daü  die  Kapitäne  schlecht  manö- , 
vrierten:  seine  Absicht  mißlang.  Gegen  ll'/i  Hhr  eröffnete 
Kapitän  Troubridge  mit  dem  „Culloden",  der  an  der  SpltK 
der  englischen  Flotte  segelte,  das  Feuer. 

Noch  ehe  die  engUschen  Schiffe  heraagekommen  waren, 
hatte  der  spanische  Admiral  Befehl  gegeben,  xa  wenden, 
um  einen  nördlichen,  nüt  der  englischen  Flotte  fast  paralle) 
laufenden  Kurs  emzusohlagen,  jedoch  in  entgegei^esete- 
ter  Sichtung.  Er  glaubte  nämlich,  daß  es  ihm  nicht  ge- 
lingen würde,  eine  Verein^jung  seiner  Luvwartgruppe  nüt 
der  Leegruppe  berbeizoführen.  Ale  Jervis  der  Bewegui^ 
des  Feindes  ansichtig  ward,  erteilte  er  seineiseits  sofort  Be- 
fehl zum  Gegenmarsch.  Als  genialer  Flottenführer  ließ  er 
die  Richtung  auf  die  Nachhut  der  größeren,  idso  der  Luv- 
wartgruppe, nehmen. 

212 


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Wie  bei  einer  Flott«niibuiig  wurden  seine  Itefolilr  auBge- 
iihrt.  Entxiickt  rief  er  aus,  als  er  diis  erste  Heliiff  der  Kd- 
onno  wenden  sali:  ,,Scht  nur  den  Troubrid(;e  an,  nianö- 
\.-riert  er  nicht,  als  ob  ganz  Kiigland  die  Augen  auf  ihn  ge- 
richtet hätte!;  Wollte  Gott,  es  wäre  w-irklich  bei  dieser 
Schlacht  zugegen,  dann  würde  es  den  tajjferen  Befehls- 
haber des  „Culloden"  schätzen  lernen  wie  ich!" 

Ea  war  gegen  1  Ulir,  als  Jervia  die  feindliche  Stellung 
durchbrochen  hatte  und  auf  die  spanische  Nachhut  zu- 
st-euerte.  Die  Spanier  waren  jedoch  gute  Segler,  und  es  dau- 
erte geraume  Zeit,  ehe  die  englisohe  Vorhut  die  feindlichen 
Schiffe  eingeholt  hatte.  Cordova  seinerseita  gab  ea  noch 
nicht  auf,  sich  mit  seiner  I^eegruppe  zu  vereimgen,  und  steu- 
erte auf  Südost  zu. 

Jetzt  trat  eine  Wendung  im  Gefecht  ein,  der  der  Srfolg 
des  Tages  zum  großen  Teile  zuzuschreiben  ist.  Die  en^isohe 
Flotte  fuhr,  wie  man  sich  erinnern  wird,  in  einer  Linie,  um 
an  einem  bestimmten  Punkte  umzuschwenken  und  dann 
auf  die  feindliche  Nachhut  zuzusegeln.  Es  würde  also  lange 
gedauert  haben,  ehe  die  letzten  englischen  Schiffe  an  den 
Feind  herangekommen  wären.  Zum  Glück  befehligte  Nel- 
son die  englische  Nachhut!  Hinter  seinem  Schiffe  befanden 
sich  nur  der  „Excellent"  mit  Nelsons  Freund  Collingwood 
und  ein  kleineres  Schiff,  „The  Diadem".  Ohne  von  Jervis 
Befehle  zu  erwarten,  denn  die  Zeit  dräi^^,  wendete^Nelson 
plötzlich  vor  dem  Wind  aus  der  linie,  Terspent«  dem  mäch- 
tigen HpuÜBcheQ  Ädmiralssohiff,  der  „Santissima  Trinidad", 
eiaem  Dreideck^  -von  130  Kanonen,  den  Weg  und  veran- 
laßteihn,  tunzndrehen  I  Inzwiaefaen  var  auchTroubridge,  der 
an  der  S|dtze  der  eoglisohen  Kolonne  mit  dem  „Culloden" 
segelte  und  den  Kurs  ein  wenig  rerändert  hatte,  heran- 
gekommen. Die  en^isohe  Torhut  warf  sich  vereint  mit  der 
Nachhat  Nelsons  auf  die  feindliche  Flott«  und  brachte  sie 
in  völlige  Yenrimmg.  Endlidi  traf  auch  Jervis  mit  dem 


213 


Best  der  engÜBoheii  Flotte  ein,  und  die  spanisohen  Schjffr 
wurden  nun  zvüclieii  zwei  Feuer  genonunen. 

Sir  Gilbert  !E31iot  hatte  vom  Deck  der  Fr^atte  „Livek" 
aus  das  Gefecht  beobachtet.  Er  sagte  später  zu  Nekoo: 
„KichtB  in  der  Welt  war  heldenhafter  als  die  Tat  des  „Cap- 
tain".  Die  ruhmvolle  Wendung  des  Schiffes,  das  die  beiden 
Prisen  fest  in  den  Klauen  hieJt,  liat  nie  seinesgleichen  ge- 
fundnn  und  wird  nie  übertroffen  werden!" 

Vier  Schiffe,  der  „Snlvador  del  Mundo",  der  „San  Is- 
doro",  i\(.-v  „San  Nicolas"  und  der  „San  Jose"  iviircleii  g'- 
nomiuen,  letiitcre  beidfii  durtli  Nelson,  der  auch  den  Dtgei. 
eincrf  spanischen  Konteradmirals  empfing. 

Damit  vnch-l«  die  Sclilaclit.  .iorvis  wollte  seinen  Sieg  nicht 
weiter  verfoljieii.  Kr  war  kein  Neison  und  begnügte  sich  mit 
dem  ürlangten  Ergebni« ! 

Det-  spanische  Adnijml  konnte  mit  seinen  übrigen  Schif- 
fen entkommen.  Von  spanischer  Seite  aus  wird  behauptet, 
was  wohl  UKigHch  sein  l^aiin.  dnii  Curdova  den  Engländern 
am  nächsten  Tage  inH-lniuLlh  eine  Schlacht  habe  anbiet«i 
wollen,  doch  .Tervis  habe  sie  nicht  angenommen. 

Das  Hai.pt verdienst  in  der  Schlacht  kam  außerdem  Ober- 
befehlshaber den  Kapitänen  Nelson,  Collingwood  und  Trou- 
bridge  zu.  „Ihnen  und  dem  ,,Culloden''  (Kapitän  Trou- 
bridge)  gebührt  die  Ehre  des  Tages",  schrieb  Collingwood 
an  seinen  Freund  Nelson.  „Erlauben  Sie  mir,  guter  lieber 
Freund,  Ihnen  dazu  Glück  zu  wünschen!" 

Die  Nachwelt  hat  den  Anteil  Nelsons  an  jenem  Tage  über- 
trieben, wie  C3  so  oft  bei  Männern  geschieht,  die  durch  die 
GlüekagöttiniiiihremLebenbesonderaausgezeichnetw  urden. 
Doch  jedem  das  Seine!  Jervis  gehört  das  größte  Verdienst, 
denn  ohne  Zaudern  hatte  er  den  weit  überlegenen  Feind 
angegriffen  imd  die  notwendigen  Verfügungen  getroffen, 
nm  den  Si^  det  englischen  iElotte  zu  sichern.  Anderetaeits 
darf  man  den  Sieg  der  wohlgesohulten,  wenn  auch  an  Zahl 

214 


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KnpitJlu  Sir  T.  Troiibridey. 


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geringeren  Flotte  über  einen  zahlroic hören  Feind  nicht  über- 
schätzen, (ienn  die  Spanier  waren  nur  mittelmaßige  Gegner. 
Jedenfalls  karn  der  verhältTiiMmallig  leicht  erfocbtene  Sieg 
«cradc  zur  rechten  Zeit  und  trug  %^e!  üur  Benihigung  der 
öffentlichen  Meinung  in  England  bei. 

Die  britischen  Verluste  von  7:t  Toten  und  227  Verwun- 
deten entfielen  meist  auf  die  Schiffe  ..f  aptain  ,  „CiiUoden  . 
„Kxeellent"  und  „Blcnheim"  .  Wieviel  Mannschaften  die 
Spanier  verloren,  int  nieht  genau  zu  ermitteln,  feie  müssen 
jedoch  beträcbtlicli  gewesen  aein.  denn  allein  auf  den  vier 
•genommenen  Schiffen  hefnnden  sich  (iOH  Tote  und  Ver- 
wundete. 

Sir  John  Jervis  wurde  für  seinen  Sieg  zum  I'ccr  ernannt. 
Er  erliielt  den  Titel  Earl  ot  Samt  \incent  und  Baron  of 
Meaford  mit  einer  Icbcnslantthelien  Pension  von  jahrheh 
HOOG  Pfund.  Nelson  erhielt  am  17.  Marz  den  Bathorden. 
und  die  nndereji  Offiziere  wurden  ihren  Verdiensten  ent- 
sprechend hefordert.  oder  mit  Orden  ausgezeichnet.  Schon 
iiin  2(1.  Februar  erfolgte  Nelsons  Ernciumng  zum  Konter- 
admiral, doch  war  seine  Beförderung  schon  vor  der  Schlacht 
bei  Säo  Vicente  besclilosscn  worden*).  Die  spanischen  Offi- 
ziere hingegen,  die  am  meisten  an  dem  Wrlust  der  Sehlacht 
Schuld  trugen,  verloren  ihre  Posten:  auch  mulJtcn  zwei  Ad- 
jiiiralc  ihre  Flagge  streichen. 

Die  spanische  Flotte  begab  sieh  nach  der  Schlacht  nach 
Cadix  und  dann  nach  Algcciras.  .lervis  aber  ging  mit  seinen 
vier  Prisen  nacli  Lissabon  zurück. 

Die  englische  Streitmacht  wurde  jetzt  auf  21  Linien- 
schiffe gebracht.  -Mit  dieser  an^^chnlicjicn  Flotte  verließ  der 
neue  Craf  von  Saint  V'incont  am  31.  Miirz  1797  den  Hafen 
von  Lis-sabon,  um  vor  (_'adix  zn  kreuzen,  denn  dort  befan- 
den aich  28  spanische  Linienschiffe  zum  Auslaufen  bereit. 

*)  Die  Naohrioht  von  dem  Siege  bei  SSo  Vicente  wurdo  erat  am  3.  Mira  naoh- 
mittags'in  London  bekaant. 


216 


!E!r  hoffte  anoh  due  der  BpaniBohen  Silberflotten  abzufangen, 
die  aus  Südamerika  erwartet  wurden.  Aber  alle  seine  Hoff- 
nungen waren  vergebens. 

Da  wirkte  Nelson,  dessen  Tapferkeit  bis  zur  Tollkülin- 
heit  ging,  sich  von  seinem  Oberbefehlshaber  die  Erlaubnis 
ftUH,  einen  Handstreich  auf  die  Insel  Teneriffa  zu  unter- 
nehmen. Er  vermutet«,  daß  aich  dort  im  Hafen  von  Santa 
Cruz  reich  beladeno  Kauffahrteischiffe  befänden.  Am  15. 
Juli  1797  trat  er  mit  vier  Schlachtschiffen,  drei  £Vegatteii 
und  einem  Kutter  den  Raubzug  nach  Teneriffa  an,  der  abcx 
ein  klägliches  Ende  nehmen  sollte. 

Die  Spanier  nämlich  waren  auf  ihrer  Hut  und  is-iesen  den 
von  den  Engländern  in  der  Nacht  vom  24.  zum  2ä.  Juli 
unternommenen  Angriff  auf  Santa  Cruz  blutig  zurück.  Nel- 
son verlor  nicht  allein  261  Tote  und  Verwundete,  worunter 
einige  tüchtige  Offiziere,  sondern  büßte  durch  seine  Wag- 
halsigkeit auch  noch  seinen  linken  Arm  ^!  Krank  uikI 
niedergeschlagen  kehrte  er  am  16.  August  zu  seinem  Ober- 
befchishaber  zurück  und  begab  sich  dann,  um  seine  Wunde 
heilen  zu  lassen,  nach  England.  Erst  im  Dezember  erklärte 
ihn  sein  Arzt  für  wiederhei^;estellt.  Er  erhielt  am  19.  des 
Monats  den  „Vanguard",  ein  Lioienschiff  von  74KajioneD. 
auf  dem  er  seine  Admiralsflagge  aufzog.  Am  10,  April  1798 
ging  er  wieder  zur  See,  um  sieli  mit  IjOrd  Saint  Vincent  zu 
vereinigen.  Dieser  befand  aie!i  vor  Cadix  und  blockierte  die 
dort  liegende  verbüntlete  französisch -spanische  Flotte. 

Einen  glänzenderen  Sieg  als  über  alle  französischen  oder 
verbündeten  Geschwader  erfochten  die  britischen  Admirale 
über  ihre  eigenen  Flotten.  In  den  ersten  Monaten  des  Jahros 
1797  waren  auf  den  Geschwadern  in  Spithead,  Plymouth  und 
SheemesB  Meutereien  ausgebrochen,  die  sich  naeh  und  nach 
mit  mehr  oder  weniger  Heftigkeit  auch  auf  die  anderen  eng- 
lisohen  Flotten  ausdehnten.  Die  Matrosen  verlai^ten  eine 
Erhöhung  des  Soldes,  —  denn  die  Pr^e  der  Lebensmittel 

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DIgiiized  tu  Cgoglc 


waren  in  den  letzten  Jahren  ganz  bedeutend  gestiegen — eine 
bessere  Verpflegung  auf  den  Schiffen  und  gerechtere  Ver- 
teilung der  Prisengelder.  Vor  allem  aber  suchten  sie  die  Bt- 
laubnis  zu  erwirken,  nach  der  Rückkehr  nach  England  ihre 

Pamilien  aufsuchen  zu  dürfen. 

Dio  ViTHcliwöning  brach  ganz  unerwartet  aus,  und  tron. 
vieler  Zugeständnisse  von  Seiten  der  Regierung  konnte  sir 
nur  mit  gmlltor  Strenge  nach  und  nach  niedergeworfen 
werdi'ii.  (1^1  sie  sieh  aueli  auf  die  in  ausländisehen  (Ipwässeni 
befin!l]ii.'lii'ii  Sehiffc  verbreitet  hatte.  Sogar  bis  auf  die  Ca- 
dix  blockierende  Flotte  wur  der  Geist  des  Aufruhrs  ver- 
pflanzt worden.  Mit  gerechter,  aber  unerbittlicher  Strenge 
stellte  Saint  Vincent  bald  auf  Heiuen  Schiften  die  Ruhe  wie- 
der her.  Sonderbarerweise  7.o<:  die  in  Brest  befindliche  fran- 
zösische Flotte  keinen  Xutzen  aus  diesen  bedauerlichen  Zu- 
ständen in  tier  englischen  .Marine,  um  einen  Hauptwhlag 
gegen  die  Engländer  zu  unternehmen.  Die  von  der  ersten 
unglücklich  verlaufenen  lOxpedition  nach  Irland  zurück- 
gekehrten Sc hiffsmaruiac haften  waren  vermutlieli  seibat  so 
demoralisiert,  daß  man  sie  in  abMclibarer  Zeit  nielit,  wenic- 
stens  nicht  zu  einer  Seeschlacht  verwenden  konnte. 

Im  Verlaufe  des  Krieges  mit  England  kam  das  Direk- 
torium immer  mehr  davon  ab,  dem  Gegner  in  offener  See- 
sehhu'hl  riiriri'i.'en/.utreten.  Wegen  des  schlechten  Zustanden 
der  fi:;ii/i)-.i-.ch('ii  Marine  beschränkte  man  sich  größten- 
teils auf  den  Kii  per  krieg,  der  Englands  zahlreicher  Handels- 
marine großen  Schaden  zufügte.  Man  bediente  sich  der  Ge- 
schwader vielmehr  nur  zu  mittelbaren  Zwecken,  Bis  zum 
Frieden  von  Aniiens  im  Jaiire  1802  sandte  die  Regieruug 
nur  dreimal  größere  Flutten  auf  die  See  lünaus.  Zweimal 
davon  bildeten  die  französischen  Geschwader  nur  die  Be- 
deckung einer  Streitmacht,  die  man  über  das  Meer  geleiten 
wollte.  Bas  erste  Mal  im  Jahre  1796,  als  Hoehe  eine  liSJi- 
dung  in  Lrland  versuchte,  und  äaa  zweite  Mal  im  Jahre 

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L798,  als  Bonaparte  sein  Heer  nach  Ägypt«n  überführte. 
Tedeamal  indes  nahminiui  seine  Zuflucht,  um  den  gehofften 
Zweck  zu  erreichen,  mehr  zur  List  und  zur  Überraschung 
des  Feindes,  als  daß  man  sich  auf  die  eigene  Stärke  und 

ncRchickliclikeit  verließ! 

nie  Chniiiik  jfTiei-  -lahre  ist  besondtTs  rcicli  an  Danstel- 
luiiLffii  von  l:^irixi.'lift'tVchten,  und  sie  berichtet  von  genom- 
menen und  wieder  befreiten  Kaiiffalirtoiscliiffen.  Obgleich 
die  englischen  HandelsKchiffe  frewcilmlicli  in  grillieren  Massen 
riegelten,  die  voti  einigen  Knegsneliiffen  begleitet  wurden, 
so  fielen  doeli  nahlreiehe  einzelne  Falimeiige  den  fran- 
ziisischon  Kapern  in  die  Hände,  Natürlich  blichen  iiucli  die 
Engländer  nicht  iintütig,  und  ihre  Kreuzer  brachten  viele 
französische  oder  neutrale  Schiffe,  die  mit  Waren  nach 
Frankreich  bestimmt  waren,  auf. 

Da  die  Engländer  über  eine  sehr  zahlreiche  und  gut  aus- 
gebildet« Marine  verfügten,  die  im  Wrlanfe  des  Krieges  die 
französische  Flotte  iniTUer  uieln-  übertraf,  so  erklärt  sieh  die 
neue  Taktik  der  Gegner  von  sell).st .  Die  Fran/.o.sen  wagten  sieh 
nicht  mehr  aufs  offene  Meer  hinaus,  da  jedes  ihrer  in  den 
Ivriegshäfen  befindliche  Geschwader  allein  zu  klein  war,  um 
mit  Wahracheinlichkeit  auf  Erfolg  einer  der  enghschen  Flot- 
ten entgegenzutreten.  Die  Engländer  mußten  sich  daher  be- 
gnügen, die  franKÖsi.sehen  Kriegshäfen  zu  blockieren  und 
/.II  verhindern,  daß  eine  der  feindliclien  Flotten  heimlich 
audlief,  um  sich  mit  einem  anderen  Geschwader  in  einem 
französischen  oder  verbündeten  Kriogsliafen  zu  \  ereniigen. 

Brest  war  der  wichtigste  von  den  im  Atlantiselien  ,\leere 
liegenden  französischen  Häfen.  Es  mußte  daher  das  Han|)t- 
bestrebon  der  englischen  Kanalflottc  sein,  diesen  Halen 
aufa  engste  zu  blockieren,  um  ein  Auslaufen  der  französi- 
schen Flotte  unter  allen  Umständen  zu  verhindern.  Der 
Oberbefehl  der  britischen  Kanalflotte  lag  früher  in  den  Hän- 
den Lord  Hoves,  seit  dem  Jahre  1796  aber  in  denen  Lord 


219 


Bridports*).  Beide  betrauten  meist  einen  ihrer  Unterführer 
mit  der  Blockierung  Brests.  Ea  gelang  den  Franzosen  jedoc-L 
zweimal  innerhalb  des  neunjährigen  Seekriegs,  die  \\'iich- 
aamkeit  dor  Engländer  tm  täuschen.  Einmal  geschah  dii-* 
im  Jahre  1796,  als  Hoche  die  irländische  Landung  versuchte, 
und  das  andere  Mal,  aU  Vizeadmiral  Bniiz  im  Jabie  1799 
mit  2dLiniensehiffen  ans  Brest  eotBohlüpfte,  um  ins  Mittri- 
meer  zu  segeln. 

Schon  öfters  hatten  die  französischen  Regierungen  im 
Laufe  des  18.  Jahrhunrierts  die  Absicht  gehabt,  eine  Lan- 
dung in  England  oder  besHer  in  Irland  zu  versuchen.  Jetzt, 
unter  dem  Direktorium,  kam  man,  nicht  zum  wenigsten 
auf  Veranlassung  der  Häupter  der  „United  Irishmen". 
eines  Lord  Fitzgerald,  eines  O'Connell  und  vor  allem  des 
Gründers  der  „United  Iriahmen",  des  Rechtsanwaltes  und 
Schriftetellers  Wolfe  Tone,  auf  eine  Landung  auf  der  von 
England  unt«rdrückten  Insel  zurück.  Seit  dem  Sommer  1796 
war  die  Expedition  eine  entschiedene  Sache,  imd  Hoche,  der 
am  26.  Dezember  1795  zum  General  der  Armee  des  Ozeans 
und  am  20.  Juli  1796  zum  General  der  Armee  von  Lrluid 
ernannt  worden  war,  beschäftigte  sich  Tag  und  Nacht  mit 
dem  großen  Plan,  dem  er  sein  ganzes  Genie,  sein  guizea 
Können,  seine  ganze  Zeit  widmen  wollte. 

Die  franzöÜBohe  B^enmg  wiegte  Bich  in  haEEnongs- 
ToUen  Träumen,  als  sie  am  19.  Juli  1796  Hoche  dn- 
gehende  Vorschriften  mit  anf  den  Weg  gab.  Sie  sah  ach 
aohon  eis  Heiraoherin  über  das  Inselieioli,  dem  ede  bald 
Gesetze  Torsohreiben  würde,  und  faatt«  ^es  vorgesehen,  was 
imFalledesGelingensgeschehen  sollte  iHoohezurSäte  stand 
der  Brigadegeneral  Ch6rin  als  Generalstabschel  Ihm  unto- 
stellt  waren  unter  anderen  die  Generale  Groaohy,  Hardy, 

■1  AlezanderHuod.  Viscount  Bridport,  war  der  jüngere  Brnder  Samuel  Hoodi. 
Seit  dem  Jahre  1793  war  er  zireiler  Befehlshaber,. seit  dem  I6.Hai  I7H  ata 
enter  Befehlshaber  der  Kanalflotte, 


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Admiral  Lord  Briüpoit. 


221 


Humbert  und  H^douville,  Wolfe  Tone  dient«  ak  Adjutaii; 
unter  dem  Namen  Smith.  Als  er  die  von  dem  amerikanischen 
Oberst  Täte  befehligle  „Schwar/e  IjCgion"  oder  „Armee  des 
Francs"  sah,  die  aus  allerlei  Gesindel,  Galeerenski a\-en  und 
sonstigen  Abenteurern  gebildet  waren,  blutete  sein  Hen. 
doch  sein  Haß  gegen  alles,  was  englisch  war,  ließ  ihm  aiv  h 
dieses  Jlittel  recht  sein. 

Anfänglich  sollte  der  Vizeadmiral  Villaret-Joyeuse  die 
Hotto  befehligen,  die  den  Auftrag  hatte,  das  Expeditions- 
korps nach  Irland  zu  geleiten.*)  Er  brachte  dem  Unterneh- 
men aber  nur  geringes  Vertrauen  entgegen,  denn  er  kannte 
die  Untauglich keit  der  französischen  Marine ;  man  warf  ihm 
sogar  gegenrevolutionäre  Absichten  vor.  Im  letzten  Augen- 
blick wurde  er  auf  Hoches  besondere  Bitte  durch  den  Vize- 
admiral Morard  de  Gallee  ersetzt,  der  mit  Auszeichntmg 
onter  Soffren  im  smerikanischeu  Unabliängigkeitskrieg  ge< 
fochten  hatte.  Morard  de  Galles  znr  Seite  standen  die  Konta- 
adnujsJe  Boovet,  Nielly  nnd  Biohery.  Um  &ne  möglichst 
große  Flottenmacbt  für  die  Expedition  zu  vereinigen, 
hatte  VilleneuTe  Befehl  »halten,  mit  fünf  Schiffen  nach 
Brest  zu  segeln;  Biohery  mit  ebenfalls  fünf  Schiffen  woide 
ans  Amerika  erwartet,  man  hatte  sogar  gehofft,  die  Spani« 
würden  sich  mit  einigen  Fahrzeugen  an  der  Expedititm  be- 
teiligen. Bichery  kam  zwar  mitBeinemGesohwaderinS'raiik- 
reich  an*  aber  nnr  zwei  Sotüaohtsobiffe  konnte  für  die  Ex- 
pedition nach  bland  verwendet  werden.  Sie  txafen  am  11. 
Dezember  in  Brest  ein.  VUleneuve  kam  zu  spat  an,  und  die 
Spanier  enthielten  sich  ganz  der  Beteiligtmg. 

•)  Auf  (^i  iiiiil  tiniT  Kiii^alw  d.  s  .MnriTiümiriii,l,'r,  Viieadmirals  TruguPt  \-oiii 
21.  Mär-i  17DÜ  mir  viiiii  IJircktoriiiiii  fiil);(^mli;  Xc'iioninung  der  Adniirale  ps- 

Tiii  bicii-l  Ivf.iTidi.i  -iL-li  ii;,-  Vi /.(■Hill  Iii. ■«!>.■;  Th^venard,  Morard  de  Call». 
VilU.i-. '-.Ii  y  iJ.-  iJi.il  M.Liiin;        Kiiiit«ra<imirale:^Le  lÄTge,  BosiUy,  dt 

--tabtl,  T'  I.  iL.i  ii:in.  I  ;u  Ib'Ty  r  zu  i\^>iiltiTadmira!on  beforderiwurdon  an  dcm- 
Mjlbtii  'l'i'B'       -liiti  iluii^^^thtin:  iänieja,  Bianquel  duChayla  und  VUleneuve. 

222 


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Al^esehen  von  diesem  Mißgeechiek  waren  die  Elemente 
dem  Unteraehmen  anfänglich  günstig.  Es  gelang,  die  Eng- 
länder zu  täuschen,  iind  am  16.  verließen  Hoelie  und  5fo- 
rard  de  üalies  mit  einem  Ge.SRliwader  von  17  Linienscliiffen, 
13  Fregatten.  5  Korvetten  und  8  Transport sclilffen  und 
einem  Landungskorps  von  14  400  Mann  die  Reede  von 
Brest  und  steuerten  durch  die  Stralle  du  Raz  auf  die  Siiil- 
westküsle  von  Irhmd  zu.  Sobald  aber  die  Flotte  die  heiniat- 
liulien  Gewässer  verlassen  halte,  änderte  sich  das  Glück 
Das  Wetter  wurde  schlecht,  die  Dunkelheit  hracli  schon 
lierein,  und  da  der  Wind  umsolilug,  gab  Morard  de  Gallea 
Befehl,  nicht  durch  die  Straße  du  Raz  ku  fahren.  Die  Be- 
felile  konnten  aber  nur  teilweise  verstanden  werden,  so  daß 
sieh  die  Befehlshaber  zur  See  tmd  zu  Lande,  die  sicli  auf  der 
Fregatte  „Fratemite"  befanden*),  nebst  drei  anderen  Fre- 
gatten und  einem  Lmienschiff  am  nächsten  Tage  von  dem 
übrigen  Geschwader  getrennt  sahen.  Der  ungluckhuhc  Zu- 
fall wollte,  daß  sie  dasselbe  überhaupt  nicht  mehr  zu  CJe- 
sicht  bekamen!  Als  der  Naehstkommandierendc,  Konter- 
admiral Eouvet,  am  19.  die  versiegelten  Befehle  öffnete, 
hatte  er  von  den  ausgelaufenen  43  Schiffen  nur  34  Schiffe, 
darunter  15  Schlachtschiffe,  unt«r  seinem  Kommando,  Der 
Zweitkommandierende  der  Landungstruppen,  Di\isions- 
general  Grouehy.  befand  sich  gleichfalls  hei  ihm.  Ohne  auf 
seinen  Vorgesetzten  zu  warten,  steuerte  Bouvet  seinen  Be- 
fehlen gemäß  der  Bantry  Bay  zu.  Am  Abend  des  22.  De- 
zember warf  er  mit  acht  Schlacht-  luid  sieben  anderen  Schif- 
fen bei  Bear  Island  Anker.  Die  übrigen  Falirzeuge^blieben 
außerhalb  der  Bay,  konnten  sich  aber  auch  die  nächsten 
Tage  nleht  dem  Lande  nähern,  da  der'Vnad  ungünstig  vehte 

■]  Seitdem  Admiral  Oral  Graose  auf  eüiGm  LinfentehitE  in  der  Solilaoht  ba 
der  Insel  Saint-Bartliäen^  im  Jabis  178!  den  Ftindoi  in  die  HInde  ge- 
taUen  war,  doriMn  die  tramsSeiscbea  AdmJrale  wShrflnd,  oder  (mgedcliti 
einer  Sohl&oht  ihren  Posten  nicht  mehr  auf  sinem  Bolilaohtadiilf,  eoDdem 
muOten  ihn  anf  einer  Fregatte  «onehnm. 

224 


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lufolfic  des  7,um  Stiirni  umgest'hlaRpnen  Windes  wurden 
i.'inige  Scliiffe  von  den  Ankertaiieii  loageriaMun.  Da  Scaiim 
4fKX)  -Mann  gflandt^l  wer-lfii  komitfn,  beschloß  man  nneli 
abgehaltenem  Kricgarat,  die  Expedition  aufzugeben  und 
zurückzukehren.  Bouvet,  dessen  Schiff  in  die  See  hinaus- 
getrieben war,  war  schon  vraher  umgekehrt.  Auch  Qrouohy, 
der  Zweitkommandierende  der  Landungatrnppeo,  war  ein 
Mann  von  viel  zu  geringer  Enteohlossenheit,  tÜB  daß  er 
den  Umständen  gemäß  luiders  gehandelt  hätte.  So  ver- 
lieBeoi  die  Schiffe  in  größeren  oder  kleineren  Gruppen  die 
irischen  Gewässer,  and  am  14.  Januu  1797,  eiao  fast  einen 
Monat  nach  Abgang  der  stolzen  Amada,  waren  35  mehr 
oder  weniger  beschädigte  Schiffe  in  die  am  nächsten  gelege- 
nen franzöeiechen  Häfen  wieder  eingelaufen!  Seoha  SohÜfe 
waren  dem  Frände  in  die  HtUide  gefallen,  und  vier  Fahrzenge 
waren  gescheitert  oder  untergegangen.  Ein  fünftes  Schiff, 
„Le  S^niaant",  ein  Schlachtschiff  von  74  Kanonen,  war 
gleich  bei  Besinn  der  Ausfahrt  aus  dem  Hafen  von  Brest 
auf  eine  Klippe  anfgefahien,  doch  hatte  man  die  Mann- 
schaft zum  größeren  Teile  retten  können. 

Die  Fr^tte  „Fratemit^",  die  die  beiden  Oberbefehls- 
haber an  Bord  trug,  war  von  ihrem  Kurse  ganz  abgekom- 
men und  hatte  die  übrige  Flotte  überhaupt  nicht  wieder- 
gesehen. Sie  wurde  nach  Süden  verschlagen  und  kam  am 
14.  Januar  bei  der  Insel  ß.6  aal  Hoche  betrat  in  La  Ro- 
chelle den  franzoaiaohen  Boden,  krank  und  niedergedrückt, 
daß  die  mit  so  großen  Hoffnungen  begonnene  Expedition 
ein  so  kl^tichee  Ende  nehmen  mußte.  Bouvet  wurde  ohne 
Untersuchung  seines  Fratens  für  verlust^  erklärt  und  er- 
hielt erst  anter  dem  Konsulat  wieder  eine  Anstellung. 

Bei  einer  Beurteilung  der  irländiechen  Expedition  muß 
man  sich  vor  allem  fragen,  was  tat  währenddessen  die  eng- 
lische Marine  ?  Wenn  der  mit  der  Überwachung  von  Jirest 
betraute  englische  Adiniral  ao  unvorsiclitig  war,  eine  be- 

10  225 


(leiitfiicie  fL-iiiciiiehe  Flott«,  die  144Ü<)  Mann  Landnnp>- 
truppeii  an  BonI  trug  und  die  in  Irland  deu  grollten  Sclia- 
<ien  liiitte  anriulitcn  können,  aus  dem  französischen  Hafci. 
aiislnnfcn  zu  lassen*),  konnte  man  dann  nicht  wenigBtt-ii- 
sofort  Maßnahmen  treffen,  um  der  feindlichen  Flotte  lu 
folgen,  sie  unterwegs  oder  bei  der  Rückkehr  anzugreifen 
und  zu  vernichten? 

Alle  dieflc  Fragen  beschäftigten  damals  aufs  eingehender' 
die  Öffentliche  Meinung  in  England. 

Die  UherwaehuTig  des  Kriegshafens  von  Brest  war  einen 
Unterführer  der  etwa  30  Schlachtschiffe  starken  engliselie;. 
Kanalflotte  anvertraut,  die  in  Spithead  ihr  Hauptquartier 
hatte.  Gewöhnlich  kreuzten  sieben  bis  acht  Linienschiffe 
vor  dem  Hafen  von  Brest,  aber  da  man  von  den  bedeu- 
tenden Rüstungen  der  Franzosen  erfahren  hatte,  war  das 
unter  Vizeadmiral  Sir  John  Colpoys  stehende  Gleachw«- 
der  auf  15  Ijnienachiffe  gebracht  worden.  Trotz  des  von 
Lord  Saint  Vincent  aufgestellten  Grundsatzes,  daß  sich  Wi 
öeÜichem  Wind  die  englische  Flotte  nahe  bei  der  In^fl 
Quessant  zu  halten  habe,  befand  sich  das  englische  Ge- 
schwader etwa  40  bis  50  Seemeilen  von  dieser  Insel  ent- 
fernt. 

Sir  Edward  Fellew,  der  spätere  Lord  Exmouth,  kreiute 
zwar  mit  einigen  Fregatten  in  der  Kähe  von  Brest,  doch 
eist  am  22.  konnte  Sil  John  ColpoyB  von  einer  der  Fr^at- 
ten,  die  ihm  PeQew  zugesandt  hatte,  aufgefunden  und  voa 
der  Abfahrt  der  Franzosen  benaohriohttgt  werden.  Uber  die 
Bichtnng,  die  die  feindliche  Flotte  eingeschlagen  hatte,  war 
nichts  bekannt.  Am  21.  oder  22.  erhielt  der  Oberstkommas- 
dierende  der  Kanalflotte,  Lord  Bridport,  direkt  von  PaBeir 

*)  Kaum  4B  Sflenwilen  von  Bear  Island  cotfamt  lag  die  Stadt  C<^  m 
VoiTiLta  im  Weite  von  30  Uülionen  Hark  BueseatepeH  warm,  vonmter  üi 
gtoBer  TeÜ  för  die  Flotte  beBtimmt  war.  Wenn  die  lAadmig  nor  tnäfff 
maßen  vom  OlQok  begünstigt  geweaen  wäre,  dann  wfirde  irenigst<ai  dioe 
Stadt  den  Fransoeeii  in  (Ue  HSnde  gelaUea  eoin. 

226 


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Meldung,  und  am  31.  Dezember  Miirde  es  in  London  be- 
kannt, daß  man  französische  Scliiffe  an  der  irischen  Küste 
grsehen  habe.  \\'eder  Colpojs  noch  Bridport  zeigten  doli 
der  Lage  gewachsen.  Nachdem  Colpoys  lange  gezaudert 
Iiatte,  was  er  tun  gollte,  entschloß  er  sich  endlich,  nach  Fal- 
mouth  zu  segeln  und  das  Kap  Lizard  zu  überwachen  und 
dann  nach  Spithead  zurückzukehren.  Hier  ging  er  am  31. 
Dezember  vor  Anker.  Lord  Bridport  verließ  am  25.  Spit- 
head, konnte  aber  erst  am  3.  Januar  1797  14  Linienschiffe 
unter  seinem  Befehle  vereinigen  und  in  See  gehen.  Ala  er 
jedocli  erfuhr,  daß  die  Franzosen  in  ihrer  Absicht,  in  Irland 
zu  landen,  gescheitert  seien,  ging  auch  er  wieder  nach  Spit- 
head zurück.  Obgleich  zwei  Gfeschwader  von  je  14  Schlacht- 
schiffen gefechtsbereit  gemacht  worden  waren,  gelang  es 
beiden  doch  nicht,  ein  ciii/iges  französisches  Schiff  auf- 
zuheben! Man  sieht,  da(J  Bridport  kein  Saint  Vincent  und 
Colpoys  kein  Nelson  oder  ein  anderer  in  Saint  Vincents 
Schule  groß  gewordener  Admiral  warl 

Als  im  nächsten  Jahre  in  Irland  die  Revolution  ku  in  wirk- 
lichen Auebruch  kam,  versuchte  das  Direktorium  noch  ei- 
nige kleinere  Landungen,  denn  das  Hauptinteresse  der  Re- 
gierung war  auf  den  ägyptischen  Feldzug  gerichtet.  Generiil 
Hardy  sollte  mit  etwa  5000  Mann  von  Brest  und  Eochefon 
aus  die  irländische  Küste  zu  erreichen  suchen  und  Kilinaiiif 
mit  einer  starken  Reserve  itn  Falle  des  Gelingens  folgen. 
Die  kleinere  Division  unter  General  Humbert,  die  jedoch 
Hardy  unterstellt  war,  ging  mit  1150  Maim  auf  drei  Fre- 
gatten und  einem  Aviso  unter  Leitung  des  Kapitäns  Sa- 
vary  bereits  am  4,  August  1738  von  Roclietort  ab  und  ver- 
ließ iiin  ti.  die  Jnsel  Aix,  Naclidetii  Savary  das  Laudungs- 
koip.s  gUi.u]i.lii;h  iini  i'I.  August  in  Külala  gelandet  hatte, 
kehrte  er  nach  der  Heimat  zurück.  Humbert  dagegen,  ein 
Mann,  der  Bich  durch  seine  Tapferkeit  und  Unersohrocken- 
helt  in  der  Yendee  vom  einfachen  Bauern  zum  Brigade- 


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.■iitüeneiistelletiden  Engländer,  aohlu^'  wie  iiiri  27.  Aiijiu.st  bei 
i  asteibar  und  eroberte  die  Grafat'haft  Coniiaiight.  Da  er 
ii'iiocli  von  den  Irländem  schlecht  mitorstiitzt  ivurdo.  untrr- 
l.TEf  Pf  am  8.  beptember  bei  Bfllliiiaiiiiick  dpr  i-nglischen 
i;|jei-macht.  JÜt  seinen  850  Frani'.osfn  und  ctwii  lÖlWIrlän- 
lit-rn  ergab  sich  Humbert  lieni  1500O  Mann  starken  Heer 
lies  Vizekonigs  vonirland,  Ijord  Cnrnw^dlis'.  Den  Franzosen 
wurde  meist  eine  gute  Behandlung  /.iit«il,  aber  man  tötete 
eine  große  Zahl  der  aufständischen  Iriänder. 

Am  14.  beptember  ging  auch  das  Gesohwader  unter  Segel, 
das  Hardy,  den  eigentlichen  Obergeneral  der  Expedition,  an 
Bord  trug.  Am  16,  September  verließ  es  Brest.  Die  Flotte 
zählte  ein  Linienschiff,  „Le  Koche",  acht  Fregatten  und 
einen  Aviao.  Sie  \vurde  von  dem  Abteilungschef  Bonipard  be- 
fehligt. Als  Hardy  den  Oberbefehl  über  die  etwa  Sü(H)  Mann 
starken  Landungstruppen  übernahm,  war  er  sehr  wenig  mit 
deren  Haltung  und  Aussehen  zufrieden.  Er  schrieb  ver- 
zweifelt am  1.  August  an  den  Marineminiater  Bniix:  „loh 
habe  eine  Truppenschau  vorgenommen.  Ich  habe  die  Trup- 
pen von  allem  entblößt  gefunden,  was  einem  urirklloh  Mit- 
leid einflößt.  In  den  Magazinen  von  Brest  habe  ich  nicht 

^nen  Lumpen  gefunden  !" 

Der  Weib  der  Landungstruppen  sollte  nicht  auf  die  Probe 
gestellt  weiden.  Die  Flottille  hatte  allerdings  von  den  Eng- 
ländern unbemerkt  den  Hafen  von  Brest  verlassen,  doch 
wurde  sie  am  nächsten  Tage  von  einer  feindlichen  Fregatte 
gesehen.  Diesmal  handelten  die  Engender  entschlossener. 
Denn  als  sieh  Bompard  dem  Meerbusen  von  Lough.SwiUy, 
am  Nordende  von  Irland,  näherte,  stellte  sich  ihm  der  Kom- 
modore Sir  John  Waren  mit  vier  Schlaohtsohiffen  und  vier 
ÜEV^atten  entg^en.  Der  AbteUungschef  Bompard  nahm 
das  Gefecht  am  12.  Oktober  an,  doch  verlor  er  Flagg- 
schiff und  sechs  Fregatten,  so  daß  nur  zwei  Fregatten  nach 


229 


Frankreich  zurückkehren  und  von  der  vermiglüt'kteit  Ex- 
pedition Meldung  erötatten  konnten!  Für  Hardy  «ai-  dii- 
Enttiiuachung  doppelt  groß,  denn  er  hatt*  von  dem  Schicksu. 
Humbcrtw  vorher  noch  nichts  erfahren;  übrigcnFi  hatte  ir 
iininer  gefürchtet,  dalJ  dieser  durch  seine  vor7.eiti(;e  Abfalm 
alles  verderben  würde. 

Hardy  und  weine  (lefährten  wurden  gut  behandelt  und 
zuiu  Teil  hidd  luisgcMPciiselt.  Wolfe  Tone,  der  irländische 
Patriot,  aber  wurde  gefeKwelt  ins  Cefiingnis  geworfen  und 
nach  Dublin  gel;racht.  Er  entging  nur  dadurch  der  Hin- 
richtung durch  den  Strang,  dalJ  er  sich  im  Gefüngnis  selbst 
töteu*.  Sil  i'iid^'le  die  [i-[y.\i-  Expedition  nach  Irland,  auf  die 
die  liliiiidfr  tiiid  viele  Franz-osen  große  Hoffnungen  gesetzt 
hatten.  Ea  ging  zwar  am  12.  Oktober  noch  eine  dritte  Ab- 
tf'iliing  von  Roehefort  aus^  in  See,' doch  ah  man  den  un- 
glückliehen Au.-gang  der  von  Huiubert  und  Hardy  geleite- 
ten ExpediLioneii  erfuhr,  kehrte  die  Flottille,  ohne  einen 
Landungsver!<ucli  gewagt  zu  haben,  nach  Frankreich  zu- 
rück. 

Wenn  auch  die  fran/.iisische  Flotte  nach  der  Rückkehr 
aus  der  Bantr\'  Hay  luid  während  der  Meuterei  in  der  enji- 
lischen  Marine  ku  einem  neuen  Einfall  in  England  unge- 
eignet schien,  so  hoffte  das  Direktorium  doch  viel  von  einer 
Tätigkeit  der  verbündeten  holländischen  Flotte,  der  ein 
holländisch-französisches  Expeditionskorps  folgen  sollte. 

Infolge  des  Haager  Vertrages  vom  16.  Mai  1795  hatte  die 
Batavische  Republik  Irankreich  12  IjnienBchiffe  und  !8 
Fregatten  zur  Verfugung  zu  stellen.  Wenngleich  die  hol- 
ländischen Schiffe  an  Zahl  der  Geschütze,  an  Ausrüstung. 
Schnelligkeit  im  Segeln  und  Ausbildung  der  Mannsehaften 
den  franzoBlsdien  und  noch  mehr  den  engbschen  bchiffen 
nachstanden,  bo  war  die  vom  Admiral  de  Winter  befehligte 
Flotte  dücli  nicht  zu  unterschätzen.  Dem  Admiral  Duncan, 
der  damals  im  66.  Lebensjahre  stand,  war  von  der  englischen 

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Admiralität  die  Aufgabe  Kuteil  geworden,  in  Gempiiischait 
mit  einem  unter  Admiral  Hanikoff  stehenden  russischen 
Geschwader  die  holiändisolie  Flotte  zu  überwachen.  Im 
Herbst  1796  Dlante  man  soear  einen  Angriff  auf  Helder  und 
den  Texel,  den  man  aber  aufgeben  mußte,  da  die  MJ^lich- 
keit  eines  Gehngens  zu  geringe  Aussichten  bot. 

Als  die  Mcuierei  auf  den  englischen  Geschwadern  die 
engiisulie  Müniip  vollständig  zu  zerrütten  drohte,  erhieli 
die  britische  Admirahtat  im  Mai  1797  die  Mitteilung,  daÜ 
die  Houanaer  eine  ijanuung  an  aen  englischen  Küsten  plan- 
ten. Der  Augenhhck  war  sehr  kritisch,  denn  die  meisten 
engüschen  Schiffe  befanden  sich  in  offenem  Aufst^ind,  und 
nur  wenige  waren  in  der  Lage  gewesen,  einen  Kampf  mit 
dem  Feinde  aufzunehmen.  Zudem  konnte  man  nicht  mehr 
auf  eine  Mittatigkeit  des  russischen  <Teschwaderä  rechnen, 
da  es  in  die  Heimat  abberufen  worden  war.  Dem  Adinirol 
Duncan  gelang  es  zwar,  12  Schiffe  aeefähig  zu  machen,  aber 
in  Yarmouth  verheßen  die  meisten  der  Jlannschaften  ihren 
Dienst,  so  daß  er  nur  mit  zwei  Sclilacht schiffen  in  See  ge- 
hen konnte,  um  das  Auslaufen  der  14  Schlachtschiffe  star- 
ken feindhchen  Flotte  aus  dem  Texel  zu  verhindern! 

Die  demokratische  Partei  in  Holland  war  den  Plänen  des 
Direktoriums  wohl  geneigt,  denn  sie  hoffte  die  an  die  Eng- 
länder verloren  gegangenen  Kolonien  ganz  oder  teilweise 
'wiederzuerobem.  Hoohe,  dei  Kopf  und  die  Seele  der  JjaD- 
dungBYersuche  auf  den  britiscliea  Inseln,  tat  das  übrige 
um  das  Interesse  wachzuhalten.  Er  hatte  sieh,  berräts  die 
tödliche  Krankheit  in  der  Brost,  die  ihn  am  18.  Septranber 
1797  hinw^affen  sollte,  mit  Wolfe  Tone  und  desHen  An- 
hängern, den  „United  Irishmen",  im  Haag  besprochen  nnd 
hoffte  bestimmt,  daß  diesmal  die  Uberfahrt  gelingen  werde. 
Sollte  es  ihm  auch,  wie  er  an  seinen  WaEfengefährten,  den 
General  HödouTille  schrieb,  glücken,  mit  seiner  Sambre- 
und  Maasarmee  bis  nach  Wien  zu  gelangen,  so  würde  er  doch 

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gern  das  Heer  verlassen,  um  nach  Dublin  und  dann  nach 
London  zu  gehen! 

(n  Holland  sammelte  sich  ein  15  000  IMann  starkes  Ex- 
IK'<iitionsk()rps,  (la.s  vom  (iennal  Dacndela  befehligt  Hiirde. 
Kine  Division  von  5(KK)  Franzosen  sollte  dasselbe  auf 
■lOtHM)  .Mann  bringen.  Der  Admiral  de  Winter  hatte  16 
Sfhliwht  schiffe  und  lOFregatten  unter  seinen  Befclüen.  und 
es  ward  ihm  die  Aufgabe  pesteilt,  die  Landungstruppen  zu 
iibcrfiiiiren,  beziehentlich  zu  begleiten. 

Admiral  Duncan  war  in  größter  Vin  l<-penlieit.  (Üiick- 
Hcherueihie  ging  ihm  im  Juni  eine  beträchtliche  Veratär- 
kviiiL'  /.u.  und  er  konnte  die  Blockade  wirksamer  gestalten 
II  ml  einer  Ausfahrt  der  holiöndisohen  Flotte  mit  Zuversicht 
fiu  gegensehen. 

Im  September  kehrte  Duncan  nach  Yarmoutb  zurück, 
da  (.iie  Holländer  die  Landungstruppen  wieder  ans  Land 
.k'esetzt  hatten.  Plötzlich,  am  9.  Oktober,  erhielt  er  durch 
einen  Kreuzer  die  Mittciliin:;.  daß  AdLiüral  de  Winter  im 
Hegriff  sei,  den  Tcxel  zu  verla-<sei,.  Trotz  aller  Kinwändc 
des  lirtllandisehen  Admirals  hatte  üieii  seme  Kegiermig  doch 
entsfhlüKaen,  eine  Landung  an  der  Clyde  zu  versut  lieiL,  und 
die  Flotte  verließ.  l(i  Schlachtschiffe  und  einige  P'regatteTi 
stark,  im  Oktober  ITflT  den  Texel.  Am  11.  Oktober  kam  es 
in  der  Xähe  des  Dorfe.s  Kampeniuin.  zwischen  Helder  und 
.\lkiuaar,  zu  einer  überaus  heftigen  f^eescbiai  bt.  iieide  Klot- 
ten ziihtten  je  1«  Sehhuhtschiffe.  Diiucan  erteilte  zuerst 
ISefehl,  daß  sich  jedes  seiner  Scliiffc  einen  ({egncr  suchen 
sollte,  kam  aber  dann  von  der  alten  Taktik  ab  und  be- 
schloß viehuehr,  die  feindliche  Lhiie  zu  clnrrldircchcn  und 
ilir  den  Rückzug  ah/.u.schnejden.  Auf  beiden  Seiten  focht 
man  mit  großer  lirbitterung.  Obgleich  die  englische  Ar- 
tillerie der  feindlichen  bedeutend  überlegen  war,  so  fügten 
die  Holländer  den  englischen  Schiffen  doch  großen  Schaden 
zu,  da  sie  nicht  in  das  Takelwerk,  sondern  in  den  ßumpf 

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der  feindlichen  Fahrzeuge  feuerten.  Der  englische  Sieg  war 
jedoch  vollständiger  wie  je  einer,  den  die  Engländer  bUhw 
über  die  Franzosen  in  den  Revolutionskriegen  erfochten 
hatten.  Trotzdem  aber  ist  die  Seeschlacht  von  Kamperdnin 
wenig  bekannt  und  von  Rcckriegsschriftstellem  meist  ver^ 
nacliliissipt  «ni.len,  Seuu  Seh laclit schiffe  und  zwei  Fn- 
f^atten  fielen  den  KnglihKiem  in  die  Hiinde;  nur  sieben 
Sehlaclitseliilfe  liojiiUen  sieb  retten.  Aullerdem  verloren  Ak 
Holländer  mehr  als  1 HH)  Tote  und  Venvumiete:  ati« 
aueb  die  engliseben  Verluste  waren  bedeutend,  denn  üb'r 
800  Briten  waren  tot  oder  kampfunfähig.  Adiniral  Duncan 
wnrde  zum  Peer  und  Viseount  von  (lamperdown  mit  einer 
jährlichen  l'ension  von  :(()(MI  l'fund  Kterling  ernannt. 

Diese  Niederlage  der  liollündiselien  Flotte  bei  Kaiin)er- 
duin  BChloß  jede  Landimgsgcfahr  in  England  von  dieser 
Seite  aus.  Zwei  Jahre  später  wur<le  die  Gefangetin  ahme  der 
holländischen  Flotte  vervollständigt,  denn  als  im  Augusl 
1799  die  Landung  der  Engländer  und  Bussen  auf  der  Insel 
Texel  erfolgt«,  fielen  den  Siegern  zwölf  weitere  Schiffe  in  die 
Hände. 


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DER  FELDZUG  NACH  ÄGYPTEN 
1798-1799 


NEUNTES  KAPITEL 


BONAPARTE,  OBERBEFEHLSHABER  DER  ARMEE 
VON  ENGLAND 
(November  1797  bia  Februar  1798) 

"VTach  Abschluß  des  Friedens  von  Campoformido  kamen 
J.1  gowobl  Bonaparte  ala  auch  das  Btrektoiium  mit  erneu- 
tem Interesse  auf  einen  Feldzug  gegen  England  zurück.  Alle 
Feinde  der  Französischen  BepubUk  waren  zum  Frieden  ge- 
zwungen worden  oder  standen  im  Begriff,  einen  solchen 
abzuschließen.  Nur  England,  das  unversöhnliche  Inselvolk, 
war  unbesiegt  geblieben,  »ind  alle  Versuche,  es  zum  Frieden 
zu  veranlassen,  waren  bisher  gescheitert. 

Wenn  Großbritannien  auch  infolge  eines  fünfjährigen 
Krieges  mittelbar  oder  unmittelbar  durch  Schädigung  des 
Handelfl  oder  durch  Zahlung  von  Hilfsgeldem  an  seinem 
nationaleii  Reichtum  stark  geschädigt  worden  war,  so  hatt« 
es  doch  in  anderer  Hinsicht  durch  Besitzergreifung  eines 

237 


großen  Teils  der  französischen,  spanischen  und  holländischen 
Kohinien  reichen  Ersatz  für  seine  Verluste  gefunden. 

In  Paris  hatte  man  im  Verlaufe  dea  Krieges  alle  Möglich- 
keiten. Kngland  hciziikommen,  in  Betracht  gezogen  unti 
zum  Teil  auch  zur  Ausführung  gebracht*).  Man  kam  aber 
immer  wieder  auf  den  l'lan  einer  unmittelh/iren  Landung 
auf  den  britischen  Inseln  ziirüek,  dcim  dort,  und  nur  dort 
allein,  würde  man  den  Besiegten  Gesetze  vorsclireiben  kön- 
nen! Man  hatte  ja  gesehen,  daß  Hoche  im  Dezember  \~W 
nahe  daran  war,  sein  Ziel  zu  erreichen.  Einige  tausena 
Mann  hatt-en  ungehindert  in  Irland  landen  können,  und  nui 
infolge  untergeordneter  Umstände  war  das  Unternehmen 
vereitelt  wordon.  Knrn  os  doch  nur  darauf  an,  während 
einiger  Stunden  Herr  des  Ärmelkanals  zu  sein,  während- 
dessen man  die  verschiedenen  Landungskorps  nach  Eng- 
land überführen  könnt«. 

Über  die  Notwendigkeit  eines  Feldzuges  gegen  das  ..per- 
fide" Inselreich  waren  sowohl  dieÖffentlicheMeinung  als  auch 
die  führenden  Staatsmänner  Frankreichs,  im  besonderen 
das  Direktorium  und  Bonaparte,  völlig  derselben  Ansicht, 

Der  Friede  von  Campoformido  war  abgeschlossen  wor- 
den, und  ferthier  und  Monge  machten  sich  sogleich  nach 
Unter;^eiclmung  der  Urkunde  am  18.  Oktober  früh  2  Ulir 
auf,  uni  den  Vertrag  dem  Direktorium  zu  überbringen.  Bona- 
purtc  aber  setzte  sich  sofort  nieder,  um  in  einem  längeren 
Briefe  dem  Direktorium  die  Gründe  für  den  so  achoellen 
Äbaehluß  auaeinoaderzuBetzen  und  bei  dieser  Ge!^;eiiluut 
die  politieohe  Lage  Frankreiobs  Europa  gegenüber  zn  a- 
örtem.  Er  beendete  das  interessante  Sohreibea  mit  den 
Worten :  „Es  ist  für  unsere  Regierui^  unbedingt  notwendig, 
die  engUsche  Monarchie  zu  vemiehten,  sonst  muß  sie  selbst 
gewärtig  sein,  durch  die  Verdeibtheit  und  die  Litrigra 

*)  Tg).  daEU  das  achte  Kapitel;  Der  Seekrieg  zwisohen  Fnmkroioh  mti 
England. 

238 


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dieses  tütigen  Inaelvolkes  vernichtet  zu  werden.  Der  gegen- 
wärtige Augenblick  ist  uns  besonders  günstig.  Vereinigen 
wir  unsere  ganz.e  Tätigkeit  auf  die  Flotte  und  zerstören  wir 


England !  Sobald  dieses  geschehen  ist,  wird  Europa  7,11  nn- 
seren  Füßen  liegen!" 

Ein  außerordentlicher  Kurier  brachte  dienen  Brief  naeb. 
Paria;  vermutlich  kam  er  zu  glcicber  Zeit  wie  Berthier  und 
Monge  mit  dem  Friedensvertrag  in  Paris  an.  Die  Abge- 


23» 


Kaiidti-d  des  Obergetierals  trafen  in  der  Tsacht  vom  25.  zun: 
26.  Oktober  in  der  Hauptstadt  ein,  und  das  Direktoriim' 
beriet  sogleich  am  nächsten  Morgen  die  zu  erj^reif ender. 
Maßnahmen.  Noch  am  selben  Tage  bcHchloU  es  die  Bildiiri!; 
einer  Armee  von  England,  deren  ObeHipfehl  d<^iii  (Jenerai 
Bonaparte  anvertraut  wurde.  Da  dieser  vorerst  alö  Hau)i! 
derFriedensgesandtachaftnach  Rastatt  gellen  sollte,  um  mr 
den  Abgesandten  des  Kaisers  die  Ratifikationen  dofi  Frie- 
dens von  Campoformido  auszuwechseln  und  eine  Älilitäi- 
konvention  abzuschließen,  erhielt  Generat  Desaix  den  vor- 
läufigen Oberbefehl  über  die  Englandarmee,  mit  der  Wei- 
sung, sich  unverzüglich  nach  Rennes  zu  begeben.  Da.- 
Direktorium  teilte  dem  General  am  27.  Oktober  seine  Ernen- 
nung mit  und  beauftragte  die  Marine-  und  Kriegs  minister, 
sofort  die  notwendigen  Schritte  zur  Ausführung  des  großen 
UntemehmenH  zu  tun. 

Bon  aparte  nahm  den  ihm  übertragenen  Oberbefehl  an 
und  deutete  in  einem  Briefe  an  das  Direktorium  vom  5,  No- 
vember kurz  an,  welche  Maßnahmen  er  zur  Erreichung  des 
Zieles  für  nötig  erachtete.  Wenige  Tage  später,  am  9.  No- 
vember, nahm  er  eine  neue  Einteilimg  der  in  Italien  stehen- 
den Truppen  vor  und  teilte  dem  Vorläufen  Generalstabe- 
ehef  Vignolle  mit,  welche  Heeresteile  für  England  bestimmt 
seien,  und  welche  Generale  sich  zur  Abreise  nach  der  Nord- 
küste ^ankreichB  bereithalten  sollten.  Ea  waren  die  Gene- 
rale: Massena,  Bernadette,  Brune,  Joubert,  Victor,  Ihi- 
phot,  Fijon,  Yerdier,  Point,  Bampon,  Mmiod,  Gaxdanne, 
Mireur,  Friant,  Belliard,  Yeaux,  Monnier,  Lonnes,  Ledere 
(der  die  leichte  Kavallerie  befehligen  sollte)  und  Dumas 
(als  Befehlghaber  der  Dragoner). 

Die  Artillerie  sollten  die  Generale  oder  Stabsoffiziere 
Andreossy,  Songis,  Faultrier,  Sugny,  Lespinasse,  La  Tour* 
nerie,  Doumic,  Salva,  'Rozi,  Jidlliot,  Delaitre,  Lamog^ 
und  Dintroz  befehligen. 

240 


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Zu  Befehlshabern  des  Gemee  waren  ausersehen:  der 
Genend  Gutaselonp-Laubat  und  die  Stabsoffiziere  SanBon, 
Vbyäo  und  Itfoubert. 

Dei  GeneralTerwalter  Haller  und  der  Ob^kommisBu 
Tillemanzy,  die  an  der  Spitze  der  Zivilbeamten  stan- 
den, erhielten  besondere  Befehle,  die  Verpfiegiing  und  den 
Marsch  der  Truppen  nach  der  Nordküste  Frankreichs  zu 
regeln. 

Am  17.  November  !7!I7  verliel.i  Hoiirtjiartc  ^[nilanil  und 
kam  am  ~k  IV7.ember  in  P^n  is  ati.  ( ii'iiiein.siim  mit  dein 
lvrief.'smifiiMtfr  Sflierer  ihkI  doiti  Mariiieininister  Pl^ville- 
le-l'eilev  traf  ecKogleich  die  weite^tgrtiifMiden  Anstalten  zur 
Vereinigung  der  Flotto  in  Rtvai  und  zur  Ansammlung  der 
fiandtnippen  in  den  Kiisti'n|>lätK('n, 

XatlulenL  wieli  Honapürte  mit  der  Mö^;)ielikeit  einer  J.an- 
diing  eiiigeliender  besuliiit'tigt.  Iiatte.  arbeitete  ej'  am  H.  De- 
zember einen  vorläufigen  rinn  der  aelit  „Operationen"  aun, 
die  er  v.nr  Krreiehung  seines  Zieles  für  niiti;:  erai  litetr, 

Bruevd  sollte  Kuniiehst  aus  Kiirtu  )ui!  M^imm  ^erlis 
Schiaehtseliiffen  und  den  anderen  Faiuv.eu^en  auslaufen 
und  sich  nach  lirest  begeben*).  Das  glcicbe  Ziel  wurde  den 


■)  Iis  iat  imv(Tit,iii(llit;li,  diiL(  mmi  Hranya  ko  Innp'  vpms^.  i,  ktinmi-,  Ilio 
Fahrt  vo.i  Korfu  bis  iimcIi  Bre.sl- im  Winlor  n  ur  on  eidw.ii  j,  i„.|,  /,  in  r,  kt  nii^ 


die  ÜnraÖKl:t:iikrat  anRofiihrt,  dali  Briiiij-s  rtclii^-t^iii;:  cLii^n  ffL  ii  l^uimf.  ,J[;rii  ri- 
liillriwiiriMÜi'!.  tciKcdsndicÖohuIdBonopnrlrrtUi  """ -J  ".  ilinli  ni  A.lriiirnl  nir  ij[ 
rcrliUi'itii;,  vii'lli'ioht  90hoil  Von  Mailand  iiu.t.  Id'li'hl  y.ur  KiiclHu  hr 

die  Befehle  liuDuiiurtee.  Obglejch  des  GesohwiLder  Saui  kein.'n  Proviimt  m<ihi 
besaß,  n-ofl  dem  Moiineiiimister  bekannt  sein  mußte,  gab  diesei  eist  tun 
27.  Januar  1TU8  Befebl,  soIortoaehBiwC abzusegeln.  Aber  nooh  ehe  der  Befehl 
in  Korf  II  einjjetrolbn  war,  hatte  eioh  der  Admiral,  dessen  Proviant  fast  aot- 
gezehrt  ivar,  bonila  zur  Hehuimse  enteohloaean.  Die  Abiahrt  erfolgte  am 
24.  Februar  mit  seoba  fauuSalBatun  und  fOnf  veneiianiKhen  SohlaohtaohiSBn, 
nrei  SaaiÖKtebea  und  dt«  vmaiiBiunhen  ftegatten,  eowis  dt«i  Ideineren 
SchiffeDk 

16  241 


vier  bis  fünf  Sclilaclitsuliiffen  in  Toulon  gegeben,  deren  ßf- 
waffnung  und  Ausrüstung  noch  nicht  völlig  beendet  « ar. 

In  Brest  lagen  bereite  34  Schlachtschiffe,  Ihre  AuarüstuDj 
und  Bewaffnung  sollte  ebenfalls  beschleunigt  werden,  daiii-i 
die  Motte  Ende  März  zum  Auslaufen  bereit  sein  konnte. 

Im  ganzen  verfügte  man  damals  über  STSclilacht-schiffe'j. 
Ea  waren  zwar  noch  sechs,  beziehungsweise  sieben  im  Bau, 
dooh  war  es  ausgeschlossen,  daß  diese  bis  zum  ersten  flo- 
rtteA  (20.  April)  zum  Auslaufen  bereitgemacht  werden  hcam- 
ten.  Dazu  kamen  noch  ungefähr  30  Fregatten  und  15  Eot- 
vetten  und  etwa  50  kleinere  Fahrzeuge. 

Mit  seinem  weitschauenden  Blick  vergaß  Bonaparit 
Spanien  undHolland  nicht;  beiden  war jeeine„Operatioi. 
gewidmet.  Beide  verbündete  Länder  gedachte  man  mit  allen 
ihnen  zur  Verfugung  stehenden  Mitt«ln  am  Feldzug  gegen 
England  mitwirken  zu  lassen.  Der  Vizeadmiral  Truguet 
sollte  in  Beiner  Eigenschaft  als  Gesandter  in  Madrid  und 
der  ehemaligfl  Minister  des  Äußern  Delaoroiz  in  gleicher 
Weise  im  Haag  für  das  Überseeische  UntemebmeD  täti|: 
sein.  Bei  der  ungünstigui  Bfämmung  jedooh,  die  in  beiden 
Staaten  gegen  das  {ranzSüsohe  Direktonum  herrschte,  war 
nicht  viel  auf  deren  Mitwirkung  zu  rechnen. 

In  dem  Plane  Bonapartes  zm  Eroberung  Englands  sucht 
man  vergeblich  den  I^amen  M^ta.  Vermutlich  hatte  er  die 
Besitzei^reifung  dieser  Lisel  auf  spätere  Zräten  versohoben, 
um  sein  Augenmerk  ganz  auf  die  unmittelbare  Landung  im 
Mutterland  zu  richten. 

Schließlich  nahm  es  das  Direktonam  noch  auf  sibh,  Kng- 
land  der  Mittel  zu  berauben,  sich  in  Portugal  festzusetzen. 
Fratdcr^h  hatte  mit  Portugal  am  lO.  Augast  1797  E!rieden 
geschlossen.  Der  Bat  der  Fünfhundert  und  der  Rat  der 
•JBBbetBodensIöhi  Si  ftüilwihtMliiffe  in  Brett,  S  aohlftohtechifte  in  Loriant, 
lSotalB<ditsdirainBoebBfOrt,  SSobUditMliilfo  in  Tankm,  6  SahlaohtschieFe 
in  Eorfn.  Deui  kamen  nodi  0  vsnMiaidBdhe  Sohbuhladiiffe,  die  »wiueiwi 
74  md  04  Rahodbh  fUlirten. 

242 


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jVlton  hatten  zwar  den  Vertrag  innerhalb  zweier  Monate 
ratifiziert,  ahor  der  liegeiit  gcnelimigte  ihn  (lieht,  da  er  sich 
den  Engländern  angesehlüssen  hatte  und  von  diesen  Hilfa- 
gelder  und  Truppen  empfing.  Ohne  gerade  im  Jvriegszustande 
mit  Portugal  zu  sein,  bestand  aucli  kein  Frieden  zwisuhen 
diesem  Staate  und  Frankreich.  Teils  um  Portugal  zur 
Nachgiebigkeit  zu  zwingen,  teils  um  die  Engländer  zu 
vorhindern,  auf  der  pyreuäis<Oien  Haihinsel  feslen  FulJ  zu 
fassen,  erteilte  das  Direkf^niuni  am  211.  -hinuar  17i)S  dein 
Ucncral  Augercau  den  Oberbclehl  über  die  Id.  Divisinn  in 
i'erpiguan,  mit  dem  Auftrage,  gegebenenfalls  in  kiir/.e.ater 
Zeit  durch  das  verbündet«  Spanien  zu  marsehieren  und 
Portugal  zu  Lande  anzugreifen. 

Es  blieb  nun  noch  die  iieldfrnfre  zu  reiieln.  Km  l-eldzitg 
gc^en  Encland  war.  wenn  er  üelingen  sollte,  mit  großen 
Kesten  verbunden:  es  fehlte  aber  an  (;eld.  und  Kredit  war 
fast  keiner  vorhanden.  Nach  allerlei  V,;r,suehen  kam  man 
auf  eine  Anleihe  zurüek.  die  viel  Aussieht  auf  Frfolg  ver- 
^pracli.  denn  die  ütfeiiDiehe  .MeinunL'  war  dem  l  nternehnien 
sehr  geneigt.  Die  Regierung  hoffte  dureh  Aussähe  von 
Scheinen  von  je  lUOd  Franken  SO  :Millionen  z\i  erlangen, 
allein  die  Anleihe  wurde  nur  zu  einem  \'ierl<'l  gezeichnet. 
Auch  eine  Beschlagnahme  der  euLdisehen  Waren  hatte  mir 
ein  mittelmälJiMS  Ergebnis  zu  verzeichnen. 

Trotz  der  schlechten  Finanzlage  hoffte  man  do<'h  noch 
die  notwendigen  Uclder  aufKubnngen.  Die  Eininisehung  in 
die  romischen  und  die  schweizerisehen  \erhaltn1s3e.  ob- 
gleich sie  vermutlich  nicht  durch  den  nach  England  ge- 
planten Feldzug  veranlaßt  wurden,  mußte  auch  eimge 
Millionen  abwerfen,  zum  weragaten  konnte  der  Maisoh  imd 
der  Unterhalt  der  Truppen  nach  den  Küsten  von  der  Kriegs- 
beute bestritten  werden. 

Wir  kommen  nim  zur  endgültigen  Zusammensetzung  des 
Heeres.  Es  sollte  aus  40  Halbbr^adea  Infwterie,  32  B«gL- 


243 


mentem  Kavallerie,  4  Regimentern  Artillerie,  4  Kompa- 
nien Arbeitern,  4  Kompagnien  Minierem,  2  Bataillon«! 
Schanzgräbern  und  2  Abteilungen  Brückenbauern  besteben. 

Nach  Beschluß  vom  12.  Januar  1798  umfaßt«  die  Gme- 
raJitiät  18  Divisione-  und  47  Brigadegenerale.  Berthier  war 
GeneialstabBchef .  Kilmaine  befehligte  die  Kavallerie,  Maiej- 
oot  das  Genie  und  Leepinaese  die  Artillerie.  Die  übrigeo 
Divisionsgenerale  waren:  Kteber,  Goovion  Saint-Qrr,  Le- 
febvre,  Chainpionnet,  Maaaena,  Senirier,  Victor,  Brune. 
Dumaa,  3aragaa,y  d'Hillieis,  Dallemapie,  HantponH. 
Duhesme  und  Greni^.  Die  Brigadegenerale  hießen :  Iiumea. 
Bampon,  Menard,  Verdier,  Point,  Daphot*),  Lantus«. 
Chambarlhac,  BeUiard,  Veaux,  Monnier,  Fiisnt,  Piiaa. 
Dessollfl,  Kellermann,  Leclarc,  Cervoni,  Murat^  Miieiii. 
Waltlier.  Dommarün,  DaUnüoy,  Sorbier,  Tharreau,  Girari 
genuintVieux,  Montrichard,  Davout, Deesen,  LaBoiaaräe. 
Leoourbe,  Oudinot,  Gardanne,  Vajidamme,  Mermet,  (%- 
vier,  Soult,  lUohepance,  Cihasseloiip,  CaffareUi-Dufs^ 
Boisg6rard,  Legrand,  Humbert,  Klein,  Key,  Hardy,  Dam» 
Vial. 

Der  Generalarzt  »ar  der  Doktor  Desgenettes.  Ihm  im 
Seite  standen  Fercy  als  Oberchirurg  und  Larrey  und  Vvu 
als  Chirurgen.  Unter  den  ZiTÜbeamten  des  He«^  seko 
genannt:  Sucy,  Dubreton,  Lambert,  Mathieu  und  Äubemoa 
Die  in  fünf  Divisionen  eingeteilte  Infanterie  war  42  3(K> 
Mann,  die  Kavallerie  4600  Mann  stark. 

Um  die  Verhältnisse  da  Küste  zu  studieren,  hatte  Btnia- 
parte  bereits  im  Januar  den  Marineingenieur  Forfait  und 
den  Brigadeclief  Andreossy  nach  IjC  Havre  und  den  ändert':! 
Küsten  platzen  des  Kanals  geaaridt.  Mit  größter  Genaujj- 
keit  unterzogen  aieli  be-ide  der  ihnen  befohlenen  Anfgabf. 
Boiäonders  zufricdcti  si  lifiiit  der  Obergeneral  mit  Andrio«^ 

')  GpniTiiI  ]Jn|ibiit  hi  liruic'  ^ii  !i  jun  li  iiui  der  Lislfi,  obgleich  er  barato«" 
27.  Dexeinli.T  tTRT  wahrend  paw-t  AnhUmdea  in  Rom  getötet  wurdn. 

244  I 


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i^ewesen  zu  sein,  denn  dieser  wurde  für  seine  Verdienste 
nach  der  Rückkehr  Bonapart«»  nach  der  Hauptstadt  zum 
I -Srigadegeneral  ernannt. 

Wahrscheinlich  hatt«  Bonaparte  auch  Agenten  nacli 
-Kngland  geacliickt,  um  dort  die  Lage  im  Falle  einer  Lan- 
ciung  zu  studieren.  Um  diese  Zeit  war  ein  gewisser  tiallois 


von  der  franzosisclien  Regierung  beauftragt  worden,  nach 
London  zu  gehen,  um  dort  wegen  der  AuawecheUing  von 
Itriegsgefangenen  zu  verhandeln.  Boiiaparte  wollte  die  Ge- 
legenheit benutzen  und  einen  Hemer  Offiziere  als  Spion  mit- 
sonden.  Marmont  wurde  dazu  auBcrschen,  doch  weigerte  er 
sich  hartnäckig,  diesen  Auftrag  auszuführen. 

Um  nichts  dem  Zufall  zu  überladen  nnd  um  die  letzte 


246 


Hand  ans  Werk  zu  legen,  beauftragte  der  Obergeneral  am 

7.  Februar  Desaix  nach  Brest,  Kleber  nach  Le  Ha-vre  und 
CalfarelU  nach  Dunkcrque  zu  gehen.  Er  Beibat  verließ  am 

8,  Februar  —  nach  manchen  Angaben  am  9.  —  Paria,  um 
eine  etwa  zwölftägige  Besichtigungsreise  an  die  Küste  zu 
unternehmen.  In  seiner  Begleitung  befanden  sieh  nur 
General  Lannes,  der  A^ntant  Snlkowski,  der  Sekretär 
Bourrienne  und  der  Kurier  Moustaohe. 

Art\  Q.  Februar  besnchte  Bouaparte  vermatlicli  Ktaples, 
Boulogne  und  Ämbleteuse,  am  10.  Calais  und  am  II.  und 
12.  Dunkerque.  Meist  ersohien  der  Obergeneral  in  den 
Hafenplätzen  unter  dem  Namen  eines  seiner  Adjutanten. 
Er  überraschte  die  Offiziere  und  Beamten  durch  seine  große 
Sachkenntnis.  Ohne  Unterlaß  dehnte  er  seine  Besichtigun- 
gen oft  bis  Mittemacht  aus.  Er  fragte  nicht  nur  die  Offizien 
und  Militärbeamten  aus,  sondern  wandte  sich  ebensooft  aa 
Matrosen.  Ki'mtenfaiirer,  Fischer  und  Schleichhändler. 

Nncluicm  er  am  12.  Fobroar  in  Duiikerque  mit  Caffarelli, 
Andn'ossy  und  Forfait  gcsproclicn,  und  nachdem  er  t'affa-  I 
rt'ili  befohlen  hattd,  nacli  Boulogne  zu  reisen,  begab  fr 
wicli  am  nächsten  Taf^c  nach  Belgien.  Vorher  hatte  er  noch 
Andrcoasy  und  Forfait  beauftragt,  nach  dem  Haag  zu  gehen, 
um  vor  iillein  zu  ermitteln,  auf  wieviel  kleine  Fahrzeuge 

Den  14.  und  15.  Februar  verbrachte  er  in  Xieuport,  Ost- 
eiide,  (lent  luid  Antwerpen.  Am  nächsten  Tage  traf  er  in 
liriissel  ein.  Auch  hier  wollte  er  unerkannt  bleiben.  Im 
Tlieater,  das  er  am  Abend  besuchte,  erkannte  man  ihxi  je- 
doch und  brachte  auch  hier  dem  Sieger  von  Itahen  begei- 
Kterte  Huldigungen  dar.  Uber  Lille,  Douai,  Saint-Quentia 
und  La  FC-ie  kehrte  Bonaparte  mit  seinem  kleinen  Qefolge 
am  20.  Fehruar  nach  der  Hauptstadt  zurück. 

