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Full text of "Ostindisches Handwerk und Gewerbe mit Rücksicht auf den europäischen Arbeitsmarkt"

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OSTINDISCHES 
HANDWERK UND 

GEWERBE MIT 
RÜCKSICHT AUF 

DEN... 

Fedor Jagor 



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HARVARD COLLEGE 
LIBRARY 




GUT OFTHE 

Department of Economics 



Ostindisches 

* 

Handwerk und Gewerbe 

mit Rücksicht auf den 

europäischen Arbeitsmarkt 



von 




Berlin. 

Verlag von Julius Springer. 
1878. 



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«SÄST" 



, 6 



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Indem der Verfasser auf wiederholtes Verlangen diesen im De- 
zember 1877, im Berliner Handwerker -Verein gehaltenen Vortrag 
durch den Druck veröffentlicht, fugt er einige neue Daten bei, welche 
die zunehmende Wichtigkeit der besprochenen Verhältnisse zeigen. 



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Li in er meiner Freunde hat Ihnen nach seiner Rückkehr 
von Philadelphia den grossen Aufschwung der nordameri- 
kanischen Industrie sammt den ihn bedingenden Ursachen 
und die Gefahr geschildert, welche dem deutschen Gewerbe 
durch diesen Nebenbuhler auf dem Weltmarkte droht. 
Noch deutlicher aber, als in den östlichen Staaten der 
Union, die bereits ihr hundertjähriges Jubiläum gefeiert 
haben, sind jene Ursachen in den neu aufsprossenden Terri- 
torien des fernen Westens erkennbar; es sind dieselben, 
welche die Uberraschend schnelle staatliche Entwicklung 
jener Länder bewirken und ihr ein originelles, spezifisch 
amerikanisches Gepräge aufdrücken. Auch glaube ich das, 
was ich Ihnen über die gewerblichen Verhältnisse in Indien 
zu sagen beabsichtige, nicht besser einleiten zu können, als 
durch einen Hinblick auf das Wesen und die Intensität der 
menschlichen Arbeit in Californien, wo ich selbst vor Zeiten 
Gelegenheit hatte, sie zu beobachten. 

Jenes Land, noch heute vor 30 Jahren eine der unbe- 
kanntesten, schwer erreichbarsten Einöden, ist jetzt ein 
blühender Staat, dessen Ruf die Welt erfüllt, dessen Gold- 
produktion nicht nur den Handel aller zivilisirten Völker 
neu belebt, sondern auch deren Haushalt und soziale Zu- 
stände tief beeinflusst hat. 

Ohne auf Einzelnes einzugehen, will ich nur erwähnen, 
da ss die Californier Kanäle, Wasserleitungen und Strassen 



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gebaut haben, deren Länge Tausende von Meilen beträgt. 
Sie haben den Lauf von Flüssen verlegt, die Bodenkonfigu- 
ration ganzer Distrikte umgestaltet, indem sie die Erdmassen 
ausgedehnter Hügellandschaften in das Meer schwemmten, 
um sich durch klug ersonnene, gewaltig wirkende Vorrich- 
tungen die feinsten darin enthaltenen Goldstäubchen anzu- 
eignen. Aus allen Ländern haben sie das beste Getreide, 
das beste Obst, das beste Vieh bei sich eingeführt und heute 
treten sie als Obst- und Viehzüchter, als Acker- und Wein- 
bauer und auch schon als Fabrikanten mit Erzeugnissen 
ersten Ranges auf, die bis in die entlegensten Märkte dringen. 
Alle diese erstaunlichen Dinge hat eine Bevölkerung voll- 
bracht, deren Gesammtzahl bis vor wenigen Jahren nicht die 
Hälfte der Volksmenge Berlins, weniger als eine halbe Million 
betrug. 

Freilich mögen vielleicht auch nie in gleichem Maasse 
alle die Umstände zusammengewirkt haben, die den Menschen 
befähigen und antreiben, mit Anspannung aller seiner geisti- 
gen und körperlichen Kräfte rastlos gewaltige Arbeit zu ver- 
richten. Die Einwanderer bestanden in den ersten Jahren 
nur aus unternehmenden Männern in der Fülle ihrer Kraft, 
auserlesen aus allen Ländern, ohne Greise, ohne Weiber, 
ohne Kinder; das Land, obgleich äusserst fruchtbar, bot ihnen 
zunächst nichts als Gold fertig dar, alles Andere musste ge- 
schaffen werden, da auf hundert Meilen kein zivilisirter Nach- 
bar wohnte, dessen Produkte man eintauschen konnte. Alles 
Schaffen brachte grossen Gewinn. Keine Polizeivorschriften, 
keine Standesvorurtheile, keine Familien-, keine gesellschaft- 
lichen Rücksichten, weder Autoritätsglaube noch Rutine 
hemmten die menschliche Thatkraft. Jede Arbeit ohne 
Unterschied war lohnend und ehrenvoll. Allen schwebte die 
durch zahlreiche Beispiele bewiesene Möglichkeit vor, schnell 



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Vermögen zu erwerben, die Bahn war völlig frei und Jedem 
orten. So entstand ein allgemeines rücksichtsloses Wettlaufen 
nach den grossen Preisen, die dem zu Theil wurden, der 
das Ziel erreichte. Das Billigste im Lande war das Gold, 
das Theuerste die menschliche Muskelkraft ; man sann daher 
fortwährend darauf, sie durch Arbeitstheilung und Kooperation 
auf das Ausgiebigste zu verwerthen, durch die vollkommensten 
Werkzeuge und zweckmässigsten Methoden zu unterstützen, 
oder durch mechanische Mittel zu ersetzen. Die Maschine 
wurde zu Leistungen gezwungen, die man ihr zuzumuthen 
in Europa nicht leicht auf den Einfall kommen würde. Ein- 
fache Arbeiter verbanden sich zu grossen Unternehmungen 
und führten sie durch, obgleich sie mitunter das benöthigte 
Kapital mit 3 pCt. monatlich verzinsen mussten. Auf solche 
Weise wurde die Produktion schnell gesteigert, und die' Her- 
stellungskosten verringerten sich so bedeutend, dass Gegen- ' 
stände, die sonst nur Wenigen erreichbar gewesen wären, 
der grossen Masse zugänglich wurden. Dieses Arbeiten, 
nicht für den Einzelnen, sondern für die Massen, ist ein 
eigenthümlicher Zug der amerikanischen Industrie, wesent- 
lich mitbedingt durch die allgemeine Gleichheit. Jeder Ein- 
zelne ist gewohnt, sich nur als einen Theil der grossen 
Masse zu fühlen, keine persönlichen Vorrechte zu bean- 
spruchen. Daraus entwickelt sich ein System, das man kurz 
als Omnibus-System bezeichnen könnte. In den Riesen- 
hotels, in den Verkehrsanstalten, in allen amerikanischen 
Einrichtungen mehr oder weniger erkennbar, tritt es am deut- 
lichsten und oft sehr grell in den neuesten Niederlassungen 
auf, wo dienende Klassen gar nicht vorhanden sind. 

Vielleicht die Mehrzahl der zu Wohlstand gelangten 
Einwanderer hatte in ihrem alten Vaterlande in drückenden 
Verhältnissen gelebt, ohne Aussicht ihre Lage erheblich ver- 



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bessern zu können. Die neue Heimat bietet ihnen in Fülle, 
was sie bisher so schmerzlich entbehrten; daher die grosse 
Liebe zu derselben, das feste Vertrauen in ihre Zukunft 
und die Bereitwilligkeit, erworbenes Kapital in grossen, ge- 
meinnützigen, die Hülfsquellen des Landes erschliessenden 
Unternehmungen zu verwerthen; daher die grossartige Ent- 
wickelang der Verkehrsmittel zu Wasser und zu Lande. 

Dieselben Eigenschaften, welche den Amerikaner zu einem 
so erfolgreichen Kolonisator machen, Intelligenz, Unterneh- 
mungsgeist, Freiheit von althergebrachten Gewohnheiten und 
Vorurtheilen , sind es auch, welche die Ueberlegenheit des 
amerikanischen Gewerbes in manchen Richtungen bedingen*). 

* * 

________ * 

*) In einem ungemein beachtenswerten Vortrage über den re- 
lativen Werth englischer und ausländischer Arheit, gehalten in 
London am 21. Jan. dieses Jahres zeigt Herr B ras sey II. P., dass es 
den Amerikanern gelungen ist, die Engländer in ihren eigenen 
Kolonien zu schlagen. Die Lokomotivenhauer von Pennsylvanien 
haben nicht nur alle südamerikanischen Bahnen mit Maschinen ver- 
sorgt, sondern sogar Australien. Eher hätte man es von den Deutschen 
oder Belgiern erwarten sollen, die über verhältnissmässig hillige 
Arbeit verfügen; umgekehrt: — das Land, in welchem die Löhne bis 
vor Kurzem eine in der alten Welt unerhörte Höhe erreichten, hat die 
Engländer verdrängt. Das mechanische Geschick des intelligenten, un- 
ternehmenden Amerikaners, der seinen Scharfsinn auf das Aeusserste 
anstrengt, um Arbeit sparende Maschinen zur höchsten Vollkommen- 
heit zu bringen, der Fleiss und die Tüchtigkeit des Arbeiters, der 
für den höheren Lohn auch länger nnd rüstiger arbeitet, als mancher 
englische, haben gesiegt. Andererseits zieht Herr Brassey den 
Schluss, dass seine Landsleute uns an Leistungsfähigkeit übertreffen. 
Als Beispiel führt er eine Baumwollenspinnerei in Lancashire und 
eine in Sachsen an. Jene zahlt jährlich an Löhnen zur Bedienung 
von 64,000 Spindeln: £ 8,800, diese £ 12,000. Sind diese Angaben 
richtig, so übertrifft die Leistung des englischen Arbeiters die des 
deutschen um mehr als ein Drittel. 



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Wandern wir in einer indischen Stadt durch den Bazar, 
so sehen wir zu beiden Seiten der Strasse in engen, arm- 
seligen, offenen Werkstätten die verschiedenen Handwerker, 
am Boden hockend, in stiller, emsiger, geduldiger Arbeit be- 
griffen. Bei manchen Gewerben helfen auch Frauen und 
junge Kinder. Jeder regt nicht nur die fleissigen Hände, 
sondern häufig auch die Fttsse, die früh gelernt haben das 
Werk der Hände zu unterstützen. Gänzlich unvorbereitetes 
Rohmaterial verwandelt sich unter unseren Augen durch 
die unvollkommensten Werkzeuge nach uralten Methoden, 
denen alle wissenschaftlichen Verbesserungen der Neuzeit 
fremd geblieben sind, nur durch vollendete Geschicklichkeit 
der Hände in die zierlichsten Gerätschaften. Nicht weniger 
als die Meisterschaft, mit welcher der indische Handwerker 
seinen Stoff beherrscht, setzt uns der Preis in Erstaunen, 
den er für seine Leistung beansprucht. 

Gern möchten wir eine grössere Anzahl jener hübschen, 
überraschend billigen Gegenstände kaufen, es sind aber keine 
Vorräthe vorhanden; selbst das gerade in Arbeit befindliche 
Stück wird wahrscheinlich auf Bestellung gemacht. 

Es ist nicht meine Absicht, hier auf eine Beschreibung 
einzelner Handwerke einzugehn, zur Erhärtung des eben 
Gesagten wird es genügen, ein paar Beispiele anzuführen. 
In der indischen Abtheilung des Berliner ethnographischen 
Museums ist eine Anzahl schöner, silberner Geschmeide 
ausgestellt; nicht eines derselben kostet mehr als 25 pCt. 
Arbeitslohn. In dem Delhi - Schranke z. B. befindet sich 
ein Stirnband, ein wirkliches Kunstwerk, aus etwa achthun- 
dert einzelnen Stücken bestehend, es hat ein Gewicht von 
12 Markstücken und kostet 15 Mark. Der Künstler hat also 
für seine Arbeit einen Thaler erhalten. 

