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Full text of "Molière von Heinrich Schneegans ..."

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Moliere 



Heinrich Schneegans 

. t , Google 



S36 



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I 



i 



<£tne Sammlung von 23iograptjieen 



( 5weiunbDicr3t9fter Saub 



Berlin 
€rnft fjofmantt & <£o. 
1902 



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Original in der Sammlung des Herzogs von Aumale (Chanlilly) 



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Von 



ijehtritjr Stfenwjjans 

Profeffor ber romoni fdjett pl)ifofogie 
an ber Unioerfilflt EDnrjbura, 



mit Btlbnis 




Berlin 
€ruft fjofmann & Co. 
1902 



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Drittes Causcnd 



rtadjbrwcf oerboten 
Übcrfckunasrecfyt vorbehalten 



<- 



0 

IDenbeltn ^ ö r ft e r 

5U feinem 25jäfyrigen Sonner profefforenjubiläum 

in öanfbarer Derefyrung 

£>er Derfaffer 



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©artoort 



ZTToliere unb fein <£nbe! 3f* c ^ ne ncue beutfdje 
2noliere:8tograpfn'e urirfltdj ein Bebürfnis? — tDenn 
man bebenft, ba§ feit bem <£rfd)einen r>on ITlafyren* 
f?ol£' unb Cotfyetgens IDorfen über ITToIi^re mefyr 
als srcanjig 3 a *? rc »ergangen finb, tpäfjrenb beren Mc 
pfn'lologifdje 5°rfd?u"9 ™ ^ranfreidj unb Deutfdjlanb 
unabläffig baran gearbeitet fyat, bem Ceben bes Dichters 
bis in feine geringfügigen (Eitelkeiten nad^ufpüren unb 
bas Perftänbms feiner IDerfe 5U fördern, tt>ir6 man bie 
^rage tpofjl entfdn'eben bejahen müffen. tfber unfer 
Büdjlein möchte nidjt blog bie bisherigen ;Jorfd}ungs* 
ergebniffe in fw^er, audj für ben gebilbeten Caien Der« 
ftänblidjer XDeife sufammenfaffen. IXadf ber einen ober 
anberen Hidnung Inn n>ar unferes <£rad)tens manches 
fyin5U5ufügen. So forgfältig ben Quellen r>on lUolieres 
IDerfen nadjgefpürt roorben ift, bie Originalität bes 
Dieters fam trofcbem nicfyt flar 3ur Geltung , weil es 
biefen Arbeiten an perfpefttpe mangelte. #1107 bie eigen« 
artige Kompofitionsart bes Komifers in funftlerifdjer 
unb tedmifdjer £}infta}t lag immer nodj 5U fefjr im 
Dunfeln. Seine fulturelle Bebeutung als Kämpfer trat 



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VII — 

nidjt fojarf genug tyvvov. 3ei 6em engen uns 5U* 
gemeffenen Haum fonnten tr>ir nur im Hammen öes 
btograpfyifdjen Bilöes auf biefe 5*<*9*h eingeben. Streng 
cfyronologifaV 2lnoronung — ein übrigens von ben 
anöeren öeutfdjen 2TToli£re « Biographien nod) nicfyt be» 
folgter IDeg — erfdnen uns aber befonöers öesfyalb 
ratfam, tr»eil bei 5er Subjeftitrität unferes ftomtfers 6er 
«gufammenfjang 3u>ifd}en feinen äußeren <£rlebniffen nnb 
feinem öicfyterifdjen Schaffen augeroröentlid} aridjtig ift. 

^Höge es uns gelungen fein, oen Dieter un6 öen 
ZHenfdjen in feiner <£>rö§e, aber and} in feinen SdjtDädjen,. 
ttmrjrfjeitsgetreu unö anfdjaulia? gefdnloert ju fyaben. 

Wnvibixtq, im September \90\. 

ein rief? Sdjueegans. 



1 



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Jnlntlt 



Seite 

I. ÄittMjeit tttt» erf*e ttttfättöe ... 1 

3J2oIic;rc afö „füljrenbcr ®eift". — granfreief), bie ^eimot 
ber Äomöbie. — Überfielt ber ©cjd)icf)te beä franaöfijdjen Suft* 
fpielS bis ^Kotiere. — SKoIiercS ©cbnrt. — Sein ©eburtS* 
ljauä. — Seine ©Item. — Seine Stubicn. — Srumcfycn ber 
Seibenjcfjaft für« $f)cater. — $ic 93ejart3. — 93rudj mit bem 
«ater. — $a$ „Illustre theätre". 

II. $ie Sätonterjafcre 26 

Scfyaufpicler. beS .^er^ogS bon (Spemon im Sübmcften 
<5tanfreid)3. — ©rfte 93erfud)e: La Jalousie du Barbouille 
unb le Me'decin volant. — SSor ben ©eneralftänben. — %m 
$)ienfte be3 dürften t>on (£ontt. — $er Etourdi. — $er 
Depit amoureux. — 83rudj mit Gonti. — 8iücffef)r nod) $ari$. 

III. Sie 3«it »e£ Surften* im» £aftett* . 53 

©infüf>rung in s 4iarig. — 3m Petit Bourbon. — $ie 
Precieuses ridicules. — SganareUe. — ttberftebelung nad) 
bem Palais royal. — £f>eatert)crl)ältniffe jnr 3eit SJMiereS. 

— $on ©arcie. 

IV. Beirat tttt* 3rf»t(e »er **t . . . 77 

9lrmanbc SBejart. — $ie Ecole des maris. — 3)ieFächeux. 

— SRoliereS §eirat. — 2)te Ecole des femmes. 



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2)er ©treit um bie ^rauenfdjule. — Mariage forcc. — 
$ie Setfaillet ^efte. — 3)er Sartuffe unb Äftmpfe um ba$ 
Stmt — $on 3uan. 

VI. $te träfen 3aQre 

S)ie 3ttebi$in jur $eit 9Jtolierc§. — $cr Amour m<klecin. 
»folicre* #ianff)eit. — ©ein 83rucf) mit Racine. — $cr* 
IjättniS gu Slrmanbe. - $cr aJttfantljrop. — $er Medeciu 
malgre lui. — 2>aS 3Rufenbaflet, bie Pastorale comique unb 
ber Sicilien. 

VII. $n frer £d)uU fcer giften tttt* im $iettfrc 

*t* ftdttig* 

©ranmngene 8to$e. — $ie ©tjebrudjSfomöbicn, Slmptyi* 
tröon unb ©eorge $anbin. — 25er @ei$!)al3. — Monsieur 
de Pourceaugnae. — SBerfötmung mit Slrmanbe. -- Le 
bourgeois gentilhomme. — *8erf)ältnte &u Gomeitle. — 
$föd)e. — $ie fourberies de Scapiu. — 5)ic ftefte ju 
6t. ©ermain, bie Comtesse d'Escarbagnas. 

VIII. $a* <$n*t 

£ob ber 9Jiabcteinc >Bejart. — 3)ie Kemmes savantes. 

— 93rud) mit fiuüi. — ftrantyeit. — 3>er Malade iinaginuire. 

— 2ob Poliere«. — «cerbigung. — Urteile ber Bcitgenoffen 
Aber tyn. — ©erjidfate feiner ftamitie unb feiner Gruppe. — 
Volleres ©ebeutung für baS frangöfifc^e £f)eater. — $ie 
franadfifdje tfomöbie nad) Ujm. — Sein (£influfe auf ba8 ttuft* 
fpiet onberer SBölfer. 

Slnfjano 

28id)tigfte Sitteroturangaben über ba3 Stubium 9JMiere3 
unb feiner SBerfe. 



I 



KindDeit und erste flnfättac 

2HS ßubwig XIV. einft SBoileau fragte, wer als 
ber bebeutenbfte @cf)riftfteller feiner $eit wofjl anjufeljen 
fei, fott iljm biefer or)ttc 3ögern 3floli&re genannt 
fjaben. £)er Äönig war fcr)r öerwunbert; er §ätte eS 
nie geglaubt, bemerfte er, bodj müffe fid) SBoileau barauf 
beffer öerfteljen als er. §eut$utage mürbe woljl feiner 
meijr bie SBermunberung beS Königs teilen, $)ie Sitteraten 
fowof)t als baS grofte ^ßublifum würben fogar nodf 
weiter geljen , als ©oileau , unb SWoü^rc als ben be- 
beutenbften Sdjriftfteller feines SolfeS überhaupt bezeichnen. 
3)ie Stelle, bie in $)eutfcf)laub ©oettje, in (Snglanb @^afe* 
fpeare, in Statten £)ante einnimmt, wirb in granfreidj 
Poliere juerfannt. 3 War & nic^t an folgen fehlen, 
bie fiel) barüber wunbern, baß einem $omifer roie if)m 
ber erfte ^ßlafc unter ben ©cfjrtftftellern feines SBolfeS ein* 
geräumt wirb, hieben ber aüumfaffenben SBirffamfcit 
eines 3)ante unb ©oetlje, neben ber gewaltigen SBebeutfam- 
feit eines XragiferS wie Sljafefpeare erfcfyeint zweifellos 
SDtoliereS 33etf)ätigung etwas eng befdjränft. 5lber granf* 
Tcidt) f)at feine $)id)ter, bie in fo großartigen Schöpfungen 
wie bie göttliche ßomöbie bie Sßeltanfdjauung einer ganzen 
3eit wieberfpiegelten, ober wie ©oetfye auf allen ©ebieten 
ber ßitteratur beinahe gleiche äfteifterfdfjaft befunbet tyätten. 
Soltaire l)at jwar ben ©eift feines SSolfeS mit bewunberungS* 



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mürbiger Hllfettigfeit jum ^uäbrucf gebraut, aber e8 fef)lt 
tl)m bod) ju fc^r bie Söärme ber Segetfterung, baS Un* 
bettmfjte be8 poetifd^en ©rangeS ; als bajj er ber füfnrenbe 
Stüter feines SolfeS genannt werben fönnte; unb Victor 
§ugo, ber #oar ben ß^rgeij fjatte, bei feiner $etf)ätigung 
auf allen litterarifdjen ©ebieten ber Sßropljet üon granf* 
reicf)8 Sitteratur $u »erben, ift bodj nur ber berebte unb 
fdjwungbotte ©predjer einer beftimmten, toon fyrif<f)em 
#aucfje getragenen ©dfjule. Äein Sragifer reicht in granf* 
reidfj nur einigermaßen an ©fjafefpeare fjeran. dagegen 
bereinigt SÄoltere in ftdj bie Sfteifterfdjaft in einer poe* 
tifdjen ©attung mit ber feinem SSolfe eigentümlichen Sebent 
anfdfjauung. 

$)af$ bie ©attung, in ber granfreid) ben fjödjften SRufym 
geerntet, gerabe bie Äomöbie ift, fjat feine befonberen ©rünbe. 
Oflefjr als irgenb eine Sitteratur ift, ttrie ©. *ßari3 gefagt 
Ijat, bie franjöfifdie Dan fogialem ©eifte erfüllt. J)er fran* 
jöfifdje ©dfjriftfteüer f)at nid)t, wie ber beutfdje, ba$ S3e* 
bürfnte, in feinen ütterarifdjen SGBerfen feine perfönlidfjen 
(Smpfinbungen $um 2lu3brucf $u bringen, nur um fein 
^erj ju entlaften, ju befreien öon bem, wa3 feine gange 
Seele erfüllt. $)er grangofe benft t>or allem an bie 
Sötrfung, bie er auf baS SßuHifum ausüben will ; beSfjalb 
achtet er aud) ftete forglid) auf bie Sform, wäljrenb fie 
öon un3 $)eutfdjen, bie wir mefyr $u unferer inbiöibueflen 
Söefriebigung fdfjreiben, öeraadjläffigt wirb. 3u ber Styrif 
ift ber granjofe nur $ur $eit ber Stomantif ein äReifter 
gewefen, benn er ftanb bamatö unter beutfdjem, alfo inbi* 
mbuellem (Sinflufj. 3u ber religiöfen Sitteratur prebigt 
unb btefuttert er mefjr, als baß er in mt)ftifd)er 
tafe feine intimften ©efüf)le au^ubrüefen öerfud)te. $em 
fran$öfifcf}en mittelalterlichen SBolfSepoä !ommt e8 öiel 
weniger barauf an, bie ©djuffale irgenb eines beftimmten 



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— 3 — 

gelben uiicreffant geftalten, al« bie friegerifcfjen unb 
rctigiöfen Seftrebungen unb Slnfchauungen einer ganzen 
klaffe jur 3)arfteflung bringen. 3n feiner litterarifchen 
Gattung fommt ba« joviale Clement fo fefjr jur Geltung 
al« in ber bramatifchen. Sftdjt $u einem einzelnen fiefer, 
in ber ©tiöe feinet Äämmerlein«, ftnricf)t ber bramattfehe 
dichter; nrirfliche ^erfonen t>on fjtetf«^ unb »tut, bie ba 
fommen unb gelten, fpredjen unb honbeln, wie fonft im 
Seben, läftt er t>or eine grofce Serfammlung Eintreten, 
tuetdje fofort ihren Seifall ober ihre ätftpifligung unjmei* 
beutig unb geräufchöoH au«$ubrücfen in ber Sage ift. Unb 
namentlich in ber Äomöbie fteüt fid} $ttrifchen 93ü^ne unb 
^ßublifum fofort ber lebfjaftefte $lu«taufch ^er; benn loa« 
biefer ganzen ©efetlf^aft oorgeführt mirb, ba« finb gerabe 
ifjre eigenen ®ebred)en unb fehler; eigenen £h or * 
Reiten merben bor ihren klugen lädjerlid) gemalt, gür 
unb miber bie Slnfichten be« $>id)ter« nimmt ba« *ßubli* 
fum Partei. Salb jaucht e« ihm begeiftert 93eifatt $u, 
meil er feinen ©efüfjten unb (Smpfinbungen fchmeichelt ober 
ba« in feinen klugen |>affen«tt)ürbige angreift, Mb Oer* 
höhnt e« ihn ober öerfolgt i^n, toeil er ^nfidjten öerftcht, 
bie ben feinigen entgegengefefct finb. 3n feinem Sanbe 
ftrielt bie öffentliche Meinung eine fo I)m>orragenbe SRoHe 
a(« in granfreid). $)ie gemaltige Stacht ber bortigen 
treffe ift ein beutlicher SBemei« bafür. ©o bürfen mir 
un« benn nicht munbern, bafc auch bit ^omöbie oon jeher 
gan$ befonberen Slnflang in biefem Sanbe gefunben h a *- 
$)a$u fommt noch e * n embere« hw$ u - ® er Sranjofe ift 
oon ^au« au« fritifd) angelegt. 2)anf ber Klarheit unb 
Reinheit feine« ©eifte« erfennt er leicht ba« Säuerliche an 
9ftenfcf>en unb fingen unb macht fid) um fo lieber barüber 
luftig, al« ihm feine angeborene ©telfeit feine eigenen 
©djttmdjen fcerbeeft unb bie ber anbem in befto grellerem 

1* ' 



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Sidjt erfreuten lögt. Slber er ift in feinem ©pott im all* 
gemeinen nidjt bösartig. C£r ift jotrial unb luftig , er ift 
aud) nadf)fid)tig ben ©djmädjen ber anbem gegenüber. 
$ie Xtyorfjeiten ber ÜRenfcfyen empören ober entfefcen ifyn 
feiten, ©eine ©atirifer finb feine Su&enale ober ©mifts, 
bie an ber SGBelt verzweifeln unb fid) $u büfterer Sttelan* 
djolie f)inreij$en laffen. (Sin fRabdaiö lad)t au* toottem 
$alfe, unb ein föegnier lägt fid) feine gute ßaune nid)t 
burdfy bie Xf)orf>eiten ber 2ttenfd|en vertreiben. $)er 
granjofe ift leid)tfinnig; er gef)t ben fingen nidjt gerne 
auf ben ©runb; fo ladjt er benn aud) über $)inge, bie 
nidjt ladjenSroert finb; er ladjt nur, um ju lachen, unb 
fein £ad>en ift bann fjarmloS unb naiv, ©o fcfyeint er 
Sur Äomöbie mie präbeftiniert ju fein, unb ^mar fomof)l 
jur Sßoffe, bie ofjne §intergebanfen ladjt, um &u lachen, 
als audj jum fatirifdjen fiuftfpiel, roelcfyeS alles, roaS bem 
Qbeal beS ßüuftlerS nidjt entfpridjt, toerfpottet, um eS ju 
oermdjten. SBenn mir uns bieS Dergegenmärtigen, merben 
mir uns nidjt mefyr munbern, bafj granfreid) gerabe in 
ber $omobie baS Sollfommenfte erreicht fyat. 

3n befonberem 9ttaf$e fjeroorragenb mar bereits im 
Mittelalter bie fokale S3ebeutung ber fomifdjen ^ßoefte 
granfretdjS. £Rid^t bloß ber Umftanb, baf$ eS feine eigent* 
liefen ©djaufpielertruppen gab, fonbern baS SBolf felbft 
fpielenb auftrat, aud} bie £f)atfadje, bog bie fomifdje 
bramatifdje ^ßoefie fid> viel birefter als jefct mit ben XageS* 
ereigniffen abfaßte unb infolgebeffen Ijäufig bie fRotte ber 
Ransel unb beS ©eridjts, ber treffe ober ber 9tebner= 
büfjne übernahm, ift ein Sdtyn f ür gemaltige 3n- 
tereffe, meines biefe ©attung im ganzen Solfe fjeröor* 
rufen, unb für ben auSfdjlaggebenben ©influfe, ben fie auf 
bie ganje $eit ausüben mufcte. $)te einzelnen ©attungen 
ber fomifdjen ^ßoefte untergeben fidfj nidjt fdfjarf oon 



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i 



einanbcr. $)ocf) war bte 3rQ*ce m*h r ein f)Qrm(o^ naiöeä 
©tücf, welches jwar oft noch öon empörenber SRo^cit, 
aber boch im allgemeinen ohne agrefffoe ienbeng mar; bie 
©otie, meiere t>on ben fogenannten Marren in ihrem 
grüngelben Stnjug mit ©chellenfappe unb (Sfetöofjren ge* 
fptelt würbe, griff mit unglaublicher töüfjnheit in ba$ poli* 
tifd>e $age£getriebe hinein; bie SWoralität, bei weitem 
bie emftefte ber brei (Gattungen, fudjte in aüegorifcfyer 
gorm moralifche Sellen ju erteilen, t>or bem Safter ju 
warnen unb bie Xugenb ju preifen. J)ramatifd)e ©tücfe 
in unferm ©inne waren fie noch nicht. $anblung, Qntrigue, 
(S^arafter^eic^nung waren nod) faum oor^anben. 9*ur in 
wenigen ©tücfen, fo namentlich in ber berühmten ,3arce 
be ^ßatrjdin* , laffen fid) Slnfäfce ba$u bemerfen. 93t3 tief 
in ba$ fed^ehnte 3af)rhunbert l^ein erfreute fich baS SBolf 
an biefer mittelalterlichen Äomtf, meldte namentlich im 
fünfzehnten Safjrhunbert geblüht hätte. äMdj weittragenbe 
93ebeutung für baS gan^e fokale fieben ber bamaligen 3eit 
biefe ©tücfe hatten, erfehen wir barauS, bajj Könige eS 
nicht oerfchmäfjten , bie £ilfe ber fomifchen 2ttufe in 9ln* 
fprud) ju nehmen, um im Politiken ©inne auf bie öffent* 
liehe Sfteinung ju wirfen. 

3n ber feiten |)älfte beS fec^^ec)ntcn QahrhunbertS 
üott^og fich infolge ber SRenaiffance, welche ba§ gan$e 
<$eifte$leben granfreichs umbilbete, auch in ber Äomöbie 
allmählich eine SBanblung. 3ttan fuchte bei ben gtalienern, 
welche ihrerfeitS auf bie Sitten jurücf gingen , nachahmen«* 
werte Sflufter. $ie Staberungen, bie man gegen früher 
vornahm, waren gwar anfangs mehr äußerlicher $rt. 
s Man ftrebte banadj, ftatt ber $ufammenhang£lofen ©cenen 
ber alten garcen eine in mehrere Slfte geteilte, einheitlichere 
bramatifche £anblung oorjuführen. 3Ran gebrauste eine 
freiere unb gewähltere ©prache als früher. Slber erft all* 



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mählich oertaufchte man ben ad) tfilbigen mittelalterlichen 
93er$ gegen bie Sßrofa. $>er antife (Sinflufc seigte fich 
namentlich barin, baß man ben Wienern, ben Nachfolgern 
ber früheren ©flauen, bie gäben ber ganjen 3ntrigue in 
bie £anb gab nnb bie weiblichen Sollen recht nebenfädj* 
lic^ behanbelte. Söie in ben itatienifcfjen $omöbien breite 
fid) ber 3nf)alt beS ganzen ©türfeä um eine fdjlau er* 
fonnene unb glücflid) ju (Snbe geführte Sift, ober beruhte 
auf ber SBerwech&ung unb fchliefjlid) auf ber SBieber* 
erfennung einzelner *ßerfonen. SRacfj antifem -ättufter ftrielte 
ba3 ©tücf gewöhnlich auf Öffentlichem ^ßla^e äwifdjen $wei 
9iachbarhäufem ; ba$ bramatifch Söirffamfte ttmrbe er$äf)lt 
unb nicht auf ber 93üfme felbft bargefteüt. $)er $on war 
leichtfertig; oon fittlicher ienbenj war feine ©pur ju be* 
merfen; bie Äomif biefer ©tücfe wollte nur unterhalten, 
nicht fittliche ©chäben lächerlich machen, 3Rit ber ßett 
t)erjuchte man immer mehr ber äujjeren ©infleibung ber 
©tücfe franjöfifcheS $lu3jehen $u oerleihen. $)ie ^anblung 
würbe nach ?km* oerlegt, bie tarnen würben fran^öfiert, 
bie ©itten mußten fid) fo oiel al8 möglich ben einheimifchen 
anbequemen. 2luf ed)t franjöfifchen 9lu£brucf legte man 
befonbereä ©ewid)t. Namentlich war e3 fiarioet), ber um 
bie SBenbe beS fc^etjnten $um fiebjehnten 3ahrhunbert in 
feinen ben 3talienern entnommenen ßomöbien in biefer 
^inficht ju wirfen unternahm. 

$)er Sluffdnoung, ben bie Äomöbie unter biefem dichter 
genommen fyattt, erlahmte mteber am Anfang be8 fieb* 
ahnten 3oh r ^ un ^ er *^- Neben ber ^ßaftorale, bem brama* 
tifchen §irtengebid)t unb ber $ragif omöbte , bie um biefe 
.Qcit mächtig emporblühen, fommt nur bie rofjefte, mit 
$oten gewürzte garce ber ,®ro8 (Suillaume 4 , ,®autier 
ötargutuV unb ,$urlupin' auf. $afj im Vergleich ju biefen 
3af)rmarf tsftücf en , bie auf litterarifche öebeutung fauin 



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Anfprud) erheben bürfen, bie ©tegreiffomöbie bcr Staliener, 
welche fett bem Snbe be3 fcorhergehenben 3ahr$unbert$ in 
3rranfretch Eingang gefunben fyattt, bei ben ©ebilbeten 
irie( größeren Anttang fanb, wirb nicht Söutiber nehmen. 
$ie italienifchen ©djaufpieler, welche ben Dialog biefer nur 
bem ©ebonfengange nach fixierten ©tücfe jebeSmat improtn* 
fierten, waren in ihrer Slrt Äünftfer erften langes unb 
oerftanben fidj auf bie Ied)nif ber Sühne wie feine 
anberen bamafo ©o fonnte benn nur gan$ langfam unb 
unter großen ©djwierigfeiten ein edjt fran$öfifd)e3 fiuft* 
fpiel fid) neben ihnen ben 3Beg bahnen. $uerft t ^ 
nahm bicfc neue Art Äomöbie ihre ÜDhifter ber ftmmfdjen 
bramatifchen ßitteratur, welche gerabe am Anfang be3 
fieb^nten 3afjrf)unbert3 einen großartigen Auffdjwung ge* 
nommen hatte; bie berwicfefte Sntrigue, bie iBeweglidjfeit 
ber ©cene, bie öorftebe für ba8 Abenteuerliche, bie Hffeftiert* 
heit ber nach geiftreidjen Pointen ^afc^enben Sprache bil* 
bete bie ^auptmerfmale jener ®omöbie, bie e3 aud) nur 
auf Unterhaltung, nidjt auf «Satirifierung ber bamaligen 
Sitten abfaf). ©on eigentlicher (Sharaftertftif ift auch fytt 
nod) SRd*- 3« Äomöbien fommen mehr ober 
weniger immer biefelben Xtjpen oor : & cr bramarbafierenbe 
Äapitän 9Ratamoro3, ber ftd) feiner ungeheuerlichen Söaffen* 
thaten unb feinet phänomenalen GftMz beim frönen ©e* 
f Utecht rühmt; ber fdjmeid)Ierifche ^arafit, ber e$ fo fdjlau 
einzurichten weiß, baß er immer auf Soften anberer lebt; 
ber fchmu|ige, grobe, eitle gebaut, ber burch ein unoer* 
ftänbftcheS Äauberwelfdj ben anberen imponieren will; ber 
Qti&tfle, ftet^ unaufriebene, mürrifche ©reis, ber fid) öon 
ben anberen foppen läßt; bie fiftige, wenig ffrupulöfe 3n* 
trigantin, bie gerne ben jungen Seuten liebenSwürbige 
2)ienfte erweift, unb bie fchurfifdjen, wiegen, frechen, nie 
verlegenen Liener, welche ftets neue Streiche im ©djübe 



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führen unb ifjre jungen £erren aus jeber ^atfdjc getieft 
flu Riehen nnffen. Sie ade, mögen fte nun bem fpanifchen, 
bem itaUenif<f)en ober auch bem antifen Suftfpiet ihren Ür= 
fprung öerbanfen, finb feine lebenben, aftuellen ©eftatten, 
fonbern meiften8 bis jur groteäfen $arifatur aufgeblähte, 
ftereottjp roieberfehrenbe ^ß^antafiegebitbe. 2luch bie betben 
originettften $ramatifer btefer öorbereitenben (Spocrje, 
$e§maret§ be Saint Sorlin, ber in feinen ,Visionnaires c 
einen Anlauf gur ©fttenfomöbie nimmt, unb (Sorneitte, ber 
feit feinen erften <5tü<fen ben ftmd gu verfolgen fcfjeint, 
baS franjöfifche ßuftfpiel t>on ben geffetn ber grembe $u 
löfen, finb noch in mancher $>infid)t im Sanne ber Srabition. 
9Jur in feinem ^c^roinbler 4 , bem ,Menteur% melier im 
Sa^re 1642 einen burchfcrjtagenben (Srfotg in ^ßariS er= 
lebte, vermochte Gorneitte ein n;irfli<f)e3 fatirifcr)e3 SJjarafter* 
bilb ju fchaffen, ba$ and) trofc feiner fpanifcfien £erfunft 
uns burdjau$ franjofifd) anmutet. 2(n ein folcf)e3 Sorbilb 
mu&te man ficf> anlehnen, roenn man eine erfjt fran$öfifd)e 
ßomöbie ins ßeben rufen toottte. (Sorneitte felbft war $u 
fef>r Sragifer, at§ baß er feine Slufmerffamfeit längere 
geit auf berartigeS fyätte richten motten. (£r fchtoebte in 
ben f)öf)eren Legionen be$ SbealS unb hatte für bie SSirf* 
lidjfeit gu roenig SBerftänbniS. (Sin anberer foHte berufen 
fein, ba$ Söerf, baä er begonnen, in ganj originetter 2Bei)e 
fortjufefcen, bie Ueffeln ber Überlieferung ju fprengen unb 
ein in jeber $>infid)t fran^öfifcrjeS fiuftfpiel ju fcr)affen. 

ber ,Menteur 4 (Soroeitfe3 1642 aufgeführt ttmrbe, 
hätte gennjj noch uiemanb in einem jttjanjigjäf)rigen 3üng- 
Iing 3ean Saptifte ^oquelin, tnelc^er gerabe feine juriftifdjen 
©tubien in Orleans beenbigt hatte unb fich nun mit bem 
(Sebanfen trug jur Sühne überzugehen, ben fünftigen 
(Schöpfer be$ echt fran^öfifchen fiuftjmelS ahnen fönnen. @r 
felbft roirb mof)! faum bamate fchon geraupt haben, ob ber 



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— 9 — 

bunfte $)rang, ber ifjn 311m % fjeater trieb, ifm sur Sragöbie 
ober Äomöbie führen würbe. Sange, bange 3taf)te be3 
SaftenS unb ©udjenS, eine fcfjwere ßeit ber Prüfung mußte 
er burcf)macf)en, beoor er fdjliefjlicf) fein ßeben^iet erfannte. 
gür fein fpätereä SBirfen ift biefe SBorbereirungSjeit aber 
ungemein fruchtbar gewefen. 9lux ber wirb ben $)idjter 
wirflict) t)erftet)en , ber in jeber |)inficr)t bie (Sinbrücfe 
würbigt, bie er in feiner $inbf)eit unb Sugenb ermatten. 
$lu3 irjnen läßt fid) manche ©igentümltd)feit feines SBefenS 
unb feines 2öirfen3 erflären. 

Unter ber fdjwacfjen Regierung SubwigS XIII., am ~ 
15. 3anuar 1622, würbe ber $)icf>ter, ber fpäter untec 
bem tarnen Poliere fo große 23erüf)mtf)eit erlangen follte, 
in *ßari§ geboren. (£r ftammte au$ ehrbarer Kaufmanns* 
familie. $ie ^oquelinS — ba3 war ber 9tome feiner 
gfamilte — waren fct)on in ber feiten (Generation Xape* 
jierer, unb aucf> feine Butter, mit ir)rem äftäbdjennamen 
Sparte ©reffe, war eine $apejierer3tocf}ter. @r, ber ältefte 
Sofm fetner Gütern, war gerabe neun Monate natf) irjrer 
£eirat geboren. 3>n ber Xaufe, bie am Sage ber (Geburt 
in ©aint (Suftacfje öoügogen würbe, erhielt er ben tarnen 
Sean Söaptifte. 3u welchem §aufe SRoliere $ur SBett 
fam, fönnen wir mit Dotter <Sict)erf)ctt nicfjt mefyr ermitteln. 
2öof)l giert eine fcfjwarje äftarmortafel feit bem 3af)re 1876 
ein £>au3 ber Rue Saint Honore 96, an ber (£cfe ber 
jefcigen Rue Sauval, früher Rue des Vieilles Etuves 
No. 2, unb madjt in golbenen Settern ben Vorübergehen* 
ben barauf aufmerffam, baß biefeä $auS auf bem Pafce 
be^jenigen erbaut würbe, in weldjem SKolierc geboren 
würbe. $)ocf) ift bieg nidjt ganj fieser. 2öir wiffen nur, 
baß 9fto(iere3 SBater im 1637 r)ter wohnte. Sitte 

2öar)rfcr)einlic^(eit fpridjt aber bafür, baß bie§ nicf>t feine 
erfte Söofmung war, benn afä er fjeiratete, war er ein 



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wenig oermögenber SKann, ber ftcf} eine fo geräumige 
SSofjnung nicht leicht ^ätte (eiften fönnen. Ob aber be«- 
halb bie Xrabition, welche noch @nbe be« achtzehnten 3ahr* 
hunbert« SRotiöre« @eburt«hau« in ber Rue de la Ton- 
nellerie fudjte, Stecht ^ot, ift nicht ju betoeifen. Übrigen« 
fte^t heutzutage weber ba« eine noch ba« anbere £au« mehr. 
2Bir miffen nur noch, bafe ba« $au« ber Rue des Vieilles 
Etuves, in beut SRoltere jebenfall« feit feinem fünfzehnten 
3af)re wohnte, ein malerifdje« 93auwerf au« bem fed^nten 
3ahrf)unbert mar, ba« wegen eine« merfwürbigen (Sc!« 
Pfeiler« im S$olf«munbe ben tarnen be« Pavillon des 
smges führte. (£« zierten itjn nämlich £olzfchnifcereien, 
welche Äffen barftettten, bie an einem Orangenbaum |inauf- 
Wetterten unb am Trufte be«felben fpielten. Vielleicht \)at 
fid) SMtere fpäter an biefe« 33ilb am 2öof)nhaufe feiner 
Sugenb erinnert, als er im 3a^re 1666 für eine &u«* 
gäbe feiner Suftfptele al« SBappen ein Titelblatt machen 
lieft, ba« er bann auch für fein ©überzeug annahm, in 
bem ein Äffe einen Spiegel, ein anberer eine 2Ra«fe Ijielt. 
Ober f)at er bamit in feiner feinen, fjumortiolfat SBeife 
feinen geinben antworten trotten, bie ihn fo ^öuftg wegen 
feine« f djarfen 9tod)ahmwtg«talente« einen „ Äffen" feiner 
ÜRebenmenfcfyen nannten? 

SBenn wir auch Poliere« ®eburt«hau« nicht lernten, 
fo wiffen wir boch beftimmt, bafj er im 9Karfthattenoiertel 
Zur SBelt !am, in welchem fo oiele franzöfifdje dichter ba« 
ßicfjt ber SGBelt erblichen, bie fidj burch pricfelnben SBifc 
unb heitere Saune, burch ^ ren ec h* franzöfifdjen $umor 
heroorthaten. Stegnarb, Voltaire, ^Beaumarchais, SBeranger, 
Scribe, fie finb alle Söhne jene« üoltetümlichen Teile« be* 
alten ^ari«, wo fie vielleicht im SBerfehr mit bem fchalf* 
haft unb fröhlich angelegten SJolfe jenen muntern 3f ro fc 
finn unb jene jouiale £eben«luft fich angeeignet h aöcn 



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— 11 — 

mögen , welche fie alle mef>r ober minber djarafterifiert. 
3n biefem bewegten ©tabtmertel, mit feinen ©üben unb 
Renten, mit feinem fortwäfjrenben kommen unb ®ef)en 
fcon ^affanten unb Ääufern fjatte ber junge Sßoquelin 
reidjlid) ©elegentyeit , bie ©pradje unb Slnfdjauung be3 
IJkrifer ©olfeS fennen $u lernen. Unb für feinen ©ater 
war biefe Sage feines $aufeS t>on nidjt geringerem Vorteil, 
©ein @tefd)äft gebiel) üortreffüdj. 3efjn Safere nad) feiner 
$eirat erwarb er Don feinem ©ruber baS $Tmt eine* £of* 
tape§ierer3, weldjeS ifjm bie föinbfdjaft and) ber feinften 
9Mftofratie $ufüf)rte. &udj als gfabrifant öon ÖujuS* 
möbeln genoß er einen SRuf. 

3)aS ©lüfjen feine* ©efd)äfteS mußte if)m um fo will* 
fommener fein, als infolge ber fteten Vergrößerung feiner 
gamÜie feine Ausgaben immer muffen. Sieben bem 
älteren 3ean ©aptiftc fyatte er jwei weitere ©öfme unb 
eine $ocf)ter. Qtoti anbere Äinber ftarben. Seiber wollte 
es baS Unglücf, baß bem Keinen 3ean ©aptifte feine 
HWutter burd) ben Zob entriffen würbe, al* er faum baS 
Sehnte 3af)r Übertritten ^atte. gür feine ganje <£nt* 
widelung wirb es gewiß oon ©nffaß gewefen fein, baß 
er o§ne bie liebeuofle gürforge einer SRutter aufwudjS. 
3Kit 9?ed)t f>at man barauf aufmerffam gemacht, baß in 
feinen Äomöbien bie Ütftötter feine SRofle fpielen. Die 
meiften ©äter in feinen fiuftfpielen finb SBitwer. $ie 
Jünglinge unb jungen 9Jiäbdjen, bie fid) faft immer im 
©egenfafc $u tyrein ©ater befinben, finb ntd)t in ber 
iiage, bei einer 3Rutter Xroft ober ©erftänbniS $u finben. 
#fmlidj wirb es aud) für i^n in feinen 3üngtingSjaf)ren 
gewefen fein. 

Slber wenn er aud) öon feiner Butter in feiner (Snt* 
widelung faum beeinflußt werben fonnte, fo war bod) bie 
9ftög(id)fett üorfjanben, baß er einiges öon if)r erbte. $>a 



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fie früh ftarb, f)at man fid) oorqeftetlt, bafc fte Don jortcr 
tonftitution mar unb baß bcr $)id)ter, welcher felbft fe^r 
oft fron! tourbe, ben |>ang $ur Äränflichfeit geerbt haben 
mochte. Hu« bem bei ihrem Xobe aufgefegten, un« er* 
haftenen 3nt>entar ihre« £au«ftanbe« fdjeint hervorzugehen, 
baß fie eine forgfame $au«frau toar, zugleich aber aud) 
©hm für gejchmacfoolle (Sieganz ^atte. 3n bem 3uge, 
baß fte in einem flehten, mit ©tieferei überzogenen ^öfferc^en 
bie SBäfdje, meldte ihre Äinber bei ber Saufe trugen, auf* 
betoafjrte, fpiegelt fid) jarte unb feine SmpfinbungSroeife 
nrieber* (S« finb bie« $ü§t, ^ix fpäter bei äftoltere 
nneberfinben werben. $tuf eine gefdmtadfooll eingerichtete, 
nid)t bloß mit (Sieganz, fonbern fogar mit einem gemiffen 
funftfinnigen fiuju« au«geftattete Söofmung legte er fpäter 
große« ®eioicf)t. (Sbenfo bezeugte er ftet« äußerft fein* 
füfjlenbe (Smpfinbfamfeit in allem, tua« bie ihm $af)e* 
ftef)enben betraf. 

Sange blieb ber Sater unfere« $)id)ter« ntd)t 2Bitroer. 
©eine triefen Äinber ließen bie Slnroefenfjeit einer Jrau im 
§aufe burcfyau« notroenbig erfdjeinen. ©o Derlobte er ftd) 
benn nicht ganz ein 3afyr nach bem $obe 2flarie« mit ber 
Softer eine« angefefyenen *ßarifer taufmanne«, Catherine 
gleurette. Äurje ßeit barauf, am 30. SM 1633 mürbe 
bie |jeirat in Saint Germain l'Auxerrois üoüjogen. 
Stber Sßoquelin foüte nicf)t lange ba« <$lücf ber @^e foften. 
511« feine gfrau if)m zum jroeiten 9JM — brei 3af)re 
nac^ & er #eirat — ein Södjterchen gebar, ftarb fie am 
ßinbbettfieber. 

Über ben dfyaxatttx oon Poliere« ©tiefmutter f)at 
man manche« gefabelt. Söett ber $)id)ter fpäter einmal in 
einer ßomöbie, bem ,(5ingebilbeten Äranfen', eine böfe ©tief* 
mutter gezeichnet ^atte, meinte man fofort, er hätte babei 
bie eigene ©tiefmutter im 9luge gehabt. $)iefe Annahme 



■ 



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— 13 ^- 

ift oberftäcfyttd) , als ba§ fie eine (Srörterung nötig 
machte. äöir Jjaben gor feine 2lnf)altSpunfte bafür, bafc 
fie eine böfe grau geroefen fei. (Sf)er fönnte man au« bem 
Umftanb, baft fie als junges üttäbdjen einen SBitroer mit 
Dielen Äinbern heiratete, auf ir)rc Uneigennüfcigfeit fdjliejjen. 
@S mar gennfj feine geringe Aufgabe, bie fie bamit über* 
nafmt. 

Seffer als 9MiereS äftutter unb Stiefmutter fennen 
mir feinen Sater. @r fcfjeint ein vortrefflicher unb in 
feiner ftmtft f)ocf)angefef)ener ®efcf)äftSmann gemefen ju 
fein. $5af$ man oon it)m auct) als $oftape$ierer fefyr mel 
Ijielt, bürfte barauS f)ert>orgef)en , ba& er unter bie Bady 
oerftänbigen aufgenommen rourbe, bie mit ber Snoentur 
eines $eilS beS föniglidjen Mobiliars beauftragt waren. 
$luf$er burdj fein Xape$ierergef<f)äft fucfyte 9ßoquelin nocr) 
burd) $uSleif)en größerer ober fleinerer Summen fein SBer* 
mögen ju uermefyren. Unb eS gelang iljm um fo etjer auf 
biefe SEBeife in glänjenbe SBertjältniffe $u fommen, als er 
feine Littel unb Söege freute, um feine ©laubiger jum 
3al)len $u fingen. $a 9MiereS Äomöbtenöäter fjäufig 
als fjartfjeraig unb geizig bargeftellt werben, r)at man aucr) 
f)ier wieber an 5lnfpielungen auf pcrfönlicrje $erf)ältniffe 
gebaut. 2)iefe §lnnaf)me ift nictjt oljne weiteres ab$u= 
weifen, wenn aucr) ju bebenfen bleibt, bajj bie $ärte unb 
ber ($et£ aucr) fdjon in ben früheren Äomöbien f)äufig bie 
f)ertjorftect)enbe (Stgenfcfyaft ber fiuftfpiefoäter ift. 

©einem Sofme gegenüber fcfjeint aber §uerft ber alte 
s $oquelin nichts weniger als geizig gemefen $u fein. @r 
begnügte fid) mdjt bamit, ifjm bie gewöhnliche Unter* 
weifung ber 93ürgerföf)ne auf ber ®emeinbefdmle ju geben, 
fonbem ließ it)n oom SRoöember 1636 an eine aus* 
gefprodjen ariftofrattfdje Schule, baS SoCtege be ßlermont 
befugen. $)aj$ er if)n etwa auf biefe Söeife auf einen ge= 



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lehrten ®eruf f>abe toorbereiten wollen, erföeint uns trofcbem 
nic^t waf>rfd)einlicf>. ©etyen toir if)n bodj gerabe im barauf* 
folgenben Sa^re fernem 3ean ©optifte bie Stnwartfdjaft 
auf fein $fatt als #oftape$terer unb föniglidjer Äammer* 
biener fiesem. SRur für einen £ape$ierer war biefe3 $lmt, 
we(d)e3 große Sorteile pehiniärer unb gefdfäftttdjer Art 
bot, begehrenswert 93ei einem frönen ©ehalt unb aller* 
hanb Sergünftigungen ^atte ber fönigüdje Äammerbiener 
nur einen bretmonatfichen S)ienft $u berfehen, loa^renb 
beffen er zugleich mit ffod Kollegen für bie 3nftanbfefcung 
be8 föniglic^en ©djlafgemacheä $u forgen ^otte. $)abei 
war e3 für ihn üon unfehlbarem Vorteil, burdfj feinen 
Aufenthalt am $ofe bie neueften (Srforberniffe ber Sftobe 
in feinem ftcufyt knnen $u lernen unb fid) ben haften 
Jamilien ber Slriftofratie empfehlen ju fönnen. $>aß ber 
alte ^oquelin ben Vorfafc fyattt, aus feinem Älteften einen 
Sapejierer $u machen, wirb ihm fein Vernünftiger ber* 
Übeln wollen. Schien if>m bodf) biefer 93cruf eine glän^enbe 
$ufunft $u fiebern ! $)a ß er ba3 $eug i u «inem Sßoeten in 
fid) fjatte, fonnte Sßoquefin bamalS bod) nicht ahnen. 
Smmerhin loirb er wohl früh feine große Begabung er* 
fannt haben unb if)m beSfjalb eine grünbliche allgemeine 
SMlbung hoben angebeihen laffen wollen. 

3m (SoCtege be Slermont, welches unter ber Seitung 
jefuitifcher fiefjrer ftanb, würbe jwar nicht wie in ber 
SRibalenanftalt Sßort SRotyal diel ©riedjifd) getrieben, bod) 
War ber Unterricht im fjran^bfifd^cn unb fiateinifc^en fefjr 
gut. SRöglid) wäre eS, baß baS bramatifc^e Xalent unfere£ 
Richters fcf)on f)ier auf ber ©cfyule burdj bie befonberS an 
jefuitifcf)en Slnftalten bei SßretSberteüungen üblichen Auf* 
fütjrungen bon ©tücfen bon ©eneca, *ßlautu3 unb Xeren$ 
geweeft worben fei. SebenfatlS wirb er biefen Aufführungen 
mit bem größten Sntereffe beigewohnt, bielleicf)t an ihnen 



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-> 15 

auch mitgewirft haben. $aß er f)ier auf bcr Schule mit 
bem gürften toon <£onti, $u bcm er fpdtcr währenb fetner 
Reifen in ber *ßrom'nj in nähere ^Beziehungen treten foflte, 
freunbfdjaftluf) öerfehrt fjättc, ift nid)t anzunehmen. $)er 
große SdterSunterfchieb — ber gürft war act)t 3<*h re 
jünger — unb noch mehr ber große ©tanbeSunterfchieb 
mußten jebe &amerabfcf)aft unmöglich machen. 

3m Sa^re 1640 ungefähr öerließ SHoltere bie (Schule. 
55ie gtänjenben gortf dritte , bie er bort gemacht fyatte, 
öeranlaßten Sßoquelin noch mehr für ifjn $u tf)un. (£r 
ließ ifm an bem Unterricht teilnehmen, ben ber SBater 
eine« mit Stfoltere eng befreunbeten äRitfchülerS (Sfjapette 
in feinem $aufe burd) ben ^ötfofopfjen ©affenbi erteilen 
ließ, ben er nach f c ^ ncr 9ftücffcr)r aus ber ^ßrobinz bei ftcf) 
aufgenommen hatte. Stüter (Sr)a^ede unb ÜRoltere nahmen 
an biefem Unterricht noch & cr ^antulu« beS äReifterS, 
53enüer, welcher fpäter große Reifen nach ^ßerfien unter* 
nehmen unb einen $töriß ber ^ß^UofopEyte feines SehrerS 
herausgeben füllte, unb ein burch feine Quelle unb $ich* 
hingen bamalS bereits berühmter junger 9ttann ßt>rano 
be S3ergerac. (£8 mar eine luftige, ju 2öi|en unb ©päßen 
ftetS aufgelegte, babei aber boch öon emftem SöiffenSburft 
befeelte ©efettfehaft, bie bort jufammenfam. gür SMtere 
wirb befonberS ber SScrfcr)r mit bem geiftreid)en (Stjrano, 
ber fich auch als Äomifer bethätigen follte, fruchtbringenb 
gewefen fein. $lfle mer bewahrten fich ^ n ih rcm fpäteren 
fieben bie Unabhängigfeit beS ©eifteS, bie fie bei ihrem 
äReifter $u bewunbern bie Gelegenheit gehabt hatten. SBenn 
auch ©affenbt nur einem fehr üorfidjtigen SpifuräiSmuS 
hulbigte, fo galt er boch bamalS für außerorbentlid) fufm; 
hatte er boch $eScarteS anzugreifen gewagt, beffen fielen 
bamalS unumfehränft herrfchten. SBenn auch SWoiiöre fpäter 
fich burchauS nicht als Anhänger feiner fiehren zeigt — 



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manche feljen in if)m fogar einen Anhänger 3)eScarteS — 
fo mag er bodj t>on ihm eher in praftifc^ moralifdjer £in* 
ficht bie SBeite beS SlicfS, baS vernünftige gefunbe Urteil, 
baS gerechte Abwägen nach jeber (Seite hin gelernt haben. 
Gaffenbi wirb eS aud) gewefen fein, welcher ihn veran= 
tagte , fein ßieblingSgcbtcht , Sucre^ ,de rerum natura*, 
$u überfein, ßeiber ift biefe Überfefcung, bie gewig nur 
bamalS entftanben fein fann, verloren gegangen. @S heigt, 
SOtoliere habe fie felber fpäter vernichtet. (Snblich Der* 
banft ätfoliere biefem Unterricht feine Kenntnis ber 
einzelnen ^itofop^ifc^en ©vfteme unb ber ganzen pfylo* 
fop^ifc^en Xermtnologie. 

9ttoliereS Se^rer unb SKitfchüler werben wof)l oft 
Gelegenheit gehabt fjabeu, be$ SünglingS augerorbentlid)e 
Begabung fenuen $u lernen. Unb follte aus bem hetvor* 
ragenben jungen ÜKann nur ein Satterer werben? Sötr 
würben eS für red)t möglich halten, bag gerabe fie SMiereS 
SBater bie Otogen öffneten unb ihn beftimmten, feinen ©of)n 
ftubieren ju laffen. Xhatfache ift, bag er — wenigftenS 
jettweife — ben Sßlan aufgab, einen Geschäftsmann aus 
ihm $u machen. Db er aber ben Neigungen feines ©ohneS 
entfpradf), als er ihn gerabe Sura jum ©tubium aus* 
wählen lieg? (SS bürften eher praftifdje Erwägungen ge* 
wefen fein, bie ihn veranlagten biefe ä£Baf)I ju treffen. 

(Snbe 1641 be$og ber Süngling bie Univerfität Orleans. 
Sange freilich bauerte fein ©tubium nicht. (Sr wirb ber 
tro&nen 2ötffenfd)aft e6enfowenig Gefcfjmacf abgewonnen 
haben als bie anbern dichter, bie fich vorübergef)enb mit 
biefem ©tubium befchäftigt haben. Db er fchlieglid) ben 
SÄbvofatentitel erhielt, wiffen wir nicht genau. SebenfallS 
machte er feinen Gebrauch bavon. 3h n h^* e * ne Sriben* 
fcfjaft umfangen, bie bei ihm alles anbere in ben £inter* 
grunb brängte. (Sr bachte nur an baS Xheater. 



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— 17 - 

Warnt unb tote brach aber biefe Seibenfdjaft au3? 
Die Irabition will wiffen — unb e3 ift bie3 nicht un* 
iüat)r)C9ctiiuc9 — f oajv jeute yfeigung jum 4,t)eater ]et)r 
früfje erwachte, ©ein ©totaler mütterlidjcrfeitö hätte 
if)n fc^r häufig in« Sweater geführt. Da3 $dtel be 
Söourgogne würbe bamate gerabe t>on ^aufteilten biefeä 
©tabttriertetö Diel befugt. (leichtert würbe ihnen ber 
23efuch be3 XJjeaterS öieüetcht baburch, baj$ ein anberer 
$ape$ierer, welcher, wie Seen ^Soquefin, £oftape$ierer war 
unb gn bem er gewtffe Regierungen hatte, ^ßierre Zubaut, 
^lltmeifter ber ^afftonägenoffenfdjaft war, welcher ba3 
§otd be Sourgogne gehörte, unb als fofdjer über eine 
2oge verfügen tonnte, bie er feinen ©erufSgenoffen toofjt 
häufig gur Verfügung gefteßt traben wirb. Die Mareen, 
bie neben ben großen Sragöbien in biefem Sweater auf* 
geführt würben unb in benen bie berühmten Sßoffenreifjer 
Xurlupin, ©ruäcambille, ®au(tier*®arguifle unb ®ro3= 
®uillaume auftraten, werben ihren (Sinbrucf auf ben 
Sungen nicht üerfefjlt haben. 

■Koch anbere Anregung wirb er tnetfeidjt auf beut 
Safjrmarft Saint Germain gefunben ^aben. ©ein ©rofi* 
öater oäterttcherfeitö befafc bort gwei ©üben unb wirb 
öielleicht feinem (Snfet manchmal Gelegenheit geboten höben, 
bie auf bem Sahrmarftötheater gegebenen ^offen, in benen 
SBar^ unb l'Drmetan U>re Äunftftütfe gum beften gaben, 
gu bewunbem. SBöfe 3ungen behaupteten fräter, 9Mtere 
habe an biefen berbfomifdjen ©tücfen fo grofjeS ©efatten 
gehabt, bajg er fidj fogar um eine $trt Dienerftette bei 
SBart) bewarb. (Sine fo ausgekrochene Neigung, bie gu 
folgen (Sjtrafcagangen führen fonnte, mochte bem ftreng 
bürgerlichen ©inn feiner gamilie feineSwegS gefallen. 
SBiel gefährlicher fottte aber ber SJerfehr mit einigen jungen 
Seuten betberlei ©efdjlechteä werben, gu benen er *8e* 

SdjneeganS, «Diotiftre. 2 



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Rehungen anfnüpfte, welche fein ganje« Sieben fjtnburd) 
bauem foKten. <£« waren bie« bie 86jart«. 

$>er JBater Sofeph 936jart war feine« Reichen« ©ericht«* 
üottjie^er unb hatte eine grojje gamilie, nicht weniger benn 
elf Äinber. Von biefen gingen fünf ^um Ztyatet über. 
(5« mufj alfo in ber gamilie eine ausgekrochene Neigung 
$um Zf)eaterfpie(en beftanben ^aben. Vielleicht hotte ber 
Detter felbft auch biefe Neigung! $)er Xitel eine« sieur de 
Belleville, ber in Äftenftücfen bisweilen feinen dornen 
begleitet, ift ein 9tame oon ber Strt, wie fie ftd) bie 
Äomöbianten oft beilegten; er mag vielleicht hier unb ba 
in fiiebhabertruwen geftrielt unb fo feinen Äinbem ben 
€>inn für bie Vüfjne eingepflanzt t)aben. 2)ie ganje 
gamilie tyat etwa« Abenteuerliche«. $)ie ältefte Xochter 
Üftabeteine — am 8. 3anuar 1618 geboren — , war mit 
ihrem um ein 3af)r älteren Vruber 3ofa>h früh jur Vüfnte 
übergegangen unb trat gegen bie fonftige (bitte unter ihrem 
eigenen tarnen, nicht unter einem Sßfeubontym auf, gewifc 
ein Vewei«, bajj fie fid) au« „bürgerlichen Vorurteilen" 
nic^t« machte. 2öo fie juerft fpielte, wiffen wir nicht 
Vielleicht in Vorftabttheatero, vielleicht auch w ^ cr ^toöinj. 
$)ie Xrabition fucht fie in ber Sßroöin$ ßangueboc. ®nbe 
ber breijjiger 3a^rc war fie aber gewift auch * n ^ßöri« f ba 
fie fich laut Slftenftücfen bort ein £äu«cf)en mit ©ärtchen 
faufte. ÜJlit einzelnen bramatifchen Richtern ber geit ftanb 
fie auf fo oertrautem gufce, bajj fie e« 3. V. wagen burfte, 
ben $ramattfer SRotrou in begeifterten Verfen andichten. 
Übrigen« ^atte fie Ve^iehungen jur ariftofratifchen 2Belt, 
welche geeignet waren, früh 9 enu 9 mäbchenhafte Schüchtern* 
heit bei ihr $urücf$ubrängen. ©ie war bie ©eliebte eine« 
oerheirateten (Sbelmann« be Sfloböne, eine« in ber Sitteraten* 
unb Xfjeaterwelt burch fein abenteuerliche« Seben befannten, 
jum £offtaat be« «ruber« be« $önig« ©afton oon Drtean« 



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gef)örenben £errn, unb hotte Don ifjm im 3a^rc 1638 eine 
Softer befommen. $)iefe ©cfcHfc^aft fefcte ftd) gor leicht 
über bie ®efe$e bürgerlicher Sitte hinweg; bei ber Xaufe 
gab ^ratt^oi^ be 9Rob£ne feinem unehelichen £öchtenf)en 
als Rathen (einen legitimen Solm, unb bie äRutter 
SftabeleineS nahm feinen Slnftanb, ben £aufaft ihrer un* 
efjeüdjen (Snfeltn als ^athin $u untertreiben! $)urch il)r 
abenteuerliches fieben, ihr fc^aufpteteriyd^e^ Xalent, vielleicht 
auch & ur 3> bichtenjeben gäf)igfeiten, bie ihr nachgerühmt 
würben — nach ber Überlieferung ^ötte fie fid) auch m ** 
ber $oirapofition bramatifdjer Stüde befafjt — , burch i^re 
ftattlidje, etwas männliche Schönheit ttrirb fie auf ben 
jungen SJcoItere, ben eine geheime Neigung fürs %f)tattt* 
leben unb wohl auch f^ r ^aS m ^ *h m m Verbinbung 
ftefjt, erfüllte, unauSlöfchlkhen (Sinbrucf gemacht h^en. 
Db fich awifcfjen beiben ein ßtcbc^öer^ältni« entfoann, ift 
fdjwer $u fagen. $ie 3^itgenoffen mußten ba&on 3U er* 
wählen. Slber welcher Schaufpielerin, beren Vergangenheit 
auch f on f* n ^ einroanbfrei ift, würben feine ÖiebeSöerhält* 
niffe angebietet? $u fawetfen ift baS natürlich n M)t; uns! 
wahrfcheinlich ift eS ebenf owenig, unb $u behaupten, baß 
e$ unmöglich fei, weil Sttabeleine burch *h r Verhältnis mit 
bem $erm be 2ftob£ne gebunben war, ift fein emft $u 
nehmenber (Sinwanb. Veibe waren leisten Sinne« genug, 
um fich über berartige Sebenfen fchneU h^^cgjufe^en. 
&af$ einzig bie ßiebe ju Söcabeleine ben jungen Sßoquelin 
veranlagte, $um %tyatcx überzugehen, baS allerbingS ift 
nicht glaubhaft. Vor ädern h a ^ e er eine unbe^wingliche 
Neigung fürs Ztyattx; unb biefe ßeibenfehaft wirb fich 
wohl suerft mit ber £eibenfcf)aft für üftabeletne, bie für 
ihn baS Ztyattx öerförperte, verbunben fyahzn. 

$>en bieberen £oftape$ierer berührte ber Verfefjr feines 
Sohnes mit bem leichten Äünftleröolfe wohl feineSwegS 

2* 



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angenehm. 3ean 9aptifte tyatte feine ©tubten beenbigt. 
$un galt e« einen SSeruf $u ergreifen. Die Surifterei 
fprad^ tyn nidjt an. 3 um $fcater woflte er tyn uidjt 
laffen. ©o machte er benn einen legten Serfudj, üjn an 
fein @efd)äft §u feffetn. 3m ©ommer be« Qafjre« 1642 
f)ättc er feinen $)ienft aC« fönigttdjer Äammerbiener t>er* 
fefjen unb al« folc^er ben $of in bie ^}roöin$ nadf) ©üb« 
franfreid) begleiten müffen. $)a er feine« @efd)äfte« wegen 
ntn biefe 3 eit W toer abtommen tonnte, beauftragte er 
feinen tlteften bamit, il)n im Styril, 2Rai unb 3uni 1642 
ju vertreten. Um biefe 3^t begab ftcf| alfo ber junge 
^oquelin in« ^oflager $u Sorbonne. &ber audj bie« 
fottte ntd)t« nüfeen. ©eine Seibenfcfyaft für« $f)eater war 
tuet $u ftarf, ai« bafc felbft ber Sfafenttyalt am £of, ber 
metteicfjt baä ®efd}äft eine« £oftape$ierer« für einen jungen 
9#ann nodj am an$ief)enbften erf feinen laffen tonnte, fie 
$u bannen in ber Sage gewefen wäre. 

©djon trug fidj 3ean mit bem ©ebanfen, mit ben 
936jart« unb einigen anbem, eine Gruppe $u grünben. S)er 
Spater öerfudjte alle« mögliche, um feinen ©otyn $urü(f$u« 
galten. (£r wäre, fo wirb un« berid)tet> ju allen Opfern 
bereit gewefen. Unb wir fönnen e« ifjm audfj glauben, 
benn bi« bafjin fyatte er feinem ©ofjne gegenüber ba« 
größte ©ntgegentommen gezeigt. SBerwanbte unb greunbe 
mußten swifdjen SBater unb ©ofjn Vermitteln. (5« wirb 
ju ftürmifdjen ©cenen gefommen fein. 9Ro(tere Ijat faäter 
ht feiner Äomöbie fo f)äufig ba« $faflef>nen junger Seute 
gegen ben SBitten eine« fyartnäcfigen, ftörrifdjen SSater« 
gefc^übert, baß wir wof>I mit SRedjt annehmen bürfen, er 
fjabe foldje ©cenen wirflid) erlebt. 3)af} er fi(f) felber 
betrügerifcfjem hintergehen feine« Sater« unb $u bübifdjen 
©treiben fjerbeüiejj, wie feine Äomöbienföfjne, fjaben wir 
otterbing« SWülje ju glauben. 



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— 21 — 

«m Änfang be* 3af>re3 1643 war er fo feft ent* 
^loffen, $um Sweater überzugehen, baft er am 6. Januar 
feinem Sater in aller 3rorm fchriftlid) feinen Ser^t auf 
bie 9fottmrtfcf)aft ber ©teile eine« Äammerbiener« bei #ofe 
mitteilte unb feinen Sater bat, btefeä ftmt einem anbern 
feiner ©ö^ne $u übergeben, darauf lieft er fuf) auf bie 
@rbfd)aft feiner SWutter eine gröftere ©umme öorau^beja^len, 
bie er $ur ©rünbung feiner Gruppe burchauS nötig hatte. 
@3 wirb n>of>( ftarfe «ämpfe gefoftet fjaben, big er biefe« 
©elb, ba$ if)m eigentlich gehörte unb ba3 bei meitem noch 
nicht feinen gefamten Hnfprud) aufmachte, t>on feinem 
Sater betam. 3ttit *ßoquelin3 ©ebulb mar e3 aber je|t 
ju (Snbe. 3mifd)en Sater unb ©of>n mar e$ ju offenem 
33rucf) gefommen. $lber auch ^ier fönnen mir bem alten 
s $oquelin au* feinem Serhalten feinen Sormurf machen. 
Welcher t>eroünftige Sater ^ätte e3 feinem ©ohne geftattet, 
aus gefiederten Serhältntffen 1)txau% ftd) einer fo locferen, 
abenteuerlichen ©efeflfdjaft mie bie ber ©äjartö ohne meitere« 
in bie Slrme ju merfen? J)iefer (Sntfchluft muftte if)m mie 
ber reine 2Bat)nfinn öorfommen. Unb biefen (Sinbrucf tonnte 
ba$ Sorurteil, ba3 man in gut bürgerlichen Äreifen bem 
©chauftrielerftanb als folgern entgegenbrachte, nur ft&rfen. 

$>er junge ^oquelin »erlieft ba3 $au8 feine« Sater« 
unb nahm SBo^nung in ber Eue de Thorigny, ganj in 
ber 9*ähe öon iWabeleine Stejart, melche mit ihrer ©chmefter 
in ber Rue de la Perle mof>nte. S)ie ©rünbung ber 
neuen Sruppe muftte jmar einige $t\t noch aufgefchoben 
merben, meil ber Sater S6jart gerabe geftorben mar; erft 
in ber 9Äitte be3 ©ommerä, am 30. Suni 1643, mürbe 
ber Sertrag enbgültig gefchloffen, unb jmar im §aufe ber 
Söitme S6jart3 äftarie $erb& 2)ie SHitglieber ber Xruppe 
maren junächft brei Sparte, SWabeleine, ihr Smber Sofeph 
unb ihre ©chtoefter ©enebteöe, bann ber junge Sßoquelin, 



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ein ehemaliger Schreiber ober ©djreiblefyrer ©eorgeS s $inel, 
ber fidj ben S^eoternomen ßa ©oufture beilegte, bann 
ein junger ®erid)t*)d)reiber Sonnenfont, (Sterin, moftf ber 
»ruber einer ©dhaufpielerin Dom SRaraiStheater, ein ge* 
miffer Stenns 93<$S , Catherine beS UrliS, bie fdjöne .. 
Tochter eines ffan$leibeamten, meiere fpäter ins äftarais* 
theater überging, bamalS aber noch minorenn mar, unb. 
enbtidf) bie Xod)ter eines ©chreinermeifterS, Sftabeleine 
SMingre. 3n biefer @efeEfc^aft genofj üttabeleine Sejart 
baS größte s 2lnfehen. (SS mürbe auSbrücfich bie SSeftimmung 
getroffen, bog fie ftd) bie 9Men auSfudjen bürfte, bie ihr 
gefielen; in bie #eIbenroflen teilten fid) (Sirrin, ^ßoquelin 
unb Sofeph SBejart. $)ie alfo gegrünbete Gruppe gab fid) 
felber ben Xitel beS „Illustre theätre". (SS mochte bieS 
vielleicht lächerlich erfdjeinen, benn bie ©efeUfcrjaft mar ja 
burd)auS feine (Slitetruppe, aber ber SRame „Illustre" war 
bamalS in ber äRobe unb mürbe nicht emft genommen. 
Son tiefen jungen fieuten mar es ein grofeeS SBagntS, 
neben ben beiben fdjon beftehenben Struppen beS Hotel de 
Bourgogne unb beS SKaraiStheaterS noch «ne neue $u 
grünben. Aber fie jmeifelten nicht am (Srfolg. ©ie mieteten 
ftch von einer gamilie 9Heftat)er einen ©aal in einem 8all= 
fpielfjauS am ©raben unb nächft bem SfteSlethore; ba aber 
ber ©aal nicht fofort hergerichtet merben fonnte, Der juchten 
fie ihre Gräfte guerft in SRouen, mährenb ber bortigen 
©pätherbftmeffe. SRachbem enbltch in ^ßaris ihr Xheater= 
faal fertig gefteßt morben mar, $ogen fie mieber in bie 
£auptftabt $urüd unb begannen bie SorfteHungen im 
Sonuar 1644. (SS märe nicht richtig anzunehmen, ba§ 
ber fpätere grojje Äomifer gleich öon vornherein feine Be- 
gabung fürs ßuftfpiel erfannt unb beShalb auf bem Illustre 
Theätre namentlich auf bie Aufführung von $omöbien 
hingemirft hätte. 3m ©egentetl, mir hören nur von $ra* 



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— 23 — 

göbien; bu SRner unb Xriftän gehören ben befonberä 
t)on ihnen bevorzugten $ramatifern. 3)oju geben fie bereits 
jefct ©tücfe, bie öon ihren eigenen SKttgüebern getrieben 
werben, fo biejenigen eine« genriffen SRicolaS 3)e3fontaine6, 
ber in ben Safjren 1644 auf 1645 Xragöbien mit t)od)* 
trobenben Titeln oerfa&t, Eurymedon ou l'Illustre 
Pirate, Perside ou la Suite de F Illustre Bassa, 
Saint Alexis ou l'Illustre Olympie, l'Illustre ComGdien 
ou le Martyre de Saint Genest, Xrauerfoiele, bie für baS 
Illustre Theätre wie gefdjaffen zu fein fd^ienen. 

