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Full text of "Geschichte der rheinischen Städtekultur von ihren Anfängen bis zur Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung der Stadt Worms"

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Heintid) Boos 


Gefchichte der rheinifchen Städtekultur. 


Gehhichte 


rheinifchen Stadtetultur 


von ihren Anfängen bis zur Begenwart 
mit. befonderer Berüdfichtigung 


der Stadt Worms 


von 


Heinrich Boos. 


i 
eh, 
Lrfter Teil. 


Berlin 
Verlag von 7. %, Stargarde 
1897. 











SA 
_ Sihötenur nonden 
Bintnengen biszurt 
@rgemoart mit befonderer 
Teak ao Wurme 
erausgrgeben im Anftragvon 














Berlag von I. A. Btargardt in Berlin. 











Diglizedby Google 




















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Inbalts-Weberficht. 



















































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1 

Die Vorzeit , . 3 

2 Die Romanifierung der Rbeinlande , , , . . . . . .. 21 
3. Der Rampf um den Rhein . . . . . .» . 20... . 6 
D : Dao Reich der Burgunder in Worme . © 2 2 2 2 2... BS 
5. Kapitel: Des Tbriftentum und die Gründung des frdnfifhen Reiheo . 101 
6. Rapitel: Die Rultur der Germanen am Abeine. . . . Be 
2. Des Re Barlo & Großen. A. Mlgenrine Derbämife. . 1723 
8. Das Reich Barlo des Großen. B. Die Kirche, . . . . . 187 
2. Rapitel: Das Heid) Karls des Großen. C. Die Civitss . . . . . 208 
10. Kapitel: Die Begründung der biidhöflihen gerrihaft . . . . . . . 215 
11. Rapitel: Bifchof Burdard von Worms , . . . . . 2 2... 235 
12. Kapitel: Die Pirchlihen Ordnungen Bifdof Burdarde . . . . . . 253 
13. Kapitel: Die rechtlichen und wirtfdaftlichen Ordnungen Burdarde . . 291 








15. Bapiel; Die Stadt ale Meet, Sodtuft mac fen. > 5 347 















(Dre Ststfeibe und Die Einwehnerfände In der Sta. 
Der Bompf um die Arone und die Entiehung des Mateo , . 441 
fürten und Gtädte. Die srfle Nabtung. , . . . 2. + 408 
: Sturm und Drang, Bifthof Landolf von Worme . . . . 48 
Der grofie cheimifäpe Städtebund. . . . 2 0... . 325 























x 


Anmerkung 
1. Bapitel. 
2. Bapitel. 
3. Bapitel. 
4. Kapitel. 
5. Bapitel. 
6. Bapitel. 
7. Bapitel. 
8. Bapitel. 
9. Bapitel. 
10. Zapitel. 
11. Rapitel, 
12. Bapitel. 
13. Zapitel. 
14. Zapitel. 
15. Bapitel. 
18. Bapitel. 
17. Bapitel. 
18. Zapitel . 
19. Bapitel . 

®. Bapitel . 
21. Bapitel . 





Iadalı. 


Seine 


Vorwort. 


Der große Brieg des Jahres 1870/71 bat der Befchichte: 
f&reibung die mäcptigften Impulfe gegeben und den biftorifchen 
&inn, der namentlich in den Städten am heine felbft in den 
(blimmften Zeiten nationaler $Erniedrigung und der Sremberr- 
(haft nie ganz erlofchen war, Fräftig belebt. YTun blühten diefe 
Gemeinwoefen berelich wieder auf, aber fofort Fam man zur 
$Exfenntnis, daß eo eine heilige Pflicht fei, neben der Pflege der 
materiellen Woblfabet auch die geiftigen und Fünfklerifihen Inter: 
effen zu fördern, indem nur dadurch der Befabr eines alles ideale 
Streben überwuchernden Materialiomus begegnet werden Fönnte. 
Bibliotheken und Mufeen wurden reicher dotiert als vorher, oder " 
audy neu geftifter, die Archive voiffenfchaftlich geordnet und der 
Sorfepung zugänglicher gemacht und die verfchiedenen wiffen- 
f&baftlichen und gemeinnützigen Dereine unterfkiggt. 

Audy Worms, das einft zu den angefehenften Städten des 
altın Heiches geböet hatte, aber durch eine Neibe furchtbarer 
und widriger Rataftrophen und Schickfalsfchläge fait vernichtet 
worden war, nam an dem gewaltigen Auffehwoung ftädtifchen 
Lebens teil, und gerade hier, wo man den grellen Begenfagz eines 
eeft vor Furzem durchlebten Fümmerlichen Dafeins zu der glor, 
zeichen Vergangenheit reicheftädtifcher Zeit bitter empfunden hatte, 


xu Vorwort. 


machte fi jet, da man woieder befferen Tagen entgegenging, 
ein ftarfes Bedürfnis geltend, die glänzende und wechfelvolle 
Befehichte der ehemaligen freien Reicheftadt beffer und gründlicher 
Fennen zu lernen, als mit den bisherigen Silfsmitteln möglich 
war. Denn die Arbeiten von Pauli und Lange find doc gar 
zu unbedeutend, das weitfchworifige Bud von I. Sr. Morigz ift 
für unfern Befhmac® ungeniebar, und das vortrefflice, in 
Worms allzeit hochyefchätzte Wer? von Wilhelm Arnold be- 
handelt, wie fon deffen Titel befagt, Iebiglich die Derfaffunge- 
gelhichte. 

$Es ift ja vollftändig richtig, wenn man fagt, daß die 
Befchichtefchreibung einzig und allein der Wahrheit dienen und 
Feinen anderen Zwoee® verfolgen foll. Indes, wenn ein Schrift: 
fteller nicht die Rraft md Fähigkeit befügt, um mit Borthe zu 
zeden, den Knthufissmus zu erwecken, den Leftr zu erwärmen 
und zu begeitern, dann bat er feine Aufgabe fehlecht gelöft. 
Rein Beringerer als der unvergefliche Sermann Baumgarten hat 
der intenfioen Pflege ftädtifcher Befchichtsforihung warm das 
Wort geredet, als dem beiten Mittel zur Hebung der Vaterlands- 
tiebe, und ich Kann cs mir nicht verfagen, feine vortrefflichen 
Gedanken zu wiederholen: „Die Befundheit und Kinfachheit 
unferes Dafeins, die Erhaltung der fhönften Ligentümlichkeiten 
unferer YTationalbildung bängt Davon ab, daß wir nicht die 
unzähligen ftillen Pflegeftätten natüclichen Wachstums verfümmern 
laffen, aus denen unfer Dol® in fo langen böfen Zeiten die 
Wärme des Herzens, die Tiefe des Denkens und die Kraft des 
Charafters gewonnen bat, von dee jedes Blatt vergangener 
Tage Zeugnis giebt. Eine umferer zuoerläffigften Stützen bei 
Volchem Bemühen werden aber unfere alten Reichsftädte fein, die 


Vorwort. x 


natürlichen Bildungsmittelpunfte leiner Mreife: nicht Fünftliche 
Schöpfungen des Dampfes, fondern Beburten uralter, in 
der Ylatur der Derhältmiffe und der Tüchtigkeit der Menfchen 
wurzelnder Kräfte. Auch wo diefe Städte, wie ja in den 
legten Dezennien Bottlob fo viel gefcheben ift, wieder mächtig 
aufblähen und ihrerfeits jene bedenkliche Richtung (die Jagd 
nach dem Bolde) zu verftärken feheinen, tragen fe doc) einen 
ganz anderen Charakter als die über Yladıt aufgefhoffenen 
Fnduftriezenteen, welche dem menfehlichen Bemit nichts bieten 
als gerade Linien und glatte Slädhen, hinter denen die Wut des 
fogialen Rampfes tobt. Jene binden den Menfchen an ein heil: 
fames SElement der Ueberlieferung, fie führen ihn aus dem unbe 
grenzten Wirbel der Fosmopolitifchen Ronfurrenz und der für 
die Meiften überwältigenden und unfaßbaren Weltbewegung in 
die Fleineren Breife einer felbftändigen und eigentämlichen IoFalen 
$Entwoickelung. Sreilih werden fie das alles in vollem Mafe 
eeft dann thum Pönnen, wenn ihr gefchichtliches Leben energilch 
erneuert, wenn die biftorifche Arbeit fo weit gefördert ift, daf; 
nicht nur die filr die umgebruere Mehrheit der Bürger völlig 
unfaflichen mittelalterlichen Urkunden, auch nicht nur die Arten 
fpäterer Zeiten, fondern auf beiden gleichmäßig ruhende gefchicht- 
liche Bemälde zu dem lebenden Befchledht reden und die baftige 
Gegenwart die ftille Mahnung vergangener Tage vernimmt. 
In unferen Stadtgefbichten rubt ein unvergleichlicher Reim 
wahrhaft populärer biftorifcper Literatur . . . Yiemals wird 
unfer Dol® mit den $Einzelnheiten unferer überaus verwickelten 
Ylationalgefchichte vertraut fein, wohl aber in der Belchichte 
der ibm Zundchft liegenden Stadt und des zu ihr gebörenden 
Gebietes woirflih zu Gaufe fein Fönnen.” 


xıv Vorwort. 


Derfehiedene Umftände trugen in Worms dazu bri, dafi das 
hiftorifche Intereffe fi aufs ftärkfte belebte. Yirgende fonft 
teden die Steine fo eindringlich von ehemaliger Pracht und der 
DVergänglichfeit aller Dinge, als gerade in Worms. Die here: 
lichen Denfmälee dee mittelalterlichen Baukunft waren teile der 
barbarifchen Zeeftörungswut der Seanzofen zum Opfer gefallen, 
teile gingen fie, weil die Mittel, fie zu erbalten, fehlten, füht- 
lich dem Verfall entgegen und glichen Ruinen. Sie in ihrer 
früberen Schönheit wiederberzuftellen, ift eine Sauptpflicht der 
mafgebenden reife. Manches ift fon gefcheben, aber noch 
vieles ift zu thun. Vor allem aber haben die an SErgebniffen 
überrafchend reichen Fpftematifchen Ausgrabungen die Aufmerffam- 
Feit der Bevölkerung auf fich gezogen. SEin biftorifcher Verein 
wurde num (1879) gegelndet, ein biftorifches Mufeum gefchaffen 
und zu diefem Zwecke eines dee dlteften und Funftbiftorifch 
intereffanteften Bebäube, die &. Paulsfirche, welde nur nod 
eine durch niederen profanen Gebrauch entweibte Ruine war, 
woiiedig wiederbergeftellt. Das dur die fid überitürzenden 
Anforderungen der YTeuzeit fchrwer belaftete Bemeinwelen war 
jedody nicht in der Lage, dem idealen Drange zu folgen, fondern 
was gefhab, das wurde lediglich dur die Opferwilligkeit 
einer Anzabl wackerer Männer geleiftet, die teils veichliche Mittel, 
teile ihr Wiffen und Können zur Verfügung ftellten. 

Lornelius W. Seeibere Seyl zu Seremsheim, deffen Samilie 
fü) fehon feit Generationen große Verbienfte um das Bedeiben der 
Stadt Worms erworben bat, trug fi mit dem Wunfche, daß 
eine Befchichte der Stadt Worms gefchrieben werden möchte, 
welcye nicht, wie die bieberigen Arbeiten, fragmentarifcher Art 
wäre, fondern die den Strom der ftädtifchen |Entwickelung durch 


Vorwort. xv 


alle Wechfelfälle der Jahrhunderte bindurchführe. SEr wollte 
daduedp feine Mirbieger mit der ruhmvollen GBefhichte ihrer 
Stadt vertraut machen, damit die Begenwart fi wieder um 
fo enger mit der Vergangenheit verbinde und aus ihr neue 
Spannfraft gewinne. Bevor jedoch an eine folde, auf wiffen- 
f&aftlicher Grundlage gefpriebene Befchichte gedacht werden 
durfte, mußten Zuerft die notwendigen Sundamente zu dem 
Fünftigen Aufbau gelegt werden, und diefe Sundamente find ein 
woblgeordnetes zugänglices Archiv und eine Publikation der 
urfundlichen und erzählenden Gefchichtequellen. 

Seeundfchaft führte mich im Serbfte des Jahres I880 nach 
Worms. Wir befuchten das Stadtarchiv, welches damals eber 
einer Raritäten und Berimpelfammer gli. Ic Fonnte nicht 
umbin, meinem Unwoillen Luft zu machen, was zur Solge hatte, 
daß mich die ftäbtifche Behörde um ein Butachten über eine 
eventuelle YTeuordnung des Archives erfuchte. Mit diefer war 
Sreibere von ‘epl wegen Benugung des Archives zur wiffen- 
f&aftlichen Darftellung der Befcichte der Stadt fon vorher 
in Vereinbarung getreten, fo daf wir uns auf diefem Wege 
begegneten. Zwifchen der Stadt und Sreiberen von Seyl Fam 
ein Vertrag zu Stande, durch welchen die Yleuordnung und 
innere $Einrichtung des Archivs, zugleich aber die ungehinderte und 
vorzugerveife Benugung drs Aftenmateriale fir die Darftellung der 
Gefchichte dem Seriberen von Seyl überlaffen blieb. Da id) mit 
diefer Arbeit betraut wurde, trat ich mit Seeiheren von Seyl in Bes 
Ziehung, und im Laufe der Jahre entwickelte fich aus dem anfangs 
vein gefehäftlichen Verkehr eine feitgefigte Sreundfeaft, deren 
(dönftes Denfmal das vorliegende Buch ift, an deffen Entftehen 
und Ausreifen Seeiherr von Geyl den intimften Anteil genommen bat. 


xvı Vorwort. 


Yrahdem die Orönung des Archivs im wefentlicen 
(Serbft 1883) vollendet war, bearbeitete id die Wormfer 
Gefchichtsquellen, welche in drei Wänden erfchienen (I. I886, 
11. 5890, III. 1893). Doc) immer betrachteten woir diefe Arbeiten 
(Aechivordnung und Publikation) nur als Mittel zum Zwecke. 
Id Fonzentrierte meine Sauptthätigkeit auf das Studium der 
Städtegefehichte, inebefondere der ehemaligen theinifchen Sreiftädte, 
indem ic} mir vomabm, nad dem Vorgang von Amold die 
Gefhjichte der Stadt Worms zum Mittelpunft der Darftellung 
zu machen, aber dabei doch nicht die allgemeine gefehichrliche 
Entwicelung aus dem Auge zu laffen. Ich ftellte mir alfo 
die Aufgabe, die gefchichtliche Entwickelung der deurfchen Städte 
an einem typifchen Veifpiel, aber immer mit Bezugnahme auf 
die allgemeinen Krfcheinungen von den älteften Zeiten bis zur 
Gegenwart, darzuftellen. Ic verbehlte mir dabei den Umftand 
nicht, dafı Köln oder Straßburg viel bedeutendere Städte waren 
als Worms, und daß für ihre Befchichte die Cuellen, namentlich 
feit dem I4. Jahebundert, unendlich reicher fließen, als das ducch 
den großen Brand des Jahres 689 ftarf reduzierte Wormfer 
Archiv fie bieten Bann. Aber andererfeits genoß ich den Vorzug 
der Teichteren Weberfüchtlichfeit, indem fi das Npärlichere Arten: 
material des Wormfer Archivs eher bewältigen ließ, als dic 
ungebeuren Papieemaffen in den Archiven von Köln und 
Straßburg. Durch meine Ordnungsarbeiten war ich ja mit dem 
Inhalte fämtlicer Beftände des Wormfer Archivs genau 
vertraut worden, das id dann au fpäter nod wiederholt 
1886, 1888, 1890, 1892, 1894 und 1896 ausgebeutet habe. 
Speier und Mainz boten mir gleichfalls Material, und ich bin 
namentlich Seren ©berbibliothefar Dr. Delke in Mainz herzlichen 


Vormorr. xvır 


Dan? (duldig für feine unermüdliche GBefälligkeit, mit der er 
jederzeit meinen Winfehen entgegengefommen ift. Yiebenbri 
bemierPt, ergab meine YTachforfchung im geäflih Scankenfteinfhen 
Archiv in Oerftadt (bei Seiedberg in der Wetterau), wo angeblich 
eine Sandfchrift der Vita Eckenberti fein follte, ein negatives 
Refultat. 

Im letzten Jahrzehnt erfchienen nad: und miteinander die 
Urkunden und Arten von Straßburg, Urfundenbücher von Speier, 
Bafel, Zürich ıc., das Wormfer Auellenwer?, die Schreinsbiicher 
und die Edition der Kölner Derwaltungsaften ıc., wodurd die 
Krforfchung des Städtewefens mächtig angeregt und gefördert 
wurde. Die Probleme, welche dabei zur Stage Pamen, find nach 
allen Seiten bin von Berufenen und Unberufenen erörtert worden. 
Wenn ih in diefee Srage das Wort ergreife, fo geliebt eo, 
weil ib auf diefem Gebiete feit Jahren thätig war, und ih 
glaube fogar vor WManchem, der über das Städtewoefen des Mittel: 
alters geichrieben hat, den Vorteil lebendiger Anfchauung zu 
befigen. Man bat die Schweizer häufig wegen ihrer Yleigung 
zum Radifalismus geradelt, aber wer das Dolf genauer Fennt, 
weiß, dafi es treuer und zäher feine alten Ueberlieferungen und 
Sitten bewahrt bat, ala die meiften anderen deutfchen Stämme. 
Denn die Schweiz ift eben nie von verheerenden Rriegeftirmen 
überzogen worden, und die Allmacıt einer alles nivellierenden 
BYuresukratie bat bier bie vor Purzem gefehlt. Die Bontinuirdt 
der $Entwictelung ift bier niemals unterbrochen worden, weshalb 
Nic bier viele Minrichtungen, Sitten und Gebräuche in voller 
Lebenskraft erhalten haben, deren Urfprung in ferne Zeiten zurück 
zeichen und die der Siftoriter fi fonft nur dur mühfames 
Studium gegenwärtig machen Fan. Zur rhärtung diefer 


xvun Vorwort. 


Behauptüng ‚derweife ih nur auf Das großartige Werk des 
ichweigerifchen Jdiotifons oder auf die Schriften Bottfried Rellers 
und Jeremias Botthelfe, die aus dem unerfhöpflichen Born eines 
Feäftigen Volfelebens gefchöpft haben. Der Verwaltungs- 
organismus der Städte im Mittelalter, wie ihn R. Bücher auf 
der Scanffurter Siftoriferverfammlung (1895) fo vorteefflic 
gefchildert hat, war nody vor zwei Jahrzehnten in der Stadt 
Bafel, welche ja ebenfalls eine freie Stadt des Keiches geweien 
war, in voller Sunktion, und das Bemeinwelen fuhr dabei nicht 
flecht, weil diefer Organiemus auf der freiteilligen, thatkräftigen 
Teilnahme aller Schichten der Bevölferung berubte. Berade in- 
folge der energifchen Zufanimenfaffung aller Wräfte baben die 
Städte im Mittelalter fo großartiges für die Rultur geleifter. 
Mir Recht fagt daber ein gründlicher Renner diefer Verhältniffe, 
Buftao von Schönberg: „Alice die Maffen und ihre Sand. 
lungen find cs ja, die als foldhe in der Befchichte der Menfchbeit 
unfee Intereffe ereegen, fondern die Individuen, welde auf die 
höhere Entwicelung des Menfchengeiftes und des Völferlebens 
einen Einfluß übten, und die Bemeinwefen, deren Befchichte den 
Sortfehritt zu höheren Dafeinsformen, zu einem höheren Rultur- 
leben ibrer Angehörigen zeigt.” Die Zünfte in Bafel haben 
zwar jetzt ihre politifche Bedeutung und ihre gewerblichen Ber 
fugniffe verloren, allein noch griftieren fie beute, befitzen Zunft: 
bäufer und Kapitalien, deren Ertrag fie zu. wohlthätigen und 
gefelligen Zwecken verwenden, und ihre Unterdrückung wirde 
einen großen Derluft für das foziale Leben bedeuten, indem an 
den alljäbrlid ftattfindenden Zunfteifen, bei welden die alten 
Gebräuche getreu beachtet werden, eine Annäherung der ver: 
f&icdenen Bevölferungstlaffen und Bildungsftufen ftattjinder, 


Vorwort. xıx 


wodurd die Schärfe der fozialm GBegenfätze gemildert wird. 
Ylamentlih die Fleinen, vom Weltoerfehe nur wenig berührten 
Städte der Schweiz bewahren nodh viele Züge mittelalterlichen 
Stadtlebens. Durch die vortrefflichen Arbeiten des Serm 
Profeffors Dr. Andreas Heusler ift mein Intereffe für diefe 
Studien fehon früh gewect worden. Mag man aud nicht 
allen feinen Anfichten beiftimmen, der Lefer wird fich doch immer 
durch die Wärme und die filberne Mlarbeit der Daritellung 
fympatbifh berübet fühlen, indem ein jeder ahnt, daf binter 
den Worten ein ganzer Mann ftebt. 

Da diefes Buch in fo vornehmer Ausftattung eefcheinen 
Fonnte, ift das alleinige Derdienft des Seren Sreiberrn von Seyl, 
der vor Feinen Opfern zuricfcheute. $Es handelte fi bier um 
das Problem, wie man ein Dructwer? in wabrbaft Fünftlerifcher 
Weife ausfepmücken Fönne, da von der Iandläufigen Jlluftrations, 
weife bei diefem Buche, das feinen fkreng wiffenfchaftlichen 
Charafter wahrt, Peine Rede fein Fonnte. Uns (hwebten jene 
prachtvollen Werke der Buchdructerfunft des I6. Jahrhunderte 
vor Augen, welche auszufhmücten die Runft eines A. Dürer, 
eines Sans Solbein zc. nicht verihmähte. Wan bätte Diefe 
febwierige Aufgabe einem Berufeneren anvertrauen Fönnen als 
dem “Seren Jofepp Sattler, der auf unfere Intentionen mit 
vollftem Derftändnis in wahrhaft genialer Weife eingegangen ift; 
ibm gebübet unfer Dank. 


Bafel, Allrbeiligentag 1996. 


Prof. Dr. 5. Boos. 


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3. Bapitel. 


Die Vorzeit. 





Jan muß fich von der allgemein verbreiteten 
Vorftellung befreien, als ob Die Länder 
nördlich von den Alpen vor der Broberung 
@alliene und der Aheinlande de und nur 
fpärlich von unkultivierren Wienfhyen ber 
wohnte Wildnis gewefen fein. Ylein, 
lange bevor die griechifdyen und römifcben 
Schrififteller une Runde geben Über diefe 
Länder und Völker, ftanden fie mit der 
)) Rultur der Wittelmeerwoelt in Verbindung 
und erhielten von dorther nicht nur die 
Produkte der Wierall: und Thon-Induftrie, fondern auch mannigfache 
Anregungen. aufleute find die erften Pioniere der Kultur; um des 
Gewinnes willen wagen fie fich in die entlegenften Beenden und unter 
die wildeften Völker, ertragen die fchwerften Leiden und erdulden willig 
die größten Gefahren. Sie ermwedten bei den auf tieferer Stufe ftehenden 
Völkern das Bedürfnis nad) Lupus und den YTachahmungerrieb. 
Vliemale wird ein Volt allein aus fich beraus fich auf eine höhere 
Stufe der Bivilifation fhwingen Eönnen, vielmehr gefchieht dies nur durch 
äußere imwirtung, wobei es narlrlic) nicht auebleibr, daß ein Teil der 
nationalen fBigenart aufgegeben werden muß. Die Völker Europas 
verbarrten nicht in ihrer Jfoliertheit; felbft die abgelegenften Alpenthäler 
Eonnten fidh der Einwirkung fremder Mulnreinflüffe nicht ganz ver- 
febließen. Diefe waren denn auch fähon in den älteften Zeiten, in die 
kein Licheftrabl febriftlicher Ueberlieferung fälle, wirkfam. 


1.00, Die Autr dr hilf au 1 . 


4 1. Bapiel 


Die Älreften Spuren menfehlichen Dafeins find fehon in der Diluvialzeir 
bemerfbar. Wir wollen hier nicht von döhlenmenfehen reden, nach von 
jener Periode, die man als Steinzeit bezeichnet, weil die Wienfchen damals 
fich Gerste und Waffen aus Stein und Anochen zu verfertigen verftanden. 
Schon erodor Bannte die Pfahlbauten, deren reichfte Sinterlaffenfhaft 
man in den Schweizerfeen finder. Die Sunde diefer Pfahlbautenkultur 
wagen allenthalben denfelben Charakter. Das Material zu ihren Stein: 
waffen, Yephrit und Tadeit, Eönnen fie fidy nur auf dem Zandelemwege 
verfhafft baben, denn in Deutfehland ift der nächfigelegene Sundore 
diefer Steine der ferlefifche Zobten. Es ift Bein Brund anzunehmen, 
daß, die Wienfehen der Steinperiode in Zuropa der gleichen Kaffe an: 
gebder haben, wie denn alle Vermurungen Über die Bevölkerung der 
Steinzeit völlig balelos find. Wan bemerkt in den Weberreften der Pfahl: 
bauten einen fterigen Rulturförefebrite; die Tecbnif der Töpferei verfeinerte 
fich, und man begann das Kupfer, wenn anfangs auch nur fpärlich, zu 
verwenden; Bußformen und Bußbrocten find gefunden worden, wodurch 
beroiefen veird, daß die Rupfergeräte am Orte felbft angefertigt wurden, 
für welche man das Warerial von ausmehrte bezog. Alle Spuren führen 
nad) Ungarn; in der That ftand diefes Land fehon früh mir den Rulnır- 
Ländern des Wittelmeeres in enger Jandelsverbindung. Die Donau war 
die uralte grofe „andelaftraße, welche den Verkehr nad) dem Innern 
Deutfehlands vermittelte. Durch des Ylecdar: und das Wainthal gelangte 
man an den bein, der dann wieder einerfeits den Verkehr mir dem 
Abonethal, andererfeite mit der Ylordfee verband. 

Die Ruleur der Bronzezeit fielle fich als eine ziemlich einbeitliche dar. 
Die Funde in Aegypten, Cypern, Wykene ıc. entfprechen folchen in 
Sisilien. Yrartrlich fallen die Anfänge der Bronzezeit in der Schweis 
und Deutfchland erheblich fpäter als in Jtalien. Längft batte aud) in 
den Wittelmeerländern das ifen die Bronze verdrängt, als im Ylorden 
das ifen erft nur fpärlich, und swwar zundchjt als Schmuc, aufjutreren 
beginn. 

Wan bezeichnet die Periode der jüngeren Bronzekulrur als Yalltätter- 
seit, nach dem Städrchen “allftare im Salzkammergut, wo man mehr 
ale caufend Bräber aufdechre. Diefe Rulrur kam von Often und Süden 
und verbreitete fich langfam nördlich der Alpen. Zeitlich fiyierr man fie 
zroifiben 900 bis 400 Jahre vor Ehrifti Geburt. Sie if eine überaus 
glänzende, wie die Länder diesfeits der Alpen bisher Beine erlebt hatten, 


Die Vor. s 


und fie Fonnte fich in der Solgeseir auch Beineswege auf ihrer «höbe 
erhalten. Unter diefen Sunden erwähnen wir bronsene und, felrener, 
eiferne Waffen, Beräte und Schmuckfacen aus den verfchiedenften 
Wietallen, mit Ausnahme des Silbers, Thongefäße der böchften Vollendung. 
Sie Infipft offenbar nicht am die ältere Bronzekulrur der Pfablbauten 
an, vielmehr feheint diefe untergegangen zu fein, denn neue Formen und 
Ornamente ‚tweren auf, und anflart der zur Älteren Bronzezeit fblich 
geiwefenen Zeichenverbrennung nebnen wir nun eine andere Beftarrungs: 
weife wahr: gewaltige Brabbligel und Leidentammern, mit wahrhaft 
fürftlicen Lupus ausgeftarrer. Es muß ein anderes Volt, als dasjenige 
der Pfahlbaudörfer und der Brandgräber der älteren Bronzekuleur, die 
serrfcbaft errungen haben, und diefes Volk kann, foweit es wenigftens 
die Gebiete am Ylordfup der Alpen bereifft, Bein anderes gereefen fein 
als das der Räter. Audy diefe Mulcur frnd mir der griechifihen in 
engem Zufammenbang. Protoforinthifche und forinthifche Thbongefchirre 
finder man in Bayern; andere Sunde führen nach Jonien als Urfprunge- 
quelle. Der Eaufmännifcbe Unternebmungsgeift der Griechen it ja 
betannt; er febeute nicht vor den größten Schweierigteiten und Befahren 
zuric Der Dnieper war nach serodor IV, 53 bis 40 Tagereifen hinauf 
den Briechen befannt. Ylamentlich begierig war man nach dem Bernftein, 
der an der fernen Müfte des Ylordens vom Wicere ans Land gefplilr 
wird. $Er diente niche nur ale Schmuck, auch wunderbar geheimnisvolle 
Rräfte fchrieb man ihm zu. Von Volk zu Volß, von Thal zu Thal, 
durch Sachfen, das Wibthal hinauf gelangte der Dernftein nach) Böhmen 
und Mähren, von da in das Donaürbal, über den Balkan nad) 
Griechenland, Lypern und Aegypten. Zu Beginn des 5. Tahrbunderes 
erfolgte eine Abzweigung der HEIb: und Donauroute nach der Adria, und 
feitdem die Griechen in Wafilia an der Abonemündung fi ein großes 
Sandeleemporium gefchaffen batten, monopolifierten jie den Berti 
bandel, der nun die Abein: und Mbonejtrafe benunee. Es war ein 
1ebhafter Taufdbandel, in dem die Griechen gegen die Erzeugniffe ihrer 
Imduftrie die Yrameprodubte der Wlordoölker: Sklaven, Pele, Selle, 
Sals, Bernftein, Sinn ıc. eintaufchren. Auf diefe Weife gelangten die 
koftbarften Produtte der griechifiben nduftrie nach Deuefehland. 

Seir dem 6. Jahrhundert waten Die Wrruster in Bonkurrenz mir 
den Griecyen, indem jie nach) ionifchen Wuftern Brongegerkre in Waffe 
fabrisierten, die dann durch Vermittelung der Yiaffilioren weiter nach 








s 1. Bapin. 


dem Yrorden verfchleift wurden. Der berühmte, in Dürkbeim in der 
„ardt gefundene, nun im Yfufenm von Speier als koftbarer Schan 
aufbersahrte Dreifuß entfpricht genau folhen aus der Vletropole von 
Pulci. Diefe Jabritare Bonnten fid) freilidy mir den eigentlichen griechifhen 
nicht meffen, fie waren eben für den Export nach den norbifihyen Ländern 
berechnet. Yamentlic geringwwertig waren bie Thonmwaren mir einfachen 
roten Figuren oder Linienmufterung; aber durch den weiten Transport 
erbielten fie einen ungemein hohen Liebhaberwert, „fo daß 3. D. in 
Württemberg zwei im Altertum zerbrochene Schalen des 4. Jahrhunderte 
v. Ebr., die wir heutzutage mit enwa 30 Sranten das Stück bezahlen 
wfirden, mir Jilfe zablreidher, mit gepreßten Wiuftern fdön versiecter 
Streifen aus echtem Bolde wieder vereinige und fo in dem Brabbfigel 
eines Reltifcjen Broßen auf dem Mlein-Aopergle bei Ludwigsburg nieder: 
gelege wurden"'). 

SeÜber madyre man viel Aufbebens von einem errustifchen Taufib- 
bandel, indem man die Kerusfer mit ihren Wsren über die Alpenpäffe 
wandern ließ. Alein einmal fand über die Alpen in worrömifcher Zeit 
nur ein fpärlicher Verkehr jtart, da Diefer fich um die Alpen Sftlich und 
weftlic) bervegte mit Vermeidung der hoben Päffe, und dann haben nichr 
die Erruster felbft ihre Waren vertrieben, fondern böchft wabrfchein- 
lid) übernahmen die betreffenden Völferftämme Diefelben zur Weiter 
beförderung. Serner ging man von der fälfchen !einung aus, daß die 
Bronze: und Bifenwaren, die fo maffenhaft nördlich der Alpen vor 
Boimmen, famt und fonders erusfifche Erporewaren feien; indes fchon 
in den Sundftärren der alten Bronzezeit werden Bußformen gefunden. 
Die Meralttechnit hatte id im Laufe der Tabrhunderte außerordenelich 
entwickelt, und die Bronzen, die den Gräbern der “allftartperiode und 
den Deporfinden enenommen wurden, baben in der gorm und dem 
©rnament nichts Gemeinfames mit den echt erruskifchen Sabrikaren. 
Auch die Wehrzahl der Beramifchen Sunde erweift ich als einbeimifdhee 
Produkt. Ale diefe Gräber der Yalljtatıperiode gewähren den Kindruch 
einer fdon boch entwickelten Bultur. Wienfehen, die jenen Dirkbeimer 
Brongedreifüß, jene prächtigen Rannen u. f. w. erwarben, Bonnten un: 
möglic) wilde, unsioilifterte Barbaren fein, die ja mehr am glinernden 
Tand als an wirklichen Runftfachen Eindifche Sceude haben. 

Am Ende des 6. Jahrhunderts fanden neue Völkerbewegungen fbatr, 
die fidh in den folgenden Jahrhunderten in verfkärktem Brade wieder: 


Die Vorzeit 7 


bolten. Auch die Bodenfunde geben bavon Bunde. Ueber die wunderbare 
Be der jlingeren „allitarc-Epoche bat fich eine Erftarrung gelegt, die 
alles umklammert. „Die Steinfenungen in den Grabbügeln und eine 
Reihe von Grabgebräuden der Hallflattperiode hören auf, Die Toren 
werden faft ausfdlieflich beftatter, es verfähnoinden jene fÄyönen bunc- 
gemalten Urnen, an deren Stelle eine fehr monotone, fcylecht gebrannte 
Thonware tritt; neu find auch die Sormen der Hifenfchiwerter, Langen, 
‚Fibeln und mander anderen Schmuchgegenftände. Es find Veränderungen, 
die fich miche nur durch) Verfähiebung der Zandelsbesiehungen oder all- 
mäblichen Yliedergang des betreffenden Volkes erfläcen laffen. Es find 
Tparfachen, die nur durch das Auftreren eines neuen Volkes mit anderer 
Rufeur verftändlicdh werden“?). 

ier fegt die fchriftliche Ueberlieferung der anriten «iftoriker ein, 
und durch ihre Rombination mit den Mrgebniffen der vergleichenden 
Spracyeiffenfäafe md der Ardfologie gewinnt man ein annäherndes 
Bild von den Zuftänden im nördlichen Europa vor den inbruch 
der Amer. 

Mir Schaudern ersäblten die Alten von dem Lande, in dem die 
Rimmerier wohnten, am Ende der Welt, am Äufieren Wieere, ein Land, 
fehattig und waldreich, der Sonne wenig sugänglic) wegen der Tiefe und 
Dichrigteit der Gorfte, von ungeheuren YOaffern durchzogen und überflurer. 
Zweifdhen (Elbe und Weichfel ließen fid die Germanen nieder, die mit 
ihren arifehen Benoffen, den Griechen, Tralitern, Relten, Zitauern und 
Stawsen in unvorbenflicen Zeiten die alte ‚eimat Jran verlaffen hatten 
und als Yiomaden mir Weib und Kind auf Roß und Wagen nebft 
ihren gesähmten “austieren langfam nad) Voeften geogen waren. An 
den Rarpathen teilten fle fich, indem die Bräfoitaliter nady Süden zogen, 
die Relten donauaufiwdrre nach Weften, während den Bermanen nichts 
übrig blieb, als nach dem Yorden zu wandern, eben in jenes traurige 
Band, das von ben Kelten nicht begehrt wurde. Diefe befegten Böhmen, 
das mittlere Deutfchland, die Abeingebiere; fie drangen dann Über den 
Abein nacdy Gallien und drängten die Tberer und Liqurer zurück. Den 
ersbeisebrten Ariern unterlagen allenthalben die in den Ländern Europas 
ureinbeimifeben Völker, die ihre Waffen aus Stein und Anochen bildeten. 
Empfänglichen Sinnes, encwichelen die neuen Broberer fich durch die 
Beribrung mit den sivilifierten Rätern, Ligurern und der Rulcur der 
Wireelmeerländer; vor allem war ihnen die Lifentechnik vertraut. Zn 


8 1. Bapine. 


der Champagne bat man ein ungebeures Bräberfeld aufgedeckt, das über 
7900 Gräber zäble, in denen ein glänzend ausgeftarteres und reich 
bemaffnetes VolE feine Rube fand. Yan erhält den Eindrudt, als ob 
ein reifigeo, mächriges VolE von Often ber eingedrungen wäre. Die ibm 
eigeneiimliche Kultur nenne man nach einem “yauptfunderte aım VTeuchäreler 
Ser die La Tene-Rultur. Vielfach, zumal im Südweiten, vollsog ficb 
ein feuchrbarer Auscaufe) mir der Galljtarrbulenr. fine der Antereffanteften 
Stationen der Seüb-La Tene-Aulrur ift die Viederlaffung bei 
Baden). Dort fand man zablreiche, forgfälrig aufkefibichrere Torenbügel, 
in denen oft bis zu 13 Tote beftarter waren; Daneben, ebenfälle febichren- 
weife übereinander, Brandftätten von Totenmabtgeiten und Opfern. Diet 
Toren batten Schwerter und Zangen zur Seite, zuweilen die Yand am 
Schwerte, noch im Tode bereit, ihre Mbre zu wahren‘). 

Diefe Scib:La Tene-Aufcur gehört doch wefentlich dem Volke der 
Reiten an und fälle in das Ende des 5. und in das 4. Jabrhundere v. Cbr. 
Die Relten verfchmolen zum Teil mic den früberen Einwohnern. sainter 
ihnen drängten aber ungeduldig die ungtinftig. iruierren Germanen. YJm 
Laufe des 6. Jabrhunderts fielen die Melten in Spanien ein und ver- 
wouchfen bier mir den Tberern zu einem Volke, den Beltoiberern. Um 
das Jahr 40° v. Chr. machten fie unter der Führung des Bellovefus 
der herefcbaft der Bigurer cin Ende und eroberten Rom. Bleichzeirig 
führte Sigovefü gableeiche Scharen gegen Often, die Donau hinunter bis 
in den Yorden der Batkanhalbinfel. Diefe gewaltige Berwegung harte 
ihren Ausgangepimtt am Wirrelchein. $Es entftand dadurch) eine allgemeine 
Verfepiebung, indem nun die Belgen bie an die Seine vorrlickten, die 
vechterheinifchen Belten den Abein überfehritten und fic) des linten Abein- 
ufers bemächtigten, die Weferfeleen nach Shddeurfchland vordrangen‘). 

Die Kelten waren zur Zeit, da fie die Amer ‚erfchrediten, nicht das 
wilde Barbarenvolf, als welches die römifchen Schriftfteller fie zu febildern 
lieben. Sie befaßen vielmehr eine bedeutende Runftferrigkeit in der Werall: 
technik. Aber der Relteneinbrudh in Tralien war doch von riefgreifenden, 
unglücßfeligen Solgen für die nördlidy der Alpen liegenden Zänder, indem 
dadurch der vormals fo Iebbafte Derfehr mir der Aulturwelt der Mirrel: 
meerländer unterbrochen wurde und die Apenpäffe verödeten. Ylur 
Wafftlie (Aarfeille) vermittelte noch den Kelten, welche diefe Briecbenftadt 
von ihrem ägften Seinde, den Ligureen, befreit batten, Die Segnungen 
iechifher Rultur. Um das Jabr 390 v. Cbr. woälsten fich neue Kelten: 














Die Dorzet 9 


maffen, hauptfächlicdy Tektofagen, die in Seifen und am Main gewohnt 
batten, die Donau hinunter nad) Griechenland und Rleinafien. Bin 
anderer Teil wanderte den Ahein binauf durch den Jura, die Ahone 
binunter. @leichzeitig verlegten die Selverier, die einft zwifchen Main 
und Rhein, an den Abbängen des Schwarzwaldes gefeffen, ihre Gine 
mach der Schyiweis. An vielen Orten find die Spuren diefer Völker 
aufgedeckt worden, namentlich if der große Sundort La Tene am LIeuen: 
burger See Außerft infteuktiv. La Tene war kein Pfabldorf, fondern 
ein Wafferdaftell. Der militdeifce Charakter diefes Volkes tritt une in 
allen Sunden entgegen. Das Zifen überwiegt, denn nicht nur die Waffen, 
fondern auch die Schmuckfachen find aus Eifen bergeftellt. Die Jormen 
zeigen eine Weiterentwichelung der Srüb-La Tene-Zeit. Die Winner 
liegen in ihren Gräbern in voller Mriegsrhfkung da: lange Schwerter 
in eifernen Scheiden und an Bertenartigen Wehrgehängen, eiferne, mit 
einem Schub) verfehene Lanzen, Schilde mit eifernen Schildbuckeln und 
Wandhaben, Eleine eiferne Yieffer und Scheren finden fich, fodann eiferne 
Sibeln (Spangen), bronzene Sale, Arm: und Sufringe, Glasfachen, 
bume Perlen u. f. w. 

Die Kelten befegten nım bleibend die fruchtbaren Slufniederungen 
des Rheins und des mittleren Srantreiche, und hier entreickelten fie fic) 
zu einer Vlacion mit einer Aulur, die art mir mafiliorifdem Kinfluß 
geträntt war. Sreilidy zeigt diefe gallifche Rultur, wie wir den Berichten 
eines fo fcharfjinnigen Beobachrers wie 7. Cdfar enmebmen können, 
einerfeite Züge der Barbarei, andererfeits greifenbafter Leberreife. Die 
Relten in Srantreidy ftrebten offenbar danach, fid) zu einem nationalen 
Staate zu vereinigen, den fie jedoch nicht, wie die Griechen und Römer, 
auf die Stadtgemeinde aufbauten, fondern auf den Bau besiebungsweife 
auf bie Ylation. Aber bereits war die große Male des Volkes in 
Abbängigteit eines mächtigen Adels geraten und die Widerftandetraft 
‚gegenüber dem Vorbringen der Römer und Germanen geläbmt. 

Denn diefes große Volk der Germanen tritt num am Ende des 
2. Jahrhunderts v. Chr. in das bellere Liche der Gefchichee. Ihnen 
war ein härteres Los als ihren übrigen indogermanifchen Stammesverteen 
au teil erworben, indem bei der großen Verteilung der europäifchen Länder 
ihnen die wald- und fümpfreichen Begenden nördlich des Wiains zwifchen 
Elbe und YVeichfel zugefallen waren?) ier galt es, mit einer rauhen 
Ylarur einen barten Rampf zu führen; in diefem Rampfe verloren fie 


4. Don, Die Rau ve hie ach 1. . 





1 3. Rapiil. 


diel von der angeborenen Anmut, aber ihre Mraft wurde dadurch 
aud) geftäble. Die Relten verfihloffen ihnen im Süden und Weiten 
den Weg in fruchtbarere Gegenden; auf Diefe Delicen fie mir voller 
Gewalt. Diefem Drude wichen um das Tahr 300 v. Ebr. die 
unmittelbaren YTachbarn der Germanen, die Terofagen, und wanderten 
teile nad Öften, teils nad dem Siöweflen und wiefen fomit den 
Bermanen den Weg nad den fühlihen Gegenden. Die Rimbern, die 
an der mittleren lbe faßen und denen fich die Teutonen und die 
Frordvölter anfebloffen, brachen zuerft auf, fließen auf die Boier im 
Sercynifchen Wald, d. i. Böhmen; von diefen zurüc’gewiefen, drangen fie 
in die Donauebene und trafen an der Brenze von Jralien mit den Römern 
3ufammen. Da ibnen bier der Weg nad) Tialien verlegt war, zogen fie 
füdlich der Donau entlang nach Yeften durch das Land der Zelverier, 
die fid) ihnen auf dem weiteren Zuge anfchloffen. Bei Genf‘ berraten 
fie die römifche Provins; num fielen fie in Ballien ein und füchten das 
Land auf das entfenlichfte beim. Schlieplidh befreite Warius Ttalien 
von Der furchtbar drohenden Gefahr, indem er in zwei gewaltigen 
Scyladyeen (102 und J0J v. Ebr.) die Barbaren fehlug und vernichtere. 
Wenngleidy die Rimbern und Teutonen die verlorenen Rinder des großen 
Volkes der Deutfchen waren, ihr Tod war Beinesmwegs vergeblich. Sie 
haben den großen WOaldgirrel ihrer Jeimar durchbrochen und den anderen 
die Wege geseigt, welche fie nun eifrig begingen. Ylady allen Seiten 
brachen fie as ihren bisherigen Wohnflsen bervor und verbrängten die 
Relten aus dem Böhmerlande und den Begenden weitlich der Fibe. 
Von ihnen mögen fie mandxs angenommen baben, umd in der 
Bewaffnung und Lebensweife glichen fich Belten und Germanen fo 
febr, da es den Aömern bie auf 7. Cäfar fdywer war, fie zu unter 
febeiden. Auch die Bräberfunde der lenten zwoei Jahrhunderte vor der 
Aomaniflerung der Abeinlande laffen nicht erkennen, ob man cs mit 
Relten ober Bermanen zu chun babe. 

Unaufbaltfam drängten die Germanen vor, Überfchrieten den Abein, 
unterjochten ceile die Gallier, teils vermifihten fie fih mit ihnen, 
namentlich überwog fehließlich in den Begenden am Yliederrhein, an der 
Scheide und an der iofel das germanifehe Wefen, und felbft Die 
Gallier in jenen Begenden waren ftoly darauf, Bermanen beißen zu biicfen. 

Die Gallier waren in ihrer Zriftenz teile durch die Römer bedroht, 
teils durch die Germanen. nfolge davon entfianden Parteiungen im 


Die Vorei, Pr 


Lande, indem die einen fih zum Schun gegen die Römer bilfeflchend 
an die Bermanen wandten, die anderen wiederum gegenüber den Einfällen 
der Bermanen die Zilfe der Römer anriefen. Ylamentlic die von der 
fhdlichen Aultur weniger berührten Belgen fühlten fich dem Bermanen 
ftammwerwendt, während im Süden der Bermane als Darbar verachter 
und: geflirchter war. Der Stamm der Sequaner, der um Befangon 
wohnte, war der Gefahr ausgefent, von den Aömern vergemalrigt zu 
werden, weabalb fie die Deurfchen berbeiriefen. Sie nahmen den Sueven- 
Fürften Ariopift nebft 15000 Wann in ihre Dienfte. Diefer befiegte die 
Sauptfeinde der Sequaner, die Zäbuer, welche rSmifch gefinnt waren, 
in einer Schlacht, und infolge der Parteiwirren in Rom gefchab nichts 
zu ihrer Unterftünung, ja, Rom erwies fogar dem Ariovift die Kbre, ihn 
‚als befreundeten Rönig anzuerkennen. Das erböbte die Suverficht des 
Germanenfürften, und er waf alle Anftalten, fidh bleibend in Gallien. 
nieberzulaffen und ein deutfches Reich dafelbft zu gründen. Er erließ 
einen Auf in die Zeimat, nach Gallien zu Eommen, und infolge davon 
Überfehrimen über 100000 Deutfdbe den Ahein. Die Sequaner mußten 
ihnen ein Deittel ihres Bandes, vermutlich das ZElfaß, abtreten. Auch 
am Yliederrhein batten fid) fuevifche Stämme feftgefest, und die “elvetier, 
Die bereits vor den nachdrängenden Germanen Die Bebiere zechts des 
Abeins, das jerige Baden, geräumt hatten, entfchloffen fi), ihre neue 
Jeimat Zoelvetien zu verlaffen und jenfeits des TJuras in Ballien beffere 
Wohnflge zu firchen. Thnen fähloffen fi) die Rauraker, Refte der Boier 
und andere Bleinere Stämme an. Die von den Selvetiern und Raurakern 
verlaffenen Sige wären dann von den Bermanen fogleich befent und 
infolge davon das gefamte germanifche Volf zur Auswanderung nach 
dem Yoeften veranlaft werben. {Es war eines der großen Womente der 
Woeltgefehichte. Tiene Rataftrophe, die Ueberwältigung der römifchen 
Rutcurwelt durd) die Barbaren, wäre aledann 500 TIahre früber ein- 
getreten, wenn nicht der größte aller römifchen Stastemänner und er 
führer, €. I. Cdfar, die Gefahr erkannt und ihr vorgebeugt bitte. Er 
feblug die &elvetier bei Bibracte (Autun) und zwang fie, in ihre Jeimar 
surticfjuteheen, um die Brenzhut gegen die Deurfchyen am Oberrhein zu 
übernehmen. Die Belten aber, welche den Ariovift berbeigerufen hatten, 
waren feiner und der Deutfchen bald fart geworden und riefen den flieg: 
reichen. römifchen Seldberen zu “Hilfe. Diefem trat der deutfche Volks 
führer in lolyer Bhenblisrigbeit entgegen, allein die Barbaren erlagen in 


12 3. Bapied 


der Begend bei Belfort 58 v. Chr. der Ueberlegenbeir rSmifcher Rriege- 
kunft. Die Römer erblichten nun zum erfienmal den mächtigen Ahein: 
from, der Klnfrigbin die Brenze ihres Reiches bilden follte. Auch in 
diefem Augenblid zeigte ic die bemwunderungswicbige Alugbeit und 
Dorausficht CHfars. Er bitte ja leicht die Deucfchen auf dem linken 
Abeinufer vernichten Binnen; aber dies that er nicht in der Erwägung, 
daß; die Beltifchen Baue der Sequaner, der Leuker und Yiediomatriker viel 
zu fehroach und unzuverläffig waren, um die Grenze gegen die Bermanen 
au verteidigen; vielmehr übergab Eäfar eben jenen von Arionift herbei. 
gerufenen Deurfchen die linkorheinifehen Lande, da fie mit den Belten 
verfeinder und gegen ihre Landsleute auf dem rechten Abeinufer, die ibnen 
ihren Befin beneideten, argwöhnifd waren, aber in ihrer foliertbeit 
ein Tntereffe haben mußten, an Rom feftzubalten. YIördlich von den 
Rauratern länge den Vogefen wurden Die Triboker, d. b. “ligelbersohner, 
angefledelt, in der Aheinebene um Speier die YTemerer und im TOormefeld die 
Dangionen, d. b. die Bewohner der Ebene. Sie alle drei werden von den 
Aömern dem Volke der Sueven zugezäbhlt. Doch ift der YTame der Sueven 
‚gar fein Voltename, fondern, wie der der Germanen, ein Sammelname. 

Es bedurfte noch vieler Rämpfe, bie Eifar nur einigermaßen die 
Unterwerfung der Ballier unter die römifche „errfehaft gefichert harte. 
Um die Verbindung mit den Tnfeltelten in Britannien abzufchneiben, 
unternahm er einen Zug über den Ranal, und um den freien Germanen 
Befpekt vor dem römifchen Kamen einzuflößen, Überfchrirt er den Abein, 
berbeigerufen durch die Ubier, weldye an der Sieg und an der Lahn 
faßen und durch römerfeindliche Stämme bedränge wurden. 

Doch erft dem Auguflus war es vergönnt, die von Cäfar vorbereitete 
Organifarion Galliens durchzuführen, mie möglichfter Schonung der 
beftehenden Ordnungen. Wohl Bam eo dabei bie und da zu Auflchnungen, 
aber die Araft des gallifchen Volkes war fdhon durch die fehrecklichen 
Seimfchungen der Rimbern und Teutonen und durdy die fiichterlichen 
Schläge Cffars erfehlitert und gebrochen worden. Sodann hatte diefer 
bereits Sorge getragen, eine römifche Partei zu gelmden und zu unter- 
fügen, und Auguftus batre vor allen Dingen dem gefährlichen Binfiuß 
der Druiden ein Ende gemacht. Die narionale Leidenfchaft flacterte bie 
und da wieber auf, aber bereits ein Römer hat die Beobachrung gemacht, 
daß die Belten zwar frech die Fünftige Gefahr berausfordern, vor der 
gegenmoderigen jedod) der Wut ibnen entweicht. aupefächlich die forr- 


Die Vor. Pr 


febreitende Romanifierung Balliene verroifcpte mehr und mehr die nationalen 
Gegenfäne des Römertums und des Reltenums, und die Ballier ftrebten 
eifeig nach dem Aubme, echte Römer zu fein. Sreilidy vollzog fich diefer 
Verfähmelsungsproge in den verfcpiedenen Landesteilen in verfihiedener 
Weife. Während 3. B. in der Provence die Romanifierung vollftändig 
gelang, fo entftand dagegen in der Belgica eine merkohrdige Wiifchkuleur, 
indem das römifcbe Wefen wie ein glänsender Firnis das gallifche über: 
deckte; gallifibe Sprache und gallifde Sitte behaupteren fi) in der 
Wofeltandfebaft bis sum Untergange des römifchen Reiches. 

L$far hatte den Rhein vom Bodenfee bis zur Windung sur Reiche: 
grenze gemacht. Allein ein Zuß bilder niemals eine geficberte Grenze, 
und bie Derbälmiffe waren bier um fo gefäbrlicher, feidem die Germanen 
einmal in Bewegung geraten waren. Sie waren eine wilden Jäger 
mehr und feine YIomaden; fon längft Bannten fie den Ackerbau. Doc) 
nur notgedrungen unterwarfen fie fidh diefer harten Arbeit. Ihr Reich: 
tum beftand in den “austieren, unb leicht vertaufchpten fie ihren Wohn: 
fin, indem fie auf narrenden Wagen, die zur Wohnung dienten, ihre 
Rinder und ihre Zabe mit id führten. Die alte raube Waldheimar 
war ihnen zu enge geworden; fie drängten auf den Pfaden, welche die 
Reiten und die Rimbern und Teuronen ihnen gerwiefen, nach Weften 
umd Süden, um befferes Land fr die wachfende Volfsmenge zu erhalten. 
Dielen war fon vor Cäfar der Uebergang fiber den Abein gegiücht, 
und fie harten fi mit den Relten gemifchr; jene fperrte ihnen der große 
wömifhe Imperator den Weg. Die Übier, die fid den Römern anı 
gefebloffen barten, mußten mannigfäche Bedrängnis von ihren wilden 
Ylachbarn erleiden, und Agrippa Ponnte ibnen nicht andere beifen, als 
daß er felbft den Abein Überfehritt und fie auf das linke Rheinufer Üüber- 
führte. Aber die techrerbeinifchen Sthmme der Sugambrer, Ufiperen 
und Tenkterer bielten Beine Rube; fie bebandelten nicht nur die römifchen 
„aändler in feindfeliger Weife, fondern drangen wiederholt über den Abein 
und plünderten die gallifden Baue. Im Jahre I6 vor Chrifti Geburt 
fölugen fie den Zegaten Marcus Lollius auf die fhimpflichfte Weife. 
Darauf begab ji) Auguftus felbft nach Gallien, und es erfolgte dann 
die Offenfive gegen die rechtsrheinifchen Germanen. Der in Rom geliebte 
Stieffohn des Raifers, Drufüs, ein fehr begabter Offizier, Drang in den 
nächften Jahren wiederholt tief in Bermanien ein. Im Jahre 9 v. Chr. 
erreichte er fogar die Zlbe; aber auf dem Aücdzug in der Saalegegend 


14 1. Bapiel. 


flürzre er vom Pferde und ftarb. Sein Bruder Tiberins führte Diefe 
Unternehmung weiter. Der Gedanke war offenbar, die Elbe zur 
politifehen Neichsgrenze zu machen, wodurch man einerfeite erreicht hätte, 
daß die Reichegrenge wefentlich verfürze worden wäre, andererfeite, daß das 
römifche Brensbeer weiter von Italien hinweg verlegt werden Eonnte. 
Vorläufig jedoch blieb der Mbein nod) die Grenzerteidigung. Der 
mitiefeifde Sthepunkt für diefe Unternehmungen war Caftca Verera 
bei Xanthen am Abein gegenüber der fchiffbaren Lippe. in zweiter 
nicht minder veichtiger milicheifdyer Punkt war Woguntiscum gegenüber 
der Mündung des Miains. Sier batten die Soldaten des Drufus ibrem 
Seldheren ein Denkmal errichtet. Diefer hatte die Chatten gezwungen, 
das rechte Abeinufer zu verlaffen, und den Taunus befeftige. Durch 
Gewaltthaten aller Art wußten fich die Römer im Befls des rechten 
Abeinufers feftzufesen, indem fie die deurfchen Völkerfdyaften landeinmwärts 
drängten, fo die Chareen und die Wlarfer, oder auf dem gallifcpen Ufer 
anfiedelten. Zur leichteren Deberrfchung des neugewonnenen Befines 
wurden Straßen ımd Rande gebaut und diefe wieder durch Anlage 
fefter Türme gefichere. In Alifo lagerre Das römifche Zeer geroöhnlich 
im Sommer, zuweilen au) im Winter. jan bereitete ji vor, das 
techterheinifehe Bermanien wie früber Ballien der römifchen Verwaltung 
einzuordnen. Die Statthalter bielten die freien Germanen an, vor ihnen 
Hecht zu nehmen, was naturgemäß eine tiefe rbitterung bervoreief, 
Schließlich wurde in dem Zauptort der Übier, dem beutigen Röin, ein 
Altar des Augufbus errichter, deffen Priefter der Cherusterfürft Segimundus, 
des Segeftes Sohn, war, und der für die germanifchen Baue diefelbe 
Bedeurung erhalten follte, wie der Auguftusaltar in Iyon für die Ballier. 
Es gab viele unter den Bermanen, die fich dem Zauber des römifchen 
Ylamens nicht entzieben Eonnten und meinten, jeder Widerftand gegen 
die Römer fei nuglos und verberblich. Allein andere wieber ertrugen Die 
‚Sremdberrfcyaft mit Enirfhendem Unwillen und fannen auf Das Der- 
derben der Römer. Die hauptfchwierigleit war aber, die vielfach unter 
fi) entzweiten Stämme zu einigen, und das gelang dem Arminius dem 
Iberuster, der felbft im römifchen “eere gedient hatte und von Auguftus 
mit dem römifchen Bürgerrecht und dem Ritterrange beehrt worden war. 
Tiberins hate die römifchen Truppen gegen den Warkomannentönig 
Warbod geführt. Zu gleidyer Beir erhoben fich in Pannonien und Tilyeien 
die VSlter gegen Rom, und nur durch fehwere Rriegsarbeit gelang es, 


Die Vor. 1s 


den Aufftand niederzufchlagen. Der befte Teil des tömifchen Feereo und 
die tlichtigften Geldherren waren in jenen Gegenden befchäftige, als in 
Deurfchland die Bataftropbe ausbrach. 

Am Yliederrbein befebligte P. Quintiline Warus, der fih) in Syrien 
durch rpreffungen einen böfen YIamen gemacht hatte. Zn gleicher 
Weife verführ er in Bermanien. Liftig tÄufehten ihn die Derfehmorenen. 
As er im Spärfommer des Jahres 9 n. Chr. mit drei Zegionen von 
der Wefer aufgebrochen war und auf unmwegfamen Straßen durd) 
Weftfalen marfchlerte, wurde er von den Bermanen Überfällen, und er 
und fein ganzes eer gingen zu Brunde. Tiberius übernahm darauf das 
Kommando am Abein und ergänzte das rbeinifche Ser auf achr 
Xegionen. Einen enefcpeibenden Schlag Ponte er jedoch nichr führen. 
Germanicus [öfte ihn im Tabre I3 im Bommando ab, und diefer 
brannte danady, die erlittene Schmady zu rächen und den zerftdrten Bau 
feines Vaters wieder aufsurichten. Im Jahre 14 gelang ibm ein Vorfioß 
bie rief‘ in das Bebiet der Brufrerer binein. Im folgenden Fahre 
füchte er die Chatten und Cheruster beim. Doc beinabe. hätte fein 
Seldhere Cäcina Das Schikfal deo Darus erlitten, aber der Raltblücigteir 
des römifchen „eerführere gelang ce, der Befahr zu entgehen, denn in 
einem Rampfe yweifdyen einem gefchulten &eere und einer noch fo 
tapferen barbarifchen Ylation unterliegt fehließlich lenztere immer. Obgleich 
Germanicus im Jahre I6 einige Erfolge errang, fo endigte auch Diefer 
‚Seldzug mit fyweren Verluften. Tiberius gab endgültig den Plan der 
Eroberung der Bebiere zwifchen Ahen und Elbe auf, und der Abein 
und die Donau blieben fortan die Btenzen des römifihen eiches. 
Freilich {ft dies nicht fo zu verftehen, als ob die Aömer das rechte 
Abeinufer den Germanen preisgegeben hätten; im Begenreil, fie faben 
mit Strenge darauf, daß nur mit ihrem Willen germanifde Stimme 
fich dafelbft niederließen. Ja, am Lliederrbein mußten fie auch nach der 
großen Maraftropbe des Varus ihren Minflup auf die Bermanen 
auszudehnen. 

m Abeindelta faßen die Bataver, die fehon früb dem römifchen 
Weicye einverleibt worden find umd gerreue Unterhanen und tapfere 
Soldaten waren. bnen gegenüber wohnten die Ranninefaten, die 
gleicyfalle den Römern Jilfomannfchaften flellten, und nicht minder die 
Sriefen. inige Widerwehr hatten die Chauten, ein Schiffervol® an der 
Vlosdfee, dem Drufüs geleiftet. Abgefeben von diefen, Übernahmen die 


18 1. Bapi 





‚genannten Stämme die Verteidigung der Reichsgrenze. Vom Linfluß 
der Lippe in den Abein fübaufindrts wurde eine Grensftrafe gebaut, 
die milicdrifch gefcblige wurde. Zur größeren Sicherheit diefer Reiche: 
grenze haben die Römer teils die Völkerfchaften auf das linke Ufer über- 
geffiber, teile in das Innere zurüchgedränge. Der ganze Landfteih auf 
dem rechten Ufer wourde demgemäß enrwölßert, und er diente ale Weideland 
für die erden der niederrbeinifchen Armer. 

Die ungemöhnlidy große, am Aheine ftationieree römifche Armee hatte 
die doppelte Aufgabe, einmal die Bermanen vom Uebergange über den 
Abein abzuhalten und dann den Ballien Surcht und Hefpekt einzuflößen. 
Denn wohl rhhmte der Philifter in Rom, daß 1200 Mann in Lyon 
im ftande wären, Ballien zu beberrfchen; die Regierung toußte dies beffer. 

Der Sturz der Julifäb-Claudifchen Dynaftie erfchlitterre die Gerrfchaft 
Roms auf das bedenklichfte. Die Gallier glaubten, der Tag der Sreibeit 
fei angebrochen. Schlimmer war es, daß nun auc) die Bataver und 
ihre Yadhbarn fic) erhoben, wodurch dann die rechterbeinifchen Germanen 
gleichfalls in Bewegung gerieren; ja, fogar die gerreuen Dangionen und 
Triboker wurden abtrünnig, doch fie Febrten, als Vespaftan mit fifter 
Sand die Zügel der Regierung ergeiff und genügende Truppen zur Ueber» 
wachung der Aufftänbigen an den Abein fehichee, in den gewohnten 
Gehorfam zurüct. Der Aufftand wurde vollftändig niedergefchlagen, 
und Vespafian verftand es, durch MWafhalten und Rlugbeit fefte Ver« 
bäleniffe am Abeine zu begründen. Auch die freien Germanen forgten 
felbft durch ihre innere Zmwierradyt daflır, daß die Römer Anlaf hatten, 
fi) in ihre Angelegenheiten einsumifchen und durd» Beglinftigung der 
römifch Befinnten jeder Seindfeligteit zuvorzutommen. Wir den Römern 
(war nun ein dauernder Brenzfriede und Damit ein ftieblicher Verkehr 
ein, und im Laufe der Zeit Tonnten die Zegionen am Aheine auf die 
Sälfte vermindert werden. Banz befonders günftig geftalteren fich für 
die Amer am Oberrhein die Verhätmiffe. Auch bier blieb der Ahein 
immer die Verreidigungslinie; nicht eine der Legionen nahm ihr Scand» 
lager auf dem echten Abeinufer. Am Wein und am Abein faßen 
die Chatten, neben den Eherustern Die “aupefeinde der Amer. Ein 
bartifcher Gau, die Wiartiaten (bei Wiesbaden), unterwarf fid) fon 
früb den Aömern und wurde vollftändig romanifiert. Begen die 
anderen Chatten hatten jedody die Mömer fortwährend zu Bämpfen, 
bie es dem vielgefchmähten aifer Domirian gelang, die römifihe 


Die Voryei. 1 


Grenze vorzufcpieben und dauernd zu fichern. Yun wurde das untere 
Wainthal in die eSmifdye Grenzlinie eingegogen und ebenfo das 
gefamte Yledargebiet. Dem Domitian ift wohl die erfle Anlage des 
tömifdyen Limes oder Pfablgrabens zuyufehreiben, der dann von feinen 
Ylacdfolgern weiter ausgebaut wurde und fr das Schichfal des deutfchen 
Volkes von auferordentlicer Bedeutung war. An Diefer römifchen 
Grenzlinie wourde der Brenzverkehr fdharf überwacht und. den Germanen 
die bewaffnete Ueberfchreitung der Grenze verwehrt. Die Folge davon 
war, dafı die Bewegung der germanifihen Stämme zum Steben gebracht 
wurde. Bei der Vermehrung der Bevölferung und zugleich bei der 
Unmöglichkeit, weitere Weidepläge für das Vieh zu gewinnen, wurden 
die Weftgermanen gesungen, von der faft ausfibließlichen Viebzudhr 
zum Aderbau übersugeben und damit auch zu einem feßbafteren Leben. 
Ylur ungern mochte fich der fähmweifende Bermane dazu verfiehen, Diefen 
Uebergang vom YTomadenleben zum Bauern zu machen, doch die YIor 
mabm ibn in eine harte, aber um fo nnlidere Schule. Erf jene, 
feitdem er feßbafter Adterbauer geworden war, Bonnte er Die ziilifarorifähen 
Elemente in ficb aufnehmen und verarbeiten‘). 








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2. Rapitel, 


Die Romanifierung der Rheinlande. 


ulmerbaib des Limes Eonnte die römifche 
Rulcur Wurzel fafen, erftarken und ich 
auebreiten, nur wenig in ihrer Entwoichelung 
| gebemimt Durch zeitweilige Aufftände und 
Briege. Es gebört zu den größten 
Aubmesthaten des römifchen Volkes, die 
nörblichen Länder Europas in den Bann 
Breis ihrer Rulcur gesogen zu haben. Wohl 
floffen 'bei der Zroberung Balliens und 
Germaniens Ströme Blutes, viel ungerechte 
Bewaltehar gefeyab, allein, mag man den. 
Brieg noch fo fehr verdammen, er it ein 
ganz unentbehrlicher Gakror, um die Zivilifarion auszubehnen. Zum Teil 
gegen ihren Willen find die Römer gezwungen worden, unaufbörlich die 
Briegefahne zu fehwwingen, ein Land mad) dem anderen zu erobern; fie 
haben gemiß manche fehßne Blüte geknicht, die Freiheit vieler Orte 
gebrochen, fie haben aber andererfeits audy den durch innere Kriege 
versofifteren und durch Parteileidenfchafe zerrlitteren Ländern des Wiirtel- 
meeres Ordnung und Sicyerheit zurückgegeben. Das rSmifche Raiferrum 
bat fd) durch viele Srevelthaten befledt, die ungebeuerlichften Lafter 
durften die “erefcher unbeftraft verüben, weil das Berußtfein ihrer 
Börtlichbeit und das Uebermaß ihrer Wacht ihre Sinne umnebelten, 
doch die Alleinberrfcyaft war der damaligen YVelt unentbehrlich und 
gereichte ihr zum Segen. Unter dem machtvollen Scepter der Cifaren 
in Rom genoß die damalige Aulturwelt eine verhältnismäßig lange Zeit 





2 2 Bapid 


der Nube und eines befriedigen Dafeins. Ylicht das Genie eines 
Wienfeben verbüirgee Diefen glüchfeligen Zuftand, fondern der wunderbare 
Organismus der römifcben Verwaltung, eine Srucht des römifcben Geiftes. 

Die Wenfdyen in den Provinzen wurden wenig davon berührt, 
wenn in Rom durch biutige Palaftrevolutionen ein Raifer geftürge und 
ein anderer erhoben wurde; der Bang der Vermaltung erlitt dadurch 
keine Unterbrechung. Das: Lebeneibeal- des anciten Mienfehen wurde 
damals in den zwei erften Jahrhunderten unferer Zeitrechnung annähernd 
erreiche. Durch eigene Rraft fuchre man die Bllchfeligfeit zu erringen, 
und diefe Blüchfeligteit beruhte auf dem Glauben, daß die lebel diefer 
Welt dem Weifen, der dur) das Wiffen zur Krfennenis des Guten 
und BSfen gelange war, wefenfos fein. Im römifchen WOeltreich waren 
num fo viele Völker, die fich einft erbietert befämpft hatten, unter einer 
‚erefcbaft friedlich geeinigt. Be fand ein Affimilsrionsprogeß fiat, die 
nationalen Begenfäge vermifchten fich, ein VWeltbürgertum bildete fich 
aus, das durch die Lehren der Pbilofopben eine böbere Weibe fand. 
Zange bevor das Cbriftenum feinen Einfluß auf die Lebensanftbauung 
auslibte, verfümderen die Pbilofopben die bobe Lehre, daß alle Wenfeben 
Brüder feien. 

Die neueren Befbichtfehreiber baben oft genug die Zeit des römifchen 
Raiferrums als eine Periode des tiefjten Sierenverfalls und der entfelichften 
moralifcyen Säulnis gefähildert. Allein man darf auf die Alagen der 
Wioralpbilofopben und den Spore der Satiriter nichr allsugroßes Bewwicht 
degen. Wobl mag die vornehme Gefellfeyaft in Nom fitrlich verderben 
geiwefen fein, indes berweifen zu viele umanfechebare Zeugniffe, daß, zumal 
in den Provinzen, im ganzen gefunde Zuftände berrfchten. Die Lafter, 
füge Seneca richtig, find nicht ‚den Zeiten eigentümlich, fondern den 
Wienfchen; fein Zeitalter ift von Schuld frei gewefen. Und Warc Aurel, 
der Philofopb auf’dem Thron, erfreute fich der Vorzüge feiner Zeirgenoffen. 
Trog mancher Arten des römifcben Charakters, wie die Sreude an 
biutigen Tier und Wienfebenbenen, ihre Braufamfeir gegen unterworfen 
Völker, begann doch das Zumanitdreibeal ih mehr und mehr zu ver 
wirklichen. 

Ss ift ein großer Rubmestitel des Römertums, daß es in unabläfjiger 
Arbeit das Heich der Sieilifariin auedehnte, und einen nicht geringen 
Anteil an diefer ultrarbeit haben die eömifchen Legionen gehabt; fie 
waren in den balbbarberifchen und in den barbarifdhen Ländern die 


Pie Nomanifirung der Nheinlande. 25 


Träger einer höheren Rulrur. Ylue eömifde Dinger durften in den 
Zegionen dienen. Aus den Provingialen und den mir Rom verbünderen 
femden Völkern bildere man die Aupilisctruppen, die mir den Legionen 
tombiniere wurden. Auch in ihnen berefchee eömifcher Beift und römifche 
Disziplin. Der Legionar war kein gemeiner Soldat im heutigen Sinne‘). 
Will man feine Stellung und feine Bedeutung für die Unterwerfüng 
md Kultivierung eroberter Länder fidh vergegenimärrigen, fo muß man 
erosa die englifäyen Molonieen und ihre Verwaltung zur Vergleichung 
berangieben. Wie in Tindien auf einen englifchen Soldaten zehn Ein 
geborene Fommen, wie dort der englifihe Soldat den Tindiern gegenüber 
die höhere europifche Rulrur vertritt, fo war der römifche Soldat in 
den Barbarenländern auch den tapferften tEingeborenen weit überlegen; 
und der Segionar diente nicht nur als Mrieger, fondern auch ale Der- 
breiter einer höheren Bultur. Teder römifche Soldat batte wie der 
englifäje in Indien feine Bedienung, fo daß die Zabl der Yliche 
tombarcanten die des felbtlichtigen “eeres bei weitem überftieg. Er ver- 
fand forwohl die Ariegstunjt ale auch die Rünfte des Griedens, er war 
Biegelbrenner und !brrelbereiter, W lauter und Zimmermann, die 
Eenrurionen Ingenieure und Arhiteften. iefe wurden auch oft in der 
Bivilverwoaltung verwender, und auch noch in fpäter Zeit bewoeifen fie das 
‚organifatorifche Befchick, das dem Nömer von jeher innewobnte. 

Die römifcyen “eere begleiteten Raufleute, die id Kühn bis in die 
gefährlichften Begenden wagten und den Seldberren oft als Runbfehafter 
dienten; ferner Steinmegen und +andwerker aller er, Alınftier u. f. w. 
Denn ber Aömer mochte auch in den Barbarenländern des 
Zurus nicht gerne entbehren. Sobald einmal die Sicherheit bergeftelit 
war, entftanden Zupusbauten in den aufblühenden Städten und prächtig 
ausgefchmichte Landhäufer. 

Wo auch immer der Römer feten Fuß faßte, verbreitete fich feine 
Stödeefultur, Inden er teils Städte neu anlegte, teils fon beftebende 
Orefdpaften in Städte ummandelee. Jaft jedes römifche Lager oder 
Caftrum, das längere Zeit beftand, erwuche im Laufe der Zeit zur Stadt. 

Die erfte Nufgabe bei der Decupierung eines fremden Landes war 
die Aerftellung eines Sreaßennenes. Wan benugte bierfür meift die durch 
Die Ylatır gegebenen Lürzeften Verbindungslinien, die fdyon von den 
ingeborenen begangen worden waren. Die wichrigften Zauprpuntte 
wurden verbunden ımb die Strafe in möglichft gerader Linie gefübre, 


2 2. Bapirel, 


unbekimmert um das Terrain, über Berg und Thal, durch Wälder und 
Sümpfe. Die römifchen Ingenieure verftanden es, den Straf 
in beinabe unverwüftlicher WDeife berzuftellen. Dann wurden die firaregifch 
wichtigften Punfte durch Anlegung von Kaftellen gefichere. War das 
gefebeben, fo konnte fich das propinzielle Leben entfalten; es entftanden 
aus den Kaftellen Städte, die Wälder wurden gelichter, die Stunpfe 
gerrocdner, die Aecher in intenfiven Anbau genommen, Garten: und 
Wiefentultur biühten auf, die Weineben grünen an den fonnigen 
Bergtehnen und von den Zöhen febimmerten die fäulengerragenen Villen. 
Die Broberung und Nomanifierung der Abeinlande war für die 
Asmer wie fir die Bermanen von weittragender Bedeuung. Dadurch 
wurde der Deflg von Gallien erft recht geficher und die Bermanen der 
Schule und Zucht der Mulrur unterworfen. Die geograpbifche 
Befchaffenbeit des Aheinthales hat ihm vor allen anderen Slußchälen 
des ontinents eine bervorragende Wichtigkeit für den Verkehr und 
die Verbreitung der Mulcur verlichen‘). Die Aheinebene ift entftanden 
durch Abfenkung zwoifchen den heutigen Randgebirgen zu Beginn der 
Diluviakgeit; damals ift der MAhein in die breite Spalte eingebrochen; 
indem ex fein Waffer ftaute, bildete er einen weiten See, deffen Ufer der 
Schwarzwald und die Vogefen waren. Diefer See Ponnte feinen 
Abfluß erft dann finden, ale er, eine Spalte benunend, das Abein- 
febiefergebirge Durchnagte. Als der See ausgelaufen war, blieb ein 
meilenbreiter, fümpfteicher, vwlfter Slußgraben. Die sabllofen Tnfeln 
‚ober Werber im Abein waren von jeher Sde Sandbinte, bis in die 
Vleugeit, bevor durch das erftarfte neue deutfihe Reich die große Fluß: 
Borrektion durchgeführt wurde”), ein Spiel der wilden Bewäffer des 
Stromes. Demgemäß war er vorerft wenig geeignet zur friedlichen 
Bommunitation der auf beiden Seiten wohnenden iienfehen; der Ackerbau 
und die Anfiedelung rückten nirgends dicht an feine Ufer vor. Die frucht: 
barften Strecken des Thalbodens find und waren in einiger Lntfernung 
vom Aheinberte längs des Sußeo der beiberfeitigen Gebirge. +sier war das 
Land für den Acerbau befondere geeignet. Jaier waren die [hönften Wein- 
gelände und Obfigärten, bier für die Städte und Dörfer Sicherheit vor 
Üeberflurung. Da, wo das Hochgeftade fich fiber die Lliederung erhebt, 
finden wir dasfelbe befent von Yliederlaffungen uralten Urfprungs, _ Auf 
folchen Spigen des Jochgeftades fiehen Speier, Worms u. f. m. An den 
fruchtbaren Bebängen der Berge und auf der erhöhten Ebene des Ahein- 


Die Komaniflerung der Nheinlande. 25 


tbales ennwictelten fich die Anfänge der Kultur, die, wie wir gefehen haben, 
in die dunkle Urzeit zurlichteicht. Lange vor der Ankunft der Römer 
wurde der Boden von vielen raufenden fleifigen Anden bearbeitet und 
war er überfär mit Dörfern, namentlich dicht auf dem linken Abeinufer, 
in der Pfals und in Abeinbeffen”). Den Beweis für diefe Behauptung 
leiften die in den legten Tabrsehnten fo bäufig gemachten Bodenfunde, 
die in den Wiufeen von Speier, Worms, Darmtade, Mainz u. f. w. 
aufbewahrt werden. Wefentlid aus militdrifchen Aückfichten bat 
I. Cifar die Triboßer, Ylemeter und Vangionen und fpsrer Agrippa 
Die Ubier auf dem linken Rheinufer angefledele. Bine Vernichtung oder 
Vertreibung der alten Bevölkerung wurde Baum beabftchrigt; fie blieb im 
Befln ihres Bodens und arbeitete nadı wie vor. ie neuen Anflebler, 
deren Zabl Baum groß gewefen fein woicd, find wabrfcheintich an beftimmten 
Punfren Eongentriert worden, um ihre neue Aufgabe der Verteidigung 
des Landes gegen die Bermanen beffer erfüllen zu Lönnen. BDiefe 
germanifchen Völterfchaften erhielten eine Organifarion, die der gallifdhen 
entiehnt war. Gie wurden in Baue eingeordnet mir einem Vorort. Jaier 
errichtete man aledann ein römifches Lager, und aus dem Vorort erwuche 
allmählich durdy Verfehmelsung der verfchiedenen Bevölkerungselemente 
eine römifce Stadt. Die mehr oder weniger gänfige neographifibe 
Lage eines foldhen Ortes bedingte deffen Bedeurung und Entroichelung. 
Böln gewinnt feit feiner Gelmdung eine ganz befonders. hervor 
tagende Stellung"). Agrippa batte im Jahre 38 v. Chr. die Übier in 
diefer Gegend angefiedelt; bier errichtere dann Drufüs ein Lager für 
zuvel Legionen. Claubius gab dem Orte die Rechte einer Rolonie, die zu 
Ehren feiner dort geborenen Bemablin Ageippins Colonia Claudia Ara 
Agrippinensis genannt wurde ober meift abgekürzt Colonia Agrippinensium. 
Die Legionen wurden nach dem Caftrum bei Bonn verlegt, und die 
germanifchen und römifcben Bewwobner von Röln übernahmen nun felbft 
die Verteidigung ihrer Stade, welche Ducch eine Bricte mir dem gegen- 
den. befeftigten Divitia oder Deug verbunden war. Yroch find 
viele Refte der römifchen Stadtmauer zu feben, in lenter Zeit foldhe ganz 
in der Ylähe des Doms aufgededft worden, und zahlreiche Trümmer, 
Grabdentmäler, Infehriften, Skulpturen, Geräte aller Art, Bläfer, Thon- 
‚gefehirre ıc. zeugen von der einftigen lite römifcher Aulcur. 
Beinahe nody wichtiger als Köln, wenigftene in militkrifcher “in: 
fit, war Wiains am Abein, gegenüber dem Ausfluß des Maine, das 


4. Den, Die Auer Der iin au . 


73 2. Rapfel, 


Abein- und Wiainthal weithin beberrfchend. Bevor bier Drufus das 
erfte ftehende Winterlager errichtere, eriftierte bereits eine größere Beltifche 
Anfiedelung, die Moguntiacum bieß, fei es nach drm lang 

gallifchen Bor Mogo, fei es nady einem Perfonennamen Wogontius”). 
Die Seftung war eine der größten und färkften am Abeine und ber 
berbergte sei Legionen, alfo, wenn man die Aupiliartruppen surechner, 
eirca 20000 Wann. +ier wurde von den Soldaten dem teliebten Selb; 
deren Drufus ein Denkmal errichtet, deffen Ueberrefte in den Urkunden 
mit dem YTamen Drufilet bezeichnet, vom Volte aber Eigeljtein genannt 
wourden. Yloch heute ragt die Begelförmige Auine auf der Litsdelle 
empor. Alljäbrli wurde vor diefem Denkmal eine Leicenparade 
abgebalten. Linweit davon wurde dem Bohne dee Drufiis, Germanicus 
(@eft. 19 n. Ebr.), ein Ehrenbogen mie Infebrift errichrer. Das Srefte 
der uns erhaltenen Brabdenfmäler ift der Stein des Praefectus fabrum 
Perronius Afellio, der unter Tiberins diente. Drufüs bar wahrfebeinlich 
febon das gegenüberliegende Ufer duch Anlage von KExdmwerten gefichert. 
Aber erft nad) der Broberung des Taunuslandes wurde auf dem rechten 
Ufer das Castellum Mattiacum gebaut und eine fefte Brüche über den 
'Abein gefeblagen"”), deren Hichenpfähle bei Belegenbeit des Brückenbaues 
im Jahre 1880 geboben worden find. Ein Pfeiler der alten römifcben 
Abeinbrüce ift aus diefem Waterial refonftruiere und im Jofe des erz: 
bifdöflichen Schloffes in Mainz aufgeftellt. Auf dem Pfablroft war 
der Pfeiler aufgemauert und über Die fteinernen Pfeiler if die bölgerne 
Brückenbabn. Diefes großartige Wert wurde, wie bie Sundftüde 
bemeifen, von der XIV. und XXII. Legion sur Zeit des Domitians 
gebaut, um das Tahr 89 n. Chr. Die Brüde mußte jedoch, als im 
3. Tabrhundere die germanifden Stämme der Alamannen und Sranten 
ibre verheerenden Einfälle in das römifche Gebiet begannen, zeitweife 
abgebrochen werden, und jie wurde dann unter Dioklerian erneuert. Tim 
Parifer Wünztabinett wird ein in Lyon gefundenes Dleimedaillon auf: 
bewahrt, das die beiden Raifer Diokletian und Wariminian, auf ihren 
‚Thronen finend, darftelt, wie fie die Juldigung Untermorfener entgegen: 
nehmen, mit der Tnfebrift: Saeculi Felicitas. Unten ift linke mie 
Türmen und Thoren Wiains= Moguntiacum, rechts aftel= Castelflum) 
zu feben, dazwoifchen der Suß: Mluvius) Rhenus und über dem giuffe 
die Brücte mit drei fleinernen Runbbogen, die :Sabrbahn durch eine 
Baluftrade gefhhlr. Ueber die Brüche führen unter Vorantritt eines 


Die Nomaniferung der Aheinlande 27 


Heinen Bnaben wori Benien den Baifer“). Yady Valentinian feine 
fie serfißer worden zu fein. 

Hier in Mainz refidierre der Statthalter von Öbergermanien, bier 
war aud) der Sig der Verwaltung mir zahlreichen Beamten. Außerhalb 
des Castrum, doch unter feinem Schune, fiedelte fich der zum Geere 
gehörende Troß an: Wiarterender, Baufleure, Asandıwerker, Weiber. Die 
gur Keferve entlajfenen Soldaten (dlugen ebenfalls dafelbft ihren YOobnfiz 
auf und verbeirateren ji mir eingeborenen Srauen. Sie nannten fich 
im Gegenfag zu den Ziviliften Vereranen. Verabfehieder erhielten fie 
anfangs Land angerwiefen, fpdter wurden fie mit Beld abgelohnt und 
blieben dann meift da, wo fie Den größten Teil ihres Lebens zugebracht 
hatten. Someit die Bewohner Diefes Vorortes römifches Bürgerrecht 
befaßten, bilberen fie eine gefehloffene Rorporarion mir einer Verfaffung, 
Die derjenigen der Wlunizipien nachgebildet war. In der Solbatenfprache 
bießen fie Canabenses, was man mit Barackenberoobner fiberfezen Kann“), 
‚offiziell dagegen Veterani et cives Romani oder kurs audy cives Romani. 
Dis zur Zeit Diokleriane Idßr fi für Wiains die Morporarion der 
wömifchen Blirger nachmweifen, deren Vorftand nach einer Infebrift vom 
Jahre 198 Curator eivium Romanorum bief. Daneben befland aber 
Die alte einheimifcye Bemeinde fort. Sie bieß Vicus, die Kinmwohner 
Vicani Moguntiscenses. Als die Bevölkerung wuche, entflanden neue 
Quartiere oder Vici, deren man in Wiain nach den Infehriften vier 
fennt, die zufammen eine Ortsgemeinde ausmachen. An ihrer Spine 
ftand der Curator vici, daneben Kommt der Dudftor, der Abtor vor, 
auch Aedilen (die Polizeibehörde) werden niche gefehlt haben. Die 
Eroberung der Taumusgegend und des Ylecargebieres, forwie die Anı 
egung des Limes gewährleiftete der Bemeinde Sicherheit und wachfenden 
Verkehr. rft umter Diokierian, nach 293, erlangte Wlainz Stadtrecht 
und wird von nun an Civitas genannt. it einer gewiffen Wahr 
fbeinticjteit darf man dem Raifer Probus die Ehre erweifen, daß er 
Wlainz zur Stadt erboben bat, er, der ja mit ftarker hand die römifche 
Yersfchaft am Ahein gegen die Angeiffe der Germanen fcyiemee. 

Yolhrend Wainz hauptfächlich als große Setung Bedeutung batte, 
fo erhoben fich andere Orte noch vor ihın zur ftädrifchen Blüre. Das 
Dekumatenland, jener Grensfiri am Oberrhein von Bafel bis zum 
Year, ift ext dundy Defpaflan dem römifchen Beiche gewonnen worden. 
Vorber arten die Mömer diefes Land wüftgelege, um die Bermanen 


28 2. Bapi. 


vom Rheine abzuhalten. Ver von den Ballieen, fagt Tacitus, Germ. 29, 
den leichteften Wue und jene Rühnbeit befeffen habe, den die Armur 
verleiht, der babe fid) Beflg in dem zweifelhaften Bebier erworben. 
Später it diefes Bebier nach Antegung dee Limes idherer Befiz der 
Aömer geworden. Um das Tahr 74 wurde unter Vefpaflan von dem 
faiferlichen Legaten eine mit Wieilenfteinen bezeichnete Strafe gebaut, 
welche die Verbindung zwifchen Straßburg und dem Schwarswald 
berftellte, um das Jahr 500 baute Trajan eine andere Straße, bie von 
Wainz Über Worms, Ladenburg am Yleddar nad) dem Süden führte”). 
In diefer Zeit wurde auch die definitie Organifarion der theinifihen 
Witiefegrenge durcbgeführe, indem fie, die bisher der Zivilverwaltung 
der Provinz Belgien unterftanden batte, nun offiziell in zwei felbftändige 
Provinzen, Germania superior und Germania inferior, gegliedert wurde, 
deren Grensfcheide der Vinptbach war, gegenüber von Abeinbrobl, da, 
mo auf dem rechten Ufer der Limes endigte. Diefer Vinstbady fhied 
auch die beiden rzbisrhmer Trier und Röln. 

Die auf dem cechten Abeinufer ich bildenden Volkegemeinden 
wurden nun nach römifdyer Art organifiert. Es werden genannc: die 
Civitas Aurelia Aquensis mit dem Vorort Aquae, das heutige Baden- 
Baden; Saltus Sumolicena, das beurige Rottenburg am YIechar; die nicht 
näher zu beftimmenden Civitas S. T., die Civitas Alisinensis, die Civitas 
Taunensium, die Civitas Mattiacorum mit dem Vorort Aquae Mattiacae, 
das heutige Wiesbaden, und die Civitss Ulpia Sueborum Nicrenum”) 
mit dem Vorort Lopodunum, das beurige Ladenburg. 

Die Römer achteten die biftorifeben und territorialen Verbälmiffe 
der von ihnen unterworfenen Völker, forweit fi dies mit der Sicherbeit 
des Neiches vereinigen ließ. Die ganze Völkerfchaft oder Civitas wurde 
als eine adminiftraive ZBinbeit aufgefaßt und von einem Zentralpuntt 
aus verwalter, der dadurch zum ssauptort der Völkerfchaft wurde. 
Infolge davon vercaufebre diefer Sauprort feinen früberen Lokalnamen 
mit dem Yramen der betreffenden Völkerfhaft, in deren Gebier er lag; 
über im Volfemund erhielt fich wohl immer neben dem offisiellen Yramen 
der alte im Bebrauce fort, und als die römifche “errfchaft ihr Ende 
erreichte, erlangte der frühere YTame wieder die Oberband, während der 
Völterfcpaftename verfhprsand. Lopodunum'“) war offenbar fäyon zur 
teltifehen Zeit ein Vice gewefen, d. b. eine mit Landbefig ausgeftatrere, 
‚offene Orefchaft, deren Bersohner, die Vicani, eine Forporative Verfaffung 





Die Nomaniferung der Nheinlande. Pr 


befaßien“). Die Verhäleniffe werden fich nicht allsufebr verändert baben, 
nachdem Die Bermanen die Vieckargegend occupierten. Tin Tnfehriften 
werden jie als Vleckarflieven bezeichnet; fie waren aber wohl Stamm 
verwandte der auf’ dem linken Ufer figenden Vangionen. Unter Trajan 
untertoorfen, wurden fie zu einer Civitas orgahiflert, deren Vorort eben 
Lopodunum war. Sablreiche Funde zeugen von der einftigen Blüte 
diefer Stadt. Den Grundftoc® der Bewohner bilderen bier wie überall 
im römifdyen Reich die Brundbefiner, die zeiweife auf ihren Landhäufern 
wohnten, fonft aber ihr Domizil in der Stadt harten. Die Kaufleute, 
welche mur zuweilen“ in der Star wohnten, nahmen eine befondere 
Hecbreftellung ein. In der Stadt lag eine Garnifon, die von der 
XXI. Legion detachiert war. Die einbeimifche Bevölkerung wurde 
wohl bald ganz romanifiert und Iebte bier fort, audy dann, als das 
echtsrheinifche Bermanien fehon lÄngft den Römern entriffen war. 

Zu Ladenburg fiand Worms während des YWittelalters in enger 
Beziehung. Die Gefebichten beider Sehdre in römifiher Zeit Bären fich 
gegenfeitig auf. VWsms it durd) die Ylatur zu einem bervorragenden 

Wirrelpuntt des Verkebro beflimme worden. Das “ochgeftade tritr bier 
nahezu an den bein. Zwei langgeftreckte Slußthäler, des Sisbaches 
und der Pfrimm, vereinigen fich bier. Auf dem zwifchen ihnen befind- 
lichen Aüchen erhebt fid) Worms, die Abeinebene beberrfehend. Die 
fruchtbare nördlice Pfalz bilder das wirtfchaftliche <interland der 
Stadt, nach weldyer fid) der ganze Verkehr der Gegend binziebt; das 
weniger fruchtbare Ried auf dem rechten Rheinufer liefert billige Arbeits- 
Erdfie. Der Ahein war und if nod) fent eine Aauptverfehreftraße fir 
Worms; über den Ahein Ereust eine uralte Straße, die das Viecfarhal 
mit dem Abeinchal verbinder. Die Ehroniften des Wicrelalters Lnnen 
nicht genug die Fruchtbarkeit der Wormfer Landfchaft rühmen, fie war 
ein wabrbaftiger „Wonnegeu“, „Bieneil alles, was der Wienfh zur 
Erhaltung des Lebens von nöten hat, durdy Botres Segen in diefem 
Revier häufig zu befommen ift, vornämlich an gutem Wein und fäySnem 
Getreide; denn Wonne bedeuret in unferer Sprache Luft, Sreube und 
Fülle.“ Daber bitten die alten deutfchen Poeten die Urfache genommen, 
fo viel vom Bofengarten bei Worms zu fingen”). Peter Zamann in 
der Anmerkung zu feiner Stisge der Wormfer Umgegend”) weilt mit 
berechrigtem Stolz auf die herzliche Lage der Stadt bin; 508 Städtchen, 
Slecfen und Dörfer liegen um fie, die alle dahin zu Warkte Eommen. 


30 2. Bapie 


Seth fbon haben fich hier die Wienfeben niedergelaffen. Diefer Ort 
bat, mag er auch noch fo oft von feindlichen Völßern gepländert, ver: 
brannt und zerftört worden fein, alle Schickfalsfchläge ftets überwunden 
und fi) immer wieder von neuem zur Blüte erhoben. Ylie haben die 
Wormfer felbft in den fchickfalfhwerften Jahren den Wiur verloren und 
Die Arme verdroffen finden laffen. 

Der Ylame Worms”) geböer unftreitig der. Felfdyen Spradye an. 
Prolomäus in feinem Zandbudy der Beograpbie aue der-Beit des Railere 
Anroninus Pius um die Wirte des 2. Jahrhunderts nenne Worms Boppreieere, 
im Tinerarium Antonini (3. Jahrhundert) Borbitomagus, in der Tabula 
Peutingeriana Borgetomagus, wobei offenbar ein Schreibfehler anyı- 
nehmen ift; in_der Tnfhrift von Tongern aus dem 3. Jahrhundert 
(Borb)ITOMAG. Der zweite Beftanbdeeil, magus, kommt bäufig in 
gallifchen Ortsnamen vor, wie 3. B. Noviomagus, Juliomagus ıc. und 
bedeutet Seid; den erften Teil, Borbeto, leiten die Renner der Eelrifcyen 
Spradye von Borveto ab, dem Yiamen des Badyes, der nörblich von 
Worms in den Abein münder und jest Pfrimm beißt. Beim Geo: 
grapbus Kavennas erfcheine die Ylamensform Gormetia, in der yweiten 
Begenfion der Notitia Galliarum aus dem 6. oder 7. Jahrhundert 
Warmatia, in dem Verzeichnis des. Parifer Konzils vom Tabre 614 
Uuarnacia”), in den älteften lateinifchen Urkunden Uuormatia und in 
den älreften beurfchen Wormeze, Wormize und Wormze, im Ylibelungen: 
lied Wormez, Wormze, Wormz. 

I. Eäfar hatte die Vangionen am Oberrhein angefledelt, die fortan 
als Aupilisrtruppen im vömifchen 4eere dienten. Eäfar führte fie 
49 v. Ehr. zum Rampfe gegen Pompejus nad) Tralien, und ihrer 
denkt der Dichter Lucanus: „Und Vangionen, Die dich Sarmare 
durch weite Jofen nachabmen“*). fo unterfebieden id) die Dangionen 
damals dur) ihre weiten ‚ofen von den Galliern, die enganliegende 
wrugen. Tacime bar mehrfachen Anlaß, ibrer zu gedenken. Yricht nur 
bieten fie am Abeine getreue Wacht; im Tabre 50 n. Chr. führte der 
Legar P. Pomponius Secundus die Vangionen und YIemeter nebft 
bumdesgenöffifchen Reitern Über den Rhein gegen die vÄuberifchen Chatten 
und brachte den Ienteren eine Kliederlage: bei”); fondern auch außerhalb 
ihrer Geimat waren fie im Dienfte Roms thätig; eine Cohors I. Van- 
gionum fiand in Britannien am Grenzwall bei Chefler Grenswacht, und 
felbft unter dem zur Baiferlichen Barde gebörigen Reitercorps in Rom, 


Die Komaniferung der Aheinlande 3 


den Equites singulares, das, weil fi diefe Truppe haupefächlich aus 
den Batavern retrutierte, als Batavi oder Germani bezeichnet wurde, finden 
wir Vertreter der drei germanifchpen Stämme. in einer vor zchn 
Jahren in Rom gefundenen Tinfchrift aus dem 2. Jahrhundert wird 
ls Stifter eines Dotiofteines ein eivis Nemens, d. b. ein aus der Volks: 
gemeinde der VTemeter ftammender Wann, genannt, in einer anderen 
Tnfebrift vom Tabre 147 ein WI: Antonius Ylicer und P. Aelins Vangio, 
fo Leute aus der Yieckarı und Wormegegend, in einer driten Urkunde 
vom TJahre 128 ein Tribocus Cl. Ara, d. b. ein Tribofer aus dem Unter: 
elfaß, dem als Veteran Köln zum Wohnfig angewiefen wurde*). Lrur 
einmal wantten fie in ihrer Treue, als Claubiue Civilis feine Landeleure, 
die Bataver, zum Aufftand gegen den Kaifer Virellius verleitere. Die 
Treirer glaubten, mit Rom fei eo su Ende, und proflamierten das 
gallifcbe Reich, worauf die römifchen Begionen am Abein Bapitulierten. 
Aber der neue Maifer Vefpaflan fiellte bald die Brönung wieder ber, 
und auch die Vangionen Eehrren wieder zum Beborfam zurüct. Von 
da an hören wir von feiner felbftändigen Willensdußerung der Dangionen 
mebr. war berichter ein Panegyrikus, daß im Tabre 310 Ronflantin 
der Brofie über Cherusker, Dangionen, Alamannen, Tubanten einen Sieg 
errungen babe”), aber bier liegt geroiß ein Term vor. 

Sehr wahrfcheinlich verwuchs diefe Eleine germanifche Völkerfchaft 
rafch mit der einheimifchen Bevölkerung und leiftete mit ibr der Romani- 
fierung Beinen Widerftand. In welcher Weife ibre YTiederlaffing erfolgte, 
wiffen wir nicht, fie erhielt wohl Land angemiefen und ließ fi) mitten 
unter den alten Bewohnern in Worms nieder. Meinesfälls wurde die 
alte teltifhye Orregemeinde Borbitomagus von ihnen vernichter. Einen 
Beleg hierfür Hiefern die Bodenfimde. Im Tabre 1890 find am Schild 
weg im Gebier der &epPfihen Sabrit Brandgräber aufgedee worden, 
die, vwoie die Befäßformen berweifen, der erften Raiferzeit angehören. 
Unter den Thongefäßen fand fi eines mit Ornamenten verziert, die 
fomoht auf Gefäßen der Spär-La-Töne-Beit, als auch bei frübrSmifihen 
vorkommen. Alfo bar.die alcheimifebe Töpfer -Induftrie forrgedauert, als 
die Vangionen fid) bier niederließen”). ie bilderen eine Baugemeinde, 
deren Vorott der Vieus Borbitomagus war. Aus diefem Vicus und 
dem römifchen Castrum entftand die Civitas Vangionum. 

Die aus römifchen Lagern (Castra) bervorgegangenen Städte Eenn- 
zeichmen fi) durch ihre einem länglichen Rechredt nabefommende Sorm 


32 2. Bapiel, 


und durch die rechrwinklig fidh fehneidenden Straßen. Auch für Worms 
trifft Dies zu, obgleich es bis jene noch nichr gelungen ift, Ueberrefte de 
Eaftrums aufiudedfen. Da erfahrungsgemäß die Bachedralticchen vielfach 
auf der Stelle, wo einft das Caftrum geftanden hatte, gebaut worden 
find, fo werden wir faum irce geben, wenn wir diefes Caftrum in der 
Yiähe des Doms beim Luginsland fuchen, da, wo die böchfte Erhöhung 
deo Bodens ift. Die frategifche Lage von Worme war bedeutend genug, 
daß man diefen Orr durd) eine fländige Barnifon, wenn diefe auch nur 
Hein war, zu dee winfbte. Yun wurden in Worms bis jene 
14 Ziegelfteine gefunden, welche den Stempel der XXI. Legion aufı 
weifen, woraus man auf die Anwefenbeit einer Abteilung diefer Legion 
im Caftrum Worms gefcloffen bat. 

Von biefen Ziegen tragen einige den Täpfernamen Julius Primus, 
der auch auf Ziegen in YWains, Söchft, Saalburg, Yebdernbeim ıc. 
vorommmt. Durch neuere feharffinnige Unterfuchungen wiffen wir fent, 
daß eo große Zentralziegeleien gab, die ihre Produkte an die verfebiedenen 
Baftelle verfandten”). Die mit einem Legionenftempel verfehenen Stempel 
bemeifen alfo Beineswege immer, daß in dem Örte, wo die Legionen- 
siegel gefunden worden find, auch wirklich die betreffende Legion 
besiebungevoeife ein Detachemene von ihr garnifoniere habe. Sir Worms 
wird die Frage, ob Soldaten der XXI. Legion im dortigen Lager 
geftanden baben, durch das Fehlen der Grabfteine von Soldaten diefer 
Legion verneine®), während Brabjteine von Soldaten aus anderen 
Truppenteilen genug vorkommen. 1883 wurde an der Schillerftrafe 
der Denkftein des Aurelius Diyga gefunden, der Custos armorum der 
sweiten Parthifcben Legion war, die vom Raifer Septimius Severus 
(193 bie 211) errichtet wurde; fie batre ibr Srandquartier in Tealien, 
alfo beweift diefer Stein nichts für das Vorkommen diefer Legion am 
‚bein und ebenfo wenig der Brabftein eines Tribuns der VII. Legion"). 
ingegen bar die XVI. Legion Spuren ihres Dafeine in Worms hinter: 
laffen. Sie fand in der erften Ydlfie des 1. Jahrhunderte in Ober: 
germanien, dann wurde fie unter Balba nady Yliedergermanien. verlegt. 
‚Woegen ihrer Bereiligung am Aufftande des Elaudius Eivilis vourde fie 
von Vefpaflan aufgelöft und als Legio XVI. Bavia neugebilder. Ihr 
gebörte der Reiter Gaius Vibins Virilio, Sohn des Gais aus der 
Voltinifchen Tribus, an, deffen Grabflein der bumaniftifd gebildete 
Bifcpof Johann von Dalberg 1484 in die !Wlauer des Bifdofsbofe in 





Die Homaniferung der Abeinlande 33 


Worms einmauein ließ. Dies ift die Ältefte der in Worms gefundenen 
Infepeiften”). 
auptfächlich jedoch garnifonierten in Worms Abteilungen von 
Aurilisrtruppen. YOkhrend wenigftens in der erften Zeit des römifchen 
Baiferrums die Legionen nur aus eSmifchen Brgern rekrutiert wurden, 
(0 mußteri dagegen die Provinzen nidyr nur die gefamte Reiterei, fondern 
auch; eine:. große. Anzahl von- Koborten der Infanterie fielen. Teils 
waren diefe Truppen nad) eömifcher Xer bervaffner: mir Yelm, Panzer, dem 
Cingulum, einem mit Weralibefälägen verzirrten Ledergurt, dem Pilum, 
einer WOurflange, dem kurzen Schwerte, bs ’an der rechten Seite getragen 
wurde, und dem Dolch, ‚eils behielten fie ihre nationale Bewaffnung, 
Bekleidung und Rampfiweife bei, wodurch ‚eine große Wiannigfalrigteit 
von Truppengattungen im römifchen Aeere hervorgebracht wurde. Alle 
Ylationen und alle Sprachen des römifchen Weltteiches wären im eere 
vertreten. Diefe Aupiliaetruppen waren in Bohorten (das’Sufvolt) und in 
Alen (bie Heiterei) eingereile, und die einzelnen Roborten und Alen erbielten 
ihre Ylamen entweder von ibrer.dzerkunft oder vom Lande, in dem fie fich 
ausgezeichnet hatten, oder vom Begiimder bes: berreffendeh Truppenteils. 
= ‚Solgende Truppenteile tommen nun ‚in|YDorms: vor: 
5. Ala Agripplana, :bezauge durch den Brabftein des Pacrus aus 
Trier, des Marius @obn, Das Relief fell einen Heiter Dar, 
dem. drei „Sußgänger folgen”). 
‚Ala Hispanorurfi, begruge durd) dehi'Brabfkein des Ouincus 
‚Earminius"ngennns, ‘$abnenträger.). Er; iR zu Pferde dar 
geftelkt, mit dein Signum;-d:hi’dem:beenzeicben. ber Truppe; 
unter ıfeinems Pferde: :liegen. 3eoei befingte Bermanen®); ferner 
"Durch den. /Denkfteiil deoi-Licmilis,::Sohn -des: Cloffius, aus 
elvetien; ‚unter dem. Pfezdeitiegt ein “Bermane®). i 
3. Als Indiana, begege” ‘dundhys den‘ Denkfleiit "des. Beiteio 
Atgioraltis, Sohn dis: Gmerkukicahun; aus ıbam Brbier: det 
35% © Grabe Vlantes an dei LoireioDeE Räitie fine: zu Pferdeiimd 
bieder mirider Hinten .dund:dab Pilum®). Diefe Al 
 hatıe übe, Stumbauserier in @ÖBergermanien;"won wo aus fie 
v2 sotum.bası: Fahe‘'43 had” Beirinnienwerfent wurde. In 
flavifchen' Zeit gebörteifie zum niedergefinanifchen. "heere und 
{ft dann durch ‘adrian. wiederum nach ©bergermanien ver- 
* Jegt worden. ı Der Wormfer Stein, gehört der Sclihseir-an”?). 


15. Boom, Die Ant Sr ehe an. 1. ‘ 





» 


34 2. Bapitel, 


4. Ala Sebosians, begeugt: durd den Denffein des Keisers 
Wareus Sempronius, Sohn des Lucius, aus Termes bei 
Hrumanria?). 

5. Ala I. Scubulorum, beseuge durch die WeiberInfchrift des 
ats Baburius Seftue aus der Pomptinifchen Tribus aus 
Arrerium (Aresso in reurien), Tribun der VII. Legion, 
Präfekt der Ala Sc. Diefe Als wurde im 2. Jahrhundert 
nach dern Oriente verlegt”). 

$. Cohors Raetorum et Vindelicorum, bezeugt durch einen 
verftämmelten Grabftein‘). 

7. Cohors Raetorum, begeugt Durch den Brabftein des Deiagenus, 
de Siogus Sohn, aus Monerinm in. rien‘). 

8: Cohors VII. Breueum, bezeugt durch die Infchrift des 
Pröfetren Lucius Oeravins Celer®). 

9. Cohors I. Thracum, bezeugt Durch obige Infehrift‘). 

Die Dienftzeit der Aupiliarrruppen dauerte 25 Jahre lang, aber 
meift blieb der Soldat bis zur Tnvalidirde bei der Truppe. Der Bold 
war niche gering, dazu Famen noch Dienftprämien und Gefbente bei 
Toronbefteigungen- und fonftigen Sreubenartläffen. Sür das Alter des 
Soldaten wurde geforge,' und dem Soldaten aus den Provinzen. bei den 
Hilferruppen wurde, fobald. er einige. ZJabre gedient hatte, das römifche 
Bürgerrecht verliehen. Bemöbnlich gefcbah dies für eine yanze Anzahl 
von Soldaten aus verfapiedenen Iruppenteilen in einer Urkunde. Eine 
#Erstafel, welche den Abt der- Verleibung Eundmachte, swurde zur all: 
gemeinen Benntnio an dem Winerparempel (feit 86) in Rom angefchlagen. 
Der auf diefe Weife: geehrr Soldat erhielt eine beglaubigte Abfehrift 
auf’ zwei Krztafeln in der Bröfe eines Ouadratblattes, die durch Drähte 
sufammengehalten und an denen.Die Siegel der Zeugen befeftigt waren. 
in foldyes Wiliräcdiplom vom 27. Dftober 90, das im Mhein bei 
Wainz gefunden wurde, bewabre Das: Paulusmufeum in Worms. Wir 
erfahren Daraus, daß 'L.' Japolenus Priscus, ein bekannter Juri, im 
Jahre 90 Legat in Obergermanien war und daß Damals Soldaten 
folgender “ilferruppen das Zürgerrecht gefebentt erhielten: 'Ala I. Havia 
gemina; Ala I. ‚Caninnefattum; Ala I. singularium; ‘Ala Seubulorum; 
Cohors I. Aavia Damascenonm milliaria“); Cohors I. Biturigum; 
Cohors I. Thracum; Cohors I. Aquitanorum veterana; Cohors I. 
‚Asturum; Cohors II. -Aquitanorum; Cohors II. Cyrenaica; Cohors II. 


Die Komanikerung der Kheinlande. 35 


Raetorum; Cohors Ill. Delmatarum; Cohors III. et III. Aquitanorum; 
Cohors II. Vindelicorum; Cohors V. Delmatarum; Cohors VII. 
Ractorum®). Diefes Diplom beieber uns, wie bunt sufammengewürfelt 
die römifcben Truppen. waren. Die römifchen Bitrger verweichlichten 
sufebende und ihre Abneigung gegen den “Ariegedienft war fo febr 
erfichelich, daß die Raifer im 2. Jahrhundert gesiwungen waren, auch die 
Legionen auo YTichrblirgern zu refrutieren; römifche Bfirger dienten dann 
überhaupt nicht mehr im “eere, denn die Soldaten, welche fich Blirger 
nenmen, find ja nichts anderes als Provingialen, denen das Biirgerrecht 
beim Hintrirt in den Dienft verliehen worden war. Das Satlenlaffen dee 
Prinzips der allgemeinen Wehrpflicht it ein Symprom des Vliedergangs des 
tömifhjen Ydefens. Die Bebilderen und Die Seädrer entzogen fidh aud) in 
den Provinzen dem Kriegedienft, die.Leere erfüllten-fich mehr und mehr 
‚mit den ungebildeten und robefterr Elementen der Bevölkerung, und die Folge 
war, dafs das Reich der Spielball einer ungesligelren Soldatesta wurde. 

Yror für das I. und 2: Tabrbundere ift die Anwefenbeit einer 
Barnifon in Worms urkundlich, beseugt. As die gefährlichen Rdmpfe 
‚an der Donau ausbrachen, wurden alle verfügbaren Truppen vom Rhein 
an die Donau geworfen und die Mbeinsemee fehr vermindert. Wan 
begnfigte fi wohl, die „auptfeftungen am Ahein mit fämsachen 
Garnifonen zu befegen und baupefächlich den befeftigten Limes gegen 
Angriffe der Ylachbarn zu’ ichern, während die früheren Caftra in 
Worms; Speier u. f. w. von Truppen ganz entblöfie waren. Erf am 
Ende bes 3. Jahrhunderts, nachdem der Limes in die Gewalt der 
Vlachbarn gefallen war, wurde das linke Aheinufer wieder in befferen 
Verteidigungszujtand gefent. BDiokletian und. Wiariminian werden als 
Erbauer von Seftungen genannt. Zur Sicherung der vom Abein nach 
Trier, der Refidenz des Cäfars Conftanrius Cblorus und der weftrömifchen 
Raifer des 4. Tahrhunderrs, führenden Strafen wurden eine Anzahl 
von Stationen befefigt, wie Venmagen, Dieburg, Tunterach, wobei 
man fich niche feheute, die Grabmomumente früberer Benerarionen zum 
Aufbau der Minen zu profänieren“).. Log die Ylonwenbigkeir vor, 
Orte, die fo tief im Innern des Landes fich befanden, zu befeftigen, fo 
war dies am Ahein felbft um fo dringender. Laut dem römifchen 
Beamtenverzeichnis ($. TJabrbundert) fand unter dem Dur in Mainz 
der Präfett der zweiten Alavifchen Schroadron in Worms”). Ans dem 
Ende des $. Jahrhunderts befizen wir einen Denkftein eines Wacht 





36 2. Bapitel: 


foldaten Aureliüe ‚Vapinus“); ferner den Denkjtein eines Panzerreiters 
Valerie Waraneius. Das Relief zeigt ihn zu Pferde mit eingelegter 
Lanze). Diefes Denkmal gehört ficber der Ienten Zeit der römifchen 
%erefähafe am Abein an, denn die Steinmenarbeit dofumentiert den 
gänslichen Verfall der bandiwertomäfigen Bunft: 

Aufo nur in den Anfängen und am Schluffe der römifchen Serrfehaft 
fPielte das miirheifcbe Element eine Rolle inYOorme. Die Bedeurung diefer 
Stade liege in ihrer Eigenfehaft als Vorort der Dangionen und ale Jnbuftrier 
ftadt. &ier wohnten neben der alten einbeimifcben Bevölkerung die Brund- 
befiner der Umgegend, römifchye Raufleute, Rünftler und Yandwerker. Die 
tömifche Stadt nahm den größten Teil der beutitsen inneren Stadt ein, fowie 
einen großen Teil der Speierer. Dorftadr; fie erfirecßte fid in Sorm einer 
Ellipfe von Süöweften nad) LTordojten und barre eine Längenausdebnung 
von 1400 m, wäbrend die Breitenausdehnung um die Jdlfte geringer war”). 

Die große römifche seerftraße, die dem Abein entlang von Köln 
bie Bafel lief, durchfehnirt in ibrem Sfttichen Teile die Stadt Worms; 
diefe vömifche vaeerftraße liegt unter der ebemaligen Watbildenftrafe, die 
fee Römerftraße beißt; andere Strafen verbanden Worme mir Pfedders: 
beim, Alzei und Bingen, dannging eine ins Pfrimmthal, eite andere 
über Offitein und Grünftsdt ins $Eisbacb: und Leiningerthel, eine dritte 
weftlich mad Dürkheim und Yleuftadt. Diefe Ientere mündere beim 
Speirerthor ein, und -die Strafe lief von hier Durd) die fenige Speirer- 
firaße über den Fleumarkt und durch die Rämmererftrafe und traf beim 
Waingerthor mir der großen “eerfiraße zufammen. Eine Anzahl von 
Ouerftraßen find gleichfalls bei Anlap der Banalifarionsarbeiten aufgedecht 
worden. Als Refulrat der fpftemarifchen Sorfbungen und zufällige 
Sunde ergiebt fich, daß das römifche Srraßenneg von Worms ungefähr 
dem mitrelalterlichen, besiehungswoeife dem heutigen entfpricht. Lach der 
Befdyaffenbeir diefer Römerftraßen und nach den Sundftlicken Bann man 
fie drei Perioden zumeifen. Die Strafen der frühbrömifchen Zeit find 
febr folid gebaut, und die gefundenen Münzen find folche des Auguftus. 
Die Strafen der mittleren Zeit führen über römifcbe Rulturfehichten, 
Gebäuderrümmer ıc.; bier wurden Wünzen fpäterer Zeit gefunden. Die 
fpäeömifdyen Straßen find fehe nachläfig gebaur; fie liegen böber ale 
die frliberen Straßen und geben meift über Trümmer ssmifcher Gebäude 
hinweg; in dem Schutt wurden fpätrömifche Milnzen und Scherben 
fpärrömifher Gefäße gefunden. Immer aber hatten die Bewohner das 


Die Aomeniferung der Abeinlande. 37 


Befteeben, womöglich die Richtung der alten Straßenzhge beizubebalten 
und fich wieder auf den alten “ofjtärten anzufiedeln. 

Die römifche Stadt erftredite fich vom heutigen Wafferwert im 
Süden der Stadt bis zum Mainzerthor; die Ofigrense lief ungefähr von 
der Baubofgaffe bis zum Sifhmarkt, und die Weftgrenze fiel ungefähr 
mit der mittelalterlichen Stadtmauer zufammen. Der Mittelpunkt der 
Stadt lag .alfo erwa beim Pfandhaus an der großen römifdyen soeer- 
fraße, denn bier wurde am 7. Dezember 1887 ein römifcher Weilenftein 
gefunden, deffen Kage es wabrfcheinlich macht, daß er urfprünglich an 
diefer Stelle gefianden hatte. Die aus rotem Sanbdftein bearbeitete runde 
Säule Hat mit dem viereckigen Sockel eine Aöhe von 2,08 m, ohne den 
Sodel 1,48 m. Der Durchmeffer beträgt oben 0,40, unten 0,43 m. Am 
oberen Teil der Säule ftebr die Jnfchrift, deren Buchjtaben fcharf und 
segelmäßig eingebauen find und eine Jöbe von 0,065 m haben. Sie lauter: 

IMP. C Impferarori) Classari) 

P. LICINIO P(ublio) Lieinio 

GALLIENO Gallieno 

P. F. INVICTO P(io) Ffelici) Invicto 

AVG. P-M-TR Aug(usto) P(ontifici) M(aximo) Trübunicie) 
POT-PP-COS Poxfestate) Patri Pfatrlae) Constull) 
PROCOS.  Procons(ull) 

cv. Civits) Vfanglonum). 

D. b.: Dem Raifer CHfar Publius Licinivo Gallienuo, dem frommen, 
glücklichen unbefiegten Auguftus, dem Pontifer Warimus, im Befis der 
geibunicifhhen Amtsgewalt, dem Vater des Vaterlandes, dem Ronful 
und Proßonful wibmer diefen Stein die Stadt Worms‘). 

Diefer Weilenftein it alfo zu Zbren des Baifers Gallienus im 
Jahre feiner Thronbefteigung 253, als fein Vater Valerian ihn zum 
Mitregenten ernannte, gefent worden. 

Am 37. Juli 1885 bat man einen zweiten Meilenftein bei Maria 
minfter gefunden, ebenfalls aus zorem Sanbftein gearbeitet, 0,69 m 
hoch; der Zufs fehle. Die Tnfehrife lauter: 

D-N-GALERIO Domino) N{ostro) Galerio 
VALERIO. MA Valerio Ma 


XIMIANO ximiano. 
NOB-CAES. _ Nobfillissimo) Caesfari) 
PRIN. IVV Prinleipi) luv 
ENTVTIS. entutis. 


VL Clivitas) Vlanglonum) L(euge) 1. 


38 2. Bapiel, 


D. b.: „Unferem „eren Balerius Valerüs Warimianıs, dem edlen 
Cifar, dem Führer der Jugend. Won der Stadt der Vangionen eine 
Leuge“®), 

Da Gulerius Valerius Werimianus mir Slavins Valerire Conftanius 
vom Raifer Dioklerian am I. Wärz 293 zum C4far ernannt worden war, 
fo fälle die Serung Diefeo Wieilenfteines in das Jahr 293. Die Entfernung 
sweifeben den Sundorten beider Steine beteiigt in der That eine Lege oder 
27 Winuten. Laur diefen infebriftlichen Zeugniffen war alfo Worms eine 
vömifche Stadtgemeinde, Munieiplum, mit römifdyer Stadrverfaffung, und 
die Bürger der Civitas Vangionum befafen das römifche Bürgerrecht. 

Der römifche Rultureinfluß war audh bier, wie überall, ftark genug, 
um die fettifchen und germanifden Bersohner cafeh, wenigfiens ober: 
flächich, zu romanijieren. Die Infcbriften weifen nur römifche Yramens» 
formen auf, feine germanifdhen. Römifdye Sitte beberrfäte am Abein 
in weit fiärferem Waße ale in der Belgica (m den Wiofelgegenden) alle 
Verbälmiffe des Lebens”). Auch bier in Worms entwicelte fich ein 
Lokalparriorismus, wie er den rSmifehen Wiunisipien in der guten Zeit 
des Raiferreiche eigen war. Wir bejigen hierfür ein böchft wichriges 
Zeugnis”), „Eaius Lucius Vicror, GBemeindevertrerer der Stadt der 
Vangionen (Decurio c. V.), nachdem er alle HEhrenämter bePleider hatte, 
und feine Söhne Vicrorius Slorentinus und Vicrorius Vicrorinus, ließen 
aus Liebe zu ihrer Varerftadr- und ihren Ylieblirgern das Thor vollftändig 
auf ibre Roften erbauen und machten es zum Befihente.“ Diefe Tnfiheift 
fand auf der Außenfeite des Tbores, eine entfprecbende aber auf der 
Tnnenfeite. Solche gleicylautenden Doppel-Infchriften find fonft' aud) 
bezeugt; fo auf einem Altar des Wierkurs, der bei Wettenbeim an der 
Aömerftraße ftand, fo daß forwobl der von Worms Eommende Reifende 
als auch der von Wains Eommende die nfchrift Iefen Eonnte®). Das 
Thor erhob ji böchftwabrfcheinlic an der Stelle, wo im Wiiceelalter 
das Äußere Speierer Thor geitanden hatte. Solcher Römerthore giebt 
«s in Deutfchland mehrere woblerbaltene, fo die Porta Nigra in Trier, 
die co Lediglich ihrem unverwoüftlichen Omadermauerwerk verdankt, daß 
fie nicht wie andere römifche Bauten dem Erdboden gleichgemacht 
worden ift. Auch das Shdehor in Trier, deffen Grundmauern vor Burzem 
aufgedeckt wurden, muß ein maffiger Bau gemefen fein; Aefte eines 
Thores wurden jüngjt in Röln aufregraben; füft völlig erhalten ift 
dagegen ein Thor in Regensburg. 


Die Nomanifierung der Aheinlankr. 3. 


Aus der Infchrift am ebemaligen Shörbor in Worms gebt hervor, 
daß die Civitas Vanglonum die Derfiffung einer römifchen Wiunizipatftadt 
befaß. Die Stabtverwaltung lag einem Stabrrat, Senatus oder Ordo, 
ob, deffen Wiitglieder Dekurionen hießen; eben der Stifter des Srabtrhores, 
Vierer, war ein folcber Dekurio; ein anderer, Quchs Romanius Nefpecrus, 
weihte der Siegesgberin einen Stein”). Die Gemeindeverfaffung der 
Städte in Jralien und in den Provinzen mar der von Rom nachgebilder. 
Den Ronfuln entfprechen die Duumviri, die an der Spige der Ver: 
walrung und der Berichrebarkeit fanden und dem Stadtrat präfidierten. 
Alle fünf Jabre erbielten fie den Titel Quinquennales; aledann erfüllten 
fie die Suntion der römifchen Zenforen, fäyigten die Birger ein und 
gaben einem jeden den feinen Wermögensverbälmiffen entfprechenden 
Bang. Unter ibnen fanden die Aedilen, die mit der Ausübung der 
Polizei betraut waren; fobann die Oudftoren, d. i. die Schagmeifter und 
andere Beamte. In der früheren Zeit bildern die Grädte Gelbft: 
verwaltungekörper, die ibre Beamten ernannten. Die Stadt befaß 
‚öffentliches Vermögen, bejichend in Brundftücten, die verpachter wurden; 
fie erbob Steuern, baute die Defeftigungen, Straßen und Drücken, 
Tempel und öffenclicye Gebäude, Wafferleitungen und Bäder, gründete 
Schulen und fiellte Die Lehrer an, erließ Dekrere und Befene, die für 
alle Bewohner verbindlich waren. Diefe römifihen Städte glichen alfo 
felbftändigen Republiten, in deren Verbälmiffe die Staatsgewalt fich 
nicht einmifdhte, nur daß diefe Republiten ich um auswärtige Dinge 
nicht zu befühmmern batten, was auch niemand einfiel, da felbft die Römer 
fid) mehr und mebr der Policit enmuöhnten und völlig sufrieden waren, 
wenn fie als Privarmenfchen ibren ntereffen leben Bonnten. Doch dem 
Vertreter der Staategewalt, dem Starthalter der Provinz, ftand die 
Bonteolle über die Srabtverwaltung su, und sugleid war er der oberfte 
Richter. Auch die Mrbebung der Reirhefienern gefäyab durch Staats» 
beamte. Diefe Seidteverfaffung war-durchaus arijtofratifcher oder viel: 
mehr eimokratifcher Yiazur. Denn Iediglid die Vermöglichen waren 
wablfähig und die 2Aemter unentgeltlich, ja, diefe erforbderten große 
Ausgaben, da es Pflicht der gewählten Beamten war, fid der ihnen 
angerhanen bre durdh wohltbärige Stiftungen, durch Erbauung von 
öffentlichen Gebäuden, Bädern, Altkren, Tempeln ıc., durch Spenden 
fentlicper Spiele ıc. wiırdig zu.erweifen. Wand einer bar fich durch 
feine Üibermäßige Sreigebigkeit ruiniert, und die Ehre wurde allmählich 


% 2. Bapiee 


zur Laft, die man felbft durch die Suche abzufchlirreln verfüchte. Die 
maufböclichen Hinbrüche der Germanen Über die Brenzen des Reiche 
feit der Witte des 2. Jahrhunderte und bie fehnweren Anforderungen der 
Brenzbewachung bewirkten fdhon unter Trajan eine ftärtere Bonsentration 
der Staaregewalt. Seit Diefer Zeit wurde die Derwalnung immer mehr 
zentralijlert, und eo bildere fidh eine hierarchifche Bureautrarie aus, die 
[bonungelos die Unrerthanen, denn zu foldyen waren auch) die römifchen 
Bhirger berabgefünten, ausbeutere. Ylun war es mir der Sreibeit 
der Städre aus; fie wurden zu Organen der Gtaatsverwalung und 
mußten baupefächlich die Steuern erheben und die Laften des Staates 
wagen. Yliche mehr aus fieier Wahl gingen die Beamten bervor, 
fondern die, weldhe den fenarorifihen Senfiis barten, d. b. ein beftimmees 
Vermögen, wurden infolge davon in die Lifte der Deburionen eingerragen; 
zuerft wurde man alfo Dekurio, dann erft Beamter. Diefen lag in erfter 
Linie die Erhebung der Steuern ob, und fie waren mit ihrem Dermögen 
für die einer Stadt auferlegten Steuern haftbar. Yliemand Eonnte diefem 
fürchebaren Zwange entrinnen, zumal feitdem das Dekurionat im Mannes- 
fRamme erblid geworden war, fo daß man diefe Inftirurion einer Straf; 
anftalt gleichachtere. 

Die Aucoricht der Geadtbehörden befchräntte fich aber nicht etwa 
auf den Umfang des Wlauerkreifes, fondern umfaßte den ganzen Bau 
‚ober die Völterfchaft, deren Vorort eben die Stadt war. Die großen 
Grundbefiger wohnten in der Stadt und bielten nur in der fehönen 
Jahreszeit ihre Dilleggiarur. Jhre Güter ließen fie durch Sklaven unter 
der Auffiche des Villicus und durch Pächter bebauen. Die Bleinen Bauern 
dagegen, die Pagani, blieben beftändig auf dem Lande und wohnten in 
Dörfern, Viei, zufammen, die eine orporative Verfaffung mie unter 
geordneten Kompetenzen batten. Schon damals fah der Stäßter oder 
Mitirke mit Verachtung auf: den „dummen Wauer“ herab, ja, der 
Ausdruck „Paganus“ wird zur ftebenden Bezeichnung für den Siviliften”). 
Wie beurzurage irömren auch“in der Römerzeit die intelligenteren Leute 
vom Lande in die Stadt, diefe fauger das Land aus, und: zurüc blieb 
nur noch ein Bodenfag armer umd gedrückter Bauern, die in ihren alten 
Zuftänden und Anfebauungen werbarrten. 

‚Selbft ein verwöhnter Römer Eonnte in einer rheinifchen Provinzial 
fadr. feine gewohnten. Bedürfniffe befriedigen. :Diefe gewährte Außerlich 
durchaus den Anbli einer römifchen Stadt. In rbmifcher Trace 


Die Komanifierung der Aheinlande Pi 


folsierre der Melte oder der Vangione einher, und er betere zu den 
tömifchen Göttern. Allein biefer Derfäpmelsungeproseß ergriff nur das 
Aruferlichfte der religiösen Anfchauungen, inmerlich hielt auch der 
tomanifierte Bermane fejt an dem von feinen Vätern überlieferten Krbe. 

Jede Stadt batte ibren Rultus, ibre Tempel und Arire und ihren 
Genius loci. in mächriges Band der Anbänglichfeit an das Tulifche 
Raiferhaus bildete der Bulrus des Auguftus, der dann auch auf’ die übrigen 
Baifer ausgedehne wurde. Diefen Auguflustulr beforgren befonbere 
Botlegien, die Seviri Augustales, zu welchen fonsobl Sreie wie Sreigelaffene 
wählbar waren; fie ftanden im Range den Dekurionen zunächft. Diefe Ein 
tichrung war ein von Auguftus Elug erfonnenes Wittel, um den brgeis 
der Provinzislen auf billige Weife zu befriedigen. Aber es ging damit wie 
mit dem Jnfticut der Defurionen; zuerft war es eine Ebre, dann eine Laft. 
Sür die Civitas Vangionum it der Stand der Auguftalen infchriftlich 
begeuge; er serfiel in ein Corpus Seniorum und ein Corpus Tuniorum*). 

In den erften Zeiten des Maiferreidhe machte fich das eigentlidh 
tömifehe Element in den rbeinifchen Städten ftärker geltend als fpäer, 
nachdem fich die provinzielle Eigenart ausgebilder hatte. Dem Jupiter 
wurde in Worms die bäufigfte Derebrung dargebracht, teils allein”), teils 
in Verbindung mit der Tune). Alckre des Vultans, der Vitoria und 
der Minerva wurden in und bei Worms gefunden. 

<äufig wurde der rSmifche CTame eines Bortes mit dem entfprechenden 
teitifeben verbunden, fo Apollo mit None, Wars mir Loucerius®"). Loch 
häufiger aber tritt die Frfeheinung auf, daß der mir eömifchem FTamen 
begeichnete Bott eigentlich eine keltifäye oder germanifce Gottheit il, 
die mit der römifchen nur eine ungefähre Vermandtfchaft bat. Befonders 
zahlreich find in den gallifchen und rbeinifden Landen die Alcdre und 
Weibe-Infchriften des Wierkurs, der Sfters mit der Rosmerta verbunden 
if®). Reches fine auf einem Lehnfubl eine mit Aermelkleid und Mantel 
befleibere Seau, die in ihrer linden “and Achren ober einen Zweig bält, 
ihr zur Seite ein Hleiner Eros, der auf der techten Schulter ein Süllhorn 
trägt; vor der Sean flebr ein nacter Jüngling, nur mit einer Chlamys 
bedeckt, die Yıber den Riicten berabfälle; er fähltrer aus einem mir beiden 
änden gehaltenen Sat Bold in eine Schale, die ihm die Frau mir 
der Rechten binbält. Vor dem Jüngling fliege ein Eros, der mit beiden 
“inden den Caduceus (Aeroldsftab des Wierkure) träge, auf die Grau 
su. Diefe Srau und der TJüngling find Rosmerta und Wierkur. 


15. Duo, Die An vr ceinfhen Ga. I 


2 2 Bapiel, 


I. Cäfar erzähle von den Galliern, daß fie am meiften den Merkur 
verehren. In der The wurden diefem Bort in allen Städten Tempel 
errichtet, vor allem aber auf den Landfiraßen Eleine Rapellen. Diefelbe 
Bemerkung macht aber audı Tacitus von den Germanen. Auf Infchriften 
wird dem Wierfur der Beiname Viator gegeben, Denfelben Kamen 
„Wanderer“ twäge jedoch auch der germanifche Bott Wodan), ber in 
feinem grauen Mantel im Sturmwind einberfäbrr. 2Alfo entfpricht der 
Merkur dem Woban. Aeuferft beiehrend für die fErkennenis der 
germanifchen Götterlchre find die zu Rom gefundenen nfehriften der 
Bardereiter®), die jid vornehmlich aus den rheinifcen Germanen 
veErutierten. In den So Votiofteinen wird eine Anabl von römifchen 
und germanifähen Gottheiten erwähnt, doch nur die Vlamen find 
römifch, die Gortheiten aber germanifch. “sauptfächlich die Trias 
Wars, Serkules und YWferkur it in den Infehriften vertreten. Yin 
entfpriche Ware dem deutfihen Bott Tin, der urfprünglich der böchfte 
Bort der Germanen gewefen ift, “erkules dem Ubunar, der fpärer auch 
mit Jupiter ibenrifigierr wourde, und iertur dem Yodan. Tedem 
Borte ift eine Göttin beigefelle: 

dem Wars bie Viktoria, 
dem Serkufes die Forama und 
dem Wierkur die Selicitas. 

Auf den rbeinifchen nfebriften findet man bäufig den Vulkan, 
Gerkules und YWferkur zufammen genannt oder aud, Vulkan, Wierkue 
und Winerva. Wit ganz befonberer Vorliebe verehrte man in Ober- 
‚germanien eine Bruppe von vier Göttern, meift June, !Wierkur, erkulee 
und YWlineros oder Juno, Wiinerve, Serkules, Wars, aber au) andere 
Rombinarionen kommen vor. Diefe Viergererfteine finder man vor- 
nehmlich im Gebiet der Triboker, Yiemeter und Vangionen, dann auch 
bei den Lreveri, während fie fidh in Arien und Gallien mr vereinzelt 
finden. hr Verbreitungsgebier fällt mir dem der Wochengötterfteine, 
d. b. jenen adhtecfigen oder runden Säulenrommeln, auf’ denen Die 
fieben Planetengöerer bargeftellt find, welche die einzelnen Tage der 
Woche und fomit das ganze menfehliche Leben regieren und beftimmen, 
und ebenfo mit den Jupiter und Gigantengeuppen im wefentlichen 
sufammen. 

Mit dem Soldaten und Maufinann wanderre auch der iralifihe 
Steinmeg in die Provinzen. Es bildere fich bier eine Runfttecnit aus, 


Die Nomeniferung der Abeinlande. 3 


die fid) den antiten Traditionen anfchloß, aber audy dem. einheimifchen 
Gefhpmad und Bedlfnis Rechnung mug. Ylum giebt es Neliefo 
artifcher Brabdentinäter, worauf ein Heiter dargefielle ift, unter deffen 
Pferd ein befiegter Seind liegt. YLady diefem Vorbild find die römifchen 
Beitergrabfteine gearbeitet, die in Wlains, Worms und anderen Orten 
gefunden wurden, nur daß bier am beine die Bewaffnung und 
Bekleidung genau nadı der Ylanır in realififcher Weife wiedergegeben 
find. Denfelben Typus tragen auch die Keiter- oder Bigantendentmäler, 
welche Säulen Erönten. Der Reiter fpringe mic feinem Roß fiber den 
‚Seind bin, der entweder fähon befiegt am Boden liegt oder um Gnade 
flebt oder auch noch Widerftand zu leiften faheint. fine weitere 
Variante zeige den Biganten, wie er das Pferd trägt, indem er dem 
Keiter dienftbar gemacht worden if“). VWir befizen zahlreiche Winsen 
‚aus der Raiferzeit, auf welchen der aifer als Sieger über die Barbaren 
verberrlicht wird. Teile ift der übermwunbene Seind realififch dargefteke, 
teile fymbolifdy in Geftalt eines wilden Tieres. Ganz fpmbolifch wurde 
die Darftellung, wenn anflatt des Maifere Jupiter dargefielle wird. 
Die rbeinifcpen und gallifäen Meiterdentmäler find offenbar aus den 
zwei Sormen der biftorifähen umd der fpmbolifchen Auffaffung enrftanden. 
Schon griechifehe md römifche Rünftler haben Sürften mit beftimmen 
Bortheiten identifisiere, fo Alepander mit Zeus oder Feraklen, Auguftus 
mit Jupiter ıc.; in der Provinz war vollends das fiiliftifdye Gefühl viel 
weniger fein enmoickelt, umb man nahm hier feinen ZAnftand, einem 
römifchen Raifer einen TJupitertopf aufsuferen. Auch die römifcyen 
Weiftoriter und Dichter feiern wohl den Maifer ale einen irdifchen 
Jupiter und verglichen die Seinde Roms mit Giganten. Wir dürfen 
alfo in dem Neiter den Jupiter erdennen, dem diefe Denkmäler geweiht 
waren. Wan bat den liegenden Wann als beifenden Dämon erklder, 
viel mäber jedoch liege die Vermurung, daß es ein Überwundener Seind 
if, der fpmbolifc) als Bigant dargeftellt wird. Der gigantenbezwingende 
Jupiter ift alfo eine allegorifche Darftellung der Über die Barbaren 
fegreichen Baifermacht, und in. den Giganten dliefen wir eine Allegorie 
der von dee römifdhen Weltmacht befiegten Barbarei erblicten. Diefe 
merkiofiedigen Denkmäler (ind der Ausdrudt des Stolses der Römer 
über die in fo vielen Schlachten Überrwundenen Germanen. Es it Bein 
Zufall, daß fie vorzüglich innerhalb der vömifden Müilinärgrenze, im 
Debumarenland umb in den Bafiellen am Limes, foroie in den eheinifchen 


4 2. Aapiel, 


und benadpbarten gallifchen Orten vorkommen. Auch für Worms ift 
das Vorbandenfein eines folden Denkmals bezeugt, leider in fiark 
verftimmelrem Zuftand®). Anders freilich deurere der Bermane diefe 
Denkmäler; ihm ift Jupiter fein Gott Donar und die unter ihm 
liegende Sigur bedeuter einen Kiefen oder Elben). 

* Der die Barbaren befegende Jupiter Erönte meift eine Säule. Tin 
der Zeit dee fintenden, von Darbarenblur infizieren Aömerreicdhe genägre 
dem entarteten Befebmach nichtmehr das Einfache, Zweckentfprechende. 
Die Formen wurden vermannigfacht, die Verzierungen gebduft und der 
Säule oder dem Pfeiler ihre Bedeurung und eigentiimliche Pbyfiognomie 
geraubt. Der alte Glaube der Väter war fon längft gefchwächt und 
erfehlrtert; die Götter hatten ihre alte Wacht eingebüft, und man 
nahm lieber Zuflucht zu den Göttern fiemder Völker. Am Abeln 
machten die Römer ihre Götter beimifch, aber auch die gallifchen und 
germanifchen Götter genoffen Verehrung, und diefen legten die Römer 
Yramen und sEigenfehaften ihrer Börter bei. Im römifchen ceere 
waren alle YYationen vertreten, und am heine erlangen die fremden 
‚Laute der verfehiedenen europäifchen, afeitanifcben und aflarifeben Sprachen. 
So führten auch die aus dem Öriente flammenden Soldaten oder folche, 
welche dort gedient harten, fremde Börter und ihren Rulrus mit fich. 
Wit den Soldaten wanderte der Rule des perfifhyen Lichegortes Wirhras 
nach der rbeinifchen Provinz, der zumal auf dem. tecrerbeinifcben 
Gebiete beimifch wurde”). Die babylonifchen Planeten: oder Wochen: 
görter wurden gleichfalls in den Abeinlanden vereher. Zhre Akre, 
die zumeift in die Zeit der erjien dälfte des 3. TFabrbunderts fallen, 
finder man im Gebiet der Ylemerer, Vangionen, Wiatiater und 
Miediomatriter, in der Megel fedhe: oder adhtecdige Steine, die Teile 
eines Banzen find. Diefe Steine ftanden auf einem vierechigen Poftament, 
nämlid) auf dem fon erwähnten Diergörterfteine. Man zerfchmolz 
eine Anzahl von Böttervorftellungen in ein Denkmal zufammen, ein 
fogenanntes Panthen, entfprechend dem Befdhmache einer Zeit, in der man 
fich nicht mehr mit den feften Formen der alten Bötterbilder bemügte, 
fondern fehnfürchrevoll nach umfaffenden univerfaleren Ausdrücken füchre. 
Eben die Jupiterfäulen mit ihrem mannigfachen figürlichen Schmucte 
follten diefe Sehnfucht befriedigen. Die Bafıs bilder der Viergötrerftein. 
Zwifchen die runde Säule und die Bafis wurde der fechsecfige oder 
‚achtecfige Wochengötrerftein eingefchoben. Das römifche Bapitell wurde 


Die Homanlferung der Abeinlande. EL 


durch vier Röpfe verziert, weldye vielleiche Die Abfchnitre des menfchlicben 
ebene, Die Lebensalter, Die Tahreszeiren oder Tageszeiten dazjtellen 
follten, und darliber ale Arönung der Säule erhob fid das Reiter: 
bild des die Giganten beämpfenden Tupitere. So trafen Religion, 
Patrioriomus und Runft sufammen in dem Bejtreben, erwoas Dielgeftaltiges, 
Univerfelles zu febaffen, und die auf folcye YVeife reich ausgeftarteren 
Denkmäler wurden fosufagen ebenfalls Pantbea in dem Sinne, daf jie 
die bedeutungsvollften Gottheiten, von Denen man glaubte, daß fie das 
menfihliche Leben regierten, in fich vereinigen“). Amifcye, aftatifhe 
und germanifehe religiöfe Vorftellungen floffen hierbei zufammen”). 

Rräftiger, als man bis jest ahnte, bat der im römifchen Reidy 
aufgenommene Bermane feine teligißfe Denfweife zu bemabren gemußt, 
und die Römer fcponten Diefelbe, ja, eitneten fie fidh an. Sie verfübren 
auf diefem Gebiet Ähnlich), wie fpkrer die chriftlichen Prieter; wo fie 
die einheimifchen religiöfen Vorftellungen nicht durch ihre eigenen ver 
drängen tonnten, haben fie eine Verfehmelzung oder Jdentifisierung berbei- 
zuführen gefücht. So gefehab es mir dem Wiurter: und Marronenkule”). 
Ami) ift ja (chen die Sirre, fidh von einem gemachren Bellibde durch 
Errichtung eines Weihefteine oder Altars zu 1Sfen; und nicht minder 
tömifch (ind die Formen und Formeln, die uns auf den Yatronenfteinen 
begegnen. Dem Römer war daher die Yratur jener barbarifchen Börtinnen 
icyt unbekannt, und andererfeits Bannte der Belte oder Bermane die 
Vorftellungstreife, welde die Amer mit feinen CTamen und Sormen 
verband. „In den Matres wurden mitrerliche Schungeifter verehrt, 
deren Segen vor allem an beftimmen Oertlicykeiten bafter und von da 
aus fi in die verfehiedenften Verbälmife des menfihlichen Lebens 
ergießt; fie fehlinen und fehirmen den einzelnen wie die Samilie, Dörfer 
md ganze Völker, fle fpenden Segen und Sruchtbarkeit der Wübe des 
friedlichen Landmanmes und führen mütterlicye Obhut über den Soldaten, 
der im Seide fieht umd die Brenze verteibige”"'). 

Der Darbar legte den Matres einen ähnlichen Wirkungskreis bei, 
wie der Römer feinen Zaren und Genien. Diefer Benienkulrus bat 
infolge einer Derwandefchaft mir feyon vorhandenen einheimifihen Vor« 
feltungen eine große Verbreitung gefunden, jedoch mehr unter den 
niedrigften Schicyten des Volkes, weshalb die Lirreranir feiner nicht 
erwähnt. In diefen Vorftellungskreis gebören auch die reitenden Watronen, 
von welchen mehrere Abbildungen in Worms gefunden wurden. Es 


“ 2. Dept, 


find Bleine Tbonfigtechen. Die Warrone fine auf der rechten Seite des 
nad) Lints fdreitenden Pferdes; im Schoße hält jie ein Tier. Diefe 
Terratotten find febr fähleche modelliert und gebrannt”). Gerner wurde 
eine Terratotte in Worms gefunden, welche eine auf einem Stuhl figende 
MWatrone darftelt, in ruhiger Zaltung mic einem Morb oder einer Schale 
mit $rüdhten auf dem Schoß, der Kopf mir einer großen rurbandbnlichen 
Saube beBleider. Ein Abnliches Bild fand man audy anderwirts am 
Yiederrhein. Diefe Darftellung ift fodann nahe verwandt mit den am 
Viederrbein häufig gefundenen Wiatronen, die in der Dreisabl dargeftelle 
find. ud) die Parcae”) find Genien, Bilictsfpenderinnen, und baben 
nichte mit den griechifchen Schickjalsfchrweftern zu chun. In Wie 
oppenbeim bei YDorms war im Chor der nun abtebrodhenen Kirche ein 
römifcher Stein eingemauert mit der Infchrift: 


DEABVS Deabus 
PARCIS Parels 
NAESONI O)aesoniı) 
IISLIBERA. (us Libera 
Lis. VETI] ls. Ver. 


„Den göttlichen Parzen Iöfte der Veteran Caesonius Liberalis (fein 
Getübde freudig)" "). 

Daß diefe Parcae identifch find mit den Matres, beweift eine Infehrift 
aus Carliste: Matribus Parcis. ie Parcae find ale Spenderinnen 
eines glücklichen Schiefals zu deuten. Yur aus nordifden Duellen 
lernen wir die drei germanifchen Schichfalsgöteinnen kennen: Urdh, 
Werdhandi und Skuld, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Daß 
aber audy in Shbdeurfchland der Glaube an folde Börtinnen oder 
‚Seen lebendig war, erfehen wir aus den Bußblchern des Burdyazde, 
Bifdyofo von Yoorme, wo eo Buch I9 Kapitel 27 beißt”): „Aa du 
geglaubt, was manche zu glauben pflegen, daß jene, Die Das gemeine 
DolE Pargen nennt, eriftieren, und zu chun vermögen, was man ihnen 
zutraut, d. b. wenn ein Wienfeh geboren wird, daß fie dann Mache 
haben, ihn zu beftimmen, wozu fle wollen, alfo daß 3. B. jener Wenfeb, 
fo oft er will, fi in einen Wolf‘ verwandeln Tann, was die richte 
Menge Werwolf nennt, oder in irgend eine andere Beftaltı“ 

Rapitel 29. „aaft du gethan, wie manche Weiber zu geioiffen 
Zeiten zu chun pflegen: daß du in deinem &aufe einen Tifeh deckteft, 
und Speifen und Trant mit drei Meflern auf den Tifch fegeefß, damit, 


Die Homaniferung ber Abeinlande. 47 


wenn jene drei Schmeftern, weldye die Torbeit des Altertums Parzen 
genannt bat, Bämen, fie fich dort erfrifähten, und baft du der göttlichen 
Liebe ihre Wacht und ihren YIamen genommen und dem Teufel über: 
tragen, fo daf du glaubteft, jene, die du für Schweftern bilcft, Einnten 
dir jegt oder in Zukunft nügent* 

Danady wurde den Parzen eine zworifäche Uhktigteit zugersiefen: 
einmal beftimmen fie das Schickfal eines Wienfäyen, dann werden fie zu 
beftimmten Zeiten des Jahres durdy ein Bpfer eingeladen, im Laufe 
einzutehren, um den Bewohnern Blüc® zu bringen. Aus einem Briefe 
des Bonifachıs an Papft Zacharias im Jahre 741”) erfahren wir, 
daß foldyer Bebraud) in der Yiemjahrenache üblich war. Zei den 
Angelfachfen hieß die Ebrifinacht, der altgermanifde Tahresanfang, 
Mödra-necht, Wiutrernacht. Der Blaube an diefe Schicfalegsrrinnen 
und @lücefpenderinnen blieb aber in Deufchland, rankreidh und 
England nody lange lebendig, und feinen gefehwächten Yrieberfchlag 
findet man in der Dichtung und im Märchen vom Dornröschen. 

In Worms zumal fäheine fi der Blaube an die drei Grauen 
lange forterhalten zu baben. Im Dom it ein Bildiwert aus dem 
Anfang des I$. Jahrhunderts, das früber im St. Andreastlofter auf dem 
Derg eingemauert war”), Dasfelbe fielle drei beilige Scauen dar mit 
Blorienfehein und Büchern in den Yänden, welche die altdeurfchen Tiamen 
mfEinbebe, Yoarbede und Willebede“ führen. Der Kultus Diefer drei 
Schweftern tommt auch fonft noch vor, in Bayern und in Straßburg. 
Ylady der fpären Legende follen fie zur Schar der 11000 Tungfrauen 
sehder haben. Die Ylamen tragen aber ein alterrimliches Bepräge, da 
fe allirterierend find. In allen drei Ylamen ftimme der zweite Teil 
mbebe* überein, gleich Bitte; Diefe Drei Ylamen bezeichnen daher nicht 
verfihiedene Begriffe, fondern Varianten eines Begriffes. „inbede“ if, 
die einen Wunfdy bat, „WVarbede“ ift, deren Wunfch wahr wird, und 
Willebede” , deren Wunfeb dem Willen entfpricht, willtommen if. 
Voabrfcheintidh bat die Aieche, um den beidnifehpen Glauben unfehäbtich 
zu machen, die Parzen zu drei heiligen Tjungfrauen gemacht und ihre 
Legende mit der Urfuls:Legende verknüpft. 

Da das mitrealterliche Worms fich über der wömifchyen Stadt 
erhob, fo ift Teiche begreiflich, Daß die alte Stadt gründlich zerfisre 
wurde, und daß daher mur wenige Spuren von fhädtifhen Gebäuden 
efunden werben. YDenn man einer Yachrichr Glauben fehenten darf, 


Pr 2. Bapirel, 


fo war für den Bodenbelag nicht allein Wofaiß Ablid, fondern aud, 
folcber aus gemaltem Stud‘ oder Zement. Die oberfte Schichr wurde 
gefchliffen und erbiele dann einen Sarbenanfteich”). Dem nordifchen 
Rlima gemäß wurden die Zimmer mit warmer Buft gebeise und waren 
mit Blasfcheiben verfehen. Trümmer von äufern find ja wohl 
gefunden worden, man Tann fogar den GBrundriß eines foldyen. feft- 
ftellen”); alles Das ift doch zu dürftig, um fi eine Vorftellung von 
dem &Ausfehen einer Straße in den theinifdyen Städten zur Amerzeir 
au machen. Trier ale faiferliche Mefidenz darf doc, mir Provinzial: 
ftädten, wie Worms und Speer, nicht verglichen werden, und noch 
diel weniger narhrlich darf man das Bild von Pompeji ıc. auf die 
nordifchen Städte übertragen. Licht eine Spur eines Tempels oder 
eines Sffentlicen Gebäudes ift in Worms gefunden worden. Um fo 
teicher erwoiefen fich hingegen die Bräberfunde für die Erkennmis des 
Lebens in römifcher Zeit. 

In alten Zeiten beanfpruchten die Toren faft ebenfo viel Raum 
wie die Zebenden; außerhalb der Geäbte breiteten fid weithin bie 
Torenfelder aus”), und bevor ein Wanderer die Stadt berrar, Eonnee er 
aus den an den Landftrafen aufgeftellten Brabdentmälern die Kamen 
der Befchlechter Bennen lernen, die dort mächtig waren oder einft 
geglänge hatten. Tin einem großen “albEreis umlagerten Worms bie 
Grabfelder. Das füdliche liege an der Strafe nach Speier; nördlich 
davon am Bollwerk in der YIähe des ehemaligen Rlofters Rirfchgartens 
wurde ein zweiter rSmifcher Riechhof aufgedeckt; durch diefen ef eine 
römifche Straße nach ifenberg. Der weltliche Sriedbof begann gleich 
vor dem Gt. Andreasthor und breitere fih füdlid, der Andreas: und 
Algeierftraße aus. Seine Längen: und Dreitnausdehnung betragen im 
Warimum je 200 Mieter. Der nördliche Friedhof lag beim St. Martins: 
tbor und erftreckte fi) längs der großen römifchen Straße. Die älreften 
Gräber befinden fich im Süden; fie reichen zum Teil noch in die vor 
römifche Zeit binauf; die jüngften eftartungen werden dagegen im 
Yorden gefunden, bei der Liebfrauenkicche; fle find riflichen Ucfprunge. 

In den älteften bymnifcen Bedicyten, den Deben, Bommen bereits 
die zwei während des ganzen Alterrums Üblichen Beftattungsweifen vor: 
das Begraben und das Verbrennen, die fidy vornehmlich bei den Griechen 
md Römern finden“). Die Jlias erzähle umftändlich die Beftatrung des 
Parrokles durch Achillee. Der Scheirerhaufe wurde gefdhicheer, viel 


Die Nomaniferung der Abeinlande 


Scyafe und Ninder gefchlachter, mit dem Sette wird der Leichnam 
umbllle, ihre Leber werden umbergelegt, Arlıge voll Zonig und Del 
um die Beiche gefiel. Yun fdhlschrer man vier Pferde, zwei dem 
Patroftes gehörige Zunde, zulegt zwölf‘ von Achilles zu diefem Zusech 
lebendig gefängene rroifdhe Jünglinge. Alles wird mit dem Leichnam 
verbrannt. Die ganze Flache bindurdy gieße Adyill duneien Wein auf 
die Erde, die Pfyche des PatroPles herbeirufend. wrjt am Morgen Ihr 
man mit Wein den Brand, die Bebeine des Patroßies werben gefammelt, 
in einen goldenen Rrug gelegt und im ügel beigefege. Diefer Erzählung 
liege die Dorfiellung zu Brunde, daß durch Ausgiefung fließenden Blutes, 
durch Weinfpenden und Verbrennung menfchlicher und tierifcher Zeichen 
die Pfyche eines füngft Verftorbenen erquict werden Eönne, eine Dor- 
fellung, die dem Dichter an und für ich fremd it. Wober ftamme 
der Bebraudy des Verbrennenot ZJaBob Grimm“) bat die Vermurung 
ausgefprochen, das Verbrennen, wie es die Perfer, Briechen, Aömer, 
Germanen und Slaven übten, entflamme der Zeit des YIomabenlebens. 
Da man feine fefte ‚eimftäcre hatte, fei man darauf verfallen, den Leib 
des geliebten Verftorbenen zu Afche zu verbrennen und im leichten 
Rruge die Refte auf die weitere Wanderung mitsunehmen. Allein Dies 
inme mit den überlieferten Thatfachen nicht. Und ebenfowenig ftich- 
bateig it. die fernere Vermutung Brimms, daß der Brand der Leiche 
eine Opferung des Beftorbenen für den Bort bedeute. Vielmehr war 
der wabre Zweck diefes Bebrauches der, die möglichft fehnelle und 
volltändige Scheidung der Seele vom Leibe zu bewirken. Denn die 
Toten flößten den Lebenden Furcht ein, und biefer urdhe wourde man 
ledig, wenn man den Leib völlig vernichtere. Das Verbrennen ift Dad, 
erft eine jüngere Sitte, und die Griechen haben, wie einft die Inder, 
Perfer und Germanen, ihre Toten begraben. In Wiykene und an vielen 
‚anderen Orten Griechenlands hat man in den legten Tabrzebnten groß: 
rtige Brabkammern aufgedeckt, Die in der Zeit ber dorifchpen Wanderung 
gebaur worden find, umd in welchen die Sürften begraben wurden mit 
ihren ganzen Schmud? und Eoftbaren Berdten. Auf dem Boden hatte 
man zuvor Brandopfer dargebracht, umd danach auf die Brandfchicht 
die Leiche geberrer und mit Sand, Lehm und Steinen zugededt. In 
jener Srühzeit glaube das Vol an die Wachr der Toren, und war 
überzeugt, daß die Toten fich an ihrem Befig noch in der Brabeshöhle 
erfreuen Bönnten.‘ Damit die Seele des Toten nicht unberufen auf der 


14. Ba0n, Die tt de hide Add. I A 


se 2. Bapiı. 


Oberwelt erfipeine, gab man ihm feine beften Schäge in die Brufe mit. 
An diefe bochgewölbten Brabbügel Enüpft ficb ein 2okalkulmus, der ein 
Abnenkule war. Wir der Wanderung erlofch diefer Abnenkult. Die 
bomerifihen Griechen füchten fidh das TIenfeice möglichft fern zu halten, 
fie Tebten der. beiteren Gegenwart. Allein nach dem Perferkriege machte 
fi eine gefteigerte Religiofickt geltend, man befehäftigte fih mir der 
Stage nadı dem anderen Leben, und man fudhre und fand Befriedigung 
in der Teilnahme an den eleufinifden Wiyfterien. Die Sitte des 
Verbrennene behielt man zwar bei, aber das Begraben war doch das 
Ydufigere. Der Leib folle nicht fpurlos vernichtet werden, und die 
freigewwordene Seele baftere an dem Hefte des Leibe, den fie einft 
bewohnt hatte; ihr zum Bebrauche und zur Ergögung find in dem 
Grabe der gersohnte Schmud und mandherlei Befcyirr beigefegt worden. 
Die eleufinifcyen Wiyfterien haben die Phantafie der rischen mächtig 
angeregt, und ihrem fielen Spiel in Ausmalung des Lebens im Tenfeins 
beftimmee Nichrung genoiefen. Was der Dichter über das Totenreich 
pbantafierte, das prägte fich dem Volke feft ein. YTamentlicy populär 
wurde die Beftalt des FÄhrmanne, des grämlichen Breifes Charon, der alle 
ficher in das dunkle Reich hinabgeleiter, aber niemanden zurhchtehren läßt. 
Allgemein verbreitere id) die Sitte, bem Toten ein Kleines Belbftick zwifchen 
die Zähne zu Bemmen, damit er dem Säbrmann das Fährgeld enrrichten 
inne. Bis tief in das Wirtelalrer binein, auch in Deutfdjland, bat fich 
Biefer Bebraudy erhalten. Ein deutfeher Aberglaube fage: Toren lege man 
Geld in den Wlund, fo Bommen fie, wenn fie einen Schag verborgen haben, 
nicht wieder. ler fchimmert die alte Vorftellung durch, daß man durch 
die Wiiegabe eines Beldftlctes dem Verfiorbenen feinen Befis abkaufe. 
Bei den Römern fyeint das DBegraben die ältere nationale Sitee 
gewoefen zu fein, und erft durch das Eindringen griechifcber Anfchamüngen 
bat fich die Bewsohnbeit des Leichenbrandes feftgefegt. in den rbeinifchen 
Zanden äfe fich mun die Beobachtung machen, daß Die Älteren Gräber 
meift Brandgräber find, in der fpäreren Maiferzeit Bam jedoch immer 
mehr das Begraben auf. Wlan har dies auf die: Sumahme chriftlicher 
Anfdaumgen surüchgefüber, aber man überfehder biefen Einfluß. 
satidnifche Sitten. hielten fich 34h bie tief ine Wirtelalter hinein, crog 
aller Verbore der Birche und Der flaatlichen Bewalt. Das 
war eben weit billiger als das Verbrennen, weshalb beim Sinten bes 
Wohlftandes die Abnahme des Leichenbrandes erBldrlich if. 


Die Homaniferung der heinlende. | 


Auf den großen Begräbnisftäten, weiche die Stadt Worme umgeben, 
And die Atteften Bräber Brandgräber, die mod der erflen Baiferzeir 
angehören. Man grub ein Brab, fehichtere dann in das Grab den Aolz« 
MOB auf. Lieben die Leiche legte man: die Begenftände, die dem 
‚Verfiorbenen im Leben lieb gewefen waren: Kleider, Schmuch, Räucher: 
wert ıc. Dann zlinderen die Verwandten mir abgewenderem Beficht den 
Solsfloß an. War das Seuer ausgebrannt, fo Iöfdhee man die glimmenden 
Boblen mi Wein oder mit Waffer. Wlan fammelte darauf die Bebeine 
und begrub fie, worauf man die vorgefehriebenen Reinigungsopfer; 
wodurch die Samilie von der Berlbrung mir dem Toten gereinigt 
wurde, vollsog. Die Afche liep man einige Zeir an der Luft trodnen, 
dann fammelte man fie in einer Urne. Weit wurde am Grabe felbft 
ein Leichenmahl gefeiert. In den Gräbern zu.Worms lag die Leiche 
in der Regel in einer Urne von gebranntem Thon”). Diefe Afchenurnen 
haben alle eine Ähnliche Sorm, indem fie nad) unten fpig sulaufen, meift 
ohne Zentel. ie find mir Brapbit gefchreirze und ducch ein mit dem 
Hade bergeftelltee Ornameneband an dem oberen Teil des Bandes 
verziert, zuweilen in unanfländiger Weife. uf anderen finder fi auf 
dem Bauche die robe Andeurung eines @efichte. As Afchenbehälter 
muß einmal eine Blasurne dienen in Beftalt einer Sifäbglodte, öfters 
wurde die Afche in einem yerbrochenen Weintrug oder in einer Ampbora, 
deren sale abgefcylagen war, beigefent, ferner in thönernen eisungs: 
röbren und ziemlich b&ufig in Steinkiftchen. Diefe beftehen aus smwei 
gleich großen Steinwürrfeln. m unteren ift eine cylinderförmige “blung 
eingehauen, worin die Afche gerhan wurde; der obere Würfel diene als 
Deddel. Oder noch einfacher: man böblte in einen Stein eine Vertiefung 
für die Afche aus und fehloß die Beffnung mir einem Biegelftein. 
äuweilen wurde auch die Afche auf einen Biegelftein oder einen Scherben 
gelegt und mit einem Scherben zugedeckt, oder Die Afche wurde bloß 
uf der Erde zufammengefyarre, die primiciofie Arc der DBefkarrung, 
zu welcher offenbar mur die größte Armuc zwang. Tin Trier fand man 
“olstiften mit Befchlägen ale Afdyenkiften; auch diefe Korm der 
Beftattung mag am Rhein vorgefommen fein. Selten find die Aftben- 
behälrer aus Blei. 

Der Inhalt diefer Afchenbehälter beftand aus der Afdye, Anochen- 
ften und febr oft aus einer Betmifchumg von reinem Üuarsfand, der 
vielleicht fpmbolifche Bedeurung hatte. Bei der Verbrennung wurde 


2 2. Bapiel. 


wobleiechendes Häucherwoerf verwender, baber finder man häufig Refte 
von Weibraudy ıc., fodann angebrannte Hefte von Sibein, Yale, Armı 
und ©breingen, von Mieffern, Münzen u. f. w. 

Die Umen werben enmueber einfach in die Hrde gefege oder mir 
großen Ziegeln umftell. In der Afhenkifte oder in dem von den 
Ziegeln umgebenen Raum ftanden oder lagen fogenannte Thränenfläfdychen, 
d. b. Balfamarien, die mir einem wohlciecenden Del gefüllt waren, 
größere oder Mleinere Mrüge, Teller, Schlffein, Becher, Brablämpchen 
und thönerne Leuchter, Blasgefäße der mannigfaltigften Art. Zn 
Bindergräbern findet man maffenhaft Bleine Thongefäße, Brlıge, Urnen, 
Schffelchen ıc., Rinderfpielzeug. 

Weniger erfreulich war der aud) am Ahein vortommende Gebrauch, 
Bleiräfelchen mit dem YTamen und der Verwinfhung Zebender in bie 
Urne zu legen“). Yan glaube nämlich in Jralien, daß man eine 
verhaßte Perfon dem Verberben weiben Pönne, wenn man ihren Klamen 
mit einer Derroinfdungeformel an Orten niederlege, woo die unterirbifchen 
Götter berrfchen, alfo meift in Gräbern, wo eine beftimmte Beyichung 
deffen, gegen ben der Zauber gerichtet war, zu dem Begrabenen nichr 
vorzuliegen brauchte, weil nach dem &Aberglauben durch die bloße 
Beilegung eines folchen Bleicäfelchens in ein Brab die mit dem Ylamen 
bezeichnete Perfon den Göttern der Unterwelt geweiht und in das Keich 
des Todes binabgesogen wurde. Das Paulusmufeum in YOorms befigr 
feche folcher Bleiräfelchen, die in Rreuznach gefunden morben find. 
Kin Bteiäfeichen wurde auch in Bregenz ausgegraben. Die Übrigen 
befannten ftammen alle aus den Wiirrelmerrländern: Briecyenland, Aftits 
und Jralien, wo Die eigentliche Zeimar diefes Aberglaubens war. 

Während die Brandgräber meift mit reichen Beigaben verfeben 
waren, fo enthielten die Stelerrgräber nur weniges Gefchirr und in 
fpäterer Zeit gar feine Beigaben mehr. Die Leichen wurden mir einem 
Torentudh umbülle und {0 in den Sarg gelegt, worauf man ein ober 
mehrere Thon: oder Glasgefäße in die Keen des Sarges fielle und 
zuweilen ein Bi oder eine andere fymbolifche Babe binzufügte. Die 
Armen wurden auf die bloße Erde gelegt oder auch die Leiche mic 
Ziegeln umftellt. Auch olsfärge Eommen vor, aus rohen Brettern, mit 
groben Yrägeln zufammengefehlagen. Das ols it meift vermodert, 
aber Die Jorm hat fid) in den feuchten Boden eingedrückt, und die 
lägel find nody vorhanden. Dei einem Grab in Wariamtinfter fand 


ie Nomaniferung der Nbeinlande 3 


man nod) den Yammmer liegen, mit dem der Sarg auf’ der Begräbnis: 
fiätte zufammengenagelt worden war. 

Vornehme Leute wurden in Gteinfärgen beigefent. Die meiften 
diefer auf dern großen Brabfeld bei Mariamünfter gefundenen Sirge 
find aus rotem, fehr porsfem Pfälserfandftein angefertigt. Die Außen: 
feite it vaub bebauen, mit regelmäßiger, der Bewegung des Armes 
‚enefprechender Führung dee Spigbammers. Die großen, ebenfalls aus 
einem Stein beftehenden Dedel find unten flach, oben ein wenig 
abgefchräge. inige find mit als Viertelsftab gebilderen Eekpolftern 
verfeben. Andere Steinfärge find aus gelbem Sandftein bergeftellt, 
breiter als Die eben erwähnten, und mit fähmwereren Decken. An den 
vier (Eden des Deckels finen vier fehwere Steimlirfel; der Dedel ift 
dachförmig nach beiden Seiten abgefchräge. 

Das nördliche Brabfeld gebört der fpiteren Kaiferzeit an, einer 
Beir, wo Die Ehriften fchon zahlreich waren. Bei Vieuhaufen wurde 
1818 eine Anzahl von Steinfärgen ausgegraben, die fi durch die 
Sorm von den oben befchriebenen unterfcpeiden. Ueber die ganse Länge 
des Decels nämlich) ift ein bandartiger Streifen gelege und über diefen 
find Ouerftreifen von den vier Zefen des Sarges jedesmal nad) der 
Witte der gegenüberliegenden Seite gesogen; darüber endlich liegen drei 
Querftreifen, die den Längsftreifen rechtwinklig fehneiden. Einmal 
wurde auf den nördlichen Sriebbof ein befondere fhön gearbeiterer 
Steinfarg gefunden, in dem ein zweiter Sarg aus Blei Ing. In diefen 
Steinfärgen fand man die Leiche mit einer harten weißen !Maffe über 
deckt, die man ale Aegalk erklärte, den man angewendet baben folle, 
um die Leiche möglichft rafeh zu zerflören, weil mit der Ausbreitung 
des Cbriftenmums das Verbrennen nicht mehr fiatehaft gewwefen fei. 
Allein die cbemifche Analyfe ergab Bipe. Demgemäß bandelte eo ich 
miche um Zerfifrung des Zeichnams, fondern im Gegenteil um feine 
Ronfervierung. Yan bat den Toten mit Gips umgoffen und nur das 
Beficht freigelaffen“). 

Die Alten betrachteten das Brab als eine Wohnung, in welcher 
der Verftorbene einzieht, um dorr eine andere, aber doch feinem früheren 
Leben entfprecyende Eriftens zu beginnen. Darum werden dem Toren 
Rleider ımd Schmuc, Geld, Zf- und Trintgefchirre, fowie Lebens 
mircel beigegeben. {Mit der zunehmenden Verarmung feit dem Ende 
des 3. Tabrhunderte beginnt man auch diefen Lupus einzufchränten und 


5 2. Bapirel, 


begmäge fich zulene mir der Deigabe einer Minze. Aus der mehr oder 
weniger reichlichen und Poftbaren Ausftarrung der Bräber Läft fich ein 
Schluß auf den Wobljtand der betreffenden Drrfchaft zieben. Steilich 
vermißt man am bein jene prächtigen Brabffulpturen, die in den 
Mofelgegenden fo sablreich vorkommen und die treffliche Tliuftrarion 
des damaligen häuslichen und gerverblichen Lebens geben“). Banz haben 
fie aber au am Aheine nicht gefehlt, wie das Wiufeum in Wiains 
beiweift, mır dafi bier, namentlic) in VOorme, die fpdteren Befchlechter 
bei dem Wongel an Steinbrüchen das vorhandene römifcdhye Material 
aufgebraucht haben. Wurden doch römifche Steinfärge noch im Wirrel 
alter wiederum zur Deifegung. von Leichen benunt, ja, man fhredkte 
felbft davor nicht zurüch, für Das Brab eineo der bedeurenbften Bifchöfe 
den Steindecfel eines römifchen Sarges wieder zu verwenden”). 

Am reichlichften finden fih in den Gräbern Gefäße aus Thon und 
Glas, di diefe der Zerftsrung am beften moiderftanden. Die mannig: 
faltigften Gormen und Typen find vertreten, von den roheften einbeimifchen 
Produften bis zu den feinften aus Jralien eingeführten Lurusmsren. 
Wir baben ja gefeben, daß fehon in den frübeften Zeiten aus den iirtel- 
‚meerländern Thonwaren nacy den rbeinifchen Ländern importiert worben 
find, und ferner wifjen wir, daß febr früh fic) in unferen Gegenden eine 
einheimifche TSpferinduftrie ennwickelt harte. Die Romanifterung der Abein- 
Tande gab dem Jmport mie der einbeimifchen Produktion neue Tmpulfe. 

Die den Römern eigenehmliche Wirefdpaftsform ift die gefchloffene 
saauewirrfchaft, die bis rief in das Witelalser hinabreicht und die auf 
dem Prinzip beruht, „daß der ganze Rreislauf der Wirrfchaft von der 
Produtrion bis zur Ronfümtion id) im gefchloffenen Areife des “aufes 
(der Samilie, deo Gefchledhre) vollzieht. Tedem Zaufe it Arc und Map 
feiner Produtrion due den Bonfumtionebedarf‘ der Zausangebörigen 
vorgefehrieben. Jedes Produtt durchläuft feinen ganzen Werdegang von 
der Gewinnung des Robftoffs bis zur Genufreife in der gleichen Wirt: 
fdraft und geht ohne Zroifihenftufe in den Ronfm Über. Gitererzeugung 
und Blterverbrauch fließen ineinander über; fie bilden einen einzigen 
ununterbrochenen und ununterfcheidbaren Proseß, und ebenfo it co nicht 
möglich, Erwerbswirtfehaft und Jausbalt von einander zu trennen. Der 
Erwerb jeder gemeinfam wirtfehaftenden Wienfehengeuppe ift eins mir 
dem Produkt ihrer Arbeit, und diefes if wieder eins mit ihrer Bebarfo: 
detung, ihrem Ronfum“*). 


ie Komaniferung der Aheinlande. ss 


In den frübefien Seiten mußten die einzelnen Jausgenoifen nicht 
mr dem Boden feine SIehchte abgewinnen, fondern aud) die dazu 
notwendigen Werkzeuge und Geräte felbft berftellen und ferner die Rob- 
produbte in Bebrauchsprodufte ummandeln. Der alten Rulrur war die 
Tnftitution der SElaverei ganz unenbehrlich”). Denn diefe ermöglichte 
es, daß die gefchloffene “auswirrfchaft mir der gewohnten Arbeits 
gliederung aufrecht erhalten, und daß zugleich auf dem Wege der 
Erweiterung und Verfeinerung der Bedlrfniffe vorangefchrirten werden 
konnte. Te zahlreicher die Sklaven im Jaufe waren, um fo mehr ließ 
ficb Die Arbeit ‚fpezislifieren. m “aufe hatte der “ausvarer alle 
Bewalt fowohl Über die Sklaven und “hörigen als über die Familien: 
mitglieder, Sau und Rinder. Yriemalo mifdhte id) der Staar in die 
inneren Verbälmiffe des “anfes. In Rom gab es Beine produfriven 
Berufserten: Bauern, Zandıwerker, Raufleure, fondern nur große und 
Bleine Defiger, Weiche und Arme. Der Sreie, welcher feinen Befin 
verloren bat, wird entweder zum Proletarier, ber fi vom Staat 
ernähren läßt, oder zum Schmaroger, er ift erwerbsunfäbig, denn eo 
gab keine Jnduftrie außerhalb des gefchloffenen Haufe und fo viel wie 
Beine freie Lobnarbeit, da diefer die Sklaven vernichtende Bonkurrens 
machten. In der Baifergeit Bonyentrierre fid) der Befin mehr und mehr 
in eingelnen Anden. Diefe reichen Grundbefiger bielten ungeheure 
SHavenfihyaren, unter denen Die Arbeirsgliederung eine fo. vielfeitige 
war, daß deren fErzeugniffe den einfächften wie den verwöhnteften 
Gefhmack befriedigen Tonnen. Ein folder Kiefenhaushale war im 
ftande, das zu leiften auf’ dem (Bebiere der induftriellen Produtcion, was 
jegt nur die zahlreichen Befchäfte einer Broßftadt in Verbindung mir 
den Anftalten der Bemeinden und des Staates zu rhun 

Durdy eine folhhe Produktionsweife, die für den Abfag üarbeitere, 
bilberen fich webrbaftige Riefenvermögen, Ähnlich wie wieder in unferen 
Tagen. Sür die Bewirtfchaftung der Güter und die Beforgung des 
saushaltes bedurfte der große Zerr einer grofen Anzahl von Sklaven, 
wobei eine unglaubliche }ienfipenverfihwendung getrieben wurde; andere 
SHaven wurden in der Landiwirtfchaft befchäftigt, bie im uroßen 
betrieben wurde in Verbindung mit induftriellen Unternemungen, 
Biegeleien, YOaltereien ıc.%). Die verfchiedenften Bewerte wurben bier auf 
diefen großen Gütern betrieben und die handwerkefflaven auch anderen 
&ruten, welche ihrer bedurften, gegen Lohn ausgelichen. Aber auch 


se 2. Bapitch, 


der Staat Bonnte feine Verwaltung nur durch Sklaven verrichten laffen. 
Alle fubalrernen Beamten waren Sklaven oder Sreigelaffene. Zugleich 
war der Staat felbfe meieder der größte Induftrielle, denn nicht nur unter 
Diele er Waffenfabriten, fondern auch alle möglichen Tnduferieerzeugniffe, 
namentlich Woll: und Leinentücher, ließ er in eigenen Sabriten, deren es in 
jeder Provinz mehrere gab, berftellen, und zwar nicht nur für den eigenen 
Bedarf der Verwaltung, fondern auch flr den Verkauf an das Publifum. 

In den Provinzen waren wenigftens in den erften sıwei Jahrhunderten 
der Raifergeit die Verhälmiffe noch gefünder, der Wirrelftand ned) nicht 
gang befeitige woie in Rom. Aber aud) bier gab es feinen eigentlichen 
freien Sandwerkerftand. ie <andıwerter, in Rorporationen gegliedert, 
gehörten meife dem Stande der Sreigelaffenen an und arbeiteren nicht 
für eigene Rechnung mit eigenem Berriebetapital, fondern im Lohnwert, 
indem der Befteller entweber den Jandiwerker ins Auus nahm (Störarbeit) 
gegen Tagelobn und Verköftigung oder ihm das Robmarerial in feine 
Werkftätre fdhickte, wobei dann Grüctlohn besable wurde. 

Bine der wicheigften eömifchen Broßinduftrieen waren die Töpfereien, 
deren feine Produte weithin erportiere wurden. Ohne Schwvierigkeit Bann 
man Erportwware und einheimifhes Produkt unterfeheiden. Jene verfehleifte 
vornehmlich Die feinen rorgebrannten, mit Relief verzierten Gefäße, die unter 
dem Yramen Terra sigillata betannt find”). Der Urfprungsore biefer Ihon: 
indufreie üft Acesgo, wo fehon im Wicrelalter antite Täpfereien mir Wert: 
seugen, Sormen und fertigen Waren entdecft worden find. Miefe sierlichen 
arretinifchen roren Befäße wurden fabritmäßig für den Erporc bergeftellt. 
Die Sabritate find mir Sabriffterpein bezeichnet, und zwar Fommt forwohl 
ber Stempel dee betreffenden Brundbefligere oder Sabrifanten vor, als aud) 
merkoirdigerweife Sfters der des SPlaven, weldyer das Stix® geforme 
harte. Jeder Arbeiter hatte eine befrimmte Anzahl von Gefäßen zu 
liefern, und um dies zu Boncrollieren, mußte er fie bezeichnen. Die Sklaven 
find zum großen Teil griecbifdyer <erfunft gersefen, denn in Griechenland 
bläbre ja befannelich diefes Runftroert feit alter Zeit, namentlich hatte 
der Yame Samos einen guten Rlang, weshalb man Die aus Terra sigillata 
gefertigten Gefäße auch mißbräuchlich famifche Gefäße nenne. Echte 
arretinifcje Gefäße, die in der Gallia Narbonensis fehr häufig find, 
werden in Bermanien nicht gefunden. Die Blüte diefer Tnduftrie fälle 
eben noch in die legte vepublikanifche Zeit und fpärer verdrängren die 
Produfre anderer Sabrifen die Produkte von Arco vom Erporchandel. 


Dit Komanifierung der Abeinlande. 7 


Sobald Gallien, Britannien und Bermanien erobert wären, ftrebten 
bie iralifehen Anftedler Danach, fich möglichft behagtich in der neuen 
eiinar einsucichten, und fie ließen fich aus Jeatien das. Befchier sufehichen. 
ein der Transport diefer gebrechlichen Ware‘war zu‘ euer, und bald 
verfuchte man: ar in ‚Ballien die. Runft, Terra” sigillam-Befäße 
berzuftellen. Diefer Verfuch gelang vollftänbig, und es entfranden in 
Gallien eine Anzahl von Tponfabeiken: in Arleo, YTimes, Hfontans aim 
Turn, yon, Clermont- Jerrand, Bordeaup, Paris, Ylancy ic. Diefe 
gaflifcyen Probufre unterfcheiben fich in Sorm und Garbe nicht von den 
arrerinifcpen und irätifchen Sigillata- Gefäßen. Lentere wurden indes auch 
nody ferner nadı Gallien und Bermanien eingefüber, wie die Stempel 
Ateins, Baffus, Primus, Xanthus beweifen. Aber es Fommen in 
Bermanien. aufer den toren Sigillata Gefäßen aud) graue, fchmarze und 
helleote Befäße vor; diefe find Produkte. der alteinbeimifcyen gallifchen 
Töpferei, eine Sortfegumg der Latöne-Reramit; die in. der Gallia 
Narbonensis die italifdyen Produkte‘ nachahmte. -Südgallifcye Töpfer 
fiedeleen :fich in der erften: Maiferkeit.-in’ der beitifchen Prowing an, 
namentlic) entfrand. in ‚Trier eine bihbende Täpfer-Induftrie, die ihre 
Waren am Abeine verrrieb.:. Diefe galtifehe Jnbuferie entfältere fihh derart 
günftig, daß; fie bereits ,im legten Viertel des I. Jabrbumberte nad) 
Fealien importieren Bonnee.: Die witefchaftliche Enrwoichelung der gallifchen 
Proßinzen überflägelte bei’ weitem dag erfehöpfte Jealien. Befonders beliebt 
waren in Gallien Trintgefäße mit Teintfprüchen wie: Ave, Vale, Bibe ıc., 
eine" irre, bie ‘aus Griechenland durch Unteritalien und Massilia den. 
Gallien: Überhitereit- worden ift. » Anfangs abmten die galifchen Tpfer 
die fealifchen :Befäße siemtich Elavifch nach, dann emmansipierten fie ich 
au: voller ‚Binfelerifeher «Belbftänbigkeit iund ‚erfanden neue "$ötmen und 
Verzierungsweifen. Diefe Induftrie biübe im 2. und: 3; Tabrbundete. und 
gebt mit dem Verfall des eömifchen Weiche zu Grunde. in Bermanien 
war in Abeinzabern eine große: Töpferei, die verzierte Sigillata- Gefäße 
fabriyierte, Doc) die Aauptmaffe der in den Bräbern Bermaniens gefundenen 
feinen roten Thonmwären ftamme aus Gallien. Ag neue Detorationsweife 
erfcheint die Barbotine- Dekoration, d. b. der flhffige Thonfchlamm wird 
auf das’ Gefäß mir'einen bornfSrmigen Trichter öber initteife eines Pinfels 
aufgetragen, Ähnlidy wie der Monditor die Zucherbeforationen auf ben 
Buchen: aufträge: Beficnißre Dafen find. das charakuerifrifche Befebire des 
2. Jabehumderte, das noch Im:4. Jahrhundert vorkommt. Auch Stalker 


1. B00, Die Anl vr nen Ga 1 


ss 2 :apitel. 


Gefäße werden gefunden, Die entwotder Wierallgefäße. nachabmen. wollen 
ober, wwie‘3. D. tine Vafe im’ Wsoemfer- Wufeum, Blasgefäße. Berabe:dieft 
gläfierten Befäße werben mit Barbotine-DeBsrarion verziert; teile find de 
fine aufgefegte $äden, teile Ornamente und Tierfigtren. Au) bei Bidfern 
wandte ‚man diefe.Tedhnif an. WI merkwilrdiger Vorliebe fucher: man 
bie Sormen der Blaswwaren in Upon zu üiberträgen, wie 3.23. eine TAyont 
Slafihe in.Worme.. Das Wormfer Mufeum befint eine Anzabl von Sigillasa- 
Gefäßen, die teile au Rheinzabern, teils aus altifchen gäbriten. frammen, 
datunter eine in Offftein gefündene Schöffel, aus feinftem Thon ber 
gefeelt, mir dem beften Steniß Üibersogen umd den sierlichften Laubwert 
gefehmücht. : Wie hoch foldye Stücke damals fchon. gefchägr muurben, 
erfiehe man daraus, Dafı diefe Schliffel, da fie zerbrochen wär, von ibhrem 
sömifdhen Befiger mit Bleitläminerchen weitber. zufammengebefter wurde”); 

Gröbere Thonmaren, Ziegel, Befchirr sc, wurden gleichfalls entweder 
eiigeführe oder an Ort ud Stelle fabrisierr. Eine der größten iralifchen 
Erportfirmen war Jortie, deffen Warenman in.allen Teilen des römifchen 
Reiches finder. Dod) ift eo fehr wenig wabrfcheinlich, bafı fo ganz gemöbni: 
tiche Sachen (bauptfächlidh Lampen), die mit diefein Stempel beseichmer find; 
aus Jtalien nach den entlegenften Begenben follten transportiert worden fein. 
Wiglicyerweife haben große Jabrifen Silialen in den Provinzen ertichtet oder 
auch Provinzialen. ihren‘ Sabrifftenipel; der einen Ylamen haste, verkauft, 
In den Provinzen fand ein Lebbafter. gandel in Thonfabeiläten frarr.. Denit 
wobl wurben an jeder Bete, woo bie. nötige IExde inörhaiben, mar, ıale 
Vrebenprobuitt der Landweirtfehaft Ziegel und Thongefäße gebrannt; indes 
Probugierteh beftimmtte Sabriten fpesiell nur ühnemseigenehmliche YDazen: 
biähte in Böln die Töpferei und fie arbeitete fin: den Export. Auf dem Brabi 
feld zu Merienmbnftr wurde in Tponfgftchen gefunden; Das dar 
Niere die Infehrift eräge: LVCivs ä 

FECIT AD re 

CANTYN ;. » 

AS NOVAS 
ünd- vorn auf dem Pfeiler nochmals LVCIVS m. Lin m Eönikhen 
Sigürchen fünd. fi auch in einem; LSpferofen in BSfn.‘ Die auf ver 
feiebenen Bölner Thonfachen vortommende Ortsbegeichnung Ad Cantunas 
novas besiebt fich alfo offenbar auf eine Lokalirt im römifchen Köln. 

In Worms felbft wurde 'die Töpferei ‚fon in vorrbmifcher' Zeit 
und dann auch nachher berrieben. Beim Ba der fent eingegangenen 








ie Komaniüerung der Abeinlande. „9 


Kiderfabrik Wotmaria: auf dem Gebiet des ehemaligen Rofiers. Birfäh- 
‚garten ipurben. nach einem Bericht Töpferdfen umd eine ganze Wienge 
vom: Thonigefäßen' gefunden; doch: adhrere ‚damals niemand darauf. . As 
inöder Shdanlage der: Baimal angelegt wurde, flicß mat auf zahlreiche 
ebimifche, Trünimer. ° Dort ftanden: römifde Töpfereien, und Nefte der 
‚Oefen waren: risch sorbanben, im’ Tinneren voller Scherben. Daneben 
fand -iları' eine aus 11 cm weiten und. dmechfehnittlich 50 cm Langen 
Tponiöbeen ;Sonftruierse Wafferleitung, ’stoei Mhlfteine von Sandftein 
und viele Gefäße 3. T./ von: feltenen «Formen. | Unmweir-davon ftir man 
im einer. forife ganz zeinen Lehmfchiche auf eine cirfa 3 m tiefe, trichter- 
Prmige Brube, die mir fdmwarzer Erde: und yablreichen, teile gansen, teils 
gerbeochenen eömifehen Gefäßen anefülle war“). Der wertwallfte Jund wae 
eine gerbrochene Theatermiante?), Die jeboth wieder‘ hergeftelle werden Bonner; 
Diefe ift ausieinem gelblichtweißen Thon-gebränne, und Kefte der nefpringr 
lichen Bematung find noch erkennbar: die Augenbrauen, die Rureln auf 
dei, Stirn, die"Sreiche auf der YLafe und Tupfen jind.mir rorbrauner Sarbe 
gemalz: 'Da’biefe Wiaste Jerbrach, wnirde fie im Die Abfallgeube gessörfin: 

Wan weiß ja wie groß. die Vergnügungsfücht dee Bevökferung in 
der Ratferzeitwär und mie diefer Sant. für femifehe Aufführungen aller 
Aet:ancy in den Provinzen fid) verbeeitete. Lliche nur das Dolk in Rom 
wollte unterhalten fein, auch in den Provinzialfläbten wat: es eine fehwer; 
loftende Pfliche:ber Mägifkrare, die. Schauhuft 'der.Wierige zu befriedigen: 
Köfffpielige Tozrrienneni, Eierhegen und Bhtdiatorenfpiele Bonnten naclielich 
mie in großen Städten auftgeffibee werben, zu denen man aus weiter 
Einferndntg zu. Koß und Wagei berbeiftrömee; in Elemesen Seädten, toie 
Worins und Gpeier, begrifigte inan-fich mir ber Poffe und der Pantomime. 
«is +#Eineh: weiteren Berveis, Daß in Worms die Töpferei heimifch war, 
bieten die aus: Thom gebrannten Jormen zur Verzierung von denteln ete, 
‚von Panstöpfen in vollenber-.fehöner Ausführung; namentlich. wichrig 
war'der Fund mehrerer Sorinen won Gefichtsmasten. Zjm röniifdyen 
Gräberh fand man’ thönerne‘ Brüge, „deren Zöhe weifchen 12 und 30 cm 
wedyfelt. "Den Ausgang bilder ein.ais feeier dand gefonmter Feauentopf: 
Das ıBefiche, wieift mir hohem: Zaarröulft, if an der Ausgußftelle dem 
Yyenkei geiterüiber angebracht. "Zumeiten ift Kopf imd Hals mir weißer 
Jatbe überftrichen, und‘ Aogen, ‚ast umd Lippen find bemalt; der.als 
ft mit. einem gemalten Spizentragen bebeikt, und zwar find die einzeinen 
Selber des'tiTufters: rörlich öber- fehroärzlich und mir weißen und fdnarzen 


6 2 Baptel, 


Linien eingefaßt. Die unteren: Selbe find: mir. je. drei woeißen Tupfen 
verziert. Auch. in anderen: Wiafeen, in. WBains, Speier,: Trier, foroie im 
Privatbefia befinden fich foldbe Gefichtsfrüge, aber nachreeislich frummen 
fiz alle aus Worme, weshalb man mir. Recht fie ale Gpegialirde der 
Wormfer Töpferkunt angefeben.. hat. . Die erwähnte Thonform einer 
folchen Gefichtemaste beftscige .diefe Anficht. Die Wlasken wurden 
befonbere geformt und an den fertigen Arug. angefeze. ‚ Ein. im Yleufan 
gefundener Töpferftempel VRSIANVS FEC, Bommt nirgends fonft vor; 
wir dlırfen wieleicye in ihm ‚einen Worinfer. Töpfereibefiger erdennen: 

Aaochentwictelt und berühme war in der Baiferzeit auch die Blasr 
Induftrie in Ballien. Saft alle.cbmifchen. Brber in Wscme Iegen berebres 
Beugnis für biefe Technif ab. Bekannstich feheeibt Plinürs Die Hrfindung 
des Blafeo den Phönitern zu, und Diefe haben Dann das. Blas nach dem 
Weften gebracht, 'suerft zu Supusartitein verarbeiter, wie imitierte Perlen 
und Schmückfecyen; feit Eiceroo Seit verbreitete fich auch der Gebrauch 

von Blasgefäßen, Bechern, Slafcyen und Bannen. n der frühen Raifer: 
SER fee mar nod» das Glas: gleich dem Sdelmerall; nachdem man eo 
auch in TJtalien berzuftellen lernte, toide 20 genoöbnlicher und Bemeingur 
ded blirgerlichen “aushalten. Bald verbreitete fich diefe Indufteie auch 
in den weftlichen Provinzen, und. befondets Die gallifchen Glasfabriten 
lieferten fehöne Produkse: Slafchen, Rannen, Töpfe, Ampboren, Schüffeln 
und Teller, Gläfer, Trintbörner; Bampen, Trichter, Büchfen,. Salben: 
läfebchen, Afebenurnen, Spielfteine, Schmucfadhen, befondere' gefärbse 
Blasperten ıc. Sehr oft träge das Produkt einen Sirmenfrempel, aber co ift 
meift unmöglich, zu beftimmen, ob tin Blasgefäß importierte-Ware oder 
einheimifchyes Produtt ift. in Lurusarritel. blieb das Blas auch. in der 
fpäreren Baiferzeit, denn die äemer ausgeftatteren (Biräber enthielten nie 
las, während in den meiften ber.offenbar nur von woohlhabendeir: Leuen 
verwendeten Gteinfärge fich vier bis fünf Bldfer- fanden, oft von den 
KhSnften Sormen. in aueerlefenes Prachefihck ift ein in der Schilleeftraße 
‚gefundenes Doppelglas von 35 em Aöhe. Aus dem Boden der Slafche fteigt 
tin fehr zierliches Stäfchchen von I2.cm +oshe. Aebnliche Doppelflafchen 
wurden in gel, Andernach und Blabbach gefunden: Gebr intereffane ift 
eine 26 cm bobe Slafcbe, deren Bauch. in Zorm eines Tanustopfes geformt 
ift; das Glas ift von der größten Seinheit und wunderbar orybierr. Die 
Paulusmufeum in Worms befizt u.a. zoei gläferne TeinthSrner;:daseine; 
20 cm lang, beftebt aus grünlichem Blas und {ft mit nenartig aufgegoffenen 


Die Homaniferung dir Kheinlande. s 


Säder won berfelben Fatbe'tiberzogen, Die Spigeibeo’Yorris mit: mehreren 
paralleten. Ringen. verziert; as. iandere ‚Trinfhorn: ft‘ ein -fogenanmtes 
Ahyros, d. biein Gefäß, deffen untere Spige Burchböhtr var. Wlan fing.den 
Trank mir dem Winnde auf. ” Diefes, Iüfeum befise eine Anzahl-aufer- 
ordenttich fehöner Blasfayalen, die in YOorme gefunden worden find: u. a. 
eine mit:eingefebliffenen Ornamsenten, eine andere mit eingeristen Sigureh. 

Geringer‘ ift-bie Ausbeute. der «Bräber. an iverroollen Schmuckfächen, 
doch ©br: und Fingetringe, zum Teil mit Infehriften 2e;,'feblen niche. 
Benug der, trocdenen Aufsählung; die einzig den. Smweck hät, nachzuweifen, 
daß in den rheinifchen Städten in: der Blanzzeit des eSinifchen Imperiums 
ein:geofer Wooblftand.bersfchre. Denn viele. diefer Thon und-Blangefäße 
iwärden vody.bite inn. betnläxtien: Wöcrsenhfntkrenstnb le 
Prunkfeiicte: gefchäe-fei. a 

Wan bat fih fr de überrichenfien Voefllungen on dem Luras 
der. eötmifehen Baifetzeit: gemacht, und der berühmee :WTarionalötonom 
1. Bofcper: verurteilte jehen Lupus ale einen untlugen: und unflerlichen. 
Allein "andere! haben. mit Recht beront, daß; „der ‚Lupus ‚deo Altertums 
ficb in fehr viel engeren. Brenien, fowobl der bürgerlichen Befellfeaft, 





Anenebebtlichen: angenommen har, in Beine Vergleichung: u ftellen ift“*). 
Unfrhiger Lupus‘ vonede‘ eigentlich. He mir der: Wienfehencaft gerrieben: 
Ks ift das eine rfcheinung, die. in allen. Ländern fich wiederholt, wo 
bie Acbeirsktaft geringen Wert bat, 'toier in Rußland, im Orient.  Diefe 
Veefchrsendurig. von: Acbeirstraft wächte fidh [con sur Zeit. des Auguftus, 
‚Denn feitberh "Seieden :berrfihte,! veröberen ‚die Sklavenmäcker,, und: die 
Landwirtfchaft lier.tn fat. unerträglicher WOeife unter dem angel an 
Arbeirsträften, fo- daß’ fich die Broßgrundbefiger gendeige-faben, "gleich 
den: Raubrimeen des itlfitelaltere, an den Geaßen .fich. auf.die Lauer 
st legen, um Yoär nicht auf Bürr; ‚wohl aber: anfıElienfehen Jagd su 
machen; ‚einzufangen: und unter ibre Slave zu fiedin”): 

‚Dim‘ übrigen geichmere. fich.:der. wömifche Lupus wor. dem. beueigen. 


£ intenfivere 
beurzueage:. Deim:“geringften Geräte jap men vor:.allen: Dingen auf” 
ine. edle: Jorm, “die felbfe ‚den gemeinften Geoff, aus dem es geftrrige 


62 2 Bapielı 4. 


war, abelse. Das Bunfthaubeoert ner ‚außerotdehrlid: hoch enrieictes, 
„ie: in die befihjeidenen Weikfrärnen des: Töpfer; Bteinmerin, ditimern 
malen: reichte die MDitkurig; ben Beiftes der Phidias ind. Polpkier, det 
Proagireles. und Apelleo’. (Sriedländer). "Jin "ganzen "römifchen Reich 
berefdhte\ forwobl: in. Besug ‚auf Die: Technit-.swie-Nin Besiig Jaufiıden 
Darftellungsinhalt: eine: gleichmäßige: Tradition, fo» daß nianıjeze meinem 
öntifehen.: Bunfnsee® nicht. ‚mehr. anfehen kann, /obi eei\anm; Übel oder 
in’ Afrika produgiert worden. ft.) Diergriechifebe:"Bunftı: bacre> einen 
unermeflichen Scyis „On: Feen und. Formen. gefchaffen,.denmanı su 
bendigen und:yıl’ erhalten; in einer’Beit, vos bir‘Bühftlerifebe: Zeugungaktaft 
eifehöpft warzueifrig.beflifen- war. - Die Baife:bewsegieifich” An den: non 
den trofien:ieifeerr vorgezeichneten "Bahnen und löfre ‚auch :die.neien 
Aufgaben nach den alten bemährten Befegen. Ylur daditrch-Tonhteufich 
die Bumfe-jabebunderrelang tüfieiher. bewunberurigsrohedigen %öhe halten. 
Finn Komtifen sobieliKuinfnverte aus. allen: Ländern ders tieiechifchen 
Bultursbeie gufammentebracht worden; »lind bier Bonner: die‘ Blnfrter 
im.biefen, größten. aller -{ilufeen finbieren mid Anregung! fehöpfen: In 
Rom var die’ bobe Schule Für“ die Bunft, umd der Ebrgeis der 
Poopimialen:ıging:nichr ‚darauf‘ aus, eigenartige Schöpfüngen zu: befizen, 
fondern ‚iebiglid) Artachabmungeit dee in.Kom. vorhäftbenen Bunfnwerke 
zu: erheleem:. Die Prodißrionnwwac „aljo eine ‚wefentliche Brprobuktion; 
oder‘ mo einfache, Wirdethofung nicht anging,«omneen- durch. Umbilbung 
umd Ausbädung dir utfprünglichen $Totive meute Wendungen der Gedanken 
ausgedrückt werben. .Bbmiohl.die Ausfihmäcktng eines haufes ;Durih 
Hang genssbnliche: Zundiwerfer;; meift Stlaveti, gefchab;: fo: Eönneen Dieft 
Boch: audy»einen. verwöhneen unfrgefäynack-befeitdigen, indem fit‘ eben 
fremde: Vorbilder «näjabrnten®). “Auch ‚ar piaftifchen Schuiiche fehlte 
es. niche.” 2lbgefeben wont'YTippfachen. aus Ebern, Glas,! Brote, Bbtmt- 
bildern, :Tieifigunense. %);nliebte man, im Arm dts Soanfen oder in; und 
vor-Ternpeln;. auf;öffehelichen:Plägen a..f..ww. Vlichahinungen. berfhmeer 
Statzen aufbüftellc; meift aus billigen: Wateriak:itn Balk-ıoder, Sand 
ftein; fo wurde 3.23.:in Worms:eine feßr yune; leider verfühmmelte:Aopie 
eines: 2ipollos gefunden; Jumeilen audy in Wiarmot;;noierni w.. die [ehöne 
Aunezche inErier.  Diefe Marmorfarrden (ind. mieife: Erportware: 4 
« Eben‘.birfel verebeinde: Einfluß griecbtfeber. Runft serfedtre Tich 
fogar »guf” die). gewwöhnlichften (Bebrauchsgeqenfulnde: . ‚Da auch- det 
+ age: md Sand "an. den herrlichften ; Wufeeen: bilder, 











Die Nomaniferumg‘ Ser Nheinlande. P 


veidhre? fie vb: redhnifche "Gertikeie bin; um "qure Tacrähmungen:zü 
Hiefern;; umb. fo. troberre‘ gleicsfam :das "‚zandiserf eihten gebßen Teil''des 
Gebiets; das..im ‚anderen Zeiten ‘der eigentlichen Rurift gehört bar; mb 
ds! zikeoichelse (üb) “auf Diefem. Boden‘ ih. einem. Ulmfange;:toir'’eb.ben 
mb bi indie men Boch der Before 
Bedbefnis mögtichıuear""). 

Sin Zen Eder fe; "oas feine Anforderung an Wohnung; Elabeung 
und‘) Erankıinbertiffe,febe genhgfant.'; Tim: Elorden zwang: jedoch das 
Blima zu Vorkebtungen; man: vehvabree. die:iFenfrer mir Bias, und 
man heise. ‘die: Ziminer: "Durch unteriedifche Röhrinleitung. : Sie die 
Dekoration des: Zaufes ‚benute ‚mais: anftrt „der: in Rom: Üblichen 
Boftbartn‘ Materistien vielfach Surzogate: Sud‘, bon; Terratorrir und 
Gipa. .:}Mam. begnügte fich. gern. mit dem «Schein einer heiten: Pracht 
und etfreute: fich der Jarben und Bilder, die nicht viel Boftern. 

Will man ‚eriva. den :Lurus der Reinfichteir tadent ' Bebantirife 
ja, Daß die Verforgung der Städte mir gusem Wsffer eine Zaupeaufyabe 
der Stadewdter war. " Weberall, wo zömifche. Rulcue ‚einfr‘blühee, fmdel 
fi. Spuren :röinifcher. Wäfferleiniägen, dir ofr'mit'großen‘Roftin von 
weither -auf':Pfeileen der Stadt zugefhber wurden; md nirgends Fehlen 
bie-.öffenelichen, Bäder: für Männer und Sraten.'Bogar. die Land: 
beroobner ;pfleiten. ügtich Si’ baben;” darin. ehr: Beneca: ein «Symptom 
des. Gittendenfalles;; indem: man ini der giıren."alren Bee’ nür alle achr 
Tage: gebader; haber Er wer freilich. ein Pbilofopb: ' Das Bedhrfnis 
der-Reinlichkeit  berbreiceie fi) "mir DE ämern tm. die Propingen: 
Welcyen Lupus man in Babeeintichtungen entfältere, zeigen Die großartigen 
Thermen St. Barbara in Trier. Diefer Lupus bat fid) bis cief in das 
Wiirrelalter erbalten, und erft der Rigoriomus der Reformation bar ei 
fbblimme Xenderung diefer Sirre bewirkt, Fo daß noch zu Boetbes Zeit 
das Baden im Sreien für anfeößig galt. 

Geroiß, jene Rulrur des abfterbenden Amerreichs war in vielen 
Beziehungen eine böchft ungefunde, weil überreife, aber doch wieder eine 
ungemein reiche; fie bat unzählige Srüchte gegeitige, an welchen wir uns 
noch beute erfreuen. 

In Gallien haben wefentlid nur.die Reichen, d. b. die großen 
Grundbeflger, die rSmifihe Rulrur in fid) aufgenommen, während das 
Volt forwohl feine Spradye und feinen Glauben als feine nationale 
Sonderart bewahrte. Ban; anders in den Abeinlanden. “ier gab es 





s 2. ap, 


keine fompakre ‚Volksmaffe,  fondern! Tebiglich eine‘ Ampahl!ivon Völker 
fplittern, Belten und Bermanen neben: und Disrcyeinander;) obne innere 
Sufammenbang: Die ftarke' militärifde Befarung;diewenigfiens"im 
3: Fabrbundert, aus "Ttalienern beftand, famt. ihrem-Anbang, den Aaufi 
leuten; ‚aandwerfern "und Sklaven, “hat. in gansanderen Hllafe)als:in 
dem von Goldaten entblößten Gallien die Romanifierung befördert. 
Widerftandofäbig Lonnte bier. Die einheimifche Belrifche Besölkerung 
fein und. ebenfowvenig die! germänifchen Stämme'deriWanigiorien:id f£ 
Demnach ift es begreiflicy, daß‘ niche: allein dieSrädee,oföndern (aid 
die Dörfer vollfeändig. romanifiert. wurdeh, und. die" Bodenfimderin den 
um ‘Worms beftdtigen dies durchaus, indem derBräberinbilt 
der: gleiche sift wie. in den römifchen Gräbern der wormfifchen/TTetropälel 
Die erften zwei Jahthumderte des vömifchen Raiferreiche ihären eine 
iberaus gihePliche Zeit, wo man, der Sorge um die SicherbeitiderPerfon 
und: des Eigentums Iedig, fid) einem ftoben,' durch die-Rünfte verfehönten 
Lebensgenuß . bingeben "durfte, - ein Glhicßögefühl; das zuiinald in den 
Wonumenten der weinfröhlicher Wiofellandfchaft fich'swiederfpiegelt. Det 
große Wartomannentrieg sur Zeit des Pbilofopbeitkaifers Marc Aurel warf 
freilich fdyon feine Scharren auf’ die Eommenbde röstrige Zeit. "Damals rÜbeten 
fich wieder einmal: die Cbarten, "die vomdein Statthalter Obergermaniens) 
Baius: Aufidius. Vicrorinus, im’Jabre1J62 Auitfekgefchlagen wıirden! 
Darauf folgte eine Zeit des Sriedens,"bis- fodann. ai "Anfang des 
3. Jahrhunderts dee Arieg der Germanen wieder. begann, dir'forran mit 
unauogefegten Sammerfehlägen das zömifdhe Reich in-Trümtmer:fdlagen: 








lobt hatten die Römer auf ihren weitaus: 

febenden Plan der Eroberung des Innern 

Germaniens verzichten und fi mit dem 

Abeine als Reicpegrenze begnügen mölfen; 

über es war ihnen doch gelungen, den Rhein 

zu einem römifchen Binnenfluß zu machen, 

und durch die Anlage der römifchen Brenz 

webre hielten fie die Bermanen von dem 

gewalctbätigen Eindringen in das Weich 

lange Zeit mit Erfolg ab. Bei den 

germanifdyen Stämmen fanden aber innere 

Veränderungen ftatt, über welche eo Beine Runde giebt, deren Ergebniffe 
jedoch fich darin zeigen, daß an Stelle der vielen Bleinen Völkerfebaften 
der taciteifihen Zeit im 3. Jahrhundert große Völferblindniffe getreten 
find. Waren früber diefe VStkerfchaften Republiten getoefen, mit 
Gaubduptlingen an der Spine, fo eneftanden nun große militkrifche Völker. 
bündniffe, deren Leitung 'ein gewählter &erzog oder Dur hatte, fpäter ein 
erblicher Stammestönig. Zu ihrem großen Schrecken follten die Römer bald 
erführen, was Diefe von ihnen unbeachtete Revolurion zu bedeuten hatte. 
Das tömifche Reich war nicht mehr dasfelbe Staatswefen, wie eo 
einft Auguflus begründet hatte. Das augufteifcbe Prinsipar glic) fcheinbar 
einem Eonftirutionellen Staate, in dem der Senat die eigentliche yefen- 
gebende Behörde war, der Princeps die Erekurive befaß. Diefer Schein: 
konftirutionalismus des Prinsipats entwickelte fich in träftigen Anden 
zu einer wirklichen monarchifhen Gewalt. Schon unter Trajan haben 


15. Dee, Die Ruine ver enfcn au. ” 





ss 3. Bapitel, 


die Zeirgenoffen das Gefühl gehabt, daß das Staatswefen in ihm ich 
darfielle. @emeindefteiheit und Selbjtverwaltung bilden das YDefen des 
antiken Stabtftaates, jedoch fon am Ende des I. Jahrhunderte werden 
diefe ftark befchränkt. Die republifanifchen Tnftitueionen verfdhmwanden 
mehr und mehr, und es bildere jich eine allmächrige Dureaufatie aus, an deren 
Spige der Bardepräfekt ftand, der mehr als einmal dem Raifer die Bewalt 
fireitig machte. Die Solge Davon waren Palaftrevolurionen; das sügellofe 
‚heer erhob und entferte die Raifer nach Laune und Willkür, und immer 
wieder machte der Senät den Derfuch, die frühere Gerrfthaft zurfkfsuerlangen. 

Die mitirkeifhre Mache enefprad fdon lange nidyr mehr dem 
Bebhrfniffe des Weiche mit feinen gewaltig ausgedehnten und meift 
ungenügend gefehlisten Grenzen. Brad). an einem Ende-der Krieg 
Ios, fo drangen an anderen Orten dit Barbaren Über die Brenzen, und 
oft genug wurde mitten im gefährlichen Briege ein Kaifer von, ber 
sügellofen Solbatrsta ermordet. Die Folge war der "Verluft ganzer 
Provinzen, fogar Jralien war vor den Kinfällen der Barbaren nicht 
mehr ficher; Die Folge diefer verheerenden unglchfeligen eiege und 
der einreißenden Wlifregierung waren ferner die Serrheung der Finanzen 
und Volfswohlfabrr, und and in “and ging. eine Verminderung der 
Voltstraft und der Volkszahl. Und die Mittel, diefen. Uebeln zu 
wehren, waren in ihren Wirkungen womöglich nad), verderblicher "ls 
die Urfachen. Um bie Lüchen, weldye der menfehenmörderifche Yarkor 
mannentrieg in die römifche Bevölkerung geriffen batte, auszuffilfen, bat 
man maffenhaft die Germanen als Rolonen in Jralien, (pdter auch in 
Gallien und anderen Provinzen angefledelt. Diefe Aolonen waren zwar 
perfönlich frei umd Fonnen Vermögen erwerben, aber fie waren erblich 
an Die Scholle gebunden. Tbre ungebrochene Braft follte dem State 
die Ketruren liefern, deren man (6 dringend bedurfte. WDohl meift nur 
untermoorfene Germanen raten in diefee Stoangeverhälmis ein. Andere 
germanifche Voltsftämme wurden als Lären auf Öffentlichen Ländereien 
angefledelt; fie durften Diefelben nicht verdußern, audy ibren WOohnfin niche 
verändern und mußten Rriegedienfte leiften!). Auch ihr Verbälenis war 
ein erblidhes und ihre Organifation eine Porporative. Unter dem YIamen 
Gentiles verftand man im 4. Tahehundert ebenfalle auf eömifchem Boden 
angefiedelte barbarifcye Truppentörper. Viele Bermanen gingen außerdem 
ein fieico Dienftverhälmis ein, und mancher erflomm die lange Stufenleiter 
römifcher Aemter und errang zulent den Purpur. Go erflliee fih das 


er Banpf um den Ahein. s 


tömifcye Heid) mit den Betmanen und mit germanifdem Beift und YDefen. 
Von innen md von aufen tourde esdurch bie Zbarbaren serferstund zerfehlagen. 

Die Quellen nennen: um ertenmal im Jahre 213 die Alamannen'”). 
Darunter iß.nichr ein Voltename zu verfieben, fondern es handelt fid, 
um einen VSlkerbund, deffen Bern die an der HElbe feßhaft gewefenen 
Semnonen waren. Auf Der langen Wanderung mit Weib und Rind 
und fahrender Yyabe verbanben jid) ihnen andere germanifebe Völterfchaften. 
59 erfibienen fie am Anfänge des 3. Jahrhünderts am römifchen Limes, 
bineer ihnen drängren. die Burgunder, „die Ylachbarn der Semnonen, 
ofkwäres bie "ermunburen, mordwefllich: die Chatten. So blieb den 
Alamannen Feine andere Wahl, als«den‘ Verfü zu machen, den Limes 
zu durchbrechen. Am heine fanden nur noch vier Legionen: in 
Germania superior VIII. Augusta und. XXI. Primigenia und in Germania 
inferior I. Minervia und XXX. Ulpia, die Durdy Detachierungen und die 
Befegung ber Limeskaftelle ftart gefehwächr waren. Außerdem hatten 
die römifchen Truppen an Schlagfertigteit viel eingebüßt, weil die 
Regierung Rüchficht auf die simehmende Unkuft der Unterebanen zum 
Briegsdienft nehmen mußte und beim. WJangel an geeignetem Nekcuten- 
material gesungen wurde, die Leute unvernünftig lange bei den Sahnen 
zu behalten“). ‚YTamenelich mangelte den Amern die Reiterei. Die 
Alamannen aber waren flinte Reiter, bie zu Pferde die römifchen Bebiete 
plünderten. Der ?riegsrlchrige Raifer 11. Aurelins Antoninus, genannt 
Caracalla, erfebien im Auguft des TJabres 213 am räcifchen Limes, 
überfehrire Denfelben und feblug die Alamannen. Er legte neue Raftelle 
an und. befefligee Die: Fleckarlinie flärter. Ta er gewann foger die 
Seeimdfchaft der Alamannen und empfing ihre Befandrfchaften in 
germanifdyer Tracht. Einige Zeit hielten jle Ruhe. Im Verkehr mir 
den Römern wuchs ihr polirifehes Verftändnis, denm nicht mehr wie 
fehber fürmten fie blindlinge auf die römifchen Linien ein, fondern 
warreren Elug Die Verlegenheiten der Römer ab, in weldye der perfifche 
Brieg im Jahre 233 jie verfente, und Überflureren die reichen qallifchen 
2änder, woährend die Wiarkomannen gleichzeitig die Donaugegenden 
verwüfteren. Matfer Aspander fam nach Wiainz. Sr hielt cs für 
voreeilbafter, die Ruhe durch Geldzablung zu erkaufen, als die Alamannen 
zu bekämpfen. Diefe Seigheir erbirerte die Soldaten, und fie erfchlugen 
ihn 235. Sein von den Truppen gewählter Ylachfolger, der Thraker 
Wariminus, errang fic) den (Ebrentitel Bermanicus. Der im Jahre 236 


7” 3. Bapil: 


am Abeine erfodhtene Sieg war auf lange der Iente, den. Die Asıner 
bier ertämpft haben. Dadurdy wurde die Brenze wieder: gejichert. 