Unter den ausgestellten Drechslerarbeiten ist eine Reihe 



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zierlicher Büchsen, jede mit Falz und Deckel, die grösseren 
schön lackirt, die kleineren gefärbt. 19 solcher Büchsen, 
ineinander geschachtelt, stecken in einer zwanzigsten, die 
etwa 4 cm. Höhe und 3 cm. im Durchmesser haben mag. 
Die kleinste aber ist bedeutend kleiner als ein Stecknadel- 
knopf. Diese Büchsen habe ich aus rohen, nicht einmal von 
der Rinde befreiten Baumästen anfertigen sehen. Jede einzelne 
der lackirten Büchsen verlangt 23 verschiedene Manipula- 
tionen, die nicht fabrikmässig, sondern hinter einander an 
ihr vorgenommen werden. Der ganze Satz von 20 Büchsen 
kostet etwas weniger als 40 Pfennige. 

Was aber das indische Handwerk in kunstgewerblicher 
Beziehung zu leisten vermag, wird Keinem entgangen sein, 
der Gelegenheit gehabt hat, auf den Weltausstellungen die 
Pracht -Stoffe, -Geräthe und -Geschmeide zu betrachten, die 
für indische Fürsten und Grosse auf Bestellung, oder von 
Künstlern in ihrem Solde angefertigt wurden. Denn von 
jeher sind viele der geschicktesten Künstler nur in dieser 
Weise beschäftigt worden; sie durften für keinen andern 
arbeiten; ihre technischen Manipulationen gingen als Fami- 
liengeheimnisse vom Vater auf den Sohn Uber, so dass 
manche derselben sich wie dünne Fäden durch Jahrhunderte 
ziehen, ohne dem Publikum zu Gute zu kommen. Mehr 
als eine interessante Technik ist auf diese Weise gänzlich 
verloren gegangen. 

Man kann wohl sagen, dass sich uns Europäern das 
indische Kunsthandwerk zum ersten Male in würdiger Weise 
auf der Londoner Weltausstellung 1851 offenbarte, und ich 
möchte Ihnen einige darauf bezügliche Stellen aus dem amt- 
lichen Berichte des Herrn Redgrave, einer der ersten Auto- 
ritäten Englands, (abgekürzt) mittheilen. 

„Von der Betrachtung der englischen Gold- und Silber- 



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Arbeiten empfängt man den Eindruck, als habe der Fabri- 
kant sich bemüht, die grösstmögliche Menge Metall mit der 
geringstmöglichen Menge Kunst zu liefern. Einen bemer- 
kenswerthen Gegensatz hiermit bilden die aus Indien ge- 
sandten Gold- und Silber - Geschmeide ; die sich durch voll- 
endete Technik auszeichnen. Mit meisterhaftem Verständniss 
für die Behandlung der Oberfläche sehen wir bei ihnen das 
Emailliren, Tauschiren, Durchbrechen, Inkrustiren zur Anwen- 
dung gebracht, und zwar so, dass auf die geringstmögliche 
Menge Metall die grösstmögliche Menge vollendet geschickter 
Handarbeit kommt . . . Auch bei ihren weniger feinen Arbeiten, 
z. B. den mit Silber inkrustirten Gefassen aus Zinklegirung, 
gewahren wir immer eine ansprechende Rücksichtnahme auf 
die Schönheit der Form im Ganzen und eine eben so man- 
nigfaltige als reizende Anordnung der ornamentalen Einzel- 
heiten . . . Besonders müssen wir die geschmackvolle Verkei- 
lung der Verzierung, das Geführ flir das richtige Maass her- 
vorheben. Selten enthält eine Borte zu viel oder zu wenig 
Ornament, selten ist ein geblümtes Muster zu voll oder zu leer, 
zu gross oder zu winzig. Und diese treffliche Kunst finden 
wir nicht nur bei kostbaren Gegenständen angewendet, die- 
selben richtigen Grundsätze kommen bei den allerbilligsten 
zum Ausdruck. Bei uns zwingt der schnelle Wechsel der 
Moden den Fabrikanten, immer etwas Neues, noch nicht 
Dagewesenes zu bringen; kein Wunder, wenn die Neuheiten 
häufig Ungeheuerlichkeiten sind. In Indien sucht man nicht 
fortwährend Neues zu erfinden, sondern das Vorhandene zu 
vervollkommnen, zu verschönern . . . Dieselben Regeln, nach 
welchen vor Jahrhunderten gearbeitet wurde, haben sich auf 
den Arbeiter der Gegenwart vererbt und befähigen ihn, wie 
seine Urahnen, die künstlerische Wirkung zu erzielen, die 
sich in den schönen, farbenprächtigen Stoffen und andern 



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kunstgewerblichen Leistungen zeigt." In ähnlicher Weise 
urteilen die Berichterstatter anderer Länder bei Gelegenheit 
späterer Ausstellungen. 

Trotz dieser trefflichen Eigenschaften ist es den indischen 
Gewerbserzeugnissen nicht gelungen, sich in Europa Eingang 
zu verschaffen; ihre Einfuhr hat sogar bedeutend abgenommen. 
Noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts standen die indi- 
schen Baumwollenwebereien und -Färbereien in voller Blüthe, 
ihre Erzeugnisse wurden in solcher Menge nach England ge- 
sandt und mit Recht allen andern vorgezogen, dass die einhei- 
mische Wollen-Industrie dadurch erheblich geschädigt wurde. 
Heut empfängt Indien aus England seine bedruckten Kattune, 
welche zwar viel schlechter, aber auch viel billiger sind, als 
die einheimischen, die von Menschenhand gesponnen, gewebt 
und mit Mustern verziert werden. Wie wenig die indische 
Baumwollen -Industrie sich jetzt mit der englischen, messen 
kann, zeigt deutlich der Umstand, dass Indien seit dem ame- 
rikanischen Kriege einen erheblichen Theil seiner rohen Baum- 
wolle nach Manchester sendet, um sie zum Theil wenigstens 
in Form von Stoffen von dort zurückzuerhalten. Es hat 
sich auch hier wiederum gezeigt, dass die rastlos fleissige 
Hand, mit unvollkommenen Werkzeugen, nach alten Methoden 
arbeitend, selbst bei noch so geringen Lohnansprüchen den 
Wettkampf nicht bestehen kann gegen Maschinenfabrikate, 
die das Ergebniss der Assoziation von Kapital und Wissen- 
schaft sind. 

Wie geht es aber zu, dass Indien, welches bereits eine 
hohe Kulturstufe erreicht hatte und eine glänzende Industrie 
besass zu einer Zeit, als der grösste Theil Europas noch in 
Barbarei versunken war, in Bezug auf Wissenschaft, Kapital 
und Unternehmungsgeist so sehr zurückgeblieben ist? 

Versuchen wir uns die Ursache klar zu machen, so 



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werden wir kaum umhin können, sie gesellschaftlichen Ein- 
richtungen beizumessen, die den geraden Gegensatz zu den- 
jenigen bilden, welchen wir das schnelle Aufblühen der ame- 
rikanischen Gewerbe zugeschrieben haben. 

Indien, im Osten, Süden und Westen vom Meer, im Norden 
vom höchsten Gebirgswalle der Welt begrenzt, bildet ein in 
sich abgeschlossenes Gebiet und wird nach der letzten Zäh- 
lung von mehr als 240 Millionen Menschen bewohnt, die wir 
Indier nennen, obgleich ihnen selbst ein solcher, die Gesammt- 
heit der Bevölkerung umfassender Name fehlt. Wenn Sie aber 
mit diesem Worte den Gedanken einer gemeinsamen Natio- 
nalität verbinden und annehmen wollten, es gäbe ein ge- 
schlossenes indisches Volk in dem Sinne des französischen, 
oder auch nur des deutschen, so würden Sie im Irrthum 
sein. Die Bevölkerung setzt sich zusammen aus unzähligen 
Gruppen verschiedener Volksstämme, Volksklassen, Reli- 
gionen, Sekten, Clans, Brüderschaften, Gilden und Zünfte. 
Der Begriff einer gemeinsamen Heimat, das daraus ent- 
springende Gefühl der Vaterlandsliebe, der Gemeinsinn ist 
dem Bewohner Indiens fremd, daher das Land von jeher 
ausländischen Eroberern so leicht zur Beute fiel. Das einzige 
Band, welches diese ungleichartigen Elemente in Gruppen 
zusammenhält, jede einzelne Gruppe aber auch wieder schroff 
von den andern sondert, ist die Kaste. Es giebt Tausende 
und aber Tausende sogenannter Kasten ; Niemand kennt ihre 
Zahl, Niemand kann sie kennen, da der Begriff ein sehr 
dehnbarer ist und überdies fortwährend Kasten neu ent- 
stehen und vergehen. Die angeblich ursprüngliche Eintei- 
lung der Hindus in vier Kasten hat heute nur noch Werth in- 
sofern, als sie zum Unterbringen der unzähligen Volkssplitter 
in vier grosse Haufen dient. Jeder Indier, einige wilde 
Stämme und religiöse Sekten ausgenommen, wird als Glied 



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einer Kaste geboren, der seine Vorfahren vielleicht schon seit 
Jahrhunderten angehört haben. Jeder Akt seines täglichen 
Lebens ist durch strenge Vorschriften geregelt, er darf keine 
Speise berühren, die von Leuten niedrerer Kaste, als die seine, 
bereitet worden ist, daher denn auch die uns sonderbar 
scheinende Sitte, dass bei öffentlichen Festen sehr vornehme 
Kasten als Köche fungiren. Von seltenen Ausnahmen abge- 
sehen, darf der Indier nur in seiner eigenen Kaste heiraten. 
Jede Uebertretung der Kastenvorschriften zieht empfindliche 
Strafen nach sich. Ebenso strenge sind den Handwerker- 
kasten die Grenzen ihrer Thätigkeit gezogen. Mit dem- 
selben Misstrauen, derselben Geringschätzung, die einer Kaste 
von den höheren zu Theil wird, behandelt sie die unter ihr 
stehenden Kasten. Zwischen solchen aber, die auf ziemlich 
gleicher Stufe stehen, führt das Ringen um den Vorrang 
nicht selten zu bitterer Feindschaft, zuweilen auch zu blu- 
tiger Fehde. 

Von unseren europäischen Einrichtungen möchten die 
katholischen Mönchsorden wohl am meisten geeignet sein, 
den Begriff der indischen Kasten zu versinnlichen. Auch sie 
halten ihre Mitglieder durch ein eisernes Band zusammen und 
sondern sie von den andern Bürgern ab, alle ihre Handlungen 
sind durch einen Kanon geregelt, auch ihnen gelten die In- 
teressen ihres Ordens weit mehr als die des Vaterlandes. 
Die Tyrannei der indischen Kaste ist aber in vielen Fällen 
noch härter, als die der Mönchsorden. Zum Beweise will 
ich Ihnen zwei Beispiele anftihren. 

Tulsidas, ein Kaufmann in Bombay, der Hunderttausende 
besitzt, gehört zur Vaisya- Kaste, liebt aber eine Frau aus 
der Sudra- Kaste, zu welcher der grösste Theil der Hand- 
werker gehört. Er bekommt einen Sohn von ihr, lässt ihn 
vortrefflich erziehen und giebt ihm einen grossen Theil seines 



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Vermögens. Eine Heirat mit der Mutter macht die Kasten- 
Verschiedenheit unmöglich. Er möchte aber wenigstens den 
Sohn legitimiren, ihn in die Nayer- Kaste, die zwischen der 
mütterlichen und der väterlichen steht, aufnehmen lassen 
und wendet zur Erreichung seines Zweckes alle Mittel an, 
die sein grosses Vermögen und sein. Einfluss ihm gestatten. 
Umsonst — der bisher angesehene Mann wird aus der Kaste 
gestossen; — selbst Glieder niedriger Kasten verschmähen 
es jetzt ihn zu berühren, mit ihm zu essen, Umgang mit 
ihm zu haben. 