2lber bie unternefymenben jungen fieute mußten, bajj 
e£ im SBühnenleben nid}t bloft barauf anfommt, oortreffliche 
©tüde üortrefflich zu geben; fie mußten, bafj man ofme 
^roteftion ^o^er #errfd)aften bamalS nicht uiel erreichen 
fonnte. 3Jtobeleine3 Beziehungen zum £errn öon SRobene, 
ber feinerfeit« mit bem ©ruber beS Richters Xriftan Thermite 
befreunbet mar, melier (Sbelmann im (befolge ©aftonä öon 
$ranfreich mar, mußten ^er^alten, um ber %xuppz ben 
©djufc beä 23ruber3 be$ ÄönigS z u oerfdjaffen. ©ie er* 
hielt bie (Erlaubnis, ftdj ben Xitel einer „burdj feine &öntg« 
Iidt)e Roheit unterhaltenen Xrupoe" beizulegen. 3h rcn 
Beziehungen jum dichter Xriftan üerbanfte fie eS auch, 
baft fie öon it)m bie Erlaubnis erhielt, feine ,Mort de 
Crispe' juerft aufzuführen. 3n ber ,Mort de Seneque' 
beSfelben 3)idt)ter« fott SJcabeletne in ber fRoIIe ber (Smcharte 
ganz befonberS glänzenbe Erfolge erhielt fyobm. 

©oldje SKomtäten waren geeignet ben Shifnn & er 
Xruppe zu begrünben. Sftchtöbeftomeniger machte fie fef)r 
fcr)lcdr)tc ®cfct)äftc. 93alb belaufen ftd) ir)re ©Bulben auf 
2600 2. Sin ben alten Sßoqueltn — ber fid) im erften 
3a^re noch crmeichen lieft, eine öeine Summe zu geben, 
ober um biefelbe befdjwinbelt mürbe — wagt man fid) 
jefct nicht mehr zu wenben. ©ein ©ohn r)at auch ten 



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ehrbaren Kamen ber ^oquelinS, bcr nidjt auf ber 93üf)ne 
profaniert merben follte, natf) ber bamalä üblichen ©itte 
gegen einen Xljeaternamen t>ertaufd)t. (Er nennt fid) jefct 
äMtere. ©ein Sater mirb moljl bamala tote feine ganje 
Familie biefen Kamen als einen ©djanbflecf empfunben 
fjabett, unb bod) mar er beftimmt, ben Kanten ber Webern 
^oquelinS nicfyt blofc ber Sergeffenfjeit ju ent^iefjen, 
fonbeni ifyn unfterblid) $u machen. Saturn ber $td)ter 
gerabe biefen Kamen mäfjlte, ber in grranfreid) a(d Orts- 
name nitf)t ungemöljnlid) ift, ben Übrigend aud) ein be* 
fannter Komanfdjriftftefler nnb ein äfoififer unb ©allet* 
oroner Damals Tuqrte, rotten nur ntct)t. 

ftaum ein Satyr mar feit (Eröffnung be3 Sweater« 
vergangen ; bie (Erfolge maren aber fo gering, bafj ftdj bie 
Xruppe entfd)lo$ einen anberen Ztyeaterfaal $u mieten. 
293er roeijjj, trielleidjt mar nur baä ©tabttriertel , in bem 
gezielt mürbe , an bem geringen (Erfolge fcfjulb! ©o 
jogen fie benn am 14. $>ejember 1644 in ein anbereS 
$allfpieff}au3 in ber Croix Noire, rue des Barrls. $)er 
Umjug foftete ®elb. SRoltere borgte bei »ergebenen 
Lieferanten, ber Dermin fällig mürbe, fonnte er aber 
bie geborgten Summen nidjt $urüderftatten. Unb er mu&te 
mehrmals tn$ ©djulbgefängnis manbem. ©einem Sater 
märe e£ ein Ieid>te3 gemefen, tfjm aud ber Kot $u Reifen. 
Oerabe bamalfc maren feine ©efdjafte befonberS glänjenbe. 
Slber menn er am Anfang fid) melleidjt burd) bie ftolgen 
Hoffnungen tyatte betören laffen, bie man Ujm t>on einer 
glän^enben $)id}ter$ufunft feine* ©ol)ne3 öorfpiegeln mochte, 
fo fyatte er jefct, ba es immer fdjledjter ging, genug, ©ein 
©otyn tyatte itnn nidjt geljordjen motten! ©o fonnte er 
je|t bie folgen tragen unb fetyen, mofn'n if)n fein ©gen* 
finn führen merbe. (Er lieft e$ rutyig gefctyetyen, baß ein 
ftrember, S&marb Slubrt), ber SKitleib mit bem armen 



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3üngling fjatte, Sicherheit für ihn gab unb i^n au3 bem 
©efängni* befreite. (Srft fiebge^n Monate fpäter liefe er 
fid) ^erbei f nidjt etwa bie (Summe wieber^ugeben , wof)( 
aber 3tubr^ bie Ouittterung ber Schutt) $u garantieren. 
9ttit feiner Sttilbe war e3 enbgültig au3. 

Diefe traurigen Ser^ältniffe bewirtten aHmähttch, baft 
fidj immer mehr Schaufpieler twn ber Druppe abwanbten. 
DentyS 93e^, *ßine(, ©onnenfant, Catherine be$ UrliS, auch 
ber Dichter DeSfontaineS fcheinen nacheinanber atte bie Druppe 
öerlaffen &u baben 9ßur hier unb ba famen neue ©cbau* 
fpteCer htn$u. Die SBerhältniffe ber Druppe würben balb 
fo mifjlicf}, bafc fie ben Xitel einer Xruppe feiner „Äönig* 
liefen Roheit" aufgab. ©ietteicht mochte fte felbft ein« 
iefjen, bog fte bem ©ruber be$ Äönigä $u wenig (Rjre 
machte; oielleü^t jog ftd) auch ber Sßrotettor Don felbft 
$urücf, unangenehm berührt, bafj man fagen tonnte, er 
bejahte feine Sdjaufpieler fo wenig, bafe fie ©Bulben 
machen müßten. Deren Ratten fie genug. Sfra Saufe ber 
3eit mufeten fie einfehen, bafj fie auf bie Dauer in $ari$ 
nidjt beftefjen tonnten. 60 fajsten fie benn ben einzigen 
@ntfcfjlufj r ben fie f äffen tonnten, wenn fie überhaupt 
weiter beim Dfjeater bleiben wollten: fie »erlegten ben 
Sdjauplafc ihrer D^ätigteit in bie Sßromnj. 3m Äuguft 
1645 hatte ba« Elustre TMätre &u befielen aufgehört. 



1 n 



fWc Wanderjafcrc 

fjür bie öerfprengte Gruppe be$ Illustre Theätre 
fyanbelte e$ fid) nun oorneljmlid) barum, in ber Sßrooinj 
mit einer erfahrenen Gruppe in SBerbinbung gu treten. 
$urd) SBermittelung eines tyrer früheren SDfttgtieber, beS 
2)e3fontaine3, welker oor feinem Eintritt ins Illustre 
Theätre 1643 in Styon fcfjaufpielerifcf} tf)ätig geroefen War, 
trat fie in ©egiefjungen $u ber Gruppe beS $er$og8 t>on 
(Spernon, an beren ©pifce ein alter routinierter ©d)au= 
fpieler $ufreäne ftanb. (§& mar für fie öon ber größten 
SiBidjtigfeit, ben ftänbigen ©dmt* eines f)ofjen $errn, wie 
be$ §er$og3 oon (Spernon, ber ©outoerneur ber ©utyenne 
war, genießen $u bürfen. 

$)er erfte Ort, in bem wir unfere ©djaufpielertruppe 
finben, ift ©orbeauf, wo fie (£nbe beS 3af>re3 1645 fid) auf* 
gehalten gu fjaben fdjeint öon tyren SBanberungen toiffen 
wir aus geitgenöffifcfjen 33iograpf>ten nichts. SRur müf)* 
fam läßt fid) if)re ©efdjidjte aus ^ßrotofoüen ber ©tänbe* 
öerfammlungen ber ßangueboc, für weldje fie fpielte, auä 
ben Unterfdjriften ber Quittungen, weldje fie für baS 
|>onorar, baS fie erhielten, aufteilten, aus ben $ircf|en* 
büdjern, welche bie (ätyefdjliefcungen 23üf)nenangel)öriger 
unb bie Xauffcfyeine if>rer $inber aufnahmen, aus ^Rat^auS* 
aften, SGotariatSarcfytoen unb $ofpitalregiftern refonftruieren. 
3n biefer tyit nahmen Poliere unb bie SöejartS !eine 



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27 — 

führenbe ©teße ein. (Srft allmählich gelangten fie Oer* 
möge Uprer befonbern Serbienfte baju, eine auflag* 
gebenbe Stolle $u fpielen. Sermutlich werben (Spernon* 
©djauftrieler meift in beffen fefttie^ eingerichteten Schlöffe 
(SabiHac ober in $lgen, mo er feiner (beliebten SRanon be 
SartigucS glünjenbe JJefte gab, aufgetreten fein. Aber if)t 
$)ienft beim ^erjog feffeltc fie nicht fo fehr, bajj fie ntdjt 
3eit gehabt Ratten, auch anberSmo $u fpielen. ©o miffen 
mir, baf? fie 1647 in Souloufe, Äfbi unb (Sarcaffonne 
Aufführungen öeranftalteten. 9£ad) Blbi hotte man fie 
fommen laffen, um ben ®lana ber gefte, bie (5nbe Suli 
$u @h rcn föniglichen (Generalleutnants ber ßangueboc, 
(trafen bon ftubijoug gegeben mürben, $u erhöhen. Stafc 
bie %xuppt fdjon bamalä ein gemiffeS Slnfehen genofj, 
tonnen mir aus üerfdjiebenen ©chriftftücfen erfehen. (5s 
ift beSh^Ib falfdj fich öor^uftellen, bafi SKoltere ein fümmer* 
liehe« äöanberleben auf ber ßanbftrajje geführt unb unter 
ben SßitterangStoerhältmffen , unter junger unb $)urft ju 
leiben gelobt hätte. Sticht etma in fpärlid) erleuchteten 
©cheunen, mie f>fe unb ba behauptet morben ift, mo ba£ 
bebrütt ber Ochfen ober ba3 ©djreien ber (Sfel bie ©d)au* 
fpieler in ihren fcljönften Kraben unterbrachen, fonbern in 
iöallfpielfälen ober in ben ©cfjlöffern f><>h er $erren mürben 
bie Aufführungen oeranftaltet. Offizielle Sendete be- 
zeichnen bie ©chauftrieler al« fct)r gute Äünftler unb „mohl* 
anftänbige" öeute. SGichtSbeftomeniger hatten fie häufig 
unter fchttrierigen SBerhältuiffen $u leiben, ©ie hatten oft 
öiele SERühe, für bie 3)ienfte, bie fie leifteten, fich befahlen 
$u laffen. 2Bar ber ®ouoemeur ber Sßromnz, in & er ft e 
fpielten, franf, fo mürbe einfach bie SJorfteHung unterfagt, 
unb bie Soften für bie Überftebelung in bie frembe ©tobt 
maren vergebliche, ©o gefdjaf} eä im ^tprit 1648 in 
Nantes, mo äRoliere im Auftrage ber Xruppe bie Urlaub* 



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28 - 

ni* einer SBorftettung ertt)ir!t fyattt, al* ber ©ouberneur 
ber Bretagne, 2Harfchall be la 9Reißerat)e plöfclich gefäf)r* 
lief) erfranfte. 

^od) fdjwieriger geftalteten fid) bie «erhältniffe, als 
Unruhen in ber $rotmift Gwenne ausbrachen. $)er $)eS* 
poti*mu* be* £er$og* üon ©pernon ^atte feine Unter« 
tränen fyerauägeforbert Auf folgern ©oben fonnte bie 
Äunft nid)t gebei^cn. Übrigen* gierte e* überaß in 
ftranfreich. 3)ie Unruhen ber Jronbe waren ausgebrochen. 
3m Sluguft be* Sahre* 1648 begann man fit $ari* SBarri- 
!aben $u bauen, unb am Anfang be* folgenben Safere* 
mufcte Königin föegentin Änna öon Öfterreich $al* über 
ßopf au* ihrer £auptftabt fliegen. ©alb oerbreiteten 
ftd) bie Unruhen auch über bie $rot>in$. 3 tt, if c fy en & en 
" ^Bürgern SBorbeaur/ unb bem ^er$og tton (Spernon brach 
ber offene Stieg au*. $iefe revolutionären SEBirren 
»erben e* roaljrfd)einlid) gewefen fein, meiere bie Gruppe 
zwangen, bie ^ßroöin^ Gwenne §u öerlaffen. SBo fie fidf 
hinwanbte, wiffen wir nicht genau. Söährenb eine* ganzen 
3a^re* verlieren wir i^re ©pur twüftänbtg. (Erft am 
16. 9Wai 1649 taucht fie wieber in Xouloufe auf. 3)ort 
fpielte fie bei f eftlicher Gelegenheit, um bie Anfunft be£ 
föntglichen Generalleutnant*, be* Grafen be SRoure $u 
feiern. Sttöglicherweife nahm fie biefer fyoty £err, welcher 
jur ^räftbierung ber Generalftänbe in bie ^roDinj ßangueboc 
gefommen war, mit fid). 

8on großem 3ntereffe für un* bürfte e* fein, bafc 
in ber auf un* gefommenen, ben Aufenthalt ber Gruppe 
in $ouloufe be^eugenben Quittung ber ©chaufpielergefetl» 
chaft nicht bloft Dom Smpfang einer ©umme für bie Äuf* 
ilhrung einer Äomöbie, f onbem auch fü* ^ eren Äompofttion 
bie Webe ift. 3öa* biefe Äomöbie war, öon wem fie f)tt* 
rührte, wiffen wir nicht. £* fann äKabeleine Ö6jart, wie 



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— 29 - 

]tc c» früher gett)an, quo) Damals noa) tötuae geotcptet 
haben. 9ttd>t imtoahtföeinlid} ift e* aber, baft bereit* *u 
biefcr 3 e ^ ©cfjaufpteler SRoltere fidj aud) als SDic^ter 
fjertwrthat. SBtr nriffen, baft er gerne in ber ^roomj, 
roährenb feiner Sföanberjafjre, Mareen nad) bem 5Rufter 
ber ^offen ber italienifchen ©tegreiftomöbie enttuarf unb 
aufführen lieft. 

3)a3 italiemfdje Sweater erfrente fidj bamals in grant* 
reicy auperoroentuct)er 2oeueoit)ett. v w ipan» tjatte ii/couere 
fdjon feit feiner #tnb|eit bic ^orftellungen ber italienifcheit 
Commedia a soggetto benmnbern fönnen. Seit bem 
Snbe beä öorhergefjenben Sohrhunberfö , ol$ $önig £ein* 
rief) III. bie Gruppe ber ®etofi nad) $ranfrci<h (jotte 
fommen (äffen, ttmren bie Italiener in $ari$ ^eimifc^ unb 
führten $ur gröftten Unterhaltung ber $arifer ihre luftigen 
$arlefinaben auf. 9£ur ber ®ang ber $anblung ttKtr in 
biefen ©tücfen feiert. $)er ©djaufpieler erfanb ben Dialog. 
(££ war bie« nid)t fo ferner, wie es auf ben erften 9?ttcf 
erscheint, benn bie in jeber Äomöbie auftretenben ^ßerfonen 
roaren ftefjenbe Xtjpen. 3ebe $rot)inj f jebe ©tobt Statten* 
t|atte ihren Xtym3 geliefert, ©o ftammte au* bem ge« 
teerten Sologna ber pebantifche, eitle, in lateinifchen 
^ß^rafen fief) ergehenbe Dottore; ba* hw^ltreibenbe 
SBenebig lieferte ben alten, balb großartig t^uenben, balb 
fnauferig fparenben, galanten, aber ftet* hintagangenen 
Pantalone. ©panten, ba* feit langem in Statten in mili* 
tärifc^er ^infic^t ben Xon angebenbe Sanb, lieft ben Miles 
gloriosus in (Seftalt be* bramarbafierenben Capitano mit 
feberumtoatlten §ut unb gettncfjftem langem ©djnurrbart 
ttrieber aufleben. $)a3U fam bie gan$e ©djar ber ftet3 
ttugtgen, ii|ttgen, oetntgeniajeu ooer Dummen jütener, Der 
Brighella, Arlecchini, Scapini, Mezzetini, Covielli ober 
ttrie fie fonft noch tytfyn, ftet* bereit ihre jungen, leicht* 



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finnigen, immer verliebten £errd)en unb £>ämdjen, bie 
Orajü ober Sfobeöe gegen bie griesgrämigen Älten in 
©djufc nehmen unb ifjnen $u fünften bie unwahr* 
(djrinlidtften ©treicfje fiegretd) burc^jufä^ren. $ocf) biefe 
Scf)aufpieler waren nicfjt bloß 3mprot>ifatoren öon SBifc; 
fie waren aucr) 3Rimen unb ©tymnaften erften langes. 
(Sprünge, Purzelbäume, Pirouetten aller &rt, ©erläge, 
$rügel f Ohrfeigen, gußtritte matten bei biefen Sluf* 
fü^rungen häufig ben £auptfpaß au3. 2)er berühmte 
itafteuifcf)e ©crjaufpieler Jiurelli öerfefcte noer) mit 83 3af)ten 
eine Ohrfeige mit bem guß. ©n |>auptftreicr) be3 Strlec* 
d)ino mar e3, wenn er zum Xrinfen aufgeforbert einen 
Purzelbaum mit üoHem ©lag in ber £anb machte, unb 
$war ofme einen tropfen SBaffer $u vergießen. $rat 
ber ßapitano auf, fo burdfrfcfyritt er renommierenb unb 
bramarbafierenb bie Söülme, gegen einen unficcjtbaren 3?einb 
mit bem ©djwerte toUfüljn f)erumfucf)telnb ; fobalb er 
aber ben fyinb erbliche, fdjlicr) er bie Söänbe entlang, 
t>erfrocf) fidj unter ben $ifdf), entflog bind) ba3 genfter. 
$em SDottore würben oon einem liftigen Liener §ut unb 
Perücfe vorn topfe genommen, roä^renb er unter großen 
©eften eine mit frönen ptjrafen gefpiefte IRcbc f)ielt. 
Pantalone lief feudjenb ber Sjabetla nact), um fie ju 
füffen, oerftriefte fiel) aber bie $üße i n ben Xeppict) unb 
fiel. 9Jcoliere3 geinbe Ijaben if>m oft vorgeworfen, er f)abe 
bie 3taliener nachgeäfft ; fie wußten ju erjä^len, er fei 
beim großen ©caramuecto, mit feinem eigentlichen tarnen 
Eiberio $ji ure fli in bie ©dmle gegangen unb fjabe, ben 
Spiegel in ber £anb, alle graben unb ©rimaffen nad>* 
geahmt, bie er iljm Vormächte. (Sine aeitgenöffifdje Sari* 
fatur fteHt if>n aucr) jo bar. SBenn bie« aucr) ntcr>t mört* 
lidj gutreffen mag, jo ift boct) ganj gewiß ÜMtere oon 
ben Qtalienem ausgegangen. 3()re berbe, auägelaffene 



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— 31 — 

$omif fyat er tote fein anberer oerftanben unb $u Der* 
werten gewufct ©erabe in feinen erften garcen, bie er 
in ber sßromnj oerfafete, ift bie ©djule ber 3taliener un= 
oerfennbar. 

9ßur $wei berfelben finb un3 ermatten: ,3)ie (5ifer= 
fucfyt beS ©efdjmierten' (la Jalousie du Barbouillä) 
unb ,$)er füegenbe 2lr jt* (le Medecin volaut). $)er 
3nf)alt beS erften ©tücfS ift einer italienischen (Stegreif* 
fontöbie entnommen, bie felbft auf 33occaccio3 britte SJcooelle 
beS inerten %a%t% jurücfgef)t. 3)er Stame be8 „Sarbouttte", 
beS „S8eftf)mierten" weift auf bie franjöfifd)e garce $in, 
wo ber „mit 3Ket)l befdjmierte *ßierrot" eine ftetjenbe 
SRotte mar. $)iefer „Söarboutlle" lebt nidjt glücfüdj mit 
feiner $rau. <5ie ift gefaflfücf)tig unb oernadjläfftgt ifjn 
$u ©unften ir)rer ßiebtyaber unb fcf)ilt it)n einen ©äufer. 
@r ertappt feine $rau, tt)ie fie nacfjtö gu fpät naefy^aufe 
fommt. $Bom gfenfter öl1 ^ tief* er Ü) r °i c Seöiten unb 
brotjt ir)re ©djanbe allen fieuten ^u offenbaren, ©ie tt)ut 
nun, als ob fie fidj entleibe, unb lögt ficf> $u SBoben 
faden. „Söarbouüle" eilt ljinau8, um gu feigen, ob fie fidj 
mirflief) ein 2eib3 getfjan f)at; unterbeffen fdjleid)t fie fid) 
ins #au3 hinein, fd)ltefjt bie $f) ure uno befyanbelt ifm 
Dorn genfter aus, wie wenn er im Unrecht wäre. $)a3 
in furjen SBorten bie gäbet. 9ttit U)r Rängen nur lofe 
bie ©cenen jufammen, in benen ber „SöarbouiUe" ben 
$)oftor um fjftat fragt, was er tfjun fott. $)er $)oftor 
überftfjüttet ir)n mit einem SBuft fdjeinbar geteerter, im 
©runbe nidjtsfagenber SReben, bie ganj im ©inne beä 
„3)ottore" ber italienifcf)en $omöbie finb. 

SMefelbe 5lrt poffenfjafter Äomif bietet bie anbere auf 
un3 gefommene garce 9Miere3 aus ben Söanberjafjren, 
,$er füegenbe 5trgt*. Um bie $eirat, welche ifjr Söater 
©orgibuä swifdjen if>r unb einem gewiffen SBiUebrequin im 



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^>tnne nat, auf guiautueu, lupt xucue oen ipian, ote wrante 
511 fielen. fiteb^aber Malere, ber natürlich an ber 
©adje ba8 größte 3ntereffe hat, läjjt fernen Liener ©ganarefle 
ftdj alz 5lr^t öerfleiben. 92ad) ber Äonfultatton, in roelcher 
er ben grofien SRann ftrielt, ber balb ^ippofrateS, balb 
®alen anruft, gie^t ©ganarefle fem ^tr^tgetoanb au$ unb 
feine Storeejatfe nneber an. 3n biefem 3 u ftonbe bon 
®orgibu« entbecft, eröärt er ihm, bafc er ber 3nrittmg$* 
bruber beS Br^te« fei, ber feine Softer bef)anble, unb nm 
if)n einer 5lt)nlid)!eit beffer $u überzeugen, über bie er fidj 
mit Äedjt bermunbern fann, erfdjeint er balb im Ärjt* 
getuanb, balb in Storee, unb jtoar mit fold}er ©d)ueÖtgfeit, 
bafs ®orgibu$ in ber %fyat #oei ^erfonen $u feljien mehtt, 
mdhrenb boch nur eine ba ift. Unb biefe ©auflereien, bie 
mehr förderliche ©emanbtheit alä Wi§ oorauäfefcen, treibt 
er folange, bi* ©orgibuS Liener ©ro* föene bie ßift ent* 
betft, fiel) in ben SBefifc beä ÄleibeS fe|t unb ihm bie 
Üftögltcfifeit entzieht, fein Stoppelfpiel fortzuführen. $)a$ 
ftnb burcf)auä biefelben (Slomnftreiche, ttrie fie bie Commedia 
delT arte mit Vorliebe bot. 9(ud) fommen in biefen erften 
©tücfen noch f c ^ r ^ a ff c m ^ W mu ^9 c ©teilen Dor, meldte 
dotiere bei fpüterer Bearbeitung berfelben ©toffe entfernte. 

9tor bem tarnen nach f* n & e ^iö e anbere garcen 
befannt, toeldje aus biefer erften $eit ^errü^ren. ©0 
fennen mir bie Xitel bon brei ©tücfen, in benen bie $>oftoren 
beu ©egenftanb be$ ©potteS bilben, ,ber öerliebte Stoftor* 
(le docteur amoureux), bie ,brei riüalifierenben $)oftoren' 
(les trois docteurs rivaux), ,ber pebantifche 3)oftor* (le 
docteur pedant) ; freilich ift nicht auägef djloffen, ba§ triel* 
leicht unter biefen brei üerfdjiebenen Titeln baSfelbe ©tücf 
gemeint fei. &ud) mit bem ber ©djule anhaftenben Äomifdjen 
befchaftigt fich »of)l bie garce, ,ber ©chüler ®ro$*$Rene< 
(Gros Rene ecolier), bie vielleicht ibentifch toar mit bem 



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— 33 — 

,©chulmetfter' (le Maitre d'6cole). 3m ,®orgibu3 im ©acf< 
(Gorgibus dans le sac) erfennt man gewöhnlich einen 
erften (Entwurf ber befannten oon SBoiteau fo fe^r gerügten 
©cene ber ©djelmenftreiche ©capinä, in welcher ber &lte 
öon bem burdjtriebenen Liener in einen Bad gefteeft unb 
winbelwetdf) burchgeljauen nrirb, unb im ,9fai8hol$binber' 
(im Fagoteux) eine erfte ©fi^e be3 ,2lr$t wiber Söillen', 
tt)o im erften Slft ber ^ol^auer ©ganarelle fid) feiner 
®efcf)icflichfeit föeifigbünbet $u machen rühmt. (5& mögen 
nod) mehrere berartige ©djwänfe oon 3Roltere für bie 93üf)ne 
öerfafjt worben fein. Übrigens ift e£ recht möglich, baß 
fie aud) — wenigftenS jum Seil — impnwifiert würben. 
2Bir finben im ,3rliegenben Wxft gewiffe Stnbeutungen, bie 
uns glauben machen fönnten, baß e3 an einigen ©teilen 
ber gafl mar. Natürlich ift nid)t mehr feft$uftellen, mann 
biefe Entwürfe $uerft ba3 föampenltdjt erblicften. SBir 
werben aber faum fehlgehen, wenn wir annehmen, baß im 
Satire 1649 bereits 5 örcen 3WoIiereS auf bie Söüfyne famen. 
Xrat er bod) wenige 3ahre barauf mit feinem erften regel- 
rechten Suftfptel öor bie SRampe, welches natürlich nid)t 
ohne gehörige Vorbereitung entftehen fonnte. 

SBon Xouloufe, wo wir fie jule^t getroffen Ratten, 
wollte bie Gruppe wieber nad) Horben jiefien. 9floItere 
^atte bei bem ©tabtrat t>on Sßoitierä brieflich angefragt, ob 
feine ©efettfdjaft nicht $wei Monate lang bie (Erlaubnis be= 
fommen fönnte, bort ju fpielen. Söegen ber revolutionären 
äBirren würbe aber abtehnenb geantwortet, unb bie Gruppe 
blieb im ©üben. 3m ^ember 1649 finben wir fie in 
Sorbonne. $)ort fcheint $uerft eine ©d)aufpielerin ju ihr 
geftoßen ju fein, welche ihr bauemb angehören foUte unb 
$u ben ©tarS t>on Poliere« STruppe gerechnet werben 
fann. @S ift Catherine du Ros6, nach ihrer £eirat unter 
bem tarnen ber be SBrie berühmt. 

6d>neegan8, 9Kolt*re. 8 



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D&gteich bie ^roöinj ®ut)enne im fjeflen Aufruhr 
ftanb, ließ bcr $er$og t>on (Spernon feine Gruppe bocf) im 
gebruar be£ 3af)re3 1650 nadj Stgen fommen, mo er 
große gfefte jur geier ber (Eröffnung beS DberfteuergerichtS 
gab. Um bie gfeinbfdjaft, bie i^n ringS umgab, 6efümmerte 
ficf) (Spernon — fcfjeint e$ — recht wenig. (Sr backte nur 
baran, fidj unb feine ©efiebte ju amüfieren. 3nbeffen 
Rotten fid) bie ©egenfäfce ättrifdjen if|m unb ber Söeoölferung 
fo jugefpifct, baß er öom $ofe gelungen mürbe, oon 
feinem ^Soften jurücfgutreten. gür unfere ©cfyaufpieler* 
gefeltfchaft mar ber SRachteü jefct nicht fo groß, mie er 
früher gemefen märe. (StnerfeitS mar (Spernon felbft in 
ber *ßrot>in$ ju mißliebig gemorben, anberfeitö J)atte bie 
Gruppe fo gute Ziehungen, baß if)r ber Sßeggang ifjreS 
SßroteftorS nicht mehr öerhängniäoofl merben fonnte. 2Bar 
es borff allmählich gebräuchlich geworben, bie Xruppe jur 
Unterhaltung ber ©eneralftänbe fommen gu (äffen. $u 
biefem .ßmecf ft e ® n & e 1650 in ^ße$ena£ auf. 

SBon bort reifte SMtere nach Sßari§. 2Be$halb, ift 
un$ nicht befannt. SBielleicht mollte er in ber £auptftabt 
neue ©cf>aufpieler engagieren, ©ei biefer Gelegenheit faf) 
er auch f e i nen ^ ater lieber. @r ^atte $u »erfdfn'ebenen 
9Men — mof)l auf langes, inftänbigeS Sitten hin — 
oon ihm fleinere ©ummen jur Unterftüfcung befommen, 
für bie fich ber alte Sßoquelin, ber in ©elbfachen [tetö fehr 
genau mar, regelrechte ^Quittungen aufteilen ließ. Übrigen* 
war e3 jefct, am 14. Slpril 1651, ba3 lefcte ÜM, baß 
Sttoltere etmaä öon feinem SBater verlangte. SBon nun an 
mürben feine SBerhältniffe fo jufriebenftedenb , baß er eS 
nicht mehr brauchte. 

3m ©ommer beS Sahreg 1651 finben mir bie Xruppe 
in ©übfranfreich , in SBienne unb in ßarcaffonne , mo fie 
jur Eröffnung ber ©tänbe fpielte. 3h^e ©pur öermifcf>t 



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— 35 — 

fid) bann, um mit ©id)erfjeit erft wieber in ötjon im 
gebruar 1653 fidjtbar werben. Um biefe 3 e ü erhielt 
fie einen bebeutenben gumadjg. $er fdjon feit einiger 
3cit $u 9Mtere8 ©djaufpielern gefjörenbe föen£ 93ertf)elot, 
genannt 2)u $arc, ber als ©ro$ SRenä bie berb fomifd)en 
Sollen gab, führte bie Sodjter eines ©cr)aufpieler3 Söcomo 
be ©orla ^eim. ©eine %xavi f bie unter bem Atomen ber 
$)u ^ßarc fpäter grofje S3erüljmtf)eit erlangen foüte, jeidjnete 
fidj ebenfowof)( burd) glänjenbe fd)aufpielerifd)e ^Begabung 
afö burd) majeftätifd>e <Sd^önr)cit aus. ©ie, bie be 93rie 
unb üftabeleine waren mit SMtere jufammen bie be* 
beutenbften Gräfte ber Gruppe. Sei biefer 3 u f aimnens; 
fefcung fonnte fidj SMi&reS ©efctlfdjaft neben ben anberen 
in £t)on ftänbig fpielenben Xruppen recr)t wof)l fefyen laffen. 
3eitgenoffen wiffen ifjr audj großem £ob $u fpenben. 3Rod)te 
9J?oItere mit ber $tit immer mefjr bie artiftifetye Leitung 
in bie |janb genommen fjaben, fo forgte Sftabeleine für 
bie materiellen SBertyältniffe ber ©efeflfdjaft. ©ie, welche 
als Softer eines ©erid)tät>ofl5ief)erä fidj auf bie $b» 
widelung juriftifdjer unb finanzieller ©efd)äfte fefjr wof)l 
oerftanb, mar bie $affiererin unb SBerWalterin ber Gruppe. 
$ie $)eforationen gehörten xfyc. äftit 2Bacr)famfeit unb 
3ä^igfeit fcfjeint fie bei jeber Gelegenheit bie Sntereffen 
ber Xruppe toerfocrjten ju fjaben. SCRit ber 3 e ** fäeint 
bie £eibenfd>aft beä $>idjter£ $u ifn* einer warmen $reunb= 
fd>aft ^ßta^ gemalt $u ^aben. 9Miere mar nod) in ben 
anmutiger Sauren, unb bie fliege ber fdjönen, jungen ©djau* 
faielerinnen, mit benen er Sag ein £ag au£ lebte, fonnten 
ir)n nid>t unempfinblicf) laffen. SBenn er aucr) bei ber 
$>u Sßarc fein ©lüd gehabt $u fjaben fdjeint, fo fanb er bei 
ber be SBrie um fo efjer ©efjör. 5ln ©treitigfeiten, (Sifer- 
füd)teleien, 3 ertt) ürfniffen unb SBieberoerföfynungen wirb 
eä in biefem ftreiä nid)t gefehlt haben. Unb gar oft wirb 

8* 



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9Jtobefeine ifjren möfjigenben (Stnffaß Ijaben malten laffcn 
müffen, um 9tuf)e unb ^rieben lieber ^er^uftcfien. $)ie 
©türme bcr Siebe hatte fie in tfjrer Sugenb erprobt. 9tacf)* 
ftdjtig mirb fie bie Untreue ifjreS einfügen (Beliebten betrautet 
ljaben. $ief roid)tiger mar if)r bie (Sntmicfefang if>re3 
Xf)eater3. 

55er Aufenthalt in Stjon mußte für ben 3)icf)ter nodj 
infofern öon großer Söebeutung fein, als gerabe bort, 
mo feit Sauren bie ^Beziehungen $u Qtaüen befonberä rege 
maren, bog itaftenifcf)e X^eater aud) eine au3fcf)faggebenbe 
Spotte fpiefte. $)er (Sinffuß, ber ficf) bereits in $ari8 in 
feiner Sugenb geltenb gemalt fjatte, fonnte nun meitere 
grüßte tragen. @3 ift möglich, baß 2Miere in Stjon bie 
©tücfe SBeÜrameS, b. h- fticofö »arbteriä, Suigi ®roto3 
unb S^icotö ©ecdjiS näher fennen (ernte, bie er ^ur $om* 
pofition be3 Etourdi unb Depit amoureux benu^te. 
^atte er in ^ßarte mef)r bie berbere Commedia dell' arte 
auf ficf) mirlen (äffen, fo trat er jefct in Snon ber feineren, 
getriebenen Commedia sostenuta näher. 

Anfangs ber fündiger Qafjre trat SMiere in $e* 
äiefmngen ^u einem äftann, beffen 93efanntfcf)aft oon meit* 
tragenber SBebeutung für feine %x\xppt, fo mie auch — 
roie mir fyäter fefjen merben — für feine eigene fünft- 
lerifcfje (Sntroicfdung merben follte. (§& mar bie$ ber Surft 
t>on (Sonti, berfelbe, ber im (Soflege be (Vermont mit ihm 
jufammen gemefen mar. $)er fjürft oon (Sonti, ein Sttann 
unftöten, (eic^tfinnigen, abenteuerlichen ®eifte£, (jatte mäfjrenb 
ber SBirren ber gronbe an ber @m'$e ber rebeflifc^en 
^arifer geftanben. (Sin 3af)r mußte er bafür im ©e* 
fängnis büßen. 9tod)bem er noch in ber (SJutjenne gefämpft, 
tjatte er fcfjfteßlich mit bem |)of feinen ^rieben gemacht 
unb ficf) in fein <Scf)(oß Sagrange mit feiner (beliebten, 
Sttme. be (Safoimont jurücfgejogen. 2)a3 Seben in ber 



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— 37 

©infamfeit mürbe aber beiben auf bie $auer fangmeilig. 
©ie molften $erftreuung unb fugten fich eine ©djaufpiefer* 
trappe jit verpflichten, ^^eater unb fd^öne tarnen, tr»a3 
fonnte für ben leichtfertigen hofhält beä dürften ange* 
nefmter fein? 9Hofiere3 ©efeflfdjaft wäre freilief) beinahe 
nicf)t ber SBor^ug gegeben roorben, benn eine riöalifierenbe 
©<f)aufpiefertruppe fyatte bie ^ufmerffamfeit gehabt, ber 
allmächtigen SMtreffe ®ef<henfe anaubieten, unb fo tf)re 
©unft gewonnen. ÜRur im festen 9fugenblicfe entfdr)Iofe 
man fich bodt) für SMtere, nidfjt etwa au£ fünftferifchen 
©rünben, fonbem ir»eil 9ft üe - 3)u ^ßarc buref) ihre ©cr)ön* 
f)eit befonberä trief öon ficr) h or * e re ^ en faffcn. 9Kit foferjen 
Stimmungen unb äftotiöen mußte auch & e f* e ©cf)au= 
fpiefertruppe ftetS rechnen. Unb boer) h ar * e f on f* ber gürft 
üon Gonti fefbft fitterarifcheS Sutereffe. SSir ttriffen, bafj 
er fpäter gerne mit 9Miere äfthetifche fragen erörterte, baß 
er mit ihm alte unb moberne ßomöbien la$ unb fich feine 
Meinung über biefe $inge gerne einholte, (Sonti gefiel 
auch &alb 3#ofiere8 Gruppe fo fein*, bafj er fie au fich 
feffefte unb ihr ben Xitef ber „Gruppe be£ dürften öon 
(Sonti" gu tragen erfaubte. 

Sange blieb ber gürft aber nicht auf Schloß fiagrange. 
Sftan hörte ihm öoflftänbtge SBer^eihung für feine rebeflif^e 
Haftung mährenb ber gronbe öerfprod)en, wenn er fich 
ba^u öerftünbe, bie Richte be§ ßarbinafä 9fta$arin, 9fnna 
ättartinogji ju tyixaten. £eicf)t bequemte er fich ba$u. 
$)a£ heiraten mar ihm roohl ein ©efdjäft ttrie ein anbereS 
— aber er jog nicht fofort nach ¥ ar ^' fonbem junächft 
nach ontpettier, §um (trafen b'9fubijouf, ber gerabe groß* 
artige gefte öeranftaltete. $luch 9Miere3 Gruppe mußte 
bei biefen geften mitroirfen. (Sonti, ber boct) fur$ öor 
feiner £>eirat ftanb, erfd)ien bort mit einer neuen (Miebten — 
bie alte hatte er mit einem fumpigen ©efchenfe abgefunber. 



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SRoliereä ©efellfchaft bttcb noch weiter in ÜRontpettter 
unb hielte zur Unterhaltung ber bort öerfammelten ©eneral* 
ftänbc im SBintcr 1653 auf 1654, bann fct)rtc fic nad) 
fiüon jurücf, welches fid^ immer mehr für fie zum ftänbigen 
^ufent^att auSbilbete. $lls Eonti nach feiner betrat üon 
^ßariS jurüeffehrte unb im folgenben SBinter bie Er* 
Öffnung ber ©tänbe in SHontyedier leitete, nahm er wieberum 
feine Sruppe mit fid). Ob er ihr auch c ^ ne regelmäßige 
^ßenfion jufommen liefe, wiffen wir nicht genau. 3)a er 
aber feine eigene ÜDkitreffe fcr)r fcf>lecfjt unterftüfcte, ift 
faum anzunehmen, baß er feinen ©cr)aufpielern gegenüber 
fet)r freigebig mar. $)afür burften fie ficf> aber feinet h°h en 
©cr)u$eS rühmen, unb ber Xitel, ben fie führten, mar ja 
fdjon eine Ef)re unb Empfehlung, bie nicht hoch genug 
angefdjlagen werben fonnte. $>od) follten äMiere balb 
Ehren beoorftehen, bie ihm größere greube bereiten mußten, 
als bie eines (Schüblings beS dürften Eonti. 

3m 3ahre 1655 würbe ,$er Unbebadjte' (l'Etourdi) 
in ßtyon b nm erftenmal aufgeführt. 3Rit einem ©djlag 
war ätfoliere baburch e * n berühmter 9ftann geworben. 
$luS ber !Reir)c ber einfachen ©chaufpieler war er in bie* 
jenige ber Tutoren übergetreten. $ie Erfinbung ber gäbe! 
ift $war nicht fein Eigentum, ©ie ift vielmehr zum aller* 
größten Seile bem Innavertito beS Sttccolö öarbieri, ge= 
nannt Seltrame, au« 1630 entlehnt. 9Gur in einigen 
gan^ Geringfügigen Einzelheiten geht 3ttoIiere auch auf bie 
Emilia beS ßuigi Ghroto jurücf unb auf bie Slngelica beS 
gfabritio be gornariS. 3n wenigen SBorten erzählt, lautet 
bie gäbe! folgenbermaßen. Ein junger 9flann £elie (gultrio) 
ift in eine ©flam'n Eelie (Eelia) öerliebt, bie im Sefifce 
eines ©flaöenhänblerS Sruffalbin (9ttezzettino) in Neapel 
weilt, ©ein fehnlichfter Söunfch wäre in ihren Sefifc z u 
gelangen. Er felber ift aber zu unbebaut unb unflug, 



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— 39 

um fein $\d allein erreichen $u fönnen unb (äfft beSfjatö 
feinen 2)iener 9tta3cari(Ie (©Camino), ber fiefj burd) ganj 
befonbere Klugheit unb 2Bifc auszeichnet, für fid) arbeiten. 
S)er 2)iener üerfucht $wei SBege, um ba3 5Ääbd|en in feine 
©ewalt $u bringen; ehterfeits legt er e§ barauf an, fid) 
eine größere Summe ©etbeä $u erfdjwinbeln , um bie 
Sttauin loskaufen, anberfeits betreibt er if>re Entführung 
burch Sift ober ©ewalt. Sein ©piel wirb aber baburdj 
erfdjwert, bafc Selie in ber Sßerfon feinet greunbtö Seanbre 
(©ntio) einen rührigen SRtoalen f>at. 2)ie größten Schwierig* 
feiten legt ifjm aber bie Unbebadjtfamfeit £elie3 felbft in 
ben 2Beg. &aum ift ein Streif bem ©elingen naf)e, fo 
wirb er regelmäßig burd) ßelie, $u beffen ©unften er bod) 
angebettelt wirb, oereitelt. $>a8 £auptintereffe be« ©tüdeS 
brefjt fid) nun um bie ©deiche be3 ÜHaScaritte ; mit &u$* 
nähme non jwei $faf djlägen finb fie in beiben ©tütfen 
gleich- Originell fdjeint ein Streif im jweiten Wt ,$u 
fein, wo SttaScaritte ba$ ©erüdjt auäftreut, ber Sater feinet 
£errn fei geftorben, unb ba$ ©elb, weld)e$ er für beffen 
angebliche Seftattung erhält, ^um SoSfauf ber ©flatnn 
oerwenben will; ebenfo ein üDtonööer be$ britten Elftes, 
wo äftaScaritte ben Nebenbuhler feinet £errn öon feiner 
©eliebten abfpenftig gu machen fudjt, inbem er fie als ein 
fofetteS 5 raucn ^ mmcr betreibt. Sttuch bie fiöfung be$ 
©tüdeS trennt fid) bei 3Roliere bon berjenigen be8 Inna- 
vertito, ift aber nid)t weniger unvermittelt, trielleicht noch 
fdjwädjer. $a3 gan^e ©epräge bea ßuftfpielS ift noch 
burchaug italienifd). @3 ift eine 3ntriguenfomöbie, in 
welcher bie flauen föänfe be$ $tenerä ba3 £auptintereffe 
bieten. (53 breht fich noch alles, wie in ber bon ber an* 
tifen abhängigen italienifdjen Äomöbie, um ben 33efi$ oon 
©flamnnen. 9tid)t3beftoweniger h°* SRolfere fdjon in 
biefem Stüde an feiner Vorlage einige wichtige Änderungen 



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vorgenommen, weldje feine bramattfdje Begabung uttb fein 
eigenartige^ SSeftreben in ein befleS 2id)t fefeen. 33ei einem 
genauen SBcrglcic^ 6eiber Suftfpiete fällt fofort in bie Slugen, 
bafc ÜRoliere ben ©toff ungemein lebhafter unb bramatifdjer 
geftattet. 5)ie f<f)(eppenben , langatmigen unb wortreichen 
Dialoge beS StaüenerS fürjt er oft bis auf wenige 2öorte. 
(£r weife fetjr wof)I, bafe eS ben 3uf<f)auer ermübet zweimal 
baSfelbe $u f)ören, unb änbert bemgemäfe. ©o erfefct er 
3. bie ganje erfte ©cene beS italienifdjen SuftfoielS, in 
welker (Sintio unb gufoio öon ir)rer Siebe fpredjen, burdj 
einen furzen Monolog unb läfet ben 3nf)a(t beS ®efprätf|S 
aus ber folgenben ©cene jwifcfjen £&ie unb üttaScarifle 
Verborgenen. $(uf biefe Steife oerftefjt er eS fef)r wofjl, 
bie ganje ^anbhtng jufammen^ubrängen unb auf baS Sßicrjtige 
^ufpi^en. $luf bie ©treibe 9JcaScaritteS , bie immer 
roieber toon ber Unbebad)tfamfeit £6lieS burd)freu$t werben, 
legt er als auf bas 3ntereffantefte ftetS ben §auptwert 
(Sr enbigt gerne wirfungSoofl einen Slufeug mit einem 
folgen ©freier), wäfjrenb im italienifct)en ©tücf bie Sutrigue 
fict) mürjfam oon einem $ft ^um anberen fdjleppt. $>ie 
©reigniffe überführen ficf) im franjöfifcr)en Suftfyiel. $5er 
ßufcfjauer fommt nicr)t ju Altern. 3 u 9^ e ^ ^ixb a & er ÖU f 
biefe Sßeife bie ©eftalt beS ,Unbebacf)ten< mel fräftiger 
herausgearbeitet. 2)er jUnbebac^te' ift nocfj fein (Srjarafter* 
ftücf r weit entfernt bamm; aber nicfjtSbeftomeniger wirb 
fcrjon rjter auf bie wichtigen, intereffanten (Srjarafter$üge, 
metteicrjt unbewußt, öiel größere ©orgfalt oerwenbet. 3nt 
italtenifct)en ©tücf finben ficf) manchmal ganj r)übfd)e (Spi* 
foben, bie an unb für fict) fef)r unterf)aftenb finb. ©ie 
förbern aber bie £>anbfung nidjt unb bienen nid)t baju, 
bie Hauptfiguren hervorleuchten ^u (äffen ; beSrjalb lägt fie 
2Miere weg. 3(uS bem ©runbe finb bei i^m einige 
Nebenfiguren farbfofer als in ber Vortage. 



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41 — 

28ie fef)r unfer dichter im allgemeinen noch t»on ber 
italienifchen Äomöbie abfängt, fo jeigt er boch nod) in anberer 
Ve^iehung ba3 größte Veftreben fclbftänbtg ju fein. $>ie 
ftereottypen dornen ber Commedia, Veltrame unb ^antalone 
änbert er in $lnfelme unb Sßanbolfe um. $)en ©apitano 
Vellerofonte, ber polternb feine gewöhnlichen Prahlereien 
bei 33arbieri $um beften gab, erfefct er burd) einen red)t 
unbebeutenben Ägypter. (§& ift eigentümlich, bajj SJcoltere 
in feiner feiner Äomöbien bem „ßapitano" Aufnahme ge* 
mährt fyat, mäfjrenb er ben „$)octor" jicmlid) lange noer) 
behält. Vielleicht, weil er in ber 2Birflid)feit eher ©ha* 
raftere f anb , bie bem gebauten auch tioct) in feiner fttit 
glichen, aU bem „(£apitano\ ©inb boct) alle feine #r$te 
fpäter eigentliche „gebauten". Rubere italienifche tarnen, 
Samnia, ßintio, ©pacca erfefct er burch bie antiftfterenben 
$ippolt)te, Saubre unb (Shrgafte. Stterfmürbig bleibt ba* 
gegen, bafe SÖtottere ben tarnen €>capino burch SRaScaritfe 
erfe^t l)at. Vielleicht sollte er nach Vorgehen ber Staliener 
für ficr) in biefer $olle einen neuen $t)pu§ fchaffen. 
StfaScarille unb fpäter ©ganarelle finb in ber Xi)at bie 
tarnen, bie er am liebften für feine poffenfjaften Sollen 
roählt, gerabefo wie fein itatienifcher fötoale Siberio Jiurelli 
al§ ©caramuccio aufzutreten liebte. 

(Sine roeitere $(nberung gegenüber bem 3taliemfcr)en 
ift bann bie Entfernung ber gefuchten ^31)rafen unb ber 
gezierten ßofetterie ber fiiebeäfeenen. ßelie jeigt in ihrem 
erften Auftreten h^rmlofe 9tait«etät unb anfprechenbe 93e* 
fcheibenheit, im testen $lft fogar eine feltene Uneigen* 
nüfcigfeit, ba fie bereit ift, auf bie @he ju berichten, um 
ihren Sßohlthäter nicht ju beleibigen. $)ie fiamnia, welche 
bei Varbieri boct) gar ju breift finnlich fich gebärbete, 
ift in ©eftalt ber £ippolt)te roefentlid) abgeflacht, ©o 
macht fich bmn fcl)on in biefem <5tücf größere Reinheit 

• 



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gettcnb. 9ßur eine hraffe ©cene, in ber ein fonft in ber 
jeitgenöffifdjen Äomöbie fo häufig Giriertes ©efäfe eine SRolle 
fpielt, erinnert un3, bafj mir nod) am Anfang üon äJcottereS 
(Suttoitfehing ftefjen. ©onft ift audj bie Sprache in bem 
in eleganten ^teranbrinern gefdjriebenen <5tücf t>or$üglid). 

$)ie Aufführung btefer Äomöbie machte grofceä 2luf* 
fefjen. gür 9Miere3 Gruppe tonnte bieä nur öon ^ol)er 
©ebeutung fein. Ungefähr fed)ä 2Ronate blieb fie in ßnon 
unb fdjeint eä fid) wäfjrenb biefer ftät recht gut haben 
gehen ju Taften. $)er befannte $)id)ter be3 23ur(e3fen 
2)affoucn, ber in biefen klagen fe^r triel mit SUcofiere unb 
ben SBejartS oerfehrte, ift be$ Sobeä ooö über bie reijenbe 
Aufnahme, bie er bort fanb. @3 ift bicö auch ein 3eid)en 
für bie große fjreigebigfeit Don äRoliere unb feinen ©e* 
noffen, bie uns übrigens aud) fonft bezeugt nrirb, jugleid) 
ein SBetneiS, bafj e3 ihnen pefuniär bamalä tjorjüglid) ging. 
$)affoucö begleitete bie Gruppe bis nad) Aöignon. SSon 
bort loanbte fie fid) nach s $e$ena3 (4. 9iou. 1655), um 
bor ben ©eneralftänben ju fpielen. An biefeä ©täbtcfjen 
^ßfyenaS fnüpfen fid) befannte Anefboten, bie, roenn fie 
auch nidjt im ganzen Umfang roatjr fein mögen, bod) bem 
SBefen nad) ber Söirflidt)fcit entfpredjen toerben. 93eim 
öarbier, ber ihn rafierte, foll 3Jco(iere ftunbenfang oon 
feinem ßefjnftufyte au$ bem munteren treiben ge(aufd)t 
haben, roeld)e3 ftc^ in ber Sarbierftube felbft ober oor 
beren genftern auf bem Sftarfte abfpielte. Ob e£ nun 
r)ier befonberS in ^e#na3 ber gatl toar ober anberStoo, 
$f)atfac^e ift, bafe SMiere ba3 Solf Sieben im 6üben 
granfretd)3 gut beobachtet ^aben muß. 3n jtoei feiner 
fpäteren ÄomÖbien höben wir (oftbare 3eugniffe bafür ; in 
Mr. de Pourceaugnac unb in ber Comtesse d'Escarbagnas 
lebt bie ^ßrooinj mit ihren engbürgerlid)en Anfcfjauungen, 
mit ihrer altertümlichen biberben Sprache, mit ir)ren dein« 



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43 

ticken ©itelfciten unb if)rer £tatfd)fud)t in treuem Slbbilbe 
oor uns auf. ©ogar bie ättunbarten ber ^kooin$ fdjeint 
ber $)id)ter gut gefannt ju fjaben. ^tc Sucette in Mr. de 
Pourceaugnac fprid>t, wie nadjgetoiefen, bie SRunbart oon 
<ße$ena8. 

SSon biefem ©täbtd)en au« loanbte ftdfj bie Xruooe 
nad) Sorbonne; ob ftc fid) öon bort au3 nad) SBorbeaur. 
begab, too fie bie 9tücffef)r be§ Jürften oon ßonti er* 
warten fotttc, toiffen ttn'r mit 93eftimmtr)ett nid)t. dagegen 
ift ber ?Cufentr)aIt ber Gruppe in (Sarcaff onne , (Saftet* 
naubart), Souloufe unb $lgen oerbürgt. SSon bort toanbte 
fie fid) bann nadf) Sehers, too bie ©tänbe im 9iooember 
1656 eröffnet werben f Otiten. SBenn fie audj bieSmal 
manche Unannehmlichkeiten mit ben |>erren r)attc f toeldje 
fid) in ©etbfarfjen fet)r $urüdf)altenb jetgten , fo büeb fie 
bod) wof)t bort big jum ©ommer 1657. Unb in biefer 
©tabt liefc SMiere ein neues ©tüd aufführen, meldjeä 
feinen burd) ben jUnbebacfjten' begrünbeten SRulnn nod) 
bebeutenb err)öt)te. @8 mar bie« ,$)er Siebe Xrofc' (le 
depit amoureux). 

3)iefe Äomöbie ift fein fo fjarmonifd) abgerunbeteS 
<5fanje, toie ber ^nbebadjte', unb wirb oietfeidjt au« biefem 
©runbe ben $eitgenoffen auf ben erften ©lid weniger ge= 
fallen fjaben als ba$ erfte fiuftfpiel. $ber eben beäljalb 
ift fie oon größerem litterarifdjem Sntereffe. 9ttan fönnte 
au« feinem ©tüd ba3 gemaltfame ßoSreifcen ber neuen 
Äomöbie oon ben 93anben ber alten fo gut erfefjen wie 
au« biefem. Söenn ftcf) 9ttoliere im ^nbebacfjten' nur 
fd)üd)tern an einigen ©teilen 5lbweidf)ungen oon ber 
italienifdjen Vorlage geftattet, fo tjat er r)ier einige Partien 
gefd£)affen, bie bem Söeften, wa3 er je getrieben, an bie 
©eite gefteHt werben fönnen. Um fo greller fjeben fid) 
bagegen bie Steile ab, bie nod) ganj italienifd) finb. 



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2(udj tyer arbeitete dotiere nad) italienifcher Vorlage. 
Sftccolö ©ecdjiS Äomöbie ^Interesse' lieferte if)m bie 
gäbet. $)ie öerttricfelte 3ntrigue, bie er nur f)ie unb ba 
änberte — namentlich trug er bafür <5orge, bie ju fraffen 
©teilen ab$ufd)tüächeu — , ift cd^t italienifdj. ©ie baut 
fidj auf ber red)t untuahrfcheinlichen X^atfac^e auf, bafj 
eine Butter, um in ben ©enufj einer (Srbfdjaft ju fommen, 
bie it)rcr gamilie nur bann fidjer ift, wenn fie einen 
©ofm befommt, bie if)r ju ihrem Unglücf geborene $od)ter 
— einige, bie 6ad>e noch üerroitf elter geftaltenbe (Sin^el* 
Reiten finb t)ter übergangen — in äftannSfleibung fjat auf* 
warfen (äffen, tiefer vermeintliche ©of)n Stecagne t>er* 
liebt fid) nun in einen für feine ©chtoefter Sucile 
fchroärmenben Süngling $Bal6re; als ättäbchen öerfteibet, 
in einen fchroar^en ©dreier t>erf)üllt, giebt fid) $8cagne 
für ihre ©chtuefter au$ unb vermählt fid) r)etmlicr) mit 
SBaföre, ber im ©tauben ift £ucile geheiratet ju h<*ben. 
©einem Nebenbuhler (Srafte gegenüber, ben Sucile nrirflid) 
liebt, rü^mt fid) Malere ber ©unftbe^eugungen ßucileS. 
tiefer, mütenb, bricht mit it)r. Söütenb finb ebenfalte 
Sucile unb if>r $ater, als fie burch Sö^re t>on ber an* 
geblichen £eirat hören ; mütenb ift $l$cagne, bajjj ber Liener 
$8alere3 aüe3 verraten h a & e ; roütenb ift ®ro£ Sftene, 
(SrafteS Liener, ber feinen Herren oerraten glaubt, unb er 
fdjimpft auf feine (beliebte, ßueiteä $ofe äRarinette, eben* 
fo nrie ihr §err auf ba3 Räbchen; ttmtenb ift enbtich 
ÜflaScarille, ber Liener SBalereS, weil ade ©d)ulb auf ihn, 
als ben ©chmäfcer, geworfen wirb, ©o ift benn alleä in 
tollem $)urd)einanber. deiner t>erftef)t mehr ben anberen, 
eine $omöbie ber Srrungen, au£ ber fein $u3toeg eigent* 
lieh mehr möglich ifr 2tö er Polier) erfährt man — mie 
unb roarum, ift recht unflar — bie ganje $orgefchid)te 
öon $l$cagne. $)er Qüngling ift ein Stäbchen, er fann 



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— 45 

aljo SBatere heiraten, ber auct) nichts bagegen hoben fann, 
ba er fie fdjon ohne fein SGÖiffen fennt unb liebt; Sucite 
tt>irb für (Srafte frei 3m ©runbe lieben fic ficf) ja. 3)ie 
beiben Sßäter finb Dotier greube, unb bie $)ienftboten 
haben fchliefclich auch ihr Vergnügen baran, baß ftcr) afleä 
fo fd)ön unb glatt entroirrt hat. 2öir ober ftaunen ob 
ber untoafyrfcfyeinttcrjen unb auct) roenig glücfticr) geführten 
Sntrigue. 

3u 9Miereä SKuhm mürbe ba3 Stücf nicht beitragen, 
tt)enn nicht bie ©cenen, bie bem ©anjen ben Xitel ge* 
geben haben, bie €>cf}molIfeenen jroifchen ©rafte unb Sucife, 
3tt>ifd)en ©ro3 föene unb äftarinette fo meifterfjaft au£= 
geführt mären. $aä ift auch baä einige, ma3 ^eut^utage 
noch Dom Suftfpiet aufgeführt mirb, ba3 einige $u* 
gleich, roa 3 unfterblich ift. @3 ift ein (Stücf menfchlicheä 
Seben, fo maf)r, fo natürlich, fo einig gugfeid) roie bie 
Siebe felbft. (Sie jeigen un$ pim erftenmal 9ttottere 
als grünblichen -Uftenfchenrenner , als genialen $)arftefler 
ntenfchlicrjer (Smpftnbungen unb (Gefühle. 2)iefe ©cenen, 
bie firf) im erften unb int feierten $lfte finben, finb 
auch ba3 erfte Reichen f ur b* e Poliere ftetö 31t be^ 
obacf)tenbe §luffaffung ber Siebe. $)ie Siebe ift bei ihm 
nicht ein bertrauenSbotteS Eingeben be$ einen an ben 
anbern, fie ift ftetä mit (5iferfud)t, Argwohn unb größter 
(Smpfinblichfeit bermifd)t. $iefe Sluffaffung, bie nur immer 
roieber bei bem $)icr)ter finben, fann nur auf ein ftarfeä 
perfönlicf)e3 Moment jurücfgeführt werben. Poliere mar 
oon (Sharafter felbft emyfinblid), jum Argwohn neigenb unb 
eiferfücr)tig im t)öd)fteit öJrabe — mir merben bieg bei 
feinem SBerhäftniS ^u feiner grau noch nachbrücflich $u be* 
tonen höben — unb er fcrjilberte gern bie Siebe fo roie er 
fie fannte. SBor^üglid) fommt bie leicht geregte (Smpfinb^ 
üchfeit bei (Srafte jum SluSbrucf. (Sr hat bemerft, bafc 



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fein 9lebenbuf)(er Safere Diel 31t freubig erfd^eint, al$ baf? 
er nidjt im geheimen Don fiueile bet>or$ugt toerben müfcte. 
tiefer Argtooljn läfct $nt feine SRu^e. (£r toeifj, bafc e3 
ber Xob feiner fiiebe ift, wenn er etamS erfährt, roaä 
feinen Hrgtoofm beftätigen fönnte, aber er fudjt trofcbem; 
er fctyeut fidj nidjt, öor bem Liener feines tötoalen eine 
Äomöbie ju ftrielen unb $u tfmn, afö ob er auf feine fiiebe 
Derjidjte. ©0 erfährt er ju feinem größten @d)mer$e, 
bafj man tfjn eigentlich jum beften f)alte unb bafj Safere 
unb fiueile im geheimen — fo glaubt ja Safere felbft, 
ber nirfjt afjnt, baft feine fiueile Stöcagne ift — verheiratet 
feien. 9hm fennt feine Serjtoeiflung feine ©renken. Sftit 
(Sntrüftung toeift er bie Sotfdfjaft ber 3ofe ßucileS ab. 
@rft bei ruhiger Überlegung fommt er jur Überzeugung, 
bafj er feiner ©eliebten, bie jeben geheimen Serfefjr mit 
Safere fogar ifjren (Altern gegenüber mit (Sntrüftung ge* 
leugnet fjat, bittere^ Unrecht getrau f)at @r xoiü feinen 
3fef)ler nrieber gut machen unb fdjicft feinen Liener $u 
fiueile, um fidj gu entfdjulbigen. ©ie ift aber ebenfo ftolj 
ttrie er unb xo\ü if)n nid)t anhören. ©0 ift er entfd)loffen, 
fie enbgiltig $u toerlaffen. Söenn fie ifm feinet SlicfeS mefjr 
ttriirbigt, ttriH er audj fie t>erad)ten. Überhaupt finb bie 
Söeiber ntdjt roert, baß man fie fo Ijodj fcf)äfce, unb fein 
Liener ©roä $ene, ber mit feiner ättarinette gan$ bie* 
felbe @rfaf)rung gemacht f>at f tt)ie fein £err mit fiueile, 
giebt biefer Smpfinbung in braftifcfjen SBorten AuSbrucf: 
$ie SQBeiber finb feinen ©djufc ^ufoer toert — baS ift 
feiner langen SRebe furjer ©inn. Unb als einige tyit 
barauf bie betben Angebeteten öon früher, melleicf)t burd) 
gefjeime, tfjnen felbft unbenmfjte ©efmfudjt nad} ifjren 
früheren ©eliebten t>eranlaf$t, auf ber ©trage erfdjetnen, 
t^un fie beibe ftolj unb jurüdljaltenb — mit ifjrer fiiebe 
ift e3 nun eitrig au£ — unb ebenfo ftolj unb unnahbar 



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— 47 — 

tfjun Sudle unb SRarinette. ©on bcn ©eföenfen, bie fic 
cinonbcr gegeben, »ollen fie nic^tö me^r wiffen, bie ©riefe, 
bie fie einanber getrieben, bie järtltd^cn SiebeSbriefe, in 
welchen fie fid) in ber bamalS fo fefjr beliebten pointen* 
reichen Soncettiform if>re ganje Siebe geftanben, fie jer* 
reiften fie in (Stüde. Unb bod) werbe Suctfe niemals ein 
fo $ärtlid)e$ £er$ finben, wie feines, meint Gräfte; fei er 
audj eiferfüdjtig gewefen, er f)ätte ©runb ba$u gehabt; 
fie öerliere ifjn freiließ gar (eisten $er$en3, fie fjabe 
ifjn nie geliebt. $>a3 fönnte U}m bod) einerlei fein, er* 
wibert Suctle; e3 märe fogar mef beffer für fie gewefen, 

toenn 3Iber rooju biefe fragen noc §' & a ft c i a 

jefct bodj brechen? — 3ft ba3 fo emft gemeint, brechen 
fie wirflid)? ©ei bem ©ebanfen an enbgiltige Trennung 
ift if)re ganje Siebe neu erwadjt; fie wollen eä fid) $war 
nod) nidjt eingeben, aber fie brennt bod) wieber in if)ren 
£ergen, unb fie ift fo füg, fo fd>ön! — „3#f)rt mid) nad) 
$aufe gurüd," fagt Sucile gu ifjrem ©eliebten, unb mit 
biefen Korten beä griebenS ift ifjre ©erfötmung befiegelt 
Unb if)re $)ienftboten machen e£ ifmen nadj. ßuerft Jw^en 
fie über bie Seicfytigfeit, mit ber ifyre ^errfdjaft ityren $orn 
oergeffen tyat. ©ei i^nen wirb e$ mdjt jo fein; fie finb 
feft, unb fie geben fid) aud) bie ©efd)enfe wieber, mit 
benen fie fid) nod) oor furjem begtüdt, unb wenn e3 fid) 
bei ber £errfdjaft um diamanten, ©djmudfadjen unb ©riefe 
fjanbefte, fo finb fjier ©änber, Nabeln, Keffer unb ein 
©tüd $äfe bie ^ßfänber tf)rer Siebe gewefen. SBeg bamit, 
es f)at bod) feinen ©inn meljr! $lber wie fie fid) in bie 
Slugen flauen unb beuten, baft e$ ba3 lefcte ffllal ift, 
überwältigt aud) fie bie Siebe wieber. Söoju benn biefe 
©rimaffen? 2Ba3 bin id) in Eeine ^eije bod) Der* 
föoffen, meint ©roS »en6, unb fie erwibert : 2Bie tf)örid)t ift 
bod) bie Sttarinette, wenn fie ifjrem ©roS föenä nachläuft ! 