Fast  gleichzeitig  mit  ihm  kam  auch  der  erste  Bericht  des 
Qeni^enerals  Caffax^  über  die  Beförderungsmittel  in 

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Boulogne,  Ämbleteuse,  Calais  und  Dunkerqiie  in  Paris  an. 
Oieser  Bericht  war  mit  großer  Sachkenntnis  und  Gewissen- 
laftigkeit  ausgearbeitet  worden,  ließ  aber  die  Unzulänglich- 
rceit  der  verfügbaren  Hilfsmittel  erkennen.  Weitere  Berichte 
_-a.ff arelÜB  an  Bonaparte  und  den  Befehlshaber  des  Genies, 
General  Marescot,  ergänzten  seine  früheren  Beobachtungen. 


Über  die  Reisen  Deaaix'  in  die  Bretagne  und  Klebers  nach 
der  Norniandie  ist  wenig  bekannt.  Die  Ergebnisse  scheinen 
jedenfalls  für  die  geplante  Landung  in  England  nicht  sehr 
günstig  gewesen  zu  sein.  Beide  Generale  kamen  auch  in  der 
zweiten  Hälfte  des  Februar  nacli  Paris  zurück.  Erst  am 
26.  hatte  Bonaparte  eine  lange  Unterredung  mit  Deaaix; 
vermutlich  war  dieser  erst  am  Tage  vorher  in  der  Haupt- 
stadt angelangt. 


247 


Noch  ehe  Bonaparte  den  mündlichen  Bericht  deB  Gene- 
rals Desaix  empfangen  hatte,  faßte  er  seine  Bcobachtimgen 
und  die  seiner  Generale  in  einem  umfangreiehen  und  inter- 
essanten Schriftstück  zusammen,  das  er  am  ■2:<,.  Kobruar 
dem  Direktorium  unterbreitete.  En  verfallt  in  zwei  Teile,  in 
einen  allgeinfineii  und  einen  besonderen. 

Der  Iterii  ht  besannt  mit  den  Worten;  „Wie  sehr  wir  nn? 
aucd  bdiniiht'u,  wir  werden  erst  in  mehreren  .labren  die 
TJbei'lefienheit  /,ur  See  erlangen. 

Eine  Landung  in  England  zu  wagen  ist  das  kühnüte  und 
scliH-ierigwte  Unternehmen,  das  gemacht  worden  ist. 

Wenn  «ie  m;iglii;h  wiirc,  .so  mUlJte  sie  diireh  Überrasohuii,- 
geMehebeii.  Entweder  müßte  man  versuchen,  den  Gesch\i,i- 
dem  zu,  entschlüpfen,  die  Brcat  oder  den  Texel  blockieren, 
oder  man  müßte  auf  kleinen  Booten  während  der  Nach! 
nach  einer  Überfahrt  von  sieben  bis  acht  Stunden  irgend- 
einen Pmikt  der  Provinzen  Kent  oder  Subbdx  zn  erreichen 
suchen. 

Für  diesen  Plan  braucht  man  lange  Nächte,  folglich  den 
Winter.  Sobald  der  April  vorüber  ist,  ist  es  nicht  mehr  mög- 
lich, etwas  aiiKzurichten. 

Jodes  Unternehmen,  das  man  auf  Schaluppen  wähnoid 
des  Sommers  gelegentlich  des  ruhigen  Seegangs  wagen  w3r- 
de,  wäre  unausführbar,  da  die  Feinde  während  der  Lutdnng 
und  besonders  während  der  Überfahrt  unüberste^bore  ffin- 
demisse  entgegenstellen  würden.  • 

Unsere  Marine  ist  heute  efoeuBowenig  Bchlagfertig  als  zat 
Zeit,  da  man  die  Armee  von  England  geschaffen  ha^  elwa 
vor  vier  Monaten. 

In  Brast  befinden  sich  nur  10  ausgerüstete  Schladit- 
Bchiffe.  Sie  sind  aber  noch  ohne  Bemannung  und  weit  eob- 
femt,  seetüchtig  zu  sein.  Nur  mit  wenige  Sßhiffen  halten 
uns  die  Ei^länder  eingeschlossen . . . 

Der  Feldzug  nach  England  scheint  mir  f(dglieh  esst  im 

248 


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näclinton  .lalirp  iiiöglii;li.  Umi  dann  ist  es  nicht  ausgeschlos- 
sen, (laß  Hindernisse,  die  sich  auf  dem  Festland  einstel- 
len, sieh  dem  widersetzen  werden.  Der  geeignete  Augenblick, 
sich  7.11  diesem  Unternehmen  vorzubemten,  ist  vielleicht 
für  imniei'  verloren." 

.Mit  (iinsen  Worten  schließt  der  erste  Teil  des  Berieht^, 
Wenn  lionaparte  den  Feldzug  wirklich  für  unausführbar 
hielt,  düiHi  liütt*  er  sein  Schreiben  mit  diesen  Worten  been- 
den können!  Wozu  aher  dann  noch  einen  zweiten  Teil,  der 
mit  größter  (ienauigkeit  und  außerordentlichem  iScharf- 
blick  zahllose  Vorschläge  enthält,  die  der  General  dem  Di- 
rektorium zur  Erreichung  des  Ziels  empfiehlt? 

Nachdem  er  in  diesem  zweiten  Teil  alle  die  von  ihm  für 
geeignet  gehaltenen  Maßnahmen  .iiifgezählt  hatte,  Iwschloli 
er  seinen  interessanten  Bericht  mit  den  Worten:  „Wenn  es 
nicht  möglich  iüt,  sich  genau  dif  Summen  zu  verschaffen, 
die  in  der  vorliegenden  Denkschrift  verlangt  werden,  oder, 
wenn  man  in  Anbetracht  des  Ztistandes  unserer  Marine 
nicht  glaubt,  diese  Genauigkeit  in  der  Ausführung  erlangen 
zu  können,  dann  muß  man  wirklich  auf  jedes  Unternehmen 
gegen  England  verzichten.  Man  muß  sich  nur  den  Anschein 
geben  und  seine  ganze  Aufmerksamkeit  und  alle  seine  Hilfs- 
mittel auf  den  Rhein  lichten,  um  zu  versuchen,  England 
Hamburg  und  Hannover  wegzunehmen.  VorauBsichtUdi 
wird  man  keines  zahlreichen,  von  Deutschland  entfernten 
Heeres  bedürfen,  um  den  einen  oder  den  anderen  Zweck  zu 
erreichen, 

Oder  man  könnte  einen  Feldzug  nitoli  der  Levante  unter- 
nehmen, der  den  Handel  mit  Indien  bedrohte. 

Wenn  aber  keina  dieser  drei  Unternehmen  auafuhrbai  ist, 
dann  sehe  ich  kein  andetsB  Mittel,  als  den  IViedra  mit  Ei^ 
land  abzuschließen!  Ich  bin  überzeugt,  daß  sie  (die  Englän- 
der) heute  die  Vorschläge  annehmen  würden,  mit  denen  sich 
jVTalmesbury  nicht  einverstanden  erklären  wollte. 

260 

I 

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]»  diesem  Falle  könnten  wir  dio  größten  Vorteile  aus 
»in.spien  L'nterliandlunReR  in  Rastatt  ziehen. 

W'ciui  doi'  T'^edcn  mit  England  während  der  Dauer  des 
Ivoiiizifs^i'ü  i'ifulgen  sollte,  würde  man  natürlich  in  der  Lage 
v-sein,  viel  mehr  vom  Dc\]tschcn  Reiche  zu  verlangen." 

\'eriiiutlich  wurde  der  Jieiiyht  üonajiartes  am  24.  und 
113.  Februar  vom  Direktorium  durcligespropheti.  Obgleich 
der  General  hinsichtlich  der  Durchführbarkeit  zahlreiche 
liedenken  auesprach,  die  er  auch  begründete,  bo  hielt  er  das 
Unternehmen  doch  keineswegs  für  unmöglich! 

Nur,  wenn  es  mcht  möglich,  sei,  vor  allem  die  notwen- 
digen Geldmittel  aufzubringen  und  die  in  Brest  liegenden 
:i~t  Kriegsschiffe  in  einem  Monat  zum  Auslaufen  bereit  zu 
rnac^lieu,  dann  erst  schlägt  der  General  an  Stelle  eines  direk- 
ten Feldzuges  nach  dem  englischen  Mutterland  drei  Mög- 
lichkeiten vor: 

1.  Eine  Besitzergreifung  Hannoveis  und  Hamborgs. 

2.  Einen  Feldzug  nach  der  Levante,  um  den  engUeohen 
Handel  mit  Indien  zu  gefährden. 

3.  Den  Frieden  mit  England. 

Man  sieht:  Von  allen  drei  Möglichkeiten,  die  Bonaparte 
in  Betracht  zieht,  wird  der  Feldzug  nach  der  Levante  am 
kürzesten  erwähnt! 

9er  in  der  Uiachrift  siehen  Seiten  umfassende  Bericht 
ist  von  seltener  Klarhät;  und  doch  ist  er  meist  nuBverstan- 
den  wordem!  Wenn  untergeordnete  Gesohiohtesohreibersich 
begnügten,  zu  wiederholen,  was  Bourriemte  und  anders 
unzuTerläseige  Memoirenschieib^  gesagt  haben,  so  ist  es 
verzeihlich.  Wenn  aber  ein  Gelehrter  wie  Albert  Sorel  ein- 
fach sohieibt,  ohne  auch  nar  mit  einer  Zeile  des  In- 
halts dieses  Briefes  zu  gedenken:  „Bonapurte  richtete 
an  die  Direktoren  einen  Bericht,  der  mit  dem  VoTSohlE^ 
schloß:  ,Man  muß  wirklich  auf  jeden  Feldzug  nach  Ei^;land 
vemohten  und  sich  nur  den  Anschein  geben und  dann 


251 


Boiae  ganze  Vetmntimg  daranf  aufbaut,  so  ist  das  mehr  alü 
bedaoerliohl 

Bomrieime  berichtefc  in  seinen  Memcüran,  daß  Bomqmrte 
die  Beise  aa  die  Küste  nur  des  Scheines  halber  unternom- 
men habe,  und  daß  er  fortgesetzt  mit  dem  Feldzuge  nach 

Ägypten  beschäftigt  gewesen  sei.  Beides  ist  falsch !  Es  ist 
sogar  anzunehmen,  wie  im  nächsten  Kapitel  näher  aus- 
geführt wird,  daß  der  General  die  Pläne  hinBichtlich  Agj'p- 
tens,  die  er  schon  im  Sommer  und  Hcrhst  1797  hogtc,  ganz 
fallen  lielJ,  denn  allf-a  deutet  darauf  hin,  daß  er  den 
Fekizuff  naeh  England  ernstlich  gewollt  hat.  E,- 
ist  volllioinmeii  ins  Reich  der  Fabel  verweisen,  daß  t-i 
nur  den  Schein  wahren  wollte,  indem  er  die  zahllosen  MalJ- 
nahineii,  die  iloch  genau  dunhdaiflit  wein  wollte»,  und 
deren  AiiNführung  viel  (ield,  Mühe  und  Zeit  kostete,  dem 
Direktorium  nur  aufzählte,  um  auf  die  ganz  beiläufig  er- 
wäluite  Expedition  narli  der  Ijcvante  hinzudeuten  I  Eüti 
Bonaparte  hatte  ew  niciit  nötig,  sieh  solch  kleinhcher  .Mittel 
zu  bedienen,  denn  schon  damals  fühlte  er  sieh  stark  geuug, 
um  das  zur  .Vusfühning  zu  bringen,  was  er  für  notwendig 
und  riolilig  erkannt  hatte  I 

Nichts  hatte  seinen  EiirKei/;  inelir  befriedigen  können  nh 
die  Ünterwcrf  unedes  Volkos,  das  bisher  allein  von  allen  Fein- 
den der  Republik  unbesiegt  daatand :  Aber  als  kluger  Feld- 
herr und  ausgezeichneter  Organisator  maß  er  die  Schwie- 
rigkeiten vorher  genau  ab.  die  es  zu  uber^valtigen  galt,  ehe 
er  auH  Werk  \1  1     le        t  liatt-e,  daß  sie 

/.  ur/eit  zu  arob  seien,  stand  er  von  dorn  Plane  ab, 
denn  er  wollte  nicht  einen  ahnlichen  Ausgang  seines  Feld- 
zuges erleben,  wie  Hoche  im  D^mber  1796*).  Er  wählte 
also  das,  was  Ulm  uamaul  am  leicniesiien  ausführbar  zu  sein 
schien. 

Bereits  am  13.  April  unterbreitete  er  dem  Direktorium 

■)  V^r8.'22B. 

252 


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einen  neuen  Vorschlag  für  einen  Feldzup  iiacli  Ägypten,  den 
die  meisten  (.!e.sfliiflilnM(;lirMber  über^dlion.  In  diesem  Be- 
richt tritt  er  von  ni  uein  liir  die  Xcui>c?;lalU]i)g  der  Marin.- 
ein,  damit  sie  hu  Sepletiibei'  ben-il  <-c\.  Die  Landung  in 
England  sollte  dann  im  Oktober  oder  November  erfolgen, 
wenn  die  langen  Nächte  ein  solches  Untei-nehmen  begün- 
stigten, denn  er  hoffte  bis  dahin  Agj-pten  erobert  zu  haben. 
Ein  tüchtiger  Unterführer  würde  dann  dort  in  der  Lage 
sein,  die  von  ihm  begonnene  Verwaltung  und  Verteidigung 
des  Landes  fortzusetzen.  Obgleich  aus  der  Absicht  nichts 
wurde,  denn  besondere  Umstünde  hielten  ihn  länger,  als  er 
vermutete,  in  Ägypten  /in  iiek,  beabsichtigte  er  doch  noch- 
mals in  den  Jahren  1803  bis  181)5  eiiiL-  Landung  in  Eng- 
land. Sogar  die  Wegnahme  Hannovers  im  Jahre  1803  ist 
nur  als  eine  Folge,  der  früheren  Pläne  des  Generals  anzu- 
sehen. 

Der  Bericht  Bonapartes  vom  23.  Februar  .wurde,  nacli- 
dera  er  vom  Direktorium  geprüft  worden  war,  von  dem 
damaligen  Präsidenten  Merlin  de  Douai*)  mit  Bemer- 
kungen versehen,  die  im  Laufe  der  nächsten  Tage  als  Be- 
fehle ausgefertigt  wurden.  Man  sieht  also,  daß  es  nicht  nur 
Bonaparte,  sondern  auch  dem  Dkektorium  vollkommen 
Emst  mit  dem  Feldzuge  nach  England  war,  zumal  sie  die 
Öffentliche  Meinung  ganz  auf  ihrer  Sräte  hatten ! 

Als  nächste  Folge  der  vom  Dbektorium  beschloasenen 
Vetf ägongen  erfolgte  am  26.  Februar  die  Einsetzung  eines 
Ausschusses  für  daa  Unternehmen  gegen  England.  Dieser 
Ansschoß  hatte  unmittelbaT  von  Bonaparte  Befehle  zu 
empfangen.  Er  bestand  aus  dem  Konteradmiri^  Lacrosse, 
dem  Marineingenieur  Forfait  und  dem  General  Andr^osey. 
Qleichzeitig  wurde  der  Finanzministev  Gaudin  angewieseo, 
dem  Ausschuß  die  notwendigen  Geldmittel  zur  Verfügung 
zu  stellen. 

*)  Ex  war  ent       dem  2C.  PrUdeut  des  Dtrektodums. 
264 


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Die  von  Bonaparte  selbst  an  die  KordkÜBte  Frankreichs 
untemommeDe  Reiae  hatte  ihn  zwar  in  seinem  Entschlüsse 
wankend  gemacht,  doch  ehe  er  sich  von  der  Unmöglichkeit 
einer  Landung  in  England  überzeugte,  wollte  er  noch  die 
Ansichten  seiner  verachiedencn  Gewährsmänner  prüfen, 
die  er  ebenfalls  an  die  Küsten  gesandt  hatte.  Er  hatte  in- 
Äwißcheii  die  Bericlit-e  von  den  tJeneralen  Caffarelli,  Kleber 


und  Desaix  erhalten.  Die  Meldungen  Caffarellis  waren  von 
der  größten  Sachlichkeit  und  heßen  die  Unzulänglichkeit 
der  erforderlichen  Hilfsmittel  crkeimen.  Kleber  war  voll  von 
Begeisterung  für  das  Unternehmen,  Desabi  jedoeli,  der  am 
26.  Februar  eine  eingehende  Unterredung  mit  dem  Ober- 
general gehabt  hatte,  also  erst  nachdem  Bonaparte  seinen 
Bericht  dem  Direktorium  eingereicht  hatte,  war  von  der 
Unmöglichkeit  eines  Feldzuges  gegen  England  überzeugt. 

266 


DiQilizeatiyG»Jgl^ 


Auaschlaggebend  für  Bunapurte  wird  eler  Beriolit  den  vor- 
läufigen Mari  nc  mini  st  crs  LaiTibrcchts*)  vom  2.  ^lärz  179S 
gewesen  sein.  Wm  den  28  im  Hafen  von  Brrat  befindlichen 
Schlachtschiffen  seien  nur  vier  ausgerüstet,  die  übrigen  nur 
mehr  oder  weniger  zum  Aualaufen  bereit,  meldete  Lam- 
breohts.  Es  fehle  der  Flotte  an  Matrosen,  Lebenemittcln, 
Munition,  besonders  an  Hanf,  überhaupt  an  den  notwen- 
digsten Gegenständen.  Dieser  skeptische  Berieht  fiel  ent- 
Bcliieden  am  meisten  ins  Gewicht, 

Erst  Anfang  März,  also  nachdem  er  bereits  seit  etwa  zehn 
Tagen  seine  Eingabe  bei  der  Regierung  eingereicht  hatte. 


scheinl  lUmupiirtc  von  der  ViiuuHfülirbarkcit  des;  Planes 
Kchon  \vt7.t  einen  Fddzug  nuch  Enghind  zu  unternoliinen, 

Fussen  wir  noflnuiils  alles  zusammen,  so  kommen  wir 
nach  ilpm  Stande  dfr  neuesten  Forschungen  zu  folgendem 
SchlulJ: 

Boniipai'te  lial  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  feste 
Absicht  gehabt,  im  l<'rülijahr  1798  einen  Landungsversudi 
in  England  zu  wagen.  Erst  nachdem  er  eioli  von  der  Unzu- 

*)  l-ambrecht*  war  Juatizminieter  und  V€Twalt6te  nur  vorübergahend  diu  Amt 

aiin.«  KoIlFc^n  PWriUo-k-Piilloy,  HiwiT  v.nr  Entit.  Februar  nach  Brasl  (cf- 
sondt  ivord™,iviM  rniii'l,Mnrz  Riiknni.  Ain  aü.  wHr  lt  wicdür in  PariB  luriick. 
■•)  Doi  74jährici'  Mariimiiüiiisler  war  iicwli  mit  jueeiidliclipni  Eiter  für  cineo 
Fcldiug  EOfeiiJOiittlond  taiiu.  AL*  it  dir  Mituiluo,;  erhielt,  daß  diTselbenidit 
atattfinden  würde,  boII  doc  alle  Herr  mit  BGineiQ  hölzemeii  Bein  im  Zorn  pinm 
Tisch  lungoworfcn  haben.  Ala  or  sah,  daß  jeder  Einapmoh  vergebens  sei,  gab 
er  Beine  EntloBBiing.  FüracineVeTdienBtemiideernoclkun  9.Apiil>uiii  Vtce- 
admiral  CTTiannt. 


25(1 


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war  er  vi.rliiufit;  von  lU-iii  l'InlscliluB  iili>;,'koiiiinoii.  Aber 
avif^L-j;fl"  ii  li.utc  er  dir  AI.-iiM  iioi  li  uichi.  Kr  frodachte 
vifltiii'lii'  aiil  Cciiml  viiwr  Kin-n)'!'  vuni  A|.ril  hcreits  im 
( Jktolier  fn\cr  N'ov  rjubcr  ilaw  l'ntcnicliiiii'ii  /in  Ausführung 
zu  bringen. 

Obgleich  er  bereits  früher  die  .MiiirliiOikcit  eines  Feld- 
ziiizs  TiJK-li  ÄpyptiT  in  IWnu^ht  luütc.  liolJ  er  im 

W\nU-\-  1 7117- 17!tS  den  l'hin  ^^i,-(lvr  f^illen.  Krst  dur.^li  lic- 
('  i  nf  I  iisK  iiiiii  Ti(  I  Ic  \  rii  luifl  int  er  von  iioiii'  m  daran  1 
u:('ko  Ml  liien  !  Offenbar  imißtc  ein  Zug  nach  dem  Lande  der 
l*barnonen  seiner  leii-ht  piil/iindbaren  l'hantaMieden  griiliten 
Spieinnmi  geben,  demi  der  Orient  übte  stets  eine  außer- 
gewöhnliche Änziehuagskraft  auf  ihn  aus.  Im  tiächaten 
Kapitel  werden  wir  die  Entwicklung  des  Planes  zu  einem 
Feldzuge  nach  Ägypten  Schritt  für  Schritt  verfolgen  können. 


ZEHNTBS  KAPITEL 


BONAPARTB  UND  DER  PLAN  EINES  FELDZUGS 
NACH  ÄGYPTEN 

Tr\OT  Gedanke,  den  sowohl  französische  Staatsmänner  als 


politische  Sohriftetellcr  liegten,  die  englische  Herrschaft 
in  Indien  durch  Besitzergreifung  Ägyptens  zu  bedrohen,  geht 
weit  über  das  18.  Jahrhundert  hinaus.  Aber  erst  seit  der 
zweiten  Hälfte  jenes  Jahrhunderts  nimmt  der  Wunsch,  edch 
Ägyptens  wirtsohaftilicli  und  politisoh  zu  bemächtigen,  greif- 
barere Formen  an.  JXß  £ranzÖ»Bche  Revolution,  die  so  vie- 
len Ideen  Verwirldichung  schaffte,  sollte  auch  den  Plaa  zu 
einem  Feldzag  nach  dem  Lande  der  Pyramiden  zur  Aus- 
führung brii^n. 

Um  die  schleohten  HandeUbeziehungeß  der  I^anzöed- 
Bohen  Republik  mit  der  Pforte  g^;en  Ende  des  18.  J^ir- 
hunderts  wieder  aufzubessern,  hatte  der  Nationalkouvent 
am  30.  Januar  1793  die  Errichtung  eines  Generalkonsulats 
in  Kairo  beschlossen.  Er  ranannte  zu  diesem  Posten  deo 
ehemaligen  Kauf  mami  Magalloa,  der  lange  Jalire  im  Orient 
gelebt  hatte. 

M^allon  erreichte  Kairo  im  Laufe  des  Ubnats  April.  Mit 
Eifer  machte  er  sich  sogleich  daran,  üoh  von  den  Beis  als 
Konsul  anerkennen  zu  lassen  und  freum^hafthohe  Bezie- 
hungen mit  ihnen  anzuknüpfen.  Er  hatte  aber  einen  schwe- 
ren Stand  mit  den  allmächtigen  Beis  Ibrahim  und  Morad, 
die  zwar  bereit  wajen,  seine  Geschenke  anzunehmen,  aber 


268 


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tlic-ht  die  Lage  der  französiBoheo  Kaufleute  verbeesem  und 
ilire  Waren  bezahlen  wollten! 

Fast  7.U  dcTfiplboii  Zeit  sandte  die  Franziiaiwcho  Ki-publik 
fint-n  gewissen  Descorulies*)  als  diplomatisclieii  Agenten 
(lacli  KouKtantiiiojiel,  um  die  Ueziehungen  FiiiiikreitlLs  iiiit 
der  Plorte  xu  verbessern,  vor  allem,  uiri  ein  Bündnis  ge^en 
Österreieli  und  Eiißlnnd  in  die  Wege  zu  leiten.  De.ieorches 
sflieitci-te  jedeeh  in  seinen  üestrebungen;  aiieli  gelang  es 
ihm  nicht,  die  niauhtlose  Türkei  zu  bewegen.  L-epen  die  iiejs 
in  Ägypten  tatkräftig  vorangehen. 

Descorehes  wurde  iin  April  179ö  fhnch  den  bevollmäch- 
tigten Minister  Verninae**}  ersetzt.  i)ieseni  gelang  es  eben- 
sowenig wie  seinem  \'orgiinger.  ein  lüindnis  mit  der  Türkei 
zustande  zu  bringen;  auch  vermochte  er  nicht  die  dritte 
Tf'ilung  Polens  im  Jahre  1795  zu  verhindern. 

Verninae  war  von  seiner  Regierung  aulgefordert  worden, 
jemanden  aus  seiner  Umgebung  naeh  Ägypten  zu  senden,  um 
die  dortigen  Zustände  zu  nnter.snehen.  Er  kam  seinen  Vor- 
schriften nach  und  wählte  den  Kommissar  Dubois-Thain- 
ville  aus,  der  sich  schon  seit  einigen  Jaliren  in  dei'  Türkei 
befand.  Dieser  kam  am  29.  Oktober  1795  in  Alexandria  an 
und  setzte  sieh  mit  den  französischen  Geschäftsleuten  in 
Verbindung,  um  deren  Ansichten  und  Klagen  kennen  nu 
lenien.  Am  26.  Januar  1796  begab  ersieh  in  Begleitung  Ma- 
gaUons  und  zahlreicher  Kaufleute  zu  Ibrahim  und  Murad, 
um  sie  zur  Bezahlung  ihrer  Schulden  und  zur  Ausführung 
der  geschlossenen  Verträge  aufzufordern. 

iiit  Woi'ten  waren  die  Beis  wohl  bereit,  die  Wünsche  der 
französischen  Kommisaare  zu  erfüllen,  doch  die  Taten 
blieben  auB!  Nachdem  sich  Dubois-Thainville  vier  Afonate 
lang  um  seine  Landsleute  bemüht  und  beträchtUohe  Geld- 

■]  EigentHoh  Muie  Henri  Louui  d'Escoroh^,  Spigneur  de  Sainta-Craix  et 
de  Heuul-Defiay. 

Vor  der  Revolution  nannteerfflchHaymonddeSaint-Mourda  Vetninoc. 
17»  259 


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eummoii  veraussgiiht  liatte,  sali  er  ein,  daß  alle«  vci-gebens 
sei.  Er  begab  Kioh  n.'ich  .Syrien  ziiriink.  hi>  er  eine  älinli<-li" 
Sendung  wie  nach  Ä^iypten  7.11  vv{'u][vn  hatu-.  Von  iiitr  aii- 
sdiickte  er  am  2.  September  17110  eineii  ausliihi-liehen  Be- 
richt über  Meine  Kendung  an  Verninnc  nach  KonstantiiiopeL 
Di^-M']'  ln>pi<  hlele  ^einers^eils  an  den  _\lini,sler  der  ;ui«wärti- 
geii  \ri<:rh-enln4ii-ii  in  Paris  nnd  legte  seinem  .Schreiben 
eine  Aiwcln-itl  dis  vnn  l)iibi>i.s-ThainvilJe  bei. 

Die  \nl/.e!rjiiningeT(  I liilinis'  -ind  äuljcrst  intcrejssant,  dr. 
«ie  nielii  allrill  ein^ii  ln-iide  lleoliai  lil  uiipen  iif)er  den  Hand--' 
in  Ä-!y|)leii  und  in  anderen  tiirkiseben  Provinzen  enthalten, 
sondern  auch  die  politische  Lage  de^;  Türkisehcn  Keichee 
behandeln. 

Dieses  sei  aeiner  völligen  Auflösung  nahe,  meinte  Duboia. 
Seine  Beobachtungen  beträfen  nicht  nur  eine  einzige  Pro- 
vinz, denn  er  habe  nicht  allein  die  europäische  Türkei,  son- 
dern auch  Anatolien,  Syrien  und  Ägypten  bereist  und  über- 
all die  größte  Unordnung  in  der  Verwaltung,  Plünderung 
lind  jede  Art  von  Willkiirlichkeit  und  AuBschreitimgen  ge- 
funden. 

'Khc,  aber  Dubois-Thainville  seinen  Bericht  an  Veminac 
absandte,  sogar  noch  ehe  er  in  Agj'pten  gelandet  war,  hatte 
schon  Magallon  den  Gedanken  einer  Eroberung  Ägyptens 
durch  französische  Waffen  in  Betracht  gezogen.  Ihm  vor 
allem  gebührt  die  erste  Anregung  zu  einem  Feldzug 
nach  dem  Pharaonenlande. 

Er  richtete  am  17.  Juni  1796  einen  langen  Brief  an  Ver- 
mnaß,  in  welchem  er  die  Mdg^chlceit  einer  Beaiteergreifung 
Ägyptens  durch  die  Eranzosen  auseinandersetzte.  „Wenn 
die  Republik",  heißt  es  unter  anderem  in  diesem,  Briefe, 
„sich  mit  dem  Handel  beschäftigen  mid  daraus  den  größten 
Yorteil  ziehen  will,  braucht  es  Ägypten,  aber  das  ganze 
Land!  Man  darf  sich  durchaus  nicht  mit  Alexandria  be- 
gnügen, sondern  auch  noch  Rosette,  Damiette  und  Kuro 

2«0 


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^ind  nötiy,  und  wenn  die  Zeit  gekommen  sein  wird,  auch 
noch  alle  Niederlassungen  bis  zu  den  Nilwasserfällen ,  . . " 

„Ich  wiederhole,  Bürger,"  fuhr  Magallon  fort,  „sobald 
wir  Herren  des  Roten  Meeres  sind,  werden  wir  den  Eiig- 
l^indrni  (:ofiet7e  vorschreiben  und  aie  ans  Indien  verjagen, 
\-(>i-iiiisgesptzt.  (lall  dies  in  den  Absiclitfii  der  Reiricning  lie- 
u:vn  sollte.  Während  des  günstigen  Monsun  kiintite  man  mit 
\\  enigeii  Schiffen  eine  Anzalil  Truppen  über  Suez  na«h  Indien 
schaffen.  Auf  diese  Weiee  wiiiden  unaere  Soldaten  höch- 
stens 60  Tage  auf  dem  Meere  bleiben.  Es  kommt  nioht  sel- 
ten vor,  daß  aie  über  das  Kap  der  Guten  Hoffnung  sechs 
M^onat«  brauchen,  um  na«b  Indien  zu  gelangen.  Uber  Suez 
würde  man  kaum  einen  Mann  auf  hundert  einbüSen,  wäh- 
rend man  auf  dem  anderen  Wege  glüoklioh  sein  könnte, 
wenn  man  von  100  Afomi  nur  10  verlöre. . 

Eine  Abschrift  der  Den&Bohiift  hatte  Magallon  nach  Far 
riB  an  das  Ministerium  der  auswärtigen  Angelegenheiten  ge- 
sandt. Obgleich  er  während  drei  und  $inem  halben  Monat 
keine  Antwort  auf  seine  Eingabe  erhielt,  verfolgte  er  ohne 
UnterlaJ}  seine  Absiebten  und  riclitete  neue  Berichte,  Vor- 
schlage und  Einzelheiten  an  Colcheu,  den  Kommissar  im 
Ministerium  der  auswärtigen  Angelegenheiten,  und  bidd 
diirauf  auch  noch  an  den  Wohlfahrtsaussohuß. 

Inzwischen  hatten  die  Ereignisae  dea  13.  Vend6miaire 
stattgefunden,  und  die  Herrschaft  der  fünf  Männer  war  an 
die  Stelle  dea  Nationalkonvents  getreten.  Magallon  hatte 
jetzt  mehr  Aussicht,  daB  seine  VorsohlSge  berücksichtigt 
würden,  denn  das  Direktorium  war  mehr  als  eine  andere 
Regierung  vorher  geneigt,  sich  in  abenteuerliche  Erobe- 
rungen einzulassen.  Und  in  der  Tat,  der  Bericht  Magallons 
war  in  die  Hände  eines  der  Direktoren  oder  des  Ministers 
der  auswärtigen  Angelefienln-ili'n  l'i'Ihii!.'!  .  denn  vi-  fand  einp 
aufmerksame  Betrachtung;.  lh-\  niii.  kti.ir  oder  der  .Minister 
hatte  den  Bericht  mit  Anmerkuiiguii  versehen  niid  ihn  dem 


261 


Abteil ungschef  Boiiloiivard  empfohlen,  der  alles  sammeln 
sollte,  ivaa  auf  Ägypten  bezug  haben  könnte. 

Währenddessen  trafen  der  Bericht  Diiboie-Thainville# 
und  Ende  Dezember  M95  eine  andere  Denkschrift  des  Ka- 
pitäns Real  in  Paris  ein.  Wie  man  voraussehen  konnte,  wh- 


ron  die  Benitihiingen  Dubois-Thainvilles  in  Ägypten  ohne 
Erfolge  geblieben,  denn  den  Versprechungen  der  Beis  folgte 
nicht  die  Ausführung!  Änch  Jlagallon  hatte  nicht  mehr 
Glück.  Infolge  der  Mißerfolge,  und  da  er  eigene  Geschäfte 
in  seiner  Heimat  zu  erledigen  hatte,  bat  er  um  einen  länge- 
ren Uilnub.  Dieser  wurde  ihm  nicht  nur  bewilligt,  sondern 

2ii2 


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TSouloTivarrl,  der  Vhei  <]cr  2.  Abtcilmig  im  Ministerium  dea 
Auswärtigen,  forderte  ihn  auf,  sich  uaeh  Erledigung  seiner 
Privatangelegenheiten  naeh  Paris  zu  begeben,  damit  er  der 
liegierung  mündliche  Aufschlüsse  über  seine  Beobachtun- 
jicen  gäbe.  Da  Magallon  durch  allerlei  Umstände  zurücl^hal- 
t  en  wurde,  traf  er  erst  in  Paris  ein,  als  bereits  Talleyrand  an 
ilie  Stelle  Delaoroix'  ins  Ministerium  der  auswärtigen  Ange- 
legenheiten getreten  whj  (16.  Juü  1797).  IMeees  Zusammen- 
treffen der  Umstiuide  sollte  für  die  Zukunft  moM  ohne  Fol- 
gen bleiben,  denn  Talleyrand  war  dnroh  seine  Beziehnngen 
zu  dem  Herzog  von  Ghoiseol,  zu  dem  ehem^gen  bevoll- 
maolitigtw  Gesandte  bei  der  Pforte  ChcHBeol-Gonffier,  fer- 
ner  zn  Lauzon  und  anderen,  persönlich  mit  den  ägyptiachen 
Angelegenheiten  vohl  vra^raut.  Er  las  sogu^  in  der  öffent- 
lichen Sitzung  des  NatäonalinBtitiits  am  3.  Joli  1797  ein 
„Uämoire  sur  lea  avautages  &  tetdrei  de  eol<miee  noavelles 
dans-les  circonstanoes  präsentes"  vor. 

Die  Frage  der  Maehterweiterung  der  Französischen  Ke- 
publik  im  Mittelmeer  und  in  der  Levante  sollte  duroh  Bo- 
naparte  in  eine  ganz  neue  Entwioklung^ufe  eintreten.  Man 
wird  sich  erinnern,  daß  Bonaparte  während  seines  Feldzu^ 
gegen  den  Erzherzog  Karl  am  ».  Apnl  1797  eme  längere 
Unterredung  mit  Vemmac.  dem  ehemaligen  bevoUmach- 
f  Igten  Minister  m  Konstantinopel.  gehabt  hatte*).  Diese 


J 'i-isonhülikcituii  Hur  auch  «r  m  Bcinen  BcBÜ-cbungeii  gescheitert.  Er  Htorb. 
iTEt  4il  johre  alt.  nach  kuizer  Krankheit  am  17.  JJezeiaber  I7ST.  auf  seinem 
Toiiiea.  Die  dipIonuttuebeD  Geschäfte  führte  EunSohat  der  erste  Oeaandt- 
^^clInItet^aiger  OenerBl  Csrra  Saint-Cyr  hm  xum  schtieSlicheu  Bruch  nuC  der 
Hort*,. 


Udli-irclinip  lictiaf  iiiclil  allein  (iio  vunetianisciien  Verhält- 
riiswc  soittliTU  aui'li  ilii'  tiirki'-clit'n  Auslände,  niit  denen 
l»-iiif.  jeiKT  lim  lliiviiTtiscli,  [liesff  alin  aiicli  praktisch, 
«ol-.lv.'ihiiul  wairn.  Als  luaTi  von  ilcrn  \frfall  des  tiir- 
liisclicii  iJcielu's  «jirach,  wird  man  gewili  die  Aiissichttn 
eines  Feldzuges  nacli  Ägypten  in  Betracht  gezogen  haben! 

Die  orientalischen  Pläne  Bonapartc*  jener  Zeit  sind  otlea- 
bor  noch  verwirrt,  Kusammenhangslos,  aprunghaft.  Es  wäte 
verfrüht,  wollte  man  schon  von  jener  Zeit  her  die  zielbewußte 
Politik  dea  Generals,  die  dann  zu  dem  ägyptischen  Feldzng 
führte,  herleiten.  Es  wäre  auch  ganz  falsch,  wollte  man  aTB 
seinen  verschiedenen  Rcliriftlichen  und  niündliehen  Äuße- 
rungen schließen,  daß  er  schon  damals  die  Absicht  gehabt 
hätte,  den  Oberbefehl  selbst  zu  übernehmen.  Wie  er  Unter- 
führer mit  der  Besetzung  von  Korfu  und  Korsika  betraut 
hatte,  so  würde  er  vernnitlicli  damals  auch  einem  seiner 
Untei^enerale  den  Befehl  über  das  Expeditionskorps  nach 
Ägypten  übergeben  haben. 

Sa  er  Beherrscher  von  Ancona,  bald  aufäi  Herr  des  Fest- 
landes und  der  Inseln  von  Venedig  war,  mußten  die  fflioke 
dieses  laatlosen  Geistes  sicher  lös  nach  Albanien,  den 
ras,  Griechenland,  Malta,  ja  sähst  bis  nach  Kleinaaien  und 
Ägypten  schweifen  I  Galt  es  doch  nicht  allein,  hä  der  gewiß 
bald  eintretenden  Zerstückelung  der  Türkei  einen  fettm 
Bissen  für  die  FranzösiBche  Republik  zu  erhaschen  aondem 
auch,  da  man  bisher  Enji^and  nicht  in  London  beikommen 
kannte,  dem  Inselreich  durch  Lähmung  des  Handcda  nach 
Indien  zu  schaden.  Wenn  wir  die  Entwicklung  der  orient^- 
schen  Fl&ne  nach  den  Briefen  und  Handlungen  Bon^urtes 
verfolgen,  so  sehen  wir  überall  ein  unsicheres  Tasten,  «n 
unbewußtes  Suchen,  ohne  daß  er  über  die  tatsächliche  Aiis- 
f ühmng  im  klaren  zu  sein  schien.  Hier  finden  wir  eioo  Beihe 
von  Befehlen,  dort  beobachten  wir  eine  Gedankenreflie  ohne 
Schluß,  aber  noch  nirgends  einen  bestimmten  Plan. 

264 


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I),.,-  i;,,i„„k,.,.i,K..«  mhav'      As.vi'i''".  'I»'." 

Hirn  BonapartcH,  ovat.  rmclidein  er  tiic  Laiiilimi;  in  Kng- 
la.nd  oder  Irland  aufiii'i^ebeii  halle.  .Sü)>iikl  iir  aliur  einmal 
endgültig  fcfitstaiui.  t.raf  der  juiipe  General  in  kürzester  Zeit 
MafJniihmen.  (li(^  alle  Wnluwrlieinliclikoit  zur  Verwirklich- 
img  hatten! 

Der  erste  Hehritt,  den  llu]ia[jarli'  in  di-v  \Vrfol;ZiuiK  seiner 
oriontalisehen  Pläne  tat,  unrdic  Besit/.erjrreifuii^' der  liisoln 
Korf\i,  Kephalonia  und  ZakyntlnKs  (Zanlo)  geweacn.  Sie  er- 
folgte Ende  Juni  auf  Grund  eine»  Befelils  vom  26.  Mai  1797. 
„Korfu,  Zante  und  Kephalonia",  Bohreibt  er  am  16.  August 
mit  gewiseer  Übertreibung,  naehdem  er  bereits  am  1.  AnguBt 


dem  Direkturiam  von  lUailand  aus  die  Besitsei^psifui^  der 
Inseln  durch  eine  französische  Flotte  gemeldet  hatte,  »sind 
viel  interessanter  für  uns  als  ganz  Italien  zusammen. 

Ich  glaube,  wenn  wir  gezwungen  wären,  zu  wählen,  wäre 
es  besser,  Italien  dem  Ktüser  zurückzugeben  und  diese  vier 
Inseln  (die  genannten  drei  Inseln  und  Levkaa)  zu  behalten, 
die  für  unsem  Handel  eine  Quelle  Tonßeichtum  und  Gedei- 
hen bilden.  Bas  Türkische  Beioh  bricht  immer  mehr  in  eioh 
zusammen,  so  daQ  der  Besitz  dieser  Inseln  uns  in  den  Stand 
setzen  wird,  es  entweder  zu  unterstützen,  soweit  es  mög- 
lich ist,  oder  unseren  Anteil  daran  zu  nehmen. 

Die  Zeiten  sind  nicht  mehr  fem,  wo  wir  einsehen  werden, 
(laß  wir  uns  Ägyptens  bemächtigen  müssen,  um  En^and 
wii  kliuh  7,u  zerstören.  Das  große  Türkische  Reich,  das  alle 
Tage  mehr  zurückgellt,  versetzt  nns  in  die  Notwendigkeit, 

265 


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beizeiten  Slittel  zu  ergreifen,  um  unseren  Handel  in  d« 
Levante  zu  behalten ..." 

Gleichzeitig  schrieb  Bonaparte  an  Talleyrand,  den  neiiei 
Minister  der  auswärtigen  Angelegenheiten.  Dieser  hatte 
sicher  um  jene  Zeit  bereits  von  der  Denkschrift  Magalions 
K<'nntnis  genommen.  Er  antwortete  unter  dem  23.  August: 
„.  .  .  Das  Direktorium  billigt  vollkommen  die  Besitznahme 
Zaiitew,  Korfus  und  Kephalonias  . . .  Nichts  ist  übrigens 
wichtiger,  als  sich  mit  Albanien,  Griechenland,  Mazedomen 
und  den  übrigen  Provinzen  der  europäischen  Türkei,  wie 
überhaupt  mit  allen  Landern,  die  an  das  MatteLmea 
stoßen,  in  gutes  SinTemehmen  zu  setzen,  beeondeis  mit 
Ägypten,  das  eines  Tagee  für  uns  von  großem  Nutzen  sdn 
wird ..." 

Aus  der  FQHe  von  Ideen,  die  Bonaparte  hinräclitiioh  der 
Erweiterung  der  fnmzöÖBclieQ  Maoht  im  AGttelU^diBolien 
Meere  hatte,  mag  sich  zuerst  der  Plan  einer  Besitznahme 
Maltas  herausgeschält  haben. 

Er  hatte  bald  in  Talleyrand  den  Mann  erkannt,  der  im- 
stande war,  auf  seine  großen,  weitsohauenden  Pliae  einzu- 
gehen und  selbst  solche  zu  entwerfen.  Tl^lhrend  sich  aein 
Brief  weched  mit  dem  Kriegsminister  Sohänr,  der  auch  erst 
seit  dem  23.  Juli  im  Amte  weh-,  nur  auf  tdn  militwisch- 
orgaoisatorisohe  Dinge  bezog,  machte  er  den  Minister  des 
Äußeren  oft  zum  Mitwisser  seiner  Pläne.  Man  weiß  ja,  daß 
schon  damals  Bonaparte  nicht  mehr  damit  zufrieden  war, 
ein  großer  General  zu  sein,  sondern  daß  er  auch  auf  dem 
Gebiete  der  Staatskunst  und  Diplomatie  seinen  reichen 
Geist  betätigen  wollte.  Nachdem  er  Talleyrand  nochmals 
von  der  Wiohtigkdt  der  Joniechen  Inseln  für  Frankreich 
geschrieben  hatte,  fuhr  er  in  seinem  Schreiben  vom  1 3.  Se]i- 
tember  aus  Passcriano  fort:  .  .Warum  bemächtigen  wir 
luis  (licht  Maltas  ?  Der  Adniiral  Brueys  könnte  dort  sehr  gut 
(auf  der  Hückreise  nach  Frankreich)  vor  Anker  gehen  und 

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riitih  der  Insel  bemäcäitigen.  400  Ritter  und  höchstens  ein 
Regiment  von  500  Mann  sind  die  einz.ifjen  Verteidiger  der 
Stadt  La  Valetta.  Die  Einwohner  belaufen  sicii  auf  mehr 
als  100  000,  Bind  uns  sehr  geneigt  und  haben  die  Hitter  aelir 
SBitt,  die  nichts  zu  essen  haben  und  vor  Umiffpr  utfirben. 
Ich  habe  aus  beatimraten  Gründen  ihre  Besit/.ungen  in  Ita- 
lien beschlagnahmen  lassen.  Mit  der  Jiiset  Him  l'iefro.  die 
uns  der  König  von  Sardinien  abgetreten  hat.  >Iaita,  Kortu 
und  fio  weiter,  werden  wir  Herren  des  Mittel ineeres  sein. 

Wenn  es  sich  ereignen  sollte,  daß  wir  bei  uiiscreni  J''rie- 
den  mit  England  genötigt  würden,  das  Kap  der  Guten  Hoff- 
nung abzutreten,  müßten  wir  uns  Ägyptens  bemächtigen. 
Dieses  Land  hat  niemals  einer  europlosoben  Macht  gehört. 
XHe  Venetianer  allein  haben  dort  ein  gewisses  Übergewicht 
gehabt . . .  M&n  könnte  von  hier  mit  26  000  Mann  abfahren, 
die  v<m  acht  bis  zehn  Schlachtschiöen  oder  venetiaiusohen 
Fregatten  gelltet  würden  und  doh  des  Landes  bemäoh- 
tigen.  Agjrpten  hat  niemals  dem  Bultan  gehört  ( T).  loh  hätte 
gern,  Bärger  Mmister,  wenn  Sie  in  Paris  einige  Erkundigun- 
gen einziehen  würden,  um  mich  wissen  zu  lassen,  welche 
Rückwirkung  unser  ägyptischer  Feldstug  auf  die  Pforte 
haben  würde. . . " 

TaDeyraiiid  antwortete  am  23.  September:  Das  Di- 

rektcwinm  hüHgt  Ihre  Absichten  über  Malta,  Seitdem  sich 
der  Orden  einen  österreichischen  Großmeister,  den  Herrn 
Ton  Hompesch,  gewählt  hat,  fand  das  Direktorium  den 
schon  auf  mäeren  Mitteilung^  gegründeten  Verdacht  be- 
stätigt, daß  Östecreioh  sioh  dieser  Insel  zu  bemächtigen  be- 
abdchtige.  Es  sucht  eine  Seemacht  im  Mittelländischen 
Heere  zu  werden. . .  Es  liegt  in  unserem  Interesse,  jeder 
SlAchtTffiqpröBemng  Österreichs  zur  See  zuvorzukommen, 
und  das  Direktorium  wünscht,  daß  Sie  die  notwendigen 
Maßnahmen  träfen,  um  zu  Tcrhindem,  daß  Malta  in 
österreichische  Gewalt  fiele.  Was  Ägypten  anlangt,  so  sind 

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Ihre  Ideen  hiusiuhtlicli  tlit-r,-  l.uiid,.^  {ii-nU  und  von  Niit/.ea 
Ich  wfirde  Ihnen  uhcv  (hfifien  degenwliind  noch  ausführlich 
^^cliicLhcn.  Hoiitc  beschranke  ich  mich  nur  darauf,  Ihnen  zu 
srtL'eti.  ihil.i.  u(-nri  nirtii  die  Eroberung  machte,  es  nur  ini 
Jntere-Kse  der  Plorte  gesoliahe,  um  die  russischen  und  eug- 
ÜBcheii  Intrigen  zu  vereiteln,  die  in  diesem  uDglücklichen 
Lande  immer  von  neuem  angezettelt  werden.  Ein  solcb 
grofier  Dienst  wurde  die  Türken  leicht  veranlassen,  uns  das 
ganze  Uberiiewicht  und  die  notigen  Handels  vor  teile  zu 
uberlasMcn.  Als  Kolonie  wurde  Agj-pten  bald  die  Erzeug- 
nisse der  Antillen  ersetzen  und  uns  den  Handel  mit  Indien 
verschaffen. . ."  *). 

Eine  Besitzergreifung  Malta«  sollte  den  Feldi'.ug  nach 
Ägypten  einleiten.  Die  Inael  gehörte  dem  JohanniterordeD 
und  stand  unter  dem  Schutze  des  Kaisers  von  HuBland. 
Der  Orden  war  entschieden  im  Niedergang  begriffen.  Der 
maltesische  Gesandte  in  Paris  war  gestorben,  und  nach  dem 
Sturze  des  Königtoms  besaß  der  Orden  keinen  diploniatä- 
scben  Vertretet  mehr  in  der  fraozösiflohen  Hauptstadt, 
obgleich  die  meisten  Ordensritter  auf  Malta  SVanzoaen 
waren. 

Seitdem  Bonaparte  die  Jonisohen  Inseln  hatte  besetzen 
lassen,  mußten  die  Blicke  Englands  sich  wieder  auf  äas 
Mittelländisohe  iäeet  richten.  Die  Enf^Ijider  hatten  das 
Mittelmeer  zwar  erst  im  Dezember  1796,  endgiltig  im  Ja- 
nuar 1 7!)7,  geräumt,  aber  man  konnte  in  Paris  nicht  wissen. 
oIj  ilif  luilisi  hc  AdniiraliLät  niclit,  von  iK'ueni  ein.-  I'lotte 

ciai.ials  DEr.'ktot  .l^r  Plmik.ijiuiu'r  di  r  Marin,-  iMLi-,  HiL  i1.  .ii!..  Mj,  ji  T»u"?.  »II 
«  ^■Icll^m  THlU-.vrHTld  rlc-n  Bn.  i  .it.  H.>ru,p«rt,-  -i  bri,  !!,  ,l,:,„  K.i„iTii{-Mi,-  Mnnp 

Hilf  A|;y].t,.ii  L,>io^eN.  nai-h  Uali™,  Es  i=t  niiR>-nsc'lii.mlicli,  JbO  dw^  auf  Vir 
aiila^-uiiK  Tl^>im[iarloa  gv^^diali,  um  &ti  der  Hand  von  Berichten  aiu  erslrr 
Qiii'lli'  ilii-  lliitili.-likfit  cijn«  üriontalisohon  FeldEups  xu  itudieren.  JedenM* 
fifhrhil  lliifkdirium  damala  noch  niclit  voh  don  Plänen  Bonspartra  und 
Talle.vmiiiU  in  Ki'nnliiis  graoM  worden  lu  sein. 

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clalüiiziisendeii  und  Malta  zu  besetzen  beabsichtigte,  da  es 
leichter  als  Korsika  zii  verteidigen  war  und  Frankreich  in 
Schach  halten  konnte. 

Wie  wir  gesehen  haben,  hatte  Bonaparte  sich  in  seinen 
Briefen  an  das  Direktorium  und  an  Talleyrand  im  Laufe  des 
Frühjahrs  und  dos  Soinmera  1797  öft-ers  mit  der  Insel  be- 


schäftigt. Man  hatte  ihm  ganz  freie  Hand  gelassen,  in  dieser 
Hinsicht  anzuordnen,  was  er  für  geeignet  hielt. 

Infolgedessen  hatte  er  Poussielgue,  dem  ersten  Gesandt- 
schaftsaekretär  in  Genua,  den  wir  schon  gelegentlich  der  Un- 
ruhen in  der  Ligurischen  Republik  kennen  gelernt  haben, 
am  12.  November  den  Befehl  erteilt,  die  Verhältnisse  in 
Malta  an  Ort  und  Stelle  zu  studieren.  Um  nlier  die  Sendung 
Bo  unauffällig  wie  möglich  zu  machen,  bekam  Poussielgue 


npsBnillKcllafllril'k 


PousHiulfiue. 


amtlich  den  Auftrag,  auch  die  iiisehi  Korfu,  Zant«,  Kepha- 
lonia  und  Cerigo  (Kj-thera)  in  der  Eigenschaft  eines  Gene- 
r^inspektors  za  bereisen.  In  einem  Briefe  an  das  IHreb- 
torium  von  demselben  Tage  gab  aber  Bonaparte  den  wtih 
ren  Grund  an. 

In  dtini  Entwurf  zur  Landung  in  England,  den  ex  ud 
14.  Dezember  17!)7  .seiner  Regierung  überreicht«,  kam  je- 
doch Malta  nicht  mehr  in  Betracht,  Pouasielgue  erhielt  da- 
licr  Gegenbefehl.  Iis  w  ar  aber  zu  spät,  denn  er  war  bereii> 
abgereist.  Xachdem  er  sich  etwa  drei  Wochen  auf  der  Insel 
aufgehalten  und  sehr  nützliehe  Beobachtungen  gesaramfi" 
hatte,  [(ehrte  er  nach  Italien  zurück.  Von  Mailand  aus  riti  - 
tete  er  am  8.  Februar  1798  einen  sehr  interessanten  ai;>- 
führlichen  Bericht  an  Bonaparte,  der  diesem  später  den-. 
noch  von  großem  Nutzen  sein  sollte! 

Durch  die  Einrichtung  der  Zisalpinischen  Republik,  der 
Erledigung  der  genuesischen  und  venetianischen  Verhält- 
nisse,  vor  allem  aber  durch  die  FHedensverhaudlangen  nui 
<Ien  kaiserlichen  Abgesandten  in  MombeUo,  Passeriano  und 
Udiue,  scheint  Bonaparte  vorläufig  von  seinen  orient^- 
acheii  Plänen  abgelenkt  worden  zu  sein.  Als  ihn  dann  dte 
Direktorium  nach  dem  Abschluß  des  Friedens  von  Campo- 
formido  am  26.  Oktober  zum  (Ibergeneral  der  Armee  von 
England  ernannte  und  auch  beauftragte,  den  Vorsitz  der 
französischen  Friedensgeseilscbaft  in  Rastatt  zu  führen, 
wurden  Bonapartes  Bücke  nach  Norden  gelenkt.  Sein^ 
Gewohnheit  gemäß  Heß  er  sich  rä&ig  den  neuen  Flui  6n 
Zusammenstellung  des  nach  Ei^jland  bestimmten  Heerw 
und  die  Mögliclikeit  einer  Landung  in  Großbiitannien  an- 
gelegen  sein. 

WSirend  sich  Bonaptui«  mit  der  Landung  in  Ei^fuid 
beschäftigte  und  eine  Reise  nach  der  firanzöeischen  Xffid- 
hiiste  unternahm,  dachte  Talleyrand  über  einen  Feldzog 
nach  Ägypten  nach.  Er  war,  wie  wir  wissen,  schon  früh« 

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diesem  {ntereBSftnten  Plim  nahe  getreten.  In  der  letzten  Zeit 
waren  ihm  auch  zaidreiohe  Denbsoluiften  über  die  Türlcei 
imd  Ägypten  zD^^angen.  Er  reichte  deehalb  am  14,  Febraax 
I79S  dem  Direktorinm  einen  Tiasi  zur  Erobenmg  Ägyp- 
tens ein*).  Und  wiederum  wax  hierbei  Mf^all<ni,  der  fran- 
zösiBohe  GeneralkfUffiol  in  Ägypten,  im  Spide,  denn  dessen 
am  9.  Felnmar  m  den  Minister  eingereichte  DenJkschiift  mag 
Talleyrand  bestimmt  haben,  die  seinige  dem  Direktorium 
vorzulegen  und  einen  I^dzug  nach  Ägypten  als  wünschens- 
wert und  T<Hi»ilhaft  darzustellen! 

Ye^Ieioht  man  beide  Deoksohiiften  miteinander,  so  fin- 
det man  in  dem  Talleyrtuidsohen  Beridb.t  diesdben  Beweg- 
gründe wie  bei  Magallon.  Natüriioh  erört^  der  jUinister  in 
einer  sachkundigeren  Weise  als  der  OeneralbonBul  Magallon 
die  diplomatischen  Beziehungen  der  Pforte  zu  den  europÄ- 
ischen  Mächten,  die  aus  einer  Besitzergreif ui^  Ägyptens  für 
die  Französische  Republik  entstehen  könnten. 

Es  ist  nahezu  ausgesclilossen,  daß  Bonaparte  von  der  Ab- 
sicht Talleyranda  Kenntnis  gehabt  hat,  denn  die  Denk- 
schrift Talleyranda  wurde  auf  Grund  des  Berichtes  Magal- 
lone  vei-fdiit  und  wiebt^u  Tage  vor  der  Rückkehr  Bonapartes 
nach  l'ariM  dem  Direktorium  übergehen!  Als  Bonaparte 
nach  dem  ägyptischen  Feldzug  im  Jahre  1799  naoh  Frank- 
reich heimgekeiu^  war,  ließ  er  sich  übrigens  das  Schriftstück 
Talleyrands  bringen  und  versah  es  mit  Anmerkungen. 
Seine  Beobachtungen  fielen  aber  nicht  zum  Vorteile  des 
Ministers  aus**).  Sie  beweisen  vielmejir  weiterhin,  daß 
der  General  von  der  beabsichtigten  Eingabe  dieser  Schrift 
*]  Schon  am  23,  Juli  ITDT  hatte  Talleyrand  dem  Diiektorium  diei  Denk- 
aobrilten  mitgeteilt,  die  die  Möglichkeit  eines  AngriHB  esgai  die  EngUäider 
im  Lidiau  mit  Hilfe  der  indischen  Fiiraton  in  Betraoht  sog. 
**}  Als  Talleyrand  geschrieben  hatto:  „Sea  cheb  (diodeiAHDM  von  Ägypten) 
a'muoDt  paa  bcsoin  d'ötro  pourvua  de  gronda  tolants  militah™".  hatte  Bonn- 
parte  htDZUgelügti  „Quelle  foliel".  Uütte  Bonapaita  von  dem  Schriftstäok 
Todiar  TTmiTitTiiii  gehabt,  er  würde  wohl  luemala  ditwen  Satz  Talleyranda 
haben  stehen  lassen! 

271 


keine  Kenntnis  hatte,  denn  er  würde  sonst  VerBchiedenee 
darin  geändert  haben! 

Inzwischen  wird  der  Minister  des  Äußeren  <len  Bericht 
BonaparteH  gelesen  haben,  den  dieser  dem  Direktorium  am 
2:t.  Februar  1798  iibermittoHe.  und  w^irin  er  die  Möjrür!.- 
keit  eim^s  I'VI.I/.uk^  ilacil  Kiiglaiid  l»-/weifeltf.  \'iL-!lei.l 
hiit  aiji'h  B,>iut|iarte  solb.sl  um  diese  Zeit  'Mi  'l'allt-yi^iL 
von  seinen  Zx^eiteln  fiesiunchen.  Da  der  Ceneral  nnii  eim  ■ 
uiiniiltell)aren  .\Il^^■iff  auf  ICrijrlan.ls  Küsten  für  irnj-et-ip;.  ■ 
liiell.  (ia,s  Diiektni-iuni  alier  el>enMüweuifr  geneigt  war.  n. 
Kn^fland  Frieden  zu  schließen  oder  Hannover  und  Hai,,- 
l>urL:  \veg/,unehnien,  so  ist  es  nahehegend,  daß  beide  Männer, 
Ho]ia])in-le  und  Talleyrand,  zusantmen  den  Plan  eines  Uii- 
leiiu'liMiens  nach  Airypten  weiter  erörtert  haben,  bis  siiL 
eiidlicli  das  Direktorium  zur  Ausführung  entschloß. 

Wit.s  Xajinledn  .sen)st  auf  Sankt  Helena  über  den  Plan 
<les  Kelil/iigs  naeii  Agy|iten  sagt,  trägt  nur  da/U  bei.  di'- 
Sai-)ila^'c  /.n  verM  irren ;  man  darf  ja  nicht  vergessen,  datj  i  ■ 
sieli  fast  keiner  .lulhentiwhen  Dokumente  bei  der  Ahf;!- 
sung  seiner  Memoiren  bedienen  konnte  und  oft  absielitlii  j. 
die  Tataaehen  anders  hinstellte,  als  sie  gewesen  ?ind.  T.ii- 
leyrands  Memoiren  verdienen  noch  weniger  Glaubwürdig:- 
keit.  Der  Minister  .schreibt  darin  ganz  harmlos:  „Nachdem 
er  (l><)Ha|iarte)  den  ]''rieden  mit  O.'iten-eich  unterzeichnet 
hatte  . . .  kani  er  nach  Paris,  uiu  dem  Direktorium  die  Er- 
oberung Äg>-ptens  vorzuschlagen"  (!)•). 

•)  Da  doa  Onbemehniaa  fehlwihlug,  war  er  natüiUdh  4er  eiste,  der  eich  nin- 
waschen  woUlfl.  In  einigen  von  ihm  un  29.  Henddor  und  am  7.  Tbernud« 
(IS.  und  2B.  Jnli  17BE)}  eischienonen  Aitikeln  in  der  „Gaiette  natiotule  aa 
.llonil<3ur  univprscl"  boliauptcto  or,  daß  daa  XlDtemehmeD  nach  igypt*n  bf- 
i  iMi-s  vor  Hcmom  Eintritt  ins  Ministerium  beabeichtiet  yroräen  sei.  Der  frahpft 
iiiiiiater  Dclaoroix  lohnte  in  seiner  Antwort  vom  30.  Heaaidoc  (16.  JuK)  ebm- 
falls  die  Vcrantwortliclikeit  ob.  —  lalleyrand  gebSrl  übrigens  m  deiijenipn 
die  behaupten,  das  Diraktoriuin  habe  dm  Feldiug  nach  Ägypten  nur  <h* 
halb  gelülligt,  um  Bonaparte,  der  otinc  Beschäftigung  war,  aus  Frankrrirli 

272 


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BarroB  io  seinen  gleichfalls  höchst  lügnerisclien  und  un- 
zuverlässigen  Memoiren  und  Larevelliere-Lepeaux  schie- 
ben die  XTrhebersohaft,  das  heißt  die  Schuld  an  dem  miß- 
glückten Unternehmen,  Ronapart-e  in  die  Schuhe. 

lleubell  hat  keine  Memoiren,  nur  eine  Aufzeichmmg  einer 


laugen  Unterredung  mit  dem  Ersten  Konsul  im  Februar 
1802  hinterlaesen. 

Der  Wahrheit  am  nächsten  kommt  sicherlich  Merlin  de 
Douai  in  seiner  Rechtfertigungsschrift,  die  er  im  Jahre 
1799  dem  Rate  der  Fünfhundert  eim'eiclite,  da  man  unter 
anderem  auch  ihm  den  unglücklich  verlaufenen  FeIHzug  in 


273 


Ägypten  vorwarf.  Er  sagt  mit  Recht:  „Wenn  man  aoct 
nicht  behaupten  kann,  daß  es  Bonapaite  gewesen  ist,  d« 
zuerst  den  (ierinnken  vm  diesem  Feldzug  gehabt  hat,  BO 
kann  man  doch  woniir^funs  versichern,  daß  er  ohne  ihn 
nidit  zur  Auttfiilirung  gelangt  wäre!" 

Eine  nichtige  Quelle  bilden  auch  die  Berichte  Sand'  - 
Rollins  an  seine  Regierung.  Am  22.  Februar  bereits  ^elnii  ' 
der  preußische  fJcsandte,  indem  er  sich  die  Worte  Talh.- 
tandflin  den  Mmid  legte:  .,.  ..Uii  liabe  in  <ler  Tai  ein  Ii - 
ternehinen  vorgeMehlagoii,  das  nn,-,ore  Kolonien  aiisdcbn-. 
und  die  fleschichte  der  Welt  erweitern  uünle.  Man  köiuU'- 
die  in  halicii  hciHidlu  hcii  41)  WO  Mann  verwenden,  um  dcü 
blühfiulsten  Teil  A-yj)leii^  /ii  erobern...-'  Am  1!).  Ajni: 

boricbtet  derselbe  fio.sandte:   Tulleyraiid  hat  mir  gt- 

standen,  daß  er  mit  Magallnn.  den^  Konsii!  in  Ägypten,  der' 
Urheber  dieses  großen  Untcraeinneii.s  r-ei,  und  daß  er  Bich  • 
davon  den  größten  Erfolg  verHjaiii-he,'" 

Wir  können  also  da,s  Schluläergebnis  in  folgende  Wort':' 
/.u.sanimenfaitsen :  im  allgemeinen  werden  Bonaparte  oder 
lalleyrand  ala  die  Urheber  bezeichnet.  Beides  ist  falsch. 
Man  muß  genau,  wie  in  ähnlichen  Fällen,  den  oder  die 
Urheber  des  Planes  von  denen  trennen,  die  das  l'nt^r- 
nehnien  ausbauten  oder  zur  Ausfiüirung  brachten.  Wollte 
man  Kamen  anführen,  so  müßte  man  an  erster  Steile  Ma- 
gallon  und  andere,  die  Denkschriften  über  ein  militärische? 
Unternehmen  nach  Ägypten  einreichten,  an  letzter  Stellt- 
aber  das  Direktorium  nennen,  das  doch  das  entscheidende 
Wort  zu  sagen  hatte*). 

Der  Gedanke,  sich  Ägyptens  zu  bemächtigen,  hat  sich 
nach  und  nach  in  zahlreichen  Köpfen  entwickelt,  die  ihn 
alle  auf  ihre  Weise  aaabauten  nnd  der  AuBffihrimg  nähe 
*)  Die  tatsilcblicbe  Verontworüichkeit  ütgb  natürlich  daa  Direktorium, 
(las  die  auaführeiide  Qewalt  In  den  HSnden  hatte.  Der  BegiBruiig  wuidai 
jühilich  Hunderle  von  Denkachriltaa  eingereicht,  ilba  deren  AmiBlmM  odn 
Ablehnung  sie  allein  zu  entecheidea  baite. 

274 


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brachten.  Man  könnte  sogar  noch  weiter  ak  bis  auf  Lcibniz 
zmräckgehen,  der  im  Jalue  1672  Ludwig  XIV.  die  Er- 
oberung Ägyptens  vorschlug,  um  den  König  von  Deutsch- 
land abzulenken*).  Außerdem  könnte  man  noch  zahllose 
Männer  erwähnen,  die  durch  Taten  oderDenlfflohriftea  den 
PlfiTi  reifen  ließen,  der  dann  durch  Bonaparte  v.ur  Ausfüh- 
rung gebracht  wurde! 

•)  Efl  BcheiDt,  cUB  Bonaparta  von  dar  Denksehtilt  des  eroQon  deutmhon 
l>htloeapbeii,  „Conaüinm  negyptiouni"  geauuit,  nicbta  wüßt«,  denn  sie  war 
daiAals  vüllkomjDen  vergeeaen  wordon-  &rat  im  Jahre  IS03  vurde  eine  Ab- 
BObrift  dar  DeokschriCt  vährend  der  Besetzung  Humovers  durch  Mortier  in 
der  Bibliothek  zu  HaunoreT  aufgefunden.  Uortier  sandte  das  Exemplar  am 
20.  Juli  an  Bonapacte,  der  ea  Monge  anvertraute,  Biaaer  hinterlegte  im 
Jahre  ISIS  in  der  Bibliothek  dea  ,Jnsti(ut  national". 


275 


ELFTES  KAPITEL 


DIE  VOBBEREmmGEN  ZUM  ÄGYPnSCHEN 
PELDZUG. 
(März  bis  Mai  1798) 
Zusammensetzimg  der  Landungstruppen   und  da 
Flotte,  —  Abreise  der  Geschwader  aus  Toulon,  Mar- 
seille, Genua.,  Cirita  Veoohia  und  Korsika. 

~Vraohdem  der  Feldzug  nach  j^gypten  endgüHig  entschieden 
X\  war,  machte  sich  Bonaporte  mit  Feuereifer  an  die  Vn- 
'wirklichung  dieses  Planes.  In  einem  eingehenden  SchreibeD 
vom  5.  März  1798  gab  er  die  Maflnahmen  an,  die  zu  er- 
greifen waren.  Am  selben  Ta^  ernannte  das  Direfettuium 
einen  Atisechuß,  der  Bich  sofort  an  das  JfitteDändisohe  Meer 
begeben  sollte.  An  der  Spii^  dieses  Äusscbusses  stand  der 
Konteradmiral  Blanquet  du  Qiayla ;  ihm  beigeordnet  waren 
der  Maiinekommissar  Le  Roy,  der  Artilleriegeneral  Dom- 
martin  und  der  Oberzahlungeanweieer  Suoy.  Sie  hatten  nur 
von  Bonaporte  Befehle  zu  empfangen. 

Am  12.  April  erschien  eine  Reihe  von  Beschlüssen,  die 
sieh  alle  auf  die  Bildung  der  Orientarmee  und  die  Ob- 
liegenheiten des  Oberb^ehlshabers  Bonaparte  bezogen. 
Dieser  erhielt  nicht  allein  Befehl,  sich  Ägyptens  zn  be- 
mächtigen und  die  Engländer  so  weit  wie  möglich  aas  ihira 
orieatalisohen  Besitzungen  zu  verjagen,  eondem  es  wurde 
ihm  auch  aufgetragen,  die  Landenge  von  Suez  za  durch- 
stechen, dne  SchicIcBal  der  Urbewohner  des  Landes  za  ver- 

276 


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bessern,  dabei  aber  mit  der  Pforte  in  gutem  Einvernehmen 
zu  bleiben.  In  einem  weiteren  Beschluß  bekam  Bonaparte 
aiiüh  Befehl,  sich  Maltas  zu  bemächtigen. 

Man  sieht  aus  diesen  Anordnungen,  daß  das  Direktorium, 
vermutlich  auf  Veranlassung  Bonapartea,  auch  noch  einen 
kulturellen  Zweck  mit  der  Besitzergreifung  Ägyptens  ver- 
band. Und  in  der  Tat,  war  auch  die  politische  Herrscliatt 
iiiclit  von  langer  Dauer,  so  waren  doch  die  Ergebnisse  der 
CielelutenkoniniiBsioii  von  größter  Bedeutung,  denn  aus 
joner  Zeit  her  rührt  erst  die  wirkliche  Erforsohnng  des  alten 
Wunderlandes. 

Bonaparte  entfaltete  eine  unglaublich  fruelitbarc  Tätig- 
keit in  seinem  kleinen  Hanse  in  der  Rue  Chantcreine!  Tag 
und  Nacht  war  er  mit  seinen  Plänen  und  den  Mitteln  zu 
deren  Auaführiing  beschäftigt.  Noch  nie,  seLbst  nicht 
in  Italien,  hatte  man  ihn  so  tätig  gesehen  wie  in  jenen 
Tagen. 

Als  ausgezeiclmeter  Menschenkenner  wußte  er  Mitarbei- 
ter zu  finden  und  sie  für  seine  Zwecke  zu  begeistern.  Es  ist 
bekannt,  wie  alle,  die  sich  ihm  näherten,  seinem  eigen- 
aj-tigen  Zauber  unterlagen.  Er  kannte  die  meisten  Generale 
[icfsÖntich,  die  an  dem  Zuge  nach  Ägypten  teilnehmen  soll- 
ten, untl  wußte  im  voraus,  wie  und  zu  weichten  Zwecken 
er  sie  am  besten  verwenden  konnte. 

IJerthier,  sein  getreuer  (Jefälirte  auH  dem  italienischeti 
Feldzuge,  mußte  natürlich  das  Amt  des  üeiieralatabschefs 
wieder  übernehmen.  Bonaparte  wußte,  was  er  von  ihm 
Tetlangen  konnte.  Üesaix'  und  Klebers  Eigenschaften  hatte 
er,  obgleich  diese  Generale  nicht  mit  in  Italien  gewesen 
waren,  teils  liei  der  BeHichtigungsreise  an  die  Küsten,  teils 
sebou  voriier  kennen  und  schätzen  gelernt.  Dem  einen  wur- 
den die  Küstungen  in  Civita  Veoeliia  übertragen,  die  der 
Obergeneial  nioht  selbst  überwachen  könnt«,  dem  anderen 
wurden  sämtliche  I^Tisionen  untergeordnet,  die  sich  in  Tou- 

277 


Ion,  ;\[iirseillo  und  auf  Korsika  aoninit'hi  sollten.  CaffareLL 
wurde  mit  der  Zusammenstellung  der  Gel  ehrte  nkommiasioL 
betraut,  über  deren  Tätigkeit  in  einem  besonderen  Kapite. 
gesprochen  werden  wird. 

Bonaparte  selbst  hescliiiftigte  sich  mit  den  versehieden;- 
liohsten  und  auch  nebensächlichsten  Dingen.  Nichts  entgins 
seiner  Aufmerksamkeil.  Fast  tiif;li:-h  gingen  seine  Befehle 
nai'ii  Tüuloii,  Lyon,  Marseille,  Genua,  Rom,  Civita  Vecchia. 
T\o^^i],a,  ab^fo.-rhi-n  von  den  nach  Paris  bestimmten  scbrifi- 
liclicii  ndiT  iminiilichcn  Anordnungen.  Er  wüßt«  und  kannte 
alles;  er  stand  vollkommen  über  dem  Stoff,  den  es  zu  be- 
wältigen galt,  und  nur  die  Zeit  setzte  seinem  großen  Geiste 
manch  mal  eine  Schranke. 

Nicht  allein  dem  Heere  und  der  Flotte  galt  seine  Fi>- 
sorge,  sondern  auch  der  Gelehrtenkommission.  Die  gering- 
sten Einzelheiten  überlegte  er  und  besprach  ihre  Ausfiii- 
nmg  mit  Fachleuten.  Heute  ging  eine  Beschwerde  an  der 
Minister  des  Iimem,  daß  der  Direktor  der  Buchdruckern 
sieh  weigere,  dem  GelehrtenausschuU  die  arabischen  und 
griechischen  Buchataben  zur  Verfügung  zu  stellen,  am 
folpcndcn  Tag  gab  er  Bcfeid,  eine  Bibliothek  anzukaufen, 
die  er  meist  nach  eigenen  Angaben  zuaaminengestalli 
hätte,  und  von  der  uns  Bourrienne  ein  obecflSohlichee 
Terzeichnia  gibt. 

Während  Bonaparte  alle  fäd^  deB  üntemehmms  in 
seiner  Hand  in  Faiis  vereinigte,  wurde  in  den  versohiedeneD 
Hafenfdätzen  in  fieberhafter  Tätigkeit  gewbeitet.  I>ie  Mit- 
glieder des  Marineaussohusaes  trafen  nach  und  nadi 
zwischen  dem'  16.'  und  31.  Märs  in  Toulon  ein.  Wenige 
Tage  später,  am  2.  April,  kam  auch  Brueya  mit  seinem  Ge- 
schwader wohlbehalten  von  Korfu  aus  {ul  Für  seine  Ye^ 
dienete  bei  der  Besetzung  der  Jonisohen  Inseln  wuxde  er 
durch  Beschloß  vom  12.  April  zum  Vizeadmir^  ernannt. 
Am  24.  April  wurde  der  Tljähr^  Kiie^minister  F14vil]e 

278 


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I«?  Pciley  (hitTli  den  KnnioradmiralBruix  ersetzt,  damit  eine 
jiiiitriTc  i^raft  daa  Mariiieministeriiini  leite. 

Toiüon  ivar  der  Hauptsam mtlp! atz  sowold  für  diu  Flolto 
Iii«  auch  für  die  Landungati'iip[K;ii.  Die  Stadt  und  der  Hafen 
biitfii  einen  sehr  interfiBSfintnii  Anblick  dar;  überall  aah  man 
Bewejjimg  und  leiiiiaftest«  Tätigkeit.  Und  da  man  nicht 
wußte,  weh'heni  Zweeke  alle  diese  Vorbereit luigen  dienten, 
iimgah  das  ganze  Treiben  etwas  Geheimnisvolles. 

Zum  Befehlshaber  der  Division,  die  sich  hier  veraamiiieln 
sollte,  bestimmtt'  dt-r  Oher  goneral,  einem  Befehl  an  Borthior 
\-oiii  20.  April  Kufüige,  den  Divisionsgeneral  Kleber.  Wenige 
Tilge  darauf,  am  28.  April,  teilte  Eonapart«  diesem  mit,  daß 
ilim  außer  seiner  eigenen  noch  die  Division  Eeynier  (in  Mar- 
seille) und  die  Division  Menard  (auf  Korsika)  unterstellt 
seien.  Der  Geniogeneral  Caffareili,  der  früher  die  Befugnisse 
eines  stellvertretenden  Generalatabachefs  an  Stelle  Ber- 
thiers  ausgefüllt  hatte,  nahm  jetzt  denselben  Posten  bei 
Kleber  ein. 