Herr Metz, ein Baseler Missionar, der 30 Jahre unter 
den Eingeborenen der Nilgiri- Berge in Süd -Indien thätig 
war, erzählt von den Badagas, einer Ackerbau treibenden 
Klasse, die, obwohl nur einige tausend Köpfe stark, in 
14 Kasten zerspalten ist. Ein zur Chittre- Kaste gehörender 
Badaga gerieth mit Kotas in Streit (die Kotas sind 
eine Handwerker -Kaste, die Fleisch, sogar von gefallenen 
Thieren essen und daher für sehr unrein gelten); einer der 
Kotas berührte dabei das Sektenabzeichen, welches die 
höheren B ad aga- Kasten an einer Schnur am Halse tragen, 
der Bad aga fühlte sich durch diese Berührung so verun- 
reinigt, dass er sich sofort das Leben nahm. Diese furcht- 
bare Busse für ein wahrscheinlich unverschuldetes Vergehen 
genügte aber nach Ansicht seiner Kastengenossen nicht, um 
ihn wieder zu reinigen; denn bis heute sind seine Nach- 
kommen nicht wieder in die Kaste aufgenommen und können 
nur Badagas niederer Kasten heiraten. 

Ein tiefer Abgrund trennt seit Jahrtausenden die herr- 
schenden höheren Kasten von den unteren. Alle niedrige 
harte Arbeit wurde von jeher diesen aufgebürdet, sie wurden 
in Armuth und tiefer Unterwürfigkeit gehalten. Nicht nur 
Berührung, selbst Annäherung über eine gewisse Entfernung 



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veranlasst Verunreinigung, die im besten Falle nur durch 
religiöse Bussen und Waschungen getilgt werden kann. Jedes 
Emporkommen über die angeborene Kaste ist dem Indier 
unmöglich gemacht. Was würde es ihm nützen eifrig nach 
Verbesserung seiner gesellschaftlichen Stellung zu streben, da 
die Kaste seinem Ehrgeize die engsten Schranken zieht? An- 
nähernd ähnliche Zustände herrschten in den nordamerikani- 
schen Sklavenstaaten zwischen Weissen und Negern. Während 
aber die hochmüthigen Pflanzer der Süd -Staaten schwung- 
haften Handel und Ackerbau trieben und Kapital schufen, 
ist in Indien den oberen Kasten, die nach dem Urteil der 
erfahrensten englischen Beamten, dem Europäer an geistiger 
Befähigung in vieler Hinsicht vollkommen ebenbürtig sind, 
jedes bürgerliche und ländliche Gewerbe als entehrend ver- 
boten, daher mussten sie verarmen, statt vorwärts zu kommen*). 

Sie vergeudeten ihre geistigen Fähigkeiten in mltssigen 
theologischen Spekulationen, und so ging dem Lande das 
wirksamste Mittel des Fortschritts, die wissenschaftliche 
Forschung verloren, zu deren Trägern die höheren Klassen 
durch ihren Geist, ihre Bildung und ihre Müsse berufen 
waren. 

Das ist aber nicht Alles. An dem Marke des armen 
Volkes nagen Scharen von Schmarotzern der schlimmsten 
Art: die arbeitsscheue, hochmüthige, gewissenlose Umgebung 
zahlreicher kleiner regierender, oder depossedirter Fürsten, 
bestechliche Unterbeamte, vor allem aber ein zahlreiches 
Heer von Priestern, die das Volk, wie bei uns zu den 
schlimmsten Zeiten des Mittelalters, in abergläubischer Furcht 
erhalten und ausbeuten, und als eine Folge davon, eine 

*) Für besondere Fälle der Noth sind zwar gewisse Gewerbe 
ohne Kasten -Verlust gestattet, sie behaften aber den Betroffenen 
mit einem Makel, den die Kastengenossen ihn sehr empfinden lassen. 



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Menge frommer Müssiggänger, welche das Land bettelnd 
durchziehen, sich zuweilen Selbstmartern von erfinderischer 
Grausamkeit auferlegen und vom Volke als Heilige geehrt 
und gefüttert werden. 

In den angeführten Missständen ist indessen, Dank dem 
Bemühen der englischen Regierung, namentlich seit den letzten 
20 Jahren, eine Besserung unverkennbar, herbeigeführt be- 
sonders durch zwei Mittel: den Volksunterricht und die An- 
lage von Strassen und Eisenbahnen, jener zwar langsam 
aber stetig wirkend, das Uebel an der Wurzel packend, diese 
von Überraschend schnellem Erfolge. Zwei Ursachen aber 
der allgemeinen Armuth, das schnelle Wachsen der Bevölke- 
rung und das Unwesen der Wucherer nehmen nicht ab, sie 
nehmen zu unter der britischen Herrschaft, die dem Volke zum 
ersten Male Schutz und Sicherheit der Person und des Eigen- 
thums gegen innere und äussere Feinde gewährt, und dem 
Gesetze in allen Volksklassen gleiche Geltung verschafft. 

Jeder Indier heiratet und heiratet ausserordentlich früh. 
Die Religion gebietet ihm Söhne zu zeugen. Seine Ansprüche 
an das Leben sind ausserordentlich gering; Sorgen Uber die 
Möglichkeit, eine Familie zu ernähren, ihr eine bessere Le- 
bensstellung zu schaffen, kennt er nicht. Die früher in man- 
chen Kasten sehr allgemeinen Mädchenmorde*) haben durch 

*) Wie sehr verbreitet dies Verbrechen in manchen Kasten, be- 
sonders bei den Rajputen, war, zeigen folgende Notizen: . . Vor der 
englischen Herrschaft wurden Tausende unglücklicher Kinder den 
Flussgöttern als Opfer zugeworfen (Raikes, Notes on the N. W. 
Prov. 5).. Jahrhunderte hindurch haben vornehme Rajput- Familien 
alle ihre Töchter umgebracht . . Bei einigen Stämmen wurden die 
Mädchen sogleich nach der Geburt in Milch ersäuft oder durch Opium 
vergiftet, das die Mutter auf ihre Brustwarzen strich oder an den 
Gaumen des Kindes klebte (1. c. 12) . . 1856 fand der Spezial-Kom- 
missar Moore in 26 Dörfern nicht ein Mädchen unter 6 Jahren, in 

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die Maasregeln der englischen Regierung sehr abgenommen, 
ebenso die Seuchen. Die inneren Kriege und Raubzüge, 
welche ehedem ganze Provinzen verheerten, haben gänzlich 
aufgehört — daher die schnelle Zunahme der Menschen, und 
da die Produktivität des Bodens nicht in gleichem Maasse 
steigt, die zunehmende Armuth der ländlichen Bevölkerung. 
Freilich könnte der Ertrag des Bodens durch verbesserte 
Kulturmethoden sehr gesteigert werden; ihrer Einfuhrung 
widersetzen sich aber die bestehenden Verhältnisse des Grund- 
besitzes. Der grösste Theil des urbar gemachten Landes 
gilt, nach der Weise des Orients, als Eigenthum der Regie- 
rung, der Bauer (Ryot) ist nur Pächter und zahlt an die 
Regierung unmittelbar oder durch Mittelspersonen eine Land- 
rente nach einem Uebereinkommen (Settlement), das höch- 
stens auf dreissig Jahre abgeschlossen wird. Ist die Frist 
abgelaufen, so tritt eine neue Schätzung des Bodenwerthes 
ein. Es ist klar, dass der Bauer nicht geneigt sein wird, 
Kapital und Arbeit auf bleibende Anlagen zur Verbesserung 
des Bodens zu verwenden, der nicht sein eigen ist, sondern 



einer andern Gruppe von 38 Dörfern gar kein Mädchen . . „in einem 
Theile von Benares findet man nicht nur keine Mädchen in den Hän- 
sern, es hat deren auch nie gegeben; die Heirat einer Tochter hat 
seit mehr als 200 Jahren nicht stattgefunden." (Strachey, Bill . . . 
infanticide 1870). Spez. Kommissar Unwin fand in 30 Dörfern 
37 Töchter, 329 Knaben gleichen Alters, in 11 Dörfern nicht ein 
Mädchen (ibid.). Lutfallah fand in Kasch (Cutch) zwölftausend Ja- 
rejas, von denen nur 37 weiblichen Geschlechtes waren (Autobiogr. of 
Lutfullah , Tauchnitz ed. 140). Nach den Blaubüchern India Progr. 
& Cond, war das Verhältniss der Weiber zu den Männern in dieser 
Kaste 1840 auf 335 zu 4912; 1873 auf 4272 zu 8371; 1875 auf 
91,39 pCt. gestiegen und finden die Todesfälle der weiblichen Kinder 
gegenwärtig nur noch durch Vernachlässigung nach der Geburt, 
nicht durch Mord statt. 



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periodisch einer neuen Taxe unterliegt. Auch der Umstand, 
dass in einem grossen Theile Indiens das Land noch ge- 
meinschaftliches Eigenthum der Dorfschaften ist, unterstutzt 
die Sorglosigkeit des Bauern, hemmt den Unternehmungsgeist 
des Einzelnen und hindert den Fortschritt des Landbaues. 
Was der Bauer durch den Fleiss seiner Hände der Erde 
mühsam abringt, genügt eben, ihn zu ernähren. Reis ist nicht, 
wie man in Europa glaubt, die Hauptnahrung des Volkes, 
er gedeiht nur an begünstigten Lokalitäten und ist für Viele 
ein seltner Leckerbissen. Die Mehrzahl in Süd- und Zentral- 
Indien muss sich mit schlechterer Kost begnügen. Jeder ar- 
beitet, um das nackte Leben zu fristen, es wird kein Ka- 
pital erübrigt. Die geringste Störung der Verhältnisse treibt 
den Bauer den Wuchererkasten in das Netz, die ihm Geld 
zu 36 pCt. Zinsen borgen. Der Wucherer trachtet die Schuld 
fortlaufen zu lassen, bis sie durch Anhäufung der Zinsen 
solche Höhe erreicht, dass der Schuldner unfähig ist, sie 
abzutragen. Des letzteren Unbedachtsamkeit, sein Mangel an 
Willenskraft kommen jenem dabei zu Statten und ebenso 
das Gesetz, innerhalb dessen Wortlaut er sich verschanzt. 
Auf solche Weise sind in neuerer Zeit die Landbaucr ganzer 
Distrikte in völlige Abhängigkeit gerathen, thatsächlich zu 
Schuldsklaven der Wucherer -Kasten geworden. 

Der letzte Jahresbericht des indischen Amtes enthält 
eine Darstellung dieser Verhältnisse, die zugleich einen Ein- 
blick in die Eigenthümlichkeit des indischen Charakters 
giebt. Sie lautet abgekürzt: 

. . „Die Landbauer ziehen es entschieden vor, sich an 
die Saukars (Wucherer) zu wenden, statt Geld von der 
Regierung anzunehmen. Letztere gewährt ihnen bei ge- 
nügender Sicherheit Vorschüsse zu 6% pCt. Zinsen in einer 
Reihe von Jahren rückzahlbar. Diese Liberalität wird aber 

2* 



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nur selten benutzt; — ja, als nach der Ueberschwemmung 
von Ahmed ab ad die Regierung 20,000 Mark zu zinsfreien 
Vorschüssen an arme Landbauer bewilligte, machte nicht 
Einer von dem Anerbieten Gebrauch, denn als die Geldleiber 
die Gefahr erkannten, dass ihre Kunden ihnen entschlüpfen 
mochten, gestanden sie ihnen Bedingungen zu, die sie vorher 
verweigert hatten. Wenige Landbauer sind aber in der Lage, 
ihren Geldleihern trotzen zu können. . (East India Progr. 
& Cond. 1877.) 