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$iefe ©cenen finb ein äReifterftücf unb ftnb bereite 
bamalS fc^r beachtet roorben. 2)er feine, roeltittännifcfje 
£on, ber fid) in beri SReben ber beiben Öiebenben, in 
ityrem ftof$en, jurücf fjaftenben , über bie geringfte 3 ur ücf= 
fefcung empörten, leidjt empfinbftdjen Söefen funb giebt, 
mußte ber abftgen 3uf)örerfcf>aft fefjr jufagen. Unb roie 
f)übfd) ftadjen bagegen bie $)ienerfcenen ab, roie richtig war 
ber $on be$ SßoIfeS getroffen, roie ecf)t fran^öfifcf) roar ber 
gute ®ro3 9Ren6 mit feiner flauen Sttarinette, fein Der* 
ffeibeter itattemfdjer ©capino mit feiner (Solombina, fonbern 
beibe roafjre $inber if)re£ ßanbeS ! $)a3 roar roirftid) fran* 
$öftfdf)e fiitteratur, mdf)t mefjr 9tod)af)mung ber grembe! 

6e(tfam genug fontraftiert bamit bie <Scene groifd^en 
bem $)octeur 9tt6tapf)rafte unb Ulbert. $ur jpanbfang ift 
fie burcf)au3 unnötig. $ber e3 roar einmal Überlieferung, 
baß jebe Äomöbie ifjren immerzu fdjroafcenben, in (Storno* 
logien feltfamfter $rt, in abftrufen Qutequitten fdj>roe(gen= 
ben Sßebante fyaben mußte. Unb an unb für fid) ift bie 
©cene ganj amüfant. äftit STalent roeiß SMi&re aud) 
t)ier fdjon feine Sülmentedjnif geltenb ju machen. @o ift 
es fef>r roirffam, roenn ber SDocteur, als er aufgeforbert 
roirb $u fdjroeigen, mit ber Beteuerung, baß er e3 tfjun 
rootle, immer ärger barauf loSfdjroäfct. $lucf) im britten $lft 
fommt eine foldje tedjnifd) bebeutfame ©cene öor, roenn 
bie beiben SBäter, Don benen jeber ein öerfdjiebeneS 3}er* 
gefyen im $luge t)at, t>or einanber §u SBoben fallen unb 
ficf) gegenfeitig bemütig beSfjalb um SBerjci^uug bitten. 
SDurdfj berartige $8üf)nenfniffe roeiß SMtere fdjon fefjr 
früfje bie größte fomifdje SBirfung $u erzielen. 

3Miere3 Xruppe erroartete nidjt ben ©djfaß ber ©tänbe, 
um SSejierä ju öerlaffen unb ficfj roieberum nad) &>on ju 
roenben. Unterbeffen roar ein für bie Xruppe bebeutfame^ 
Ereignis eingetreten. 3fyr Sßroteftor, ber gürft öon (Sonti, 



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— 49 ^ 

hatte fid) oon if)r abgemanbt. ©cfjon fett längerer 3 e <t 
mürbe ber leichtlebige unb leichtfinnige gfürft oon firch= 
lieber ©eite bearbeitet, bomit er fidj befehre. 9Hef)rere 
fanatifc^c ©eiftliche fdjeinen ftd) ba$ $kl gefteeft ju haben, 
au* bem gürften einen frommen 2Jtonn ju machen. Unb 
eä war ihnen fchliefclich gelungen, ben früher nur für 
SBeiber, <Spiel unb Äomöbie fchmärmenben J"^ 11 ä u 
einem frömmelnben, ja fogar engherzig fanatifdjen üttann 
umjumanbeln. SDic Äomöbie, bie er einft fo geliebt, be= 
trachtete er jefct als ^öüenroerf unb verbot ber Gruppe, 
feinen tarnen meiter ju führen. $13 er um biefe Qzit 
burd) ßijon fuhr, oerfäumte er nicht, bem $lbb6 be (Siron, 
ber if)m feinerjeit feine ferneren öebenfen gegen bie $omöbie 
eingeflößt hatte, $u fcfjreiben, baß er fid) n>ot)l gehütet 
habe, bie Gruppe aufeufud)en, bie früher feinen tarnen 
getragen. (5$ mar bieä ein fcr)tocrer Schlag für 9Mtere, 
befonberS fyaxt gerabe bamalä, ba (ein SRufmt aufzuzeigen 
begann. Unb mir haben allen ©runb anzunehmen, baß 
er bem dürften biefe feine ©inneSänberung nid)t verbiet). 
@r faßte fie nicht alä aufrichtig auf. SBar boch fd)on von 
vornherein bie SBefeljrung be3 leichtlebigen gürften jum 
frommen Äopfhänger nicht mahrfcheinlid) ! Seit ber $t\t 
mirb ber $)id)ter mof)l einen ftillen £aß gegen bie nach 
feiner Anficht ^euc^Ierifc^e Unbulbfamfeit ber Kirche im 
Gerzen getragen fyabtix, öuf bie er bie SBefehrung be$ 
gürften jurüefführen mochte, einen £af$, ber ihm fpäter bie 
SBaffen gu einem feiner bebeuteubften Söerfe fchmieben foüte. 

$>a SD^oIi^rc ßontiS ©ct)u^ verloren, manbte er fich 
nun mieber an feinen früheren ^ßroteftor, ben £erjog oon 
Spernon, ber nun (Gouverneur oon SÖurgunb gemorben 
mar unb mit feiner (beliebten 9c*anon be fiartigue, ber er 
treu geblieben ju fein fcheint, in SDijon regierte.. $ort 
treffen mir 9Mtere3 Xruppe im (Sommer 1657. 3m 



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— 50 — 

SBinter freiließ 30g e8 fic fchon mieber nach bem ©üben, 
nadt) ^jenaS unb Sfoignon. Unb in Slmgnon mar e§, 
bafj äftoliere eine für fein ganzes £eben mistige 93e* 
fonntfd)aft machte. @r traf bort ben 3fla(er ^ßierre 
SRignarb, welcher, mit feiner jungen grau auf ber Sftücf* 
reife oon Statten begriffen, feinen ©ruber 9ftfoIau3 in 
Sfoignon befugte. $>urcf) ben (trafen t>on Sftobene hotte 
er ^Beziehungen ju ben 93ejart3, bie if)n ihrerfeitö mof)! 
mit 9Miere befannt gemacht hoben merben. SRignarb ift 
jeitfebenä einer ber beften greunbe SRoItere* geblieben. 

$)e£ $)icf)ter£ SBanberjeit ging ihrem Gfribe entgegen. 
SBo^u noch länger in ber ^rooin$ bleiben? $)ie gmei 
Söerfe, me(cf)e er gefdjaffen, unb ber Triumph, ben er ba* 
t>on getragen, werben ihm felber bie klugen geöffnet haben. 
(5r mußte nun, mer er mar unb mag er bebeutete. (Sr 
füllte, bafc e3 für if>n 3eit mar, auf breiterer S3afi3 tf)ätig 
ju merben. aftodjtc ber Slufenthalt in ber ^rooina noch 
fo nufcbringenb für if)n gemefen fein, mochte er ihm einen 
(Sinblicf in baS bamatö noch fo eigentümliche ßeben ber 
Keinen ^ßroutngftäbte geftattet, mochte er ihm bie 93efannt* 
fdjaft mit ber fraftooU fonoren <Sprad)e be£ ©übenS er* 
mögttdjt ^aben, — moflte er SBerfe hervorbringen, meiere 
bie Zeitnahme ber ganjen Nation erregten, fo mar e3 für 
if)n $eit, in bie §auptftabt jurücf^ufehren, mo ba3 Seben 
rafcf)er pulfierte, mo man in unmittelbarer güfjfang mit 
ben geüftrömungen ftanb, mo ein junger fiönig unb ein 
gränjenber |)of ben Xon angaben. ©0 (enfte er benn 
feine (Schritte nach oem Horben. Über ©renobfe, mo er 
bie $ameöal3$eit oon 1658 »erbrachte, manbte er fich nach 
fltouen. $)ort, mo er t>or ber ©rünbung be3 „Illustre 
Theatre" feine $efte juerft aufgeflogen, bis ber ihm 
öerfprochene ©aal in "ißarte ^ergefteOt mürbe, bort mottte 
er auch bleiben, bi$ ba§ Xerrain für ihn in ^arte geebnet 



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— 51 — 

mar. 9Jttt toeld) »ergebenen (Gefühlen ttrirb er bic $aupt* 
ftabt ber 9tormanbie nunmehr betteten fjaben! damals 
ein t>on fetner gfamilie verflogener, von ihr als verlorener 
©ofjn betrachteter SBagabunb, ber feine Ahnung ^atte, mie 
feine 3ufunft ftdj geftalten mürbe, unb jefct ein Öffnung«* 
voller SO^ann in ber ©(tite ber Sa^re, an ber ©pifce einer 
hodjangefehenen Gruppe, ber SSerfaffer ^meter bramatifcher 
Sßeuigfeiten, roelche bie $rotrin$ entjücft fjatten. (Gehobenen 
£er$en$ fah er ber ßufunft entgegen. 

$)en ganzen ©ommer über blieb bie Gruppe in SRouen. 
$)er föuf ber beiben (Schönheiten, welche if)re gierbe waren, 
ber $>u $arc nnb ber 3)e 23rte, f)atte, wie mir au« einem 
Briefe be3 £fjoma3 (Sorneille Hüffen, bie ©efettfehaft SRouenä 
in eine geroiffe Aufregung verfemt. Auch ^ßierre (Sorneifle, 
ber bamafö fcf)on ein 52 3fah re altcr f mit fünf bis fech$ 
ßinbem gefegneter gramilienoater ^ar, richtete an bie 
S)u ^ßarc enthufiaftifcfje SBerfe, in benen er fie als feine 
3ri3 feierte, $u feiner grofjen 93etrübni3 fümmerte fie 
fidj freilich ebenfotoenig um ihn, als fie fidj um SMtere 
in ber ^roöinj gefümmert hotte. Äfjnte bie ftolje ©cf)au* 
fpielerin bereits, bafc fie ba$ §erj eines ^ off nungödo Ueren 
jüngeren $)ramatifer3 in ^ßariS erobern mürbe? Racine 
foflte ja einft von ihr beglüeft merben. ©ei eS aus ärger 
über bie ©pröbigfeit ber ©chaufptelerin , fei e$, meil bie 
Gruppe ^ßarifer Anfprücfjen boch nicht ganj genügen fonnte 
— jebenfaßS Ijaben fief) bie beiben (SorneifleS über bie 
Seiftungen ber ®efeflfd)aft nicht befonberS aufrieben au£* 
gebrochen. 

Unterbeffen bereitete bie Xruppe ihre Überfiebelung 
nach vor. ättabeleine mar es, bie ^auptfäcfyüc^ bie 
Sßerhanbfangen leitete, ©ie fuhr häufig nach $ari3 h^über 
unb, ma£ für uns von befonberem Sntereffe ift, fie nahm 
bei ihrem ^arifer Aufenthalt im £aufe be$ ©aterS ^ßoquelin 

4* 



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2Bol)nung. ©o toar bcnn bcr ©roll be3 alten SaterS 
gegen ba£ Äünftleröolf gefdjnmnben. Sefct toar ja fein 
©of)n berühmt unb reid). SBaS fottte il>m ber ©eföäfts* 
mann nod) jürnen? 

$lm 12. 3uli 1658 nmrbe jttrifdjen äRabeleine unb 
2oui$ be $alf)ouet in SRouen ein Vertrag abgefd)loffen, 
nadj bem ber 33etreffenbe feinen öallfpielfaal bu äftaratS 
in $ari8 mit allen Sogen, Deforationen unb $ubef)ör ber 
%xuppt SMtereS überliefe. 9fotnmef)r Ijatte ba$ Sweater 
ein £ehn; bie Überfiebelung $ur $auptftabt fonnte jeber* 
^eit ftattfinben. 



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Die Zeit des Sucbctis und Castcns 

SMS ,SRcgifter 4 be« ©cfjaufpielerS Sa ©ränge — r»on 
bem gleicf) bic SRebe fein ttrirb — t>on nun an für uns 
bie nrid)tigfte Duette für SRoltere« ßeben unb SSerfe, be* 
ginnt mit ben SBorten : „äMtere unb feine Gruppe tarnen 
im äRonat Oftober 1658 naefj $ari$ unb begaben fid) in 
ben 2)ienft äRonfieurS, beS einzigen 33ruber3 be8 Königs, 
roeld^cr ifmen bie (Sfjre feinet ©cr)ufce3 unb bie (Srlaubniä, 
ficr) als feine $omöbianten $u bejeiefmen, mit breifjunbert & 
^ßenfion für jeben ©djaufpieler getoäljrte". $a8 ©lücf 
ferjeint ben SReuangefommenen alfo oon oornfjerein r)o(b 
getoefen ju fein. SBie famen fie aber baju f bie ©unft 
einer fo f)ocf)geftettten *ßerfönticf)feit ju erlangen? Sföir 
roiffen e3 nicf)t genau, aflögüdj ift, bafi einige 3af)re 
guoor ber ftürft t>on (Sonti bei feinem 2lufentf)aft in <ßari3 
gum ftmdt ber '^eirat Don SflagarinS 9ttcf)te bem $arbina( 
bie SBerbienfte oon SfloItereS Gruppe, bamalä nod) feiner 
Gruppe, gerühmt fjatte, unb bafe ber $ircf>enfürft, ber fief) 
rote fein SBorgänger fRicfjcticu fefjr für§ $f)eater intereffierte, 
bie ©djaufpieler bei ifjrer Slnfunft in ^ßariS bem atytytfyn* 
jährigen ©ruber be8 Königs empfaftf. $)ie fyofyen $err* 
fdjaften festen bamalS itjrc @f)re barein, eine iruppe in 
ifyren $>ienften $u f)aben. gür SMtere war eä oon aufjer* 
orbentlicf>em Vorteil, in fo nalje 93eäieJmngen gum $ofe 
ju treten. Subroig XIV., bamate erft $uian$igjäf)rig, mürbe 



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gemifc — ba* mar mof)l be$ dichter* Hoffnung — balb 
audj fetbft oon ber ßornöbiantentruppe feinet ©ruber« 
ßenntni* nehmen. §atte fie ja bod) fdjon in ber ^romnj 
namhafte r)or)e $erren ju unterhalten gewußt. 

8d)on am 24. Ortober fügte eS ba3 Schidfal, ba& 
unfer dichter öor bem Äönig auftreten burfte. 3n einem 
(Saale be3 alten SouorepafafteS mürbe gejpielt. £er §of 
mar oerjammelt unb mochte mof)l barauf gejpannt fein, 
bie Gruppe rennen $u lernen, bie es magte ben Äampf 
mit ben etuheimifchen £f)eatern aufzunehmen. (53 mochte 
immerhin gemagt erfcr)eirten, mit bem gefeierten Hotel de 
Bourgogne, bem eigentlichen £oftt)eater, unb bem 9Karaie= 
t^eater, mo GornetlleS Stüde meiftenS aufgeführt mürben, 
fich gu meffen. Poliere mahlte $u feiner (Srftaufführung 
öor bem äRonardjen ein Stüd, in bem gerabe ba$ majeftätifche 
(Maren eine* itönig* befonberS ftolgcn AuSbrutf finbet, 
ben ,Nicomede' ßorneilleS. Unb menn mir auch ^ören, 
bafj biefe Aufführung nicht mißfiel, unb bajj namentlich 
ba£ (Spiel ber grauen anfpred)enb mirfte, fo f)ättt °* e 
Aufführung einer Tragöbie allein nicht ben 9tur)m ber 
neuen Gruppe begrünben fönnen. $afür forgten fd)on 
bie Nebenbuhler Dom Hötel de Bourgogne, bie bereite 
biefe erfte Aufführung befrittelt $u haben fcheinen. Aufjerbem 
haben mir alten ©runb ju glauben, baB bie <Stärfe oon 
SMiereä Xruppe nicht auf bem Gebiete ber Xragöbie 
p fudjen mar. <So mar es benn ein !luger ®riff oon 
Poliere, baß er eä bei ber Aufführung be$ ernften Stüde* 
nicht bemenben lieft, fonbern nach beenbetem (Spiel auf bie 
93ür)ne trat unb, mit flugem biplomatifchem ©efdnd 23e* 
fcheibenheit mit oerftänbiger Schmeichelei oerbinbenb, eine 
Aufpräge an bte erlauchte ®efeHfd)aft richtete, burd) bie 
er fich £er$en aller eroberte. Sie Ratten fo grofje 
fiuft gehabt, mit ber Unterhaltung be$ größten tönig* 



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55 <- 

ber äBelt beehrt ju werben, fo meinte er, baß fie oergeffen 
Ratten, baß feine 9Jcajeftät ausgezeichnete Odjaufpieler be* 
fäße, bie fie felbft nur fef)r fdjwad) nachahmen tonnten; 
ba feine üDcajeftät aber it)rc proöin$ietle Aufführung nicht 
tjcrfc^niä^t habe, fo bitte er fie bemütig, geftatten ju wollen, 
baß fie nod) als Zugabe e * ne i cner feinen SBeluftigungen 
hinzufüge, burd) welche fie in ber ^rotrin$ ju einer ge* 
wiffen ^Berühmtheit gelangt feien. $)er König, ben biefeä 
ebenfo fluge al$ wifcige unb gefdjicfte Kompliment für ben 
dichter einnahm, gab gern feine Einwilligung. Unb fo 
würbe fofort mit ber Aufführung einer Keinen Stegreife 
Äomöbie nad) italtenifcher Ärt begonnen. (S* würbe ,$)er 
»erliebte $)oftor' (le docteur amoureux) gegeben. SJcoliere 
fpielte felbft ben $oftor. Unb eä würbe fo flott, fo natürlich, 
fo frifd) gefpielt, ber |>umor, ber ben luftigen ©inafter 
erfüllte, war fo föftlidj, bag ba* gange s J$ublifum in bie 
tollfte ^eiterfeit oerfegt würbe unb ben lebhafteren Söeifall 
Rollte. <3o Ijatte Poliere burd) einen flugen |>anbftreid) 
— fönnte man fagen — bie ©unft be3 ^pofpublifumS 
erobert. Subwig XIV. war bamalä noch f e h r i um 3' er 
lachte gern unb liebte bie, weldje ju feinem Vergnügen 
beizutragen wußten. (Sr war namentlich ein großer £ieb= 
haber be3 italienifchen $h eater S. 9cun f a "& plöfclid) 
einen franjöfifchen Komifer, ber e$ ben Italienern gleich* 
machte, fie oielleicht fogar übertraf, liefen Üftann mußte 
man fefthalten. $)ie SRücfficht auf baä eigene Vergnügen, 
nicht etwa bie ©inficht in ba3 ©enie 9Miere3 finb e£ 
gewefen, welche Öubmig XIV. beftimmteu, bem Komifer 
feine ©unft $uerft $u erweifen. 

Sr erwies fie ihm baburch, baß er feiner ®efelljchaft 
ben Saal beä Petit Bourbon überließ, bamit fie bort 
abmechfelnb mit ben italienifchen Komöbianten fpielen fönnten. 
gür Poliere war bieS eine unfehlbare ©efälligfeit. $>er 



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— 56 — 

©aal war groß unb fd)ön. $)aä ^ßublifum, welches bic 
italienifd^cn Aufführungen regelmäßig befugte, war an ben 
©aal gewöhnt unb mürbe gewiß nicht oerfehlen — fo 
mochte er benfen — trietteicfjt junäc^ft nur auä SReugierbe, 
auc^ ^tanjofen, bic eä ihnen fo gut nachmachten, fidj 
anjufehen. Außerbem war ber ©aal mit bem Königs* 
palaft burcf) eine Valerie oerbunben. 3)iefe räumliche 
Serbinbung fonnte fid) leicht ju einer innerlichen aus* 
wachfen. ©üblich mußte e$ Poliere nur angenehm fein, 
mit ben italienifchen ©chaufptelern , beren gähigfeiten er 
fo fefjr bewunberte, unter bemfelben $)ad)e $u häufen. 
3Rbchte er boch h 0 ff cn > ^ ncn n0( *) manches ablaufchen ju 
fönnen. ©eine 3eitgenoffen höben ihn häufig als ben 
„ Riffen" ber Staliener oerfpottet. pr bie (Sntwicfelung 
fetner $omöbie, namentlich nach ber technifchen ©eite hin, 
fonnte bie Anlehnung an bie Staliener nur oorteilhaft fein. 
^^ä?cf~- ~o©obalb SMtere in feinem neuen $aufe war, führte 
er außer ben großen Xragöbien SorneitleS auch fc m * 
eigenen ©tücfe auf, ben ,Unbebachten' unb ,$)er Siebe 
Srofc'. @3 war bie« baS erfte ÜM, baß bie Sßarifer biefe 
Sßeuigfeiten, welche baS (Sntjücfen ber ^ßrom'nj fcrjon mehrere 
3af>re oorher gewefen waren, $u fefjen befamen, unb ber 
Erfolg war großartig, ©ogar ÜMtereä geinbe fprechen 
mit SBegeiflerung oon biefen erften Aufführungen unb be* 
richten öon ben rühmenben Äußerungen be$ ^ßublifumS, 
bie fowohl bem dichter als auch oen 3)arfteKern galten. 
Srofc biefer (Srfolge mußte 9Mi£re gerabe ju biefer Qeit 
einige feiner erprobteren Gräfte oerlieren. $aß $)ufre3ne, 
ber fchon recht alt unb mübe war, bie Gruppe »erließ, 
war begreiflich, wenn auch fehmeralufj; er war gewiß ein 
fehr erfahrener ©chaufpieler unb hatte früher ber Gruppe 
große SMenfte geleiftet. $aß aber bie glän^enbfte oon 
ÜMtereS ©chaufpielerinnen, bie $)u ^arc, gerabe im SRoment, 



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57 — 

wo fid) ber $)idjter eine neue @£iftenj grünbete, mit if)rem 
9ttonn, bem „®ro**SRen6", ber bie berb fomifdjen Rollen 
gab, bic Xruppe »erliefe, um in* 2Rarai*tf)eater über$u* 
^efyen, ba* war ein unerfefclid)er SJerluft. (£* wirft biefer 
(Sntfdjlufj übrigen* fein günftige* 2id)t auf ben ©fjarafter 
ber gepriefenen ©djaufpielerin. $ie ftolje „SWarquif^^^ 
wie fie oft genannt mürbe, fdjeint überhaupt eine fjoefi* 
mütige, leicht empfinbfidje unb wanfelmütige grau gewefen 
in fein. @* ift nic^t unmögtid), bafj bie beiben Corneille*, 
bie, wie mir Hüffen, in Rouen bie (Sdjaufpielerin umfd)Wärmt 
Ratten, fie veranlagten, in ba* Ujnen näfjerftefjenbe £f)eater 
überzugeben, ®(ücflid)erweife fonnte 9Roli&r& %tuppC 
bafür neuen guwaef)* in Sßari* fmberi. 3$r ^rb* 
fomifdjen Rollen befam fie öom 9#arai*tf)eater einen twr* 
$üglid>en Vertreter in ber *ßerfon be* alten Sobelet, ber 
einft $afjlreid)en ©tütfen <Scarron*' feinen tarnen gegeben 
hatte, «udj fein «ruber %®pt) ließ fid) für gefefcte Rollen 
in bie Gruppe aufnehmen. Um Dftern 1659 gefeilte fid) 
ju SKoltere* (Sdjaufpielern aud) ein SRann, melier ber 
treuefte Äamerab be* $)id)ter* werben unb ifjm fowie 
feiner Xnuppe bie mertuottften $tenfte leiften foßte. (S* 
war bie* ßfjarle* SBarlct be ßa ©ränge; er fpielte bie 
erften gelben unb 2iebf)aber unb erfreute fid), befonber* 
in biefer lefcten (£igenfd)aft, wofyfoerbienter ^Beliebtheit. 3fnt 
f)at 2Miere oon aflen feinen ©cfjaufpielern ftet* am meiften 
geadjtet. (£r führte fpäter bie Rechnungen ber Gruppe 
unb rebigierte für fid) ba* Tagebuch berfelben, ba* berühmte 
„Registre", welche* gu ben t>ornef)mlid)ften Duellen für 
bie ©efdjidjte äftoltere* unb feiner SBerfe gerechnet werben 
fann. $ud) übertrug ifjm ber $idjter fpäter ba* Der* 
antwortung*t>ofle Slmt be* „Rebner* ber $ruw>e\ welche* 
er felbft fefjr lange ßeit geführt ^atte. <£* war bie* bie 
glän$enbfte &u*aeidjnung, bie er ifnn ^u teil werben laffen 




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fonntc. $)enn ba$ Wmt beä „SRebnerä" mar ba3 fchnrierigfte 
in ben bamaligen ZtyaUxn. $)er „SRebner" J)atte bie 
Aufgabe, nach beenbigter Sorftellung bem ^ßublifum für 
fein ©rfcheinen ju banfen unb eS bann $ur «äfften 
SBorftellung einjulaben. 2Bar baS ©tücf, bog gegeben 
werben follte, noch nid)t befannt, fo mußte er eä ana= 
lüfieren unb angreifen. $)er mehr ober minber 5ar)Ireidtjc 
23efud) ber fpäteren SBorftellungen ^ing ^äufig t>on bem 
©ejdncf be* „SRebnerä" ob. 2a ©ränge foll auch in biefer 
^inficfjt feine (Sache fo oor^üglid) gemacht höben, bog man 
feine Sieben — fo berichtet ein $eitgenoffe — oft mit 
ebenjo großem Vergnügen hörte, als bie ßomöbie felbft. 
$a3 föebneramt erforberte aber nicht bloß ©efcf)icflichfeit, 
fonbem auch 2)cut. $ie bamaligen ${)eatert)orftettungcn 
öerliefen manchmal fer)r ftürmifch. $>urd) ©freien unb 
Sohlen unterbrach man f)äufig bie SßorfteUung; mar man 
un^ufrieben, fo bewarf man bie ©djaujpieler mit allerlei 
©egenftänben ; im 3ufcf)auerraum mar üflorb unb Xob= 
fcfjlag feine Seltenheit ; bie ©djaufpieler waren oor förper* 
liehen Üttißhanblungen ber fchlimmften ^trt nicht fieser, 
©obalb ein berartiger ©türm ausbrach, mußte ber „SRebner" 
oorrreten unb ba3 Sßublifum ju befchwichtigen fudjen. (£3 
wirb uns erzählt, baß nach Poliere« $ob einmal 2a ©ränge 
im 3ahre 1691 mit einem betrunfenen ftapitän, ber mit 
einigen beraubten ©olbaten inä % tyattx eingebrochen mar, 
fehleren ©tanb hatte. $er Kapitän benahm fid) tote toll, 
oerwunbete einen ^oli^eibeamten, befahl ben ©djaufpielern 
51t fdjweigen, bebrohte fie mit ^iftolenfcfniffen , riß bte 
Siebter ber Sühne auä unb warf fie ihnen an ben Äopf. 
S3ei biefer Gelegenheit wie auch f° n f* lt[ feinem Seben, 
jeigte 2a ©ränge große 9iuf)e unb Ädltblütigfeit. SUä 
SWenfdt) fowie als Schaufpieler hat er Poliere bie größten 
SDtenfte geleiftet. Wit ihm zugleich trat auch $u (Sroifo 



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^ 59 — 

in bie Zxuppt ein; er gab bie feiten Siebljaber, manchmal 
aud) §harafterrollen. ©o toirb er roahrfcheinlid) bie SRolle 
be3 ,Tartuffe< freiert ^aben. 2Kit biefen neuen Gräften 
fonnte bie Xxnppt einigermaßen ihre Süden füllen, ©ie 
fpielte bor bem #önig ,$er Siebe Xrofc' unb ben ,Unbe- 
backten* im Jrühling be$ 3al)re$ 1659. ©djon tuährenb 
biefer legten $orftellung toar Sofeph öejart fein: franf; 
nur mit -ÜRütye fonnte er feine fRoKe burdjführen; er ftarb 
in ber groeiten |>älfte beS 9Kai. ©o oerlor Poliere einen 
feiner treueften Gameraben oon Anbeginn. $)er Serluft 
öon 9ttabeleine3 Söruber, ber mit ifjrn ba§ Illustre Tkeätre 
feiner ßeit gegrünbet, wirb it)m fein* nahe gegangen fein. 
3um ^eid^en & cr Iraner fteöte ba£ X^eater über aefjn 
Sage bie SBorfteöungen ein. 

$)odj follte ber 2)id)ter halb ein SBerf liefern, roelcheä 
ihm größeren SRuhm einbringen ttmrbe, als ber ,Unbebad)te' 
unb ,$er Siebe Irofc'. ©ein Aufenthalt in ber £aupt* 
ftabt J)atte feinen ©lief gefchärft. SDie ßufdjauer burrf) 
fomifdje Sntriguen, burd) tedmifche Gunftftürfd)en , burd) 
auSgelaf jenen Junior 511 unterhalten, mochte ihm bamalS 
nicht mefn* al$ einziger ftmzd ber Gomöbte gelten. $)a$ 
Seben bot fo diele 3)inge, bie eigentlich nicht fo roaren, 
tt)ie fie fein füllten. 3)anf feiner fdjarfen ^Beobachtung^* 
gäbe fal) Poliere leichter als anbere ba3 ßäc^ertic^e an 
9Menfcf)en unb fingen, 3fp, bem Sitteraten, mußten nun 
gan$ befonbers litterarifcfye Sßerfe^rt^eiten in bie klugen 
fallen. $)ie bamalige Sitteratur ftanb nun nodj fein* unter 
bem (Sinfluß ber fogenannten preetüfen Dichtung. $)ie 
Romane ber M ,le - de Scudery, ber Artamene ober ber 
große Cyrus (1649—1653) unb Clelie (1654—1660) 
toaren in aüer £>änben. SDie ooruehme @efeüfd)aft er- 
göfete fid) an ben galanten Abenteuern liebegirrenber 
gelben. Eigentlich toaren biefe Romane getreue ©piegel* 



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bilber ber fjerrftfjenben §lnfcfjauungen. 2Bie bamalS im 
Politiken Seben fe^r fyäufig tpcibüc^e (Sinflüffc ma&gebenb 
roaren, fo ift aud) bic (Manterie foft immer baS 2Jcotiö 
ber #anMungämeife ber gelben, 9catürlid) nimmt fid) 
ein foIdjeS fcfjmadjtenbeS 93ilb im föafymen ber alten 
römifdjen <$efcr)id)te felrfam genug au£. (£in ©rutuS, ber 
ben $önig »erjagt, um feine (beliebte gu rächen, ein 
."poratiuS ßodeS, ber au$ Siebe $ur ßlelie gum gelben 
nrirb, meldjer $lnad)roni£mu3 ! Um 5U gefallen, mu|te 
eine SiebeSgefdn'djte möglicfjft abenteuerlich unb gerabe ba§ 
©egenteil t»on einfach fein. $er fiiebenbe burfte erft nad) 
langer, fernerer sßrobejeit ba3 $kl feiner SBünfcrje er* 
reiben. SDic Sanbfarte ber 3ärtlicfjfeit, bie M lle - de Scudery 
ifprem Vornan Clelie beigab, ift ein treffenbeS Söeifpiel 
be£ StebeäibealS , baS ben preciöfen Greifen oorfdjroebte. 
2öer $ur Stabt „gärtlidjfeit am gluffe $lcr)tuug" gelangen 
wollte, muftte burd) bie Dörfer „r)übfd)e Söerfe" unb „ga* 
(ante SBiHetg", „$ecfjtfd}affenf)eit, Sbelmut unb (SJüte". 
@r mufete fet)r auf ber §ut fein, nid)t §u fet)r nad) recfjtS 
ju biegen, ba er fonft auf bem SBege t>on „Seidjtfinn" 
unb „$ergeffenf)eit" in ben „©(eicfjgUtigfeitgfee" l)ätte 
fallen fönnen. Unb ebenfo gefäfjrlid) mar e8 auf bem 
2&ge jur „SäTtüdjhit", am Jluffe „fcanfbarfeit" fid) ju 
fef)r nad) linfs gu menben. 2luf fteilem Reifen brorjte ber 
Ort „|>ocr)mut", öon „Sreulofigfeit", „Säfterung" unb 
„23o3f)eit M umgeben, unb in ber gerne braufte ba3 2fteer 
ber „geinbfdjaft", ba$ aller Siebe ein jät)e3 (£nbe bereitete. 
3Bte bie $luffaffung ber Siebe gefugt unb gefünftelt mar, 
fo bemegte fid) bie gange SluSbrudämeife ber prectöfen 
Äreife in gefdjraubten unb gegierten formen. 3c ftn> 
finbiger unb gefaxter man bie gemöfmlid)ften $inge 
umfdjrieb, befto beffer. <2o mürbe etma ber £ut jum 
„Söettertrufc", ba« genfter jur ,,2icr)tpforte\ bie SRafe jur 



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— 61 — 

„<5d>Ieufe be« ®ef)trn$\ 2Jton ^ättc nid)t gewagt öon 
feinen trügen $u fpredjen, man nannte fie bie „armen 
Duiber", ba fie bie Saft be* Körper« tragen mufeten. 
Da« 9J?ittag3maJ)I mar oiel $u gemein, um beim redeten 
tarnen genannt $u werben; man nannte e« bie „mit- 
tägliche SRotwenbigfeit". SSie f>ätte eine fo übertriebene 
Sftobe nicht ben ©pott f)erau«f orbern fönnen? ©o fehlte 
es benn auch nicht an ©egenwirfung. Die gan$e burfeäfe, 
öon <5carron ^auptfäc^lidh oertretene 9itd)tung, bie ab* 
fid)tiicf) bie Mattheit unb ©emeinheit betonte, war au« ber 
©egnerfdjaft gegen ben tyodjtrabenben , fdjwülftigen unb 
gezierten Don ^ertjorgemac^fen. Slber aud) bireft fjatte 
fidj ber Spott gegen bie preeiöfe ßitteratur fdjon gewanbt. 
freilich erft fefjr fcfjüchtern. (Sin gettriffer abbä de Pure 
^atte in einem Vornan „La Precieuse ou le Mystere 
des ruelles" bereite mit einer gewiffen Sronie ber *ßre* 
ciöfen gebaut. Slber nichtäbeftoweniger lobte er feljr bie 
Romane öon grl. be ©euberty unb jeigt fid) felbft burchau* 
nic^t frei üon ben tyfytm, bie er fonft befpöttelt. %v& 
biejem Vornan Ratten bie Italiener eine ©tegreiffomöbie 
entwidteft, in ber fidj Diener in bie Leiber ihrer Herren 
fteeften, um preeiöfe Damen irre $u führen. Diefe Äomöbie, 
beren Wortlaut wir natürlich nicht fennen, wirb äftoftere 
bei feinen ^Beziehungen $u ben 3talienern genug bei ihnen 
gefehen fyabtn. 3h re Sntrigue üerwertete er f um einen 
(Sinafter ju fchreiben, ber ba* gröftte Sfoffehen erregen 
follte. 

Die ,8ächerüchen Sßreciöfen' (les Precieuses ridi- 
cules) betitelte er ba« <§tücf. (Sr führt un« in ba« §au« 
be« bieberen, fya\i%badtntn ^Bürger« ©orgibu« ein. Deffen 
Dodjter unb 9ttchte Sttabelon unb (Sartjo« h a & cn fwh & urc h 
bie Seftüre ber Üttoberomane ben $opf ganj t>erbref)en 
laffen. Die Anträge zweier orbentlichen Männer Sa ©ränge 



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unb 2)u ßroife weifen fie ob, weil fic um ifire $anb an* 
gehalten f)aben, ofme juerft ben SBorfcfjriften ber galanten 
SiebeSrontane gemäfj natf} äffen Regeln ber Äunft für fie 
gefd)wärmt, gefcfjmacfjtet, gefeufet «nb gebulbet ^u fjabem 
$lucf) ift ifmen i^rc Äleibung t>iel $u einfach unb an* 
fprud>$Io3. Um fid) an ben ©pröben $u röchen, toeran* 
(äffen bie beiben fetxxtn t^rc ßafaien, bie fief) gerne ben 
2htfdjetn preeiöfer 9ttobef)erren geben, im übertriebenften 
9#arqui3foftüm ben tarnen tfjre Aufwartung $u machen. 
9)iit feinen bänberreufjen , woftfbuftenben, fpifcenbefefcten 
Kleibern, feiner foloffalen Sßerücfe, feinem wunberbaren 
3reberf)ut, feinen gefpreijten unb gefugten ^Beübungen, 
feinen galanten Äomplimenten, feinen SJerfen unb ßiebem 
weif*} ber SMarquis be SDtoScariffe bie s $reciöfen in bie 
gröfjte @£tafe ju fcerfefcen. Unb ber SBicomte be Sobelet 
imponiert ifjnen nidf)t weniger burdj bie (Shrjäfu'ung feiner 
fotbatifrfjen |jelbentf)aten. $u3 ifjrer SBewunberung werben ' 
bie ^ßreeiöfen aber brutal fjerauSgeriffen, ate plöfclid) bie* 
Herren ber beiben Öafaien wieber erfdjeinen, ifjre Liener 
burdjprügefa unb ben tarnen bebeuten, wenn fie ifjnen 
burdjauS ifjre 93ebienten öor^iefjen wollten, fo möchten fie 
fie in ifyrer wirflicfjen ©eftalt lieben, nid)t aber als 3ttarqui8 
be SRaScariffe unb SBicomte be Sobelet. 

$ie3 in furjen Söorten ber 3nf>alt be3 @tücfe8. 
inwiefern war e3 nun fo bebeutenb? $ie Sntrigue f)at 
bur<f)au3 nichts SRerfwürbiges; fie ift bie benfbar einfache 
unb mit berjenigen ber Vorlage beinahe ibentifd). dagegen 
{>atte 2Woltere infofern eine gewaltige Weiterung t>offbrad)t, 
als er eine ber auffaffenbften $erfefyrtf)eiten ber bamaligen 
$eit einer fcf)arfen ©atire unterzog unb ba$ Aftueffe jum 
(Segenftanb be3 Suftfoietö erhoben fyatte. 2öar bie ßomöbie 
bisher ein btofteS 2(mufement gewefen, fo machte er jefct 
aus ifjr eine fulturgefd)icf)tlicf)e Xfjat. &ein SBunber, bafe 



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63 — 

er infotgebeffeu in bie ©treitigfeiten fetner 3 e ^ f)tneht- 
gebogen würbe. 3nt ®egenfafc $ur ^ßoffc unb Sntriguen* 
fomöbie, welcfje nur bie Untergattung be3 *ßublifum8 im 
&uge f)at, ift jebe ©ittenfomöbie fatirifcfj, beim fie bringt 
bie Sitten ber fttit auf bie Söüfjne, in ber ausgekrochenen 
$lbficf)t fie ju öerfpotten. (Sin ©atirifer ift aber ein Kämpfer 
unb fann als foldjer ber geinbfcfjaft ber t>on if>m $n* 
gegriffenen uicf)t entgegen. SBom äftf)etifd)en ©tanbpunft 
au$ ift bie ^ßoffe fowie bie 3ntriguenfomöbie nicf)t niebriger 
ju ad)ten atö ba3 fatirifcfje fiuftfpiel. $Iucf> fotdt)e ©tücfe 
fönnen genial fein. 9Mtere f)at felbft ben SöetueiS bafür 
geliefert, ba er in biefer Gattung SlufjerorbentficfjeS ge* 
leiftet f>at. dagegen fann nur bie fatirifcfje Äomöbie 
etf)ifd)e3 3ntereffe erwecfen. Söefämpft fie bod) buxd) itjre 
©atire ba£ Uneble, SÖ3ibernatürltd)e , $8orurtei(8t>otte, Un* 
fittlicfye unb erweift fte auf biefe Söeife ber Sttenfdjfjeit 
2öof)ltf)aten. $om abfohlten ©tanbpunfte aus ift fie ba$ 
ungleid) SBertüoßere. 3)aburd), bafj 2JcoItere in ben 
,2äcf)erlid)en ^reciöfen* biefe 33af)n einfdjhtg, tfyat er einen 
großen bebeutenben ©cfyritt vorwärts. 

ÜMtereS geitgenoffen werben melleid)t nidjt in bollern 
9flajje bie Söebeutung be§ ©tücfeä fofort erfannt fjabetu 
$)ie befannte ^nefbote be3 ©reifes, ber bei ber erften $or* 
fteflung im parterre aufgeftanben unb bem 2)id)ter juge* 
rufen fjaben fott: „äKut, SWoltere, ba3 ift bie gute fomöbie!" 
fann fef)r leid)t erft fpäter erfunben worben fein. 9lud) 
bie Slnefbote, welcfje $u erjagen weift bafj (Sfyapefain unb 
2R6nage burcf) bie erfte 9luffüf)rung beä ©tücfeä bon ber 
fökfytigfeit ber ßtitif ÜMtereä fo überzeugt worben wären, 
bafc fie fid) gelobt Ratten, öon nun an bie geittgen $u 
oerbrennen, bie fie biä bafjin angebetet f)ätten, aud) biefe 
Stnefbotc trägt ba3 ©epräge be3 Unfjiftorifdjen an ficf^ 
9tfd)t3beftoweniger werben bie preciöfen Greife ben Angriff 



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fefjr wof)l gefügt fyabm. 3h rem Unwillen barüber ift eS 
gewift $u$ufchreiben , bafe man wettere Aufführungen beS 
©tücfeS nach ber erften Vorftellung für einige 3eit 8 U 
hintertreiben wu&te. Vom 18. Sftobember bis 2. $)e$ember 
fanb feine Hufführung mehr ftatt. $)er Äönig tueittc ba= 
malS am Trufte ber ^nrenäen. Vielleicht mochte ihn ein 
©önner 9MiereS mit bem ©tücf bort befannt, unb er 
hob baS ©erbot auf. SBir wiffen eS nicht beftimmt, aber 
eS ift nicht unwahrfcheinlicf). üttoliereS erfteS Auftreten 
hatte fein £er$ gewonnen. @r fyatte ein gefunbeS Urteil 
unb Vorliebe für alles SRafctwtle unb Verftänbige in ber 
Äitteratur. Snfolgebeffen wirb er an Übertreibungen ber 
preciöfen Sitteratur fein ©efatten gefunben unb feine greube 
an ber ©atire berfelben nicht unterbrücft höben. 

9tun folgte Vorftellung auf Vorftellung. 3m Saufe 
eines 3ahre3 erlebte baS (Stücf nicht weniger benn mer 
unb öier$ig Aufführungen. 2)er (Erfolg mar großartig. 
$ie einzige bamalige 3 e ü u K9f wenn man ßoretS ©a$ette 
biefen tarnen geben fann, lobte baS fiuftfpiel über bie 
SOTagen: eS ^ättc meit mehr 3 u ^ au f a ^ ©tücfe 
bu 9tyer$, als GorneiHeS Oebipc, ber boch als Söunber ange* 
ftaunt werbe, als noch ö ^ e ^ e erobere bamalS befannte unb 
berühmte Dramen. SBenn er auch mx ^wijtg ©ouS be* 
$ar)lt, meint Soret, fo höbe er boch mehr gelacht als für 
Selm ^ßiftoleS. Unb anbere wiffen ju berichten, bajj man 
t>on $wan$ig Weilen in ber Ütunbe hergefommen fei, um 
biefe Äomöbie fich ansehen. Salb t)ätte man in ber 
guten ($e jeUfchaf t , ohne ju erröten, eS nicht mehr ein= 
geftet)en bürfen, wenn man etwa baS Suftfpiel nicht ge* 
fehen h a & e - ©inline Stellen beS StücfeS feien ganj 
fprüchwörtlich geworben. üttoliere ^ätte bamalS fchon 
unbeftritten ben 9tuf beS erften ÄomtferS granfreic^S ge* 
nofjen. (Sutern fo allgemeinen Erfolge gegenüber fonnten 



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— 65 

bie ßtitifen nicht toiet ausrichten. @3 fehlte aber nid)t 
an folgen, unb mir fer)en au3 bem SBorroort, baS 9Mtere 
feinem ßuftfpiel betfügte, als er e3 brucfen ließ f baß 
man if)m oorroarf, er fyabe bie ©renken einer erlaubten 
unb anftänbigen (Satire Übertritten. (Sin mißgünftiger 
fiitterat ©oma^c, ben bie Lorbeeren be3 $)id)ter3 nidr)t 
fd)lafen ließen, fitste 51t beroeifen, bog 2Mi£re3 Silb ber 
sßreäöfen öer^eichnet fei, inbem er ihnen bie „natur= 
getreuen, nid)t Iäd>erltc^cn " in einem ßuftfm'el eigener $ln* 
fertigung entgegenfefcte. SMiereS ®omöbie mirb natür- 
lich bie garben ftarf aufgetragen haben; nur fo tonnte 
feine Satire mtrfungSooll fein. @r mirb gemiß auch nidjt 
bloß bie 2lu3roüd)fe ber preciöfen fiitteratur in ber ^rom'n^ 
gemeint haben. 2öenn er auch oorgiebt, nur bie läd)er* 
liefen ^ßreeiöfen gemeint ju hoben, roeldje bie ®uten fchlecht 
nachahmten, fo ift ba$ cum grano salis ju oerftef)en. 
(£r hatte bie ganje Dichtung im 9luge. $)amit ift felbft= 
öerftönblid) nicht gefagt, baß 9#abame be Rambouillet 
ober M lk - be ©eubert) perfönlid) gemeint feien. S&eun 
auch bie eine Sßreciöfe (£atl)o3, bie anbere äftabelon f»ei§t, 
fo finb fie beör)alb bod) nicht s $orträt3 uon Catherine be 
Rambouillet unb 3ftabeletne be ©eub^rn. 9ttag eine Oer* 
fteefte Malice in ber S93ar)I biefer Ramen immerhin nicht 
unmöglich fein, fo hat fid) Poliere im ©runbe für biefe 
Hainen nur entfehieben, weit bie 8cr)aufpielerinnen, welche 
biefe Rollen gaben, Hai h er in c $>e S3rie unb 3tta bei eine 
Söejart maren. §atte er bod) auch anberen il)re Ramen 
gelaffen : £a ©ränge, SDu (Sroiäi) unb Rubelet traten unter 
ihrem eigenen Ramen auf. ($3 mar bamalS fo Sftobe. 
■Uftoltere felbft blieb bem Ramen be3 3tta3cariHe, ben er 
im „Etourdi" juerft angenommen hatte, treu, ©ein (Spiel 
erregte auch feinen geinben bie allergrößte Söerounberung. 
$er erfte „^offenreißer" gr auf reidjS mürbe er genannt. 

©djnecflan», lottere. 



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-o 66 — 

©o fjatte beim imfer dichter feinen (Sin^ug in bie 
£auptftabt unb in bog $ourbontf)eater burch einen grofc 
artigen Sriumph gefeiert. 9cun galt es ben <ßlafc, ben er 
fich erobert, bauernb feftjuhalten. 2Bir fönnten erwarten, 
baf? er in ber einmal eingefcfylagenen $8af)n be$ ©Uten* 
luftftrietö fortgefahren fei. SDaS ift merfttmrbigeroeife 
nun nicht ber gall. $ur$ nacf)bem bie $reciöfen' ihren 
glän^enben ©ieg errungen, trat Sttoltere lieber mit 
einer Sntriguenfomöbie alten ©titö t>or baS ^ßubltfum; 
,©ganarelle' ober ,ber (Seemann, ber fidEj betrogen glaubt 4 , 
fo lautet ber £itel be3 ©tücfeS, welches im SM beä 
Sa^reS 1660 auf bie $reciöfen< folgte. ®S ift oielleicht baS 
6tüc£ unfereS $ramatifer3, in welchem bie 3ntrigue als foldje 
am gelungenften ift. Unb aus bem ©runbe wirb auch 
bie Vermutung, baß e$ auf einer italienifdjen Duelle be* 
ruht, fefjr oiel für fich ^aben. Sttoltere felbft hatte für 
bie Sntrigue feinen rechten ©inn. 3h m war fie gleid^ 
gültig. deshalb lägt fich faum beuten, bafc er einmal 
eine fo unwahrfcheinlid) öerwicfelte 3utrigue, rote bie, 
meldte ba3 gan$e Sßefen biefeS ©tücfeä aufmacht, felbftänbig 
erfunben ^abe. 9ttan t)öre nur: (Sin junges 9ttäbcf)en 
CEälie beflagt fid) auf öffentlichem ^lafce, bafe ihr Sßater 
fie ihrem treuen £6lie nicht jur grau geben wolle, unb 
wäf)renb fie beffen 93ilb anfdjaut, baä fie in einem 9Jce= 
baiöon bei fich trägt, fällt fie in Dh nmcu $ l un & täfe* h ns 
gleich baS S3Ub auf bie Srbe fallen, ©ganarelle, ihr 
Machbar, eilt ifjr ju §ilfe. SBälprenb er fie in feinen 
Firmen fyalt, um fie aufzuheben, erblicft ihn oom genfter 
aus feine grau; fofort fafjt fie ben $Berbacf)t, er möchte 
untreu fein. Sganarede hegt ihr gegenüber benfelben 93er* 
bacht, al« er hin$ufommt unb fieht, wie fie baS oon Seite 
bagelaffene ffiilb £6lie3, welches fie aufgehoben, in £änben 
hält. Qn fielie, ben er nicht fennt, glaubt er ben ©eliebten 



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67 - 

feiner grau entbecfen ju foflen. 23eibe ©arten machen fiel) 
ebenfo unberechtigte als erbitterte SSorroürfe. darauf 
fommt £6lie mm ber föeife jurücf. ©ganaretle, ber tr)n 
an bem in feinem Sefifce befinblichen Silbe, ba§ er in ber 
$anb feiner grau gefunben fjat, erfennt, fyc&t ihn für ben 
©eliebten feiner Gattin. (£r bagegen glaubt in if)m ben 
©arten feiner (£6lie, bie fict) injroifchen »erheiratet fyabt, 
erfennen ju foltert f unb faßt au3 SSerjmeiflung barüber 
ebenfalte in Ohnmacht unb $toar juft iu bie 2lrme ber 
grau Don @ganarelle, bie ebenfo r)tlfbereit ift f wie ihr 
©arte üorher ber (S6lie gegenüber, ©ganarelle, ber fur^e 
$eit nachher ben £6lie, ber ingmifchen roieber $u fid) ge* 
fommen ift, au$ bem $aufe feiner grau fommen fiet|t, ift 
natürlich nunmehr oollftänbig öon ihrer ©djulb überzeugt 
unb er^ärjtt ber ßelie, bie feine klagen gufäüig gehört h<*t, 
bafj ß&ie ber ©eliebte feiner grau ift. Nunmehr ift auch 
fie in SJer^ttjeiflung unb aus ©ntrüftung bereit, ben ©atten 
gu nehmen, ben ihr Sater ihr öprftf)lägt. So ift e3 benn 
bem dichter gelungen, burch eine unb biefelbe Qntrigue 
bie (Siferfucfjt ber gwei 9ftänner unb ber gtuei grauen 
gegen einanber $u ertoeefen. $)ie Söfung be3 $noten3, eben* 
fo unroahrfcheinüch als beffen Schürjung, toirb burch 
eine fd>tDa^t)afte Sttagb, bie alles mit angefehen, gerbet* 
geführt. 

®ine fatirifche Stenbena nnrb man umfonft in biefem 
nur ber Unterhaltung bienenbem Spiele fuct)en. $öchften3 
erinnern einige SBorte in ber iRebe, toelche ber Sater 
©orgibuä feiner oerliebten £od)ter ßelie hält, an ben gelb* 
jug gegen bie Sßreciöfen. 3)er biebere Spießbürger wirft 
ihr wie fein SRamenSbetter ber £atf)03 unb äftabelon cor, 
baß fie fid) burch b* e ßeftüre oon äftoberomanen wie ber 
(SI6lie ben ftopf üerbrehen laffe. 5luct) auf bie (Sharafter* 
jeichnung 1)at äMtere f^r feine befonbere Sorgfalt oer= 

5* 



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wenbet. $t)pifd) finb bie betben fiiebenben unb ber SBater 
©orgibuS. $)ie grau öon ©ganarefle, bie „Suivante". 
ber „SSerwanbte" finb gan$ farblos ; ber $id)ter fjat ficf) 
nid)t einmal bie 90^ür)e gegeben, fie burd) tarnen $u be* 
geidmen. 9htr ©ganarcllc ift eine intereffante gigur: ber 
argwöfjnifdje, in fteter $lngft öor ber ©djanbe jitternbe, im 
©runbe biebere unb fjauSbarfene Bürger, ber in ^Radr)e- 
gebauten ber furd)tbarften 5lrt fid) gefällt, aber t>or iljrer 
$lu$fül)rung aurikf fcfyredt , ift ber grofefprecfyerifcrje , eitle, 
feiner grau gegenüber ficf) alä ,<pelb fiir)(enbe ^ßarifer, wie 
er fpäter f)öufig t>on ber fran^öfifcrjen ßitteratur bargeftettt 
worben ift. gür ben (3d)aufpieler fonnte ein foldjer 
Gljarafter leicht jur 93rat>ourrolle auSgeftattet werben: e3 
foll aud) üDfoliere, wie mir aus bem 3Jfunbe toon 
genoffen wiffen, in biefer $Me geglänzt fyaben. 9ttan 
fjätte nid)t£ $Bortrefflid)ere3 fefjen tonnen, fagt ber eine, al$ 
bie ©ebärben ©ganarelleS , wenn er hinter feiner grau 
ftänbe. ©ein ©eftd)t unb feine (heften fpiegelten fo feljr 
bie (Siferfudjt wieber, bafe er nid)t einmal ju fpred)en 
nötig tjatte, um ben (Sinbrucf be» eiferfüd)tigften 9)tenfd)en 
fjerüorjurufen. 9ttemanb f)ätte überhaupt, je nad) ben 
Derfd)iebenen (Smpfinbungen, bie er barftetlen wollte, fein 
©efid)t fo gut 51t üerftellen gewußt at3 er. 

$er Erfolg bcS ©tüdeS war großartig. Dbgleid) ba* 
ßuftfpiel im (Sommer unb wäfyrenb ber §odföeitöfeierlidj= 
feiten beä $önig$ gegeben würbe, alfo #u einer ßett, wo 
^ßaris faft ganj uerlaffen war, fonnte eä bod) trierunb* 
breifeig 3M ben ©aal be$ Petit Bourbon füllen. 9lud) 
würbe e$ aufeerbem nod) fel)r Ijäufig in ben Käufern fjofjer 
Herren gefpielt. £)er ßönig lieft eä fid) bei feiner SRücf* 
feljr nidjt weniger benn neunmal aufführen, öfter als bie 
meiften anberen ©tücfe beä StomiferS. SDie *ßoffe galt 
alfo für ÜMiereS 3eitgenoffen ebenfouiel als ba$ ©itten* 



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— 69 — 

luftfpiet. ÜMiere felbft bürfte nidjt bie ©mpfinbung ge* 
fjabt Ijaben, bog er mit biefer $id)tung einen ^üdffcfjritt 
gemacht f>abe. 9Jfan barf fid) fein Söirfen nid)t als ein 
nad) fQftematifc^em $ßlan bewufct unb ftetig uadj einer 
SRidjtung fjinfteuernbeS Arbeiten benfen. (5r war föünftler 
unb lieft ftd) t>on feinen jeweiligen (Smpfinbungen , öon 
ben (Sinbrücfen, bie er üon aufcen empfing, unb ben ßeiben* 
fdjaften, bie fein 3nnere3 erfüllten, beftimmen, balb eine 
luftige, fyarmlofe, nur bie Unterhaltung wollenbe $offe p 
bieten, balb ein erufteä, bie ®ebred)en unb geiler ber 
3eit rügenbeä, fatirifdjeS Suftfpiel $u erfinnen. 

So glänjenb bie (Srfolge aber aud) waren, bie er 
feit feiner Stnfunft in ^ßariä batwii getragen fyatte, bie 
Greife, bie er in ben $reciöfen* angegriffen, fjatten if)m 
ieinen feefen Streid) nicf)t Derlen. Sie arbeiteten im 
füllen baran, ifjn $u öerberben. $(uf ifyre Treibereien ift 
e3 wof)l jurüdguf üfjren , bafj am 11. Oftober 1660 ur* 
plöfclid), ofyne üorfjerige $nfünbiguug , ber Cberintenbant 
ber füniglidjen <&ebäube, £err öon SRatabon, mit bem 
SRieberreißen be3 Petit Bourbon begann, $er Saal, fo 
fjieft e£, wäre für ba§ fiout)regebäube notwenbig. tiefer 
brutalen SHütffidjtSlofigfeit gegenüber war SWoliere mad)t* 
lo£. Cfjne fein $Berfd)ulben war er plöfclief} mit feiner 
ganzen Truppe aufs ^flafter geworfen. 3n biefer Sflot 
fonnte nur ber ßönig Reifen, unb er t^at eS. (Sr über* 
lie§ ber ifjm lieb geworbenen Truppe ben ©aal beS t>on 
$arbinal SRidjelieu gebauten ^ßalafteS, be£ früheren Palais 
Cardinal, jefct Palais Royal, weldjer t>on feinem S3ruber 
bewoljnt würbe. Jreilid) war biefer Saal nid)t of)ne 
weitereg benufcbar. & war eine grünblidje (Erneuerung 
nötig, ef>e in il)tn gefpielt werben fonnte. Söäljreub biefer 
$eit ftanb 9Miere fein $aum pr Verfügung. Unb 
wäre er nid)t öon &\t S u 3 cit üon f)of)en abiigen unb 



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fürftltdjen Herren aufgeforbert morben, in ihren ^ßaläften, 
„en visite", wie man bamalä jagte , fpielen, fo märe 
er gan$ unbeschäftigt gewefen. $)ie fonfurrierenben X^eoter 
bon ^ariS, ba3 Hötel de Bourgogne unb ba§ BJcaraiS* 
theater beuteten bie traurige Sage it)re§ SRitbewerberS nach 
Gräften aus unb matten feinen ©djaufpielern gtänjenbe 
9lnerbietungen. ©ie blieben if)m aber ade treu, auct) 
ütt Ue $)u ^jßarc unb ifjr 3Jcann, bie unterbeffen mieber ju 
Poliere gurücfgefommen waren. Sa ©ränge, 9ftoliereS 
erfter Siebhaber, jagt im Sftegifter ber iruppe jenes 
fchöne SBort, tDc(cr)eS ba$ glänjenbfte $)enfmal bebeutet, 
ba3 bie Xruppe ihrem $üf)rer errichten tonnte: „TOe 
<Sd)aufpieler liebten ihren (Sf)ef -äMiere. @r würbe üon 
ihnen ntd)t btog als ein SKann bon großem SJerbienft unb 
außerorbentlidjen gfäfjigfeiten bewunbert, fonbern befleißigte 
fid) ihnen gegenüber eine§ fo fer)r entgegenrommenben unb 
fo burcr)au£ ehrbaren 93enefymen3, baß fie ihn ade it)rer 
Xreue berfidjerten ; fie wollten fein ©efd)icf teilen, it)n 
niemals berlaffen, welche Mnerbietungen man ilmen 
auc^ machte, unb meiere Vorteile fie aud) anberäwo 
finben tonnten." 60 oerftridj benn auch biefe fdjwere 
3eit, ohne baß ber Gruppe 2Miere£ $u großer Schaben 
barauS erwud)§. $om 11. Df tober 1660 bis ^um 
20. Sanuar 1661 Ratten bie unfreiwilligen gerien ber 
Gruppe gebauert. 

$)er ©aal be3 Palais Royal umfaßte ursprünglich 
ungefähr brei- bi$ biertaufenb Sßerjonen. 3m ©egenfafc 
gu ben anberen Xheatent, wo ber ©oben gan$ flach war, 
ftieg er f)\tt fanft auf, fo baß bie hinteren ©ifce f)öh cr 
waren alä bie borberen. ©3 mar ber ftarbinal Richelieu, 
ber biefe banfenSwerte Vlnberung borgenommen hatte. Sin 
ben SängSfeiten befanben fich jwei übereinanberftet)enbc 
(Merien. Seiber waren bie bafelbft angebrachten Sogen 



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71 — 

einanber parallel, fo bafj bcr ßufdjauer fidj mit bem Profil 
nac^ bem ©aale festen mufjte unb bie einzelnen ficr) fort* 
wätyrenb ftörten. (5S ift möglidj, bafj bicfer Übelftanb 
aucr) mit bap führte, ba§ bie feinen Herren aus ber 
$lriftofratie ^(ä|e auf ber 93üf)ne fetbft beanfprudjten. 
äftafjgebenb mar babei natürlich) aud) ber SBunfd), bie 
©d)aufpie(ermnen, benen man gern ben §of machte, möglidjft 
na^e $u feljen. Diefe *ßlä|e in mehreren SRetyen $u beiben 
©eiten ber 93üf)ne reiften ungefähr bis sur britten ®ufiffe 
unb würben burdj eine Söalüftrabe öon ben ©djaufpietem 
getrennt ; . es waren bie teuerften beS ganzen % tyeaterS. 
Den öornefymen Herren fiel eS aber nidt)t ein, ir)re ^ßläfce 
fofort ju bebten; fie liegen ficf) ben $reiS auftreiben 
unb gar oft tyanbeften fie in redjt unwürbiger Söeije mit 
ber Sfyeaterfaffe um ein paar ©rofdjen. ©o wirb uns 
überliefert, bafc felbft ein fo f)of)er £err wie Xurenne mit 
ber Äomöbie wegen 8 & (Streit befam. Die SBüfme er* 
fjob fid) ungefähr in 3KannS{)öf)e über baS parterre, wo 
bie ßeute aus bem SSotf ficr) brängten unb frieden. Das 
^ublifum würbe nid)t, wie bei uns, öon ber 93üfme burcf) 
baS Drctjefter getrennt, DiefeS befanb ficr), wenn eS nötig 
mar, in einer oberen Soge ber ©eitenfuliffen unb war 
armselig genug, ba eS ficr) aus nur wenigen ©eigern unb 
glötenfpielern aufammenfefcte. &ucr) einen ©ouffleurfaften 
gab eS mct)t öor ber 8üf)ne. 2öar ein ©ouffleur nötig, 
fo naf)m aud) er in einer ©eitenfuliffe ^ßta|. Der SBor* 
f)ang würbe, wie bei uns, in bie §öl)e gejogen. Die 
Deforationen waren aufcerorbentiid) einfad). (Serabe bie 
im Saufe ber 3«* aufgefommene ©ttte, Sßläfce auf ber 
33ür)ne felbft ju^utaffen, rjatte eine SBereinfadjung ber De« 
foration, tyre Söefdjränfung aufs Sßötigfte üeranlafet. SSon 
s HtoltereS ©tücf en erf orberten nur brei DeforationSwedjfel : 
,Don 3uan', 7 Der «r$t wiber Söillen' unb $fod)e<. (gif 



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— 72 — 

fpielten auf ber ©trage ober auf einem öffentlichen $la$e, 
^tüölf in einem gimmer, fec^§ in einem ©arten, $arf ober 
äöalb. 3u ben £uftfpielen, wo bie §anblung fid} auf 
ber ©trage abhielte, faf> man etwa rechts ba$ $au3 ber 
einen, linfä ba£ £mu§ ber anberen im ©tücfe auftretenben 
*ßerfonen. Stödten fie einanber fprechen, fo floaten fie 
jwar an ber betreff enben Zi)üx, traten aber nicht hinein, 
fonbern liegen bie *jßerfon, bie fie f^rect)en wollten, ju ficr) 
herauSfommen. $)ag auf biefe SBeife ©ef)eimniffe auf 
off ener ©trage mitgeteilt würben, war unoermeiblicr). Sntmer* 
f)in War eine folche Einrichtung noch weniger unwahr* 
fcr)einlich als bie frühere, in ber erften Raffte Dom Anfang 
beä Qahrhunbertö übliche geteilte S8üt)ne. $>a fonnte man 
etwa linfö ba3 ÜDceer mit einem ©chtff fefjen, in ber ÜDJitte 
einen ^alaft, red^tö ein ßimmer mu e i nem ^ ett - 3u 
ßorneilleS ,IHusion comique' fah man linfS einen ^ßarf, 
in ber SKitte ein ©cfjlog unb rerf>t£ einen £ügel mit einer 
$ör)le. $>iefe Sühne fteüte an bie ^ß^antafie bie aller* 
grögten $lnfprüct)e. 28er t*om Sßalaft in ein fernem Sanb 
am Speere fliegen mugte, brauchte in ber Sßirflicrjfeit nur 
brei ©dritte, um biefe groge Steife $u machen. 9)£an 
uerfteht, bag unter folctjen Umftänben ber fRuf nach Ein* 
f)eit beä Orte« immer bringenber würbe. & ftörte t>iet 
weniger bie EinbilbungSfraft, wenn ba3 ©tücf- in einer 
inbifferenten SBorljalle gefpielt würbe, wo aHe$ mögliche 
paffteren fonnte. ©o finb e§ $um Xeil ganj praftifche 
©rünbe gewefen, welche bie Einhaltung ber jog. Regeln 
be3 &ri|totele3 für wünfchenSwert erachten liegen. 

Ebenfofefjr wie bie mangelhafte $)eforation fällt unä 
bie J)ödt)ft fümmerliche $8eleucf)tung3art ber bamaligen 
Xheaterfäle auf. fttoti Kronleuchter mit jel)n ober jwölf 
Xalglichtern, bie üon 3 e ^ 5 U 3 e ^ llut ber 2ict)tpufefcf)ere 
befchnitten werben mugten, btlbeten bie $auptbefeucr)uing. 



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— ~ 73 — 

Aud) auf ber 93üf)ne felbft unb an bcr Äuttffe maren, 
menigftenS eine $eit lang, Siebter angebracht, beren £eud)t- 
traft burd) hinten angebrachte 93Iecf)p(atten öerboppeft mürbe. 
$5a3 Rampenlicht fef)(te gan$. So jpielten bie Sd)au* 
fpieter eigentlich im £atbbunfel; ihre ©efichter mürben 
burd) ben hin unb tyx fchmirrenben ©chatten oft üerbunfelt. 
3m Saale felSft bewahrte bas ^ßublifum burdjauS nicht 
ba£ un§ bon unferen großen Theatern her gewohnte Still* 
fdjmeigen. SBein, Sonfitüren, Sitore mürben herumgereicht; 
ber Sftann mit ber ßichtpufcfchere ging tyxum, ließ bie 
dichter an Seifen herunter unb bann mieber hinauf; ba$ 
Sd)ltmmftc aber mar bie Haltung ber 3lbligen, ber ^ßagen, 
ber Stachen. 2ötr miffen, bog einmal ein gemiffer 9JcarquiS 
be ßiörn feine bönifche £ogge ins %fyatex braute unb fie 
mährenb ber Sßorfteüung allerlei Äunftftücfe machen lieft, 
ein anbermal bie Solbaten ber ßeibgarbe ben Pförtner 
beS $h ea * erg töteten, meil er ihnen ben Eintritt Oer* 
meigerte, ba fie nicht befahlen mollten. 2)a§ auch 
^arterrepublifum fef)r unruhig mar, fyaben mir bereits 
ermähnt. 