General  RejTiier  sollte  den  ObcrbefeW  über  die  Di\-ifi()n 
übernehmen,  die  nirh  in  Marseille  versnmmelte.  Am  in,  April 
reiste  er  aus  Pari^  ab  und  begab  sieh  über  (irenobk-, 
Valence  und  Avignon,  uo  er  überall  Schritte  zur  Besfldeu- 
nigung  der  Arbeiten  tat,  nach  dem  Ort  seiner  Bestimniung. 
Hier  traf  er  am  22.  A]iril  ein  und  übernahm,  auf  Grund  cinef 
Befehls  vom  Obergeneral  an  seinen  General  ata  hsehef  Her- 
thier vom  30.  April,  das  Kommando  seiner  Division.  Anfang 
Mai  waren  die  Vnrbci  eitungen  beendet,  und  auf  Befehl  Kle- 
beiö  versuchte  Heyiiier  am  8,  Mai  die  Anker  lichten  zu  las- 
sen. Wegen  der  ungünstigen  Winiie  jedoch  mußte  die  Al)- 
fahrt  naeh  Toulon  verschoben  wenlen.  Kndhch  konnte  da.'^ 
tieachwader  den  Hafen  am  11.  Mai  verlassen  und  kam  noch 
an  demselben  Tage  in  Toulon  an.  Der  Befehlshaber  der  Di- 
vision, General  Beynier,  befand  sich  an  Bord  der  Fregatte 
„L'Alceste". 


279 


In  Korsika  sollte  t-ine  weit  (.To  Divis^iou  >!L'l)ildet  werden. 
Infolpo  der  ungünstigen  politisclieu  Lage  auf  der  Insel  ginger. 
die  ^'orhereit  nngen  sehr  langsam  vonstatt«n.  Dort  bef  ehligii 
der  General  Vau boia,  den  wir  bereits  auw  dem  italieniachen 
Fcldzug  als  Kommandanten  von  Livorno  und  aus  den 
Kämpfen  am  Oardasee  kennen.  Mit  dem  Oberbefehl  der  nat: 
Ägypten  bestimmten  23.  Division  wurde  jedoch  der  er-- 
kürzlich  zum  Divisionär  ernannte  Genera!  Menard  betr.nu, 
der  clio  eine  Division  in  der  Sehwciz  befehligt  liattt.  Menar  i 
war  aber  Vauboifi  nnterstcllt.  Tn  den  ersten  Tagen  des  Monat- 
April  kam  er  in  Bafitia  an,  doch  erhielt  er  kurze  Zeit  dara:.: 
vom  Direktorium  Befehl,  sich  nach  Itahen  zu  begeben.  Vaii- 
boU  übergab  daher  den  Oberbefehl  über  die  beiden  Hall- 
brigftden  dem  General  Casalta,  Aber  dieser  wurde  seiner 
schlechten  Gesundheit  wegen  von  Bonapart«  nicht  anpi- 
nommen  und  schließlich  durch  Tagesbefehl  vom  13. 
durch  den  kurz  zuvor  zum  Divisionär  beförderten  General 
Bon  ersetzt.  Die  Division  erhielt  am  0.  Mai  Befehl,  sich  nn- 
verzüglich  einzuschiffen  und  sich  nach  der  Maddalena, 
im  Norden  von  Sardinien,  zu  begeben. 

Von  dem  französischen  Konsul  Redon  de  Belleville  unter- 
stützt, überwachte  General  Berthier  die  Vorbereitungen  in 
Genua.  Wie  man  weiß,  sollte  er  an  dem  Feldzag  ^  General- 
stabschef Bonapartea  teilnehmen.  Da  seine  Anvesenheit  in 
Italien  aber  noch  nötig  war,  vertrat  ihn  währenddesaen  der 
General  Caff arelli. 

Ende  März  bereite  war  der  Divisionsgeneral  Baragnav 
d'Hilliers  in  Genua  angekommen*),  der  die  hier  in  der  Bil- 
dtuig  begriffene  Division  befehligen  sollte.  Bar^uay  hatte 
sich  ala  Befehlshaber  der  ehemaligen  Division  DaUemagne 
im  Feldzug  gegen  den  Erzherzog  Karl  und  hai  dsrBeBeisung 

*)  Auf  Wunsch  de»  Obeigmerals  HoUto  gieh  Monge  mit  verBoMedsneD  andaRii 
GeiohrtPn  und  InDi>iileuren  von  Genus  aua  einachiffan.  Jedoch  wurde  du 
Plan  BcBiniert,  di'mi  die  (ielehrten  fuhren  von  Civito  Vewbia  ab. 

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von  Venedig  ausgezeichnet.  Boniiparte  ertflilt«  Baraguay 
d'Hilliers  am  19,  April  Befehl,  am  6.  oder  7,  Floreal  (25.  und 
26.  April)  die  Anker  zu  lichten  imdaichinToulon  der  Haupt- 
flotte anzuach ließen.  Wegen  der  Angelegenheit  Bernadottes 
in  Wien  mußte  die  Abreise  jedoch  aufgeschoben  werden. 
Äk  sich  dann  die  politische  Luge  geklärt  hatte  und  die  letz- 


ten Vorbereitungen  beendet  waren,  gab  Bonaparte  am 
2.' Mai  nochmals  Befehl,  na^h  Toulon  aufzubrechen. 

Die  Truppen  waren  bereits  auf  Grund  des  früheren  Be- 
fehls am  27,  April  eingeschifft  worden,  und  die  Flotte  befand 
Bich  schon  im  Hafen  von  Toulon,  als  der  Gegenbefehl  ein- 
traf, zurückzukehren  und  die  Truppen  in  Genua  wieiJer  ana- 
zuBchiffen  1  In  der  Nacht  vom  9.  zum  10.  Mai  traf  Baraguay 


281 


d'HilÜers  wieder  in  (Jciiiia  ein,  wo  inzwischen  der  entigiiltigf 
Befehl  Bonapartes  zur  Fahrt  vom  2.  Mai  angekomnien  wnr 
Am  17.  Mai  lichtete  man  nun  nochmals  die  Anker,  utn  nn'] 
Toulon  zu  faliren. 

Durch  einen  Beschluß  des  Direktoriums  vom  1 6.  Min  > 
war  der  Gieneral  De-saix  zum  Oberbefehlshaber  der  Divisi'Ti 
emarmt  woi-den,  die  sich  in  Civita  Vecchia,  nordwestliei; 
von  Ron»,  eineclilffen  sollte.  Da  Civita  Vecchia  sehr  weil 
von  Paris  entfernt  liegt,  und  Bonapartc  die  Vorbereitungen 
dort  nicht  selbst  überwachen  konnte,  hatte  er  diesen 
Posten  einem  erprobten  Gieneral  übertragen.  Desaix  war 
am  Tftge  naoh  seiner  Ememitmg  aus  Paris  abgereist  tmd  am 
2.  April  in  Kern  Bi^Iangt.  Hier  trurde  er  Ton  den  R^ie- 
run^kommisaaren  Villemanzy,  Haller  und  Monge  sehr  in 
seinen  Bestxebungen  unterstützt. 

In£o^  des  Zwisohenfalles  in  Wien  war  das  Zuatande- 
kommen  des  orientalischen  Feldzngs  eine  Zeitlang  zweifd- 
haft  gewordffii.  Jedenfalls  hatte  Bonaparte  am  23.  April 
dem  General  Brune,  der  als  Obergeneral  an  Berthiers  Stelle 
in  Italien  befehligte,  die  Divisionen  in  Genaa  und  Civita 
Vecchia  in  Voraussicht  eines  Österreichischen  Angriffs  zar 
Verfügung  gestellt.  Noch  ehe  Nachricht  von  dem  Zwrächen- 
faU  m  it  Bernadette  in  Paris  eingetroffen  war,  hatte  Bonaparte 
am  19.  April  Dcaaix  Befehi  erteilt,  am  10.  Florial  (29.  April) 
unt«r  Segel  -/.u  gehen,  die  Küsten  Neapels  hinabzufahren, 
die  Meerenge  von  Messina  zu  passieren  uiwl  in  Syrakus, 
iiiüglichst  aber  in  Malta  tot  Anker  zu  gehen.  Am  nächsten 
Tage  ^wiederholte  er  den  Befehl.  Aber  am  23.  April  mußte  er 
den)  General  Desaix  die  Weisimg  erteilen,  die  Truppen  wie- 
der au^uschiffon,  falls  sie  sich  schon  auf  den  Kriegs-  und 
Transportschiffen  befänden.  Nachdem  aber  die  Angelegen- 
heit niil  Bernadotte  geregelt,  beziehentlich  zur  Verhand- 
lung nach  Sei/,  \  ei-wie8en  worden  war,  schrieb  Bonaparte 
am  10.  Mai  an  Desaix,  daß  er  sich  bereithalten  sollte,  sich 

282 


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der  Huuptflott«  aiiziischließeii,  wenn  diese  auf  der  Höhe 
von  Korsika  angelangt  sein  würde. 

Ehe  der  Obcrgeneral  Toulon  verließ,  sandte  er  den  Gene- 
raladjutanten Casar  Bertliier*)  mit  Depeschen  für  den  Gene- 
ral Desaix  nüch  Goinia,  die  von  dort  aus  vom  französischen 
Konsul  lipilon  de  liellevilic  weiter  befördert  werden  sollten. 
Aber  in/.wiscliün  war  die  Brigg  „Le  Salaniine'".  die  erat 
nacli  der  Abfahrt  Bonapartes  von  Toulon  den  Hafea  ver- 
lassen hatte,  vor  dem  Boten  zu  Lande  in  Civita  Vecchia 
angekommen  und  hatte  dem  General  Desalx  die  Befehle  xur 
Abfahrt  überbracht.  Mit  61  Sofaiffen,  vovon  eine  Fregatte, 
zwei  Brig^,  zwei  AviBos,  zwei  Kanon^boote  und  63  Trans- 
portfabizeuge,  veilieS  Desaix  am  26.  Mai  Civita  Vecchia. 
Der  General  Belbat  befand  doh  mit  seinem  Stab  und  mit 
Monge  m.  BokI  der  IVegatte  ..La  Coun^use". 

Trotz  aller  Abeiehten  Bonapartee  und  des  Sirektonums. 
das  Ziel  des  ubereeeuohen  Feldzugea  geheimzuhEilten.  wurde 
infolge  der  angeordneten  Maßnahmen  das  wahre  Ziel  von 
vielen  erraten.  Um  die  offentbche  Memung  m  I^ankreioh. 
beeondeis  abra  die  zahlreuthen  Feinde  der  Französischen 
Bepubhk  über  den  Ort  der  Bestimmung  zu  tauschen**). 
gnS  das  Direktorium  zu  einer  List.  Es  erbeß  am  31.  Marz 
emen  BesohluB.  in  welchem  Bonaparte  befohlen  wurde, 
sich  nach  Biest  zu  begeben,  um  dort  den  Oberbefehl  über 
die  nach  England  bestimmte  Armee  zu  übernehmen.  Um 

h        1er  T      1        1    P    11  I  1 


Triij>i>iTL  ..iii«u=uclion  und  iiu  Lngi-r  die  Wul.l  <Iit  tjuartici-e  und 
«■ilung  d.-r  U^bciiflinittol  lu  überwachen. 

aio  Lnginnder  ircsEuIulireD.  wurden  dia  Truppen,  die  Bich  im  Buden 
ikreicn  wisammeltfln.  nui  ..Linker  Fiugd  der  Armee  von  England 


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wurden  Abschriften  des  Erlasses  verschiedenen  Journalist<?n 
ubergeben,  die  nicht  verfehlten,  ihn  abirudnickeii,  obgleich 
sich  am  SchluU  die  Bemerkung  befand  ..Der  f;(.'^'onw:ti-tige 
Beschluß  wird  nicht  gedruckt'  *). 

Die  im  Volke  umlaufenden  Momuiigeii.  wohin  der  Fcldziig 
genclitct  ROI.  «aren  natürlich  sehr  verschieden.  Manche 
sprachen  von  Irland  oder  England,  einige  von  Sardinien, 
Gartafrena,  (Gibraltar,  Alalta.  Neapel,  Sizilien.  Albanien,  dem 
EpiruH.  der  Levantf'.  andere  sosur  von  Portusral,  der  Krim. 
Bra.silinn.  Indien.  schlicl31ich  /-ahlreiche  Leute,  vor  ailom  die 
Seeleute,  von  Ägypten.  In  Wien.  London,  hankt.  Petert^hurg 
und  Konatantinopel  waren  natürlich  ähnliche  Ansiehten 
über  das  /lel  des  L  nt-crnchnicns  verbreitet. 

In  dem  „Pubbciate  vom  U,  lierminal  (31.  Jlarz]  lie.-it 
man  die  Bemerkung:  ..Man  versichert,  daß  Bonaparte  in 
fünf  oder  sechs  Tagen  sich  nach  einem  unbekannten 
unserer  Küsten  begeben  »ird.  Es  ist  besonders  eretaun- 
Lch,  das  eimge  Personen  behaupten,  es  konnte  das  Mittel- 
ländische Meer,  vielleicht  sogar  Toulon  selbst  sein.  So 
unwahrscheinlich  auch  diese  Behauptung  ist,  so  scheint 
es  doch  sicher,  daü  sieh  einige  Generale  m  aller  Eile  nach 
Toulon  begeben  haben,  daß  die  Vorbereitungen  für  einen 
Feldzug  zur  See  in  diesem  Hafen  mit  größter  Tätigkeit  be- 
trieben werden,  und  daß  bereits  10  000  Mann  Landungs- 
truppen sich  dort  befinden  oder  auf  dem  Wege  dahin  sind. 
Man  smt.  sie  seien  für  eine  Emschiffiing  bestimmt.  Wir 
wissen  nielit,  was  itinn  von  dem  Gerücht  emea  FeldzDgee 
iKicli  Ägypten  denlicn  soll,  soll  sogar  im  Einverständnis 
mit  dem  Sultan  geschehen,  den  man  von  eimgen  ungehor- 
samen Paechas  befreiea  will  und  ihm  dafür  den  Best  seiner 
Staaten  gewährleietet." 

*)  DBaDirelctoriumwlieQBOwoMBefehle,diefaid{eOaentU(dibeltbnt{iDmt 
wurden,  als  such  Bolclie,  die  nur  Eingewrihte,  Hlnlstar,  liSheie  Beamte  od«- 
Obergeneralc  Angingen  und  gehcdm  gehalten  weiden  maOten. 

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Die  Zeitung  scheint  aber  von  der  Kegieriiiig  einen  Wink 
bekommen  zu  haben,  denn  als  sie  um  17.  Floreal  [6.  Mai) 
die  Abreise  Bonapartes  nach  Toulon  meldete,  widnrrief  sie 
die  frühere  Veriimtiing  und  sagte,  es  handle  sich  mir  um 
einen  AnschluB  an  die  spanische  Flotte,  und  am  18.  h'lo- 
n'*al  (7.  Mai),  bezwecke  man  eine  Vereinigung  mit  der  vo- 
nctianischcn  Flotte  (das  heißt,  der  von  Brueys  herbeige- 
führten ehemaligen  venetianischen  Kriegaachiffe),  mit  der 
man  geineinaam  eine  Landung  in  Irland  oder  England  ver- 
suchen wolle.  Der  „Chef  du  Oabinet"  vom  19.  Flor^al  (S.Mai) 
und  der  „Patriote  fran^ais"  vom  27.  und  28.  Flor^al  (16. 
und  17.  Jlai)  sprachen  auch  die  Vermutung  aus,  daß  es  sich 
um  eine  Landung  an  den  großbritannischen  Küsten  handle. 

Ea  ist  wirklich  zu  verwundern,  daß  das  Geheimnis  des 
orientalischen  Feldzuges  so  lange  gewahrt  wurde.  Meist 
wird  gesagt,  daß  es  außer  Bonaparte  und  Talleyrand  nur 
noch  das  Direktorium  gewußt  hätte.  Ich  behaupte  aber,  daß 
es  wenigstens  einige  Dutzend  J'ersonen  tatsächlich  vniß- 
ten*),  und  vielleicht  einige  Hundert  auf  Grund  der  Maßnah- 
men mit  Bestimmtheit  annehmen  mußten!  Um  so  mehr 
ist  es  anzuerkemicn.  daß  kein  sc lilechter  Gebrauch  von  dem 
Geheimnis  gemacht  «  urdc. 

Außer  Bonaparte,  Talleyrand,  dessen  Sekretär,  violleicht 
auch  Magallon  und  den  fünf  Direktoren  wußten  es  sicher 
folgende  Personen:  Bourrienne,  Monge,  Berthollet,  fiticnne 
Geoffroy  Saint-Hilaire  und  sein  Bruder  Marc  Antoine,  Cu- 
vier,  Denon,  Caffarelli,  der  Oberzahlmeister  Sucy,  der  Zahl- 
meister Najac,  Deaaix,  Kleber,  Brueys,  Marmont,  Dolomieu, 
der  Geschäftsträger  in  Kons  tan  tinope!  Ruffin,  der  preus- 
sische  Gesandte  Sandoz-Roliin,  gewiß  auch  Brune,  Do- 
minique Joseph  Garat,  Joseph,  Lucieii  und  Louis  Bonaparte, 

*)  Joinard  ia  den  „Sauvenira  sur  Caapard  Monge"  behauptet,  außer  Mauge 
und  Berthollet  hätten  ea  nur  drei  bb  vi^  ( I]  Fenooen  gewußt.  Kleber  da- 
gegen bemeikt  in  seinem  TagebucU  gelegentlich  der  Ereignieae  vom  30.  Frai- 
tiei  (18.  Juni),  kaum  40  Fetsonen  hätten  daa  Ziel  der  Beiae  gekannt. 


Eugen  Bcauharnais,  möglichcnialls  auch  nocli  einige  Adju- 
tanten IJonapartes,  Duroc,  Sulkowsky,  Merlin  und  Lava- 
lette. Bonaparte  wird  seine  Frau  und  seine  Sehwestem 
gewiß  nicht  eingeweiht  haben,  denn  sonst  «ürde  das  Ge- 
heimnis wohl  bald  verraten  worden  sein!  Wie  Marniont  i:. 
seinen  ]\remoii-en  sphreibt,  habe  es  a\ich  nicht  einmal  dir 
KrieRsiiiinister  Sicherer  gewußt. 

Übrigens  glaubten  viele  Fernerstehende  oder  Unbeteiligte 
genau  zu  wissen,  daß  sich  ein  Feldzug  in  die  Levante  oder 
nach  Ägypten  vorbereite,  waa  die  zahlreichen  Denkschrif- 
ten, die  das  Direlttorium  in  jenen  Tagen  erhielt,  zur  Genüge 
beweisen.  Viele  kleine  Tatsachen  deuteten  auch  klar  darauf- 
hin, wohin  das  Unternehmen  gerichtet  sei.  l>esaix  und  Monge 
ließen  eifrige  Nachforschungen  in  den  Bibliotheken  Roms 
anstellen,  um  Bücher  über  Ägypten,  Syrien  und  Persien 
au&ofinden.  Auch  nahm  Desaix  verschiedene  Ägypt«r  und 
Syrer  in  seine  Dienste.  Ebenso  ließ  Ronapart«  in  Paria  und 
anderen  Städten  nacii  Werken  über  Ägypten  und  Syrien 
forsuhen.  Auch  suchte  man  eifrig  in  Paris  und  Roni  nach 
arabischen  Schriftzeichen  und  naeh  Leuten,  die  in  orienta- 
lischen Sprachen  bewandert  waren! 

MemoirenBchreibem  natürlich  darf  man  in  dieser  Hin- 
sicht wenig  trauen,  wenn  sie  behaupten,  sie  hätten  von  dem 
Ziel  der  Expedition  gewufit.  ManweiS  ja,  viezshlreicheEi^ 
innei-ungswerhe  oft  viele  Jahre  naoh  den  Ereignissen  und 
nur  mit  Hilfe  des  GädächtniBses  verfaßt  wexdfsa.  i/Gt  den 
Briefen  ist  ee  aber  eine  imdere  Sache.  So  sahrieb  der  Leut- 
nant Thurman  am  27.  Genmnal  {16.  April)  an  seinen  Vater: 
„Man  spricht  von  Ägypten",  und  am  4.  Elor^  {23.  April) 
machte  er  bestimmtere  Angaben.  In  einem  Briefe  von  Mu- 
rat  aus  Malta  an  seinen  Vater  vom  16.  Juni  heißt  ab:  „Via 
müssen  in  zwei  bis  drei  Tagen  abreisen;  ich  weiß  nicht,  vo- 
hin  CS  geht,  ich  vermute  aber  naoh  Ägypten." 

In  einem  Schreiben  aus  Toulon  vom  13.  Mai  an  Cuvier 

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meldete  Etienne  Geoffroy  Saint- Hilaire,  daß  die  Generale, 
vor  allem  Kleber,  jedermann  erzählten,  es  ginge  nach  In- 
dien. In  demselben  Briefe  sprach  er  abor  ivic  vnn  i'iner  gair 
selbstverständlichen  Sache,  dalJ  daü  Zici  der  lici'^o  Aii\-Y>iet 
sei!  In  seinem  ,, Journal"  schrieb  der  Uent'iul  iSelliard,  de: 
sich  in  Civita  Veecliia  eingeschifft  hatte:  „Wohin  werd. : 
wir  nachher  (nach  der  Vereinigung  mit  der  Haiiptflottf )  - 
hcn?  Irh  weili  es  noch  nicht;  aber  es  ist  zu  vernuiton,  dr-.u 
wir  nach  Ägypten  segcbi  werden."  Auch  Redout4  bericlitt- i- 
in  seinem  Tagebuch,  daß  alles  daraufhin  deute,  daß  mst. 
nach  Ägypten  führe,  Aua  einem  in  englische  Hände  ge- 
langten Briefe  Dolomieus  an  einen  Freund  vom  13.  M*i 
ersehen  wir,  daß  dem  Btiefschreiber  ebeafalls  das  Ziel  der 
Reise  bekannt  war! 

Der  preußisciie  Gesandt«  Sandoz-Rollin  berichtete  ans 
Paris  an  stiine  Regierung  am  24.  März:  „Man  spricht  vod 
Malta,  von  Cartagcna,  um  von  dort  aus  die  Engländer  aus 
dem  Mittelmeer  zu  jagen;  andere  sprechen  von  Ägypten." 
Nach  seinem  Schreiben  vom  l!t.  April  will  ihm  Marmont. 
Bonapart-cs  Adjutant,  liiii/.eUieilen  iiher  den  Feldzug  nacii 
.Agyiiten  mitgeteilt  haben.  Und  in  demselben  Briefe  schrieb 
der  Gesandte,  Tallevrand  habe  ibiii  gestanden,  daß  er  und 
Magalloii  den  Plan  zu  dem  Unternehmen  entworfen  hätt^ 
Auch  Garat,  der  französische  Gesandte  in  Neapel,  mußte  ee 
wissen,  detui  er  .soll  dem  Minister  Generat  Aeton  anvertraut 
haben,  daß  Bonaparfes  l'Vldzug  gegen  Ägypten  gerichtet 
.sei.  Sogar  Lucchesini  sciirieb  aus  Paris  am  21.  April  an 
seine  Regierung  in  Lucea,  daß  das  Unternehmen  voraus- 
sichtlich Ägypten  zum  Ziele  habe. 

Nachdem  des  Obergenerals  Anwesenheit  in  Paris  niciit 
mehr  nötig  war,  verließ  er  mit  Josephine,  Bourrienne,  Duroc 
und  Lavalette  in  der  Nacht  .vom  3.  zum  4.  Mai  die  Haupt- 
stadt, um  sich  nach  Toalon  zu  begeben.  Uber  Anxerre  »md 

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Ohälons-sur-Saöne  kam  er  am  6.  M^ii  in  frühester  Morgen- 
stunde in  Lyon  an.  Am  nächsten  Tage  fuhr  er  auf  einem 
Flußschiff  bis  nach  Avignon,  dann  ging  es  wieder  zu  Wagen 
weiter  bis  na«h  Roquevaire,  wo  er  sich  aber  ilie  Nacht  über 
nicht  aufhielt  sondern  weiter  reiste.  Untenvegs  wäre  iliiu 
beinahe,  wie  Mormont  in  seinen  Memoiren  erzählt,  ein  Un- 
fall begegnet,  denn  eine  Brücke,  die  man  überschreiten 
mußte,  war  am  Tage  vorher  eingeBtürzt,  and  man  hatte 
keine  Voraichtsniaßregohi  getroffen,  um  sie  zu  sperren.  Mar- 
tjcille  berührte  der  Obei^eneral  nicht,  da  er  befürchtete, 
dort  zu  lange  aufgehalten  zu  werden. 

Am  9.  Mai  gegen  8  Ulir  früh  kam  Bonaparto  in  Toulon 
an*)  und  nahm  in  der  Marin  ei  ntendantur  seinen  Aiifenthalt. 
Er  ging  in  Zivil  und  trug  einen  Überrock  mit  eckigen 
Frackschößen.  Das  wurde  schlecht  vermerkt,  da  dieses  Ge- 
wand in  Marseille  und  Toiüon  als  eine  Kleidung  der  Gegen- 
rcvolutionäro  galt.  Bonaparte  zog  aber  bald  naoh  seiner 
Ankunft  .«eine  große  flt;neralsuniform  an,  und  trotzdem  er 
von  ilcr  Heise  st'lir  ermüdet  war,  nahm  er  sogleich  eine  Be- 
«ichtiguTig  der  18.,  32.  und  75.  Halbbrigade  vor. 

Nach  der  „Gazette  nationale  et  Moniteur  univerael"  vom 
21.  Mai  habe  Bonaparte  an  die  Halbbrigaden  eine  begei- 
sternde Rede  gehalten,  in  welcher  er  den  Soldaten  den  un- 
sterblichen Feldzug  von  Italien  ins  Gedächtnis  /iiriickrief, 
der  ihnen  nicht  allein  Ruhm  und  Elu'e,  soiulcrn  auch 
nehmlichkeiten  des  Lebens  gebracht  hätte.  Jetzt  versprach 
er  ihnen,  daß  sie  durch  den  neuen  Feldzug  so  viel  erlangen 
würden,  daß  sich  jeder  Soldat  naeh  .seiner  Rückkehr  seoha 
.4cker  (Arpent)  Landes  werde  kaufen  können ! 

Wenige  Tage  nach  dem  Abdruck  der  Anrede  Bonapartes 
an  seine  Soldaten  erklärte  sie  der  halbamtüchc  „R^dacteur" 
vom  24,  Mai  für  falsch.  Bereits  am  22.  Mai  hatte  die  „Ga- 

*)  Die  Angaben  BChnoiiksn  Ewiachen  6  imd  9  Uhr }  B  Vbr  scheint  miT  am 


zette  nationale  et  Moniteur  univer&el"  Zweifel  über  die  Edit- 
heit  der  Kede  erhoben,  und  am  24.  Mai  gab  die  Zeitang  dne 
andere,  mildere  Lesart,  die  vom  General  CaffareUi,  dem  vor- 
läufigen General  Stabschef ,  gegengezeichnet  war. 

Verniutlieh  hat  aber  der  erste  Text  seine  Ricbtigkeit, 
denn  ^^eit^^t■no.ssen  geben  in  iiiien  liriefen  oiier  Tagebiicheni. 
30  Etioiino  (Ipoffroy  de  Saint-Hilairc  in  einem  Briefe  vom 
9.  Mai  IUI  Cuvier  und  Sulkoiif-kv  in  seinem  Tagebiiche  dii 
Anrede  in  ähnlicher  Kasnung  wieder,  wie  sie  der  ...Mnniteiu" 
KHersL  bruclitt'. 

Tim  die  scharfe?)  oder  uiibedauht«am  liingewnrfeueii 
^Vorte  HonapaTtcw  kii  «iderriifen,  hatte  man  eine  zweite 
J^üait  gegeben,  wie  man  es  heute  vielfach  tut,  wenn  eir. 
StiiatMol)erhaii)it,  ein  Slaat.sniann  oder  ein  General  in  einer 
Kede  seinen  Cedunken  /.u  freien  Lanf  gelassen  hat. 

Die  wenigen  Tage,  die  der  (leneral  bis  r.ii  seiner  Abreise  i; 
Toulon*)  verblieb,  verwendete  ei'  /.u  den  letzten  Vorbeiv.- 
tungen  für  Heer  und  Flotte.  Vor  allem  w  ar  er  bemüht,  einen 
inneren  Zusammenhang  unter  den  verschiedenen  Truppen- 
teilen und  -gattungen  herzustellen.  Wehr  oft  schenkte  er 
höheren  Ofl'i/.ieren,  Zivilbeamten  und  (lelebrten  Gehör. 
Selten  s|iraeh  er  jeeloeh  bei  den  Empfängen  mit  Leuten,  die 
ihm  nicht  persöidich  bekannt  w  aren,  es  sei  denn,  daß  er 
ihnen  dienstlich  Hefchle  zu  erteilen  hatte.  In  diesen  Tagen 
kam  auch  ein  Teil  ries  berüehtigteii  Herner  Schatzes  in  ver- 
schiedenen Geldsorlen  an,  die,  in  französische  Münze  wn- 
gcrechnct,  etwa  (h-ei  Millionen  Franken  betrugen. 

Xaclidem  am  18.  Mai  der  ,,Aquilon"  und  der  „Spart.iate  ' 
den  Hafen  verlassen  hatten,  ließ  Bonaparte  um  5  Uhr  da; 
Zeichen  zur  Einschiffung  der  letzten  Truppen  geben.  Am 
niichsten  Tage  waren  sowohl  die  Kriegsschiffe  als  auch  die 
Tranaportfahrzeuge  zur  Abfahrt  bereit. 

•)  Um  den  Oborgenerol  zu  etmn,  fand  am  Abend  BSiD«r  Ankunft  in  Tuokio 
eine  grolle  Bdeuohtung  der  Stadt  und  dos  SeSean  statt. 

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Die  Kriegsflotte  zählte  folgende  Fahrzeuge: 
13  Schlachtschiffe:  „L'Orient"  mit  120  Kanonen;  „Le 
GuiUaume  TeU",  „Le  Franklin",  „Le  Tomiant",  mit  je  80 
Kanonen;  „Le  Spartiate",  „L'Aq^uilon",  „Le  Genöreux", 
„Le  Guerrier",  „Le  Peuple  Souverain",  „Lo  Timolöon", 
„L'Heuieux",  „Le  Mercuie",  „Le  Conquerant"  mit  je 
74  Kanonen. 

6  Fregatten:  „La  Justice",  „L'Art4inise",  „La  Diane", 
„La  Junon"  mit  je  40  Kanonen;  „L'Alceste"  und  „La  S6- 
rieuae"  mit  je  36  Kanonen. 

I  Korvette:  „La  Badine"  mit  30  Kanonen. 

Als  Hospital-  oder  Munitions-  und  Proviantscliiffe  dien- 
ten die  Linienschiffe  „Le  Cauase"  mit  70  Kanonen  und  „Le 
Dubois"  mit  64  Kanonen;  ferner  die  Fregatten  „La  Sen- 
sible", „La  Coiu-ageuBe",  „La  Carri^re",  „La  Muiron"  und 
„La  Leoben"  mit  je  3b  Kanonen;  „La  Mantoue"  und  „I<a 
Montenotte  '  mit  je  30  Kanonen. 

Endlieh.  kamen  noch  36  kleinere  Fahrzeuge  hinzu,  dar- 
unter die  Bngga  oder  Avisos  „Le  SalaminEi",  ,,Le  Lodi", 
„Le  Corcyre  ',  ..Le  Fortunatua"  und  ..L'Alcrlc'',  dio  meist 
als  Aufklärerachiffe  verwendet  H  urden. 

Viele  der  Schlachtacliiffe  waren  aii  i;nil  in  .-.  lilrchteiii  Zu- 
stande; alle  hatten  nur  ungenü<;eiirii.'  Bi/sai/aiii^Tn  und  wa- 
ren außerordfutlicli  iibedadcn. 

Es  ist  zu  verwundern,  daß  Boiuipni  if  iiiclit  vi-iMitht  hat, 
noeli  einige  Schlaclitsi^hiffe  nun  Hic-t  kummcii  /.ii  hi.sHeu, 
um  der  FloltL-  t-in  Überficwicht  über  ein  ilim  zur  \'L-rfoIj;unfi 
nachgesandtem  cngli.sehes  CJeschivader  xii  ^iuhmi. 

Dio  Kriegsschiffe,  vor  allf^m  die  Si  lilaelit schiffe,  bildcton 
begreiflicherweise  einen  Uegenstund  lebhaftester  Bewunde- 
rung für  (iie  l.aiidti  upiiei)  und  die  (.lelehrten.  Uns  Arlinirals- 
achiff,  der  „Orient",  galt  damals  neben  der  spanischen  „San- 
tiflsima  Trinidad"  für  den  schönsten  Segler  der  Welt.  Es 
bieß  früher  „Sans-Culotte"  und  war  nach  der  Übergabe 


Toulons  duruli  die  Royalisteii  an  die  Verbündeten  ini  Jahif 
1793  in  die  Hände  der  Engländer  gefallen.  AIk  diese  den  Ha- 
fen verlassen  mußten,  hatten  sie  es  in  Brand  gcsteclit,  aber 
die  repuWikaiii, schon  Soldaten  hatten  ihn  noch  reohtzeitii: 
löschen  können.  Die  Engländer  konnten  das  Schiff  nii'h- 
gut  mitnehmen,  da  es  sich  noch  auf  der  SchiffsHcrft  Ix- 
fand*). 

Der  Geonieter  Villiers  dn  Terrage  beschreibt  uns  in  an- 
suhiiulit-her  Weise  einen  Besuch  auf  dem  Adnnral.sseliiff  b 
seinem  Tagebucli:  „Eine  sehr  angenehme  Treppe  führte  un? 
auf  do-s  Deck,  das  sich  ungefähr  25  FulJ  iibei'  dem  Wasser- 
spiegel befand.  Auf  demselben  lugen  der  Waffensaal,  das 
HeratungsKimnicr  und  die  Kajüte  des  Kapitäns.  Oberhalb 
dieser  Räume  war  eine  kleine  Plattform  angebracht,  In  de- 
ren Mitte  sich  der  Besanmast  erhob. 

In  der  Mitte  des  Schiffes  befand  sieh  der  Großmast,  aD 
der  einen  Seite  der  Fockmast,  endlich  ganz  am  Ende,  in 
einer  Neigung  von  45  Grad,  das  Bugspriet,  Die  oberen  Ma- 
sten der  di'ei  ersteren  heißen  Marsstengen,  diejenigen  ober- 
halb Bram»tengen.  Mit  Mars  bezeichnet  man  die  kleinen 
Plattformen,  die  die  verschiedenen  Masten  miteinander  ver- 
binden. Auf  dem  Mars  des  BeeanmaBies  etellt  man  kldne 
Geschütze  (Drehbassen)  auf. 

Das  obere  Deck  des  „Orient"  war  mit  Ächtpfnndem,  das 
Zwischendeck  mit  Zwölf-  und  Aohtzehnpf  ändern  und  das 
unterste  Deok  mit  Vierundzvanzig-  oder  Seohsunddzrä^- 
pfündem  bewaSnet.  An  der  Äußemsedte  des  unteren  Decks 
befand  sich  der  sogenannte  Barmherzigkedtaaiikar,  der 
12  000  Pfund  TFog  und  in  15  Minuten  herabgelaas^  werden 
konnte.  Das  unterste  Deok  lag  fast  in  {j^ehw  Höhe  mit  dem 
Meereespiege],  Das  Kriegssohifi  befand  sich  ebenso  tief  im 
Wasser,  als  es  über  dasselbe  herausragte.  Üntcrhalb  der 

*]  DbhuIb  war  der  „Commetce  do  Hmeille"  von  118  Kanonen  das  BOhönate 
SchifF  der  franxSeiBoIisn  Marine. 


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Meeresoberfläche  liegen  das  Krankenhaus,  die  Küchen,  daa 
Arsenal  und  die  Pulverkammer," 

Befehlshaber  des  Landheerea  und  der  Flotte  zugleich  war 
der  General  Bonaparte,  der  sich  mit  aeinem  GJeneralstab  an 
Bord  des  ,, Orient"  befand.  Die  Flotte  befehligte  unter  ihm 
der  Vizeadmiral  Brueys;  sein  Generaist absehef  war  der 
Konteradmiral  Ganteaume, 


Bi  ueya  d'Aigalüers  war  im  Jalure  1753  geboreii  und  galt 
füi-  einen  tüchtigen,  tapferen  Seeoffizier.  Im  Jahre  1793 
wurde  er  verabschiedet,  kam  aber  im  Jahre  1795  nach  Pa- 
ris, «m  wicd erangestellt  zu  werden.  Hier  machte  er  die  Be- 
kanntschaft des  jungen  Bonaparte,  der  sich  sehr  für  ihn  in- 
teressierte. Am  21.  ^lärz  1796  wurde  er  zum  Konteradmiral 
ernannt  und  erhielt  im  November  den  Befelil  über  das  Gc- 


schwader  im  Mittelineer.  Im  Auftrage  Bonapartes  ging«  | 
im  folgenden  Jahre  mit  seinem  Geschwader  nach  Korfu  uik 
erhielt  dann  <iie  Weisung,  mit  seinen  und  den  venetiai'. 
sehen  Schiffen  nach  Toulon  zu  segeln. 

Die  13  Schlachtschiffe  waren  in  drei  Geachwa4ler  einge- 
teilt, die  eine  lOte,  })6ziehentlicli  eine  blaue  oder  weiS^rote 
Flf^ge  führten.  Das  erste  Gesohwsder  befehligte  Bm^ 
auf  dem  „Orient",  das  zw^te  der  Konteradmiral  Blanquet 
du  Chayla  auf  dem  „Franklin"  und  das  dritte  der  Konten 
admiral  Villenenve  auf  dem  „Guillaume  Teil".  Der  Konva 
war  dem  Konteradmiral  Deoröe  auf  det  Fr^atte  „IMane" 
unterstellt. 

Alle  Admirale,  die  Bonapute  ausgeiröhlt  hatte,  watto 
erst  kürzlich  ernannt  worden.  Blanquet  du  Cha^  und  Vil- 
leneuve  wurden  an  demselben  Tage  wie  Brueys  zu  Konter- 
admiralen erhoben;  Decres  und  Ganteaume  waren  erst  spä- 
ter befördert  worden. 

Die  Limdtruppen,  die  sowohl  auf  den  Kriegsschiffen  ak 
auch  auf  den  etwa  300  Transportfahrzeugen  untergebracht 
waren,  stellten  sich  nach  einer  vom  Oberzablmeister  äse 
Heeres  Estdve  ausgearbeiteten  Liste  folgendermaßen  zu- 


sammen: 

Cteneralstab   143  Mann 

Stab  der  Artillerie   67  „ 

Stab  des  Genies  '   66  „ 

Kriegskommissare   26  „ 

Arzte  und  Wundärzte   168  „ 

Zahlmeister  und  Kontrolleure   41  „ 

Venv-altuugsbeamte   446  „ 

Gelehrte,  Ingenieure,  Künstler.  Architekten, 
SchriftatcUcr,  Zeichner,  Konsulatsbeamte, 

Dolmetscher,  Buchdrucker,  Zivilärzte  .  .  167  „ 


Zusammen    I  123  Mann 


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Übertrag    1  123  Mann 


Reiterei*)  .... 
Artillerie  und  Genie. 
Korpsoffiziere.  .  . 


iveiflite  liifaiiterio 
iiifanteric  ,  .  . 
Ouidcn  


,5  403 

ly  am 

480 

2  810 

3  245 
2  270 


Zusammen  36  000  Mann 


In  dieser  Äu&telluDg  fehlten  verschiedene  Truppenal>tei- 
luiigen,  die  15S0  Mann  stark  waren  und  einen  Teil  dei- 
Gamison  von  M^ta  bilden  sollten. 

Der  monatUohe  Sold  des  Heeres  betrug  925  269  Franken. 

Es  befanden  sich  folgende  DivisionsgeneraJe  beim  Heere : 
Berthier,  Baiaguay  d'HillierK,  Bon,  Desaix,  Dugua,  A.  Du- 
mas, Kleber,  Menou,  Dumuy,  Reyiiier  und  Vaubois**); 
und  folgende  Brigadegencrale :  Äudreossy,  Belliard,  Caffa- 
relli  du  Falga,  Ohanez,  Damas,  Davout,  Dommartin,  Friant. 
FugiÄre,  d'Heonzel,  Lannes,  Ledere,  Manscoui-t,  Mireui. 
Murat,  Bampon,  Veaux,  Verdier,  Vial  und  Zayonchek***). 

Die  fünf  Divisionen  wurden  von  den  Generalen  Deaaix, 
Kleber,  Bar^ay  d'HiUiers,  Beynier  und  Bon  befehligt 
Dumas  hatte  den  Oberbefehl  über  die  gesamte  KavaUetie, 
Caff  arelli  du  Falga,  der  von  den  Arabern  wegen  seines  Holz- 
hainee  Abu  Ehaschabeh  genannt  wurde,  über  das  Genie- 
korps und  Dommiutiu  über  die  Artillerie. 

Der  oberste  Zahlnngsanwdser  (ConmÜBsah«  ordonnateur 
flo  nhei)  war  der  sehr  t&t^  Suoy;  er  wurde  später  durch 
d'Aube  ersetzt.  Das  Amt  eines  Zahlungsanweisers  der  Ma- 
in finden  hofft*-. 

Heere  befand,  mit  dem  Bunaparte  im  Prvitijalir  17i>tl  drTi  iiiilieni.'tclicn  ¥i-lti- 
lug  bagtum. 

*■*)  Richtiger  Zafonczeb,  sdt  IT97  In  fianiüaiflchen  DiensUMi  und  aiu  dem 
FeldEug  In  Italien  dem  Oberbefehlshaber  bebnnt. 


295 


mm  Terwaltete  Jjo  Boy,  das  des  ObetzahlmösterB  dee  He» 
168  Estöve*).  Generalkontroileur  der  Ausgaben  war  Pobb- 
Bielguej  er  wurde  spater  GeneridTerwaltor  der  FütaiiBeii. 

Als  Oberarzt  breiteten  De^enettee,  als  Obwwundaizt 
Larrey  und  als  Oberfeldapotheker  Boyer,  dann  Bondet,  du 
Heer. 

Die  Adjutanten  Bonapartes  waren:  Ihiroc,  Solkow^ 
Lavalette,  Louis  Bonaparte,  Julüen,  Merlin  (Sohn  des  Di- 
rektors), Junot,  Croisier,  Eugene  BeauhamidB,  Gnibert  nnd 
später  Edouard  Colberti. 


Endlich  möchte  noch  bemerkt  werden,  daß  der  Biigsde- 
chef  BessiSres  die  Guideri  befehligte. 
I*  Im  ganzen  betrug  die  Zahl  der  Personen,  die  Bonapute  , 
mitnahm,  54000  KSpfe,  wovon  38000  Mann  IiandtTuppeii,  | 
einsohließlioh  der  Geehrten  und  and^vn  Zivilpereonen, 
13000  Mann  Bemannimgstruppen  der  Motte  nnd  3O00  Ha- 
trosen  der  Handelaaohiffe,  die  aber  nur  zum  Teil  Franzose»  > 
waren.  i 

Die  Abreise  der  Flotte  und  der  Tranaportfidirzeage  m' 
endgültig  auf  die  Naoht  vom  13.  zum  14.  Mai  feetgesef^'  .' 
worden,  falls  es  die  Winde  gestatten  sollten.  Kurz  zuror.  i 

■)  Troti  ,l..r  Klniiei,,  ,M,-  iii«„  ,],.„  Bfnu  r  Hnll^r  wShtmii  j 

siliicii  BoiiHiJarte  iJiii  ti^-m  vivü^i-  vvriM  iui.Ti  i.„  «itl],  .i.  .Ifdi^iiLall,  h-ä  "  1 
iiiittvlbuF  durch  Moiig«  bei  Hallcr  anfra^rn.  lli<>arr  hIht  v»rai<:hU-Ip  siif 
Stellung  eines  Gcneralvcrwallfis  der  Finanzen,  angoblicli  imgeu  dts  f'^'  ! 
■uga  der  FranzuBPn  gegen  sein  Vaterland,  Bieherlich  ober  nur,  weil « 1^ 
fürchtete,  oa  künnte  ihm  diesmal  an  den  Kragen  gehenl 


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am  13.  Mai,  traf  Berthicr  in  Toulon  ein*)  und  übernahm 
die  Stelle  eines  Generalstabachefs  des  Heeres.  Wegen  der  un- 
günstigen Winde  mußte  die  Abi-eiae  um  fünf  Tage  versclio- 
ben  werden,  währenddeascn  Bonaparte  noch  die  letate  Hand 
an  die  Vorbereitungen  legen  und  besonders  Vorordnungen 
überdieEinteilungundMannsÄUchtdesHeeres  treffen  konnte. 


Da  die  Witterung  nicht  gestattete,  die  gesamte  Flotte 
auslaufen  zu  lassen,  ließ  Bonaparte  am  14.  Mai  durch  einige 
Fregatten  unter  Führung  cleti  Konteradmirals  Decrea  Er- 
kundigungen einziehen,  ob  das  Meer  frei  sei.  Infolge  der  wi- 
drigen Winde  kam  das  Geschwader  aber  nicht  weit.  Die 

•)  Bertliitr  war  Bin  «.  April  von  Miiilnn<i  noch  I'nrw  (itreiBt,  wo  er  luigeffihr 


297 


Korvctti'  „I^c  l'ierre",  die  am  16.  Mai  aus  denselben  Grün- 
deu  wie  daa  GeMeii\va<ier  Decröe'  ausgeaandt  worden  war, 
wurde  von  der  englischen  „Terpeichore"  am  nächsten  Mor- 
gen gekapert*)  und  iiaitgenommen. 

Derselbe  Sturm,  der  Bonaparte  verltinderte,  aus  Toulon 
auazulaufen,  sollte  ihm  jedoch  von  größtem  Nutzen  sein, 
denn  er  fügte  dem  Ädmiral  Nelson  beträchtlichen  Schaden 
zu.  Dieser  mußte  seinen  Ubenvaehungsposten  aufgeben  imd 
konnte  froh  sein,  daß  er  sich  vor  dem  Unwetter  nach  der 
Südküste  Sardiniens  zu  flüchten  vermochte,  anstatt  an  die 
franzöaiBohe  Küste  geworfen  zu  werden!  Bei  dieser  Fahrt 
wurde  er  nicht  allein  von  seinen  IVegatten  gotremit,  son- 
dern er  verlor  auch  jegliche  Fühlung  nüt  dem  französischen 
Kriegahafen. 

Es  schien,  als  ob  das  Schicksal  gobicteriach  seine  Entfer- 
nung forderte,  damit  die  französische  Flotte  ungehindert 
Toulon  verlassen  könne,  denn  noch  trug  sie  Bonaparte  und 
sein  GlüokI 

•)  Vgl.  das  IS.  Kapito],  8.  SBB. 


298 


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ZWÖLFTES  KAPITEL 


MALTA 
(.Mai  bia  Juni  1798) 

i  Hl  19.  Mai  verließ  die  stattliche  Flotte  den  Hafen  von 
i ~\_  Toulon.  Verschiedene  Schlachtschiffe  waren  so  beladen, 
daß  ihr  Kiel  den  Boden  aufwühlte;  aber  ea  ging  alles  ohne 
Unfall  ab.  Xiir  die  Abfahrt  des  Admiralsschiffes,  auf  dem 
sicli  BonaparU)  befand,  gestaltete  sich  nicht  ganz  ohne 
Schwierigkeiten;  abcrgläubisohe  Gemüter  wollten  darin  eine 
schlechte  Vorbedeutung  für  den  Verlauf  des  Feldzuges  er- 
blicken. Der  „Orient"  hatte  den  Hafen  zuletzt  verlassen,  nm 
die  Flotte  wie  b^  einer  Parade  an  siolt  Torübendeb^  zu 
sehen. 

In  Bohönsber  Ordnung  segelte  die  Flotte  dahin,  aber  man 
fuhr  langsam,  da  doh  einige  schlechte  Segler  dabei  befan- 
den. Admiral  Deords  bildete  mit  einigen  Fregatten  und  Kor- 
vetten  die  Vorhut.  Es  war  ein  großartiges  Schauspiel,  die 
fast  400  Fahrzeuge  zählende  Flotte  zu  sehen,  aus  der  sich 
die  I>reideoker,  besonders  das  Admiralsscliiff,  wie  Kirch- 
türme aus  einem  Häusermeer  erhoben. 

Tagsüber  bedeckte  die  Flotte  eine  flädie  von  zwei  oder 
gar  vier  QuadratmeOen.  Am  Abend  jedoch  mußten  sich 
die  Schiffe  mehr  aneinander  anschließen.  Entfernte  sich  ein 
Transportschiff  zu  weit  von  der  Flotte,  dann  wurde  eine 
Fregatte  oder  Korvette  abgesandt,  um  es  zur  Pflicht  zurück- 

299 


□  igilized  by  Go^Ifi. 


zurufen.  Man  unterließ  sogar  nicht,  bisweilen  eine  Kanon«i- 
kugel  abzufeuern,  wenn  die  Signale  unbeachtet  blieben. 
Gern  wurde  diese  Maßregel  von  den  Kapitäne  der  näuim- 
gen  Schiffe  nicht  gesehen,  denn  ein  Kanonenschuß,  der  ihiä- 

wegen  abgefeuert  werden  mußte,  kostete  sie  gewöhnlicl, 
24  Franken ! 

Das  Wett«r  wechselte  oft  in  den  ergt«n  fünf  Tagen.  \\  i- 
Bonapart«  an  das  Direktorium  und  an  seinen  Bruder  Jo?e|ii. 
am  23.  Mai  schrieb,  war  es  teils  schön,  teils  sclilecht,  teils 
hatte  man  unter  Windstille  zit  leiden. 

Naxjhdem  man  das  offene  Meer  gewoiitien  hatt*^,  ateuertt 
Brueys  auf  die  Nordküat«  Korsikas  zu.  Am  23.  -Mai  bekam 
man  die  Insel  in  Siebt,  und  am  näciisten  Tage  befand  man 
sich  auf  der  Hohe  von  Bastia.  Nun  ging  es  längs  der  Ostküsk 
von  Korsika  und  dann  \'on  Sardinien  fast  direkt  nach  Sü- 
den. T)n  man  oft  mit  Windstille  zu  kämpfen  hatte  und  die 
Division  aus,  Civita  Veecliia  erwartete,  mußte  man  langsa- 
mer segeln.  In  diesen  Tagen  trafen  aiiehdie  beiden  Geschwa- 
der von  Ajaccio  und  Genua  hei  der  Hauptflotte  ein.  Am 
I.Juni  erhielt  Bonapurte  auf  der  Hohe  von  Oarbonara  durch 
den  Korsar  „La  Cisalpine"  die  erste  Nachricht  von  der  An- 
wesenheit eines  eiiglisulien  Gieschwaders  im  Mittelländi- 
schen Meere.  Es  bestand  aus  drei  Schlachtschiffen,  die  der 
Admiral  Nelson  befoliligte.  Der  Obergeneral  hütete  siob 
aber,  diese  Nachricht  bekannt  zu  geben,  um  den  Mnt  seiner 
Truppen  nicht  wankend  werden  zu  lassen. 

Am  3.  Juni  war  man  erst  in  der  Nähe  von  Sardinien  an- 
gelangt. Die  Flotte  nahm  nun  ihren  Kurs  südöstlich.  Sic 
fuhr  dann  an  der  Siidküste  von  Sizilien  entlang  auf  Malta 
zu.  An  diesem  Tage  begegnete  man  fünf  neutralen  Schiffen, 
und  Bonaparte  unterheß  es  nicht,  die  Kapitäne  selbst  eg 
vernehmen  und  ihre  Aussagen  am  nächsten  Tage  durch  Boa^ 
rienne  niederschreiben  zn  lassen.  OlücküchenraiBe  wußten 
diese  nichts  von  einem  größeren  et^fUsohen  Geaohwader  im 

300 


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r\littplineere  zu  berichten.  Für  den  General  Bonaparte  war 
es  während  der  langen  Seereise  eine  angenehme  Unterbre- 
t;huDg,  die  Kapitäne  der  Schiffe,  die  ihm  begegneten,  aus- 
fragen zu  können. 

Die  Besorgnis,  die  Engländern  zu  treffen,  mußt«  natür- 
lich alle  fiemüter,  vor  allem  die  der  Seeoffiz.ieif ,  bewegen. 
Wenn  man  zu  einein  Kampfe,  Kelbst  mit  einer  an  Zahl  ge- 
i-iiigeren  3''lntte  gezwungen  wurden  wäre,  m  ivürden  gewiß 
iille  Vorteile  auf  Seiten  der  Engländer  gewesen  sein,  denn 
<iif,  Zahl  der  Sehlaehtsehiffe  ist  nicht  ausschlaggebend, 
wohl  aber  ihre  Güte.  Brueys  hatte  wenig  Zutrauen  zu  den 
mei.-iten  seiner  Kapitäne,  und  diese  wieder  mißtrauten  ihren 
.Mannschaften.  Die  Besatzung  war  nicht  allein  unvoUzählig, 
«ondern  sie  war  oft  in  größter  Eile  und  ohne  Wahl  ziisain- 
inengeBucht  worden.  Dazu  waren  .selbst  die  Schlachtschiffe 
so  mit  Landungstruppen,  Kriegsgegenntiiiiden  und  Proviant 
vollgestopft,  daß  ihre  Bewegungen  in  einem  Kampfe  stark 
gehemmt  gewesen  wären. 

Täglich  wurden  Übungen  der  Seeleute  und  Schießübun- 
gen an  Bord  der  Fahrzeuge  vorgenommen  und  den  Land- 
truppen ihre  Plät/.e  angewiesen,  falls  man  einer  englischen 
Flotte  begegnen  sollte.  Man  wollte  sogar  \-ersucheii,  die 
feindlichen  Schiffe  nach  dem  Vorbild  der  Alten  zu  entern. 
Die  Uncrfahrenheit  der  Franzosen  im  Seekampfc  hätte  aber 
nur  beigetragen,  die  Verwirrung  auf  den  Schiffen  zu  vor- 
mehren, und  die  Engländer  würden  ein  doppelt  leichtes  Spiel 
mit  ihnen  gehabt  haben.  Bonaparte  hatte  jedenfalls  den  Ka- 
pitänen der  Transportschiffe  Weisung  gegeben,  im  Falle  ei- 
nes feindhchen  Angriffs  den  nächsten  befreundeten  oder 
neutralen  Hafen  aufzusuchen. 

Am  8.  Juni  bekam  man  die  Inseln  Gozo  und  Malta  in 
Sicht,  Bonaparte  hatte,  gleichzeitig  mit  den  Voraohriften 
ztu  Besitznalime  Ag^tens,  am  12.  Aptü  vom  Diiekto- 
rium  Befefal  erhalten,  doh  der  dem  Malteserorden  gehören- 

301 


(Ich  liis,4n  /u  b.'inächliuon.  Ev  Iraf  ilaher.  e!if  t-r  sio. 
iJei'  I  i:s(;l<iru[H)e  iiiilitTte,  flchoji  iini  (i.  Juni  Anstillten  zun; 
Angriff. 

General  Dej^dix  war  jnit  seiner  Division  am  26.  Mai  tol 
Civita  Veeuhiii  au.s  unter  Segel  gegangen.  Er  hoHte,  di 
Hauptflotto  auf  der  Hiiho  von  Korsika  zu  erreichen..  De* 
ungünstigen  Windes  und  einiger  selilecht.en  Segler  wegei' 
kam  er  aber  nur  langüaiu  vorwärts.  Da  die  große  Flotte  in- 
des nwh  sehr  lungsiiin  fuhr,  umsegelte  sein  Ueschwadw  die 
Nord\vTMts])it?.e  von  Sizilien  früher  als  Brueys  unti  kam  schori 
aui  7,  vor  .Malta  an.  Krtit  am  il,  .Iinii  fand  die  Voreinigonp 
heidi-r  l''!ütten  statt.  Desaix,  der  Kapitän  Eydoiix  and  der 
.\iallii'malik.er  .Moiige  bestiegen  eine  der  eheinahgen  päpsl- 
hchrn  Galeeren,  um  Bon  aparte  auf  dem  „Orient"  ihreDBe- 
auf\i  /II  maehen  und  seine  ferneren  Befehle  riiil|i,rifii  mi  iiwii 
nien.  Mnnge.  den  üonaparte  sehr  liebte  und  schätzt«,  Uieb 
einige  Tage  bei  ihm  an  Bord. 

Da  Drsaiv  früher  als  der  Ohergcnera!  vor  Malta  crschie- 
n(-ii  war,  halte  er  den  (irolJineist-er  ersuchen  lasaen,  in  den 
tlafefi  einlaufen  zu  dürfen,  um  frisehes  Wasser  zu  nehmen. 
Er  erhielt  aber  am  9.  Juni  früh  Bescheid,  daß  nicht 
mehr  als  vier  Kriegsschiffe  gleichzeitig  in  den  Hafen  einlau- 
fen dürften.  Das  war  die  Antwort,  die  Bon  aparte  erwartete, 
denn  nun  halle  er  einen  geeigneten  Verwand,  sofort  die 
Feindseligkeiten  heginnen  zu  lassen. 

Eigentlich  war  der  Grund  ganz  nichtig,  denn  Brueys  hatte, 
als  er  auf  der  Fahrt  von  Korfu  nach  Toulon  Ende  Februv 
die  Inael  berührte,  dieselbe  Antwort  erhalten  und  sich  da- 
mit zufrieden  erklärt.  Aber  Bonaparte  und  das  Direkttmum 
brauchten  einen  Vorwand,  und  man  nahm  den,  der  a«^ 
darbot! 

Der  Malteserorden  war  immer  bemüht  gewesen,  die  alten 
Beziehungen  zu  Frankreioh,  die  in  den  ersten  Jaluen  der 
Bevalution  stark  gefährdet  waten,  wiederheizustellen. 

.^02 


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Er  hatte  dem  Direktorium  molir  wie  einen  uützliclu'ii 
Dienst  erwiesen.  Aber  was  niiti^t  das,  wenn  es  die  Politik 
anHers  will? 

Jedenfalls  ist  der  Raubzug  uaeli  -Malla  durdi  uirlils  als 
durch  das  Reelil  des  Stärkeren  zu  begründen.  Malta  lag 
auf  der  Strecke  nai'h  j'lgyiiten.  Ks  bot  einen  vortrefflichen 
Stützpunkt  für  die  franziisiselie  Flotte,  und  außerdem  wa- 
ren wieder  einige  Millionen  dabei  lierausKuselilagen.  Sein 
Seliieksal  war  daher  eidsehieden  ! 

iilhe  ]5ona|iarte  zum  Angriff  vorging,  iiuli  er  den  fjan/.ö- 
sischeii  Konsul,  (,'arnson,  an  Bord  kommen.  Die  mei-i^ten  Aii- 
Dfdriungen  wiirdeii  nnindlieli  L'eLreben.  Brueys  hatte  sehon 
am  (i.  WeisUTig.-n  1  I  1  a  1  g  1 1  gen.  -letzt  erhielt 
Deaaix  Befehl,  im  Südosten  der  Insel-  Vaubois  nördlich 
der  Stadt  La  Valetta  rmd  Paraguay  d  HUliers  im  Nor- 
den zu  landen.  Kevnier  sollte  wahienddeesen  die  kleinere 
Nachbarinsel  Gozo  besetzen. 

Seitdem  Tode  Emanuels  vm,  liohan  (!:t.  ,luli  17!I7)  stand 
der  Kurpfälzer  Freiherr  B'erdinaud  von  Honipeseli  als  (JrolJ- 
meistcr  an  der  Spitze  des  Ordens.  Er  war  der  erste  Deutsclie, 
dem  diese  Würde  anvertraut  werden  war.  Freiheri'  vonHoiu- 
peBch  wird  allgemein  als  ein  uuentsehlossenri'  und  sehwaeher 
Charakter  geseliildert.  Ob  er  ein  Verräter  war,  darüber  gehen 
die  Ansieilten  der  Zeitgenossen  sehr  auseinander.  Jedenfalls 
\  erdient  er  keine  Aelitung,  noch  weniger  Mitleid  mit  Beinen 
späteren  Seliieksalen. 

Trotz  der  znldreiehen  Warnungen,  die  ihm  vom  Fest- 
land aus  zugingen,  tat  er  nielus.  um  die  Befestigungs werke 
in  guten  Verteidigimgazustand  zu  setzen,  fn  früheren  Zei- 
len hatte  der  Orden  mit  geringeren  riiif-^Diitlehi  laugen 
Helagerungeii  siegreich  wiiler.standen.  Jetzt  lagen  die  Um- 
stände viel  günstiger,  denn  die  Insel  hatte  für  viele  Monate 
Lebensmittel,  mid  jeden  Tag  konnte  eine  englische  Flotte 
zum  Entsatz  ankommen.  Freilich  würde  dies  auch  nicht 


viel  zagansten  Maltas  bagetvagea  haben,  denn  dann  väi^ 
die  IukI  nur  um  ränige  Jahre  fr&her  in  »fßiBchen  Bcsvi 
gelangt! 

ADerdingB  hatte  sich  im  SchoBe  des  Ordens  vieles  gtjjt- 
dert,  I>urch  den  Fall  des  Königin  ms  in  Frankreich  und  in-  i 
folge  der  Kriege  in  Italien  waren  die  Einkünfte  der  Rttttr 
stark  znraokgegangen.  Aber  noch  Bohlimmer  stand  es  mit 
den  innren  Verhältnissen.  Die  Ordensritter  waren  schlaf: 
geworden  und  zogen  ein  ruhiges  Leben  dem  unsichertT. 
Kriegsdienste  vor.  In  Sachen  des  Glaubens  war  man  aud 
doldsamer  denn  je.  Aus  politischen  Gründen  hatte  die  grie- 
ohisoh-katholisohe  Kaiserin  Katharina  II.  den  Orden  b^üii- 
atigt,  und  ihr  Sohn  Paul  Heß  sich  sogM  xam  Beechützer  des 
Malteserordens  ernennen! 

Unter  den  322  Rittern,  aus  denen  der  Orden  im  Jahn 
179S  bestand,  befanden  sich  mehr  als  200  Franzosen,  die 
Hith  größtenteils  nach  ihrem  Vaterlande  sehnten,  das  heißt, 
die  eine  Bunitz-er^Tfifunt;  (äer  Insel  durch  ilire  Landsleutf 
nicht  ungern  gcsoheii  hätten.  Es  fehlte  (Jeshalli  nicht  nu  Leu- 
ten auf  Malta,  die  liercit  waren,  Bonaparte  die  Wege  zu  eb- 
nen. Später  iTianf;c!te  e«  dalier  nicht  an  zahllosen  Anklatif: 
gegen  diesen  oder  jenen  Onh'iiriritter.  Sicher  waren  die  K'v- 
ter  Bosredfjn-üanHijat,  Friaari,  Souza,  Fay,  Prdville,  Breu- 
vart.  '1  niisard,  ferner  Dolonüeu  und  Amati  und  andere  von 
Poussielgue  in  die  Absichten  der  französischen  Regierung 
eingeweiht  worden. 

Die  gnißtc  Stadt  auf  Malta.  La  Valetta,  besteht  eigentht  !^ 
aus  fünf  kleineren  Stadien  und  wurde  zu  jener  Zeit  als  di- 
wi(■h^ig.^[e  Scefer-Iung  nach  Gihraltar  aiigeselien.  Der  Au- 
hVwk  der  Sfafit  und  des  Hafens  war  außcrordcnthch  schön. 
Die  Hauüer  wann  ganz  aus  Stein  gebaut  und  meist  mit  eini- 
gen Jialkonen  versehen.  An  Stelle  einer  Wasserleitung  besaß 
jedes  Haus  eine  Zisterne,  die  das  Wasser  immer  sehr  frisch 
hielt.  Vier  Hauptzisternen  wurden  durch  eine  re&ebe 

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Quelle  ge^ipei.st  und  versoi^^n  die  Behälter  der  einzelnen 

Hiiiiaer  mit  Wasser. 

Die  Straßen  waren  sehr  regelmäßig  angelegt  und  an  bt-i- 
<äen  Seiten  mit  sehön  gepflasterten  Fußsteigen  verachen.  Da 
<ias  Gelände  sehr  gebirgig  war,  mußte  man  beständig  auf- 
und  absteigen. 

Die  Bevölkerung  sprach  ein  schleclites  Italienis:;h  und  ein 
schlechtes  Arabisch.  Auf  den  drei  Inseln  Malta,  Gozo  und 
Coniino  wohnten  Ende  de.i  18,  Jahrhunderts  ungefähr  80000 
Kinwohner,  die  keine  große  Seigimg  für  die  Franzosen 
hatten,  Getreide  und  Wein  wurden  auf  der  Insel  wenig 
gebaut,  tiagegen  viel  Orangen,  Zitronen,  Feigen,  Baumwolle 
und  Granatäpfel ;  ferner  führte  man  Soda,  Bausteine,  Honig 
und  andere  Erzeugnisse  des  Landes  aus. 

Die  Natur  hatte,  wie  in  Gibraltar,  viel  düzu  beigetragen, 
aus  La  Valetta  eine  nahezu  uneinneiiriil>;ivo  Frstinig  zu  ma- 
chen. Die  meisten  Befestigungen  waren  in  die  Felsen  einge- 
hiiuen,  von  wo  aus  man  leicht  eine  feindliche  Flotte  beachies- 
sen  konnte.  Als  Bonaparte  später  den  Fuß  ans  Land  setzte 
und  die  Kunst  und  den  Fleiß  derer  bewTinderte,  die  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  eine  Batterie  nach  der  andern  angelegt 
hatten,  sagte  Caffarelli  heiter  zum  Obergeneral:  „Es  ist  ein 
Glüek,  daß  wenigstens  jemand  da  war,  um  uns  die  Tore  zu 

Nach  dem  Bericht  Pousaielguea  wird  die  streitbare  Mann- 
schaft Jfaltas  auf  2200  Mann  und  etwa  10000  Milizen  ange- 
geben, doch  in  Wirklichkeit  waren  es  nur  1500  Maim,  und 
auf  dieMilizen  konnte  man  gar  nicht  zählen.  Außere! ein  hatte 
man  auch  nur  geringe  Anstalten  zur  Verteidigung  getroffen. 
Es  hätten  wohl  kaum  15  000  !Mann  genügt,  um  die  ausge- 
dehnten Befestigungen  der  ganzenlnsel  gegen  einezalilreiche 
Flotte  zu  verteidigen.  Die  Zahl  der  Geschütze  allein  betrug 
910,  Bo  daß  KU  ifaiär  Bedienung  wenigstens  4000  Mann  nötig 
gewesen  w&m.  Eine  HandvoU  entsohlosaener  Männer  hätte 


SOS 


jedöoli  genügt,  um  die  Stadt  La  Valetta  wenigstens  bis  m 
Ankunft  der  englischen  Flotte  zu  verteidigen ! 

Die  letzten  Vorscliriften  zur  Besetzung  der  Inseln  Halts 
und  (4oKi)  wteiHfi  l5ojiapart<^  am  Abend  des  9.  JunL  Ac 
niieliaten  Tage  sollten  sie  zur  Ausführung  gelangen.  Gleicii- 
zeitig  erging  am  10.  Juni  ein  Schreiben  des  französischn 
Konsuls  Caruson,  der  sich  noch  an  Bord  des  „Orient"  be- 
fand, an  den  Freiherm  von  Hompesch.  Der  Konsul  kam  auf 
die  Venveigerung  des  (Jroßmeiatera,  nicht  mehr  als  vier 
Schiffe  gleichzeitig  m  den  Hafen  von  La  Valetta  einlaufrr. 
zu  lassen,  zurück  und  ließ  erkennen,  daß  es  das  best, 
sei,  ein  Abkommen  zu  treffen,  da  ßonapart«  entschkii- ■ 
sei,  sein  Recht  durch  Gewalt  zu  erlangen.  Dieser  Brief  k ; 
erat  am  nächsten  Morgen  früh  6  Uhr  in  den  Besitz 
Großmeisters. 

Inzwischen  erfolgte  die  Landung  der  Truppen  am  10.  J  am  ■■ 
auoh  der  nächste  vereng  noch  mit  der  Äussoliiffimg  der 
Halbbrigaden.  Bonapartie  war  mit  der  DiTision  Vaabcäs  is 
Bogleitung  CaffaieUis  und  seines  GeneralBtiabs  Bin  IOl  am 
Land  gegangen,  am  Abend  aber  wieder  an  Bord  des  „Oneot'' 
zurückgekehrt.  Hier  empBng  er  in  der  Nacht  ein  Sohrabai 
des  Konsuls  der  Batavisohen  Bepublik,  Fr6mauz,  d^  im 
ISTamen  des  Großmeisters  um  Einstellung  der  SVindaeli^ei- 
ten  bat.  Infolgedessen  sandte  der  Obergoieral  am  näohst» 
Moi^^  seinen  Adjutanten  JunotmitYoUmaahten  ans  Lud. 
-um  einen  WaffenstUlstand  abznacUieBen.  Jn  Junots  Be^ 
tung  befanden  sich  PouBsielgne  'und  Ast  ehemidige  Ordens- 
ritter Dolomieu,  der  den  Orden  v^en  ranes  Duells  hatte 
Tei-lasBen  müssen. 

•    Die  Abgesandten  des  Obergenerala  kämm  am  II.  Juni 
mittags  1  Uhr  beim  Gro&meist^  ui.  Jnnöi  trug  ihm 
Wünsche  Bonapartes  vor.  Der  Bat  wurde  sogleich  zosud- 
menberufen,  und  in  küräester  Zeit  kam  ein  WaEfenstälBtaiid 
auf  24  Stunden  zustande.  .Innerhalb  dieser  Zeit  maßte  da 

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l''roih(!rr  von  llompesoli  AbgowdneU'  uuf  den  „Orient"  aen- 
clon,  Ulli  eine  Ubcrgübc  zu  vereinbaren. 

Um  6  Ulir  bcgahon  sicih  Junot,  Poussielgue  und  Dolomieu 
mit  der  Abordnung  des  Großmeisters  an  Bord  des  Admirals- 
schiffes. Dort  kamen  de  erat  gegen  Mitternacht  an,  da  de 
"wegen  der  fdudseligeii  Haltung  der  Malteser  einen  großen 
TJmw^  hatten  machen  müssen.  Die  Gesandtschaft  des  Or- 
dens hestand  ans  den  Rittern  und  Malteser  Edelleuten  Torio 
Frisari,  Bosredon-Bandjat,  Mario  Testaferrata,  Nicdo  Mna- 
cat,  Benedetto  Scembri,  Bonnano  und  dem  spaniBohen  diplo- 
matischen Vertreter  FeUpe  de  AmatL 

X)a  der  Obergeneral  und  sein  Generalstab  bereits  aohHe- 
fen,  mußte  man  de  erst  wecken.  Nachdem  Bonaparte  den 
Äbgecndneten  seine  Wünsche  aosgesproohen  hatte,  wobd 
er  sieh  meist  an  Boeredon-Bandjat  wandte,  wurde  der 
Vertrag  in  einer  halben  Stunde  entworfen  und  unter- 
zeichnet. 

Der  Orden  lieferte  die  Stadt  und  die  Forts  an  die  Franzo- 
sen ans.  Dafür  verpflichtete  dch  dicFranzSsiBoheBepublih, 
auf  dem  Kongreß  von  Bastatt  bemüht  zu  sein,  dem  Groß- 
mdster  ein  Fürstentum  in  Deutschland  auf  Lehenszeit  zu 
verschaffen.  Bis  dahin  sollte  er  jährlich  300  000  Franken, 
die  Ordensritter  aber  ein  Jahi^d  von  700  ins  1000 Franken 
erhalten.  Aus  dieser  unverhältnismÜßigen  Verteilung  sieht 
man,  daß  sich  der  Freiherr  von  Hompesch  um  die  Franzosen 
wohl  besondere  Verdienste  erworhon  Imben  muß! 

Am  12.  Juni  nahmen  die  Franzosen  l^esits-,  von  der  Stadt 
und  den  Befestigungswerkoii*).  Boiia])arte  verließ  nochmals 
den  „Orient",  um  sich  nach  La  Valetta  zu  begeben.  Hier 
hielt  er  sich  im  Palast  des  Großmeisters  auf.  In  derZwischenr 
zeit  hatten  auch  mehrere  Aufstande  unter  der  Malteser  Be- 

■)  Di.-  Niii  lirii-ht  von  diT  rinTCiilu'  ili  r  hi^el  kam  in  rariBiiro  I.  Juli  bo  und 
ivurdi' iiiiHidiiili  rnii  un'ßfr  Fn'uiii'  jiiifi;i'Tnimtiieii.  Mit  ITilfe  de»  Chappeechen 
T,'l(  );rHphi-ii  iviir.l.'  J>,irit.>is  r^E-  N,'iif(  liüi,-Bn  in  3e]i  am  nichaten  Tags  von 
(]pm  glückliclien  En-ignU  in  Ki^nntnia  gesütit. 


307 


völkerung  stattgefunden,  die  durch  französische  Wühler  aoi- 
gereizt  worden  war.  Dabei  wurden  von  der  Volksmenge 
einige  Hilter  getötet. 

Trotzdem  Bonaparte  strengstens  Schonung  der  Be- 
völkerung und  ihres  Eigentums  befohlen  hatte,  kamen 
doch  Flnnderungen  vor.  Sie  wurden  aber  hart  bestnft 
und  einige  Soldaten,  selbst  Offiziersaspiranten  der  Manne, 
erschossen. 

Die  öffentliche  Beute,  deren  sich  die  Franzosen  bemäcii- 
tigten,  war  beträchtlich.  Außer  den  910  Kanonen  und 
100  Mörsern,  womit  die  Festungswerke  verteidigt  waren, 
fand  man  noch  35  000  Gewehre,  ebensoviel  Bajonette  und 
zahlreichen  Schießbedarf.  Der  Schatz  ergab  etwa  1  200  00"j 
Franken.  Der  Gesamtwert  an  barem  Geld  und  an  Sohmack- 
sac^enktmaaufSJUMonenFrajiken  geschätzt  werden.  Aber 
nur  etwa  800000  "ffiaxOcßn  baien  Geldes  nahm  Bonaparte 
naoh  Ägypten  mit.  Außerdem  bemÄobtigten  ^h  die  Sieger 
zweier  EiiegBBchi£fe  und  vier  Gtdeoen.  Um  ^n  Muaelmaaen 
einen  Di^ut  zu  erweisen,  wurden  die  türkiBohen  Giefuige- 
nen  b^«it,  deren  Zi^  etwa  1000  Mann  hetrtxg. 

Bonaparte  traf  in  grSBter  Eile  Vorkehrui^[en,  am  die  \w 
teidigung  und  die  Verwaltung  der  drei  liisdu  zn  legehi, 
denn  die  Engländer  konnten  jeden  Tag  erscheinen. 
litärisoher  BefeUahaber  wurde  der  General  Vaubois,  Unter 
ihm  befehligte  der  General  Chanez  als  HatzkommandMiL 
Die  Besatzung  bildeten  3050  Mann  und  fünf  Kompagnirai 
Artillerie.  Die  Zivilregierung  wurde  einem  Ausschuß  von 
neun  Iifitgliedem  anvertraut*},  denen  B^naud  de  Saint* 
Jean  d'Angely  als  Be^perungskoinnüaaar  zur  Seite  stand. 
Bonaparte  gab  unter  anderem  Befehl,  eine  höhere  Lehran- 
stalt an  Stelle  der  Universitäit,  15  Schulen  und  ein  TCy^mlrftn- 

* )  Es  i*«Mn  t  Bosredon-Bsneijat,  Tincsnrio  Carusoa,  Carlo  Aatw,  FooloCiH)- 
tar,  JesB  ftanfola  Doidl,  Grongo,  Senedetto  Scembii,  Savedo  Caniaaa  mid 
CrEstotoro  f^eiido. 

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haus  anlegen  zu  lassen.  Am  15.  gab  er  den  höheren  Offizie- 
ren und  einigen  GJolehrtcn  ein  Abendesaen,  an  dem  auch  die 
>Iitglieder  der  neuen  Regierung  teilnahmen. 