So gering auch das jährlich erübrigte Kapital im Ver- 
hältniss zu der zahlreichen, fleissigen, sparsamen Bevölkerung, 
so beträgt es doch immerhin, für sich genommen, eine be- 
deutende Summe. Die Ausfuhr Indiens beläuft sich im 
Durchschnitt auf etwa doppelt soviel, als die Einfuhr, der 
Unterschied wird durch Gold und Silber ausgeglichen. In 
den 20 Jahren von 1858 bis 1877 flibrte Indien £ 267,582,677 
baar ein und nur £ 28,804,567 aus, £ 238,778,110 blieben 
also im Lande. Aber nur ein geringer Theil davon kommt 
dem Verkehr zu Gute. Eine grosse Menge wird zu Ge- 
schmeiden verwendet, der Rest zum Theil vergraben oder 
sonst verborgen, statt zu produktiven Anlagen verwendet zu 
werden. Diese Sitte hat sich noch aus der Zeit vor der 
englischen Herrschaft erhalten, wo kein Mensch seines Eigen- 
thums sicher war, und es muss im Laufe der Zeit eine ganz 
enorme Menge Kapital in dieser Weise ohne jeden Nutzen 
dem Verkehr entzogen, praktisch vernichtet worden sein*). 

Durch die geschilderten sozialen und religiösen Verhält- 

*) „Vor einiger Zeit wurden die alten Rupies eingefordert. 
400 bis 500 Mülionen waren ausgeprägt worden. Die ganze Summe 
der eingelieferten überstieg nicht 60 Millionen. Der Rest war ent- 
weder vergraben oder zu Geschmeiden und Geräthen verbraucht 
worden/ W. Russell, My Diary, 1858. 



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21 



nisse wird der schon durch das Klima bedingte, angeborene 
Mangel an Energie unendlich verschärft und aller Unterneh- 
mungsgeist erstickt. So finden wir denn in Indien, im Gegen- 
satz zu Amerika, grosse Armutb, tiefe Unterwürfigkeit, blinde 
Ergebung in das Schicksal, allgemeine Apathie. 

Am grellsten kommen diese Eigenschaften des Volks- 
charakters bei den furchtbaren Hungersnöthen zum Vorschein. 
Die Menschen leben so lange die Ernten ergiebig sind, und 
sterben heerdenweise bei Misswachs. 

Im Jahre 1770, als die Engländer eben begonnen hatten, 
den Grund zu ihrer Herrschaft in Indien zu legen, brach in 
Nieder-Bengalen eine Hungersnoth aus, die vom Januar bis 
zum Juni 37 % pCt. der Gesammtbevölkerung dieser Pro- 
vinz wegraffte. Auf nicht weniger als 10 Millionen schätzen 
amtliche Berichte den Verlust an Menschenleben, und ob- 
gleich nun eine Reihe von Jahren grosser Fülle folgte, nahm, 
die Volksmenge dennoch stetig ab, denn da bei Hungers- 
nöthen die Kinder zuerst erliegen, so war, als alimälig die 
Erwachsenen starben, kein Nachwuchs vorhanden, um die 
Lücken zu ftillen, und 20 Jahre später musste der General- 
Guvernör nach sorgfältiger Prüfung berichten, dass ein 
Drittel der Ländereien der Kompanie sich in Wildnisse 
voll reissender Thiere verwandelt hätte. Zwei der Haupt- 
ursachen dieser grauenvollen Ereignisse, Wassermangel, wenn 
die Regenmenge für den Landbau nicht ausreicht, und Strassen- 
mangel, der das Zuführen von Korn in die von Missernten 
betroffenen Gebiete verhindert, sind die Engländer nach 
Kräften zu beseitigen bemüht. Riesengrosse Arbeiten haben 
sie in den letzten zwanzig Jahren ausgeführt, ungeheure 
Summen verausgabt. Wie machtlos aber der Mensch im 
Kampf gegen die Elemente ist, zeigen deutlich die furchtbaren 
Verheerungen, welche auch heut noch das Ausbleiben der ge- 



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wohnten Regen anrichtet. Nach den jüngsten Volkszählungen 
haben in dem Hungerjahre 1877 folgende von der eben er- 
löschenden Hungersnoth betroffene Distrikte Süd-Indiens an 
Bevölkerung verloren: Salem 27 pCt, Bellary 21 pCt., 
Kurnool 27 pCt, Cuddapah 26 pCt., Nellore 21 pCt., Coim- 
batore 17 pCt., Chingleput 10 pCt. In Salem z.B. ergab 
die Zählung vom 14. März 1878 : 1,559,876 gegen 2,129,850 
Ende 1876, also einen Verlust von 569,956 Seelen in Einem 
Jahre in Einem Distrikte. Die Hungersnoth ist aber dort 
noch nicht vorüber und wird es auch in einigen Monaten noch 
nicht sein. In allen von der Plage freigebliebenen Distrikten 
war die Volksmenge normal gestiegen. „Wir haben", be- 
merkt der Times -Korrespondent (Madras, 20. April 1878), 
dem diese Zahlen entnommen sind, „wahrscheinlich nicht 
weniger als drei Millionen Menschen von der durch die 
.Hungersnoth starkbetroffenen Bevölkerung von zwanzig Mil- 
lionen verloren; rechnen wir aber die Sterblichkeit in Mysore 
und Bombay hinzu, so wird der Gesammtverlust an Menschen- 
leben in Süd- Indien wohl nicht viel unter sechs Millionen 
betragen." Nach einem Telegramm aus Calcutta (Times, 
3. Juni) ist in Süd-Dekan mehr als ein Drittel der Gesammt- 
bevölkerung in Einem Jahre, bis Juli 1877, gestorben! 

Die Zustände, die sich in Indien bis heut erhalten haben, 
sind von denen des modernen Europas so durchaus ver- 
schieden, gehören einer so weit hinter uns liegenden Ent- 
wickelungsstufe an, dass es für einen Europäer schwer ist, 
sich eine klare Vorstellung davon zu bilden. Aber , selbst 
die kurzen hier gegebenen Andeutungen werden Ihnen deut- 
lich gemacht haben, dass solche Verhältnisse jede fortechritt- 
liche Entwickelung hemmen mussten. Ihr Bestehen bis auf 
den heutigen Tag war nur bei der bisherigen Abgeschlossen- 
heit des Landes möglich. Mit dem Aufhören derselben be- 



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23 



ginnt fiir jene Völker ein neues Zeitalter. Durch die englische 
Verwaltung, durch den regen Verkehr mit Europa, dringt ein 
neuer Geist, der europäische Geist des Fortschrittes, in die 
seit Jahrtausenden erstarrten Formen und bringt Verände- 
rungen hervor, die vielleicht, wenn sie lange genug fort- 
wirken, das ganze Wesen jener Völker umgestalten werden. 
Nicht Indien allein, ganz Asien kommt mehr und mehr unter 
europäischen Einfluss. Wie weit es Europa gelingen wird, 
Asien zu europäisiren und welche Rückwirkung dies auf 
Europa haben wird, ist heute wohl noch nicht vorauszusehen. 
Auf unsere gewerblichen und wirth schaftlichen Zustände aber 
ist eine solche Rückwirkung jetzt schon erkennbar. 

Erst seit wenigen Jahrzehnten haben sich uns die Länder 
des fernen Ostens mit ihren alten Zivilisationen und ihren 
zahllosen arbeitsamen Bevölkerungen erschlossen*) und erst 
durch den Suez -Kanal und den Telegraphen sind sie in nahe 
Beziehung zu uns getreten. Diese beiden Verkehrsmittel, 
der Telegraph und der Suez -Kanal, haben dem indischen 
Handel bereits in den wenigen Jahren ihres Bestehens eine 
andere Gestalt gegeben. Alle grossen Geschäfte zwischen 
Indien und Europa werden heut durch den Telegraphen 
vermittelt, der oft mehrere Male in einem Tage die Nach- 
frage des Konsumenten und das Angebot des Produzenten 
austauscht. Während früher die Güter den langen Weg um 
das Kap nach London nahmen, um von dort aus, erheblich 
vertheucrt durch Lagergeld, Makler- und Umladegebühren, 
Frachten und andere Spesen, an die Abnehmer des Kon- 
tinents zu gelangen, bestellt jetzt der Konsument des Fest- 
landes seine Waaren direkt in Indien durch den Telegraphen ; 

*) Erst 1834 wurden die sehr strengen Verordnungen aufgehoben, 
die das Reisen der Europäer in Indien verboten; 1843 trat die so- 
genannte Ueberlandpost ins Leben. 



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24 



wenige Wochen später bringen sie ihm Dampf boot und 
Eisenbahn vor die Thür seines Speichers. 

Welchen Einflnss der Suez-Kanal schon jetzt übt, können 
Sie daraus ersehen, dass bereits drei Jahre nach seiner Er- 
öffnung, im Geschäftsjahre 1872/73 : 60 pCt. des indischen 
Handels mit England und Amerika diesen Weg genommen 
haben. Noch im Anfange dieses Jahrhunderts dauerte eine 
Reise oder Briefsendung nach Indien selten weniger als sechs 
Monate, zuweilen Über ein Jahr, gegenwärtig nicht viel mehr 
als zwei Wochen. Indien ist uns also um das zwölffache 
näher gebracht worden*). 

Zunächst macht sich der Einfluss dieser neuen Handels- 
strasse bei dem Austausche europäischer Fabrikate und in- 
discher Rohprodukte geltend; es kann aber wohl kaum aus- 
bleiben, dass mit dem Zunehmen des Verkehrs und der 
bessern Kenntniss der Htilfsquellen des Landes auch die 
dort aufgespeicherte unermessliche Masse intelligenter, ge- 
schickter, gewissenhafter und beispiellos billiger Arbeitskraft 
zu Gunsten der europäischen Konsumenten verwerthet werde? 

Unsere grossen politischen und militärischen Erfolge ver- 
anlassten ein plötzliches Aufsprudeln des nationalen Unter- 
nehmungsgeistes. Es wurden ftir die hastige Anlage von 
Eisenbahnen, Fabriken und anderen grossen Betrieben, ftir 

*) Die Entfernung von Brindisi nach Bombay durch den Suez- 
Kanal beträgt 4380 Seemeilen, die Fahrt darf nach dem bequemen 
Kontrakt, den die P. & 0. Kompanie ihrem mächtigen Einflüsse im 
Parlamente verdankt, 17 Tage (10,73 Sm. per St.) dauern, dauert 
aber in Wirklichkeit gewöhnlich nicht viel mehr, aber auch nie 
weniger als 15 Tage (12,16 Sm. p. St.). Die transatlantischen Post- 
dampfer sind kontraktlich gezwungen, die Entfernung zwischen Neu- 
York und Liverpool (3150 Sm.) in 10 Tagen zurückzulegen und würden 
mit derselben Schnelligkeit (13,16 Sm. p. St) fahrend, für die Strecke 
Brindisi-Bombay nur 14 Tage gebrauchen. 



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25 



Wiederherstellung der vom Kriege verzehrten Vorräthe, für 
den schnell gestiegenen Luxns plötzlich so Ubergrosse Anfor- 
derungen an die vorhandenen Arbeitskräfte gestellt, dass die 
Löhne eine früher unerhörte Höhe erreichten*), während zu- 
gleich die Arbeitsleistung durch Einschränkung der Arbeits- 
zeit an Quantität, und durch Verwendung vieler sehr unvoll- 
kommen ausgebildeter Leute an Qualität abnahm. 

Das durch lange Jahre des Fleisses und der Sparsamkeit 
geschaffene und angesammelte Kapital ist in jenen Unter- 
nehmungen, von denen nur wenige die gehofften Erträge 
geben, aufgezehrt, theils auch in geradezu sinnlosen oder 
betrügerischen Spekulationen vergeudet worden. Milliarden 
sind in dieser Weise verloren gegangen, der Konsument be- 
sitzt heute nicht mehr die Mittel zu kaufen wie ehedem, 
gleichzeitig ist die Produktion durch Steigerung der Löhne 
bei verminderter Leistung bedeutend vertheuert worden. 
Daher die nun schon fünf Jahre dauernde Krisis, die schwer- 
lich anders als durch einen allmäligen Ausgleich jener beiden 
Missverhältnisse zu Uberwinden ist. 