Aud) bie 3 e ^ & cr Aufführungen entfprad) nicht ben 
unfrigen. (£3 fanben nicht jeben Abenb Sorfteüungen 
ftatt. 3Roliere£ Gruppe fpielte dienstags, grettagS unb 
Sonntags ; unb jmar mürbe ein neues Stüd ^uerft am 
greitag gegeben, um an biejem £ag für ben fommenben 
Sonntag (Stimmung ju machen. $)er Anfang ber SBor* 
ftellung mürbe nach alter Überlieferung für jmei Uhr an* 
gefünbigt, thatfächlich fing man aber erft um fünf 
Uhr an, benn bie Höflinge, welche ber um jmölf Uhr 
ftattfinbenben £oftafel beimohnten unb fpäter bann felbft 
ju £aufe aßen, fonnten nicht früher im $h ea * er er * 
fcheinen. 

Poliere hoffte ben SEBieberbeginn ber Spielzeit im 



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neuen §aufe burdj bie Aufführung eines neuen ©tücfeS, oon 
bem er großen fRuhm erwartete , gan$ befonberS feftttch 
ju geftaften. (5S war eine $ragifomöbie, bie er fd)on feit 
einiger $eit fertig gefdjrieben unb ^ter unb ba oorgelefen 
r)atte : ,$)on ©arcie ober $)er eifersüchtige *ßrin^. 
(53 ift eigentümlich, baß er ficr) t>on biefer ernften ©attung 
mehr föuhm oerfpracr), als oon einem fiuftfpiet. $ßietteid)t 
mochte er benfen, baß er berufen mar, eine ähnliche (5nt* 
wieftung §u burcfflaufen wie Corneille, ber mit ßuftfpielen 
angefangen, feine größten Triumphe aber in Sragöbien 
errungen r)atte. Auch biefeS ©tücf war auf ©runb einer 
italienifcfjen Duette, ber Gelosie del principe Rodrigo 
oon ßicognini aus bem Qafjre 1654 gebietet. (53 ift 
eine ßfjarafterftubie. $)ie §anb(ung ift gleicf» 9iutt. $er 
ß^arafter beS (Siferfüchtigen, ber im SBorbergrunb beS 3n* 
tereffeö ftetyt, ift aber wenig intereffant, ba ber SBetreffenbe 
feinen ©runb ju feiner (Siferjuc^t hat. 2)ie güfjrung ber 
$anblung ift monoton unb (angweittg. $ur$, baS ©tücf, 
auf baS Poliere fo große Hoffnungen fe$te, ift grünblict) 
oerfef)lt. (53 würbe juerft am 4. 3? e & ruar ^^61 auf- 
geführt, aber bereits nad> fieben SBorftettungen mußte eS 
öoii ber 93ü^ne oerfchwinben. Am $ofe gab eS dotiere 
Später. $)ort fcheint eS nicht fo fefyr mißfallen $u haben, 
ättaßgebenb blieb aber baS Urteil ber ©tabt. (Später 
öerwenbete ber $idf)ter einige ©teilen feines mißglückten 
SBerfeS für ben 9Kifanthropen. (53 ift möglich, baß auch 
noch e tn oberer ©runb baS fallen beS ©tücfeS öerurfachte. 
$)a3 s ßublifum war gewohnt, 9ftottere in fomifchen Kotten 
$u fefjen. $ur$ üorfjer fyattt eS ihn als eiferfüchtigen 
«Sganarette bewunbert. (5r hatte burch feine unbegrünbete, 
übertriebene, fich groteSf gebärbenbe (5iferfud)t großartigen 
Öacherfolg erhielt. Unb nun ftettte er fich oen 3 u f^ auern 
in einer ernften 9Me bor, wo biefelbe ßeibenfehaft, ebenfo 



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— 75 — 

unbegrünbet, erfdjüttern imb bewegen fottte. $5er Komifer, 
ber eine ernfte SRotte, f)auptfäcf)Iicf) äf)nlid)er Slrt wie bie 
fomifcfye, fpielen Witt, fefct fid) einer großen öJefa^r aus. 
Srgenb eine Sßcnbung, irgenb eine ©ebärbe fann nur $u 
leicht an bie frühere IRoIIe erinnern. 25a« Sßublifum wirb 
auf btefe Sßeife in bie 3rre geführt. 55a« fann aucr) f)ier 
ber gatt gewefen fein. 

5lußerbem bürfen mir un« aucf) billig bie 5 ra 9 e öots 
legen : war 9ttoltere ein guter Xragifer ? Qebenfall« fpielte 
er anber« a(« bie bamaligen tragifcfyen 6cf>aufpie(er. (5r 
tjulbigte bem ©runbfafc, baß man audj im ernften ©d)au* 
fpiel öor allem natürlich fein unb bie Sßerfe fo öortragen 
müffe, wie wenn man fpridjt. gür bie bamalige tragifcfje 
*ßoefie aber, bie ganj rI)etorifdj unb patfjetifd) war, bürfte 
melleicfjt eine folcfje $ortrag«weife, bie für unfere realiftifdjen 
Dramen bie einjig richtige ift, nidjt am Sßtafce gewefen 
fein. Sebenfatt« wirb fie oerwirrt unb erftaunt fjaben. 
$lu« bem (SJrunbe finb SJioltere« 3 e ^9 eno ff en * n oer 
^Cnfidt)t einig, baß er in ber Xragöbie feine«weg« ein guter 
(Sdjaufpieler war. 

3f)tn festen aucf) baju bie förperlicfyen Gngenfcfyaften. 
Sluffattenb war ba« 9D^ifet>er^äItiti« feine« Dberförper« $u 
ben unteren Körperteilen, ©ein Kopf ftecfte ju fefjr in ben 
©futtern. @r r)atte nicfjt« 9ttajeftätifd)e« im Auftreten, 
©eine breite 9tafe, fein großer 9#unb, feine ftnnttcf)en 
Sippen paßten nicf)t für bie ©eftalt eine« tragifcf)en Reiben. 
$(ucr) fott er eine bumpfe Stimme gehabt unb fid) oft in 
ber 55ef(amation überftürjt fjaben. ©erabe bie großen unb 
unbeftrittenen $8or$üge, bie er a(« Komifer t)atte f feine 
Äunft graben au fdjneiben, fein ©eficfft ju oerfteflen, felbft 
G(ownftreic|e nid>t ju öerfctymätjen, mußten e« itjm befonber« 
erfcfjweren, in tragifcfjen Kotten aufzutreten. $tt« Komifer 
bagegen war er unübertrefflich. (Sr wud)S fo fct>r in 



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feine Kotten fjinein, baß bie 3 u W auer meinten, fie fäf)en 
ntcrjt ben ©djaufpieler, fonberu ben nrirflid) gemeinten in 
^ßerfon. (§ß ift ein ©lücf für i^n unb bie ®omöbie ge* 
roefen, baß ber Mißerfolg feiner Xragifomöbie ein fo ent* 
jdjiebener n>ar. «So nmrbe er un^oeibeutig auf bie 2Bege 
genriefen, bie ir)n jur 93etf)ätigung aller feiner Gräfte fuhren 
mußten. $)ie Qzit be3 @ucr)en§ unb SaftenS xoax öorüber. 
9hm fannte er fid) unb follte orjne 3ö(J ern ben richtigen 
2Beg einfältigen. 



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4 



IV 

Beirat und ScDulc der €be 

3n SMiereä Seben war eine neue fttit angebrochen. 
9?ad) ben 3afjren be3 SßanbernS üon Drt gu Ort in ber 
Sßrotmta, nad) ben Sauren be$ «Suchend unb £aftenS ^atte 
er enblid) in ber $auptftabt bes SanbeS 9Juf)e gefunben; 
feine Xruppe ()atte ihr eigenes §eim; feine (Schaufpieler 
liebten unb ehrten tf)n; er felbft f)atte baS ©ebiet, auf bem 
fein poetifdjeS Söollen unb brachten bie rechte Söefriebigung 
fanb, nac^ einigen 3rvfa!)rten entbeeft. SRunmet)r tonnte 
er auch an b* e ®riinbung eines eigenen £erbe£ benfen. 
(5r mar nahezu öierjig 3al)rc a(t. $aä aufreibenbe, raft* 
lofe Seben, baS er in ber ^rooiu$ geführt, bie Dielen 
©orgen, bie if)n gequält, werben ifm öor ber tyit ermübet 
haben. An ber Seite eines liebenben SBeibeS ^offte er 
bie AuSfpannung unb ben grieben $u finben, nach benen 
fich fein £erj feinte. Solche ©ebanfen werben ihm ben 
üöunfcf) nahe gelegt Ijabtn, ben er feinen ©cf)aufpielern 
um Dftern 1661 auSfprad). (Sr verlangte für fich, oen 
(Sfjef unb $>ireftor ber Gruppe, für ben gatt, bafc er 
heiraten foflte, $wei Anteile an bem täglichen ©ewinn. 
$)ie Sd)aufpielertruppen bübeten bamalS Keine föepublifen. 
Stach jeber Aufführung würbe ba£ eingelaufene (Selb t>er* 
teilt. Stafi ber (£f)ef, ber bie gange SBerantwortung unb 
bie ©orge ber Leitung tjatte, gwei Anteile befam, war 



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mefjr als billig, unb fo würbe benn bcr SBunfch 3Miere3 
anftmtb$Io§ bewilligt. 

STOit wem er beä Sebent (Slütf unb (Sorgen teilen 
wollte, ftonb unferem $)icf}ter bamalS gewiß fcr)on feft. 
3n fetner Gruppe, an feiner unb 9flabeleineS ©eite hatte 
er ein aftäbdjen heranwagen fefjen, beffen reijenbe Slnmut, 
beffen ptfanter SBifc unb beffen unleugbares Salent für 
bie S8üf)ne ilm immer mef)r feffelten unb intereffierten. 
Slrmanbe Söejart, fo fjiefj ba3 SRäbdjen, war bie um 
oiele 3af)te jüngere ©chwefter üttabeleineS. 6ie war als 
jüngfteS $inb ber gamilie SBejart ungefähr um bie $t\t 
geboren, als baS Illustre Theatre gegrünbet würbe. SBir 
wiffen aus einer amtlichen, ben ÜBer$icr)t auf bie (Srbfc^aft 
23ejartS befjanbelnben Urfunbe, baß fie am 10. 2ftär$ 1643 
noch nidjt getauft war. 8ie fcheint ifjre Äinbheit im 
ßangueboc, bei einer $ame ^öfjeren föangeS, bie aber fonft 
unbefannt ift, »erbracht $u ^aben. (Srft als 9MiereS 
Gruppe in £non feßfjafter geworben war, fanb fie — alfo 
um baS 3öh r 1653 — aud) Aufnahme in ihrer gamtlie 
unb wucf)3 unter ben ©djaufpielern , wafyrfcrjeinlid) unter 
ber befonbern £)bf)ut ihrer ©chwefter ättabeleine auf, bie 
eine wahrhaft mütterliche Siebe ju ihrem ^ßflegeftnb ge* 
habt ju ^aben fcheint. $at fie borf) fpäter au« eigenem 
Vermögen ihre Mitgift beftritten, fyat fie ihrer auch 9 Qn 8 
befonberS in ihrem Seftament gebaut. $er große SltterS* 
unterfchieb jwifchen betben ©chweftem — er betrug un* 
gefähr fünfunb^wanjig 3af)re — , bie mütterliche $lrt unb 
SBeife ihres SBerfehrS, wirb gar oielen ben ©ebanfen nahe 
gelegt höben, baß Slrmanbe nicht bie ©chwefter, fonbem 
bie Tochter SWabeleineS war. Sßußte man ja, baß 2Habe* 
leine eine ziemlich bewegte Vergangenheit fyatit. ^ om 
£erm oon 9ftobene r)atte fie auch e i nc uneheliche Tochter. 
33ei ©chauftielerinnen ift jeberjeit bie SBerleumbung rafd) 



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79 — 

bei ber £anb gewefen, um unmoralifcfye $erf)ättniffe 
p wittern; was etwa fein fönnte, wirb rafd) jur ©e* 
wijfteit; fo barf es uns gar nidjt oerwunbern, bag 
Slrmanbe m'etfacf) ben 3^itgenoffen als Softer 2KabeIeineS 
galt. SRun fjatte 9Mtere felbft früher f)öcf)ft waf)r* 
fd)ein(tcr) Schiebungen ju Sttabeleine gehabt. $)aS aßeS 
gab ©runb genug ju aflerfjanb ©erüdjten, äftutmajjungen, 
bie Don 9Jhtnb $u 3ftunb getragen unb balb oon Dielen, 
aucf) öon foldjen, bie nid)t feinblid) gefinnt waren, geglaubt 
würben. 2Mtere wirb fid) gewife barüber fyinweggefefct ^aben. 
3ftufjte bod) ein ©djaufpieler wie er baran gewöhnt fein, 
nict)t aß^uöiet auf baS ©erebe ber ßeute ju achten. $)a= 
gegen wirb er ficf) wof)t feine ©ebanfen über anbereS 
gemalt ^aben. SBar eS fiug t>on tfmt, an eine £eirat 
mit biefem $war reijenben, aber bod) redjt jungen ©e* 
fdjöpf gu ben!en ? @r fannte bie 2BeIt unb wufjte, weldjen 
©efafjren fid) ältere Sftänner auSjefcen, wenn fie ju junge 
grauen ef)elid)en. Slufterbem war Slrmanbe jiemlid) frei 
auf erlogen worben. 8ie war ein jtt)eaterr1nb ; hinter ben 
5htliffen war fie aufgeworfen unb tyatte wof)l manches 
gefefjen unb gehört, wag man gemeiniglich nictjt für 
ein junges 3ttäbdjen für paffenb erachtet. Sarg eine 
foldie Srjie^ung nid)t aud) ©efafyren für bie gufunft 
in fidj? 

$)iefe ©ebanfen über grauenerjiefjung werben ir)n 
wof)I unabläffig befd)äftigt ^aben, als er an bie $luS* 
arbeitung eines neuen SßerfeS für bie Söüfjne heranging. 
(Sr f)atte Vereng gelefen unb in feinen $lbetyl)i ein ©türf 
erfannt, weldjeS baS Problem ber GSrjiefmng ber Sugenb 
im $luge fjatte. $war Rubelte eS fid) um junge Sflänner, 
unb bie grage, ob eS beffer wäre, burd) ÜJälbe unb 
grcunbltcr)feit ober burd) gurdjt unb (Strenge auf bie 
Sugenb gu wirfen, erhält infofern feine befriebigenbe 23e* 



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antwortung, als bie jungen ßeute, bie oon if)rem $or* 
munb ober $ater auf gan$ entgegengefefcte SBeife befjanbelt 
werben, alle beibe $augenicr)tfe finb. Sftidjtsbeftoweniger 
gab gewijg bas tateinifcf)e Stücf Poliere bte Serantaffung, 
ficf) aucr) mit bei* grage ber (£rsief)ung in einem Sfjeater* 
ftücf ju befcrjäftigen. Serjon einer feiner Vorgänger um 
bie SBenbe bes XVI. ober XVII. 3af)rf)unberts, Sariöet), 
f)atte in feinem Suftfpiel ,$>ie ®eifter' bie grage geftreift, 
aber ebenf owenig wie Serena ju geigen t>ermocr)t, baft 
freunblidfje 9flilbe in ber Qünglingserjierjung wefentlid) 
beffere (Srgebniffe liefert a(£ unfreunblicf}e Strenge, dotiere 
na^m bie grage noc ^ einmal auf, aber er gemattete fie 
infofern m'el intereffanter, als er ba3 Problem auf 9Käbcr)en 
übertrug. $)a bie grauen im allgemeinen tuet weniger 
93erDcgung§fretr)eit t)aben als bie Männer, ift ber ©nflufj 
ber (Sr^ieljung bei ifmen nod) t>iel größer. $>ie perfönlidjen 
»ünfdje, bie ben ^td^ter felbft um biefe 3«t befestigten, 
werben gewife mit bap beigetragen tjaben, bafc er bas 
Problem fo öerfcfjob, namentlich, bafc er bas Problem ber 
(5r$ief)ung 5ur ® a 1 1 i n in ben Sßorbergrunb fteüte. (£>cr)on 
ber Xitel, ben er feinem Stücfe gab, bie ? Scf)ulcber@f)e* 
mann er* (l'Ecole des maris), jeigt, worauf es ifjm üor 
allem anfam. Qmti 33rüber, Grifte unb Sganarelle, f)aben 
ben SBunfct) eines greunbes, oer ^ nen au f oem Sterbe* 
bette feine beiben Xörfjter jur (Srjieljung anöertraut, erfüllt, 
unb 3fabeüe unb Seonor bei fidj auferjogen, augleicr) mit 
bem |>intergebanfen fie fpäter ju erjeticfjen. $)ie beiben 
Sörüber befolgen aber eine ganj entgegengefe^te (Sr^etjungs* 
metfjobe. $)er ältere, majgooö unb vernünftig benfenbe 
Grifte ift ber 2tnficr)t, baft man bie 9ttäbcr)en am beften 
gur £ugenb erjiefjen werbe, wenn man fie nicr)t ängftlicf) 
öon ber Stufcenwett abfcfjliefje, fonbem frei unb ungeftört 
auc^ mit jungen beuten üerfetyren laffe. 9ticfjt mij$trauifcr)e 



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©eoormunbung , Stiegel imb ®itter rufen bie Xugenb bei 
ftrauen unb 3Räbchen ^eröor; „biedre ift e3, welche fic 
in ber Pflicht zurückhalten muß." Sluch tyit et nichts 
bagegen, baß fie fidj f^übfc^ fleiben, baß fie »ätte unb 
©efellfchaften befugen ; er befleißigt fid) eine« freunblichen, 
ftetS liebenSttmrbigen $one3, trenn er mit feiner Pflege* 
tocfjter fpricht. <$an$ anbera ©ganarelle. @r ift gföar 
jünger ttrie fein ©ruber, aber mürrifch unb unfreunblid), 
er leibet feinen äBtberfprucf} , ift bon fid) felbft unb ber 
SBortreffüdjfeit feiner (£räiehung3methobe eingenommen unb 
madjt fid) fortwährenb luftig über feinen älteren ©ruber, 
ber nadj feiner Anficht bie größten Dummheiten begebe; 
feine W)opixoto<i)ttx hält er ftreng ju $aufe, leibet nicht, 
baß fie allein frieren gehe, junge ßeute fenne unb auf 
ihre Xoilette ad)te. 

2Ba3 ift nun baS (Ergebnis biefer öerjc^iebenen 9Ke* 
tfjoben ? Griftes Pflegetochter fieonor liebt ihren ©ormunb 
Zärtlich unb t)ä(t fidj in Qvufyt unb (Styren. ®anj anberä 
Sfabeüe! ©ie ift eine ganz burchtriebene $ofette unb 
betrügt ben armen ©ganarelle, bem fie forttoährenb fdjön 
tlmt, um Upi in Sicherheit zu wiegen, auf gerabeju teuf* 
lifdje ^Crt. ©o ift benn üMiereS Sfafidjt ganz flar unb 
beutlich. Stur 3ttilbe unb greunblic^feit, nur bie größte 
2freif)eit fann bie grauen jur $ugenb erziehen, unb mir 
erraten leicht, lote perf online 2Bünfd)e unb Hoffnungen 
feine $lnfid)t beftimmen unb leiten, $lud) $rmanbe mar 
wie Seonor oon if)m, bem älteren 2Rann, ber feine $n* 
fixten burd) ^Crifteö äftunb funbgiebt, in aller greifet 
auferzogen toorben; man ^atte fte nicf)t uor ^efeUfc^aft, 
Unterhaltung, ©ällen unb $omöbien ängftlid) zurücfgehalten, 
man hatte tf>r wohl erlaubt ihren Steigungen nachzugehen 
unb für ihre Toilette auszugeben, wa$ fie wollte. Unb 
3Miere legte £6onor bie Sßorte in ben ÜJhmb, bie er 

SdnieegauS, 9Holi*te. 6 



Di 



Don Hrmanbe &u hören ttmnfd}te unb ^offtc, er lieg fie 
gerabe$u auäfprechen, bafj fic ben faben Komplimenten 
junger ©eefen bie fixere unb ruhige Siebe eine« ©reifes 
üorjie^e. Unb SMiere mochte benfen: wenn ein junge§ 
äftäbchen fdjon fo öon einem ©reifen fpräche, ber um fie 
anhielte, fo fönnte man um fo eher erwarten, bafj e£ 
einen äRann in ber Sotlfraft ber Safjre glüeflich gu machen 
bereit fein mürbe. 

©o ftefjt benn bie ,©djule ber (Seemänner 4 im engften 
SerhättniS ju SMtereS eigenem Seben. SUS tomöbie 
gehört ba£ breiartige, in Herfen getriebene ©tücf jur 
©attung be3 ©ittenluftfpiete. (Ed ift lote bie meiften 
Stüde unfereS $)uf)ter3 gan$ einfach gebaut. 3)ie wichtige 
Jrage, um meiere ftd) ba3 fiuftfpiel bref)t, ift fräftig in ben 
Sorbergrunb gerüeft 3)ie Sntrigue befte^t nur ans lojen 
©treiben, tr>elct)e Sfabefle erfinbet, um ihren SBormunb ju 
hintergehen unb mit if)rem geliebten Malere ju berfehren. 
SMiere felbft gab bie föotte be£ Sganarelle, nict)t etwa 
bie ^otte be3 Grifte, ber feine ©ebanfen auSfpricht. 2>er 
$upu3 be3 Sganarelle, beä befchränften , argmöhnifchen, 
eitfen, aber ftetö betrogenen SöürgerS ift feine eigentliche 
Schöpfung. 2Bir werben biefen tarnen, ben er wohl er= 
funben fyat, noch manchmal finben. 3m ,Unbebachten' unb 
in ben $reäöfen' war er noch & cr ,9JcaäcariÜV, ber luftige, 
burduriebene Liener. S3ei reiferem 5Uter fcheint er ben 
£topu3 be3 ©ganarelle für fich erbaut gu höben. Sluch 
in biefer §toftcht folgte er bem Seifpiel ber italienifcfjen 
Äomöbie, wo bie einzelnen ©djaufpieter unter bem gleichen 
tarnen, balb al§ Scaramucci, SBeltrame, ^antalone ober 
Sörighetta auftraten. 

5)ie ,©chute ber (Ehemänner 4 mürbe am 24. 3uni 1661 
Suerft im Palais Royal aufgeführt; hirje ftzit barauf 
würbe eine Aufführung oor bem £ofe beranftattet , unb 



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— 83 — 

bis in ben September hinein fyzlt ba3 ©tücf an allen 
$orftettung3=9tocf)mtttagen bag Xfjeater gefüllt. 

Söenn bie ,(5dmle ber (Seemänner' nicf)t einer befonbern 
3eit angef)örenbe, fonbern allgemein gültige $erl>ältniffe 
im $luge fjat, fo fotlte baä nädjfte fiuftfpiel SMtereS gerabe 
nrie bie ,2ädjerlid|en ^ßreciöfen* tt>iebemm bie (Bitten ber 
©egenwart auf bie SBüfyne bringen unb fräftig fatirifieren. 
3)e3 Königs ginan^minifter gouquet, melier gerne ben 
&llmäcf)tigen unb ®rojjarttgen fpielte, fjatte im $luguft 
beöfelbcn 3af)re3 ju (Sfiren feiner äftajeftät ein tyvxlityä 
geft in SBaur. öeranftaltet. $)er Äönig unb fein 23ruber, 
bie Königin SJhttter unb ein jaf)lreicf)ea ©efolge begaben 
ficf) borten. Um ben Ötfana be£ gefteS §u erhöben, fyatte 
gouquet aucf) TOoIt^reö Gruppe nacf) SBauj fommen laffen, 
unb ber SDidjter tjatte ein originelles Unterf)altung3fpiel 
in- ber furjen Qiit öon öier$ef)n Xagen erbaut, öerfafct 
unb einftubieren laffen. 9lacr) Söeenbigung be£ geftmaf)le8 
begab fidj bie gan^e ($efellfcf)aft in§ greie. Unter einem 
Saubbacf) hatte man eine reijenbe 93üfme hergerichtet. Um 
ben (Sinbrucf be3 Unvorbereiteten roachjurufen, trat 9Miöre 
im gewöhnlichen 9ln$ug, ben 33eftürgten fpielenb aufs 
^rofcenium unb tuanbte fiel) in groger Aufregung an ben 
$önig, inbem er feine Üftajeftät bemütig bat, bocf) öer$eihen 
ju wollen, baß er, burd) ben plö^lic^en SBefeljl überragt, 
feine 3 eit 9^ a ^ *) a & e r oa ^ Spiel, ba£ man ju erwarten 
fcfyeine, einjuftubieren. darauf tr)at fich ber Vorhang auf. 
9ttan gewahrte einen mit $h ermen un0 Springbrunnen 
gefcf)mücften ©arten. $(u3 einem geifert , ber ficf) a(^6alb 
in eine Schale öerroanbelte, trat eine Sßajabe tywox. 3n 
pomp^ften, öon $errn s ßeliffon gebichteten $lleranbrinern 
toanbte fie fidj an ben $önig unb fang in entf)ufiaftifcf)en 
#u8brücfen fein 2ob. darauf forberte fie bie Saune, 
3)rt)aben unb Satnren auf, aus ihrem Söerftecf au§ ben 

6* 



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Säumen imb Hermen hettwr$utreten, ju (Streit beS großen 
ÄönigS -üjre gewöhnliche ©eftalt $u berlaffen unb eine 
Äomöbie $u feiner Unterhaltung ju infeenieren. ©rft nach 
biefetn Prolog begann baS ßuftfpiel, in brei furjen, t»on 
je einem Saßet unterbrochenen Slufaügen. ,$)ie Saftigen* 
(les Fächeux) war eS betitelt; eS fteüte einen jungen 
(Sbelmann bar, ber feiner beliebten in einer Slttee ein 
©teflbichein gegeben fyat, aber fortwährenb öon allen 
möglichen fieuten öerhinbert tuirb fie ju fpredjen. $lber 
fo föftlicf) ber £umor auch x ft* m ^ & cm Stottere ben 
armen (Sbelmann, ber bor Ungebulb fich faum benähmen 
fann, ficf> balb gegen feinen Liener, balb gegen biefen ober 
jenen 3JtarquiS, gegen tarnen au$ ber ©efeUfcffaft ober 
gute greunbe wehren läfjt, bie ihn burd) ihre ©efälligfeiten, 
burch ih** Sitten ober Sttitteilungen fortwährenb ftören 
unb äurücffjalten t bie ^auptfadje an bem Stücf ift bod) 
bie üortreffltd)e Satire ber jeitgenöffifdjen (Sitten. 3n 
biefer ^infidjt finb bie ,&äftigen* eine gortfefcung ber 
,2ädjerlid)en Sßreciöfen'. Unter ber 2Jta3fe eines Dieners 
hatte 2Mtere bereit« bort bie 9JtarquiS, mit ihrem grofc 
thuerifchen unb zugleich pimperlichen SBefen, mit ihrer 
<Sud)t, burch litterarifcheS Dilettantentum unb gecfenhafteS 
Auftreten ben Damen ju imponieren, oerfpottet. 3e£t 
brachte er fie mit noch größerer ^eefhett im eigenen @e* 
wanbe unb unter eigenem tarnen auf bie Sühne. Da 
fehen toix ben eiteln SÖhififbilettanten , ber ein Dablieb 
gebidjtet unb eS burdfyauS mitteilen will; wir gewahren 
ben Spieler, ber fo leibenfdjaftlich bei feiner Sßifetpartie 
gewefen ift, bafc er oon nichts anberem mehr fpredjen fann; 
wir crbliden ben Duelliften, ber fid) eine ©hrenfadje auf 
ben $atS gelaben unb feinen greunb aufforbern will, ihm 
als ßeuge beistehen; wir fyoxm oon bem unoerfchämten 
^h^aterbefucher, ber burch fein lärmenbeS Auftreten bie 



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— 85 — 

gan$e Serfammlung ftört unb ba« <Stücf unterbricht; unb 
bamit auch bog fdjöne ©efd)fed)t nicht ju hirj fomme, 
lernen wir auch $wei preciöfe tarnen au« ber ©efellfchaft 
fennen, welche fid) unb anberen ben $opf über bie mistige 
fjroge ^erbrechen, ob e«, beffer fei, trenn man liebe, eifer* 
füd^tig $u fein ober nicht. 211« Überbleibfel au« ber alten 
Äomöbie ragt auch bie ©eftalt be« Gelehrten in ba« Stücf 
hinein, welcher mit einer 93ittfcf)rift über ortf)ograpf)ijd)e 
Reform ben ßönig burchau« beläftigen will. 

$8on unferm mobemen Stanbpunft au« fönnte man 
fid) wunbern, baß äMtere, ber bürgerliche Scf)auf|rieler 
e« wagte, oor bem §ofe bie fomifchen (Eigenheiten be« 
Slbete bem Spotte freizugeben. Sin gemiffer 2Kut gehörte 
auc^ 9etntg baju. 2ttan barf aber anberfeit« nicht über* 
fef)en, baß er bamit bem Äönig felbft ben allergrößten 
Gefallen tfjat. SJhir wenige Salpre waren feit ber gronbe 
öerftridjen, wo ba« Königtum fid) gegen ben legten 9Infturm 
arjftohratifd^cn Unabhängigfeit«brange« $u wehren gehabt 
f>atte. £ubwig XIV. war jebe Gelegenheit ttriflfommen, 
bie ben Stol$ unb £od)mut be« Slbel« $u bämpfen vermochte. 
$a« wußte 2Mtere mof)l, unb e« tft recht bejeichnenb, 
baß er in feinem Stüd ben einen äJcarqui« auf bie $uf* 
forberung feine« greunbe« ty n > er mö 9 c ^ m ^ Sefunbant 
ju ftienften fein, eine runbe Slbfage erteilen läßt. Seit 
Richelieu war ja ba« in ber Slriftofratie fo fehr beliebte 
3)ueü oom Äönig unter ben ftrengften ©trafen verboten. 
SBierjehn Sof)^ f° fagt ber SBetreffenbe, fyabt er al« Solbat 
c^ebient ; an 9ttut fehle e« ihm nicht ober bie erfte Pflicht 
fei ©ehorjam gegen ben $önig. @r fei fein Monarch „en 
peinture" unb wiffe bie Größten feine« «Staate« jum Ge* 
horfam ju zwingen. Solche äöorte mußten bem felbft* 
bewußten jungen tönig befonber« fchmeidieln. So fanb 
benn auch b°3 Stücf bie oollfte ßuftimmung be« $önig«. 



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9cad) ber Vorftellung rief er nod) ben Sichter fid) mtb 
machte if)n auf einen (Sbelmann aufmerffam, ber eine ganj 
befonbere 2eibenfd)aft für bte 3agb fjabe unb nur üon 
SBaibmannS^benteuern $u erzählen wiffe. „SaS fei ein 
Original, baS autf) beS SlbfonterfeienS würbig fei." Poliere 
ließ fid) baS nicht jweimal Jagen, unb als er neun Sage 
barauf auf beS Königs befonberen SBunfd) fein Stürf noch* 
malS in gontainebleau aufführen burfte, war eine neue 
Sceue fertig, in ber ein für baS SGBaibmerf eingenommener 
GMmann mit ben technifdjen SägerauSbrüden t>on einer 
£irfchjagb in allen Einzelheiten berichtete. Sie &bligen 
fdjeinen ilmt bamalS feine Spötteleien nod) nid)t übel 
genommen $u haben. Vielleicht betrachteten fie eS gewiffer* 
maßen als ©hre, ben Stoff jur Unterhaltung beS ÄönigS 
$u liefern. Slußerbem waren fie jum großen Seile ju 
flug, um nicht $u merfen, baß fie fid), wenn fie ihren 
Unwillen gezeigt hätten, baburch auch fü* getroffen befannt 
hätten. Viele follen fogar ben Sichter auf bie Eigenheiten 
beS einen ober anberen aufmerffam gemacht unb fich weiblich 
gefreut höben, wenn er ihre SBinfe gut ju verwerten wußte. 
2lber nicht bloß ber §of fanb großes (Befallen an bem 
fleinen Stüde; baß auch fad)öerftänbige fiiiteraten feine 
Vebeutung erfannten, feljen wir aus einem Briefe Lafontaines, 
welcher ber Vorftellung beiwohnte. (£r macht auSbrücflich 
auf baS litterarifch 9teue eines berartigen Stüdes auf* 
merffam. Sie alte ftomöbie, fagt er, fei jefct üerbrängt 
burch eine neue, welche ber ÜRatur auf bem 5 U 6 C folge, 
b. h- oie Singe fo barfteöe, wie fie wirflid) feien. 

Srofc ihres glänjenben Erfolges würben ,Sie Saftigen* 
nicht fofort in s JSariS aufgeführt. SaS Jeft ju Vaur. ^atte 
ein trauriges 9tod}ftnel. Schon lange war bem ftbmg 
fra* großthuerifche ©ebaren unb ber foloffale Slufwanb 
feines 511 felbftbewußten ginanjintenbanten juwtber. <£r 



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roollte nicht, roie fein Vorgänger, einen allmächtigen Üßinifter 
neben fich f)aben, ber ben ©lan^ feiner ^ßerfon oerbunfelt 
hätte. (5r liefe gouquet oerf)aften unb in« (Gefängnis 
werfen. 35urcf) bie Aufführung ber ,Säfttgen' an baä geft 
$u erinnern, roeldjeS ber Gefallene bem $önig gegeben, 
roäre unflug geroefen. Unb fo gab benn SMtere erft im 
©pätf)erbft, als im Iftooember bem $önig£paar ein SDaup^in 
geboren roar unb greube am $ofe unb im £anbe ^errfc^te, 
fein ©tücf oor bem ^arifer ^ßubtifum. 

$ur$e $eit barauf würbe unfereS Richters (Sntfchlufj, 
$u heiraten, ausgeführt. 5lm 20. gebr. beS 3af)reS 1662 
fanb bie Trauung ftatt. 5lm fjcftc nahmen auch 9MiereS 
SBerroanbte teil, ©ein SBater unb ©cfjroager unterfcfjrieben 
ben (^ertrag. Auch biefer Umftanb jeigt beutlich, bafj 
für bie SBerroanbten fein Zweifel über bie |jerfunft ArmanbeS 
obwalten fonnte. Übrigens bezeichnet in aller gorm ber 
S^öertrag äMiereS, Slrmanbe als bie $ocf)ter beS Sofeph 
236jart unb feiner grau £eroe. SBMr höben feinen ftich- 
faltigen ®runb, an feiner Echtheit ju jroeifeln. 2)afe eS 
trofcbem an folgen nicht fehlte, bie an baS äRärchen oon 
SlrmanbeS gerfunft glaubten, barf uns nicht rounbern. 
©fanbalfüdjtige f)at eS immer gegeben. 

s 2lrmanbe roar jroar feine f)aftorragenbe (Bc^önfjeit ; 
fie roar oon mittlerer gigur ; ihre 5lugen roaren f lein, i^r 
SRunb grofc — aber nach allem, roaS bie geitgenoffen be= 
richten, zeichnete fie fich burch 9 an 8 befonbere Slnmut aus. 
3n all ihrem Xfmn benahm fie fich f° flwgiöÄ, fie roujjte 
fich auc *) fatö m ^ folchem ©efchmacf ju fleiben, roenn auch 
faft immer im ©egenfafc jur ^errfdt)cnben Sflobe, ihre 
©timme roar fo be^aubernb, fie roar fo pifant in ihrem 
Auftreten, fo geiftreich in ihrer Unterhaltung, bajj fie fofort 
bie Augen, namentlich ber üttännerroelt, auf fich 
fie heiratete, roar fie noch nidjt öffentlich a ^ ©chaufpielerin 



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aufgetreten. *äbtt cS lüirb wof)l gan$ gewifi bamalS 
SDMi&re fcfjon (Gelegenheit gehabt Mafien, ihr Stalent $u 
erfennen. ©ie trat auch noch nicf)t fofort nacf> it)rer £eirat 
auf. 2Bir werben fie jum erften 2M in einer SRotte ber 
,Ärittf ber grauenfdmle' finben. $odj mag bereits je$t 
oorauSgefducft werben, baf* ftc ein ganj ^eröorragenbe« 
Xalent gur Söüfme befafc. Namentlich, wenn fie mit ihrem 
Partner, bem erften ßiebhaber, fpielte, foll fie, wie bie 
3eitgenoffen mehrfach erzählen, entyücfenb gewefen fein. 
„®ie ^eic^nen fid} burd) ooflfommene SÄatürlichfeit aus," 
f)ei§t eS öon ilmen, „wenn man fie einmal in einer SRoffe 
gefe^en f)at, fann man nur fie in ber Stoffe fefjen; fie 
rufen öoffftänbige Sffufion fyütoox; ihr ftummeS ©piel ift 
fo richtig, fo auSbrudSöoff, fo fein unb pathetifd} zugleich, 
bafj eS gan$e Xiraben aufwiegt, diu öergeffen fie bie 
(Situation, in ber fie fidj befinben, nie laffen fie ihre ©liefe 
aus Sangeweile ober ftofetterie in ben 3 u f^ auerraum 
fdjweifen; ifjr ©piel bauert noch, wenn ihre Stoffe $u (Snbe 
ift; fie machen ftd) nie unnüfc auf ber Sühne unb fpieten 
faft ebenfo gut, wenn fie hören, als wenn fie fprechen." 
(Sine ©chaufpielerin öon folgen gähigfeiten mufjte ben 
grojjen Äomifer entwürfen. äBeldje Söonne, in ber grau, 
bie man liebt, auch baS 3beal feines Berufe« *u finben! 
60 wirb er fid) gebaut fyabtn. Unb boch fotttc biefe 
grau baS Ungtüd feines fiebenS werben. SEBir h a & en 
offen ®runb, gu glauben, bafj Sttoltere, ber gro&e ÜRenfchen* 
fenner, auch roenn er burch bie Siebe oerblenbet war, nid)t 
lange nach & er $«rot begann, bie gehler feiner grau $u 
erfennen. 2)er SllterSunterfchieb wirb ihm befonberS 
benfen gegeben fyabtn. Unb bann bie frwole tofetterie, 
bie fie nicht oerbergen fonnte, biefe Sucht allen $u 
gefallen, baS SBebürfniS fich oon allen bewunbem $u 
laffen. 



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— 89 — 

2>af$ SRoltere aud) in bcr crftcn «Seit fetner (5f)e nic^t 
ba£ öoße @IM gefunben hat, gefte^t er un3 eigentlich, 
olrae es $u motten, fclbft ein. <£r mar burd) unb burd) 
£>id>ter. Unb ma3 if>n in feinem 3nnem befctyäftigte, 
quälte, nmrmte, bog mufcte er in einer 3)id)tung aus* 
fpredjen. 3h m bed^alb t>or jumerfen, baß e3 ü>m an SBürbe 
fehlte, mit er $)inge bem großen *ßublifum anüertraute, 
bie er im 3utereffe feiner gamilienefjre beffer für fid) be= 
balten hätte, tyeifjt bie SDtd^tcrfecIe öerfennen. 3)er dichter 
muß fein |>erj auSfdjütten; er fann nid)t anberä; unb mir 
haben aßen (Srunb uns borüber ju freuen, wenn mir 
in baS Snnere ber £)id)terfeele auf biefe Slrt (Sinbluf er- 
halten. 

£ie grage nach ber beften (Sraiefmng ber Sttäbchen 
jur ©fje ließ ihm feine SRuhe. (5r hatte in ber -KoDetten* 
fammlung feines 3 c ^*9 eno ff cn ®corron eine <$efd)id)te ge* 
lefen, in ber ein fpanifdjer (Sbelmann, ber nad) abenteuer* 
ttcf>ein, bem ßiebeSgenuß ergebenen Seben nunmehr heiraten 
miß, um fcor Betrügereien feiner fünftigen Gattin ftcfyer 
$u fein, in aller ©titte beS ftlofterS, auf bem ftmbe, ein 
ÜRäbdjen aufziehen lägt, ba« er ängftiid) tum jebem «er* 
fef)r abfließt. 3e bümmer unb unroiffenber fie ift, eine 
befto beffere grau roirb fie werben, fo hofft er juoerficht* 
lidj. 3u ber £ocf)3citänacht fytät er if)r erbauliche fRcben 
unb ftrenge ^ßrebigten; er lehrt fie, baß e$ bie ^eiligfte 
Pflicht einer guten grau fei, ftetS mit $elm unb Sßan$er 
bewaffnet, bie SRadft ^inburc^ an ihres ättanneS Sager ^u 
wachen, um feine (Sljre $u behüten, ®o tfjut auch bie 
junge grau. SUd aber ihr ättann öerreift, macht fie burd> 
öermittelung einer Sitten bie 93etanntfd}aft eine« SünglingS, 
ber ifjr nad) einiger 3 e ^ «ibcre, angenehmere $lrt 
be£ SiebenS beibringt. 

J)iefe SRo&eHe f> at äRoltere feiner neuen Äomöbie, 



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ber jgrauenfcfjute' ®runbe gelegt. $fad) Slrnofyfje 
t)at ein bewegtes 2eben hinter fid^ , er fyat felbft gar 
manche Liebesabenteuer gehabt, er weife, baft bie grauen 
bie ©f)re ifjrer ättänner oft nur $u leicht nehmen 
unb modjt fidj gern luftig über bie $u gutmütigen unb 
tf)öricf)ten ©Regatten, bie fid) baS alles gefallen (äffen. 
@r f)at fid) oerfdjworen, nicf>t in benfelben gefjler gu per* 
fallen, hinter ben SRauem eines ftiüen ®lofterS fjat er 
ein 3ftäbd)en, beffen (Srjiefjung if)m aufgetragen worben ift, 
in toflftänbiger Unfdjulb aufjie^en laffen. $gneS, fo Reifet 
eS, ift ein gutmütiges, ooUftftnbtg l)armlofeS unb naioeS 
9Mbcf>en geworben. SUfo ift eS gan$ nadj feinem SBunfd) 
ausgefallen. @r nimmt eS in fein $auS unb f)at feine 
greube an bem braoen ©efdjöpf, weldjeS feine ftzit bamit 
oerbringt if>m 9tod)tljemben unb @d)lafmüfcen ju näfyen 
unb ju ftttfen. $ber wäfjrenb einer SReife, bie er fur$ 
oor feiner #eirat unternommen, lernt SlgneS oon iljrem 
SBalfon aus einen jungen 9ttann, £orace, fennen, ber if)r 
perft nur oon ber (Strafte aus ben £of madjt, aber bann, 
bind) eignes Jreunbltcfyfetr, bie ja oon nicfjtS Sööfem weift, 
aufgemuntert, breifter wirb unb ifjr SBefudje abftattet. @r 
gefaßt ifjr ungemein, er ift fo liebenSWürbig, er füftt ifjr 
|>änbe unb Sirme, geftefjt ifjr in feurigen SBorten feine 
Siebe. 2)ie gute SlgneS fjat nodj nie fo freunblidje SBorte 
gehört; ein gan$ neues ßeben bricht für fie an. BIS 
Ärnofyf)e oon ber töeife jurrürf f efjrt , f)ört er biefe tym 
red)t fatale ©efdndjte aus bem äßunbe beS £orace felbft. 
$er junge SRann weift nämticf) nicfyt, baft Ärnolpfye ber 
böje, eiferfücfyttge Söormunb beS SttäbdjenS ift, bem er ben 
£>of madjt. $>enn Slrnolpfje Ijat, um fid) ben 9(nfd)ein 
eines flbltgen $u geben, ben Flamen eines $erm be la 
©oucfye angenommen, — eS ift bieS ber erfte Angriff 
2)foltereS gegen bie bieberen ©pieftbürger, bie eS ben $or* 



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91 — 



nehmen gleich machen wollen, — unb nur unter biefem 
tarnen fyat §oroce öom SBormunb gehört, ©o erjagt er 
it)m benn alles. Slrnolphe fdjämt fich triel ju fefjr, ihm 
ein$ugeftehen , bog er felbft ber bärbeifeige ©rieSgram ift, 
auf ben er fdjitt Slud) fpfft er, toenn er fich »erftellt, 
am atterbeften ben ©treiben beä $>orace üorbeugen ju 
tonnen, liefen fefjr beluftigenben (Sebanten eines ßiebenben, 
ber fich {einem Ornaten anvertraut, fanb Sftoliere in ber 
italienifchen ©ammlung Sßecorone be$ ser Giovanni fio- 
rentino; auch in ben Notti faceziose Straparola'S ^atte 
er litterarifdje öe^anblung erfahren. Unb wie in biefen 
gellen, fo nüfct eS auch in ber $omöbie nid)t bem 
Älteren, bie ©treibe beS jüngeren ju erfahren. $)ie 
SRaiüetät ber SlgneS crrucift fid) gerabe &erf)imgni3öott. 
3n aller Unfchulb erlaubt fie bem (beliebten Vertraulich* 
feiten, bie fie bei einiger Kenntnis oon ®ut unb SBöfe 
nicht geftatten mürbe. Sie lägt ifjn in if)r 3immer, ocrftccCt 
Ü)n oor $rnolph* in einen ©cf)ranf, nrill if)m 9£acf)t$ eine 
ßeiter ^erunterreic^en, baft er burd)$ fünfter hineinfteigen 
fönne. Strnolphe fdjäumt üor 3But. $lle feine Sßrebigten 
unb Ermahnungen, feine befehle unb Verbote, felbft feine 
toirfliche Seibenfehaft für Slgneä prallen an it)rer grofc 
artigen Statoetät, bie $ur gefäfjrlidjften Schlauheit wirb, 
ab. 3ö/ fie liebt $orace mehr als irgenb jemanb in ber 
Söelt, fie geftefjt eS ihm ganj ruhig $u, roenn er fie fcffilt 
3tnei SBorte öon $orace vermögen bei if}r loeit mef)r als 
aU fein langet unb bringenbeS ©erebe. <5o fommt eS 
benn beinahe $ur Entführung. 3m legten Slugenblicf nur 
befommt Slrnotyh* &gneS noch in f einc öewolt, unb fie 
würbe für #orace für immer verloren fein, roenn fich nicht 
plöfclich burch eine recht untoahrfcheinliche ßöfung herauf* 
fteßte, bog fie gerabe öon ben Eltern bem §orace be* 
ftimmt ift. 



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$a£ Problem ber ^raitener^te^ung wirb in biefem 
©tütfe gerabe fo gelöft wie in ber ,Sd)ule ber (Seemänner'. 
SBer bic 2Räbd>en einfd)lie&t, Don bem Verfe^r fernhält, 
wirb fic nie ju tugenbf>aften grauen ergießen. Sin ÜWann 
wie Slrnofyfje tt>ut gerabe bas, was 9Mtere für bie gröftte 
Xf)orfjeh fjält. $ro$ biefeä grunblegenben (SegenfafceS $u 
SRoltöreS #nfcf)auungen in SlrnofyfjeS SBefen, finben wir 
bod> bei if)tn einige $u$f$>rüd)e, weldje be* 2)id)ter8 innerfte 
©ebanfen unb 8u3fprücf)e wieberfpiegeln. 9facf) ÜBtoltere 
fjatte feine fünftige fycan feit if)rer $arteften Sugenb bei 
fid) aufer$ogen. &ud) er f)atte gehofft, tfyren £f>arafter 
üottftänbig nad) feinen ©ebanfen $u formen unb ju mobein. 
3Bie Slrnotyfje wirb er Ijaben aufrufen fönnen: 

„SBo fänb' idj jemals eine beff're ftrau? 

©an$ tote mir'8 gut bünft, »erb* iö? ifjr ©emüt 

Regieren; tote ein Stödten wei<f>e$ 3öacf)£ 

§aU' ic$ unb forme fie, tote mir'* gefällt. u HI* 

Slber fd)on balb nad) ber $eirat wirb er eingefefyen 
fjaben, bafj trofc 9lrmanbe3 Sugenb i(>r Sfjarafter eine gan$ 
beftimmte, feinen Neigungen wiberfprecfyenbe #ttcf)tung ein* 
nafjm. 3f)m $u fiiebe, ifyr fofetteS, gefaQfüd)tige£ SBefen 
ju änbem, wäre if)r aud) niemals eingefallen. Äuf feine 
©rmafjnungen ging fie nid)t ein. 3ttod)te er fie nodj fo 
leibenfdjaftlid) lieben, fie gab if>m nidjt bie Siebe wieber, 
bie er if)r entgegenbrachte. Unb fo motten benn fdjon 
bamalS fofdje SBorte ber Verzweiflung feinem Snnerften fidj 
entringen, wie fie Slrnolpfje au3forid)t: 

„2Bie! ffätt id) fie mit fo öiel 3artlid)!eit, 
®o forgfidj mir erlogen, — - fie als $inb 
3n8 §au8 geführt, bie fdjönfte 3 u * un ft m * r 
©etrftumt, — mein §erj an ifyrem jungen SReij 
©rfrifdft, unb breijelm ^afjre lang gehofft 
©ie mir Ijeranjubüben — unb nun fommt 



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— 93 

<£tn junger ®e(f, in ben fie ftdj öernarrt, 

Unb fttcljlt redjt unter meinem ©orte mir 

$ie Ijalb fäon anoermft^te »rout? . . . IV 1 

Unb UMtere mochte bei folgen ©ebanfen bitter 
tadjen über fid) felbft, über feine jerftörten Hoffnungen. 

War ber erfte Söermutätropfen im ®(ürfe feine* Sebent. 
Unb er tjatte ba* SBebürfniS, feinem |>er$en Suft ju fdjaffen. 
ÜKoltere war Äomifer unb er machte ftdj luftig über bie 
JJeljler ber anberen, aber er mar jugleidj ^umorift, unb 
lachte aud) — Xfjränen im Äuge — über ftdj felbft. #ier 
in ber ,3frauenjd)u(e' finben wir $um erften 3Me biefe* 
fein fd)mer$Iicf)ea fiädjeln. Unb ba$ Unglücf feiner Siebe 
war e$, ba* ifjn nad) biefer föidjtung Eintrieb. 9ttd)t** 
beftoweniger überwiegt ba* ^ßerfönlidje in bem ©türfe 
burdjau* nid)t. $enn Ärnotpfje ift a(3 Sfjarafter burd)* 
au* nid)t 9Mtere, wie etwa in gewiffem SKafee ber 
2Kifanrt)rop fpäter. 

3Me jgrauenftfmfe 4 ift aber nicfyt blojj eine „Comedie 
ä Th6se", wie man fyeutjutage fagen würbe, alfo ein 
(Stücf , welche* ftd) bie Erörterung eine* fokalen Problem* jur 
Aufgabe madjt. 5)a* fiuftfpiel oerfolgt aud) manche fatirifdje 
SRidjtung. $om $ieb gegen bie bie ^orne^men fpielenben 
^Bürger ift bereit* bie SRebe gewefen. $)a* ganje Stücf 
mit feiner urwüdjfigen 9ßatürlid)feit im 3tu*brucf ift aud) 
eine SRütfwirfung gegen bie preeiöfe, gezierte ©pradje, bie 
fonft in ber ®omöbie fjerrfdjte. 3n ber ^rauenfdjule' 
fpredjen unb gebärben fid) bie üttenfdjen wie im wirflidjen 
fieben. 2lgne$, ba* gute ßanbmäbdjen, antwortet ganj 
unbefangen auf Wrnofpfje* $rage, wa* fid) in feiner $(b* 
wefenfjeit jugetragen fyabe, ba* ßäfcdjen fei tot, unb a(* 
er fie fragt, ob fie fid) immer wof)I befunben fjabe, er* 
wibert fie gan$ unfdjulbig, gewiß fei e* if)r gut gegangen, 
abgefefjen oon ben glö^en, bie fie nadjtS beläftigt Ratten. 



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Unb auch ber Liener unb bog 9Käbd}en, bic beibc auch 
auf bem Sanbe aufgetoachfen finb , reben bie Sprache ber 
dauern. €>te finb feine burcfjtriebenen ©tabtbiener, wie 
bie 9KaScarilIeS unb ®roS SRenäS, fonbem fchtuerfättig 
unb bunun, bobet aber treu unb reblicf). 

$lbgefehen öom ©atirtfehen fommt in biefem ©tücf 
aud) baS Äomifdje an unb für fid) $ur ©eftung. ÄmoIpt>e 
ift eigentlich üon einer ftjren 3bee befjerrfcht. Sdjon fein 
9kme, ber feit bem 90?ittclalter fcher^roeife ben betrogenen 
(Regatten gegeben mürbe, fcr)eint ir)tt jum traurigen ©d)irffal 
eines folgen öorherjubeftimmen. $)iefer (Sebanfe läjjt ihm 
feine Sftuhe. 2luch aus bem <$efid)tspunft änbert er feinen 
tarnen. Unb um ja nidjt bem gefürchteten ©djidfal an* 
heimjuf allen , ergeht er feine fünftige grau in ber (Sin- 
famfeit unb in öoUftänbiger Unfdmlb. 2lber eben feine 
Sßorfidjt erroeift fid) als öerfef)lt. Qnbem er SlgueS öon 
aller ©rjie^ung fernhält, fjat er fie ganj ber Statur über* 
(äffen. $>aS einzige, roaS fie befifct, ber natürliche Snfttnft, 
treibt fie aber gerabe in bie 2lrme beS erften beften Süng* 
lingS, ben fie trifft. Sllfo ^at $lrnolpf)e burd) feine Sor* 
fic^t fein eigenes Unglücf J)eraufbcfdr)tooren. (SS ift für 
i^n um fo fct)ntcr^icr)er , als fid) infolge ber eintretenben 
(Sreigniffe in feinem Verhältnis ju StgneS eine SEBanblung 
öoßjieht. Slm 5lnfang liebt er eignes nicht. «Sie ift für 
ihn nur baS Söeib, roetd)eS feine ^auSfjaltung führen, ihm 
$inber gebären unb ben 6d)ilb feiner @hre blanf fyalttn 
foll. 2lber fobalb er fief)t, baft fie ihm entriffen toerben 
foß, fobalb er merft, baß fie einen anberen liebt, erwacht 
bie Seibenfehaft in feinem ^erjen. ($r fühlt fich tief un* 
glücflich- UnS erfdjeint er aber lächerlich, tiefer 9Jtonn, 
ber juerft burch ftrenge, flöfterliche (Sinfamfeit, mit $ilfe 
ber ©cfjrecfen ber Religion fich c ™ flefügigeS SSeib fdtjaffen 
tt>iß, biefer 9ttann, ber t>on ber Unfehlbarfeit feiner 



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95 — 

SRethobe gan$ überzeugt ift, wirb von einem jungen 
(Ständen, ba3 er felbft aufer$ogen, unb von einem un* 
vorficrjtigen ©etfen, ber fid) ihm felbft anvertraut, an ber 
9tofe herumgeführt. Unb babei liebt er plöfctitfj feiben* 
fcrjaftüch biefeS junge ©än3cr)en, unb nadjbem er $uerft 
burd> thörid)te Strenge ihre Sreue fid) h at ergingen 
wollen, erniebrigt er fid) vor ihr, tnid fid) bie §aare auä* 
reiben, unb er, ber ftete fo egotftifd) gewefen, verfvrid)t ir)r 
in ber ©he atte mögliche greif)eit, wenn fie it)n nur ein 
wenig lieben miß. $)er 2tt ann, ber feinen ©runbfäfcen ent* 
gegenfjanbelt, ift immer fomifd). 9Mtere hat fpäter häufig 
biefe ©egenfä^c auf bie 23üf)ne gebracht, weit fie fo außer* 
orbentücf) bühnenwirffam finb. $)er bie 2Bat)rt)eit höher 
a!3 afleä a^tenbe 9J?ifantt)rop , ber eine falfdje Motette 
liebt, ber ©einige, ber ein ©ffen giebt, ber gromme, ber 
eine grau verführt, ba£ finb foldje fontrafrterenbe (Sr= 
fdjeinungen. 

$)a£ Äomifdje be3 ©tüde£ wirb aber nicht nur burch 
ben (Sharafter be3 ^paupthelben, fonbern burch in 
technifcher §infid)t foftlid)e ©cenen hervorgerufen, bie nur 
ben Qtütd haben ate 23üf)nenfpiele $u ergoßen. @o fer)en 
wir Stfain unb feine grau fid) im übertriebenen (Sifer 
barum reißen, ihrem $errn Slrnolphe bie Z1)üxz be3 $aufeä 
$u öffnen. SUain will babei ber ©eorgette eine Ohrfeige 
verfemen, holt au« unb trifft ben gerabe eintretenben 
$Irnotyf)e- ©benfo technifch wtrffam ift e3, wenn 5lrnoIpt)e 
laut barüber Betrachtungen anftetlt, auf welche SGBeife er 
feinen SRivalen «£orace am beften befeitigen tonne, unb 
babei ben SRotar nicht bemerft, ber hiujugefommen ift, unb 
auf feine Äußerungen antwortet, in ber Meinung, baß bie 
SBorte an ihn gerichtet finb. 

SDa3 ed)t tomifdje, SBeluftigenbe ber ^rauenfchule' 
verfehlte feine SBirfung nicht. Slm 6. Sanuar 1663 fdjrieb 



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ßoret in feiner 3eitung, ba$ ©tikf fjätte auf $önig unb 
Königin einen fo überoältigenben (Sinbrucf gemacht, bajj 
ftd) bie SDJajeftäten t>or Sachen gerüttelt Rotten. $luf bie 
©treittgfetten, bie ba$ @tücf erzeugte, ging ßoret freiließ 
nidjt ein. Unb boef) rief gerobe biefeS ßuftftnel für Sttottere 
eine Äampfperiobe fjer&or, bie ifjn jur ©egentuefjr nötigte 
unb Ujn in ben fjefttgften ©treit mit ben mädjtigften ba* 
maügen Parteien ftür$te. 



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- 



V 

Die 3abre des Kampfes 

$)ie ,©cr)ule ber grauen' fpaltete baä litterarifcfje unb 
tfyeaterbefucfjenbe ^ubttfum in jtnei Säger. $lm §ofe, in 
ben ©alonS, unter ben ©rfjauftuelern ber ^artfer SBüfnten 
unb in ben Greifen ber ©djriftftefler fprad) man nur nod) 
Don bem neuen 6tü<f. $)ie Sitteraten behaupteten, baß 
bie ^Regeln in ber Äomöbie öerlefct feien unb Sftoltere fid) 
Plagiate $u ©Bulben fommen laffe. $)ie *ßreciöfen traten 
entfefct über bie 9tatürlicr)fett ber ©pradje unb über einige 
3roeibeutigfeiten, bie obfcöne ($ebanfen werften, bie grommen 
fcf)Iugen bie §änbe über ben ®op\, roeU $lrnofyfye in 
feiner (Srmaf)nung an 2lgne3 bie Sßrebigt parobiere unb 
in ben ®runbfäfcen ber (£f>e, bie er fie öorlefen laffe, bie 
Sef)n ©ebote rjerabfefce. 9MiereS früherer 93efdt)üfeer f ber 
gürft öon (Sonti, t)at aud) in feiner fpäter erfdjtenenen 
©djrift über bie Äomöbie bie ,©cr)ule ber grauen' ein 
$ügetfofe$ SBerf genannt, ba3 gegen bie guten Sitten t>er* 
ftofce. $lnberfeit3 fanb ba$ ©tücf aber aud) eifrige S8cr= 
teibiger. Söoifeau, beffen Urteil nierjt ju t>eracr)ten mar, 
richtete an ben $)itf>ter einige begeifterte ©tanjen, in 
welchen er it)n gegen bie 2Jftfjgunft ber 9tabifd)en in 
©tf)u| natym, feinem Talente bie größte $(nerfennung jotlte, 
if)n bereits ierenj an bie ©ehe fteüte unb ir)n ermahnte, 
er möge fid) aus ben Angriffen nicfjtS machen. „Söenn 
£u etwas weniger gefieleft," fo fdt)Iofe er fein ©ebidjt, 



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„Würbeft $)u if)nen nidf}t fo fc^r mißfallen." Unb ein 
anberer, nod) t>ie£ getoic^tigcrer Anwalt erwuchs bem 
dichter in bcr ^ßerfon beS Königs fetbft. 3n bcn crften 
Monaten be£ 3ahre3 1663 nahm ber ÜDtonarch ben $)id)ter 
unter bie ©djriftftetter auf, bie jährlich eine *ßenfton üon 
ihm belogen. £)ie ©umme, bie ihm gegeben würbe, war 
ffloax gering; fie betrug nicht mehr als 1000 2., aber 
baS war nicht bie ^auptfad^e; er war auf biefe SBeife 
ben berühmteften ©cf)riftftellern ber bamaligen ßeit ober 
Denjenigen, bie bafür galten, amtlich an bie ©eite geftellt. 
Unb ber Umftanb, baß biefe ©unftbejeugung ihm gerabe 
ju einer $ett erwiefen würbe, als er ben leibenfdjajtlidjften 
Angriffen auSgefefct war, erfjö^t ihre Söebeutung. Übrigens 
ftanb ber dichter feit einigen 3ah ren in näherer SSe^ieljung 
^um Äönig. 3m 3af)re 1660 war 9MtereS 93ruber, 
bem nach feinem Verzicht bie ©teile eines toniglüf>en 
XapejiererS unb ÄammerbienerS übertragen worben war, 
geftorben. äRoltere ^atte fie bann übernommen unb war 
beSfjalb oerpflichtet, ade 3<*h re eine, wenn auch nur furge 
3eit auch am $ofe ju^ubringen, um mit ben anberen 
Äammerbienern baS SBett beS ÄönigS #i machen. 3n 
biefer ©igenfe^aft f)atte er gewiß bie befte Gelegenheit, baS 
treiben ber öornehmen abiigen §erren, it)re ©timmungen, 
ihre Sfafidfjten genau $u beobachten, gür feine litterarifdjen 
Arbeiten war bteS fidjerlich oon fyotym SBerte. SRur in* 
folge ber güf)Iung mit bem §ofe !onnte er wiffen, wann 
er etwas wagen burfte ober wann er oorfidjtig fein mußte. 
SBon feiner Kenntnis ber $Berf)äItniffe unb ©timmungen 
am £ofe legen alle feine fpäteren SBerfe juoerläjftgeS 
$eugniS ab. 2)aS Gebiet, baS er $xm 3)anf für feine 
Aufnahme in bie ^ßenfionSlifte an fiubwig XIV. richtete, 
ift ein foredfjenber beweis feiner Vertrautheit mit ben 
ßuftänben unb ©itten beS £ofeS. £ugleich ift eS eine 



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99 



ber origineöftcn unb anfprecfjenbften Schöpfungen be$ 

SMiere fdnlt feine SJhife, bafj fie fo trage fei unb 
noc^ wic^t bem Monarchen ihren $)anf auSgefprodjen höbe, 
greilicf) fönne fie als 3Jhtfe felbft ben §of nicht befugen. 
Sie möge bie ©eftalt eine£ SttarquiS annehmen, um bort 
ju erfcheinen, unb ja nicht öergeffen, fich ganj nach oer 
neueften ÜHobe ju f reiben f lärmenb aufzutreten unb eine 
möglichft gezierte SReberoeife $u gebrauchen. So roeifj beun 
3ttoliere auch biefe (Gelegenheit auSgunugen, um feinen 
greunben, ben 3Jcarqui£, im Vorbeigehen etroaS anzuhängen. 
§(ber raie fein ift fein $)anf au3gefprocf)en, roie verrät fein 
Kompliment feine grünbliche Kenntnis beä $ofe3 unb ber 
$(rt unb Sßeife, roie man einem König gefallen fann. 
Sobalb feine 9ftufe ben ättunb öffnen roerbe, um bem 
König, ben fie auf bem Durchgang erwarten folle, von 
feiner ©nabe unb S93or)Itcjat ju reben, roerbe er verftehen, 
mag fie fagen roolle; ein Sögeln, baä bie ^ergen im 92u 
erobert, roerbe fich au f feinen Sippen geigen, unb rafch 
roerbe er Vorbeigehen. Solche fiobeäerfjebung mar feiner, 
geiftreicher unb origineller als bie üblichen, langatmigen, 
von empfjatifchen £obfprücf)en überfchäumenben $ulbigung3* 
gebichte. 

Unterbeffen hatten aber bie Krttifen gegen 3Miere3 
grauenfdmle auch litterarifcfje gorm angenommen. (5in 
junger breiunb^manjigjähriger Sdjrif tfteller , ber gar ju 
gern eine Sftolle gefpielt hätte, $)onneau be SBife er* 
öffnete in feinen Nouvelles nouvelles ben Kampf. 
3roar mar er in feinen Singriffen noch vorfidjtig unb 
äurücfhöltenb. @r verurteilte ba3 Stücf nicht burcrjroeg. 
@r nannte e3 ein Ungeheuer, roeld)eä auch Steile 
aufjumeifen habe. 9fae hätte man foviel ©uteä unb foviel 
Schlechtes vereinigt gefefjen. (Sr rühmte bie unübertreff* 



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liehe 9tatürltcf)fett einzelner ©cenen unb ben glän$enben 
Bühnenerfolg be$ ©tücfeS, anberfeitö tabeltc er aber in 
fcharfen Korten bie poettfehen 5 e W er 0€§ ßuftfpielä, bie 
„Plagiate", bie ber $icf)ter ftcf) erlaubt l)abe, bie fdjlecfjte 
Öführung ber $anblung. $)er (Srfolg laffe fid), meinte er, 
nur burd) bie SBortreffüd^feit ber Aufführung erflären. 