Aber feit der Witte des 3. Tahrbunderts wuchs die Gefahr um fo 
mebr, da ein Raifer nach dem anderen: geftlrse twurde uhd-die' Bermmanen 
die Zerriierung der eöiifchen derrfchaft einfichrensll zu: benfizen:verftanden: 
Als ein Teil der römifchen: Legiokien nach Jtalient abzog;umsibhrem Binifer 
Valerian zu helfen, da durcpbraschen die Bermanen-bie-fchleche:weriwahree 
römifche Brenzwehe. Am’ Tiederrbein tauchte der neue YTame der Sranten 
auf), d.h. die Seien; fo nannee fich./ber. VSlferbund deriCbatren; 
Brutterer, Cbamaven; "Amfivarier: und Cbartuarier, im Begenfagzuben 
von Kom in Abhängigkeit lebenden Bermanen. Jbnen febloffenfichfpdter 
nod) andere niederrheinifche Völkerfchaften.an, und diefer Bund-diriGeanten 
seofieldann in die drei sauptggruppen der Salier, der Riptiarier, und der effen: 

Baifer Balliemis)betämpfte am Oberrhein 256:-+260die/Alamannen, 
Eine Schar unter ihrem Rönig. «Chrofite. drang\unrer-fehredflichen- Ver; 
wüftungen bio nach. Arleo vor; wo fie den Untergang: fand;<eine andere 
erfehien zum Schrecken |der/verweichlichten Ttalier "wor RavennirsiDie 
Sranten durchfdyweiften ganz. Ballien und Spanien. Zu gleicher Zeit 
überfluteten die Boten das Hei: Der Statthalter Balliens Poftumus 
lief fich von feinen Soldaten 268 zum Raifer erheben; er fehlug feine 
Vefidenz zu Trier auf und machte Wainz und Böln wieder zu Jaupt- 
waffenplägen. Die Sranten und Alamannen trieb er zurüct, aber die 
techterheinifeben Befisungen gingen den A&mern verloren, und man mußte 
fich begnügen, die Stußhbergänge durch ftarke Jorts zu befeftigen. 

Die, Alamannen waren wegen ibrer Braufambeir und wilden 
Zerftörungssout befonders berüchtigt. Bei ihren Plimderungssügen werden 
fie Eigentum und Leben nicht gefdhone haben, doch den befeftigeen Städten 
Eonnten fie nichts anhaben. Sreilic die vechterheinifdhen Lande. innerhalb 
des Limes fielen ihnen gang zum Opfer. Ucberall zeigen die ebemaligen 
vömifcpen Städte, Lopodunum ıc., Spuren gemaltfamer Zerjtörung. Die 
Wiünsfunde bieten einen Beleg dafür, daß zur Zeit der Antonine jeder 
friedliche Verkehr aufbörte. YTachdem die wilde Zlur der Völkerbewwegungen 
erwas zurlicgeflaut war, fammelten fich die erfprengten Bewohner wieder 
und ließen fid) in den Trümmern ibrer Städte nieder'®). Die Algmannen, 
welche die Städte mieden, mögen dies zugelaffen baben. Diefe Romanen 
bewabrten aud unter der Serrfihaft der Germanen eine freilich allmäblich 
serfallende Rultur; fie beerieben nad» römifher Art die Landroierfebaft 


er Bampf um ben Ahein. 7 


und Die Gewerbe und wurden die Lehrmeifter der Alamannen. Sie 
Inlıpften, als im 4. Jahrhunderr die Zeiten wieder envas friedlidyer wurden, 
ihre alten Verbindungen mit. ihren echterheinifchen Zandeleuren an und 
bitberen fo die nattielichen Vermittler ztoifchen diefen und ihren neuen «herren. 

Bans unbeilooll waren diefe Plünderungestge der Germanen für 
die Seädre. Die Sinanzverwaltung des Reichs geriet in die grenzenlofefte 
Unordnung; eine unerhörte Belönot riß ein und damit im Zufammenbang 
eine große Wlnzerifis. Die Silberdenare der guren Zeit fanten rafend 
im VDerte, indem immer mehr Rupfer zugefent wurde, zur Zeit des 
Septimius ;Severuo 5060 Prozent; im 3. Tabrhundere berrug der 
Sibergehalt nur ned) 5 Progene und unter Dioklerian war der Silber: 
denar zur Bupfermlinze berabgefunten, welche Die einzige Verkehrsmünze 
war. Bold und Silber verfdranden ans dem Verkehr, und man 
fieuerte unaufbalefan wieder dem Spftem völliger Klaturalsoirefchaft zu, 
indem Steuern und Gehälter in YTaturalien, nicht mehr in Geld 
entrichter wurden"®). Diefe Sinanznor führte zum völligen Staats: 
banterott. Die Bürger mußten mit: ihrem eigenen Vermögen für die 
Steuerfummen, die ihren Bemeinden auferlege wurden, auftommen, und 
da die Reichften, die Senatoren, fi) der Steuerpflicht durdy Verlegung 
ihres Wohnfizes auf das Land zu entziehen wußren, fo fiel die ganze 
Steuerlaft vornehmlich auf die mittleren Mlaffen. Das vordem fo 
lebendige Bemeingefühl wurde volltändig erftit. Die Uebernahme 
fädeifcher Aemter hatte nun den Ruin der Betroffenen zur Solge, aber 
es gab Beine Merrung, denn der Staat zwang fdonungelos die im 
Dekurionenftande Beborenen zur Erfüllung diefer Pflicht. Schon Uipian 
Dig. 50, 2, I föhrieb vor, daß ausgersanderre Dekurionen vom Statt: 
balter mit Gewalt in die “eimar zurbckgeführe werden follten, um ihre 
Aemter zu Übernehmen. Der Begenfaz von reich und arm wurde nun 
noch graffer ale zuvor. In einzelnen 4Änden fammelten fid ungeheure 
Vermögen an, während das Stadtvolt verarmte und die Lndliche 
Beoöiterung durdy die Barbareneinfälle, den Uebermur der Golbaten, 
die Peft und Jungerenor zur Verzweiflung getrieben wurde. Es 
entftanden fommuniftifche Bauernrevolutionen in Gallien, Vorläufer der 
Jacquerieen; Damals nannte man fie Bagauden. Diefe Bauern eroberten 
fogar das fefte Autum und verbrannten diefe Durch ihre litterarifche 
Tdeigkeit berüihmre Stadt. VOobl ftellte der thchrige Baifer Aurelian 
die Orönung einigermaßen wieder ber; aber er murde von feinen 


72 3. Baier. 


Offisieren 275 ermordet. ‘Das war ein neuer Antrieb für die Alamannen 
md Sranten, den Abein zu überfebteiten. Gegen: 60 "Städte. follenöfte 
gebrandfehage haben. Dir tapfere Probus trieb die Alamannien über den 
Abein zurhc® und verfolgee fie bis ins Lledarthal-umd\die Schwäbifche 
Alb. Uber auch er vermochte nicht die römifche \herrfebaft:saiif) dem 
sechten Mheinufer wieberberzuftelien und. mußee.twieEarncdlia> fich 
begnügen, Bricentöpfe am rechten Afer zu ertiihten. »4Er.ıfchlofsmit 
den Bermanen Verträge, Imur denen fleiihm Soldaten fiellen’ folleen; und 
viele Taufende fiedele er als olonen in Gallien‘ und» Britannien an: 
‚Aber die Volfotraft der Germanen fehien unerfchöpflich, "amd forenedhreid 
bebrobten fie die linerbeinifdhen Städte. ssinter.'den 2Akimannenid 
Sranten drängten die Burgunder und Gachfen. Es batterden Aanfebeim, 
ale ob man der $ut nimmer. Wieijter werben wiitde. “in. 

Der Wiederberfteller des römifchen- Staates it Diokleriamgewefen; 
eines der größten organifatorifcben Benies aller Seiten. Er hät dasin 
feiner Art Blaffifche Gebäude des Staarsabfolutismus-errichter. Die 
Bafis feiner Staateordnung ift die Souveränitke.des" Volkes, Dasıbem 
Serrfher alle Bewalt übernäge.. Tbeorerifc) wird Biefer vom Wolke 
gewählt, chatfächlich aber durch die Armer.- Gegen feinen Willen giebt 
es keine Schrante; dein Die gefengebende Bebörde, Ber Senat, ift Iediglich 
Parade. Das Zauptinftrument feiner Serrfchaft ift ein Staatsrar und 
eine woblgeglieberte Beamtenbierarchie. Alle Beamten, vom erfien bis 
zum niederften, find direkt vom Raifer gewählt und ihm veranmwortlich. 
Es war eine Verwaltung, Die alle Bebiete des Öffentlichen, weirefehafktichen, 
Tommunalen und religiöfen Lebens umfaßte. br war eine geborfame 
freuersahlende Unterthanenfhjaft unterworfen, die jeder politifchen Rechte 
entbebrre. Alle Unterfehiebe der Ylarionen find verwifcht, dem gleichen 
umiformen Negimente unterworfen, die Territorien ohne Aüchichr auf 
geogeapbifche und biftorifche Verbälmiffe wie ein Schachbrert eingeteilt; 
ein forgfälrig angelegres Steuerkarafter, alle Fünfschn Jahre erneuert, im 
gangen Staate eine offizielle Sprache, ein offizieller Aulıs, ein Befeg: 
buch, vortrefflich, um die Unterehanen in Untervoizfigteit vom Staate 
zu balten; die alten Bebures- und Kangftände befeirige, dafhır neue 
Rangftufen, mit böfifchen Titulaturen, die jedem, felbft den geringften 
Bürger, zu erflimmen möglich war, fofern er nur Talent und Blüc 
batte, wodurch der perfönlicye Ehrgeiz auf das gewaltigfte angeftachelt 
wurde; winfte doch in Ienter Linie dem Blücklichen der Baiferliche Purpur, 


Der Banpf um den Ahein. 7 


und mit diefem beBleiber war er fon zu Zebzeiten ein görtlicbes WDefen, 
das audy nad) dem Tode als Bott verehrr wurde!"). 

Die lbrifde Verwaltung hatte fon feit Jadrian die Autonomie 
verloren und diente infolge der Dioklerianifehen Staatsordmung fortan 
lediglich den Booecken der Staatsverwaltung. Dereite im 3. Jahrhundert 
batte die Stadtgemeinde auf die Wahl der Stadträte verzichtet; Ddiefe 
ergänzten fich felbft. Sie befaßen noch eine befehhränkte Berichtebarkeir. 
Im 2. Jahrhundert war ein neues Amt gefchaffen worden, der Curator 
reipublicae zur Montrolle der flädeifchen Sinanzen. Diefer Rurator 
wurde zum fländigen Beamten erwäblt aus der Zahl derer, welche die 
fiädrificen Aemter durchlaufen baten, und vom atfer beftärigr. 
Valentinian fyuf fodann 36% ein neues Amt, den Defensor civitatis'”), 
deffen Aufgabe war, die unteren Stände gegen die WOillElr der Beamten 
zu fählinen. Ylur ein vornehmer Wann folle zu diefer Stellung berufen 
fein. Doch das Wohlmollen des Raifers vermochte den Srädten nicht 
mehr aufgubelfen, da bie Anforderungen des Staates an die Steuerkraft 
der Unterthanen allzu drüctend waren. Denn man richtete die Ausgaben 
nicht nach den Zinnahmen, fondern erfere wurden fort und fort erhöht. 
Damit Beiner der eifernen Steuerfchraube entrinnen Bonnte, wurden 
MWafregeln getroffen, wie fie driicfender und verderblicher niemals in 
einer Verwaltung eriftiere haben. Der Einzelne wurde mit fat unent- 
tinnbaren Seffeln in den Stand gebannt, in dem er geboren war. Zahlen, 
Steuern erheben, verwalten, den Laften der Verwaltung unterliegen: das 
war damals das Los eines Stadtbewohnere. Die fürvere Zand des 
Staates legte fih auf alles, was der Bürger nur befaß: auf fein 
Dermögen, feinen Erwerb, feine Arbeitskraft. Dumpfe Bleichgäleigteit 
bemächtigte fich aller, und fehließlich begrüßte man die Bermanen als 
Befreier von einem unerträglich geroordenen Joche. 

Dioklerian hatte in der Erwoägung, daß ein YJann in diefen fähtwierigen 
deiten unmöglich ein fo großes Heid) beherrfchen Line, die Regierunge- 
gewalt geteilt, indem er feinen Yoaffengefährren Wiapiminian zum Miiekaifer 
ernannte und demfelben bie Verwaltung deo Woeftens übertrug. Defjen 
nädhfte Aufgabe war die Cliederwerfüng des gallifdyen Aufftandes. Die 
gallifcyen Bauern, namentlich die berittenen Sirten ber großen Weide 
fireden, machten durch Zeimfuchung der Broßgrumdbeflger und durch 
Serfißrung der Multuren ihrem Zaß und Grimm Luft. Auch die 
‚Rolonen und Läten beteiligten fic) an dem Aufftande, und die Alamannen 


4. Beer, ie Ruine der nen Mu, 1. Ds 


74 3. Bapiel 


und Sranten waren jederzeit bereit, Ballien zu überfluten. Die Bagauden 
erhoben ihre Anführer Amandus und Aelianus zu Raifern. Diefe fchafften 
fib in der Landfepaft weifden Seine und Wlame eine unangreifbare 
Stellung; von bier überzogen fie und plünderten fie Die gallifdyen Städte; 
bier bargen jte ihren Raub. Wlafiminian ftellte die Ordnung wieder ber, 
aber die Quellen diefer fosialen Revolurion konnte er nicht verftopfen. 
* Die Aamannen, von ben Burgundern füdrveftwärrs gedrängt, harten 
fib innerhalb des Limes zwifchen Ahein md Bodenfee feftgefee. Sie 
brachen mit den Burgundern 286 in Gallien ein, zugleidh erfchienen 
Geruler und Ebaibonen am Abein. Die game germanifde Welt war 
damals in Bewegung. YWfariminian vernichtere Die Geruler und Chaibonen, 
die Alamammen und Burgunder wurden ducdy die Peft und den Zunger 
aufgerieben, und Die Römer verftanden es meifterbaft, die Bermanen 
gegeneinander aufsubenen. $Es gelang dem Baifer jedoch nicht, das rechte 
Abeinufer zu fÄhtrmen, und am Anfänge des Jahres 287 ducchftreiften 
germanifebe Plümderer das WIofeltal bio Trier, wurden indes vom Baifer 
Surtickgerrieben, der im Geühjabr fogar von Wiainy aus über bie Brücke ging 
und einen Teil der mittelrbeinifchen Lande jeitweife wieder gewann. Brofe 
Waffen der Sranben wurden in den Gebieten der Viervier und Treverer 
angefiebelt, alfo vermutlich in den jegigen reifen Jalm&dy und St. Dith, 
wo die uralten fränkifchen Ortsnamen auf -lar häufig vortommen !”). 
KErft als Wariminian den Conftantius Eblorus zum Cäfar annahm, 
gelang eo diefem großen Staatsmann und Seldberen, Gallien wieder zu 
befriedigen. Yun wurde das linkorbeinifche Land durch Erbauung von 
Burgen und Befeftigung der Städte gegen die Angriffe der Germanen 
gefihert. Auch der Sohn des Conftancius, Bonftantin der Große, 
bar diefe Uhdeigteit forrgefene. Wlan nahm das Material für diefe 
Befeftigungen, woher man eo befommen Eonnte umd fäheute fid nicht 
davor, die Grabfteine felberer Befchlechter ale Duadern zu verwenden. 
So befteht die Wauer in Wins (auf dem Bisgrubenwoeg) aus foldhen Denk 
fieinen des ehemaligen Yyainzer Legionolagere!®*). m grofartigeren Maß: 
flabe gefdyab die Verwendung fEulptierter Brabfteine bei der Erbauung der 
Raftelle Noviomagus (Fteumagen), Icorigium (Junteratbh) und Bedavicus 
(Bitburg) an der Aömerjtraße Trier-Röln; ebenfo in Aelon. Diefe, Durch 
eiferne Rlammern verbundenen, als Sundamente der Wiauern dienenden 
Ouadern enthalten die berrlichften, infteußtioften Darftellungen aus dem 
bäuslichen Leben der Bewohner des Wiofellandes für das 2. Jahr: 


Der Banpf um den Rhein. 7 


bumdert. Achtung vor den Aunfhwerken vergangener Beiten befaß auch der 
Römer nidye und nody weniger Pietdt gegenüber früheren Befchlechtern. 
Waren doch diefe im ftürmifdyen Wechfel der Zeiten längft vergangen"), 
Auch Trier fÄyeine im jene Zeit neu befefige worden zu fein"). Teier 
war feit dem Jahre 286 Nefidenz der in Gallien refidierenden Cäfaren oder 
Baifer. ser hatte Conftantius Chlorus 292 bie 305 und dann fein 
Sohn Monftantin der Brofe 306 bie 312 gewohnt; ’onftanin II. 
337 bio 340, Bonflans 30 bis 350, Dalentinian 364 bis 375, Bratian 
375 bis 383 ıc. Monflantin und die anderen Raifer fdmüchten ihre 
Refidenz mit großartigen Bauwerken. $Es eneftanden der Eaiferliche 
Palaft, die Baftlite und das Sorum, das Amphitheater, die Bäder. 
Die Porıa Nigra gehört hingegen einer weit früheren Bauperiode an. 
Die alte Stadt hatte eine namhafte Erweiterung erfahren. Sie debnre 
fid von der Porta Nigra bis zur heutigen Vorfiadt St. Matthiss aus, 
und die Wofelbrüce, die noch jegt auf römifchen Pfeilern rubt, war 
gerade in der irre der Stadt. Die fie fortfegende Hauprftraße teilte 
die Stade in zwei “dlften; an ihr lagen die wichtigfien xömifchen 
Bausoerke, die Thermen von St. Barbara, der Baiferpalaft und 
das Amphithester, umweit von ihr die Bafıliia und das aus des 
Präsorianertribunen Y7. Pisonius Vicroeinus"?). 
Bonftantin der Große erneuerte und vervollftändigte das Werk 
Diokletiane'"”). Unter ihm berefchte Ruhe und Sicherheit im Reiche, 
aber die Tpronfireitigteiten und Uflwparionen unter feinen Vlacyfolgern 
eröffneten den. Germanen immer von neuem den Weg in die römifchen 
Provinzen. Die Zuftände waren im Jahre 355 in Ballien fo gefabr- 
deohend, daß Conftancius fich enefihloß, feinen Vetter Julian, den er doch 
fürchtete, zum Cäfar zu erheben und ihm ale Kegierungsbezir® Ballien 
und Britannien anyumveifen.. Die Lage der rheinifchen Lande war wahrhaft 
moftlos. Die zur Zeit Dipkletians- angelegte Verteidigungelinie in den 
linEscheinifchen Landen war. vielfach. durchbrochen und die Baftelle 
serfidet worden. Die wenigen Soldaten genbgten nicht zur Verteidigung 
der Heichegeenze und des Bandes, unb die Alamannen fuhren fich auf 
beiden Ufern des Abeins feftsufegen: 
„Tronig auf rÖmifdjem Ufer 
Tranten den Abein und ftols auf linfem und redıtem Gefilde 
Bürger bier hießen und Sieger“. 

finge der römifde Dichter!) 


76 3. Bapire. 


Die Sranten harten die Bebiete von Straßburg, Brumarh, Zabern, 
Sels, die Baue der Yiemeter und Vangionen befegt, wie Tnfein vagten 
die vömifchen Städte aus der Slut; denn die Barbaren vermieden fie wie 
mie Dornhägen umfchloffene Gräber. Die großen “eerftzaßen waren in 
ihrem Befle, und auf diefen zogen fie plündernd tief in Das gallifche Land, 
‚ohne vielen Widerftand zu finden, da das römifdhe &eer in Rantonnements 
weit gerfireut lag und volfftändig demoraliflert war. Die Bevölkerung 
verzichtete darauf, ferner den Boden zu bebauen, da die Srucht ihrer 
Arbeit entweder den Steuereinnebmern oder den Barbaren zu gute Bam. 

Der junge Cäfar betrachtete feine Berufung unter diefen Umftänden 
felbft als eine Verurteilung zum Purpur, denn der Raifer gab ihm keine 
ausreichende militärifche Unterftügung, ımd voller Argwobn ließ er ihn 
durch) Spione übermadyen. Tulian beklagte fein 206 als das eines Sklaven, 
aber feine Säbigkeit und Energie waren den Schwierigkeiten vollauf 
geroachfen. Er ergriff die Offenfive gegen die Alamannen, entriß den 
Sranten Röln und brady fodann durch die Pforte von Zabern gegen die 
Alamannen vor, die gleichzeitig von anderen germanifchyen Stämmen bedränge 
wurden, fo daß fie um Srieden bitten mußten. Die Lage war 357 
gleichtoohl Britifch genug, da die militdeifchen Silfemirel Tulians viel 
zu gering waren. Sogar die von ben Römern in Dienft genommenen 
germanifchen 2ten machten zutweilen gemeinfame Sache mit den Aaı 
mannen. So mußte fich Julian in der Defenfive halten und fich zundchft damir. 
begnfigen, die römifchen Maftelle wieder berzuftellen. Auch Sabern harte 
er wieder aufgebaut, deffen große ftrategifcbe Bedeutung er erkannte: Bei 
Straßburg flug Julian die Alamannen unter ihren Bautönigen in einer 
glänzenden Schlacht aufs Saupt und vernichtere das feindliche Zeer völlig. 

Ylum ging der Cffar murig vor, überfchrirt den Ahein bei Mainz 
und verwüftete das Mailand. Auch am Yliederrhein ftelite er das 
Uebergemwicht der römifdyen Waffen ber, und nachdem er das Land 
gegen die Anfälle der Barbaren gefichert hatte, füchte er auch die Wohl: 
fahrt der Unterthanen zu fördern. Allein der Baifer, von Vleid erfülle 
Über die Erfolge feines Detters, fürchte ihn unfd&dlich zu madyen, indem 
er verlangte, daß ihm Julian den beften Teil feiner fiegreichen Truppen 
zum Rriege gegen die Perfer Überlaffen folle. Die Soldaten wollten 
jedoch Gallien nicht verlaffen, wo fie geboren worden waren und wo 
fie ihre Weiber und Rinder harten und riefen den Julian zum Raifer 
aus. Zum Glüd farb Eonftantius und Julian wurde als Aleinherrfäher 


Des Bampf um den Rhein. 17 


anerfanne. Yur Burz war fein Regiment; audy fein Yladyfolger Toviarı 
farb bald. Wir Valenrinian Bam ein einfichriger und träftiger Wann 
an die Spige des Reiches. Er flellte eine Reihe von Mißbräuchen in 
der Verwaltung ab und forgee vor allen Dingen für die Sicherheit der 
Provinzen. Durch gefezlice Verordnung ließ er allenthalben an den 
Stöffen neue Raftelie bauen, Burgi genannt. So entftanden 5. 2. am 
‚Aein, von Bafel auftoders, eine Anzabt-folcher Burgen und Wartrlieme. 
Der Ylame Burg ift deucfäpen Urfprungs und wahrfeheinlich den Boren 
enelehne (baurgs””). Das Wort Fomme zuerft im Jahre 185 vor, im 
$. Jahrhundert infchriftlich Sfters"“), und bedeutet urfprämglich einen 
befeftigten Ort, nich zum YDohnen, fondern zum Bergen der abe. 
Durch) Valentintan wurden all die Stußfbergänge, weldye die 
Barbaren feir einem Jahrhundert zu Üüberfchreiten gewohnt waren, durch 
Brücentöpfe und Sperrforrs ungangbar gemacht, Seine Vorgänger 
hatten den Seieden mit den Alamannen durch Befchente erfauft. Allein 
da die Baffen des Staates flers lerr waren, fo blieb man oft den Tribur 
fehuldig, ein neuer Anreis, um die Provinzen anzugreifen. Der Alamannen- 
tönig Wichitab, „Bein von Beftalt, aber Bühn und tapfer“, füchte den 
Alamannenbund zu erneuern, doch Valentinian tam diefer Gefahr durch 
Weudyelmord zuvor. Im Jahre 368 hatte der Alamannentönig Rando 
Wiainz überfallen und geplündert. Gelt dem Jahre 36% hielt füh 
Valentinian in Ballien auf, zumeift in Trier. Am 31. Juli 365 erließ er 
aus der Civitas Vanglonum ein Befen. 369 zog er mir feinem Sohn 
Gratian bei der Yledarmimdung über den Abein und flug die 
Alamannen in einer mörderifdyen Schlacht am Year”), Aufonius 
Pries den Baifer, daß er die Donauquellen entdeckt habe. Die Römer 
wußten damals nicht anderes, als daß der bein die narrliche Brenze 
des Hömerreicyes bilder. Wlan hatte Beine Ahnung davon, daß einft 
das Dekumatenland und das Vledarthal im Befig der Amer geween 
war. Der Baifer mußte darauf versichten, das redhrsrheinifche Gebiet 
wieder dem Beidhe einguverleiben, co war fdon Gewinn genug, wenn 
man wenigftens audy das jenfeitige Ufer in der Bewalt bare. Durdy 
fein Raftellfyfiem hielt Valentinian die Bermanen im Saum. fin foldhes 
Raftell war aud) Alta Ripa am Ausfluß des Yiedars in den Abein. 
Gier befehligte Der Praefectus milium Martensium. fEs dauerte nachelich 
Jahrelang, bie ber Seflungegtirtel vollender war, und bald da, bald Dort durch» 
brachen die Alamannen die langgeftsedtte Brenzwehr. Llue durch die ver« 


78 3 Bapiıl, 


tirerifihen Rünfte der Diplomatie vermochte der Baifer erroas auszurichten. 
Schon längft waren bie Alamannen und. Burgunder wegen des Beflnes 
der Salsquellen von Schwäbifch-sall und Kiffingen bitter verfeinder. 
Die Burgunder gingen daber bereinvillig ein Bimdnis mic den Römern 
ein, in der "offnung, mit ihrer “ilfe die Alamannen: gatiz verdrängen 
zu Ennen. So erfchien 370 ein geroaltiger. “eerbaufen. der- Burgunder, 
am Abein und: verlangte vom Kaifer. bie. verfarschene. Silfe:“ Die Römer 
erfehraten über die brobende Befahr und verweigerten den Burglindern 
den Beiftand, worauf diefe unverrichterer Sache. fich surhefsogen: 

m ganzen aber beroährte fich das neue Befeftigungsfpftem; wenn 
aud) formwährend an der Brenze gefämpft werden mußte. Der Sohn des 
im Jabre 375. verftorbenen Valentianus, Bratian, bat im Wiai 378 noch“ 
mais die Alamannen bei Argentaria (socburg bei Kolmar) entfcbeidend 
gefeblagen und dadurch den Blanz der. römifchen Waffen erneuert, aber 
vernichtend für Das Anfehen Roms bei den Barbaren war der Sieg der 
Boten über Baifer Valens bei Adrianopel am 30. Mai 378. 

Unter Dalentinian und Brarian erlebten die gallifdyen und rheinifehen 
Bandfchaften einen Spätherbft des Blücde vor dem völligen Zufammen- 
brudh der römifchen “errlichkeit. Wenn man aud) ber Barbaren an 
der Brenge niche völlig Wieifter wurde, fo Eonnte man wenigftens das 
&rgfte Unbeil verbäsen. Valentinian ließ es id) eifrig angelegen fein, 
die Derwalnung zu verbeffern. Die Steuern wurden vermindert, der 
Bedrüchung und Ausfaugung durdy die. Beamten gefteuere, denn Die 
beftändige Amwefenbeit des Baifers hielt die freveinde Yoiliklir der Bnıreau- 
tratie etwas im Zaume, und Die. Solge Diefer Tendenz war ein werbälmis: 
mäßiger Wooblftand. Der Wienfdy Bann. ja, befanntlich ‚viel Eiemd und 
Rummer aushalten, und in fiplimmen Zeiten if er fchon mit wenigen 
sufrieden, Srankreid) und die Abeinlande Eörnen nie ganz ruiniert woerben, 
Die. Seuchebarkeit . des Bodens md ‚Die Spanntraft der Bewohner 
vermögen immer wieder die riftens erträglich zu machen. Zumal in 
Trier und im Wiofellande Eonnte man damals eines. fo. felten gewordenen. 
Glüctes genießen. Die beitere, eebenumfäumte Thallandfchaft. fiimme 
noch heute jedes. reine Bemür ftöblich. Sie erwerft das Gefühl. des 
Behagene und der Wohlfahrt, das. Über den YDeinländern in. der Luft 
zu femeben feheint (Goethe). Der Güdländer vergaß, daß er im 
unfreundlichen CTorden weilte, und. die Fubine Serönhie der Bigmd 
gab der Dichrung des Aufonius einen böheren Schwung. 


Der Dampf um den Kein. 79 


In feiner Villa in Eonz malte und dichrere Raifer Valentinian in 
feinen Whufeftunben, wäbrend fein Sohn Bratian, auch er fein gebildet, 
kein größeres Vergnügen fand, als mit dem TJagdfpiefe die voilbreicyen 
Gründe des Zunsehickens und der Bifel zu durchftreifen. An den Berg: 
tehnen und den Ufern des Sluffes fühlmmerten prächtige Villen, aus 
gefehmüctt mit herrlichen Wiofaiten und WoOandgemälden, mit fehöhen 
Statuen in Wlarmor und in Bronze und. edlem Geräte, und belebt von 
Wenfyen, die bie Rumft verftandenn, in edeljter Wdeife das Leben zu genießen. 
Denn bochgefchäsr war in Gallien die Runft und die Litteratür, und die 
Übetoren ftanden in allgemeiner (Bumft und wurden teuer bezahle. Wohl ift 
diefe Lirrerarur phrafenbaft, Hohl und gedankenleer, aber zumeilen tönt uns 
doch aus dem Schwwall von Redefloskeln wahrhafte Empfindung entgegen. 

Sreitic) nur die Beichften waren in der Läge, das Bldl zu genießen, und 
nur auf Eurze Zeit. Sonft war die Lage rrübfelig und hoffnungslos, das 
‚Leiden der Bevölkerung fo entfeglich, daß der Sinn flır das allgemeine YOohl 
ganz abftarb. Die Barbaren empfing man als Defreier, indem man der 
Steuerpflicht ledig wurde. Der KTame eines römifchen Bürgers, einft als 
Toptbares Buc begeber, galt nun für wertlos, ja fir verabfiheimgeroirdig, 
und felbft vornebme Männer wollten keine Römer mehr fein. Ze graute 
den Einwohnern vor einer Wiederberftellung des Reiches in fpÄterer Zeit. 
Wie das Seer fich im Laufe deo 4. Jahrhunderrs vollftändig geemaniflert harte, 
fo vollzog fich auf dem Lande derfelbe Prozeß. Am Knde des 4. Jabrhunderre 
war ein großer Teil der Landbevölkerung am Abeine germanifchen Urfprunge. 

Die Städte hingegen blieben von diefer Bermanifierung zundchft noch 
unberüher, da die Betmanen die Städte, deren Beriimmel ihnen unheimlich 
war, vermieden und fie cntiveber Dienfte im daeere nahmen oder ficb auf 
dem Lande ale Bauern anfiedeln ließen. $E6 war aud) damals gerviß fein 
Vergnügen, Bürger einer Stadt zu fein. Ver ein wenig wohlhabend wär, 
wurde zur Pflicht der Steuerechebimg herangezogen; er hatte: wenigftens 
den Vorteil, felbft wieder die Armen drüchen und auspreffen zu £önnen. 
Den Gevoinn mußte er freilich mit den babgierigen Beamten. teilen. 
Politifce Seeiheit begehrte niemand, aber fchrwer empfand man die 
Schranken, Die den einzelnen einengten. in dem Stande, in welchem 
man geboren war, mußte man bleiben. Die Stände waren Kaftenarrig 
abgefchloffen, und faßt unmöglid, war es, diefe Seifen zu brechen. 

Wit der Blüte der ftädtifchen Rultur war es vorbei, feitbem der 
Beäftesufluß zu fiocden begann. Bekanntlich war im römifchen Reiche 


sc 3. Bapitel, 


febon lange die Zahl der Todesfälle größer ale die Bebuersziffer. Die 
Volkstraft nahm zu Stadt und Land ab, und das Land Fonnte nicht mehr 
an die Stadt den Ueberfebuß feiner Bevölkerung abgeben. „andel und 
Verkehr beginnen zu flocden, die Induftrie flebr fill, taufende von 
arbeitebegierigen “Anden bleiben unbefchäftige, denn die Grundlagen des 
Lebens, die Lebensmittel, für die alle Bewerbthärigkeir Leinen. Exrfan 
febaffen Tann, werden nicht. mehr in genfgender Waffe produziert; und 
fo beginnen die Stäbte zu. veröden, wie vorber das Land. Die Stadt, 
urfprünglidy das “auptförderungsmietel der Rulmur und die Urfache 
einer gewaltigen Steigerung und Vermehrung des Woblftandes, vernichrer 
febtießlichh Wohlftand und Rulrur und zulege fidh felbft“"N. 

Die Buteur Behre gewiffermaßen zu den Anfängen zur. Die 
primitiven Sormen dee Wirefehaftstebens erlangen wieder Das Üebergewicht, 
weil eine bochenmoickelte Rulcur an ihrer Ueberreife zu Brumde geht. 

Seitdem durch die Begrindung des Principats dem politifchen 
Intriguenfpiel in Kom ein Ende gemacht worden war, verlor bie 
Sauprflabe einen großen Teil ihres Neizes für die Senatoren und bie 
reichen Leute, und fie wandten num ihr jntereffe der Landweirtfchaft 
zu. $s entfianden die großen Butsweirtfchaften. Die großen Ländereien 
wurden in Bauernhöfe parzelliert und auf Diefe “öfe Coloni gefest, 
d. b. abhängige Landroirte, die zwoifchen Bleinen Bauern und Tage 
löhnern die Mitte halten, analog dem Verhältnis des hofhörigen Baucen 
im Wittelalter. Dem Staate waren die Coloni zur Leiftung von Ropfı 
feuern und zur Stellung zum Nekeurendienft verpflichtet, ihrem Gute 
berrn zur Zeiftung von Abgaben und Spann: und “andbienften. Der 
&utebere nahm gegenüber feinen Molonen eine obrigteitliche GBerwalt in 
Anfpruc. Er befaß die Polieigemalt und ließ fih) vom State die 
Warktrgerechtigteit verleihen. Zwifchen ihnen und den Gtaatsorganen 
tam es zu mannigfaden Streitigkeiten, indem die Butoverrwaltungen 
verlangten, daß Verfolgungen von Verbrechen ıc. auf ihrem Bebiere 
nur durch Requifition zu erfolgen bärten, alfo genau das, was man im 
fränkifchen Reiche als Jmmunität bezeichnete: SEremeion von der flaat- 
lichen Gewalt in Gerichts: und Steuerfacdyen. Die mächtige Staats: 
gewalt fente fich diefer Anmaßung der Brundheren entgegen, aber fo viel 
erlangten fie, daß Progeffe gegen ihre Zinterfaffen grundfäglic nur unter 
Yainzuziebung der Buteberrfchaft zu verhandeln waren. Die Rekruten- 
aushebung und die Steuerverwaltung gefehab durch ihre Dermittelung. 


Der Kampf um den Abein. s 


Der Gutsberr führte die Zenfurliften, trieb die Steuern ein und barte 
ein Ereburionssedht: Als infolge der Barbareneinfälle die Scaatsgewalt 
zerfiel, da war der Possessor, der: große Bursbefizer, der mächrigfte 
‚Yerr, in beifen Schuge fich die verarmte ftädrifche Bevölkerung flüchtete, 
Yoenig gilt Die Soeibeit, wenn Zunger und Drangfale aller Art tägliche 
Bäfte find. In den Städten hatte der Markt an Bedeutung verloren, 
feitdem auf den großen Bütern die Tnduftrie rarionell organifiere worden 
war. Dem Großgrundbefiger lag vor allem daran, möglichft viele 
Arbeitsträfte zu befommen, Diefe Arbeitskräfte vor der Aushebung zum 
“eerbienft zu bewahren, überhaupt fie eriftenzfähig zu erhalten und 
ihnen alfo nur aufsubinden, was fie tragen Eonnten. fan entging auf“ 
den Poffeffionen der finarlichen Stenerorganifarion, welche einen großen 
Teil der tädeifchen Einwohnerfchaft, und gerade deren leiftungofäbigfte 
iemente, wie eine Ar fiaarlicher Gubaltener dem Verwaltungs: 
Organismus eingegliedert und die gewerbliche Produktion teils verfkaatlicht, 
seile ihr eine Art Amtscharakter aufgeprägt und fie unter fcharfe Aufficht 
geftelle hacte'”). Wer fonnte, floh der Stadt. Es Fam num oft genug 
vor, dafi die Defurionen Gemälde, Möbel, YWiarmorgeräfel u. f. w. aus 
ihren Stadrhäufern auf das Land führen ließen. Vergeblich fehrier die 
fiaarliche Gewalt dagegen ein. Das Abbrechen von Gebäuden und das 
Enrfernen des Weublemenrs aus den ftidrifchen Zäufern wurde verboten. 
Wenig balf das. Das agrarifche Element befam wiederum, wie in alten 
Zeiten, das Uebergewicht, und die Zukunft gehörte der Brofgrund: 
berrfcyaft. in den gallifcben Städten traten nun Zuftände ein, äbnlich 
denen Briecyenlands zu Anfang der Raiferzeir. Dio Cryfoftonios fehildere 
die Verbälmiffe einer Rleinftadr auf Zubsa. „Saft zwei Deittel umferes 
Gebiets”, fagt ein Bürger in der Volkoverfammlung, „liegen $de da, weil 
wir uns nicht darum befümmern und zu wenig Bevölkerung baben. ch 
felbft befine fo viele Wiorgen, wie nur irgendeiner, nicht nur in den 
Bergen, fondern aud) in der Ebene, und wenn ich jemand finde, der fie 
bebauen wollte, wotirde ich le ibm nicht nur umfonft geben, fondern mit 
Vergnügen nody Geld dazu bezahlen.“ Er macht Vorfihläge zur Gebung 
der Armut und der Befchäftigungslofigkeit. Tege beginnt die Versdung 
unmittelbar vor den Thoren, „das Land ift vollfrändig Sde und bierer 
einen traurigen Anbli, als läge es tief in der WOhfte und nicht vor den 
Thoren einer Stadt. innerhalb der Wauern dagegen wird das frädrifche 
Terrain großenteils befär und beweider. Das Bymnafium har man in 


1. Deo, Die Auer de iifäen Sr. 1 “ 


2 3 Bapirel, 


Aderland verwandelt, fo .daß.Yerakles und die anderen. Bötter: und 
Saeroenftaruen im Sommer im.’Rorn verfteckt find, und auf den Warte 
ld der Redner, der vor mir.gefprechen bat, jeden Wiorgen fein Vieh 
treiben und vor dem Rathaus: und ‚den Amtelokalen weiden, fo daß die 
‚Stemden, die zu uns fommen, die: Stadt. verlachen- oder bedauern“. 
Diele Afufer freben leer, und die Bevölkerung geht offenbar zuriick. 
Aud) Rom wurde menfebenleer, „die +lufer. ftlirgen. ein. und auf dem 
‚Sorum und Bapitol weiden Viebberden'”). So fab es allenthalben im 
vömifden Reiche vor feinem ufammenbruch aus. 

Das 4. Jahrhunderr fdhloß mir einem allgemeinen Bankerort. Wiancher 
Aömer harte ein ftartes Befübl von der Schmach, daß die: Barbaren im 
Heiche berrfchten, und der Dichter ließ die Göttin Roma lage erheben 
Über die Wacht der Barbaren. Ein junger Pbilofopb, der fpdrere Bifdof 
Spnefius, meinte: „@leichnwie der Körper alle fremden Stoffe aunfebeiden 
muß, wenn er gefunden will, fo gebt au) das Reich zu Brunde, wenn 
es die Barbaren nicht ausfcheider. An Männern fehle es Rom nicht, 
wogu alfo diefen Sremben die Waffen leihen, die fie in jedem Augenblick 
‚gegen uns ehren Pönnent? ft es nicht eine Schande, die Burulifchen 
Aemter diefen Pelserägern zu geben? Wlandhe sichen ja freilich Die Toga 
an, wenn fie amtlidye Sandlungen vornebmen; aber zu Jaufe werfen fie 
diefelbe ab und böhnen, daß man das Schwert nicht führen Eönne in 
folhem Gewande”'?). Allein was balfen diefe Rlagent Wan konnte 
weder die Barbaren entbebren, noch fich ihrer erwehren. Lnd die 
Germanen wußten das. Barbarifche Seldherren waren eo, die das Aeich 
gegen die Barbaren fehlinten und ihm die Eriftens feifteren. Bermanen 
waren es, die die Rulcur vor den Junnen verteten. 

















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$. Bapitel, 


Das Reid) der Burgunder in Worms. 


icho, der Sobn eines Vandalen, hatte 

unter Raifer Tbeodofius dem Großen die 

böchfte WOlirde im Reiche erlangt. Als 

Magister militum übernabm er die Vor: 

mundfebaft über die beiden Söhne des 

Tireodofins und führte die Regierung 

mir großer Umficht und Mlugbeir. Im 

Dabre 396 ftellte er am Abein die ARube 

ber und swang die Sranken zur An- 

ertennung der cömifcben "errfchaft. Da 

A| brachen die Boten unter ibrem Rönig 

A Aarich in Tralien ein. Stilidyo, auf die 

Treue der Sranten verrrauend, zo die römifchen Truppen vom Abein 
nach Tralien und fehlug den Aarich am 6. April 402 bei Pollenria. 
Am Vlewjahrsrage 406 überfehritten Vandalen, Alanen und Sueven, 
wabrfeheinlich bei Wang, den Abein. Es war bauprfächlic auf Raub 
abgefeben und nicht auf Yliederlaffung. 409 wiederbolte ich Die 
Plünderung. Dabei wurde Mainz, nad) dem Berichte des “ieronymus 
einft eine berühmee Stadt, „eingenommen und zerftöre und viele taufend 
Wienfchen in der Birdye gerdter, Worms nad) langer Belagerung 
vernichtet, Reims, Aimiens, Tournay, Slandern, Speier, Straßburg find 
deurfch) geworden, Aguitanien, Septimanien, die Lugdunensis und 
Narbonensis find bis auf wenige Städte verdder, über Toulon weine 
ih umd Spanien zittert“. Jieronymus batte einft in feiner Tugend in 
Trier gelebt, und daher bewahrte er für diefe Begend noch ein Intereffe, 





F73 4. Bapitel. 


aber da er feit 386 in Berblebem wohnte, bar fein Bericht nur bedingen 
Wert; er hberereibr in hetorifchper Weife. Auch nad) diefer heim: 
fücung haben Mainz und Worms ale Städte fortepiftiert. Aus dem 
‚Seblen der Wünzen darf fein Schluß gesogen werden, da der Wiünz: 
umlauf in diefer Zeit nur ein dürftiger war. Doc) ift nicht zu leugnen, 
daß 3. D. Worms in jener Seit febrecklich gelitten haben muß, denn 
überall zeigten die in den Ieten Jabren aufgedeckren römifchen Bebdude 
Brandfpuren, und die verbrannten “dufer feheinen vorher gründlich 
auegeplüindert oder von den Bewohnern ausgeräumt worden zu fein, 
denn nirgends fand jich Wermolles von edlem Wierall oder auch nur 
von Bronze vor. Auch feheinen Damals die den Zeirgenoffen nach 
deutlich erfennbaren Steinfarggräber geöffner und ihres Inhalts beraubt 
worden zu fein. Auf dem großen Brabfeld zu Warienmünfter find von 
den 85 Steinfärgen 80 vorber ausgeraubt worden '”). 

Im Jahre 407 bemöchtigte fih der Ufinpator Bonftantin der 
Gerrfehafe in Gallien und ging mir der Abfidr um, dem aifer 
Gonorins das Heich zu entreißen. Er erbat fi die ‚ilfe der Sranten 
und Alamannen jenfeite des Aheines. 411 erhoben Alanen, Burgunder, 
‚Stanten und Alamannen zu YWains den TJovimis zum Raifer. 413 
‚eroberten die Sranken Trier und nabmen die unterrheinifchen Begenden 
bleibend in Beilg. Böln war ihnen fchon 355 vortbergebend in die Zdnde 
gefallen; feit dem Anfange dee S. Jahrhunderts ging die Wierropole des 
Viederrbeins für immer dem römifchen Keiche verloren. Die römifche 
Bevölkerung wurde zwar nicht vertrieben, aber ihre Lage war gleichwohl 
feblimm genug, denn die Römer mußten nun den Deurfchen als Sklaven 
arbeiten und dienen; immerhin genoffen fie ein milberes Los, als das die 
Römer den verhaften Eriegsgefängenen Stanten bereitet hatten, indem 
diefe von Ronftanrin dem Grofen den wilden Tieren im Zirkus zu Trier 
vorgeworfen werben waren. Alle Kinmohner verloren ihre Habe. Wer 
flüchten Bonnte, flüchtete. Aber wohin? überall das gleiche Elend. Wer 
niche reich und mächtig war, kam in die Gefahr, von den römifchen 
Deamten als entlaufener SElave angefprochen zu werden. Vie konnte der 
Yaeimatlofe beweifen, daß er von feier Geburt feir 

Bundibar, der König der Burgunder, batte an den Parteiungen 
der Wachthaber in Gallien teilgenommen und wurde von dem Ufurpator 
Jovinus gegen den Magister militum Conftantius in den Bampf gefcbicht, 
dem die Wefigoten zu “ilfe Bamen. Die germanifchen Silfooslter des 


Das Ne der Burgunder in Worme. 87 


Jooinus, darunser die Burgunder, wourden gefchlagen und mußten Ballien 
wieber räumen. Die Burgunder waren fihon früher von den Römern 
gegen die Alamannen benlige morden. Auch fee wieder fand es der 
Baifer “onorius für vorteilhaft, den Sceundfehaftebund mie ihnen zu 
erneuern, und er erfüllte nun den alten Wunfdh der Burgunder, indem 
er ihnen auf dem linferbeinifchen Ufer Land anıwiee, und zwar in der 
Gegend von Worme'®). hr Bebier wurde weftlich durch den Sumerlch 
begrenzt, im Süden bildete die Lauter Die Grenze, auch Mainz muß zu 
ibrem Bebier gehört haben. Buntersblum wwoifchen Worme und Oppenheim 
erinnere an den Rönig Bunther. “Ein Teil des Volkes blieb aber auf dem 
rechten Abeinufer zwoifihen Rhein und Wain, in der Abeinebene und am 
Gdenwald, von wo die Burgunder die Alamannen nach dem Sliden 
gedrängt hatten. Yiody in einer Urkunde vom TJäbre 773 beißt ein 
Woaldreoier in der Gemarkung ‚eppenheim, gegenüber von 1Vormo, 
Burgunthart”), umd nach dem Yribelungenlied berrfdht König Buncher 
zu Worme in Burgunden zu beiden Seiten des Aheine. 

Die Volkszahl der Burgunder mird bei ihrer Ueberfiedelung nach 
einer freilich fehr willfirlichen Rechnung auf circa 300009 Seelen ge: 
febägt. Sie waren Foederati der Römer und bauprfächlich verpflichtet, 
den Römern “ailforruppen zu fellen und die rSmifhe Grenze zu ver: 
teibigen, fonft aber völlig unabhängig. Die Germanen forderten feir dem 
Zuge der Cimbern und Teutonen Land von den Römern, und zwar 
verlangten fie fruchtbares, wohlbebautes Land, denn an Stein und 
Wurgeläern wat in ihrer sbeimar Bein Wange. Seitdem fie in 
gefcbloffenen Waffen das römifdhe Reich bebrängten, tonnte von der 
bisher üblicyen Ueberweifungeförm, dem Rolonar, Beine Rede mebr fein, 
denn nicht als Sklaven oder Dienftpflichtige wollten die Bermanen im 
römifchen Reiche leben, fondern als freie Männer. Wan balf fi) num 
mit dem römifchen inquartierungefsftem. Der einquartiere Soldar 
durfte von dem saauseigentümer, dem er zur Binquartierung Überwoiefen 
worden war, ein Drittel feines Haufe beanfpruchen; der Definer batte 
das Recht, ein Drittel des ‚aufeo auszumdblen, während dann dem 
Soldaten die Wabl Über die Übrigen zwei Drittel freiblieb. Verpflegung 
konnte der Soldat von feinem Ouartierwitt nicht beanfpruchen; diefe 
erbiele er von der Milirärverwalrung in Ylaturalien geliefert. Allein 
die verlorterte Verwaltung war nun nichr mehr im ande, ihrer Pflicht 
nadhgufommen, und fo fiel die Laft der Verpflegung auf’ die Unterchanen. 


ss 4. Bapiıl. 


Audy Pamen ja die Burgunder nicht allein als Soldaten, fondern. fie 
führten Weib und Rinder mir fich, famt ihrer Zabe; fie gaben fi 
alfo mit der bloßen Hinquartierung nicht zufrieden, vielmehr verlangten 
und erhielten jie einen. bleibenden Anteil an dem Befin ihres Duarrier: 
gebers. Die erforderliche Anzahl teilungspflichtiger Befiger wurde unter 
die germanifcdyen Bäfte verloft und nicht nur das Wohnhaus mit feinen 
Pertinengen wouebe ‚geteilt, fondern vom ganzen Brunbbefig eines jeden 
Gausweirtes erhielten die Burgunder ein Drittel. „Wie die Gelber deo 
Schachbrerres durchferten fich die Wohnfize der alten und neuen Der 
wohner“!2). fo nichr in gefchloffener Wiaffe faßen die Burgunder bei 
einander, vielmehr in midhe immer gumeillig ertragener Klachbarfebaft 
mit den Momanen. Doch wurden diefe Dadurch der noch fehwereren 
Bedrückung ihrer Beamten enrledige und oft genug priefen fie die Dar- 
baren als ihre Defreier. Bald entftanden auch imtimere Besiebungen 
zweifehen den inheimifden und den Eingewanderten, ein gegenfeitiger 
Ausraufeb begann, und ein Ausgleich germanifdper und römifcher Lebens» 
führung und Sitte vollzog fi, und gern fügten fi die Burgunder 
dem bildenden Kinfluß einer böberen Rulcur. 

Die Burgunder galten für weniger rob und wild als die alten 
Bedränger der Römer in den Abeinlanden, die Alamannen und Franken. 
Orofius fehildere fie als ein Volk von einnehmender, fanftmütiger und 
barmlofer Art. Das Joch der Provinzialen war demgemäß fein zu 
bartes, und es ift lediglich «hochmur, wenn Sidonius Apollinaris einem 
Seeunde fcyreibr: Derfelbe meide die Barbaren, weil fie fiir böfe galten, 
er felbft auch, wenn fle gut fein. Sie gehörten zu den Ofgermanen 
und waren in Spradye und Sitte den bochbegabren Boten näher ver- 
wande als ihren jeigen Ylachbarn, den Alamannen”®). Sie zeichneten 
fi) durch hohen Wuchs aus; noch beute zählen die Wontagnards der 
franzsfifchen Departements Doubs und Jura zu den größten Scansofen, 
während die unvermifehten Gallo:Romanen in den Alpendepartements 
die Meinften Leute find. Die Scein trugen wie die Sranten ihr Jaar 
Tang, das fie mit Butter falbren. 

Wir fäyeuem Zobne, womit fi» Bervunderung mifchte, machte fich 
der Aömer über die bepelgten Barbaren luftig. Anfcaulich fchilbert 
Sidonius Apollinaris einem Sreunde die Tracht der Burgunder: „Du, 
dem häufige Derrachrung von Waffen, Bewaffnung und Bewaffneren 
ergögtich it, welchen “ochgenuß (glauben wir) birteft du empfunden, 


Tas Reid) der Burgunder in Worms. 173 


wenn du den Rönigsfohn Sigismer, nad) Weife und Pug der Barbaren 
sefhmücke, als Bräutigam oder Sreier den Palajt feines Schwieger: 
vaters hätteft befüchen gefeben! in mit Zieraten aufgepugtes Pferd, 
oder vielmehr Pferde, mit ftrablenden Edelfteinen beladen, gingen ihm 
voraus, folgten ihm aud) nad). Doch zeigte fi dort das nody flart: 
fichere Schaufpiel, daß er felbft mitten unter feinen Vorläufern und den 
ihm folgenden Trabanten zu Suß einberfährier, flammend von Purpur, 
fintelnd von Bold, mildweiß von Seide, fodann foldhrem Pu gleich: 
farbig an Aaupthaar, Geftchrefarbe und aut. Die Geftalt aber des 
Sürften und der Benoffen, die.ihn begleiteten, war felbft im Seieden 
fähree®haft. Thre Süße vorerft waren mit einem borftigen Schub bis 
zu den Andcyein umfchloffen, Bnie, Schienbein und Yaden waren 
unbebecdt. ierzu ein an den Oberlelb anfchließendes, buntes Unrerkleib, 
das Baum bie auf die bloßen Mnieehlen reichte, mit Aermeln, bie nur 
die Achfeln verhülleen; grünliche, mit roten Borten eingefaßte !Wfäntel. 
Die von den Schultern berabbängenden Schwerter fÄhloffen fid durdh 
die berüiberlaufenden YOebrgebänge an die Seiten an, die ein mit Rnöpfen 
befentes Pelwams umgab. Der Pug war ihnen zugleich Bewaffnung. 
Von Wurffpießen mic WOiderhaten und von Wurfbeilen war die Rechte 
voll; die Linke Seite befcharteten Schilde, deren Glanz, an den Rändern 
fhneemweiß, an den Buckeln goldgelb, eben fo fehr den Rang als die Lieb» 
baberei verriet. Murs, alles war derart, daß in der Sochzeirsbandlung 
nicht weniger ein Aufsug des Mare ale der Venus fich darftellte‘ 7). 

Die Burgunder werden als ftarte Effer gefhildere und darum waren 
fie den Römern Idftige Duartiergäfte. YIocdy fpäter böbne fie Luirprand 
von Tremona wegen ihrer Gefräpigteir"”). Zum Seübftlict genoffen fie 
zum Abfehen römifyer Ylafen Rnoblaucd) und Zioiebeln, um fi) 
rleicyterung von der allzu reichlich genoffenen tablzeit des vorigen 
Tugeo zu verfihaffen. YOie es bei den Bermanen Sitte war, [0 pflegten 
fie beim Wiahle des Befanges und des Saitenfpiele, aber der griesgrämige 
Römer weiß wenig Löblidyes davon zu fagen. 

Auf dem Lande werben fie, auch in ihren neuen YWohnfizen, nad) 
alter Värerfitte gelebt haben. ie bei allen deurfchen Stämmen, fo 
beruht auch bei den Burgundern die Verfaffung auf dem Gefehledyter: 
verband. Große Sippfehaften waren Befiger der Dorfmart und bildeten 
die Abteilungen des &eeres. Eine Anzahl folder Sippfchaften machte 
ine Zunderefchaft aus und wiederum die verfchpiedenen Zzunderefchaften 


15.00, Die Ant Wer igaen an. 1 ” 


9% 4. Bepite, 


eine Civitas oder Völkerfehaft. An der Spige der Aundertfchaft fand 
der Princeps oder Sürft, der meift fein Befchledhr auf die Götter 
zurhchführee. Er ift der Richter im Bau und. verreile. jährlich Die 
Aedter unter die Befchledyter, denn bis jur Begründung des fränkifchen 
Reiche gab es Fein Individuäleigenrum. Leichten Zersens ließ man den 
Boden im Stiche, um anberwärts befferm zu erobern. Yloch- immer 
bilder das Vieh die wertwollfte abe. Der. Princeps: ift-der ‚geborene 
Anführer des +seeres der “underefchaft und Tann, wenn die Civitas 
Seieden hätt, mit feinen GBefolgsleuten auf eigene Sauft Baubzüge 
internebmen. Die Civitas felbft ift mehr ein Staatenbumd ale ein 
Bundesftaat. Denn mur wenn ein Krieg auebeicht, wird ein. derzog 
gewäble, und zwar von der Volkeverfammfung, die von allen waffen: 
fähigen Wiännern befuche wird. Wlan Tann Diefe Verfaffung als eine 
aciftoßraifcbe Republit mir menardbifher Spine beeichnen'”). Das 
Bönigeum ift nichts ale die vollsiebende Behörde fire. die Befchlüffe der 
fouverdnen Voltagemeinde; eo wirkt, fage Lacitus, mebr durch deh 
Einfluß der Weberredung als durch befehlende Bewwalt. 

Im 4. Jabrhundere ftanden an der Spine der burgundifchen Baue 
önige, die Hendinos bießen, ‘gorif Kindins. Selde Bautönige 
Bommen bei den Boten, Alamannen und Sranten vor. Tjhre Gewalt 
war jedoch bei den Burgundern fehr befehränte, denn diefe geborchten 
ihren Rönigen nur (6 lange, als biefelben die Bünftlinge der Götter 
waren. Trat Rriegeunglüch oder Wiifwachs ein, fo wurde der Rönig 
‚von der Baugemeinde abberufen. Andererfeire war bei den Burgundern 
der Ö©berpriefter unabfegbar. Er hieß Sinistus, der Aeltefte. Lach der 
Schilderung 3. Cäfars ftanden die Bermanen noch auf einer febe jungen, 
unentwicfelten Rulturfiufe, fowohl in Bezug auf die ftaatlichen und 
wirtfehaftlichen Verbitmiffe, als auch in geiftiger und religiöfer Be 
siehung. Sie pflegen Beinen Bottesdienft, fage der alte Autor, zu den 
Göttern rechnen fie nur die, welche fie feben und von denen fie offen- 
bare Wohltbar empfangen: die Sonne, den Wond, das Seuer; von den 
übrigen haben fie nicht einmal gehört. Es ift eine einfache Ylarur- 
veligion, die wir auch in den Veden finden. Brft die Flocbgermanen, 
die Standinaven, haben diefe Yrarurreligion zu einem volftändigen 
mythologifehen Spftem ausgebilder, weil ihnen allein ein Ausleben ger 
gönnt war, während die anderen germanifchen Stämme zu früb mit 
einer tberlegenen Rulcur und dem Chriftennum in Berührung Bamen’®). 


Tas Reich der Burgunder in Worms. 9 


Urfprimglich verfah wabefebeinlich der Befchledhrsältefte die priefterlichen 
Sunteionen. Bei Tacinıs Eommt bereits der Priefter vor. $Er machte 
über die Drönung der Berichtegemeinde und fprach nad) gefälltem Urreil 
die Sormel der Sriedlofigkeir über den Verbrecher aus. Aber fein in 
fluß Bann niche groß gewefen fein, denn wir bören von Beinem Wider: 
fand, den die beidnifchen Priefter der Annabine des neuen Glaubens 
geleifter haben. . Die Rönige oder Sürften find es, welche die Entfcheidung 
geben, entweder inbem fie die Chriften verfolgen oder Das Volk in der 
Bekehrung nach ficb sieben. 

Der Burgundertönig Bunditar, welcher mit einem Teil feines Volkes 
in- den: römifchen Dienft wär und das Wormfer Gebiet als Wohnfin 
angetsiefen bedam, war ein Baußönig""), dem fich wohl aud Burgunder 
aus anderen Bauen bei feinen Friegerifchen Abenteueen im römifchen 
Dienft ‚angefebloffen hatten. fEr if ibeneifd» mit dem Bundaharlus im 
Tit, II der Lex Burgundionum'”) und mic dem Burgunderkönig 
Gimeber im: Ylibelungenlied; fein Varet ift @ebika; feine Brüder 
Gundemar und Bislabari. 

Wie feiner Eöniglicben Bewalt vereinigte der Rönig num aud) eine 
römifebe  mitirkeifche Amtsgewalt, und auf dfefer Grundlage bildere fid) 
datın dit fpdtet monarchifdye Gewalt bei den Germanen beraus'®). Denn 
ümermefilich war der indruc, den das römifche Reich auf die Seelen 
der Germanen machte. Sie griffen diefes Reich an, aber fie beugten 
ficb. der Wajeftkt diefer Stastegewalt, Dadurch wurden ihre polirifchen 
Anfchauungen gereift und umeftalter. Die Bedeutung der Volksgemeinde 
werfhnifnder: hinter dem Wiachtbereich des Königs. Diefe abfolute 
önigrlicbe Bewalt berubt einerfeito auf dern römifcben Amteritel. Als 
Magister militum. und Patricius regierte der fpätere burgundifche Bönig 
ber feine Votkegenoffen und über die Römer. Sodann berubt diefe 
Gewalt auf dem großen fisfatifchen Brumdbefiz und einem vollen Scan. 
Der Rönig, ernannte von fich aus fÄmtliche Beamte, nämlich die Brafen, 
weldhe in den (Bauen: oder römifchen Civitates Richter ımd Anflhrer 
des. .Aheeres waren, bis zu den Gerichtodienern, die Witiscalei (Werte: 
nechee), veelche dit. gerichtlichen Bußen eiritreiben. 

In ber alten Vanigionenftadt zu Worms hielt der Rönig Bumditar 
20f. Im -Palaft auf dem römifchen Praetorium ober wahrfcheinlicher 
in einer nach germanifcher Sitte erbauten großen hölernen “alle, dem 
Saal"), fAymaufte er mir feinen Getreuen und Wannen. «ier beim 


92 4. Bapitel, 


karten Trunte wurden die Anfchläge beraten, die zum Verderben des 
Volkes ausfielen. Lernbegierig eigneten ih der Rönig und die Vor: 
nehmen römifehe Sitren und Bebräuche an. Denn bie Burgunder waren 
wie die Boten überaus intelligent, bildungsfähig und höherer Aulcur 

" zugänglich. Da die Berwohner der cheinifdhen Städte damals Chriften 
waren, (0 bewoirkte Diefer Umftand den Entfchluß der Burgunder, gleichfalls 
den cbriftlichen Glauben anzunehmen. Die Bekehrung erfolgte im Jahre 
418'®), und zwar gefäyah der Lleberrirt zum Bacholifchen Blauben auf, 
Anregung des Mönige und auf Brund eines Voltsbefchluffes. »Denm‘die 
Beigion war eine Öffentliche Angelegenheit, eine Seaatefache, nicht Sache 
des einzelnen. Diefer Blaubensswechfel entftammee auch nicht religißfen 
Impulfen, fondern einzig und allein politifehen Erwägungen. Dadurch 
frellten fich die Burgunder dem Römern gleich. 

Die rechterbeinifchen Burgunder bingegen verbarrten im alten 
Glauben bis zum Jahre 430. Da wurden ie durch die von den Gunnen 
drohende Gefahr bewogen, fich ebenfalls zum Glauben an den mächtigen 
Ehriftengore zu befehren. 

Jn den fernen Steppen Afiens lebten zahliofe Ylomadenvölker, die 
ungehindert die immenfen VVeiben des heutigen chinefifchen und ruffifchen 
Reichs durchfehtweiften. Seitdem aber bins diefen Ylomaden ben 
Eintritt in fein Reich durch Erneuerung und Derftärtung des chinefifchen 
Wallo verfehloß'*), wandten fie ich gegen YOeften. Zu ihnen gehörten 
auch die Zunnen, die um 372 zuerft die am Don und an der Wolgs 
wobnenben Alanen unterwarfen und mir diefen dann die Boten. Ab» 
febrectend find die Schilderungen der alten Autoren von der‘ Barbarei 
diefes fürdhtbaren Heitervolkeo, deffen mächtiger "er Arcila die Beifel 
Gottes genannt wurde. Alle Völker Europas vom Bautafils bis an die 
Loire bebren bei dem YTamen der “unnen. YOo Artila feinen uf binfene, 
floß Dlur, und alles Dafein wurde vernichtet. Den Römern galten bie 
Saunen gerade fo viel als die Bermanen. Die Rraft der einen füchten 
fie zu benfigen, um die Wildheit der andern im Zaume zu halten. Unter 
Baifer Zonorius war im Dienfte ein Wann emporgebommen, welcher 
der legte Retter des vömifchen Meiches wurde, Aörius. In früber 
Jugend war er als Beifel zum Weftgotentönig Alaric, gefdyicht worden, 
dann als Geifel zu den Zunnen, deren Spradye und Siere er genau 
kennen gelernt barte. Seine Verbindung mit ihnen wurde ihm. überaus 
wertvoll, 


Da Neid) der Burgunder in Worms. 7} 


Die Sunnen durchzogen ganz Deurfchland und bedrängten die 
Burgunder am rechten Rheinufer. Da glaubten diefe nur-beim mächtigen 
Übeiftengorte Wertung finden zu Eönmen. ie baten einen gallifcen 
Bifehof (vielleicht den von Worme), fie zu taufen. Durdy Saften und 
Unterricht vourde das Volf achr Tage lang vorbereitet, dann caufre der 
Bifdyof das ganze Volt. m Vertrauen auf den Bor der Römer 
errang das Eleine Volt der Durgunder den Sieg über den zahlreichen 
‚Keind, deffen Rönig Uptar der Völlerei erlegen war. 

Der felbftfüchrige Ehrgeiz der cömifchen Großen befümmerte fich 
wenig um die großen Befahren, die das Reich damals bedrohten. Jeder 
füchte den andern zur überwältigen. Atrins harte vor Bonifasine, dem 
Starrhalter von Afrika, zu den Zumnen fliehen müffen. 432 wurde.er 
wieder: zu: Baden angenommien und zum: Magister militum .in. Gallien 
und Patrielus ernannt. Er fiellse die erefihaft in Gallien mit aller 
Energie wieder ber, geftürst auf ein von ihm erworbenen ‚eer, das aus 
Soldaten aller Väter befland; darunter. audy Sahlreiche Scharen von 
Gunnen. Im Vlorden Balliens hatten ich wieder einmäl die Bauern oder 
Bagauden gegen ihre Bedränger, die cömifchen Beamten, erhoben, und 
im Süden griff der GBotenkönig Uheoderich ‚um fich und belagerte 
Vlarbonne. Ds glaubten auch die Burgunder die günftige Belegenbeir 
benügen zu miürffen, um weitere.@Bebiete zu erobern. Es galt der Belgica I 
mit der Gaupeftadt Trier. 

‚Zeider find wir ‚über die damaligen (Ereigniffe mur fdleche unter- 
richtet. Großes gefebab, aber der große Wiomene fand ein Beines Be 
febledht. Die gebildeten Romanen, dies fehreiben verftanden, 
ihre Zeit und ihr Talent mit bohlem Phrafengettingel zur Befriedigung 
ihrer perfönlichen Bitelkeir. Die gewaltigen Zeitereigniffe intereffierten 
fie mır wenig, und fie barten nicht einmal ein Verfländnis für ihre welt- 
gefdyichtliche Bedeutung. Und die Germanen waren noch lange nicht 
auf der Stufe geiftiger Entroidelung angelangt, um die Wirklichkeit als 
folche auffaffen. zu Binnen. Sie. flanden noch im Jugendalter geifliger 
SEntweichelung, (ie befanden. id noch in jenem waumartigen Zuftande, wie 
er der Rindbeit eigen it, no dis Befebebene und das Erträumee zufammen- 
fließen. YOobf berichtet Sieronymus von den rbeinifchen Scanten: „Schon 
febicht fich die vom „alten des Schwertgriffes fehwielige “and der 
Germanen und die ffir die Shbrung der Pfeile geeigneten Singer zum 
Gebraudye des Stllus und der Jeder.“ Aber die wenigen, welche veirklich 


73 4. Bapltl. 


Lefen und Schreiben gelernt und fich eine böbere Bildung‘. angeeignet 
batten, waren völlig zu Römern gewsorden‘ und verachteren ihre ehemaligen, 
Bandeleute. Die Germanen Tannen zwar die Rımenfchrift, “aber diefe 
diente Lediglich ale Sauber; denn die Buchfraben befaßen nuch.der Meinung 
der Germanen geheimnisvolle Bräfte, vor denen dem Schreiber  felbft 

graue, und fie wurden audy nur für Kurse Spräche und alien 
auf Waffen und Schmuchfacden benügt. Das. Beifpiel des ‘genialen 
Borenbifdofs Vulfilas, der: feinem Volke bie Bibel in gotifcher Spradie 
sugänglich machte, fand bei den anderen germanifchen ‚Stämmen‘ Feine 
Yradyahınung, weil jie alu (ehr im Bannkreis den römifiben Rufe ftanden. 

So find die Lachrichten Über die Raraftropbe des burgundifchen 
Rönigreidyes überaus: dürftig umd vieldencig.. Die Burgunder mögen 
fic) Mebergeiffe. gegenhber Ihren. Wirten erlaubt «und. das Dienftverhätmis 
zu Roim ale ein läftiges eifhpfunden haben; Aber der. zömifche Befehls: 
baber Aerius duldere Beinen: Bigenmillen der im ‘Dienfte Romsftehenden 
Bermanen. Er betrachtete den Deefisc, des Burgundetkönige Bunditat, 
in.die Provinz Belgien einzubringen, als Rebellion, und er gmwang: ibn 
sur Unterwerfung: und zum Srieben. 

Im Jahre 436 erfüllte fd) das «Befchic ‘der Burgımder: Profper 
Tiro berichter zum Jahre 436: „Ein donfwwlrdiger Arieg entbrannte 
Hegen’ das Volk der Burgtindionen, indem :beinahe das ganze: Volt mit 
dem Rönig (durch Atrium) vernichtet wird.” + Warlus: erzähle: „Die 
Burgundionen, die rebellieet harten, werden ı von ıden Nömern ‚unter 
Arius beiwungen und 'iheee 20.000 murden vertikg.“ Umb Profper 
Aaniramus: ‚Die‘ Zummen ‚wernichteren ‚den Aönig Gimbitsr mit feinem 
Volke und Befehleche.” 

Danacı fol Artus mie. Aife- der bunndfhen Reiter, die. er im 
Dienfte hatte, die Burgunder nochmals beimgefuchr baben. Aber er 
hatte ihnen doch ein Tahr ‚zumor Srieden gefchente. Gollte der König 
Bunditar noch einmal fo kurz nach der. erften Viederiäge winen Pebeltions- 
verfudy gesagt babent oder follten die fm Dienfie des Aötiris ftebenden 
Sumnen eigenmächrig über die Burguinder bergefätlen feind; sie ft ein 
Rätfel, und gern möchte man es. mir ‚silfe der YTibelungenfage Iöfen, 
dein der Schrecken jener Rarafrophe, im: welcher der Bushüinderkönig 
mit feinem Befehlecbr durdy die'Zunnen zu. Grunde ging, ang noch 
lange im Gedächtnis nad, und das: geauifame Befehsict:des‘ burgumbifchen 
Bönigegefchlechrs wourbe durch das Lied verherrlicht. Yrady-der nordifehen 


Das Heich der Burgunder in Worms. 9 


Saffüng der Sage gab.ber Bönig der Burgunder feine Schwefter Bubrum 
dem «himnentönig. zur Bemablin. Die Wöglichkeit beftände ja wobl, 
daß. Arrtla‘den Bunbitär zu fich auf das ‚vechtsrheinifche Bebier eingeladen 
bäkre und"baf Dann, fei.es mir. vercärerifähem Vorbedacht, fei es infolge 
eines jufällig entflandenen Geeites; der Burgunderkönig mit feinem 
Gefolge erfeblagen worden wäre. Dergleichen Eam in der Zeit ber 
Völkerwanderung öfters vor. Aflein ses woiderfpriche den Regeln der 
Brteit, swillfüchidy einen Zug der Sage für die biftorifde Derftellung 
u verwerten. - Sage und Befehichte «find gefihiedene Gebiete. Von der 
Bereitigung des Attila bei der Vernichtung der Burgunder ift in feiner 
gleichzeitigen (Duelle die Rede. 

Im Jahre. 443 wiefen die Amer den Burgundern die Sapaudia 
zum ünfrigen Wohnfig an. Sapaudia umfaßte Das beutige Savoyen 
und die Landfehaft an der bone. Auch diefes Wial handelte es jich 
niche um Abtretung einer eömifehen Provinz an ein fremdes Volt, fondern 
um Ueberweifung von Acferparzellen an die Burgunder unter römifcber 
Oberhobeit. Sie biieben nach wie. vor Dienfipfliceige. Es waren 
offenbar Ztweckmäßigkeitegrlmde, Die „den. cömifcben Befehlshaber in 
Gallien, den Aerins, zu diefem Schritte beroogen. hre Treue gegen 
Aom war durch ihren Aufftandeuerfisch verdächtig geworden. 2in der 
Grenze erfähylenen fie zu gefährlich. Im Tnnern des. Reiches Eonnten 
fie leichter im Saume gebalten werden, Sie follten fortan die Vormauern 
ealiene, die Alpen, bewachen. Die techterheinifden Burgunder blieben 
mod) einige Zeit in ihren Sinen in der Ahbeinebene und im Ddenwald, 
dann mögen fie infolge des Andrängens der Alamannen und Sranten 
beswoggen worden fein, ibren Volksgenoffen nachzufölgen; jedoch erhielten 
diefe Vlachsügler umter ungimftigeren Bedingungen von den Aömern 
Land angerwiefen. 

Das bisher regierende Mönigogefchlecht war in jener Rataftropbe 
imtergegangen. Erft im Jahre 456 wird wieder ein Rönig Bundiot 
genannt, der nach Gregor von Tours, Hist. franc. II, 28, ein Abkömmling 
des Botentönige Arhanaridy und vielleicht in weiblicher Linie mit dem 
früheren burgundifcben Rönigebaufe verwandt war. fEr und feine KTach: 
folger waren eifrig ish eömifchen Dienfte. Bundobab erhielt die böchfte 
Würde im Weiche, das Parrisiar. In ibren nenen Sigen Eamen die 
Burgunder mit den Weftgoren, denen fie nahe verwandt waren, wieder 
in enge Berübrung und fie nahmen infolge Davon das arianifihe Glaubens: 


” 4 Bapit, 


befennenis,'anz wahrfebeinlich keenten: fi eo-dutch Dermiteelüng dep Bibel: 
- überferung "Vulfilas Benhen.” Dadücdy- erhielt ihre: nationale Eigenart 
eine Stärkung. Mir Eifer forfdyre ein birgumdifcyer König dem Rärfel 
des wahren Glaubens nad) und disputierte darliber mit den gelebreeften. 
Amern. Aber der influß des Römertime war doch zu flart, und 
die Burgunder mußten fehließlid) dem Admerrum unterliegen. ö 

Artila machte im Jahre #50 feinem  ungesügelten. Thatendrange 
wieder" Luft. Von dem Vandalentönig Beiferich wurde er eingeladen, 
in Gallien einzufallen. . Er fammelte im «erbft ein “eer, zu dem 
zahlreiche germanifche und flavifdye Stämme ftießen, unter anderen die 
Oftgoren und Bepiden. Auch die redhrsrbeinifchen Burgunder wurden 
gexwungen, dem Artila zu folgen. Im Seübjahr 453 Überfehritt er den 
Ahein. Die feften Städte griffen die ünnen nicht a, fondern wie der 
Surmioind brauften fie an ihnen vorbei. Der ganze Llorden Galliens 
wurde von ihnen ausgepländert. ir Mühe brachte Aerius ein der 
aufammen, und erft als bie Befabr ihnen drohte, fähloffen Die Yoeftgoten, 
deren Kefidenz Toulonfe war, mit dem römifchen Geldberrn ein Bimbris. 
Die $ranten waren gereilt. Zahlreich zogen die Burgunder dem Arius 
u; um ihre Väter zu rächen. Auf den Zaralaumifihen Seldern, unmeir 
von Troyes, fand im dochfommer des Tlabres 451 die Riefenfchlacht 
flatt. Tapfer wurde auf beiden Seiten gekämpft, aber die Römer und 
ihre germanifcjen Werbinderen behaupteren das Gchlachefelb. Attila 
mußte abziehen. Mr fiel in Jralien ein und rückte vor Rom. Dody 
feine Gerreuen warnten ihn: „ter fi) an Rom vergreift, der it dem 
Tode verfallen. Bedente an Marice Schickfal.“ Der große Papft Leo 
woußte ihn zum Aückzug zu bewegen. Bald darauf farb der furchtbare 
“geld, und feine Zunnen ebrren ihn durch einen Todesgefang, worin feine 
Thaten gepriefen wurden. „Er hat eine Wacht befeffen, tie nie ein 
Wienfe zuvor, und inmitten diefes Blhiches ift er fymerslos vom Tode 
bingoeggenommen, nicht durch das Schwert feiner Seinde, auch nicht 
durch den Doldy eines von den Seinen.“ 

Ylur wenige der Burgunder Behrren aus diefer Schlacht gegen die 
saunnen nach Zaufe surbch, und es bedurfte auferordentlicher Waßregein, 
um den Beftand des Volkes aufrecht zu halten. Ungebeures harten die 
Burgunder in Eurzer Zeit erlebt und das Schidtfal hatte fehrwer auf ihnen 
gelafter. Aber das Gedächtnis vermochte die Kreigniffe niche in ihrem 
Thatbeftand und in ihrer Zeirfolge fefizubalten; die Erinnerungen ver- 


Das Heid der Burgunder in Worms, 9 


wifchten fich, und bald wußte man nur noch zu ersäblen, daß König 
Gunther durch Attila gefallen fei. 

Schon aus ben älteften Zeiten wird von dem Befang bei den 
Germanen berichret'”). Beim Wiable fang der Eunftgelbte Sänger ein 
Lied Über die Ihren eines Helden. „Auf die Sänger fehauten die 
Bäfte, die einen freuten fich Über die Lieder, die anderen dachten an ibre 
Rämpfe und wurden begeiftere, manche aber, denen durch) die Zeit der 
Leib Eraftloe geworden war und der wilde ur zur Rube geswungen, 
brachen in Thränen aus.“ Vor allem die Boten baben diefe Runft 
eifeig gepflegt. Die bedeurendften und beliebreften Sagenftoffe find 
gotifchen Urfprungs. Von den Burgundern wiffen wir ganz beftimmt, 
daß am ‚ofe nach dem MWahle beim Trunke Zeldenlieder zur zarfe 
gefungen wurden. Yur Burz hatte die „errlichteit der Burgunder in 
Worms gedauert, aber die Poefie bat diefer Stade eine unvergängliche 
Bloriole gervoben. 

Wenn ein biftorifdyes Lied einmal gefallen hatte, fo wurde es immer 
wieder gefüngen. jeder Münftter chat fein Beftes, um dem Liede die 
vollenderite Aunftform zu geben. YVar diefe erreicht, dann überbauekte 
das Lied jeden Wechfel der Gefcmacsrichtung und erfüllte die Zerzen 
der örer immer wieder mir neuem $Entgiicen und neuer Sreude. Die 
beten. iftorifiben Lieder wurden Gemeingur aller Stämme, umd fie 
wurden noch gefungen, nachdem die Völker, denen die gepriefenen Zelden 
‚angehört hatten, längft untergegangen waren. Der biftorifche Bebalt 
diefer Lieber verflüchtigee fih mit der Zeit, und an feine Stelle trat die 
Sage. Aus den gefchichtlichen Yelden wuchfen hohe Tdealgeftalten heraus, 
md ihnen traten ebenbüirrige Srauengeftalten zur Seite. Ylamentlic) 
wichtig war es für die Entwictelung des Epos, daß fic) die bifterifchen 
Grundbeftandteile der Sage mir myrhifhen lementen durchfenten. 
‚Denn in naiven Zeiten nimmt man auch die mythologifden Begebenheiten 
ale wirklich gefcjehene. Wiyehus und Gefchichte fließen allmählich 
zufammen, fort und fort erfähre der frühere Stoff eine innere Um 
wandlung: „Die Sage ift ein Lagerfaß voll edeln alten Weins; wann er 
angefent worden, weiß Yliemand mebr; jeder fonnige “erbjt bringe 
ihm frifchen Aufuß und vom erfien Stoffe it wohl nichts mehr vor- 
handen, als der immer fortduftende Beift, draußen aber auf den grünen 
Bergen tbränen und blüben die Reben, und wenn fie blühen, gärt es 
auch innen im Saffe; blutrote Trauben reifen und goldhelle; die Zeiten 


5.00, Dur Autor we hifäen Ber 1 D 


9s 4. Rapiıl, 


fleigen am Weinberge gefchäftig auf und nieder und tragen den neuen 
Wein berzu; indes fließt unten rein und Elar der goldene Duell und die 
Sänger find die Schenken, die das duftige Getränk berumbieren'®).” 
Binnen Eurzer Zeit hatten die Germanen welrerfeblitternde reigniffe 
erlebt. Die fiolge Roma war ihren Angriffen erlegen, und ihre Rönige 
berefdhten in den Provinzen des einftigen großen Meicyes, das für die 
Ewigkeit gegrünber zu fein fhien. Diefe grandiofen Wlachtverfihiebungen 
bilden den. biftorifchen „intergrund der deurfchen: “eldenfage. In der 
älteften Geftalt des Ylibelungenliede, wie fie der (Kandinavifche KLorden 
feftgebalten bar, it Arrila der Urheber des Untergangs der Burgumber. 
Diefe aber verfhmolgen mit einem mpthifben Ylachtgefchlechr, den 
Ylibelungen, Siegfrieds Gegnern. YTach der jlingern Saffung bat nicht 
Arcila, fondern Giegfrieds Wirwe, die Cbriembild, Schweiter ber 
burgunbifchen Könige, den Mord angeflifter. Die verlegte Treue unter 
Verwandten ift das Zauprmetio aller Verwickelungen der “elderrfage. 
Der Menfd allein mit feinen Leidenfchaften teht im Vordergrunbe der 
dicrerifdben Phantafie. Ylur das Wienfchliche, aber durd) mypifde 
‚Sormeln gebunden, intereffierte Damals den Didyrer und den Förer, 
darum ift das Wialerifche ftrenge vermieden; die Loßalirät der Yandlung 
wird nur angedeuter. Diefe Rnappheit der Äußeren Darftellung war 
bedinge durch die epifche Versform: die Allisrerarion. Diefe verleiht 
der Dichtung eine leidenfebaftliche Beroegung; wir nehmen ein Auf: und 
Abwogen der Empfindung wahr; bier ftreiende Willensatre und 
Strebungen, dort freubigfte Erregung und herzdurchbohrende Trauer, 





























5. Bapitel. 


Das Chriftentum und die Gründung 
des fräntifchen Keidyes. 






Pller große tömifche Seldberr Aktie harte die 
| abendländifche Rulturwelt von der tödlichen 
Umarmung der bunnifchen Barbaren be: 
freit, aber auch ihn ereilte Das fehreckliche 
| Scictfat, das damals im Keidye verderben: 
RU bringend berumging. &r wurde von dem 
Verbärmlichen Raifer Valentinian II. 455 
ermordet, ‚er, der einzige Wlan, welcher 
dem fehrvach gewordenen Römerreich noch 
einen alt gewähren fonnte. Solange Akrius 
2 Tebte, beftand am Abeine die römifche “err- 
febaft aufrecht. ın mochte in Worms erleichtert aufgeatmer baben, ale die 
Burgunder, die Iäftigen Duareiergäfte, abgesogen waren. YTun fpielte ich 
wieder wie in früberer Zeit das tägliche Leben ab. Vieles batte fich geändere, 
feitdem die Römer bier ihre Serrfchaft begründet hatten. Vor allen Dingen 
war die Wiebrzahl der Bewohner der Abeinlande Chriften geworden”). 

„Wie ein Sonnenftrabl," fage der irchenhiftoriter YEufebius, 
„ieuchtere die beilbringende Lehre Über dem ganzen rdfreis.“ jn der 
That, die Bevölkerung der alten Welt begrüßte das Chriftenrum als ein 
des Licht, denn der Chriftenglaube gab ihr die fefte Ueberzeugung 
von einer feligen Unfterblichteit, und er gewährte inmitten der Zerrüitrung 
der antiten Staaten eine neue Bemeinfähaft. Bisher war der Blick auf 
das Diesfeite gerichter geroefen. Zn diefer Welt ftrebte man nad) dem 








102 5. Bapiıl. 


Glüche, nach Glanz und Wache, um das Tenfeite befümmerte man jich 
wenig; num gereiffen die alten Lebensideale, feirdem ort in Anechregeftalt 
auf Erden erfchienen war, um die Sünden der Mienfchen auf fich zu 
nehmen. Die Richtung auf das TJenfeitige gelangre zum Siege. „Aus 
unerforfehlichen Tiefen," fage Jakob Burcthardr, „pflege folder neuen 
Richrung ihre wefentliche Rraft zu Lommen, durch bloße Solgerung aus 
vorbergegangenen Zutänden find fie nicht zu dedugieren“. 

Lieber die Auebreisung des Chriftenrums beflgen wir feine fichere 
Runde. Tirendus von Lyon, der im 2. jahrbundert lebte, nenne 
Ehriftengemeinden in Tralien, Spanien, Aegypten, Libyen und bei den 
Germanen, alfo in den Aömerjtädten am Abein. Die erften Chriften 
werden dabin aus Jtalien gefommen fein. Denn zahlreich) waren nament: 
lich in dem I. Jabrhundere der Raiferzeit die iealifchen Raufleute in 
Gallien; erjt fp&ter wurde ihnen mehr und mebr durch die Juden 
und Syrier Ronkurrenz gemacht. Obwohl fein Zeugnis von Tuben in 
Worms fpricyt, dürfen wir doc) ibre Zriftenz dafelbit annehmen und 
der alten Tradition einigen Glauben fbenken. Wir willen durch 
Infehriften, da Griechen in Germanien lebten. Aus Tralien Eamen 
sahlreiche Rünftler, und fdhlieflich brachten die Beamten Sklaven aus 
dem Öriente mit. So bezeuge ein Brabftein in Wiainy, daß A. Junius 
Paftor, Rommandant der XXI. Legion, feine Sklaven „ebyepes und 
Genefia mit aus Wleinafien gebracht batte, die in Wains ihr Rind 
begruben. Baufleute, Sandwerter und Sklaven find alfo wohl die 
erften Ebriften in den Abeinlanden gewefen. Die Begende von der 
thebaifchen Legion bat die Jorfebung zur Annahme geführt, daß das 
römifche Speer Träger des Cbriftentums in Deurfihland gewefen fei. 
Allein diefe Legende bat einen biftorifdben Untergrund. Der Cbrifien- 
glaube galt als unvereinbar mit dem Mriegsdienft. Es wäre ja wobl 
dentbar, daß auch Ebriften in den Legionen gedient bitten, wenn diefe 
Zegionen fih aus den Provinsen vetruriert haben würden, in denen 
sablreiche Cbriften lebren. Das war jedoch) nicht der Jall. Denn feir 
dem 2. Tabrbundert dienten in den rbeinifcben Legionen feine Tealier 
mebr. Das Feer refrutierte fü teils aus den im Rager geborenen 
Soldarentindern, teils aus Germanen. Lentere überwogen febließlic. 
Diefe Soldaten verehrten nidhr den Ebriftengort, fondern ennueber ihre 
einbeimiftben Gottheiten oder, wie wir aus den techrerheinifihen Denk: 
möleen wiffen, den vom Orient ber eingeführten Stiertimpfer Witbras. 





Tas Cheifenrum und Sie Gründung des feänfifeen Neitben. 103 


Die erfien Ebriften in den ebeinifchen Landen waren Sremde, die 
wenig Berübrung mie der einbeimifchen Bevslkerung barten. Von einer 
Wifonschärigkeir der Älreften chriftlichen Gemeinden ift Beine Rede. Das 
Dole in Gallien und Bermanien blieb der Religion feiner Väter noch 
lange getreu, wie feiner Sprache. rft als durch Ronftantin den 
Broßen das Ebriftenrum zur Staatsreligion erhoben wurde, erbielt eo 
eine gewaltige Verftärkung. Ylicht aus innerer Weberzeugung, fondern 
aus böfifcher Befinnung und felbffücheiger Erwägung nahmen die 
Reichen das Ebriftenrum an. Denn die Verfolgten wurden nun zu 
Verfolgern. Die Städte wandelten fi jene in chriftliche Gemeinden 
um, an deren Spige der Bifdhof' ftand. Das Landvolk hingegen verharrte 
noch lange Zeit im "eidenum und berwabrte fein Volßsrum; in der Jolge 
erhielt das Worc Paganus, Bauer, die Bedeurung seibe. 

Das Chriftenm vermochte jedoch nichr die im Sumpfe der Sinnen- 
fuft vertommene römifde Gefellfhaft zu reformierten und firlich zu 
Idutern. Urog dem Cbriftenglauben blieben die GBebildeten innerl 
‚eiden. Die Schriften der berühmeften chriftlichen Lirteraten, eines 
Aufonius, Sidonius Apollinaris ıc., legen daflır beredres Zeugnis ab. 
Wan fehmticre die Wände nad) wie vor mit Bildern aus der heibnifchen 
Mythologie und rief in den Gedichten die alten Börter oder das Zarum, 
das Blüch, an; unbefangen verwandte man die chriftlichen Symbole neben 
den heidnifchen und citierte den Licero neben dem Auguftin. Bezeichnend 
if? das Verhalten des ‚ieronymus. „Ic hate gefafter,“ erzähle er, 
„und las Dann wieder Den Cicero. Tic harte die Ylachr in Thränen 
und Geber sugebracht, und am !Wiorgen nahm ich wieder den Pfinine 
zur ‚and. Ram ich dann zur Befinnung über mein Thun und wollte 
die Propheten Iefen, fo widerte mich ihre raube und ungebildere Sprache 
an.“ Er ertrankte, und im Sieberrraum war es ihm, als ob er vor den 
Thron Gottes geführt wolırde. Auf die Frage, wer er fei, anımortere 
er: ein Cbrift. Aber der Richter donnerre ihn an: „Du Ihgft, ein 
Ciceronianer bit du, nicht ein Chrift. Denn wo dein Scham if, da if 
ud) dein erz.* „hr Jungen,“ fehrieb der Bifchof Sidonins Apollinaris, 
‚mlne euere Zeit und fehwelge in “oras und Cicero; wenn das Alter 
komme, dann müßt ihr an Das ewige Leben denken und die alten Yeiden 
ruben laffen; jest aber nünt euere Zeit"'®). 

Wenn die Zochgebilderen dem Ebriftenrum fo wenig Verftändnis 
entgegenbrachten und ibm fo geringen Befehmack abgesvannen, wie wollte 








10% 5. Bapitl. 


man Dies von den Uingebilderen verlangen! Ein am Anfang des 5. Jabr- 
bunderts von Severus Sancrus, einem Ballier, verfaßtes Gedicht über 
Die Kinderpeft führe mitten in das Leben ein. Der “irte Yubulcus lage 
einem Seeunde, daß feine „erde von der Seuche beimgefuche werde. 
Jbm begegnet ein anderer “irte, Tiryrus, der luftig und gurer Dinge 
if, denn feine erde ift gefund. „YDie baft du das erreicher" fage 
Bubulcus. „Ich habe den Dahyfen das Zeichen des Rreuzes an die Stirn 
gemacht, das foll das Zeichen des Gottes fein, der jezt in den großen 
Stödten gans allein verehrt wied, und Peiner neben ibm. Cbriftus ift 
fein YTame, der einzige Sohn des ewigen Bortes. Willjt du envas von 
ihm erbitten, fo baft du nur zu glauben. Opfer find unndtig. Das 
reine Serz erhält ohne das alles, was es wünfche.“ Da enrfchließen fich 
beide irren, Ehriften zu werden. „Denn warum follte das dem tenfehen 
nicht guc fein,” meint Yegon, „was die Tiere vor der Pejt befchligre"') 4" 
Ehriftus ift jenen Wienfcpen nichre als ein mächtiger Zauberer. 
Ueberaus reich. it die (pdtere Legendenlirteraur Über die Auebreisung 
des Ehriftenums in den Aheinlanden, dafür aber um fo ärmer die 
ficbere Runde. Trier ift jedenfalls eine der &ireften Ebriftengemeinden 
geiwefen, aber noch im 4. Jahrhundere war fie nie groß, denn eine 
Bleine Ricche genügte dem Bedürfnis. Zrft im Anfange des 5. Jahr: 
hunderte wurde eine zweite irche eingerichtet, indem ein im 4. Jahr: 
hundert erbautes römifches Gebäude in eine Kirche umgewandelr wurde 
(der fodtere Dom)“. Dann erbaute man unter Dalentinian III. die 
fogenannte Zaurentiusticche. YIody am Ende des +. Jahrhunderre gab 
es jedoch in Trier vornebme eiden. Krft der Kinbruch der Bermanen 
in Ballien hat die legten Betenner des römifchen “eidenrums veranlaßt, 
zum Ehriftentum überzutreten, denn die chriftliche Kirche galt fortan als 
‚Vertreterin des Römerrums und Bewabrerin der römifchen Rulcur. 
Die in Trier gefundenen cheiftlidhen Tnfehriften find zahlreicher ale 
in den übrigen Römerftädten der Aheinlande. Sie gebören zum Teil no) 
dem 4. Jahrhundert an. Oft ommr das chriftliche Wionsgeamm vor JL, 
bisweilen von einem rang oder Rreus umrahmt; dann Tauben mir und ohne 
Delsiweig oder eine Urne zwifchen zwei Tauben; einmal Siehe, ein hriftliches 
Symbol, das in Rom feit dem Ende des 4. Jahrhunderte verfehminder. She 
die Antwefenbeit orientalifcyer Cheiften in Trier zeugen mehrere griechifähe In- 
febriften, dagegen fehlen Belcifche umd germanifche Ylamen bis zum 6. Jabr« 
bunbert ganz, ein Berveis, Daß Trier noch lange eine römifdye Stadt war. 


Tas Cheifentum und die Gründung des feäntifchen Reiche. 105 


Röln war die größte Stadt am Abein und ein lebhafter Zandels- 
plag. Die Ehriftengemeinde war im 4. Jahrhundert noch Bein, denn fie 
batte nur ein Beberhaus. Sür Wainz ife Die Yachricht des Ammianıs 
Warcellinus wichtig, der XXVII, Io erzähle, daß im Jahre 368 der 
Angriff des Alamannentönige Rande auf Mainz dadurch beqüinftige wurde, 
weil er an einem Sonntag gefdyab, an dem ein großer Teil der Der 
völferung in der Ritche fid) befand. Als 406 die Barbaren den bein 
Überfehritten, feplugen fie taufende von WienfÄhen tor, die fich in die 
Rirdyen gefllchter hatten. Die Einwohner fammelten id nach dem Ab- 
fluß der Flur wieder. Wlainz war jedoch durch die vielen Verwüftungen 
febr beruntergetommen, und der erfte Bifchof, von dem mir fichere Bunde 
haben, Sidonius, ein Zeitgenoffe des legten römifchen Dichters Denantius 
‚Sorrumarus im $. Jahrhundert, hatte Arbeit genug, feine Reftdenz wieder 
mohnlidy zu machen. $Er dämmte den Abein ein, reftaurierte die alten 
Tempel und baute die Bafllita St. Beorgüi und ein Baprifterum. 

Daß in Worms zu ebmifcher Zeit eine chriftliche Bemeinde war, 
beweifen die Seiedböfe und die Infchriften. Auf den großen römifcben 
Brabfeldern um YOorme fanden fid) viele römifdye Steinfärge, die völlig 
unverfehrr waren und feine Beigaben enthielten. Die chriftliche Sitte 
hatte alfo den Sieg Über die beidnifche bavongetragen. In den gefälfdpren 
Akten des Bonzils von Röln im Jahre 346 figurierr auch ein Wormfer 
Difebof Viktor. Jm Anfange des $. Jahrhunderts muß fdhon die 
Mehrzahl der Bevölkerung von Worms dem dhriftlichen Blauben an- 
gehangen haben, denn fäwerlic wirden fonft die Burgunder zum 
Ehriftenrum übergerreten fein. Auch in dem rechrsrbeinifcyen Bermanien, 
bei den unter den Deurfchen figenden Romanen, fand das Ehriftennum 
Verbreitung. 

In Gallien war man ftols auf den treu bewabrten Barholifchen 
Glauben, und Hlartin von Tours war das allverebrte Vorbild. Unabläffig 
prebigte er die Abkehr von diefer Welt und ihrer Luft, Damit man dem 
ern Tefiis Cbriftus frei und ungehindert folgen Eönne. Gulpicius 
Severus, fein Biograpb, erzähle, daß, als der CAfar Tulianus bei der 
Stadt der Vangionen fein Jeer zum Rampfe gegen die Barbaren ver: 
fommelt harte, Wiartin am Tage vor der Schlacht den Abfihied aus 
dem Seere geforderr babe, weil er Chriftue’ Rrieger, und eo ihm nichr 
erlaube fei, zu Bbmpfen. Weber er felbft noch fein Biograpb hatten ein 
Geftihl davon, daß die Sorderung des Abfchiedes unmittelbar vor der 


18.200, Die Aue er enden Mu 1 “ 


108 5. Bapinl. 


Schlacht eine Schmach war. Denn in den frommen Rreifen verleugnere 
man jede Verbindung mir der Welt und jede Linwirtung auf diefelbe. 
Birrer wurden diefe askerifchen Cbriften von den lamenschriften gebaßt 
und verfolge, und rroftlos it das Urreil des Sulpieitis Severus Über 
den Zuftand der Rirche. Die Sitrlichteit ftand in der That auf dem 
Tiefpunkt, und fe befferre fidh felbft dann nicht, als im 5. Jabrbunderr 
die fürchrbaren Mataftropben über des Land hereinbrachen. Die 
Bevölkerung nabm an Zahl und an Woblftand ab, und viele chriftlichen 
Gemeinden wurden ganz vernichter. Die Kirchen gingen in Slammen 
auf, und nur felten hören wir von Yleubauten; diefe waren zudem in 
der Foaft errichtet und von geringer Dauer. 

Die faarliche Ordnung löfte fich mehr und mebr auf, damit aber 
auch die Bande der Sitrlichkeir. Salvian entrollt ein düfteres, aber, 
mag vielleicht auch einige Webertreibung unterlaufen, dody nur zu wahres 
Gemälde von den firtlichen und fozialen Zuftänden Balliens im 5. Jabr- 
bundert. Obwohl er in Wiarfeille wohnte, Kannce er Llordgalfien ganz 
genau; vielleicht war Trier feine Varerftabt. Diefe Stadt galt ihm 
als die ausgezeichnerfte, reichfte GBalliens, und audy die Größe von 
Aöln rühmr er, wo ihm eine Verwandte lebte. Schmerzlic, empfindet 
er das fireliche Verderben auch bei den Ebriften: je größer ihre Sabl, 
um fo böber ftieg der Unglauben. Der Bedankte an das göreliche Wirken 
fehlte feinen Zeitgenoffen völlig. Allgemein war dagegen die Leberzeugung, 
daß Gorr fich nice um die irdifchen Dinge befümmere. Wie heute 
in den großen Sädten waren die Rirchen leer, die Uhrater voll. Die 
Xeidenfebaft der romanifdben Bevölkerung für Tierbegen und Rennen 
ift ja bekannt. Sie verminderte fi) nicht felbft angefichts der böchften 
For. Ylad) der deitten Eroberung Triers Durd) die Sranken peritionierren 
die Bürger von Trier um Binrichtung circenfifcher Spiele, ale ein Kaupt: 
mietel zur debung der Stade. Die Chriften hatten nichts von dem 
allgemeinen Unglück gelernt. Salvian fähildere die dhriftlichen Bemeinden 
alo den Auswurf von Laftern. Während die Zerfiörung der Stadt 
Trier drohte, fein Die Vornehmen bei Gaflmäblern gelegen, ohne 
Gedanken an ibre Xbre, ihr Alter, ihren Stand, ihren Ylamen, 
volfgefeeffen, beraufehr, brülfend wie wahnfinnig. Sin wurde von den 
‚Seanten erobert während eines Belages der Großen. 

Satvian läfe uns einen Dlil® chun in das grauenbafte fosiale Elend. 
Dem Sklaven gegenüber ift alles erlaubt; die cheiftlichen SElavenhalter 


Das Chrifentum und die Gründung des fränfifchen Neices. 107 


feien fchlimmer gewvefen ale felbft die beidnifden. +Ebenfo croftlos ift 
Die Lage des armen Volkes. Die rückfichrelofe Ausbeutung der Schwachen 
durch die Reichen ift der Jauptgrund des fteigenden Flends. Der Eraffefte 
Kgoismus mache fd) famlos geltend, und es giebt Feine Gewalt, ihm 
zu fteuern. Zur Vermehrung des Hlends trug nicht wenig die ungerechre 
Verteilung der Öffentlichen Laften bei. Wie in Srankreich vor der 
Hevolurion, fo ruhte auch damals die Steuerlaft vorzugeweife auf den 
Armen. Salvian verlangt, daf die Meinung der Steuerpflichrigen gehört 
würde, daß die Verwaltung Rechnung ablege, daf eine Kontrolle über die 
Anlage der Steuern und ihre Verwendung gelibt würde, Burs, er Außert 
Gedanten, die erft in neuefter Zeit verwoirklicht worden jind. YTicht minder 
hart tadele er die Borruption der Beamten, die fehndde Bewinnfucht 
der femitifchen dndler, deren Befchäftigkeit nur von ihrer Unzuverläffigkeit 
übertroffen wirde. Die Seömmigkeie wie die Sittlichteit haben allgemeinen 
Bankerort erlitten, und nuc einen lichten Punkt fab er inmitten des 
Verfalls: die Asteren. 

Srüb fäyon bat das Wönchewefen, eigentlich eine orientalifche 
Inftirueion'®), in Gallien feften Sup gefaßt. Die Mönche verwirklichten 
das veligiöfe und fittliche deal des Salvian. Yrur fie lebten in der 
Vlachfolge Ebeifti. Eine tiefe Aluft lag swifchen den Asketen und den 
briftlichen Bemeinden, und man verfolgte fih mit gegenfeitigem affe. 
Salvians Schroiegereltern vermieden jeden Verkehr mit ihm und ihrer 
Tochter, feibem das Kbepsar den Entfchluß gefaßt hatte, ein mönchifches 
Leben zu führen. Diefe Aeligisfen waren, wie im 18. TJabrbundert die 
Pieriften, den Bindern der Welt ein Begenftand des Sportes und der 
Abneigung, und fie erlitten vielfache Rrönkungen und Zurlichfezungen. 

Salviane Zeitgenoffe, Sidontus Apollinarie, eine leichtlebige Ylarur, 
beftfeige im ganzen die Schilderung des ernften Warfeillere. Licht die 
Konte, fage er, fondern die Obrigkeit madıt das Jahr gur oder fehlecht. 
In den Rirchen ging es zuweilen fehr Iuftig su; man machte Poffen 
und Wie, 

So rofttos diefe Zuftände auch waren, fo gab es doch !Männer, 
die fic) das allgemeine Wohl angelegen fein ließen, und das waren die 
Bifdyöfe. Schon längft hatte fich in der chriftlichen Gemeinde ein 
Priefterftand ausgebildet, der den Laien jeden Kinflup auf Birchliche Dinge 
verfagee. Das “aupt diefer Priefterfchaft war der Bifchof, der von 
der Bemeinde gereähle wourde. SEr befaß eine faft unbefchräntte Disziplinar: 





308 5. Bapitel. 


gewalt über alle Beiftlichen, und vorzüglic) verfügte er Über das oft 
febe große Rirdyenvermögen. YWeiftens gehörte in Gallien der Bifcbof‘ 
dem Stande der Poffefforen, d. b. der großen Brundbeflner, an, die fich 
in den Zeiten der Serrltrung von der flaatlichen Gewalt fait völlig 
umabbängitg gemacht batten, indem fie nichr nur die Hpefution von 
Steuern und anderen Leifhungen erlangt oder ufürpiert hatten, fondern 
ud) mir ihren bewaffneten Sinterfaffen den Staarebeamten swogten und 
den Barbaren imponierten. Gebr oft ferten diefe Poffefloren, wenn fie 
der Erben ermangelten, den Bifchof in ihre Erbfchaft ein. Zur Rettung 
der Seelen vergabten Die Laien in fleigendem Waße der Kirde ibr 
Vermögen. So wurde diefe zum Broßgrundbefiger und erhielt duburch 
eine Wachrftellung, die fie befäbigte, in dem allgemeinen Chaos die Pflichten 
der Zumanieke zu erfüllen und dem einreißenden Verderben der Unkulrur 
einen Damm entgegenzufezen. Tbre Reichelimer verwendeten die Bifchöfe 
zu Zwecfen der Wohlchärigteit sc, fie befaßen eine große Anzabl von 
Sklaven und Rolonen, die bewaffner ihnen Nefpeft verfchafften, und 
fetieplich ficberte ihnen ihre richterliche Bomperens in Sällen, welche 
die Witwen und Waifen angingen, und über ihre eigenen Leute eine 
möchrige Stellung. Um den Bifdpof fammelte id beim Derfalle des 
Weicyes alles, was vom römifchen Wefen noch vorhanden war. Er 
wurde der Wiittelpuntt der römifdhen Bevölkerung, der Repräfentant des 
ömifchen Wefens. As Defensor civitatis hatte er neben feiner geiftlichen 
Bervalt eine weltliche. Er war in den Zeiten, woo der Brofe den Aleinen 
unterjochre, die Zuflucht der Bedrängten, und gewährte Schug gegen die 
Bebrlichung. Oefters refidierre er im Prärorium, dem Gige dee che: 
maligen römifchen Stattbalters. Seine Rleidbung war die der römifchen 
Beamten, fein Recht und Befen das römifche, feine Sprache wiederum 
die römifche. Ihe Amt fiehkte die Bifchöfe mireen in das praßtifche 
Xeben, und dem Zbeale asferifcher Lebensführung konnten fie nichr 
entfprechen, wollten fie anders ihre böheren Pflidyren erfüllen. Dafür 
traten fie energifch für die Bedrüchten ein, Iinderten die YTot und das 
Elend, und fpendeten geiftlichen und leiblichen Troft. Ja felbft die 
Barbaren fahen mit adyrungevoller Scheu zu ihnen empor. 

Diefe Barbaren machten nad) der Ermordung des Aerius erneute 
Anftrengungen, um die fruchtbaren Ländereien Galliens in ihren Beflz 
3u bringen. Denn obwohl fie lÄngft gelernt hatten, den Acker zu beftellen, 
fo febeuten fie noch immer die fähmere Arbeit des Rodens; fie firebren 





Das Chriftentum und die Geindung des fränfifen Neiche. 109 


vielmehr nady fruchtbaren wohlbebauten Landflächen und gutem Weide: 
land. Sie folgten den Wafferläufen und befegten die Uhalebenen, 
während fie es verfehmähten, die bergigen Begenden und die mit Wein 
und Obft bepflansten Abhänge in Bein zu nehmen. Denn von Wein: 
und Obfibau verftanden fie gar nichte. Auch die Städte mieden fie 
in der Regel; noch immer waren ihnen die engen Gaffen, das Bedränge 
des fremden Volßes unheimlich; fie fühlten fich bier allzu ifolierr, und 
zogen co vor, auf dem Lande nebeneinander in Wiartgenoffenfchaften 
gegliedert zu wohnen. 

Wilhelm Arnold, der hochverdiente Rechtehiftoriter, bar geglaubt, 
die Ortonamen als Duelle der Zrkennnis für die Wanderungen der 
deutfchen Stämme verwerten zu drfen"“). Gegen feine Wierhode find 
gewichtige innxinde erhoben worden'“), aber ein Bern der Wahrheit 
bleibe doch"). Gewwiß ift es unrichrig, wenn Arnold die Ortonamen, 
welche auf -ingen, weil, weiler endigen, den Alamannen zufihreibt, die 
auf »beim den Sranken. Vielleicht richtiger erfcheint eine andere Zyporbefe, 
Daß die Derfihiedenheit der Ortebenennung auf eine Verfcjiedenheit der 
Anfiedlungsrweife zurtichzuführen fei'”). 

Die Endung auf +ingen ‚bedeurer ein Befüzverhälenis. Der Dativ 
pluralis will fo viel befagen: wie bei den Ylachkommen bes FT. LT. 
Das germanifehe Volk blieb aud) auf’ der Wanderung in feinen natürlichen 
uralten Verbänden: den “underefchaften, den Sippen und Samilien. 
Diefe Ortsnamen auf ;ingen £önnen als die erjten Slur- und art: 
genoffenfchaften .angefeben werden, die in dem neuerworbenen Lande von 
dem wanbernben Volke gegränder worden find, 

Das Wort Zeim bebeurer das Faus, den Wohnfiz, das liegende 
But. In der Schweiz befagt das Wort Zeim das elterliche Tiegende 
Erbe‘), Als die Salier Gallien eroberten, betrachteten fich ihre Rönige 
ala $Eigentlmer des eroberten Bandes, und fie fratteten ihre Mrieger 
reichlich) mit Land aus. Diefe ließen die urfprünglicyen Bewohner in 
ihren Dörfern; der neue fränkifche Zigenchmer fchaltere nun als Grund: 
here fiber dem Dorf, das er als fein “eim bezeichnete. , 

Die wilden Alamannen, der Schredden der Römer, hatten, wie wir 
wiffen, den Limes im 3. Jabrbundert überfehritten, und die fruchtbaren 
Thalgeände am Main, Year, Wirte: und Oberrhein befegt. Um fie 
in Schranten zu halten, wurden die Burgunder, ihre alten Rivalen, bei 
Worms als Foederati angefiedelr. Tach dem Abzug der Burgunder 


10 5. Rpite. 


und dem Zufammenbruch der römifchen SGerrfchaft lag Das rechts 
rbeinifche Land den Angriffen der Alamannen offen da. Gbne ibren 
techrerheinifchen DBefiz aufugeben, bemächtigeen fie fi der Tinte: 
theinifihen Mbene. Die Pfals, das Eifaß kam in ihre Gewalt"); fie 
brachen durch die burgundifdhe Pforte bei Belfort und eroberten das 
Bebier der Sequaner; zwoifähen Vogefen und Zardt, oifchen der “ardr 
und dem  unsrlic® sogen fie nach Weften in die Stußthäler der Mofel 
und des Doubs, Hberall Verderben bringend. Denn fäner müffen 
unter ihnen die Srädte gelitten haben. YDorms faheine mehrmals im 
Zaufe des 5. Jahrhundeere gerfißrr worden zu fein; dies beseuge nicht 
nur Salvian, fondern auch die Brandfpuren in den jüngeren römifchen 
Bodenfeichten erklären fich auf diefe Weife. Aber die Bersohner von 
Worms verzagten nicht; fo oft fie verrrieben wourden, fammelten fie fich 
woieder und bauten die Stadt von neuem auf, fo gut es ging. Leber 
die Trimmer der alten Gebäude hinweg führten fle die neuen Straßen, 
nicht mehr fo folid und fäydn wie die alten; doch hielten fie deren 
Ricyrung möglidyft inne. Xermlidyer wourde das Zeben, und die Luft 
und Sähigteit des Bünfterifdyen Schaffens nahm rafh) ab, wennfchon 
die bandwwertomäßige Tradition der römifchyen Technit fidy erhielt. 

Das flache Land war in den Zänden der Barbaren, aber in den 
Städten biele man, wie an den römifchen Sitten, fo auch an dem 
Gedanken der Zugehörigkeit zum Reiche feft. Sreilid) war durch die 
Invaflon der Barbaren die Organifation der Verwaltung vernichtet. 
Die Erhebung der verhaften Steuern Bonnte jedenfalls nur uncegelmäßig 
vorgenommen werden oder börte feir der Auflsfung der militärifchen 
Adminiftrarion ganz auf. An Stelle des einftigen Stabrbeamten war 
der Bifchof getreten. Aber die chriftliche Stadtgemeinde in TOorms 
muß zeitweife fo sufammengefehmolzen fein, dafs nicht einmal mebr ein 
Bifchyof geoählt wurde. YOenigftens ift für das ganze 5. und 6. Jahr» 
hundert fein einziger Bifchofaname für YOsrme bezeugt, und erft unter 
der glänzenden „errfchaft des Aönige Dagobert Bam das bifcöfliche 
Ant wieder zur Geltung. 

Die Alamannen ftanden in der zweiten Zälfte des 5. Jahrhunderts 
auf dem „öhepuntt ihrer Wache"). An Stelle der früheren Pleinen 
Gautönige war nun ein flarter Rönig getreten, der fein WolE zu 
glängenden Siegen führre. Sie durchogen plündernd die Donauländer 
und machren wiederholte Einfälle in Jralien. Aus der Zeit, woo Worms 


Das Cheifentum und die Gründung des fedntifcgen Reiches. 11 


und Wirzburg die nördlichen Grenzen ihres Neicyes bildeten, befigen 
wir eine freilich dürftige Aufzeichnung des Beograpbus Aavennas, der 
feine Clorisen im 7. Jahrhundert fehrieb, aber eine Vorlage aus der 
Regierungszeit Tbeoderichs des Brofen benügte. Zum erftienmal kommen 
bier deurfchye Ortsnamen vor: Gormetia, Sphira, Porza, Stratisburgs, 
Ziwrichi ıc. Alf iR in Diefer Zeit, am Ende des 5. Jahrbunderts, der 
römifehe Ylame Civitas Vangionum außer Bebraudy gekommen, und der 
alte volfsciimliche YTame Borbetomagus Iebre in der verdeurfihten Sorm 
Gormeria wieder auf. 

Die gewaltige Ausdehnung des alamannifchyen Stammes war jedoch 
von geringer Dauer, denn er barte an den Sranten einen Todfeind, der 
die Bunft der Umftände ganz anders auszunfigen verftand, Kaifer Julian 
hatte die Salier als Foederati in das. Reich aufgenommen'*) und fie 
im Batsverlande angefiebelt. Won hier rückten fie jterig erobernb und 
Bolonifierend nady Yeften bis zur Somme vor, nicht den Slußläufen 
nad), fondern quer durchs Yand, weil dort Waffe und Weide überall 
reichlich» vorhanden waren, und die Berge Bein “indernie bilderen. Die 
üblichen Sranten befegten den linkerbeinifchen Boden von Röln aufindres, 
und nannten fi) feirdem Ripuarli, d. i Uferbeiwohner. YToch zur Zeit 
des Aötius eroberten fie das Miofelthal. Der Abzug der Burgunder und 
der Tod des Aktie war auch für fie eine Ermunterung zur weiteren 
Ausbreitung. Da berübrre fich ihre Tntereffenfpbäre hart mir der 
der Alamannen, und ale Verbindere des römifchen Reicye glaubten die 
‚Sranten ein befferes Anrecht auf Gallien zu haben als die Alamannen, 
die von jeher Seinde des römifchen Meichs gewefen waren. 

Der falifhye König Ehilderich refidierte in Tournay als fränkifcher 
Voltstönig und römifcher Parteigänger. Er ftarb 481 dafelbft und 
wurde mit feinem ganzen Schage begraben. hm folgte fein fünfjehn- 
jbriger Sohn Chlodiwig, der dem legten Refte römifcher Serrfchaft in 
Gallien ein Ende machte und feine Kefidens nach Goilfons verlegte. 
De ihm die rivaliflerenden Alamannen unbequem wurden, fo ging nun 
fein ganzes Trachten nacy ihrer Unterwerfung. Im Sommer 396 fand 
am Öberchein yoifden Straßburg und Wormo'“) ein Zufammenftoß 
swifchen den Sranten und Alamannen ftatt. Cblodroig wollte feine Seinde 
iberrafchen, gerier aber felbft in die fähtwerfke Bedrängnis. Auf wunder: 
base Weife fiegte er zulege über die Alamannen, deren König jich ibm 
ergab und Srieden gelobre. CEblodroig gensährte diefen. Darauf Behrer 





12 5. Bapiıel. 


er Über Toul nad) Reims zurlich, woo er aus Dank für den bilfbereiten 
Ehriftengort fein Betennmis ablegee und vom Bifchof Remigius gerauft 
wurde. Schon fein Vater Childerich hatte gute Beziehungen zur Fatholifihen 
Rirche in Gallien unterhalten, aber er und feine Sranten blieben noch 
Szeiden. Ylacydem jedoch Edlodiwig fein Reid) bis an die Loire aus 
gedehne hatte, und über Willionen von römifdyen Ebriften berrfchte, 
konnte er fich der Erwägung nicht entziehen, daß feine Zerrfchaft nur 
möglich) fei, wenn er und feine Scanten die Religion der unterworfenen 
Beoätterung, weldye die Wiebrzabl bildere, annehme. Chriftenum und 
Aömerrum waren eben in Diefer Beie völlig ideneifche Begeiffe geworden; 
die Barholifhe Micche befaß eine vSllig gefchloffene Organifarion und 
war eine flarke Wacht, mit der fid) der fränkifde Mönig auseinander- 
fegen mußte. Und weil er allein von allen germanifcyen Rönigen den 
richeigen YVeg ging und eine zielbewußte Polirit führte, fo gelang ihm 
aud) allein das oft verfüichte Problem der Begrlndung eines germanifähen 
Heicyes auf römifchem Boden. In Chlodreig erkannte Bifchof Avirus 
von Vienne den Erben der römifcyen Welcherrfchaft, und der Baifer 
Anaftaflus genoährte ihm den Tirel eines Patricius, und damit in den 
Augen der römifchen Bevölkerung die Legitimation feiner Serrfchaft"). 

Die Alamannen fließen abermals mit den Sranten zufammen, und 
zwar mit dem Rönig der Ripwarier bei Zllpich. Der entfcheidende 
Schlag gegen fle fiel jedod) in den erfien Jahren des 6. Jahrhunderts. 
Der AlamannenBönig batte den mit Chlodwwig gefchloffenen Vertrag nicht 
gebalten, worauf‘ es zu einer für die Aamannen vernichtenden Schlacht 
Bam, in welcher der Rönig und die Voltshäupter fielen und mit ihnen 
ein großer Teil des alamannifdyen Volkes, während ein anderer in die 
Gefangenfchaft geriet. Um fich zu retten, flob der Meft des Volkes 
nach Süden, feine bisherigen Size am Main, am Yledar und am 
Wirrelchein aufgebend, und fuchte beim Oftyorentönig Theoderich um 
Schug und Vermittelung nach. Diefer große Germanentönig wußte durch 
Verträge, seiraten und perfönlichen Kinfluß ein Prorektorar über die 
germanifchen Stämme zu erwerben, und daburdy Ttalien eine sentrale 
Wachrftellung im Abendlande zu erhalten. Auch Ehlodioig war ihm 
verfehwägert, Aber Theoderich whnfehte nicht, daf deffen Mache zu 
‚groß würde, deshalb nahm er fich der flüchrigen Alamannen an und gab 
ihnen das römifdye Bebiet am Yloröhang der Alpen zur ferneren %eimat, 
nämlich die helverifche bene und Yriederrätien, forwie die fehmäbifche 


Tas Chrifentum und Die Orünbung des feänkifeen Neitdes. 1 


Yochebene. Lach feinem Tode fant die Macht der Ofigoren rafch. 
Ihr Aönig Wirigie mußte 536 mit den füdgallifchen Befigungen aud) 
die Oberbobeit Über das alamannifche Volk an die Sranken abtreten. 
Später erfhienen die Mamannen unter einem +erzog mehr als Derbindere, 
denn ale Unterthanen der Sranten. 

Die Sranten baben jene einft von den Alamannen befeffenen Gebiete 
am Wain und Year, das Defumatenland und die linfsrheinifchyen 
Landfchaften, die Pfalz und das Eifaß Eolonifier. in großer Teil 
der alamannifchen Bevölkerung wird ausgewandert fein, ein anderer 
Teil blieb unter fräntüfcher Serefchaft. Ylamentlid in den Bebieren am 
Witreirbein, am unteren Year und Wlain fand eine Waffeneinwanderung 
der Sranten ftart, und fie bebeckten das Land mit ihren Dorfgründungen, 
deren Ylamen alle auf :beim auslaufen. Diefe Orte auf heim liegen faft 
ausnahmslos in der fruchtbaren Abeinebene oder im niederen fgelland, 
niemals im Gebirge, und fie zerfallen in zwei Gruppen, wo fie befonders 
diche zufammentiegen: in der Gegend von Tingelbeim bis Landau mit 
dem Dicbrigkeitsmopimum um eins und in der Gegend von agenau 
bis Bafel mit dem Dichrigkeitsmarimum um Straßburg. Diefe fränkifche 
Rofonifarion auf ebemaligem alamannifcen Boden bar erflchelic) 
mitirheifdye Bebeurung; fie follre den Alamannen den Weg in die 
frntifchen Gebiete verfperren und dazu dienen, die noch im Lande 
lebenden Alamannen und Romanen (legrere befonders zahlreich im 
Breufchthal) in Unrerwürfigteit zu halten. Die Rolonifarion war ja 
noch für Karl den Großen ein Zauprmitrel, um untermorfene Völker 
im Gehorfam zu halten. 

Die fiegreichen Sranten richteten fid) nun in den neugewonnenen 
Bebieten bäuslich ein. Das ftädifche Verwalrungsprinzip, das der 
antiten Staatsverfaffung eigen ift, wurde durch die Bau- und Braffchafte- 
verfaffung erfegt. Die in römifcher Zeit getrennte Militär und keine 
verroaltung wurde in der Perfon des Brafen vereinige und das zahl 
und gefehulte römifche Beamtentum faft ganz befeitig. Der Graf” pr 
miliedrifche, adminiftrative und richterliche Zunfrionen, die er im Lramen 
des Mönige, der ihn ein: und abfente, auslibre. Die römifche Sinans- 
verwaltung onnte nicht mehr in ihrem ganzen Umfange aufrecht erhalten 
bleiben; denn mehr und mehr drang der germanifche Brundfan, durch, 
daß die freien Leute dem Staate unmittelbar und unentgeltlich zu 
dienen haben. 


15. Be, Die Aut ver neinfaen Sue 1. “ 











118 5. Rapitl, 


Das ganze Land wurde in Adminiftrationebesirke: Bauc oder Braf: 
fdyaften, eingereil. In Gallien bildere fortan die ebemalige Peloromanifche 
Civitas den fränkifchen Bau, der nah der Stadr genannt wurde. Diefe 
Civitas befaß aber noch andere Bedeutung; denn fie bildere zugleich die 
Dißzefe, und der Vorort der Civitas war die Refidenz dee Difchofe. Wir 
fcbon bemerkt, waren die erfen chriftlichen Gemeinden in den Städten 
entftanden. Das Chrifteneum bar ducd) die Aufnahme und Verfebmelsung 
aneiter Bulcurelemenre fi alfmählich vollftändig umgewandelt. Die 
briftliche Dokrein, das Dogma, bildere ih unter dem Einfluß der 
geiechifäyen Philofopbie und Abersrit, und die einft ebenfo einfache 
ebriftliche Bemeindeverfaffung wandelte fi) um in einen tompligierten 
Verwaltungsorganismus, indem man die römifche Verfaffung zum 
Vorbild nahm. Die eSmifche Provinz wurde nun zugleich zur Erzdißzefe, 
die Zauptftadt der Provinz Die Kejldenz des Wierropolitanbifchofee. Jede 
Civitas erhielt einen Bifdpof, der in der Jauptftadt der Civitas refidieren 
mußte, gemäß einer Beftimmung der Synode von Sardica vom Jahre 342. 

Civitas, fräntifder Gau und Didzefe decfen fi) zuweilen, doc) find 
fie feinesmoege immer ibentifch, denn es fanden im Laufe der Zeiten 
Veränderungen flatt, die wir nur felten Überfeben önnen, woeil meijt die 
Quellen fhroeigen. Die Didsefen bleiben in der Regel unverändert, 
bingegen zerfplitterten die Baue und bäufig wurden infolge der Ver 
mebrung der Bevölkerung die Unrerabteilungen der Baue, die Lentenen 
oder Zunderefchaften, zu Braffehaften. In Ballien blieben die Verhälmiffe 
weit (tabiler als in den rheinifchen Landfebaften, weil dort die Rulmr 
tiefere YWOurzel gefchlagen batte. 

Wir Bennen nun weder die genaueren Brengen des alten Dangionen: 
‚gaues, noch die des fpäteren Woormagaues. Erft aus dem 8. Jabrbunderr 
erhalten wir einige YIotisen bierüber. Danad) bildete die Ylabe die 
Grenye ywifchen dem Worme: und Flahegau. Bingen und Wainz lagen 
im Wormogau, deffen füdliche Brenze vielleicht durch die Orte Dürkheim 
und Yleuftabe bezeichnet werden Bann. m 10. Jahrhundert erftreckte 
fi) der Ylabegau bis gegen Wainz. MWöglicyerweife grlimder fi auf 
diefe Linteilung, wonach Wainz dem Wormegau untergeordner war, die 
Wormfer Tradition, daß der Hrzbifihof einft in Worms feinen Sig 
gehabr bärte. Vielleicht waren auch die beiden Bischmer Mainz und 
Worms zur Zeit Barl Wartells in einer Sand, unter Bifhof Gerold, 
vereinigt. 


Tao Ehrifennum und die Gründung des fränfifeen Reiten. 115 


Welchen Umfang das Wormfer Bisum urfprünglich gehabt bar, 
wiffen wir gleichfalls nicht. Einen Beweis für die gründliche Vernichtung 
der römifchen Rultur auf dem rechten Rheinufer bietet der Umftand, 
daß das einft fo blühende Lopodunum, die Ahauprftadt der Civitas 
Suevorum Nicretum, d. b. der Yledarfueen, nicht den Rang. einer 
bifeböflichen Aeftdens erhielt, fondern daß das Wormfer Bistum, freilich, 
wie es feheine, nicht ohne Admpfe, aud) auf dem rechten Rheinufer 
Boden faffen Fonnte. Laut dem Wormfer Synodale vom TJabre 1496 
war das Bisrm Worms in folgende Detanare eingeteilt: auf dem Unten 
Abeinufer: I. Serpheim oder Dirmftein; 2. Buntersblum; 3. Wefthofen 
oder Dalsheim; $. Leiningen, vormals Boctenbeim; S. Sreinsbeim; 
. Ylanftell, d. b. Landftuhl; auf dem rechten Rheinufer: 7. Weinheim; 
8. Waibftadt; 9. Schwaigern; So. Seidelberg'*). Vielleichr wurde das 
Bisrum Worms auf dem linten Abeinufer zu Bunften des Biscums 
Wainz verkleinert und erbiele dafüır auf dem rechten Mheinufer Erfag. 
Tedenfalls decfen fidy bier Bau umd Didzefe nicht. 

Die Sranten waren eifrig bemüht, fi die römifche Bulcur an- 
gueignen, forveit ihre geiftige Befähigung reiche. es war ein Ver 
fehmelzungsprogeß ein; die Sranten wurden die Iernbegierigen Schüler 
der Romanen, und die Romanen nahmen von den Sranten manche 
Gewohnheiten an. Gewiffermaßen romanifierten fich die Scanten, und 
die Romanen worden barbarifiher. YTocd Sidonins hatte unverbohlen 
feine Verachtung und Abneigung gegen die Barbaren geäußert. Von 
diefer Stimmung ft nad) der Eroberung nichts mehr wahrzunehmen, 
denn wenn die Romanen auc) die Sranken Barbaren nannten, fo bedeutet 
diefer Ausdruc® Peineswege Verachtung, fondern er bezeichnet einfach 
einen Germanen, dem die Bildung mangelte oder der noch ein Seide 
war. Gerne gaben die Römer ihren Kindern deurfihe Vlamen und die 
‚Seanten den ihrigen römifdhe. Die Sranten behandelten die Romanen 
niche fehlecht, fie galten nicht als Unterwoorfene, Winderberechtigte, 
fondern für Senken wie für Romanen galt das Prinzip der Kechro- 
gleichbeit. Zwar betrug das Wehrgeld der Romanen, d. b. das Sühn- 
geld, das der Mörder oder feine Sippe der Sippe des Krfchlagenen 
begabten mußte, nur Joo Solidi, alfo die Hälfte des Webrgeldes des 
freien Sranten, und man bat dies als eine Zurlckfegung des Romanen 
erflär. Allein beim Römer fiel die Wagfühne weg, da ihm der Begriff 
der falifcyen Sippe unbefannt war, und fomit war fein Webhrgeld gleich 


118 ‘ 5. Rapire. 


groß wie das der Sranten'®). Der Römer war den gleichen Pflichten 
unterworfen. wie die Sranken und genof; die gleichen Redyre. Ta, die 
feäntifche Reicheverfaffung fonnte fogar als ein Sortfehrier yegenüber 
dem. Wiechanismus der römifdyen angefehen werden, indem jene jede 
Privilegierung befeitigt wurde. Der Stat war mie mehr wie sur 
Römerzeit Selbftsweh, dem alles aufgeopfert wurde, fondern feine einzige 
Aufgabe war die Aufrechterbaltung des Sriedens. Der Bönig ift der 
Schirmbere aller und der Richter für jedermann. 

Im Rechte: und Verfaffungsleben Üüberwoog das deurfche iement, 
die Ueberlegenheit der römifcben Rulcur machre fich jedoch allenthalben 
geltend. 

‚hatten einft die Bermanen Scheu vor den großen Seidten gehabt, 
fo war Diefe jegt fiberwunden. Sreilid, der Rönig und die Brofen 
wohnten auch jene lieber auf ihren Landglitern, deren wirtfchaftliche 
und fozialpolitifcbe Bedeutung in den Iezten Seiten des Römerreichs um 
fo böber geftigen war, je mehr die Städte zurüchtamen. Die haupt: 
majfe der fiädtifchen Beoölterung beftand, menigftens im erften Jahr 
hundert der fränkifchen &errfcbaft, noch immer aus Romanen; aber audy 
‚Sranten ließen fidh in den Städten nieder und bauten fich einen saof, 
und je dichter die fränkifche Bevölkerung im der Umgegend einer Stadt 
war, um fo mehr nahm der firänkifche Beftandteil der ftädtifchen 
Beotterung zu. Das“ fränkifdye Brabfeld an der Schillerftraße in 
Worms beroeift, daß in Worms freie Priegerifce Franken gelebt haben. 
Diele von diefen Sranten waren noch Zeiden. Denn ron dem Uebertricte 
Chlodwige verharrten die Sranten in ibrer Mehrzahl, wenigftens in den 
Sftlicen Teilen des fräntifdyen Reiches, beim alten Glauben, und auch) 
bei den Bekebrten faß in der Kegel der ebriftliche Blaube nicht fehr feft. 
Oft genug fam es vor, daß Chriften wieder zum eibenrum zurtichfielen 
‚oder unbefangen beidnifche und chrifttiche Gebräuche mifchren. 

Yrahe bei der Liebftauenkicche in Werms ift 1942 'cine Anzahl 
Infehriftenfteine Über frntifchen Gräbern gefunden worben’“), in welchen 
die Verftorbenen mir Waffen und Schmuc‘, Berdten und Gefäßen beir 
‚gefegt waren. Unterhalb der Schrift ift das Labarum abgebilder, ihm 
zur Seite zwwei Tauben oder Pfauen. Afo waren die Deftatteren zwar 
Ehriften, aber fie hingen noch beidnifyen Bebräuchen an. Die Infehriften 
fimmen in Spradye und Buchjtabenform mir den römifchen chrüftlichen 
Brabfteinen überein und gehören in die Zeit des 5. bis 7. Jahrhunderts. 


Das Cheifentum und die Gründung des fräntifcen Neicbes. 7 


Wandye Ylamensformen, woie Unfachlas, Aldualuhi find zweifellos deutfch, 
bei anderen ift die Erklärung unficher'”). Auch in Wainz und namentlich 
in Teiee find zahlreiche chrifklice Znfehriften mir deutfchen Yiamen 
gefunden worden. 

Die rheinifben Städte verloren mehr und mehr ihren römifchen 
Charatrer"*). Die römifche YWiunisipalverfaffung war verfehreunden, 
felbft in den gallifchben Städten, und wenn auch die alten Titel jtäbtifcher 
Beamten noch vorkommen, fo baben diefe Beamtungen nichr mehr Die 
frühere Bedeutung, denn überall find die fräntifchen Beamten an die 
Stelle der römifcben getreten. Die Stadt bar im fränkifchen Reid) jede 
policifdye oder abminiftrative Bedeutung verloren. in der fränkifdyen 
Derfaffung haben die Stadt und das Dorf Beinen Raum, fie find lediglich 
wirefhaftliche autonome Verbände, um die fi der Staat nicht ber 
kümmert. Wir der derrfchaft der Stadt Über das Land war co vorbei, 
nur als Sig der Bifchöfe baben die Städte noch einige Bedeutung. 
Auch die Gewerbe zerfielen mit der Zeit, und die ftädeifchen Wiärkte 
hatten mit denen der Broßgrunbberefchaften zu Fonkurrieren. Die Zabl 
der Bevölkerung ging fichtlich zurüc®, ganze Quartiere lagen in Trümmern 
unbewohne und das Bras wucherte zeifchen den Steinen. ie und da 
fab man noch ein verftümmelres ötterbild, dem einzelne insgebeim 
fibene Verehrung widmeren. Aber meift erging es ihnen Alimm. So 
wurde eine Venus im Riechbof zu St. Matthias in Trier an Betten 
aufgehängt, und die Pilger pflegten die arme abgefente Görtin mir Steinen 
zu werfen, denn man bielt das Bönenbild für die Orakelgeberin der 
alten beidnifihen Trierer, Die bei der Ankunft des heiligen Hucharius 
verflummte'®). 

Der Briegerifche Scante fcyaute auf die arbeitende feÄdrifche Bevölterung 
mit Beringfdhigung berab, und ein Autor des 7. Tabrbunderts nenne 
fie verdchrlich fdomuniges Befindel. Yöchft felren werden die rheinifchen 
Städte in den Duellen der fräntifchen Zeit genannt, am meiften noch Röin, 
das zeirweife Refidenz der ripuarifchen Rönige war, feltener lainz, und 
Worms nur einmal, da die fähreckliche Brunbild diefe Stadt mir ihrem 
DBefirch beehree. Sreilich, Gregor von Tours, der fränkifihe Befchichts: 
febreiber, weiß nur weniges von den auftrafifchen Landfehaften zu berichten, 
und nad) ihm erlifcyt die Luft, Gefcbichte zu fehreiben, faft vSllig. 
{lan batte damals eine Iebhafte Empfindung von der geiftigen Tnferioritet 
des Zeitalter. „Wir firhen jet,“ fage Seedegar, „im Breifenalter der 


118 5. Bapitel 


Welt, darum bar die Schärfe des Geiftes nachgelaffen; und niemand 
vermag es in Diefer Zeit, den früheren Schriftftellern gleichsutommen.“ 
Immer fpärlicher fliefjen die Ylachrichten, und zeitweilig verfiegen die 
Quellen ganz. Aber mag der Verfall der Rultur nody fo groß geroefen 
fein, die Kontinuieke der biftorifchen Wnnwichelung wurde felbft in der 
(&limmften Zeit niemals ganz zerriffen, und das ftädrifche Leben pulflerre, 
wenn aud) fdwach, weiter. Die Einrichtungen und Errungenfehaften 
der römifchen Baiferzei: Wänz, Waf- und Gewichefiftem, ‘die 
Organifarion der ländlichen Arbeit, Technik und Runftradition, wurden 
den Sranten übermittelt und dauerten bis tief in das Wictelalter hinein, 
(6 daß dadurch die Rluft swifchyen Aömertum und Bermanentum, Rule 
und Barbarei, überbrückt wurde. 








$. Rapitel. 


Die Kultur der Germanen am beine. 


enge bevor die Germanen die römifchen 

Provinzen eroberten, fanden fie mit der 

Rultur der Wirtelmeerländer in Verbindung. 

Die Produkte diefer Rulrur Bamen ihnen 

auf dem VOege des Taufchbandels zu; an 

diefen Produkten lernten fie ibre eigenen 

Erzeugniffe, Waffen, Schmuckfadyen, Geräte 

vervollfommnen. Am Anfange unferer Zeit: 

wechmung ftehen fie no auf der Stufe der 

La Tene-Ruleur. Dann Lamen die Yoeft: 

"U germanen in unmittelbare Berhbrung mir 

den: Römern. Diefer ‚Verkehr war ein feindlidyer und ein freundlicher. 
Auf beiden Wegen firömten ihnen eine Waffe mächtiger Zindrücte zu, 
die nicht ohne Einfluß auf ihre Entweichelung fein Ponnren. Durch den 
Limes wird ihrem YWanderrrieb Stillftand geboten; fie müffen fich 
bequemen, den Boden beffer aussunüzen.. Doch noch überwiegt Die 
Viehzucht, und fobald fi) ihnen Gelegenheit bierer, verlaffen fle ihre 
bisherigen Sige. Von den Römern erwerben oder erbeuten fie beffere 
Waffen ale ihre eigenen und laffen durdy gefangene römifchye Waffen: 
arbeiter felbft foldye berftellen. Schließlich befegen fie die rheinifchen 
Landfehaften und Ballien und geben fid) eine flaatliye, den Verhätmiffen 
angepaßte Organifation. Der fremde Boden wird möglichft gleichmäßig 
unter die Sreien verteilt; mun werden fie zu Bauern, ein individuelles 
Eigentum, das früher unbekannt gerefen war, bilder fi) aus. Aber 
der Uebergang vom Rriegerrum zum Bauernrum gebt febr langfam von 


5. B00n, Di Baur ver infaen Mr. L “ 





122 5. Bapitel, 


ftatten; noch lange dauern die friegerifchen Yeigungen fort und Diefer 
kriegerifce Charakter präge fidh fchon in ibrer Auferen Krfcheinung aus. 

Die Rulrır der Germanen feir ihrer Eroberung der römifchen Pro 
pinzen bis zu Rarle des Großen Zeit lernt man faft beffer aus den Bräber- 
funden tennen ale aus der fehriftlicen Ueberlieferung. Beide Quellen 
der }Erfennmis dienen jedoch zur gegenfeitigen Ergänzung und Aontrolle. 
Seit Jahrzehnten har eine forgfältige Jorfhung Taufende und Taufende 
germanifdyer Gräber aufgedeckt; diefe Sorfchung har allmählich gelernt, 
die Sunde zu Elaffifizieren und wiffenfchaftlich zu verwerten. YFach' dem 
großen Briege von 1870/71 nahm die nationale Gefbichrsforfdung einen 
großen Auffchwung. Das neu erftandene deutfche Keich unterftünt mir 
reichlichen Wirteln die Befchichte: und Alterrumsforfbung, nicht minder 
tun Dies Die KEingelftaaten. Wir den ftaarlichen, Anftalten der Provinziat 
mufeen woetteifern die Städte, befonders am Abein. Denn auch diefe fo 
aufblühenden Gemeinwefen wollen ficb den Lurus nice verfagen, 
Fünftlerifche und wiffenfchaftliche Beftrebungen nach Aräften zu unter- 
fügen und zu fördern. Und dazu Bomme der Patriotismus und die 
Wunifizenz einzelner reicher Bfrger. Auf foldhe Weife ift 3 2. in 
Worms im Jahre 588) das Paulusmufum entjlanden. Was bie 
Zufammenwirfung von Ibatkraft, Gefchic und Sreigebigleit vermag, 
zeige fi) an diefem Beifpiel im glängenbften Lichte. Zwei Zwecke wurden 
durch diefe Stiftung erreicht: einmal ein altes ebrwürdiges Denkmal 
firchlicher Baukunft dem ficheren Derderben entriffen, dann für die zahl: 
zeichen Jundobjekre ein fähöner Aufbewahrungeraum gefthaffen. Das 
Pautusmufeum ift der Wirelpunkt der biftorifhen Studien fir Worme 
und feinen Besirt geworden. Der Alterrumeverein bat mit geoßem Erfolg 
sahlreiche Ausgrabungen in und um Worms angeftelle, deren Refultare 
das Paulusmufrum bewahrt. Durdy Schenkungen und Ankäufe ift 
diefeo Wiufeum beutigestags zu einer ftattlichen Sammlung angewachfen. 
Die Ronfervatoren diefes Wiufeums, die herren Dr. med. Röhl und 
Dr. phil. Wecerling, baben fodann die ibnen anverrrauten Schige 
wiffenfchaftlich verwertet. Yriemand aber bar ji um diefe Studien 
ein größeres Verdienft erworben, als der ehemalige Leiter des römifd- 
germanifchen Zentralmufeums in Mainz, 2. Lindenfihmir. Er bat fid) 
während vieler Tabrzehnte eingebend mir diefen Dingen befehlftige, 
eine Anzahl Ausgrabungen felbft geleitet, alle Sunde, von denen 
er Rennmis befam, nicht nur regiftriere, fondern aud) womöglich 









Die Bulrur der Germanen am Rheine 123 


tSufchend nadhgeahme und im Mufeum anegeftellt, fo daß das Wainzer 
Wiufeum neben dem in St. ‚Bermainen Lay. das volltommenfte Bild 
der Älteren Ruksur bierer. Wiffenfchaftlich bar er fodann diefe Sunbftliche 
in feinem Were „Alteremer unferer beidnifchen Vorzeit“ behandelt und 
durch vorsügliche Abbildungen erläutert, wobei ihm feine technifdyen 
Benneniffe zu gute Bamen. Die Ergebniffe feiner umfaffenden Studien 
bar er febließlich in feinem „Landbuch der deutfchen Alterrumetunde“ '*) 
niedergelegt, worin er die ftänkifdye Periode eingehend fehildert, mir der 
leider unausgeführten Abficht, von Diefer ficheren Brundlage aus rückwärts 
fhreitend auch die früheren Epochen in derfelben deffriptiven Weife zu 
behandeln. Wan bat fein Buch bemängele, und die. formlofe Anlage 
deffelben verdient gerlge zu werden; die philologifhen Rennmiffe 
Lindenfchmits halten mir feinen technifcben nicht Schritt, deffenungeachrer 
ife fein Sandbuch ein wertvolles Dermächmis diefes fo befcjeidenen. und 
tüchtigen Wlannes. 

Der fehon betonte Eriegerifchye Charakter der germanifchen Stämme 
zeige fich_ in der äußeren Ausftarrung der Gräber. Tin den germanifcyen 
Reibengeäbern liegen fie langgeftreckt da, Wiänner, Srauen, Rinder, Reiche 
und Aemıe, Serren und Anedhte, ungefähieden, die Reidyen angerhan mir 
ihren beften Rleidern und ihrem Schmucke, die {änner mit ihren Yoaffen, 
‚oft die “and am Schwertgriff, jederzeit bereit, auch im Grabe jegliche 
Ungebübr zu rächen. Darin drückt fich ihre nationale Denkungsare aus. 
„%denn am Worgen der “am mit dem goldenen amme die Arieger 
wedht, fo erbeben fie fich und sieben in den Kampf, während die Frauen 
als Waltüren das himmlifcbe Glüc der Eriegerifihen Zelden teilen.“ 

Die antiten Schrififteler werden nichr müde, die riefenbafte Beöfe 
und die leibliche Schönbeit der Germanen zu bewundern. Auch in 
fpäterer Zeit wiffen die "iftoriker von ungewöhnlich großen Männern 
zu erzählen. So maß 3. 3. Barl der Große ficbenmal die Länge feines 
Fußes. Andererfeits Eommen aud) ungewöhnlich Eleine Wänner felbjt 
unter den “elden vor, wie Pippin oder Bonrab, genannt Aursbold, der 
Abnberr des falifähen +haufe. Den Eleinen und zarten Romanen mußten 
die Germanen in ungewöhnlicher Bröße erfceinen, allein die Wieffungen 
der in den Gräbern rubenden Leichen haben keine andere Durchfehnitte« 
größe ergeben, ale die heutige. Wenn Gidonius Apollinaris den 
Burgundern eine Aörperlänge von fieben Schub beilegt, fo ift diefe 
Größe durd) einzelne ausgebobene Stelerre beftärigt worden. Im 


124 6. Bapiel. 


allgemeinen aber meffen die Männer feche Fuß, die Srauen fünf, viele 
Srauen geben indes den Winnern an Bröße wenig nach. 

Die anaromifche Unterfüchung der Bebeine germanifcher Gräber 
ergab Überall das Refultar gleicbareigen Rörperbaues und Schedelbildung. 
Wit Recht fpricht man daber von einem germanifchen Schädel, der fich 
‚von dem anderer Raffen durch das weit berausgezogene, vom Scheitel 
abgefente zinterhaupt cbarakterifiert. Die Befichrebildung it eine Durdh: 
aus barmonifche, und obgleidy die Römer nicht grell genug die Woitbheic 
der germanifchen Barbaren fdyildern Eönnen, fo erfehienen fie ihnen doch 
Beinestoegs abftoßend. Sie rühmen einftimmig ihre woelße aut, ihre blühende 
Beficytefarbe, ihr blondes Zar, ihre blauen Augen. Ale Diefe Bigenfchaften 
finden fich audh heute bei den LTorögermanen, den Siefen und Sachfen, und 
in Begenden, die vom Verkehr abgelegen find. jn den großen Verkehrs: 
‚gebieten am Rbein und an der Donau ıc. haben fich fortwährend Mifchungen 
vollzogen, wwodurd) der Dunkle Typus das Uebergewvichr über den hellen bekam. 

Die Germanen waren fich ihrer Schönheit und Eörperlichen Ueber: 
legenbeit gegentiber den Römern wohl beroußt. Der Derfaffer des Prologs 
zur Lex Salica preift das fräntifde Volt als das „berühmee, von Bore 
felbft gegründete, capfer im Rampfe, feft im Sriedenebunde, rief von 
inficpr, von edlem Mörper, reiner Schönbeit, herrlichem Wuchs, Eühn, 
taf) und fireng“. Auch das ‘Epos erteilt feinen &elden Diefelben Bei: 

: „die degen kuene unde balt, die snellen degene, die grimme 
kuene man“. Papft Bregor I. rief beim Anblic® angelfächfifcher Bnaben 
freubig erregt aus: „Vlichr Angeln find es, fondern Engel." Befonders 
zeichneten fich die Burgunder und Alamannen durch ihre Größe aus. 
Lestere nenne Ammianus Warcellinus Eräftig und ungemein hochgewachfen, 
und die Anmur weiblicher Schönheit preift Aufonins entzticht in feinen 
Gedicht auf die alamannifde Wagd Biffula: 

Zur Katinerin zwar nun geworden, doch deutfe) mod von Antlig, 

Simmelblau nod) ihr Aug’, golden ihr rötlihes Saar. 

Mifcpe doch Maler wohlen die purpurme Rof und die Kilie, 

Und mit der duftigen Sarbe davon dann male dies Antlig. 

So war Diefeo Befchlecht von der Yarur fr den Krieg gefchaffen 
und durch fietige Uebung des Mörpers hielt eo fid gefund, frifch und 
träftig. bre Bampfeoluft prägte jich audy in der Ylamensgebung aus. 
Mit den Woreftämmen wie: balt, ger, gunt, hilt ıc. ıc., die alle die 
Grundbedeurung „Bampf” haben, find eine Waffe von Llamen gebilder. 


Die Bultur der Germanen am Aheine. 225 


Die germanifchen Gräber, deren Sundftlche wir für die folgende 
Schilderung verwenden wollen, datieren aus ber Zeit zroifhen- dem (Ende 
des $. bie zum 8. Jahrhundert. Beftände hierüber nod) ein Zweifel, fo 
wiirde derfelbe durch die {Wünzen, bie man 5. 2. fräntifchen Gräbern 
in Worms enmommen bat, gelSf"“). 

Wie die Griedyen und Römer fo Bannten audy die Germanen die 
zwoei Deftarnungsweifen: das Verbrennen und das Begraben, allein das 
iegtere Bommt, wenigftens in biftorifcher Zeic, faft ausfchließlidh vor. 
Dei den Sriefen und Sachfen zwifden Lime und Elbe wurde der 
Xeichenbrand ale narionale Sitte noch in hiftorifcyer Zeit feftgehalten. 
Auch bei den Alamannen läße fid) der Leicyenbrand nachweifen. Aus 
einem Brandgrab bei Ylaffenbeuren in Oberfehwaben flammt eine Thon: 
f&beibe mir Runenzeichen. indes das Begraben war bei den Sranken, 
Burgundern, Alamannen, Langobarden ıc. narionale Sirre. 

Aus der Urzeit datiert der Gebrauch, über ber Leiche einen Brab- 
bügel aufsufchürten, ein Gebrauch, der fich zum Teil bis in die chriftliche 
3eit hinein erhalten hat. Zn den Aheinlanden fand man foldhe Brabbiigel, 
unter anderem in Wiefenthal, Amt Philippeburg, in Schweingen ıc. 
Der Brabbligel beftehe in der Regel aus einer Erdfchlirrung. Bei den 
‚Sranten und Burgundern fäheinen diefe Brabbügel nichr üblich gervefen 
zu fein. 

Viel häufiger find die fogenannten Keibengräber, Sriebböfe nach 
beutiger Art angelegt, in welchen die Gräber in regelmäigen Reihen 
geordnet waren, mit der Aidytung von Weften nach Often. Zuweilen 
berrägt, namentlich in Yleufteien, die Zahl der Bräber bis zu $000; in 
den überaus bäuflg vorommenden cheinlänbifcyen Keibengräbern ift die 
Ansabl der Gräber geringer, 30 bis 60. Ylur in der LIähe großer Seädre, 
wie Worms und Wiains, haben diefe Brabftäten größeren Umfang. 

Diefen Jeiedböfen bewoies man große Pierde und fuchte fie durch 
Mafregeln vor Verlegung ihres inhalt zu fühlen. So beißt es 
Tit. LV der Lex Salica: „I. Wenn jemand die Leiche eines geröteten 
Mannes, ehe fie zur (Erde beftatter wird, heimlich ausplimdere und deffen 
überführt wird, fo foll er zur Besahlung von 2500 Pfennigen oder 
63 Scyillingen verurteilt werden. 2. Wenn jemand eine fon begrabene 
Leicye ausgeäbt und beraubt und deffen tberführr woird, fo foll er aus 
der menfehlichen Befellfchaft ausgeftoßen fein, bis an den Tag, da er 
fi) mit den Verwandten des Beftorbenen ausgleicht, und diefe follen 





126 - 5. Bapitd. 


für ihn bieren, daß ihm. erlaubt werde, unter Wienfcben zu Bommen ıc.“ 
In einer Gloffe zum Ariel I diefes Gefenes erfcbeint der Ausdrud: 
thorneschales, was Jakob Grimm mit Dorngesweig, Dorngeflechr 
ertlßrr. Beim Verbrennen der Leiche wourbe der gebeiligte Dornftraud, 
verwendet, und ebenfo wurde er beim Zegraben auf den “hügel des 
Toren gepflähse. Diefe Sitte erhielt ic in YIorbbeurfchland lange fort. 
Aber man bat au das ganze Brabfeld durch einen geflochtenen Zaun 
von Dorngefträuchen gefichere. Solche mir Dornhägen umfchloffene 
germanifdye Gräber hatte offenbar Ammianus Wlarcellinus vor Augen, 
als er von der Abneigung der Bermanen gegen die Städte fpradh 
(XVI, 2, 12): „Sie fähenen Diefelben wie mit ägen umfehloifene Gräber.” 
Aus folbem dichrgeflochtenen Bufchwert wurden die Landiwehren ber- 
geftelle, die feyon I. Car, Bell. Gall. II, 17, kennt. 

Die Zufäge zum Ti: LV der Lex Salica'®) beiehren uns ferner Über 
das Ausfehen der Gräber: 

2. Si. quis cheristonicam super hominem mortuum capulaverit. 
Walberg Gloffe: madoalle aut selave que est ‚ponticulus sequentem 
mortuum 'expoliaverit, de unoquoque de istis solldos XV culpabilis 
iudicetur. 

Dies erläutert die fpäeere Emendatio wie folgt: Si quis aristatonem 
hoc est stapplus super mortuum missus capulaverit aut mandualem 
quod est ea structura sive selave qui est ponticulus sicut mos antiquorum 
faciendum fult, qui hoc distruxerit aut mortuum exinde expoliav .. . 

3. Si quis basilicas expoliaverit desuper hominem mortuum. Wialb. 
Gloffe: chereotasino, solidos XXX, culpabilis iudicetur. 

Grimm ertlärt das YOort cheristonica oder aristato als eer: oder 
Woegfäute über dem Grabe, die Blofe madoalle oder manduale als 
geflochtenes Bitter, Bern als Umzsunung'“). 

In Worms war bis zur frangöjifehen Revolution der Jobannesfricdbof” 
niche ducch fteinerne Wauern oder hölserne Zune abgefehloffen, fondern 
duech Gräben, Über welche beim Zingang ein durchlöcherten Zifen- oder 
Solsgierer gelegt war, das den Wienfehen den Kintritt ermöglichte, nicht 
aber den‘ ZJunden, die mit ihren Pforen in die Löcher einbrachen'“). 
Das rärfelhafte Wort selave erhält eine Erklärung durch den Zufag: 
qui est ponticulus. ben jene durchbrochenen Bitter Dienten als Brickchen. 
Zindenfchmit verweift Dagegen auf den in Bayern und Oefterreidh noch 
beute üblichen Gebraucy, den Rofegger öfters erwähnt'“), wonach die 





Die Rutur der Germanen am Rheine. 127 


Verfiorbenen bio zum völligen Erkalten auf‘ die Toten: oder R&-Brerter 
(auch im Ylibelungenlied wird Siegfried auf das r& gelegt) gelegt werden, 
die in rohen Umeiffen eine menfeblicbe. Beftalt darftellen. LIach der 
Beerdigung werden fie bunt bemalt, mit dem Ylamen und Lodesrag 
des. Verftorbenen bezeichnet mir Beifügung eines frommen. Sipruchen; 
wie 
2 Auf diefem Brette bin ich gelegen, 

Was ibr feid, bin aud) ich geweien, 

Und was ich bin, da werd't aud) ihr, 

Geht nicht ohne Sürbitte von mir. 





Und fodann „an eine Wand genagele oder am Seldrain, an einem 
Wegteeize aufgeftelle oder aud am Waldrande hingelegt auf moofigen 
Beund, um den Sußgebern als Steg zu dienen. Es ift gleichfam, daß 
man fich auf allen Wegen und Stegen an den Tod erinnern folle; das 
gebörr zur Zebenskunft, denn nie ift das Leben fo füß, als in der 
Vlachbarfchaft des Todes“ (Hofegger). 

Die Basilica super hominem mortuum ift eine Fleine Mapelle, die 
in Sorm einer Bafllita auf dem Grabe errichtet wurde, meift wohl 
von “oh. 

Aber alle diefe Schug: und Zierbauten fiber den. Bräbern unferer 
Vorfahren find fÄyon längft verfdhrounden, ohne eine Spur zu binterlaffen, 
dagegen haben jich die Steintafeln, mit Infehriften und Symbolen ver« 
siert, erhalten. Diefe Tiruli waren urfprünglich über dem Grabe auf 
geftelle; fie find dann eingefünfen und von der Vegetation und der Erde 
überdecßt worden. Einige diefer Denkfteine wurden auf dem- chriftlichen 
Grabfeld bei der Liebfrauenkirche in Worms gefunden, andere auf. dem 
uralten Sriedbof bei der Bapelle des St. Aureus in Wainz, in Bingen 
und anderswo!®). 

Die Germanen haben antike und chrüftliche Bildungselemente in jich 
aufgenommen und mir ihren eigenen verarbeitet. Das zeige fich auch 
beim Begräbniswefen. Uralt ift der Bebraudh, die Toren im bloßen 
Boden zu brerdigen, der namentlidy am Ahein bäufig vorkommt. Dei 
den Bayern wurde die Leiche durch ein über fie gelegtes Brett vor Ver- 
Iegung durch die berabgersorfene Erde gefihbligr. Aterrimlich ift auch 
die Beifegung in ausgehöbleen Baumftsmmen, die bekanntlich audy ale 
Bäbne dienten. Solche Totenbäume find befonders bäufig in Miectienburg, 
auf der Eimbrifden “albinfel und in HEngland gefunden worden. Bei 


128 6. Rapid, 


den Alamannen im heutigen Württemberg waren diefe Totenbäume das 
ganze Wirrelaler hindurch üblich. Der Dedel wurde mit einer roh: 
‚gefehnietenen Tierfigur gefchmict, vielleicht den ber, das heilige Tier 
der Sco, darftellend. Audy das falifche Befen Eenne den Torenbsum 
unter den Ylamen naucus-- navis (Schiff). “ine hierauf bestigliche 
Anetdore erzählt Gregor von Tours in feiner Srantengefchichte. &erzog 
Rauching befaß unter feinen börigen Leuten einen üngling und ein 
Mädchen, die fid) liebren. Sie floben zufammen in eine Kirche. Der 
soerzog forderte vom Priefier der Riccye die Auslieferung des Liebeepaares 
mit der Zuficherung, es folle ihnen Bein Leid roiberfahren. Der Priefter 
verlangte von ihm einen Libfchrour, den Rauching fdyreur: „Sie follen 
‚niemals durch mich getrennt werden, fondern ich will vielmehr alles dazu 
beitragen, daß ihre Verbindung beftebe.“ Burmiirig rraure der Priefter 
dem Argliftigen und lieferre ihm das Pärchen aus. „Sogleich lie er 
einen Baum umbauen, die Aefte abbadten, den Stamm an den Enden 
durch einen Beil fpalten und ausböblen, Darauf‘ drei oder vier Fuß rief 
die {Erde ausgraben und den Sarg in die Brube jenfen. Dann ließ er 
das Wiädchen hineinlegen, gleid wie eine Tote, und den Mnedht über 
fie; man fehloß den Dedel, füllte die Brube wieder mit Erde und begrub 
fie fo lebendig. „Jc babe,‘ fagte er, ‚meinen id nicht verlegt, daß fie 
in Ewigkeir nicht gerrennt werden follen.“ 

Auf römifchen Einfluß find bingegen die eigentlichen holsfärge mir 
und obne Eifenbefchläge zurhdtjuführen. WDir willen ja bereits, daß 
folche Kolsfärge röbefter Ronftruttion häufig auf den römifchen Grab: 
feldern in Worms gefunden wurden. Der Srantentönig Childerich war 
in einem folden *olsfarge beerdigt. Diefe DBegräbnisweife war in 
YReufteien bei den Romanen und Sranten ganz allgemein üblich. 

Yo das YWlaterial vorhanden war, benunte man fleinerne Gärge. 
Die Platrengräber oder Plattentammern gebören erft der fpäteren Zeit 
an. Sie finden fid hauptfächlid, bei den Burgundern und Sranten, 
doc aud bei den Alamannen, in Abeinbeffen fehr häufig. Die 
Steine, aus denen die Plattenfärge gemacht wurden, find entweder 
Sindlinge oder aus dem Selfen gefprengte Tafeln. LTody bequemer war 
es, wenn man zugerichtete römifche Steine oder Ziegeln benugen Eonnte. 
3. 3. wurde an der Ecke der Bau: und Wierowingerftraße in Worms 
ein ftäntifces Rindergrab aufttededtt, das aus römifdhen Ziegelfteinen 
aufammengeftelle war. Aömifden Urfprungs find die monolitbifcyen 


Die Bulrur der Bermanen am Rheine. 129 


Seatonbun, die vorzüglich bei den Franken und Burgundern beliebt 


an benuste am liebften alte römifche Särge, zumal in Worms, 
100 das Gteinmaterial felen war. 1834 fand man auf der Stofeire 
des Doms zu Worms 20 römifche Steinfärge, darunter einen mit der 
Tnfebrif: 

OCTAVIAE AMANDAE CONIVG 
CARISSIMAE LASSONIVS FIRMINVS 
RC 

Der fähwere gewölbte Deckel bare drei eiferne Yinge; auf der 

unteren flachen Seite ftand in Uncialfchrift: 
EBBO WOLFGANG. 

Auf der inneren Seitenwand eines anderen Sarges las man in 
toher Uncialfdyrift: ‚WOFFLIN., auf der unteren Seite des Deckels: 
FRIDEKIN. 

Diefe Särge wurden zu fränkifcher Zeit Sfiers benlige und in 
fämtlichen tagen mehrere Berippe, was ja chriftlicher Sitre widerfprach. 
1881 fand man an der Schillerftraße eine fräntifdhe Leiche mir Beigaben 
in einem römifchen Steinfarge, ferner fränkifche Plattengräber mic Reften 
tömifhyer Tnfchriften auf der Schmalfeite; die Deefplatte eines fränkifchen 
Plattengrabes bildete der Brabftein eines Soldaten der zweiten parthifcdyen 
Legion'“). Banz befonders intereffant ift ein Steinfarg, der im fräntifdyen 
Grabfeld zu Rleinwointernheim gefunden wurde und aus dem Brabftein 
eines römifchen Reiters bergeftelle ift. Ale Deckel dienre der Denkftein 
eines Soldaten der XIV. Legion‘). 

Durchwegs liegen die Rörper von Weften nad) Often, das Anklig, 
der aufigehenden Sonne zugetehet. Diefe Orientierung Eomme fähon 
vereinzelt in den Gräbern der fogenannten Steinzeit, öfters in der Gall 
hatt: und La Töne-Periode vor, aber erft die chriftliche Sitte bar ihr 
zum Siege verholfen. Ylide mehr wie fiber fenten die chriftlich 
gewordenen Sranken, Burgunder und Alamannen ihre Toten in einzelnen 
igeln bei, fondern, chriftlicher Sitte fich fügend, begruben fie diefelben 
auf gemeinfihaftlichen gerweibten Seiedhöfen bei Rirchen und Rapellen. 
Indes das beidnifche YWefen war nicht fo leicht und fo bald zu 
verdrängen. Selbft auf chriftlichen Rirchhöfen wurden in ein Brab 
mehrere Tote übereinander gelegt, was die Lex Salica als chriftlicher 
Sitte woiberfpredyend verbot. Marl der Broße bat wiederholt gegen die 


14.2000, Di Auıur Sr iifärn Ste I ” 


136 s. Bapkel, 


beibnifchen Gebräuche Befene erlaffen, und feinen ernften nachbalcigen 
Beftrebungen ift es vornehmlich zu verdanken, daß die chriftliche Siree 
zur allgemeinen @eltung gelangte. “eibnifder Bebraudy war es, daß 
man auf den Gräbern Opfermabiseiten bielt, wobei man Totenzauberlieder 
(dadsisas) fang, die den Zwect hatten, den Beift des Verfrorbenen an 
der Aüchtehr auf die Wrde zu verbindern. Eben das bezeichnet der 
Indieulus supersttionum als Safrilegium, und noch Burdhard von 
Worms kämpft gegen diefen beidnifchen Bebraudh an'”*). Yieben dem 
Grabe finder man öfters Refte von Afche, Roblen und Scherben von 
Tongefäßen, die mir Tierfnoden angefülle waren. Zur Zei dee 
Bonifatius beteiligten fich felbfe cheiftliche Priefter an folden Toten: 
mäblern auf dem Grabe. Den Toten gab man fodann Speifen und 
Tranf mit, und Tiere wurden mir ihnen begraben, Pferde und Zune, 
aber auch dirfehe, Kühe, Schafe und Schweine. in der tarolingifchen 
Zeit hört dies auf. Länger erbielt fich die beidnifcbe Sitte, den Toren 
Wängen ımter die Zunge zu legen, und bis rief in die Parolingifche Zeit 
binein bewahrte man den Gebrauch, dem Toten Schmuck und Geräte 
mitgugeben. 

Aucy das war römifdhe Sitte gewefen; aber während man niemale 
in römifchen Gräbern YOaffen findet, weil diefe Staatseigenuum waren, 
fo bilden fie Dagegen den wertoollften und intereffanteften Inhalt 
germanifdyer Gräber. Dem Germanen waren die Waffen das Liebfte, 
und er mochte fich auch im Tode nicye von ihnen trennen, obfchon fie 
außerordentlich teuer und Boftbar waren. Ylacdy dem ripusrifcen Gefe 
wurde ein Schwere mit Scheide zu 7 Schilling angefent, obne Scheibe 
zu 3 Schilling, Schild mit Lanze zu 2 Schilling; aber eine Rub war 
mur zu I Schilling gewertet. Alfo woiırde, da eine Ruh durchfehnitrlich 
300 Wark heutigen Geldes Bofter, ein Schwert mit Scheide damals 
2000 Wlark heutigen Geldes gegolten haben. Sabritate hatten eben 
einen fehr hoben Preiswert. 

Im allgemeinen ftimmen die Arten und Sormen der Waffen bei den 
Burgundern, Alamannen und Sranten überein, die Technik if Diefelbe, 
doch in Kinzelbeiten bemerkt man Unterfbiede. Schleudern baben fid, 
in den Gräbern nicht erhalten, Bogen febr felten, wohl aber Pfeile, 
deren Spizen aus Seuerftein gefcnitten, fpäter aber ganz von Hilfen 
waren. Der Gebraud) von Pfeil und Bogen ift für die Sranten und 
Alamannen lrrerarifch zu gur bezeugt, als daß man auf das Schweigen des 


Die Rultur der Germanen am Abeine, 131 


Tacitus Gewicht legen dürfte, und zudem find Blindel von Pfeilfpizen 
in vielen Gräbern, 3. DB. auch in Slonbeim, gefunden worden. Eine 
nationale YVaffe fon in der Urzeir war der Speer, der als Symbol 
fränkifcher "GerrfchermoCirde galt und zugleich als Symbol der Vollfreiheir. 
Ein Editt Rarls des Broßen unterfagte dem “örigen den Gebrauch 
der Lanze; wenn fie bei ibm gefunden würde, follte fie auf deffen 
Rüden zerbrochen werben. Die Lanze wwar die verbreiterfte Waffe unter 
ben Germanen und Tomme in den Gräbern in den verfehiedenjten Arten 
vor. Schon Tacirus erwähnt diefe YIarionalwaffe: „Sie führen Speere, 
die fie Samen (offenbar mir vram = vorwärts zufammenbängend) 
nennen; diefe find von fihmalem und furzem ifen, aber fo fbarf‘ 
und handlich, daß fie mit derfelben Waffe, wie es die Umftände er- 
fordern, fowwohl in der YLdhe wie aus der Serne Pimpfen Können.“ Die 
ättefte Sorm der fränkifchen Speere ift 5. 3. im Grabe Ehilderiche I. 
verrreten. Diefe einfachen Speereifen erreichen felten die Länge eines 
Fußes. Säufig HR die Dlacrform, die zuweilen aus fhön raufebierrem 
KEifen beftehr; der Schaft ift von Hfche; auch die Raurenform war beim 
Speereifen beliebt. Der Speer diente fonmohl ale Wurfioaffe wie zum 
Stechen. Eine eigeneimliche Form Deo YOurffpreres oder Bers, die bei 
den Burgundern und Alamannen, zumeift aber in fränkifchen Gräbern 
vortommt, ift der Ango (angel), d. b. “akenlanze, die aus einer vier 
Fuß langen fifenftange befteht, auf der fich eine Furze, ftarke, vier: 
Kancige, mit Widerbaken verfehene Spine befindet. YTach der Schilderung 
des Agathias ift Diefe Waffe fpeziell den Sranten eigen. „Die Angonen 
find micht gang Turse, aber audy nicht fehr lange Speere, zum Wurfe 
tauglich, wie zum Bampfe in der Ylähe. Sie find zum größten Teil 
mie $Eifen bededit, fo daß vom else nur wenig, und Baum fo viel, 
als für das untere Befchläge binreicht, zu feben ift. An dem oberen 
Teile des Speeres ragen jedoch auf beiden Seiten gerimmte Spigen 
vor, welche hatenfSrmig zurüch- und abwärts gebogen find. m Rampfe 
wirft der fränkifcye Krieger den Ango, der, fobald er den Körper trifft, 
überaus rief eindringe und von dem Verwundeten nicht berausgesogen 
werden Bann, wegen der Wiberbaten, die furdhtbaren und tödlichen 
Schmerz verurfadyen. Sieht dies der Srante, fo fpringe er hinzu, 
deheke duch einen Tritt auf den Speer mit der Laft feines Körpers 
den Schild des Begners herab und eöter den nun Unbedecften mir der 
Apt oder einem anderen Speer.” Das Vorbild des Ango ift das römifche 


12 Rapid, 


Pilum und diefes wieder eine YTachbildung des erruskifchen Kifenfpeere. 
Aus dem Ango bat fid fodann in der Solge die Sarpune entwickelt. 

Eine uralte, fehr einfache Waffe war die Golskeule, weldhe naclırlich 
der Zerftörung im Zoden nicht enrgeben Eonnte. INdor (Eiym. XVII, 7) 
nenne die YWVurfeule Cateja, Die alles zermalmt, was fle trifft. Von 
‚einem Belibten geworfen, fhnellte fie, nachdem fie das Biel getroffen, 
won felbfe woieder in die and desfelben zurhct. Zn der Tarolingifchen 
Zeit verfÄhmeinder die Meule als Waffe des “eeres, blieb aber beim 
gerichtlichen Sweitampf üblich. 

Eine Wurfivaffe war ferner das Beil, bei den Sranten Francisea 
genannt. Sie wurde auch im Brabe Childeriche I. gefunden. Wie 
diefer furdprbaren Waffe erfehlug deffen Sohn Cplodiwig feine Denwwandten. 
In der Srantengefchichte Bregors von Tours ift Überall die Francisca 
die Mordiwaffe. Sie wurde allmählich durch das Schwert verdrängt. 
Aus dem YWieffer, Sax genannt, ging das Murgfdyeoert hervor, das eine 
durchfchnittliche Länge von 22 bis 33 cm bat. Es diente fomohl als 
Stoßtwaffe wie als Wurfmeffer. Der Langfar bar eine durchfähnirrliche 
Länge von $0 bie 60cm und feine Klinge eine Breite von 3 bie 4m 
und wurde bauptfächlich als Stofwaffe gebraucht. Zr ift das Vorbild 
für das Waidmeffer und den Sirfehfänger. 

Der Seramasax, das einfehneidige Rurzfhrwert, hat eine Länge von 
44 bis 76cm und Die Rlinge eine Breite von 4 bis S'rcm. Der 
Nücken ft verfiärft und giebr daburdh der Waffe befondere Wucht. 
Der Seramasax ift die gebräuchlichfte VOaffe des gemeinen Kriegers, 
weshalb er ungemein häufig in den Bräbern gefunden wird. Der Griff 
befteht meift aus “pols mit Leder überzogen oder auch aus Bein. 

Das eigentliche Schlachefähiwert ift die Spatha, das ziweifchneidige 
Zangfehtwert, einft die nationale Waffe der Bermanen bei ihrem erften 
Auftzeren in der Befchichte. Die Römer bilderen diefe Waffe nad) und 
tüfteen mit ihr die Aupiliaren aus, während die Legionen den Gladius, 
das alte römifche Kursfchwere, führten. Die Spatha galt ale Symbol 
des Rriegsgortes; auf ihr wurden die Hide gefchworen; fie ift das ganze 
Wirtelalter hindurdy die Lieblingewaffe der Deurfchen gewefen, welche 
durdy die Wucht ihrer “iebe den deurfchen YTamen bei anderen Völkern 
furchtbar gemacht hat. Langfam nur feheint die Spatha zum allgemeinen 
Bebraudy gekommen zu fein, denn ihre Anferrigung erforderte befonders 
bobe technifehe Gefchyicklichkeit. Der WaffenfÄhmied war hoch geehre bei 


Die Zulrur der Germanen am Aheine. 133 


den germanifchen Stämmen, und fein Rubm erbiele fi im “eldenlied 
neben dem des Volfshelden. tin vortreffliches Schwert hatte einen 
febe großen Wert. Wir faft überfehmwenglichen Worten dankt der Boten: 
Tönig Tbeoderich dem König der Vandalen Ihrafamund für das 
Gefchent fehöner Spaten. Er rübmt übten fpiegelnden Glanz, die 
Bleichmäßigkeit ihrer Schneiden, die anmurige Wirkung fraufer Schlangen» 
windungen in ihrer Joblfeble und den bunten Schimmer, der fich auf 
dem Teuchtenden Metall aus diefem Sarbenwoechfel ergiebr'”). Die Rlingen 
waren damasciert, eine Technik, die aus Aflen ftammt. Befonders war 
Regensburg als Sabrifarionsort guter Waffen berhhme. Vortreffliche 
Schwerter wurden höher als Bold gefäydar ımd waren wertvolle Stücke 
des Schanes. Ainzelne Schwerter genoffen eine befondere Berlibmebeit, 
wie Wielands YWimung, Giegfrieds Balmung ı. Vom Schwerte 
Balmung rühmt das “eldenlied: 

SO starc unt auch sö scherpfel wie vreislich ez snlt, 

Swä man ez sluoc Of heime! sin ecke wären guot. 

Marl der Brofe trug die Spatha, von der die fhauerliche Sage 
erzähle, daß an ihr die beflegten Seinde gemeflen wurden und niemand 
verfehont blieb, der größer war ale das Schlachtfchwere. Dem Schwerte 
wurde eine eigene Perfönlichkeit sugefehrieben, die dem Uräger desfelben 
zuweilen. verderblich ward. 

Seine Länge beträgt 8I bis 97 cm, die Breite 4" bie 6 cm. Die 
Grifflänge entfpricht einer flarken “and. Der Griff it meilt reich 
verziert, mit Boldbleh und Ebelfteinen. Die Scheide ift von Zols, mit 
Leder überzogen und mir Werallbefchlägen verziert. Befondere Zierden 
des Schwertes bilden das Wiundftüc und das Ortband der Scheide, 
forwie der Befcylag des Wehrgehänges. Eine reichversierte Spatha Deuter 
immer auf eine hervorragende Stellung des Befiners bin. fine folche 
Spatha, deren Länge 89,5 cm beträgt, fand fich 3. 3. auch in dem 
großartigen Brabfund zu Slonheim bei Worms; außer der Spatha lagen 
in dem einen Grabe ein Ängo und eine Lanze; erfterer bat eine Länge 
von I,I6 m; die Lanze von böchft zierlicher Sorm ift 62,5 cm lang. 
Audy vom Schilde waren Refte vorhanden”). 

In einem anderen Brabe dafelbft wurde eine Spatha gefunden, die 
den Vergleich mir den anderen Rönigefähtwerrern wohl aushält. Sie 
bar eine Länge von 76 cm, doch fehlen einzelne Städte der Klinge, 
deren Breite 61 mm berräge. Der Griff ift aus Sols, mit einer dicfen 


134 8. Bapirl, 


Boldplatte belegt. Die goldene Griffplatee wird beyrense durch eine 
goldene mit Almandinen eingelegte Griffleifte, gans Ähnlich dem Schwerte 
des Mönige Lbilderich (Lindenfehmir, Yandbuc, Sigur 165). Die 
Almandinen find mir einer Boldfolie unterlegt und in der Mitte der 
Leifie zeige fich eine vofertenförmige Vertiefung. Auch das untere Ende 
des Griffes, gegenüber dem Wiundfiti? der Scheide, ft mit breiten ver- 
sierten Bolbleiften gefbmicht. benfo rei it die Scheide verziert 
gewefen, von der einige "oolsftlche erhalten find. Das Wundftic war 
aus Silber, vorn mit einer dien Boldplatte belegt. Diefe Boldplarre 
ift mit runden und bersförmigen Ausfchnitten verfeben, die mir Edel 
feinen ausgefüllt find. Diefer Schmuc? des Mundftüces gleicht am 
meiften dem des fogenannten Schiwertes des Rönige Theoderich (im 
Grabfund aus Pouan, Lindenfbmir, Fandbucb, Fiir 156). Wie 
jenes bat die Stonbeimer Spatha zwei Riemenbalter auf der vorderen 
Seite der Scheide. Diefelben find von Bronse, und mir ihren Spigen 
in das sols der Scheide eingelaffen. Der bgelfsemige Teil Diefes 
Befhlags, durch Das der Schwertriemen gesogen wurde, beftebt aus 
maffivem Bold, das mir voren Steinen und in der Wire mir einer 
Beinen Roferre von Elfenbein verziert ift. Der Schwverrriemen war mit 
bersförmigen, maffiv goldenen Anspfen gefchmücke, die, von einem 
geperiten Rande umgeben, fe einen roren Stein trugen. wEntfprechend 
dem Wundfilic® der Scheide war aud) das Drrband gefbmlicht. se 
befteht aus einem fülbernen Zügel mir langen Leiften, an deffen unterfter 
WSIbung ein maffio filberner, mit Vergoldung, Yliello und Almandinen 
verzierter, pbancaftifch geformrer Auffan angebracht ift, (mie auf den 
Abbildungen von Lindenfehmite Jandbuc, 5. 235) ”). 

Als vornehmfte Schugmaffe diente der Schild. Wer ihn verlor, 
galt fr feige und ehrlos. Der Schild war nady der Schilderung des 
Agarbias febr einfacher Ar: In der Vorbereitung zur Schlacht fdyirften 
einige der Alamannen und Sranten ibre Merte und Angonen, andere ftellten 
ihre zerbrochenen Schilde wieder ber, die leicht von ihnen gemacht werden 
önnen, denn einfach und gering ift diefes Volkes Waffeneiiftung, fie 
bedarf‘ nicht verfehiedener Wertmeifter und Fann leidr von denen, die 
fie gebrauchen, wieder auegebeffert werben. Panzer und ZBeinfehienen 
tennen fie nicht, die meiften fehlen ihr Zaupt garniche, und wenige 
tömpfen mit dem “elme bedecit. Der Körper an Bruft und Klcen 
ift nacht, umgiirtet von da ab mit leinenen oder ledernen ssofen, welche 


Die Rultur der Germanen am Aheine 235 


die Beine bedecten. — Die Schilde waren von “ols, mit Leder überzogen 
und mir einem effernen Schildbuckel und Schildgriff. Daher ift in den 
Gräbern vom Schilde nicht erhalten ale die Kifenbeftandreile. Boftbar 
waren die Schilde der Sürften. Vom Schilde des Rönigsjlingling 
Sigismer und feiner Begleiter leuchteren die Buckel in goldenem Schimmer, 
und Waltharis Schild war reich und funftvoll verziere, mit Leder Über- 
zogen und fehön bemalt; er reiste befonders die Begierde der Franken. 
Die gefallenen Arieger werden auf den Schilden vom Bampfplane 
weggerragen. 5 beißt eo im Ylibelungenlied: 

DS die herren sahen, daz der helt was töt, 

Sie leiten in Qf einen schil, der was von golde röt. 

In der beidnifden Zeit gab man den Schild dem „elden mit ins 
Grab, fpäter bing man ihn in der Kirche auf. 

„elme, Panzer oder die Brünme und Beinfäyienen find nur von den 
Fürften und Vornebmften getragen worden, und die Lex Salica gedenkr 
ihrer niche, erjt die fpätere Lex Ripuaria erwähnt die Brünne und die 
Beinfeyienen (Bainbergae). Auf deutfchem Boden bat man foldbe Waffen: 
ffüche bis jene noch niche gefunden, mir Ausnahme eines “Helmes, der in 
der Schilderftraße in-Worms ausgegraben wurde und vielleicht febr früber 
Zeit angehört. Diefer feltene Gund ift eine eiferne mit Ramm verfehene 
Gelmbaube, mit bewoeglichem KTactenfehieme und Wangenbändern. Spuren 
urfprünglicyer Vergoldung find fichrbar'”). 

Vor allen anderen Stämmen werden die Alamannen als flotte 
Reiter gerübmt. Auch die Burgunder befaßen eine gute Keirerei. Der 
eömifce Milirkefchrififtellee Vegetius lobt die Pferde als Eriegerüchtig 
und abgebäerer. Zn den burgundifchen Gräbern wurde bis jene nur 
ein Sporn in Bel-Air gefunden; bäufiger dagegen im Abeingebiet, 3. B. 
in Oftbofen. ıc., und swar immer nur ein Sporn für den linken Zuß'”). 
Krft dem Ende des 9. Jahrhunderts gehört ein Sporenpaar an, das bei 
Tlierftein im Abeine gefunden wurde. Der Bligel beftebt aus verzierrer 
Bronze, der Dorn aus Kifen”‘). YWanchmal wurden die Pferde mit: 
begraben, doch häufiger begnügte man fid mit der Beigabe des Pferde: 
gefihirrs. Trenfen wurden unter anderem in Selsen, „eidesbeim und 
‚Slomborn gefunden. In Gräbern aus der merovingifchen Zeit hat man 
bis jene nirgens Ueberrefte von Steigbiigeln aufzedecht. Dagegen fand 
man foldhe in einem Grabe zu Befthely in Ungarn, das dem 4. Jahr 
bundere angehöre'”). Zn einem (pdrfränkifchen Brab zu Slomborn fand 





136 5. Rapiel 


fi ein Sreigbügel). Sattel, und Riemenwert waren reich verziert. 
Die Zierplarren haben fi auch in rbeinifehen Bräbern, zu seidesbeim 
bei Tingelbeim, gefunden; fie find von vergoldereem KErze und überaus 
reich und gefchmacPvoll verziert. So wenig wie die Römer befchlugen 
die Deurferen ihre Pferde. rt im 9. Tabrhunderr feine der uf: 
befchlag üblidy geworden zu fein. Die Pferde waren von Bleiner Kaffe, 
aber febr auedauernd: Die Yauptkraft der Leere lag indes beim Sußvolt, 
und auch der Reiter war gebt, zu Suße zu fechten. Ta in Zeiten der 
Gefahr mußten der Rönig und die Vornehmen abfinen und mit dem 
Volke zu Suße tämpfen. 

Die Bermanen liebten die bunten Sarben. Wie le ihre Schilde, 
ihr Gausgerkte, das Bebälk ihrer dufer gern mit brennenden Sarben 
bemalten, fo bevorzugten fie auch in der Mleidung bie rief in das 
Wittelalter binein das farbenreiche, während im Begenfan dazu der 
moderne Wienfeh fich fehent, durch feine Äußere Zrfcheinung aufiufallen, 
umd fi) daher in unfeheinbare indifferente Sarben Fleider. ron aller 
inwirtung römifcher Gebräuche in den Zeiten des engen Zufammenlebens 
mir den Romanen haben die Sranten doch im wefentliden ihre alte 
Voltstracht bewahrt. Diefe Tracht, welche Sidonins Apollinaris mit dem 
Zochmur eines Bufeurmenfchen gefchildere har, gleicht am meiften 
derjenigen der Bergfehorren. Das enganliegende buntgeftreifke Aleid 
Teichre bie an die Anieehle und ließ Anie und YOade bloß; die Aermel 
bedecten nur den Oberarm. Ein farbiger Mantel umbüllte die Eraft: 
volle Geftalt. Als LBigenchmlichfeit der Sranten bezeidhner Si 
den breiten Glirtel, den enganfdhließenden Beibrocd® und die Furze bis zum 
Anie reichende “oft. Bart der Broße Eleidere fich nach varerländifcher, 
d. b. fränkifcyer Weife. Er mug ein leinenes Zemd und leinene Unter- 
ofen, darlıber ein WOams, das mit feidenen Streifen verziert war, und 
‚ofen; die Beine waren mit Binden umfehnöre, und an den Süßen 
ug er Schuhe. Im Winter fehlte er ch gegen die Rälte durch 
einen aus Seehunde: und Zobelpel; verfertigten Rod. Endlich ug er 
einen merrgrüinen Wlantel und zu jeder Zeit das Schwert, deffen Griff 
und Gebent von Gold und Silber war. Ylur bei großen Staatsatten 
bequeme er ficb zur römifchen Tracht. Ylotker, der Möndy von 
St. Gallen, giebt eine genaue Schilderung der fränkifchen Tracht. „Sie 
beftand in Schuben, die außen mir Bold gefähmüctt und mit drei Ellen 
langen Schntiren verfehen waren, fearladyenen Binden um die Beine 








Die Bultur der Germanen am Abeine. 137 


und darunter leinene “ofen von derfelben Sarbe, aber mir Eunftreicher 
Arbeit verziert. Ueber diefe und die Binden erfireckren fid in Areuses: 
form, innen und außen, vorn und binten jene langen Schnüre. Dann 
tam ein Zemd von Blanzleinwand und darliber das Schwertgebänge. 
Das lente Sehe ihres Anzuges wer ein grauer oder blauer Wiantel, 
viereddig und doppelt, fo geformt, daß er, tiber die Schultern gelegt, 
vorn und binten die Süße berübrte, an den Seiten aber Baum die Aniee 
bedecPre. Dann rrugen fie in der Rechten einen Stab von einem geraden 
Baumaft, mir gleichmäßigen Anoten, fan, ftart und fhredlich, mit 
einem “andgriff von Bold oder Silber von fdröner erhabener Arbeit.” 

Im Winter mug man Pelze. Die Römer haben fdhon früb 
einzelne Teile der germanifdyen Tracht, wie die Zofen, die Pele, den 
Wiantel angenommen. So vollzog fich auch auf diefem Bebiere Wifchung. 
md Ausgleihung. 

hr vsaar, berichte Agarhias, wird niemals gefchnitten und von 
dem Rnabenalter an gepflegt, daß es, an der Stirne gefcheitele, fchön 
über die Schuleer berabfälle; nicht nadı avarifhem Braudye wiijt und 
verworten oder nachläffig in einen noten gefchlirse, wird es mic 
verfehiedenen Salben rein gehalten und mir dem Ramme geordnet. Es 
ift diefes der Schmuct umd die Auszeichnung des Eniglichen Befchlechte, 
während das übrige Volk das Zaar rund abzufchneiden pflege, und 
niemanden fonft geftatret it, es berabhängend zu wagen. Diefe Ientere 
Bemerkung ijt indes dahin einzufdhränten, daß Die freien Sranten das 
Zaar lang trugen im Begenfag zu den Eurzgefchorenen Romanen und 
Unfreien. Darum galt das Scheren eine Sreien als Schimpf, und das 
falifche Gefen legte eine Buße darauf. Der saarpflge widmere man 
alle Sorgfalt, daher werden in den germanifdyen Gräbern fo häufig die 
Rämme gefunden. Sie find aus Aolz oder Bein gefehnitten oft von der 
sierlichften Arbeit. Zum Schune der Zähne wurden fie entweder in einer 
Scheide von Leinwand oder Leder verwahrt, oder es waren (chließbare 
Schalen angebracht. In feiner Übertreibenden Art, fehildere Sidonins 
Apollinarie die Sranten ale Wilde, denen bei entblößtem Vladen vom 
zörlichen Scheitel das Yaar nach der Stirne geftrichen berabbänge. Das 
blaue Auge erglänge in dem glatten Geficht, und flate des Bartes durdy- 
fireife der Bamm nur female Jmarbüfdye. Den Yladen bis zum 
Sinterbaupt feheren fie glatt, die anderen “aare hängen ihnen über die 
Wangen bis zum MWund berab und waren in der Witte gefeheitelt. 


15.00, Die Aue ver ehintgden Se. L “ 


138 6. Bapicl. 


Alamannen und Burgunder trugen jedoch ibr “mar Hırzer. Vleben dem 
Bamme liege im Grabe gewwShnlid) die Zwichfchere zum Entfernen der 
aare auf Wangen und unter der Ylafe. Die Haare pflegte man rot 
zu färben und, um fich ein fürchebares Anfeben zu geben, vor der 
Schlacht zu frduben. 

Charakreriftifch für die germanifche Tracht find die langen Schub: 
binden, die vom Andchel bis zum nie das Bein reusweife ummanden. 
Das Ende der Binden war mit reich ormamentierten, zungenförmigen 
Befchlägen verziert, aus Erz oder Silber; diefe hingen feitwäree bis an 
die Waden herab als blinfender Abfchluß der farbigen Riemen. Der 
Schub felbft if von größter Einfachheit, aus einem Sthe® gell oder 
Leber gefbnitten und Durd» Kiemen Über dem Zuß sufammengehalten. 

Viel dörftiger find wir über die Tracht der Grauen unterrichtet. 
Alamanninnen und $rantinnen pflegten die blonden Zöpfe mit bunten 
Bändern zu ummideln, und entweder diefe Söpfe mir einer Yladel auf“ 
dem Bopfe feftzuftecten oder Über den Rücken oder die Bruft berab- 
fallen zu laffen. Die Tungfrauen trugen die saare frei. Thnen 
eigenrhmlich war ein Branzartiges &aarband, in Barolingifcyer Zeit Vitra 
genannt, welche Angilbert in einem Gedichte befingr: 

gerrlih) auf Dlondem gear glänzt purpum die Binde der Gtime, 
Welche von edlem Geftein hell funfelt in manderlei Reiben, 
Denn das „aupt ihr umfchlingt ein Acanz aus Gold und Gemmen. 

Von dem Ropfpun der Prinzeffin Bertha fage er: 

Golden umwindet ein Band das gaupt von Tnuchtender Schönheit, 
Goldene Säden durdhfehlingen die blonden glänzenden Jaare. 

Verfhjieden von der Vitta der Jungfrau war die der Hbefrau. 
Das erfte falifche Rapituler büft denjenigen, der einer rau die Vitta 
aufriß, fo daß ihr Saar die Schultern berübrte, doppelt fo hoch, als 
den, welcher ibr mur die Obonnis, d. b. die Haube, zur Erde warf. 

Frur fpielice Hefte diefeo Aasrfehmudes find erhalten, um fo 
sablreicher aber die Jaarnadeln, von Ers, Silber und Bold, die Bnöpfe 
teich gefepmüct mit Ornamenten oder mit Darftellungen von Tierköpfen: 
Sperber und galten. 

Die Mleidung der Frauen beftand aus einem Zemd aus Wollenzeug 
oder Leinwand, von einem Gürtel zufammengebalten. Die geringeren 
‚Zeute begnügten fich mit diefem einfachen Rleide, während reichere einen 
mantelartigen Ueberwurf‘ trugen. oftbare Stoffe baben die Germanen 


Die Bultur der Germanen am Aheine 139 


von den Aömern gekauft, die gewöhnlichen jedoch felbft bergeftelle. 
Schon frühe, Lngft vor jeder Berüibrung mit den Römern, verftanden die 
Bermanen die Runft des Spinnens und Webens. Die Serftellung der Stoffe 
war Sache der Srauen und die Spindel ihr Symbol. Sogar für Rönige 
töchter galt die Arbeit des Spinnens und Webens für ebrenvoll, und die 
Verzierung der Mleidungsftoffe durch Stickerei war eine bevorzugte 
Befcyäftigung edler rauen. Karl der Große bielt feine Töchter zum 
Spinnen und Woeben an, als das befte Witrel gegen die fehlimmen 
Folgen des Wüßigganges. Befondere berühmt waren die riefen als 
Erzeuger bunter Mleiderftoffe, die fir weirbin verkauften. Wefte von 
Zeugftücen find bin und wieder in germanifchen Gräbern gefunden 
worden, felbjt Teile eines Webftubles haben fich in Bräbern erhalten. 
Spindeln finden fich nur felten, häufiger dagen die Spindelfteine oder 
Wirtel in orm von Regel oder Rugelfegmenten oder vielechigen Rörpern 
aus Bein, Blasfluf, Duarz, Bergkryftall oder gebranntem Thon. Audy 
Ylähnadeln haben ich gefunden. Zn einem Srauengrab in Algei fand 
man eine f&öne Yladelbüchfe von Bold. 

Ueberaus mannigfaltig find die Schmuckfachen, die man den Bräbern 
umferer Dorahnen enthoben har. Wohl bezeichnen die Römer die Bermanen 
als Barbaren; durdy ihren Wlangel an Reinlichkeit, ihre Befräfigteit, 
Trunkfcht und andere Üble Beroohnbeiten mögen jle oft genug. ihren 
tömifchen Yirten und Ylachbarn Iäftig geworden fein, aber Wilde 
(Monstra), wie Sidonius Apollinaris fie famäbt, waren fie fäyon längf 
niche mehr"). jn vielbunderejährigem Verkehr hatten fie von den 
Römern manches gelernt und ihren angeborenen Runftfimm durch An- 
eignung neuer technifcher Sertigkeiten gefteigert. 

Der fehönfte und charakteriftifchfte Schmuck der germanifchen Rleidung 
war der meift ungemein reichvergierte und mit Werallbefehlägen gefchmückte 
Gürtel, der von Wännern und Srauen getragen wurde und den ver- 
fehiebenften Zwecken diente: zur Befejtigung des Beinkleides, zum Zufammen- 
balten des Bewandes, als Träger der Tafche, als Waffengürtel u. f. w. 
Er war von Leder gefertigt oder aus flarkem gewirkten Zeug und bei 
den Burgundern und Sranken ungemein breit. Die Ornamentierung des 
Bürtels gefhab durd Kinflechrung verfehiedenfarbiger Streifen, durch 
eingefteppres, eingeptefttes ober eingeflochtenes Zierwert ober durch 
Gruppen und Wufter eingefchlagener Heiner merallener Bnopfftiftchen. 
Schon zu römifcher Zeit liebte die einbeimifche Bevölkerung der Rhein: 


1 - 8. Baplıl. 


lande Abwechfelung der Sarbe, wie denn ihre Mleidung in mancher 
Ssinfiche der der Bermanen fehr ähnlich war (f. Lindenfehmit, Handbuch, 
6.409, Jigur 429). Die Blirtel gleichen febr denen, weldye noch heute 
die Tiroler Bauern tragen. Auch bei ihnen ift, wie bei den fränkifchen 
Bürteln, eine Meine gebeime Tafäye in dem Leder unter der Schnalle 
angebracht. Weir toftbarer als die Ueberrefte der gefundenen Bürtel 
müffen nach den Schilderungen der Schriftfteller die der Rönige und 
Großen gewwefen fein, von Boldftoff, mir goldenen Buckeln und Schnallen 
befent, 

Vor allem die Gürrelfehnallen und die Befchläge verdienen wegen 
ihrer technifchen Vollendung und ihres Hinftlerifchen Wertes einer Fr: 
wähnung. Die Römer tanneen fon lngft die Schmale. Die der 
meropingifchen Zeit zeige jedoch eine andere Behandlung des Schnallen: 
dornes und einen von der römifchen Bunft durchaus verfehiedenen Der- 
sierungegefehmad. YTamenrlich die burgundifchen Gräber in der Schioeiz 
lieferten Prachrftüche, ausgeseichner durch die Bröße und durch die Schön: 
beit und Eigenart der Ornameneierung. Außerdem fcmichren Riemen: 
sungen und ierplarten den Blirtel. Die römifchen Legionare trugen zum 
Schuge des Unrerleibs und zum Schmucke einen fepmalen Lederfchury, 
der aus einer Reihe mit Wietallinspfen und Penfilien befester Riemen 
gebildet war. Aebnliche Schürzen kommen auch in den burgundifchen 
md fröntifcen Bräbern vor. So bewaher das Panlusmufeum in Worms 
einen in Ralrenengers bei Boblenz ausgegrabenen Lederglirtel fan Jänge- 
sieraten, die aus Lederftreifen befiben, welche am unteren sEnde mit 
einem geftanzten Brongeblech geziert find"). 2A Glirtelfcomuc” dienten 
frener Zierfeheiben von Bronze mit durchbrodpener Arbeit, Drnamenre 
mit $lechtwertmoriven, Schlangen, Vögel oder phantajtifche Tiere, aud) 
menfehliche Geftalten, 3. 3. in Worms eine Zierfcheibe von Bronze, die 
einen Keiter und andere, Die Jioei miteinander ringende YY}änner darjtellen‘”). 

Bierferten bildeten fon in der Yalljtarter Periode einen beliebten 
Gürtelfcomud. Sie kommen aud) zablreidy in den Gräbern der untern 
Donau vor. Zum Unterfchied von jenen beftchen die Zdngekerten der 
merovingifchen Gräber nicht ausfchlieflich aus Wierallringen, fondern 
meift aus Stangenketedyen, deren Glieder runde rsftibchen bilden. 
Diefe Betechen waren an einer Zierplatte befeftigt, und diefe wurde 
vermitrelft eines Ringes am Gürtel angehängt. Die Rerechen, meift 
deei, werden Durch querlaufende Werallbänder sufammengebalten, und fie 


Die Bulrur der Germanen am Rheine. 141 


endigeen in angehängten, mit Bravierung verzieren, durchbrochenen 
PiStechen oder auch in Beinen, Freusfdrmig überfpannten Gohlkugeln, 
Seemufcheln, Scheischen aus der Arone von sirfihhern, berzähnen 
‚oder durchlöcherten Wlinzen. 

Am Bürtel trugen die Frauen damals, wie noch beute, den Schlüffel: 
bımd. in foldyer, aus drei Schlüffeln beftebend, ift in einem Slonbeimer 
Seauengrab gefunden worden”). 

Von bervorragender Bebeunung find die Berwandnadeln oder Sibeln. 
Auch fie zeigen wie die Schnallen einen durchaus nationalen Befhhmad.. 
ine Verwandefchaft mit den entfprechenden Sumden früherer Zeit it 
nice nachzungeifen. Die Weralltechnit der merowingifchen Periode har 
eine Sülle von Sormen produsiert und einen. Überrafchenden Reichtum 
von ornamentalen Woriven. Lindenfbmir unterfiheider drei Sauprarten 
der Berwandnadeln: J. fpangenförmige, 2. fcheibenförmige, 3. Sibeln in 
‚Form von Tiergeftalten. 

„Die Spangenfibeln find die beseichnendfte Frfcheinung unter den 
Schmuckgegenftänden der deurfchen Feibkunft. Diefe Sorm ift (com von 
der römifeben Befellfeaft gegen Ende des-s. Jabrhunderte bevorzuge 
worden. Die vömifche Fibel ift verhäfmismäpig klein und fehr einfach, 
während fpäter die Spangen immer geöfer werden und die Verzierung 
weicher. Sie wurden Durch eingefente Bdelfteine oder farbige Blasflüe, 
durch Yhiellierung und Vergoldung gefebmückt. Wieiftene find diefe 
Spangen aus Silber gefertigt, doch aud) Fupferne und brongeartige Merall« 
mifebungen Tommen vor. Die Silberfpangen find in den inneren Seldern 
ihrer ornamentierten Oberflächen mit Dergoldung überzogen, die bei den 
träfeig vortretenden Banten der eingefcpnittenen Verzierungen und dem, 
wenn auch grofenteils barbarifchen Reichtum ihrer Sormen eine an- 
fprechende Wirkung äußert, zumal bei dem Rontrafte mit den ducchlaufenden 
Sitberftreifen, welche die vergelderen Räume der Spange umgeben und von 
dem Rande des Oberteile über den Bügel an beiden Seiten der mittleren 
Piarte, teilweife felbft über das abfchliefende Tierbaupr binablaufen. Diefe 
Streifen blanten Silber erhalten ihrerfeits wieder einen befonderen 
Schmuc durd) einfache Ornamente aus Schwefelfilber, LTiello, welches 
eine bemerkenswerte Figenchmlichbeit diefer Schmuckgerdte bilder. . . . Die 
bläutichfcpeoarze Jarbe diefer Einlagen zeige fich als Fülkung eingefehlagener 
Dreiecke, in einer Zickjackbildung, feltener in einer Anzahl von Rreifen, die 
ennweber vereinzelt oder durch Linienbänder zufammengereiht find... ."”). 


142 6. Rapid. 


Das Bichjadornament ift das vorberrfcpende und der germanifihen Kunft 
eigenehmlich, da co auf römifchen Arbeiten nicht vorfommt. 

Die feheibenförmigen Fibeln werden von Lindenfehmit ale Erzeugnis 
fremder, d. b. 1smifeher Tnduftrie und Ueberlieferung des zanbels 
bezeichnet. Sie kommen in denfelben Gräbern neben den Spangenfibeln 
vor. Auf der Ereisrunden goldenen oder vergolderen Oberfläche zeigen 
diefe Fibeln einen wirkfamen Schmuc? glänsender Hdelfteine oder farbiger 
Glaspaften, wechfelnd mir Siligranornamenten von großeneeile fo an- 
fpredyender Wirkung, daß ihnen das ganze Mittelalter hindurch ein 
fortdauernder Bebraudy geficherr blieb. Die Kauprform diefer Scheiben» 
fibeln wird fihen in den Bräbern der Zalljtateperiode gefunden, und fie 
erbielt fi) bis in die rSmifhe Ratferzeit ununterbrochen im Bebraud). 
Doch verliert fie den Zwe? einer Gewandnabel und dient mehr zum 
Schmuct als Brofeye. Die Zierfheiben befteben aus feinem Bold oder 
vergolderem Gilber, auch aus rs oder Rupfer, viele aus taufdhierrem 
Eifen. Die ganze “erftellungsweife diefer Schmuchftücke zeige eine 
überaus bochentwwichelte Renntnis der Werallrechnit. Diefe Technik erlicr 
im Saufe der Raifergeit unter dem Mindringen barbarifäen Befchmaches 
eine Wandelung. Die Vorliebe für gefchliffene sEbdelfteine wuche mebr 
und mehr, und auch in den Zeiten der gewaltigen Ummälzung aller 
Dinge dauerte die Zufuhr folder gefchliffener Sbelfteine zum Schmucte 
der Woaffenbefchläge und Schnallen ungeftsre for. Durch aufgelörere 
Zellen auf der Öberfläche der Scheibenfibel wurde eine geomerrifihe 
Sigur hergeftelle und in diefe Zellen wurden HEdelfteine oder Blasflüffe ein: 
gelaffen"®). Die Edelfteine find frrifde Granaten, Almandine und 
‚oyaginthen, feltener Topafe und blaugelme Türkife. Weniger reiche 
Zeure begntigten fih mir gefchliffenen Blasftücthen von rörlich-violerrer 
oder tiefblauer Jarbe, auch Perimurter und ifenbein wurden wermender: 
„Die Sarbenvoirkung der gefcbliffenen Kdelfteine und Blaspaften ift Durch 
untergelegte Solien erböhr, welche, aus feingerippten Bold- oder Silber: 
plättchen gebildet, der Zorm und Größe der Zellen entfpzecben, in weldyen 
die Steine, nady der wechfelnden Beftaltung des Drnaments ennueder ver« 
eingelt oder in Ponzentrifihen Reihen verteilt oder unmittelbar zufammen- 
gefebloffen, die ganze Oberfläche des Zierftüctes bedecken. Vereinzelt 
gruppieren [ich diefelben in Sorm eines Rranes oder eines Areuses, 
während die reihenweife unmittelbar zufammengeferten Steine in einem 
‚ober mebreren Ringen firablenförmig den Wirtelpunkr umgeben“). 





Die Bulrue der Beemanen am Rheine. 183 


Sind diefe farbenreichen, prächtigen Sibeln wohl meiftens durch den 
Wandel nach den Aheinlanden gekommen, fo verfüchte man fich doch 
felbftändig in der »erftellung von foldh versierten Beofdyen"®). Auf der 
dünnen Silberfcheibe find die Verzierungen entweder mit verfchiedenen 
Stempeln eingefeblagen oder durch förmlicye Prägung ausgeführt. Bei 
diefer Aer feblen die Hinffne von Mdelfteinen oder Blaspaften und die 
Verzierung mir Siligran. Das Siligeanornamene wicd bier nachgeahme 
durch die Darftellung verfchlungener Perlbänder. Soldye billig berzu- 
ftellenden Scheibennadeln waren wohl meiftens im Befig der ärmeren 
Bevölkerung, und bei ihnen Pam der nationale Örnamentgefchmad? zur 
vollen Belrung. <äufig ehrt auf foldyen Sibeln die Darftellung eines 
Vogels mir zurhctgebogenem “alfe und gefrimmterm Schnabel wieder. 
In einem Brabe bei Pfiffligbeim bei Worms wurde eine Sibel gefunden, 
welche das in fräntijcher Zeit als Ornament beliebte myftifche Zeichen 
des Triquetrum geigt, umgebilder zu einer Dogel- oder Drachengeftalt, die 
fich mit weitgeöffnerem Rachen in den Schwanz beißt. Um diefe den 
Wireelpuntt bildende Tiergeftale, find im Areife vier Tiere gruppiert, die 
fich gegenfeitig in die Schwänze beißen. in geperlter Rranz umfchlinge 
das Banze. ©bder auch das “atenkreus } dient als Leitmotiv. Diefes 
tommt fon auf erojanifchen Jundftlcten vor umd bar wie das Triquetrum 
myftifche Bedeutung. Auf einer in Abenheim gefundenen Bronzefibel 
bilden doppelöpfige Tiere mit langen gebrimmten Schnäbeln, deren 
eiber bandartig ineinander verfehlungen find, das Yalenkreus. Zumoeilen 
wird aud) der eine Balken des Jakenkreuses als Ornamene benunt. Auch 
römifche Wünzen wurden nachgeahmt. Der Einfluß des Ehriftenrums 
zeige fih in der ornamentalen Anwendung chriftlicher Symbole, doch 
vermifchen fi) bäufig chriftliche und beidnifche Symbole, wie 3. 3. auf 
einer Scheibenfibel von GBundersheim bei Worms, die fomwohl das Rreuz 
als auch das Triquetrum zeigt. Um das Rreuz in der Witte lAuft ein 
mit einem geperlten reife abgefchloffener Sries, in welchem drei 
pbantaftifche Tierköpfe dargefiellt find, deren mit Perlftäben belegte lange 
Ydlfe gleichfam aus dem das Rreus bergenden, mittleren Kreife heraus: 
sumwachfen feheinen. Aber auch die veine Areugesform Bommt als Ornament« 
morio vor, doch ift eine genauere Zeitbeftimmung unmöglich. 

Aelteren Charakter tragen die fdheibenförmigen Gewandnadeln von 
Eifen, deren Oberfläche mir Einlagen von Bold, Silber und Erz verziert 
ifi, mit Ringen von Zidya und Bandverfchlingungen, mit Treppen 





144 9. Bapiıl, 


muftern und DBonenkränzen. Diefe verzierte Vorderfeite ift gefehlt 
durch vier oder fünf vorfpringende Bronzenägel oder vergoldere Buckel: 
Inöpfe. Die merowingifche Taufcyierrechnit (d. b. die Örnamentierung 
von Weraliflächen durch andersfarbige Metalleinlagen) Entpft unmittelbar 
an die römifche Technit an; fie finder fid) nur in den gallifchen und 
‚germanifchen Provinzen des Römerreiches, alfo bei den Burgundern, 
Alamanmen und $ranten, nicht aber bei den anderen weftgermanifchen 
Stämmen. Die $arbenwirtung der Ornamentierung wurde durch zwei 
Arten des Verfährene erreicht. „Entweder find diefe Verzierungen in 
einer Die Oberfläche des ifens bedecfenden Silberfehichr auegefehnirten 
‚oder in vorgeftochene Linien mit Silberfäden auf das Eifen eingelegt, 
Po daß fe entmeder dunkle Wiufter in hellem Brunde oder heile auf 
dunklem Brunde bilden“'®). 

Die Vorliebe für Taufbierung, als direfte Ueberlieferung eömifcher 
Technit blieb der mersweingifehen Epoche eigencimlich und befchräntt 
fih auf die Bräber des 5. bie 8. Jahrhunderte. Berwiefen wird diefe 
Datierung durch die in den Bräbern gefundenen Wüngen. Trog Annahme 
des Chriftentums erhielt fich, wie befannt, altheidnifihe Sitte bis in die 
Barolingifche Zeit. YToch fand nach der Beftstrung ein Torenmal auf” 
dem Brabe ftatt, nody wurden den Toren Meine Wilnzen unter die 
Zunge gelegt, und zwar gebrauchte man fiir diefen Zroec® niemals Rupfer: 
müngen, fondern Bold- und Silbermünsen, mit Vorliebe folche neuer 
Prägung. So werden im Paulusmufum in Worms Bold: und Silber: 
möngen aus verfcpiedenen rheinifcen Gräbern aufbewahrr, 5. 2. eine 
Wiünze mit dem Wionogramme des Oftgorentänige Theoderiche des 
Broßen, die auf dem Avero das Bild des Raifers Juffinus zeige, alfo 
wwoifchen SI8 bis 525 gefchlagen fein muß. Won früheren Kaifern 
Bomme eine Wünge deo Anaftafins (F 58) vor; bäufiger YWiünzen des 
Tuftinian, die auf dem Avers entweder Das Monogramm Chrifti zeigen 
der das des Theoderiche; eine andere Münze Juftinians träge den 
Yramen des Arhalarich, fie ift noch ganz neu; eine Wlnze Tuftinians 
wurde unter Torila geprägt, deffen Beiname Babuila auf der YWänze 
ftebr; ferner merowingifche Wünzen mit barbarifchem Bepräge, ja fogar 
gallifche Silbermünzen, die wohl von den Sranten im Boden gefunden 
worden find und damals Baum nody Rurswert haben Eonnten'*), 

Doch kebren wir zu den Gewandnadeln zurüd. Die eigentümlichfte 
‚Sorm diefes Rleidungsfchmuckes find die Yladeln in Sorm von Sifdhen 


Die Bulrur der Germanen am Aheine. 145 


und Vögeln. Die Darftellung diefer Tiere ift Außerft rob; aber auch 
diefe Art von Schmudigerkten erinnert an die freilich viel vollendereren 
und mannigfaltigeren Darfiellungen von Tieren aus der fpäteren Baiferzeit. 
Während aber diefe durch farbiges Schmelzwert und Yiello dargeftelle 
waren, fo find die Vogel. und Sifcpbilder der meromwingifhen Bräber 
durchgehend nur durch Siligeanoenamente, gefchliffene bdelfteine oder 
farbiges Blas ausgefüher, weil, wie Lindenfchmir meint, die römifhe 
Technit der SEmaillierung in der merowingifchen Zeit verfäneunden fei, 
welche Behauptung aber nach der Beobachtung Röhls einzufchränten ift'”). 
4äufig. kommt unter den Schmucknadeln der Sifch vor, ein alschriftlichen 
Symbol, manchmal aus Erz, in den Srauengräbern meift aus Silber oder 
Gold. Bei den in den theinifchen Bräbern gefundenen Sifchen find die 
Schuppen und Stoffen aus glänzenden Almandinen dargeftelt, und das Auge 
ift durch einen blintenden Silberftift begeichner, wäbrend bei den aus 
burgunbifchen Bräbern ftammenden Schmudkftlichen die Rörperreile einfach 
durch Siligranlinien abgereilt und die Schuppen durch Beine Ringe 
angebeutet find. Wlanchmal befunden biefe Schmucfgeräre eine vorzügliche 
technifche Gefchicklichkeit und fcharfe KTarurbeobachtung, andere zeigen einen 
wahrhaft barbarifchen Gefcbmad. Zumeilen ift nur die Jauprform des 
Tieres erkennbar, der Phantafie der freiefte Lauf gelaffen. 

Befondere intereffant find die dargeftelften Vögel mit flat gefrfummtem 
Schnabel. Wlan wird fie wohl als Jagdvögel: Zabichre und Salten, 
bezeichnen dürfen. Denn die Sranten hatten fon früh eine Vorliebe 
für die Vogelbeise und Salkenjagd. Der Tagdvogel, in der Lex Salica 
accepiter, orfocla genannt, harte einen folchen YVert, dafı fid) die Volke- 
rechte damit befehxiftigen’*). 

Wir haben ja bereits gefeben, daß auch die Anspfe der Zaarnadeln 
mit folchen Erummfchnäbeligen Jagdvögeln gesiert waren und nicht minder 
die Befchläge der Bürreltafdyen. m Grabe des Rönigs Childerich wurde 
der goldene Befchlag einer Bürteltafche gefunden, die mit Bold: und 
Sitbermüngen angefüllt geroefen war. Auch in den Gräbern von Selsen 
fand man mit Almandinen befezte Tafchenbefchläge. ZBefondere sierlich 
und gur erhalten it der in Slonheim gefundene Tafdyenbefchlag von 
Bold und mir Ebeifteinen befent. 