Der Konsument will gut und billig kaufen; wer ihm 
dazu verhilft, darf auf hohe Prämien rechnen; — kann man 
zweifeln, dass die in Indien, in Japan und mehr noch in 
China fast brachliegende Arbeitskraft, durch «europäisches 
Kapital und europäische Wissenschaft befruchtet, für den 
europäischen Markt in Anspruch genommen werden wird? 



*) Nach Dr. de Leeuw (Zeitschrift für Schweizerische Statistik) 
sind in Deutschland von 1867 bis 1870 die Löhne für Feilenschmiede 
um 00 bis lOOpCt., für Feilenhauer um 90pCt. und mehr gestiegen. 
In anderen Gewerken betrug die Steigerung 25 bis ÖOpCt., dennoch 
überstiegen nach dem gleichlautenden Zeugniss der Arbeitgeber die 
1872 und später wirklich erhaltenen Löhne kaum die vor 1867 ver- 
dienten. Der Unterschied ging in Trägheit und Verschwendung auf. 



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26 



Als die Löhne in Californien eine unerschwingliche Höhe 
erreicht hatten, drangen trotz allen Widerstandes der weissen 
Arbeiter, Tausende von Chinesen ein, deren billiges, fleissiges, 
gewissenhaftes Schaffen wieder normale Zustände auf dem 
Arbeitsmarkte herbeiführte , ihre weissen Nebenbuhler aber 
zu Wuthau8brüchen trieb, die bereits mehrere Male das Ge- 
meinwesen in die äusserste Gefahr brachten. Ich werde 
darauf zurückkommen. Alle Fabriken Californiens werden 
nur mit Chinesen betrieben, und auch viele andere Gewerbs- 
zweige sind gänzlich in ihren Händen. Der westliche Theil 
der Pacific -Bahn ist von chinesischen Arbeitern gebaut wor- 
den, die am 28. April 1869 die fast unglaublich klingende 
Leistung, in 11 Arbeitsstunden 10 englische Meilen Eisenbahn 
fertig zu stellen, vollbracht haben. 

Eine Einwanderung indischer Arbeiter nach Europa ist 
aus vielen Gründen sehr unwahrscheinlich, aber auch ohne 
auszuwandern, können sie unseren Arbeitsmarkt wesentlich be- 
einflussen. Der unermüdliche Fleiss des indischen Handwer- 
kers, seine ruhigen, leidenschaftlosen Gewohnheiten, seine Ent- 
haltsamkeit von berauschenden Getränken, seine einfache Kost, 
das feine Gefühl seiner Hände (man könnte sagen seiner Hände 
und FüS8e), und der Umstand, dass er von Geburt an sich nur 
in den Grenzen seiner Zunft bewegt, von frühester Jugend 
an mit allen ihren Uebungen vertraut ist, vielleicht sogar in 
Folge der Fortpflanzung durch viele Generationen, erblich 
gewordenes Geschick für besondere Leistungen besitzt, diese 
und viele andere weniger deutlich hervortretende Ursachen 
wirken zusammen, um ihn zu einem der geschicktesten Hand- 
arbeiter der Welt zu machen. 

Unsere auf Massenproduktion gerichtete Art der Arbeits- 
theilung bringt es mit sich, dass der Arbeiter nicht ein 
Ganzes, sondern nur einen kleinen Theil des Ganzen schafft. 



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Der künstlerische oder wissenschaftliche Theil des Werkes 
ist von einem Zeichner oder Techniker geliefert, die Leistung 
des Arbeiters beschränkt sich oft darauf, der Maschine zu 
helfen, ohne sich um den Zusammenhang des Ganzen zu 
kümmern. Die Freude am Schaffen, der Stolz auf seinen 
Beruf bleiben ihm fremd. Kein Wunder, wenn sein ganzes 
Trachten darauf gerichtet ist, seinen Tagelohn möglichst 
leicht zu verdienen, d. h. ftir geringe Leistung hohen Lohn zu 
erhalten. Auch bei denjenigen Handwerken, wo die Maschine 
wenig oder gar nicht zur Anwendung kommt, wirkt die 
Arbeit nach Stückzahl in ähnlicher Richtung. Eine natür- 
liche Folge dieser Zustände ist, dass bei uns die Kunst im 
Handwerke mehr und mehr verloren geht und dass beson- 
ders in den Gewerben, die grosses Handgeschick, Geduld, 
Gewissenhaftigkeit oder Geschmack in der Ausführung ver- 
langen, oder auf künstlerischer Technik beruhen, gute Ar- 
beiter immer seltner werden. Alles was uns in dieser Hin- 
sicht mangelt, besitzt Indien in unerschöpflicher Fülle und 
zu den einladendsten Preisen. 

Europa tibertrifft Indien an Kapital, Wissenschaft und 
Unternehmungsgeist; Indien tibertrifft Europa . an billiger, 
geschickter Arbeitskraft und darin, dass viele der zu ver- 
arbeitenden Stoffe: Baumwolle, Jute und andere, Landeser- 
zeugnisse sind. Es scheint aber viel leichter die erstgenannten 
Erfordernisse, nämlich Kapital und die Ergebnisse der 
Wissenschaft, d. h. Maschinen und wissenschaftliche Methoden 
von Europa nach Indien, als die Vorzüge Indiens, billige 
Arbeiter und Rohstoffe, von Indien nach Europa zu schaffen. 
In Indien beträgt der unter Eingeborenen übliche Zinsfuss 
12 bis 36 pCt. ; in England ist es nicht immer leicht, Geld 
zu 4 pCt. sicher anzulegen. Man darf daher wohl annehmen, 
dass ein Theil des dort angesammelten und durch die 



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häufig wiederkehrenden Arbeitseinstellungen und sozialistischen 
Drohungen geängstigten und gefährdeten Kapitals nach In- 
dien abfliessen wird, das sich jetzt endlich, nach Jahrhunderte 
langen inneren Kriegen und Unruhen, gesicherter Zustände 
unter einer aufgeklärten, Bildung und Fortschritt fördernden 
Regierung erfreut. Sehr beträchtliche Summen englischen 
Geldes sind übrigens bereits in indischen Eisenbahnen an- 
gelegt worden, wobei allerdings die Regierung 5 pCt. Zinsen 
garantirt. Auch die mit jedem Jahre steigende Kaffee-, Thee- 
und Indigo -Produktion wird mit europäischem Gelde be- 
trieben; aber auch der indische Unternehmungsgeist erwacht 
bereits und lockt indisches Kapital aus seinem Versteck 
hervor. 

Ich erwähnte vorher, dass Indien seit dem amerikanischen 
Kriege einen grossen Theil seiner Baumwolle nach England 
sendet, um sie in Form von Stoffen zurückzuerhalten. Diese 
Thatsache scheint einen denkwürdigen Wendepunkt zu be- 
zeichnen. Bis jetzt nämlich erzeugt Indien nur sogenannte 
kurzstapelige Baumwolle, die der langstapeligen amerikani- 
schen nicht gleichkommt. Im amerikanischen Kriege ver- 
. siegte die Bezugsquelle der letzteren und Indien wurde zu 
einer ausserordentlichen Produktion für den englischen Markt 
veranlasst, die nach dem Frieden dort keinen günstigen Ab- 
satz mehr fand und die Anlage grosser Fabriken im Lande 
selbst hervorrief*). 

Vor 20 Jahren besass ganz Indien nur 3 Baumwollen- 
Spinnereien, heute soll deren Zahl allein auf der kleinen 

*) Im Jahre 1865 erreichte der Werth der indischen Baum- 
wollenausfuhr die schwindelhafte Höhe von mehr als £ 37,000,000, 
heute beträgt sie etwas weniger als £ 12,000,000; das produzirte 
Quantum ist aber fast dasselbe geblieben, nur der Werth ist ge- 
fallen. (Forbes Watson.) 



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29 



Insel Bombay 50 übersteigen; 10 sind neuerdings in Guzerat, 
mehrere in Madras und in den Zentral-Provinzen entstanden, 
sämmtlich mit indischem Kapital gegründet und Tausende 
inländischer Arbeiter beschäftigend*). Sie beschränken sich 
bis jetzt auf gröbere Garne und Stoffe und haben die eng- 
lischen Fabrikate dieser Klasse nicht nur vom indischen 
Markte verdrängt, sie machen ihnen auch die Einfuhr in 
China, Japan, Russland und Amerika streitig, wo man sie 
ihrer grösseren Haltbarkeit wegen den englischen Stoffen 
vorzieht**). 

*) 1874 betrug die Zahl der Spindeln in Indien 593,000; 1877: 
• 1,231,00. (Economist 9. Febr. 1878.) 

**) Schon im Herbste 1873 (Bombay Gazette 29. Nov.) erklärte die 
Bombay -Handelskammer, dass die Einfuhr von Manchester - Schnitt- 
waaren in Folge der lange geleugneten, endlich offen eingestandenen 
Unehrlichkeit im Handel, dem gänzlichen Untergang geweiht sei. 
Nicht der geringe Einfuhrzoll (damals 7 % , jetzt nur 5 pCt.) sei die 
Ursache, dass grobe englische Stoffe (coarse cloth, longcloth, Tcloth, 
domestics) durch einheimische Waare vom Markte verdrängt worden, 
sondern die nichtswürdige Verfälschung der Waaren. „Wie wird es, 
fragt der Redaktör, in 10 oder 20 Jahren stehen? Manchester mag 
keine indische Baumwolle spinnen, wenn es amerikanische bekommen 
kann; — dann werden wir unsere ganze Ernte behalten." 

Aus China berichten die englischen Zollinspektoren (Reports 
on Trade at the Treaty -Ports in China, Shanghai 1877): In dem 
Maasse, als das von der Revolution verwüstete Land angebaut wird, 
kommt das Handgespinnst der Frauen wieder zur Geltung; ein- 
heimische Gewebe werden bald wieder auf den früheren Preis, wahr- 
scheinlich (in Folge der vermehrten Baumwollenproduktion) noch 
tiefer sinken. Nur die Aermsten, die das theurere aber viel preis- 
würdigere einheimische Zeug nicht zahlen können, und die Reichen, 
die das feinere wenig haltbare Zeug vorziehen, werden ausländische 
Stoffe kaufen. . . Zur Bevorzugung der einheimischen Stoffe hat 
die massenhafte Waarenverfälschung der Manchester - Fabri- 
kanten wesentlich beigetragen. 



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Der Agitation in England liegt wohl auch die Befürch- 
tung zu Grunde, dass es Indien durch verbesserte Kultur- 
methoden gelingen könne, eine zu den feineren Sorten von 
Maschinenfabrikaten erforderliche langstapelige Baumwolle zu 
erzeugen*), und wenn man erwägt, durch welche grossartige 

Wie sehr die „Baumwollenfrage" die englischen Fabrikanten 
beunrtlhigt, zeigt die steigende Agitation der letzteren. „Man- 
chester andlndia" ist bereits zu einem stehenden Artikel in den 
englischen Blättern geworden. Am 14. Februar verlangte eine De- 
putation der bedeutendsten Baumwollenspinner Lancashire's vom 
Staats-Sekretär für Indien (vertreten durch Lord Hamilton), dass die 
indischen Baumwollenfetoffe mit 5 pCt. besteuert würden, nicht nur 
damit die englische Baumwollen-Industrie mit den indischen Fabrikaten 
auf den einheimischen Märkten konkurriren könne, sondern auch, 
wie sie freimüthig gestanden, um letztere von den chinesischen und 
japanischen Märkten zu verdrängen. 