Biel fdjärfer al£ biefer erfte Borftoft ber ßitteratur- 
fritif waren bie Angriffe, bie fonft baä ^ßublifum ber 
Sftarqute unb ^(keeiöfen gegen ba$ ©tücf richtete. 9Kan 
gerpflücfte e« biä in§ einzelne unb lieft fein gute« $aar 
baran. Um biefen fortgefe|ten Angriffen gu begegnen, 
^atte SDtoliere ben eigenartigen Gebauten, felbft eine $ritif 
feinet ©tücfeä ju fdjreiben unb feine 2öiberfact)er in ^erfon 
auf bie Bühne ju bringen. 3n feiner fritif ber 
3rrauenfd)u(e' (Critique de l'Ecole des femmes), meiere 
am 1. 3uni 1663 ^um erftenmal aufgeführt nntrbe, führt er 
un§ in einen ©alon ein, mo mehrere ^erren unb tarnen 
au$ ber ®efellfchaft nach e * ner Borfteüung ber ,5rauen= 
fchule* jufammenfommen unb ihre 5lnfid)ten über bie Äomöbie 
au3taufd)en. 3)ie gezierte unb affektierte *ßreciöfe (Slimene 
thut fo, al£ ob fie einer Ohnmacht nahe wäre, roeil fie 
bie fürchterlichen Dbfcönitäten, üon benen ba3 ©tücf wimmele, 
nicht aushalten fönne. Unb bie alltäglichen Sluäbrücfe, 
bie e3 auftoeife! 2öie fönne man in einer $>icf)tung öon 
einer Cremetorte reben, unb fel6ft einen Bauer fagen 
laffen, bie gftau fei bie ©uppe beä 9Jcanne§. (Sin 3ttarqui3 
erflärt baä ©tücf für ba3 fcheufjltchfte Sttacfuoerf ber SSelt. 
$abe er bod) im Xheater beinahe feinen ^lafc finben 
f önnen ! 3m großen ®ebränge fei man ihm auf bie güfce 
getreten, feine §ofenmanfd)etten unb Bänber feien gan$ 
gerfnittert worben. 9113 er aber nach oeu ©rünben ge* 
fragt mirb, roe^fjalb er benn ba$ ©tüd fo toerbamme, 
ts\yii m er nur. antworten, er fänbe e3 fcheuftlid), toeil e3 



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— 101 — 

fc^euglic^ fei, ober weil ber 9Jtorquis fo unb fo ober bie 
üflarquife fo unb fo, bie genug fefyr geiftreicfje ^ßerfonen 
feien, bas gtücf für nichts tnert gelten. $er befte «erceiS 
für bie 8d)lecf)tigfeit be3 <2tücfe§ fei aber, bajj ba3 parterre 
grofceS Gefallen an if)m fänbe unb bie ßomöbianten ber 
anberen X^eater e3 ucrurteüten. Unb er roieberfjoft ftetS 
biefelben Söorte, tad)t unb träüert oor fid) f)in unb meint 
auf biefe SÖeife eine oernicfjtenbe $ritif gegeben $u ^aben. 
(Sxnfthafter finb bie (Sintoänbe, tt>eld)e ber $>id)ter £nfiba$ 
vorbringt, tiefer eitle unb pebantifdje 2)itf)terling , ber 
am liebften nur oon feinem eigenen Söerfe fpräcf)e, baä 
feiner 9(nfitf)t nad) bie größten fiobfprüdje öerbiene, null 
äuerft mit feiner Meinung nirf)t ^erau^rüdten ; alä er aber 
in bie (Snge getrieben nnrb, erflärt er in orafetfjaftem 
lone, ba§ ba3 <BtM gegen bie Regeln be3 !qot% unb 
be$ 2(riftote(e* üerftofee; c3 fei feine §anblung in ber 
ßomöbie, bie nur au£ Unterhaltungen befterje, e£ feien 
barin Dbfcönitäten, Sängen, Unroahrfcheinlid)feiten, ja Un= 
gereimtfjeiten , infofern ald Slrnolpfye sugteid) Sadjen unb 
Sttitfeib errege, ©ottfofigfeiten , ba bie ^rebigt Slrnotyf)^ 
unb feine Sfjeftanbäregeln bie (Srjrfurdjt, bie man t>or ben 
SRnfterien haben foüe, beeinträchtige. 

liefen brei Angreifern gegenüber oerteibigen brei ^ßer= 
fönen, ein ^err unb §tt>ei tarnen, äftoliereS Slomöbie. $er 
bitter £orante, ein gefegter, oerftänbiger unb gefd)mad* 
notier (Sbelmann ift ber §auptfprecrjer ; eine ber tarnen 
unterftüfct ttjn burd) emfte Filterungen ; bie anbere, (Slife, 
mad^t fid) ein Vergnügen baranä, mit nnfcigem ©pott bie 
Gegner $u überfetjütten. $orante öerteibigt ben ©efdnnacf 
be$ Parterres gegenüber ben t>eräd)tlicf)en Äußerungen be3 
3ftarqui8; toer für feinen *ßlafc weniger sat)le, urteile 
bedfyalb nicfjt fd)Iec^ter ; ttiele ber abttgen Herren lobten 
ober tabelten ganj ofme Sinn unb ohne <$runb! S5?a» 



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bie Unanftänbigfeiten beträfe, fo fänben fie nur bie, roeldje 
fie finben wollten; e3 fei and) tf)öricf)t, wenn ftd) gcroiffc 
Sßerfonen getroffen fügten, benn bte ©attren feien gegen 
bie ©itten im allgemeinen unb nid)t gegen beftimmte 
Sßerfonen gerichtet. $)en Angriffen gegenüber, bie ßt)fiba$ 
gegen bie Äomöbie al3 foldje rietet, nimmt $)orante biefe 
$)id}tung§art in Sdjufc unb meint, e3 fei ml fernerer 
eine toortreffUdje Äomöbie ju fcr)rctben al£ eine gute Xra= 
göbie; benn im Srauerfpiel laffe man bie ^ßfjantafie walten 
unb furf)e SBeumnberung ^u erregen ; ba$ Suftfpiel bagegen 
beruhe ftetS auf ber Sßirftidjfeit unb fcf)ilbere bie $)tnge 
fo, roie fie roirtticr) feien. $lucf) ben |jof, beffen Urteil 
ber $id)terling gering an$ufcf)lagen fdjeint, öerteibigt ber 
bitter mit warmen Söortcn; feinem (Sinwanb gegenüber, 
bie ,grauenfcf)ule' t>erfto§e gegen bie Regeln, öertritt er bie 
$lnftd)t, baft bie £auptregel jeber $)icf)tung barin beftelje, 
bem ^ßublifum $u gefallen. (Snblidj weiß er fef)r begreiflich 
$u machen, ba| bie naioen $ujjerungen ber Signet foroie 
ber SBerfud) $lrnolpf)^ burd) bie ©cfyrecfen ber |jötle auf 
feine fünftige grau (Sinbrucf $u machen, (Sigenfyeiten ober 
(Srfrabaganjen feien, welche bie betreffenben ^erfonen d)a= 
rafterifieren unb be£f)alb nicfjt als uom $icf)ter felbft ge= 
rooUte Slnftöfjigfeiten ober ©ottlofigfeiten flu branbmarfen 
mären. £>en SBorten 3)orante3 ift bie größte $lufmerf* 
famfeit $u fcr)enfcn : enthalten fie boct) genrifferma&en ba§ 
Programm be3 2)id)ter3 felbft. 

Wlit biefer Antwort UMtereä gab fid> ba3 ^ublifum 
aber nicfjt aufrieben. 3m ©egenteil! (£3 erfannte barin 
eine neue, roefentlicf) t)erfd)ärfte ©atire ber ^ßreciöfen, ber 
Marquis unb $ugfeirf) aud) ber frommen. Unb borf) 
l)atte SRoltere, gerabe um bem Singriff ber lefcteren oor* 
^ubeugen, feine Äritif ber fcr)r frommen unb ben beooten 
Greifen angef)örenben Königin Butter 2lnna oon Öftere 



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— 103 — 

reich geroibmet. (£r {>atte auSbrücflich im SCBtbmungS* 
fchreiben — roteberum in fehr fluger unb bte SSer^ältntffc 
richtig abnmgenber SBeife — bte Königin gepriefen, weit 
fie burdt) if)r SBeifpiel jeige, ba& bic toahre gfrömmigfeit 
ehrbaren Unterhaltungen nicht abfjolb fei. 

SBieberum mar es be $ife, melier bie Streitigfeiten 
begann. 3n einer noch int ^ocfjfommer 1663 erschienenen 
Äomöbie ,3&inbe ober bie wahre $ritif ber Sfrauenfcfiufe' 
(Zelinde ou la veritable critique de l'Ecole des femmes) 
toieberholt er bte befannten gegen 2Miere« Äomöbie t>or* 
gebrachten ©imoänbe, inbem er un« bei einem Spifcenhänbler 
ber Rue Saint Denis einer Unterhaltung attnfcfjen bem 
Kaufmann unb feinen Äunben über 2Miere« Stücf bei* 
toohnen lägt. ©3 ift ein recht platte« 2Kachtt)erf, ba« ber 
„$rttif" abfolut nicht bie Spifce bieten fann. Sntereffant 
finb höchftenS bie Stellen , roo bem dichter toieberum 
feine Hbhängigfeit t>on ben Stalienern öorgetuorfen , feine 
Su<f)t, $artfaturen ftatt nrirflicher Portrait« $u entwerfen, 
getabelt unb enblich auc § a ^ Schier an ihm gerügt wirb, 
bafe er — ein gefährlicher 9ttann — in aller Stille alle«, 
ma« bie ihn umgebenben Sßerfonen thun unb jtnar nicht 
blojj ihre SBorte, fonbern ihre Bewegungen , fogar ihr 
Slugenjttrinfern beobachte unb bi« in« 3nnerfte ihrer Seele 
ju bringen fcr)eine, um fogar ba« ju ergrünben, roa« fie 
nicht fagen. 

9lber mit biefem Stücf begnügten fid) Poliere« %t\vfot 
nicht. 9tod) ein anberer dichter erfchien auf bem Sßlan. 
(£« n>ar 93 ourfault, auch e ^ n junger, faum fünf unb* 
ättjanjigjähnger, noch n W f c ^ r befannter Schriftfteller, 
bem feine greunbe eingerebet hatten, er fei in SMiere« 
ßritif als ßt)fiba« auf bie Sühne gebracht toorben, unb 
ben e« fdrateichelte, eine Stolle in biefem litterarifchen Streit 
ju fpielen. 3n feinem ,93ilb be« 3ttaler« ober ©egenfritif 



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ber grauenfctjule' (Portrait du petntre ou Contrecritique 
de l'Ecole des femmes), ba£ im |>erbft 1663 auf ber 
93üfme be$ Hotel de Bourgogne aufgeführt würbe , gab 
ber 2)idf)ter eiueu recht fdjroarfjcn Abflatfch ber ,$ritif ber 
grauenfdjule'. £ie §anblung ift beinahe gan§ biefelbe 
tote bei SJcoliere. 2>ie 9)carqui£ gebrauchen biefelben Srlücfje, 
ber ©raf, ber für Poliere ift, bisfutiert töte ber 2ftarqui§ 
ber ßritif, bie *ßreciöfe gebraust mie beim $omifer ueue 
Söörter, fogar ber fiafai begebt gang ähnliche IXngefrfjtrflic^^ 
feiteu. Sich felbft führt ber dichter alä fitjfibor eiu uub 
legt fid) natürlich bie beften (Sinroänbe gegen SftoliereS 
©tücf in ben Sflunb. 9JtoIiere felbft roofmte, mie mir 
hören, ber SBorftellung bei unb foll fid) meiblid) über bie 
Satire unterhalten haben. 92icf)täbeftoroeniger ärgerte e£ 
ihn auch, M3 ein $id)tcr, ben er nicht beleibigt, gegen 
ihn aufgetreten fei, unb bafj feine (Gegner, bie auf ihn 
neibifchen ©chaufpieler be$ Hotel de Bourgogne, ihm in 
ihrem Ztyattx Aufnahme gemährt h^ten. (£r mar nicht 
ber 9J?ann, biefen neuen Singriff einfach hinzunehmen. 
Auch fcheint ihn ber Äönig felbft 31t SRepreffalien öeranlajjt 
§u höben. SebenfallS antwortete er ganj fur^e $eit barauf 
mit einem neuen, fefjr gelungenen unb ganz eigenartigen 
(Stnafter, bem .Stegreif ftücfdjen öon SBerfailleS 4 
(1 'Impromptu de Versailles). .^Öchftmahrf peinlich fanb 
bie Aufführung biefeö Stücfeö in $erfaille£ öor bem Könige 
unb bem £ofe am 18. Oftober 1663 ftatt. 

Sftoliere bringt ficf) tykx fel(>ft in eigener ^erfon mit 
feiner Zxuppt auf bie öühne. (£r faielt bie SBirflichfeit. 
3)er $önig ho* ih m aufgetragen, im geitraum öon acht 
Sagen ein neues ©tücf ju bieten unb aufzuführen. @r 
hat biefe beinahe unausführbare Aufgabe übernommen. 
$ie Könige bürfe man auf ihr Vergnügen nicht raarten 
laffen; beffer noch Scf)anbe auf fich nehmen, ein 



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— 105 — 

IttterarifcheS giaSfo ju erleben, als nid)t fdmell genug 
ir)ren befehlen gehorcht $u haben. 3n biefen SBorten ift 
gemif; eine, wenn auch fein; ehrerbietig gehaltene Äntif ber 
S8cfct)(e be$ $önig$ nict)t ju oerfennen. £äufig genug 
wirb Subwig oon äRoliere Unmögliches »erlangt haben. — 
95Mr wofmen ber ^ßrobe bei, bie noch in oder (Site abge- 
halten werben fofl. 5)ie $eit brängt. 3n ^wet Stunben 
miß Seine 9Rajeftät baS Stücf fetjcn. $)ie <Sct)aufpieIer 
fönnen aber ihre Kotten nicht; fie machen bem dichter 
Vorwürfe, Unmögliches übernommen $u haben. Unb bie 
Unterhaltung, bie fid) jwifchen ihm unb feiner Xruppe 
abhielt, ift ein au&erorbentlich anregenbeS ©üb ber Vor* 
gänge, wie fie ficr) in äMiereS Xruppe wohl wirtlich $u= 
getragen haben werben. $)er dichter weifc feine Schau* 
fpieler fo oor^üglid) ju zeichnen, baft wir fie perfönlid) SU 
fennen meinen. Sie gießen alle an uns oorüber: Sttabe* 
leine Söejart, welche ba$ regfte Sntereffe an ber $rt unb 
SBeife nimmt, wie ber dichter fich gegen bie Eingriffe feiner 
geinbe wehrt, bie ihm SHatfchläge erteilt, oft in etwas 
brüSfem Xone, wie eS fich eine ältere greunbin geftatten 
barf; StRoltereS grau, bie fich ü) rem 9ttann gegenüber 
fpifce 93emerfungen erlaubt, ihm vorwirft, er behanble fie 
nicht mehr wie oor ber §eirat, unb Vergleiche aufteilt 
jwifchen ber ©alanterie ber fiiebhaber unb ber 23arfcf)f)eit 
ber ©arten; 2W Uc - £u ^ßarc, welche burch t^r geziertes 
Söefen ben Spott beS 2)treftor3 hervorruft; 2fl Uc - $)e 53rie, 
beren Schwäche, ben $lnfchein ber Sugenb höher als bie 
£ugenb felbft ju achten, er gu ironifieren f dt)eint ; £a ©ränge, 
fein oorjüglichfter Schaufpieler, bem er feinen SRat gu geben 
braucht; $u (Sroifu, bem er bie flMe beS pebantifdien 
Richters im Stücfe erflärt ; S3recourt, ein Schaufpieler, ber 
nur furje $t\t in üttoli&reS Gruppe bleiben follte, ein 
9Jtonn aufbraufenben, unruhigen (SharafterS, ber fich aU( $ 



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a(3 2)idjter bemerfbar madjte ; enblid) bie tarnen 2)u ßroift) 
imb §ert)e, bie jmar nur in fleineren Sollen befdjäftigt 
merben, aber and) aU fotdje bie Slufmerffamfeit ber Marquis 
auf fid) jiefjen. <5ie atte fefjen mir in ifyrem eigenen 
tarnen ate ©djaufpieler auftreten. SKur £a Xfyorillere, 
ein ehemaliger föittmeifter , ber Dom $f)eater du Marais 
3um Palais Royal feit fur$em übergetreten war, nnb 
33ejart, ber 53ruber 2ftabe(eine3, fpielen in anberen Kotten. 
Unb Poliere oergifct fid) felbft and) nidt)t. @r jeidjnet 
fid), forote er and) tt»or)I in SBirfüdjfeit mar, ungebulbig, 
bie (säumigen jur Arbeit aufrufenb, halb mit $arfcr)f)eit, 
balb mit <Spott bie Unbotmäßigen maßregelnb, babei aber 
bodt) gutmütig unb feiner Gruppe feine Sßläne, feine 
litterarifd)en (Sntroürfe, ben ©runb feine« Verhalten« ben 
geinben gegenüber erftärenb. 

Slber fo intereffant für unä ba3 93ilb »on ÜMiereS 
Gruppe and} ift, für bie 3eitgenoffen mar bie ©atire oon 
9floliere8 geinben bei meitem bie $auptfacr)e. @r mad)t 
fidj luftig über bie <Scr)aufpie(er be$ Hotel de Bourgogne, 
bie, ftatt mit 9?atürlicr)feit, mit (£mpf)afe ifjre Kotten uor- 
tragen, unb meifc fo gut bie einzelnen nadjauafjmen , baß 
feine €>djaufpieler fie einen nad) bem anberen erfennen; 
babei fpottet er and) fjier über bie üftarquiä, bie „fomifdje 
sßerfon" ber neueren Äomöbie, mie er fie nennt; er fdjübert 
fie, mie fie gegiert reben unb fid) gebärben, ein fiiebdjen 
Dor fid) fjerträöern, ifjre ^erücfe fämmen unb fid) überall 
breit madjen. greilid) uermafyrt er fid) gegen ben $ormurf, 
beftimmte ^erfonen im 3luge §u fjaben. Sftdjtöbeftomeniger 
fatirifiert er aber 93ourfault, ben Sßerfaffer be$ ,Portrait 
du Peintre', äu&erft fdjarf. @r tl)ut fo, aU ob er ben 
tarnen biefeS unbebeutenben 2flenfd)en, melier ftcfj nur 
burd) bie anberen fjabe öorfdjieben laffen, um föufjm $u 
ernten, nidjt einmal genau fenne, unb befjanbelt ifm mit 



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— - 107 — 

fouöeränfter Seradjtung. $)iefe gan^e Äabale erfläre fidj, 
meint er, nur burd) ben 9fcib, ben feine geinbe auf Um 
Ratten, weil feine (Stüde meljr gefielen als bie irrigen, 
unb fie in iljren ©inna^men gefdjäbigt mürben. 2öo$u 
fid| über foldje (SJegner ereifern ? (2>ie üerbienten e$ nidjt ! 

SBon fotcf>en fatirifdjen SluSfäßen fortwäf)renb unter* 
brocfjen, gefjt bie ^ßrobe be$ StütfeS im ©tücf, ba$ felbft 
aud) eine ©atire ift, nur langfam vorwärts. $>a$u wirb 
ber arme $)ireftor öon Ijeranftürmenben ßeuten immer 
wieber gebrängt. SBie fotl eS mit ber Wuffüfjrung werben ? 
©eine ©djaufaieler toerlieren ben $opf ; er felbft ift wütenb, 
in Seraweiflung. 25a fyilft ifym ber $önig felbft grofefjeqig 
auä ber SRot! @r fjat bie SBerlegenljeit erfahren, in ber 
er fid) befinbet, unb bittet um bie $luffüf)rung irgenb eines 
anberen fdjon einftubierten Stüdes, <5o enbet benn baS 
ßuftftnel luieber mit einem feinen unb bisfreten fiobe beS 
ÄönigS. 

$)urd) eine fold)e Antwort fonnte 9Miere feine geinbe 
nur nod> mefjr erbittern, ©ie waren wütenb unb gingen 
SU perfönlidjen Angriffen über. 3n feiner ,SRadje ber 
HttarquiS* (Vengeance des Marquis) t>erf)öfmte $)onneau 
be $8ife in perfiber SBeife ben 3)id)ter wegen feines f)äuS* 
liefen SttifcgefdjidS. ©S fdjeint alfo fdjon bamalS SlrmanbeS 
Äofetterie ju bösartigem ©erebe Slnlafe gegeben 311 fjaben. 
$)a$u warf er iljm &or, fein ©tücf untergrabe bie $ld)tung 
öor bem Stbel, ber $irdje unb ber ättoral; er fei felbft 
nur ein Plagiator, ber baSfelbe Xljema unabläffig variiere; 
im geheimen arbeite er lange an ftomöbien, bie er bann 
plöfclid} als ©tegreifbtd)tungen auf bie $üf>ne bringe, um 
fidj fo mefjr bewunbern p laffen. SBenn man ein ©tücf 
öon ifjm auf ber Söüfme fef>e, müffe man immer fürdjten, 
ba er bereits bie $ef)n (Gebote üerf)ölmt l)abe, er werbe 
aud) bie fieben Xobfünben lädjerlid} machen. $lber nid)t 



< 



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bloß bie grommen ftad)elte be $tfe gegen ihn auf. Sludi 
ben Äönig fudjte er auf feine Seite ju gießen. ©8 fei 
thöridjt oon Poliere, meinte er in einem anberen Pamphlet, 
nid)t eingehen, baß er burd) feine fortroährenbe SBerfpottung 
be£ $lbel3 aud) ben ^Monarchen felbft angreife; üerunglhnpfte 
er bocr) bie ^erfonen, bie if)n ftetö begleiteten, mit benen 
er ficf> unterhatte unb meldje bie Stüfce beä $f>rone§ feien. 
2Bie fönne er mit folcher SBeradjtung biejenigen behanbeln, 
bie fo f)äufig unb fo großherzig ifjr Seben für ben $Rur)nt 
be3 gürften aufs Spiel gefegt t)ätten ? — Übrigen^ fcr)einen 
bie Stbtigen nict)t alle SMiereä Satiren mit (Gleichmut 
ertragen ju höben. SBenn mir einer Cr^hlung ©tauben 
fcfjenfen bürfen, meldte üon SMiereS g-einben bamatö met 
herumgetragen würbe, hätte ein oornehmer ßerr, ber fid) 
in bem 9)?arqui£ 31t erfennen glaubte, melcrjer fid) in ber 
„$ritif" über bie Cremetorte luftig machte, ben $)i<f)ter 
einmal, als er fid) jum ©rüßen oor ihm oerbeugte, an 
ber ^krüde erfaßt unb ihm fo heftig ba£ ©efid)t gegen 
bie finöpfe feines SRodes geftoßen, baß er blutete. 

$tud) bie rittalifterenben Sd)aufpieler be3 Hotel de 
Bourgogne ließen e3 an einer fräftigen SReptif nicht fehlen. 
$er Sohn be* SdjaufpielerS äJcontfleurn nahm bie föacrje 
bei %tyatex$ auf fid) unb fd)rieb auch eme fogenannte 
Stegreifbid)tung, ba3 ,Impromptu de THötel de Conde'. 
$$on alten Pamphleten, bie gegen Sttoliere gefd)leubert 
mürben, ift bie§ roohl ba£ gelungenfte. (Sine geroiffe $unft 
ber $ompofition läßt fich an ihm nicht leugnen. CinerfeitS 
nimmt ber Sßamphletift bie Partei ber anberen bamaligen 
dichter, preift Cuinault, Söourfault unb namentlich Corneille. 
©3 beftanb bamalS jloifchen Poliere unb bem großen Xragifer 
mehr alä eine borübergeljenbe Sßerftimmung. Corneille 
mar erbittert über bie großen Crfolge ber Äomöbie, meld)e 
ba£ Srauerfpiel in Schatten ju ftellen brohe. Namentlich 



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— 109 — 

mirb aber fein ©ruber X^omaö gegen 9Miere gefjefct 
haben. So oerftehen mir, bafe ber dichter e8 fid) nid)t 
»erjagte, f)k unb ba ben beiben trübem etmaS anhängen. 
60 fdjlofe er eine Scene ber ^rauenfchule', n. 5. 1., mit ben 
im äftunbe &rnolphe3 fid) läd)erlid) au3nef)menben Söorten 
be$ ©ertoriuä: „C'est assez, je suis maitre, je parle, 
obeissez!" unb madjte fid) über einen dauern (ufrig, ber 
fid), gerabe wie XfyomaS Corneille, ben pomphaften Hainen 
eine£ M. de l'Isle beifegte. Hm fd)ärfften mar aber ber 
Singriff, ben er in ber ,$ritif ber grauenfdmle' gegen 
bie Sragöbie richtete, jene ^idjtungäart, bie grofj tf)ue unb 
fid) aufblafe unb bie meit meniger iatent erforbere at£ 
bie ßomöbie. @3 mar natürlich, bajj bie Sdjaufpieler bes 
^^eaterS, roeld)eä bie Spezialität ber Sragöbie hatte, bie 
Partei beS großen Xrauerfpietbicr)ter^ naf)m. 

$ber üttontfteurt) griff aud) dotiere felbft an. $)a 
fid) biefer über bie gefpreijte unb emphatifche Vortragsart 
be3 Hotel luftig gemacht, fiel er über feine $lrt tyx, 
tragifdje Sollen zu geben. @r zeichnete ir)n, mie er mit 
gefrümmten ©einen, oorgeftredter 8d)ulter, feine s £erüde 
mit ßorbeer belaftet, mie menn fie ein 9Katnjer <Sd)infen 
märe, auf bie 93ül)ne fomme unb bann, ba£ §aupt nach 
^tnten neigenb, öerftörten 33lid£, nad) jebem SSerfe burdj 
eine 5lrt Schluchzen ober ©ludfen unterbrochen, feine SRofle 
herfage. äftoliereS ßeitgenoffen h a & en ^ eme Gelegenheit 
öorübergehen laffen, fich über feine ©chroädje in tragtfd)en 
Kotten aufzuhalten. 

dlod) gefjäffiger mar aber fotgenbeä Vorgehen ÜRont* 
fteurtyä. (Er reichte bem $önig ein ®efud) ein, in melchem 
er hintertiftig bie Slufmerffamfeit beä Monarchen auf be§ 
Richters „ffanbalöfe" (5f)e lenfte. fttoax flagte er ihn nicht 
gerabeju ber Unzucht an, aber er lie{$ feine Meinung 
burdjbltden, menn er fagte, eS fei ein Sfanbal, baß SWoliere 



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110 — 

bie £od)ter ber grau, bie früher feine ©eliebte gemefen, 
geheiratet habe. SBäre $lrmanbe loirfücf) bie $ocf)ter 9ftabe* 
leine« gemefen, fo ^ätte tr)n biefe Anflöge fc^toer belaften 
müffen. $er befte S3ett)ei« aber, baß eS ftd^ nur um 
eine leere SBerleumbung hobelte, ift ttjofjt im Verhalten 
fiubroig« XIV. $u fehen. £ätte er ben geringften 3tt>etfet 
gehabt, fo mürbe er nicht gtuei 2ftonate nachher, al« am 
19. Sanuar 1664 bem dichter ein Sol)n geboren würbe, 
mit ber ^er^ogin oon Drlean« beim dichter Sßathenftelle 
angenommen hoben. URoliere« Solm mürbe £oui« getauft, 
gemifj bie befte $lntmort, bie SMiere feinen 2öiberfacf)ern 
geben tonnte. 

SBenn er an bem $önig einen mächtigen Vefchüfcer 
hatte, fo fehlte e« auch nicht an einigen ßitteraten, bie 
ihm in biefem benfmürbigen Streite jur Seite ftanben. 
23oileau haben mir bereit« ermähnt. 3n feinem ^anegnrifu« 
ber ,grauenfchule' oom 30. 9iooember 1663 ift föobinet 
jmar nur ein ziemlich lauer Verteibiger. dagegen nimmt 
(Sheoalier in feinen ,Amours de Calotin' offen feine gartet 
unb fucfjt bie Jrauenfdjule im ©egenfafc jur Anficht oon 
2Miere« geinben al« SieblingSftücf ber oornehmen SBelt 
hinstellen. 9lu« ben 9flarqui« macht er fogar begeifterte 
©emunberer be« dichter«. (Sbenfo lägt ßacroij in feinem 
,fomifchen ßrieg ober Verteibigung ber grauenfd)ule' (Guerre 
comique ou la defense de FEcole des femmes) uom 
(Snbe beä hinter« 1664 burd) ben ÜHunb Sfyollo«, oor 
beffen SRichterftufjl bie Jeinbe ber grauenfdjule nochmal« 
bie befannten Scfjeingrünbe vorbringen , ba« blecht ber 
guten Sache oerfünben. 

$)ie um bie grauenfdjule entbrannten Streitigkeiten 
fdjeinen SMiere unb ben ßönig näher gebraut $u haben. 
$)er ßomifer mar bem Monarchen für feine Vergnügungen 
unentbehrlich gemorben ; ein ÜJtonn, ber fo fchnell arbeitete, 



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111 

war oorzüglid) geeignet, jur SBerfdjönerung ber fönigftcf)en 
gefte Beizutragen, ©o oeranlaßte if)n benn ßubwig XIV. 
bereite im Sanuar 1664, eine ÖQÖettfomöbie $a öerf äffen, 
in ber er felbft als Sänger auftreten wollte. 2)er ®önig 
rjatte eine große Vorliebe für Söatlettfomöbien. Unb eS 
war oon 2ttoIiere ein gUuflicfjer <$riff gewefen, als er in 
ben ,£äftigen* jum erftenmal bie Äomöbie mit bem Hattert 
oerbanb. Sßatürlid) barf man fid) baS bamatige Hattert 
uicr)t fo öorfteöen, wie baS heutige. @S war ein gemeffener, 
fefjr würbiger, bem Sflenuett äfjnlicfyer Xan^. (Schnell r)atte 
TOoIi^re ein neues fiuftfpiel fertig, bieSmal eine richtige 
^offe, bie , (5 r j xo u n g e n e ,£> e i r a t 4 (le mariage f orce). 
(£in ©ganarede fptelt barin bie Hauptrolle; aucf) biefer 
ber Xt)puS beS eingebilbeten, großfpredjerifcfjen, aber eigent* 
lid) feigen, fpießbürgerlidjen Zfyoxen. Obgleich er fcfyon 
über bie günfeiger fynauZ ift, f)at er fid) in ben $opf 
gefegt ein junges, pufcfüd)tigeS unb fofetteS grauenzimmer 
ju eljelicfyen. (£r ift junäcfjft geuer unb glamme für 
biefe .£jeirat unb will bie Sinwänbe, bie iftm fein greunb 
ÖJeronimo wegen feines Alters mad)t, nidjt f)ören. 511S 
er aber merft, baß $)orim6ne, fo Reifet bie ©d)öne, itjn 
eigentlich nur fjaben will, um reid) unb frei ju fein, wirb 
er t>on bem bie ©ganarelleS gewöhnlich plagenben 3toeifel 
befallen, ob er öon feiner fünftigen grau nid)t tonnte be* 
trogen werben, ©ewißf)eit fjofft er oon einem ^fjifofaM™ 
311 erhalten. 5(ber ber alte Schwäger, an ben er fid) 
wenbet, §at nur OuiSquilien im Äopfe unb läßt tr)rt nid)t 
ju Sßorte fommen. $)a wenbet er fid) an einen anberen. 
tiefer gehört aber einer ©d)ule an, bie nie etwas als 
gewiß fjinftellt, unb er antwortet ifjm nur auSweidjenb. 
@benfo unbeftimmt ift bie Antwort einiger Ägypterinnen, 
bie er in feiner Verzweiflung befragt r)at. 2>a wirb ifrni 
fein fünftigeS trauriges 2oS oon $orimene felbft enthüllt; 



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— ~ 112 — 

er ertappt fie im ®efprädj mit if)rem SBerefyrer unb fjört 
zufällig aus ifprem äftunbe, baß fie auf feinen balbigen 
Xob bie ftärfften Hoffnungen fefct. $unmef)r ift fein @nt* 
fdjtuß gefaßt. (5r bittet ben Sater um gurücfnafmte feinet 
2krfpred)en$. SUcantor »iß aber nicf)t8 batron työren; er 
läßt itjn burcr) feinen ©ofjn forbern unb, aU ber getgttng 
nidt)t jur SSaffe greifen rottt, berart burdjprügeln, baß er 
auf bie (§:f)e eingebt. 

3)ie r»erfcf)iebenften 9ttorit>e liegen bem ©tücfe ju ©runbe. 
9Jabelai3 Sßanurge, ber gerne heiraten möchte, fid) fogar 
fein fünftigeä gamUiengtücf fcfjon in fetten garben oorftellt, 
aber juerft gern bie ©eroißf)eit f)ätte, baß er ntdt)t betrogen 
roerbe, ber fitf) aud) an einen ^ßfjilofopfyen roenbet, melier 
nur au3roeicf)enb antwortet, f)at einige ßüge geliefert. $er 
erftc ^(u'lojopf) ift norf) gan$ ber $>oftor ber italienifctjen 
Stegreiffomöbie , mit feiner entfestigen <Sdjroa|t>aftigfeit 
unb Ouiäquitienfrämerei. $)ie $omif beruht fef)r fjäufig 
nur auf tecfjnifdjen kniffen, bie Sttottere namentlich) in 
feinen fdjnell entworfenen hoffen immer roieber $u Oer- 
roenben roeiß, kniffe, bie er t)tcttetdr)t aucf> ber italienifdjen 
©tegreiffomöbie abgelaugt fyatte. derartige 33iit)nenfpielc 
fiub eä, wenn er ben *ßf)iIoJopfjen fcfjroafcenb weggeben, 
fdjroafcenb toieberfommen, fid) roieber öon neuem fdjroafcenb 
abroenben unb fd)roa$enb bie 33üf)ne enbtidt) oerlaffen läßt; 
ober roenn er ^ßerjonen im ®efprädje fo in (Sifer geraten 
läßt, baß fie bie &nfunft anberer gar nicf)t merfen; ober 
roenn er auf bie längeren SReben einer Sßerfon immer mit 
einem furzen fcfjlagenben Söorte erroibern ober bie Söorte 
roieberfjoten läßt, bie ber SBorrebner gebraust f)at. (Sin 
tec^ntfdjer ßniff ift e3 offenbar and), roenn SKcantor ben 
| ©ganarette burdjauS nid)t üerfteljen roitt unb auf atfeä, 

| roaS er oorbringt, nitf}t fjört ober für atteä, roaS er tf)m 

fagt, eine (Sntfcfjulbigung finbet; ober roenn Wciba« , ber 



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— ~ 113 — 

bem ©ganaretle bie ©urgel abfchneiben ober ihm fürchter* 
Iidje ^rügel verabreichen mifl, fidj eineä befonberS fanften 
XoneS befleißigt. 2Mtere mirb gewiß bei feiner großen 
23üf)nengett)anbtf)eit eine Spenge folcher Äniffe unb ©riffe 
ftetS bereit gehabt hoben. SBar er gelungen, fc^nett $u 
arbeiten, fo nahm er $u biefen ÜKitteln feine 3 u P uc ^t, 
beren unfehlbare Sßirfung auf8 ^ßublifum ifyxt genügenb 
befannt mar. 

3n biefem ©tücfe fyattt 3J?oliere3 $rau n *fy fpielen 
fönnen, ba fie furj Dörfer if)re$ erften ÄinbeS genefen mar. 
jDafür foflte fie aber im ftrühling beSfelben SafjreS ©elegen* 
heit höben, fief) in einer befonberS gfanpollen, für fie t>or* 
jüglich geeigneten SRotfe bem £ofe ju geigen. Subroig XIV., 

ber ja bamate noch f e h r J un 9 roar > fatte e ^ ne au3gefprocf)ene 
Vorliebe für prunffjafte gefte. ©o Heß er im 3Rai beä 
Schrei 1664 neun Xage tjinburc^ in Sßerfailleä ein gerabe- 
ju feenhafte^ Jeft öeranftalten, baS, tt)ie jebermann am £ofe 
mußte, feiner (beliebten M l,e - de La Valliere galt. Sttehr 
als fedE)^§unbert Sßerfonen fanbenfich jufammen; bieXruppe 
3Miere3 mar berufen, eine ber Hauptrollen babei ju 
fpielen. 3n bem prachtvollen genüge, ber am erften 
iage bie höchfte SBettmnberung erregte, unb an bem ber 
Äönig felbft auf einem reich grumten fRoffe in filbemer 
griedufcher Lüftung mit feinen ©roßen teilnahm, erfdjienen 
bie h^rvorragenbften öon üRoliereS ©chaufpielern im SBagen 
SlpolIoS — ber ©ott felbft mürbe burch ben erften Sieb* 
haber ßa ©ränge, bie öerfdjiebenen geitalter burch Sfrntanbe, 
bie $)e SBrie, burch ® u ßxoifo unb ,£mbert bargeftellt — 
unb trugen $erfe ju (£fn*en ber Königin vor. 9# öe 
$u $arc folgte auf einem feurigen ^ferbe einherfprengenb 
al§ grühltng; btn ©ommer ftellte ihr SRann auf einem 
(Slephanten fifcenb bar, roährenb Sa tyonttbxt als £erbft 
auf einem $ameel unb Söejart als Söinter auf einem 

ed?neeBan8 # Wettere. 8 



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Otiten reitenb ba« SBilb bcr 3öf)teä$etten öeröollftänbigten. 
äMtere felbft mußte fid) ba$u hergeben, auf einem Keinen, 
uon Säumen begatteten IBerge ben $an bar^ufteüen. 
&ber bamit war bie Hufgabe oon üMtere« Xruppe noch 
nic^t erfchöpft. $ln einem ber folgenben Xage erfchien 
bie J)u ^ßarc al« ftaubmn Sttcine auf bem dürfen eine« 
Ungeheuern ©eeungetüm«, wäfjrenb Slrmanbe unb bie 
2)e Sörie, al« 9lt)mptyn auf bem dürfen großer äßalfifche 
fifcenb, fie begleiteten. $>ie 3bee be« fjcftfpiclö betraf 
bie (Spifobe Gleinas unb SRuggiero« in 9lrioft« Orlando 
Furioso. $)ie Skrfe, welche bie €>d)aufpielerinnen vortrugen, 
galten angeblich bem fiobe ber Königin Butter. 3eber* 
mann mußte aber, baß eigentlich äR öc - be Sa SBalltere 
gemeint war. Unb alle«, wa« bie ^fymtafie erträumen 
fann, um ein gfcft fo zauberhaft al« möglich ju geftalten, 
war fytt $ur Söirflichfeit geworben: nach & em 3 c fe u 9 e 
ein Seftgelage, an bem ber |>of in herrlichen Äoftümen 
teilnahm; zauberhafte 3nfeln, feenhaft beleuchtet, auf 
fchimmemben Seen fchwimmenb, 3 a uberpaläfte mit ihren 
Xürmen unb $mmn, öon liefen, S^ergen Negern 
bewacht, Söerge mit ©rotten unb gelfen, mit ©eeunge* 
heuern, Sfymphw unb -ftajaben, ein großartige« g*uer* 
werf mit 93lifc unb $>onnerfchlag, ba« ben *ßalaft Gleina« 
in $[fcf)e oerwanbette; eine Überrafchung folgte ber anberen. 
Unb babei burfte bie ßomöbie natürlich nicht fehlen. $)ie 
,ßäftigen' unb bie ,©r^wungene betrat* mit ihren glänzen* 
ben 93aöett« erregten nocr)mat« bie Jöewunberung be« |jofe«. 
Stber auch Neuheiten würben aufgeführt, üttottere r)atte 
Sttoreto« El desden con el desden, jene« ©tücf, ba« bei 
un« in SDeutfchlanb noch heutzutage al« Donna Diana be= 
fannt ift, umgearbeitet unb al« ,^rin^effin Don (Sli«' 
in« Altertum zurücfoerfefct <5o eilig hatte er arbeiten müff en, 
baß er nur etwa« über ben erften $lft in $erfe brachte, 



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115 



ba$ übrige in ^ßrofa liefe. Seine grau felbft trat in ber 
Titelrolle auf unb jott bie ftolje unb fpröbe Sßringeffin, 
meldje ihr Vergnügen barin finbet, if>rc ßiebhaber grau* 
fam ihren güjjen fdjmachten ju laffen, gerabegu ent* 
jücfenb gegeben fjaben. Sööfe Sunden mußten fpäter 
ergäben, bafc biefe glänjenben gefte, an benen bie |>öf* 
linge natürlich bie Sd)aufpielerinnen umfchmärmten , auf 
2lrmanbe3 $ofetterie einen fo beraufdjenben (Sinbrud 
machten, bafe fie fid) öergafj; iöemeife liegen aber 
nicht cor. 

So fet)r SttoliereS Truppe burd) biefe prad)töolIen 
ÜBeranftaltungen aud) in 9lnfprucr) genommen mar, fie fanb 
bocr) baneben $üt — fogar für biefeä geft — ein Stücf 
einzuüben, baä uns in biefer Umgebung merfmürbig an* 
mutet, 9iod) am uorlefcten Tage beä gefteä, am 12. 9)toi, 
mürbe ber , Tartuffe' aufgeführt, greilidj mar e3 noch 
nicht ber ,Tartuffe', mie er unä heutzutage üorliegt. Ta3 
Stüd beftanb nur au£ brei Elften; ob e£ noch 
enbet morben, meil dotiere fonft ju fet)r befdjäftigt 
mar, ober ob er junädjft nur bie SGöirfung ber brei erften 
9lfte auf ben föonig unb $of erproben mollte, et)e er an 
bie Aufarbeitung ber anberen h^cmtrat, miffen mir nicfjt. 
3ebenfall3 mar biefe erfte gaffung mefentlid) fdjärfer als 
bie fpäteren. Tartuffe trat im geiftlicr)en ober l)aI6geift* 
liefen ©eroanbe auf ; ob ba3 £>eiratäprojeft mit ber Tochter 
beä £aufe3 infolgebeffen megfiet, ift ruafjrfctjeinlicr) , bod) 
nicht gu ermeifen. 2Bie bem auch fei, ber (#runbgebanfe 
beä Stüdes mar bamalä berfelbe mie t)eute nod). Unb 
biefer ©runbgebanfe , SBlofeftellung ber Heuchelei, ift aus 
ber bamaligen Stimmung beS Richters tyxauä ju der- 
ftehen. ,Tartuffe' oerbanft feine (Sntftefmng bem um bie 
,grauenfd)ule 4 entbrannten Kampfe. 

Ten Marquis, ben <ßreciöfen, ben föiüalen auf ber 

8* 



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33üfnte hatte ber ^Dic^ter geantwortet. Aber feine gefähr* 
Xicfjftcn ©egner, bie grömmler, welche an ber fogenannten 
Sßrebigt ArnolpheS unb feinen (Sfjeftanb^maf imen ein Ärger* 
ni£ gefunben nnb ben 3)icf)ter al$ %tix(b ber Religion ge^ 
branbmarft Ratten, fie, bie überhaupt im ^^eater eine 
gottlofe (Einrichtung erblichen, ^attc er in feinen beiben 
Antworten nodj nicht gebü^renb berücffichtigt. Auf fie 
hatte er fchon t>on früher ^r einen befonbem £afi. Schon 
in ber ^ßrotnnj, al$ ber ffixft bon (Sonti, fein früherer 
SBefchüfcer, ficr) burcf) ben (Sinflufj ihm naheftehenber ®eift= 
lid)en ^atte befefjren (äffen, feine ®omöbtanten $u ber* 
ftofeen, hatte er für bie Freiheit ber $üf)ne fo fefjr 
gefährliche Stacht ber Frömmelei berabfdjeuen gelernt. (§& 
ift fehr wohl möglich, bog (Sonti burdjauS aufrichtig mar; 
nichtöbeftoweniger wirb 3Miere nicht an biefe Aufrichtig* 
feit geglaubt haben. (Er wirb überhaupt ein gewiffeS üttifc* 
trauen ber $ird)e gegenüber nicht haben überwinben fönnen. 
©ein Seruf lägt uns ba£ wof)l berftehen. Al3 Schau* 
fpieler galt er nach & cn bamaligen Gepflogenheiten ber 
Kirche bem ®leru$ al3 ein SBerbammter, bem man fein 
chriftlicheS ^Begräbnis gegönnt hätte, wenn er nicht feinem 
SBeruf entfagt hätte. 3)iefe Verachtung feinet StanbeS, an 
bem er mit ganzer (Seele hing, wirb er wie eine beleibigenbe 
Ungerechtigfeit empfunben haben. @r wirb fich gefragt 
haben, ob benn bie Schaufpieler wtrflicf) moralifch ber* 
werflicf>er waren, all fo manche, bie @totte8 Sßort ftetä im 
Sttunbe führten, pharifäerhaft auftraten unb fich f& r fr* e 
einzig frommen hielten. @& fehlte bamalä nicht an folgen, 
bie unter bem $)ecfmantel ber Religion bie fd)änblichften 
Safter bargen, ©erabe ein Schaufpieler, ber fich ^ ur 4 
pharifäerhafte AuSfchliefjlichfeit unb ben ganatiämuä ber 
Kirche fortgefefct bebroht fah, mufjte ein befonberS fcf)arfe3 
Auge bafür haben. $en inneren Xrieb, ihnen ^u ßeibe 



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— 117 — 

$u gefjen, fjatte ÜMiere gewiß fdjon lange. £>en äußeren 
Einlaß gab bie $ef)be ber »grauenfdjule 4 . Unb er wagte 
ben 2Burf. mar eine füfjne $f)at, benn bie Partei ber 
grömmler war mäd)tig unb rüdfid)tSlo3. $)od) barf man 
fie audj nidjt überfeinen, äftoltere wußte genau, baß er 
bei einem Angriff auf bie Frömmler ben $önig auf feiner 
Seite fyaben würbe, £er fiubwig XIV. ber fedföiger %cti)Xt 
ift nidjt mit bem bigotten Verfolger ber ^ßroteftanten ber 
adliger 311 t>erwed)feln. 9ttd)t 9tR n,e - be 9#aintenon war 
jefct feine ©eliebte, fonbern bie Sa ^afliöre, unb gerabe 
bie frommen am |>ofe, feine ättutter Slnna öon Öftere 
reid> an ber Spi^e, faljen biefe§ fein weltliches treiben 
fefjr ungern unb erfparten t^tit bie Vorwürfe nidjt. $em 
Könige war aber ba£ Säbeln unb ^rebigen biefer Greife 
fefyr pwiber: er wollte in feinem Vergnügen nidjt geftört 
werben. 3Miere mußte bae wiffen unb mochte fidj benfen, 
baß e$ bem Könige nidjt mißfallen würbe, wenn bie 
Frömmler fid) über feine ftomöbie ärgerten. Sttußte e3 
ifjm bod) gerabe an biefem gefte, ba£ er $u (Sfjren feiner 
©eliebten gab, eine geheime Sdjabenfreube bereiten, bie 
Satire ber 9Menfcf}en ju erbliden, bie ftetS bie frommen 
fpielen, aber bennodj ben 9ieijen ber Sinnlidjfett erliegen. 

2)ie g a b e l feines Stüdes crf anb poliere nidjt felbft. 
Söieberum waren eä feine greunbe, bie Italiener, welche 
fie ifjm lieferten. (5$ gab eine Stegreif fomöbie , weldje 
unter bem Site! ,$)er ^ebant' bie ©efdjtdjte eines im |>aufe 
^ßantaloneS wofjnenben, bei bem «'pauSfjcrrn in außerorbent- 
lidjer ©unft ftefjenben * trodeuen SdjulmeifterS beljanbelte, 
ber feine SluSnafjmeftellung benu^t, um fidj ber grau 
feines ©onner* als ©eliebten anzubieten. (£r weiß, baß 
fie iljren SOfann nidjt liebt unb baß fie mit bem (Sapitano 
ein SöerfjältniS angefangen. 2Bie öiel flüger wäre eS bodj 
t)on ifjr, einen 2J?ann ju lieben, ber in ifjrem $aufe wofjne. 



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<So toürbe jeber ©fanbal öermieben. Sfabefla oerrät biefeS 
Anerbieten ihrem 9Jcanne, unb um il)n, ber nicht an bie 
©churferei feine* greunbeS glauben nritt, überzeugen, 
locft fie ben ^ebant in eine $atte; fie tfmt, als ob itjr 
2ttann oerreife, giebt ifjm ein ©tellbichein unb läßt fid) 
öon tf)rem ©arten unb allen §au$beroohnern im fritifchften 
Slugenbticfe überragen. ©o ift ber gebaut entlaröt unb 
erleibet bie gebüfjrenbe ©träfe. 

2)er äußere ©ang ber §anblung beä ,Xartuffe' ift 
bem biefer ©tegreiffomöbie fefjr äf)nlid). SBir befinben 
uns aber in einem ganj anberen Sflilieu. 3n $ari3, im 
$aufe eines reiben, felbft bem ßönig befannten, aufrichtig 
Rommen 9ttanne3 Drgon fpielt baä ©tücf. 3n ber $ird)e 
ift Orgon gar oft ein 3Jcann burd) feine außerorbentlid)e 
grömmigfeit aufgefallen. (5r fniete ilmt alltäglich gegen* 
über unb betete fo inbrünftig, mit foöiel <5euf$ern, baß 
aller klugen fid) auf tc)n roanbten; er bot ifjm an ber 
Äirchentfjüre ba£ Söeifjroaffer an, unb öon ben ©aben, 
bie er öon if)tn empfing, fcfjenfte er jebeSmal ben Armen 
bie |)älfte. $)iefe3 fromme ©ebaren r)at auf ben guten 
Drgon fo großen ©inbrurf gemacht, baß er it)n befrimmt, 
bei ilmt SBo^nung ju nehmen, Äußerlich fpielt Sartuffe, 
fo ^eißt ber äftann, auch weiterhin ben grommen; er 
trägt ein Vußtteib unb fafteit fid); er flagt fid) bei ber 
fleinften ©ünbe fofort be$ größten Verbrechens an. ©o 
tt)ut er, als ob e£ ihm fcfjrecflid) wäre, einmal beim Veten 
einen glof) getötet $u hoben. Unb bamit nicht aufrieben 
felbft fromm ju fein, und er baS tjanje |wu$ nach feinem 
SJcufter befefjren. Sr tritt als ftrenger Sittenrichter auf; 
Sßufc unb $anb finb ihm gleich Verbrechen; feiner ©unft 
beim Hausherrn ift er fo fidjer, baß er fid) öl* ^err beS 
ganzen £aufe3 auffpielt. $abei öerachtet er aber für fich 
bie irbifchen ©üter feineSroeg*. (Sr ißt mit bem größten 



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— 119 — 

Sfypetit; ber gute SBctn feinet ©önnerS besagt ifjm xoofyl; 
er frf>laft ben @d|(af be$ ©eredjten unb liebäugelt mit 
be£ §au3f)errn grau. $)ie weiften im |>auS, (Stmire, 
DrgonS grau, fein ©otm unb feine Xodjter aus erfter 
(Sfje, fein <Sd)roager, feine üttagb f)aben längft SartuffeS 
ttmfjreS SGßefen erfannt 9hir Drgon unb feine Butter, 
Dame ^ßernelle, finb in ben GtotteSmann ttne oernarrt; 
Drgon roitl if)tn fogar feine Xodjter zur grau geben unb 
beftefjt auf biefe £eirat, trofcbem er um ir)re Siebe zu einem 
geroiffen SBatere roeijj, ben er fetbft früher als Sdjtoieger- 
folm im 2htge gehabt; er null eS tfmn, obtoof)! fief) bie 
ganze gamilte nadjbrücflidj bagegen toefjrt. Sartuffe freiließ 
liegt noef) anbereS metjr am §er$en. gür feines ©önnerS 
grau glüfyt er in fünbiger Seibenfdjaft unb fie toirb fein 
SBerberben. DrgonS <Sofm SDamiS belaufet ein ©efpräcf), 
in bem er (SImire in jubringüdjer Söeife jufe^t. (Smpört 
er$äf)lt er aöeS feinem SBater. $lber ber ©otteSuiann 
toetfj xoof)l, nrie er ben Drgon ju nehmen J>at; er fpielt 
ben ßerfarcfcfjten; er ftagt fief) nod) biet fdjlimmerer 58er* 
brechen an : er bittet fogar, man möge ifm aus bem §aufe 
jagen; ftie&e ü)m aud) bie gröfjte (Staube zu, fo genügt 
ie nidjt, alle feine greoel au^umerjen. @S ift bieS ein 
einer (£fyarafter$ug, ben äftoliere einer SRooelle (ScarronS 
,3)ie ^eudjler' entlehnt fjat. $urd) biefe fd)Iaue §altung 
oermag er recf>t fcfjneä Drgon, ber anfangs an ir)n gezweifelt, 
feiner Unjdjulb ju überzeugen; er fyat ir)n fogar burd) 
feine ©djeinfyeüigfeit 6alb fo umgarnt, bajj ber $f)or feinen 
<Sotjn, tüeil er ben unfdjulbig Slngeflagten nidjt um 95er* 
Zeitjung bittet, mit ©djirnpf unb ©djanbe auS bem §aufe 
jagt, oerflucfyt unb enterbt. (Srft red)t miß er je|t bem 
Startuffe feine Xodjter geben, unb zwar fofort; unb um 
feinem ganzen $aufe zu geigen^ bafj er ber §err ift, fe|t 
er ifm zu feinem (Srben recfjtSoerbinblidj ein unb fdjenft 



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if>m fein ganzes Vermögen. Slber bie anbete gartet 

im |)aufe ftreeft bie SSaffen nicf|t. Crgon muffen bte 

9lugen geöffnet »erben, ©onft ift Mariannes Unglücf 

befiegelt. 2Bie fdjmer e£ if)r aud) fällt, entfdjliefct fief) 

(Slmire if)ren ättann öon SartuffeS betrügerifd)en 5lbficf)ten 

baburef) ju überzeugen, baß fie if)m ein ©teflbid)ein giebt, 

bem ifjr SHann, unter bem Siftf) oerfteeft, unbemerft bei* 

mot)nen foll. $113 Sartuffe füf) juerft ettt>a£ mifctrautfd) 

jetgt, tt)ut fie, als ob fie auf feine SBünfrf)e eingeben tootle, 

unb miegt if>n baburdj in ©icfjerfyeir. $er ©djurfe glaubt 

fein $iel mit Rauben ^u greifen, unb als ©Imire ir)n 

fragt, ob er benn gar nidjt fürchte, ben Gimmel, beffen 

©ebote er ftetö im StRunbe füt)re f $u beleibigen, antwortet 

er mit ben berühmten SBorten: 

„$er Gimmel $u>ar Verbietet mancherlei, 
$od) man öerfteljt fid) mit ifym abjufinben. 
$>a8 eben ift bie Äunft, bic ttrir un§ fdjufen, 
3c nad) $ebarf beljnen ba§ ©ennfjen, 
Unb, liefe bte §anblung fiouterfeit bermiffen, 
Un3 auf ben guten SBillen ju berufen." 

3)rum möge fie ja feine ©frupel mef)r tyaben. SllleS 

roerbe geheim bleiben unb fei fdjon auS bem ©runbe feine 

©ünbe mein*. $lber im $lugenblicf, als Sartuffe mit 

offenen $lrmen auf (Slmire jueilt, zeigt fief) Orgon. Qefct 

ift er überzeugt. $)er ©cfjurfe mujj mit ©(f)impf unb 

©dfyanbe aus bem £au3 IjerauS. $lber mit all feiner 

Energie ift eS jefct ju fpät. £aut ber ifnn gemachten 

©djenfung ift Sartuffe ber £>err be* £aufe*\ @r ift 

e«, ber feine SRedjte jefet geltenb marfjt. Men (SrnfteS 

miß er feinen ©önner auf bie ©trage fefcen; ja, er tfjut 

nod) mefjr: eines politifcfjen SBerbredjenS, um baS er allein 

gewußt, zeigt er if)n an unb läfjt feine SBerfjaftung an« 

orbnen. 2)a$ ©tücf brofjt als Sragöbie gu enben. $>ocf) 

beS Königs Sluge mad)t. 3n feiner 2llln>iffen^eit f)at er 



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— 121 — 

SartuffeS fcfjänblidje* ©ebaren erfannt; eS ift baä eine« ge- 
meinen 8cfmMnbler3, ber fid) unter falbem tarnen Der- 
fteefte, unb er ift eS, ber in£ ©efängniS toanbern mufe. 

3n biefem ©tücf ift eS ttneberum nid)t bie Sit* 
trigue, bie uns intereffiert, fonbern bie Sfjarafterjeic^nung 
unb bie ©atire. $ier ift and) äfloli&re originell. SGBenn 
er aud) einige 3üge beS £eud)ler8 fdjon bei anberen Sitte* 
raten auSgebrütft öorfanb — auf ben einen machten mir 
fd)on oben aufmerffatn , unb aud> ben -Kamen Sartuffe 
toirb er getoifj bem 6carronfd)en #eud)ler Sttontufar nad)* 
gebilbet f)aben — fo ift bie Schöpfung ber ©eftalt Star* 
tuffeS bodj fein ureigenfteS SBerf. 3)er fdjmufcige gebaut, 
ber in feiner lüftemen ©innlid)feit nadj feines ©önnerS 
(Gattin fd)ielt, unb ber ftereoröpe ^arafit ber alten Äomöbie, 
ber e£ fid) auf Soften ber anberen toofy ergeben läfjt, fie 
f)aben fidj $u ber ©eftalt eines abgefeimten ^eudjferS öer* 
fdmtolaen, ber bie Religion als baS bequemfte SDtittel er* 
fannt f)at, um bie Erfüllung feiner egoiftifdjen SSünfc^e 
^u erreichen. Unb roie fd)lau benimmt er fid) babei! (5r 
fennt feine fieute genau. (£r J)at in Drgon einen über 
bie ^a^en leichtgläubigen 9ttenfcr)en erfannt, bem bie 
äufjeren ©rimaffen ber grömmigfeit fofort €>anb in bie 
klugen ftreuen tonnen. <5o fpielt er benn ben grommen, 
um in fein |>auS aufgenommen $u roerben. $lber feine 
angeborene ©innlidjfeit unb $errfd)fud)t finb fein 33er* 
berben. So fromme Söorte er im Stfunbc füljrt, fo fet)r 
er ben ßeufdjen unb ästeten foielt, feine gemeine Statur 
ftraft biefeS fein ©ebaren ßügen unb lägt il)n bie ©ebote 
ber ^lug^eit unb $orfid)t oergeffen. $aS erfte 9M rettet 
üjn noc^ fcw e ©djlauf)eit unb Kenntnis oon CrgonS 
ßfjatafter. $)aS gleite 9M gerät er aber in bie galle, 
bie if)tn (Slmire gelegt. 5)a bricht fein gewalttätiges 
Temperament burd>. ©r geigt fid) in feiner toafjren ©e* 



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122 

ftalt, als roher Schuft. 9lud) Drgon unb (Slmire finb 
au« ben fdjattenhaften Stypen ber Stegreiffomöbie 
lebenswahren (Sf)arafteren geworben. $)er typifcfje $an* 
talone totrb jum fdjwachen unb leichtgläubigen, t)on einem 
öftrem jum anberen fchwanfenben $i$fopf Drgon. Sie 
recht gewöhnliche Sfabelle wirb ju DrgonS noch jugenb* 
lieber, für $u$ unb £offart nicht unempfänglichen, auch 
mit einer gewiffen Äofetterie fpielenben, ober im ©runbe 
fefjr oerftänbigen unb burchauS ehrbaren grau (Slmire. 
(Sbenjo lebenSooll finb bie anberen *ßerfonen beS ©tücfeS, 
ber leibenfd)aftlid)e unb ^i^ige $)amiS, ber am liebften ben 
Sartuffe buref) ^ßrügel aus bem $>aufe herausjagen mürbe; 
bie ftf)ücf)teme unb herzensgute Marianne, bie bem @nt= 
fcf)luf$ ihres SBaterS gegenüber nur mit Xfjränen ju ant= 
Worten öermag ; ihr leicht empfinblicher unb reizbarer, aber 
burchauS rechtfcr)affener unb, wenn eS fein muft, ju fühner 
Zfyat entfchloffener (beliebter Malere; $)orine, bie in alle 
©efjeimniffe beS $aufeS eingeweihte, treue, aber vorlaute 
unb wifcige 3°f e / roeldje jebem ihre Meinung runbweg ins 
©eficf>t fagt; Släante, beS Drgon nernünftiger unb mafc 
Dotier <5cf)Wager, ber bor jeber Übertreibung ebenfo fanft 
als beftimmt ju warnen uerftef)t. Unb bagegen bie auf= 
braufenbe unb herrfchfüdjtige 3Wabame *ßernelle, bie 2Rutter 
DrgonS, ein ©eitenftücf jur SRagonbe in ©orelS ^olttanbre, 
welche oon SartuffeS Ünfehlbarfeit fo eingenommen ift, 
baß fie fich lieber mit bem ganzen $aufe überwirft, als 
ba& fie nur irgenb einen gehler an ihm augeben würbe; 
fogar 2ot)al, ber bemütig thuenbe, aber im ©runbe brutale 
©erichtSöolljieher, ben Sartuffe jum ^rocmgSoollftrecfer aus* 
gewählt hat, fie finb alle bis ins einjelnfte ausgearbeitete, 
fein nüancierte, lebenbige ©eftalten. 

©egen wen richtet fich ™n bie Satire beS (Stüdes? 
SDie grömmler behaupteten fofort, nach °er erften SBor* 



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123 — 



ftettung, baß ba3 fiuftfpiel fid) gegen bie Religion richte, unb 
toeranlaßten be3l)alb ben ßönig, bie Aufführung beä Stüde* 
t>or bem *ßarifer *ßublifum ju verbieten. 3ft biefe An= 
flage wirtlich ernft $u nehmen? SBtrb baä religiöfe ©e,* 
fühl öerlc^t ? 93i3 ^eutjutage finb bie Anfielen barüber 
fe^r »erfcf)ieben. 

3)ie fromme Sßartct am §ofe, ber ftd) bie ^ßarifer 
©eiftlichfeit fofort anjdjfofc, behauptete, baß man bie religiöfe 
ßcucrjelei nicht angreifen fömte, ohne bie Religion felbft 
^u üerlefcen, benn ber religiöfe Heuchler gebrauche biefelbe 
©prad)e wie ber mirflich föeligiöfe. Auch fei e3 nicht 
<5ache be3 X^eater«, fiel) über reügiöfe $)inge ju äugern. 
$)iefelben 53ebenfen werben aud) nod) heutzutage oielfadj 
geltenb gemalt. SBollte man ber Äunft verbieten, bie 
religiöfe fieudjelei $u üerfpotten, fo würbe man ihr, glauben 
toix, überhaupt üerbieten, bie Deutelei al$ folerje gu branb- 
marfen. $)enn ber $eud>ler wirb ftetS biefelbe <Sprad>e 
gebrauten, al§ ber Aufrichtige; geht boct) fein ganzes 
(Streben barauf hinauf ben Anfd)etn eines Aufrichtigen ju 
erwetfen. ©in ©treber, ber eine falfdje politifc^e ÖJefinnung 
üorfpiegelt, um ju (Sf)ren uno Würben ju gelangen, wirb 
fid) äußerlich gerabe fo gebärben toic einer, ber innerlich 
überzeugt ift ; benn eS fommt ihm gerabe barauf an, biefen 
Anfcrjein $u erwetfen. ©öden fid) be^r)alb gute Patrioten 
barüber erbofen unb ber föunft verbieten, eine foldje 8atire 
$u geben ? $)a$ würbe ebenfooiel bebeuten, als ber $unft 
überhaupt ju verbieten bie Heuchelei anzugreifen. $)aburd) 
würbe aber eines ber fchlimmften ßafter ber ©atire entzogen 
werben. 9hm wirb man melleicht fagen, bei ber Religion 
fei eS anberS als bei ber ^olitif. $)ie Religion ftef)e t)ör)er. 
Aber gerabe be«I)atb , meinen mir, müßte eS im 3ntereffe 
ber Religion felbft liegen, ber Shmft alle Söaffen in bie 
$anb ju geben, um bie ju treffen, welche ber Religion 



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fcf)aben, inbem fie unter ihrem $>ecfmantel 8cf)anbthaten 
ooübringen. Sßenn fid) in biefem Kampfe bie ®unft ber 
Religion, bie burch ^ßrebigten ber Heuchelei ju Seibe gef)t, 
als SöunbeSgenoffin anfcfjließt, fo follte es ihr nur roill* 
fommen fein. 3e häufiger unb nachhaltiger bie religiöfe 
$eucr)elei befämpft roirb r befto beffer für bie Religion felbfr. 
Unb ber <5pott fann ba oft Diel roirffamer fein als bie 
^ftafmung ober ^rebigt. Natürlich muß ber Äünftler e3 
fo einzurichten üerftehen, baß jeber 3 u W) auer 0011 ÖOrns 
herein über ben tptrfltcfjen (££jarafter be$ anfcfjeinenb 
grommen, ber auf ber 23üf)ne öerfpottet roirb, im klaren 
ift. £at ba3 aber üMtere etwa nicht gethan? @3 mag 
fein, obgleich e3 nict)t toa^rfc^cinlic^ ift, baß in ben erften 
gaffungen ber föomöbie öieüeic^t nicht alles gan$ flar toar, 
unb Xartuffe, fcfjon roegen feines geiftlufjen ober fyaib 
geiftlicrjen ©emanbeS fyk unb ba oon SBöättriüigen mit 
einem tuirflicr) grommen oermechfelt werben fonnte. 3n 
ber fpäteren gaffung ift e $ a & er me h r möglich- 

üMtere t)at im ©egenteil bie größte Sorgfalt barauf 
oerroenbet, baß ja fein Sttißoerftänbnie auffomme. 2)ie 
ätuei erften Slfte, in benen Xartuffe nict)t auftritt, bereiten 
ben sjufchauer burchauä genügenb öor. TO er im brüten 
$lfte ficf) enblicf) jeigt unb mit jum |>immel aufgeflogenen 
klugen $u feinem Liener fagt: „fiorenj, ba$ SBußfleib uub 
ben 6tricf fctjließ' ein!" ober ficf) uor bem entblößten 
©ufen 2)orine£ entfefct unb if)r ein £ajd)entud) jumirft, 
bamit fie ba$ bebecfe, roa$ fünbige ©ebanfen mecfen tonnte, 
ba fann ber Qufcfjauer, ber bie erften Slfte mit angehört 
hat, nicht im groeifel fein. (5$ ift fein nrirttich grommer, 
ber fo fpricht, fein $tefet, ber fid) fafteit, fonbern ber 
lüRann, ber ju jeinem 9tochteffen, roie $>orine erjählt hat, 
ein föebhufjn nach ocm anberen nebft Hammelbraten in 
ben 2Ragen manbern läßt, ber jum grüfjftütf eine glafcrje 



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— 125 — 

SBctn trinft, ber bie grau beä |>aufe3 oor järtlichem 
SBerfehr tiict eiferfüdfjtiger behütet als bcr ©hemann felbft 
unb fie fo fet)r hofiert, bafj fid) fogar bie $)ienftboten 
barüber aufhalten. Unb aud) pofitto f)at 2Mtere jeben 
3n>cifel jerftreut. SluS bcn föeben (£teante3, bcr fid) bodj 
als bcr mafcoollfte unb am rufngften urteilenbe bcr ganzen 
^familie $eigt, geht gleich im erften Ufte jur (Genüge Kar 
heröor, baß Xartuffe nicht aufrichtig ift. 9ftit berebten 
SBorten r)at er if)n bcn ßcuten gleichgeftellt, „bie SRifjbranch 
treiben, ftrafloS, ofme ©d)am f mit allen heiligen Gbtbottn, 
bie oon (£igennu| gebläht bie grömmigfeit emiebem jum 
ßtetoerbe, mit falfdjem $(ugenauffchlag unb ®ebet ein 9lmt 
erf gleichen unb ein fette« ©rbe," ben Öeuten, „bie ben 
$immel3tt>eg ba broben als 2ßeg $u irbifchem ®enufj ge* 
ttntylt unb jeben Sag oon $emut gang bcfeclt @ntr)att* 
famfeit bei Döllen ©Rüffeln loben, bie fromm im $lrm 
beS SafterS ruhen, rachfüchtig, treulos, ^eftig, ooll oon 
hänfen." $lar unb beutlich fjat (Sleante in feiner Siebe 
auf ben Unterfcr)ieb $ttrifd)en ben tuirflid) SReligiöfen ^in* 
gennefen, bie nid)t alles befritteln, roaS man tfmt, unb 
nicht burd) 2öorte, fonbern burd) X^aten bie ©ünber 
bekämen, unb ben erbärmlichen £>eud)lern, n?eld)e bie 
Religion nur als $ecf mantel it)rcr Seibenfehaften gebrauchen. 
Söer ba« mit angehört unb aufrichtig ift, fann nimmermehr 
glauben, bajs ÜDtoltere bie Religion angreift. $aS ©ebaren 
SartuffeS in ben brei weiteren Slufeügen fann jeben, ber 
fehen will, in biefem Urteil nur betätigen. 