Diefer Stonheimer Sund gehört zu den reichften und intereffanteften, 
der fich nur mit dem Brabinhalt Childerichs 1. vergleichen läßt. in 
dem Slonheimer Brabe lag ein alter Yyann, nad) den zahlreichen, Uberaus 


15. Bean, Die Aue ve Keitfäm Ge. T. ” 


148 8. Kapitel. 


wertvollen Beigaben zu fihließen, von vornebmer “ertunft; es fänden 
fich zu oberft ein Ango und eine Lanze, die wegen ihrer Bröße im 
olsfarge nicht untergebracht werden Bonnten; ferner eine große Schüffel 
von Bronze mit geperltem Rande, darin eine Schere von fifen, ein 
beineener Ramm und Anochen eines jungen Schmweines. Yleben der 
Schüffel lag ein ormamentierter gerbrochener Topf und in biefem eine 
Trintfdyale von Glas, ein Seid! von feltener Schönheit. Zn die 
Wandung der Schale ind fdbleifenförmig gewundene Guirlanden von 
milchroeißem Glasfluffe eingefebmolgen, die von außen und innen gleich, 
gut fichebar find. Auf der Witte des Oberfähenkelo lag die Art und 
neben dem linten Arın die Spatha, unweit davon ein Pater Pfeilfpigen 
und ein zweites in der „üftgegend. Schräg an der Tinnenwand des 
Sarges lehnte der Schild. Serner fanden fidh eine Pinzerre von Bronze, 
eine Ylähnadel von Bronze, ein eiferneo Wieffer, eine durchbohrte Perle 
von Bernftein und Refte der Bürteltafdye. In der rechten “and lag 
ein maffiver Singerring von feinem Bold, der ganz demjenigen aus dem 
Grabe Childeriche 1. gleicht. Wegen feiner engen Deffnung hätte er 
böchftens am Bleinen Singer getragen werden Bönnen. Vielleicht wurde 
ihm pierätevoll der King feiner Bemabtin mitgegeben”). 
Wertwlirdigerweife wurden die meiften Singereinge in Srauengräbern 
gefunden. Sie Bommen bauptfächlid) in zwei Sormen vor: entweder 
glatte gleichbreite Reifen oder Ringe mit verzieren Schildplatten. ine 
deitte Art ift der Ring aus zufammengebogenem Drabt, deffen Enden 
‚gegenfeiig ineinander verwicelt find. YWlanche Ringe tragen auf der 
Schildplarre Auffebriften, fo 3. D. träge ein Ring im Rönigsgrab zu 
Pouan die Tnfehrift “era; der Siegelring des Srantenkönigs Ehilderiche 
zeigt fein Porträt mir den langen Locken und der Lanze als Symbol 
der soerrfchaft; die verfeber eingefehnietene nfebrift lauter: Childerici 
regis. Andere Ringe enthalten gefaßte ancite Bemmen. Die Schildplarre 
ift entweder mit Ornamenten verziert oder mit bildlichen Darftellungen 
ober mit chriflichen Infihriften, Honogeammen und Zeichen, bie mandjmat 
ausmarken oder Greinmenzeidyen fehr Ähnlidy fehen. Boldene Ringe 
find mir Einlagen von farbigen Blas oder Kbdelfteinen, mic und ohne 
Tntaglio, gefhmücht. Seltener ind die Singereinge aus Silber mic 
Vlielloverzierungen. Die Wehrzahl der Ringe if aus Erz oder Rupfer 
gearbeitet. Das Wormfer Mufeum befizt eine ganze Sammlung fränkifcher 
Singerringe, von Bold mit Jntaglio, filberne mit und ohne Steine, brongene 





Die Bultur der Germanen am Rheine. 147 


nit myflüfdpen Zeichen oder Rreugen gesiert, einen aus Weißmerall mit der 
Infebrift: Merdi. Die Singerringe fiaten meift am vierten Singer der 
inten and, alo Zeichen der Treue, da man damalo glaubte, daß jener 
‚Singer durch eine befondere Bluraber mit dem Yerzen unmittelbar ver« 
bunden fei. 

dufig wird in den Quellen des alsringes gedacht, ein vie 
begebrtes Gefchent der römifcen Maifer. In der “eldenfage fpiele er 
eine große Rolle. Aber in Wiännergeäbern ift der Salsring bisher gar- 
nicht gefunden worden, in Srauengräbern nur felten. «ingegen waren 
die Armeinge audy nod) in der Wieromingerzeit ein beliebter Schmudh. 
Kiner früheren Periode gebören die Acmringe aus Perlen von Glas und 
Bernftein an, folde fanden fid aud) in rbeinifchen Bräbern 5. 2. zu 
Worms erc. Tn der Kegel ift der Armring aus Bronze, bäufig von 
Siber, felten von Bold. Auch da begegnet uns eine Wiannigfalcigteit 
von Formen; es giebt bohle und maffive Armringe, flache und ecige, 
halb» und ganzeunde. infache und unverzierre Jormen zeigen in der Negel 
die goldenen Armringe, wogegen die filbernen und bronzenen oft febr 
reich verziert find. Die meiften Armringe find in Srauengräbern gefunden 
worden, und auch die Lex Salica Tit. XXVII, Zufas Io, erwähnt den 
Armring als Scauenfhmuct, während body die fehriftlichen Zeugniffe 
den Armeing ale Schmuck der Wiänner bezeichnen. Die goldenen und 
fübernen Armeinge oder Yougen vertraten zuweilen die Stellen von 
Bolbmüngen und wurden nicht nur zu Befchenten, fondern auch zu 
Besahlungen verwendet. 

Im szilbebrandelied will Aildebrand feinen Sohn Aadubrand durch 
Befcyente geroinnen: 

want er dö ar arme wuntan® bougd, cheisuringd gitän, so imo se 
der chuniog gap, Hüned truhtin, 
d.5.: „Da wand er vom Arm gewundene Ringe, aus Baifergold gefertigt, 
wie fie ihm der große Mönig, der Junnen "ere, gegeben hatte.“ 

Wie vergolderen Armfpangen und Gürtelbefdylägen beftad) Ehlodieig 
die vipuarifden Vornehmen. jn der Werkflätte YWielande wurden 
goldene Ringe gefpmieder und folde in der Höhle des von Beomulf 
getöteten Drachen gefunden. Der Held Walehari entführt aus dem 
Zunnenlande einen Schan, in zwei Aörben voll goldener Acmeinge. Sir 
den freien Abzug bot er dem Mönige Buntber Joo und 200 folder 
Goldringe an, allein die Begierde nach dem ganzen Schan war allyugrof,. 


148 5. Rapid. 


in unenebebrlicher Srauenfehmuc® waren fodann die Obrringe, die 
fib in den Gräbern in den einfachften und mannigfächften Sormen 
vorfanden. Wir erwähnen aus der reichen Sammlung in Worms nur 
einen aus feinem Bold gearbeiteten Obrring aus den Gräbern von 
Woefihofen. Der inwenbig boble Neif' befteht aus flartem GBoldbledy, 
die vieredige Berlode it mit dreiedigen Schalengranaten belege und 
jede Stäche noch mit je vier auftecheftebenden vergolderen “ilfen befent, 
die auf ibren Spigen weiße Perlen tragen. 

Wilhelm Lipp, der glüchliche Entdecker fo vieler wertvoller Junde in 
Ungaen'®), fand unter anderem in Beszthely Obrringe, die fo groß find, 
dafs fie nicht am Obrlppchen, fondern an der Obrmufchel getragen werden 
mußten. An den Boldringen ift mic feinem Drabt ein Esrbehenförmiges 
Anhängfel befefige'”). Diefe Aörbehenohrringe ind von vollenderer, kunft: 
voller Tedpnit und galten ale Frzeugniffe gotifcber Runft, da fie bis vor 
urzem nirgenb anders fonft vorfamen, als eben in Ungarn. Allein aud) in 
‚rbeinifchen Gräbern bar man fie gefunden und das Paulusmufeum befige 
mehrere'® m), 

Ylur in Srauen und Rindergräbern wurden “alsringe gefunden, 
aus aneinandergereibten Perlen befiehend. Solche bunten Perlentränge, 
bis auf den heutigen Tag der bevorzugte Schmuch wilder Völker, finder 
man fihon in den Brabbligeln der früheren Perioden, aber erft in der 
!ieroroingerzeit zeigen die Brabfunde einen foldh unermeflichen Reichrum 
an Sormen, zuweilen von Flnftlerifchem Werte. Die Perten find teile 
aus Bernftein gefertigt, weils aus Glas, gemaltem oder emailliertem 
Thon, feltener aus Kryftall, Wufcyeln oder Eunftreicher Schmelzarbeit. 
Die Hauptformen find: Rugel, Scheibe, Würfel und Trommel. Die 
Verzierung ift wiederum die denkbar mannigfächfte, einfache Streifung, 
Bongentrierte Rreife, Schuppen, Spiralen, Wellenlinien, Blumen und 
Blattwerk, und die Sarbenzufammenftelling von der teisendften Art. 
Solche Perlenkränze befteben durchfehnitrlich aus 30 Sehe. Auch 
fehmüichten die Grauen ihren Yalo mir gebentelten Boldmüinzen, die zrifchen 
Perlen eingereiht wurden und mit $Edelfteinen befegem Boldfchmud, 
immer ein Zeichen hervorragenden Reichrums und angefehenen Befdplechre. 
Entweder find diefe Boldfcheiben wirkliche Münzen, oder aber ift das 
Gepräge nur nachgeahmt und oft von barbarifeber Zeichnung. 

In Srauengräbern finder man zuweilen Eugel: oder eiförmig zu- 
gefehliffene Bergeryftalle oder Kifenerze, die oft Eunfivoll in Bold, 


Die Bulrar der Germanen am Kheine 19 


Silber ober Erz gefaßt find (in Gräbern zu Algei, in Sreilaubereheim, 
Stonbeim 1c); die Rugel Fommt aud» obne Saffung vor, wie 3. D. im 
Grabe Childerichs I. und in einem Srauengrab in Worms. Daß biefe 
gefaßten Augeln als Schmuc? am Glrtel getragen wurden, bewoeift eben 
der Stonbeimer Fund, in welchem Kefte eines sierlichen fübernen Retechene 
entdeckt vourben, an dem der Rauchropas hing"”). Aber die unftbeinbaren 
tupferbraunen und braunfchwarzen Bifenerze Lönnen doch kaum als 
Schmuck gedient haben. Immer fommen folche Fifenerze und Reyftall: 
Bügeln mur in reichen Gräbern vor. Dem Rryftall fehrieb man die 
Eigenfhaft zu, das Sieber zu lindern, und dem ifenerz die Stillung 
des Blutes. Afo dienten fie als Amnulette. 

Zum Zjnventar reicher $eauengräber gehören manchmal mit Erz 
befehlagene Mäftchen. Da die Verzierung des Ersbefchlages Überall 
diefelbe ift, fo muß man die Anwendung von Stempeln annehmen. 
Diefe Räftchen dienten zur Aufbewahrung von LTähnadeln ıc. Sodann 
gibt es zierliche Blichechen in Geftalt von Hohlkugeln und Eylindern aus 
teicyvergierem Bold, Silber oder ZErs, die vermittelft eines Scharniere 
fi Öffneren. Die nähere Unterfuchung des Inhalts eines diefer 
Blchschen hat die Tharfache ergeben, daß es unter anderem Berolirz 
nelßen. enthielt). 

Den vornehmeren Toten wurden Befäße aller Art mit ine Brab 
gegeben. Da finden fid) imer aus Zols mit zierlicem Lrzbefchlag. 
Die döhe fehwankt zwifchen 13 bis 26 em und die Weite zwifchen 
33 bie 22 cm. Das reiche $lonheimergrab enthielt einen Zimer mir 
Brongebefchlag. Der Zentel it veidh mit Ornamenten verziert, die aus 
größeren und Eleineren Ringen befteben””). Die “enkelanfäne gleichen 
denen eines Eimers im Mainzer Wjufeum, der Henkel einem folchen im 
Wiufeum zu Wicobaden'*). Zinweilen werden auch römifche Bläfer in 
feänkifchen Gräbern gefunden. Die Produkte der einheimifdhen Blas- 
induftrie zeigen andere Sormen als die römifcben. äufig if die Trinkfchale 
tund ober der Rundform fich nähernd. Einige find durch aufigeprefire 
blaue oder mildhwweiße Streifen und Punkte verziert. Andere Schalen 
find langgeftreddt md unten abgerunder oder in eine Spize gezogen. 
Einen fremdareigen Eindruct machen die Becher, welche von oben nach 
unten gebogene Anfäne baben, die das Trinken erfÄyweren. Andere find 
gerippt oder mit Bogenlinien verziert. Auch in der fränkifchen Zeit 
tommr das Blashorn vor. Körner des Ur, in Silber gefaßt, waren 


150 6. Bapiı. 


nady Cifar die nationalen Trinkgefäße. Die alkfernen Trinkhörner find 
mir eingefehmolgenen weißen Ringen und Streifen verziert, die im Begenfan, 
zur gelinen Sarbe des Blasbechers dem Trinfgefäß eine anmurige YOirtung 
verleihen. Zumweilen haben fie “entel zum Aufbängen. 

‚Schr felten erhalten find die Yolsbecher, die mir Kunftvoll verzierrem 
Ersblech überzogen find. Ein toftbaree Bremplar befize das Paulus 
Mufeum. Es wurde in einem fräntifcben Brab zu VDiesoppenheim 
gefunden, in welchem außerdem eine Lanze, Streitart, {ieffer, Pfeilfpigen, 
Schere, Kiemenbefehläge, ein Thon: und ein Blasgefäß lagen. Der 
Becher war zerbrochen, Fonnte jedoch durch das Befchic® Lindenfchmire 
wieder einigermaßen zufammengefee werden. Das eine Bronzeftüch zeigt 
zwei durch ein Band abgeteilee Räume; man erfennt die Darftellung des 
Sindenfalls, den Baum mir der Schlange und Nefte einer Bruppe, 
befiehend aus Wann, Kind und Weib. YTeben dem Yaum fteht rechte 
(ADJAM, tints ET EVVA. m zweiten Geld it die Eva mit den 
Budyftaben (EYVVA wiederholt, dann folge die Scene der Verleugnung 
Petri; oben darüber fieht: SALVATOR — PETRVS, darunter Kefte 
von Buchftaben. Das zweite Bronzebledy har vier Selber, die leider fo 
fhark orydiert find, daß eine Erklfcung bis jegt noch nicht gelungen it'*). 

Bronzefehlffeln werden dagegen fehr häufig in rheinifchen Gräbern 
gefunden, oft von fÄhönfter Arbeit. 

Von den Thongefäfen find einmal die Rochröpfe zu erwoäbnen, dann 
die Gefäße in Vafenform von fehroarzer ober roter Hrde. ie weichen 
in Sorm und Ornamentif ftark von römifcher Arbeit ab, wie denn der 
Rüchfehrirr auf diefem Gebiet de “andwerks ein unverfennbarer it”). 
Die Verzierungen, zum Teil febr gefchmadvoller Art, find entweder 
eingebrücht oder aufigemalt oder erhöht, wie 3. 3. bei einem Thongefäß 
aus den Gräbern von Wiesoppenheim im Wormfer ufum. 

Land baten die Germanen von den Römern gefordert; aber audı 
das Gold lockte fie in die füblichen Länder. Denn, wie fchon Rolumbus 
fagt, ift Bold das Allervorrrefflichfte, ein Schas, deffen Befiner alles, 
was er auf Diefer Welt winfeht, fid verfihaffen und Serien dem 
Paradiefe zuführen Eann'*). Tin unausgefegten Zthgen plünderten die 
Germanen die Provinzen des römifchen Neiches und fehleppten bie 
erbeuteren Schäge in ihre Zeimat. Die Römer, um Rube vor ihnen zu 
betommen, sablten den Germanen Tribut, den fie eupbemiftifch Befchente 
nannten. Ylady dem Tode des Attila verlangten die Bepiben ale Erben 


Die Kultur dee Germanen am Rheine. 151 


der Zunnen von den Römern nur Seieden und Tjahrgelder, und gern 
bewilligte das der Raifer. „Bis beute,“ erzähle Torbanes, „erhält diefes 
Vote vom römifchen Baifer das berfömmlicye Befchent.” Wir fennen 
folche Gefchente aus den Schanfunden. Unter den Boftbaren Süden 
des Schanfundes von Szilägy-Somly6'”) befanden fihh I4 grofie Bold: 
medaillons, drei von Wlarimian, zwei von Ronftantin, eines von Conftantius, 
eines von Dalentinian, vier von Valens und eines von Bratian. Auf der 
Rückfeite diefer Prachtmünzen ftehen die Jnfehriften: Paccatores Gentium. 
Victoria Augustorum. Pietas Augustorum. Gaudium Romanorum und 
auf vier Zremplaren: Gloria Romanorum. © biurige jronie! Wir 
diefen Stücken, die den Ruhm, den Sieg und die Wacht der Baifer 
verkünden, erfauften fie fich von den Barbaren den Seieden. 

Diefe Barbaren harten aber ihren eigenen Befhmadt. Jene Bold: 
mebaillons ließen fie im Gotenlande in goldene, mit BranarenfÄmuck 
verzierte Rabmen mit Debren fäffen, damir fie als Beuftfcmud getragen 
werden Eonnten. Ein großer Teil des erbeuteren Edelmetalle wurde zu 
einheimifchen Schmuchftticfen umgearbeiter. 

In den Zeiten des allgemeinen Umfturzes war nichte ficher, am 
wenigften die serrfchaft Über ein Volk oder ein Land. Als die gebeime 
Quelle aller Wacht galt damalo der Schan oder, wie der Bermane es 
nannte, der Sort. Aber nicht nur in gemünztem Gold und Silber wourde 
der Sort angelegt, fondern noch mehr liebte man Boftbare Schmuchfachen: 
Spangen mit Branarenverzierungen, als: und Armringe, etren, Diademe, 
Rronen, Rreuge, Becder, Schalen, Trinthörner, Arhge, Vafen, Tifcy 
platten von Bbelmerall, Bürtelgehänge, Eoftbare Waffen. Der Bermane 
liebte den Prumt, Poftbare, bunefarbige leider und Pelze, blinfenden 
Schmud. Yliche wie der Griedye oder Nömer fehänte er vor 
allem die edle Sorm, vielmehr das &uferlich Scheinende, das Pracht: 
volle, Glänzende. Pfaftifcher Sinn ging ihm noch völlig ab, um fo 
mehr war bei ihm das malerifche Befühl vorherefdyend. Soldye Prunt: 
ftücte begehrte vor allem der Krieger, und Pflicht war es des Sürften, 
milde, d. b. fteigebig, gegen feine Tannen zu fein, und ihn pries der 
Sänger. 1er Über einen großen Schaz verfügte, befaß die Macht. 
Jeder Fürft war ftols auf feinen Schas, und gerne rühmte er die einzelnen 
Prunßftiche.. Der Srantent$nig Chilperich ließ ich einen Loftbaren Tafel: 
auffa von Bold und Edelfteinen machen und fagte zu feinen Tifch- 
genoffen: „Dies habe ich zu Ruhm und Glanz des Srantenvoltes 





152 6. Bapitel. 


verfertigen laffen, und wenn ich am Leben bleibe, werde id) nody mehr 
der Act befehlen.“ So fammelte id) ein großer Schar, im meroreingifdhen 
Bönigshaufe an. Beim Tode ihres füngften Sohnes ließ die Königin 
Sredegunde, um jede Erinnerung an ihn auszulöfdyen, feine Rleider und 
feinen Schmuc? verbrennen und einfehmelzen. Diefer Schag füllte vier 
Wagen. Wit der Ausftarrung ihrer Tochter Eonnten So Kafwwagen 
bepackt werben. Den um feinen Schag beforgeen Rönig tröftere 
fie mit der Verficherung, daf diefer Braurfchan aus ihrem eigenen 
Befigrum entnommen und der Staatsfches nicht angerübrr worden fei. 
Die durch Verfhpenkungen eneftandenen Lücken wußte man durd) 
Deraubung der Broßen wieder zu ergänzen. Denn ein jeder füchte fich 
einen Schan zu erwerben, der dem Definer zuweilen zum Verderben 
gereichte. Wir Argwobn beobachtete der Rönig den Sammeleifer feines 
Sausmeiers oder anderer Großen, und um ihn zu verhindern, erwas 
Böfes zu thun, beraubte er ibn des Schages. Rönig Bunchram wire 
auf fein Bert bin mit den Worten: „Allee Silber, was ihr bier febt, 
bat meinem treulofen Diener Wiummolus gebört, jegt ift es, dan der 
Gnade Gottes, in unfere +ände gefallen. Sünfsebn Schüffeln, fo groß 
wie die geößte dort, babe ih fdhon serfchlagen, und id» habe nur diefe 
behalten und eine andere, die 47% Pfund fehwer ifi.“ 

Aud) Rirchen und Rlöfter legten ihren Schan an, der nadı der 
Anfdyauung der Zeit dem heiligen der Rirche gehörte. Allein die Surchr 
vor diefem “eiligen biele doch Peinesivege immer den nadı dem Schane 
Lhfternen vom Aaube ab. Die Begierde nadı Gold tberwand jede 
Scheu, und nur wenige Stücke lagen in der Schagkammer, an denen 
nicht Blut Blebre. Unbeimliches fehwebre um den Schag, und zuweilen 
wurde das Grauen fo groß, daß der Beflner fich freiwillig eines Schetee 
enledigee. 

Das rote Bold war ja dem Neiche finfterer {iächre entriffen worden, 
und es bing an ihm ein Such. Der dem Aheine entriffene Sort wird 
den Yibelungen verderblich und daber im Abeine wieder verfenkt. Die 
Sage vom orte Entıpft jedenfalls an die Tharfache an, daß der Abein 
Bold mir fidh führte. Die Boldwäfcherein im Ahein zwifchen Bafel 
und Worms müffen in der Zeit, als die Relten die Aheinlande innebatten, 
noch febr gewinnreich gemefen fein). Vor allen anderen Völkern 
baben die Belten zuerft die Boldwährung gehabt. ihre Wilinzen, die 
fogenannten Regenbogenfehüffelcben, werden häufig in der Pfalz, in Baiern 


Die Rultur der Germanen am Rheine 183 


und Böhmen gefunden. Ungebeure Schäge häuften jie in ihren Tempeln 
‚an, welche die Bier der Römer reisten. Jm Jahre 106 v. Chr. plünderten 
Diefe den Tempelfähag von Touloufe und fdyleppten 15000 Talente oder 
nady unferem @elde 70 Millionen Wark nad) Rom. 7). Cäfar tonnte 
mit dem in @allien erbeureren Bold nicht nur feine Schulden bezahlen, 
fondern audy ungeheure Bauten unternehmen. LToch Drfried rübme 
das Aheingold als einen Vorzug des Srankenlandes. 

Flicht nur die Römer rip die Begierde nach Bold in das Verderben, 
fondern audy die Germanen. Wiebr als einmal woußten die Römer durch 
Gefhyente Ziwietracht unter den Bermanen zu erregen, fd daß fie ich 
felbft serfleifchten. Sowohl der arme Mann wie die Rönige und Vor 
nehmen träumten von großen Schänen, denn man wußte, daß im Lande 
der Römer foldye vergraben lagen. Vom plöglicy Reichgewordenen 
murmelte man, er babe einen Scdyaz gefunden. Der Srantentönig 
Gunthram felief einft auf der Jagd ermüder ein. Da fehlüpfte aus 
feinem Wunde ein Beines Tier und füchte vergebens über ein Bächlein 
zu Bommen. Der Begleiter des Rönige bielt das Schwere über den 
Bach, das Tier lief darüber und verfchwand in einem Loche des nahen 
Berges. Ylady einiger Zeit erfdyien es wieder, wanderte Über Die eiferne 
Brüce zurüch in den Wiund des Schläfers. LUnterdes träumte dem 
Bönig, er gebe auf einer eifernen Brhce über einen Sluß und in einen 
Berg, wo er viel Bold erblichte. Der Traum bewabrbeitete fich. Er fand 
einen unermeflichen Schau, der in alter Zeit bier verborgen worden war. 

Diefe Begierde nad) Bold fÄrreckte felbft vor dem Brabraube nicht 
zurück. Die Gräber audy längft vergangener Befchlechter waren damals 
noch fichtbarer ale feat. Gegenüber den römifdyen Brabftätten befland 
felbfiverftändlich Eeinerlei Pierkt, aber fogar die Gräber der eigenen 
Landsleute plünderte man. Die Befcyichtfchreiber Gregor von Tours 
und Paulus Diaconus erzählen mebr ale einen Sall, aber für uns 
fprecyen noch deutlicher Die in leter Zeit aufgebecften deutfchen Gräber. 
Die Wehrsahl war fdyon ausgeraubt. YTur ein Beifpiel. In "ochheim 
bei Worme wurde eine fänkifdhe Begeäbnipftäere aufgededt, die noch 
der beidnifchen Zeit angehörte, denn 24 Gräber waren Schichtengräber. 
Don den 137 unterfuchten Gräbern fanden fich 50 unverfebrte mit 
Beigaben, 29 unverfehrte obne Beigaben und 58 ganz serftsrte Bräber”"). 
Die Volksrechte fezten fäwere Strafen auf den Brabesraub, doch erfl 
in der Barolingifäen Zeit börce diefer Srevel auf. 


Don, Die Mau Dr life ch. 1. ve 


154 $. Kopie. 


Aber nicht nur holte man die Schäge aus dem Boden, fondern 
aud) ebenfo bäufig barg man fie im Boden, fähon zur Römerzeit und 
noch mebr in den Zeiten des Umfkurzes. Und nid immer gelang cs 
dem Befiner, feinen Schag wieder zu holen. Sür die archlologifce 
Sorfeyung find aber diefe Schapfunde von der allergeößten Wichrigteit. 
Die merovoingifcbe Runft lernen wir baupefächlich aus wei Brabfunden 
Eennen: ndmlidy aus dem im Jahre 1653 aufgedecften Grabe des im 
Jahre 48 zu Tournay geftorbenen Könige Ebilderich 1.) und aus 
dem 1842 in Pouan bei Xecis.fur-2Aube eröffneren Brabe, welchen dem 
451 auf den Eatalaunifchen Seldern gefallenen Weftgotenkönig Theodorich 
sugefchrieben woird”®). Ale dritter Brabfund von Bedeurung reiht fich 
der von Stonbeim an. Für die burgundifche Aunft Eommmen die Sunde 
von Eharnay in Berrachr”), für die langobardifäye der Schas von 
Wionsa und des Cavaliere Roffi, für die weftgotifche der Schar von 
Guarrazar, für die oftgotifche der Schag des Attila, der Sund von 
Petreofa, welcher mit dem Ylamen des Oftgorenkönigs Arhansriche 
sufammengebracht wird, foroie die Boldfunde zu Llagy-SgenttTikiöe, 
Ressthels, Spilägy:Somty6 u. [. w.9). 

Alte diefe Fundftlcke haben einen gemeinfihaftlichen Charakter. Die 
römifehen Schriftfteller pflegen die Germanen als Barbaren zu bezeichnen, 
d. b. ale Wilde, die auf der unterften Stufe der Sivilifarion fteben und 
feinen Refpekt vor den Werten der Rultur Eennen. Der Ylame der 
Vandalen ift für den barbarifchen Zerftörungstrieb typifch geworden. 
Ihnen gefcpiehr Unrecht. Bewiß haben die Germanen bei ihren 
Plünderungs: und $Eroberungssügen in die Provinzen des römifchen 
Reicyes wenig Aückficht auf die Werke der Rultur genommen; fie haben 
Dörfer und Scädte verbrannt und dabei gemorder und zererlimmere nach 
Yerzensluft. Sie thaten eben nichs anderes, als was noch heute im 
Rriege gefebieht. Wir wollen garnicht von den Greueln des dreißig: 
jährigen Mrieges veden, aber es ift ja befannr genug, wie die Sranzofen 
in der Pfalz gebauft haben, und zwar auf ausdrücklichen Zefehl des 
allerchrifttichften Aönige, der fi) vermaß, an der Spine der Zivilifarion 
zu marfehieren. Ober haben eriwa die Amer bei ihren Kriegen mehr 
Wenfchlichteit walten laffen oder größeren Munftfinn beroiefent Mir 
nichten! Als die Bermanen in das Licht der Befchichte traten, hatten 
fie die erften Stufen der Zivilifation fchon lange erjtiegen, fle waren 
empfänglichen Beiftes und bildungsfähig. Sie nahmen die Elemente 


Die Bulrur der Germanen am Aheine 155 


der antiken Bildung in fid auf, aber ihre narionale $Eigenart opfercen 
fie doch nicht, fondern fie bildeten einen Stil aus, den man mir Recht 
ale Völtermwanderungfüil bezeichner hat”“). Das Eharakteriftitum diefes 
Stiles ift die Zellengoldfchmiedkunft. Serbinand de Lafteprie””) hat dies 
zuerft erfannt, aber, wie es oft gebt, Die Wahrbeit tieß auf WOiberfpruch. 
Der Stolz des Spaniers litt es nicht, daß den veradıteten germanifcben 
Barbaren eine fo grofe Runft eigen gewefen fein füllte. Don Tops 
Amabdor de 100 Rioo”*) behaupter Daher, die gotifchen Eroberer Spaniens 
hätten diefe Bellengoldfcomiedrednif von den latino«fpanifchen Bewohnern 
übernommen. Doch er blieb den Beweis für feine Behauptung fehuldig. 
I. Labore”) hielt dagegen diefe Schmuchfachen fir bysantinifche Arbeiten. 
Tparles de Linas”) endlich, der fih eingehend mit diefer Technik 
befhyäftige bat, fücht ihren Urfprung bei den perfifcben Saffaniden, 
soas durch Die neueften Sorfehungen befkftige worden ift?"). 

Der Ausgangspunkt für die Verbreitung diefer Runft ift Ungarn, 
„das Land der arhäolsgifihen Wunder“). Bevor die Boten in 
Ungarn einwanderten, wohnten fie in den Landfchaften nördlich am 
Schwarzen Wieere. Sier ennwicelte fid nod) vor der Völkerwanderung 
der fyehifcbe Seil, deifen Träger die Goren waren”). Die Blütezeir 
der gorifchen Rumft it das 4. und $. Jahrhundert, dem Ienteren geörr 
der Sund von Verterofelde an’). Diefes mit den genialften Anlagen 
ausgeftattere Wolf der Boten nahm die Fünftlerifäyen Traditionen der 
Griechen und Römer in fid) auf und verarbeitere fie mit den eigenen. 
Zumeilen gefebiebt dies in naiver, rober Weife, wie 3. DB. bei dem 
Diademe, das 1890 in einem $elfengrabe in Wiykenä gefunden worden 
if”) und das aus neun goldenen Platten verfcbiedener Größe beftebt, 
die zum Teil mit eingeftempelten Siguren und Ornamenten antiter Arbeit, 
wilo mit farbigem Sellenfhmuct verziere find. Zumeilen aber tragen 
diefe Arbeiten ein eigenes, für die Aufnahmefäbigkeit fremden Stoffes 
baratteriftifchee Bepräge, wie 3. B. die Dronzeplatten des Sundes von 
Senet). Sie fiellen die vier Jahreszeiten dar, fosie eine anrikifierende 
Weinlefe. Dem lesteren Thema war der Rünftler nicht gewachfen, 
wäbrend die Darftellung der vier Tabreszeiten fi zwar an antike 
Wufter anlehnt, aber doc) eine eigene gute YTarurbeobachtung verrät. 
Die Boftime find gotifch. Für viele Begenftände des häuslichen und 
triegerifchen Lebens lagen jedoch feine griechifähen Ueberlieferungen vor, 
und bei der Verzierung mußte man auf die nationale Ornamentif zurlich“ 


156 “angtd: 


greifen. Speyiell das Schlangenmotio mir Perlenverzierung ift Zigenrum 
des gotifchen Stils. Daneben finden fid die anderen Yilotive der 
beimifdyen germanifcen Runft in den Sundfiücten von Ungarn: Grab: 
wert, Schachbrertmufter, Slecbmwer® mit Tiervertröpfung. 

Befondere reich bar fid) die Tierornamentik bei den Bermanen 
entwoickelt?"). Diefe Tierornameneif zerfällt in zwei Bruppen; die eine 
fert die Bekanntfcheft mit den Tierfiguren der römilchen Runft voraus: 
mißverftandene saippofampen, Seeböcte, Schlangen, entauren; die 
andere beftebt nur aus Tier£öpfen von zoologifd> nicht beftimmbarem 
Charakter mit Augen und Schnabel. Bei den Boten am Schwarzen 
Wieere Bommen die Wotive der Löwen und Greifen vor. Aber zur Zeit 
der Völkerwanderung verfehwinden die Plaffifchen Tierfiguren aus der 
germanifcen Runft, und co entwickelt jid felbftändig eine ppig« 
pbantaftifäye Tierornamentif, für welche die Trennung der Glieder 
barakreriftifeb ift und die bei allen Stämmen vorfommt. 

Die Fünftlerifje Enrwicelung der verfchiedenen geemanifchen 
Stämme hänge auf das engfte mit dem Grade der Intenfinirde 
zufammen, mit weldyer fie zu der geiechifch-römifchen Rulturwelt in 
Sühlung ftanden. Je nadpdem griechifde oder römifche Linflhffe maßı 
‚gebend gewefen waren, bat fi) der Stil bei den einzelnen Stämmen 
enmoichelt. Die Boten und Gepiden wanderten vom Öften, wo fe mit 
der migthellenifhen Rultur vertraut worden waren, nad) Weften und 
ießen fidh in Siebenblirgen und Unterungarn nieder. Erft jenfeits der 
Donau lernten fie römifdhe Sehdte und rSmifhe Runft kennen. Ihr 
Runftftil wird charakterifiere duch das Vorkommen von Greifen und 
mebr oder minder füliflerter Pflansenmotive, Blätter und Blüten”. 
Vom Ylorden Bamen die Vandalen und Zangobarden, die in ihren 
einbeimifchen Sigen nie in Berührung mit der römifchen Rultur 
gebommen waren; in Ungarn lernten fie die gotifehbe Aunft Eennen, doch 
mach furzer Zeit wanderten fle nach Jealien, wo fle die lemente der 
weftrömifchen Runft in fih aufnahmen. Die Sranten, Alamannen und 
Burgunder hingegen harten fehon lange Beziehungen zur römifcyen 
Rulrurvoelt gehabt. Durdy die Boten fam ihnen die Bennmis der 
gotifäyen Technik: die Zellengoldfehmiedkunft mit Branarenverzierung zu. 
Sie verarbeiteten die verfchiedenen Elnftterifchyen Linflüffe: jene gorifche 
Zellengoldfehmiedtechnif, römifche Munfttradirionen und einheimifche 
tünftlerifche Zlemente (das Riemenfledhrwert und das Tierornament) zu 


Die Rultur der Germanen am Rheine. 157 


einem eigenartigen wefigermanifden Stil, der ich fäharf forwobl von 
dem gorifhen Stil wie vom römifchen unterfcheiber. 

Befonders harakreriftifch für die wefigermanifche Kunft find die 
reich verzierten Gibeln, Schnallen, Obreinge, Gürrelsierate, die, fo ftark 
bei ihnen auch der einbeimifebe Stilcharatter bervortritt, doch den Einfluß 
der Blaflifeben Traditionen nicht verkennen Laffen. Diefe Zierftücke vercaten 
eine folche Sicherbeit der technifchen Sertigkeit, eine foldhe auferordentliche 
Befhyichlichkeit der hand, forvie die genauefte Rennenis aller Zandgeiffe, 
daß Diefes alles mur bei der Annahme langer überlieferter Tradition 
möglich erfebeine. 

Alle Eräfiigen Völker verachten in ihrer Tugenbzeit die Öandarbeit. 
Chur die Briegerifche Ihleigkeit bringe Ebre; wer zum Waffenhandwerk 
wegen Eörperlicyer Bebrechen untauglich ift, der Bann fich, wenn er 
blind if, ale Sänger, wenn er lahm ift, als Waffen: und Goldfähmieh 
Anfehen erringen. Darum ift Zomer der blinde Sänger, +ephäftos 
(Oultan) wird als lahmer Wann dargeftellt. Die deurfihe Heldenfage 
weiß von dem funftreichen geläbmten Schmied Wieland zu erzählen. 
Die Schwerter der "elden und der Goldfhmuch der Rönige find die 
Arbeit der Zwerge. Soldye Arbeiten, die eine große Runftfertigteir 
erfordern, werben bei einem waffenfroben Volke hoch gefchäar; daher 
batten taut der Sage die Aönige den Rünftler gefangen oder ermorden 
ihn gar, damit er midyt aud) anderen diene, So wird Didalos von 
Winos eingefperrt. Aus der Zeit der Völkerwanderung erzähle Eugipp 
in feiner Äußerft intereffanren Biographie des b. Severin einen folchen 
Salt. Bifo, die Aönigin der Augier, ließ Jandwerker durch ihre Wannen 
aus Noricum rauben und am anderen Ufer der Donau bei fic) anfiedeln, 
wo fle die Boldfdmiede gefangen hielt, damit fie den Schmuck für fie 
fertigen. Um ihre $reiheit wieder zu erlangen, bemädhtigten fie fid) des 
Eleinen Sohnes der Rönigin, der ihnen neugierig zufchaure"). Bewiß 
find Die barbari aurifices, von denen bier die Rebe ift, Peine Bermanen, 
fondeen unfreie römifche Jandwerker. Yan darf fich nur der Barbarli 
‚oder Barbaricarii erinnern, die in den römifchen Staatsfabriten Bewirke 
und Waffen im barbarifdyen Befehmact anfertigen”). 

Der Bermane biele jede Zandarbeit für erniedrigend, nur der Brieg 
und die Jagd waren eines freien Wiannes würdige Befchfftigungen. 
Als er fid endlich bequemen mußte, felbft feinen Acker zu befiellen, 
erfcjlen ihm dies alo eine fchroere Laft, und er nannte den Aderbau 


158 5. Bapinc, 


Arbeit, d. b. Mübfal, Befänverde, Ylor. Tin feiner Grundbedeuung 
che das Wort Arbeit auf das verwandte flavifde robota surf‘; rabü 
beifit der leibeigene Bnechr”'). Dem Sklaven oder börigen Anechte 
bfirdete man die Arbeit auf. Amifche Ariegsgefangene waren wohl die 
erften Rünftler, die den Bermanen ihre Schwerter fomiederen und ibren 
Schmuc verfereigten. Diefe bildeten dann Scyhler beran, und der 
Schmuc der Völkerwanderungszeit ift zum größten Teil die Arbeic 
germanifcper Rünftler, die fidh von der römifchen Arbeit fehr mobl 
unterfeheiden 14er”). Auf deurfehen Schmuckfadhen der Wierowingerzeit 
begegnen ums deutfche Adnftlernamen, wie 3. 3. auf einer Schnalle aus 
dem GBrabfelde bei Dierersheim in Abeinbeffen: INGELDVS FICIT”). 

Ein Reliquienkäftchen in St. Maurice im Wallis trägt die Ylamen 
der Donatoren Yorbalaus und Ridylindis foroohl wie die der Rünftler 
Undito und il”). 

An allen germanifcyen &öfen arbeiteten folche börige Boldfehmiede 
und Rünfter im Dienfte der Rönige und Kürften, und fie bilden neben 
den Sängern das gewöhnliche Inventar fürfttichen "aofhaltes. Ueber 
ihre fogiale Stellung laffen die Volfsrechte feinen Zweifel. 

Die Arbeiten all diefer Rünftler rragen bei den Sranten, Burgundern, 
Alamannen, Weftgoren und Langobarden durchaus denfelben Charakter. 
Wie auf potieifepem Gebiete, fo Übernahmen and) auf Finflerifchemn Die 
‚Sranten die Sührung. Bald machte fich fodann die Kirche die 
Aunft Dienftbar, und eo gereichte der fogialen Stellung des Sandwerker« 
ftandes, zu dem ja die Rünftler während des ganzen Wittelalters gebörten, 
zur Emporhebung, daß angefehene Beiftliche felbft Bünftlerifch chätig 
waren. YTody jent verehren die fransöfifchen Boldfehmiede den b. Zligius 
(Saint-Eloi) ale ihren Patron. Diefer war 588 bis 659 Bifchof von YToyon. 
Die Legende febreibe ihm fälfchlich die Erfindung des Emails (in 
Limoufin) zu. Aber wegen feiner Vielfeitigteit Bann er als ein Vorläufer 
eines Bernwards von saildesheim oder eines Benvenuto Cellini bezeichner 
werden, auf allen Runftgebieten gleich gefchict und fdöpferifch. Auch 
‚äußerlich erfcheint er als echte Rünftlernatur, der etwas auf feine Perfon 
bielt. Sein Biograpb rühmt an ihm die Sorgfalt der Rörperpflege: 
fein ftets getämmeer Dart; weiße, zarte 4nde”"). 

Doch wir diirfen bei diefen Dingen nicht länger verweilen, um fo 
weniger, ale fat fämtlice Arbeiten dem Wefiftantenreic angehören. 
Ssier bat man das römifche Erbe eifrig nugbar gemacht. Die Figuren“ 





Die Bultur der Bermanen am Aheine, 159 


plaftit febließr fich eng an die laffifche Tradition an, fo fehr, daß man 
die Reiterfigur Barlo des Großen im Mufeum Earnavaler in Pario, die 
der erften „hälfte des 9. Tabrbunderts angehört, als eine Arbeit aus der 
Renaiffancegeit beftimmen Eonnte”*). Die abendländifcye Runft bis zum 
Je. Jahrhundert lebt vom Prbteil der Römer, dody behauptet ficdy die 
germanifde Ornamentif neben der antiten, ja fie erhielt bei den Jren 
und Angelfachfen nee Tmpulfe, die auch auf die fränkifche Runft 
belebend surüchwirßten.. In diefer beidnifchen Tierornamentit fahen 
Bonifatius und feine Gefinnungegenoffen ein ZJauptbemmnis für die 
Vertiefung des hriftlichen Glaubens, und fie verlangten die Entfernung, 
der Schlangenverzierungen, welche felbft in die Sdume der Kleider 
eingevoirke oder eingefticht wurden”). 

Deffenungeachter war der ancite Rultureinfluß auf alle Bebiete des 
Xebens bei den Germanen ein überaus tarker, vielleicht am früheften 
in der Sprade. Denn fon im I. Jahrhundert lernten die Bermanen 
von den Römern YWorre und Sachen, wie: Wänze - monera; Pfund 
= Pondo; Strafe = sırata, d.i. gepflafterrer Weg; Weile - milia (passuum), 
taufend Schritt; Wein — vinum. WEnvas fpäter, ale fie auf eömifchem 
Boden den Steinbau Eennen lernten, entlehnten fie der Iateinifcen Sprache 
die entfprechenden technifdyen Ausdrücke, wie: Mauer — murus; Beller 
= cellarium; Speicher = spicarium, „Rornbaus"; Ziegel = tegula; Kalt 
aus dem Iareinifchen Akkufariv calcem: Pfeiler — e, pilarius; Pfahl 
= pälus; Pfoften = postis; Pforte = porta; Rammer — camera; Küche 
— coquina (eucina); Kamin — caminata; genfter = fenestra; Schindel 
- scindula; Söler — sölärium; Spiegel = spögulum (speculum) ıc. ıc. 
Auch in der Rochkunft waren die Germanen die gelebrigen Schüler der 
Aömer; Beweis dafür find Ausdrücke wie das febon erwähnte Küche, 
Roc) — coquus; Bochen = coquere; Reliner — cellenarius, cellarius; 
Rufe — cöpa und daber Rüfer; Schüffel — scutula, scutella; Rachel 
= cacabus oder beffer cachus; Kohl — caulis; Eppich — apium; Pfeffer 
— piper; Kümmel — cuminum; Wine — mentha; Pflaume — pränum; 
Birne — pirum; Rirfde — cerdsin ıc. 

Seitdem die merswwingifchen Bönige die Zügel der Regierung ihren 
läffigen &&nden entgleiten ließen, bört faft jede Einwirkung auf Auftrafien, 
den beurfchen Teil des fränkifcben Reiches, auf; diefe Landfehaften find 
fich völlig felbft überlaffen und fallen in die Barbarei zurüich. Diefer 
Reaktion Bönnen fich foger die Abeinlande nicht erwebren, in denen 

















180 6. Bapitel. 


doch die römifche Mulcur tiefe Yöurzeln gefchlaen hatte. Dafür zeigen 
auch die auftrafifchen Lande weniger Symptome der fietlichen Säulnie, 
die, wollte man den geiftlichen Schriftftellern glauben, das ganze Volk 
der Scanten ergriffen hate. Doch darf man annehmen, daß audy in 
Yleufirien nur bei den Vornehmen die Sitrenlofigkeit in fo verderblicher 
Weife geberefcht bat, während auf dem Lande das Leben ein einfaches war. 

Das falifhe Gefen fpiegelt die Rulcur der Älteften Zeiten nad) der 
Eroberung Galliens am getreueften wieder, und zugleich Tann man aus 
den verfehiedenen Redaktionen und Zufägen die weitere Entwickelung 
verfolgen”). Die Iandwwirtfchaftliche Befchäftigung tritt überall hervor, 
die Bewerbe haben nur nebenfächliche Bedeutung. m Dorfe fpielt fich 
das Leben der Wienfehen ab, und Diefes Leben war ein fehr einfaches, 
im engften Mreife id) bewegend. Das Dorf ft mit einem Zaun oder 
Pallifadenwall umgeben, der einige Ausgänge bat, Die bei KTachr gefahloffen 
werden. innerhalb diefer Umydunung fteben die “fe, weitiäufige Anlagen, 
die ebenfalls wieder mir Zdunen umfcyloffen waren. Das Wohnhaus 
war ein Yolzbau, Sala genannt, von der primitioften Bauarr, im 
‚Zintergrund der “erd, der als hrenplag galt. Ebenfo primitiv war die 
innere Finricyrung. Die Beten beftanden bei den Heicheren aus Leinenzeug 
und Pelgen. Wort und Begriff von Riffen Eamen den Bermanen erft durch 
tömifcpe Dermirrelung zu. Ylad) Plinius lieferten die Bermanen den ver- 
weichlichren Römern Bänfeberden, wohl mehr der Jedern als des Steifches 
balber. Slaum entfpriche dem lareinifchen plüma; Pfühl Lomme aus 
dem Iateinifeben pulvinus, pulvinar, Riffen aus cussinus. Die übrige Aus: 
fratrung beftand in Bänten und Srüblen. Die Worte Tifch und Tafel find 
tomanifcben Lirfprunge, erfieres aus discus — Schüffel, Iegteres aus tabula. 

Den Seauen fiel die Arbeit des Spinnens und Webens zu, die in 
einem uneerirdifdyen Raum, der Wärme wegen, vorgenommen wurde. 
Diefer Arbeiteraum der Scauen heißt in der Lex Sallca sereona — Mrd: 
gemadh; fo heißt das Srauengemad) nod) in Rarls des Broßen Capitulare 
de villis, cap. 49. Der screona entfpricht das mitrellateinifdye Caminata, 
das fcjon im 6. Jahrhundert nachweisbar ift und heigbares Zimmer bedeutet. 
In den römifdyen Provinzen harten die $ranten die &eigeinrichrungen 
der Römer kennen und fdyänen gelernt. Die Deutfchen nannten das mit 
einem Ramin verfehene Bemady „Kemenate“, Hbenfo einfach) wir das 
Wohnhaus waren der Speicher (spicarium) und Schober (abd. scobar, 
gefdhichterer Betreidehaufen) Bonfruiert, ferner die Ställe für Pferde und 


Die Bultur der Germanen am Aheint. 181 


Hindoieh; die Schafe und Schweine wurden gepfercht. Schon längft, 
bevor fie feßhaft wurden, kannten die Bermanen die Iandteirtfchaftlichen 
Geräte. Pflug, age, Senfe, Sichel find VWOärter uralten Urfprungs. 
Tn der Lex salica werden nur Pflug, $Egge und der zweiräderige Barren 
(aus dem Iateinifähen carrus, das keltifdyen Uefprunge ft) erwähnt. Das 
ifen war eben fehr felten und ftand hoch im Preis. 

Ueber den Viebftand enthalten die Volkeredhte ausführliche De- 
fimmungen. Da begegnen ume die Beinen Aaustiere: Bänfe, “über, 
Enten, zu deren Bewachung ein gesäbmter Storch oder Rranic) diente, 
Die Bienenzudyr war wohlbefannt. Hunde gab es mandyer Arr: aus 
hunde, die allerlei Runfiftüicte Lonneen, der ofbund, welcher dee FTachrs 
freigelaffen vonrde, „irtenhunde und verfehiedene Arten von Tagdhunden. 
Sehr beliebt waren die Jagdvögel: der zahme Sale, der Baumfalke, der 
Srangenfalte und der Fausfälte, fowie der Sperber. 

Wichriger für die Lanbroirrfehaft waren die eigentlichen Flugtiere: 
Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine. Die Pferde: und Schweine: 
sucht ftand auf’einer hohen Stufe der Ausbildung. Das Schweinefleifch war 
während bes ganzen Wiictelaltere Die beliebtefte Volfsnahrung. Ausden Volks: 
rechten geroinnt man den Eindruck, dafs die Viehzucht größere Bedeutung als 
der eigentliche Börnerbau hatte. An das Dorf fchloß fich das Ackerland an, 
das in gleichmäßige Bervanne geteilt war, die nach regelmäßigen Zeiträumen 
in Brache lagen und dann zur Weide dienten. Die in Anbau genommenen 
Gewanne wurden durch Zäune gegen das weidende Vieh gefchlnt. Jinter 
dem Ackerland (ag die gemeine Weide, und den orisone umfAunte der WOald. 

In den ehemals von den Romanen bewohnten Begenden wurde der 
Obftbau forgfältiger gepflege. Das Bartenland war von dem Aderfeld 
ausgefondere und durch Zäune umbegr. Die Bärten dienten zum Anbau 
von Roblarten und Syllfenfrlichten, von Slachs, Hanf, Hopfen, felbft von 
Weizen. Von Obfiforten wurden Aepfel, Birnen, Rirfben und Früfe 
gesogen. Wicheiger als der Obftbau und die Bartenkulcur, ja felbft als 
der Rörnerbau, war in den Weingegenden der Weinbau. Diefer fland 
ganz außerhalb der Ziweinckerfeldweirefchaft. 

Ueber die Weinkultur in der !ofellandfcyaft befizen wir ausführliche 
febriftliche und bildliche Runde. Die Reliefs aus YIeumagen fehildern 
mit Bftlichem gumor Scenen des Weinlebens, und nicht minder glänzend 
und anfepaulich weiß; Aufonius der Bultur des Weinbaues beitere Seiten 
abzugersinnen. Durd) die fränkifche Eroberung feheine die Weinkulrur 


Don, Die Aut er een ih L Fi 


162 6. Bapiıd, 


nicht zurückgegangen zu fein, denn die alten Bewohner bauten den Wein 
in gewohnter Weife jene für die neuen “erren, woie: fie ihn vordem für 
die alten gepflanzt batren. Dreibundere Tabre nady Aufonius preift 
Venanrius Sorrunarus die Poefie der Weinlandfihafr: 

Rebenumkleidet erfhauert da die Sur, wohin du dich wendeft; 

Weintaub fhmüct das Gehäng, leis vom Winde brivegt. 

Neibe an Aeihe gedrängt, von fpigigen Selfen duchbrodsen, 

Zieht fid' vom Thale binauf, Plimmt bio au (dwindeinder Göb. 

Oft zeichen farrendem ‚Selo fAuf menfihlicher Steiß ihr dem Boden, 

Aöuticy (himmert die Aeb grüßend aus grauem Geftein””). 

Am Abein wurde der Wein vorsiglich in der Vläbe der alten 
Aömerfajtelle und Städte gezogen. 

Wald, Weide und Waifer waren gemeinfcbaftliches 4 
Dorfgemeinde und bieß Almend. Der Wald wurde fic) felbft Überlaffen 
und diente den Wienfeben in mannigfacher VWeife als Weide für das 
Dieb, zur Zolzung, zur Jagd. Die Sifherei war hoch ennwicelt. 

Ein jeder Bauer war fein eigener Bäcker, Zimmermann oder 
Schmied. In den Volfsredhren Fommen die Ländlichen Gewerbe des 
Webers, des Sattlers und dee Zimmermanns vor, namenclich bochgefchäar 
war der Schmied. Selten mangelte dem Dorfe die Mühle. Vielfach 
wurde noch die uralte Jandmühle benune, bei den Römern bare man 
jedoch die Waffermüble tennen gelernt. Diefe Waffermüblen waren ober« 
fehlächtig und fehr klein. Trog ibrer primitiver Ronftruftion waren fie 
doch für Damals eine toftfpielige Eincichrung und rechtliche Vorkehrungen 
zu ihrem Schune und zu ihrer Erhaltung nötig. „Daher wurde die Wähle 
auf Roften der Gemeinde gebaur und erbielt Öffentlichen Charakter, 
und die Bewohner wurden zur Benüsung der Wüble verpflichter. 

Ungewohnt und fähwer war dem freien Bermanen die Arbeit, aber 
feirdem er fich bleibend angefiedelt und die Sreiheit des Wanderns auf: 
geböer barte, zwang ihm die Ylotwendigkeit dazu. Fo war ein harter 
Rampf mit der Yraur. Um der wachfenden Bevölkerung Yabrung 
zu feheffen, mußte der Wald geroder werden, und es entfianden zahlreiche 
neue Dörfer. In diefem jabrhunderelangen Rämpfen und Ringen mit 
den Ylarurgewalten wandelten fid) die Bermanen aus Rriegern langfam 
zu Bauern um. Doc) liege uns die Schilderung biefer Verbätmiffe 
nicht ob. Wir haben es nur mit dem Leben in der Smubr zu chun, 
das fi) allerdings in diefer Zeit niche viel anders abfpielte als im Dorfe. 








Die Kultur der Germanen am Rheine. 165 


WII man den Deutfehen Bennen lernen, fo muß man ihn bei Speife 
und Trank belaufdhen, denn von ben frübeften Zeiten bis zur Begenwart 
find ihm Tafelgelage und ein rechter Wiännerrune die fiebfle Sreude’®). 

„Ohne Leckereien und ohne Gewürze füillen bie Bermanen den Aunger,“ 
fegte Tacitus. Die allgemeine Voltenahrung beftand in Bror und Brei aus 
afer, Gerfte oder Spelt, audy faure Wild und Burter. Räfe ımd 
Butrerbereitung Tannten die Bermanen fäyon in ihrer alten Feimar; in 
Berührung mir den Römern lernten fie mit den YTamen auch verbefferte 
Arten der Bereitung. Denn das Wort Rdfe if dem Lateinifchen, 
cicius oder cisius entlebne; ebenfo die Bezeichnung Butter (aus dem 
geiedyifch « ffytbifcyen fire, Iateinifch butyrum, franzöfifch beurre). 
Das urfprünglich deutfche Wort bar fih nur noch im fehweizerifcben 
(alamannifchen) Dialekt erhalten: Anke”). Serner aß man wilde Baum 
früchte, Alılfenfrüchte und Ketriche. Als der Briedye Priscus an den of 
Arcilas gefandt wurde, erhielt er von den Barbaren Jirfe ftart des ihm 
gewohnten Weisen, Wer fiatt Wein und feine Anechte ein Berftengerränt. 

Das Pferdefleifdy war befonders bei Opferfehmäufen beliebt, weshalb 
die Kirche diefe Ylahrung als beidnifch verbot. Wie fehon bemerkr, 
wurde das Scyweinefleifc vor allem anderen bevorzugt, und die beigifchen 
Schinten galten fogar in Rom zur Zeit des Dioklerian alo Leckerbiffen. 
Die römifcpe Rüche fagte aud) den Germanen zu, und fle waren febr 
gelchrigge Schüler, fo dafı felbjt ein verwöhnter römifcher Baumen, wie der 
des Sidonius Apollinaris, es nicht verfchmähte, Baft eines Barbaren zu 
fein. Der Saal wurde rein gefegt und mir herrlichen Teppichen und 
BDebängen aller Art feftlich gefhmückt; glänzende Waffen und fehöne 
Schilde hingen an den Wänden, und die Bänke waren mit fcywellenden 
Polftern belegt. Kunftreiche römifche 1FÖbel zierten den Raum, und das 
Teintgefchirr war von erlefener Pracht. Die Rönige prablten mit ihren 
goldenen und fübernen Schüffeln und Bechern. Die $rauen waren ftolz auf 
ihr glänzendes Linnenzeug, das fie felbft geferrige barten. Ya) römifcher 
Siere dufteren Rofen und Lilien im Baftfaale, und felbft „die Bedyer 
wurden mir Blumengewinden gefehmüctt, die den Bilanz der Edelfteine und 
des Boldes auffingen und roten Schein dafür zurichjtrablten”. Doch der 
arme Mann. a am vauchigen Herde aus hölzernen Schiffen feinen Brei. 

In einem. vornehmen pofbalte gab es Möche, Decker und Sleifcher 
und: Geflögelmäfter. Ylarhelid waren dies umfreie Leu, aber mandyer 
Eönigliche Boch yalr doc) als ein bebeurfamer Mann, „der Wache erhielt 





164 6. Rapkrel, 


über alles, was der “here befaß“. Der eitie Dichter Denantins Sortumarıs 
hatte Urfache, Über den Jochmur des Roches des Bönige Sigiberr zu Elagen. 

Wan liebte damals fehon, wie das ganze Mittelalter hindurch, 
die Speifen ftart gewürzt. Ale Gewürz werden in einem amtlichen 
Dokumente des 7. Tabrbunderts aufgesähle: Garum, d. b. Sifchfütse, 
Sonig, Effig, Del, Rümmel, Pfeffer, Sals, Roftwours, Bewlrznelten, 
Lavendel, Zimmer ıc. Ueber die Rüche des Parolingifchen Sofes befigen 
wir Vorfehriften. Das Capitulare de villis beftimmt die Lieferungen 
der Bureböfe und fehreibr bei der Zubereiung von waren, die in 
Wieiereien mit den “änden bergeftellt werben, bie größte Sauberkeit vor, 
namenlic) bei der Zubereitung von Spec, Rauchfleifch, Pökelfleifch, 
Sülge, Wein, Effig, Maufbeerwein, gekocheem Wein, Barum, Senf, 
Räfe, Butter, Mals, Bier, Wer, honig und Webl”"); 

Auch SeinfÄmecter unter den Sranten gab es fhyon. Berühmt war 
der “ausmeier Bogo als großer Bourmand, den feine römifchen Ahaus 
freunde einen weiten pics nannten. Venantius Jortunarus war 
für Tafelgenüffe fehr empfänglich, und einmal befonders entgeht über 
einen Prachtfifeb, der in einer Delfauce (dywamm. Er preift die Shfigkeit 
der Wiilcyereme, Prumellen und anderer guter Dinge, die er bei der 
Königin Rabegunde und der Uebteffin Agnes zu often bekam. Junge 
Slıbner oder Geflügel mit Exbfen waren fehr beliebte Gerichte. 

Ya) Gregor von Tours wurden gewöhnlich vier Gänge aufgerifchr: 
der erfie beftand aus Bemlife, der legte aus Bierkuchen, die mir Oliven 
und Datreln garniert waren. Auch Rarl der Brofe begnäigte fi mie 
vier Bängen, aber gegen den Rat der Aerzte, die ibm gefortenes Sleifch 
empfablen, liebte er den Braten. Zum Ylachtifch nahm er Dbft und 
machte dann ein Schläfchen. 

Gaftfreundfehaft zu üben war alte Sitte bei den Germanen. Darlber 
belehrt uns Tacitus im 25. Bapitel feiner Bermania: „Sür Baftmähler 
und Bewwirtungen ift fein anderes Vol eiftiger beforgt. Es gilt fir 
Sünde, irgend einem Sterblicyen fein ©bdach zu verweigern; jeder 
bemirtet ihn nad) feinem Vermögen mit einem fefllicen Mahle. ft 
der Vorrat erfhöpft, fo führe der, welcher forben der Wirt war, feinen 
Gaft zu einer anderen gaftlicen Stätte, und ungeladen treten fie in das 
nädyfte aus; das thut garnichts, mit gleicher Steundlichkeit werden 
fie aufgenommen.“ Länger als drei Tage follte der Baft jedoch dem 
Gaftfeeund niche zur Laft fallen. Bemerbenemwert ift, daß das burgumbifche 


Die Rultne der Germanen am Aheine. 185 


Befer auf die Verlegung der Baftfreundfchaft firenge Strafe fegt. Dem 
antommenden Gafte bereiteten die Grauen ein Zad oder wufchen ihm 
die Füße, dann wurde er zum Wiehl geladen. arte er Beine Zeit zu 
verweilen, fo mußte er wenigftens einen Trimk Wein genießen. Der 
brenplan war zur rechten Seite des Zausberen; Diefer mußte den Baft 
öfters ermahnen, tlicbrig, zusugreifen. Vor Beginn wurde ein Tifdhgeber 
gefprochen. Wieffer und Löffel waren befanne und jeder trug fie bei 
Nic, nicht aber Babein; man griff Daher mir den Anden zu, und cs 
war fehicktich, fi) vorher die “ände zu wachen: 

Waffer ift not dem, der zum able Pommt, 

in Jandtud) und holde Yiötigung. 
beißt es in der Koda. 

Der Rlıcyenmeifter zerlegte die Speifen, Die dann von den Dienern 
herumgereicht wurden, und zwar nach der Reihenfolge des Ranges eines 
jeden. Bei Yacht wurde der Saal durdh Wachsfadeln erleuchter. 

Wan forberre von einem Bafte nicht nur gefunden Appetit, fondern 
auch gute Laune. Schon in der Urzeit wurden zum Baitenfpiel Tafel 
lieder gefüngen®®), Entweder fang ein einzelner ober alle im Chor. 
Auch Sportlieber erklangen, und fehr beliebt war das Närfelfpiel. Die 
Romanen pflegen fehr abfchägig Über die Befangestunft der Germanen 
abyuurreilen, meiftens vergleichen fie den deurfchen Gefang mit dem 
Gekreifdy Erächzender Vögel. in römifcher Beiftlicher hält die Deuefchen 
für ganz unfähig zu fingen, „denn die barbarifche Wildheit der durftigen 
Beble beingt, während fie fi bemüht, etwas Eunfigeredyt vorzutagen, 
Töne bervor, als wenn ein Zubrwert über Stufen berabraffele.” Zu 
Tacitus Zeit war der Schwertrang beliebt, der durch funge Männer 
Eunftvoll ausgeführt wurde. In fpäterer Zeit forgten Poffenreifer und 
Tänzerinnen für die Ergönung der Gäfte, wobei es nicht immer 
anfländig zuging. Die exfe Verordnung, die wir vom Rate von Worms 
befigen, it gegen die Baufler gerichtet”). Aigorofe Beiftliche wollten, 
wie noch heute die Pietiften, nichts von feenifchen Darftellungen vwiffen, 
womit jedoch Angilbere, einer der bervorragenbften Benoffen der Tafel: 
runde Karls des Großen, nicht einverftanden war. Den Beiftlichen war 
es verboten, den Schaufpielen bei Baftmählern und &ochgeiten zuzufehen; 
fie follten, bevor diefe begannen, aufftehen und weggeben. Lubdrig der 
Seomme, der eine Sohn feines großen Vaters, berrug fich zum Wohl: 
gefallen der Beftrengen. „Wenn fogar an den höchften Sefttagen zum 


166 6. Bapire. 


Vergnügen des Volkeo Schaufpieler, Poffenzeißer und YWümen mit 
Sängern und Bitherfpielern bei Tifd vor ibm erfdyienen und das Volt 
ihr Spiel mir Lachen begleitete, zeigte er nicht einmal die weißen Zähne,“ 

Ein beiterer Befellfdhafter war immer willtommen, und gerne börte man 
einem angenehmen Brsäbler zu. König Bunchram (F 593) war ein unter: 
baltfamer WDier, der erbaulic) zu reden verftand. „Suweilen ladyre er auch 
und hatte an geiftreichen Scherzen Vergnügen.“ -Barl der Große: ließ 
während der Tafel „die Befchichten und Thaten der Alten lefen, auch an 
den Blichern des heiligen Auguftinus hatte er Sreude, befonders an denen, 
die vom Staate Botres betitelt find“, erzähle fein Biograpb Kinbart. 

In der Vorzeit liebte man es, möglich frlibzeitig zu cafeln, in der 
fpäteren Zeit, nachdem die Weffe aus war. Das „auptmahl fand indes 
am Abend fiart und dauerte bis tief in die Vlacht. Schon Ammianıs 
Warcellinus Bennt diefe Unfitte. Belegenbeiten zu großen Schmaufereien 
ab es genug. in der sseibenzeit an den Seften der Götter, befonders 
in den drei beiligen Zeiten: zu Anfang des Winters (Martini), in der 
Witte des Winters (Leujahr) und im Sommer (Sonnenwende). Daran 
nderte aud das Chriftenrum wenig. YDie vorber in den beiligen Jainen 
und Tempeln, fo brachte man jegt in den heiligen Zeiten Speife und 
Tran mir in die irdhe, und nach beendigter Yieffe bielt man auf dem 
Rirchhof zu bren der beiligen Wiäctyrer ober Bekenner ein Wahl ab. 
Bin eft ohne rüchriges Zifen und Trinken, Tanzen und Singen wäre 
einem Deurfäben undenkbar gewvefen. Und ee Bam nicht darauf an, ob 
ein Seftanlap fröhlicyer oder erauriger Art war. Wien fehmaufte, fang 
und range an “ochzeiten und ebenfo an Leichenfeierlichkeiten. In beid- 
nifcher Zeit hiele man auf dem Brabe des Toren ein Wahl ab; die Kirche 
brachte es nur dahin, daß Diefes Wahl in das “aus zurichgedränge wurde. 
Und bald verwandelte fi die Trauer in laute Freude). 

Die Deutfchen waren aber niche nur tlchtige Eifer, fondern noch 
lieber teanfen fie. Tacitus bar das affifche Dittum gefprochen: „Am 
wenigften Bonnten fie Durft vertragen.” Und fie Fannten „Eaum eine 
Wäßigung“. Ueber das Trinken ging ibnen niches. „Tag und, Wache 
ohne Unterbredyung zu zecben, ift für fie Beine Schande. sadufige Streic- 
bändel, wie fie unter Trunkenen zu entfteben pflegen, werden felten durch 
Scheltworre, oft durch Torfchlag und Verwundungen abgemacht. Aber 
fie beraten ficb auch Uber Belegung von Sehden, über Anüpfung von 
Verwandefchaften und über die Wahl der Sürften, und endlich über 


ie Rultur Ser Germanen am Rheine. 167 


‚Seieden und Rrieg meiftens bei Belagen, als ob zu feiner anderen Zeit 
der Geift für einfache Ueberlegung offener oder für große Lnefchlüffe 
entsiindlicher wehrte.” Diefes tief eingewurzelte YTationallafter erregte 
natlırlid) die Spoteluft der nüchternen Römer, die unter Umftänden die 
Truntficht der Bermanen politifc auszunugen verftanden. Tacitus meiit, 
daß die Bermanen, „wenn man ihrer Trumtfüche willfahren und berbei- 
f&baffen wiirde, foviel fie gierig winfehen, nicht weniger leiche dem Lafter 
erlägen, als den römifchen Waffen“. Die ärgften Säufer müffen die 
seruler gewefen fein. Der Byzantiner Prokop fagt von ihnen; „es galtals ein 
wahres Wunder, wenn ein Aeruler nicht creulos und dem rumte ergeben 
war.“ Auch die Alamannen genoffen eines böfen Rufes, ber fic) in der Yıeu- 
zeit niche gebeffert bat. Dagegen erteilt Bonifatius den Scanten das Lob, 
daß fie „nicht fo fehr dem Lafter der Trunkfischt ergeben feien, woie die Angel, 
fachfen.“ Venantius Sortunatus ift von Enefegen erfüllt „über die Unmäßig- 
teit Diefer Barbaren, die hinter ibren aus Aborn gefertigten Arügen dafigen, 
zum lange der Zither Lieder fingen und unfinnig, wie Rafende, drauf’ los- 
winken. Ver nicht mitehue, der werde fir verrlcht gehalten, und man Eönne 
vom Glücke reden, wenn man aus folchem Teinten Tebendig davontomme"”®). 
Wehr als einer trank fidh zu Tod oder wurde im Sreeite erfclagen. 
Das vornehmfte Betränt in der Urzeit war der füße Wer, aus gegorenem 
Sonig bereitet. Wer iftein gemein germanifches, ja gemein indogermanifches 
Wort. Audy das Bier, aus Berfte oder “ufer gebraur, haben fie fehon früb 
gekannt”). Die Oftgermanen würzten ihr Bier mit Hopfen, der aber erft feir 
dem 9. Jahrhundert allgemeinere Verwendung fand. Tacirus lobt das Bier, 
indem er es ein weinäbnliches Berränt nennt, den Raifer Julian erinnerte 
jedoch der Duft des Diereo an den eines Ziegenbockes. Plinius meint, der 
Schaum des Dieres vermöge den Teint der Srauen zu Eonfervieren. Das Dier 
war das Betränk der Ärmeren Bevölkerung, aber felbft Weinliebhaber ver- 
adyteten es nicht, woenn der Wein fehlte. Ta eogab Bierfanatiker, die aus Jap 
gegen die Romanen den Wein verfehmäbten. Auch MIoft wurde getrunken. 
Den Wein batten die Germanen durch römifchye Kaufleute Bennen 
gelernt, nicht gerade zur Seeube einfichtiger Winner. Die Sueven verboten 
geradesu die YWeineinfubr, weil der Weingenuß nad) ihrer einung 
verweichliche und unf&big mache, Anftrengungen zu ertragen. Die Sranten 
bevorzugten vor allen Weinen die fehrweren Sorten, den Salerner und den 
Wein aus Baza. Der leichte einheimifche Wein wurde mir Bewürzen verfent, 
mie onig, Ylelten u. «., und am Seuer oder der Sonne gekocht und gefläre. 


168 8. Rapid, 


Die Trinkfirten veicyen bis tief in die Urzeit zurück. Alte Sitte 
war eo, daß man nad) der Abdechung des Tifcyes auf den Bänten figen 
blieb und weiterzechte. Das Zutrinten it uralt. Ausführlich fehildere 
Priscus das Trink: und Tifchseremoniell am 4ofe Arcilas. Der Wirt 
‚oder die Gausfrau oder die Tochter tranken den Bäften zu, und diefe 
mußten den überreichten Becher austrinten. Das war die Einleitung 
zum Trinfgelage. Genug batten die Schenten zu thun, um die Becher, 
die wahrlich nicht allzuklein waren, zu füllen. jn jedem vornehmen 
soausbalte gab cs einen Wiundfebenten; auch Mädchen wurben zu diefem 
Dienft verwende. In der Walballs reihen die Walküiren den feligen 
“eiden den Trunf. Das Trinthorn ging im Rreife berum; wer den 
angebotenen Becher zurüchftieß, beging eine törliche Beleidigung. Te 
mebe einer trinken tonnte, um fo beliebter war er. Yan forderte ein. 
ander gegenfeirig zum Wertrrunfe auf, und man trank bis zur völligen 
Derußrlofigkeit. Gewöhnlich endigten foldhe Belage mir der völligen 
Berruntenbeit von ’erren und Dienern. Zur Yeidenzeit „tranE man den 
Vollbecyer feiner Blutsfreunde, folcher, die preifenswoert gervefen waren, 
und das nannte man Minne‘. Zur Cbrifiengeit wurde nice mehr die 

* Teufelominne gercunten, fondern die Winne Cbrijti und feiner Seiligen. 
Dod) es kam vor, daß das Volk aufer der Winne Chrijti auch noch die 
Winne der "eidengötter want. Wan dachte: doppelt genäht bälc beffer. 
Seftliche Belage wurden gewöhnlich mit dem Winnerrune gefchloffen. 
be man den Wiinnebecber austrane, Büßte man ihn, man umarmte fich 
und Büßte fid und forderte fid) gegenfeitig auf, den Becher zu Teeren. 

‚Diefe mit der beidnifchen Bötrerverebrung zufammenhängende Trinkluft 
bat dem Cbriftentum den meiften Widerftand geleifter. Es gab Vereine 
zu religisfen Swechen, Bilden genannt, d. b. Trinfgelage”). Der b. 
Tolumban überrafipte einmal am Bodenfee einen folden Verein in feiner 
Tätigkeit. n feiner Witte ftand eine große Rufe, mit Bier gefüllt. 
Auf feine Scage, was fie damit wollten, antworteren fie, fie brächren 
ihrem Gore Wodan ein Opfer. 

Die Genoffen oder Brüder diefer Bilden waren einander eiblich 
verbunden und zu gegenfeiciger “ilfe in allen YTorlagen des Lebens 
verpflichtet. Vergebene fämpfte die Mirche gegen diefe Gilden an. 
Jeder Täufling mußte geloben, nicht nur dem alten Glauben zu entfagen, 
fondern auch „allum diobelgeldae“, allen Teufelsgilden. Die Unter: 
drüchung der Gilden gelang der Kirche zwar nicht, wohl aber ihre 


Die Auftur Ser Germanen am Aheine. 169 


Ummandlung in chriftliche Brüderfchaften, die den Zwec? hatten, das 
Seelenheil zu fördern. Tros der chriftlichen Verbrämung ging es in Diefen 
riftlichen Bruderfchaften nicht andere zu, als vormals in den beibnifähen 
Gilden: man tran® eben. Karl der Broße bat wiederholt die fränkifchen 
Gilden verboten, f6 779, 789. Das in diefem Tahre erlaffene Befen 
tichter fih) gegen die Trunkfucht, der in den Bilden gefröne wurde, 
intmar, Erzbifdyof von Reime, verbot 852 feinen Beiftlichen die Teil- 
nahme an diefen Trinfgelagen. jn diefer Verordnung it „die Bede von 
eichenfeften am 7. und 33. Tag, forwie von Anniverfarien, bei denen der 
Winnerrunk für die Seiligen und die Geeln der Verfiorbenen aus: 
gebracht, Sagen und Lieder vorgetragen, Beluftigungen mit einem Bären 
und QTänserinnen getrieben, teuflifdye WIasten gerragen wurben“””). 
$Enblos mühre fidh die Rirche in diefem Rampfe gegen die Trunkfüche 
ab. Sie ftellte diefes Lafter als eine Yauptfünde dar, welches die Wenfchen 
in das ewige Verderben reife. Die Bußordnungen fegten fÄhmwere Bufen 
auf das Saufen und Wertreinken. Wenn fd) nur die Priefter felbft 
mehr diefes Laftere enthalten hätten! Das war leider nicht der Gall. Mir 
aller Schärfe ging Barl der Große dem deurfchen YTationallafter, das 
er aufs äuferfte verabfcheute, zu Leibe. Vielleicht als die furdhtbarfte 
Strafe erfäyien dem Trinter des grofien Rönige Gebot: „WDenn einer im 
“geere beraufcht gefunden werde, follte er in der Weife geächtet werden, 
daß er nur WOaffer zu trinken befommen folle, bis er fidh zum Bekenntnis 
berablaffe, daß er Uebles gehan babe.“ Geholfen bat eo aud) nichts. 
































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7. Bapitel, 


Das Reid) Rarls des Großen. 
A. Allgemeine Derbälmiffe. 


Worms als Refidenz Sränkifcher Könige. 





hurch stigeltofe Ausfcpwoeifüng und grauen- 
hafte Selbftzerfleifhyung entartere das Be: 
fählecht der langlocdigen Könige. Zwar 
wurden die Wierominger von Sranten und 
Bomanenals.erzen anerkannt; fie reflbierten. 
auf ihren mit eömifchem Romfort aus: 
geftatteren Villen und führen auf ihren 
Odyfenwwagen im Lande herum, fie empfingen 
die Befandten fremder Mächte und fagten 
auswendig gelernte Worte ber, in ihrem 
ramen wurden die Urkunden ausgeftellt, 
aber das war alles nur Schein, denn die eigentliche Yacht befaßen nicht die 
fehwachfinnigen Rönige, fondern ihre Jausmeier aus dem Parolingifchen 
Geflecht, deren Seimat in Auftraften, dem Bernfränkifchen Lande, lag. Die 
Werswinger hatten fich Baum um die auftrafifchen Landfchaften beklimmert 
und daber waren die deurfichen Lande woieder in völlig heidnifche Barbarei 
zurfckgefünken, da die gallifcye Kirche gleichfalls verfumpft woar und beinahe 
teine Wifjionsthätigkeit entfaltere. Auch in den linkerheinifchen Ländern 
onnte in jener Zeit von einem Sorefdpritt der Rultur Beine Rede fein. $Erft 
unter den %ausmeien Barl Martell und Pippin wurde die Miffions- 
arbeit wieder aufgenommen und mit $Energie durchgeführt. Den 
Beftrebungen des Bonifatius, der an Pippin einen Rückhalt fand, gelang 


374 7. Bapirel 


eo niche nur, die Birchliche Organifation in Deuefchland durcguführen, 
fondern auch die fränkifche Micche felbft aus ihrer Verweltlichung zu 
reißen. Die Gründung des Erzbistums Mainz war eine überaus fehwere 
Arbeir. Bonifarius wäre am liebften Erabifchof von Köln geworden, 
da das Bisrum Röln feinem Miffionsgebier am nächften lag, aber Papft 
Bacyarias Überwies ihm die Leitung des Biscums Wainz, und er durfre 
dem Papfte, dem er fich fieitoillig untergeordner hatte, den Behorfam 
nicht verfügen. Laur einem Befchluß der fränifchen Synode im Jahre 751 
wurde Mainz zum Erzbisrum erhoben und ihm die Sehdre Tongern, 
Röln, Worms, Speier und Utrecht, fowie alle neubekehrten germanifchen 
Gebiete uncergeordner, doch zundcyft hatte Diefer Befchluß feine Folge 
und erft 780 wurde Wiainz zum Erbisrum erhoben und ihm die 
Bisrimer Augsburg, Chur, Licftäde, Ronftanz, Bafel, Straßburg, 
Speier, Worms, Verden und Würzburg zugeteilt. Von diefem Zeitpunkt 
an nehmen wir eine größere Stärigkeit in der Aufeinanderfolge der 
Bifchöfe wahr und die Ueberlieferung fließt num auch wieder reicher. 
Durdy feinen Sieg über die Araber rertere Rack Wiartell die abend: 
1öndifche Rulcur und erwarb dadurch feinem Gefchlecht ein Anrecht auf den 
fränkifchen Thron. Die Dinge waren endlidy unter Rarls Sohn fo weit 
gereift, daß Diefer die Sand nad) der Mrone ausfirecten durfte. ie 3 
fimmung des Papftes wourde er von der fräntifchen Reichsverfammlung 751 
au Soiffons zum Rönig der Sranten erhoben und der Terre merowwingifche 
Rönig Ehitderich III. in ein Rlofter geftecft. Erft Pippin unterwarf wieder 
die deutfchen Stämme dem fräntifchen Zinfluß und sog die Sügel ftraffer 
an. Er ift der Kleubegründer des fräntifcyen Reiches, und fein größerer 
Sohn Rarl hat mur das vollendet, was jener erjtrebt hatte. Die rheinifihen 
Lande wurden nun das Zentrum der fräntifchen Keichsverwalrung und 
Worms der biftorifce Schauplag großer weltbewegender Kreigniffe. 
Das fräntifde Rönigeum, wie eo fi auf gallifchem Boden ger 
bilder hatte, war Bein Abfolutismus. YOenn auch die Eönigliche Gewalt 
fi) gefteigert hatte, fd waren ihr doch gefenlide Schranken gezogen, 
die freilich nicht binderten, daß der König zuweilen Akte der Willkür 
beging. Der Rönig befaß die Banngewalt, d. b. das Hecht bei Strafe zu 
‚gebieten oder zu verbieten. Die Banngewalt war die rechtliche Brunblage 
feiner Regierungsgewalt. Die Untertbanen fehulderen dem König Treue, 
aber ihren Willen Fonnten fie auf den Volfsverfammlungen geltend machen. 
Die Volkeverfammlungen der germanifchen Urzeit hatten einen maß 





Tas Neid) Barla des Broßem: A. Allgemeine Verbältniffe 175 


gebenden Zinfluß ausgehbt, allein je böher die Wacht des Rönigrums 
geftiegen war, um fo tiefer fan die Bedeutung der Volksverfammlung 
im fräntifcen Reich. Die Scanten traten nicht mehr aus eigenem Heche 
zufammen, fondern auf Befehl des Könige. Aber noch wurde die Fiktion 
auftecht erhalten, daß das “herr das Dolf fei, und der König füchte beim 
seere um die Zuftimmung fr feine Enefchliffe nach. Im März wurde 
die Arerfehau abgehalten und die Zeeresverfammlung beißt darum das 
Wiärsfeld, Campus Martius. YTady Eblodwigs Tode Kam das Märsfeld 
in Vreuftrien und Burgund außer Gebrauch, doc) in Auftrafien dauerte 
es fort. Die Rarolinger haben fodann das Märsfeld zu einer Tnftiturion 
für das ganze Reid) gemacht. Pippin verlegte die Verfammlung in den 
Mat, der leichteren Verpflegung wegen, weil jet die Reiterei den Bern 
des Jaeeres bildere. Seitdem beißt die Verfammlung das Maifeld, und 
diefer YTame erhält fi) auch dann, als Rarl der Brofe das &eer erft im 
Sommer einberief. Seit Ludroig I. verfähminder das Mirzfeld, weil 
unterdeffen fidy das “eer feudaliflerr hatte. 

Dem seere wurden die Befchlüffe des Könige mitgereilt und cs 
acclamierte fie, hatte aber fonft Beinen Zinfluß auf die Politik des Rönige. 
An die Stelle der Volksverfammlungen waren die Hoftage getreten, 
denen die Broßen des Reiche, welche entweder fich beftändig am Zofe 
aufbielten ober dorthin eingeladen wurden, beimohnten. YOaren biefe 
sooftage zahleeid) befucht, fo erhielten fie die Bedeurung eines Reiche: 
tages und wurben der Reim fändiger und parlamentarifcyer Vertretung: 
®örper. Gern vereinigte man folche Reichstage mit der Verfammlung der 
Beiftlichkeit und Sfters bielten die Rarolingifchen Könige den Reichstag 
in Verbindung mit dem Märsfelde ab, Dann bildere fich der Brauch 
aus, daß jährlich zwei Softage abgehalten wurden. Der größere Tag fiel 
in das Srhbjahr; an ibm nahmen die geiftlichen und weltlichen Größen 
teil zur Berarung und Ordnung der Angelegenheiten des Reiches. Zum 
Pleineren Softage wurden dagegen mur die verrrauteften Mäce zugezogen, 
um dringlide Befdäfte zu erledigen und unter dem Siegel der Ver: 
fehhroiegenheit die Aneräge zu beraten, welche im nächften Srübjahr der 
Beicheverfammlung vorgelegt werden follten. Der Keichsragsdienft war 
Rönige: oder Hofdienft, alfo eine Pflicht. Dazu berufen wurden die 
Bifcyöfe, Aebte, hersöge, Grafen, die hoben Kofbeamten und die Bönig- 
lichen Vafallen. Die Derfammlung zerflel in eine geiftliche und eine welt: 
liche Murie; fie hatte nur über die vorgelegten Sragen zu beraten und 





176 


befaß Beine Jniriative. Die Befchläffe wurden dem umftehenden Volke 
mirgeteilt. Die Verfaffung verpflichtete den König nicht zur Berufung 
der Reichstage, aber fie wurde feftfiehende Sitre. 

Im Jahre 76% hielt Aönig Pippin su Worms ein Märsfeld ab, 
um über den Krieg gegen Aquitanien und Baiern zu beraten. Karl 
der Große bevorzugte Worms vor anderen Städten. Er wurde am 
2. April 742 geboren. Um die Zhre feiner Beburreftätte (reiten fich 
Aachen, Ingelheim und Lüttich. Doch fchon Einbarc wußte darlıber 
nichte mitzuteilen. Die Spradwwiffenfehaft bar indes fefigeftellt, daß Rarle 
des Broßen Wiurrerfprache der rbeinfränkifche Dialekt war”); wabr- 
fbeinlich ftand die Wiege des großen Volkstönige im Süden des rbein- 
fräntifchen Gebiers. In Worms war ein Anigliches Palatium, die 
einzige Civitas aufer Poitiers, die zugleich eine Pönigliche Pfalz war”). 
Röniglicyer Brundbefig in Worms ift urfundlid) bezeugt. In Mainz 
dagegen fo wenig als in Speier gab es ein Königtiches Palatium. 

Kür die Wahrfheinlichteit, daß Marl der Große in diefer Begend 
beimif) war, fprichr aud) fein Verhältnis zum Mlofter Lorfc), wo noch 
im 9. Jabrhunderr der Beburterag des großen Rönigs treu im Gedächtnis 
bewahrt wurde”). Das Rlofter Lorfch wurde im Jahre 76% gegründer, 
wobei Ebrodegang, Bifebof von Wien, der bedeutendfte unter den Bifchöfen 
zur Zeit Pippins, mitwirkte”®). Willeswinda faßte mie Zuftimmung ihres 
Sohnes, des Brafen im Aheingau, den Entfehluß, an der Wefchnis, auf 
ihrem Zandgure Lauriffa, ein Rlofter zu gründen. Sie erbaute zu Ehren 
des Apoftels Perrus eine Kirche und auf ihren Wunfe fdyickte ihr 
Verwandter, der Bifcyof Chrodegang, einige Wiönche des Rlofters Borze 
bei Men. Er felbft war der erfte Abt diefes nachmals fo berühmten 
Mlofters. Da jedoch Chrodegang durdy feine Gefchäfte an den hof 
Pippins gefeffelt war, fo fibertrug er feinem Bruder Bundeland die 
Zeitung der neuen Stiftung, dem er fechsehn Mönde aus Borze, 
Wiänner reifen Alters und Geiftes, mitgab., Das Rlofter erhielt den 
eib des b. Ylagarins zum Gefihent, der am IL. Tuli 765 feierlichft 
beigefege wurde. Sortan hieß eo Monasterium s. Nazarii. Marl der 
Große nahm das Rlofter durch eine am 29. März 772 in der Pfalz zu 
‚Zeriftal ausgeftellte Urkunde gegen die Rechtsanfprliche dzeimericye, Sohnes 
des verftorbenen Grafen im Abeingau, in Schua”“), und im ai desfelben 
Jahres verlieh er dem Rlofter die Tmmunirdt?®). 773 fehlte er dasfelbe 
gegen die Uebergriffe des Diösefanbifchofs und anderer und verlieh ihm bie 








Tas Neid) Rarlo deo Großen; A. Allgemeine Verhältnife. Im 


freie Abrewahl?“). Auch fehentte er demfelben die Villa Geppenbeim im 
Aheingau?”). Das junge Rlofter gedieb, und fo sablreidh war der Zulauf, 
daß die Kirche die Waffen der Walfahrer nicht faffen Eonnee, weshalb 
Abt Gundeland fid entfchloß, ein zweites Mlofter auf dem Aligel zu 
Zorfich zu grimden. Auf Bitte des Abtes wohnte Karl der Brofe mir 
feiner Bemahlin Yildegard und feinen Söhnen Barl und Pippin famt 
vielen Brofen der Rirchwoeibe des neuen Rlofers bei”), dem er am 
2. September 774 zu Worms die Dilla Oppenheim im Wormegau am Abein 
fbentre?9). 777 vergabte er dem Rlofter die Sifdherei zu Bodenowa (bei 
Wannbeim) mir dem Rechte, aus dem zur Villa saohftatt gebörigen Yoald 
ein Wehr zu bauen, Straßen und Brücken anzulegen“). Auch der Entel 
Rarls, Ludwig der Deurfibe, erfiheine ale Woblchärer des 5. Ylazarius: 
Blofters. Auf feinen ausdrlcklichen Wounfeb wurde er am 29. Auguft 876 
in Lorfd begraben. Sein Sohn Ludwig fand am 20. Januar 882 
neben dem Vater im Riofter Lorfch die lezte Rubeftätre, und ebenfo Zuge, 
Ludreigs des Jüngern Sohn, der am 2. Sebruar 880 im Rampfe mir 
den Yormannen gefallen war. Von aller Pracht diefes Rlofters ft nicyte 
mehr erhalten als der buntfarbige Thorbau der Larolingifchen Bafllica”). 

Die Sranten waren eifrig bemübr, fich das antike Erbe zu eigen zu 
machen, wenn fie es auch nicht im ganzen Umfänge erfaffen Eonnten. Rarl 
der Große bedeutet einen Wendepunkt in der Rulturgefchichte. Er füchte von 
den Ueberzeften der römifchen Rultur fo viel ale möglich zu retten, um feine 
Deuefehen aus Barbaren in ein gefitteres VolE umzuwandeln. Er hat 
das Chaos gemeiftert, und er wurde der Begründer der romano-germanifchen 
Völterfamilie, deren berechtigeeo Sonderleben er gegenüber den Beftrebungen 
der Bysanriner, Araber und Slaven idherte. Er ift der Abfchluß einer 
untergebenden Rulturwelt, und mit ihm hebr ie neue Zeic an, die man Wirel: 
alter nennt. Jbn verehrre das Wirrelalter ale Das Jdeal eines Ferefihers, 
der geiftliche und welcliche Würde in fich vereinigte. Als Träger der mittel- 
alterlichen Weltordnung ftellt Mbrecht Dürer den großen Kaifer dar, in 
majeftätifäyer Pracht mic langmwallendem Barte, die Beftalt vom pruntvollen 
Brönungsmantel umfloffen. Den wirklichen Rarl vergegenwärtige uns 
jedoch eine Heine Neiterftarue, die noch dem 9. Tabrhundert angehört. 
Auf‘ dem Roß fin der. fräntifche Serrfeher in der Vollfraft feiner Jahre 
dargeftellt. Rurz gedrungen fft der Klacken; unter der fharfgebogenen 
Yrafe ein Eräftiger Schnurzbart; der ganze Mopf armer die Energie einco 
Wiannes, der zu becefchen gewohnt ift. eine Rleidung enefpricht der 


4. Ben, Die Ra or een Ah. I 0 


178 7. Rapid, 


Befebreibung Einbarts von der nationalen Tracht. Kdelfteine fÄhmücten Die 
Schube, und die Beine find mit Ereugweis gelegten Binden ummunben. $Ein 
Wianrel umbüllt die geoße Beftalt, und das locPige Zwar wird von. einem 
mit Edelfteinen und Perlen gefhmücten Boldreif sufammengebalten®"). 

Wie die merowingifchen Rönige, fo zog auch Karl der Brofe in der 
exften Zeit feiner Regierung von Pfalz zu Pfalz. Oft weilte er in Worms, 
Im April 770 fand bier eine Reicheverfammlung ftart, auf der eine Anzahl 
wichtiger Gefeze befchloffen wurde®"). Er verföhnte :fich mir-feinem 
Bruder Rarlmann auf den Wunfch feiner Wucrer, der Rönigin, Berta, 
und vermähte fid mir der Defiderara, Tochter des Langobardenkönigs 
Defiderius. Da er aber den erhofften policifchen Geroinn aus diefer.“eirat 
nicht erzielte, [0 verjtieß er im folgenden Jahre feine Bemablin und beirarere 
die «gildegard, eine Enkelin des Mamannenberzoge Gottfried; das gefthab 
am Ende des Jahres 77J. m April diefes Jahres hatte er vorübergebend 
in Worms geweilt®). m Sommer 772 hielt er wieder in Worms eine 
Beicheverfammlung ab, auf weldyer der Mrieg gegen die Gachfen 
befchloffen wurde. Im Sommer 773 unternahm er eine veeresfaber gegen 
die Langobarden, und ein volles Jahr wurde er in Jtalien feftgehalten; im 
Auguft 774 finden woir ihn in Lorfd und am 2. September in Worms. 
776 mußte er wiederum nady Jralien sieben; er eroberte die auffkändigen 
Städte und kehrte dann im Sommer 776 nady Scancien zurhct. Auf einem 
in Worms gehaltenen Reichstage wurde der Mrieg gegen die Sachfen 
befebloffen”‘). +sier war auch der berühmte Gefcbichtsfchreiber der 
Langobarden, Paulus Diaconus, anwefend, um von Rarl die Sreilaffung 
feines Bruders Aricyie zu erbitten. Weihnachten 779 feierte der König 
in Worme®), auch im Spärfommer 780 wohnte er hier, von wo er 
dann nady Tralien aufbrach, feine Söhne Pippin und Rarl zurücHlaffend”*). 
Diesmal lernte er in Tiealien die höhere Rultur Tennen und fehägen, und 
ee befchloß, feinen Sranten den Segen der Bildung zu gute tommen zu 
taffen. Erf im Sommer 78] kehrte er nad) Worms zurhck, wo eine 
Reicheverfammlung gehalten wurde und wo der Baiernberzog Taffilo fich 
demüigee”). Am 30. April 783 ftarb in Diedenbofen feine geliebte Gemahlin, 
die milde “aildegard, aber fhon im Sommer vermählte er fich von neuem zu 
Worme”* mit der Saftrada, aus fräntifchem Befchlecht, deren bochfahrender 
Stolz und Braufamkeit eine Verfchwörung thiringifcher Edler hervorrief. 
Die Beicyoverfammlung zu VWorms 78% befehloß einen Winterfelbsug 
gegen die Sachfen””). Längere Zeit redierte der Rönig im Spärfommer 


Das Kit Ran 





de Großen: A. Allgemeine Verhälmiffe. 179 


des Jahres 786 in Worms, wo wiederum eine Reiceverfammlung 
abgebalten wurbe*%); dam brach Rarl nach ralien auf, und erjt im 
Sommer 787 Bebrre er nach Worms zurlict, wo er mit feiner Bemablin 
aufammentwaf. Dem bier einberufenen Heicyeage erftartere ex Bericht 
über die eerfahrt nach Ttalien und das verräterifche Benehmen des 
Baiernbersoge Taffilo, gegen den der Krieg befchloffen wurde*"). LTachdem 
fi) Taffilo unterworfen hatte, tehrre Rarl aus Baiern nach Worms 
yuric®®). Weihnachten 789 feierte er in WDorms, wo er bis Juni 790 
verweilte und im Sommer einen wichtigen Weidhsrag abbielt. ter 
erfebien auch eine Befandefchaft der Ungarn”“). Lac) Eurzer Abmwefenheit 
teflbierte der Aönig im “erbft woieder in WOorme, wo er den Winter über 
bie Oftern 79 zubrachte. VWoährend diefes Aufenthaltes brannte ein Teil 
der Pfalz ab), was zur Solge batte, daß Marl feltener mehr in Worms 
wohnte, indem er nun mit Vorliebe in Aachen refidierte, bauptfächlich 
der warmen Bäder halber. Ende des Tjahres 803 verweilte der zum 
Raifer gebrönte Bönig sum Ientenmal in Worme. Sein frommer Sohn 
Zudroig hatte fid) hier mit feinem Vater und feinem Bruder Pippin im 
Jahre 790 aufiehalten. Raifer Ludroig refidierte faft immer in Machen, nach 
Worms Eam er nur felten; am 6. KTovember 822 urfunder er bier), für 
den Sommer 823 ift feine Anwefenheit in Worms bezeugt”), ebenfo für 
das Jahr 828%). Im Auguft 829 fand in Worms einer der wichtigften 
Reichorage ftatt; bier erfcpienen viele Befandefchaften aus den verfchiedenen 
2ändern, und es wurde bier eine Anzahl von Befezen erlaflen. Der 
Raifer übertrug feinem jüngften Sohne Rarl Alamannien?*). 833 weilte 
der ungticfliche Baifer vom Sebruar bie Juni in Worms”), von wo 
aus er mir feinen ungetreuen Söhnen verhandelte. Auf dem Lügenfeld 
bei Rolmar wurde er verraten und abgefegt, aber 834 erlangte er durch 
feine Söhne Ludtwig den Deurfchen und Pippin wieder die "errfchaft. 
Ludwig der Deurfehe urfunder am 30. September 835 in Worms”). m 
September 836 fand eine Reichsverfammlung in Worms ftatt, an welcher der 
Baifer und feine Söhne Ludroig und Pippin teilnahmen, während Lorhar 
fi) feenhielt””). Erf am 30. Wai 839 verföhnee fich diefer zu Worms 
mit feinem Vater. Bine neue Teilung des Reiches wourde hier vorgenommen 
und Lothar mit reichen Befdenten und der Ermahnung, die gefätworenen 
$Eide zu halten, entlaffen””). Dagegen war jene Ludroig der Deutfche feinem 
Vater feindlih und wourde zur Strafe bei der Teilung auf Baier 
befehräntt. Am 20. Jumi 840 fiarb Ludioig der Sromme in Ingelheim. 


180 7. Bapirl, 


Zorhar erhob Anfpruch auf die Alleinherrfebaft und zwang im Juli die 
von Ludwig dem Deutfhen in Worms zurtckgelaffene Befanung zur 
Stuche”), Er ging Über den Abein und z0g gegen Srankfurt. Vor 
Wein; trafen die feindlichen Brüder zufammen, obne daß cs zur Schlacht 
kam. Im Wiles 841 bielr Ludwig‘ der Deuefhe das linke Rheinufer 
von Wein bis Worms befent und binderte den Raifer Lothar lange 
am Uebergange des Aheins; diefer Ponte im April erfolgen”), und 
Ludroig wurde jene eingefcbloffen und zum Aüchuge genötigt. Lenterer 
flug am 13. Wai im Nies das’ Baiferliche <eer und vereinigte fü, mir 
Rarl dem Rablen bei Chälons. Am 25. Juni fiegten jie bei Fontenay 
über Lothar, worauf fich diefer nach Aachen zurüichzog. zier fammelte 
er neue Aräfte, rlichte den Ahein hinauf und feierte im Auguft in Worms 
die Vermäblung feiner Tochter”). Am 14. Sebruar 842 vereinigten fich 
Audoig der Deurfeye und Karl der Rable mit ihren &eeren in Strap: 
burg und fehrouren einander, der erftere in romanifcher Sprache, der 
lentere in deuefiber, Treue. Diefe Vereinigung wurde durch Rampffpiele 
‚gefeiert, dann sorgen fie gerrenne den Abein aufiwders und famen Ende 
Sebruar in Worms zufammen, wo fie Rarlımann, den älteften Sohn 
Ludwigs, mit Verftärkung enwarteren””). Auch im Oftober weilten 
die beiden beftennderen Brüder in Worme””). Endlich 843 kam man 
zum Ziel. Durch den Vertrag von Derdun wurde das Erbe Rarlo des 
Großen unrer feine Entel aufgeteilt. Lubreig der Deuefche erhielt die 
techterheinifeben Länder mit Ausnahme von Srieeland, ferner die Baue 
von Speier, Worms und Mains, Lorhar Tralien und einen Landftric) 
von der Wiündung’ des Abeins bis zu der der Abone (das Lorharingifcbe 
Reich) und Karl der Rable das weptfränkifche Reich. Im März 857 
hielt Ludroig der Deurfche einen Reichstag in Worms”), Bald 
entfpannen fidh neue Gtreitigteiten zoifcyen ibm und Rarl dem Rahlen. 
Don den unzufriedenen weitfränfifden Großen eingeladen, unternahm 
Zudroig einen Zeerzug nad) Gallien und fammelte zu diefem Zioece im 
Auguft 858 ein “eer in Worms‘). Den Rückzug nahm er über Worms, 
anfangs 859, wo er auch im Juni verweilte”). Im Sommer 862 bielt 
er einen Reichetag in Worms ab=). 

Es waren unglüchfelige Zeiten, das Reich durch Zwierracht zerrücter 
und von den Ylormannen, Ungarn und Slaven beimgefucht. Von einer 
Zufammenkunft Ludwigs des Deurfchen mit Rarl dem Rablen in Köln 
(865) reifte der Lrftere nach Worms”). Ludwig mußte unausgefezt 





Tas Neich Barlo des Großen: A. Allgemeine Verbälmifle, 185 


gegen die fremden Seinde Brieg führen, und dazu machten ihm feine 
Söhne Sorge. Im Llovember 866 föhnte er fich zu Worms mir 
feinem Sobn Ludwig aus. in Aufftand der «interfaffen der Mainzer 
Rirche wurde mir blutiger Strenge unterdrüct”). Auch im Mai 868 
biefe fih) Ludsoig der Deutfche mehrere Wochen in Worms auf, wo 
eine Spnode abgehalten wurde). Endlich Eonnre am 3. Auguft 870 
durch den Vertrag von Wieerfen ein bleibender Zuftand gefchaffen werden, 
nachdem man fid) fo lange über das Hrbe Lorhare geftritten harte. 
Audwig der Deurfche erhielt den nördlichen Teil Lothringens bis zur 
Wace, den Öberlauf der Mofel, fowie das Kifaß. Die Ylormannen 
befääftigten unausgefegt die Barolingifden Bönige. Auf einer Reiche 
verfammlung zu Blirftadt bei Worms im April 873 wurde mir dem 
Dinentönig Sigfried Friede gefchloffen. 

Worms ijt in diefer Zeit midhr mehr fo bäufig wie früher der 
Schauplag der Keichsrage. Infolge der innern Wirren und der Rriege, 
infolge der Tinvafionen fremder räuberifcber Völker: Ungern, Staven 
und YIormannen, ging die Rultur mit rafchen Schritten rüchwärts. 
Diele Landftridhe veröderen, und der Verkehr nahm mehr und mehr ab. 
Obwohl der Ahein eine Zauptader des Zandelsverfehrs war, fo wurde 
diefer durch die YTormannen, die fih an feiner Mündung feftgefent 
batren, gehemmt. Das Geld fpielte gar Beine Rolle mehr im ande; 
Diefer war wieder Lediglich Taufchhandel. Berreide und Wein wurden 
in der gefegneten oberrbeinifchen Tiefebene in Alle gepflanzt, und Wein 
amd Getreide waren die Jauptgegenftände des Jandels, die gegen Stoffe 
und Geefifepe umgeraufche wurden. Den Verkehr vermittelten in diefer 
Zeit die Juden und die Sriefen. Deucfchland war ein völlig agearifcbes 
Land geworden, in weldhem die Städte Beine Bedeurung mebr barten. 
Viel wichtiger ale fie für die Bönigliche Verwaltung waren die Burohöfe. 
Srankfurt am Main wurde von Ludwig dem Deutfchen fehr bevorzugt. 
£r legte nidyt weit davon, in dem Winkel zwifden YWain und Ahein, 
den Rönigshof Tribur an, wo er und fein Sohn oft refidierren und wo 
im Laufe des Jo. und IJ. Jahrhunderte die wichtigften Begebenheiten 
vorfielen. Denn Teibur lag unweit der großen Wafferfraßen und an dem 
Rnotenpunfte der beiden Banbjtraßen, die von Oppenheim und Mainz nach 
‚Srantfürt führten. YTach foldyen Pöniglichen «öfen wurden fegt gern 
die Keichsverfammlungen gelegt: nach Scankfurr, Tribur, Bürftadt, 
‚Sorchheim u. f. w., weil diefe großen Büter die Verpflegung erleichterten. 





1s2 7. Bapi, 


Doch ad) die fpäteren Barolingifchen Rönige vernachläffigten YOorms 
nicht ganz. Im Auguft 880 war Ludwig der Jüngere bier anıvefend”®). 
Barl der Dicke weilte J4 Tage bier”) und bielt einen Heicheag ab, 
um fiber die Witrel zur Abwehr der YTormannen zu beraten, tiber welche 
war am 3. Auguft 881 der weftfrÄnkifche König Ludeoig bei Saucourt 
einen Sieg davongerragen hatte, der aber nicht enefcheibend war. 
Immerhin machte diefes Wreignis einen großen inbruc® auf die Zeit: 
‚genoffen, und ein Dichter aus der Gegend von Wiainz bat diefen Sieg 
in feinem Ludwigslied in oberftänkifdyer Sprache verberrlicht. Dem 
Bart dem Dicken huldigten 882 die wejtfräntifchen Broßen, und fämtliche 
Länder des Barolingifchen Reiches waren in feiner Yand vereinigt. Leider 
war er nichr der Wann, wie ibn die Zeit brauchte. $Er unternahm im 
Juli 882 einen Geldsug gegen die YTormannen und fihloß diefe in !Eisloo 
ein, aber anftarr fie, was möglich gewefen wäre, zu vernichten, ließ er 
fid) durch feinen Kanzler verleiten, ihnen Seieden zu gewähren. Er Eehrte 
nach Worms zurlich, wo er am J. Ylovember 882 einen Reichstag biele”®). 
Darauf ging er nach Jralien und überließ Deurfchland feinem Schidfal. 
Ylac) Deurfcyland zurücigetommen, hielt er im Yjai 884 wiederum einen 
Reichorag in Worms”) wegen der YTormannennor. saier verfammelte er im 
YVlovember 885 die weftfränkifchen Großen, von denen er wenig Erfreuliches 
erfuhr und welchen er geringen Troft in ihren LTren zu fpenden wußte. 

Durch Empsrung gegen feinen ©beim, den Eranten Raifer Rarl, 
tam Arnulf auf den deurfhen Thron, und er bat wenigftens feinen 
Verrat in fofern gefühnt, als er alle Anftrengungen machte, das Reich 
gegen die von allen Seiten drobenden Gefahren zu fdirmen. Der 
Wirelpuntt feiner Regierung war Bayern, in Regensburg bielt er am 
meiften Sof. Sodann weilte er Sfters in Sorchbeim in Sranten und 
am Wiitrelthein zu Scankfurr, Tribur und Worms, von wo aus er mit 
dem weftfräntifchen Serefcher verhandelte. Der Kirche von Worms 
erwies er fic) freigebiger als irgend ein anderer früherer König. 

Zundcyft hatte die Abferung Mario des Diden zu Tribur zur Golge, 
daß das Karolingifche Reich fich in fünf Teilreide auflöte: Deurfchland 
unter Arnulf, Srankreicd unter ©do, Tralien unter Berengar von Seianf 
und Buido von Spoleto, Zochburgund unter Rudolf und Shöburgumd 
unter Zudroig. Arnulf betrachtete fih aber als den wahren Hrben des 
ganzen Reiches, und er forderte do zu einer Zufammenkunft mit ibm auf. 
©dos Stellung war viel zu unfiher, als daß er hätte wagen dürfen, 


Das Heid) Rarlo des Großen: A. Allgemeine Verhälmife. 183 


Arnulf zu beleidigen. Am feftgefegten Tage fand diefe Zufammentunft 
im Juli oder Auguft 888 in Worme far”). Beide fehieden als Seeunde. 
Die weftfeäntifdhen Broßen ftellten aber dem Rönig ©do den jungen Rarl 
‚aus Barolingifebem Stamme entgegen, der am 28. Januar 893 in Reims 
gekrönt wurde. Arnulf nahm fich feines jungen Verters an. Wegen 
diefer Angelegenbeit bielt er im ai 894 eine Reicheverfammlung in 
Worms”). Seine sailfe nünte indes dem Marl wenig. Die tiefjte 
Berrfierung des Weftfrantenveichs war die Folge des Thronftreites, und 
um die Ordnung berzuftellen, befahl Arnulf den beiden Mönigen, vor 
ihm zu erfeheinen. do folgte der Aufforderung und traf im Wai 895 
in Worms ein, wo ihn der deutfche Aönig inmitten einer glänzenden 
Derfammlung ebrenvoll empfing”). sier in Worms wurde auch fein 
Ältefter Sohn Zmwentibold unter Zuftimmung der Großen zum Rönig von 
Lothringen und Burgund gefalbt. Doch diefer war zur Regierung wenig 
befähigt. m Wei 897 befchied ihm Arnulf nach Worme und bewog 
ibn, id) mit feinen Jeinden zu verföhnen”®). "hier ließ auch Raifer Arnulf, 
niemandem trauend, die Brofen des Reiches feinem vierjährigen Sohn 
Zudroig den Zid der Treue [hmsören, um dadurch die Thronfolge ficher 
su fiellen. Zum lentenmal fah er die theinifchen Gegenden. Er ftarb am 
8. Dezember 899 zu Regensburg. Sein Tod war ein fÄhweres Verhängnis 
für das Land, denn ein Rind follte in ftürmifcher Zeit die Regierung 
eines Reiches Übernehmen. Der Barolingifcye Stamm war verdorre und 
mit Seineich beftieg ein neuen, Eräftiges Gefeblecht den deurfehen Thron. 








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8. Bapitel. 


Das Reid) Karls des Großen. 


B. Die Kirche. 





|'> die Seanten Gattien eroberten, fanden fe 
| eine Rirchenorganifation vor, die fich als 
rein eömifche Tnftirution bis ins 7. Jahr» 
hundert erbielt, indem die höheren Kirchen» 
‚meer vornehmlich) aus den alten römifchen 





7. Jahrhundert traten auch vornehme 
Ü Sranten in den Rircyendienft, aber noch 
lange blieb der niedere Rlerus römifcher 
Abkunft. Das fränkifche Rönigeum gewann 
si = in der Tatholifchen Sierarchie den beften 
Bundesgenoffen, der ihm in der Defeftigung feiner serrfchaft behilflich 
war. Denn die Rircye bedurfte des Beiftandes der fräntifchen Bönige, 
fo lange nody der Arianismus eine Befahr war. Dann wurden die fich 
geltend machenden Serrfchaftsgelüfte der gallifchen Wirdye durch das 
%ervordrängen des Jelams gedämpft. Barl Wiartell fdylug die Sarazenen 
und wertete die Rinde. Die Solge war, daf diefe nun in völlige 
Abhängigkeit vom fiegreichen Staat geriet. Diefer verfügte unbefchränte 
über das Ricchengur ımd gab Dasfelbe zu Leben aus, um ein fcylagfertiges 
cer auosurüften. Seitdem bildet der Eischlicye Brundbefin die Stonomifihe 
Grundlage des fäntifden Seerwefens. Dadurch wurden Staat und 
Rirche unldobar aneinander gekettet, ihre Tntereffen gingen zufammen, 
und Diefes Sreundfchafteverbämis fand feine Rrönung in der Wieder: 
berftellung des Raiferrums”‘). 


1. Do, Die Aut er ebenen She I u 





188 8. Bapiid 


Die fräntifche Rirche war zur Zeit der Merorwinger eine von Rom 
unabhängige Landeskirche. Yoohl wurde aud) in Ballien der römifche 
Bifchof als Primus der fatholifchen Rieche anerfanne, aber er befaß 
feine Oberbobeit in Rirchenfachen, und cs fand nicht einmal ein lebbafter 
Verkehr zwifdyen Rom und der gallifcpen Rirche flat. Diefe war dem 
König völlig unterworfen. Die YIarionalkonzilien galten als das Drgan 
der irchlichen Befengebung. Sie wurden vom König einberufen, und 
ihre Befehllife bedurften der Löniglichen Benebmigung. Auch übte der 
Aönig in allen Eirdyenpolitifchen Angelegenheiten ein Befengebungsrechr 
aus. Das Eanonifche Recht fehrieb zwar vor, daß der Bifdof durch 
Mlerus und Volt gewählt werden follte, jedoch der Wille des Rönigs 
war auch bier maßgebend. “häufig defignierre er einen Wann für einen 
erledigten Bifchofsfis, und die Wahl bare nur formelle Bedentung; oft 
ernannte er furzeoeg den Bifchof, ja Marl Warrell verlieh Rirchenftellen 
felbft Laien. Ylady dem Rircyenredhr durfte ein Bifchof nur durch eine 
Synode entfert werden. Daran hiele fid der Mönig nidhr gebunden, 

welche Wille fich jedoch die Ricche mir allen Mitteln wehrre. 

Die Bifdpfe gehörten zu den Großen des Reiches, zur Ariftokratie, 
und waren zum Sof: und Staatebienft verpflichter. Da fie die höchfte 
Bildung befaßen und die Blaffifchen Traditionen in ihnen noch lebendig 
waren, Eonnte der König ihrer nicht entbebren. Allein die entfenliche 
Berrüittung des meroroingifchen Reiches harte aud) die Kieche in dasfelbe 
Derderben geriffen, und Bari Wfartell betrachtete fie allzu febr ale Witrel 
zum Siecke, als daß fie fi) von felbft härte aufraffen Bönnen. Erf durch 
die Beftrebungen des Bonifarius und durch die Thatkraft Pippins wurde 
eine Reform und zugleich eine engere Verbindung der fränkifden Kirche 
mit Rom angebahnt. Schon regte fich der Ebrgeis des Papftes, indes er 
war auf die “ilfe Pippins angemwiefen und mußte fid daber feinem Willen 
fügen. Die von Bonifaius angeregten Reformen wurden nun durchgefübrr, 
aber der Jmpuls dazu ging nicht von Rom, fondern vom Rönig aus. Diefe 
Birchlichen Reformen wurden durchaus den Bebrfniffen der fräntifchen 
Rirche angepaßt und durch den König und das tpiffopat ins Werk 
gefegt. Pippin duldere Feinen unmitrelbaren Verkehr des Papftes mir 
feinen Bifchöfen; er allein vermittelte ihn. Unrer ihm wurden die Grund» 
slıge Deo Eirchlichen Syftems feftgeftelle, das bio zur Reformation in ganz 
Europa geberefcht har”). Das große Verdienft Pippins it, daß er die 
Gedanken des Bonifatius den nationalen Vorftellungen anzupaffen wußte. 





Das Keilh Maclo des Brofen: B. Tie Birdx. 189 


£s find zwei Brundgüge diefes neuen Rirchenfpftems: I. ft der 
Rlerus eines Gebiets dem Bifchof der Bau: oder Yauptftadt (Civitas) des 
Gebietes untergeordnet und 2. bilden die Bifdhöfe einer Provinz eine 
Rörperfchaft, deren Oberbaupr der Bifchof der Zaupftadr der Provinz ift. 
Dem Bifdpof find die Presbyter feiner Didsefe zum Behorfam verpflichter; 
jeder Priefter muß einmal im Jabre fi feinem Bifchof vorftellen, und 
der Bifdpof' ift verpflichtet, einmal im Jahre jede Presbyterkicche zu 
tevidieren. Das Wefen des Bifcbofsamtes befand urfprünglic, in der 
Verwaltung der Eucyariftie und des Rirchengute®). Der Bifchof' ift der 
Ysirte, der Die Bemeinde mir dem YOorte Bottes weider, Er verwaltet das 
Rirchengur zum Beften der Armen. fr ift allein im ftande, das Bort 
woblgefällige ®pfer darzubringen. Im Laufe der Zeit batte die fon 
früb in den chriftlichen Gemeinden vorbandene monarchifche Tendenz den 
Sieg davongerragen. Der Bifchof leiter und ridhter feine Bemeinde 
an Chrifti ftar, während er von der Gemeinde nicht "gerichtet werden 
Bann. Der Bifchof bar darüber zu wachen, daß Peine bärerifchen 
Gebräuche auftommen. Er vifitierr alljährlich die Gemeinden und predigt. 
Denn er, nichr der Presbyter, war der Sitte, der Geelforger. hm, 
dem Bifchof, allein fam das Neche der Bonfirmarion zu. Bei der 
Aufnahme eines neuen Chriften nahm urfprünglich die ganze Bemeinde 
teil in Anmmwefenheit des Öberbirten der Gemeinde. in Wittelitalien, 
wo die Didgefen Bein und zablreich waren, wurde die Taufe immer in 
der Bifcbofstirhe vollyogen. Aber dies war in Deurfchland unmöglich, 
da die Diösefen groß und die Bemeinden zerftreur und ifoliert waren 
und zum Teil obne vollfommene Organifation. Es ging nicht wohl 
an, dafı die Vleubekebrten zu Oftern die weite Pilgerreife in die Bifcyofo- 
ade macren. Daber zerfiel jent der Taufakt, der aus der Taufe, der 
Ronfirmation und der Kommunion befiebt, in verfebiedene Abfehnirre. 
Die eigentliche Taufe wurde in einer Tauf: oder Parodhialtische durch 
den Presbyter ober Diakon vorgenommen. Die Konfirmation oder 
Ganbauflegung mußte vom Bifchof vollzogen werden, und zu diefem 
Brvecke befuchre er alljährlich Die Gemeinden. Der Bifchof it aber auch der 
‚oberfte Richter in allen Blaubensfacyen. jn den lerzten Zeiten des Römer: 
teiches war der Difchof' der alleinige Sort und Befchüger der Armen und 
Bedrängten gewefen. Sehr oft vereinigte er mit feinem geiftlichen Amte 
die Sunteion eines Defensor civitatis. Audy zu Marls des Großen 
Briten war die Berichtegewalt der Bifcpöfe eine doppelte; er war der 





390 8. Bapire 


erfte Beamte der Mircde und machte Über die Birchlicht Zucht, und er 
mar zugleich Beamter des Staates. Marl der Große batte die 
Anordnung getroffen, daß gewöhnlich zwei Missi oder Rönigeboren die 
Amesführung der Grafen tontrollieren follten: ein weltlicher und ein 
geiftlicher Missus. Dei feinen Viftationereifen handelte der Bifchof als 
Bommiffar der Regierung. hm war in Sällen von Mord, Ebebruch, 
Wudher ıc. die Unterfuchung übertragen. Ylamenrlich follte er die 
Ueberrefte des seidennums vertilgen und ihnen nachfpüren. Teder, der 
flagranter Unfirtlichteit oder beidnifdper Gebräuche überführt woar, wurde 
erfommunisiert, das heißt aus der Bemeinfchaft der Ehriften ausgefchloffen. 
Wenn notwendig, mußte der weltliche Arın dem Bifchof beifteben, um 
den Ungehorfamen zu zwingen. 

Die Rirchenverfaffung von Weftenropa ift das KErgebnis langjähriger 
Eneidelung und vieler Arbeit. Die Betehrung der Belcifchen und 
deuefihen Sehmme ging nicht fo fehnell oder fo glarr von fiarten, wie 
man wohl glaubt. Auf die Anregung eines Volfsfönigs trat oft ein 
ganger Stamm mit einemmal zum Cbriftenum über, aber die Volke: 
genoffen blieben seiden nach wie vor. Yur die Gebilderen waren 
eigentlich im ftande, die hohe Lehre des Ebriftentums zu erfaffen, und 
ein Bebilderer war nur der, welcher die Lareinifche Spradye und Litterarur 
Tanne. Römerrum und Cbriftenrum galten daber für idencifch, während 
die YIaffe des Volkes z&h an feinen beidnifchen Bebräuchen hing. Die 
Bitdniffe und Tdole der alten Götter ftanden nody allenthalben in 
GBermanien aufrecht und wurden verehrt, und häufig rief man die 
beidnifcpen Börter und Chriftus zugleich an. Aömifcher, Eeleifcher und 
deuefeher Aberglaube zerfhmolsen zufammen, ımd er nahm um fo mebr 
au, je mehr die Blaffifche Bildung zurlickging. Das war aber der Sall, 
feitdem immer jahlreicher einheimifche Elemente, Releen und Deutfehe, 
in den Rlerus eindrangen. Diefe Eannten oft Baum die lareinifchen 
Buchftaben und ftanden auf Beinem böberen geiftigen und firtlichen 
Yliveau, ale ihre Landsleute. Die geifliche Zuchr verlotterte, und niche 
minder zerfiel die Birchliche Ordnung. Me enrfland das Inftirue der 
Chorbifchöfe, das beißt Bebilfen der Bifhöfe, welche in den Landgemeinden 
die Disciplin der Rleriter überwoachen follren. Allein fie felbft enwouchfen 
Mur zu oft jeder Zucht und wanderten ale Landftreicher herum. 
Wandernde Ehorbifcyöfe ordinierren wandernde Mleriter, und beide 
fügten fich teiner Ordnung. Dem machten die Befeze Pippins ein 


Das Neid) Barlo des Großen: B. Die Birde. 191 


Ende. Auc) die frühere voilifürliche Prapis der Staatsgerwalt in Bezug 
auf die Verfügung über das Rircyengur wurde nun abgeftellt und der 
Bicchliche Befig gefichere. Infolge all diefer Waßregeln gelangte man 
zu einer größeren Stabilicät der Birchlidyen Verhälmiffe, und die 
Bifchofsliften weifen feir Pippin feine folche Haffenden Lücken auf wie 
vorher. 

Worms war fehon zu römifcher Zeit ein Bisrum, aber bis zum 
7. Jahrhundert ift fein Ylame eines Bifdyofs ficher begeugt. Der erfie 
urkundlid) bekannte Wormfer Bifchof beißt Berbrulfiis, der 614 an 
einer Parifer Synode teilnahm”). Am 21. September 627 erteilte 
Mönig Dagobert 1. der Kirche S. Peter und Paul, deren Vorficher 
der DBifdof Amandus war, ein Privileg. Dagoberr war einer der 
befferen Rönige des merswingifcyen GBefchledts. 622 übertrug ibm 
fein Vater Chlotar die Regierung des Sftlichen Teils Auftrafiens. Seine 
vornehmften Ratgeber waren Arnulf von Wien und Pippin, die Stamm 
diter des Barolingifchen Befchlechtes. Die Sage bat das Andenken an 
diefen guten König feftgehalten, befonders in der Pfals und im Eifaß 
führte man alle Tnftirutionen und die Stiftungen von Rlöftern auf ibn 
zuelich. Der pfälzifche Dichter Aug. Becker finge von ihm: 

„Diet Sürften find geftorbn am Rheine feit der Zeit, 

Man dat ihr Grab mit Waffer — mit Tpränen nicht geweiht, 
in einz'ger bleibet ewig den Pfälger Bauern wert: 

Das if der gute Zönig, der alte Dagobert."®), 

Zur Zeit des Rönige Cbildeberts II. (695s—7II) amtierte Bifchof” 
Rupert in Worms”), Er ftammte aus vornehmen Befdhlere und 
cübmte fich der Verwandefejaft mir den merowingifeben Rönigen. Zn 
einer Zeit, wo die fränkifche Kirche ganz verwelrlicht war, zeichnete er 
fi dur feine Amteführung aus und zog den Did des “herzoge 
Theodo von Baiern auf füdh, der ihn 696 mach Regensburg einlud, um 
die Birchliche Brdmumg Baierns zu regeln. Rupert fand indeffen die 
größten Schroierigkeiten, denn die Baiern waren ein beidnifches Baueen- 
vol, das jeder Bildung abhold war. Die einzige Stadt war Regensburg, 
deren von den Römern erbaute gewaltige Seftung die Bersunderung des 
Volkes erregee. Als Hupert die Donau abmärts fübr, fab er die alte 
Bifdpofoftadt Lord) in Trümmern liegen. Auf feiner ferneren Reife 
gelangte er in das Salyfammergut, wo ihn die zomanifche Bevölkerung 
gur aufnahm. Wan erzählte ibm von der alten Römerjiadt Juvavium 


1223 8. Bapird, 


(Salzburg), die jet ebenfalls ein Auinenbaufen war; dorthin begab er 
fich und entfchloß fich, bier ein Bistum zu gründen. Er baute Kirchen 
und Rlöfter und bevölkerte diefe mir aus Worms gebolten Prieftern und 
Wiönchen. Er farb am 27. März 718 in Salzburg. Die Rirche bar 
die. Verdienfte des Apoftels der Baiern anerfanne und ihn der Schar 
der soeiligen beigefellt. Auch in Worms ehrre man fein Andenken, 
indem man einer der Pfürrkirdhen feinen Yiamen gab. 

Pippin und Barl der Brofe ernannten aus eigener Mache: 
volltommenbeit die Bifchöfe, ganz ebenfo, wie jie die Brafen einfenten, 
umd trafen eine forgfältige Auswahl. $Es Bam nun nicht mehr vor, daß 
‚mehrere Bisrhimer in einer Yand vereinigt wurden, doch die Vereinigung 
der bifdhöflichen Wfrde mit der eine Abteo ließ der Rönig zu. So 
war Erembere”") zugleich Bifhof von Worms und Abt des berühmten 
Mlofters S. Perer und Paul zu Weißenburg im Eifaß. Urkundlich 
kommt er feit 764 vor und farb 793. Im Tabre 769 nahm er an 
der Bateranfpnode reil. Seine YLachfol Dernbar und Solcwicus 
waren ebenfalls zugleich Aebre von Weißenburg. Bernbar”") wurde 
von Rarl dem Brofen öfters in diplomatifchen Wiffionen verwendet, 
unter anberm im Jahre 790 nach) Rom gefebickt, um die Anklagen gegen 
den Papft Leo III. zu uncerfüchen. Zulent ift er urfundlich 825 erwähnt. 
Seine Scywefter Jmma war die Gemahlin des berühmten Befchichte- 
febreibere Minhart”). Jolenicus””) tomme urkundlich als Bifchof 
swoifeben 826 und 830 vor, als Abt von Weißenburg zwifchen 81] und 825. 
Thm folgte Samnel®), der im berühmten Blofter Gulda erzogen worden 
war. Sein Abt Harger fdhite ihn mir zwei andern Wiibrüdern 
Sraban und Jyatto der böberen Ausbildung wegen nad) Tours, der 
berühmeeften Schule des fränkifhen Meidyes, wo der Abt Alkuin eine 
glänzende Thätigkeit entfalcete. Ihm rief fpäter varaban zu: „Was einft 
der Meifter Alkuin lehrte, das bewabre dein “ers”. Tin Fulda lehrte er 
als Bebilfe “rabans, wurde dann 838 Abt von Lorfc) und 841 Bifchof 
von Worms. Wie fein Lehrer und Freund Jraban, bing er Kaifer 
Lothar an und war ein Begner Ludwigs des Deutfchen, obwohl diefer 
fich als ein Woblthärer des Rloftere Lorfd bewiefen hate. {Er weihte 
841 die Kirche in Yleuhaufen an der Mainzer Straße, eine halbe Stunde 
vor Worms gelegen, wo nach der Vieberlieferung eine Bönigliche Pfalz 
geftanden und wo Aönig Dagobert eine den heiligen Dionyfius gewibmere 
Bafılita gebaut haben foll. Urkundlich ift diefe &. Dionyfiuskicdhe 





Das Neich Barlo dio Großen: B. Die Birche- 193 


febon 823 erwähnt”). Tinfolge der Translation der Bebeine des heiligen 
LCyristus bieß fie fortan 5. Eyriakkirche. 858 fehenkte ihr ein Wunibald 
Grundftüce in der Bemarkung Dallau) und am 8. Tuli 867 König 
Zudvoig der Deurfche Brundbefiz in den Warten Störsheim, Abisheim 
und Mauchenbeim’”). Diefe Schenkungen erlebte Sammel nicht mehr, 
denn er farb am 7. Sebruar 855 und wurde in Lorfch begraben. 
3273 ließ DBifcbof Wberbard feine Gebeine erbeben und mach der 
&. Eyriattiece in Yleuhaufen überführen. As 1460 diefe Kirche im 
Wriege verbrannt wurde, fand man fprer beim Auftdumen des Schurtes 
den bleiernen Sarg Samuels. 

Don feinem Ylachfolger Gunzo ift nur weriges befanne”), Br 
komme urkundlich zwifden 858 und 872 vor, war 858 Rönigebore und 
farb am 18. Vrovember 872. DBifchof Adelhelm””) wird 874 in einer 
gefälfehten Urkunde Ludwigs des Deutfchen erwähnte; er nahm 888 
an einer Synode in Mainz teil und farb am I7. Januar 890 (1). 
Thietelah") urtunder zum erfienmal am Jo. Sebruar 897, nahm im 
Wei 891 an einer Synode in Tribur teil, die eine Stärkung der 
bifdyöflidyen Bemwalt gegenüber der welcliden &Ariftokratie anftrebte. 
Er fell am J. September 914 in Ylemweiler geftorben fein. 
Bifchof Richgewo”') erhielt an der zu obenaltheim im Nies am 
20. September 9I6 tagenden Synode den Auftcag, eine Unterfüchung 
über die Blendung des Bifchofs Zinbart von Speier anzuftellen. Er 
farb 949. 

Bar der Broße erkannte in der Ricche die wichrigfte Schze fr 
die Ausbreitung der Rufeur, und drum füchte er fie auf alle Ydeife zu 
fördern, namentlich dadurch, daß er dem Epiftopar die leitende Stellung 
in der Didgefe verfcbaffte und alle ned) vorhandenen Refte Ponturrierender 
Linflüffe, wie die Chorbifchöfe, befeirigee. Die Kirche follte ein dienendes 
Glied im Rahmen des ftaatlichen Organismus fein und vorzäglich folche 
Aufgaben erfüllen, die fonft dem Staate fern lagen, nämlich die Pflege 
der Sierlichkeit und der Bildung. Damit die Rirche diefes Eönne, follte 
fie mögtichft umabhängig von Öfonomifehen Sorgen fein, und Karl Eargte 
nicht mit Scyentungen. Neid) waren die bifchöflichen Kirchen in der 
Earolingifeben Zeit Beineswegs. Die großen Verlufte, die fie durch die 
Maßeegeln Bart Wartelle und Pippins erlitten hatten, waren noch nicht 
ausgeglichen, und fie Eonnten fid an Neichtum des Befines mit den 
Alöftern wie Fulda ıc. nicht im entfernteften meffen. Yramenelich die 


15. Be, Die Autir er enden sih, 1 “ 


19% 8. Raplıd. 


oberrheinifäyen Bisrhmer Ehur, Ronftans, Bafel, Speier und Worms 
waren fehr dirftig ausgeftarter, und aus diefem Grunde vornehmlich 
geftattere der Rönig die Vereinigung bifchöflicher Yolirde mir der eines 
Abres, um das Hinfommen der Bifchöfe zu erhöhen. 

Die Begierde nady Befig war auch im geiftlichen Stande groß. 
Bonnee man nicht auf ebrlichem Wege dazu gelangen, fo that man cs 
auf unebelidyem. Die firtliche Empfindung war im ganzen Wiirtelalter 
nicht fehr flark entwichelt und der Wahrbeitsfinn außerordentlich fehnwach. 
Die Rirche ann nicht vom Vorwurf‘ freigefprochen werden, daß fie, 
die Yoächterin über das fiteliche Leben, am meiften gefündige hat. Die 
römifdye Rirdhe ift durch Zug und Trug su ihrer Wacht gelangt. Die 
techrliche Grundlage ihrer Wacht beruht auf Poloffalen Sälfhungen, die 
zwar von ihr nicht direkt ausgegangen ober veranlaßt, aber auch nicht 
von der Yand gewviefen worden find. Durch Urkunbenfälfdungen aller 
Arc füchten die Ricchen und Rlöfter ihren Befln zu mehren, und foldhen 
Weg des Berrugs bat auch die Wormfer Ricche eingefhlagen. Saft 
alle Urtunden aus der fränkifchen Zeie find Sälfcyungen oder interpoliert. 

Als das wichrigfte Privileg berrachteren die Rirdyen die Pönigliche 
Verleihung der Immunitde"). Diefe Jmmunitkt, auf deutfch Sreiung, 
ift urfprünglich ein römifches Aechteinftirut und bedeutet Freiheit von 
Steuern und öffentlichen Sconden. Als Freiheit von öffentlichen Abgaben 
und Leiftungen erfcheint die Jmmunität auch im fränkifchen Reich, aber 
hier erfährt diefe Jnftitucion eine Ummvandelung. Anfangs genoß nur 
das Bönigegur die Immunickr, fpäter erhielten auch Rirchen und Laien 
Befreiung von Steuern und öffentlichen Dienftleiftungen, aber in der 
meromwingifeben Zeit galt immer nod) der Rechtefan, daß die auf immunen 
Büren angefiedelten Leute der Sffentlidyen Gerichtsbarkeit unterworfen 
bleiben. An diefem Punkte fegte die Weiterentroickelung ein. Der Rönig 
verbot den öffentlichen Beamten, Arntehandlungen auf’ den gefteiten Büitern 
vorzunehmen, alfo auf ihnen Berichtetage abzuhalten, Sriebensgelder 
einzugieben und Bürgen ftellen zu laffen, ferner wurde ihnen verboten, 
öffentliche Zeiftungen zu fordern oder zu erzwingen, wie die Auferlegung 
von Kinquartierungen, Srondienften ıc. Die Immunickt fchloß jede 
unmittelbare Vorladung der mmunirdeeleute, die Zwangevollftreung 
und das richterliche Winlager aus. Sie enthob aber Eeineswege die 
sainterfaffen des immunen Gebiers des “eeres: und YWachebienftes, der 
Pflicht der TJabresabgaben und entlaftere nicht von Zöllen, die außerhalb 


Das Hei Aaclo des Großen: B. Die Rick. 195 


des gefteiten Gebiete erhoben wurden. Zu diefen Öffentlichen Pflichten 
wourden die mmunicktsleuee durch Vermittelung des Tmmunicksberen 
beziehungswoeife feiner Beamten angehalten. Durd) die Verleihung eines 
Immumnirkteprivilegs versichrer der Fisfus auf’die Krhebung von Sriedens: 
geldern und anderen Leiftungen auf dem gefteiten Bure; diefe fallen nun 
dem Tmmunitktsberen zu. Der Tmmunirde war urfprünglich der 
Begriff eines befonderen Seiedens fremd. Allein da das meifte Kirchen: 
gut früher Rrongur gewvefen war, genoöbnten fich die Böniglichen Beamten, 
foldyes Gut ale Ligenum des Fiskus oder als Amtegur zu betrachten, 
um dasfelbe zur Gewinnung von Vafallen zu verwenden, unter dem 
Dorgeben, im ntereffe des Bönige zu bandeln. Eben um diefen 
Uebergriffen der Beamten zu webren, erbielt die Jmmunitdt einen böberen 
‚Seieden, der duch die Androhung einer Buße von 600 Solidi gefchligr 
wurde. Die weitere Wirkung diefes Rechreinftiturs war nun, daß der 
Immmitätebere Gerichtsbarkeit über feine Zinterfaffen erhielt. Diefe 
Sinrerfeffen find dem %eren Mithio fchuldig, das heiße fie ind verpflichter, 
fi vor ihm zu verannworten. Die Tmmumnirkesgerichtebarkeit erjirect 
fich jedoch nur foweir, als die öffentliche Gerichtsbarkeit finanziellen 
Charakter hat; fie gile nur für den Bereich der Rechtefälle, in denen 
Sriedensgelder oder Bannbufen bezahlt werden. Sür das Bebier der 
Reiminalgerichtsbarteit it fie ausgefchloffen. Diefe Tmmunirkes- 
gerichtsbarkeit befehräntt fi im wefentlichen auf den Umfang der dem 
Vikar oder Centenar zufiebenden Rompetenz oder, um in unferer beueigen 
Sprache zu reden, fie besog fid nur auf Zivilfachen, niche auf riminal- 
fadyen, die immer dem Öffentlichen Richter, dem Grafen, vorbehalten 
blieben. Zur Ausübung Diefer mmunitätsgerichtsbarfeit war ein 
befonderer Beamter nötig, der Advocatus oder Vogt, deffen Ernennung 
an die Zuftimmung des Grafen genüpft war, denn der Staat hatte ein 
Intereffe an der Einferung diefes Beamten, indem diefer die ftaatlichen 
Rechte in dem Tmmunirätebesie® zu wahren hatte. in der Solge führte 
diefe Jnftiturion in Verbindung mit der Vafallitke und dem Benefizial: 
wefen zur Berfeung des Staates. 

Audy die Wormfer Rirche rlihmre fich des Beflzes der Immunirke. 
TIedes Bisrum hat feinen Mittelpunkt in der Zauptfirche der Bifchofs- 
ftadt, die Eursweg Kirche oder Ecelesia malor beißt. Ihr wurden die 
Schenkungen gemacht, ihr die Privilegien. erteilt, die dem ganzen Büsum 
besiehungeweife dem Bifchof zu gute Famen. Diefe Kirche befaß 


196 8. Bapitel, 


juriftifche Perfönlichkeit, aber nach der finnlichen Auffaffung des Mittel 
alters har man an Stelle der jurijtifcben Abftrakrion eine Iebendige 
Perfönlichkeit gefent, den Rirchenbeiligen oder Patron ber Kirche”). 
Scyon im Alterrum nannte das Volk die Bortheit ale Zigeneimerin des 
Tempelgures. Ya derfelben Anfchanung gale der Seilige, dem die 
Rirche geweiht war, als der Kigenrimer. Jbm that man eine Wohlthat, 
wenn man die Rirdye befbenkte, ihm beleidigte man, wenn man die 
Rirche beraubte, Diefer Seilige war eine lebendige Wacht, welche 
Wunder verrichtere, belohnte oder beftrafte, je mach den Werten der 
Wienfeben. 

Die Rarbedraltircye von Worme war urfprünglich den Apoftelfüicften 
Peter und Paul geweiht”). Als dann Bifchof Burchard die S. Pauls- 
kirche gründete, bieß die Domtirche fortan S. Petersficche. BZweifellos 
ggiftierte fon in römifcher Zeit eine Kirche in Worms, aber fie ik 
fpurlos untergegangen. 872 fehlug der Din in den alten Dom und 
zündere, fo daß faft die Wauern einfthezeen”“). Aus jener Zeit vernehmen 
wir öfters von folcyen Rirchenbränden. Denn die flachgedeckten Baftliten 
mir ihrem maffenbaftigen sol: und Sparrenwert waren eine leichte Beure 
des Feuers. Die Säulen zerbarften in der Glut, und die von ihnen 
getragenen Wauern fthrzeen zufammen. 

Die der Wormfer Rirdye von den fräntifchen Rönigen erteilen 
Immunicktsprivilegien find, wie gefage, fämrlich gefälfche, doc) liegen 
diefen Säufhyungen ecyre Urkunden zu Brunde. pn der mmunicdrs- 
urkunde des Rönige Dagobert I. vom 21. September 627°) ift die 
Immunitätsformel durchaus Eorreft und einer echten Urkunde entnommen, 
während alles andere erfunden ift, und zwar in febr leichtfertiger Weife 
erfunden. $Ebenfo verhält es fi) mit dem Diplome Pippins””). Aud) 
diefer Sälfcyung lag ein echtes Privileg zu Brunde, während die Stellen 
über die Verleihung des Zolles und die Ausfcbliefung der gräflicen 
Gericyrebarkeit interpoliere find. Zudem it diefes Diplom in’ fehr 
verderbrem Zuftande überliefert. Marl der Brofe bat der Wormfer 
Riccye die Immuniehe beftscige, und zwar wahrfeheinlich in einer 
Urkunde, die in dem Zeitraum von 774 und 775 ausgeftellt wurde”). 
Die jene vom Juli 798 darierte vorbandene Urkunde if (tar interpoliert. 
Als Tharfache darf man ihr die Lroriz enmehmen, daß auch König 
Ehilpericy II. der Wormfer Rirchye das Tmmunirdesprivileg Dagoberte 
erneuert hatte. Dagegen ift das Privileg Ludwigs des Srommen vom 


Was Reich Maris des Broßen: B. Die Acc. 197 


3. September 814 Aachen durchaus echt”). Danach legte Bifcbof 
Bernbar dem Kaifer die Jmmunieärebriefe der früheren Könige vor, und 
der Raifer erneuerte auf feine Bitre die Tmmunitsteverleibung; zugleich 
befreite er die Sinrerfaffen der Wormfer Rirche von der Verpflichtung 
zur saeerfaher, außer wenn der Bifchof felbft zu Selde zu sieben babe. 
Zudwwig der Seomme war befanntlic Bein Wiehrer des Reichen, vielmehr 
gab er die Rechte des Staates zu Bunften der Rirche leichefinnig preis. 
Am felben Tage verlieh er der Rirche von Worms, die immer unter 
Rönigefchuz geftanden hatte, das Recht, nach Birchlider Sarung den 
Bifäyof aus dem eigenen Rierus zu wählen, fo lange fih unter ihm 
eine geeignere Perfon finde”), 

Der Befig der Wormfer Kirche it in Barolingifcher Zeit nicht 
groß gewefen, denn es Bann feine Rede davon fein, daß Bönig Dagobert 
ihr im Tahre 627 den Lobdengau gefchentt habe. Sie hat jene ver- 
meintlichen Schenkungen des Lobdengaues und von Wimpfen, von denen 
in den gefälfehten Diplomen die Rede ift, erft viel fpäter, und zwar auf“ 
unrebliche Weife, erworben. Auch in Worms felbft befaßp der Bifchof 
teineswege den gefamten Grund und Boden, fondern der Rönig, fowie 
die Blöfter Lorfch, Zulda und Yleubaufen und einzelne Sreie teilten fich 
mit ihm in den Defin, i 

Man bat nun behauptet, daß die Immunität von dem zerfkreut 
liegenden Rirchengut allmählich Üiber den dazwifchen liegenden Befin anderer 
$Eigenttimer ausgedehnt worden fei, und in dem alfo abgerundeten Bezirk 
babe der Kirche, als dem Grundberen, die Berichrebarkeit sugeftanden. 
Demgemäß fei_ das Stadtgebiet ein eremter Beridytebesirf geworden, und 
auf diefem Brunde fei dann die Gtadrfreibeit ermachfen”). Allein 
durd) die Quellen Bann diefe Deduttion nicht bewiefen werden. Selbft 
vorausgefent, daß die zwei Urkunden Ludwigs des Deuefchen vom 
Jahre 856”), auf die man fich fügt, echt wären, fo fagen fie doch 
nicht das, was man aus ihnen berausgelefen bat, fondern in der erften 
Urkunde handelt es fi um Schenkung fistalifcyer Linkmfte und in 
der zweiten um die Öffentlicher Berecyrfame im Lobdengau und im 
Odenwald. 

Der Umfang des immunen Gebietes in Worms ift uns genau 
befannt; er wird vom Dom, dem Bifchofshof und der S. Stephanstirche 
umgrenze und fehliefie den Durch Diefe Bebdube umrahmten Plan 
ein. Bis zur franzöfifchen Revolution war diefes gefreite Gebiet, das 


198 8. Rapirel, 


Wundar oder die Seeiheit genannt, ducch Wiarkfteine bezeichnet, die auf 
der inneren Seite das bifchöfliche Wappen, auf der Äußeren bas 
Mädrifche trugen”). 

Die Rönige fäyentten den Rirchen nicht nur Land und Leute, fondern 
auch Regalrechte, ohne zu bedenten, Daß fie dadurch ihre eigene Wacht 
fehwächten und ohne Ahnung davon, daß diefe Sreigebigfeit in Ver- 
Außerung ftaatlicher Nechte die Aufiöfung des Staates herbeiführen 
mußre. Am II. September 829 beftätigten zu Worms Lubroig der 
Sromme und Lothar I. auf Bitte des Bifchofs Solawic der Wormfer 
Rircye den von Karl und Pippin gefcbentten Zoll von den nach Worms 
tommenden Kaufleuten, Jandwerkern und Sriefen®). Schon die 
Srantentönige Dagobert, Gigebert und Cbilperich follen diefen Zoll 
gefehenkt haben, wwao den damaligen Verhälmiffen nicht entfpricht. Zudem 
enhäte diefe Urkunde eine interpoliere Stelle, fo daß man ihr nur 
‚geringen Wert beilegen darf. YFicht minder eine freche Zälfähung ift 
die Urkunde Ludwigs des Deurfeben vom 20. Tanmır 856%), Tauc 
welcher der König auf Bitte des Bifchofs Samuel der Wormfer Rirche 
die ganze Münze und das Rönigemaf, genannt Stuofehorn, gefcbentt 
haben foll; er beftäcige ihr von neuem alle Zölle, die an den Fiskus zu 
zahlenden Bufen und Siefalabgaben in und aufer der Stadt, die fortan 
dem Vogt der Kirche gleich einem Föniglichen Beamten in vollem, gefen- 
lichen Berrage zu entrichten feien. Diefe angebliche Urkunde it formell 
und inhaltlich unzuläfiig. % Tan feheine es auch fpäter nidhe mehr gewagt 
zu haben, fie der Eöniglichen Kanzlei vorzulegen. Krft Raifer Arnulf 
febentte in freigebigfter Weife der Kirche von Worms Güter und Regal: 
sechte. Wir wiffen ja, daß er fi öfter in Worms aufgehalten bat, 
wobei Bifcpof Thietelah die Gelegenheit benugt bat, fih vom Rönig 
Gnadenbeweife geben zu laffen. Am 8. Juni 897 fehenkte der Kaifer 
Arnulf der Wormfer Rieche 27 Aufen in (Wie) Oppenheim, “orchbeim. 
und Weinsheim, forwie die liter, welche er dem der Wormfer Kirche an 
‚gebörigen Rleriker Willolf gegeben batte, die in den Warken (WVies:) Oppen- 
beim und &orchheim gelegen finb”*). Da diefe gefebenkren Zufen Aönige- 
bufen waren und jede Rönigehufe 60 Worgen maß, fo bandelt es fich um ein 
ganz anfehnliches Bebier von 1620 Morgen. Am 7. Auguft 897 febenkte er 
ihr I2 Sistalinen, die dem Sistus Zugpferde ftellen mußten, mirfamr ihren 
Söhnen und ihrem Befinde””). Siebilderen eine boftechrliche Benoffenfchaft, 
societas parafridorum. Diefe Einrichtung führe uns wieder in die 





Was Heid) Bazla des Großen: B. Die Kirche. 199 


zömifche Zeit zur. Damals beftand ein Poftbienft für die Zwecke der 
Staats: und namentlich der Wilirkeverwalung”®). Ylur der Baifer, 
die Offisiere und höheren Beamten durften die Poft benusen, die Lnter- 
thanen dagegen mußten fie unterhalten, und diefe Unterhaltungspflicht 
sÄhlte zu den LÄftigften Zürden. Teder, der die Poft zu benunen berechrige 
war, durfte von den Unterthanen Pferde fordern (veredi), im YTorfälle 
‚aud) Beipferde (paraveredi, woraus unfer deurfches Wort Pferd enıftanden 
if). Diefer Poftdienft bat fich auch im fräntifden Weich erhalten. 
Alle die, weldye im Dienfte des Könige reiften, batten Anfpruch auf“ 
Beförderung und Verpflegung. Die Untertanen waren bei Strafe des 
Rönigebannes zu diefer Leiftung verpflichtet, und es war Gadye des 
Grafen, diefe Bußen einzurreiben. Auch Borendienfte zu Pferde und zu 
Suß mußten fie leiften. Die großen Brundbefiger birdeten diefe öffent 
lichen Leiftungen ibren „interfaffen auf. Solche Zinterfaffen, die des 
Aönige, waren die obengenannten Sisfalinen, die Dur) ihre Derfchentung 
an den Bifchof nun diefem die Botendienfte leiften mußten. Außerdem 
vergabre Arnulf’ der Ricche noch feche Miinifterialen mit ihren Befigungen; 
es waren das offenbar die Verwalter der Eöniglichen Bliter, die nad) 
Woftecht Land erhalten hatten. 

Am felben Tage lich Baifer Aenulf eine andere Urkunde zu Bunften 
des Eyriakftiftes in Yleubaufen ausftellen“”). Der Raifer fchenkte dem 
Stift die Befigungen von fünf Wiinifterialen, die in der vorigen Schenkung 
am die Wormfer Riccye nicht inbegriffen waren. Die Minifterialen 
felbft wurden dem Stifte nicht gefehente, fie gehörten ja der Wormfer 
Rirche. Diefe Befigungen lagen innerhalb der Stadt. Drei diefer 
Winifterialen, welche ibre Güter Eraft Böniglicher Verleihung auf Lebenszeit 
befaßen, follten fie behalten dürfen, und erft ihre Erben wwurben verpflichten, 
dem beiligen Cyriatus fhrlidy eine Unze (Silbere) zu besablen. Die 
beiden andern aber, welche eine foldye Verglinftigung nicht genoffen, follten 
famt ihren Ylacptommen dem Stift zinfen. 

Endlic, fegte der Raifer feiner Sreigebigkeit die Arone auf, indem 
er am J4. Oktober 898 dem DBifchof Thierelah die Münze, den Zoll, 
das Rönigemaß, genannt Stuofchorn, und alle übrigen fiefalifden 
Einkünfte und Dienfte in der Stadt fehenkte”), alfo gerade das, was 
die gefälfchte Urkunde Ludwigs des Deutfchen antisipiert bat. Ludreig 
das Rind und Bonrad 1. beftäcigten diefe Schenkungen in den Jahren 
964°") und 918%). Wan darf wohl die Dermurung ausfprechen, dafs 


200 8. Bapitel, 


diefe fikalifeben Befinungen, von welchen die Urkunde Arnulfs fpricht, 
Pertinenzen der föniglichen Pfalz waren. Einen Teil der Errrägniffe 
von dem Eöniglichen But in Worms hatte Rarl der Dicke am 2. Degember 882 
der Föniglicen Rapelle in Srankfurt am Wiain vergabt®). 

Die Bönige versichteren auf die YTunniefung ihrer Befigungen und 
fistalifchen rerägniffe in der Pfalz zu Worms; daftır waren fortan 
die Bifcyöfe verpflichter, den König und feinen of gaftfreundlich 
aufsunebmen und zu verpflegen. Schon lange galten die Bifchöfe als 
vornehme und mächtige Seren im Reiche. Durd) die Bunft der Rönige 
und die Schenkungen der um ihr ‚Seelenheil beforgten Laien wurden 
fie reich, zulene erhielten fie Böniglice Sistalrechte, und damit waren die 
Grundlagen für ihre weltliche “Gerrfchaft gegeben. 























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9. Bapitel, 


Das Reid) Karls des Großen. 


C. Die Civitas. 





In Ballien bedeuter das Wort Civitas®*“) fowwohl 

das Völkerfchaftegebiet, den Bau, als auch) den 

Vorort des Baues und endlich die Diözefe, 

welche mit dem Bau zufammenfiel. Auf 

deutfehem Boden ift dies nicht der Sall, ein 

Gau Eannı bier mehreren Dißzefen angehören, 

wie 3.8. der Wormfer Bau, und eine Dissefe 

kann in mebreren Bauen liegen, woie wiederum. 

die Wormfer Diözefe. Die Civitas ift bier 

nicht ideneifcy mit der Didzefe und Ientere 

beißt niemals Civitas, fondern Dioecesis 

ober Parrochia®®). Zjn der Barolingifchen Zeit 

begeichner der Ausdruck Civitas auf deutfehem Boden enrweber bIos die 

ummauerte Stadt oder auc) die Stadrmark. Die Stadt hat im fräntifchen 
Weich Teine Sffentlid rechtliche Stellung, fie ift lediglich eine Priv 

genoffenfihaft und zwar eine Wirtfcbaftegemeinfchaft, genau wie die 

Landgemeinde”). Wie die Landgemeinde, befigt auch die Stadtgemeinde 

eine gemeine Mark, die Almende””). Der überbaute Gtadrteil bildere 

mur einen verfehwindenden Teil des gefamten Stadrgebieres. Innerhalb 

der Stabrmauern gab es Aecker, Wiefen und Weinberge®) und ringe um 

die Stade dehnen fi) Aecker, Wiefen und Weingärten oder audy sde 

Gründe. Die Mark ift ein feftbeftimmter gefchloffener Bezirk, welcher 

der fiädrifchen Wiartgenoffenfchaft gehörte. ür Worms ift das 

Vorbandenfein der Mark fehon für das 8. Jahrhundert bezeugt”), und 


15. Bee, Die Au ver ehentfäen She. 1 Po 





208 9. Bapiiel, 


wir fennen audy die Brenzen der Bemarkung, denn im Mittelalter find 
foldye Verhätniffe außerordenrlich ftabil. Zn der Urkunde Sriedriche I. 
vom Jahre I56) werden die Brenzen des Seiedkreifes von Worms, 
der mit der Wlark zufammenfällt, befhrieben wie folge: fie erftrecden fich 
bis zu den Äußerften Grenzen der Weinberge und bis zu den Bärten 
!WMecelins und zu den Grenzen der Bürgerweide und zu der Pfrimm, bis 
wo fie in den Ahein fließt. In der Thar bildere der Zinlauf der 
Pfrimm in den Abein bis zur franzöfifchen Revolution die Brenze des 
fouveränen Stadtgebieres®"), Ylody jene fleben einzelne Bemarkungsfteine 
aus dem 16. Jahrhundert, und mir yilfe der Slurfarten aus dem vorigen 
Jahrhundert und der Pörtelbücher Ir fich der Umfang der Gemarkung 
genau feftftellen. 

Veftero lieft man in den Urkunden den Ausbruc® Suburbium, der 
bald einen engeren, bald einen weiteren Sinn bat; im erfteren Sall handele 
es fi um %nfiedelungen vor den Wiauern der Stadt, au denen dann 
die Vorftädte erwuchfen, im Ienteren Sal bedeurer Suburbium die 
Umgegend der Stadr. 

Die römifchen Städte waren ummauert, und reiche Bürger fenten 
es fich zur bre, einzelne Thore auf ihre Roften zu erbauen (f. oben). 
Diefe Wauern Lonnten freilich fähließlich nicht die Einwohner vor den 
Barbaren retten. Sie zerfielen, die Thore wurden niedergeriffen und bie 
‚Steine fonft verwendet, es fei denn, daß der folide Bau aller Zerftörungetuft 
gefporter hätte, voie die aus gewaltigen Buadern Eonftruierte Porta Nigra 
in Trier. Sobald wieder geordnerere Verbälmiffe bergeftellt waren, 
begann man die Stadtmauern in Stand zu fegen mir Benugung der 
vömifeben Ueberrefte®‘); in Worms find folche auf der Weftfeite fichtbar. 
In der Urkunde Arnulfo vom Jahre 897°%) ift von der Wormfer Grabt- 
mauer die Rede. Die römifde Stadt hatte einen weit größeren Umfang als 
die mittelalterliche. infolge von Seuchen, “ungerensten und Kriegen 
muß die fhädrifce Bevölkerung jtart zufammengefähmolzen fein. TOobl 
liefen fich auch Sranten in der Stadt nieder, aber jedenfalls nur in 
Bleiner Anzahl, da die Deurfchen lieber auf dem Lande lebten als in der 
Stadt. Die ganzen Verbälniffe waren in fränkifcher Zeit dem fkdrifchen 
Yefen und feiner Enneictung böcft unglnftig. Erfahrungsgemäß 
Kann eine Stadt ohne dauernden Zufluß vom Lande nicht eriftieren"). 
Yhun war bei ber Landaufteilung nach der Eroberung der Abeinlande 
durch die Franken der Minzelne (6 reichlich bedacht worden, daß die 


Tas Neid) Rarlo des Großen: C. Die Civitas. 205 


Sufunft einer Familie auf lange Zeit gefichere und eine Llorwendigkeit, 
fi in der Stadt durd) „anderbeit eine Eriftenz zu genden, bis zu 
Rarls des Großen Zeit felten vorlag. Die ftädrifche Bevölkerung nahm 
daher wenig an Zahl zu, der alte Wauerring war demgemäß viel zu groß; 
man ücte näher zufammen. Den Kern und Wittelpunt der Stadt 
bildeten der Dom und die Eönigliche Pfalz, die infolge der Schenkung 
der Sisfalgliter fortan dem Bifdyof zur Refidenz diente. 

Außerhalb der Stadt lagen die Rlöfter. Das lebhafte Befühl der 
Simöhaftigkeit trieb die Wienfehen in die Mlöfter. Gallien war das 
gelobte Land der Wlönche und Ylonnen, bier wirkte namentlich das 
‚Vorbild des heiligen }larrin von Tours nach, dem zu Ehren man in Scank- 
veich fowwohl wie am Abeine taufende von Kirchen weihre”“). Wan 
Eonnte fih) in Stiftung von Ridftern und ihrer Befchenkung nicht genug 
tbun. Geringer war in Auftrafien der Lifer. $Erft im 8. und 9. Jabr« 
bundert entftand im iainzer Sprengel eine Anzahl löfter. Im 
Bistum Speier wurde unter anderem das berühmte Mlofter S. Peter 
und Paul in Weißenburg fehon im 7. Tabrbundert geftifter. sier 
dichrere zur Zeit König Ludwwige des Deurfchen Brfried, ein Zögling 
der Suldaer Schule, feine Bvangelien in oberfräntifcher Sprache. Er 
ift ein Mönch, aber audy ein Patriot, ftols auf den Ruhm der Sranten. 
Am geringften war der Drang zum lofterleben im Bistum Worms. 
Die Sciftung des S. Cyriatustlofters in Yleubaufen fälle erft in die 
Zeit Ludwigs des Srommen. Schon früh beftand zwifchen den Rlöftern 
und den Bifcysfen ein eiferflichtiger Begenfag. Lentere beanfpruchten 
ein Vifitationsrecht über die Rlöfter, und diefe fuchten fic) der bifchöflichen 
Autoriede zu entziehen. Daher ging man einander gerne aus dem Wege, 
und die Riöfter fiedeleen fich am liebften außerhalb der Städte in 
einfamer, weltverborgener Gegend an. indes die Srauenklöfter zogen 
es vor, in einer Vorftabt unter dem Schune der Stadtmauer fich an- 
zubauen. YTach einer niche ficher verblirgeen Tradition foll Baifer 
Audroig der Fromme das Srauenklofter YTonnenmlinfter geftifter haben’). 
Diefe Stiftung mag noch in das 9. Jahrhunderr zurückgeben, Bebeucung 
erhielt das Rlofter erft durch Bifchof Burchard. 

Die Stadt bildere nur einen einzigen Pfärrbezick, und es gab nur 
eine Pfarrkirche, den Dom &. Peter und Paul, 

ine Stadt ohne einen Markt it ganz undenkbar. Die Städte 
find ja die Wirrelpunkte des Verkehre. saier firdme Das Landvolk 


206 9. Bapiel. 


sufammmen, um feine Zandeoprodubte gegen die Produkte des fiddrifihen 
Geiwerbes und des Wiarktes auszutaufdben. Wir Recht hat man daher 
den Wärkten eine große Bedeutung für die Entwicelung der Seädre 
sugefehrieben. Aber man ging zu weit, wenn man von den Yidrkren 
die Enefiebung der Städte ableitere®”). 

£s bat in alten und neuen Zeiten Wlärkre gegeben, ohne daß aus 
ibnen eine Stadt erwachfen wire. ch erinnere an die Jahrmärkte und 
Weffen, die am Jahrestage eines Rirchenbeiligen abgehalten wurben und 
noch werden. Schon die römifchen Poffefforen haben auf ihren Bütern 
Mirkre abhalten lafjen’") und dadurch dem ftädeifchen YTarkt merklichen 
Abbruch getban?”). Die Rirchen harten ein großes Tntereffe an diefen 
Wirken, und darum bemühren fie fid) eiftig, von den Aönigen Privilegien 
zur Errichtung von Wiärkten zu erlangen“). Denn die Verleihung des 
Warkreedyres war Phnigliches Recht. Es gewährte einen höheren Scieden 
während der Warktzeit und die ZErlaubnis zur “andhabung des Zoll: 
banneechres. In Sachen deo Warknwefens übte der Graf die Öffeneliche 
Gewalt aus, «0 fei denn, daß der Markt auf mmunicstogebier ab- 
gebalten wurde. Buweilen wird ein befonberer Wiarkteichter, Judex fori, 
genannt, der wohl ein Unterbeamter des Brafin oder des Tmmunitdes: 
beren war. Von den Waren wurden Abgaben erhoben und, wie in 
römifcher Zeit, ein Standgeld für die Verkaufspläge. Solange der 
Markt dauerte, fand auf demfelben ein Rreus, das Symbol des Markt: 
friedens”). In den Pfalzorten war natlırlich der Rönig der Warktberr. 
Aber von dem Momente an, woo der Bifchof die fiskalifchen Einkhnfte 
vom Bönig gefehentt bekommen harte, erhielt er auch das Warktrecht. 
Die Stadr als foldye hat mir dem Markte nichts zu thun; diefer diente 
in erfter Linie der Zrderung der fiskalifchen Intereffen des Bifdhofe”). 
Selbftverftändlich genoffen audy die Bürger die Vorteile des Marktes. 

Der Wartt lag in der Regel in der Ylähe der Domticche”), in 
Worms unterhalb des Ofichores. Am Oftchor ift das Yormalmapı für 
die Elle angebracht, damit die Waftäbe der Verkäufer gemeffen und 
tontrolliert werden Eonnten. Zuerft gab es mir Tahrmärkte, dann auch) 
Wochenmärkte, und zulegt wurde die Stade ftändiger täglicher Wiark. 

Ueber die topographifcdyen Verbältniffe der Städte zur Barolingifchen 
Zeit wiffen wir nur wenig. Die Straßenzüge ind in Worms diefelben 
wie in römifcher Zeit, nur war die Zahl der Kdufer viel geringer. Der 
größte Teil des ehemals mit Zdufern überbauten Bodens diente nun zu 


Was Heid) Barlo des Großen: C. Wie Civitas, 207 


lanbwwirtfehaftlichen Zwecken; denn die Landreirtfchaft war damals und 
auf lange Zeit bin die “aupebefchäftigung und Jaupmabrung auch der 
Scädrer. Darum glichen in den mirtelalterlichen Städten die meijten 
Aufer ländlichen “fen mit Scheunen und Ställen, die einen großen 
Sof umfehloffen. 

Straßen: und Zäufernamen find uns fr Worms aus diefer Zeir 
nicht überliefert. Bewöhnlicd) wird die Lage der Brundftüche durch 
Ylennung der Befiger der benachbarten Brundftücte begeichner. fo 
waren damals die Slurnamen noch nicht gebräuchlich. 

Die Sadtgemarkung erfiredte fich bis an den Rhein. Das tief: 
gelegene Ufergelände war fumpfig und von häufigen Ueberfchwemmungen 
des Rheins heimgefücht. Das Land blieb daher völlig unbebaut, und erft 
mach und nady wurde es zum Teil in Wiefen umgewandelt. Yoahr- 
fheinlicy führte von der Stadt zum Ahbein ein erhöhter Damm. Der 
Dertehr über den Abein wurde durch eine Sähre vermittelt, und vom 
Kofengarten lief eine fon in eSmifiher Zeit gebaute Straße über Lorfch 
nach Ladenburg, dem alten Lopodunum, und eidelberg. Zum Schug 
gegen Wind und Wilbwvaffer war am linken Ufer des Aheins ein <afen 
gebaut worden. Am 18. Wikrz 858 verlieh Rönig Ludiwig der Deurfche 
dem Miofter Lorfch auf Bitte des Abres Ligilbert und der Wöndye 
Solffeeiheit für ein Schiff auf dem Ahein und beim Anlaufen des 
Gafene von Worme*). 

Die Kinwohner. Bebannrermaßen bar R. W. Llinfch”) die Ent 
febung der Stadtverfaffung aus dem Loftechr abgeleitet, indem er 
annahm, daß die Einwohner der Städte Unfreie gewefen fein, während 
Arnold“) und Zeufler”) den Urfprung der Stadtverfaffung in der altı 
eingefeffenen feeien Gemeinde fahen. Arnold ftlst feine dyporbefe auf 
den in den Urkunden vortommenden Ausdruck Civitas public, Tin 
diefen Civitates publicae fei der Rönig der alleinige Stabtherr gewefen; 
die Ausdrüiche Civitas publica oder actum civitate publica bezeichnen das 
Dingen auf freiem Boden vor einer freien Berichtegemeinde, deuten auf” 
eine freie Berichtegemeinde bin. Diefe Dedukrion it jedoch zurlch- 
Anveifen“). m ganzen fräntifden Reich gab es Überhaupt mur zwei 
Städte, bie in Rönigsurkunden civitas publica genannt werden: Poitiere 
und Yorms. Beide waren zugleich Bönigliche Pfalsftädte, während alle 
anderen Pfalzen entwoeder in Raftellen oder in Dörfern lagen oder, wie zum 
Beifpiel Tribur, befeftigte inzelgehöfte waren. Civitas publica bedeuter 


208 9. Bapirl, 


nichts anderes als die Pfalsftadt, und diefer Ausdruck beweift gar nichte 
für das Vorkommen einer fein Gemeinde. Aber ebenfo wenig die 
‚ormel Actum civitate public. Damit ift blos gefagt, daß vor einem 
öffentlichen Bericht eine Rechtefache verhandelt worden war; die freien 
Leute, die an diefer Rechteverhandlung teilnahmen, Bönnen ganz wo 
anders wohnhaft gerwefen fein, als am betreffenden Gerichtsort. Aber in 
der That bat cs in den Städten am Ahein Sreie gegeben. Zn den 
Jmmunitktsurfunden werden zuweilen die Ingenui, Sreie, genannt; nun 
brauchen diefe Freien allerdings nicht gerade in der Stadt geroohnt zu 
haben, indes durch die Trabitioneurfunden wird die riftenz von freien 
Leuten in der Stade ganz ficher bezeugt. Wir erfahren aus diefen 
Urkunden, daß freier Grundbefig in der Stadt lag und daß freie 
Leute ihren Belin an Rlöfter übertrugen. YIamenelich für Wains find die 
Belege sableeich, doch auch für Worms fehlen fie nicht. So zum Beifpiel 
febenkte TTI die Witwe Bloa dem S. Yosariustiofter in Lorfe 
einen Mansus, d. b. ein »ofgut, in der Stadt der Vangionen, die 
Worms genannt wird, und im gleichen Jahr vergabt fie noch einmal 
einen Mansus, der in der Stadt gelegen ift. Am I7. September 771 
fbentt vor der Geridhtsgemeinde in. Pfeddersbeim iledigernus dem 
Miofter Lorfdy einen Mansus in der Stabr Worms famt Jaus und 
Stall und in der YWsrmfer Gemarkung Aderland. Die Lage diefer 
Grundftücße wird genau bezeichnet ıc.). Ziweifelloe wohnten die 
Schenker diefer Brundftücke in der Stadt, denn in der Aegel befaß 
der einfache Sreie nur an feinem Wobnfig Grund und Boden. fEbenfo 
ann für andere Städte und Maftelle die FEpiftenz von Sreien nadhgewiefen 
werden®®). YOobl find in Farolingifeher Zei viele Sreie durd) die Ungunft 
der Verhältniffe gezwungen worden, ihre Sreiheit aufzugeben, um ihre 
materielle Epiften; zu retten, aber noch immer bildeten die Freien die 
Wehrzahl der Bevölkerung. Diefe Sreien waren wie auf dem Lande, fo 
aud) in der Stadt genoffenfehaftlicy organifierr. Sie bilden Mark 
genoffenfäjaften. Diefe Warkgenoffenfdyaft ftellte den Wircfdyaftsplan 
auf, an deren Befchlüffe der einzelne in Bezug auf die Zeit und die 
Arc der Geldbeftellung und der Brnte gebunden war. Gie regelte die 
Amendbenugung umd fie gab die Erlaubnie sur Anteilnahme an dem 
Benunungsrechte der Almend, wenn neue Bürger in die Benoffenfhyaft 
aufgenommen wurden. Die fteien Bürger diefer MWarkgenoffenfchaft 
hießen “eimgereiden®"), und ihren Wohnort, die Stabt, bießen fie den 


Das Heid) Marla des Drofen: C. Die Civitas. 209 


Seimgarten”®). Diefe freien Benoffenfcjaften der Seimgereiden hatten 
richterlice und polizeiliche Rompetenz in Sälen, weldye die Benoffen- 
f&baft angingen, alfo vor allen Dingen baten fie über Seldfrevel zu 
richten, Über Verlegungen der wirtfehaftlichen Ordnung, Mißbrauch der 
Almend 1c.%). Thre Beamten find die Zeimburgen (fiehe unten). Lange 
bevor die Srabtverfaffung fich ausbildere, gab cs alfo eine freie Gemeinde, 
die jedoch wie die Dorfgemeinde außerhalb des ftaatlichen Organismus 
fand. Die Aufgabe des Staates im Wirtelalter war in erfier Linie, 
den Seieden im Tnnern und nach aufen zu wahren; um die wirtfchaft: 
lichen Verhälmiffe beffimmerte er id wenig, das war Sadye der Be 
‚meinden und anderer Rorporationen. Gerade weil der Staat feinen Thärig: 
teitetreis fo fehr befchräntte, gewann das Rorporations: oder Kinungs: 
wefen im Mittelalter eine (0 große, fat fehrankenlofe Bedeurung‘*‘). 

Außer den $reien befaß der König in der Stadt Brund und Boden, 
die Pfalz und ihre Pertinengen, die in den Befiz des Bifchofs Übergingen. 
Der größte Brundbefiger wwar geroiß der Bifchef, besiehungeweife die 
Rirche, doch) befinen wir Beine pofleiven Angaben, da die Bifchofskicchen 
am Abein feine Gürerverzeichniffe anlegten, wie die Kiöfter Weißenburg, 
Lorfcy, Fulda ıc. Die Rlöfter S. Cyriat, Lorfch, Fulda, Weißenburg ıc. 
befaßen ebenfalls Brundftücke in der Stadrgemarkung, Lorfeb allein 
I7X Morgen Aderfeld ale Salland und viele Wiefen. 

Geld hatte damals wenig Bedeurung, nur der Befln von Grund 
und Boden verlich dem Inhaber eine fosiale Stellung, Macht und 
Einfluß. Srei im wahren Sinne des Wortes Ponnte nur der fein, 
welcher Brundbefiz hatte. Der Landlofe Eonnte feine Sreiheit nicht be: 
wahren. Solche ergaben ic meift einem großen Brundberen zu eigen, in 
dem fie ihre Sreibeit gegen ein Eleines Bauerngur eintaufthten, oder aber fie 
sogen in die Städte, um hier als Yandwerter ihre Rraft zu verwerten. 
Wie woir gefeben haben, erhielt fid) die Weralltechnik bis in die Farolingifche 
Zeit auf ihrer Göbe; auch Steinhauer, Maurer ıc;bewabrten noch die 
alten Traditionen). YOohl füchte die damalige fehr vereinfachte Wirt 
Schaft womöglich alles im saufe felbft zu erzeugen, allein die Produkte, 
die eine gelernte Technik erforderten, wurden auch jegt von gefchulten 
andiwerern bergeftelle, die zum Teil freier Zerfunft waren’). Ihr 
Streben ging dahin, fo viel zu erwerben, daß le ein Stück Land Taufen 
tonnten, um ein Bleines /aus darauf zu bauen und ein Sthch Aeker zu 
bewirefhjaften, denn aud) für den Jandiwerfer war die Landreirefcheft 


4. Beon Die Rutvae vr titan Be ” 


210 2. Rapiie. 


die vornehmfie Duelle der Ylabrung. Das if noch beute in Bleinen 
Städten der Salt, wo die Sandwerker ihre Zeit zeifcben der Befhiftigung 
mit ihrem Gewerbe und der Landroierfchaft (und fagen wir leider dem 
Wirrsbausbocken) reifen. Gefibictte Zandwerker baufierten mit ihrer 
Runft (Steinmegen und Wiaurer zogen dabin, wo gebaut wurde) und 
bandelten felbft mir ihren Waren auf den Märkten. Einen eigentlichen 
Baufimanneftand gab es Damals noch nicht. Bezeichnend hierfür ift das 
eurfebe Wort Raufinann, das vom Verbum Faufen abzuleiten it, alfo ber 
deutet Kaufmann einen, der Baufe”). Tin der Ihar werden in mitrelalterlichen 
Urkunden oft genug die Binkäufer (Ronfmenten) Kaufleute genannt. 
In der fehon erwähnten Urkunde Ludwigs des Srommen und Lothars 
vom Jahre 829°), deren inhalt von Btro 1. und Drro II. beftsrige 
wurde”), it von Raufleuten, Zandwerfern und riefen (negotiatores 
vel artifices seu et Frisiones) die Rede; alle drei Ausdrüche werden 
frnonym gebraucht. In Sriesland batte fich die Tuchinduftrie fehon früh 
entwickelt. Die friefifchen Weber verfrachteren ihre Waren felbft, führten 
fle den Abein binauf und nahmen zum Taufeh für ibre verfauften Tücher 
Wein mir nad “aus. 

In dem von Krmoldus Yligellus auf Rönig Pippin gedichteren 
Lobgefang beißt es: 

„Werlih, eo frommte der Rat: an Sriefen und Männer am Merre 
Wein zu verfaufen und dann Beffereo zu Faufen daflc, 

Bleider befdheer ich den Männern, gefärbt mit verfchiedenen Sarben, 
Weldre du, Waogau, wohl nie hättef? mit Augen gefehen“%). 

In Mainz und Worms wohnten fie in eigenen Duartieren. 

Zu den Seien gehörte fehließlich der Alerus, doc) war diefer in 
tarolingifcher Zeit noch wenig zahlreich. 

Die Unfreien zerfielen in mannigfade Abftufungen. Am böchten 
fanden die Unfreien des Könige, Siecalini genanne”). Diefe wurden 
von Raifer Aenulf der Rirche von Worms und dem Stift in Yleubaufen 
gefebentt. Die Kirche befaß außerdem eine große Anzahl von Unfreien, 
die das Land der Rirche bebauten. Im Jahre 862 raufhpte der Bifchof 
Kolewic von Worms mir Dagulf Sörige aus und diefer Taufch wurde 
durch Ludwig den Srommen und Lothar I. genehmigt”). Der Wormfer 
Riccye gebörten in und außer der Stadt grofe Sronböfe mit vielen 
Unfreien. ir die Organifation diefer Wirefehaft wurde auf lange 
Zeit die Verordnung Barls des Broßen Über die Eöniglicyen Landgüırer 


Das Neid) Rarls des Großen: C. ie Civitas. 21 


maßgebend, deren Vorbild die Verwaltungsorganifarion der römifchen 
Großgrundwirtfehaft war”). 

Den Mittelpunkt der Butswirtfehaft bilder der Salbof, der durch 
Iyörige bebaut wird, welche in den Hofgeb&uben Wohnung und Unterhalt 
empfangen und teils in der Landwirrfehaft befhäftige, teils in der 
bandwerklichen Verwertung der von ihr erzielten Produkte oder auch zu 
perfönlichen Dienftteiftungen herangezogen werden. Das Salland liege 
im Gemenge mit den Köfen oder Schuppoffen grundhöriger Bauern, 
von denen jeder felbjtändig feinen 5of bebaut, zugleich audy mit dem 
Salland Benunungsrecht an der Almend bat (Wunne und WVeid). Teder 
grundhörige Bauer war überdies zu gewiffen bejtimmt bemeffenen Dienften 
und Ylatwalzinfen an den Galhof verpflichtet, alfo zum Pflligen, 
Mäben, Ernten ıc. oder zu Arbeiten in den Werkftitten des Bureo; die 
Weiber wurden ine Scauenhaus (genicia aus rmamie) gefördert, um 
dort eine beftimmte Zeit zu fpinnen, weben, näben, baden ıc. Teber 
Bauernhof ift umzdunt, und ebenfo it das bebaute Land von der Almend 
durch Zäune abgefbloffen. Diefe Umgsumungen in ftand zu balten, 
it wiederum Pfliche der börigen Bauern. Sie müffen ferner Wacht: 
dienfte leiften, Borengänge und Sradhefübren übernehmen ıc. Die an 
den Zetrenbof zu Teiftenden KTaruralzinfen befiehen in Berreide aller Art, 
Wein, Wolle, Sladhe, Zonig, Wachs, Bro: und Rleinvieh, “lbnern 
und Rapaunen, Enten und Bänfen; enblid) muß er im Wiarkwald Solz 
fällen und diefes zu Bau- und Brennholz, Weinbergepfählen, Schindeln, 
Rienfpänen zur Beleucyrung, Saftauben, Reifen ıc. verarbeiten; ferner 
find an den Salhof die ZBrzeugniffe des gewerblichen <ausfleifes 
abguliefern: Tücher, Schuhe, Tonnen, Teller, Schhffeln, Becher, land- 
und hauswirtfchaftliche Geräte :c., Bier, Brotsc. Auch if muf der börige 
Bauer auf das Geld des sherrenhofes führen, deffen Dich überwintern, 
Gäfte des "eren bewirten xc. Der Serr nahm fich dagegen feiner börigen 
Beute in Ylotfällen und fehweren Tagen an, lieferte ihnen in Zeiten der 
Wipernte die Saar ıc., unterftügte die Wirefehaft feiner Bauern durch 
das “alten von Safelvieh, durch erftellung von ühlen, Bacröfen für 
den gemeinen Gebrauch, Teiftere ihnen Schug gegen Angriffe und vertrat 
fie vor Gerichte. Alle hörigen eines Gutes werden unter dem Ausdruck 
Samilie zufammengefaßt, und fie alle bilden eine Wirtfchaftsgemeinde. Am 
zahlreichften war naturgemäß die Samilie des Bifchofs, aber aud) jedes 
Riofter foroie die reicheren Sreien hatten ihre Samitien. Es gab alfo 


212 9. Bapitel. 


in der Stadt eine Anzahl von wirefehaftlichen Genoffenfehaften neben 
einander, die in Eeiner Beziehung zu einander fanden: einmal die 
freie Stadtgemeinde oder die Zeimgereiden, dann die Benoffenfchaften 
des Bifcyofe und der Klöfter, fowoie einzelner freier Butebefiger. Sür 
die verfaffungsgefchichtliche Entwictelung der Stadt Lommt einzig und 
allein die fteie Gemeinde in Berradyt. Diefe freie Gemeinde bildete in 
der Barolingifhyen Zeit noch Beinen eremten Berichtebezirk, fondern der 
Graf hielt bier, aber aud) an anderen ren”), Bericht. Vor den 
‚Landgemeinden bat die Stadt immerhin den Vorzug, daß fie zugleich eine 
Burg ift und als folche einen höheren Srieden genießt. Denn theorerifcy 
geböre jede Burg dem Mönig, da der Burgenbau Eönigliches Hegel 
war; alles, was aber dem Mönig gehörte, genof einen höheren Srieden””). 
Aud) ift die Civitas zugleich Bifchofofig und Enigliche Refidenz (fiehe 
oben). An großen Keicyoverfammlungen drängte fid das Volk in den 
engen @Baffen. Wenn die Stadt aud) berunrergelommen ift, in folchen 
Momenten großer Tage mochte man fi an die alte serzlichkeit 
erinnern, und mit Stolz nennen die Barolingifchen %errfcher die Stadt 
Worms wieder mit ihrem alten eömifcyen Kamen: Civitas Vangionum®“). 




















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10. Rapitel. 
Die Begründung der bifhöflichen 
Herrfchaft. 





jart der Brofe batte den Derfüch gemacht, 
| fein Volt auf eine höhere Aulrurftufe zu 
heben. YOobl fäyien ihm dies anfangs zu 
gelingen, aber in der Tiefe fchlummerten 
Aräfte, die allmählich übermächtig wurden 
und, indem fie offen zu Tage traten, den 
| ganzen ftolsen Aufbau der Larolingifchen 
Recbrs: und Gefellfcafteordnung unter» 
woüblten und umfthirsten. Der große Rönig 
hatte wohl die Schäden, die fich feinem 
Wirten und Wollen enrgegenfegten, wahr: 
genommen; fd groß aber fonft feine Einfiche und feine Znergie war, 
bier blieb er obnmächtig. Unaufbaltfem vollzog fich der Proseß der 
Zerfegung des Farolingifchen Staates, und das Nefülcar Diefes Prozeffes 
war der Seudalftaat des Mittelalters”). 

Vlacdy der Sroberung Galliens durch die fränkifdyen Rönige 
betrachteten fich Diefe als die derren des Landes, und fie fähenkten Büter 
an ihre Berreuen”). Goldye Schenkungen begründeten aber Beineswege 
ein unbefähränttes FEigennum, fondern der Schenker bebielt gewiffermapen 
ein Obereigentum an dem Befchent, und er Eonnte dasfelbe surhickfördern, 
im Salle der Befhyenkte undankbar gegen den Schenker war oder wenn 
er Beine Rinder oder gefesmäßige Ylachtommen hatte. Denn jede 
Schentung bewirkte nad) altgermanifder Anfcheuung ein Verhältnis 
der Dankbarkeit des Befcyenkren gegenüber dem Schenker”). Diefe 


218 10. Rapid. 


Auffaffung it noch) beure Rindern geläufig. Ylur mit Erlaubnis des 
Bönigs Eonnte ein folches gefchenktes But verdufere werden, und die 
fräntifcyen Rönige haben die Schenkungen ihrer Vorfahren gelegentlich 
beftäcigt. Eine zweite Periode zahlreicher und großartiger Land- 
febenkungen erfolgte unter Rarl YWartell. n den fordauernden inneren 
Briegen der merowoingifchen Rönige wurde nicht mehr wie früher der 
eerbann aufigeboten, fondern die Mönige, die Fausmeier und andere 
Große des Keidyes rüfteren ihre eigenen Friegetlichrigen Leute aus. Der 
Reiterdienft verdrängte das Sufvolk. Um eine leiftungsfäbige Reiterei zu 
febaffen, fab fid) Barl Wiartell gendtige, das Rirchengur anzugreifen, da 
das Rrongut erfchöpft war. Er 308 alle Rirchengüter ein und verfchenkte 
diefe an feine Anhänger mit der Verpflichtung, fo und fo viele Reiter 
su flellen. Gegen diefe Beraubung der Rirche erhoben fich viele Stimmen, 
namentlic) fuchte Bonifatius die völlig encarrere gallifdhe Kirche zu 
teformieren, denn die willkhrliche Art, wie Rarl Wlactell bei der Befenung 
der RirchenÄmter vorgegangen war, batte zur vollftändigen Auflsfung 
der Rirchenzuche geführt. Barlmann und Pippin erkannten num 
prinzipiell das Figenrum der Ritchen an den ihnen entfembeten Bern 
an, aber die Verhäftniffe ließen eine völlige Aücfgabe nicht zu, und bie 
tarolingifcen <ausmeier gaben nur das Verfprecyen, daß den Rirchen 
das Yrorblirftige zu ihrem Unterhalte zurlictgegeben, von dem übrigen 
Rirchengute ihnen aber ein Leihesins bezahlt werden follte. Doc) audy diefes 
Verfpredyen Eonnte nicht eingelöft werden. Pippin ließ 750—75I ein 
Verzeichnis des Eirchlichen Brundbefiges aufnehmen, und dann machte 
er eine Teilung in dem Sinne, daß einzelnen Kirchen ein Teil ihres 
entftemdeten Eigentums zurückgegeben, anderen aber, was fie von ihrem 
Grundbefig entbehren Bonnten, zu „änden des Staates genommen wurde. 
lady dem Barholifdyen Zirchenrechr ift jedoch das Zigenum am 
Rircengur unveräuferlich. Deshalb wird der Rirche ihr Kigenrum 
an dem verliehenen Rirchengut gewabrt, und der Empfänger erhält nur 
ein Beiherecht, Rein igenumsrecht, an dem ihm gefchenkten But. 
Diefes Recht des Inhabers von Ricchengütern hieß Beneficum, Wohltbat. 
Der Ausdruc® Beneficium wurde dann auch auf Schenkungen aus dem 
Rrongur ausgedehnt. Der nhaber eines Beneficums Eonnte dasfelbe 
entweder ganz oder teihweife anderen zu Afterleihe geben; denn die ganze 
Tnfiturion war ja nur aus milirkcifcyen Rüchfichren erwachfen. Der 
Grundherr verlieh Gfirer an Vafallen, damit diefe fi reitermäig 


Die Begründung der Kiföflichen Zerrfebft 217 


ausrhften Ponnten. Die Leibe eines folhen Butes oder Benefisins 
harte die Bedeurung einer Grundrenre anftart einer jährlichen Dar 
befoldung. Sie galt daher nur für die Lebenszeit des Empfängers, und 
nach feinem Tode fiel das Benefisium wieder an den Verleiber zurück, 
der es, wenn cs ihm pafite, an den Sohn des Verjtorbenen verleihen 
konnte. Auch wenn der Verleiher farb, wurde das Benefizium ledig, weil 
wweifchen dem Verleiber und dem Empfänger ein Verrragsverhälmis 
beftand, das durch den Tod des Hinen oder des Anderen auftteboben 
wurde. Selbftverjtändlic büfee der Belicbene das Benefisum ein, wenn 
er die Treue brach oder die milirkeifcben Pflichten nicbr erfüllte. Aber nicht 
nur Brundfttche wurden zu Venefisien ausgerban, fondern auch Kirchen 
und Rdfter und fehlichlich foger die ReicheÄmter. Meift waren ja die 
Beamten Vafallen des Bönige. Die Beamten, Brafen ıc., wurden wie die 
Soldaten nicht mir Geld bezahlt, fondern mir einer Brundtente, das beißt, 
fie erhielten als Amtsgehalt ein Amtegur. Diefes Amregur wurde als ein 
dem Amtsinhaber verlichenes DBeneftzium angefeben. Seit der zweiten 
Hälfte des 9. Tabrhunderes ale das Ame felbft, die Braffchaft, als 
ein Eönigliches Benefisium, und der Ausdruc® honor, der Amt bedeurer 
batte, wurde nun im Sinne von Denefizinm, Leben, gebraucht. Damit im 
ufammenhang machte fidh das Beftreben der Mrblichfeit der Benefizien 
bemerfbar. Selten wurden die Benefizien beim Thronfälle eingezogen, 
fondern der neue Aönig beließ den Inhabern ihre Denefisien. Saft 
immer folgte der Sohn oder der nächft berechtigte Erbe im Benuf des 
ebene. n Weftftancien war die Erblichteit der Benefisin fühon feir 
dem Ende des 9. Jabrhumderes Rechregewohnbei 

Im engften Zufammenbang mit der Entwicelung des Benefizial: 
wefens fiehr die Vafallirkt. Bekanntlich beridhter Tacitus von der alt: 
germanifeben Sitte, dap die Sürften ein Friegerifihes Gefolge batten. 
In meromingifeher Zeit Fomme die Lönigliche Gefolglhaft unter dem 
Ausdrud® Antruftionen vor. Aus ihnen nahm der König feine Beamten, 
fie beiehnee er mir Land und aus ihnen erwuche ein Stand bevor 
rechteter Grundbefizer. Auch andere Sreie Eonnten ein Gefolge baben. 
Diefes Gefolge bie Gafindi (unfer Gefinde) oder ‚omines. Aus 
folcben Gafindi wurden die ritterlichen +eere gebilder, mit denen 
Barl Wareell feine Schlachten flug. Seit dem 8. Tabrbunderr 
tomme der Ausbruch Daffi oder Daffalli auf. Vaffus beife urfprüinglic, 
ein höherer Bnecht, der im saufe, in der Umgebung des „errn 


15 Deo, Die Aue ver ehimifden Ss. “ 











218 19. Bapitel, 


dient. Schon in der teten Zeit der römifchen “erefchaft pflegten 
die großen Grundbefiger Privarfolbaten auszurhften, um ihr Gur 
gegen die Aäuber und auffländigen Bauern zu fehligen. Galle: 
römifche Tnftiture verfpmolsen mit germanifcben. Die Vafallirke it 
das Produkt einer foldhen Verfhmelsung. Das Lniglicye Gefolge, die 
Antruftionen, war zu vornehm für den Dienft geworden; an ihre Stelle 
traten die Vaffalli, die aus der eigentlichen Zausbienerfihaft hervor« 
gegangen find. Die Vafallirkt ift ein Schugverhälmis. Der Ser 
fnlder den Vafallen Schun, er verreite fie vor Bericht, rädhr ihren 
Tod. War der Vafall ein freier Wann, (o hatte er feinen Berichteftand 
vor dem Grafen; für den unfreien Vafall haftere der Serr wie für 
andere unfreie Leute. Der ’ere mußte fr den Unterhalt der Dafallen 
forgen. Anfänglich diente und lebte der Vafall im +aufe deo “ern, 
fpäter erhielt er ein Benefisium zum Lebensunterhalt. Sie waren zum 
Beiterdienft verpflichtet, und Diefe belebnten und berittenen Vafallen 
bildeten den Mern der fränkifchen „eere. Der Vafall it dem dern 
Treue fehuldig und fdwodrr ihm einen Treueid. Die Begründung der 
Vafallirk beruht auf dem Abfehluß eines Vererage. Der Vafall 
ommendierr fich dem Seren, indem er feine gefalteren “ände in die 
9änbe des Zeren lege; dann überreicht ihm der Fern eine Babe, und 
fehlielih febwört der Vafall dem Herrn Treue. Das Verbilmis war 
ein lebenslängliches und unauffimdbares. 

Jm Srantenreiche bildere fi eine Ariftofratie aus, deren Machr 
auf ihrem Reichum an Grund und Boden berubte. Diefe Broßgrund: 
befiger waren zugleich) die böchften Beamten des Staates und der Rirche, 
wodurch ihre Wacht verftärkt wurde, und fie führten zahlreiche Vafallen 
ins Geld, fei cs für die Sache des Mönige oder für ibre eigenen 
Tntereffen.” Ueber feine „interfaffen befaß der Brundberr eine grund- 
herrliche Gerichtebarfeit. Diefe Großgrundbefiner bedrohten den freien 
Wann in feiner materiellen Zpiftens, der ohnehin fehon durch die 
Anforderungen des Staates, der Zeeres: und der Berichtepflicht, bedrückt 
wurde. Diefen Bedrlichungen und Anforderungen entzogen fie fich, 
indem fie ihr But und ihre Perfon einem Seren, am liebften einer Ricche, 
aufgaben und erfteree dann gegen Zinsleiftung zurlcferbielten. Dadurch 
erlangten fie den Schu des “ern und wurden der Öffentlichen Pflichten 
enthoben; wenig befümmerte es fie, daß fie ihre Vollfteiheit verloren; 
das tägliche Bror war ihnen lieber. Sür den Staat bedeutete jebod) jeder 


Die Begründung der bifepsflilten Seerfihaft. 219 


Uebertritt eines Seien in den Schug eines Grundherrn einen Verluft, 
denn er verlor mehr und mehr die unmittelbare Verfügung über die 
Voltstraft, die Unterehanen, und an Stelle der Unterchanenfchaft tar 
die Vafalliekt. Die Großgrundbefiger oder, wie man fie jene gewöhnlich 
nannte: Seniores, die oft zugleihh Beamte waren oder wir die Bifcöfe 
önigliche Regalrechte befaßen, nahmen narhrlic zuerft ihren eigenen 
Vorteil wahr; fie wurden groß und mächtig, während der Staat fpwach 
und fehreächer wurde. 

Die Iezten Eranken Earolingifchen Rönige Bonnten die Pnigliche 
Gewalt nicht mehr in ihrem vollen Umfang aushben und auch nicht 
auf die Unterftügung und Treue der Großen des Reiches redynen. Rarl 
der Brofe hatte feiner Eöniglichen Pflicht das weitefte, ibealjte Ziel gefent: 
Pflege der Rufcur. Seine Ylachfolger vermochren nicht einmal den 
‚Seieden im Tinnern zu wahren und den Staat gegen die Äußeren Feinde 
zu fehligen. Von allen Seiten fluteten diefe am Ende des 9. und Anfange 
des 10. TJabrhunderts Über die Brenzen des Reiches: YTormannen, Slaven, 
Ungarn, Sarasenen, und verwiifteten das Land bis tief ins Tnnere. 
‚sauptfächlich harten fie es auf die reichen, im Laufe der Zeit gefammelten 
Schäge abgefehen. Die fräntifcben Rönige weren nicht im flande, der 
lot zu wehren; fie paftierten mit den Seinden, zahlen ihnen Teibur 
und überließen ihnen die Btensgebiere. Das nahm ihnen vollends allen 
Bredit. Wellen das Rönigrum nicht mehr fähig war, das nahmen mun 
die Brofen des Reiches in die Zand. Sie wurden die Schliner des 
Volkes; fie erbauten die Burgen zum Schirm gegen die Seinde, und 
dadurch wurden fie bauprfächlidy die "erren des Landes”). 

Das Reich löfte fich in feine narhclichen Beftandreile auf: Srankreich, 
Burgund, Jealien und Deuefehland; in allen diefen Ländern wählten die 
Großen Rönige; der Zufammenhang der Wonardyie Rarls des Brofen 
hörte auf, und jedes diefer Linder entwickelte fi) nach der ihm gemäßen 
Art und Weife. 

In Deurfchland war der Aückfchlag größer als in den anderen 
Ländern. Durd) die Eroberung .und Linffigung der deurfihen Stämme 
in den fräntifcyen Staateorganismus war ihr Sonderleben gebrochen 
und eine Ausgleichung der verfcjiedenen Voltsftimme angebahnt worden. 
Tegt, da es feinen mächtigen und ftarten Rönig mehr gab, erwachte 
wieder das Sondergefühl der Stämme gewalcig, und der Partikularismus 
f&huf fich) in den Stammeshersögen eine Sührung. Liner diefer Stammes: 


220 39. Bapitel, 


berzöge, Bontad von Sranten, wurde Rönig der Deurfcben. Vergebene 
unternahm er den Rampf' gegen das “erzogeum, um die Bönigliche 
Gewalt in alter Weife aushiben zu Eönnen. Er unterlag, obfhen ihn 
die Bifchöfe unterjtüsten. Sein YTachfolger, Heinrich 1., blieb auch 
ale König immer fächfifcber »ersog. Exit deffen Sohn, Orro I., wollte 
wieder ein Aönig fein. hm gelang es, das „erzogrum dem Rönigeum 
unterzuordnen. Seine Regierungspolici® ftlnte fid auf die geiftliche 
Ariftokrarie gegenfiber der weltlichen. Auf die Beamten, "erzöge und 
Grafen, Eonnte er fidh nicht mehr verlaffen, feitem das Aıne ich in 
Leben verwandelt hatte. Aber die Bifchsfe waren feine willfährigen 
Diener und die Fräftigften Sthnen feiner Serrfchaft). Von feinem 
Willen hing die Wahl der Bifchöfe ab; meilt ernannte er fie, gang 
wie die früheren fräntifchen Rönige, ohne Rücfidr auf das Rirchen: 
techt. Aber Orro ging noch weiter. Auch in Farolingifiher Zeit harten 
die Bifchöfe in weltlichen Angelegenheiten den Königen gedient, doch 
galten damals die geiftlichen Pflichten als die Hauptfache. Jene bin. 
gegen wurde die politifche Thäeigkeit der Bifchöfe zur sauprfäche, der 
liche Charakter tritt oft zürich. Weto machte die Bifchöfe zu 
‚Sürften und ftellte fie den welrlichen Großen gleich. Der Bifdof mußte 
jederzeit dem Winte des Rönigs gehorden und mit feiner Perfon wie 
mit feinem Rirdyengur dem König dienen. Der König übertrug dem 
gewählten Bifchof das Amt, indem er ihm den Bifchofoftab Überreichte. 
Das bifchöfliche Amt wurde num ebenfälle als Leben unter dem GBeflchro« 
punkte einer Böniglichen Zigenficche aufgefaße”), und der Eid, den der 
Bifcbof dem Rönig zu fehmoören hatte, war ein Treueid, der zur Leiftung 
von Wiannfcpaft verpflichtere. Daß diefe Belebnung der Bifdsfe mir 
ibrem Amte durch den Rönig mit dem römifchen Bircpenrecht nicht 
übereinftimmte, empfand man im Jo. Tahrhundere noch nicht, weil die 
germanifche dee von der Zigenkirche in das allgemeine Rechrsbewußrfein 
aud) der Beiftlicen eingedrungen war. Sobald n&mlich die Germanen 
fid dem Ebriftenrum unterworfen hatten, drängten fie auch ihre Rechte 
anfehamıngen dem römifchen Ricchenrecht auf. Durch die Brindung 
einer Kirche erhielt der Bermane nad) feiner Rechtsauffaffung ein 
Ligentumsrecht an diefer Rirche. Sie darf zwar ihrer Beftimmung 
nicht entfremder werden, aber dem Kigentlimer gehörte die volle privar- 
rechtliche Gerefhaft über die Rirche und ihr Vermögen; er kann fie 
verfaufen, verraufcyen, verfihenken, zu Lehen geben u. f. w. Er fer 











Die Begeöndung der bifsflihen gerefäelt. 21 


den Geiftlicben ein und ab. Vergebene kämpfte das Epiffopat gegen 
diefe feine Wacht befebräntende germanifce Anfchauung an, fie errang 
am Anfang des 8. Jabrbunderrs den Sieg, der die Wacht der Grund: 
herren wefenelich verfiäehte. Erjt das IT. TJahrhunderr Bam zur vollen 
Erfennnis der großen Gefahr, die der römifben Rirche durch die 
Tnftirucion der Kigentiecbe drobte, und es ift das unvergeliche Verdienft 
Gregors VII, daß er diefe Gefahr mit bewunderungswürdiger Rlarbeit 
durchfcpante. 

Durch die Tinveftitur hatte der König die Hrnennung der Bifchöfe 
in feiner Sand, und deshalb Eonnte er es wagen, die bifchöflichen Ricchen 
freigebig auszuftatten. Denn das bifchöfliche Rircengur gale als Reichs: 
gut oder, beffer gefage, die bifchöflichen Riechen waren zu Bigenficchen 
des Könige geworden’®). Bei den Bifchöfen fiel die Furcht vor der 
Lrblichkeit der Leben von felbft weg. Durch die Verftsrtung der 
bifeböflichen Wache wollte Orro die Pönigliche Macht ftärten. 

Wir haben gefeben, daß zu Barls des Großen Zeit die rheinifcen 
Rirchen nichr reich waren und daß erjt fein Sohn und feine Entel fie 
mit Land und Eöniglichen GBerechefamen fteigebig ausgeftarrer haben. 
Auch) die Laien wetteiferen mit den Rönigen in der Sreigebigkeit gegen: 
über den Kirchen. Seit der Witte des 9. TJahrbundere werden die 
Schentungen an die Kirchen feltener, und vornehmlid) König seinrich I. 
biele hierin Waß. Es enefpricht diefer Zug feiner ganzen Stellung zur 
Rirdye. So lehnte er die Salbung ab und überließ die Kirchen in 
Schwaben und Baiern den “erzögen. Seine Kauprebätigkeit richtere 
fich auf die Verreidigung Sachfene gegen die Staven und Ungarn. Der 
weiifräntifche Rönig Rarl der Linfälrige glaubte mit leichter Mühe 
die linksrheinifcben Lande erobern zu Eönnen. 920 fiel er ins Elfaß ein 
und drang bis nach Pfedderaheim bei Worms vor”). Als aber “eincich 
Wiene madyre, ihm entgegen zu rücten, ging er zurück. Im Jahre 925 
309 “eineich I. von Worms aus nady Lorbringen®'*). Doch die größte 
Gefahr drohte von den Ungarn. Saft alljährlich fielen diefe in Deuefcb: 
land ein und durchzogen es raubend und fengend bis an den Abein. 
926 plündereen fie das Mlofter S. Gallen, sogen dann den Ahein 
binunter und wurden bei Säcingen vom Grafen Liutfried angegriffen; 
fie errangen zwar den Sieg, aber der deutfche Boden war ihnen zu beiß 
geworden, und [o wandten fie fich dem Weftreiche zu. Um der Ungarnnor 
zu fteuern, hielt Rönig Zeinridy im YIovember 926 in Worms eine 





222 30. Rapid, 


Reicheverfammlung”"). Doch erft feinem Sohn Orro gelang es, diefe 
Gefahr zu befeitigen. 

Der Thronmechfel (2. Juli 936) ermurigte die Ungarn im Fahre 
937, wieder einmal in Deuefdhland einzubredyen. Sie erfihienen am 
Rhein und Überfchritten ihn bei Worms. Bönig Oreo I. verfolgte 
fie bie nady Wien. Surchrbar verwlfteren fie das Elfaß, Lothringen 
und Weftfrancien. Zundcyft wurde Mönig Dero durd) den Ausbruch 
des Bürgerfrieges von der energifchen Verfolgung der Ungarn abgehalten. 
950 verlieh er zu Worms feinem Sohn Liubolf’ das “ersogrum Schwaben. 
So folgte dann 954 der erfte Zug Über die Alpen und die Empdrung der 
Gersöge Lindolf von Schwaben und Konrad von Franken, fowie des 
Erzbifchofs Sriedrich von Wins, alle feine nächften Verwandten. Der 
innere Brieg vief die Ungarn 954 von neuem ine Land. Am 59. März 
fegten fle bei Worms fiber den Abein; die Stadt mußte die Plünderung 
durch Bold und Silber abkaufen und Dienfte Teiften”). erzog Aonrad, 
der bier zu Zaufe war, hatte fid) mit ihnen verblinder; er führte fie 
mach Lothringen. Durch Burgund und Tralien Tehrren die Ungarn, 
nachdem fie alle diefe Länder entfezlich heimgefucht hatten, an die 
Donau zurteh. Die Llor der Ungarneinfätle brachte die abgefällenen 
Baiern zur Befinnung. Endlich verföbnten fid) die Sührer des 
Aufftandes mit dem König, und alle Pimpften nun vereint gegen die 
Ungarn und fehlugen fie am Jo. Auguft 955 auf dem Lechfeld bei 
Augeburg blutig aufs Jaupt. Der tapfere “ersog Konrad fühnte feine 
Empörung gegen den König mir dem glorreiden eldentod auf dem 
Schlachrfelde. Sein Leichnam wurde auf des Aönige Befehl mic allen 
Ebren aufgenommen und nad) YOorms übergeführt. sier wurde der 
rubmreiche “eld, dem Lein geiftiger und Eörperlicher Vorsug mangelte, 
beftattet, beweint und beflage von allen Franken. (Widueind.) 

Diefer Sieg befreite das dhriftlidye Abendland von der drobenden 
“erefchaft der heidnifchyen Barbaren. Won num an bewege fi) Drros 
Laufbahn in auffteigender Linie. Wie ai 96 kam er nach Worms, 
wobin er einen Reichstag berufen batre. ier wurde fein Sohn Drro 
zum Rönig gewählt und der Romzug befehloffen””). Am 2. Februar 962 
Erönte ihn der Papft Tobannes XI. zum Raifer. Ein Aufftand der 
Römer gegen ihren Papft Jobannes XII. veranlaßte den Raifer, 966 
zum drittenmal nach Ttalien zu ziehen. Er beftrafte die Empsrer und 
fd dann feinen Sohn Gero II. nady Rom ein. Diefer hielt 967 in 





Die Begründung der bifhöflien Zerefihat. 223 


Worms einen Reichstag ab, um fid zum Romzug zu tüften. In Rom 
trönte ihn der Papft Tobannes XII. am 25. Dezember zum Raifer. 
Oro II. hat fi mur noch einmal längere Zeit in Worms aufgehalten, 
37.,bis 28. Juni, als er im Jahre 973 feinen Umrite machte”). 

Wiehr als irgend ein anderer König har ©rto 1. für das Bisrum 
Worms gerhan. Am 22. Ottober 942 fehenkte er auf Bitten des 
Grafen Ronrad von Worms (auch Yersog von Sranken oder Lothringen 
genannt) dem Bifchof Richgowo von Worms mehrere zöfe und örige 
im Yrahegau, die dem genannten Brafen ale Lehen gehörten”). 

Auf den 949 geftorbenen Bifchof Richgowo folgee Anno”), Wönd 
des Rlofters S. Warimin bei Trier, dann Abr des S. Wiorigkloftere in 
Magdeburg, der bis zu feinem Tode 979 als Bifchof von Worms 
regierte und bäufig in der Umgebung des Rönigs war. Jhm und dem 
Priefter GBerob beftärigre Otto I. am 26. Juni 952 die von dem 
ersog Ronrab von Worms zum Seelenbeil der Liurgard, Tochter des 
Bönige und Gemahlin des genannten „erzogs, gefchentten Befizungen 
in Deidesheim. ”). Am 13. Januar 953 fhyenkte er der Kirche S. Peter 
in Worms ein Drittel des Zolles in der Burg Ladenburg und beftdtigre 
ihr den Befirz der zwei andern von feinen Vorgängern verliehenen Drittel”). 

Am 10. April 970 entfchied Baifer ©rro 1. zu Ravenna einen Streit der 
Wormfer Rirdye mir dem Rlofter Lorfcp Über Ylunungsrechte im Oden» 
wald zu Bunften der erfieren und beftktigee ihr zugleich die von dem 
Bifdyof Anno vorgelegten Urkunden feiner Vorgänger”). Diefe Urkunde 
1äßr den Bifdof Anno in einem fehr zweifelhaften Lichte erfcheinen. 
Anno batte im S. Wiorigklofter zu Magdeburg an der Ausbildung 
Böniglicher YTotare teilgenommen und dann als Bifchof von Worms im 
Jahre 950 eine Ranzleifchule gegründet, aus welcher unter anderem 
Bifcpof Sildebald, der Ranzler Orros II. und ©rtos III, hervorging”). 
Anno mipbraudyte num feine Beziehungen zur Böniglichen Ranslei, indem 
er durch einen aus Yorme fammenden Eöniglichen Banzliften. ein 
Dokument berfiellen ließ, das ihm im Streit mit dem Klofter Lorfdy 
über Defigungen im Ödenwald eine urkundliche Grundlage fehaffen 
follte. Das obige Diplom vom Jahre 970 fehließt fib nämlich im 
Wortlaute an die Urkunden Dagoberre, Rarls des Großen und Ludwige 
des Deutfeben an”), wonad) jene Rönige der Wormfer Ricche Befigungen 
und Rechte im Lobdengau und Odenwald gefebentt haben follen. Diefe 
drei Urkunden find, wie wir bereits wiffen (fiehe oben), gefäffehr und 


224 19. Bapitel 





zwar wabrfebeinlich auf den Wounfcb Annos, nur Furze Seit vor der 
Ausfertigung der Urkunde Ortos I. vom Jahre 97° gemadhr worden. 
Denn in der Abfehrift des Diploms Dres 1. vom Tahre 937°”), die 
derfelde Wormfer febrieb, der die obige Urkunde vom Tahre 970 reditiert 
bar, kommen die Worte teloneum et in praedicta civitate et in castellis 
Lobedunburg et Uinpina, welche in die Urkunde Ludrvige des Deuefihen 
vom 11. September 829 bineininterpoliere worden jind””), noch niche 
vor. Die Wormfer Rirche machte Anfprlicbe auf die Wunungsrechte 
in Ladenburg und Wimpfen und auf eine Waldmarf im Odenwald. 
Eben wegen lenterer Bamen Worms und Lorfh in Ronflitt mir einander. 
Denn König Barl der Brofe batte 773 dem Rlojter die Villa Seppen: 
beim an der Bergfirafe mir der S. Perersfirche dafelbjt und jene 
Waldimark gefcbenft. Auf Befehl des Königs foll im Tahre 795 eine 
genaue Grengbeftimmung vorgenommen worden fein, und ale Worms nicht 
nachgab, ließ der Abt von Lorfh eine Steintafel in der Turmballe zu 
Saeppenbeim einmaucen, die eine genaue Angabe der sur Pfarrei Sseppen: 
beim gehörigen Brrfebaften enrbält und angeblich von 805 datiert ift, aber 
aus palograpbifcben Gründen in die Beit der Ortonen gefegt werden muf. 
Mic diefer Infebrift fteben die beiden Warfbefhreibungen von 773 
und 795 in Zufammenbang, indem beide erfunden worden find, um 
ale Yoaffe gegen die Wormfer FÄfbungen zu dienen”). Um den 
Anfpruch auf Wimpfen zu begrnden, ließ der Difcbof von Worms eine 
Urkunde fabrizieren, welche angeblich) Rönig Ludwig der Deurfebe am 
2°. Auguft 856 zu Scanffüre der Wormfer Kirche gegeben haben foll, 
wonach der Rönig auf die Rlage des Bifcbofs Samuel, dap die Ehnie 
lichen Beamten und Grafen ibm auf den Rircbengüreen bei Wimpfen 
viel Ungelegenbeiten gemacht hätten, der Kirche von Worms bie 
Immunirde für den Kirchenbefin bei Wimpfen verlieben habe”). 
Tndes war damals Bifchof Samuel bereits ein halbes Jahr lang ror! 
Am 27. Yovember 965 Lie fid Bilchof Anno vom Kaifer Oro 1. 
die Immunität für die Rircben von Worms, Ladenburg und Wimpfen 
beftärigen®”). Tin Worms fihien man alfo feiner Sache fiher zu fein, 
und im Tabre 970 feblug man einen Angriff der Lorfdher mir sailfe 
des Meifers ab. Aber Lorfcp berubigee fid bei der Enrfbeidung 
Oreos I. nice und ging foger zu Tsclichteiten hber. Seinrich 11. 
überrrug am 9. Wei III dem Bifchof Burchard den Lobdengau 
und füllee am 18. Auguft 1012 einen neuen WBnefeheid zu Bunften 











Die Begründung der BiphSFlichen Serrfaft. 225 


der Wormfer Kirche. Da das Mlofter Lorfeh feine Anfprüche auf 
den Odenwald mit Bewalt geltend zu machen verfuchte, produsierte 
Bifdyof Burchard vor den Näcen des Königs die gefälfchren Urkunden 
Dagoberts, Pippins, Warle des Broßen, Ludwigs und Bros. Es 
wurde ein Augenfdein der Brensen der fireitigen Bemarkung vor- 
genommen und dann dem Bifcyof Durch Eöniglichen Spruch der 
Befin zuerfanne“). 1023 mußte der Maifer nochmals in diefer Sache 
einfehreiren (fiebe unten). 

Am 15. Ylovember 976 febentte Raifer Brro II. der Wormfer 
Rirdye die Abtei Mosbady nebft Zubehör, n&mlidy nicht weniger als 
23 Dörfer”). DBifchof Anno war 979 geftorben, und ibm folgte der ihm 
befreundete „ildebald “*), welcher aus der von Anno geftifteten WOormfer 
Schule hervorgegangen war. 977 wurde er mit der Zeitung der 
töniglichen Banzlei Orros IE. berraur®). Er fand in befonderer Bunft 
des Raifere, der ihm am 8. Sebruar 979 die an der Wefffeite der Pfalz 
zu Srantfure a. 17. gelegene alle und den anftoßenden Brund fehenkre, 
um darauf ein Gebäude zu errichten, das dem Jaildebald und feinen 
Vladyfolgern als Wohnung dienen follte‘”). In diefem Diplom wird 
er zum erftenmal Bifchof‘ genannt. Unter ©rro I. galt das Ame eines " 
Banzlero für unvereinbar mir der bifchöflichen Wolrde®). Deo II. 
dagegen behielt den Yildebald als deurfchen Ranzter, obfchon er zum 
Bifcof gewählt wurde. Auch unter Otto III. Eonnte er fi als 
Banzter behaupten bis zu feinem Tode, den 4. Auguft 998. In den 
Ienten Zabren fbeint er jedoch am “oft feinen früheren Einfluß verloren zu 
haben. Otto II. war zu fehr in Ttalien befebäftige, als daß er fich 
viel um die deutfchen Bierimer biete befümmern Eönnen. Gero III, der 
983 unter vormmdfchaftlicyer Leitung die Regierung antrar, feentre 
der Wormfer Kirche am 28. März 985 feinen Befin zu Bppingen”) 
mb am Js. Juni 990 fein Bur Scaleia im Breisgau‘); am gleichen 
Tage verlich er ihr den von Neginold zu Lehen befeffenen Defin in der 
Graffchaft Chriftane und im Bau Tredhiron‘”), am 24. April 993 die 
Abrei Weilburg nebft Zubehör, namentlich die Kirche zu Boppard und 
den Ort Pippinesdorf "); am 13. Juni 995 die dem Rleriter Wicilin 
gerichtlich abgefprochenen acht Aufen in Bornheim“); am 27. Dftober 993 
das nad dem Tode der Sreigelaffenen Accola durch gerichtlichen Entfcheid 
in feinen Defin übergegangene But in Vlenterode"?). “einrich II. 
beftäeigte die Privilegien feiner Vorfahren und füchte bauptfächlich den 


15. D00, Die Aut deren Ge I. ” 


226 30. Bapitel, 


Befig der Wormfer Kirche ficher zu fiellen‘®). ron all diefer 
Schenkungen onnte die Wormfer Kirche fid) jedoch mit vielen anderen 
an Reichrum und Ausdehnung des Befines nicht meffen, ein Umftand, 
der für das Aufjtreben der Bürgerfchaft nur von Vorteil war. 