Eine  .\nzahl  Ritter  und  358  Mann  des  Malteser  Regiments 
folgten  dem  Heere  nach  Ägypten.  Das  war  für  die  Franzosen 
sehr  wichtig,  denn  verschiedene  unter  den  Maltesern  spra- 


chen Arabisch.  Am  17.  Juni  verließ  der  Großmeister  die  In- 
sel, um  sich  mit  einigen  Getreuen  nach  Triest  zu  begeben*). 

An  demselben  Tage  erhielt  der  General  Baraguay  d'Hil- 
liers  Befehl,  sich  auf  der  Fregatte  „La  Sensible"  mit  den  er- 
beuteten Siegeszeichen  nach  Franltreich  zu  begeben.  Seine 

•)  Erst  am  T.  Juli  IW  ^li  Hmii;ii'Hi.'li  ^ezn'uiiytntfniialleii  oeina  Eiitlaiuung 
als  GroDiucistcr  des  MaltnH'runleiiH.  Dit  von  der  französisclieii  ßegionuig  ver- 
sprodieaen  Jalirgelder  wurden  n  tdiT  iliiii  noch  den  Ritlom  auEgeiolüt,  und 
der  elieiDolige  OroßmeiHler  Htarb  vrrliiKatii  mid  iin  Elend  im  Jahre  180S  in 
Montpellier. 


Genoml  nnroguay  d'Hil 


309 


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Dividon  trat  er  an  den  Oenoral  Mciiou  ab,  Da  die  Gesimd- 
heit  Baraguays  st-lir  Hclikclit  war  —  böse  Zungen  behaup- 
teten, erhabezugroßeSehnBuc]it  iiach si'iiif  i  Frau  peliabt — . 
wurde  er  mit  der  Sendung  beauftragt,  dcnii  einen  so 
tüchtigen  Offizier  ^vürde  Bonaparte  niciit  ohne  wichtigen 
Grund  nacli  Paris  gesandt  haben.  Die  Fregatte  kam  aber 
nicht  in  Toiilon  an,  sondern  fiel  unterwegs  in  die  Hände  der 
englischen  Fregatte  „The  Sea  Horse". 

Endlich  sandte  Bonaparte,  noch  ehe  er  abreiste,  aml5.Joiii 
die  „Santa  Jlariiia"  mit  Depeschen  naeh  Korf  u  an  den  Ger*©- 
ral  Chabot,  Dieser  befehligte  die  Division  in  der  Levante: 
Am  17.  ging  die  Fregatte  „ArtcniiBo"  mit  dem  Adjutanten 
Lavaiotlc  an  Ali,  Pascha  von  Janina,  ab,  um  ihm  die  Erobe- 
rung Maltas  und  die  Befreiung  der  türkischen  Gefangenei; 
mitzuteilen.  Dadurch  gedachte  Eonaparte  sich  den  mäcii- 
tigen  Pascha  zum  Freunde  zu  machen. 

Nachdem  die  Angelegciilieitcn  in  Slaita  geordnet  worden 
waren,  ergingen  die  Befehle  zur  Einschiffung,  Am  18,  Juli 
verließen  die  verschiedenen  I-Criegsacliiffe  und  Transport- 
fahrzeuge den  Hafen  vonLaValetta,  am  nächsten  Tage  fand 
die  Vereinigung  mit  den  übrigen  auf  Malta  und  der  Nach- 
barinsel  Gozo  gelandeten  Truppen  statt,  und  nun  ging  es 
auf  Alexandria  zu. 

Werfen  wir  jetzt  einen  Blick  auf  das  Leben  und  Treiben 
an  Bord  der  „Armada"! 

,  Jjsseen  Sie  mir  ein  gutee  Bett  Torbereiten,  wie  für  einen 
Mann,  der  während  der  ganzen  Zeit  der  ihierfahrt  krank 
sein  wird",  hatte  Bonaparte  am  17.  AprH  tot  seiner  Abrcöae 
von  Pads  aus  an  den  Ädmiml  Brueys  ^Bohrieben.  Und  in 
der  Tat,  Bonaparte  sollte  während  der  langen  Faiurt  nicht 
■von  der'  Seekrankheit  verschont  bleiben,  denn  er  brachte 
die  größte  Zeit  auf  seinem  Bett  liegend  zu.  Um  so  erstaun- 
licher ist  es,  daß  er  trotzdem  in  der  Lage  war,  an  Bord  seines 

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Schiffes  (lifi  uiiifassendatcn  Befehle  zu  erteilen  und  selbst  die 
geringsU'ii  Einzelheiten  nicht  auüer  acht  zu  laaaen!  Selten 
erhob  or  sich  vor  10  L'lir  morgens.  Wenn  er  in  seiner  Kajüte 
\var,  muÜte  ihm  Bourrionne  vorlesen.  Siclierlicli  beschäftig- 
ten ihn  in  diesen  Tagen  besonders  die  Reisebeschreibungcn 
von  Agj'ptfin,  (he  lieriehte  der  versciiiedenen  Agenten  über 
das  Pharaonenland  und  die  J^-ktüre  des  Koran. 

Am  ersten  Tage  speisten  die  meisten  höheren  Offiziere 
und  einige  Gelehrte  und  Hchriftsteller  an  seinein  Tische.  Vom 
nächsten  Tage  an  jedoch  wurde  es  anders.  Er  ließ  die  Tafel 
in  seiner  Kajüte  herrichten.  Nur  Berthier.Brueya  und  einige 
Bevorzugte  waren  seine  regelmäßigen  Tischgäste.  Dagegen 
ließ  er  diejenigeo,  die  er  besonders  auszeichnen  wollte,  be- 
sonders bitten,  an  seiner  Tafel  zu  essen. 


Bonaparte  Hebte  sehr  7,u  plaudern,  aber  auch  die  Ansich- 
ten anderer  kennen  zu  lernen.  Wie  wenige  verwtand  er,  sein 
Wissen  durch  die  U  uteri  ml  tuiig  luit  Fachleuten  zu  berei- 
chem. Nach  dem  Essen  ging  man  gewöhnlich  auf  das  Deck 
hinauf.  Dort  bezeichnete  er  einen  Gegenstand  zur  Erörte- 
rung. Einige  mußten  den  zu  behandelnden  Gegenstand  ver- 
teidigen, andere  angreifen.  Sehr  oft  beteiligte  er  sich  selbst  an 
der  Unterhaltung,  imd  jeder,  der  ihn  sprechen  hörte,  mußte 
seinen  großen  Soharfainn  bewundem.  Seine  Beobachtungen 
und  Schlüsse  waren  nicht  immer  richtig,  doch  trugen  sie  das 
Gepräge  großer  Eigenartigkeit.  Itmner  und  immer  stellte 
er  neue  Grundsätze  aus  den  verschiedensten  Gebieten  dra 
Wiesens  auf  und  verfocht  üe  mit  großer  Hartnäckigkeit. 

Das  eine  Mal  sprach  man  über  Strategie  und  Taktäk,  ein 
anderes  Med  über  Literatur,  über  die  verschiedenea 


311 


rungsformon,  ob  die  Planeten  bewohnt  seien,  über  das 
Alter  der  Erde  und  dergieichen.  Am  liebsten  stellte  er  Fra- 
gen über  Religion,  ClieniiL'  urui  .Mathematik.  Sehr  viel  Ge- 
fallen fand  der  Obergcru-ral  an  der  Unterhaltung  mit  Caffa- 
reili,  sowie  mit  Monge  und  Bcrthollet,  den  bedeutendsten 
Gelehrten  der  wissenschaftlichen  Kommission,  Monge  be- 
fand sicli  aber  auf  dem  Transport,  der  von  Civita  Veechifl 
unterwegs  war,  und  bestieg  erat  kurz  vor  Malta  das  Admi- 
ralsschiff. Als  man  Malta  verließ,  kehrte  er  wieder  auf  seine 
Fregatte  „La  Courageuse"  zurück. 

Natürlicli  sprach  man  auch  über  Politik  und  über  den 
Niedergang  des  türkischen  Reiches,  Auch  wird  Ägypten  oh 
Gegenstand  der  Unterhaltung  gewesen  sein,  denn  auf  den. 
„Orient"  werden  die  meisten  Leut«  das  Ziel  der  Expedition 
gekannt  haben. 

So  sehr  wie  möglich  suchte  Bonaparte  sich  bei  Brueya. 
den  er  sehr  schätzte,  zu  unterrichten.  Aber  niemals  griff  er 
in  dessen  Rechte  ein,  soweit  es  sich  um  Befehle  handelte, 
die  die  Flotte  unmittelbar  angingen.  Einmal  fragte  er  den 
Admiral,  waB  im  Falle  eines  Angriffes  der  englischen  notte 
geschehen  würde.  Brueys  antwortete,  gewiß  zum  großen 
Kummer  der  Landoffiziere  und  Gelehrten,  daß  er  zuerst 
Befehl  geben  würde,  das  Gepäck  über  Bord  zu  werfen! 

Eonaparto  hatte  damals  noch  nicht  die  große  Vorliebe 
für  klassische  Musik  wie  in  späteren  Jahren,  Öfters  ließ  er 
aber  von  dem  Musikkorps  seiner  Guiden  Stücke  aus  Opern 
oder  einen  gewissen  Tartaren  marsch  Spielen,  den  er  sehr 
liebte. 

Offiziere,  Gelehrte,  sowie  Soldaten  lai^weiltfln  sich  sehr 
auf  den  Schiffen,  wo  sie  oft  wie  Heringe  znsammei^edrSagt, 
waren.  Natärlioh  liebten  die  Offiziere  die  Gekehrten  wxiA, 
diesietief  unter  aichstehendbetrachteten,  Bonaparte  aber  be- 
schützte sie,  wo  er  nur  konnte,  und  mancher  Offizier  Itaträoea 
Denkzettel  erhalten,  weil  er  ihnen  die  Achtung  veis^tn 

312 


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AUerdings  kamen  ernste  Zusammenstoße  nur  selten  vor ;  und 
als  man  später  erkannte,  welchen  Nutzen  die  Gelehrten  ge- 
währten, wurden  aio  die  besten  Freunde  der  Soldaten. 

Bonaparte  hatte  vor  seiner  Abreise  eine  Bibliothek  zu- 
sammenstellen laSBen.  die  den  Händen  Arnaults  ak  Biblio- 


Obergenenil  BonaiHirtn. 


thekar  anvertraut  war  und  manchem  eine  angenehme  Stunde 
gewährte.  Einst  wollte  der  Obergeneral  wissen,  was  dieser 
oder  jener  zu  seiner  Lektüre  ausgesucht  hätte. 

„Was  haben  Sie  da,  Bessieres?"  wandte  er  sich  an  den 
ersten. 

„Einen  Roman!" 

„Und  du,  Eugen!" 

„Einen  Roman!" 


313 


„Und  yie,  Bourrienne?" 
„Einen  Roman!" 

Also  alles  Jtomaiic!  Umirrieiine  liaffe  „Paul  et  Virginie" 
in  den  Händen,  einca  der  golescnstcn  Büuher  jener  Zeit,  Du- 
roc  las  aueh  einen  Roman,  Berliner,  der  an  Frau  von  Vis- 
conti dachte,  natürlich  auch.  Er  hatte  sich  die  Lieblingslek- 
türe des  Oborgenerals,  Goethes  W'erther,  ausgesucht.  Er 
schien  jedoch  Bonapartes  Ccaciiiuack  nicht  zu  teilen,  denn 
er  Wiir  heim  T-c-^eii  eingeschlafen! 

\'in  dir  Zeil  y.u  tiiton,  griff  man  auch  zu  den  Karten.  Be- 
sonders hei  den  gemeinen  Koldaten  und  Matrosen  war  das 
Spiel  sehr  beliebt,  Deiion  veraicliert,  daß  viele  Soldaten  nicht 
allein  all  ihr  (leid,  ihre  Rationen,  sondern  auch  ihre 
Uhren  verspielt  hätten.  Manche,  besonders  vom  Glück  be- 
günstigte Soldaten  besaßen  deren  eine  ganze  Anzalü.  Die 
Ungewißheit  des  Zieles,  das  Unbeschäftigtsein,  die  Laugi=- 
weile  legten  schon  auf  der  Fahrt  den  Keim  zur  Unzufrieden- 
heit im  Heere,  die  gewiß  zu  Meutereien  ausgeartet  wäre, 
hätten  die  Soldaten  von  den  Enttäuschungen  undLeiden,  die 
ihnen  bevorstehen  sollten,  nur  die  geringste  Ahnung  gehabt  1 

Gab  es  Sänger  und  Musiker  auf  dem  Schiff,  dann  verteieb 
man  sich  die  Zeit  mit  Musik.  Am  beliebtesten  aber  waren 
Theaterstücke,  natürlich  eigener  Erfindung.  Fast  immer  war 
eine  ■weiße  Sklavin  die  Hauptperson,  die  von  einem  franzö- 
sischen Soldaten  aus  dem  Harem  befreit  wurde,  nachdem 
ihr  Geliebter  und  ein  halbes  Dutzend  Eunuchen  von  der 
Hand  des  Befreiers  getötet  worden  war!  Oder  irgendein  er- 
grauter Scemaim  erzählte  von  den  Heldentaten,  die  man 
unter  den  Admiralen  Estaing  und  Suffren  wtUirend  des  Kiie- 
gra  mit  England  unter  der  Begierung  Ludwig?  XVL  vdl- 
bracht  hatte. 

Diese  Meinen  Vereinigungen  von  Gelehrten,  KünsÜflin, 
Staatsmännern  und  Offizieren  liebte  Bonapwte  ,  Jnstitiit" 
zu  nennen.  Wenn  die  Witterung  es  nicht  geetattete,  anf  Seck 

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zu  bleiben,  veraammelte  man  Bich  in  dem  großen  Sitzungs- 
saal des  „Orient".  Die  Spreolienden  nahmen  um  den  Tisch 
Platz,  während  die  anderen  sich  auf  dem  Di  van  niederließen. 
Tätige  Mitglieder  dieses  Institute  waren  der  Oberarzt  Des- 
genettea,  der  Oberwundarat  Larrey,  der  General  Caffarelli 


Srhriftütullcr  AnmulL 


du  Falga,  Eegnaud  de  Saint-Jean  d'Angely,  Arnault  und 
der  Dolmetacli  Venture.  Regnaud  de  Saint-Jean  d'Angely 
und  Arnault  blieben  aber  auf  Malta  zurück. 

Bonaparto  hatte  es  gern,  wenn  seine  Adjutanten  auch  da- 
bei waren,  obgleich  diese  sich  viel  lieber  in  schönem  Frauen- 
kreise befunden  hätten.  Aber  leider  war  der  „Orient"  eine 
große  Stadt  ohne  Frauen!  Sie  mußten  deshalb  mit  den  ge- 


315 


lehrten  Unterhaltungen  vorliebnehmen,  von  denen,  sie  oft 
wenig  verstanden,  denn  sie  waren  vielfach  aus  dem  Volk» 

Sie  si]i;liteii  sich  ilulifr  so  seiir  wie  möglich  auf  ihre  Weise 
zu  belustigen.  Eines  Tages,  ea  war  bei  der  Eröffnung  des 
„Inatitutfi"  durch  Bonaparte,  fragte  Junot:  General,  war- 
um ist  LanncH  -  ■  dessen  Namen  er  wie  l'äne  auKspracli  - 
nicht  beim  Institut?  Müßte  er  nicht  wegen  seines  Xameri- 
zugelaesen  werden?''  Lnnnes  rächte  sich  natürlich.  Jui^r 
hatte  die  Unterhaltung  der  Gelehrten  so  interessant  gefuü- 
den,  daß  er  eingeschlafen  war,  und  zwar  geschah  dies  nieiit 
ohne  Geräusch.  „Wer  schnarcht  hier?"  rief  der  General. 
„Das  ist  Junot",  antwortete  sofort  I^nnes,  froh,  so  schiirü 
die  Gelegenlieit  gefunden  zu  haben,  sich  entschädigen  zu 
können.  „Wecken  Sie  ihn!"  rief  Bonapart«.  Es  gesehaii. 
Aber  einen  Augenblick  später  schnarchte  Junot  noch  rk-'. 
mehr  als  vorher.  Der  Obcrgeneral  wandte  sich  nun  sellv: 
an  seinen  Adjutanten,  den  er  sehr  gern  hatte,  „W^aa  h!i>i 
du  denn,  daß  du  so  schnarchst?"  fuhr  er  ihn  an.  „General, 
da  ist  nur  Ihr  verwünschte«  Institut  daran  schuld,  das  alle 
Welt,  Sie  ausgennninien,  einschläfert",  versetzte  der  schlag- 
fertige Junot.  „Gell  in  dein  Bett  schlafen",  war  der  Bescheid. 
Daa  war  der  Befehl,  den  Junot  erwünschte.  Er  ging  hin- 
unter und  betrachtete  ihn  aaoh  als  für  die  übrigea  Tage 
gültig. 

Die  Fahrt  von  Malta  bis  nach  Alezandiia  verlief  ebenso 
wie  bisher  ohne  jeden  Zwisohenlall,  wenn  man  tan  Zusam- 
menstoßen einiger  Schiffe,  was  sich  öfters,  ereignete,  nicht 
rechnet.  Es  ist  erstaunlich,  daß  eine  so  große  Motte,  die  dne 
ungeheure  Anzahl  Menschen  und  Ihwisportniittel  an  Bord 
trug,  ohne  jeglichen  Unfall  bis  an  das  ferne  Sei  gel&i^i;te. 
Keine  Meuterei,  keine  Zwistigkeiten  zwischen  den  Ofßzieren 
und  Soldaten  von  der  ehemaligen  Italienischen  oder  Rhein- 

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Dlgiiized  Cgoglc 


nrniee  v-  ird  von  den  Zeitgenossen  berichtet.  Offenbar  trug 
das  große  Ansehen  des  Oberbofelilsliabcrs  und  der  Glaube 
an  seinen  Stern  außerordi'nilicii  div/.n  hei,  daß  die  Manns- 
zucht auf  der  Flotte  aufrcoliicthuhcn  wurde.  Olücklichor- 
weisefand  auchkeinStiirm  wühremi  der  Fahrt  statt,  der  dem 
0«schwader  sehr  verderblicli  liiitte  werden  können. 

Am  20.  Juni  traf  die  fianzüsisi-ln'  l^'i-c^atte  „La  Coura- 
geuse",  die  erst  am  Jlorgen  den  Halen  \  ün  La  Valetta  ver- 
lassen hatte,  eine  andere  von  einer  Kreuzerfahrt  zurückkeh- 
rende Fregatte  „La  Justice",  kurz  nach  der  Ausfahrt  aiifl 
<lem  Hafen.  Dieses  Hchiff  wollte  eine  englische  Flotte  von 
14Sege]n  gesehen  haben,  die  nach  Osten  zu  steuerte.  An  wel- 
chem Tag  dies  geachehen  war,  ist  aus  den  Quellen  nicht  ge- 
nau zu  ersehen.  Sulkowski  sagt  in  seinem  Tagebuclie,  es  sei 
-iLm  19.  Juni  gewesen.  An  diesem  Tage  befand  sieh  Nelson 
allerdings  zwischen  Keapel  und  Reggio.  Der  kritischste  Au- 
genblick für  Bonapartc  und  seine  Flotte  waren  ctie  Tage 
vom  21 .  bis  zum  25.  Juni,  denn  walirend  dieser  Zeit  befanden 
sich  die  feindliehen  Flotten  manchmal  weniger  als  eine  Ta- 
gesreise  voneinander  entfernt.  Und  dalJ  Nelson  seinen  Geg- 
ner nicht  sah,  daran  war  nur  das  Fehlen  seiner  Fregatten 
oder  seiner  Korvett«  schuld. 

Wenige  Tage  naeh  der  Abfahrt  von  Malta  gab  Bonaparte 
einige  wichtige  Befehle  für  die  Landung  und  naiim  eine  Neu- 
ordimng  seines  Heeres  vor.  Auf  Grund  der  Tagcsbcfelile  vom 
23.  und  vom  30.  Juni  erhielt  es  folgende  Neuteilung; 

Division  Kleber  (Brigadcgcncrale  Damas*)  und  Verdier). 

Division  Desaix  (Brigade generale  Belliard  und  Friant). 

Division  Bon  (Brigadegenerale  Mannont**)und  Rampen). 

DivMon  lUenou  (Brigadegenerale  Veaux  und  Viol). 

■)  Mnoh  rinem  ZuMti  vom  27.  Juni  za  dieaam  TagMbefebl  wurde  Qeneral 
Damaa  dureh  Oeneral  Verdkr  und  diemr  durcb  aeneral  I>aiiii£a  ersetst.  Da- 
mM  blieb  aber  noch  bei  der  Division  Kleber  Eur  freien  Verfllgniig. 
**]  Hamont  war  erst  nnf  Ualtii  fOi  seine  Verdinute  bei  der  Landnng  taia 
BrisHdesenaTHl  befitidert;  -wotd«. 


317 


Division  Reynier  (Brifradcgcncra!  Fugicrc). 
Die  Sondertruppen  wurden  von  folgenden  Generalen  be- 
fehligt: 

Reiterei;  General  Dumas  (unter  ihm  die  Brigad^enetale 
Ledere,  Mireur,  Murat  und  Davout). 

Inspektor  der  Reiterei :  Dugua. 

Munitionsparlc:  Brigadegeneral  Songis. 

Geniekorps:  Brigadegeneral  Oaffarelli. 

liriickrnkorpsi:  Brigadegeneral  Andröosfly. 

Die  Generale  Lannes*),  Dumuy  und  Zaionczek  standen 
dem  Hauptquartier  zur  freien  Verfügung. 

Suoy  v&r  Oberzahlungsanweiser. 

Jetzt  TTOT  oDes  borsit,  nm  die  Eroberung  Ägyptens  zu  be- 
ginnen, TOtansgesetzt,  daß  niclit  die  Engländer  erschienen 
und  eich  einer  Landung  vidersetzten.  Um  die  Soldaten  zu 
begeistern,  eiüeß  Bonaparte  eine  Proklamation  in  jenem 
glänzenden  Stile,  die  selten  ihre  Wirkmig  auf  süne  Soldaten 
verfehlt  hatte!  Obgleich  sie  bereits  am  22.  abgefaßt  worden 
war,  vuide  sie  doch  erst  am  2&.  bekannt  gemacht.  Sie 
lautete: 

„Soldaten  1 

Ihr  werdet  eine  Eroberung  untemehmeiL,  deren  Einfiiiß 
auf  die  Zivilisation  und  den  l^uided  äer  Welt  unberechen- 
bar ist. 

Ihr  werdet  England  den  sichersten  und  emp&idsanurtien 
Schlag  versetzen,  den  es  je  erhalten  hat,  bis  ihr  ihm  endlich 
den  Todesstoß  gebt. 

Wir  müssen  einige  anstrengende  Itlärsche  machen,  einige 
Sohlachten  Kefern,  aber  alle  unsere  Unternehmungen  wer- 
den von  Erfolg  gekrönt  sein,  denn  das  Geschick  ist  ans 
günstig! 

Ein  paar  Tage  nach  unserer  Ankunft  wird  es  keine  Sbune- 
luckenbeis  mehr  geben,  die  ausschließlich  den  engliai^en 

*)  Veigl.  die  eiBta  Anmorkung  auf  der  vorhergehenden  BriM. 

318 


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Handel  begünnligt'ii,  die  ferner  unsere  Kaiifleiit-e  niißhmi- 
clcln  und  die  unglückliclicn  Bc\^■ollncr  des  Nillandes  knecli- 

Die  Vän-A'v,  mit  ih-UQU  wir  icix-n,  sind  :\rali.immedaner.  Ihr 
erster  (üaidienfiarlilicl  lipilJt:  (iol.b  ist  Güll,  und  Mohammed 
ist  sein  Prophet! 

Widersprecht  ihnen  nicht.  Handelt  gegen  sie,  wie  wir  es 
gegen  die  Juden,  gegen  die  Italiener  getan  haben.  Seit  rück- 
sichtsvoll gegen  die  Muftis  und  ihre  Imana,  wie  ihr  es  gegen 
die  Rabbiner  und  Bischöfe  gewcaen  seid. 

Die  römisclion  Legionen  beschützten  alle  Religionen.  Ihr 
werdet  hier  Bräuche  finden,  die  von  den  eurnpiÜHelien  seiir 
verscliiederi  .-iiiul.  aber  ilir  müßt  eueh  daran  gewülinen. 

Die  ^'ülker,  die  wir  aufsuchen,  behandeln  die  Frauen  an- 
ders als  wir;  aber  in  jedem  Lande  ist  derjenige,  der  ihnen 
Gewalt  antut,  ein  Suliousall 

Das  PlÜTidern*)  bereichert  nur  eine  kleine  Anzahl  von 
Holdatcn ;  es  entehrt  uns,  zerstört  unsere  HiUaquellen,  macht 
luis  die  Völker  zu  Feinden,  die  wir  uns  in  unserem  eigenen 
Interesse  zu  Freunden  machen  müßten. 

Die  ov^lc  Stadt,  rier  wir  begegrf n,  ist  von  -"Uexander  dem 
(Jroßon  ci'liaut  ivuidcii.  Hei  jwlrui  .Siliritt  werden  wir  auf 
Erinnerungen  stoßen,  die  würdig  sind,  bei  den  Franzosen 
Nachahmung  zu  finden! 

■)  Bm  tnwindBrer  Befehl  vom  Sl-  Juni,  der  tbta  ansb  ant  am  2B.  vei^tfent- 
Itttht  wurde,  Idiadigte  den  FltmdeiBm  l\ideutrafa  an  und  Kgdte  dte  Ewanga- 
weiae  Bettraibang  von  Lebens-  und  Dnterhaltamitteln. 


31» 


DREIZEHNTES  KAPITEL 
AGYPTETT 
Land  und  Leute 

Das  Ägypten  zur  Zeit  der  französischen  Eroberung  er- 
streckt« sieh  vom  Niltal  bis  zu  den  ersten  WasserfäUec 
bei  Aseuan  (Syene).  Das  ganze  Kulturland  beataad  eigent- 
lich nur  aus  einem  langen  von  Norden  nach  Süden  gehenden 
Streifen  auf  beiden  Seiten  des  Nils,  der  im  südlichen  Teile 
selten  mehr  als  10  Kilometer,  im  Norden  hingegen,  abge- 
sehen vom  Delta,  kaum  mehr  als  30  Kilometer  breit  -war. 
Das  Land  zerfiel  in  Ober-  und  Unterägypten.  Oberägyp- 
ten breitet«  sich  y<m  Assuan  bis  nach  Kairo,  Niederä^ypten 
von  Kairo  bia  zum  Delta  aus.  Den  veitaus  viclitigra«n  Teil 
bildete  die  IToidhüUte,  die,  weim  sie  ranmal  in  den  Besitz 
einer  fremden  Macht  gelangt  irar,  bald  auch  die  Herrschaft 
über  Oberäg^ten  nach  sich  zidien  muBte, 

Das  ganze  lieben,  die  ganze  Kultur  iat  eng  mit  dem  Wi, 
dem  einzigen  Muß  und  Wohltäter  des  Landeä,  Tei^npft 
Der  übrige,  nicht  vom  Nil  durcbfloeaene  Teil  ist  waaserarm, 
folglich  unfruchtbar.  Er  besteht  meist  nur  aas  Wüsten- 
land,  daa  «^i^ch  hier  und  da  eine  Oase  aufweist.  Der 
Nil  tritt  bei  ^uui  in  Ägypten  ein.  Sei  Denit  zwögt  sch 
der  Joeephskaual  ab  und  folgt  dem  Strom  auf  dem  west- 
lichen Ufer  in  grainger  Entfernung  bis  zamFajum,  südwest- 
lich von  Kairo,  daa  er  in  zaldreichen  kleinen  Flußarm^ 
durchzieht  und  befruchtet.  NÖnUich  von  Kairo  ^udtet  dch 

320 


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DIgiiized  tu  Cgoglc 


der  Ifil  in  dns  KOgenunnte  .Delta,  das  fruchtbarste  Gebiet  dt- 
liandes.  Es  ist  infolge  der  fortwährend en  Schlammabiagi'- 
ningen  eigentlieh  als  eine  Schöpfung  des  mächtigen  Flusse- 
zu  betrachten. 

Alljährlich  im  Sommer  verläßt  der  Ml  sein  Bett  und  hf- 
friK^htet  das  Tinilipfjondc  Land  durch  seinen  Schlamm.  Wn: 
der  Strom  wasserreich,  chmn  konnte  man  eine  günwtifr*'  (kI-i 
reiche  Grate  erwarten;  enthielt  er  nur  wenig  \Vaijser.  dtU- 
nur  einige  unbeträchtliche  Gebiete  überflutete,  dann  konnic- 
man  mit  einer  schlechten  EIrnte  rechnen.  Der  Nil  wurde  da- 
her von  alters  her  wie  eine  Gottheit  verehrt,  da  von  ihm  da- 
Wohl  oder  Wehe  des  I-andes,  Gedeihen  oder  Mißwach."^  dir 
Ernte  abhing. 

Gegen  Ende  Juni  beginnt  das  AnBchwellen  des  Stromr- 
bei  Assuan;  einige  Wochen  später  verläßt  er  auch  bei  Kair;- 
sein  Bett.  Im  Oktober  haben  die  Wassermassen  ihren  höch- 
sten Stand  erreicht.  Die  Abnahme  des  Wassers  geht  aber 
so  langsam  von  statten,  daß  der  Fluß  nur  eine  ganz  geringe 
Zeit  des  Jahres  seinen  geringsten  Wasserstand  behält. 

Ägypten  besitzt  keine  größeren  Süßwasserseen.  Die  Seen 
des  Delta  und  des  Birket-el-Kerun  nordwestlioh  vom  iFajnin 
sind  salzig,  die  auf  der  I^andenge  von  Suez  bitter  und  die- 
jenigen  von  Alexandria  natronhaltig. 

Der  nahe  der  Küste,  südöstlich  von  Alexandria  gelegene 
Birket  Mariut  bildete  sich  erst  wieder,  als  die  Engländer  im 
Jahre  1801  bei  der  Belagerung  von  Alexandria  die  känst- 
liohen  Dämme  daiohBtaohen,  um  die  von  den  Franzosen  ver- 
teidigte Stadt  vom  Süden  her  besser  angreifen  zu  können. 

Dos  Klima  Agj^teos  ist  xwta  sehr  gesund,  doch  im  Som- 
mer, Kumal  in  den  wusserarmen,  tmfruohtbarenTeileii,  drSi- 
kend  heiß.  Die  Franzosen  konnten  etwas  von  den  Anstren- 
gungen und  Entbehrungen  erzählen,  die  de  auf  dem  Mar- 
sche von  Alexandria  bis  Damanhur  und  ini  Jahre  1799  nsdi 
und  von  Syrien  erleiden  mußten!  Die  Hitze  und  das  wassn*- 

322 


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nrme  Land  bereiteten  Offizinren  wir  Soldaten  manche  Ent- 
Läuscliim^lPn.  Sofrar  einige  ben  iilirte  Generale  verloren  den 
Mut  und  g^ihen  somit  ilen  S,>!dal<'ti  ein  schlechtes  Beispiel 
der  Manns/u.^lil. 

Hauptsächlich  haute  man  in  Ägypten  Weizen.  Durra 
(rine  Art  Hirse),  Reis  und  Gerste.  Ferner  wurde  der  Wein- 
hau betrieben,  und  Datt«lhaine  und  Ölbäume  wurden  unge- 
jiflanzt.  An  Früchten  und  grünem  Gemüse  war  auch  kein 
Mangel,  doeh  die  Franzosen  fanden  sie  viel  weniger  achmack- 
liaft  als  in  ihrer  Heimat.  Der  alte  Papyrus  war  schon  viel 
seltener  geworden  als  im  Altertum.  Wild  wuchs  er  nur  noch 
am  oberen  Nil  und  teilweise  an  der  Küat«,  in  der  Nahe  von 
Damiette. 

Rinder  und  Büffel  waren  selten;  häufiger  fand  man  Se- 
gen, Schafe  und  Kaninchen.  Das  Fleiscli  der  Haustiere  war 
weich  und  ohne  Geschmack.  An  Geflügel  mangelte  es  moht, 
das  Fleisch  war  aber  trocken.  Der  Nil  und  einige  Seen  vaiea 
rfftlii'  fischreich,  doch  auch  der  Geschmack  des  Fisch fleisohes 
war  nicht  für  europäische  Zungen  geeignet,  "überall  erwar- 
tete die  französischen  Eroberer  nichts  -als  Enttäuschung, 

Das  Brot  war  unrein  und  sehleeht,  denn  man  mahlte  das 
Mehl  nur  auf  einfachen  Handmülilen.  Als  Bonaparte  sich 
nach  der  Einnahme  Kairos  mit  der  Einrichtung  des  Landes 
beschäftigen  konnte,  ließ  er  auch  die  Anlage  von  Wasser- 
und  Windmühlen  studieren. 

Die  Bevi^erung  nährte  eich  hauptsächlich  von  Datteln, 
Fdgen,  etwas  Brot,  Melonen,  Bohnen,  KSb^  Iän8«i,  grü- 
nem Gemüse,  Wurzeln,  Kamelmilcli,  Kaffee  und  etwas  Was- 
ser. Ganz  selten  wurde  Eleisoh  genossen;  nur  hei  ganz  be- 
sonderen Gel^enheiten,  und  auch  nur  bei  wohlhabenden 
Leuten,  kam  ein  gerSateter  Hammel  anf  den  Tisch. 

Die  ärmere  Landbevölkerung  lebte  so  elend,  daß  man  es 
kaum  beschreiben  kann.  Ihre  Dörfer  bestanden  aus  Erd- 
hütten, die  kaum  um  einen  Meter  die  Erdoberfläche  über- 


323 


ragteDfOiid  in  rfic  nmn  nur  durch  ein  Loch  gelangen  könnt«. 
Fenatorgab  es  natürlich  nicht  in  diesen  Hütten.. Die  Xahrung 
der  Landbewohner  war  noch  einförmiger  und  dürftiger  ak 
die  der  Städter.  Nie  aßen  sie  Fleisch,  doch  konnten  aie  weder 
Tabak  noch  Kaffee  entbehren. 

Der  BiK'l. (In Icker  ihwI  S<>hriftsteiler  GaUand,  der  sich  bei 
dem  Gelehrtfiiaussi  hiili  befand,  den  Bonaparte  mit  nach 
Ägypten  nalini,  beschreibt  uns  ein  ägyptisclies  Mahl,  das 
der  Scheik  Saadat  am  11.  Dezember  1798  gelegentlich  eines 
religiösen  Festee  dem  General  Bonaparte  gab.  „Im  Mandar, 
dem  nach  Norden  zu  gelegenen  Zimmer,"  heißt  es  in  seiner 
Beschreibung,  „wurden  der  General  und  sein  Gefolge  emp- 
fangen. Das  Mittagessen  wurde  auf  verschiedenen  gtofirai 
Kupferplatten  serviert,  um  die  sich  10  bis  12  Personen  grup- 
pieren keimten.  Der  Umkreis  dieser  Platten  war  mit  Land- 
brot eingefaßt,  daa  weich  und  dünn  wie  Eierkuchen  ist,  so- 
wie von  verschiedenen  kalten  Gemüsen,  die  die  ganze  Zeit 
während  des  Mahles  liegen  bheben.  Die  Mitte  jeder  Kupfer- 
platte wurde  nach  und  nach  von  ungefähr  30  Gängen  ein- 
genommen, die  darauf  mit  großer  hclinelligkeit  itereicht 
wurden.  Ein  Fleischgang  wurde  ciurcli  einen  Gemüsegang, 
eine  süße  Speise  oder  eine  Milchspei.sc  ersetzt.  Dann  reichte 
man  Pilaw,  das  Hauptmahl  des  Landes,  das  auch  die  Pro- 
vinzialen  gut  kennen  und  sehr  schätzen.  Es  besteht  aus  dilt- 
kem  Keis  mit  Zucker  und  Gewürz,  das  ilin  schmaekhaft 
macht.  Endlich  reichte  man  Sorbett,  ein  ziemlich  angeneh- 
mes Getx!^,  das  ans  Zucker  and  wohlrieohend^  Bestand- 
teilen berbitet  wird. 

Die  Ägypter  bedienen  sich  keiner  Stühle.  Sie  seteen  mch 
xa  ebener  Erde'  mit  übereinander  geseblagenen  Beinen  wie 
unsere  Schneider.  Der  Tisch  befindet  sieh  zur  selben  Höhe. 
Die  Bewohner  des  LazLdes  gebrauohMi  weder  Gabel  noch 
IiöSel,  und  selten  machen  sie  Tom  Messet  Gebraoch.  Sie  m- 
is^a  die  Speisen  mit  den  langem  und  trinken  aas  dnem  und 

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Ueinselben  Gefäß.  Und  wenn  das  Gericht  etwas  flüssig  ist, 
dajin  tunken  aie  mit  einem  Stück  Brot  hinein.  Mit  Vergnü- 
gen bietet  der  Eausherr  sräiem  Gast  ein  Stück  oo,  das  er 
selbst  nicht  beendet  hst;  damit  erwdat  er  ihm  eine  groJle 
Ehre  (!).  Alle  Welt  trinkt  ans  demselben  GefäB,  äas  man 
mit  Höflichkeit  herumreicht." 

Geoffroy  de  Saint-Hiluie,  einer  der  ausgezeiclmetsten  Ge- 
lehrten, die  sich  damals  in  Ägypten  befuiden,  eixSUit  von 
einem  ähnlichen  Gastmahl  in  inteiessanter  Weise.  Diesma] 
hatte  ein  Schsik  in  der  Frovinz  Bosette  den  General  Menou, 
eiziige  Offiziere  und  Gelehrte  eingdad^  unter  denen  sich 
auch  Geoffroy  befand.  „Man  bediente  uns  auf  dem  mit  Stroh- 
matten nnd  Teppichen  belegten  Fußboden,"  heißt  es  in  sei- 
nem am  3.  August  an  Cuvier  in  Paris  gerichteten  Briefe. 
„Wir  wurden  anßertnxlentlich  vornehm  behaad^,  nur  be- 
stand das  Essen  nicht  aus  mehreren  Gängen,  sondern  besser 
aus  mehreren  Reihen.  Die  umfangreichsten  Geriobte  befan- 
den sieh  nämlich  in  ihnen  angemesaaenen  runden  Zini^e- 
füBen  zu  unterst  aller  übrigen  Speisen.  Es  sind  die  Lecker- 
bissen, die  Ton  den  eigenen  S^uen  der  Agypt^  bereitet 
werden.  Man  stürzt  sich  zuerst  auf  die  oberen  Gerichte,  um 
so  schnell  wie  möglich  mit  ihnen  fertig  zu  w^den  und  zu 
den  unteren  gelangen  zu  können.  Die  Leckerbissen  bestan- 
den  aus  sieben  oder  acht  verschiedenen  Arten:  Mehrere  Sor- 
ten Käse,  in  Stärke  gekochte  Melosa,  Frikassee  von  Ham- 
melbröschen,  mit  Weintrauben  gekochten  Pflaumen,  Fei- 
gen und  Granatäpfeln. 

Die  Hauptplatten  bestanden  aus  Huhn  mit  Reis  und  aus 
verschiedenartig  zubereitetem  Reis  .  .  . 

Der  Schelk  forderte  uns  auf,  uns  imi  die  Plivtton  zu  grup- 
])ieren,  und  bald  sahen  wir  die  Türken  unserer  (.Jesellscliaft 
ilirt'  Finger  iri  die  ScliÜKsoln  taufhen.  Mit  der  flaelien  Hand 
nahnii^n  «e  die  flilssigcn  S|K-i»en  auf,  wülirond  f-io  sich  für 
die  festen  Speisen  ilirer  Finger  bedienten.  Wir  waren  ge- 


32ß 


Kwungen,  es  ihnen  iiachzutun,  denn  wir  hatten  weder  Ga- 
beln noch  Messer . .  . !" 

Der  bedeutendste  Hafen  von  Ägypten  war  Alexandiia. 
die  zweit  wichtigste  Stadt  des  Landes.  Die  damalige  Stadt 
nahm  nur  einen  geringen  Teil  des  mit  Mauern  umgebenen 
Gebietes  ein  und  lag  auf  der  Landzunge  zwischen  dem  alten  ^ 
und  dem  neuen  Hafen.  Von  dem  ehemaligen  von  den  Äia-  i 
bern  angelegten  Alexandria  fand  man  nur  noch  Trüraniet  ' 
und  einige  lieate  des  Palastes  der  Ptoleniäer  vor.  Die  alte  ' 
Stadtmauer,  die  die  ehemalige  Araberstadt  einschloß,  VW  | 
hooh  und  wurde  durch  einige  Türme  verteidigt. 

Das  neue  Alexandria  war  äuQerat  schlecht  gebaut..  Dir  | 
Häuser  waren  niedrig,  häßlich  und  schmutzig.  Sie  entgelten  | 
nur  wenige  Stockwerke  und  hatten  oben  eine  Plattform  mit  i 
Behüten  zum  Auffangen  des  Begenwassos.  IMe  Strafieo  ' 
waren  «ig,  finster,  ungepflaatert  und  von  Unrat  strotzend 
Eine  Ausnahme  machte  nur  das  Stadtviertel  der  Ausländer 
(Franken).  Dort  befanden  sieh  gtöBere  Hänser.  Okel  ge- 
nannt. Hier  wohnten  auch  Bonaparte  und  seine  Generalf 
während  ihrer  Anwesenheit  in  Aleximdria. 

Die  Stadt  besitzt  zwei  Häfen,  den  alten  und  den  neuen. 
Obgleich  der  edte  Halen,  südwestlioh  von  der  Stadt,  sehr 
räumig  und  vor  Winden  geschützt  ist,  hatte  er  damals  nm 
Wie  für  größere  Schiffe  geeignete  Einfahrt.  Der  neue  Hafen 
liegt  nordöstlich  von  der  Stadt,  hat  nur  g^inge  Tiefe  nnd 
ist  den  Nordwinden  stark  ausgesetzt.  Den  Euroiäeni  stand 
nur  dieser  Hafen  zur  Verfügung, 

Der  öffentliche  ^larkt,  Bozar  genannt,  war  in  der  Mitte 
der  Stadt  <;elegeii.  Der  Boden  war  mit  Mattw  und  PahS' 
zweigen  belegt.  Die  Kanfläden  waren  Idein  tind  enthieltai 
nur  wenige  Auslagen.  Die  Händler  saßen  vor  ihren  Türen 
auf  schmutzigen  Teppichen,  unbeweglich  und  mit  würdiger 
Miene.  Sie  rauchten  beständig  aus  langen  Pfeifen.  Als  Le- 

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beiü^nittt«!  boten  sie  Beis,  Linsen,  Bohnen,  Datteln,  Nü^, 
Pistazien  und  minderwertige  Ziegen  feil. 

In  irgend  einer  Ecke  sohlachtete  der  Fleisdier  die  Tiei  e.  die 
an  den  Füßen  aufgehangen  wurden,  l^r  verkaufte  dasFlciseli 
sogleich,  da  es  aich  in  der  großen  Hitze  nicht  lange  frisch 
hielt.  Bei  den  Büelcern  fand  man  kleine,  flache,  aus  un- 
reinem Melil  schlecht  gebackene  Brote  zum  Verkaufe  liegen. 

Die  Häuser  waren  so  angelegt,  daß  sich  in  der  Mitte  ein 
viereckiger  Hof  befand.  Um  diesen  gruppierten  sich  die 
Wohnräume.  Die  Wohnungen  der  Frauen  waren  zu  ebener 
Erde  und  von  den  Behausungen  der  Männer  streng  getrennt. 
Im  hintersten  Teile  des  Hauses  befand  sicli  der  Harem.  Das 
wichtigste  Zimmer  des  Hausherrn  liatte  Aussieht  auf  die 
Straße.  Auf  dem  Jioden  der  Räume  waren  Tcppiche  ausge- 
breitet, und  an  den  Wänden  standen  rings  herum  Diwans. 
Das  war  der  ganze  Schmuck  der  Häuser. 

Die  männlichen  Bewohner  Alexandrias  werden  als  gut 
gebaut  geechildert.  Sie  tn^en  veite  Beinkleidet,  die  Jacke 
jedoch  kurz,  auf  sogenannte  griechische  Weise  zugeschnit- 
ten. Dm  Haupt  bedeckte  ein  wolilatigeordnetei  Turban,  Der 
Bart  der  Männer  in  Alezandiia  war  kürzer  als  der  der  übri- 
gen Bewohner  des  I^andes,  ihre  Haltunguagezwungener  und 
lebhafter  als  sonst  in  Ägypten.  Da  sie  die  Arbeit  scheuten 
und  es  unter  ihrer  Würde  hielten,  etwas  zu  tun,  bo  über- 
lieOen  sie  fde  ihren  Leuten  und  v^braohten  ihre  Zeit  mit 
Rauchen,  Kaffeetrinken,  im  Haxem  und  vor  allem  im 
Kichtstun! 

Franen  reicherer  Stände  sah  man  nur  selten  auf  den  Stra- 
ßen. Die  des  Volkes  trugen  ein  schlechtes,  schmutziges  Ge- 
wwtd,  meist  von  blauer  Farbe.  Es  bildete  Hemd  und  Kleid 
zu  gleicher  Zeit.  Die  Füße  und  Waden  waren  nackt.  Die 
Augenbrauen  färbten  die  Frauen  schwarz  und  die  Finger- 
nägel rot.  Die  Kinder  wurden  wenig  sorgföltig  gehalten  und 
trugen  sehr  dürftige  oder  gar  keine  Kleidung. 


327 


Die  drittwichtigste  Stadt  des  Landes  -ivar  Bosette,  am 
linken  Nilarmo,  zwei  Meilen  vom  Meere  gelegen.  Fast  aib 
Besclireiher  diese  Ortes  sind  sich  darüber  einig,  daß  dif~ 
Stadt  doii  angenehmsten  Aufenthaltsort  bildete.  Auch  hii^r 
waren  die  Straßen  eng  und  finster,  da  die  weitherausge bau- 
ten Balkone  dem  Tageslicht  den  Zutritt  verwehrten,  Jüt 
Häuser  waren,  wenn  aueli  einfach,  so  doch  geschmackvoB 
und  aus  gebrannten  Ziegeln  gebaut.  Noch  hübscher  waira 
die  Gebäude  am  Ufer  des  Kila:  sie  hatten  manchmal  drei 
und  noch  mehr  Stockwerke  und  oft  sechs  Fenster  Vorder- 
seite. Sie  gehörten  meist  europäischen  Kaufleuten,  die  sich 
hier  mehr  als  in  irgendeiner  anderen  Stadt  des  Landes  in 
Sicherheit  befanden,  da  in  Rosette  selten  Aufstände  vorka- 
men,und  man  weniger  durch  die  Mamelucken  zu  leiden  hat  If- 
In  der  Umgegend  der  Stadt  befanden  sich  hübsche  Gär- 
ten und  Palmenhaine,  auch  reich  bebaute  Felder.  Die  Le- 
bensmittel waren  billig  und  daa  Leben  leicht.  Die  Binwoh- 
ner  hatten  angenehmere  und  vertecagUobore  Sitten  als  in 
Alexradria. 

Im  allgemeinen  aber  war  daa  Leben  hier  sowohl  aia  in 
Kairo  ijnd  anderen  gtö&eien  StSdten  des  Landes  eo  be- 
schaffen, wie  bereits  bei  Alezandria  beaohrieben  wurde. 

Rosette  bildete  einen  Zwisohenhandelplatz  von  Kairo 
naoh  Alexandria  und  umgetehrt,  da  die  meisten  Waren  auf 
dem  Wasserwege  befördert  wurden.  Hier  hielt  sieh  aaoh  da 
Teil  der  Gelehrten  auf,  ehe  Bonaparte  diese  nadi  Kairo 
kommen  ließ. 

Außer  Damiettei  der  dritten  Küstenstadt,  Mansora  im 
Nildelta,  möchte  noch  Damanhui,  ebenfalls  in  Ünterägyp- 
ten,  erwähnt  werden.  In  Damanhur  hatte  ein  Bei  seinen  Sti> 
auch  befand  sich  hier  der  Mittdpunkt  fürBanmwollhandeL 
Die  Stadt  war  groß,  doch  gliohen  die  Etäusw,  oder  bessw  die 
Hütten,  die  aus  an  der  Sonne  getrockneten  Backstein«!  ge- 
baut waren,  aus  der  Feme  zahlreichen  Tonbensdili^n.  U 

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der  Stadt  befanden  siuh  einige  Jlosciieen,  die  man  schoö 
von  weitem  inmitten  von  Falmenhainen  erblickte,  nnd 
die  einen  gewiesen  malerischen  Anblick  gewährten.  Sobald 
man  aber  in  die  Stadt  eintrat,  war  es  mit  der  Täuschung 

Damanhiir  bori'itftc  dpiii  französischen  Heere  die  erste 
große  Enltäuscliuiig.  \  ieli-LSi  liriftsl-eller,  unter  ihnen  der  Rei- 
sende Savary,  hatten  A<rypten  in  glänzenden  Farben  ge- 
schildert; besonders  der  französische  Generalkonsul  Magal- 
lon  hatte  Damanhur  für  die  schönst^^  Stadt  des  Lnndes  er- 
klärt. Die  Soldaten  waren  daher  äußerst  enttäuscht,  als  sie 
sich  naeh  einigen  Tagesmärschen  in  dem  heißen  W'üsten- 
sand  dieser  „Stadt"  näherten,  wo  sie  Überfluß  an  allem  und 
Entsehädigiing  für  die  ausgestandenen  t^eiden  v.u  finden 
hofften ! 

Die  Hauptstadt  des  Landi-.  war  Kaiio,  eme  halbe  .Mfilo 
vom  Nil  gelegen.  Ihre  Eevolliernng  wiirde  (lamüls  ,Tuf  IHKUKK) 
KinwohnOi'  EC:^vhlUvA ,  doch  i-t  dii-  '/.;■>],]  veniiutlii'h  .stiivk 
iilK-rli'ielieu.  X:u-h  Hi.napartes  lierielil  an  düs  nirehloriiiii. 
enthielt  Kairo  die  .scheußlichste  Bevölkerung  der  Welt.  Auch 
hk'v  «  aren  die  Häuser,  mit  wenigen  Ausnahmen,  schlecht 
gelKLut,  die  Straßen  eng,  ungepflastert  und  häßhch.  Der  Eu- 
ropäer wurde  vor  allem  durch  den  großen  Schmutz  und  die 
Unsauberkeit  auf  den  Straßen,  Plätzen  und  in  den  Häusern 
abgestoßen. 

Zalilreiche  Moscheen,  von  denen  einige  in  hohem  Ansehen 
standen,  schmückten  die  Stadt.  Die  schönsten  und  berühm- 
testen waren  die  Sultan  Hossan-JIoschee.  die  Tuiun-Mo- 
schee,  die  Azar-iMoschee  und  die  Moschee  Hassanein.  Die 
hauptsächliehaten  Plätze  waren  der  Birket-el-Fil  und  der 
Esbckiehplatz.  Beide  bildeten  wahrend  der  Nüüboischwem- 
mung  kleine  Seen,  die  man  nur  auf  Booten  überfahren 
konnte.  Bonaparte  hatte  sein  Hauptq^uartier  im  Palast  Mo- 
hammed-Bei-el-EUiB  auf  dem  EsbekiShplstze  aufgeschla^ 


329 


gen.  Eine  bereits  im  li.Talirlnindort  erbaute,  auf  dem  Ab»- 
läufer  des  Djebel  .Mokkattain  gelegene  Zitadelle  beherrschtf 
die  Staadt;  sie  war  der  Sitz  des  Paschas, 

Zur  Beförderung  dienten  Esel,  die  nitm  für  wenig  C.eld  a  :" 
allen  Öffentliehen  Plätzen  der  Stadt  mieten  konnte.  Um 
Treiber  liefen  oft  im  Trab  lange  Zeit  neben  den  Tieren  her, 
ohne  Ermüdung  zu  zeigen. 

Die  Männer  und  Frauen  a\is  dem  Volke  waren  häßlich 
und  schlecht  gebaut.  Bekleidet  waren  die  Miinner  im  Som- 
mer mit  einem  blauen  oder  eliemalK  weißen  Hemd,  im  Win- 
ter mit  einem  tSewand  aus  Wolle  oderZiogenJiaar.  Nur  einige 
trugen  Beinkleider,  Meist  gingen  sie  barfuß,  seltener  in  San- 
dalen. Auf  dem  Haupt  trugen  sie  einen  Turban.  Die  Frauec 
gingen  ähnlich  vne  die  Männer  gekleidet,  nur  waren  ihre  Ge- 
wänder länger.  Das  Gesicht  hatten  sie  imma  durch  ranoi 
Schleier  verhüllt,  der  ehenso  Bchmutzig  wie  die  übrige  Klö- 
dung  war  und  Barco  genannt  wiuväe, 

Bulak  bildet  den  Hafen  für  Kairo.  Auf  dem  asiiiesea, 
<ieni  linken  Nilufer  befindet  sich  Giseh,  und  südweetlicti 
davon  liegen  die  berühmten  Pyramiden. 

Von  geringerer  Bedeutung  waren  die  Städte  OberSgn*' 
tens.  Siut,  eine  ziemlich  malerische  Stadt,  liegt  zwiachec 
dem  Nil  und  den  nahen  Bergen.  Häuser  und  Bszare  waiea 
aus  roten  Ziegeln  gebaut.  Hier  befanden  sich  etwa  10  Ü- 
fahriken.  Außerdem  betrieb  man  beBonders  Handel  mit 
Topf  waren,  Katron,  Opium  und  Leinwand. 

Kus,  im  Süden  von  Siut  gelegen,  besaß  zwar  den  Namm 
einer  Stadt,  doch  war  es  nichts  weiter  als  ein  großer  Fleokoi. 
Viele  Häuser  waren  verlassen  oder  lagen  in  lYUmmmi.  Mao 
konnte  daxaus  sohließen,  daß  Kua  früh^  bedeatender  ge- 
wesen sein  mußte.  Einige  hübsche  Gärten  und  Falmenhaiiw 
sowie  Anpflanzungen  von  Melonen  gaben  dem  Ort  ein  nule- 
risches  Gepräge.  Die  Bewohner  waren  mdst  Christen.  Vw 
KuB  axa  errdchte  man  in  wenigen  TagesreiBen  KoaSi,  den 

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einzigen  am  Roten  Meere  gelegenen  bedeutenden  Hafen 
Ägyptens  außer  Suez. 

Weiter  sfidlicfa,  am  Unken  Ufer  des  Nils,  liegt  Esneh,  di>- 
Hanptstadt  der  BÜdlichsten  Provinz  des  Landes.  Die  Stad: 
war  schöner  angelegt  als  die  meisten  anderen  OrtaofaafteD 
Oberägyptens.  Handel  und  Industrie  befanden  sich-m  gt^ 
wisBer  Blüte,  vermutlich  wegen  der  zahlreichen  K^ptonfa- 
milien,  die  dort  wohnten.  Hier  befanden  sich  etwa  SO  01- 
f abriken  und  fünf  bis  sechs  Töpfereien.  Auch  verfertigte  man 
einen  sehr  feinen  Schal,  Meläyeh  genannt.  Die  Bewohner  der 
Stadt  waren  sanft  und  gutmütig ;  im  allgemeinen  bildete  E~- 
neh  einraisehr  angenehmen  Aufenthaltsort  für  die  Europäer. 

Da  Emeh  sehr  weit  von  der  Hauptstadt  entfernt  liegt. 
war  es  von  alters  her  ein  Zufluchtsort  der  Besiegteii  und 
Unterdrückteit  gewesen)  denn  die  Macht  der  Beis  vna  Kairo 
leiohte  nioht  so  weit.  Um  die  Zeit  der  französisofaen  Beset- 
zung des  Landes  wax  Esneh  der  Wohnort  der  Beis  Hassan. 
Osman  und  Salay.  Letzterer  war  der  Nachfolger  Ismads, 
der  erat  einige  Monate  zavor  gestorben  war.  Alle  Beis  waren 
geechworene  Feinde  des  mächtigen  Murad. 

Assuan,  oder  Syene  im  Altertom,  war  ut  der  Grenze  des 
damaligen  Ägyptens  gelegen.  Es  war  in  seiner  Bedeutung 
gegen  früher  stark  zurückgegangen,  denn  die  alte  Stadt  hat- 
te eine  viel  größere  Ausdehnung  gdtabt.  Von  hier  ans  wurde 
ein  großer  Handel  von  Henna,  einer  Fflenze,  die  getiooknet 
zum  Färben  der  Haare  und  Fingemägd  dient,  nach  Kairo 
betrieben. 

Ägypten  hatte  keine  gleichartige  Berölkerong.  IKe  Jabt- 
hundMe  hatten  nicht  vermocht,  eine  einheitliohe  Basse  auf 
demselben  Boden  zu  entwickeln.  Die  Bewolmer  Ägyptens 
bestanden  aus  Kopten,  Arabern,  Türken,  Orteohen  und  Ju- 
den. Dazu  kamen  noch  Armenier,  Syrier  und  Europäer,  die 
allgemein  mit  Franken  bezeichnet  wurden. 

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Die  Kopten  waten  die  Ureinwohner  des  Landes.  Sie  be- 
vofinten  vorzugaweiBe  die  Städte  und  die  größeren  Dörfer,  Sie 
-waren  geachmeidig  und  unterwürfig  und  vielfach  im  Dienste 
der  Mamelucken.  Meist  waren  sie  Ideine  Handweriter;  jeden- 
falls bildeten  sie  die  untersten  Stände  der  Bevölkerung. 

Den  Hauptteil  der  Bevölkerung  bildeten  die  Araber,  die 
Sieger  über  die  Kopten.  Diejenigen,  die  die  Städte  bewohn- 
ten, waren  Gerichts-  und  Verwaltungsbeanite  (Schelks,  Sehe- 
rifs,  Ulemas,  Agas  usw.),  Großkaufleute,  Ladenbesitzer  und 
Handwerker.  Die  Bewohner  des  Landes,  meist  arm  und  be- 
-dtirbÜBlos,  nannte  man  Fellahs  (Fellahiu).  Schließlich  gab  es 
noch  eine  dritte  Gattung,  die  Beduinen,  die  Kinder  der  Wü- 
«te,  die  besitzlos,  sich  alsKameltxelber  verdingten,  gewöhn- 
lieh  aber  ihr  Leben  als  Wegelagerer  durch  Plünderung  und 
JEtaub  fristeten.  Natürlich  gab  es  auch  unter  ihnen  wieder 
vwsohiedene  Abarten. 

Säue  hübsche  ScbUdenmg  der  Beduinen  in  den  Provinzen 
Beni-Suef  und  Minieh  (in  Ober^ypten)  gibt  uns  der  spätere 
Graieral Desvemois in  seinen MemoireiL  Der  damaligeSohwa- 
dronecbef  wax  vom  General  Berthier  mit  einer  Sendung  zu 
einer  großen  Anzahl  von  Beduinenhäuptlingen  bebraut  wor- 
den. „Bei  jedem  Stamm",  so  heißt  es,  „soIiloS  ich  midi  den 
Spielen  der  Beduinen  an.  Ich  saß  immer  an  der  Seite  des 
Schelks  und  seiner  Sohne  und  gewöhnte  mich  schnell  an  üue 
Speisen  und  ihren  Kaffee  (Qahona).  Man  hatte  mir  und  mei- 
nen beiden  Husaren  in  dem  Zelte  des  Schelks  eine  Ecke  ein- 
geräumt, wo  wir  Tag  und  Nacht  ausruhen  konnten.  Die 
Frauen  und  Mädchen  melken  die  Ziegen,  bereiten  den  Käse 
-und  backen  Brot  Sie  kümmern  sich  auch  um  die  Küche  und 
die  Mahlzeiten.  Eine  einfache  Ziegenhaar-  oder  Kamelha^ 
decke  trennt  die  Wohnung  der  Frauen  von  der  der  Männer 
während  des  Tages.  Nachtsüber  verschwindet  diese  Decke, 
und  die  Geschlechter  vermengen  sich,  jedoch  nur  in  einer 
und  derselben  Famihe. 

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Wir  haben  viele  Beduinenzeh«  besucht  aber  überall  dif- 
selben  Gebräuche  gefunden.  Frauen  und  Mädchen  sanger. 
meist,  waren  fröliliuh  und  zeigten  -icli  selir  oft  außerordeni- 
lich  frei  bei  der  genauen  Untersuchung  unserer  Kleidung 
um!  Personrn,  Sie  «  ollten  uns  durcliaus  bis  anf  die  I 
forsclien  uuil  licsoniiiTs  ^iii  einer  Stelle,  wo  es  die  Ab< 
der  iiiulit  /AI  tun  ])fli.'gen.  was  aber  bei  den  OrientaJ^^j^fU^ 
und  giibe  ist.  Ich  jnnß  hinzufügen,  daß  die  Frauen  äekSf- 
duincn  manchmal  selir  hübsch  sind.  Im  allgemeinen  ^nd  ^: 
gut  gewachsen  und  haben  sehr  schöne  Augen." 

Die  Türken  waren  nur  dem  Namen  nach  Herren  dee  Eoc- 
des.  Sie  waren  träge,  nachlässig,  beschäftigten  sich  hie  tradda 
mit  Ackerbau  und  Handei,  das  heißt,  sie  überließen  es  Oms 
Sklaven.  Sie  verbrachten  ihre  Zeit  meist  mit  Rauchen,  'Kiü- 
feetrinken,  Nichtstun  und  im  Harem,  denn  sie  waren  anhi 
eifersüchtig.  Der  Hochgestellteste  war  nicht  vi« 
ter  als  der  Mann  aus  dem  Volke.  Nur  die  Kinder  a 
Häusern  lernten  lesen,  manchmal  auch  solireiben.  1 
Unwissenheit  sahen  die  Türken  aber  auf  die  anderen^ 
oder  Andersgläubigen  mit  Verachtung  herab. 

Von  den  drei  Religionen,  der  mohamniedani.sehen, 
sehen  und  christlichen,  war  die  mohammedanische  uati 
die  verbreitetste  und  die  einzige  offizielle  Religion. 
deren  beiden  Religionen  waren  nur  geduldet.  Das  C 
tum,  das  noch  ganz  so  beschaffen  war  wie  in  den  c 
Jabrbundert«ii  unserer  Zeitrechnung,  hatte  die 
Anhänger  unter  den  Kopten.  Katholiken  gab  es  i 
wenig.  * 

Alle  Bewohne  Ägyptens  waren  sehr  abec^äubiaoh;  Mli 
darin  waren  sie  sich  ähnlich,  ä&B  sie  meist  sehr  genü^W 
lebten  und  lieher  in  den  ännliohsten  Hütten  od^  Hänaen 
wohnten  als  zu  arbeiten,  um  sich  bessere  Lebensbedingon- 
gen  zu  schaffen. 

Die  Kleidung  der  verschiedenen  Bewohner  war  nuäst  die 

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^ei<^fi;  nur  äuroli  die  Farbe  des  Turbans  nntersohied  man 
sich.  Die  l^ankeu  IdeidetoD  sich,  wie  de  wollten. 

Sehr  beliebt  waren  die  Bäder.  „Es  gibt  sehr  viele  Bade- 
anstalten in  Kuro",  buchtet  derLeut»iantDoguereaa;„Der 
Koran  schreibt  den  Türken  vor,  sich  zu  baden.  Diese  Bade- 
anstalten dienen  bdden  Geschlechtern,  nur  sind  verschie- 
dene Tage  beetimmt,  an  denen  die  Männer  und  an  denen  die 
^E^anes  baden  dürfen.  la  den  Bfidem  berrBcht  allgemeine 
XTnsauberkeit;  die  Badetücher  werden  immer  von  verschie- 
denen Personen  benutzt. 

Wasi  tritt  zuerst  in  einen  Baam'ein,  der  unbedeckt  ist  und 
Himmel  sehen  läßt.  Dort  befindet  sieh  ein  Wasserbehäl- 
ter. Um  diesen  herum  sind  Lagerstätten,  eigentlich  nur 
schlechte  Fritsohen,  dvan  bestimmt,  diejenigen  aufeuneh- 
men,  die  gebadet  haben  und  dann  gewiSmlich  einige  Stun- 
den schlafen.  Ei^  entkleidet  man  sich  auch. 

Ein  Badediener  geleitet  einen,  nachdem  er  einem  Kopf 
und  Körper  mit  Tüchern  umwunden  hat,  in  das  Dampfbad, 
das  man  kaum  ertragen  kann,  wenn  man  ea  zam  erstenmal 
gebraudit.  Man  schwitzt  darin  außerordentlich.  Kaohdem 
er  den  Badmden  die  Glieder  fast  gebrochen  imd  den  Körper 
mit  ei  nei  Art  Wollstoff  abgerieben  hat,  geleitet  er  ihn  in  einen 
gi-oßoi  Wasserbehälter  mit  bemahe  kochendem  Wasser. 
Wenn  man  aus  dem  Wasser  kommt,  wird  man  abgeseift. 
Nachdem  man  andere  Tücher  erbeten  hat,  wird  man  zum 
Buhebett  geführt.  Hier  wird  einem  der  Körper  wieder  eine 
Stunde  lai^  gerieben,  und  die  Finger  und  Zehen  hin  und 
her  gezogen.  Das  nennt  Bavary  in  seinen  .Mämoires  snr 
l'Egypte'  göttliche  Freuden!" 

Der  Mohammedaner  kann  von  Bechts  wegen  viw  Frauen 
haben  und  sonst  noch  so  viele  Nebenfrauen,  als  er  will,  oder 
vielm^,  soviel  als  er  ernähren  kann.  Die  Frauen  Tomehmer 
Stände  gingen  nie  oder  nur  ganz  selten  aus.  Wenn  dies  aber 
einmal  der  Fall  war,  dann  waren  sie  so  tief  verschleiert  und 


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so  Termammt,  daß  man  unmd^ch  ihre  Gestalt  crkeann 
konnte.  Sie  aJterten  sehr  scImeU.  Wt  30  (Ti^iFen  hatte»  st 
meist  ihre  IVieche  verloren.  ÜBxa  trug  vid  bei,  daß  me  oft 
schon  mit  10  Jahren  verh^atet  wurden  und  zu  viele  beiBt 
Bäder  nahmen. 

Natürlich  waren  die  Frauen  noch  ungebildeter  als  die  Mü- 
ner.  Sie  verbrachten  ihr  Dasein  im  Harem  in  völliger  Al^ 
schlossenheit  von  der  Außenwelt  mit  Singen  und  Tanzen. 
Anziehen  und  Ausziehen,  Kaffeetrinken,  Kuchenessen  u:. 
Rauchen,  vor  allem  aber  im  Nichtstun.  Die  Frauen  der  i ■ 
chen  und  Mamelucken  waren  keine  Emgeborenen:  sie  kar:.'_ 
entweder  aus  anderen  Teilen  Afnkas  oder  aus  Asien,  beson- 
der» aus  Oenrgion  und  (Jriei-honland. 

Sie  waren  sehr  sinnlich  und  leidenscliaftlich.  Ihre  größir 
Freude  bestand  darin,  Bäder  zu  nehmen,  denn  liier  warer- 
sie  allein  und  unter  sieh.  Ihre  Männer  durften  nicht  dahin 
kommen,  wenn  sich  fremde  l'rauen  dort  befanden.  Die  Bä- 
der bildeten  oft  die  Stelldicheins  für  ihre  Liebhaber,  denn 
trotz  der  Wachsamkeit  ihrer  eifersüchtigen  Männer  gdaac 
es  ihnen  doch  zuweilen,  öicso  zu  hintergehen. 

Die  FrauPTi  iiiis  drni  Volke  ivai-cn  im  Gegen.'5atze  zu  riciii  i. 
der  liciclien,  die  ant  dvui  Au^-huid  kamen,  meist  häßlicli  ui-; 
unansehnlich,  ohne  Sehum  und  vor  allem  ohne  alle  weibliche 
Würde.  Sie  fanden  durchaus  nicht«  darunter,  den  größten 
Teil  ihres  Körpers  in  Gegenwart  von  fremden  Männern  lu 
entblößen,  wenn  nur  ihr  Gesicht  verdeckt  blieb!  Die  Preis- 
gebung  zur  Unzucht  war  überall  sehr  ausgeprägt.  Schon 
Damanhur  wimmelte  es  von  öffentlichen  Mädchen. 

Die  Tänze  der  Frauen  waren  bei  den  Mohammedaueni 
sehr  beliebt;  doch  waren  sie  so  unschön  und  unstttUch,  dafi 
sich  die  Europäer  oft  mit  Abscheu  von  diesem  Bilde  wand- 
ten. 

Eine  sehr  interessante,  scherzhafte  Schilderung  eines  «J* 
eben  Tanzes  überliefert  uns  Denon  während  seines  Anfeot- 

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Jia.-sc  o!  Iii  Haiilv  ß;ryiito-.  Im-  schrfilit :  „Wir  (der  OenprA', 


Einkominfn  sii-  vcriniitlirli  ciiicii  Ti-il  beisteuerten,  machten 
ei!Liü(-Si.'luviiTijrkfiti  n.  ilLneii'/iirrlaubenzu kommen.  Durch 
die  Ulii  kc  r[is.'läiil)iger  beschmutzt,  konnt«n  sie  vielleicbi 
an  ilirc[n  Werte  verlieren,  aber  die  Gegenwart  eines Genctak 
(111(1  liewonder  n  ilie  Anwesenheit  von  200  Soldaten  beseitig- 
ten alle  Hindernisse. 

Die  Tiliizerinneii  UameiL  und  ließen  uns  duicbaus  nielv 
merken,  dall  wie  die  iioliliselieii  Bedenken  und  die  Gewis- 
sensbisse der  Scheiks  teilten!  Sie  verteidigten  jedoch  mit 
viel  Anmut  diejenigen  Reize,  die  uns  am  wenigsten  vertei- 
digungswert erschienen,  nämlich  die  Augen  und  den  Mund. 
Alles  übrige  wurde  uns  mit  Vergnügen  überlassen.  Ba!': 
dachte  man  riiebt  mehr  daran,  uns  etwas  zu  verbergen.  .Ms  . 
zeigte  CS  uns  indes  durch  bunte  Schleier.  Kin  sehlecht  befe  - 
stigter Gürtel  wurde  mit  einer  Ausgelassenheit  wieder  !h- 
festigt,  die  nicht  unangenehm  berührte  und  mir  ein  wi-m^ 
französisch  erschien. 

Die  Tänzerinnen  halten  zwei  Musiker  nut  sich:  einen  Du- 
delsackpfeifer und  einen  Tro nun elsch läger,  dessen  Instni-  ^ 
ment  aus  einem  irdenen  Topf  bestand,  auf  den  er  mit  den  I 
Händen  schlug.  Die  .Mädchen  waren  ihrer  sieben.  Zwei  da- 
von scliickten  sieh  r.u  tanzen  an,  die  anderen  sangen  zur  Be- 
llleitiingder  Kastagiiettcn,  die  die  Form  von  Zimbeln  und  die 
Größe  eines  Sechsfranken.stückes  hatten.  Die  Bewegungen.  | 
durch  die  sie  die  Kastagnetten  aneinander  schlugen,  verlieiicn 
ihrcnPingem  undHandgelenken  unendlich  viel  Anmut,  llir  ' 
Tanz  war  zuerst  woUüstig.  Bald  aber  wurde  er  gemein; 
war  nur  noch  der  rohe,  unanständige  Ausdruck  der  leiden- 
schaftlichsten Sinnlichkeit.  Und  was  dieses  Bild  noch  ekel- 


M. 


Dffizi 


■iilen  die  Si-heik.. 
disrben  liaj^^.i.-R:. 
Landes,  zu  liereu 


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h.iftor  machte,  war,  daß  einer  der  Musiker  gerade  in  dun 
Aiiponblicken,  wo  sie  die  wenigste  ZTirüclilinUun!:  brapinten, 
<iic  allgemeine  Szene  des  Rausches,  die  di-n  Tjlii/  [»".'udoli-, 
ein  ungeheuer  schamloaes  (icliii  litcr  uiilcrbraoli. 
Die  Tänxerinnen  tranken  Branntwein  u  io  I.iniuiiade  aus 
großen  Waswergläsern,  Dabei  waren  sie  aucli,  obiilcicli  jung 
und  hübseh,  verlebt  und  welk,  ausgenommen  von  /wcii'ii, 
die  au ßerord entlieh  zwei  berühmten  Pariser  Schünheitcn 

Trotz  ihres  freien  i.ebenswandds  lülJt  nlan  diese  Täir/.m  in- 
iicn  in  (llc  Harciuri  kunimciL.  nin  dii'  jungen  Mädchen  von 
allem  /u  unl errichten,  was  f^ie  ihren  zukünftigen  Gatten  be- 
fichrenswerl  nniclicn  kann.  Sic  geben  ilinen  Unterricht  im 
Tanzen,  Hingen,  in  der  Annuit  und  in  allen  Künsten  der 
Wollust.  1']«  ist  nicht  zu  verw\indern.  daß  bei  den  Sitten,  die 
die  L'n7,iifht  zur  ernten  i'flicbt  der  Frau  machen,  diejenigen 
die  I.fbreriTuifn  de.ssehiinen  (iewelilechtssind,  deren  Beruf  die 
Liebe  ist !  Sie  werden  zn  den  Festen  der  Grollen  empfangen, 
und  M'cnn  ein  Gatte  das  Glück  seines  Harome  genießen  will, 
so  läßt  er  solche  Tänzerinnen  rufen." 

Im  Laufe  der  .lahrliitndei  te  wurde  Agy|)leri  von  verweiiie- 
denen  Xachbarviilkern  erobert.  Am  .Viifang  des  i(>.  ,ialn-- 
hunderts  nahm  lier  Sultan  der  Türkei  Scliiti  I.  <hts  Land  in 
Besitz.  Zur  Zeit  des  fraiiziisischeii  Einfalls  gehörti>  Ägypten 
wenigstcn.s  dem  >i'amen  nach  noch  dem  Sultan  und  wurde 
von  einem  Pji^;cha  regiert.  Dieser  wurde  auf  drei  .Jahre  ein- 
gesetzt und  hatte  seini'ii  Sitz  in  Kairo.  In  Wirklii'hkcit  lag 
aber  die  Uerrscluift  des  l-audes  in  den  Händen  von  24  Ma- 
nieluckenbeis,  von  denen  jeder  eine  Provinz  befehligte.  Einige 
tler  Beis  erboben  sieb  jnanebmal  zu  grÖßerenr  Ansehen. 
Diesen  gehorchten  die  übrigen  Beis.  Von  ihnen  war  auch 
dei  Pascha  in  Kairo  abhängig.  Sie  waren  also  die  wirklichen 
Herrsoher  des  Landes. 


Die  Mamehic-kcii  wureii  oliemalw  eine  Leibwache  des  Sul- 
tans ßeive^eii  und  lieKtanilen  nieiHt  auH  kaukasischen  and 
tsclierkessi sehen  Sklaven.  \\'egen  ihrer  Tapferkeit  waren äf 
überall  gefürchtet,  selbst  von  ihrem  eigenen  Herrn.  Schoo 
im  späten  llittclalter  hatten  sie  eine  wichtige  Rolle  in  AgTfr- 
ten  gespielt;  sie  wurden  aber  durch  Selim  I.  bezwunirn 
Später  rissen  sie  die  Macht  wieder  an  sich.  Da  sie  weder 
schriebene  noch  Naturgesetze  anerkannten,  weder  Acker- 
bau. Viehzucht  noch  Handel  zu  würdigen  rerstanden,  gin; 
es  itiit  (lein  sonst  so  reichen  Lande  Ägypten  immer  v&ier 
abwärts. 

Die  Zahl  der  berittenen  waffenfähigen  Mamelucken  be- 
trug gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  etwa  10  000  Mann. 
Eb  war  ein  eigenartiges  Volk,  das  seine  Gewohnheiten  ood 
Sitten  jahrhundertelang  beibeh^ten  hatte.  Ihre  Frauen  lie- 
ßen sie  meist  aus  Georgien  kommen,  doch  zeugten  ate  mit 
ihnen  nur  wenige  Kinder,  die  auch  bald  entarteten  und  nicht 
ihre  Nachfolger  wurden.  Sie  ergänzten  sich  vielmehr  durch 
fremde  Sklaven,  schöne  und  kräftige  Knaben  aus  dem  Kau- 
kasus, die  sie  im  Gebrauch  der  Waffen  und  im  Reiten  täg- 
lich fibten.  Je  nach  ihrem  Können,  besonders  aber  wegen 
ihrer  persönlichen  Tapferkeit  kamen  täe  zu  Ansehen  und 
Reichtum.  Das  Vermögen  der  Mamduoken  bestand  in  schö- 
nen Waffen,  Pferden  und  Frauen. 