Wir waren gewohnt Manchester als die feste Burg des Frei- 
handels zu betrachten, und jetzt sehen wir es als Schutzzöllner auf- 
treten. Indiens Ausfuhrhandel soll beschränkt werden, weil er Lan- 
cashire belästigt. — Es ist wohl nur ein Rückfall; in Indien wird 
den englischen Fabrikanten vorgeworfen: „Ihr habt Eure Baum- 
wollenspinnereien auf den Ruinen der unsrigen errichtet, indem Ihr 
50 Jahre hindurch unsere Manufakturen mit Zöllen von 100 und 
200 pCt. belastetet, um die Eurigen zu beschützen." (Robt Knight, 
Manchester und India. Calcutta 1876, p. 7.) 

Am 8. März entsandte die Handelskammer von Manchester eine 
Deputation an Lord Salisbury und erklärte: „den Absatz grober 
Stoffe nach Indien haben wir bereits verloren; Lord Northbrook 
hob 1875 den Ausfuhrzoll von 3 pCt. in Indien auf und jetzt können 
die Manufakturen von Bombay mit denen von Lancashire auf den 
Märkten von China, Japan und anderen Ländern konkurriren." Die 
Zahl der Spindeln in Indien hat sich im vergangenen Jahre mehr 
als verdoppelt." 

*) Die indische Regierung wendet grosse Summen auf Versuche, 
die inländische Baumwolle zu verbessern und neue Sorten einzu- 
führen. . Im Dharwar-Distrikt (Bombay) ist der Anbau der ameri- 



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31 



Entfaltung der Produktion Indien die Nachfrage nach Waaren 
beantwortet hat, die noch vor zwei Jahrzehnten keinen Han- 
delsartikel bildeten oder dem Lande völlig fremd waren, so 
begreift man wohl die Furcht des englischen Fabrikanten, 
dass sein bester Kunde sich in einen Rivalen verwandle. 
Ich will hier einige Beispiele anführen: 

1850 wurden im Himalaya die ersten Versuche mit Thee 
gemacht, zehn Jahre später betrug die Theeausfuhr nicht 
Uber 1% Millionen Pfd., 1875 aber erzeugte Indien bereits 
soviel Thee, als Grossbritanien 1840 verbrauchte. Das Rollen 
der Blätter geschieht in sehr vielen Fabriken bereits mit Dampf- 
kraft, da die Pflanzungen meist in schwachbevölkerten Berg- 
distrikten liegen. 

Im Jahre 1862 wurden die ersten Cincbonapflanzen von 
Peru nach Indien gebracht. Heute wachsen Millionen Cin- 
chonabäume in Sikkim und im Nilgiri- Gebirge und liefern 
Fieberrinden, die reicher an Chinin sind, als die Bäume in 
ihrer amerikanischen Heimat. 

1828 sandte Bengalen 18 Tonnen Jute-Faser im Werthe 
von £ 62 nach England, im Jahre 1872/73 war der Werth 
der Ausfuhr in Folge verbesserter Bereitung und der An- 
wendung von Maschinen auf £ 4,142,547 gestiegen. Das 
Bedeutsame aber ist, dass die Landbauer von Bengalen 
diese grossartige Industrie binnen 45 Jahren ohne irgend 
welche Aufmunterung oder Unterstützung Seitens der Regie- 
rung geschaffen haben. Es bestehen grosse Anstalten mit 
Dampfbetrieb, um die Faser unter europäischer Aufsicht in 
Indien zu spinnen und zu weben. In der Fabrik zu Bar- 
nagpore bei Calcutta z. B. arbeiten 4700 Eingeborene unter 

kanischen Baumwolle vollständig gelungen. An andern Orten sind 
durch Kreuzungen und sorgfältige Auswahl der Samen gute Ergeb- 
nisse erzielt worden. (India Progr. & Cond. 1872/73. 37.) 



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17 europäischen Aufsehern. Neue Fabriken sind im Werden*). 
In Bombay sind grosse Seidenwebereien und Maschinenpa- 
pierfabriken entstanden. Auch mehrere andere Gewerbs- 
zweige benutzen schon gegenwärtig das Geschick des indi- 
schen Arbeiters zu Gunsten des europäischen Marktes. In 
einigen Gefangnissen z. B. werden Teppiche gewebt, die an 
Ort und Stelle 16 Mark die Elle gelten, in London aber, 
wegen ihrer grossen Schönheit, zu 60 Mark die Elle verkauft 
werden. Auf mehrere Jahre hinaus haben einige Londoner 
Firmen alle Teppiche, die in dieser Weise geliefert werden 
können, mit Beschlag belegt, und doch werden sie fast ohne 
Ausnahme von Leuten angefertigt, welche erst im Gefängniss 
dieses Gewerbe erlernen. Auch in Bengalen sind neuerdings 
zahlreiche Fabriken entstanden, die Tausenden fleissiger 
Hände Beschäftigung geben. 

Die Ostindische Kompanie hatte ursprünglich, als Handels- 
gesellschaft, nur die Erzielung hoher Erträge aus der Land- 

*) Markham (Ind. Prog. & Cond. 1872/73) hebt hervor, dass die 
Jute-Faser von Bengalen den Walfischfang der Baffins-Bay wieder 
wachgerufen hat. D u n d e e hat sich der Jute-Fabrikation in Grossbrita- 
nien fast allein bemächtigt, es verbraucht dazu die Hauptmasse des vor- 
handenen Walfischthranes, sodass die tropische Faser und der arktische 
Thran sich in seinem Hafen begegnen. Die Handelskammer von 
Dundee hat die Aussendung einer arktischen Expedition zur Auf- 
suchung neuer Gebiete von Thranthieren beantragt. Nach Mitthei- 
lungen des Herrn General -Konsuls Wehner bestehen in und um 
Calcutta mehr als zehn grosse Jute -Webereien, die ihren Garn- 
bedarf seilst spinnen und 1877: 96 Millionen Säcke geliefert haben, 
davon etwa 30 M. für den durch die Hungersnoth veranlassten 
grossen Reistransport. Nach dem Wegfall dieses Mehrbedarfes wird 
voraussichtlich die Ueberproduktion nach Europa gehn und Dundee 
empfindliche Konkurrenz machen. Auf den Märkten der südlichen 
Hemisphäre verdrängen schon jetzt die indischen Jute-Fabrikate all- 
niälig die schottischen, ebenso in Californien. 




33 



rente für ihre Aktionäre im Auge. Die englischen Fabrikanten 
ihrerseits waren bemüht, die indischen Gewerbserzeugnisse 
durch ihre Maschinenfabrikate zu verdrängen. Beide Be- 
strebungen führten dazu, die gewerbliche Thätigkeit Indiens 
zu vermindern und den Landbau zur Haupterwerbsquelle der 
Bevölkerung zu machen. Das häufige Auftreten von Hungers- 
nöthen hat aber jetzt die Regierung zu der Ansicht gefilhrt, 
dass diese Katastrophen nicht allein durch periodischen 
Regenmangel, sondern auch wohl durch die Übermässig ge- 
steigerten Anforderungen an die Ertragsfähigkeit des Bodens 
zur Ernährung der schnell wachsenden Bevölkerung veran- 
lasst werden. In der neuesten Zeit wird daher die gewerb- 
liche Thätigkeit in Indien nicht mehr, wie ehedem, behin- 
dert, sondern von der Regierung nach Kräften gefördert, um 
den Ackerbau einigermaassen zu entlasten und die Steuer- 
quellen für die immer wachsenden Ansprüche des Fiscus zu 
vermehren. 

Erst vor 5 Jahren hat die Regierung eine grössere 
systematische Durchforschung des Landes nach Kohlen- und 
Eisenerzlagerstätten begonnen, und bereits ist in zwei 
Distrikten das Vorhandensein aller Erfordernisse zur Ent- 
wickelung der grossartigsten Eisenindustrie festgestellt worden. 
Das Wardha Thal in den Zentral- Provinzen wird als eine 
der reichsten Eisenerzlagerstätten der Welt geschildert, und 
Kohle ist in ebenso grosser Fülle dort vorhanden. Fabriken 
von Bessemer Stahl, wofür die Erze vorzüglich geeignet sein 
sollen, sind bereits in Aussicht genommen und man rechnet 
darauf, ihn billiger herstellen zu können als in England. 
Die Lokalität liegt im Herzen Indiens und steht durch 
Eisenbahnen mit allen Theilen des Landes in Verbindung. 

Der zweite Distrikt, Raneegunge, ist in der Nähe von Cal- 

cutta gelegen. Nach dem Bericht des Regierungs-Inspektors 

3 



34 



giebt es vielleicht in der ganzen Welt kein KohleDgcbiet von 
gleicher Ausdehnung, welches an Mächtigkeit der Schichten 
sich mit diesem messen kann*). Bereits sind 60 Dampf- 
maschinen zur Kohlenförderung in Thätigkeit. Nicht minder 
reich sollen in Raneegunge die Eisenerzlager sein. 

Ausgedehnte Eisenerzlager von vorzüglicher Güte sind 
an vielen Stellen der indischen Halbinsel vorhanden. Im 
Salem -Distrikte tritt der Magneteisenstein in meilenlangen 
Lagern von 50 bis 100 Fuss Mächtigkeit auf. Ein vier 
Miles langer Berg daselbst enthält fünf 20 bis 50 Fuss mäch- 
tige Lager magnetischen Eisens, die rings um den Berg 
laufen. Ein Berg in Lohara, fast 2 Mis. lang und % Ml. breit, 
besteht anscheinend ganz aus reinem Eisenglanz und Magnet- 
eisen, den besten aller Eisenerze, und kann 300,000 bis 
500,000 Tonnen Eisen durch Tagebau liefern. Auch bei 
diesen Lokalitäten befinden sich Kohlen und Kalk in der 

» 

Nähe. 

Der Flächenraum, in welchem das Vorhandensein von 
Kohlenlagern angenommen werden darf, beträgt 35000 engl. 
□Mls., ist also der 5te im Range und folgt auf Nord-Amerika, 
China, Australien, Russland. Einige Lager sind von riesiger 
Mächtigkeit (100, 120, sogar 160'). Die bis jetzt gewonnene 
Kohle ist aber äusserst blätterig und von grossem Aschen- 
gehalt, selten weniger als 10 pCt. 

1874 wurde in Calcutta das erste ökonomische Mu- 
seum gegründet, heut sind 53 solcher Museen allein in 
. Bengalen vorhanden, die statistisches Material und Proben 
aller lokalen Produkte sammeln und austauschen, ihre Ver- 



*) Der Schwefelgehalt der Kohle bleibt nach sorgfältigen Analysen 
bedeutend unter 1 pCt. Der Prozentgehalt von 11 Proben guter 
englischer Kohle schwankte zwischen 0,55 und 1,82 pCt. 



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35 

werthung ftlr Gewerbe und Handel zu fördern suchen und 
meist von Eingeborenen geleitet werden. 

So sehen wir denn sowohl im Osten wie im Westen dem 
europäischen Gewerbe bedenkliche Rivalen erwachsen. Be- 
sonders wird Deutschland, das an Ertragsfähigkeit des Bo- 
dens, und an Kapitalreichthum hinter England und Frank- 
reich sehr zurücksteht, sich anstrengen müssen, um durch 
intelligente, geduldige, fleissige, gediegene Arbeit, durch Aus- 
nutzung der wissenschaftlichen Errungenschaften, durch Er- 
findung und kluge, haushälterische Verwaltung seiner Mittel 
jene Mängel zu ersetzen. Durch diese alten, preussischen 
Eigenschaften hat unser armes Land seine Weltstellung er- 
rungen, nur durch sie kann es seinem Gewerbe eine würdige 
Stellung auf dem Weltmarkte sichern. Durch den Sieges- 
taumel, der nach den letzten Kriegen an Stelle der früheren 
Nüchternheit getreten, sind sie zeitweise in den Hintergrund 
gedrängt worden. Der bereits über vier Jahre dauernde 
schmerzliche Genesungsprozess wird sie wieder zum Vor- 
schein bringen. Wieviel aber mit diesen Eigenschaften ge- 
leistet werden kann, zeigt das Beispiel der kleinen Schweiz, 
die, mitten im Binnenlande gelegen, weder durch Klima noch 
Boden begünstigt, lediglich durch intelligenten Fleiss, Unter- 
nehmungsgeist und sorgfältiges Studium der fremden Märkte 
es dahin gebracht hat, dass sie heut in den fernsten Län- 
dern mit den Fabrikaten der meist begünstigten Nationen 
nicht nur konkurrirt, sondern sogar manche wichtige Ein- 
fuhren im Orient und in Vorder- und Hinter- Indien mono- 
polisirt. 