Diefer wachfende Reichtum der bifchöflichen Rirche Bam auch der 
Yauptjtabt des Bistums zu gute, denn der Hofhalt der Bifcäfe wurde 
Wnpueiöfer und der Verdienft der Bevölkerung größer. Dazu erbielt 
nun audy der Bifchof' Sobeitsrechte, wodurd) er zum Kerrn der Stadt 
wurde. Ylady der fränkifchen Beridhteverfäffung war das ganze Land 
in Bericyrebesirke eingereilt, die Zunderefehaften, welche Unterabeeilungen 
der Graffehaften bildern. Doc unterlagen diefe «sunderefhaften 
forwohl wie die Braffcbaften im Laufe der Zeit manchen Veränderungen, 
indem beide gereilt und zerkleinert wurden, wohl eine Solge der 
zunehmenden Vermehrung der Bevölkerung und des Sortfehrittes der 
Befiedelung des Landes. Die Erteilung von mmunickteprivilegien 
fehuf eine Anzahl immumner Gebiete, die fi) zwifchen Die Öffentlichen 
Gerichrebesirke einfehoben, und fchließlich entzogen die fächfifchen Rönige 
den bisherigen öffentlichen Beamten die Gerichtsbarkeit in beftimmten 
Bezirken und übertrugen fie den Bifchöfen, die von fi) aus Beamte 
beftellten. Diefe Vorgänge waren für die ftädrifche Ennwicelung nicht 
ohne Bedeutung‘). Gerade das “eramwachfen der Städte zur Zeit der 
Ortonen bar dabin geführt, für fie eigene Gerichtsbezirke zu bilden. 
war, wie fehon bemerkt, Politik der Rönige feit Drro I., die Regierungs- 
gewalt in foldyen Gerichtebesirfen den Bifchöfen zu hbertragen, weil 
diefe zuverläffigere Grünen der Pöniglichen Wlacht waren als die zu 
erblichen Lehnerrägern gewordenen Beamten, die Zerzoge und Grafen. 
Schon längft befaß die Wormfer Kirche die Ymmunickt für ihre 
Defigungen, wonad) die auf dem immunen @Bebiete wohnenben Leute 
des Bifcyofs der öffentlichen Berichtebarkeit entzogen und dem richterlichen 
Beamten des Bifchofs unterftelle waren. Zn der Stadr felbjt bildete 
das immune Land nur einen Eleinen Teil des jtädrifchen Areals: die 
Umgebung des Doms. Die Freien in der Stadt hatten nady wie vor 
ihren Gerichteftand vor dem öffentlichen Nichter, dem Grafen umd 
Scyultheißen. Gero 1. befttigte am 27. Ylowember 965 dem Bifchof 
Anno die Immumirdr"). Diefe Urkunde it eine faft wörtliche Wieder- 
bolung des Privilege Ludwigs des Srommen vom 3. September 814. 
Auch) die Urkunde Drros 11. vom I. Juli 973%) ift eine Wiederholung 


Die Begründung der bifsflichen Serefäaft. 227 


äierer Privilegien; nur daß anftatt der in der Urkunde Ludwigs des 
Deurfcyen vom Jahre 856 ausdrüclid) genannten Wilinze und Königs: 
maß diefe hier unter dem allgemeinen Ausdruc® Ylugungen (utllitates) 
zufammengefaßt find und daß in der Urkunde Orros II. unter den 
Gerichtefällen außer den Bußen, Wetten und Sriedensgeldern der 
Pfenningbann genannt wird, worunter ein Medht auf Abgaben vom 
Verkehr zu verfteben ift (fiebe unten). 

Der Bifcpof befaß alfo außer der Jmimmirdt eine Anzahl fiskalifcher 
Einkünfte, aber “gerr der Stadt, das beifit Jnhaber der Berichtebarkeir, 
war er Beineonwege, fondern der Graf fbte diefe aus. Der Wormegau 
zerfiel in mehrere Braffihaften, über deren Abgrenzungen wir jedoch 
nichts wiffen. Solgende Brafen werben urkundlich genannt"): 

756 Seidrat comes de Wormacinse, 765 comes de Pingia; 

756 Uloro comes; 756 “atto bis 802; 779 Cunibert; 779 Ulftod; 

821 Uoro; 858 Megingaub, Braf der Baue Wormsfeld und 
Maienfeld, einer der angefebenften Männer unter Arnulf. Er wurde 
am 28. Auguft 892 zu Netel von Alberich, einem der Spießgefellen 
Zuges, Sohnes Lorhars I, ermorber‘). 

Zu gleicher Zeit mir Megingaud amtierte Walado, Graf in 
Wormofelde, Speiergau und TEnsgau, Laienabt des Rlofters Jornbach. 
Deffen Sohn Burdyard beiratee 90 Die Witwe des ermordeten 
Wegingaub, Bifela. 

Aber audy das Befchlecht der Ronradiner war in den rheinifchen 
Landen reich begürert. Jhr Ahnberr war der von Ludwig dem Srommen 
begünftigee Bebhard, Graf im Lahngan“”); auch König Arnulf war 
den Monradinern hold gefinnt. Der ältefte des Befchlechts Konrad 
war Graf in Seffen, das beifit im ©berlabngau und im „effengau 
fowie im Gosfelde und im Wormegau (906 in pago Wormaz: 
felde; 907 in pago Wormatiense). Yernber, Graf‘ von Lobdengau 
(836-877) gehörte vielleicht ebenfalls diefem Befchlechte an. in 
anderer Braf Wernber war der Vater Monrads des Roten. Diefer 
Bonrad, wahrfheinlich ein Vetter des Aönigs Ronrad T.,”) war reich 
begtitere im YTabe-, YOsrms- und Speiergau und eine der bedeutendften 
Perfönticjkeiten des Neichee“”). fan nannte ihn “erzog der Sranten 
oder andy Jerzog von YWorme, denn bier war der Stammfig der 
Samilie”). 944 erhielt er von König ©rto T. das "erzogrum Lothringen, 
umd 947 vermählte er fich mit Orros I. Tochter Linrgard. Seine Macht: 


228 30 Bapirel, 


fiellung berubte auf zwvei Grundlagen: einmal aufgroßem Brundbefls, AUIsd 
und Leben, der ihm die SHaltung zahlreicher Friegerifcher Mannfchaften 
ermöglichte; dann auf feiner gräflichen oder berzoglichen Amrogemwalc. 
Als Graf“) befaß er den Berichte: und “eerbann und viele fiskalifche Kin. 
fünfte. Wan erfichr den Umfang der Rechte Aonrads in Speier aus einer 
Taufchurkunde vom Jahre 946), wonach ‚erzog Bonrad, des Grafen 
Wernbers Sohn, auf Bitten und in Gegenwart Richgowos, Bifchofs 
von Worms, diefe Rechte im Taufc) gegen Grundftüche im Wormagau 
an Bifdof Aeginbold von Speier abyab. Laur diefer Urkunde befaß 
Ronrad in Speier: I. Brundbefig und „örige; 2. ale Inhaber der 
geäflichen Gewalt die Poligeigewalt gegen Diebe mit Anrecht auf ge: 
foblenes But; 3. die Wihmze und die Jälfe des Zolles; die andere 
Yaälfie gehörte dem Bifcbof; 4. fietalifche Abgaben vom Salz = salz- 
fennine; vom Pech — steinfennine“”); der Aichtifenninc, das beißt 
eine Abgabe von verfchiedenen Waren; amfennine, das ift eine Abgabe 
vom Wein, der in den Zandel Fam. Denn dem Grafen oder dem 
Inhaber der gräflichen Rechte ftand es zu, die Erlaubnis zum Verkaufe 
‚an Sremde und zur Ausfuhr durch Kinheimifche zu geben (fiehe unten)“”). 
Da alle diefe Redhre Pertinenzen der gräflichen Gewalt waren, fo mußte 
der Rönig zu der Uebertragung feine Zuftimmung gewähren. Dies gefchab 
am 4. Oftober 969, indem Kaifer Drro I. dem Bifchof Orefar von 
Speier die weltliche Berichtebarkeit in der Stadt und im Dorfe Speier 
verlich®), 

Rarl der Große hatte den Verfuch gemacht, ein Gleichgewicht 
zwifchen der geiftlichen und welclichen Ariftokratie berzuftellen; unter 
feinem Sohn Ludreig errang die Rirche eine Stellung, die den Staat 
gefäbrbete; gegen die Rirdye erhob fi am Ende des 9. Jahrhunderts 
die Laiemwele und machte ihrem Born in Gewaltehaten gegen Die 
Birchlichen Würdenträger Luft. Ihiermar, Bifchof von Wierfeburg, der 
Gefchichtefchreiber, Bann fich im Alagen Über die Anmafung und Bor 
Iofigfeit der Laien nicht genug chun, und vortrefflich bringt er bie 
Stimmung der geiflihen Meeife zum Ausdeucd®). DBifchof und Braf 
verrrugen fich felren gue zufammen. Sie blieben am beften Sreunde, 
wenn fie fich möglichft wenig fahen. 

Auf Bitten des Bifchofe Hildebald von Worms fehenkte Kaifer 
©rto II. am JJ. Auguft 979 der Wormfer Kirche das bisher feinem 
Vieffen Otto gehörige Drierel der Zoll: und Banneinkhnfte in Worms. 





Die Begründung der biföflien Serrftbaft. 229 


Alle diefe YTunungen in der Stadt, in der Vorftabr und in dem dazu“ 
gebörigen Dorfe Worms follen an den Bifchof fallen und niemand darf 
in der Stadt Gerichtsgewalt ausüben, als der vom Bifdyof beftelte 
Voge). Zur weiteren Begründung diefer Vergebung wird auf das 
Beifpiel der Erzbifchöfe von Wiainz und Röln verwiefen; gleichwie biefe, 
fo fol auch der Bifdof von Worms Zoll: und Bannredht in Stadt 
und Vorftadr haben, und Beine andere Berichtsperfon foll in der Sradt 
Gewalt ausüben, als der Bifcbof oder fein Vogt. YTun fiehr diefe 
Urkunde febeinbar in Wiberfpruch zu früheren Diplomen, wonach der 
Wormfer Kirche bereits die Pöniglichen inthnfte Iberwiefen worden 
waren, während nach der Urkumde ©reos II. fie nur zwei Drittel befeffen 
bitte. Allein diefer Widerfpruch Iöft fich leicht”). YLach der fräntifchen 
Amtsordnung erhiele der Siokus von allen Geridyrebufien zwei Teile, der 
Graf einen Teil‘). Der dem Siskus gehörige Teil war der Wormfer 
Kirche bereits zugefallen; das legte Deitteil blieb dem Grafen, fo lange 
er die Amogeralt befaf. Der Baifer übertrug num 979 dem Bifcyof 
auch diefe Berichtegewalt und Damit auch den Ienten Anteil des Grafen 
an den fistalifcyen Einkünften in der Stadt. 

Diefe Uebertragung von Graffihaftsrechten oder auch ganzer Graf: 
febaften mie ihren Gerechtfamen an Bifdhöfe*) darf nicht mir der 
Verleihung der Immunirkt auf eine Linie geftellt werden. Denn bie 
Immunirde gewäbrre dem serrn des immunen Bebiets nur eine befehränkte 
Gerichrebarkeit; durch die Ueberrragung der gräflicen Gerichtsbarkeit 
wite dagegen der Bifdhof an die Stelle des Grafen, und das Gebier der 
Stadt wird zu einem eremten @erichtegebiet innerhalb der Braffihaft. 
Diefes Gerichtogebiet umfaßte in Worms (und aud) in Speier) die 
Aleftadr, die Yleuftadt und wahrfcheinlich die dazugehörige Gemarkung. 
‚Für die ftädtifiche Einoichelung war diefe Uebertragung der Berichtebarkeit 
an den Bifchyof von großer Bedeutung”), weil Dadurch der Befahr einer 
dauernden “erefehaft eines mächtigen Grafengefehlechte über die Stadt 
vorgebeugt wurde. Die Grafen gingen darauf aus, ihre Mache zu 
verftärten, aber für die Zigenart der Seldte und ihre Bedhrfniffe 
hatten fie weit weniger Verftindnis als die auf höherer Bildungsftufe 
fiebenden Bifdyöfe, in deren Tntereffe eo ja lag, die Wohlfahrt der 
Stade zu fördern, weil dadurch auch ibre Kinnahmen fich fteigerten. 
‚Sreilich, fobald die Stadtgemeinde erftarkt war, mußten beider Tncereffen 
?ollibieren, und es Bam dann zum Rampfe zwoifchen Bifcbof und Stadt. 


230 10. Baplıel, 


Tener Orr, der alfo um feine Rechte in Worme verkürzt wiirde, 
war der Sohn des Yerzoge Ronrads des Roten von Worms und der 
Linrgard®), alfo ein Enkel Raifer Ortos I. Vielleicht war er zu diefem 
Verzichte auf die gräflichen Einkünfte in Worms durch die Furz vorber 
gefehebene Derleibung des Serzogeums Bärnten bewogen worden. Baifer 
Orro III. beftleigee am 29. April 985 die Urkunde Drive IL,*) und 
Otto von Worme wird neben der Raiferin-Wurter Theophano und 
Willigifis, Ersbifhof von Wains, ale Sürbitter beim Rönig genannt. 
Wan wird nicht vergeffen dürfen, daß Bifchof Hildebald damals 
Wirglied der vormundfeheftlicen Regierung war. 

Die Stadt mit ihrer nächften Umgebung bildete nun einen von der 
übrigen Graffebaft eremten @Berichtebeziet). Das Gtadtgericdhr war, 
wie das daundertfchaftegericht, das zuftändige echte oder ungebotene Ding, 
und die Organifarion des Stabrgerichts unerfihied fich in nichts von 
der des Landgerichts. CBerichraftätte war mabrfceinlich der Warte 
unter der Linde; gerichtpflichtig alle freien Brundbefiger. Da die 
Pflicht, die Berichterage zu befuchen, hauprfächlich zur Bedrlickung der 
‚Srein und zur Verminderung ihres Standes beigerragen hatte, fo 
fehaffte Barl der Große ihnen dadurdy Wrleichterung, daß er die 
Dingpflicht auf drei Berichtsrage im Jahre befchräntte. Wan nannte 
Diefe Gerichte Das echte oder ungebotene Ding. Zu allen andern Berichts: 
figungen follten fortan num noch die Parteien, die Richter und die dazu 
eigens geladenen Zeugen aufgeboren werben. Darum biefen diefe Berichte 
das gebotene Ding. YYad) der uralten germanifchen Gerichtsverfaffung 
erbielt die vom Wicprer gefundene AEntfcheidung erft durch die 
Beiftimmung der verfammelten Gerichtagemeinde Rechrstraft. infolge 
der Heform Karls des Großen fiel der Gerichtsumftand bei dem 
gebotenen Dinge weg, und bie Urteilfindung wurde den Schöffen 
Übeercagen. 

Das echte Ding, weldyes in der Negel drei Tage dauerte, war 
Bomperent in peinlichen Sachen über Sreiheit und Leben, echtes Eigen, 
wogu die Immobilien und die Unfreien gehörten; es wwar aber nicht nur 
für die Zunderefhaft, in der es gehalten wurde, fondern für die ganze 
Graffcyaft zuftändig. Der Graf bielr dasfelbe unter Rönigsbann. An 
feine Stelle trat im Stadtgericht der Vogt. infolge der Eremtion dee 
Mädrifchen GBerichtobezirkes aus der Brafichaft it das Stadrgericht nur 
noch für feinen Gerichtebesir® Bompetent, nicht mebr für die ganze 


Die Begründung der bif@sflichen Serrfaft 231 


Graffchaft. Tin der Regel war der Vogt des Tmmunitktsgebieres nun 
audy der oberfte Richter im Stadrgerichte. 

Das geborene Ding war Eomperent im Rlagen um Schuld und 
Mobitien und in Poligeifachen. Es umfaßte alfo die niedere Berichts: 
barkeit. Der Vorfteher diefes Berichtes war der Braf oder fein Stell: 
vertreter, der Centenar oder Schultheif, das heißt, der, welcher die Schuld 
eintreibt. Diefer ift der eigentliche Richter im geborenen Ding, und da 
das geborene Ding in einer Stadt vorzüglich von Bedeurung war, 
tann der Schulcheiß als der eigentliche Stadtrichter bezeichnet werden. 
Das Stadtgericht blieb auch jet nach Verleihung der Oetonifchen 
Privitegien Öffentliches Bericht, und diefe Verleihung der Berichtebarkeit 
an den Bifdyof fehloß Peineswegs eine Wiinderung der Sreibeit der 
Stadebüirger in fich, wie viele Sorfcher meinen. Der Rönig belich den 
vom Bifdpof ernannten Vogt mit dem Blurbann; er war alfo, wie vorher 
der Graf, ein Eöniglicher Beamter. 

Allein nicht ohne Kämpfe follte der Bifchof von Worms zum 
vollen Genuß der ihm von den Rönigen verliebenen Rechte gelangen, denn 
saerzog ©ero, der auf Rärnten verzichten mußte und nad) feiner “eimat 
surüchfehree (983), machte dem Bifchof von Worms feine Rechte ftreitig. 
xft ein fol) energifcyer Mann wie Burchard Eonnte eine endgilcige 
Entfcheidung Über diefe und andere Scagen berbeiführen. 










































































































































































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II. Bapirel, 


Bifhof Burhard von Worms. 


lad) langem Verfall erfebre die Rircye unter 
den fächfifchen Raifern einen großen Auf: 
fbwung. Diefe förderten diefelbe nicht 
nur durd) reiche Vergabungen, fondern 
fie verfianden es audh, Die richtigen Männer 
an den rechten Plag zu fezen. An der 
Politit der Rönige nahmen die Bifchöfe 
attiven Anteil; fie gewannen in diefem 
Dienfte foroohl manderlei Bunftberveife 
von feiten der önige, als auch, was noch 
IN fchwerer wog, fie lernten auf den %of: und 
J zeerfahrten nach Jralien ein höheres 
Buttueleben Bennen. Die Anfdauung antiker und bysaneinifdyer Runft- 
werte regte aud) die Aunftthätigteit in Deurfchland an; am Hofe der 
Raifer verkehrten Gelehrte von böchftem Wiffen und Ruhme. Von 
Eluny in Burgund und von Lothringen aus verbreitete fidy eine mächtige 
geiftig s religisfe Bewegung, die eine Erneuerung der möndhifchen 
Sucht und eine Vertiefung des religißfen Lebens bewirkte. fine Reihe 
bervorragender Bifchöfe trat in diefem Zeitraum auf, welche die KTeu- 
begründer Birchlidyen Lebens und Träger einer höheren Rultur wurden. 
Unter ihnen ragt Burchard von Worms“) durdh die Dielfeitigteir feiner 
Tntereffen hervor. Die Anforderungen an den bifchöflidyen Stand hatten 
fi) gefteigere. Yan verlangte von den Bifchöfen nicht nur priefterliche 
Tugenden, wie eifrige Teilnahme am Gotteodienfte, weue Seelforge, 
Meißige Predigt, unabläfigee Grubium der beiligen Schriften, man 








1. Beon, Die Aut dee eeinifäen Bass I. 


236 II. Bapiel, 


rühmte an ibnen nicht nur ihre Srömmigkeit, Beufchbeir, Mäßigkeir, 
Barmberzigkeit, fondern man forderte jent von ihnen, dafs fie fich auch 
eifig und verftindnisvoll den weltlichen Pflichten widmeten, die ihre 
Stellung ale Shrften des Reiches ihnen auferlegte, voie: Treue gegen den 
Bönig, Tapferkeit in dee Jeldfchlacht, Sorge für die Schulen, für den 
Bau und die Ausfchmücung der Bortabäufer u. f. w.”). 

Burchard von Worms bat einen Biograpben gefunden, der ihm im 
Zeben mabe fand“). !Wöglicherweife war cs Bobo, Manonitus in 
Worms und Schulmeifter an der Domfchpule. Zu feiner Arbeit wurde er 
durch eine Schrift Alperte, de diversitate temporum, angeregt; Diefer 
Apert war Möndy des Mloftere S. Symphorian im Wiener Sprengel, 
der dann nad) dem durch den Bifchof Ansfried geftifteren Rlofter bei 
Amerefoort im Bistum Lürric verfent wurde. bier fihrieb er J022 
das erwähnte Buch Über den Wechfel der Zeiten, eine Sammlung von 
allerlei gefehichtlichen Vorgängen jener Begend in bunter !Wiannigfalcigteit 
und locferer Zeiefolge*"). Diefes Werk überfandte er dem Bifchof Burchard 
von Worms, bei weldyem fein Bruder Immo war, der dem litterarifchen 
Breifen im Lürticer Biscum nahe ftand. Der Diograph unferes 
Bifcpofo war id der Schwierigkeit feiner Aufgabe voll bewußt; mit 
der größten Demut fpricht er von feinen geringen Sähigteiten, nicht 
aus Webermur habe er das Leben Burcyarde gefihrieben, fondern nur 
um den Müßiggang zu meiden und um das Andenken an das Leben 
jenes Wannes zu befeftigen. „Ic armer dummer Wenfih“, rief er 
aus, „lege weifen Wiännern hiermit meine Pländyen vor, wie fie mein 
derer und dlirftender Beift noch eben hat zufammenreimen Eönnen.” 
Er gehörte eben jener firengen Reformrichtung an, die ihren Faupefig, 
in Borze in Lorhringen hatte”) und die auch im fibrigen Deutfchland 
begeifterte Verehrer fand. LTum war die geiftige Begabung des Derfäffers 
der Vita Burchardi niche fo gering, wie er fie felbft hinftellr. Seeilich 
bar er aus Alperts Büchlein jtarke Enelebnungen gemacht; indes daran 
nahm damals niemand Anftoß, und die Biographie Burchards gehört 
zu den beften der mittelalterlichen Lirreratur. Seine Arbeit widmere er 
dem Bifcyof Walter von Speier, Burcharde intimftem Sceund, der aus 
der S. Galler Schule hervorgegangen war und au, als Schrififteller 
einen YIamen batre‘®). So überaus werwoll nun auch diefe Lebene- 
befchreibung für uns ift, fo febr bedarf es bei ihrer Benugung aller 
Vorficht. Denn der Verfaffer bat im Vorfar das Leben feines Selden 


Bildoof Burdard von Worms. 237 


möglichft inbaltreich und rubmvoll zu geftalten, ihm manches zugefchrieben, 
was eber als Verbienft feinen Vorgängern anzurechnen wäre, und er bar 
vieles übertrieben. Darum ftellt er die Zuftände in Worms vor der 
Regierung Burchards fo Eläglicy ale möglich dar. 

Burcard ftamme aus vornehmen Gefchlechte, dem „Haufe der 
Grafen von eidenbach « Ziegenbain. Seine rbgfrer lagen bei 
Srantenberg an der Mdder in Oberbeffen. Geboren wurde er wahr: 
f&beinlich um 965. Wie fein Bruder Sranto wurde er zum geiftlichen 
Stande beftimme. Seine Eltern fibergaben ihn dem Benedikeiner: 
Hlofter &. Storin in Boblens zur Erziehung. Darm fludieree er 
an verfchiedenen Orten; namentlich wichtig war für ihn, daß er in 
Olbert von Lobbes (Laubad) im Lirticher Sprengel einen aus: 
geseichneten Lehrer fand. Olbert war in Srankreihh (Paris, Troyeo und 
Ehartres) ausgebilder worden. hm blieb Burdpard das ganze Leben 
in Dankbarkeit verbunden. Als er im Jahre Looo zum Bifchof von 
Worms erhoben wurde, ließ er ihn zum Leiter der Domfchule nach 
Worms Eommen, und wohl auf feine Empfehlung ift Olbert dann zum 
Abr von Gemblour und des S. Tafobstloftere ernannt worden). 
Durch feine feine Bildung und rugendbafte Lebensführung gewann fidh 
Burchard die Bunft der Mächrigen. Mönig Oro, der eben volljährig 
geworden war, fehenfte ihm am 27. September 994 eine Zufe in Dier« 
münden und zwei “örige nebft ihren Samilien““). n YWlainz fand er 
bei dem Ersbifchof Willigifis Die befte Aufnahme. ier erhielt Burchard 
die verfchiedenen geiftlichen Grade und wurde am Jo. März 997 vom 
#Erzbifchof zum Priefter gewoeiht. Willigifis, der einer der auegegeichnetften 
Männer des Reiches war, wurde ihm durdy Lehre und Wandel fein 
erlauchres Vorbild. Trondem daß der ZErzbifchef durch die weltlichen 
Gefejäfte flart in Anfpruc) genommen war, vernachläffigte er doch 
teineswoege die geiftlichen Pflichten. YWYir feinen Vertrauten unterzog er 
ich einer firengen mönchifchen Lebensordnung, fiudierte, [o viel ihm die 
Gefäjäfte Wuße ließen, die beiligen Schriften und übte fich in der 
astetifchen Enthaltfamteit. Ylamenclid) feine Mäßigteit im Trinken 
wird von den Zeitgenoffen gelobr‘*), denn der Trinkluft Ponnten nur 
wenige wiberjteben. Auf einem vor den YW lauern der Stabr Mainz 
gelegenen Johgel fand ein dem heiligen Victor geweibtes Rirchlein, in 
dem Burchard den Dienft verfah. $Er bewog feinen ern, an Stelle 
der Rapelle ein Scifr zu errichten, und er beförderte das neue Rlofter 


238 11. Bapirel, 


durch reiche Sceigebigteit, und färon am 5. Juni 995 Eonnte das 
&. Victorftift in Gegenwart König Ortos geweiht werden"). Burcherd 
leitete als Propft diefes Stift. 

Aber audy die welclichen Befchäfte follte Burchard Eennen lernen. 
Der Erzbifchof batte die Berichtebarkeit und die fistalifehen Einkünfte 
vom König erhalten und war fomit Stadtberr von Wiainz geworden, 
deffen “sandel fdyon Damals bedeutend war. Produkte aller Art wurden 
bier zu Warkt gebracht, die Erzeugniffe des Bodens und des Zausfleißes, 
tofibare ausländifcye Stoffe, wie Seide und Sammer und die viel 
begehrten indifhyen Beroirze, wie Pfeffer, Ingwer, Berofirznelten u. f. wo. 
Diele fremde Baufleuce erfchienen in Wainz mir ihren Waren, die 
Seiefen mit Tüchern, die Juden mit Rleinodien, Eoftbaren Stoffen, 
Gewoiiezen und Sklaven, ja foger die Araber, die hauptfächlich Slaven- 
handel trieben“). Arabifcbe Wiünzen neben denen des Königs liefen 
bier um,“”) und der Erzbifchof felbft ließ Wünzen prägen, die fein 
Bildnis zeigten. Sin arabifcber Auror des Jo. Jabrbunderrs“*) fehildert 
Weainz als „eine fehr große Stadt, von der ein Teil bewohnt und der 
eft befär ift. Sie liege im Lande der Franken an einem $luffe, der 
Rin genannt wird, und ift reich an Weisen, Gerfte, Roggen, Weinbergen 
und Obft. Dort giebt es Dichems aus der Samarfander Münze vom 
Tabre 305 und 302... Serner ift es auffällig, daß es dort Bewlrze 
‚giebt, die nur im fernen Worgenlande vortommen, während die Stadt 
Wainz im fernften Abendlande liegt . . ." Mer wErzbifchof ernannte 
den DBurcyerd zum Stadrkämmerer oder Primas der Stadt. Der 
Stadrkämmerer®") war das „aupt der Dlrgerfihaft, der Vertreter des 
Ersbifchofs in deffen Beziehungen zur Stadt. Diefes Amt war überaus 
angefeben, und mehr ale einer von den Grabttämmerern von Wainz ift 
fpdter zur bifchöflichen Würde aufgeftiegen, wie 3. B. Burchard von 
Worms, Burcyard von Bafel u. f. w. 

Die Art, wie Burchard zur bifchöflichen Würde gelangte, machte 
großen Eindrud® auf feine Zeitgenoffen, die mir ibm glaubten, daß Bott 
ihn zum Werkzeug auserfeben babe. YTadı dem dainfcheiden +sildebalds am 
4. Auguft 998 wurde Sranto®), der Ältere Bruder Burchards, zum Bifchof 
von Worms ernannt. Ylachdem diefer die Angelegenheiten in Worms 
geordnet hatte, begab er fid nach Jralien zum Raifer ®rro IIL., deffen 
größtes Derrrauen er genoß und durch den er in alle Befchäfte eingeweiht 
wurde. „Mir allen“, fage der Biograph Burcharde, dem wir diefe LTorisen 





Difdof Burdard von Worme. 239 


enelebnen, „war er freundlich, mit allen gütig, und bei allen erwarb er 
fi großen Ruhm durch feine Sreigebigkeit. Deshalb behandelten ihn 
alle mit der größten Ebrerbierung und Liebe; fie abnten in ihm 
gleidhfam feon den Zeiligen”. Audy mit dem Papfte Siloefter 11. 
hand Sranto im befien Zinvernebmen. Bekanntlich war der junge 
Raifer von der damaligen geifiig:religisfen Stömung tief ergriffen 
worden. Er gab fidy myftifch gefärbrer Askefe mir Leidenfchaft bin, 
pilgerte zum beiligen Wichael auf dem Monte Bargano und befüchte 
dann den heiligen Ylilus in Baeta, der ihm ins Beweiffen redete, auch 
er, der Raifer, fei ein terblicher Wenfd und mäiffe vor dem Welttichter 
einft Rechenfehaft ablegen“). Wit feinem Sreunde Sranto von Worms 
verbarg fid) der Raifer vierzehn Tage in einer Grotte bei San Ciemente 
bei Rom. Ylad dem Vorbilde des heiligen Yilus Bleideren fie fih in 
Gewoänder von Ziegenhaaren und gingen barfuß; fie uncerbielten fid) 
mit ftommen Gefprächen und fafteiten fich durch Wachen und Saften. 
Den Bifchyof Übertam eine Ahnung frhhen Todes, und er teilte dies dem 
Baifer mit, worauf ibn diefer unter Thränen fragte, wen er zum 
Ylachfolger haben wollte. Sranko antwortete: „Id babe einen Bruder; 
wenn es Bott gefallen hätte, würde ich ihn zum YTachfolger winfdhen. 
Aber von alledem abgefeben, möge Bott den einen erwäblen, an dem 
er Gefallen finder.” Der Raifer war damit einverftanden, und um fich 
beffer an fein Verfprechen erinnern zu fönnen, lief er fid) von Scanto 
einen Bieebrief Über diefe Sache geben, den er in ein Säctchen zu feinem 
Teftament lege. In der Thar, Sranto flarb am 4. September 999 
md wurde zu Nom mit großen Zhren begraben. Die Ylachricht von 
feinem Tode befümmerre fehr die Baiferin Adelheid, die Broßmurter 
Orros, weil fie den frühen Tod ihres Entels abnee®*). 

Ylady dem Tode Jrantos bewerben fic) viele beim Raifer um die 
bifchöfliche Vohrde. Diefer, feines dem Sranto gegebenen Verfprechens 
meingedent, verlieh fie einem KErpho, der aber fchon am dritten Tage ftarb. 
Wieder befttirmren den Baifer viele, und Razo, der fid) am eifrigften 
bemüht und das meifte Geld verfprocyen hatte, erhielt das Wormfer 
Bisrum. Sogleicy brad) er nad) Deurfcpland auf, doc) erreichte er nur 
Thur, wo er farb. Seine Begleiter Eehrten nach Rom zuric® und 
überbrachten dem Raifer den Stab des Verftorbenen. TIent erft erinnerte 
ib Oro IN. Burdyarde und befehloß, mit der Wahl abzuwarten, bie 
er wieder in Deurfchland fei. Tief erfählitterr durch den Tod feiner 


240 11. Bapitel, 


Broßmurter Adelheid (16. Dezember 999) Eebrte Grro III. Ende des 
Tabres 999 nach Deurfdhland zuric® mir der Abfiche, die berlibmteften 
Seäeten, vor allen Dingen das Grab feines Sreundes, des beiligen 
Abdelberte in Bnefen, und die Gruft Rarls des Großen in Aachen zu 
befüchen. Vor feiner Reife nady Bnefen tam er in Kirchberg bei Jena 
im Sebruar J000 mit dem Ersbifchof von Wiains zufammen. Der 
Baifer erzählte diefem von dem wunderbaren Tode der beiden Bifchöfe 
von Worms. Zufällig blickte er durch das Senfter und fah den Burchard. 
$Er wintte ihm, gab ihm die Sand und berichtete ihm ausführlich, was 
fein Bruder Sranto fhr ihm erbeten hatte. Darauf zeigte er ihm den 
Birebrief Srankos und bor ihm die bifchöfliche Wfirde an. Ylachden 
Burchard, wie eo damals die Sitte erbeifchre, fidh gefträubr batte, indem 
er fi) dazu für unmolirdig hielt, wurde er fehlieflic vom Raifer mit 
Gewalt zur Anmabme gedrängt und Burchard fügte fich dem Befehl 
feines “eren. Allen Anmefenden ftürsten die Ihränen aus den Augen. 
Ibm, als dem Würdigften und Verdienfvollften, wurde darauf der 
Sietenftab übergeben. Einige Tage darauf begab fi) Burdard mir 
dem AErsbifchof nady “eiligenftadt, wo ihm diefer zum Bifchof weibte. 

Der Baifer war wieder nad) Rom zurcgelchrt. Von bier aus 
meinte er in trauter Eintracht mit dem Papfte die Welt regieren zu 
£Snnen, aber zu feinem großen Schmerze mußte er erleben, daß feine 
lieben Aömer, undenkbar der genoffenen Wobltharen, fi) gegen ihn 
erhoben. Audy in Deurfdhland war man fehr verftimme über die 
undeurfee Policit des Raifere. Ylamentlidy der Erzbifchof von Mainz 
fühlee id) fähwer beleidigt, und er gebordhte weder dem aifer ned) 
dem Papfte. Ylur wenige der deurfihen Bifchöfe leifteren dem Befehl 
des Raifers, mit ihren Rontingeneen nad) Rom zu sieben, Jolge, unter 
ihnen Burchard von Worms, der feinem %eren und Gönner diefen 
Dienft nicyt verweigern durfte. An der Gpine eines großen Aufgebors 
308 er mit dem Difchof von Würzburg und dem Abte von Fulda, forwie 
den eifigen des Mainzer Ersbifchofee nach Tealien. As fie im 
April J002 in Tuscien antamen, vernahm Burchard die traurige unde, 
da der Raifer (am 24. Januar 1002 zu Paterno) verfchieden fei. Die 
Getreuen des Raifers mußten die Leiche mit den Waffen gegen die 
aufftändifdpe Bevölkerung febügen, und unter unaufbörlichen Rämpfen 
erreichten fie Deurfchland. Auch der Aüchzug Burdyarde vollsog fich 
unter großen Gefahren. Zn biefen Gefechten zeichnete fidh ein Winifteriale 


Bifcpof Burddars von Worme. 24 


des Bifcofo aus, Thiermar“), ein enefhloffener, in jeder Tugend 
bervorragender Wann, der in WOorme für den ticheigften Krieger galt. 
Der Bifdyof bat ihn, da die Einwohner von Lucca den Wormfern den 
Weg verfpereren, den Streit zu beenden mit möglichfter Schonung von 
Wenfpenleben. Durdy ein gefehiet ausgeführtes Wianoeuore gelang ihm 
dies. Burdhard brach in Thränen aus, als er das Wiorden wahrnahm, 
und bot den Seinden Beld an, um gleidhfam bie Bluechat zu fühnen. 
Wir Bortes Zilfe gelangten er und die Seinigen glücklich in die Jeimar. 

lady dem Tode Örros III. feritren fich verfehiedene Berverber um 
die Krone.) Das beftbegründere Recht bärte Orto von Worme gehabt, 
der Enkel Raifer Orros 1., deffen Ahme Monrab bereits die deutfihe 
Brone gerragen hatte. Oro II. und Orro III. batte er nabegeftanden; 
fein Sohn Bruno war von Orro III. zum Papfte (Bregsr V., + 999) 
erhoben worden. Gero war, als der Maifer lab, nice mehr jung, 
erwas bequem und ohne Ebrgeis. Mir ihm verfiändigee fich Serzog 
Seinrih von Baiern, der Sntel “eineiche, des jüngeren Bruders 
O©reos I. Tin diefem Gefchlechte der Heinriche pulfierte die Leidenfchaft 
nad) der Serrfchaft gewaltig. “einrich bemächrigte fich der Eöniglichen 
Infignien, aber alo in Aachen nad) der Beifegung der Leiche Drros III. 
die Sürften über die Thronfolge verhandelten, fand «einrich keinen 
Antlang, vielmehr neigte man fich “ermann, dem Gerzog von Schwaben, 
zu, der ebenfalls der Ronradiner Sippe angehörte und durdy feine 
Gemahlin dem fäcyfifdyen Zaufe verwandt war. Diefer trat dem 
“eineic) mir berwaffnerer Land entgegen, doc) der Baier war dem 
Schwaben an Lift und Bewandtheit überlegen. Alles kam auf die 
Stellung des Ersbifchofe von Mainz an, denn diefer war der erfle und 
mäcjtigfte Sürft des Aeiches, und ihm fand das Privileg zu, den neuen 
Saeerfcher zu falben. Am rechten Ufer des Rheins, auf den Wiefen zu 
Bhheftadt, unweit Worme, Lam „einricy mic Willigifis von Mainz und 
Burdyard von Worms zufammen. Vortrefflicd verftand fich Heinrich 
auf Stimmentauf und Stimmenhandel. Durdy Derfprechungen gewann 
er Die beiden “erren. Die Üeberfehreitung des hochgefchwollenen Sluffee 
verhinderten die Reifigen des "erzoge von Schwaben, dody wurden fie 
überlifter, und bei Wains feste “einrich mit Willigifis über den Abein. 
ler wurde der serzog von Baiern von den Baiern, Sranken und 
Oberlorbeingern zum König gewählt und am 7. Juni J002 von Willigifis 
gekröne und gefalbt. Wenige Tage darauf, am Jo. Juni, verweilte der 


15. Boos, Bi Aulor de lefaen Sub. 1. u“ 


232 HI. Bapirel, 


Bönig in Worms, worauf er nady Schwaben ritt, um den Begen- 
Eandidaren zur Zrgebung zu zwingen. einer bat für die Wormfer 
Rirche mehr gethan als Rönig “einrich II. lady Worms felbft kam 
ex, wie es febeine, nur noch einmal, im Juni 1018 zur Domweibe, 
Doch fo oft er fich in der Yläbe aufbielt, auf den Löniglichen +öfen 
und Pfalgen, in Teibur, Wiörfelden u. f. w., befchte ihn der Bifchof‘ 
von Worms und felren ohne Erfolg. Auf dem zweiten Romzug 1013 
begleitete ihn diefer. 

Die Beziehungen Burcyards von Worms zu Rönig Ronrad II. 
waren noch inrimerer Art als die zu den früheren Rönigen. Grro, 
"erzog von Märnen, hatte vier Söhne, von denen zwei, Bruno und 
Wilhelm, dem geiftlichen Stande beftimmt wurden, zwei, Seineich md 
Bonrad, den Stamm forrpflanzten. «einridh hatte ji mir Adelheid 
aus dem aufe der Grafen des $Elfaß vermäble, deren Sohn Ronrad 
der fpätere Bönig war. Seinrich farb noch vor feinem Varer Oro, 
allein deffen geoße Befigungen und Wieden fielen nice dem rechtmäßigen 
Erben, feinem Sobne, zu, fondern feinem ihn überlebenden jüngeren 
Bruder Bonrad, der feinen Lleffen Boncad auf alle Weife benachreiligte. 
Yur bei Burchard fand der Verftofene Schug und Troft. Der Bifchof 
nahm ihn in fein aus auf und forgee für fein Woblbebagen und feine 
Erziehung und liebre ihn wie einen angenommenen Sohn, weil er einen 
feften Beift in ihm wabrnahm. Auch Baifer Zeinricy I]. war Ronrad 
nicht hold, deffenungeachrer erlangte diefer auf jenem denkiwlrdigen 
Woahlrag zu Bamba am heine im September 3024 die Mehrheit 
der Wablftimmen und wurde am 3. September zu Mainz vom 
Ersbifchof Aribo von Mainz gekrönt. Ob Burchard bei diefer Wahl 
‚mitgeroirkt hat, wiffen wir nicht. Yrach feiner Wahl begann Aonrad II. 
den feir “einrich II. üblich gewordenen Rönigeritt. Im Sommer 1025 
kehrte er nach feiner eimar zurüc. Am J4. und IS. Juli weilte er 
in Speier. Don bier aus ließ er dem Bifchof Burchard feinen Befuch 
anfagen. Diefer lag jedoch [ywwer Eran darnieder, und es fäpmerzte ihn 
febr, daß er den König feiner Arankheit wegen nicht wolcdig empfangen 
konnte. Audy jegt gab ihm fein bewährtes Trofmistel, inftändiges be 
barrliches Gebet, die nomvendige Spannkraft. Zum fErftaunen feiner 
Umgebung fäbien er wieder gefind zu werden. So lange der Rönig in 
Worms bei ihm zu Befuch weilte (18. bis 24. Jul), war Burchard fo 
träftig, als ob ihm Gott neue Keift gegeben babe. Ja, er begleitete 


Bifcbof Burchard von Worms. 23 


feinen ehemaligen Zögling nach Tribur und blieb drei Tage dafelbft. 
Burüchgeteber, überfiel ihn die Ruhr. Gefaßt und mit feinem Eelöfer 
verföhne, fah er dem Tode entgegen. Allen Schuldigen vergab er ihre 
Dergebungen gegen ihn, fprach die los, welche er mit dem Kirchenbann 
und Anarhem beftraft harte und erteilte jedem der Anmwefenden fehrift: 
liche Abfolurion. Seine Angehörigen, die Diener und Aörigen, tröftere 
er mit frommen Worten. Aber felbft die Yajeftit des Todes zügelte 
nicht die Zabgier der Großen. Es war Sitte, daß der Vogt des 
Stiftes und andere mächtige VWeltliche hand auf die Ainterlaffenfchaft 
eines Bifdyofs legten. Das nannte man das Spolienrecht”). Schon 
Gregor von Tours erzähle in feiner Srankengefchichre VI, II einen 
foichen Gall. Theodorus, Bifchof von Warfeille, geriet in die Gefangen: 
febaft des Rönige Bunthram. Voller Freude und in der Wleinung, 
ihr Bifdof' würde nimmer zurlcktchren, „nahm die Beiftlicheit die 
Rirchengebäude in Befchlag, fie verzeichneten die Rirchengefäße, öffneten 
die Schreine, plünderten die Vorratetammern und fielen fiber alle 
Rirchenfachen ber, gleich als ob der Bifchof fehon tor wäre”. Da 
Burdyard noch in der Agonie des Todes lag, drangen die Vornehmen 
in feine Schagtammer und in fein Simmer, durchwoühlten alle Schreine, 
die mit Bhchern angefüllt waren, durchftöberten vergebens jeden Winkel 
nad) Geld. Außer dem Kirchenfehas fanden fle nur drei Denare in 
feinem %andfehub, alles hbrige hatte er den Armen gegeben. 

Seine Scywefter, die Aebeiffin Wathilde, wachte gerreu an feinem 
Lager und berete. hr harte Burchard einen Schlüffel zu einem Schrein 
gegeben, Damit fie, was fie darin finde, als liebevolles Andenken an fein 
Leben bemwahre. Yleugierig Öffnere fie den Schrein nady dem Tode 
ihres Bruders in Gegenwart von einigen Prieftern; aber co fand fich 
nur ein bärenes “emd und eine eiferne Bette, die auf der inneren Seite 
durdy vielen Bebraudy abgefchenert war. Unabläffig berere Burcard 
mir erhobenen %änden, doch die Worte Eonnten die Anwefenden nicht 
verfteben. Dann legte er fidh auf fein Bere zurück, ergriff die Sand 
feiner Schwefter und fagte: „Ich febe fdon, was ich zu fehen wünfhte.“ 
Dreimal fprady er: „Der "er fei mit eudy“, dann enteilte feine Seele 
am 20. Auguft 1025 in die bimmlifchen Gefilde. Im &. Laurentiuscher 
wurde er beigefent. 

Der anonyme Biograpb fdildert Burcyard mit Vorliebe als 
Askeren: „Wenn er nicht durch Krankheit gefchmächt oder die dringende 


244 14. Kapinl. 


Wonwendigkeit ihn nich zu andern Speifen swang, friftete er fein Leben 
nur mit Brot, Rüben und Aepfeln. Während man glaubte, er trinke 
Wein, erfrifcbte er fid mit Waffer. Oft ging er um die dritte ober 
vierte Wade, dns beißt, Ylachre am frühen Morgen, mit einem 
Vertrauten, dem er fireng verbot, jemanbem erwas davon zu fägen, 
ferweigend durch die Straßen der Stadt und durchfpäbte jeden Winkel 
und jede Grube; wo er Arme und Mranfe fünd, fpendete er ihnen mir 
feeigebiger Hand Almofen. Täglid) fchloß er fich vor Tagesgrauen in 
feinem Berfaal ein und blieb dort bis zur erften Stunde des Tages; mas 
der gerechte Wann dere char, it nicht une, fondern nur ort allein 
befannt, Er ftand nicht ab, in täglichen Weffedienft mir unermüplichem 
Geifte für Verftorbene und Lebende Opfer darzubringen. Die Armen 
iebten ihn woie einen Vater: von weirher Bamen fie häufig zu ihm, und 
feinen entließ er ungerröftet. So oft aber ein plönlicher Todesfall oder 
der Schreden vor dem Schwerte ımd der Wur der Seinde oder ein 
anderes Ungic® drohte, rief er fofort alle Brüder zufammen und 
wendete es durch ftanbhaftes Beten und Saften ab. Sürwahr, bei Bott 
und feinen Engeln, ic) fehreibe nichte als die Wahrheit”. 

Alle Züge des Seiligenlebens Eehren auch bier wieder: faften, beten, 
wachen, fic) Bafteien, Anfechrungen dee Teufels ıc. Aber Burchard war 
niche blos ein frommer lann, der fid von den Dingen diefer Welt 
abtehrre, er war auch ein ann der That, der mit Mlarem Dlice das 
von ihm erkannte Ziel verfolgte: er wollte feine Birche von jeder weltlichen 
Abhängigkeit befreien und die Firchliche Zucht und Ordnung mieber 
berftelten. YOobl befaß die Wormfer Rirche dank der Sreigebigkeit der 
fächfifchen Rönige fämtliche “obeitsrechte: die fiskalifchen Zinkinfte von 
Zoll, Wünze, Markt ıc. und die Gerichtsbarkeit in der Stadt. Aber 
[6 lange das mächtige Befchledht der Monrabiner feinen Sig in der 
Stadt harte, war fein Bifdof in der Ausıbung feiner weltlichen und 
geiftlichen Rechte ficher, und Ronflitte mancher Arc zwoifchen den Bifchofe- 
mannen und den Leuten der Ronradiner Tonnten nidyr ausbleiben, da die 
Laienariftofratie und ihre Eriegerifde Umgebung damals fehr unkichlich 
gefinne waren. Wir grellen Sarben fehildert der Anonymus die Zuftände 
in Worme, als Burchard zum erftenmal im Scübfahr des Jahres Iooo 
nad) diefer Stadt kam. „Er fand fie verwüfter und faft veröder. Licht 
mehr zu menfeblichen Wohnungen, fondern als Schlupfiointel wilder Tiere 
und befonders der YOSIfe war fie geeignet. Denn die zerftörten Gräben 


Difbof Burdard von Worms, 245 


und Wauern boren den Aäubern ımd Tieren einen leichten Kingang. 
Wan erzählte fi, daß die Wölfe oft vor aller Augen das Vieh 
verfehlungen bitten, und die Wenfchen, welche es verhindern wollten, 
bitten fie mit andauernden Eühnen Angriffen surhichgefehreckt; fehließlich 
feien fie, wenn man fie gemeinfam verfolge babe, unverfeher enefloben. 
Die Räuber aber rühmten diefen Det als fehr geeignet zur Ausführung 
ihrer frevelhaften Pläne, weil weder Wallbefeftigungen noch bindernde 
Mauern ihren Zugang erfewerten. Wenn jedoch ein Bürger ihnen 
Wiberftand leiftere, fuchten fie ihm in nächtlidem MWeberfälle heim, 
febleppten alle feine abe als Raub davon und ließen ihn tor ober 
balbtot liegen. Das war der Friede und die Sicherheit, das der Schug 
und Schirm, unter dem die Biirger von Worms in jenen Tagen lebten. 
Zulegt verließen die Bürger die zerfiörte Stade ganz und bauren außer: 
balb der Wauern ufer und Wohnungen, wie es ibr Lebensunterhalt 
erforderte, und fehlisten fich und ihre Angehörigen mit 34unen, Planten 
und anderem Folzwer® gegen Räuber und Tiere.” 

Wie großem Schmerze fab Bifchof Burchard die Verddung der 
Stadt. Ar berier fi) mit den Seinen; dann z0g er ringe um die 
Stadt einen feften Wall; Überall flellte er die Stadtmauern wieder ber 
und forderte die Blirger auf, ihre Zäufer innerhalb der Wiauern wieder 
aufubauen und zu bewohnen. &o rief er in einem Zeitraum von Baum 
fünf Jahren die vertriebenen Bürger in die Stabr zurück, forgte in 
diefer Gegend für Sicyerbeit und erneuerte die zerftörte Stadt wieder 
von Grund auf. Aber bei diefem fegensreichen Werke war ihm allein 
der folgende Umftand binderlich: “ersog Otto und fein Sohn Ronrad 
hatten in der Stadt eine Burg, die mir Themen und mannigfächen 
Bauten wohl befeftige war. Zn diefer Burg fanden die Räuber und 
Diebe und alle, die fich gegen den Bifchof vergangen hatten, eine fichere 
Zuflucht. Wenn fich jemand gegen den Bifchof und feine Berreuen durch 
Wort und Ther enwas hatte zu Schulden Tommen laffen, fo 308 er fich 
fofort dorthin zurfic; und deshalb Pam es von beiden Seiten oft zu 
Word und Torfchlag. Diefen fpmacpvollen Zuftand, diefes harte Elend 
errrug der Bottesmann lange Zeit. Doc) leiftere er auch mit unerfehrockenem 
Wute jenen frecyen Anmaßungen jederzeit Wiberftand. So kam es, daß 
dem Gorresmanne jene Wienfchyen mit jedem Tage feines Lebens verbafter 
wurden und daß er alle gleich wie Rirdyenräuber von fid) abmwehrte. 
Da der Bifdyof einfah, daß er andere der Rraft jener Mächtigen nicht 





246 BI. Bapirel 


wiberfiehen Fonnte, fo umgab er feinen Sof und auch die Stadt gleid) 
einem Boftell mit einer Wauer und verlich ibm im nnern hinreichende 
Seftigkeit, indem er Türme und andere geeignere Bauwerke zum Bampfe 
eilig aufführen ließ; diefe Werke ließ er fo fejt als möglich bauen. 
Ylachdem er fo ein feften Bollwerk gefcbaffen, wiberftand er tapfer den 
verwegenen Angriffen feiner Seinde und vermehrte die Zuverficht der 
Seinen. Oft aud) fehreckte er feine Jeinbe durch feine eigenen fürchtlofen 
Thaten und Worte.“ 

Diefe Darftellung des Anonymus enrftellt die Tharfacyen in der 
tendenziöfeften Weife. Yan beruft fich zur Rechtfertigung diefer Schilderung 
darauf, daß Worme wiederholt Durdy die YTormannen und Ungarn und 
durch Brandunglüic® beimgefücht worden fei“). Yun berichtet aber 
teine einzige Quelle mie ausdrücklichen Worten von einer Seimfchung 
der Stade Worms. Die Ylormannen find überhaupt nicht fo weit 
theinaufmwärte gedrungen“”), und die Ungarn waren nicht im ftande, eine 
ummauerre Stadt zu belagern und einzunehmen, weshalb ja eben Rönig 
Geineich I. den Burgenbau in Sachfen anordnere. m jener fhon 
erwähnten Llacprichr Widutinds beißt cs blos, daß die Ungarn zu Yoorme 
Sffentlich bewirtet und mit Bold und Silber befebenkt worden feien. 
Worms war, wie wir aus der Urkunde Arnulfo vom Jahre 897 wiffen, um» 
mauert. Denn dadurdh eben unterfehieden fic) die Städte von den Dörfern, 
daß erftere ummawert und alfo Burgen oder Seftungen waren, lerztere 
aber blos durch einen Zaun gefhlige wurden. Die vor ber Stadt liegende 
Anfiedelung oder Vorftadt war dagegen offen und beift daher in YOorms 
und in Speier Villa, der technifche Ausdruck? für eine offene Anfiedelung‘“). 
Die Tnftandbaltung der Wiauern erforderte große Sorgfalt und befondere 
Wiafregeln. Denn eine Burg diente in jenen von Unruben und Beroalt: 
thaten erfüllten Zeiten nicht nur den inwohnern zum Schune, fondern 
auch der ganzen Landfchaft als Zufluchtsorr. Darum waren die benach- 
barten Dörfer zum Wauerbau verpflichter. Damit ftehr jene bekannte, 
vielbefprochene Stelle Widutinds I, 35 in Beziehung“). Die Geerbann« 
pflichtigen mußten die von "einrich I. erbauten Burgen verproviantieren 
und verteidigen. Für Wlainz befigen wir eine alte Bauordnung, worin 
eine Anzahl von Dörfern um Wiainz jede mit einer beftimmten Anzahl 
von Wauersinnen verzeichner find, die fie mit dem enefprechenden Stück 
der Stadtmauer berjtellen und unterhalten mußten, wofür ihnen der 
zollfreie Kauf und Verkauf in der Stadt geftarter war”). Einige diefer 


Bildof Yurdard von Worms, 247 


Zinnenfteine find erhalten. Yan benunte hierfür eömife Infchriften: 
fieine*“). Auch ein Zinnenftein der Stadtmauer von Speier mit der Infehrift: 

MVDERST 

AT. PINNAS. Si 

Bl, QINAS. VEn 

DICAT. ISTAS. 
eriftierte®). Die Schrift diefer Steine ftanıme aus dem I3. Jahr: 
hundert. Der gleiche Brauch it für Weißenburg, Boblenz, Bingen, 
Saarburg u. f. mw. bezeugt. 

Die Ütrefte Mauerbauordnung ift flr Worms Überliefer®). Eo 
bat thatfächlidy wenig zu bedeuten, ob man fie in die Zeit des Bifchofs 
Tietelahe (am Ende des 9. Jahrhunderte) oder in die Burcharde fegt. 
Wady diefer Ordnung find die Sriefen verpflichtet, das Sthek der Stab: 
mauer im ftande zu balten, welches von der Sriefenfpira (das heißt 
Spige‘%t), in der YTähe des fpäteren Jubenthores) bis zum Abeine gebt. 
Die Dörfer Rudelsheim, Bimbsbeim, Zich, Jamm, Tbersheim, Ahein- 
Dürctheim, Alsheim und Wiettenbeim, die [Ämtlich zwifchen Oppenheim 
und Worms gelegen find, beforgen das Wauerftic® von der Sriefenfpira 
bis zur Abeinfpira, alfo die Ofifeite der Mauer; die Samilie, das heißt 
die hörigen Leute des S. Leodegarsftiftes (in Wurbachr), bat auf diefer 
Seite ein Thor zu unterhalten (fpäter Brorpforte genanne); darauf 
beforgen die Blirger, welde seimgereiden beißen, das Gtüc® bis zur 
Pfauenpforte (am jenigen Sifchmarkt). Von bier ‚bis zur füdlichen 
Ede haben die Dörfer Bobenheim, Ligrieheim, Rorheim, Oggersbeim 
und Zemmingesbeim ben Bau zu unterhalten. Die Allfre der Bewohner 
de Dorfes Rucpeim und alle die, welche in der Aheinebene bie Rarlbad) 
wohnen, unterbalten die Wauer bis zur weftlichen Ede, Die auf 
beiden Seiten des Raribadyes wohnenden bis Mirchheim an der Eck 
beforgen das Sthek bio zum S. Andreasthor. Von da bis zum Wiartino- 
tbor übernehmen die Unterhaltung der YWauer die Bewohner auf beiden 
Seiten des Kisbaches bis nach Mertesheim bei Brünftadt, und von da bis 
sur Sriefenfpica alle, die auf beiden Seiten der Pfrimm wohnen, bis da, 
wo der Wühlbach in die Dfrimm fließt. Ueberdieo follen die Bewohner 
von Wionzeenheim bis nad Dienbeim, alle, die innerhalb des UmEreifes 
der genannten Bäche und Dörfer wohnen, zum Bau der Stadtmauer 
beitragen. Schugpflicht der Stadt und Baupflidyt der umliegenden 
Dörfer hängen aber auf das engfte zufammen. Die Stadt if nicht 





248 MT. Bapisel, 


mur das wirtfchaftliche Zentrum fie die umliegende Landfdyaft, fondern 
auch der politifdpe Wittelpunkt. Zn Tralien und zum Teil in der Schweiz 
erreiche diefe Enmwicelung ihren &öhepunkt, indem bier Stadrgewalc 
und Territorialberefchaft verfchmelzen, während es in Deurfchland nur 
wenigen Städten gelang, eine foldye Landesberefchaft zu erwerben. Aber 
diefe Schugverbände dauern zum Beifpiel in Srankfurt bis ins 16. Jahr: 
bundere*®®). YDie lange in Worme diefe Baupflicht der Dörfer fich erhalten 
bat, veiffen woir nicht; vielleicht bis zur Zeit, wo die Stadt die Auronomie 
erlangte und die genannten Dörfer in den Befiz verfchiedener “erren Eamen. 
Wiöglicherwoeife datiert von ihr ber das von den umliegenden Dörfern mit 
10 vieler garmäcigteit behauptete Vunungerecht an der Wormfer Aimende. 

Wir jener teüben Schilderung des Anonymus fimme nun auch 
nicht die Thatfache, daß im Jahre 979 von einer Yleufadt und einer 
Alrftadr die Hede ift). Die Bevölkerung ift alfo nicht, wie man, 
wollte man dem Lobredner Burchards Blauben fehenten, annehmen müßte, 
zurhefgegangen, fondern gewachfen. n der Regel Läße man fid) viel zu 
febr von der Anfdyauung leiten, als ob das Io. Jahrhundert ein Zeitalter 
des Derfalls gerwefen fei, während eo im Gegenteil eine Periode gährender 
und fehöpferifcher Bräfte war. Gerade die Zeit der Orronen weift, wie 
wir gefehen haben, eine Anzahl tlchtiger Bifdyöfe in Worms auf, und 
Ysildebald, der zugleidh Manzler zweier Rönige war, hätte ganz gewiß 
feinen Zinfluß benuge, um mir Jilfe des Aönige geordnete Zuftände zu 
fehaffen, wenn die Leute des Herzogs Oro es fo getrieben hätten, wie 
es der Krzähler draftifch genug fehildere. Oder man müßte denn 
annehmen, daß die Wandelung zum Schlimmen erft in der Zeit des 
bifchöflichen nterregnums (4. Auguft 998 bis Srühjahr Jooo) ein 
getreten wäre. Der rafch aufeinander folgende Tod von vier Bifcfen 
mag ja wohl zur Locerung der Zucht und Ordnung beigetragen 
baben. Wlan war damals rafdy zu jeder GBewaltthat bereit, wog 
Hecht und Unrecht nicht fo genau ab, benugte feinen Vorteil auf 
Koften der Schwächeren. Der Verfaffer der Vita ift voller Animoficke 
gegen “erzog ©rro. Daß Burdyard fich fo eifrig Ronrade angenommen 
bat, feheint ihm Die Seindfehaft von deifen Großvarr und Obeim 
zugezogen zu baben. Ueber Bewaltthaten der Laien Elagten damals alle 
geiftlichen Schriftfteller. Aber nicht nur die Leute des “erzogs verhbten 
Gewalcthaten, fondern audy die Bauern und !Wlannen des Bifchofe 
felbft trieben ee nicht beffer; 35 +örige der Rirdye S. Peter in Yoorms 


Difof Zurdard von Worme. 249 


wurden in einem Tabre in Raufhändeln erfchlagen, und die Jehden der 
bifehöftihen Benoffenfehaft mir den Leuten des Rlofters Korfch erfüllten 
die Umgegend von Worms mit wilden Berlmmel, 

In jedem Kalle Übertreibt Burchards Diograph. Er läßt den 
Bifchof Befeftigungen ausführen, die viele Jahre erfordert hätten. Dem 
fei nun, woie ihm wolle, genug, im Jahre J002 Lam Burchard in Defli 
der Burg der Monradiner, und dadurch wurde er Herr der Stadt. 
Damit börten auch die Streitigkeiten mit den falifchhen Aersögen von 
feloft auf. 

Wir haben geböet, wie Burchard im Kinklang mir Willigifie von 
Waing die Tpronkandidatur Yeinside von Baiern unterftligee und bei 
diefer Belegenbeit feinen Vorteil wahrzunehmen wußte, indem er fi) von 
‚eineich das Verfpredyen ablegen lief, die Burg Öttos zu erwerben 
und in feine Zände zu Hbertagen. So fehlimm muß jener verläfterre 
ersog Dero doch nicht gewefen fein, denn auf feine Sürbitre bin gab 
Rönig Seinrich II., als er unmittelbar nach der Rrönung in Mainz am 
30. Juni J002 nady Worms tam, der Wormfer Rirdye den Königlichen 
Yoitdbann im Sorfte Sorehahi”). Ohne die freiveillige Zuftimmung Orros 
wäre Burchard doch Baum zu feinem Ziele gelangt. Der König fehenkte dem 
Serzog den Eöniglichen “of in Bruchfal und einige andere Büter. Er, der 
fonft nicyr im Rufe der Sreigebigteit jtand, thar dies in der Erwägung, 
daß ihm der Bifchof von Worms eine treuere Stüge fein werde als das 
Geflecht der Ronradiner, das fo nahe dem Pöniglichen Thron geftanden 
batte und durch ihn zurhichgedränge worden war. Auch der Bifchof von 
Worms verftand fich zu einem Opfer und zahlte dem Ferzog eine Beld- 
fümme, worauf diefer die Burg in Worms mit aller Zubebör und allen 
sobtigen, ausgenommen drei Wiinifterialen mit ihren Samilien, an 
“eineich II. abtrat, der dann zu Bruchfal jenes Allod am 3. Oktober 
1002 dem Bifchof Burchard Überrrug“). Diefer wußte nun nichte 
eiligeres zu thun, als die ihm fo verhaßte Burg zu befeitigen. An dem 
felben Tage, an welchem der Zerzog aus der Burg abzog, ergriff der 
Bifcyof in deffen Gegenwart und in Anwefenheit vieler Zeugen Bejlz 
von ihr und ließ fie bis auf die Sundamente niederbredyen. Dann 
erbaute er mit demfelben Wiaterial eine Kirche zu Mbren des heiligen 
Pautus, des Apoftelfürften, mit der Widmung: „Diefe Rische it zur 
Erinnerung an die Befreiung der Stade erbaut worden.“ Kr fegte 
20 Brüder in das neugefliftere Mlofter. „Auf diefe Weife hatte der 


4. Deo, Die Au 





eitipaen sure ” 


250 11. Bapirl 


Bottesmann das Erieggerifche Saus in eine Rirdye Chrifti verwandelt; und 
aus dem Haufe des Bampfes war ein Zaus der Verföhnung geworden, 
in dem unferem orte Tag und Llacht Lob und Dank dargebracht wird.“ 

Durd diefe That fühlte fi Burchard von dem Druce, der bisher 
auf ihm gelafter hatte, befreit. Tent war er der einzige Zerr in der 
Stadt, und jent erft konnte er fie völlig der Bewalt des heiligen Petrus 
unterwerfen. Auch die eitgenoffen faben in diefem Vorgange einen Akt 
der Befreiung, den Thiermar von Wierfeburg befang: 

„dent aud) erfreut fih Worme der neuerhaltenen Seeibeit, 

‚Deren bieper fie entbeprte, den Serzogen pflichtig des Landes, 

Unter den Großen des „Gern fühlt herzliche Sceude nun Bucdhard, 

@x, der Biftiof von Worme, daß durd) Die Güte des Serrfdhere, 

Weit entrüdt feinen Geinden, er ihre YIAh" nicht zu (heu'n hat. 

Und des Sergoge Sof If wahrlid) vor allen jegt Cprifti 

Sig und Wohnung zu nennen, dort fleucht vor des Beiflichen Machtwort 

Weltticer Rider veränderlidh Seer, Dies alles hat Seinrid 

Glüpend in criftlichem Mifer bewirkt, er nahm von dem eignen 

Gut und Löfe die Aicche und widmete wieder dem Seren fir, 

Allem nun pflitete bei der gerzog Orto, der fromme, 

Sorgend fofort, daß des Aönige GefchenE reihtekräftig bezrugt ward.“ 














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12. Kapitel. 


Die kirchlichen Ordnungen Bifhof 
Burdards. 


längft hatte, die Ricdye die Sorderung 
aufgeftellt, daß ein Bifdof nur in‘ einer 
bedeutenden Stadt refibieren folle. -sEben 
deshalb fheure Burcyard Feine übe und 
fein Opfer, um Worms zu verfdhönern 
und zu einem würdigen Sin des Bistums 
zu machen“). Mir Stolz fab er fich als den 
Vreubegelimder‘ der Stadt an und nenne fich 
felbft- in’ einer Urkunde: „Ich, Burchard, 
Bifchof der "Stadt Worms, die ich mit 
meinem «But und Geld größtenteils vom 
Gerzog Orro zurlihgekauft habe”).“ Lac) 
feiner Meinung follte der Bifchof der 
saiete‘ feiner Gemeinde, und die chrifkliche ‘Lehre und Sitte follte lfen 
Bewöhnern des Bistums vertraut fein.‘ Das war num Feincemwege der 
Hall. Die Belehrung "der deurfehen Stämme war. ein umendlic) 
Tangfamer ‚Progeß, ünd wenn man genau zufleht, fo it das Cbriftenrum 
bis tief ins Witrelalter nur ein dimner Firnif gewefen. Erf am Ende 
des 8. oder im 9. Jahrhundert ift die Terminologie der Iateinifchen 
Rirchenfprache in den ‚YOortfcan der weftgermanifchen Dialekte auf: 
genommen worden, wie zum Deifpiel Abt, Priefter, Prediger, Propft, 
Rüfter, Breus, Wünfter, Möndy ıc., während der Ältefte Befland der 
religiös. hriftlichen Lehnworte, wie Rirche, Pfaffe, Pfingften, Engel, 
Teufel ıc. ducch arianifch-gorifche Vermittelung unferem Spracfchane 





254 12. Bapitel, 


zugeführt worden if"). An fifer fehlte es nicht, den neuen geiftigen 
Erwerb audy dem Dolte zugänglich zu machen; diefes ferte jedoch 
foldyen Beftrebungen einen pafliven, 3&ben Wiberftand entgegen. Die 
Leute beteren und fäylugen das Mreus, doch in ihrer Denk: ımd Anı 
fbauungsweife blieben fie eiden. Sreilich, das "eidennum als Religion 
war, wenigftens am Ahein, fdyon Ängft vernichter, aber das “eidennm 
Vebre als Aberglauben fort, und faft ein jeder glaubte an den Linfluß 
und an die Wacht der alten Götter. Im erfeburger Sauberfprucy, 
der im Io. Jahrhundert aufgeseichner wurde”), werden Balder und 
Wuodan, Sindgund und Sonne, Srija und Volla nebeneinander genannt, 
freilich mit fürdhtfamer Schyen. Die Rirdye felbft beförderte durch 
ihre Lehre vom Satan und den Dämonen den Aberglauben. „Entfägeft 
du den Unholdeny“ fragte die Kirche den Täufling. Diefe Unholde 
waren aber eben die zu Dämonen gewordenen alten Bötter. Vergebens 
hatten Barl der Große und feine geiftlichen Wiitarbeiter gegen diefen 
Aberglauben angelämpft. Tin der Zeit des Küıckfalles in die Unkulrur 
am $Ende des 9. Jahrhunderte hatte er fich verftärkt und neue Mache 
über die Better gewonnen. Burdhard von Worms war ein fdharfer 
Beobachter; er verftand es, das Vol zu belaufen, und feine Wie 
teilungen Über den zu feiner eit am beine berrfchenden Aberglauben find 
ffir uns von größtem Werte. Die beibnifchen Vorjiellungen, fagt er, pflanzen 
fic) gleichfam ducch Erbrecht von Vater auf Sohn fort. ndes bie Rirche 
bürere fidh, auf geroaltfame YOeife gegen Diefes tief eingefleifchte Uebel 
vorzugehen. Zwar zollt Thiermar von Mierfeburg der Bekehrungsweife des 
Serzogs Boleslaro von Polen alle Anerkennung, der denen, welche die Saften- 
gebore Üibertraten, die Zähne einfdhlagen ließ. Bei den Deurfchen wäre diefes 
Zuchrmittel dody erroas gefährlich gewefen. Defler war eo jedenfalls, die 
Vorfeyrift Bregore des Großen zu befolgen, der verlangte, man folle fehrict. 
weife vorgeben und fich den beibnifchen Bebräuchen anpaffen, indem man 
ihnen eine dhriftlice Färbung gäbe. Das hat die Rieche nur all fehr 
gethan. Sie enmahm nicht nur dem beidnifcy-römifchen Staate ibre 
Organifarion, dem Griedentum ihre Philofopbie, fondern auch dem 
griechifcy-römifchen „eidentum eine große Anzahl von Gebräuchen, wie zum 
Beifpiel den Reliquienkule ıc.). In ihrem Rampfe gegen die heidnifchen 
Gebräuche und den Aberglauben bat die Kirche wenige Triumpbe erfochten. 

Wir den heidnifcyen Vorftellungen erhielten fich audy die beibnifdhen 
Gebräuche, und das tÄgliche Leben war von denfelben umfponnen. Jeder 


Die firdlidden Ordnungen Bifcef Burbarde. 255 


glaubte an das unabwendbare Schickfal, und diefer Blaube führte zum 
Achten auf Vorzeichen. Eben aus der Surcht vor den unbolden 
Mächten entfproß der Glaube an die Wlacht des Zaubere; von ihm 
fühle man fidy zu jeder Zeit bedroht, und man füchte fid gegen ihn 
zu fÄhligen, indem man zum Zauber Zuflucht nahm. 

Der beidnifdye Rultus war indes auch im II. Tahrhundere noch 
nicht ganz befeitigt. Den Böttern wurden Gpfer dargebracht, ich 
erinnere nur an den Rultus der drei Parzen in VWoorme (fiehe oben); 
befonders der Donnerstag war dem Tupiter oder Thor heilig, Sonne 
und Mond wurden angebeter und bei ihnen ide geleifte. Dem Yond- 
wechfel lege man ganz befondere Bedenrung bei. Die Verfinfterung 
von Sonne und Mond erflte feroeilen die Wienfden mit abergläubifdyer 
Surdht, und durch Gefchrei fuchte man das Unheil abzuwehren. Auch 
das Brauen vor dem Tode meinte man durdy tollen Spuß befeitigen zu 
Bönnen. Bäume und Steine wurden verehrt, und mit Scheu betrat man 
heilige Zaine. Auch Quellen galten für beilig. 

Die Seier der Winterfonnenwende war allentbalben üblich. Wien 
308 an biefem Tage in Tiermasten verkleidet ale Zirfd) oder Rub 
umber oder auch in Srauenkleidern. Schon damals Tiebten es Die 
Deurfchen, fi an diefem Tage zu befchenten. Vor den Kirchen, ja auf 
den Bottesädern tanzte man den eigen nady beidnifdyer Art. Die 
Rirche verbot firenge das Deuten von Zeichen aus dem Sluge der 
Vögel u. f w. Da nahm man zur heiligen Schrift die Zuflucht und 
weisfagte aus den zufällig aufgefehlagenen Stellen. Die Stillen im Lande 
üben noch heute Diefen Brauch. Strenge beftrafte die Rirche das 
Wettermacyen oder die Zaubermittel für die Brankheiten von Menfcy 
und Dieb; die gleichen Wiittel dienen nody heute. Befonders das Weib 
galt der Kirche als das Gefäß alter Bosheit, ihm fdyrieb man sauberifche 
Gewalt zu. In der Thar haben die Frauen die alten Sitten säber 
bewabrt als die Männer, ihr Bemüt ift fr den Aberglauben empfänglicher. 
Schwer haben fie diefe Zigenfehaft fpärer büßen müffen. Durch Zauber» 
wänte und allerlei nidyr gerade appetitliche Wiittel wußten fie fich 
beftändige Liebe zu fihern. Beim Yeben raunsen fie beidnifcye Sprüche. 
Sie waren "eilfpenderinnen und verftanden fi) auf die volksrümlicye 
Seilfunde; fie fammelten beilträftige Bräurer unter leifen Befchwörungen. 
Die Mutter lege das fieberfrante Rind auf den „erd oder das Dach; 
der Vater Erodh, um ihm zu belfen, durd) ein Erdloch, das er dann 


256 12. Rapiel 


mit Dornen verfehlof. lan band fü Amulere um, die mit beidnifchen 
Kımen oder auch mic chriftlichen Schriftftellen befchrieben waren. Auch 
im Torenfultus lebte, wie wir wiffen, das Alcheidnifche for. 

Der Kirche gelang es nicht, die acht des Aberglaubens zu brechen; 
er lebt zum Teil noch bis auf den heutigen Tag fort. Wehr Erfolg harte 
fie dagegen mir ihren Beftrebungen, das Volk auf eine böbere firtliche 
Stufe zu heben. Das Mittel dazu war die Seelforge und die Bufzucht. 
In den altcbeiftlichen Gemeinden wurde der Yladpdruct auf die fieliche 
Reinbeit eines jeden Ebriften gelegt, und die Bemeinde Eonnte einen 
Sünder von der Bemeinfbaft ausfchließen. Die altchriftliche Bußzucht 
war jedoch in den Wirren des 7. Jahrhunderte außer Gebrauch gefommen. 
Racl der Brofe bemühte fich, fie wieder einzuführen. Als Grundfag 
galt, daß Sffentlidye Sünden audy Sffentlich gebüft werden mußten. 
Seüber hatte die Rirchenbuße den Charakter der Bemeindesucht gehabt, 
jene diente fie zur Verfebärfung der ftaatlich verhängeen Strafe, denn 
der Verbrecher wurde einmal zur Zahlung des Webrgeldes und dann zur 
Zeiftung der Riechenbuße verurteilt, er wurde alfo doppelt beftraft, was 
den Widerwillen der Bevölkerung erregee. Wan füchte fich auf 
andere WVeife zu helfen, indem man fid bemübre, die Beichte zu einem 
allgemeinen Inftitut zu machen. Licht mur die Wiönche, fondern jeder: 
mann, Wann und Srau, Tung und Alt, follte beichten. Die Sorm der 
Beichthendlung war einfach: fie begann mit einem Geber deo Prieftere 
und des Beichttindes, dann legte Ienteres das Stndenbefennmis ab, cs 
mußte das Glaubenobefenntnis fprechen, denen vergeben, die an ihm 
gefündige haben, und Befferung geloben. Darauf beftimmte der Priefter 
die Bußzeit, berere dann die fieben Bußpfalmen, und fchließlich abfolwierte 
er den Bhißer. She die Beftimmung der Bußzeit benugre man die feir 
Rolumba in der fränkifdyen Kirche verbreiteten Bußbücher. Ihrer gab 
es eine ganze Wenge von unbekannten Autoren, und das Schlimme war, 
daß die Bußanfäge nicht Üübereinftimmten. Im Laufe des 9. ahr: 
hunderte fegte fich) die Sitte der Beichte feft. Yleben der Predige war 
fie, wie gefagt, ein “auptmittel der feelforgerifchen Linwirtung des 
Priefters auf die Bemeindeglieder. Der Pfärrer lud bei Beginn der 
Saftenzeit zur Beichte ein. Während aber früher der Beichtende fein 
Sündenbetennmis frei abgelegt hatte, nur zuweilen durch Scagen des 
Pfarrers unterftlgt, fo war jene im 9. Jahrhundert die Srageftellung 
des Pricfters die “anptfache; fir jede gebeichtere Sünde wurde eine 


Die Hicclichen Ordnungen Bifihof Burchards. 257 


‚Seift als Bußzeit beftimm, und während diefer Bußzeit war der Sünder 
zu gewiffen Bußleiftungen verpflichter. Zn Deuefebland bedienee man 
Nic der deuefchen Sprache, Sündenbefennmis, Abfolurion, Glaube und 
Vaterunfer wurden deucfich gefprochen”). Wlan hat fehon damals das 
Bedenktiche diefer Beichre nicht verkannt: das Kindringen in die inrimften 
Geheimniffe des Lebens, die Gefahr, daß durch die Fragen nach Stnden 
Wandyer zur Begehung der Sünde gereist werde u. f. w. Die Parifer 
Synode vom Tahre 829 legte es den Prieftern ans Zerz, daß fie in 
verftändiger Weife nach den Sünden forfehen follten. Allein die Miehr- 
zahl der Priefter ftand geiftig und firlid) nicht hoch genug, um eine 
folche vernünftige Forderung erfüllen zu Eönnen; fie hielten jich eben an 
die Bufibücher. Von diefen aber wollte die erwähnte Parifer Synode freilich 
nichte wiffen; fie verlangte von den Bifchöfen, daß diefe ihre Rleriter 
über das fanonifche Wa der Buße unterrichten föllten. Doch diefe 
fanonifden Beftimmungen waren in einer Wlenge von Synodal: 
befehlüffen und Väterftellen zerftreut. ine Sammlung diefer Stellen 
oder ein aus anerkannten Quellen zufammengeftelltes Bußbud wäre alfo 
böchft notwendig oder ermünftht gewefen. ron verfchiedener Anldufe 
Bam eo nicht dazu. $Ee entftanden neue Sammlungen, die nicht beffer 
waren als die alten. Die Verwirrung wurde immer größer. 

Die Art, wie diefe Rirchensucht gelbe würde, wirkte geradesu 
fbldlich. Der Pfarrer wurde zum Richter, und man geroöhnte fich an 
die Vorftellung, die Bußleiftung als Genugebuung für das Unreche zu 
berrachten. Wlan Teiftere alfo die Buße, behielt aber zum Beifpiel das mir 
Unrecht erworbene But, oder. man erfegte die Pönitenz durch Beld- 
sahlung, ja fogar, man lief fle durch einen Dritten ableiften. Die Straf: 
gewwalt des Bifchofe ergänzte die Bußgewalt des Priefters. Alle Jahre 
follte der Bifchof feine Diöcefe vificieren. hm ging der Archipresbyrer 
oder Archidiston voraus, verfammelte in einer Bemeinde das Volk, ver: 
tindigee die Ankunft des Bifdofs und Iud alle bei Strafe der 
£rfommunifation ein, vor dem Bifchof zu erfeheinen. Die geringeren 
Sachen erledigte er mit dem Örtepfarrer, die wichtigeren waren dem 
Sendgericht des Bifchofe vorbehalten. Der Bifchof forderte das Volk 
beim ide auf, Seugnis fiber die Priefter abzulegen, und diefe hatten dann 
über den Zuftand der Bemeinde zu berichten. Darauf biele der Bifchof 
Gericht. Am Ende des 9. Tahrhunderes Bam das nftitur der Send: 
zugen auf"). 


5. Bean, Die Aue er ehrt 





258 12. Bapisel, 


Das Sendgeriche wurde im Io. Jahrhundert folgendermaßen ge: 
halten: Der Bifchof eröffnete die Verhandlungen mie einer Anfprache an 
das Volß und berief dann aus der Wlitte der Bemeinde jieben an: 
‚gefehene Wärmer als Sendzeugen. Auf die Reliquien fdyvouren fie, alles, 
was in der Pfarrei gegen Bort und das Chriftenrum gefehehen fei, ohne 
Surchr und Bunft zu fagen. Der Bifcpof forfähte fie dann über die 
Verbrechen wider das Leben, die Ehe, den DBefiz, die Öffentliche Treue, 
über heidnifcyen Aberglauben und Ungeborfam gegen die Einrichrungen 
der Rirche und ihre Diener aus. Vice der Rläger hatte feine Anklage 
zu beweifen, fondern der Angeklagte mußte feine Unfchuld darchun und 
war, war er ein Sreier, durch den $Eid, war er ein Unfreier, Durdy das 
Gortesgericht. Bemeinfam mit den Prieftern fand der Bifdyof das 
Urreil. Der Seblbare wurde zu Öffentlicher Buße verurteilt. Unterwarf 
er fih) dem Urreil des Sendgeridytes nicht, fo verfiel er nach der dritten 
Mahnung der Erfommunitarion. Vor verfammelter Gemeinde bielt der 
Bifdyof, umgeben von zwSlf Priefteen, welche brennende Sackeln in der 
Sand trugen, eine Anfpracdhe, worin er die Pflicht, tote Glieder vom 
Leibe der Rirdhe zu fondern, betonte. Darauf fprach er, während die 
Priefter die Berzen zu Boden warfen und ausläfdhren, den Bannfluch 
fiber den Ungehorfamen aus: er fähieb ihn won der heiligen Kirche und 
jeder Gemeinfjaft der Chriften für Zeit und KEwoigkeit. Verflucht foll 
er fein in der Stade und verfluchr auf dem Lande; verflucht fein $Ein: 
gang und verfluche fein Ausgang. Bein Ebrift foll ihn grüßen, fein 
Priefter ihm die Wieffe Iefen, niemand mit im Verkehr oder Bemein. 
febaft pflegen, es fei denn, daf er umkchre und Buße tue. 

&> ift die Seelforge völlig in das Bericht umgefchlagen, und die 
Rirche hat fic) durch ihre Gerichrogeiwalt oft genug die Bemliter entfrember. 
Aber diefe Fortbildung der Kirchenzucht war desbalb möglich, ja 
notwendig, weil die fiaatliche Gewalt ihre Aufgaben nur ungenügend 
löfte. Die Rirche war eben noch immer ein weit ftärkerer Saßtor der Rulrur 
als der Staat. Diefer Eimmerte fi) um die Verbrechen wenig. Jeder 
Sreie fehaffte fich durd) Selbfthitfe Benugehuung, und mit ihm vereine feine 
Samilie und Sippe. Die faatliche Befengebung regelte Iediglich die Sorm 
diefes Bampfes, gab die Bedingungen an, unter denen fich der Verbrecher 
von der Rache des Verlegten befreien Eonnte. Das gefchah durch Geld: 
sahlung, je nach der Arc und Bröße der Wiffechar. Das Verbrechen fand 
bier Beine Sühne, und eben deshalb mußte die Rirche ergänzend eintreten. 


Die Fieclichen Ordmungen Bifthof Burcbarde. 259 


Die weltliche und geiftliche Befengebung Barle des Großen 
umfpannte alle Gebiete des öffentlichen Lebens. Sie erftrechte fi auf 
die Gerichte: und “eezesverfaffung, auf die Eirchliche Drganifation, aber 
auch auf das Unterrichrewefen und die Landiwirrfchaft. Seit dem 
allgemein einreifenden Derfall verlor die Gefengebung ihre Bedeutung. 
Die Laien lernten nicht mehr Iefen und fehreiben, für fie hatte alfo 
die fehriftliche Befengebung feinen Wert. Aber auch mit der Bildung 
des Mierus fand es febr fcblimm. Eben deswegen verlangte Wipo, 
der Biograph Ronrads II., die Wiederberfiellung des allgemeinen Schul: 
unrerrichtee, um den Befegen wieder allgemeine Geltung zu verfchaffen. 
Auch die Bicchliche Disziplin hatte fich gelocerr. Die niedere Beiftlichkeit 
füchte, geftlige auf jene beircifihen und irifchen Pönitenziatblcher, ihre 
Autorität in der Bemeinde zu wahren; aber forohl die Verfchiedenheir 
diefer Bußordnumgen als auch der Umftand, da diefe Buforbnungen 
nidye mehr mit den Zeitverbäfmiffen im Zintlang fianden, erzeugte eine 
allgemeine Verwirrung und Unficherheit. Berade dies beroog den Bifchof 
Burchard von Wsrme, diefer Verwirrung dich eine neue Sammlung 
der Bußordmungen umd der Eirdjlichen Vorfchriften ein Ende zu 
machen. Zunächyft war er darauf bedacht, für feine bifchöfliche Gewalt 
eine würdige Stätte zu febaffen, gemäß der Jorderung der Kirche, daß 
ein Bifebof nur in einer größeren Stadt refidieren folle. Darum fuchre 
er den ftädtifchen Verkehr zu heben, die Rechtoficherheit wieber berzuftellen, 
dur Bauen aller Arc die Stadt zu verfhönern und in feiner and 
alle Bewalt zu vereinigen. $E6 war gewiffermaßen eine Reaktion gegen 
die durch die Bermanen zum Sieg gebrachte Vorberrfchaft des platten 
Landes; der Stadt wollte er wieder Die ihr geblihrende Stellung verfhaffen. 

Der Bifcof follee für die geiftlichen wie für die weltlichen 
Kinwobner der Diöcefen der wirkliche WMitrelpuntt fein und die Rathedral« 
tirche gleichfam der böchfte Rontrollbof. Am erften Saftenfonntag und 
am Gründonnersrag harten fidh die Sffenclich Büßenden des Bisrums 
mit ihren Detanen und Presbyrern in dem Dom zu beftimmren geiftlichen 
Uebungen vor dem Bifcyof und feinem Rlerus einzufinden. Burchard 
verlangte noch mehr. Alle ermachfenen Chriften der Dibcefe follten die 
drei hoben Sefte am Sine des Bifchofs mit ihren Pfarren begeben. 
Alles durfte nur mir inwilligung des Bifchofs gefcheben, fo die 
Gründung neuer Kirchen, die Weibung neuer Altdre, die Verehrung 
neuer Feiligen u. [. w. Diefem Zwecke diente eben fein neues Bußbuch, 


280 12. Bapil 


Die alten Pönitiatblicher waren auf die Schwächen und Lafter 
einer den Deurfchen fremden Bildung berechner getvefen und darum bei 
ihnen wirkungslos. Burchard ging darauf aus, nicht nur die Thärigkeic 
der Geifilichen neu zu ordnen, fondern auch durch Berlichfichrigung der 
wirklichen Verhäteniffe wirkfem zu machen. Er biele den Brundfaz 
aufrecht, daß für ein Öffentliches Verbrechen eine Öffentliche Bufie 
gehöre. Die Büfenden follten in Sad und Afche vor ibrem Bifdof 
in feiner Barhedrale erfcheinen. Dem Büßer wird nach Vollendung der 
Buße der weltliche Mriegsdienft verboten. Das ganze Öffentliche und 
Private Leben füchte die neu reformieree Kirche zu umfaffen und auch 
den Vornehmen und Mächtigen ihrer Disziplin zu unterwerfen. 

Die von Burchard veranftaltete Sammlung: Deeretorum libri XX. 
fälle in die Jahre Io12—1023. Das Werk ift dem Wormfer Dom- 
propft Brumicho gewidmet, der neben Walter, Bifchof von Speier, und 
Olbert, dem Lehrer Burcharde, Wiitarbeiter war. Den Hauptinhalt des 
Wertes bilden die Bußvorfibriften; das XIX. Buch, der fogenannte 
Corrector et Medicus, bat einen eigenrünmlichen Charakter; denn während 
die andern Blcher aus Älteren Bußbüchern Eompiliert find, febeine 
Burchard bier direkt aus dem Volksleben gefchöpft zu baben. Die 
Ueberrefte heidnifchen Aberglaubens zu bekämpfen, war ein Sauprzwedh 
diefes Buches. Ein anderer Teil feines Werkes enchäle Beftimmungen 
über die Rirchenverfaffung, alfo fiber den Bifchof, feine Wahl, die 
verfchiedenen GBebiere feiner Thdeigteit u. f. w., das Verbältmis des 
Bifchofs zur Beiftlichtei und zu den weltlichen Bewalten, den Riedyen- 
dienft, die Lehre u. [. m.) 

Eine Beform des Birchlichen Lebens wollte Burchard anbahnen 
und zugleich den gegenwärtigen Rechtesuftand mir den früheren Rechro« 
vorfehriften in Uebereinftiimmung bringen. In biefem Sinne bar 
er sum Deifpiel die Bapitularien Borrigiert und alle Stellen, wo bei 
feinem Vorgänger Regine die weltlichen Gewalten (die WIN) erwähne 
werden, getilgt. Dann fuchte er die bifchöfliche lacht gegenüber den 
Riöftern zu erböben. Er berübrte fich mit ähnlichen Tendenzen der 
Korbringifchen Bifcyöfe””). Weil die Wönche frommer waren, als die 
Weltgeiftlichen, genoffen fie beim Volke ein größeres Anfehen. Darum 
füchte Burchard nun audy die Weltgeiftlichfeit möndyifcher Zucht zu 
unterwerfen. Das auptlafter war die Völlerei im Zifen und Trinken, 
und Überdies gab fich der geiftliche Stand gefchlechtlichen Ausfchweifungen 


Die Hirclicden Ordnungen Bifchof Burcbards. 261 


bin. Viele drängten fich zu diefem Stande obne flerlichen Beruf, denn 
er genäbrte nicht nur Anfeben, fondern audy ein gutes Auskommen 
obme große Arbeit. Da gab es Mieriker, die „handel: und Wrcher- 
gefchäfte wieben, die mit Zunden und Salten jagten, Srauen und Rinder 
batten. Verordnungen wurden nomwendig gegen folce, welche die 
Schenten befuchten und dort bie Wlirternadht weilten; andere taumelten 
bei der Derrichtung ihres Amtes in der Rirdye vor Trunfenheit. Gegen 
diefe Ausfehweifungen haben zuerft die Winde ihre eifernde Stimme 
erboben und fehließlich haben Staat und Kirche zufammengewirkt, um 
eine Befferung des geiftlichen Standes zu erzielen. Das wurde baducd) 
erreicht, daß man ihn aus der biirgerlichen Befellfchaft auofcyied und 
ihm eine gemeinfame Regel der Disziplin auferlegte. $Es entwickelte fich 
der Begriff der Banonifchen Regel”). 

Im Capitulare Aquisgranense vom jahre 802 twird das, was 
‚man von foldhen, die das Eanonifche Leben führen, verlangte, aufgezählt: 
Geftattet ihnen nicht, aus den Thlren berauszutreten, fondern laßt fie 
in einem volltommenen Bewabrfam leben; nicht follen fie fehmunigem 
Gewinn ergeben fein, nicht unkeufch, Beine Diebe, Mörder, Räuber, 
Seeeirflchtige, Zornige, Aufgeblafene, Truntenbolde, fondern Beufch im 
Gerzen und am Leibe, demitig, befdbeiden, nldhtern, freundlich, fanft: 
müig, Söhne Gottes, die des heiligen Standes, zu dem fie erhoben 
wurden, würdig find, und die nicht ein Leben der Schwelgerei oder 
Unteufchbeit oder anderer Arten von Laftern auf den Dörfern oder in 
den bei Rirchen. gelegenen „äufern führen, ohne Bontrolle der Disziplin. 

Diefe Gorderung mußte öfters wiederholt werden. Die Kirche 
verlange, daß in den Geädten der Bifdof und fein Rierus und auf 
den Dörfern der Oberpresbyter und der jüngere Rlerus zufammen unter 
einem Dadhe, und zwar nad) einer gemeinfamen Kegel, wohnen follten. 
Ehrodegang, Bifdyof von Wien, der dem Blöfterlichen Leben fehr geneigt 
war, hatte die Wöndyoregel des heiligen Benedikt fo umgerwanbelt, daß 
fie den Bedingungen des Bleritalen Lebens an Stelle des möndhifchen 
enefprady. Ludwig der Sromme nahm 816 auf der Synode zu 
Aadyen diefe Kegel an, mit einigen Wodifitationen, und er wolnfchte, 
da} ihre Beachtung allgemein fei. Das Blerushaus follte nur eine Thhr 
zum Sin. und Ausgang baben, einen Schlafraum, ein Befecrorium ıc. 
Speife und Trank follte jeder Bruber in vorgefchriebenen Portionen 
erhalten, &rmere aud) die Mleidung. Durch diefe Inftitution wurde 





282 12. Bapirel. 


in der Tat die Sitelichteit des geiftlihen Standeo gehoben und das religiöfe 
Leben vertieft. Die Tages: und Yladrftunden wurden nun eingeteilt”); 
dem Gebet und der Lektüre war ein großer Zeitraum gewidmet. 
Siebenmal in 24 Stunden wurden bie Beiftlichen zum Geber und zur 
Pfalmenesitation aufgerufen. Man unterfchied das Officium nocturnum, 
beftehend aus der Warurin nebft den dazu gebörigen YIocrurnen, umd das 
Officium diurnum: prima, tertia, sexta, nona, vespera und completorium. 
Die MWarurin fiel in das 3. Viertel der Yacht, die Prime in die Zeit des 
Sonnenaufgangs, die Tertia in die Wirte des Vormittags, die Serra 
war am Mittag, die Yon am Vlachmirrag, die Vesper eine Stunde 
vor Sonnenuntergang, und mit dem Complerorium fehloß der Tag. 
Alle diefe fieben /oren wurden dur Blockenfdyläge angezeigt, und auch 
das bfirgerliche Leben vegelte fid nach diefer Einteilung des Tages, fo 
lange, bis die Stundenfehlaguhren auffamen. 

Die Rleriker Eamen täglich zur Geier der Wieffe zufammen und 
ebenfo eÄglich zur Lekrhre eines biblifchyen Abfchnirtes oder der Banonifcben 
Regeln, von Traktaten oder Zomilien. Dadurd) wurde der Unwiffenbeit 
des Rlerus gefteuert. Die Älteren Rleriter harten die Pflicht, die jüngeren 
zu unterridpten. Am Domftift wurde ein befonderer Beamter, ber 
Scolafticus, mit der Ueberwachung des Unterrichts berraut. Schon 
vor Burchard gab es in Worms eine Schule; ihr follen unter 
anderen als Schliler Bruno, der Sohn Brtos von Worms, der fpärere 
Papft Gregor V., umd seribert, Hrzbifchof von Böln, angehört haben. 
Unter Burcyard gewann fie neue Blüte). Karl der Große batte den 
Verfudy gemacht, den Schulswang für das ganze Volf durchzuführen. 
Diefer Verfuch fcheiterte, aber die Pfarrfchulen erhielten fich da und dort, 
und Burcyard von Worms erinnerte in feiner Dekrerenfommlung die 
Pfarrer ausdrücklich an ihre Pflicht, Schule zu halten und die Gemeinde 
mitglieder zu veranlaffen, daß fie ihre Söhne in die Schule fehicen“"). 
Zugleidh erneuerte er die Barolingifcen Vorfchriften Über die Bildung der 
Beiftlichen. Bein lliteratus Darf zu den YVeben zugelaffen werben, 
fondern jeder muß das tießbuch, die Peritopen, den Taufritus, die 
Rircyengeitrechnung, die Bußordnung, den Pfalter und die “omilien 
für die Sonn: und Sefttage vollftändig inne baben. Wer das nicht 
wiffe, verdiene nicht den Kamen eines Priefters und folle von feinem 
Amte entferne werben. Auch forderte er von jedem Pfarrer die Rennnis 
der für fein Amr nörigen Ranones, und jeder, der die höheren Weihen 


Die Fielichen Ordnungen Bifbof Burdards. 283 


befine, fol in den Eischlichen Befegen wohl bewanbert fein“). Burchard 
ließ es aber nicht blos bei Vorfchriften bewenden, er war felbft feinen 
Schülern ein getreuer Lehrer, fab ihre fchriftlichen Arbeiten durch und 
korrigierte fie felbft. „Strenge achtere er darauf”, erzähle der Anonymus, 
„daß ihm tägtich ein Jeder nach dem Yfafe feiner Sähigkeit auffagte und 
vorzeitte, was er gelernt und fähriftlich gearbeiter harte. Weil fie alle 
von feiner Liebe zum Studium, feiner Schrifttennmis und von der Sülle 
feines Wiffens überzeugt waren, trugen fie au Bein Bedenken, ihre 
ausgearbeiteten Reden, Briefe und verfchiedene gelehrte Unterfuchungen 
ihm vorzulegen. &6 war einer unter ihnen, der unter anderen auch 
Thefen über das Saften des Mofes und faias aufgeftellt harte und fie 
ibm bei paffender Gelegenheit tiberreichte. Schon nach drei Tagen 
erhielt er die Arbeit mit Morrefturen verfeben wieder zuchc"®). Die 
Wormfer Brieffammlung giebt uns Über den Geift diefer lange Zeit 
biäihenden Domfchule den beften Einblid"). 

Der Bifchof war das wirkliche Jaupt des Alerus. An der gemein- 
fehaftlichen Tafel führte er den Vorfig, er wies den einzelnen Beiftlicyen 
ihre Suntrionen zu, verteilte die Stipendien und Rleidungsftücke und 
wachte über die Disziplin. Auf den Bifcof folge im Nange der 
Archibiaton. Die Wleriter führten ein mönchifhes Leben, aber im 
Unterfehied von den Mönchen brauchten fie das Belibde der Armut 
nicht abzulegen, fondern onnten igentum erwerben und fich ein 
Vermögen fammeln“®). 

Urfprämglic) verfügte der Bifchof frei und unbefchräntt über das 
Einkommen und Vermögen der Kirche. Dann bildete fi) der Braudy 
aus, daß der Bifchof das Kinkommen in drei Teile fdhied, von welchen 
ein Teil ihm, ein zweiter dem Rlerus und ein dritter den Armen zu gute 
Bommen follte. Immer waren aber die Bifcyöfe zu Lebergriffen geneigt, 
und die Klagen Üiber ihre Habfucht hörten niche auf. Um der Willkür 
des Bifdofs vorzubeugen, wurden die verfchiedenen Teile feftgelegt. 
Unter den Einfluß der Bigenkirchenidee wurde das frühere Zenrralifarions: 
fpftem befeicige, und man fehied nun das arhedralgur in bifähöfliches 
Tafelgut und in Rapitelqur. Das Bifchofsbaus, das früher zugleich 
als Wohnung der leriter, als Spital und “erberge gedient hatte, 
wurde nun die bifchöfliche Aefidens, und von ihm gerrenne, doch in 
unmittelbarer Wlachbarfchaft, ftand das Rlofterhaus der anoniter und 
das "pofpital. infolge der Scheidung und der Ausftatrung der Mleriter 


264 32. Bapitel, 


mit eigenem Vermögen erhielten fie einen Eorporativen Charakter, und in 
weiterer Solge erlangten fie eine faft völlige Unabhängigkeit vom Bifchof 
und eine bevorzugte Stellung vor dem übrigen lerus der Dissefe. 
Während früber der Bifchof nach Belieben die Zahl feiner Rlerifer 
vermebren Bonnte, machten die Ranoniter oder Domberren, feirdem fie 
eine Vermögenskorporation waren, die Zuleffung eines neuen WMicgliedes 
von ihrer Zuftimmung abhängig. Die weitere Entwickelung ging dabin, 
daß man das Rapitelgut in eine Anzahl von Kintommenquoten oder 
Pfründen gerlegre‘®). Die Domberren gaben das gemeinfame Leben auf, 
indem forran jeder in einem eitrenen <aufe Tebre, und nur jährlich einmal 
fpeiften fie gemeinfam. 

Aud) die Organifarion des Domkapitels bildere fi) nun aus. Laur 
der Megel Ehrodegangs war der Ardhidiaton der Reprffenane des 
Bifchofs; nach den Beftimmungen der Aachener Synode hieß das aupr 
des Rlerusbaufes Präpofinns oder Propft. Den Vorfig beim GBottesdienft 
führre der Archipresbpter oder Dekan. Zieifcben Propft und Dekan 
eneftanden häufig Rang: und Romperensftreitigkeiten. ihnen reihte fich 
im Range der Kantor an, welcher in früherer Zeit unter dem Llamen 
Primicerius Die Aufficht über Die niederen Grade des Alerus (Subdiakonen, 
Abolyeben und Lektoren) hatte. Auf den Rantor folgte der Scholafticus 
ober Schulbere. Zr ernannte einen Behilfen, den rector scholarum oder 
magister scholarum‘“). Der Euftos oder Sacrifta hatte die Aufficht 
über den Rircpenbienft und der Thefaurarius die Auffichr über die 
beiligen Berdte und Lichter. Die Benannten waren die eigentlichen 
Würdenträger oder Prälaten. Die Übrigen Ranoniter unterfchieden fich 
in alte und junge. 

Urfprünglich befaß die ganze Bemeinde das Wahlrecht. Zunächft 
am es zu einer Unterfeheidung von Stadt: und Landgeiftlichteit. Leicht 
erflärlich ift es, daß die, welche fortwährend um den Bifcyof waren, 
einen bedeutenderen Einfluß erhielten, ale die Landgeiftlichen. Die 
erfteren bildeten das beftändige Concilium des Bifcpofs, während die 
Landgeiftlichen nur alle Jahre ein oder zweimal in die Stadt famen. 
Zufammen mit der Stadtgeiftlichleit bilderen fie die große Synode. 
Diefe Synode fente fidh aus den verfchiedenen Elementen böberer und 
niederer Mleriter und Laien zufammen, und fie flellte in der Theorie das 
vor, was früher die erften organifierten chriftlichen Gemeinden gewefen 
waren. Bis zum 13. Jahrhundert batte fie weitreichende Rompetenzen, 


ie Firclichen Ordnungen Bifebof Durcarbe, 285 


dann fant fie zur Bedeurungslofigteit hinab. An der Wabl des Bifchofe 
nahmen Rierus und Laien teil, ümd in der Theorie blieb ihnen diefes 
Recht gewahrt, wenn auch in der Praris der Rönig und feir dem 
33. Jahrhundert der Papft in den meiften Sällen den Bifcof ernannte. 
Aber audy dann, wenn die Wahl freiftand, fo übten felbffverftändlic) 
die Vornebmften der Geiftlichen in der Stadt und der Laien einen maß: 
gebenden Einfluß auf die Wahl. Lady dem Wormfer Rontordat wurde 
das Laienelement mebr und mebr zurhcfgedrängt, und fehließlich erhielt 
im 13. Jahrhundere das Domkapitel das ausfebließliche Wablrecht‘”). 

Aufer dem Domkapitel gab es jedoch in der Stabt noch andere 
Hleritale Morporationen, die in Elöfterlicber Bemeinfchaft lebten, ohne 
doch das Gellibde der Armut abgelege zu haben. Das find die Rollegiar: 
kirchen oder Stifte. Auch ihr Zaupt war der Bifchof, aber er wurde 
durch den Präpofinus oder Propft vertreten. Ihre Enwidelung und 
Organifarion war der des Domfapitels analog") 

Die Vermehrung der Rlerierhäufer führte zu einer fehdrferen 
Unterfeheidung des Mlerus von den Laien“). fan verlangte von dem 
Rleriter, daß er eine von den Laien verfehiedene Tracht trage. Diefe 
Tracht wer die römifche, nämlich die mir weiter Rapuze verfehene Robe 
des römifchen Provinzialen. Die Rapitularien verbieten wiederholt den 
Rleritern das Tragen von Laienkleidern. Ebenfo wurde mit großem 
YVlachdruc® die Tdee der Heiligkeit deo Kirchengebäudes und des Altaro 
betont und verboten, an anderen Orten als an den geweibten Stätten Wieffe 
zu feiern. Diefe zunebmende Vorftellung von einer befonderen Seiligkeit der 
Rirdye und des Altars führte zu einer Scheidung von Rlerus und Laien 
in den Ritcyen. Zn der alten Kirche hatten die Laien freien Zuteier 
zum Altar. Yun feir dem 8. Tahrbundere Eamen zwei einfLhneidende 
Aenderungen auf, indem den Laien der Zugang zum Altar und der 
Zugang zum Cbor verfehloffen wurde. Die Lehre von der Trans: 
fubftantiarion verbreitere Das Beflibl einer heiligen Scheu gegenüber den 
Tonfefrierenden Zlementen, die ungeweihte Perfonen davon ferne hielt, 
id) ihnen zu nähern. Zauptfäclich wirkte auf die Trennung des Rlerus 
von den Laien die Ausbildung des Banonifchen Spftems ein. Denn 
häufig hielten die Ranoniter Botteedienft, an dem nur der Alerus fich 
bereiligte. Da nun der Mlerus fid) vermehrte, bedurfte er auch mehr 
Raum für fich; die Folge diefes Bedirfniffes war eine veränderte 
Dispofirion der baulichen Anlage der Kirche. Der Chor und das Dir: 


1.00, Die tue er seiten Bu I “ 


286 12. Bapite. 


(ebiff wurden nun verlänger. Der Bifchof batte in der Rarhedraltirche 
feinen Sin in der Apfis. Bei feiner bäufigen Abwefenbeit blieb fein 
Sig leer, und er durfte auch niche vom “aupre des Rleriterbaufes, dem 
Präpofitus, eingenommen werden. Sür diefen wourde der Ebrenfig am 
Eingang zu dem verlängerten Chor aufgeftelle und für die Ranoniter 
Sigreihen längft den Seitenmauern des Ebors angebracht, die Ehorftühle. 
Den Chor felbft, der ausfchlieflich vom Alerus benunt wurde, fehlofe, 
man durch ein Alrargeländer von der Übrigen Rirche ab. Der Altar 
blieb an feiner bisherigen Stelle außerhalb des Geländers, und für den 
Rlerus wurde in der Apfis ein neuer Altar errichter. Später fiel dann 
der Laienalrar ganz weg. Zum Scune gegen die Rälte führte man 
zuweilen fteinerne dauern um den inneren Chor auf, und fo eneftand 
eine Rirche innerhalb der Rirche, von Wauern umfebloffen, nur durch 
ein gewöbnlich verfebloffenes Gitter zu betreten umd in der Regel nur 
für foldye zugänglich, die eine befondere Tracht trugen”). 

Denn die Ranoniter unterfebieden fih vom übrigen Mlerus durd) 
die Tracht. Die Räte befimpfte man im Wiirrelalrer weniger durch 
tünftliche Erwärmung der Gebäude, als durch warme Rleider. Tedermann 
trug Pelze, auch die Rleriter und Mönche. YTum durfte aber der Mönch 
feine Leinwand ragen, fondern blos feine Wollturre; der Ranoniter 
hingegen z0g ein leinenes Yemd Über den Pelseoch und unterfchied fich 
dadurch vom Mönch. Diefes Gemd hieß das Chorhemd, und es wurde 
von allen denen gerragen, welche berechtigt waren, den Chor zu berreten. 

Bifebof Burchard verlangte von feinen Mieritern ein  fierlich 
möndhifches Leben, und fein eigener Lebenswandel wirkte als belebendes 
Beifpiel. Die Kirchen follten wirdige Stätten der Verehrung Gottes 
fein. Darum war er allegeit bemüht, die vorbandenen Kirchen zu 
verfehönern und neue zu bauen. “auptfächlic lag ihm der Dombau 
am sergen. Schon in römifcher Zeit gab es zu Worms eine den 
Apofielfürften Perer und Paul geweihte Bifcbofsticche”). Db in 
fränkifcher Zeit ein Yleubau ftarrgefunden bat, miffen wir nicht. 
872 fehlug der Big in den Dom, fo daß die Mauern faft zufammen: 
ftörzeen. Der Biograpb Burchards erzähle, daß er, weil die Rirdhe 
des beiligen Pereus zu Elein gewefen fei, fie abbrechen ließ und den 
Grund legte zu einer neuen Kirche von wunderbarer Bröfe. Schon 
in zwei Jahren fei der Bau faft zur Vollendung gedieben, fo daf das 
Bortesbaus nicht nad) und nach, fondern wie dui in Wunder plöglich 








Die fechlichen Ordnungen Bifchof Burcharde. 267 


entftanden zu fein febien. Als Raifer Seinrich II. 1018 nach Burgund 
308, Fam er im Juni nad) Worms. Da er den Dom faft vollender 
fab, bar er den Bifchof‘ dringend, daß er ihn in feiner Gegenwart 
weibe. Ye mit Widerfizeben fügte fid Burchard dem Wunfche des 
Raifers. Ylacdem der Baufcpurt weggerFumt worden war, weihte er 
die Rirche am 9. Juni”) in Gegenwart des Raifers und vieler Bifchöfe 
und unter großen Seierlichteiten des Alerus und des Volkes ein. Doc) 
fon nad) zwei Jahren flirzre die Weftfeire zufammen, worliber der 
Wann Gottes fehr erfchrat. Seine Schliler tröfteren ibn mit den 
Troftfprüchen, die er fie felbft gelehre hatte. Darauf heilte fich die 
traurige YWiene des Bifchofe auf, und er dankte ihnen fir ihren Troft 
und ihre Zrmahnung auf das freundlichfte. Pr erzählte ihnen von einer 
Ahnung diefes Unglücs. Der Teufel fei ihm in Geftalt eines Bärtners 
erfehienen und habe ihm gedroht. in der folgenden Kracht fei dann 
der Binfturs erfolge. Wurig begann er von neuem den Bau, ließ den 
Schutt wegräumen, legte ein Fundament und führte in zwei Jahren 
einen flarten Bau auf bis zur früheren +öbe. Die Rapitelle der 
Säulen und der vieredfigen Steinpfeiler, die in der Kirche ringeum 
aufgeftellt waren, vergoldere er und fÄpmiichte die Rirche mit dem ver- 
f&iedenften Zierat. Wollen wir überhaupt diefem Bericht einigen Glauben 
beimeffen, fo Eönnen wir ihn uns nur dann verftändlid, machen, wenn 
wir uns £urz die baulichen Zuftände in Burgund und Frankreich nach 
dem geitgenöffifchen Bericht des Radulfus Blaber vergegenwärtigen""). 

In jenen Zeiten der YIormannen: und Ungarnnor ging eine große 
Anzahl von Rirchen in Slammen auf, und zudem erforderte der veränderte 
Rircendienft andere Dispofirionen des Grundriffee. Darum war am 
Ende des Jo. und Anfang des II. Jahrhunderts die Baurbärigkeir 
‚außerordentlich groß. Aber man baute fehr baftig und leichrfertig, indem 
man altes Baumaterial benuste und häufig die Ruinen der verfallenen 
Aömerftädre ausplünderte. in großer Teil der neuen Kirchen wurde 
aus Zolz gebaur, doch begann man allmählich die flachen “olsdecken 
durch Tonnengewölbe zu erfenen. Allein da jede Erfahrung in der 
Wölbekunft fehlte, fo waren damals Einftürze von Rirchen fehr häufig"). 

Audy auf dem Gebiete der Runft zeigt die Barolingifche Zeit, wie 
in allen übrigen Ausftrömungen der Aultur, ein Tanusgeficht: einerfeite 
ein Anlehnen an die Anrike, andererfeits eine freiere felbftändige Richtung”). 
{an nenne jenen Runftfil, der in der Barolingifchen Zeit zuerjt auftriee 


268 12. Bapitel. 


und bis zur Ausbildung der Borif fich erbielt, den romanifchen Stil. 
Aber nicht auf eigentlich romanifdem Boden bat diefer Stil fidh 
entwickelt, fondern auf deurfdhem Boden, zumal in den Abeinlanden und 
in ordfrankreich, der Vlormandie und England, Burgund und in der 
Lombardei, „in jenen mit germanifdhem Blure verjüngten, mit germanifcbem 
Geift und Wefen allefame, wenn auch in ungleiche Brade, durchfenten 
Gebieten“. Der romanifde Stil Bann ich an logifeher Solgerichtigkeic 
mit dem gorifehen nicht meffen; er entbehrt eigentlich eines Spftems 
und gebt vielmehr auf malerifdyen Reiz aus. Die Entwicelung diefes 
Stiles hänge aufs engfte mir der oben gefchilderten Rirchenverfaffung 
sufammen. Das Bedürfnis größerer abgerunderer Räume für den Dienft 
des. genoffenfcbafttich organiflerten Welrklerus bedingte die Bildung dee 
Grundriffes. Der Brundriß der alcchriftlichen Bafilita erweitert fich 
zur Beftale des chriftlichen Mreuzes: zwei Chöre, zwei Ouerfcbiffe, 
Erfeung der Säule durd den Pfeiler oder alternierende Abrwechfelung 
von Säule und Pfeiler, Krypten und GBlocfentürme, das find die den 
romanifchen Stil dyaratterifierenden Wiotive der fpätkarolingifchen und 
‚ortonifeben Zeit. Das fränkifche Abeinland ift die Wiege der Kreuz 
bafilika; in Sulde, Röln, “ersfeld, Werden am Abein finden fich die 
vollendeten Typen diefes Bauftils fon im 9. Jahrbundere. Die Anlage 
von Doppeldyören war durch das Bedürfnis des Rulrus bervorgerufen, 
denm die Wöndhe oder Kanoniter Eonnten nicht mebr alle in dem einen 
Ofidyor untergebrache werden. Dazu Bam der bierarchifche Zug der 
dei. Aus der Schar der igen winfebte man einen, der fich der 
Riccpe befondere wunderrhärig erwiefen harte, an die Spige zu ftellen. 
Die Reliquien des Seiligen wurden in der Brypra beigefege, und im 
Woeftcher erhob fid der Altar diefee “heiligen. Der Weftcher erhielt vor 
dem Oficher ein Uebergewicht, weshalb zuweilen nur dem Weftchor ein 
Duerfchiff angefügt wurde. So fehlte dem durch Willigifis erbauten 
und durch Bardo (1036) erneuerren Wlainzer Dom das öfttiche Duerfchiff. 
Bei der engen Sreundfepaft Burcharde mir Willigifis ift es wahrfeheinlich, 
daß die Brundeißform des Wormfer Doms der des Meiner Doms nach: 
gebilder war. Bei Gelegenheit von Ausgrabungen im Wefichor des 
Wormfer Doms im Tahre 1886 durdy Zerem Dompropft Sehr) wurde 
das undament des Burchardfeben Baus aufgededht. Der damalige 
Weftchor fchloß demnach nicht polygen, fondern halbkreisförmig. Diefer 
Woeftchor war dem heiligen Laurentius geweiht, unter deflen Altar 








Die Firlichen Ordnungen Bifchof Burards, 269 


Burcbard feine Aubeftkere fand. Teile des Burchards-Baues finden 
fieb, abgefehen von den Sundamenten der Apfis, in dem Unterbau der 
Wefirlirme. Auf den @waderfbeinen dafelbft bemerft man jenen 
ornamentierten Jammerfeblag, der auch in Straßburg, Limburg in der 
“ardt und an andern romanifchen Bauten Eonftatiere worden ift und fich 
als Sortpflanzung römifcher Tradition erweift‘”). Der Ausbau und Umbau 
des Wormfer Doms fälle in das 12. und I3. Tahrbunderr. Burchard 
erlebte die Vollendung des Doms offenbar nicht, fondern feine Krachfolger 
baben das Werk weitergeführt, freilich nicht ohne zeitweife Längere Unter 
brechungen“®). Wir Eönnen uns von dem Ausfeben des Burchards:Baucs 
nur durch das ‚ilfemittel der Analogie eine Vorfiellung machen. 
Obfchon zur Zeit der Salier die Päpfte die böchfte Machrfiufe 
erreichten, fo baben nicht fie, fondern die beurfchen Könige auf die 
Birchliche Bautunft feböpferifch eingewirft. Das Rönigrum war mir 
der deurfeben Kirche auf das innigfte verbunden. Die Bifcböfe wurden 
in der Föniglicen Ranzlei ausgebilder und blieben im intimften Verkehr 
mir dem "ofe. Sie waren die Träger der Reichseinbeit. Sie bauren 
auch im Auftrage der Rönige die Kirchen. Die Beiftlichen befaßen ein 
gewiffes allgemeines Bauverftändnis; fie ennwarfen die Pläne und leiteren 
den Bau, auch forgeen fie für die Jerbeifbaffung der materiellen Wirtel; 
aber der Architekt war in der Regel ein fachmännifch ausgebilderer Laie”) 
und die Waurer und Steinhauer Laienbandwerker, die zuweilen aus 
Gallien und der Lombardei herbeigesogen wurden. Es gab wandernde 
Bauführer, die den Dilerrantifch gebilderen geiftlichen Bauherren hilfreich 
sur Seite jtanden, aber meift in der Dunkelheit verhareren. Die technifche 
Renntnis war aud) bei ihnen niche über jeden Zweifel erhaben. Llac- 
Wffigkeiten und Ungleichheiten der Abmeffungen, mangelbafte, leichtfertige 
Jundamentierung u. f. w. verurfachten oft genug Sentungen und Ein- 
fiörse. Andererfeits wäre aber obne eine fo weit ausgebreitere pratifcbe 
Teilnahme am Baumwefen eine fo gewaltige Leifhing der Volfsphantafte, 
wie die Erfchaffung der neuen romanifchyen Sormenfpradye, niemals 
möglich geworden. Denn die Riöfter und Domftifte, was man nicht 
überfehen darf, fammelten ihre Jnfaffen aus allen Ständen, eine Auslefe 
der beften geiftigen Meäfte der Ylarion. Diefe Runft ift, febr im 
Unterfchiede von der frühchriftlichen wie von der fpäemittelalterlichen, 
fern von Routine und leerer Ronvention. So einfadh und gleichförmig 
ihre Grundelemente jind, liege in der Behandlung der einzelnen Werke 


275 12. Bapirl 


immer perfönliche Beftimmtbeit und feelifche Wärme, und man hat das 
Gefühl, daß der Priefter wie die Bemeinde fidh gleichmäßig wohl fühlten 
in diefen fehlichten, aber weihevollen R&umen®”). 

Yrod) immer bielr man im 15. Jabrhundert an dem Typus der 
tarolingifchen Bafilita feft, nur daf, wie gefagt, der Grundriß dem 
Iareinifchen Rreuze nachgebilder ift. YWlan unterfehied die reine Säulen: 
bafılifa, die reine Pfeilerbafilita und die fihgenwechfelnde Baftlita. Die 
Ssalle war mit einer flachen “olsdee eingedecht, das Dad, mit Blei 
wie in Lorfc) oder meift mit Schinden”). Die Senfter wurden durch 
Tücher oder hölzerne Läden gefchloffen. 

in gewaltiger Sorefehritr vollsog fd im IJ. Jahrhundert, indem 
man zum Bewölbebau überging. Das Grundrißfyftem der flachgedechten 
Bafllifa wurde beibehalten, aber diefe Brundrißform führte zum Areus: 
gewölbe. Die Heimat der Bewölbebafilits find die Aheinkande; bier 
lebten die römifchen Traditionen fort. Zn den Rirchen von Otrmarsbeim 
und S. Marie im Rapirol in Röln beflgen wir frühzeitige Beifpiele 
der rheinifchen VoSlbetunft. <ier und da begann man auch die Seiten: 
febiffe einzuwölben; ebenfo übte man beim Bau der Rrypten diefe Runft. 
Dann fehritr man in der Rühnften Weife zur Linwölbung der Saupt- 
febiffe. Zu gleicher Zeit verfüchte man ich in den drei großen Strom: 
ehälern des Po, der Abone und des Aheines an diefer, und zwar ganz 
unabhängig von einander. Die Rirche S. Michel in Pavis, die Rirche 
in Eluny und die Dome zu Speier und Wlains find die glänzendften 
Beifpiele der romanifcben Baukunft. Die Ausführung diefer Bauten 
fälle in eine Zeit, wo die Rirche die böchfte Machtftellung erreiche hatte. 
Aber merfwohrdig genug, der Impuls zu diefen großartigen Kirchen: 
bauten ging in Deuefchland von zwei Männern aus, die durchaus 
weltlic) gefinne waren, wie Ronrad II, oder dem Papfttum feindfelig 
gegenüberftanden, wie “einrich IV. 

Bonrad II. wählte fi die Rirche zu Speier zur Brabftäete feines 
Geflechtes, das ja in Diefer Gegend, im Worms: und im Speiergan, 
beimifch war. Der Bau begann um 1030 und fand unter “eineich III. 
um J060 feinen Abfchluß. ine Senkung des vom Aheine unterfphlten 
Ofichores gab Anlaß zu einem umfaffenden KTeubau, der unter Geinrich IV. 
durch den berühmteften Bautechniter feiner Zeit, Benno von Denabrüc, 
und feir 1097 unter der Überleitung des Eöniglichen Ranzlers ©rro 
vollendet wurde. „Weinzidy IV. befchlo den Benölbebau als den 





Die Fedlichen Ordnungen Bifebof Burdards. 2m 


böchften Ausdruc® des Mionumencalen, ımd der Bedankte ift verloctend, 
daß er damit gleihfam ein Trup-Cluny habe binftellen wollen.“ Dehio.) 
In der zweiten Zälfte des 12. Tabrhunderes unternahm man nochmals 
einen Umbau. In Wainz war der Dom eine flachgededhte Bafilika, die 
J08J verbrannt. “einrich IV. wird von feinem anonymen Biograpben 
als der Frbauer der neuen gewölbten Baftlifa gepriefen: „O Wainz, 
welche Zierde haft du verloren, da dir der Eunftreiche Wicderherfieller 
deines Wlnfters eneriffen ift! «dere er erlebt, an dein Wilnfter, das er 
begonnen hatte, nody die Iente Sand zu legen, fo wiirde diefes wahrlich 
mit dem von Speier wetteifern, das er von Brund aus erneuert, deffen 
Baumaffen und Ausfhmickung er fertig bingeftellt bat, fo daß es Über 
alle VDerte der alten Rönige des Lobes und der Bewunderung were 
if"). Vollender wurde der Mainzer Dom unter Erzbifchof Adelbert I., 
der 1137 geftorben if. Die zu fämachen Bewölbe wurden um 1200 
durch die noch jent befiehenden erfegt. m der dritten Yauperiode, von 
3200 bis 1243, wurde das weitliche Querhaus mit dem grandiofen 
Wartinschor hinzugefügt, an Stelle der uralten Wartinsticche. 

Die Dome von Wainz und Speier find yiemlid) zur gleichen Zeit 
entftanden und „beide zeigen auch, daß das Fühne Wollen dem Wiffen 
vorausgeeilt war." Sie „bezeichnen einen Wendepunkt in der deuefchen 
Baugefpichre. Pflege gemeinhin ein YTeues diefer Aer unfeheinber und 
balbbersuße nur feine erften Neuferungen zu tbun, fo tritt eo bier fogleich 
mit aller Wacht hervor. Und enwas von der hoben Stimmung, welche 
die Erbauer erfüllt haben muß, fpriche noch beute zu uns mit gebeimnis- 
voller Bewalt aus diefen wahrhaft Pöniglichen Bauten, die, ob auch im 
einzelnen noch vielfach unbebolfen und raub, im ganzen doch fo echte 
Monumenralität atmen, die von keinem Werke des jüngern verfeinerten 
Stiles wieder erreicht wird"). 

Der Bau Burchards von Worms erforberre jedenfalls im Laufe 
des II. Jahrhunderte mandye Reparaturen. Die Duellen laffen uns 
bierhber im Stidye. Burchards Ylachfolger Azecho bar die Mauririus: 
Kapelle im Rreusgange erbauc®). Bifchof Arnold baure um I055 bie 
©. Stephanstapelle‘®), weldye gegenüber dem Dom, an der Vlordfeire 
des Bifchofohofes lag; Daher beißt fie auch Capella pallacii sive aule 
Wormaeiensis. Sie feheine eine allenkicche gewefen zu fein, wie foldhe 
im 35. Jahrhundert oft gebaut weurden. Auch die S. Vlitolaustapelle 
errichtete Bifpof Arnold und weihte fie am 30. September 1058”). 


a7 12. Rapiel. 


Sie wurde im I3. Jabrhundere im gorifchpen Stile umgebaur. Wahr: 
febeinlich ift im I1. Tabrbundere auch das ZJauprfchiff des Domes ein- 
gewölbr worden. Die Einweihung fand am 6. Juni IJJO in Gegenwart 
‚önig ‚eineiche V. durdy den Erzbifchof Bruno von Trier ftar””). 
Bifdyof Bonrad II. unternahm fodann einen volltändigen YTeubau, unter 
Beibehaltung des Brundplanes Burchards. YTur die zwei Weftrürme 
wurden vom alten Bate beibebalten. Diefe neue Kirche wurde am 
2. Mai 1181 durch Bifdof Arnold von Trier, in Gegenwart der 
Bifeböfe Ronrad von Worms, Zermann von Wünfter und Ulrich von 
Speier eingeweiht”). Doch war das Langfebiff damals noch nicht 
vollender, und bis in das 13. Tabrbunderr binein wurde forrgebaur. 
Diefer legten Bauperiode im romanifchen Stile gebört die Weftpartic 
an: die Vierungstuppel und der fo überaus ftimmungsvolle Weftchor 
mit der fehönen Hofe. Leider verfübr man bei der Sundamentierung 
febr leichtfinnig, fo daß in der Solge ein Schub der Wefttuppel gegen 
den Weftchor ftatrfand; es entftanden Kiffe und Sprünge, welche den Bau 
ernftlich gefährden. Der Wormfer Dom beftehr aus einem Langfehiff und 
zwei Seitenfchiffen, dem Sftlichen Ouerfcbiff mir Ruppel, dem geradlinig 
‚abfchließenden ©fichor, dem weftlichen Duerfchiff mic Ruppel und dem 
polsgon abfchließenden Welcher. Dem oder den Baumeiftern ftand der 
Dom von Speier vor Augen. „Der Wieifter dee Speierer Domes hatte einen 
großartigen Abyehmus, ebenfo logifch Blar in feiner (pmbolifchen Besiehung 
auf das Struktive, wie fön in der linearen Proportion angefchlagen.“ 
Wie in Speier, fo ift aud) beim Dom von Worms zwifchen den Senftern 
und Arkaden ein Zmifcbengefchoß von Blendnifchen eingefdhalter. 

Ver die Erbauer des Wormfer Doms gewefen find, voiffen voir nicht. 
Aus dem Anfange des 12. Jabrbunderts wird ein Baumeifter Kanne”) 
genannt, der unter dem Bifcbof Ebbo (1090) das Jundament gelegt 
babe. Am zweiroberfin Stockwerk des füblichen Oftturmes ftebr in 
Spiegelfchrift der Yame erite””), der möglicherweife der Baumeifter 
diefes Teiles fein kann. 

An Reicheum der Skulpturwerke Eönnen fid) die rheinifchen Dome 
mit den franzöfifcyen nicht meffen. Das dekorative Element ift fogar 
febr fparfam angewendet worden. Wlan bemerkt bie und da Wufter 
von romanifchen Ornamenten, als ob der Steinmen dem Bauherrn 
babe zeigen wollen, wie man es machen folle, wenn man Geld hätte. 
Die tomanifcyen Skulpturen des Wormfer Doms gebören alle erft dem 





Die Hirclichen Ordnungen Bifchof Burchards. 23 


33. Jabrhundere an, obfhon fie zum Teil einen archaiftifihen Charakter 
tragen. n der “she der Weftwand der S. Annakapelle ift eine Skulptur 
aus rorem Sandftein befeftige: die Lönvengrube. m unteren Teile des 
Bildrwertes figt Daniel ımter einem von Säulen getragenen Bogen, auf“ 
welchem die Infehrift ftebr: 
DANIEL .IN LACV |LEONVM. 
Im anderen Bogen liegen Löten, wovon der eine dem Propberen die Jand, 
der andere das Gewand echt; andere Lörven blicten ihn drobend an. Auf’ 
dem Rücken des einen Löwen ftebt: ADELB.ME.EM. Ueber Daniel 
kommt ein Engel berbeigeflogen, der an den Zaaren den mit einem Aruge 
und einem über die rechte Schulter gebängten Brotfack beladenen Sabakut 
zu Daniel binabläßt. Sale‘) weift mit Recht auf ähnliche Darftellungen 
auf burgundifehen Gürtelblechen bin’). Das Tulisnabild befindet fid, 
am nordioeftlicben Zefpfeiler des Altarbaufes im Tnnern des Ofichores. 
Auf dem Teufel fiebt eine weibliche Sigur; lints von ihr ein Engel, der 
mit der linden sand das ‚aar des böfen Seindes packt und mir der rechten 
ein Schwert oder eine Lanze in den Machen des Ungerims zu ftoßen 
feine. Ueber dem Bild fiehen in Wiajustelfchrift die Worte: 
IV|LIAINA 
into oben: OTTO | ME| FECIT 
tete: AD|EL|BR|AHT|MO|NE|TA|RI| VS. 
Otto ift alfo der Rünftler; Adelbrabt, der Winzer, der Befteller. Von 
der Juliana erzähle die Legende, daf fie im Jahre 304 gemartert und 
wegen Verweigerung der Ebefehliefung mie dem “eiden Eleufis ins 
Gefängnis geworfen fei, wo ihr der Teufel erfchien und die Erlaubtbeir 
der Ehe darzuehun fuchee. 

An der Rüchfeire des Südportales hängt eine Skulptur, die Maicstas 
Domini darftellend: der chronende Chriftus, umgeben von Wlaria, Derrus 
und mehreren Bifdyöfen. Der Zeiland bat in der Linken ein Buch, auf 
dem die YDorte fieben: EGO SVM VIA VERITAS ET VITA. £s 
war das Tympanum eines Portales. 

Spuren von Malereien aus der romanifähen Zeit find mehrfad) 
fichebar. Am beten erhalten find die Überlebensgroßen Bilder S. Peter 
md Paul auf den dem Ylorbportal gegenüberftehenden Pfeilern. „Beide 
Apoftel find von edelm und frengem Ausdruc‘, von tiefer Auffaffung; ihr 
bärriges und ernftes Beficht legt Zeugnis ab von der Blaubeneriefe der 
Beit, welcher fie ihre Entftehung verdanken, in der auch die Rumft die 


14. oo, Die Aut ur einigen San I ” 





274 12. Bapiel 


volle “aingebung an den göttlichen Beruf, weldhe jede individuelle 
Empfindung ausfehloß, als höchftes deal zur Darfkellung brachte‘. 
Im mördlichen uerbau des Ofichore if das Roloffalbild des 
Ehriftopborus. Wan glaube im Wirtelalter, Daß man an dem Tage, 
wo man diefen Seiligen fehaue, nicht eines jäben Todes flerbe. Darum 
wurde das Bild an einer möglichft fichebaren Stelle angebracht. Unter 
dem Bilde fieben die Verfe: 

Per te strena datur morbi genus omne fugatur 

Arra fames pestis Christi Christofore testis. 

Walter, Bifcbof von Speier, der Sreund Burchards, hatte die 
Tbaten Cbriftophorus’ in Verfen befungen®") und dadurch jedenfalls zur 
Verbreitung diefes Rulto beigerragen. 

Ylachdem Burchard den Dombau vollendet hatte, erneuerte er das 
Nleriterbaus, das, wie der Biograph erzähle, vor allzu geoßem Alter 
fehon verfallen und ganz vernachläffige war. „Er ordinierre alle Brüder 
nach der Fanonifcyen Regel und befahl ihnen allen, der Regel gemäß zu 
!brem eäglichen Unterhalt fid) gemeinfam im Refektorium zu erquicen.“ 
Diefes Mleriker- oder Rapitelbaus war unmittelbar am weftlidhen Ende 
des füdlichen Seitenfdhiffes angebaut: eine zweißtschige Anlage. Yan 
bemerkt noch jene vier Aundbogen neben einander. Die Zellen waren ge: 
wölbr. Durch zwei jet vermauerre Thliren im erften Stod fonnte man 
in den Dom gelangen. Diefer Bau des Bapitelbaufes gefdyah wohl 
gleichzeitig mit dem der Rirche und gebört noch dem I2. Jahrhundert 
an. Wan nimmt noch Kefte von Wandmalereien wahr, fowwie Infihriften 
wie Johannes . Perrer „Johannes. Isye und Buchftaben A BC 1c.t). 

Burchard foll auch die Taufticche S. Johannes begonnen baben. 
Uerfprünglic war ja die Rathebrale die eingige Kirche, in welcher gerauft 
werben durfte. Als dann zur Zeit der Auflöfung des merowingifcpen 
Beiches die Micche entartete und ganz willEhelich die Taufe an jedem 
beliebigen Orte zu jeder Zeit vorgenommen wurde, da fteuersen bie 
fränkifchen Rönige diefer Unordnung, und nun wurde beftimmt, daß es 
Baptifterien nur an foldyen Orten geben follte, wo der Bifchof co 
angeordnet habe. sEin anderes Rapitular verfügte, daß in allen Pfarreien 
Taufkirchen zu errichten fein. Sür diefe Baptifterien wählte man gern 
das Syftem des Zentralbaues mit fechs:, acht: oder sebnecbigen Rorunden. 
Die S. Tobanniskicche‘") in Worms ftand füblid an der Offeite des 
Domes, und ihr vollftindiger Ausbau fällt in das J3. Tahrbundert. 


Die Hrhlidgen Ordnungen Bifdof Burcards. 275 


Der Grundriß bildere ein Behned. Das zweite Stockwerk fprang zurück 
und fhloß oben mic einer sierlichen Ballerie ab. Den Umgang dedften 
einfache Rreusgewölbe und den inneren Raum ein Ruppelgewölbe mir 
Rippen. Im Ofien fprang ein Chor vor mit fechsecfigem Abfchiuf. 
Audy von einer Rrypra ft die Rede’). Sin befonderer Schmuck 
diefer fdhönen Kirche war ein Altarfligelbil® aus dem Anfang des 
33. Jahrhunderte. Der eine Stügel ftellt auf der Vorderfeite den heiligen 
Petrus dar, auf der Rückfeite den heiligen Stephan, der andere den 
S. Paul und einen Bifcpof. Die Siguren find auf Boldgrund gemale'”), 
Siolidy von der S. Jobanniskicche ftand der viereclige Glockenturm, 
der vier Stockwerke hatte und mit einem fpinen “elm abfehlof. Diefe 
Bampanilen werden erft feit dem 8. Jabehunder Mode”). Wabrfcheinlich 
ft der Urfprung der Rirchelieme im Orient zu füchen. Sie haben ja 
diefelbe Bedeutung wie die Winarers der Wohamebaner, indem von ihrer 
doöbe, fei es durch die menfehliche Stimme, fei es durdy den Rlang der 
Gloden, den Gläubigen die Stunde des Gebers verkündet werden foll. 
Glocen waren nod) im Io. Jahrhundert in Deuefehland febr felten. Die 
ifotierten Blodenthrme bilden ein Charakreriftitum der füdlicen Land- 
febaft, während in Deurfchland fie feit der Larolingifchen Epoche faft ganz 
verfchtwinden. An ihre Stelle traten bier die Treppentlirme, und zwar paarı 
weife je zwei auf der Öfi- und Weftfeite, deren urfprünglicher Zweck die 
Beförderung der Baumaterialien war. Gerade diefe reichen Turmgruppen 
verleihen den Domen von Worme und Yfainz ihren eigenen malerifchen Reis. 
Diefe ganze Baugruppe: der Dom mit dem Bapitelhaus und dem 
Breusgange, die S. Tohannistische auf der Südfeite, der Bifdofsbof 
und die &. Stepbansticche auf der Ylordfeite gewährte nach ihrer 
Vollendung geroiß einen ftimmungsvollen malerifden Eindruc. 
Burdyard war ein wirklich frommer Wann, der fid) bis zur 
Krfeöpfung der Mräfte feinen asberifchen Fleigungen bingab. Aber 
deffenungeachter fehloß er id fo wenig als fein Sreund Willigifis von 
!Waing””) der Eluniacenfifen Richtung an. Als feine Rleriter, vom 
Zuge der Zeit ergriffen, das Wöndhegemand anziehen wollten, da biele er 
ibnen eindringlich ihre Pflicht vor: „Ihr fol wiffen, meine Brüder, 
daß jeder, der Bot fürchtet und recht thue, ihm angenehm ift; niche 
allein der Mönch, fondern auch der Weltgeiftliche und auch der Laie. 
Denn es ift nicht gur, daß alle am Steuer und Beiner am Auder oder 
alle am Auder und Beiner am Steuer if. Ks ift rarfamer, daß ein 


276 12. Bapiel, 


Steuermann beftimmt werde und jeder feine Arbeit verrichte, daf die 
einen rudern, die andern die Tiefe des Waffers meifen, andere, wenn 
nöcig, den Ylaft befteigen, wieder andere das Bodenwafer ausfchöpfen; 
fo werben fie das Schiff ficber beimbeingen. Aehnlic müffen auch 
wir einfeben, ihr Brüder, daß wir nicht alle das Bleicye chun Lönnen. 
Denn wenn alle Möndye oder Beiftliche find, wo bleiben die Baient 
Wer foll dann den Mönchen zur and fein, wer den Weltgeiftlichen 
dienen! Wenn aber alle Laien wären, wo bliebe da der Preis und die 
Verehrung Gore! Verfehjieden it der Beruf in dem aufe Bortes: 
es giebt nicht allein Wiöndye, fondern auch Weltgeiftliche und auch 
gläubige Laien, und fie bedirfen alle der Bnade Bortes. Wer alfo ein 
Weirgeiftlicher ift, der gebe nicht ohne Erlaubnis aus dem Stifte des 
Mönchslebens wegen, fondern arbeite zufammen mit feinen Brüdern. 
Und wenn er ein firengeres Leben zu führen wünfht, fo verrichte er 
feinen Dienft in feinem Stift mit gotegefälligen Werken und enthalte fich 
des Schledyten und fiebe nidye ab, immer Opfer auf dem Altare des 
verborgenen “erzens Bott barzubringen“. 

Burchard bat wie Willigifis nur Rollegiatftifte und Peine eigentlichen 
Rlöfter gegründet. Wir haben bereits der Bründung der S. Paulstirche 
gedacht. In einer Urkunde vom 29. Juni 1016“) giebt Burdard 
ausführlichen Bericht über feine Stiftung, welche die Zuftimmung des 
Bönigs "einrich II. und des Wierropolitans Willigifis fand. Alles, was 
früher zum Aaufe des "erzoge Orro gehört hatte, das fehenkre Burchard 
der Rirche S. Paul, und er ordnere an, daß zwanzig Manoniter bier 
Bott dienen folten. Außerdem vergabte er ihr eine Anzahl von Blirern, 
Aeckern, Weinbergen, Wäldern und Wüblen. Er verlieh der Kirche 
die Jmmunitdt mic der näheren Beftimmung, daf der Stadtgraf innerhalb 
des umfhriebenen Jmmunirärebesirte feine Amtshandlung vornehmen 
dürfe. Am felben Tage fügte er zu diefer Schenkung noch eine foldhe 
von zwei Mühlen am Bisbadye foroie das Wafferrechr). Im Laufe 
der Zeit erhielt das S. Paulsftift eine anfehnlihe Vermehrung feines 
Befines. Von dem Baue Burcyazds ift nichts erhalten, höchftens rühren 
allenfalls die beiden Stiegenelirme an der Weftfeite von jenem Baue 
ber®?). Denn fie gewähren einen böchft alterrümlichen Eindruc und 
fimmen in Kinzelheiten mit den runden Stiegenrürmen am Mainzer Dom 
überein, deren Bauzeit in die Regierung des Willigifis fälle. Der febr 
f&böne in Duadern ausgeführte Ebor mit fünffeicigem Abfdyluffe gebört 


Die Hirclicden Ordnungen Bifebof Yurdrde. 277 


dem Beginne des 13. Jahrhunderts an. Wabrfeheintich ift um diefelbe 
Zeit das Schiff erneuert worden, während die Dorballe und der Buerbau 
an der Wefifeite erft am Ende des 13. Jahrhunderts erbaur fein Bönnen. 

„Das Kiofter und das Stift des beiligen Andreas”, ersäble der 
Biograpb Burchards, „das außerhalb der MWiaueen lag und das durch 
Vernachläffigung zerfallen war, verlegte er in die Stadt; dann ordnete 
er die Banonifcben Regeln zum Bebraudy der Brüder und eichtere zum 
Dreife und Rubme Gottes ein geregeltes Leben ein”. Der Propft Diefer 
Rirce, Brunicho, „ging in fid) und begann ein möndhifches Leben. 
Flady dem Deifpiele des Gottesnechtes überwand er den Teufel und 
bemüibte fich mie gernirfehtem &ersen und demiitigem Sinne Bott allein 
zu gefallen.“ Demgemäß beftand fdyom vor Burdyards Zeit eine Klöfterliche 
Anfiedelung, die dem beiligen Andreas geweiht war und vor der Stadt 
auf einem Zügel lag. Diefe S. Andreaskicche auf dem Berge blieb auch 
foäter im Befine des S. Andressftiftes. Das Stift fibeine anfangs mit 
Widerwärcigteiten zu Bimpfen gehabt zu haben, denn 1068 mußte Bifcof“ 
Abdelberr eingreifen und die Ordnung wieder berfiellen”®). Von dem 
erften Bau der Rirche ift feine Spur mehr vorhanden”). Die Kirche 
war eine dreifchiffige flachgedectre Pfeilerbafilits. Der Chor fhliefr 
geradlinig ab. Die Untergefhoffe der zwei Türme haben Breusgewölbe. 
Auch der weitlice Teil des romanifden Mreusganges ift noch erhalten. 
Dnfolge der großen Stabebrände im 13. Jahrhundert fand ein Umbau ftart. 

In feinen Ienten Lebensjahren gründete Burchard das vierre 
Bollegiarftift in Worms, die S. Wartinetirde. „Aber als er die 
Wiauern fon zum Teil vollender harte, Eonnte er es wegen der häufigen 
Dienfte am Rönigebofe, verfehiedener anderer Zinderniffe und vor allem 
wegen feiner anhaltenden Rörperfehwäche leider nicht vollenden. Und 
fo“, febliegt der Anonymus feinen Bericht, „ftebr jenes Stift bis auf den 
beutigen Tag nur balb vollendet da”. Aus der Älteften Seit haben fich 
nur wenige urfimdliche KTachrichten erhalten. Im Tabre 106 muß 
das Stift bereits beftanden haben“®), ja böchft wahrfebeinlich, erifierre 
an diefer Stelle, wo dann das Stift errichtet wurde, fehon längft eine 
dem beiligen Martin von Tours geweihte Rapelle oder Ricche, da diefer ja 
einft in Worms gewefen war. (Siehe oben.) Die Kirche, wie fie jene 
daftehe”), ftamme aus der erften Zlfte des 13. Jahrhunderts und wurde 
am 6. September 1265 durdy Bifchof Eberhard eingeweiht. Sie ift ein 
dreifchiffiger Bewölbebau mir erhöhtem Wiirrelfchiff und einfehiffigem 


278 12. Bapitel. 


Chor mir geadlinigem Abfchluf. Von den zwei Wefttürmen ift nur der 
mördliche vollender, während der fühliche blos bis zur Zöhe des Mittel: 
febiffes geführt und mit einem Giebel gekrönt ift. 

In Worms wurde zur Zeit der “errfchaft des romanifchen Stils 
außerordentlich viel gebaut, fo daß diefer Seil der Stadt ihren Charakter 
verliehen bat. YTeben einander wurden der Dom, &. Paul, S. Wiartin, 
S. Andreas, S. Johannes, S. Magnus, die Synagoge und anderes 
gebaut. Die Wormfer Baufchule bar naturgemäß aud einen mafı 
gebenden Zinfluß auf die ganze Landfchaft ausgeibt”). Yder möchte 
dies bei den Turmbauten von Sochbeim und Dalsheim leugnen, oder gar 
bei_ jenen eigenartigen, mit Euppelfsrmigen Greinpelmen gefchloffenen 
Türmen zu GBuntersblum, Alsbeim und Dittelsbeim, deren enge Der- 
wandrfchaft mit den Türmen von S. Paul vor Augen liege. Der Rei 
tum an romanifchen Bauten war in früheren Zeiten noch größer als 
jent, wo eine große Anzahl von Baumerken der Zerftsrungsluft unter: 
legen ift, noch zulegt die Barholifche Kirche in Wies-Öppenbeim””). 

Aud von der S. Eyriaklircde in Yleuhaufen bei Worms if 
nichts mehr erhalten”). Diefem Stifte bat Burchard gleichfalls Liebende 
Sorgfalt zugesandt. Sein Biograph erzähle, daß durch Unachtfamkeit 
gegen die Aäuber die &. Lpriaklicche fat serfiee worden fei. 
Burchard befahl den Brüdern gemeinfame Wiahlzeiten. „Alle Baulicy 
feiten, die dazu gebörten und die durch das Alter faft serfisrt worden 
waren, flellte er mit wunderbarem @eifte wieder ber und verfah fie mit 
Wiauern und den verfchiebenften Gebäuden in hervorragendem Maße.” 
nSwei Wieilen von Worms,“ berichtet der Anonymus, „liegt ein Wald, 
an Tannen red) und auf der einen Seite von einem Sumpfe um: 
floffen. In der Witte des Waldes erhebr fd ein wunberfÄhöner 
ügel, zu dem der Bottesmann fid) öfters begab. Weil er den Lärm 
der Welt meiden wollte, ließ er die Bäume und bie andern Bemwächfe 
umbauen und machte fo den Zügel Babl. Dann baute er einen Derfaal 
und andere Räume und ein herrliches lofter. Dorthin zog er fich nach 
den Beratungen, nach Verhandlungen mit dem Könige, nach feinen 
Sorgen um die geiftliche Berichtebarkeit und dem Beräufdy der Yele 
zurüc. Dort wandte er den weltlichen Befchäften den Rüden und 
widmere fih ganz den görtliden Dingen.“ Saft mit den gleichen 
Worten erzähle dies Alperrus von dem Lüreicher Bifcyof. In unmittel: 
barer Ylhe von Worms gab cs keinen Wald. 





ie Firdlichen Ordnungen Bifbof Burdiacds, 279 


In Worms beftand nur ein Scauenelofter, das der Jungfrau Maria 
geweiht war md außerhalb der Mauern im Süden der Stadt lag, 
Warienmünfter oder KTonnenmünfter genannt. Ludwig der Scomme foll 
«9 gefüfter haben, deffen Jahrzeit im Mlofier begangen wurde. Die 
Yronnen oder Ranoniffen lebten unter Leitung einer Aebtiflin nach der 
Hegel des heiligen Benebitt in Tanonifcher Weife. Leber diefes Mlofter 
berichter nun der Anonymus wie folgt: 

„In diefer Zeir vief Burchard feine Schwefter mit Kamen Mathilde, 
ein Mädchen von ehrbarem Wandel und alles Rubmes wert, zu ficb und 
begte fie mit brberlicher Liebe. Sie war in allen weiblicyen Arbeiten gefchicht 
und batte fdyon andere Frauen in den verfihiedenen Webearbeiten unter: 
eichter und viele in der Verfertigung Eofibarer Gewwänder übertroffen.” 

„Da gefdyab es, daß die Aebriffin des Scauenklofters die Tage ihres 
gorgefälligen Lebens befähloß. Ylac) ihrem Tode baten alle Scheitern 
einftimmig. den Bifchof, er möge ihnen feine Schwefter als Acbriffin 
geben und ihr die Weberwachung des Rlofters anvertrauen. Er war 
damit. einverftanden und rief feine Schwefter zu fi. YTach einigen 
infeirungeworten fprach er folgendermaßen zu ihr: „„Weine geliebte 
Schwefter! Du fiehft, wie vergänglich und mangelhaft die Dinge der 
Welt find, wie voll jeglicher Ungerechrigkeit. Denn Bold und Silber 
und Edelftein, die uns wermoll feheinen, gelten bei Bott für 
nidyte anderes, ale Staub. Wir handeln darin nicht andere, als daß 
wir aus Begier nad) irdifchen Dingen unfere (mwachen Seelen. ber 
trügen. Wohin wir auch geben, immer folgt uns der Schatten des 
Todes. Blüchlih) aber, wer den Pfab des rechten Weges wandelr, 
wer den Ruhm diefer WDelt verachtet und Bott in ein reines "erz ein» 
fließt. Deshalb volinfchpe ic), geliebte Schwefter, daß du die Arm- 
fpangen, Ohrringe und oftbaren Bewoänder ablegeft, das gebeiligte Gewand 
annimmft und dich mit dem Könige des Jimmels vermäbleft."" 

„Als feine Schwefter das hörte, erfchrat fie febr und fagte böchft 
erftaune: „„Weißt du denn nicht, verehrungswoiirdiger "err, daß ich 
mich alle Zeit meines Lebens weltlichen Dingen hingegeben babe und daß 
ich für jenes Ame ganz unerfahren bin? Denn mir Ausnahme des Pfalters 
tenne id) gar Beine Bücher”). ch verftehe nicht dies Ame auszufüllen. 
Wie Eönnte id denn in diefem Rebeneberuf ohne Anfioß Iebent““ 

„Jhr erwiderte der Bortesmann: „„Nede nichts weiter mehr und erfüille 
‚ohne Auffehub meine Mahnung, fo fehnell du kannt. Was ftehr dir 


280 12. Kapitel, 


bindernd im Weget Es ift der glüchfeligfte Taufch: die vergänglichen 
Dinge verlaffen und die ewwigen Schäne und das erwige Leben erwerben.“ 

„Durd) diefe und andere zahlreiche Ermahnungen übermwand er feine 
Schmefter fo, daß fie gelobte, alles zu chun, was er wollte! Als der 
Anecht Bortes das hörte, jübelte er und dankte Bott von ganzem 
Serzen. Er befahl ihr, fogleid die Panonifche Hegel, den Eirchlichen 
Raelender, das Leben der Vfter, den Dialogus und andere Blicher, die 
für ein folches Leben paffend waren, zu lernen. Sie aber war eifrig 
bemübt, allen, was er befahl, zu Iernen umd zu hun. Ale aber der 
Gotteemann fab, welchen guten Willen und ftommen Kifer diefe Wagd 
Gottes befeelte, legte er ihr das Ordenskleid an und weihte fie zum 
Dienfte Gottes. Er verfammelte die Schweftern und übertrug ihr das 
Amt einer Aebtifjin und die Sorge fir die Schweftern. Ylachdem fie 
das Ordenskleid empfangen batte, ragre fie unter allen an Tugenden und 
ebrbaren Sitten berrlih bervor und gab, gleich als ob fie ihr ganzes 
Leben nach der Regel erzogen worden wäre, allen ein göttlichen Beifpiel. 
Sie wollte fid) nicht bedienen Laffen, fondern felbft dienen; fie erhob fidh 
nicht, weie es fonft Vorfteherinnen zu chun pflegen, tiber die anderen, 
fondern liebte und Iehrte alle wie eine utter. $Es war wunderbar, 
daß diefer rau des Laienftandes der Dienjt Feine Stunde zu fehwer 
wurde; er machte ihe nur Sreude.“ 

„Auch fähenkre fie alles But, das jle erworben hatte, der Kirche, 
welcher fie vorfand. Außerdem fiellee fie nach dem Hate und mir 
Hailfe ihres Bruders das Rlofter und das Stift, das faft zerftöre war, 
nicht nur wieder ber, fondern baure es volljkfndig wieder auf und ließ 
es weihen. Sie verbarrte im Dienfte Gottes mit den ihr anvertrauten 
Schweftern Tag und Yacht mit ftandbaftem “erzen und Geifte und 
tegelte unter dem Beiftande ihres Bruders das Leben derfelben, wie es 
die Banonifche Ordnung vorfchreibt.” 

Diefer intereffante Bericht wird durdy die Urkunde Burcharde vom 
29. Juni 1016°') vollkommen beftstige und ergänzt. Darnadh fbenkte 
Burdard dem Rlofter S. Wiaris, außerhalb der Wiauern von Worms 
‚gelegen, fein Zigengue im “effengau mit allem Zubebör, ausgenommen 
fechs börige Frauen, die er mit ihren Rindern der Kirche S. Peter in 
Worms vermachte. Alle andern. börigen Leute hibergab er zu feinem 
und feiner Schwefter Seelenheil dem genannten Riofter unter genauer 
Beftimmung der Abgaben, weldhe jene “örigen zu Teiften haben. Am 


Die firclicden Ordnungen Difchof Burcharde. 281 


gleichen Tage fähentte er Überdies dem Rlofter eine Mühle am Eiebad) 
und ein Wafferrechr”®). 

Die firenge Zucht des Miofters genügte aber dem frommen Ueber- 
drange mancher Wienfchen in jener Zeit nicht, vielmehr rrieb fie ihe 
Sündenbersuftfein und die Seelenangft hinaus in die $Einfamkeir’®). 
Die Männer fuchten die Verfdbnung mir Bott im Urwald. Sern von 
jedem menfeblichen Verkehr, in unwegfamer Wildnis, Baum bekleiber, 
lebten fie dahin, den Hunger beftiedigeen fie fpärlich mit den rauhen 
Srüchten des Waldes. Laut ertönte im nächtlichen Dunkel ihr Pfalmen- 
gefang oder hallte der Schlag der Beifel. Wiandhen trieb die Verzweiflung 
iber fein Seelenbeil in den Tod, Die Srauen ließen fich, wie die beilige 
Wiborad im Steinachthale, in einer Zelle einmauern; da Bafteiren fie fich 
oft Desennien lang, bis daß die aut fchlorternd um die Anochen hing; 
der Did wurde flier und Iebloe. Diefe Alaufnerinnen leben von 
Waldbeeren, wilden Aepfeln und den milden Gaben guter Leute, und fie 
hielten es fir Sünde, fi zu wafchen. In allen Gegenden Deutfdylands 
gab es damals foldhe Beifpiele geiftiger Verirrung. 

„ngefporne durch das Vorbild und die Lehre der Warhilde", erzähle 
wiederum der Anonymus, „verlangte eine gottergebene Schmwefter mit 
Ylamen Caritas von dem Bifchof noch größere und härtere Prüfungen. 
Und als ihr jener verficherte, daß der Wille Gottes in einem foldhen 
Zeben mit guten Werken fehr wohl erfüllt werden Lönne, forderte die 
Gortesjungfrau mir unaufbörlichen Bitten, da er fie, weil fie Aöheres 
vollbeingen wolle, von allem VOeltlichen abfchließe. Endlich) gab der 
Bottesmann nad) und fegte einen Tag feft, an dem fie eingemauert 
werden follte. An dem Tage, an weldem der Wunfdy der Gortes- 
dienerin erfüllt werden follte, Bam der Bifehof mit allen Bridern sum 
Yrommentfofter. Als fie fich dort verfammelt hatten, ftellte er die Jung: 
frau in die Wirre und fagte: „„Seber diefe Jungfrau, teuere Brüder, 
wie fie von der Liebe zu Bott und von Bortesfürdyr zugleich ergriffen 
ift; woie fie den vergänglidyen Sreuden diefer Yoelt zu entfagen und Borr 
zu gefallen begeber. Sie bar die Lebre.deo Evangeliums nichr mit tauben 
Ohren geböer, fle bar Vater und Wurter, Verwandte und Jeeunde, das 
und &of verlaffen und Gore allein nadhzufolgen befehloffen. Mrräter, ihr 
Greife und ihr Tünglinge, die ihr midhte Abnlidyes chur! Yoarum 
fänweige ihrY_ Was erftrebt ihr mit euerem Frröten? Sehr diefe zarte 
Jungfrau, wie fie euch mir erbabener ‚Sahne fürchtlos serangee um und nicht 





282 12. Bapitel, 


surtichfchredt, gegen Die geiftige Trägheie zu £impfen. Geber fie, die, mi 
dem Panzer des Blaubens und dem velm deo Seile bewaffnet, unerfchroctenen 
Geiftes gegen den böfen Seind zu Bmpfen bereit ift. Wenn ibr fle daher 
nicht fibertreffen oder mit ihr wetteifern Eönnt, fo firebt doch wenigftene 
darnach, ibr in Ebnlicyen Beifpielen der Srömmigteit zu folgen.“ 

„YTadh diefen göttlichen Worten und nadydem die Seier der Wieffe 
vereichter war, fehloß er fie in eine Zelle ein. And da fie in beiliger 
Berfniefchung für alles Jedifche cor war, empfahl er fie, wie eine Tore, 
Gore. Dafelbft lebte fie im Dienfte Bottes ein engelgleiches Leben, von 
den. verfehiedenften Leiden beimgefucht, und gab fchließlich ihre gans 
geläuterre Seele ihrem Schöpfer zurück, damic Bott in allem verberrlicht 
werde, der in feinen Zeiligen immer bewounbernewere it.” 

Schließlich gebt auf Burdyards organifarorifche Thärigkeir die Fin: 
teilung der Stadt in vier Kirdhgemeinden zur”). Solange es nur 
wenige Cbriften in den Aömerftädten gab, genügte die bifchöflidhe 
Rirche ale Pfarrticche, und der Bifcpof war der einzige Pfarrer, dem 
die anderen Geiftlichen als Gehilfen untergeordnet waren. Als das 
Thrifteneum fid ausbreitere, da wurden meijt von Privaten, den Brof: 
geundbefigern, Kirchen erbaut, die an diefen Wirchen nach germanifeher 
Aechtsanfchauung ein KEigenrum batten; fle fegten den Priefter ein, 
md der Ueberfchuß der Kinnahmen floß in ihre Tafche. Die Solge 
war die Degentralifarion der Eirchlichen Verwaltung und die weitere Solge 
Zoderung der Disziplin und Verwilderung deo Mlerus. Allmähtic 
wurde die Rirche durch die Unterftigung der fränkifhen Bönige der 
Unordnung serr. Der Gedanke der Figenkicche blieb zwar flegeeich, 
aber die Befengebung wahre energifä) die Rechte des Bifchofe. Das 
Bistum gerfiel in eine Anzahl von Archipresbyterate oder Dekanien und 
diefe wieder in eine Anzahl von Kirchfpielen. Wit der Zunahme der 
Beoötterung bielt die Vermehrung der Birdhgemeinden Schritt. m 
30. Jahrhundert war die Didzefan« und Pfarrgemeindeneinteilung überall 
in Deutfdyland durchgeführt, ein außerordentlicher Segen für das Volke 
leben, denn erft feitdem jedermann am einen beftimmten Priefter oder 
Seelforger gewiefen war, fonnte fi) jenes Bewußefein ausbilden, von 
dem Orfeiedb von Weißenburg fprichr: „Wie viel voert ift eo, daß Bortes 
Ssieten uns leiten.“ Der Pfarrer unterfihied ih) vom Laien ducdy feine 
vegelmäfig getragene priefterliche Mleidung, und er genoß ale Wirglied 
des geiftlicen Standes ein höheres Anfeben und manche Vorzüge. Er 


Die Fiedlichen Ordnungen Bidet Burharbe, 283 


wohnte in der Yähe feiner Kirche. Täglich) um 9 Ubr fang er die 
Weffe und war verpflichtet, die Ranonifcyen Geberfhnden einzubalten 
und durdy das Läuten der Blocke das Volk an fie zu erinnern. Er 
follte regelmäßig predigen, das beißt nachdem der Lektor das Evangelium 
oder die Epiftel gelefen, den Wortfinn erklären. Er mußte das Volk 
an die chriftliche Ordnung gewöhnen, namentlich ihm die Pflicht der 
Sonntagsruhe einprägen. Am Afchermitewoch forderte er die Gemeinde 
zur Beichte auf, an den drei hoben Sefttagen, Weihnachten, Oftern und 
Pfingften Ind er die Bemeindeglieder zur Teilnahme am heiligen Abend» 
mable ein; er Elindigte die “eiligenfefte an und Die vier Sronfaften. 
Mir feiner Bemeinde feierte er die Bitrgänge und andere Progeffionen. 
Sür das Seetenheil feiner Pfarrtinder war er verannwortlich. Er 
batte alfo darüber zu wachen, daß die Kinder getauft und zu 
techter Zeit gefirme wurden. Er mußte Zinderlebre halten im 
Anfdluß an das Vaterunfer umd das Glaubensbefenntnis. Die 
verlorenen Schafe folle er auf den tedhren YOeg zurlckleiten. 
An ihn wendere man fihh um Hat in leiblicher umd feelifcher YIot; 
‚Seemde und Arme baten ihn um Jilfe; er mußte fie an feinem Tifche 
fpeifen. Vornebmlich die Rranten waren feiner geiftlichen Sürforge 
empfoblen. Alles dies galt als feine Pflicht, und urfprünglich durfte er 
dafür Beine Bezahlung fordern. Schließlich follte er fir die Inftand- 
haltung der Kirche beforge fein. Als Befoldung diente die Pfründe des 
Pfarrgutes, doch follte er fich nicht auf often besfelben bereichern. Yrum 
wurden freilich diefe Pflichten nicht immer erfüllt. e gab Pfarrer, die 
febr ungeiftlich Iebten, auf die Jagd und in die Wircshäufer gingen, und 
die daher Anlaß zu gerechtem Tadel gaben. Doch im allgemeinen werden 
die Pfärrer damals wie noch beure ihre Pflicht erfüllt haben, namentlich 
wenn fle wußten, daß ein firenger "err über ihnen wache. 

Seitdem der Bifchof Beamter des Rönige war und als folcher 
vielfach von feiner Didzefe abwefend fein mußte, Eonnte er die Pflichten 
des Pfarramtes mit dem befien Willen nicht mehr erfüllen, und bei der 
Zunahme der Beölferung war eine Einteilung der Stadt in mehrere 
Rirchfpiele ein unabmweisbares Bedhrfnis. Daß Burchard fich zu einer 
Einceilung der Stadt in mehrere Pfarrgemeinden veranlaft fah, beweift 
eben bie Vermehrung der Bevölkerung der Stadt Worms und bie 
Darftellung des Anonymus, ale ob die Einwohner WOorme’ fich vor feinem 
Regierungsantritt zerftreur und erjt durch ibn woieder fic) in der Stadt ver- 


284 12. Rapirel. 


fammelt bitten, ift ganz unhalcber. Die Erneuerung und Bründung der 
vier Bollegiarftifte hänge offenbar mir diefer Einteilung in vier Pfarreien 
sufammen, indem einem jeden Stifte eine Pfarrgemeinde zugemwiefen wurde. 

Man bat der Barbolifchen Kirche viele und fünwere Vorwürfe 
‚gemacht, den fehwerften Vorwurf, daß fie ibre Dienfte und Wobleharen 
fid) von den Gläubigen reuer bezahlen laffe. Allein hierin erweift fie fich 
volttändig unfehuldig, denn erjt unter der Einwirkung des germanifchen 
Hechrebegriffes des Bigenms if auch die Pfarrkirche unter den 
Gefichespunt des Eigentums gebracht worden). Die Pfarrkirche 

einem &eren; der Beiftliche Diefer Birche wer fein Beamter. 
Der &err der Rirdye forderte von jenen, welche die Rirche benlizeen, 
einen Beitrag zu dem Unterhalt der Wircye und des Prieftere. hm 
genügeen die freiwilligen Leiftungen, die Schenkungen und Oblarionen 
nicht, er verlangte gerabesu für die Dienfte des Priefters beftimmte 
Gebühren, Begräbnifgelder und Stolgebühren fir die Taufe, die 
infegnung der Ehe, das Abendmabt, die Beichte und die Iete Oelung. 
Jmmer bat die Rirche dies als einen Verkauf geiftlicher Amtshandlungen, 
ale Gimonie verurtbeilt, allein fie war gegenlber dem Egoismus der 
großen Grundberren obnmächtig, und innocens II. war febließlich 
genörige, auf dem vierten Zaterankonzil im Tahre 1215 die Krbebung 
der Stolgebühren als eine lobenswerte Bewobnbeit befteben zu laffen. 
Serbftverftändlic hat die Rirdye als Broßgrunbbefizer fich Diefe 
innahmen nicht entgeben laffen, und der Befiz einer Pfarrkirche wurde 
wie ein anderes YTugungsrecht finanziell ausgebeuter. 

Indem Bifdof Burchard den vier Stiften je eine Pfarrei zunvies, 
wollte er ihre Zinnahmen dabucd) vermehren. In der Urkunde vom 
29. Juni 1016 wird die S. Paulstirche ale die vierte Pfarrkirche 
begeichner®), und im Jahre 1080 erklärte Bifdyof Abdelbert, daß die 
Stadt Worms von feinen Vorgängern Burchard und Arnold in vier 
Pfärreien eingeteilt worden fei”). Die Pfarrei &. Paul wird in der 
obengenannten Urkunde von Jahre 1080 folgendermaßen räumlich 
umfihrieben: Sie reicht von der S. WMartinspforre bis zur Judenpforte 
‚oder bis zur Seifonenfpize und dann aufwärts gegen den Rhein bis zur 
Brorpforte (jeze Sifcherpförtchen) durch die Brotgaffe bis zum Haufe 
Ebos und von da zurlie® durch die mittlere Strafe der Stade (Rämmerer: 
‚gaffe) bis zur S. Wartinepforte. Yähere LTachrichten Über die Abgrenzung 
der drei anderen Pfacrgemeinden feblen aus diefer Zeit. Die Stiftskirchen 


Die Heiden Ordnungen ifhof Burharbe. 285 


dienten lange Zeit zugleich als Pfarrdirden. Te mehr fih indes die 
vornehmen Ehorberren von dem Volke abfonderten, um fo weniger mochten 
fie geneigt fein, der Bemeinde auch ferner ihre Rische einzuräumen und 
felbft den Pfartdienft zu verfehen. &o wurden denn im 13. Jahrhundert 
neben den Stiftefirchen eigene Pfarrkirchen gebaut und diefe mit einer 
Dos oder einem Pfarrgut ausgeftattet, und zwar gefebab der Bau wie die 
Ausftatrung der Pfarrkirchen durch die Opfermwilligkeit der Gemeinden, 
weshalb diefen auch ein Anteil an der Verwaltung eingerfumt werden 
mußte. Jede Gemeinde wählte drei oder vier Rirchengefchworene oder 
Juract®). Diefe vier Pfarreien waren den vier Stiften intorporiert. 
Der Hauptteil der Kinfünfte aus ihrem Kircengur und den Sol: 
geblihren Bam fomie den Stiften zu Bute, und der vom Stift dem 
Archibiaton präfentierre Leutpriefter mußte fi mir einer geringen 
Pfelinde begnügen. So fland zum DBeifpiel das Parronatsredyr der 
&. TJohannesticche dem Buftos des Dome zu. 1263 übertrug diefer fein 
Redyr dem Dekan und dem Bapitel des Domftiftes”). Sür das 
Jahr I200 ift urkundlich ein magister Heinricus als Leutpriefter der 
&. Jobannestirche beyeugt””). YLoch beffer find wir über die Pfarrei 
©. Buprede unterrichter. Am 3. April 1140 beftkeigee Bifchof” 
Burchard II. (Buggo) die von feinen Vorgängern getroffenen An: 
‚orbnungen über die S. Paulstirdye. Da ift denn zum erfienmal von 
der S. Auprechteticche die Rede"), deren Patronaterecht dem Buftoe 
des &. Paulsftifte zugebörte. eber diefes Parronatsrecht entftand ein 
Streit zwifchen dem Propft und dem Kuftos der S. Paulskircye. Der 
KErsbifchof Konrad von Wainz entfchied am 25. April 1194 auf Grund 
der vorgelegten Urfunden und bes Zeugenverhörs biefe Sache zu Bunften 
des Buftos Zeinrich"®). Diefer feyenkte darauf am 19. März 1197 in 
Anberracht, daß die Einnahmen der Rirdye S. Paul due) die Laien, 
namentlich die Minifterialen, weiche die feftgefenten Taren der Kirche 
nicht bezahlen, vermindert und daß die Präbenden der Brüder fonwohl 
infolge der bäufigen Weberfehwemmungen des Aheines als auch infolge 
der Derfänvendung Bösroilliger verkürzt worden fein, das Patronate: 
recht der &. Aupredhesticche dem Stifte S. Paul, weldes dann den 
Pfarzdienft einem Bruder oder irgend einem Priefter überrrug. Bifcbof” 
Zupold genehmigte diefe Schenkung in Begenwart vieler anfehnlicher 
Perfonen geiftlichen und weltlichen Standes”®), und am 17. Mlkrz 1239 
beftätigte fie Bifdyof Landolf*). Der sum Leurpriefter ernannte Bruder 


286 52. Bapiel. 


des 6. Paulsftiftes oder irgend ein anderer Beiftlicher folL mir feiner ihm 
sugewiefenen Pfründe zufrieden fein und den Ueberfchußs der Einnahmen dem 
Stifte überwoeifen. Auch foll der Leurpriefter einen geiftlichen Bebilfen und 
einen Schüler haben, die im Ebor der S. Paulstirche mirfingen. Um die 
Witte des 13. Tahrhunderte brannte es in der Stadr Worms wiederholt, 
fo daß ganze Quartiere eingeäfchert wurden‘®), Damals erlitten die 
©. Pauls» und S. Auprechtsficche foldhe Schädigungen, daß fie von 
Grund auf neu gebaut werden mußten. Bifchof Eberbard von Bonftanz 
gewäbree daher am 2. Mai 126J den beiden Kirchen einen Ablafbrief"). 

Zum S. Wareinsftifte gehörte die S. Lambertitizche. Im Jahre 1233 
beftärigee der Erzbifdof Siegfried von Mainz diefem Stifte die In 
torporation der Pfarrei S. Lambert mit Zuftimmung des Propfies der 
genannten Rirche und des Bifchofs Lupold von Worms. Der Dekan 
zu S. Marrin foll zugleich) Leurpriefter zu S. Lambert fein. Diefe 
Pfarrei wird in diefer Urkunde als die vierte innerhalb der Yauern der 
Stadt bezeichner””). Außer dem Leurpriefter werden ein viceplebanus‘“) 
und vier Priefter, die in der Pfarrkirche celebriezen, erwähne””). 

Der S. Andreaslirde war die S. Wiagmiekirde inkorporiere 
(1143), und das Patronatsrecht fand dem Propft zu, der es am 
28. Dezember 1238 mit Genehmigung des Bifchofs Landolf dem Stifte 
abtrac®"). Yoährend die übrigen Pfarrkircben am Anfang des 19. Jahr: 
bunderts dem Boden gleich gemadhr worden find (G. TJobann 1817, 
&. Aupredyt 1843), entging die S. Magnuskirdye bdiefem Schicfal, 
weil fie als proteflaneifehe Rirche ununterbrochen benugt wurde. Sie 
ift im romanifeen Stile erbaut“) und zwar wahrfeheinlich nach dem 
großen Stadtbrand von J242, eine dreifchiffige Anlage mit erhöhtem 
Wirreifebiff und geradlinig abgefcbloffenem Eher. Der Brundriß it 
merkrotrdig unregelmäßig. 

Als fih vor den Thoren Vorftädee bildeten, die freilich ausgeprägt 
ländlichen Charakter trugen”®), da ftellte fich das Bedürfnis ein, daß fie, 
die früher zu den ftädeifchen Pfarreien gehörten, zu felbftändigen Birch 
fpielen erhoben weurden. Die Riedye S. Amand vor dem S. Wiartinsthor 
wird fehon in einer Urkunde “einriche II. erwähnt, aber die betreffende 
Stelle erweift fi ale Einfeiebfel”®). Laut einer Urkunde vom 
Tate 1234 befaß der Dompropft das Patronatsrecht biefer Pfarrkirche”). 
Am 31. Oktober 1283 wurde durch fähiedsgerichtlichen Spruch den 
ronnen von Zochbeim die Pfarrei S. Amand gegen KEnefehädigung 


Die Helicien Ordnungen Bifcof Burcbarbe, 287 


der Dompropftei sugerwiefen“), und am J3. Klovember des gleichen 
Jahres beftktigte dies der Bifdof Simon“”). 

Die Rirche S. Andreas auf dem Berge gehörte von Anfang an dem 
S. Andreasift““). 1243 beftscigee Bifchof Landolf’die von Gerhard, Propft 
au &. Andreas, den blifenden Schweftern gemachte Schenkung der in der 
Dorftadt auf dem Berge gelegenen Pfarrkirche S. Andreas. Der von den 
Srauen gewählte Propft follte der Pfarrer der genannten Gemeinde fein und der 
Ricchhofdafelbft auch der S. agnusgemeinde als lezrer Rubeplag dienen”) 

Dem Flonnentlofter Warienmünfter war die Rirche S. Caecilia in der 
Vorftade intorporiere”“). Die. Wicyaelsticche wird am Ende des 2. Jahr- 
hunderte erwähnt"), 3300 treten die Rirchengefchmworenen diefer Pfarr: 
‚gemeinde vechtehandelnd auf. Der Dekan des Domfapitels fehenkre der Be- 
meinde mit Zuftimmung des Rapitels zur Erweiterung ihres Bottesachers, ber 
wegen des Anmwachfens der Gemeinde nicht mehr ausreichte, einen Barten’“). 

Schließlich befand fih in der Miainger Vorfadt die Pfarrei 
&. Remigivs, worüber 1207 zwifchen den Stiften S. Peter und 
S. Lyriscus ein Steeit ausbrad, der erft I283 endgilcig entfchieden 
wurde”). Ungeachtet diefer Vermehrung der Pfarrgemeinden behielten 
die vier innerftädeifdyen Bemeinden immer eine geöfere Bebeurung ale 
die vorftäßtifchen. Vie in fo vielen andern Städten, dienten fie aud, 
den Verwaltungsswedten der Stadtgemeinde (fibe unten). Wenn aber 
neuere Sorfcher behaupten, daß aus der Verfehmelsung von Sonder: 
gemeinden die mitrelalterlichen Städte entftanden feien, fo muß man diefe 
Behauptung wenigftens fin Worms ablehnen“). 
























































































































































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33. Bapitel. 


Die redhtlidyen und wirtfchaftlichen 
Ordnungen Burdhards. 


jeben den geiftlichen Verbältniffen behielt 
Burdyard unausgefent audy die weltlichen 
f&barf im Auge. Denn er war ja niche 
nur der geiftliche dere der Stadt, fondern 
‚auch der weltliche, feitdem ihm der Rönig die 
fistalifcyen Rechte und die Berichtebarkeie 
übertragen hatte. Serner war der Bifdof 
} ER N besichungsweife die Rirche S. Peter Groß: 
dB N al ES) grundbefiger in und außer der Stadt, dem 
N} EI Na sablreiche SSrige in mannigfachen rechtlichen 
EN Abfiufungen geborchten, und fehließlic) 
ftanden ihm über die freie Bemeinde Gobeitsrechte zu. Allee das bedurfte 
der Regelung. Seitdem die deutfchen Rönige darauf hatten verzichten 
müffen, durch eine regelmäßig arbeitende fchriftliche Befengebung den 
Gang der techrlichen und wirtfchaftlichen Entwoictelung zu beftimmen, 
bitbere fih das Hedır lediglich als Berwohnheitsrecht weiter. Das alte 
Volks: oder Stammesrecht wurde, nachdem die deutfyen Stämme 
dauernd fefte Wobnfige gewonnen baten, zum Landrecht”®). Diefee 
Landrecht ift fein neu gearteres Recht, aber das alte Volksrecht bar fich 
doch vielfach modifiziert, und größere oder Bleinere Gebiere find ihm 
entfremdet worden. Zumal in den Städten entwicelten fi) rafcher als 
auf dem Lande neue wirefchaftliche Zuftände und damie im Zufammen- 
bang ein ftädtifden Bewohnbeiterecht, das fi einfach als eine Sort: 


15. Boos, Die Autcu er chntfäen Same. 1. m 





292 13. Bapiıel. 


bildung des Landrechtes erweift. Das Stadtrecht bebält den Charakter 
eines Öffentlichen Rechtes, und das Stabtgericht bleibt wie das Land- 
gericht ein Organ der Staatsgewalt und der Sffentlichen Berichts: 
verfaffung. 

Banz anders verhält es fich hingegen mit dem Koftecht, Dienft- 
und Lehnrecht. Diefe entftammen privatrechtlicher Bewalt, realifieren 
nicht das dem Staatezwecte inbärente Recht, fondern eine aus Privat 
gewalt eneftandene “errfähaft. (U. Heusler.) 

Ein großer Teil des deurfdben Volkes war feit der Zeit Rarle des 
Großen der Unfteiheir verfallen. As Unfreie hatten fie Beinen Anceil 
mehr am Öffentlidyen Bericht, fondern ihr “err richtete Über fie und 
ihre Steitigteiten nach Willkür. She den Unfteien baftete der Lerr, 
und fir ibn durfte er vor dem Volksgericht Sühne fordern. Der durch 
die Erpreffung der Öffentlichen Beamten oder durch die Bedrängniffe 
feiner dirftigen Vircfchaft sur Verzweiflung gerriebene leinbauer mußte 
sulegt frob fein, wenn er überhaupt feine Eriftenz retten Tonne. Dbne 
langes Wlarkten unterwarf‘ er fi der Serrfehaft eines Brundbern und 
verzichtete gern auf feine Sreibeitsrechte: die Teilnahme am Voltsrecht 
umd Voltsgericht und auf die Waffenfähigteit. Te mehr aber die Freien 
den großen Brundherefihaften zufrmeen, um fo flärter ftellte fich die 
Ylomvendigteit ein, die rechtlichen und wirtfehaftlichen Bedärfniffe diefer 
Brundholden zu zegeln. Das Prinzip der Affogiarion machte fid) auch 
bier geltend, und fo gefebah es denn, daß es zu einer Vereinigung der 
“interfaffen einer Grundherrfdyaft Bam, zu einer Kechtegenoffenfihaft 
md damit einer Berichtegemeinde zum Zwecke der Beurteilung der 
internen Angelegenheiten der %ofgenoffen, das beift, der Besiebungen 
zweifehen Brundheren und "ofleuten und zwifchen den Zofleuten unter: 
einander. So bildere fih das Hofigeridt und aus deffen Praris das 
Hofrecht“"). Völlig wurden die Förigen dadurdy dem öffentlichen Bericht 
nicht entzogen. Denn für Vergeben und Verbreden, die fie außerhalb 
der “oftgenoffenfchaft begangen oder die je von außerhalb ber erlitten 
batten, waren fie immer dem Landgericht zuftfndig. Berade diefe Ent: 
wicfelung hat das deutfche Volk vor einer großen unbeifoollen Rataftropbe 
bewahrt. Der deurfche Bauer, der im 9. Jahrhundert in Befahr war, 
sum ländlichen Proletarier berabzufinten, rettere durch den Kintrirt in 
die Sofgenoffenfehaft und das “oftecht feine materielle Lpiftenz. Im 
Laufe der Zeit Eonnte er fogar wieder volles Eigenum erlangen. 


Die reclicden und wirtfeaftlihen Ordnungen Burdjardo, 295 


Burcyard von Worms bat num wiederholt die Autorirdt des Raifers 
Geincich II. in Anfpruch genommen, damit diefer durch Berichtefprudh 
fireitige Rechreverhältmiffe der börigen Rlaffe regele, und frz vor feinem 
Tode har der umfichtige Bifcyof ein Weisrum finden laffen, das eines 
der wichtigften Dokumente für die Extenntnis diefer Verbätniffe it. 

Durch die Immunitäteverleihungen der Rönige erhielt der Bifchof 
die niedere Gerichtebarkeit auf dem immunen Gebiet, die er einem Vogt 
der Rirdye überrrug. Die “interfaffen umterftanden in allen peinlichen 
Sachen dem Ding des Landgerichts. Baifer Otto II. hatte dem 
Bifchof außer den fiskalifben Linkiinften auch die gräfliche Berichtebarkeir 
übereragen, und infolge der Tntervention Könige %einrich II. batre 
Gerzog Örro, der bisherige Inhaber der Graffchaftsgewalt, auf feinen 
Befin in Worms zu Bunften des Bifchofo verzichte. Dadurch erbiele 
Burchard völlig freie Sand. Er Überrrug nun dem Vogt der Ricche 
aud) die Berichtebarteit im Gerichrebezirt Worms. Denn nach kirchlicher 
Anfihauung durfte der Bifchef den Blutbann nicht befizen, weil ihm 
das Blutvergießen verboten war”). Dem Vogt verlieh der Rönig den 
Blurbann. Demgemäp blieb diefer Vogt Eöniglicher Beamter, und die 
Stellung der Sreien wurde durch die Uebertragung der Berichtsgewalr 
an den Bifchof in Beiner Weife geändert. Der König galt nach wie 
vor als der eigentliche „err der bifchöflichen Städte. Er ernannte ja 
die Bifchöfe, die feine Beamten waren, und er bebielt auch einen Zinfluß 
auf die Stadtwögte. Wir werden feben, wie fpärer der Rönig in die 
Derhätmiffe der Bifchofsftddre mir ftarter Hand eingreift, und wie die 
Bürger an ihm einen Eräftigen Schun gegen die Uebergriffe der Bifchöfe 
finden. Worms wird noch immer, wie in Barolingifcher Zeit, eine 
öffeneliche oder Eönigliche Stadt genannt, obgleich die önigliche Pfalz 
fon längft in Defig des Bifdofe übergegangen war, denn die Stadt 
ift eine Reicheburg, die einen höheren Srieden als das Land genießt“). 

In drei Urkunden aus dem Jahre 1016°%) erfcpeine in der Zeugenlifte 
als erfter unter den Laien Folemarus advocatus. Das ift eben der 
Vogt, den der Bifhof nach Ueberrragung der gräflichen Berichtebarkeir 
durch die Otronen eingefege batte, und er ijt aud) wohl identifd» mir 
dem Comes civitatis, dem Burdhard 1016 jede Amtahandlung innerhalb 
der Immunität der neu begelinderen 5. Paulsticche unterfagee””). Die 
Vögte oder Grafen füchten naturgemäß ihre nterejfen geltend zu 
machen, und wir Bernen die fornwÄhrenden Alagen der Bifchöfe und 


294 13. Bapirl 


Aebre über die “abgier und den igenwillen biefer weltlichen Richter, 
über deren Befchwoägigkeic auch unfer Burchard erboft war”). 

Burchard brachte nun im YIamen fämtlicher Bifchöfe und Aebte 
der Provinz vor dem Raifer Zeinrich II. lage vor, daß won aller 
Immuniekrsprivilegien die Grafen immer die Beridhrebuße von fechsig 
Schillingen forderten, wenn jemand von den Leuten der Kirche eines 
Diebftabls, einer Fehde oder irgend einer Rriminalfache fcyuldig befunden 
würde”). “einrich II. fprach am 29. Juli 1054 zu MWörfelden Recht. 
Der König beftäeige der Wormfer Rirche die Immunirde und teiffe 
Beftimmungen über Vergeben der Leute des Bifcofs. Alle Perfonen, 
die zur Samilie (über diefen Begriff fiehe unten) des Bifchofe gebören, 
follen für innerhalb der Samilie verhbte Verbrechen nur dem Vogte im 
Framen des Bifchofe Buße leiften; bei Vergeben gegen Auswärtige 
möffen fie vom Vogte vor dem Grafen vertreten werden. Der gräfliche 
Bann wurde auf fünf Schilling feftgefene. Die Grafen follen über die 
Leute der Samilie Beine Bewalt haben, außer wenn fie im ehren Ding 
vor den Schöffen und durd) das Zeugnis von Freien Überwiefen werden. 
Wenn einer auf bandfefter That ergriffen wird, foll er in der daft des 
Grafen verwahrt werden, bis im Bericht durch die Schöffen über ihn 
geurreilt wird. „Jene fechzig Schillinge aber, welche die Grafen bis 
fest in ungerechrer Weife genommen haben, verbieten wir ihnen, außer 
in den öffentlichen Städten.“ Wer dawider bandelt, der zahlt, wenn er 
ein Sreier it, drei Pfund Bold in die Eönigliche Rammer; ift er ein 
Unfreier, fo wird er an “aut und „aaren gefhoren. 

Ylady der fräntifchen Berichteverfaffung urteilte der Braf mit einem 
Bann von fünfiebn Schillingen, und nur unter befonderen Umftänden 
befaßen fie den Rönigebann von fechsig Schillingen, der erft im Zeit: 
aleer der Staufer auch für die Grafen allgemein galt”). In der Stadt 
war die wirtfchaftliche und darum aud) die rechtliche Ennwictelung vor- 
gefebritten. Deshalb galt hier der Sechsig.Schillingbann fäyon zu einer 
Zeit, wo er auf dem Lande noch nicht zuläffig war, weil durch diefe 
bobe Buße die materielle FEriftenz der Bauern allyufehr bedrobt worden 
wire. Die Brafen füchten ihn aus igennug auch auf dem Lande ein: 
zuführen, wogegen fi eben Burchard im Kamen der andern geiftlichen 
Grundberren verwahrre. Weil diefer Sechsig-Schillingbann in der Stadt 
galt, fo beißt er aud, Burgbann””), denn die Stadt ift, wie fehon 
wieberhoft bemerkt, eine Burg des Rönige und genießt als foldye einen 
böheren Srieden als das Dorf”). 


Die eröslien und wierfänflilien Ordnungen Burcharde, 295 


Das wird num audy durdy das “oftecht Burchards””) beftätige. 
Arcifel 20 beftimmt, daß wer in der Stadt Worms im gerichtlichen 
iweilampf unterliegt, 6 Schillinge besablen muß, während, wenn dies 
außerhalb der Stadt innerhalb der Jamilie vortomme, der Unterlegene 
dem Bifchof den Bann (5 Schillinge) zu bezahlen bar, dem Vogt 
20 Schilling und dem Gegner das dreifache Wehrgelb”). Denn durch 
die höhere Steafandrohung wollte der Bifchof den gerichtlichen Zwei: 
tampf in der Stadt befchränten. Die gleiche Buße von 60 Schillingen foll 
ferner der bezahlen, welcher in der Stade gegen einen andern das Schwert 
gexhicht oder den Bogen gefpannt und den Pfeil auf die Sehne gelegt oder 
Die Lanze zum Stoße erhoben hat (Artifel 28) und ebenfoviel, wer in der 
Stadt einen zu Boden gefchlagen bat (Art. 27). YIody immer wollten fic) die 
Wienfehen damals nicht der Zuche und Ordnung fügen, und fie ließen ihren 
Leidenfchaften die Zügel fehießen. Saft alle Jahre vourden in den Sehden der 
börigen Benoffenfihaften Leute erfehlagen (Artitel 30). Um dem vorzubeugen, 
fente man eine fäywere törperlide Strafe auf foldye Vergeben gegen das 
Leben (Artibel 30). Der Sechsig-Schillingbann galt eben alo Stadtrecht, das 
ich im Begenfan zum Landrecht berauebildere. Denn wenn eine Stade 
gedeihen foll, fo muß innerhalb der Wauern der Seieden gewahrt fein. 
Auf feiner Brundberrfihaft außerhalb der Stadt fuchre der Bifdhof die 
Gewalt des Brafen einzufchränten, in der Stadt jedoch erhielt der Brafum 
fo größere Bedeurung, da hier eine Gemeinde freier Männer vorhanden war. 

Bwar wird von verfihiedenen Seiten behauptet, Daß die Freiheit der 
Bürger von Worms fi, unter Bifchof Burchard vermindert babe und 
daß alle Bürger dem Softecht unterworfen gervefen wären"). Auch 
Andreas “eusler, der die Eriftenz freier Kinwohner in den Gtädten 
annimmt, meint, fämtliche Rlaffen der Stadteinmwohner feien einer privarı 
techtlichen Abhängigeir vom Bifchof unterlegen; doch fei der Zufammen- 
bang zwifchen öffentlicher Gewalt und der Einwohnerfchaft ungefchmälerr 
geblieben, weil diefe id durch die beftändige Erneuerung ihrer fteien 
Zlemente von dem Lande auf der Höhe erbalten babe”). Man bar 
auch geglaubt, daß zu irgend einer Zeit der gefamte Grund und Boden 
in den Deflz des Stadtheren, das ift des Bifchofs und der Stifter und 
Riöfter übergegangen fei und daß die Einwohner ihn wieder gegen Zins 
zurticdempfangen brten, wodurd) eben eine Verminderung der Seeibeit 
eingerreen fei?”). Allein dies alles Bann man durdy die Quellen niche 
beweifen. Im Gegenteil, aus den freilidh nur fpärlih vorhandenen 


296 13. Bapitel, 


Urkunden erfiebr man, daß es in den Städten Sreie aud) in diefer Zei 
noch gegeben bat. In der vorbin erwähnten Urkunde “einriche II. 
som Jabre J0J4 ift ausdrücklich von Freien die Aede’*). J033 übertrug 
Bifchof Asecho von Worms der Ruftodei: des Domftifte das Lauptrechr 
(capitalis Justicia), das ijt den Sterbefall derjenigen Zinspflicheigen der Birche 
5. Peter in Worms, welche wibrend der Dauer feines Kpiffopars 
entweder freiwillig fich der Sreibeit entäußerten oder foldher Unfreien, 
die freigelaffen und dem beiligen Petrus übergeben worden waren“). 
‚Sreitidy handelt es fich in beiden Zällen um Auswärtige. Aber befannter- 
maßen waren die Derhälmiffe in der Stadt der Sreibeit viel günftiger als 
auf dem Lande. Uebrigens ift für YWorms die freie Gemeinde bezeugt. 
Ihre Wirgtieder, die Ucbani, bilden nach der uns befannten Yormfer Bau: 
sronung eine Benoffenfihaft, “eimgereiden genannt (fiehe oben). Yoohl 
ift ein großer Teil des Grund und Bodens in den Befiz der Kirche 
gelangt, indem die religiöfe Zeitftrömung und die Bründung oder Erneuerung 
‚von Stiften und Rlöftern mandyen $reien veranlafr haben mochten, fein 
Eigentum den irchen zu vermachen, aber immer noch gab es in der 
Stadt freies Ligen. Obfchon der Bifdyof die Gerichtsbarkeit in der 
Stade erlangt hatte, blieb dadurdy die rechtliche Ylarır des Brundbefiges 
völlig unberhbrr; was echtes Ligen war, blieb echtes Kigen, und mas 
sinebar war, blieb yinebar““). 

Die freie Stadtgemeinde bat in diefer Zeit noch genau diefelbe 
Zunttion wie die Landgemeinde‘®). Sie ftebr außerhalb des fiaatlichen 
Organismus“) und ift bauptfächlich eine Wiarfgenoffenfchaft; die Regelung 
diefer Verbälmiffe war die “auptaufzabe der Stadtgemeinde wie der 
Landgemeinde. Wiitglieder der Stadtgemeinde find die, welche Brund: 
befig haben. Die Gemeinde ift vollftändig autonom und befigt Selbft- 
beftimmungsrecht, das aber freilich durch den Stabtherrn, den Bifchof, 
vertümmert werden Bann. Diefes Selbftbeftimmungsrecht bezieht fich 
auf ihre wirefchaftlichen und polizeilichen Angelegenheiten, und zur 
Wahrnehmung ihrer Tntereffen beftelle die Stadrgemeinde Beamte: die 
seimburger. Das Bebier der Selbftverrwaltung war jedoch zur Zeit der 
bifcyöflichen Stadtherrfebaft eingefchräntt worden, indem der Stadtberr 
außer der Berichteverwaltung aud) die Verwaltung von Angelegenbeiten 
übernahm begiehungsweife durch feine Organe beforgen lief, die eigenelich 
Sadye der Stadtgemeinde gewefen wäre. Wit einigem Rechte Eonnten 
fpäter im 15. Jahrhundere die Wormfer lagen, daß ihre Bemeinde 


Die vedlichen und wirtfchaftlidien Orönungen Burdarde. 297 


einft fiei gewefen fei und daß der Bifcof fd) die Rechte fiber die 
Stadt ufurpiere habe’). Eben um fid der vom Bifchof angemaßten 
Stabtherrfcyaft zu entziehen, feploß fidy die Stadtgemeinde dem König 
an, und mit defjen Zilfe erlangte fie wieder die Sreibeit. 

Der oberfte Beamte des Bifchofe war der Rirchenvoge, dem der 
Bifcyof auch die Gerichtsbarkeit im Stadtbezirk übertragen harte. Die 
Stadt war aber zugleich Burg oder Seftung, und daher erhielt der Stadr- 
graf zu feinen gerichtlichen Sunttionen auch mitiräeifebe. Ihm ift die 
Verteidigung der Srabt anvertraut, und deshalb heißt er Burggraf oder 
Stadepräfekt”®). Diefer Titel erinnert an den Stadtpräfetten in Rom. 
Sier wie in fo vielen anderen $ällen ift der Ylame dem römifchen Titel: 
fsftem entlehne worden®”); aber mur der Yrame ift römifch, die Sache 
üft ehe deurfeb. Sein Amtobezirf heiße Prefectura, und diefer umfape 
mur das Bebier der Stade”). Er ifk der oberfte Richter, vom Rönig 
mit dem Bann belebnt. Vor feinem Gericht find die Sceien suftändig. 
Den Ertrag der Gericytebußen teilt er mit dem Bifdof, und zwar 
empfängt lenterer zwei Teile, der Braf einen”). Da er zugleich Stadt: 
Bommandanr if, fo ehr ibm auch die Baupolisei zu. Von Zeit zu Zeit 
ließ er einen Vertreter durch die Stadt reiten, der in feinen Armen 
wagerecht eine Stange hielt. Diefer hatte das Recht, alle Vorbauten 
und fonftigen Beengungen der Straßen befeitigen zu laffen; Das nannte man 
das Stangentecht oder „uberzimbere“”®). Auch für Regensburg, Adln, 
Straßburg, Yamur, Dinant ıc. ift von einem folchen Recht des Brafen 
die Rede. Lrad) dem erfien Straßburger Stadtrecht”) ift der Burggraf 
der Beamte fir die Verwaltung der inneren Stadt, indem ihm die Sorge 
fiir die Unterhaltung der Stadtbefeftigung, die Sreihaltung der Straßen 
von Dorbaucen und die Jnftandhalung der Brücken in der Aldtadt auf: 
getragen war. Wüblen dürfen nur mit feiner und der Bhrger Zuftimmung 
gebaut werden. Er Übe die Bewerbepolizei aus und fent die Wieifter faft 
aller Zlnfre ein; audy erhebt er Abgaben vom Rleinverfauf in der Stadt. 

Saft in einer jeden Stadt find die Sunktionen des Burggrafen 
verfhieden””). Tin Trier, Straßburg und Augsburg war der Burggraf 
ein Winifteriale und daher feine Abhängigkeit vom Bifcbof eine gröfere 
als da, wo die Burggrafen Wüirglieder angefebener Befrlechter waren, 
wie zum Beifpiel in Mainz“) und in Worms. 

Ueber die Wormfer Burggafen im 11. Jahrhundert wiffen wir 
garnichts. rft in einer Urkunde vom Jahre 1106‘) Fommr der KTame 


18. Deo. Die Ruin er sheindfäm San. ” 





298 13. Rapitel, 


des Burggrafen vor, und zwar in der Beugenlifte unmittelbar nach dem 
Bifdyof und vor dem Propfte. Im felben Tabre errichrere der Bifchof” 
auf Dirten des Grafen Wernber und auf den Rat ber vornehmften 
Leute in Worms eine Benoffenfcyaft von Sifehhändlern. III6 erfcheine 
derfelbe Wernherus comes huius eivitatis als Zeuge in einer Urkunde 
Weinriche V.®). 1123 ift er ohne Erben geftorben, weshalb Bifchof” 
Bucco deijen Zehen einzog”). Diefer Wernher nun war Graf von 
Vledarau und Waden, fowwie Befiner der Burg Acalm; auch befaß er 
die Vogtei über das Stift Srinlar und das Alofter Raufungen”), 
1143, 1159, 1165 und 1166”) exfcheint als Burggraf von Worms Simon 
Graf von Saarbrücken. Deflen Vater Seiedrich foll die Burggraffehaft 
durdy feine Ehe mir der Gifela, Erbtochter jenes 1123 verjiorbenen 
DBurggrafen Wernher, ererbt haben”). 1380 farb Simon, aber fein 
Ylame wird von II66 an nide mehr genannt, daber man vermutet 
bat, Simon babe auf die Burggraflchaft verzichte"). Das ift aber nicht 
der Gall. Im Jahre 1261 erhob Graf Zeinrich von Zweibräicken als 
Rechrenachfolger der Brafen von Saarbrücken Anfpruch auf die Wormfer 
Burggraflihaft, indem er behauptere, er fei Burggeaf, und daber geblibre 
ihm das Stangenrecht. Sein Sohn verfolgte nach deffen Tod mir Zartı 
näcfigteit feinen Rechtsanfpruch, und durch ein Schiedegericht wurde ihm 
eine jäbrliche Zinnabme von I2 Pfund Wormfer Münze zugefprochen, 
welche der Stadtgreve, der an die Stelle des ehemaligen Durggrafen getreten 
war, nachdem diefer fi) nicht mehr um fein Amt befümmere hate“), ihm 
ausrichten follte. Auch follte die Stadt dem Grafen &einrich ein Jaus bei 
©. Rilian geben). Exft 1379 entfagten die Brafen von Zweibrücken völlig 
ihrem Anfpruc”®). Sie follen fortan kein Recht haben, eine Stange durch 
die Stadt zu führen, da es ihnen von Alters ber abgefprochen worden fei. 

Unter dem Burggeafen ftand der Schultheif, der Untereichter des 
Grafen, dem Centenar der fränkifcyen Berichteverfaffung enefprechend. 
In den Wormfer Urkunden Eomme er erft im Jahre 1165 vor®), allein 
das ift lediglich Zufall®). In Wlains gehören die Schulcheißen, die 
zuweilen auch Villicus, Centurio oder Tribunus plebis beißen, im II. und 
12. Jahrhundert dem Wiinifterialenftande an. Als folcher wird audy in 
Worms der Schultheiß Richizo II65 begeichner®). Die Befchaffenbeit 
diefeo Amtes war in Worms die gleidye wie Überall fonft®”). 

Im Prolog zur Lex familise S. Petri) wird neben dem Vogt, 
das ift dem Burggrafen, und dem inifterialis (fiehe unten), aud) des 


Die seögeicden und wirefebaftliden Ordnungen Burdards. 29 


Vicedominus gedacht, der wie jene geneige it, voill£rliche LTeuerungen 
einzufühcen. Der Dicedominus oder Visum war in fräntifcher Zeit ein 
Wirtfdpaftebeameer, der aber auch Berichtebarteit befaß‘”). Vefters 
nahm er gerabesu die Stellung eines Birchlichen Vogtes ein. Urfprünglich 
gebörte der Vicedominus der Geiftlichteit an, fpäter verfab meift ein 
Winifteriale diefes wichtige Amt. In Worms Eomme zuerft 1068 ein 
Chuno als Minifierial in diefer Stellung vor“); 1127 Auigerus"), 
II37—114] Bumperrus“), I152—1160 Flibelungus®), 1I6I—1365 
Sigfridus"), 1I73—1184 Burcardus“?) ıc. Der Visum fiebr an der 
Spige der minifterialifden Stadtbeamten““), und wenn er mit dem 
Burggrafen zufammen erwähnt wird, fo folgt er im Range unmittelbar 
auf diefen“”). Offenbar bar der Distum in Worms den Burggrafen 
allmählich aus feiner Stellung verbränge‘). 

In der bifchöflichen Verwaltung war ferner der Camerarlus, 
Aämmerer, von großer Bedeutung. Am fränkifchen Hofe verfah er den 
Dienft eines Schatmeifters‘”). Zr gehört zu den vier altgermanifchen 
»ofämtern: Truchfeß, Warfchalt, Schenk und Römmerer, und auch das 
Befez Burchards von Worms, Tit. 29, nennt den Rämmerer neben den 
andern drei Nemtern. in Mainz waren die Bämmerer die vornehmften 
Stabtbeamten und Beiftlichen, die fpdter zu den böchften Yolirden empor- 
fiegen; Burchard von Worms, Burdyard, Bifchof von Bafel, Wegingaud, 
Ergbifehof von Trier, Ronrab, Bifchof von Utrecht, "Hartwig, Ersbifcbof 
von Magdeburg, hatten diefeo Amt, das eine gure Vorfchule für ibren 
künftigen Beruf ale $hrften des Heiches war, innegebabt“). Die Ein: 
fesung diefes Amtes hängt vielleicht mit dem Uebergang der Stadtherrfchaft 
auf den Bifchof in der Ortonenzeit zufammen. Der Rämmerer war der 
Stellvertrerer des Bifchofs in feinen Besiebungen zur Stadt. Oefters 
verfah ein Propft diefes Amt, fo auch in Worms 016 der Propft 
Emicho®). Zäufig wurde indes dem geiftlichen Rämmerer zur Beforgung 
der Befcyäfte ein welrlicher aus dem Stande der Winifterialen beigegeben, 
Pin Waing”) und in Worme“”). Der Kämmerer verwaltete die 
bifchöflichen Finkünfte und harte, wie das im Wiirrelalter fo oft vorkommt, 
ad) furisdiktionelle Befugniffe. ben aus diefem Verbälmie leiten fich 
deifen Besiehungen zu den Juden ber. Diefe landen in feinem Schuge, 
und nur durch ihn durften fle vor das bifchöfliche Gericht geladen 
werden. #Er hielt Bericht über die Juden und ftellte ihnen bei “ochzeits- 
und. Leichenfeieen feine Diener“*), Bifchof Burdard hatte 1016 dem 


300 13. Bapitl, 


Brafen das Betreen der Immunität der S. Paulstische zur Vornahme 
von Amtshandlungen verboten”). Auch im Gebiet der bifchöflichen 
Jmmunitdt (Mundart) durfte der Burggraf Beine Derhaftungen vornehmen, 
fondern nur der Rämmerer“*). Wer in die Benoffenfhyaft der Yünzer 
aufgenommen wurde, mußte außer an den Bifchof und den Yykınzmeifter 
aud) an den Rdmmerer eine Abgabe besablen“”). Denn wabrfceinlich 
batte der Rämmerer den Vorfig im Dienftgericht. Serner Bommen fr 
die Verwaltung die Zöllner und Wlünzer in Berradhr, doch wollen wir 
diefe Aemter in einem anderen Zufammenbang behandeln. 

Leider fließen die Quellen im II. Jahrhundert nicht fo reichlich, 
daß man den Verwaltungsorganismus im Detail erfennen Bönnte, allein 
fo viel ift ficher, daß die Verwalrung der ftädrifchen Aemter durdy 
bifchöftiche Minifteriale beforge wurde. Weldyes fodann die Leiflungen 
der Bürger an den Bifchof waren, wiffen woir ebenfalls nich; fie waren 
wohl ähnlicher Art wie in Straßburg”). Daß aber die Blirger in 
feiner unehrenvollen Stellung zum Bifdyof ftanden, beroeift der Umftand, 
daß beinahe zu allen wichtigen Jandlungen, die der Bifdyof' vornahm, 
außer den vornehmen @eiftlichen und den minifierialifdyen Beamten 
auch die angefebenften Bürger zugezogen wurden; fo zum Beifpiel bei 
der Beurtundung der großen Schenkung für das Rlofter Kionnenmünfter 
fat alle Bürger (pene omnes urbani‘“). 

Die Stabrgemeinde felbft hatte nur untergeordnete Organe fir ihre 
Selbfiverwaltung, die &eimburger und feine fländige Vertretung der 
Gemeinde. Von einem Bar Tann marllicher YWeife im II. Tabe: 
bundere noch feine Aede fein. Alle Wirglieder der freien Stadrgemeinde 
(Universitas) nahmen an den Beratungen der Bemeindeangelegenbeiten 
teil, was um fo eber möglich war, da ihre Anzahl nicht groß fein 
Bonnte®), 

Eine befondere Welt für fid bildere die Jamilie der bifdyöflichen 
Rircye, wozu im weiteren Sinne der gefamte Alerus, die Winifterialen 
und die igenleute des Bifchofs gehörten), im engeren aber nur die 
Unfreien®). Diefe bildern eine bofredhtliche Genoffenfchaft. 

Jm Mittelalter wurden in der Regel Befene und Rechrogerohnbeiten 
erft dann aufhefehrieben, wenn Zweifel über befichende Rechtesuftände, 
Pflichten und Leiftungen entftanden. Jedes Gefer it ein Weisrum. 
Denn das Rede wurde nicht gemacht wie beurzurage, fondern das Hechr 
wurde bezeugt ober gefunden. &o find denm die „Weistämer nichts 


Die vedlicden und wirtfhaftliten Ordnungen Burcarde, 305 


anderes als Bezeugungen des bergebrachten echtes und eingerourzelter 
wirtfehaftlicher Bervohnbeiren“®. Yrur felten beftebr die Abfidhe einer 
fsftematifehen erfehöpfenden Bearbeitung des gefamten Stoffes, fondern 
meift Tommen mus die Punkte zur Verhandlung und fehriftlicyer 
Sigierung, welche irgendreie zweifelhaft waren. Bifchof Burchard ließ 
auf den Rat des Rlerus, der Winifterialen Und der ganzen Samilie Die 
Gfene der Hofgenoffenfihaft des heiligen Petrus niederfehreiben, damit 
die Wiirglieder Diefer Samile vor Webergeiffen der Beamten gefchligt 
feien. Sr die Samitie foll fortan ein und dasfelbe Befer gelten, dem 
Armen wie dem Reichen”). Be handelt fidh faßt lediglich um Kegelung 
der hofrechrlichen, das ift privatrechtlichen Verbälmiffe, daher berhbrr 
diefes Gefen Die freien Blirger der Stadt Worms, die dem öffentlichen 
Bericht unterftanden, in Reiner Weife. Der größte Teil des Inhalte 
berrifft ftraftechtliche, progeßrechtliche und vermögensrechtliche Be: 
fimmungen“®). Vieles, was man in einem bofrechtlichen YOelsrum 
füchen wolirde, alfo Beftimmungen über Abgaben und Dienfte, fehle bier, 
und ebenfo fehle Diefem Weisrum die reiche Symbolik, welche den fpäteren 
Weistümern einen fo großen poetifchen Heiz verleiht). 

Die Angebörigen der Familie zerfallen in verfchiedene Rlaffen. 
Auf der unterften Stufe ftanden die Dagewarden“®), ein YTame, der ibre 
Stelkung gut bezeichnet, denn nicht wie die Brundhörigen hatten. fie 
Bine zu leiften, fondern Dienfte, und zwar Tat für Tag. Sie mußten 
teil im “aufe arbeiten ale Yanblanger und Handiverker, teils auf den 
Seonfeldern. bren Unterhalt erhielten fie vom Sofgur. Sie waren 
Zeibeigene wie die alten SElaven oder Maneipia, galten Daher Iebiglich 
ale Sadye und Eonnten verkauft werden (Tir. 2 und II). br Wehrgeld 
fiel ganz an die Ricche. Doch bat fich ihre Stellung im II. Jahr: 
Hundert woefentlich gebeffert, indem ihre She techrlich anerfannt wurde 
und fie audy ZBigeneum erwerben Eonnten. 

Thnen folgten die fiscales oder Aiscalini“”). $Es find das urfprünglich 
die „örigen des Fiskus oder des Könige, die auf den Pfalsgütern faßen 
und zu Sof: und Rriegebienften verpflichter waren. Wir haben gefehen 
(fiebe oben), daß Maifer Arnulf eine Anzahl foldyer Siscalinen der 
Wormfer Rirche gefchentt hatte und daß biefe Fiscalini eine Societas 
paraveredorum bilderen. Won ihrem Webrgeld fielen s Pfund an- die 
Rammer des Bifchofs und 24, Pfund an ihre Sippe (Tir. 9). Sie 
waren zu den ehrenvollen “ofdienften eines Mämmerere, Schenken, 


302 13. Bapitel, 


Truchfeflen und Wiarfchalten oder eines Wiinifterialen verpflidyter; aber 
auch von diefen Dienftverpflichrungen Ponnten fie fid durch, eine jährliche 
Steuer von 4 Denaren (Silberpfennigen) für den Eöniglichen Dienft und 
eine Briegefteuer von 6 Denaren losfaufen. Tjeboch mußten fie die drei 
echten Dinge befucyen (Tir. 29). YWOurde ein Siscaline als Dagerard 
angefprochen, fo bewegte fich der Prozeß in den Gormen des Farölingifchen 
‚Sreibeirsproseffes (Tir. 22). 

Auf gleicher fozialer Stufe wie die Siscalini landen die Cenfiales, 
die urfprünglich Sreie gewefen waren und in das “oftedht eingerreren 
find. Durdy ihren freien Stand find fie fhyarf von den Dagemwarden 
gefehieden, denn hen zwifchen Lenfualen und Dagewarben galten als 
unebenbürcig, und die Rinder folgten der Ärgeren Fand (Lit. 16), das if, 
fie werden ebenfalle unfrei. Aber wenig wollte Diefe Freiheit bedeuten, 
denn durch den Eintritt in das “oftecht verlor der Sreie feine Sreisigigkeit. 
Xs war nicht fchrwer, in die Sofgemeinfchaft aufgenommen zu werden, 
da Eräftige Arme gefchdar wurden, aber um fo fdhwerer, ja faft unmöglich 
war es dagegen, wieder binauszußommen. Die Vor des Lebens zwang 
manchen Steien, feine Sreibeit um des täglichen Brores willen zu verkaufen. 
Kr erbiele alsdann ein Stüd Land, mandmal fein eigenen, gegen Bine: 
Pflicht. WOie der Dagewarde zahlte er eine Ropffteuer, und von feinem 
Erbreil fälle dem Seren das befte Sthe? Vieh zu, eine Erbfteuer, die in 
Worme und Speier Bureil genann wurde”). Er unterlag ferner wie 
der Dageward Seirarsbefchräntungen durch den “ern. Dies war eben 
wiederum durch das Wefen der “örigkeit und der Foftechtverfaffung 
bedingt, da es unmöglich einem Wlirgliede der Hhofgenoffenfchaft erlaube 
fein durfte, außerhalb Diefer Benoffenfihaft zu heiraten, weil er damit 
aus ibr gefchieden und dem "Serrn fein Anrecht an ibn und feine 
Ylacytommenfehaft verloren gegangen wire. hen Eonnten daher mur 
wwifchen den Angehörigen derfelben Grundberrfchaft gefchloffen werden. 
Das Wormfer Fofrechr war in diefer Beziehung bereite müder. ‘Ehen 
zweifchen Ungenoffen wurden geflattet unter Wahrung der Kedhte der 
Ricdje, der zwei Drittel der “interlaffenfchaft zufielen. 

Allmäblich fand eine Verfchmelsung zwifcyen den unfreien und freien 
“ofgenoffen ftatt, indem der urfprünglich perfönlice Charakter des 
Ständerechts auf’ das dingliche Gebier verpflanze wurde”). Die Abgaben 
waren früher nach der Perfon des freien, balbftein oder unfreien 
Bauern gemeffen gewefen; fie wurden num auf das von ihm 





Die eetnlicen und wierf@afelicen Ordnungen Burarbe. 303 


bebaure Land gelegt. Yan unrerfehied freie Juben, Litenhufen, Rnechte- 
bufen, und je nachdem ein Bauer einen folcben Aber erhielt, sale er 
Abgaben, die mit der Sreiheit verträglich oder Zeichen der Unfteibeit 
waren. Später, im Jo. Tabrbunderr, wurde diefe Unterfcheidung nicht 
mebr feftgebalten. Sreie erhielten Rnechtshufen und Unfreie freie Aecker, 
fomit verwifchten fich die Ständeunterfchiede. Die Unfteien hoben fich 
und die Sreien fanten herunter. 

In der fogialen Gliederung der Stände nehmen die Minifteristen 
oder Dienfleure eine befonders bedeutfame Stellung ein“). Schon in 
der fränkifchen Zeit find unter Diefem YTamen unfreie Diener am 
Eöniglidyen ofe verftanden, welche teile “ofdienfte, teile Dienfte zu 
Pferde leifteren. Später nannte man mit diefem YTamen unfreie 
Dienftleure des Bönigs oder der Großen, die unter Befreiung von 
anderen Dienftleiftungen und Abgaben im ofdienft oder als Reifige zu 
Boten: und Geleitedienften, auf der Jagd oder im Mriege, oder auch 
in der Verwaltung ale Maier, Zörfter, Zöllner zc. verwendet wurden. 
Das nahe perfönliche Verhätmis zum Seren und die Fhre des Reiter 
dienftes hob diefen Stand weit ber die fonftigen Benoffen des SHoftechtes. 
As Entgelung für ihren Dienft erhielten fie entweder im errenbofe 
felbft Woohnung und Unterhalt oder aber es befam der Dienftmann eine 
Brundrente, die auf ein Lehengur angesiefen war. Der Beliehene foll 
nicht erwoa den Acer felbft bebauen, das gefchiehr durch Mnechte oder 
sainterfaffen, fondern er foll durch den rtrag des Lehens in den Stand 
gefest fein, feinem Jeren die geforderten Dienfte zu leiften‘“). Diefes 
inogur beißt in fränkifcher Zeir Precarium. Auch in Worms erhielt 
ein jeder Dienfmann (serviens oder miles) ein folches Precarium‘”). 