Die  Mamelucken  waren  ausgezeichnete  Reiter,  sehr  ge- 
schickt im  Gebrauch  der  Gewelwe  imd  Pistolen  und  beuitn-  I 
derungswürdig  im  Handhaben  ihrer  SSbel,  die  aus  dem  be- 
sten Stahl  gefertigt  waren. 

Jeder  üibimeluck  hatte  einige  Diener  zu  Fuß  bei  sich,  die 
ihm  selbst  biß  ins  Gefecht  folgten.  Hatte  er  sein  Gewehr  ab-  1 
(^schössen,  so  griff  er  zu  den  Pistolen,  deren  er  mehrere  bei  . 
sich  trug,  und  zuletzt  zu  den  beiden  Säbeln.  Die  Zügel  seine- 
Pferdes  im  Munde,  in  jeder  Hand  emen  Säbel,  warf  er  sich 
auf  den  Gegner  und  teilte  nach  rechts  und  links  Schläge  aus. 
340 


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d;r  :j.rv-  U  Lrt.'^iiü  nK-r.i  verl-  ""llen.  Beronder>  in  dcr.Schlachi 
von  ¥^^i::t:\--L  konnien  sie  ihre  sanze  Geschirkliehkeit  al. 
Be:i'^r  und  Kneirer  zeigen,  der.::  ti^f  irdiizi.p-Lsrlif  liifiintene 
tra:  n:.  :\i  mr.iieiTiir  ein, 

A!j  Bocapane  den;  I>ir«kl.-r:-:::.  ai;,  J4.  -hih  1  7!'^^  H^  ncht 
htT  i    ^       ht  W         I  i      i  e 

I  f    -e    i  r      ben  M       1     k  I       i  Be 

r  r  i-- Lxnde-aiu     I      I       n    1     Ma     1    k  n  hat 
im  !>pTAp:erkeit  an  denTae       j;        v.  :  ;.  ir bieten  ihr\ 
Hm  Jen.  denn  es  war  keiner  iiii;i-r     :.-:!.  ;      di-m  unsere  iscA- 
daien  nieht  3.  4.  ja        Louisiior  iiuiiinden  lialten. 

Der  ganze  Luxus  dieser  Leute  besteht  in  ihren  Pferden 
und  iliren  Waffen:  ihjf  Häcif^rr  sind  erbärmlich.  Schwerlich 
findet  man  ein  frnf^tbaret^  Land  und  eui  elenderes,  un- 
wissenderes und  vettierWies  Volk.  Sie  ziehen  einen  l'uif  orm- 
knopf  unseres  SoId*ten  einem  Sechsfranfcentaler  vor.  in  den 
Di'rfem  »Tssen  ae  nicht  einmal,  was  eine  Schere  ist.  Ihre 
Häuser  sind  ein  Haufen  Kot.  Als  ganzes  Hausgerät  haben 
sie  eine  Strohmatte  und  zwei  oder  drei  irdene  Töpfe.  Sie  es- 
sen und  verbrauchen  im  allgemeinen  sehr  wenig.  Den  Gc- 
brauch  der  Stühlen  kennen  sie  nicht,  so  datl  «-ir  fortwährend 
auf  ungeheuren  Komhaufen  lagern,  ohne  uns  Mehl  ver- 
schaffen zu  können.  A\'ir  nähren  uns  nieist  von  Gemüse  and 
Fleisch.  Das  wenige  Getreide,  das  sie  in.Mciil  verwandeln,  be- 
arbeiten sie  mit  Steinen.  Nur  in  einigen  grülJeren  Dörfeni 
gibt  es  JtiriMen,  die  voa  Ochsen  gedreht  werdMi. 

AVir  sind  fortwährend  Ton  Arab«schvänneD  beannibigt 
worden.  Die  Araber  amd  die  größten  Diebe  und  Ganner  der 
Welt,  da  sie  Türken  und  Franzosen  ohne  Toteischted  er- 
morden, überhaupt  alles,  was  ihnen  in  die  Hände  fällt . .  .** 

Der  mächtigste  Mameluckenbei  war  AK  der  Große  gewe- 
sen. Seine  Wiege  stand  in  Anatohen.  Wahrend  10  Jahren, 
von  1763  bis  1773,  hatte  er  sich  als  nahezu  alleinig»  Herr- 
scher von  Ag^-pten  behaupten  können.  Xach  swnem  Tode 

342 


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ri  ß  Mohammed  die  Macht  nn  sich  und  regierte  zwei  bis  drei 
Jahre,  bis  er  durch  ein  Fieber  ciahingerafft  wurde.  Hierauf 
bemächtigten  sich  Ibrahim  und  Murad  der  Herrschaft.  Beide 
waren  Tacherkessen  und  zusammen  aufgewachsen.  Sie 
herrachten  nooli  zur  Zeit  des  französischen  Einfiills.  Da  beide 
nahezu  gleich  an  ilacht  waren  und  ebensoviel  Anliänger 


hatten,  beschlossen  sie  lieber,  sich  in  die  Herrschaft  des  Lan- 
des zu  teilen  als  sich  zu  bekriegen.  Ibrahim  bekam  Ober- 
ägypten,  Blurad  Unterägypten;  erst^rcr  jedoch  erhielt  die 
Würde  eines  Scheik-el-Beled. 

liire  Hen-schaft  aber  wurde  von  Hassan-Bei,  einem  frühe- 
ren Jlamelucken  Alis,  und  von  Iismael,  der  unter  Ibrahim, 
dem  Hcrrschrr  vni-  Ali,  gestanden  hatte,  angefochten.  Has- 

343 


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San  hatte  »oh  nach  und  nach  zu  Macht  und  Ansehen  empor- 
geschwtmgen  und  natüriich  den  Haß  und  Nräd  Mnrads  er- 
regt. Murad  traeht«te  deshalb  danach,  aeinen  Nebenbuhler 
unsohädlich  zu  machen  und  zu  töten.  Hasaan  wurde  aber  ge- 
warnt und  floh  noch  teohtzeitig  nach  Obelägypten,  ehe  e  i 
Murada  Kachatellungen  zum  Opfer  fieL  Schließlich  gelang  < - 
ihm,  eine  Art  Versöhnung  mit  Murad  herbeizuführrai,  dem. 
er  wurde  von  diesem  anerkannt.  Als  Murad  nach  derSchlacin 
bei  den  Pyramiden  nach  Oberägypten  fliehen  mußte,  nahm 
ihn  Hassui,  der  seinen  Aufenthaltsort  in  £sneh  aufgeschla- 
gen hatte,  großmütig  auf  und  unterstütete  ihn  noch  durcli 
seine  Truppen.  S«de  abrar  wiwlen  durch  Sesaix,  den  Bona- 
parte  zur  Verfolgung  nach  Ober^ypten  gesandt  hatte,  in 
verschiedenen  Gefechten  geschli^n. 

Der  franzöeisohe  Naturforscher  and  Reisende  Sonnini,  der 
Ägypten  vor  dem  Einfall  der  Franzosen  brauchte,  hatte 
auch  Gelegenheit  gehabt,  den  Mamelucken  bei  Murad  ken- 
nen zu  lernen.  In  seiner  „Voyage  dans  la  Haute  et  Basse 
Egypte"  gibt  er  ein  sehr  interessantes  Porträt  von  ihm. 
„Murad  ist  ein  sehr  schöner  Mann",  heißt  es  darin.  „Er  hat 
ein  kriege riscli es  Getsieht;  ein  dichter,  schwarzer  Bart  um- 
rahmt sein  Kinn.  Breite  schwarze  Augenbrauen  ziehen  sich 
in  schönen  Bogen  über  den  großen  feurigen  Augen  hin.  Eine 
lange  Narbe  niittPii  rliircli  die  eine  Wange  trägt  viel  zu  seinem 
wikien  Geai.-hlsiuis(lnu:k  In-i.  .Mit  gioUern  .Mute  vereinigt  er 
auflerordeiit Helle  Kiiift  iliiiI  ( leu  aiidtlieil.  Mau  IlüI  gesehen, 
wie  er  mit  eiiicLi  cin^.igeii  Hieb  meines  krummen  Türken- 
Säbels  einem  Rinde  den  Kojif  abseblug.  Bei  ein  wenig  Erzie- 
hung und  Könnt  Iii  eson  liütte.Mumdein  großer  Feldherr  wer- 
den können,  denn  er  wiir  ein  unerschrockener  Krieger  und 
ein  ausgezeiebnetor  Heiler,  der  die  härtesten  Entbehrungen 
und  Anstrcngimgen  ertragen  konnte  und  den  Säbel  mit  Kraft 
und  Gewandtheit  handhabte.  Er  war  mutig,  wenn  er  Nieder- 
lagen erlitt,  kühn  in  seinen  Unternehmungen,  kaltblütig  im 

344 


I 

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i-landoln  und  furchtbar  im  Angriff,  Sein  stolzer,  hoch herzi- 
CliaraktPF  j^nlieii  ihm  den  Atisnhpin  von  Würde  der  höch- 
sten Gewalt.  al)ci'  L'iijrcrcchtisliL'it,  rmvis^.-nlivil  umi  V.uni- 
samkeit  hatten  min  ilini  einen  wilden  Tyniiineii  fieinaoht." 

"!  brahini  wird  als  groß  von  Gestalt,  berechnend,  geschickt, 
l^alsrh,  ehrgeizig  und  verschlossen  geschildert.  Er  war  ebenso 
liipfer  wie  Murad,  doch  war  seine  Tapferkeit  ruhiger  und 
gleichmütiger. 

Dieser  Bei  war  in  seinem  Handeln  viel  gemäßigter  und 
umsichtiger  als  sein  Nebenbuhler.  Obgleich  seine  Mameluk- 
ken ebenfalls  sehr  treidgierig  und  ungerecht  waren,  so  wen- 
deten sie  doch  mildere  Formen  und  weniger  ^\'illkiirlielikcit 
im  Eintreiben  der  ytciiem  an  als  die  Jlurads,  Ibrahim  war 
reicher  als  Murad.  Er  besaß  viel  Ordnungssinn  und  scheute 
unnütze  Ausgaben,  ohne  gerade  sparsam  zu  sein. 


345 


I 


VIERZlLliKl  ES  KAl-lIEL 

LANDUNG  IN  ALEXAKDRIA.  —  MARSCH  DURCH  , 
DIE  WÜSTE.  —  GEFECHT  BEI  KOBBAKIT.  —  i 
SCHLACHT  BEI  DEN  PYRAMIDEN  j 

(Juni  bis  Jnli  1798}  | 

Am  26.  Juni  kam  die  franzÖsisohe  Motte  in  Sicht  der  In- 
sel Kandia  und  steuerte  demn  gerade  auf  Alexandria  zu. 
Am  nächsten  Tage  erteilte  Bonapiuie  der  Fregatte  „Junon" 
den  Befehl,  vorauszusegeln,  um  den  h'anzösisohen  Konsul 
Magallon  in  Alexandria,  den  Neffen  des  Generalkonsuls  glei- 
ohen  Namens,  an  Bord  zu  nehmen  und  Um  um  Nachrichten 
auszufragen.  Denon  befand  sich  an  Bord  der  Fregatte  und 
hat  uns  genaue  Einzelheiten  darüber  überlief^*). 

Am  28,  erblickte  man  Land.  In  der  Nacht  vom  29.  zum 
30.  Juni  kam  der  französische  Konsul  an  Bord  der  „Junon", 
undamnSchBtenTage  wardie  Fregatte  wieder  bei  der  Flotte 
angelai^t.  Am  I.  Juli  früh  7  Uhr  begab  sich  Magallon  in  Be- 
gleitung DenoQs  auf  das  Admiralsschiff.  Auswaren  über- 
rascht, zu  erfahren,  daß  die  englische  Flotte  einige  Tage  vor- 
her vor  Alex^dria  erschienen  war.  Man  glaubte  vielmehr, 
daß  sie  erst  später  folgen  werde,  imd  daß  man  ihr  voraus- 
geeOt  sei ! 

Bonaparte  hatte  ursprünglich  die  Absicht  gehabt,  an  ver- 

*)  Er  crzälilt  In  seiner  ReiBebeBuhrpibung.  ein  Witzlwld  hslic  in  AnnjiU-lung 
aai  die  Anivdc  BonapSTtca  in  Toulon,  eSu  er  die  Bds  KilHta  erbiickic,  ausgi'- 
rnfim;  „IJe  sclmu,  da  xind  dip  uechs  Ackpr  Boden,  die  man  dir  vecediriebra 

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t!i:liicdi'iu  (i  l'iiiilili'M  7AI  hnulcii,  vtTiniillich  ;;liMcllzeitlg  in 
;Ue.\;uKliia  und  i^i.M'ite,  vivllciflit  iiucli  in  IJuniiette,  Die 
Nachricht  von  dvr  Ai)kunfl  der  engÜM'hcn  Motto  in  den 
ägyptischen  (li^w^issi  in  niulJlc  iibcr        .leinc  rhinc  iindcrn. 

Ercntachlnlisii'li  didi.-r  snfoi  t.  an  l.iind  m  gclien,  obgleich 
das  -Meer  wiir  sliii  ndsi'li  war  und  Brueys  ihm  davon  abriet. 
Hona]iiirte  iv.-ir  id)cr  /.ii  sehr  von  der  Notwendigkeit  über- 
zeugt, die  Trujjpen  auKscliiffen  zu  lassen,  denn  jeden  Augen- 
blick konnte  die  englische  Flotte  Kurückkeliroji.  Und  das 
würde  alle  wino  Plane  zerstört  liaben.  Zinn  Liinduugs- 
platz  wurde  die  Bucht  von  Alexandriii  ausgesucht.  Das 
Waeser  war  aber  sehr  scietit,  so  daß  die  Schtaelitsehiffc  nur 
in  HClir  grolJer  Entfernung  von  der  Küste  ankern  konnten. 
Nichtadesto weniger  eignete  sich  die  Küste  gut  Kuin  Landen 
für  kleinere  Fahrzeuge;  zudem  war  Ale.xandiia  kiuini  12 
Kilometer  entfernt. 

Die  Division  l)esai\  erhielt  am  2.  .Inli  Hetchl,  siel-,  in'im 
Marabut,  die  Division  .Menous  reclits  davon  und  die  iicy- 
niers  links  davon  auszuschiffen.  Die  drei  Divisionen  hefaii- 
lieii  .sieh  auf  den  TranMporlfalir;(eugC]i  und  liattcu  eine  kür- 
zere Strecke  bi.s  zum  Ufer  zurückzulegen  als  die  IJivi.'iiouen 
Kleber  und  Bon.  Diese  befiin<len  sieh  anf  den  Kriegsschif- 
fen, die  in  einer  gewissen  Entfernung  vom  Lande  (geankert 
hatten. 

Die  Division  Menou  gelangte  zuerst  ans  Land;  mehr 
Schwierigkeiten  hatten  die  Divisionen  Reynier  und  Desaix 
zu  überwinden,  da  dae  Meer  äußerst  stiirmiBch  war.  Selbst 
die  Matrosen  und  Seetioldaten  kviurden  in  diesen  Tagen  von 
der  Seekrankheit  erfaßt. 

Bonaparte  und  sein  Generalstab  bestiegen  am  1.  Juli 
gegen  4Ubr  nachmittags  eine  der  Halbgaleeieiw  die  man  aus 
Malta  mitgebracht  hatte,  um  dch  der  Küste  zu  nähern.  Um 
ihn  sammelten  sich  die  Boot«  der  Kriegsschiff e,  die  die  Mann- 
schaften der  Divisionen  Kleber  und  Bon  an  Bord  hatten.  Man 


347 


mußte  aber  eine  halbe  Meile  von  (kr  Küste  entfernt  ankern. 
Dies  geschah  während  der  Dunkelheit.  Ungeduldig,  bald  ans 
Land  zu  kommen,  sprang  der  Obergeneral  gegen  1  Uhr 
nachts  (am  2.  Juli)  mit  Berthier,  Caffarelli  und  Dommartic 
in  ein  Boot  und  erreichte  in  einiger  Entfernung  vom  Mara- 
but  die  afrikanische  Küste.  Da  er  sehr  müde  war.  ließ  er  eine 
Wache  urn  sein  Lager  aufstellen  und  legte  sich  zum  Ruhen 
nieder,  währenddessen  sich  die  Laniiung  rioi-  Divi.sionen  Kle- 
ber, Menou  und  Bon  vollzog. 

Bis  etwa  2  Uhr  früh  hatten  diese  drei  Divisionen  5  — 6(X>J 
Mann  ausgeschifft.  Gegen  zweieinhalb  Uhr  setzten  sie  sich 
in  -Marsch,  um  so  schnell  wie  möglich  Alexandria  zu  errä- 
chen. 

Bonaparte  marschierte  an  der  Spitze  der  drei  Divisionen. 
Durch  seine  Gegenwart,  seine  Zuversicht  und  sein  entschie- 
denes Handehi  belebte  er  den  Mut  aller.  In  r^ciner  licgleitung 
befanden  sich  außer  seinem  Stab  die  Generale  i^umas,  Dom- 
martin  und  Caffarelli,  der  trotz  tfeines  Holzbcines  keine  MÖ- 
digkcit  verriet.  Rejniier  hatte  wegen  des  schiechten  Wettere 
erst  einige  hundert  Mann  seiner  Division  landen  können. 
Et  erhielt  desbtdb  von  Bonaparte  die  Weisung,  zonächBt 
bis  zur  völligen  AuBschiffüi^  zurückzubleiben  und  den  Lan> 
dungsplatz  zu  überwachen. 

Bei  Tagesanbruch  (am  2.  Jiüi)  war  man  vor  der  Stadt  Ale- 
xandria, vielmehr  vor  den  Mauern,  die  die  ^emalige  Araber- 
Btadt  umgaben,  angelangt.  Da  die  Sonne  stark  brannte  und 
kein  Wasaer  au&utreiben  war,  hatten  die  Truppen  sehr  zn 
leiden.  Man  hatte  zwar  für  vier  Tage  Lebensmittel  (meist 
SohiffBzwiebaok),  aber  kein  Waeser  mitgenommen.  Die  Sd- 
dsten  jedoch  warfen  den  Zwieback  weg,  da  sie  bald  Besseres 
zu  finden  hofften.  Aber  moht  einmal  für  den  General  ww 
ein  Tropfen  Wasser  aufzutreiben;  schließlieh  bot  ihm  ein 
Offizier  einige  Apfelsinen  dar,  die  er  aus  Malta  mitgebracht 
hatte. 

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Boiinparte  versutlitc  mit  dem  Befehlshaber  von  Aloxan- 
ciria  zu  unterhandeln,  aber  es  gelang  ihm  nicht,  sicii  den  Kiii- 
"wohneni  verständlich  zu  machen,  da  sie  glauben  mußten, 
<iie  Franzosen  kämen  als  Feinde.  Da^.u  <lrängte  die  Zeit  sehr. 
Obgleich  llonapirtc  keine  Artillerie  hei  sich  hatte,  befahl  er 
.sofort  den  Angriff.  Mi'üüu  sollte  im  Westen  (linker  l'liigel), 
Kleber  im  .Siklcu  (Milte)  und  Bon  im  Osten  (rechter  Flügel) 
von  dem  Tore  von  llosettc  aus  die  flauem  zu  übersteigen 
versuchen.  Von  seinem  Standort,  der  sogenannten  Pompejus- 
säule.  aus  leitete  der  Obergeneral  den  Angriff. 

Eiiüge  Jlameluckenach  wärme  und  ein  Teil  der  Araber  hat- 
ten sich  beim  Herannahen  der  Franzosen  in  die  Wüste  ge- 
flüchtet. Ein  anderer  Teil  der  Araber  verteidigte  mit  eini- 
gen bnndert  Mamelucken  und  Einwohnern  Alexandriaa  die 
Stadt.  Die  Verteidigung  war  aber  so  schwach,  daß  die  Fran- 
zosen bereits  gegen  11  Uhr  Herren  der  Stadt  waren.  Bei  dem 
Sturm  auf  die  Stadtmauer  wurden  die  Generale  Menou  und 
Kleber,  die  ihren  Truppen  immer  voranmarschierten,  ver- 
wundet. 

Seid  Mohammed-el-Koraim  Skenderi  war  Gouverneur  von 
Alexandria.  Er  verstand  es  sehr  geschickt,  sich  bei  Bona- 
parte  in  Gunst  zu  setzen,  der  ihn  auf  seinem  Posten  ließ.  Kn- 
raim  hatte  natürlich  den  Beis  Hurad  und  Ibr^m  von  der 
Ankunft  der  Engländer  und  der  Franzosen  Hitteilung  ge- 
macht und  sie  von  den  späteren  Maßnahmen  Bonapartes 
auf  dem  laufenden  gehalten"'].  Als  Murad  von  der  Landung 
der  Franzosen  erfuhr  und  man  ihm  mitteilte,  daß  sie  ohne 
üeiterei  gekommen  seien,  lachte  er  laut  auf  und  rief,  dann 
werde  es  ihm  ein  leichtes  sein,  sie  zu  besiegen.  Er  begab  f.ich 
sofort  zu  Ibrahim,  um  sich  mit  ihm  wegen  des  Widersbandes 
zu  beraten,  den  sie  den  frechen  Eindrii^ngen  entgegen 
setzen  wollten. 

*)  Des  Vcrnitii  iiU  rfiilirt.  nurdi^  er  ivpitei  gefoogen  nach  Kairo  gebracht  und 
am  6.  Scptcmbr  hinccriclitot. 


349 


Am  Abend  des  2.  Juli  eriiielten  die  INviaionen  Reyni« 
und  Desiüx,  die  inzwischen  die  Ansschiffiing  beendet  hat- 
ten, Befehl,  sich  am  nächsten  Tage  auf  Alexandria  in  Mai^  l 
zu  setzen.  Da  sie  sich  in  gröBerer  Kühe  als  die  anderen  cli^ 
Dividonen  hatten  bilden  können,  wsxd  ihnen  die  Aufgabe 
zuteQ,  a]8  etst«  von  Alexandria  aus  auf  K^ro  zu  marachiereiL 
Bonaparte  wollte  den  Mamelucken  kerne  Zeit  gönnen,  skli 
von  ihrer  Überraschung  zu  erholen  und  größere  Vert^idi- 
gungsmaSregcln  zu  treffen. 

Er  tat  alles,  um  die  Einwohner  von  Alexandria  von  den 
friedUchen  Absichten  der  Franzosen  zu  überzeugen.  Er  wollte 
durchaus  mit  den  Kopten,  Arabern  und  Türken  in  Freund- 
schaft leben  und  nur  die  .Manioliickon  hokämpfen.  De^halh 
erließ  er  noch  am  Abfnd  des  2.  Juli  eine  bt'redtr  Proklama- 
tion an  die  Völker  Ägyptens,  daß  die  Franzosen  als  Befreier 
gekommen  seien  und  nur  die  ilacbt  der  verhaßten  Mame- 
lucken brechen  wollten.  Arn  nächsten  Tage  gab  er  Befehl, 
die  Ausübung  des  mnhammedaniscben  Oottesdienste.s  nicht 
zu  hindern. 

Alexandria  war  der  weitaurs  wichtigste  Hafenphit/.  Ägyp- 
tens. Bonaparte  wollte  deshalb  die^  Stadt  zum  Stiitzpimkt 
seiner  Flotte  und  seines  Heeres  machen.  Kr  traf  sogleieh  in 
umfassender  Weise  Alaliiiahrnen.  um  sich  Unterhalts  mitte! 
und  Bargeld  zu  verschaffen,  und  gab  Befehle,  eine  -sioheri 
Verbindung  zwischen  det  Stadt  nnd  dem  Landungsplatz  lici 
Flotte  herziiHtellen.  i'erner  ließ  er  in  der  Stadt  eine  sliukt 
llcsatzinig  /urüek.  die  >ieii  auf  (i.5n(l  Köpfe  belief.  ]>aruiin.[ 
hefEu.d  sieh  iillerdiugs  eine  große  Anzahl  von  IVrsoneu.  <.U- 
iiii  lit  unmittelbar  Kuni  Heere  geborten,  die  aber  auf  doii. 
Wcih-ruiar-rhezniiärlisi  niu' liiuderl ich  gewesen  wären.  Zum 
licielN^habei  diesei  (;in  iiis..n  m  unle  der  lirigadeehef  liecxe 
ernannt.  Er  wurde  indes  dem  General  Kleber  unterstellt, 
der  auch  die  bewegliche  Kolonne  des  Generals  Dumuy  unter 
sei  nen  Befehlen  vereinigte.  Da  Kleber  verwundet  war,  konnte 

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fi-  (ifiii  lifi'i-f  ziinädist  niulit  foij;i'ri.  Sflilii'IJlicli  Ifaf  Bona- 
pario  aucli  Maßnahmen  für  die  Flotte,  der  iji  dem  1~>.  Kapitel 
gedacht  worden  wird. 

Wie  wir  gestihen  haben,  iviir  dein  Ccncuil  Dc^iiix  :im 
2.  Juli  iletehl  erteilt  worden,  sii  h  id>iT  Alextindr  iii  -.ud  Kiiiro 
in  M;usfli  /II  scl/rii.  sobald  seine 'l^nipiicii  ai.sf-csriiifft  sein 
wfinlen.  Arn  In'ilieii  Miir;;en  des  :!.  Juli  maelite  er  sieli  auf 
den  Marseh.  An  diesem  Taj^e  liatle  aiieli  üeynier  die  Aiia- 
schiffun;;  seiner  Division  beendet.  Er  setzte  sieli  mit  ihr  am 
nächsten  Tage  gleiehfalls  in  Hewegung.  Sobald  die  Division 
vor  Aiexandria  ancekoiinn.-n  wa.-,  eiiiielt  sie  die  Weisung, 
noch  mitten  in  der  N'aeht  vom  4.  /um  ö.  .luli  Desaix  /n  fcl- 
gen  und  ihn  im  Falle  eines  Angriffs  kii  untersi  iii/en.  Aneb 
sie  erreichte  das  Dorf  El-Iieida  naeh  einem  sehr  seh\s  ierig<-ii 
Marsehe  auf  einer  wenig  vorteilhaften  Straße  bei  griililor 
Hitze  und  ohne  Trinkwasser. 

Am  r>.  .Inli  kam  Di'saix  in  Herket-( ;itas  au.  Hier  blieb  er 
Iiis  zur  Ankunft  llc\-uirr-.  Soli.dd  di<'-ier'  am  ."j.  ,luli  gegen 
Mittag  eingetrolfc[i  m:U',  m.e  lite  sich  De-aix  nuf  und  kam 
niU'ii  gi'oßen  Anstrengungen  und  iMiLbeliiin^gen  vor  -Mitter- 
naeht  in  Damanhur  an.  Wir  fiuiien  am  7.  .Inli  beide  Divi- 
sionen sowie  einen  Teil  der  P.eiterei.  v  iele  l'terde  uaren 
in  den  Nächten  weggelaufen  —  in  Damanhur  vereinigt. 
Hier  konnten  sie  sich  nach  den  Mühseligkeiten  der  Märsohe 
erholen  und  die  übrigen  Divisionen  erwarten. 

Nach  den  Verfügungen  Bonapartes  sollte  eine  Division 
mit  einem  Teil  der  Keiterei,  der  Artillerie,  de«  Briickenbe- 
darfs  und  des  Gepficks  über  Äbukir  der  Küste  entlang  naoh 
Rosette  gesandt  werden,  nin  dann  den  Kil  aufwärts  zu  mar- 
Bchierea  und  den  Hauptteil  des  Heero.s  in  El-Ramanieh  ein- 
zuholen. Die  beiden  Divisionen  Desaix  und  Ueynier  befan- 
den sich  schon  auf  dem  geraden  Wege  dahin;  die  übrigen 
Truppen  sollten  denselben  Weg  einschlagen. 

Da  Kleber  und  Menou  beim  Sturm  auf  Alexandria  verwun- 


351 


det  worden  «  iut^iL,  lictVIiliKtcn  ihn-  Divisionen  vorläufig  der 
Piviaionsgeneral  Dugua  und  der  Brigadegeneral  Vial.  Beide 
Divisionen  sollten  am  6.  Juli  aufbrechen)  doch  mußte  ihr 
Abmraeoh  nach  Bosette  und  na<ih  Damanhui  auf  den  6.  Juli 
versdioben  werden. 

Dugua  setzte  sich  am  6.  Juli  in  Bewegung,  und  nach  einem 
sehr  besohwerliohen  Marsch  kam  er  am  8.  Jnli  gegen  Mittag 
in  BoBätte  an.  Andr^ossy  mit  einem  Tml  der  ÄrtiUerie  und 
dee  Genies  brach  erst  einen  Tag  später  auf  und  traf  am  9.  in 
d^  KüBtenetadt  ein.  Der  Besitz  Bosettea  war  von  großem 
Vortral  für  das  Heer,  denn  man  gelangte  dadurch  in  den  Be- 
sitz eines  schiffbaren  Nilarmes  bis  zu  seiner  Mündung  ins 
Mittelländische  Meer. 


Ohne  sich  lange  in  Bosette  aufzuhallen,  machte  »eh  Du- 
gua am  9.  Juli  mit  der  Vorhnt^  au^  um  schnellstens  El-Ba- 
inanieh  zu  erreichen.  Obgleich  die  Tage  sehr  beiß  waren, 
hatten  die  Truppen  nicht  mit  so  großen  Schwierigkeiten  zu 
Irämpfen  als  die  anderen  Divisionen,  da  das  Land  an  beiden 
Ufern  des  Nils  überall  bebaut  war.  An  Lebensmitteln  imd 
Wasser  hatte  man  ebenfalls  keinen  Bfongel  zu  leiden.  Am 
10.  Juli  kam  die  Vorhut  Duguas,  die  am  linken  Nünier  hin- 
abmaiscMert  war,  an  ihrem  Bestimmungsort  an.  Einen  Tag 
später,  am  II.,  erreichte  auch  der  Rest  der  Division  El-Rar 
manieh. 

Den  Befehlen  Bonapartes  gemäß  hatte  sich  inzwischen 
Vial  mit  seiner  Division  am  6.  Jnü  frühzeitig  von  Alexan- 
dria ans  in  Marsch  gesetzt.  Über  El-Beda,  EI-Akrich  und 
Berket-Gitas  sollte  er  so  schnell  wie  möglich  Damanhur  zu 
erreichen  suchen.  Unter  wesentlich  günstigerenBedingungen 


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halben  Tilg  lipatw  Huf  den  Weg.  denn  der  Obergenernl  hntte 
imlerwegs  Vorsichtsmaßregeln  für  den  Unterhalt  der  Trup- 
2>en  treffen  können. 

Zuletzt  bracii  Bonaparte,  der  durch  zalilreiche  Ai'beiten 
in  Älexandria  zurückgehalten  worden  war,  mit  seinem  Stab 
axtt  Am  7.  JnÜ  gegen  5  Uhr  abends  ritt  er  von  Alexandria 
ab  und  traf,  ohne  sich  unterwegs  aufzuhalten,  am  nächsten 
Morgen  gegen  8  Uhr  in  Damanhur  ein.  Nur  schwierig  fand 
man  ein  Unterkommenfur  den  Genial;  »chheßlich  war  man 
gezu-ungen,  die  Tür  einer  Moschee  einzoschlagen.  Reynier 
und  Yial  erhielten  Befehl,  mit  ihren  Divisionen  am  9.  nach- 
mittags 5  Uhr  von  El-Ramanieh  abzumarechieren.  Aber  erst 
in  der  Nacht  vom  9.  zum  10,  konnten  sie  ihren  Marsch  an- 
treten. An  der  Sfätze  marschiert«  der  Obergencral  mit  einem 
Teile  seiner  Qniden.  Unterw^^  wurden  die  Truppen  von 
einigen  hundert  Mamelucken  und  Beduinen  angegriffen, 
aber  ihr  Marsch  wurde  dadurch  nicht  sonderlich  verzögert. 
Die  Division  Desaix  folgte  mit  dem  Gepäck  vor  Tages- 
anbruch*}. Am  10.  Juli  befanden  sich  die  Divisionen  Desaix, 
Beyoier,  Yial  und  ein  Teil  der  Vorhut  Duguas  in  und  bei 
El-Bamanieh.  Der  Best  der  Division  Dngua,  die  Division 
Bon  und  Zeionozek  mit  der  unberittenen  Beiterä  kamen  im 
Laufe  des  nächsten  Tages  an;  sie  waren  erst  am  11.  vor 
T^;esanhrach  abmarschiert.  Bonaparte  blieb  am  Abend  in 
El-Bamanieh. 

Die  Leiden  der  Truppen  sollten  vorläufig  ihr  Ende  erreicht 
haben.  So  mutig  die  franzMsohen  Soldaten  im  Kampfe  sind, 

*)  Bcri  einem  Opfeclit.  dtn  tmiachen  Tiiip[ieii  der  Division  DphbIx  und  Üune- 
liic  km  nm  e.  Tili;  in  (liT  Siilr  vcin  Diiinniiliur  stBttffUid,  vut,\.-  iW  General 
.Minne.  diT  d»»  ^2.  ,Jii|!.-i-  und  d,B  -21.  IlrHtfn.i.Tiv^iiiifnl  be  f.' Iii  igt.-,  K(-tötot. 

S  il«^[ni<mnH.Silri»'ri  lud"-,  da  .T  mit  K.iimpHflo'ill.i  Tniii-  seiij.T  Ankunft  in 
Duiimriliiir  eiiu.-ii  liufLigcn  Wortu-eclinl  wegen  dvi  l'uiitik  d<s  Direktoriums 
gt'lifllil  habe.  Andere  Quellen  bestätigen  jedoi-h,  daß  Slireur  durch  Beduinen 
Ki'ii^tft  wwdo,  als  n  aioh  ganz  ohne  Bedeckung  vorwngte. 


Miloil'lii  veralten  sie.  wenn  sie  /ugrollo  Anstron^-imgen'r 
iMitii^-lirunscii  cilriden  müssen.  .ilin<-  i-in  Ziel  vor  Augen  ' 
si-hon!  Mehl-  wie  ein  Kliieh  knni  iti  ierien  Tatren  gc.^-en 
DiivktnriiLiii,  fzrgcii  Hoiiaiiai-I^.  dit-  (k-iuTiile  luid  ycaen  ■-.  ' 
(;vlelirt<-ii  iil>,>r.lii>  l.ii>|)cu  ik-r  Olfizicrv  iinii  Sol.hitt-n. 
verw  iinsciitfii  das  Liim!.  das  Tnarj  iliiicii  ,■.(■  vcriicilinnSÄV  ■ 
geseliildcrt  halle!  SofiPir  (icnendc  Heden  sich  von  üirerN:-- 
dergfscliiagenlieit  liinreiUen,  waifen  ihre  Hüte  zu  Bodfiiii!:: 
traten  darauf ! 

Als  die  Soldaten  den  Nil  erl.iickteii,  wareii  sie  niclif  mer.' 
in  Reih  iin<l  Glied  zu  lialten.  Wie  die  Tiere  sl  iir/.tt-n  ^icsici 
in  die  Fluten.  Ein  Feld  WaeHenneldnen.  dassieli  am  l'ferl'^ 
fand.wurde  im  Handumdrehen  ivio  vmieiueni  Heusehrecker,- 
schwarm  bedeckt,  und  wenige  Augenblicke  später  war  kpr  ^ 
Frucht  mehr  zu  sehen.  Generai  Belliaivi,  der  eine  Haliji>:  ■ 
gade  der  Division  Deaaix  befehligte,  sohildert  in  ben^ii:- 
Worten  in  seinem  ungedruckt«n  Tagobuche  über  den  ägj"P" 
tischen  Feidzug  die  lebhafte  Freude,  die  die  Soldat-en  emp- 
fanden, ala  man  des  Nils  ansiehtig  wurde ! 

Während  seines  Aufenthaltes  in  El-Ramanieh  erfuhr  Bo- 
naparte, daß  Murad  mit  einer  beträchtlichen  Reiterabt«- 
Inng  bis  nach  Kobrakit  marschiert  sei,  um  den  Yraooßaa 
den  Weg  nacli  Kairo  zu  verlegen. 

Er  Ueß  dalier  am  12.  Juli  seinen  in  El-Bamanieh  anweaes- 
den  Truppen  den  Befehl  erteilen,  noch  am  Nachmittag  d«- 
aeJben  Tages  aufzubrechen,  um  auf  Miniet-Salameh  zu  nmt- 
schieren.  Die  Befehle  des  Obergenerals  wurden  am  AK  i 
ausgeführt.  Bereits  um  5  Uhr  nachmittags  kam  dieser  seib- 
in dem  Dorfe  Miniet-Salameh  an,  nm  die  notwendigen  Ver- 
fügungen für  den  nächsten  Tag  zu  treffen.  Das  Heer  tct- 
braehte  hier  <lie  Nacht. 

Schon  am  5.  Juli  hatte  Bonaparte  dem  Divisionschef  Pe^ 
r^e  befohlen,  mit  den  Schiffen,  die  nicht  mehr  als  vier  bi« 
fünf  Fuß  Tiefgang  hatten,  nach  Rosette  za  segeln  und  ach 

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dem  General  Sugna  zur  Verfügung  zu  stellen,  der  Weisno.  | 
hatte,  den  Nil  anfwüis  zu  marschieren.  Ein  Teil  derriotiiü-l 
war  in  EI-Ramanieh  eingetroffen  und  sollte  beim  Anenri 
auf  Hurad  und  seine  Kanonenboote  mitn-irken. 

Am  näcliBten  Tage,  den  13,  früh  2  Uhr  befahl  Bonapan 
den  Angriff  auf  die  feindliche  Stellung  bei  Kobrakit  E: 
führte,  da  er  fant  über  keine  Reiterei  verfügte,  eine  neiir 
Taktik  ein  und  ließ  Vierecke  bilden.  Die  IVIaraelucken,  etw^ 
3- — 4000  Jlann  zu  Pferde,  näherten  sich  bis  auf  KanoiHD- 
sehußweite,  doch  tielien  sie  sich  klugerweise  nicht  auf  einec 
emsthaften  Zusammenstoß  ein. 

Bonapurte  sfinerscil  ^  konnte  keinen  Xutzen  .ins  seiner 
■rroläen  ÜherieKenlieit  /■.ielieTi.  Ha  unu  an  Keiterei  ieUxe. 
Er  ließ  nur  einige  K;innneiiüfiiiiM>e  ahgi'tien,  die  aber  wegeu 
deraiilieroidenllielien  IJewesiliclikeit  der  .Mamelucken  iiewiü 
keinen  /.u  großen  Sciiiulen  in  ihren  Eeilien  iuigerielitet  ha- 
ben. ISorthier  gibt  /.war  in  seinem  IJcrieht  den  feindlichfJ. 
Verlust  auf  .-mil  .Mann  an,  die  ZnM  ist  alier  oftVnliar  Über- 

Auf  dem  Nil  hingegen  fand  ein  erbitterter  Kampf  zwi- 
schen den  Schiffen  Mnrad-Beis  und  den  drei  Kanonenbooten, 
einer  Schebekc  und  einer  Halbgalocre  Perrees  statt.  Nach 
Herthiers  .Bericht  wurden  eine  Halbgaleere  und  ein  Ka- 
noncnlicKif  von  den  Feinden  genommen  aber  von  den  Fran- 
zosen wieder  zurückerobert.  Bonaparte  schrieb  jedoch  at. 
das  Direktorium,  daß  alle  drei  Kanonenboote  und  die  Halli- 
galeere  von  den  Mamelucken  genommen  worden,  aber  wiedt  ' 
zurückerobert  «  orden  seien.  Für  seine  tüchtige  Haltung  .in 
diesem  Tage  wurde  der  Divisionschef  Perree  am  27.  Juli  zum 
Konu-raduiirnl  befördert. 

Kiiii'  liiibM-lie  SeiiildenmgdeB  ersten  Treffens  mit  den  Ma- 
melucken gibt  uns  der  Hauptmann  Deponthon,  Er  schreibt 
in  seinem  unveröffentlichten  Tagebuch:  „Der  Feind  ließ  auf 
ruhig  schlafen.  Sobald  jedoch  der  Tag  graute,  sahen  vir  ihn 

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zu  Pferd  nach  allen  Richtungen  hin  sinenj^en.  Kr  suiiien 
Vorbereitungen  zu  einem  großen  lvam])fe  troffen  /.u  wollen. 
Die  Zahl  der  Feimlo  vermehrte  sich  .lichtlieli.  Sic  ordneten 
sich  auf  einer  einzigen  l.inie  vor  dem  Dorfe  Kobrakit,  dos 
sich  rechts  an  den  tluli  anlegte  und  «ich  links  in  der  Ebene 
gegen  uns  auabreitete, 

Sie  schienen  ungefähr  12 — 15  (KM)  Mann  zu  zäiilen.  aber 
nur  3000  Mann  waren  beritten.  .-Ulo  anderen  waren  Sklaven 
und  Bauern.  Einige  davon  hatten  Flinten,  andere  waren  nur 
mit  Stocken  bewaffnet.  Wir  hingegen,  wir  griffen  zu  den 
Waffen,  ohne  unsere  Stellung  zu  verlassen,  denn  wir  hoff- 
ten, Bie  wurden  uns  zuerst  angreifen.  Das  wäre  ein  großer 
Vorteil  für  uns  yeweaeii.  feie  bef^'nügten  sicli  jedoeh,  einige 
Reiterabte  Illingen  abzuwenden,  die  um  una  h  er  uniKeb  wärm- 
ten und  mtolgedessen  von  einigen  Kanonenkugeln  bestri- 
chen wurden. 

Auf  diese  Weise  verging  die  Zeit  bis  S  Uhr  morgens.  Da 
traf  unsere  Flottille  ein  und  begann  clenKüinpf  mit  denen, 
die  öieh  am  L'fer  des  Fh.s.ses  befanden.  Als  sie  sieh  auf  einem 
Punkt  angegriffen  .-^ahen,  vereinigt^?!!  nie  dort  sofort  fast  alle 
ihre  Kriift«.  Da  sie  am  Fhißufer  einige  (Jeschütze  besaUen, 
bohrten  sie  uns  zwei  Schiffe  in  den  Grund. 

Durch  diesen  kleinen  Erfolg  stolz  gemacht,  glaubten  sie 
uns  Furcht  einflößen  zu  können.  Sic  kamen  iliis  jetzt  ao  nahe 
wie  nie  zuvor,  und  zwar  bewerkal eiligten  sie  dies  durch  eine 
Bewegung  auf  ihrer  linken  Flanke,  um  uns  zu  umgehen.  Sie 
waren  jedoch  selir  erstaunt,  dort  die  Division  des  Generals 
Roynier  anzutreffen,  die  sich  auf  unserer  Rechten  befand, 
Reyniers  Kanonen  lichteten  bald  ihre  Reilien,  Das  gleiche 
Geschick  ward  ümeti  auf  unserem  linken  Flügel  zuteil,  der 
von  der  DiTision  Bon  gebildet  wurde.  Die  Mitte  verteidig- 
ten wir  (die  Division  I>esaix)  selbst.  Die  Kanonade  währte 
ungefähr  eine  Stunde  lang.  Darauf  marechierten  wir  in  gu- 
terOrdnung  gegen  die  Feinde.  Sie  erwarteten  una  aber  nicht. 


357 


(äondi'i  ii  cr^riffi  ii  (\w  Flia'ht,  nacbdem  sie  einige  Geschöt« 
am  Vier  kui  ik  k^:i  las?cn  linttcn." 

\oih  all)  Alieiid  'Iis  (_icfec]it,s  bei  Kobrakit  setzten 
die  Divisionen  Def^aix  und  Reynier  und  am  nächsten  Tül't. 
die  übrigen  auf  Kubur  in  BcwcRunf;.  Am  14.  .luli  übernach- 
tete das  Heer  in  Kabur,  am  l'i.  in  Kinn-.Sdierik,  am  16.  in 
Alquam,  am  17.  in  Abn-Noeiiabeii'^)  und  am  18.  in  Wardan. 
Hier  angekommen  gönnte  Bonaparte  seinen  Truppen  nacli 
den  beachwerlichen  Märsehen  von  einer  Woche  den  ersten 
Ruhetag!  Im  nllgemeinen  waren  die  Truppen  sehr  unzufrie- 
den; es  wai'  doch  ein  Unteracliied  zwischen  Ägypten  unii 
den  Gefilden  Italiens  und  Deutschlands,  wo  sie  alle  Annehm- 
lichiteiten  des  Lebens,  vor  allem  liebe nswüriiige  Frauen  ge- 
funden hatten!  Aber  Bonaparte  verstand  immer  wieder, 
ihren  Mut  von  neuem  zu  beleben,  indem  er  sie  bei  der  Ehre 
angriff,  wofür  französische  Soldaten  yon  jeher  empfängt 
waren.  Einst  fragt«  ihn  ein  Soldat,  ob  er  sie  nach  Indien 
führen  wollte.  Da  antwortet«  er  ihm:  „Mit  solchen  Solda- 
ten würde  ich  niemals  eine  derartiges  Unternehmen  ■ft-agen!'" 

Die  Landung  der  Franzosen  in  Alexandria,  ihre  ersten  &• 
folge  bei  Kobraldt  und  vor  allem  ihr  schneller  Marsch  auf 
die  Hauptstadt  hatte  die  Mamelucken  und  die  ihnen  erg^ 
bene  Bevölkerung  io  Furcht  und  Schrecken  versetzt.  Mao 
fing  bereits  an,  an  einem  glücklichen  Ausgang  der  eigenen 
Sache  zu  sweifeln.  Murad  und  Ibrahim  waren  jedoch  ent- 
schlossen, den  fremden  Eindringlingen  vor  ihrem  Einmarsch 
in  Kairo  nochmals  die  Stirn  zu  bieten.  Zu  diesem  Zwecke 
hatten  sie  alle  ihre  verfügbaren  Truppen  auf  dem  linken  Bl- 
uter bei  Embabch  oufgestellt.  Seid  Abu-Bekr,  Fascha  vo-a 
Ägypten,  Ali,  Pascha  von  Tripolis  und  Nassut-Pascha  m  a- 
reu  ebenfalls  iinLagerderMainelucken  und  deren  Anhänger. 

*)  I>i>r  damaligp  EnkailroiiEchpt  Savary  schrieb  in  aeinpro  nnferfifteiitUchtni 
TBprbuclii',  daß  der  ObpFfa-iiiral  an  diiwin  Tage  in  «inen  fürchterlichen  Zm 
gfiem  die  f  ]ündi>n>r  (iiTativ  sri. 

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ftonaparto  l)ctniKl  sieh  mit  srirn^ni  (.Jcneralstab  auf  dem 
M^iisi  hc  luich  Kairo  niH.4t  hei  den  Divisionen  Ron  und  Vial. 
Am  L'll-  .luli  hiaeli  er  von  Waiihin  ^nf  nixl  sel/.k'  sicii  auf 
Oiinn-DiTiar  ij.  .Muj.^^eli.  Hier  Iraf  er  am  AIh-iuI  ein  und  er- 
hielt zum  ersten  .Male  sichere  Angaben  über  die  Absichten 
und  die  Stellung  dea  Feindes,  der  auf  6000  Mann  berittene 
Mamelucken  und  Araber  geschätzt  wurde. 


Skine  lur  Sclilwht  bei  den  Pfraniidi-ii. 

Der  Obergeneral  besoUoB  sofort  den  VormarGch.  Am  21. 
Juli  früh  2  Uhr  setzte  sich  sein  Heer  in  Bew^ung,  voran 
die  DiviMon  Desaix,  die  auch  sonst  die  Vorhut  bildete.  Nach 
dnem  Marsch  von  nicht  weniger  als  12  Stunden  kam  man  in 
die  Nähe  des  Dorfes  Kmbabeh,  das  nach  europäischen  Begrif- 
fen notdürftig  in  Verteidigungszustand  gesetzt  worden  war, 

\achdem  Bonaparte  seinen  Truppen  etwas  Ruhe  gegönnt 
hatte,  befahl  er  den  Angriff.  Desaix,  und  hinter  diesem  die 
Division  Beynier,  bildeten  den  rechten  Flügel,  Dugua  (Di- 
vision Kleber)  und  dahinter  Vial  (Division  Menou)  die  Mitte. 
Bon  mit  seiner  Division  lehnte  sich  an  den  Nil  und  stellte 


den  linken  Flügel  dar.  Der  Oberganeral  befand  sioh  bei  6k 
Division  Dugua.  Wie  bei  Kobrakit  batten  die  Fcanzoaer. 
Vierecke  gebildet  und  die  Nichtkämpfer  und  das  Glepäck  in 
die  Mitte  genommen.  An  den  Ecken  und  in  den  Batailloni^ 
Zwischenräumen  befanden  sich  die  Geächütze. 

Ehe  sich  aber  die  Divisiuiien  in  .\iar^cli  sei/.cn  konnte:- 
wurden  Deaaix  und  Iii\vnior  von  einem  großen  Teile  de? 
feindlic'iien  Heeres  angegriffen.  Trotz,  der  aiillorordentlichfn 
Kiiluilicit  und  Tn|iforkeit  der  .Mamelucken  .scheiterte  de.' 
Anfrriff  an  dem  undun  lidriiiglielien  Wall  der  französischer. 
IJajonette.  Wiihrend  .sieh  die^Iamehieken  zurückzogen, grif- 
fen Hon  und  A"ial  die  Versehaii/uiiä!e!i  bei  Kmhabeh  an,  die 
durch  efwa  40  iiiinderwerf  ige  Ciesehül/.e  verteidigt  wurden. 
In  kurzer  Zeit  wurilen  die  Verschanxungcn  genommen  unii 
ein  großer  Teil  der  Feinde  in  den  Nil  geworfen.  1500  Mame- 
lucken sollen  dabei  den  Tod  gefunden  haben. 

Außer  40  Geschützen,  zahlreichen  Pferden  mit  kostbaren 
Geschirren  und  400  Kamelen  fiel  eine  große  Beute  in  die 
Hände  der  Franzosen.  Die  Mamelucken  hatten  die  öewolm- 
heit,  alle  ilire  Schätze  mit  sich  ym  führen*), 

Abends  gegen  9  Uhr  traf  ein  Teil  des  Heeres  in  Giseh  eiji. 
und  das  Hauptquartier  wurde  in  dem  Landhauae  Murail- 
Eeis  aufgeschlagen.  Inzwischen  war  auch  dei  Divisionseho: 
Perree  mit  der  Flottille  eingetroffen,  die  unterwegs  iiftei-er 
Angriffen  ausgesetzt  gewesen  war. 

Ibrahim  entfloh  mit  einem  Teile  der  Jlaiiieliicken,  der 
eich  auf  dem  rechten  Ufer  des  Xils  befand  und  sich  durch 
Schwimmen  retten  konnte,  sowie  mit  dem  Pascha  von 
Ägypten  nach  Belbes.  Murad  aber  entkam  mit  dem  Rest 
der  Mamelucken  nacli  Oberägypten.  Die  Veriitsfe  der  Ftmi- 
zosen  sollen  nach  dem  Bericht  Berthiers  nur  120  Verwun- 

■)  tieneral  Bollianl  ersälilt,  doli  manülie  Soldaten  200—300  Lumwlar  orbm- 
totiM  i  Usimont  sagt  sogar,  daO  einige  Soldaten  nach  der  Schlacht  bi>  m 
SO 000  Franken  in  die  Kasse  ifires  Regiments  niederiesten.  In  ähnlicher  Web' 
echrieb  Bonapoite  in  seinem  Bericht  an  dos  Diiektorium. 

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clotc  und  211  Tote  l>etriif;c-ii  luii)fii.  i>.n-()l>e.-wiiü(biii'.t  I.aiTcy 
sjirUlit  iibcr  von  2öO  Seinvfivfiwundeteii,  was  der  Wahr- 
iicit  gpM  iH  näher  kommt,  Dit  foindlicheGeaarntTerluBt  vird 
auf  imu  Tote  ujkI  Krtniiik'-nc  angegeben.  Die  Zahl  ist  aber 
vermutlich  zu  iiooli  gegriffen*). 

Noch  in  der  Kacht  vom  21.  zum  '22.  .lull  iilicisrhiilt  ein 
Teil  dcrDiviaion  Vial  {Menoii)dcn  Xilarm  hei  (lisch  inid  lic- 
setzte  die  Inael  Buda,  von  wo  aus  die  Hiiiiptsladl  Kairo 
leicht  zu  erreichen  war,  da  der  andere  NÜarm  nur  sehr 
schmal  ist. 

Tber  die  Schlacht  bei  den  Pyramiden  sind  ebenso  viele 
l'iiluclie  ^fpinungcn  verbreitet  wie  über  andere  wichtige  Er- 
rij^nis^e  aus  dem  Leben  Napoleons.  Xatüriich  hat  er  vor 
allem  weihst  dazu  beigetragen,  die  Angaben  in  seinem  In- 
teresse zu  vergrößern  oder  zu  verkleinern,  wenn  es  galt,  sei- 
nen Huhm  in  besonders  hellem  Glänze  leuchten  zu  lassen. 
Ich  greife  nur  die  wichtigsten  Punkte,  die  Zahl  der  Mame- 
lucken und  die  berühmte  Ansprache,  die  er  heim  Anblick 
der  Pyramiden  gehalten  haben  soll,  heraus. 

Die  Zahl  der  Feinde  wurde  in  den  Napoleon  freundlich 
gemnnten  Weikm  meist  über  die  Maßen  vergrößert.  Thiers 
Bpricht  von  24  000  Mann  Fußvolk  und  10  000  Reitern,  Thi- 
baudeau  von  60  000  Mann,  die  „Campognea  d'Sgypte  et 
de  Syrie"  sogar  von  20  000  JanitBcharen,  Arabern  und 
Milizen  von  Kairo,  12  000  Mamelnoken  Pferd,  die  zu 
ihrer  Bedienung  50000  (1)  Mann  hatten,  femer  nooh  von 
8000  Mann  Sedoinen  zu  Pferd,  also  zusammen  90000(1) 
Mann.  Die  Zahl  der  Mamelucken  und  Araber  zu  Pferd  be- 
trug in  Wirklichkeit  etwa  flOOO  Mann,  die  der  Diener  der 
Mamelucken  v.u  l'uIJ  |i)  kMUKi  .Mann,  diese  aber  hatten 
keinerlei  Uefochtswcrt. 

*)  General  Dumat  salirit^b  am  2T.  Juli  cui  äuiuen  Freund  Kleber  noch  Aloxon- 
dria.  daß  äiB  Uamelncken,  „ohne  je^cha  Übertreibung",  7 — 800  Manu  ver- 
loren hitt«n.  Oenerel  Belliard  in  seinen»  TageUiche  schätzt  die  Zahl  der  leind- 
lieheo  Verliul«  ebenfalla  auf  nur  1000  Mann. 


361 


Thiers  imil  aiKicn-  Cc^fliirlitssclin-ilii-r  Nitpoleoiis  «■i-zäi> 
li'u,  daß  B<.nai.ai  ti>  l.eiiii  Aiilili^^k  der  Pyrainkleii  ^<-\ni.-n  Sol- 
daten bpjjvisini  /.iiLici  iifiu  li.ilir:  .,  l{edonkt,  (lall  von  de: 
Hohe  dieser  l'yi a iiii.lni  W  .laliiliuiidrrh-  anf  t-ucli  ]K-ral>- 
sthauL'ii !"  Na|iiili'i>n  nclht^t  in  seinen  Memoiren  begmifjte  .sii  li 
zu  KUgen;  „SohlaU'ii,  40 Jahrhunderte  schauen  auf  euclt  her- 
ab!" Blinde  Bewunderer  Napoleons  haben  die  Ansjiraeli.-. 
die  der  danialitie  (]i'nernl  an  seine  Soldaten  gehalten  halti-. 
ihii'r  Phantasie  entsprec  liend  evivcitert  und  aviagesch  iniickt. 

Da  die  Divisionen  vom  frühen  Morgen  getrennt  auf  dem 
Marsehe  waren  und  keine  eigentliche  Schlachtordnung  bil- 
deten, da  sie,  so  wie  sie  ankamen,  sieh  in  Vierecke  bildet™ 
und  auf  den  Feind  losmarschierten,  ist  nicht  zu  ersehen, 
welcher  Zeit  und  zu  welcher  Division  Bonaparte  die  Worfi.' 
gesprochen  haben  sollte  I  Keine  zeitgenössische  ungedruckK- 
Quelle  erwähnt  diese  Rede. 

In  der„VoyagedanslaBasseetla  Haute  Egypte"  von  Vi- 
vant  Denon  findet  sich  die  Bemerkung:  „Sobald  man  die 
Feinde  entdeckt  hatt^',  stellte  flieh  das  Heer  in  Schlachtord- 
nung. Äk  Bonaparte  seine  letzten  Befehle  gegeben  hatte, 
sagteer,  indem  er  auf  die  Pyramiden  zeigte:  ,Geht,  und  be- 
denkt, daß  von  der  Höhe  dieser  Denkmäler  40  Jahrhunderte 
uns  beobachten'."  AuB  dieser  Quelle  scheinen  späteivn 
Geschieh  tsschreiber  ge  schöpft  zu  haben.  Denons  Werk  ist  sehr 
wichtig  und  wnrde  viel  gelesen.  Der  Verfasser  aber  war  nicht 
einmal  Augenzeuge  derSchlaohtbeidenPyramiden,  denner 
befand  sieb  um  jene  Zeit  beim  General  Menou  in  Rosette! 
Man  sieht  daraus,  wie  so  oft  Greschichte  geschrieben  wird. 

Bonaparte  befand  sich  fast  während  des  ganzen  Ta^  bei 
der  Division  Dugua.  Vielleidit  hat  er  ^muntemde  Worte  zn 
geinen  Adjutanten  oder  denen,  die  in  seiner  Nähe  waren,  ge- 
sprochen. Xach  den  wenigen  Quellen,  die  wir  besitzen,  zu 
urteilen,  hat  er  aber  an  diesem  Tage  gar  keine  Ansprache  an 
seine  Soldaten  gehalten! 

362 


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DlgiiizedtiyCQOgle 


Der  militansche  Wert  der  Srlihiuht  bei  den  l'vrainid(.-ii 
"war  gprinp.  gerLn{jer  als  der  der  meinten  wenier  Srlda:;hteii, 
tiriiiL  Bonaparte  vertilgte  iiliereine  erdrückende  bbennai'lil, 
Audi  sonst  wjiren  die  Unistaiide  f-iiiistig  für  ihn.  Bewiiii- 
<l<-niiiga würdig  ist  aber  der  selinelle  EntscIihilJ.  sofort  auf 
dciii  Keind  losziiinaisc liieren  und  ilin  zn  .sehlagen,  wo  er  su:li 
ihm  stellen  wurde.  Alliierst  anzuerkennen  ist  aiieh  die  1a-i- 
stuiig  der  Truppen,  die  sich  12  Stunden  auf  dem  ALirselie 
h:>faiiden  und  dann  ohne  Rast  gehalten  zu  haben  mit  dem 
l'Vinde  in  Berührung  kamen. 

Um  so  wichtiger  war  die  ]iobtische  Bedeutung  des  Sieges 
bei  den  Pyramiden.  Kairo  fiel  iii  den  Besitz  der  Franzosen, 
und  somit  wurden  sie  Besitzer  des  Landes.  Die  Hemchaft 
über  Ägypten  war  nun  für  die  Franzosen  gesichert,  wenig- 
stens soweit  innere  Feinde  in  Betracht  kamen. 


FONFZHÜS'i  I-.'-  KA  PIJI-L 
DIE  SEESCHLACHT  BEI  ABUKIR 
(1.  und  2.  August  1798) 

~W  /"enn  das  Direktorium  auch  aus  den  Meutereien,  die  auf 
T  I  den  englisclien  Geschwadern  im  Jahre  1797  ausgebro- 
chen waren,  keinen  unmittelbaren  Nutzen  zog  und  keine  er- 
neute Landung  in  Irland  anordnete,  auch  kein  Zuaammen- 
tretfenmitder  völlig  zuchtlosen  britischen  Kanal  flotte  befaU, 
so  benutzte  es  doch  den  günstigen  Umstand,  daß  England  be- 
reits seit  Ende  1796  das  Mittelmeer  geräumt  hatte.  Mit  sechs 
Schlachtschiffen  und  einigen  Fregatten  hatte  Brueys  auf 
Befehl  Bonapartea  im  Sommer  1797,  von  den  Engländern 
ungehindert,  die  Jonischen  Inseln  besetzen  können,  die  den 
Franzosen  dann  durch  den  Vertrag  von  Campoformido  zu- 
gesprochen wurden.  Als  darauf  der  Feldzug  nach  Ägypten 
entschieden  war,  konnte  im  Frühjahr  1798  die  Rüstungen 
inToulcm,  Marseille,  (3enua,C3vitaVeccluB,  Baatia  ondAjao- 
do  ihren  Verlauf  nehmen.  Während  Helaon,  der  krank  und 
h^b  zum  Krüppel  gescboseen  war*),  seiner  völligen  Wieder- 
geoiesung  entgegensah,  brachte  Bonapaxte  mit  rastlosem  Ei- 
fer und  eiserner  Tatkraft  sdne  Pläne  für  das  orientalische 
Unternehmen  zur  Ausführung. 

Das  Direktorium,  der  Genaal  Bonapaite  und  die  übrigen 
Eingeweihten  bewahrten  ihr  Qdieimnis  so  gut,  daß  die  mei- 

*)  Beider  Belagerung  von  Calvi  im  Jahre  1794  b«^U  hatte  «r  ein  Auge  vet- 

364 


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sten  höheren  Offiziere  des  Landhenes  oder  der  Flotte  mobts 
von  den  wahren  Absichten  der  Begiemng  erfuhren.  Die  bri- 

t-Lschc  Admiralität  erhielt  jedoch  im  Laufe  des  fVtibjahrB 
1 798  Meldung,  daß  sich  in  den  franzoeiachen  Mittelmeerhä- 
fen  große  Rüstungen  vorbereiteten,  die  voraussiohthch  ge- 
gen Irland  gerichtet  seien.  Man  hegte  dennoch  wegen  des 
Zieles  gewisse  Zweifel.  SiflKTli:;h  wurde  man  zu  emer  Lan- 
dung auf  den  britiuchen  Inaehi  ciiifn  die.-^eii  ludier  gelegenen 
"Hafen  gewählt  haben,  zumal  in  den  triin/nsi-^rlien  Hafeii- 
plätzen  eine  große  Anzahl  von  1  riiii.-iini i lalir/i  lu^en  hcrcit- 
lagen,  die  wegen  allerlei  damit  vcrhuiKieiuTi  (..elalireii  eine 
lange Seereiec  um  ganz  Spanien  herum  kaum  aushalten  wiir- 
tien. 

DavonUrest  luier  von  einen:  ;in<leieii  fi;ui/osiselien  Hafen 
<ler  Athintik  aus  (.;i-nlJliritaniHeii  keine  (befahl  lurlii  diolile, 
ilie  -Meutereien  auf  dov  Kanalflotle  völlig  unlcLdi  iiel^l  waren 
lind  auch  die  hollandiRche  Flotte  fürlange  Zeit  kämpf  unfähig 
gemacht  »ordeo  war,  beschloß  die  britische  Admiralität, 
die  Herrschaft  im  Mittelländischen  Meere  wieder  an  sich  zu 
reiüen. 

Am  '2.  Mai  kündigte  die  \<huiralität  dem  Lord  Saint  Vin- 
cent den  Knt.-^i-lduB  an.  ein  {,4es(;hwa<ler  nach  dem  Mittel- 
meer h  enden  zu  lanüen.  (Heieh/.eitig  liell  sie  ihn  wissen,  dalJ 
er  durch  acht  wcitf're  Selilachiseliil'fe  unter  dem  Konlerad- 
tniral  Sir  Roger  <  'urtin  aus  Knglaiid  verstärkt  werden  solle, 
damit  seine  eigenen  Streitkräfte  vur  ( 'adi/.  nielit  -/.u  selir  ne- 
^ichwächt  wihilen.  In  ciiieui  ht'sundci  eii  •^clu  riheii  des  i'i.sten 
l.ords  der  Admiralität.  <\c<  Karl  <'f  Spcin  er,  w  imie  es  Saint 
Vincent  anheimgebt  eilt,  eiit  weiier  seiiie  gau/'^  FioM  e  /u  ver- 
wenden, oder  nur  einen  Teil  derselben  iiai  Ii  dem  Mitlelmeer 
zu  schicken.  Bas  wollte  mii^lielisl  nnler  Nelsons  füliriüig 
gCBchehen,  obgleich  dieser  durchaus  nicht  tler  rangülteste 
Offiiüer  nach  dem  Oberbefehlshaber  war.  Das  mißglückte 
Unternehmen  nach  Teneriffa  hatte  dem  jungen  Admir^  also 


365 


nic'lils  tii'scliailet.  \'itlk-ii-lit  iieriule  we-icii  seiner  l'nU.niv:.- 
nnuii;^!iiHt.  »cpcn  seiner  vnriiii;lits /.urüul«clirefki.-iKleii'ro!;- 
kiilinlieil,  funier,  weil  der  Herzog  von  einrenne,  der  Sfäi; 
(ieorges  III.,  ihn  begünstigte,  war  die  \V;i!il  Lorfl  Spt'iu-i  r- 
auf  Xelson  gefallen. 

Nelson  hatte  England  am  10.  April  179S  verlassen  und 
war  am  ifO.  vor  Cadiz  eingetroffen.  Zwei  Tage  darauf,  am 
2,  Mai.  also  am  selben  Tage,  als  die  Admiralität  Saint  Vin- 
cent liesiiiiiiiitf  IJetVliie  mr  Entsendung  einer  Flotte  nach 
dein  -Mittelnieer  übersandte,  verlieü  Nelson  luil  iletn  ..Van- 
giiard".  dorn  „Orion"  und  df  in  „Alexander",  vier  Frejzatten 
und  einer  Korvette  von  iienem  das  l51ock^Ldege.selLWa<ior  vor 
Cadiz.  Er  sollte  sieh  vor  Toulon  begeijen.  nm  P^in zellleiten 
über  die  französiwehen  liiiytnngen  zu  erfahren,  liizwit^chen 
langte  der  erwähnte  Hofehl  der  AdmiraÜtät  vor  Cadiz  an. 

Der  alte  l.nrd  Saint  Vincent  war  Nelson  wohlgeneigt  nml 
besLiiiLniU'  iiin  zum  Befehlshaber  des Mitt«lmeergesehwadert.. 
Anfangs  wollte  er  ihn  wieder  zurückrufen,  uni  ihm  den  Befehl 
über  die  ihm  noch  zugedachten  Schiffe  zu  übertragen.  Bei 
dieeerOelegenheit8chrieberihm:„Sie,  nui' Sie  allein  könnai 
den  in  Betracht  kommenden  bedeutenden  Dienst  ausfüh- 
ren." Ma  jedoch  dringendere  Depeschen  aus  England  ein- 
liefen und  er  sah,  daB  größte  Eile  notwendig  war,  bestimmt« 
Saiat  Vinceot  den  Kapitän  Tronbridge  dazu,  Nelson  die 
übrigen  Schiffe  zuzuführen. 

Nach  einem  kurzen  Aufenthalt  in  Gibraltar  hatte^sicb 
Nelson  in  die  Gewässer  bei  Toulon  begeben.  Es  gdang  ihm, 
am  17.  Mai  die  französische  Korvette  „LeFierre"  zu  kapern. 
Durch  sie  erfuhr  er,  daß  in  Toulon  13  Schlachtschiffe  zum 
Auslaufen  bereit  seien.  Er  mußte  sich  aber  b^d  von 
Küste  entfernen,  denn  während  eines  heftigen  Sturmes  am 
19.  und  20.  Mtd  hatte  er  das  Unglück,  die  Masten  seines 
Flaggschiffes  zu  verheren.  Mit  Hilfe  des  „Orion"  und  heson- 
derü  des  „Alexander"  konnte  er  sich  nach  der  kleinen  Insel 

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San  Picti'o,  an  tlf  r  Siidküste  von  Sardinion,  begeben,  WO  er 
am  2',i.  ankiini.  Um  das  Unglück  voll  zu  jnachen,  hatte  er 
während  des  Sturmes  seine  Fregatten  und  die  Korvrtle  ver- 
loren. Dieser  Umstand  sollte  ihm  später  zum  gröliti'ti  \afli- 
teil  gereiclien,  denn  das  Kehlen  der  leiuliten  Fahrzeugi^  Iriig 
viel  dazu  bei,  daßeä  ihm  erst  so  spät  gelang,  die  französische 
Flotte  im  Mittelländischen  Meere  niiHfindig  zu  maelien.  Mit 
fieberhafter  Tätigkeit  vermochte  er  es,  den  „Vanguard"  in 
vier  Tt^u  mit  N^otmasten  vereehen  zu  lassen.  „Wäre  der 
.Vanguard'  in  Engltmd  gewesen,"  schrieb  Nelson  an  seine 
Frau,  „Bohätteman  nach  einem  solchen  Vorfall  einige  Monate 
gebraucht,  um  ihn  wieder  seetüchtig  zu  tiiaolien.  Hier  aber 
aind  meine  Bewegungen  nur  vier  Tage  aufgehalten  worden." 


Am  27.  verließen  die  drei  Scfalaahtschiffe  San  Pietro,  um 
üut!  Stellung  in  der  Nähe  von  Touion  wieder  einzunehmen 
and  sich  mit  den  Fregatten  zu  vereinigen.  Diese  standen  un- 
ter der  Führung  des  Kapitäns  Hope.  Er  hatte  geglaubt,  daß 
Nelson  mit  seinem  beschädigten  Schiff  nach  Gibraltar  oder 
einem  englischen  Arsenal  gesegelt  sei,  um  den  Schaden  aus- 
zubessern. Deshalb  hatt«  ersieh  mit  seinen  Fahrzeugen  nicht 
an  dem  Platz  eingefunden,  den  ihm  Nelson  angegeben  hatte, 
sondern  war  naoh  Gibraltar  gesegelt. 

Am  S.  Juni  stieß  die  kleine  Brigg  „La  Mutine",  mit  Ka- 
pitän Hardy  an  Bord,  zu  Nelson,  die  ihm  in  Zukunft  die  feh- 
lenden Fregatten  ersetzen  sollte.  Troubridge  war  am  24.  Mai 
abends  mit  der  für  den  Admiral  bestnumten  \erstarkung 
aus  der  (iegend  von  Cadix  abgesegelt*).  Am  1,  .luiu  kam 

•TEr^nrcn  10 SchMiladiiffr  vi.n  74 <)e«:hiit«Ti :  ..UuII.hIi...".  ..Mii,..1.iiir". 
..Theseus".  ..Bi-Iloro£ihon".  ..Majeslie".  ..Zualous".  ..SwiflBurp".  ..GoliaHi". 
.J>eleQce".  ..Andacioua"  und  ein  aclilaclitdcliiff  von  SO  Kanontin.  d^r 
..I^ander". 


367 


ihm  (iic  Insel  Minoren  in  Sicht,  und  am  7.  Juni  vereinigte  pi 
sich  im  (jolfe  du  Lion  mit  sf  inem  Oberbefehlshaber. 

Obgleich  die  Besatzunj;  den  Gesdli  waders  dank  der  Für- 
sorge Saint  Vincents  gut  geschult  inid  im  Gebraaebe  der 
Segel  lind  der  Geachiitzii  gc.'nbt  war,  so  befanden  sich  doch 
viele  Schiffe  in  schlechtem  Zustande.  Es  fehlte  auch  an  dem 
nötigen  Schiffsmaterial,  und  man  hatte  nur  nngenüeextd^ 
Vorräte  an  Masten,  Mars-  und  BianiBtengen,  Rahen,  Spie- 
ren, Takdwerk  tww. 

Bae  vereinigte  Geschwader  beataitd  jetzt  aus  13  linien- 
Bchiffen  von  74  Kanonen,  einem  Soh]acbt«chiff  von  50  Ka- 
nonen und  der  „Mutine"  von  16  Greschötzen. 

Die  Vorschriften,  die  Nelson  erhalten  hatte,  waren  bc^ 
stimmt.  Er  sollte  auf  alle  Fälle  die  feiiuiliche  Flotte  vor  Tou- 
Ion  suchen,  ihr  folgen  und  säe  zerstören.  Der  Admiial  war 
ganz  der  Mann,  der  ein  so  gewagtes  Unternehmen  auafOhren 
konnte.  Er  war  sich  schon  im  voraus  des  Geliogena  gewiS. 
An  Sunt  Vincent  achrieb  ex:  „Sie  können  versichert  s^, 
daß  ich  de  (die  französische  Hotte)  sofort  «ogreife,  sobald 
ich  ihrer  ansichtig  werde,  ob  de  nun  vor  Anker  liegt  oder 
sich  unter  Segel  befindet."  Und  so  begann  die  boühmt«' 
Jagd  auf  die  französische  Flotte.  F^t  zweä  Monate  später 
erst  sollte  sie  im  Mewhusen  von  Abnkir  ihr  rnhmvoHes 
Ende  nehmen! 

Bonaparte  hatte,  wie  wir  aus  dem  11.  Kapitel  gesehen 
haben,  am  19.  Mai  Toulon  verlassen  und  war  am  Ö.  Juni  v<x 
Malta  angekommen.  Am  19.  Juni  verließ  er  die  Insel  wieder, 
steuerte  südlich  an  Kandia  vorbei  und  kam  am  1.  Juli  vor 
Alexandria  m,  ohne  daß  ihn  die  Engländer  bemerkt  hatten. 

In  den  für  Nelson  bestimmten  Vorschriften  Saint Vincrats 
waren  Neapel  und  Sizilien  oder  Gibraltar  als  mutmaßliche 
Ziele  der  französischen  Expedition  angegeben  worden.  Des- 
halb segelte  Nelson,  als  er  erfahren,  daß  die  feindliche  üotte 
Toulon  bereite  verlassen  hatte,  an  der  Nordküste  von  Ko^ 

368 


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3ika  vorbei  und  die  Westküste  von  Italien  hinab.  Am  14. 
.Juni  erhielt  er  in  der  Nähe  Korsikas  die  Mittftilimg,  daß  die 
französische  l'^lottc  am  4.  Juni  an  der  Hüdküste  Ki/iliiin.i  vor- 
beigefahren sei.  Jedenfalls  glaubte  er  jetzt  annehmen  zu 
kiiniien,  daß  das  Unternehmen  nicht  naoh  Gibraltar  und 
dann  naeh  Irland  gerichtet,  d&ß  vielmehr  Malta,  als  Opersr 
tionsgrundlage  für  einen  Einfall  in  Sizilien,  das  Zidder  frsn- 
zöwisclien  Flotte  sei! 