(5S hat auc h nidyt an folchen gefehlt — fogar heut* 
zutage — , bie behaupten, 3Mtere höbe in feinem «Stüde 
bie eine ober anbere religiöfe Partei angegriffen. 9tad) 
ben einen hätte er bie 3anfeniften, nach ocn oberen ihre 
geinbe, bie Sefuiten im $luge gehabt. Stofe 2Mtere oon 
|jauS au« nicht oiel übrig f)ab?n fonnte für bie ftrenge, 



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126 - 

aäfetiftfje, auf (Srtötung be£ gleifdje« fn'narbeitenbe , ba3 
Sfyeater öerbammenbe SRidjtung ber $rnaub unb SGicote, 
tüelcfjer fidf) übrigen« aucf) gerabe fein getnb, ber Jürft 
oon ßonti angefcf)Ioffen ^atte, lütrb un« nid)t nmnber 
nehmen. 3n ber Sfjat finben ficf) in Sartuffe« Söefen 
einige, an bie 3anfeniften erinnembe 3üge. 2ö cnn er 
gegen $Ieiberpracr)t unb äußeren Xanb eifert, eine rTeinlidje 
©ittenricr}terei jur <2>cr)au trägt, ficf) äufjertidj bis jur 
Übertreibung prübe geigt, fid) faftett, ben tarnen ©orte« 
ftet« im 9Jhmbe füfyrt, fo finb ba« (Eigenheiten, bie — auf- 
richtig gemeint — bei ben Qonfeniften ju finben waren. 
$)ie geitgenoffen wußten fogar jur Sanfeniftenpartei ge* 
työrenbe ^ßerfönlid£)feiten $u nennen, bie 2Mi£re im $uge 
gehabt fjätte, <ßerfönlid)feiten geiftlid)en ©tanbe«, bie fid) 
gegen tarnen ä^nüdtjed erlaubt fyätten, nrie Sartuffe ber 
(Sfatire gegenüber. @3 ift nicfyt unmöglich, baß dotiere 
ben einen ober anberen $ug auf bie Sanfeniftenpartei 
gemünzt f)abe, bajj er aucf) f)ie unb ba an beftimmte 
$ßerfönlicf)feiten gebaut fjabe; aber beSfyalb $u behaupten, 
bajj feine Äomöbie ein Senbenjftütf fei, toetdje« etwa im 
Auftrage be« Äönig« gerabe bie 3anfeniften befämpft tjabe, 
gefjt Diel gu weit. SGBenn Sartuffe in feinem SBefen einige« 
3anfeniftiftf)e t)at, fo t)at er anberfeit« ganj entfd)ieben 
aud) einige jefuitifd)e (5igenfd)aften. 2ötr Ijaben fcr)on oben 
bie SBerfe angeführt, in benen Startuffe in ber berühmten 
(Scene bes 4. Slfte«, um (SImire ju oerfüfjren, bie laje 
(5«cobar*9Jcora( angreift, nad) ber man ba« ©d)led)te einer 
|>anblung burcr) bie SHeinf)eit be« oerfolgten ftmdtä cr\U 
fdjulbigen fönne. $a« finb aber ®runbfäfce, bie ben 
Sanfeniften oerf)af$t waren. SBaren fie boct) bie ärgfteu 
geinbe ber Sefuiten! <5d>rieb 9)coliere ein Xenbcn^ 
ftüd gegen bie Sanfeniften, fo fonnte er feinem Sartuffe 
foldje SÖSorte nid)t in ben ÜKunb legen. Übrigen« f)at 



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^> 127 o- 

gerabe ein fjeröorragenber 3cfuit f Sß. 93ourba(oue, bie 
Äomöbie aufs J)cfttgfte angegriffen. §ftfo fonnte biefer 
Drben boch nicht bie (Smpfinbung haben, baß 2Mi£re fein 
©unbeSgenoffe war. $a3 SRicf)tigfte über bie (Stellung 
ätfoltereä gu beiben Parteien bürfte boch ber Sluäfpruch 
9?acine3 in einem feiner ©riefe getroffen f)aben, wenn er 
bemerft, man fjätte bamatö ben 3anfeniften gefagt, baß bie 
Sefuiten in biefer Äomöbie »erfpottet mürben; bie Sefuiten 
if)rerfeit3 gärten ficf> geftfmteichelt , baß bie Sönfeniften 
gemeint feien. Sttoltere wirb gewiß nichts bagegen gehabt 
haben, baß beibe Parteien fitf) gegenfeitig öorwarfen, fie 
feien getroffen. (Sr fdfjrieb nicht eine ^enbenjfomöbie, 
welche bie eine ober anbere Partei befämpfte. (£r branb* 
marfte bie §eud)elet, wo er fie fanb, benn nichts war ihm 
belaßter als bie Unwahrheit. 2Ber fid) anberS giebt als 
er ift, wer beffer erfc^einen Witt, als bie Statur ihn gemalt 
hat, ber ift feinem (Spotte unbarmherzig verfallen, tiefer 
©runb^ug, ber ftampf gegen ben Schein unb bie Unnatur, 
unter welcher gorm fie fiel) öerbergen mögen, bur^ie^t 
wie ein roter gaben fein ganjeS SBirfen. 3)ie ^reciöfen 
unb bie 3ftarquiS fjatte er aus biefen ©rünben bisher 
angegriffen. 3)ie ^eu^Ierifc^en grömmler, welcher Partei 
fie auc^ angehören mochten, ocrfolgte er bemfelben 3beal, 
ber 2öafjrf)eit ju Siebe. 

$aß biefeS (Stücf nocf> oiet mehr $luffef)en erregte 
als bie biö^er aufgeführten, wirb uns nicht wunbern. 
(Schon nad) fünf Sogen hatten eS bie grömmler fertig 
gebracht, baß eS öerboten würbe. So wenig £ub~ 
wig XIV. fie bamalS liebte, fo fehr fie ihn in feinen 
Vergnügungen ftörten, er fdfjeute boch t^re Stacht unb 
gab nach- Slber was beut Wollt vorenthalten werben 
mußte, baS fonnte ber |>of boch genießen. $)er fönig 
hatte fich nach *> en VerfailleSfeften nach Sontainebleau ge= 



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roanbt. $)ortf)in liefe er im Sommer SWoItereS Xruppe 
fommen, unb in ben legten Xagen be3 3uti hatte SWoUere 
fogar bie Söefriebtgung, fein ©tücf öor bem ®efanbten be3 
^apfteS, bem $arbinat ßfjtgi, toorlefen ju bürfen unb öon 
ifjm billigen ju ^ören. 216er bie Eiferer liegen nicf)t nadfj. 
(Sin $riefter, Sßierre 9ioutte, Pfarrer in @t. 23artf)o(omaei, 
jc^Ieubcrtc gegen ben gottfofen SDic^ter ein ttmtfd)naubenbe3 
*ßampf)let, in roeldjem er ifyn al£ einen öerftecften 3freigeift, 
einen Seufet, ber ben 5 e uertob öerbiene, mit grimmigen 
Söorten bezeichnete. 9ftcr)t3beftoroeniger fufjr üttoltere fort, 
öor fürftficrjen Sßerfonen fein ©tücf aufzuführen. 9tament* 
lief) fdfc)eint ber gürft öon (£onb6 großem Sntereffe an ber 
Äomöbie gehabt unb 3Mtere SBtnfe gegeben ju ^oben, 
bamit er ba3 ©tücf fo eintoanbfrei aU möglich geftalte. 
3ebenfall3 änberte unb befferte ber dichter nod) (ange an 
feinem Suftfpiel. 3m SRooember 1664 jaulte bie $omöbie 
bereits fünf 9lfte, aber noch ein 3ah r barauf fcheint 
9JcoItere auf (£onb6s SBeranlaffung an bem öierten $lfte 
einige Önberungen öorgenommen gu t)aben. 3)er Äönig 
jeigte ifjm bauernb feine ©unft; um tr)n für bie Angriffe, 
benen er fortroäfyrenb au$gefe|jt mar, ju entfdjäbigen, gab 
er if)m im $(uguft beä Söhres 1665 eine ^ßenfion mm 
6000 bat feinen ©ruber, if)m bie Xruppe ju überlaffen 
unb nahm fie in feinen perfönlichen $ienft. SBon biejer 
3eit an hei&t 9MtereS ©chaufpielergefellfchaft bie Gruppe 
be3 Königs. $rofc biefer unftreitigen ©unftbe^eugungen 
fonnte e3 üttoltere erft am 5. Sluguft 1667 roagen, öffentlich 
im Palais Royal feine ßomöbie gu geben. 35er $önig 
toar feit brei äftonaten in Jlanbern. $or feiner Slbreife 
^atte er melletcht bem dichter einige Söorte ber Ermutigung 
gefagt. 3Mi6re burfte auch h°ff cn > & urc h ^ c dtogen 
Stnberungen, bie er am ©tücte vorgenommen, bie ©intoänbe 
gegen fein Suftfpiel gegenftanbSloä gemalt ju fyabtn. 



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— 129 ^~ 

£artuffe hatte feinen Tanten gegen ^ßanulphe oertaufdjt; er 
trug jefet öollftänbig weltliche Reibung. $(n melen (Stetten 
war gemilbert worben. 2)er Xitel be3 Stücfö fn' e & Jlm- 
posteur'. $)ie erfte SBorftetlung ging fefjr gut öon ftatten; 
als aber am Sonntag barauf bie Äomöbie wteber in 
«Scene gehen foHte, erfcf)ien im Auftrage be3 erften tyx'tfu 
benten Samoignon, ber in Slbwefeuljeit be$ Königs bie 
^ßolijeigemalt in $änben fjatte , ein ©eridjtSüolIaieher im 
Xfjeater unb öerbot bie Aufführung. $)ie Söache jerriB 
bie Slnfcf)Iag$ettel, fcfjlojj ba£ Zl)ox be£ Palais Royal unb 
bewachte e£. lottere machte felbft bem ^Jräfibenten einen 
Söefutf) mit feinem greunbe Söoileau, ber ihn fannte. $er 
^räfibent, ber $ur janfeniftifchen Partei gehörte, empfing 
fie fet)r freunblicfi, erflärte aber bem dichter beftimmt, 
bafc er trofc ber h<>h cn $ld)tung, bie er für if)n empfinbe, 
tf)m nid)t ertauben f önne, fein Suftfpiel aufzuführen ; benn 
eä jieme fid) nicht für ©cfjaufpieler, bie üttenfchen über 
bie cfyriftlidje Sttoral unb Religion $u unterrichten; e§ fei 
nidjt bie Sache be3 'XfyattTä, baä (Süangelium ju prebigen. 
$a com s $räfibenten nidjtö mef)r gu erwarten mar, fdncfte 
SMtere ^wei feiner Sdjaufpieler, 2a ©ränge unb Sa $h° 5 
ritterc mit einer ©ittfchrift jum ßönig ins Sager nach &iüe ; 
er machte auf bie Snberungen aufmerffam, bie er üor* 
genommen ^atte f unb erflärte ebenjo ehrerbietig als be= 
ftimmt, bag er nicht mehr baran benfen würbe, tomöbien 
$u fchreiben, wenn bie XartuffeS ben Sieg baüontrügen. 
$5ie Sdjaufpieler würben oon ben gürftlicf)feiten fehr freunb* 
(ich aufgenommen. 5)er $önig gab bie ^ufidjerung, bafj 
er nach l e i ner 9^ücffet)r ba$ Stücf noch einmal werbe 
prüfen laffen, unb Dotier 3 uöer W* f ehrten 9ttoliere£ 
93oten ju ihm jurücf. 92icht3beftoweniger erliejj ber (5r$- 
bifchof öon ^ariS, |>arbouin be ^erefiye, fchon am 11. Huguft 
ein $efret, in welchem er allen Bewohnern feiner $iöcefe 



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bei ©träfe bes Kirchenbanns berbot, äMiereS $omöbie, 
fei eS öffentlich, fei eS im gefcfjloffenen Steife, aufführen, 
lefen ober bortragen loffen; biefe ßomöbie fei gefährlich 
unb um fo geeigneter ber Religion ju fchaben, afö fie 
unter bem SBorttmnbe, bie $eudjelei ober bie falfcfje grömmig* 
feit ju berbammen, bie 2Rögficf)feit jutaffe, baß atte roirf- 
(ich frommen m ^ ^ ncn bertuechfelt unb fie ben Spötteleien 
unb SBerleumbungen ber 3 re ^9 e ^ er auSgefefct würben. — 
$)urd) biefeS Verbot erbittert, jog fid) 9Miere fieben Söodjen 
gurücf unb fpiette nid)t. @3 bauerte noch ^ on 9 e 3 e ^r mg 
ber König einfehritt unb ba£ ©tücf freigab. @rft anfangt 
1669, a(3 Subtoig in politifchen %xa§tn mit ber Kirche 
feinen ^rieben gefchMfen hotte, hielt er ben geityunft für 
gefommen unb üefj ben Xartuffe über bie Fretter gehen. 
$m 5. gfebruar 1669 burfte baS ©tücf enbttcf) unbeanftanbet 
im Palais Royal aufgeführt roerben. £)a$ ©ebränge mar 
fo gewaltig, baß man allen (SmfteS ©efahr lief, erbrüeft 
^u werben, $cf)ftmb$tüan$ig VorfteKungen fanben hinter* 
einanber bei ftetS bollern ©aale ftatt, unb fünf 9M 
burfte ber dichter im ©cf)loffe ho^r ^ürftüchfeiten fein 
©tücf aufführen. 2öar ber Kampf lange unb hott gewefen, 
fo mar ber (Srfolg bodt) fchön unb 9Miere3 9Jfüh e 
$lu3bauer nmrbe herrlich belohnt. 

Um bie ©efchicfjte SartuffeS im 3 u f önt m cn^an g $u 
erhöhten, finb nrir ben (Sreigniffen borausgeeilt unb müffen 
unS nun tuieber jurücf in baS Sahr 1665 begeben, um 
eine anbere ©cf)öpfung unfereS SDidjterS fennen ju lernen, 
bie unterbeffen ebenfalls baS größte $uffef)en erregt hotte. 

©eit mehreren fahren toaren fott>of)l auf bem italienifd)en 
$h*oter als auch * m Hotel de Bourgogne ©tücfe auf* 
geführt Horben, bie fich als außerorbentlicf) jugfräftig er* 
toiefen hotten. $)ie befannte ©efchidjte beS $)on Suan, 
beS genriffenlofen Verführers unfd)ulbiger Räbchen, ber 



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— 131 — 

bcn $ater eines fetner Opfer, ben Äomtur getötet, mit 
gottfofer grechh«* fein ©rabmol entheiligt unb burd) feine 
©tatue für feine äRiffetfjaten geftraft wirb, biefe uns burdj 
.SRogartS Dper fo geläufig geworbene ®efchtd)te mar feit 
ben breifjiger Sohren beS XVII. So^unbertö auf ber 
SBüfjne eine ebenfo beliebte als häufige (Srfcheinung. SBon 
©panien aus, wo Tirso de Molina in feinem „^Betrüger 
öon ©em'Ha" ben ©toff in tragifcfcreligiöfer Sßeife ^um 
erftenmal behanbelt ^atte, mar bie ©age nad) 3talien 
gewanbert, wo fie ihrer ernften Elemente allmählich ent* 
ffeibet, enblid) ju einer Slrt $arfefinabe geworben war. 
SJftcht mehr baS furchtbare @nbe beS gottlofen ©ünberS, 
ber bie ®ebote ber Religion fo freöclfjaft mit güfjen ge* 
treten 1)attt, fonbem bie ©päfje beS einfältigen Liener« 
$>ou 3uanS, feine ftaunenSwerte (Sefräfjigfeit, bie ungeheuere 
Sifte, auf ber er bie Tanten ber (beliebten feines £>erm 
aufgetrieben unb bie er ins parterre hinunterwarf, bamit 
man feinen SBorten ©lauben fd)enfe, waren eS je$t, welche 
bie ^ufdjauer intereffierten. ©ar oft wirb Sttoliere auf 
ber 93ühne feiner greunbe, ber Staliener, bie ©tegreif* 
fomöbie fich angefehen fyabtn, welche auf ©runb ber 
tomöbie ©ilibertoS — bie übrigeng auch *> em berühmten 
©icognini gugefchrieben würbe — aufgebaut auf biefe Steife 
bie ßufchauer feffelte. $ber nicht bioft bie 3taliener hatten 
fich ©toffeS bemächtigt $wei ?f ran & 0 f cn > ^)onmonb 
unb be Millers h atten ebenfalls einen $>on 3uan auf bie 
33ülme gebracht ber im großen unb gangen ber burd) bie 
Staliener eingebogenen Dichtung folgte. Namentlich war 
eS bie wunberbare SReiterftatue beS ßommaubeurS, bie 
fprach, fich S u Sifc^e fc^te, ben $on 3toan in ben ftbgrunb 
ber §öHe führte, welche bie nicht üerwöfmte ©djauluft 
ber ^arifer befriebigte. ßeitgenoffen wiffen gu berichten, 
bafj atteS fynlitf, um fich M** SBunberwerf anjufdjauen. 

9* 



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(Sitten ©toff, ber bie Xt)caterfaffc fo fef)r $u fütten Der* 
mochte, burfte ftcf) baä Palais Royal nicht entgegen (äffen. 
jäMiereS ©enoffen werben wof)l häufig in ifjn gebrungen 
fein, bamit er ihnen ein ähnliches ©tücf f djreibe, baS bem. 
$)on Suott ber anberen bie ©pifce bieten fönnte. ©o 
machte ftd) benn ber dichter baran unb fdjrieb feinen 
SD o n 3 u a n (mit bem 9£ebentite( le Festin de Pierre). 
Aber in ber aufgeregten $ampfftimmung, in welche ihn ber 
©treit um bie ^frauenfdjule unb ben Sartuffe oerfefct r)atte, 
fonnte eS iljm nicht genügen, eine $offe $u fdjreiben, in 
ber er burd) bie ©päfce eines ©ganarelleS baS $ub(ihtm 
befaftigt hätte. (§r fafcte ben ©toff ungleich tiefer a(S feine 
Vorgänger unb fdt)uf ein SBerf, baS ficf> an fatirifdjer 
©djärfe bem Sartuffe an bie ©eite ftellen fann. 

$)er glänjenbe fi^iüanifche ®at>a(ier $)on 3uan ift 
feiner treuen %xan (£(mre, bie er einft aus bem Softer 
entführt, überbrüffig geworben. @r fdmjärmt je|t für 
bie SBraut eines ©behnanneS , folgt ihr in eine be* 
nadjbarte <5tabt unb f)at bereits ben iß(an gefaßt, fie 
wäfjrenb ber ©pajierfafjrt auf bem 2ßeere, bie fie mit 
ihrem Bräutigam t>erabrebet, $u entführen. @r täfet fidj 
burd) (Sfoire, bie if>m nachgereift ift, um ifjn wieber$uge* 
Winnen, nicfft jurücf hatten ; er empfängt fie fa(t unb gleich* 
gültig unb fdjämt ficfj fogar nicf)t if)r üoräufjeucheftt , er 
habe fie beSf)a(b öerlaffen, weil fein ®ewiffen tt)n nidt)t 
in Sftuhe lieg, ba er fie früher aus bem Äfofter entführt 
^atte. 2)er Überfall auf bem SKeer mifjglücft. $)on 3uan 
unb fein Liener ©ganarette würben fogar bei ber ®e= 
legenljeit ben Xob in ben Sßetten gefunben haben, wenn 
fie nic^t öon Bauern gerettet worben wären. Srofc biefeS 
emften Abenteuers, baS tt)n eigentlich mahnen fotfte oon 
ben Siebeleien $u (äffen, beginnt er, faum gerettet, ben 
hübfchen Bäuerinnen beS Dorfes, in baS er aufgenommen, 



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— 133 — 

ben §of £u machen. (5r oerfprid)t ifmen fogar bie (5f)e. 
£afi bie eine bie 23raut fcineö Detters ift, fid)t ifm roenig 
an. (Sr f)aut ben Stöbet burd), ber ifmi baS Hüffen 
wehren roifl. 9lber im fügen Schäfern mirb er plöfclid) 
unterbrochen, ©emaffuete Leiter, bie trüber ber Der* 
laffenen (£lüire fefeen if)in nad); um fid) öor if)nen gu 
verbergen, jiefjt er ©ganarelfeS Littel an, roäfyrenb biefer 
fid) als Slr^t öerfleibet. So entfommeu fic in ben SStolb. 
9?ad)bem fie einem ©etiler ein 2(lmofen angeboten, — für 
bie ^anblung als folcr)e eine gan^ bebeutungSlofe, für bie 
^arftettung öou $)on SuanS ßfjarafter, roie mir gleid) 
feljcn roerben, bagegen eine fjödjft midjtige Scene — fet)en 
fie, mie ein bitter öon brei Sftäubern überfallen mirb; 
fofort eilt if)m $on 3uan ju £ilfe unb befreit ifjn. Ctyne 
es £u roiffen, f)at er auf biefe 2Beife bem ©ruber (SfoireS, 
ber ifm gerabe oerfolgt, baS Seben gerettet. $llS echter 
(Sbelmann miß 3>on (SarloS, trofcbem fein ©ruber if)m 
baut rät, bod) nicr)t bie ©elegenf)eit roafyrnefjmen unb fid) 
mit ifmt fdjlagen. (Sr üerfdjiebt feine Lad)e auf fpater. 
^löglid) erbliden £on 3"an unb fein Liener in ber 9täf)e 
beS SCßalbeS, in bem fie fid) befinben, baS (Srabmal eines 
ßommanbeurS, ben 3)on Suan früher einmal getötet. Sie 
treten in bie Capelle hinein unb fragen ntm Spafc bie 
Statue beS ßomturS, ob fie bei ifmen fpeifen mill. $u 
ihrer größten ©ernmnberung neigt baS Stanbbilb bejarjcnb 
ben ßopf. darauf !ct)rt $on Suan nad) £aufe jurücf. 
9iad)bem er fid) feines ©laubigere ^imandje burd) freunb= 
lid)e Lebensarten entlebigt, nad)bem er bie ©ormürfe, bie 
ifmt fein ^ater über fein ©enefjmen auSgefprocfjen, mit 
©eradjtung ntrürfgeroiefen unb £one (Slöire, bie nod) einen 
legten ©erjud) mad)t, ifjn auf bem Sßege beS ©erberbenS 
5urütfnifjalten , faum angehört, fegt er fid) mit feinem 
Liener 311 Sifdje. $ic Statue erfdjeint, fpeift mit ifmen 



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— 134 — 

unb labt $)on 3uan fetbft $u fid). äßerfwürbigerweife 
üerfättt nun plöfcltdf} $on 3uan auf ben ©ebanfen, ben 
$eiftgen ju fpiclen f um fein oerlorene« Renommee wieber 
$u erlangen. (£r tfjut fo, ate ob er in« Softer get>en 
unb feine Sünben bereuen will. 2lber bie iRac^e be3 
Rimmels läßt ftd) nic^t tauften. $ie Statue erfdjeint, 
faßt $on Suan an ber £anb, bie (Srbe tf)ut ficf> auf unb 
oerfdjlingt ben SSerbredjer. 

3)er grofee Unterfcfn'eb $wifd)en bem Aufbau biefeä 
Stüde« unb ben anbern $omöbien 3Miere« faßt fofort 
in bie $ugen. SDie ^anblung ift t»tel bewegter. 3)ie 
(Sinfjeit be« JDrte« wirb nidjt bewahrt; bie Scenerie ift 
fefjr mannigfaltig. $)er ©eift (Sfoire« erfcfjeint; bie Statue 
fpridjt, gef)t, fefct fiety 31t Xifcfj, bewegt ben Äopf; ber 
Sünber öerfcf)Winbet in einem Flammenmeer. 2Ber ba$ 
Stücf auf merf famer lieft, wirb balb gewahr, bafj biefe« 
Scfyaugepränge ÜMiere im ©runbe genommen redjt gleid}* 
giltig ift. (£r fyat e« öon ben früheren 2)on 3uan*Stücfen 
fjerübergenommen ; fein $ubüf um verlangte banadf) ; er f)at 
e« aber möglicf)ft ^urücfgebrängt. $)ie (Spifobe ber Statue 
wirb im SBergleid) ^u ben anberen Stücfen fefn* htr$ ab* 
gemalt. $)ie Statue fjält feine moralifdjen Sieben wie 
bei $)orimonb unb be SBitter«. @« wirb nicf)t im Snnern 
be« GJrabmal« auf bem Sarge gegeffen. ßeine firöten 
unb Schlangen werben oerfpeift. 3)a« gurdjtbare ber 
(Spifobe ift fefjr gemilbert. $)ie ganje <&efdjid)te be« $om* 
manbeur« ift im ©runbe fogar nebenfäd)iicf). $)on 3uan 
fyat if)n früher einmal getötet. &r ift nidjt wie in 
ben anberen 3)on 3uan» Fronten ber Sflädjer ber (Sljre 
feine« $aufe«; be«f)alb erfcfyeint e$ merfmürbig, baß er 
gerabe ben $)on 3uan beftraft. SBürbe eS (Sloire tfjun, 
fo wäre e£ folgerichtig, aber biefer unbefannte Komtur, 
#1 beffen ©rabmal $on 3uan jufällig fommt? 2)iefe 



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— 135 — 

gan$e (Spifobe ift ÜKoltere offenbar unbequem, aber er fjat 
nichts fRed^ted au$ ihr machen fönnen; feines ^ublifumä 
wegen mußte er fie behalten. $)e3f>alb macht fie aud> auf 
uns einen fonberbaren, nicht gerabe angenehmen (Sinbrucf. 
SRod) auä einem anberen ©runbe §at 2Mtere melleicht bie 
epifobe be« $ommanbeur3 abgefdmjächt ; er wollte feinem 
©tücf ba3 ShiSfef)en einer ßomöbie beffer magren; ba8 
fonnte er aber nidt)t, wenn er ber r)albp^antafttfc^en ©e= 
ftalt ber Sage ju öiel SBebeutung beilegte. 

(§ß ift t>on großem Sntereffe für bie 2lrt ber $om* 
pofttion feiner $omöbie, ju fef)en, wie er einzelne, be- 
beutungSlofe, äußerliche ©pifoben feiner Vorgänger ju feinem 
befonberen ftmd ju verwerten weiß. @3 fommt ihm nid)t 
barauf an, ben ®ang ber £anblung ftreng $u begrünben 
unb burd) bie gäbe! als foldje gu intereffieren. £ie lofen, 
nebeneinanber geftellten ©cenen fyabtn nur ben gweef, ben 
(Sf)arafter be£ gelben fcfjarf ^röortreten ju (äffen. 3n 
biefem ©inne ift faft jebe ©cene ein 93ilb für fidj. Um 
nur ein Söeijpiel anzuführen : au£ bem ^ßifger ber früheren 
$)ramen, ben 2)on 3uan unb fein Liener in einem SGBalbe 
antreffen unb ben ber (Sbelmann um feine ßfeiber bittet, 
weil er ftd) auf biefe SBeife öor feinen Verfolgern $u 
retten benft, macht SMiere einen frommen Vertier, ben 
er üergebenS $u fluten aufforbert unb ber, trofcbem $on 
3uan if)m ein ©olbftücf anbietet, babei bleibt, lieber fmngerS 
fterben ju wollen, als ein SBort $u fagen, baS gegen 
(Rottes ©ebot wäre. (SS ift flar, was dotiere mit biefer 
für bie |>anblung eigentlich gan$ entbehrlichen ©cene be= 
äweeft. (Sr will bem ©harafter 3)on SuanS einen neuen 
3»g rjin^ufügen. $)on 3uan glaubt an gar nichts; als 
ber $rme auf feine grage, was er eigentlich ben ganzen 
Sag thue, antwortet, baß er für baS Söohlergefjen ber 
guten ßeute bete, bie ihm etwas geben, befällt ihn baS 



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teuflifdje Verlangen, biefen finb(icr)en ©tauben 311 erfdjüttern. 
SD^it (Stoib fann man alle«, fo benft ber reiche $aöalier: 
„£ier fyaft $u ein ©olbftüd, nxnn $)u Puchen loiflft!" @in 
grellereg S3Üb ber ©ottlofigfeit (ie&e fid^ fd)tr»erlid) benfen. 

Stuf bie Gfjarafteraeidjnung 3)on 3uan8 t)at Woli^re 
ebenfofefyr (Sorgfalt öertoenbet, als er bie gü^rung ber 
£anblung bernad)läffigt r)at. $)a3 gan$e «Stütf bcftef)t 
nur qu« einer 9tetf)e lofer Scenen, bie un« ben $on 3uan 
ftet« öon einer tierfrfn'ebenen ©ehe geigen wollen, ©leid) 
am Anfang r)at ber 3Dicr)ter auf bie Ünnriberftef)lid)feit be« 
t>erfüf)rerijcr)en ßaöalier« f)efle$ £id)t geworfen. 9£ur ju 
biefem 3raecf W ^ c @tefd)id)te ber (Sfoire erfunben. 3n 
ben anberen Aromen ift $on 3uan nur ein fcr)r geroöfm* 
lieber SGBollüftling, ber ©eroalt unb £ift anroenbet, um bie 
Bräute anberer ju rauben. 53ei SMtere ift er ber t>or* 
neunte Äaöalier, ber burd) fein getoinnenbe« Suftere, fein 
feine« 93enef)men, feine fcrjmeid)lerifd>en Lebensarten bie 
grauen fo ju bezaubern r»erftef)t, bafj fie if)n über alle 
äRafjen lieben, ©eine grau (Sfoire fann nid)t öon ifmt 
laffen, obgleich er fie falt unb gefüfjüoS öon fid) ftöfet. 
Sie roeifj, bafe er fid) ntd)t mefjr um fie fümmert, fie 
felbft liebt tfm nidt)t mefjr, unb bod) will fie an fein 
(Seelenheil benfen; für ifm, ben fie fo fyeife geliebt, bem 
fie tfjre S^re geopfert, will fie beten; nod) in ber legten 
(Stunbe erfdjjeint fie als ©eift, um if)n pr Umfeljr ju 
öeranlaffen. $ie Unroiberftef)lid)feit $on 3uan3 fonnte 
nidjt beffer gezeichnet werben. $ie fieidjtfertigfeit , mit 
welcher ber t>ornef)me £err neue fiiebeleien beginnt, bie 
©ett)iff enlofigfeit , mit roeldjer er |)er$en brierjt, erhält in 
ben 93auernfcenen eine treffenbe $)arftellung. (£3 roirb 
ifmt ntcr)t fdjroer, biefe naiöen unb fyarmlofen Söauernfinber, 
bie fid) fofort buref) ba£ öornefjme Siefen beS großen 
|>errn imponieren (äffen, $u betören. Unb er fdjämt fid) 



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-c- 137 — 

nic^t U)nen t>on einer $eirat öor$ufd)roinbefa ; er weiß, 
bafj fo grobe Littel auf bie unfchulbigen unb unttriffenben 
9ttäbd)en tr)re SSMrfung ntcr)t oerfehlen. $lber bamit tft 
baS 93ilb beä 3>on 3uan nicht erfd)ö>ft. SMiere hat in 
feinem gelben alle ©igenfehaften beä üornehmen, fittenlofen 
ftatmlierä bereinigt ; mit ben unteren ©täuben zugleich 
r»on f}erab(affenber gamiliarität unb überf)ebenber 9?üd* 
fid)t$Iofigfeit , ift er ben Vornehmen gegenüber ftetä ber 
feine, forrefte, tapfere, unerfdjrocfene $lblige, ber äußerlid) 
ftet$ f)öfüc^ bleibt unb bie äufjere &)Tt als ein unan* 
taftbareS ©ut betrachtet. Seber biefer (5J)arafterjüge erhält 
jebeSmal in einer ©cene feine Beleuchtung. (5ä finb gleich* 
fam einzelne ©enrebilber, bie nad)einanber betitelt roerben 
f önnten : £on 3uan in feinem Verhältnis ju feinem Liener, 
$u ben dauern, $u feinem Lieferanten, $u Slbligen, $u 
feinem Vater. 

Unb um bie Religion fümmert er fid) ebenforoenig 
rpie um ba$ Unglücf feiner Dpfer. (5r glaubt nur , bafc 
äroeimal $roei t>icr ift, unb fpottet ber (Gebote ©otte$ mit 
unöerfd)ämter Jnöolität. ©eine ©eringfd)äfcung ber Religion 
befunbet er fcfylieftficf) aud) baburd), baß er bie Sichtung, 
bie er bei anberen öerloren, burd) erheuchelte grömmigfeit 
mieber gu erlangen fud)t. 2Jcod)tcn auch einige ©teilen 
ber früheren $)on 3uan=$ramen unferen dichter nach 
biefer Dichtung hin einige Anregung gegeben hoben, man 
fann fid) bem (Sinbrud boch nicht entziehen, baß ÜDfoliere 
hauptfächlich burch bie Verfolgung, welcher fein Xartuffe 
auSgefefct mar, §u ber ^injufügung biefeS 3 u 9 eg öetanlaßt 
mürbe. SRein äfttjetifch betrachtet ift biefe plöfcliche Ve= 
fehrung £on 3uan3 nicht glüdlid); fie ift burch oag @tücf 
felbft nicht genügenb begrünbet. ©einen ©roß fefct aber 
■äMtere in biefem gall über jebe fünftlerifd)e ^üdfidjt. 
(5r, ber ferner ©ereilte, empfanb e3 als bie hödrfte SBonne, 



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-> 138 — 

burdj ben Üftunb 3)on 3uan8 (einen Jeinben ba£ SBort ent* 
gegen$ufchleubern : bie heuchelet ift gegenwärtig ein Bttobe* 
lafter, unb alle SWobelafter werben für Xugenben gehalten. 

$)em ganzen ©tücf nterft man überhaupt bie ÄampfeS* 
ftimmung an. $>ie religiöfen t$ ro 9 cn > &i c & oc § i n e * ncr 
$arftellung be3 üornef)men SöollüftlingS nidjt in ben 
SBorbergrunb gehörten, mürben immer wieber öorgebradjt. 
@S ift eigentlich fein ©runb oorhanben, weshalb ein fo 
einfältiger Liener wie ©ganarelle feinem £erro gerabe fo 
oft religiöfe Sßorftellungen machen foüte. $)orine tljut e8 
Xartuffe gegenüber nicht. $)ie $ampfe$leibenfchaft reißt 
9Koltere unftreitig f)kx auf ein ©ebiet, baS feinem ©tücfe 
femer liegt. $)a$ ^aben bie ^eitgenoffen auch wohl ge* 
merft. deshalb J>at biefeS $)rama ebenfalls Ungeheuern 
©türm entfeffelt. ©d)on nach erften SBorftellung mußte 
SMiere bie ©cene be$ S3ettlcrd entfernen. (Sin $lrmer, 
bem 35on 3u<w ein Sllmofen nur unter ber SBebingung 
geben will, baß er fluche : welch eine ©ottlofigfeit ! 3Äan - 
warf ihm oor, baß er ben $ltf)et3mu3 $u unoerhüttt jeige, 
unb fragte fich, ob er nicht jeben ©tauben an (Sott Oer* 
fpotte. $aß gerabe nur ein einfältiger irab natoer Liener, 
wie ©ganarelle, beffen ©rünbe nid)t bie ftichh<rftigften 
feien, jum Vertreter ber chrifttichen 2Koral gemacht würbe, 
erfdu'en wie eine Verhöhnung. Unb in ber Xfyat wäre e$ 
oon 9Miere gefchicfter gewefen, ba er ficf) nun einmal 
auf biefe3 ©ebiet begab, e3 fo $u machen wie im ,$artuffe 4 , 
wo ein ebler unb oerftänbiger 9ttann wie ©leante bie 
©adje ber wahren JJrömmigfett führt. 

3öie Sßierre fftouK^ ben Xartuffe, fo griff je&t ein 
jur janfeniftifchen Dichtung gehörenber Slböofat im $arla* 
ment, unter bem Sßfeubonnm Sftochemont in einem heftigen 
^ßamph^t ben $on 3uan an. (£r warf bem $)itf>ter oor, 
fein Streift werbe nur aum Scheine oom Vlifcftrahl ge* 



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— 139 — 

troffen, in ber %fyat jerftöre er felbft ade ©runb* 
lagen ber ^Religion. 9£ur fünfzehn Sßorftettungen be$ 
2)on 3uan würben geftattet. $)a öerfdjwanb ba$ Stücf 
toon ber ©üfjne. Jür biefeS $rama fämpfte 9Mtere 
ntcf)t mit ßeibenfdjaft wie für ben ,Xartuffe'. (Sr mochte 
tHelleidjt felbft aud) bie (Smpfinbung fyahtn, baß e3 als 
Äunftwerf bem ,$artuffe' nidjt an bie Seite gefteüt werben 
fonnte. $enn wenn aud) ber (S^arafter $on Quanä felbft, 
abgefe^en üon feiner £eud)elei, oor^üglid) getroffen, wenn 
$)one (Sfoire bietteidjt bie an$ief)enbfte unb rütyrenbfte 
grauengeftalt ift, bie er gefdjaffen, wenn 3)on SouiS ber 
%t)pu% beä öornefjmen, wirflid) eblen ^triftofraten ift, wenn 
bie ©eftalten ber dauern unb Säuerinnen unb ifjre 
Spraye fo lebenswahr finb, wie fonft nod) nirgenbS, fo 
fe^It bod) bem ganzen Stücf baä Slbgerunbete, SBollenbete, 
ba3 ben ,$artuffe' &u einem ed>t flaffifdjen SGBerfe machte. 
(53 finb fjerrlid)e, wunberbare Scenen, bie aber nur an* 
einanbergereifjt unb nidjt ju einem organifcfyen ©an$en 
t>erfdjmol$en finb. Poliere r)atte wof)l fc^r rafdj baran 
gearbeitet, guerft um ben 2Bünfd)en feiner Xruppe $u ent* 
fpredjen, bann um feinen geinben möglid)ft fdjnell ben 
legten Stofj ju oerfe^en. Vorläufig war er im Kampfe 
unterlegen. ,$)on 3uan' war für immer oerboten, be3 
,$artuffe3' Sluffüfjrung war auf unbeftimmte $eit öer * 
fdjoben worben. $>ie ^ßreeiöfen, bie 9JcarquiS, bie grommen 
triumphierten einftweilen. 2Ba3 nüfcte bem $)idjter ber 
Sd)ufc be$ ßönigS, wa3 Ralfen alle $affen*(£rfolge, wenn 
feine größten Schöpfungen bem ^ßublifum oorentf)alten 
blieben ? 80 bemächtigte ftd) feiner Seele allmät)lid| eine 
trübe Stimmung, gamilienforgen unb Äranffjeit traten 
ba£ irrige, um ben $)idjter in biefer büfteren lieber* 
gefd)lagenf)eit $u erhalten. $>aä Söirfen ber nädjften 3atyre 
ftefjt unter biefem Reichen. 



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VI 



Die triften 3aftrc 

im brüten Slufjug 2)on 3uan3 ber (Sbelmann 
unb fein Liener fid) toor ben fie öerfolgenben Leitern 
verbergen wollen, finbet ©ganarelle fein beffereS Wittel 
als ficf> als Strjt $u berfleiben. @3 wirb fid) wor)l mancher 
gefragt fyaben, mfyalb benn SMtere gerabe biefes ftleib 
wäf)lt. 55er ©runb ift auch im Stüde felbft ntcr)t 
finben. $)iefe SBerfleibung giebt aber -äftoltere (Gelegenheit, 
fid) ba§ erfte 3#al über bie SRebigin aussprechen. Ob= 
gleich bie ßeit fdt)£edt)t gewählt fein bürfte, ba fie jeben 
$lugenblid öon ben ihnen nadjfefcenben Leitern ereilt werben 
fönnen, ergeben ftcf> $)on 3uan unb fein Liener in langen 
5lu3einanberfefcungen über bie £eilhmft. $>ie übertriebene 
Sichtung, bie man bem bleibe be$ 2lnte3 entgegenbringt, 
ba3 ©erabewohl, burd) Wefd)e3 bie $rgte fid) bei 93er = 
fchreibung r>on Signeten leiten laffen, unb ber ©d)aben, 
ben biefelben oft herbeiführen, werben babei einer fdjarfen 
ßxitif unterzogen. ift ba£ erfte äftal, baft fid) Poliere 
über bie ^neirunft au3fprid)t. (5r fottte mehrmals barauf 
jurüdfommen unb e$ bürfte fid) fragen, ma3 er benn 
eigentlich an biefer SBiffenfdjaft au^ufefcen ^atte. 

3m XVII. 3arjrhunbert war öon allen 3Biffenfd)aften 
bie SKebijin am meiften gurüdgeblieben. Überall fonft 
hatte feit ber SRenaiffance ein anberer, friferjerer ©eift 
(Sinjug gehalten. 9<ur bie ÜWebtjin war ben alten 3been 



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— 141 — 

treu geblieben unb ftetfte fidf) gegen jeben gortfdjritt. 
$)ie efyrwürbige ^ßarifer gafultüt, veteris diseiplinae 
retinentissima , tüte fie ftd) gern nannte, war oon einer 
SluSfcfjließlicfjfeit unb (Sngfjeraigfeit, bie un§ empörenb bünf t. 
<Sie war bie auSgefprodfjene getnbtn affer gortfd)ritte, bie 
fie nidjt fetbft angebahnt fyatte; fie erflärte bie X^eorie 
beä 53(utum(auf3 in $W)t, ba fie au3 (Sngtanb fam; 
fie wollte ba$ Antimon nicf>t als Heilmittel gelten 
laffen, weil e3 in Sttontpeffier, ber rioalifierenben gafultät 
juerft aufgenommen war; oon ber (£f)inarinbe wollte fie 
aU amerifanifdjem 3ntport nichts wiffen. SRocr) im 3afjre 
1650 fdfjrieb ber $rjt ©uty ^ßottn, baß er bie (Sinfüfjrung 
ber Hernie in bie mebijinifc^e 2Biffenfd)aft für burd)au§ 
fd)äblid> $alte, unb 1671 wollte bie <ßarifer gafoltät oon 
ben Sef>ren 3)e£carte3', bie ficr) auf Anatomie unb *ßljt)* 
fiologie belogen, nidjtö wiffen. $)ie Heilmittel, welche 
bieje 4tr$te üerfcf)rieben , waren ftets biefelben: seignare, 
purgare, clysterium donare. ®ui) ^atin nannte ficr) 
jelbft „ben 3Rann ber brei s", benn er fannte nur bie 
brei Heilmittel, le sen6, la saignee, le syrop de rose. 
3n feinen Sutern er$äf)(te berfelbe Ar^t, er f)abe feine 
grau oon einer fiungenentjünbung geseilt, inbem er fie 
äWötfmal f)intereinanber jur 3tber ließ, ©einen <Sof)n, 
ber am gieber franf banieber lag, ließ er nidf)t weniger 
als jwanjigmat $ur $lber; einen Patienten, ber an SRfjeu* 
mattemuä litt , oierunbfectjjigmat. $)er Aberlaß war ba$ 
Heilmittel für äffe«, für gieber, 9fterenfcr)mer jen , fogar 
für Äeudjtjuften. 2)abei foielte ber Aberglaube in ber 
äftebijin eine große Stoffe, grau oon <S6oign6 er$äf)lt in 
einem ©riefe oom 13. 2J*är$ 1671, welche« Littel man 
gegen ben ©iß toüer $unbe gebrauste: TO brei Hof* 
bamen ber Königin oon einem tollen H«nb gebiffen würben, 
fdjicfte man fie nad) 2)iepoe unb ließ fie 51t tyrer H^ilnng 



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breimal in« ÜKeer fnnuntertouchen. äßie munberlid)e Uto* 
jrien mit bcr mebijimfdjen Söiffenfdjaft manchmal oerquicft 
mürben, fönnen mir unter anberem au« bem (Gutachten 
eine« Slr^te« au« bem Safjre 1644 über bie ©eftion eine« 
3rräulein« oon ©aint*2Raurice erfefjen. $a ^eigt e« 
wörtlich am ©djfafj: ,,2Ba« beinahe gegen jebe SBahr* 
fcheinlichfeit fpxid^t, ba« ift ber Umftanb, bafj mir bei ber 
Öffnung be« $er$en« in ber linfen ^erjfammer eine $lrt 
jmeiten $er$en« gefunben höben, au£ tuei^er unb meiner 
©ubftanj, ofyne Höhlung, in *ßt)ramibenform, meldje« burdj 
feine nad) unten gefef)rte ©pifce unb nach oben gefefjrte 
93afi« ausbeuten f c^ien f bafe e« bie (£rbe fliegen motte 
unb im $immel feinen eigentlichen ©i$ ^abe." Slriftotele«, 
$iWofrate«, (Men, bie SBiffenfdjaft ber alten ©rieben 
unb SRömer, burdj bie %f)toxtf\Ux be« Mittelalter^ mobi* 
fixiert, maren bie einzige Autorität, oor ber fid) bie ba* 
maligen TOebi^irier beugten. 3h re Sehren fdjienen ihnen 
geheiligt, mie bie Sellen be« (Soangelium« ; mer gemagt 
hätte, an ihnen ju jmeifeln, märe mie ein Serbrecher an* 
gefefjen morben. £eut$utage erfcheint un« bie« gerabeju 
unglaublich; & erflärt fid) nur baburdj, bafj bie jungen 
ßeute, meldte fid) bem ©tubium ber ^ebi^in mibmeten, 
nur theoretische« SBiffen erlangten unb jebem praftifd)en 
©tubium fremb blieben. @« gab feine Anatomien, feine 
Älinifen, feine ßaboratorien. $)ie jungen ÜRebiginer be* 
fdjäftigten fidj nur mit p^^^Ö^W^ uno ^ilofop^ifcfjen 
©tubien. SEÖer am beften unb am längften bi«putieren, 
mer in brillanten ^erioben fdjreiben unb fprecfjen, mer 
feine (Segner burd) richtig angebrachte Zitate ju über* 
rafdjen unb ju öermirren oerftanb, ber galt al« ber ge* 
fdjicftefte äRebijtner. 93i« jum S3acalaureu«=@yamen fafjen 
bie ©tubenten bie Äranfen nicht. (5rft bann begleiteten 
fie einen ^Crjt auf feinen 33efucf>en, unb nun oermanbelte 



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143 — 

fich ba$ ßimmer beS Äranfen in einen JißorlefungSfaal; e3 
mürbe über feine $ranff)eit nach ben Regeln ber $unft 
hin unb f)ergeflritten. 9tfdjt bie Rettung be3 Fronten, 
fonbern bie regelrechte Disputation mar bie #auptfacf>e. 

Unb üon ir)rer (Mehrfamfeit unb Unfehlbarfeit, t>on 
ir)rer foloffalen Söebeutung überhaupt maren bie trjte in 
hohem ©rabe eingenommen. Von Anfang an mürbe ihnen 
biefer Hochmut eingeflößt. SBenn man tieft, mit melden 
Sobfprücrjen ein ganj junger äftebiginer bei feinem (Eintritt 
in bie Korporation überfdjüttet merben fonnte, munbert 
man ficr) mcr)t, baß er ficr) fpäter als 2Crjt für eine be* 
beutenbe ^erfönlicfjfeit galten mußte, gegen beren $n* 
orbnungen $u hanbetn Verbrechen mar. ©o mirb ein ge* 
miffer junger 9floreau bei feinem Eintritt in bie Qunft 
als baS SSunber beS SahrfmnbertS , als ein (Sterblicher, 
bei bem alles göttlich fei, gepriefen. (Sir fei ben £efoen 
gleichstellen, roelcr)e SfofrateS ftecov itaidaq nannte ; menn 
er rebe, fo meine man ben §ippofrateS, $lato, SlriftoteleS, 
©alen, piniuS, Xr)eopt)raft , ^ßtolemäuS unb (Sicero ju 
gleicher 3^it $u hören, unb jebermann fei bereit auszurufen : 
Non haec humanis opibus, non arte magistra pro- 
veniunt! Söenn fcfjon ein Kanbibat fo gepriejen mürbe, 
maS fagte man nicht alles, menn bie gafultät felbft in 
grage fam! §ier fannte bie |)t)perbel feine ©renjen 
mehr. Einige SluSäüge au« Guill. Marcelli Rhetoris 
Oratio panegyrica pro celebritate iatrogonistarum 
laurea donandorum , mit bem typiferjen $itel ,Medicus 
Deo similis' mögen einen begriff baöon geben, tiefer 
SRebner entblöbet ficr) nicht auszurufen: „3h r Herren auS 
ber gafultät, 3h* f e ^ SBot)lt^äter beS 3Jcenfcr)enge* 
fchtecfjtS! 3ht feib ©ort ähnlich burd) ©uer SSiffen, ähnlich 
burch ®uer STOitleib ! 3h* feib bie 9JKnifter unb bie Kollegen 
©otteS!" Unb ber föebner argumentiert meiter folgenber* 



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maßen: „SllleS fommt uns öon ©ort t)er, alfo baS Schlechte 
nrie baS ©ute. SBon (Suct), it)r |>errcn &r$te, fommt nur 
©uteS. ©ettriß ift ©Ott geregt unb fyat feine ©rünbe, 
roenn er uns betrübt, aber jdc)tieg(ic^ ift baS Übel immer 
ba3 Übel, unb bie 9Kebijin ift immer fjettfam. 0 über 
jene rounberbare unb nnrflich unglaubliche (Srfcheinung, 
toenn fie unS bie @rfat)rung nicfjt ade Xage lehrte. ©Ott 
fct)icft uns bie ßtanfheit unb 3*)r baS Heilmittel! ©r 
fct)lägt unb 3f)r f>eitt ! @r legt uns bie $)ulbung auf 
roie eine ©träfe unb 3h r bringt unS nur Erleichterungen 
unb 2Bohltr)aten." Unb fo fommt er benn ju bem inerf* 
würbigen Schluß: „SBir wären bem 2lr$te felbft mer)r 
fdjulbig als ©ort felbft, wenn mir nkr)t ©ott felbft ben 
$lr$t öerbanften." Slber nicht nur it)rer 2öiffenjct)aft legten 
bie $r$te fo großartige SBebeutung bei; auf tt>r äußeres 
ftuSfetjen legten fie nicf)t weniger ©enricht. (So mußten 
bie ^rofefforen ber Sftebisin j. SB. bei ifjrer Ernennung 
einen feierlichen ©ib leiften, baß fie tyreJBorlefungen ftetS 
in öollem Ornat galten würben. $>ie $r$te trugen lange 
^erüefen, fie ließen ficr) ben SBart ftefjen — biefeS mürbe 
fogar für fo wichtig gehalten, baß eine Xfjefe barüber ge* 
jct)rieben würbe ,An raedico barba?' — fie ritten gewöhnlich 
auf Faultieren buret) bie Stabt. 211S ber $lr$t ©u£naut 
gegen bie ©en?oc)nr)eit ein ^ßferb beftieg, üerurfacfjte er 
unter ben Ärzten großes Ärgernis. 

$ie 3 u f*önbe, bie wir eben gefcr)ilbert, waren gewiß 
baju angetan, ben Spott hervorzurufen. Einem fo fct)arfen 
Beobachter wie Poliere fonnten bie lächerlichen Seiten 
biefer fct)limmften aller ^ßebanten nicht entgehen, unb eS 
mochte ihn balb bie ßuft anfommen, fich weiblich über fie 
luftig 5U machen. Slber eS fam noch ein perfönlicrjeS 
Moment ^tn^u, welches Poliere üeranlaßte ganj befonberS 
oft gegen bie hochmütigen Schüler beS $ippofrateS ju 



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— 145 — 

gelbe gu gießen. (Sr tt>or felbft fcon fcfiroadjer ®efunbt>eit 
unb wirb oft ben SRat ber Ärjte für ftd) beanfprudjt 
f)aben. (£r nrirb babei gan$ befonberS gut in ber Sage 
geroefen fein, Hjre $f)orIjeiten $u beobachten. Söenn eine 
Stnefbote audj er^tt, SMtere fjabe einft bem fiönig ge* 
fagt, bafj er bie $etfmitte(, bie fein Strjt i^m betreibe, 
nidjt gebrauche, fo nriffen mir anberfeitS gan$ beftimmt, 
bafc er $r$te gu SRate jog. Sßar er audj anfangt ein 
gläubiger ^nfjänger ber örjtlid^en SBiffenfcijaft, fo fdjeint 
er bodj attmäfjftdj, als er bie ©cfjitfer $i8hilaj>3 nä^er 
fennen (ernte, als er bog SRufelofe if)rer Heilmittel an fidj 
felbft erprobt hatte unb burtf} immer ttrieberfetyrenbe Äranf* 
ijeit entmutigt unb gereift mürbe, $u öollftänbiger ©fepfiö 
übergegangen ju fein. 3n ben legten Sauren feines ßebenS 
hatte er intime Regierungen ju einem bei ber ^ßarifer 
gafultät a(S $efcer berfc^rieenen 2tr^t SWauüittain. Quid) 
if)n toirb er melleicht aud) öon manchen inneren $lnge» 
Iegent)eiten ber $unft in Äenntniä gefegt roorben fein, bie 
er bann für feine $omöbten öertoertete. (Snblid) ttmr 
9JMiere ©cfjüler ©affenbte unb toofjl feft überzeugt, bafc 
bie 9?atur ade« tf)ue. $)ie $rgte, fo mochte er benfen, 
pfujehten nur in baS Söirfen ber Statur hinein. 

Stach bem erften SBorftofc, ben er im ,$on 3uan' 
getuagt, ging er no<f> im $erbft beäfelben Sö^reg in feiner 
Söalletfomöbie ,$)ie Siebe als ^tr^tf (L'amour raedecin) 
31t einem förmlichen Angriff über. $er Äönig fjatte nicht 
umfonft bie Xruppe üttoltereS in feinen perfönüc^en $)ienft 
übernommen, ©ie mu&te bafür ftetö bereit fein, bie gefte 
feiner 9ttajeftät gu öerfd^önern. Unb bem 2)ireftor mürbe 
oft faum Seit gelaffen, ettoaS SßeueS in ©cene gu fegen. 
©0 toiffen mir, bafc ,5)ie fiiebe als Slr^t' in fünf Sagen 
getrieben, t>on ben Schaufpielern gelernt unb aufgeführt 
ioorben ift. fjreilid^ ftanben Sfloliere genug Vorarbeiten 

©djneeganS, Wotiöre. 10 



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gut Verfügung, er fjatte foldje Routine, fo oiete 93üfjnen~ 
gewanbtfjeit, bafc e3 ifjm nidfjt fdjwer werben fonnte, 
audj binnen fürjefter 3eit etwas 9?eue3 jn fdjaffen. 
Söereitö in feinem ,g(iegenben ^t' ^atte er bie ©e* 
fd)idf)te eines jungen 9ttäbd)en8 bet)anbc(t , ba3 fid) franf 
fteöt, um ben 9ftann nid)t ju fjeiraten, bem eä ifjr Später 
burcfyauS gur (Katrin geben tnitl. (§hrfd)redt fud)t ber Später 
nadf) einem Slrjte. $)er wirflid£)e ©eliebte be$ 2Wäbd)en§ 
öerfteibet aber feinen Liener aU ^Irjt, um burdj feine 
SBermittefang mit bem 2ftäbd|en jufammenjufommen. liefen 
in ber Sitteratur aud) fonft häufig genug bejubelten 
©toff nimmt Stottere wieberum auf unb bringt in bie 
gäbet nur bie geringe #nberung hinein, ba§ e3 ber ©e* 
liebte felbft ift, welcher fidf) a(3 ©eelenarjt einführt, ber 
Traufen eine fdjeinbare §eirat mit if)tn toerorbnet, bie 
bann aber bor ben $(ugen be3 tröflig getäufd)ten SBaterS 
Wirflid) öottjogen toirb. ©o geringfügig bie Änberung 
in ber gäbe! aud) ift, bie gubem an unb für fid) recr)t 
arm an (Shrfinbung ift, fo öerf cfjieben ift bie S(rt unb Söeife, 
rote 9Mtere bie gange §anblung nunmehr füfjrt. 2Ran 
fie^t fofort, bafc er jefet nidjt mefjr ber *ßoffenbidf)ter ber 
^rornnj ift, fonbern fid) eine $enntni3 be3 menfdjlidjen 
|>er$eng unb (SfjarafterS erworben fjat, bie ifm befähigt, 
aud) in einem fdmell Eingeworfenen ©tücf bie feinften 
(Sfjarafterjüge gur (Geltung $u bringen. SganareKe l)at 
gletdf) bei 93eginn beS ©tüdeS feine greunbe um fid) Der* 
fammelt, um fie ju fragen, ma3 er benn mit feiner me* 
Iand)oIifd) geworbenen $odf)ter anfangen foH. Seber weiß 
einen SRat, bod) ift jebeämal biefer fRat ganj egoiftifd). 
©o fdjlägt if)m j. S3. ber ©olbfdjmieb öor, feiner $od)ter 
ein glängenbeS ©efdjmeibe aus diamanten, Rubinen unb 
©maragben gu geben, worauf ©ganareüe bie fpridjwörtlid) 
geworbene Antwort giebt: „3f)r feib (Mbfdnnieb, #err 



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— 147 — 

Söffe!" (Sbenfo fein beobachtet ift e$, wenn @ganarette, 
ber oon jebem einen $at ^ören will, fobalb er baS einzig 
Vernünftige erfährt, nämlich, bafj er feine Softer mit 
bem beliebten itjreS ^cr^enS beitraten foüte, roütenb 
roirb, poltert unb fcfjreit. 

$)af$ ba£ ^ßoffen^afte neben ber (Sf)arafteriftif ber 
^erfonen ebenfalls wirffam jur (Geltung fommt, wirb un$ 
nicht munbern. ©ehr intereffant ift e$ ju fel)en, bafc 
SMtere burcf) eine Spenge wirffamer Söüfynenfpiele bie 
$anblung $u beleben weift; e3 finb bieg technifche Äniffe, 
welche in berfelben gorm auch in anberen ßomöbien wieber* 
fefjren. 3n biefe Kategorie gehört bag S8ert)atten ber 
£ifette, wenn fie über bie 83üfme läuft, inbem fie fid) fo 
ftettt, alg ob fie ben ©ganareße ntdt)t fähe, unb mit lauter 
(Stimme ihr unb fein üermeintlicheg Unglücf bejammert. 
3n STioIi^rcö ßomöbien fommt eg nicht weniger alg fieben* 
mal oor, baft eine ^ßerfon fo tljut, alg ob fie eine anbere 
nicht bemerfe, unb fortwäfjrenb oor fid) J)infpric^t. (£in 
anbereg tedjnifcheg Littel bürfte in ber mehrmaligen 
2öteberf)olung berfelben SBorte ju fudjen fein; fo fdt)rctt 
Sifette bem ©ganarelle, ber fie abficf)tluf> nid)t oerftehen 
Witt, unaufhörlich in bie Ohren, baß fiucinbe fich nach 
einem 2)tonne fehne; bag fei ber ©runb ihrer Melancholie. 
@g ift bieg ein äWotitt, welche« fich Dier^ehnmal in ben 
ßomöbien unfereS dichter« wieber finbet. (Sbenfo ttjpifch 
ift eg, wenn eine ^erfon fo thut, alg ob fie nicht oerftünbe, 
wag bie anbere meint. 

$lber bag ^ßoffenhafte ift eg nicht attein, wag in ber 
,2iebe alg Slr^t' jur ©eltung fommt. 2öie fd)on oben be= 
merft, SMtere will auch 0 ^ e $ r S* e fatirifieren. $lud) in 
biefer Ziehung war er ber Billigung £ubwigg XIV. 
ficher. 2)er gro&e Äönig ^atte felbft genug unter ber 
Pflege feiner &rjte ju (eiben. ©r würbe jur $lber ge* 

10* 



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(offen, Sarjermittel unb Kltjftiere würben if)tn oerabreidjt 
wie gewöhnlichen Sterblichen. Sllleä feine ©efunbheit unb 
SBerbauung überhaupt ©etreffenbe würbe gewtffenfjaft auf* 
geschrieben unb ift ber Kadjwelt überliefert worben. 3n 
feiner Komöbie machte fich nun 9Miere ba$ Vergnügen, 
einige ber $ofärjte mit ihren befonbern (Sigentümlic^feiten 
auf bie Söütme $u bringen, ©ganarelle l)at nicht weniger 
alä oier Är^te gu fich gelaben, um ben galt feiner 2 ocrjter 
$u unterfudfjen; nachher fommt ein fünfter tjingu. Kach 
bem ßeugnte ber 3 e ^9 eno ff en § a * 3KoIi6re unter bem 
Kamen Zomtä einen $lrjt beä Könige b'Slquin, „ben 
blutigen Slbcrlaffer" (rofiog) oerfpottet. $>e3 gonanbrää, 
beffen Käme eine fettfame Kontamination au§ ytvavdQog 
(9ttenfcf)entötcr) ift, fott $e3fougerai$ bezeichnet f)aben, 
einen ber berühmteren bamaligen 3Rebi$iner, welcher häufig 
jur Konfultation an ben £of berufen würbe. 2)ie bem 
Slr^te be$ Kruberg be3 Könige (Sfprit, eigene Gewohnheit, 
beim (Sprechen fiefj ju überftür^en, unb bie (Eigenheit beä 
9lr$teS ber Königin, Guenault, langfam unb gewichtig feine 
SKeinung oorgubringen , oerfpottete 9Koltere in ben ©e* 
ftalten ber #rjte SBahte unb 3ftacroton, beren Kamen er 
oon ßavfa (bellen) unb naxQozovog (langtönig) ableitet. 
SllS giaerin tiefe er wof)t $oelin, ben Slrjt ber Schwägerin 
beä Könige bie SBüfme betreten; boef) gab er ihm gerabe 
einen Kamen, ber im ©egenfafc ju feinem Verhalten ftanb. 
$)enn obgleich er feine Kollegen jum Jrieben mahnt, wirb 
er ber ftreitfücfytige (oon tpiXi^g) genannt. $)ie $eitgenoffen 
behaupteten, bag Söoileau feinem Jreunbe SKoliöre bel)ülf- 
lief) war, biefe Komöbiennamen unter 3ugrunbetegung 
gried)ifd)er @tt)mologien unb zugleich mit Ungleichung an 
bie urfprüngluhen ober mit Slnfpielung auf bie ©igen* 
tümlicfjfeiten ber betreffenben *ßerfonen gu bilben. $)a 
Poliere auch bei anberer Gelegenheit, wie wir fefjen 



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-o 149 — 

werben, Porträts lebenber ^erfon en auf bie S3üfme braute, 
hat bie 2lnnaf)me, baß eS fich fjier um tüirfltdjc träte 
hanbelt, ziemlich t>iet für ficf). 