Im hofteche Burcharde wird der Minifteriale fomohl im Prolog, 
als in den Titeln 2, 12, 14, 24, 25, 29 und 30 erwähnt. Denn co if 
nicht zu bezweifeln, daß der in den Titeln 2, 12, 24 und 25 vorkommende 
minister oder magister loci idenrifh) if? mit dem ministerialis. Diefer 
minister ober magister loci it niemand anderer als der Waier, der 
forwobl adminiftrative als furisbiftionelle Befugniffe bar“9. Lach 
Tirel 2 foll der minister loci, wenn femand fein KBrbgur norgedrungen 
verkaufen muß und es feiner feiner Blntefkeunde erfiehen will, die 
Zumeifung des YWlanfüs an irgend einen anderen Samiliengenoffen 
besirten. Sollte aber gegen den neuen mhaber nach zwei oder drei 
der mehr Jahren einer auftreten, welcher umterbeffen in der Sremde 


304 13. Rapirel, 


gewefen war, und fagen: „Jch bin der Hrbe, ich wer arm und eine 
Waife und batte nichts, womit ich mich ernährte, deehalb bin ich in 
die Scemde gegangen und babe mich bis jent durch meine Arbeir 
erhalten,“ und will mic einem Zeugen jenen, der auf Befebl des Bifdbofs 
eingefent worden ift und den Wlanfis wohl bebaur und geblingt bat, 
ausrreiben, fo darf der vom minister loci eingeferte “interfaffe nichr 
ohne gerechte Urfadhe vertrieben werden. Denn warum ift jener, wenn 
er Erbe war, weggegangen, und ift nicht zu “aufe geblieben, um fein 
Erbe zu wahren 

Zur Vermeidung von tieineiden foll der minister loci den Jall 
ohne Eidesableiftung entfcheiden, wenn gemiffe leidhtere, befonders 
agrarifche Vergeben vorliegen (Tir. J2). Wenn jemand ein beim 
minister loei abgelegtes Schuldgeftändnis am nädhften Tage widerruft 
und der Wiinifter Zeugen für das Bekenntnis har, fo {ft die Ableugnung 
ul und nichrig (Tit. 2%). $Ebenfo foll, wenn ein Hechesfall auf ein 
echtes Ding verfchjoben werden mußte, eine andere widerfprechende Aus- 
fage ungiltig fein, wenn ibn dafelbft der Wlinifter zeugengemäß eines 
vorbergegangenen Schuldbefenntniffes überführen Bann (Tir. 25). Ylach 
einer um das Jahr J000 von Bifchof Burchard gegebenen Urkunde 
mußten die Wiinifterialen, das beißt eben die Wiaier, die Hrhebung des 
Woebrgeldes beforgen*“). 

Diefer minister loci oder Maier war der grundberrlicye Berichte: 
beamte, der mit Beifand feiner Benoffen (coneives) urreile (Tir. 12). 
Unter dem YTamen socii ober coneives find die Miirglieder der “of: 
genoffenfejaft zu verfiehen und nicht die Altfteien®). Das grund- 
herrliche Gericht war ganz nach dem Vorbild des Volksgerichts 
organifiert. $Es beftand neben dem Gerichtsberen, dem Bifdof und 
dem Vorfigenden, dem Maier, ein Umftand und ein Schöffenftuhl als 
Urteiler‘‘). Der Umftand wurde aus den socii oder concives gebilder. 
Jhnen wurden aud) die Schöffen entnommen und zwar ennweder Duech 
Wahl oder durch Ernennung von feiten des Herrn. Diefe Schöffen 
werden ausdrüdlich im Aerikel 17, aber auch 7, I2, 24 und 25 
erwähnte. Wenn jemand in der Berichteverbandlung fich ungebübrlich 
aufführr oder zur Berichtsverhandlung nidhr erfcbeint, fo foll er nicht 
fchwören, fondern durch das Zeugnis der Schöffen überwiefen werden. 

Die Winifierialen genoffen eine beffere Rechtsftellung als die anderen 
Mitglieder der "ofitenoffenfchaft, und fie mußten daber nach deurfcher 


Die redrliden und wierfehafilidgen Ordnungen Burchards. 305 


Bechtsanfdyauung durdh ihre eigenen Benoffen im Bericht des Bifdofe 
überwoiefen werben. Zaut einem Urteil aifer Seinrihe II. vom 
2. Desember 3023 foll der Seiebensbrecher an Gau und aaren (das 
beißt die Haut wird gepeitfcht und das Haar gefchoren)‘”) und überdies 
mit Brandmarkung auf beiden Wangen beftraft werden“). Sr Die 
servientes wird indes die Wilderung feftgefeat, daß es ihnen mit Erlaubnis 
ihres “eren geftatter fein foll, fid) von diefer encehrenden Strafe mit 
10 Pfund Pfenningen loszubaufen. Daß bdiefe servientes gleichbedeutend 
find mic den Wiinifterialen des Wormfer Hofredyres, erhellt aus einem 
andern Usreil Seinrice II. für Sulda vom 9. März J024”), wo an 
der entfprechenden Stelle von kamerarii atque pincernae aliique honorati 
utrorumque abbatum servitores die Rede ift. Zu den Aemtern eines 
Bämmerers oder Schenken waren, wie wir aus dem Softecht Burcharde 
wiffen, ja eben die Yiinifterinien verpflichter, besiehungsweife die 
Siscalinen, voelche infolge der Leiftung diefer Dienfte Wiinifterialen wurden. 
Das Consilium nostrorum fidelium, von dem in Lit. 30 des "ofrechte 
gefprochen wird, entfpricht dem Consilium militum im Prolog des 
Gefenes. Die Winifierialen oder servientes leifieten riegedienfte zu Pferde 
und bießen daher Wilites, fo fehon im 9. Jahrhundert bei Fintmar von 
Reims de ordine palatli. Sie bilden die beftändige Umgebung des 
Bifcyofs, wie der Biograph Burcyarbe wiederholt erzähle, und fie ben 
bei der Bifchofswahl einen großen Linfluß aus“). LToch bilderen fie 
zur Zeit Burcharde Beinen eigenen Beburtaftand, aber die Tendenz zur 
Erblichkeit war bereits vorhanden. Sie befleideten alle höheren Aemter, und 
das gab ihnen Ehre und Anfeben. Obwohl fie unfreier gerkunft waren, 
tiefen fie docdy bald den freien Bürgern den Rang ab. Aus dem 
Winifteriafenftande ift dann in der Folge der niebere Abel hervorgegangen. 

Das eifrige Beftreben Burchards von Worms ging dahin, die wilde 
Zaienwoelt durch Unterwerfung unter feine geiftlichen und weltlichen Gefee 
zu bändigen. Der alte Eriegerifäye Beift der Germanen war ned) nicht 
gebrochen, wondem ein großer Teil den Volkes feine Vollfreibeit eingeblißt 
hatte. Die reifigen Wiannfdyaften der Grafen, der Rirden und Aldfter 
befebderen fihh unaufbörlich; noch eriftierre das Tnftinut der Blurrache, 
welche unausgefent Anlaß zu Ueberfällen und zum Blurvergiefen gab. 
in Jeder griff beim geringften Anlafı zur Selbfihilfe und forgee wenig 
um Strafe, denn der Rönig war in der Regel weit weg, mit anderm 
befehäftige und die ftaatlichen Organe, die Sersöge und Grafen gierige 


15. Deo, Die Aulr reinen ae, ” 


306 13. Bapitel, 


VOäLfe. Am meiften litten unter diefen Sehden die Bauern, deren Aecker 
zerrreten und deren &fufer verbranne wurden. od) fie waren Dies 
gewöhnt und liefen folche Ungiüctefälle über fich ergeben, wie Weber: 
feoroemmungen und Öungerendre. 

Aus dem “ofrecht Burcharde erfahren wir, daß einmal im Kaufe 
eines Tabres 35 “ofttenoffen der Kirche S. Peter erfchlagen worden 
find. Und das Schlimmfte war, daß die Mörder, anflatt Reue zu 
beseigen, ficb ihrer Tharen rühmten. Die häufigen Torfebläge erfolgten 
aus wilber, durch Völlerei gefteigerter Raufluft. Denn diefen “ofleuren 
der Rirche ging es gur, fie batten ein geficherres, wohlfundiertes Bin: 
kommen. Wer einmal ein Zinegur erlangt harte, Bonnte nicht fo leicht 
davon vertrieben werden. Wurde doch auch der börige Zinsbauer in 
feinem Recht gefehhge. ft wenn er drei Tabre mir dem Zins 
eückjtändig geblieben ift und während drei Jahren die drei echten Dinge 
verf&umt bar und dann feiner Schuldigteit doch nicht nachtomm, dann 
erft Bann ihm das sinspflichtige Brundftüch aberfanne werden (Titel 26)°). 

Wir hören ferner von wilden Sehen, die zwifchen den ofleuten 
der Kirchen von Worms und Lorfch cobren. Es war zu häufigen 
Bämpfen mir Mord und Torfählag gekommen, die in ihren Jolgen den 
beiden Kirchen zu unfäglichem Schaden gereichten. Auch in anderen 
Gegenden von Deurfcpland berefchren folde Zuftände, und der Kaifer, 
dem es ja nicht möglich war, an allen Orten des Reiche perfönlich 
feines Amtes als oberfier Richter zu walten, füchte bald da, bald dort 
den ausbrechenden Brand zu löfchen und zu erftichen. 

Zweimal griff er in die Streitigkeiten der Dienftmannen der Kirchen 
ein; einmal fÄylichtete er den Zeoift zwoifchen den Leuten der Kirche 
©. Peter in Worms und der Abtei Lorfp am 2. Dezember 1023 und 
dann den Streit der Vafallen und Dienftleure der Abreien Sulda und 
Serefeld durch Urteil vom 9. März J024. Die beiden Urkunden 
ftimmen in ihrer Tendenz überein. Der Kaifer ift darauf bedacht, für 
die vor feinem $Einfchreiten bereits verübten revel das rechtliche Ver: 
fahren nacheräglidy einereten zu Laffen“”). Er fandte eigene Wiachtboten 
mad) dem Ahein, die den Kirchenvögten von Worms und Lorfdy bei 
ibrer richterlichen Thätigkeit beiftehen follten. Sodann foll für die Zu- 
funft der Wiederkehr Abnlidyer Vorkommniffe vorgebeugt werden. Die 
amgedrohten Strafen find dem Geifte der Zeit gemäß überaus fireng und 
vob; die Abficht war, daß fie vor dem Verbrechen zurlichfhrechen follten. 


Die vecrlicen und wirtfcefrliden Ordnungen Burdhards, 307 


Wer einen andern mit bewaffnerer Sand anfällt, foll mit Beifehing, und 
wenn ein Torfäylag verbbt worden ift, mit Brandmarkung beftraft 
werden. Ebenfo erleiden feine “elferehelfer die Strafe der Eörperlichen 
Züchrigung und Brandmarkung. Außerdem muß der Widder dem 
soeren des Ermordeten das Wehrgeld besablen. Die ganze Schwere der 
Strafe erifft fteilic nur die unteren Schichten der Hofgenoffenfchaft, 
denn die YWinifterialen Eonnten fih mit Benehmigung ihres «eren durch 
Geldbuße von der entebrenden Strafe Iostaufen. Schließlich fuchte der 
Raifer die Momperenz der Rirchenvögre zur Verfolgung der vor: 
tommenden Wifferhaten zu regeln. Tbnen wird, falls fie fich beftechen 
oder vom MWiirleid haben bewegen laffen und in der Krfüllung ihrer 
Pflichten fihh fdumig zeigen, mir dem Verluft der kaiferlichen Gnade 
und ihres Amtes gedroht, fofeen fie nichr eidlich ihre Unfchuld erweifen. 
Den beteiligten Prälaten wird jede Veränderung der Verfügung des 
Baifers bei Strafe von zwei Pfund Boldes unterfagt. 

And) Burchard von Worms fürchte durch firenge Straf beftimmungen: 
Beißelung, Scherung und Brandmartung auf’ beiden Wangen, die Sehdeluft 
feiner Beute einzufchränten. Aber völlig das Sehderecht unterdrücken 
tonnte er nicht“). Die Privatradye der Verwandten eines Exfdrlagenen 
war erlaubt, jedoch nur unter Zusiehung von “elfern aus dem Rreife 
der Ylichtverwandten des Torfchlägers oder des Betöteten. Der gerichtliche 
Zweitampf‘) ift ein anerkanntes Necyreinftinut, und zwar in folder 
Allgemeinheit, daß in dem Gefen Burdyards (Titel 19) ausdrücklich des 
Salles gedacht wird, daf jemand von einem Unebenbürtigen zum Rampfe 
angefprochen wird. Dann darf der “öberfichende einen Stellvertreter 
für fich fämpfen laffen. Der Sweilampf war das übliche Wirrel des 
Beroeisverfahrens. Die Ricche fuchre den gerichtlichen Zweikampf durch 
den Eid zu verdrängen. Das veranlafte aber wieder neue Mißbräuche, 
indem die häufige Anwendung diefes Zerveismirtels im weltlichen und 
geiftlichen Proseß zur Degünftigung des WJeineides führte. Die Synode 
von Seligenftadt, welche am 3. Auguft J023 durch Erabifchof Aribo 
von Mainz in Anmwefenheit der Bifchöfe von YOorms, Straßburg, 
Augsburg, Bamberg und Yohrzburg ıc. eröffnet wurde®), zog das 
Gottesurteil dem Eid ale Beweismittel vor. Ob nun Burchard die 
Befcylüffe diefer Spnode veranlaft bat, woie man behaupter“*), ift nicht zu 
erwrifen. Aber auch er fah fic) genstige, aus urcht vor WMieineiden das 
Deweisverfabren durch den Zweikampf zu begünftigen. (Tit. 30, 31, 32.) 


308 12. Rapitel, 


Gumane chriftliche Anfcyauung leitere ihn bei der Abfaffung feines 
Gefenes. Dabin gehöre die Beftimmung, daß Diebftahl aus LIor ftraf: 
frei blieb. Aus derfelben Gefinnung fließt es, wenn er an Stelle der 
Blurracye die Beldbuße, an Stelle des Hides den Zeugenberoeis oder 
das GBottesurteil: Zweitampf, die eflelprobe oder fBifenprobe, fent, 
obfAyon die Rirche anfänglidy fid) gegen diefe altgermanifche Tnftirueion 
ablehnend verhalten hatte. Sreilich, für den ftädtifchen Rechreverkehr 
war der Zweitampf als 2Beweioverfahren im Prozeß gan ungeeignet, 
und überall in Tealien, Srankreich, Standern, England und Deutfchland 
fuchten die aufftrebenden fädrifchen Bemeinden ben Ziweitampf als 
Deweisverfabren zu befeitigen®”). 

Indem Burchard den Zweitampf” begünftigee, machte er vielleicht 
unbewußt dem germanifchpen Beift eine Bonzeffion. Im “ofrecht werden 
die Waffen genannt, welche die Leute der Wormfer Rirche im Rampfe 
gebrauchten: nämlich Schwert, Lanze und Bogen, als Schupwaffe den 
Schild. „Wer mit gewaffnerer Yand in ein Yaus einbringt”, heißt es 
im Tir. 23, „und eine Jungfrau raube, der foll jedes Rleidungeftüc, 
das die Frau im Augenblid des Waubes anharte, Sehe? für Sl 
dreimal dem Vater oder dem Vormunde vergüten, dem Bifchof aber den 
Bann fo oft bezahlen, als Die Zahl der Mieidungsftirde berug und 
außerdem noch dem Vater dreimal den Bifchofebann und fahließlic den 
Sippen der geraubten Jungfrau zwölf Schilde, zwölf Lanzen und ein 
Pfund Pfenninge.” Als Grad der Befundbeit, die nötig ift, um rechts: 
gileige lentwillige Verfügungen treffen zu Zönnen, voird zuerft das Befteigen 
des Roffes erwähnt (Ti. II). Das war altgermanifche Rechtsanfchauung, 
welche Beinen andern YJafftab gelten ließ, als den, der fich auf Jandbabung 
des Koffes und der Waffen besog: „ungebabt und ungeflabt” foll man 
reiten oder fteben ?önnen, Iauter die alte Kechtsformel®). Alfo waren 
diefe Leute der Wormfer Rirdye überaus wehrbafte, fireicluftige Männer, 
jeden“2lugenbli® geneigt, zu den Waffen zu greifen, um Ungebühr 
auszuüben oder Ungebübr zu rächen. Daber muß die Erzählung des 
Biograpben Burcyards als eine durdy und durch tendenziöfe bezeichnet 
werden, aenn er die Dinge fo darflellt, als ob nur die Leute des erzogs 
Orto Gewaltthaten verbr bärten. YTicht minder ift es Ueberrreibung, 
wenn er den Bifchof als Yleubegründer der Stadt YOorms bezeichnet. 
Denn Burcyard bat ja mur auf dem Brund fortgebaut, den feine 
Vorgänger und die Aönige gelege harten. Aber feine Verdienfte follen 


Die vehrliden und wirtfhaftliben Ordnungen Durcbarde, 309 


deshalb keineswegs gefihmälert werden. $Er verdient vollauf das Lob, 
das man ihm zu feinen Lebzeiten“”) und nach feinem Tode gezollt har. 
Durch feine geiftlichen und weltlichen Sazungen bar er geordnete 
Zufßände in Worms hergeftellt, und mit Recht bezeichnen fpdtere Quellen 
den Stabrfrieden, welchen er begrlndete, als S. Peters: oder Bortes« 
frieden, als eine Pax Dei“). ndirett hat Burchard das ftädrifche 
Leben mächtig gefördere. Ein Späterer drückt dies mit der feinen 
Wendung aus: „Die Stadt ift am Bistum aufgewachfen wie der Epbeu 
an einer Wauer““). Aus vollem +erzen Lönnen wir dem Lobe zuftimmen, 
das der Wormfer magister scholarum +ermann, welchem wir die fdpöne 
Abfehriftenfammlung der älteften Wormfer Urkunden verdanken“), dem 
Bifeof Bucchard gewidmer bar“). In der That, Damals war unter dem 
Rrummftab gut wohnen. 





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34. Rapitel. 


Das Zeitalter der falifhen Kaifer. 











Inter Bonrad II. entfältere das deutfche 
Al Bönigeum die größte Macht. Er, der 
Schüler Burdyards, war zwar ein frommer 
Wann, eifeig um fein und feiner Angehörigen 
Seelenbeil beforgt, freigebig gegenüber der 
Rircye, doch ohne jedes Verftindnis für 
ibre idealen Aufgaben, ein Laie im vollften 
Sinne des Wortes, ohne wifenfehafkliche 
Bildung, aber mir einem feharfen Verftande 
begabt. Er erreichte eo, Sere der Spierarchie 
zu werden. Webe dem, der ihm entgegen 
ne. Aribo von Mainz, der ihm doch zur 
Rrone verholfen hatte, mußte, ein gebrochener Wann, nach Rom pilgern. 
Den Erzbifchof Burdjard von Lyon behandelte er wie einen gemeinen 
Verbrecher. Ariberr von Mailand, dem er die italifche Mrone verdantte, 
wurde auf den bloßen Verdacht feindfeliger Abfichten bin gefangen 
genommen. Die Rirche madyre er durchaus feinen Zwecken dienftbar, 
verfügte eigenherrifch über die Bischmer und Abteien und beutete diefe 
finanziell aus. Kifrig erfüllte Ronrad die Rönigspflicht, Recht und 
‚Srieden zu wahren. Succhtbar war fein Zorn, und unnachfichtlic) ftrafte 
ex die Sriedenebrecher. Die Eriegerifche Araft des Volkes fuchre er zu 
heben. Yramentlid dem aufftrebenden Stande der Wiinifterialen wandte 
er feine Sorge zu und trat fir die Erblichkeit ihrer Leben ein. Dadurdy 
gab er ihnen eine gewoiffe Selbftändigkeit ihren “Herren gegenüber und 
verpflichtete fie zur Dankbarkeit gegenhber dem Rönig. Er war ihnen 


15. Due, Die Butt der cent Be. 1 * 









314 14. Baplıel, 


ein Süeft nach ihrem Serzen, eine durch und durch ritterliche Exfeheinung, 
tübn und verfehlagen im Rare, unermüdlich und fehnell in der Ausführung 
des Befcbloffenen, von beldenmüciger Tapferkeit. Sonft fparfam mit 
dem Neichegute, fargee er ihnen gegenüber nicht, und er wußte ibre 
Stellung durch Exlaffung rechrlicher Ordnungen zu beffern“). Sür 
Worms, feine seimat, batte er immer ein warmes „erz. m S. Peters: 
dome Tagen die Abnen feinee "aufee befkatter. ihrer gedenkt er in einer 
Urkunde vom 30. Januar J034 zu Worms“). Zum Seelenheil feines 
Urabns, des Herzog Monrad, feiner Großmutter Tubirh, feines Vaters 
Weinvich, feine Obeims Monrad und dejfen Gemahlin Marhilde und 
feiner Schwefter Judirb, und zum Gedächemis an fi, feine gelicbre 
Gemahlin, die Raiferin Bifela, an feinen Sobn, den König “einrich, und 
feine Tochter Veatrig fehenfte er dem heiligen Perrus in Worms auf 
Wunfd> und wegen der fortgefeten Dienfte des ehrwofirdigen Azecho, 
Bifdyofe dafelbft, ein in der Werreran im Baue des Brafen Otto zu 
Affalderbach“*) gelegenes Eigengur, unter der Bedingung, daß an dem 
in diefem Dome, wo die Leichname oben Benannter ruben, aus frommem 
Antriebe errichteten und zu bren des heiligen Rreuzes geweihten Alareo 
für die Seelen täglich eine Wieffe gelefen und derfelbe immer durch ein 
Liche erleuchter werde. Seines Vaters „Heinrich Sterberag foll jährlich 
mit Digilien, Almofen und Weffen ins Bebfcyenie zurlictgerufen werden. 
Bemerkenswert ift, daß er feines Broßvaters Orro nicht gedenkt. Die 
Derftimmung gegen denfelben war alfa eine nachhaltige, Über den Tod 
binausreichende. Die Veranlaffung zu diefer Schentung war der Tod 
der in Worms geftorbenen jüngeren Tochter des Raifere, der fdhönen 
Wathilde, die im TJabre 1033 mit Rönig seinridy von Srankreich verlobt 
worden war“), Auch ein Sohn Konrads, Wolfram, von dem fonft 
nichts befannt ift, lag im Dom begraben“), 

Die fehmerzliche Munde von dem Tode feines geliebten Lehrers, 
Burchard von Worms, rief den Rönig nach Worms, um den erledigeen 
Stuhl wieder zu befenen. Unter Witroiefung des Mlerus, der Dienfb 
mannen und Stiftleure erroählte er den Azecho“”) aus edlem Befchlechte, 
einen ögling der Wormfer Schule und Stiftegeiftlichen, der dem Föniglichen 
Waufe nahe geftanden haben muß, denn wiederholt wird er von Rönit 
Ronrad der Betreuefte genannt, und zu der Bemahlin Zeinrichs III., der. 
fanften dänifchen Rönigstocher Bunbild, ftand er in vertraulicher Besiebung. 
Er befchentre fie mit Mandeln und tröftere das in der neuen Umgebung 


Tao Zeitalter der falihen Baifer. 315 


verfehlichterte traurige Rind mir geiftlichem Zufprudy, fo daß fie febr 
berrübt war, ale er nach der “ochgeitsfeier im Juni J036 den Hof von 
Yiymwegen wieder verließ. Die Ernennung Azedyos zum Bifdof war 
in Abwefenheit und ohne Yiffen des Wetropolitans Aribo von Mainz 
gefeheben, was der febr leidenfehaftliche Wann als eine birrere Rränkung 
empfand. Zn einem Schreiben an den Wormfer Rierus, die Dienft: 
mannen und die Samilie der Mirche von Worme beklagte er fich 
böchlichft über das Vorgehen des Rönige, das er als ein ungeheures 
und faft unglaubliches bezeichner, weil er den Wormfern ohne des Zry: 
bifcyofs Rat und Zuftimmung einen Bifcof gegeben habe. Er behält 
fich vor, mit feinen Amtebrübern Über das, was zu chun fe, Rats zu 
pflegen”). Allein er wagte es doch nicht, dem Rönig zu tronen, und in 
Tribur, wo der Bönig am $. Dezember 1025 weilte, weihte er den 
Asecho zum Bifchof”). 

Asecho ift aus der von Burchard erneuerten Schule hervorgegangen, 
und er pflegte Danfbaren Sinnes das Andenken feines großen Vorgängers. 
3033 fliftete er auf dem Miechbofe beim Dome die 5. Wauricius 
Eapelle und. fehenkre ihr den Behnten der Weinberge, welche swifdhen 
Wiarienmänfter und dem SEisbache lagen, fowie einen WManfus in 
Wachenbeim mit der Beftimmung, daß, wer die äufer, welche an der 
Bapelle angebaut find, bewohne, jenen Zehnten und Wanfüs befinen und 
am Tjabresrage der Ordination des Bifchofe Asedyo Bortesbienft halten 
foll. Stiebt Agecyo, fo foll diefer Bortesdienft an feinem Bedädhmisrag 
fattfinden, und am Bedächrnistag des feligen Burchard foll eine Weffe 
gelefen und in gewiffen Ylächten vor dem Altar der Bapelle Licht 
angeslindet und den in der Mapelle begrabenen Brüdern Wieffe gefungen 
werden®"). 

Im Sebruar J026 bielt der Rönig einen Reichstag in Augsburg. 
soier beftimmte er mit Zinwilligung. der Shrften feinen Sohn %einrich 
zu feinem Ylachfolger, und die Romfahrt wurde befchloffen. Am 
14. Sebruar beftdeigee Monrad II. dem Bifchof Ayedo die reichen 
Schenkungen, die deflen Vorgänger Burchard von Rönig Zeineich II. 
erbalten hatte”). Am gleichen Tage begabte der Bönig das S. Eyriat- 
ff in Fleubaufen und das Domftifl, Schon von Ronrads Eltern 
war beiden Stiften ein But in Siörsbeim gefchenet worden. Dazu 
fügte nun der Rönig die zum Gute gehörenden Leute, mit Ausnahme 
je eines Sobnes aus der Samilie, die das But Dürkheim inne haben, 


316 I. Bapitel, 


unter der Bedingung, daß das Domflift zwei Dritteile des Gefchenkes 
erbalten, das S. Eyriatftift ein Drittel, und daß die Brüder diefer Stifte 
jährlich am Reönungsrage Ronrabe fein, feiner Bemablin Bifela und 
feines Sobnes “einriche Gedächtnis mit Almofen und Geber feiern‘). 

Azecho begleitere den Rönig nicht auf feinem Zuge nach Tralien, 
wir finden ihn vielmehr 1026 auf der Synode in Seligenftadt. Die 
Abwefenheit Ronrads II. benuneen Serzog Welf von Baiern und Herzog 
Ernft von Schwaben, des Könige Srieffohn, um Unruhen zu erregen. 
Der Raifer wurde jedoch der Seinde Weiter, und er errang einen 
weiteren großen Erfolg, indem auf einer Zufammenfunft zu YWiurtenz 
bei Dafel Mönig Rudolf von Burgund ihm die Vlachfolge in feinem 
Weiche übertrug (1027). Zu Schiff fuhr dann der Raifer von Bafel 
den Rhein hinunter und nahm Anfangs September feine Befidens in 
Worms, wo fein Vetter, der jüngere Monrad, der fih gleichfalle der 
Einpörung angefchloffen batte, Verzeihung erlangte. YIocy im September 
biele der Baifer eine große Neicheverfammlung in Srankfürt ab, 
an der auch Aecho teilnahm und an welcher hauptfäclich geiftliche 
Angelegenheiten verhandelt wurden. Aud) nad) Teibur, wo der Baifer 
im serbfte of biele, begleitere ihn Agecho. Jm Juni 103J weilte der 
Baifer wiederum in Worms, wo auch der junge König Seinrich 
eingetroffen war. Der ftolze Erzbifchof Aribo war am 6. April in Como 
geftorben. Auf die Bitte der Raiferin errodblre Ronrad ihren Verwandten 
Bardo, Abr von "ersfeld, zum Erzbifcbof von Wainz, ein frommer, aber 
fehr unbedeutender err, der weder feinen Suffzaganen noch dem Baifer 
Schwierigkeiten bereitere. Ende Januar 103% hatte Azecho wiederum 
das Vergnügen, den Raifer bewirten zu dürfen. Das war ja wohl mir 
dielen Umftänden und often verbunden, aber der Maifer belohnte auch 
jeden Dienft reichlich. ben damals faentte Konrad II. der Kirche 
S. Peter das Bur Affalderbady in der Wetterau. An der Zochzeit 
Weinriche mit der Bunbilde nahm Azecho teil. Von Viymwegen brach 
der Baifer nad den Sflichen Brenzen auf, um die Lintisen zu bekämpfen. 
Der Bifcyof von Worms machte diefen Seldsug mit. In einem Briefe 
an den Ersbifchof Basdo bitter er diefen, er möge für den glücklichen 
Erfolg der Reife beren‘®). Aecho nahm an dem dentwlirbigen zweiten 
Romzug 1036 nicht von Anfang an teil. Er Borrefpondierte fleißig mie 
Immo, Bifdyof von Aresso, den wir als Schüler Burchards bereits 
£ennen gelernt haben. Diefer befaß eine Pfehnde am S. Martinsftift 


Das Jeiralter der falifchen Baifer. 317 


in Worms, wurde dann Dieton und Eam durch feinen Bönner Burchard 
an den 4of Bonrads Il. sauptfächlic mir dem Schulmeifter Ebbo 
in Worms war Jmmo befreunder. Vom soft des Zaifere aus 
(mad 1027) erfuchte ex feinen Greund, fich beim Bifdof von Worms 
dafür zu verwenden, daß ibm die fehon lange verfprochene Propftei 
Wosbach verliehen werde, und er verfprach, dafür dem Bifchof ein 
halbes Pfund Gold oder auch mehr geben zu wollen”). Das ift 
begeichnend für die Birchlichen Zuftände unter Ronrab, und wir begreifen 
vollftändig die große Bewegung gegen die Simone, die eben durch den 
ganz offen zu Tage tretenden Wißbrauch des Verkaufes geiftlicher 
Würden hervorgerufen wurde. Immo hoffte aber auch auf ein Dierum, 
und er gelobre, wenn er ein foldyes erlange, beftändige Pryebenheit und 
treue Vergeltung. Sein YWunfc) follte im Sommer 5036 in Erfüllung 
geben; als er mit dem aifer in Deucfchland weilte, wurde er zum 
Bifchof von Arezo defigniert. Aber auch als Bifchof blieb er mir 
feinen Yoormfer Seunden in fehrifklicher Verbindung. seco kam im 
Seübjahr 5038 nach Jtalien an den Hof des Maifers. YIady Oftern 
wwennten fih der Maifer und die Baiferin. Sie ging in Begleirung 
Immos nady Rom zurück, der Raifer aber begab fi nad) Unteritalien, 
und Diefen eldsug machte audy der Wormfer Bifchof mit. 

Yrur allzu früh erlag der Raifer am 4. Juni 1039 einer Rrankheir 
unerwoarter in Utrecht. Jedermann fühlte die Schwere diefes Todesfalles, 
und groß war der Schmerz des Volkes und die Trauer um den geftorbenen 
Raifer. Seine inneren Rörperteile wurden in der S. Wartinstirche in 
Utrecht beigefegt, der Leichnam felbft wurde forgfältig einbalfamiert und 
eingekleiber und von der Raiferin, dvem Rönig Zeineich und den Sürften 
nach Röln gebracht. Das ganze Beleite zog mit der Leiche durch alle 
Rircyen der Stadt; ebenfo gefchah es in Mainz und in Worms, unter 
großem Zulauf des Volkes, welches feine Trauer teils durch eifrige Bebere, 
teils durch fromme, dem Seelenheil des Baifers gewsidmere Stiftungen 
tundgab. Dann wourde der Raifer am 12. Juli in der bereits vollendeten 
Reypta dee von ihm zu Speier erbauten Domes beigefent. 

Seineich III. trat, ohne Widerfprudy zu finden, die Regierung an. 
Scyon feit dem Jahre 3033 hatte er einen, wenn auch befehräntten, 
Anteil an der Regierung genommen. YDie das fo oft vorfomme, fand 
der Rönigefohn in feinen politifcyen und Biechlichen Anfdyauungen fon 
früh in einem Begenfag zu feinem Vater, ein Begenfag, der ih laut 


318 14. Baplıl. 


einem Briefe des leritero B. an Bifhof Azedyo von Worms auf dem 
Weicherag zu Bamberg im Sommer J035 grell offenbare”). Der 
Raifer hatte einen tiefen Groll gegen den Yerzog Adalbero von Rdrnten 
gefaßt und verlangte mın von den Sürften, daf fie den "ersog zum 
Verluft feiner Reichsimter und Neichelehen verurreilen follten. Diefe 
forderten dagegen, dafs önig Seinsich fi an diefem Bericht bereiligen 
möffe. einrich weigerte fi deffen bebarrlich, und trog aller Bitten 
und Drohungen Eonnte der Raifer den Willen feines Sohnes nicht beugen. 
Darüber geriet Konrad in foldye Aufregung, daf er obnmächrig zu Boden 
fant. Clachdem er fi) einigermaßen wieder erholt hatte, erneuerte er die 
Biere, ja beugte fogar vor dem Sobne die Aniee, fo daß diefer nichr 
mehr länger widerftehen Tonnte. 

Bifcyof Asecho hatte unter Seinric, weniger Einfluß als unter dem 
verftorbenen Baifer, was fi vielleicht daher erklären läßt, daß Heinrich 
fich feltener am Rheine aufbiele (in Worms zum Beifpiel am 14. Mai 1047), 
weil er den Wirrelpunkt feiner Regierung nady Sachfen verlegte, wo er 
in Boslar eine neue Refidens gründere. Am I7. Januar I044 ftarb 
Bifchof Azeche, und fein Vlachfolger wurde der von “Heinrich III. boch- 
gefchänte Adalger°*), der vorber Rapellan und feit dem 5. Januar 1043 
Ranzler war. fr erhielt vom Mönig die feltene Vergünftigung, auch 
als Bifcyof fein Ransleramt beibehalten zu dürfen, und als foldher geböer 
er zu den verrrauteften Räten “einriche II. Am 2. Sebruar Io44 harte 
diefer ihm in Anerkennung feiner befonders treuen und eiftigen Dienfte 
auf die Fürbitee der Rönigin Agnes einen in effen gelegenen Rompler 
von Rircyen und Brundftlichen gefchentt”). Us der Rönig fi 1044 
zum Ungarntriege rüftere, lieb er vom Bifchof Adalger von Worms 
zwanzig Pfind Boldes und zweihundert Mark Silbers und verpfändere 
ihm dafür am I6. Juni ein But in Ylordehüringen. Zudern beftdeigee 
der Bönig am gleichen Tage der Rirche von Worms alle von den früheren 
Bönigen erhaltenen Privilegien”). Adalger [tab jedoch fon am 
20. Juli 1044. jn der Eurzen Zeit feines Pontifitats Bonnte er nur 
wenig für feine Rirde und die Stadt chun, zumal er als Eöniglicher 
Banzler viel von Worms abroefend fein mußte. 

Tom folgee Arnold“), Röniglicher Raplan, dem der König am 
38. Januar 5043 ein But in Tringebaufen im &effengau gefchenkr 
hatte, und zwar zum Andenken an die Baiferin Rumigunde, die am 
3. Wär 1033 im lofter Raufungen geftorben war. Lambert von 


Des Jeitalter der falifchen Ralfer. 319 


Werofelb fehildere diefen Arnold als einen Wlann von bifchöflidhen 
Tugenden. Den König begleitete er 1046 auf deffen Romzug und nahm 
im ©ftober an der Synode in Pavia teil. Kin wichtiger Reichsrag fand 
Ende Flovember 1048 in Worms jtatt, denn bier wurde unter Zu 
ffimmung der eömifchen Befandten und der Broßen des Reiches Bruno, 
Bifchof von Toul, zum Papft (Leo IX.) gewählt. Diefer war ein naher 
Verwandter des Böniglicben Saufes, vornebm und reich, von unge 
wöbnlicher Begabung, wie der Raifer ein begeifterrer Anhänger der vom 
Wlofter Eiuny ausgehenden Reform des Eirchlichen Lebens”). In 
Worms lernte er den Mönch syildebrand, den fpteren Papft Gregor VIL., 
tennen, der feinen eren, den abgefegten Papft Gregor VI., nad) Deuefch- 
land in die Verbannung begleirer und fi am Abein dem Studium des 
Rircyentechte bingegeben hate. Leo IX. nahm ihn in Dienft. Von 
diefem Moment an ift die Erhebung der römifchen Kirche zu datieren, 
infolge welcher bald das deurfche Rönigrum von Stufe zu Stufe fant. 
Burz nach Auflöfung des Wormfer Reicherages am 3. Dezember 1048 
beftärigte der Maifer dem Bifchof Arnold von Worms zum Dank fr 
feine Dewoirrung den Defis des Wildbannes bei Wimpfen und 
Tauberbifchofsbeim"®). Auch einen Aufenthalt des Baifere im be: 
nachbarten Speier März Ie5I benugte der Bifchof von Worms, um 
fid) von ihm jenes der Rirche von Worms verpfändere But in Thliringen 
zum Migeneum fehenken zu laffen“®). 

Der neue Papft Leo IX. wirkte mir dem Raifer eifrig an der 
Zerftellung einer befferen Ordnung der Rirche zufammen und unter: 
frügte ihn auch in der auswärtigen Politit. Bemeinfam feierten Papft 
und aifer das Weibnachtefeft 1052 in Worme. Aber gerade bier 
offenbarten fidh tiefgehende Differenzen zieifchen den beiden “erren der 
Welt. Im “erbft 1053 hielt fi) Seineich III. wiederum in Worms 
auf; kurz darauf fand in Tribur ein Neichsrag fatt, auf dem die 
deuefchen Sürften den dreijährigen Heinrich zum König definierten und 
verfprachen, ihm nach dem Tode des Kaifers gehorfam zu fein, doch 
unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, falls er dereinft ein gerechter “errfcher 
fein werde). Denn die rüctfichrslofe Strenge des Baifers harte unter 
dem Laienadel eine große Unzufriedenheit und Bäbrung erzeugt. Auf 
einem im Juli 1056 zu Wsrme gehaltenen <oftag füchte er die 
Unzufriedenen zu befchwichtigen. Bei diefer Gelegenheit beftäcigte er 
am 7. Juli dem Bifchof Arnold das Privileg "einrichs II. zum Schuge 





320 14. Bapitl. 


der Wormfer Rieche gegen die Anmaßungen der Grafen“). Tron aller 
Anftrengungen tonnte “eineich III. weder im Innern noch nad) Außen 
den Sricden berftellen. Am Jo. September 056 wurde der fächfifche 
seerbann an der “avel von den Liutigen vernichtet. Der Raifer 
empfing auf der Burg DBorfeld am +arz biefe nieberfchmerternde 
Vachricht. Die allenthalben auf ihn eindringenden Sorgen warfen ihn 
auf das Mrankenlager. Denn Überall herrfähte im Heide Jungerenor; 
Armut und Elend griffen um fich und damit der Gang zum Verbrechen. 
Der Raifer bat alle, denen er Untecht gethan, um Verzeihung, voie aud) 
er allen verzieb, die fi gegen ihn vergangen hatten. In Gegenwart 
des Papftes Viktor II. und zahlreicher Bifchöfe und Beiftlicher hauchre 
saeineicb III. am 5. Oktober 1056 den Grift aus. Seine Bebeine 
wurden am 28. Ofrober in der Samiliengruft zu Speier beigefegt. Die 
Raiferin Agnes übernahm aldann die Shhrung der Reichsregierung für 
ihren unmündigen Sohn “einrich IV"). 

Selten bat fid) in Deurfchland der Uebergang von einem Ferrfiher 
zum andern obne Störung vollzogen. ent lagen die Verbätmiffe 
befondere ungfnftig. Der bohe Adel war durch die Uebergriffe und 
maßlofe Strenge Zeineiche I. fehwer gereist, die Beiflichteit durch, 
die religisfe Strömung aufgeregt und in ihrer Salrung unflcher geworden, 
die Regenin ein fdmaches bigorres Weib, der König ein Spielball und 
Werkeng in den “Anden ehrgeisiger und eigennüniger Wagnacen. Bei 
einer folchen Erziehung, wie fie Zeineich IV. empfing, mußte der Bnabe 
einen guten Sonde befigen, um nicht völlig verderben zu werden. Und 
in der That, er war Bein gewöhnlicher Menfh. Immer bat er fein 
politifches Ziel feftgebalten: Yiiederhaltung und Befchräntung der Wacht 
der Fürften, Ausdehnung der Böniglichen Gewalt. Er wurde ja oft 
genug zum YTachgeben gezwungen, aber fein reich beweglicher Beift fand 
immer vwoieder neue Wirte. Auch er wie fein Vater refldierte mit 
Vorliebe in Boslar, wo die reichen Krerägniffe der Silberminen des 
Jaarzes ihm die Wlitrel boten, feine policifdyen Pläne durchzufenen. Aber 
aud) er war durch die Verbälmiffe gendtigt, wie die früheren Rönige 
von Bifchofftade zu Bifchofftadt, von Pfals zu Pfals berumzuziehen. 
che allein veirtfehaftliche Grimde zwangen die deurfähen Rönige zu 
diefem Wanbderleben, fondern noch mebr politifche. Denn nur durd) 
die periodifehe Anmwefenheit des Mönigs in allen Teilen des Neiches 
tonnte feine Aurorirde aufrecht erhalten werden. Gerade unter Zeinrich IV. 


Das Seitalter der falifchen Raifer. 321 


erlangten die rheinifchen Lande wieder erhöhte Bedeutung, und Worms 
befonders tritt mehr ale einmal in den Wiitrelpuntt der Lreigniffe. 
Ende März 1057 Bam der junge Rönig nad) Worms und feierte 
bier ©ftern (30. März). Sier fanden fi u. a. Liurpold, Erzbifchof 
von Mainz, Anno, Erzbifchof von Röln, die Bifchöfe Arnold von 
Worms und Ronrad von Speier, die “Herzöge Brro von Schwaben 
umd Konrad von Rärnten am %ofe ein. Dann reifte der Mönig den 
Abein hinmter, aber fdyon im Auguft wer er wieder am Wlittelrhein, 
in Tribur und Speier, wo aud, Bifchef Arnold von Worms erfchien. 
Am 30. Auguft 1060 wurde das Zoflager in Worms aufgefchlagen, 
und Weihnachten feierte der Rönig in Mainz. Yodhrend befonders die 
Rircye von Speier die öniglicen Bunftbezeugungen genof, wurde die 
Yoormfer Kirche nur fpärlid bedacht, denn Bifdjof Arnold erhielt 
lediglid) eine Beftätigung der Urkunde Yeineiche I. vom Jahre I014 
besiehungswweife der Urkunde “einriche III. vom Tahre 1058 (7. Auguft 
106J, Elten“®). Am 25. Sebruar J062 beftätigte Heinrich IV. auf Arnolds 
Bitte einen Gterraufdy zwoifcen der Kirche von Worms und der 
S. Sercuriustirche der Abrei Bleidenftade“”). Rurz darauf bemächrigee 
fi Wrzbifchof Anno von Röin der Perfon des jungen Aönigs und 
der Reicheinfignien. Die Wurrer Heinriche war durch diefe Bewalcthat 
tief erfchüttere, aber fie char einen Schritt, um das Befchehene rüc- 
gengig zu machen, fondern zog fid von allen weltlichen Befchäften 
zurüch. n den leten Tagen des Januare 063 weilte der Hof in 
Worms, wo eine größere Derfammlung ftattfand. YLody wichtiger war 
für Zeineich IV. der Wormfer Aufenthalt zu Oftern J065. Erzbifcof 
Abelbert von Bremen batte bei dem jungen König feinen Rivalen Anno 
von Möln ausgeftochen und die Leirung der Politit in feine dände 
genommen. Am Palmfonnteg wurden der Rönig und Krzbifchof‘ 
Adelbert in der Abtei Lorfh vom Abt und den MWöndyen feierlich 
empfangen, worauf fich der %of nach dem naben Worms begab. +ier 
feierte man Oftern, und der ZErzbifcyof hielt felbft die Predigt. Am 
darauffolgenden Dienstag, den 29. März, fand die feierliche Schwere: 
umgürrung Seinrichs IV. art, woburd) der mın fünfehnjäbrige Rönig 
nad) altem ripuarifchen Recht für müindig erfider wurde. Den Lirchlichen 
Segen erteilte Eberhard, Erzbifcyof von Trier; derzog Gottfried von 
Lothringen verfah Dabei das Amt eines Schilbrrägere. Daß biefe 
wichtige “andlung gerade in Worms vollzogen wurde, ift nicht ohne 


5. Be0n, Die Kae dr httfäen Gi. 1 “ 





32 34. Baplı 


Grund gefcheben. Wir Eennen ja die inrimen Begiehungen des falifchen 
»aufes zu diefer Stadt. “hier im Dom lagen die Ahnen des Könige 
begraben. saier wurde auch über den Romzug verhandelt, der fchlieplich 
sum Ungthc® für den Rönig an der eigenfüchrigen Rivalitkt der beiden 
‚großen Rirchenfürften von Röln und Bremen febeiterte. 

Am I. Mai J06$ ftarb Bifchof Arnold von Worms. Aus Alicfichr 
auf feinen Schwager, “erzog Audolf von Schwaben, ernannte der 
Rönig deffen Bruder Adalbero”), Wiönch von S. Ballen, zum Bifdof” 
von Worms. Diefer wurde am 22. September orbinier. Ylad) der 
gromesten Schilderung Qamberte von sersfeld war Adalbero ein 
Wann von großer Leibeoftärke, von unerfärrlicher Efluft und von fo 
gewaltiger Dicte, daß, wer ihn anfab, darüber mehr Schauder als 
Verwunderung empfand; fa felbft der hundertarmige Bigant (dovas, 
Carm. II, ©d. 37, I4; III, ©d. 4, 69) oder jedes andere Ungeheuer 
des Altertums, wenn es der Unterwelt entftiegen wäre, würde nicht in 
fo hohem Maße die Augen umb die Aufmerkfamkeit des ftaunenden Volkes 
auf fidh gesogen haben. Sr foll in feinem eigenen Sette erfticht fein. 

Die Abneigung der Rlofterbrüber gegen die Bifhöfe, welche aus 
diefer Ueberereibung füchtlich bervorteitt, erkläre fi aus der raubgierigen 
Doliti® Abelberts von Bremen, der den König veranlaßt hatte, die 
Weichsabteien unter die geiftlichen und weltlichen Sürften zu verteilen. 
ie fäyon früher bemerkt, geiff die Kigenkirchenibee immer weiter um 
fid); man vergaß den eigentlichen Ztoec der Ridfter und Bisrümer und 
betrachtete fie nur nod) als Yugungsobfett. In Scankreich war cs am 
Anfang des IJ. Jahrhunderts bereite fo weit gefommen, daß Bisrhmer 
als Wicrum verfehenkt wurden”). Doch gelang es dem Abelbert von 
Bremen nicht feinen Raub, das Miofter Lorfch, in Sicyerbeit zu beingen. 
Ungeheuer war der Zaß, den fich Adelbere zugezogen hatte, und im 
Januar 1066 brach auf dem Sürftentag zu Tribur das Bewitter über ihn 
108. Die Sürften verlangten deffen augenblickliche Entlaffung. Dem König 
blieb nichts übrig, ale fi) zu fügen. Der Einigliche Jof war im Sebruar 
mady Worms verlege worden und von hier nady Nachen und Utrecht, 
im Wachtbereich des Ersbifchofe Anno von Röln. In Sriglar war 
der Rönig im Wiai 1066 fo fdhwer erkrankt, daß die Sürften fchon 
über die Yladyfolge verhandelten, indes, feine Benefung vereitelte Diefe 
Pläne. Burz darauf vermählte fich der Rönig mic der ihm fdhyon längft 
anverlobten Braut Dercha von Sapoyen, Die Hochzeit fand zu Teibur 


Das Zeitalter der falifihen Reife. 323 


flatt. Anfangs war das Verhäimis der WBhegatten ein gutes, dann 
aber Üiberkam den fungen Rönig „eine ungesogene Laune“, und zu Yoorms 
kurz nach Pfingften 1069 trug “eineich IV. den Sürfien vor, daß er 
fich zu feiner Gemahlin nicye mehr fäyiche und wolinfcye von ihr gefehieden 
zu werden. Sie erfchraßen Über diefe Zumurung, da aber der Krzbifchof 
Siegfried von Mainz aus egoiftifchen Gründen geneige war, dem Rönig 
zu willfahren, fo wurde die MBnrfcheidung einer Synode vorbehalten. 
Die Sache ift dann beigelegt worden, und die Zbe war fortan eine 
glückliche. 

Der diche Bifchof von Worms Adalbero flarb am 6. Auguft 1069, 
und an feine Stelle tar Adelbert, Über deffen <erkunft und Perfon wir 
nichte wiffen”). Erft zu Weihnachten 3071 biele “einrich wieder in 
Worms of, umgeben von feiner Bemablin, den beiden Rivalen Anno 
von Röln ımd Adelbert von Bremen und vielen DBifchöfen und 
weltlichen Großen. Dann brach der Rönig gegen die Ungarn auf. 
Die Wipftimmung der Broßen gegen die Kegierung “einriche wurde 
von Tag zu Tag größer, und eine vortreffliche zeitgenöffifche Quelle 
offenbart uns die Urfache diefer Wißftimmung: „Während langer Zeit 
fcbon,“ erzähle der MWöndy von Fliederaltaich, „begann der Aönig alle 
Mächtigen zu verachten, dagegen die Beringeren durch Reichrämer und 
Silfomitrel emporzubeben, und nad) der Ieyteren Rat verwaltete er, was 
zu verrichten war; von den Vornebmen aber lief er felten einen zu feinen 
gebeimen Dingen zu. Und weil vieles in ungeordneter Weife gefibah, 
entzogen fich die Bifchöfe, die “ersöge und andere Broße des Reiches 
den Angelegenheiten des Könige.” Ylamentlich fein Schwager, der 
4ersog Rudolf von Rheinfelden, war darüber erboft, daß der König, 
anftatt ihm zu Hate zu sieben, Winner untergeordneten Standes, 
Winifterialen, zumeift aus Scywaben geblirtig, zu feinen Verrrauten 
madyre. Diefe Winifterialen bildeten die ftetige Begleitung des Rönigs; 
aus ihnen wurden die Defarungen der Pöniglicyen Burgen genommen; 
fie waren feine Hof: und Staarsbeamten. 

Im Juli 1072 verlegte "einrich die Zofbalnung von Sachfen nad) 
Worms. Sier erfebien, und zwar auf Befehl des Papftes Alsrander IL., 
sseineiche Wlutter Agnes, die ihren Sohn feit dem Jahre I067 nicht 
mehr gefeben hatte. Sie follte den verireren TJüngling auf den Weg 
des Behorfams gegen die Rirche zurlicführen und zugleich ihn mit Serzog 
Audolf verföbnen. Auch der Abt Hugo von Tluny, der Taufpate 


324 14. Bapitel, 


Geineicye, gefellte fich in Worms der Raiferin bei. So gelang ihnen, 
den Rönig mit feinem Schwager zu verföhnen, doch war diefe Derfobnung 
nicht von Dauer, und im Jahre 1073 Lam es zur Pntfceidung. Die 
Sadyfen, um ihre Sreibeit beforgt, erheben fich in hellem Auftubr, der 
Bönig mußte aus der “arzburg fliehen, umb bald ftand er völlig 
verlaffen da. Gegen Ende des Jahres 1073 begab er fich nach Kaden- 
burg am Yledar, einer Beflgung der Wormfer Rirche. ier murde er 
infolge der Aufregungen auf das Arankenlager geworfen, und fehon 
triumpbierten feine Seinde, da raffte der noch fehmwache König fich auf 
und zog nach Worme, wo ihn die Bürger mit großer Pracht empfingen. 
Auch Bifcyof Adelbert hatte fid) zu den Geinden des Rönigs gefchlagen 
und ibm, als er trank zu Ladenburg lag, die fehuldigen Leiftungen an 
den “of verweigert. Die bifchöfliche Dienftmannfchaft in WDorms 
rüftere fich auf Befehl des Bifchofs, dem König den Eintritt in die 
Stade zu webren, aber die Bürger hielten ihm die Treue beffer, fie 
vertrieben die Dienftmannen aus den lauern der Stadt, und der 
Bifäjof wäre ergriffen und als Gefangener dem Rönig ausgeliefert 
worden, wenn er nicht rechtzeitig fich geflüchtet hätte. Lebendig ersähle 
Lambert von „erefeld in feinen Annalen diefe Scenen. So mißgänftig 
er fonft dem Rönig gefinne ift, bier gebt ihm doch das &erz auf, und 
auch bei fpäterer Gelegenheit preift er die Rönigerreue der Woormfer, 
infolge woeldyer der YTame Worms bei allen Menfihen berühmt geworden 
fei. „Bei der Ankunft dee Könige Bamen die Bürger ihm bewaffnet und 
gerhftet entgegen, nicht um Gewalt zu tiben, fondern um durdy den 
Anbli® ihrer Menge, durch ihre Woehrhaftigkeit, durch die Zahl ihrer 
Tampfbereiten jungen Ylannfehaft ihm bemerBlich zu machen, wie große 
»offnung er in feinem Wißgefchicte auf fie fegen follte. ihre Dienfte 
verfpredhen fie ihm willig, verpflichten (ic) ihm eidlich, erbieten fich, Die 
Roften der Rriegsführung ein jeder aus feinem Vermögen nad) feinem 
Anteile darzubringen, und beteuern ihm, daß fie Zeit ihres Lebens für feine 
Ehre mit Jingebung reiten würden. So gewann der Rönig diefe fo 
fefe Seadt, und fie war für ihn von nun an der Waffenplag des 
Reieges, die Burg des Reiches und, wie audy die Sadyen ausfallen 
möchten, der ficherfte Zufluchtsort, weil fie fehr volkreich, durch die 
Seftigkeit ihrer Wiauern unbezwinglich, durch die Sruchtbarkeir der 
umliegenden Gegenden fehr reich und mit allen Ariegebebhirfniffen 
bie zum Ueberfluffe verfeben war.“ Der Rönig felbft Bargee niche mir 


Das Jeialter see falfähen Baifer. 325 


feinem Lobe. Während andere Städte ihm ihre Thore zugefperre harten, 
Sffneren ibn die Wormfer nidyr nur die ihren, fondern boren ihm @elb 
und die Rraft ihrer Arme dar. „Es war in diefem Momente, ale 
febrte das deutfehe Rönigeum, welches einft hier in dem Sruchrgarten 
zwoifchen <ardegebirge, Üdenwald, am Ahein und Wein feine erfien 
Pfalzen gebaut, in feine alte Seimat zurch, nachdem es daran gefcheirert 
war, fi) fern von ihr eine neue zu begrlimden. Aber daß fich ihm bier 
fofort freiwillig eine Gülle von Rräften und Wilrteln zur Verfügung 
ftelfte, welche es dem fächfifchen Boden vergeblich abzuringen gefcht, 
diefe wunderbare KErfheinung beruht auf der Tharfache, daß Diefe Rück: 
wanderung des önigeume in demjenigen Zeirpunkte erfolgte, wo zum 
erftenmal gerabe hier ein neuer Saktor unferes Öffentlichen Lebens, die 
frädrifche Bürgerfchaft, in einer fpontanen Bewegung ihre Schranken 
durchbrach und bei der böchften Reichogewalt um Schus und Anerkennung 
ihrer Tntereffen warb“). Jmmer hatte Seineich IV. eine befondere 
Vorliebe für Worms gehabt, wo feine Wihndigkeitserklärung erfolge war. 
Im böchften Blanze ftrahle feitdem der Ylame diefer Stadt. 

Durdy die Hilfe der Wormfer erfolgte denn auch ein Umfchlag zu 
Bunften Zeinciche. Der Wainzer gürftentag, der Über ihn Bericht 
halten follte, wurde dadurch vereitelt, und in Ruhe Bonnte der Rönig 
in Worms Weihnachten feiern. In der bifchöflichen Pfalz, wo der 
Bönig Wohnung genommen hatte, fiellten fih einige Sürften ein: 
Krsbifchof Liemar von Bremen, die Bifchöfe Kberhard von Kraum- 
burg, Theodorich von Verdun, “ermann von Bamberg, Burdyard 
von Bafel und andere Betreue. Zwar bemängelt Lambert von 
@ersfeld bämifch den Glanz der Eöniglichen Hofhaluung. „Denn 
woeder wurde ihm aus den Rammergltern etwas an Dienften dargebracht, 
mod» audy leifteren die Difchöfe oder Aebte oder andere Wärdenträger 
des Staates ihm die gewöhnlichen Schuldigteiten, fondern alles, was 
zum täglichen Bedarf’ erforderlich war, wurde für ihn um geringen Preis 
eingebauft. Doch befanden fid) einige von den Slrften bei ihm, aber 
diefe waren weder mit der Zurhftung für den Unterhalt des Lofee 
(servitiorum apparatu), noch mit fo zahlreichem Gefolge von Aittern 
und Dienern, wie fle fonft pflegten, fondern mit wenigen und faft ohne 
alle Zeichen der fürftlichen WOhrde gekommen, um ihn zu begrüßen, damit 
fie nicht bes offenbaren Abfalle gesiehen volicden, wenn fie, obwohl berufen, 
an dem Soflager zu erfcheinen fich weigerten. Doch erlaubte jener ihnen 


326 14. Bapire, 


auf‘ Beine Woeife, ihn woieder zu verlaffen, in der Erwoigung, daß fle ibm 
freitich wenig wirkliche ilfe brächten, aber doc) die Seinde fehr in 
Schredten fegen würden, wenn diefe hörten, daß fo erlauchte Yölirden: 
träger des Reichs fich gegen fle verfammele bicten“*). 

Allerdings Liemar von Bremen und Bberhard von Klaumburg 
weilten ale heimatlofe Stächtlinge am Eöniglichen “Hofe, aber die anderen 
waren freiwillig getommen, um dem Rönig zu belfen, und diefer Bonnre 
nach Vertreibung des Wormfer Bifchofs auf das bifchöfliche But greifen, 
und subem ftand ibm das ausgut des falifchen Befchlecdhes zur 
Verfügung. Der König dlrfere danach, Vergeltung an den verräterifcyen 
Sadhfen zu üben, und er verfammelre in Worme ein anfehnlices Aeer. 
Don überall ber zogen die Böniglichen Dienftmannfchaften beran; auch 
einige Bifchöfe führten ihm ibre Roneingente zu, und die Wormfer 
werden nicht zurlekgeblieben fein. 

Ehe »einrich mach Sachfen aufbrad, vollog er noch am 
18. Januar J074 einen Abt der Dankbarkeit gegenüber den Bewohnern 
von Worms. Der Ranzleibeamte (Adalbero)'”), der diefe Urkunde verfaßte, 
mochte fühlen, daß es fich in diefem Zalle um erwas Außerordentliches 
bandle, es alfo niche am Plane fei, fi an die gewohnte Schablone zu 
halten. Daber nahm er fich ganz befondere zufammen, und der Schroung 
feiner Ditrion enefpridhe der gehobenen Danfbaren Gefinnung feines 
Eöniglichen &eren. Der großen Wichtigkeit diefer Urkunde halber fegen 
wir fle ganz biecher, doch foll die Eeldurerung des Inhalts erft im 
folgenden Bapirel folgen: 

„Im Yamen der heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit. eincich, 
von Gottes Gnaden Bönig. Der Eöniglichen Wache und Gnade gesiemt 
e&, treuen Dienft jedem mit entfprechenden Wohlthaten zu belohnen, auf 
daß die, welche ficb in der Zrfüllung des fchuldigen Dienftes duch 
größeren Eifer auszeichnen, zu ihrer Sreude feben, daß le aud) in der 
Belohnung ibrer Dienfte befonders geehrr werden. Linter diefen baben 
wir aber die Bewohner der Stadt Worms als wirdig nicht der 
Bleinften, fondern der größten und befonderen WDiedervergeltung, fa 
wofirbiger, denn alle Bürger irgend einer Stadt beurteilt, da wir fie 
Tennen geleene haben, wie fie bei der größten Bewegung im Reich und 
mit febr großer und befonderer Treue die Anbängtichkeit bewiefen haben, 
obfehon wir weder Durch einen mündlichen noch durch einen fehriftlichen 
Befehl, weder durch uns felbft, mod) durdh einen Boten oder durch 


Tas Seiralter der falifhen Raifer 327 


irgend eine Stimme zu diefer fo ausgezeichneten Treue ben Anlap ge 
geben haben. Diefe aber haben wir deshalb eine fo ausgezeidhnere 
‚genannt, weil, wäbrend die fämtlichen Sürften des Reiches ımter Der- 
nachläffigung der heiligen Pflichten der Treue gegen uns wüteren, diefe 
allein, gleichfam in den Tod fiürzend, gegen aller Willen uns eu 
geblieben find. Denn als einzelne Städte gleichfam abfichrlich zu unferer 
Ankunft fi zufchloffen, während die Wachen von Aufpaffern ab- 
wechfelnd verteilt und bei Tag und Ylachr, damit fie mir Mundvorrar 
und Yoaffengeroalt bewahrt werden £önnten, in der Runde begangen 
wurden, da wurde das einzige Worme durdy die gemeinfame Bunft der 
Bürger, indem man die Stadr mit Waffen von allerlei Arr feft machte, 
für unfere Ankunft bewaher. Mögen daher die Wormfer in der 
Belohnung des Dienftes die erften fein, fie, die nicht als Die Ienten in 
der YWOibmung des Dienftes erfbienen find; fie mögen allen in der 
gebübrenden Vergelung des Dienftes zum Deifpiel dienen, fie, die 
allen in der bewahren Pflicht der Treue voranftehen; es mögen 
die Bewohner aller Städte durch die Zoffnung auf Sreigebigkeit, 
wie folche die Woormfer in Wirklichkeit jeae erlangt haben, erfreut fein; 
fie mögen alle lernen, in deren Yrachabmung dem Rönig die Treue zu 
bewahren, die fie nunmehr in dem Worms gegönnten Bewinn, die 
Gücigkeit des Rönigs dargelegt fehen! Diefe erwoiefene Sörderung Life 
fid) zwar in wenige Worte zufammenfaffen, aber in der Erwägung der 
Wormfer felbft wird fie nicht als eine leichte, fonbern als eine erwlnfchte 
und ebrenvolle Sache in Rechnung gezogen. Die Abgabe nämlich, Zoll 
wird fie in der deutfchen Sprache genannt, welche die Juden und die 
anderen Bewohner von Worms in den Eöniglichen Zoliftärten in Srankfurt, 
Boppart, /ammerftein, Doremund, Boslar und Enger bei ihrem Durch 
gang su besahlen verpflichtet find, haben wir den Wormfern für die 
Zutunft erlaffen, und wir haben dies in Gegenwart unferer Sürften, des 
Ersbifchofes Lirmar von Zamburg und der Bifhöfe Ebbo (das ift 
Eberhard) von Ylaumburg, Dietrich von Verbun, ermann von Bamberg, 
Burchard von Bafel und anderer gerreuen Diener in Chrifto beträftige. 
Wir wollen, daß Eeiner der uns nachfolgenden Rönige und Raifer diefen 
unferen Zollerlaf; wieder aufbebe, und verpflichten einen jeden darauf, fo 
gewiß ale er feinen eigenen Anordnungen Beftändigkeic wünfchr. YOer, 
wo @ott vor fei, in irgend einem Punkte unfere Anordnung mindert, 
fol erwarten, daß andy feine Wacht und feine Anordnungen gemindert 


328 14. Bapitel, 


werden. Diefe Deftdeigung haben wir deshalb, wie unten zu feben ift, 
mit eigener and auf diefe auf unfern Befehl gefereigte Urkunde 
gefehrieben, durch unfer aufgedrüchees Siegel beflegelt und der Aennmis 
fowohl der gegenwärtigen als auch der künftigen Beneration anheimgegeben. 

soandzeichen des "eren einrich IV. des demütigen umd unbefig: 
baren Bönige. 

Id) Abalbero Banzler bezeuge die Wahrheit an Stelle des Erz. 
Ranztere Siegfried. 

Gegeben am 8. Januar im Tahre deo Yeile 1074, im 19. Jahre 
des Rönigeums, im I7. der Regierung des "eren Seincich IV. 

Gefdyehen zu Worms im YTamen Gottes. Amen.“ 

Zum ewigen Bebächmis an Diefes Bönigliche Befehent ließ die Stadt 
fpäter an der Abeinpforte das Bild des Raifere machen mit der Infchrift: 
DIVO . HEINRICO . III. ROM . REGI.. AVG . VANGIONES 
GRATIAS.. IMMORTALES . DEBERE. 
NVLLO.SAECVLO .. NEGABVNT. 
sseinrich IV., dem erlauchten römifchen Aönig, bekennen die Dangionen 
eroigen Dank zu fdhulden. 

In dem damals auebrechenden Monflitt zweifchen. Rönigrum und 
Sürfienrum erwachte die Stadt Worms zum felbftändigen Leben. 

Scheinbar war zu Gerftungen am 2. Sebruar 1074 eine Verföhnung 
der Sachfen mit dem Mönig eingeleitet worden, und der Mönig Eehrte 
daher wieder nach YOorms zurück, das num feine beftändige Hefidenz zu 
werden fÄhien. Da vergingen fich- die fächfifchen Bauern arg gegen den 
Rönig, indem fie in geimmer Zerftsrungsluft nicht nur die Wauern der 
aryburg bradyen, fondern aud) Die Kirche anzlinderen, den Rirchenfchan 
plünderten, die Blocen zerfiseten und die Rönigsgräber fjänderen. In 
Worms vernabm „einrich diefen Srevel, und er färeur, Rache an den 
Gorresfchändern zu nehmen. 

Rurz nady Ofteen 5074 brad) au) in Böln die tädtifche Be: 
wegung os. Möln wird von Lambert von +herefeld ale das Zaupt und 
die Führerin der deurfhen Städte gerlihme, überaus volßsreich, das 
Emporium des Jandels, aber derfelbe Autor tabelt an den Rölnern ihr 
ppiges Leben, die prablerifäye Selbftüberbebung bei Weingelagen und 
Schmaufereien. Der herrifde Stolz des Krsbifdofes Anno gab den 
Bhrgeen Urfache genug, zu Blagen. Wegen eines geringfügigen Anlaffes 
empdrten ficy die Bürger gegen ihren Stadtheren. Es fam zu argen 





Was Zeitalter der fellflgen Baifer 329 


Ausfchreitungen, und mit EIor Ponnre fid) Anno retten. Doch wie eo 
bei folchen Gelegenheiten geht, gefehab es auch bier. Gobald der Krz 
bifchof mit bewaffteter Wacht vor der Stadt erfehien, fehwand den 
Bölnern der Rampfeszorn. Die Ariegsleute nahmen blutige Rache, und 
febreeklich mußten die Schuldigen büßen. Die Rölner Bhrger waren 
durch das Beifpiel der Wormfer zu ihrer unüberlegten That verleiter 
worden; da fie ftärker an Volkssahl und mit Geld und Waffen 
noch beffer verfehen waren, fo bielten fie es für umviirdig, daß man 
glauben Eönnee, fie finden an Rühnbeit den Wormfern nad. ls 
ihre Sadye fÄhief ging, wandten fie ich bilfeflebend an den Adnig, 
indem fie in ihm einen Sörderer ftädrifcher Greibeic fehen mochten. Der 
Rönig brady im Juni gegen Rdn auf; in Andernach Bam KBrsbifchof” 
Anno zu ihm, beide führen num nach Röfn. «ier faß der Rönig zu 
Bericht, doch ftand die Sache der Rölner fo fehlecht, daß der Rönig 
fie fallen Heß. Darauf there er wieder nad Worme zurlch, um von 
bier gegen die Ungarn zu rüften. Diefe Brpedition flug fehl, und , 
fbon im September war der önig wieder in Worme. 

Die fächfifchen Verhälmiffe ließ aber Yeinrich niemals aus den 
Augen. Öfteren und Pfingften 1075 feierte er in Worms. Von bier 
aus bereitete er den fächfifchen Seldgug vor. In diefen Verhandlungen 
bewies er, wie aud) feine Gegner zugeftchen, eine Aiugbeit, die weit 
über fein Alter hinausging. In %ersfeld® fammelre fi) im Juni das 
Eönigliche Heer. Von allen Gegenden firömten die Truppen berbei, vor allen 
erzog Rudolf‘ mit feinen Schwaben, dann &erzog Welf mir den Baiern, 
die rbeinifhen Sranten, darunter die gerreuen Wormfer, in deren Wire 
der Rönig in glänzender Aftung rite, ferner "ersog Borefried, Herzog 
Theodorich von Lorbringen und fchließlich die WVeftfalen, Sriefen und 
Böhmen. Der Rönig war in der Vollfraft feiner Jahre. Bei Zomburg 
errang er am 9. uni über Öreo von LTordheim und die Sachfen 
einen glänzenden Sieg. Aber es bedurfte noch eines zweiten Zerbft: 
feldzuges, um die Unterwerfüng der Sachfen zu vollenden. einric, 
kehrte nach der SEntlaffung feines “eeres nad) Worms zurlic. YIeue 
Verhandlungen fanden ftatt, aber der Rönig verlangte völlige Unter- 
werfung. Am 22. Oktober traf Geinric) in Berflungen ein, wo fich 
die Truppen verfammeln follten. Zioar blieben die Südbeuefhen aus, 
dody war die Stellung des Rönige eine Üüberlegene, und Ende Oktober 
unterwarfen fich die Sachfen auf der Ebene von Spier. Die vornehmen 


1. Decn, Die Arte der sent Be I “ 


30 14. Bapitel, 


Sacfen mußten fich dem Rönig als Befangene ergeben, und er begann 
von neuem feine Mache in Sachfen aufgurichten. Aber nur furz war 
feine Siegesfreude, denn bald wurde er von der Zöhe in den Abgrund 
geworfen. 

Schon geraume Zeit bevor der Wöndy Hildebrand Papft gervorden 
war, batte er ideen ausgebildet, welche die in Deutfähland beftebenden 
fiaatlichen und ficchlichen Ordnungen vollftändig erfehlierern follten. 
Diefer geifteogewaltige, zielbewußte Wann verteidigte die Freiheit der 
Ricche; unter diefem Schlagwort verftand er jedoch Firchlicye “errfchaft. 
Dem Vater Yeintiche IV. war er befreundet gewefen, zum Sohn fkand 
er im Verhämis eines wohlwollenden Lebrmeiftere; da der Gchiler 
aber nicht geborchen wollte, (0 entwicelte ich bald bittere Todfeindfehaft 
swoifihen beiden. Gregor VII. ging vom Begriff der Simonie aus, und 
unter diefem Ylamen verftand er auch die Tinvefticur der geiftlichen 
Sürften durch den Rönig. Diefer folte fortan Fein Recht mehr auf die 
Verleihung der Disrhmer baben, alle Laien follten von der Tinvefticur 
der Rirchen auagefchloffen fein. Der Papft betämpfte eben die germanifche 
Idee der Kigenkirche, die das römifche Rirchenfyftem durdyfent hatte, 
und von feinem Standpunkte aus hatte er vollkommen recht. YDeil diefem 
Pringipientampf eine innere Berechtigung innenoobnte, war die Rirche 
fiegreich”). 

Die Politit Bregors VII. gegenüber "eineich IV. war anfangs eine 
vorfichrige gewefen und nicht frei von Schwankungen. rft Ende 1075 
‚provogierte der Papft den Bruch, und der König nahm den bingersorfenen 
sandfchub auf. Seinrich lud auf Sonntag, den 24. Januar 1076, nad) 
Vsrms eine Verfammlung der geifliden und weltlichen Sürften des 
Reiches ein. Es erfhpienen dafelbft die Erzbifchöfe von Wlains und 
Trier und 24 Bifdysfe fowie "erzog Borefried von Lorbringen. Die 
Stimmung der Verfammlung war dem Papfte durchaus feindfelig, und 
ibe Befchluß ging dahin, daß fich die Bifchöfe des Gehorfams gegen- 
Über Gregor VII. entbunden erachteren. Auf Grund diefes Befchluffes 
erklärte dann der Rönig den Papft feiner Wöhrde verluftig. Yun folgte 
Schlag auf Schlag. Am 22. Februar 1076 fehleuderte der Papft den 
Bannftrabl gegen den Mönig, erklärte ihn für abgefent und feine 
Unterebanen ihres Eideo gegen ihn Iedig; die Teilnehmer der Wormfer 
DVerfammlung epfommunisierte er. Die Solge war, daß viele aus 
Bewoiffensangft in ihrer Mönigsrreue fdhmantend wurden und zum 


Das Seitalter der falifcpen Raifer. 331 


Papft abfielen. $Es Bam fodann zu einem Bfindnis des lltramontanismus 
mic dem deutfihen Partifularismus. Vergebene fdhrieb “einrich auf 
Pfingften nady Worms eine neue Reicheverfammlung aus. Yobl 
erfebien dafelbft eine Anzahl Bifchöfe, aber die welcliden Sürften 
blieben aus, und bald fland der König ifoliere da. Die ürften 
verfammelten fi) im Oktober zu Tribur, um über eine neue Rönige- 
wahl zu verhandeln. Auf der anderen Seite des Abeins, bei Oppenbeim, 
die getreue Stadt Worms im Aiicen, lagerte der Mönig mir feinen 
Truppen. Die Verhandlungen, die hin und berüber gingen, drohten 
jeden Augenbli® in Ihätlichkeiten umzufchlagen, als Abt Zuge von 
Eluny, des Rönigs Taufpate, einen Stillftand erzielte; dem Papfie 
follte die Entfcheidung zufichen und der König abgefegt fein, wenn er 
niche binnen Jahr und Tag die Loslöfung vom Barne erlange. “eineic) 
durchkreugte jedoch Die Abfichten feiner Seinde, indem er durch den 
heroifchjen Bußgang nach Eanoffa vom Papft die bedingungslofe Auf: 
bebung des Bannes ertrogte. Freilich war die Verföbnung mit dem 
Papfte nur von Eurzer Dauer, und Diefer erneuerte den Bann. Die Sürften 
bielten fid) vollends an die Abmachung des Mönige mir dem Papfte 
nicht für gebunden, fondern fie verfammelten fi am 13. März 1077 
in Sorchheim und wählten mit Zufimmung der päpftlichen Legaten 
Audolf von Abeinfelden zum Mönig. Das führre zum Blirgerkrieg, 
der num 30 Jahre in Deurfchland würere und unendlich viel Elend 
Über das Land brachte, aber auch den aufftrebenden Aräften freien 
Spielraum verfchaffte. 

Von gorchheim war der Pfaffenfänig nach Wlainz gesogen, wo der 
Ersbifchof Siegfried ihn am 26. März Erönte. Allein Rudolf Eonnre 
fi) bier nicht behaglicher Aube bingeben, denn die Bürger von Mainz 
uhoben fi), es fam zum Bampfe, und fie drohten die Pfalz in Brand 
zu flecden, was der Ersbifchof nur durch das Verfprechen fehleuniger 
Abreife Audolfs verhindern Eonnte. Als Slächtling verließ der Pfaffen- 
tönig Mainz, und mit ihm der fchwache, treufofe Ersbifchof, von vielen 
Scomähungen verfolge”), 

Auch die Wormfer nahmen fogleich Stellung gegen König Rudolf. 
Ihr verjageer Bifdyof' Adelberr war im Oktober 1076 wieder in die 
Stadt gefommen. Denn unter den Sorderungen, weldye die im 
Oktober 1076 in Tribur verfammelten Sürften an den Rönig %einrich 
geftellt hatten, war eine der vornehmften gewefen, daß die Eönigliche 





332 14. Bapirel, 


Befagung Worme verlaffen und der verjagte Bifchof' wieder zurlichehren 
follre. Darauf verließ die Befagung mir der Rönigin Worms, und der 
Bifchof rückte ein”). Als nun Audolf Wiene machte, nach Worms zu 
ziehen, fo erhoben fi) die Wormfer Bürger und zogen Eönigliche 
Dienftleute zur Zilfe in ihre Stadt. So mußte denn der Pfaffenkönig, 
ohne Voorms berreten zu Eönnen, nady Schwaben weitersichen”). 

“eineich war wieder nad) Deurfehland zurlichgeeher und hatte in 
Scywaben und Baiern vielen Anbang gefnden. In dem ihm freundlich 
gefinnten Wainz bildete er ein Yeer, das aus Bürgern der Abeinftddte 
zufammengefent war. Der dem Rönig "eineich IV. feindlid gefinnte 
Sacyfe Bruno nennt diefes „eer weder anfebnlicdy noch tapfer, da der 
größte Teil aus Kaufleuten beftanden habe. Unter diefen Wiercatores 
find aber vorzüglich die „Handwerker zu verfieben”). Wir Eennen ja 
den Priegerifchen @eift ber Wormfer Bürgerfchaft, welcher nicht 
nur die waffengebten linifterialen befeelee, fondern auch die unteren 
Stände. 

Am Vledar nahm Seinridh eine uneinnehmbare Stellung ein. Der 
Rampf 309 fich lange ohne Entfcheidung hin. Alle Rräfte wurden 
darin aufgeboten. Rudolf von Aheinfelden verband fidh mir den Feinden 
des Reiches, dem Rönig von Jrankreich und dem Brafen von Slandern. 
Selbft die Bauern wurden bewaffner. Am 7. Auguft I077 fließen die 
beiden Rönige bei Welcichftadt in Sranten zufammen, und “eineich flug 
die mit Audolf verbindeten Bifchöfe, darunter auch Adelbert von Worms, 
in die Sluche. Diefer Adelbert war in Rom gewefen, um gegen feine 
Bebränger in Worms zu lagen, und der Papft hatte ihm Beiftand 
verfprochen”®). Als er mit den anderen Bifchöfen nach Thüringen flob, 
wurde er bafelbft ergriffen und dem Rönig ausgeliefert. Das Bauernheer 
am Yledar war von den fehwäbifchen Rittern überwältigt worden, und 
die Bauern wurden teils erfehlagen, teils entmannt. Denn von jent an 
war es völlig vorbei mit dem Volksheer. m Selbe galt nur noch der 
Ritter etwas, er allein beanfpruchte die YOaffenebre, und jedes enbebrliche 
Sch? Land wurde nun in Lehngur umgewandelt, um zum Unterhalt 
eines Ritters zu dienen. 

In der für Rudolf flegeeichen Schlacht bei Hobenmölfen am 
15. Öttober Jo80 wurde er fo fehmwer verwundet, daß er bald darauf 
farb. Wenig frommte das Zeinric IV., denn ein anderer Begenkönig, 
%ermann von Lupemburg, vourde gewäblt. 


Das Seialtr dee fallen Baifer. 333 


„eineid Überftieg im März Io8T die Alpen und fehlug fidh dorr 
mit feinen Seinden herum. Am 31. Wär 1084 wurde er von Wibert, 
Ersbifcyof von Ravenna, den die Eöniglich gefinnten Bifchöfe am 
26. Mai 1080 zu Driren zum Papft (Clemens II.) erwähle hatten, 
famt feiner Bemablin im S. Peter zu Rom zum Raifer gewählt. 
Gregor VI. rief’ die “ilfe der LTormannen berbei, welche die evoige Stadt 
plünderten und verbrannten und den Papft als Gefangenen mit fich 
führten. Am 25. Mai ift diefer unfelige Wann, den ein Zeitgenoffe, Perrus 
Damiani, geiftreich den „beiligen Satan“ nannte”), in Salerno geftorben. 

Raifer Seinricb IV. brach im Sommer 1084 nach Deutfchland auf, 
veich an Erfahrungen und voller Goffnungen. Als Seiedensfürft wollte 
er Eommen, und „der Bortesfriebe 30g vor ihm her wie der orgenftern 
einer neuen Zeit"). Aber der päpftliche Legart Dero von Oftia wußte 
auch jet das Seuer der Swierrache zu fehüren. Zn der Ofterwoche Io85 
taten bie gregorianifchen Bifchöfe, unter ihnen auch Adelbert von 
Worms, in Quedlinburg zufammen und faßten Befeläffe, welche den 
YWlnfeben des Zegaten enefprachen. Um den Baifer aber verfammelten 
fi) im Mai 1085 zu Mainz zahlreich die antigregorianifchen Bifchyöfe. 
Diefe Verfammlung konnte fi als eine vollftändige Verrrerung der 
deurfehen Rirche betrachten. Tbre Abficht war, die Binheir der Kirche 
wieder berzuftellen. Alle gregorianifchen Bifchöfe wurden erfommuniiert, 
ührer YOlirde entfegt und auf die erledigten Stühle andere Bifchöfe erwäble. 

Adelbert von Worms war, nachdem er der Befangenfcyaft entronnen, 
nad) Yoorme zurückgekehrt und batte 1080 die wichtige Urkunde über 
die Einteilung der Stadt in vier Pfarreien erlaffen”). Sobald aber der 
Baifer wieder im Lande war, mußte der Difdof von neuem nach 
Sachfen fliehen. Auf der Mainzer Derfammlung im ai 1085 wurde 
auch er abgefent, und an feine Stelle wählte Seinzich IV. Diermar, der aber 
bon am 29. September 1085 ftarb””). Gegen Weihnachten Bam der Raifer 
wieder einmal nady Worms und rüftete Dafelbft ein ftarrlicheo See gegen die 
Sachfen. Bei diefem Aufenthalt ernannte er einen neuen Bifdyof namens 
Winicherus aus dem GBefchlecht der Grafen von Saarbrücken, vorher Abr 
von Lorfch”*). Diefer verzichtete 1088 auf feine beiden YOhırden und 30g fich 
in das Rlofter “iefchau zurück. An feine Stelle wurde in Worms Zbbo 
gewählte”), der 1090 bei einer Seierlichteit in Lorfih auftritt. Von diefem 
teiffen wir fat garnichts. Unter den Zeugen mehrerer Urkunden ‘einrichslV. 
vom Tabre IJ0J kommt ein Kuno als Bifchof von Worms vor”). 


334 14. Bapitel, 


Seineich IV. ging 690 zum dritrenmal nach Jralien. sier verließ 
ihn völlig das Glück, und er verlor jede hoffnung, denn alles verfdhwor 
fi gegen ihn, felbft fein eigener Sohn Monrad und feine zweite 
Gemahlin übten an ihm Verrat. Es war eine grauenhafte Zeit, und in 
ihrer Schilderung find die Publisiften beider Parteien einig. „Die 
Bifcöfe fellten ihren Dienft ein und Eehrren ihren Dißsefen den Rücken, 
die ein Tummelplan der Bewaltehätigkeit und eine Stätte der Ver: 
wüftung wurden. Rirche und Rlerus find gefpalten, der Krieg verwüfter 
die Botteohäufer und licyrer die Reiben der Blirger, götrliches wie welr- 
liches Nedhr find befeitigt, Treue und Glauben find enefehmunden, 
Ungerechtigkeit und Wieineid führen das Regiment.” Wit diefen Worten 
febildert ein Zeirgenoffe ergreifend das Zlend der damaligen Zeit”). Te 
tiefer die Mache des aifers fant, um fo höher ftig die des Papftes. 
Urban II. wurde «er der Seelen wir der Leiber, und auf feinen YOink 
fenre fich 1095 der Rreussug in Bervegung, eine neue Völkerwanderung. 
Die Weltanfdpauung Auguftins von der Vergänglichteit aller. iedifchen 
Dinge und von der Ylorwendigkeit der Welrflucht drang fiegreid) durch, 
sumal in Sranfreich, dem Hlaffifihen Lande des Wiöncyswefens, wo die 
Luft an Pilgerfahreen bis zur Leibenfihaft enmoicelt war. Auch in 
Deutfchland gewann die Astefe infolge der Erfchlirterungen des Bürger: 
frieges, des allgemeinen Elends und der Angft um das Seelenheil viele 
Anhänger, aber bier wieb der Hang zur Astefe die Wänner weniger in 
den rieg, deffen hatte man genug, als in die Rlöfter. Erft fpdter bar 
das Rreusgugsfieber aud) die Deurfchen gepadtt. Schon Gregor VII. 
hatte im Tabre I074 einen Rreussug in das heilige Land geplant; es 
follte ein wohloorbereitetes Unternehmen fein; daß ficb ihm König 
%einrich IV. verfagte, Eonnte der Papft ihm nie verzeihen”). 

Der Begeifterung Peters von Amiens gelang ce, die Leidenfdhaften 
der niederen Wiaffen aufiwwüblen. Wo er erfhien, feharten ji in 
Stankreich die Männer um ihn, wie um einen Propheten des deren, 
und ordnungslos wälste fich der wilde Schwarm durd; Deutfchland 
nad) Ungarn. Am Wirtelehein fammelte ein Graf Emiche (vielleicht 
von Leiningen) einen folchen aufgeregten Jaufen; als graufam, tyrannifch, 
wie einen andern Saul feildert ihm Elkehard von Aura. Zu ihm 
fiießen die Engländer, dann Wilhelm von Yjelun und andere, gegen 
34009 Wann; „bier waren der Wildheit, der Ausfhweifungen, des 
Sanatismus niche Maß und Ziel mebe“”). Yun wurden die Tjuden 





Tas Seitalter der falifchen Raifer. 335 


die erften und vornebmften Opfer des fanatifierten Blaubensbaffes, ein 
gräuliches Schaufpiel, wie ein foldyes in der Ebriftenbeit noch nicht 
erlebt worden war, denn die Tuben, obwohl Ungläubige und Scemde, 
genoffen als reide Kaufleute und gefchickte Aerzte großes Anfeben und 
fanden im befonderen Schune des Rönige. 

In Mainz war nad) dem Tode des von Zeinrich IV. eingefegten 
Weilo (f 1088) Auchard fein Llachfolger geworden, gleichfalls dem 
Baifer ergeben. Als die Rreusfahrer in Wainz erfchienen, bedrohten 
fie die Juden, die fich mit ihren Schänen in den Bifchofsbof flüchreren””), 
Aber die Jabgier verleitere den Erzbifchof zu einer gräßlichen That. Er 
bemächrigee fih der Schäge der Juden und gab diefe Unglücfeligen 
der Wut der Rreusfahrer preis. Gegen taufend Juden, Wänner, Srauen 
und Rinder, wurden am 27. Wat 1096 bingefchlachtet”). Der Raifer 
308 den rsbifchof 1098 deshalb zur Rechenfchaft und verlangte 
wenigfiens die Serausgabe eines Teiles des geraubten Butes”'), werhalb 
er mit ihm in Steeit geriet. 

Aud) in Speier wurden die Tuben geplündert und ermordet, ob: 
wohl der Bifchof fie zu fehtigen fuchte”“). Tin Worms flüchtete fich 
ein Teil der Juden in den Bifchofebof. Die Behörden ficherten denen 
Schu zu, die in ihren Wlauern bleiben würden. Der Raifer hatte in 
feinem Judengefen für Worms auf die Ermordung eines Juden die 
Strafe der Blendung und des Abbauens der “ände gefent”). 

Diefe Breigniffe leireren die Aufmerkfamkeit in Deutfehland von 
dem Bürgerkriege etwas ab, [6 daß, als der Raifer I097 endlich wieder 
in feiner eimat “erfhpien, er nirgends auf offenen Wiberftand ftici. 
Allgemeine Ermattung war eingetreten; die große Wichrheit des Volke 
war des religisfen “aders fatt, und jedermann wäre des Sriedens froh 
gewefen. Auf einem Sürftentag in YOorms anfangs I098 unterwarfen 
Mb die Söhne Welfs, turs darauf auch Bertholb von Zähringen””) 
und die meiften fdyroäbifchen Brofen. In Mainz wurde Rönig Roncad 
abgefest und %einrich, des Kaifers zweiter Sohn, zum König gemwäble, 
der jedoch feinem Vater fÄhrosren mußte, niemals ewas gegen fein 
Leben und feine Sreibeit zu unternebmen. Aber was galt damals ein 
gefepworener Eid! Auch diefer Sohn empörte fich gegen feinen Vater 
und verfland es, ihn in ein Bewwebe von Tücke und Verrat zu verftrichen. 

seineich V. febrieb auf Weihnachten JI04 einen Sürftentag nach 
Wainz aus, bamic der &errfchaft des Maifere ein Ende gemacht werbe. 


336 14. Bapitel, 


Denn bier am Wiirrelchein war das Fauprzenrum der Wiachrftellung 
des Raifers, geftlge auf die gerreuen Bürgerfehaften von Speier, Worms 
und YW}aing. Den von dem Raifer abgefegten Erzbifchof Aurhard von 
Wainz wollte der Sohn wieder einferen. &eineich IV. fammelce im 
Wainger “afen eine Slorte, um feinem Sohn den Aheinhbergang zu 
wochren. YTee vergebliche Verhandlungen wurden gepflogen. Darauf 
begab fid) “einrich IV. mady Sranten. Man kämpfte dafelbft und an 
der Donau, aber es kam zu Feiner ntfcheidung, weil die beiderfeitigen 
Bräfre fich gleich ftanden und “eineichh V. fi febeute, feinem Vater 
etwas anzucbun. Wiederbolt erfläcte er, er wolle Bein Watermörber 
fein, und danke niemanden, der dem Vater nad) dem Leben wachte. Der 
Wönig eilte im «erbfte IJS an den Ahein zurlic® und gewann durch 
Verrat des Burggrafen am 3J. ©btober Speier, wo er fich der Schäue des 
Vaters bemächtigte und das erledigte Bisrum dem Abte Gebhard von 
Ssiefchau, einem der eifrigften Anhänger der Bregorianer, der auch die reiche 
Abtei im Befirz harte, übergab. “einrich V. woimfchte nichre mehr, ale Mainz 
in feine Gewalt zu befommen. Der alte Raifer weilte in Böhmen, und 
niemand wußte erwas von ihm. Tin ihrer Bedrängnis fdhrieben die 
Mainzer Winifterialen und Btirger (Moguntiensis ecclesiae humiles 
servi F, camerarius, A. centurio cum universis ministris ac civibus”®) 
ihm einen Brief, der ein glänzendes Zhrendentmal ihrer unwandelbaren 
Treue it. Darin berichten fie ihm, daß die Seinde auf Micyaelis 
(29. September) eine “erfahrt gegen die Stadt angefagt häkten, deshalb 
fle ihn um feinen Deiftand bitten, weil fie eine Belagerung nicht aus: 
balten Ernten. Doch erfüchen fie den aifer, den Wine nice zu 
verlieren und melden ihm, was die Städte bereits für ibn gerhan hätten. 
„Versage nicht, wenn deiner Anhänger nicht fo viel find, als du 
wünfcheft. Wir wollen uns einander tröften, du an uns und wir an 
dir. Denn alle HTachbarftädte zu beiden Seiten des Abeins haben mir 
uns gefehworen, treu bei dir aussuharren, und wurden ihrer, Reifige und 
‚Sußolt, bei zwansigraufend gesäblt. Wenn uns Bort den Sieg verleiht, 
fo wirft du in Zufunft um fo fifter auf deinem Thron finen, wir aber 
werden unangefochten bei unferm Rechte bleiben.“ Zunddyft wurde Mainz 
nicht angegriffen, und der Raifer erfhien Ende Ofrober wieder dafelbft, 
‚aber völlig entmucige, zumal da inzwifchen Speier in die Bewalt feines 
Sohnes gefallen war. Sr ließ fich durch deffen argen Kar verlocken, 
das fihere Mainz zu verlaffen, worauf Zeinrich V. fid) diefer Stade 


Das Zeitalter der falifien Aaifer- 337 


bemächtigte und den Bifchof Aurbard wieder einführt. Aafdh rrar nun 
die Rataftropbe ein. Der alte Raifer geriet in die Gefangenfchaft des 
Bönige, man that ibm.alle Schmad) an und zwang ibn am 31. Dezember 
1405 zur Abdankung. Unter dem Vorgeben, vom Banne befreit zu 
werden, brachte ihn der päpfiliche Legar dazu, ein Stndenbekenntnis 
abzulegen, worauf er ihm böbnifd» fagte, er befize gar nicht vom Papfte 
die Vollmacht zur Losfprehung. YIochmals griff der Raifer zu den 
Waffen; da machte der Tod am 7. Auguft 1106 dem gramvollen Leben 
ein Ende. Trog aller Fehler und Selbfiverfhuldung wird man diefem 
Wanne menfehlidye Teilnahme nicht verfagen dürfen. Bis zum legten 
Aremzuge hat er die Rechte des Rönigeums verteidigt. Ein Zeiegenoffe, 
der nicht immer Bures von ihm fpricht, Ekkehard von Aura, erteilt 
ihm volles Lob. „Vliemand“, fagt er von “einrich IV., „fäyien durch 
Geburt, Talent, Tapferkeit und Bühnbeit, Eörperlichen Wuchs und 
Schönheit geeigneter zur Baiferlichen Wolirde.” 

Auf wahrhaft teuflifdye Weife bat Seinridh V. den Sieg Über 
feinen Vater erlangt und die Rrone errungen; nimmermehr läßt fidy 
diefes entfehuldigen. Aber im Grunde genommen verfolgte er genau 
dasfelbe Ziel wie fein Vater; aud) er begründere fein Rönigrum auf das 
Erbrecht; deffen Rechte er in feiner WVeife preisgeben wollte, und er war 
ein Wieifter in der Runft diplomatifdyer Verbandlungen. Tmmer blieb 
er Eühl und fet, bart und berrfchfüchtig. Ein Refultar des langjährigen 
Bhrgerkrieges Bonnte er freilich nicht wieder rhcgängig machen: die 
Unabhängigteit und die Selbftändigkeit der Sürften. So lange er lebre, 
batte er mit ihnen, denen der Papfi zur Seite ftand, zu ?ämpfen. 
Andererfeite Ponte er nur mir ihrer Zilfe den Srieden mit der Ricche 
berftellen; das war ein Unternehmen, an dem manch’ anderer ver: 
zweifelt wäre. 

Flady dem Tode Seinviche IV. Eonnte Bifchof Adelbere von Worme, 
der des Maifers erbitterter Begner geblieben und deshalb von Worms 
ferngehalten worden war, nach feinem Bifchofafts zurlichtehren. Er 
flarb am 6. Tuli 3307. Saft dreipig Jahre lang war er im Wril 
gewwefen, fo daß, da die antigsegorianifchen Bifchöfe rafch wechfelten 
und nur geringe Autorität genoffen, die Stadt fic) felbft überlaffen blieb 
und daher in den Bemütern der Bürger das Beflhl der Unabhängigkeit 
möchig erftarbte. Audy als Adelbert geftorben war, Bam es zu Beiner 
definitiven kirchlichen Ordnung in YOorms, denn die einen wählten den 


15. Dem, Die Aue Sr beufaen au. 5 





338 14. Rapird, 


Arnulf, die andern den Burchard ober Bucco””). Der erftere muß aber 
bald geftorben fein, und der Ientere wurde vom Bönig nicht anerkannt. 
Diefer biele fi) im Juni JJ0 in Worms auf und wohnte am 6. Juni 
der durch den Prxbifchof Bruno von Trier feierlich vollzogenen Ein 
weihung des Domes bei”). Dann zog er im “erbft nad) Rom, wo er 
den Papft Pafihalis II. fberliftete, indem er ihn nebft den Bardindten 
gefangen nabm und ihn zwang, ihm am 13. April IIII die Baiferliche 
Brone aufsufegen. Er Behete hierauf nach Deurfchland zurfic® und tief 
in Speier am 7. Auguft die Leiche feines Vaters im Dome beifenen: 
eine fpte Sühne für die ihm angerbane Schmad) und eine unvertennbare 
Provoation des Papftes. Kurz darauf, am 14. Auguft, verlieh er den 
Bewohnern der Stadt Speier jenes Pojibare Privilegium, das eine 
wichtige Frappe in der Entwicelungegefdichte der deurfhen Städte 
bilder. Dagegen verpflichtete er fie, alljährlich am 7. Auguft mir 
brennenden Rerzen zur Seelenmeffe für “eineich IV. nach dem Dome 
zu geben und von jeden aufe ein Brod ale Almofen zu fpenden””). 

Wir haben gefeben, daß “eineich IV. fid febr häufig in Worms 
aufbielr und daß gerade bier fid die wichrigften Afte feines Lebens 
abfpielten. Obwohl durch diefe häufigen Aufenthalte des Königlichen 
ofes das bifchöfliche Einkommen febr belafter wurde, erfreute fich die 
Rirche von Worms Feineswegs der Sreigebigkeit des Rönige, der weit 
mehr feine Bunft der Speierer Rirche zumandre. Aud die Einwohner 
von Worms fühlten fid) von “einrich V. ftark vernachläffige. Die 
verfchiedenen Bevölterungsklaffen, zumal die böheren Schichten, hatten 
fich) einander genähert, da ja ihre Tntereffen die gleichen waren. Die 
bifchflichen Winifterialen baten oft genug Schulter an Schulter mit 
den Raufleuren gekämpft. In ihren Zenden war die Stabtverwaltung, 
und die Zöllner, Wünzmeifter u. f. w. ftanden in engfter Besiebung zum 
Raufmmann. Te mehr die Stadt gedieh an YJandel und Bewerbe und 
an Zahl der Bevölkerung zunahın, um fo böber fliegen auch ihre Kin: 
mahmen, daher audy ihnen das Bedeihen der Stadt am serzen liegen 
mußte. Schmerzlich empfanden es alle Einwohner, daß Rönig heinrich V., 
der wiederholt in Worme gewwefen war, fo geringes ntereffe für die 
®önigereue Stabt bewies und ihr weder das Privileg “einriche IV. 
beftärigre, noch ihr weitere Sreibeiten fchenkre. Da erwachte in ihrem 
Serzen der Trog; was ihnen der Rönig nicht freiwillig geben wollte, 
das gedachten fie zu erzwingen. 


Das Seiralter der falifhen Baifer. 339 


As der aifer anfange September JIJI von Wiainz nad) 
Straßburg reifte, erkrankte er unterwegs an einem heftigen Sieber, das 
ihn in Yleuhaufen bei Worms auf das Lager warf. Er und die 
Seinen dachten an das Ende. Da ftürmten die Wormfer in das 
Blofter, um fich der Reicysinfignien, des Rreuzes und der beiligen Lanze, 
zu bemächtigen. Der Baifer befahl feinen Dienern, ihn aus dem Berte zu 
eben, auf ein Pferd zu fenen und zu bewaffnen. Der Schweiß lief ihm 
frommeis von den Glicdern. Deffenungeachter fihrzte er fid mir 
wenigen Begleiten unter die Angreifer, bieb ihren Bannerträger nieder 
und verfolgte die Empörer bis in die Stadt, wo fie erft in den Rirchen 
Zuflucht fanden”). Der eigentliche Urheber Diefes Ueberfalles war 
Ersbifchof Adelbert von Mainz. Diefer war feir II06 der Ranzler 
Seinviche V. gewefen, ein ebenfo begabter, wie ehrgeisiger und ränter 
füchtiger Wann. Der Raifer hatte ibn IJJo zum rsbifchof von 
Wainz ernannt, in der offnung, an ihm eine fefte Stüme zu finden, 
allein Adelbert wechfelte von diefem ioment an feine Policit, indem er 
nun die Tntereffen der Kirche, die mit den feinen Üibereinftimmten, vertrat. 
Offenbar wollte er feine Wachrfphäre auf Koften des Könige ausdehnen. 
Die Mainzer Bhrger wußte er völlig für fih zu gewinnen, was für 
ihn von großer Wichtigkeit war, denn Wains war eine mächtige Stadt 
und feine inwohnerfchaft trogigen Sinnes. Tin Speier war fein 
Bruder Bruno Bifchof, zu Worms batte er als Propft von Hleubaufen 
Beziehungen. Yun gelang es ihm auch, fid) der feften Burgen in der 
Sarde, Trifels und Marienburg (Madenburg) zu bemächtigen, fowie der 
3ölle und anderer Einkünfte am Abein; mir den weltlichen Sürften 
batte er verräterifdje Verbindungen, fd daß der Argwohn des Raifers 
immer größer wurde. Alles, was WOibriges gefhah, maß er der Schuld 
des Srzbifchofs bei, fo auch die Empörung der Wormfer. Ta 
“einrich V. glaubte, er wachte nach feinem Beben. dies auch fehr 
wenig wabrfebeinlich gewefen, fo war die Befahr gleichwohl fehr groß 
für den Raifer, denn Adelbert war die Seele der fürftlichen ®ppofition, 
und der Raifer Tannte nur zu gut die Rlugbeit, Verfehlagenbeit und 
den Wagemur feines Banzlers, daher füchte er ihm smvorzufommen. 
Er Ind ibn zur Verantwortung an feinen Hof. Adelbert wollte fich 
nur in Worms, wo er auf’ großen Anbang säbhlee, dem Raifer fellen. 
Diefer hatte bie erslirmten YOormfer dur ein Privileg vom 
16. Öftober 1132”) zu verföhnen gefücht. Offenbar wollten die 


340 14. Bapirel, 


Wormfer die von Speier Cibererumpfen, und fie erfcblichen fidy einen 
Zufag am Ende des Diploms, wonach der Kaifer die Wormfer für 
würdiger als die Bürger jeder anderen Stadt erklärte. 

Ende Ylovember IIJ2 bequemte fid) der Hrzbifchof von Wein, 
vor dem aifer zu Worms zu erfcbeinen. Diefer verlangte die Aus- 
lieferung der Wiadenburg, was jener mit Tron verweigerte. Der Raifer 
febmwieg und ließ den Srechen zieben. Burz darauf nahm er Adelbere 
gefangen und bielt ibn ungeachtet der Bitten des Papftes und der 
Sürften drei Jahre lang in Saft”). 

Wiederholt refidierre der Maifer in diefen Jahren in Worme, fo 
im Wär; und April I113, im Januar JJJ$, nachdem er in Wainz mit 
großer Pracht feine “ochzeir mit der Wiethilde von England gefeiere 
batre. Im felben Jahre kehrte er noch zweimal in Worms ein, am 
14. April und am 30. Ylovember, an welhem Lage er den Wormfern 
ein neues wichtiges Privileg erteilte”®), wodurch er fie den Speierern 
gleichftellee. Denn an der Bewahrung der Treue der Wormfer mochte 
dem aifer ewas liegen, da Möln fid gegen ihn erboben hatte und 
da infolge davon in Sachfen die Empörung von neuem ausgebrochen war. 
Und zu feinem großen Schmerze verfagte nun auch das fonft fo gerreue 
Wainz den Geborfam. Der Raifer hatte auf den J. Yiopember 1115 
einen Yeicyerag nadı Wein geladen, aber nur wenige Sürften waren 
erfehienen, (6 daß der Reichstag gar nichr zu ftande kam. Die Mainzer 
Bonnten “einrid V. den an feinem Vater begangenen Verrat nicht 
verzeihen. Auch fonft mag Anlaß sur Unzufriedenheit vorhanden 
gewefen fein. Burggraf Arnold und andere angefebene Wlainzer baten 
den Raifer um Sreilaffung ihres Bifhofs. Da diefer die Bitte abfchlug, 
fo enefland ein Tumult, die Wainzer drangen in die Pfalz, ein und 
forderten unter wilden Toben ihren Bifebof, fa, fie drobren die Pfalz 
in einen Scyurtbaufen verwandeln zu wollen und dem Zaifer 
Verderben, fo daß diefer dem Ziwange nachgeben mußte, als fich ihm 
die Bürger dafür verblirgten, daß der Krzbifchof nichts mehr gegen 
das Reid) unternehmen folle und daß, wenn er es doch chue, fie felbft 
ibn aus der Stadt vertreiben würden. Auch sErzbifchof Bruno von 
Trier fagee für die Treue Adelberre gut. Der Maifer harte eine fehwere 
Vliederlage erlitten, die nun alfeitig gegen ibn ausgebeurer wurde. 
Abdelbert war der erfte, der die gefehmworenen ide bradh, und da die 
Stadt, wog ihrem Verfprechen, den Abfall Adelberts rächen zu wollen, 


Tas Seftalter ber felifchen Balfer. 341 


zubig blieb, fo mußten die von der Stadt Mainz dem Baifer geftellten 
GBeißeln fehredflich büßen. Abdelbert verhängte über die dem Raifer treu 
gefinnte Stadt Speier das Iinterditr, ja, den eigenen Bruder, Bifchof 
Bruno von Speier, that er in den Bann. Die rheinifeben Lande vonden 
in Priegerifche Bewegung gefegt. Abdelbert machre vergebliche Verfiche, 
Speier in feine Berwalt zu befommen. Bifdof Bruno rühmee fich dem 
Baifer gegenüber, daß er alles Volk zwifchen Worms und Straßburg 
vermocht babe, einen Bund gegen die Aufjtändigen zu befehmören”®). 
Auch die Wormfer waren jene wieder dem aifer fo treu gefinnt wie 
zuvor. sersog riedrich von Schwaben, der Yieffe Heinrichs V., fochr 
gewaltig für die Sadye des Raifers. Sr icherte allenthalben das Land, 
Iegte Befagungen in die Iinkerbeinifcen Burgen und baute neue. Yan 
fagre von ihm, daß er am Gchweife feines Roffes fters eine Burg mit 
fi fehleife. Worms öffnete ibm feine Thore, und bier vereinigte fich 
Pfalsgraf Gottfried mit ihm. Am J. Auguft 1116 legten fich die auf: 
ftändigen Sürften vor Worms. Die Befazung machte einen voreiligen 
Ausfall, bei dem fie fÄhmeren Verluft erlitt, und “erzog Seiedrich 
geriet in folche Bedrängnis, daf er gegen Bewährung freien Abzuges 
den Sürften das Verfprechen ablegen mußte, auf einem Sürtencag 
in Srantfure ficb zu flellen. Doc) durd) Lift mußte er jenen 
Sürftentag zu vereiten, an dem es auf die Abfegung des Baifers 
abgefehen war. Seiedrid) gewann bald wieder die Oberhand, und 
die Empörer füchten fich in Mainz feftzufegen. Die Mainzer waren 
jedoch mit ihrem DBifchof fehr wenig, zufrieden und verjagten ihn. Der 
Baifer ermahnte die Geiftlichen und Laien, Dienftienre und Bürger von 
Waing, den gegen ihn und fie eidbrüdig gewordenen SErzbifchef nicht 
wieder in die Stadt zu laffen”). Aber bald Eehrre Adelbere mit ftarter 
“and zurlc® und befirafte feine Begner. Die Wipftimmung der Stadt 
wuchs darob, und die Gefahr war nicht gering, als &erzog Seiedrich LIT 
von neuem MWlains belagerte, doch ohne Erfolg. Um die !ainser 
Bürgerfchaft für feine Sacye zu gewinnen, gab ibr Adelbert J118 einen 
Sreibeitebrief, den die Mainzer immer als das Palladium ihrer Stadt: 
freiheit angefeben haben, und damit diefe Boftbare Urkunde, deren erfte 
Seile mir Goldbudhftaben gefchrieben war, nicht erwa durch einen Zufall 
oder ein Wißgefhi® zu Grunde ginge oder abhanden Bime, ließen fie 
diefelbe auf den vom Erzbifhof Willigifis gefifteren Brongeflügelboren 
an der Liebfrauenticche in Ungialfehrift eingraben””). Die Winzer 


342 14. Bapitel, 


zeigten fi) bierauf ihrem Erzbifdhof willfährig und zerftörten im Verein 
mit den fächfifchen Sürften das Baiferliche Schloß Oppenbeim. Als der 
Baifer im Juni 1125 fi Waing näberre, fdrickten fie fih zur Ver: 
weidigung an. Doc Fam eo nicht zur Belagerung, denn durch das 
Whrzburger Abfommen im «erbft IIZI wurde der Zlirgerkrieg beendigt. 
Es war audy böchfte Zeit dazu. Yoorms hatte durch die Belagerung 
fehwer gelitten, und infolge eines Brandes war ber größte Teil der Stadt 
zerftöre worden”). Schlimm genug fab es nach dem Bericht eines 
Seirgenoffen, Bftehard von Aura, in Deurfhland aus. „lach sehn 
Tabren inneren Sriedens wurde das Reich aufs neue gefpalten, und bei 
der Abtwefenheit des Raifers (er war feir Anfang III bie Serbft 1118 
in Jtalien) handelte jeder nad) feiner Willkhr. Es bilderen fih Banden 
von Adubern und Wiordbrennern, die dem unterdrücften Wolke feine 
abe mahmen. Weder der Bortesfriede noch duch Tide befeftigte Der- 
träge werben jene noch geachtet, fondern alle wiiten untereinander mit 
viebifcher Luft. Den Mieritern wird fat nur das nackte Leben gelaffen, 
die Aecher liegen verwüfter, die Dörfer serftört, viele Gegenden und 
Städte find völlig versder, und in mandyen Rirchen hat der Bottes- 
dienft ganz aufgehört.” 

Die Löfung der Birchlichen Streitfrage wurde einem Bonzil Über- 
wiefen. Bis dabin follten Die Banonifc» gewweibten Bifchöfe im ungeftörten 
Befige ihrer Kirchen bleiben. Burchardb war IJIS zum Bifchof von 
Worms gewäble worden. Tjn einer Urkunde seinrichs V. vom 
Januar IIIS, die zu Worms ausgeftelle ift, figuriert er als Zeuge”). 
Allein er hatte fich der gregorisnifdhen Partei angefihloffen umb mußte 
darum die Stade meift meiden. Im Tabre 1120 weibre ihn der Krzbifchof‘ 
von Mainz”), Durdy das Würzburger Abkommen erhielt er zwar die 
geiftliche Verwaltung feines Bistums, aber die Stadt blieb bis zum 
Ronzil in der GBervalt des Raifere”). 

Der tampfluftigen Generation war eine friedensliebende gefolgt. 
Alle Welt mit Ausnahme erlicher Sereithähne wünfchte fehnlichjt den 
‚Seieden. liche in Mainz, wo Adelbert die Situation beherefcht hät, 
fondern im Eaiferlich gefinnten YDorms Bamen die Väter zufammen, 
ale Bevollmächtigte des Papfies Bifcof Lambert von Oftia und die 
Rardindle Saro und Bregor, fodann die deuefchen Bifchöfe und Sürften. 
34h hielt der Raifer an feinem Rechte feft. Es dauerte acht Tage lang, 
ebe man zu einem Refultar gelangte. In zwei Urkunden verbrieften fich 


Das Zeitalter ser felifehen Baife 343 


Papft und Raifer gegenfeitig die gemachten Zugeftändniffe””). Das ift 
das berühmte Wormfer Montordat. Sortan follten die Bifchöfe auf 
Tanonifche Weife gewählt werden, und der Mönig versichtere auf die 
Invefticur der gewählten Bifcyöfe mit Ring und Stab. ZAndererfeirs 
geftand der Papft zu, daß in Deutfehland die Wahl der Bifdyöfe mr 
in Gegenwart des Bönige ftattfinden dürfe; Bam Beine einbellige Wahl 
30 frande, fo follte der Rönig mit dem Nat des Wietropolitanen die 
Entfcpeidung treffen. Den Erwählten bare der König durch Lieber: 
teichung des Sceptere in den Genuß der weltlichen Güirer des Bisume 
einzuweifen, und erft nad) der Belehnung follte die geiftliche YOeibe 
erfolgen. Es war ein Rompromif, ein VOaffenftillftand, denn die 
Rircye hatte nicht alles erreicht, aber jene gab fich der Papft Ealige II. 
zufrieden und erfannte den Vertrag an, während Erzbifchof Adelbert von 
Mainz gerne das $riedenswerk wieber zerftöre biete. Am 23. September 1122 
wurde der langerfehnte Frieden Öffentlich verfünder, und zwar gefebab dies 
auf der Laubmwiefe, einer Verelichfeir, die in den Wormfer Urkunden 
öfters erwähnt wird”*) und die offenbar in der Stadtgemarkung in der 
Flöhe des Rlofters Warienmünfter tag”). Vor einer ungesählten 
enge, welche die Stadt nicht faffen Ponte, wwurden die beiden Urkunden 
verlefen und dann vom Bifcpof Lambert die Wieffe gefüngen. Der Legar 
des Papfies gab dem Baifer den Sriedenekuß und das heilige Abendmahl. 
Damit war er vom Banne gelöft und wieder in den Schoß der beiligen 
Rirche “aufgenommen. Sreudig atmeren nun viele Taufend Wienfehen 
auf, deren Gewiffen bedrüicht gewefen war. Tubelnd begrüßte die 
Wenge den Srieden, jubelnd Eehrten fie beim und verbreiteren die Runde 
diefer Dinge durch alle deurfeben Lande”), 

Doch es erfolgte noch ein Ylachfpiel des Langjäbrigen Bürgerkriegs. 
Bifchof Burchard durfte ron dem Würzburger Abkommen nicht nach 
Worms kommen, felbft als das große Ronsil bier zufammentrat, mußte 
er fernbfeiben. Wir finden ihn meift in der Umgebung des Erzbifchofs 
Adelbert von Mainz. Von der Piniglichen Pfalz in Yreubaufen aus 
wurde Worms durch Baiferlicıe Yeamte verwaltet. Bereit war der 
Unabhängigkeitefinn der Wiinijterialen und Baufleure zu body entwickelt, 
als daß man fich dies lange häcre gefallen laffen. 4£s enejtanden Reibungen 
zweifehen den Wormfeen und den Baiferlicen, und die erfieren miß« 
bandelten einige Leute des Kaifers, denen fie Schuld an den harten 
Waßregeln gaben, mit denen die Wormfer bedrüctt wurden. Um den 





344 34, Rapirel, 


Trog der Wormfer zu bredben, baute der Maifer 1124 eine Burg in 
Yleubaufen. Eben rhftere er eine Rriegefabrr gegen Srankreich, und auch 
die taiferliche Befagung war abgesogen. Diefe Gelegenheit benunten die 
Wormfer und zerfisrren die Burg. Die ftaufifchen Brüder Seiedrich 
und Ronrad waren damals mit dem aifer zerfallen. Seiedrich, der 
in Worms wohl befanne war, reiste die Wormfer, daß fie ihren Bifchof 
Burchard zu Zilfe riefen. Doch der Raifer Behrre im Juli zurück, belagerte 
Worms und fehlug einen Ausfall der Seldrer zurüct. Die bei diefer 
Gelegenheit gemachten Befangenen wurden verftimmelt und geblender 
und in Diefem Zuftande wieder in die Stade gefchict. Da die Wormfer 
Yror an Proviant litten, mußten fie die made des Maifers durch 
Besablung von 2000 Mark Silbers (oder 5000 Talente) erfaufen, und 
Burchard mußte die Stadt wieder meiden”). Wrft nach dem Tode 
soeinriche V. (23. Wai 1125) Eonnte Burchard nach Worms zurüc- 
tebren, wo er bis zu feinem Tode (6. Dezember 3349) in Seieden 
tegierte. 














ST, 




































































35. Bapitel, 


Die Stadt als Markt. 
Stadtluft macht frei. 


lange das deurfche Mönigeum und die 
deutfähe Rirche in Eintracht zufammen- 
wirtten, tonnte die Stadtgemeinde nicht 
daran denken, fich von der Serrfchaft des 
Bifchofo zu befreien; denn der Bifcof 
war fa Beamter des Rönige, und ihm 
felbft mußte viel daran liegen, wenn feine 
Befidenz aufblühte, da infolge davon feine 
Einnahmen fich fleigerten. xft als die 
deutfehe Rirche mit dem Rönigtum in 
Rampf geriet und vom König abfiel, 
fehieden  fich audy die Tntereffen der Bürgerfchaft und des Bifchofs. 
Erftere‘ blieb dem Rönig 'gerreu, und in dem ausbredhenden Bampfe 
gewann fie“ freieren Spielraum. Yun erft Bamen ihr ihre eigenen 
Tntereffen: fo febt sum DBewußtfein, daß fle fogar nicht davor surch- 
fehenre, dem Rönig Tron zu bieten. 

Infolge ftarter Zuwanderung und der größeren SEnmoidelung des 
Verkehrs hat die Stadtgemeinde im Laufe des IJ. Jahrhunderts eine 
Ummanbdelung durchgemacht: aus einer Bemeinde, deren nrereffen 
urfprünglich hauptfächlidy auf agrarifchem Gebiete lagen, ift fie zu einer 
Raufmannsgemeinde geworden. Durch den Yandel und die Gewerbe 
wurden die Bemeinden zu Städten. 

In allen Zeiten haben die Städte eine große Anziehungskraft auf 
die umliegende Landfchaft ausgeübt. YDir haben gefeben, dafi; damals 


15. Bew, Die Autne ver ehintfäen Gr. 1 w 














348 15. Bapirel, 


die Städte in erfter Linie Burgen waren, in welchen die Bewohner der 
umliegenden Dörfer in Sällen des Krieges Zuflucht und Schun fanden, 
wogegen fle zur Baupflicht und zur Erhaltung der Seftung verbunden 
waren. Da ber Burgenbau aber Eönigliches Regal war, fo galten alle 
Burgen als Enigliches Zigenrum, und fie genoffen daher eines höheren 
Friedens, auf deffen Bruch die Strafe des Rönigebannes von fechzig 
Schilling fland. ben diefer Sechsigfehillingbann beißt, weil er in der 
Burg galt, Burgbann, und das Recht, das in der Burg oder Gtadr 
gültig war, Burg: oder Blrgerrechr”), Auch nachdem der Rönig den 
Bifdyöfen die Hegalrechte und die Berichrebarkeit in ihren Städten 
übertragen hatte, verloren diefe ihre igenfchaft als Reicheburgen nicht. 
Als fih der Bifdof von Worms gegen feinen “eren, den König 
“eineich IV., auflebnte, nahm der Rönig die Stadt wieder zu feinen 
‚aanden und legte eine Befagung binein, die sufammen mit der wehrbaften 
Bhrgerfchaft die Stadt verreibigen follte. 

Eben weil in der Stadt ein böberer Srieden galt, weil fie ein 
Afyl”*) war, Iocre fie die außerhalb Wobnenden, fo vielen Unbilden 
Ausgefenten mächtig an. ier fand man Schug vor Leberfällen und 
Verfolgungen, hier fand man Srieden und Rechteftcherheit, indem die 
Bürger vor kein auswärtiges Bericht gezogen werden durften, fondern 
für fie nur das Stadtgeriche zuftändig war; nur bier fonnte der freie, 
aber verarmte Dauer hoffen, eine neue, fidpere $Eriftenz fich zu begriinden, 
und bier in der Stabr hatte der Unfreie allein Ausficht, fich die Freiheit 
erringen zu Pönnen. Vor dem Bande harte die Stadt einen mächrigen 
Vorfprung, und zwar infolge ihrer rafcheren wirefchaftlichen SEntroickelung, 
die fie dem „andel und dem immer reicher fich entwickelnden Gewerbe: 
leben verdantre. Wlan bar die wirtfchaftlichen Zuftände Deurfchlande 
sur Zeit der Ötronen nichr primitiv genug fehildern Eönnen und fie fo 
dargeftellt, als ob beim Vorwalten ausfchließlicher KTaturahvirtfchaft kein 
Verkehr vorhanden gewefen fei. Zum Beweis bierfür wird auf die 
gleiche Bedeutung der Worte „Taufchen“ und „Täufchen“ bingerwiefen””). 
In Srantreich foll man noch im II. Jabrhundere nur im Ylorfalle 
etwas verkauft haben”“). Bewiß, während des ganzen Wiicrelalters galt 
es für viel angenehmer, fi) erwas fehenten zu laffen, als daß man es 
getauft hätte, oder auch man fährecdre unter LUmftänden niche vor dem 
Haube zurlh, um etwas Begehrenswertes in Beflg zu befommen, aber 
ein Baufmännifcher Verkehr war doch vorhanden. Auch der Bauer oder 


Die Stadt als Macht. Gtadeluft mat frei. 349 


Butsherr verftand es, die erzielten Weberfchhffe in der Stadt gegen die 
Produßte des Berverbes und des Zandels umzutaufchen. 

Dem beftänbigen +andel in der Stadt gebt der Raramanen: und 
Saufterhandel voraus”). Schon in den frübeften Zeiten erwachender 
Rultur ducchgogen fremde Raufleute, zuerft Brieden, dann Krrusker 
und Tealier, die nordifeben Länder, um gegen die Landesprodukte: Selle, 
Pelswert, Bernftein ıc., die Induftrieerzeugniffe der Witrelmeerkuleur um 
sutaufehen. Dann bemächrigten fich die Römer Balliens und Brittanniens 
und zwangen die großen Släffe Abein und Donau unter ihre Serrfchaft. 
£s enrftand nun erft ein Iebbafter Verkehr, der auch, als die Scanten 
fid an die Stelle der Römer gefert hatten, nicht ganz verflegte. Diefer 
Yandelsverkehr wurde gemäß dem biurfaugerifchen Sinanzwoefen der 
römifcyen Baiferzeit einem tomplisiereen Befteuerungefpftem unterzogen, 
das fih zum Teil bis tief in die feänkifche Zeit erhalten har: Tranfie- 
und Warktabgaben aller Art”9. In der fpäteren rSmifchen Maiferzeit 
war fat alles zum Staatsmonopol gemorden und fo auch der Handel. 
Um der Wartefteuer willen bildee man den Wiarkrwang aus. Yrur 
auf dem Wiarkte in der Stade durfte verkauft und gelauft werden. 
Dafür genießt der Wiarkt das Vorrecht, daf wegen anderweitiger 
Schulden auf dem Wiartte gegen den Raufinann nicht geklagt werden 
durfte. Auch in fränkifcher Zeit dauert der Wiarktywang fort, eben der 
Steuern wegen. Wer außerhalb der Märkte einen Jandel abfchließt, 
fol zur Bezahlung der Wlarktfteuer angebalren werden”). Gerade der 
finansielle Errrag des Wlarktes veranlaßte die Broßgrundberefchaften, 
Stifte und Riöfter, folche Märkte zu gründen und fich vom Rönig das 
Warktrecht fchenten zu laffen. Die Bauern ftrömren berbei, nicht allein 
um zu Taufen und zu verkaufen, fondern aud) des Vergnügens halber, 
weswegen Rarl der Broße feinen börigen Bauern verbot, auf den Wiärkren 
berumguftromern”“). Auf den Jabrmärkten erfehienen die fremden SAndler, 
um die Gegend mit den YOaren zu verfehen, welche hier nicht produziert 
wurden. Der Großhandel war noch auf lange Zeit ausfchlieplich Wander- 
oder MWeßbandel. Diefe Raufleute brachten Berolrze und Südfrlchte 
auf den Warte, Tuwwelen und GBoldfähmiebearbeiten, gerrocnere und 
gefalgene Sifche, Pelye, Tcher, Weine und Sklaven”). 

Unter den fächfifchen Rönigen erhielt das Verkehreleben einen neuen 
Auffcproung. Zahlreidh find die Warkegründungen durch die Ortonen”“). 
Denn nod) immer ift das Recht, Märkte zu errichten, Kegal’”). Die 


350 15. Rapinl. 


Warkteinkünfte bezieht der Königliche Beamer. Die Rönige verfdyenkten 
nım den Warktbann an die Bilhyöfe und Klöfter. Wiarktbann bedeuter 
einerfeite den Wlarktfrieben, andererfeite die Verpflichtung zur Zahlung 
der WMarkrabgaben. Wit Beridhrebarkeit bar der Wlarktbann an und 
für fich nichts zu ehun, denn diefe blieb dem ordentlichen Richter vor 
bebalten. Wir der Verleibung des Wiarkrregals war in der Regel auch 
die Verleihung des {Wnz: und Zolltechte verbunden; immer handele es 
fich dabei in erfter Linie um Verleihung von Erträgniffen. Den Kauf 
leuten, das beißt allen, welche den YWFarkt befüchen, fei es um zu 
verfaufen, fel es um zu Faufen, woird Sriede zugeficherr fowmohl auf der 
Ssingeife zum Warkt, als aud) während fie auf dem Wlarkte weilen und 
auf der Seimreife, und der Wiarkr felbft war ein Al, genoß demgemäß 
einen böberen Srieden’“). Denn der Fremde war ja nach germanifcher 
Anfchauung rechtlos; nur durch diefen Warktfrieden erbiele er während 
der Dauer des Wiarktes vorübergehend den gleichen Rechesfchun wie die 
übrigen Zinwohner. Der Kaufmann erhielt alfo in der Fremde auf 
dem Warte eine Ausnabmeitellung, die aber dabinfiel, (obald er wieder 
in feine “Geimat zurlchgefebre war. Zum fichebaren Zeichen, daß der 
Warte eines böberen Sriedens genof, wurde ein Kreuz errichter oder 
auch eine Sabne auegefiecft, fo lange als der Markt dauerte”). Der 
Markt gewährte ein Mpl_fir alle auferbalb desfelben begangenen 
Verbrechen und gemachren Schulden. Der Warkefriede erhöhte alfo die 
Sicherheit von Perfonen und FBigenrum der Wartrbefucher. Das Markr 
gericht urteilte Iediglich über !WMarkrfriebenebrüche und YWlarkrfrieden: 
fereitigkeiten. \ 

Verftand man urfprünglich unter der Verleipung des Wartebanne 
ober Wlarktrechtes nur die Schenkung der Einnahmen, welche aus dem 
Warktvertehr floffen, fo ging fehließlich die Entwoichelung dahin, daß mit 
dem Warkrrechte audy die Bericyrebarkeit felbft am Miarktorte gefcbentt 
wurde, was dann durch das Reicheweisum vom Jahre 5218 zum 
allgemeinen Reicherecht vonede. 

Wir der Stadt bat der Warkt an und fr fid) nichte zu cbun. Gerade 
in der Öttonenzeit ift eine große Anzahl von !Wärkten errichter worden, 
in der Yläbe von Klöftern, an Surten u. f. w., die Tabrhunderte lang 
gedauert baben, ohne dafı fib aus diefen YWieflen eine Stadt entwwickelt 
bitte. Denn bauptfächlich unterfeheiden fi) Dadurch Stadt und Marke 
von einander, daß zwar die Nechteverbälmiffe des YWlarktes fich 


Die Srodr als Macht. Sradrluft mac frei. 35J 


tegelmäßig wiederholende, aber doch immer mir vorhbergebende, in 
der Stadt jedoch bleibende find. Bereiß, die Stadt ift ein beftändiger 
Warkt, aber niemals har ih das Stadtrecht aus dem WMarktredye 
entwickelt. 

In der Stadt wurde nicht nur jährlich ein- oder zweimal während 
acht oder vierschn Tagen Wlarke gehalten, wie auf jenen vorhin genannten 
Weffen, und fie, die alten Römerftfdte, bedurften auch nicht der Privilegien 
der Rönige, damit in ihnen Wiarkt ftatefinden Bonnte, fondern fie waren 
Wärkte feir den Älteften Zeiten, das ganze Jahr bindurdy. Denn als 
önigliche Pfalzen und Burgen, als Bifchofsfize waren fie ein narlır- 
liches Zentrum des Verkehre und der Bewerbe. Sreilich gründete fich 
auch bier das Anfeben und die fogiale Stellung auf die Arc und den 
Umfang des Brundbefiges, aber diefer war bier in der Stadt doch nicht 
mebr die alleinige Duelle des Kintommene, wie auf dem platten Lande, 
fondern auch) die geiftige und Prperliche Arbeit Ponnte die Eriftenz fichern. 
Die gewerbliche Arbeit erzeugte einen Weberfehuß über den Bebarf der 
Stadtberwohner hinaus, ımd fo enmoickelte fid in der Stadt das Prinzip 
des Angebots und der Ylacyfage und damir die Grundlage eines 
taufmännifcyen Verkehrs. Vergeffen wir fhließlich nicht, daß Worms 
bäufig der Schauplan großer Reicheverfammlungen war, die zur 
Belebung des Verkehrs wefentlich beitrugen. 

Auch in der Stadt fanden jene Tahresmeffen flatt, von denen oben 
die Aede war. Diefe Wieffen oder Jahrmärkte waren baupefäclich 
dem “andel der fremden Kaufleute gewidmet, und fie baben, wie fon 
bemerkt, mit der fildrifchen Entwwicelung nichts zu cbun. She die 
Errichrung eines Tjabrmarkres bedurfte es immer der Privilegierung des 
Könige, wenn audy die betreffende Stadt Ingft fehon das Miarktreche 
befaß. Der Stadt Worms bewilligee Baifer Sriebrich II. im Auguft 1243 
das Recht eines Jahrmarkres, der vierzehn Tage nach Oftern beginnen 
und zwei Wochen dauern follte”); am 29. Mai 1330 verlängerte 
Zubreig der Baier diefe Meffe auf vier Wochen”), und am 31. Wat 1487 
verlieh Baifer Sriedrich II. Worms einen vierwöchentlicyen Jahrmarkt 
um Martin”). Diefe Jahrmärkte waren Sreimärkte, auf welchen für 
beftimmre Zeit die fremden Maufleute größere Vorteile genoffen, als 
ihnen fonft gewähee wurden, denn die regelmäßige Verkchreordnung der 
Stadt wurde durch diefe Wieffen unterbrochen. Sie boten dem 
Produzenten und BRonfumenten Gelegenbeit, fich mit ihren engegen- 


352 15. Bapitel, 


gefenten Taufchbebürfniffen einander entgegenzurreren”®) ober, wie ficb 
ein Spruchgebicht aus dem I$. Jahrhundert weffend ausdrüct”): 
„äls mag e3 umb Die Poufflute fin, 
Dip da brengen in die fat, 
Wes man darff und nicht enbad, 
Und wez gu oil if darynne, 
Day furen fie ug nad) inme gemynne.“ 

In der Stadt entwicelte fi) jedoch das Bedürfnis eines bäufigeren 
Austaufches ihrer Produfte mir der des Bandes. Diefem Bedürfniffe 
dienten die Wochenmärkte””), auf welche die Landleute ihre Produkte 
in die Stadt brachten und mit dem Erlöfe das Ylorvendige einkauften. 
‚Ste das Vorhandenfein folcher Wochenmärkte in Worms befigen wir 
freilich nur ein fpätes Zeugnis, die „Wioncagsfteibeit” (1432), indem der 
Rat allen, welche an einem Montag zu Warkt in die Stadt Eommen, 
freies GBeleite gewäbrte®). 

Der „andel vollyog fi auf dem räumlich abgegrenzeen Warte: 
plane”). Ylur bei den Wieffen wurden auch die an den Wlarkt.an- 
fioßenden Straßen und Gaflen zum Warkt zugesogen, und für die 
fremden Baufleure errichtete man Buben, Zelte und Tifdye, die nad 
Schluß des Jahr: oder Wochenmarkres wieder weggeräumt wurden. 
Später, infolge der Steigerung des Verkehrs, wurden Sondermärkte 
errichtet”), In Worms finden wir fehon 114 den Obermartt 
urtundfich genannt”), im Begenfar zum Untermarkt am Dome, welcher 
der alte Warktplag wabrfcheinlichh fchon in den Römerzeiten war und 
feine Bedeutung als Zauptmarkt bis auf den heutigen Tag bewahrt bat. 
Dann fommen im 3. Jahrhundert in Worms nod) folgende Spezial 
märtte vor: der Rommmarkt”®), der Sifch:, Viebı, Holz: und eumarkt, 
im 34. Jahrhundert: der Pferdemarkt. 

Der Wiartthere, das heifit der Inhaber deo Warktbannes, harte für 
die Wiarkrpoligei zu forgen, der ööllner erhob in feinem YLamen die Zölle 
und andere Wiarkrabgaben, und die Wlınze des Warktheren war zugleich der. 
Geldwechfel, wo die fremden Kaufleute landläufige Münze einbandelten. 

Ylichr der Jahrmarkt oder die Wieffe ift der treibende Saktor der 
ftödeifchen Entwicelung gewefen noch auch der WOochenmartt, fondern 
das Aandıwert. Der &andwerker war aber aud) zugleich Raufmann, 
und da er einer Stätte bedurfte, wo er feine Krzeugniffe verkaufen 
onnte, (0 wurden ihm, fei es vom Warttheren, fei es von den Inhabern 


Die Stadt ale Marke. Stadelufr mache fe 353 


des Grund und Bodens, namentlich dem Domftift, Buben oder Stände 
errichtet, für deren Benunung er ein Wiiergeld besablee”). Denn anfangs 
befaß der YJandwerker Bein Bapital, er war vichmebr im wefentlichen 
Lobnarbeiter”). Aus diefem Beblirfniffe des YJandiwerkers, feine Arbeit 
zu jeder Zeit und direkt an den Runden abfenen zu Eönnen, erwwuche der 
ändige Warkt in der Stadt. Wenn in den Warktprivilegien von dem 
Rechre die Rede ift, einen Markt zu errichten”®), fo Bann man darunter nur 
die Erbauung der Warfrbuden verfiehen. Diefe Warktbuden oder Stände 
beißen in den Wormfer Urkunden Apothecae”), Macella”®), Institae, 
Gades ıc. Die Stände fir je eine Art der Waren ftanden in einer Reihe 
neben einander, und zwar gefchah das aus marktpoligeilichen Gründen. 
Das Kedyr des Derkaufsziwanges in folhen Buben heiße Bannus macelli, 
Warktbann”“), und berüiher fich rechtlich mir anderen Beterbsmonopolen, 
wie dem Wählen, Backofen, Drau: oder Weinbann””), urfpräng: 
ich Ausflüffe deo Regalrechtes, die aber dann zu grumbherefchaftlichen 
Bechten wurden”). Der Stadtberr, in Worms alfo der Bifchof, vermietere 
diefe Buben, und damit nicht feine Einnahmen verringert wolirden, verbot 
er zum Beifpiel das aufieren mit Schuhen in den Baffen und “dufern 
und das Verkaufen unter den Jausthliren, welches Verbot mir der 
Bequemlichkeit der Räufer und Verkäufer motiviert wird”). Anfänglicy 
waren folche Verkaufsbuden nur aus Brettern sufammengefchlagen, dann 
errichtete man fie aud) aus fefterem Material. In Säddeutfihland, und 
namentlich in der Schweis, waren die fogenannten Lauben oder Bögen 
beliebt, das beißt überdeckre Bogen: oder Säulengänge längft den 
%dufern, in denen die Waren zum Verkaufe ausgelegt wurden. in 
Worms werden fie arcus oder Bögen genannt, und fie find auf den 
ammannifdyen Zeichnungen deutlich fichtber. Ebenfalls aus markt: 
polizeilichen Bründen gefchab es, daß die Kandwerker des gleichen 
Berufes fih) in einer Straße anfledeln mußten. Zuerft fomme diefer 
Gebrauch 835 in S. Riquier vor”). Zn Worms werden folgende Jand- 
werkergaffen urkundlich erwähnt: Brotgaffe, vicus Panis, fehon J080; 
inter Calcariatores, unter den Malfbrennern; vicus cerdonum —- Berber« 
gaffe; vicus clericorum, Pfaffengaffe; platea frisonum, Seiefengaffe; 
inter Gades, unter den Lauben; inter Gladiatores, unter den Schwert“ 
fegeen; vieus lane—Wollgaffe; retro coquinam, binter der Barküche; 
platea Monetariorum, Wiünzergaffe, fon 1056; Galsgaffe; vicus 
Romanorum; Saumergaffe; platea sellariorum — Sattlergaffe, I145; 


15. Door, Die Maar vr eetifden Sn. “ 





354 15. Bapirel, 


Tudengaffe. Dazu kommen im I4. Jahrhundert: Becherergaffe; Kepler: 
geffel; inter Cyrothecarios, unter den Sandfehubern; unter den Drechslern; 
vicus Piscatorum, Sifcbergaffe; Gylergaffe d. i. Bertlergaffe; Hafergaffe; 
Wiegelergaffe; Schleierwoäfchergeffel; unter den Geilern; Sporergaffe; 
Scyloffergaffe; vieus Clipeorum — Schildergaffe; Zeinemachergaffe. 

Doch wir find in fpätere Zeiten geraten; Eehren wir daher wieder zu 
den Anfängen des feädrifdyen Verkehrs zurück, woo von einem beftändigen 
Wartt nocd kaum die Rede ift und das Geld Feine Rolle fpielt. 
Jeder produsiert das, was er braucht, auch leider, dauegeräte u. [. w.; 
mr ausnabmerweife wird eingefauft. Der eigentliche Jandel war in 
fräntifcher Zeit und nod) lange darnad in den Jänden von Sremden; im 
Weitfrankenreich und am Abein find es Syrer und uden, fpäter in Süd- 
Deutfehland Lombarden; Daber giebt es in Bafel eine Lampartergaffe, in 
Regensburg eine Walengaffe, in Worms eine Römergaffe. Am Wiirrelchein 
baben lange Zeit die Sriefen im Broßbandel eine maßgebende Rolle gefpielt. 

Die raube, unwirtliche Wieeresküfte der LTordfee trieb die Wenfcben 
binaus, um des Bewinnes willen murig das Leben zu wagen. Welt 
nad) dem FTorden bie zum eifigen Jeland führen fie mic den Erzeugniffen 
Deurfcjlands, indem fie biefelben gegen Sifäye und Pelswert umtaufchren. 
Die $riefen fübren von Durftede, an der legten Babelung des Aheines, 
den Stuß hinauf und führten den vielbegehrten gefalgenen Wieerfifch und die 
Erzeugniffe ihres Jausfleißes, grobes Wollenruch,das noch heute Sries heißr”'), 
mir fi. In Duisburg, Soeft, Röln, Braunfchnweig, Mainz, Worms, 
Straßburg ließen fi) die Seiefen in eigenen Onarrieren oder Strafen 
nieder; in Worms find fie bis ine I2. Jahrhundert hinein nachweisbar. 
Unzweifelbaft bängt der in Worme im 13. Jahrhundert vorkommende 
Perfonenname $eiefe”) mit ihnen zufammen. 

Jedenfalls har auch das einheimifche Berverbe von diefem Zandelo- 
vertehr Vorteil gesogen. Denn die in Speier angefertigren Tücher 
wurden neben denen aus Sriceland auf dem Warte in Bent zugelaffen, 
während fonft alle Bewebe anderer “erfunft verboten waren). In 
Worme blühte die Tucdinduftrie jedenfalls fahon im IJ. Jahrhundert. 
In der Urkunde "eineidhe V. vom Tahre JIJ$ wird eines Zolkes auf 
febwarze grobe wollene Tücyer erwäbne”‘). Llicht obne Grund heiße 
eine der größten Strafen in Worms Wollgaffe; gerade bier werden im 
mittelalterlichen Schurte zuweilen Tjnftrumente gefunden, die bei ber 
Tuchfabrikation gebraucht wurden”). 





Die Stadt als Marfr. Stabelufr mat feri. 355 


Worms war der von der Yarur bevorzuge Sruchtgarten der ober: 
tbeinifeben Tiefebene”), und die Schriftfieller alter und neuer Zeir werden 
nicht müde, die berrliche fruchtbare Lage der Stadt zu rühmen. Srüb 
biähte bier der Weinbau, namentlic) hatte der rote Wein einen großen 
Auf. Tm Spital zu Brügge want man mit Vorliebe Wormfer or 
wein, und nicht minder bevorzugte ihn im Jo. Jahrhundert der Bifdof 
von Lirrich””), 

Für den Handel war die natürliche Lage Worms’ eine überaus 
günftige. Loch Lange bis ins J3. Jahrhundert benugte man die Römer 
firaßen, die auch als Feerftraßen oder Rönigsftraßen bezeichner werden”). 
Eine folche Seerftraße führte zum Deifpiel von Worms Über Alzei nad) 
Bingen”), eine andere von Wlains fiber Worms nad) Speier; im 
Wirrelalter hieß das Stück, das durch die Speierervorftadt gebr, Stein 
firafe, lapiden strata”®). Unter dem Ausdruc® Steinftraße verftand man 
immer eine Römerftraße. Bine dritte wichtige Strafe führte von 
Worms über den Abein nach Lorfc und von da an die Beraftraße, 
wo fie teile den Verkehr in das Yleckarthal, deifen unteres Gebiet in 
Worms fein wirtfehaftliches Zenrum fand, teils in die Wlaingegend 
vermittelte. Sür diefen Verkehr war die Abeinfähre von auferordentlicher 
Wichtigkeit”). Das linterheinifebe Ufergelände war, wie es fcheint, 
Eigentum der Stadtgemeinde von Worms, und die Wormfer Abeinfäbre 
gebörte ihr ebenfalls, denn die Abeinfabrgerechrigkeit wird als Auofluß 
des an den Strom grenzenden zollftein GBrundeigentums bezeichnet”). 

Lichr erhält man über diefe Dinge aus einem allerdings fehr fpäten 
Dokument, einer Eingabe des Rates an den Raifer Wiarimilian””). Die 
Säbre, heißt es da, welche der Stade gebörr, foll 4 Schiffe baben, um 
damie die Wegfertigen Über den Abein zu fahren. Diefe I4 Schiffereile 
werden Schifferechte genannt, und zwar gebühren der Stadt Worms 
davon 9 Schiffsredhte, dem Propft von Lorfd ein Schiffsrecht, dem 
Bifcof von Worms ebenfalls ein Schiffsrecht; die übrigen 3 Schiffe 
teile befigen einige Ebdelleute als Lehen des Bifchofs. Um Streitigkeiten 
unter den Teilhabern zu verhiiten, fei ein Vertrag zmifcen der Stade 
mit den anderen Säbrberren zu ftande gekommen, wonach fortan nur 
no 7 große Schiffe und ein mirtelgrofes auf dem Ahein auf 
gemeinfame often gehalten werden follten, um dem Sahr zu warten. 
Der Ertrag der Sähre werde fodann alljährlich in I4 Teile geteilt und 
am Rechnungsrage mit den Sährherren abgerechnet. Die Stadt beklagt 


356 15. Bapirel, 


fih beim Baifer, daß die andern Teilhaber wohl das Beld beanfpruchten, 
aber fich weigerten, erwas zu den Koften der Unterhaltung beigurragen. 
Die Stadt wünfchte daher vom Raifer zur Enefehädigung in den Deflg 
des Rofengartens am rechten Aheinufer, der dem Bifchof gebörte, ein- 
gewoiefen zu werden. 

Ludroig der Deuefihe hatte im Jahre 858 dem Miofier Lorfc) 
freie Aheinfabre mit einem Schiffe und Zollfreiheit im Wormfer Safen 
gemährr”). Auf diefes Privileg gebt alfo das in der obigen Eingabe 
erwähnte Schifferecht der Abtei Korfeh zuriick, m einer Urkunde des 
Bifchofe Burchard II. von Worms für die S. Andreaskicche vom 
Jabre 1145 ift von einem Schiffe im Wormfer Zafen die Rede, das 
ale das vierzehmte bezeichner wird”). Aus allerdings fpäcen Zengniffen 
erhellt, daf der Fährdienft igenrum der Stadt war und daß der Kar 
die norwendigen Sahrordnungen erließ ohne Wiwoirtung des Bifchofe”). 
Diefen Fährerechr wurde der Stadt freilich durch die Anmaßungen und 
Uebergriffe des Bifchofs von Worms, des KErzbifchofs von Wiainz und 
des Pfalsgrafen verfümmert und beeinträchtigt. Lenterer 3. B. forderte 
für fich, feine Sofleute, Beamten und Reifigen freie unentgeltliche 
Beförderung und Stellung von Ylacyen, damit er und feine Beute bei 
Horbeim oder Aheindürkheim übergefegt würden”). Am rechterheinifchen 
Bopfe der Fähre, im Rofengarten, errichtete der Bifdhof einen Zoll und 
unweit davon der Rurfürft von Mainz ein Schanze mir Zollbaus, [6 
daß der Verkehr doppelt beläjtige wurde. 

Als die Aömerftraßen feir dem 13. Jabrbundere mebr und mebr 
zu zerfallen begannen, da flieg die Bedeutung der Wafferfiraßen. Karl 
der Broße hatte einfichrevoll die Verkehrshemmniffe zu befeicigen gefucht; 
feine Zölle trugen daher den Ebarakter von Gebühren und nicht, wie 
fpärer, als fie in den Befln der Landesherren übergegangen waren, den 
fiotalifcher Ausbeurung. Sür die Verbefferung der Sußläufe und der 
Erhaltung der von den Römern angelegten Beinpfade gefcbab nichte; 
erft im 16. Jahrhundert trafen die vier rheinifchen Aurfürften gemeinfame 
Waßregeln zur Sebung des Wafferverkehre”"). 

Gewerbe und Zandel Eönnen fi nur dann fietig ennwiceln, wenn 
ibnen einige Sicherheit gerodbre wird. ben weil Raifer Bonrad II. mir 
flarker Sand im Lande den Seieden aufredht erhiele und unnachfichrlich 
die Seiedenebrecher ftrafte, enrfaltete ficb unter ihm der Verkehr in vorber 
ungeabntem Maße, gefördert durch feine den Kaufleuten einzelner Städte 


Die Stade als Marft. Grabeluft mad feel. 357 


‚gegebenen Privilegien. iner Anzahl von geiftlichen und weltlichen Sürften 
verlieh er Markt: und Wlänzrechte. Der Beldverkehr nahm gleichfalls 
zu und damit das Bedlirfnis vermehrter Umlaufsmierel’”). 

Im 31. Tahrbundere traten die Baufleute als befonderer Berufe 
‚Rand auf; einficheige Bifchöfe fuchten folche zu bleibender Yiederlaffung zu 
bergen. Der geiftige Sorisont diefer Wänner, die oft weite Reifen in 
fremde Länder zu unternehmen gewwohne waren, erweiterte ich mächtig, 
und fie teilten das ihnen innewobnende Selbfigefühl auch den anderen 
Bewohnern der Stadt mit. Zum erfienmal Äußere fich diefes Gelbftgefühl zur 
Zeit Seinriche IN. As er J047 in Tralien weilte, drobte König Heinrich 1. 
von Srankreicd, mir einem Linfall in die Aheinlande”). Bifdhof Wazo 
von Lürtich hielt ihm das rechtlich und moralifch Bebäffige feines Unter-- 
fangens vor und warnte ihn, er würde auf beftigen Wöiberftand ftoßen, 
denn die Bewohner von Mainz, Böln und Lüttich fowwie vieler anderer 
Städte würden ihm mit aller Rraft entgegentreren. Bifchof Theoduim 
von Lüttich gab der Stadt Auy J066 einen Sreibeitsbrief. Die Bürger 
(Burgenses) erhielten das Recht, nach dem Tode eines Bifchofe bis zur 
Zinfegung eines neuen die Burg zu wahren; ihre Leiftungen in Ariege- 
fällen wurden feftgefege und ihnen verfähiebene Rechte gewäbre””). 

Indem die ftädrifche Bevölkerung militkrifche Bedeutung gewann, 
wuche auch ihr Anfehen. Aus eigenem Willenerrieb erhoben ih im 
Desember 1073 die Wormfer Bürger und verjagten den verrdterifihen 
Bifcpof. Zur Belohnung für ihre Hilfe gersährre ihnen Rönig Yeinich IV. 
eine Gnade, die, wie er felbft fagt, nicht gering, fondern werwoll und 
ebrenvoll it, n&mlidy: „Die Abgabe, Zoll beift fie in beuefcher Sprache, 
die an den Böniglichen Zollftätten zu Scankfurt, Boppart, Jammerftein, 
Dortmund, Goslar und Enger die Juden und die übrigen YOormfer 
bei der Durchführ durch diefe Städte zu besahlen verpflichter find, habe 
ich den Wormfern für die Zukunft erlaffen. . .” 

Yloch beure wird diefe Urkunde im Stabracchio von Worms als die 
wertollfte Erinnerung an eine glorreiche Vergangenheit aufbewwahre und 
vorgezeigt. Bewiß Eonnten die Wormfer Bewohner damals von dem dank: 
erfüllten Bönige dasjenige fordern, was ihnen vor allem am «erzen lag, alfo 
erwa Befreiung von der Gerrfchaft des Bifdhofs, Aufhebung der Sörigteit ıc. 
Das lag nicht fo ganz aufer dem Gefichtekreife ftädtifcher Zinwohner. 

In Srantreich hatte fich die Seudalickt zuerft entroickelt und die fiaarliche 
Ordnung vollftändig durchfent und aufgelöft. Die önigliche Wache 


358 35. Baplıl. 


war gang außerordentlich befehräntt worden, und die Brofen des Reiches 
tbaten, was ihnen gur dünkte. Allenthalben rivalifterten bie verfhiedenen 
Gewalten und ftießen oft genug feindlich zufammen; fo auch in den 
Städten, 10 zuweilen zwei, drei und mehr deren: der Rönig, der Bifchof, 
der Braf oder irgend ein mächtiger Brundberr, Teilhaber der Wacht 
waren, Die, jeder flır fih oder auch im Verein, die Einwohner bedrhchten. 
Diefe mußten oft zwei und mehr Seren Dienfte leiften und fonnten von 
denfelben. beliebig verfehentr und verkauft werden”). ron aller Diefer 
Bedrlidungen gelangten dennoch einzelne Bürger Durch den ande zu 
Wobiftand, fie erwarben fich Grundbefin, und um fid gegen die gewalt: 
cbätigen Uebergeiffe der Wachthaber zu wehren, bauten fie in der Stadt 
fefte Burgen, in denen fie felbft zuweilen dem Befehl des Könige und der 
Gewalt zu trogen wagten. jn den franzöfifchen Städten entftand weit 
früher ale in Deutfchland eine bevorrechrete Schicht der Bürgerfchaft, 
ein Parrisiat. Auch die unteren Rlaffen der Stadtbeoölkerung febloffen 
fich zu Bruderfchaften oder Gilden zufammen; das genoffenfcbaftliche 
Gemeingefübl verlieb auch ihnen Stärke und Tron. Schließlich hatten 
Parrigiat und Gilden gegenüber den feudalen Mächten, dem Bifchof, 
dem Grafen und den Brundberren die gleichen Tincereffen, und um diefe 
zu wahren, fbloffen fie eine Schwurgenoffenfchaft, Rommune genannt. 

Befonders lebrreidh it die Gefhichte der Stabt Lambray, die 
zwar zum Deurfchen Heide gebörte, deren Bevölkerung aber ganz 
frangsfifch war”). Im Jahre 956 fühlte fie fich durch ihren Bifchof 
Berengar bedränge. Wr war ein Deutfeher, verftandb weder Sprache 
noch Sitte des ihm anvertrauten Volkes und, ftolz und fiher gemacht 
durch feine Verwandtfchaft mir dem Baiferlichen Haufe, quälte er das 
Volk. As er fih an den Baiferlichen of begab, verfchrwor fich Das- 
felbe gegen ibn. Doch er Eebrte mit bemaffneter Hilfe des Raifere und 
des Grafen von Slandern zurück und befirafte graufam diefen erfien 
Verfüch des ftädtifchen Unabhängigkeitsfinnes. YTiemals vergafen dies 
die Bürger von Cambray. Gegen ibre Bifdhöfe zeigten fie fters eine 
feindfelige Befinnung, und Bifdof Gerard 1. legte I042 dem Zaifer 
„einric III. das Geftindnis ab, daß er feir 30 Fahren unter den 
Schwertern der Bewohner von Cambray gelebt babe. heimlich 
organifierten fie eine Rommune, das beißt eine gefhworene Benoffen: 
febaft. Ms der Bifchof Berbard 1077 abwefend war, wurde ihm 
eröffner, daß er nur dann in die Stadt gelaffen wiirde, wenn er ihre 


Die Stade ale Markt. Sradtuft mach fe 39 


Verbindung beftdeige. Die Stadt wird als eine blühende gefdhilderr, ihre 
Baufleute find überall bekannt. Die Umfände waren den Bürgern 
für ibr Vorhaben günftig, denn der Burggraf, welcher durdy den 
Bifdyof nach England vertrieben worden war, hatte Sreunde und 
Vafallen in der Stadt, und der Mlerus war dem Bifdhof feindfelig, 
weil diefer die Reformen Gregors VII. einführen wollte. Bifebof 
Gerard II. erlangte vom Grafen von Sennegau Hilfe. Doch nur durch 
Lift Bam er zum Biel. Er gab vor, als ob er fi in feinem Jofe mit 
den Blirgern friedlich Über ihre Rommune befprecben wollte. Sobald 
er in der Stadt war, fielen feine bewaffneten Begleiter über die arglofen 
Bürger ber, ermordeten fie und plünderten ihre Adufer. Darauf unter 
drückte der Bifchof die Rommune. Doch insgeheim blieben die Bürger 
mit einander verbunden, und der Tmveftiturfkreit Bam ihrer Abficht zu 
gute. Rierus und Bürger wählten nad) dem Tode Berards den 
MW anaffes zum Bifchof, der jedocd, vom Raifer die Tnveftitur. nichr 
erbielt, während der Papft die Wahl gutbieß. Darauf einigten fich 
Klerus und Vol£ auf Baucher, der gur Faiferlich gefinnt war und daher 
3093 vom aifer belehne wurde. $Es am mum zu heftigen Rämpfen 
zweifehen den verfchiedenen Parteien; mir ‚ilfe “einciche IV. Tonnte 
Gaudyer in die Stadt bineintommen. Da aber Graf Bobert von 
Slandern das Bistum vermüftere und der Bifchof unfähig war, die 
Bürger zu febligen, fab er fi) genötigt, die Bommune anzuerkennen. 
Zr ftellte ihnen hierüber eine Urkunde aus. Die Bürgerfchaft firebre 
im Verein mit den YWinifterialen und einem Teil des Mierus nady 
völliger Unabhängigkeit vom Bifcof, und fie feloß daber mit dem 
Grafen von Slandern einen Vertrag, wonady fie ihm die Stadt über: 
liefern wollte, wenn der Baifer ihr nicht vor dem 8. September 1103 
beifpränge. Doch wurde zwifchen “einric IV. und dem Grafen Robert 
am 29. Juni IJ03 Seiede gefcbloffen und der Bifchof und die Bürger 
von Eambray darin einbegriffen. Letere wollten aber nidte mehr von 
Gaucher wiffen, und fie wagten ihren Ungeborfam um fo eher, da der 
Graf gleichfalls fich nicht des fdyismatifchen Bifdyofs annehmen wollte. 
Die Rommime vertrieb alfo Baucher ımd erwoählte zu ihrem Verteidiger 
Bodeftot de Ribemont, einen Minifterialen. Doc diefem mangelte der Yhur 
und die Enefeploffenbeit. Auf die Drohung des Baifere führte er den Bifchof 
Gaucher wieder in feine Refidenz zurücd. Der gregorianifche Bircof 
Wanaffes war inwoifdyen zum Erzbifdhof von Goiffens ernannt worden. 


360 35. Bapil. 


Auf Befehl des Erzbifchofs von Reims wählte die pSpftlich gefinnte 
Partei den Hudes, Abt von S. Wiartin zu Tours, zum Bifdof von 
Cambray, der zwar feinen Sig in der Stadt nicht einnehmen Eonnte, 
aber in der Didsefe Beborfam und felbft in der Stadt Anhänger fand. 
Der König gewann den Grafen von $landern, indem er ihm II06 die 
serrfchaft von Tambray Überrug. Darauf vererieb der Graf den 
Gaucyer und fegte den udes an feinen Plag. ls Verblinderer des 
Papftes und der Kommune von Cambray frdhtete der Graf den 
Mönig Seineich V. nicht, er rat ihm feindfelig entgegen und errang 
den Sieg. Schlieflid) verzichtete Baucher auf fein Bistum. &einrich V. 
wollte die Rommune in feiner Weife dulden, und indem er fidh gegen 
fie wandte, diente er zugleich den Jntereffen des Grafen wie des Bifihofs. 
Er Bam mit Aeeresmacht nad Lambray, trat firenge auf, warf der 
Bürgerfchaft vor, da fie gegen die Mechte des Heiches gebandelt hätte, 
serriß eigenhändig den Seibeitebrief und ließ die Bürger fehwören, 
niemals voieder eine foldhe Rommune zu bilden, und die Söhne der 
angefehenften Bürger fich ale Beifel ftellen. 

Diefelbe Politi® gegenÜiber den Städten haben auch die fpäteren 
Bönige eingefchlagen, fo Friedrich I. in Tralien, Sriebrich II. in Deurfeb- 
Tand. Sie Eonnten auch gar nicht anders bandeln, da fie im Eonfervariven 
Sinne die deurfce Verfaffung aufredbr erbalen wollten. In diefer 
Verfaffung hatten aber die Stäbte Eeinen Raum, denn fie wie die Land: 
‚gemeinden waren lediglich wirtfehaftliche Verbände, Beine politifchen. 
Woht haben die deurfchen Rönige bin und wieder die wirrfchaftlichen 
Tnterefjen der Städte zu fördern gefücht, aber fie hatten Beine Ahnung 
davon, welch mächtige Saktoren fie im politifcyen Leben werden Eönnten. 
In Srantreic) hingegen bedienten fi die Rönige eine Zeit lang der 
gefehroorenen Stabrgemeinden als Stüne ihrer Rönigemadht gegenüber 
den feubalen Bewalten. dgier ift die Rommune eine Bidgenoffenfehaft, 
die jedoch erft durch die ihr erteilte Bönigliche Urkunde Legaliräe erhielt. 
Der Inhalt diefer Urkunden handelt vom Sriedensfehune, von Abfehaffung 
von Laften, wie fie Jörigen und Vogteipflichtigen oblagen, von Seftftellung 
der Zeitungen an die Gtabtberren u. f. w. Sobald die Bönigliche 
Wacht erftartt war, hatte die Seeibeit der Städte in Srankreic ein 
Ende”). Weil umgekehrt in Deutfdyland die Zönigliche Berwalt mehr 
und mehr gefäpwächt wurde, fonnten die Städte fid ungehemme 
entwoiceln und völlige Auronomie erlangen. 


Die Grobe ale Markt. Sradrluft macht feel. 361 


Zur Zeit der falifchyen Baifer konnte davon nod) Peine Kede fein. 
Die Wacht der bifcyöflichen “errfchaft war zu fept begründer. Bifchof 
Burdyard hatte es verftanden, fich der Ronkurrenz der Brafen zu entiedigen, 
die gräfliche Bewalt in feine ZAnde zu bedommen; durch feine Befege 
batte er den Sieden zu Stadt und zu Land bergefiellt und durch feine 
gefammeen Anordnungen das GBedeiben der Stadt gefördert. Seine 
Yradyfolger haben fodann im gleichen Sinne geroirkt. Erft als Bifchof 
Abelbert dem Rönig den Gehorfam verfagte, eneftand ein Zwiefpaie. 
Sollten die Zinwohner von Worms zum Bifdof balten oder zum 
Rönig+ ie entfähieden fidh rafd» entfchloffen fiir den lenteren. Denn 
tbarfächlich war fa die Stadt eine Eönigliche Burg, der Rönig ihr 
Gere, der Bifchof gleichfam nur Beamter des Rönigs. ls er dem Bönig 
die Treue brady, da maren die Wormfer fir den Iegteren ein. Von 
einer Emp$rung gegen den Difdyof darf man nicht reden, fo wenig 
als von einem Zeftreben der Biirgerfchaft, die bifchöfliche Vogtei 
abzufchütreln. Die Herrfchaft ging einfach an den unfprünglichen eren, 
den Bönig, zuclict, ibm leifteren die Bürger den Eid der Treue. In 
der Örganifarion der Verwaltung gefchab feine Veränderung; der 
Burggraf, der Böliner, MWünzmeifter, Schulcheiß u. f. w. erfüllten 
mach wie vor ihre Pflichten. In der Stadt ließ Geinrich IV. eine 
Befanung zurüd. Die Hinwohner gewährten dem Bönig die Wittel; 
fidb gegen feine Seinde zu wehren, indem jeder einzelne nach feinem 
Vermögen eine Steuer aufbrachte. Auch in diefem Salle leifteren fie 
dem König direkt, was fie früher indirekt geleifter hatten, indem die 
Bürgerfchaft zur Besablung einer “eerftener verpflichtet war, wenn der 
Bifdyof für den Bönig ins Seld 309. Diefe Steuer har immer den 
Charakter einer freiwilligen Leiftung, daher wurde fie Dede genannt; 
ale “eineidh IV. und %eineich V. in ihrer KRot von den Städten Gelb 
verlangten, gerieten fie mir diefen in Ronflit®). In Worms erhob 
der Rönig eine WVachefteuer; wabrfeheinlich als Enefchddigung für die 
Befanung, welde er zur Sidyerung der Stadt in den gefährlichen 
Zeiten des Blrgerkrieges bineinverlegt hatte. &eincic V. erließ am 
36. Oktober III2 den Yormfer Bürgern diefen Wachtsins, indem fie 
nun felbft die Verteidigung übernahmen”). 

Wan bat die Erhebung der Wormfer Einwohner für den Rönig 
mit einer Verfaffungsveränderung in Verbindung gebracht”“), von einem 
Hate gefprochen, den der Rönig ftillfchweigend oder ausdrücklich als 


15. Bom, Die Arne ver eheintfäen Gt. 1 “ 


382 18. Bapird. . 


Obrigkeit der Stadt anerkannt habe. Ta, diefer Kat foll foger noch viel 
äter fein. „UTeu“, fagt YO. Arnold, „war nur die wefentlide Teilnahme 
des zweiten Standes und die felbftändige Stellung dem Bifchof gegen- 
über. Während vorber in ftädtifchen Angelegenbeiten vorzugsweife 
Winifterialen einen Rat des Bifcpofs bildeten, fieht nun der aus Dienfb 
mannen und Altfreien gebildete Rat Eraft eigenen Rechts an der Spige 
der Stadt. Bewiß hat diefelbe Behörde, welche unter seinrich IV. 
mit dem Ebarakter einer fädrifhhen Obrigkeit auftrat, als bifchöfliches 
Ronfilium bereits lange vorher beftanden. Schon der Ylame „Rat“ 
deutet darauf; ebenfo daß noch in fpdterer Zeit der Rat im aufe des 
Bifcbofs gehalten werden mußte"). AU dies ift völlig unbegründet. 
Wohl begegnet man Sfters in den Urkunden dem Ausdruce consilium 
Adelium, consilium optimatum, consilium bonorum. Der Bifdof 
befähloß felten ein wichtiges Befdift, ohne daß er die vornehmpten 
Wirglieder des Blerus, der MWinifterialen und der Bürgerfchaft zu Rate 
gesogen hätte, gerade wie es Sitte war, daß der Rönig die geiftlichen 
und weltlichen Sürften um Nat fragte. Verpflichter dazu war weder 
der eine noch der andere, aber die Fnefehliefung erhielt dadurd) eine 
größere Rraft. Daraus darf man indes nicht erwva folgen, daß am Eönig: 
lichen &ofe ein feft organifierter Staatsrar befanden habe. benfo wenig 
bar mit diefem bifdyöflichen Ronfilium der Umftand erwas zu thun, daß 
fpäter der Hat der Wormfer Stadtgemeinde bei beftimmen Gelegenheiten, 
wie der Yeumsahl des Rates und der Aemter, fich auf dem Bifcbofebof 
verfammeln mußte. 

Im Tabre 1108 errichtete Bifchof Abelbert auf Bitte des Burg: 
grafen und auf den Rat anderer Optimaren eine Sifebhändler-Jnnung in 
Worms). In diefer Urkunde Eommr aud) der Ausdrud urbanorum 
communi consilio vor. Darin bat man eben einen Rat der Bürger 
erblicden wollen. Aber diefe urbani find die freien Bürger. Urbani 
und Cives find fynonyme Ausdrücke und bedeuten die Vollbüirger, das 
beißt die Miirglieder der fein Stabtgemeinde im Begenfaz zu den 
“ofbörigen und Wiinifterialen des Bifchofs. Aus den Zeugenliften der 
Urkunden diefer Zeit gebt hervor, daß der Bifchof die Angefehenften der 
Stade aus dem Mlerus, den Winifterislen und den Blirgern je nach 
Umftänden einberief, um ihren Rat einzuholen oder fich ihrer als 
Urfundenzeugen zu bedienen. Einen Rat der Stadt gab es zur Zeit der 
falifyen Wönige weder in YOorms, noch in irgend einer andern Stadt, 


Die Stadt alo-Marft, Sradrlufr macht frei. 363 


und das Verhalten “einriche IV. gegenüber Eambray zeige Märlich, daß 
ex von einer Autonomie der Städte nichts vwoilfen wollte. 

Lediglich eine Zörderung ihrer Eaufmännifcben Intereffen winfehten 
die Einwohner von Ysrms, und indem Seineich. ihnen Zollfreibeit 
gewährte, fo vollyog er einen Akt Böniglicher Sreigebigkeit, die feinen 
Vorfahren nicht fremd gemefen war. Go fihente Oro II. 976 den 
Poffefforen von Paffau für ihre Rönigstreue Bollfteibeit im ganzen Reiche”). 

Seitdem hatten infolge der Böniglichen Dergabungen die Eöniglichen 
Zolffiätten an Zahl abgenommen. Im der Urkunde “einriche IV. vom 
Jahre 1074 werden nur noch fechs genanne: Boppard und Jammerjtein 
liegen am Abein, Dortmund, Enger und Boslar im Gacyfenlande, 
‚Srankfüre am Main. Wie Iezcerem hatte Worme am meiften Verkehr und 
die Zollfreiheit dafelbft für die Wormfer Raufleute den größten Were’). 
in Teil des Bopparder Zolles war fihon 991 an das S. Merrinftift 
in Worms verfcpenkt worden. zeintich VI. hat 1190 diefen Zoflanteil 
für das Neid) wieder zurlcherworben. Als 1314 Bönig Ludwig der 
Baier die Reicheftädte Boppard und Oberwefel an Rurtrier verpfändere, 
bebiele er fich doch in beiden den Aheinzoll und die Wünze vor”). 

Die Burg Aammerftein, unterhalb Andernach am rechten Aheinufer 
gelegen, fpiele in der Befehichte “einriche II. eine Rolle”). Als Brto 
von “Jammerftein 1036 farb, ging der wichtige Plan in den Befin des 
Weiche über. 1202 hob König Philipp zu Bunften von Trier den Zoll 
dafelbft auf”). 

Dortmund war eine bedeutende andelsftadt. Unter den Saliern 
gelangte Goslar zur Bihe, denn bier verweilten „einrich III. und 
%eineich IV. mit Vorliebe. Der Wiarkt dafelbft entwickelte fid) rafch, 
umd Goslar wurde das Zentrum des gefamten nordöftlichen Verkehre””). 

Bu den genannten Bollftätten fügte Seinrich V. IIT2 noch Frhrnberg”*). 
Diefer Ort wird zuerft 1050 genanne, damals hielt Zeinrich II. einen 
Landtag dafelbft ab, doch ift es wabrfeheinlich, daß Yiürnberg fon 
zur Zeit Moncads II. eriftierre). In der Beftärigung der Wormfer 
Sollfreiheit Durch Friedrich I. 1184 ift Vienberg nicht mehr auedrficklich 
genanne®). Lautdem Sreiheitsbrief Sriedrichs II. vom 8. KTovember 1219) 
find die Klürnberger vom Zoll in Worms befreit, wenn fie jährlich am 
Sefte des Johannis Baprifts ein Pfund Pfeffer und zwei Zandfchuhe 
geben; dem entfprechend genoffen auch die Wormfer Zollfreiheit in 
Viüenberg. 

= 


364 15. Kapsel, 


3184 befteite Maifer Sriedeich I. die Wormfer vom Zoll in 
Llimmegen und Duisburg. Der Zoll von Flimmegen war jedoch damals 
gar nice mehr im Define des Reiches, und er fehle auch in dem 
Verzeichnis der Reicherbeinzoliftätten Ortos IV. vom Jahre 1208). 
Erft Sigismund Löfte diefen Zoll I435 wieder ein“). 

Geineic IV. hatte 065 den MAheinzoll zu Duisburg feinem 
Vertrauten, dem frzbifchof Adelbert von Bremen, gefehenkt, doch war 
er, wie aus der Urkunde Sriedriche I. für Worms 1184 hervorgeht, 
wieder in den Defls des Weiche gekommen. 1248 übertrug ihn Rönig 
Wilhelm dem &erzog Walram IV. von Limburg”). Auch die von 
Duisburg genoffen in YWOorms Zollfteiheit gegen jährliche Bezahlung 
eines Pfundes Pfeffer und zwei Gandfehuhen"“). 

Aud) in Raiferswerth waren die Wormfer laut Privileg Deroo IV. 
vom Jahre 1208 befreit"). Diefe Reichezollftätte datiert vom Jahre 1174. 
Zum Schun derfelben ließ Sriedrich 1. eine Burg erbauen. Der Zoll 
von aiferswerth war im I4. und 15. Jabrhundert der einträglichfte 
Abeinzoll*9). 

Röin und Aachen genoffen in YOorms Zollerleichterung”*), daher 
wird Worms dafelbft die gleiche Verghnftigung gehabt haben. Biefonders 
eng verbunden waren aber Worms und Speier. Leib und Sreud trugen 
fie alleseic zufammen, und fie rdumten fich gegenfeitig Vorteile vor 
anderen Städten ein. 1208 fehloffen fie einen Vertrag Über die gegen- 
feitigen Zollabgaben, und zwar in Begenwart des Könige Philipp und 
mit Einwilligung des DBifdofs Bonrad von Speier und Lupold 
von Worms"). 

Te fehmächer die önigliche Wacht wurde, um fo böber flieg die 
Bahl der Zollftätren. Am SEnde des 13. Jahrhunderts gab es am 
Abeine Über 40, und der Engländer Thomas Voikes, welcher mit König 
Richard 1260 nad) Deurfchland Eam, batte nicht fo fehr unrecht, wenn er 
von der unfinnigen Wut der Deurfchen fprach, die den Abeinverkebr 
durch ihre unerträglichen Zölle erfehweren“). Das Uebel nahm im 
Laufe der Zeit zu. Der Zwe? diefer völlig verkehren Wirefcpaftspolicit 
der Landesberren war foroobl, das eittene Finkommen zu verbeffern, 
als aud den Ylacybar wirtfhaftlich zu ruinieren"). fine bio zur 
Unerträglichteit gefteigere Prfdwerung des Verkehre waren dann die 
feic dem 13. Jahrhundert immer bäufiger vorfommenden Derpfändungen 
der Abeinzölle, wobei jeweilen die Zollanfäge erhöht wurden, fo daß zum 


Die Stade ale Markt. Seadelufe mache frei. 365 


Beifpiel weifden Bingen ımd Boblenz im I$. Jahehumderr der Zoll 
66,72 Progent des. verzollten Werten betrug"). Auch Die zahlreichen 
Bollbefreiungen bildeten im Brunde genommen eine rfehmwerung des 
Verkehrs. Sie wären gewiß eine Wrleichterung gewefen, wenn fie 
rationell durchgeführt worden wären, wenn eine ftarke, einfichtige Staats 
gewalt für das Prinzip der freien Schiffahrt eingetreten wäre. Allein 
die Privilegierung Bam immer nur einzelnen zu flatren, und eine 
einheitliche Geftaltung des Verkehrewefens wurde mehr und mehr 
unmöglich. 

Obwohl der Yoormfer Zoll bereits im 9. Jahrhundert der YOormfer 
Rirche gefehyenkt worden war, ift gleichwohl in einer Urkunde Heinrichs V. 
vom 30. Ylovember III von einem Eöniglichen Zoll die Hede®), Der 
Raifer befteite die Wormfer Bürger von dem wwange, wider ihren 
Willen von den Behörden (a magistratibus, worunter narlırlich nicht ein 
Stadtrat zu verftehen if"), fondern Burggeaf, Zöllner ıc) über den 
Schiffezoll gefent zu werden. Damit aber die daraus dem Bönig fließende 
Einnahme nicht fehtwinde, wenn niemand aus Surcht vor Schaden diefes 
Amt zu übernehmen wage, fo überträgt der Baifer als Kntfchddigung 
an diefes Amt den auf fehroarzes grobes Wollentuch gefegten Zoll, der 
fir das Stlc® Tudy einen halben Denar berrägt. Der Bönig Eonnee 
deshalb den Schiffssoll als fein Servitium, feinen Dienft bezeichnen, weil 
nad) Rönigerecht Zoll und Wlinze besiebungsweife deren rträgniffe bei 
feiner Anwefenbeit ihm zufielen. Diefe Annahme echäle ihre Beftätigung 
durd) die Monfirmation Seiedeiche I. vom Jahre 1184, worin der 
Raifer ausdrüichlid) bezeugt, daß diefer Schiffesoll dem Bifchof gehöre"). 

Zoll (mit Zahl verwandt) bedeutet in den Barolingifchen Urkunden 
und Gefenen eine Dertehreabgabe”), fpeziell in Srantreich feir dem 
30. Jahrhundert die Abgabe vom Warkwerkehr, weldye Verkäufer und 
Bäufer bezahlen müffen. Diefe Abgabe datiert noch aus der römifchen 
Raiferzeit her und bar fid) tief ine Wirtelalter erhalten unter mancherlel 
Yramen. Die Marktzölle waren urfprimglid) auf Umfäre berechnet, die 
nur periodifch und im großen flattfanden””); dann wurde auch der 
Derailhandel von der Steuer ergriffen. Die Zinheimifcen waren von 
diefer Steuer befreit. Diefe Verkehrsabgabe wandelt fid) dann für 
die Sremden in einen Tranfizoli um. Auch die Abeinzölle waren 
fewoht Schiffezölte als Warktzölle. Denn gemäß dem wirtfchaftlichen 
Prinzipe des Wiittelalters ließ man Beine Ware durch eine Stadt paflieren, 


366 15. Bapieel, 


fondern man zwang den Raufmann, fie auf dem Yilarkre feilsubalten. 
Die Scad wurde zum Stapelplar gemadye”). Weit wurden die Boll: 
abgaben in Ylaturalien geleifter”'), bauprfächlic) in YOein und Sifchen. 
Te nad) dem Orr der Serkunft ift die %öbe des Aheinzolles verfehieben, 
md zwar zahlen die näheren Orte weniger als die entfernteren®). jn 
den Zollanfägen liege eine Bapitalfeindliche Tendenz vor. 

Den “auptgereinn des Zolles hatte Feinesmwegs der Stadtherr, fondern 
der Zöliner. Diefer war urfpeimglich bifdpöflicher Wiinifterist. Zn 
Worms werden folgende genannt”): I127 Berbodo, 11371142 
doeinricus, JIS2—-J182 Wernberus; diefer ift in der Zeugenlifte der 
Urkunde vom Jahre 182 unter die Cives eingereibe“”), 1208 “artungus. 

Diefe Zöllner waren fehr angefebene Leute, die eo bald unter ihrer 
Würde hielten, den Dienft felbit zu verfeben, und daher jemanden damit 
berrauten. Zumweilen wird die Zollerhebung einer Zunft übertragen, (& 
zum Beifpiel in Wen den Tuchgeroändern, in Roblens den Schuftern, 
in Röln den Webern®) und fo auch in Worms. 

Wollte man fein Recht auf Zollbefreiung geltend machen, fo genfigte 
bierzu Beineswegs die Berufung auf Eönigliche Privilegien oder Verträge, 
fondern wie jede rechtliche Sandlung im Wiirrelafter, fo gefchab dies aud) 
in biefem Salle unter fymbolifihen Sormen, Rede und Gegenrede. Ylad) 
einer alten Rechrsaufgeichnung””) mußten die Wormfer auf der Srankfurcer 
Weile dem Schultheifen von Srankfurt einen ut im Werte eines 
Schillings, ein paar Zandfchube um den gleichen Preis und ein Pfund 
Pfüffer geben, dem Weibel der Stadr gleichfalls einen “ur und ein paar 
andfehuhe, den Schöffen 42 Srankfurter Pfenninge. Ein eigener 
Vertreter der Stadt Worms wurde nach Srankfurc gefchickr (das ift 
der urkundlich wiederholt erwähnte nuncius civium)®), der enmwaige 
Streitigkeiten unter den Wormfer Baufleuten zu fehlidhten und die 
Vechte der Bürger zur Geltung zu bringen hatte. (jeder Wormfer, 
welcher auf der Srankfirter Mieffe Befdhäfte machen wollte, mußte ihm 
einen Denar geben; falls es notwendig war, ftellte der Yluncius ein 
Zeugnis aus, dafı der Berreffende Wormfer Bürger fei und darum Anfpruch 
auf die Zollfreibeit habe. Die Einholung der Zollfteibeit in Scankfure 
wird in einer Aufgeihnung aus dem Anfänge des 16. Jahrhunderte 
näber befchrieben®): „Wan foll haben einen bibernen “ur, einen bölgernen 
Becher, darin ein Pfund Pfeffer, ein paar "Jandfchube und ein weißes 
Stäbchen, %; Ellen lang. Bewöhnlich am Wiontag oder Sreitag, den 





Die Stadt ale Markt. Gtadtlufr mad frei. 367 


dritteri ober zweiten Berichtetage vor Nativitatis Mariae fol der Kantine 
zu Srankfüre fein; von zwei Stadtpfeiffern und einem Bofuner begleitet 
gebt der Yuneius aus feiner derberge mach dem Stadtgericht auf den 
Aömer, in feinen SAnden die oben genannten Begenftände tragend.: Vor 
dem Schultheißen neigte er fic) und fpradh: „brenwerte, erfame derren 
Scyultheiß und Scheffen des beiligen Reichs Gericht zu Frankfurt! ch 
erfeheine bier von wegen Ylirgermeifter, Rat und Gemeinde der Stadt 
Yorms nach alter Gewohnheit aufsubolen die Sreiheit des Zolles bier zu 
‚Srankfurt und Überantworte: biemit, wie Bewohnbeit ift, (die Symbole) 
mit der Bitte, Ihr woller der Stadt Worms Blirgern und Zinvohnern 
folche Zolffreibeit zugefteben und fie genießen laffen, wie fic) yeblibre und 
von Alter herkommen ift.” Darauf empfing der Schultheiß Becher ıc. 
und fagte: „Wan geftehe denen von Worms die Freiheit und wolle fie 
derfelben genießen laffen, doch fonft niemand als die von Worme.” 
Sodann pfiffen die Bofuner und die Pfeiffer auf dem Rückweg wieder 
und daft erbielten fie einen Bulden zur Verzehrung.“ 

Diefer Schilderung entfpricht im wefentlichen die Erzählung 
Goethes in Dichtung und Wahrheit I, I: „ine andere, mod) viel 
feirfemere Seierlichkeit, weldye am hellen Tage das Publikum auftegee, 
war das: Pfeiffergericht. Es erinnerte diefe Ceremonie an jene erften 
Zeiten, wo bedeutende “andelsftfdte fich von den Zölle, welche mir 
Gandel md Bewerb in gleichem Wlafe zunahmen, wo nicht zu 
befreien, doch wenigftens eine Wilderung derfelben zu erlangen füchten. 
Der Raifer, der ihrer bedurfte, erteilte eine foldhe Sreibeit da, 
wo es von ihm abbing, gewöhnlich) aber nur auf ein Tahr, und fie 
mußte daher jährlich erneuert werben. Diefes gefchab durch fymbolifche 
Baben, weldye dem Baiferlichen Schulcheißen, der audy wohl gelegentlich 
Oberzöliner fein Ponte, vor Kintriet der Barcholomäi-ieffe gebradhr 
wurden, und zwar des Anftande wegen, wenn er mit den Schöffen zu 
Gericht faß. Als der Schulcheiß fpäterhin nicht mehr vom Raifer 
geferst, fonbern von der Stadt felbft gewählt wurde, behielt er doch 
diefe Vorrecyte, und forohl Die Zolifreiheiten der Städte, als bie 
Zeremonien, womit die Abgeorbneren von Worms, Yrürnberg und Ale 
Bamberg diefe uralte Dergünftigung anerkannten, waren bis auf unfere 
Zeiten gebommen. Den Tag vor Marine Geburt wurde ein öffentlicher 
Gericytetag angekündigt. In dem großen Kaiferfaale, in einem um: 
fehräntten Raume, faßen erhöht die Schöffen, und eine Stufe böber der 


368 18. Bapitd, 


Schulebeiß in ihrer Witte; Die von den Parteien bevollmächrigten 
Proturatoren unten zur rechten Seite. Der Aktuarius fängt an, die auf 
Diefen Tag gefparten wichtigen Urteile laut vorzulefen; die Proßuratoren 
bitten um Abfehrift, appellieren, oder was fie fonft zu tun nötig finden. 

Auf einmal melder eine wunderliche Mufit gleichfam die Ankunft 
voriger Tabrbunderre. 2s find drei Pfeiffer, deren einer eine alte 
Schalmei, der andere einen Baß, der dritte einen Pommer oder Hobor 
biäft. Sie wagen blaue mit Bold verbrämte Mäntel, auf den Aermeln 
die YIoten befeftigt, und baben das Jaupt bededit. So waren fie aus 
ihrem Gafthaufe, die Befandten und ihre Begleiter binterdrein, Punkt 
zehn ausgezogen, von fEinbeimifcyen und Seemden angeftaunt, und fo 
weten fie in den Saal. Die Gericyteverhandlungen halten inne, Pfeiffer 
und Begleitung bleiben vor den Schranken, der Abgefandte tritt hinein 
und fteflt fi) dem Schultheißen gegenüber. Die fymbolifcen Baben, 
welche auf das genauefte nad dem alten “erfommen gefordert wurden, 
beftanden gewöhnlich in folchen Waren, womit die darbringende Stadt 
vorzüglich zu handeln pflegte. Der Pfeffer galt gleichfam für alle Waren. 
und fo bradyte auch bier der Abgefandte einen fchön gedrechfelten 
bötgernen Pokal, mit Pfeffer angefüllt. Ueber demfelben lag ein Paar 
Gandfcyuhe, wounderfam gefchligt, mir Seide befteppt und bequafter, als 
Zeichen einer geftatteten und angenommenen Vergünftigung, deflen fidh 
auch wohl der Raifer in gewiffen Sällen bediente. Daneben fah man 
ein weifies Stäbchen, weldyes vormals bei gefenlidyen und gerichtlichen 
Gandlungen nicht leicht feblen durfte. Es waren nod) einige Eleine 
Silbermünzen binzugefügt, und die Stadt Worms brachte einen alten 
izhur, den fie immer wieder einlöfte, (o daß derfelbe viele Jahre ein 
Zeuge Diefer Beremonien geroefen. 

Vlachdem der Gefandre feine Anrede gehalten, das Gefchent ab: 
gegeben, von dem Schulcheigen die Verficyerung fortbauernder Be: 
gänftigung empfangen, fo entfernte er id) aus dem gefchloffenen Brei, 
bie Pfeiffer bliefen, der Zug ging ab, wir er gefommen war, das Bericht 
verfolgte feine Befchäfte, bis der zweite und endlich der dritte Befandte 
eingeführe wurden: denn fie Bamen erjt einige Zeit nach einander, teils, 
damit das Vergnügen des Publiums länger Dauere, teils auch, weil es 
immer biefelben altertämlichen Virtuofen waren, welche Yhienberg für 
fic und feine Wiieftädte zu unterhalten und jedes Jahr an Ort und 
Stelle zu bringen unternommen hatte ==). 


Die Stedt ale Markt. Stabrluft mac frei. 369 


Diefe uralte Zeremonie des Dfeiffergerichte erbiele fich in Srankfurt 
bis zum Umfiurz aller Dinge (1802). Denn ohne ihre Vollsiehung wäre 
die Zollfreiheit ungiltig gewefen®). Auch in Worms wurde das 
Pfeiffergericht abgebalten. Am Jo. März 1506 erfchien morgens nach 
neun Uhr Bartholomaeus Tiel, alter Bürgermeifter von Worms, als 
Vertreter der Stabt Yhhenberg, begleitet von Wiuflfanten und einem 
Bneche, der vier bölgerne Scyüffeln trug, darin zwei Pfund ungeftoßenen 
Pfeffer, darauf zwei Paar Jandfehpube und zwei weiße Stäbdyen, vor 
dem Rat von Worms und fpradh: „Krfame weife liebe &erren! Auf 
Befehl und Bitte der erfamen "Herren Blirgermeifter und Rat zu Chin» 
berg erfcheine ich bier als Befandter, um ihre Zollfreibeit aufzuholen” ; 
was fodann der Rat von Worms zufagte, unter der Verwahrung, daß 
feine Unterfchleife =). 

Diefe Symbolik tft vollftändig Mlar). Der Aut it das Symbol 
der Obergewalt zu Bericht und Zeld (Beflers Zur in der Tellfage); der 
Gandfcyub Zeichen der Banngewalt, alfo in unferm Salle des Warkt: 
bannes; der Stab das Zeichen der hödhften Bewalt; der Becher mit dem 
Pfeffer ift das Symbol der Befreiung von den Zollabgaben. 

Aber wir haben den Inhalt des berlibmten Privilegs Zeinrichs IV. 
für Worms damit noch nicht erfchöpft. AHöchft bedeurfam ift es, daß 
als Ylunniefier der Zollfteibeit die Juden in erfier Linie vor den 
übrigen Einwohnern von Wsrme genannt werden (Judel et cocteri 
Vuormatienses®). Ylidt ohne Brund. Denn die Juden bilderen ein 
wichtiges, ja unentbebrliches Wlement der damaligen ftädrifchen 
Bevölkerung”). Sie vor allen waren Raufleure und werden als foldye 
ebenfalls in dem Privileg Baifer Ortos I. für Magdeburg vom 
9. Juli 965°”) den chriftlichen Rauflenren vorangeftellt. Im 10. Jahr: 
hundert galten Jude und Baufinann als fynonyme Begriffe. Perföntich 
waren die Juden frei, aber ale Sremde fonnten fie zu Beinen Öffentlichen 
Aemtern gelangen. So günftig ihre Stellung namentlich) zur fräntifcyen 
Zeit, wo fle rechtlich den Römern gleichgefegt wurden, auch war, fo 
prefär war fie andererfeits, denn von Zeit zu Zeit entflammte der 
eingewsurzelte aß des chriftlichen Pöbels gegen fie; ihnen gegenüber 
föien alles erlaubt zu fein, und ihre rechtliche Eriftens berubte Lediglich 
auf Privilegierung; fie waren Schungenoffen des önige”). Auch die 
Baufleute ftanden im Schuge des Könige, aber der chriftliche Kaufmann, 
der fich bleibend in einer Stadt niederließ, verfchmols mit der übriten 


1. Bo, ie Aut der ebenen See 1 ” 


370 15. Bapitel. 


Bevölkerung, während der Tube Eraft feiner Kaffe und Religion immer 
ein Sremder blieb. 

Bis zur Rreussugebewegung war ihre fogiale Stellung eine beneidens- 
werte, indem die Juden ihren chriftlichen onkurrenten an Benneniffen, 
Verftand und Lmfiche weit überlegen waren. Den Warenhandel, 
namenelich mit dee Levante, batten fie fa ausfchließlid in <änden, 
ebenfo den Stlavenhandel, der noch im Io. Jabrhundere von Bedeurung 
war. Auch als Aerzte genoffen fie einen guten Auf. Vom SLafter des 
Wuchers hielten fie fich frei, denn das Darleihengefchäft berrieben bie 
ine 13. Jahrhundert die Kirchen und Rißfter*‘). Diefe waren die einzigen 
tapitalträftigen Mächte in der Frühzeit. infolge einer langen forgfältigen 
Wirefchaft harten diefe geiftlichen Jnftirure Rapiralien angefammelt, und 
fie waren die Bantiers, bei denen die Mönige (fiebe oben p. 318) und die 
Privaten teile gegen Pfand, teils gegen Zins Geld enrleihen Eonnten. 
Ext als die Öffentliche YWfeinung das Zinsnehmen mehr und mehr 
verpönte und ale Wucher brandmarkte, da mußten die Birchlicyen Jnftirure 
auf folche Befchäfte verzichten, wozu noch Bam, daß feit der Witte des 
33. Tabrhunderto die geiftlichen Verwaltungen in Verfall gerieten. 
Die Juden füllen diefe Lücke fofort aus, fie nahmen nun das gefamte 
Bantgefchäft in Befchlag und, was ihnen zum Unheil ausfchlug, dem 
Wobiliarpfandgefebäft gaben fie den Vorzug. Kin folder Sall Eomme 
febon im 11. Tabrhundere in Worms vor, indem laut einem Briefe 
eines Abres an einen @eiftlichen in Wsrme Verpfänbung gefloblener 
Ricchengewänder vermurer wird“). Gerade diefes Pfand- und das Trödel: 
gefhäft bar den Juden allgemeinen “aß zugezogen, da fie Eoloffale 
Gewinne machten; fälieflicd waren ihnen alle Rlaffen der Bevölkerung 
zu Stadt und Land verfehulder. Tube und Wucherer wurden nun zu 
identifchen Begriffen, wie früher Jude und Kaufmann. 

In den rbeinifdyen Städten finden wir die Juden fhen febr früh. 
Dereite für das Tabr 321 ift die Kriftenz einer füdifchen Bemeinde in 
Aöln begeuge*). Am Anfänge des 11. Jahrhunderts befürchten die 
Juden von Worms und Mainz die Bölner Meffe®). Der Sage nad) 
follen Juden fehon vor Ehrifti Geburt in Worms gewohnt und ihre 
Glaubensgenoffen in Terufalem von der Kreuzigung Cheifti abgemahnt 
haben, darum das Sprichwort: „Wsrmfer Tuben, fromme Juden“). 
Einzelnen Infehriften auf dem fübifdyen Friedhof vor dem S. Andreas: 
thor in Worms wird ein bobe Alter sugefchrieben®“). YOie dem auch 





Die Stade ale Markt. Stabrluft mad frei. 371 


fei, jedenfalls beweift die im romanifden Seil monumental erbaute 
Spnagoge*‘), daß in Worms eine große Judengemeinde beftanden hat. 
Zaur einer bebräifchen Tnfhrift wourde die Synagoge oder die Juden 
fÄhule 1060 vollender; urkundlich wird fie erft 1290 erwähnt”), aud) 
fammt der jegige Bau erft aus dem J3. Jahrhundert, der Srauenbau, 
der 5399 verbrannt fein foll, erft aus der gorifchen Bauperiode, und die 
Rafdyifapelle ift noch fpAteren Darums. 

Wie es im Wirtelalter allgemein üblich war, wohnten die Juden 
in einem Quartier oder einer Baffe zufammen'“), und zwar in Worms 
in der Pfarrgemeinde S. Paul. Damit der Pfarrer von S. Auprechr 
(S. Paul) in feinen Einnahmen nidyr verkürzt würde, mußten die 
Tuben wie die Chriften die Stolgebühren besahlen®”). Schon im 
Jahre 1080 wird die Porta Judeorum erwähnt“), alfo darf man das 
Zufammenwohnen der Juden nidye als eine Solge deo Judenmordes des 
Tabres 1096 anfehen. Dir wiffen ja, daß die Sriefen, die Wälfehen ıc. 
ebenfalls abgefondert in eigenen Quartieren wohnten“). Bei den Juden 
war das Zufammenwohnen durdy ihre religiöfe Stellung bedingr. 

Ganz befonbers Iebrreich ift die Urkunde, welche Bifchof Alidiger 
1084 zu Bunften der Juden ausftellte). Aus früheren Urkunden ijt 
uns betanne, daß außerhalb der ummauerten Altftadt Speier ein Dorf 
lag, das zum @eridyrebesirf der Stadt gehörte. «ler harten fich, wie 
zu Straßburg und Rötn, Raufleure, darımter audy Juden, niedergelaffen. 
Der genannte Bifchof Aüdiger, der auch den YTamen Ausmann führte, 
erlärte nun, daß er aus diefem Dorfe eine Stadt machen wolle, und 
daß er die Ehre diefes Ortes taufendmal erhöbe, wenn er in diefer Vorftadr 
die Juden anfiedele. Damit fie aber nicht durch die Unverfchdmtheit des 
Pöbels geftört wlrden, will er fie mit- einer Wiauer umgeben. Das 
Land zu diefer Anfiedelung bar der Bifdhof teils durch Kauf, reils 
durch Taufh, teils ale Gefdent der Wiarkgenoffen erworben, und er 
f&enkt es num den Juden unter der Bedingung, daß fie ihm jäbrlid) 
einen Zins von 3'% Pfund Speierer Münze zu Srommen des Domftiftes 
besablen follen. Zugleidy erhalten fie das Recht, innerhalb ihrer 
Anftedelung in der Begend zwifden da und dem ‚afen, am Yafen und 
durch die ganze Stadt frei Bold und Silber zu wechfeln, zu Baufen und 
verkaufen, was fie wollen. Sie befommen ferner aus dem Rirchengure 
einen Begräbnisplag zum erblichen Befig, das Recht, fremde Juden zollfrei 
bei fi) zu beherbergen; ihr Archifynagogus erhält eine Gerichtsbarkeit, 


o 


372 15. Bapitel, 


mie fie der Tribunus urbis, das beißt der Stabtfchultheis, über die Bürger 
bat; in fehreierigen Sällen follen fie an den Bifdyof oder feinen Camerarius 
appellieren. Wach: und Schugdienfte brauchen fie nur innerhalb ihres 
Besirkes zu chun, und die Derwidigung führen fie gemeinfam mit den 
Wannen des Bifdofs. Sie dlirfen audı chriftliche Ammen und Dienf- 
boten mieten, und untofcheres Sleifc Binnen fie den Cbriften verkaufen. 
Als böchften Brad des Woblmollens gewährt ihnen fchließlid) der 
Bifcyof das befte Necht, das die Juden in irgend einer Stadt des 
Beiches befiien. 

Diefe neubegrlindete Judenftabt ift fpfter unter dem Ylamen der 
Vorftade Alrfpeier bekannt, im Ylorden der Stadt gelegen“), Sie 
wurde 1632 von ben Schweden verwüter und dem Boden gleich gemacht. 

Im Jahre 1690 baten die Speierer Juden Judas, der Sohn des 
Calonimus, David, der Sohn des Waffulem, und !ofeo, der Sohn des 
Gutbibel, für fi und ihre Angehörigen den Baifer Heinrich IV. um 
Aufnahme in feinen Schun. Sie gehörten einer berühmten Rabbiner: 
familie en, die aus Lucca ftammte. Bekanntlich gerier Raifer Orte II. 
nach der Sarasenenfchlacht von 982 in große Lebensgefahr, aus welcher 
er durd) sailfe eines Tuben Ralonymos, Sohn des Wiefdullam, aus 
Yucca gererter wurde). Der Baifer bewies ihm feine Dankbarkeit, 
indem er ihn nad Deuefhland verpflanste. Diefe Jamilie war 
im Defig eines Schugbriefes, den einft ein Barolingifcher König 
ausgeftellt harte. Orto II. oder feine Ylachfolger harten diefes Privileg 
beftärigt, und auf Brund diefer Beftdtigung ließ dann „Heinrich IV. 
am 9. Sebruar 1090 zu Gpeier den obengenannten drei Juden 
eine Yleuausferrigung ausftellen, und zwar in einer Saffung, die zu Bunften 
des Bifcyofe Ahdiger von Speier geändert worden war“). Auch die 
Wormfer Juden erhielten zur Zeit, als Salmann Judenbifhef war, von 
Raifer “eineid IV. einen foldyen Schugbrief, der jedoch in manchen 
Punkten vom Speierer Diplom abweicht“). m Speierer Privileg 
werden dem Bifchof die Rechte vindiziert, welche das Wormfer dem 
Raifer wufhreibt. Auc) ift die Stellung der Speierer Juden abhängiger 
und ungünftiger ale die der Wormfer. Die Wormfer Tuben gehören 
zur Rammer des Königs und ftehen unter der ausfchließlicen Berichts 
barteit deofelben und ihres felbfigensählten Bifchofs. Der Rönig it für 
die Juden in Worms die oberfte Berufungsinftang. Alle Bufen fallen 
dem Eöniglichen Sisfue zu. Tliemand darf’ die Wormfer Juden in ihrem 


Die Stodt ale Marft. Cradtluft macht fee 373 


Defig, Jmmobilien und Wiobilien, ftören; wer dies Doch thur, fälle in 
die Ungnade des Rönige, und wer einem Juden etwas nimmt, muß das 
Doppelte erfegen. Auch foll ihnen erlaubt fein, beim Bau ihrer Wohn- 
bäufer die Stadtmauer zu benfigen. jn der That finen noch heute die 
säufer in der Judengaffe auf der Stadtmauer, die gerade in iefer Begend 
zweifchen dem S. Wlartinschor und dem Jubenthor aus der romanifchen 
Zeit flammt. Die Juden haben das Hecht, in der gansen Stabt Gelb 
zu wechfeln, außer vor dem Zaufe der Wilinzer oder da, wo die Winzer 
einen Geldwechfel errichtet haben“). in ganz Deutfcbland dürfen fie 
freien Aandel und Wandel haben, und Bein Zoll darf‘ von ihnen abverlange 
werden, noch foll ihnen irgend jemand eine Öffentliche oder private Leiftung 
auferlegen“). Auch ift ihnen erlaubt, den Chriften Weine, Salben und 
Arzneien zu verkaufen. Inter diefen VWeinen find offenbar fübländifche 
zu verfteben, indem namentlidy die fdhrweren edlen Weine aus Mleinafien 
und Griedyenland beliebt waren”). In ihren AAufern brauchen fie obne 
ihre Binvoilligung Beine Binquartierung aufgunehmen. YYiemand darf 
von ihnen ein Pferd zur Seerreife des Rönigs oder des Bifchofe fordern 
‚oder eine Bönigliche “eerfteuer. Yenn eine geftohlene Sache bei ihnen 
gefunden wird, fo fol der Jude feine Ausfage, daß er fie getauft habe,. 
nad) feinem Befer befchroren und dann gegen Zurhcerftarrung des Rauf: 
Preifes das geftohlene Bur dem Kigenthmer zurücigeben. Yiemand darf 
ihre Rinder gegen ihren Willen taufen oder er muß zur Strafe 12 Pfund 
Bold dem König bezahlen. Wer von den Tuben freiroillig geraufe zu 
werden wünfcht, foll drei Tage warten, damit man erkenne, ob er es 
entweder um des chriftlichen Glaubens oder erlittener Unbill willen thur, 
dann aber fol er mit dem Glauben auch die Erbfehaft feiner Väter 
abfeywören. hre beidnifchen Sklaven foll Beiner unter dem Vorwande, 
fie im chriftlichen Glauben zu taufen, ihnen wegnehmen oder 3 Pfund 
Silber zur Strafe dem Rönig bezahlen und die Sklaven wieder zurhch- 
geben. Der Slave foll feinem jübifden "deren in allen Dingen geborfam 
fein, ausgenommen, wenn es den chriftlichen Blauben angeht. Fe foll 
ihnen erlaubt fein, chriftliche M&gde und Ammen zu haben und chrifliche 
Dienftboten zur Vereichrung von Arbeiten zu mieten, es fei denn, daß 
der Bifcyof ober ein Aleriker diefen an Sonn: und Sefttagen den Dienft 
verbietet. (Sie dlrfen aber feine dyeifilichen Sklaven haben, Streitigkeiten 
zwoifchen Chriften und Juden follen nad) dem perfönlichen Hechte beider 
Teile entfdyieden werden, hingegen Streitigteiten unter den Juden von 


374 15. Baplıe. 


ihren Glaubensgenoffen nad) jhdifihem Rechte. Yliemand darf einen 
Juden dem Gottesurteil unterwerfen, wie das glühende Kifen, die heiße 
‚oder Balte Wafferprobe, oder ihn durch Prüel zum Beftändnis zwingen, 
fondern der Jude fchwosre nach feinem Befene. Auch darf keiner durch 
Zeugen, es fein denn zugleich Tuben und Chriften, Überroiefen werden; 
ihm fieht die Appellarion an den Rönig ftei. 1er gegen diefe Beftimmungen 
feble, zahle dem Raifer 3 Pfimd Bold. Ver gegen einen Juden eine 
Verfchwörung macht oder ihm Klachftellungen bereitet, fo daß der Jude 
dabei umtomme, fo follen beide, der Verfehmodrer wie der Torfhläger, 
dem Rönig 12 Pfund Bold besablen; wenn aber der Jude mur verwwunder 
wird, ein Pfund Bold. TfE es jedoc) ein “adriger, der ihn geröter oder 
verwundet bar, fo büfe der „er für diefen oder beftraft ihn. Bann 
der Thkter die Strafe aus Armur nicht bezahlen, fo foll er (6 beftraft 
werden, wie jener, der den Juden Vivus getötet bat, nämlich mit dem 
Verlufte der Augen und der rechten Yand. 

Sreilic), weder der Rönig noch der Bifchof Ponnten die Juden vor 
der fanatifchen Wut der Rreusfabrer und des chriftlichen Pöbels fehlinen. 
In der YYor ließen fic) viele Tuben raufen. Damals, 1096, nahm fi 
Rabbi Wofdyeb, Sohn des Rabbi Tefurbiel (das ift Wiofes, Sohn des 
Burhihel in der Urkunde vom Jahr 1090), feiner Blaubensgenoffen in 
Speier träfrig an. Durch feine Vermitrelung Bebrten die siwangemweife 
Getauften wieder zum Glauben ihrer Därer zurhcd. So erwies fidh 
der Schugbrief den Juden doch noch wirkfam‘®). 

Die Tudenverfolgung des Jahres 1096 erfchlirterte Die ehrenvolle 
Stellung der Tuben. n der Betätigung der VWormfer Sollfreibeie 
durch “Heinrich V. vom 6. Oftober III2 ftehen die Juden nicht mebr 
in erfter, fondern in zweiter Linie”), und in der Befkieigung Griedriche 1. 
vom 3. Jannar 1184 werden fie überhaupt nicht mehr erwähnt"). 
Während bie zur Zeit Zeinriche V. die Juden den übrigen Kaufleuten 
vorangeftellt waren, tar mun eine fharfe Scheidung zwifchen Tuben 
und Ebriften ein. Die sweite Judenverfolgung vom Tahre II46 offen: 
barte von neuem ihre gefährdete Lage. Ta, fogar der allfeie verehrte 
Bernhard von Elairveaur erregte den Unwillen des Volkes, als er gegen 
den fanatifchyen Mönch Radulf, der das Volk gegen die Juden auf: 
beste, prebige®). Es ift nicht allein religißfer Sanatismus, der das 
VolE wider die Tuben aufbrachte, fondern es wirkten dazu noch mehr 
wirefchaftliche Worive. Wan bedurfe num, da die Srädte im Laufe des 


Die Bradt ale Marft. Stastlufe mad fe 3715 


31. Jahrbunderte aufgeblübt waren, der merfantilen Dormundfähaft der 
Tuben nicht mehr, und ihre gefährliche Monkurrens und ihr biut- 
faugerifches Breditfyfiem erregte den erbittertften Haß“). Dir Binnen 
an Sand der Urkunden“) Schritt für Schrite verfolgen, woie die Juden feit 
der zweiten ddlfte des 12. Tabrbumderts rechtlich beruntergedrücht wurden. 
Ylur noch beim önig fanden fie Schun, den fie freilich mit fdwerem Belde 
erkaufen mußten. Sriedeich I. nahm fich ihrer an. Von Worms aus erließ 
ee am 6. April J1$7 ein Privileg, worin er den Schunbrief &eineiche IV. 
befiätigee®). Während der Landfrieden einricys IV. vom Jahre 1103 den 
für die Stellung der Tuben. maßgebenden Say ausgefprochen hatte, daß 
alle Juden im Weide unter dem Srieden des Königs filnden“”), berone 
Seiedrich 1. feydrfer die Unterordnung der Juden unter die Eönigliche 
Gewalt. Von da ab bewegt fich die Befcyichte der Juden in abfteigender 
Kinie. Der fremde Kaufmann, welcher fi) in einer Stadt niederläßt, 
verfehmilge mit den übrigen Einwohnern, der Tube hingegen finke zum 
töniglichen BRammertnecht herab und fondert fid) von der chrifilichen 
Bevölkerung. Seiedrich II. nennt 1236 die Tuben Bammernechre: 
universi Alemannie servi camere nostre®). Selbfiverfehuldung der 
Juden, YIeid, Habgier und fanatifcher Blaubenebaß der Chriften erugen 
dazu bei, um die Lage der Tuben immer gefährlicher zu machen. Wlan 
warf den Juden den YTord von Cbriftentindern vor, und der von 
keinem Glaubenesweifel beimgefüchte Raifer Griedridh II. beeilte fich, fie 
von dem Verdachte völlig freisufprechen, indem er ein wiffenfcpaftliches 
Gutachten über die Anklage des rituellen Chriftenmordes abfaffen und, 
geftlsr darauf, ein reichsgerichtliches Urteil fällen Lie). Audy Papft 
Tnnocenz IV. erhob am 5. Juli 1247 dagegen feine Stimme. Es 
nügte den Juden wenig, benn bis zur heutigen Stunde berrfchr noch 
in geroiffen Gegenden diefer gottesläfterliche Wahn”). 


0 gab alfo in Worms unftreitig Raufleute von Beruf; deren 
Aufgabe der Gütertaufh war, indem fie Waren, welche in Worms in 
überfehlffiger Wienge erzeugt wurden, alfo namentlich Dein, gegen 
folcye, die bier nicht produziert wurden, wie gefalzene Sifcye, Tücher, 
Spezereien ıc., umtaufchten. infichtevoll fpricht, im Begenfaz zu den 
berrfdpenden Anfeauungen deo Witelaltere, über den Beruf des Bauf- 
manns der berühmte Bruder Derchrolt von Regeneburg: „Wir möchten 





376 15. Baplıel, 


der Baufleure nimmer enrbebren, denn fie führen aus einem Lande in 
das andere das, was wir bedlirfen, indem in dem einen Lande das 
wohlfeil it, in einem andern jenes; und von diefem “zandel follen fie 
ihren Lohn zu recht haben“). 

Diefe Baufleute waren zum Teil fremde: Wälfche, Sriefen, Rölner, 
Juden ıc., zum Teil einheimifche. Sie waren ihrem Beburteftande nadı 
frei und unfrel. So befaß, wie wir willen, das Mlofter Lorfch das 
Bechr der freien Schiffahrt auf dem Aheine. Diefe Lorfdyer Raufleure 
waren aber Wlirglieder der Samilie der Lorfeher Mirche, alfo sörige. 
Auch) der König befaß foldye unfreie Raufleure, die Bollfreiheie 
genoffen”). Alle Kaufleute, frei oder unfrei, fieben im Schune des 
Rönige und genießen die Vorteile des Baufmännifden Rechtes”). Wenn 
der Unfreie aber wieder in feine Geimat zurhehfam, fo unterlag er 
alsdann feinem Standesrecht. Yur um ihrer Klüglichkeit willen, damit 
fle ihre wirrfhaftlicben Aufgaben erfüllen Fonnten, erbielten die Kauf: 
leute den Schug des Mönige und die ihnen eingerfumten Vorteile. 
Aber nicht ohne Entgelt erhält der Raufinann den Rechtefihug und die 
Erlaubnis zum Gefdyäfteberrieb. Wer mit feinen Waren durch eine 
Stade zieht oder dafelbft “andel treiben will, muß außer dem Z0lf eine 
Abgabe an den Inhaber der Braffcyaftegewalt zahlen, und diefe Abgabe 
beißt Zanfa”), die meift +—-5 Pfennig berrägt. Aanfa beißt urfprümgtic, 
eigentlich scara, Schar; denn der Kaufmann z0g nicht auf eigene Sauft 
auf die Yandelfchaft, fondern er vereinigte fih) mit andern zum gegen: 
feitigen Schun, und fie bildeten eine Schwourgenoffenfehaft. Aber nicht 
nur der veifende Raufmann mußte in die ana eintreten, das heißt, fich 
in die Samilie des Rönige aufnehmen laffen, wodurd er erft deilen 
Schyug erbielt, und daflr die Beblihr besahlen, fondern auch der ein- 
beimifcye. Damit bänge der in Speierer und YOormfer Urkunden mebr: 
fach vorkommende Ausdruc® Bannpfennig zufammen”), der eben die 
Geblibr für die Erlaubnis des gandels ft. Die Aufnahme in die Zanfa 
beißt “sanfen, woraus dann unfer “änfeln, Verieren, geworden if”). 
soänfeln bedeutete urfpringlich die Strafe für Anmaßung des Iokalen 
Dertehrerechte durch Srembde, daher Unbefugee, fpäter das Ceremoniell 
zur Zufaffung in die Aanfa. Der Bafeler Großhändler Andreas Arff 
erzählt in feinem Reisbüchlin (1586), das Aanfen in S. Boar, folgender: 
maßen”): „2m Strande fieht ein Turm, ift ein Rrahn zum As und 
Einladen. An diefen Mrahnen bangen zwei “alsifen; da hats Diefen 


Die Sradr als Markt. Srabrluft mat fee 377 


Gebraudy: Wer nie da gewefen ift, er fei Weib oder Wiann, edel oder 
unebel, befonbers aber die, fo fich in der Kaufleute Befellfchaft begeben, 
die ftelle man Sffentlich an die “alsifen und tauft fie mit einem Eimer 
Waffer. Der muß fin Ghrrin (Taufpatin) oder Pfertern (Paten) 
nemen (wählen). Das beift man “anfen, ift alfo der Braudy unter 
den Raufteuren. Wan fagt audy, Raifer Barls feliger Dechmuß babe 
fi) zur Bedechrmuß auch da banfen laffen.“ 

In diefem Soange des Raufinanne, fidh in den Schun des Könige, 
das heißt in die Zanfa, aufnehmen Laffen zu miüffen, ift der Ucfprung 
des Zunftzwanges zu finden”). 

Unendlidy mächtig und vielgeftaleig ift der Trieb der Benoffenfchafte 
bildung. Sie it eines der wicheigften Zilfemirtel gefcjichelidhen Sort: 
febrittes, deifen Sruchrbarkeit Peine Phantafle vollfkindig ausdenten 
ann“). Schon in den älteften Zeiten der deutfchen Befchichte begegnen 
uns foldhe Verbände, Bilden oder Brlderfdpaften. Brlder nennen fie 
fi) untereinander, weil fie unlöebar aneinander gefeffelt waren, voll und 
ganz dem Verbande angehörten; ihre Verbindung erfaßte den ganzen 
Wenfehen und erftreckte fi) auf alle Seiten des Lebens. Durch 
furdytbare ide verpflichteten fid die Mitglieder, einander in allen 
Dingen bilfreidh zu fein. Die Staategewalt Bann jedoch foldye Verbände, 
die den Zwwedt und die Aufgabe des Staates ignorieren ober verwerfen, 
nicht dulden, darum bat fon Rarl der Broße diefe Bilden unter An- 
drobung fhrverer Strafen verboten”), und audy fpäter ging die Reiche: 
gewalt wiederholt gegen Diefe Verbindungen vor, wenngleich vergebens, 
denn der GBenoffenfchafterrieb war zu tief eingewurzelt, und diefe 
Verbände waren zudem unentbehrlich, da der Seudalfiaat noch 
weniger als der moderne im ftande war, die tieferen Bedlirfniffe der 
Wenfähen zu befriedigen. Das religiöfe Moment, das fa im Mittel: 
alter viel ftärker, lebendiger und allfeiriger das menfchliche Leben 
erfaßte und durchdrang‘®), trat bei allen diefen Bilden und Brüder 
f&aften mächtig zu Tage. Urfprünglich waren die Bilden heidnifche 
Opfergemeinfchaften gewefen, bis es der Kirche allmählich gelang, an 
Stelle der heidnifchen Sormen cheiftliche zu fenen. Yun wählten die 
Gilden einen =eiligen ale ihren Schunpatron. Die Stiftung von 
Weffen, Berzen, Almofen ıc. wurde zum Vereinsswed. Eine Jaupt- 
pflicht der Benoffenfchaft war, für das Begräbnis und Seelenbeil ihrer 
verftorbenen Brüder zu ren, Burz, in allen Yiöten des Lebens fand 


15 Deo, Die Auieue der ei “ 





378 15. Bapitel. 


der Wenfch hier feine Zuflucht, Teoft und «ailfe, während er, allein auf 
fi) geftellt, verloren gewoefen wäre. 