Troubridgc  war  auf  dor  „Mutine"  nach  Neapel  vorausge- 
sandt worden,  um  sich  mit  dem  englischen  (Jeanndten  Sir 
William  ilamiiton  7,11  verständigen  und  Nauhrieliteii  einzu- 
ziehen. Nelson  erfuhr,  daß  die  franzÜHische  Flotte  in  Malta 
gelandet  sei.  Fjr  eilte  weiter  nach  Süden  und  i)assiertc  am 
20.  Juni  die  Meerenge  von  Messina.  Am  22.  tnif  die  „Mu- 
tinc"  heim  Kap  Passaro  ein  Oenueaer  Sehiff,  das  .Malta  am 
vorhergehenden  Tage  verlassen  hatte  und  mitten  durch  die 
französisehe  Flotte  gesegelt  uar.  Ks  meldete,  daß  die  Fr.iu- 
zosen  am  15.  gelandet  seien,  aber  am  nächsten  Tape  die  In- 
sel wieder  in  der  Eiclilung  auf  Sizilien  verlassen  hätten.  Das 
P'ehleu  von  Fregatten  oder  anderen  leiehten  SehiffcTi  uiachle 
sieh  jetzt  für  Nelson  besonders  fiiiiihar,  tlenn  er  konnte  die 
erhaltenen  Auskünfte  niehl  nuehprüfen  oder  selbst  Schiffe 
zur  Erkundung  nach  allen  Seiten  aussenden.  Die  Mittei- 
lung des  genuesischen  Schiffes  war  nur  zum  Teil  richtig,  da 
das  französische  (Geschwader  erst  am  19.  Juni  früh  La  Va- 
lett^i  verlassen  hatte.  Jedenfalls  war  Nelson  in  diesen  Tagen 
seinem  Ziele  ziemlich  nahe,  denn  vom  21.  bis  zum  25.  waren 
die  beiden  Flott«n  nur  etwa  60  Seemellen  voneinander  ent- 
fernt. 

lu  lasenäer  Eile  jagte  Kebon  weiter.  Jetzt  war  ea  ihm 
klac,  daß  vermutlich  Korfn  oder  Ägypten  das  Ziel  der 
fruizösischen  Flotte  sei.  Sein  leicht  beweglicheB  Geaohwader 
legte  in  diesen  Tagen  ungefähr  die  doppelte  Stre<dce  zu- 
rück als  die  franzödache  Flotte,  die  durch  die  zalilreichen 


369 


Tran  Sportfahrzeuge  in  ihren  Bewegungen  stark  gehen:;, 
wurde.  Am  28.  Juni  traf  Nelson  vor  Alexandria  ein.  Er  hai: 
die  ,,^lufcine"  bereits  am  Tage  vorher  abgesandt,  um  beiii. 
engliselien  Konsul  Baldwin  Erkiindigungen  einzuziehen.  AI- 
er  die  franzöeieche  Flotte  dort  nicht  vor  Anker  liegen  sab. 
segelte  er  am  nächsten  Tage  weiter,  beschrieb  einen  große; 
Bogen  nach  Xorden,  bog  in  der  Nähe  des  35.  Längengrad^- 
naeh  Westen  und  segeite  dann  südlich  an  der  Insel  Kandi. 
voi'über.  Zwischen  Sizilien  und  Alexandria  war  das  eng- 
lische (ieschwader  nur  drei  Schiffen  begegnet,  die  keiner» : 
Nachrichten  Über  die  Bewegungen  der  französischen  Ploii' 
geben  konnt«n.  Sonderbarerweise  legte  Nelson  weder  it 
Bairut,  Zypern  noch  Rhodos  an,  obgleich  die  Expedition 
doch  auch  nach  der  Türkei  bestimmt  sein  konnte.  Er  scfalag 

wieder  die  Richtung  auf  Sizilien  ein.  Vermutlich  glaubte  er. 
daß  Sizilien  odei  Neapel  das  Zid  der  französischen  Flott« . 
gewesen  Bei.  Niedergesohtageu  und  hoffnnn^^os  langte  er  { 
am  19.  Jiiti  in  Syr^ua  an.  | 
Nelson  beging  entscbieden  einen  großen  Fehler,  dafi  b 
sich  nicht  wenigstens  einige  in  Alexandria  auffaidt:  1 
denn  Alexandiia  war  der  einzige  Hafen  in  Ägypten,  wo  eäix 
groQe  Flotte  vor  Anker  gehen  tmd  bedentendee  Heer 
landen  konnte.  Aber  er  hatte  richtig  vermutet,  daß  Ägyp- 
ten das  Ziel  der  französiBohen  Flotte  sei  I  Er  hätte  üch  über* 
legen  müssen,  daß  er  mit  seiner  viel  beweglicheren  Flotte 
bedeutend  schneUer  segelte  als  die  franzödsohen  Kri^ 
schiffe,  die  zahlreiche  Transportschiffe  geleiteten.  Es  konnte 
also  wohl  möghch  sein,  daß  er  sie  überholt  hatte.  Aber  böb 
ruheloser,  nach  Taten  dürstender  Geist  ließ  ihm  Ts^  und 
Nacht  keineRnhe  und  Terhindrateihni  anoh  nur  einige  Tage 

370 


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an  einem  Ort  zu  bleiben,  in  der  I;'un;ht,  der  Feind  könne 
ihm  entschlüpfen !  Und  w  enn  et  nur  zweimal  24  Stunden  ge- 
blieben wäre,  dann  würde  sein  sehnliollsterWtuiech  in  Erfül- 
lung gegangen  sein,  denn  die  franzödsohe  Hotte  traf  am 
I.  Juli  vor  Alexftndria  ein*). 

Nachdem  Nelson  am  !9.  .hili  in  Syrakus  angekommen 
war,  setzte  er  sieh  wieder  mit  Sir  William  Hamilton  in  Ver- 
bindung und  aclirieb  ihm,  daß  seine  Absicht,  daa  feiiidlielie 
Geseliwader  ausfindij;  zu  machen,  vorläufig  ergebnislos  vcr- 
liiufen  sei.  Es  bieß  unter  underein  in  diesem,  gleichfalls  für 
Lady  Hamilton  bestimmten  Brief:  „Dank  llirer  Bemühun- 
gen sind  wir  (in  SyivTl;iif:)  mit  l/elionf:initlc!n  imd  Wasser 
versorgt,  imd  sicherlich  midi  ims  der  Sic"  l)lcil)en,  da  wir 
Wasser  aus  der  Quelle  der  Aretlmsa  geschöpft  haben.  Wir 
«  erden  mit  dem  ersten  frischen  Wind  ahaegehi,  und  Sie  kön- 
nen überzeugt  sein,  daß  ich  entweder  mit  Lorbeeren  gekrönt 
oder  mit  Zypressen  bedeckt  zurückkehren  werde," 

In  einem  anderen  Briefe  schrieb  Nelson;  „Es  ist  ein  altes 
Sprichwort,  daß  die  Kinder  des  Teufels  auch  des  Teufels 
Glück  haben.  Äußer  einigen  unbestimmten  Vermutungen 
kann  ich  in  diesem  Augenblick  nicht  erfahren,  wohin  die 
französiscbe  Hotte  gesegelt  ist.  Nachdem  ich  eine  Strecke 
von  600  Seemellen  in  dieser  Jahreszeit  mit  unglaubUchec 
S<dmelligkrät  gemacht  habe,  hin  ich  wieder  hier,  aber  die 
Stellung  des  Feiiules  ist  mir  ebenso  unbekannt  als  27  Ta^ 
zuvor.  Ich  bedaure  jeden  Augenblick,  daß  mich  die  Fregat- 
ten verlassen  haben.  Wäre  nur  die  eine  Hälfte  bei  mir  ge- 
'wesen,  so  hätte  es  mir  anNacfarichtmnicht  fehlen  können." 
Er  ließ  seine  stark  ermüdeten  Besatzungen  einige  Tage 
verschnaufen  und  verließ,  nachdem  er  Waaser  und  Proviant 
eingenommen  hatte,  am  26.  Juli  wieder  Syrakus. 

Die  Lage  des  jungen  Admirals  war  durchaus  nicht  benei- 
denswert. Seit  länger  als  6  Wochen  war  er  bereite  unterwegs, 

')  Die  „Jiulon"  vor  sogar  Bchoa  am  29.  vor  Alezandiia  oingotrofton  t 

371 


und  trotzdem  war  es  ihn\  bisher  noch  nicht  gelungen,  d - 
feindliche  Geschwader  ausfindig  zn  machen.  Er  hatte  niciii 
einmal  inErfahrung  bringen  können,  wo  es  sich  befand.  \\'r> 
könnt«  sich  in  der  Zwischenzeit  alles  ereignet  haben !  Eir 
französisches  Hcor  konnte  sich  bereits  auf  dem  Wege  nact 
Indien  befinden,  wenn  wirklich  Älexandria  das  nächste  Zit-i 
der  französischen  Flotte  gewesen  war !  Was  würde  England  zu 
Nelsons  ergebnisloser  Falirt  sagen?  Er  hatte  genug  NeidiK. 
Aber  er  verlor  die  Geduld  nicht.  Zunächst  richtete  er  Beinai 
Kurs  auf  das  KapMatapan  inMorea  und  sandte  Troubridge 
am  28.  .Tuü  in  den  Golf  von  Koroni,  um  Erkundungen  einzii- 
ziehun.  Trouliridm;  erfuhr  durch  den  Kapitän  einer  frauz.ö- 
sischon  Brigg,  die  er  kaporte,  daß  man  die  feindliche  Flott.' 
vier  Wochen  südlich  von  Kandia  habe  vorbeisegein  und 
dann  ihren  Knra  nach  Südosten  habe  nehmen  sehen.  Jeiy.' 
war  Ndflon  gewiß,  daß  nur  Ägypten  das  Ziel  der  franzöisi- 
Bohen  Flotte  gewesen  sein  konnte.  Er  steuerte  daher  südlich 
bei  Kandia  vorüber  wieder  auf  Alexandria  zu,  fest  entBoblos- 
Ben,  keinen  Augenblick  mit  dem  Angriff  auf  die  feindlidie 
Motte  zu  zaudern,  sobdd  er  deren  aoeiclitig  geworden  sei 

Schon  unterwegs  waren  die  Offi^ere  und  MonnBchaften 
beständig  im  Gebraaoh  der  Geschütze  geübt  worden,  deon 
es  befanden  sich  zahlreiche  neue  Matrosen  and  Seeeoldaten 
auf  dem  Oesohwader.  Und  wenn  ea  die  Gelegenheit  gestat- 
tete, ließ  XelsoD  seine  Kapiftoe  auf  sein  ^aggeohiff  kom- 
men,  um  nüt  ihnen  alle  Möglichkeiten  im  Falle  eines  Zusam- 
menstoßes mit  der  französischen  Flotte  zu  bespreohen.  Um 
zu  jeder  Zeit  kampfbereit  za  sein,  hatte  er  seine  Flotte  in 
drei  Divüdonen  eingetdlt,  von  denen  die  eine  nnter  seinem 
direkten  Befehle,  die  bräden  anderen  unter  Leitung  Trou- 
bridges  und  Sir  James  Saumaiez*  standen. 

AlsBrueys  dieLandtruppen  bei  Alezandria  gelandet  hatte, 
war  die  Hauptaufgabe  der  französsolwn  Flotte  eiföllt 
Wenn  Bonaptui»  auch  tatsächlich  der  Oberbefehlshaber  der 

372 


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t  riiiizüäischen  Streitkräfte  zu  Lande  und  zu  Wasser  wie  vor- 
dem blieb,  so  trug  doch  von  jetzt  ab  der  Admiral  Brueys, 
der  eigentliche  Befehlshaber  der  Flotte,  die  moralische  Ver- 
antwortlichkeit für  das  Geschwader. 

Dali  Nelson  auf  der  Suche  nach  der  französischen  Flotte 
sei,  erfuhr  man  sofort  nach  der  Landung  bei  Alexandria.  Da 
der  englkche  Admiral  die  ^ypüadie  Küste  erst  zwei  Tage 
vor  der  Ankunft  der  Franzosen  verlassen  hatt«,  war  anzu- 
nehmen, daß  er,  wenn  er  sie  nicht  wo  anders  fände,  bald  zu- 
räckfaehren  würde.  Brueys  mußte  deshalb  vor  allem  daran 
denken,  nach  Landung  der  Truppen  und  der  Kriegsbedürf- 
nisse  die  Flotte  in  Sicherheit  zu  bringen,  beziehentlich  sie  so 
aufzustellen,  daß  sie  mit  Erfolg  den  feindlichen  Angriff  ab- 
weisen konnte ! 

AndoreFragen  mußten  dabei  zunächst  iudenHintergrund 
treten.  Die  Motte  sollte  moht  allein,  im  Falle  des  l£ßlingenfi 
des  Fddzags  im  Inneren  des  Landes,  das  Heer  irieder  auf- 
nehmen, um  es  nach  Frankreich  zutückznführen,  sondern 
sie  sollte  auch  einem  von  der  R^erang  vorhergesehenen 
Nachschub  an  Mannschaften,  Munition  und  anderen  Kriegs- 
erfordemisaen  bei  der  Landung  bebüflioli  sein  und  be- 
Bcfaützea*). 

Sobald  die  Truppen  gelandet  waren,  mußte  zuerst  die 
Frage  der  Möglichkeib  eines  Einlaufens  der  Flotte  in  den 
Hafen  von  Alexandria,  der  genügend  Platz  bot,  erwc^n 
werden.  Der  Hofen  hatte  Tide  Votteile,  Idder  ober  keine 
tiefe  und  bequeme  Einfahrt,  *und  es  mußten  erst  Sondierun- 
gen gemacht  werden,  ob  dieselbe  überhaupt  ti^  genng  sei. 
Diese  Arbeit  wurde  sofort  am  6.  Juli  von  Bonaparte  befoh- 

•)BDiiaiMrIe  hntteondi  iwrhtlieMögliolikeit  in  H.-triii'1itgeiogon,nBHider  Er- 
oberung Agj-pli-iw  ili-ti  ObtTbefehl  dtv  Heeres  einem  »einet  Dntergeiierale  an- 
zuvertrauen, um  nacii  Frankn'ieli  ziirucitzukeliren  und  im  Herbst  einen  neuen 
Liuidungsversucli  in  England  zu  luaclien.  Deshalb  wollte  er  dio  Flotte  BrusTB' 
irnmec  zu  seiner  Verfügung  hsben,  die  mit  den  in  Brest  m  vereinigenden 
Schiffen  eine  Bti^tknft  von  Ober  SO  SchlachtsoIiifTen  ergeben  htttte. 


373 


len  und  schnellstens  aiisgeführt,  führte  jedoch  zu  keinem  fit 
Brueys  befriedigenden  Ergebnis,  Wenigstens  ließ  sich 
Adiiiiral  duifli  (k-ii  JJcricht  des  Fregattenkapitäns  Bar^J 
deroinp  Einführt  für  möglich  hielt,  nicht  überzeugen.  E' 
fürchtete  mit  Keciit,  dali  seine  !''lotte  leicht  durch  vrenicr 
feindliche  Fahrzeuge  blockiert  werden  könnfe,  die  dann  ei; 
Tätigkeit  des  gesamten  Geechwaderri  bra<;hgclegt  hätten. 

Brueys  war  ein  tapferer  Soldat  und  hesiili  viele  treffliii: 
Eigenschaften,  aber  er  war  nicht  der  Mann  des  selirieil'  . 
Entschlusses  und  entscheidenden  Handelns.  Er  hätte  es  gtf:. 
gesehen,  wenn  ilim  die  genauesten  Befehle  selbst  bis  in  di'.' 
kleinBtenEin/ellipiten  von  Bonnpartc  gegeben  worden  wäi«t 


Bezeichnend  für  seine  UnentschloBsenhcit  ist,  daß  er,  statt 
sclhfil  7,n  entflchciden  und  zu  handeln,  einen  Kriegsrat  ad 
(icn  „Orient"  berief,  um  die  Verantwortlichkeit  nicht  ^ein 
auf  fiich  zu  nehmen.  Der  Konteradmiral  Blanqoet  du  CSiaj^ 
war  der  Ansicht,  daß  es  besser  sei,  wenn  die  fraxizöeisclw 
Flotte  dem  Gegner  auf  offenem  Meere  en^genginge,  wäh- 
rend die  Konteradmirale  Villeneuve  und  Ganteaume  lieber 
den  Angriff  Kelsona  vor  Anker  liegend  erwarten  wollten.  Ds 
Bmeys  wenig  Zutrauen  za  seinen  Manneohaften  hatte,  die 
nicht  all^  unvollzählig,  sondern  auch  wenig  im  gleich- 
zeitigen Bedienen  der  Grachätze  und  der  Segel  geübt  warai, 
eo  ecteohied  er  sich,  den  feindlichen  Angriff  tot  Anker  zu 
erwarten.  Diese  Ansicht  iat  an  sich  durchaus  nicht  zu  ver 
werfen,  nur  bot  der  Meerbusen  von  Abnkir,  A&i  man  dazu 
ausersehen  hatte,  keinesw^^  alle  die  Vorteile,  die  man 
von  ihm  erwartete. 

Länger  vor  Alexandria  liegen  zu  bleiben,  ersohien  w^en 

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des  ungünstigen,  felsigen  Bodens  nicht  angebracht;  deshalb 
ließ  BruevB  am  6.  Juli  die  Anker  lichten  und  erreichte  am 
Nachmittag  des  näclisten  Tages  die  Bucht  von  Akubir.  Ehe 
er  untor  Spgel  ging,  suhrieb  er  am  7.  vom  Bord  des  „Orient" 
an  Bonaparte:  „Ea  ist  2  Uhr  nach  Mitternacht,  und  man 
bringt  mir  soeben  Ihren  Brief  von  gestern.  Es  lebe  die  Repu- 
blik !  Wie  es  mir  scheint,  geht  alles  wunderbar,  und  Sie  er- 
obern Ägypten  mit  Biesensohrttten . . .  Sollten  wir  so  glück- 
lich sdn  and  am  Lande  eine  Stellung  finden,  die  die  beiden 
Mügel  meiner  Scblaohtlinie  genügend  schützen  könnte,  so 
würde  ich  mich  für  unüberwindlich  betrachten,  wenigstens 
-während  des  ganzen  Sommers,  Ja  sogar  während  des  Herb- 
stes. Bann  würde  ich  um  so  zufriedener  sein,  als  ich  mich 
»egelfertig  machen  könnte,  wann  ich  wollte,  um  den  Eeind 
zu  bekämpfen  und  mioh  überaU  hin  zu  begeben,  wo  iohllmen 
nüt^oh  wäre.  Wenn  man  aber  statt  dessen  dennoch  Afittel 
fände,  die  Motte  in  den  Hofen  von  Alexandria  einfahren  zu 
lassen,  so  würde  ich  schon  von  einem  einzigen  feindliehen 
Schiff  eingeschlossen  sein  und  untätiger  Augenzeuge  Ihres 
Ruhmes  werden,  ohne  den  geringsten  Anteil  daran  nehmen 
KU  können.  Dann  würde  es  mir  allerdiim;s  schönen,  als  wäre 
ich  nur  nach  Alexandria  gekommen,  um  dort  unsere  Sobiffe 
uutergdien  zu  sehen,  w^irend  es  doch  mein  größter  Wunsch 
ist,  Ihnen  auf  irgendeine  Wwse  von  Nutzen  zu  sein.  Wie  ich 
Ihnen  bereits  sagte,  jeder  Posten  ist  mir  recht,  vorausgesetzt 
daß  Sie  mich  tätig  verwenden." 

Die  Bucht  von  Abukir  bietet  für  eine  Flotte  nur  einen 
mittdmäßigen  Schutz  gegen  einen  feindlichen  Angriff  von 
der  Seeseite  aus.  Im  Westen  wird  de  durch  eine  kleine, 
Bohmale  Halbinsel  begrenzt,  die  durch  eine  Kette  von  Sand- 
bänken und  Eelsen  im  Meere  bis  zu  einer  kleinen  Insel  ver- 
längert wird.  Auf  der  äußersten  Spitze  der  vorspringenden 
Halbinsel  befand  sich  ein  Fort,  das  durch  eine  Anzahl  Ge- 
schütze vra^idigt  wurde. 


375 


Bonaparte  hatte  Bnieys  am  3.  Juli  eingehende  Vorschi 
ten  über  die  Aufstellung  der  Flotte  gesandt,  Brueya  soll'. 
die  Schiffe  in  den  Hafen  von  Alexandria  ciniaufen  lasseji. 
oder,  wenn  dies  nicht  riii">!;lirh  sei,  in  iier  Bucht  von  Abukii 
vor  Anker  pehen,  jedoeli  aueli  nur  daiui,  wenn  er  sicJi  fjegen 
ein  überlegcnea  Geschwader  verteidigen  könnte.  Solitc  sif'i. 
aber  weder  das  eine  noch  das  andere  ausführen  la.sst'n, 
müsse,  nachdem  man  den  liest  der  Ceschiitze  aiisgeladei. 
habe,  aich  die  Flott«  nach  Korfu  zurückziehen.  letzterer 
Plan  lag  aber  am  allerwenigsten  inBrueys' Absieht.  Befürch- 
tet« doch  der  französische  Admiral,  unterwegs  einem  über- 
legeiieu  englischen  Gesclnviider  i^u  begegnen! 

So  hatte  Brueys  den  Entsclihiß  gefaßt,  wenigstens  wah- 
rend des  Sommers  und  des  Herbstes  in  der  Bucht  von  Abu- 
kir  liegen  zu  bleiben.  Die  fortgesetzten  Sondierungen  im  Ha- 
feu  von  Alexandria  boten  zwar  Aussichten,  auch  Dreideckei 
hineinzubringen,  aber  der  Admiral  befürchtet«,  durch  ein 
feindliches  Geschwader  am  Auslaufen  verhindert  zu  werdeu. 
Diese  Besorgnis  hatte  ihre  vollkommene  Berechtigung,  denn 
was  hätte  Bonaparte  mit  einer  Flotte  anfangen  können,  die 
durchwenigefeindlicheKriegsschiffe  blockiert  werden  konn- 
te ?  Um  aber  die  Schuld  an  dem  Verlust  der  Schlacht  von 
Abukir  nicht  Bonapartc  zuzuschreiben,  hat  man  den  Ad- 
miral der  Feigheit  oder  Schwäche  beschuldigt. 

In  der  Bai  von  Abukir  angekommen,  ließ  Brueys  die  Stel- 
lung seiner  Schlaciitschiffe  verbessern  und  sie  möglichst  nah 
an  die  Küste  heranfahren,  was  aber  Nelson  doch  nicht  ab- 
halten sollte,  zwischen  den  verankerten  Schiffen  und  der 
Küste  hindurchzvifahren !  Am20,  Juh  hatte  man  in  der  Feme 
eine  feindliche  Fregatte,  die  ,,Terpsichore",  gesehen,  die  sich 
auf  der  Suche  nach  Xelaons  Flotte  befand.  Sie  konnte  indes 
ebensogut  die  feindliche  Vorhut  sein.  Dieser  Umstand  hätte 
Brueya  bestimmen  müssen,  aUea  Mögiiohe  zu  tim,  um  seine 
Stellung  so  fest  Tide  möf^ich  zu  gestalten  und  vor  allem  die 

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spitze  seiner  Linie  durch  einige  Fregatten  zu  verstärken, 
die  zwischen  dem  „Giierrier"  und  der  Kiist«  ankern  konn- 
ten*). Bis  auf  die  „Serieuse"  befanden  sie  sich  alle  bei  der 
Naehhut**).  Der  französische  Adniiral  hält-e  sehr  gut  getan, 
eine  oder  zwei  Fregatten  auf  dem  Meere  kreuzen  zu  lasseo. 
Er  iTÜrde  früher  von  dem  Herannahen  der  fcindhchea 


Flott«  benachrichtigt  worden  sein  und  hätte  dann  recht- 
zeitig Vorbereitungen  zum  Kampfe  treffen  können! 

Dann  wurden  Maßnahmen  getroffen,  dio  Flotte  mit  Le- 
bensmitteln und  vor  nlleni  mit  Waaser  zu  versorgen.  Trotz 
der  Nähe  Rosettea  war  die  Beschaffung  der  Lebensmittel 

•}  Der  Admiral  liatte  aucli  xwei  Itlürm-T  auf  dur  klBincn  Inacl  nufBtclK'Ti  lassen. 
Docii  die  Entfernung  bifl  lur  Spitm  der  frnnzöaiHchcn  Klotto  wnr  .-o  rtoB,  daü 
weder  dieee  beiden  MÜTBcT  nncli  die  Gescliütze  des  Forts  den  Fruizoacn  von 
Nullen  sein  konnten. 

••)  Ei  waren  die  Fregatten  „Arlli^miH.-".  „Diane"  und  ..JuBtiüc".  Ebenfalls 
Bin  Schwnife  des  Gesell wadcrs  lipFaiidi'n  ^icli  dip  drei  Galeotcn  „Hercule", 
,.Orsnt;Gr"  und  „Fortugoise", 

377 


DIgiiized  tu  Cgoglc 


scInvicrifT;  auoli  halte  lüiiii  die  grölJte  Mühe,  in  unmittelba- 
rer Nähe  der  Küst*  gulof!  Walser  /.u  finden. 

Die  13  französischen  Linit-nweliiffe  waren  etwa  4500  Met- 
vom  Ufer  in  einer  Entfernung  von  150  Metern  voneinami'. 
verankert.  An  der  Spitze,  bezieh» ngsweise  auf  dem  linke: 
Flügel,  befand  sieli  der  ..(iiicrrier",  gegen  2400  Meter  vor 
der  kleinen  Insel  v<iri  Abul;ir  entfernt.  Es  folgten  der  „C'tii,- 
qu^rant",  der  „Spartiate",  der  „Aquilon",  der  „Peuple- 
Souverain",  der  „Franklin"',  der  „Orient",  der  „Tonnant", 
der  „Heureux",  der  „Jlercure",  der  „Quillaame  Tell'%  dö" 
„Genereux"  und  der  „Timoleon", 

Die  gesamte  Flotte  verfügte  über  1182  CJcschiilze.  l'mor 
den  Jjnienschiffcn  be.ialJ  da-s  Admiralsschiff  120  Kanonen: 
drei  Schiffe  führten  je  HO,  der  liest  je  74  Cieschützc.  Drei  der 
Fregatten  waren  mit  je  40,  eine  niit  36  Kanonen  versehen. 
Der  tatafichliche  Bestand  der  Mannschaften  kann  auf  8000 
Mann  angesetzt  werden.  Eigentlich  hätte  die  Hotte  1 1  170 
Offiziere  und  Mannschaften  zählen  müsgen.  Da  Nelson  über 
etwa  1000  Geschütze  und  8000  Mann  verfügte,  waren  die 
gegnerischen  Streitkräfte  fnwt  gleich.*) 

Am  1.  Augii^^l  gegen  y.wi'i  Vhr  meldete  man  auf  dem 
,,Heureux"  das  Herannahen  einer  Flotte  von  12  Schiffen. 
Bald  folgten  zwei  weitere  Falnv.euge.  Es  war  das  schon  lange 
gefürehtete  ( iesehwiuler  Nelsons,  da«  von  Westen  her  in  der 
Xäho  der  Küste  herankam!  l-jineHtimde  darauf ,  gegen  3  Uhr, 
gab  Brueys  den  Befehl  „Klar  zum  Gefecht",  und  die  Admi- 
räle  begaben  sich  an  Bord  des  „Orient",  um  die  Befehle  des 
Oberb^ehlfihab^rs  zu  empfangen.  Brueys,  Villeneuve  und 
Ganteaume  waren  für  den  Kampf  mit  verankerten  Schiffen, 
Blanquet  du  Chayla  vertrat,  wie  schon  in  einem  früheren 
Kriegsrat,  die  Ansicht,  den  Angriff  der  Engländer  mit  auf- 
gezogenen Ankern  anzunehmen. 

■)  Voraiugeastzt,  daß  dia  am  Lande  befindlichwi  *Tn"V-'V"  iSaimaabattiai 
ihm  SohiHe  rocblaeitiE  eneiohen  koDntoD,  wo«  obw  nicht  der  Fall  wbt. 

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Als  die  feindliche  Flotte  in  Sicht  kam,  befanden  aicli  viel-:- 
der  Mann  sc  haften  am  Lande,  mii\VaM.seri'.uhoJen,t;iiidoppel! 
verhängnisvoller  Umstand,  denn  die  Eesatzung  der  Scliiffi- 
war  schon  an  sich  unvüllsiiiiidig!  Nur  wenige  befolgten  die 
Signale,  an  Bord  zu  kmnmen,  so  dalJ  die  (iescliiitze  nur  un- 
vollkoniriieii  bedient  werden  konnten. 

(iogeii  4  Uhr  Heß  Brueys  auf  seinem  Flaggschiff  das  Sig- 
nal aufhissen,  daß  man  vor  j\nker  liegend  kämpfen  würde, 
nnd  erteilte  darauf  den  Befehl,  die  Schiffe  durch  Ketten  mvi 
Taue  miteinander  zu  verbinden,  damit  keines  aus  der  Linii- 
gebracht  werde.  Dies  konnte  aus  Mangel  an  Zeit  jedoch 
nicht  überall  durchgefülirt  werden.  Da  er  nicht  vcrnnitete-, 
daß  Nelson  die  innere  Seite  seiner  Sieliung  angreifen  könne, 
wurden  alle  im  Wege  stellenden  Dinge  auf  diese  Seite  der 
Schiffe  gebracht,  um  nicht  während  dea  Kampfes  auf  der 
anderen  Seite  zu  sehr  behindert  zu  werden.  In  seinem  Innern 
hoffte  der  Oberbefehlshaber  aber,  daß  der  feindliche  Admi- 
ral  ihm  wenigstens  bis  zum  nächstm  Tage  Zeit  lassen  werde, 
damit  er  alle  seine  Vorbereitungen  zum  Kampfe  treffen 
könne. 

Aber  Nelson,  der  tolle  Feuerkopf,  zögerte  nicht  eine  Mi- 
nute, um  den  so  seimsüchtig  gesuchten  Feind  anzugreifen. 
Ais  er  am  1.  August  vor  Alexandria  angekommen  war.  mel- 
dete der  „Zealous"  gegen  dreiviertel  drei  Uhr  nachmittags 
die  feindliche  Flotte,  die  in  der  Bucht  von  Abukir  vor  Anker 
lag.  Bereits  seit  einigen  Tagen  war  Nelson  so  aufgeregt,  daß 
er  fast  nichts  essen  konnte.  Jetzt  aber  ließ  er  das  Mittag- 
essen auftragen,  und  als  er  üoh  vom  Tiaohe  erhob,  sagte  er 
zu  seinen  Offizieren:  „Morgen  um  diese  Zeit  habe  ich  ent- 
weder  einen  Flatz  im  Oberhaus  oder  in  der  Westmioster- 
abtei."  Inzwiaohen  hatte  er  Befehl  gegeben,  sofort  klar  aum 
Gefecht  zu  maohei^  am  TTfer  entlang  und  an  der  Insel  Abu- 
kir vorbeizufahren,  um  auf  die  linke  Flanke  der  fcanzöEd- 
sohen  Flotte  loszusteuern  und  die  feindliche  Vcnrhut  und  das 

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-9 


StelloDg  dar  fnnzIMdMhai  und  dar  englla^en  Flotte.  1.  Aiigiut,gegoii8KDhTBbendi. 


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Zentrum  auzugreifen.  Der  „Zealoua"  unter  Kapitän  Hood 
hielt  die  Spitze,  dann  wurde  er  vom  „Goliath"  überholt.  Um. 
sich  nicht  der  Gefahr  auazusetzen,  auf  den  Grund  zu  laufen, 
ließ  Nelson  erst  einige  andere  Schiffe  vorbeisegeln  und  folgte 
mit  dem  „Vanguard"  als  sechstes  Schiff.  Alle  Bewegungen 
geschahen  mit  größter  Genauigkeit  und  Schnei  Ii  ffkeit,  doch 
ohne  Eile  tmd  Überstürzung.  Offiziere  und  Mannschaften 
trugen  die  Uberzeugung  der  Überlegenheit  und  der  Sieges- 
gewißheit in  sich. 

Kapitän  "Foisy  mit  dem  „GoliatlL"  befürchtete  nioht,  auf 
den  Qmnd  auf  znlauf  en,  und  segelte  zwischen  der  Küste  und 
der  franzöeiaclienliiiie  durch,  am  das  erste  feindliche  Schiff, 
den  „Qnerrier",  von  der  Innenseite  aus  anzugreifen.  Die 
Anker  hinten  aber  nicht,  so  daß  er  sich  den  „Conqu4rant" 
zum  Gegner  nahm,  während  der  „Zealoue"  dem  „Guerrier" 
gegenüber  ankerte.  Das  Feuer  des  „Zealous"  war  so  heft^, 
daß  in  weniget  als  einer  Stunde  sämUiohe  Masten  dee„Guer' 
lier"  abgeachoBsen  wurden.  Trotzdem  ergab  msb  der  Kapi- 
tän Trullet*)  erst  gegen  neunränhalb  Uhr. 

Darauf  folgte  der  „Orion"  auch  auf  der  inneren  franzö- 
sischen linie  und  griff  den  „Peuple  Souverain"  an,  besohofi 
aber  gleichzeitig  das  daneben  li^ende  seohste  £rainzöei8clie 
Sehiff,  den  „Franklin". 

Der  „Peuple  Souva»in"  erhielt  im  Laufe  der  Schlacht 
das  Feuer  von  drei  feindüchen  Solüffen.  Gegra  11  Uhr  stellfe 
er  sein  Feuer  ein  und  wurde  am  nächsten  McH^;en  um  vier- 
dnhalbUhrvom,,Oiioa'' besetzt.  MitgröBter  Hartnäckigkeit 
widerstand  auch  der  „Fnmklin",  der  die  Flagge  dee  Admirale 
Blanquet  du  Chayla  tm^  den  AngiifEen  dreier  feindlicher 
Schiffe.  Um  8  Uhr  wurde  der  Ädmiral  und  um  neundnhalb 
Uhr  der  Kapitän  Gillet  gefährlich  verwundet;  eine  b^be 
Stunde  vor  Mitternacht  strich  der  „Franklin"  die  Flagge. 

•)  Eb  ist  Eapitan  Tnillot  der  Alters  r  dor  „Timolion"  wurde  vom  Kapitgn 
TruUet  dem  JUngpion  bofehligb. 

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Dann  trat  der  „Thesci^s"  in  Tiitiglu  it.  der  gl^ich/t-itig  das 
zweit-?,  liritte  iin<i  vii'iti'  Ininzii^isi-lir  Schiff,  den  „Cöii(|iie- 
rant",  den  „Spartiate''  und  den  ..Aqiillon",  ebenfalls  von 
der  iiiiii'iisoiti'  der  fiaii/ii^iM-lieii  S(flliiiig  ütih  IjpsclioU. 

Ala  fünftes  engliadies  Sdiiff  sleiiertt  der  „Au.dacious" 
zwischen  dem  „Guerrier"  und  dem  „Conquörant"  durch, 
nahm  auch  zwiechen  der  Küste  und  dem  französischen  Ge- 
schwader Stellung  und  beschoß  sogleich  den  „Conquerant", 
der  bereit«  daa  Feuer  zweier  englischer  Schiffe  aushalten 
mußte.  Gegen  siebenein  viertel  Uhr  wui-de  der  Kapitän  des 
Conquerant"  schwer  verwundet.  Er  übergab  den  Befehl 
seinem  ersten  Leutnant,  Bis  um  9  Uhr  verteidigte  eich  das 
Schiff  gegen  seine  drei  Gegner  und  strich  endlich  vor  dem 
„Audacious"  die  Flagge. 

Jetzt  traten  der  „  Vanguard",  der„MinotauT"  imddiei.De- 
fence"  in  den  Kampf  ein,  doch  nahmen  diese  drei  Schiffe 
von  außrai  Stellung.  Der  „Vanguard"  ankerte  vor  dem  drit- 
ten franzÖsisGhen  Schiff,  dein  „Spartiate",  der  „Minotaur" 
vor  dem  vierten  französischen  Schiff  „Aquilon",  daa  schon 
mit  dem  „Theseus"  im  Kampfe  war,  und  die  „Defence" 
nahm  dch  den  „Peuple  Souverain"  zum  Gegner,  der  bereits 
vom  „Orion"  mit  Kngeln  bestrichen  wurde. 

Der  i^partiat«"  hatte  nur  500  Mann  Besatzung,  kämpfte 
aber  trotzdem  bis  nach  U  Uhr,  und  ergab  sich  dann  dem 
„Vanguard".  Der  „Aquilon"  stellte  sein  Feuer  bereits  um 
neuneinhalb  Uhr  ein,  naohdem  sein  Kapitän  Th6venard 
gegen  8  Uhr  dnroh  eine  Kuionenkugel  getötet  worden  war. 
Darauf  wurde  das  Schiff  vom  „Minotaur"  besetzt. 

So  sehen  vir  etwa  eine  halbe  Stunde  naoh  Eröffnung  des 
Kampfes  dorch  Nelson  acht  englische  Schiffe  mit  fünf  bis 
sechs  französischen  Lini^ischiffen  im  Kampfe  liegen,  die 
zwar  dieselbe  Anzahl  an  Geschützen  hatten,  aber  sonst  in 
jeder  I£nsicht  den  Engländern  imterlegen  waren! 

Das  neunte  englische  Linienschiff,  der  „Belletophon", 


nahm  doh  den  „Orient"  zum  (iegrier,  der  ihm  an  Anzahl  der 
Geechütze  bei  weitem  überlegen  war,  und  da«  zehnte  eng- 
lische Koliiff.  „Maje.stic",  ankerte  vor  dem  „Mercure",  da  e; 
das  Hellte  imd  neunte  französiwehe  Rcliiff  verfehlt  hatte.  Der 
„Belleropboii"  wurde  bald  vom  „Orient"  entmaatet  um! 
mußte  die  Ankertaue  durclihauen,  um  nicht  in  den  Grund 
gebohrt  zu  werden.  Der  „Majestic"  hatte  auch  zuerst  in  der 
Nähe  des  französischen  Adnüralsachiffe«  Ankei'  geMorfeii, 
sich  dann  aber  weiter  entfernt  und  den  ..Mercure"  zum  <Jeg- 
ner  genommen.  Der  „Tonnnnt"  «  nrde  vom  „Bcllerophon" 
mit  beschossen,  und  der  „Heureux"  erhielt  seit  etwa  8  Uhr 
das  Feuer  des  „Majestio".  Die  drrä  Schüfe  der  Nachhut,  d« 
„Guillaume  Teil",  der  „G4n4reux",  Bowie  der  „TimoI6on" 
liatten  keine  Ciegner. 

Inzwischen  war  die  Dunkelheit  hereingebrochen,  Dei 
„Cullodcn",  der  „Alexander"  und  der  „Swiftsure"  waren 
noch  nicht  auf  dem  Kampfplatz  erschienen.  Da  es  Nelson 
an  Fregatten  oder  anderen  leichten  Schiffen  fehlte,  hatte  er 
vor  dem  Eintreffen  vor  Alexandria  den  „Alexander"  uod 
den  „Swiftsure"  zum  Erkunden  auBgesandt.  Diese  beideo 
Schiffe  waren  aber  zu  sehr  in  Lee  geraten  und  kamen  jetzt 
erst  heran.  Der  „Culloden"  unter  Kapitän  Troubridge  war 
kurz  vor  7  Uhr  beim  Umsegeln  der  Sandbank  aufgelaufen 
und  (lii'nto,  da  er  trotz  der  Anstrengungen  des  „Leander'* 
und  der  „Miitine"  nicht  vor  2  Uhr  nachts  frei  gemacht  wer- 
den konnte,  alsLcuchtturmfürden  „Alexander",  den  „Swift- 
sure" und  den  „Leander".  Diese  drei  Schiffe  trafen  gleicli- 
zeitig  gegen  8  Uhr  auf  dem  Kampfplatz  ein,  zu  einer  Stunde, 
wo  es  mit  einigen  cnglischenSchiffen  nicht  sehr  günstig  stand. 

Der  „Orient"  war  dem  „Bellerophon"  an  Artillerie  weit 
überlegen  und  schoß  seinen  (Jegner  fast  zum  Wrack.  Des- 
halb ließ  der  Kapitän  des  „Bellerophon"  die  Ankertaue  kap- 
pen nnd  zog  eioli  nach  bedeutenden  Verlusten  aus  dem  Ge- 
fecht zmüok. 

384 


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Inzwischen  war  der  „Swiftsure"  herangekommen,  der  den 
„Orient"  von  der  Steuerbordaeit«  angriff,  während  dcr„Ale- 
xander"  das  franzöaiache  Admiralsschiff  vom  Backbord  aus 
beschoß.  In  geschickter  Weise  ging  der  „Leander",  der  nur 
50  Kanonen  führte,  quer  vor  dem  „Franklin"  vor  Anker, 
der  bereits  von  der  „Defence"  und  dem  „Orion",  sowie  auch 
jetKt  von  dem  „Swiftsure"  Feuer  empfing. 


Gegen  7  Uhr  wurde  Brueya  an  der  Hand  und  am  Kopfe 
verwundet,  doch  achtete  er  dessen  nicht  viel.  Eine  halbe 
Stunde  darauf  ward  ihm  durch  eine  Kanonenkugel  die  linke 
Hüfte  weggerissen.  Aber  auch  jetzt  wollte  der  tapfere  Mann 
nicht  das  Kommando  an  den  nächst  höheren  Offizier  abge- 
ben, um  sich  verbinden  zu  lassen!  „Laßt  mich  auf  der  Brücke 
sterben",  rief  er  denen  zu,  die  ihm  helfen  wollten,  und  einige 
Minuten  später  hauchte  er  als  wackerer  Soldat,  der  auf  sei- 
nem Posten  zu  sterben  wußte,  seine  Seele  aus. 


385 


Gegen  9  Uhr  brach  auf  dem  „Orient"  Feuer  aus,  und  th-  \ 
Engländer  richteten  besonders  auf  diesen  Feuerherd  ihr'  I 
Artillerie,  um  die  Verwirrung  zu  vermehren  und  ein  LÖ^chf  ] 
unmöglich  zu  machen.  Nach  10  Uhr  flog  das  prachtvoll' 
Admiralsschiff  in  die  Luft.  Bis  zu  dieser  Stunde  hatten  sich 
bereits  drei  französische  Sclilachtachiffe  den  Engländern  er- 
geben ;  auch  die  Fregatte  „Serieuse"  zählte  nicht  mehr,  denn 
sie  war  in  den  Grund  gebohrt  worden.  Bis  Mittemacht  stri- 
chen drei  weitere  Schiffe  die  Flagge,  darunter,  wie  bereits 
erwähnt,  der  „Franklin"  von  80  Kanonen. 

Der  „Tonnant",  der  zuerst  nur  vom  „Bellerophon"  und 
dann  vom  „Alexander"  und  „Swiftsure"  beschossen  wurde, 
kämpfte  bia  früh  einhalb  4  Uhr  und  ließ  sich  dann  auf  den 
Strand  treiben.  Er  behielt  den  ganzen  2.  August  noch  die 
Flagge.  Die  Verluste  dieses  Schiffes  waren,  obgleich  es  kei- 
nen direkten  Gegner  hatte,  selir  beträchtlich  und  betrugen 
an  360  Tote  und  Verwundete.  Du  es  an  Booten  fehlte.  | 
konnte  die  Mannschaft  das  Schiff  nicht  verbrennen,  da  i^i'' 
sich  dann  nicht  ans  Ufer  hätte  retten  können.  Aber  erst  arn  1 
3.  August  übergab  sich  der  „Tonnant"  zwei  feindlichen  Fahr-  j 
zeugen. 

Der  „Heureux"  nahm  nur  geringen  Anteil  am  Kampfe 
und  hatte  daher  nur  etwa  70  Tote  tmd  Verwundete.  G^eai 
3  Uhr  früh  stellte  er  sein  Feuer  ein,  ließ  sich  ans  Ufer 
treiben  und  ergab  Bich  am  nSohsten  Tage,  als  drei  engUeche 
Schiffe  Miene  machten,  ihn  zu  besohieS^ 

Der  „'Wercaro",  der  besonders  vom  .Jdltqestio"  besohos- 
een  wurde,  scheiterte  niolit  weit  vom  „Heuienx"  und  eacgah 
eich  den  Engländern  am  nächsten  Morgen. 

Das  letzt«  fransiösiBche  Schiff  der  SohlaohttMidnang  nach, 
der  „Timol^n",  lief  am  2.  Ai^ust  auf  den  Strand  auf  und 
wurde  von  den  eigenen  Leuten  verbrannt,  damit  ee  niobt  in 
die  Hände  der  Ei^fländer  fiele. 

386  ' 

1 

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Ein  Viertel  vor  Ii  Uhr  hatte  der  Adiiiiral  Eriieys  Befehl 
gegeben,  das  Feuer  zu  eröffnen,  sobald  »ich  der  Feind  zeigen 
würde.  Wenige  Augenblicke  darauf  war  der  erste  Kanonen- 
schuß  von  französischer  Seite  aus  gefallen.  Es  wurde  auf 
beiden  Seiten  mit  großer  Tapferkeit  gefochten,  doch  die  bes- 
sere Schulung  der  Englündcr  sowie  ihre  Übermacht  trugen 
den  Sieg  davon.  Wie  wir  gesehen  haben,  hatten  nicht  weni- 
ger als  drei  französische  Schiffe  keine  und  zwei  nur  unmittel- 
bare Gegner.  Konnten  diese  Scliiffe,  auch  wenn  aie  kein  Sig- 
nal empfangen  hatten,  nicht  die  Änkortaue  zcriiauen,  um  zu 
vorsiLfhen,  an  dem  Kampfe  teilzunehmen?  Der „Majestic", 
iliT  dein  ,,Mercure"  gegenüberstand,  hätte  mit  Leichtigkeit 
Min  den  drei  dahinter  und  zwei  davor  ankernden  französi- 
st'Iii-n  Schiffen  vernichtet  werden  können!  Obwohl  behaup- 
tet worden  ist,  daß  Urueys  der  Nachhut  Befehle  gegeben 
h;iVie.  die  Anker  7.11  hellen,  so  imiU  doch  daran  gezweifelt 
werden,  da  wir  keine  sii  heren  üeneise  dafür  haben.  Aber 
der  Admiral  Villeneu\-e,  der  diu  Nachhut  befehligte,  hätte 
selbst  so  viel  Entsclilo.'Mcnheit  zeigen  müssen,  um  den  Um- 
ständen gemäß  zu  handeln.  Und  die.seni  Admiral  vertraute 
Napoleon  7  Jahre  8|Ster  den  Oberbefehl  über  eine  große 
Flotte  an,  die  Nelson  bekämpfen  sollte !  Sollt«  Napoleon  so 
wenig  Menschenkenntnis  besessen  haben,  oder  fehlte  es  ao 
an  geeigneten  höheren  Seeoffizieren,  daß  dec  Kriegsminlater 
Deorls  diesen  Mann  dem  Kaiser  empf  aU  t 

Erst  der  nächste  Tag  ließ  die  sohreckliohen  Verluste  Gber- 
sehen,  die  die  iVanzosen  erhtten  hatten.  Zwei  Liniensofaiffe 
und  zwei  Fregatten  waren  verbrannt  oder  in  den  Grund  ge- 
bohrt worden;  sieben  Schiffe  befanden  sich  in  den  Händen 
der  Engländer.  Der  „Tonnant"  behielt,  wie  wir  gesehen  ha- 
ben, den  ganzen  2,  August  hindnioh  die  Flagge.  I>er„Timo- 
16on"  hatte  fast  gar  nicht  an  der  Schlacht  teUgenommen; 
dennoch  befand  üoh  das  SohiH  in  «nem  traurigen  Zustande. 
Srän  Kapitän  ließ  ea  auf  den  Strand  auflaufen,  da  es  tmmSg- 


lieh  war,  es  aus  der  Bai  herauszubringen.  Auch  dieses  Fal,:- 
zeug  behielt  seine  Flagge  während  des  ganzen  Tage.-j  nati 
der  Mclilaclit.  Da  der  „Timoleon"  doeli  niclit  iiif^hr  zu  rettCE 
war.  befall]  der  Kapitän  Trullet  der  jüngere  der  Mannschaft 
das  Sehiff  zu  verlassen.  Darauf  steckte  er  es  in  Brand. 

Der  „(JuillauiTie  Teil",  mit  dem  Konteradmiral  Villeneuvi 
an  Bord,  luid  der  „G6nereux"  hatten  am  Kampfe  fast  niehl 
teilgenommen;  \'illeneuve  besaß  leider  zu  wenig  Ent- 
selilotiisenlieit,  um  aus  eigener  Kraft  zu  handeln. 

Erst  am  nächsten  Tage,  don  2.  August  gegen  12  Ulir,  gab 
er  den  übrigbleibenden  Scluffen  Befehl,  die  .\nkertftiie  7x 
durchhauen  und  unter  Segel  zu  gehen.  Nur  der  „Genercux" 
und  die  Fregatten  „Diane"  und  „Justice"  mit  dem  Koiiit  r- 
admiral  Decres  an  Bord  folgten  dem  „Guillaume  Teli" 
Diese  vier  Fahrzeuge  wurden  kaum  verfolgt;  man  schreibt 
diesen  Umstand  der  Verwundung  Nelsons  zu.  Dessen  Ka- 
pitäne aber  waren  viel  zu  sehr  mit  ihren  Schiffen  beschäf- 
tigt, als  daß  sie  auf  eigene  Verantwortung  hin  gehaaddt 
hätten. 

Na«h  einer  sehr  stürmiBchen  Fahrt  kam  ViUeneuve  am 
28.  August  in  Jlalta  an.  Auf  seiner  Reise  hatte  er  in  der 
Nacht  vom  17.  zum  18.  August  den  „Gfnereux"  verloren. 
Diesen  Schiff  traf  am  18,  August  auf  dem  Wege  nach  Korfii 
auf  der  Höhe  von  Kandia  den  „I.«ander"  von  50  Kanonon. 
Nach  einem  heftigen  Kampfe  bemächtigte  sieh  der  ..tiein- 
reux"  des  ihm  an  Geschützen  unterlegenen  Gegners  und 
führte  den  „Leander"  als  gute  Prise  mit  nach  Korfu. 

Ein  W'ort  noch  über  die  Fregatten  und  anderen  kleineren 
Fahrzcugo  der  französischen  Flotte.  Die  Fregatte  „Serie  uae" 
hatte  am  Xacliniittng  des  Hchlachttages  150  Mann  an  den 
„TomiiinL"  abgaben  müssen  und  war  dadurch  auf  die  Hälfte 
ihrer  Bemannung  herabgesetzt  worden.  £lie  der  „Orion" 
den  „Peaple  Souveroin"  angnff,  wollte  er  die  Fre^tte 
zerstören,  da  sie  ihm  im  Wege  war.  Noch  einem  heftigen 

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einstündigen  Kamiife  au!  r'iwto)ennc)iuß weite  ii  urdt!  du;  Fre- 
gatte in  den  (ii'uiifi  gpboliit,  (loch  ragte  der  obere  Teil  des 
SchiffpK  ^ve^pn  <!i'i-  Wiiticfe  noch  auB  dem  Wasaer  heraus. 
Kret  am  iiätlisini  'l'iige  früh  3  "Uhr  ergab  sich  der  Kest  der 
Besatzung  den  Engländern. 

Audi  die  „Artöniise"  hatte  beim  Beginn  des  Kampfes 
einen  großen  Teil  ilirer  Besatz ungsmannschaft  abgeben 
müssen  und  nahm  kaum  am  Kampfe  teil.  Sie  geriet  auf 
den  Strand  und  wurde  am  nächsten  Tage  von  ihrem 
KapitSn,  der  sieh  mit  der  Besatzung  ans  Ufer  flüchtete, 
verbrannt. 

Sie  anderen  kleineren  Fahrzeuge  konnten  sich  unter  dem 
Schutze  des  Forts  tod  Abukir  nach  Alexandria  rett«n. 

An  Hannsohaften  hatte  die  {ruizSäsche  Flotte  ungefähr 
1700  Tote  und  Ertrunkene  und  1500  Verwundete,  sowie 
mehr  als  3000  Gefangene  wloren*).  Nach  einigen  T^n 
entließ  CTelson  die  Gefangenen  bis  auf  300  Mann,  da  er  de 
nicht  ^nähren  konnte.  Nach  dem  Bericht  des  Freuten- 
kapitSas  Barr^  betrog  der  engliache  Verlust  nur  900  Mann, 
darunter  700  Verwundete. 

Ndaon  war  in  der  Schladtkt  durch  einen  SohuQ  am  Kopfe 
verwundet  worden.  Man  hielt  die  Wunde  anfai^^  für  töd^ 
lieh,  ab^  es  handelte  dch  nur  um  eine  lachte  Verletzung. 
Sie  verhinderte  jed^ifallB  den  englischen  Admiral,  alle  Maß- 
nahmen anzuordnen,  um  die  Niededage  der  fruizösischen 
Flotte  in  eine  völlige  Vernichtung  zu  verwandeln. 

Engländer  und  Franzosen  hatten  in  dieser  Schlacht  wie 
Helden  gefochten,  und  es  ist  schwierig  zu  sagen,  ob  die  An- 
greifer oder  die  Angegriffenen  größere  Tapferkeit  und  Aua- 
clRuer  bewiesen  haben.  Viele  französische  liühfrc  Offiziere 
fjtarben  mit  bewunderungswürdiger  Ruhe  auf  ihren  Posten, 
vor  allem  der  Admiral  Brueys  und  die  Kapitäne  (.'asabianca, 
Ihövenard  der  jüngere.  Du  Petit-Thouais  und  Peyret. 

')  In  diMBT  Zahl  dud  1000  TemundeM  nüt  eiiibegnffen. 

38« 


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Am  5,  August  segelte  der  „Leander"  mit  Briefen  vo:; 
Abukir  nach  Europa  ab.  Das  Schiff  wurde  jedoch  unter- 
wegs vom  „Genereux"  genommen.  Glücklicherweise  hatte 
Nelson  wenige  Tage  später,  am  13.  August,  auch  die  Mu- 
tine" nach  Neapel  gesandt.  Von  hier  aus  gelangten  die 
ersten  Xachrichten  Über  den  glänzenden  Sieg  nitch  Eu- 
ropa. Dor  Kapitän  der  „Mutine",  Martin,  reiste  dann  auf 
dem  Ijandwege  über  Wien  nach  England  und  kam  erst  am 
2,  Oktober,  also  zwei  volle  Monat«  nach  der  Schlacht,  ii: 
London  an. 

Der  Sieg  von  Abukir  war  der  wichtigste  und  vollständig- 
ste, den  die  Engländer  seit  1793.  A-ielleicht  seit  jeher,  erfoch- 
ten hatten.  Die  Folgen  waren  weittragend  und  verhängnis- 
Toll,  im  besonderen  für  das  französische  Heer  in  Ägypten 
und  im  allgemeinen  für  die  Lage  der  französischen  Republik 
den  anderen  Mächten  gegenüber.  Allerdings  vermochte  Bo- 
naparte durch  großes  Genie  die  Fingen  für  sein  Heer  so 
viel  -wie  mög^h  zu  mÜdem. 

Kommen  wir  jetzt  mit  einigen  Worten  auf  die  Storatfrage 
zu  sprechen :  Wer  verschuldete  es,  daß  die  franzSsieohe  Hot- 
te in  der  Bai  von  Abukir  bUeb  und  nicht  nach  Korfu  ging, 
iro  sie  Schutz  gefunden  hätte  t 

Am  3.  Juli  befahl  Bonaparte  von  Alexandria  aus  dem  Ad- 
nüralBnieys,  die  Flotte  in  den  alten  Hafen  einlaufen  zu  las- 
sen. Wegen  der  Aufstellung  der  Flotte  hatte  der  General 
auch  mündlich  am  3.  oder  4.  Juli  mit  Bmeys  gesprochen. 
Drei  Wochen  spät^  schrieb  er  am  27.  Juli  aus  Kairo,  er  habe 
erfahren,  daß  nun  endlich  eine  EinfahrtesteUegefundeu  wor- 
den sei,  und  er  vermuf«,  daß  üoh  die  Flotte  im  läten  Hafen 
in  Sicherheit  befinde.  In  diesem  Briefe  findet  sich  kein  Wort 
mehr  von  der  Zulässigkeit  einer  Aufstellung  in  der  Bai  von 
Abukir  wie  im  Briefe  vom  3.  Juli.  Am  30.  Juli  flog  ein  drit- 
ter Brief  aus  Kairo  ku  Briteys,  in  dem  der  Obe^^eral  eben- 
falls die  Überzeugung  aussprach,  daß  er  annehme,  Bniej-9 

390 


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^<;i  cntv-oAeT  in  den  alten  Hafen  von  Alexandria  eingelaufen 
oder  habe  den  Wej;  nach  Korfit  genommer*). 

Aua  diesen  Briefen,  beaondera  aber  aus  dem  letzten,  sieht 
man,  daß  fionaparte  zwar  eine  Vorliebe  für  Alexandria  hat- 
te, es  aber  am  liebsten  gesehen  hätte,  wenn  Brueya  nach 
K.orfii  gesegelt  wäre,  im  Fall  er  keine  geeignete  J-Iinfahrt  in 
Alexandria  gefunden  haben  würde.  Unglücklicherw  eise  kam 
dieser  letzte  Brief,  der  den  förmlichen  Befehl  enthielt,  nach 
Korfu  zu  gehen,  bei  Brueys  nicht  an.  Der  Adjutant  Bona- 
partes, Jullien,  war  unterwegs  ermordetworden;  wäreer  aber 
auch  angekommen,  so  würde  es  doch  zu  spät  gewesen  sein, 
denn  bereits  am  1.  Augnst  erschien  die  engUselie  Flotte,  und 
vordem  5.  Augnst  konnte  der  Adjutant  nicht  in  Abukii  ein- 
treffen ! 

Bonaparte  hatte,  soweit  er  die  Sachlage  aus  der  Ferne 
überschauen  konnte,  gehandelt,  wie  ein  umsichtiger  Feld- 
herr nur  handeln  konnte.  Am  27.  hatte  er  ISrucya  geschrie- 
ben, er  würde  ihm  noch  genaue  Anordnungen  ziikoniiiien 
lassen,  sobald  er  Nachrichten  von  diesem  erhalten  liabe. 
Das  hat  er  auch  drei  Tage  später,  am  30.,  getan,  sofort  als 
der  Brief  vom  Admiral  vom  26,  Juli  eintraf**). 

Dieser  Brief  keiin/.eichnet  den  Admiral  Brueys.  Er  gibt 
darin  zu,  daß  die  Bai  nicht  geeignet  sei,  einem  überlegenen 
Feind  standzuhalten.  AlsSeemann,  überhaupt  als  entschlos- 
sener Offizier,  hätte  er,  ohne  erat  von  Bonaparte  noch 
besondere  Befehle  erhalten  zu  haben,  sofort  die  Bai 
Teilassea  müssen,  nm  Korfu  zu  erreichenl  BrueyB  tat  aber 

*|  Ich  abergebe  den  Brint  Bonapartaa  an  das  DirektoriulD,  vom  19.  Augiut, 
wniD  der  OlMsgenetal  behauptet,  Brueya  den  formellen  Befehl  gegsban  eu 
habsn,  nach  Korfu  an  s^eln.  Der  Briet  wurde,  erat  nach  dem  lAigIßok  von 
Abnldr  gEBohneben  und  baätzt  keineriei  dokamentariachen  Wert, 
**)  La  JbnqnUre  vermutet  mit  Beidit,  daß  In  dem  Biieta  Bom^ortcs  vom 
SO.  Juli  ein  Versehen  unterlaufen  at.  Der  Obaigeneial  beetStigt  die  Briefe 
■vom  tü.Uesaidor  ble  lum  S.  Thermidor.  Der  B.  Thermidor  ist  aber  der  26.  Juli, 
and  bla  cum  30.  Juli  konnte  der  Bote  von  Brueys  niaht  nach  Kairo  gdangt 
■(dn.  tUchtigeT  müBte  nun  S.  statt  8.  Thermidor  t««n. 


391 


nklii^-  (Icrglciflien:  iiiikitirnd  allertliiigs  wirkt  der  Umslar 
daß  nr  in  jenen  Tagen  leidend  war.  Er  blieb,  und  da  ereiliv 
ihn  das  Geschick  1  Wenn  er  einen  Fehler  b^angen  hatte,  so 
büßte  er  ihn  als  tapferer  Mann,  denn  er  starb  als  Held. 

Mit  der  größten  Begeiatcniiig  nahm  man  von  der  siegrti- 
chen  Seesuhliic'lit  bei  Abiikir  in  London  \ind  den  mit  Knglai;': 
verbündeten  oder  befreundeten  Ländern  Kenntnis.  Admira! 
Nelson  wurde  zum  Baron  vom  Nil  ernannt  und  orliielt  ein- 
Pension  von  2000  Pfund  Sterling  auf  Lebenszeit.  Es  wurde 
ihm  aber  kein  höherer  Rang  erteilt,  obgleich  er  ilm  mef  i  r  st-^ 
jeder  andere  verdient  hatte.  JJer  Sultan,  der  Zar,  dit;  KÖni-- 
von  Neapel  und  Sardinien  iiberliäuften  ihn  mit  Gunstbezt-i.- 
gungen,  und  die  Lorda  Howe,  Hood  und  Saint  Vinfcnt.  di" 
bedeutendsten  AdmiralejencrZeit,  schrieben  ihm  die  sclinie:- 
f!helhaft«sten  Briefe. 

Drei  der  Fregatten,  die  Nelson  auf  der  Suche  nach  der 
frauKÜtiischen  Flotte  so  sehr  vermißt  hatte,  trafen  einige 
'j'agc  nach  di;r  Schlacht  bei  ihm  ein.  Die  vierte  brachte  ihm 
am  Ifi.  Augiis(  IJriefe  von  Lord  Saint  Vincent  und  den  Be- 
fehl, mit  einigen  Schiffen  nach  Neapel  zu  segeln,  die  übrigi-ti 
aber  nach  Oibrnltar  zu  senden. 

Drei  der  genommenen  französischen  Schiffe,  die  besonders 
gelitten  hatten,  ließ  der  Admiral  verbrennen.  Kapitän  Hood 
mußte  mit  den  drei  Linienschiffen  „Zealous",  , .Swiftsure" 
und  „Goliath"  und  den  drei  Fregatten  „Alcmene",  „Eme- 
rald"  und  „Sea  Horse"  die  Blockade  von  Alexandria  auf- 
nehmen und  die  Küste  von  Ägypten  übetH-achen,  um  den 
Franzosen  die  Kiiatenfahrt  zu  erschworen  und  die  Annähe- 
rung von  französischen  oder  mit  ihnen  befreundeten  Si  hif- 
fen  zu  verliindern. 

Die  Engländer  hatten  selbst  genug  gelitten  und  zu  rid 
Diit  ihren  Prisen  zu  tun,  als  daß  sie  versuchen  konnten,  ao' 
gleich  etwas  gegen  Alexandria  oder  Afoukir  zu  untemehmetk 

392 


I 

DigiiizedliyGoi^Ie 


ISonaparte  hatte  auch  schnellstens  geeignete  Maßnahmen 
zum  Schutze  der  Küste  getroffen  und  die  Generale  Marmont 
und  Dommartin  mit  Verstärkungen  dahin  geeirndt.  Am  29. 
erschien  der  Kontetadmira!  Marc(iiifl  von  Niza  vor  Ale- 
xandriB,  der  mit  einem  Geschwader  ins  ütfittelländiBofae 
Meer  gefahren  war,  um  die  Beatrebnngra  der  Veibfindeten 
gegen  die  Fruizoeen  zu  unterstützen.  Hoöd  benutzte  die 
G^genheit,  dne  Demonstration  vor  dem  Hafen  zu  machen. 
Mza  wollte  dch  aber  zn  weiteren  Schritten  nicht  ent- 
schließen. Im  Laufe  der  nächsten  Zeit,  besonders  vom  24. 
bis  27.  Oktober,  verenchten  die  Engländer  auf  der  Halbinsel 
von  Äbuldr  zu  landen,  aber  ihre  Versuche  wurden  immer 
wieder  vereitelt. 


Am  14.  August  sandte  Nelson  den  Kapitän  Sir  James 
Saumarcz  mit  den  Linienschiffen  „Orion",  „Thesoas",  „Mi- 
notaur",  „Audacious",  „Defonce",  ,,JIajestic"  und  „Belle- 
rophon", aowie  den  erbeuteten  frniizfiwi sehen  Linienschiffen 
„Le  Peuple  Souverain", ,.  I.e  Connuei  iuit",  „Le  Spartiate", 
„L'Aquilon",  „Le  Franklin"  unri  ,,Le  'ionnant"  nach  Gi- 
braltar.  Von  dort  aus  sollte  er  :ui  einem  L'nferiiehmcn  gegen 
die  Insel  Minores  teilnehmen. 

Nelson  selbst  segelt«  mit  dem  ..\';ni;rii;iiii",  dem  ..Cullo- 
den"  und  dem  „Alexander"  am  19.  August  nach  Neapel. 
Da  seine  Schiffe  sehr  beschädigt  waren  und  schlecht  segel- 
ten, fcam  er  erst  am  22.  September  im  Hafen  ^'on  Neapel  an. 

Auf  der  Fahrt,  von  Abukir  hatte  er  den  portugiesischen 
Konteradmiral  Marquis  von  Niza  getroffen.  Der  portu- 

393 


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giesische  Admiral  hattr  «icli  aber  goKoigcrt,  Hood.  in  de 
Blockade  Alexandrias  zu  unterstüt/.en  und  ^villigte  nur  eir. 
die  Blockade  La  Valettas  zu  übernelimeii,  bis  die  ^England« 
in  der  Lage  seien,  ihn  abzulösen.  Am  1 9.  September  exseliin 
er  mit  vier  Schlachtschiffen  und  zwei  Fregatten  vor  Malta, 
und  am  24,  September  kam  am  h  Sir  James  Saumarez  mit 
sieben  cniilisclien  und  sechs  genoiiimenen  französisdieo 
Schlftchtiscliiffen  vor  La  Valetta  an. 

In  Malta  befehligte  der  Divisionsgeneral  Vaubois  etwi 
5000  Mann,  worunter  sich  aber  einige  hundert  Kranke  be- 
fanden. Als  Zivilbeajnteu  hatte  Bonaparte  vor  seiner  Ab- 
reise aus  Malta  Kegnaud  de  Saint-Jean  d'Angely  bestimntt. 
Er  verstand  es  aber  vredei  sich  mit  Vaubois  nooh  mit  da 
Bevölkerung  in  gutea  Einvernehmen  zu  setzen.  Am  2.  Sep- 
tember brach  eine  Empörung;  auf  der  Insel  aus,  die  apätv 
von  den  Et^Sndem  und  PortngieBen  natüriioh  nach  Knf- 
ten  nnterstützt  wurde.  Anstatt  seine  Kräfte  zu  zerapÜttern. 
gab  Vaubois  lieber  das  flache  Xjand  preis  und  zog  mcb  ia 
die  Festung  und  in  die  Forts  zurück. 

Am  27.  September  wurde  er  von  dem  portugiesischen  Ad- 
mirtd  und  dem  englischen  Kommodore  zur  Übergabe  an^ 
fordert.  Am  2i.  Oktober  erschien  auch  Nelson  für  ktine  Zot 
von  Neapel  aus  vor  La  Valetta.  Seine  AuHord^img  zur  Übe- 
gabe  am  nächsten  Tags  hatte  ebensowenig  Erfolg.  VaaboiE 
hielt  sich  äuBrast  tapf «;  bis  zum 4.  September  ISOO.  Manaieht 
aus  dieser  langen  Verteidigung,  daS  Malta  von  denMaltesa- 
rittem  wenigstens  ebenso  lange  hätte  gehalten  werden  bds- 
nen,  wenn  sie  gewollt  hätten,  denn  sie  verfügten  nicht  afieis 
über  mehr  Soldaten,  sondern  auch  über  andere  Hilfemittd 
als  Vaubois,  zumal  sie  die  Bevölkenuig  der  Insel  hlnt^ 
sich  hatten ! 

Den  Oberbefehl  über  die  sämtlichen  englischen  Geadiw«- 
der  im  Mittelländischen  Meere  führte  nach  wie  vor  Admiral 
Saint  Vincent.  Ein  Teil  seiner  Flotte  nahm  am  15.  Noven^ 

394 


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b<T  17il8  .Minon'ii.  Der  Hcfclil  über  die  Flotte,  die  Cadix 
blockiert  hielt,  bin  in  den  Hiimlen  Liinl  Reiths,  wahrend 
Nelson  im  «efitlicheii  Millclnieere  In-Iflilf^ilc.  Kr  sollte  aueh 
die  Bestrebiirigen  der  liirkiHcli-iussi.^fhi'ii  HiiÜe  befxiicisti- 
gen,  die  im  Herbst  des  Jabrea  17ÖS  gegen  die  Joiiisohen  In- 
seln gerichtet  waren*).  Sir  Sidney  Smith  löBte  den  Kapitän 
Hood,  oder  vielmehr  seinen  Kiu:hf(^ger  Troubridge,  an  der 


KÜBte  von  Ägypten  ab  und  unterstützte  im  folgenden  Jahre 
die  Türken,  als  Bonaparte  nach  Syrien  marschiral». 

Ende  des  Jahrea  1798  war  das  Mittelmeer  vollständig  in 
den  Händen  der  Engländer  und  deren  Verbündeten.  Die 
beiden  aus  Abukir  entronnenen  französischen  Linienschiffe, 
der  „G4n^ux"  und  der  ^,6uillanme  Teil",  die  nach  Korfu 
tmd  nach  Iblta  entkommen  iraien,  fielen  nach  dem  Falle 
der  beiden  I^tze  in  die  Bände  der  Verbündeten. 

*)  Vsrsl.  daa  nste  Eaplhd  de«  nftohston  Bandss. 


395 


SECHZEHNTES  KAPITEL 


BESITZNAHME  VOX  KAIRO.  —  GEFECHT  BEI  ES- 
SALIHI.TEH.    —  UNTERWERFUNG  UNTEßÄGYP- 
TENS.  —  FESTE.  —  BESUCH  DER  PYRAMIDEN.  - 
AOTSTÄND  m  KAIRO.  —  BETRACHTUNGEN 

(Juli  Hb  Dezember  1798) 

Abend  des  22.  und  im  Laufe  des  23.  Juli  nahmen  die 
FrunzoMcn  von  Kairo  Besitz.  Da  die  Bevölkerung  sah. 
(laß  die  Sieger  keine  Auf(,sclireitungcn  begingen,  Nahnmg^- 
niiltcl  und  Waren  bezahlten,  und  die  Soldaten  ohne  Waffen 
in  den  Straßen  herumliefen,  zeigten  sie  den  neuen  Herren 
gegenüber  WitraLien  und  öffneten  ihre  Läden  wieder. 

]ioiiap:ut^  wai-  lim  22.  und  23.  in  Giseh  geblieljen  uml 
hielt  am  Naehmittag  den  24.  Keinen  Kinziig  in  die  SgyptiHche 
Hauptstadt.  Die  wichtigsten  Beamten  und  anpesehenstt;; 
Einwohner  der  Stadt  kamen  herbei,  um  ihn  zn  bef:riili(-n. 
Der  Obergeneral  schlug  sein  Hauptquartier  in  einem  Haii,-t 
«Alf  der  SaketJ^tiaße  beim  Esbekiehplatze  (luf.  Dieser  l'lan, 
war  der  sel.on.^te  von  Kairo  und  von  Gärten  und  .Mal-- 
feldein  umtjeheii.  Der  Palast,  den  Bonaimrte  ziiui  Aufent- 
halt walill<-.  geh;->rte  Mohammed-Bei-el-Klfi  und  war  erv! 
vor  einem  Jahre  beendet  worden. 

Die  Franzosen  hatten  fast  spielend  von  Unterägypten 
Besitz  ergriffen.  Da  sie  nun  Henen  der  wichtigsten  Häfen 
des  Landes,  Alexandrias  und  Bosettes,  und  der  Hauptstadt 

396 


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ren,  mußten  ihnen  auch  bald  lül'  itiideron  Htädte  und 
svinzen  des  Nildeltaa  zufallen,  zuiiia!  ck  keiiifii  emst- 
icn  Feind  mehr  zu  l)pkiimpffti  jsab. 
Die  Sfraüe  nat'h  Suo?:,  dem  wiflitigstcn  Hafen  Agyptenn 
1  lioton  .Meere,  stiinri  deni  Heere  jetzt  nahezu  offen.  Die 
Otto  nuüiw  in/«  i>.-ln>n  lu,  ulteii  Hafen  von  Abukir  ein- 
laxifen  .sein  oilei-  si.-li  fuiI  dem  Wege  nach  Korfu  befinden, 
e  konnte  vielleie)it  noch  in  diesem  Jahre  ein  zweites  Heer 
ich  Agj-pten  üherführeii.  so  diiU  nichts  im  Wege  gestan- 
in  hätte,  im  näeli.sten  dulire  mit  einer  Armee  von  30  000 
Tann  und  einem  stattlichen  Hilfskorpa  von  inzwischen  ein- 
et^ohulten  Eingeborenen  nach  Indien  aufzubrechen,  um 
ein  britischen  Weltreiche  dort  eine  klaffende  Wunde  bei- 
iib  ringen. 

Vorher  galt  ee  aber,  das  eroberte  Gebiet  zu  organisieren, 
iie  Verbindung  mit  der  Küste  zu  sichern  und  Damiette  und 
he  verschiedenen  Provinzen  des  Deltas  durch  XJntergene- 
Liilc  besetzen  zu  lassen.  Der  ObergeneraJ  selbst  wollte 
skli  dann  aufmaehen.  um  die  Trümmer  des  Mamelucken - 
hcerea  unter  Afurad-Bei  aufzusuchen.  Dieser  war  nach  Ober- 
ägj'pten  geflohen,  um  neue  Truppen  zu  sanuneln. 

Mit  gewolmter  Umsicht,  raatloaem  Fleiß  und  klarem 
Blick  luftclite  sich  Bonaparte  sofort  an  die  zahllosen  Auf- 
gaben, die  zu  erledigen  waren. 

Kr  verliot  <len  Soldaten  das  Plündern  aufs  strengste,  be- 
fahl, drts  llaiis  des  entflnlienen  tiirkiwiien  Paschas  beson- 
ders zu  schonen,  und  lielJ  i.-inc  Waelie  d^ivor  aufstellen.  Er 
bestätigte  die  gcgemviirtigen  Inhaber  von  beweglicher  und 
festcrHahe  in  ihrem  Hesilze.  Xm'die ( Jiiter  der  Mameliieken 
wurden  einfrezogen :  ria  man  fii-  aber  iiirlil  sofort  verkiinfen 
konnte,  sehrieh  der  dlieriieiiera]  am  311.  .Iiili  eine  Kriegs- 
steuer  aus,  um  sich  das  so  notwendige  Bargeld  zu  verschaf- 
fen. Die  Erhebung  des  Miii  wurde  beibehalten.  Zum  Gene- 
Tfdintendanten  ernannte  Bonaparte  am  30.  Juli  Oirgees-el- 


397 


ühuary.  Die  Untereinnehmer  waren  meist  Kopten.  Der 
übergoneral  erklärt©  den  Scheiks,  Ulemas,  Imama  und  Agas, 
daß  er  mit  friedlichen  Absichten  in  ihr  Land  gekommen  und 
ein  Freund  der  Pforte  sei.  Er  nahm  sie  wohlwollend  auf, 
sprach  gern  mit  ihnen  und  erkundigte  sich  nach  den  Be- 
dürfnissen und  Sitten  des  Landes.  Er  sprach  sogar  davon, 
daß  er  und  sein  Heer  zum  Islam  übertreten  wollten.  Über- 
haupt tat  er  alles,  um  die  Bewohner  Kairos  zu  beruhigen, 
und  begünstigte  in  jeder  Weise  die  Ausübung  ihres  Gottes- 
dienstes. 

Durcli  Beschliill  vom  25.  Juli  setzte  der  Obergeneral  einen 
Di«  an  vuiiiicun  ^lif}iliederninKairoein,  dem  die  Verwaltung 
der  Stadl  iukI  dt-r  unmittelbaren  Umgebung  übertragen 
wurde.  An  der  Spitzn  des  Diwans  stand  Abdallah  E!-Ker- 
kaiii;  .Monge  und  Berthollet  hatten  die  Verhandlungen  des 
Diwans  als  französische  Zivilkomniissare  zu  überwachen. 

Zwei  Tage  später  befahl  Bonaparte  auch  die  Errichtung 
anderer  Diwane  von  je  sieben  Mtgliedem,  denen  die  Ver- 
waltTing  der  vereohiedenen  Provinzen  von  Ägypten  anver- 
traut wurde. 

Um  sich  in  Besitz  der  dritten  Küste tiHfadt,  Damiette,  zu 
setzen,  befahl  der  Obergenerai  üiii  27.  Juli  dem  General  \  ial, 
der  die  Division  Menou  befehligte,  das  Kommando  über 
dieselbe  an  den  (^eneral  Lannes  abzugeben  und  sich  mit 
emem  Üataillon  Intanteric.  emor  Abteilung  Artillerie  und 
100  Mann  Dragonern  auf  dem  Nil  einzuschiffen,  um  sich 
nach  Daiimtle  -lu  })egeben.  Der  General  Zaionczek  wurde 
naeh  Meiiiüicli  L'csEindt,  um  die  Bewohner  der  dortigen 
Gegend  zu  unterworfen*). 

Emice  Tas-c  spater,  am  1.  August,  erhielt  der  General 
Rampoii  Ueihiung.  von  der  i'rovinz  Atfieh  Besitz  7.u  er- 
greifen; der  Oberst  Bribes  sollte  nach  El-Ramanieh  luar- 

*)  Am  28.  Aogoat  oidnete  Bonaparle  an,  dsB  General  Lamm»  den  Belebl 
übor  dwse  Piovini  erhielt,  da  Zrioaetek  naab  Beni-Bnef  gesandt  wurde. 