Slber ntd^t nur um ©atirifterung einzelner *ßerfönlich* 
feiten brer)t es fid) hier, fonbern auch um bie SBerfpottung 
ber gefchilberten allgemeinen ßuftänbe. $ie Unfehlbarfett 
ber träte wirb baburd) in grelles £id)t gerüdt, baß ber 
Slrjt Zorne*, als bie tammeraofe fitfette if)m erjagt, ein 
öon ihm befjanbelter ßutfcher fei geftorben, biefe Sfjatfacfje 
aus bem einfachen Gfrunbe hartnädig beftreitet, weil $\ppo* 
frateS gefagt Ijabe, bog $ranff)eiten wie bie, an welker 
biefer fluider gelitten, erft am 14. ober 21. Sage ju 
Ghtbe gehen, währenb er bod) erft fedjS Sage lang franf 
fei. $)ie Sfjeorie ift immer bie £auptfad)e. (Sogar, wenn 
fie bem eigentlichen giele ber Slr^neifunft ^uwiberlaufe, 
muffe ifjjr ber Vorrang eingeräumt werben. £err XomeS 
rühmt ficf) währenb ber Äonfultation , er fei fo feljr für 
Beibehaltung ber gorm, baß er einmal baS ganje £eil= 
verfahren Eingeholten habe, nur weil er ben Regeln nach 
öorgehen wollte, unb bieg, obgleich föleunige plfe nötig 
war. Söenn über biefe Disputation ber Sfranfe ftürbe, 
wie eS bamalS auch Qefchefjen, fo habe baS gar nichts auf 
fich : ein toter Sftenfd) fei nur ein toter Sftenfch unb $ief)e 
feine golgen nach W * aber e " ie oernachläffigte gorm 
bringe ber ganzen «ßunft oer $ r ä* c °en größten Nachteil. 
2lud) für ben Sfranfen, meint fein College SöahiS, fei eS 
günftiger nach oen Regeln öorpgehen. ©r öerfteigt fich 
ju bem großartigen SluSfprud), eS fei beffer ben Regeln 
gemäß $u fterben, als gegen bie Regeln baoonjufommen. 
(SS t>erftef)t fich, *>aß bei folgen Slnfichten ber tr$te bie 
Staufen fein großes ßu^auen h n ty xm Heilverfahren 
haben. <So Weiß Sifette oon einem 3ftann 31t erzählen, 
ber beim Sobe eines Söefannten niemals fage, er fei an 



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biefer ober jener ÄTcmffjeit geftorben, fonbern an fo unb 
fomelen Ärzten unb $potf)efern. $>aß eine Äafce, bte oom 
$acr) heruntergefallen, mit bem Seben baoon gefommen, 
erflärt fie aus bem Umftanb, bafe fie eben nicht ärztlich 
befyanbelt worben fei, fonft wäre fie gewig geftorben. 55>ic 
foranfen höben umfomehr $ftecr)t fo(dr)e 2(nficr)ten ju ^egen, 
als bie ^erren auch bei $onfultationen bte fraffefte ©ewiffen* 
lofigfeit an ben $ag legen. (Statt fich um bie Patienten 
$u befümmern, fprecfjen bie öier s Är$te in unferer Äomöbie 
äunädjft t>on ber ©röf$e ber ©tabt, bann t>on ihren Sttaul* 
efeln ober Sßferben, enblicf} ftreiten fie fich um mebijinifcr)e 
Angelegenheiten. £err gtlerin erflärt ganj unumwuuben, 
bafj bie 2)*ebi$in eigentlich eine (Mbangelegenheit fei, bei 
ber eS ficr) nur barum hctnble, bie Dummheit ber ÜKenfchen 
auszubeuten. Unb bie ßuöerläffigfeit biefer Herren zeigt 
fid) in rec^t fonberbarem Sichte, als fie fich wegen ihrer 
tjerfcrjiebenen 2Inftct)ten in bie £aare geraten unb jeber 
bie entgegengefefcte Meinung wie unumftöftlkhe ötefefce 
proflamiert. 

©o bietet biefe Äomöbie, fo (eicht hingeworfen fie auch tft 
boct) auch öom kulturellen ©tanbpunft manches Sntereffante. 
SRoliere wirb fich tuo^l felbft faum SRechenfchaft abgelegt 
haben öon ber SBebeutung feines SuftfpielS nach biefer 
Seite h^- @* bezeichnet feine ,2iebe als ^Cr^t' als eine 
epl^niere, nur burd) bie Beigabe öon ©efang unb Xan$ 
anfpredjenbe Schöpfung, bie eS faum oerbiene gebrucft ju 
werben. Unb oom Sßublifum wirb fie auch bafür 
gehalten worben fein. UnS btbtuttt fie aber auch noch 
injofern mehr, als fie baS erfte ©tücf ift, in bem Poliere 
bie Slrzneifunft in größerem 2Ka&e angreift. 

fühlte fich Poliere fchon franf, als er bie ,2iebe 
als $lrzt' fchrieb? SBir wiffeu eS nicht, boch ift eS leicht 
möglich, benn oon $aufe aus war er fränflid). 9toch im 



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— 151 — 

SBtnter bedfetben Saferes befiel ifjn aber eine ernftüdf)e 
ßranffjett; längere ßett mußte er Don ber Söüfjne fern 
bleiben. $om 27. SDegember 1665 bis 21. gebwar 1666 
blieb baS $f)eater gefdfjfoffen. 2öeld)er $(rt SMiereS 
$ranff>eit war, ift mit Sidjerfyeit nicrjt ju fagen. 3)od) 
fcfyeint fein Übel, baS nid)t Mof$ bamalS, fonbern aucfj 
fpäter öfter auftrat, oon ber ©ruft ausgegangen ju fein. 
@r würbe burcf) fortwäf>renben Ruften gequält, burd) $8e* 
Hemmungen unb Atemnot; öfters »erjagte feine Stimme 
oottftänbig. ©egen (Snbe feines SebenS wirb er aud) unter 
2ftagenbefd)werben m'el $u leiben gehabt f)aben; benn wir 
wiffen, baß er fid) nur oon äftild) ernähren fonnte. Sein 
franffyafter 3 u f^ an ^ f oer pdj mit ber immer mef)r 
oerfd)limmerte , f)atte aber gewiß audf) feelifdje Urfadjen; 
bie erften Sfttfäffe fönnen tt)ir bis in biefe $t\t verfolgen. 
SIbgefefjn oon ben heftigen Angriffen, bie er oon Seiten 
feiner geinbe ju erleiben fyatte, erfuhr er aud) oon einer 
Seite, öon ber er es am wenigften erwarten fonnte, 
bittere ^ränfung unb Ijerbe @nttäufd)ung. 

SDte kämpfe, in bie SMtere üerwidelt worben 
war, Ratten i£m frü^eitig gu anberen Sitteraten in 93e- 
$ief)ung gebracht, weldje ftd) tei(S ablefynenb, teils gu= 
ftimmenb t»erf)ielten. Unter ben (enteren lernten wir be* 
reitS ßafontaine unb SBoileau fennen. @S entfpann fid) 
balb ein mirflid) freunbfcfjaftlidjeS 2$erf)ä(tniS $wifd)en 
Poliere unb biefen Scfyriftfteüern. Söenn audj SöoUeau in 
einigen fragen mit äMiere nid)t gan$ übereinftimmte — 
er war im ftrengeren Sinne beS SöorteS Älafftfer, ein 
auSgejprod)ener ®egner ber italienifcfjen fowie ber alt* 
franjöpfdjen ^oefie, er fonnte bem poffenfjaften Clement, 
welkes bei üMiere gar oft neben bem fatirijd)*fomifcfjen 
eine SftoHe fpiette, feinen ®efd)mad abgewinnen — , fo gab 
er fid) bod) oottftänbig $Red)enfd)aft über bie litterarifdje 



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23ebeutung be3 großen Äomiferä unb natym jebeämal feine 
Partei, menn er angegriffen mürbe. Sflit fiafontaine, 
83oileau unb einigen anberen, $u benen fid> aud) fein 
alter Sugenbfreunb (Styapefle gefeilte, fam er mehrmals in 
ber 2Bod>e in einer üon Söoileau gemieteten SBofynung ber 
Rue du Vieux Colombier gufammen. $ludj in ber SBirt* 
cfjaft jum weißen &mtm, im ßotf)ringer Äreua t>er* 
ammetten fid) bie greunbe tyäufig $ur Untergattung. 3n 
)iefem Steife ging e8 oft triel auägetaffener $u, al§ man 
e8 üon SDidjtern ber ftaffifctyen Sßeriobe auf ben erften 
f&lxd an^unetymen geneigt fein tonnte. 3 U oiefen Männern 
fjatte aud) batb ein tyodjftrebenber junger $)ramatifer 
güljtung gemonnen, ber berufen mar, eine auSfdjlaggebenbe 
S^oÜc in ber tragifdjen Sßoefie $u fpielen, Racine. (Sr mar 
nodj giemlid) jung, als er gu Poliere in 23e$iel>ung trat. 
Unfer $)id)ter ermieS itym baburdj einen großen S)ienft, 
baß er feine Xragöbie ber ,5einblid)en ©rüber' für fein 
Styeater aufnahm. Slud) feinen ,?lleranber' ließ er ein 
Satyr fpäter auf ber Söüfjne be3 Palais Royal aufführen. 
$)od) fdjeint Racine mit biejer $luffüf)rung nid)t aufrieben 
gemefen $u fein. ÜMiereS Gruppe fpielte itym ju einfad) 
unb mußte nad) feiner $lnfid|t ben fjeroifdjen %on nidjt 
gut genug ^u treffen, ©o entfd)ieb er fid) benn ptö> 
tidj ba$u, bie iragöbie ben föioalen SMiereS, ben 
©djaufpielern be$ Hotel de Bourgogne gu übergeben. 
Unb er ttyat e8, otyne feinen greunb oortyer $u benachrichtigen. 
@3 mar alfo ein richtiges Komplott, baS er fid) mit ben 
©djaufpielern beä fernblieben Xf)eater3 gu fdjulben fommen 
ließ. foldjeS mürbe e3 oon 2Miere aud) empfunben. 
(£r antmortete baburd), baß er bem $id)ter ben ifjm früher 
äitgeftcr)erten (Seminnanteil nid)t jufommen ließ. (£8 mar 
bie« am 18. $>eaember 1665. $m 27. fdjloß ba3 Palais 
Royal megen SMiereS (Srfranfung feine Sfjore. SBtr 



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— 153 — 

Werben un« wohl nid)t tauften, wenn wir annehmen, ba§ 
ber Verrat be« Sfreunbe« aud) mit baju beitrug, 3Miere« 
©efunbheit $u erfdjüttern. SBon biefer $t\t on waren 
beibe $id)ter üerfeinbet. Racine machte bic ©adje baburd) 
tioc^ fdjlimmer, bajj er etwa fünfzehn SDconate nadjh*t bie 
$u $arc, in welche er fid) üerliebt r)atte, öeranla&te in ba« 
Ztyattx be« Hötel de Bourgogne überzugeben. @r brauste 
fie aur Äreierung ber SRolle ber Slnbromadje. SRoliere 
Berdel) ihm niemals, wenn er aud) objeftio genug mar, 
feine SBerbienfte als Tragifer wohl an$uerfennen. Übrigen« 
würbe Racine aud) in biefer Ziehung feinem ehemaligen 
greunbe gerecht, SBoileau tfjat fein SRögltchfte« , um bie 
früheren greunbe wieber $u oerföf)nen. $lber wenn aud) 
äußerlich ba« SBerf)ältni« ber beiben im Saufe ber 3 e ^ 
erträglich würbe, fühl ift e« bei aliebem geblieben. 

$5er Verrat be« ftreunbe« war e $ allein, ber 
SKoliere fo tief fränfte. 3wifd)en feiner $rau unb if)m 
ftanb nid)t alle« fo, wie e« hätte fein f ollen, fochten 
aud) bie ©erüdjte, welche feit ben großen Skrfaifler geften 
über i^re Untreue umliefen, übertrieben fein, eine« ftefjt 
feft: fie war außerorbentlicf) fofett unb tt>r größte« SBer* 
gnügen mar e«, fid) t>on jungen Herren ben £of machen 
ju laffen. Sttoliere feinerfeit« mar eifersüchtig unb em* 
pfinblid), infolgebeffen auch mißtrauifd). @r machte feiner 
grau bittere SBormürfe über ihr Verhalten, ba« nur $u 
ben fchlimmften Deutungen Einlaß geben fonnte. ©ein 
reijbare« Temperament wirb ihn wohl häufig $ur ^eftigfeit 
hingeriffen höben. Slrmanbe bagegen ließ fich folche SJcafc 
regelung nicht gefallen, ©ie war hochmütig unb wirb 
wohl mit faltem ©pott bie Vorwürfe ihre« 9Jcanne« gurüd* 
gewiefen tjabtn. <Sk waren grunboerfchiebene Naturen; 
mit feinem leibenfdjaftlid) ^örtlichen £er$en empfanb er 
ba« SBebürfni« ju lieben unb geliebt $u werben; er war 



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— 154 — 

ifjr mit bem weiteften SBertrauen entgegengef ommen ; ftatt 
aber liebetwlle Eingabe finben, ftiefj er auf ein falteS, 
egoiftijdjeS, eitlem SBefen, baS nur im äußeren ©lan^ unb 
Sßufc ©efriebigung fanb. @r fjätte am liebften fttü in ber 
3urücfgeaogenf)eit, allein mit ifjr unb für feine Äunft leben 
wollen, fie bagegen mar gefallfüdjtig unb empfanb baS 
SöebürfniS in ber ©efeflfdjaft $u glasen; fie wußte, baß 
tf)r pifanteS Söefen, ifn* pricfelnber Söifc namentlich ben 
Scannern gefiel, unb fudjte nun bie öefriebtgung biefer 
©itelfeit. €>o mußte fiel} benn SKoliere fortwäfjrenb in 
feinen innerften ®efüf>len oerlefct füllen, ©ein $ur $typo* 
cfjonbrie neigenbeS SGBefen wirb if)m alles noef) mel fdjwäraer 
öorgemalt fjaben als eS war; er füllte fid) tief ungtücflitfj. 

tiefer trüben Stimmung fucfjte er, als echter 3)id)ter, 
£err $u werben. @r fdjuf ein SBerf, worin er baS Un* 
glücf feiner Siebe jum SluSbrucf braute. (SS war ,5) er 
äKifantljrop'. 9ttan muß biefeS SBerf als SluSfluß ber 
traurigen, burd) $ranff)eit, äftißmut unb Sorgen fjeroor* 
gerufenen bamalig*en Stimmung beS 2)id)terS uerftefjen. 
greilid) ift eS ni<f>t bloß baS. ÜHoliere ift fein ßnrifer, 
ber nur feinen eigenen <&efüf)len in ber Sßoefie Öuft fc^afft, 
fonbern ein 3)ramatifer, welcher allgemein gültige (Sfjaraftere 
ine ßeben ruft, in benen bie üttenfcfjf)eit if)re geiler unb 
®ebredjen wieber erfennen fann. £)ie geicfynung tiefer 
Sfyaraftere ift bei weitem baS micfjtigfte in biefem Stücf. 
2luf bie gäbe! felbft ^at Poliere nod) mel weniger ©e* 
wicf)t gelegt, als in ben anberen £uftjpielen. ($r fdjeint 
fie bieSmal felbft erfunben $u f)aben, unb ifyre @infacf}f}eit 
ift unS ein beweis bafür, wie wenig er bon einer oer* 
wicfelten Sntrigue fjielt. ©erabe in einem folgen gan$ 
originellen Stücf fann mau am beften feine ÄompofitionSart 
erfennen. 

25ie gabel ift an unb für fiel) baS bürftigfte, was 



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— 155 — 

man fich bcnfen fann. (Sin ernfter unb aufrichtiger ©bei* 
mann, SHcefte, liebt eine junge, fofette SSitroe (£6tim6ne, 
bie fid^ öon jebermann ben £of machen lägt. (Sine Sieben* 
bufjlerin, Sfrfinoe, bie öon ihr beletbtgt worben ift, beeft 
ihre SRänfe auf. Hlcefte ift gewillt ihr $u Bergeisen, wenn 
fie ihm als %xan in bie (Sinfamfeit folgen will. 3)a fie 
fid) aber weigert, berläfjt er fie. 2)a3 ift in wenigen 
SSorten ber <$ang ber $anblung. 9tur in gan$ lofem 
3ufammenJ)ang fielen bamit einige wenige ©pifoben. (So 
wirb Sttcefte oon einem anberen Anbeter (S6ttmöne3, Oronte, 
aufgeforbert, feine Meinung über ein ©onett abzugeben, 
ba3 er toerfafjt r)at (Sr fagt ifjrn runbweg, baß er e3 
ftf)led)t finbet, unb wirb be^^atb oon ihm, ber ftdt) in 
feiner (Styre beletbigt wähnt, geforbert. SBor ba3 @üf)ne* 
geriet geloben, läßt er fid) nur fehr fd)Wer baju beftimmen, 
fid) mit feinem geinbe wieber $u bereinigen. — SBir ^ören 
auc^, & a & Ätefte einen $ro$eß h a * unb erfahren, ba{$ er 
ir)n oerliert. ($r regt fidt) barüber fogar fo fet)r auf, baß 
er fid) au« biefem ©runbe Don ber Sßelt jurücf^ic^cn Witt. 
— SBäfjrenb in biefen (Spifoben Sllcefte im Sorbergrunbe 
fteht, brefjt fic3t> eine anbere um (Sälimöne unb Strfinoe. 
$)iefe 2)ame, bie wir fonft gar nicfjt fennen, fommt nur 
ju bem fttoe&t 8 U £elim6ne, um if)r mitzuteilen, was bie 
anberen ßeute oon it)r fagen. Unb bie Motette räd)t fid) 
baburd), & a & ft e tyr, & er ptüben $eud)lerin eröffnet, weiche 
gfreunblidjfeiten bie Söelt oon if)r $u erzählen weiß. $ur 
s Jiaehe bafür beett fie nun d&imeneS föänfe auf. 

Un8, bie wir heutzutage öon einem $rama ftrenge 
Segrünbung atter, auch ber geringfügigen &anblungen 
»erlangen, fommt eine foldje Struftur gan$ merfwürbig 
bor. Sie fdjeint auch m ^ fouberäner Verachtung auf ade 
Sßahrfcheinlichfett tyvabfrüUi&tn. SBenn auch ß&ttmene 
eine fef)r freie, junge SBitwe ift, bie gern unb biel em* 



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— > 156 — 

pfängt, fo ift eS bod) red)t unroahrfdieinlich , baß Stlcefte 
unb fein greunb ^^tlintc, Dronte unb bie 9JJarqui$ im 
£aufe ein* unb ausgehen, wie wenn eS ein öffentlicher 
*ßla| wäre. SBir wiffen aud) öon ben einzelnen *ßer(onen, 
öon ihren gamtlienöerhältniffen, ihrem fonftigen Sieben fo 
wenig, baß fie uns oft tt)ie ^(bftrahioncn oorfommen. ©et 
feinem ©rüde unfereS 3Dic^tcrS erfcheint bie SBorliebe be$ 
franjöfifdjen Klaffi^iSmuS für bie 3bee als foldje, i^rc SBer* 
ad)tung für jebes Söeiwerf fo flar unb beutlid}. Sie ift 
aber and) ber ©runb, weSfjalb baS ©tücf jweifelloS falt 
anmutet. 

SöaS bejwecft aber äMtere, toenn er ntdt)t burcf) bie 
$anbfung intereffieren will ? (5S f ommt ihm nur auf bie 
(£f)arafterftubie an. ©o läßt er benn einige fdjarf ge* 
jeidt)nctc ©eftalten oor uns auffteigen: $llcefte, ber wahr* 
heitSliebenbe, bie galfcfjtyeit bis in bie gorm ber Notlüge 
unb beS gefeflfcr)aftlicf)en Kompliments oerabfcr)euenbe, in 
feiner fieibenfdjaft für baS SEBa^re unb Natürliche jeben 
Kompromiß öerad)tenbe, cblc 2Wenfcr), ber aber fein ÜWaß 
unb feine ©ren^e fennt unb jeben fyofjt, ber nid}t fo tyanbelt 
wie er ; (Sßlimene, bie fofette, fpöttifche, gefaflfücfjtige, feines 
warmen SlffeftS fähige <5d)öne, meiere mit ben (Smpfinbungen 
i^rer Anbeter rote eine Kafce mit ber äftauS fpielt, bie fie 
töten will, welche fid) nicht entfchließen fann gu fagen, 
wem fie ihre ©unft erweift, weil fie fürchtet, baburd) bie 
Anbetung ber anberen ju oerfchergen ; ihr gegenüber Slrfinoe, 
bie ältere, pre$iöfe, fpröbe Heuchlerin, roelc^e bie anberen 
tabelt, fich felbft aber für eine ^eilige hält, welche fromm 
betet, aber ihrem $>ienftperfonal gegenüber SRof)eit unb 
®ei$ befunbet, bie fich u & er oen ^<h«n einer Unanftänbig* 
feit entfefct, aber recht triel ©inn für bie „Realität" jeigt. 

ÜWoltereS Söeftreben geht nun bahin, biefe (Sharaftere 
in Sagen ju bringen, in welchen fie fid) fcharf abheben. 



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— 157 — 

2Bie wirb ftdj ein SWann tote Sücefte benehmen, wenn er 
mit Seuten aufammenfommt, bie Unbetannte mit ÖobeS* 
errungen unb SiebenSmürbigfeiten überfdjütten unb gleidj 
als il)re beften ^reunbe rühmen? Ober wie wirb er fiefj 
»erhalten, wenn er, ber Sabler, aufgeforbert wirb, ein 
pointenreicfjeS, pre^iöfed ©cbidt)t bewunbern, baS er 
^er^üct) fcr)Iecf>t finbet? SBie wirb er ben frtooten, galanten, 
öon fidj eingenommenen, bo^aften SWarquiS begegnen? 
2BaS wirb er tfjun, wenn er einen $ro$efe berftert? 2öie 
wirb er, ber ftarre, an ftrengen ©runbfäfcen feftfjaltenbe, 
mit unglücfttdjer @udjt nur immer baS ©djledjte unb 
traurige an ben äKenfdjen auffpürenbe äRifantfjrop $anbein, 
wenn er öerliebt ift? Sllcefte — öertiebt! SBie ift baS 
möglich? %\n intereffanteften ftettt fid) baS Problem, wenn 
er eine %x<m liebt, bie gerabe bie iljm entgegengefe&ten 
(Sigenfdjaften ^at. Unb fo fteöt benn iOToü^re (5£lim6ne 
bem Sftcefte gegenüber. SMdj ein Äampf mufj fid) in ber 
Seele eines 3ttanneS wie Sllcefte entsinnen, wenn er eine 
fotcfje Motette mit ber ganzen Seibenfcfjaft feines eblen 
£er$enS liebt ? Unb weldj wiberfprecfjenbe ©efür)te werben 
fid) in ifnn befämpfen, wenn er, ber bis ^ur (5Jrobl)cit 
aufrichtige, als ftreunb gerabe einen filmte, atfo einen 
eckten Vertreter ber gefettfdjaftlidjen Äompromiffe §at? 

SBir fefyen, üMtere fudjt nad) miberfprudjSüoüen 
Situationen, um bie ©egenfäfce aufeinanber p(a|en ju 
laffen, um bramatifd} ju wirfen. 3Die Situationen finb 
aber ben (Styarafteren öodftdnbig untergeorbnet ; fte ent* 
fpringen nid)t ber notwenbigen Verfettung ber 3ntrigue, 
fte finb faft burdjweg ungenügenb ober gar nidjt begrünbet. 
@S finb aneinanber gereifte Vtfber, atte lebenswahr, bis 
in bie feinften Nuancen ausgearbeitet, aber nur lofe mit 
einanber öerbunben. 

SMtere ^atte urfprünglid) feinem ,*Dcafantf)ropen' noct) 



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ben SRebentitel „3)er f)t)pocf)onbrifd)e SHttyaUx" (l'atra- 
bilaire amoureux) gegeben. 2lu8 ber 2öaf)l bicfeS XitelS 
fd^etnt Ijeröoraugefjen, bafi er bem SiebeSproblem in feinem 
©tü<f ganj befonbereS ®ettrid)t beilegte. @3 ift auef) äufeerft 
intereffont : $>er bittere $ampf ätt>ifd)en einer ganzen Sebent* 
anfdfjauung unb ber Siebe. SÄlcefteS Sbeafä ift bie Söafjr* 
f^eit um jeben SßreiS; (£elim6ne ift burdj unb burd) falfd). 
©erabe, frei fjerauä ift feine $)emfe; (5elim£ne fucfyt jeber 
freimütigen $fa8einanberfe|jung aus bem SBege ju gelten. 
@r liebt bie ©infamfeit; fie lebt nur für bie @efeflfd)aft. 
@r ift eiferfücfctig im l)öd)ften ©rabe; fie fofettiert mit 
jebermann. 2öenn er jornig ift, lägt er fidj burdj bie 
Seibenfdjaft fjinreiften, er poltert unb tobt; (£6lim&ne ift 
ifjrer felbft ftetS §errin unb fjüllt bie biffigften 23o3fjeiten 
in bie fjöflidjfte %oxm. — Unb trofc biefeS fcfyärfften aller 
2öiberfprüd)e liebt er fie oon gaujem |>erjen, mit ganzer 
©eele. (Sr fennt ifjre geiler, er oerabfdjeut fie, er macfjt 
ifjr bie bitterften SBornmrfe, aber beSljalb fie öerlaffen? 

„ — — ßann id)'3 benn, ©auHerin? 

Äann id} fo leicht entrinnen meinem Äerfer? 
drängt aud) gum §afj mein SBifle mftd)ttg l)tn, 
3ft ntd)t bet SBitte meine« $ergen$ fiftrfer?" 

Sieben, wen man nadf) feinen fonftigen ©runbfäfcen Raffen 
müfjte, biefe roiberfprudjSDolle Sage fjätte oon einem £ra= 
gifer leicht tragifd) geroenbet werben fönnen. 3Koliere 
wirb gettrifj in feinem Snnerften ba£ Xragifcfje biefer Sage 
ebenfo f)erau3gefüf)lt f)aben wie ein anberer. SEBar bod) 
biefe Situation eigentlich feine eigene Slrmanbe gegenüber. 
2lud) fie mar fofett, frtool, gefaUfüc^tig. $urd) ifjr falte«, 
gefüf)llofe8 SBefen trieb fie if>n, ben Säfföornigen, ber audj 
bie Sßa^r^eit unb ©crabt)cit ftetö in feinem fieben als 
Sbeal oerfolgte, jum äufcerften. @r felbft mar Hlcefte in 
ben ©cenen mit (£6lim6ne, unb mit welchen Cfrropftnbungen 



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^ 159 — 

mtrb er bie Stoffe auf ber Süfme gefpielt fyaben, menn er 
fidj feiner eigenen grau gegenüberfaf), meldte bie (S6lim6ne 
entjücfenb, unmiberfteljttd) miebergab. $a8 Unglücf feine« 
Sebent mar es, ba3 er bor bem ganjen ^ublifum felbft 
ftrielte. 

Slber er mar triel ju fefyr Äomifer, als baß er im 
$ragifd>en biefer «Situation untergegangen märe. $>ie 
golgenribrigfeit ift unb Bleibt fomtfcf). @r mar objeftiö 
genug, um ba§ nidfjt ju öergeffen, menn eS fid) um ifm 
felbft fyanbelte. Unb er (adfjte ü6er feine eigene Sfjorfjeit. 
@r, ber große 3flenfcf)enfenner, ber bie genfer ber anberen 
fo fdfjarf fatirifierte, er t>erfd)onte fief) felbft nid)t unb 
lächelte über feine eigene ©cf)mäd)e. @3 ift ba3 Säcfjefa 
be£ |jumor8, ba$ ßäcfjetn unter frönen, ba3 bem üttifan* 
tfjropen feinen eigentümlichen fReij berieft. 3 U 9^ C ^ $ 
e8 aber- biefer §umor, ber ben 2Kifantfn*open für ba3 
größere ^ßublifum untoerftänblicf) macf)t. $)a$ SBolf t>erftet)t 
ben $umor nid)t, e§ lacfyt nie über fid) felbft. $>er $umor 
ift ein ©rjeugnte ber feinften Kultur unb ber f)öd>ften 
9#oral. 

80 mirb es un3 nidjt munbern, baß fo triefe ftd) bie 
grage vorgelegt fjaben, ob benn SRoliöre ben 2flifautfyropen 
f)at lädjerlicf) machen motten. (Semöfynlidj ift ber iräger 
ber Xttefroffe in feinen ©tücfen bie $erfon, über bie ge* 
ladjt mirb, bereu gef)Ier ober Sdjmäd|en öerfpottet merben. 
konnte man aber min annehmen, baß 3Mtere ben 9Äifan= 
tfjropen läd^erlid^ macfjen moffte? Söei Sllcefte Rubelt e£ 
fidj ja nic^t auSfdjließlidj um biefe golgemibrigfeit in ber 
Siebe f bie ü)n in 3tt" e fP<*ft mit feiner ßebenSauffaffung 
bringt. Slkefte ift ein burdjauS ebler (Sfjarafter, ein 
ättann, ber bie SBafjrfjeit t)ör)er achtet atö affeS, „benn 
bem ßfjarafterfcoffen entfe^tüpft fein SBort, ba3 nid)t oon 
#er$en gef)t," er fyaßt bie Sßf>rafenmad)er, er berabfdjeut 



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bie ©djmeidjler, er ift ntdjt fäfjig, audf) in feinem eigenen 
3ntereffe irgenb einen ©cfjritt $u unternehmen, ber nicfjt 
mit ber Dollen föecf)tlicf)feit im (Stnffang ftünbe. SBenn 
ouc| feine ©ittenreinfjeit $ur ©ittenftarrl)eit ttrirb, toenn 
aucf> bie (Srfenntniä, bafc fein Sbeal fid) in ber Söett nic^t 
Derttnrfüdjt, iljn jur ©d)tt>ermut fü^rt unb er fid) ein* 
bilbet, bafj auf ber Sßelt nur Unrecht, ©elbftfud)t, Süge 
unb Jalfrfiheit ju finben ift, menn er audj über bie 
üttaften poltert unb tobt, fo ift er beäfjalb bodj nidfjt 
lädjerlicfi , lote ber |>elb einer Äomöbie e3 gett>öf)nlid) ift. 
(§S ift gemij3 unberechtigt, SÄoliere ben Sornmrf ju machen, 
er ^obe bie Xugenb, bie ju loeit gct)c, lächerlich machen 
motten, ©ing er bod) fel6ft in feinem ganzen SBirfen 
benfelben Sbeaten nach tote fllcefte! @r felbft f)öf$te alle« 
galfche unb SBibematürlicfje, er Derabfdjeute bie ^ßofe unb 
ben eiteln ©djem. 2lu3 bem ©runbe roar er gegen bie 
^reeiöfen, bie BJtarquiS, bie $eudjter ju gelbe gebogen. 
SBie tonnte man annehmen, bafj er nun gerabe ben 93e* 
fämpfer biefer geiler, auch menn er ju toeit ginge, lächer* 
lieh machen fottte? greilid) barf man anberfeitS nid)t 
glauben, bafj er Stfcefte ju einem gelben im Döllen ©inne 
beä SßorteS machte. 3Miere toar wie alle 9ftenfd)en feiner 
.ßeit im ©runbe genommen eine magootte 9totur. Ü6er* 
treibung erfdjien iljm, fo lange er in Doller ©emütSrufye, 
Demünftig unb flar bie $)tnge überfdjaute, thörid)t. 3n 
feinen Äomöbien toeifj er auch ftetä ba£ Derftänbigfte 3ftafj 
$ur (Geltung $u bringen. 3n feinem ^ßrioatleben inbeS 
toar e3 anberS. *8ei all feiner ©üte toar er reizbar unb 
jähzornig, er tonnte ben SBiberfpruct) nic^t ertragen unb 
wetterte gegen bie, toeldje ftd) if)m entgegenfefeten, mochte eS 
ftdf) auc^ « ur um Äleinigfeiten bre^en. 3n ber ©erfailler 
©tegreiffomöbie r)at er ftch felbft fo auf bie öüljne ge* 
bracht, unb xvix feigen, ba§ er in feinen 2lu3brücfen nid)t 



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— 161 — 

ttmrjlerifcr) mar, wenn ber 3 0rn ty n überfam. Unb bod) 
muftte ifjm fein £0(3 jeber Übertreibung fagen, ba§ e§ nicfyt 
vernünftig mar fo j\u fjanbetn. ©ein melancrjolifcrjeä unb 
fyttpocrjonbrifdfjeS Temperament, ba§ mit june^menben 3af)ren 
ficfj öerfcfjärf te , mufjte tf)n teidfjt baju führen, bie T>inge 
fcfjnjara gu fefjen. Unb bennoer) fagte it)m ber gefunbe 
2Kenfcr)ent>erftanb, baß e3 tf)örid)t fei, fidj folcfjer ©d)tt)ar$= 
feieret hinzugeben; er mufcte ba3 SÖebürfniS füfjlen, ba^ 
gegen an$ufämpfen. ©o war er benn f)äufig im Söibcr- 
fprucr) mit fid> felbft. Temperament unb Vernunft rangen 
mit einanber, unb e3 mar Balb baä eine, batb baä anbere 
©(erneut, roeldjeS ben ©ieg baüon trug, liefen ßampf, 
ber in feinem Snneren tobte, fjat er in feinem 2Kifan= 
tf)ropen bargeftedt. @r ift nicfjt ^llcefte allein, aber auef) 
nicfjt filmte, fonbern balb ber eine, balb ber anbere; 
ba3 Temperament fpraef) in ifjm in $Ucefte3 Ton, unb bie 
Vernunft brachte bie (Sinroänbe ^ßrjiünteS vor. T)iefe 
Teilung — fo flar fie aucr) für ben ift, ber 9ttoli6re3 ßeben 
!ennt — ift für ben geroör)nlicr)en ,3ufcr)auer, btx ba$ 
<Stücf unbefangen unb ot)ne SBorfenntniS lieft, nicfjt r»er= 
ftänbtic^. T)a3 Stücf ift ju fubjeftto, um bramatifd) wirf* 
fam gu fein ; ber 3ufct)auer fudjt nad) be3 T)id)ter3 Meinung 
unb finbet fie nict)t fjerauS; nur ber Sitterat, ber (Sin* 
gemeinte fann baä ßuftfpiel nact) jeber föidjtung roürbigen. 
<So t)at benn ber ,9tti}antt)rop' ba3 größere ^ßublifum nie 
ju erwärmen t>ermocr)t, wärjrenb jeitgenöfftferje <5cr)riftftetler 
in it)m ein ätteifterroerf erften $ange£ farjen. Jür Söoileau 
ift 2ftoliöre ftetö ber T5id>ter be£ ,üfltfantf)ropen' geroefen; 
er 50g bieä €>tücf fogar bem ,Tartuffe' öor unb prophezeite, 
baß e3 bie 9iadt)toeIt gan$ befonberä loben würbe. Huer) 
bie üerfcfjiebenen gereimten 3eitungen priefen bie ßomöbie, 
beren t)ot)e Stforal, fo fagt bie eine, an eine Sßrebigt er» 
innere. $a3 gewöhnliche Sßublifum be$ Palais Royal 

©djnctflan«, SRolifcre. 11 



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fonb aber an bem Stüde fein befonbere3 ©efalten. Sflocr) 
bie fedtjfte SBorftettung ,$)on SuanS* ^attc mehr Seutc in£ 
X^eater gelodt al3 bie jn?eite be§ ,9ttifanthropen'. S3et 
£ofe tonnte ber SDid^ter bog Stüd roegen ber Trauer um 
bie Königin Butter nic^t einmal geben. «Später mar ber 
redete geityunft tterpaftt. 

Natürlich fehlte e£ nueberum nid)t an folgen, bie be* 
haupteten, äKoliere fyabt ^orträtö oon 3 c ^genoffen auf 
bie Üöüljne gebracht. $)er ^er^og oon -Jftontaufier, fo hiejj 
e£, fyaht fid) im $ttcefte ttrieber erfannt. @r r)atte fdjon 
ber 2ft üc - be ScubSrt) für ben 3ftegabate im ,Grand 
Cyrus' atö SSorbilb gebient. $)ie SSefdjreibung feinet 
(SharafterS im großen Vornan hat nun ganj gehrifc einige 
3üge ju 3Mtere3 $Iceft geliefert. 60 tonnte ber dichter 
fdjon allein burdt) ba§ 9)kbium be£ Cornaus einige 
(£fyarafter$üge 2ttontaufier3 oerroenbet fjaben. (§* mar ein 
ehrenhafter, ettoaä h e Wö er 3Jtomt, ber unbefümmert um 
bie Solgen bie SBahrheit Jagte unb bie Schmeichler t)a§te. 
SDurd) är)nltcf)e (Sigenfcrjaften zeichnete fid) au<fj S3oi(eau 
au$, unb fo fjiefc e£ auch, bafr er im 9ftifanthropen abfonter* 
feit fei. $ie #rt, tote «Icefte bie Sßerfe OronteS fritifiert, 
erinnert aud) gennfs an einige befannte 2lu3fprüd)e be§ 
@efefcgeber3 beä ^arnaß. freilich öerftefjt e£ fid) tum 
felbft, baft Poliere bei (Srfcfjaffung ber ®eftalt HIcefteS 
fidf) nic^t ängftlid) an ein SSorbilb ttammerte; bie 3 u 9 e > 
bie er bei Söefannten unb in ficr) fefbft fanb, Bereinigte er 
ju einem (Sefamtbilbe, bem fein @eniu§ eigenartiges Seben 
einhauchte. 9flan barf nie oergeffen, bafc 9Mtere felbft 
in feiner Stegreif fomöbie öon SBerfaitfeS fagte, roenn ihm 
ettoa£ baä Schreiben oon Suftftrielen oerleiben fönnte, fei 
e3 bie Sucht feiner $eitgenoffen, überaß in feinen Suftfpiel* 
perfonen n?irflidt)e Porträts ju Gittern. Stfur in recht 
wenigen, fefjr leidet erfennbaren ffiütn ^at er e$ gethan. 



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— 163 — 

Sonft paarte fid) natürlich Sei ihm nne bei jebem 3)id)ter 
bie ^ß^antafie mit ber Beobachtungsgabe unb fd)uf eigen* 
artige neue ©ebilbe. 

$er ,2Kifantf>rop< ift baS fTaffifchfte ©tücf äMtereS. 
$)en benfbar größten ©cgenfafc ju ihm btlbet ba£ ßuft* 
fpiel, roetcr)e3 unmittelbar nad) ihm gebietet unb aufgeführt 
mürbe. Qmx üftonate nad>h^ am 6. ^Tuguft 1666, ging 
,3)er 3tr^t rotber Söitlen' (le MMecin malgre lui) über 
bie Bühne, ©o getragen unb öomefjm ber Xon beä ,3ftifan= 
thropen', fo luftig unb auägelaffen ift ,$er 2lr$t rotber 
SBiflen', bie tollfte Sßoffe unfereS 2)id)terS ! Unb tuenn beim 
eben befprod)enen Stücf bie |wnMung in ben feinften 
Greifen, im ©alon einer eleganten SDame fid) abfpieft, fo 
belegen toir uns f)ier unter rohen Bauern ober bieberen 
Bürgern. SBenu bort bie ftrengften (SJefefce ber fTaffifdjen 
Äunft eingehalten roerben, fo finbet fym ©cenenroechfel 
ftatt; ba£ ©tücf ift reich an Beider! eptfobifdjer 5trt, e§ 
getjt in tefcter fiinie auf ein altfran$öfifd)e£ ga"bliau jurütf. 
gretlid) ift e3 au§gefcf)(offen, baß Poliere unmittelbar auf 
ben ,Vilain mire', ben ,Bauern atS $r£t ; — fo heißt ber 
Xitel biefeä gabliau — jurücfging. (Sin fran^öftfcfjer dichter 
^ur geit SubtuigS XIV. (aä feine a(tfranjöfifcf)en £efte. 
©her möglich ift e3, baß er eine bramatifche Bearbeitung 
biefeä gabliau als garce fannte ober auch, *> a 6 er nur oie 
$nefbote, bie im Boffömunbe lebte, gehört unb bewertet 
habe. 2)ie @efdt)icr)te be3 Bauern, ber burch ^ßrügel ge- 
jnuingen roirb $lrjt gu roerben, ift fehr alt Poliere 
machte ben Bauern $u einem bieberen ^o^h^uer, ber früher 
in feiner Sugenb bei einem $lr$t in $>ienft geftanben unb 
)o oerfd)iebene gelehrte $(u3brüde aufgefchnappt r)at, bie 
er nachher oerroertet. (Seine grau ift nicht ettua, mie im 
gabliau, eine Slblige, fonbem eine braoe Bäuerin, unb e3 
ift nicht be$ ßönigS Softer, melche franf ift unb für bie 



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ein 2trjt gefügt wirb, fonbern filierte, bie $ocr)ter eineä 
Sßarifer 23ürger$ ©fronte. <Bo ift bie gan^e ©pf)äre be§ 
©tücfeä in baS ^Bürgerliche fjerabgebrücft. 2Miere f)at e3 
treffttcf) öerftanben, bie Situation baburdj fomifcf)er ju ge- 
halten, bafi bie $8ürger3tod)ter nicr)t etwa nrirflicr) franf 
ift, ttrie im alten gabliau, tuo fte eine ©rate berfrfjfacft 
f)at, fonbern nur bie föranfe fpielt, um einen 9#ann nict)t 
heiraten ju müffen, ben iljr Söater ifjr aufbrängen roitl. 
(SS ift alfo ber ökunb ityrer ßranffjeit nneberum berfelbe 
tüie in ber ,£iefce als $lr£t' nnb im ? grliegenben $lx$. @3 
ift überhaupt mefjr afö rrjar)rfcl)einttc^ f ba& üttoliere ju 
btefer ^ßoffe einfacr) feinen ,gliegenben Slr^t' t>eriüertete. 
$)ie tarnen finb jutn $eü gleich; e3 finb fogar in einzelnen 
9(u3brücfen $f)nlicf)feiten $u öerjeic^nen. Unb mit bem 
©toff be3 ,gUegenben 2lr$te3' oerbanb er tuofjl eine ältere, 
öon ifym ferjon in ber Sßrobin$ üerfajjte *ßoffe, bie er auf 
@runb be£ alten gabliau gebietet, ben ,Fagotier'. $(n* 
flänge an Rabelais, ted)nifct)e flttotioe auä ber ©tegreif= 
fomöbie, «Spötteleien über bie &r$te famen f)in$u, um ba* 
©tücf in einer ber genialften Sßoffen $u machen, bie baä 
$f)eater rennt. 

Sßenn roir un$ bie Äomif beS Suftfpiete flar oergegen= 
ttjärtigen, fo erhalten wir fofort ben ©inbruef beö ecr)t *ßoffen= 
haften, ba£ buret) bie SBerbinbung öon SDummfjeit unb äöifc 
3U nrirfen fuct)t. ©ganarelle t)at nrieber einmal feine grau 
3Jcartine roeiblid) burcr)geprügett. Um ficr) an ir)m $u 
rächen, giebt fie it)n bei fieuten, bie jufällig be$ Söege* 
fommen, um für bie erfranfte Xoct)ter bed^perrn ©fronte einen 
%T%t ju fucfjen, als einen aufeerorbentlicr) berühmten $tiU 
fünftler an. greilicr) müffe man ir)n oft burct)f)auen , ba= 
mit er feine $unft eingeftefje. öteronteä fieute öerfuct)en 
e£ juerft gütlich mit ir)m ; ba ©ganareöe aber nicr)t barauf 
eingebt, fo greifen fie $u bem ©toef unb gebrauten biefeS 



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^ 165 — 

SDMttet fo lange, bi$ er Iüo()( ober übel fid) bereit finbet, 
ben 5(rjt $u fpielen. Unb e$ gelingt ifmt oortreffltd), benn 
er ift ein toafjreä @Jenie in feiner $lrt. (Sin anberer wäre 
als <3d)tt>inbler fofort entfarot roorben; banf feiner grog- 
artigen $)reiftigfeit weife er e3 aber fo einauridjten, bag er 
ben fieuten fortmäf)renb (ganb in bie Slugen ftreut. $on 
2Rebijin t)erftet)t er eigentlich nichts ; boct) burd) fein fixeres 
Auftreten, burd) bie paar SBrocfen fiatein, bie er früher 
gelernt f)at unb mit benen er um fid) nrirft, burcf) fein 
gefd)idte3 5lu$nu$en ber $)ummfjeit anberer weiß er ben 
©treid), ber gegen it)n gefpielt werben follte, nid)t blofc un* 
fdjäbüd) ju machen, fonbern fogar ju feinem eigenen Vorteil 
auszubeuten. (Sr madjt fid) überall einen tarnen, oerbient 
öie( ®efo unb lägt e3 fid) gut gefjen. Saä ©eronteS 
$od)ter betrifft, fo treibt er juerft aßen möglichen £ofu3 
^ofuS mit if)r; a(3 er aber bann erfährt, tt?e^a(b fie 
franf ift, t>eilt er fie einfadj baburd), ba& er fie mit bem 
(beliebten ^ufammenfommen lägt. @r fpielt alfo biefetbe 
SRolle, wie ber Liener be3 ßiebenben im ,5Iiegenben Slrjt 4 
unb ber Siebenbe felbft in ber ,8iebe aU Wirft. 3nbe$ 
mit einer (Sntfüfjrung braucht ba£ <Stüd nid)t ju enbigen, 
weit ber fiiebfjaber plöyid) Briefe bcfommt, bie ifnn eine 
grofje (Srbfdt)aft anfünbigen, unb ber SBater nun nidt)tö mef)r 
gegen bie $eirat einjumenben Jjat. 

3u biefem tollen Stüde, ba3 jefct nodj bie ßufdjauer 
in bie auSgefaffenfte Saune üerfefcen fann, ift bie £aupt= 
facr)e natürlich baS poffenfjafte (Clement. $)od) fef)lt e3 
auc^ f)kx nidjt an ©eitenfjieben auf bie s Är$te. €>obalb 
•ättoltere auf fie %u fpred)en fommt, fann er ben ©pott 
nicr)t unterbrüden. gür ben $(t$t ift baä $Ieib bie £aupt* 
fache, ©o erfunbigt fid) ber $ol$autx ©ganarelle, a(3 
er gelungen wirb ben $lr$t ju fpielen, suerft banacf), ob 
er benn aud) feinen Xalar befommen werbe. Seinahe 



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ebenfo widjtig als ba3 $letb ift bie geteert fcrjeinenbe 
©pradfje ; fdjon ba$ furcl)tbarfte $auberwelfcf) fann genügen, 
wenn eä nur auf ben Patienten Sinbrucf macr)t. (Snblicf) 
muß fiel) ber Slrjt als 5lnt»änger ber Regeln be3 |)ippo= 
frateS befennen unb fann auct) nur bann feine $Katfcf)läge 
erteilen, wenn er gut bejap wirb. $>ie$ alle3 weife 
©ganarelle, unb biefe feine Kenntnis ber $erf)ältniffe be= 
nufct er, um banacr) ju fabeln. 2ßir werben fel)en, baß 
2Miere nocr) in manchen ©tücfen auf biefelben 3Dinge ju 
fprecfjen fommen wirb. 

(Sinftweilen muffte er aber für ben $önig arbeiten. 
Um bie Söenbe be3 3af)re3 1666 gab £ubwig XIV. 
wieber glänjenbe ^efte. 3n feinem <5cf)Ioß gu Saint 
Germain en Laye öeranftaltete er öom 3)e$ember bte 
gebruar großartige gcftlict)fetten. Me 6cfjaufpielertruppen 
ber $auptftabt würben $u ifjm berufen. 9Jterjrere $)icf)ter 
unb ßünftler mußten fid) ba^u ^ergeben, ein prächtiges 
SSallet mit fiiebern ju infcenieren. 3n biefem ,5Jhifen= 
ballet foflten — baS war ber £>auptgebanfe — bie ©Ott* 
r)eiten be§ ^ßarnaffeS unb bie fünfte, bie unter bem großen 
föönig blühten, üor bem 2Konarcf)en auftreten unb if)m 
hulbigen. 2)er Äönig felbft trat auf, ebenfo bie ©roßten 
be$ |)ofe3; bog gan$e mnthologifche (scfjaugepränge würbe 
in Bewegung gefegt, um ba3 geft ju oerfc^önern. 2Miere 
war beauftragt einige Heinere ©tücfe ju bieten, bie 
berufen waren baä hattet ju unterbrechen, ©o »erfaßte er 
benn ,2ftelicerte', ba3 ,fomtfcr)e ^irtenftücf* (Pastorale 
comique) unb ben ^ijilianer'. @£ waren lauter leicht 
Eingeworfene, ju bem fttvtd ber Unterhaltung beS £ofe$ 
beftimmte ©tücfe. 2)ie ,Pastorale comique' tydt 3Miere 
felbft nietjt einmal für würbig ber 9ßacr)welt überliefert $u 
werben, ,3Micerte' gab er fiel) nicht bie 9ttüf)e h n 
enben; boct) ift biefeS ©tücf in feiner Slrt red£jt anjiehenb. 



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— 167 — 

groei Sfojmphen bewerben fich um bie ©unft eines jugenb* 
liefen Birten, ber ihnen felbft eine anfprudjSlofe $irtin 
öor$ief)t. $)ie ßiebeSfcenen finb jroar etroaS prejiöS ge* 
Ratten, aber eS liegt bodf) ein folcfjer 3)uft t>on 3 ar *h e ü 
über bem (Sanken ausgebreitet, sugleich ironifiert ber dichter 
in ber IHolIe beS alten plumpen ßncarfis, beS SBaterS beS 
§irten, fo nrifcig bie (Sattung, in ber er fich toerfutf)t, bog 
mir auch J)eute noch mit Vergnügen baS <Stücfc^en lefen. 
— %m gelungenen ift aber gewiß ,ber ©ijiüaner', ber 
$um ©cf)luffe ber großartigen ffitt gegeben ttmrbe. (5S 
ift roeber eine Sßoffe noch ein Sntriguenftücf nod) eine 
©ittenfomöbie, auch feine ^aftorale; eS bilbet öielmehr eine 
(Gattung für fich, bie wir fonft nidjt bei SRoItere finben. 
(Sin romantifcfjer $aucf) burcfjweht baS rei^enbe ©tücfchen, 
baS an manche ßomöbien Sllfreb be 9ttuffetS erinnert. @in 
franjöfifcher ©beimann wirbt um bie ©unft einer griedn'fchen 
©flabin, bie öon ihrem Herren, einem eifersüchtigen ©t$i* 
lianer, ängftlich bor jebem SSerfe^r mit ber Außenwelt ab* 
gefdjloffen wirb. Um ihr nahekommen, berfleibet er fich 
als 9flaler, benn er ^at in Erfahrung gebraut, baß $>on 
^ßebro if)r SBilbniS malen (äffen will, ©o h a * er, bon 
feinem Liener unterftüfct, ber bie 91ufmerffamfeit $)on 
SßebroS auf anbere $)inge lenft, reichlich (Gelegenheit , ber 
@d)önen ben |jof ju machen; eS gelingt i^m fogar fdjließ* 
lieh fie ju entführen. SBalletS unb ©erenaben unterbrechen 
anmutig baS in ferner, poetifcher ©pracf)e abgefaßte 
rei^enbe ©pieL 

Söenn biefe Söirffamfeit als ^ofpoet ben dichter jeit* 
weife öon anberen emfteren Arbeiten bielleid)t ^urücfgehalten 
haben mag, fo märe es boch falfch fich oorjuftetlen , baß 
er fie als eine unangenehme Saft empfunben hätte- 3n 
ben herrschen Sälen ber ^önigSpaläfte , in ben pracht* 
oollen, feenhaft erleuchteten ©ärten mit feiner Gruppe auf* 



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^treten, menn «Seine SDcajeftät felbft in ben Mattete tankte, 
menn er Gelegenheit hatte ade ©rofeen be3 £ofe3 unter* 
Ratten, mar ir)m bei feiner (Smpfänglichfeit für Sßradjt unb 
©Ian$ gemig augerorbentlicr) angenehm. $)er Äönig be* 
lohnte feine Sftühe ftetä. Gerabe bieämal mar er befonberä 
freigebig. (£r jaulte ber Xruppe jmei 3af)te i^rer ^ßenfion 
aus, baju vergütete er tf)re SReifefoften unb fcr)en!te ber 
Poliere unb ber be 53rie ^mei reicrjbefefcte ättäntef. gür 
ben $)icr)ter mar e3 ferner oon hoh em Sttufcen, ficr) bem 
ßönig unentbehrlich gu machen, ©o burfte er ^offen, 
auch feine fatirifchen Angriffe unter bem ©cfwfce be£ 
^Monarchen mögen ju bürfen. ^ugenbücnur) mar ihm frei* 
(ich nicht fampftuftig gu 9Jhite; ba$ Verbot üon ^artuffe* 
unb ,$)on %uari brücfte ihn noch ferner. $a3 SSerr)äItnt§ 
ju feiner grau njar immer noch öufeerft gefpannt. 3 U 
ben oben angegebenen Grünben, metdje bie (Sntfrembung 
herbeiführten, mar ein neuer h^pgefommen. äWoltere 
hatte einen jugenblidjen ©ctjaujpieler namens 23aron, in 
bem er grofeeä Talent entbecft hatte, bei fich aufgenommen 
unb liefe ihn mie einen eigenen ©ofm ergehen. SDie grofee 
gürforge, bie er für ihn an ben $ag legte, fcheint bei 
$rmanbe einen gemiffen Stoib erzeugt ju hoben, ©ie be* 
hanbette SBaron fehlest. 3n ber SMicerte mar bem jungen 
ßünftfer bie föoße be3 Birten ÜRtirttf anvertraut morben ; 
er fpielte fie nicht gerne unb benahm fich ungebührlich- 
Strmanbe fefcte ihn $ur Siebe unb gab ihm eine Ohrfeige, 
darüber empört hotte ber junge S3aron ben Äönig um 
bie (Srlaubnis gebeten, fich öor oem ©djlufi oer 5 e ft* 
jurücf^ujiehen. (5r mar bann groüenb mieber in bie 
^rornngtruppe gurüefgetreten, ber er früher angehört hotte. 
$(uch bieS oerftimmte äMtere gegen feine grau. Sßie 
menig erfreulich ba3 SBertjältntd ber beiben ©arten bamalS 
mar, ergiebt fich auch barauS, bafe 3Mtere feiner grau 



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— 169 — 

ni<f)t, tt)tc früher, liebetoott bic Sollen anvertraute, bie 
if)ren perfönlidjen ©genfdjaften am tieften lagen. <5o 
mufjte ftc fid) im ,©i$Uianer' mit einer unbebeutenben 
Keinen Partie begnügen. 

Unb gum fecüfd^eit ©cfjmerä gefeilte ficf> förderliches 
ßeiben. 2lm 10. 3uni 1667 ttmrbe ber 3)icr)ter ferner 
franf. @ein Seiben mar fo emfter &rt, baß man fogar 
an feinem ^(iitfommen ^toeifelte. 



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1 



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VII 



3n der Sdwle der Alten und im Dienste des Könias 

SMtere mufete föuf)e haben. $)er testen 3af)re Arbeit 
unb ©orge mar $u groß gewefen ; Äörper unb ©eift waren 
erfchöpft. £)a3 Safjr 1667 bebeutet einen ©rtllftanb in be3 
SDicf)ter3 Xfyätigfeit. $lufjer bem ,©i3Üianer', ber im 3ouuar 
biefe$ Sa^reS in ©aint ©ermain üor bem Ä5nig aufge* 
füfjrt worben war, würbe in biefer 3eit fein neues ©tücf 
t>on ihm gegeben. SSon feiner $ranff)eit genefen 50g er fid) 
im Sluguft nach Auteuil bei $ari3 in ein £anbf)au3 aurücf ; 
er hoffte in ber ©infamfeit lieber $u $raft unb ©e* 
funbt)ett $u gelangen, ©eine greunbe fugten ihn flöufig 
bort auf; SBoileau, ßafontaine, dfyaptüt wetteiferten mit* 
einanber, um ifjm wieber SebenSmut unb £cben$freube ein* 
auflösen. Auffällig ift e£, bafc feine grau nicht bei if)m 
weilte. 2luä bem uns erhaltenen Qnüentar ber üftöbel 
btefeS 2anbf)aufe8 fe^en wir, ba& Hrmanbe nicht einmal 
ein SBett in ber äöofmung ifjreä SWanneä jur Verfügung 
^atte. ©ie blieb in <ßari$ in ber &äf>e ber Sühne, unb 
ihr 9Kann fah fte nur bei groben unb Aufführungen. 
Sfloli&re litt fdjwer unter biefen traurigen SBerhältniffen. 
,3eitgenoffen wiffen $u berichten, ba§ er ^äuftg feinen 
greunben Qfytip&t unb 9tof)aut fein $er$ auSfchüttete, unb 
wenn auch bie SBorte, bie ihm in ben 9ttunb gelegt werben, 
nicht alle authentifch fein fönnen, fo ift boch bie burch 
wiebergegebene ©ttmmung ecf)t. „3$ fyabt mid) entfdjloffen," 



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— 171 — 

fo f)ätte er gejagt, „mit if)r leben, tüte wenn fic ntdjt 
meine grau roare - ^t6er wenn 3f)t wüßtet, was id) leibe, 
fo hättet 3ljr Erbarmen mit mir. SDleine £eibenfd)aft ift 
berart geworben, bog fie fogar if)re Sntereffen mitleibig 
wahrnimmt. Unb wenn idj erwöge, bag eS mir unmögftd) 
ift, überwinben, maS idj für fie füf)le, fo fage id> mir 
gugleirf), baß fie oielleid)t btefelbe ©djwierigfeit empfinbet, 
if)re Neigung jnr ßofetterie ju befämpfen, unb id) füf)le 
midj efjer bereit fie ju beflagen, als $u tabeln. 3f)r werbet 
mir fagen, baß man $)id)ter fein muß, um auf biefe Sßeife 
gu lieben, aber metnerfeitö glaube id), baß eS nur eine 
2lrt ju lieben giebt, unb baß bie Seute, welche bergleidjen 
geinfjeiten nidjt empfunben fjaben, audj niemals wirflid) 
geliebt Ijaben. $WeS, was auf ber SBelt t>orgef)t, finbet in 
meinem £ergen ^Beziehungen ju if)r; meine ©ebanfen finb 
mit ifjr fo befdjäftigt, baß midj nichts jerftreuen fann, wenn 
fie fern ift ..." Unb er mad)te fid) Vorwürfe, iljr ntdt)t 
aüeS geben ju fonnen, was jum ©lüde eines fjäuSlidjen 
SebenS notwenbig fei. 9luberfettS beflagte er fid) bitter 
über ben Langel an liebeoollem Gsntgegentommen bei ifjr. 
<5ie laffe ir)n mitleibSloS in feiner ^ßein ; fie, bie nur t>om 
äöunfcf) befeelt fei, im allgemeinen $u gefallen, lacr)e über 
feine @d)Wädje. Unb als feine greunbe ty m 9 ute r ° er * 
nünftige fWatfdt)Iäge gaben, antwortete er, baß eS it)m nid)t 
möglich fei, ben ©eboten ber Vernunft $u folgen, wenn 
bie £eibenftf)aft if)n ganj in Söanben halte. SDaS Unglüct, 
mtßoerftanben ju werben, unb in ber heißgeliebten grau 
nidjt gefunben ju haben, waS er erfefjnt hatte, tiefe (£nt* 
täufd^ung unb ^gleich aucf> quälenbe ($iferfud)t folterten 
ben armen, oon fdjweren förperlidjen fieiben fyeimgefudjten, 
burd) ben Reißen ßampf erfd)öpften $)id)ter. (£r, ber 
ohnehin $ur |)t)pochonbrie neigte, fafj ficf) immer mefjr oon 
ben fdjwaraen SGßolfen ber 9Mand)olie umbüftert. 2öie 



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hätte er in biefer (Stimmung neue Sßerfe Raffen fönnen, 
um bie 2Jcenfd)en gum Sachen gu bringen ! äftag ihm immerhin 
bie fiuft gum (Schaffen gefehlt haben, bie fomifcf)e Sftufe 
liefc itm nidjt ööflig au§ ihren Söanben, menn er aud) bie 
errungene fRu^e mehr gum Stubium benufct höben roirb. 
$)ie Sitten fdjeinen e3 geroefen gu fein, bie feine $tuf* 
merffamfeit in Slnfprud) nahmen. 2Bar e3 ©oileau, ber 
if)n rjauptfäct)Iicr) auf *ßlautu3 unb Vereng ^intt»teö ? 2Öir 
troffen e$ nid)t. (Sr fann fief) fdjon früher mit biefen 
$id)tern befd)äftigt haben, bod) ift e§ roelleid)t nid)t 511= 
fällig, baß er gerabe im Safjre nad) feiner $ranff)eit mit 
groei Dichtungen ^eröortrot, bie ba3 6tubium beä ^ßlautu§ 
Sur SBorauSfefcung Ratten, mit bem ^mp^itr^on' unb 
bem ,©ei^al^. 

mit bem (Stoffe be3 ,2tmphitrtoo' t)atte fid) fdjon ein 
anberer geitgenöffifcher $id)ter befd)äftigt. föotrou r)atte 
in feinen ,Deux Sosies' $ur felben 3 e ^ ^ie Corneille 
in feinem ,ßib' ein jugfräftigeS €>tüd gefdjaffen, baS nod) 
lange geit nad^er, jumal roegen feines großen feenifdjen 
$lpparat3 baä (Sntgüden be$ Sßublifumä bilbete. Vielleicht 
nnefen SfloliöreS (Sdjaufpieler gerabe roie beim Slnlaß be3 
,$)on 3uan' ihren ©f)ef auf ben Vorteil, ben ein $onfurren$* 
ftüd für bie Xl)eater!affe bieten mürbe. 2)iefer äußere 
Slnlafe hätte mit bagu beigetragen, ba& ber Dichter bie 
Hmphitrtjofage normal« bearbeitete. ©3 t»erftet)t fid), ba& 
SMtere ben ©toff gang anberS befjanbelte roie <ßlautu3. 
$>a3 ©tüd be3 römifd)en $>id)ter3 mar bei aller Äomif 
einzelner <5cenen bod) fein fiuftfpiel im eigentlichen ©inne 
be$ 2öorte$. $atte eä bod) oor allen fingen ben ftxozd, 
Supiter gu feiern unb bie ©rgeugung be3 ^erfule^ gu oer* 
herrlichen. Die ntythologifchen (Sreigniffe, beren DarfteHung 
öon bem römtfd)en Volfe mit Vegeifterung entgegengenommen 
merben fonnte, mufjten ein frangbfifche« ^ublifam au* 



— 173 — 

bem XVII. 3<rf)rf)unbert natürlich gleid)giltig laffcn. ©o 
brängt benn SMtere enttoeber ba8 ntytfjologtfdje (Clement 
in bcn £intergrunb ober er tronifiert eS auf feine unb 
ttnfcige $lrt. $)er ganje ©egenftanb fear ja nne ba$u ge* 
{Raffen, bie ©öttertoelt be£ StttertumS befpötteln. 2)er 
SBater ber SDcenf dfjen , ber unt einer (eidjtfinnigen Siebelei 
bitten t>om fjofyen Dtymp fjerunterfteigt, um mit ber grau 
eines tf)ebanifd>en gelbj)errn Siebeteien anzufangen, fyat 
fcfyon an fief) ettoaS Äomifd£)e3 für un3 mobeme 3flenfdf)en. 
2Bir fönnen nid)t mefjr an bie (Sljre glauben, bie Supiter 
bem $mpfu'trt)o baburd) antfuit, baß er feine ©efta(t an- 
nimmt, um bei feiner grau ©ingang $u finben. UnS er- 
fdjeint bie gan^e ©adje redjt unmoralifd). SHoti&re fyat 
e3 aud) fefjr toofyl gefügt, f)ält fid) aber babei nidjt auf. 
SDie gan^e ©ad}e ift ja nur ein ©djerj, benft er, unb 
fo befjanbelt er fie atö unterf)altenbe SHeinigfeit. ©djon 
ber Prolog, ben er felbftänbig Ijinäugebidjtet, üerfefet un$ 
in biefe 9ltmoftrf)äre. 9flerfur ruft bie ÜKadjt gerbet unb 
forbert fie auf, ifire gaf>rt buref) bie Süfte ju öerlang* 
famen, bamit ber große ©ort Qupiter bie greube ber Siebe 
in 2tlcmenen'3 Firmen bofl au$foften fönne. Unb bie 
beiben ©Ortzeiten fagen einanber Sieben$tt>ürbigfeiten, unb 
madjen über ben Sater ber 9Renfd)en unb ©ötter 93e* 
merfungen, bie in feftfamem Sßiberfprudfj ju ifjrer (Sigen* 
fdjaft afö ^immeläbetoofjner ftefjen. $lm fetten Xon leidster 
griüoütät unb galanter ©pötterei f)<tft äMtere baä ganje 
©tüd f)inburd) feft. 2Bäf)renb Supiter in 2fatyf)itrt)oä 
©eftalt bie ©unft Sttcmeuenä genießt, nimmt SDtofur bie 
©eftalt öon beffen Liener ©ofie an ; er ängftigt ben armen 
®erl unb fyaut if)n burdj, roenn er feine föed)te a(3 wahrer 
©ofie geltenb machen »iß. $ie SBertmcfelung ift ^5dr)ft 
fpaßfjaft. $)ie ttnrflid)en Sßerfonen fönnen gar nidf)t Der* 
ftefyen, toaS vorgegangen ift. #13 ber tt>irf(id)e $tmpf)itri)o 



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oom gelbjug nad) §aufe jurücffefjrt, wunbert er fid), baß 
fettic jung oermäfjlte grau fo erftaunt ift, baß er fchon 
$urücfgefommen. (£r legt eS tt)r als ©leichgiltigfeit aus, 
wäljrenb 9llcmene nur beSfjalb fidfj wunbert, weil ber falfdjc 
Slmphitrno, mit bem fie in zärtlicher Umarmung bie gan^e 
9catf)t zugebracht, eben üon if)r $lbfcf)ieb genommen hot. 
Sie oerftehen einanber nicht, unb fo fommt eS benn nad) 
langer, peinlicher $luSeinanberfe$ung zum Streit zwifdjen 
ben beiben fid) leibenfdjaftltch liebenben ©arten. (Sbenfo 
wirft (5(eantr)tS ihrem SRann Sofie üor, baß er fie bei ber 
£eimfef)r nid)t begrüßt, unb bocf) war eS Stterfur, ber ©ott, 
oon bem nicr)t zu erwarten war, baß er oon ber feifenben 
Gilten, bic ihr 9ftann faum felber beamtet, 9totiz genommen 
hätte. $)ie 9ttißt>erftänbniffe werben immer ärger, ba beibe 
grauen niemals miffen, ob fie bie wahren ober falfcfyen 
^mpr)trrt)o§ ober Sofies cor fid) fyahtn, ja ficf) nid)t einmal 
oergegenwärtigen fönnen, baß eS wahre unb falfdje giebt. 
5lmpl)itrt)0 fommt bereits mit feinen bewaffneten greunben 
herbei, um ben üermeintlidjen Betrüger, ber if)tn feine @h re 
raubt, ju töten ; ba mad)t fidt) Qupiter fenntlid). $on ber 
SBolfe, auf weldjer er thront, ^erat» lehrt er if)n, baß eine 
Seilung mit Supiter nichts (SntefjrenbeS habe, unb baß eS 
nur rühmlich fein tonne, ber Nebenbuhler beS §errn ber 
öJötter 311 fein. $)er Liener Sofie weiß am Sdjluffe baS 
rechte Söort ju finben, baS ben Sinn beS ganzen fiuftfpielS 
refümiert : £err Supiter t?crfter)t eS bie ^ßille zu oergolben, 
unb bei hohen £errfd)aftcn ift eS in gewiffen fingen immer 
baS befte, nichts zu fagen. 

föotrou h^te eS noch ntcr)t oerftanben, ben Stoff mit 
Sronie ju burd)tränfen, wie üttoltere eS tr)ut. $)od) finben 
ficf) bei ihm fd)üd)terne unb unbeholfene Hnfäfce baju, 
welche ber äfletfter oorjüglich auszubeuten öerftanb. äMtere 
mobernifierte feinen Stoff, inbem er feinem Imphitrtyo unb 



— 175 — 

feiner Sttcmene bie (Smpfinbungen öon (Sbetteuten auä feiner 
$eit anbietete. ^leinene fjat ifjrem ©arten gegenüber nidjt 
mefjr bie Unterttmrfigfeit ber römiferjen Patrone, bie nodj 
bei SRotrou $u finben ift; fo fer)r fie if)n liebt, fie nimmt 
feine unberechtigten SBorttmrfe bodj fet)r pifiert auf; fie 
füfytt fict) in ifyrer (Sfjre f)öd|ft beleibtgt, atö er fie ber Un* 
treue anflogt, unb ift buref) bie noer) fo füfeen SBorte 
3upiter^mrtitrt|0g , ber fie $u befcf)tm<f>tigen fuct)t, nur 
anwerft fdjtoer $u öerföf>nen. ©benfo ift $mpf)itrt)o jefct 
gan$ anberS als in ben früheren <5tütfen; er beugt ficr) 
nicr)t getyorfam unter ben Sßitten SujriterS ; er ift aud) am 
©cfjluffe, als er ttieifj, wer if)n Untergängen, ber beleibigte 
(Seemann, unb trenn er aud) mit bem 6d)toert fidt) nidjt 
auf ben ©Ott frühen fann, fo ift fein eifigeä ©d)tt>eigen 
berebt genug. Unb bie ßiebeSfcenen finb ganj im bamaligen 
©rite gehalten: Supiter erörtert ebenfo fpifcftnbig ben Unter* 
fcfyieb jnjifc^en ber Siebe jum ©arten unb jum Siebfyaber, 
af$ man e3 im Hotel Rambouillet tfjat. 