Soiche Brüderfihaften und Bilden gab es in jeder Stadt. Leider 
find wir über diefe Dinge nicht immer genügend unterrichtet, und der 
vagen Vermurung oder der ungesügelten Phantafie bleibt allzu viel Spiel 
raum. Eine Ueberrreibung ift es, um die Sache milde zu bezeichnen, 
wenn der um die Erkennmis der deutfhen Befcichte im Mittelalter 
bochwerdiente Sorfeher R. YW. Ylinfch eine Gefamtgilde nachsuweifen 
gefiicht bar, welche anfangs alle an den Verkehrsintereffen beteiligten 
Einwohner eines Plages vereinigt babe, dann aber in der erften Jälfte 
des 13. Jahrhunderte durch eine :bisber Baum beachtere Mevolurion an 
einzelnen Plägen ganz serftört, an andern zur Unkenntlichkeie abgefehroächt 
worden fei”). Bein Wort will id) ber die Phantafien eines andern 
Gefhpichtebaumeifters verlieren, der von einer Raufmannsgilde in Worms, 
Speier und Wainz fabelt, welche fodann den Anftoß zur Eneftebung der 
Stadtverfaffung gegeben habe“). Auch davon Lann Beine Rede fein, 
daß fic) die eömifihen Yandiwerferzünfte bis in die fränkifche Zeit hinein 
erhalten birten. Diefe Iöften ficb vielmehr infolge der germanifchen 
Tnvafton auf und verfihtwanden, gerade wie auch der römifihe Ver- 
waltungsorganismus befeitigt worden war. 

Dagegen entftanden in Barolingifcher Zeit neue Porporative Derbende 
innerhalb der Joftechrsverfaffung. Wir haben bereits die Socieras 
parafredorum und die Benoffenycbaften der Jamilie Burchards in Worms 
Eennen gelernt. 

‚Srüb fchon finden wir die Jandiwerker in Rorporationen gegliedere”"). 
Wie in vömifcher Zeit, waren auch in fräntifder Zeit die meiften 
Sandwerker unfteien Standes, denn die Eörperliche Arbeit wurde von 
den waffenftohen Stein verachtet und Daher den niederen Ständen 
überlaffen. YTur der Waffen und Boldfehmied machte eine Ausnahme. 
Diele Unfteie wanderten mit oder ohne Genehmigung ibrer “erren in 
die Stadt und trieben bier ein «andwvert. Auch fie wurden nach damaliger 
Anfdyauung unter die Maufleute ges&hlt und genoffen die Vorteile 
des Raufmannsredhtee, denn jie verkauften ihre Produkte fomobl am 
Orte felbft als auch auf fremden Wiärkren““). Sie blieben aber dem 
%ofredht nach wie vor unterworfen und nahmen an der freibeitlichen 
Entwidelung der Stabtgemeinde einen Anteil noch fonnten fie als 
Unfreie Aufnahme in die Zünfte erlangen. Denn die Einrichtung foldyer 


Die Sradr ale Marft, Sredrluft made fee 379 


Zlinfte war Sache der öffentlichen Gewalt. Das Zunftrecht, das heißt 
die ausfehließlide Befugnis zum Bewerbeberrieb, verlieh der Inhaber 
der Öffentlichen Bewalt, gerade wie er die canfa, das beißt das Recht 
der &anbelfähaft, gewäbree. Und diefen Znften wurden gemwiffe 
Verpflichtungen auferlegt, die Öffentlich rechrlicher Ylarır waren. So 
erfahren wir zum Beifpiel aus einer Urkunde des Erzbifchofs Ruchard 
von Mainz aus dem Tahre 1099, daf die Webersunft dafelbft das 
Seimburgerame und das Schenkenamt verfeben mußte”). Das erftere 
bacte die Auffiche über Maß und Gewicht, das lentere die Rontrolle 
über den Öffentlichen Weinfchanf. 

Ylacdy Analogie der Straßburger Verbäftniffe diiefen wir annehmen, 
daß es auch in Worms feyon im 12. Tahrbumdere eine Anzahl von 
Gewerbetorporationen gegeben haben muß, jedenfälls aber eine Weberzunft, 
welche I1J4 die Pflichr übernahm, den Zoll auf grobe fÄhnarze Tcher 
zu erheben (fiehe oben). Sür die riftenz einer Zunft in Worms befinen 
wir jedoch ein aurbeneifches Zeugnis, den Stiftungebrief der Sifcherzunfe 
vom Jahre 1106). Auf die Bitte des Burgerafen Wernber und auf 
den Hat der Angefehenften der Stadt genehmige Bifchof Adelberr die 
Gründung einer Sifehbändler- Innung“”), die aus 23 genannten Mitgliedern 
befteht, unter der Bedingung, daf, wenn einer von ihnen ohne Erbe firbt, 
auf den gemeinfamen Vorfchlag der Bürger (urbanorum communi 
consilio) an des Verftorbenen Stelle ein anderer in das Amt eingefert 
werden foll. benfalls auf den Vorfcblag der Blirger befiimme der 
Bifäpof, daß niemand innerbalb der Orte Saulbeim und Alttipp”) 
außer den 23 Erbfifchern mit Sifchen bandeln dürfe; wird einer dabei 
ertappt, fo folleh die Eonfiscierten Sifche gleichmäßig unter die Bürger 
verteilt werden; der nicht berechtigte Verkäufer wird vor Gericht 
geftelle und zur Besablung von drei Talenten verurteilt, wovon zwei dem 
Bifcyof und eines dem Grafen zufallen. Doch it den Sifehhändlern 
tein unbebingree Monopol zugeftanden, fondern Dasfelbe {ft zu Bunften 
der Ronfumenten infofern befchräntt, als die privilegierren Sifchbändler 
nichr vor der Prime (Morgens 8 Uhr) einfaufen dürfen; vor Diefer Zeit 
ift alfo der direkte Verkehr des Publifums mit den Sifähern geftatter. 
Als Anerfenmung der oberhoheitlichen Gewalt mliffen die Sifchhändier 
jährlich dem Bifcpof zwei Salmen, dem Grafen einen fdyenten. 

Diefe Sifcher find demgemäß Kaufleute, die den Sifchbandel 
im großen trieben. YVOir müffen uns dabei erinnern, daf im Witrelalter 


380 15. Bapirl, 


die Sifhnahrung eine weit größere Bedeutung hatte ale beurzucage. 
Das Beblirfnio nach Sleifchnahrung war felbft in den nieberen Volke: 
f&bichen größer und leichter zu befriedigen ale jent. Das Birchliche 
Gebot des Jaftens hob die Llacyfrage nad Sifden aller Orten, und 
namentlich in Städten wie Worms, wo ein zahlreicher wohlhabender 
Rlerus wohnte, wurde eine unglaubliche Yiaffe von Sifcyen verzehrt. 
Die &oochfeefifcherei ftand auf einer fehr hoben Stufe”). Aus den Zoll: 
tarifen lernt man Die %Acren der {leerfifcye Bennen: vor allen den viel: 
begehrten ering, dann Stockfifd, Laberdan, Bheling, YWiring 
(Scheitfifch), Schollen, Kochen”). Aber aud) die Binnenfifiherei war 
böber entwickelt als beure””). Yloch waren die Stäffe, Bäche und 
Seen nicht verunteinige durch den Abfluß der Aloaten der Städte und 
der tobbringenden dgenden und ftinfenden Ausiwrfe der Sabriten. 
Unerfhöpflic, war der Sifdreichtum, und durch Anlegung zahlreicher 
Weiber, forwie von Sifchwehren und Aeufen wurde die Sifchsuche 
gefördert. Auch trafen die Tntereffenten des Abeins von Zeit zu Zeit 
allgemeine fehlinende Waßregein”). YOie ergiebig zum Beifpiel die Wiofel 
an verfähiedenen Sifharren war, zeigt die Aufzählung des Aufonius: 
Mand, Aalcurte, Aefcbe, Alfe, Barbe, Barfch, Sorelle und Lacyoforelke, 
Grändling, «echt, Lamprete, Salm, Schleie, Stör, Weißfifh”). Auch 
der Abein war febe filchreich, vor allem der Salm- und Lachsfang 
ergiebig, doch aud der Stör wurde in großen Bremplaren gefangen. 
So zum Beifpiel fingen die YWormfer Sifdyer am 24. Juli 1504 einen 
Str von 9 Schub Länge. HWinige Sifiher wollten ihn dem 
Bifdyof verebren, der Mat aber enefibied, daß die Jälfte ibm sur 
Derzehrung geböre, während die andere “dlfte an die Blirger ausverkauft 
werden follte, das Pfind um Jo Pfennige”). 

Der Bürgergemeinde gebörre das Sifchrecht (ale Tinbegriff der 
Almend): daher wurde fie bei der rrichrung der Sifchersunft zugesogen; 
zudem war die Sadye eine Warktangelegenbeit, die in ihre Romperenz 
fiel. Aus der Beftimmung, daß die Bonfiszierten Fifche unter die Bürger 
verteilt werden follten, darf man nicht fhließen, daß die Zahl der Bürger 
ein gemefen fei”); denn Die Verteilung Bann ja nach irgend einem 
Turnus vorgenommen worden fein. Der Burggraf, welcher der böchfte 
Beamte für die Verwaltung der inneren Stadt war, hatte die Auffiche 
iber die Bewoerbepoligei und fente die Wieifter der Zünfte”) ein. Eben 
darum, weil dies in feine Momperenz fiel, füchte er IJ06 um die 


Die Sradr als Markt. Grabtluft macht fe. 385 


Genehmigung für die Brimdung der Sifebbdndler-Jnnung nach, und als 
Inhaber der Banngewalt erhielt er ein Dritteil der Bußen. 

So wichtig nun aud) der Jandel und das Fauftnännifche Element für 
die Entwidelung des frädrifchen Lebens find, allein waren diefe Saktoren 
doch nicht maßgebend. Denn die Zahl der eigentlichen Raufleure Bann 
nicht groß gewefen fein, und noch immer, tron dem fkeigenden Verkehr und 
der Zunahme des Geldumlaufee, war nicht der Rapiralbefig, fondern ber 
Grundbefiz für die fosiale Stellung des einzelnen maßgebend. WDeit 
wichtiger für das Aufblüben einer Stade ift der ftarke Zufluß feifcher 
‚arbeitskräftiger Wenfchen vom Lande, und daftır waren im 12. Jahrhundert 
alle Bedingungen vorhanden. {Es ift ja eine bekannte Tharfache, dap nach 
jedem großen Rriege das Wacyerum der Bevölkerung ein größeres ft, 
ale in normalen Zeiten, und der Benölterungeftrom ein ftärkerer. Der 
lange Bürgerkrieg zur Zeit Seinriche IV. und der Areussug hatten flarte 
Zücen in die Bevölkerung geriffen, die im J2. Tahrhundere mehr als 
ergänyt wurden”). Wohl boten die großen Waldungen noch genügende 
Gelegenheit zu Rodumgen und hinlänglichen Raum zur Anlegung neuer 
Dörfer, aber ein großer Teil der überfehlffigen Landbevölkerung floß 
doch bereits ferne mad) der Stadt, welche die einen durch ihre 
Vergnügungen, die anderen durch ihre günftigeren Eriftensbedingungen 
anlocre. Ein foldyes Lockmittel war unter anderen der "ofhalt des 
Bifdofo. Eben um an diefem und feinen Seften ceilsunehmen, weilten 
die in der Umgegend von Worms feßbaften edlen “erren gerne und oft 
auf längere Zeit in der Stadt, voo manche von ihnen einen “of befaßen. 
©efters werden in Wormfer Urkunden als Zeugen erwähnt: die Grafen 
von Laufen und die freien <erren von Fobenhart, Zaufen, Steinach :c. 
Auch auswärtige Rlöfter baten in YWWorms ihr Abfteigequartier oder 
gar eigene Jöfe mir Rapellen, wie zum Beifpiel Schönau, Orterberg, 
Lorfd) ıc. Zn den immer glänzender fich entfalrenden Stand ber 
Winifterialen drängten fi) aud) die Sreigeborenen. Denn obgleid) in 
diefer Zeit noch unvergeffen blieb, daß der Minifteriale ein unfteier Wann 
war, der verkauft und verfchenet werden Bonnte und mit dem feine Sreie 
eine ebenbürtige Ehe eingehen durfte, fo char diefe Unfreiheit ihrer fosialen 
Stellung wenig Eintrag. Im Dienfte des Rönige bekleideren fie die 
wichtigften Aemter, und ebenfo angefeben waren die bifchöflichen Dienft- 
mannen. Indem zahlreiche Freie in die Winifterialirde eintraren, hob 
fih der Stand, und mehr ale einmal kam es vor, daß, während der 


382 15. Bapiıl. 


Ältefte Sohn eines Sreien auf feinem Ländlichen Abnenfiz oder Burg blieb, 
der jüngere der Begründer eines Wiinifterislengefihlechrs in der Stadt 
wurde”). 

Aus den Dörfern der Umgegend fiedeleen fich freie intelligente 
Bauern in der Stadt an, Bauften bier Land und bauten fich einen “of, 
um die Erträgniffe der Landwircfchaft vorteilhafter verwerten zu Eönnen. 
Andere vertrieb das Unglück aus ibrem Befln auf dem Lande in die 
Stadt: Mißrvache und Aungerenot, Ueberfchwernmungen””), Rriegensre, 
Pilgerfabrten und Breusüge brachten manchen ins Zlend. Die landlos 
Gewordenen, welche nicht die Energie hatten, fid) eine neue Eriftenz zu 
fbaffen, wurden zum großen Troß der fahrenden Keure verfchlagen: den 
Spielleuten und GBauflern, Scholaren und Lotterpfaffen. Gegen diefe 
erließ der Rat von Worms eine frenge Verordnung”). Sie waren dem 
fehbaften Leben verloren und gingen meift auf der Landftraße oder im 
Spital elend zu Grunde. Andere fanden als Rriegsleute einen ebren- 
vollen Dienft, und wieder andere verdienten ihr Bror mit ehrlicher Arbeit 
als dandwwerker, ind von diefen gelang es vielen, in der Stadt fic) eine 
neue, sufunftsfichere Eriftenz zu begründen. Vor allem lockte es den 
Unfteien in die Stadt, weil er bier nicht nur fein Bror verdienen, [ondern 
fid auch die Sreibeit erringen Eonnre. Denn damals trug der deurfihe 
Bauer mod) flols fein Jaupr und verweigerte feinem <eren zumeilen 
trogig den Dienft“). 

In jenen Zeiten war nur ein Bleiner Teil der Stadeflur mit hdufern 
überbaur, ein weit größerer diente den Zwecken der Landwirrfchaft. 
Ylun fag es im Tinterefje des Stadrheren foroohl als der übrigen 
Brundbefiger, wenn recht viele in die Stadt einwsanderten, um fich bier 
bleibend niedersulaffen, dem dadurch fteigerte fi) nanirlich der Wert 
der Grimdftüche. Bor man alfo den zumandernden Leuten Land zu 
möglichft vorteilhaften Bedingungen an, damit fie darauf Adufer bauten, 
fo mußte dies im günftigften Sinne für die Entwidelung der Stadt 
wirken”), E 

Das Verfiindnis für diefe Dinge it leider lange Zeit durch unrichtige 
Anfchauungen und Jyporbefen getrübt worden; man bat nämlich gemeint, 
daß in den deurfchen Bifchofoftäbten zu einer Zeit der gefamte Brund 
und Boden in die “nde des Bifdyofs und der Kirche und dann 
wieder in irgend einer Weife in Befig der Altfteien gefommen fei. 
Infolge der Ortonifchen Privilegien hörten auch die Altfreien ihre volle 


Die Sradr als Markt. Stadrluft mache feel. 383 


Freiheit nicht bewahren Einen, fie wären zu Vogteipflichrigen geworden, 
und ihr freies Zigencum hätte fid) in zinspflichtiges verwandelt. Die 
Scifte bitten fodann Zörigen ihr Land zu günftigen Bedingungen über: 
tragen, und allmählich fein diefe zur Seeiheit aufgeftiegen. YTamenclich 
leitet man von der Zinspflichtigteit der ZJandwerker ihre “erkunft aus 
dem sofrechte ab"). Wir haben die Unrichtigkeit diefer Behauptungen 
in Besug auf’den Brundbeftg, der Rirche und die Wirkung der Brronifcben 
Privilegien bereite bargerhan (fiebe oben). Aber auch die Ableiung des 
andwerkerftandes aus der Hofbörigkeir”") fi eine grundfalfche Theorie. 
Gewiß gab es börige «andwerter, wie auf dem Lande, fo auch in der 
Stadt, aber mir der Ennwicelung eines freien Bürgerrums haben diefe 
nichts zu ehun. 

Sdtte der Bifhof die zugemwanderren Raufleure und <andiverter 
auf feinem, dem “ofrechte unterworfenen Lande angefiedelt, fo wären 
diefe daburdy eben dem “ofrechte unterworfen worden. Es mag diefer 
‚Hall gewiß Sfters vorgefommen fein, aber niemals wäre auf diefe Weife 
eine fteie Stadt eneflanden. YIur wenn der Einwanderer auf freiem 
Grumd und Boden faß, Eonnte er feine Sreiheir bewahren oder diefe 
erringen. 

Tn den theinifchen Bifchofaftädten faßen die Bürger auf freiem 
Grund und Boden, den ihre Vorfahren einft bei der Eroberung durch 
das Los erhalten oder den fie fpäter erworben hatten. Sie waren zu 
allerlei Abgaben und Zeifhingen an den Rönig oder den Stadtheren, 
den Bifcbof, verpflichtet, aber Diefe Abgaben und Leiftungen fepmälerren 
ihre Sreibeit in Beiner Weife”). Als die Einwanderung der Land: 
bevölterung in die Stadt feit dem Ende des II. TFahrhunderrse in 
ftärterem Maße als zuvor fich vollsog, parzellierten die Bürger ihr Land 
und verliehen die Baupläge gegen mäßigen Zins. Auf diefer Landparzelle 
baute nun der Einwanderer ein “aus oder einen Sof, zuerft einfach und 
billig aus Sol, fpdter aus Stein”). Wollten der Bifchof oder die 
Stifte und Biöfter ihren brachliegenden Brundbefir ebenfalls vorteilhaft 
verwerten, fo durften jie es nicht nach dem echte der Zofhörigkeir 
thun, fondern fie waren durch die Monfurrenz der freien Brundbefizer 
gezwungen, den imwanderern die gleichen günftigen Bedingungen zu 
sugefichen. 

Kin großer Teil oder vielleicht der größte Teil der Kinwanderer war 
aber unfteier “erkunft. $Entweder befimmerte fic) fein Zerr nicht um 


384 35. Bapitel. 


ibn. Yad) einem Aechesfäge, der fyon dem 12. Jahrhundert angehört, 
bleiben folche “örige unbebellige, wenn nicht der ‚er binnen Tabr und 
Tag feinen Anfpruch auf fie geltend macht. Ober er verlangte ihre 
Auslieferung, oder er geftattere ihnen den Aufenthalt in der Stadt gegen 
die Derpflichrung, die bisherigen Leitungen weiter an ihn zu entrichten. 
Die Srädre haben im allgemeinen die Rechte der Brunbberren an ihre 
unfreien Leute anerfanne oder wourden geswwungen, ie anzuerkennen. Oft 
genug fchreibt das Stadtrecht vor, daß alle, welche das Bürgerrecht 
erwerben wollen, fidh zuvor mit ihrem &errn auseinandergefent haben 
müßten”). Der, welcher in Worms als Bürger aufgenommen zu 
werden wünfehte, mußte unter anderem fhroören, daß er Beinen eigenen 
Seren habe und daß er aud) feinem Jserrn zu Dienft noch zur Steuer 
verbunden fei. Spricht ihn fein “herr binnen Jahr und Tag an, fo 
wird er ibm ausgeliefert. In dem erften Tabre betrachtete man ihn 
daher nicht als Bürger, fondern ale Ausmann”)). 

Zu den Zeiftungen der Körigen gegenüber ihren Yercen gehört auch 
der Sterbefall). Am heine Fommt eine Abgabe vor unter dem 
Clamen Bureil”), das heißt Diebreilung. hen zoifchen Ungenoffamen, 
das beißt swoifchen Angebörigen verfehiedener “öfe oder "Herrfchaften, 
galten eigentlich nicht für erlaubt, aber nad) der jüngeren Kedhrs- 
anfdpauung duldere man fie, mur daß der dere, im Salle eines der 
Ehegatten ftarb, Anfprudy auf zwei Drittel (fo in Worms Lex familise 
$ 15) oder auf die Aälfte der führenden abe (des Viebes) machte. 
Wiederbolt hat man fehpon die Doppelfeitigteir im Charakter des 
falifhyen sserrfcherhaufes betone: einerfeite die Yreiqung zur Aus 
bildung abfolurer Bewalt, ein Zug, der namentlich bei “eineich III. 
f&arf‘ hervorwitt, andererfeite eine humane Gefinnung gegenüber den 
unteren Schichten des Volkes. Bonrad II. begünftigte das Auffommen 
der niederen Vafalliche und %einrich IV. und Seineich V. die Städte. 
Als Ienterer JIJJ aus Jralien wieder nad Deurfähland zurhcktem, ließ 
er in demonfrativer YDeife die Leiche feines Vaters im Dome zu Speier 
beifenen, und zur ewigen Erinnerung an diefe Seier gab er der Stadt 
Speier am J4. Auguft im Kinverftändnis mit dem Bifchof Bruno eine 
Urkunde”), wonach die Kinwohner verpflichtet fein follen, jährlich am 
Todestag „einzichs IV. mit Lichtern in Progeffion zur Seelenmeffe zu 
sieben und von jedem Zaufe den Armen ein Bror zu einem barmberzigen 
Almofen zu reichen. „Alle, die in der Stab Speier jet wohnen ober 


Die Stade als Markt. Srabrlufe mach frei- 385 


Darnady wohnen werben, woher fle aud) kommen und welchen Standes 
fie find, befreien wir fie und ihre Erben von dem verabfeheuungsmärdigen 
Gebrauch, Bude genannt, wodurch bie ganze Stadt in Armur gefkhrze 
worden ift; Bein Beamter, hoher oder niebriger, woeber der Vogt noch 
{hr nachrlicher ee, foll von ihrer Sinrerlaffenfchaft ermwas wegnehmen, 
und alle follen vollftändig freies Verfügungsrechr Über ihr Prbe haben“. 
Diefe Urtunde foll, damit fie nicht in Vergeffenheir gerate, mir goldenen 
Buchfiaben und dem Bildnio des Maifers in die Vorderfeire des Domes 
eingegraben werben, zum Zeugnis der befonderen Liebe des Maifers für 
die Bewohner von Speier. 

Auf die Rlagen des Volkes von Worms bob der Baifer am 
30. Ylovember I114 in der Stadt Worms ebenfalls das Bureil auf”). 
„YOir befehlen, wer oder woher auch der Wann fei, weldyer feine Grau 
entweder aus feiner &ofgenoffenfchaft oder aus einer anderen Familie 
genommen bat oder fon verheiratet won irgendwo bierber gefommen 
ift, daß Bein Vogt diefe he auflöfe und daß keine Behörde, hohe oder 
niedere, beim Tode des Wlannes oder der Jrau itgend erwas ihrer 
Sainterlaffenfchaft gleichfam von Rechte wegen beanfpruche, fondern ber 
Überlebende arte foll die „interlaffenfÄhaft erben, und wenn beide 
Ebeleute ohne Yladytommen geftorben find, fo erben die Lrädhft 
berechtigten den Flachlaf.“ 

£s handele ich bei Diefen beiden Privilegien für Speier und 
Worms Iediglich um örige””), und die Winifterialen und freien Bürger 
wurden dadurch in feiner Veife berührt, denn von diefen wurde niemals 
ein Buell erhoben. Aus einer Urkunde des Bifchofs Azecho vom 
Tahre 3035”) erfahren wir, daß die Körigen der Wormfer Kirche 
auch der Pflichr des AHaupteechtes oder Sterbefalles (auch Befthaupt, 
Burmede genannt) unterworfen waren. Bann man den Buteil als 
Abfeyreichung des urfpränglicen Kechtes des ern auf den ganzen 
Vradhlaß feines Aörigen anfeben, fo ift der Todfall felbft wiederum eine 
Abfchwächung des Buteils”), indem der Zerr aus dem Ylachlaf feines 
Sörigen nur das befte Stück Bleid oder das befte Stück Vieh fordere. 
Doppelt fhlimm war eo für den “örigen, wenn zugleich Bureil und 
Todfall gefordert wurden. Ylun war durch “einrich V. der Buteil 
aufgehoben worden, nicht aber der Todfall. Seiedrich I. bob in feiner 
Beftätigung der Urkunde “einrichs V. am 3. Tanuar II84 auch in 
Worms das “auptrecht (houbitrecht) wie den Bureil auf”). 


15. Do0n. Die Aue we inifäen Same 1 - 


386 15. Bapirel, 


Auch in Speier war ein Streit zwifchen dem Bifcbof Ulrich und 
den Binwohnern über die Auslegung der Urkunde einriche V. ent: 
fanden, indem der Bifchof das Fauptrecht fordere, die Einwohner die 
Abgabe jedoch verwweigerten mit Berufung auf die Befreiung durch 
%eineich V., in der YWieinung, das “auptrecht wäre unter dem Fiamen 
„Bütheil et Suppellectilis“ einbegeiffen””). Der Bifdof' ftimmte nun 
der Jnterpretation des Raifers zu, daß die Einwohner auch vom Laupt: 
techt befreit fein follten. 

Offenbar batte der Bifcyof die auf Rirdyengut, aber nach Stade: 
techr angefiedelten Keublrger al Yörige der Rirche behandeln wollen. 
Tent mußte ex ihre Sreibeic anertennen. Wenn im Privileg Zeinriche V. 
der Bifchof Bruno feine Zuftimmung zur Befreiung vom Bureil gab, 
fo gefihah es, weil durdy diefe Waßregel er in erfier Linie berroffen 
wurde. ingegen berübrte ihn das Verhältnis der Zugewanderten zu 
ihren ehemaligen “erren nicht. Durch die Aufhebung der börigen Ab: 
gaben in Worms und Speier griff der Mönig in die Privarrechte der 
Grundberren ein. Doc) dies gefchab durchaus im Sffentlichen Intereffe. 
Denn diefe börigen Abgaben waren unberechtigte Dedrüdungen der 
Schwachen durch die Starten, und die davon Betroffenen fahen fie als 
ein ihnen angebanes fAymeres Unrecht an. Wlir den Intereffen, der 
Stadt waren fie völlig unvereinbar. YVohl lag der Stadrgemeinde viel 
an der Einwanderung frifcher Arbeiteträfte, wenig aber am Zuwachs 
von Leuten, die wirrfbaftlich gefehwwächt und in perfönlicher Abhängig: 
keit vom DBifdbof und den Eirchlichen Stiften fanden. in der Stadt 
Bonnte die Bemeinde nur Sreie gebrauchen. Eben deobalb fann man 
die Privilegien Seinriche V. und Sriedrice I. ale Sreibeiten der Stadt 
bezeichnen. Diefe Befteiung von Bureil und “auptrecht galt eigentlich 
nur für Worms und Speier, fie war kein Reichsgefen; aber da Diefe 
beiden Städte zu den vornebmften Deurfchlands gebörten, fo mußte füch 
ganz von felber die Anfcyauung bilden, daß in Städten Bureil und 
Yauptredht, das beifie börige Abgaben, mir ftädrifcher Entwicelung, mit 
dem ganzen Wefen einer Stadt unvereinbar feien. 

Serbftverftändlich fand diefer Brundfag, daß in der Stade keine 
börigen Abgaben erhoben werben dlirfen, nur Anwendung auf Bärger, 
nicht aber auf die Aörigen der Brundberefhaften innerhalb der Stadt. 
Diefe blieben nadı wie vor dem yofrecht und feinen Laften unterworfen. 
Das erhellt ganz deutlich aus der Deftdrigungsurfunde Sriedriche 1. für 


Die Sradt ale Markt. Gtadıluft made frei. 387 


Worms. Denn bier wird ausdrücklich der Blrger von Worms als 
folcher bezeichnet, der vom Bureil und Jauptrecht befreit it”). Blirger 
aber ift der, welcher nach Stadtrecht Iebr, Das heißt, welcher das volle 
Blrgerrechr erworben har, wozu der Befls eines Brundfilckes geböree. 
Lady einer Beftimmung des Wormfer Rats aus dem 13. Tabrbumdere 
tonnte nur der Blirger in Worms werden, welcher innerhalb eines Jahres 
ein Jaus oder Brundftich in der Stadt im Werte von Io Pfund fich 
erwarb”'). Aber Ältere Stadtrechte beftstigen diefe Sanung””). 

Oft genug ift in fifdrifchen Urkunden vom Weichbildrecht, Warte: 
vecht, Burgrecht, Stadtrecht die Rede. Alle diefe Ausdrücke befagen 
dusfelbe: ein Recht, das in der Stadt gilt und nicht auf dem Lande. 
Ylady diefem Hecht wird das Grundeigentum erworben”). Es handelt 
ch bier um die fldrifche Erbleibe. Aucd) auf dem Lande Eomme die 
Erbleihe vor. Die Riöfter find mit Vorliebe mitten im Urwald 
gegründet worden, und fie hatten die Aufgabe, Diefen der Rultur zu 
gesinnen. Aud) dadurch, wie auf geiftigem und Pünftlerifihem Gebiete, 
find fie Babnbrecher der Rulcur gewefen”“). Thre unfreien Leute reichten 
zu der harten Arbeit der Urbarmadhung nice aus, dazu bedurfie 
man der Tharkraft freier Bauern, welche gegen günftige Bedingungen 
gewonnen wurden. Sie erhielten das von ihnen urbar gemachte 
Land zu Brbleihe. Diefes Rechtsinftitur der rbleihe harte nun aud) 
für die Sradt die größte Bedencung. Jier galt es nicht, zu roden, 
fondern, wolle man das Land beffer verwerten, mit «dufern zu 
Überbauen. Der Stadtherr, das Mlofter, der freie Brundbefiger in der 
Stadt parzellierten das Land in Baupläge von ungefähr gleicher Größe; 
der Bauluftige errichtete darauf ein Jaus und zahlte dafüır einen feften, 
niche zu erböbenden Zins. Das durch den Jansbau gebefferee Brumdftick 
befige er in rbleibe. Er kann das “aus verkaufen, mit Vorbehalt dee 
Vorkaufsrechtes des „eren, ebenfo Bann er frei danonziehen; denn durch 
diefes Verhältnis geriet der Belichene nicht in !perfönliche Abhängigkeit 
vom Zeibeheren, die Zinssahlung chat der Sreibeit feinen Abbruch. 
In Ronftans zum Beifpiel wurde das Zinseigen gemäß Stadtrecht 
befeffen und begründete eben das Bürgerrecht. Der Zins Eonnte nicht 
erhöht werden, und auf Säumnis der Zinssablung ftand nur eine Beld- 
buße. Ausdriicklich woird als Ime? der Leibe Ueberbefferung angegeben, 
alfo “ausbau. Der Higentlmer hat ein Vorkaufsrecht, auf das aus 
und der Beliehene ein Vorkauferecht auf das Brundftüch, worauf das 

- 


388 15. Bapiteh, 


aus lebt. Dem figenehmer des Brundftüces wurde bei Beflg- 
veränderungen ein WPbrfchan besablt. Sonft bat der Leiber freie 
Derfügung””). Auch in den anderen Städten beftanden Ähnliche Bedyrs- 
verhäfeniffe. Ver in der Stadt nady Stadtrecht Grundeigentum erwarb, 
wurde dadurd) frei, und daher Lam das Spridwort auf: „Stabtluft 
mache frei"). 

Urfprünglich gab es in Deurfchland Peinen Unterfchied von Stadt 
und Land; in der Stadt galt dasfelbe Hedyr wie auf dem Bande; die 
Stadtgemeinde nahm Peine andere Stellung im flaatlichen Organismus 
ein wie die Landgemeinde. Aber während auf dem Lande die 
Verbäimiffe ftabil blieben, entwickelten fie fich in der Stadt viel 
tafcher, zu Beiten tweibhausartig. Die DBedlrfniffe des Verdehre, eine 
vorgefehrittenere Wirtfchaft machten fid) in der Stadt, namentlich 
auf dem Gebiete des Nechtslebens, fühlbar und geltend, und fo encftand 
ein Stadtrecht, das man, weil es in erfier Linie die Baufleue 
bertickfichtigte, vorzugeweife ale Wiarftrecht beyeichnere. Die Stade 
genießt einen böberen Srieden als das Land. n der Stade gilt der 
Rönigsbann von 60 Schilling, auf dem Lande der Grafenbann von 
5 Schillinge. In der Stadt werden die Einwohner von den Abgaben 
der »örigkeit: DBureil und sanptrechr, befreit und DBefchränkungen 
des Ehe: und Erbredhtes aufgehoben. In Besug auf das Jmmobiliar- 
fadyenrechr werden für die Stadt wefentliche Erleichterungen gefebaffen; 
die freiere Sorm der rbleibe, die man vorzugsweife Stabtleibe oder 
Leibe nach Stadtrecht nenne, erlangt in der Stade die Aleinberrfcpaft. 
Wer, beißt es in der fehon oft citierten Urkunde Seinrichs V. für Speier 
vom Jahre IIIL, zaus nd Hof Jahr und Tag unbefprochen befeffen 
bat, ift nachher niemandem, der darum wußte, Rechenfchaft febuldig. 
Dasfelbe Privileg gewährte den Bürgern das Hecht des ausfchließlichen 
Gerichtoftandes innerhalb der ftdrifdyen Bannmeile. Yriemand braucht 
außerhalb der Stadt das Ding feines Vogtes zu befichen, ned) von 
feinem Ligen oder feiner fahrenden Fabe auferhalb der Stadt fehuldige 
Zeiftungen su entrichten. Die Befreiung der Biirger von auswärtigen 

ten wurde der Stadt Mainz IJIS gewährt”), und Baifer 
‚Sriedric) II. befreite 1236 die Wainzer Bürger von jedem auswärtigen 
Gerichte, ausgenommen das Baiferlidıe und den Zall etwaiger Rech: 
verweigerung vor dem Seabtgericht”®). Dasfelbe Privileg liefen ich 
Worms und Speier 1255 vom Bardinallegaren Perrus und 1260 vom 


Die Stab als Maske. Geadrluft mad frei. 389 


Papfie Alerander IV. verleihen”). m Tabre 1285 verbot König 
Audolf dem Königlichen “ofrichter, Riagen gegen die Blirger von Worms, 
Wainz und Speier anzunehmen”). Tin den Städten bildete fc) fchon im 
33. Jahrhundert ein Baufinännifches Bewwohnbeitsrecht aus. Den Blirgern 
flebt Iaue dem Sreiburger Stadtrecht $ 5 das Hecht zu, im Salle fic) 
ein Streit erhebt, darhıber zu entfcheiden, was rechtens ift. Auf Diefes 
Raufmannerecyt wird bie und da bingemiefen, fo zum Beifpiel als in 
Allenebach am Unterfee unter Raifer Otto III. ein Markt gegrhnder werben 
follte, auf das Recht in Worms und Mainz”), andere male auf das Recht 
in Bonftang oder Bafel®”), ganz befondere maßgebend galt das Kechr 
der Rölner Raufleute”®). Die Stabreinwohner erhielten ferner eine 
Anzahl von Srleichrerungen des Verkehrs und Befreiung von LÄftigen 
Abgaben. Jeinrich V. befreite JIJJ die Einwohner von Speier von 
allen 3öllen, die fie bisher in der Stadt entrichten mußten. Yiemand 
darf die MWilnze leichter ober fähmerer madyen ohne Zuftimmung der 
ZÜrger. Don denen, die ihre eigenen Waren auf eigenen oder ftemden 
Schiffen führen, darf keine Abgabe erhoben werden. m Umfange des 
Speierer Bisrume, foroie an allen Eöniglichen Zoltftätten, find die Bürger 
von Speier zollftei. Yliemand foll in der Stadt ein Recht des Wein: 
bannes ausüben ober die Schiffe der Bhrger gegen ihren Willen zum 
Saeerdienft beranzieben. Die Blirger follen der Besablung der Bann- 
und Schofpfennige”‘) enchoben fein, ebenfo des Pfefferzinfes, der von 
den Schiffen entrichter wird, fo oft fie mit Waren den &afen der 
Stadt anlaufen. Rein Beamter des Bifchofs oder eines anderen “Kern 
darf von den Bädern und Wengern oder einer ähnlichen Rlaffe von 
Limwohnern wiber ihren Willen irgend ein Stüc ihrer fahrenden abe 
wegnehmen. 

Der kaufinännifche Verkehr war zur Römerzeit mit einer Reihe von 
Abgaben belafter gewefen, die zum Teil fich in der fränkifchen Periode 
forrerhielten. Diefe (äftigen, den Verkehr hemmenden Abgaben wurden 
nun geößtenteile aufgehoben oder vermindert. 

Die Verwaltung der Stadt liegt audy in diefer Periode noch immer 
in den “änden der Beamten, die vom Bifchof eingefee werden: Burg: 
graf, Schulcheiß c. Diefe werden in den Urkunden als Wiagiftear der 
Stabt”®) oder als die, welche die Beridytebarkeit und die Gewalt fiber 
die Wormfer Bhrger haben”), begeidhner. Die Blirger wurden zu 
manchen öffentlichen Gefdyäften beigesogen, im Gericht als Umftand 


390 15. Bapiel. 


und Schöffen; bei Angelegenheiten, welche ihre fpegiellen ntereffen 
angeben, werben fie um Mar gefragt, manche Befhllffe und Ver: 
fügungen nur mit ihrer Zuftimmung gefaßt; die vornehmften der 
Bürger erfebeinen in den Urkunden ale Zeugen. 

Zwifchen den Wiinifterialen, welche die Verwaltung im KTamen und 
im Aufrcag des Bifchofs führen, und den Blrgern berrfhte die befte 
Eintracht, ja aus Straßburg wiffen wir, daß die bifcbSflichen Beamten 
mehr auf Seiten der Bhrger ftanden, als auf der des Bifchofe’”), denn 
fie waren die natlırlichen Vertreter. der Tintereffen der Stadt, fo lange 
die Btirgerfehafe noch eines autonomen Örgans entbebrte”®). 























16. Rapitel, 


Das Zeitalter Sciedrichs 1. 


in Yloröfrankreich, den Yriederlanden und 
Tralien haben fich die Städte fon frlib 
der Auroricät ihrer Stadtherren: Difchöfe, 


dgersöge oder Brafen, zu entzieben gefircht 
und völlige Auronomie angeftrebt”). In 
Deuefchland bingegen beftritten fie die 
Rechte der Stadtberren nicht, und wenn 
fie fich einmal erhoben, fo gefcbab es, 
wie zum DBeifpiel in Röln, nur gegen 
ungerechte Austibung der Bewalt. Denn 
der Wipbrauch der Amrsgewalt lag für die 
Bifcyöfe fehr nahe. Die Blrgerfchaften 
haben aber bei den Mönigen Jilfe und Schu gefunden, wie auch diefe 
bei jenen zuweilen Zuflucht fuchten, und die Bifchöfe mußten fich der 
böberen Aurorität fügen. Sie fahen eigentlich der ganzen Entwwicelung 
der Städte meift paffio zu, und erft ale es bereits zu fpät war, wollten 
fie fidh ibe entgegenftemmen. 
Erzbifchof Adelbert von Mainz blieb auch nad dem Tode 
“einriche V. feiner partikulariftifchen Politik treu. Die beiden ftaufifdhen 
Gebrüder Sriedrih und Ronrad erbren das falifche Jausgur. Friedrich 
von Schwaben war einer der angefehenften und mächrigften Sürften des 
Reicyes, fowwohl mit dem eben ausgeftorbenen falifdyen Befchlechre 
verwandt, als mit den Welfen verfhhroägert. Er befaß die näcfie 
Anmarrfchaft auf den Ihren. Aber Abdelbert Überliftete ihn, und auf 
dem Wahltage zu Mainz, den 3. Auguft 1325, wourde nicht Sriedrich, 


14. cn, Die Rute der nem » 















394 18. Bapirel, 


fondern “erzog Lorbar von Sachfen zum deurfchen König genoäblt. 
Der Papft gab dazu feinen Segen”. Ylachdem der neue Bönig 
in Aachen den I3. September gefröne worden war, fubr er den 
Abein hinauf, um über Worms (den 3. YTovember) nach Regensburg 
zu reiten. Seiedrich von Schwaben batte im September Lothar 
gebul Da jedoch der Hegensburger Reicherag (Viovember 1125) 
das falifdhe Erbe den Staufen abfprady, empörten fi die beiden 
Brüder. Die rheinifchyen Srädte fymparhifierren mit ihnen, aber nur 
Speier widerftand dem Mönig ernjtlich, der die Gtadt zweimal 
belagerte. Porbar weilte nur noch einmal in Worms, wo er 1128 
Weihnachten feierte*). Yrichr eine einzige Urkunde bat er für Worms 
ausgeftellt. Der Schwerpunkt feiner Wacht und feiner ntereffen lag 
überhaupt in Sadıfen. 

Schließlich gelangte das faufifche Ahaus doch noch zur Könige 
volisde””). Zu Moblenz kamen am 7. Wiärs 1138 Albero, KErzbifchof 
von Trier, Arnold, Erzbifchof von Köln, Burchard II, Bifhof von 
Worms, einige lorhringifche Fürften, die beiden Staufer und der 
päpftliche Legar zufammen, und auf das Drängen Alberos wurde Bonrad 
gewählt, der fogleich am Aheine als Rönig anerkannt wurde. Unter 
ihm genoffen die rbeinifchyen Städte des Seiedens, der auch nicht Durch 
den Rreuszug des Jahres JI47 ernftlidh geftdre wurde. Ein fanarifcher 
Möndy wußte durch feine Beredtfamkeit die Wienfehen binzureifen und 
namentlich zur Verfolgung der verhaßten Juden zu entflammen. Diefer 
nahmen fidh der Rönig und andere Großen an; gleidywwohl wieberholten 
fi) die blutigen Scenen des Jahre 1096. Abr Bernbard von Elairveaur 
war mit diefem wilden Treiben nidht einverftanden. Er wänfchte einen 
geordneten “eerzug und daf der deutfche Rönig fi an die Spige 
des Mreussugebeeres ftelle, wie aud Ludwig VII, Mönig von 
Srankreidy, das Rreuz genommen hatte. Zn der That, der feurigen 
Deredtfamkeit Bernhards gelang es, Rönig Konrad zu überzeugen. 
Der berühmee Ranzelredner predigee mehrmals im Dome zu Worms, 
fo im Oftober 1147 und am 27. und 28. Dezember, wobei er viele 
Wunder vereichtere”®), 

Am 20. uni 1147 brach das franzöfifcbe eer von Men auf und 
tam am 29. Juni an den Ahein. Wegen der Ueberfahrt über den 
Strom brach zwifchen den Sranzofen und Wormfer Bürgern Streit 
aus’), 4Erwas früher waren die Deurfchen aufgebrochen. Wan Eenne 





Tas Seitalter geiebeicbe I. 395 


ja die Erfolglofigkeit diefes Zuges. Shr Deutfehland hatte er den Vorteil, 
daß das Land für einige Zeit des allsu großen Ueberfchuffes der Eriegerifcben 
Rräfte entledige wurde. Der Miferfolg führte eine Reaktion gegen das 
Uebergesichr der Birchlichen Wacht herbei, und das deuefche Rönigrum 
#onnee feine alte Grellung wieder erringen. 

Zange fand Bifcof Burchard II., Bucco genann, an der Spige 
der Wormfer Rirche, und er nahm unter König Boncad, den er hatte 
wählen belfen, Sfiere an den weltlichen Angelegenheiten teil?®). Auch 
fand in diefer Zeit ein Reichstag in Worms ftarr (1140)%%). DBefonders 
eifrig pflegte aber Bifchof Bucco die geiftlicben Intereffen. ben zu 
feiner Zeit war die religiöfe Strömung eine febr intenftve. Die ungllich- 
felige fehwächliche Regierung Ronrads III. erzeugte eine große Un- 
‚sufriedenbeit in den deurfchen Bemlitern, und gerade die Beften wandten 
diefer argen YWVelt den Rücken und ließen fib in die in Srankreich 
eneftandenen ftrengen YWIönchsorden aufnehmen. Unter diefen neuen Orden 
batte der von Citeaup die größte Bedeutung, indem er das ZJauprgersicht 
auf die Arbeit legte, und zwoar auf die Seldarbeit. In wilder Einfamkeir 
wurde eine Waffe von neuen Rlöftern für Wänner und Frauen gegeiimder, 
welche der Kultur als Bannerträger dienten. 

Bifhof Burdyard von Worms bat den beftehenden  geifttichen 
Stifrungen feine Shrforge zugewandt; er weihte den Dom, verfibiedene 
Ardre und Wapellen, und er ift der Bründer der Ciftersienferabrei 
Schönau bei “eibdelberg””), wo er auch feine Aubeftätte gefunden bat; 
ferner flftete er die drei Auguftinerklöfter Zobenfeld, Zöningen und 
Mühlbeim, und febließlih nahm er auch an der Grimdung der zwei 
Rlöfter in Scantenchal Anteil. Diefe Rlofterfiftung ift für jene Zeie 
böchft harakteriftifch. 

Damals muß fi in Worms in einzelnen Zänden fehon ein berrächt- 
licher Reichtum angefammelt baben. $Ein reicher Wormfer Blrger, 
Linrfeid, befteite 1100 das in Bedrängnis geratene Mlofter Reichenberg, 
indem er es sum Erben einfenre’*). Tin der zweiten Zälfte des II. Jahr: 
bumbderrs lebte in YWorme ein MWinifteriale Reginmar, deifen Bruder 
WePenbert bifdhöflicher Rämmerer war*”). LTacy ihm wurde der Sohn 
des Aeginmar genannt. ine fpätere Tradition leitet won biefem 
Rämmerer Ectenbert das Befchlecht der Rämmerer von Worms ber, 
dem auch der heilige &eribert, Ersbifchof von Möln, angehört haben 
fol. Das ift alles ganz falfch. Denn im 12. Tahrhumderr war das 


396 16. Bapiıel 


Amr des Mämmerers noch nicht erblich. Erf 1239 wurde Nirter 
Gerhard der Jüngere erblid mir diefem Amte belehnt, und diefer ift 
der Begrümder des mit der Wormfer Befebichte fo eng verbundenen 
Gefählechts der Rmmerer von Worms. 

Der junge Ectenbert wurde der Zucht des Abtes Stephan in Limburg 
übergeben, oo er nicht nur die Elemente des hriftlichen Glaubens, fondern 
auch die Grundlagen böberer Bildung Eennen lernte. Wir Kifer gab er 
fih den religisfen Impulfen und dem Studium bin, fo febr, daß er das 
Wipfallen feiner Eltern erregte, die aus ibm feinen Wöndh, fondern einen 
Ritter machen wollten. Wr gedieb an Leib und Geift, und oft erfreute 
er feine Angebörigen durch fein Saitenfpiel. Yrachdem fein Vater 
‚geflorben war, warf er fich mir neuer Luft und Liebe und nun ungebindert 
auf das Srubium. Seine Whurter bitte ihn gerne verheiratet, um feine 
Mönchegedanten zu verfeheuchen. $Er aber hatte für alles nur caube 
Obren, bis ihm eine Wagd Rilindis zu gefallen fdien. Er Baufte fie 
von ihrem Seren frei, und nach dem Tode feiner Wlurter nahm er fie zu 
fi und erzeugte zwei Söhne mit ihr, die beide Beiftliche wurden. Linft 
geriet er mit dem Burggrafen in Streit, und diefer reiste den Zorn des 
Bönigs gegen ihn, allein durd feine Srömmigteit und fein Saitenfpiel 
wußre er den Rönig günftig für fich zu flimmen. YIun gefchah es, daß 
die Stade Worms beinahe ganz verbrannte, fo daß nur wenige Kirchen 
unverfeber blieben. In Diefer Zeit erkrankte Ectenbere auf den Tod, und 
allgemein war in der Stadt die Teilnahme um ihn. Wolfram, Ruftos 
zu 6. Paul, redete ihm ins Gewiffen, weil er im Bonkubinat lebte. Er 
ließ fich darauf auf dem Arankenbete mir der Kilindis, der Winter 
feiner Söhne, Birdylich verbinden, womit feine Verwandten nice ein- 
verftanden waren. Darauf fank er in tiefe Obnmacht. Er hatte einen 
foweren Traum. Es war ibm, wie wenn er vor den Kichterfhubl 
gefehleppt und dort über feine Vergangenbeit inquiriert würde. 
SchrecPliche Gefahren bedrohten ihn, aber eine fromme Wlatrone reichte 
ihm die verende Zand. Diefe Warrone war Diza, eine Wormfer 
Bürgerin, fowohl durd) die Mbrbarkeit ihrer Sitten, als die Zahl 
ihrer Verwandten und die Größe ibres Reichrums überall bekannt. 
Sie hatte eine Wallfahrt mac) S. Georgen im Schwarzwald gemacht 
und dort den fEcfenbert dem Gebete der Mönche empfohlen. Als 
Ectenbert wieder genefen war, gelobre er, mit feiner Scan fortan der 
Welt zu entfagen und fid) nur der Aushbung guter Werke zu widmen. 


as Seitalter geiedeide L 397 


Sie taten nun Bold und Silber und die Poftbaren Mleider von fich 
und machten ihr “aus zu einer Zufluchteftftte der Armen. In der 
Ihe der Stadt gefimderen fie eine Zinfiedelei, wo beide abgefondert 
mit anderen gleichgefinnten Benoffen dem Geber und der Wiedirarion 
lebten. Er wartete nur auf einen göttlichen Fingerzeig, mo er das 
Rlofter, das er zu gründen gedachte, errichten wollte. Von all feinem 
Reichrum befaß er allein nody zwei “ufen im Dorfe Srantenthal. Der 
‚Get eignere fich nur ducch feine ebene Lage für eine Eiöfterliche Stiftung; 
die Aecker waren unfruchtbar, nirgends ein Wald oder nartırlich fließendes 
Woaffer; die Gegend den Ueberfehwwenmungen des Abeines ausgefent, 
wodurch die Luft verpefter und die Wiefen verfänerr wurden. Aber 
gerade eine fÄhlechte ungefunde Lage reiste damalo oft genug zur Anlage 
eines Riofters; ich erinnere nur an den beiligen LIorbert, den Gründer 
des Prämonftratenfer-Ordens. Einige Reiter erfchienen in jener Gegend, 
wo nachmalo das Mfofter errichtet wurde. Ihre Langen fünkelten im 
Eimsfeuer, fo daß fie wie Jackeln leuchten. Das war für Kdtenberr 
ein görtliches Zeichen. Trog aller ihm in den Weg gelegen Schwierig: 
teiten fegte er feine Abficht durch. Am 25. April JII9 wurde das 
Sundament zue Waria-Wagdalenenkicche gelegt und am 12. Juni 1125 
von Bifchof Burchard II. von Worms eingeweiht. Aber fle war noch 
lange nicht vollendet. 142 weihte Burchard die fertig gewordenen 
Partien der Bafilite. Am 9. April IITI brannte das Münfter wieder 
ab; fogleih begann der Yleubau, der von Bifchof Monrad II. 
am 12. uni JISJ eingeweiht wurde, Die Bemablin fEctenberto, 
Rilindis, erbaute das Srauenklofier S. Stephan in Srantenthal; die 
Sundamentlegung fand am Jo. Wiai 1125 fiatt und die Weihe am 
25. April 1339. 

Im Jahre 3325 genehmigte Bifcof Burdyard II. die Gründung 
Edienberts. Das neue Rlofter follee der Regel des heiligen Auguftin unter- 
worfen fein. Dasfelbe wurde dem Stifte 5. Peter in Worms inforporiert, 
und zum Gedächnis daran follte der Propft des Rloftere alljährlich zur 
Zeit der großen Liranei swei fülberne Pfennige auf den Altar der Dom- 
firche legen. Dem Alofter wird im ganzen Discum Sollfreibeit gewährt, 
fowie Befreiung des Zehnten von allen Gütern innerhalb der Jmmunicde 
des Rlofters. Der Bifchof nimmt es in feinen befonderen Schug. 
Papft Jnnocens II. beftäeigte 1137 diefe Stiftung”). Das Männer: 
Mlofter bieß beim Volt Broßftankenehal, das Srauenklofter Rleinfranken- 


398 16. Bapirl. 


tbal. Zuerft wählten die Brüder zu ibrem Propft Berdolf, Ranonikus 
zu Springierebac. Da er aber nicht im fiande war, feine Aurorirde 
aufrechr zu erhalten, fo verzichtere er auf feine Wöiirde. Denn nur auf 
Edenbert börten die Brüder, mur ibn wollten fie zum Vorjteber baben. 
Obgleich er ein Laie war, wurde er nun gewählt, Rilindis aber über: 
nahm als erfte Wieifterin die Beiung des Srauenloftere. Bcenbert 
fiarb am 24. Dezember 1132. Von überall ber firömren die Leute 
aufemmen, um ihm die lente Ehre zu erweifen, und fie warfen Pfennige 
in die Torenbabre. Bine $rau, die ihm zu feinen Lebzeiten einige 
Schillinge geben wolle, drückte fie dem Toten in die hand. 

Mir der Zeit wuche der Reichtum beider Rlöfter, mit dem Reicdy: 
tum fAwend aber die Zucht. Die Zuftände im Srauenklofter wurden 
febließlich im 15. Jahrhundert derart, dafı Bifchof Sriebrich es mir 
Genehmigung des Papftes Eugen IV. aufbob und deifen Vermögen 
dem Wiännerklofter Überwiee. Allein auch diefes zerfiel. Die finanzielle 
Unordnung veranlaßte den Bifchof Aeinhard von Sickingen, den Abt 
Tobannen von Ingelheim abzufegen, die entarteren Mönche in andere 
Rlöfter unterzubringen und das Rlofter felbjt der Auguftinerkongregation 
zu unterwerfen. Doch audy diefe Mafregel balf' niches. in Teil der 
Mönche fiel der Reformation zu, und der Propft Tobannes von Ander- 
nach verkaufte I568 das lofter eigenmäcbrig mit all feinen Gefällen 
dem Rurfürften $riedrich II. Vergebens proteftierte Bifchof Dietrich 
von Dertendorf' geren diefen Bewaltakt, Der Kurfürft bot den durch 
die Spanier um ihres Glaubens willen vertriebenen Ylicberländern 
Seantenchal als Afyl an. Alle Bebäulichteiten wurden ihnen überliefert. 
Es entftand eine Sradt, die 1608, nichr zur Freude der Wormfer, zur 
Seftung gemadhr wurde”), 

Am $. Dezember 1149 farb Bifcof Burchard I, und an feine 
Stelle wurde mad) dem 2. Sebruar I150 Monrad von Steinach 
gewähle®), ein ann, der allzeit dem Rönig gerreu diente. Ronrab III. 
farb am 15. Sebruar 1152. Ylım tar fein Yleffe Seiedrich, Sersog 
von Schwaben, ale Bewerber um die Rrone auf. Ein Zeitgenoffe 
Wibald, Abt von Stable, fehildere ihn ale einen Wann „lebhaften und 
febarfen Beiftes, erfüllt von eigenen Gedanken in politifchen Dingen, in 
bervorragender Weife beredt, Eriegseiichrig, ebrgeisig, nicht frei von 
Rachfücht, aber wie gefebaffen, um Beliebtheit beim Volke fid) zu 
erringen“), Am 4. WTdez I152 wählten ibn die Sürften sum Rönig, 


Das Zeitalter Seiebeiche L 399 


und zwar Deshalb, weil er allein im ftande war, den Zroift ywifchen 
den beiden mächrigften Gamilien, den Staufern und Yelfen, zu heben; 
denn er war der Sohn eines fkaufifchen Vaters und einer welfifchen 
Wiurter. So verdankt er feine Wahl der Politit der Verföhnung, und 
dem Weide den Srieden zu verfehaffen und ihm zu wahren, betrachtete 
ex als eine Aauptaufgabe feiner Regierung. Von Deurfchland wich nun 
der fÄhroere Druck, unter dem es fo lange gefeufst hatte. Drro, Bifchof 
von Seeifing, hatte in fpwermliriger Stimmung eine von pbilofopbifchen 
Gedanten durchrungene Weltchronit gefchrieben, hoffnungslos den Blick 
auf das Jenfeits gerichtet. Tezt, ale er das gedeibliche Regiment feines 
Yleffen wahrnahm, atmere er hoffnungefeubig auf und fehilderte mir 
berebtem Griffel die Thaten Sriedriche. Das jtaufifche Rönigrum kann 
ale eine Sorefezung des falifchen bezeichnet werden. Sriebridy 1. verfolgte 
diefelben Ziele wie Seinrich V., deffen Jausgur fein Vater als nächfter 
Anverwandter der Salier geerbt hatte. Der Rönig verlegte nun den 
Scywerpunkt des Keidyes wieder an den Ahein; bier harten fich die 
Staufer eine Machrftellung gefebaffen; bier wollte der Rönig alleiniger 
Serr fein, und woehe dem, der fich ihm enrgegenftelltel 

In Worms hielt Geiedridy 1. öfters Hof und verfammelte bier die 
Sürften des Reichs: fo zu Pfingften I153, wo der flr fein bobes Amr 
ganz unfäbige Wrsbifchof “einrich von Mainz abgefet und an deffen 
Stelle Arnold geroähle wurde, der vorher Propft zu S. Peter in Wainz, 
Stadetämmerer dafelbft und Manzler des Rönige gerwefen war“). 
Vorüibergehend Pehre Griedrich im April 1154 in Worms ein, ale er 
fi auf feinen Komzug vorbereitete. In Tralien lernte er eine andere 
Welt tennen. Orro von Sreifing rühme die Lieblichteit der Tralifchpen 
Zandfhaften, die Milde des Mlimas, die unerfebSpflide Sruchrbarteit 
des Bodens, die geijtige Bebendigkeit der Bewohner. Was ihn aber vor 
allen Dingen in Eeftaunen feren mußte, das war das hier viel weiter 
ale in Deurfcpland entwickelte Stadtwefen. Die Seudalice hatte in 
ralien nie fo flarte Vourzel getrieben wie im YYorden, und die Yaruralı 
wirefdpaft war bier fon längft wieder der Geldwoirtfchaft geroichen. 
Die Iombardifden Städte hatren fid der Aurorickt ihrer Stadeherren, 
der Bifchöfe, zu entziehen gesuße und Rommunen mit Ronfulen an der 
Spige errichter. ine Verfhmelsung der Stände und der Eriegerifchen 
und bürgerlichen Bultur hatte fidh bier vollgogen. Diefe Enmwictelung 
su verfiehen, war Seiedrid gar nicht im ftande, und fie anzuerkennen 


400 16. Bapiel. 


vermochte er noch weniger. Die Bologner Rechtefchule erneuerte in 
diefer Zeit die Bebren des römifchyen Staatsrechtes und fprach dem 
Raifer unbefehräntte Legislative Gewalt zu. Bin Ronflitt tonnre unter 
diefen Umftnden nicht ausbleiben. Zwar empfing der deurfche Rönig 
in Rom am 18. Juni 1155 die Raiferkrone, aber feine ‚errfcbaft in 
Tralien biieb immer beftritten. YWailand verfhloß ihm die There, und 
wenn er auch fpäter die Stadr Überwand und zum Teil zerftsrte, err 
wurde er ihrer dennoch niemals. 

Es wäre eine feltfame Sumurung an diefen König gewefen, von 
ihm zu verlangen, daß er ein Förderer ftädtifcher Autonomie bärte fein 
folten. Auf die Bifchöfe füge er fich, ihre Auroricde zu fehtwächen, war 
nicht fein Wille. n Deurfchland bören wir nur einmal von Beftrebungen 
ähnlich denen der nordfkanzsfifchen, miederländifchen und italifchen 
Städte. Auch in Trier erricheere die Blirgerfebaft eine Kommune, das 
beißt eine Nechteeinung yur Gicyerung des Stadtfriedens, deren 
Aufhebung der Mönig fehen 1157 geboren batte und fie 1161 
erswang”). Zr fo wenig als “einich V. wollte eine felbftändige 
Stadrgemeinde dulden. 

Die Auftehnung von Mainz hatte hingegen einen anderen Beiweg: 
grund”). Der Erzbifdyof Arnold frammte aus einem im Wlainsifchen 
Stadtteil Selebofen anfäffigen Winifterialengefdhlecht, das mit der 
Samilie WMeinger in alter Seindfhyaft Iebre. Au) die Freunde des 
abgefenten Zrzbifchofs „einricd hatte er zu Seinden. Seine Gegner 
febarten fi um den Pfalsgrafen "ermann von Grahlech: das Bisrum 
wurde verwoüfter und die Straßen von iainz vom lute der ftreitenben 
Sakrionen gerörer. Der Raifer fam gegen Weihnachten II$$ aus Tralien 
nach Worms”). dier felfte er die Befchwerung der Mainfähiffahre ab 
und bielt Bericht Über die Sriedensbrecher. Schon im Jahre JI52 hatte 
der Rönig ein Landfriedengefen erlaffen””). Die Grafen find mit der 
Sandhabung der Tuftiz beauftragt. Totfählag wird mit Zincicheung, 
Verwundung mit Verftlmmelung und onfiskaion beftraft. Der 
Raufmann, weldyer des „andele wegen durch die Provinz reift, foll fein 
Scywert an den Sattel binden oder auf den Wagen legen und es mır 
gegen Räuber verwenden; er darf unterwegs fo viel Getreide nehmen, 
ale er von der Strafe aus mit den Armen umfpannen Bann. Dem 
Bauern follen die Waffen abgenommen werden. Der Braf mir fieben 
Männern feines Bezirke ftelle allj&brlich nach der Ernee den Bornpreis 


Das Seitalter Seirbeice I 401 


FÜR, und jede Ueberrrerung diefes Warimume wird als Sriedenebruch 
beftraft. 

Der Pfalsgraf‘ wie der Erzbifchof von Wiaing mit Ihren Genoffen 
wurden des Landfriedensbruches für febuldig gefunden. Erfterer mir 
feinen Anhängern wurde zur fehimpflichen Strafe der Aurnefchare 
verureili®. Barfß mußte der Pfälgraf ermann von Stahlek in 
der Winterkälte eine Wieile weit einen zund am “alfe tragen, ebenfo 
zehn Grafen; die niedrigeren eure hingegen einen Sattel oder ein 
Pflugrad. Dem Erzbifcof erließ der Baifer in Anberracht feines 
Standes und feines Alters die Strafe, Doc) feine Anhänger follten fie 
büßen; als fie aber den fhimpflichen Bang antreten wollten, begnadere 
fie der Raifer ebenfalls aus Rücficht auf den Erzbifchof. 

Den Pfalsgrafen Sermann cwaf-diefer Schimpf fo fehwer, dap er 
febon am 20. September 1156 ftarb.. Die rbeinifche Pfalsgraffchaft 
verlieh der Baifer feinem Geiefbruder Roncad, der in Jealien Proben 
Eriegerifcher Tüchrigeit abgelegt hatte. Diefer Berichterag zu Worms 
machte einen auferordenrlichen Eindruck auf die Wienfihen. Allenthalben 
ließ der Raifer die Burgen der Sriedensbrecyer zerftören und den Land: 
frieden befchroören. Auch ftellte er wie in Worms, fo auch anderwärte 
befondere Seiedensgefene auf und traf Waßregeln zur Aufrechrerhalrung 
des Sriedens. 

Das Ofterfeft I1$7 feierte der Raifer in Worms, wo er die Fürften 
in großer Anzahl um fich verfammelte, damit fie den Brieg gegen 
Wiailand befcplöffen”"). Der Exsbifchof Arnold von Mainz wollte nichts 
als Verföhnung, aber feine Seinde fehlireen den Zaß gegen ihn. Er 
forderre von den Hinwohnern von Wains, Wiinifterialen und Zlirgern, 
eine Öpeerfleuer. Der Wiinifteriale Arnold der Rote verwoeigerte diefe mir 
Berufung auf das Privileg Abdelberts, IIIS, und fagte, fie fein dem 
Bifchyof nichte zu geben fehuldig, während doch im Privileg nur davon 
Die Rede ift, dafı allein die herkömmlichen Steuern und Zölle enteichter 
werden follten. Auf die lage des Ersbifchofs verurteilte der Baifer 
die Steuerverweigerer zum Verlufte ihrer Zehen, bie fie die Steuer 
entrichtet und dem rzbifchof Benugebuung geleifter hätten. Als der 
Ersbifchof‘ in Tealien abwwefend war, errichteren feine WOiberfacher eine 
Willtürherrfchaft. Zurhchgekeber, befiegte Arnold die KEmpörer, aber 
durch unzeitige Wide reiste er fie zu neuem Tron. ie vermoüifteren den 
bifhöflichen „of, serftörten die AHäufer der Geiftlichen und füchten die 


15. Deo, Die An er ehrt a. 1. “ 





402 16. Bapitel. 


Stadt völlig in ihre Gewalt zu befommen. Wiederum beflagte fich der 
Ersbifchof beim Maifer, worauf’ diefer durd ein Schreiben an den 
Rlerus, die Wiinifteristen und Bürger von Main; unbedingte Unter: 
werfüng unter ihren “ern, Schadenerfar und Benugebuung forderte. 
Anftate mir fdharfem Ernjt gegen die Aufrührer vorzugeben, dachte der 
Krzbifchof in feiner Schwäche nur an Verfshnung. Wlan fpottere feiner. 
Am S. TJobannisrage 1160 weilte er im Rlofter S. Jakob auf der 
Joöhe der Stadt, als Hieingors Söhne und Anhänger in das Rlofter 
fürmten, den Bruder Arnolde, Dubo, der fle um Mrbarmen für ibn 
anflchen wollte, erftachen und den fi von Turm zu Turm flüichtenden 
Ersbifof auf barbarifde Weife niedermadyten. Der Baifer wurde 
mod) lange Zeit in Ttalien feftgebalten. Erft zu Ofen 1363 am er 
ale furdtbarer Rächer nach) Wlains. Wohl die halbe Stadt war 
geflohen. Die Empsrer wurden mit ewoiger Verbannung beftzaft, bie 
Stadt ihrer Redpre und Privilegien beraubt; durch Zerftdrung ihrer 
Mauern, Gräben und Befeftigungen fllte fie den WOSlfen und Zunden, 
Dieben und Räubern preisgegeben, ihre Einwohner mit ewiger Schande 
belafter fein. 

In Worms waren die Verbälmiffe friedlicher, feitdem der Raifer 
jenen Sriebensgefen erlaffen, von dem wir noch reden werden. Bifdhof 
Ronrad I. ftarb auf einer Reife ins heilige Land am I3. April IITI 
umd wurde in Tprus begraben. Zu feinem Ylachfolger ernannte der 
Baifer Bonrad aus dem Befählechre der freien Zerren von Sternberg 
in Scanten®). hm gab $riedrich I. den ebrenvollen Auftrag, in 
Bonftantinopel mit Baifer Manuel wegen einer Samilienverbindung der 
beiden “erren der Welt zu unterbandeln*Y). $Er Bonnte fid) zu YDien 
dem Serzog “Heinrich dem Löwen anfchließen, der mit großem Pompe 
eine Wallfahrt nach dem heiligen Lande unternahm. Don Wien aus 
führen fie auf der Donau nad) Brandis, von da Dusch den Bulgasen- 
wald, nicht ohne Gefahren, denn die Keifenden wurden von den Serben 
angegriffen. Am Cbarfreitag, den I4. April II72, Eamen fie bis vor 
Ronftantinopel, wo fie vom aifer wohl empfangen wurden. Der 
serzog brach hierauf nach Tjerufalem auf, während der Erwäblte von 
Worms, fo bie Boncad IL., folange er nicht vom Papfte die Beftdeigung 
feiner Wahl erhalten batte, nad) Erledigung feines Auftrags beimkebrte. 

Den aifer befdhäftigte fein Verhälmis zu den lombardifchen 
Städten und dem mir diefen verbindeten Papft Alerander III. Auf dem 


Das Sehtalter Jeideice I. 403 


Reichetage zu Worms, den 26. März 1172, erhob er Öffeneliche Anklage 
gegen feine Seinde, und der &eerzug wurbe befehloffen“). Zuvor mußte 
er aber noch) mir Polen und Böhmen abrechnen. Oftern 1173 feierte 
er zu Worms in Gegenwart vieler Sürften“), und am 29. YIopember 
weilte er wiederum in Worme im reife feiner Samilie: Rönig Zeineich, 
Gerzog Sriebeich, Drto, fein Bruder Bonrad. Die bedeutendften Slrften 
waren antwefend, wie die Erzbifchäfe von Mainz, Aöln und Trier, die 
Bifchöfe von Augsburg, Worms und Speier”“). Auch jest wieder 
wurde über die Jeerfahrt nach Tealien verhandelt, denn ohne die Mir 
voirtung der Bifchöfe bärte der Raifer nichts unternehmen Eönnen. Doch 
dauerte eo noch bie zum Auguft des folgenden Jahres, ehe er wirklich 
nad) Tralien aufbreden Eonnte. Bonrad von Worms war meift im 
Dienfte des Baifers chärig; fo finden wir ihn Ende Mai J174 am 
%0fe des Raifere in Baiferelautern“”), und HEnde des Jahres begleitere 
er ihn nach Tralien®‘). 

£o tann nich unfere Aufgabe fein, den italienifehen Selbsug zu 
ersählen. Wlan weiß, daß Seiedrih am 29. Mai I176 bei Legnano 
an der Olona unweit Wailand voliftändig gefchlagen wurde. Das 
fädrifche Sußvolt ward Über das ritterlichhe Heer Meifter. Die Solge 
diefer Yliederlage war, daß bie deutfche Rirche eine Verföhnung mit 
dem Papfte herbeizuführen woimfcyte; da mußte fi denn der Raifer der 
Llorwenbigteit fügen. Er fandre im Serbfte den Frzbifchof Wichmann 
von Wagdeburg und den rwählten von Worms mit ausgedehnten 
Vollmachten nad) Anagni”), wo der Papft refldierte. Thnen gefellte 
fi Erzbifchof Chriftian von Mainz zu, deffen Teilnahme der Papft 
befonders gewünfcht hatte, und Worin, Proronotar des Kaifers. 
Diefer YOortwin war Propft zu ©. Andreas in Worms. Zu feinem 
Gebächmis machte er feinen Brüdern zu &. Andreas eine berrächtliche 
Stiftung”). Die Verhandlungen in Anagni führten zu den michtigften 
Zrgebniffen. Allein die ZLombarden bereiteten große Schwierigkeiten. 
Der Papft begab fid am Jo. April 1477 nady Serrara. %ier erfehienen 
die Befandten des Raifers, unter anderen der Erwählte von Yosrms und 
Wornvin, der Protonotar, und erklärten von neuem die Bereitwoilligkeit 
ihren Seren, mit der Rinde, dem Mönig von Gisilien und den 
Bombarden Sieben zu fehließen. Die weiteren Verhandlungen wurden 
in Venedig gefüber, wo am 22. Juli 1177 der Seieden gefdhloffen und 
am J. Auguft befchworen wurde. An diefer Zandlung nahmen zwölf 


40% 16. Bapitel, 


Deurfebe teil, darunter wiederum Monrad von Worme und Wortoin”'). 
ufterer blieb auch nach dem bergeftellten Srieden beim Baifer in Tealien 
und wurde vom Papfte als Wirglieb des Schiedegerichtes gewählt, das 
über die noch fehmoebenden Gtreitfragen entfheiden follte. Er feiere 
Weibnachten 1577 mit dem Raifer zu Affifi und begleitete ihn nad 
Deurfebland'”). Seiedrich I. fihrieb feine fihwere Fliederlage haupt: 
fächlich der Schuld “einrichs des Löwen zu, an ihm wollte er fich mım 
rächen. Am 13. Januar 1179 Bam er nach Worme, wo fich die Süirften 
zahlreich einftellten. <ier wourden Iaure lagen über den ftolgen Welfen 
berzog erboben und fein Verderben befchloffen””). 

Am 5. März 1179 wurde in Rom das Iateranifche Ronzil vom 
Papfte Alerander HI.’ eröffner. eber 300 Bifchöfe waren erfehienen, 
darunter aud Moncab, Erwählter von Worms”). Zum Dank für 
feine Verbienfte erhielt er vom Papft endlich die Weihe”). 

Damals müffen in der VWormfer Dißsefe fehwere Unordnungen 
vorgekommen fein, denn der Dekan und das Bapitel der Domtirche 
faben fich veranlaft, beim Papft darhber Rlage zu führen, daß Angehörige 
der Wormfer Diösefe, Winifterialen und andere, die Güter des Domftifte 
und anderer Rlöfter mir Seier beimgefcht und beraubt, forwie die 
f&buldigen Zinfen nicht entrichtet bitten. Am 28. Auguft 1178 befahl 
der Papft, über die Srevler den Bann zü verbängen, wenn fie nicht nach 
dreimaliger Wahnung von ihren Angriffen auf die Rirche abließen"‘). 
Aus einer Urkunde vom Jahre 180° erfahren wir”), daß die Bebäulic» 
Beiten des S. Andreasftiftes in Trümmer lagen. Bifihof Boncad II. 
verfügte, daß, falle eine Präbende erlebige vohrde, diefe vier Jahre lang 
der Sabrit der Ricche zufallen folle. Diefe Verfügung wurde nach 
dem Tode Ronrads II. durdy die Rardinäte Perer und Johannes (am 
6. Dezember 3395) beftätige”). Das S. Andreasftift war Überhaupt 
das Schmerzenstind der Wormfer Bifcöfe. Burdhard II. erließ nicht 
weniger als fünf Urfunden zu Bunften diefes Stifis””). II9L beftärigte 
Bifdyof Jermann von YWlinfter die Schenkung feines Bruders Dierher, 
weiland Propft zu S. Andreas und Eöniglicher Bansler, wonach Ienzterer 
dem genannten Stifte 211, Morgen Aecker und Wiefen, die gelegen 
find in den Gemartungen zu Pfiffligheim und Worms und in der 
Zaubwiefen, vergabt hatte”). YToch im Tahre 1200 lag der Chor der 
Birche in Trümmern, und die Wühle war von den Seinen dreimal 
niedergebrannt worden; die Weinberge waren infolge der Bälte zu 


Des Zeitalter Seitbriche I 405 


Grunde gegangen und in der Verwaltung große Unordnung eingeriffen. 
0 beftanden fünf Aemter: das des Dekans, dee Scholaftikus, des 
Sängers, des Reliners und des Pförmere, für welche Beine befonderen 
Pfeinden ausgefondert waren. Die Brüder weigerten fidh daher, diefe 
Aemter zu verwalten oder wenn eo gefchab, thaten fie es in liederlicher 
Weife, waren faul und febliefen. Um diefen Uebelftänden abzuhelfen, 
fehied Bifcpof Lupold von den zwanzig Pfelinden, welche die S. Andreas: 
Birche befaß, zwei aus, fobald fie erfedige fein wiırden, und beftimmre 
die eine Pfründe für die Befoldung der genannten fünf Aemter, die 
andere aber zur Verbefferung der Multur der Aecher und Weinberge 
und zur Wiederherftellung der YTlıhle”"). 

Bifdyof Ronrad H. war auch fernehin in Dienften des Raifers 
thätig, bei dem er viel galt, weshalb der Papft Alesander II. turz vor 
dem Larerankonzil durch feinen Arzt einen Brief an ihm fandte, mit der 
Bitte, auf den Maifer einzuroirten, damit der Griede erhalten werde”). 
An den Reichsragen zu Worms, I3. Januar 1179, und Whrsburg, 
Witre Januar 1180, nahm er teil, an welchen die Angelegenheit Seinriche 
den Löwen beraten wurde, und ben Ariegesug gegen diefen machte er 
mie”). m Wiärs 1182 finden wir ihn zu Beinhaufen am “ofe dee 
Raifers, und laut Artitel 30 deo Sriedensvertrags des Baifere mit dem 
Lombarbenbund zu Piacenga wird er unter denen genannt, die den 
‚Srieben befänosren follten (30. April 183°). Begen Ende dee 
Jahres 1183 biele der Maifer einen “oftag in Worms, wofelbft 
natlırlidy auch der Bifchof Ronrad”*) war. Diefer beyleitete feinen 
Zerrn im Jerbft 1184 nach alien, wo der Raifer am 19. September 
in Mailand einzog, das ihn, den einft fo fehr Gebaßten, num mir 
allen Ehren empfing”). Auch bei den am IS. Auguft 1187 
und Ende 1188 zu Worme abgebaltenen Heidyeragen war Bifchor 
Bonrad 11. chätig””). 

Daß der getreie Wormfer Bifdyof an dem Blangtage des ftaufifchen 
Yaufes, an dem berühmten Pfingftfejte des Jahres J184 zu Mainz, wo 
die Schwertleite der beiden älteften Söhne des Raifers, Rönig Heinriche 
und sserzog Seiedrichs gefeiert wurde, nicht feblen durfte, ift felbft 
verftänblich”). Aus ganz Deutfcbland, Burgund, Jralien und Srantzeich 
waren die Sürften und Ritter berbeigeftrömt, ihre Sahl wird übertrieben 
auf 70.000 gefchäut, dazu eine unzählige fhauluftige Menge. Die Dichter 
verberrlicyten diefe Tage der Luft und des Blanzes noch lange in ihren 


406 36. Bapitel. 


Liedern und Erzählungen. Diefes Pfingftfeft war der “öbepunke der 
Wachrfiellung Sriedrich Barbaroffes, ja des Mittelalters überhaupt, und 
mit Redpr durfte “einrich von Veldete in feiner Aeneide davon fingen: 

Dem Raifer Sriederich 

Gefhah fo viel hr, 

Daß man immer mer 

Wunders davon fagen mag 

Bis an den jüngften Tag 

Opne Zügen; ja fürwabr, 

16 wird nodı über hundert Jahr 

Don ihm gefaget und gefthrieben. 


Ylady aufen and das Heich mächtiger als fe da. Alle Schichten 
des Volkes Tonnten ungebemme ihre Beäfte entfalten. Der Bauer, 
obgleich ihm das Waffenrecht verfagt blieb, hatte fid eine glänzende 
wirefchaftliche Stellung errungen; feiner Arbeitsfraft, verdankt man die 
Wolonifierung des flavifchen Oftene. Auf der Winifterislitkt berubte 
die Briegerifche Araft des Aeiches. Diefe Dienftmannen waren zugleich 
die berufenen Abminiftratoren im Reiche: und Srftenbienfte. Sie waren 
aber aud) die Vertreter der idealen Jnrereffen ihrer Zeit. Bine glänzende 
Periode nationaler Dichtung begann, die im fcharfen Begenfaz zu den 
Tendenzen der Kirche ftand. Denn unter Sriedric Barbaroffa harte 
fid) die böfifche Befellfchaft völlig vom Kinfluffe der Eirchlicyen Welt 
anfhauung, deren verdüfternde Stimmung fo bitter und feharf in Otto 
von Steifings Weltchronit zu Tage tritt, emansipiert. Andere Tbeale 
galten jenr: man befang die Wiinne anftart der Tungfräulichkeit der 
Bortesgebärerin, an die Stelle der Buße trat die „Maße und Fuge“, 
das heißt die böfifche Sitte, an Stelle des Blaubens die ritterliche Treue 
und an Stelle des univerfalen Wöndprumes der Rosmopolitismus des 
Rireerume”), 

‚Seeilidy, die Abeinlande nahmen an biefem geiftigen Auffchrounge 
geringeren fähöpferifchen Anteil als andere deutfche Landfeyaften. sier 
am Wittelrhein wer ja das Zentrum der ftaufifchen Wachtfiellung, der 
Schauplas der großen Verhandlungen. Alle Rräfte vereinigten fich bier 
auf die Tntereffen der Politit und der Verwaltung. 

Dody aud) die Poefle und Runft harten am Abeine eine Pflege 
fiicte. In der Bautunft blieb man Eonfervariv und hielt am romanifcen 
Stile fe zu einer Zeit, wo man anderwärte fdyon gorifeh baute. 


Tas Beiralter Feiebeiche I. 407 


Sonft war man bier fremden Einfläffen nur allzu Leicht zugänglich, 
namentlich franzöfifcben. “ier am Aheine hatten die Römer ftarke Spuren 
ihres Dafeino binterlaffen und daher hatten bie Aheinlande einen großen 
Vorfprung vor den andern Provinzen des Deurfehen Keiche. Schon 
1043 lage Abr Siegfried von Borze Über das Eindringen franzöfifcher 
Siere, das Scheren der Bärte, die kurzen, anftspigen Aleidungen ıc. 
Wit den wälfden Sitren drangen au die fremden poetifchen Stoffe 
ein. Die Spielleute, weldye bis ans Ende des 12. Jahrhunderts die 
Träger der Poefie waren, bemächrigten fihh mit Begierde Diefer fremden 
Stoffe. Sie trugen bei feftlichen Belegeneiten zur Ergönung der Bäfte 
bei umd verftanden es, den Gefchmac? des niedrigen Volke forsobl wie 
der Vornehmen zu befeiebigen. Vergebene bekämpfte fie die Kirche. 
ine Bonkurrenz erhielten fie durch Die fahrenden Schüler und 
wandernden Wleriker, die Lorterpfaffen; Vaganten und Golisrden 
werden fie auch genannt. Diefe bedienten fich der Inteinifcyen Sprache 
und redeten in erfter Linie zu den GBebildeen; mochte ihr lieberliches 
Leben noch fo febr anfioßen, fie waren unentbehrlich als Befellfchafter 
und Boten. Aber was fie fangen, war edyte Poefie. Sie fangen von 
Zuft und Leid, von Liebe und Wein, und noch heute Hinge in fröhlichen 
Studententreifen das Lied vom Becher, der in der Schenke fterben will. 
Die Tagesereigniffe bieten ihnen reichlichen Stoff, und an Zehn 
gegen Rom und bie Pfaffen fehle es nicht. Sie flellten fich getreu 
auf Seite des Maifers. Diefe Vaganten find die Lehrmeifter der 
Dichter gewefen, die, wie Walther von der Vogeliveide, in Eräftigen 
Tönen den varerländifchen Standpunkt gegenfiber dem Ultra: 
montaniomus vertreten. 

Wie follten nicht auch am rebenbefränzten Ahein fröhliche Lieder 
gefüngen worden fein! ben jenes Pfingftfeft in Mainz war fir die 
$Entwickelung der Dicytkunft von epochemachender Bedeutung. Dem 
ältefien Sohn des Baifere Yeinrich fehreibr man einige YJinnelieder zu. 
Damals wurden auch zuerft die frifhen naturfreudigen Lieder Heinrichs 
von Veideke befannt. Er jammt aus der Gegend von Wiaftrid und 
war im Dienfte des Grafen von Loos und Kiened, der das Burg: 
grafenamt in Wein bekleidere”). Am Yliederrhein hatte fih die 
ritterliche Siete zuerft ausgebildet; wer fir böff gebilder gelten 
wollte, gebrauchte neben franzöfifchen iodeausdrficken einige vlämifche 
Phrafen wie zum Deifpiel Wieier <elmbrecht, der nicht mehr Bauer 


408 16. Bapirel, 


fondern ein Xitrer fein wollte. “einrich von Veldee war der ‚herold 
ritterlicher Sitte und fein Beifpiel wirkte mächtig. Dem “artmann 
von Aue war er das Wlufter, und der tiefjte aller mirtelalterlichen Dichter, 
Wolfram von Efchenbach, berrauerte den allzu frliben Tod feines Weifters. 
Seinen gauptruhm gewann er aber durch die Aeneide. Den Stoff enmahm 
er einer fransöfifihen Profabearbeitung Vergils. Am Oberrhein hatte 
„eineich der Blichezare fehon früher nach fransöfifeber Vorlage den 
Reinete Suche bearbeitet; aber die drei großen rheinifcben Dichter find 
Reinmar von Zagenau, Bortfrid von Straßburg und Sriedrid von 
Saufen. Yur der lentere gebt uns näher an, denn feine Zeimar it 
Worms. Seit dem Fahre 1140 erfheine in Wormfer Urkunden fowie 
in foldben des aifers Sriedrich I. ein Walther von Zaufen, ein feier 
Gere ale Zeuge oder Ausfteller”). 1159 vergabr er dem Mlofter 
Schönau die Vogtei zu Robrbeim und JI73 wird er als Doge des 
Dorfes Tbersheim (im Areife Worms) bezeichnet”. In diefer Urkunde 
vom Jahre 5373 komme auch fein Sohn Sriedrich als Zeuge vor. 
Diefer Sriebridy it eben unfer Dichter”). saufen Bann forwohl 
Rirfdpgarrshaufen bei Lampertheim, fehräg gegenüber von Worms, fein 
oder Vlectarhaufen, Stich von Mannheim. Seiedrich von Haufen war 
ein Vertrauter des aifers und feines Sohnes &eincih VI. fr 
begleitete IJ86 Sriedrich I. mad) Tralien, wohnte in deffen Gefolge 
im Desember 1187 der Zufammentunft des Baifere mit Rönig Philipp 
Auguft von Srankreich swifcen Jvois und YWiouson bei und ebenfo 
dem Reichstage zu Worms, Dezember J188. Als Kreusfabrer Jeichnete 
er fich durch Tapferkeit aus und fiel am 7. Wai 1190 vor Philomelium. 
Allgemein war die Trauer um ihn, und der vortreffliche Kölner Cbronift 
erteilt ihm volle Lob, indem er ihn einen recbtfchaffenen und edlen 
Wann nennt, der fid) vor allen andern einen YTamen vorzüglicher Ausı 
zeichnung und Ebrbarkeit erworben habe”). 

Auch in feinen Liedern erfcheint er als ein Wlann, der feine 
Zeidenfchaften zu beberrfhen weiß. Wlan möchte faft fagen, die Jorm 
fei ihm wichtiger gewefen ale der Inhalt. Im Begenfar zu der älteren 
volßstümlicheren Dichtung vertritt er fehon mir großer Virtuofirke die 
neuere Funftvolle Richtung. Seine Gedichte find Reflerionepoefte, die 
‚aber durch) die Zinflechrungen feines eigenen Lebens, die Sabrten nach 
Tralien im: Dienfte des Raifere und nach dem heiligen Lande im Dienfte 
Gottes, Garde und Seife erhalten. Am beften gelingen ihm bie 


Das Zeitalter geiedeiche 1 409 


feblichten gefühloollen Lieder, wie wenn ihm, der zu Rof in Welfd- 
land babingiebt, die ferne Geliebte in den Sinn Eomme: 

Id) denfe gern bieweilen, 

&o id) ihr nabe wäre, 

Was ich ihr wollte fagen. 

Das Fürzt mir dann die Meilen, 

Wenn id) ibr all das Schwere 

Darf in Gedanken Flagen. 


Und noch bübfcher: 
In meinem Traum die ganze Yradıt 
Sad ich die wunderfädne Scau, 
Und leider bin id aufgemacht 
Zu früb beim erften Morgengrau: 
Da war fie mir entfähwunden, 
Weiß nicht, wohin fie Ram 
Und all die froden Stunden 
Die Teure mit fih nahm. 
Daran find fäyuld die Augen mein, 
Der möcht idh gerne Iedig fein, 


Spielt bier gehaltene seiterkeit in die zarten Befühle, fo wiegt doch 
der Ernfi in “aufens Liedern vor, und bitter find die Derfe, mit denen 
ex fich wider die Ritter wender, welche das Rerugzeichen auf die Schulter 
gebeftet haben, dann aber unter nichtigen Vorwänden Bort die Reife 


weigern 
Wer's Rreuz erft nahm, zurüd dann Fehrt, 


Ter wird wohl Gott zulept noch fehn, 
Wenn ibm die Pforte bieibt verfpeert, 
Durd) die des germ Getreue gehn"). 


Zur felben Zeit, als der Ratfer mir der Blüte der Ylation nad) dem 
heiligen Lande 309, wurde die Sreude an der deutfcyen Seldenfage wieder 
lebendig. Dis ins 8. Tabrhundert fang man am bein von Siegfried 
und anderen Zelden. Die Rirdye arbeitere mi aller Braft daran, das 
Andenken an die Yelden der “eidenzeis im Bedächmis des Volkes aus- 
sulöfchen, und fie hatte an des großen Razl Eleinem Sohn Ludwwig dem 
Srommen einen nur zu eifrigen “elfer. Aber in Sachfen lebte das 
Zeidenum noch Eräftig fort. “ler fand der “eldengefang Schun und 
Pflege, und es Fam ihm zu gute, daß; die Eriegerifche Araft der Sachfen 
den Kubm’Barls des Großen erneuerte. Die italifchen Seldsüge der 


15. Deo, Die Ruine er eher Mr. 1 n 


40 16. Rapid. 


fächfifhyen Baifer feifähten die Erinnerung an Mönig Theoderich den 
Großen, den Diereicd von Bern: der deurfihen “eldenfage, wieder auf. 
Von Sachfen gelangten die deurfhen Sagen und Lieder zu den 
frandinavifcyen Völtern, nach Polen, Böhmen, Ungarn und Tralien. 
An den alten Bern fegten fich neue Beftandteile. Im II. Jahrhundert 
feine das Vlibelungenlied am YTiederrhein Sftere von den Spielleuten 
gefüngen worden zu fein, während am Mitrelchein und in den fchro&bifchen 
Landen die franzöfifäye Poefle einheimifcy wurde. Vorzüglich aber in 
den bairifch-öfterreicyifchen Landfchaften fand die “eldenfage die befte 
Aufnahme und die eifrigfte Pflege. Sier ift offenbar das Yibelungenlied 
zuerft fehriftlich firiere worden. rft viel fpdter, im 13. TJahrbunder, 
tebrre die Ylibelungenfage wieder in ihre urfprüngliche “eimat, an den 
Abein, zurüc, und nun mögen noch mandye Zufäge gemacht worden 
fein, woburd) das Iofale Rolorit verftärkt wurde. Yfeben der Flibelungen- 
fage war am Abeine befonders die Dierricyfage berühmt. woei Bebidhre, 
der Biterolf' und der Rofengarten, verlegen den Schauplan der Jandlung 
mach Worms. bier meflen ih die rheinifäen “elden: Siegfried, 
Buntber, Jagen ıc. mit den “Helden des Südoftens: Dierrich, Sildebrant ıc. 
Bis ine I5. Tahrhundere wucherte die Sagenbilbung fort”), und zu 
Wapimilians Zelt erneuerte fih das Intereffe für die deutfbe Geldenfage. 

Wie Vorliebe enmahm man zu Worms der deurfchen seidenfage 
die Ylamen, womit man die Kinder rief, vor allen Dingen waren die 
Llamen Siegfried und Dierrih beliebt, beide bis gegen Ende bes 
34. Jahrhunderte, aber fäyon am Anfange des 12. Jahrhunderte vollftändig 
einheimifh”). Zn einer Urkunde vom Jahre III wird eine Bruni- 
hiltwoift erroähne”®). Auch Sagen ijt fehon für das Jahr JISI bezeugt”), 
und der YTame lebt bis auf den beurigen Tag in der hagenftrafe fort, 
die freilich ihren. Ylamen fähwerlich mach dem geimmen “elden der 
Fihbelungenfage erhalten hat. inen Anklang an den Rofengarten finder 
man vielleicht in dem Seren YIorbert der Urkunde vom Jahre 129019. 

Dem Raifer fdyien alles gelingen zu wollen. Wli den lombarbifchen 
Soibren fäblof er einen Vergleich, wodurch er die römifche Aurie ihres 
beften Aüchalteo beraubte, und nod» wichtiger war für die fhaufifcbe 
Wachrfiellung die Errverbung der figilifcen Monarchie. Am 27. Januar 
J186 feierte Bönig “eineich VI. mit Bonftanze, der Erbin Sisiliens 
und Unreritaliens, in Wlailand die ochzeit. Das junge Paar wurde 
mit der Rönigetrone von Tralien gekrönt und “einrich zum Cäfar 


Das eitalter Seiebeiche I. 43 


erhoben. Zwar geriet der Raifer mir dem Papfte nochmals in Streit, 
und in. Deurfchland machte ihm der Tron und “ochmur des Kölner 
Ersbifchofs viel zu fdyeffen, aber aud) diefen Widerftand überwand er, 
und mit $rankreic, das ihn bedroht hatte, fehloß er ein Bildnis. 

Aus dem heiligen Lande Bam die erfehlirrernde Runde, daß Terufalem 
am 3. Öftober 1187 in die “ände Galadins gefallen fe). Ale 
chriftlicdyen Länder gerieten in die geößre Aufregung, die auch jeze nieder 
Rom für feine Sioecde zu benügen gedachte. Allein es kam anders. 
Auch beim Raifer machte fi) die religisfe Stimmung geltend. Auf 
dem Tage zu Wlainz, den 27. Widrz 1188, nahm er mie feinem Sobne, 
Yaer3og Sriedeicy von Schwaben, das Kreuz und mit ihnen viele Sücften, 
Grafen und Ritter. Von Wormfern wied ein Ritter zuge (de Warmatia) 
genannt"), dem im Jahre 1188 Mönig Zeinrich VI. den Schun der 
Gegend von Aachen übertragen hacte”®). Er zeichnete fich durch große 
Tapferkeit aus. Bei der Erftüemung der flarken Seftung Dimorika 
erElomm er als der Erfte mit der Sahne die Wauer (24. Yiovember JJ89)"®9), 

der erfte Brenzug ein Produkt eines Überwälcigenden 
veligiöfen Impulfes gewefen war, durch welchen die gerwaltigfien Volks: 
maffen zu wilder Begeifterung entflamrme wurden, Die aber den bel 
geführten „seerfeharen zum Verberben ausfihlug, fo wurde Diesmal der 
Rreuzzug vom deutfchen Raifer in der forgfälcigfien VVeife vorbereiten; 
dem eigentlichen Geldsug ging eine verveickelte diplomatifche Aktion voraus. 
Ahtte das Befbict es gewollt, fo wäre dem Raifer es möglich geroefen, 
das gefährliche Unternehmen zu Ende zu führen, aber am Jo. Tuni JI9O 
eetrank er beim Baden im reifenden Strom Saleph. Allgemein war 
die Trauer und das Gefühl, daß ein großer “Held geftorben fei. 

Burz nach dem Raifer ftarb am 18. Januar 192 fein gerreuer 
Diener Bifchof Ronrad II. von Worms. Er wurde im S. Laurentiuschor 
des Doms begraben, und zwar im vollen bifchöflichen Ornate mit dem 
Bifchofoftabe zur Seite in einem fteinernen Sarge, auf dem ein cömifcher 
Sargdedel 1ag"®). Ihm folgte Heinrich"), Scholaftitus in Utredhr 
und Propft zu Aadyen. Seit IJ86 war er Ylotar in der Föniglicen 
Ranzlei, dann Protonotar Seiedriche I. und Seinciche VI. bis zum 
3. Frovember 119). HErsbifchof Ronrad von MWiainz weihte ihn am 
23. Sebruar 1192. Doch flarb er fyon am 23. Desember 1195, ohne 
daß ibm Gelegenheit geboren worben wäre, in Worms eine Wickfamkeic 
zu entfalten. 


42 18. Bapirel, 


Piel mehr von fich reden machte fein Ylachfolger Lupold"”), der 
einem frhb erlofdyenen freien Gerrengefchlecht von Scheinfeld entftammıe, 
das feinen Sig auf der Burg Schwarzenberg bei Oberfeheinfeld in Sranten 
hatte. #£r war ein Verwandter des Speierer Bifchofs Ronrad III. von 
Scharfene® und mürterlicherfeire ein Yleffe Ronrade II. von Worme. 
3373 war er Propft zu Yleuhaufen, 1175 Propft zu Wimpfen, 119% 
Dompropft in Worms, 1200 Abt zur Lorfch. Er muß nicht unbeglitere 
geiwefen fein, denn zufammen mit feinem Bruder Sriedrich verkaufte er 
dem Rlofter Schönau ein But zu Lochheim'®). Am 6. Sebruar 1196 
urkunder er zum erftenmal ale Bifchof”), doch in der Urkunde “ein: 
tiche VI. vom 10. Juni 1196 erfpeine er unter den Zeugen mur ale 
Elecrus”®); urs darauf febeint er die Weihe erbalten zu haben’), 

Als Raifer Sriebrich I. feine Areuzfahre antrat, ließ er “eincich 
als Regenten zurhch'®). m YTorden ferte fih diefem seinrich der 
Löwe entgegen, im Süden machte ibm der vom Papft unterfiinte 
Baftard Tanred das fisilifche Mönigreich ftreitig. Wir erfierem fchloß 
er einen Vertrag, und den Papft wußte er durch feine rückjichesiofe 
Potitit zu zwingen, daß er ihn am 15. April 1191 zum Raifer Erönee. 
seineich VI. file fi vornehmlich, auf die Reichsminifterialen, denen 
er die wichtigfien Nemter ünverrraute, während er den Slrften jeden 
Einfluß auf die Keichsverwalrung. verfagte. Sein Plan war; das 
Papftrum dadurch lahmzulegen, daß er die Lombardei und Unteritalien 
beberrfäjte. Gbne Serupel umd Aüchficht verfolge er diefe feine 
Politik. Die geiftlichen Sürften verfiichte er in eine dienende Stellung 
berabzudrücen, und er benugte dafür Die Bifchofewablen. Der Wahl 
ftreit zu Lüttich brachte die Süeften gegen den Raifer in Bervegung. 
Am 33. Januar I192 fand in diefer Sache ein Reichstag in Worms 
hatt. In diefer Stadt war der Baifer beimifc. Schon als König 
hatte er bier am 29. Ylovember 1173, 22. bis 31. Desember 1188, 
4. April 1190 geweilt. m {Mai und Auguft 1392 hielt er bier wieder 
&0f. DBefonders bedeurfam war aber der Aufenchalt einrichs im 
Tuni 1193. Die Reichsfürften batten fich gegen ibn verfchworen und 
planten feine Abferung. Da fiel ihm Richard Löwenberz von England, 
ihr MWiitverbfinderer, in die ände. Im Worms wurde fiber das Loos 
des Gefangenen verhandelt und darauf am 2. Sebruar II94 derfelbe 
aus der Saft entlaffen, nachdem er fih zur Bezahlung eines hoben 
25fegeldes verpflichtet und als Vafall des Kaifers ich bekannt harte. 





Das Heiler Seiebriche I. 413 


“eineichs VI. Traum von der Univerfalmonarchie fehien fidh verwirklichen 
su wollen, als am 26. Dezember 1194 ihm feine Bemablin zu Tefi in 
den Abrusgen einen Sohn, Sriebrich II., gebar. Ylacydem er die Serefchaft 
in Jralien feinen Wiinifterialen anvertraut hatte, kam der Raifer im 
Sommer 3195 nach Deuefchland zurhck. Die Sürften füchte er ducch 
große Verfprechungen zum Verzicht auf ihr Wablrechr zu gewinnen. 
Im Juli 1195 bielt er in Worms &of; einen längeren Aufenthalt 
dafelbft machte er am Ende diefes Jahres (6. bis 13. Ylovember, 
$. bis Jo. Degember). ier verpflichteten fi) die Sürften zur Annahme 
feines Projektes, der Reform der Reichsverfaffung im Sinne einer Erb 
monarchie. sier wurden auch viele Sürften durch die Predigt des 
Rardinals Peter bewvogen, das Rreuz zu nehmen. Allein an der päpftlichen 
und partikulariftifchen Oppofition febeiterte der Plan des Raifers, und 
er erreichte nur fo viel, daf um Weihnachten 1196 fein Sobn Sriedrich 
zu Scankfurt zum König gewählt wurde. Der Raifer aber eilte Über 
Worms, wo er am Io. und II. Juni 1196 zum legtenmal verweilt 
batte, nach Jralien und rüftere gewaltig zu einer Zeerfahrt Übers ieer. 
Da machte unerwartet am 28. September 1197 zu Wieffina der Tod 
feinen Träumen der Allmacht ein Ende. Es war ein Women wie 
jener, ale Seinrich III. ftarb: ein WOendepunte in der deurfchen Befchichtel 


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IT. Bapitel. 


Der Staötfriede 
und die Einwohnerftände in der Stadt. 


€ böber unter den Staufern die Bönigliche 
Macht ftieg, um fo tiefer fan der Einfluß 
der Bifchöfe auf die inneren Angelegen- 
beiten ihrer Städte. Die Verwaltung war 
| völlig in den Anden der Wiinifterialen, 
und feitbem deren Wachrfiellung im Dienfte 
des Baifers ich gefteigert hatte, fühlten fie 
fi) von der bifchöflichen Gewalt ziemlich 
unabhängig. Die Rönige, nicht mehr die 
Bifchöfe waren es, die im 12. Jahrhundert 
fördernd in die fädtifche Ennwidelung 
PD eingeiffen. 

Dadurch) unterfcheider fich die mittelalterliche Rechrsentwoictelung von 
der modernen, daß man damals nicht ein allgemein geltendes Hehe 
febaffen wollte, fondern faft immer nur von Sall zu Gall entfdyied und 
den befonderen Verhälmiffen Rechnung trug. aber erkläre fich auch 
die Wannigfaltigteit der Rechtebildungen. Unter Sreibeit verftand man 
nicht eine für jedermann geltende Kechtsgleichheit, fondern eine Bevor- 
sugung (Privilegierung) des einen vor dem andern. %einrich IV. hatte 
die Wormfer Einwohner für die würdigften vor allen anderen Städten 
erflärt. Sein Sohn “eineid V. fehenkte den Gpeierer Kinwohnern 
noch größere Sreiheiten, worauf die Wormfer nicht rubten, bis audy fie 
vom Kaifer mit neuen Sreiheiten begabt wurden. Am 27. Mai 1182 


15.2000, Die Mate ver een Muh. I ” 





418 17. Bapite 


beftseigee Baifer Sriedeich 1. der Stadt Speier ihre von “einrich V. 
erhaltenen Sreibeiten mit einigen Abdnderungen. Licht lange darauf bat 
er den Wormfern ebenfalls ihre von Seinrich IV. und einrich V. erreilten 
Privilegien beftseige""®), nicht obne daß er der feitherigen Rechrsentwicelung 
Rechmung trug (fiebe oben). Wir haben gefehen, daß die Speierer ihr 
Privileg vom Tabre IIJI in rs gießen liefen und die Wiainzer 
gleichfalls ihren Sreibeitebrief vom Tabre 1118. Auch die Wormfer 
wollten darin hinter ihren VTachbarftädten nicht zurickfteben. Das Ereis: 
runde Geld über dem Ylordporral des Doms zeigt noch jet Spuren 
bildlicher Darjtellung, geriet und gemalt, Ebriftus und zu feinen Seiten 
die zwei Apoftelfücften Perer und Paul. Um die Siguren, der Bogen 
trimmung folgend, fanden fecbs in Wiajuskeln aufgemalse Verfe, von 
denen die zwei Ienten erhalten find: 


Digna bona laude semper Wormaria gaude 
Te mihi sacravit erux, te mihi muero dicavir!a), 


Ueber dem Portale ficben auf Ronfolen zwei Durch einen in der Wirte 
ihrer "Höhe befindlichen Rnic® von der Wand oben abgerückte Säulen, 
deren Bapitelle und reich verzierte Rämpfer bis an die auer reichen. 
Das  dazwoifcbenliegende MWauerfeld it emwas verrieft. Diefe Säulen 
bildeten ‚die Binrabmung der in die. Mauer eingelaffenen Rupferplatte, 
weldye eben jenes Privileg Sriedrichs 1. enthielt. Die Ynfehrife muß 
nocd) am Anfange des 16. Jabrbumderes vorhanden gervefen fein, denn 
Zorn bar eine Abfehrift von ihr gemachr, welche ftarte Abweichungen 
vom Originaltert aufieeift""). 

Obwohl die Duellen für die GBefchichte Friedrichs 1. siemlich 
reichlich fließen, find wir doch über manches nur ungenügend unter- 
richter. Es müffen damals in der Wormfer Diözefe Dinge vorgefallen 
fein, von denen wir nur dunkle Bunde haben. Pfalsgeaf Bontad, der 
Stiefbruber den Kaifere, hatte fich in Jtalien mit dem Erzbifdhof von 
Köln überworfen, und er verfolgte fortan mit grimmem Jaffe den 
mächtigen Rirchenfürften. Darüber geriet er auch mit dem Raifer in 
Bwierracht, dem er wiederholt tronte; 1166 verföhnee er fich mit dem: 
felben. YDie die Rölner Diözefe, fo fuchte er auch den Wormfer Sprengel 
beim. Schwer bedrüicte er die Wormfer Kirche und die Rlöfter, und fie 
mußten von ihm ihr igenrum zurliffaufen, das er ihnen zuvor geraubr 
barre”*). Der Raifer mochte feinen Bruder, deffen Eriegerifche Tüchrigkeir 


Der Sradtfeicde und Die limwohnreflände in der Gtabr. 49 


er fehäsee, fhonen und nicht mir der Yärte eingreifen, die ibm fonft 
eigen war. Aus Andeutungen der Urkunden geht bervor, dafi einzelne 
Kirchen bedeutend gelirten haben") und. daß Äberbaupt Unordnungen 
in Worms vorgefommen fein müffen, indem die Minifterinlen und andere 
fib an Kirchenghtern vergriffen und bie fehuldigen Sinfe nice 
begabten”), Schließlich griff der Baifer mit farter “and ein, denn 
immer bare er fich zur Zaupraufgabe feiner Regierung gemacht, den 
‚Srieden zu wahren und fdon 1152 einen allgemeinen Reichelandfeieden, 
1179 einen Provinziallandfrieden für die Landfchaften am Abein, Main 
und an der tofel erlaffen. Wohl genoß die Stadt an und für fid) 
eines böberen: Sriedene als das Land, aber zuweilen machte fiberhand- 
nehmende Unficherheit befondere Vorkehrungen norwendig. So ftelle 
zum Beifpiel das erfie Straßburger Stadtrecht den San an die Spize, 
daß in der Stadt jeder, Sremder wie Binheimifcher, zu jeder Zeit und 
von allen Srieden haben follte ($ 1). 

‚Leider ift der Seiedensbrief, den der Kaifer angeblid) am 20. Oktober 
1156 der Stadt gab'®), in einer Sorm erhalten, welche der Sorfchung 
faßt_ unldsbare Schwierigkeiten bereitet. Einige Sorfeher haben mit 
großem Scharffinn und Gelebefamteit die Echtheit diefer Urkunde 
befteitten'®), andere mit ebenfo großer Umficht die Echrbeit verteidige'®"). 
Acufere und innere Wertmale machen co zur Bewißbeit, daß diefe 
Urkunde fo, wie fie uns vorliegt, nicht aus der Eöniglichen Ranzlei 
bervorgegangen. fein Bann. ber andererfeits ift unzweifelhaft, daß 
eine edyre Urkunde Sriedrich I. einft vorhanden gewefen fein muß, denn 
dem König Bero IV. lag biefe vor, und Sriedrich II. bat fie in ihrem 
Wortlaut betkrige"®). Der inhalt giebr zu Peiner Verdächtigung 
Anlaß, mir das Prototoll if in vorliegender Saffung unmöglich. 
Vielleicht war das Original auf irgend eine Weife befchädige 
worden; die Stadt har dann eine Ropie anfertigen laffen, die von 
der Böniglichen Kanzlei befiegelt und beglaubigte wurde, ohne daß 
diefe Anftoß an der mangelhaften Sorm (Schreibfehler, unmögliches 
Prorotolf) nahm. 

Die Sorfehung hat fich durch Vorurteile und falfche Vorausfezungen 
irefüheen laffen. Anftatt objektiv und umbefangen an die Duellen heran“ 
zutreten, bat man in ihnen nur DBeweife für vorgefaßte Weinungen 
‚gefcht, namentlich aber vermutete man in den harmlofeften Ausdrücten 
einen Rat der Stadt; fo fon in der Urkunde vom Tahre 1106, dann 


420 17. Bapircl, 


vor allem in unferer Urkunde. Laffen wir alle Phantafien beifeite und 
halten wir uns an die Sache. 

Der Raifer giebt den Wormfer Bürgern einen Baiferlichen Srieden, 
der folgende Beftimmungen enthäle: I. Wenn jemand einen andern inner: 
halb des SriedEreifes, deflen Grenzen ungefähr umfchrieben werben, 
beleibige, fo muß er fid) von der Befchuldigung gegenüber dem Ankläger 
ducch einen Eid reinigen; verweigert, er, zu febroßren, fo bezahlt er dem, 
den er mit Worten befehimpft bat, 20 Schillinge und den Richtern der 
Stadt 19 Schillinge, andy muß er Bärgfchaft leiften, daß er innert 
34 Tagen die Buße besable; Tann er dies nicht wegen Armut, fo foll 
er gepeitfehr und gefchoren und aus der Stadt geworfen werden, in 
welche er niemals zurlichfehren darf. 2. Wenn jemand einen andern 
beraubt, fcolägt oder vermunder, fo har er den Srieden verloren, und die 
fehuldige Zand wird ihm abgehauen. 3. Tötet einer einen andern, fo 
fol cs ibm an den “als geben. 4. Ylimme jemand einem andern fein 
Gur widerechtlid oder fälle ihn innerhalb feines Gofraumes mit Beroalt 
an, fo bat er den Seieden verloren. 5. Uebt jemand gegen einen andern 
voillfrlich ungerechtfereigte Seindfchaft aus, indem er ihn mit nichte- 
würdigen lagen bedroht und fidh weigert, von demfelben Rechtfertigung 
zu empfangen, fo foll er in die Acht des Raifers fallen, und falls er fi 
Überdies anmaßt, in der Stadt zu bleiben, foll er ergriffen und dem ern 
Raifer zur Beftrafung übergeben werden. 6. Greift ein Blirger außer: 
balb der Stadr einen anderen Bürger in irgend einem Örre des Reiche 
gegen die Sagungen biefes Sriedene beunrubigend an, fo foll er fir einen 
Seiedenebrecher gebalten werden, genau fo, wie wenn er es in der Stadt 
gerhan hörte. 7. Will ein Blrger einen anderen wegen irgend einer 
Sache belangen, fo foll er es vor den: Richtern thun und mir dem Spruche 
zufrieden fein, den die Richter nadı-den Beftimmungen des Stabtrechtes 
fällen ımd nicht an ein böberes Bericht appellieren. 8. Zur Berwahrung 
diefes Seicdens follen auf Baiferlidyen Befehl zwölf Winifteristen und 
achtundgwanzig Bürger eingefegt werden, welche die Zeugen über die 
Alagen der Verleger und Derlegten verhören und nach dem Wabrheite 
befund Hecht fprecben follen, und wenn die vierzig Richter in einer 
Sacbe uneinig ind, fo fieht die Fnefcpeidung der Wlajoritk zu. Yen 
aber einer der Richter, fei es aus Rückfichten der Derwandefchaft, fei es 
durch Beftechung oder aue irgend einem anderen Brunbe, einen Schuldigen 
mit böfem Gewiffen flnt oder gegen feinen id einen Unfchuldigen 


Der Gtabefeiede und die AEinwsohnerflände in der Sradr. 421 


zu verurteilen füche, fo foll er, wenn er deffen überwiefen wird, durch 
drei Richter feines Stanbes aus der Benoffenfhaft fimpftich ansgeftoßen 
werden. Ueberbies begable ein fold ungeredhrer Richter, wenn er Der: 
mögen bat, zur Erhöhung feiner Strafe fieben Pfund Wormfer Münze, 
nämlich drei dem Bifchofe, zwei den Kichtern und die übrigen zwei 
dem Vogt (Burggrafen) und Schulcheifen und ihren Unterbeamten, 
die man Amtleute nennt. 9. Auch foll keinem erlaubt fein, einen Bürger 
oder Sremden zum Ziweitampf aufsufordern. Jo. Wenn ein Sremder 
einen Bürger an feinem But oder feiner Perfon beläftige und der 
Beläftigee ihn innerhalb der Stadt ergreift und ihn vor das Gericht 
sieht und deffen Unrecht Bar darlegt, und wenn derfelbe dann durch das 
Zeugnis dreier Richter Überwiefen wird, fo foll er Benugehuung Teiften. 
II. Wir wollen überdies das feft beobachrer wiffen, daf, wenn einer 
eurer Landoleute'”®) (das beißt, ein Angehöriger der Provins) einen 
Bürger in irgend einem Orte des Heidyes angreift, beraubt, verwundet 
oder törer und das Berhcht zu unferen ®bren Bommt, fo dirfen eure 
Bürger ihn verfolgen und, wenn er auf der That ergriffen wird, ihn 
in die Stadt bringen und bier über ihn richten, mie wenn er es in 
der Stade geban hätte. Wenn er aber flicht und von den Dlrgern 
nicht ergriffen werden Bann ımd er in irgend einer Stadt oder Burg 
Zuflucht finder, fo dhirfen die Dinger dorthin geben und ibn von denen, 
die ihn aufgenommen haben, fordern; wird er ihnen dann ausgeliefert, 
Po follen fie im Seieden foregeben; wenn nicht, mögen fie, fobald 
fie Gelegenheit haben, ihn mit Gewalt ergreifen, und wenn der rt 
zu ftart befeftige wäre, fo daß fie feiner nicht mächtig würden, fo 
follen fie ihn umlagern und Boten zu Wernber von Bolanden fchichen, 
damit er ihnen. beiftebe, und wenn durch deffen Hilfe der Ort erobert 
werden Bann, fo ift es gut, wenn micht, fo fol Wernber feine Boten 
mit den eurigen zum aifer fchiden und beflen “ilfe anflehen. 
32. Damit diefer riede in allen Teilen aufrecht erhalten werde, folle 
ibr ale erfte und vorzüglice ‚elfer und Berater haben: Wernher 
von Bolanden, den Visrum'®), Ridyiso, den Schultheißen, den Stadt: 
grafen und die Nichter der Stadt, die euch zur Verfügung fiben 
follen, und wenn etwas gegen biefen Srieden gerban wird, fo 
follen jene, wie_es dem Reiche gesiemt und der Gerechrigfeit, der 
Ehre und dem-Ylugen der Stadt angemeffen ift, es mir euch beffern 
und firafen. 


422 5 37. Ball. 


Wie einft Bifchof Burchard zur Wieberberfiellung des geftsrren 
‚Friedens und der Ordnung feine Befeze erlaffen hatte," fo gab jent 
Friedrich I. den Wormfer Bürgern aus gleicher Urfache einen Stadt: 
frieden. Der Unterfhjied der Zeiten tritt aber deurlich zu Tage. Damals; 
sur Zeit “einriche II., waren die Bifchöfe die Säulen des Keicyes und 
Die berufenen Befchliner des Seiedens gewefen. Unter Seiedrid I. war 
die Wacht des Maifers fo gewachfen, daß er felbft die Bewahrung des 
‚Sriedens in die Sand nahm und von fi atıs in den Bilchofeftädren 
Waßcegeln traf, um das Recht und die Derfaffung neu zu regeln. Der 
Brief Sriedrichs I. für Worms enchält bauptfächlich ftraftechrliche 
Beftimmungen zur Auftechrerhaltung des Sriebens. Sinzelne find fcyon 
im Gefene Burchards enthalten; aber wäbrend dort meift Beldbußen 
für Sriedensbrüche feftgefeat find, fo jent Leibenftrafen. Die Straf: 
gewalt des Raifers ift größer geworden. Gelbft leichtere Vergeben, die 
im II. Jahrhundert noch) allgemein bios mit Geld gefühne” wurden, 
werden im Wormfer Sriedenegefeg mit fdhiweren Strafen bedroht. Die 
Stadr war eben gewachfen; viel Gefindel hatte fih bingesogen, und 
die Sidyerheit von Leib und But war infolge davon mehr bedroht 
als früber, wo ein großer Teil der Bevölkerung unter dem shoftecht 
lebte und durch geregelte Arbeit und beftändige Aufficht in den 
Schranken gehalten werden Bonnte. Durch die fhrweren Straf: 
androhungen follte der Zügellofigteit der niederen Bevölkerung gefteuert 
werden, aber audy der Raufluft der Vornehmen durch das Verbor des 
Bweitampfes in der Stadt. Auch gegen das Sehde-lnwefen wurde 
gleichfalls eingefchritten. Aber die Wahrung diefes Sriedens wird 
nicht bIos auf die eigentliche Stadt befchräntt, fondern auf die ganse 
Gemarkung ausgedehnt. Denn die Stadt mit ihrer Gemarkung it 
fe, wie wir gefeben haben, ein eremter Gerichtebesirk. Diefer Gerichts: 
besir® wird zuweilen auch Sriedfreis genanne. So beißt cs zum 
Beifpiel in dem Sreibeirsbrief, den Mönig Rudolf am 4. Wär 1283 
der Stadt Aarau gab: fo ban mir mah it bere diefe genade und 
dife recht und dife vribeit gefegget und gegeben . . . zu dem erfien 
male ban wir in gefeger unde zu rechte gegeben, day ie vribekreis 
inanc hinnan bin iemer eweclige mardhtes recht haben fol nad) der 
fiat firre unde gewonbeir"®). 

mer legten die Stidre großen Were darauf, daß gegen die 
Urteile ihres Berichte nichr appelliert werden dlirfte. Se war das im 


Der Stabrfeiede und die inwohnerflänbe in der Grad 423 


Tntereffe einer prompten Juftiz. Aber die Statuten diefes Wormfer 
‚Seiedens follten nice nur im engeren und weiteren Gebiete der Stadt 
gelten, fondern als perfönlicyes Recht der Blieger im ganzen Reich. 
Ta, es twird fogar den Bürgern ein weitgebendes Kecbt der Selbjtbilfe 
gegen ausmwäreige Seinde eingerfumt. Zur Gandbabung des Sriedens 
wird ein eigenes Gericht aufgeftellt. Wer die 40 Kichrer wählt, ift 
niche gefagt, jedenfalls gefchab es nichr obne Mitroirtung des Bifchofe, 
dem ja audh ein Teil der Gerichtebußen zufälk. Denn der Rönig 
tonnte und wollte nicht in die wohlermorbenen Rechte dee Bifchofe 
eingreifen. Die Rompetenz biefes Sriedensgerichts befehräntre fich 
wahrfäpeinlich auf die in der Urkunde genannten Säle. Das Stade 
gericht blieb hingegen mach wie vor Tnftanz für die anderen Rechte 
fechen. 

Als Ricyrer follen I2 MWiinifterialen und 28 Bürger gewähle 
werden. Das Zahlenverhälenis it charakterififch für die Zufammen- 
feaung der Wormfer Bevölkerung. Die bifchöflichen Winifterialen 
wären in Worms fehr zahlreidh, aber in voller intracht mit der 
bürgerlichen Bevölkerung, während in anderen Stäbren ein Gegenfan 
zweifcyen ihnen und den Dlrgern beftand. Das Sreiburger Stadtrecht 
$ 16 beftimmee zum Beifpiel, daß Bein Winifteriale oder Mann des 
Serzoge ohne Beroilligung der Bürger in der Gtadt wohnen oder 
Bürgerrecht erwerben dürfe. Krft als die Stadt Worms die Autonomie 
erftrebte, trat eine Spannung zwifcben beiden Ständen zu Tage; bie 
Winifterialen wurden nun zum landfäffigen Adel und waren fortan die 
geborenen geinde der Stadt"). 

Dem Wernber Il. von Bolanden übertrug der Raifer den Schun der 
Stadt. Er geböere dem berühmten Befchlechte der Reichsminifteristen 
von Bolanden an, das feinen Sig am Donnereberg harte. Auch die 
Beicheminifteriaten, felbft wenn fie die bödhften und einflußreichften Sof: 
umd Staateämter befleideren, galten noch im 12. Jabrbundere für unfrei, 
und die Sreiheit Eonnten fie nur durch Sreilaffung erhalten. Aber viele 
von ihnen, fo vor allen die Bolanden, waren weit mächtiger als manche 
Grafen. Sie befaßen große Gliter am Donnereberg und anderswo, viele 
Xeben, und hunderte von Xittern dienten ihnen. Aus der Hrbmaffe des 
lenten Grafen von Yiheing war dem Wernher II. von Bolanden ein großer 
Teil zugefallen"”). In Worms befaß er ein Saus"”), wo er abzufteigen 
pflegte, und fo oft der Maifer in Worms erfähien, fand audh er ich 


424 17. Bapiı. 


dafelbft ein‘). Weil er neben dem Pfalsgrafen der mächtigfte “er 
am Wirrelrhein und mit den Wormfer Verbäimiffen genau befannt 
war, vertraute ibm der Maifer den Schug der Stade an. lach feinem 
Tode folgten ibm in diefer Stellung feine Söhne Wernber III. und 
Philipp"). Eigentlich) wodre es die Pflicht des Burggrafen gewefen, 
den Srieden zu wahren, allein derfelbe fdyeint fid um fein me wenig 
mebr befümmert zu haben. Dagegen tritt der Dicedominue mehr in den 
Vordergrund. In den Urkunden des 12. Jahrhunderts folgt er regel 
mäßig auf den Yurggrafen, und Sriedridh I. nenne ihm J184 zuerft 
unter denen, weldye Die Berichtebarkeit und Gewalt über die Wormfer 
Bürger baben'®). YTeben Wernher von Dolanden wird der Visum 
ale „elfer der Stadt bezeichnet; außer diefen noch der Schultheif, 
der Präfett, das beißt der Unterbeamre des Burggrafen (der fpdtere 
Stadtgreve) und die Richter. 

Alfo unter Raifer Sriedricy giebt es noch Beinen felbftändigen 
Wat der Stadt, fondern die ordentliche Berichtebarkeit und die Der 
walrung liege in den “änden bifchöflicher Beamten: des Burggrafen, 
des Vizrums, des Schultheißen und der Richter. Außerdem gab es 
noch ein außerorbentliches Bericht von 40 Mitgliedern, 12 Winifteriaten 
und 28 Bürgern, dem die Sorge für den Gtadtfrieden oblag. Selbft 
wenn man die Urfunde Sriedriche I. vom Tahre 1156 für uneche 
eriäsen will, fo it die Tharfache der Eriftenz Diefeo Sriedenegerichte 
gleichwohl urkundlich verblirge'®). Die Bedeurung biefer Tnftinueion 
liegt darin, daß die beiden Stände, Wiinifterialen und Bürger, ein 
gemeinfames Organ erbielten, das in Seiten der Unruhen die Tintereffen 
der Stadt Eräftig vertreten Bonnte und das völlig unabhängig vom 
Bifcyof war. Indem der Rönig der Stadt ein foldyes Sriedensgeriche 
gab, war er in unmittelbare Beziehung zur Bürgerfchaft von Worms 
und fchuf damit ein Verhälmis, das man fpäter mit dem Ylamen 
„Beicheunmittelbarkeit” bezeichnete. Diefe Tnftiturion ft aus den 
Bebticfniffen der Zeitverbäleniffe erwwachfen und audy feinesmwegs eine fo 
finguläre Frfcyeinung, wie man gemeint har. YOeit früher als in Worms 
find in den nordftansöfifcyen Städten foldhe Sriedensgerichte eingefere 
worden, suerft in Cambray in revolutiondrer Weife, dann durdy die 
franzöfifcyen Rönige in YToyon, S. Uuentin, Laon u. f. w. Diefe 
Rönige, Ludwig VI. und Ludwig VII, werden mit Recht als Beförderer 
des Bürgerftandes gerühmt. Den Srieden zu wahren, hielten fie als ihre 


er Grodrfricbe und die Rinmohnerfände in der Stadt. 425 


Saupraufgabe, aber dabei wurben alle Rechte der Stadtherren, des 
Rönigs, Bifdyofe, Grafen ıc. vorbehalten"). So war aud) die Politik 
‚Sriedriche I. gegenüber den Städten fowohl eine fortfchrittliche ale eine 
Eonfervative. 

Sehen wie uns einmal die Zinwohnerfchaft von YOorms näher 
an. in einer Urkunde, welche der Bifchof "ermann von lüfter zu 
Gunften des &. Andreasftiftes in Worme um 119 auoftelle'®), 
werden unter den Zeugen zuerft einige vornehme aussokztige Beifliche 
genannt, bierauf ein Graf, fodann folgen unter der Aubrik: 
Wormaciensis quoque civitatis tam ecelesisstice quam seculares 
persone zuerft die geiftlichen Perfonen, dann die weltlichen; von 
diefen werden die !inifteriaten mit YTamen genannt, worauf es 
beißt: alique quam plures tam clerici quam layci tam nobiles 
quam de plebe cives Wormaciensis civitatis, ministeriales quoque 
domini Wormaciensis extra civittem in rure habitantes: alfo 
Beiftlidye und Weltliche; Ientere werden in inifterialen und Blrger 
gefähieden und fehließlid find noch die auf dem Lande lebenden 
Winifterialen des Bifchofe erwähnt. Anderemale werden Clerus, 
Familia und Populus unterfchieden"®), wobei Familia die Winifterialicät 
bedeutet. Urfprüngtich aber umfaßte der Begriff Familia forwohl die 
Geiftlichen, ale die nach_dem „ofrechr lebenden Laien. Aus diefen haben 
fi im 31. TJahrhundere die YWiinifterinlen al befonderer Stand aus- 
gefondert. Die boftedhtliche Bevölkerung heißt concives'®). Der 
tehnifdye Sinn diefes YOsrtes veränderte fich aber im Kaufe des 
32. Jahrhunderte, und er bedeurer nur noch Wiitbiirger oder Derbürgerte!"®”), 
oder es Bann auch in Bezug auf die geiftlichen Stifte und Riöfter 
Scyungenoffen beißen. Die auf Eirchlicyem Boden nady softedht 
lebenden inmohner der Stadt haben auf die ftädtifche Entwickelung 
gar feinen Einfluß gebabe”*). Der Ausdruc® Civis bat eine weitere 
und eine engere Bedeurung; er begreift zuweilen die Beiftlichkeie in fich, 
welche äufer in der Stadt befine”), und die Wlinifterialen. &o 
wird zum Deifpiel fchenbert in der Urkunde Burcharde II. vom 
Tabre 3325 ausdrüclic als Bürger (hulus urbis nostre civis) 
begeichner"*@), obwohl er einer Winifterialenfamilie angehörte. Aber meift 
wird civis im engeren Sinne gebraucht und ift gleichbedeutend mir 
burgensis. Wer nady Stadtrecht erworbenen Kigentum befint und das 
Biirgerrecht erworben bar, der ift Drger. 


1. Ben, Die Autnue vr ehiifäen Gt “ 


426 37. Bapitel, 


In den Zeugenfiften werden am Anfänge des 12. Jahrbunderes 
mir Kamen nur Geiftliche und Wiinifterialen aufgefüber; die Blrger find 
in der Sormel alli oder ceteri quam plures de burgensibus inbegriffen'®"), 
5 ift vielleicht erlaubt, anzunehmen, daß in der Zeugenlifte der Urkunde 
vom Jahre 1106") auch Bürger vorkommen, aber eine Ausfcheidung 
der beiden Stände zu machen, ift in diefer und auch in anderen Urkunden 
unmöglich. In der zweiten &älfte des 12. Tahrhunderte werden die 
Dürger Sfters als Urfundenzeugen herangezogen und ihnen eine befondere 
Aubrit eingerfumt, zuerft J160, wo es fi) um einen Pachtvertrag nady 
Staderechr bandelt”®). 1182 eren fie zum erfienmal in einer Baiferlichen 
Urkunde als Zeugen auf"). Diefe Bürger führen wie die Winifterialen 
im 12. Jahrhundert in der Regel mur einen YIamen, und zwar meift 
einen deutfeben, feltener den eines seiligen. +Aufiger Eommen folgende 
vor: Absecht, Arnold, Berchoid, Burchard, David, Diermar, Dietrich, 
Dirolf, belinus, Eberhard, Keberr, Bdehwin, Emiche, Engelmann, 
Berbobo, Gerhard, Berlad, Gernod, Gifelbert, Bodelmann, Gottbert, 
Gottfried, Bogmann, Bose, Bumpert, “Herbert, Zerrich, Zesel (Rofe- 
form von “einrich), Jakob, Tobannes, Liutfried, Ylibelung, YTicolaus, 
Richer, Ridyeso, Rupert, Ruchard, Siegfried; Sigebodo, Sigelo, Volso, 
Wilhelm, Wolfram, Zeizolf. Beliebr war der Ylame Wernber, aber 
ganz auffallend häufig find die YIamen “einrid) und Ronrad. Wohl 
find dies audy in anderen deurfiben Landfehaften gern gebrauchte 
Tamen, aber wenn fie in Worms vor allen anderen bevorzugt wurden, 
fo darf man wohl an die großen Träger diefer YTamen aus dem 
falifcen Befchledhre erinnern, das fa in Worms feine “eimar hatte. 
Zuft am Ende des 12. Jahrhunderte Bommen eigentliche Befehlechre: 
namen auf, meift nach Örtsnamen gebildet, die Serkunft bezeichnend 
oder nach ®ertlichfeiten in der Stadt, zum Deifpiel: hinter der 
Garküche, vor der Wlnge, in der Wollgaffen 1c.; oder nach 
Börperlichen Migenfehaften, wie: Longue, der Lange, Rufus, der 
Rote ıc. Das vornehme Bürgergefchlechr Jude, welches fon am 
Ende des 12. Jahrhunderts urkundlich vorfomme, it nicht enoa von 
einem befehrten Juden abzuleiten; entweder ft cs ein Spigname oder 
mod) wahrfeheinticyer hängt es mit dem althochbeurfchen Judo, Rrieger 
(welche Wurzel auch im Srauennamen Turta, Judih enthalten if), 
zufammen. Der Ylame Jude ale Befthledhrename Bomme auch in Röin 
und Wainz vor"). 


Der Grabrfriebe und bie Einwohnerfände in der Grad 427 


Die rechtliche Stellung der Winifterielen haben wir bereits berührt. 
Kür die rdrifche Entwichelung hatten fie namentlich) als Beamte Bedeurung. 
30 und Wine gehörten zwar als Regalrechte dem Bifchof, aber die 
Stadtgemeinden haben diefe Regale verhälmismäßig [eben früb in ihre 
and betommen. Zjn den Wormfer Urkunden find bis zum Tahte 1182 
die Söliner unter die Yiinifterialen eingereibt, in der Zeugenlifte der Urkunde 
Seiedriche I. vom Tahre 1182 hingegen unter die Bürger: Cives 
Wormacienses: Wernherus thelonearlus 1c.%); ebenfo in Straßburg 
120”), in Speier 1217“). Alfo muß fehon am Ende des 12. oder 
Anfang des I3. Jahrhunderte in diefen drei Städten die Zollerbebung 
in die 4nde der Bürger übergegangen fein. 1208 trafen Worms und 
Speier mit Einoilligung der Bifhöfe Lupol® und Ronrad gemeinfchaft: 
liche Anordnungen tiber die Zollfäge'“). Aus der Art der Darierung erfieht 
man auch, daß das Amt des Zöliners jährlich gewechfelt haben muß. 
Laut dem Straßburger erften Stadtrecht, das dem Ende des 12. Fahr: 
hunderte angeböre"”®), mußte ber Zöllner alle Brücken in der Fleuftade 
anlegen und unterhalten, damit jedermann mit Wagen und Saum 
toffen fidyer Darıber geben Eönne; in der Altftadt Lag diefe Pflicht dem 
Burggrafen ob ($ 58), der zum Entgelt dafür einen Anteil der Zoll: 
einkünfte erbiel. Min Teil der Zolleinkünfte wurde demgemäß im 
Öffentlichen Ylumen verwendet. Wit dem Zoll wurde im ilittelalter, 
wie wir gefehen haben, fürchterlicher Mißbrauch getrieben und durch 
die unfinnige Wienge der Zolfftärten, durch Die “she der Zollanfäne 
foroie durch die Unüberfichtlichkeit des ganzen Bollfyftems der Verkehr 
bis zur Unerträglichteit efäymert. Aber immer war man der Wieinung, 
daß; der Zollererag eigentlich für die Unterhaltung der Strafen verwender 
werden mügfe"®). 

Dem Söliner liege aber auch, wenigfiene nad dem Straßburger 
Stadtrecht $ 58, die Aichung aller Waße ob. Wie auf dem Gebiete 
des Wiünzwefens, fo berrfchte auch auf dem des Maß: und Bewichte- 
wefene im Wiittelalter große Zerfplitterung und Verwirrung, fo daß 
mit Bedr die Streitftage aufgeworfen werden Eonnte, wer denn 
eigentlich, dem Staat oder der Mirche, die Rompetenz Über Meß 
und Gewicht gebühre"®). Die fräntifdyen Rönige waren die Erben 
der zömifdyen Baifer. Demgemäß nahmen fie aud) die Öber- 
aufficht über Maß und Gewicht in &Anfpruc. Marl der Große 
berrachtere die Regelung des Waf- und Bewichtswefens als Regal, und 


428 17. Ball. 


wenn fehon der Schroerpunft all feiner wirrfehaftlicen Bemühungen in 
der Vleuordnung des Wing: und tWierkrwefens lag, fo war flr beide 
doch die Hegulirung dee Maß. und Bewichrefiftems Vorausfenung. 
Denn die Grundlage der Wlänze ift ja ein fetee Eemwichtefpftem'®. 
Allein eo gelang dem großen Voloßönig nicht, fein Jdeal der Wirtfchafte 
polici® auch nur anndbernd zu verwirklichen umd noch weniger natlırlid, 
feinen Ylachfolgern. Schon unter Ludwig dem Srommen war eine 
allgemeine Unficherbeit auf dem Bebiere des Mlnzı, Maß- und Bewichte- 
wefens eingetreten. Die Broßen benugten ihre Geredhtfame, um die 
Schwachen zu unterbrüichen. Doch das Aönigrum hielt im Prinzip an 
feinem Bechte feft. Yun beißt eo in dem Privileg Ludoige des Deurfeben 
für die Wormfer Rirdye vom 29. Januar 856): Wir fehenten die 
gange Wlünze, das Rönigemaß, welbes Staufchorn genannt wird ıc. 
Afo wird das Waßfyftem zu den Böniglicyen Regalen gerechnet. Auf 
den Eöniglichen Domänengütern wurden zur Zeit Rarls des Brofen wie 
(don zur Römerzeit auf den Märkten KTormalmape und Flormalgewichre 
aufgeftellt, um bei vorfommenden Streitigkeiten zur Entfcheidung benugt 
zu werden”). jn Worms zum Deifpiel ift am GOftcher des Dome 
durch zwei in die Mauer eingelaffene eiferne Warten das Yormalmap 
der Wormfer Eile angebracht = 54 Tentimerer"®). Sr die Benunung 
diefer YTormalmafe wurde eine Beblihr erboben'“), und eben diefe 
Gebühr überließ, forsie die Errrägniffe von Zoll und Wlnze Rönig 
Ludwoig der Deurfihe dem Bifchof von Worms. m Laufe des 9. und 
0. Jahrhunderts gelangten die Röniglichen Regalcechte in den Defiz der 
BirdhSfe, und diefe verfügten nun woie Über das Wlınz-, Zoll: und Markt: 
wefen, fo aud) über das Maß: und Bewichtefsftem, und wie aus dem 
Straßburger Stadtrecht hervorgeht, übten fie diefe Aechte durch ibre 
Beamten aus. Die Negelung des Wiaß- und Bewichtsmwefene it aber, 
wenigftene im Prinzip, noch immer bie in das J3. Jahrhundert lediglich 
Sache der Öffentlichen Gewalt. In Wainz liege dem Wünzmeifier ob, 
die Wagen, Bewichte und Ellenmaße zu prüfen, fie in Begleitung von 
einem Richter und zwei Bürgern zu unterfüchen und wegen unrichtiger 
Maße und Berichte zu frafen; die anderen Maße prüft der Rämmerer, 
der den Aichmeifter su befellem und alljährlich den Stempel zum 
inbrennen anfertigen zu laffen bat. Der MWartrmeifter mit einem 
Doren des Rämmerers prüft diefelben‘”). Audy in Speier bat der 
Wängmeifter die Revifion von Map und Bewidht. Später hbr der 


Der Gtadrfritde und Sie Rinmohnerfänbe in ber Gtabt. 29 


3öliner die Aufficht fiber die Gronwage aus, die Yeimburger Eonmollieren 
die Wlaße, und der Rat ift dem Bifchof für rechtes Wiaß und Gewicht 
verantwortlich. YOurde das Stabtmaß erneuert, fo fand dem Bifchof 
das Recyr der Pihfung und Aicung zu). Denn der DBifchof ift 
noch immer Tnbaber der böchjten Bewalt, und der Rat erfülle gerwiffer- 
maßen bie Junkrion eines bifchöflicben Beamten. In Yosrms endlich 
teoibierten die Zeimburger in ibren Pfarreien die Maße, und zwar im 
Auftrage des Rates”). Markt, Zoll, Münze, Maß und Gewicht gehören 
zufammen. Dem Bifdof waren die Regalrechte verlieben worden, aber 
aus der "and des Bifchofs gleiten fie faft unmerklich in die sAnde 
des Rates), 

Der Bebeurung des limzwefens für die wirefchaftlichen Verhälmiffe 
einer Stadt entfprechend, nimmr der Ylnzmeifter in den Bifchofsftädren 
eine wichtige Stellung ein“). Auch er gehört urfprünglich dem Stande 
der Winifterialen an. In den Urkunden Lomme er nicht fo häufig vor, 
wie der Zßfiner: 1379 Heinricus monetarius“), 197 Sigefridus 
monetarius’®), 1233 Sigelo monetarlus, der aber unter die Cives eingereiht 
iR). Erft aus der Urkunde Sriedriche I. vom Jahre J365 erfahren 
wir über die Wünge in Worms näheres. 

Die gewaltige volfswirtfehaftliche Reaktion des Jo. Tabrhunderre 
zeige fich namentlic im Wänswefen. Das VolE hatte das größte 
Wißteauen gegen das gemtinzee Beld; andere Zahlungsmittel, YTarmalien, 
Taufd ıc., hatten größere Bedeutung, und alle Befehle und Anftrengungen 
der Aönige, das Geld im Kurs zu erhalten, niten wenig. Wiebe und 
mehr 305 fich das gemlmzre Bold und Silber aus dem Verkehr surlic, 
und die Hdelmeralle hatten, wie in der alegermanifehen Zeit, nur in der 
Verarbeitung zu Runftwerten einige Bedeutung. In den Schantammern 
der Bönige und ircyen fpeidyerte man wieber, woie in der Seldenzeit, 

auf, Schalen, Becher, Ringe u. f. w.; mir diefen belohnten 
die Serren einen Dienft. Wlußte man erwas bezahlen, fo zerbrach man 
wobl einen goldenen Ring oder eine Merte. Gemlinztes Geld befaßen 
nur wenige. 

Unfere Renntnis des deutfihen Wlinsmwefens wäre fehr unvoll£ommen, 
wenn wir nur auf die in Deurfchland gefundenen Wänzen angewiefen 
wären; doch weit zablreichere und wichtigere Milnzfunde find auf 
flavifcyem Boden gemacht worden'”®), deren Zufammenferungen böchft 
intereffant find. Da finden fid friedlich zufammen römifche Denare, 


430 37. Bapire. 


deutfebe Wilinzen, italifche, englifcbe, Bysanciner und arabifche Wiünzen. 
Diefe Sunde beftäcigen, was wir auch fonft fon wiffen, wie bedeutend 
der Zandel mit dem ftavifchen Often war. 

Der Minzfuß der deuefchen Münzen bis ins 12. Tabrbundere ft der 
von Warl dem Großen eingeführte, wonady aus dem Pfunde Silber 
(367,2 Gramm) 240 Denare gefchlagen wurden, fo daß der Denar 
1,53 Gramm wiegen follte. I2 Denare gingen auf einen Schilling, der 
fedoch nicht geprägt wurde, fondern nur Rechnungsminze war. Beprägt 
wurden blos Silberdenare und halbe Denare. Die Technik war eine 
böchft unvollfommene, fo daß das Brwicht der Denare den größten 
Schwankungen unterliegt und nicht minder die Bröße der Wünzen. 
Don Wormfer Münzen befigen wir aus dem Jo. und IJ. Tabrhunderr 
folgende"®): Waifer: Oro II. oder IIN., “einrid II, Zeinricy TIL, 
Geineich IV.; DBifdhöfe: Arnold, Adalbero, Adelberr, Eppo. Der 
‚Avers seige meift einen Mopf mit Tinfchrift oder au) eine Rieche, der 
Aevers ein Rreuz mit einer Mugel in jedem Winkel; feit Zeinric II. 
ein Rreus mit einer Rugel in drei Winkeln, im vierten Winkel aber 
ein von einem Jalbmonde umfcloffener Beil, das charakteriftifche 
Bennzeichen der Wormfer Wlünzen'”). 

Die Münze ift Regal, res iuris regalis heißt eo in der fchon mehrfach 
erwoähnten Urkunde Ludwoige des Deutfchen'®“). Zuerft verfebentten die 
Aönige den Bifdyöfen blos die fiskalifchen Lrrrägniffe der Münze, erft 
fpärer, im IJ. Tabrbundert, ließen die Bifchöfe Wünzen mit ihrem 
Bildnis ausprägen. Ylur auf größeren Warkepligen, zumal in den 
alten Aömerftädten am beine, machte fich ein Bedhrfnis nad gemimzten 
Gelde fühlbar. <ssier war die Münze ein gewinnreiches Befchäft. Der 
aber auch im Beflze des Wihnzrechtee fein mochte, immer galt bis ins 
32. Jahrhundert hinein der Rönig ale der Winzherr. {Er verleiht die 
Minze und erläßt Verordnungen über das Wünzwefen, beftimme Beroicht 
umd Bepräge. Sreilich übt er Diefe Jobeitsrechte mehr nur in der Theorie 
als in der Praris aus, denn die Inhaber der Wlnzen verfübren ganz 
nady Willkür, immer nur den eigenen Vorteil im Auge bebaltend, und 
fo entftand jene große Verwirrung des Wlnzwefens im Witrelalter, die 
ein Zauptbemmnis des Verkehrs war. jedoch hatten die Rönige fich 
noch im 33. Tabrhundere das Hechr gewahrt, fo lange fie in der 
Bifchofoftadr weilten, Zoll und Wlınze zu ibrem Vorteil aussubeuten, 
und fle machten von ihrem Rechte Gebrauch)”, 


er Stadrfriebe und bie imwohnenflände in ber Stadt. 431 


" Die Aushbung des Mängrechres bot Schwierigkeiten genug: einmal 
die unvoll£ommene Techniß, dann der angel an Prägemarerial. Wie viel 
Gold und Silber ift nicht in den fdhlimmen Zeiten der FTormannen- 
und Ungarnnor außer Land gefhleppt, und wie viele Wünzen find nicht 
vergraben worden! Einen Ausfuhrhandel in gold: oder filberreiche 
Länder gab es nicht; der Bergbau fkand auf fehr niedriger Stufe, und 
erft feit dem II. Jahrhundert wurden die Silbergruben im ar ergiebiger 
ausgebeuter””). “Unbedeutend war die Wlafle des Goldee, das im 
Rheine gefehlemme wurde‘). Die berefchende Unficherheit machre 
auch einen Transport von Fdelmerallen unehunlich. Da balf man fich 
auf andere Woeife. 

Mir dem Wilnzrecht war nämlich das Wechfelredyr verbunden. 
Bein $cemder oder Einheimifcher durfte mit ungemünztem Silber Yandel 
treiben, obne daß er es zuvor der Wilinze zum Kaufe angeboten hätte. 
Und keiner durfte aus der Stadt Silber in Die Scembe mimehmen ohne 
Erlaubnis der Wönze. Auch der Boldfehmied follte nur fo viel Silber 
kaufen dlrfen, als er für fein Zandiwer® gebrauchte”), infolge des 
Mangels an Edelmerallen war es vielen Wlnzinabern fattifd) unmöglich 
gemachr, ihr Mlnzeecht auszuüben. 

Die {Wüngen der exften meromsingifcben Rönige find den rämifchen 
nachgebilder. Sie Übernahmen mit dem Münzregal und den Wilnzftätren 
aud; die römifchyen Wünzer. Zu Theudeberrs Zeit Lomme auf den 
Wünzen der YTame des {ionerarius vor, offenbar eine Rontrollmaßregel. 
Aber erft Durdy Barlo des Großen fdyöpferifche Gefengebung komme 
Ordnung in das Minzwefen. Ylun erft wird es unter ftrenge Bönigliche 
Aufficht geftelle und die Thärigkeir des Wihnzers in ein Ame, Minifterium, 
umgewandelt. Der Wihnzer wird zum YWinifterial dee Rönige. Er 
darf nur Öffentlich und auf dem für diefen Zwec beftimmeen Plag 
möngen, damit alle ibn Eontrollieren Eönnen. Der König beftimmee, daf 
Die Grafen, in deren Amtsbezirk eine Wyhnsfidere fich befinder, verläffige 
Minger auserofhlen follen, obne Ahdficht auf Bevorzugung und 
eigene YOünfche oder eigenen Vorteil zu mebmen, bei Gefahr, Gottes 
und unfere Gnade zu verlieren. Die Münzer follen fdhwören, daß fie 
ihr Amt nad) befiem Yoiffen und Rönnen verfeben und feinen zu flark 
verfegten ober unterwichtigen Denar ausprägen. Auch follen fie ohne 
Berrhgerei und unerlaubte Munfigriffe denen, die ibnen Silber zur 
Reinigung beingen, dasfelbe reinigen und ohne Berrligerei, forwohl beim 


432 17. Bapiel, 


Wechfel mit der YOage, als bei der Reinigung, verfahren. Der aber, welcher 
gegen diefen $Eid zuwoiber gehandelt zu haben befehuldigt wird, foll fich 
durdy Bortesurreil reinigen. YOird er des Vergebens überführt, fei es, 
daß er fehlecdhre Minze fehlug, fei en, daß er beim Wechfel oder 
Reinigen des Silbers am Silber des Neichen ober der Mirche oder der 
Armen Unrerfehleife begangen hat, fo foll er wie ein Salfehmünger die 
Hand verlieren und der Öffentlichen Buße nad) bifdöflichen Urteil 
unterliegen”). Dadurch wourde dem Münzer eine fefte, ebrenvolle Stellung 

Dem Wünzmeifter unterftand eine Anzahl Befellen, die unter 
feiner Zeitung arbeiteten. Je mehr in den großen rheinifen Städten 
der Verkehr ich hob, um fo höher hob fid auch die foziale Stellung 
des Wünzers, und diefe wurde befeftige, als fich die Winzer einer Stadt 
au einer Rorporation zufammen thaten. 

Zur Zeit Rarlo des Großen überroachte und vollyog der Wlünzmeifter 
noch felbft die Leitung der Wiänze in sechnifcher Beziehung, die derbeir 
febaffung deo SEdelmeralles auf Rechnung des ilmzheren, die Mifchung 
der Wietalle, die Prägung derfelben; iym waren handıvertemäßig gelernte 
Gefellen untergeordner. Als nun der Wlarkt, Zoll und Whnze vom 
König dem Bifchof gefchentt wurden, fo wurden auch die Perfonen 
mitgefehenet, die mit diefen Regalrechten befdhäftige waren. Der Stand 
und die Stellung des Whngers blieben diefelben veie zur Barolingerzeit, 
‚aber feine Wacht nahm zu, und er gebörte num su den einflufßreichen 
Stadtbeamten und den reichften Hinwohnern der Stadt. Zugleich war 
der Wiünzmeifter Vorfteher der Hausgenoffenfhaft. «ausgenoffen beißen 
fie, weil fie Benojfen waren, die ein “aus befaßen, die hänge!" 
Diefe Lomme in Worms urkundlidy fhyon 106 vor"*). ie fand auf 
dem Wiarkt, da, wo nad) dem großen Brande vom Tjabre 1689 die 
Dreifaltigkeitsticche errichtet worden war. Die Mlınzer waren Minifterialen, 
und in Worms wurden ihnen ihre Rechte durch das Privileg Seiedriche I. 
vom 24. September II6S beftätige"*). Wenn ein Raifer oder König, 
beißt es darin, nadı YOorms fomme und dem llngmeifter Silber 
fbergiebt, damit er aus demfelben Pfennige präge, fo foll der Zöllner 
Roblen dazu liefern und der Wilinzmeifter Werkleure mit ihrem Geräte 
ficken, damit man Bildniffe auf die Pfennige madye. Bommt der 
Raifer oder Rönig mit großem Gefolge nach Worms, und bat alsdann 
der Bifcyof nicht Diener genug, um dem Raifer oder König aufjuwarten, 
fo follen die Wnzer von der Wlinze, Die da ift eines Raifers Rammer, 


Der Sradrfeiede und die Einwohnerflände in der Sradr. 435 


die Stelle der Diener ausfüllen; doch foll man ihnen nur die Dienfte 
eines Warfehalle, Schenten, Truchfeflen oder Rämmerers zumuten und 
feine niedern'”). Auch der Erzbifcof von Wiens harte das Hecht, 
im Salfe eines Rriegswuges die Zausgenoffen zur Sur feines Lebens und 
feiner Rammer zu fordern”). Wer, beife es im Wormfer Privileg 
weiter, in die Befellfehaft der Wormfer Gausgenoffenfcpaft aufgenommen 
wird, fol eine halbe Unze Boldes geben zur Vergoldung des Bifchofs: 
ftabes, ferner dem Ylnzmeifter einen goldenen Pfennig und dem Rämmerer 
einen. Defist er Beine Goldpfennige, fo Tann er dafür 5 Schillinge 
sablen. In MWains ift der Rämmerer die oberfte Auffichtebebörde der 
Wänge. Ylad) dem vorigen Artikel fheine er in Worms die gleiche 
Sur erfülle zu haben. Wan foll Beinen !Mlnzer zu einem Stadt: 
amte ober zum Schöffen erwäblen, außer mit feinem Willen”). Die 
Winzmeifter follen dem Bifchof an den drei hoben Sefttagen Weib: 
machten, ©ftern und Pfingften drei Pfund Pfeffer geben‘). 

Der Vorgefergte der “ausgenoffen ift der Wifinzmeifter, der einmal 
die Aufficht über die Wiünze führre und dann eine Gerichtsbarkeit hatte. 
Er foll dem Bifcbof überliefern, was in der Mlnze gewonnen wid, 
und folt daffır enefpredhenden Lohn empfüngen. Befehuldige der Bifchof‘ 
den Weifter, daß er mehr gewonnen babe, ale er ablieferre, fo foll er 
fib von diefer Anklage mir einem Bide reinigen. Bäme die Minze fo 
febr herunter, daß fie feinen lugen mehr abrolirfe, fo foll der Bifdbof 
Die YWlinger zufammenrufen und ein Urteil von ihnen fordern, daß man 
zwei Wann, die zum Amte tauglich find, ermäble und den gefhickteften 
von ihnen an eines Weifters flatt fente, der die ganze Woche bis am 
Samstag zur Vesper die Wlnze, fo gut er Bann, beforge. Und was in 
diefer Zeit in der Minze gewonnen wird, das foll der Weifter dem 
Bifchof Überantworten, und foll der Bifchof dem YWieifter zum Lohne 
drei Schillinge geben und feinem Lehrfnecht feche Pfennige. 

Die ausgenoffen befaßen einen privilegierten Berichteftand für fich, 
ühre Samilie und ihr Befinde. Der Wlnzmeifter ift der Richter, die ünzer 
‚oder ausgenoffen find die Urteilsfinder. in Worms unterlagen aber 
alle Sacyen, die Ehre oder Leib betrafen, wie Torfehlag, Verwundung, 
Diebftahl und Wlnsfälfhung, dem gewöhnlichen Berichte. Tebhrlich hält 
der Wiünsmeifter drei ungebotene Dinge. YWelcher Münzer die drei Dinge 
verfäumt, zahle fünf Schillinge Buße. Auf diefen Berichtsragen wird 
alles verfäumte Recht und alles Ungericht gerügt und gebefferr wein; 


15. Beer, Die Rune vr chin a. L 





434 IT. Bapieel, 


was die Wünzmeifter nicht ausrichten Eönnen, follen fie an den Bifchof‘ 
ziehen. Die Münzer dürfen nur in bifchöfliche “Haft gefene"“') und 
mir durch ihren Lebrfnecht vor das Gericht des Bifdyofs geladen 
werden. Zn anderen Stäbren hatte bie Beridytebarkeit der auegenoffen 
einen weiteren Umfang als in Worms, aber überall galt es als eine 
ihrer wefenelichften Aufgaben, Wünzfälfbern nachzufpfiren und fie beim 
ordentlichen Bericht zu verklagen. Berade wegen Diefer Aufgabe wurde 
auch fpärer die Befellfehaft der Zausgenoffen geduldet, und man ließ 
ihnen ihre Privilegien, volhrend fonft alle anderen jtädtifdhen Rorporationen 
von Reiche wegen verpdne waren. Geit der Römerzeit war die Strafe 
für Wünsfälfhung das Abfchlagen der Land. Später wurde dann 
daflır das Sieden in Bel oder Waffer beliebt. Golden graufamen Tod 
erlite zu Worms am Jo. Juni J493 ein junger Befell aus Erfurt, bei 
dem falfche Wänzen und Wihnsftempel gefunden worden waren“). 

Die Münzer befaßen das überaus gewinnreiche Privilegium, aus 
feblieplich in den Städren Geld wechfeln und mir Hdelmeratlen handeln 
zu dlirfen. Dei den zahlreich im Umlauf jich befindenden Wihnzforten 
und der bäufigen Umprägung der Wünzen waren die YWihnzer ale 
Wechsler den Baufleuten unentbehrlich. Zunweilen, voie in Worms, mußten 
fie freilich mit den Juden das Privileg des Beldroechfele reilen'”®). 
Baifer Sriedrich I. gewährte den Wormfer Wiimzern zudem noch auf 
den Königlichen Wärkren in Ladenburg umd Wieslody das ausfchließliche 
Wedhfelrecht'®). 

Hauprfächlidy durch ihre Thktigkeit als Bankiers und Rapitaliften 
erlangten die Wünger oder Jausgenoffen eine bevorzugte gefellfchaftliche 
Stellung in vielen Städten. Sie gehörten zwar ihrem Geburtsftande 
mach zu den bifchöflichen Wiinifterialen, aber infolge ihrer Befchäftigung 
verwuchfen fie doc» mehr und mehr mit den reichen birgerlidhen Samilien 
und wurden felbft zu privilegierten Bürgern. Audy dem Bifchof gegen: 
über nahmen fie allmählich eine faft unabhängige Stellung ein. In den 
Rämpfen der Bhrgerfchaft mit den Bifchöfen bielten fie freilich in der 
Regel zu den Ienteren, ohne fi) indes aus der Stadt drängen zu Iaffen. 
Sie bildeten den Brundftoc® der Beflechter oder des Patrigiars und 
befaßen lange im Nate ein Uebergewicdht, dem erft die demofratifchen 
Bewegungen des I$. Jahrhunderte ein Ende machten (fiehe unten)"®). 

Kine ähnliche privilegierte Stellung wie die Mlnzer genoffen in 
Worms aud) die Yölldiverker oder Rüirfähner. Wir find leider darüber 


er Srabrfeicde und bie Linwohnerfände in Ser Seas. 435 


nur feplechr unterrichtet und woiffen bIos, Daß auch fie eine Sausgenoffenfchaft 
bildeten und daber eine befondere Rechteftellung batten'“), ähnlich wie 
zum Beifpiel in Mainz die Tuchbändler, welche zu den „Alten“, das 
beißt den Befchlechrern zählen”). 

Im Mittelalter wurde ein ganz außerordentlicher Lupus mit Pelzwaren 
getrieben. Da die “eisungseinrichtungen durchaus ungenügend waren, 
fo febigte man (ich gegen die Räte durch warme Aleider und namentlich 
durch Pelze. Der Pelshandel, wenigftens im Io. Jahrhundert, war in 
den Zuinden der Araber'"®). Unfer deutfches Wort Rücfehner, mittel: 
hochbeurfih Eicfenaere, voird vom rürkifchen Flrfei abgeleiter. CTamenttich 
die vornehmen @eiftlichen und die Ritter entfalteren großen Eurus im 
tofibaren Pelywert'”). in Worms feheint die Lederinduftrie fi fhon 
früb auf eine hohe Stufe entwicelt zu haben, und ebenfo muß der 
Pelsbandel bedeutend gewefen fein. Eben diefer Bedeutung des Rürfchner- 
bandwerkes ift eo zusufchreiben, daß die Wildiwerker in Worms eine 
privilegierte Jausgenoffenfchaft bildeten, wie anderwärts die Tuchfchneider. 
Wegen ihrer Unentbebrlichfeit wurden fie unb die Hänger in der erfien 
Bachrung vom Jahre 1233 nicht wie Die anderen Jandverkergenoffenfchaften 
aufgeboben. Aber auf die Länge Ponnten fie ihre erceptionelle Stellung 
doch nicht behaupten, fondern fie wwurden den übrigen Ztinften einverleibe 
und zwar gleihfam zum “obne der Rangfolge nach in Iezter Linie, 
wäbrend die Jauegenoffen weniufiene den erften Rang unter den Zünften 
behaupten Eonnten'®). ron diefer urlichfesung muß das Alırfchner: 
bandiwer® audy noch im I$. und I6. Jahrbundert einen goldenen Boden 
gebabt haben. Wir befizen aus dem Jahre I5I4 das nventar eines 
wegen Aufrubrs bingerichteten Mürfehners, deffen Lager in Pelswaren 
zu 2000 Bulden (circa Ioo000 Mark) gefchäge wurde und der zeitwoillig 
18 Rnedyre befdyäftigt hatte, alfo ein für jene Zeiten ungewöhnlich 
großartiger Berrieb!”). 

Yloch erceprioneller als die Stellung der Yfinifterialen innerhalb der 
Stadtbevölterung war die der Beiftlichteit. Seitdem die Pfarekirdyen den 
Stiften intorporiert waren umd der Pfarrbienft von unrergeordneren und 
meift fehr ungebildeten Mieritern verfehen wurde, verloren diefe Pfarr: 
geiftlichen mehr und mehr an Achrung und Zinfluß beim Volke. Und 
vollends der vornebme lerus fdyloß fi von diefem vollftändig ab. 
Kigentliche Nönchstlöfter entftanden erft im 13. Jahrhundert. Dagegen 
bilderen die vier Stifte: S. Peter, S. Paul, S. Andreas und S. Wiartin 





336 17. Bapitl, 


eine eng untereinander verbumbene mächtige Benoffenfchaft, deren Vertreter 
der Bifchof regelmäßig zu feinen Amtebandlungen beranzog'”). Diefer 
Woettklerus tefrurierte fi teile aus den vornehmen Einwohnern der 
Stadt, teils aus den jungen Shnen der freien Brundbeflzer auf dem 
Lande. Zu Burcharde Zeit barre die Griftegeiftlichteit in Elßfterlicher 
Weife zufammen gelebt; das war fihen längft nicht mehr der Galt!”“), 
wenigftens beim Domftift, mo jeder fein befonderes Jaus befaß, und nur 
an hoben Sefttagen bielten die Domberren im Nefektorium ein leckere 
Mahl”), Zioar berieten fie oft genug gemeinfam mit den Bürgern 
wichtige Angelegenheiten der Stade oder der Kirche, aber die Bürger 
emancipierten fi) allmählich von der Eirchlichen Benormundung, umd es 
tam wiederholt zu Bonflikten, zu deren Löfung die Autorität des Raifers 
angerufen werden mußte. 

Die Rechreanfdauungen des Mlerus waren andere als die der 
Bürger. In triminellm Sachen unterflanden die GBeiftlichen der 
Gerichtebarteit des Bifehofs und der geiftlichen Berichte, in eivilen aber 
dem Stadrgericht, welchem jedoch das geiftliche Bericht ebenfalls ftarke 
Ronturrens machte“). Lady dem Stadtrecht von Worms durfte auf 
dem Rrantenberte, obne Zuftimmung der Erben, nur über fünf Schilling 
des Ylachlaffes verfüge werden'“*). Yun gefchab es, da ein Stiftsberr 
von S. Paul in Anwefenbeit mebrerer feiner Witbrüder, feiner Mutter 
und Verwandten ein Teftament machte, worin er zu Bunfien von 
Rirchen, feiner Wurrer und anderer Perfonen über feine Wobilien verfügte. 
Aber ein Verwandter focht diefes Teftament an, indem er fi auf den 
Rechtsfar berief, daß jemand auf dem rankenbette über feine Jmmobilien 
und über feine Mobilien nur im Derrage von 5 Schillingen verfügen 
dürfe. As Maifer Sriedrich im September 1165 in Worms weilte, 
wurde diefer Rechrofall vor fein "ofgericht gebracht, und diefes enefehhied 
zu Bunften des Rlerus, geftünt auf das römifche und Banonifche Necht 
und auf die Rapitularien der Parolingifeben Rönige, wonach die Beift- 
lichkeit volle Teftierfreibeit Über ihre Wiobilien geniepe'”). sandelte es 
ib in diefem Salle um eine Rechrefrage, die fo oder andere enrfehieden 
werden Eonnte, fo wurde dagegen das ftädtifche Tntereffe in einem andern 
Rechreftreite viel Direkter und intenfiver berührt. 

Von den falifyen Rönigen war bereits die Steuertraft der Städte 
in Anfprudy genommen worden. Die Wormfer Bürger hatten zum 
Beifpiel dem Aönig Seineich IV. eine freiwillige Steuer geleifter und 





er Gtabrfriede und bie Minwohnerfände in der Stabt. 437 


“oeineich V. den allerdings verungihckten Derfüch gemacht, die Städte zu 
befteuern. Den VWormfern erließ er das Wachtgeld, wofür fie wahr: 
febeinlich die Zur der Stadt felbft übernahmen. Gerade die militdeifähe 
Sicherung der Stadt erforderte jährliche Beldmitrel, und laut dem Zoll: 
vertrag zwifcben Worms und Speier follten die Bußen für den Stabtbau 
verwendet werben'®). Außerdem erhob die Stadtgemeinde Steuern, von 
welcher die Beiftlichteit und die Wiinifterialen befteit waren. Diefe 
Steuern Eonnten nur mit Bewoilligung des Rönigs erhoben werden, und 
fie wurden auch wefenelich in feinem Zintereffe verwendet. SE wäre 
nun nicht mehr als recht und billig geroefen, daf; auch die Diener der 
Geiftlichen, ihre Jandiverker und börigen Bauern die Steuern besable 
bitten, da fie ja den Schun der Stadt und die Vorteile des ftädtifchen 
Wiarttes mitgenoffen. Aber die Beiftlichteit wehrte fid dagegen und 
brachte die Sache im Mai 182 vor das SHofgericht des Rönigs zu 
Wainz'”). Ueber die Steuerpflicht der Beifllichkeit und ihrer Angehörigen 
in den Städten wurde von diefem Augenbli® an durch das ganze 
Wirrelalter auf das heftigfte geftritten, und erft die Inte Racytung vom 
38. April 1526"®) brachte die Angelegenheit zum definitiven Austrag, 
weentlich in dem Sinne, wie Raifer Sriedrich I. am 31. Mai 1182 
entfehieden hatte. Flach dem Urteil der Sürften, in Gegenwart der 
Vertreter der Wormfer Rirde und der Blirgerfcpaft (Wernber der 
Böllner, Wignand, Bernod und David), füllte der Reifer das Urteil, daß 
die Leute der Wormfer Kirche, welche täglich in eigener Perfon den 
Geiftlichen und der Rircye Dienfte leifieren, fteuerftei fein follten, doch unter 
der Bedingung, daß fie nicht Zandel trieben oder feilm Ware hielten 
oder daß fie, blos um fid) der Steuer (nostre collecte) zu entziehen, den 
Geifttichen fid) unrerwürfen. Schon damals alfo, wie auch fpäter"®), 
wurde die Steuerfreibeit der Kirche in betrügerifcher Abficht benust, 
um der ftäbeifchen Abgabepflichr zu encgeben, indem Bhrger ober 
Sremde in den Dienft der Rirde oder eines Angehörigen derfelben 
raten. Deshalb follten laut der Verfügung des Raifers nur die wirt: 
lichen Diener und Untergebenen der Rirche, die Beinen “andel trieben, 
das Privileg der Kirche mirgenießen dürfen. 

Aufer den bejtändig in Worms niedergelaffenen eiftlichen und 
ihren Angehörigen, den Wlinifterialen, Bürgern und Sremden, gab «s 
aber audy Leute ohne Brundbefig, die fich jedoch durdy ZJandarbeit und 
Gefhjäfte fo viel verdienten, daß fich fiber den von ihnen zu besahlenden 


438 17. Rapitel, 


Zehnten ein Streit zwifchen den Kirchen S. Peter und S. Cyriacus in 
Creubaufen erheben Eonnte"”). Sobald foldye Leuce fidh fo viel erworben 
batren, daß fie ihre Erfparniffe in Brundbefig nach Stadtrecht anlegen 
Eonnten, gliederten fie fich alsdann der Dürgerfchaft ein. Diefer allein, das 
erkenne man deuelich felbft aus der mangelhaften Ueberlieferung, gebörte 
die Zukunft, indem fle zur Zeit Seiedrich Barbaroffas mächeig empor: 
firebre. Und diefen Beftrebungen waren die nad) dem Tode Zeinriche VI. 
folgenden Breigniffe nur förderlich. 




































































38. Rapitel, 


Der Kampf um die Krone 
und die KEntftehung des Rates. 


Etanntermaßen vollzog fich die Befchichte 
des Rönigtums in Seankreich und Deurfch- 
land in entgegengefegter Ydeife. Dank der 
Bontinuirdt der Erbfolge bes Baperingifchen, 
‚oaufes erhob fid in Srantreich das 
Rönigeum mit Zilfe der Rirche langfam, 
aber in fteriger ntwicelung zu immer 
| größerer Wacht, während in Deurfchland 
infolge mebrmaliger Unterbrechung des 
Krbganges das Rönigeum mehr und 
mehr gefehtwächt wurde. seinriche VI. 
bochftrebende Politik, der Brone das Krb: 
recht zu verfchaffen, feheiterte am Widerftande der Sürften. Der Tod 
des Baifers gab ihren partifulariftifdyen Beftrebungen in Verbindung mit 
dem deurfehfeindlichen Papfttum freien Spielraum, und fogleichh begann in 
Deurfcyland ein leidenfchaftlicher Bampf um die Arone und zugleich 
um die Zukunft der deurfdhen Verfaffung und des deurfihen Heiches‘'®). 
Zwar batten die deurfchen Sürften den Sohn %einriche VI., 
‚Sriedrich, zum Rönig gewählt, aber er war noch nicht gekrönt, und 
viele Anhänger der Staufer nahmen Anftoß an feiner Jugend. Die 
Gegner feharten fi um Adolf, Krsbifchof von Röln. m Winter 197 
auf 1198 verhandelten beide Parteien über die Thronfolge. Die flauftfdhe 
Partei einigte fid) auf Philipp, den jüngften Bruder Zeinriche ML, der 


15. Beer, Die Alu ve elifärn Se. 1 





42 18. Rapid, 


anfänglich zum Beiftlichen beftimmt gewefen war, dann aber J195 zum 
sserzog von Tufcien und 1196 zum “erzog von Schwaben erhoben 
wurde, eine feine, bewegliche Beftalt, wohl gebilder und liebenssoirdig, 
doch in feinen Hnefähläffen und «andlungen nicht feft. Zuerft war er 
für feinen YIeffen Sriedrich ein. Die rheinifen Bifcyofftädre Worms 
und Speier hielten getreulidh zur ftauftfhen Sache. Philipp, “erzog 
von Schwaben, fäyloß am 2I. Januar II98 einen Verrrag mit ber 
Stadt Speier, wonach die Bürger von Speier ihm verfprachen, Beiftand 
zu leiften mit Schiffen und feilem auf der Lebensmittel und dem 
serzog den Eintritt in die Stadt zu geflatten mit 30 Nittern, jedoch 
unter der Bedingung, da das dyeer dee erzogs fi) weder in der Stadt 
noch in der Vorftadt einquartiere. Dagegen beftärigee der Zerzog fomohl 
im Yamen des Könige als in feinem eigenen den Bürgern ihre Privilegien, 
die Sreibeit von auwärtigen Gerichten und die fädtifcpe Selbftverwalnung 
durch einen aus ihrer Witte gewählten Rat von ywSlf Perfonen"®). 
Yichr ohme Mübe einigee fi die Begenpartei auf die Perfon des 
Wolfen Orte, Brafen von Poiton. Es handelte fidh bei diefem Thron: 
fireite nicht nur um bie alte Seindfchaft der Staufer und VVelfen, fondern 
aud um einen Gegenfa der ober und niederrbeinifchen intereffen. 
Philipp war sundchft im Vorfprung, denn er hatte die Reicyeinfignien 
in Jönden und verfügte Über die oberdeurfche Wiinifterialirt. Am 
6. März 1198 wurde er in Arnftddr in Thüringen zum Rönig gewäblt. 
Aud) Lupold, Bifcof von Worme, war bei diefem ZAfte bereiligt. 
Oftern feierte der neue Rönig in Worms; bier ging er unter der Arone 
md erwirfte die Loofpredhung vom Banne. Örto dagegen wurde in 
Röln von der englifdh gefinnten Bevölkerung jubelnd empfangen und 
am 9. Juni J198 zum Rönig gewoählt. Er fchte die geiftlichen Fürften 
durch Preisgebung der Fhniglicyen Rechre zu gewinnen. Zwifchen beiden 
Bönigen begann nun ein wahrer Wertlauf, Anhänger zu gewinnen, 
wobei nariclich die Macht des Aönigrums erfählrerr wurde. Zum 
Ungtüc für Deutfchland faß in Rom ein Wann auf dem päpftlichen 
Seuble, nnocenz III., der zu den genialften Staarsmännern der Kirche 
sÄhlte und den in Deurfähland ausgebrochenen Zwoiefpalt trefflich zu 
benÖgen verftand, um das tregorianifche Tdral der Rirchenberrfchaft 
der Verwirklichung entgegenzuführen. Der Papft entfchied fi für 
Oro und that Philipp in Dann. Die deutfchen Fürften haben felbft 
dazu geholfen, dem Papft bei der Mönigewwabl einen entfeheidenden 





Der Banpf um die Beone und die Knttchung des Nates, 445 


Einfluß zu verfebaffen. Geftlint auf die feften Pofltionen in TWorme 
und in Speier, führe Philipp den Rrieg gegen den Bifchof von 
Straßburg und den Erzbifchof von Röfn. Die Bifcöfe von Worms 
und Speier waren feine gerreueften Anhänger. Als der Krzbifchof 
Bonrad von Mainz Ende Oktober 1200 ftarb, da mählte die ftaufifch 
gefinnte Webrheit den Lupold von Worms zum fErzbifchof, während 
Die Begenpartei, deren Kührer das mächtige Mlinifterialengefchlecht der 
Bolanden war, den Siegfried von HEppflein erfor. Erfteren chat Der 
Papft in den Bann und erkannte den lenteren an’). 

Lupold war ein überaus gewalcthätiger Wann, der fid) lieber als 
Beiegemann auf feinem Streitroß berummmmelte, als daß er Die 
Pflichten feines geiftlichen Amtes verfehen bärte. Die zeirgensfifchen 
Schriftfteller wiffen von Breueln zu ersählen, die er I198 als Baiferlicher 
Zegat im VTeapolitanifdyen ausgeht haben fol®). 1199 führte er in 
Verbindung mit Wernher von Bolanden und anderen einen verheerenden 
Rrieg gegen den Grafen von Leiningen"”). “Ebenfo brutal benahm er 
fi im Rrieg gegen Siegfried von Wainz in Wains und Bingen und 
gegen den SLandgrafen Zermann von Thliringen"®). Daber ift fein 
Bildnis, das der vortreffliche Caefarins von "eifterbacdh von ihm en: 
wirft"), in den düfterften Sarben gebalten. Ylur dem Kamen nad) fei 
er Bifcyof gerwefen. „Da er nur den SBirelteiten der Welt lebte und 
weder Barmbersigteit noch Srömmigkeit befüß, fügte eines Tages fein 
Bruder, ein Edelmann (Sriedrich), zu ihm: „„err Bifchof, durdy euer 
Beifpiel gebt ihr uns Laien vielfach Aergernis. Bevor ihr Bifchof 
geworden, habt ibr Bott nody enwas gefürchtet; jezt befümmert ihr euch 
gar nicht mehr um ihn.”“ hm erwiberte der Bifchof: „„Bruder, co 
waren einmal zwei Ylacybaren, von denen fich der eine, dem DBeifpiel 
des anderen folgend, einem fündhaften Leben ergab. Beide ftarben und 
wurden in die &ölle gefehleppt. Als fie in den höllifchen Qualen lagen, 
fagte der eine zum andern: Webe die, durch dein Beifpiel verführt zur 
Sünde, babe id) diefen Orr verdient. Darauf encgegnete der Angerebere: 
Lieber Ylachbar, gefälle dir mein Plan beffer, fo gebe ich ihn dir, und 
dur giebft mir daflır den deinigen. So fage ich dir, Bruder: Sind wir 
einmal in der Öölle, und mein Sig darin erfäheine dir vorsiglicher, fo 
befteige ihn nur, und idy nehme dafür den deinigen.“* — „„Ein feledhter 
Troft für mich,”“ erwiderte der Bruder. Diefer Lupold war fo 
diabolifcher Yratur, daf er während des Zwiefpalts unter den Rönigen 


444 18. Bapirel, 


Oro und Philipp, als er id), auf die MWiacht des Lenteven geftlist, des 
Bistums Wainz wiberrechrlich bemächtigt hatte, in den vielen deshalb 
geführten Meriegen weder Kirchen nody Rirhhöfe verfihonte; und als 
einige Ritter zu ihm fagten: „„isert, es ift uns nicht erlaubt, Rirchböfe 
zu berauben,”“ ihnen die Antwort gab: „„Erft wenn ihr die Bebeine der 
Toren wegnehmt, beraubt ihr die Ricchhöfe ıc.”” Sreilich fpiele hierbei 
der Parteibaß eine nicht geringe Aolle, denn Caefarius war ale Kölner 
Rind welfifc) gefinnt. Diefer Parteihaß machte fid) damals in ateinifhen 
und deutfehen Schmähgedichren Luft"), 

In den Kampf der Parteien und Weinungen mifchten fich alle, 
die de Ausdruckes fähig waren. Zu “einriche IV. Zeit hatten nur die 
Beiftlicben das Wort ergriffen"), jene auch die Laien. Die Bildung 
batte feitdem unermefliche Sortfebrirte gemacht, und diefe Bildung 
befepräntte fidh nun nicht allein auf die eigentlichen Belebrten geiftlichen 
Standes, fondern auch die Laien waren ihrer teilhaftig. Diefe Laien: 
bitdung berubte aber nicht mehr auf einfeitiger geiftlicer Grundlage, 
vielmehr auf dem Prinzip der Aumanicdt. WIiLde und Seäte find die 
Toeale titrerlicher Dichtung und Bildung. Unter Wiilde verfiehen die 
Dichter sunächft die Sreigebigteit, welche dem “Seren gegenüber feinen 
dienenden YBannen gesiemt, aber bie Wilde begreift auch die Barmbersigkeit 
gegen die Armen und Schuslofen in fi. Und Stäte it die Beharrlichkeir 
im Guren. Der ritterlihe Stand it der Träger diefer Rulcur. Diefe 
Rultur bat and) in den Städten ihren Sig, wie auf den Burgen der 
Ritter und „erren. Grafen, Sreiberren, Winifterialen und Ritter Iajfen 
ihre Saiten ertönen, und in freiefter Weife fprechen fie ihre Meinung aus. 
Vor allen find es die fahrenden Sänger, welche die Sffentlicye Meinung 
zum Worte Eommen laffen. 

Zu diefen fahrenden Sängern gehörte auch der größte Lyriker des 
Mittelalters, Walther von der Vogelmeide'"). Er war in Defterreich 
daheim und am Wiener Zofe wohl angefehen. ls fein Befchlger 
“erzog Seiedrih 1198 in Paldftina geftorben war, ging er auf die 
Wanderfchaft. YVobl war er ritterlicyer Serfunfe, aber er hatte weder 
Hab noch But. So warb er durdy feine Lieder um die Bunft der 
Sürften, um Brot und Rleidung. Er fang von Liebesluft und Leid, 
aber audy die Sffentlichen ntereffen find ihm ans “ers gemadyfen. 
Damals war die Dichekunft eine Wacht. Sin neues Lied fand überall 
Beifall und Wicderhall in den “erzen. Des Vaterlandes Fhre und 


Der Bampf um bie Arone und bie Zntfchung des Haree, 445 


Aubm beroegte ihm das Gemür, und die rübfelige Lage und troftfofe 
Verworrenheir der Zuftände in Deutfehland nad) dem Tode Seinriche VI. 
femerzee ihn cief. In fenem Wioment dichrete er fein berühmtes Lied: 


3% faß auf einem Steine 
Und Freuzte Bein mit Beine, 
Tarauf der ıEllenbogen Nand; 

@s fämiegte fi) in eine and 

Das Zinn und eine Wange. 

So fann id) tief und lange 

Wohl über Welt und Leben nach, 
Und Bein Gedanke wurde wa, 

Wie man drei Dinge würbe, 

Daß} Feines nicht verdtirbe 

34) meine ı£hre und Gewinn, 

Die fihh befehden mit hartem Sinn, 
Tann Gotteo Gnade, im Vergleich, 
Zu ihnen Werteo überreid. 

Die wollt ic gern in einen Schrein. 
Vergeblic, ach! 25 Fann nicht fein, 
Daß je Gewinn und Gotteebuld 
Und weltfidh ihre ohne Schuld 

Im „erzen ih verbinden. 

Bein Pfad if zu ergründen, 

Der dabin führt. Im Jinterbalt 
Untreue lauert und Gewalt, 
Vermunder Recht und Srieden. 

Und franfen die hienieden, 

Steb’n ıZhre, Gut und Gotteofegen 
Des Schugre bar auf allen Wegentin), 


Wie Jubel begrüßt er die Erhebung Philipps, dem das Schichfal 
die Arone beftimme habe. Walther begleitet mın die Ereigniffe mit den 
Erseugniffen feiner Wufe, und er erfcpeint in feinen politifhyen Gedichten 
als ein Wann, der fein deurfches Vaterland ebenfo glübend liebt, wie er 
den Papft haft. Seiner Degeifterung für das Vaterland machte er in 
einem feiner fhönften Lieder Luft: 


Sagen follt ibe: fe willfomment 
Yieueo bringt mein Sarg, 

Was ihr einft durd) mich vernommen, 
War nue eitel lang. 


446 B 18. Bapel. 


Doh wer fingt, wi aud) Gefhenke! 
Dem, der guten Kohn nicht fAheut, 
Sing ich, was fein „erg erfreut: 
Sehet, wie man mid, bedentel 


1Zud) vor alten, deutfihe Scauen, 
Will id) eine Runde fagen, 

Daß Ihe allen Erdengauen 

Um fo beffee fol behagen, 

Und zum Lohn? Ic bin befäheiden; 
Wer bin id) und wer feid ihr? 
Wenn ich grüße, danfet mir, 

Und das macht mir taufend Freuden. 


Reid) an Kändern ift die Lebe, 
Deren befte ich gefhaut; 

Dot vor ihnen it das werte 
Vaterland mir lieb und traut. 
Seht auf midy mit tiefftem „ohne, 
Rümdet je des Ateme Zauch, 

Daß id) liebe fremden Brauch: 
Deutfejer Zucht gebührt die Aronet 


Von der ı2ibe bie zum Ahein 
Und zurüdt zum Ungarnland 
Mögen wohl die beften fein, 

Die ich auf der Erde fand. 

Weiß Id) Bildung zu verflehen 
Und was Scoöubeit if, fürwahr: 
Yücgends dab ih eine Schar 
Schyönree Sraun als bier gefehen. 


Züdhtig ft der deutfehe Mann, 
Deurfäpe Sraun wir Engel rein, 
Und wer anders fpredjen Bann, 
Der muß wohl von Sinnen fein. 
geilige Minne, hohes Streben 
Und tief innerfies Gemüt. 

ur auf deutfher Erde blüht: 
MöCht ich Tange auf ihr Iebentü, 


Die Ylor des Lebens trieb ihn von einem “eren zum andern. 
Yliemals aber wechfele er feine Befinnung. Yladh der fehrecklichen 
Ermordung Philipps bot er feine Dienfte dem aifer Orto an, ber 


Der Kampf um bie Rrone und bie Entfichung des Narts. 447 


zwar anfange vom Papft unterftligt worden war, dann aber, als Otto 
die Hechte des deutfchen Maifers in Jralien geltend machen wollt, 
verfolge wurde. Das Volk war empört über diefen Verrat und fab 
fortan im Papft den Seind jedes deuefchen Bönige. Diefer Volke 
fimmung gab Walther von der Vogelmweide den vortrefflichften Ausbrudt. 
Der Papft ift ibm der Diener des Teufels, der die Welt berrügen will. 
Die Worte und Thaten der Pfaffen widerfprechen ich: 

i£6 Lebt die Cpriftenheit noch mie fo arg dahin, 

‚Die fie erziehen follten, denen fehlts an frommem Sinn. 

e wär zu fhlimm, thät nur ein dummer Laie das, — 

Sie aber fündgen ohne Scheu und ohne Surdt vor Gottes Gaß, 

Zum „immel weifen fie und fahren felbft zur Sölle. 

Sie fprehen: wer nur folgen wollte ihren Lehren, 

Yücht ihrem Werk, der söge fiherfich zum Fimmel ein. 

Die Pfafen follten Peufcher als die Malen fein; 

In welden Buche ftehte denn und an welcher Stelle, 

Daß fidh fo viele Pfaffen mühn, wie fie ein fhönes Weib entehren?“ 

Wit beißendem Hobne geifele er die abfürche der welfchen Pfaffen, 

welche die Deurfehen ausplündern, befonders in feinem Liebe auf 
den Opferftot: 

Sagt an, Yerr Sto@, hat Buch der Papft bierher gefendet, 

Das Jpr ihn reid macht und uns arme Deutfche (bänder? 

Wenn ihm ein volle Maß beim Fommt zum Lateran, 

&6 thut er einen Plugen Grif, wie er fchon früber bat gethan- 

"Er fagt alobald, das Deutfche Neich fei jegt verloren, 

Bio alle Pfarrer wiederum die Schäflein fein geftjoren. 

Id meine, wenig von dem Silber reift in Gottes Land, 

Denn niemals teilte folhen Schag der Pfaffen Zand, 

gere Gtod, zu unferm Sjaden feid Tor bergefandt, 

Damit Yor Kud) im deurfehen VolR die Karren fuhr und Tporen. 

Und dem Papfte Tnnocenz rief er zu: 

„Abi, hört Ihr, wie riftlich über uns der Papft nun lad, 
Daß er zu feinen Welfchen fagt: „Das hab ich gut gemacht * 
Was er da fpricht, das hätt er beffer nie gedacht! 
Br fagt: „Zwei Alamannen bradjt id} unter eine Arone, 
Und jegt yerflören fie ihr Reich fic) felbft zum «ohne, 
Wir unterdes, wir füllen unfere Raften. 
In meinen tod (af ich ihr Geld, ihr Gut ift alles mein, 
Ihr deutfches Silber fährt in meinen welfhen Schrein. 
Ihr Pfaffen, eßt nur gühner, trinfer Wein, und laft die Deutfihen . . . fan.“ 


448 18. Bapire. 


YOie ein Wioderner erfcheint er uns manchmal. Doch in feiner 
Begeifterung für fein Vaterland und im &aß gegen die Pfaffen fiebr er 
unter den Zeftgenoffen nicht allein. Auch der Dichter Sreibant aus 
Schwaben führe in feinen Sprüchen eine Eräftige Sprache"). Er wie 
Welcher geißele die Zabgier der Welfdyen mit beißender Satire; der 
Ablaß erfebeint ihm alo fäpnsder Mißbrauch. Ar haft aber aud) das 
emporftrebende Bhrgertum. Yur drei Stände will er gelten laffen: 
Bauern, Ritter und Pfaffen, während der vierte Stand, die Raufleur, 
vom Teufel gefchaffen worden if. Der Zundel if ibm Tebiglich 
firäfticher Voucher, eine Vorftellung, von der fih, wie bekannt, der 
Abel bio ins I6. Jahrhundert nicht Iosreifen Tonne. 

Baifer Otto erwies fih gegen den Dichter fehr Farg, daher wandte 
fid) Walther dem neu auffieigenden Geftirn, Sriedrich II., zu, welcher 
die Bedeurung und Brauchbarkeit diefes Wiannes gleich erkannte und 
ihm ein nambaftes Befchent gab. Ylicht lange blieb der Unftäre bei 
Seiedrid; ee wanderte von einem “oft zum andern, und er erlebte 
mandherlei Schichfale, Ueberfluß und Wiangel. In feiner Zeimar geriet 
er in Streit mir dem &erzog Leopold, weshalb er fie fortan meiden 
mußte. Dem Rönig Seiedridh II. war indeffen mandyes gelungen, 
vorzüglich aber Eonnte er es ale einen großen Triumph über den Papft 
anfehen, daß diefer ihn 1220 zum Kaifer Trönen mußte. YTun tar 
Walther in ein feftes Dienftverbälmis zum aifer: er wurde deffen 
policifcher Agent in Deurfchland, und daflır erhieht der Dichter den lange 
erfehnten Lohn. Es gab damals, abgefeben von den Stäbten, noch Bein 
anderes Einkommen, ale die Brunbrente, und daher Bonnte auch geiftige 
Arbeit nicht anders bezahlt werden, als mit einem Zehen. in folches 
Zehngur erhielt Walther vom Raifer, und jubelnd ruft er nun aus: 


3% bab mein Mehn, höre alle Welt, id) hab mein Kehn. 

Yun fücht ih nicht den barten Scoft an meinen Zehen — 

Und braudh bei Bargen Yeren nicht mehr zu leben. 

Der edle milde Adnig dat mid) o beraten, 

Daß ic) im Sommer Fühl und warm im Winter wohne. 

Yun folgen mir Die Ylafbarn länger nicht mit Ihrem gobne, 

Sie fehn mich nicht ale Vogelfiheuche an, wie fie jegt thaten. 

Fu lange war id wider Willen an der Armut Frank 

Und fo gewohnt zu fihelten, daß mein Atem ftant. 

Den hat deo Adnige Zuld mir rein gemacht und dazu meinen Gang. 


Der Bampf um bie Rrone und die Kntfehung Deo Karen! 449 


Ylun war der Dichter zufrieden. Wir dem’ zunehmenden Alter 
wird feine Stimmung refignierter, und die fehlimme VVeltlage entloctt 
ibm bittere Alagen. 


Ruft dreimal web, une Saufen if enteiffen 
Die Luft der !Erde und des Simmels Luft; 

Wir Haben Feiner Arbeit uns befliffen, 

‚Da nur der Kenz zu loden uno gemuflt. 

mit Mächtigen Blumen fhmückten wir die Bruft 
Und horchten auf der Dögtein Putzen Gang; 
Wohl dem, der nur mady ewigen Freuden rang! 


Ruft dreimal web, die wir mit Grillen fangen, 
Statt daß wir daditen an die Wintersgeit, 
Und mit der Ameis um die Wette rangen, 
Die nun genießt der Sommerennfigkeit. 

5 if der alte ewige Erdrnftreit: 

Der Thor veradhtet lets der Weifen Nat. 

‚Dort wird man fehn, wer bier gelogen bat. 


Ruft dreimal weh, wie in dem deutfchen Lande 
Derftand und pre, Gold und Gilber fihwinden! 
Wer diefe dat und bleibt zuräd mit Schande, 
Dem wird der Kohn des gimmela ih entwinden. 
@r wird nicht Zuld bei Sraun und Zngeln finden, 
in armer Menfih) auf irden und vor Gott, 
Muß er fi) fürchten vor der beiden Bpott. 


Ruft deeimal web, eo Pommt ein Gturmesbraufen, 
Don weldjem ihr fon fingen hört und fagen, 

Der wird mit Grimm ducdy alle Känder faufen, 

Daß laut ertönt der frommen Pilger Blagen. 

Baum wird an Baum und Turm an Turm zerfchlagen, 
Dem Stärkften feleudert er das Saupt berab; 

© laßt une fliehen nach dem heiligen Grab!"!") 


Im Tabre 1228 ift Walther von der Vogelweide nach fehwerem 
Siedyrum geftorben, aber fein Ruhm als einer der ebeiften enfchen 
und größten deutfchen Dichter wird ewig dauern, fo lange es treue 
Deutfche giebt. 

Im Gegenfage zum II. Tabrbundert Bam cs in diefem Bürgerkrieg 
nie zu großen Exiegerifchen Aktionen. Die vitterlichen Yeere waren nur 


15. Deo, Ele Aut der eaifben Se 1 5 


450 18. Rapiel, 


wenig sablreidh; nicht forsobI auf die Vernichtung des Begners Bam es 
an, als vielmehr auf die Befangennahme möglichft vieler Ritter, denen 
man dann ein Löfegeld erpreßte. Doch die Gegenden, wo der Rrieg 
wüirere, baten fÄhmwer genug zu leiden, wor allem der Überrhein. 
Philipp ermangelte der materiellen Witte, und er verlor die freie Dis: 
pofition über die Neicheminifterialen. „Um feine Ritter zu befolden“, 
fage Burchard von Urfperg, „fing er zuerft an, die @Büter zu ver 
fehleudern, fo daß er jedem freien "ern und Dienftmann Dörfer oder 
Grundftäcke, die ihm gehörten, verlieh. Und fo fam eo, daß ihm nichts 
übrig blieb, als der Icere Ylame der Landesherrfchaft und die Srädte 
und Dörfer, in denen Warkt gebalten voird, und wenige Burgen im 
Lande." Wie febr Eontrafkiert diefe nüchterne Erkenntnis der Sachlage 
mit jenem felbftbensuften Brief Philipps an den Papft, worin er fi 
rhbme, daß niemand reicher, mächtiger, angefebener gewefen wäre als er" 

Die zwiefpältige Bifcpofswahl in Wains war Philipp nachteilig. 
$Er verlor Wiains und wurde anfangs 1201 von König Otto in Speier 
belagert. Von da Eonnte er Über den Ahein entrinnen. In feinem 
Dienfte war Bifchof Lupold von’ Worms thätig, der vom grimmen 
affe des Papftes verfolgt wurde. Aber der gefchichten Politif Philipps 
gelang es doch, Erfolge zu erringen. Sogar der Aölner Erzbifchef‘ 
trat zu ibm über und Erönte ibn am 6. Januar 1205 in Aachen. 
Seiner Seiedensliebe mußte felbft der Papft Rechnung tragen, der ihn 
im Auguft 1207 auf einem Foftag zu Worms durch zwei Legaten vom 
Banne freifprecben ließ, worauf dann am I. Ylovember die Loofprehung 
Zupolds erfolgte, doch unter der Bedingung, daß er fi) perfönlich am 
päpftlichen <sofe elle"). Alle weiteren Beftrebungen Philipps wurden 
durch feinen unerwarteten Tod vereitelt, indem ihn Orro von Witrelebach 
am 2J. Juni J208 meuchlerifch ermordere. 

lady mannigfachen Verhandlungen wurde Drro zu Srankfurt am 
33. Wlovember 1208 von den Reichefürften zum Rönig gewählt und 
der Srieden im Reiche bergeftellt. Damit war auch das Schicfal des 
Bifchofe von Worms beflegelt. Ya) dem Tode Philipps Echrte 
Siegfried auf feinen Sig in Mainz zurlic® und die Rolle Lupolds als 
rzbifchof war fomit ausgefpielt. Auch fein Disrum mußte er meiden, 
und bie Adminiftration desfelben Übernahm I2J0 der $Ersbifchof von 
Wains, der fon 3209 das durdy die Ariegewur und Brand befärkdigte 
Domftift begabt hatte"). 











Ber Bampf um bie Rrone und die Muufehung dee Kaıre. 45J 


Ylun Eonnten die Srädte Worms, wo Orto IV. am 23. Ylovember 1208 
verwweilt hatte, und Speier dem allfeitig anerfannten Rönig nicht länger 
wiberfteben, und beibe erhielten die Beftätigung ihrer Privilegien. Am 
2. Desember 1208 tonfirmierte Oro IV. den Bürgern von Worme das 
‚Sriedensgefeg und die Zollfreibeic""). 

Tief barre fidh Brro vor dem Papfte gedemücige und die wichrigften 
Rechte des Rönigeume preisgegeben. Aber nachdem er am 4. Dftober 1209 in 
Aombdie Raiferkrone empfangen batte, füchte auch er, wie die früheren Raifer, 
die deurfchen “errfchaftsrechte in Jtalien geltend zu machen, worüber er 
‚mit dem Papft in Zroift geriet, der ihn am 38. YTovember 12J0 in den Bann 
that. Dem Papft war ja die Perfon des deurfihen Rönigs gleichgileig, diefer 
war ihm nur ein Werkzeug, das er gleichmücig wegwarf, wenn eo fid) 
ibm verfagte. Begen Baifer Otto IV. fpielte er den Sohn Seinriche VI. 
aus, Sriedrich, Rönig von Sizilien, deffen Vormund Tnnocenz III. war. 

‚Seiedrich II. wurde am 26. Degember 1194 in Jefi, in der Mark 
Ancona, geboren. In feüiber Jugend verlor er Vater und Mutter; feine 
nächften Verwandten onnten jidh feiner nicht annehmen, und er blieb 
fremden Leuten üiberlaffen, die nur ihre eigenen ntereffen verfolgten. 
Don einer Sand ging ex in die andere, und Vlicolaus de Tamfilla ver- 
gleicht ihn mit einem Lamm inmitten von Wölfen. Selb fchon 
lernte er die Wenfihen kennen und verachten, und er feylgte fie fortan 
lediglich nach dem Werte, den fie für ihn batten. Sormwährend 
von Gefahren bedroht, entwickelten fi gleidwohl feine ibm an- 
‚geborenen eminenten Fähigkeiten. Sein Charakter zeige eine Wifdyung 
von Liebenswürdigteit und rückfichtslofer Särre; er befaß die größte 
diplomatifche Gewandebeit und unerfehlirerlide Ruhe angefichre 
der Ergften Bedrohung. Die Mittel waren ihm ganz gleichgiltig, 
wenn fie mur zum Biel führten. Seine ganze Tugendgeit verlebte 
er in Tealien und Sigitien, wo die drei Rulruren des Mlittelmerres 
sufammenjtießen, die er innerlich erfaßte und verarbeitete. Jier lernte 
er zugleich das Woefen farazenifcher Stastsordnung geimblich verftehen, 
und da er darauf angewoiefen war, alle Bräfte und Wiittel zu verwerten, 
um fi) im Bampfe gegenüber dem Papftrum und anderen Seinden zu 
behaupten, fo gründere er in Sigilien eine Selbftherefdyaft, wie eine 
folche bisher in Europa unerbört gewefen war. Wit Recht hat ibn 
der cieffinnigfte Siftoriter der Lleupeit, Tatob Burckhardt von Bafel, 
den erften modernen Wenfchen genanne"”). 


42 18. Rapirel, 


Der Papft, um Oro IV. zu ftürgen, wußte die deurfchen Sürften 
von ihm abmendig zu machen, indem er fie auf den von ihnen fdhon 
1196 erwäblten Sriedrich binwies. Wir dem Segen des Papftes reifte 
Seiedric) durch Jralien nadı Deufcbland und Bam im September 1212 
in Chur an, wo ibn fogleidy der Bifchof als Rönig anerkannte. Orro IV. 
eilte ibm nach Ueberlingen entgegen, um dem Prätendenten die Stadt 
Ronftanz zu verfchließen, deffen Bifchof febwankte; doch Sriedrich am 
ihm zuvor und darauf hatte er gewonnene Sadye. Zu Bafel wurde er 
frob empfangen, und fein Anhang mebrre fic), während die Bürger von 
Breifacdh ©tro verfagten. Dann z0g Sriedrid den Abein hinunter, am 
3. Dezember raftere er in Worms (Guarmacia), wurde am 5. Dezember 
nachmals in Srankfurt zum Rönig gewähle und am 9. Desember in 
Mainz gekrönt. Sriedrich Bannte fehwerlidh die verwicelten deurfchen 
Verbälmiffe fo wenig, als er die deurfche Sprache verftand, und fein 
fiberrafchender Erfolg wide fich Faum erklären laffen, wenn man nicht 
die irrel Bennte, durch welche er die deurfchen Sürften zu Edern wußte: 
Rönig Philipp von Frankreich hatte ihm nämlich 20000 Mark (damals 
eine enorme Summe) gegeben und diefen „Segen“, wie der Chronift 
von S. Peter in Erfurt die frangdfifhe Subjidie nennt, harte er unter 
die Sürften verteilt. Vor allen andern erhielt nun der Papft feinen Lohn. 
Am 12. Juli 1213 gewährten ihm Rönig Sriedrich II. und die Sürften 
auf dem Reichstag zu Eger die Abtretung der Refuperarionen (das beißt die 
Landanfprliche der Rurie), die Sreibeit deurfcher Appellarionen nach Kom 
und die Sreibeit zur enerverfolgung; fie verdammten das Spolienzecht und 
das Regalienrechr; fie fprachen den Brundfan freier Banonifcher Wahlen 
der Bifcöfe aus. Die Lrrungenfchaften des Wormfer Bonkordans 
wurden gleichgileig preisgegeben. Durch diefen Vertrag war die deurfihe 
Rircpe vollfändig dem Papfkum zur Ausbeutung überliefert worden. 

Am 27. Juli 12J4 fiegte der mit feinen gerrenen Städten und 
Bauern verblindere franzöfifche König Philipp bei Bouvines über König 
Johann von England und den deutfehen Raifer Brro IV. Ylum glaubte 
der Papft, dafs feine Zeit gefommen fei. Alle Aräfte der europäifchen 
Tationen wollte er für die Tntereffen der Rirche verwenden. nnocenz III. 
plante einen neuen gewaltigen Areugsug, und Seiebridy II. gelobre fich 
ihm am 25. Juli 1215 zu Aachen, wo er noch einmal gekrönt wurde. 

Bifdyof Lupold von Worms batte allezeit gerreu dem fiaufifchen 
aufe angebangen und war deshalb aus feinem Bisum vertrieben 


Der Bampf um die Bone und bie Kntfchung des Kate. 453 


worden. Er mochte daher das ZBrfcheinen Sriedriche in Deutfehland 
mit Jubel begrüßt haben. Als der junge König I2I2 den Abein 
binunterzog, ging ihm 2upold bis ZJagenau entgegen, und bier erhielt 
er am 5. Oktober feine Belohnung"). Der König verzichtere in 
Anbetracht der aufopfernden Dienfte, die ihm fein geliebter Sreund 
Zupold, Bifcof von Worms, geleifter bat, auf alle Güter, welche feine 
Vorfahren im Reiche von der Wormfer Kirche und der Abtei Lorfh 
zu Lehen trugen, ferner auf Yledarau, indem er noch) außerdem alle 
Rechte und alle guten Bewohnbeiten, die der Bifchof in Worme, Lorfcb 
und anderwärts bat, ihm ungekränkt zuläßt und ihm verfpricht, nur 
durch ihn bei den Bürgern oder Tuben von Worms eine Bede (Sreuer) 
einzubringen. Dir erfehen aus der Ierten Befiimmung, daß die Stade 
einen erheblichen Brad der Selbftändigkeit erlangt hatte, indem fie von 
fi) aus Steuern erhob"). Auch in Bafel hatte der fid, eigenmächtig 
tonftiruierte Rat eine Steuer, genannt Ungeld, eingeführt, die vom 
Mönig am J2. September 1258 dem Bifdof zugefprodhen wurde"). 

Wie in anderen Städten, fo führten au in Worms eine 
Anzahl bifchöflicher Beamten: Burggraf, Schultheiß, Viztum, Zöliner, 
Wänger u. f. w. die Verwaltung der Stadt und vertraten zumweilen felbft 
gegentiber dem Bifchof die Tntereffen der ftäbeifchen Bevölkerung. Die 
Bürger bilderen eine Rorporation, die teils ale Befamtheit (Universitas), 
teile durch ihte Beamten, die Seimburger, ihre Angelegenheiten wahrnabm. 
Außerdem war zur Zeit des Maifers riedrich I. ein Seiedenegericht 
von 40 Perfonen, nämlich I2 Winiferialen und 28 Blrgern, eingefene 
worden, das im YIamen des Kaifere die Pflicht batte, unter Ablegung 
eines Kides nach Rech fonder Bunft oder Ungunft über Seiedenebredher 
zu richten. Unter Zeineich VI. haben fodann die Blirger einen neuen 
!niglichen Bunftbeweis erbalten"">), nämlich das Hecht der YOahl des 
Schulcheifen, die alljährlih am S. Wiartinstag, nachdem die große 
Glodte geläurer hatte"), vor dem Bifchofshof‘ im Klamen des Rönigs 
flartfinben follte; mir dem Schultheifen follen audy feine zwei Bebilfen, 
die Amrleute und die 16 "eimburger, weldye eidlich verpflichtet find, 
jeder in feinem Riechfpiel, für rechtes Maß im Verkehr zu forgen, 
gewählt werden. Diefe Seimburger find während ihrer Amtszeit von 
jeder Abgabe an den Propft oder KErzpriefter (Dei oder Pfennige oder 
anderes), befreit"”), dagegen foll ein jeder ein Pfund zahlen, woron 
%, dem Schulcheißen und der Neft dem Grafen und den Amrleuten 


454 18. Bayinl, 


zufallen foll; ferner bat jeder der Amtleure feche Pfund zu entrichten, 
wei dem Bifcpof und den Reft dem Schulcheißen. Die Tudyweberzunft 
wäble jäbrlidy zwei Stadrboren oder Pebdelle. 

In den Eöniglichen Pfalsftädten ftand nicht ein Durggraf oder Doge 
an der Spine der Bemeinde, fondern der Schuleheiß""). einrich VI. 
gab num der Stadt Worms eine analoge Stellung, wedurd das 
unmittelbare Derbältmis des Rönige zur Stadtgemeinde gekräftigt wurde; 
zugleich) gewährte er ihr die Wahl des Scyulcheißen, ein Recht, das der Stadt: 
‚gemeinde in Sreiburg fchyon im erften Stadtrecht aus der Wirte des 12. Jabr: 
hunderte gewährleifter war""”). Der Bifchof blieb aber nach wie vor von 
Redyte wegen der Stabtberr, deffen fiskalifche Rechte durch diefe der Stadt: 
gemeinde vom Rönig erteilten Greibeiten in Beiner Weife gefchmälere wurden. 
Don einem Rate ift in Worms aud) jet nodh.feine Rede, wihrend doch 
Raifer Seinrich VI. einen folchen in Speier erlaubt hatte"'”). 

Schon längft wurden bei wichtigen Angelegenheiten außer den 
Geiftlichen und Wiinifterialen auch die angefebenften Bhrger zur Derarung 
‚oder als Urkundenzeugen beigesogen (fiebe oben). Es find faft immer 
die gleichen Perfonen, deren Söhne dann fpäter in derfelben Thätigkeir und 
Zigenfcyaft erfheinen. Betraf eine Angelegenheit fpesiell die ntereffen 
der Stadt, fo wurden die Blrger felbftverftändlich um Rat gefragt, fo 
1106 bei der Errichtung einer Sifchbändler-Jnnung (urbanorum communi 
consilio). m allgemeinen wodce co ungwechmäßig geroefen, immer die 
ganye Gemeinde zufammenzuberufen; es genügte, wenn ein Auofehuß, 
narhrlich die Vornehmften, Reichften, die als Optimaten bezeichner 
werden, mit der Vertrerung der Gemeinde beauftragt wurde. in 
befondere Iebrreicyes Deifpiel bietet eine Urkunde des rzbifcofe 
‚Sriedrich I. von Aöln für Remagen (IIIT)®). Die Bürger hatten 
befchloffen, ein Sehe® ihrer Almend der S. Wiareinsticche zu fchenten. 
Zu diefem Zwecte ordneten fie zwölf der vornebmften Blrger an den 
Ersbifchof ab. Ylachdem das Befchäft vollendet war, wurde dartiber 
eine Urkunde ausgeftellt, an deren Schluß eben die YTamen fener zwölf 
aufgefübre find. Aus folchen Ausfchüffen bat fich bier und da der Rat 
gebildet. Er eriftierr zuweilen, lange bevor er in den Urkunden genannt 
wird. Ylur bei Vleugeindungen von Städten wurde ein Rat von 
vornherein eingefent, fo in Freiburg i. Br.; eine Bebörde war ja nicht 
zu entbebren; während in den alten Städten irgend ein wichtiges 
Ereignis Anlaß zur Bildung eines Rates gab. 





Der Bampf um bie Arone und bie Cntfichung des Karen. 355 


Mir der Bebenrung der Seadr wuche auch ibre Selbftändigkeit 
gegenüber dem Stadtherrn, und biefe Selbftändigkeit Äußere fich in 
der Anmendung eines eigenen Siegels, fo 1149 in Röln, II50 in 
Mainz, IT) in Trier, J180 in Men, 1198 in Worme, Straßburg 5201, 
Speier 1207, Pifa 3360, Zucca 1201 u. f. w.'?. Ale Uypus des 
Siegelbildes wähleen bie ftäbrifhen Behörden meift ihren Schunparron 
ober auch die Darftellung des Wlauerringes mit Kirchen, Türmen und 
Thoren"'*). Im älteften Wormfer Siegel ift beides Fombiniert""*). Wir 
feben den Dom von zwei Stabrräemen flankiert. In einer Wlifihe fige 
auf der Bathedra der heilige Perrus, in der rechten Gand den Schlüffel, 
in der linken die Bibel. Die äußere Umfcpeift lautet: 

+ TE- SIT. TVTA - BONO - WORMACIA - PETRE - PATRONO. 
die innere Tnfpeift auf der Llifdye, in der S. Peter fine: 
SEMPER - ERIS - CLYPEO : GENS - MEA « TVTA : MEO. 

Der Wormfer Bhrgerfhaft Tamen die Ereigniffe nach dem Tode 
"eineiche VI. febr zu flatten, indem der Bifchof Lupold in das Partei 
treiben verwichele wurde. Vielfach war er in Befchäften Philipps 
auswärts tbärig, und nach dem Tode Philipps wurde er Tabre lang 
von Worms ferngehalten. infolge deffen erhielt die Bhrgerfchaft freien 
Spielraum, und als ihre Vertrerung nach außen machte fi das 
‚Sriedensgerichr geltend. Bei einem Verkaufe eines Gutes durch Bifhof 
Lupold und feinen Bruder Griedrich von Scheinfeld waren die vierzig 
Richter als Urfundenzeugen zugegen. Die Urkunde wird beflegelt durch 
den Bifcyof, das Domftift, die S. yriakustirche und durch die 
Bürger von Worms"). Zehn Jahre darauf, am 27. Mai 1208, 
beurfunden die Blirger von Worms im &. Pererftift eine Schentung 
der Bürgerin Gifela an die &. Andreasficche und beflegeln diefe 
Urkunde), Sie befhliefen im gleidyen Jahre in Gegenwart des 
Rönige Philipp einen Zollvertrag mit der Klachbarftadt Speier, wozu 
die Bifchöfe beider Städte ihre Genehmigung erteilen"). Lady der 
Ermordung Philipps nimmt die Stadt Worms Orro IV. auf md 
erhält dafür die Beftätigung ihrer Privilegien"). Bifchof Lupold 
mußte die Stadt meiden, und Siegfried, Erzbifchof von Wainz, der mit 
der Abminiftration des Bistums Worms betraut war"”), Eonnte fid) wohl 
taum um die ftädeifchen Angelegenheiten befiimmern. TIent wurde der 
Bolloertrag swifchen Worms und Speier von beiden Städten befiegele''"). 
In Speier beftand bereits feit Jeinvich VI. ein Rar aus zwölf Bürgern"), 


456 18. Bapil. 


und Worms wird in der Mnmwickelung binter Speier Baum zurlch. 
geblieben fein. 

Allein die Erhebung Sriedriche IL. bildete für das Emporjireben der 
deutfchen Städte eine große Gefahr. Ps ift ganz tböricht, fich darlıber 
‚u freiten, ob Seiedeidh II. ein Gtädrefteund oder ein Srädtefeind geivefen 
fei"®). Immer verfolgte er feine eigenen ntereffen und wäblre feine 
Politik nach den Umftänden. Als er 1212 machtlos nach Deutfchland Bam, 
war er an den guten Willen der Süeften gebunden, denn die Keicheqhter, 
das ftaufffehe Jausgur und die Hegalrechte waren im Blirgerkrieg zum 
größten Teil verfchleubert worden, und was noch fıbrig blieb, mußte 
Seiedeich zur Belohnung feiner Anhänger verwenden. Ylichr fein Wille 
war maßgebend, fondern der der Sürften, und zwar nad) der damaligen 
Lage vorstglich der Wille der geiftlichen Sürften. Ihnen Bam die 
Preisgebung der töniglichen Rechte durch die Eger EBoldbulle vom 
32. Juli 3233 zundchft zu gute. Verfuche felbftändiger Zandlungen zur 
Wabrung der Eöniglichen Rechte oder der Reicheintereffen wurden durch 
den Wachtfpruch der Sürften öfters rlichgängig gemacht. Im Könige: 
gerichte waren fie die Ulrteiler, und fie benuneen ihr Recht wiederum zu 
ihrem Vorteil. ”jn den Ronflitten zwifchen den aufjtrebenden Städten 
und den Bifdhöfen mußte der junge Rönig fih wohl oder übel auf die 
Seite der lenteren fhlagen. Sie zwangen ihm die Kichrung feiner 
Policit auf. Die DBifchöfe von Wiainz und Worms liefen fich 
3232 ihre Nechre zu Wein; und Worme beftdeigen"“®), und den 
Bürgern von Worms wurde ihr Kängft gebtes Steuerrecht genommen. 
Der Bifcof von Srrafburg batte fi) Friedrich II. angefchloffen; 
zum Dante fällt der Rönig am 7. März 1214 das Urteil, daß 
niemand in Straßburg einen Mat einfenen oder Gericht halten 
oder die ftädeifche Almend beugen dlirfe obne Einwilligung 
des DBifcpofe"). Und doch mar der Znfpruch des Bifchofs 
auf die Almend eine Vergewaltigung der Stadtgemeinde. Aud) die 
umrubigen Bhrger von Lambray machten dem Rönig viel zu fehaffen. 
Am 19. Juli J21$ befideigte er ihnen zu Worms ihre Sreibeiren''“). 
Aber die Sürften nahmen fich des Bifdofs von Cambray an, und am 
29. Juli 1215 mußte Sriedrich II. feinen ZEnefeheid wieder umftoßen, 
die Deftäeigung der ftädrifcen Sreibeiten widerrufen und die Stadt 
Achten"), "Am 26. September 1215 Bonfirmierte der Rönig deffen- 
ungeachtet nochmals auf Bitten der Bürger von Lambray deren Rechte 


Der Bampf um bie Rrone und die iEmfichung des Nates, 457 


und $reiheiten, aber wiederum fab er fich gendtigt, am I2. April 1216 
gemäß ergangenem Sürftenfpruch feine Urkunde für ungileig zu erflären""). 
Aehnlich ging es den Dlrgern von Bafel. Der Rönig hatte den von 
den Bürgern eingefenten Rat gebilligt. Darauf Mayte der Bifchof am 
33. September 1218 vor dem Sürftengericht zu Ulm. Diefes enefebieb, 
daß der Rönig gegen den Willen des Bifdyofs feiner Stadt feinen Rat 
verleihen diiefe. Solglihh mußte der Rönig fein den Bürgern von Bafel 
geebenes Privileg zurüchnehmen und ihnen für die Zukunft jede felb: 
Rändige Yeuerung verbieten""®). 