39S 


DIgilizedbyCoOgl 


schieren,  um  den  Befehl  über  die  Provinz  Bahireh  zu  über- 
nehmen*), und  der  General  Fugiere  wurde  am  5,  August 
nach  Mahallet-el-Kebir  geschickt  und  ihm  die  Provinz  Gar- 
bieh  anvertraut**). 

Noch  ehe  Bonapart«  in  Kairo  eingezogen  war,  hatt«  er 
am  24.  Juli  Giseh  Kur  Hauptniederlage  des  Heeres  bestimmt. 
Hier  soLte  sich  die  Artillerie  und  das  Genie  befinden.  Es 
wurden  feraer  eine  Feld bäckerei  gebaut  und  ein  Lazarett  und 


ein  Schlachtvieh  park  angelegt.  Gleichzeitig  wurde  die  Er- 
richtung von  Krankeiiliäusern  und  Feldbiickereien  in  Bulak, 
Alt-Kairo  und  Kairo  befohlen.  In  der  Folge  wurden  auch 
in  Kairo  und  anderen  Städten  Salpeterfabriken,  Pulver- 
mühlen, Stückgießereien,  Werkstätten  aller  Art,  eine  Druk- 
kerei,  eine  Münze  uaw.  eingerichtet. 

Am  2.  August  betraute  Bonaparte  Sucy  mit  der  Einrich- 

■1  Ua  er  obor  in  Koepttu  erkroiikU'.  Hurric.  er  am  IB.  Oktober  liureh  den 
Gt'iiorQladjatanten  Lctnrtg  crSE^tzt. 

••)  Ära  30,  jHnuar  1700  erhielt  t-r  niir}i  ilc-ii  Uofdil  über  die  Provii«  Mun- 
Bura  an  Stelle  Verdien). 


Bonoparto  im  nilliUrindie»  Uiwa 


Dlgiiized  bi  Google 


tuiig  eines  legelmäßigea  Postdienstee  zwisohcoi  Aleztmdiia, 
Bosette  und  der  Hanptetadt.  SohUeSlich  worde  äet  Qwemi 
Caffarelli  am  selben  Tage  aagewiesen,  in  Kohbauch  { Venfxe- 
de-la-Vaohe)  und  El-Ramanieh  Befestigangen  uimlegen. 

Trotz  s^er  schnellen  und  überraschenden  Erfolge  war 
Bonaparte  doch  niobt  glnoklich,  obgleich  er  meisterhaft  ver- 
at&nd,  nach  außen  hin  Ruhe  und  Zufriedenh^t  zu  zeigen. 
Am  24.  Juli  hatte  er  dem  Direktorium  den  OTSten  eingehen- 
den Bericht  über  die  Vorgüige  seit  dem  Abmarsch  von  Ale- 
xiuidria  und  die  Schlacht  bei  den  Pyramiden  in  glänzenden 
Farben  geeohildert.  Am  nächste  Tag  aber  flog  schon  ein 
trauriger  Brief  an  Joseph  nach  Paris*).  „Aus  den  öffent- 
lichen Berichten  wirst  Du  das  Ergebnis  der  Sohlachten  und 
die  Eroberung  Ägyptens  ersehen,"  schrieb  er  seinem  Freund 
und  Bruder.  „Sie  ist  uns  streitig  j^eiiug  gemaelit  worden 
und  wird  ein  JJIatt  nieiii-  in  der  (ieacliiuhte  desi  [tiilitäriechen 
Ruhms  dieses  Heeres  bilden. 

Ägypten  ist  das  an  Korn,  Reia,  Gemüse  und  Fleisch 
reichste  Land  der  Erde.  Die  Barbarei  erreicht  hier  die 
höcliste  Stufe.  Es  ist  kein  Geld  vorhanden,  nicht  einmal  füx 
den  Sold  der  Truppen,  In  Kwei  Monaten  kann  ich  in 
Frankreich  sein.  Ich  lege  Dir  meine  Interessen  ans  Herz, 
ich  habe  viel  häuslichen  Kummer,  denn  der  Schleier  ist  voll- 
kommen aufeehoben  .  .  ,**! 

Du  allein  bleibst  niii-  auf  der  UVII.  Deine  FreundsehafI 
lat  mir  sehr  teuer.  Ks  leldle  nui-  nach,  daß  leli  sie  verlöre, 
und  dalJ  itueh  Du  zum  \otTalw  nn  nur  wurdest,  um  einen 
volikoiiiii^eiie!!  .Meiisclieiiliii,sser  aus  mir  zu  milchen.  Es  ist 
traurig,  wenn  man  alle  (■eliilile  für  eine  einzige  Person  m 
einem  einzigen  Herzen  vereinigt .  .  .  Du  verstehst! 

Sorge  dafür,  daß  ich  bei  meiner  Ankunft  ein  Landhaus 
entweder  in  der  Nahe  von  Fans  oder  in  Bui^pmd  habe.  Ich 

*|  Dinar  Brief  fiel  aber  dem  Enf^üidMn  in  die  Hände. 
**}  Anspielung  auf  die  Uiiti«ue  etiner  Farn. 


400 


will  dort  den  Wiiiler  vüllko  1111111:11  tibf;i!H(;lilowsi;ii  v  ei  bnngeii. 
Mich  ekelt  die  Meiischlieil  an.  Ich  bedarf  der  Ruhe  tiud 
Einaamkeit.  Alles  Große  laiigvs'cilt  niioli.  llwii  Gefnhl  ist 
abgestumpft.  Mit  29  Jahren  finde  leli  <icri  Ruhm  miciilern. 
Ich  habe  alles  erschöpft.  Eh  bleibt  mir  mir  nodi.  ein  voll- 
kommener Egoiat  zu  werden. 

Ich  wih  mein  Haus  (in  l'aris)  beliaitcn  und  es  nieninnd 
iiberlassen,  wem  es  aucli  nei.  Ich  liabe  mclil  inehr.  üls  was 
ich  zum  Leben  brauche.  Nebe  wohl,  ini-m  emziper  Freund. 
Niemals  war  ich  ungereclit  getjcn  Dieb.  Du  bist  mir  diese 
Gerechtigkeit  schuldig,  obgleich  ich  manchmal  den  Wunsch 
hätte,  es  zu  sein.  Du  veo^tehatl  Kusae  Deine  !Frau  und 
Jöröme." 

Nachdem  der  Obe^aeral  Maßnahmen  för  die  Verwal- 
tung und  Verteidigung  Kairos  geixoffen  hatte,  baiohäftlgte 
er  sich  mit  der  Verfolgung  Murads  und  Ibrahims,  die  er 
wegen  Mangel  an  Beiterei  vor  der  Neubildung  dieser  Waffe 
nicht  hatte  aufnehmen  wollen. 

Uorod-B^  hatte  eich,  wie  Meldungen  von  Kundachaftem 
ergabeu,  weit  nach  Oberägypten  zurückgezogen.  Es  war 
deshalb  nicht  su  befürchte,  daß  er  in  der  nächsten  Zeit 
zurüokkehren  würde.  Bonapaite  simdte  ihm  am  1.  August 
den  ehemaligen  veoetianischen  Konsul  Roeetti,  einen  Ver- 
trauten Murads,  naoh.  Er  sollte  mit  ihm  unterhandeln. 
Schon  war  Aforad  bereit,  den  Anerbietut^en  des  französi- 
schen Generals  n&her  zu  treten,  eis  die  Mittelung  von  der 
Zerstörung  der  französischen  Flotte  einteaf  und  ihn  neuen 
Mut  schöpfen  UeB. 

Gegen  Ibrahim  gedachte  Bonaparte  selbst  zu  marBohie- 
ren,  denn  er  hatte  erfahren,  daß  sieh  dieser  Mameluoken- 
bei  in  Belbes,  nordÖsilloh  von  Kairo,  festgesetzt  hatte.  Am 
1.  August  erhielt  General  Leolerc  Befehl,  sich  am  nächsten 
Tag  mit  einem  Teil  seiner  Brigade  und  einer  Abteilui^  Rei- 

26  401 


terei  in  der  Richtung  anf  ]}elbea  in  Marsch  zu  setzen.  Ki-at 
am  5.  August  nachmittags  folgte  die  Division  ]^pynier.  ani 
nächsten  Morgen  gegen  11  Uhr  die  Division  Laiiufü  (triiju^r 
Menou)  und  am  7.  frühzeitig  die  Division  Dugua. 

Nachdem  ein  Teil  der  Division  Bon  nach  Kl-Maluiieli 
vorgeschoben  woi-(l<'u  »  ;ir,  um  die  Vei-bindimg  mit  Kairo  aiil- 
rechtzuerhalten.  und  nachdeDi  Desaix  u  übreiui  der  Ah«  esen- 
heit  des  Obergenerals  mit  dem  Olierbefehl  vtin  Küirn  Ijt'traut 
worden  war,  begab  sieii  Bonaparte  am  8.  früli  4  Uhr  mit 
mehreren  Offizieren  neiney  (iencralstabs  auf  den  Marsch, 
In  El-Matarieh  traf  er  die  Division  Dugua  und  in  Et-Kanko 
die  Divisionen  Keytiier  und  Lannes,  sowie  den  General 
Jjeclerc,  der  von  einer  Araberabteilung  geKwuugen  worden 
war,  zurückzuweichen.  Am  9,  August  befanden  sieh  Hona- 
parte und  die  drei  Divisionen  in  Kolbes.  Auf  dorn  Maroube 
dabin  begegnete  man  der  Karawane  von  Mekka,  liie  ^ellün 
von  den  Arabern  geplündert  worden  war.  Die  l'ilgcr  be- 
grüßten ßonaparte  als  König  von  Frankreich.  Der  (It'iit-'ral 
zwang  die  Araber,  dOTen  er  habhaft  werden  konnte,  die  ge- 
stohlenen VVan-u  zurückzugeben,  und  der  PiCdt  der  Kiira- 
wane  setzte  meinen  Weg  auf  Kairo  fori.  Am  !U.  erreichte 
Bonaparte  mit  dem  Hau|]lteil  seines  Heeres  Koraim.  und 
am  nächsten  Tage  kam  man  eiitllieh  mit  den  Mamelueken 
in  Füldung,  die  sii-h  beim  Hei-anmilien  der  Franzosen  vcin 
Belbes  auf  iLs-Salibijeli  /uriiek^-ezogen  hatten, 

Da.s  'J'reffeu  bei  l'^s-Saliliijeh  bestand  eigentlich  nur  in 
einem  lieiter^efee])t,  in  dem  die  Mamelucken  mit  grolier 
Tajiferki'it  uihI  jirolJem  Geschick  fochten.  Bonaparte  hatte 
nach  den  Aus-.ayen  bewahrte)'  Offiziere  ungenügende  Vor- 
keliniii'jcn  -<  n  "t:Vri.  um  die  !  rdaiil  crie  reclitzoitig  ins  (ie- 
feeiil  /u  iiLin;;i  ii  und  i^csrliitkl  ■'.ur  Unterstiit/.\uig  der  .llei- 
terei  zu  verwenden.  Diese  Avar  schlecht  beritten,  wenig  zahl- 
reich und  den  vorzüglich  berittenen,  toUkübnen  Mameluk- 
kon nicht  gewachsen.  Es  gelang  Ibrahim  mit  einem  Teil 

402 


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DIgilizattDyGuoglE 


der  aus  der  Schlacht  bei  den  Pyramiden  geretteten  Scliätzt- 
ungehindert  m  die  Wüste  zu  entfliehen.  Die  Franzosen  zähl- 
ten nur  60  Tote  und  Verwundete,  unter  letzteren  aber  be- 
fand sich  der  Adjutant  und  Brigadechef  Sulkowsld,  den 
Bonaparte  s<;lir  licliätzlc. 

Eine  lehhufte  Schilderung  dieses  für  die  Fran/OHen  wenii; 
ruhmvollen  Cef  echt  es,  wenn  man  die  große  Entfaltung  de! 
Kräfte  in  Betraelit  zieht,  gibt  der  Leutnant  Doguereau  in 
seinem  Tagebucli.  „Rhe  wir  biw  zinn  l-Vind  gelanjjten." 
schreibt  er,  ,,marachierten  wir  wenigsten»  andertlialb  Jlei- 
lon  in  der  Wüatc.  Im  Handumdrehen  wurde  der  erst«  Zug 
der  Jäger  von  den  Mamelucken  umringt.  Man  säbelte  sich 
nieder,  oder  besser,  wir  wurden  niedergesäbelt.  Der  zweite 
Zug  hatte  gerade  Zeit,  sich  gefechtsbereit  zu  machen  und 
dem  Feind  durch  seine  feste  Haltung  Achtung  einzuflößen. 
Diejenigen  vom  ersten  Zug,  die  sich  aus  dem  Handgemenge 
retten  konnten,  stellten  sich  hinter  dem  zweiten  auf.  Schon 
schwenkten  einige  Mamelucken  auf  diesen  ab  und  töteten 
mit  erstaunlicher  Wut  die  Schlußreihen.  Eben  waren  sie  im 
Begriff,  uns  anzugreifen,  als  eine  Salve  aus  den  Karabinero 
der  Dragoner  ihnen  viele  Leute  verwundet«,  sie  zurückwei- 
chen und  die  Flucht  ergreifen  ließ. 

Während  10  Minuten  waren  Freund  und  Feind  in  bun- 
tem Durcheinander  und  Handgeinenge,  Nur  die  gut«  Hal- 
tung unserer  Truppen  vermochte  uns  zu  retten.  Die  Mame- 
lucken zählten  mehr  als  800  Mann.  Sie  waren  alle  gut  be- 
ritten und  bewaffnet  und  ausgezeichnete  Reiter  ,  ,  .  Der 
Feind  ließ  nur  einige  Tote  auf  dem  Schlachtfelde  zurück, 
aber  die  Reiterei,  die  ihn  verfolgte,  fand  deren  mehrere  auf 
dem  Wege.  Da  die  Mamelucken  vollkommen  in  ihr«  Sättel 
eingeschlossen  sind,  konnten  ihre  Pferde  oft  die  toten  Reiter 
eine  Strecke  lang  mit  forttragen." 

Die  Verfolgung  Ibrahims  in  die  Wüste  konnte  nicht  vor- 
genommen werden.  Bonaparte  b^nügte  sich,  in  Es^alihi- 

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jeh  eine  kleine  Festung  anlegen  zu  Inasen,  um  die  Rückkehr 
fbrahima  ku  verhindern,  und  beauftragte  den  General  Caffa- 
retli  mit  den  dazu  notwendigen  Arbeiten.  Ein  Vorschlag 
Bonapart«8,  den  er  Ibralüin  unterbreiten  ließ,  blieb  unbe- 
antwortet. Als  Besatzung  in  Eg-Salihijeh  blieb  mir  die  Di- 


vision Heynier  und  die  Reiterei  Leclercs  zurück.  Reyiiier 
blieb  in  Ra-Salihijeh  und  wurde  Oberbefeliishaber  über  die 
Provinz  Soharkieh. 

General  Lannea  erhiell  am  12.  August  die  Weisung,  mit 
der  Division,  die  er  befehligte,  naeh  Kairo  ziirüfkzukehren, 
wo  er  am  15.  ankam.  Am  nächsten  Tage  ii-urde  dem  General 
Murat  befohlen,  aicli  wieder  naeh  Keliubzu  begeben,  um  den 

m 


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Befehl  über  diesen  Ort  und  die  Provinz  gleichen  Namens  zu 
übernehmen*).  SchlieSlicli  wurde  Dngua  an  demeeiben  Tag 
nach  Mansura  gesandt  und  ihm  der  Oberbefehl  über  den 
Ort  und  die  gleichnamige  Provinz  übertr^ieD**). 

Nachdem  Bonaparte  diese  Terschiedenen  Befehle  gegeben 
hatte,  verlieB  er  am  13.  Augnat  früh  II  XJhr  Ea-Saiihijeh, 
um  naolt  der  Hauptstadt  zarückzukehren.  Er  kam  12  Stun- 
den später  in  Belbee  und  am  nächsten  Tage  in  Emro  an. 
Unterwegs,  nooh  vor  Belbes,  erhielt  er  die  niederschmet- 
ternde Nachricht  von  der  Vernichtung  der  französischen 
notte  bei  Abiikir! 

Während  sii'ls  Tinnaiiarte  Anfanji  Juli  auf  den  Marsch 
nach  Kairo  iiiaohti'.  blich  KIcixT  vonvundet  in  Alexandria 
zurück.  Seine  Venvundung  war  jedoch  nicht  bedeutend, 
und  er  beschäftigte  sieh  eifrig  mit  der  Verwaltung  der  Stadt 
und  der  Provinz  Alexandria,  die  ihm  vom  Oberbefehlshaber 
übertragen  worden  war. 

Die  Zerstörung  der  französischen  Flotte  bei  Abukir,  am 
I.  imd  2.  August,  und  die  Anwesenlieit  Nelsons  in  den  ägyp- 
tisüheii  Üenässern  ließen  eine  I^andung  englischer  Truppen 
befürchten.  Bonapartc  sandte  deshalb  am  18,  August  den 
fJeneral  -Marmont***)  mit  einer  Halbbrigadc  und  am  21.  Au- 
gust den  Artilieriegoneral  Doinmartin  nach  Rosette  und 
Alexandria,  um  einer  plwaigen  l.aiidiing  der  Engländer  ent- 
gegenzuwirken. Diese  beiden  Offiziere  beisaßon  da.s  vollst^' 
Vertrauen  des  Übergenerals.  Der  Konteradmiral  IVrreo  wollte 
die  Truppen  Marmouts  nach  l^osetle  bringen.  Marmont  kaiii 


üaB  MatuiooC  Huf  cIl'h  i'oattn  Maiiscourti^  AnEpruoh  machte  unü  deshalb 
itcssen  Verhaltes  beim  ObrTgencral  ungiiusCig  eohildort«. 


406 


DlBüijattDyGuoglE 


gerade  an  der  Killte  an.  als  die  EnglSnder  am  20.  AngnA 

otiipii  Versuch  /.um  Landen  machten*). 

Im  Laufe  de«  Monats  September  drohte  ein  Zwist  zwi- 
sehen  Bonaparte  tmd  Kleber  wegen  Verwaltungsniaß- 
iLalimeii  des  let/.leren  aiisziibreehen.  Kleber  ginj;  sogar  so 
weit,  daß  er  ain  7.  .September  iw-ht  allein  um  Abberufung 
von  seinem  Posten  als  Oberhefeliishal)er  der  fStadt  und  Pro- 
vinz Alexandriu,  sondern  überhaupt  um  seinen  Abschied 
aus  dein  Heere  hat.  i)ie  Saehe  wurde  atwr  ?,um  Teil  durch 
I  'iiffiuelli  beifielejit.  und  Bonaparte  forderte  Kleber  auf,  ihn 
in  Kairo  ku  besuchen.  Kleber  kam  dortam22.0ktoberan»«). 

I>cr  (General  Menou,  dessen  leichte  Verwundung  vorläufi;: 
auch  keine  Verwendung  beim  Heere  ge.stattete,  hatte  auf 
iiefebl  Tionapurtes  am  10.  -luli  Alexandria  verla.'wen  umi 
sich  naeli  Hoselte  begeben,  wo  er  den  OberbeCebl  überneh- 
men sollte.  Kr  sollte  nicht  allein  das  Hinterland  unterwer- 
fen, sondern  auch  Maßnahmen  treffen,  um  eine  Landiing 
der  lOngliinder  tatkräftig  nurüekwci.-en  /.u  timnen.  Aach  er 
hatte  arifäiiglicli,  ebenso  wie  Klfbcr,  mit  vielen  Schtrieiig- 
keiteii,  besondere  init  Oleldmangel  zu  kämpfen. 

Auf  nicht  geringe  Hindemiaee  stießen  auch  die  Generale, 
die  in  die  Provinzen  Scharkieh,  Mansura,  Garbieh  und  D»- 
niiette  gesandt  worden  waren,  um  sie  zu  unterwerfen  oder 
zu  organisieren.  Ee  gelang  aber  den  Generalen  Dugua 
Damas,  Keynier,  Andr^Bsy,  Vial,  Murat,  Verdier,  Lanusse. 
Davoiit  und  anderen,  in  den  Monaten  Aiigust  bis  Xovonibei 
die  ihnen  unterstehenden  (Gebiete  mit  mehr  oder  wenigei 
Schnelligkeit  /u  unfcrwerfen  oder  wieder  zum  Geborsam 
ziirüokzufiüiren,  wie  zum  Beispiel  die  Provinz  Mansura,  wo 
eine  große  Anzahl  Franzosen  ermoidet  worden  war. 

Bonaparte  verbraohte  die  Zeit  vom  15.  August  bis  siun 
■I  Vgl.  aedle  3BB. 

Ssch  Bsinem  Ab^^  »nrdo  Menou  ObslxAhlaliaber  der  Pcovimai 
Alcaundrja  und  Bahirah. 

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23,  Dezember  fast  ausschließlich  in  Kairo  und  war  beatän- 
<iig  mit  der  Verwaltung  des  Landes  und  des  Heeres  beschäf- 
tigt. All  diese  Zeit  wurde  nur  an  besonderen  Ereignissen 
(.iurch  die  Feste  des  Nil«  {um  18.  Auguüt),  des  Propheten  (am 
Ifl.  August),  der  Republik  (am  22.  September],  einen  Be- 
isueh  nach  den  nahen  Pyramiden  bei  Giaeh  (am  19.  Beptem- 
licr)  und  den  Aufstand  in  Kairo  (am  21.  und  22.  Oktober) 
unterbrochen. 

Da  man  in  Ägypten  den  Vater  Nil  mit  Recht  als  den 
"Wohltäter  des  f ^andes  betrachtete,  weil  seine  befruchtenden 
Gewässer  die  umliegende  Landschaft  weithin  überfluteten, 
so  beging  man  alljährlich  feierlich  den  Ta^,  an  welchem  die 
X)eiche  durchbrochen  wurden,  um  die  Fluten  über  die  dur- 
stenden Felder  ergießen  zu  lassen.  Mit  größter  Spannung 
erwartete  das  Volk  den  Augenblick,  wenn  der  Kilometer, 
der  sich  südlich  von  der  Insel  Ruda  bei  Mekias  befand, 
16  Ellen  anzeigte. 

T>as  Xiifest  sollte  im  Jahre  1798  am  iS.  August  stattfin- 
den. Selten  war  der  Nil  so  schön  wie  damals.  Der  Ober- 
general mit  seinem  glätizenden  Generalstab,  seinen  Gene- 
ralen und  vielen  anderen  höheren  Offizieren  »ind  Zivilbeam- 
ton,  dem  Diwan,  dem  Kiayla  (Stellvertreter  des  Paschas), 
den  Scheiks,  Illemas,  Aga»  und  anderen  wichtigen  Persön- 
lichkeiten des  Landes  nahmen  an  dem  Feste  feil.  Alle  be- 
gaben sich  sehr  zeitig  nach  Jlekiaa,  wo  ein  Teil  der  Truppen 
aufgestellt  war.  Eine  unabBchbare  Mcrischen menge  breitote 
sich  auf  den  umliegenden  Hügeln  aus,  und  zahlreiche  be- 
flaggte Fahrzeuge  bedeckten  den  mächtigen  Nil. 

Als  der  Obergeneral  mit  seiner  Unigebung  angelangt  und  . 
alle  Vorbereitungen  getroffen  worden  waren,  trat  der  Schelk 
auB  der  schaulustigen  Menge  hervor  und  erklärte,  daß  der  Nil 
die  für  die  Bewässerung  des  Landes  erforderliche  Höhe  er- 
reicht habe.  Jetzt  gab  Bonaparte  ein  Zeichen,  und  die  Arbei- 
ter und  das  VoUc  stürzten  sich  auf  den  Damm,  um  ihn  zu 

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durchstechen-  Es  geeclial, :  zucr-i  langsam,  dann  immer 
schneOer  and  schnellifr  <>r<ii '~--~eu  »ii-li  die  brausenden  Fluter. 
in  den  Kanal.  Dif-  Bark''  'Utt  Schelks  maehte  den  Anfang, 
dann  folgten  7.i\lj]reii  h<-  andere  Boote  und  fuhren  in  den 
Kanal  hinein.  Am  h  da.-  Volk.  Männer  und  Frauen,  stürzten 
sich  in  dif-  -'-i?i-ri-rpii  !if-ii  und  warfen  allerlei  Gegen- 

^t'imli-  hinc-iii.  iJii-  .M;inni-r  hnifn  .Allah,  die  Jagend  nnd 
Schönheit  ihrer  Frauen  und  Kiudor  zu  bewahren  und  ihrt-n 
Frauen  Fruchtbarkeit  zu  schenken.  Dem  Gebrauch  des  Lan- 
de« gemäß  warf  der  Obergeneral  verschiedene  Hände  voll 
.Medinoa*)  unter  die  Volksmenge,  und  die  Armen  stürzten 
danach,  um  sie  zu  erhaschen.  Oft  w  arfen  sie  sich  in  die  Fin- 
ten, um  die  Geldstücke  durch  Untertauchen  zu  suchen, 
wenn  sich  das  Wa^jser  schon  darüber  ergossen  hatte. 

Nachdem  die  feierliche  Handlung  beendet  war,  zog  sich 
Bonaparte  mit  iseiner  Umgebung  zurück.  Ein  Teil  des  Volkes 
j^chrilt  ihm  voran  und  sang  Lieder  zum  Lobe  des  Propheten, 
des  Sultans  Kebir  (Bonapartc)  und  der  Franzosen,  „da," 
riefen  sie,  ,,du  bist  gekommen,  um  uns  auf  Befehl  des  barm- 
herzigen Gottes  zu  befreien,  denn  du  hast  den  Si^  für  dich 
und  den  schönsten  Nil,  den  es  seit  einem  Jahrbondert  ge- 
geben hat ;  das  sind  zwm  Wohltaten,  die  Allah  aDein  ans  be- 
willigen kann!" 

Nach  der  Rückkelir  verteilte  Honapurto  viele  fJeschenke 
unter  verschiedene  Persönlich keitt^n  des  Landes;  und  am 
.Abend  fand  ein  Festessen  im  Hauptquartier  statt. 

Am  nächsten  Tage  wurde  das  Fest  des  Propheten  feier- 
licii  liegiingcn,  da.«  sich  drei  Tage  lang  hinzog.  Beim  Fest- 
es-scn,  das  beim  Kcheik-el-Bokry,  dem  anerkannten  Nach- 
folger des  großen  Propheten,  gegeben  wurde,  war  auch  der 
Obergencral  mit  vielen  hiiheren  Offizieren  zugegen. 

Den  Schluil  der  Festlichkeiten  bildete  die  Feier  des  sechs- 
jährigen BestehenB  der  Republik  am  22.  September.  Dieses 

■J  Kuiiforciiünzeu,  ilainolii  etw»  3  Pfonuige  wert 

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Fest  sollte  gleichzeitig  oiiio  Vcrbriicienmg  der  Franzosen 
lind  der  Bewohner  Ägyptens  bilden.  Es  gab  Hontipart«  Ge- 
I  ogenlieit,  eine  beredte  Proklamation  zu  erlassen.  An  diesem 
'Page  ließ  aueli  Conte  unni  erstenmal  den  in  Ägypten  an- 
«jrefertiglen  JAiftbailon  (Montgolfiöro)  steigen. 

Bonuparte  verließ  von  der  zweiten  Hälfte  des  .Monats 
Angnst  an  bis  y.u  seiner  Abreise  niieh  Rne/.  nur  (ireimal  dif^ 
Hanptsladt.  Einmal,  am  18.  September,  maohte  er  einen 
Ausflug  naeli  Giseh,  um  dort  die  Hefestigungeu  und  die 
Trupjwn  zu  besichtigen,  das  andere  Mal.  am  if).  September*) 
nach  den  Pyramiden,  und  daa  dritte  Mal,  im  Oktober,  naeh 
fleni  Dorfe  Matarieh. 

F.r  hatte  schon  läagst  die  Absicht,  die  Pyramiden  /.u  be- 
suchen. An  dieser  Reise  sollten  alle  in  Kairo  anwesenden 
Mitglieder  der  Gelehrtenkommiseion  und  alle  höheren  Offi- 
ziere teilnehmen.  Sie  wnrde  auf  den  19.  September  festge- 
setzt. Man  mußte  sie  in  Booten  unternehmen,  die  der  Krüm- 
mungen des  Bewässerungskanals  folgten,  denn  die  Fliiien 
des  Nils  waren  so  gestiegen,  daß  sie  den  Puli  dei  liliy^cla^u 
Gebirgskette  bespülten.  Wie  vorausziiaehen,  war  es  eine  lange 
Fahrt.  Drei-  oder  Yiermal  waren  die  Reisenden  gaciz  nahe 
am  Ziel,  aber  iniiner  wieder  Tuaelite  der  Kanal  eine  Wiu- 
dung,  so  daß  mau  sieh  melirmais  von  dem  Endpunkte  ent- 
fernte, um  erst  auf  einem  Umwege  dahin  zu  gelangen. 

Bonaparte,  der  alles  berechnete,  hatte  auch  diese  müßige 
Zeit  vorausgesehen.  Er  ließ  sie  jedoch  nicht  unbenutzt  voi'- 
übergehen.  Beim  Verlassen  <les  Palastes  Klfi-Bcis,  den  er 
bewohnte,  hatte  er  seinen  Adjutanten  und  den  anderen  Offi- 
zieren befohlen,  in  einem  Boote  Platz  zu  nehmen,  da«  dem 
seinigen  unmittelbar  folgen  sollte.  Hingegen  wünschte  er, 
tla'.l  gewisse,  von  ihm  be.wnders  hezeiclmete  l'ersonen  in 
seiner  Barke  PlatK  nahmen.  Es  waren  besonders  die  Gene- 

*)  Nicht  am  84.  Sept«niber,  wie  meiat  angegeben  wird,  sondern  am  IB.  Sep- 


411 


Tale  Caffarelli,  Berthier,  Doiniiiartin  und  die  Gelelirteii 
Monge,  Berthollet,  Costoz,  Denon,  Fourrier,  Geoffroy  de 
Saint-Hilairc,  Gloutter  und  ParBeral  de  Grandmaison. 

Vor  allem  lag  eB  ihm  daran,  eine  Tolkswirteehoftliche 
Frage  zur  Sprache  zu  bringen,  und  so  begann  er  die  ünter- 
haltusg  mit  den  Worten :  „Mau  hat  mir  nenlich  einen  Han 
voi^egt,  der  die  Frage  behandelte,  wie  ich  über  die  Qnmd- 
bedtze  des  Landes  verfügen  könne.  Er  sohien  mir  seltsani, 
aber  tief  dutohdaeht.  Diesem  Plane  gemäß  sollen  sogar  in 
Frankreich  alle  Verbesserungen  des  Bodens  demjenigen  das 
Recht  des  Be8it7«B  verleih^  der  Ede  vorgenonunra  hat,  nnd 
zwar  je  nach  dem  Mehrwerte  ein»  Teiles  des  Bodens  selbst. 
Und  diese  TolhBwirtschafÜiohe  Idee  fordert  man  mieh  auf, 
in  diesem  Lande  hier  im  Großen  zu  verwirklichen." 

Es  lag  in  Bonapartee  Äueeinandersetzoi^  ein  gewisser 
Tadel  und  ein  ganz  klein  wenig  ^»ott.  Bofort  griff  der 
General  Caffarelli,  der  sich  sonst  stets  aoBerordeutlioh 
ehrerbietig  gegen  Bonaparte  zeigte,  den  i^dehandsohuh 
anfundrief:  „Gnt,daßlohnoohrechf2eitigdieBeleidiguag 
veriündern  kann,  die  Ihnen  auf  der  Zunge  eohwebt.  Ich  er- 
kläre hiermit,  daB  ioh  der  Urheber  dieses  'seltsamen  imd 
ein  ganz  klein  wenig  tiefdurohdachten  Planes*  bin." 

Während  der  zweieinhalb  Stunden,  die  die  Beise  währte, 
unterhielt  man  sich  aufs  lebhafteste  über  diesen  Plan.  Da- 
bei zeigte  sich  Caffarelli  hinsichtlich  wirtschaftlicher  iVagen 
als  tiefer  Denker  und  als  edelster  Menschenfreund.  Bona- 
parto  fachte  daa  Gespräch  fortwährend  an  und  leitete  es  so 
geschickt,  daß  es  niemals  die  Grenzen  seines  eigenen  Wis- 
aens  überschritt  oder  so  fach  wisse  nachaftlioh  wurde,  daß  er 
ihm  nicht  mehr  hätte  folgen  können. 

Endlich  war  iiijui  am  Ziele  angelangt.  Bonapart*  und 
seine  licgleitcr  verließen  die  Boote  und  betraten  das 
hohe,  sehr  aaaidige  Ufer,  Eine  Viertelstunde  lang  mußten 
sie  im  glühenden  Wüstensande  waten,  währöid  die  Sonne 


412 


wie  Feuer  auf  ihre  Kopfe  brannte.  Die  Pyramiden,  daaZiel 
der  Reise,  beschäftigte  alle  Oemut«r,  Tn  Kiiropa  machte 
man  sich  im  allgemeinen  eine  ungeheure  Voratelhing  von 
ihnen,  und  die  meisten  der  Begleiter  Bona]mrt«s  waren 
beim  ersten  Anblick  dieser  Steinkolosse  enttäuscht.  Ihre 


Bewunderung  kelirt-e  erst  zurück,  als  sie  diese  von  Menschen- 
hand aufgebauten  Steinriesen  näher  betracbtet-en. 

Nach  einem  angestrengten  Marsche  standen  der  Ober- 
general lind  sein  Gefolge  Kcb weißgebadet  und  ermattet  am 
Fuße  der  großen  Pyramide,  einem  Wunder  vergangener  Zei- 
ten, das  selbst  Herodot,  der  Vater  der  Geschichtsschreibung, 
als  der  Antike  angehörig  betrachtet  hatte.  Nachdem  man 


4)3 


gegenaeitäg  Beine  Anaiolitea  auBgetaueoht  hatte,  schickte 
man  sich  a/a,  die  i^iamide  zu  eiklettem.  Eonaparte  man- 
terte  alle  seine  Begleiter  auf,  den  Aufstieg  zu  wagen.  Er 
selbst  ruhte  sich  am  Fuße  des  SteinkoiosBes  aus  und  ver- 
zichtete darauf,  die  Pyramide  im  bmem  zu  besichtigen, 
weil  man  es  nur  auf  dem  Bauehe  kriechend  tun  konnte.  Er 
schien  wie  ein  Lehrer,  der  seine  Schüler  spazieren  führt  und 
sich  von  weitem  ihrer  Spiele  freut.  „Wer  wird  zuerst  oben 
sein?"  rief  er  luatig.  Der  Alteste  der  Gcseliachaft  schien  am 
meisten  bestrebt  zu  sein,  dein  „kleinen  Korporal"  zu  ge- 
fallen. Schon  war  er  auf  der  Plattform  der  Pyramide  ange- 
langt. An  seiner  Seite  hing  eine  Feldflasche  mit  Brannt- 
wein. Dieser  gewandte  Kletterer  war  der  Gelehrte  Monge. 
Er  beeilte  sich,  jedem  der  erschöpften  Heisenden  ein  wenig 
Stärkung  aus  seiner  Flasche  zu  reichen. 

Auch  der  Generai  Berthier  kletterte  die  Pyramide  hinauf. 
Als  er  sich  aber  auf  der  Hälfte  des  Weges  befand,  schien  c.-- 
ihm  doch  zu  beschwerlich,  bis  zum  Gipfel  zu  kommen,  und 
er  sagte  zu  seinem  Nachbar  Geoffroy  de  Saint-Hilaire ;  „Muß 
man  denn  wirklich  bis  zur  Spitze  hinaufklettern?  Ich  bin 
bereits  ganz  erschöpft."  Er  hatte  große  Lust,  die  Partie  auf- 
zugeben und  meinte;  „In  Paris  können  wir  ja  sagen,  daß 
wir  bi.s  zum  hütliüten  (iipfel  der  großen  Pyramide  empor- 
geklomnien  sind.  Wie  meinen  Sie,  Nachbar,  sollen  wir  wie- 
der Iiinahsteigen?" 

Geoffroy  nahm  den  Vorschlag  an.  Sie  kletterten  die  Hälfte 
des  Wegs,  dpn  sie  gekommen  waren,  iiinab,  aber  eine  spöt- 
tische IJemeikuu)!  lionapartfs,  der  sie  beobachtet  liatte, 
ließ  sie  wiwiw  umkelmm. 

„KoinmenSie  schon  wieder  zurück  ?"rief  derObergeneral; 
„mein  armer  iJertiiier,  Sie  ist  fj;ewiß  nicht  da  oben,  uiier liier 
nnU;n  ist  Sic  aucli  nifjtit,!" 

Sie  warder  Gegenstand,  der  Berthiers  Denken  und  Trach- 
ten vollkommen  erfüllte,  Frau  Visconti.  Bonaparte,  der  die 

414 


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Liebe  seines  Generaletabachefs  zu  dar  achönen  ItaUenerin 
kannte,  verfehlte  nie,  ihn  mit  ihr  zu  necken. 

Als  Berthier  diese  Worte  vernahm,  sagte  er  zu  Oeoffroy: 
„Da  unten  iat  es  nicht  auszuhalten.  Er  erwartet  mich  mit 
seinen  Scherzen  und  Sticheleien,  Kommen  Sie,  Nachbar; 
keine  Feigheit  mehr!"  Und  so  kletterten  beide  wieder 
hinauf. 

Wähienddeaaen  war  Monge  mit  jugeodhchem  Eifer  eben- 
falls auf  der  Spitze  at^kommen.  Er  hatt«  die  Spötterei 
Bonapartes  und  dos  ZSgem  Bertbiers  beobachtet  und  sprach 
ihm  Mut  zu,  indem  er  ihm  von  weitem  mit  der  Feldflasche 
winkte.  Endlich  waren  beide,  Oeoffroy  und  Berthier,  oben. 
Der  Lahetrank  des  Gelehrten  bereitete  ihnen  ein  unbe- 
schreibliches Wohlbehagen,  und  mit  frischem  Mute  stieg 
man  wieder  hinab,  was  fast  noch  schwieriger  war  als  der 
Aufstieg. 

Aber  Berthier  hatte  mchts  gewonnen,  daß  et  bis  zur 
Spitze  geklettert  war.  Als  er  Bonaparte  am  Fuße  der  Pyra- 
mide wiedersah,  mußte  er  sich  dessen  Neckerei  von  neuem 
gefallen  lassen.  Die  Spötterei  des  Obergenerals  bestand 
hauptsächlich  darin,  daß  er  seinen  Generalstabschef  ob  sei- 
nes „ungeheuren  Erfolges"  über  die  Maßen  lobt«  und  her- 
ausstrich. „Wie  seltsam  ist  doch  Ihre  Lage,  Berthier",  sagte 
der  hinterlistige  Oeneral  Bonaparte.  „Da  verläßt  dieser  gute 
Berthier  das  reizende  Boudoir  der  Frau  Visconti,  um  ganz 
oben,  auf  dieser  alten  Pyramide,  die  schon  zur  Zeit  des  älte- 
sten der  Gescliichtsschreiber  alt  war,  eine  Kabarettszene 
,'\iif/ufiilii'(?n !"'  Xüi'/,  er  fcssolic  alle  Anweisenden  mit  seiner 

Aber  nicht  allein  »uf  die  Knlion  PcraünHehkoiten  seines 
Heeres  übte  Bonai>arte  diese  Anz-ieliungskraft  me.  Die  Sol- 
daten waren  nielit  weniger  sU)lz,  von  ihm  angeredet  und  be- 
wundert zu  werden.  Neben  der  großen  Pyramide,  deren 
Gipfel  durch  vieles  Besteigen  abgeplattet  ist,  befindet  sich 

415 


(linc  iuidt-re,  nit;lit  wenini'r  liohe  Pj^raimcle.  Dieae  aber  hat 
i  hren  steil  en,  glatten  Abhang  bew&brt  und  wird  selten  oder  nie 
bestiegen.  Ein  Soldat  jedoch  hatte  es  sich  in  den  Kopf  ge- 
setzt, aioK  auf  der  Spitze  dieses  Stdnriesen  niedmulasaen. 
Er  unternahm  dieses  Wf^^tüok  vor  den  Augen  sednes  Ober- 
generala.  Bald  tastete  er  hier,  bald  da  mit  dem  Fufie  oder 
der  Spitze  seines  Bajonetts,  um  sich  des  Bodens  zu  ver- 
sichern. Aller  Aug^  waren  auf  ihn  geri<^t«t.  Jeden  Augen- 
blick meinte  man,  der  Boden  könne  ihm  unter  den  Füßen 
nachgeben.  Jedermann  wax  überzeugt,  dafi  er  abstürzen 
würde.  Aber  Bonaparte  beobachtete  ihn.  Ton  Zeit  zu  Zeit 
wendete  der  Soldat  den  Blick  auf  seinen  General,  und  man 
sah,  das  Bestreben,  dem  „kleinen  Korporal"  zu  gefallen, 
leuchtete  ihm  aus  den  Augen.  Das  ^al  war  erreicht!  Der 
Soldat  hatte  das  Qlück,  unvereehrt  wieder  unten  anzulan- 
gen. Bonaparte  ließ  ihn  zu  sich  kommen,  sagte  ihm  ein  paar 
freundliche  Worte  and  TBisprach  ihm  eine  Belcdinung.  Und 
der  Soldat  strahlte  vor  Stolz,  Genugtuung  und  Glück. 

Anfang  Oktober  kamen  die  erwShlten  Posönlichkeiten 
der  verschiedenen  Provinzen  in  Kairo  zusammen  und  ver- 
ein^ten  Bich  am  6.  Oktober  zum  ersten  Male  zum  IHwui. 
Kfonge  und  Berthollet  wohnten  als  franzönsohe  Konmiis- 
sare  den  Sitzungen  bei,  die  bis  zum  Ausbruch  des  Aufstan- 
des in  Kairo  andauerten*). 

Terschiedene  Ursachen  hatten  dazu  beigetragen,  eine 
Empörung  in  Kairo  ausbrechen  zu  lassen. 

Obgleich  die  Franzosen  verhältnisn^Qig  mild  bei  der  Ein- 
treibung der  Steuern  verfuhren,  so  sehnten  sich  doch  viele 
Einwohner  Kairos  zur  oitm  Herraohnft  zurück.  Die  in  der 
Stallt  Kuriif^kgcbliphciirii  Anliimger  der  Mamelucken,  die 

•)  Der  Dinaii  in  lüiio  wuräp  em  Dezember  nieder  oingesotat,  doch  sollte 
BT  MiB  eo  UitgUedurn  beeielien.  Zum  fruizSi>l»cl.«i  Komraieaar  irnrde  (Hau- 
tier ernannt. 


416 


wcüig  durch  die  Franzosen  verberen  aber  allcB  gewinnen 
konnten,  besonders  die  Abgesandten  Ibrahims  und  Murads 
taten  alles,  um  die  Unzufncih^nlicLt  in  gewissen  Klassen  der 
Bevölkerung  zu  schüren.  Viel  huHon  \ih\l  machte  es  auch  im 
Lande,  daß  die  Franzosen  beim  Eintreiben  der  Pferde  für 
ihre  Reiterei  und  Artillerie  ohne  feehonung  verfuhren,  ob- 
gleich eigentlich  jede  Provinz  nur  sehr  wenige  Pferde  zu 
liefern  hatte;  Den  letzten  Anstoß  zum  Aufstand  mögen 
die  r*  ach  richten  srcgcbcii  liübeo.  diiß  ein  Bruch  zwischen 
Frankreich  und  der  Türkei  bcvoratändc.  mid  <l(i[i  der  Hiil- 
tan  mit  der  Besetzung  Agvpt<.'na  durch  die  Franzo.sen  keines- 
wegs emTärsianuen  sei. 


Die  Vorbereitui^n  der  Einwohner  Kairos  wurden  in 
größter  Stille  betrieben,  und  es  scheint,  daß  die  IFraozoeen 
von  dem  Ausbruch  der  Verschwörung  ganz  überrascht 
waren.  Am  21.  Oktober  gegen  6  Uhr  morgens  bildeten  sich 
überall  in  der  Hauptstadt  Ansammlungen.  Trotz  dieser  ver- 
dächtigen Erscheinung  begab  sich  der  Obergeneral  am  Mor- 
gen desselben  Tages  mit  dem  Generalatabschef  Berthier, 
den  Generalen  Caffarelli,  Dommf^tin,  dem  Brigadechef  De- 
troye  und  einigen  anderen  Offizieren  nach  Altkairo  und  der 
Insel  Beda  zum  General  Lannes,  um  dort  die  voi^nom- 
menen  Arbeiten  zu  besichtigen.  Gegen  lOUhr  morgens  über- 
Itrachte  man  ihm  die  Mitteilung,  daß  Feindseli^eiten  in  der 
Stadt  zwischen  Einwohnern  und  Soldaten  begonnen  hätten. 


417 


pii; 


id  daQ  bei  einem  Zusammenstoß  der  Brigadegeneral  Dtt- 
der  Refehlsliaber  von  Kairo*),  getötet  wordei 


Fünf  vom  Hauptquartiei 
verabredet,  den  Ansbruch  eint 
Sogleich  wurde  der  Generahn; 
Itsten  Posten  begaben  aicli  in 
gami.  sich  in  \  erteidigunL','-;^\ 
lunp  Gülden  begab  sich  nai  li  l 
general  nach  der  btadt  da^^  ( ■ 

"Das  Hanptciiiartier  der  Auti 
Moschee  El  Az.ar.  Die  dahin  i 


lell  und  niil  s 


Unterhandlungen  der  Frau: 
Bonaparte  sicli  gezwungen 
greifen,  ria  sonst  die  engen  ■■ 
Niederwerfung  des  Aufstun 
l  raiizoaen  unnioghch  gemai 
fab!  daher  dem  General  Du 
/um  22.  Oktober,  eine  Anz; 
vom  Schlosse  auf  dem  .V 
aufzustellen,  uiu  die  Türen  < 
von  dort  oben  beherrwihtf 


buefeuerle  Schüsse  hatten,  wn 
\'e  rs  c  h  w  or  ung  angekündigt 
seil  geschlagen.  Die  entfan- 
lirc  Quai'tiere.  und  man  be- 
ilud zu  setzen.  Eine  Abtei- 
r  Insel  lioda.  um  dem  Ober- 
citi'  zu  geben. 

aiiilisi'hen  befand  sich  in  dt' 
hreiidfn  fitrafleu  waren  vcr- 
\  prleidisiern  angefüüL  AlU 
n  führten  zu  nichts,  so  daC 
.  ernste  Maßnahmen  zQ  er- 
ben der  .-Stadt  eine  ^Tirksainc' 
uiini'  L'roße  Verluste  für  die 
lialiciL.  Der  Obergenera]  be- 
artin  in  der  Jiacht  vom  21. 
<  ieschiitze  und  Morser  linfc 
ufcr  des  Djebel  Alokattoni 
ilo.suhee  ein  zuschießen,  dsaui 
■1  die  ganze  Stadt. 


Ulf.  i\aoni  verging  vertiiui  msiiniuig  rumg,  «uer  am  nfich- 
wten  Tage  begannen  die  .AnL'i  iltc  viiii  neuem,  und  eine  gamu' 
Anzahl  Franzosen,  darunii  i  'Wi-  von  Uonaparte  sehr  ge- 
lieble Briga<leelief  Sulkow-M.  m  mkIp  fietötet.  Der  Obergaie- 
ral  hoffte  noch  immer,  daß  -ii  li  •In-  Genuit^er  angesichts  der 
drohenden  Maßnahmen  dif  l''rnnzo!jcn  beruhigen  würden, 
denn  er  ließ  erst  am  22.  flkiniicr  mittags  das  Feuer  b^in- 
nen.  Es  wurde  bis  in  die  N.itiit  fortgesetzt  \md  richtsh' 
großen  Schaden  an.   EniÜivh  --cliickte  man  sieh  an,  zw 


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interh&ndeln,  und  die  Franzosen  gelangten  schließliob  in 
len  Besitz  der  Dsohama.  El  Azar  und  der  amliegenden 
läuaer. 

Der  Verlust  der  Einwohner  wird  auf  700 — 800,  der  der 
Franzosen  auf  250  geschätzt,  worunter  sich  einige  Gelehrte 
md  Arzte  befanden.  Das  Hans  des  Generals  Caffarelli,  vo 
ü©  Vorräte  des  Geniekorps  und  zahlreiche  Werkzeuge  der 
Gelehrten  aufgespeichert  lagen,  wurde  vollkommen  au^e- 
pi  lindert. 

Bonaparte  bestrafte  die  Stadt  so  milde  wie  mögllofa,  das 
heißt,  er  ließ  die  unglücklichen  Aufständischen  nicht  öffent- 
lich, sondern  im  geheimen  hinrichten,  da  er  das  Volk  zu  be- 
ruhigen hoffte !  Aber  an  Reynier  schrieb  er  am  27.  Oktober: 
„Jede  Nacht  lassen  wir  ein^  30  Köpfe  abschneiden,  dar- 
unter viele  von  Anführern."  An  Desiüx  wiederholt«  er  dies 
in  etwaa  milderer  Form. 


iJie  im-islf.i  Tciliielinu-r  am  iltry 
sclireib™  den  AufenthaU  i)i  Agyptvi 
niat  völlig  alischnilt  und  iliiie»  ki 
sfliaffte,  von  ihren  Angeliilrigf n  Mil 
odvT  sie  ilinen  zukuiiuiien  /n  la^..-i'n.  t 
msaiii*|.  Wi^sHilinnuLTt  wiirck- die  i 
riiuiifr,  als  der  Verlii.'.l  der  Flotlu  hek 
^^a^cn  sofiar die -Mittel,  in  die  11,-iuiat  : 
i^iiverniclitct  !  Hei  (U:t  Anwesenheit  <h 


1  in  diT  l'rspcaolw  als  in  eiigiisclier  Cbe 
;s  (iio  Lage  der  EYanzojen  in  ki 


lielitcBMclicimeii,  Die  iTsin  SmiiiiiliuigOTohien  int  Dojeinbor  1T6S,  die  Ewtnie 
mMära  1790;  cice  dritt,:  fulgle  im  Januac  1 800.  —  Ooniiuore  Aii(t»ben  über 


der  im  MittülläiidiMelien  Meere  war  es  niu-li  ;nist;csi  lilo.-^seii. 
neue  TnipjKTi.  H (■(■ii.'fibwlürfnissü  und  (k-M  ii^hIi  A^vptci^ 
Rclanircn  zu  Ussc-n, 

IionH|i^ii  U'  liuUeliald  dir  l.figodes  1  Ifcrcs  orli^miit.  midfi 
tnt,  «iis  in  sciiii'H  Knilli'U  stiincl,  um  dieselbe  auch  iuilic:- 
dicii^-ilii  li  /.<..  \  .-i  iK  -^cin  und  das  Leben  seiner  Otii/.ii uiiii 
S(ild:ui'[i  .iiLi;(  jn'!iii]i-(  /.u  -csialtcn.  Er  ordnete  d^is  Spii'l.-;. 
villi  Miisild^ii]i!'lli  ii  iiii  und  !>ciriins>tigte  die  Rinrirliiiintr  voii 
Kiin/.i'rlsäli'ii.  Si-luiul)iilinrii  und  K:iff('chaiisei-n. 

(.■Ines  Vfi'HiiügLiiigsün^  in  der  Niilie  dva  Ksl)t'kirli|ilatzeB. 
ilui'di  den  ehemaligen  Soldaten  Dargevcl.  liieseti  Tivoli  war 
dem  berühmten  „Tivoli'"  in  Paris  nnehgebildet  worden.  Man 
fand  hier  nielit  allein  alle  Arten  von  Vergnügungen,  son- 
dern iiiieh  eine  Lesehalle  für  Offi/.iere.  Leider  fehlte  es  in 
Ägypten  «ehr  an  europaiwlien  Frauen,  die  dnreh  ihre  An- 
wesenheit viel  dnzii  beigetragen  hätten,  den  Aufenthalt  in 
dei  l''i-rijid<'  i\HL'i  iiehnier  xu  gestalten. 

Im  Timli  muiJite  lioiiaparte  die  Bekanntschaft  der 
tJattin  des  Leutnants  Foures,  einer  der  wenigen  Frauen, 
die  dem  Heere,  dazu  in  männlicher  Verkleidung,  gefolgt 
waren*). 

Ah  Hoiiaparte  von  l^s-Salihijeh  nach  Kairo  zurüekkehrlo. 
erhielt  er  unterweg«,  am  llt.  Aiigu.st  17!)8,  zwischen  Es-yali- 
liijeli  und  IJelhes.  dun  li  Boyer,  den  Adjutanten  Klebers,  die 
erschütternde  N"neiiriclit  von  der  Vernichtung  der  franj;i>- 
sischcn  Flotte  hei  Ahuldr.  Ohgleieli  die  Möglichkeit  eine.s 
ZuHaiumcnstoBes  beider  Flotten  täglich  erwartet  werden 
mußte,  so  hätte  Bonaparte  doch  niemals  an  einen  so  voll- 
ständigen Sieg  der  Engländer  geglaubt !  Nach  Änssagen  der 

')  Von  (U(win  lliiiiian  iIcm  (llirriiriiprolii  handelt  das  T.  IvBpitol  des  Wcrfcw 
von  GiTtriiilo  KiiTli,.;^™  „Jli..  fraiicn  um  Sa|Hjloon".  4.  Auflage.  München 
lOU,  GiwK  .\li1ll,T. 

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Zi'jl^ciui^scn  iiclJder  Ohci'general  keine  äuflerliulieii  ZeiiOioii 
,l<-s  Zliid-^  n.lcr  das  Sclinu^mw  merkfii.  soridt-rn  rief  an«: 
..Wir  li^il.f'ii  krini-  VUau-  mein-  nun.  ^vir  in  diesem 

I.Eiiido  hli  lhc.i  iidiT  CS  -inß  uic  di,>  Alli'iL  vcrliissi'n:-'  Xiirli 
iinik-ccii  snll  er  üc^^a^t  lialu^iK  ..Nun,  <1m'  VrHii.-t  dickes 
Kamijfcs  «■ii<l  im.s  iioili  l^iolirs  vollbrin;;iMi  li(ss<-n!" 

In  WiH;li,'lil;rii  u  ird  c.-^  In  i  d.T  Xai-Iin.'lil  von  der  S,-,.- 
s<^ld;u  lit  l)ci  .Ahiikii-.  di.'  <lie  lniii/..s:s.  li<-  l'lollc  fasi  s|)iiHiiri 

als  (!!■  rhircli  seine  lliilliiiii;  verrief,  <ienn  er  \vai'  ein  Meiiseh 
wie  wir  alle,  nur  fidke  Cr  Äv.b  sirhndl.  Je  ^rüßcr  cliu  Gefahr, 
je  suiiH-ieriger  die  I.üne,  ilestii  gröüer  wurde  der  Mann,  desto 
melir  entwickelten  sich  in  seinem  Hirn  ^löglichkeiten,  sich 
neue,  nngoiiiuito  Hilfs([in.'llc[i  ku  soltaffcii,  um  den  vermehr- 
ten Sclnvicriirkoiten  troty.ig  die  Stirn  zu  bieten! 

Dil'  V<'i'ni<  iiliiTig  der  Flotte  bedeutete  für  dos  Keer  einen 
großen  \'erlust,  sowold  in  der  gegenwärtigen  Lnge  als  auch 
für  die  Zukunft.  Die  Franzosen  waren  zwar  Herren  Unter-' 
Hgyptene,  doch  zeigte  der  im  Oktober  1798  in  Kairo  aus- 
gebrochene Aufstand,  wie  unsichwnochderBesitzdes  Landes 
war.  In  Oberägypten  befand  sich  noch  Murad-Bei  mit  einer 
ansehnlichen  Truppenmacht,  zu  deren  Niederwerfung  De- 
saix  mit  einer  sehwachen  Division  nachgesandt  worden  war. 
Ibrahim-Bei  war  durch  die  Wüste  nach  Syrien  entkommen, 
aber  er  konnte  verstärkt  zurückkehren  oder  sicli  mit  der 
Vorhut  eines  von  dieser  Seite  aus  anmarschierenden  tür- 
kischen Heeres  verbinden.  Im  Norden  war  die  ägyptische 
K.ÜBte  einer  englischen  Landung  ausgesetzt;  man  konnte 
auoh  nicht  wissen,  ob  der  Sultan  nicht  versuchen  würde,  zu 
Wasser  die  verloren  gegangene  Provinz  zunickzuerobern ! 

Die  Bciilimmste  Rückwirkung  hatte  der  Sieg  der  Englän- 
der aber  auf  Europa.  Er  trug  großenteils  zur  Bildung  der 
zweiten  Koalition  bei  und  bestimmt«  schließlich  den  Sultan, 
der  Französischen  Republik  den  Krieg  zu  erklären, 


421 


Die  Lage  Eoiiapartofi  war  (;(ilsi;liii'tleii  niulil  tx'iicidcn^- 
wert,  doch  gerade  das  kennzeichnet  sein  Genie,  dali  er  selbt' 
unter  den  verzweifeltesten  Umstünden  nicht  ver/agte.  Es 
hciliirfto  eines  Hicscngeistes,  inii  ulle  Hindernisse  zu  iilter- 
walllücii.  Tn.l  Merni  es  den  Franzosen  gelanc;.  sieli  jahre- 
lang nach  der  Ahreise  des  OhergeneralH  in  Ägyptfii  zu  be- 
haupten, pio  tnij^en  seine  Anordnungen,  die  Kleber  ge- 
schickt weiter  anshaute,  nicht  /.um  wenigsten  d<azu  bei. 

Als  khiper  Politiker  suchte  Ilonaparte  im  Volke  i^clbsl 
einen  Sliitzpunkl  zu  finden.  Xiicli  der  Enipiirunj;  in  Kliito 
strafte  er  hart,  aber  er  vergaß  auch  schnell.  Er  wollte  ver- 
suchen, die  Sieger  inil  den  Besiegten  zu  gemeinsamer,  nütz- 
licher Arbeit  zu  vereinigen.  Den  Anfang  hatte  er  mit  der 
Kinriehtung  iler  Diwan.i  und  der  Erlaubnis  iler  freien  Aus- 
übung des  nicihamniedanischen  (■ottesdienstes  geinai;hi. 
Er  war  noch  weiter  gegangenl  Er  hatte  den  Plan  gefallt, 
eine  groUc  .Mnsehee  bauen  zn  lassen.  Er  wollte  die  Musel- 
manen Ägyptens  der  religiösen  Herrschaft  KnnstantitiojJelp 
entziehen  und  sie  untiT  die  Oberhoheit  des  Selierifs  von 
Mekka  bringen*).  J>as  wäre  der  wichtigste  Hchriti  geweijen. 
um  den  Einfluß  der  Franzosen  nach  Asien,  Arabien  und 
Indien  hinüberzutragen.  Leider  ließ  sieh  Bonaparte  jedoch 
zu  sehr  von  seinem  Eeuergeist  verleiten,  alles  mit  den 
Waffen  anstatt  mit  Zeit  und  Ausdauer  erreichen  zu  wollen. 
Sein  Zug  nach  Syi  icn  unierbraeli  nicht  allein  alle  seine  Ar- 
beiti'ii  in  dieser  F.iehlnng  hin,  sondern  verminderte  auch 
seinen  l^iuflul.i  auf  das  Volk,  denn  sein  _MilJorfolg  vor  Akka 
wuriie  liald  in  K;un)  hekaiuit. 

.Alle  Briefe  Bouapartes  an  das  Direktorium,  an  seine  Un- 
terführer oder  sonstige  wiehtige  l'ersÖnliehkeiten  in  Frank- 

•)  A\a  EoiiapiirK.  mi'  Syriori  z,iriK)ii:i'li.>lirl  nar,  liuglu  i-c  üi  r'iiiciii  THgta- 
)ieielü  vom  30.  Jiuli  171IÜ  diu  IjEintrltciiäworton  Worte:  „Käme  cjer  Prophel 
[lochmulB  auf  die  Erde,  so  würds  or  seinoii  Wohnsiti  nicht  in  Konstan- 
tinopel,  aondern  in  der  heiHgen  SMdt  Kairo,  an  den  Ufern  dem  Nih  auf- 

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reich  und  im  Auslände  atmen  Vertrauen  und  Zuversicht. 
Wenige  Tage,  nachdem  er  die  Nachricht  vom  Unglück  bei 
Äbukir  erhalten  hatte,  schrieb  er  am  21.  August  an  Kle- 
ber*) nach  Alezandda:  „Alle  Monate,  ^e  Tage  bessert  sich 
unsere  Lage  sowohl  durch  die  Einrichtungen,  um  dos  Heer 
zu  emihren  als  aneb  durch  die  Befeatigtmgen,  die  wir  an 
Toraohiedenen  Funkten  enichteo.  Sobald  alle  unsoe  Feld- 
zugsbedüxfnisse,  die  sieh  in  Alexandria  befinden,  nach  Kiüro 
gesohaEft  -werden  können,  versichere  ich  Sie,  daß  ich  nicht 
100000  IHirken  fürchte,  ünd  wenn  die  Engländer  diese 
notte  (die  Nelsons)  durch  eine  andere  ablösen  und  fort- 
fahren, das  MtteUfindische  Heer  mit  ihren  Schiffen  zu 
überschwemmen,  werden  sie  uns  vielleicht  Teranlaaeen, 
noch  größere  Dinge  zu  Tollbringen,  als  wir  zn  tun  vor- 
hatten." 

An  den  Zahl  ni^ean  weis  er  Naja«,  der  in  Toulon  zurück- 
geblieben war,  uui  sich  mit  der  inneren  Zusammenstellung 
der  zweiten  IVuppensendung  zu  beschäftigen,  schrieb  Bona- 
parte am  21.  Aü^ust:  „Das  Landheei  ist  in  der  ausgezeich- 
netsten Lage.  Wir  sind  Herren  von  ganz  Ägypten,  und  so- 
bald wir  die  zweite  Sendung,  die  Sie  uns  schicken  sollen, 
empfangen  haben,  wird  uns  nichts  zu  wünschen  Übrigblei- 

(  Obgleich  Bonaparte  seit  seinei'  Ankunft  in  Ägypten  we- 
der amtliciic  noch  private  Na«lirtchten  aus  Frankreich  er- 
halten hatte,  int  Hfiii  Brief  an  das  Direktorium  vom  8.  Hep- 
t«n»ber  1798  voller  Hoffinmg  und  Zuvereiclit.  „Alles  geht 
Iiier  ausgeKeiehnel.  Da.';  Land  ist  unterworfen  und  man 
fangt  an,  sich  an  \mn  zu  gewöhnen .,  ,  Getreide,  Reis, 
Flachs,  Zucker,  TikH.üo,  Baumwolle  und  T\affer  wind  hier  im 
Überfluß  vorliaodi'n.  Das  Klinga  ist  sein-  gwuud,  vid  ge- 


•)  Andoji  GoncirnlMormont,  der  mit  oiiier  Spndung  neoh  Roaatto  undAbuldr 
beanftiagt  wocdoii  war,  um  eins  englisohe  Landung  xa  vcarhindern,  aohrieh 
sr  am  28.  August  ahnliQhe  berahigeuda  Worte. 

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sUnder  als  in  Italien .  .  .  Niemals  hat  eine  Kolonie  mehr  Vor- 
teile geboten  ..."  —  Zwei  Tage  darauf  fliegt  ein  Schrübcsi 
an  Regnaud  de  Saint-Jean-d'Angely,  den  fraazösiflcheii 
Zivilkommistiar  m  MaJta*).  das  dae  an  das  Direktorium  Ge- 
Bchriebene  bestätigt.  ..Die  Angelegenheiten  stehen  hier  ans- 
gezeiehnet  gut.  heißt  es  darin,  „alle  Tage  befestigt  sich 
unsere  Niederlassung  mehr.  Der  Reichtum  dieses  Landes 
an  Getreide,  Rais.  Gemuae.  Baumwolle,  Zucker  und  Indigo 
steht  im  gleichen  Verhaltms  zur  Roheit  des  Volkes,  da&  es 
bewohnt.  Aber  sehon  jetzt  macht  sich  eme  Änderung  in 
den  Mitten  bemerkbar,  und  es  werden  keine  zwei  oder  drei 
Jalire  vorübergegangen  sein,  ohne  daß  allew  ein  anderes  An- 
gesicht bekommen  hat." 

Auch  der  Brief  Bonapflrt«M  vom  7.  Oktober  an  das  Direk- 
torium, in  dem  er  sicli  ubftr  die  Luge,  des  Heeres  und  des 
Landes  au.^spncht.  ist.  ebenso  wie  die  folgenden  an  die  fran- 
zösische Regierung,  voll  von  Zuversicht  in  die  Zukunft  der 
neueoi  Kolonie,  nur  beklagt  sich  der  Obergeneral  wieilei- 
holt  über  da«  Fehlen  an  Bargeld. 

Bonanartc  war  wohl  der  einziee  Mann  im  Heere,  der,  ob- 
gleich er  am  heuten  die  (.etahren  uberschauen  konnte,  nie 
verzagte  und  festen  Au};es  ni  die  Zukunft  blickte.  Es  sciiien, 
als  ob  niclite  diesen  au IJenirdent liehen  .Mimn  beugen  konnte; 
aber  das  zu  avoüc  ydb^Lvei  trauen.  der  grolie  Glaube  an 
sein  eigenen  Ich  lieläun  ilui  ott  die  OrofJe  der  Gefahr  ver- 
kennen und  sollten  eine  der  vielen  Ursachen  sein,  weshalb 
er  spater  zugrunde  ging. 

Sogar  die  WitteningSTerhaltmsse  in  Ägypten  schienen 
nicht  den  geringsten  Einfluß  auf  ihn  zu  haben.  £r  fühlte 
nicht  wie  andere  das  Bedürfnis,  während  der  heiOen  Mit- 
tagszeit zu  schlafen.  Trotz  der  manchmal  sehr  großen  Hitze 

*)  An  den  BefElilsliaber  in  der  I^vant«.  den  General  Chnbot  auf  Korfn,  hatt» 
er  bereit»  am  17.  AugiiHt  in  ähnlicher  Weiss  gsBohridjrai. 

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ging  fr  wif  in  Eiiropii  gi;ldfi(irt*},  ohne  zu  schwitzoii  oder 
zu  erschlaffen.  Es  ist  durch  zalilreicKc  B('is|)iflc  bcliiinnt, 
daß  er  im  Ertragen  von  Hunger,  Durst  iimi  hIIi^cIit  amlcicn 
Entbehrungen  seinen  Soldat^'ii  iuiirifr  inif  lichtem  nfi^picl 
voranging  und  manchmal  —  wie  bei  dei-  iiüekliehr  aus 
Syrien  —  zu  Fuß  marschierte,  um  seine  Soldaten  aufzu- 
muntern, oder  weil  er  seine  Pferde  zur  Foitechaffung  der 
Yervnndeten  zur  Verf flguag  stallte. 

Als  eine  besondere  Leistung  möchte  d»  Ritt  von  Alexan- 
dria bis  nach  Damfuihur  bei  Beginn  des  I^dzuges  erwähnt 
werden.  Bonaparte  ritt  am  7.  Juli  gegen  5  Uhr  naobmit- 
tags  aus  der  Hafenstadt  weg  und  kam  am  nächsten  Morgen 
gegen  8  Uhr  in  Damanhur  an.  Er  legte  diese  Strecke  von 
über  70  Kilometern  bei  sehr  schlechten  Wegen  und  ohne 
Wasser  in  15  Stunden  zurück!  Bemerkenswert  sind  auch 
seine  Märsche  zu  Pferde,  als  et  Suez  besuchte,  und  als  er  im 
Februar  1709  Ton  Kairo  aufbrach,  um  sich  naoh  Syrien  zu 
begeben. 

Am  SohlnB  dieser  Betrachtungen  möchte  noch  eine  Sohil- 
derui^  des  „Sultan  Kebir"**),  wie  man  den  General  Bona- 
parte unter  der  einheimischen  Bevölkerung  oft  nannte,  ihren 
Platz  finden,  zum^  man  fast  keine  Charakteristiken  des 
Generals  aus  der  Zeit  des  äg3rpti8chen  Feldzugs,  ebenso- 
wenig Parträte  kennt.  Sie  entstammt  der  Feder  Nakula-el- 
Tnrks,  der  den  Aufenthalt  der  Franzosen  in  Ägypten  in  ara^ 
bischer  Sptache  beschrieben  hat. 

„Die  Königreiche  von  Italien,"  heißt  es  in  dieser  eigen- 
artigen Darstellung,  „die  von  11  Königen  regiert  wurden, 
fielen  in  ihre  Gewalt  (die  Gewalt  der  Franzosen),  ebenso  wie 


gilt  In  dir  urieMlMiiM:iii.-ii  iili'iduiig  aus  iiiiil  ^igln  sitli  üttiTo  liariii 
**)  Du  heilK  der  groOa  Sultsn. 


425 


mehrere  deutsche  Festungen.  Die  glänKenden  Sicpe  waren 
das  Werk  des  furchtbaren  und  ungestiinicii  Löwen,  des  ein- 
zifffn  lind  uiiübcnvindlichon  Siegera,  des  Oliergenerals  Bo- 
imnarr<>.  iiiPHer  nenHimTc  ivneeor.  einer  ner  i.rroBen  der 
f  k         k    n  g  ba 

und  iiiitlf  ciiu-  g.-llif  Haülfarl.e.  Sein  rrclil<-r  Ann  war  Iüti- 
ge  h 
bciand  sich  in  einer  giuckiicncn.  woiiiiiabcnuen  Lebenslage. 
Er  wsT  Itahener  von  Qeburt.  Korsika  ist  seine  Heimat.  Er 
ist  IQ  Fans,  der  Hauptstadt  Frimkreiohs.  erzogea  worden. 


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SIEB7JiHNTF.S  KAPITEL 


DIE  EROEICIIUNC!  ("IHMHACVPTENS.  -(lEFECHTE 
VON  SKDIMAN  LTND  SAMHUD 
(August         bif  Soiiinipr  1798) 

REISE  BONAPABTES  NACH  SUEZ 
[Dezember  1798  und  .lanuar  1799) 

"VT ach  der  Schlacht  bei  den  Pyramiden  hatte  sich  Murad- 
llei  mit  ememTeil  der  Mamehicken  nach Oberagypten 
■geflüchtet.  Die  Unterhandlungen,  die  Bonaparte  durch  den 
ehemaligen  venetiamschen  Könau!  Roaetti  mit  ihm  anknüp- 
fen ließ,  führten  zu  keinem  Ergebnifi.  Der  Obergeneral  be- 
eohloß  deshalb,  den  Mameluckenbei  aufsuchen  und  mög- 
lichst vernichten  zu  lassen.  Mit  dieser  Aufgabe  wurde  De- 
Miiix  betraut. 

An  der  Spitze  von  kaum  -ilKH)  Mann  brach  dieser  am 
'^n.  und  26.  August  17!)S  aiit  und  marschiert*  den  Ni!  auf- 
wiirta.  Erst  am  3.  Oktober  bekam  man  die  Vorposten  der 
.Mamelucken  in  Sicht,  und  wenit^c  Lasid  spater,  am  7.  Okto- 
ber, kam  es  zum  Gefecht  bei  Sedmiaii  (eigentlich  SeiUneiil- 
ol-Gebell.  Das  Ziisamiiitmtreffeii  inil  dem  dreimal  ^^o  .'star- 
ken Ecind  endete  mit  einer  Xiederlaiio  der  MiiuieliK^ken. 
Der  Verlust  ^hJT:vU  l>etrTis  aber  nur  10(1  Msinii.  der  der 
l'raii/.oseii  iiai-li  (]ith  hci  U'lit  de  -  I  renrr.il^  lle-^nix  sogar  nur 
:iO  lote  und  Sn  Vrrwu i u  1 H .  

Sa  Tote  uad  QU  \  oru  uudcte  zu ;  man  kann  aber  üuii  Uoaumtvtirluiit  dor  Fraii- 
loaen  gauc  gut  auf  300  Manu  mhBtean. 

427 


Da  (.(Lille  riiMT  lüirkkclir  Muratl.-  vnriiiiili';  ^ii.sgf- 
Hclilo^scii  war.  crhi.-ll  l)cs:ii\  von  lloniiiiartf  lun  18.  OkU- 
lii'i  ilii'  W  i'isiiiiu,  (Iii'  ['iovi]i/i'ii  l'';ijiiin  und  MiTijeh  zu  orya- 
nisiciTii.  An  ili'iiis<'ll)oji  Tniiv  Ix-kiuii  <1it  (Icit-ni]  ZainiK-zek 
den  AiiftiajJ.  dir  PniviTix  I!i>iii-Siii'l  ym  mit  er«  crfen.  Später 
priiielt  Tiellinril  und  :ini  14,  Dc/milii'r  (Icnrral  Vcaiix  den 
Befehl  über  clirsr  l'iovin/,. 

Ende  Oktober  hcj^Ah  r^ioli  von  Hllnbun  niu-ii 

Medinct,  der  Hauptstadt  dor  l'nivin/,  Kajurii.  Er  be- 
gann sogleicli  die  notwendigen  Mai.lnalnnoii  zur  l'nter- 
werfuilg  de«  l.iindpH.  Nie  vhII/ol'  sii-li  (iline  hesoiiderf 
Selnvierigkeiten,  und  I Vsüix  kmiiUf  von  ninieni  gegen 
lliinid  xiehen. 

BonaparteHchrieb  nt»  4.  Siptcnilier  von  Kairo  aus; ., . . .  Sic 
wissen,  da  Ii  ieli  im  allgi'irieiiieii  keine  voran.--  Iiireehneten  An- 
griffe liehe.  Sueben  Sie  vnr  Murad-Hei  an/.nkoniinen.  wie  und 
wo  Sie  kani.eu.  nnd  niil  idleii  llireii  St  reilkriifleTi.  Auf  di-m 
Sehlaehtfelde  eisl  \^e^len  Sie.  «eiLü  -i  ,ii„|liäll ,  Wt- 
tiigiingen  treftcn.  nin  ilun  so  viel  wie  nioLflirli  Si-hiidr[i 
fügen  .  .  ."  CleicliKeiliii  liili  i-r  \h-,i\s  .Iuh  Ii  iIiti  (M'nci-^il- 
f-tab.seiief  Berliner  wiederlioli'ii.  ihil,!  i  i  -nrir  Tnippeu  immer 
beiMuminenhiillen  und  --ie  iiielil  \  r-i  teilin  -olle,  um  den 
Feind  von  ;dlen  Seiten  v.u  la-sen,  da  derarÜL'e  liewcgitiigeu 
vid  -/AI  unge«ibsei<']i. 

An  der'  S[>il/r  von  4111")  Maiui.  u-oriuUer  llimi  .Mann  l?ei- 
l^  rei  „ebsl  neun  ( ieM  luil /en.  lu  aeli  Desai.v:  um  Dezeill- 
l.er  von  I!eni-Suef  auf.  Unter  ilini  befehligten  die  Brigr.de- 
:;enei;ile  Fn-Aui.  i'.elliard  nnd  Davonl.  Diesem  war  die  Itei- 
fei ei  unlei  sl  eilt,  die  erst  kurz  vorher  beritten  getnaclit  wor- 

Olnn'  den  Tru])|iefi  imlei  wcg.s  viel  Rulie  zu  gönnen,  ma!- 
fiuhierte  TJeHui.'i  über  Eesdm,  Minjdi  und  Siut  nach  Djit^jeh 
wo  man  am  29,  Dezember  ankam.  Da  die  Flotille,  die  e\nig.e 
Veratärkungon,  Lebensmittel  und  3[unition  an  Bord  trug, 

428 


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Dlgiiized  tu  Cgogle 


noch  iiiclit  üingL'troffen  w  in;  mußte  der  Oener^  einige  Wo 
chen  in  Diinljcli  liegen  bleiben. 