NB. Die statistischen Angaben sind meist der Times, z. Tb. amt- 
lichen Berichten (besonders India Progress & Condition) und dem 
Economist entnommen. 



3* 



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36 



Auszug aus den „Reports on the Philadelphia International 
Exhibition of 1876". Vol. II. India. 

1877. 1857. 

Länge der Eisenbahnen . . . 6497 engl. Meilen 274 engl. Meilen 

- Telegraphenlinien . 16649 - - 4162 - 

Schiffsverkehr 9,887,000 Tonnen 4,549,000 Tonnen 

Werth der Einfuhr (mit Ein- 

schlnss edler Metalle) ... £ 48,697,000 £ 28,608,000 
Werth der Ausfuhr (mit Ein- 

schluss edler Metalle) . . . 62,975,000 26,591,000 

Ausfuhr und Einfuhr zusammen 111,672,000 55,191,000 

Einfuhr edler Metalle von 1858 bis 1877 £ 267,582,677 
Ausfuhr - - - 1858 - 187 7 28,804,567 
Ueberschuss der Einfuhr £ 238,778,110 
fast genau 1 £ auf den Kopf der Bevölkerung. 

1877. • 1857. 
Werth der Ausfuhr ohne edle Metalle rund £ 59,000,000 £ 25,000,000 

Die Ausfuhr einiger alten indischen Stapelprodukte, Seide, 
Kashmir-Schals, Salpeter, Zucker ist z. Th. nicht gestiegen, z. Th. 
gesunken, Zucker z. B. von £ 1,786,000 (1857) auf £ 382,000 (1877); 
der Verbrauch im Lande hat aber sehr zugenommen, die Zucker- 
produktion wird auf nicht weniger als £ 20,000,000 geschätzt. 

Dagegen ist die Ausfuhr anderer früher kaum oder gar nicht 
vorhandener Produkte enorm gestiegen. 

1877. 1857. 

Indigo £ 2,963,000 1,938,000 

Andre Farbstoffe, Droguen, Gewürze u. 



Lack . 1,194,000 338,000 

Reis, Weizen und andere Getreide . . 7,888,000 2,587,000 

Weizen allein 1,956,000 138,000 

Oel und Oelsaaten 13,560,000 3,885,000 

Opium 12,405,000 7,057,000 

Baumwolle 11,746,000 1,438,000 

Jute 2,637,000 275,000 

Kaffee 1,346,000 133,000 

Thee 2,607,000 121,000 



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37 



Von hervorragender Bedeutung ftir die deutsche Land- 
wirtschaft erscheint der ausserordentliche Aufschwung des 
Saaten - und Getreidehandels , dessen Ausfuhrwerth von 
£ 3,885,000 im Jahre 1857 auf £ 13,560,000 für 1877 ge- 
stiegen ist, da die Eisenbahnen es jetzt möglich machen, 
die voluminösen Produkte des Ackerbaues aus dem Inner- 
sten des Landes an die Küstenplätze und von da auf die 
europäischen Märkte zu bringen. Die grösste Zunahme im 
Werthe von beinahe £ 2,000,000 zeigt der Weizen. 

Diese hohe Ziffer giebt aber nur eine ungenügende Vor- 
stellung von der Bedeutung, welche der indische Weizen 
voraussichtlich in einigen Jahren ftir den europäischen Markt 
erlangen wird. Das Getreide wächst in den nordwestlichen 
Provinzen und hat, um Calcutta, seinen jetzigen Einschiffungs- 
ort, zu erreichen, eine Eisenbahnfahrt von mehr als 300 deut- 
schen Meilen zu machen. W T ie wird die Ausfuhr steigen, 
wenn durch Vollendung der Indus -Thal -Bahn das nordwest- 
liche Indien mit seinem natürlichen Hafen Kurrachi ver- 
bunden sein wird! 



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Nachtrag 



In den wenigen Monaten, die verflossen, seit jener Vortrag 
im Berliner Handwerkerverein gehalten worden ist, mehren 
sich in bedenklicher Weise die Anzeichen des Eindringens 
der Ostasiaten auf den amerikanischen und europäischen 
Arbeitsmarkt und ihrer unmittelbaren Betheiligung am Welt- 
handel durch Verwerthung der Hilfsquellen ihres Landes im 
Wege der Gross- Industrie nach europäischem Vorbilde und 
durch Abdrängen der Fremdlioge, die bisher den Grossbandel 
zwischen Ostasien und Europa monopolisirten. Von Gewinn- 
sucht getriebeo, haben Europäer und Amerikaner jene fernen, 
bis vor Kurzem hermetisch verschlossenen Reiche mit Gewalt 
geöffnet, ihnen durch die rücksichtslosesten Mittel ihren Ver- 
kehr aufgezwungen; — leicht kann es ihnen wie Goethes 
Zauberlehrling ergehen. 

Allem Anscheine nach müssen sich die Völker des Westens 
bald darauf gefasst machen, auf dem Arbeitsmarkte, im Kampfe 
um das Dasein, ihre Kräfte mit denen des fernen Ostens zu 
messen. Wie lange dieser Kampf aber friedlich, als Wett- 
streit des Fleisses und der Intelligenz, mit Werkzeugen statt 
mit andern Waffen geführt werden wird, wer vermöchte es 
vorauszusehen? Die Anzeichen sind nicht günstig. 

In Deutschland scheint man diesen Verhältnissen bis jetzt 
keine Aufmerksamkeit zu schenken, sie liegen uns wohl noch 
fern, doch handelt es sich um kulturgeschichtliche Fragen, 



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39 

i 

die nicht die Machtstellung einzelner. Königreiche, sondern 
das Schicksal von Welttheilen, nicht ein Mehr oder Weniger 
politischer oder religiöser Freiheit, sondern die Existenz be- 
treffen; wohl könnte es geschehen, dass jener Kampf einen 
Eassenhass entzündete, in Erbitterung ausartete und wilde 
Leidenschaften entfesselte, welche allen Errungenschaften un- 
serer Kultur Gefahr drohen. In Californien scheinen solche 
Zustände bereits eingetreten zu sein (s. unten S. 44). 

Nach einem Berichte an den Kongress (Times, 28. Febr. 
1878) ist die Zahl der Chinesen am Gestade des Stillen Meeres 
schon auf 150,000 gestiegen und nimmt in einer Weise zu, 
welche die gesammte Bevölkerung aller andern Rassen zu 
übertreffen droht. Ihre Einwanderung zu hemmen, oder die 
unbequemen Gäste ganz zu vertreiben, ist jetzt das ungestüme 
Verlangen der bis zur Wuth gereizten weissen Arbeiter. Ein 
dem Kongress vorliegender Gesetzentwurf verlangt, dass jeder 
in einem Hafen der Vereinigten Staaten landende Chinese 
250 Dollars Steuer zahle; ein anderer will die im Lande 
zu duldenden Chinesen auf eine bestimmte Zahl beschränken. 
Die „Chinesen -Frage" bereitet der amerikanischen Regie- 
rung grosse Verlegenheiten und wird ihr wahrscheinlich Ge- 
setze abzwingen, die ihren eigensten Grundsätzen und aller 
Gerechtigkeit Hohn sprechen. 

Erwägt man, dass die Staaten und Territorien am Stillen 
Meer (Californien, Oregon, Nevada, Colorado, Utah, Neu- 
Mexico, Washington, Idaho, Arizona, Wyoming) einen 
Flächenraum von 1,218,385 engl. Quadratmeilen eiunehmen, 
dass sie unerschöpfliche Erzlager und ein Klima besitzen, in 
welchem alle Früchte der gemässigten und subtropischen 
Zone gedeihen, dass ihre Bevölkerung (1875) wenig mehr 
als l 1 /, Millionen, kaum mehr als einen Kopf auf die engl. 
Quadratmeile, betrug und aus Fremdlingen besteht, die selbst 



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40 

erst ganz kürzlich aus andern Ländern eingewandert sind, 
während im eigentlichen China auf etwa gleichem Räume 
400 Millionen Menschen, genügsam und fleissig, wie kein 
anderes Volk, nur mühsam ihr Leben zu fristen vermögen, 
so kann man kaum zweifeln, dass sich mit der Zeit ein 
Menschenstrom von China nach Amerika ergiessen muss, 
mächtiger als alle Völkerwanderungen, von denen die Welt- 
geschichte belichtet. Bisher waren fast nur die verhältniss- 
mässig "wohlhabenden Küstenprovinzen an der Auswanderung 
betheiligt; wie wird es werden, wenn sich die Wanderlust 
der dichtgedrängten Massen im Innern des Reiches be- 
mächtigt? Nicht zu verwundern wäre es, wenn die seit drei 
Jahren in den nördlichen Provinzen Chinas unter 75 Millionen 
Menschen wüthende Hungersnoth den Anstoss dazu gäbe. 

Diese Verhältnisse sind so neu, von so kolossalen Di- 
mensionen und anscheinend so weitragend, dass es für einen 
Laien in der Volks wirthschaft fast beängstigend wirkt, Schlüsse 
daraus ziehen zu wollen — um so lieber theilt er einige Aus- 
züge aus englischen Zeitungen mit, welche die Aufmerksam- 
keit ihrer Leser bereits auf diese Fragen lenken: 

Nach dem letzten Berichte des englischen Konsuls in Canton ist 
der Einfuhrhandel fast ganz in die Hände der Chinesen übergegangen. 
In Ningpo hat sich ein Verein von chinesischen Kaufleuten gebildet, die 
den Einfnhrhandel monopolisiren, indem sie allen Verkehr mit fremden 
Kauf leuten oder deren chinesischen Agenten ablehnen. Aehnliche von 
der Regierung unterstützte Bestrehungen werden aus andern Ver- 
tragshäfen gemeldet. 

Auch die Errichtung chinesischer Handelshäuser an den Haupt- 
plätzen der Industrie und der Schifffahrt in Europa und Amerika ist 
in Aussicht genommen. . . 

Vieles deutet an, dass die Chinesen ein Schrecken der Fabri- 
kanten von Stapelprodukten in Europa und Amerika werden können. 
Seit längerer Zeit sind an verschiedenen Orten Chinas ausgedehnte 



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♦ 



41 

Kohlenlager unter amtlicher Aufsicht in Betrieb, ein kaiserlicher Er- 
lass hat die Ausbeutung von Eisenerzen in der Nähe von Hankow 
gestattet und für befähigte ausländische Ingeniöre gesorgt. . . Das 
nächste Ziel der Chinesen geht offenbar dahin, sich von den Man- 
chester- und Lowell-Stoffen unabhängig zu machen*). Errichten sie 
einmal Baumwollenspinnereien in ihrem eigenen Lande, wo Rohma- 
terial, Kohle und Eisen so leicht zu beschaffen, ganz abgesehen von 
der Ueberfülle billiger Arbeit, so ist es möglich, dass China die 
Hauptbezugsquelle gewebter Zeuge für die Welt werde. 