Wo bingegen dem König freie sand gelaffen wurde, förderte er 
die fäbtifche Freiheit nad) Kräften, in Jralien fowohl wie in Deutfehland. 
Den Eöniglicyen Pfalsftädten wendete er feine Bunft zu, namentlich Aachen 
und Bern. Als dann durch den Tod Orros IV. feine Berwalt beffer 
fundiert war, bat er einer Anzahl von Städten wichtige Privilegien 
verliehen und ihren Yohlitend durdy Befreiung von Dienften und 
Abgaben und durdy Erleichterung des Verkehrs zu heben gefcht. Im 
Eifaß wurde eine Anzahl von Pfalsdörfern durch Ummauerung zu 
Seldren erhoben umd dadurch mittelbar das Blrgerrum gebräftige. 
Darum hielten die Städte getreulich zu Sriedrich II., und dankbar 
bewebrten fie fein Andenken. YToch dreißig Jahre nach feinem Tode 
wirkte fein Game wie ein Zauberfblag. „Die Raufleute”, fage ein 
Gefdyicyrofhreiber des I3. Jahrhunderts, „liebten ihn mit großer 
‚ingebung, da er die Landfiraßen und Wege fo ficher fiellte, daß fie 
unbebelligt, wohin fie wollten, reiften!'®).“ So lange nicht die Tnrereffen 
der Sürften durch feine Policit unmittelbar berührt wurden, Tiefen fie 
ihn frei fehalten und walten. Sonft aber war ihre Auroricke größer 
ale die feinige. YVie in früheren Zeiten, erfchienen die BifdhSfe wieder 
biufig am “Hofe und übten einen maßgebenden Einfluß aus. Ihre 
Einwilligung zur Wahl feines Sobnes sseinrich erfaufte er auf dem 
Reichstage zu Srankfurt am 26. April 1220 durdy große Zugeftändniffe. 
dster wurde die berühmte Confoederatio cum principibus ecclesiastieist"®) 
erlaffen, woburd) die geiftlichen Sandesfüirftenrümer begelinder worden find. 

Seiedeich IT. war der gelehrige Schüler des Papftes Innocenz III. 
gewefen. Mr bat zulee den Schlauen doch noch überlifter. Dem 
Papfie mußte er verfpredhen, das aiferreich und das Rönigreich Sizilien 
nicht in einer Jand zu vereinigen, vielmehr follte er das Lehen Sizilien 
feinem Sohne übergeben. Seiedrich II. hatte aber von den deuefiben 


1. Bea, Die Aut de seinen Bub “ 


458 18. Bapiel, 


Verbäteniffen „genug erfahren, um überzeugt fein zu dhrfen, daß er dort 
eine entfprechende Wachtftellung auch nach einem Leben voll Wiühe und 
Anftrengung Baum in fidperer Ausfichr batte, daß ee fraglich fein Bonner, 
‚ob er da noch felbft Zum vollen Benuß der Srüchte gelangen, ob diefelben 
nicht woefentlich erft feinen Klachfolgern zu gure Bommen vofırden“ ik), 
Wir aller Sehnfucye zog eo ihn nad) feinem geliebten Sizilien zurhch; 
dort war feine “eimat, deren &errlichleit er mit Begeifterung gepriefen 
bat. Was war ihm Deurfchland! in Laltee raubes Land voller 
Widerwärtigteiten. Der Entwidelung mußte er bier feinen Lauf laffen; 
in Sistlien aber durfte er hoffen, feine Pläne ausführen zu Pönnen. m 
September 1220 verließ er Deucfchland; als gereifter Mann fah er 
Tralien woieder"?). 

Bifchof Lupold von Worms ift gegenüber feiner Stadt weniger 
fdyroff verfahren, als viele feiner Amtsgenoffen. Er wabrte zwar fein 
Recht als Stabtherr, aber er erkannte füillfehmweigend die nach Selb- 
fändigteir firebende Ennwidelung der Stabtgemeinde an. YOie er fehon 
früher die vornehmften Bürger als Urkumdenseugen zu wichtigen Befchäften 
sugesogen hatte, fo jent die YWitglieder des Rates, zum Beifpiel 1215"). 
Am 11. YRovember 1216 beurfundere der Rat gemeinfam mir der YOormfer 
Rirche einen Baufatr"*). Der Nat wird beyeichner als Universitas 
consilli et primatum eiusdem civitatis, und diefer Mar beftand, wie die 
Urkunde gleichfalle ausfagt, aus 40 Witgliedern, an deren Spine der 
Pisem Roncad fkebt. Diefe Urkunde liefert uns alfo den unumftöf- 
lidyen Beweis, daß das Sriedensgeridht wirklich fi zum Aare um- 
gebildet bat. Zu den richterlichen Befugniffen eignere fich jene zu einem 
befonderen Zweche errichtete Behörde adminiftracive an und wurde die 
Vertreterin der gefamten Bhrgerfchaft. 

Zupolb ftarb am 17. Januar 1217, und ihm folgte “einrich, Braf 
von Saarbrücken, ein Enkel des Ieten Burggrafen von Worme''s). 
Diefer erfebeint urkundlich 1212 als Propft von Yleubaufen, 1216 als 
Propft der Domeirche. Yegen der Wahl Bam es zu einem Zwoift. Am 
24. Auguft 1217 beauftragte Papft "onorius III. Beiftliche von Wölırz: 
burg die Wahl des Propftes “einrich zum Bifchof zu unterfuchen und 
im Florfalle das Domtapitel zu einer neuen Wahl zu veranlaffen""“). Am 
10. Juli 1218 befahl der Papft den Aebren von Eberbady und Zzemmen- 
robe foroie dem Propft von "öningen eine neue Unterfuchung der Woormfer 
Angelegenheit, da die Wahl Zeinriche von Berbodo, Propft von S. Paul”), 


Der Bampf um die Arone und die Zmtfehung bes Haren, 49 


beftrieten worden fei"®). YDie diefe Unterfüchung abgelaufen ift, wiffen wir 
nicht, wohl aber, Daß der Rönig Sriebrich I. die Ereeilung der Regalien 
an den erwählten Bifchof "einrich, der fid) 1217 bis I220 mehrmals 
am Sof des Könige aufbielt und um deffen Bunft warb, von Bedingungen 
abhängig machte. Friedrich 1. hatte fich Sfters den Stiften als Vogt auf: 
geswungen oder fie zu Zebenserteilungen an die Arone veranlaße"”). 
Diefes Verfahren haben aud) feine YIadfolger eingefchlagen. Der Bifdof 
von Worms ließ fid) daher 1212 gleich nad) der Ankunft Seiedrichs in 
Deurfehland von Biefem einen Verzicht auf die Wormfer Rircyenlehen geben. 
Trogdem forderte der Rönig vom neugewählten Bifcof die Belehnung 
mir Wimpfen und Zubehör. Der ermählte Bifchof ftrkubte fich lange 
genug. Schlielich wwaren foroohl das Domtapitel als audy der Kat von 
Worms der Weinung, daß nur durch Bewährung des Eöniglichen 
Wunfeyee “eineich die Gnade des Bönige erlangen Bönne. Am 
34. April 1220 gab das Domkapitel feine Einwilligung zu der Ver- 
Außerung von Rirchengur'"®), und am gleichen Tage ftellten Wiinifterialen, 
Räte und die Gemeinde von Worms einen gleichlautenden, mit dem Stadr- 
fiegel verfebenen Willebrief aus"). Der Fall machte Auffeben, und um 
fich in Zukunft gegen foldye Beeinträchrigungen zu feblinen, ließen die 
Sürften in das am 26. April erlaffene Reicyegefeg einen Artikel (5) auf: 
nehmen, wonach der König den Bifchöfen die freie Verfügung über ihre 
Rircpenlehen zufagen mußte. hr ihre Minwirkung bei dem erwähnten 
Gefcyäfte erhielten die Bürger einen Böniglichen Dank, indem Sriedrich II. 
ihnen am 20. April den wörtlich angeführten Sriedensbrief Sriedricye 1. 
fowwie alle Privilegien, die fie von Friedrich I. und %einrich VI. erhalten 
hatten, feierlichft beftäcigte"). Als DBefchliger des Stadtfriedens find 
nun die Bebrüber YOernher und Philipp von Bolanden bezeichnet, foroie 
der Visum, Schultheiß, der Sradrgräfe und die iersig Wichrer. Von 
einem Bat ift audy in diefem Privileg feine Rede. iußte der Rönig 
doc) gerade in Diefer Zeit den geiftlichen Sürften die größten Zugeftändniffe 
machen. 

Wennfchon der Mönig den Kat in Worms imorierte, fo beftand 
er doc), und zwar vom Bifdyof anerfannt. Diefer vollzog Sftere mir 
Zuziehung des Rates Amtshandlungen, und der Rat befiegelte die Urkunden 
des Bifcpofs mit"), Die Bezeichnung des Kates ift in Diefer Zeit noch 
eine fdyeoankende. J208 tritt die ganze Gemeinde als Ausftellerin von 
Urkunden auf: Cives Wormacienses, Cives de Wormacia'“); 1220: 


466 18. Bapitel, 


Ministeriales consules cum universis in Wormacia civibus'“) oder 
Consules et cives W.''*) oder Ministeriales, iudices et consiliarii W."”); 
1222: Consiliarii'*); 1223: Universi iuris consulti, iudices et concives in 
Wormacia’”); 1224: Ministeriales et consiliarii W."*) oder consules W."); 
1227: Wormacienses eiusdem dicti consules civitatis"”); 1229: Universitas 
eivium''®), 

Wir erfben daraus, das die Bezeichnung des Sriedensgerichres als 
Judices audb für den Rat Geltung harte. Allmäbhlich brach fich der 
fiolge Titel Consules mehr und mehr Bahn. Diefer Titel Eann auf 
Haffifcher Reminifcenz beruben, doch noch berechtigter ift die Meinung, 
daß die Deuefhen diefen Ameritel für eine ftädtifche unabbängige 
Behörde in Tralien Pennen gelernt haben, wo er fdon im II. Tahr: 
bundere üblich war"), Die Beziehungen zwsifeben beiden Ländern 
waren ja fehr enge; eine große Anzahl von Wlinijterialen woar dor im 
Dienfte des Raifere ale Starthalter von Provinzen, Legaren, Seftungs: 
tommandanten u. f. w. tbätig, und viele Bürger reiften dorrbin als Rauf: 
leute oder Pilger, Beijtliche in Angelegenheiten ihrer Rirhe. Das Konfuk 
ame ift in Jralien wie in Deurfcbland der Ausdruck der Selbftändigkeit 
der Bemeinde gegenüber dem Srabtberen. 

Der Rar von Worms vermied zunäcyft jeden Bonflitt mir dem 
Bifdpof, indem er deffen „obeitsrechte anerkannte"). Aber daß er 
tharfächlich die Verwaltung der Stadtgemeinde führre, berveift das am 
23. Auguft 3220 erlaffene Stamıe""*): Wir, die Winifterialen, Richter 
und Räte von Worms haben nach fürfichtiger Beratung befchloffen, 
mehrere verwerfliche Gersohnheiten abzufchaffen, welche der Stade zu 
Schaden und Unehre gereichen, damit die Wirde und Sreiheit der Stadt 
unter unferem Regimente feinen Abbruch erleiden. Diefer Erla gefchieht 
einerfeite unter dem Vorbehalt der Rechte des Bifdyofs, andererfeite mir 
der Einwilligung der Bürgergemeinde (annuente eivium universitate). 
Rein $remder, er fei ein Neichsfürft, Graf, Sreiberr, Ritter, Rauf- 
mann, welden Standes er auch ift, foll in den ‚erbergen durch 
Gaufler oder Spieler beläftige werden. Wer von den Bürgern 
Sremde beherbergt und zugleich Gaukler und Spieler aufnimmt, 
zahle zum Bau der Grabe (ad fabricam eivitatis) 30 Schillinge 
Buße. Wenn ein Leichenbegängnip ftarrgefunden bat, fo foll in 
dem saaufe des Verftorbenen den Verwandten und Sceunden Fein Baft- 
mabl gegeben werden, da die ja [don durdh die Kirche verboten wird. 


Der Bampf um Be Arome und die Zniftchung dee Haree 465 


Denn in einem Jaufe der Trauer ift es beffer, der Auhe-als des Schmaufes 
zu pflegen. Der trogdem foldye Belage, die wohl bei einer Kodyzeir 
paffend fein mögen, in feinem Aaufe oder anderswo hält, der able zum 
Stabtbau 30 Schillinge. Wir verbieten audy, daß, sur Vermeidung 
fäwerer und unnlger Moften, die Verwandten und Sreunde eines ab: 
wefenden Blirgers während deffen Abwefenbeit in feinem Aaufe Fein 
Gelage veranftalten, gleichfalle bei einer Strafe von 30 Schillingen, 
Will aber Jemand vor feiner Abreife oder nach feiner Rückkehr foldyee 
tbun, fo mag es ungeftraft gefdbeben. — Wir finden alfo den Rat im 
Befin der Poliseigewalt. Er write energifch flr die Wahrung des 
öffentlichen Anftanbes und YWoblftandes ein, indem er unnstige Gelage, 
die ja alleit bei den Deutfchen beliebt waren, verbot und dem Unfig 
der Gautier und Schaufpieler entgegentat. Diefe-sogen ich in Scharen 
babin, wo irgend eine größere Verfammlung flattfand, vor allem in 
größere Städte. Sie waren bei od) und Flieder beliebt”), und ihre 
Rünfte wurden bewundert und angeftaunt. Sie tanzten auf dem Seile 
oder fübeten Eunftvolle, oft fdamlofe ‚Tänze auf, überfblugen ic, 
fprangen durch Reifen, fingen Beine Aepfei /mit Wieffern, abmten den 
Dogelgefang nach, ließen Affen und Zunde Kımfiftice machen und 
dergleichen; auch wirkten fie bei den feenifchen Darftellungen der Paffion 
mit. Die weiblichen Wirglieder diefer fahrenden Schaufpielerbanden wourden 
den Sremden und Bürgern gefährlich, weshalb der Rat gegen fie einfehricr. 

Diefeo Srarur wurde erlaffen unter dem Bhirgermeifterum Borrfrieds 
zum Maulbeerbaum (de Moro) und Gernod Lange. Zum. erftenmal 
erfeeint alfo in Worms das Dhrgermeifteramt. Auch darin muß man einen 
weiteren toichrigen Schritt zur völligen Unabhängigkeit der Stadtgemeinde 
vom Stabtheren fehen"”). Die früheren bifchöflichen Beamten: Burg- 
graf, Digrum u. f.w., werden durch den Kar verdrängt, an deffen Spige 
zwei Hürgermeifter fieben. Das GBefchlecht zum Wulbaum (das beißt 
Waulbeerbaum, der offenbar am Zaufe angemalt war und aud) ale 
Wappen diente), gehörte zu den Winifterialen"”); wir finden am An 
fang des 13. Jahrhunderts einen Lberhard de Wioro, der Ronful war, 
etwas fpäter den Kiter Berbodo de Moro ıc. Das Gefehledht der 
Zange (Longi)"") zählte hingegen zu den Bürgern. Dürfen wir die 
Linrichrung des Blirgermeifteramtes ale eine tevoluriondre HMaßregel der 
felbftändig geroordenen Büirgerfchaft auffaffen, fo blieb dennoch sundchft 
die Eintracht mit dem Bifchof und den Alerus ungeftdet. 


462 18. Bapitel, 


Das zeigte fich, als der Papft Sonorius III. am 8. Juli 1225 den 
Erzbifdyof von Wiainz aufforbderte, eine Schuld der Wormfer Rirche 
beisutreiben, um die römifhen Gläubiger zu befriedigen"). Schon 
vorher hatte er ihm befoblen, alle Hinkünfte der Wormfer Kirche zu 
fammeln und diefelben zur Befriedigung der Gläubiger nach Troyes zu 
f&bicten. Allein da diefe Einkünfte zu gering fein und es zu lange 
dauere, bis die Kirche von ihrer Schuld befreit wäre, fo wird der 
Ersbifchof angewiefen, durdy Verpfändung der Kircheneinfünfte und 
nötigenfalls durch zu erswingende Beifteuern des Mlerus, der Bürger, 
Vafallen und der Juden der Stadt und Dibsefe Worms dabin zu 
wirken, daß bis nädyfte Oftern 1620 Mark aufgebracht würden. Schon 
damals war Die Sinanzpraris der römifchen Burie eine fchmähliche, 
indem fie privatredheliche Gorderungen durch firchliche Strafen mit 
Erfolg beisutreiben verfüchte, wogegen fich aifer Sriedrich II. bitter 
verwahrte"®). Allein die Wormfer: Rierus, Winifterialen, Bürger und 
Juden, lehnten die Zumurung des Papftes einmütig ab, und Eebrten fich 
wenig an die über fle durch den Wainzer Hrzbifchof auf päpftlichen 
Befehl verhängte Hrkommunitarion‘!®), die erfte von den vielen, durd) 
welche Kom die Stadt Worms zu fehreeken füchre. 












































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39. Bapitel. 


Sürften und Städte. 
Die erfte Rachtung. 






ie Macht der deurfchen Bifchöfe beruhte auf den 
feudalen.ı Inftiturionen. Im Gegenfan zu 
ibnen waren die Städte aufgefommen; diefe 
vertraten ein modernes Prinzip, und wie euer 
und Waffer ftießen fih) diefe Begenfäne ab. 
Ein Bampf Eonnte nicht ausbleiben, und 
diefer ‚brach denn auch in Worms los, und 
er war ‚von. den‘ beftigften Erfhlirrerungen 
und elementaten Raraftrophen begleitet, welche 
der Stadt Worms den Untergang zu bereiten 
drobten. Aber der Tror und umerfehlirterlicher 
Wannesmut der Wormfer Bevölkerung über: 
wand alle Bedrängniffe. Tene "eldenzeit prägte fi) dem Bebächnis 
der Wormfer tief und umauslöfchlid ein; aus diefem Schage der 
Erinnerung fchöpften fie in fpäteren drangvollen Tagen. Berade damals, 
als die Gemüter in größter Spannung waren, wurden die Wormfer zur 
Aufzeichnung der Ereigniffe angerege''*), Sin Schreiber in fiäbrifchen 
Dienften bar im 13. Jahrhundert Annalen aufgezeichnet, Jahr für Jahr, 
gleichzeitig mit den Ereigniffen, durchaus 3uverläffig und gewiffenhaft"). 











Später aber, dody noch im J3. Jahrhundert, hat dann ein Beiftlicher 
verfhjiedenartige Ylachrichten und Erinnerungen gefammelt und zu einer 
Wormfer Ehronit umgearbeitet, die vielleicht mit der Linführung des 
‚Chriftentums begann, in Burgen Zügen die Befcyichte der Bifchöfe und der 


1. Bean, Die But ver seinen Mu. L 


466 18. Bapitel, 


Stadt bis auf Yeinridy VI. erzählte und dann in ausführlicher Darftellung - 
die großen Zreigniffe des 13. Jahrhunderte fehilderte, deren Brundton 
der Rampf der Stadr mit den Bifcyöfen und dem lerus bildere''*). 

In der That, eo war eine Zeit, des Erzählen wert. Ein gewaltiger 
Umfepwung auf allen Gebieten vollzog ih im Laufe des I3. Jahr: 
bunderrs. Die flarre Bebundenheit, welche das deurfche Leben fdheinbar fo 
lange harakteriflert, Löße nun nach. Auf ihren häufigen Zügen und Fahrten 
mad Tralien"'”) hatten die Deutfehen eine böbere Rultur fennen gelernt; 
die Pilgerreifen und Briegssüge ine beilige Land erweiterten ihren 
Gefichretreis. Llicht nur fah man andere Länder und Völker und lernte 
ihre Sieten Eennen, fondern man nabm audy wahr, wie man anderwärte 
in anderen Sormen Gott zu dienen gewohnt war. Der geiftige Horizont 
erweiterte fid) gewaltig. Aber ebenfo gewalrig war auch der marerielle 
Sorefehrier. An Selle der Ylaruralwirtfchaft ewat mehr und mehr 
die Geldwoirrfchaft. Waffenhaft firömre das Landvolt in die Städte, 
einer neuen Völkerwanderung vergleichbar; neue Gtabtreile eneftanden, 
ganze Strafenzüge wurden gebaut, und die Sden Pläge im Tnnern 
der Städte verfdhwanden nun rafdh. YWir beflzen aus dem Ende des 
33. Tahrhunderre eine Befähreibung des Slfäffes, die eine Anzahl 
unfch£gbarer Butturbiftorifcher Züge enchält""®). Da wird erzähle, wie 
dürftig in Straßburg und Bafel nody 1200 die Mauern und Kirchen 
gewefen feien, wie Mein und unanfehnlich die &äufer, die von Holz 
gebaur und mir Schindeln gededt waren. Der Steinbau nahm nun zu, 
und man nimmt einen fleigenden Lupus wahr, forwohl in der Mleidung, 
ale in Trank und Speife, indem Waren aus dem Drient und Briecyenland 
importiert wwurden. Da trant man am Rheine griechifche und cyprifche 
Weine, obwohl der bier wachfende Wein zu den ebelften Deutfchen 
Weinen gehörte; da Eleidere man ich in die Loftbarften feidenen und 
broßatenen Stoffe”). Am Anfange des I3. Jahrhunderts war das 
Land noch mit dicytem Walde bededt; es gab viele wolıfle Flächen 
umbebauten Landes. Yun wurden eifrig die Wälder geroder und die 
wüften Ländereien fruchtbar gemacht, neue Wirtfchafremerhoden Bamen 
auf; der Stügelsucht, dem Obft- und Gartenbau widmete man größere, 
verftänbigere Sürforge, und ebenfo hob fidh die Technik des Jandwerkes. 
Vlamenklich großartig war die Baurbärigkeit. 

Die meiften Rirchen in Worms find im 13. Jahrhundert entweder 
vollendet worden oder haben in biefer Zeit einen Umbau erlitten. 


Sicfen und Saore. Die ee Kacrung, 467 


1234 gelnbere der Rantor der Speierer Rirde und Domberr zu Worms, 
Gerlach vom Brafewoeg, vier Präbenden im S. Laurentiuscher des Doms 
zu Worms”). Solglidy muß dazumal der VWeftchor im wefentlichen 
vollendet gewefen fein. Aber noch 1286 fpricye der Bifchof Simon von 
großartigen Ausgaben und einem teuren Unternehmen, das vormals im Dome 
fattgehabt habe!'”). Ebenfo müffen in der erften Zälfte des 13. Jahr: 
hunderte die S. Andreas:, S. Paul und &. Wartinstirche forsie eine 
Anzahl Meinerer Kirchen und Bapellen fertig gebaut worden fein. Yun ging 
man auch in Worms, wo man j6 lange am romanifihen Bauftil feftgebalten 
hatte, zum gotifchen Über. YDie die prachtvollen erbabenen romanifchen 
Dome am Rheine der Pünftlerifchhe Ausdruc® der Machtftellung der 
deurfhen Mönige im IJ. Jahrhundert find, fo die bimmelanftrebenden 
gotifcyen Bathedralen der Hinftlerifche Ausdeuc® für den Auffcbrwung dee 
franzöfifchen Rönigtums und der nordftanzöfifchen Städte. Denn in LIord- 
frantreidy hat ich der gotifehe Stil zuerft ennwickelr, dort wurzelte das 
franzöfifebe Rönigeum am ciefften, und dort regte das junge Bürgertum, 
welches dem Rönig feine “ailfe angeboten hatte, die Schroingen feines feifchen 
Zebens am Erfftigften. Auf nftlerifchyem wie auf wiffenfchaftlichen 
Gebiet war Ylordfrankreich die tonangebende Wacht, und bald biele der 
franzöfifehe Beift feinen Triumpbzug durch alle Aulturländer Furopas. 

Am wenigften Eonnten fid) die Abeinlande diefer Einwirkung 
entziehen. Berade bier hatte die franzöfifche böfifche Dichrkunft gute 
Aufnahme gefunden. Die jungen bildungseifrigen Leute pilgerten nady 
Paris, um bier an der Quelle der Wiffenfchaften zu feböpfen"”). Tim 
mittelcheinifhen Bebier ift die Stiftekiccdhe zu Wimpfen im Thal zuerft 
in dem neuen gorifcen Stil erbaut worden, und zwar durch einen 
Weiter, der aus Paris gefommen war"). In Worms felbjt und 
feiner Umgegend fpielt die Borit nur eine untergeordnere Rolle, man 
biele bier an den überlieferten Gormen länger ale anderewo feit. Sie 
erfchpeint zuerft beim Bau der S. Yliflaustapelle am Dom. Laut einer 
Urkunde von 1289 war diefer Bau prachroolf und mir vielem Aufwand 
begonnen worden!’®). $Es ift eine zweifchiffige Anlage, deren Areuze 
gewoölbe von zwei Säulen getragen werden. Dody die Vollendung 
diefes Banes wie auch des figurenreichen Shdportals des Domes 
gehören erft dem 14. Jahrhundert an. 

Aber auch die profane Baukunft fand veichliche Tätigkeit, denn 
das I3. Tahrhundere ft die Zeit der grofien Gradrbrände. Am 


468 19, Bapitel, 


33. Juli 1223 brady am früben Worgen in dem aufe Reimars beim 
Warte Seuer aus, das alle Mramläden bis zum &ofpital verzebrte; 
es griff in der <agengafe und der WVollgaffe um fic), und die Stadr erlicr 
dadurch unermeßlichen Schaden. Zehn Jahre darauf, wiederum im 
Juli, velitete ein neuer Brand, in dem das “aus dee Ritters Ferbord 
in der Brorgaffe in $lammen aufging; das Seuer verbreitete fid nach 
beiden Seiten bis zur Jubenpforte und zur Pfauenpforre, und der ganze 
am Abeine gelegene Stadtreil und mit ihm &. Paul brannte nieder. 
Am 22. Juni 1234 entjtand im aufe des Gigilo Bosmar, das fpäter 
Zum Schöne bieß, Seuer, und der ganze Stadrreil bio zur Stadtmauer 
und bis zum Ende der ©. Petersgaffe am DBache wurde von dem 
feindlichen sElemene gerftdrt. 1242 entftand fodann wiederum am Abend 
des Palmfonntags ein großer Brand bei der S. Anbrenskirche, und 
mehr als die dälfte der Stadt mit allen darin gelegenen Kirchen ging 
zu Brunde. Ueber 300 Wenfchen Bamen dabei um. Am 30. April 1259 
brach im “Gaufe Weinheimere Feuer aus, und wiederum verbrannte bie 
Aflfie der Stade, fo daß diefe kaum noch den Anblid® einer Stadt bot. 
Das Seuer volitere die ganze Klachr bindurch und richtete ungeheuren 
Schaden an, der auf mehr als 550 000 Mark gefchäst wurde; und es 
verbrannten der Stadt ihre Mriegmafcjinen und Waffenvorräre, bie 
Pferdemliblen und dee Sahnenwagen, Standhart genannt, deffen Wert 
allein auf 1000 Mark gefchdgt wurde. 1269 entftand in der Wirte der 
Ylacıt bei den Predigern großes Seuer; wegen der “eftigteir des Windes 
wurde faft die halbe Stade eingeäfdyert, umd fehließlic verbrannte am 
3. Mai 1298 ein großer Teil der Stadr'”). Die Zäufer waren eben 
meiftene leicht von “ols gebaut und mit Gchindeln bedeckt, und die 
Ylachläffigteit der Wienfchen vermebrte die Gefahr. Schunvorkehrungen 
und Löfcheineichtungen gab eo noch nicht. Da in der nächjten Umgegend 
‚von Worms Beine Steine zu baben waren, fo griff man immer wieder zu 
dem bequemen, aber gefährlichen Baumaterial, und fo erneuerten fidh von 
Zeit zu Zeit die Kataftropben, in denen man Berichte Gottes fab. Der 
den Deutfchen feit alter Zeit beberrfehende Saralismus, gegen welchen 
fi) das firrliche Beroußtfein des Dichters Reinmar von Zwerer Eräftig 
auflehnte''%), leiftete noch dem Zeichtfinn Vorfcub. 

Am Anfange deo 13. Jahrhunderte war das religiäfe Gefühl aufer: 
ordentlich aufgeregt, wie man aus ben Erzählungen des Cäfartus von 
Geifterbach erfeben Bann. Der Rierus genoß beim Volke Lange nicht 


Sücfen und Städte. Pie erfe Nachrung. 469 


mehr das frühere &Anfehen. Seine Scömmigteit harte ihn reich 
gemacht, der Reichtum führte aber zu Wiüfiggang und Ueppigeit 
und dadurch zum Verderben!'*). Unermeflide Triumphe hatte die 
römifche Kirche errungen, fie befaß die „errfchaft Über die Leiber 
und über die Seelen und entfaltere eine fajt fieberbafte Thärigkeir, 
um ihre Zerefhhaft zu behaupten. Diele der Srömmften nahmen 
Anfioß an der Verwelslichung der Kirche, und fon Bernhard von 
Elairvaur batte den Papft Eugen wegen feiner Prunkfucht fcherf‘ 
gerabelt: „”Jn diefen Dingen bift du Bein KTachfolger des heiligen Perrus, 
fondern des Raifere Ronftantin.“ Te böber die lache der Ritcye flicg, 
um fo ftärker wuchs die Oppofition, namentlich in Oberitalien und 
Südfrankreich; bald verbreiteren fid» die Bener, fo nannte die Kirche 
alle die, welche vom offiziellen Glauben abwichen, aud) in den rheinifihen 
Zanden. Viele wollten eben von der entarteten Kirche nichts wiffen, 
fondern fie fucbten ihre Zebensaufgabe in werkihiriger Pflichterfüllung 
innerhalb der chriftlien Bemeinde und in der Ausübung opferwoilfiger 
Yrächftenliebe. Sie wollten das altchriftliche Gemeinde: Jbeal erneuern”). 
Diefe Rener nannten fid) Brüder und Schweftern oder auch „Arme 
Eprifti“; eo wwaren meift arme Leute, Bauern, Jandwerker, Tagelöhner ıc., 
die ihren Lebensunterhalt durch “andarbeit verdienten. Sie machten 
feinen Anfpruch auf Privilegien, fondern in füller Derborgenheit wollten 
fie in der Vlachfolge Chrifti eben. Allein die Mitche duldere Feine 
Setbftändigteit, Beine Abweichung von ihrer Lehre und ihrer Brdnung, 
felbft das firlich matellofefte Leben fcylite nicht vor dem todbringenden 
Vorwurf der Benerei, und da man ihnen feine wirklichen Lafler vor 
werfen Eonnte, Dichrere man ihnen weldpe an. Ylicht durch Liebe, Ueber: 
tedung und Ueberzeugung wollte die Rirdye die Jerenden auf den rechten 
Weg weifen, fondern durch Seuer und Schwert fie austilgen. Selbft 
einer der ebelften MW länner der Batholifhen Ritche, Bernhard von 
Elairvaug, Eonnte den Ausfpruch chun: „Um Ehriti willen geröter zu 
werden oder zu töten, it Bein Verbrechen, fondern böchfter Ruhm." Als 
die Benerei immer mebr Verbreitung fand und das Schifflein Perri 
dem Desfinten nabe war, da fand der Papft neue Kelfer im Rompfe mic 
den Gegnern der Rirdpe, die Bertelmönche. Durch die Bettelorden (wozu 
die Sranzistaner, Dominikaner, Sacbrüder, Wilbelmiten, Auguftiner, 
Rarmeliter gehörten) ift erft das Mönchenm zu einer religiöfen Macht 
geworden"). 





410 18. Rapirel, 


Im Jahre 1209 börte Srancesco, ein Dlrgersfohn in AMif, in 
Portiuncula das Evangelium vorlefen: „Ihr folle nicht Bold noch 
Silber noch Er; in emerm Gürtel tragen, Beine Tafche zur Wenfabrr, 
noch zwei Köche, feine Schuhe und Beinen Stab.“ — „Das iff’s, was ich 
will,“ rief er aus, „das ift, was ich fuchre,“ und fofort Iöfte er die 
Sandalen, vertaufchte den Blirtel mir einem Stricde und warf fogar 
den Berrelfact und Stab von fidh. Franz, von tiefjter Sehnflrcht nach 
dem Unfchuldezuftand der Wienfchen ergriffen, wollte die Ylachfolge 
Chrifti buchftäblich erfüllen. Wöllige Armur und die Predige vom 
Reiche Bortes und der Buße war fein deal und der Beruf, den fidh 
Sranz von Affifi erwäble hat, geftügt auf die Worte des Evangeliums 
Wareh. 19, 21: „Verkaufe alles, was du haft, dann Eomm und folge 
mir nadı.“ Thn fammert das im Weleleben verfuntene Gefchlecht, und 
er will co durch eigenes Beifpiel zur Buße rufen und zum Srieden 
führen. Das war im Grunde genommen dasfelbe Ziel, das den Armen 
Chrifti, den Waldenfern, vorfebmebte, nur mit dem Unterfchied, daf 
Srany fid) nicht von der Kirche trennen wollte, wenbalb er die päpft: 
liche Ermächtigung zur Bußpredige nachfüichte. Gerade in den großen 
Städten fab es feblimm um die Seelforge aus. Der Pfürrklerus erfüllte 
feine Pflicht nicht, und der größte Teil des Dolkeo batte id der Kirche 
entfrembder. Darum war die innere Wiiffion notwendig geworben, wie 
ja aud) heutzutage wieder in den Gräbten die Wiehrbeit der Bevölkerung 
Birchlicy völlig indifferene öt und man nur durch außerordentliche Micrel 
(Innere Wiffton, „eilsarmee ıc) auf fie eimwirfen fann. Zwar hate 
das Lareranifehe Ronzil 1215 befehloffen, daß kein neuer Wißnchsorden mehr 
begründet werben dürfe, aber Papft Tnnocenz III., diefer große Politiker, 
erkannte fogleich die ganze Bedeutung der neuen Aräfte, die fidh ihm in 
‚Sranz von Affift und Dominicus Buzman zur Verfügung anboten. ‘Er 
ftelfte den religisfen Enchufisemus, die außerordentliche Beweglidykeit 
und die ganze populäre Kraft diefer Benoffenfchaften in den Dienft der 
Ricche, machte fie zu einer jederzeit fehlagfereigen Armee, zu einer Art 
flirgender Rolonne. Ganz gegen den Willen von Sranz entwickelte ic) 
der Orden, und die Weltverneinung flug gleich beim Beginn in Welt: 
berefchaft um"”). Sranz dachte an ein iEremitenleben im altchriftlichen 
Sinne, ftatt deffen fente fid) der Orden in den Sammelpunkzen des 
großen Verkehrs, in den Städten fell. Durch populäre Wanderpredigt 
wollten die Brüder des beiligen Sranziscus das Vol zur Buße und 


Sürpen und Sräste. Die exe Nacrung. 41 


zum $Bvangelium befehren und durdy eigenes entbebrungevolles Leben 
in Arbeit und dienenber Liebe der Welt voranleuchten. Sobald jedoch 
der Orden fih mit dem Papftrum einfieß, wurde er deffen Werkzeug, 
um die Serefehaft der Welt zu behaupten, und er verfan® immer ciefer 
in das weltliche Treiben. Deflenungeachter ift die YWirkfamkeit dee 
Ordens der DBettelmönche eine unermefliche gewefen. Tbre auffällige 
Tracht, ihr fremdartiges Ausfehen, ihre ganze Lebensweife und ihr 
Auftreten erregten die Aufmerkfambeit des Volker. Sie waren mic die 
Vögel, die nicht fäen und fammeln in Scheuern. Die Privilegien der 
Päpfte verliehen ihnen eine ungebeuere Macht und Unabhängigkeit von 
den Bifchöfen und dem Pfärrklerus, und die von ihnen eingeführten 
Andachtswerte und Seligteiremittel, wie Ave Waria, der Hofenkranz ıc., 
eine yany außerordentliche Anziehungskraft. The Anfprucy, aller Orten 
su predigen und Beichte zu hören, machte jie fähig, die beliebteften 
Beicyrodter zu werden, denn dem Iandfremden wandernden Bertelmändh 
vertraute man ein Beisiffenegebeimnie lieber an, als dem einheimifchen 
Pfarrer, der wegen feines unfittlidhen Lebenewandele übel berüchtigt war. 

Obwohl der beilige Dominicus eine grundverfchiedene Yratur von 
‚Stanz war, verfolgten doch beide ein gemeinfames Ziel: fie wollten eine 
Miliz Ebrifti unter den Yaien gründen und der Rezerei fteuern. Dominicus, 
ein fanatifcher Spanier, dußerlic) würdig und gemeffen, innerlich von 
feuriger Glur erfüllt, hatte es fich zu feiner befonderen Aufgabe gemacht, 
die Beger in Srankreich, die Albigenfer, auszurorren. Diefem Beruf 
ale Regerrichter unterzog fi dann der Dominifanerorbden mit nur zu 
beißem Kifer. 

Alein diefe veligisfe Richtung ergriff nicht nur die Männer, fondern 
auch die Frauen, und fo enrftanden neue Srauenlöfter. Clara Scifi, die 
fib_ dem heiligen Sranz innig angefcloffen hatte, fliftere den Rlariffen: 
orden. Auch Dominicus wußte die Frauen an fich zu feffeln. Die 
Seauenklöfter der Regel des beiligen Auguftin vonrden meift der Übedienz 
des heiligen Dominicus umterworfen. 

Die von Sranz von Affiß angefachte Bewegung blieb jedody nicht 
auf die Tnfaffen der Miöfter befchränkt, vielmehr verbreitete fie fic) in 
weiteren reifen des Volkes, zumal unter foldyen, welche durch perfönliche 
Umftände, wie Derebelichung, abgehalten waren, in ein Rlofter zu treten. 
Tron ihrem Bleiben in der Welt wollten fie dennoch ein Leben der Bufe 
führen, ein Leben ftrenger Astefe und einer möglichft umfaffenden WOohl: 





4m 19. Bapirel, 


ehärigkeit. Daraus entftand der Orden der Tertiarier oder der dritte 
Orden, Brüder und Schweftern der Buße, die gelobten, alle Bebore 
Gottes zu alten. Sie follen rein von Sünde fein, dunfelfarbige Rleider 
wagen, Schaufpiele, Tänze und jede Weleluft meiden. Durch diefe 
Inftirution erhielt der DBertelorden eine breite volfsrümliche Grundlage 
und einen enormen influß auf das gemeine Volt. Die Älteren Begbarden- 
und Begbinnenvereine und die Bußbrüberfebaften gingen nun meift in 
dem Dritten Orden auf. Das deal von dem irdifchen Gottesftaate, in 
dem es Beine Ungleichheit des Beflgeo und des Standes geben folk, 
bien fi) verwirklichen zu wollen, denn der dritte Orden umfehloß fooohl 
Bönige ale Dertler. 

Das Aufkommen der Bertelorden hänge aufs engfte mir dem Auf: 
fbrwung dee ftädrifchen Lebens zufammen. In allen Städten fiedelten 
fi die Bertelmöndhe an; fie erhielten reiche Landfdyenfungen und fie 
verftanden es, den ftädrifchen Brund und Boden produftiv zu machen, 
indem fie ihn in Parzellen aufteilten und an Bautuftige nach Stadtrecht 
zu billigem Zins verlieben. Dadurch ftieg die Bodenrente, und fie, woelche 
vollftändige Armur gelobt hatten, wurden in manchen Städten die reichften 
Grundbefizer. Wir Recht konnte WO. Arnold von den Rlöftern fagen: 
Sie waren für das wirefchaftliche Leben ein ebenfo nomwendiger 
Durchgangspuntt wie für die Wiflenfehaften, das Unterrichtawefen 
und die Aemenpflege"®). So wirkten die Sranzisfaner (Wlinoriten oder 
audy DBarfüßer genannt) und nody mehr die Dominikaner (Prediger) 
auf geiftigem Gebiete befreiend und aufbauend. Auf cheologifchem und 
pbilofopbifcyem Gebiete begründeten fie eine neue Epoche; ihr dem 
Volksleben zugewandter Sinn, ihre realiftifche Anfchauung führte ® 
zu einer Gefebichtofchreibung, die auch dem Beinen Lagestreiben der 
bürgerlichen Areife liebevolle Beachtung fehenkre, ja foger auf dem 
Gebiete der febönen Lirteratur haben fie eine vollftändige Ummandlung 
hervorgebracht. Der Prediger, der in deutfcher, dem Volke allgemein 
verftändlicher Sprache zu erzen tebere, Bereholb von Regensburg, 
löfte den Dichter ab und verhalf der Profa zur Gerrfhaft'). 

Bald nad) der Bonflituierung des Ordens begannen die Bettel: 
möndye die Propaganda (1219) und gründeten allenthalben, felbft in 
Eleineren Städten, bleibende Yriederlaffungen. 

Im Jahre 1221) Bamen die Sranzistaner nah Worms'*®). Zuerft 
erhielten fie ein «aus bei der Mapelle des heiligen Ylazarius (hinter 


Sirhen und Sräte. Die ee Hadırun. 47 


dem Blirgerhof); fäter fedelten fie nady der S. Perersgaffe Über). 
3222 Eonnte Bruder Caefarius von Speier, der die Leitung des Ordens 
in Deurfcpland übernommen batte, in Worms bereits das erfte deutfche 
Provinzialfapitel abbalten, fo viele Mleriter und Laien batte er fehon 
in den Orden aufgenommen. Da die Heine S. Ylasariuskapelle dem 
Andrange niche genügte, fo ftellte Bifchof Zeinrich den zur Verfammlung 
‚gefommenen Brüdern für die eier des beiligen Wiefopfers, die Lirch- 
lichen Tageszeiten und für die Predigten den Dom zur Verfügung. Rafd) 
breitere fich nun der Orden in Deutfihland aus, das in drei Provinzen 
eingeteilt wurde: die fächfifche, die oberdeutfche und die Eölnifcye, und 
fede Provinz wieder in eine Anzahl von Euftodisen. YWorme gehörte 
mit Wyainz, Speier u. f. w. zur Custodia Rheni. An der Spine feber 
Euftodie fand der Euftos; der Vorfteher des Rlofters hieß Buacdian. 

Wit den Miinoriten rivalifierten die Dominikaner oder Prediger, 
die 1226 nady Worms amen”®). Sie erwarben fid) das aus des 
Ritters Wernber in der Satrlergaffe. Allein bald. fließen fie auf 
Oppofition, indem der Bifdyof ihnen die Yliederlaffung. zu erfchweren 
füchte, wogegen fie an den Bürgern. Bönner fanden. Der Papft 
Gregor IX. war durchaus auf ihrer Seite, und am 24. Auguft 1229 
verfpracy er allen, die den ‘von den Predigern in Worms begonnenen 
Bau fördern würden, eroige Seligteir und Ablap!”), Allein die An- 
feindungen hörten nicht auf, und auch die Wiinoriten hatten darüber zu 
lagen; beide Orden wandten fich Blayend an den Papft und füchten 
deffen Schun nad). Diefer verwies am..3. September J229%%) dem 
Bifchof von Worms, daß. er in feiner Diözefe nicht bereits gegen die 
Befchimpfung. der Brüder des Prediger und YWlinoritenordens ein 
gefehritten fei und befahl ibn, den Unfug der Teufelstinder abzuftellen, 
wibrigtenfalle er den Propfi, Dekan und Bantor der Domticde zu 
Worms damit beauftragen werde. Der Widerfpruch des Bifchofe und 
des Pfarrklerus ift leicht erläclich, da die Bertelorden vielfach in bie 
bifchöftichen echte eingriffen und dem Pfarrklerus wirkfame Bonkurrens 
in der Ausibung feelforgerifcher Sunktionen machten'””). Am 24. Januar 123] 
beauftragte der. Papft die Prediger in YOorms mit der anbhabung der 
Rircpensucht in Besug auf die von dem Razdinallegaten Bontad von Porto 
und G. Rufina 1225 erlaffenen Ricchenftaruren"”), und am 28. Sebruac 1232 
befahl er dem Prior und GSubprior der Prediger in Worms, gegen bie 
in den YronnenElöftern eingeriffene Simonie einzufdhreiten"””). Der Bifcyof 

4. D0en, ie Aut er otfn Ge I . 


414 18. Bapirel, 


brachte eo aber wirklich dahin, daß die Prediger die von ihnen 1226 
erworbene Liegenfchaft verlaffen mußten, worauf jeboch der Bardinal- 
legat Brro von ©. Ylicolaus in carcere Tulliano energifch flr fie ein- 
trat. Am 22. März 123J befahl er dem Scholaftitus und Dekan der 
Steapburger Birce, für Aufrechrerhalung des von ihm getroffenen 
Abkommens zu forgen, wonach Bifchof und Bapitel von Worms bie 
Rirche des heiligen Andreas auf dem Berge, vor den Mauern der Stadt, 
dem Prior und den Brüdern des Predigerordens überließen, wogegen 
diefe auf den Ort ibrer früheren Chiederlafjung verzichteren"”). Bo half 
aber alles nichre. in fdhärfiter Weife mußte daher Papft Gregor IX. 
durch den Dekan, Bantor und Scholaftitus der Rieche zu Trier den 
Bifchof ermahnen lajfen, daf er von der Beldftigung der Prediger 
abfiehe""). Dem Orden war ein Braf Eberbarb von Leiningen bei: 
getreten, und diefer hatte fein Begräbnis bei den Prebigern angeordnet. 
Der Bifcof aber ließ den Leichnam wieder ausgeaben und auf dem 
Kirchhof beim Dom beifenen, aud) andere Bewaltthätigkeiren erlaubte 
© fich gegen fie. Der Papft befahl nun, daß der Verftorbene nochmale 
ausgegraben und auf dem Kirchhof der Prediger beerdigt werde. Diefe 
Angelegenheit wurde am 2. September vor den genannten Bevoll 
mächtigen des Papftes behandelt"), und es Bam endlich) zu einem 
Vergleich. Den Predigern wurde die‘ S: Andreastirche auf dem Berge 
angewiefen, und wegen des ZBegräbnisredhres wurde die Sache fo 
geordnet, daß zwar die Prediger die, welche bei ihnen winfehten 
begraben zu werben, beerdigen durften, aber der Leichnam follre zuerfk 
in die Pfarekirde, zu welcher der Verftorbene gehörte, gebradyr und 
dafelbft eine Weffe gefungen werden, Dann erft durfte das Begräbnis 
auf dem Rirdhhof der Prediger ftarrfinden. Auch follten die Prediger 
das nrerditt halten und dem Bifchof und der Mirche von Worms 
geborfam fein, fowweit dem nicht die vom Papfte dem Orden gegebenen 
Privilegien vwoiderttritten. Diefer Bomptomiß febeint fedod an der 
Weigerung des S. Andreasjtiftes, auf die ihm intorporierre &. Andreas: 
kirche auf dem Berge Verzicht zu Ieiften, gefcheitert zu fein, weshalb 
der Bifdyof am 18. Tuli 1232 ein neues Abkommen mit den Predigern 
fehloß”). Mr bewilligte ihnen das Recht, ein Grundftüc innerhalb der 
Stadtmauern erwerben zu dürfen, um darauf eine Mirde und ein 
Blofter zu bauen, überall wo fie wollten, nur mit Ausnahme des Ortes, 
den fie zuerft inne gehabt hätten. Der von den Trierer Geijtlichen 


Sürpen und Grädte. Die erfe Kacrung. 475 


gefchloffene Vergleich fol zu Recht befteben, mit Ausnahme des Artikels, 
der die S. Andeeastirche auf dem Derge berührt. Der Bifcof 
verpflichtet fich ferner, die YOormfer Rirchen (Domtirche und &. Andreas: 
fift) zu bewegen, daß fie bie Prediger für ihren Verzicht auf die 
&. Andreasticdye auf dem Berge enrfchädigen; weigeren fie fich deffen, 
P Fall ein Schiedsgericht fiber die Mnefäpldigung enrfiheiben. Am 
Jo. Sebruar 1233 wenehmigte Papft Gregor IX. diefen Vergleich"). 
Wir Zitfe wohlchäriger, ihnen gurgefinnrer Wienfden gelang es dann 
den Predigern, einen &of der Zildegundis binter der Ylinze zu erwerben, 
wo fie eine bleibende Zeimftärte fanden. Der Papft wies ihnen für 
ihren Bau eine Summe von 00 Wiark aus den Rreuszugsgeldern an!!"). 
3264 ließen fi die Auguftiner und die Sackbrüder in Worms nieder'”), 
1299 die Rarmeliter!””) und die Wilhelmiten'”"). 

Die Alöfter waren im Witrelalter eine wirefebaftliche YTotwoendigkeit. 
‚Sie allein boten die Gelegenheit, fich dem Studium zu widmen; bier fanden 
die jüngeren Söhne des Adels ein anftändiges Unterommen, fie waren 
für alle, die fich in der Welt niche mehr zurecht fanden, ein wohlchuendes 
Afyl. Yramentlich den Grauen waren die Riöfter geradesu unentbebelich. 
Denn mit dem Aufblühen der Städte entftand die Srauenfrage”"”). Das 
männliche Gefchlecht war von feiner Geburt an unendlich größeren 
Gefabren ausgefegt ale das weiblide, fo daß fich bald ein Ueberfchuß 
der weiblichen Geburten über die männlichen ergab), und dadurd) 
wurde ein Srauennotftand erzeugt. Später, im I4. und 15. Tahrbunderr, 
drängten fi die Srauen in alle Berufszweige hinein, fie waren im 
Gandwere thäcig, teils. als Tnbaberinnen des GBefcyäfte, teils als 
Arbeiterinnen, befondere in der Terrilindufteie und dann, wie noch beure, 
im Rleinhandel; wir finden Scauen als Xerztinnen, mandye in amtlichen 
Stellungen, als Auffeberin der Stadtwage, kurz, auf alle Weife füchten 
fie fi) den Lebensunterhalt zu verdienen. Das genligte aber nicht, fie 
bedurften befonderer Vorforge, und fo entftand im 13. Jahrbundere 
und in den folgenden Zeiten eine grofe Anzahl von Srauenklöftern als 
DVerforgungsanftalten für die rauen. Diefe Srauenklöfter dienten alfo 
nicht forsobl der Srömmigteit, fondern böchft praftifchen Zwecken; fie 
erfüllten damals die Aufgaben, welche man beutzurage den Rentenanftalten 
und Winventaffen zueift. In Worms gab eo bis ins J3. Jahrhundert 
nur ein Srauenklofter, YTonnenmünfter genannt, weltliche Ranoniffen, Die 
nach, der Regel des heiligen Auguftin lebren. Diefes Rlofter befaß zwanzig 


476 18. Bapirel, 


Präbenben, welde den ebenfo vielen Gtiftebamen meift vornehmer 
saerkunft ausreichenden Lebensunterhalt gewäbrsen. Allein im I3. Jahr: 
hundert artere die Zucht völlig aus, es kam zu fRandalöfen Scenen'*'), 
weshalb auf die lage des Wormfer Bifhofe der Papft Gregor IX. 
bewoogen wurde, am 20. September 1236 das Stift in ein Rlofter um- 
zusvandeln. und diefes der firengen Regel von Cifters zu unterwerfen"), 
Zugleich wurde die Sahl der Ylonnen auf vierzig erhöht”), indem eben 
damals für die Srauen ein größeres Bedürfnis nach Verforgung vorhanden 
war. Durcsfihnitrlich zeichnen fid) die Srauentlöfter vor den Männer 
Uöftern durch höhere Yiirgliedezahlen aus, fo daß fie zuweilen hundert 
Infaffen sählten, was eine fehr große Bedhrfnislofigteit der Einzelperfonen 
zur Dorausfegung hat!=). Der Difchof erkannte jedoch die KTotwendigteit 
an, das $Eintommen des Rlofters Yionnenmünfter zu erböben, was durch 
Intorporarion der &. Caecilistirde gefyab'”). Papft nnocenz IV. 
nahm (odann am 12. {Jet 1245 das Blofker in feinen befonderen Schun'”)). 
Bleichzeitig mit der Ummandlung des Stiftes Yionnenmünfter in 
ein Srauenklofter entftand das SeauenBlofter Rirfebgarten. Der bifdhöflliche 
Bämmerer Richezo und feine Srau Agnes fdenkten ein Brundftüch, das 
er vom Bifchof zu Zehen hatte, dem von Bifdhof "eineich 
Blofter'?”), und der Bifcof Landolf beftäcigee am 3. Auguft 1237 diefe 
Sciftung'”). Das neue Mlofter genoß dauernde Bunft der Päpfie, 
Bönige und Laien'””), bie es im I5. Jahrbundert völliger Suchelofigkeir 
verfiel, die zur Auflöfüng desfelben und zur Ummwandelung führte"). 
In der zweiren “älfte des I3. Jahrhunderts erfolgte fodann noch 
die Brimdung von zwei dem Predigerorden untergebenen Srauenkiöftern, 
aber außerhalb ber Stadt Worms, die wir mur Eur berühren wollen. 
Um 1276 gab es eine Sammlung von Scauen (Inchusae) bei der Ricche 
von Focpheim'”). Der eigentliche Grimder ift aber der Ritter Dirolf, 
Bürger von Yorms, und feine Bemablin Agnes, die dem lofter 
“aimmelskrone Coeli corona nicht weniger als 1300 Walter Korns 
jäbrlicyen Zins vermachten”®), was ein Beweis großen Keicdhrumes ft. 
Zur Vermehrung der Zinnabmen inkorporierte ihm Bifchof Simon am 
13. Flovember 1283 die Pfarrkirche S. Amandus in der Vorftabr von 
Worms’). Die Töchter des Adels und der vornehmen Blirger von 
Worms fanden bier ihre Verforgung'®). ine Ende des 13. Jahr: 
hunderte fällt die Stiftung des Rlofters in Liebenau”). Die Zaupt- 
wohlchäter waren Engelmann und feine Srau Lieba, Wormfer Bürger”). 


Fürfen und Sradee. Tie erfe Kadrung. #77 


Auch die nfaffen diefes Mlofters gehörten den oberen Ständen an, 
unter anderen emengard, Pfalgräfin vom Abein””). 

Die Gegenfäge waren im Wictelalter womäglich noch greller, 
die Mebergänge fehroffer als heutzutage. Die rollfte Ausgelaffenheit 
überfehumender Lebensluft fehlug oft genug plöglid in die tieffle 
Zertnirfchung der Seele um. Den größten firlicen Gefahren war 
damals das weibliche Befählecht ausgefent, da die eigene Begebrlichfeir 
Mb der Zudringlicheit der Wiänner nur fehwach erwehren konnte. 
Yailflos war das gefüllene Weib der Schande und dem iend preis: 
gegeben. Da erbarmte fich ihrer ein Beiftlicher, Rudolf von Worms, 
fammelte die gefallenen Jungfrauen in “dufern und forgte für ihre geiftige 
und leibliche Pflege. SS encftanden die Rlöfter der Reuerinnen'”). Am 
31. Oktober 1230 nimmt der Papft Gregor IX. das Riofer S. Maria 
Wagdalena in Bafel in feinen Schug'”). Demnad) ift anzunehmen, 
daß die Reuerinnen in Worms fdyon?früher fi miedergelaffen haben, 
obfehen erjt für das Jahr 1232 ein urfundliches Zeugnis vorliegt. Am 
22. Oftober fpricht der Papft feine Seeube aus Uber die Bereinwilligkeit 
und Wohlthärigteit der Wormfer Blieger bei der Aufnahme der blßenden 
Schweftern, empfiehlt fie ihrem ferneren Woblwollen und gewährt allen, 
die diefe Schweflern unterftügen, Ablap"). In Besiebung darauf 
erteilte der Bifchof Landolf am 2I. Dezember 1238 allen Woblthätern 
des Rloftero weitere Tndulgenzien *). 

Kigentlicye Verforgungsanftalten find fobann die Beginnenhäufer 
‚oder Sammlungen und Beine Rlöfter; denn deren infaffen wurden nie 
zum geiftlichen Stande gesäble””) und brauchten das Bellbde der 
Reufebheit nicht abzulegen, fondern Eonnten wieder austreten und 
heiraten. Wohlhabende Bürger fehenken ein Saus zur Wohnung für 
eine Anzahl rauen, die nad) der dritten Megel lebten, und beftimmte 
Renten und fonftige inkünfte zu ihrem Unterhalt. In Srankfürt 
zum Beifpiel find 57 folcher Beyinnenbäufer bekannt, die 300 Srauen 
aufnehmen Ponnten, in Bafel gegen 40; auch in Worms müffen fie 
3ahlreic) gemwefen fein. Urkundlich bezeuge find folgende: 1275 vierzig 
Beginnen“); 1283 zwei Beginnen“). Am I6. Auguft 1288 fehentr 
SElifabeth Brogoren ihr fleinernes “aus vierzehn Schweftern guten 
Yufes und anftändigen Derragens zum Bewohnen und fügt die 
Schenkung einiger Aecher hinzu, damit aus deren Krrrägnis die auf“ 
dem Jaufe laftenden Zinfen und die Reparanırtoften beftritten werden 


478 19. Bapitel, 


%nnen”®). Ylod großarriger ift die Stifrung Bubelmanns, Schult: 
beißen der Domkirche, der am 22. Desember 1288 einer Sammlung 
von 20 Schwefkern oder Beginnen ein Jaus hinter S. Stephan, das 
er von dem verftorbenen Ritter David gekauft hatte, zum Bewobnen 
febentte nebft allen feinen Hegenden und fahrenden Büteen zum Unterhalt. 
Ueber die Lebensführung der Schweftern find genaue Beftimmungen 
gerroffen. Außerdem dotiert er noch eine Anzahl geiflicher Stiftungen, 
zum Deifpiel die Schmweftern im Jaufe Mngelmanns (das beißt in 
Liebenau) und die Schwefteen im Zaufe der Srubeline'). Im 
14. Jahrhundert nannte man diefe von Bubdelmann geftiftere Beginnen 
fammlung den großen Eonvent!”) oder den reichen (eychen) Convene”), 
woraus im 16. TJahrhunderr der Yame Richardi Eonvent eneftand, 
Im 14. Jahrhundert wurde noch eine Heihe foldyer Lonvente oder 
Sammlungen gegelinder, wie zum Beifpiel der Briden- (das beift 
Britsiren.) Convent, der Convent zum Drubiln, zum Sauer, zum Mörlin, 
zum Kebftoch, der Convent der willigen Schwoeftern zum Rindfuße, zum 
‚Riefen, zum Rorhaus, zum Nofenbaum oder der Sochheimer Sof in der 
Rämmerergaffe, die Beginnenklaufe neben der S. Sitvefterkapelle, die 
Beginnentlaufe in der Sporergaffe””). Zum Teil fpielren diefe Beginnen: 
fammlungen Diefelbe Rolle wie heute die Batholifhen und proteftanrifchen 
Vereinshäufer in den großen Städten. Wirkliche Srömmigteit und 
“enchelei zum Zwoecße der Ausbeurung wohlchätiger Seelen hauften fröhlich 
nebeneinander. 

Die wicheigfte Funktion der Rlöfter war aber, als Refervoir für 
die überfehhffige Bevslkerung der Stade zu dienen. 


Der Dominitanerorden hatte fih ganz befondere die Ausrorrung 
der Megerei zur Aufgabe gemacht"). Aus der Morrefpondens des 
Papfies Bregor IX. erficht man, daß die Renerei eine wachfende Sorge 
des römifchen Stubles war; nicht nur in alien verbreitete fie fich 
mebr und mehr, fondern auch in Deurfchland, und in einem Briefe an 
den Ersbifchof von YWiainz drückt der Papft feinen Schmerz darliber 
‚aus, daf der Blaube in Deurfchland fo rar werde (29. Ofrober 1232)"9). 
Die abfeheulichften Berlicyre und Derleumdungen wurden Über die deurfchen 
Beger ausgefprengt, die der Papft geglaubt zu haben feheint. Zn einem 
Briefe an den Ersbifchef von Mainz, den Bifchof von Zildeeheim und 


Küchen und Srädte, Die erfe Nadhrung. 419 


den Wiagifter Bonrad von Marburg fehildert er die Verierungen der 
Bener in Deutfcyland, die Afterverehrung des Srofdhes, des blaffen 
Wannes und der Rage, ihre Ausfchweifungen im Dunkeln“) u. |. w. 
Alf diefelben Vorwürfe, welche fpdter gegen die Templer gefchleubere 
worden find“). Der Papft ermahne die Abreffaren, foldhe Abgefallene 
der Kirche zurückzuführen oder, wenn fie fich deffen weigern wirden, 
Rreugfabrer mit dem Ablafı des heiligen Landes gegen fie aufzubieren'“). 
Der genannte Boncad von Warburg, der Beichtoater der heiligen Elifaberb, 
war vom Papft zum enerrichter ernannt worden mit der Vollmacht, 
fieb geeignete Benoffen zu wählen und mit allen Witteln, mir geiftlichem 
und weltlichen Schwerte vorzugeben und alle Gläubigen zur Verrilgung 
der Bener aufzurufen unter Verbeißung von Ablaß und Privilegien, 
wie fie-bei-Ailfe für das beilige Land gewährt werden”). Aud) an 
den Raifer Griedrich und feinen Sohn, den Rönig “einvich, erließ er 
diefelbe Aufforderung, und in der That boten beide dem Papft ihre Hilfe 
an zur Ausrortung der Menerei, obfhyon Seiedrich felbft ein Sreigeift 
war, dem man fogar die Aurorfchaft der berlicheigten Schrift über die 
drei Berrliger (Mofes, Chriftus, Wiohamer) zufiheieb'”*). Auf einem 
Reichstag zu Worms am 2. Juni 3233 erließ Bönig „einrich (VII) 
durch die Sürften einen Nechrsfpruch, daß von dem Ylachlaffe derer, 
welche wegen Begerei zum Tode verurteilt werden, die Erbgürer an 
deren Erben, die Lehnegüter an ben SLehnsheren und die fahrende 
Ysabe abriger an deren &erren fallen folle'=). 

Wie unerhörtem Eifer begann nun am Rheine die Begerverfoigung, 
wobei “erzenshärte, Braufamteit und gemeine Zabgier zu Tage traten. 
in Wormfer Beiftlicher hat ziemlich unmittelbar nach den Kreigniffen 
einen Bericht darlıber abgefaßt"”); Diefer Wormfer Bericht bezeichner 
diefe Begerverfolgung als ein bejammernswürdiges Elend und eine 
hatte, von Bott verhängte Strafe. As Urheber derfelben nennt er einen 
Bontad Dorfo, ein Laie, der dem Dominifanerorden affilier war, und 
feinen Begleiter Tohannes, einen fayielenden Arhppel und felechten 
Berl. Diefe forderten in den oberen Aheinlanden die Armen auf, fich 
als Beger zu bekennen. Denn die Waldenfer zählten gerade unter der 
arbeitenden Bevölkerung die meiten Anhänger”). Die, welche fich 
lo Bezer bekannten und von ibrer Sekte nicht laffen wollten, wurden 
verbrannt. Das Volk aber hing den Reserrichtern an, weil es glaubte, 
daß jene den Tod verdiene hätten. Da die zwei ihren Anhang fich 


480 18. Bapitel. 


mehren faben, gingen fie weiter in ihrem Werke vor und fingen in jeder 
Stabr oder in jedem Dorfe die, welche fie wollten, und brachten vor dem 
Gericht ein anderes Zeugnis bei, als daß fie fagten, diefe find Beizer, 
und fo mußren die Nichrer fie verbrennen laffen. Die Benerverfolger 
hielten fich jedoch nichr an die Vorfehriften der Kirche. Darüber war 
der Rlerus febr ungebalten. Weil aber die Wienge den ungerechten 
Richtern überall anbing, galt ihr Wille alles. Und viele, die in der 
Todesftunde unferm Seren Tef Chrifto von ganzem “erzen anbingen 
und nod) im Seuer die „Hilfe Bortes und der „eiligen anflchten, ver: 
adpreten ihre Peiniger”®). Als indes diefe unvolltommenen und 
unbarmberzigen Yicyter einfahen, daß fie ohne Unterftägung der +erren 
des Landes nicht zum Ziele gelangen vwolirden, hängten fie fi an den 
Rönig Yeinrich und die Sürften und fagten ihnen: „Wir wollen viele 
‚Reiche verbrennen, und ihr folle ihe Vermögen haben. In den Bifdyofs- 
Mädren foll der Bifchof die Hälfte empfangen und der Bönig oder der 
Gerichtehere die andere "Alfte.“ Darüber waren die "erren erfreut und 
ftanden jenen eiftig bei, fie beriefen fie in ihre Städte und Dörfer und 
ffürzeen fo viele ine Unglüc. Bergeftalt gingen viele Unfchuldige um 
ihres Vermögens willen zu Bunde, das die Sürfien nahmen. Das 
sitrernde Volk, welches fi jener erbarmee, fragte die Renerrichrer: 
„Warum chur übe foldyest" worauf diefe fredy die Antwort gaben: 
„Die wollen bundere Unfehuldige verbrennen, wenn auch nur ein 
Schuldiger darunrer if.“ Die ganze Welt zirterte, und felbft die 
Mächtigen vermocheen nichts. Um fich zu flärken, gefellten fid) jene 
beide (Dorfo und Tobannes) dem Bruder Konrad von Warburg zu, 
welcher der Beichtarer der heiligen Blifaberh woar und als ein Prophet 
galt. Und fie fehleppren die Reger vor fein Bericht, da er ein Richter 
ohne rbarmen war. Denen, welche bekannten, welt es mehrere 
Unfehuldige thaten, um ihr Leben zu retten, rafierten fie die daare über 
den Obren ab, damit man fiber fie herfallen Eönne, wenn es ihnen gefiel. 
Die aber, welche leugneten, verbrannten fie. Und ihr WOille war allmächtig, 
weil Bruder Konrad ein fehr gelehrrer Wann war. Diefe drei Elagten 
viele Zerren, Zdle, Ritter und Blrger an, und viele wurden gefchoren 
und viele verbrannt. Und o Wunder! inige vom Prediger und 
!Winoritenorben hingen ihnen an, damit fie von ihnen Vollmadyr 
erhielten, denn eine folche hatten fie vom Papfie nicht, und fie geborchten 
ihnen und verbrannten wie diefe. Ta, felbft an die Vornehmfien wagten 


Sürpen und Seädte. Die erfte Nacrung. 481 


fie id) mit ihrer Anklage wegen Renerei. So unter anderem aud) an 
den Grafen Zeinihh von Sayn, ein zeider und chriflich geflnnter 
Wann, der ein ehrenbaftes Leben führte. Wegen feiner Sadye fand am 
25. Juli 1233 ein von zahlreicyen Beiftlidyen befucheer Tag zu Mainz ftatr. 
Der Angeklagte reinigee fi völlig vom Verbadyte der Renerei durch 
das Zeugnis wolirdiger und frommer Männer, und alle Bifdhöfe und der 
ganze Mierus ftimmeen diefem Zeugnis bei. Aber bei Ronrad von 
Warburg fand er Beine Bnade. Alle, geängftigt, tieren dem Brafen, an 
den päpftlichen Stuhl zu appellieren. Und ein Dekan von Mainz, ein 
‚guter Wann, Weifter Volso, Domberr von Worms und andere Beiftliche 
von Speier, Straßburg ıc. gelobten ihm, nad) Rom geben zu wollen, 
um ihn, die Sürften und ganz Deurfchland gegen die Anklagen zu 
verteidigen. Unverzüglidy reiften fie nad) Rom, legten dem Papft 
Briefe des Rönige, der Fürften und der Städte vor und erzählten ihm 
Blagend die Schandthaten jener. Als der Papft ihre Erzählung angehört 
hatte, fagte er feufjend: „Wir wundern uns, daß ihr foldhe ungerechte 
Gerichte fo lange bei eud) gedulder habt, ohne es ums zu melden. Wir 
wollen nicht, daß dergleichen länger erlaubt fei, fondern wir heben Diefe 
Gerichte auf; ein foldhes Blend Laffen weir nicht zu.“ YOdhrend dies in 
Bom gefehab, erreichte die Verbrecher endlich ihr Schickfal. Auf’ der 
Weimreife nach Warburg wurde Wieifter Monrad von Warburg am 
30. Juli beim Löhnberg erfhlagen und mit ihm Gerbard Lünelkolb, 
ein Winorit, fein Benoffe; Bruder Dorfo wurde bei Straßburg geröter und 
Tobannes bei Griedberg aufgehängt. Sogleich fdyickten die Brüder vom 
Predigerorden die Ylacheicht nach Kom. As der Papft diefe Runde 
vernabm, foll er zu den Boten gefagt haben: „Siehe, die Deutfchen waren 
immer toll, daber hatten fie aud) tolle Richter.“ Goiweit der Wormfer 
Ehronift. Er ftellt die Sache fo dar, als ob der Papft die Sandlungemeife 
Boncads von Warburg verurteilt hörte. Das Gegenteil ift wahr. Am 
23. Oktober 1233 drückt er lebhaft fein Bedauern aus, daß Deutfcyland, 
das bisher voie ein Barten geiftlicher Freuden durch frifches Grünen des 
Barholifcyen Glaubens und durch Werte der Srömmigkeie zu duften pflegte, 
nun angefülle zu fein feine von Aegereien und Laftern, und er fordere zur 
Vertilgung der Beger auf. Allen Bifchöfen und Prälaten in Deurfch: 
land befiehlt er am 23. Oftober, die Mörder Ronrads von Warburg, 
für die fi Baum eine ausreichende firenge weltliche Strafe erdenten 
laffe, zu epfommunicieren, und am 31. Oftober ruft er den Bester 


15 Bam, Die Aula der reinen ae L 


482 19. Rapitl. 


von Mainz und andere auf, das Evangelium dee Areuzes in Deurfhyland 
zu prebigen und verleiht allen, welde zur Ausrottung der Menerei in 
eigener Perfon oder durch Belbbeiträge mitwirken, Ablaß aller Sünden 
gleich den Pilgern ‚nach Terufalem'*Y. Wit Bottes zailfe, meine ferner 
der Wormfer Chronift, fei Deurfchland von jenem unerhörten Bericht 
befreit worden. Beiber nicht. Das Megerverbrennen hörte von jenem 
Wiomente in Deutfcbland nicht mebr auf. Aber das Bute harte wenigftens 
die Ermordung Boncads von Warburg und feiner Benoffen: dem Papfte 
gelang es nicht, wie er gewiinfcht hatte, eine allgemeine päpftliche 
Tnquifttion in Deurfchland einzuführen. 

In Worms hatte man Schredliches erlebt. UnfAulbige waren wegen 
angeblichen Unglaubens verbrannt worden, niemand mehr feines Lebens 
und $Eigennums ficher gewwefen. Und die Rirche bemugee ihre geiftlichen 
Waffen in weltlichen Angelegenheiten zur Erzwingung von Beldzablungen. 
Da die Wormfer dem Maifer gerreu blieben, auch dann, als ihn der 
Papft in den Bann gethan, wurden die Blirger als Meger angeklagt. 
Und dody waren fie gute, gläubige Ratholiten, die mit Begeifterung den 
Aufforderungen der Kreuzprediger folgten. m Wiärz des Jahres 1227 
brachen mehr alo wierhumdere Wormfer mit dem reuz begeichner auf, 
um übere Wieer nad) dem beiligen Lande zu fahren. Der Zug war 
aber ebenfo erfolglos und menfehenmörberifch wie mancher frühere. lu 
wenige fahen die eimar wieder”). 

$Eine Erinnerung an Diefen oder auch an einen früheren Breuszug hat 
fid) an der S. Paufsfirdye in Worms erhalten. An der Außenfeite des 
Chores fiehe man zwoei Areuze eingehauen, in der Jorm, wie fie am Anfänge 
des 13. Jahrhunderts üblich waren, eine YIacybildung der Alrarkreuze, 
die bei Umsügen berumgetragen wurden. Golche Kreuze liefen fi) auch 
die Areusprediger vortragen. Yleben dem kleineren Areuze ind zwei Über: 
einander befindliche Wiufcheln abgebildet. Das Rreus war das Zeichen, 
daß man die Rreuszugspflicht auf fi genommen hatte, und mit Wufcheln 
benäbten die Pilger ihr langes Gewand. Serner fie man im Znnern 
des Ebores an der Ylordiwand eine merkwürdige Darftellung: ein Schiff‘ 
und auf deffen Yauprmaft ein Rreus; das Waffer ift durch einen Sifdy 
frmbolifiert. Es war damals allgemeine Site der Mreusfahrer, „ein 
Beine in einem fegele" (Rudrun 487) zu führen. Diele hatten, von den 
Worten des Rreusprebigers hingeriffen oder durch Das allgemeine Beifpiel 
verfüher, den Breuzzug gelobt, waren aber dann gehindert worden das 


Sürfen und Srädte. Die erfe Racrung. 483 


Gelüibde zu erfüllen; diefe (öften fic durch andere fromme Werte, erıwa 
durch Beifteuer zum Ricchenbau'”“). 

Seiedrich II. harte 1220 feinem Sohne “einich die Regierung 
Deutfehlands übergeben und, da der Rönig noch unmündig war, den 
energifchen Ersbifchof Engelbert von BRöln zum Neicheverwefer 
befelle. Die Erziehung des Bönigsfohnes leiteren der ofkanzler 
Bonrad, Bifchof von Speier, und zwei Reicheminifterialen. $Es war 
alfo ein Verfuch, den mafgebenden Jatroren Deurfchlands, den Pfaffen- 
fürften und den Neicheminifteriaten, die Yegierung anzuperrrauen. 
Dody war diefe Regierung der Lage nicht gemachfen, und die Zügel 
entfehlüpften ihr mehr als einmal aus der “Hand. Das zeigte fidh 
namentlich bei der dänifcyen Bataftrophe. Die Dänen hatten nad) 
dem Sturze "einriche des Löwen gewalcig um fic) gegriffen. Da 
balfen fid) die Sadyfen, vom Keicye verlaffen, felbft und nahmen im 
Wei 1223 den Dänentönig VOaldemar gefangen. Raifer Sriedrich II. 
tiep fich die Auslieferung des Gefangenen verfprechen. In die Der: 
bandlungen mifchte ich jedoch die dem aifer feindlich gefinnte Rurie, 
und biefe gewann den Reichsverwefer. Da fehicre der Raifer feinen 
Verteauten, den Deutfhordensmeifter “ermann von Balz, der am 
28. Juli 1224 einen für das Reich günftigen Vertrag fchlof ""). 
Indes der Rölner Ersbifchof wußte audy jene wieder die Erfüllung 
des Vertrags zu verhindern. Da die Sadyfen fahen, daß fie vom 
Weiche nichre zu boffen batten, fehlugen fie Ios und zwangen die 
Dinen zu einem Srieden. Dadurch aber wurde die Mluft zwifchen 
Vlord: und Shodeuefhyland nur moch größer, indem erfteres fi mebr 
und mehr dem Neiche entfremdere. 

Der Reicyeverwefer ließ fid) eben mehr von Birchlichen Tntereffen 
leiten, als von denen des Heiches. Tin einem andern Galle vertrat er 
einfeitig die niedertheinifche Tntereffenpoliti, die auf eine enge Sreundfehaft 
mit England binzielte, während der Raifer mir Srankreihh in nähere 
Verbindung treten wollte. Dem Bonflikte des Raifers mit dem Reiche: 
verwefer beugte die Mrmordimg fngelberts durch deffen Lleffen, den 
Grafen $riedrid) von fenburg, am 7. YIovember 1225 vor. Walcher 
von der Vogelweide ließ es fich nicht nehmen, Das Lob des Krmorderen 
zu fingen. Yun wollte es der Raifer mit einem Laienfürften verfuchen, 
und er ernannte "erzog Luboig von Baiern zum Reicheverwefer. Doch 
auch die Laienfürften dachten immer zuerft an fich. In ihrem Derhälmis 


484 18. Bapin. 


zu den auffirebenden Stäbren trafen fie mit den &Anfehauungen der 
Pfaffenfürften zufammen. 

Seiedrich II. hatte, foreit man ihm freie Hand ließ, die Städte 
auf alle Weife gefördert"), Tm Juni 1226 gewährte er der Stadt 
übe? große Sreibeiten, und zu gleicher Zeit beftäcigte er den Bürgern 
von Oppenheim ihre Bannmeile und beroilligee ihnen eine Meffe. Ya) 
jeder Stadt firömeen aus der Umgegend die börigen Bauern, um die 
‚Sreiheit zu erlangen, woburd) die Brundherren allerdings fehr gefehdige 
wurden. Die wirtfchaftliche Wacht der Städte wurde für die Sürften 
wirklich gefahrdrohend. Vor feiner eigenen Stadt hatte SErsbifchof” 
%einrich von Köln Bapirulieren müffen. Die deurfäen Städte erkannten 
wie die iralifdyen Die große Debeurung der Affosiarion. Sämtliche 
Stldre des Wirtelrheins, bifdöflidye, wie Wainz, Bingen, Worme 
und Speier, und öniglidye, wie Scankfürt, Belnhaufen und eiedberg, 
hatten einen Städtebund zur Wahrung ihrer Tntereffen gefebloffen, 
den erften der Geädteblinde, welchen die deurfhe Befehichte Überhaupt 
kenne. Die gewaltige Wache des Iombarbifchen Städtebundes hatte 
den Raifer und die deutfchen Gürften mehr als einmal in Schreden 
gefent. Die Ienteren waren entfchloffen, in Deurfdhland den Anfängen 
zu wehren. Auf den Antrag des Erzbifchofe Siegfried von Mainz 
erließ Rönig “einridy (VIL.) am 27. Ylovember 1226 auf dem “oftag 
zu Würzburg eine Verordnung, wonady die Dienfimannen, Bürger 
und andere Leute des SErzbifchofs, Die in der Stadt Dppenbeim 
aufgenommen worden find, ihrem „Seren wieder zurückgegeben werden 
und deffen Leute in Zußunft miche mehr dafelbft aufirenommen 
werden follten. Serner werden die Bilndniffe und Side, mwodurd 
fih die Geldte Mainz, Dingen, Worms, Speier, Scankfurt, 
Geinhaufen und Sriedberg zum Ylachteil der Mainzer Rircdye gegen: 
feitig verbanden, für null und nichtig erkläre”). Auch die trogigen 
Dlirger von Cambray mußren wiederum vor ihrem Difchof zu Breuze 
triechen. Durch Urteil der Sürften wurden alle ihre Paiferlichen Privilegien 
tafjiert, die Bemeindeverfaffung und die Berichtebarteit der Stadt auf 
gehoben, und das Wabrzeidyen bürgerlicher Greiheit, der Blocdtenrurm 
imd die Rateglocke, wourden zerftört. 

Der junge Bönig Geinrich war bald der Vormundfdyaft far. Im 
Degember 1228 brad) er mit dem Zerzog von Bayern umd regierte von 
nun an felbftändig mie ‚ilfe der freien Seren und Reichominifterialen, 


Sürfen und Städte. Die echt Radrung- 485 


während die Sürften von der Regierung ferngebalten wurden. Diefen 
Gewaltftreich durfte "einridh wagen, da er feinen Vater fern in Aflen 
wußte. Am liebften biele er fi) an den febönen Ufern des Abeins auf, 
öfters in VOorms, fo zum Beifpiel am 2. Juni 1220, im Wiärz 1222, 
2. Juni 1222, Januar J224, Auguft und September 1226, Januar 1229, 
Desember 1230, Januar 123I, April, Wai, Juni 1231, Ylovember 1233, 
Vlovember 1234 und Juli 1235. 

Durch) die Geltung des Rönigs wurden die Shrfen auf die Seite 
des Maifers gedrängt. Diefer bedurfte feinerfeite ebenfalls der Unter- 
fögung der Sürften. Sie vermittelten ihm den Frieden von S. Bermano 
Juli 1229 mit dem Papfte; von ihnen allein Ponte er auf militdrifdhe 
Wilfe für feine Bämpfe in alien boffen. %einrich geriet in Be 
drängnis, aus welcher er fidy durch gewicheige Bonzeflionen an die 
Sürften zu veißen füchte. Die Moften aber diefer Annäherung des 
Bönige an die Zürften mußten die Städte tragen. Den Anlap zu 
diefem für die Entwicelung der Reicheverfaffung epochemachenden 
Kreignis gab die Stadt Worms. 

Diefe hatte bieber mit ihrem Bifchof in gutem Einvernehmen 
gelebt. br Zintrite in den Geädtebund mag die erfte Urfache zum 
Bonfitt gegeben haben. Denn Difchof Seincidh harte ebenfalls an 
jenem Befchluffe zur Aufhebung des Btndniffes mitgewirkt. Um 
diefe Zeit Baufte der Rath von Worms ein großes fteinernes aus 
in der “agengaffe, genannt Zum Zoll, deffen Grundftüc fich bis 
zur ©. Vlozariustapelle erfiredte. Sie begannen fogleich, das aus 
für ihre Zwecfe umzubauen und aussufcmücken und ließen fi ihr 
neues Stadthaus mebr als 2000 Wark Silbers (ca. 500.000 Neichemart 
jeniger Vo&hrung) Boften. „Das fchönfte “aus der Erde” nenne 
der alte Wormfer Berichterftarrer”%). Zn diefem Zaufe bielten fie 
ihre Aatsverfammlungen und „fie achteren den Bifdyof für nichts“. 
Aus der Gefdhichte der flandrifihen Städte weiß man, daß fi der 
Rampf_ zroifchen der Stadtgemeinde und dem Stadtheren immer um 
das Stadthaus (Belfroi), das Wahrzeichen ftädrifcher Sreiheit, bewegte. 
Die Fliederlage der Stäbte wurde jerveilen durch die Zerfidrung ihres 
Seabrhaufes markiert, 

Wannigfaltige Beibungen mag es zwifdyen dem Bifchof von Worms 
und der Stabt gegeben haben, Über die Winze, über die Befteuerung 
des Blecus, worüber fon einmal ein Urteil des Reichsgerichts gefälle 


486 19. Bapiıdl. 


worden war. Weihnachten 1230 feierte der König in Worms. Der 
Bifchof und das Domkapitel beklagten fih vor dem König hber 
mannigfache Ungebfihr, die fie von den Wormfer Räten erleiden müßten, 
worauf der Rönig am 18. Januar 123] den Kezbifchof Siegfried III. 
von Mainz und den Bifchof Siegfried von Regeneburg mit der Unter: 
fucbung der Wormfer Streitfache beauftragte und ihnen die Dollmacht gab, 
die Ungebühr abzuftellen"”). Im Liticer Streit hatte fich der Bönig 
auf die Seite der Bhrger geftellt und am 30. Juni 1230 den Rechtafpruch 
gefällt, daß er, der Aönig, berechrige gerwefen fei, den Dlirgern von Lürticb, 
auıy, Dinant, Joffes, S. Truden, Waftricht und Tongern deren Srieden 
und inungen zu beftärigen und daß die von den genannten Bürgern zur 
Erhaltung der Ehre des Reidyes und ibrer Mechre eingegangene Eid: 
genoffenfchaft gefenmäßig und ehrenvoll fe"). inzwifchen baren aber 
die Sürften am Röniglichen ofe das Uebergeweicht erlangt, weabalb 
Mönig "einrih) am 20. Tanar 1237 zu Worms jenen Befchluß 
besögtich Lürtich veiderrufen mußte”). "Die Süften begnügen fih 
jedoch nicht mit der Erledigung Diefes einzelnen Salles in ihrem Sinne, 
fondern le brachten auf dem Wormfer Reicyerage einen Reichebefchluß 
zu ftande, der alle Städte anging: Meine Stadt, noch irgend ein 
Städtchen foll befugt fein, inungen, Verordnungen, Verbindungen, 
Büindniffe oder Kidgenoffenfehaften, wie fie auch genannt werden möchten, 
zu machen; der Rönig darf dergleichen ohne Beiftimmung des berreffenden 
äeren nicht erlauben, umd ebenfo wenig foll dies den "erren ohne 
Genehmigung des Rönigs geftatret fein”). Diefer Befehlup wurde am 
20. Januar für den Bifchof von Lüttich ausgeferrigt, am 23. Januar 
für den Ersbifchof von Mainz und den Bifchof von Worms. Die 
Sürften wollten ihre Wadyr auf often der Städte lärken, und dem: 
gemäß wurde wiederum zu Worms am I. Wiai 1231 der ZErlaß des 
Statue zu Bunften der Sürften promulgiert. Der Rönig foll nicht 
befugt fein, eine neue Burg oder Stade zum Ylacpreil der Sürften zu 
errichten. benfo follen neue Märkte den alten nice binderlich fein 
und niemand geswoungen werben, einen Wlarkt wider feinen Willen zu 
befüchen. Die alten Straßen follen nicht abgelenkt werden, außer mit 
Willen der darauf Wandelnden. In den Städten des Reichs fol die 
Bannmeite abgethan werden, ebenfo die Pfablblrger. SBigenleue der 
Sürften, der Eblen, der Dienftmannen, der Rirdyen dlrfen in den 
Seidren nicht mehr aufgenommen werden. Denfelben Ferrfehaften foll 


Sücfen und Städte. Die eefe Nadhrung. 487 


ihr @igen und Leben, was von den Reicheftädten eingezogen worden ift, 
aurfihgegeben werben. Schädliche, verurteilte und geäcbtere Leute dfirfen 
niche in den Weicheftidren aufgenommen werden. Diefe follen ihre 
Berichrebarteit auferhalb der Stadt nicht auedehnen, wenn nicht eine 
befondere Berichrebarkeit zum Neiche gehört. In den Keichsftdren fol 
der Kläger dem Sorum des Beklagten folgen, außer wenn diefer gerade 
amefend ift. Zum Stadtbau (das heißt Wiauerbau) dirfen nur die 
techtlich Verpflichteren angehalten werden. Vogtleute in den Reiche: 
fädren follen ihre alten Abgaben entrichten, aber mit neuen verfähone 
bleiben. fEigenleute, Vogtleute, Zebensleute, die zu ihren „erren zurlich 
tehren wollen, follen daran von den Neichebeamten nicht gehindert 
werden. Derfelben Rechte follen außer den Sürften auch die Vafallen, 
Dienftmannen, Leute und Städte des Keidye genießen”). Ducdy ein 
weiteres Befen erhielten die Sürften das territoriale Befeftigungsrecht 
und das Hehe der Gefengebung unter Zuftimmung der Ylotabeln dee 
Landes‘). 

Der Raifer erkannte fogleich die Tragweite Diefer Befene. Die 
‚Sürften durfte er niche dur) Oppoficion vor den Ropf ofen, vielmehr 
hoffte er fie vollende zu gewinnen, wenn er die Zugeftändniffe feines 
Sohnes Überrrumpfte. Er fehrieb alfo einen Reichstag nady Ravenna 
‚aus. Zwar verlegten die Lombarden den deurfchen Sürften Die Alpenpäffe, 
aber einigen gelang es doch, burchsufommen. Ende des Tjahres 123 
erließ der Baifer ein Befen gegen die Autonomie der Bifchofeftädte””). 
Zr fäpmeidhelre auf alle Weife den Sürften, fagte von den Bifchöfen, 
daß auf ihnen die Sülle feines Auhmes berube, daß fie mit ihm zur 
Teilnahme an den Regterungsforgen berufen feien und ihrerfeite Ruhm 
und Glanz von feiner dobeit empfangen. Diefes Befen enthält folgende 
Beftimmungen: I. Der Raifer vernichtet und fafflerr in jeder Stadt ober 
jedem Städtchen Deurfcylande die Bemeinde, den Kat, die Di 
und andere Beamte, die von den Bürgern ohne Genehmigung der Erz 
bifchöfe und DBifchöfe beftellt werden, wie fie auch an verfchiedenen 
Orten verfähieden benannt find; 2. er vernidhter und Pafflerr die 
Bruderfehjaften und Befellfchaften jedes Yandiwerkes, wie fie genannt 
werden mögen; 3. er verordnet, daß in jeder Stadt, in welcher Beid 
gefehlagen wird, Waren und Lebensmittel nicht nad) Silbergemicht, 
fondern nur nach den Wlünzen gekauft und verfauft werden. dürfen, 
die dort gemein find; $. er verordner, da auch ferner die Verwalning 


488 19. Bapitel, 


der Städte und aller Güter, die vom Reiche zu Lehen berrübren, 
den Ersbifcsfen und Bifchöfen, foreie deren Beamten zufteben folk, 
unangefeben der dagegen eingefehlichenen Mißbräuce; S. er erklärt 
demgemäß für nichtig alle Privilegien, offene und gefchloffene Briefe, 
die er felbft, feine Vorfabeen im Neiche, die Ersbifdhöfe und 
Bifchsfe wegen Gefellfcbaften, Bemeinden oder Rarsmannfehaften 
einzelnen oder Städten gegeben haben mögen; er verfünder, daß diefe 
Verordnung oder Sazung nach dem Ausfpruche der Sürften mir 
feinem YWOillen in @erichreweife vorgefehrieben worden fl. — So 
fÄhlug fich der Kaifer auf die Seite dee Slrftenrums und gab die 
Rechte des Rönigtums vollends preis. Zugleich follte der weiteren 
Enneicelung der Städre ein Riegel vorgefchoben werden, ja noch 
mehr, das ganze Kefultar der bisherigen nmeidelung wurde mit 
einem Sederftriche befeicigt. 

Der Bifdyof von Worms harte an den ftädtefeindlichen Wormfer 
Befchläffen mitgeroirft. Aber durch die von MRönig Zeinrid (VIL) 
ernannten Unterhändler, den Erzbifbof von Wlain; und den Bifchof 
von Regensburg, war ein Vergleich zwifchen dem DBifchof und 
der Stade Worms erzielt worden”). Mierus und Blrgerfcyaft 
gelobten fid gegenfeitige Unterftügung gegen ihre Seinde, und der 
Bifdyof verfprady, die den Blrgern von feinen Vorgängern ein- 
geräumten Rechte zu belaffen und fie nicht zu fämächen. Diefer 
Vergleich wurde in Gegenwart dee Difchofe vor allem Volke 
verfünder, das Durch die Rateglodte auf dem Bifchofhofe sufammen- 
gerufen worden war. 

Doc der Sriede dauerte nice lange. Der Bifdof mar zum 
Yeicyerag mad) Ravenna geladen worden und forderte für feine Reife 
eine Beiftener von den Bürgern, wozu er durchaus berechtigt war. Aber 
die Bürger wollten ihm die erbetene Steuer nur unter der Bedingung 
‚geben, wenn er für die Verbefferung ber Rechte der Stadt wirte und 
verfpreche, gleichfam ihr Vertreter beim Raifer zu fein”). Die älteren 
und Elügeren Rateherren bedauerten diefen Befchluß und feplugen vor, 
daß man dem Bifchof wenigftens 60 Pfund gebe, doch die Wiebrbeit 
Überftimmte fie und befchloß, daß der Mar felbft Abgefandre zum 
Raifer fehicte, angeblich, damit der Bifchof um fo flattlicyer auftreten 
Eönne, in aller Sreundfehaft und Treue, woie der Rat fpäter in feiner 
Rechrfertigung erkläre. Sr behauptete zudem, daß die Bürger vom 


‚Sürhen und Grädte. Tie erfle Nadrung. 489 


Baifer zum Yeidhsrag eingeladen worden fein, woron gar feine Rede 
fein Eonnte, da ja damals die Städte nie und nimmer zu Neicheragen 
berufen wourden. Denn in ber Reichsverfaffung batren fie feinen Raum, 
noch immer galt bier die alte feudale Gliederung: König, Sürften, Sreie, 
Rieter und Dauer. Der Bifchof war rief ergeimme über den igenwwillen 
und Trom feiner Bürger, die ihm nicht mehr achteen, ale irgend einen 
andern Bifchof, und er beklagte fich fehwer beim Zaifer über die 
Wormmfer, über ihren Rat und ihr Bericht und Über die Bruberfchaften, 
mwogergen er nichts vermöge. Andererfeits befchwerten fi die Bürger 
ber die Ginterlift des Bifchofe, der, fo lange die Ratsboten in Ravenna 
‚anwefend geiwefen feien, deren Angelegenheit dem Raifer und deffen Räten 
nach Rräften empfohlen, nad) deren Abreife aber ein gegen die Stadt 
gerichtetes Privileg erwirtt babe. Von diefen Umtrieben des Bifchofe 
erfuhren die YWormfer durch Bönner ihrer Stadt. Als fie aber dem 


Bifchof desbalb Vorwürfe machten, foll er jene als Verleumder bezeichner - 


haben. Wiebe als 300 Wlar® Silbers (ca. 90 000 Reichsmark jeniger 
Währung) Boftere der Stadt diefe Gefandtfebaft zum Kaifer, die rein 
nichts ausridhtere: Dagegen erlangte der Bifdyof alles vom Raifer, was 
er nur winfehte. Sr ließ fid) von-der Baiferlichen Ranzlei eine für ihn 
beftimmte Ausfereigung des fidrefeinblichen Befeses ausftellen“”®), und 
durch Reinhard, Schultheißen von Raiferslautern, fente er die Bürger 
in Worms in Rennmis von den in Ravenna gefaßten Befchlüffen, was 
diefe indes wenig beklmmerte. Vielmehr wandten fie fi an den Rönig. 
Diefer mochte, da.er von den Sürften fich verlaffen fab, nun an den 
Städten, die er doch felbft zuerft preisgegeben hatte, einen Rücbalr 
füchen, und in der That, zu Augsburg gewährte er am 17. Wiärz 1232 
den Wormfern ihre Bitte. Da ihm fein Vater in Deurfchland die volle 
Gewalt Überlaffen babe, [6 gedente er zu verfügen, wwas ihm und feinen 
Berreuen ziwechmäßig feine und geftatte Daher den Bürgern von Worms 
gemäß den von feinen Vorfahren im Reidye gegebenen Privilegien, doch 
mir Vorbehalt der Sreibeit der Wormfer Rirche, ihre Rechte und Sreibeiten 
fowie einen Rat zu halten und nach ihrer Bewohnbeit wie bisher die 
Ehre und das Wohl ihrer Stadt zu fördern”). So hatten endlich die 
Wormfer erreicht, was fie fo lange erftrebr hatten: eine Eönigliche 
Beftätigung ihres Rares. 

Der nach Ttalien zurtichtehrende Bote Reinhard überbrachte dem 
Bifdpof die Runde von dem bebarrlichen Trone feiner Bhrger. Diefer 


5. Bam, Dir Ani ver einen Br, “ 


490 18. Bapiel, 


war beim aifer geblieben und batte unter anderem auch der Zu: 
fammentunft Seiedrichs II. mir feinem ungehorfamen Sohne Heinrich 
in Aquileja beigerwohne (April 1232). Es fand eine Verföhmung ftart, 
und der Dater beftärigte nun zu Cividale im ai die von feinem Sobne 
zu Worms erlaffenen Befege mit einigen woohlerwogenen Abänberungen'”). 
Wiederum lief fich der Bifchof von Worms eine befondere Ausfertigung 
diefes Gefezes geben”). Um den Trog der Bürger von Worms zu 
brechen, ermwirkte er vom Baifer zu Cividale im Mai eine 
Ale, die zuwider den in Ravenna gefaßten Defchlüffen einen Rac in 
Worms zu bilden fich unterfangen, follen laut ergangenem Rechesfpruch 
der Sürften in die Reichsachr und in die auf Uebertrenung jener 
Befchlüffe gefente Strafe verfallen"®). Serner beauftragte der Raifer 
den Bifchof, das Rathaus in Worms niederreißen zu laffen, wobei die 
Bürger auf Verlangen des Bifchofs bei Strafe Baiferlicher Ungnade mir 
Sand anlegen follen'”). Grund und Boden wurden der Rirdhe von 
Worms zugefprochen. Außerdem drobte der Bifchof mir dem Banne. 
Darauf appellierre der Rat an den apoftolifcyen Stuhl und forderte 
Weifter der Rechesgelebrfamkeit auf, gegen angemeffene Belohnung ihre 
Verteidigung zu übernehmen”“). Unterdeffen war der Bifchof fiegesgewiß 
nach Worms zurückgekehrt, entfehloffen, mit allen weltlidyen und 
geiftlichen Mitteln den Troz der Blirgerfchaft zu brechen. Er fcheine 
wirklich Bann und Tnterditt Über die Stadt verbänge zu haben; dem 
Rierus befahl er, die Stadt zu verlaffen, nur die Pfarrer durften bleiben, 
jedoch die Branten mir den Sterbefakramenten nur dann verfeben, wenn 
fie die Zufage gaben, mach ihrer Benefng dem DBifchof in allen 
Stücken geborfam fein zu wollen; die Geftorbenen durften fie aber 
nicht begraben"). Der Wur der Bürger begann zu finken, da dus 
Tnterdite immer fäywerer auf den Bemtern laftere und man auc, 
befürchtete, daß der DBifchof feine Verwandten zu Jilfe rufen 
werde. YTamentlich die Wiünzer waren mit dem jegigen Zuftande 
unzufrieden. Alles dies bewog den Rat zur Vlachgiebigkeit. Auch 
die Wormfer mußten, wie die Bürger von Lambray, das Wahr: 
zeichen ibrer Unabhängigkeit, das Stadthaus, opfern, deffen lieder: 
teißung der Maifer befohlen hatte. Durch Steinmenen ließ der Hat 
die Steine berausbrechen und dann das ans anzünden; während 
der Ylachr des 2. YWiai 1232 verbrannt „das fäönfte Aaus der 
Welt” völlig und ftürzte in fich zufammen. Und die ganze Stadt 


Küchen und Seäde. Die erie Nachrung #9 


war dacob berrübt. Wenn jedoch der Wormfer Annalift bebauprer'”*), 
die Wormfer hätten ihr Stadthaus verbrannt auo Jurcht, daß der 
Raifer oder Bifdyof daraus eine Zwoingfefte häcre machen Bönnen, fo 
ift dies eine tendenzisfe Darftellung. 

Es kam nun Anfang Auguft zu Unterbandlungen zwifchen dem 
Rlerus und der Bürgerfchaft, wozu ein Ausfchuß beftellt wurde, 
Rönig “einridy nahm fid der Sache an. Er wollte die Stadt nicht 
völlig. ihren Seinden aufopfern laffen. Darum beftstigre er am 3. Auguft 
3232 zu Scankfure den gerreuen Bürgern von Worms alle Privilegien, 
die fie von feinem Urgroßvater Seiedrid I., von feinem Großvater 
@eineich VI. und von feinem Vater Seiedrich II. erhalten hatten, Eraft 
der Bewalt, weldye ihm neulich, von feinem Vater verliehen wurde"®). 
Aber dem Gebote des Kaifers und dem Drängen der Sürften mußte 
Solge geleifter werden, benhalb hob er am folgenden Tage, den $. Auguft, 
auf Antrag feiner Räte alle Raremannfdyaften und Druderfcyaften in 
Worms auf und weilte den Blrgern mit, daß er den Erzbifdhof von 
Weinz, den Wartgrafen sermann von Baden und Gerlach von Büdingen 
zu ihnen fehlten werde, Damir diefe zufammen mit dem Bifchof die Der- 
faffung der Stadt ordnen. Sie follten ihren Anordnungen ohne Wider: 
fprudy Solge leiften"”®). Wlan bar zwifden diefen beiden Urkunden 
vom 3. und 4. Auguft einen Wiberfpruc, finden wollen. Diefer ift 
jedoch nicht vorhanden. Denn die erwähnten Privilegien, die der Rönig 
am 3. Auguft beftätigte, taften die Serefdhaft des Bifchofs in Eeinem 
Punkte an, in ihnen ift von einem Rate feine Rede. Der Bifdof 
Eonnte gegen diefe Privilegien nichte einwenden. $Es handelte fd) bei 
diefem echtoftreite lediglich um den Anfpruch der Bhrgerfchaft auf 
die Autonomie, die ihren Ausdruc® in dem felbfigemäblten are 
und ihre mächtigfte Srüge in den Morporationen der Stadt, den 
Gefellfdyaften und +andwerksstnften fand. Durch die Reichegefene 
war die Autonomie der Bifchofsftädre befeitige worden. Der frühere 
Hechrszufiand follte mir Tgnorierung der bisherigen SEnnvicelung 
der Städte wieder bergefielle werden. Das war die rechtliche Bafis 
für die Unterbandlungen in Worms. Am 8. Auguft fehreibe der 
Bönig den Bürgern, daß ihm eine Verftändigung zwifchen dem 
Bifhyof und der Bürgerfchaft gelungen fei und fordere fie nochmals 
auf, Rat und Bruderfchaften aufzulöfen und die Gerechtigkeit der 
über fie verhängten Adhr bei ihm und feinem Zofrat zu befanwören!”). 


6 


492 19. Bapire. 


Er teilt ihnen fchließlich mit, dafs er befchloffen babe, am 29. Auguft 
feine Verrrauten, den Wrsbifchof von YWiainz, den Wiarkgrafen von 
Baden, Berlady von Blidingen und Truchfeß Eberhard von Waldburg, 
u ihnen zu febicten, indem er die “offnung ausfpricht, daß. eine 
allfeitig befriedigende 2öfung zu flande Eomme und fie ermahnt, 
feinen Abgefandten zu vertrauen und ihren Anordmungen zu geborchen. 
Die Langwierigkeit der Unterbandlungen liege in den Umftänden 
begründet. Die ganze PoliiE der Pfaffenfürjien war eine Fonfernative 
und reaktiondre, indem fie fid gegen den gewaltigen gortfehrite der 
Zeit anflemmten. Aber die Stäbre waren der Vormundfchaft der 
Bifdyöfe entwachfen, andere ntereffen erfüllten die Bürger, und 
Beine Wacht bitte die bifchöflichen Städte wieder in den frlberen 
Zuftand der Unmündigkeie zurhefdrängen Binnen. YOas fie feir langer 
Zeit erfirebt und am Ende des 12. Jahrhunderes errungen batten: 
eine vom Bifchof unabhängige Behörde, einen Rat zu befigen, diefes 
Hechr füchre nun die Stadt Worms im zähen Mampfe zu behaupten, 
während der Bifcof ebenfo zäh fein Hecht als Stadtberr fefthiele. 
Möglicherwoeife find auch die Verhandlungen durch die Teilnahme 
des Bifdyofs einrihh von Worms an der Sebde zwifchen dem 
Ersbifchof von YWlains und dem Landgrafen von Thliringen, bei 
welcher der Bifchof in GBefangenfchaft gerie'”®), verzögert worden. 
$Enblidy, am 27. Sebruar 1233, am ein Bompromiß zwifchen dem 
Bifcyof und der Blrgerfbaft zu flande, der gleichzeitig vom König 
Su Oppenheim), vom ZBifdof, vom Domfapitel und von den 
Bürgern von Worms beurkunder wurde”). Der Vertrag enthält 
nun folgende Beftimmungen: 

J. Der Bifcyof life durch den Dompropft oder den Dean oder 
Ruftos von Yreuhaufen in feine Seele den Bid fAnwören, neun angefehene 
Bürger wählen zu wollen, die ihm, der irde und der Stadt die 
brauchbarften zu fein fcpeinen. 

2. Diefe neun Bürger wählen auf ihren id feche angefebene Ritter 
in der Stade, welche fie flır id, den Bifdhof, die Rirche und die Stadt 
als die geeignetften halten. 

3. Diefe Sünfsehn follen fortan in Gemeinfchaft mit dem Bifchof 
den Rat befizen. 

4. Gebt der Bifchof außer Randeo, fo ernennt er einen tauglichen 
Stellvertreter, der für ihn den Dorfin im Rate führe. 


Hüchen und Srädıe. Die erfe Kadrung. 493 


5. Bifchof und Rat wählen jährlich zu Wartini auf ibren id den 
Schultheißen und die Amrleute, und zwar mit alleiniger Ahckficht auf 
Tüchtigkeir, obne Geld für die Wahl anzunebmen oder zu verlangen, 
aud) unangefeben Sreundfchaft und Seindfchaft. 

6. Zur Verwaltung des Ungeldes wählen Bifchof und Rat aus 
jeder Pfarrgemeinde vier Männer, mit deren Rat fie für den Lungen 
der Stadt forgen follen. 

7. Geht einer der Yleuner mit Tod ab, fo wählt der Bifcyof auf 
feinen id einen anderen; ftirbr einer der feche Ritter, fo wählen die 
nem Blirger auf ihren Eid einen anderen. 

8. Wenn einer der fünfzehn Natsherren feine befdymworene Pfliche 
verlegt und deffen durch zioei oder drei feiner Benoffen überführt wird, 
fo foll er durch den Bifcyof aus dem Rat geftoßen und ein anderer 
nad) vorgefehriebener Yeife gewählt werden. 

9. JR einer der ritterlichen oder bürgerlichen Ratobersen ein Jabr 
lang abivefend, fo foll entweder von den neun Bürgern ein Ritter oder 
vom Bifcyof ein Bürger neu gewählt werden. 

50. Verreift einer der fünfiehn Hataberren, fo nehmen bie zu deffen 
Alickunft entweder die Bürger einen anderen Ritter oder der Bifchof 
einen anderen Bürger in den Kat, 

I. Sind die Ratsberren in irgend einer Sache zwiefpältiger 
Wieinung, fo foll die Stimmenmebrbeit den Ausfblag geben. 

12. Der Rönig wähle einen der neun biirgerlichen Rataberren zum 
Biirgermeifter, und zwar ftebt eo ihm frei, alljäbrlidh einen neuen zu 
wählen oder den gewählten fo lange im Amte zu laffen, als er will. 

33. Der Bifcyof wähle aus den feche ritterlichen Rateberren den 
‚anderen Bürgermeifter, und zwar jährlich einen anderen. 

J4. Alle Bruberfihaften mir Ausnahme der Jausgenoffen (Kiänzer) 
und Yoildiwerker find aufgehoben. 

35. Abgefeben von den angeführten Beftimmungen verfpricht der 
Bifcoof, alle Hedte, Privilegien und guten Gewohnheiten der Stadt 
unverkümmert zu erhalten, zu fiärfen und zu beffern. 

Diefe Rachrung — fo nannte man am Mittelrhein folche Verträge 
‚von längerer Zeitdauer im Begenfage zu Vereinbarungen auf Einzere Zeit, 
die Srieden biefen'”*) — war von mafgebendem ZBinfluß auf bie ganze 
nachfolgende Ennwicelung der Stadt Worms. mmer wieder fchre 
fich die Stadt der Seffein zu eneledigen, welche diefer Vertrag ihr aufs 


4 38. Bapiıl, 


erlegte, und andererfeite berief fich der Alerus bei jedem Verfüche der Stadt, 
fi von der “errfchaft des Difchofe zu emanzipieren, eben auf diefe erfte 
Bachrung. Gemäß den vom Rönig gegebenen Direktiven erfannte num der 
Bifchyof alle der Stadt von den früheren Raifern und Königen gegebenen 
Privilegien, alle ihre Rechre und guten Bervohnbeiten an, dagegen mußten 
fämtlicye Fünfte und Gefellfdyaften aufgelöft werden, nur die Zaus- 
genoffen und Wildrverker blieben befteben, weil fie bifchöflich gefinne waren. 
Die gegen die Städte gerichteten Reichsgefene hatten nicht fehlechweg. 
die Stadträte verboten, fondern blos foldhe, welche ohne Willen der 
Bifdpöfe eingefent worden waren. Der Kar der Vierziger war zwar 
fillfehweigend vom Bifchof geduldet worden, aber nachdem ihm deffen 
Gefäbrlichteit zum Bewußtfein gelommen war, fegte er mit aller Energie 
deffen Auflöfung durch, und gemäß der neuen Verfaffung trat nun der 
Rat der Sünfgehner an die Stelle der Vierziger. Schon die Pleine Zabl 
der Mitglieder diefeo neuen Rates garantierte dem Bifdhof feinen Ein- 
fluß, und ebenfo bot ihm deffen Zufammenferung alle Gewähr dafür, 
daß er err der Stadt bleiben werde. Denn die Ritter hatten in diefem 
Sünfsehnerrar eine viel ftärkere Vertretung, als die 12 YWlinifterialen im 
alten Vierzigerrat. Der Ausdrud Wiinifterialen verfdroinder nun über: 
haupt in den Wormfer Urkunden; fie erfcpeinen unter dem Titel Yiilites, 
Ritter. Das hänge mit der Veränderung zufammen, die fi) in den 
Standesverhälmiffen vollzogen batte. Die Minifterielen waren, wie 
wir wiffen, urfprimglidy eine Benoffenfebaft gewsefen unfreier Zerkunft, 
die ihren &erren weils zu «ofbienften, teils zum Ariegebienfte verpflichtet 
waren. Sie bildeten bei der zunehmenden Gchroächung des Lehns: 
verbandes die eigentliche Grundlage des Briegsmwefens für das Neid) 
fowoht, als audy für die Sürften. 2lls Entgelt für ihren Dienft erhielten 
fie Lehen; dadurd) hob fid) ihre materielle Stellung; ihre fosiafe 
Stellung aber hob fich durd) die Aufnahme in die Ritterfchaft. Ye 
ihnen verfehmols im 33. Jahrhundert die ganze Waffe der Pleinen 
Grundherren'”). &o bildete fid) der Kitterftand aus, der von Anfang 
an in fähroffen GBegenfan zum Bauernftand und noch mehr zum 
Bürgertum geriet. Wit der Umbildung zum niederen Adel gingen der 
Winifterialicke die idealen Intereffen, die fie in der Zeit der erften Staufer 
in fo großartiger VOeife vertreten hatten, verloren. Da die Ritter an der 
nationalen Arbeit und an der förtfehreitenden Rulcur Beinen Teil nahmen, 
wurden fie der Ylarion mehr und mehr zur Zaft und Plage. 


Sürnen und Städte, Die cefle Nadrung. 495 


Die Hacyrung gab ferner dem Bifhof einen maßgebenden Kinfluß 
auf die Zufammenferung des Mates und, da er demfelben entweder 
perföntich. oder durch einen Stellvertreter beinvohnen Tonnte, auch auf 
deffen Defchtüffe. Dagegen erhielt der Aönig das Recht, einen der zwoei 

ifter, und zwar, was von Wicheigteit wer, den bürgerlichen, zu 
wählen. So blieb dem Königeum ein Anteil an der Stadtregierung 
gewahrt; Die Stadt fäyied fomir nidhe völlig aus dem Reichsverbande 
und für die Zukunft batte fie Doch immer den Troft, fich in der LIor 
an den König wenden zu £önnen, wmeldyer der alleinige Binadenfpender 
war. Das Auftommen des Dlirgermeifterrums haben wir als einen 
tevoluriondren Akt bezeichnet. Die Stadt Fonnte es ale einen grofen 
Erfolg betrachten, daß fie die Beibehalnng der beiden Blirgermeifter 
durchfegen Eonnte. Dem bifchöflichen Wormfer Befebichtsfehreiber war 
daher diefer Artikel, der von der Wahl der Blrgermeifter handelt, ein 
Dorn im Auge, und er hat ihn beim Abbruc® in feinem Urkundenbud, 
weggelaffen. Aber auch die Bemeinde erhielt eine Vertretung, indem 
für den Zwee? der Steuererbebung in jeder Pfarrgemeinde vier Männer 
gewählt wurden, die zufammen mit dem DBifchof und dem Rare das 
Befte der Stadt wahrnehmen follten. Wit den “eimburgern, den 
Beamten der alten Stadtgemeinde, haben die fechsehn Vertreter der vier 
tädtifchen Pfarrgemeinden nichts zu chun!””). 

Die Stade hatte eine fehwere YTiederlage erlitten, und fie mußte 
zundchft die Solgen tragen. Ylacdydem der Vertrag abgefchloffen worden 
war, 309 Bifchof “einrich mir dem Alerus nad) Yleuhaufen. +iecher 
begab ficy die ganze Bürgerfchaft; fie fielen vor dem Bifdhof auf die 
Bnie, und diefer IHfte fie vom Banne. Darauf Eehrren fie voller Sreube 
nach der Stadt zurüch, und der GBortesdienft wurde wieder gefeiert. 
Dann begann man die Wahl des Rates vorzunehmen. Ylachdem die 
Dürger durch die Ratsglodte auf dem Bifchofebofe vor der Sreitreppe 
dafelbft zufammengerufen worden waren, ernannte der Bifchof neun Bürger 
zu Ratsherzen, und diefe wählten Darauf feche Ritter. Die fünfjehn Rats: 
herren fänsoren fodann öffentlidy auf’ die Reliquien einen id, indem fie 
gelobten, gemäß den reiten der Verfaffung mit dem Bifchofe den Rat 
zu beflgen, dem Bifchof und dem Alerus creu und hold zu fein und deren 
Rechte zu verteidigen, die Rechte und guten Berwohnheiten der Stadt zu 
erhalten und zu mehren, Geiftlichen und Laien forsie den Juden 
unparreilfch Recht zu fprechen, auf alle Umfragen nad) beftem Wiffen 


4986 19. Bapiel, 


au antworten, die Bebeimniffe des Rates zu heblen, den Schultbeißen 
und die Amtleute obne Arglift zu wählen, Schuldige nicht in Schug zu 
nehmen und Unfpuldige nicht zu verurteilen, forvie ‘in (biefen' und. ‚in 
allen anderen Dingen der Stadt Ylugen obne Trug: und Gefährde mit. 
gangen Bräften zu fördern, unangefeben Sreundfehaft oder Seindfehaft 
oder Gefhyent oder Gefchenkesverfprechen. Der Bifchof gelobre eben 
falle, der Scadt und den Bürgern treu-und bold'zu fein, ibre Sreibeiten 
zu mehren und zu beifern, unparteüfeb Recht ‘zu fpredhen, die Geheim- 
miffe des Nates feft zu bewahren, die Richter obne: Beftechung su 
mäblen und in allen Dingen obne Arglift und ‚ohne Rücfiche auf 
Sreundfehaft oder Seindfihaft verfahren zu wollen"). 






























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20. Rapitel. 
Sturm und Drang. 
DBifhof Landolf von Worms. 


ie Entftehung der Seäbte in Deuefehland 
fälle mit jener großartigen wirtfchaftlichen 
Revolution zufammen, die man als die Um« 


Geldweirtfchaft beseichner!”). Ylachdem die 
deutfehen Stämme ihre bleibenden Sie ein- 
genommen batten, bildeten fie ihre fkaatliche 
| und: wirtfepaftliche Orgenifarion aus, und 
diefe. war die. eines Bauernvolkes. Denn aus 
leidenfchaftlichen Rriegern waren die Deutfchen 
im. Zaufe,,deo 5. bis sum 9. Jahrhundert 
eifrige Bauern geworden, die alle anderen 
Jnsereffen Diefem neuen eruf bintanfegen. _WDobl fein die Deurfehen 
bei: der. Eroberung ‚römifcyer. Provinzen. auf‘ eine hocyenwictelte Städte: 
Euler, allein fie, &onnten ‚mit, Diefen Städten nicht viel anfangen, und da 
Biefen bie-Lebensadern, -Aaanbel und Verkehr, abgefbnitten waren, fiechten 
fie .langfam, ‚dabin.... Indemiftaatlichen Organismus des fränkifchen 
Reiches harten die Städte nicht mehr Bedeurung als die Landgemeinden, 
beide waren lediglich wirefchaftliche Benoffenfchaften. Ylur der DBeflz 
von Grund und Boden gewährte in diefem Bauernftaate dem inzelnen 
Anteil am faatlichen Leben, Anfehen und Wacht; wer deffen enebehrte, 
Zonnte feine Sreibeit nicht bewahren. Es gab nur eine Art des 
Einkommens: die Brundrente; diefe war auch das einzige But, womit 
15.001, Die Aal dr hinien Gi. I. Ey 





500 20. Rapid. 


der Staat feine Beamten, der Sere feine Diener belohnen Bonnee. Diefer 
fichere Befig von Brund und Boden verbürgte den Befchlechtern eine 
lange Dauer und bedingte eine Bleihmäfigteit der Lebensführung, fo 
daß ein Wertftreit in der Entfaltung geiftiger Rräfte fo gur wie aus 
gefebloffen war und daher mur wenige fich über das gewöhnliche 
Vlivean geiftiger Bildung erhoben. Für den Ueberfebuß der rafch 
wachfenden Bevölkerung fand fich noch auf lange Zeit genfigende 
Verforgung, denn weite unbebaute Släcden und große Wälder 
fkanden vielen Generationen zur freien Verfügung, und ein intenfiverer 
Bodenbau, der Uebergang sur Dreifelderwirtfchaft, erhöhte nicht 
unwefentlich die Produktionsmenge der Ylabrungsmittel. Arbeitefreudige 
SÄnde waren alleit begehrt, und der Bandlofe brauchte nur gegen 
Verzicht auf feine Sreibeit fich einem &erem zu eigen su geben, fo erbiele 
er eine Aderftelle und damit fibere Yrahrung. Ueberdies Eonnten alle, 
Sreie und Unfreie, in den geiftlichen Stand eintreren. Diefer erfüllte im 
Wirtelalter die Sunktionen, welche beure wefentlih dem Bürgertum 
zufommen. Der Geiftlide war ja nicht blos Serlforger, fondern auch 
Beleheter, Erzieher, Rünftter, Arzt und Tecpniter und nicht zum aller: 
learn Staatsmann. Diefe Beiftlichteir, welche in_ebelofem Stande 
lebte und daher fidh immer neu aus den anderen Ständen, Abel und 
Bauern, erneuern mußte, war eine Auswahl jener beiden Stände, wesbalb 
ficb bei ihr das geiftige Yliveau weit Über das normale Wiaß erhob. 
Dies ift der Brund, weshalb im Wirtelalrer die Beiftlichkeit die Trägerin 
der intelleftuellen Kultur, die Pflegerin der Voiffenfehaften und Rüınfte war. 

Die Hauptaufgabe der ftaatlichen Gewalt, des Rönigrums, war die 
Sicherung des Sriedens, und diefer Pflicht gab fid) namentlid, Raifer 
Bonzab II. mir Eifer hin. Die unmitrelbare golge war eine Zebung 
des Verkehrs, und diefe Bam vorshglich den Städen zu gute. Die 
Städte hatten bisher wefenelich nur ale Seftungen Bedeutung gehabt. 
Sofnter ihre Wiauern flüchteren fc die Bauern, die deshalb auch 
verpflichtet waren, die Stadtmauern bauen und unterhalten su belfen. 
Yun riß die germano-romanifdyen Völfer am Ende des IJ. Jahrhunderte 
das großartige Unternehmen der Aücheroberung des heiligen Landes in 
‚andere Bahnen. Bonnte auch der Zwec? nicht erreicht werden, fo hatten 
doch diefe Unternehmungen eine mächtige Befruchtung der Phantafie 
und des Geiftes zur Jolge. Da der Rarawanenhandel durch Rußland 
und die Donauftrafe bleibend gefbrt war, begannen bie Deutfchen 


Srucım und Drang. Bifcbof Landoli von Worme. soI 


direkt über die Alpen mit den aufblübenden italienifchen Geäbte: 
tepubliten ‘einen Tebbaften &andel, indem fie die Produkte des Wiitel 
meeres umb des Örientes der "eimat zuführten, und nicht nur diefe; 
denn auch die Grundlagen ftfbeifcher Sreiheit lernten fie bier Eennen. 
Die Rreugfahrten und Aömerzüge verfcjlangen taufende und taufende 
Wienfchenleben, wodurch die Bevölkerung Europas deyimiere wurde, 
und zwar fiel der bisher berrfchende Teil der Bevölkerung diefen 
blutigen und aufreibenden Rriegestgen zum ©pfer: der Adel, Die 
gücten wurden fogleich ausgefüllt; eine neue, noch unverbrauchte Schicht 
der Bevölkerung kam nun an die Oberfläche, und das Ergebnis diefer 
rafchfließenden Bevölterungsbewegung war der erfie Geiftesfrähling 
Deutfchlands: der YWinnegefang und das Epos feierten ihre Triumphe). 
Aber noc) immer beherrfchte das Spftem der Ylarurahwirtfähaft das 
wirefchaftliche Leben des größten Teils der norbeuropäifchen Völker. 
Auch für einen fo eminene begabten Dichter wie Walther von der 
Vogelweide gab es noch feine andere Art des Kinkommens ale die 
Grundrente. Daher der Jubel, als der Dichter vom Baifer endlich ein 
Zehngur erhalten hate. ”n den Städten wurde dies jert andere. sier 
batten fich der Yandel und das Yandıwert Eräftig enmicelt und waren 
au einer felbftändigen Stellung gelangt, die unabhängig vom Befize von 
Grund und Boden war. Parallel mir iefer Jebung des Handels und 
deo andiverks ging die Rechrsentwickelung. Während auf dem Lande 
die Rechreverhätrmiffe ftabil blieben, wurde in der Stadt den Bebticfniffen 
de Vertehrslebens Rechnung getragen, und diefes zeitigte, man Tann 
fagen, treibbausareig ein Stadtrecht, das einmal für größere Sicherheit 
von Perfonen und Kigenrum Sorge trug, fodann eine Wobilifierung des 
Grundbefines ermöglichte. Die Leibe nady Stadtrecht fehuf feine 
wirtfchaftliche Abbängigkeit wie die nach Hofrecht, im Gegenteil, der 
Belichene erlangte dadurd) die Freiheit. Zn der Stadt kam das Rechts: 
fprichwort zur Geltung: „Stadtluft mache frei”, und fortan galten hörige 
Dienfte und Beijtungen mit dem Wefen einer Stadt fir unvereinbar. 
Bahlreic firömten Sreie und Unfteie in die Stade und ließen fich dafelbft 
bleibend nieder. hr Einkommen berubte nun nicht mehr wie beim 
Mierus, Adel und Bauern auf dem Bodenertrag oder auf der Brund: 
zente, fondern auf der geiftigen und £örperlichen Arbeit. Jeder kann 
fid) in der Stadt eine Zriftens gelinden, infofern er im Ronturrenstampf 
befteht, Yeffen Vermögen nicht im Brundbefig fundiee ift, wie das der 


so2 20. Bapire, 


alten Stabtgefeblechter, der wird fid> rühren müffen, fonft gebt er und mir 
ihm feine Samilie zu Grunde. Aber der Unterlegene it bald erfent, denn 
munterbrochen fließt der Strom vom Lande in die Stabt und führe diefer 
immer wieder feifcheo Blur zu’). Die Stadt gleicht einem See, der 
das von den Bergen und Gehängen fließende Überfblfjige Waffer in 
fi aufnimmt. Die Entftehung des Brgermums it ein volikändig 
neues Element der mirtelalterlichen Staats: und Gefellfcpafteorömung 
und mit diefer von Anfang an völlig unvereinbar. Darum fticß audı 
diefe neue Bildung fogleih mir der alten feindfelig zufammen, und ce 
kam zu Rämpfen, die Jahrhunderte lang dauerten und färließlich zum 
Siege des Dürgerrums Über den Lebnftaat führten. Diefen wechfelvollen 
Rampf zu ersählen, foll die Aufgabe der folgenden Blätter fein. 


Bifdyof Seinrich bemühte fich, nach dem Abfchluffe der Rachrung mir 
feinen Bürgern in Bintracht zu leben. YOie in alten Zeiten 30g er die 
Vornehmften als Dertrauensmänner zu wichtigen Befehäften beran“”). Er 
beeilee fich nun auch, einen alten Swoift zu befeitigen. Am 19. Sebruar 1234 
verkaufte er den Bürgern von Worms mir Zuftimmung des Domtapitels 
für Jo Jahre bie länge unter der Bedingung, daß aus einem Pfunde Sifber 
30 Schillinge mit Beibehaltung des alten Geprägee gefchlagen werden 
follten*). Der Befin der Wiinze war der Stadt ein großer Bewinn, indem 
fie die Wiünzverfchledhrerungen, die damals allgemein von den Tnhabern 
des MWünzregale in geroinnfüchtiger Weife verfibt wurden, verhindern 
Bonnte. Auf die Biete der Dlirger räumte er ihnen zugleich den Bebrauch 
des Markrplanes zur Abhaltung der Märkte für die gleiche Zeitdauer ein, 
in derfelben Weife, woie fie denfelben fon vorher benunt hatten. Doch 
beide Teile behielten fidy die Geltendmachung ihrer Rechte vor">). 

Am 12. September 123% ftarb Bifchof Heinrich und wurde im Chor 
des Dome beigefegt. Sein Flacyfolger war Landolf"”), aus einem auf der 
Burg obenee® bei Raiferslaurern wohnenden Winifterinlengefchlechte, 
das aud) in Worms zu Jaufe war. Vor feiner Exhebung war er Dekan de 


=) In den Wormfer Annalen Kommen öfter Preisangaben, und war mei nad) dee 
Aölner Mortrednung, vor. In beutiges Beld umgefent, hatte um die Mitte deo 13. Jahr: 
Yunderrs Die Mölner Meef zu J2 Schilingen einen Wert von 43,68 Neidsmart. WII man 
fe Ss Bamalien Geo, megliden mit der hemign, ade, fmulpliee man 
pl. 1E,Beufe, Rölnifcoe Beldgefehichte bie 1395 in Wefdeusfche Seirfhrift, 

ir 1068, p. 118 f- 






Srurm uns Drang. Difßef Lanbolf von Worme, 503 


Domtapirels gewefen. Gleich nach dem Tode "einriche gelobten fic) die 
Dier Wormfer Stifte gegenfeitig, Beinen Bifchof wählen zu wollen, der 
nicht zuvor einen Pörperlichen Eid leifte, daß er niemals auf den Klerus 
eine Steuer legen und niemals bei Gläubigern aus Rom oder Jralien 
‚oder anderen, die auf Urkunden auszuleiben pflegen, Schulden machen 
wolle"). Diefe Waßregel war durd) die gemachten üblen Brfahrungen 
(fiehe oben) und durd) das Beifpiel. des Mainzer Rlerus”") veranlaßt 
worden. Auch der verftorbene Bifchof seinrich harte diefen Kid fehmoören 
müffen. Alles Beld, das die Ritche und der Alerus aufbringen, follte 
zur Abzahlung der bei den italienifchen Bankiere Tontrahierten Schulden 
verwendet werden"®). Landolf wurde am $. Oftober gewählt und zwar, 
mie es feheine, nich ohne YOiderfprudy. Darum füchte er eine Seine 
in Bönig Seinrich (VII). Diefer empfand die Demütigung, die ihm von 
feinem Vater auferlegt worden war, fehr bitter; anfangs fügte er ich, 
dann aber 30g er die Wiinifterialen wieder an id), und im September 1234 
befchloß er zu Boppard, fic) gegen feinen Vater zu empören. Er gedachte, 
ic von feiner Gemahlin Wargaverhs von Defterreic, zu trennen und die 
Scywefter des Böhmenkönigs zu heiraten. $Er fürdhtete feinen Vater, 
und um einen Rückhalt zu haben, damit er dem Baifer den Eintritt nad) 
Deurfchland wehren Eönne, füchte er die Städte feft mit fich zu verbinden 
und forderte von ihnen einen Eid, ihm gegen jedermann, auch gegen feinen 
Vater, beisuftehen und zur Sidyerbeit Geifeln zu fellen””). Yiur die 
Yosemfer voiberftanden ihm unerfehrocken, indem fie ihm antıworteren; 
daß fie zwar ibm ale Seren und Rönig gefchwworen hätten, daß fie 
aber niemals einen Eid Teiften woiheden, der feinem Vater nachteilig fe. 

Der Erwoäblte von Worms begab jich fogleich nach feiner Wahl 
zum König nad) Zagenau. Sier erwies er ihm große Gunft. Am 
I. Vlovember 1234 erteilte ihm «einrid) die befondere Bnabe, daß alle, 
die in der bifchöflichen Stadt Ladenburg als Bürger wohnen wollen, 
‚von der Dienftbarteit gegen jedermann befreir fein und nur dem Hrwählren 
vom YWorme dienen follten, gleichviel, ob fie ihm felbft oder einem feiner 
‚Sürften oder Wiinifterialen irgendtvie angehören'”). Am gleichen Tage 
beustundere der Rönig die vor ihm ergangenen Rechtsfprliche, daß alle, 
Die auf dem Aofe des Bifchofs, den derfeibe vom Reiche zu Lehen trage, 
Yohufer errichter haben, diefelben wieder abreißen müßten. Außerdem 
darf‘ der Erwählte von Worms alle von feinen Vorgängern verlichenen 
Achen wieder einziehen!”®). 


ss 2. Bapirel, 


Gegen Ende Llovember fam der Mönig in die Gegend von 
Worms und füchte die Bürger durch Verfprechungen und Drohungen 
zu gewinnen; doch fie blieben feß. Dagegen ließen fich die Speierer, 
welche anfänglich gemeinfähaftliche Sacye mie Worms gemacht hatten, 
vom Bönig überreden und erhielten zum Dank dafür am 2J. Dezember 
die Betätigung ihrer Privilegien”®). WDabefebeinlicy war Landeif 
ducch die Blirger aus der Stadt Worms ausgefebloffen worden. Wir 
finden ihn fortwährend in der Umgebung des Bönigs'”), der ihm 
im Ylovember 1234 zu “agenau die Hegalien erteilt hatte. Don da an 
beißt er in den Urkunden des Rönige Bifcpof; da er jedoch noch nicht 
geweiht worden war, blieb er für den Mlerus nad) wie vor der 
Erwähle. Die Wormfer baren fid in ihrer Bedrängnis an den 
Baifer gewandt. Diefer belobte fie wegen ihrer Treue und namentlich 
deshalb, weil fie fi weder durch Dirten noch Drohungen bewegen 
liefen, den ihnen angefonnenen Schwur zu leiften, ohne Kamen. und 
Ehre des Raifers dabei aussunehmen"”). 

Rönig Zeineich hatte im Flovember 1234 feinen Vertsauten, den 
Reicheminifterialen Anfelm von Tuftingen, nady italien gefickt, der 
einen Bund mit den lombardifcen Städten zu flande brachte; mir 
Aubwig IX. von Scankreich EnÜpfte der König gleichfalls Verhandlungen 
an. Der Baifer parierte diefen Schachsug, indem er fich wieder dem Papfte 
näherte und einen Bund mir England fdyloß, der Durch feine Verlobung 
mit der englifchen Mönigerochter fabella eingeleitet wurde. +eineich 
beberrfchte den Mittelrhein; um fo Ärgerlicher war ihm der Widerftand 
der Wormfer. Er that die Bürger in die Acht und erlaubte jeder: 
mann, fie an Leib und Bue zu fÄädigen. So brachte er ihnen durch 
Raub, Brand und Plünderung großen Schaden bei. Ylady allen Rräften 
füchte er ihnen Uebles anzuhun. Und fein Bürger durfte mehr wagen, 
die Stadt zu verlaffen. Dennoch blieben fie ftandbaft und trugen willig 
den großen, unermeflichen Schaden aus Liebe zum Baifer, und auch die 
Boften, welche die Rüftungen erforderten, jeder Bürger nach) Vermögen, 
fa, Bott fei Zeuge, über Vermögen. Und trogdem fie fo febr gefchädige 
wurden, wankten fie nicht in ihrer Treue”). Der Baifer tröftete fie 
wiederholt und ba fie, in ihrer Treue zu verharten und keinen Schaden 
an Sachen und Perfonen zu febeuen, da er in Kürze perfönlich Bommen 
werde, Er bedauere eo fehr, daß fein Sohn, den er fo fehr geliebt 
babe, den Srieben feiner Getreuen fisre, teilt ihnen mit, wie er die 


Sturm und Drang.  Bifhof Lansolf won Worms. "sos 


‚benachbarten $Edeln‘ und alle feine Berreuen zu ihrer Unterfthgung auf 
gefordert habe, und ermahne fie, daß fie den verlangten Schwur nicht 
leiften follten, auch wenn fein Sohn felbft fie dazu auffordere, da dem- 
felben nur feinetwvegen und feines Befehles wegen Brborfam geblihre""‘). 
Auf ein ferneres Schreiben der Wormfer wieberholt der Maifer feine 
Ermabnung zum Ausbalten, da die Bedrängnis nur eine augenblicfliche 
fei und bei feiner nächftbevorftehenden Ankunft verfliegen werde wie ein 
vom Winde ergriffenes Blatt, worauf er ihnen dann allen erlittenen 
Schaden reichlich vergliren wolke!"). 

Da der Rönig die Wormfer trog aller Bedrlckungen nicht anderen 
Sinnes machen Ponnte, fo berief er nach Öftern 1235 feine Anhänger 
nach Oppenheim. Sier fammelte er ein Seer, und am 25. April fÄyichte 
er den Grafen Sriebrid) von Leiningen und den Wildgrafen mir 
5000 Wlann gegen Wsrms. od) die Wsrmfer wehren unerfihrocen 
den Angeiff ab, und fo vermodhren die Seinde nur erwa 30 ufer in 
der Vorftadt S. Michael zu verbrennen. So fehr wurden fie von den 
Bürgern durch Pfeile und Schläge bedrängt, dafs fie eiligft wieder zum 
König nach Oppenheim zurficttebeten. 

Den Wormfern Bam aber der Raifer zu Hilfe. Am 4. Juli biele 
er mit unerbörter Pradyt feinen Einzug in Worms; zwölf Bifcböfe in 
priefterlichem Ornate empfingen ibn, unter ibnen auch Landolf von 
Worms. Sobald ihn der Baifer vor dem Mänfter erblicte, befahl er 
ihm, aus dem Angefiche zu geben. Der Bifdof verbarg fih im 
“aaufe feines Rapellans Ronftantin. Tron vieler Bitten wollte der Raifer 
ibm nicht verzeihen, und er mußte außerhalb der Stadt im Rlofter 
Fronnenmünfter Zuflucht füchen. In Worms feierte der Maifer feine 
aochzeit mit der Schwelter des Rönigs von England, Elifaberb (Jfabelle). 
ssler erfüllte fc» auch in ergreifender Yeife das tragifcbe Befehich des 
ungeborfamen Rönigefobnes Zeinrich. Er war feinem Vater nady 
Wimpfen entgegengesogen, um Deffen Bnade zu erlangen. Der fhwer 
beleidigee Raifer ließ ihn jedoch nicht vor, fondern wies die Erledigung 
diefer Angelegenheit nach Yorms. Anfangs war Zeinrich Bnade 
sugefagt worden, da er aber die ibm geftellten Bedingungen nicht erfüllen 
wollte, nahm ihn der Raifer in Worms gefangen, und zwar wurde er 
nad der Wormfer Tradition im Turme Lugineland verwahrt, von deffen 
Zinne fein Blic® weit über das fähßne fruchtbare Land fchweifen Fonnte. 
Don Worme wurde fodann der unglückliche Rönigefobn nach Zeidelberg, 


1. Bu0n, Die Aue der senden Se 1 “ 


506 20. Bapiiel, 


darauf nach Alerheim im Ries und fehließlich nach Apulien gebracht. 
Er farb den I2. Sebruar 1242 und wurde in Cofenza begraben. 
Gegen die Anhänger und Verführer feines Sohnes woar der Raifer 
tief ergeimme, und befonders Bifdyof Zandolf von Worms mußte den 
Zom Seiedriche II. Über fich ergehen laffen. Die Wormfer Bifchofs: 
ebronit fielle die Sache fo dar, ale ob Kandolf' durch verräterifche 
Beiftlidye der Wormfer Kirche beim Baifer verlumbet worden fei und 
ale ob die Wormfer Bürger den Baifer für ihn vergebens um Gnade 
angeflebr bärten. Der unfchuldig verfolgte Bifchof babe fich darauf 
entfebloffen, mit anderen BifdySfen, die dasfelbe Schictfal erlitten, nach 
Rom zu reifen. Darliber babe der Raifer große Surchr gebabr und den 
Deurfchordensmeifter an den ersürnten Papft gefchie®t, um diefen mir fich 
su verfähnen, was ihm auch gelungen fei. Wit dem Deuefäyordensmeifter 
feien dann die drei Bifchöfe nach Deurfchland zurlckgebehrt und bäcten 
die Bnade des Raifers erlangt. Diefe durdyaus verfälfchte Darftellung 
fiebr in vollem Widerfpruch zu den urkundlich beseugten Ihatfachen. 
Der Papft war damals Über den Baifer nidye erstient, vielmehr hatte 
er fehon am 3. März 1235 die deutfchen Sürften aufgefordert, den 
aufeübrerifcben Aönig Seineihh zum Geborfam gegen feinen Vater 
zurbefzuführen, und am gleichen Tage batte der Papft die Anbänger 
Seinriche (VII.), die Bifhyöfe von Yohrsburg und Augsburg, forvie den 
Abt von Julda zur Verantwortung nad) Rom geladen"), Am 
24. September ermeuerre Gregor IX. diefen Befehl und forderre num 
auch den ZErwählten von Worms auf, in Kom zur Verannworrung zu 
erfcheinen”"). Alfo ft Landolf garnicht freiwillig nad) Kom gereif. 
Der Deurfäpordensmeifter ging allerdings im Winter 1235 nach Jralien, 
doch nicht, um den erzürnten Papft mit dem Raifer zu verföhnen, fondern 
auf den Wunfch dee Papftre, um die Iombardifcben Verbälmiffe zu 
orbnen'®“). Sriedeich II. dachte anfangs daran, dem noch nicht gemweibten 
Bifcpof Landolf das Bistum zu entziehen und dasfelbe feinem Yiotar 
Wagifter Seinrich zu geben. Doch ftand er wieder von diefer dee ab. 
In Jralien hatte Landolf die Bnade des Papfies erlangt, und im Frühjahr 
1238 Eonnte er wieder nad) Deurfchland zurüchtehren. Der Papft gab 
am 5. Wiai 1236 dem Hrsbifcyof von Wains den Auftrag, dem Erwählten 
von Worms die Weihe zu erteilen, nachdem eine auf Veranlaffung des 
Baifers den Bifdyöfen von “ildesbeim und Hegenoburg über denfelben 
aufgetragene Unterfüchung Bein Wefultat ergeben, er felbft aber, der 


Srurm und Drang. Z@ef-Landelf von Worms. 07 


bifchöflichen Bäter beraubt, beim päpftlichen Stuhl fi, eingefunden 
habe'*). Allein es dauerte noch HJonate, bis der Erzbifchof den Auftrag 
des Papftes erfüllen Bonnte, denn erft fpdt, gegen Ende des Jahres 1236 
erlangte Landolf die Bade des Raifers'"). 

Da der Difchof lange Zeit außerhalb feiner Stadt war, wurde vom 
Batfer die Verfaffung des Jahres 1233 aufer Mraft gefent und ein 
fenroäbifiher Wiinifteriale Marquard von Scneidheim (Gneitde) unter 
dem Titel eines Ricytere mit der Bewwalt über die Stadt berraut. Diefer 
errichtete einen Kat, aus vier Ritrern und ache!””) Blirgern beftehend, und 
er erhob von den iinifterialen der Wormfer Kirche Steuern. Doch 
die Bürger feheinen mit diefer Linrichtung nicht zufrieden gewefen zu 
fein, und auf ihre Vorftellungen gewährte der Raifer ihnen im MWiai 1236 
zu Scankfurt die Prneuerung feines früheren Privilege vom Jahre 1220, 
den Stabeftieden und bie Berichteverfaffung betreffend"). Es handele 
fi) bei diefem Privileg, wie wir fyon früher dargelegt haben, nicht 
um einen Rat der Stadt, ondern um eine Infticucion zur Wahrung 
des Sriedene, und es entfpradh dies ganz dem Sinn des Raifere. YDie 
fich die Dinge in Deurfäland geftalter hatten, befaß die Zentralgemalt 
fat Beine Binvoirkung mehr auf die einzelnen Teile des Heichee, indem 
die Särften in ihren Bebieten zu vollftändig fouveränen Landesherren 
geworden waren. Die Pönigliche Bewalt Tonnte nur nody verfüchen, 
den Seieden im Reiche durch Vereinbarung mit den Särften und durch 
Aufftellung eines oberften Reichefehjiedsgerichtes zu fidern. Zn diefem 
Sinne erließ Sriedrich II. auf dem Reicherage zu Mainz am $5. Auguft 
3235 einen großen Landfrieden”®”), der in der Solgeselt oft wiederholt 
worden ift. ls der große Sriedenoftifter lebte Die Beftalt Sriebricye II. 
noch) lange im Bebächenis des deutfchen Volkes. 

Bifäyof Landolftehrre nach langer Abtwefeneit am 14. Dezember 1236 
nach YOorme zurück. Der Baiferliche Richter Warquard verließ num wieder 
die Stadt. Der Bifdyof aber bob das Über Worms verhängte Tnterbite 
auf, und mit großem Vergntigen wohnten die Bürger im Dome dem Bortes- 
Dienft bei. Zugleich fiellte Landolf die Derfaffung des Jahres 1233 voieder 
ber. Der Bifchof gehörte fortan zu den gerreueften Anhängern des Raifers. 
Am 7. Juni 1237 las er vor dem Baifer in Speier die Wieffe und Eehrre 
darauf am 9. Juni nad) Worms zurüd. Aber Ende Tuni finden wir 
ibn wieber beim Baifer"®); im Auguft begab er fid) nach Augsburg, 
um von da mit dem Kaifer nad) Ttalien zu ziehen"), Diefer 


sos 20. Bapitel, 


Zug war ihm offenbar vom Raifer als Bebingung ftir feine Begnadiging 
auferlegt worden”). Wir anderen Difchyöfen verfaßte er die vom 
28. Öftober 1238 Ddatierre Befchwerdefehrift des Baifere gegen den 
Papft. Sür feine Dienfte ließ er fidh reichlich belohnen. Im Juni 1238 
erneuerte ihm der Raifer den 1223 von den Sheften gefällten Aechre- 
fpruch, daß fein Truchfeß, Schent, Rämmerer oder Wiarfchalk feinem 
Seren obne deffen Beijtimmung einen Unterbeamten. beftellen dhrfe'"). 
Die Winifterialen, die mie diefen Jofdienften betraut waren, füchten fich 
nämlich der perfonlidyen Dienftleiftung zu entziehen und gleichwohl die 
damit verbundenen Leben zu behaupten. Im Ylovember 1238 zu 
Eremona ließ fich Landolf ferner einen Spruch des Aofgerichtes ber 
ur&unden, daß Bein geiftlicher Sürft die vom Reiche berrührenden Rechte, 
ale Zoll, Wlnse, Schultheißename, weltliches Bericht u. f. mw. ohne 
Kaiferlidye Erlaubnis zu Lehen geben dlirfe, indem feder Raifer, wenn 
er am Bifchofofize einen “oftag angefagt babe, forwie während der 
Vatanzen des bifchöflichen Stubles, diefe Rechte ungefchmälert genießen 
Bönne'”). Diefer Rechtofpruch ift eine interpretation des Artikels 8 
des großen Sürftenprivilege vom 26. April 1220”). Der Bifchof von 
Worms wird nun durdy obiges Urteil ermächtigt, alle von feinen Vor- 
gängern obne Genehmigung des Raifers verliebenen Rechte den nhabern 
absuforbern. Landolf zeige fihh bier als ein forgfamer Verwalter 
bifchöflicher Hedhre. Zoll, Münze, das Scyulheißenamt waren thar- 
fächlid) in die Verwalnung der Stadtbebörden übergegangen. Der 
Bifähof hatte id) nun ein Nechteinftrument verfcpafft, um diefe Rechte 
wieder in den vollen unbefchränkten Befig der Kirche zurckzubringen. 
Dadurdy erhielt er audy eine Sandhabe, die Wormfer Stadrverfaffung, 
foroeit fie dem Bifdyof nachteilig war, umzuftoßen, da die Radrung 
des Jahres 1233 niche vom Maifer genehmigt worden war. Daß der 
Bifcyof wirklich daran dachte, diefe Verfaffung umzuftoßen, ift urfumdlich 
begeuge. Denn am 6. Ylovember 3238 ließ er ih zu Eremona vom 
Baifer die Vollmadye geben, in der Stadt Worms alljährlich vier 
Winifterialen und acht Bürger al Hat eingufegen, die zufammen mit 
dem DBifchof oder deifen Stellvertreter die Verwaltung der Stadt 
führen folten'®). Yodren dem Bifchof Landolf feine Pläne gelungen, 
fo würde er fid) die Stadt vollftändig unterworfen haben, denn Diefen von 
ihm. eingefenten Zwölferrar bitte er ganz in feiner Bewalt gehabt. 
Allein er kam über den Verfuch nicht binaus. Offenbar fand er 


Sturm und Drang: Bifhof Landolf von Worme, 9 


energifchen YOiderftand bei der Bhrgerfchaft. Die Bifchofschronit 
erzähle den Vorgang fo, ‘ale ob die Ausfertigung diefer Urkunde ein 
Werk ber Wiberfacyer bes DBifchofs gervefen wäre. ie hätten den 
Baifer veranlaßt, ihn auf die Probe zu fiellen, ob er wohl feinen Eid 
brechen unb die Verfaffung verlegen würde. Aber Landoif babe die 
Verfuchung glänzend beftanden. Lieber, foll er gefagt haben, wolle er 
fi vom Scheitel bis zur Sohle die Haur abziehen laflen, als die 
geringfügigfie Beftimmung der Verfaffung verlegen. 

Tros diefer Vorfommniffe feheine dann doch das Verhälmis de 
Bifdyofo zur Stadtgemeinde ein leiblices gewefen zu fein, denn der 
Bifcyof war fehlieplic) in den gefährlichen Zeitläuften auf die Unter: 
ffügung der Bhirgerfhpaft angeroiefen, und Bifdyof und Stadt harten 
mandje gemeinfamen ntereffen. Dies zeigte fich zum Beifpiel in Bezug 
auf das Rlofter Yionnenmünfter. Diefes vornehme Stift, deffen Bründer 
Lubroig der Sromme gewefen fein foll, war, wie fo viele geiftliche 
Stiftungen völlig entartet, und der Auf feiner Sittenlofigkeit bis zum Papft 
gedrungen; bdiefer hatte am I7. Wai 1233 dem Ersbifdhof von Mainz 
befohlen, die Aebriffin und die KTonnen zu Ylonnenmünfter in der Dorftadr 
zu Worme, die mit Zinanferung ihrer Pflichten ein fittenlofes Leben 
führten, aus ihrem Riofter zu entfernen, fie in andere YTonnentlöfter unter: 
subringen und in das genannte Rlofter einen anderen anerfannten Orden 
einzuführen”). Bifchof “einrich hatte mit der Aeformarion des Rlofters 
begonnen, Bifchof Landoif vollendete fie, nicht obne auf Widerftand von 
Seiten der Stiftedamen zu loßen. Der Papft Bregor IX. bevollmächrigre 
den Bifdjof am 20. September 1236, an Stelle der firtenlofen Ranoniffen, 
welche durch ihre Zügellofigkeit den Ylamen Gottes eher befchimpfen 
als loben, YTonnen des Cifterzienferorbens einzufegen"=®). Ale der Bifchof 
in das Miofter Fam, um den Befehl des Papftes auszuführen, vergriffen 
fich die Damen in fEandaldfefter WDeife an ihm, und mur durch den 
Beifiand feines Warfehalls entrann er qualvoller und fchimpflicher 
Wiphandtung. Zur Strafe fdyiekte er die Aebriffin, feine richte, auf 
die Jeftung Stein. Die übrigen Vronnen beklagten jich beim aifer, 
ale er am 7. Juni 1237 in Speier weilte, indem fie ihm fagten, daß 
das Rlofter von feinen Vorfahren gegrimdet worden und daß er, der 
Baifer, Baftvogt des Blofters fei. Doc) der Difdyof erzählte darauf 
den ganzen Öergang: Sriedrich II. befahl den YIonnen, ihrem Bifchof 
3u geboren, die Vogtei über das Mlofler übertrug er jedoch dem 


510 20. Bapire, 


Abeingrafen von Spiegelberg. Weber dem Bifdof noch der Stadt 
tonnte es gelegen fein, wenn unmittelbar vor den Thoren von Worme 
fich ein Gerr feftfente. Durch die vereinigten Bicten des Difchofe und der 
Bürger von Worms gelang es dem erfteren, vom aifer die Hrlaubnis 
zur Erwerbung der Vogtei zu erhalten, und die Bürger zahlen dafür 
dem Abeingrafen 00 Pfund Wormfer Münze. Das Bistum war fdyon 
lange fdywer verfehlder, Daher es dem Bifchof unmöglich woar, den Bürgern 
ihr Darlehen zurlichyuzahlen. So entfcploß id Landolf am 25. Mrz 1242, 
die Stadtgemeinde mit der Vogtei über das lofter zu belebnen!””). 

Bebarelich hielt der Raifer an feinem Plane der Begründung einer 
Univerfalmonarchie ft. Tealien und Burgund follten ihm die finanziellen 
Witel liefern, Deutfchland die milirdeifchen Bräfte. In Unteritalien 
und Gisilien war er “ere und Yieifter, es galt mur noch bie 
Unterwerfung der lombardifchen Städte, die er 1237 und 3238 mit 
fürchtbaren Schlägen beimfuchte. Der erfehrocene Papft Gregor IX. 
fehloß am 30. Vlovember 1238 ein Bündnis mit Venedig und Genua 
und erfommunisierte den Raifer am 20. und 24. {ärz 1239. Diefer aber 
gedachte den Papft in feinem eigenen Gebiete heimsufüchen. Temudfehin, 
der Dfeyengis-Aban, hatte ein ungeheures Reich gegründet, das China und 
einen großen Teil des übrigen Aftens umfaßte. Sein Sohn und Enkel 
festen das Wert fort. Die Wongolenhorden Überfehremmten ganz Auß- 
land, fie fehlugen die Ungarn, und nad) Lliederwerfüng des deurfchen 
Seeres bei Liegnig am 9. April 124] fehlen ihnen Deurfchland offen zu 
liegen. WDie einft im 13. Jahrhundert, fo wollte auch jest wieder der Papft 
fi an die Spize eines großartigen abendländifchen Rreuszuges ftellen und 
den Raifer in einen Winkel drücen. Diefer aber entfaltete alle Energie. 
Er eroberte eine Stadt nad der andern und verhinderte das vom Papft. 
einberufene Konzil. Verzweifelt fiarb Gregor IX. am 2. Auguft 1241. 

Die Tarraren abzunwehren, war Aufgabe des Rönigs Bonrad IV., 
des Sohnes Sriedriche II. aus feiner zweiten he mit der Tolantbe, 
Tochter des Bönigs Johannes von Terufalem, der im Juli 1236 zum 
Beicheverwefer ernannte und im Sebruar 1237 zum deutfchen König 
gewählt worden war. Er hielt am 19. {Mai J24] zu Zflingen einen 
%oftag, nahm dort das Mreuy, gebot die Derfammlung eines eeres 
gegen die Tartaren und verordnete einen Landfrieden in ganz Deurfchland 
bis auf Martini. Bo war des legte Wal, daß ein Staufer allgemein 
in Deutfdpland ale König anerkannt war. 


Orarm und Drang. Bifhof Lanbolf von Worms. su 


Aucy in Worms erregte der Tarcareneinfall die Bemüter. Der Erz: 
bifchof von Mainz befahl die Abhaltung von Progeffionen und Meffen in 
feiner Provinz; allenthalben wurde der Breugug gepredigt. Wer fich mit 
dem Breuz bezeichnen ließ, erlangte Derzeibung aller Stnden; die, welche 
nicht perfönlich in den rieg gegen die Zeiden sieben Lonnten, follten 
(&eld beifteuern, damit andere ausgerlifter werden Bönnten. Unermefliches 
Geld Lam auf diefe Weife zufammen. Aber die Befabr verzog fi, in 
dem das ungeheuere Yongolenreich von felbft zufammenfiel. Da verteilten 
die Bifchöfe und Herren das eingefammelte Beld unter fi. Landolf von 
Wormo jedoch befahl, Daf dasfelbeden Bebermwiedersurlckerftartervotiede'"). 

Als die deurfchen Fürften das Anfchwellen der Wacht des Raifers 
wahrnahmen, fhugten fie. YToch wagten fie zwar tron der Erfommunikation 
deo Baifere diefem nicht den Gehorfam zu Bünden, Am 8. April J240 
richteten der rsbifchof Konrad von Köln. Landolf, Bifdhof von 
Yoorms und andere Bifdöfe, am 20. April der Ersbifchof von Wiains 
ein gleichlautendes Schreiben an den Papft, worin fie die Jolgen des 
Steeites zwifdhen Baifer und Papft in Deurfdpland fdyildern und die 
Erflärung erlaffen, daß fie, wenn feine Ausgleihhung mit dem Raifer 
3u fiande Bommen follee, mit Befabr des Vermögens und der Perfon 
der Rirche getreu bleiben werden, wie fie das au dem Raifer offen 
gefehrieben baben; fie bitten aber den Papft inftändig, da num der Raifer 
nach feiner öffentlichen Erklärung rechtlicher Entfäpeidung fid» unter 
werfen wolle, dem nach Rom gefihichren Deutfchordensmeifter Ronrad, 
einem friedliebenden und Birchlich gefinnten Wanne, im dinbliche auf die 
erfehlitterte Lage der Kirche und auf die Verzögerung der Angelegenheit 
des beiligen Landes günftigee Gehör fhenken zu wollen"). Aber die 
Umtriebe der päpftlicdyen Sendboren begannen Doch zu woirken, namentlich 
beste Albert, Archidiaton von Paffau, die deurfchen Sücten unermädlic, 
zum Abfall und zur Yleumahl auf. Im September 1241 verband fich 
der Erzbifchof Siegfried von Mainz, der als Reichsqubernator dem 
jungen Rönig Ronrad IV. zur Seite ftand, mit Ronrad von Lochftaden, 
Ersbifchof von Röln. Der Bürgerkrieg brach nun am Fiederchein aus 
und fegte fi dann am Oberrhein fort, wo Worms die befte Stüne des 
fraufifchen “aufeo war. Die großen Parteigegenfäge wurden oft genug 
durch Beine gekreust. ir dem Seieden im Reich war es auf lange 
Zeit vorbei, denn Beine Wacht eriftierre mehr, den Tron und die Selbft- 
fücht der Großen und Rleinen zu bändigen. 


sı2 20. Mapitel, 


&9 entftand im «erbft 1241 eine blutige Fehde susifchen der Stadt 
Worms ımd dem zu Ofthofen anfäffigen Adel"). Diefer Der liegt 
nördlich von Yorms. Güdlid vom Dorf fland auf einem “gel ein 
Turm. Umweit davon lag der Sriedbof mit der Kirche; der Sriedbof 
felbft war, wie dies oft im Wiirrelalter der Zall war, befeftige"®). Die 
Wormfer Blrger hatten von den Ofthofern mancherlei Unbill erfabren, 
die fie nicht länger ertragen wollten. Sie rückten daher am 17. Oktober 
mit geroaffneter Schar nach Ofibofen und mit ibnen auch ibr Bifdbof 
Landolf. Sobald die Ritter und Bauern in Ofthofen das erfuhren, 
warfen fie fid) hinter die Wiauern des Rirchhofes. Vergeblic) verfuchten 
die Wormer, ihn zu erftirmen; wier der ihrigen verloren das Leben, und 
verwirer Febrren fie unverrichrerer Gadye beim. Der “aß zmoifchen 
denen von Worms und Ofthofen wurde dadurch erhöht. Da vermittelte 
Wartroard, Schulcheiß von Oppenheim, den Srieden. Zr ließ fich den 
Kirchhof‘ übergeben. Auch ASnig Bonrad IV. nahm fih der Sacye 
an. Wit feiner Zuftimmung wurde ein Verwag zwoifchen Worms und 
Ofthofen gefchloffen, wonadh der Sriedhof den Wormfern überliefert 
wurde, welche die Befeftigung brachen. Die Ritter und Bauern von 
Ofthofen mußten den Bürgern von Worms einen Eid leiften, daf fie 
ihnen allzeit unterwürfig und zu jedem Dienft bereit fein wollten, foroie 
da der Kirchhof ohne Willen der Bürger von Worms niemals wieder 
befeftige werden dlirfe. Damit waren aber Wirich von Daun und 
Ronrab von Wartenberg wenig zufrieden und bedrobten die TOormfer 
mit neuer Sebde. Doc) der Mönig verföhnte fie. Der Ausbruch der 
‚Sehde mir Ofthofen mag vielleidhe dadurch veranlaft worden fein, dafı 
die Wormfer in der Gemarkung von Gfthofen Güter befaßen und die 
Bauern dafelbft ihnen sinspflichtig waren. '®). 

Diel gefährlicher für die Stadt war jedoch die Seindfchaft dee 
Ersbifchofe von Mainz, dem die Wormfer Bürger, wie der Wormfer 
Annalift glaubrohrdig erzähle, nicht im Mriege gegen den König 
und aifer dienen und Lebensmittel verkaufen wollten, als er im 
Sehbjahr 1242 mit vielem Volt im YWormfer Bau lag, um den 
Dfalsgrafen Oro zu befriegen. Dabei verbrannte er die Rider 
Mähtheim und Srantenchal. Auch fäyddigee er die Wormfer 
Bürger im Werte von über caufend Mark (nach heutigem Preismwere 
ca. 250 000 Mark), und nahm viele Bürger gefangen und quälte fie, 
ja, einige ließ er fogar binrichten. in ihrer Bedrängnis wandten fich 


Sturm und rang. Bifhof Landolf von Worme. 5 


die Wormfer um Zilfe an önig Bonrad gegen den Krzbifchof, der, 
obwohl er fraft der ihm übertragenen Neichogeroale fie zu fehlinen 
verpflichtet wäre, fie ohne Abfage befehder und ihre Bürger auf dem 
Abeinftrom, der doch Keidyoftrafe fei, gefangen nehme. Der Rönig 
befahl dem SErzbifchef, von der Schädigung der Wormfer Bürger 
abzufieben, da er Eraft Auftrag des Maifere zu ihrer Verteidigung 
verpflichtet fei und fie, wenn fie fi) gegen ibn vergangen haben follten, 
zur Genugehuung nad) rechtlicher Enefebeibung bereit feien'““). Auch 
an die Bürger von Mainz fehrieben die Wormfer, indem fie fi auf 
die alte Sreundfehaft beider Städte beriefen und fie erfuchten, nicht zu 
dulden, daß der Ersbifchof bei der Stadt Wiainz felbft und in deren 
Umgebung die Wornfer beraube und beläftige”*). Philipp von “obenfels 
forderte vom Grafen Sriedrid) von Leiningen Filfe gegen den Wlainzer 
Ersbifchof, da Diefer mit einem ftarken Feere alle Dörfer zwifdhen 
Wainz und Straßburg, die id) nicht von ihm lostauften, zu verbrennen 
drohte. Der Braf verfprady die sailfe und erfüchte den Philipp von 
«oobenfele, fid zur Vereinigung mir den Truppen der Reicyeftsdte und 
den feinen bereit zu halten”). Dann belagerte der Ersbifchof Baflel 
und wollte diefe Sefte zerftsten, die jedod) durch Philipp von “obenfels 
und Pbitipp von Saltenftein dem Raifer erhalten wurde. Der Erzbifchof 
Iegte ein Lager vor Maftel und rüftere Belagerungsmafchinen. Der mit 
den Wormfern eng befreundere Warquard, Schultheiß von Oppenheim, 
war in Diefer Sefte eingefchloffen; fobald die von Worms feine Bedrängnis 
erfuhren, rüfteren jie ihre Rriegefchiffe und fübren nach Mainz. Da 
der Erzbifdhof ihnen fid) nicht gewwachfen glaubte, hob er die Belagerung 
auf und verbrannte feine Ariegsmafchinen. Die Wormfer aber legten in 
die Sefte Bogenfchlinen, welche mehr ale 60 Wiark Bofteren, und führen 
dann fröhlich nad) Zaufe. Diefer Rriegesug Bam auf 400 !Wark zu fteben. 

Für viele Städte war co überaus ftig und gefährlich, daß fic oft 
unmittelbar vor den Wiauern der Stadt befeftigee Mlöfter befanden, die, 
zumal bei der häufigen Spannung zwifchen Bhrgerfchaft und Rlerus, 
den Seinden der Stadt willtommene Schlupfivintel boten. So war 
aud) das an der Wiainzer Landfraße gelegene Stift Yleuhaufen durch 
Wall und Graben und du) Wiauern befeftige'‘®). Schon in früheren 
Zeiten hatten die Bürger von Worms diefe Wauern gewaltchäeig nieder: 
gerifjen. Als der Ersbifchof von Wiainz die Stadt befriegte, zerflörten 
fie den Wall, das Pfahlwert und einige Bebäude, um ihn an der 


15. Bean, Die Air vereinten aid. “ 


514 20. Bapirel, 


Sefifesung in Yieubaufen zu verhindern. Auf Befehl und Bitte König 
Ronrads IV., der damals fich in Worms aufbielt, am am 18. Juni 1292 
eine Sühne zwoifyen den Bürgern und dem Stifte zu flande, bie durch 
die Bemübhung des Bifcofs Landolf von Worms und Ronrade von 
Ulm, Domberen zu Bamberg und Worme, taiferlichen YTotare, vermittelt 
wurde. Die Repräfentanten fAmtlicer Wormfer Stifte beträftigten 
diefe Sühne ale Urkundenzeugen”). 

Die Hintrache der Blrgerfchaft und des Klerus war damals 
überaus notwendig, denn nicht nur mit weltlichen Waffen befämpfte fie 
der Zrgbifcyof, fondern auch mir geiftlicen. Yrach dem Bericht der 
alten Wormfer Chronik erfommunizierte er die Wormfer und befahl dem 
Bifebof, das Tinterdift Über die Stadt zu verhängen; gehorche diefer nicht, 
fo würde er alle Priefter des Beborfams gegen ihn entbinden. indes, die 
Bürger und der Bifchof Füigten fidh nicht, fondern appellierten an den 
Papft. Cöteftin IV. war am Io. Ylovember 124J gefiorben, und aus 
Surdyr vor dem Baifer wagen die Rardindle es nicht, die Papftwahl 
vorzunehmen, fo daß eine zweijährige Sedisvakanz enıftand. Da halfen fich 
die Bürger felbft. Durch das geiftliche Bericht ließen fie den Befchluß 
publisieren, daß Bein Pfarrer in Worms eine Erfommunitarion gegen feine 
Pfarrinder erlaffen dürfe, obne Beiftimmung der Rirchengefehworenen"). 

Im Juli 1242 kam Rönig Ronrad nady Worms, um feine Vor- 
bereitungen zu einer Feerfahre zu treffen. Zum Beweis der Dankbarkeit 
für die vielen Dienfte, welche die Bürger feinem Vater und ihm geleifter 
baten, befreite er fie am 27. Juli auf Sürbitte des Bifchofe Landoif 
vom Zoll, genannt Ungeld, den fie bisber zu Oppenheim auf dem Aheine 
zahlen mußten®"). Abgefehen vom Bifcpof von Worme, war feiner der 
Beichefürften in der Umgebung des Könige, fondern außer einigen 
Grafen nur Wiinifterialen; auf ihnen und den Städten berubte feine 
Stärke. m Auguft unternahm Bonrad IV. eine vermüftende &eerfahrt 
in das erzftiftliche Rheingau. Die YOormfer rüfteten dazu ihre Brriege: 
febiffe aus und fübren mit 200 vorrrefflid GBemaffneren den Abein 
binunter und dienten dem König während fecys Wochen auf ihre eigenen 
Boften, die fi) auf mehr als 300 Werk beliefen. Am 8. September 
kehrte er mit den Bürgern nach Worms zurüc. 

Ein Jahr darauf rüftere Ronrad IV. eine sweite FEppebition gegen 
den Erzbifdof von Wains. Außer den Ysrmfern leifteten ihm der 
Bifchof von Augsburg und die Aebte von Bempten, Reichenau, 


Srurm und Drang. Diftof Landolf von Worms. sıs 


Eikwangen und S. Ballen Zilfe, weshalb fie alle vom KErsbifchof 
erfommunisiert wurden. Papft innocenz IV. beftätigte am 23. Januar J244 
diefe Epfommunitation”®). Da die Wormfer von der dem mainzifchen 
Rlofter Lorfch gehörigen Burg Starkenburg an der Bergfiraße oft fo 
febr gefchädige worden waren, daß fie ihren erlittenen Schaden auf über 
500 Wark (nach unferem Belde circa 13] 000 Wiark) fehduten, richtete fidy 
das Unternehmen zundchft gegen diefee Raubneft. Die hälfte der gefamten 
waffenfähigen Wannfchaft rückte aus der Stadt; auf Befehl des Rönigs 
fbnitten fie die Reben ab und weilten mit dem BRönig adır Tage 
dafelbf, auf eigene often, die zu 200 Werk gefchdst wurden. Dann 
wandte fi Roncad IV. gegen die Sefte Baftel gegenüber von Mainz, 
welche durch Verrat in die Zände des KErsbifchofs gekommen war. 
Bonrad nahm die Burg ein und Iegee unter dem Befehl Wiricye von Daun 
eine Befanung hinein. Diefer aber erprefite von den Wlainzern, Wormfern 
und anderen Städten einen fhweren Zoll. Am 2I. Desember 1244 
wurde jebody Maftel zum zweitenmal durch Eberhard von Schell 
verräterifhper WDeife dem Erzbifchof übergeben und num auf den aus: 
drücklicyen Younfd) der Wiainzer gänzlich zerftöer. Llachdem der Rönig 
Raftel im Auguft 1242 eingenommen hatte, 309 er im Aheingau nach 
Aüdesheim. Von bier fdyickte er Borfdpaft zu den Wormfern, ihm zu 
Gilfe zu Tommen. Sie rüfteren fogleid) ihre Briegsfchiffe und befegten 
fie mit 100 ann und einigen Bogenfchünen und blieben drei Ydochen 
beim Bönig. Diefer Geldsug koftere fie mehr al 200 Mark. Darauf 
Sehrre Konrad IV. mit ihnen nad Worms zurict. $Er begab fich als: 
dann mit dem Bifchof von Worms nad) Wienberg und Bam erfk 1246 
wieder am den Mitreichein. 

Der aifer aber belohnte die Wormfer reichlich für ihre ihm 
besoiefene Treue. Zu Ariamum bei Benevene ftellte er ibnen im 
Auguft 1243 drei Urkunden aus: I. errichtet er zu Worms als einem 
dafür gelegenen Bere eine jährliche Meffe, die viersehn Tage nad Oftern 
beginnen und vierzehn Tage dauern foll; er gewäbet allen Jandelsleuten, 
die mit ihren Waren diefe Wieffe befuchen, ficheres Beleite und nimme 
diefelben auf der Jin und Aücreife und während ihres Aufenthaltes 
auf der Wieffe in feinen Schug"°); 2. befteit er die Blirger von Worms 
wegen ihrer weuen Dienfte, die fie unaufböclich dem Keiche Leiften und 
weil fie die Meichsrebellen fo tapfer befämpfen, vom Aheinzoll in 
Oppenheim‘); 3. verfprichr er in Anberracht der maßlofen Treue und 


sı6 20. Mapite, 


Dienftleiftung des DBifchofs, des Mlerus und der Dlrgerfchaft von 
Worms, mit der eSmifchen Murie feinen Vergleich, einzugehen, obne fie 
ausdrücklich einzufchließen"”®). Diefes Verfpredhen wiederholt er in einer 
aus Verona am 8. Tuli J245 erlaffenen Urkunde mir dem Beifügen, 
daß er audy mit dem HErzbifchof von Wlainz feinen Srieden fließen 
wolle, obne die Wormfer darin mir einzubegreifen'*%). 

Sobald der König fort war, erneuerte der iErsbifchof von Mainz 
feine Angriffe auf Worme und wurde von feinen Seeunden, dem Erz: 
bifchof Konrad von Röln und dem “ern von ifenburg, unterftügt, 
welche den Bürgern soo Wiart Schaden zufügen. Aber diefe wankten 
in ihrer Treue nicht und forderten Jilfe vom Rönig Ronrad, damit 
fie ficb und ihr ab und Gur wahren Eönnten, worauf Diefer ihnen Philipp 
von “obenfels und Philipp von Salkenftein fchickre, die er auf eigene 
Roften geworben batte; fie follten mit ihren Leuten ein Jahr lang in 
Worms wohnen und den Bürgern beifen. Die beiden „erren erfehienen 
am 21. September 1244 in Worms und fÄpworen, dem Bifchof und 
den Blirgern gegen jedermann beisufteben. 

Doch der Stern Sriedriche IL. begann zu erbleichen. Am 25. Juni 
3243 wählten die Rarbinäle den Benuefen Sinibald Sieechi, Grafen von 
Zavagna, zum Papft. Tnnocenz IV., fo nannte er fidy nun, war einft 
der Freund des Maifers gewefen, allein zwoifchen Kaifer und Papft war 
feine Sreundfehaft möglidh, denn jeder jtrebre nach der WVelcherrfchaft. 
Aber der Papft war mächtiger, denn er beberrfchte die Seelen und 
verfügte über die Beldtafchen im ganzen chriftlichen Zuropa. Am 
35. März 1244 batte er feinen rieden mit dem Kaifer gefchloffen, 
doc) bald bereute er diefen Seieden und entzog fi dem Wäachrbereiche 
des Raifers durch die Stuhr nach Srankreich. Ylun ging er rhebfichreios 
‚gegen den Baifer und feine Anhänger vor. Am I6. April 1244 beauf: 
wagte er den Erzbifchof von Wains mir einer Unterfuchung gegen Landolf‘ 
von Worms, der in Verachrung der apoftolifchen IErkommunikations: 
fentenz gleichwohl Bottesdienft hielt“), und am 27. April überrrug er 
dem SErzbifchof die Viftrarion und Heformation der Kirchen in den 
Provinzen Mainz und Trier"). Um Siegfried von }Weinz für feine im 
Intereffe der Rirche gemachten Auslagen zu entfchädigen, überwies ihm 
der Papft in der Wiainger Provinz; den fünften Teil der kirchlichen 
Einkünfte”). Maifer Seiedrich II. befahl dagegen dem Mierus von 
Worms, bei Strafe des Verluftes aller feiner Sinkünfte, dem vercäterifchen 


Sturm und Trang. Difßhof Landoli von Worms. 517 


Erzbifchof das vom römifchen Stubl bewilliger und zu feiner und feiner 
Treuen Bekämpfung beftimmee Sünfrel nicht zu besablen, indem er ihm 
Schun und Einfluß in den mir der Rirche zu machenden Srieden 
zufagee. Im gleichen Sinne fahrieb er an die Bürger von Worms, die 
ex wegen Ihrer unverbrüchlichen Treue Iobt und fie aufforderr, fich dem 
verräterifchen KErzbifchof zu widerferen“). 

Daß der Papft den Raifer verfluchee, if ja felbftwerftändlich. Die 
rzbifchöfe von Mainz und Röln begaben fid) vor Ofern 1245 zum 
Papft nad Lyon, wo fie gegen den Maifer benten. ie verfprachen, 
einen andern Rönig zu wählen, wenn der Papft Sriedrich II. abfene. 
Bifdyof Landolf von Yoorme fühlte fi) durd) die Bedrohungen des 
Papfies und die Bedrängnis durch den Yfainzer Ersbifchof beunruhigt; 
er hätte gerne mit der Murie feinen Srieden gemacht, aber er wolle 
doch nicht dem Maifer die Treue brechen. YWlir anderen Bifchöfen 
hatte er diefen gebeten, doch den Seieden wieder berzuftelln, worauf 
Seiedeich II. ihn zu einem Tag nad) Verona einlub!®). Landoif folgte 
im Juni 1245 diefem Aufe'®”). Allein die Flucht des Papftes vereitelte 
alle Sriedensboffnungen. Landolf begab fi nadı Lyon, wo er die 
Abfolurion des Papftes erhielt, der ihn fdhon am II. Mai auf: 
gefordert hatte, den Erzbifdhof von Mainz wegen feiner Auslagen für 
die Sadye der Kirche das ihm zugefprochene Fünftel der Eirchlichen 
Einkünfte zu sablen und ihn namhaft zu unterftägen'“®). Am 17. Juli 
1245 erfolgte der entfiheidende Schlag gegen den Baifer, indem der Papft, 
unbetümmert um die Bedenken der Rönige von Scankreichh und England 
und vieler Prälaten, den Raifer für abgefene erkläre. Zum Zeichen der 
Verbammnis wurden die brennenden Rerzen umgedreht und ausgeldfcht. 

Weder die Verfluchung des Baifere nod) feine Abferung erfähliterte 
indes die YWOormfer Birger in ibrer Treue gegen das ftaufifche Haus, 
obwohl die Lage der Stadt von Tag zu Tag moftlofer wurbe. Am 
Jo. September 1245 börten alle Pfarrer und Vikare auf, die Birchlichen 
Sunttionen auszuüben, mit Ausnahme Ronrads vom heiligen Arenze, 
der aber gleichfalle zu Weihnachten den Gorresdienft einftellre; viele 
Priefter und Wöndye verließen die Stadt. Wer jedoch die Stade verließ, 
der durfte fie nicht wieder betreten, fondern er verlor fein Bürgerrecht. 
Aud) erlirt die Stadt große Drangfale durdy ihren Bifchyof, welcher gern 
Seiede mit der Rirche gemacht härte und beftändig vom KErsbifchof von 
Wainz bebränge wourde, daß er den aifer und feinen Sohn Roncab, forvie 


518 20. Baplıel 


alle ihre Anhänger verfluche und, nachdem Die getweihten Lichter ausgelöfeht 
worden wären, das Jnrerdikt Über die Stadt verhänge. Allein er wagte 
diefes aus Furcht vor den Bürgern nicht, die dem Baifer anhingen, und 
mußte durch Beftechung immer wieder Auffehub vom SErsbifchof zu 
erlangen. Auch drückten diefer und der Mölner die Bürger in der 
Stadt und außerhalb durch Dudlereien. Der Papft hatte die Bifchöfe 
Deurfeblands aufgefordert, gegen Sriedriche II. verabfehemungswoirdige 
Schlechtigteit und die fchändliche Abfichr des Raifere das Areuz preditgen 
au laffen und denen, welche das Mreus annehmen weirden, diefelben 
Indulgenzen zu gewäbren, wie folchen, welche ins beilige Land sögen'®), 
Ale, welche dem Raifer anbingen, wurden als Reger befähimpft und 
verfolgt. Viele Bhrger verarmten und verließen die Stadt als Berrler. 
Ylirgende im Lande gab ee Srieden, fage traurig der alte Wormfer 
Ehronift. Vormals harten die Wiinifterialen dem Neiche gebient und 
namentlich als Burgmannen die Grenzen Deutfcblands gebüter. Seitdem 
die Reichegewalt aufgehöre hatte, eine Autoritkt auszuüben, gab es keine 
gemeinfamen Sffentlichen Tntereffen mehr; jeder that, was er wollte md 
übre Selbfthilfe. ent Fam die Fehde in Slor, und die Burgen, einft 
zum Schune des Jandes gegen fremde geinde erbaut, wurden num zu 
gefürchreten Haubneftern'®). Auch die in den Städten lebenden 
Winifterialen führten ein ritrermäßiges Leben. Durch ihre ganze Lebens- 
haltung waren fle ihren Standesgenoffen auf dem Lande näher verwandt 
als ihren Micblirgern. So entfand denn eine Reibe von Monflitren. 

Jakob von Stein, Kitrer, Wiirglied des Rates in Worme, machte 
der Stade viel zu fchaffen. Er war Befehlshaber des bifchöflichen 
Schloffes Stein, auf dem rechten Rheinufer, am Ausfluß der Tefchnin, 
gelegen, gewoefen. Der Bifdyof hatte ihn wegen Berrugs abyefent und 
feine Leute aus der Burg entfernt. Der Ritter behauptere feine Unfehuld 
und verlangte feine Wiebereinfenung, was der. Bifchof jedoch abfehlug, 
worauf Jakob Gehde anhob. Als der Bifdhof in Lyon beim Papft 
weilte, wollte der Ritter mit Silfe feines Bruders Albert, genannt Kape, 
Domfängers zu Worme, der ein Anhänger Siegfrieds von Mainz war 
und deshalb vom Bifdyof von Worms feiner Würde entfegt worden 
war, fi) durch Lift der Burg Stein bemächtigen. Sie beluden zum 
Schein zwei Wagen mit “aber und verftediten unter den +aber 
16 GBewaffnere und Acmbruftfebligen. Bei Tbersheim ferten fie über 
den Abein, und die Wagen führen dann nach Stein; ihnen folgte in 


Sturm und Trang. Bifbef Lanbolf von Worme. sı9 


einiger HEntfeenung der Ritter mit vielen Bervappneten. Ale die Subeleute 
die Schloßbrüche überfehrieren hatten, fÄhrieen fie denen im Schloß zu, 
fie follten aufmadpen und den „aber, den man ihnen fehicke, in Empfang 
nehmen. Ylur wenige waren in der Burg, und Feincich von Sobened, 
dem fein Bruber, der Bifchof, die Zur der Sefte anvertraut bare, 
abwefend. Die Burgmannen berieten eine Weile, wie man den aber 
bereinfehaffen tönne. Da meinten die Subrleute, fie fein verraten und 
ergeiffen die Slucht. Nitter Jakob mußte ich begnügen, ein Gaus im 
Vorhof der Burg anzuslinden, und mit Spore zog er ab. Das gefchab 
am 3. Desember 1245. 

Aber anfangs 1246 rächte fid) Zeinrih von «ohened® und zog 
mit 35 gerhfteten Biegen aus Worms und verbrannte dem Ritter 
Jakob von Stein alle feine da5fe und Jdufer zu WOefthofen und Abenheim. 
Darauf verband fi) TJatob mir Philipp von Zohenfels, der im Schloffe 
Gundheim haufte; diefer eilte dem von &ohened! mit 60 Keifigen nad) 
bis an den Stadtgraben und nahm ibn mit vier anderen gefangen. 
Da wurde in der Stadt Sturm gefchlagen, und mit YWlacht liefen 
die Bürger aus der Stadt dem von Yobenfels nach bis nach Abenheim 
und nahmen deffen Tochtermann, den Raugrafen Ruprecht, nebft anderen 
gefangen und führten fie nach Worms. Ueber So Wann kamen in 
diefem Streite um. Diefe Schde war dem König Ronrad IV., der fih 
im Auguft J245 von feinem Vater, dem Kaifer, verabfebieder hatte und 
anfangs 3246 wieder an den Wittelehein gelommen war, fehr unbequem, 
und er bewirkte am 23. Januar 1246 zu Speier durch silfe feiner 
Alte, Braft von Borberg, Bonrab Schent von lingenberg und 
Walther Schyent von Limburg, einen Jrieden swifchen den Blirgern von 
Worms und dem Reichsboffämmerer Philipp von Jobenfels"*). Tatob, 
genannt Rape von Alzei, durch welchen die Sehde den Anfang 
genommen, mußte auf fein Zehen, das Schloß Stein, und alles Recht, 
das er dort hatte, und auf jede weitere Seindfeligteit gegen Bifchof 
Zandolf und die Bürger von Worms verzichten. Der vorgenannte 
Beichehoftämmerer fhrour mit I9 Mirgefdworenen, nämlich Rraft, 
Sohn des Embriche, Ludwig von Neidyenftein, die Gebrüder Wernber, 
Zeineic) und Johannes, genanne Wulfefchirzele, Wolf von Schwabsburg, 
Jatob, Sohn des Rape von Alget, Dietrich von SEinfeleheim, Jakob 
von Dadtenheim, Sermann von Slörsbeim, Ronrad von Eppelsbeim, 
‚Rarl von Rettenheim, Heincich von Eppeleheim, Ludreig von Salkenftein, 


s20 20. Baplıl. 


Simon von Bundheim, Durinkhare von Wefihofen, Rune von Bundbeim, 
Vlagil von Yiedenbeim und “einridh von Fppelsbeim, daß er und feine 
Seeunde keine Seindfehaft gegen den Bifchof und die Btrger haben, 
fondern ihre Seeunde fein und das Befhebene niche felbft rächen noch 
rächen taffen wollten. Wenn aber aus diefem Srieden eine Wiißbelligbeit 
eneftfnde, fo folle ein Schiedsgericht, befichend aus Rarl von Kettenbeim, 
Seineich von “Heppenheim und Simon von Gundbeim von feiten 
Philipps von &Hobenfels, Wolfram, Nitter, Ronrab Dirolf und 
Eberhard in der Wollgaffen von feiten der Wormfer Blirger, 
deffen Obmann Marquard Schultheiß von Oppenheim fei, darüber 
entfepeiden. YWOfirde von Seiten Philipps diefer Sriede verlent, fo 
follten er und feine 19 Wiirgefchmorenen in die Stadt Lommen und 
fo lange bleiben, bis die Bürger gesiemende GBenugebuung erhalten 
hätten. Wenn aber Philipp und feine Wiitgefdhworenen ihren Eid ver- 
geffen und den Vertrag nicht halten würden, fo follten fie ehrios, jeden 
Glaubens verluftig fein und die Blirger das Recht baben, jidh felbft 
Genugehuung zu verfhpaffen. Brechen jedoch diefe den Vertrag, fo foll 
der Bat fid) in das Wiundar (der Plan vor dem Bifcofohof und dem 
Wünfter) begeben und nicht von diefem Ürte weichen, bis fie den 
Philipp zufeiedengeftelle haben. YOenn einer der Befehmworenen ober 
der Ratsberren mit Tod abgeht, fo foll er fogleid durch einen anderen 
erfegt werden. Wegen der geröteren nechte darf Beine neue Sehe 
angehoben und die Blutzache nicht ausgehbt werden. Die aber, welche 
durch die Bürger gefangen genommen worden find, feywwören mit vier, 
der Baugraf Ruprecht mir fünf Zideebelfern, daß fie die Gefangen: 
nahme nicht rächen und wegen des Schadens nicht Hagen, fondern 
Seeunde des Bifdyofo und der Blirger fein wollen. benfo fehwören 
die, welche in der Gefangenfchaft des Rämmerers liegen. Schließlich 
verfpricht Philipp, den Wormfer Blirgeen offene Briefe auszuftellen, die 
durch die Gebrüder Eberhard und Greo von SEberftein, Friedrich 
Grafen von-Leiningen, den Wildgrafen und feinen Sohn Embricho, die 
Raugrafen “eineich und Bonrad, Wernber von Bolanden und feinen 
Bruder Philipp von Salkenftein und Wernber, Truchfeß von Alzei, befiegel 
find. Sollte Philipp von Zobenfels fich gegen Diefen Srieden verfeblen, 
fo fehließen ihn die obgenannten aus ihrer Benoffenfchaft und Sreundfähaft 
aus. Der Bönig verpflichtet fidh, Der Partei beizufteben, welche durch die 
andere angegeiffen worden ift. 


Sturm und Dee 





- Dif@bof Landolf von Worms. s21 


ine andere Jehde war nody im Tahre 1245 beigelegt worden. 
Simon von Schauenburg harte einigen Bhrgern von Worms im Serbft 
über dreißig Juber Weins im Dorfe Doffenheim weggenommen, voesbalb 
fie mit ihren Sceunden, Philipp von Zobenfele, dem Raugrafen Boncad, 
Pöiipp von Saltenftein, Wackward, Schultheißen von Oppenheim, und 

von Oppenheim am 30. Oktober J245 auszogen, in Jloesheim 
va Mannheim übernachteren, um am anderen lorgen Doffenbeim zu 
verbrennen und die Reben abzubauen; dad) kam ihnen Simon entgegen 
und begebrre Seieden, der ihm gemähre wurde. $Er verpflichtete fich, die 
Stadt Worms nach beftem Vermögen beifen feblizen zu wollen und 
Schabenerfag, bis Elinfrige Oftern zu leiften. 

Aus Briefen (die freilich nur Stilübungen find, aber doc) woirkliche 
Verbätniffe wiederfpiegeln)'"”) erficht man, wie unfidyer die damaligen 
Zuftände waren, wie ein jeder zu Stadt und Land zu Bemwalcthaten 
aufgelegt war. Auch die Blirger der Stadt waren ein wehrhaftes Befchlecht, 
welches das riegebandwere fo erefflid verftand, wie die abligen 
‚Beifigen. &o fehlte eo nicht an mandheriei Vorkommniffen, welche die 
Gemüter in fteriger Aufregung bielten. Die Wormfer Chronik erzähle 
nicht ganz wahrbeitegerreu wie folge: Zn einer Llachr fei ein Torfehlag 
vertibt worden, wobei fi) der Ratebere Warquard Bufo beteiligt haben 
foll. Wan Eonnte es ihm nicht beweifen, doch fühlten fic) die anderen 
Ratsberren wegen der Blurfchuld in ihrem Bewiffen geängftigt, und um 
fid) davon zu befreien, Iegten alle ihr Amt nieder, es dem Bifcbof 
überlaffend, andere zu wäblen. Außer fünf ernannte er lauter neue 
Ratsherren und regierte mit ihnen im Srieden. In den Urkunden Bomme 
Bufo zwifdyen 1248 und 1249 allerdings als Conful nicht vor, aber nach 
dem beffer unterrichteten gleichzeitigen Wormfer Annaliften. beftand der 
Rat 1246 nur noch aus I2 Wlitgliedern, da drei geftorben und noch niche 
erfegt worden waren. $Eo gab num eine Partei, die den alten Dierzigerrat 
wieder berftellen wollte. Zu biefer Partei gehörte eben der genannte Warquard 
Bufo, ferner Gerhard Wagnus, Ritter Dimarus inter Babes, Wernberus 
Bitrerchen, Seineich "ellekraph, Sigelo Ligelmari, Heinrich Aufus (Roth), 
Wernher Dirolf, Zerbord Naparius, Jakob Warkgraf, deinich 
von Pfiffligbeim, “einrid Jude und andere. Diefe Befchlechrer waren 
mit der neuen Verfafjung unzufrieden und machten dem bifcpöflichen 
Bat Schwierigkeiten. Vielleicht hatten fie Runde von einer Verfügung 
Sriedriche I1., der im Jahre 5245 den Bürgern von Aegmbung die 


15. Ban, De Mu vr wenn ach. 1. 


s22 20. Rapkıd. 


Ermächtigung erteilte, im fehroffjten Widerfpruch zu dem Reichogefes 
von Havenna 1231, ficb Bürgermeifter und Bar zu fegen'®). Die 
Derfähworenen in Worms fanden jedoch am Bifdhof, dem Rierus und 
einem Teil der Bürgerfchaft enefehloffenen Widerftand. Diefer fehien 
ndmlidy ein gutes Einvernehmen mit dem Bifhiof dem YOagnis einer 
neuen Revolution vorgezogen zu haben. Der eigentliche Urheber der 
Verfeyroörung, der Ritter Berhard der Broße, bat die Stadt Oppenheim 
um Aufnahme dafelbft, damit er der Ungnade des Bifchofe entgebe, 
und erhielt entfprechende Antwoort!*”). 

Am 22. Mai 1246 wählten die Erzbifchöfe von Wainz und Böln 
und wenige andere Sürften zu Gochheim am YWiain auf Gebeiß de 
Papfies den Seinrid Kaspe, Landgrafen von Thüringen, der vom Baifer 
sum Pfleger des Reiches beftelfe worden war, zum Rönig. Ronrad 309 ihm 
entgegen, und am $. Auguft Bam es an der Ylidda zur Schlacht, in der 
“eineich Sieger blieb. Die Wormfer Blirger harten Bönig Konrad IV. 
DBewaffnere und Zriegefchiffe zu “ilfe gefchice. Die Boften biefes 
umgtücktichen Seldzuges beliefen fich für die Stadt auf 150 Bölner 
W art. Weil der Bifcyof nicht auf Seite des Begentnigs übergetreren 
war, wurde er vom rzbifchof Siegfried um mehr als Joo Mare 
gefäpddigt. 











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21. Bapitel; 


Der große rheinifche Städtebund. 






Pin 3. Juni 1247 farb Bifhof Landoif 
g und wurde im. Rlofter  YIonnenmlinfter, 
um deffen ebung.er fich verdient gemacht 
batte; begraben: In einer Zeit, wo ‚oft 
du felbft die Beften, fdynwantten, hatte er feinem 
“eren, dem: Baifer, "die Treue bewahrt. 
Es war nun 'ganz  narhrlic, daß. der 
Papft sum -Kradhfolger. nur einen. anti: 
ftanfifeh -gefinnten Ylann wäblen laffen 
wollte. in folder war Ronrad von 
Dürkheim, Dekan - zu MW aing, der vom 
( Papft am 2, Auguft 1245. ducch Gnaden- 
bewelfegrgeieierbe, noan,ümpell enienenc und. fschtios fr «den 
apoftolifehen Seubk fich‘ bemübr harte”). Durch, die direkte Binmifchung 
des Rardinaltegaten Petrus von S. Georg wählte das Domkapitel den 
‚vom Papft fdyon am 9. Juni empfohlenen Konrad, päpftlichen Rapellan, 
und am JJ. September erhielt der Legar den Befehl, ihn als Bifchot 
von Worms einzufenen'®), Am 9. Oktober weibte ihn der Legar zu 
Yreuß in Gegenwart des neuen Mönige, Wilbelm von “olland"). 
Als er auf der “Heimteife nach Lorch Lam, wurde er fehwer Erant und 
farb am 30. Oftober. m Wlainzer Dom fand er feine Rubeftätte. 
Darauf erwählte das Domkapitel den Propft von Fleubaufen, 
Eberhard Raugrafen, der am I}. Dezember vom Erzbifchof von Mainz 
geweiht wurde. Doc) fand er keine Bnade vor den Augen des Legaten, 
der vielmehr den Richard von Daun, Probft zu S. Simeon in Trier, 


26 AU. Bapkel, 


den Bruder Wiriche des Böniglicen “sofmarfdpalls begnftigte. Der 
Papft befabl am $. Auguft 1248 dem Abe zu S. Martin in Trier, den 
Richard und deffen Begner vor den päpftlichen Srubl zu laden“®), und 
am 38. ds 5249 enefdhieb nnocenz IV., daß er auf Dorftellung 
Wiricye von Daun, Eöniglichen Softmarfchalls, deffen durch Provifion 
des Legaren Perrus sum Bifchof von YOsrms ernannten Bruber Richard 
der päpftlichen Gunft für würdig erachte, und er befahl dem Dropft von 
©. Warie in Wien, daß er ibn bie zur Beendigung deo Wormfer Bifchofe- 
fireites, bie er durch Recht oder Bnade die Wormfer Ricche erlangt haben 
werde, einftweilen in den Genuß der bifchöflicen Kinklnfte einfere'®), 
Der Papft durfte fic) foldyer willküirlichen Kingeiffe in das WWablrechr der 
deurfchen Domkapitel erlauben. +atte er doch Eurz vorher ein Derbor an 
fie ertaffen, obne päpftliche befondere Erlaubnis bei Strafe der Klichrigkeir 
feine neuen Bifchöfe zu wählen"®), Dadurch fehnite er jedem deutfchen 
Bönig alle Linvoirkung auf die Erwählung der Bifchöfe und Aebre ab. 
Der Streit über die Wormfer Bifchofowahl 30g fich lange bin, indem vor 
dem Bifcyof von S. Albano der Prosef um die Redyrmäßigkeir der 
Wahl Eberharde und Kicharde geführt wurde. Am 3. April 1252 zeige 
Innocenz IV. dem Bapitel der Wormfer Rirdye an, daß er die Wabl des 
Propftes Eberhard Eaffiere habe. SEnefprecyende Anzeigen erhielten das 
VolE der Stadt und Dibzefe Worme, der Erwählte von Mainz und der 
Zegar Zuge von S. Sabina"). Eberhard bebauptere fic) aber dennoch, 
und erft Durd Vertrag mit Eberhard 1256 erkaufte fich Richard deffen 
Verzicht, indem er fic) verpflichtete, Diefem eine jährliche Penfion von 
150 Pfund Wormfer Bervichts zu zahlen. Diefe Entfeheidung wurde am 
21. Mei durch die Bardindie Zuge von S. Sabina und Pereus von 
&.Beorg und ebenfo durch den Papft Alepander IV. am I. Juli beftätige""). 
Aönig Zeinrich farb am 6. Februar J247 auf der Wartburg, 

ohne jemals eine Autorickt erlange zu haben. Wenn ihn aud) die 
Pfaffenfürften anerkannten, fo Eonnte er doc nichts ausrichten, da die 
Städte meift ftaufifdy gefinnt blieben. Sreilich, Wainz war dur) einen 
‚großen Sreibeitebrief des Hrzbifchofs Siegfried vom 13. Llovernber 1244 
für die päpftliche Partei gewonnen worden”®). Der Papft verfügte 
nach WOillkhr über die beuefche Arone; wie ein Damaliger Dichrer Blagre: 

er fegget fi uf, er fegget fi abe, 

nad} der habe 

wirfet er fie Hin und her ale einen balı39). 


Der große theinifde Sräpıebund. 27 


Auf Betreiben des Legaten wählten die Sürften am 3. ©ftober 1247 
einen neuen Rönig, den Brafen Wilhelm von Solland"”). Denn von 
dem verfluchten @efählechre der Staufer wollte der Papft niches wiffen, 
und mit allen Witteln arbeitete er an deffen Vernichtung. Dabei waren 
ihm bie Bettelmöndye feine beften Bundesgenoffen. 

Bönig Ronrad machte feinem Gegner Wilhelm mit Ailfe der Stadt 
Worms den Oberrhein fteeitig. Im &erbft 1248 nahm er den Rampf 
‚gegen den $Ersbifchof von Mainz wieder auf. Die Bürger von Worms, 
Speier und Oppenheim fepicten ihm Jzilfe nach Lieresheim, und der 
Ersbifchof wurde bis nady Bruchfal zurlicigerrieben. Diefer Zug koflere 
Worms 200 {Mart. m Sommer 1249 drang onrab IV. bis nad) 
Worme vor. 

Durch die Unbefonnenbeic einiger Bürger geriet die Stadt in große 
Gefabr. Am 6. Auguft 1249 weilte nämlich Lubroig, Sohn des Lerzogs 
‚Orto von Bayern, im Schönauerbof, dem Abfteigequartier der Pfalsgrafen. 
Da entftand zroifchen den Anechten des berzoglichen Warfchalls Zumo 
und des Philipps von “obenfels ein Streit und Schlägerei. Auf den 
Zr eilte das VolE herbei, lief in den Sof; fie sieben die Pferde aus 
den Seällen, plündern und verwunden einige Bayern, einen anderen ehren 
fe. Da Bamen einige Ratsherren hinzu und drücten dem Jerzog ihr 
Bedauern über Das Gefchehene aus. Der “ersog und fein Mazfchalt 
Zurno wurden in andere Quartiere geführe. Am anderen Tag ver« 
fammelte fich die Bürgerfchaft, und durch die Vermittelung des Raw 
geafen einrich und Philipps von %obenfels wurde ein Sübneverrrag 
zwoifchen der Stadt und dem erzog gefhloffen. Der Herzog verzeibe 
den Bürgern die ibm angerhane Beleidigung, fehwoset, fich nicht zu 
rächen und auch nicht dulden zu wollen, daß fein Wlarfchall deshalb die 
Bürger beläftige"”). Auch König Bonrad IV., forie Herzog Otto von 
Bayern, der Markgraf von Baden, die Brafen $riedrich und Emich von 
‚Zeiningen, Eberhard von Fberftein und deffen Sohn, der Braf' von Say, 
Otto von Mberftein, der Braf von Sweibrücken, der Kaugraf Zeinzic, 
Graf Johann von Spanbeim und deffen Bruder Philipp von Gobenfels 
und Wiric von Daun verbirgen fidh den Wormfer Bürgern daflır, daß 
Gersog Lubwig fid) nicht an ihnen rächen werde”). Zueno gab gleichfalls 
eine Ähnliche urkundliche Prkldeung und felle als Bürgen Philipp von 
Sobenfels, Reinhard von Lauten, Wiorfel von Dahn, Albert von Lichten- 
fein, Sermwicy von Zirzberg, YO., Bruder des Zurne, Wilderich, Sohn 


s28 AI. Bapied, 


des Borgo, Bosse und Wernber, Verrsandte des Zurne, welche fich zum 
inlager in der Stadt verpflichteten; im Jalle Zune die Bürger dennoch 
fehädige, fo follten die Bürgen alsdann in der Stade fo lange bleiben, bis 
der Warfehall den Wsrmfern Genugehuung leifte. Wlan fleht, mit welcher 
Vorficht der Rat den Solgen jener Bewaltthar feiner Bürger vorzubeugen 
füchte. Die Blirgerfehaft bezeichnete den seinrich von Jobenedk als 
Urheber diefer unangenehmen Gefdbichte, und man erfirchre ibn, die dem 
sherzog von feinen Leuten zugefügten Schädigungen, derenwegen “err 
Vipbarius, Prokurator der Rbeinpfals, der Stadt Worms Vorbaltungen 
gemacht babe, entweder wieder gur zu machen oder dafür zu forgen, dafı 
fie nicht wegen feiner Amwefenbeit in Worms Befahr laufe. sobenech 
erwoiderre darauf, daß er, um fie nicht in Befabr zu bringen, nicht in 
die Stadt tommen wolle; die gegen den Pfalsgrafen vorgenommene 
Pfändung werde er jedoch nicht eher aufgeben, bis ihm fein Lohn vom 
Pfalsgrafen werde, um deffen willen er Leib und Leben aufo Spiel gefent 
babe”). Trog aller Verbiiegungen hielt fich Pfalsgeaf Ludroig gegen“ 
über der Stade Worms an fein eidlicd) gegebenes Verfprechen, fich nicht 
rächen zu wollen, nicht gebunden, fondern wandte fich Elagend an Raifer 
Sriedrich I1., der ihn zu Soggio im Mai 1250 von den Verfprechungen, 
Bürgfepaften und Sicherheiten Ioofprach, welche er nicht fteiveillig, fondern 
gezwungen aus Qurcht für fein Leben den Bürgern von Worms, als fie 
freventlich fic) gegen ihn vergangen und ihm und den Seinen Beleidigungen 
zugefügt hatten, geleifter batre'”‘). 

Deifen ungeachtet blieben Die YOormfer dem ftaufifdhen dcufe getreu 
und leifteten am 6. April 5250 dem Mönig Bonrad IV. große Silfe 
gegen den Bifdof von Speier und die von Straßburg. m sElfaß 
war der Rönig fiegreih. Dann z0g er im juli den Rhein hinunter, 
um Boppard zu retten, was ibm gelang, indem Philipp von “obenfels 
die Stadt hielt, bis Monrad herannahte, worauf Wilhelm von &olland 
abzog. YTun gerieten die beiden Könige aneinander. Wilhelm Lagerre 
am 2J. Juni in der YIähe von Oppenbeim; bei ibm befanden fidy die 
drei vheinifchen Erzbifchöfe, die Bifcböfe von Speier und Worms und 
eine Anzahl Brafen und “erren. Bonrad war im Beflz der Stadt und 
Burg Oppenheim und feinem Gegner überlegen. Da Wilhelm nichts 
ausrichten Bonnte, 309 er fühnsdres nad) Odernheim und lagerte am 
25. Juli bei Bechtolsbeim, von wo aus er die Dörfer des Philipp von 
obenfels beimfuchte und die, weldye fid nicht mit Geld Iookauften, 


Der große eheinfde Sräbrebun. 529 


in Afcye lege. Auch Bft und Yoefihofen brandfehante er, Doc) Bonrad 
ef fich Dadurch nicht aus feiner feften Srellung locken. Darauf marfchierre 
Wilhelm voieder nordwärte und lagerte am 29. Juli bei den Kreuzen 
zwoifchen Oppenheim und Wiainz, während Ronrad bei Dienheim fein 
Lager auffchlug. Doc; Wilhelm Eonnte nun fein seer nicht mehr 
zufammenbalten und ging nady Wan. Roncad zog ihm nach, lagerre 
beim YIonnenklofter Dalen vor Wein; und brandfchagte die Begend. 
Yiady fünf Tagen ging er nach Dim füblich von Mainz zurlc® und 
zerfiSere diefen Get vollftändig"”). Auf feine Dirte born mın die 
Wormfer die Zälfte ihrer Mannfihafe auf und fihickten ihm am 
32. Auguft aus den Pfarreien S. Perer und S. Andreas (S. Johann 
und S. Wagnus) 2000 Bewaffnete und 100 Bogenfchlisen zu sailfe, 
die er mir großer Sreude empfing. Diefer Zug toftere die Stadt mehr 
als 700 Wart (ca. 180000 Mark heutiger Yokhrung). Am I3. Auguft 
sogen fle in das Gebiet des Wilbgrafen und verbeerten es, dann ging 
€6 gegen Wernber von Dolanden nadı Wlauchenbeim bei Bolanden, 
das verbrannt wurde; fein Bruder Philipp von Saltenftein rettete die 
andern Dörfer durch Geldsablung an den Mönig. Und weiter rückten 
die Seerbaufen bis nach “eppenheim an der YWies, wo das Lager 
aufgefcplagen wurde. Won bier Behrten die Wormfer nach +haufe 
zuced. Der Mönig aber verblieb feche Tage dafelbft und fuchte den 
Grafen mich von Leiningen zu gewinnen, der indes durch feinen 
Bruder, den Erwäblen von Speier, auf päpftlicher Seite fetgebalten 
wurde. Moncad IV. rädhte fi am Speierer Bifdof, indem er am 
27. Auguft Deidesheim und andere Speierifche Dörfer verbrannte. Kurs, 
das ganze Jahr hindurdy hielten fid) die beiden Mönige die Wage, und 
jeder fährieb ficb den Sieg zu. Surchrbar hatte aber das Landvol unter 
diefem beftändigen Rriegszuftande zu leiden. 

Da war für die pdpftliche Partei der Tod des fürchtbaren Raifers 
Seiebrich II, der unbeflege und ungebeuge am 3. Desember 1250 zu 
Soggia bei Siorentino ftarb, ein unermeflicher Beweinn. Sein Sohn 
Ronrad IV. war enefchloffen, das värerliche Krbe Sieilien anzutreten, 
aber er wurde durch Befchäfte bis in den “erbft 125J in Deuefchland 
feftgehalten. Er befüchte im Srübjahr I25J die oberrheinifcyen Städte; 
sum legtenmal weilte er im Wides und April in feinem getreuen 
Worms. Am I3. April belagerte er Weißenburg. Bönig Wilhelm 
war ingwifcyen Über Oftern in Lyon beim Papft Innocenz IV. sewetn, 


15.300, Di Aaue Sr einigen ae 1 





530 21. Bapich, 


um fid) perfönlid) mit ihm über die Lage zu befprechen. Da Chriftian, 
Ersbifbof von Wiainz, ein (doächlider Wann war, fezre Wilhelm 
deffen Abfezung durch, und an feine Stelle wurde Gerhard, Sohn des 
Wildgrafen, erhoben. Diefer entfprady den Winfäen des Königs. 
Gerhard von Wiainz zog cbeinauftodrts, um Worms zu beobachten, das 
noch immer die befte Grüne der flaufifchen Partei war. Zur Strafe 
für feine polirifee Yaltung verbängre er im Auguft das Tnterbikt Über 
Worms, das fon einmal 1249 durd) den Lrzbifchof von Röln, den 
päpftlichen Legaten, auf Dirte der Aebte von Schönau und Orterberg, 
den Bonfervaroren der Sreibeiten der Stadt Worms, und am J3. April 125 
durch Heinrich, Bifchof von Speier, aufgehoben worden war. Lrsbifchef 
Gerhard lagerte an der Pfrimm bei Rriegsheim und zerftörte am 
34. Auguft Pfedderebeim, dann vereinigte er ih mir Wilhelm von 
0lland, der Boppard belagerte, das endlich im “erbfte erobert wurde. 
Durdy die Abreife Aonrads nad) Tralien war für Wilhelm die Bahn 
frei. Die Bürger von Worms erhielten von ihrem König Ronrad 
nochmals im Dezember 3253 einen Ienten Bruß. Er meldet ihnen feine 
itefliche Ankunft in Ttalien, vwoie er mit unbefchreiblicher Sreude 
empfangen worden fe und daß er nun in ununterbrochenen Tagemdrfyen 
feinem Erbfönigreiche (Sicilien) zueile. Er ermahne fie, bie zu feiner 
baldigen Rückkehr nach Deutfchland in ihrer Treue zu verbarren"””). 
Der Papft hatte nad) dem Tode des Raifere Boren nad) Deutfchland 
gefandt, um durdy Verfpredhungen und Drohungen die Anbänger der 
Staufer zu gewoinnen, und in der Thar, viele Sürften gingen mın zum 
Bönig Wilhelm über. Auch die Städte hatte Innocenz IV. zum 
Anfchluß an Wilhelm aufgefordert und die Rarsherren ermabnt, durd) 
ihren Binfluß das VoIE in den Schoß der heiligen Kirche zurle: 
zuführen (19. Sebruar 1255); wer mide geborche, gegen den fol 
das Hechreverfabren eingeleirer werden (20, Sebruar)”). Inebefondere 
ermahnee er am 19. Sebruar die Rateberren und das Volk von Worms, 
da nun Sciebrich, dem fie aus Trrrum oder Furcht rrog feiner Abfegung 
angebangen haben, geftorben fei, zur Anhänglidpteit an die Rieche zurh: 
zubehren, welche fie gürig wieder aufnehmen wiirde, wozu audy Rönig 
Wilhelm bereit fei. Durdy die Aückficht auf Konrad follten fie fich 
miche abhalten laffen, weil diefer nie wirklicher Rönig gewefen fei'”). 
In der Stadt Worms beftand feir dem Tode des Bifchofs 
Zandoif große Swietrachr unter dem Mlerus. Ylidyt viel zu bedeuten 


Der große cheinifege Sräbtebuns. ss 


batte es, dafi die vier Stifte mit dem Blofter YTonnenmünfter wegen 
der Bezahlung der vom Papft geforderten Steuern im Streite lagen”). 
Größere Erregung berefehte wegen der Parteinahme der einen für 
Bifchof Eberhard, der anderen für Richard. ABinige Zeit lang hatte 
erfierer die Gewalt in dänden. Aber die meiften Mlerifer hingen dem 
vom Papft bevorzugten Richard an, der den Derfiich machte, fid) des 
Stadtregimentes zu bemächtigen, indem er forderte, dafı der Nat weder 
Gericht noch Rat mebr halten follte. Da die einen dem Eberhard anbingen, 
die anderen dem Richard, fo war große Verwirrung in der Stadt, und 
weder das Tnterbift ‚noch die Krfommunifation wurden beobachtet. 
Wan  tieß aber niemanden in die. Wirdyen, worin bei verfehloffenen 
Thliren Meffe gefungen wurde, er fdywöre denn, vom Kaifer abzufallen 
und dem Papft, dem Bifchof Richard und dem Rönig Wilhelm 
geborfam zu fein. Der Papft batte am 13. Desember 1252 dem Dom- 
tapirel erlaubt, zur Zeit des Tnterdifte bei verfchloffenen Thlren und 
mir Ausfehluß aller Bebannren obne Bloctengeläure ftlle Mefle lefen 
au bliefen'®o), 

Auch die Blrgerfchaft war unter fid) in Parteien gefpalten. Bis 
zum Jahre 1252 bing die Wiebrbeit in unverrückter Treue dem ftaufifchen 
Saufe an. Seit dem Wegzug Monrads war jedoch niemand mehr da, 
der die ftaufifche Sache mit LTachdruc vertreten bite. So wurden 
denn im Jahre 1253 gerade die Vornehmen (die Minifterialen) fehrsantend 
und gingen zur päpftlichen Partei fiber. Da die Raiferlichen fürdhreten, 
überroältigt und vertrieben zu werden, verfanmelten fie fi in S. Laurentius: 
ber im Münfter. Sier fprach ein vornehmer Bürger Gerlach Jud für 
bie Sacye des Raifers und ermurigte feine Parrei. Trondem nahm die 
päpftliche Partei von Tag zu Tag zu, und es entftand eine große Ferrhttung, 
fo daß der Vater gegen den Sohn, der. Sohn wider feinen Varer und 
der Biuder gegen den Bruder war. Da verfibworen fi achr Bhirger, 
um den Seieben weiber bersuftellen. Sie verfändigten (id) mit den: dor« 
nebmften Geiftlichen, und auf‘ ibren Rat wurde Albero, der Prior des 
Predigerlofters, zum Bifchof Richard gefebickt, damir Bann und Tneerdikt, 
die Yauprurfache der Swoietracht, aufgehöben würde. Dies gefhab am 
2. $ebruar 1253. Jedermann ging num wieder in die Kirden. Richard 
rüftere fich aledann zum. feierlichen Linrite in bie Stadt. Doch der Bar 
erfuchte ibn, feine. Tntheonifarion zu verfhieben, weil noch viele. Btirger 
dem Eberhard anhingen, man audı befürchtete, die Freunde Zberhazde 





s”2 21. Bapire. 


wüirden der Stadt Schaden chun, wenn man feinen Begner einreiten Laffe. 
Richard begab fich jedoch heimlich in das Alofter Rirfebgarten und wartere 
dort drei Tage lang auf eine Gelegenbeit, um in die Stadt zu Bommen. 
Als die Bhrger Dies vernahmen, erfäpraten fie und wollten ibm die There 
verfchließen, weil fie den Rar im Verdacht hatten, im Binverftändnis mit 
Ricpard zu fein, und co Bam fo weit, daß die meiften Wirglieder des Bares 
fid) vor der Bürgerfchaft rechrfertigen mußten. Zulegt wurden die Blirger 
dur) die Prediger und Wlinoriten mit vieler Wübe dahin gebracht, daß 
fie Richard als einfachen Mleriter und nicht ale Bifchof in die Stadt 
ommen ließen. Denn wenn Dies nicht gefdheben wodre, fo würde das 
Tnterditt won neuem verhängt worden fein. Zudem war Braf mich 
von Leiningen des Bifdofe Seind und fuchre ihn mit allen Witeln 
gefangen zu nehmen. YOäre ihm dies gelungen, fo bitte man den 
Bürgern die Schuld beigemeffen. So kam denn der Bifchof am 
21. Sebruar 1253 in die Stadt, er begab fid) aber nicht in den 
Bifchofebof, fondern in des Ruftos Haus. Aber Richard gelangte mir 
Zufimmung feiner Anhänger im Rate doch zu feinem Ziele. Am anderen 
Morgen vite er zum &. Andreasthor hinaus; draußen vor der Stadt 
vereinigte fich um ihn ein fatrliches Beleite, und mit diefem 30g er dann 
feierlihft zum S. Wartinsthor binein. Tags darauf hielt er das od: 
amt im Münfter und fammelte feine Anhänger um fich. 