Endlich  kamen  die  selinsüchtig  onvitrteten  Schiffe  an. 
und  so  bnifh  De.saix  lUii  21.  Januar  1799  gegen  ilurad  und 
die  mit  iliin  vi'rbiiiidL'tun  i^eis  auf,  dei'pn  Vorposten  sieh  be- 
reits lii^  zu  dein  Dorfe  Sanihud  genühert  hatten.  T5osai\ 
Wdllte  dem  (legner  jedodi  KuvoiVommen,  und  obgleich  ei 
dem  14  000  Mann  starken  Mnrad  kaum  4000  Mann  ent- 
gegenzustellen hatte,  nahm  er  den  Kampf  am  näciisten  Tage 
an.  Trotzdem  auf  beiden  Seiten  sich  nahezu  20  ODO  Mann 
im  Treffen  befanden,  waren  die  Verlust«  ganz  belanglos ; 
üeaaix  verfolgte  den  Feind  bis  Kaneh,  ließ  hier  den  General 
Friant  /iii  iick  und  marBchierte  dann  weiter  über  Edfu  nacl- 
Aesuan  (.Syene),  wo  sich  die  ersten  Nü  Wasserfälle  befinden. 
Hier  traf  er  am  2.  Februar  179!)  ein. 

Desaix  beauftragte  jef/,t  seine  Unterführer  BclHard. 
Frianl  und  Davoiit,  die  wiederholten  Angriffe  der  Manic- 
lueken,  liiesifh  iiiinier  von  neuem  sammelten,  zu  zerritreueii, 
BavDul  schlug  Os^num-Bei  und  Hassaii-Bei  am  11.  Februar 
bei  Redesjieli,  Relliard  die  Landbewohner.  Araber  nnd  Ma- 
melucken vom  8.  bis  II.  Miir/  bei  lienut,  De.saix  .selbst  am 
2.  April  Ha.-ssau-lici  und  die  Araber  bei  !!ir-el-Bar  und  Da- 
von!, am  20.  April  eine  AnKammhmg  von  Arabern  und  Jta- 
mclückeri  bei  Beni-.\din.  Dagegen  erlitten  die  Franzosen 
durch  Zersliu-iing  einiger  Schiffe  am  ;i.  'S\mz  oberhalb  ron 
Bennt  den  gröfJten  Verlust  au  Menschenleben  iu  Ägypten. 
-Manche  geben  denselben  sogar  auf  500  ^lann  an  ! 

Verschiedene  Mitglieder  des  In.stituts  von  Ägypten,  vor 
allem  Denen,  waren  dem  General  Desaix  nach  Oberägypten 
gefolgt,  um  die  Altertümer  /u  ciforsehen  und  zu  zeichnen, 
l^ine  zweite  Konniiission  uufcr  Führung  Girards,  bei  der 
sich  auch  Jollois,  Du-Boia- Alme,  Casteix,  Villiers  und 
andere  befanden,  brach  erst  im  März  1799  nach  Ober- 
Sgypten  auf. 

4sn 


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□Igiiized  b*  Cgogle 


Donoii  hatte  sich  wegen  seines  sanften  und  verträglichen 
Charakters  bald  viele  Freunde  unter  den  Offizieren  und  Sol- 
daten erw  orben,  Beeondera  war  er  mit  dem  General  Desaix 
sehr  befreundet.  Hurch  seine  unermüdliche  Tätigkeit,  die 
auch  Hie  grilläto  Hitze  nicht  zu  vermindern  vermochte,  war 
er  ein  stctiT  (IcgcriHtajid  der  Bewunderung  seiner  Begleiter, 

(jilci  i'iii  anderes  herühnilea  Bauwerk  entdeckte,  dat  er 
sofort  !iliKciciincte.  Hcständig  trug  er  auf  dem  Rücken  eine 
Mapiii'  mit  Zeicliciipjiiiier  und  an  einem  Bande  um  den  Hals 
einen  kleinen  S;u  k  mit  einigen  Nahrungsmitteln,  vor  allem 
aber  mit  den  nütigen  lüeistiften  und  anderen  Zeicbenwerk- 
zcufj;en.  Die  Offiziere  und  Soldaten  waren  immer  gern  be- 
reit, ihn  iiti  -Meshicn  ?.u  untorütiitzen  oder,  wenn  die  Sonne 
zu  selir  brannte,  mit  ihren  Körpern  Schatten  zu  bilden. 
,Mit  .Medailien,  KiinstgegensUinden  aller  Art  und  Zeichnun- 
gen reich  beladen  kelirt«  J>enon  nach  Beendigung  seiner 
Heise  nach  Kairo  zurück. 

Um  <Ue  Eroberung  Oberägyptens  zu  vervollständigen, 
ließ  Pesaix  noch  K(>ser  am  Roten  Meere  besetzen,  den  Ha- 
fenplatz, der  den  Handel  des  Landes  mit  Arabien  verniii- 
teite.  Am  26.  M;ii  17i)i)  iiiar.sehierte  Bclliard  von  Keneh  ali 
inid  kam,  ohne  Widerstand  zu  finden,  am  29.  Mai  in  Köser 
an.  Kr  ließ  hier  den  General  ad  ju  tan  ten  Donzelot  mit  üryi 
^!ann  /.nrück  und  traf  bereits  am  4.  Juni  wieder  in  Kcneli 
ein.  Belliard  hatte  mehr  Glück  gehabt  als  der  Schiffsleut- 
nant  Collot,  der  Anfang  Januar  von  Suez  aus  zu  Wasser  ver- 
sucht hatte,  sich  des  Hafens  zu  betnächtigen. 

Xiederäg\'[)ten  war  unterworfen.  Desaix  war  im  Begriff 
auch  in  Oberägypten  die  franzüsiHche  (iewalt  zur  Anerken- 
nung bringen  zu  lassen,  es  blieb  nur  ein  Vorstoß  naoh  Suez 
übrig,  um  die  Eroberung  des  Landes  zu  TervoUständigra 
und  den  Verkehr  zwischen  dem  Mittelländischen  und  dem 

432 


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□Igiiized  bi  Cgogle 


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Roten  Meer  zu  aiülierii.  Bonaparte  liatte  bereite  im  Oktober 
die  Absicht,  dieaen  Hafen  ani  Roten  Meer  zu  beBuohen,  aber 
verschiedene  Umstände  hielten  ihn  davon  ab. 

Eiidli(di  erhielt  General  Bon  am  1.  Dezerobei  179S  Be- 
fehl, mit  dnex  Abteilung  von  700  Mann,  50  Pferden  und 
zwei  Qeschfitzen  Suez  zu  besetzen.  Am  3,  Dezember  brach 
der  General  von  Kairo  auf  und  über  Birket-el-Hadeohi  und 
Adacherud  kam  er  am  7.  Dezember  am  Ort  seiner  Bestim- 
mung an*). 

Am  34.  Dezember  machte  sich  Bonaparte  selbst  auf,  um 
den  Hafen  von  Suez  zu  besichtigen.  Ehe  er  von  Kairo  ab- 
reiste, fibe^^b  er  dem  General  Kleber  den  Oberbefehl  über 
die  Hauptstadt  tmd  die  Provinzen  Kdj  ab,  Atfieh  und  Giseh. 

In  seiner  Begleitung  befanden  sich  die  Generale  Berthier, 
Dommartin,  Caffarelli,  der  Konteradmiral  Qanteaume,  der 
OberzahlungBanwdser  Daure,  der  Mathematiker  Monge,  der 
Chemiker  Bertholtet,  der  Zeichner  Dutertre,  der  Physiker 
Descotils,  der  Oberingenieur  J.  M.  LepSre,  der  Georaeter 
Costaz,  der  Sekretär  Bourrienne  und  verschiedene  Türken 
von  Einfluß.  Zur  Bedeckung  dienten  100  Guiden  zu  Pferd 
und  200  zu  Fuß  nebst  einem  Geschütz  unter  T^eitung  des 
Brtgadechcfg  Bossieres.  Die  Truppe  wurde  noch  durch  eine 
beträchtliche  Anzahl  von  Geschäftsleuten  vergrößert,  die 
flic  Goleecnhcit  wahrnahmen,  niehcr  nneh  SiioK  ku  kommen, 
Mohin  Hte  Geschäfte  riefen**). 

Die  erste  Nacht  verbrachte  man  am  JJirket-el-Hadschi, 
auch  Pilgersee  genannt,  die  nächste  hei  <U-,n  Raum  von 
H  d  I  I  I       k  . 


')  Da  Bon  erlimrikt^.  trat  der  am  0.  Januiir  HUll  ^u.n  llrigHileKf-ii.-rnl  <-T- 
iiaiintu  Juiiut  Hri  tmino  Stelle-  Junot  BoUte  übur  aiii  tVIiizu^  iiooh  äyrit» 
tdliK'hriii'n  und  an  sdnerSUille  wurde  der  Bataillonecliet  Sien- zum  BefehlB- 
linbcr  von  Supz  ftnannt. 

••)  BonBi)art<>  lieQ  auoh  —  vohl  eine  seltene  EneheiDUng  in  der  Wüste  — 
ainen  von  secha  Prerden  beapannten  Wegen  mitnehmen,  doch  bediente  er 
■iah  deaien  nicht,  da  er  immer  zn  Pferd  vor. 


433 


In  der  Nfuibt  litten  alle  sehr  unter  der  Kälte,  und  keiner 
konnte  BohlafsD.  Ea  fanden  sich  zwarin  der  Umgebung  zahl- 
loBe  Oebeine  von  Terendeten  Kamelen  und  anderen  Ti^ien, 
die  man  zu  verbrennen  suchte,  doch  wnr  der  Gwudi  so  unan- 
genehm, daß  man  das  Feuer  lieber  wieder  ausgehen  lieB. 

Eänto-  der  Kaufleute  wunderte  sieh  sehr,  daß  dea:  große 
General  der  Franken  nur  drei  Leute  zu  s^nem  persönlichen 
Dienst  mitgenommen  habe.  „I^l  selbst  habe  11  Diener,  um 
mich  bedienen  zn  lassen,"  sa^;te  er  zu  Bonapartes  Dtdmetsch 
EUas,  „und  bin  doch  weiter  nichts  ids  ein  einfacher  Kauf- 
mann. Der  aber  ist  ein  Mann,  der  über  das  ganze  Land  ver- 
fügen kann.  Die  Afamelucken  yretm  nicht  an  so  vid  Ein- 
fachheit und  an  dieses  harte  Leben  gewöhnt.  Es  ist  nicht 
erstaunlich,  daß  sie  besiegt  worden  sind." 

Am  nächsten  Tage,  dem  26.  Draiember,  brach  man  schon 
um  3  Uhr  morgens  auf.  Bonaparte  war  bisher  mit  der  gan- 
zen Abteilung  marschiert,  doch  wollte  er  noch  am  selben 
Tage  in  Suez  ankommen.  Er  eilte  deshalb  mit  seiner  näch- 
sten Begleitung  und  einigen  Guiden  voraus,  wahrend  die 
Hauptabteilung  langsamer  marschierte.  Bonaparte  kam 
noch  am  Abend  in  Suez  an,  die  Hauptabteilung  verbrachte 
aber  die  Nacht  bei  dein  .5  Stunden  von  dem  Hafenplatz  ent- 
fernten Brunnen  Adsclierud,  wo  sich  eine  Bogenannte  Kara- 
wanserei zur  Aufnahme  der  Reisenden  befand. 

Am  nächsten  Tage,  dem  27.  Dezember,  empfing  der  Ober- 
general die  Kapitäne  der  im  Hafen  von  Suez  liegenden 
Schiffe  und  andere  wichtige  Persönlichkeiten  des  Orts,  um 
sieh  nach  den  dortigen  Zuständen  und  der  Lage  dos  Handels 
zu  erkundigen,  sowie  um  den  Einwohnern  die  Versicherung 
zu  geben,  daß  er  sie  so  st^lir  wie  iniiglich  in  seinen  Schutz 
nehmen  würde. 

Der  Araber  Alidmiiiliin^ui  w  undt'itc  sii;li  auch  über  die 
Einfachheit  Bonapartes  und  seiner  Soldaten.  „Er  hatte", 
vermerkte  Abdurrahman  in  seinem  Tagebuch,  „als  ganze 


4M 


Dlgiiized  tu  Cgogle 


Nnht'iing  mir  drei  gebookene  Bähner,  in  Papier  «ii^eschla- 
gcn,  mit  sich,  besaß  auch  Aveder  einen  Koch,  noch  ein  Bett, 
aoch  ein  Zelt.  Jeder  Soldat  trug  an  äer  Spitze  seines  Bajo- 
netts ein  Brot,  von  dem  er  jeden  Tag  dn  Stück  aB ;  er  hatte 
auch  einen  kleinen  Sack  aus  Leder,  der  mit  Wasser  gefüllt 
war,  und  den  er  um  den  Haie  trug." 

Der  28.  Dezember  ward  dazu  verwendet,  die  Mosesquel- 
len, die  etwa  drei  Meilen  von  Suez  auf  dem  Wege  nach  der 
Sinuhalbinsel  gelegen  sind,  zu  besuchen.  Der  Obergeneral, 
seine  Generale  und  Adjutanten,  die  Gelehrten  und  Inge- 
nieure, sowie  der  größte  Teil  .der  berittenen  Truppen  nah- 
men an  diesem  Auaflug  teil.  Man  durchritt  den  Nord- 
zipfel des  Koten  Meeres  durch  eine  Furt  und  kam  gegen 
2  Uhr  nachmittags  bei  den  Mosesquellen  an.  Aueh  den  Quel- 
len von  Nahah  wurde  ein  Besuch  abgestattet.  Erst  spät 
abends  traf  man  wieder  in  Suez  ein.  Auf  der  Rückreise  wäre 
der  Trupp  beinahe  durch  die  ztirückkehrende  Flut  über- 
rasclit  worden,  dctio  man  iiatto  den  geeigneten  Weg  nicht 
gefundpii.  fleiicTai  rnffiirelli  geriet  dabei  in  einen  Sumpf, 
mid  nur  der  Aufopferung  eines  <Iui<len  verdankte  er  seine 
llettiing,  denn  wegen  seines  hülzernen  IJeins  l)esaß  er  nicht 
die  (_!esehiek!ii.;li!teil,  sich  selbst  hermishelfen  zu  können. 

Den  uädisteci  Tng  liesckiiftigte  Ronapiiit«  aicli  mit  der 
Anlage  von  Ik'festigun^eii  des  Hafens  von  Suez  und  erkun- 
digte sieh  aueh  tv.uh  dvn  H um IHsinI, -reisen  do.«  H^ifenidat- 
zes.  Am  30.  Dezeiiibei  \  crliclä  man  WMior  die  Staih  im<l  traf 
am  Abend  in  Ailsrhenid  <■]».  \'..m;\]y.\rir  i^oiideilc  sicli  aber 
iinlciwcf!^  mit  citii^'i'ii  I.'i-)"'riili'ii.(;i'l.'lii1ri:  und  ( iiiidcn  von 
(h-r  Abli'Huiir:  ab  mi<l  .lu-litr  di<-  Spuivn  des  alton  ÜFinals, 
der  eliemals  Si„v.  mit  nm-m  .Nihii  i.i  vrrlmnden  liatli-.  uii- 
Jer  aviiV.iifiu<U-ii,  Kr  eiildi-rklr  si,,  und  fu>,l  vier  Meilen 
lang  rill  man  auf  ih-m  liodi^i.  des  aLi.-.-el n.ekih'ten  Kanals. 
Je  Meilin'  man  vorwärts  drang,  um  so  besser  witr  er  er- 
halten. Nach  fünf  .Meilen  aber  verlor  man  die  Spuren  voll- 

43R 


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stiii.di;^.  Iii  .-i'iiicin  Kifor  vergaß  Bonaparte  Zeit  und  Ort:  er 
entfernte  sich  mit  wenigen  Bedeitern  immer  mehr  Ton  der 
übrigen  Ahtcihmg.  die  ihm  gcfolcrt  wur.  hcm  sruter  Stern 
ließ  ihn  jedoeli  lien  rieht  igen  \\  ep  einschlapen.  und  achließ- 
lich  kamen  alle  wohlbehalten  ani  Abend  des  30.  wieder  in 
Adscberud  an. 

Von  hier  aus  begab  sich  ein  Teil  der  Koloime  auf  geradem 
Bach  Kairo  zurück ;  der  Obergeneral  aber  wandt«  sich 
mit  dem  anderen  Teil  in  der  EUchtnng  auf  Bdbes.  IMe 
Naoht  vom  31.  Dezember  1798  zum  1.  Januar  1799  ver- 
braohte  er  auf  hfdbem  Wege  zwischen  Adacherud  und  Bel- 
bea  Am  Abend  des  1.  Januu  kam  man  beim  General  Roy- 
nier  in  Belbes  an.  Den  nächsten  Tag  verbrachte  Bonaparte 
mit  der  Beaichtigui^  .der  begonnenen  Befestigungen,  der 
Truppen  und  der  Umgebung.  Am  3.  Januar  versuchte  der 
Obergeneral  mit  Berthiet  und  Caffarelli  sowie  einigen  an- 
deren Begleitern  die  Spuren  des  Kanals  aufzufinden,  der 
von  Suez  aus  hier  vorbeiging;  die  Versuche  scheinen  jedoch 
nicht  sehr  erfolgreich  gewesen  zu  sein. 

Die  nächsten  Tage  verwandte  er  darauf,  die  weitere  Um- 
gebung von  Belbes  kennen  zu  lemra.  Die  Naoht  vom  3.  zum 
i,  verbrachte  er  zwisohen  Korafm  und  Saba-Biar,  die  vom 
4.  zum  6.  in  Saba-Biar  und  die  vom  5.  zum  6.  wieder  in 
Belbes,  Von  dort  ging  es  am  6.  wieder  zurück  nach  Kairo. 
Unterwega  jagte  man  den  feindlich  gesinnten  Arabern  eine 
große  Anzahl  Kamele  ab.  Noch  am  Abend  des  6.  Januar 
kam  Bonaparte  in  der  Hau|>tstadt  an. 

Während  der  Keise  nach  Suez  hatte  Bouaparte  den  ^Vert 
der  Dromedare  kennen  gelernt.  Als  er  wieder  nacli  Kairo 
zurückgekehrt  war,  gab  er  am  9.  Januar  den  Befehl  zur 
Bildung  eines  Regiments  von  acht  Kompagnien.  Die  Ver- 
suche, die  er  durch  seine  Adjutanten  Eug^e  I 
und  Edouard  Colbert  anstellen  ließ,  fielen  zu  ae 
Zufriedenheit  aus. 


438 


Bewaffnet  warnt  die  Beiter  mit  Gewehr,  Bajonett,  feur- 
zem  Säbel,  Doloh,  einem  Pa^  Pistolen  und  einer  langen 
Lanze.  Als  Kopfbedeckung  trugen  einen  veiDen  Turban, 
eine  himmelblaue  tJniform  mit  weißen  Metallknöpfen  und 
einen  Mantel  mit  einem  Kragen  aus  wdBer  Wolle. 

Manohmal  nahm  nooh  anf  dem  Bücken  des  Dromedars 
ein  Infanteriesoldat  Hätz,  der  dem  B«iter  den  Bneben  zu- 
kehrte. Bei  der  Mäßigkeit  und  der  Schnelligkeit  der  Tiere 
leisteten  sie  gegen  die  Beduinen  in  der  Wüste  und  während 
dta  FeldzugB  in  Syrien  dem  Heere  große  Dienste. 

Es  galt  bald  eis  große  Ehre,  in  dieses  Regiment  aufge- 
nommen zu  werden. 


439 


ACHTZEHNTES  KAPITEL 


DAS  INSTITUT  VON  ÄGYPTEN 

Als  der  Han  der  Eroberung  Ägyptens  vom  Dii^torium, 
yon  Bonaparte  und  von  TaUeyrand  beraten  wurde,  ver- 
nachlässigt« man  nicht  die  kulturelle  Bedeutung  dee  Unter- 
nehmens. Man  hoffte  nicht  allein  En^^uids  außereuropäiBchc 
Besitzungen  zu  bedrohen,  sondern  auch  eins  Kolonie  zu 
gründen  und  das  alte  und  neue  Ägypten  visaenschsitlich 
zu  erforschen.  Dieser  dritte  Zweck  sollte  sogar  derjenige 
sein,  der  die  wichtigsten  und  dauerndsten  Früchte  trug, 
denn  seit  jener  Zeit  erst  wurde  die  Erforschung  des  wunder- 
baren Landes  und  seiner  Geschichte  wtssenschaf  tilioh  betrie- 
ben. So  gehen  die  Pläne  Lesseps'  zur  Durcbetechung  der 
'  Sueziandcnge  unmittelbar  auf  die  Untersuchungen  und 
Schlüsse  Lepdres  des  filteren  vom  Jahre  1799  zurück. 

Am  26.  März  1798  bat  Bonapute  den  Minister  des  Innern 
Fran^oiadeNeufchäteau,  daß  sich  eine  Anzahl  Gelehrter  be- 
reithalten möchte,  um  sich  auf  den  ersten  Befehl  hiit  nach 
Bordeaux*)  zu  begeben.  Ga  waren  die  AstrooomeQ  Danges 
und  Duc-Lachapelle;  die  Geometer  Coetaz,  Fourier,  Monge 
und  Molard;  der  Brigadeohef  der  Luftsoliifferabteilung 
Conti;  die  Naturforscher  Thouin,  Etienne  Geof&oy  Saint- 
Hilaire  und  Delisle;  der  Minerale^  Dolomteu,  der  Chemiker 

*]Uin  nicht  V«mntiin|ini  Uber  das  wahre  ZieldM  Feldxugea  aufkominea  lu 
laaseo,  orhiclten  sip  die  Weisunjc,  uoh  noch  veisoluedenen  HaienplStxen  cu 
begaben.  Erst  Endo  April  bekam  zuin  Beispiel  ViUiers  du  Terrage  Befehl, 
caoh  Lyon  und  dann  nacli  Tonion  lU  leinen. 

440 


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Bertliollet  und  der  A;itU|iiiir  Dintuw.  Desgleidien  sollten 
eich  folgende  Personen  zum  Aufbruch  nach  Vlisaingen  be- 
leitmachen:  Die  IngenieviTe  der  Brücken  und  Landstra- 
ßen Isnard,  J,  M.  Lepöre  der  ältere,  Gratien  L^p^,  Lanoret, 
Lefebvre,  Chezy  und  der  Dolmetsch  Paijuzen. 

Am  selben  Tage  erhielt  Talleyrtind,  der  Minister  des  Au- 
fiem,  von  Bonaparte  die  Weisung,  die  Bürger  Rtüge  und 
Bellestre,  sowie  die  ehemaligen  Zöglinge  der  orientalischen 
Schule  in  Fmie  Jaubert,  Chezy  und  Laporte  zurückzuhal- 
ten. Sie  waren  nämlich  im  Begriff,  nach  Konetantinopel  ab- 
zureisen. 

In  der  Sitzung  des  Direktoriums  vom  2.  April  legte  der 
Minister  des  Innern  eine  erweiterte  Uste  der  Gelehrten  vor, 
die  der  General  Bonaparte  zu  einer  besonderen  Sendung  be- 
stimmt hatte.  Sie  erhielten  den  Befehl,  nach  Bordeaux  zu 
fahren. 

Mit  der  Leitung  des  GetehrtenauBschuss»  wurde  der  Ge- 
neral Caffaretli  betraut.  Er  hatte  auch  für  den  Ankauf  der 
zahlreichen  wissenschaftlichen  Werkzeuge,  Bücher  und 
dergleichen  zu  sorgen,  die  nach  Ägypten  mitgenommen 
werden  sollten. 

Bourrienne  gibt  in  seinen  Jlemoiron  ein  obcrfliichliehes 
VerzeichiuB  der  Bücher  der  Fcldbibliotliok,  Er  odor  die  Her- 
ausgeber seiner  Memoiren  boliauptcn,  dalJ  Uonaparte  die 
Liste  eigenhändig  niedergewch rieben  habe.  Das  Schriftstück 
ist  zwar  nicht  aufgefunden  worden,  aber  an  seiner  Rohtheit 
ist  nicht  zu  zweifeln.  Ilniirrienne  wurde  jedoch  nicht,  wie  er 
angibt,  beauftragt,  die  Hiieber  anzuschaffen.  Vielmehr  über- 
nahm diese  Aufgabe  der  Schriftsteller  und  VolkswirtKchatt- 
1er  J.  B.  Say,  Arnault  will  seinen  Erinnerungen  Kufolge  den 
schöngei.stigen  Teil  der  Büchorsammlung  angekauft  haben. 
Jedenfalls  war  die  Bibliothek  viel  zahlroiclicr  die  meisten 
Bücher  waren  in  mehreren  Exemplaren  vorhanden  — 
als  sie  Bourrienne  angibt.  Es  fehlen  in  der  Liste  auch 


441 


teohnisohe,  medizniieohe  und  arobitektonisohe  Werke,  fer- 
ner veisciiiedene  KArtensamrolvingen.  Auch  Termifit  man  in 
dem  Verzeiobnis  Bouirieimes  die  Reiaebesohreibimgen  von 
Tott,  Volney,  Savaty  und  anderen.  Auf  Orund  dieser  Dar- 
stellungen sowie  der  handsobriftliolten  Denksohriftw  von 
Magallon,  RiaA,  Dubois-Thainville,  Pouasielgne  und  «mde- 
ren,  sowie  der  Sammlung  von  Denkschriften,  die  "Vlaeadmi- 
ralKosilyim  September  1797  an  Monge  nach  Italien  sandte, 
konnte  sich  Bonaparte  seine  eirate  Ansidit  vonJjand,  Lentra 
und  Zuständen  in  Malta  und  Ägypten  bilden. 

Bald  nachdem  die  ersten  Gelehrten  und  Ingenieure  be- 
zeichnet worden  waten,  verbreitete  sieh  in  Paris  und  in  d^ 
Provinz  das  Gerüdit,  daß  sich  außer  dem  Landungsversndi 
in  England  noch  ein  Fddzng  nach  d^  Levante  vorbereitflL 
Zahlreiche  Gelehrte,  Künstler  und  Schriftsteller  wandten 
sich  daher  aus  freien  Stücken  eai  den  Genend  Gaff  Eoelli  oder 
an  bereits  emimnte  Gelehrte,  um  dbenfalls  bd  dem  nenera 
Unternehmen  nach  dem  Orient  verwendet  zu  werden. 

Die  Zahl  der  Mitglieder  des  GelehrtenausBohunes  wuchs 
daher  immer  mehr  an.  Die  letzte  amtliohe  Liste  ist  vom 
16.  April  datiert.  Es  befanden  sich  aber  manche  dabei,  die 
entweder  zurücktraten  oder  in  M^ta  bUeben.  Schließlich 
gesellten  sich  noch  verschiedene  Leute  hinzu,  die  zwar  als 
Offiziere  oder  Verwaltungsbeamte  nach  Ägypten  gegangen 
waren,  die  j  edocli  an  der  Karte  von  Ägypten  oder  an  sonstigen 
Arbeiten  der  Gelehrten  beteiligt  waren.  Die  KommissioTi 
umfaßte  im  ganzen  nicht  weniger  als  197  Personen,  von 
denen  aber  22  abznxielien  .sind,  die  entweder  in  Frankreidi 
oder  in  Malta  ziiriickblieben,  su  daß  aioh  die  endgültige  Zahl 
auf  175  verringert. 

Die  Bedeutnng  des  Gelehrtenausschusses  wurde  von  man- 
chen im  Heere  zu  gering  angesehen,  von  anderen  zu  hoch 
eii^esohätzt.  Es  befanden  sich  darunter  zwar  zahlreiche  Ge- 
lehrte von  Ruf,  aber  auch  viele  Anfänger  oder  Künstler 

442 


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ohne  FähigkeiteD,  die  sich,  wie  es  meist  geschieht,  den  Na- 
men von  Gelehrten  anmaßten  und  demnach  auftraten.  So 
^^lirde  diese  Gelehrten gesellachaft  wegen  einiger  schlechten 
Bestandteile  nicht  allein  von  den  Soldaten,  sondern  auch 
von  vielen  Offizieren  mit  Veraclitimg  behandelt*).  Hona- 


parte  hatte  oft  große  Mühe,  das  gute  Einvernelnnen  zwi- 
schen seinen  Soldaten  und  den  Gelehrten  aufrechtzuerhal- 
ten. Ama\ilt  erzälilt  in  seinen  Erinnerungen  eme  hübsche 
Anekdote,  wie  Bonaparte  einen  Offizier  wahrend  der  Uber- 
fahrt nach  Malta  bestrafte,  weil  er  dem  Chemiker  BerthoUet 
gegenüber  die  Achtimg  schuldig  geblieben  war. 


443 


Schon  in  Toulon  wurden  die  Männer  der  Wiasensehaft 
vielfach  verhöhnt.  Im  Heere  glaubte  man  nämlich,  sie  seien 
die  Anstifter  des  Feldzuges  gewesen  und  wollten  sich  auf 
Kosten  der  armen  Soldaten  bereichem,  die  ihr  Leben  nutz- 
los aufs  Spiel  setzten.  Besonders  auf  dem  Marsche  von  Ale- 
xandria nach  Damanhur  entlud  sich  ihr  Zorn  auf  die  armen 
Gelehrten,  die  man  für  die  auszustehenden  Leiden  und  Ent- 
beiirungen  verantworthch  machte.  opaterbesserteHich  aller- 
ainiis  aicse  schlechte  Meinung,  als  man  sah.  daß  man  den 
u'iHseiiHcimit  liehen  Forschungen  viele  Annehnüichkeiten 
verriankte. 

I    n  ng  k         n  an 
nd     g  ng  f 
dcu,  .M.r.-.lH.  nur  Imuk-didi  gewesen.  Bonuparte  naluii  da- 
her imr  i-inigc  C^-Iclnto  in  seinem  Haii|iniii,irtier  irit  ^^ieh 


ber  neleiil.  ilie  ( Iclvlirtcii  ]iit:enieure  \ 

nac-h  Kuir-o  koniiiieu  /ii  lass.-n.  Am  selben  Tr 


wnr.  kiiiinif  >n-n  Honaparte  mit  der  urnnuung  eines  Instituts 
ricst^iiaitiuen,  (lem  die  wichcigsien  Geiehrten  angehören  und 
nie  fiie  /.iiiii reichen  Arbeiten  ausfuhren  oder  uberwachen 

Die  (^riiiuluiii^  de^  Inslitiüs  vun  AL'v|)fe[i  eriol-lc  durch 
Jlcftclihil-l  vuiii  -2±  Auirnst  17!)S*i.  T)as  TiiMtilut  sollte  ,ien 
turtsc-hntt  de«  Landes  fordern,  neue  Ideen  vorbreiten, 
naturwissenschaftliche,  mdustnelle  und  historische  Studien 


•)  Am  20.  AuRuHt  q-iudcn  Mraifte.  Bertbollet,  CBltftnlli,  Geoflrey  de  Saint- 
NilaiFc.  Costai.  Dc^'j^unettes  und  AndräoBsy  besuftiagt,  sich  am  uäshaten 
Tau''  XII  vrrfiiii^ii.  um  die  batzuiifiicii  [estiuBetien  und  die  Mitglieder  für 
die  ni'lrlirli'  Oiw-Ili'i'liaft  zu  bozi^ctiiicn. 

444 


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über  Ägypten  betreiben;  endlich  sollte  ee  seine  Änstchteii 
über  gewissi;  Fragen  abgeben,  die  ihm  von  der  Regierung 
vo^elegt  würden. 

Die  gelehrte  Versammlung  sollte  aus  folgenden  vier  Ab- 
teilungen bestehen: 

T.  Abteilung  für  Mathematik. 

Bonaparte,  Fourier,  Costaz,  Nouet,  Quesnot,  J.  M, 
LepSre,  Girard,  Leroy,  Andr^ossy,  Say*],  Malus  und 
Monge. 

n.  Abteilung  für  Physik. 
£erthollet,  Dolomieu,  Conte,  Geoffroy  Saint-Hilaire,  Des- 
cotils,  Savigny,  Dubais**],  Desgenettes,  Champy  und  De- 
lile. 

III.  Abteilung  für  Volkswirtech aft. 
Caffarelli*"),  Gloiilier,  Sueyt).  Svilkow.4ki,  Tallien  und 

IV.  Abteilung  für  Literatur  und  Kiin.-L 
Parseval,  Veiiture+tl,  NorrytTtl^  Dutertre.  Üenon,  Rigel. 
Redoute  und  ein  gricehisohcr  Priester't). 

Da  sieh  der  Sitz  dpü  Instituts  in  Kairo  befand,  wurden 
nach  dem  Pariser  Vorbild  nur  .solche  Mitglieder  aufgenom- 
men, die  ihren  ;\iifentbnltüort  in  der  Hauptstadt  liattcn. 
Später  aber  «  iirden  noch  DpHnix  \inrt  Reynier  in  die  Volks- 
wirtschaft liilic  Alifriliuig  lind  Kleber  in  die  Abteilung  für 
l.ii(-i;H  III-  lind  Kiiii-i  iiufiicnoin luen.  Nach  der  Abreise  Bo- 
iia|iar!(  -  ]iu  ri  liuidE-n  noch  weitere  Änderungen 

unti'i-  den  .MilL'lifdeni  wUUt. 

Die  erste  Sitzung  des  Instituts  fand  am  2:!.  August  statt. 

•)  .^.1  Hfiii.'  MU'llf  triit  «iml.r  I.Hii^T.'t. 

An  sciiio  Stolle  trat  H[i:iUT  Lurrcy;  in  iliiwo  AbLiimi^  wmdr  iiwh 
Beauohomp  aufgenuiiujK^. 
*■■)  An  ttsine  SIcUd  trat  spätor  Camnoez. 
tl  An  Beine  St«11o  trat  apitet  Boiminuu-. 
tt)  An  Brinn  SteOe  ttM  Bpä(<i  Ripault. 
ttt)  Ad  Bone  Stelle  trat  Hpater  Anliit^t  Lepirv. 

*t)  iBt  Uaphtwl  <li>  MonBFChia;  zugefügt  zu  diw«  Abteilung  wurde  Riga. 

445 


Zum  PriwideDten  wurde  Mooge,  zum  Vizepiäadeotei  Boo»- 
parte  und  zum  bf^indigen  Sekretär  Fourier,  alle  aus  der 
matbenuttiacbeD  Abteilung.  gewiUt.  Baäte  in  der  Eröff- 
nun^sitznng  brachte  Bonapvte  vaachiedene  allgemeine 
Fragen  tut  Sprache,  deren  Stodiom  uDd  Beantwortong  je 
einem  AnaBchoft  öberwieMn  wurden. 

Die  erstm  Arbdten  der  geSehrten  Vemamnilmig  bexogen 
Bich  selbatraständlich  Eunächst  auf  die  Wohlfahrt  des  Hee- 
res und  der  Berolhernng.  Es  sidhen  Mittel  gefmidra  oda 
geschaffen  werden,  die  Ofen  zum  Brotbacken  zu  verbee- 
sem,  den  Hopf»i  hei  der  Kerberdtang  dnndi  etwas  anderes 
za  ersetzen,  das  Xilwaaser  zu  reinigen  und  schmackhafter 
zu  gestalten,  \nnd-  und  Wassermühlen  anznlegeD,  Roh.- 
msterialien  zur  Pnlverai^ertignng  zu  finden  und  die  Rechte 
pflege  und  den  öffentlichen  Unterricht  zu  heben*). 

Zum  Aufenthalt  bekam  das  Ijutitut  das  Haus  Hassan- 
Kascheffs  im  Naaii^viertd  mit  tönern  groBen  Garten  ange- 
wiesen. Alle  fünf         sollten  Sitzui^en  stattfinden. 

Unglücklicherweise  war  der  ..Patriote",  der  außer  dem 
Material  für  den  Z^ballon  zablrraohe  Warkzenge  und  wis- 
senschaftliche Instrumente  an  Bord  hatte,  bei  der  Landung 
bei  Alexandria  gescheitert.  Als  dann  die  Smpmmng  Kairos 
stattfand,  ging  ein  weiterer  Teil  der  phyäkalisohen  Inatra- 
mente  verloren,  die  im  Hause  CaffaceOis  aufbewahrt  wur- 
den, ilaij  sah  sich  daher  oft  geiwungen,  mit  ganz  unndang- 
lichen  ItCttelnnene  Instnuneate  anzufertigen.  Große  Genia- 
lität entwickelte  dabei  Cont4,  der  dne  auBeroidentliche  Ge- 
schicklichkeit besaß  und  nie  venagte,  wenn  es  sich  darum 
handelte,  die  Theorie  in  der  Praxis  anzuwenden.  Er  hatte, 

•l  Das  ijtuliuil  de  Fnuax"  envuint«  in  Bauer  Silamig  vom  16.  Deieiubcr 
iläü  äaea  AuBGchuß  d«r  QelebrUn  I^pIaoB,  Fanroniy,  Lontpäde,  FliMinpu. 
V'ilney.  Cr^coin,  Dupuid.  Hanges  und  iMglta,  um  dam  Zmiigiiulitat  in 
Kitir'i  M'T.i'Mr.ilena  Frajim  zur  Beantwortung  vonokeen.  Wegen  der  Un- 
rji'.^lii  hhi'it.  ri>e'']iiüfii){  zwischen  Paiü  und  Kairo  und  nmgakelirt  mitcin- 
ni.ii.  r     virkilirrii,  miiQw  nun  bald  auf  dicsesZuaammenaibdteoveraädsL 


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Dlgiiized  tu  Cgogle 


wie  sich  Monge  ausdrückte,  alle  WissensehafteD  in  semem  ' 
Kopfe  und  alle  Künste  in  seinen  Händen. 

Bonaparte  war  bei  den  meisten  Sitzung^  des  Instituts 
zugegen;  und  auch  hier  1)debte  er  alle  diuroh  seine  G^en- 
wart.  Jeder  suchte  das  Beste  za  leisten,  was  in  seinen 
Kräften  stand,  wenn  auch  die  Hilfsmittel  noch  so  unzu- 
länglich waren.  Keiner  wollte  sich  von  den  anderen  über- 
treffen lassen. 

In  den  Sitzungen  herrschte  vollkomm^e  Gleichheit.  Hi» 
war  der  General  Bonaparte  niohtB  weiter  als  der  Bürger 
Bonaparte,  ein  Mitglied  wie  jeder  andere.  Niemand  eoheute 
sich,  dem  Obergenerai  zu  widersprechen,  wenn  er  glaubte, 
es  besser  zu  wissen.  Oft  nalim  der  General  an  dea  mänd- 
liehen  Erörterungen  teil,  besonders  wenn  es  dch  um  wirt- 
schaftliche Fragen  handelte,  die  Heer  und  Land  an^ngcn. 
Äußerst  interessant  gestaltete  sich  die  Sitzung  vom  1 2.  Ok- 
tober, in  der  er  zahlreiche  Fragen  stellt«  und  wichtige 
Maßnahmen  anordnete. 

Während  der  Anwesenlieit  Bonapartes  in  Ägypten  und 
auch  nach  seiner  Abreise  wurden  zahlreiche  Arbeiten  vor- 
genommen. Es  wurde  die  geographische  Lage  von  Älexan- 
dria,  Rosette,  Damiette,  Kairo,  Belbea,  Suez,  von  verschie- 
denen anderen  Teilen  des  Landes,  den  Seen  und  Kanälen, 
sflbst  eines  Teils  von  Syrien  aufgenommen. 

Ende  1798  und  Anfang  1799  bereisten  BerthoUet,  Fourier, 
KedoTite  der  Jüngere,  Duchanoy  und  Regnault  in  Beglei- 
tung des  Generals  Andreo.sKV  und  seiner  Truppen  die  (iegend 
der  Natronseen,  um  dort  Heobaulituiigen  aller  Art  anzustel- 
len. Denon,  Schouani,  ferner  Girard,  Coataz,  Fourier  und 
viele  lindere  iiiiif;nro  (lelolirte  besuchten  Oberägypten.  Da- 
bei entdeckten  Denon  inul  Desaix  den  berühmten  Himniels- 
kreis  im  Teui])el  von  Den<lera.  Die  beste  Zeichnung  dieses 
Kreises  wurde  von  ViUiers  du  Terrage  und  Jollois  ange- 
fertigt. 

+48 


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Lathuille  erforecht«  Menufieh  iind  Uarbieii,  Jomard,  Mar- 
tin und  Bertie  das  i'ajuni,  ISurel  die  J'rovinz  Gieeh. 

Geoffi  'iy  de  iSiiint-lIilaiie  untersuchte  die  Fische  des  Nils 
und  des  Sei;^  Mctisaleli,  Arnollet  und  Cliampy  der  jüngere 
die  Mineralien  des  Roten  Meeren,  Delile  die  Pflanzen  des 
Deltaa,  Costaz  die  Bestandteile  des  Wüstensandes,  Reg- 
nault  den  fruchtbaren  Nilachlamin,  ßorthollot  und  Dcsto- 
tils  die  Farbstoffe  der  Pflanzen,  \rongR  die,  Jlosesquellen  bei 

Conte  entfaltete  eine  nngeniein  fruehtbare  Tätigkeit  in 
der  Erfindung  der  niftniiigfaohfilen  MifNchinen.  Obgleich  die 
wichtigsten  Bestandteile  für  den  mitgebraeliten  Luftballon 
verloren  gegangen  wai  en,  so  brachte  ei'  es  ilocli  so  weit,  drei- 
mal Mongolfieren  niit  mehr  dder  weniger  I^rfolg  «leigeu  zu 
lassen, 

Dcsgcnctt«s,  Larrey,  Bruant  und  andere  Arzte  beschäf- 
tigten eich  mit  ihrer  Wissenschaft,  besonders  mit  der  Er- 
forschung der  Ursachen  der  Pest  und  einer  Augenontzün- 
diing,  die  sowohl  unter  der  Bevölkerung  des  Landes  als  auch 
unter  dem  Heere  viele  Opfer  forderte.  Sie  war  in  Oberägyp- 
ten  taa  Terbreitetaten;  deshalb  zählte  Desaix  die  meisten 
Kranlcen  in  seiner  Diviüon. 

Ea  -wurde  auch  eine  Bibliotibek  nur  Benutzimg  für  die  Offi- 
ziere und  Zivilbeamten  angelegt,  ein  ohemiaolies  lAborato- 
riam  und  Physikalienkabinett  gerundet  und  eine  Dmoke- 
lei  eingeriohtet*).  Diese  stand  unter  der  Leitung  Maicels 
des  älteren.  Sein  Sohn  hatte  sohon  in  Paria  alle  aufzutrei- 
benden aralöscdien  und  grieohiscben  Buchstaben  zusam- 
mensnchen  mÜBsen. 

In.  dieeet  Naticmsldrudkeiei  wuiden  die  Tt^esbefehle  aji 
daa  j^eer  imd  allerlrä  VeEoidnni^en  f  är  die  Bevölkerung  in 
zwei  Sprachen  gedrnokt.  Selbst  ein  Wörterbuch  und  eine 
Grammatik  gmgen  aus  dieser  I>ruckerei  hervor. 

•)  Bonapaite  be«bsioliliste  ngu  die  Aslage  wnec  SternwMto, 

^  446 


Bald  nach  der  Eiarichtuag  des  Institute  von  Kairo 
wurden  zwei  Zeitungen  ins  Leben  gerufen,  „Le  CJourrier 
d'Egypte"  und  „La  decade  ögyptienne".  Die  erste  Nummer 
des  „Courrier  d'Egypte"  erschien  am  IL  September  1798. 
In  dieser  Zeitung  wurden  die  Verhandlungen  der  Sitzung^ 
des  Instituts  und  die  Denkschriften  der  Gelehrten  veröffent- 
licht; sie  diente  also  nur  wissenschaftlichen  Zwecken.  Der 
„Courrier  d'Egypte"  wurde  zuerst  von  Fourier,  dann  von 
Costaz,  später  von  dem  unermüdlichen  und  vielseitigen  Dt^- 
genettes  geleitet. 

Das  andere  Blatt,  „La  decade  egyptienne"  diente  politi- 
schen Zwecken  und  entliit-lt  nur  politische  und  allgemein 
interessierende  Xacii richten,  die  Heer  und  Bevölkerung  an- 
gingen. Es  wurde  von  Marcel  gedruckt,  von  Parseval  de 
Grandmoison  und  Tallien  herausgegeben  und  erschien  zum 
ersten  Mate  am  1.  Oktober  1798. 

Eine  der  wichtigsten  Arbeiten  der  Gelehrten  und  Inge- 
nieure war  die  Erfoi-^cliung  des  elienialigen  Kanals,  der  von 
SueK  nach  einem  der  Xilkaniüe  ging,  und  die  Möglichkeit 
einpji  Durchsticlis  der  Suezhalb  ins  cl.  Im  Altertum  und  im 
Mittelalter  war  öfters  eine  Verbindung  zwischen  dem  Roten 
und  dem  Mittelländisclien  Meere  hergestellt  worden,  aber 
die  Kanäle  waren  teils  infolge  Versandung  oder  Vernach- 
lässigung, vielleicht  auch  absichtlich  unbrauchbar  gemacht 
und  ihre  Spuren  verwischt  worden. 

In  den  letzten  Tagen  des  Jahres  17S)8  hatte  Bonaparte 
Bohon  versucht,  den  ehemaligen  Kanal  von  Suea  aus  zu  ver- 
folgen, doch  hatt«  er  bald  dessen  Spuren  verloren.  V.in  Aus- 
Bohuß  von  Gelolirtcn  soUte  nach  seiner  Bückkehr  nachKairo 
nochmals  nach  Suez  aufbrechen,  um  die  Unteisnoliuiigen 
fortzusetzen  und  zu  vertiefen  und  die  Höhe  der  Wasaer- 
Bpiegel  der  beiden  Meere  zu  ermitteln. 

Am  16.  Januar  1799  brachen  die  beiden  Ingenieure  Le- 
pdre  und  Saint-G^nis  nebst  einer  militöriBohen  Bedeohong 

450 


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unter  Junot  nach  Suez  auf  und  begannen  am  31.  Januar 
von  dort  aus  ihre  Forschungen.  Man  folgte  dem  Kanal  eine 
Strecke  lang  und  schätzte  seine  Tiefe  auf  1  bis  7  Metw 
und  seine  Breite  auf  25  bis  30  Meter.  In  der  Nähe  der 
Bitt^rseen  verloren  jedoch  auch  sie  bald  die  Fortsetzung. 
Nooh  schwieriger  war  es  für  sie,  den  Ausgang  des  Kanals 
auf  der  anderen  Sräte  der  Bitterseen  zu  finden.  Schließlich 
ging  der  Kolonne  das  Trinkwasser  ans.  Nachdem  sie  einem 
Überfall  der  Araber  glücklich  entgangen  waren,  kamen  die 
Ii^;enieure  mit  ihrer  militärischen  Bedeckung  am  9.  Febnuv 
1799  naoh  Kairo  zurück.  Sie  gedachten  ihre  Forschungen 
unter  günBtiger«i  Bedii^pingen  wieder  aufzunehmen,  doch 
die  Vorbereitungen  für  den  Fddzug  naeh  Syrien,  der  alle 
Kräfte  in  Anspruch  nahm,,  vraeitelte  zunächst  ihre  Absicht. 

Im  September  1799  ordnete  Kleber  üne  zweite  Nach- 
forschung und  im  November  eine  dritte  an.  J.  M.  Lepäre 
und  seine  Begleiter  verließen  am  16.  November  1799  Kairo 
und  fanden,  daß  die  Oberflätdie  des  Boten  Me»es  9,908  m 
höher  als  die  des  Hittelländisohen  Meeres  gelegen  sei.  Dies 
beruhte  allerdings  auf  einem  Irrtum,  doch  bestand  derselbe 
in  einem  ßeohenfehler  um  8,67  m  auf  der  Seite  nach  Suez 
zu.  Als  Talabot  im  Jahre  1847  und  Ferdinand  von  Lessepe 
in  den  60er  Jahren  des  19.  Jahrhunderts  die  Pläne  zam 
Durchstich  des  Kanals  wieder  aufnahmen,  mußten  sie  die 
meisten  Ilrgebnisse  der  Forschungen  Lep4res  und '  seiner 
Ingenieure  anerkenneiL 

Schließlich  mochte  aus  der  Unzahl  von  Arbeiten  und  Ent- 
deckungen in  Ägypten  noch  die  Auf&idung  eines  Steins 
erwähnt  werden.  Auf  Grund  der  darauf  eingegrabenen  In- 
schriften waxd  die  Ehitzifferung  der  Hieroglyphen  möglich. 
Im  August  1799  fand  d&c  Genieoffizier  Bouohaid  he£  Ro- 
sette eine  Granit^Iatte,  die  eine  Inschrift  in  griechischer, 
demotischer  Schrift  und  in  Hieroglyphen  entiiielt  1  Der  Stein 
ward  nach  Kairo  gebracht  und  von  den  Sprachforschem 

4S2 


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untersucht.  Jomard  veröffentlichte  darüber  in  dem  groÜeii 
Werke  „Description  de  l'Egypte"  eine  Abhandlung.  Später 
fiel  der  Sfeiii  in  die  Hände  der  I'"nj^länder  und  gelangte  ins 
iJritisclie  .Museum,  wo  Chiiuipdllion  der  Jüngere  in  den 
20er  Jahren  des  !9.  Jahrluiiulürtö  tlen  Schlüssel  zur  Ent- 
Kifferunf;  der  Hieroglyphe ilijcliiift  fand. 

Um  die  Erforauliung  des  alten  und  des  neuen  Ägyptens 
planvoller  /.n  gestalten,  bildet«  Kleber  am  19.  November 
179!»  nach  der  Abrciae  Bonapartes  nach  Europa  einen  neuen 
Ausftctiuli  und  ließ  folgenden  Arbeitsplan  ansetzen;  I.  Ge- 
set/gebnng,  (Iphräuclie  und  Religion.  - —  II.  Verwaltung.  — 
III.  Polizei.  —  1\'.  Itegienmg  und  GcHchichte.  —  V.  Militä- 
risclies.  VI,  Handel  und  Industrie.  —  Vll.  Ackerbau,  — 
VIll.  Natm-f^oschiclitc  und  IJcvölkerung.  -  -  IX.  Denkmtüer 
und  Kleidung.  —  X.  Oeographie  und  Wasaerkunde.      1  Kl 

Die  Arbeiten  des  liLstituts  in  Ägypten  wurden  nach  der 
Rüekkehr  der  Gelehrten  naeii  Europa  geordnet,  erweitert 
und  in  dem  umfangreiclien  Werke  „Description  de  l'Egypte, 
Ol!  recueil  des  ohservations  et  des  recherohes  qui  ont  ete 
faitew  en  J'lgypte  pendiinl  l'expedition  de  l'armee  fran9aise, 
publik  par  les  ordres  de  Sa  Majestö  l'empereur  Napoleon 
le  Qrand"  niedergelegt.  Der  erste  Band  erschien  im  Jahre 
1S09,  der  letzte  1S2S.  Das  Werk  umfaßt  6  Bände  Text  und 
14  Bände  Karten  und  AbbilduDgen,  woron  manche  Bogax 
im  sogenannten  Elefantfolio. 


Ende  des  dritten  Bandes. 


453 


VERZEICHNIS  DER  ILLUSTRATIVEN  BEIGABEN 


A,  \'OLLHILDER 

Genen,!  Hoii^i|,i,rl<.  u,jt  s,.hi,.i-  lliir.  hrpisB  diirdi  »,is,.|,  24.  Nü- 
veiulK^r  I71I7,  Gizeitliiicl  uiiil  nr«(m'lK'ii  von  M.  Wocher.  (Stadt- 
UiWi.,tlii-k  Ziirirli)  (TitelbÜd.) 

11^1-  .■hciiiaügr  „Colli;];.'"  iii  Cf-iif,    (Nnoli  finwn  Htich  aus  dem 


F.  C.  de  LahnrjH!.  NncL  eiMom  Gemälde  von  Bossä.  (Musöe  de 
LauBonne)  23 

General  At^re«a.  Naoh  einem  Portnit  von  'llifivenln.  (Mueöe 
natbiiBl  de  VersailleB)  32 

Qraf  von  Cobenzl.  Naoli  einem  Stich  tod  P.  Bioliter.  (K.  K.  Fa- 
milien-FideikomnüB-Bibliothpk,  Wien)  42 

J.  B,  Treilhnrd,  Gezeichnet  von  Abel,  geat^Johan  von  C.  Gnerin. 
(K.  K.  Famnfpn-FidcikomniilJ-Bibliothek,  Wien)  46 

Das  Haus  Boiiaparlea  in  Parii  in  der  Rue  ChantereioB,  später  Rae 
dp  la  VittPiru  ppiiarint.  (\;ii  h  fiinT  I,ithiißr!X)iliic  von  G.  Engel- 
JH;lllJi)     62 

A.  Äpiiiiiiii)  (iO 

Bonapiirte  iiberreii;h1  (i^ni  Diitikloiiiiiii  diu  i''ne(!e[i»vertrag  von 

Compoformido.  (Nach  einer  Litiiugraphle  vouD.A.M.Raffet)  .  TO 
DireklOT  Bairae.  (Nach  einer  Zeichnung  ron  Hilaire  Le  Dm)  .  .  72 
Josephine  Bom^utrte.  (Kaoh  einem  Stloh  ans  dem  Jahn  1707)   .  78 
General  Brune.  Nach  einem  Forträt  von  A.  Vinahon.  (Mus^e  na- 
tional dp  Vpraaillcg)   114 

Gefecht  bei  Neuenogn,  Xach  einem  kolorierten  zcitgenössisplicri 

Stich.  (Stadt -Bibliothek  Zürich.)  (Doppclacitigca  Bild)  120 

Einzug  des  Generals  Sobaiien'ioijri;  in  lieni,  5,  JlSra  1798.  Gc- 
zcichllcl  von  K.  r.irardüt,  «(.•Muclj,-ii  von  .1.  C.  Bi.ik.  («ammlmis; 
Kirchi-iscii)     ,  122 

Hilaire  Le  Diu)  .   .  IIIS 

General  i>uphn1.   (Nuch  eiiietn  :Stii:h  au^  d<T  f^aminhing  A.  Eiiii- 
liani)  162 

456 


Riniug  diT  Fran7ji!<en  in  Rom,  Ü  Februar  179S.  Gesloclieii  von 
r.  Schleich,  Solin.  nnph  einer  Zeichnung  von  K.  Girardet.  [Samm- 
lung KirchBLBen)  IBS 

Jufeph  Pouchs,  (Nuch  einem  KCich  aus  der  äunimiuug  Kirchei^n)  liiS 

Hciratio  Nelson.  (Lithographie  von  C.  Motte  imch  C.  Broms)  .  .  IS: 

I^nl  C.  Colliugwood.  (Geiitocheii  von  S.  Cousinn  nach  dem  Gc- 
niBldK  von  V.  Howard}  IM 

Pnsquab  Paoli.  Koch  einem  Stich  von  l>.  Borger.  (Hammlong 
Kireheiflen)  ISS 

Adrniral  Lord  Ncl»oii.  (Mach  einem  (^mälde  von  L.  F.  Abhoti)   .  mi 

J>ie  i^ieeschUoht  im  Meerbusen  von  üaacogne  am  L  Juni  17!M. 
(Uoppelseitigcä  Bild)  21H 

Adiiiiral  Sir  John  .lervia,  EnrI  qf  Saint -Vineent.  Gestochen  von 
H-  Kobiitaon  nach  dem  Gemälde  von  J.  Hoppner.  (Saint-Jame«' 
Piilttcc)  21(3 

KapitÄn  Sir  T.  Troubridgo.  (A*aoh  dem  Gemälde  von  Sir  W. 
Beeohcy)  211 

Admiisl  de  Winter  übergibt  dem  AdmirnI  Duncan  seinen  De^n.  .  232 

Generni  Bert  hier.  (Such  dem  Gemälde  von  A.  L.J.  Gros)  2jj* 

Landung  Bonapart«a  bei  La  Valetta  auf  Malta,  (Nach  einer 
Lithographie  von  D.  A.  M.  Raffet)  

Übergabe  Ln  Valetta»  am  12.  Juni  17US.  -Vach  einer  Zeichnung 
van  Dupleäst-Berlaux,  gestochen  von  A.  Gleich.  (Sammlung 
Kircheieen)  SSü 

Ändoche  Juiiot.  Nach  einem  Gemälde  von  V.  N.  Rnverat.  (Musee 
nntional  de  Versailles)  31h 

Ein  ambiscbes  Mahl.  (Gezeichnet  von  1).  V.  ifenon,  gestochen  von 
Laderer)   32i 

Ansiaht  vun  Ho!<ett4!.   {Üanh  einer  Zeichnung  von  D,  V.  I>enan)  3S 

Kin  Unit  des  franzAsiEclicn  Heeres  in  Asauan  (tj3'ene),  am  2.  Februar 
ITH'J.  (Nach  einem  Gemälde  von  A.  Tardinu)  Sil 

Ein  ägyptisches  Und.  Gezeichnet  vun  D.  V.  Uenou,  gealocben  van 
Petit,   (Sammlung  KiroheiBcn)   3Si 

Pinn  vun  AlcKandria,  (Noch  ciiieiii  zeitgenössischen  Stich.)  (Llop- 
pclseitiges  Bild.)  'M 

Generni  Desaix.  Nach  einem  Gemälde  von  A,  Appiani,  (Muste  na- 
tional de  VeiBsillea)  35^ 

iSelilacht  bei  den  Pyramiden,  Geueichnet  von  Swebach,  gealochen 
von  IlequevBUvilers.    (Sammlung  Kircheisen)  31Ü 

Kapitän  Hardy.  (Nach  einem  Gemälde  von  L,  F,  Abbott)   ,    ,    .   .  afiS 

Adniinil  Nelson.  G«ät<ffhen  von  IL  R.  Cook  nach  einem  Gemälde 
von  Sir  W,  Bet-chy)  31? 

Adniiral  Villsneuve.  Gemälde  von  Vertier,  (Nach  einer  Photo- 
gritphie  aus  der  Samniliing  P.  Lafond)  3&£ 

l)<T  Ef;beklehj)lalx  in  Kairo,  Gezeiehnel  vun  P,  Gaetuiio.  gestochen 
von  F.nichcrA-,    (Siimmhnig  Kireheieen)  396 

456 


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Dos  Nilfext  in  Kairo  tun  liL  August  1798.  (GoZi'Iclmi't  vuii  Fcrtfl, 
geftothen  von  Fiiuehcry)  illl 

l>er  AuiBbuid  in  Kbiid  am  SL  Uktober  ITUH.  (Mnnee  nationnl  de 
Veraailloa)  .  418 

Bonnpaiif  begnadigt  diu  AufetündigEii  in  Kairo  um  2h.  Ui^tuljcr 
ITHS.  Nach  einem  Gemäidp  van  P.  Ouörin.  (ilunie  naLionnl  de 
VeraniUea)  422 

Kampf  bei  Bcnui  am  H.  Mira  ITltU.  (Xach  einem  Gemälde  von 
C.  Langloia)  432 

B.  ABBILDUNGEN  UND  FAKSIMILES  VON  BCHRIFTZUGEN 
IM  TEXT 

tiMoü  der  Frau  van  Staäl  in  Toppet.  ((^egenwürbiger  Zustand)   .  H 

Frieilrioh  vua  Hteiaer.  (Schattenriß)  LI 

Peter  Ocha.  Noch  einem  Stich  von  IL  Pfenninger.  (»todt- Bibliothek, 

Zürich)   IS 

Erste   Seite   der   Zeitung    ,.i>er   iwhweizerische  Kepubhlmner". 

(Verkleinerte  Wiedorgahe)  lU 

J.  H.  D.  Zaohokko.    (Schiittenriß)  23 

Barthetemy.  (Nach  einem  Stich  von  F.  ikiwioville)  2Ii 

WUliam  Wickhnm  (Untcrachrift)  30 

Das  Schloß  in  Kiiütatt.  (Nach  einem  volkälümlichen  Stich  aiu  dem 

Jahre  I79Ö)  36 

Titelwiedergabe  einer  seltenen   Broechüre   über  den  Kaatatler 

Kongreß.  (Siiramlung  Kircheiaeu]  30 

Omf  Lehrbuch.  Gezeichnet  von  T.  Hof,  gestochen  von  C,  Guerin. 

(K.  K.  Faniilien-Fideikommiß-Bibliothek.  Wien)  IS 

A.  E.  L,  Bonnier  d'Arco.  (Nach  einer  Lithographie  au»  der  Samm- 
lung Kiroheiuen)  40 

Genoral  Gmf  Merveldt.  (Nach  einer  Lithographie  »i»  dem  Anfang 

des  Iii.  Jnhrhiiiiderta)  Sl 

General  Chnmpioniiet.  (Nach  einem  Tcitfienösaiachen  Stich)  .  ...  Iii 
Baronin  von  Stael-Hointein,  Gemalt  und  gcnlochen  von  F.  L.  Bou- 

rior.  (Stadt-Bibliothek  Zürich)  6ß 

General  Joubert.  (Nach  einer  Zeichnung  von  J.  A,  Uanistodt}  .  .  TS 
FrnnjoiB  de  Nonfohätcau.  Gemalt  von  J.  B.  laabey,  gestochen  von 

Laugicr.  (Sammlung  Kircheisen)  Sl 

Einlaßkarte  zn  einer  ääentlichon  Sitzung  deu  liiaiitutG  M 

£.  J.  Siey^.  (^fach  einem  Stich  aus  der  Sammlung  Kircheixen)  .  8Q 
Abdruck  der  Titelseite  eines  wichtigen  Werkes  übet  die  Zusläudc 

in  Paria  ain  Ende  des  achtzehnten  Jahrhundert«,  (Sammlung 

Kircheiaen)   Öl 

Vom  Heere  zurückkehrender  fianzüaischer  Kriegakonimiasar.  (Nach 

einem  volkstümlichen  zeitgenössischen  Stich)  Uli 

Barth  ^lemy.    (Unteraohritt)  ÜI 

Peler  OdiK.   (Xach  einem  jpitgenüssi sehen  Stich)  UU 


4ö7 


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F.  C.  Laliiirpe,   Gszeiobnet  und  gestochen  von  Caiinave  usch 

Duoreux  (Sniiinilung  Kircheisen]  1 

Abdruck  der  ersten  Seite  des  Werkes  von  F.  C,  Lahnrpe,  das  r-um 

AuHbrucli  der  Revolution  im  Woadtland  viel  beitrug  1 

N.  F.  von  Steiger.    Xaoh  einem  Stioh  tan  D.  Lafond.  (Stadt- 

BibUothek  Zürich)  1 

(.^ncral  von  Erlach,  Naoh  einer  Zoiolmmig  von  i^'.  Diog.  (Stadt- 

BihliotliEk  Zürich)  1 

Kniser  Franz  II,  GcxeichiiDt  und  gestochen  von  J.  Piohler.  (K.  K. 

Familien-Fideikommill -Bibliothek.  Wien)  1 

J.  J.  von  GSnes,  (Gezeichnet  von  E.  Stoinlo,  gestochen  von  K. 

Müller)  I 

Freiherr  von  Thugut.  Nach  einem  Stich  von  V.  R.  Grüner.  (K.  K. 

Familicn-FideikoniiniB -Bibliothek,  Wien)  1 

iJirektor  Reubell.  (N'ach  einem  Stioh  ans  der  K.  K.  Faniilien-Fidei- 

komraia-Bibliothek.  Wien)   1 

ikiöiiier.  [Unterachrifl)  1 

[»er  Aufstand  vor  dem  französisohen  GeBondlschaftsgebaade  in 

U'icü.  iXflch  einem  volkstümlichen  seitgenflsaischen  Stich)  .  1 
Cnif  Saurau.  Nach  einem  Stich  von  D.  Weiaa.  (K.  K.  Familien- 

fideikommiO-Bibhothek.  Wien)  1 

Fran9ois  de  Ncufchälcau.   (Nuoh  einem  Üttoh  aus  dem  J^ndo  des 

nc]itzehnt«n  Jahrhunderts)  1 

.liu^eph  Bonnparte  L 

General  Berthicr.  (Mach  einem  zeitgenössischen  Utich]  L 

(ic'neral  Cervoni  überreicht  dem  Pnpat  Pius  VI.  den  Befehl  des 

französischen  Direktoriums,  Rom  zu  verlassen,   (Sammlung  A. 

Emiliani)  L 

Abreise  des  Papstes  Pius  VI.  nach  Sienu,  von  französischen  I>ia- 

goiiern  liegleitct.  (Sammlung  A.  Emiliani)  ,  I 

MuHscnn.  (Einzelblatt  aus  der  Sammlung  Kircheisen)  L 

Ci-neml  Uouvion  Sainl-(.)jT.    Nach  einem  Stich  von  C.  Harth. 

(Siiiiimlung  Kircheiaen)  L 

Papiergeld  der  Rrtmisehen  Republik.    (Sommlung  Kircheisen),    .  L 

Xiipoleon  Bonnparte.    (Abbildung  einer  Denkmünze)  L 

Samuel  Hu.m1.   (Untersi^hrift)  l! 

Ansicht  von  C'alvi.  (Sammlung  des  Prinzen  Koland  Bonaparte)  .  2< 
Xelson  empfangt  den  Dogen  des  BcfchlshabcrB  des  ..San  Jos^". 

(Nach  einem  Gemälde  von  R.  Wcatal!)  1 

Aduilral  Lord  Bridport.    Xach  einem  Stich  von  J.  Chapman. 

[Sammlung  Kirchpisen)  21 

L,  Hoche  als  junger  Offizier.  Nnoh  dem  Porträt  von  R.  Le  Febvrr. 

(Miisee  national  de  Versailles)  £ 

."^ir  K.  Pellcw,  später  Lord  Exmoutli,  (Gestochen  von  W.  Finden, 

nach  einem  Porträt  von  \V.  Owen)  21 

fJi  iH-nil  J.  Hartly.  ((Je^tochcn  von  Coquerct  nach  einer  Zoioiinung 

von  Kolbe)     '.  2 

458 


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Liberi^  des  mere.   (Vignetlt]  231 

Das  rcpubliknniecln!  Triumrirat:    Barms,  Bpubcll  und  Ln  Itp- 

vellidre-Lipeaux  2!ili 

fienernl  Andrfossy,  (Nach  einer  Zeiohnung  van  A.  Dutertre)    .  24fi 
CJencrnl  Caffarclli,  (Xnch  einer  ZeiohnuuR  von  A.  Dutertre)    .  .  347 
Breat  am  Anfang  dea  neunzehnten  Jahrhunderts.   Gestochen  vuii 
Hlielton  dem  Jüngeren  nach  einer  Zeichnung  von  de  La  Pylnie. 

(.Summlung  KirclieiBCti]  2j9 

Vorbereitungen  lu  der  Ijindung  in  KrigliinJ.  (Nacli  einem  'ieit- 

geiißBttiHciien  volkatiimtiehen  Stiuht   203 

Direktor  Merlin  de  Douai  265 

Kleber.  (Uiiteniiihrift)  2511 

Minister  TaUayrand.  Nach  einem  Stioli  von  Bollinger.  [Kanimlung 

Kiroheiseii)   202 

Bonaparfo.   (UntetBchrii.)  2135 

(ienandtachAftiuekTetär  PouRsicIgue.   (Xaeh  einem  Stieh  von  A. 

Dutertre)  20« 

Merlin  de  Douni,  Nach  einer  Litliographie  von  Dolpeeh.  (ISanim- 

lung  Kirchciacn)  213 

Ucnerol  Desai.i,  Gestochen  von  H.  Schmidt  noch  einer  Zeichnung 

von  J.  A,  DornHtodt.  (tjammlung  Kirohcisen)  2Si 

Uie  Generalin  Bonaparte.  (Nach  einem  gleiehieitigen  Stich)  ■  .  291 
Admiml  Brueyn.    (Xach  einer  Zeielmung  von  A.  Dutertre) ...  293 

Urrey.    (UnlerBOhriJt)  290 

Admirul  Decrds.  (Nach  einem  titiuh  aus  der  Sammlung  Kirclieisenl  2in 
General  Baraguay  d'Hillieni.  [Nach  einer  Zeiohnung  von  A.  Du- 
tertre) aüü 

Bourriennc.  (UntentchrifH  äU 

Obergeiieral  Bonajurtc.  (Nach  einer  Zeichnung  von  A.  Dulprtre)  .  3Li 
Sehriftamllpr  Arnsult.  (Xatb  einer  Zeichnung  voTi  A.  Dutertre)  .  31fi 
Ansicht    dca   Xeucn   Hafen«    von   Alexandrin.    ((Jeieichnot  von 

P.  L'ostc,  gemoohcu  von  A.  t'nuohery)  321 

Eine   vornehme  anibisehe  Üunie  im  Harem.    (Gezeichnet  von 

D.  V.  Denon,  geatochcn  von  Prevoat)  331 

Kin  Fest  im  Harem.  (Geattichen  von  T.  Johannot  nach  einer  Zeich- 
nung von  D.  V.  Denon)  331 

Der  Mameluck  Rnstam,  den  Bonapaitc  mit  aun  Ägj'pten  bruchle. 

(Xnuh  e'uieni  zeitgenUssiachen  volkstümlichen  Stich)  341 

Murad-Bei.  (Nach  einer  Zeichnung  von  Bornet)  

C'iieral  Menou.  (UnleKclirift)  352 

.■^kii:«'  iler  Umgebung  des  Nük  mit  Bemerkimgen  NajioleonH  auf 

Snnkt  Helena  äQä 

SkiiKe  7,ur  Schloclit  bei  den  Pyrnniidei.    .  35Ü 

■I.  Troübridge.  (L'nltrechrift)  "  2B1 

NVI.™.  (Unterschrift)  310 

Halnt  et  aniilie.  Brueys.  (Wiedergabe  der  Handschrift)  314 

Um  Kort  von  Abukir.  [Nach  einem  loitgenfl.'wischen  Stich)    .  .  Uli 


469 


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(Skizze  zur  Sec«clilacht  von  Abukir.  (Nach  dem  Entuurf  des  fran- 
zOBischeii  Seeoffiziois  Ä.  de  I^chadenMe)   S 

Stellung  der  franzOsinohen  und  der  engliechen  Flotte.  L  Äugnst. 
gegen  8^^  Ubr  abende,  (Nach  der  Skizze  des  Seeoffiziers  A.  de 
LaehadenMe)  9 

Zeitgenössische  Karikntur  uuf  den  Sieg  Nelaona  bei  Abukir    ...  3 

Sir  James  Saumitrez.  (ITnteisohrift)  3 

Kcith.  (Unteiaohrifl)  3 

Bonaporto  im  militöriBcben  Dinan.  (Nach  ebier  Zeiohiiung  von 
D.  V.  DenDn)  3 

Laaalle  im  Gefecht  vim  ÜB-Salibijeh.  (^aoh  einer  Sepiamalerei 
von  A.  L.  Groa)  i 

General  Dümmartin.  (Xaoh  einer  Zeichnung;  von  A.  Lhitertre)    ■  i 

HauH  dcB  Generals  Monou  in  Rosette.  (Geatoohen  von  Frylley 
noch  einer  Zeichnung  von  D.  V.  Dcnon)  i 

Gnapard  Monge.  (Nach  cin<>r  Zeichnung  von  A.  Dutertre)    ■  ■  .  4 

Le  chef  de  lu  32'°"  (demie-brigade)  Dupuy.  (Wiedergabe  der  Hand- 
schrift)  4 

Episode  aus  dem  Uefeoht  von  Sediman,  L  Oktober  1TÜ8.  Ge- 
zeichnet von  D.  V.  Denon,  gestochen  von  Malboste.  (Samm- 
lung Kircheisen.)  4 

Dos  Gefecht  von  Samhud,  'iL  Januar  17U«.  Nach  einer  Zeich- 
nung von  D.  V,  Denon.)  i 

Eine  ägyptische  Karawanserei,  (Geaeiohnct  von  D.  V.  Denon,  ge- 
stochen von  A.  Andr6)  i 

Soldaten  vom  Regiment  der  Dromedare.  (Gezeichnet  nnd  ge- 
stochen von  Lodoror.)  1 

Abbildung  einer  in  der  Umfaülluiig  einer  Mumie  gefundenen 
Handschrift  i 

Der  Garten  des  Instituts  von  Kairo.  (Gezeichnet  von  D.  V.  Denon. 
Bestochen  von  Frylley  i 

Die  groSc  Sjihinjt.  Gestochen  von  Frylley  nach  einer  Zeichnung 
von  U.  V,  Denon  (Sammlung  Kircheisen.)  A 


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INHALTSVERZEICHNIS 


Vnr«r.rt.  Tl....  Hritt^,,  HnnH  VTl-XTV 

Eratts  Kafiitd.    I>ta  italionischon  Kicgera  Reise  durch  die 

Schweiz  (November  17'J7)   i—  16 

ZmeUcs  Kamlfl-  Die  Sfhwpiz  am  Ende  dea  18.  Jahrhunderts  17—  31 
DriOfs  Kapitel.  Bonapnrto  in  Bnatatt.  —  Die  Geaandtan  dee 
DeutachoD  Relohes  imd  der  FranzOHiaohan  Bepublik.  — 
Erste  Verhandlungen  (Kovember  bia  Demmber  1797)  .  .  33—  SB 
Viertca  Kapilel.  Buimpartea  Rückkehr  nach  Paria.  EmptanB 
bei  der  Regierung.  —  Sein  Privatleben,  —  EmannunR  zum 
Mitglied  dea  Lmtituta.  —  Seine  Plüiie  (Dezember  1797)  -    BO—  M 

Fünfteji  Kapilfl.  Daa  Ende  der  alten  Schiveii  ■  .  95—123 

■lechlm  KapiUl.  Der  Koiigreli  von  Raatiitt  nach  Bonapartca 
Abreise.  —  Sendung  Bernadottes  nach  Wien,  —  Die  Kon- 
ferenzen von  Selz  (Dezember  171)7  bia  Juli  1798)   124—168 

fiiehenta  Kaiiikl.   Dan  Ende  des  Kirchenatmilj  (September 
1797  bia  März  I7B8),  —  VertaMungaändenuig  in  der  Zisal- 
piniaohen  Republik  (Fcbruaj  faia  Dezember  17B8)  ....  I6B— 189 
Achtes  Kapitel.    Der  SeehriaK  gwiachon  Frankreich  und 

Kngknd  und  deren  Verbiiadeten.  I.  (1793^1708)  ,   ■  .  190—234 


14,  März  1 7HÖ, — Scliiiwht  im  MeerbnBeu  von  Oagcom».  1  ■  Jimi  ITM. 
—  (it.fecht  hui  dni  Hygriflclu'n  Iiweln,  IB.  Jiili  17Bfl.  —  J»pi«'hlK6i 


«■hlncht  bei  Knniperdum.  11.  Uktniior  ITBT^ 

DER  FELDZUG  NACH  ÄGYPTEN  1798—1799 
Nennte»  Kapild.  Boiiaparte,  Uberhefehlalialier  der  Armee  von 

EngUnd  (November  1797  bi.i  Fcbniar  179B)   237—267 

Zeknlfs  Kiipitd.  BouaiHirte  und  der  Pinn  eineB  Feldzufia  nacli 

Ägypten   .  ■  ■  258—275 

Elftas  Kapitel.  Die  Vorbereitunaen  zum  i^OTtischen  Feldzng 

(Mfirz  biB^.Mni  1798)  .  .  .  .^^ .  .  .  .  ^.  .      ^  ■  .      ■  ■  276— 2m 

461 


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Dräiehnles  Kapilel.  Ägypten.  Ijind  und  Lrute  

320—345 

VierzehrUa  Kaviiel.  Ijuidune  in  Alexaiidrin,  —  Marsch  dui'ch 

lüp  WÜBtp,  —  npfeclit  luii  Knhnikit.  —  Snhliii:hf,  lipi  di-n 

Pyramiden  (Juni  bis  Juli  17381   

34ü— 383 

Fänfxhtiles  Karniel.   Ilic    Speschlaclit  bei  Aliukir  (1.  und 

2.  AuRust  ITftB)  

Sedaehittee  Kapilel.  Besitznahme  von  Kairo.  —  Gefeoht  bt'i 

Ea-Salihiieh,  —  üntBrwrrfuiiK  UultTÜRViilouB.  — ■  Feste.  — 

Besuch  der  Pyramiden.  —  Aufstand  in  Kniro.  —  Bptnich- 

Siebiehiiles  Kaoilel.    Die  ErobcmnK  ÜburäKypteiis.  —  CJe- 

fMihtc  von  Sediman  und  tinrahud  (AuKiixt  179S  bis  Saninier 

17flH).  —  Reisp  BouHpitrtefl  nach  Huer.  il)POTmln-r  17IIB  und 

437—439 

Athtzehiites  Kaiiild.    I)n«  Institut  von  ÄHvTilrn  

44Ö— 4S3 

H}2 


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