Hunderttausende Chinesen sind bereits ausgezogen. In allen 
untergeordneten Beschäftigungen, in denen sich der Chinese mit 
dem weissen Arbeiter misst, trägt er gewöhnlich den Sieg davon 
durch geringe Lohnansprüche und geduldiges Mühen. In allen von 
Weissen bewohnten Ländern, Europa ausgenommen, wächst die Zahl 
der Chinesen, und es macht sich ein unheimliches Gefühl geltend, 
dass England und das Festland nicht lange mehr von ihnen verschont 
bleiben werden. Lohnstreitigkeiten stören bei uns das Verhältniss 
zwischen Fabrikanten und Arbeiter; unsere ländlichen Arbeiter 
wandern nach den Kolonien aus, an zuverlässigen Dienstboten ist 
grosser Mangel. Soll es den Chinesen überlassen werden die Lücken 
zu füllen? Daily Telegr. 1877. 

Die unbeugsamen zähen Chinesen werden sich nicht leicht in 
ihren Grenzen einschliessen lassen, wenn sie einmal entschlossen 
sind sich auszudehnen. Ihre bedeutenden Eigenschaften sind aus- 
schliesslich auf praktische Ziele gerichtet. In wenigen Jahren hat 
die kaiserliche Regierung fast alle die Provinzen wieder gewonnen, 
die dem Reiche durch die Empörung der Mohamedaner entrissen 
worden waren, und möglich ist es immerhin, dass die Chinesen mit 
der Zeit durch ihre blosse Ueberzahl die Russen aus Mittelasien 
verdrängen. (Saturday Review 1877.) 

Mehr als einmal haben wir seit Kurzem angedeutet, dass eng- 
lische Arbeit durch Einwanderung aus dem fernen Osten ergänzt 
werden könne. Schon ziehen die Chinesen in Menge nach Australien 
und Kalifornien. In letzterem Staate hat die sogenannte Chinesen- 
frage bereits einen so kritischen Punkt erreicht, dass die Ruhe von 
San Francisco ernstlich bedroht ist. Auch die Japanesen zeigen 

*) Lowell, bei Boston, das amerikanische Manchester. 



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42 



zunehmende Neigung ihr Land zu verlassen, um in der ihnen so 
lange versagten Aussenwelt ihr Glück zu suchen. Wir nahen in 
unserem Lande ihr Eindringen vielleicht nicht als unmittelbar be- 
vorstehend zu fürchten, doch deuten wohlverbürgte Thatsachen 
an, dass vielleicht früher als wir erwarten, der europäische Arbeits- 
markt durch die Mitbewerbung von China und Japan beeinflusst 
werden wird. Es ist wohl möglich, dass Arbeiter vom Osten ihren 
Weg nach Plätzen finden, die ihnen einen guten Markt darbieten. . . 
Wir wollen nicht die Folgen einer solchen Einwanderung erörtern, 
es steht aber fest, dass wir nicht die Macht haben, sie zu verhindern 
und dass die unmittelbar betroffenen Klassen sie höchst missfällig 
aufnehmen werden. . . Die Geschichte berichtet von grossen Zügen 
erobernder Krieger . . . Wir mögen uns nicht gern vorstellen, dass sich 
dasselbe, wenn auch unter friedlicheren Bedingungen, wiederholen 
könne. . . Wir selbst sind aus dem Osten gekommen und müssen 
uns, wenn wir weit genug zurückschauen, als Fremdlinge in unserem 
eignen Lande betrachten.. . Wie, wenn andere Nationen, älter als 
wir, bisher aber weniger unternehmend . . . uns mit unserer eigenen 
Münze bezahlten? . . . Was der Chinese in Australien und Californien 
zu leisten vermag, kann er auch in Europa leisten, wenn er nur ge- 
willt ist, soweit zu kommen. . . Entschliesst sich der Chinese einmal, 
das blumige Land zu verlassen, so hindert ihn nichts, London fast 
eben so schnell zu erreichen als San Francisco. 

Schaaren von Männern, für deren Vorfahren die Grenzen Chinas 
die Grenzen der Welt waren, haben sich aufgemacht, um über den 
ganzen Erdboden zu wandern. Sie kommen nicht mit Waffen in der 
Hand, sondern nur mit Werkzeug und Geschick ausgerüstet und 
kämpfen keinen andern Kampf als den der friedlichen Arbeit. Schon 
jetzt ist vorauszusehen, dass diese Wanderung eine der grössten 
und bedeutendsten werden wird, welche die Welt je erlebt hat. 

In einem Augenblick, wo der Verkehr stockt, die Arbeiter hier 
hungern, dort sich empören, überall murren, ist es wunderbar, an die 
unbenutzten, lange aufgestauten Quellen des Gewerbfleisses zu denken, 
die jetzt anfangen überzufliessen. Die billige Arbeit der Chinesen 
ist bereits der Popanz und vielleicht der gerechte Schrecken Cali- 
forniens. . Japanische Industrie und Kunst könnten leicht als Neben- 
buhler der unsrigen auftreten. Die Japaner sind die besten Tischler 
der Welt, unübertroffen in der Bearbeitung des Papiers . . in vielen 



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43 



leichteren Kunstgewerben würden sie bald über ihre ungeschickteren 
europäischen Nebenbuhler den Sieg davontragen. (Times 11. Jan. 78.) 

Die ganze innere Einrichtung des gegenwärtig am Clyde im Bau 
begriffenen Dampfers „Gallia" von der Cunard- Linie soll in Japan 
angefertigt werden. (Times 5. Jan. 78.) Ein Brief an die Times vom 
15. Januar bespricht die Zweckmässigkeit, japanische Arbeiter in 
England einzuführen, spendet ihrem Geschick und gutem Betragen, 
ihrem Fleiss und ihrer Sauberkeit das höchste Lob. Der Schreiber 
erwartet von einer solchen Maassregel das Abnehmen der Arbeiter- 

ßtrikes „wenn es die Arbeiter nicht zur Verzweiflung treibt", 

bemerkt der Redaktör. (Times Febr. 1878.) 

Während die nördlichen Provinzen Chinas von einer furchtbaren 
Hungersnoth heimgesucht werden*), einer Geissei, die mehr als jede 
andere eine dichte Bevölkerung zum Auswandern treibt, sinnt Cali- 
fornien auf Maassregeln, um seine Häfen gegen die steigende Flut 
der chinesischen Einwanderung zu verschliessen. . Wenn schon 
Tausende von Chinesen den Weg aus den verhältnissmässig wohl- 
habenden östlichen Provinzen nach Amerika gefunden haben, . . so 
werden sie sich in Myriaden aus den von der Hungersnoth getroffenen 
westlichen Gebieten ergiessen, sobald der Weg offen ist. . . Vor 
30 Jahren hat die Kartoffelnoth Hunderttausende von Irländern nach 
Amerika getrieben . . Nicht nur die Californier, deren Interessen 
unmittelbar betroffen werden, auch die amerikanischen Staatsmänner 
erfüllt die sogenannte Chinesen-Frage mit ernsten Sorgen, gar bald 
kann sie für die Zukunft der Vereinigten Staaten drohender werden 
als die Negerfrage jemals zur schlimmsten Zeit. Denn die Neger- 
Einwanderung geschah nie freiwillig und versiegte mit Abschaffung 
der Sklaverei. Beginnt aber einmal die Flut der Chinesen mit Macht 
zu strömen, so ist schwer abzusehen, wann und wo sie enden wird. 

(Times 19. Febr. 1878.) 



*) In den Provinzen Chih-li, Ho-nan, Shan-si und Shen-si lebt eine Bevölkerung 
von etwa 75 Millionen Menschen in furchtbarer Noth. In Shan-si ist seit 3 Jahren 
kein Regen gefallen, Berieselung ist nicht vorhanden, Transport nur auf Lastthieren 
möglich. Im Süden der Provinz ist alle Rinde von den Bäumen, alles wilde Kraut, 
alles irgend Essbare verzehrt worden. Die Menschen verschlingen Erde. Männer 

verkaufen ihre Frauen, Eltern ihre Kinder. T.F.Wade, Brief an die 

Times 25. Jan. 78. 



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Am 29. Novbr. 1877 fand in San Francisco eine Demonstration 
gegen die Chinesen statt, an der 10,000 Menschen theilnahmen. Man 
fürchtete das Schlimmste, es kam indessen nicht zn Gewalttätig- 
keiten, da Uneinigkeit in den Reihen der Unzufriedenen herrschte 
nnd die Besitzenden, deren San Francisco 40,000 zählt, ans heil- 
samer Furcht vor den kommunistischen Grundsätzen der Rädels- 
führer ausreichende Vorsichtsmaasregeln getroffen hatten . . . Aber 
in den Arbeiterversammlungen wird der Vernichtangskrieg mit 
Pulver und Blei gegen die Diebe (die Kapitalisten) und die Chi- 
nesen offen gepredigt. (Times, 11. Jan. 1878.) 

San Francisco, 25. Jan. 78. Seit fünf Monaten wird die Stadt in 
Aufregung und Bestürzung erhalten durch das Zusammenströmen 
von Massen unzufriedener Arbeiter, die öffentlich ihre Absicht ver- 
künden, die Sache des Staates und der Stadt umzuwälzen. Gewalt, 
selbst Mord wird jeden Abend einzelnen hervorragenden Bürgern 
angedroht. . . Die Rädelsführer, für deren Bestrafung das Gesetz 
sich unzulänglich erwies, werden immer kühner. Einer derselben, der 
Fuhrmann Kearny, erklärte in einer Versammlung, dass 40,000 Arbeiter 
bei Ankunft des nächsten Dampfers aus China nach den Werften der 
Pacific -Post -Dampfer -Gesellschaft marschiren würden, um das Lan- 
den der „mondäugigen Aussätzigen" zu verhindern, wenn sie auch 
das Schiff in die Luft sprengen müssten . . . Die Befürchtungen der 
Bürger stiegen auf das Höchste . . . Die Zivil- und Militär-Behörden 
zeigten aber, dass sie den Ernst der Lage vollkommen begriffen und 
entschlossen waren, durch alle verfügbaren Mittel den kommunisti- 
schen Geist auszurotten und diejenigen zu strafen, welche das Gesetz 
und seine Diener offen verhöhnen. . . 

Die Anführer mässigen sich jetzt etwas mehr in ihren Reden 
und richten ihre Anstrengungen besonders auf Beherrschung der 
Wahlen. Es gelang ihnen einen der ihrigen, Herrn Bon es, als 
Staats-Senator durchzusetzen, Herr Bones hat recht kommunistische 
Ansichten — einer seiner Grundsätze lautet: Niemand darf mehr 
als 10,000 Dollar in Gütern oder sonst wie besitzen, der Ueberschuss 
soll ihm genommen und unter die Armen vertheilt werden. 

Den Hauptgrund der Beschwerde bildet die chinesische Einwan- 
derung. Die Chinesen verdrängen den armen weissen Arbeiter aus 
vielen Quellen der Beschäftigung und verhindern die aufwachsende 
Jugend Handwerke zu erlernen. Die Partei verlangt nichts geringeres 



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45 



als die Austreibung dieser Chinesen ans dem Staat nnd das Verhindern 
weiterer Einwanderung. Gleicher Hass nnd gleiche Rache treffen 
die Kapitalisten, die grossen Einflnss im Staate haben; besonders aber 
die Verwaltung der grossen Pacific -Bahn, die viele Chinesen bei ihren 
Eisenbahnbanten verwendet hat, und die Pacific-Dampfer-Gesellschaft, 
deren Schiffe die verabscheute Rasse an jene Gestade bringen. 

Times, 19. Febr. 1878. 
Die Augsb. Allg. Zeitung berichtet aus San Francisco, 20. Januar: 
der Pöbel besteht aus dem Auswurf der Einwanderer, namentlich 
aus den englischen Straf-Kolonien und den Gefängnissen des Ostens 
und Irlands. . . Man hatte Schritte gethan, um den Unbeschäftigten 
täglich einen Dollar zu sichern; dies schien jenem Pöbel zu wenig, 
«r verlangte 2 Dollar täglich für Nichtsthun . . . 



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