Obwohl die Diirger den Bifchof Richard hatten einreiten Laffen, 
waren fie mit ihm nichr eines Sinnes, denn fie wollten den Rönig 
Wilhelm nicht anerkennen. Um eine Waffe gegen fie in der Sand zu 
behalten, ertläcten die Pfaffen, daß der Borteedienft nur auf Zeit und 
Gnade flartfinde. Offenbar überfähdnee Mönig Wilhelm den Binfuß 
des Bifchofe auf die Gefinnung der Bieger. Er fehlte, um fie zu 
‚gereinnen, zwei Ritrer von fEppfein und von Rüdesheim nach TDorme, 
Diefe erhielten aber Beine Antwoser. Darauf wurde der Stadt wiederum 
mit dem Tnterdift gedroht, aber auf Vermittelung des Abres Walther 
von Erbach) ihr bie auf Wariae Zimmelfahrt Krift gemährr. Als diefe 
fruchtlos verftrichen war, verhängte der Bifchof am I7. Auguft das 
nterditr. Er berief nun alle Anhänger Woibelms in den Difchof: 
bof, nannte fie Gotwrefürchrige und beratfählagte mit ihnen, wie 
man der beiligen YWfurter Kirche zu Jilfe Bommen Bönne. (jene 
antworteten einftimmig, daß fie mach beflem Vermögen ibm bei- 
feben wollten. Als er dies hörte, war der DBifchof fehr erfreut, 


Der große ehenifehr Sräsebu 





533 


daß co ihm gelungen fei, die Minigkeit der DBirger zu brechen. 
Und als der Tag der Rreizerbebung, der I$. September, Bam, da (aß 
er mit feinen Beiftlichen auf der Sreitreppe vor dem Bifchofabof, predigre 
dem verfammelten Wolfe und verfündigee ibm, daß alle Anhänger 
‚Seiedriche und Monrads verflucht fein als Ungehorfame der heiligen 
Rirdhe. Er bob das Tnterdicht wieder auf, aber damit die Encsweiung 
der Blirgerfhaft sunehme, ordnete er an, daß alle Anhänger der Staufer 
Gottlofe genannt und aus allen Wircen und von jebem Benuß der 
Satramente ausgefähloffen wirden. Er befahl audy, daß, wenn ein 
Priefter die Wieffe fänge, er fich zuvor zum Volke ummenden und die 
Anhänger Seiebride verfluchen folle; Diefe Diieften als BSferoichte der 
Meffe und dem Bottesbienft nicht beiiwohnen. Ebenfo follte nad) Voll: 
endung des heiligen Amtes der Pfarrer jedermann auffordern, Anhänger 
des Baifers aus der Kirche zu treiben. Und fo gefchab es auch. Beinem 
Gortlofen durfte das Sakament ins Yaus gebradyr werden. Werde ein 
foldher Erant, fo foll ihm weder das heilige Del gegeben nodh er, wenn er 
‚geftorben, nach chriftlicher Wdeife auf dem Rirchhof begraben werden, eo 
fei denn, daß er zuvor die Partei des Batfers abfehmwöre. Den Bortes: 
fürchrigen wurde verboten, die Rranken der anderen Partei zu befüchen. 
So wurde den ftaufifd Befinnten jeder Genuß gottesbienftlicher Zandlung 
verfagt und ihnen alle Rechte, geiflihe wie weltliche, aberfannt, fo daß 
fein Urteilsfprudy für fie Nechtekraft erlangte. Da die Anhänger 
Sriedriche erkannten, daß fie dem Bifdyof nicht länger widerfieben 
Eonnten, unterwarfen fie fich ihm, und vorzüglich einige der Vornehmften. 
So wurden innerhalb von vier Wochen faßt alle Bürger mit Bewale 
dazu gebracht, der Partei des Bifcyofs beizurzeten. 

Bönig Wilhelm verfügte über das gefamte Aufgebot der päpfilichen 
Partei. Wer ihm zufiel, onnte auf die Gewährung aller möglichen 
geiftlichen Bunftberoilligungen von feiten der Kirche rechnen, wer ibm 
jedoch widerfland, wurde als Mener verfolgt. Vor allen waren die 
DBertelmöndye thäcig. in gleichzeitiger “iftorier erzähle, daf, wo die 
Dettelmöndhe in einen Ort Eamen, um das Kreuz zu predigen, die 
Geiftlicpteit Ihnen mit Kreuz umd Sahnen und einer Waffe Volks ent- 
gegenftrömte. Auf freiem Selde hielten fie eine Breuspredigt, und alle 
Winner und $rauen, Jung und Alt, wurden faft zwangemeife mit dem 
Mreuze bezeichnet. Der dann die Jahre nidye unternehmen wollte oder 
Tonnte, mußte fich mit Beld Isfen"®). Miefe fogenannten Redemprions« 


534 21. Bepiel, 


und Gbventionsgelder waren eine ergiebige ‘Einnabmequelle für den 
Rönig. Allein all diefe Wirreichen verfchafften ihm noch lange nicht den 
allgemeinen Beborfam. 

Da der größte Teil der Wormfer Blirgerfchaft nun auf des Bifchofe 
‚Seite Übergerreten war, bofften fie, vom Bifchof die gewoüinfchre Verfaffungs- 
veränderung durdyfegen zu Bönnen. Doch diefer wich aus und meinte, 
das tiege nicht in feiner Macht, er dürfe es ohne Benebmigung der 
Pfaffbeie nicht sulaffen, fonft würde er felbft feiner WOhrde beraube. 
Infolge diefer Zwierracht wurde Bein Rar und fein Gericht mebr 
ebalten, und die Verbrechen blieben unbeftraft. Das Eonnren die Yrner 
auf die Länge nicht ertragen, denn das Uebel wurde eäglich geöfer. 
Der Bifdof war mit der Geifttichkeie der Meinung, dap die Bürger 
von ibrem Verlangen, die alte Verfäffung mit den +0 Aareberren 
wieder. einzuführen, von felbft abfteben würden, wenn man ihnen mic 
dem Tinterdikt drobe und fie fäben, daß die Stade fonft zu Grunde 
gebe. Ylach langen Verhandlungen ftimmten fie zu, daß die Rachtung 
vom Tahre 1233 wieder in Mraft rete, und am 30: September 1253 
vollzog der Bifebof die Wärebefenung, Mr ermäblte folgende neun 
bürgerliche Wateberren: 1. Konrad Ditrolf. 2. “einrich Nicher. 
3. Wernber hinter der Münze. 4. “eineich Eippura. 5. Ronrad zum 
Aofenbaum. 6. Ebehwin Reich. ..7... Eberhard in der Yoollgaffe. 
8. “einrich "oltmunt. 9. “einzich Ror. Diefe neun wählten bierauf 
fecbe Rireer: I. David hinter der Garklche.. 2. Jakob von Giein. 
3. Wolftam von Pfedderabeim. 4. Wernber von Dürdibeim. 5. Gottfried 
zum Wulbaum. 6. Botefried won Guhen. 

Diefe Streitigkeiten um die Stadtverfaffiing hatten nun 20 Jahre 
lang gedauere, und während Diefer Zeit berichte Beine rechte Ordnung 
in. der. Stabtverwaltung. Der lange Mrieg hatte enorme Summen 
verfälungen, und wiederholt hatten grofe Brände die Stabt fÄhwer 
beimgefücht. Viele Bürger waren vollftindig verarme und verließen die 
Stadt. Ylirgends gab es Recht: und Sicherheit, und die Bürger waren 
amer fid) uneinig, bie fie geswoungen wurden, ‚fich dem Bifihof Richard 
su umterwerfen und die Radhrung wieder anzuerkennen. Denn fonft ndre 
die Ordnung nicht wieder hergeftellt worden und die Grade verderben. 
Von Bönig Ronrad IV. war: ja Beine “hilfe mehr zu erwarten, da er 
fen in Jralien m fein Erbe Bimpfie. Br ftarb am 2). Mai 1254 
im Lager bei Lavello, einen unmindigen Sohn, Konradin, binterlaffend, 


Der große rheinifhe Srädrebund. ss 


der am 29. Ditober 1268 zu Lleapel auf dem Schaffor fein Beben ließ. 
In Deuefehland Eimpfre Wilhelm gegen feine Wiberfacyer. Yrirgende 
gab es Srieden, fondern allenthalben im Lande Brand, Raub und 
Word; unfäglicyes Blend berrfchte namentlic) in den Städten, die von 
Sriedricy II. niche laffen wollen. Die Teuerung war fo groß, wie 
nie zuvor. Da fic Bifcof Ricyard lediglich) auf die Befälle in der 
Stadt angeviefen fab, weil fein Gegner Eberhard mit Hilfe des Grafen 
von Zeiningen alles Land befent bielt, fo forderte er von den Bürgern 
llfe; doc) er hatte es nicht um fie verbient, und fie fdylugen es ihm ab. 
Da verließ er am 3. Sebruar 125% die Stadt heimlich und begab fich zu 
feinen Seeunden auf die Burg Eppftein bei Sranfenebal. Wir ihrer 
Sallfe rhftete er fich und machte Ladenburg zum Sthapunkt feiner Unter: 
nehmungen. Er füchte auch die der Wormfer Kirche entftembderen 
Zehen wieder an fich zu bringen. Seiedridh I. hatte ihr das Wormfer 
Rirchentehen Wimpfen abgenstige (fiebe oben). Sogleich nad) dem 
Tode Ronrade IV. bemächeigte fich Richard Wimpfen. Am 24. Juli 
3254 verpfänbere er den Zebnten zu Winpfen an die rüber Fengelbarb 
und Bonrad von Weinsberg und Zeinrich von Erenberg um 200 Mark 
gegen die Verpflichtung, Burg und Stadt Wimpfen und die anderen 
Ghrer der Wormfer Rirche zu (chen). 

Die Bürger von Worms füchten aber in ihrer Bedrängnio nad) 
einem Witel, um fich des Andrangs ihrer Jeinde su wehren, und biefes 
Wüirrel war Bein anderes ale das, welches fich noch beute die Schwachen 
bedienen, wenn fie fich der Ausbeutung durch die Starken erwehren 
wollen: die Affogiaion oder Zinung. Das Papftnm hatte ja wohl 
vermocht, den Partifulariomus in Deurfdpland wachzurufen, um das 
Bönigeum tötlich zu fdhwächen, aber einen georöneten Zuftand im Reiche 
berzuftellen, war die Birche nicht im ftande. Uron aller ihrer Unter: 
ftügung gelang es dem Bönig Wilhelm nicht, allgemeine Anerkennung 
und Gehorfam zu erzwingen. Selbfk.die, welche ihm zugefallen waren, 
wurden ihm wieder abtrünnig, und man planre wiederholt feine Abferung. 
Diele bitten gern den mächtigen Dreofar von Böhmen zum Aönitz 
gewünfcht. Wir Recht fagten Wilhelms Gegner ihm nach, er befine zu 
wenig Wacht, um den Srieden im Keiche erbalten zu £önnen. Und des 
‚Sriebens bedurften vor allem die geroerbe- und handelcreibenden Bürger. Saft 
fehuntoe waren fie den Bebrlichumgen der großen &erren, den Plünderungen 
der Ritter und Edlen preisgegeben. Zu Waffer und zu Lande gab es 


36 21. Rapid 


feine Sicherheit des Verkehrs. Ueberall errichteten Die Landesberren neue 
Bollftäeren, und die alten Zölle wurden bis ins unglaubliche erböht, fo 
af das ganze Zolliwefen fich zu einem Raubfpftem umgeflaltere. Alle 
Welt färrie nad) Srieden, aber weder der Papft, noch der König, nod) 
die Sürften Eonnten ibn gewähren. So balfen fich denn die Kleinen felbft. 

Schon zu König „Heinrichs (VII.) Zeit harten die mittelrheinifchen 
und wetterauifchen Städte ein Bimdnis gefchloffen, das aber 1226 auf 
töniglichen Befehl wieder aufgelöft werden mußte (fiebe oben). Wir 
erfahren ferner J250 von einem oberrbeinifchen Stftebund, der die 
ftaufifehen Tntereffen vertrar”®). Am $. LIovember 1252 fehloffen Köln 
und Boppard einen Vertrag Über das rechtliche Verfahren gegen ihre 
Bürger in Scyuldfachen und ebenfo am 22. Juli 1253 Boppard und 
Robfenz'®). Wichtiger war der Städtebund, den am 17. Juli 1253 
die Städte Münfter, Dortmund, Soeft und Lippe zum Schuge ihrer 
Bürger gegen Pfändungen und eraubungen eingingen”®). m 
‚Sebruar 325% verbanden fid) Worme und YWainz, die einft in alter 
Sreundfchaft verbunden gewefen, aber wegen der auswärtigen Politi® in 
‚Seindfdyaft getommen waren. Die Wormfer durften feit dem Tode des 
Raifers und der Abreife Ronrads IV. nicht mehr auf den Sieg der 
Maufifcyen Sadye redynen; wenn fie fi auch mod) nicht Wilbelm 
von olland anfehliefen wollten, fo nahmen fie zunächft eine neurrale 
Waltung ein. Dienftmannen, Räte, Ridyrer, Schöffen und alle Bürger 
von Worms beurfunden nun, daß fie der alten Liebe und Treue, welche 
aweifehen ihnen und der Stadt Wlainz epiftiert habe, eingeben? fein und 
das Bündnis der Zintracht erneuert haben. Sie wollen gerreue selfer 
der Bürger diefer Stadt fein und ihnen in ihrer Stadt die gleichen 
Rechte einräumen und feine anderen Abgaben zumuten, als den eigenen 
Bürgern. Und dasfelbe follen ihnen die Wainzer fehwören. Zur Be- 
feitigung allfällige Streitigkeiten wähle jede Stadt vier Schiedsrichter"). 
Auch Oppenheim winfpre in diefen Bund aufgenommen zu werden, 
doch war wegen ihrer politifäpen Jaltung die Stade noch im Fnterdikt. 
Durch) die Vermirelung der Mainzer bob der Erzbifchof Gerhard am 
3. April das Tneerditt auf, fteilich nur bebingungsweift, unter dem 
Vorbehalt des Wohlverbaltens. Darauf befchmoren die drei Städte den 
Bund, und zwar Arnold der Rämmerer, Seiedrich der Schultbeiß, die 
Ricyter, der Rat und die Bemeinde von Mainz, die Winifterialen, Räte, 
Richter, Schöffen umb die Gemeinde von Worms und Wiarquard, der 


Der große eheinifie Srestebund. 537 


Schulcheiß, die Schöffen, Ritter und die Bemeinde von Oppenheim. 
Im Sinblic® auf die außerordentliche Unficherbeit der Strafen und die 
Sielen Räuberelen und Befdhrerungen, denen fie feir langer Zeit umter« 
liegen, verfprechen fich die drei Städte, unter Witvirtung des Seren Tefus 
Ehriftus, des ichebers des Friedens, eiblic) für immer gegenfeitite «zilfe 
gegen ihre Angreifer, Dornehmen und Beringen, Beiftlicyen und Mönchen, 
Laien und Juden foll diefes Bündnis zu gute Eommen. Streitigkeiten unter 
den Bundesgenoffen follen durdy ein Schiedsgericht vertragen werden, 
wozu jede Stadt vier bevollmächtigte Befehworene ftellt, die auf Lebens: 
zeit gewählt find, und zwar Wlainz: Arnold den Rämmerer, Tngebrand, 
beide Nitrer, Arnold den Walboren und Ulrich zum NRofenbaum; 
Worms: Jakob Kitreechen (Bürgermeifter), Wolfram von Pfedbereheim, 
beide Nireer, Seineihh Wider (Bürgermeifter) und bero in der 
Wollgaffe; Oppenheim: Berlady von Biebeinbeim, Tatob von Lörzweiler, 
beide Nitter, Uro und Dierrid) Rorkolbe. Skirbr einer von diefen, fo 
Poll ex erfent werden. ft er erkrankt ober verreift, fo foll ein Srelf: 
vertrerer fir ihn handen. Mann ein Streit nicht mit Recht oder 
Wine beigelegt werden, fo foll, wenn die vier einer Stadt fbrwören, 
daß diefe Star zu dem, was ihr auferlegt it, nicht verbunden fei, die 
Stadt davon befreit fein. ft einer Stadt Unrecht gefeheben, fo follen bie 
Dierer zufammentreren und nach dem Befchluffe ihrer Städte darüber 
verhandeln, wie basfelbe wieder gut gemacht werden Eönne'®”). Am 
29. Wai verbünderen jich Mainz und Bingen auf der Bafls der Hechrs: 
gleichheit, entfpredend dem Gonderbunde swifchen Wainz und Worms; 
von einer foldhen Rechrogleichheit ift bingegen in dem Bunde der drei 
Städte Peine Rede, weil die Verbälmiffe in Oppenheim fo ganz andere 
waren, als in Wains und Yoorms. Der Dreiftfdtebund hatte wefentlich 
politifche Bedeutung, und ohne Mitwirkung des Wiainzer Ersbifchofs 
wäre er nicht zu flande gefommen. Denn Oppenheim war im Kirchen: 
bann wegen feiner politifchen Pareeiftellung. Ohne den Abfall von der 
aufifchen Sadye wide Oppenheim nice vom Bann losgefprodyen 
worden fein. Die Stadt vollzog daher, wie vorher Worms, eine policifche 
Schwenkung, indem beide die ftaufifche Partei verließen, ohne indeo den 
Grafen Wilhelm von Zolland als Aönig anzuerkennen. ir diefem 
hatte fich der Erzbifchof Gerhard verfeinder und war vom päpftlichen 
Begaten epfommunisiert worden. Er berrieb Die Abferung YVilhelme, 
Möglich, daß er ic auf die drei rheinifchen Städte fügen ot, 


1. Dan, Di Maar De een au. I 


s38 21. Bapitl. 


Damals, ersähle Zorn nach einer alten Quelle, ftand es in Deutfdh- 
land und vornebmlich am Abein fo, daß wer der Stärkfte wat, fhob die 
anderen in den Sad. Die Ritter und Ebelleure näbrren fich vom Stegreif, 
mordeten, wen fie fonnten, verlegten und verfpersten die Päffe und 
Strafen und ftellten den Reifenden nach. Die Kandesherren hatten am 
Heine neue Sölle aufgerichtet, und das arme Volk war mir übermäßiger 
unbilliger Schagung hoch beladen, befehwert und bedrängt. ben deshalb, 
weil die drei Sehdte Mainz, Worms und Oppenheim fonft Peiner Zilfe 
und feines Troftes gewärtig waren, verbanden fie fi mit den anderen 
Sefdten des Abeins. 

Die Grimdung dre rbeinifeben Städtebundes'”®) ging alfo von dem 
Dreiftädtebund aus. Diefer Bund erregte foldyes Auffeben, daß fogar 
fern in Sachfen ein Mönch Albert von Stade feiner rühmend gedente, 
und eben diefer Mönch nennt ale geiftigen Urheber des Bundes Arnold 
den Walpoten, Bürger von Wlains, der fid um feine Varerftadt durch 
die Erbauung des Dominitanerklofters verdient gemacht hatte”). Weniger 
durch fein Amt als durch feinen überlegenen Geift batte er bei feinen 
Wirbfirgern Anfeben und Zinfluß gewonnen. ir dem Ersbifchof muß 
er im beften Zinvernehmen geftanden haben, und diefer war einer der 
erften Sürften, Die dem Bunde beitraten. Don den Städten gehörten ihm 
von Anfang an: Worms, Mainz, Srankfurt, Oppenheim, Belnbaufen, 
‚Seiedberg, Wenlar, Boppard, Wefel und Bingen. Von diefen batten 
(don im Jahre 1226 Wiains, Worms, Bingen, Srankfürt, Beinbaufen 
und $riedberg mit Speier einen Bund gebilder. Der neue Bund Bann 
daber als eine Erneuerung jenes erften Verfuches angefeben werden. Aus 
einem Schreiben des Rardinallegaren Peter von S. Beorg vom 7. Oktober 
3254 lernen wir den Beftand des Bundes Eennen‘®). Er habe, fehreibr 
er dem Dechanten Jobann von W}ainz, vernommen, daß ber Ersbifdhof 
‚von Mlains, der Bifchof von Worms, ferner Eilains, Worms und andere 
Städte am Aheine ein Sriedensbindnis zu Ehren der römifchen Rirche 
und des Rönige Wilhelm gefähloffen bitten; er befiehle ihm, auch andere 
Stäöre und Bdle jener Gegend zum Beitritt aufsufordern und gegen 
die Störer des Anfebens des Könige und des Landfriedens mir 
Erfommunikarion und nterditr vorzugehen. Genau war der Legat 
nidyt unterrichtet, aber fo viel wußte er doch, daß die mierelrbeinifhen 
Bifchofedee und der Erzbifchof von Wiainz die maßgebenden Wir 
glieder des Bundeo waren. YWlains und Worms machten Propaganda 


Der große shinife Ortorebund. ss” 


fir diefen Bund, der fich am 13. Juli 1254 Bonftinuierte. Leider ift 
die Brindungsurtunde nur in überarbeiteter Sorm erhalten, wahr: 
febeinlich in einer fpäteren Yleuausfertigung. Die erften Witglieder des 
Bundes waren nur die in der Wormfer Ehronit genannten, die anderen, 
vielleicht mir Ausnahme der Stabe Speier, find erft fpäter, aber noch 
im Laufe des Jahres 1254, beigetreten. Zieifchen Worms und Speier 
beftand feit langem eine Derftimmung, weil die Wormfer zur Zeit Rönig 
seineiche (VIL.), 1234, Waren der Gpeierer mit Befdhlag belegt und 
trog einer Aufforderung Rönig Bonrads IV. daftır nicht Entfchäbigung 
geleifter hatten. Das gefchab erft anfangs des Jahres 1254"). Der 
Seiftungsurfunde des Bundes liege die Urkunde des Dreiftäbrebunbes zu 
Grunde. Ylicyr nur die Arenga ift ihr wörtlid) enrnommen, fondern 
auch die übrigen Beftimmungen. Sie enthält eine Anzahl von Ab: 
änderungen und Zufägen, Die durd) den Beitritt einer Anzahl von 
‚Landesherren notwendig geworden waren. Die Brindung des Bundes 
vollzog fich in zwei Akten: zuerft fehloffen ihn die Seädte unter füch ab, 
dann befdprworen ihn die Ferren. 

Der Ziwecd des Bundes war die “erftellung des Griedene. Die 
Verbündeten gelobten, vom I3. Tuli 1258 an gemeinen Srieden 
während der mächften zehn Jahre halten zu wollen. Unter Sriede 
verftanden die Teilnehmer des Bundes zunächft Sicherheit der Straßen 
und des Verkehrs, Schun von Perfonen und Eigentum der Bundes: 
mitglieder gegenüber den Sriedenoftsrern. Als Störung des Sriedens 
betrachtete man aber Die gewaltfame SErpreffung von Zöllen und 
anderen Verkehrsabgaben, die eigenmächtig eingefordert wurden. Ylur 
gegen die ungerechten Zölle wender fi der Bund, und er ver- 
lange teineowege etwoa Abfchaffung der Zölle überhaupt. LUngereche 
waren alle Zölle, die micht durch den aifer verliehen ober Deren 
Bervag ungebührlich erhöht morben war. fine weitere Er: 
Ufrung deffen, was unter pax generalis zu verfteben fei, giebt die 
Grlindungsurkunde nicht. Sie fezt den Jnbalt des gemeinen Sriedens 
voraus, und in der That eriftieree ein folcher allgemeiner Friede, nämlich 
das Mainzer Landfriedengefen Friedrichs II. vom Jahre 1235"). Auch 
diefes befämpft die ungerechten Zölle, und es ift die Bafls der SEriftenz: 
berechrigung des Yundes. Urfprimglid war es die vornehmfte Pflicht 
und Jauptaufgabe des Rönigs, für die Aufrechterhaltung des Sriedens 
zu forgen. Mlit dem Verfall des Rönigeumes und dem SErftarken der 


540 31. Bapiel, 


Sandeofürften it es dem Mönig nice mebr möglich, dem Yeichelandes« 
frieden allgemeine Beltung zu verfchaffen, und num liege es den Provinzen, 
ob, für die Auftechrerbaltung dee Landfriedens zu forgen, fei es unter 
Witvoiekung des Bönige oder auch ohne diefe. Wichtiger ale die Eönigliche 
Aurorieht wurde nun das Einumgeprinzip®). Die Bundeegenoffen 
vom Tabre 125% flellten ich auf den Boden den Keichegefenes, indem fie 
in ibm die wicheigften Waffen zur Betämpfung der Zollplagereien 
fanden. Da die Reicyogewalt nicht im ftande war, den Srieden zu wahren, 
fo nahm der Bund diefe Aufgabe in die and. Die urfprüngliche 
Verfaffng des Bundes war einfach dem Dreiftädtebund nachgebilder. 
Jeder der Verbündeten wählt vier bevollmächtigre Befchworene, deren 
Befamtbeir das Bundesgericht bilder. Diefes entfeheider über alle Streirig- 
keiten zwoifchen den Bundesgenoffen, und zwar entweder nach Wine oder 
nach Recht. Wenn der Sriede in einer Stadr verlegt wird, follen je die 
vier Befchworenen zufammentommen, um über die Sriedensftsrung und 
Sugleich Über das Sriedenetwerf zu verhandeln und gemeinfam bereben, wie 
Genugehuung erreicht und der Landfriede befetige werden Könne. Denn 
die Verfammlung der Bundesvertrerer it midyr blos Schiedsgericht, 
fondern auch Befchäfteverfammlung. Der Weiterennvichelung der Bundes: 
organifation wourbe von vorneherein Spielraum gegeben, indem anfangs 
nur einige “auprpunkte firier wurden, das weitere aber der Zukunft 
überlaffen. blieb. 

Ylichr gar lange dauerte eo, fo Eonneen die Bundeofreunde ihre 
Mraft erproben. Wernber von Bolanden wollte Feine Kube balten. 
Er batte bei Tngelbeim eine Burg erbaut, von wo aus er die Städter 
befehpädigee. YWTainz mit Silfe der Bunbesgenoffen belagerte das Raubneft 
und serfiscre es am I3. September. Darauf fammelten fich die Freunde 
des „eren von Dolanden bei Gdernheim, nämlid) Braf Emidh von 
Zeiningen, die Raugrafen, der Graf’ von Hberftein und andere, mit flarter 
Wacht, Doch auch die Srädte rüifteren, um ihnen zu widerftehen. Da 
Iegten ich der KErzbifchof, der Wildgraf und andere “erren ins Mirrel 
und machten einen Waffenftillftand bis zum 29. September. Braf Eberhard, 
von SEberftein, Wernber von Bolanden und fein Bruder Philipp von galten: 
fein, der Serr von ZEppflein und der von Salkenftein mußten fi ver: 
Pflichten, alle ibre (ungerechten) 3Slle zu Waffer und su Lande abzurhun. 

In demfelben WIonat sogen bie von Worme mit ihren Sreunden 
von Wainz und Öppenbeim gegen die serren von Strahlenberg (an der 


Der große beinifche Sräbtebund. ss 


Dergftraße), welche den YWormfern viel Leids angerhan batten. Sie 
verbrannten ihnen das Dorf Schrieebeim und bieben die Reben dafelbft 
ab. Auch diefe Schde wurde durch den Schenken Konrad von Erbach, 
Philipp von Yobenfels, “ermann von Rietberg, den Truchfeß von Alyei 
und andere erren beigelegt. Die Gründung des Bundes und diefe 
‚Sehden Bofteten die Stadt Worme mehr ale 1000 Wiark (ca. 260000 Miark 
beutigen Beldeo). Die Juden mußten dazu einen Beitrag von 200 Wiark 
sablen, womit die Stadt GSölöner amwarb. Von den genannten “Herren 
find fpäter Philipp von “obenfels, Philipp von Salkenftein, der “err 
von Strahlenberg, der Schenk von Brbach, Wernher, Truchfeß von Alzel, 
dem Bunde beigetreten. 

Diefe Unternehmungen find fehwerlich auf Grund von Bundes» 
befcyläffen veranftalter worden, fondern auf Tinitiative der gefchädigten 
Städte. Und die Zerren werden Baum mit dem energifchen Verfahren 
der Städte einverftanden gewefen fein, weobalb fie fich beeilten, ihre 
Vermirrelung anzubieten. Die Selbftbilfe war ja eigentlid mit dem 
Pringipe des Bandfriedens unvereinbar. Yun heißt es fon im Reiche: 
lanbesfriedenegefen vom Jahr 1235 Artikel 5: Ylimand fol fich felbft 
belfen, wenn er nicht vorher vor dem Richter fein Nechr verfolge bat, 
außer im Salle der Ylonwehr. Wer kein Recht erhalten Bann, muß noch 
drei Tage Srieden halten (Artikel 6). Ver diefen Artitel bricht, woird 
ehrlos und. friedlos. — m ganzen Wiitrelalter galt der Brundfan: 
Rechteverweigerung legitimiert Selbfthife. Der rheinifche Bund war 
‚gefehloffen worden, um dem Sriedensgefen Achtung zu verfchaffen. Erft 
wenn alle Redpromirtel fich als unzulänglich erwiefen haben, um zum 
Beche zu Lommen, darf der Bund mit den Hirten gerwaltfamer ZErekurive 
in Thätigkeit treten. Eben um das Verfahren der Selbfthilfe zu vegeln, 
rar am 6. Oftober 1254 in Worme ein Bundestag zufammen und faßte 
eine Anzahl wichtiger Befchlüffe zu Ehren der beiligen Mutter Rirche 
und des heiligen Yeiche, dem jene der erhabenfte Fer Wilhelm vorftehe 
und zum gemeinen Clugen für Arme und Neiche, Weltgeiftliche und 
Wönche, Laien und Juden. 

Diefer Wormfer Bundestag ift einer der wicheigften. Jene erjt 
erhielt der Bund feine Organifarion und erweitertes Programm. Yliche 
nach dem Villen einzelner, fondern nur mad) reifticem Befchluffe des 
Bundes darf‘ eine Dunbesepekurion vollzogen werben. Auch darf Bein 
Bürger einem Zerm auf eigene Gauft abfagen, das it Gadye des 


2 AL. Bapieel, 


Bundes. Wir einem Seinde des Bundes foll Bein frieblider Verkehr 
Rattfinden, ihm weder Lebensmittel noch VDaffen, noch irgend erwas 
gelieferr werden; man darf ihm Beine Ware borgen, noch ein Darlehen 

. Wird ein Bürger eines foldhen Vergebene Iberführt, fo foll er 
aus der Stadt verbannt und zum warnenden Beifpiel an feinem Kigennm 
geftzaft werden. Vor dem Wormfer Tage hate dem Bunde eine 
militäeifcbe Organifarion gefehlt. Jent wird eine folche gefehaffen, aber 
nur für die Geädte. Thnen lag vorzüglid daran, die Abeinftraße in 
ibren Def zu betommen, darum wird verfüge, daß die Srädre ficd) der 
Sabefebiffe an den Siußübergängen bemächrigen follten, um durch Diefe 
Waßcegel die Seinde bliben und drüben zu ifolieren. iefe defenfive 
Waßregel wonrde ergänge Durch die offenfive, wonach die oberen Städte 
von Bafel bis zur YWiofelmindung 100 riegsfdiffe, mir Schlnen 
bemannt, die unteren Städte So Schiffe bereit halten follten. “erren 
md Städte follten zu jeder Zeit gerüftet fein. 

Wainz und Worms waren die Urheber des Bundes und allezeit die 
rüftigften Witglieder desfelben. Es war Daher nicht mebr als rechr und 
billig, daß ihnen die Leitung des Bundes Übereragen wurde. Sir alle 
@efchäfte wurden zu korrefpondierenden Städten beftimmt: YWainz für 
die unteren Städte, Worms für die oberen. Der Bund warf fi 
fodann zum Schliger der Armen und Schwachen auf; audy die fo 
fehmwer durch die Gehden heimgefchten Bauern follten des allgemeinen 
Seiedens. reilhaftig und eventuell in den Bund aufgenommen werben. 
Sie, die Seädre, find eben im Wunde die maßgebenden treibenden Mir: 
glieder, fie fallen die Befchläffe von ihren Befichrepunkten aus, während 
der Standpunkt der Zerren Baum in Berracht gezogen wird. Berabe 
der Bauernartifel mußte die Zerren empfindlich verlegen; die Städte 
mochten das gefühlt baben, denn um bie «erren au  begiicigen, 
nahmen fie aus dem Sriebenegefen vom Jahre 1235 das Verbor des 
Pfablbürgertums berfiber, gleihfam eine Begenkonzeffion. Ydie fehon 
in der Gründungsurtunde, wird nochmals dem Rierus Eräftiger Schug 
zugefichert. Die Propaganda wird zur Pfliche eines jeden Bundes 
mirgliedee gemacht. Ylichtmitglieder follen nidhr nur nicht den Srieden 
micgenießen, fonbern auch fie vogelftei ertlärt werden, falls fie der Auf: 
forderung zum Deitrire feine Solge Teiften. 

Wan war aber aud) nody in Worms weit entfernt von einer voll: 
fändigen genligenden Organifation. Es fehlte vor allem eine epekutive 


Der große sheinifhr Srästebund. ss 


Gewalt und eine gemeinfame Yunbeskaffe. Viele Befchläffe fanden 
Iediglich auf dem Papier und traten bei der Burzen Seit der Bpiftens des 
Bundes nie in Rraft. ‘Wlan weiß ja, wie lange es gedauert hat, bis 
fih) auf den Tagfanungen der eidgenöffifchen (fhhroriserifchen) Bünde 
eine feßte Befchäftsordmung und ein Yunbeoftaatsrecht ausbilderen. Die 
auptfehroäche des rheinifchen Bundes war das mißtrauifche Verbältnis 
der soerren zu den Städten, das nie liberwunden wurde. 

Der Bund barte fidh eine Aufgabe geftell, die eigentlich Sache des 
Bönigse war. Sobald man den Tod des Königs Konrad IV. erfahren 
hatte, mußte ıman die Scage erwägen, wie man fid) zu Yoilhelm von 
%olland ftellen wolle. Die Seädte waren jedenfalls entfehloffen, Wilhelm 
ale Rönig anzuerkennen, und darım eben erwähnten fie ihn in ebren- 
vollfter Weife in den Wormfer DBefchläffen vom 6. Öftober 1254. 
Schon im September 1254 hatte die Stabt Worms zwei Befandee, 
Bitter Wolfram von Pfedderebeim und Moncad Dierolf, nad) Holland 
gefösicht, um von Bönig YWilbelm die Beftdeigung des Landfriedene, 
das heißt des Bundes, zu erlangen. Denn der Stadt lag an der Bpiftenz 
des Bundes befonders viel, diefer erhielt jedoch feine eiftensberechtigung 
erft durch Die Eönigliche Anerkennung. Zu gleicher Zeit begab fich auf 
Biree der Stadt Bifdyof Richard nach dem “aag, um die Bnade des 
Bönige für Worms zu erlangen. Am 13. ©Etober gewährre Bönig 
Wilbelm biefe in der damals üblichen Sorm der Privilegienbeftätigung”®). 
Die often diefer Befandtfchaft betrugen 180 Mark. 

Bönig Wilhelm flug fih am Yliederehein mit feinen Seinden 
‚herum, Doch obne Erfolg, vielmehr fant fein Anfehen. Darum wechfelre 
er den Schauplan feiner Thätigkeit, indem ihm. die ‚Derhälmiffe am 
Oberrhein günftiger zu liegen fehienen. Srantfurt, Belnhaufen, Speier, 
Worms und ®ppenbeim barten fich ihm unterworfen, und er durfte daher 
hoffen, mit Zilfe der Städte zum Ziele zu gelangen. Diefe hatten ja ein 
auprintereffe an einer flarfen Aeichegewalt, während die Sürften, 
denen der König fein Auftommen verdankte, jederzeit bereit waren, ihn 
ihrem Egoismus zu opfern. Der König erkannte mit larem Dlich die 
Tragweite, welche der rheinifche Bund für feine Sache haben Eonnte, 
deshalb fchre er fidh ihm zu näbern. satte fich dody aud) die Kirche 
günftig für den Bund ausgefprochen. 

Zum Bunde gehörte audy die Stadt Aöin, welcher ihr Ersbifchof 
Bonrad von ochftaden feindfelig gefinne war. Als der Rönig auf der 


er 21. Rapid, 





Durchreife nach Oberdeucfchland in YTeuß anfange Januar 1255 vom 
Ersbifchof die Auslieferung eines Seindes verlangte, geriet der Birchen- 
fürft in folche Wut, daß er an das “aus, in dem der König mit dem 
päpfilichen Legaten wohnte, Seuer anlegen tief. Der Papft char ihn 
deshalb in den Bann, aber Ronrad biieb in Amt und YWırden, und 
der Mönig erbielt niemals Genugtbuung für die erlittene fehwere 
Beleidigung. Die Folge diefer Zeindfehaft zwifben dem König und 
dem Ersbifhof war, daß die Stadt Röln fi um fo enger dem 
Bunde anfehloß. Die beiden Teile, die Bundesgenoffen auf der einen 
Seite und Röln auf der anderen, wechfelten darüber Briefe mit einander 
und beurfundeten gegenfeitig die Zugehörigkeit zum Bunde”). Aus 
dem Briefe der Stade Röln vom I4. Tanuar 1259") lernen wir die 
Wirglieder des Bumdeo Tennen: die Erzbifchöfe von Wainz und Köln, 
die Bifchöfe von Worms und Bafel, die Wildgrafen, G. von Limburg, 
Ulrich von Winzenberg und andere Edle, YWiainz, Worms, Speier, 
Hagenau, Straßburg, Bafel, Schletrftadt, Rolmar, Breifach, Srankfurt, 
‚Belnhaufen, Wenlar, Griedberg, Oppenheim, Bingen, Wefel, Bacharach, 
Abein-Diebach, Boppard. Gegen jedermann wollen die Rölner den am 
13. Juli 125% befehmworenen Landfrieden auftecht erhalten. Röln nimmt 
nur den Mönig Wilhelm und den Erzbifchof von Möln aus, fo lange 
nämlich diefe felbft den Landfrieden balten. Die Stadt Röln war dem 
Erzbifchof zur Hilfe verpflichtet, wenn diefer angegriffen wirde. Durch 
den Bund wollten fic) die Röfner davor fiyern, daf; fle nicht gewaltfam 
von ihrem Ersbifchof zur Rriegebilfe gegen den Rönig gepreft würden"). 

Rönig Yoilbelm reifte den Abein binauf; am Jo. Januar 1255 war 
er in Baiferewerch. Sterhin fähichre ihm die Stadt Worme Befandre 
entgegen, um feine volle Verzeihung zu erlangen. Der Rönig erfcht in 
feiner der Stadt gegebenen Urkunde Schulcheiß, Schöffen und Bürger, 
fie möchten feftes Vertrauen zu ihm begen, daß er die ihnen von feinen 
Vorfahren verlichenen Sreiheiren und Rechte nicht mindern wolle, fondern 
mehren, daß er foldhe fämtlidy umverfebet erhalten und ihnen fo viel 
Gnade erweifen wolle, daß nicht bIos die Ehriften, fondern auch die 
Juden fich freuen follten, ich feiner wohlthärigen “Serrfehaft untergeben 
zu baben!®). Am 33. Januar war Wilhelm in Wains. der gab er den 
Wormfern einen neuen Brief: Er verzeibt ihnen gänzlich, was während 
des Streite ywoifehen dem päpftlichen Stuhl und deffen Begnern durd, 
fie gegen diefen Stuhl und ihn felbft gefchehen fei, verfpricht ihnen auch, 


Der große eheinifde Sräbeebun. s4 


von anderen gleiche Verzeihung zu verfäpaffen und nimmt fle als liebe 
Gerrene in feinen Schua'®). Am felben Tage beftätige er den Bhrgern 
von Worms, beren treue “ingabe an ihn Elar zu Tage liegt, alle 
Privilegien und Sreibeiren, die ihnen feine Vorfahren verlieben hatten 
und genehmige ibre guten Gewohnheiten und Kechre‘®). 

Worms hatte bie zum Tode Ronrads IV. mit unerfehlirterlicher 
Treue der fiaufifcben Sadye angehangen und war fat allein im Rampfe 
gegen Wilhelm geftanden. Obne fie bärte diefer wahrfiheinlich fdon 
längft die allgemeine Anerkennung am Abein erlangt. Gegen die Rache 
des Pfaffentönigs wollten fidh die Btieger von Worms ficyern. Wilhelm 
war aber viel zu Elug umd milde, ale daß er etwas Böfes gegen fie 
bäete unternehmen wollen; für ihn war es fdyon ein großer Vorteil, 
wenn ihm Worms, das in vorbergegangenen Zeiten fo oft der Sig der 
Beicheregierung gewefen war, die Tbore öffnete. Llach Yoorme hatte 
Rönig Wilhelm, wahrfeheinlid fdyon vor dem Antritt feiner Keife, 
einen Beicherag ausgefcheieben. Am 4. gebruar zog er in Worms ein 
und empfing von den Biirgern die Zulbigung. Jier Bamen nun der 
Erzbifchof von Wains, der Bifdhof von Worms, die beiden Wildgrafen, 
Graf Adolf von Walde, der Rat und Derrraure des Aönige, Arnod 
von Dieft, Wirih von Daun, Wilhelm, Vogt von Aachen, und viele 
Grafen, Edle und Wiinifterialen, fodann die Boten aller Bundesftdre 
‚von Bafel theinabtoäcte zufammen. Die Derfammlung war ein Reicherag, 
nicht etwwa bIoe ein Bundesrag"‘®), und es war ein ganz außerordentliche 
Kxeignis, daß zu Diefem Reichstage aud) die Sehdte sugesogen wurden!%), 
von denen fie bis ent ausgefcyloffen gewefen waren. An diefem Tage 
in Worme wurde nochmals der Bandfrieden befehworen in Gegenwart 
des Rönigs. Aber den Bund erfannte der Mönig nicht an, er fprach 
vielmebe von ihm nur ale von einer Jdre, als etwas Proviforifchem. 
Er ließ deobalb den Bund von neuem befehwören und trat an deffen 
Spige. Yrady der Aeichsverfaffung galt ein ohne Genehmigung des 
Rönigs und der Sürften geftifteter Bund für unzuläffig und frafiwürdig. 
rt nadydem ihn der Rönig legitimiert bar, wird er zu einer Reiche: 
inftiturion. Dadurch) ordnete der Mönig das fäderarive Flement wieder 
der Reicheverfaffung ein, und der Bund diente ihm nur ale ein Mirrel, 
‚um den Srieben beffer wahren zu Eönnen. Banz im Sinne der Stifter des 
Bundes war eo fodann, daß der Rönig am 6. Sebrwar durdy die Reiche: 
verfammlung zwei Rechtofprüche verkünden Ließ""®); der eine bezog hd sur 


5. Ben, Di AnturWr ltüden da. 


E77} 21. Bapiel, 


die Wiängverfihlechrerung, und es wurde befkimmt, daß alle umechten und 
gefälfähten Winzen fortan ungileig fein und die Sälfher beftcaft werden 
follten. Viel wichriger noch war der andere Spruch: daß die verabfeheuunge 
wirdige Bewohnbeit, wonach die Uferbewsobner jich die Gliter der Schiff: 
brüichigen aneignen, gänzlich aufsubören babe. Damals und noch lange Zeit, 
nidyt nur in Deurfehland, fondern au) in den meiften anderen Ländern, 
wurde das graufame Bewohnbeitsredht des Strandraubes (Brundrubr) aus- 
gelbt, ein Ylachklang altbarbarifcper Siere und Rechtsanfihamung, wonach 
der Srembe vechtlos und fein Gut den sEinbeimifchen als gute Beure verfallen 
war. Strandete ein Schiff an fremdem Ufer oder fkürste ein Wagen auf” 
einer Blicke oder Strafe um, fo wurde das But vom Berichtaheren weg« 
‚genommen. Berade deahalb hatten die „erren ein Tintereffe daran, daß die 
RLandftrafien in möglichft fehlechtem Zuftande erhalten blieben. Die Städte 
aber als die Träger einer höheren Rulnır bekimpften diefeo barbarifche 
Recht und errangen auch mit Zilfe der Rönige allm&blicy den Sieg'”). 

Bis zum 9. Sebruar blieb König Wilhelm in Worme, dann ging 
er nach Speier, wo er bie zum 25. Sebruar verweilte. Die theinifchen 
Riöfter liefen fi) bier und in Worme ihre Privilegien beftärigen, fo 
auch am 24. Sebruar das Mlofter der Reuerinnen in Worme''”). Die Zahl 
der Süxften, welche den of befüchten, mehete fidh. YDilhelm befürchte 
von Speier aus die Neicheburg Trifels, wo die Reicheinfignien durch 
Bönig Monrad IV, der Obhur Philippe von Salkenftein anvertraut 
worden waren. Diefe nahm er in Empfang, und boffnungefrob gab er 
von diefem Ereignis feinem Vizekanzler Vracheicht. Er habe in Ober: 
deuefchland eine fehr günftige Stimmung getroffen, alle frenten füch über 
feinen Anblick, woie eine Wiurter fic freut Über ihr torgeglaubtes Rind; 
die Burg Trifels mit den Baiferlichen Sieden, den Aeichebeiligeimern, 
der Lanze und Arone fei nunmehr in feinem Beflze, 

Am Jo. März war er in Zayenau. An diefem Tage beftätigee er 
den von Jürften, Grafen, (Edlen und den Boten der Städte von Bafel 
abtodrte in feiner Begenwart neulich zu Worms befhtworenen allgemeinen 
Srieden, gebot, daß niemand ihn Übertrete, und verordnete, daß, wenn 
fie doch jemand deffen unterfange, derfelbe von den Bürgern und 
anderen Sriebensverbündeten mit feinem und des TJuftitiars Rat und 
Villen follte gerichter werden"®). Der Aönig machte jid) alfo demgemäß 
zum Garanten des Bundes, dem er jedoch die Berichtsgewalt nahm, 
Inden diefelbe allein ihm geblihrte. {Er felbft oder fein Tufticiar follten 


Der große eheinifehe Gräbtebund. 547 


tichten, der Bund aber-den Ueteilsfprud, ausführen. Das Amt eines 
öniglichen Tuftitiare war in Deurfchland durch das Mainzer Land- 
friedensgefen vom Tabre 1235 von aifer riedrich II. gefchaffen 
worden, um den Zandfriedben zu wahren. . Allein nur für zwei Jahre 
ift der Juftitiar nachweisbar, dann feheint das Amt wieder erlofihen zu 
fein. Indem die Brümder des Bundes fidy auf den Boden des Land 
friedensgefeges ftellten, wurde aud) der Mönig bewogen, die dorr 
gefehaffene Tnftirurion eines Reicherichters wieder aufleben zu laffen. 
Aber er gab diefen Amte eine weitere Bebenung. DBenor Wilhelm die 
oberrheinifchen Lande verließ, wwaf er am 25. März zu Wenlar Der: 
fügungen Über die Reicysregierung während feiner Abwefenbeit. Allen 
Reidjegerreuen und fodann in einer befonderen Urkunde den einzelnen 
ftändifchen Gruppen machte er befannt, daß der Rönig, weil er niche 
überall perföntich fein nme, den Brafen Adolf von Waldeck, feinen 
lieben Diener und Getreuen, zu feinem unb des Reiche Juflitiar 
verordner habe und verfprach, jede unter deffen eigenem Siegel ein: 
gegangene Verbindlichkeit zu genehmigen, bis er fie felbft befiegele haben 
wolirde. Ar beflehlt, dem Tufiiar su geborchen und ihm Wannfchaft 
und Treueid zu leiften, bie er perfönlich zu ibmen ommen werde‘). 
Somit ift der Jufticiar nicht mehr bloß der Softichter Iaur dem Befene 
‚Seiedriche I1., fondern geroiffermaßen der Reichsvitar oder Visefönig. 
Er foll für die Bewahrung des Friedens Sorge tragen, das beißt nichee 
‚anderes, als die Reicheregierung führen. So tritt denn Graf Adolf 
von Walde? forvohl als Zofeidhter auf, als auch als Reicheregen"). 
Zugleich) hat der Reichejuftitier die Pflicht, das Reichegur zu wahren 
und zu verwalten. Denn wenn Wilhelm im Anfange feiner Regierung 
d09 Reichegut verfchleubert batte wie feine Vorgänger, fo dachte er 
darliber feit I25$ anders, Verpfändung des Reichegures Bommt jent 
feltener vor, und die bereite verpfänderen Städte Scankfurt und Oppenheim 
werden wieder zu Zänden des Reiche genommen, und den Städten wird 
die fehriftliche Verficherung des Mönigs gegeben, daß fie dem Reiche 
nicht mebr entäußerr werden dlrften. Denn auf die Seädte ftünte fich 
fent der Rönig. Sie fpielte er gegenüber dem Uebergerwicht der frudalen 
Berwalten aus, und er bevorzugte die Flemente, welche unmittelbar der 
Reichegewalt unterftanden: die Städte und das Reidyegur. der war 
ein Boden, auf dem nochmals die Keichegewalt bärte refonfiruiert 
werden Binnen, wenn nicht Wilhelm allzu rafdy hinweggeforben wäre. 
er 


ss 21. Bapitel. 


Der Bimd dehnte fi) im Laufe des Jahres 1255 gemalkig aus; 
eine große Anzahl meift weftfätifcher Städte twar ihm bei: am 29. Juni 
der mächtige Pfalsgraf bei Abein und Jerzog von Bayern, dann 
Lübeet, Samburg, Stade, Wlrzburg, Yrnberg, Regensburg und der 
Bifepof von YOlrzburg ıc. Somit war der Bund Bein rheinifcher mebr, 
fondern batte die Tendenz, das ganze Heich zu umfaffen. Vielleicht 
wäre eine Verfcmelgung der föderativen Flemente des Reiche mit der 
monarchifehen Reichegerwalt möglich gewefen, und die Zukunft Deurfeh- 
lade bätte fich alodann günftiger geftalten Eörmen. Allein Diefe Wöglickeir 
zerfällt doch wiederum beim näheren Zufehen in ihr Yliches. Denn die 
farke Ausbreitung des Zundeo bedeurere faktifch Beine Stärkung deofelben, 
vielmehr eine Schwächung, da er in fic) ganz unvereinbase Klemente 
enthielt. YIord und Süd fließen fi ab, und die Tinrereffen und 
Anfdyauungen der Städte und Sürften gingen diametral auseinander. 
Schon längft batte es gegäbre, als im Sommer 1255 der Ronflike 
Ioebrach. Tent trat der Tuftitiar in feine Sunktion ein. Graf Adolf 
von Walde? erfdyien am 29. Tuni auf dem Bundestag zu Wiainz ale 
Vermittler. Zwar den Srieden brachte er midhe zu flande, wohl aber 
einen Stillftand, der bis zum II. Ylovember dauern follte. Der Sriede 
felbft follte durch Vermitrelung des Mönige, deffen Gegenwart man 
erwartete, mit Jainzugiebung einer Gedhjebnertommifllon, deren eine 
Jadlfee der Mönig aus den erren zu wäblen, die andere die Städte zu 
ernennen hatten, bergeftellt werden. Am 30. Juni führieben die Ratemannen 
und Richter von mehr ale 70 Städten des oberen Deutfchlands dem Rönig 
Wilhelm, daß auf ibrem geftern abgehaltenen Tag unter Vermitrelung 
des Reichsjuftitiare Friede und Stillftand aller Briege und Seindfeligkeiten 
gemacht worden fei, weebalb fie den Mönig biren und ihm. rieten, 
diefen glücklich) begonnenen Landfrieden zu beftätigen“"'). Vornehmlich die 
‚oberrheinifhen Scädre firebten eine engere Verbindung mit dem Rönig 
an. Die am 29. Juni zu ainz befehloffenen Artikel wurden am II. Juli 
auf einem Städterag zu Bingen, der unter dem Vorfige dee Erzbifchofe 
von Mainz flatefand, nochmals angenommen"). Denn offenbar war biefer 
geiftliche &err auf die Bewalt des Juftitiars eiferfüchtig. Die Bundes 
genoffen befriedigten alfo die Fitelkeit des Erzbifchofs, indem fle feiner 
Dermiteelung den Vergleich zwifchen den “Yerren und Städten sufchrieben. 

Diefe Artikel‘) eröffnen uns nun einen ciefen Minbli® in die 
swoifhen den Städten und “ersen fhroebenden Begenfäne. Es handelte 


Der große eheaffde Sratebuns, 549 


fi bauptfächlid) um die Frage, ob die deurfchen Städte wie die 
ialienifähen ich ein Territorium, Land und Leute, außerhalb ihrer 
Stadrmauern erwerben dirften, wodurdy fie zu Landesberrfchaften 
‚geworden wären, oder ob fie auf ihren Wlauerring befchränkt bleiben 
follten und das plate Land ihrem Wiachtbereich entzogen werden volırde. 

Der erfte Arcitel beftimmt, daß die “erren Beine ungerechten Abgaben, 
Beben und Zinfe von den Biitern der Birchen und der Dihrger erpreffen, 
fondern nur das verlangen diirften, was durch Weissum der Schöffen: 
und “ubergerichte ihnen zugefprochen wiirde. Unter diefen Gfitern der 
Bürger find die Beflgungen zu verftehen, welche fie in den Berichte: 
besirten der Territorialberren befaßen, und die fie möglichft dem KBinfluffe 
derfelben zu entziehen füchten. Yegen foldyer auswärtiger Befizungen 
war die Dlrgerfebaft von Yoorme mieberbolt in Sehde mit dem 
benachbarten Adel geraten. 

Der zweite Artitel betrifft die bäuerliche Bevstkerung. Schon Iaut 
den Wormfer Artikeln hatten die Städte die eventuelle Aufnahme der 
Bauern ins Auge gefaßt. Das war inzwoifden zum großen Verdruß 
der s„serren gefcheben. ent wird Daher beftimme, daß die Seren die 
Bauern deshalb nicht bedrücten dhrften, diefe aber den Serren die Dienfte 
zu leiften bätten, welche feit vierzig bis fünfiig Tabren berfömmlich 
gerwefen wären. 

Der wicheigfte Punkt des Vergleichen ift aber der Artikel, welcher 
ich auf das Pfahlblirgerrum bezieht. Pfablbürger nannte man urfprünglidy 
foldye Bauern, die, um den Schug der Stadt zu genießen, fidh innerhalb 
der Pfähle, welche die Stadrgemarkung nach außen abfdyloß, niedergelaffen 
hatten“). Diefe Bauern erhielten, fofeen fie nicht nadı Jahr und Tag 
von ihren „erren angefprochen wurden, das Zhrgerrecht. Es Bam dann 
vor, dafı ganze Dotfgemeinden, Mlöfter, Ebelleure in das Blrgerredhe 
fich aufnehmen ließen. Der eigentliche technifche Begriff des Pfabl- 
bürgerrums begreift folche Wiitblirger einer Stadt, die in fremden Berichte 
besirßen wohnten. Die Serven fühlten fi, fdyon durch den Zug ihrer Körigen 
in die Stadt ftart beunrubigt; verloren fle doch ohnehin im I3. Jabrbundere 
die volle Diepofition über ihre sofleure. Dem Bauer winkse die Sreibeit; 
indem er fid) zur WOohlhabenheit emporfchwang, war ihm die Möglichkeit 
geboten, das “örigkeitsverhälrmis mit dem des freien Pächters zu ver: 
taufchen"“"“). Und nun geiff die Stadt immer weiter um fidh und machte das 
platte Land zuerft vwircfähaftlich, dann policifdy von fid abhängig, 


sso 21. Rapid 


wodurch die Brundherren in ihrem Lebenenern verlegt wurden. . Schon 
zur Zeit Sriedriche I, harte das Pfahlbürgertum die böchfte Bewalt 
befehlfrige. Die Sürften hatten fodann von Seinrih VII. und 
‚Setedrich II. die Abfchaffung diefes Wipbrauches gefordere und erlangt. 
Vrocmals wurde das Pfahlblirgerrum durch das Keichelandfriedensgefen 
vom Jahre 1235 verboten, und der Arcikel 14 des Wormfer Abfchiedes 
vom 6. Oktober 125% hatte Das Verbor erneuert. Aber die Bewegung 
ließ fih) nicht hemmen. Yun mußten die “ercen wenigftene fo viel 
‚nachgeben, daß fe die Binwanderung der Bauern in die Stadr geflatteten, 
aber nur unter der Bedingung, daf diefe Bauern alsdann auch in der 
Stadt wohnen mußten; von der Stadt aus follten fie ihren of auf 
dem Lande bebauen. Es wurde ihnen erlaubt, zur Beir der Ernee und 
Weinlefe vom-S. Wiargarechentage (12. Juli) bie zum S. Zorenztage 
(10. Augufi) und drei Wochen lang” nad) dem &. Wloristage 
(22. September) fame ihren Srauen auf die auswärtigen Büter zu 
geben, um die Bente zu beauflicheigen. jedoch dürfen ihre “fufer in 
der Stade während diefer Zeit nicht gefchloffen werden, fondern fie 
müffen offen bleiben wie bewohnte ZAufer, und das “Gerdfeuer darf nicht 
erlöfchen; audy ein ausreichendes Sausgefinde muß zuchc®bleiben. Sind 
Die Landberwohner Wigenleure, fo follen fie, wenn fie in die Stadt 
sieben, auf Aufforderung ihrer «erren denfelben volle Benugehuung 
leiften gemäß den Gewobnbeiten, die barliber befichen. Ausdrhcklich 
wird auf dem Bundestage zu Wains am 29. Juni nochmals die Auf 
hebung des Pfablbürgertums gefordert. Diefer Abfcyied enhälr außerdem 
Beftimmungen über den YOucher. Den Chriften war ja durch das 
anonifdye Recht das Zinsnebmen verboten, und die Uebertrerung diefes 
Verbote wurde mit dem Banne bedroht. Jene follten aud) die Juden 
nicht mebr Zins nehmen dürfen als zwei Pfennige vom Pfund auf 
die YWoche, gleichviel ob vom £ölnifcen, ballifdyen oder Straßburger 
Pfund, alfo circa 43/4% jÄbrlicd. Ale Jahreszins darf der Tube 
+ Unzen vom Pfunde gleich ungefähr 334% nehmen. Doch fon 
auf dem folgenden Bundestag am I5. Auguft in Worms wurde bie 
Beftimmung über den VWucher verfchärft. An diefem Tage faßre man 
den wichtigen Befdyluß, daß in fAmtlichen Bundeoftäbten jeder, der ein 
Vermögen von 5 Pfund oder mehr bat, jäbrlicy am Sonntag Tnvocavir 
einen Pfennig (Ya%) geben fol. Ein Ausfehuß von vier zu diefem 
Bweche gewählten Männern foll in den einzelnen Städten das Gelb 


Der große eheinifche Sräbrebums, ssı 


fammeln und davon ein Zaus dee eiedene bauen. Diefes Haus des 
Seiedens wird mit Recht ale ein Armenhaus angefehen und die Steuer 
als‘ eine zu Bunften der Armen auf die Reichen gelegee Ropffteuer. 

Der Bund verfolgte alfo fostalpolitifäye Ziele, deren Grundprinzip 
die Sürforge für die weirefihaftlich Schwachen war. Denn das Befpenft 
der Armut tauchte damals in den rafch anmwachfenden Städten zum 
Schrecten der Obrigteiten auf, eben die Bebrfeite der immer mächtiger 
werdenden Belbwirtfehaft. Wlan kann Die Zivecmäßigkeit der Wiafregeln, 
welche der Bund ergriff, um die Begenfäge zu befeitigen, bezweifeln, allein 
deffenungeachter wird man die WDeirfichtigteit einer folchen Policik, zu 
einer Zeit, wo der Starke gewohnt war, den Schwachen rifichrelos 
auezubeuten, bewundern müffen. In der Jolge haben dann die Städte 
auf dem Gebiete der Öffentlichen WOohlfährtepflege großartiges geleifter""). 

in neuer Dundesrag war auf den 29. September nach Straßburg 
ausgefehrieben worden, der fedod) nicht ftarrfinden Ponte, denn die zu 
dem Tage teifenden Städreboten Wolfram von Pfeddersheim, Ritter, und 
Geineic, Wicyeri von Worms und Arnold der Rämmerer und Sriederich 
der Schultheiß von Wang wurden von dem Grafen iEmich ‘von 
Zeiningen in der Llacht des 28. September aufgehoben und gefangen 
auf das Schloß Lande? gefüiher. Doc) fchon nad) zehn Tagen mußre 
er fie wieder freigeben und fi) mit den Bunbesftädten vertragen. 

Der nad) Straßburg angefezte Tag murde mun auf den 
34. Ofrober nad) Worms verlegt. YWlan befchloß bier, jährlich vier 
Städrerage zu halten, nämlich auf Epipbanias in Röln, auf die Öftave 
nach Oftern in Wainz, auf Peter und Paul in Worms und auf Mlariae 
Beburr in Straßburg. Mönig Yoilhelm brady Mite Oktober von 
Zhlpich auf und z0g den Abein hinauf nad Oppenheim, wo am 
30. Klovember wiederum ein Bundestag ftarrfand. Die Refilrare biefes 
Tages find uns einmal durch den Abfchied und fodann genauer durch 
eine Urkunde des Mönige""‘) beannt. Der Rönig beftstigte mit Dank 
gegen Bott den Landfrieen und verordnete mir imilligung ber 
dlen und Städte, fowie mit feines Yates Zuftimmung folgendes: Die 
Zandeoberren follen das Hecht Ihrer Gerichte gebrauchen und fiberall 
ihr Recht erlangen. Von den Leuten in ihren Gerichten dürfen fie 
nur foldye Dienfte fordern, welche diefe und deren Vorfahren feit 30, 
40 und 50 Tabren zu leiften gewohnt waren. Alle Rirchen, Städte 
and Wiebe follen fld) ihrer herkömmlichen Sreibeiten, Rechte und 


ss” 21. Bapin, 


Ehren erfreuen. Edle und Landesberren, die fid durch die Geädte 
verlegt glauben, diirfen deshalb Beinen Bürger fangen oder pfänden, 
fondern fie follen ihr Recht vor dem Mönig oder dem “ofrichter, dem 
Grafen Adolf von Walde‘, oder vor den Schulcheißen in Boppard, 
‚Seankfure, Oppenheim, Zagenau oder Bolmar fücyen. $Ebenfo follen 
die Sehdte und Märkte ihr Neche vor Bericht gegen Befchädiger 
füchen. Yenn indes aus Ylachläffigteit dee Richters Bein Recht erlangt 
werden Bann, dann dlirfen die Zdlen und Städte gemeinfam gegen den 
Sriedbrecher ziehen. 

Vlady den früheren Abmadyungen follte der Aönig den definitiven 
Frieden swoifchen “erten und Städten berftellen. n feiner Urkunde 
erwähnt er der Streitigkeiten und des Stillftandes garnicht. Er füchte 
zwoifehen beiden Parteien eine vermitteinde Stellung einzunehmen. Aber 
badurdy wurde der Duell der Wißbelligkeiten nicht verftopft. Der 
Mönig war auch beim beften Willen nicht in der Lage, diefe Begenfäne, 
die zuweilen mit elementarer Wucht aufeinander ftießen, zu befeirigen 
ober auch nur darniederzubalten. Sr begnügee fi vielmehr damit, 
durch nichrefagende Nedensarten eine Mluft zu überbrücken, welche 
zugumerfen man nicht Braft noch Mittel hatte‘): Die fo fehmer: 
wiegende Srage wegen des Pfahlbürgerrums u. f. m. berührte der König 
mit feinem Wort, benn eo ift gewiß ein Treeum, wenn die WDormfer 
Annalen behaupten, der König habe auf dem Tage zu Oppenheim in 
Gegenwart der Sürften das Pfahlbiirgerrum abgefchafft. 

Der Rönig füchte feinen Einfluß auf den Bund zu ftärten. Die 
Serbfibilfe wurde von neuem verboten und dem Mönig oder feinen 
Beamten allein die Berichtebarkeit fiber Aecpreverlegungen Üüberrragen. 
Wer fi diefer Gerichtsbarkeit nicht unterordnen weill, gegen den foll 
die Bunbesepefurion angensandt werben. Der Bundesabfihieb des 
Oppenbeimer Tages erflder, daß der Rönig die zu Worms befchloffene 
Zinridrung der vier Bunbesrage anerkannt habe. Die füyon frlber 
garantierte Unverleglichleit der zu den Wunbestagen reifenden Boten 
wird aufs neue zu fichern geht. Ohne allen Auffcyub und mir der 
ganzen Bundesmacht foll gegen die, welche fih an folden Zorn 
vergreifen, oder gegen die Bundesmirglieber, welche foldhem Verbredyen 
Vorfeyub leiften, mit den härteften Strafen vorgegangen werben. 

Am 6. Januar 1256 wurde das erfie der zu Worms und Oppenheim 
befchloffenen viereeljäbelidyen Bolloquia in Aötn abgehalten. dier erhielt 


Der große eheinifähe Srabeebund. 553 


die rekurionsordnung des Bundes eine nähere Beftimmung. Wenn einer 
Stadt Unrecht gefcbiebt, fo foll fie es sundchft felbft rächen; Bar fle das 
nicht, fo follen ihr die näcyften Flachbarn zu Gilfe eilen; reicht aud) ihre 
Mache nicht aus, fo write der Bund für das beleidigre Wirglied ein. 

Der Rönig verließ nady dem Oppenbeimer Tag die oberen Lande 
wieder, um in feine Zeimar zuriichsuehren. Seine Bemablin verrraute 
er der Obhut des Brafen von Walded® an. Als beide im Dezember 1255 
nach der Burg Trifels reifen wollten, wurden fie auf der Landftraße bei 
Edesbeim unweit Landau vom Ritter Zermann von Rierberg gefangen 
‚genommen und auf deffen Schloß gefchleppr, aber bald wieder freigelaffen. 
Trogdem rlifteren die Wormfer, um diefen Sriebenebruch zu rächen; fie 
zogen aus, und zu YWfurterfiade, wo fie ibr erfies Ylachelager hatten, 
ftießen die zur Erekution aufgebotenen Verbhinderen, Braf Seiedrich von 
Beiningen und andere Yerren zu ihnen und rhekten vor Rietberg. Dazu 
Tamen noch die von Mainz und Oppenheim. Solcher Mebermacht war der 
Straßenräuber nicht gewachfen; er ergab fi) und wurde am 4. Dezember 
nad Worms gefüber. +ier mußte er fehwoören, bis zum Austrage feiner 
Sache zu bleiben. Die Rönigin blieb bis zum Tode ihres Bemabls, der 
am 28. Tjanuar I256 im Rampfe gegen die Sriefen erfchlagen wurde, 
in den oberen Landen, dann reifte fie von Spiegelberg nach “olland. 

König Wilhelm hatte mehr als ein anderer deurfcher Fücft Verftändnis 
für das fiädtifche Leben, das fich gerade in den niedereheinifcyen Gegenden, 
in Slandern und Brabant fo reich und fdöpferifd entwicele. Sein 
Tod war daher ein großes Ungläc® für Deutfehland, ja geradesu 
verhängnisvoll, denn dadurch wurden. verbeifungevolle Reime: erftict. 
Der verftändige zeitgenöflifche Befchichtefchreiber Hermann von Altaich 
bat das drohende Unbeil erfannc: Alles, fagt er, Eehrte nach dem Tode 
des Könige wieder in den früberen fehlimmen Zuftand zurück. 

Sobald man am Abeine den Tod des Könige erfahren hatte, wurde 
nad) Wiainz eine außerordentliche Bundesverfammlung einberufen, Die 
vom I2. bis zum 7. Wärz tagte. Wan empfand bier die ganze Schwere 
der Zeit und gab diefem Gefühl Ausdruc. Zum Lobe und Rubme 
Chrifti, der da ift die Duelle alles Sriedens und YWenfihenbeils, zu 
Ehren der heiligen römifihen Rirdye, weldye Beredtigkeit und Srieden 
banbhabt, aus Sbrerbierung gegen das eich, deilen Bericht die 
Unverbefferlichen auf den Yoeg des Hechre zurüchführt, und zum 
Yoohle der Armen und der ganzen Chriftenheit, die nad) der Ruhe des 


1. Ban, Di Baon vr een a 





ss+ AI. Bopine. 


Seiedens dirften, geloben die Bürger von Wiain, Worms, Speier, 
Straßburg, Srankfurt, Boppard, Aöln, Aachen, Wänfter, Soeft und der 
‚anderen Bundesftidre, den befehmworenen Srieden unverbrüchlich zu balten. 
Die Bundesgenoffen werden zum Auffeben gemahnt, fie follen fich su Roß 
und zu Zuß mit allen Rräften rüften und Sölöner anwerben, um jederzeit 
gegen Die Seiedenebrecher bereit zu fein. an verfpricht fich, die Statuten 
der früheren Tage gerreutich su halten, und die Wormfer Arrifel werden aufs 
neue eingefchärft, alfo Beberfehung der Slußhbergänge durch die Städte, 
Ausfcyliepung der Yichrmirglieder vom Sriedenofdhune, völliger Abbruch 
des Dertehre mit Yundesfeinden, endlic) die Beftimmung, daß jedermann 
bei feinen alten Rechten bleiben folle. “auprfächlich nahm man aber 
Stellung zu den Angelegenheiten des Reichs. Weil das Reich erledige und 
berrenlos ift, fo wollen die Städte während der Datans alle Reichgirer 
mir ganzer Araft wie ihre eigenen fehlten. Sie fehichen nach einen in 
geordneter Sigung gefaßten Befchluffe Befandre zu den Wablfürften, 
diefelben infndig zu birren, Daß fe zum “eile des Varerlandes eine einmürige 
Wahl treffen mögen. gälle die Wahl dennoch zwiefpälcig aus, fo-wollen fie 
feinem der Bewählten huldigen, ihm Peinerlei Yülfe Durch Darlehen oder 
fonftige Dienfte zu teil werden Laffen. Welche Stadt fi) biergegen vergeht, 
die foll als meineidig, ebrlos und friedbrüchig gelten und gegen fie, gleich, 
ale habe fie den Srieden gebrochen, mir allen Bräften eingefihritten 
werden. Das fol fo lange gebalten werden, bis ein recht und einmlrig, 
gewählter Rönig vorbanden it, dem wollen fie alsdann auf das freubigfte 
geborchen und ihm den Eid der Treue und alle fuldigen Dienfte Teiften. 

Die Städte, denn diefe find es, welche auf den Yundestagen das 
große Wort führen, enmwicfelten in der Srage der Rönigswabl eine 
außerordentliche Energie. Auf dem Tage zu Mainz am 26. Wat befchliefen 
fie zu dem auf den 23. Juni nad) Srankfuer auegefchriebenen Wahltage 
ibre Boren zu fehicten und dort im Tintereffe dee Friedens, das beißt, zu 
einer einmätigen und dem Bunde günftigen Aönigewahl mitzuwirken. 
Zugleidy fagen fie auf den I. Juli einen Zug gegen die Sriedensftörer an. 

Doch die Lage wurde von Tag zu Tag verworrener. Durch 
den Tod Wilhelms war der Thron erledigt. lach dem Erbrecht 
hätte er dem Sohn Roncads IV., Roncadin, gehört, deffen Dormund 
»ersog Ludwig von Bayern war. An ihn dachten audy mande 
deutfchen Sürften, aber fie fanden beim Papfte den entfchloffenften 
Widerftand. Die päpftliche Partei, namentlich der mächtige Ersbifchof 


Der große sheinifipe Sräbrebuns. ss 


von Röln, Konrad, traten für Richard ein, den Sohn des Könige 
Tobannes von England und Schwager Sriedriche II. England 
fparte Eein Beld zur DBeftechung der deurfchen Wablfürjten. Anderer- 
feito machte Alfone, Rönig von Spanien, Enkel Rönig Philippe des 
Scaufers, Anfprüche auf das ftaufifche Erbe. Auch er hate in 
Deurfchland Anhänger. inige norddeutfhe. Sürften feylugen den 
Wartgrafen Otto von Brandenburg vor. Diefe verfammelten fi am 
5. Auguft zu Wolmieftedt und befehloffen, ich der Städte zur Durch: 
fenung ihres Wahlvorfehlages zu bedienen. Am genannten Tage fehrieben 
Gerz0g Albert von Sachfen, Warfgraf Johannes von Brandenburg und 
Gerzog Albert von Braunfchweig an die verbündeten Städte, indem fie 
ihnen für‘die gegebene Anregung zu einer einmitigen Wahl danken und 
ühnen anzeigen, Daß fie Beinen gerigneteren Kandidaten finden Eönnten, als 
den Warkgrafen Otto. Auch diefer dankte ihnen im gleichen Sinne und 
erfläcte, daß er auf die an ihn ergangene Aufforderung von Beiftlichen 
und Weltlichen Leib und Leben, Sab umd alles für die Königliche Wärde 
zu opfern bereit fei und fordere die Seädte auf, zu dem Tag in Srankfüre 
am 8. September mit ftartem Gefolge zu Tommen, damit fie einen erwa 
auebrechenden Tumule ftillen Eönncen, zu Bunften des Teile, dem Untecht 
gefchäbe""‘). Alfo wurden die Städte nicht enva nach Frankfurt eingeladen, 
um an der Wahl felbft teilzunehmen, das wäre ja ganz ungefenlich 
gewefen, fondern fie follten Tediglid durch ihre milirdeifche Mraft die 
Wahl Orros fihern. Wäre diefer Wahltag zu ftande gefommen, fo 
hätten unter Umftänden die Seädre den Ausfchlag gegeben. 

Diefe Briefe wurden am Bundestage zu Würzburg am I5, Auguft 
vorgelefen. Wan befchloß, an der Gorderung einer einmicigen Wahl 
feftsubatten und den Wabltag zu Srankfüre zu befehicten. Und neben 
der Auferen Politit wurde die innere Drganifarion des Bundes nicht 
vernachläffige. Der Yölrzburger Abfchied ruft frühere Befehlbffe woieder 
ins Gedächmis zurhch, und andere Beftimmungen wurden gerroffen, fo 
unter anderen über den Ankauf geraubten Gutes. Dasfelbe fol in 
jedem Salle dem Befbädigen vom Aäufer obne Erfag zurhckgegeben 
werben. Wer nicht den id leiften Bann, daf er es in gucen Treuen 
getauft babe, foll beftzaft werden. Ylady dem Beifpiel der niederen 
Städte wird eine neue Armenfteuer eingeflber. Wer fiber 5 Mark beflzt, 
zahle davon jährlich) am Sonntag Lärare einen Pfennig. Die dazu 
verordneren vier Männer fammeln das Beld in jeder Stadt ein und 


ss 21. Bapin. 


verteilen eo unter die Dedlirftigen. Das foll man tbun zur !hre Bortes, 
damit man über den iedifchen Gütern die himmlifchen nicht verliere. 

Weitere Befcpläffe des Bundes liegen ume nicht vor, obfchon er 
fortdauerte, ja, um Diefe Zeit neuen Zumache erhielt. Doch es fehlte 
dem Bunde eine zentrale Bebörde; der provinziale Beift, welcher die 
nächften Jahrhunderte der deutfchen Gefchichte beberrfcht, wurde aud) 
in ihm übermächtig und feiner Briftenz törlich. Arte der Bund fich 
nur auf Die Abeinlande befhräntr, fo volırde er vieleicht im Jahre 1256 
mehr erreicht haben. $Eo Elinge wie eine Reminiszenz an ihn, wenn 
nach mebr als hundert Jahren die Alten und VDeifen von Strafburg 
davor warnten, daß die rheinifdyen Städte einen Bund über den Abein 
machen follten!“). Wenn nun aud) diefer große Bund vom Jahre 1254 
feblieplic an den hoben Zielen feiner Äußeren und inneren Polirif 
gefcheitert it, umfonft bat er midhr epiftiert. Durch ihn hat fic) die 
Stellung der Städte mächtig gehoben, und alle Verfucye ihrer Seinde, 
fie gewaltfam su unterdrücken, Eonnten feitdbem nur geringe Ausficht auf” 
Erfolg haben. 





Anmerkungen. 


Krfter Band. 


1. Zapitel, Val. den oritntierenden Auffag von 3. Schumadher, Ucher ben Stand und die 
Aufgaben Ser prähiforifiben Yorfähung am Oberrhein und befonbers In Baden In ben. 
Yeuen Seibelberger Jahebächern, I, 1892, p-93 . Jerner 3.0on Puh, Die Bemugung 
der Alpenpäffe im Altertum, cbenbafelbf p. 55 f. ie einflägige Lieranue ift 
von mir benugt worden; aber cs hanbelt fh bier ja Tebigli um eine Geige. 

1 Dubn l.c.p 02. 

3 Schumader 1 c. p. 1. 

® Wilhelmi, Befchreibung der 14 altbeunfehen Totenhügel bei Sinsheim. Selbelberg 1820: 
Shumader 1.c.p- 132 

MR. Mültenhof, Deurfihe Alterrumofunde, IE und IL 

5 Mülenboff 1. c. TIL, p. 104 fi, 194 

6 iMommen, Mömifdie Befeichee, V. Mrnolb, Deutfihe Urzeit. Ueber den Limes fiehe 
die yahleeichen Arbeiten in der Weieufßen Zeitf@eife und Im Limeoblatt, in ben 
Venen Seidelberger Jahebüibern ıc. 


2, Bapitel. 
Gübner, Römifcde Gerefchaft in Wefleuropa 1890. 

® Bodt, Der Abe. Aeosp Il. 2 Danke 

9 Sonfell, Der Aheinftrom. Berlin 1850. Sol. it Barten. Lepfius, Die oberrheinifde 
Tieehene unb ihr Manbgebiege. Srurgart 1886. 

10 GichedieMierifihe Macte von Zofler Im Acht €.bei Onfhltr, W. SL. € Ron, 
Yieue yrabißorifie Sunde aus Worms und Umgebung. Worms 1000. 

A Gich Jet Bonner Jahrbücher 1806, Saft 0. 

12 C9. Dergt, Die Verfaflung von Mainz in eömif£her Jet, in er Wefbeutfcen Seit 
(&riftI, 9.408 f ucber Den Vic frbe Gchulten im Phtologus 59, 1004 p- 629 f 

38 Sic Si ei 3. Sep, Vesfalungsgefäihte von Malz p. 4, Anm. 4 angefähere 
Aieraner. 

u Unter andern abgebilder biJ. Jung, Keben und Gen Ber Nömer In Ber Aafegct. 
Keivsg und Prag, TI, 189 9. 0. 

15 Weber die Auelegung bie Yoorte ehe Dergt 1. c.D- 800, Anm. 1. 

19 Zangemeidere Auffap in ber Wefbeurfien Jnfheift, ZI, p- 207 

it Jangeneißee in den geibelberger Jahebäden, I, p. 4. 

18 GSiche Srardt in den Bonner Jahebüchern 44, p. 1 ff. 


5 Ben Die Au Dr lan Ben - 








ge 


Anmerfungen. 


1 Ueber bie römiftde Miunicipaloerfaifung fche vornehmlich Auhn, Wie Aäbrifhe und 
bürgerlie Verfaifung des römifihen Reis. Leipiig 1894-5. 2 Dande. Blipfii, 
Binde sur le rögime municial gallo-romain, in Nouvelle revue historigue de droit 
Arangals. 1878, p. 554 1870, p- ATI Fu 275 Fu 300 Mi DT 

® Zorn, Wormfer Ebronif cd. W. Arnold In der Dibliorbef des Eiterarifcen Vereine 
im Stungart, Sand XLUL. Seutgart 1857. p. 11. 

3 3000, Geftiihrsquelen der Stade Worms, Band I, Tafel VL. (Abgeflrse 3006 U.B) 

2 Uber den Vamen handeln unter anbeen Simcod, Das malerifä Ahenland, 4. Auf, 
P. 76. Oulein fer, Beiträge zur gelten Wanenafunde, &. Di) in der 

Miet, I, 1884, p. 106. Sörfemann, Altbeufces Wamenbudh, I, p- 1641. A. Chef 

im Pfals. Mufcum. Veufadt an dee Garde. I. Jahrgang 1884, p. 14 1c. Die verr 

(biesenen Wamenoformen find im Kegifre von &. Rift, Das rheinifüe Bermanien, 

verzeißne. 

Mon. Germ. Conclia, I. San. 1893. p. 192. 

Pvastalie, I, Vera 49 f 

Tacıi Zur, XL, 20. 

Wederlig, Die römifide Abrilung des Paulusmufeums der Seadt Worms. Worms 

15 hp 

2 Sangemeifer in den Weuen Seibelberger Jahrbüdeen, V, p. 0. 

2 Bee, 1.c- p 20 (X, DA 

® Dr. Sb in ben Quacralblättern dee biR. Vereine 
ws hm 

= @. Wolf, Die Römifehen iegelien von Wied bei GSHR am Main und ihre Stempel 

im Archte für Seanffarter Gefihre und Zunf. II. Jolge. IL. Band. 1803 

p. 212-348 mir 6 Lictbendtafeln. 

Die von Sihanner, Historia ep. Wormat. I, p: 3 angefährte Jnfeift iR so fer 

frogwärbig, iche aber Wedeling , 9:13 u. p. 70. 

Wederling 1,9. 4. 

Wederling Inn fun iöf. 

Weeteling I,p. 64}, Wr. & 

Wederling I, 00 f. Mr. I, 





use® 








ie da0 Großherzogtum Gef. 


® 








er Weftbeurihen Jeinfceife, XI p. 211. 
Weeerling Le I,p 64, Urt 
Lehe mn 2 
Lehe n6 
Weeerling I,p- 18, Vie. & 








BERKeeenenemmE 


Diefe Eohors iR auch Durd) eine Grabinfehrife bezeugt, Die 1824 in Alsheim an der 
alten Höwerfcafe gefunden worden if; fiche Wederling 1. c I, p. 6 f- 

Wederling 1. I, p- 07 f 

‚gertmer in der WeRbeutfeben eirfheift, X, 284 #- 

Ace, p. 30 f. 

Wedteling U, p. 63 
Wwederling IL, p- 58 f7 








ssse® 


Anmerkungen. se 
































® Siehe bitorifde Barte im ULB, I. ROH im den Guarrelblärtern des hiß. Vereine 
für das Großherzogtum Selen. %. 8.1, Gr. &. 

& Gehe Weterling, Wormfer Setung, 11. De. 1897, 1. Beilage u Yr. 20 

@ Wedterling, Die vömifee Abrilung ı, I, p- 80 £. Benaur Vachbilbung beiber Meilen: 
Reine, eren Originale im Paulusmufeum aufgefee find,füömüden jege den Eubinigsplag. 

® Ypl. den fähönen Auffan von 3 Gertmer, ur Bultur von Bermanien und Gallia 
Belgien, in der WeReurehen Benfheift, I, 1 f, der jedoch einiger Aorrsttur im 
mehreren Punkten bedarf; namentlid auf religiefem Gebiet Icbre auch in Grmanien. 
die veligiöfe Anfauungsweife, wenn auch unter vömifer Derbrämung fort; fd. 

54 1Mommfen, Weftbeufie Jeiriheit, XI, Borrefponbenblare Yir. 5%, Schannat 1, p-4. 
Wederling, Wornfer Zeitung 1592, 

® Wederling, Nomiftde Abrelung, IL, p- 6 f- 

6 Wederling 1. I, n 80 f Mir. 16, 

® &culten im Philologun 54, p- 063 

9 Wederling I, p. 3, Ur. 

% Wederling I, p. 50 #4 Wir. 2-6. 

® Wederling I, p. 83 f, Dr. 0-10. 

Da &0 3.3. auf einem 1888 in Der Mlofergaffe zu Worms gefundenen Altar. 

© Wedeeling I,p-55 f. 

@ angemeiter in den Wiruen Seibeberger Jahebüchern, V, p 54 fi fie num 
W. Goltber, Sanbbuc ber germanifchen Miprhofogie. Reipip 1605, p- 202 

@ Sangemeifle Lc. 46 f 

© @. Wagner in ber Wepbeurfcen Jfrhrif, XII, p- 37 

© Wederling 1.c I, p. 78 

9 Sertmer, Wehbeutfche Siefift, V, 380 f Sangemeifte 1.c. V, p. 58 f. 

© Bat. nun Cumont, Die Skulpturen des 3, Mithracums in Sedderabelm, Welbeutfie 
Seifehift, XII, p. 00 f, Durdh deifen Mebeiten Die feüheren überhele find. 
©». Goldmann, Der Miebessfultus und die Withracen in Jeiedberg im Arie für 
defifcge Geflhre und Alterrunstunde. Tarmpede 1806. I. 9. 30. I, p. 275 f 

© Im wefentlißen folge id 3 C. wörtlich) der vortreflidien Abhanblung von Saug 
Inder Webeufiben Jeirfrift, X, p.220 f. Siche auch BOY über bie Viergörrereine 
{m Worms, Borrefponden;blat der WeRbeunfcen Sctfheift, IX, 1890, Yr.Z, p- 107 f- 

@ Außer Gaug fiche Sie Bemerfungen von Jan Leavıp mt. 

® m. Siehourg, Webeufehe Jeirfheft, VIL 

 Gicbong 1.c.p. 106 

= Wederling I, 9. 45 #- Aucd ein Stein im Paulusmufeum gehört hiesbr, eine Dası 
Arllng. dee Mpona, eine ioenbe, Aberlcbegroße Srau, Der yoci Pferde aus dem 
Schoß freien 

@ m. Hieger, Die Shidfalogdrtinnen zu Worms in den Quarralblärtern dee 
DIR. Vereins für das Großherzogtum Seifen. Darmpabt 1880-1864, p. 7 f 

% Wedeeling 1 c. I, 9.70 Sangemeifer im Rorrefponbenjblart der Wenbeufihen 
Seife 1083, p. 42 

7 i. Seiebberg, Aus Beuihen Zußbähern. Sale 1888, PM. 

= Geöber, Zur Volfsfunde aus Conebefhläfen und Capitularien (Straßburg 1882), 
9.1000 

 Oure Aobldung bei A. Wörner, Bunfienfmäler im Großderiogtum Seen. Aris 


Worms. Tarmfabt 1857, p. 103. 


15. Bo, Di Ani ve ein Gum 1. » 


6 Anmerfungen. 


Wedeeling Le. I, p- 3. 
Weereling Ic. IL, Tafel II 
BON in den Quarralblänern. 11. 3. 1, Mr. 11. 
Sür das Jolgende febe 1. Nobör, Pirche. Geelenfule und Unferblicfeiteplaube ber 
Deiecben. eeiburg und Leipyig 1804, befonders p. 14 p- 277 
Meine Sriften, L 
Siehe die Brobacrungen von Wederling 1. c- 1, p- 27 #101 M II, p- 11, 90 # 
Wederling 1. c- Tl, p. 05 f nebf Tafel XIV-XVL. 
BON in den Querralblänern. W. SI, Wir. 11. Separatabbeud p. 7. 
Siehe Sermmer in der Weßbeurfeben Seiefheit, TI, p- 1 f- Seiner, Tie eömifchen 
Sreindenfmäer des Provimialmufeums zu Teler. 184. 
Wederling 1.c II, p- 7. 
Barl Bücher, Die nthehung der Volfewirnfcaft. Tübingen 180%, p- 16. Bäder 
bar Sie Aehre des Nodberrus von der Oifemwirrfeaft Im Alterrum (Jahrbücher 
Für Wationalöfonomie und Statifif, IV, 1805, p-230 ) weiter ausgefüher und tiefer 
begeänder. pl. auch Bücher, Tie Soflerianifie Taporbnung vom I. 301 in: 
Beirfheife für Die gef. Srasremifenfeafe 189, p. 180 fi, 072 F. Genen Biefe Lehre 
has Röuard Meyer, Tie wirtfeaftlide Earwidelung des Alrcetums in: Yahrbicder 
Für Warionatsfonomfe und Srarifi, %. J. IX, 1905, und Separatabbeud, Jena 1006, 
lebhaften Proteft erhoben. über har für die Raiferzet volltommen rei. 
© Mb. Merer Nat bie übeereicbenen Anfihren über die Bedeutung ber Sklaverei in 
Aterrum wortrelich zurhdtgemieen. 
© Mar Weber, Bie römifehe Agrargefidher, Grungart 1801, p. 200 
 Vergleie je Die geünbliche Arbeit von $. Tragendorfi, Terra sigillata, in den 
Donner Jabrbüchern Sefe 20, 97, 1895, p- 18 mit 8 Tafeln, 
® Wedeeling lc. 1, p- 110 4. 
@ Wederling 1. U, p- 82 f- 
m ROH, Quarralblärter. ©. 31, Vr. 5. Separanabbrut, p. 5 fl. 
6 Abgebilder und befprodhen {m Borrefponbensblart der Noefibeufähen Beirferife 1992 
on Wedeeling, in den Quartalblärtern 1.c, in der Wenkfehrife: Die Gafen und 
Uferbauten yu Worme 1809-1893. Worme 18%, 49, p-0. 
S84 bei geieländer, Sittengefthichte Roms, II, p- 93- 
In. Wocher, Nömifebe Ageargefäiäre, pı 242. 
Wach Jeieländer 1. «TIL, p. 181 
Siehe u. a. den won BANl befhrichenen, in Worms gefündenen Batyr. Ouartalı 
Blätter. W. 8.1, U. 5. Separarabbrud, p- 4. 
10 Seiepländer 1. c. HI D- 106. 
3. Bapitel, 
wi in folder Laete, der feelih einen eömifen Wamen weägt, Tann audh für Sie 
Civitas Vangionum uefunslich nadhgersiefen werben. Wederling 1.c.I, 9-90, Wr. 
1a &o lautet der Wame Immer in den Quellen, nie Alemannen. Ucher fie pregleice 
Daumann, Schwaben und Alamannen in Jorfhungen x &. Geftütbre XVI, p- 215 #- 
10 Vergleiche Secä im Abeinifien Mufeum. 1. 8 48, 1893, p- 602 
1% Ochröber, Die Sranfen und ibe Med in Savignps Feirfhrife für deufche Tehte 
gefeticte. 7. 5.11 1 M SiRorifte Zeifheift. W. $. VI p- if 
106. Diefe Anfiht har Georg Wolf in feinen verfihiebenen Schriften bebaupter und gegen 
die Zweifel won A. Gammeran verteiigt. 


aszae z20% 


as 

















suse 








Anmerkungen. qu 


39 Biede Bücher, Jeirfeife für De gef. Staarswilfenfaft, 1894, p- 103 F- 











IR Siehe die geifreie Parallele yifehen ;ioflerien und Yapoleon I. bei Sip. Taine, 
Le rögime moderne. 1. Paris 1990, p- 192 ff 
3% Chenon, Eiude hist. sur le defensor civitatis in Nouvelle rerue hist. de droit 





frangain et eiranger. 1850, p. 321 fi 515 fi 
10 3. Lampreöt, Weutfcheo Wirtfpaftoleben, I, p. 161 f- 
iRer in der Weldeunfeen Zeirfheiit, XI, p- 204 
der Wefibeurfegen Zeifeeift, X, p- 254 #- Giebe audh den Sührer durch 
das Propinyiabiiiufeum zu Teiee von ). 3. Beunc. 2. Auf. Teier 1804 pı 2. 
u Borrefpondenjblatt der Weftbeurfcben Scifceift, XL, p- #7 # 
12 Gerffarth in der Wenbeunfiben Jeitfbeif, Kl, 1 #- 
318 Jafob Yurdhaser, Bonflantin der Brofe. 2. Mı 
14 @iponius Apol. Carmina 7, 32 |. 
15 Mluge, Erpmologiidhes Wörrerbud). &. Rierfeel, Die Eiitas. Leipzig 1804, 
Durgenfunde. Iünchen 1805, p- 1 f- 
Indenzhlatt der WeRdeurfeben Jeirheift, XII p- 103 f 
HT Maurer, Walentinians Jelbwug gegen Die Alamannen; 300 in der Zeirfheift für die 
@eidhicte den Oberrheins. 1. 9. Ip. 308 #- 
11 128. Meyer, Die wirrfbeftliche Intinidelung des Altertums, p- 60 f 
10 m. Weber, Nömifepe Agrargefcilhee, p- 202. Vergleiche bafelbf Kapitel IV, 
p 220-208. 
0 En Meyer cp if 
1m ©. Baufmann, Beurfehe Gefechte I, p. 20 f. 
4. Bapitel 
12 ROH in den Quneralblästern. 4. $. I, Yr. 5, p. 9 den Beparatabbeudtn. 
12 Siehe %. Jahn, Die Gefdhichte der Burgunbionen und Burgundiens. Selle 1874. 
Ziel Bände und bie bafelbf angeführte Lireratun, I, p. NXIV 





























1 Cober daurefd, p- 16. 

32 Dining, Dos Burgunbifdromanifde Bönigreib. Bafıl 159, p. 3. 

10%. Möge in der Zenit für beunfäee Alteruum, NKXVIL p 223 I. Sider, 
Unerfuhungen sur Natrsgefäiäne. Junsbeut I, 1801, I, 1, 1803. 

#7 Ep. IV, 2 #. mac Dahn, Gefhichte Sr Durgunsionen, 1,02 [. 

2 Antapebofie, I, 4. 

10 $. von She, Knrfhung den beurfßen Aönigrume. 2. Auf. Jeanffurt ai. 1881, 
Po 9,200 8 

19 3, Mälenhof, Beufce Arestumstunbe, V- 

Selle pn 20f. 

!M Leges Burgundionum ed. R. L- de Salis. gannoner 1882 p-d, 1 

1m Glehe Dardbee Bel 1.c. 

24 $.von Thubicum, Sala. SalaBen. Lex Salica. Tübingen 106, p-32 f 

1m 2. Saud, Aiccengefichte Deafilande, Leipuig I, 1887, p- © 1. 

Am von Audrbofen, Eine], p-496, #4 f. Wegener, Dom See zum Ier, XIV, p. 20 

307 %. opel, Gefhire der beihen Aineratar I, 1. Serafbur 180, p 12 #, 9 fi 


& Unlande Scheiften zur Befidhte der Wicrun 
5. Bapitel. 
IM Gehe das jegt maßgehende Wer von Gaud, Birchengefchicte Deurfelan 
30 Raufmann, Beunfbe Gefcichte, II, p- 36 f- 


5 Sage, I, p- 138. 





Sand 1-IIL, 





s. Ammertungen. 


1a Baufmamn 1. ch p.4 # 

1. Gefüge auf Die befannte Stelle Panegyrici Latni ed. Bährrne, VIL p- 2%, video 
basilics, bat man zwei Dafılifen ober Gerichrobllen zur Jet Ronfantins angenommen, 
eben den Dom und die evangelifde Kirche. Mir Ned verwirft gertmer, WeRdeunfie 
Seirfgeift, X, p- 248, Biefe Auslegung. 

18 9, Weingarten, Der Urfprung des Wönchrume. Borba 1877. 

14 Anficbelungen und Wanderungen beusfcher Stämme. Marburg 1876 

145 Vlamentich Scherer {m der Jenaer Litteraruryeitung 1870, Arı. 418. 

10 Die einfelagige Kitrerarur bei Adolf Schiber, Cie fräntifhen und alemannifhen 
Siedelumgen in Gallien. Straßburg 180. 

1 &o She. 

149 Shweiyeifiben Joiotifon, II, Spalte 1270. 

10 Der Viame ZIfeß (Altacins) Fommt bei Seedepar in den Jahren 599-010 zum 
erfenmel wor; er befäiräntte ic urfpränglich auf bie Lanbiebaft zwifdhen dem 
2enbacb und Gelhbad) und behnte ih erf (pärer auf ben Oberelfaß aus; firbe 
%. Söhrider, Aelteße Grenzen und Baur im Aifaß, in den Straßburger Studien, IL, 
184, p- 206 fi 

10 Gene von Ghubert, Mic Unterwerfung der Alsmannen unter die Sranten. 
Srraßburg 1894. 

101 sEigensli als Dediti, wie W. Sidel in der Webeufihen Sehfeift, IX, p- 246, 
Worte 119, ganı viheig bemerft, jedoch yerfißt fpäter ae Nechtsverhältmis. 

1m 9. von Schubert, p 160. 

1 Giche Gidel L.c p- 28% Wore 14. 

4 Abgebeudht in der Jeirfeheift für Befhicte des Obereheins, XXVIL, p- 227 , 286 #. 

19 $. Brunner, Weunfce Nedrogeferidne, I, p- 014, Wote 7. 

19 Sr. X. Braun, Die alıbeiplicen Infhbeiften der Abeinlansı. Sreiburg 1. Be. 1800, 
P.15 fu We. 23-20. deider feeim Rraus die Acbeiten Wederlinge nice gekannt 
zu Daten. 

107 Wilhelm Necb, Germanifbe Wamen auf rbeinifhien Infhriften. Programm des 
Gpmnafiume zu Mainz 1806, Vie. 887. 4°. 

199 Deunner, Deutfihe Nechtegefähiähte, IL, p- 107 f- 

10 ührer sur das Propinyalifiufeum zu Teier, pı 23, Wote 1. 











10 Seedegar 40. 
©. Bapitel, 
30 iEeRer Teil, Die Alerrümer der merowingifehen Jeit. Yraumfhweig 1830-1880 
10 Oh, Weibeunfee Jeifährift, V, p. 218, Morrefpondenjblat, XI, Vic. 11, p- 22 fi. 


Rindenfehmit, Gandbuch, p. 460 f 

10 Lex Sallen ed. I. Sr. Dcheend, Zeelin 1814. 

164 Kindenfehmit ich zur eflärung biefer Snelle Gregor von Tours, VI, 10, berkei, 
altein cancellum beißt doc nid ein Das Grab umfihlichendes Bitter. 

165 Giehe die Pläne bei den Bomahten im Stabtachio Worms. Band 1779. 

10 Zum Beifpie: „uls id jung noch war. Leipsig 1095, p- #2 

402 Brans, Die eifliden Infiheiften ber Aheinlande, I, p- 22 #. 

309 Wederling, Römifce Abrelung ıc, I, p. 23 

10 Eindenfhmie 1.) p-111. 

1@a Rocgel, Geftichre ber Brufähen Literatur, I, p- 51 

19 Caflioder, Var, V, 1, bei Aindenfhmit, p- 222. 








Anmerfungen. 9 


AM ie arolingife Spatba erhielt ih bis Mnde ben 9. Jahehunderts, fche Wep: 
Beurfee eirfrit, KIN, Tafel VII, Sig. 11; er dann entfanden neue Jormen. 

17 Wepbeunfee Berfift, X, DU. 

1% Borcefponbenjblan der Weibeufihen Zetfäeift, IV, p- 10 f- 

16 Abgebilber in der WeRbeurfen Jeitfärift, XII, Tafel VIIT, Sig. 12 

1% Abgebilder in der Ungarifen Revue, VI. Upl. Sr. Pulßfr {n der Ungarifen 
eac, IX, 1800, p. 478. 

10 @lche BON im Boerefponbenzblart der Weibeurfien Seinfäeift, XI, p- 218. 

HBaYie Söilderung bei ©. See, Cefchichte des Untergangs der antiten Welt, I, 
Berlin 1885, p- 120 FIR bie reine Barritanur. 

Ar2 Op im der YDefbeuriden Berfeft, V, p 221 f 

1% Abgebilder ebenbafelbf, V, Tafel V, Sig. 1 

1a Röhl im Borrefpondenzblar, V, p. 181 

1m Ainbenfeomit, Gandbuch, p- 433 f- 

19 ine ausführlide Defäreidung der Teinit den Selenfhmelen, fe Jod. Schulz, 

Der bpyaneinife Zelenfemel ‚Sranffurt 690 (iäht im Buchhandel), p- 32 F 

‚Kerner das große Pradrmerf: Die byzantinifßen Zellenemaile der Sammlung 

&. W. von Swrnigorodstoi von X. Bondetofi, beurfe Ausgabe von Beerfämann, 

Seanffurt 1892 (nid im Buchbandel. 

Zindenfümit 1.c, p. 442. 

Zum Selgenden fiche Die Abhanblung von Adhl im Zorrefponbenklant der 

Werbeunfeen Jeirfrft, XI, p- 203-222, mir Wadherag in Sand XI, p. 181 f 

Lindenfemle 1.c, 450. 

BOhl im Borrefponbenzblatt, XI, p- 20 

Siehe aber ZH ebenbafelbf, p- ZU f 

Lex Salica, Tit, VII. De furtis avium. 

Röhl im Boreefpondenzblat, V, p. 132 

ipp, Te Oräberfiser von Bessbei. Bubapef Ungarifce Neon 1859, IX. Band. 

bgeblder in ber Ungarifcben Nevur, IX, p. 470 fi #7. 

Wenbeurfehe Jirfärift, XI, p. 304. Abbildung: Tafel V, Sigur 12. 

Zbenbafeidß Sand XI, Tafel V, Sipur 16. Band X, p. 30. 

Bocrefpondensblart, V, p. 13. 

Siehe jege aucb Wertbeufihe Jenfheit, XL, p. 200 

Abbilbung in der Wenbeunfcen Jerfäeif, V, Tafel VI, Sigur 16, Tafel VIL 

Sigur 1. 

Aindenfemit, Santbuc, Tafıl XXXL, Sigur + und & 

Arauı, Eis altceiflien Jnferifsen der Abeinlande, pı 13 fi Kir. 21. 

Dergleidge Sie Demertungen von €. Bormen in den Jahrbidern dee Vereins von 

Aterrumsferunden der Aheinlande, XCH, p- 209 #. und Tafıl X. 

Yin in den Bonner Jahrbücern, XCVU/XCVIL, p- 

‚Sram Pulßty, Tentmäler der Völfrwanderung in der Ungerifcen Kevur 18%, 

Band Xp si 

Bien 1. cn 2.3 #. 

AOHL in der WeRbeunfcen Jeifheift, IV, p 207 

Siehe die Abbildungen bei Eindenfhmit, Sandbud, p- 88 

PeigneDelacourt, Recherches sur le champ de batille d’Atils, armen, bioux et 

ormements du Theoderic roi des Virigoths Paris 1800 





BE 








BEREREBSERER 





S58 


EBes 


Io* Anmerfungen. 


© Bandot, Memoire sur les stpultures des barbares de Nüpoque meroringieane 
deeonvertes en Bourgognes. 180. 

30 Siehe die Literatur bei Panl Clemen, Meromingiide 
den Donner Jabrbäceen, LXXXXIL, 1992, p- 0 #- 
Se. Pulßty in der Ungarifcen Kevue, IX, p- 406 f X, p- 8. Elemen I.c. . 2% 
Histoire de Vorfävrerie. Paris 1877. L’orfävrerie barbare. Description du trtsor 
de Guarrasar. Paris 1800. 

WEI arte Intinobizantino en Eapada y Ins coronas visigodas de Gunrrazar. 





 Barolingifäie Plafif in 





iMeseib 1801. 
Historie des arts industriels au moyen Age. Paris 1864. Röcherche sur la 
peinture en ‚0 Vantiquitd et au moyen Age 

0 Les ocurres de $. Eloi et In verroterie cloisnnde. Paris 18%. 

zu 36 verwife auf Das (ton ermähnte Dradrmer? des A. von Gmmigoretafol. 

31 Undset, Etudes sur TAge de bronze de Ia Hongrie. Cheifianie 1880, p- 5. 

a 3. Sampel in ber Ungerifien Aevur, VI, p. 037 

au A. Surnwängler, Der Golbfuns won Derersfelbt. Windelmannprogramm der 
Arherologifcen Gefelfhaft zu Berlin 1883. Furnwänglere arierung if san 
Half. Siebe Clemen Le. . 16, More 34 

#5 Julins Waue in ben Bonner Jahebüdern, LXXKXII, 1892, p- 70 

10 Deftrieben von W. Lipp und abgebilder in er Ungerifäen Nesur, IX, p 168 f. 

A Sophus IMäller, Dyreornamentiken i Norden, dens oprindelse udvikling og forhold 
&l samtidige eilarter. Bopenbagen 1860, überfegt won . Meflorf. gampel im der 
Ungarifden Nevar, VI, p- 67 

08 Gehe bie Abbildung In der Ungarifben Nevuc, IX, 1: 426. 

Me Siehe 2. Srädtiberg, Eongobaräifie PlaRf. Nücid 1806. 

30 Mon. Germ. Auctorum antiquissimerum Tomus 1. Pars post. Engipii Vita 
5. Severin, p. IN. Bapiel VIIL 

20 I, Marguerdt, Privarleben der Römer, IL, p. 623 f. 

=: Siehe Mlnge, Zıpmolog. Wörterbuch. 1. Gerne, Deufee Wörteebud I, 141. 

32 Siebe sie srefliden Demeefungen Pulffys In der Unger. eruc, X, D. HF. und 

die p. 230 # gegebenen Abbildungen. 

22 Abgebilder bei Aindenfehmit, Gandbuß, Tafel V, Sigur 244. 

24 bgebilder bei 12. Hubert, Trösor de Tabbaye de Saint Maurice d’Agaune. Parieis7& 

3 Vita Bligüi bei d’Achery, Spieilegfum, Paris 1723, Il. 7. von Sclffer in dm 

Sigungeberißten der Wiener Atabenie, Band 123, Il p- 10 Fr 

9 Ueber Die Bonteoverfe üebe Clemen in den Bonner Jahebücheen, 1882, LXKKKIL 
P-58 fi 142 (un Die Bort angegebene Aitereru. 

a1 Siehe Die Once bei Eindenfhmir 1. c, p- 58. 

58 3. Camprett, Weurflen Wirtfeafrleben, I, und defen populären Auffıp: Hecht 
(uns Wirefeafe yur Scanfenpit in: &fiyen zur Aheiifchen Geficte. Leipng 18%, 
22 

20 Schröder in Die Jeirfriie für Webeurfehl 

0 Sir dan Solgende Se. %. Specht, Bapmähler u 

Srungare 188. 

Schweierifcien Zoieiton, Ip 341 

Siche bie neue Ausgabe dee Bapitulars de vilis von &. Bareis, Die Lanbgü 

orbnung Malfer Bazlo des Großen. Berlin 180, c 3 p- 43 f- 


























VI pa 
Teinfgelage bei den Deutfchen. 











Anmerfungen. u” 


&. Bocgef; Grfichre ber Deurfiben Lineratu, I, p- 130 #. 
Boos, UB. I, vr. 12. 

Regel, 1.0. 1, 9-49, der mit Nee den Grünen Geinrih siert. 

Ereees 

Die Meinung Speihe, p- 39, fe bärten das Bier vor den Aelıen ennen gelernt, IR 
falfe. Sihon Kenophon Kennt das Bier, und ebenfo Priscus. 

R. Segel, Srädıe und Gilden der Germanifen Volfer im Minlalter. Leipzig, 
1,1801, 9.6 

Sal lchpt 


Rapitel, 


Siebe die Minleirung yu WMälenboff und Scherer, Wenfmäler beurfier Docie und 
Profa, R. Borgel in der Jeitferift für Beusfthen Alterrum, Band XXXVIL p. 233, 
Bor ı. 

&. Kierfäel, Die Cioitan auf Beurfchem Boben. Leipsiger TI. 1804, p- 75. 
ZötmeriMühlbather, Regesta imperil I, Me. 127b. 

9.2.3. Halt, Gefeicte des chemaligen Aloe Lorfd. Mainz 1800. 11. Suffcmid 
im der Beinf@eift für die Gefechte den Oberrheine. 1. 8. VIIL p- 
Böhmerilühlbadher, Reg. Kr. 141. 

BötwersMählbadier, Reg. Ur. 143 

Böhmersiühlbadber, Reg. Vie. 148. 

Böhmer Mühlbacher, Reg. Ye. 140. 

Bötmersiähibadher, Reg. Vir. 183c 

Böhmer mählbadher, Reg. Kr. 165, 

ZöhmersMühlbacher, Reg. Vic. 28. 





BORN. Abanp, Die Sränfifcse Thorhalle und Mloferficche zu Lorfh. Darmfade 1891, 


SSEESEENEESSEUNESENEE 


‚gel, 
Sehe Anmerfung 220. 3. Lampreiit, Deusfihe Geiler, I, p 40 fi. 
Dötmer.Mählbacher, Reg. Ur. 13$b. 
Böhmer-Mühlbacber, Reg. Ver. 1. 
Zöhmer:iMühlbacher, Reg. Vie. 1005. 
BöbmeetMäpibacher, Reg. Yir. 2194. 
Bötmerlählbacher, Reg. Ver. 2224. 
ZöhmerMählbadher, Reg. Kir. 2b. 
Zöhmer:iählbacher, Reg. Yir. 2552. 
BötmertMühlbadber, Reg. Vir. 2586. 
Zöhmer-Mühlbacher, Reg. Wr. Zu3n-207. 
Dötmer-lählbacher, Reg. Vic. 21-Ble. 
BöhmertMählbacher, Reg. Ur. 231. 
DöhmerMählbacher, Reg. Ver. 2 b--207. 
Böhmerifühlbacher, Reg. Vie. 00a-302b. 
Bötmersilählbacher, Reg. Vie. 3076 
Zöhmertlählbadher, Reg. Vir. ar. 
Bötmeritühlbadier, Reg. Ur. 7536 
ZöhmenMählbadher, Reg. Kir. 9204. 
Dotmermählbater, Reg. Ur. 830c-842. 
Böhmer-Mtählbader, Reg. Ye. DOb-S00n. 
Bötmertlähbadher, Reg. Kr. 1318. 


12° Anmerkungen. 





-iMihtbeter, Reg. 
Böhmen Mählbader, Reg. Ur. W2c-Ota. 
Döhmermählbeder. Reg. De. 10300. 
Bohmerilähfbader, Reg, Kir. 10be. 13304. 
Dehmer Mählbader, Reg. Fr. 10506. 
Dehmermählbader, Reg. ir. LIE. 
VohmeriMihlbader, Reg. Tr. 1dde. 
Böhmer Mlöhlbaßer, Reg. Te. 13TOn. 
Böhmersmählbader, Reg, Ya. 130. 
öhmerimähbadier, Reg, Ye. 10BL. 106, 
DotmerMäblbater, Reg. Ur 
Böhmer-ühlbadeer, Reg. Mer. 
Böhmen Mählbater, Reg. Ur. 
BöhmentMäbtbaher, Reg. Ur. 
Böhmer mäbibader, Reg. Ar. 
Bohmeniäßtbader, Reg. ir. \MBc-1E06. 
Botmentäblbader, Reg. Y. STA-160L. 
Dohmer-Mählbader, Reg. Kir. 16B6n-1641. 
®. Dümmler, Gefbite des Oftfränfifchen Keiche, 2. Aufl, III, 321. 
Bötmenimählbaher, Reg. 1617-0. Dämmler, I, 382 
Tünmier, MI, 9.408 

= Dümmier, III, p. 464 |. 
8. Rapitel. 

4 Saud, Rirdengefäichre Weutfdlande, II. 1800. 

= Loening, Befdichte des deurfchen Rirchenredhrs, wei Bände. Garirsarnad), 
Grundlegung der Birdenverfaflung Weileuropas. Birfen 1838. 
Sard(.Garnad), Wie Befellfchafrsverfailung der driftliden irdhen im Alserrume. 
Dihen 1883. %. Bohm, Birchenerh. Leu 100 I, 9:81 U. Sau, Befbichte 
‚des Firchlichen Benefizlalwefens. Berlin 1806, I, 1. 
ion. Bern. Concia I. gamoner 1633, p. 102. 
6. Albers In der Allgemeinen Jeitung, Beilage 1886. 6. Aug. YAr. 216, p. 3170 ff. 
Don, UB. I, p. 12, Mord. 
Boos, UB. I p 23 Mor 2 
Boos, UB. IN p. 16 Mon & 
Warrenbad) in der Allgemeinen Weutfchen Biographie, V, pag. 780. 
Boos, UB. I, p- 24 Were 1 
Boos, U.B. III, p- 23, or & 
Boos, U.B. II, p- 216. Yir. 16". 
Doom, UB. IL p- 216, Kr. a 
Böhmertäbtbacher, Reg. 122 
2000, U.B. III, p. 24, Vote & 
Doom, UB. IN p. 0, Mon 1. 
Doom, UB. Ip. 0, Mon 2. 
Doom, UB. Ip. 51, Mona 
$. Brunner, Deutfbe Necbregefhichee, II 204, p- 287 fi. 
U. Seuoler, Jnfirutionen des Deusfcben Privatreibts, 1. Leipzig 1885. pag. 314 #- 
2000, UB.1 mag. 1 1, 2,36; 7, 20:2, 26 


u. 





BEEBESERENELSSSSSSNHS 





BEEBEEESSESBEERSEEEN 





Anmerkungen, 13° 


Annales Fuldenses ed. Se. Burze, Gannover 1801, pa. 7Z 
2000, UB. 1, Me. 1. 

D00, UB. 1, Mr. 2. 

2000, UB. I, De. ii. 

2000, UB. I, Ur. 12. 

BöhmenMihlbatber, Reg. Tr. 518. 

A. Seusler, Urfprung der Ceufben Stabtwerfailung. Weimar 1872, p- 14 f 
Dagegen $. Beurgen, Unterfuchungen über den Urfprung der Teufen Grabts 
verfaifung. deipsig 1896, p- 16 

2006, UB. I, Mr. 22, 2%. 

Siehe die Arten Im Wocmfer Grabtardio, Band Vr. 122%, und bie Pläne Safelf. 
3000, UB. I, vr. 17. 

D000, UB. I, Yr. 22. 

2006, UB. 1, ar. 26. 

2000, UB. I, ve. 21. 

$. Brunner, Deufcbe Hecbregeicicee II, p- 220 #. 

2006, UR. I, vie. 26 

2006, UB. I, Ur. 2. 

2006, UB. I, Ur. 2. 

2006, U.B, I, He. @. 

Böhmer-Mühlbader, Reg. Ye. 1002. 

9. Bapitel. 


BERESSE 


BEBEREEERERE 





34 8. Aierfihel, Die Cioltan auf Deurfhem Boden. Leipsig 190. 

86 3. 2. Boos, UB. I, pag. 7, 10. 

mu ©. von Delom, Die Kmefchung der Deutfiben Gtabtpemeinde. Tüffldorf 1830, 
2360 

m Boos, UB, 1, p. 246, 3; 37, 20. Uber Wort und Sahe vgl. Shweizeifen 
Deionifon I, 100 # 

88 &. 2000, UB. I und die Barre in U.B. II. 

© Zoos, UB. 1, p-4, 3% 

MO Doo0, U.B. 1,9. 00, 10 # Die drage über bie Unedheheit biefer Usfunde berüber 
diefen Punte ihr. 

m 8. die Barıe in UB. IL 

2a Niefieh, ch Pf. 

ws 3000, UB. Ip. 16,4. 

a ©. Ganfen, ie beri Yevölferungsfufen. Mändhen 1880. 

5 7. von Schloffer in den Wiener Gigungsberichten der philsbif. CL. Band CXXIIL 
a, 200. 

m 


Boos, UB- Il, p. 24, 12 # Die Infärhir Zeile 10 |, die auch Arans, 
Die @eifliden Infirifren cs Aheinlande II, p- 82, Mir. 181, wiedergibt, Date I 
für un. 

8%. Säule, Ucher Heichenener Suäbergeändungen, eifärift fr Sic Gsfhldte der 
Oberrhein. %. 3. V, 132 A. Sohm, die Knrfehung Deo Deufden Seädre- 
wefens. Leipng 16%. Gortein, Wirrfeftsgephiite des Schmarzmalben. Brrafı 
burg I 1602 16. Dagegen: ©. von Delom, Des Unfprung der Suatserfaflung. 
Täeldort 1692, 9.16 8: $. Acungen Le. p- 63 

50 MM. Weber, Tömifche Agrargefäihte, p- 20. 
4. Don Da Aut vr ae a < 


1 


Anmertungen. 


30 Siehe Be Jufemmenfecllung der urfondlidhen Vaddriiten bi Harhgen, Die Emtfehung 
der Möchne in Deufälend, Srrafburg. DIT. 181. 

M. Schröter, Weißbild in den biRorifien Auffägen, dem Ynbenten won Weis, 

gewidmet, p. 300 }- Teutfüe Meitsgefichne, weite Auflage, pı 004 f, dazu 

Aeungen, 9.71 #. 

U Gehe sie geilen Bemerfungen von $. Philipi, Sur Verfafungegufchie ber 
Wwehfälifden Bifofeähee. Osnabräc 10%, D- 1 f- 

wu päigpi he. 

4 Boos, UB. I, Ui. 24. Böhmer: Mählbadter Neg. 130. 

5 Miniferilirtt und Bürgertum im 1. und 12. Jahrhundert. Eeipg 180. 

0 Verfaifungsgefeichte ber benfchen Sreißäbne, L Bothn 155. 

7 Uefpeung der beurfben Gıäbreverfung. Weimar 182. 

= 











Rierfpel 1. c.p.72 
2000, UB. 1, W. 5,97, 9,21. 
Sür Sürich (che Se. von Wr, Abbanblungen ur Befäichte des fäyweiyer. öffentlichen 
Rechen, Züri 1902, p- 42 

1 Boos, UB.II, p- 224, 3, vol. dayu M. Ochaube in der Zeirfheift für Gefeilte den 
Obereheine, X. 3. I, p. 201 f. 

Wr Zeirfeheie für Gefehte dee Oberheins, XV, 9 201, EM und 18: bepmgarten, 
hoc est in civitate Wormaciensi. 

30 Siehe die Pörtelgerichaften im Srabtarhip von Worms, Yr. 1699-1020. 

4 1. Tilther, inletung in die Beifesmiffenfiafien, Keipsig 1883, I, p.82 5. 3006, 
Beferihte der Jreimauerti, Nacan 1894, p- 0 

8 p. Eiemen in den Bonner Jabrbücheen XCIL, p- 96 f. 7. von Säloifer in den 
Wiener Sinungeberithren der pbil-biß. €, Band XXI, Mh. Il, p-28 #- Dorge, 
die Anfänge deo monumentalen Seileo im Miteiafter. Crraßburg 19%, p- 267 H 

0 Siehe die obengenaunten Werft, B. von Below, Uefprung ıc, p-43 

3 3. Bücher, Die iEntehung der Volfswirtf at. Tübingen 1893, pı 47, Wote 1. 

0m 2000, UB. I, Mr. it. 

m 

m 





2006, UB. I, Br. 31, 4. 
Poetae Latini nevi Carolini ed. #. Dimmler, I, p- 8, Vers 119 f. Lindenfchmit, 
Sandbuch, pıAit. 

U ©. Wein, Verfafungegefeihte IV, 204 |. 3. von Wyb lc p- 38. 

2 Boos, UB. I, Mr. 16. 

sm m. Weber L.c. Von biefem Sufanmenhang (bein Baseie, Die Landgürscorbnung, 
inleirung, Feine Abaung zu baben. Vgl. aud) deffen Abhanslung in: Germanififde 
Abhandlung zum LXX- Geburtstage Bonrab won Maurer. Börtingen, 180, p. 207 
Wie Angabe der Aineretur, p- 210, Wote 5, und in feinee Ausgabe des Capitulare 
de vilis, p. 3, rote 1. Das folgende nach Bücher, 1.c. p- 20 #. 

4 3.2. in Pfebbersheim. Booe UB. I, p. 4, 3. 

© Beuen, 1.c, p. 51 M 

59 Zur Fommt er 202 wieder vor. 2006 UB- I, p-3, 38, dann p. 4,25 14. 5,16. 
930. 12,80 1 





10. Bapitel, 


IM Paul Horb, Senbelität und Unterthanenverband. Weimar 1883, p- 2 
0 Den folgenben Erörterungen Ing ich $. Brunner, Deutfche Hedhtagefcbicht, I, 20105. 
zu Grunde. 





Anmertungen. 15° 


0 Leber die Gebunbenheit ber feliben Begrife bei den alten Weunfehen füche A: Lampreät, 
Teurfebe Gefeichte, II. Band. Berlin 1892, p 120 | 

90 Giehe bie glänzende Seilberung bei 4 Taine, L’ancien rögime. 1B.6d. Paris 1891. 
P.9 (Livre 1, Chap. 1,42). 

mu Sand, Aircengefibichte Deutfihlande, II, p. 21 

Me Siehe Die geißrolle Abhanblung vom U. Grup, Die Ligenfirige als iiement bes 
mittelaltelihgermanifcien Aicenrebtn Berlin 1396, p. 36 #- u 

39 Siehe bie obige Abhenslung und effen Buch: Befähichre des Hedlichen Deneflal 
mefene 26. I 1, P- 200 fi, 8 20, 2 

9 Annalen der Peutfühen Befbichte von @. Richter, IT, Salle 1800, p-3 um Jahre 020. 

imperi, I.od. AR. von Ortenthal, 1. Lieferung, Jnnsbrud 1803, Mr. 1a. 



























Sin Bohmer-Ortentha, Ye. 12. 
95 Aüßrer, Annalen II, p- 12 f, Wote c. Böhmer-Ottentbal, Vie. 13-18. 
90 Wibutind IN, 30. Xiöher, Annalen II, p- 72, Wote b. 

99 Rider, Annalen TIL p- 87, Wore n- 

99 Stumpf, Wie Neiceranyer, Reg. 886-604. 

90 Mon. Germ. Dipl. I, p- 134, Ye. 

5 Boos, UB. II, p- 31, Mor 4. 

am Dipl. I, p- 2a, Ur. I6t. 

m Dipl. 1,9. 282, Ye. 161. 

0 Eipl. I, p. 83, Ve. 02. Bon, UB. I, Ur. 3. 

ae Dipl. 1, p- 504 4 

96 Boos, UB. I, Ur. 1, 11,2%. 

0 Boos, UB. I, Yir. 31, p.22. Wipl. I, p- 165, Ur. 54. 

an Booo, UB.T,p- 10.1. 


Wie Jnferife abgebrudt bei X. Braun, Cheißlie Infeeiften der Rhrinlande, IL, p. 87, 
Hr. 199, Tafel XXIN, 3. Siehe Suffhmis, Beiefheife für Befhidhee eo Obereheine, 
wsvine 
Böhmer Mühlbacher, Reg. 1378. 
3006, UB. I, Mr. 32. 
Scanner, I, 9. 38. 2006, UB. I, Kr 41. 
Dipl, U), p. 10, ir. 143. 
2006, UB. II, p. 31, More 6, 
Stel in Tipl, II, p.2. 
Dipl, II, p. 27, Kar. 188. 
Side, 1.c. 
Dipl. II, p. 407, Vie. 1. 
Dipl, Ip. 400, Kir. 08. 
Dipl, II, p- 470, Vir. O4. 
400 Wipl, Il, p- 532, Vr. 120. 
u Eipl, 1, p. 58, %r. 120. 
Bipl., II, p. 548, Vie. 138. 
Shannen, Ip. 4 fr 
Reurgen, Umterfußungen über ben Urfpeung der beutfchen Stabrverfailung. p- 14 #: 
2006, UB. I, Ur. 32. 
3006, UB. I, Mr. 3 
ame in Ara Palatina, I, 290. Segel, Verfaifangsgeföhidte von IMaim,p. 10, 16 


BESERESEEEE 





16° 





Anmerkungen. 


& 


Dinnler, Befhicte des Opfranfifhen Heiden, 2. Aufl, III, 356, Wote 1. Boos, 
UB. Ih p- 216. 
19. Dümmler, L.c 1,92, 100, 13% II 21. II, 489, Wote 1. 

Dimmler, 1.c, II, p-523, Wore 1. 
iMaurenbeeiber, Bejcidhte ber Peusfchen Aönigamablen. Leipzig 189, 
3. Dreßlau {m der Allgemeinen Deunfeben Viographie, XV, p- 588 
®. Noaig, Verfaifungegefiche, VIE, - 8, 1- 
Waig, 1. c, VI 20. nfruftio iR bie won Wein p. 420 f abpebrudtr Urkunde 
vom >. 1070. 
1. Silgerbd, Speieree Uehmbenbuß. Srraßburg 1886, p- 3, Yie- 4 
von Waig, 1. c, VIIL, p. 208, Vote 6, {af verflande 
2. Mares, Sol, Raufmannfdeft und Marft yeifen Abeln und Loire bis in das 
13. Jahehunderrin: Bermanififcte Abhanslungen zum 70. Geburtstag R.von Mlaurers, 
Göttingen 1999, p- 400 f 
Silgerd, UB. p- 5, ir. 6. 
MR. W. Wiofch, Gefchchee ses Weutfiben Volten, I, p. 368. 
2006, UB- Ip. 20, We. 36. 
Anolb, 1,9. 0 #. 
S. Brunner, Deutfche Necrogefeichte, I, p. 108. 
Weis, 1.5 VII p. 25 fr 
©. von Below, Siforifce Sehnfeeift, Band 89, p. 200 fund Urfpeung, p- 84, vers 
meint ermas zu einfeiig Die Debrutung der Ortonifäen Peioilegien für bie Grades 
verfejung, {. aber Reutgen, 1.c, p. 25 
Bronts in der Allgemeinen Teutfipen Biographie, XXIV, p 701 f. 

UM. I, vr. 36. 

en Beutgen, Ic, p-32 # 


36, Bote. 





Bass 


sa8 








BERSEGRE 








# UB.UN SDR. 9. Grofb, Burcurd I, Bifhof von Worma. 

eipsger DI 1890 ungenägend, 

40 5. Böhmer, Willis von Main. Lepsiger TIF. 1896, p. 11 f 

4a Boos, UB. I, p. XXVI R 

«u Wo. Wenenbach, @efäihreguellen, & Auf I, p- 238 f. 

4: W. Sculne in Sorfungen ur Deusfhen Gefährt, KXV, 221 R- 

48 W. Surfer, Walther von Speier. Programm der E. Grubienanfalt Speer 1877. 
meer Teil: Vunliheri Spirensis Vita ct Passio' & Chritophori Martyris. 
linden 1808. 

Mu 2. Gedur, Die Elumiacenfer. Galle 1604, I, 

40 Dipl, Ih p- 658, Vie. 108 

4 Böhmen, cap. 18. 

ur Böhmer, Ic, p- 10. 

u 





174 {iu 310. 





0. Jacob, Weide Gandelurtifel bejonen die Araber des Mineleltees aus den 
mordfäbalisen Ländern? Berlin 1891, 96 
W. gerät, Gefhiäte den LenanterSandes im Minelaltr. Sturgart 1879, I, p. 80. 
8. Jacob, wein arabifher Verihrerfarrer aus dem 10. Jahrhundert. 2. Aufl 
Deelm 1801, 9. 1 

1 &. ey, Verfafungagefäihte von Main, p. 30 fi Was Böhmer, Wiligie p- 129, 
Wore 4, bierüber vorbeing, iR ganı (alt 





Anmerkungen. ir 


con, UB. II, p.31, Mon 6. 
Sad, 1,120 f. 
Odionis Rp. Adelh. c.16, @adur, Ic I, p- 33. 
Im drei Urfunden Burtbarde vom Jahre 1010 Fommt ein Minierlal, Tictmar oder 
Tiemar ale Jeupe vor. D000, UB. I,p. 34,30. 38,25. 3t, 9. 
1. Weueenbreier, Gefäläre der Deunfiben Aönigemahlen, p. 72 f 
@bedder, Taufe Kehrsgefälht, 2. Aufl, p- 408- 
Aetne eenflice Nüge verdienen bie Idnfertigen Behauptungen $. Bcof, Burcers 
don Worms, p.2t: „Häufige Branbungläd". In der Wote 8 hier er drei Gele, 
die alte denflben Jall betreffen. 
©. Dünmler, Gefähe des offräntifden Reiben, 2 Auf, TI, p- 45 #- 
Reungen, 1. cn p- 48 
Beugen, 1. cn 82} 
Boomann, Aheingeuifiie Aterrämer, 1,23. Segel, Verfalungspefäicte von Mainz, 
p-8 Mon 
5x. Beaus, Die deiicen Infäeifen der Abenlane, I, p. 1234. Yr. 20, 1-0. 
$. x Bram, p. 74, Ki 1. 
Boos, UB. U, g. 281 
es @ieye Seuß, Die feeie Keidefadı Sprier 
9-4 Am.“ 
Wın. Bücher, Beoölterung von Srankfurt a I, 9408. 
m 3000, UB. Ip. 2, 2 
40 2000, UB. I, Ur. 3. 
@n Boon, URL, Mir. a. 
12. Bapite. 
> guut, Birchengefdichte Peurflante, I, p. 0 3. W. Wiofi, Miniferiliäe 
und Zürgerrum. Aeipyig 1858, p- 122}. R. Sridberg, Aus beunfhen Zußbäcern. 
ae 186. 
Boon, UB.1, 9.2, 3535, 0 
Auge, Repmologifäre Wörterbuch. 
Sur Sache fiehe A. Böpcl, Oefhihre der Beufien Aieraın, 1, 9.72 
3. von Schlofer in den Wiener Sipungeberihten, DiRphiL CL, Band CNXHI, 
20h, PAR 
Die Srüce fin be MtenbofF und Scherer, Tenfmäler, bgebendt, 
Tone in Seryoge Bealenepflopäie für evang. Theologie XIV, pı 120 
Site die Inhaltsangabe bei Grofö, Yuchucd von Worms, p Of. garmung in 
Sorfiungen zur d. Gefiäte XVI, p. 589 f: %. Hank in den Berichten dr Fl, 
(rigen Gefefhafe der Wifenfiaften 6 Mai 160, p. 05 
Sadur Le Ih p of. 
Ser, Grundlegung der Airdeerfafung Wefeuropas. 
©. Bilfinger, Die minelalrlihen Goren und Be modernen Grunben. Srungarı 1802 
8.2. Spcö, Befeläe des Unnerrichtoufens in Beufbland. rurgarı 1885 
Burchardi Deereterum Iibri XX. ed. Colonine 1848 p. 40- Decr. Ic. 5. 
Siehe mamentlit Bud 1 der Tee 
000, UB. I, p. Ir 
Boce, UB. I,p- 308. 
u. Stus, Gefichee vn Heälißen Benefiislnefene 1,9: 22 





838 EERE 








sE5 SESE 








ihrer Ferförung. Speier Ih 4 


533 


aa 





323828955 


18° 


Anmerfungen. 


Siehe Boos, UB. I, p. 1004, II, 9 38f. 
Pb. Schneider, Wie bifepöfliden Wonfapitel x. Mainy 1885. 

©. Gierte, Das beurfche Benofenfdaftsrect I, p. 285 #. 

Gerd, Beanslepung ıc. 

Gardp L.c.p. 128. 

Ueber den Dom fihe 2. ‘öörner. Bunfdenfmäler im Broßberrogrum Selen, Reis 
Worms. Darmfadı 1887, p- 154-204, Mine gute Ionographie enmfpredbend denen 
über den Dom in Main von Schneider und das Mänfer in Bafel von R. Sıehlin 
wäre fehr wünfienswert. Viellddhe ermöglichen die Netaurarionsarbeiren dien 
Wurf, 


BEEHRE 











© Boos, UB. IT, p. 114 More 1. 

&0 Ed. IM. Prow, Dario, 3. Pitard, Liv. IL. c4. Badur 1. c. Ih p- 300 f- 

&& Sür das Solgende vgl. ©. Dehio und ©. von Beyold, Die Pirdlice Baufumft dee 
Abenblandes. I. Srungart 1802, p- 244, DR A6TM- 

89 Siehe den fehon mebrfac citireren infeuftiven Auffan von 3. von Scloifer, 
Beireäge zur Befcbicne sc: in den Wiener Sigungsberichten phil.hit.€1. Band CXXIIL. 
Ab. I 

00 Ph. 3. Sehr, Dur Nefnuration Dee Domes zu Worms. Worms 1850, p. 18 

@n Bie Abbildungen Vic. 25, 20,29 in Lindenfähmits Gendbu@) p- 112 Mander, Die 
Biedde von Limburg in der Garbı. 1804. 

Siehe Beifel, Die Bauführung des Minelalters. Jreibucg in Dr. 1850. 

© I, von Schleifer 1. c. p- 28. Voee, Die Anfänge des Monumentalfiles, p. 200 #- 

wm Dehio und Beyolb 1. c.p. 20%. 

np. Clemen in ber Wefbeutfähen Zeinferift IX, p- 107- 

2 Dehio und Daolb p. 4M. 

wo wehio und Deolb p. 400. 

ame Woöemer 1.c. p- 16. 

un 2000 UB. Il, p. 34. Die Debifationsiafäheife bei Aaus, Cbeilide Jufeeiften I, 


p- 8, Mir. 181. Min Beundriß diefer Rice bei den Tomaften im Brabtarbio 
Woeme Band 1770. 

un Bon l.c. Wörner lc. p- 167. 

wn Boon, UB. Ih p-3t- 

un 2000, U.B. I, p. 40- 

1m Boos, UB. Ip. 35% 38. 

00 Araus, Inferiften IL, p- 80 Pr. 174. Min Gerrich cericus Fommt urfumblih 1008 
vor, ein Miniferial gleiden Yemene 1016, Hehe Boos, U.B. I, p. Hi 

m 0. &. Sr. Jalf, Die Bildwerte seo Wormjer Dome. Mainz ISTI, p- 3, Were, 

#2 ginbenfchmit, Gandbuc Tafel II, Sg. 32: Bonner Jahrbächer XCH, p- 101. 

mn Wörner 1.c.p- 21. 

mu garten Ic. 

m Wörner .cp If. 

101 Giehe Wörner 1.cp- 821. Die Aften im Gtadtarcbie. Band 1005. ine Kefonfrukrion 
verfuchte ©. Seidl in Minden. 

Hi Boos, UB. I, p. 28, #f- 

517 Wörner 1. cp 207 

513 Weblo und Deyold 1. c. D: 503 

5:0 Böhmer, Willigis, p- 192. 








RER 


BEESSEESERBEBEEEEREBEEEE ESEB EBES 


Anmertungen. 19 


B000, UB. I, fir. 4. 
2000, UB. I vie. M. 

‚Se. Schreiber, Jefgebe zur Eröffnung des PaulnelHlafeume zı Worms 9. Of. 1881. 
Die &. PauluerBirdye zu Worms, ihr Bau und ihre Befcichee. Bedrudt in Mainz 
bei 2. Wallan. 4%. 

3006. UB. I, Mr. 55. 

Wörner 1.0. p. 140 #. 

B008, UB. I pt 7. 

Wörner 1.c.p 227 

‚Se. Schneider in den Bonner Jahrbüdhern, LXL, p- St. 

Worner Lie. p 13th 

Wörner 1.c.p. 102 

Ueber die Bildung dee vornthmen ‚rauen, he 3. Specht, Befthldhte Sea Unterrichten 
wefens in Deurfcland, p. 220 

2006, UB. I, Ur. 46. 

Boos, UB. I, Wr. 4. 

3. Kampeeäht, Deunfie Grfibicte I, p. 202 

Ueber das Jolgende vgl. Saud, Rircengeftichre I, 9.687 F Gar 1.c. Sina 
Birdpensei IL, p- 205 f. Srup, Benifzalmefen I, p- 68 f- 

U. Srug, Die ligenficke, p- 25 | 

Boos, UB. 1, p 3. 2. 

Bon, UB. I, p. 40. Wie. St. 

Siehe zum Deifpiel 2000, U.B.1,p.239, 41. I. Megifer, ferner die Akten Im Grabre 
ardio, Band 100 f- 

2000, U. IL, vie. 314, 316. 

2000, UB. I,p. 85 21 

3000, UB. I, Wir. 0%. 

2006, UB. I, ve. 06 

3000, UB. I, Kr. 101. 

3000, UB. I, vr. 106. 

Boos, UB. TI, p. 165 f. 

3006, UB. I, Vie. 20. 

2006, UB. I, Ur. 117. 

D000, UB. I, 165, 10. 

Boos, UB- Ip. 2, 12 

Boos, UB.L, Wie. 2. 

2006, UB. I, Vie. 105; ngl. Dr. 20. 
Wörner 1.c.p. 223 fi 
D000, UB. Ip 213, 0; rot 
Boos, UB. I. p. 31, 2 
3006, UB. U, p. 2, Wr. 
2000, UB. IL, p. 700 f, Vie. Alor. 

3006, UB, I, Ur. All. 

3000, UR. I, Vir. 7 

2006, UB. I, Var. 20. 

Urfunde vom 2). Vopenber 1253 bei 2000, UB. I, Ar. 241. 
Boos, URL p 17H 




















. Michaelis, 








20° Anmerkungen. 


wa Boos, U. 1, Vi. 6. 
38 2006, UB. Il, p- 72, Wr. 108%; p. 230, Vie. Ai 
u €. Bochne, Ter Uriprung der Grabtverfafu 
Dreslau 1890, p.78 f. Siehe die Jurüdweifur 
der Gredtverfaflung. Tüifeldorf 1992, p- 70 # 
13. Zapitel. 
40 2. Seusler Jafitutionen des beufüen Privatredte. Zeipnig I, 1885, p- 25 
1m geusler, .C hp f. 
802 iEefen Straßburger Stabresche E11. 
30 Meutgen, Unterfuchungen 2c, p- 82 f- 
30 Boos, UB. I, Mr. 13-48, 





in Worms, Speier und Mainz. 
‚om Grorg von Below, Der Urfprung 








1m Boos, VB. Ip. 3.2 8. 

im Boos, UB. I, p- 40, 16 loquax persona. 

a Boos, UB. 1, tie. 42. Zur Irläurerung biefer Urfunde fihe Geusler, Urfprung, 
D-23065, 120 f. Wait, Verfaifungegefäicte VIL 370. Aeuıgen, p- 88 f. 

99 Brunner, Nechregefichte I, p- 160 f. Gohm, Die fränfifce Keihe: und Berichtes 
werfafung I, p- 125 f, fie aber Wain, V.G. VI, p- 2%, Anmertung 3 

Su Beutgen 1. cp. 85 fr 

Ha 3. Ubliy, in den Mirelungen des Jnfirure für Serreichifche Beftihreforidung XV, 
D. Si1, will Worms nid zu den Ciitates publicae rechnen. 



































55 Boos, UB. I, p. 20 f, We. 45. Vieue Ausgabe von £. Weiland, Mon. Germ. LL. 
Sectio IV, Dans I, 1803, p. 60 f 

2 1 P-20 Fa fihe Reugen, p. 00, Wone 3. 

m 04 fi; fche Dagegen ©. von Below, Urfprung. p- 111 f. 

1 Seuste, Uefprung, p. 38 

9 W. Aenolb, Sur Befiice es Migerrums in den deurden Gräbren. Bafe 1801, 

1 15 

© Zoos, UB.1.p. 8 2. 

ei Boos, UB. 1, Wr. öl. 

we Beugen, cp 118 f. 

&9 Below. Inıfedung der Gradrgemeinde. Urfprung, p. 23 # Aeutgen, p. 102 

4 Dom, Stadigemeindr, p-8. Anderer Meinung iR Mayer, Sol, Aaufmannfäeft und 
Matt .cp- 10 

wo 2000, U.B. II p. 203 und das Tagebuch von Wolg. 

um Boos, UB. Ip. 6, 2 

un 3. Segel im Meuen Achio NVIE, p- 20 

4 Doon, U. I, 86, 2; bayu Die Demerfung ©. Shente zu Gchweiberg, in ber 
wenbeunhen Beinfeife VI p- 87. meld cp. 116. Adbne, 1.c.p- 169 fall. 

10 Zum Deifpiet Boo0, UB. I, p- 5, 2. 

1 Zoos, UB. IL, p-108. Zorn ei. Arnold p. 118; Hehe Waig V.G. VI, p- 120. 
Uefunde vom Jahre 1020. Aähne, L cp: 1 M 

wu engen Le p 143 

wa Waio VG. VI, DAL 

0 Segel, V:G. von Mainy p. 205, 2 

1 Boos UB. Ip m 15 01,4. 

1 Boos, UB.I,p. ms. 

= 


2000, UB. Il, p- 710, Yir. 02 





Anmerkungen. 27° 


un Schenk zu Schweinsberg im Mocrefponbenjblart bes Befannsereins. 1875, p. 40 
0 Boos, UB. I, 9. 61, 24; 68, 1, 215.89, 125 02, 6, 13: 00, 20; 68, 34; 09, 9: 
Arnold 1.c. Ip. 1b. Croltus, Origines Bipontinae. 1261, I, p- ZU3f. 
Amel lc. 
Bohne cp. 108 fi 
Boos, UB. UN, p 1076. 
Boos, UB. I, Wr. 42, 066. 
2006, UB. 1, Hr. 50, 81. 
Was Rochne bieräber fagt, p- 171, I Ourdhaus abzulehnen. 
D00s, UB. I, p- 180. 
weis, V.G. VL p. 317 #. 
Boos, UB.I, p- 40, 16. 
Waig, V.G. VI p a2. 
2006, UB. 1.0.47, 2 
Zum Un hot 
VBLpöR« 
un ınam. 
2000, UB Ip. 83, 37 ze 
2000, UB. I, p. 00,28 10. 
10 Zolmar Schande, Zur Tnrfichung der Grabrorefafung von Worms, Speise und 
Mainı Programm des Kifeberhpmnafiume in Deralau. 182, Mr. 172, p- 58. 

7 Zoos, UB, I, We. &3-88, BT-TI, 78-81, 83, 85 u. Ih p DIT. 

m Boos, UB. 1, Ar. &-11. 

99 Brunner, Deurfepe Heibregefbiähe, Il, p. 101 f. Waig V-G. VIL, p- 311 #. VIEL, 
P.218 f. 

@ Segel, V.G. von Mainz, p- 30. 

a 3000, UB. 1, p. 30, 5. 

en Segel 1.cp.äl. 

© Mochme 1. c.p- af Boos, UB. I, Me. 64; 0-21; 9110. 

4 Boon, Il, Ur. 072 

@ 2000, UB LP. 3 

50 2008, U.B, I, p. 22%, 23. 

an Bon, UB. I, p. 66, 20. 

Wr iefteo Ceraßburger Grabtreiht 2-1. Gorhein, Wierfihaftspeflhte des 
Shwarmalbes I, p- 34. 

5 Zoos, UB.I,p- 30, 1, 

= 2000, UB. 1, p. ©, 26ff. 

© Zoos, UB. 1, p. 382, 17. 

O1 Boos, UB.I,p.38f., 4, I4ff- ic Ueber Samilie ehe Bareis, Die Landghter: 
orönnng Maris des Geofem, p. 24, Mer. 2 Familin; über den drufihen Ausbeudt 
gedigene Seuoler, Urfprung, p: 108 ff. Jnkirutionen I, 136. 

19 Gchröder, Echrbuch der Deutfähen Aedhragefihicte. 2. Auf. p- OZI. 

50 Doon, U. 1,7. 0, 10f. 

4 6.0. Gengler, Das Gofecöt dee Bif@ofs Burdiard von Worme. Erlangen 1850. 4°. 
Mir seiten Bommentar. 3. W. Wigfe, Minißreialitkt und Dücgerrum, p. 108 ff- 
Bochne 1. cp If. 

85 1. Geusier, Infiturlonen I, p. 68 

18 Be0n Di Mur vr elarfm ai a 














a an 











2 


Anmerkungen. 


Weis, V.G. V, 9.108. Im den alten Volfereäten werben Biefe Ceire haisald, 
hagsstaldi nö. Segefh genann. Gcheöder, Arhrsgefhidee 44, 111. Sapckels 
iR ein folder, Der feinen eigenen Ganshalt gründen Fonnte, fee Kluge, rpmolopif@iee 
Werurbuh. 

Waig, V.G. V,p. 202 

Geusler, Jnfirutionen I, 9: 136 f 130, & 

Seuser, 1.c. hp. 160 f. 

Wain, V:G. VD. 428 f. Saröter, Aabeopefdihte 2%. 7425 €. 

Brunner, Aecregefäläee I, p- 20 f. 

Boos, UB. I, Ur. 

Mayer, Sot, Baufmannfheft und Martı 16, L.c.p- #28 

Boos, UB.T, Wr. 3t. 

Waip, V.G. V- p.211, 4,358. Shaubde in Zifäeife für Geflihte Den Oberchein 
MIUD2WE Bohne Lopälf. 

3. Lampreche, Deusfbre Wirtfaftleben 1, p. 1017 

Beanner, Deurfide Mechrogefölihe I, 7: 006 

Don, UB. I, U. 4. 

Stumpf, Neg. Vor. 1823. Ueber die beiden Diplome al. Beefleu in den Zahrı 
wüchern ben Beutfen Reichs unter Seine IL. Sand IT, p- WR. Bochne,1.c.p40 1. 
200, UB. Ip. 362 Mr. 0. 

Siehe Bochne Le. p.2 

S Beehlau, 1.208 f. 

$. Beunner, Neiregefichte II, p- 62 f- 

Drummer, 1 c I, 9.402, 416 

Dreftan, 1.c. U, p- 30 #. 

Bochne, ep 1a 

Borhne, Lo. p 12 

I. Grimm, Peufie Nedtsalterräme, p- 00. 

In ser Uetunde Guimeic IT, vom 11. Juli 1018 eife es won ihm: qualiter Barchardus 
discretu in appetendo, fort in tlerando,justus in iudio. 2000, UB. 1, 27,28 #- 
Sohn, ie Eurfchung des deunfhen Suäbrewefens, 9:40 f- IM. Bunze, Die 
Brunfen Stadtgründungen. Zeipsig 1891, p. 45. Uhliry m den Mitelungen des 
Tupirue für öfersridifhe Gefdicte 1004, XV, p. 52 f. 

Andreas Rpf bei A. Sculer, Derfofungepefäte der Crabe Bafıl, 180, p- V, f 
T0. Sidel, Uefunden der Barolinger. Wien 1807, I, p- 2. 

© Boon, UB.L p 30,32 fl 








BEBBEEBBR 








14. Zapitel, 


$. Breßlan, Jahrbücher des deurfhen Reiche unter Moncad IL. Zwei Bande. 
Srumpf, Sr. 2051. Breflau II, D. 100 f. 

006, UB. I. p. 309, Vie. 0. 

Zreflau 1.c. II, p. 101, Viote 1. 

Siebe die foater gefertigte Infeheife in Menue, Aheinifde Infhriften II p. 81, 
Mir. 1702 und p. 348. 

Boos, UB. I, p. 33, Won 1 

Do00, UB. 1, p. 382, Wr. 0. 

200, UB.TI, p-33, 26. Aus der Difofechronif hat Shannar I, 2.330 gefihöpir. 
B000, UB. Ip. 40. 





2338 839932 


aESBBEEEE 853538358 


[2222] 


an 


ZREEBEE 


SER 


Anmerkungen. 23° 


Stumpf, Kr. 1005. Sammer Ip. 49, Br. 8. 
Stumpf, XI. 1004. Söannar IL p- 49, Ve. &2 

Boos, UD. I, 9. 20, Ur. 43 

Boos, UB. 1, p. 305, Yr. 3. 

Boos, UB. 1, p. 388 fi, Mr. u. 

Boos, UB. II, 9. 3 Won 3. 

Sumpf, vi. 21. Seeindorf, Jahebäiber be Beute Neide unter geinei IL, 
Band I,p- 10. 

Stumpf, Kr. 2202, 2208. Steindorf I, p- 206. 

2000, UB. I p. 34, Wote 2. Steindorf 1. c.I,p- 20. 

Saar, Die Climiscener I, p- 30 f. 

Stumpf, Vi 200. 

Stumpf, Er. 200. 

W. Maurenbrecher, Gedichte Der Beufähen Aönigensahlen, p- 10 f. 

Don, UB. I, Ur. 5 

9. weger von Anonau, Jahrbücher des beufßen Aeiden unter Selb IV 
Band 1,1800, Dans IN 160. 

Boos, UB. I, Ye. 5. eper von Anonau 1.c.I, p. 214 Wote 23 

Srumpf, Wr. 202. 

2000, UB. I. p. 35, Mine 2 

U. Grup, Die Kipenfiräe, p. 36 f- 

Den Tobeota und sus Jahr dee Ginfiheidens Abalberos sicht Be Bifäofscronit, 
Bo00, UB. I, 9.35, 2 Damit fimme das Vietcologtum « Galli in Mon. Germ. 
Necrologia Germaniae I, Berol. 18, p- #74. Mit dam Jahre 1069, Ainme sie 
Angabe der Upfunde Mbelberrs vom Jahre 1100. Zoos, ULB. I, p- 36, 6 anno 
oräinaionis mene 3. Kaur der Uefunbe, Boos, U, I, Mc. 5% usfunser Abalerr 
(Con 1006. Meyer von Amonau 1.c.T, p. 34, legt den Tod Abalberos in Das 
Jabe 1070, geüge auf Lambeer won Gerafelb, bein Feugmis jebod) gegenüber den 
Aetunslichen Angaben Fein Gewicht haben Tann. UD. I, p: 87 muß der Tobcatag 
Abalberos in & Auguß verbefee werden. 

A. 3%. Mofa, Deurfbe Gefiche I, p. 78. 

cher Sefen Beribr val. Be Bemtsfungen Iiepers von Bnonau 1, c. p.300, Hotel. 
{Miyer von Znonau I, p.314, Von. Die Urfunde iR abgebrudt bei B006, UB., 
PAR Var. 

Sun cp 30 ft 

Bochne, 1. cp 28 ff 

ieper von Anonan I. c. Ih p. 722. 

Bochne 1. c. 9.21, fabel von einem Juramentum pacis der Wormfer. 

3. Segel, Weuee Bein XVIL, p- 218 f- 

Giefeberä, Befiäre der rurfiüen Balfeyet IN p. 426, 114. 

3. von Riden, Gefäiäre und Gpfem der minlaleeligen Weltanfhauung. 
Stutgart 1887, p. 8. Yiefte Carafteriit Bregore VII. bei 3. Mickt, Die 
Publiifüt im Beitalter @regore VIL. deipsg 1804, p. 54-010. 

if 1. c. Ih p- 12. 

2000, UB. 1, Me. 5t. 

eos, UB. II, p. 5, Wote 3 

Door, UB. I, p. 35 #. 

















2 


Anmerkungen. 


B000, UB. II, p- 36, 51. 

2000, UB. II, p. 36, 56 

70 Miebe Lc- p- 008. 

70 Weyer von Anonau 1. c. II, p #0 ff- 

m $.von Gpbel, Gefechte den eefen Areunsuges. Bmeite Auflape. Zeipsg 1891, p- 208. 

78 Wenn bei iEFfeharb SS. VII, p. 202, Bruno de beilo Sazanico c. 92 und Bernold 
SS. V, 433 von einem Fonipliden Palat bie Hede iR, (0 Darf man beabalb mich mit 
Segel V.G. von Mainz p- 23, Vote 1, von einer Yonipliden Pfal; erden. Denn wie 
im Worme und in anderen Bifbofehäbten, fo was aud) in Mainz der Rönig Gap 
des Bifcbofe und nahm im if@efehof Quartier. Was Aochne 1.c. p-210 f febel, 
iR Summen Seug. Möniglide und Mäbriflie Beamte in den Difhofopädren pab es 
nicht. Wie hätten damals Die Grädte ein Gefen erlajfen Formen! 

MB Segel, V.G. von Mainz, p. 22, Anmerkung 2 

M4 Waig, V.G. VII, p. 248. 

As Mannheimer, Die Jubenverfolgungen in Speyer, Worms und Mainz im Jabre 1006. 
Warmfadı 1877. Aronfas, Negeften zur Gefechte der Juden, Ar. 170, II, 120, 178, 

193, 186, 208. 

Deo, UB. DI, p. 740 f, 918 Silgerb, UB, Wr. 12. 

0. Sera, Gefhidte der Sersöge von Jähringen. Sreiburg L De. 1991, p. 184 f. 

Giefebeeäht 1. c. II, p. 08. 

Cod. Udalrici bei Jaff, BibL rer. Germ. V, p. 234. Dazu Aemolb 1. & Ip. 102 

3000, UB. I, p. 30, Wore 4. 

Boos, U.B. U, p. 37, 18 ff: Seumpf, Kar. 2090. 

Gügaes, UB, Vie. 14. 

Diefebeeäh 1. c. HI, p- 824 f 1101. Bochne 1. c 227 ff. 

Boos, U.B. 1, U. 1. 

Giefebeeibe 1 c. I, p- 830 ff. 

>00, UB. 1, vr. 02 

Jaffe, Bibl rer. Germ. V, p-321 f. Giefebeete 1.c.IIl, p-1202. Möhme L.c.p- 222 

Here 4. 

Jaffe 1.c. V, p. 310, Ve. 170. 

X. Araus, Cheifliche Inföheiften I p- 108 ff. Vie. 230. 

Diefebeeär 1. c II, p. 1202. 

Boos, UB. Ip. 50 

2000, UB. I, p. 3, 50. 

Rochne 1. c. p- 237. Biefebreht 1 c. I, p-031 f- 

Mon. Germ. Leges Sectio IV, Band I (1803), p. 159 f- 

Bon, UB.1, p- 70,9; Al, 205 160, Al. 

Siebe Boo0, UB. I, p. XVL. 

a iefebeeit 1. c. II, p- 980 ff, 121. 

7 Giefebeeche 1. c. II p- 977, 127. 


=: 


BRaaBuenRk 


15. Zapitel. 


77 Beutgen, Unterfachungen 1c, p. 55 ff. 

79 Sta, Les origines de Yancienne France IL Les origines communales. Paris 1803. 

70 2. Bücher, Ienıehung der Volfswierfiaf, p- 18. 

30 3. Lamprechr, Beiträge zur Gefechte es feanzöfifden Wierfhafrelebens im 11. Jabrr 
hundert. Leipig 1878, p- 13t 





[223 


zuu28 © 


BUEENSSRERBERUUG 3 


332338 


Anmerkungen. 25° 


A. Kampeeie in Sißorifche Zenfcheift, LXVIL, p- 385 ff. und dazı bie Ariif von 
©. von Belom, Urfprung p. 138 ff- 

$. Dada, in Gremanififce Abhandlungen zum 70. Beburtstap 3. von Maurers. 
Geringer 3.7308. 2 My Do, Aanfmenfaf un Wach, benefh 
2.308 ff. 

©. Waig, V.G. IV, p. 8. 

Capitulare de vilis cap- 6. 

©. Jacob, oeltbe Sanbelsarrifel bezogen bie Acaber beo Miitelalters aus ben norbifg: 
balrifen Kändeen? 2. Auf. Berlin 1891. W. Sepd, Gefihichre dee Arvantehanele 
{m Mitelalter. Srurgast 1879, 1. 

Hachgen, Die Kftchung der Märkte in Deurfland. Ceraßburger TI. 1891. 

A. Schröder, Deunfce Keibragefiicbte. 2. Auf, p- 514 { 008 ff. 

AR. Sohm, iEnnfehung des beurfhen Gräbrewefene und dazu die Aririf von 2. Uhliry 
in den Mitteilungen des Jnfiruts für öfesreiifhe Beldihtsforfhung XV. 1804. 
P. 508 ff. Beungen 1. © D. 64 ff. 

Ueber das Marfifpmbol ehe bie on Uhliry L cp 816 ff. Feifieen Gchriften. 
Augen 1.6: p. TI ff. 

Boos, UB. I, vir. 20. 

D000, UB. I, Ur. 20. 

2000, UB. UI, p. 537, #2 

Dächer, Mmtehung der Volfswictfäaft, p- #4. 

Don ber fere ampten und son ber fürften rargeben ed. Dilmar 1835, bei Genpler, 
Brabtrechtsahtertümer, p- 482. 

3. Philippi, Zur Derfafungsgefeicte der wefälifchen Difibofofäbte. Oenabräc 1004, 
DA. 

2000, UB. II, p. 09, Wr. 12. 

Gengler 1.c.p. 135 ff. Philippi 1. cp. 6 ff. 

Bengler 1.c.p. 185 ff. 

2006, UB.1.9.9, 2. 

Alerdings nur insireft aus U.B. I, p- 277, 1 zu erföliehen. 

Philippi 1.6.9.8 ff. 

Dißser 1. cp. 100 f. 

Arurgen 1. cp. 185. 

Bengler 1. cp. 140, 100 ff. 

3006, UB. I, p- 45, 10: Beurgen, pı 87, 186. 

Reurgen 1. cp. 87H. 

Mayer, Joll ıc, p. 31 f. 

R. Lampeeiht, Deunfeden Wierfüafreleben I, p- 00 ff 

Siehe die Urfunde vom 21. April 1200, bei Boos, UB. I, Yır. 404. 

Maper, JR. c. 9. 403, Wote 3; p. 412, Mote & 

Siebe Aluge, Krpmologiftden Wörterbud). Bezihnend #1, Daß au Lafen, Leilac, 
innen nieberbeutfchen Urfprungs find- 

Z000, U.B. I, 204, 3. 

Rochne 1. c. p- , Anmertung 5. 

Boos, UB Ip 5. 

A. Wedteling In: Die Safe, und Uferbauten zu Worms. Worms 1883. 49, p- 18: 
A. W. Winf, Deutfebe Srubien. Berlin 1879, p- 128 f- 





25° 


Anmerkungen. 


m Wetteling 1.6.9.1. Lamprecht, Wirfäaftsleen 1, p. 50, Were 2. 

78 Lamprecht, Deutfches Wirtfdpafteleben II, p- 236 f- 

m kanpreßt lc. 

m Boos, UB. Il, p. 02%, Spalıe rec. 

Toakanpreäk hc Ih p. 2 

A Theo Sommerlad, Die Aheinpöfte im Minelater. Selle a. &. 1604, p- 1. 
Seabtarcie Worms, Band IORR. Rople oder Romupt ohne Darum aus em Ande 

en 15. Jahedunberne. 

Doo0, UM. I, an. 2. 

Boos, UB. Ih p- 217, Mr. 0. 

Bo00, UB. I, p. 00 ff. 

Tu @iche di pfahpräflihen Aften Im Gtabtarcie Worne. 

Ama Sradrarie Worms, Band 1008 ff. und die Pläne In Grabterdin Worms, 
Dans 10a fi 

9 5. Dechlan, Moncab IL, Band Ip. 30 f. 

m Rocne ep 20 fl 

0 Wein, VG. VIL p- 125 f. 

70 Sind, 1ocs orignes communnles, p- a6 fl. 

m Sad 1 cp ff. 

2 A. Lucaiee, Les communes frangaisc A Vepogue des Capitiens direct. Paris 1890. 
3. Segel, Sräbre und Ciden I, 

0. Seumer, ie Beufien Bräbreeuern. Lepyig 188, p- 5 Waig V.G: VII, 
pol 

Mm Bon, UB, D. 62,37 (. 

4 Zrnelb I, p. 105 f. Gruner, Uefprung, p 166 f 

6 Zur Beirif che B. Schaube in Jeirfchrift für Befichre des Oberrbeine. Y. $. II, 
De 20 ff. 

Boos, UB.I, Mr. 58. Pazu Schande 1. c. p- 202 ff. dur Art der Phantafien 
Borbnes,I.c. 67 fi. vl. Schande, Jar Mnsfebung der Srdtverfafung von Worms, 

&peier und Mains. Programm des Mlifeber)-Oprnafuume in Becalau. Ofen 199%, 

VIE. 172, p- 12 ff. 3. Uhlie,, in dem Mitellungen bco Infirure für Aerreiifäe 

Geicictsforfdbung XV, 1804, p- 190 ff- 

DD. I1, ve. 18 

cher den Jo zu Seantfure ehe A. Gummel in Wenbeufähr Sinfhcift XI, p 100 ff 

3. dampred, Wirefhaftsihen I, p- 202. UN. Gommerlab, Mein, D 00 f- 

ihrer, Jabebächer bes seurien Neid, IL. Abteilung I, p. 26, More d 

%. Breflau, Bonrab II. Band Il, p- 300 f. 

B. Jeep, Die Shidfale des Pöniglichen Gutes in Deurfeland. Berlin 1881, p. 247 ff. 

Do00, UB.1, 9.52, 3. 

Dreflan 1. I p 368 ff 

D000, U.B. I, Er. 0. 

Fenster, Deufce Sradreeie, - 32 15. Boos, UB- I p- 63 9 

3000, UB. 1, vr. 110. 

Semmerlss L.c.p. 0. 

Sommerlad 1.c.9. 70 f. 

3000, UM. II, p 9 

3000, UB. 1, fi. 10. 

















BERBSSEREBEREREN 





B BBEERSERBERBERES 


gEREERE 


Anmerkungen. m 


Sonmerlad 1. cp. 72 f. 
2000, UB. I, p. 0. 

Boos, UB. 1, Ur. ın. 

Sonmerlad L cp. 56. 

Sommerlad L c. p. Ol. Dir &cheife von :. Wesel, Das Jollrede der beutfcen 
Bönige in Gisefes Untefachungen pur beuften Staate- und Necbregeilte, Sefe 43 
Drealau 1893, #R unbebrunemb. 

ampreäh, Wierfäpaftsleben Il, p. 300. 

2000, UB. , We. 02. Sähaube in ber Setfärift 1.c. TI, p- 273 f- 

Wie Zenolb I, p 197 behauptet, 

Doom, UB. 1.7.74, 2% 

Mayer, Zoll, Baufmannfefe und Mast, 1.c.p- 78 fr 

iaper L c.p.408, Wo 2 

Bücher, Intfebung dee Volfswierfähafe, p- &. 

Somnerled Le nf. 

Sommerlad 1.c. 7. 30 f. Lampredt, Wietfhaftleben I, p- 300 

2000, UB. I, p.486 f- 

D000, U. p. 7a, 18. 

Maper 1. cp. i8. 

2000, UB. Di, p 2. E 

1254 Boos, UB. I, p. 127, Var. 24". 1208 Boos, UB. 1, p. 224, 10. 

3000, UB. Ih p 20,37 

Siehe Boo0, UB, I, p- 232, 20 Fin Sacimile der INUff beim Pfefergeriät in 
3. Seinemann, Boctde. Leiplg 1008, P. 34, mach dem Bupferfid von Seit. 

ueber bie Bltfeiheit in Seanffurt befint das Stabtarcbin in Worms zahlreiche Aren, 
Bände (fpeich Ban 30 und Abteilung Rurpfalı), woraus hervorgeht, daß cs top der 
Soltfeieit an yablreißden Joiifanen miche fehlt. 

2000, UB. UN, p. 510. 

Ueber Kechrefpmboli? (ich J. Gelmm, Weutfibe Rechtsanerrimer, .209 A. Gesler, 
Japiturionen I, p. 68 

Doon, UB. Ip. 48, 22 

Srobbe, Die Juben in Censfland. Braunfchweig 1806. %. goiger in Seirfdrife 
für @efeicte der Juben im Beutfeland I, p. 05 f. © Liebe, Die rehrliben und 
Wwirtfaflichen Juflänbe der Juben im Mesife Teir, in Weftbeufie Seinfheift XI, 
P-3I1 ff, Day Mrpämungen von $. Saupt, ebenbafelit XII, p 143 fi 

DD. 17.416, 11. 

&. Seueler, Infiturionen I, p- 14T f- 

ampreih, Wirtfeafteleben I, p- 1452 f- 

3. von Pfugt:gertrung, Ir Talicam 1883, p- 411. 

Aromius, Kegeften yur Befidhte der Juben, Yr. 2 

Lee. 10. 

I. Sr. orig, SiMorif@-diplomanfüe Abbandlung vom Urfprung derer Neid: 
Mäbee ve. Sranffurr und Beipuig 1269. 4%, p. 74. Mofte Mannheimer, Die Juden 
in Worms. Sranffurt 1842, P-1, vergl. au) Boo0, UB. HI, p-4 f- 

iM. Mennbeimer 1.c-p- 2ff. ©. Rorbfälld, Aus Vergangenheit und Gegenwart der 
iiescitifigen Bemeinde Worms. Mainz (1903), p 8- 

®. Wörner, Bunfdenfmäler deo reifen Worms, pı 28 ff. 





























28% 


333888 BEBERE BE SSARARBSER 


Baa539 A955 


Anmerfungen. 


3000, UB. Ip. 24, 3 
Gengler, Stabreeätsalterimer, p- 97 fi 

Stebtariio Worms, Zanb Vi. 208. 

Boos, UB. 1,04, %. 

Sengler 1.6.9. @. 

Sigard, UB. p- 11 f, Cr. 11 und bay Beugen 1.c. 20 # 

A. Benß, Wie fer Neideftade Speier vor ihrer Jerflung. Speier 1612. 4%, 2:8. 
$. Beehlau {m der Jerfife für bie Geflcher der Juden. I, p- 160 

ügero, U, p. 12. Wr. 12. 

Boos, UB- IL, p. 20 #. 

Dgt. mie Diefer Befinmung die Urfunbe Jeieride I. vom 21. September 116. 
Don, UB. Ip. 06, 4 

Diefe Befelung in 9 4 wied nodmale in} 16 wiberbet 

5. %. Speär, Gapmähler und Teinfgelage, p. 4. 2. @hulg, Das höffe 
Aeden, 1.0.00 

Zerflan in der Jefäife für Die Befichee der Tuben, Ip. 18H 

Dom, UB LER. 

>00, VB. 

On Seis, Gesta Friederii 1. L.1.c.p. 3. 

often, Anfiren dee Volfsmirtfäaft I, 334 

ofenbat, Zur Gefchidte des igenume in der Bade Wirzburg 1873 p. 16 F. 
A. Gocniger in der Berfärife für die Beftllte ber Juden I, p. 06 fi, mad Den 
Shreinurtunden in A00 

Boos, UB.T, p. 70 f. 
Mon. Germ. Leges Sci 
Boos, UB. TI, p- 20. 
Boos, UB. II, p. 242 
Donaß, Regesta Ponifcum Il, Yr. 1260. 
She die Wovehe von 4. gehn, der Wabbi von Badharadı. In Worms wurde an 
18. Mär) 1603 ein Tube gefangen gefeg, weil ein Geilergefelt aus Seeburg in der. 
Schurls behauprer barı, er habe gefsben, wie der Jude ein Mind einer Frau abe 
genommen und heimlich in Die Jubengefle gebracht habe. Mer Jude wurde Daranf 
dreimal peinlid verböet und gefoltert; fine Glaubensgenoffen verfageen den Kat 
vor dem Keiefammergeriäht, eberef am 12. Jami 1504 wurbe ber Angeftlbigee 
der Safe entaffen, nacbben Die Juden in Wocns fih verpflichtet baten, eine Maurion 
von 20000 Gulden zu Keen. &e.rA. Worme, Band Ver. 200. 

Gitert bei Lamprecht, Wirsfhafsleben I, p. HAT, Wat 2- 

Mayer, Jo, Baufmannfhafe und Macft ıc, p 40 f. 

Zeugen Le p 10 

Magen 1 € p. 400 fi Waip V.G. V." 730%, Wote 4. VII p 204, More 2, 
solutio megoinria Segel, Seäbte und Glen I, p. D- 

Sigerd, UB, p 19,4. Dose, p.26,10u.2%,2%. Mayer Lc.42, More 1-3. 
Siehe Aluge, Kepmologifäee Wörterbuch, u. v. Ganfı 

‚S. Gereing, Sanbel und nbufric ber Stat Dafel. Def 1880 p. 03. 

Maren 1.0.9.1. 

1D. Wilebp, Minleitung in die Geiteswifenfafren, 1. deipsi 189, p- 82. 

Waig, V.G, IV, p. 304 f. Segel, Snäpıe uns Giben, I. 








IV, Band Ip. 126 





Anmertungen. 29% 


1a Sich Sie (höre Darıpun non Anton 2. Shönhud, Walhe von ber Dogcinche 
Berlin 1806, 2. Auflage, p. 178 f 

#2 3. Segel, L.c. 1, p- 34, 408 More, B.von Below, Urfprung, p- 136. Jahrbücher 
für Vrarionalöfonomie und Srariif, DI. Solge, IL, p- 52 f- 

iu Rochne, Der Urfprung dee Srabrverfaffung In Worms, Speier und Main. p- 53 
356 f. Jar Brief Aochnes ehe Shaube, Jar Ensfchung ıc, Programm, 1.c.p- Of. 

= Mayer 1. cp. 451 F- 

0 2006, UB.I, We. 9. 

‚et gegel, V.G, von Main, pı 33 f 

m Boos, UB. 1, Vic. 8. Gehe Se Jnterpretation son Borhne Lc.p 82 f, bie zum 
größten Teil fafc) I, wie fon Schaube, Programm, nacpewiefen dat, Derzlcite 
ud) Uhliey, Mirelungen XV, p. 409 f- 

#0 &o besöner fie Bochne mit Aedı. 

“inter h villas Suelntheim et Altäruphen; Iepieres iR fiber 
Aırtpp bei Mannheim. Siehe Mochne, p. 102, Wote 2. Guclnheim Fan vieleicht 
Sauldeim im Mecio Oppenbeim fein; eenfale muß man den Ort nörtlid von 
Worms fucen. 

wi ©. von Buchwald, Deurihee Gefelfcaftelebn im endenden Minlalter. Mil 1887, 
POST 

we Yampreibt, Wirıfäaftelben, II, p. 32%. Laut dem Wornfer Baufbausrobel von 

€ 1480, Boos, UB. I, p. 67, werden als gefalgen gur bepidnet: hering, 

bucking oder ander che; ebendafelbft: stockfisch. 

Zucwelb 1. c. II, p. 183 f 

Boos, U.B. U, Ar. 974. Im Srabtardie zahlreide Yen. 

ampreit, Wistfaftnleben, I, p- 50. 

3000, U.B. II, p- 400. 

Wie Scheube, Seirfärife I p- 202, € thur; fche dagenen Uhirn in den Ati 

veilungen XV, p- 50. 

Aeefes Seeafburger Graberect, E Hi. 

Lampreit, Wirrfhaftsleben, I, p. 101. 

Andreas Seuelr, Uefprung, p- 102 

Siehe die Ehsomif der elementaren Mreignife bei Kampredhr, Wirnfchafteleben I, 

Per 

Boos, UB. L, vi. 12. 

Kampreit, Wicrfafteleben I, p: 30 fi. 

Zum folgenden vergleidie Beutgen 1. p- 118 f. 

W. Henols, Zur Gefechte des eigentums in den Beufiben Bräbren. Bafel 1801,9. 8 

Mo zulege Mayen, Bol ac 1.c. 

Reurgen 1. c. p- 120, 149 

Ber Unterfbied wird in den Urfunden oft gemadt. 

9. von Delom, Urfprung p. 10 f 

2000, UB. DI, p. 30. 

&. Seusler, Infiturionen 1, p. 139 

cher den Fremen fie Geusler 1. c- Die Stellen find bei Waln V.G. Vı p- 2, 

Wote 2 gefammelt, 

ms Gügaed, UB, Wr. 14. 3. 8. Braun, Aheinifhe Infheifien II, 7. 70 Fi, Wr. 162. 

Mi 000, UB. I, Vic. 02 


1. cn, Die Aue vereinen Ge 1. . 














SuREE 


zBER 


BESERSEREBEE 


30* 


EBRREEEEBEE BEREEREE BÖSESSEBBBBEERERER 


Anmerkungen. 


5 Brurgen, 1. ©. p. 150, Wote 2, D- 187, Wote I. 

8 Bon, UB, I, Wr. Bi, vergleiche and Vic. 3, D- 20 20 #- 

ur Geuslee, 1. I, p- Of. 

MR Boos, U:B. I, Wr. 9. Ueber das Datum vergleide die Bemerkung p- 76, 28 

0 Silgard, U.B. We. 15, 

Bo Die Interpretarton von Sthaube, Zeinfeeifs IH, p. 204 iR uneicri. 

ei 2000, UB, I, p. 231, 20 ff 

9 Seeiburger Stadtrecht 4 40 in Altmann und Deenbein, Ausgewählte Uefunden. 

2 Auf, Berlin 1806, p- 35. 

Reungen, 1.0 p. 118 fy 105 

Seusler, Jnfituionen 1, p. 21 fi 

. Gorhein, Wirtfbaftsgefeite des Schwariwalden, I, Strafburs 1892, 9 101 

Bengler, Sradralterrümer, p. 407 ff. ©. von Below, Urfprung p. 08 ff 

Sigel, V.G. von Mainy, p- 26, 130. 

Segel, L.c.n. 130. 

Boos, UB. 1, Kr. 2, 22. Silgerb, UB. Dr. 5, 9. 

3000, UB. I, Yir. 410. Sigard We. 182: Sep, 1. cp. 1. 

Share in Seirfbrife für Geiler den Obercbeins, U. $. Vs p- 188, 8 1. 

Mbenbafelft, Keichenauer Mazfteeähe 1100, Beitferift 1. p- 1 6 2. 

‚Seeburger Srabtreht 55. Sube, Bisfheif für fänocherfchs Wehe XXI, 1. Gef. 
Iefügte serflärung Armolde I. p. 191 iR falf- 

VB ph 

D000, UB. Ip. 24 5 

Reugen, 1.6.7. 182 1. 

Reungen, Le p MO f. 

pitel, 

‚Für Zielen vergleiti nun &. von Seinemann, Jur Insfchung der Stabtverfafung 

im Zialien, Leipzig 1800. 

iMaurenbreiher, Befaicte der eunden "önigomahlen, p- 138 

Stumpf Reg. Vic. 328. 

Maurenbreder L cp. 165 | 

Opera ed. Lugd. I, p. 60 Liber mirac. 7. 

Giefebrechn, 1. IV, (1516), p. 202 

Giefebrecn, 1. & IV, p- 1%, 182, 100, 20, 220. 

Biefebeean 1 c Vu p- 1 f. 

Am. gufichmid in Ser Jeitfceift für die Befhicte der Oberrhein 1. d. VI, 

P-415 9, VI 00 A. 

ia Theogeri ep. Met. SS. XII, p. 488. 

Vita Eckenberti bei Boos, UB. II, p. 129 # 

Shonnar I, p. 65 fi, Wr. 72, 7 

I. @. Wisder, Befreibung der Farfürnliden Pfalz am Aheine, II, p- 203 

Boos, UB. U, p- 3, More 4. 

Dale, Biblioh. rer. Germ. I, 9. 608. iaueenbreiber, Aönigemehlen, p. 104. 

Stumpf, Reg. Yir. 3611-3872. Giefebreit, 1. c. V, I, p- 28. 

Stumpf, Reg. Vic. 2085, 3030. 

&. Schon, Derfaungsgefbihte von Teer In der Weftdeurfhen Berfäeife. 

Megänzungeheft L_ Trier 1884, p- 103 #. 


























BESSSSASSSSSEESEEERES SEHE 


EBESERESE 


EBEEE 


Anmerkungen, 31° 


Sea, V.G, von Mainz p- 36 #- 

Giefibrecn, Vy p 78h. 

Mon. Germ. LL, Sect. IV, Band I, p. 196 # 

Althochbeurfe haramscara — Schmeryiil. Siche Drummer, Deunfe Rechts 
gefiäre I, p. 50 f. 

Giefebreit, L c. Vo 108 f. 

2000, UB. U, p- 3, Anmerfung 1 

Sirfebeetn, 1. V, p- 60, 09 

Giefebeccht, Vs D. 707 f- 

Giefebeedt, V, pı 7I2- 

Ciefibrech, V, p- 20 f. 

Giefibrehn, V, p- Ti8, 

Biefebrect, V,p. 786. 

Biefereit, V, p. 704 f, 810. 

3000, UB. I, Ur. 86, und bayı die Bericrigungen II, p. Zi. 

Giefehrecht, Vyp. St. 

Giefibrect, V, D+ Söl, 85T, 80, 504 80 

Giefehrett, V, D- 008 8. 
Giefeberen, V, p- 87. 
Giefebercnt, Vy p- 80, Anm“ 
2000, UB. Ip. Zi Die. 8“ 
3000, UB. I, Yir. 8, p- 72, und day die Bericrigungen In Band I, p. 210. 
2008, UB. I, De. 94 und dazu die Bemerkung II, p. 720. 

2006, U. I, Mr. 68-7. Il p- 2, 

3000, UB. I, ic. Di. Wegen der Datierung jiche Boos, U.B. Il, p. 72. 

2000, UB. I, Ve. 100, p. &4 23 muß es conspiciunt heifen und &4, 28 unde 
Yobis, niör unum. 

Giefebrect, V, D.880 

Bieferett, V, p. 004 018, 926 

Giefebrecn, Vi, p-4, 2. 

Giefebrect, VI, p- 01. 

Giefebecch, VI, p- 8. 

Biefebrein, VI, p. 103. 108. 

Sifebreche, VI, D- 03 iu 00 F. 

A. W. Binicı, Befbichte des D. Volfes II, 390. 2. 12. Shönbad, Walther 
der Dogelmeie, Siseite Aufl, p. 12 f Vgl. au die feinen, geißollen Bemerkungen 
von ©. Sanfen, Wie Drei Bevölferungsfufen, p.303 f. Jr ba Jolgende W. Schere, 
Beioiäre der D. Ditung {m 11, und 12. Jahrhundert (Quellen und Sorfeungen 
zur Spra- und Multurgefiißte XI Crraßburg 1876. Scherer, Gefhichte der 
. Einerarur, 

Seael, V.G. von Main, p. 2. 

3000, UB. I, p. 44, linfe Spalte unten; jiche namentlich Ur. 75. 

2000, UB. Ip. 2, 01. 

Grimme im ieue Seibelberger Jahebächer IV, p- #0 

Chronica regia Coloniensis cd. ©. Waig- Gannover 1880, p- 140. Giefereiit, VI, 
P- 130, 174, 109, 200 f. @ieebecct (bes D. won Simfon) nennr Ihn p-198 falhtic) 
einen Keicdominiferiaen 




















1. 





Anmerkungen. 
6 Schönbach, Walther von dee Vogelmeide, p- 33 f. 
40 W. Grimm, Deutfähe Seldenjage, 2. Aufl. Berlin 1867. Mälenhof, Jeugnife und 


rturfe in Der Jctfärift für Beurfehen Altertum, XI, p- 283 A, 413 fi, XV, 310 # 
42 Giche 3006, UB. 1, Regifer. 

wen 3000, UB. I, p- 22, U. 70 
x Boos, UB. 1, p. 50, 3 








3000, UB. I p. 232, Ye nor. 
S.0.Küser, Dee Arenyug Jiebride Lin Sorfdungen zur srurfen Befäiche X, pa. 
ler 1.c.p. 18 

186 Giefehreit 1. c. Vi, 106. 

108 Giefehred VI, p- 2. 

1u0 2006, UB. ll, p. 39, More 1. 

vun Boos, UB. U, p. 42, Won 1. 

un Boos, UB. II, p- 42 one & 

0 Boos, UB. I, Kr. 0, 108 

10 Boos, UB. I, Mr. 

190 Boos, UB.1, Ur. 9. 

wu Boos, UB, I, Ur. 10, 

12 Süc Das Jolgenbe vergl. EN. Tore, Maifer geinsi® VI. Leipzig 1867. Mauren 

been 1.0. 100 
Rapitel. 

Silgerd, UB, Vic. 16. 2000, UB-I, Wr. 00; das angegebene Datum, & Jannar 1184 
Strafburg, fimme nie, wahrfehenli gehört Die Uefanbe in das Jahı 1182; fiehe 
Boos hp. 16,2 fi. 

Au Wörner, Bunfbenfmäler, p. 1 f. 
om Sr. Worms, Gandfärife dee Andreas Wi, Yr. 7 (hehe Bir Befreibung bei 

B000, UB.ILp-XIV f),p- 130 Die Bemerkung von Braun, Cpeiflice Jufheiften I, 

Ye. 169, 9. 20 iR hinfällig. 
eis Siepe bie Bifhofechreni, 3006, U. II, p. 3. 
107 Boos, UB. I, Vie. 101, 10. 

10 Boon, UB. I, Ur. 10; I, 9. ZI0. 

a0 Boos, U. I, Ur. 23. Sachmile Boos, U. I, Tafel UI 

eo) Siehe Boos, UB. I, p- Bl, 3 fh Both 1. cp 20-2. 

a Schande, Jeinfheife I, p. 270 f- Programm, p 22 ff 

a Don, UB. 1,p. 87, 18, U. IM. 

WS Boos, U. I, p- 0, 34, conprovincilium vestrorum (fo, nid nostrorum muß es 

beißen) vol. Mochne 1. p- 29, 200, Wire 2. 

Ku 2000 1,9.61, 4 nacb Bolanden muß ein Bomma und vor viecdominum mäffen ywei 

Punkte gefegt werden; fche Gchaube, Zenfhefe II, p- 286 
O5 Zoos, Urfundenbuch Ber Stadt Meran. Aarau 1850, p. 12, Hr. 1. 
jo ©. von Delom, Urfprung, pı II f. 
7 Wernher IL fol mit cin Zebtodter den legten Grafen von Vringen verheiraer 

gemefen fein; fiehe Winfelmann, Algeneine Denfär Biographie I, p- 06, akein 
feiner folchen gear wäre das Recht der benbirtipkit ensgegengeftanden; therfählih 
(war Ikboch Wernher mit On, einer Schunefie des Mainzer Brabtfänmerers Dubo II, 
ber giehfale Sem Miniferilenianse angehörte, vermähl; he 3. Deaudt, die 
Grafen von Würing, in Jorfäungen zur beufäen Beföichte XXI, p. 202, Wote 1. 























Anmerfungen. z.. 


106 Sauer, Die älelen Lehnsbüchee der Serefaft Bolanden,p.30; curlem in Wormatia 
rope portam in qua morari solemus. 

102 Boos, ULB. I, p- Ol, 25; 00 205 08, 37; 69, 26 

vu Boos, UB. I,p. 90, 20. 

un 2000, UB. Ip Tu Hl. 

1 Boos, U.B. I, 9. 82, 37. 

300 Jnpeufrio iR namenslid) die Vergleichung ber Wormfer Uefunde mir der Instituto 
Pacis für £aon vom Jahre 1128 bei A. Girp, Documents sur les relations de Ia 
Foynut6 arce les villes en France de 180-1314. Paris 1885, p. 14, Wr.3 Segel, 
Städte und Gilden IL, p- 42 ff, 110 f- 

KM Bon, U.B. I, Ur. 91, p- 10,1 

106 Boca, UB. I, p. 65, 20. 

Nam gofeecht, 2000, UB. I, p. 42, 3 16. 83, 34. @chaube, Beifihift TI, 260 1 

502 Zum Deifplel Bon, U.B. I, p. 237, 17 #- 

10. von Belom, Urfprung p. 120. 

v0 Nenolb, 1, p. 242. 

100 Shane I, p. 06. 

Io Boos, UB. IL p- 216, Ye. 620% 2I2 Vie. 20%, 20° ıc 

10 2000, UB. I, 1. 50, Yr. 58. 

108 Boos, UB. I, p. 02, Wr. 76 

AO 2000, UB. I, p. 23, 18 

306 Aemolb, I, p. 208. 

100 Boos, U.B. I, p. 23, 18 














W. Wiegand, UB. 1, 9. 118,9. 
&. Silgeed, UB. 1, p-31, 4. 

106 Boos, UB. I, p. 5, Ur. 111. Silgerd, ULB, p- 26, Mr. 23. Arnold I, p: 208 f. 

A &. Kieröel in Teurfe Kinfheife für Befleramiflnfhaft, Wr. 4. , p- 24 

100 Selb. Neifere Neformetion des Aare Sigmund ed. %d. Bahm, Leipig 1876. 

10 @. Büngel, Ueber die Verwaltung dee Mafı und Gewidhtewefens in Deusfihland 
während des Minelalers. Leipri 1894 (Sraats und fosialifenfhaftliie Sorfäungen 
berausgegeben von Schneller, XI, Seft 2). Ausführlihe Arinf von ©. von Below 
in der Benfeife für Sonlalı und Wirtiheftegefcichte, herausgegeben von &t. Bauer 
end 4. 1. Sarımann, II, p. 491-490; vgl. auch die verflänbigen Bemerfungen von 
Reutgen, p. 208 f- 

van ©. Schmolter, Jahrbut für Gefenpehung, KVIL, p- 20. 

1u8 2000, UB.L.p. 11, 2 

104 Capitulare de vilis ed. Ch. Oarein c. 9, D. 0 f. 

A. Siehe dayu die Tabele bei Lampredhr, Wietfäpfieleben, I, p- 50, Vote 1. 

6a Mayer, Jol, Raufmannftbaft und Matt, p- 305 

wur Segel, V.G, von Main, p. 67. echte für Sefüftbe Geftichte, XV, p- 100 108. 
Schaube, Programm, p- 56. 

us gilgacb, U.B, pı 314. Sehfheife für Geficte Deo Oberrheins, p. 30, 402; ferner 
Sügars, p- 478 F. Schaube L cp. 85. 

100 Zoos, UB. I, 228 fr 

109 &0 fipon Im Sreiburger Grabreräh, 23 

von M. Tb. Mheberg, Ucber das ältere Drufihe Mänymefen und die Saungmojfenfceften. 
Aeipyig 1819. (Shmolero Aante: und focelwifenfäaflihe Sorfäungen II, 6.Sef)- 











30 


Anmertungen. 


D000. UB. 1, 9.71.22 
2000, UB. Ip. 82,7. 

Boos, UB. Ip. 125, 20 

Siebe die Sufammenfilung bei Sermann Dannenberg, Wie beurfän Mänsen der 
facrifden und fräniiäen Baiferseit. Berlin 1820, p. 4 F, IL Danb 18%, p- 20 
Dannenberg, 1.c. I, p- 322 f. Tafel 30, Vr. 8424 844. Tafel 0, Var. Sat 9b 
6-86. II, p- 688. Tafel, Vie. IM-I0M. 

Für Speier vergleiche Surfer, Derfud einer Speirifien Müngefcicte in ben 
iMinellungen dee Diforifchen Vereins der Pfalz 1882. Sür Worms fehl cs nad an 
einer Bearbeitung Der Münygeidichee, obwohl Das Wiarerial hierfür vorhanden wäre. 
2000, UB. Ip 1 211. 

LL. II, 208." Boo0, UB. I, p. 08,2 | ibeberg, 1. cp. 31 d 

Borbein, Wireflafrspefälchte des Shhwarsnalden 1,883. Inama Sternegg, Deutfihe 
Wierfafisgefbicee IL. Leipäip 1891, p- 320 F 

Borbein, 1.c.p- 600 

Rbeberg, Le p. 

beberg, L.c.p. If 

beberp, L. cp. 125 

2000, U. I, p- 3 2,40, 0. 

200%, UB. I, Wr. 0,9. 4 f 

Lex Burchardi, $ 20. 3006 I, 9.43, 35 f. Aölnee Dienferidt ed. Srensborff in 
Mineilungen aus dem Stabtardio von Rln, I, 1883, p- 8, 5 10 

Segel, V.G. von Main, p. 6. 

Tiefe Selle Hält Schaube, Programm p- 2, für eine Imerpolarion. 

3000, U.B.1,9.60, 23, dep Prende und bey pfunt piefere. Was Frendhe iR, weiß ih 
nic, 

Dergleice bay $ 7 den Mölner Dienfmannenerte, 1. cp. 6 F, 3 f. Basler 
Dienftoe cd. Wadernagel. Bafel 1852, 4%, p 10, 36 

2000, UB. II, p- 
Boo0, UB. 1.06, 46. 
Boo0, UB. Ip. 0, 0 

Sir Speier vergleiche Sarker Im Jerfßrife für Befihre des Oberrhein, 38 (186) 
P-210:; Dazu bie Reitf von Sbaube, Programm p. 16f Segen Bochuce Phantafieen, 
Für Main Segel, V.G. von Mainz p- 8 f. 

2000, UB.1,p. 123,3 124 12. 117.8, 2. 

Segel, V.G. von Mainy pı 6 f. Mheberg, L.c.p 180}. 

©. Jacob, Welche Sandelosrriel beyogen die Araber den Minelmeeren aus den 
mordif:baftifehen Ländeen, Berlin 1801, p 10 f 

Hubolf won me, ber Gute Berbard Ner. von I. gaupt, Vers 180 f. Vergleiche 
Ü Baufmann, Carfarius von Seiferbadb. 2. Auflage. Aöln 1802, p- 40 f ölner 
Wienfirethr ed. Srensdorf, Ic. 3 1 p- 34 f. Scbulg, SOAfeen Acben. Leipsig 1879, 
1,p- 223 fi sans ungenügend. 

2000, UB. I, p. 305. 

3000, UB. I, 7. 647, Anmerfang 1. 

Biete Seugenlifte ter Urfunben, Boos, UB.1, Hr. 4, 
69, 70,20, 12, 7, Ts, 75, 20, 70, 18, 79,81 1 

Dh. Schneider, Die Bifsflen Tomfapitel ıc. Mafny 1895, p- 48 fi 











0, 03,64, 66, 00, 07, 08, 





" 


Anmerhungen. 5° 


wor Wenigfens fo in Bafel bei Scchrer, Topographie in: Dafel im 14. Jahrdunderr 
Dafel 1856, 1:18 f. Sür Worme iebe 2008, ULB. HI, p- 3 1f. 

166. Siehe die Eitreranun bei Schröder, Nechrepefichtr. 2. Muflape, p- 568, More 22 
2000, UB. UL, p. 34,0 €. 

N Boo0, UB. I, p. 61, 32, asserens dictante instida (eergleide p. 134, 3 dictante 
sententin) neminem in lecto infrmitatis sue aliquid de banis suis vel mobilibus 
preter quinque solides erogare posse eic. Vergirite sayn Lex Burchardi, tt. 1 
Don, UB.I,p. 41, 0 9 Aochne lc. p 201 

sun 2000, UB. I, Wr. $1. 

10% Boos; UB. I, p- 88, 33 ad commune opus ci 

1a Boos, UB. I, Wr. 90. Winfch, Miniperialirär und Bürgertum, p. 226 fi, umeichtg. 

110 Schannat II, pı 208 

ma Zorn, p. 123 1. 

u Boos, U. I, p- 720 f, Ur. 108°. 

Bapitel, 

U Die Grundlage für die folgenden Mapitel bilden Yähmers Negefen den Baifer 
weiche 1108--1272. nmebruc, 1. Abteilung bearbeitet von I. ide, 18815 
I. Abreilung bearbeitet won emjelben, 1882; IL. Abreilung beasbeiter von I. Side 
und 12. Winfelmann, 1892; IV. Abreilung brarketer von denfelben; 1. Lieferung 1892, 
2. Rieferung 184 (eitiert B-F. oder B.W). Die ältere Eitreratue über Seibel IL 
finder man bei ©. Blonbel, Einde sur la poliique de Vempereur Frederic IL 
en Allemagne et sur les transformations de Ia constitutien allem. dans Ia 1 moitie 
du 13 sitele. Thise. Parie, Picard, 1802. 

O6 Silgard, UB, p. 25 f, ir. 22. Be, Mr 16. 

A16.E. Wi, Negeen der Mainzer SErsbifeöfe, I, p- XIV. fi p- 121 F. Chrar 
Coloniensis cd. Weit, p. 170. 

Yo Chronica Ryccardi de s. German. Sannover. Tödhe, Zeineids Vi, p- 462. 

10T Chronica regia Coloniensis ed. &. Walp. Sannover 1880, p. 107. 

ton DIN, Kegeften, p- 202 f- 

A Dialogus cd. Strange, Wif. II, Cap. 0. Zi. Raufmann in Annalen den biforifeden 
Vereine für den Yieberrbein. Möln 1888, 47. Geft, p- 208 f. |ie Wiote I bedarf 
der Borrehrur. 

10 Pics, Monasofheift für Mbeinifcb-Wenfaliibe Befhihre IV, 230 |. Wil, 
Kegefen II p. XXXL. 

Am. Mich, Die Publiyfif im Jetalter Gregors VIL Leis 1804. 

An Walıber von der Dogelmeide. Min Wichrerleben von A. &. Schönbach. 2. Auflage. 
Deelin 1908. 

un Stönbad, 1.c. p. 0 f- 

um Scene, cp. 

115. Gerausgegeben von YD. Grimm 1860; von Besyenberger 1872. Schönbad,1.c.p- 182 

Shönbab, L. cp 10. 

LIT p zu. 

FE, Ur. 008. 

2 Zoos, UB. IL, p- 721, Dr. 113%. 

1 Boos, UB. I, Mr. 110. 

m Eultor der Nenaiffance, I. Abfehnit, 1. Bapire. 

Am 2000, UB. I, Ur. 6, Be 

















regia 











Anmerkungen. 


Dergl. bamit B0o0, UB.1, p. 72,4 f- 
Basler UB. I, p- @ fu Br. 01 

2000, UB II, p. 228 

Ueber bie Bebeurung der Olode,fiche Lampreit, Deutfihes Wirefbaftsleben 1, - 310 f 
Wiefe Abgabe beingt Rocbne L.c. p- 116 mit dem Gensgericht in Iufammenhang;, 
bei Scbaube Zeifeheife I, p. 209 falfih- 

3. 1O. Vlinfe, Deurfede Bebiche II, p- 66. 

1 

Sehaube in Seinfärife für Befchicte des Obercheins, U. $. I, p- #5 F Dagıgen 
Bochne 1. c. p- 250 f und Darauf bie Antgegnung Schaubee Programm p- 31 fi. 
Beugen 1.0. 221 f. 

$. Berßlau, Urfundenlehee I, p- 834, Wote 1. 

Zeeflau 1. I, p- 900. 

‚2006, UB. I, pı XLVI und Tafel 1. 

2006, UB. 1, Kar. 108. 

B000, UB. I, Vic. 100. 

2000, U. I, Vr. 111. Silgaed, UB. Vic. 28 

3006, UB. I, Wr. 110. 

Siehe die Urtunde Lu 
BR, Br. 153. 
Silgeed U.B. Wir. 2. 
Se. 2öher, Sürften und Gräbte zur Seit der Sobenfaufen. Salle 1940. 
B-F. vr. 678, 676. 

BF, Mr. 724. 

B-R, vr. 702. 

BE, Mr. 810, 922. 

B-E,, Vie. 808, 882. 

Baslee Urfundenbud I, p- O1 ff, Mr. 02 B-F, Mr. 90. 

Wine 1. «II p. 60 ff. Winfelmann, Maifer Jeiebeich IL Band 1, p. 62 # 
Yıeuer Abbrad Mon. Germ. LL- Sectio IV, Band II (1996), p- 89 f. Winfelmann 
LehnuM 

‚Sidee in Regesta imperii V, p- XVII. 

Wintelmann 1. c. I, p 74 f- 

2005, UD. I, Wr. 119%, p. 721 cum universo consilio. 

3006, UB. I, Hr. 120,9. 02 f- 

3000, UB. I, p. 46, Ware 1. 








Ibo vom 2. Beymber 1212 Boos, UM. IH, p 43 21 ff- 














Rommt in Wormfer Urkunden After vor; fiche Bor 
B-F., Vie. 0308. 

Winfelmenn L.c. I,p- 67 f- 

Schannar 11, 9. 100 f. 

2000, UB.T, p. O4, We. 125. 

2000, UB. I, Ur. 124, D. 95 

2000, UM. I, ir. 103, 125; Il, Var. 110%, p. 721 f. 
3006, UB. I, We. 100. Gilgard, Vie. 28 

2006, UB. I, Var. 123. 

2000, U. I,p- 00, 2. 





VB. up am 


Anmerkungen. z7* 


hu 2000, UB. I, ic. 126 
nm B0o0, UB.I, pm & 

nm Zoos, U. I, p- 722, Mr. 120. 

1m Boos, UB. I, Ur. Bl. 

um Boos, UB. L Un. 122. 

um Boon, UB. I, U. It. 

1 Boos, UB. I We. I. 

m 2, von Srinemamn, Sur Mntfehung der Srebeoerfafung in Jrallen, p- 20 f 

©. von Delom, Kutfeung der Beurfäcn Stobrgemeine, p. 10 
giger» UB, 9.2, 2. Boo, UB. Ip. 084 

UB. 1, vr. 12% 
Raufmann, Carfarius von Seferbad 2 U, p- 122 F. 
©. von Belom, Die Knfehung, p 131 
Boom UB. Ip 40f, 
Don, UB.Lp. ml. 
Boos, UB. I m. 19. 
Wintelmann 1 c- I, p. 278. 
tum Bono, UB. 1, We. 18 
19. Aapitel. 

ns Opl. die seflißhen Bemerkungen von 2. YO. Wigf, Gefihr der römifben Nepubi, 
bereusgegeben von ©. Täouren I, Leipig 189. 9.10 
Boos, UB. I, p- XXVI 
Dos, UB. IN, p. KXXIF- 

Taefartun Dial. V, p- 37 ıc 
SS. XVI, p. 22 
ufmenn L cp 116 f damperch, Beunfee Wirrfbafeleben I, p: 90 
D0o0, UB. I, p- 173,6 5 7241. 
Baur, Seide Uefunben V, p. 401. Wörner, Aunbenfmäler, p- 150 
Geefartus Eisl, V, 2, Fons wtlus seientine ct puleus diinarum. seripiurarum. 
gt. Raufmann 1.9.21. Boos, UB. I,p. 38, 5 M. 
A Gönaafe, Befhiche der bildenden Bünfe, V, pı 44. 
Aa Wsener 1.0. p- 6T. 
1m Boos, UB. I 106 f. 
1 Raufmann 1.c.p- 112, Wote 4. 

A. Cruc, Gefhihee der euflben Peeigt im IMinellier, Detmold 187%, p- 207 
@pe die Aieratur bei 4. Alle, Die Neformatlon und Se Alteen Reformpartein, 
Aeipig 1985. Vieue Materialien reile @pele im Achio für Literatur und Aichen- 
gefßißre mi. I. von Doliner, Beieäge zur Sehrengefälte den Minelalrrs, 
Münden 1999 zwei Bände ic. 

Ms}. Müller, Die Anfänge Deo Minoriten-Orbens. 3. Safe, Jrany von AR ıc 
0 Son seiten, Gefihre und Spfen der minelaleliden Weltanibeuung. Srungart 

Jo, p. 301 
190 W. Arnold, Anfebelungen und Wanderungen betfcher Stämme. Marburg 1815, P- 556 
zo 1. Oherer, Einerarurgefbicn, p. 2 f- 

Ha Chronicon W. Boos, UR. I, p. 168, 26 
u 3. Ebel, Gefhiche er oberbeutfben WiirienPronin. Wäryburg 195, mei Seit. 
1SCa cher De Lage des Mlofere und De fpäreen Chidfale ice A. Beer, Zefrräge zur 

Gefticte der Jeeifade Worms ıc. Worms 1680, 902 


1.200, Du au 
































eeinfaen ac & 





BEREREEEBESEREEBEEESSERERR 


Anmertungen 


3000, UR. IH, p- 106, 20 fr 
VB. I, tie. 106. 

3006, UB. I, Or. 146. 

I; von Pöllinger, Das Papftrum. Mändoen 1892, p 02 f- 

B-F, Var. 10055. Boos, UB. I, Yr. 109. 

2006, UR. I, Vir. 150, wo das Darum wu berichtigen. 

2006, UB. I, Yr. 153, p. 113, 28 

Boos, UB. L. Yr. 181. 

2006, UB.T p- 11412 8. 

2000, UB. I,p. 115, 10 f 

2006, UB. I, Vie. 102. 

B-F, dir. 050. 

Ann. Worm. Boos, U.B. II, p- 150, 32 f 

2000, UB. I, Yir. 503. 5. Rod, die Barmeliterflößte der nieberdeutfäen Provinz. 
Freiburg 1. Be. 1887, p- 176. 

2000, UB. I, 9-30, 30 f. 

Dächer, Die Srauenfeage im Mitelalter. Tübingen 1882: 

Dicer, Die Devölferung von Srankfurr a. IM. I. Tübingen 1858, 9. 40 f. Derielbe, 
Znrßchung der Vollswirrfäaft, p. 222 f. 

2008, UB.IE, p-176, 29 9. Daß der Derfaffer ber Simmerfdhen Chronit ed Brad. 
2. Aufl I, p- 534, baren Sreude fand, iR begreifli. 

Boos, UB. I, Var. 183. 

2000, UB.T, p- 101, 17 fi 

Rampreol, Beutfeher Wirrfaftsleben, L. p. 58 

3006, UB. 1, Dr. 11-24. 

2000, UB. I, Vie. 203.214. 

3006, UR. DI, p. 47, 38 fi. 

2000, UB. 1, Dir. 180. 

Boos, UB. II, p- 41 f. 

3000, UB. IL, p- XIX f. 

3000, UB. 1, p. 24, 32 

3006, UB. I, Ur. 496, Il, Wr. 136. 

2006, UB. I, Mr. At, II, p- 70 fu Dr. 400 
D000, UB. U, p. 92 fu 199, 200 {5 Ih p- 61 f. 

3008, UB. 1,9. 28, 8 f- 

2006, UB. 1, Wir. 506, I, p. 8. 

2000, UB. U, p. 62. 

Chronie, Colm. 

Basler, UB. I, Dr. 114, 9. 2 6. 

3000, UB.1, vr. 101. 

2006, UB. 1, Mr. 104. Vergleitde Ye. 200, 20, 28 ıc. 

Bücher, Die Berölferung von Frankfurt I, p- 512 f- 

2000, UB. 1, 20, 2. 

2000, UB. 1, p- 250, 2 f. 

Boos, UB. I, tie. 43. 

3000, UB. 1, Vic. 438, 469, 404, D- 310, 16 #, II, p- 21, 22, De. 0. 
2006, UB. Il, p- 202 20 #. 

















Anmerkungen. 390. 


ws D000, UB. Il, p. 022, 17. 

10 Boos, UB. IL, p- 90 f. 

an BF, Var. 0097. 

100 B.F, Ver. 6920. 

wi Cacsarius Dial. V, p. 24: Raufmann, 1. cp. 82 

aa A. Gbotrmäller, Der Umergeng des Templerordene. Berlin 1887. I. Gmelin, 
Sihulp oder Unfehuld de Templerordens. Stuttgart 1803. 

wa DEF, We. 0073. 

une B.F, Ye. 6104, 0970. 

105 Ausgabe von IE. Weller. geilbeomm 1876. Vergleiche 9. Aruser, Gefcbichte der 
veligiöfen Auftlärung im Mittelalter. Berlin 1877, I, p- 213 f- 

Boos, UB. I, Wr. 162. 

Chronicon Worm.. Boos, U.B, UN, p- 187 f- 

Caesarius Homil, II, 12. 

Vergleidhe Caesaras Dial, V, 19. 

B.F,, Ye. 0990, 0999, 7000. 

Chronic. Worm. 2000, U.B. IL, p. 101. 

‚Se. Schneider, SeRgabe zur Mröffnung des Paulueitiuftums zu Worme, p- 8 f. 

Be, vie. 10022. 

Wintelmann, Ic. I,p- 400 f. 

3000, UR. I, Kir. 13. 

Ann. W., 3000, UB. II, p. 146. 

war 2000, UB. I, Ur. 18T. 
B.F, vie. Ati. 











1m BR, Dr. A183. 
wa BR, Yr. 4106 
1m DT, Ur. 4100-110. 
um BF, var. va. 
Wk Boo0, UB. 1, Ur. 150, p 10 
19 Siehe obige Urfunse und die Ann W., 2600, UB. Ill, p- 145 #- Chron. W., 
2000 I, p- 10 fr 
15 2000, UB. I, p. 723 Wr. 183", 
2000, UB.1, u. 10. 
BeF, Ur. 186, 
Am BER, Ya. 1072. 
120 Bon, UB. 1, Mn. 166. 
int Boos, UB. I, Yr. 16. 
UB 5 v0. 10. 
Chronic. W., Boos, UB.ME p 17, MM ie Marfllung iR Surheus 
erben 
UB. II, p. 140, 1 
2006, UB. I, We. IST. Boch, 1... 40 
UB 5 vor. 10. 
UB. I, Vic. 10, bie Worte p 320, 30 f. iurtis banal justiiam super nos 
@&eonsiium nostrum ind bunte; Ih folge der Jnrerpreiaion von Rochne, 1.0.P-40%, 
Won ı. 




















40° Anmerfungen. 


120 € WIN, Regeln ber Mainzer esbifhsfe IL, p- 20 f- 

190 Boos, UB, I, Br. 183-100. 

HD Tas iR ud) der Sprachgebraud) in ben Heichetegeahten und in den Lisgenöfffien 
Abfieden. 

1a Lamprecht, D. Wirrfäaftsleben I, p- 1188 fi, 1303 

1a Wie Aenolo IL, p. 30 und Bochne 1. cp. 120 f. meinen. Siehe Dagegen Scaube, 
Programm, p. 04, Viore 26. 

1m8 Chron. W., 2008, UB. UL p. 122. 

Bapitel, 

124 ©. Scmoller, Srrefburgs Dlöte und die voltswierihaftihe Wevolurion im 
18. Jahehundert. Serafburg 1875 (Ouclen und Jorfäiungen zur Sprad: und 
Aulturgefticte bee germanifcen Dölfe, Seft VI) "oc iR Bee feifh Sefäheichene 
Arbeit nur mir einiger Dorfiht zu Denägen. 3. Lampreit, D. Witfibafileben I, 
DB: 00 {u 023 {u 1a 

126 ©. Sanfen, Die drei Seoölferungeftufen, p- 50 #20 fl. 

Heu 3. Bücher, Die Eutfehung ber Volfemierfeaft, p. 282 

Ha Boo0, UB, I, Ur. 170, 121, 13. 

120 3000, UB, I, Wr. 172. 

120 000, UB. I, p. 48, Wore 3, 

120 Boos, UB. I, De. 1. 

ao B.F, ie. 11136. 

10% Scanner II, p. 1. 

180 Ann. W., 2000, UB. II, p. 140 f. 

Bar, vIr. 430 

126 3000, UB.1, Gr. 16 

0 B-F, Hr. 4306, Silgard, UB. Ye. 5 

Mar Be, Vie. 408,430, 43T, A370, 48, 

ins 2000, UB. I, Ki. 178. 








Ann. W. Boos, UB. II, p- 142, 17 fr 
2000, UB. 1, ur. 11. 
Boos, UB. I, vie. 180. 
B-F., vie. 1010, Tor 
mn B-F,, Ye. DIOR. 
iM& Dergleidie + 2. BeR, Ye. 2102 
a8 BER, Kir. 2142 
10 2. Böfer, Die Wormfer Annalen. Leipyig 1887, p- 6 i- 
187 m Chronicon W., 8008, UB. II, p. 177, 18 iR septem in octo wu verbeffern. 
Siehe UB. 1, vie. 100. 








18 Boos, UB. I, Wr. 182. 
19 Mon. Germ, Sect. IV, Dans IE (1896), p. 21-27. 
vun B.F,, Yan. ZI. 

aaa B-R, Vi. 2202. 

zum B.F, Kr. 2081. 

zu B+F. Yir. 2300. 

1 B.F,, Me. 2404 3000, UB. I, Ur. 108 

125 Winfelmem L c. Ip. ZU f- 

m 2006, UB. I, We. 100. Dazu Aochne 1.c. pH fr 


21. 


Anmerfungen. 4° 


B.F,, vr. 0902. 
Boos, UB.1, ar. 183 
Boos, UB. I, Ar. 202. 





ur 
m 
129 Chron. W., 3006, UB, II, p 120. 
1mu B-F. Ye. 11251 fi 
m 
m 





ingen bes Mitelalece, mia Aädfich 
auf Seifen und Die benadhbarten Gebiete. Mainz 18%. Ueber Ofhofen fiehe Wörner, 
Bunfdenfmäler 1.c.p- 110 f- 

{m Boon, U. I, Nepifer, p- 458. 

UR. I, 9-92 f De. 44 46. 

VB Ip. 208 Dr. 40. 

on UB. I, p. 382, Dr. 12, 12. 

199 Wörner, Bumfbenfmäfer, Merle Worms, p. 103, Wort, wo 1249 in 1242 mu 
ändern if. 

Boos, UB. I, Vie. 208 

D006, UB. 1, Wr. 20. 

UB. I, tie. 20i 

VB. IE p- 720 B-W, Reg, Be. Zul. 

2000, UB. 1, Or. 20. 

2006, UB. 1, Wr. 200. 

Boos, UB. 1, Kir. 208. 

D000, UB. 1, vr. 216. 














Bw, tie. 700 
Lamprech, D. Wirrföaftelchen T, 1004. 
2006, U. I, Ver. 2i8 
3006, UB. I, Anhang B, 2. 372 
F- die. 360 
3000, UB. 1,930 fy Wr. 38,38. In 30 maß C. in G. vermandel werden, Die 
Datierung von Winkelmann iR uneidig. 
apite. 
W., dir. 2668 
Bw. ve. zu. 
Die Anmerkung p. 181 1, ei 2000 UB. I, iR u bergen. 
BeW. Ur. 002. 
BEW. Hr. st. 
Bew. de. 00. 
BW. vr. 002. 
Bw. vie. 06. 
Sad, VG, 9.4. 





E EESEBEBEEBEREEREEREEB 





a 


BESSES 55ESS 55 


Anmerkungen. 


Bei Lamprecht, Deusfide Gefichte II, p- 287, Wire 1. 
Otto Singe, Tas Aönigrum Wilbelms von golland. Leipyig 1885 (Giferifce 
Studien XV). 

2006, UB. I, p- 504. 

B-F, vie. 462. 

2000, U. I, p- 307 fu We. 0, 0. 

2006, U-B. I, p. 604. 

&0 die Ann. W., Boos, II, p. 162; Jorn, p- 91, nennt dagegen Flonheim, 
Singe, L.c- p. 49, Florheim madır. 

Do00, UB. I, vir. 238. 

B-W,, Vie. 8320, 83. 

B-W, vr. 838. 

2000, UD. I, Wie. 280, 238. 

B000, UB. I, Vie. 236. 

Matthacus Paris bei Singe, I. cp. 130. 

Shennar, II, p- 125. 

B-W., Ye. 11603, 1014. 

BW, die. 16T. 

BW., Ur. 11880. 

3000, UB.1, Ye.263. Winfelmann in Böhmer, Nepefen, We. 11882 (egt bie Urfunde 
{m den Anfang Mai, doc) ohne Begründung. 

B000, UB. I, Yir. 22. 

Ginte, 1.c.p. 168 f. Dod) iR zu bemerfen, Daß Die Spfommunifarion den KErzbifciofe 
wegen irpreffung neuer JOle geflpehen I; ehe B-W., Mr. 1030. 

3orn, p. 101 reuter. 

3. Weisfäter, Der cheinifce Bund 1251. Täbingen 1879. Sinne, 1. c. p- 190 | 
4. Duidde, Studien sur deurfien Verfafunge: und Wirrfhaftsgefbicte. I. Seft. 
Srubienzur Gefchicıedes Rheinißden Zandfeitbensbunbes von 1254. SranHfurta. II. 1856. 
Segel, V.G., von Mainy p. 51. 

B-W,, We. 10401. 

Sigerd, Sp-U. Kir. 9, 

Mon. Germ, Sectio IV, Band II, 1895, p. 241 ff. Altmann und Bernheim, Aus 
gewählte Urfunden zur ©. Derfaffungsgefticbte. 2. Auf. 1805, p. 220 | 

I. Brod, Die Mntfehung des Schbrerähten, Berlin 1887. 4%. Jeeibere 2. Kangmerth 
don Simmern, Die Breisverfafung Wapimiliene I. Seibelbeeg 1800, p- 1 

2008 UB. I, Wr. 20. 

BeW. dir. 11607, 11600. 

Boos. UB. I, vie. 206. 

Ginge, L.c.p- ITZ f. Qulbde, 1.c.p- 8 

Boos, UB. 1, var. 25. 

B000, UB. 1, Vie. 200. 

2006, UB. I. U. 280. 

Wie Quisse 1. cp. 48 meim. 

Weider Le. p 10 

D000, UB. I, Var. 28. 

©. von Buchwald, Deurfehes Gefellfünfteleben, IL p. 201 fi 

Boos, UB. I, U. 2m. 

















Anmerungen. 43° 


10 Boos, UB. I, Mr. 20. 

m B.E, Ur. 520, 5MZ, 

10 Ging, 1. cp. 185 

um B-W. Ye. 11720 

12 Weigfäcter in Löhere Aedhinelifße Zeirife IV, 208 ff. 

Asan Zuechielifce Zeibeife IV, p- 203 f. 

18. Blondel, Etude sur la polilinue de Pempereur Frederic II. cn Allemagne. 
Paris 1802, p- 30 f. 

Mit Lampecät, D. Wirtfcaftslcben I, p. 1St1. 

ats. Siebe jet XD. Vargeo in den Preußlfcben Jahrbächern 1805. Band St, p. 280 ff. 

16 Zoos, UB. I, Hr. 266. 

Mar Weigfädter, 1. cp. 217. 

Nas B-W., Vie. 11200, 11200. 

vu ofen ed. Segel I, 830. 














Schlußbemerfung. Tas Manuffript wer Ende 1804 drudfertig; nur 
iR bie irecamr (pfematif auspebeuter worden; doch habe ich noc eine Anyahl fpäter 
enftienener wiäriger Arbeiten benugt. ;a die Uninerfirktsbiklionhel in Bafel wegen 
Umzugs längere Zeit unyugänglid) mar, Fonnte it) nicr alle Citate Ponteollieren. 





Wendt: Orte ». gelten, Berlin C. 


x 








3