2)ocr) liegt bie Originalität SttoIiereS ntdjt bloß in 
" ber äftobemifierung unb Sronifierung, fonbern aud) in ber 
ftärferen ^Betonung be3 #omifd)en. ©ein Liener 6ofie 
ift eine föftlicrje gigur; fei e3, baß er feiner fiaterne, bie 
if)m bie Stfcmene üorfteüen fott, ben 93erid^t öon ^m^irrtjOS 
ifjaten $ur Sßrobe nrieberfjolt, beoor er ins £auä eintritt, 
fei es, bafj er fid) felbft beglücfttmnfdjt ein $afenfufj 
fein, ba er fonft mit bem 3)teb, ber ifjrn feinen tarnen 
unb feine Sßerfon raubt, ein fdjrecflidjeö ©erirfjt abgalten 
njürbe: er erregt überaß bie auSgelaffenfte ^eiterfeit. 
Namentlich bie Scenen mit (S(eantf)i3, feiner biebern (5t)e= 
t)älfte, bie 3Miere felbftänbig erfunben f)at, um f)ier tote 
in fo mannen Äomöbien bie §anb(ungen ber §errfcf)aft 
burd) bie 2)ienftboten in niebrigerer ©pfyäre ttrieberholen 
ju (äffen, t>ornef)m(idj biefe ©cenen finb öon ausgezeichneter 



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$omtf. <Sie lieben fid) nid)t fonber(itf), bie betben (5t)e* 
gatten; fo fürdjtet benn «Softe r ate er nid)t weife, ob er 
für fid) fjanbelt ober ein anberer für tf>n, am atfermeiften, 
er mödjte metteid)t, ofme eS gu motten, 31t järtüc^ mit feiner 
Sllten gemefen fein. 3)a3 fönnte bod) üble folgen fjaben, 
meint er; benn nur im SRaufdje t)ätte er fid) fo roeit oer* 
geffen fönnen, unb im 9kufd)e erzeugte $inber feien ge= 
roöfynlid) nicf>t oiel roert. 

Unb nidjt Mofe bie 23eljanb(ung3art , aud) bie ^orm 
ift meifterfyaft. 3n freiem SBersmafe, fo roie Lafontaine e£ 
in feinen gabeln gebrauste, ift bie ®omöbie gefdjrieben, 
unb ber ©til ift fo frifd), fo fdjatfyaft, fo mifcig, bafe e§ 
eine greube ift r baä Keine 3Keiftermerf $u tefen. $)er 
pifante (Sinbrucf beä (E>tücfe8 rourbe baburd) nodj erl)öf)t, 
bafe bie ßeitgenoffen fid) nidjt bie Analogie oerfjefjlen 
tonnten, roeldje jmifdjen ben Siebfdjaften SupiterS unb ben= 
jenigen be£ ÄönigS beftanb. ©erabe bamate Ijatte ßub* 
roig XIV. mit ber grau oon SJtonteäpan ein neue« SSer^ 
f)ältni3 angefangen, unb e3 werben mof)l manche oon ber % 
(Sfyre, bie baburd) bem ©atten juteil mürbe, ebenfo gebaut* 
fjaben, roie ©ofie. Über gemiffe $inge nidjtä $u fagen, 
fei ba3 $ernünftigfte, fo fpradj man mof)I, aber lacfjte fid) 
babei tnS gäuftd)en. @£ oerftefyt fid), bafj TOoIi^rc feine 
(Satire beabfic^tigte , aber er fyatte getoife ntdjtö bagegen, 
toenn aud) biefer ©ebanfe, ber fid) oietteidjt nur flüdjtig 
in S3UdC unb ©eberbe au3$ufpred)en magte, ftiflfdjmeigenb 
oerftanben mürbe. $>a3 ©tücf, ba3 im Palais Royal 
juerft gegeben mürbe, fam nur jmeimat oor bem $ofe jur 
2luffüf)rung. SeiberfeitS wirb man gebadjt fjaben, bafj e$ 
beffer fei, unter biefen $erf)ältniffen an eine fofdje ütfaterie 
fo menig als möglich $u rühren. 

(SS ift eigentümlich, bafj bie beiben einzigen Äomöbien 
unfereS $)id)ter$, in benen ber (Sfjebrud) auf bie Söüfnte 



gebracht wirb, gerabe in bie $6t fallen, in melier 2Mtere 
oon feiner grau getrennt lebte. 2luf ben ^mphitrtjon' 
folgte ,©eorge $) anbin', ber für ben ßönig unb ben $of 
in Berfaitte« gum erftenmale am 18. 3uli 1668 aufgeführt 
würbe. $)er griebe öon Hachen war gerabe gefcf)loffen 
worben, unb ber $önig wollte feinen §of buref) ein präch- 
tiges ©chaufpiel bafür entfehäbigen , bag in biefem 3af)re 
wegen be« jelbjugg bie $arneoal«fefte weniger glän^enb 
aufgefallen waren aU fonft. (Sine auSerlefene (Gefellfchaft 
hatte ficf> in Berfaille« oerfammelt. 2ln breitaufenb *ßer= 
fönen au« ben haften Greifen waren gelaben worben; 
fogar ber päpftlicf)e Sßuntiu«, bie Söotfcfjafter unb $arbiuäle 
oon Sßenböme unb Sftefc waren anwefenb. herrliche Ballet«, 
üppige ©elage, zauberhafte Beleuchtung, SBafferwerf unb 
Theater follten bie ©äfte in (Snt^ücfen berfefcen. Unb 
9floli£re war natür(id) auch berufen, burch feine unoer- 
wüftliche ßomif bie ©efeUfchaft $u beluftigen. $a« Stficf, 
welche« er für biefe (Gelegenheit jur Hufführung brachte, 
war auf ben frioolen ftrei«, oor bem e« bie Feuerprobe 
beftehen fotlte, wie jugefchnitten. 2Bte im ^mphitr^on* 
macht er fich auch im ,®eorge 2)anbtn* nicht oiel au« ber 
5ftoral. $lber wenn im eben befprochenen SBerf bie nu)tho= 
logifche Umgebung unb bie feine 3ronie, bie ba« ganje Suft* 
fpiel burchjieht, un« in eine ferne Sßelt entrüeft, an welche wir 
ben gewöhnlichen üttafjftab anzulegen un« nicht öeranlagt 
fühlen, finb wir in biefem ©tücf in ber realen SBelt. Unb 
bie Unbarmher^igfeit, mit welcher ber arme Bauer, ber ju 
feinem Unglücf eine Hblige geheiratet hat, öon feiner grau, 
beren Siebhaber, feinen Schwiegereltern unb fogar feiner 
$ammer$ofe behanbelt wirb, fann in un« ba« ©efüfjl ber 
reinen Äomif nicht gan$ auffommen laffen. 2)enn e« lägt 
fich nid)t leugnen : 9ttoltere f)at hier bem Ötefchmacf feine« 
abiigen *ßublifum« eine $u große Sfcacfjgiebigfeit erwiefen. 

S djneeflanS, Wettere. 12 



(Sr wußte, baß er banfbare ßn^öxtx finben würbe, wenn 
er am f)äu8lid)en Unglücf eine« eingebilbeten Säuern bie 
gan^e Seroe fetner ßomif auSlaffen würbe. SBon ber (£r* 
Wartung auf biefen letzten ©rfolg ließ er fid) in ber 
feettfcfyen Slbfpannung, in ber er fidj gerabe befanb, fjin* 
reißen unb braute ecenen auf bie Söüfyne, benen wir Dom 
moralifcfjen ©tantymufte unferen 93eifatt nicfjt me(|r geben 
fi3nnen. 

$(u<f) biefeS für ben §of beftimmte Suftftriel ging auf 
frühere Arbeiten jurücf. (£d ift nur eine (Slrweiterung unb 
Skröollftänbigung feiner ,(£iferfud)t be£ Sefdjmierten'. 
Söeldjen Söeg -JMiöre feit biefer $t\t in äftfyetifdfyer Irin* 
fitf)t jurücf gelegt, fönnen wir aus beut Serg(eid) beiber 
©tücfe fofort erfetjen. $>er 93auer unb feine gfrau finb 
jefct lebenäuotte ^erfonen, nidjt mefjr $t)pen wie im früheren 
©tücf. (George Täubin ift nidjt bloß irgenb ein beliebiger 
Srunfenbolb , ber in ber (Sf)e unglücRic^ ift, fonbem ein 
reifer, profciger Sauer, ber aus @f)rgei$ eine arme $lblige 
geheiratet fjat, bereu (SItern burcf) biefe SBerbinbung i^rc 
zerrütteten 2}ermögen3oerf)äItniffe wieber au3beffern wollten. 
Unb $(ng6lique ift nidf)t irgenb eine treufofe grau, bie mit 
einem farblofen Malere auf ben ©ad gefjen miß unb fidf) 
um if)ren 9ttann ben ßufuf fümmert, fonbem eine auf 
ifjre $bftammung ftol^e, anmaßenbe, fofette abtige 2)ame, 
bie mit perfiber ©djtaufjeit fidf) immer aus ber ©dringe 
gu $ief)en weiß, wenn ifyr 3Rann fie mit ifjrem ßiebfyaber 
trifft. ^Cuc^ biefer ift ein redjter $lriftofrat, in feinen 
Sanieren ebenfo tabetfoS al§ in feiner ©eftnnung frtool 
unb in feinem 33enef)men gegen ben ^(ebejer frecf), fogar 
brutal. &uS bem unbebeuteuben ©djwiegeroater ®orgibu£ 
ift bie nmnberbar gelungene gigur be§ alten £errn 
oon Sottenöiöe geworben, bem 2RoIi6re audj feine @t)e^ 
fyälfte, grau öon ©ottenoitfe au3 bem ©efd)(ed)te berer 



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— 179 — 

be la *ßruboterie beigefeilt f>at; beibe ©eftalten aus einem 
©ufc, ouf if)x hochachtbares ©efd^tec^t unb i^re unantaftbare 
gantt(tengefcf)i<f)te ftofy , in «Sachen ber (S^re feinen €>paf$ 
t>erftef)enb, ober auch in ber Jornt feine Übertretung butbenb. 
Unb aus bem unbebeutenben 3)ienftmäbcf)en (Sathau ift ein 
liftigeS unb freies Äommerfä^en geworben, baS bie 
Siebe beS braöen, aber einfältigen Subin vortrefflich aus* 
$ubeuten t)erftef)t, um feiner £errin auszuhelfen. 

©6enfo wie bie (Sfjaraftere ber Sßerfonen vertieft, finb 
bie Situationen erweitert worben. 9frtg6üque jeigt ficf) 
nicht fofort als bie efjröergeffene ©attin, bie nachts ihrem 
fiiebfjaber nachläuft, oon ihrem Sttanne ausgesperrt wirb, 
ben ©elbftmorb fimuliert unb bann im Stugenbluf, wo 
ifjr Hflann hinaustritt, um $u fef)en, was mit if)r borge* 
gangen, wieber in« £auS hineinfdjlü&ft, um ihn nun t>om 
genfter aus beS lüberlic^en SBanbelS anjuf tagen. $)iefe 
ber 9£ot>efle Boccaccios entnommene <5cene, bie ben ganzen 
3nf)alt beS früheren ©tücfeS ausmachte, ift jefct erft im 
britten $fte bie Krönung ber öerfdjiebenen ©treibe 5Tng^ 
liqueS. 3)ie beiben erften Hufeüge bereiten fie oor. ©chon 
jweimaf f)at ficf) ber arme (George 2)anbin bei feinen 
Schwiegereltern über baS benehmen feiner grau beftagt. 
3m erften $ft ^at er burcf) ben bummen Subin erfahren, 
bafj (Etitanbre feiner Gattin ein Stettbicfjein gegeben; bem 
Süngling ift eS aber leidet geworben fid) öor ben €>d)wieger* 
eitern ju rechtfertigen, benn ifjm, bem Slbligen, glaubt man 
aufs SBort, währenb man t>om Bürgerlichen unabweisbare 
Xhötfachen öerfangt. 8m ^weiten Slufeug hüft pch buxti) 
ihre breifte ©eifteSgegenwart Stngetique felbft aus ber 9ßot, 
als ©eorge $)anbin mit ben ©Itern het^cifommt unb ben 
(Eütanbre im Stugenbttcf ertappt, wo er oon ihr 5Ibfd)ieb 
nimmt, ©obalb fie ihren SÄann erblicft, fpielt fie bie 
(Sntrüftete unb thut fo, a(S ob fie einem unt>erfcf)ämten, 

12* 



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aubringlichen 23efucf|er bte ^üre weifen müffe. Unb 
(George $)anbin ift Wieberum ber ^Blamierte. <8o ift e$ 
für ben ärmften feine gang neue ^Demütigung , wenn er 
im brüten $fte üon ben ©Item gelungen wirb, öor feiner 
grau nieberjufnien unb fie im Sftacrjtgewanb, bie ©cf)Iafmü$e 
auf bem $opf, barfuß ein ßicr)t in ber $anb um $ßer$eil)ung 
gu bitten. 

Unter biefem (Sinbrucf läfct un3 Sttoli&re. 3)ie abiigen 
gufcfyauer werben fid) bei biefem Hnblicf wor)I franf ge= 
Iad)t fjaben; wir fönnen un3 be3 SftitleibS mit bem armen 
äftanne nid)t erwehren, benn feine Einfalt rechtfertigt ein 
foId)e3 £o3 feineäwegS. @3 fehlt bem <5tücf an poetifdjer 
(SJerechtigfett. tiefer Langel ift tnelleicht gum Seil in 
ber troftlofen ©timmung ju fud)en f in welcher ber dichter 
fich bamalä befanb. ©eine Ghrlebntffe mochten ihm bte 
$Infcr)auung beigebracht fyabtn, bajj e£ SSerfjältniffe im 
menfchlichen ßeben giebt, in benen bie ©erecr)tigfeit fein 
SBort mitfpricf)t. freilief) §at er ftcr) felbft in (George 
2)anbin nie unb nimmermehr auf ber 93üfme bargeftellt, 
aber wenn er baS Unglücf be3 armen üttanneS, ber bon 
feiner fofetten grau fo hmtergangen würbe, auf bie Sühne 
brachte, fonnte ihm eine gewiffe Sinologie mit feinem ®e* 
fd)icf nicht entgehen, <So mochte er melleicht in biefer 
©algenhumorftimmung wie gum Xrofc fich benfen: nun, fo 
lacht benn über ben armen Zfyox, ber fo bumm gewefen 
ift, fich H n eigene^ Unglücf ju bereiten. „Df) ©eorge 
$anbin! (George $anbin, wa3 h a ft ® u aähan? $)aä 
fommt baoon, wenn man eine f flechte grau hat! " tiefer 
bittere ©chmerjenöfchrei fommt öiel $u häufig öor, als 
ba§ 9ttoliere — natürlich ^ a ^ QW&en Unterfchieb — 
nicht babei an feine eigene analoge Sage gebaut fyaben fönnte. 

5)ie ©runbftimmung beS €>tücfe8 war jwar eine 
traurige, boef) 9Mtere wu&te burch feine gewöhnlichen 



Xfjeaterfniffe auch bei biefem ©toffe £eiterfeit ju erregen. 
S3ei ben meiften ©tücfen, bie er fcfjnctl hutroarf, ^at er 
berglcict)en techntfche üütottoe angeroanbt. $13 j. SB. ©eorge 
©anbin feinen Liener (Solin, ben er am Senfter erblkft, 
aufforbert, fcf)nell ju ir)m ^emntergufommen , fpringt er 
fofort $um $enfter hwau$; in ber ©unfelheit finbet er 
aber feinen £errn nicht, ebenfo toenig roie ©eorge ©anbin 
ir)n. ©ie <5acr)e eilt; e3 ^anbett fid) barum bie Altern 
benachrichtigen. $lber fie finben einanber gerabe fange 
nic^t. ©ie 5DunfeIr)cit ber 33üt)ne ift überhaupt ein bor* 
treffüdt)c§ bittet, folcrje SBühnenfpiele oeranlaffen. ©o 
benufct fie benn SMiere, nm am Anfang beöfelben SlftcS 
bie einzelnen ^erfonen einanber fuchen laffen; fie treffen 
natürlich immer bie Sßerferjrten. Slitanbre nimmt ftatt 
ber Slngälique bie (Sfaubine in bie 9lrme, toährenb fiubin 
ftatt feiner treuen ^ammerjofe bie 2lng6lique umarmt. 
Nachher als ©eorge ©anbut felbft herauSfommt, fyalt ihn 
ber bumme Söauerntölpel für bie heißgeliebte unb erzählt 
ihm inä ©eficfjt, welchen ©treid) man mit ihrem £errn 
vorhat, ©abei fügt er ihm inbrünftig bie £änbe unb tr)ut 
ihm fdjön, big (George ©anbin ihm eine orbentliche üftaul* 
fcrjelle verabreicht. Subin geigt überhaupt eine befcmbere 
©efchicßichfeit barin, ©eorge ©anbin gu verraten, tvaS man 
mit ihm vorhat. (Schon atveimal vorher l)at er e3 gethan. 
©iefeä Üttotiv, einen gerabe jum Vertrauten ber ^ßläne ju 
machen, bie man $u feinem Serberben gefcr)miebet h a t 
fommt bei Sttoli&re häufig vor. 9ludj bie ^ßrügel verachtet 
er nicht, wenn er burcf) fie £>eiterfeit erregen fann. $113 
Slngälique mit ihrem (beliebten überrafcht rotrb , tr)ut 
fie, al3 ob fie ihn fortjage, aber bie ©cf)läge, bie fie if)m 
31t verfefcen fich ben Slnfchein giebt, fallen alle auf ©anbtnä 
föücfen; ein richtiger Gloronftreicf} , ber aber gettrifj feine 
SBirfung nicht verfehlte. — ©o fonnte eS benn fommen, 



— 182 — 

baf$ biefe3 im ©runbe traurige ©tücf bod) luftige |>eiterfeit 
^ertjorrtef. $>em $erfaffer brauchte bed^alb bod) nidjt 
fröf)fid) $u 9ftute $u fein. $>enn bie Slnroenbung ted)nifcf)er 
9ftottoe f)ängt feineäwegS üon ber ©emütsftimmung be$ 
^oetrcffenoen ao. 

3n biefe emfte Stimmung faßt audj ba£ zweite ©tütf, 
toeldjeä dotiere bem ©tubium ber Sitten öerbanfte, ,5) er 
©etat) als* (l'Avare). $(u3 Sßlautu3' Aulularia ent- 
nahm ber $>icf)ter ba§ Sßefentlitfje ber gabel. (Sr fanb 
bort einen ©ewigen, ber einen ©d^afe »ergraben f)at unb 
ber feine $odjter einem SKanne geben nritf, welker fie of)ne 
SKitgift $u nehmen bereit ift. $)ie £otf)ter ^at aber einen 
anberen im <8inn. 9hm gefdjieljt e£, baft be3 ©ei$f)atje3 
€>cf)afc öon einem Liener geftofjlen wirb. S)er ©eijfyate 
vermutet ben $f)äter im Sßerfüfjrer feiner £od)ter unb 
matfyt if)m bie fd)ümmften ©orroürfe, bie biefer aber aße 
auf fein, bem ©einigen übrigens unbefannteS SBertjalten ber 
£ocf)ter gegenüber be^ie^t. SDiefe bürre gäbe! ift aber 
nicfjt baS einzige, toaS äMtere bem SßlautuS entnimmt. 
3n @in$eHjeiten fjält er fief) auef) an biefe Vorlage. Söenn 
er ben ©eij^alö bie $afdjen feinet Lieners unter* 
fudjen ober wenn er if)n feinen ©d)mer$ über baä 33er= 
fdjnrinben be3 ©cf)a$e3 im Monolog auSbrücfen lägt, t£)ut 
er e3 in berfelben Söeife wie *ß(autu3. SnberfeitS erfinbet 
er aber manche $üge, bie bei ^autuS nic^t üorfjanben 
waren. SDeS Römers ©ei^ate mar ein armer ©dfjüufer. 
9J?oli6re benft fid), baft ba3 £after be3 ©ei$e3 beffer bei 
einem Sttanne jum 5(u£brucf fommen bürfte, ber bie SÄittet 
tyätte triel ©e(b auszugeben, unb mad)t beSfyalb feinen 
^arpagon ju einem öermögenben £erm, ber über einen 
großen §au3f)a(t üerfügt. (Sr fjat Safaien unb ©ienft* 
mäbdjen, $od) unb Äutfcfjer, ^ferbe unb SBagen, er f)ä(t 
ftd) fogar einen §au£f)ofmeifter. $lber wie ift eS um fie 



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beftetft! $)ie fiafaien ^aben ^erriffene ober befchmufctc 
Kleiber; ber $od) muft jugteich ben 2)ienft als föutfcher 
öerfehen ; bie Sßferbo finb fo fdjfecht genährt, bafj fie faum 
au£ bem ©tall herauStommen fönnen, unb ^arpagon ftef)t 
im föufe, fein ^ßerfonal fchledjt 31t bellen unb bc* 
fyanbeln. (Sr glaubt jebeu ÄugenMitf, baß man ifjn be* 
ftiehft, unb burtfjjudjt feinen ßeuten bie %a)d)tn unb wirft 
fie auf ben blofcen Lerbach*, fie fönnten etwas entwenbet 
haben, aus bem $aufe. ©0 fommt uns biefer reiche 
$arpagon t>tel geiziger oor als ber arme bei *ß(autuS. 
©ine ebenjo gtücflidje $nberung ift eS, wenn dotiere 
feinen (Senhals ben (Einfall haben lägt ein grofteS $odj s 
jettSeffen gu geben. ($S ift bieS wirffamer, aU wenn ber 
(SJeijfjatö bei ^ßfautuS feinen fünftigen €5d)tt>iegerfof)n felbft 
oeranlagt, bie ©pefen für baS £ocfjäeitSeffen auf fid) ju 
nehmen, ^arpagon jeigt fid) bei ber Gelegenheit natürlich 
öon ber fparfamfteu ©eite. (§r lägt fein Sßerfonal antreten 
unb giebt ihm bie allerpeintkhften SRatfdjfäge. 93etm ^ßufcen 
ber Söo^nung fotten fie ja nicf>t an ben 2ftöbe(n $u )ct)r 
herumreiben, ba fie jo ju fdt)nett abgenufct würben. Sßenn 
beim Slbenbeffen eine 3tfafcr)e fortfommen ober ^erbrechen 
follte, will er fie öom £of)n beS S)ienftmäbchenS abgehen. 
2)ie Safaien, bie bei Xifc^e aufwarten joden, werben ftreng 
angehalten, nur bann ben (Säften gu trinfeu ju geben, 
wenn man fie ein paar 9M gerufen f^be, unb ntdt)t $u 
öergeffen, ben SBein tüchtig mit Söaffer ju mifdjen. 3um 
(Sffen finb ungefähr ^efm ^ßerfonen eingelaben, bodt) foll 
ber $odj nur auf ad)t rennen, benn „was für adr)t genug 
ift, reicht auch f ur b^ n -" U* 10 ©ff^n felbft foll mög^ 
lidjft einfach ausfallen. £arpagon rät etwas ju wählen, 
woöon man nicht $u Diel effen fann, was fich fchwer in 
ben ÜÄagen legt, etwa ein recht fette* §ammelragout ober 
eine Xopfpaftete mit ftaftanien. 



3)er ©eijfyate foü fidj ober nocr) t>on anberer (Seite 
geigen. 9floIiere begnügt fid) nidjt bamit, ifjm eine $ocr)ter 
ju geben; er macfjt ifjn auef) jum Vater eines ©ofjneS. 
Unb fein ©of)n r)at gerabe bie entgegengefefcten ©igen* 
fdjaften. Verfcfjroenberifcr; unb luruSliebenb ftotyert er in 
ben teuerften SHeibem einher unb madjt forttt>äf)renb 
©dmlben; fogar mit 2Bucf)erern lägt er fid) ein. 2)en 
©ebanfen, gerabe ben Vater beS 3üngling3 ju einem folgen 
auf Söud^erginfen au&eifjenben , fd)mufcige (SJelbgefcrjäfte 
treibenben ©pefulanten ju machen unb mit feinem ©ofyn 
gufammentreffen $u laffen, f)at SKoltere einer aeitgenöffifdjen 
ftomöbie, ber ,Belle plaideuse* oon Voirobert entnommen. 
3nnfd)en Sßater unb ©ofjn vermittelt ein dritter, fobafc 
feiner oon beiben eine öfjnung fjat, mit roem er eigentlich 
©efcfjäfte treibt. Hucf) ber Vermittler fennt bie Vertoanbt* 
fdf)aft beiber ntdt)t. Vei SRoliere tt)irb bie fomifdje SBirfung 
baburef) ert)ör)t, baß ber Vermittler, ©imon, |>arpagon t>or 
feinem ©ofme afmungSloä in3 ©efic^t fagt, bafj ber 3ttann, 
bem er bie ©elbfumme borgen folle, fid) anfyeifdjig gemacht 
f)abe, feinen Ölten binnen adjt 2Ronaten inä Senfeitö be- 
förbern gu laffen. Unb £arpagon, atmungSloä, bafj er 
felbft gemeint ift, erflärt, ba§ er ba3 rooljl t>erfter)e , unb 
meint treu^er^ig, bie 9Henfd)enliebe zwinge einen fjäufig, 
ben Sßerfonen greube $u machen, benen man greube be* 
reiten fönne. 3Bie ifjnen gu 9Jtote ift, als fie erfahren, 
um roen eS fid) f)anbelt, fann man fid) benfen. (Segen* 
feitig werfen fie fid) f)aarfträubenbe Verfdjroenbung unb 
nid)t$nu|ige fiieberltdjfeit ober unerfättlicfje (Selbgter unb 
oerrudjte $al8abfcr)neiberei oor. Seine $)urd)triebenf)eit in 
bergleicrjen 2Bud^er*Äunftftücfc^en geigt £arpagon befonberS 
baburdj, baß er bie ©umme, bie er auszufeilen oor fjat, 
nidjt ooUftänbig bar geben miß, fonbern jum Seil unter 
ber ©eftalt Don altem ©erümpel, beffen er entlebigt fein 



möcfjte — aud) bieS ein 3ug, ber fcf)on bei 93otro6ert öor= 
fam, ben aber äftoH&re üorgüglicf) $u öertuerten gemußt fjat. 

SERit bem (Stong ber §anblung f)aben biefe einzelnen 
(Spifoben faum etma3 ju tfmn. $)em £icf)ter fommt e& 
aud) f)ier nicf)t barauf an, eine bramatifdj fpannenbe $anb* 
fang Dor^f üfpren , fonbern ein möglicf)ft üoüftänbigeS 
(Sfjarafterbtfb be3 ©ei^alfeS $u geben. SDiefe einzelnen 
©cenen nehmen ficf) mie ebenfom'ele ©enrebüber auä. $)em 
©einigen, ber feine $ocf)ter verheiraten totH unb bie $od)* 
^cit öorbereitet, unb bem ©einigen, ber 3Bucf)er treibt, fönnte 
man atö britteS SBifb ben ©einigen, ber felbft bertiebt ift, 
an bie ©eite ftetien. tiefer $ug war neu m ^ f an & 
nicfyt bei ben Vorgängern be3 2)id)ter8. (Sr ift auf ben 
erften ©lief befrembenb. £er alte, fedföigjäf)rige $arpagon, 
ber nur für fein ©elb Sntereffe f)at, fofl in ein junget 
Wabfyn öediebt fein unb fie f)eimfüf>ren wollen? $)a£ 
nimmt ficf) recf)t unmafjrfcfjeinficf) auä. Poliere f)at biefen 
3ug nur erfunben, um bie ben 2ttann befjerrfcfjenbe £eiben* 
fcfjaft einer ganj entgegengefefcten, ber Siebe, gegenübergu* 
(teilen. SBie lüirb ficf) ein oerliebter alter ®ei$f)al£ be= 
nehmen? SMefeS Problem reist ifjn, unb er füf)rt e£ fef)r 
intereffant buref). @3 berftef)t ficf), baß £arpagon nicf)t 
mie ein junger üttarquiS genfterpromenaben unternimmt; 
er bebient fidj einer alten, in öerbäcfjtigen ÖiebeSbienften 
mofjl erfahrenen Vermittlerin unb fucfjt buref) fie nähere« 
über bie $5ame, bie er im Sfuge f)at, ju erfahren. Natürlich 
ift e$ bie grage ber SWitgift, bie tr)n üor allem befcf)äftigt. 
<So ofjne loeitereS miß er ficf) nicfjt binben. 90ßit bem 
Umftanb, baß fie außerorbentlicf) fparfam ift, fann er fidj 
nid)t begnügen. (Sine äftitgift, befteljenb aus ben 5luS* 
gaben, mefdje bie fünftige grau nicfjt machen toirb, ba8 ift 
it)m Iäcf)er(ic§: man fann bod) nid)t etttmS quittieren, ma$ 
man nirf)t empfängt. Sfußerbem möchte er bie ganje 9(n* 



gelegenheit fo billig aU möglich $u @nbe führen. Sßitt 
man aber heiraten, fo muß man bodj einmal Dörfer feine 
SBraut einlaben; bem ift nicht $u entgegen. Um zwei fliegen 
auf einen Schlag ^u treffen, labt fie nun £arpagon 5U 
bem (£ffen ein, ba3 er ohnehin bem Bräutigam feiner 
Sochter giebt. Ate bie Sraut ihn befugt, beitft er nicht 
baran, t^r @rfrifcf)ungen anzubieten. Auch baß er SSraut* 
gefcfjenfe machen muß, hat er überfein, ©r gef)t äußerft 
üorficfytig in ber 93ehanblung ber ganzen Angelegenheit ju 
SBerfe. $)er große Alteräunterfchteb mad^t ihm Sorge; er 
erfunbigt fid) mehrmals nach ben Neigungen feiner 3 Us 
fünftigen; grofine muß ihm alles in fefjr rofigen gfarben 
erfcheinen laffen, bamit er feine ©inwäube mehr mache. 
Sobalb if)m aber fein Schafc geftof)len wirb, öergißt er 
fofort feine Siebe. £)ie ganze $eirat£gefcf)ichte ift ifynr 
gleidjgiltig. 

So unroar)rfcr)einlicf) bie Siebe £arpagon3 auf ben 
erften SBlicf erfcf)eint, fo natürlich ift feine Sorge um ben 
Schafc, ben er vergraben fyat §ier fonnte 3Mtere feiner 
Vorlage bei pautuS nicht fotriel 9*eue3 hinzufügen. $)a3 
SJilb be§ um feinen Sd)a| beforgten ®eizhalfe§ ift beim 
römifdjen dichter vorzüglich. Siielleicht erfcheint PautuS' 
(Suflio noch argwöhnifdjer al$ |jarpagon. So wecfjfelt er, 
auä furcht, fein Scf)a|5 möge ihm geftohlen werben, fort* 
wäfjrenb fein SßerftedL Auch fann er ftdf) nicf)t oorfteHen, 
baß ein Steider ohne £intergebanfen feine Xochter heiraten 
wolle ; wenn ber deiche fich bem Armen gegenüber freunb* 
lieh gebörbe, habe eä immer einen ©runb, meint er. Auch 
als ihm ber ^Bräutigam öon einem frönen Srinfgelage 
öorfchwärmt, wirb er mißtrauifch- SBie wäre e$, wenn er 
ihn unter ben Xijcf) trinfen wollte, um ihm bann in ber 
Xrunfenheit fein ©eheimniS z u entlocfen? ^arpagon zeigt 
bei foldjen Anläffen fein Mißtrauen. $)aß Anfelme feine 



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— 187 ^ 

£od)ter heiraten toottte, brauste ihm nid)t merfnmrbig 
öoraufommen, ba er ja reich toar, unb t>or bem über* 
mäßigen Srinfen fünfte er fich tr»o^ fo fieser, baß er bie 
Srunfatheit nicht befürchten brauste, ©ein üßißtrauen 
$eigt fidt) fyauptfädjlid) borin, bog er fortroährenb bei bem 
gertngften ©eräufcf) erfdjricft unb tu ben ©orten ^inaug* 
läuft, um £U fehen, ob man ben ©djafc nicht entbeeft fjabe. 
©an$ plöfclicr) unterbricht er ein ©eforädf), um fid) naef) 
bem teuern ©o(be um^ufefjen. Unb wenn Seute mit 
einanber flüftern , meint er fofort, baß fte bon feinem 
©cfjafce fprecf)en, baß fie fidf) öerabreben, ü)n $u befahlen. 
211$ ihm fein ©elb tütrftidr) geftofjlen roirb, ^egt er gegen 
bie gan^e SBelt SBerbadjt. $Ü3 SRaitre 3acque3 ben §au$= 
t)ofmeifter als ben $)ieb angiebt, ift §arpagon fofort über- 
^eugt, baß er e8 fein muß, obgleich er fur$ borfjer nodj 
auf feine Xreue gefd)n)oren, obtt>of)I {einerlei ©runb bor* 
liegt unb bie Angaben 2Jcaitre 3acque3' f)öd)ft jtoeifel* 
hafter Statur finb. Unb atteS, xotö Saläre fagt, beutet er 
auf fein ©elb. 

3um Mißtrauen gefeUt fid) bei if)tn toahnfinnige 
Seibenfehaft. (5r liebt fein ©elb nrie eine Siebfte; fein 
©d)afc ift fein |jer$bhit, fein Augapfel. ÄIä er it)n t>er* 
liert, ift er gerabe$u tott. (£r läuft planlog ^erum; er 
ttuü ba3 ganje §au$ auf bie gotter fpannen ; feine ©träfe 
ber SBelt, meint er, fei groß genug für folef) ungeheuere 
3Riffethat. ©ct>c fie ftrafloS au«, bann fei ba3 £eüigfte 
nid^t rne^r fidler. 2ludr) baä Sßublifum, ba$ ihn angfofct 
unb (acht, fyält cr für Sttttttriffer, für 2ftit}chutbige: „9htr 
frfjnett, fchnett, ©djufcleute tyx, 93ütte(, Sßrofoffe, Unter* 
fudjungSrichter, $)aumenfcr)rauben, ©algen unb |>enfer£* 
fnechte! $te gan^e Sßett null ich h än 9 en foff en > u nb ttenn 
ich mein ® e *& ntcr)t lieber finbe, bann häng' ich mich 
felbft ba*u." 



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Sind) biefe übertriebene Äomif fanb dotiere bei 
SJMautu$ öor. ©r übertrumpfte fie nod). |>arpagon ift 
md)t mefjr natürlich, wenn er fid) felbft anpadt unb fief) 
f elber prüft: ,,©ieb mir mein ©elb f)erau8, bu ©djurfe!" 
ober fid) auf ben Soben wirft unb fid) tot, fogar be* 
graben wäfjnt. 9fad) in ber größten Seraweiflung wirb 
man fid) nidjt fo benehmen, wenn man bei ©innen ift 
Unb wenn man e3 nid)t ift, wenn man üerrüdt ift, wirft 
man ntdjt meljr fomifcf), fonbem ift bemitleibenäwert. ©o 
bürfte e3 benn für ben ©djaufpiefer fdjwer fatten, burdj 
biefen berühmten äRonolog äftljetifcije SBirfung $u erzielen. 
(Sntweber wirft er übertrieben poffenfjaft ober er öerfättt 
in§ Stragifdje. SBeber ba$ eine noefj bog anbere paßt aber 
jitnt übrigen. 

Sieben bem (Sfjarafter £arpagon$ finb in äfloti&reS 
,(&t\$aU l aud) bie anberen Sßerfonen fein nüanciert. $>aß 
ein fo fjatöftarriger Sater öerftodte $inber fjaben muß, 
bie aud) an iljren Seibenfdjaften mit angeerbter 3&fjigfeit 
feftfjalten, wirb uns nicfyt wunbem. (Slife ift fein ge= 
fügigeS, getyorfameS SKäbdjen wie DrgonS Xodjter im 
,£artuffe f . Syrern Sater (eiftet fte mit feefer ©tirne 
SSiberftanb, wenn er fie gegen ifyre Neigung verheiraten 
und. ©ie ^at auf eigene $ au f* ^ re £iebe3intrigue mit 
Safere eingefäbelt, ber fid) in ba$ |>au8 £arpagon$ a(3 
$au3fjofmeifter eingefdjlidjen fyat, um in ifjrer SRäfje $u 
fein ; fie ift bereit, Ujm überall fyn 311 folgen, unb fümmert 
fid) nidjt um etwaige 9tücffid)ten auf bie gamüie. «udj 
ifjr Sruber (£(6ante ift üon berartigen ©orgen frei. (£r 
lebt öiel mefjr außerhalb be3 £aufe3 ate bei feinem Sater; 
je weniger ©e(b er gur Serfügung fyat, befto unbefümmerter 
wirft er es jum genfter ^inau«. 3n ber SGBafjl ber SJttttel 
fennt er feine ©frupef, wenn er Marianne jur feintgen 
machen will ; aud) öor ber giud^t mit if)r wirb er fief) nidjt 



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fdjeuen. $on feinem 33atcr läfct er fidj nid)ts mebr ge= 
fallen. 2We $Id)tung oor feiner Autorität f)at er verloren ; 
mit ®robf)eit unb Spott weift er feine Vorwürfe aurücf. 
©o ift benn banf ber £eibenfd)aft, bie ben $ater tiolU 
ftänbig bef)errfd)t, ber gamilienfinn aus biefem §aufe 
üöllig gefd)Wunben. 3fremb, i a feinblid) ftefjen bie $inber 
bem Sßater gegenüber. Unb ber griebe ift audj nnter bem 
£au3gefinbe nidjt finben. 9?ur bie 3f urc *)t öor oem 
gorne beS $errn f)ält bie $ud)t einigermaßen aufredjt. 
Sa %tä<f)t, ber Safai be§ <Sol)ne3, würbe ein teuflifdjeS 
Vergnügen barin finben, ben Eliten befielen; 2Mtre 
Sacqueä, ber $od) nnb ftutfdjer angleid), behauptet jwar, 
er f)abe trojs allem nod) eine gewiffe 3uneigung für |mr* 
pagon: nadj feinen ^ßf erben fei er ifnn ba£ fiiebfte auf 
ber 2Belt. 92id)t3beftoweniger freut e$ ifm ungemein, ifjm 
in§ ©eficfjt 3U fagen, wa£ bie £eute 93öfe3 oon üjm reben ; 
er erfpart ifnn fein 2Bi£d)en nnb mochte gar ju gern, 
wenn er nidjt ein ^afenfufc wäre, in baS (Mädjter ber 
(Stabt mit einftimmen unb ifjn aud) einen „ßJei^afö, 
ßnider, SBudjerer unb |>al3abfdmeiber" nennen. Übrigens 
ift ÜDcaitre SacqueS eine ber präd)tigften , berbfomifdjen 
©eftalten oon SDcottereS Xfjeater, eine föftlidje 2Kifcf)ung 
oon pfiffiger Sinfältigfeit, fdjlauer ©utmütigfeit unb feiger 
©rofcfpredjerei. 2tud) ber Siebfjaber SBalöre ift feine tt)pifd)e 
grigur. ©djon ber llmftanb, ba§ er fidj in$ £aue beS 
$ater3 feiner (beliebten eingefd)lid)en f)at, um auf biefc 
Söeife feine SiebeSpläne beffer ausführen gu fönnen — ein 
3ng, ben SMtere wie einiget anbere nocf) ben Suppositi 
5lrioftS entnommen ju fjaben fdjeint — fd)on biefer Um* 
ftanb unterfcfyeibet ifjn t>on gewöhnlichen £iebf)abern. 2fud) 
fefylt e$ if)m an bereu fonftigem, fefyr empfinblidjem (Sfjr* 
gefüf)l, fonft würbe er fid) in biefe erniebrigenbe ©teHung, 
wo er fortwäfjrenb fdjmeidjeln unb frieden muß, um fid) 



behaupten, nicht hineinfinben fönnen. 5luch Marianne, 
bie ©eliebte GleanteS ift nid)t farbloS; fic ift ein gut* 
mutiges, befcheibeneS Sttäbchen, baS ficf) nur, um tf)re 
SJcutter nicht gu betrüben, ju einer §eirat mit £arpagon 
hergiebt, aber im Slugenblicf, roo fie ben ©eliebten in 
ihrer SRähe roeift, aud) ^ctgt , bog fie entfdjloffener %fyat 
fäfjig ift. Von äffen Sßerfonen beS ©tücfeS Ijat m'elleicht 
grrofine, bie Vermittlerin , noch am meiften ftereotnpifche 
3üge; nicf)tSbeftoroeniger ^at Poliere aud) biefe ©eftaft 
aufcerorbentlicf) lebenswahr barjuftetten gemußt. $ie 
fchleidjenbe unb fc^mcicr)etnbe f auf U)ren Vorteil juerft be= 
backte, bie ©cfjroächen ber anberen auSnufcenbe, gefchroäfcige, 
in moraltfcfjen fingen roenig ffrupulöfe 2llte ift ein £t)puS, 
ben man im Seben häufig antreffen fann. 

©o jeigt ficf) aud) im ,©eishctlS' SMtere in ber 
(Sfjarafteriftif ber Sßerfonen als ütteifter. $luf bie $abd 
felbft unb ben ©ang ber $anblung, auf bie Söfung beS 
©tücfeS ^at er roie immer roenig Sorgfalt öerroenbet. $)er 
abenteuerliche ©djlufj namentlich, roo bie unnatürlichften 
Söiebererfennungsfcenen ftattfinben, ift heutzutage auf ber 
Vüfme nicht mehr gu ertragen. 21 IS ©anjeS ge* 
nommen ift baS ©tüc! fefjr unroar)rfd^einücr). 9JJan 
öerftefjt xoofy, roarum ber Äünftler SWoltere alle bie Der* 
fdjiebenen Qix^t, bie mir einzeln unterfingt haben, gufammen* 
getragen [)at, um ben ©ei$ |>arpagonS in grelles 2irf)t %u 
rüden; nid)tSbeftoroeniger bleibt bie fjigur biefeS fettig* 
jährigen, fchmufcigen ©ei$h&lfe$ , ber ein junges 2Räbd)en 
unbefannter 5 om i^ e un & rec h* zweifelhaften Vermögens 
heiraten miß, ber ftd) ßafaien, einen £auSf)ofmeifter unb 
mehrere $)ienftboten hält, roenig lebenswahr. SBarum fud)t 
er fid; nicht eine gute Partie auS unb roarum fchränft er 
feinen |>auShalt nicht ein? 2luch ift bie ©runbftimmung 
btefeS Stüdes roie bie beS ©eorge 2)anbin eigentlich traurig. 



$ie @efta(t bcö garpagon ift 311 mürrifd) unb grämlich, 
um üotte $eiterfeit herborpruf en ; bcr $)iebftaf)l, burd) ben 
fein ©eij bestraft wirb, bleibt bod) immer $}iebftaf)I, unb 
wa§ noch Rümmer ift, ein 2)iebftaf)(, ber unter 2ftitwiffen 
be$ Sohne* üoflführt wirb. So m'ele milbernbe Umftänbe 
aud) oorftegen, über ein getniffeö moraIifd)e3 Unbehagen 
fommt man nid)t ()tnau§. - 

3mmerf)in giebt e§ fonft in bem @tüd m'ele Scenen, 
welche ^eiterfcit ^eroorrufen. ^Cudr) hier fjat äMtereä 
$üf)nented)nif ©rofcartigeä geleifter. £>urd) äßieberfjolung 
gfetdt)er SBorte, burd) ^araUeltemuä bon grage unb $(nt* 
Wort, burd) aflijjberftänbniffe weijj er grofce Söirfung ju 
erzielen, $aburdj werben manche feiner Entlehnungen $u 
eigenartigen Schöpfungen. £a3 3öieberr)o(en beä 2Borte3 
„ofme Sftitgift", womit £mrpagon atte Sinwänbe gurücfroeift, 
bie SBatere gegen bie geplante ^eirat vorbringt, ift bei ifjm 
ung(eicf) wirffamer alte bei pfautuä ober Sftotrou. Unb 
wenn er feinen ©eijhalS mit Safere ftreiten lägt über 
ben Scrjafc, ben er tf)m entwenbet höbe, unb biefer feine 
©eliebte, jener fein ®elb barunter meint, fo weift er 
biefeö äRifjberftänbniS biel fomifc^er 51t geftatten als ber 
Börner. 

3flan i)at bielfach biefeS <Stücf eine ■ättofaifarbeit ge* 
nannt, bie SÄoliere au3 ben berfdjiebenften älteren ®omöbien 
jufammengefteßt rjabe. ©B ift ba3 fefjr übertrieben. 3 U 
©runbe liegt jwar PautuS' Aulularia, unb jur gäbe! 
unb (Sf)arafteriftif be3 gelben 1)at 9Miere, wie mir fafjen, 
bem Börner mandje3 entlehnt, wenn auch felbftänbig 
berwertet. dufter bem Gharafterjug , ben er SBoirobertä 
Belle Plaideuse entnommen, befd)ränfen ficf) feine anberen 
(Entlehnungen au§ 2lrioft3 ,Suppositi' unb ben ,©eiftern 4 
£aribet)3 auf ©injelheiten , bie feine befonbere Söebeutung 
haben. 2)ie gäbe! feiner (Stüde h at 2Miere faft nie 



fetöft erfunben. Seim fchnetten Arbeiten fiefcn ihm eine 
Spenge öon NeminiScenaen auä feiner Seftüre ober feiner 
S8üf>nenprarte ein, bie fiel) unter feiner £anb ju eigen= 
artigen ©ebtfben umformten, meiere halb in ba3 ®efüge 
beS ©onjen pafjten, toie roenn fie ftetS bafür beftimmt ge= 
tnefen mären. SBon einem forgfältigen 3ufantmentragen 
au$ öerfcfn'ebenen öueflen fann nid)t bie fHebc fein. 

(Sbenfo roie bie Sftemintecenjen au3 Seftüre unb 
SBühnenprarte flogen if)tn auch beim Arbeiten bie @r= 
innerungäbilber aus feinem eigenen Seben gu. $)iefe ober 
jene ^ßerfonen, bie er fannte, ober bie er nur oberflächlich 
gefefjen, lieferten ihm ben einen ober anberen neuen 3"9- 
©o ift e£ nic^t unmöglich, bafc if)m auch ©eftatt feine« 
eigenen SöaterS einige ßüge $um ©harafter £arpagon3 
geliefert höbe. $)er alte ^oquelin mar ein fehr geriebener 
©efchäftSmann. (£3 ift nunmehr urfunbUcf) feftgefteflt, bafc 
er fich neben feinem §auptgefchäft in ©elbmachenfchaften 
einließ , bie ihn groar nicht al$ SBucherer , aber bo<h als 
einen SWann erfcheinen (äffen, ber e3 nicht oerfchmähte, 

fich & ur d) ®elbau3leil)en $u fjoh™t 3" lg f u 6 emen n W 
unbeträchtlichen Nebenerwerb ju fiebern, ©einen Äinbern 
gegenüber geigte er fich * n ©elbangelegenfjeiten fehr farg. 
groifchen ihm unb feinem ©ofjn tuirb e$ jur fttit ber 
©rünbung be8 „Illustre Theätre" toohl auch manchmal 
$u f>eftigett ©cenen gefommen fein, (Segen (Snbe feinet 
Sebent mar er grämlich unb mürrtfeh. $a£ finb 3 u 9 e ' 
bie melleicht auch m ^ anberen jufammen ba3 93ilb bes 
(Seidigen üeroottftänbigen t)alfen. $)e8f)ölb SMiere einen 
flechten ©of>n ju nennen haben nrir feine SBeranlaffung ; 
er hat fich * m ©egenteit, nach fa ncr Nücffehr nach ^P or ^ 
feinem SSater gegenüber fehr gefällig gezeigt. Nicht bamit 
aufrieben, ihm ade ©ummen, bie er früher t>on ihm er* 
halten, jurücfyugeben , ftreefte er ihm fogar, als er gegen 



— 193 — 

©nbe feinet flebenS infolge berfehfter Spefufationen in£ 
Abränge gefommen war, (Selb oorauS; er übte fogar bie 
$arte SRücf ficht, beS SBaterS (Smpftnbüchfeit baburd) ju 
Rotten, ba§ er if)m baS ®elb burc^ SBermittelung feinet 
greunbeS Sftohaut aufommen lieft. So brauchte ber Sater 
nicht wtffen, ba§ fein Sohn, ben er früher oerftoften, 
if)n nunmehr unterftüfcte. $)ie Söe^tung bon 3M^n Oer* 

bat er fid). 3 U H ner 9 an ä en 3 am ^ c ^ at ^ c überhaupt 
SMiere feit feiner föütffehr oortreffüche öe$ief)ungen. 
Aber er ^atte aud) ben Schmer^, manche fetner Ange- 
hörigen $a verlieren; ber Sater felbft ftarb am 25. gebruar 
1669. 

So fef)r biefer Serfaft ÜMtere nahe gehen mochte, 
er befanb fid) au£ anberen Orünben Anfangs bei 3afyre§ 
1669 toteber in gehobenerer Stimmung, ©ein Schmer^enS* 
ftnb ,$)er Sartuffe' mar enbtid) freigegeben worben unb 
würbe unter ungefjeuerm gubrang beS ^ublifumS auf* 
geführt. SBir glauben nicht $u irren, wenn wir aus btefem 
©runbe in ben nächftfolgenben Schöpfungen bei 5)id)terS 
wieber größere SebenSfreube pulfieren fü^en. SBenn 
man ba$ neue Stüd, ba§ äfloliere für bie 5 e f* e btä 
ÄönigS bietete, ,Monsieur de Pourceaugnac' , mit bem 
legten px ähnlichem ftmdi gebichteten, mit ,George Dandin' 
vergleicht, fommt man unwiüfiirlid) barauf. 3n biefer 
neuen Stottetfomöbie, welche für bie großen ^eftßchfetten 
gebietet würbe, bie im September unb Df tober 1669 in 
(5h<Hflborb beranftaltet würben, h en W toieber bie totte, 
auSgelaffene Saune, bie wir bereits im ,Arjt wiber SBitten' 
bewunberten. ,Monsieur de Pourceaugnac' ift eine gan$ 
geniale ^ßoffe. 

(Sin bieberer $arifer Bürger f)at bie äbfid>t, feine 
Xodjter 3uüe mit einem ©belmann aus SimogeS, ber ben 
frönen tarnen pourceaugnac trägt, ju oerheiraten. 9fcm 



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hat aber 3ulte natür(icf) einen anberen int (Sinn, einen 
genriffen (Srafte — eine (Situation, bie mir faft in allen 
Äomöbien ÜWoltereS ttrieberfinben. $lu<h (Srafte ttritt 
bie ©eüebte atten $inberniffen junt $rofc jnr feinigen 
machen. Um bie geplante betrat mit bem limufiner 
(Sbelmann unmöglich $u machen, erbenft er fid) mit feinen 
|jelf erSljelf em , bem Neapolitaner (Sbrigani unb üftärine, 
einer ber befannten $fyeater*3ntrigantinnen, alle möglichen 
Streiche. 3uerft fltlt eS, fid) baS Vertrauen beS braöen 
SimufinerS $u fiebern, ©brigani, ber @r$fchurfe, ber nur 
mit fnapper 9lot bem $obe am (Balgen entronnen ift, 
ftettt fid), als ob er ber befte greunb beS eben nach "ißaris 
gefommenen (SbelmanneS fei. 2ltS ifjn bie ^ßarifer ©äffen*« 
jungen megen feinet plumpen unb unbeholfenen $uSfehenS 
öerfpotten, nimmt er feine Partei unb jagt fie loeg; (Srafte 
fommt mit ausgebreiteten $rmen auf ihn $u, brüdt U)n 
anö §er$ unb fragt, ob er fid) benn feiner nicht mehr 
erinnere; er fei bod) etnft in SimogeS fo häufig mit ifjm 
pfammen geroefen. Unter bem SBortoanb, if)n SBertrauenS* 
perfonen anzuempfehlen, giebt er ihn jtoei Ärzten in Pflege, 
toeld)en er ben ©tauben beigebracht fyat, ber (Sbelmann fei 
oerrüeft. ^ourceaugnac, ber fie für atuei SBirte hält, ber* 
ftefyt fein (Sterbenetuort oon ihrer ®onfultation; als fie 
aber ben Slpott)efer beauftragen, ihm ein Äfyftier ju tter* 
abreißen, unb biefer ihn fdjon mit feiner SBaffe bebroljt, 
entflieht er öott (Sntfefcen. $)aS Sattet fefet ein, atoei 
italienifdje SRufifer, als Ärjte öerfleibet, verfolgen ihn aud) 
mit ihren Qnftrumenten, unb ber arme ^ßourceaugnac läuft 
in XobeSangft öon ber Sühne in bie Äuliffen unb bann 
nrieber auf bie 93üf)ne. (Sr fd)ü$t ben gefährbeten 
feines ÄörperS mit feinem |mt, bann fefct er fid) auf einen 
©tuf)I, erhebt fich mit ihm unb läuft fo baoon, ben ©tufjl 
als ©cf»üb gegen ben ihn öon hinten bebräuenben geinb 



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195 

benufcenb. — $)er Slrjt ift toütenb, bog ifjm fein Opfer 
entgangen ift; er bettagt fid) auf ©briganiS 9tat bei 
Cronte, ber ju feiner 93eftür§ung erfahren mug, bag fein 
fünftiger Sd)ttriegerfof)n ein franfer Sttann fein fott. $5a* 
mit lägt eä aber Sbrigani nid>t betuenben. (SinerfeitS 
lägt er ben Dronte glauben, baß e3 ^ßourceaugnac auf 
fein Vermögen abgefefjen f)abe, um bie saf)Iretcr)en ©Bulben, 
bie er bei ftämifd)en $aufleuten gemacht, gu becfen; anber* 
feitö rebet er bem ßimufiner ein, feine ßufünftige fei eine 
abgefeimte Äofette, bie fid) nict)t be$ beften 9ftufe3 erfreue. 
Suite unterftüfct ifm babei, inbem fie ben ifyr aufge* 
brungenen Bräutigam burd) übertriebenes (Sntgegenfommen, 
ba3 ans Unfdjidlidje grenjt, ftufcig mad)t; fie roeig fer)r 
n)of)(, bog fie ben biebern Sßroüinaialen , ber gerabe in 
biefer 93cjier)ung befonberS ftreng fein mug, burd) ber* 
artiges 93enef)men am meiften üor ben $opf ftogen mirb. 
Unb um ba8 9ttag öoll ju machen, lägt man ben armen 
Sßourceaugnac burd) eine gewiffe Sucette, bie fid) als ®a$- 
cognerin gebärbet, unb Sterine, bie als Sßicarbin auftritt, 
öerfolgen; beibe grauenjimmer behaupten, fie feien feine 
angetrauten grauen unb feien fct)mäf)üdf) uon ifjm im ©tid) 
gelaffen tuorben; fie rufen ir)re Äinber r)erSet , bie ifjren 
pfltdjtoergeffenen Sßater burd) if)r ©ettnmmer erroeidjen 
follen. ^otngamie ift ein ferneres SBerbredjen unb tt)irb 
in Sßarte furchtbar geafjnbet, fo ergäbt €>brigani bem 
Firmen, ber gar nid)t mef)r toeig, tüo aus nodj ein. (Sr fotte 
fid) afö grau öerfleiben unb möglid)ft fdjnell entfliegen; 
fonft tuürbe er nod) am ©algen für fein SBerbredjen bügen 
müffen. Sßourceaugnac lägt ftd) ba3 nicf)t gmeimal fagen; 
in groteäfer, gerabe ju feiner ©tatur merftoürbtg paffen* 
ber grauenßeibung ift er im ©egriff ^ßariö gu öerlaffen, 
als jmei <&ä)m\tfx, bie ifmt galante Slnerbietungen machen, 
ifjn aufhalten unb fo ber Quftij in bie 2lrme roerfen. @r 

18* 



wirb erfannt; fein (Snbe fdjeint ficfjer gu fein, al£ ©brigani, 
ber ©cfjurfe, ber bie gange Sntrigue geleitet, fcfyeinbar als 
Detter in ber 9tot erfdjeint unb ifjm fagt, baä einzige, wenn 
er baoonfommen wolle, fei, orbentlidf) gu bleuen. $ie 
Stngft bermag aucf) ba£ bei tt)m gu erreichen, er gaf)lt unb 
fliegt, fo fcfmell er fann, bie ungaftlidfje ©tabt öerfludjenb, 
bie tfmt fo übel mitgefpielt. ©o finb ifjn Sulie unb Gräfte 
loS; um aber felbft gum gemünzten ftidt 5 U kommen, 
tfjun fie als ob fie einanber gar nidjt möchten. 3utie will 
ben armen Sßourceaugnac, ben fie über bie 9ttaf$en gu 
lieben oorgiebt, burdjauä fjaben. Dronte will aber nichts 
mefjr baoon f)ören unb giebt fie nun gum £ro|e bem 
Gräfte gur grau. 

3m ©egenfafc gu ben anberen ©tücfen SMtereS ift 
biefeS ßuftfpiel gut gebaut. SDie §anblung fdjreitet rüftig 
borwärte; e3 finben fid) feine unnüfcen (Spifoben; bie 
fiöfung ift nidt)t abenteuerlich, fonbern burcf) bie Sntrtgue 
gut oorbereitet. $)er $on ber Sßoffe ift oorgüglid) ge^ 
troffen. £)enn wenn un3 aud) auf ben erften SBlid bie 
©efdf)icf)te beä fiimufiner (SbelmanneS, weil fie aller 2öaf>r* 
fd)einlid|feit wiberfprid)t, albern oorfommt, fo fyaben wir 
bod) unfere greube an ben fefjr flugen Einfällen, an ben 
famo§ gelungenen ©treiben, bie un3 ba uorgefüfyrt werben. 
SBon ernftem §intergrunb ift natürlich feine föebe. ßadjen, 
um gu lachen, gang fjarmloä unb naio, ba« ift bie ßofung, 
bie wir biefer 2lrt $omif geben, ©o werben wir un§ 
benn aud) nicf)t baran ftofeen, bafc eigentlid) bem armen 
fiimufiner ©beimann ofyne fein SBerfdfmlben arg mitgefpielt 
wirb. 93ei foldjen hoffen fann ein moralifdjeä (Smpfinben 
nidjt auffommen. $ie8 Sadfen ift jenfeitö öon ©ut unb 
93öfe; unb e£ wirb aud) burd) gang äufjerlidje Momente 
f)erbeigefüf)rt: bie ©eftalt beä ßimufinerS, feine Slrt gu 
forecr)en, bie 9Runbart ber beiben Bäuerinnen, bie ifm oer* 



folgen, ba3 ßaubertoelfch , ba3 Sbrigani als fläntifrfjer 
Kaufmann rabebric^t , bie entfefclicrje $Tu8fpracf)e ber 
Schweiger, ba3 kontieren beS ApotheferS mit bem Äfyftier, 
bie gluckt be3 armen ^ourceaugnac , fcf)on fein an^üg* 
licfjer Sporne — baS finb alles Momente, bie biefeS Sachen 
hervorrufen. 

$a bie Situationen in bem Stüde bie Iwuptfadje 
finb, f)at äftoltere bie (S^araftere nicht fo fein gezeichnet, 
wie in feinen grofjen ßomöbien. 9hir ber Träger ber 
Titelrolle ^at fdjärfere 3 U 9 C - ® er einfältige, biebere 
sßrotrinjiale, ber auf bie ©treibe, bie ifnn burchtriebene 
^arifer unb üerfdjmifcte Neapolitaner fpieten, plump herein* 
fällt, ift jtoar ein (Sbefatann — unb er hält biet auf 
feinen Äbel — , aber er fjat zugleich auch bie 9fted)tS* 
nriffenfdjaft ftubiert unb fennt fief) gut in ben Shiäbrücfen 
ber ^Rechtspflege aus. $u SMiereS fttii njar bi& nid)t 
fo häufig, unb fo r)at man ftdj benn mit fRec^t gefragt, 
ob SMtere nicht eine befonbere ^erfon im Shige gehabt 
habe, bie er lächerlich machen roottte. 3 e i*9 erto f f CIt roufiten 
ju erjagen, ber betreffenbe ättarquiS ^abe fid) einmal auf 
ber 93ühne mit ben Sdjaufpielern ^erumgeftritten, unb aus 
9tocf)e ^abe ihn SMtere auf feinem Theater jene wenig 
beneibenSroerte fRottc fpielen laffen. Jerner r)at man ben 
Umftanb, bafc Sfloltere gerabe einen ©beimann au3 ßimogeä 
Zum ©egenftanb feinet Spottet nahm, geltenb machen 
motten. Aber e8 ftanben bie Simufiner bamalä überhaupt 
in gfranfreicr) in feinem befonbem SRufe; man machte fich 
gerne über ihre Sitten luftig, nrie heutzutage über bie 
Sfooergnaten. fiafontaine weiß öom Aufenthalt in ber Stabt 
nicht« befonberS SöblicheS $u fagen: üiel Knoblauch unb 
roenig 3a3min! Unb fchon Rabelais hatte in feinem 
ßimuftner @cf>üler einen Bürger öon ßimogeS lächerlich 
gemacht. (£3 ift auch wicht nötig anzunehmen, bafi 



ÜDMiere gegen bie ©tobt als foldje etmaS gelobt h<*be, 
unb bafj er etma aus SRache, meil er mät)renb feiner 
Söanberungen in ber ^ßrot»in$ bort ausgepfiffen morben 
fei, bie ©tabt höbe an ben Oranger ftetten motten. @in 
M r - de Pourceaugnac muffte aber auS fiimogeS ftammen, 
um auf all bie ©treibe hereinzufallen. $)ie übrigen 
Sßerfonen finb mehr $t)pen als ßharaftere: Dronte, ber 
gemöhnlicrje, ^al^ftarrige Vater ; Gräfte, ber öiebfjaber, ber 
bie §ülfe eines burdjtvie&enen Lieners in Slnfprud) nehmen 
mu§, um bie £anb feiner (beliebten $u erreichen; Sulie, 
bie Xodjter, bie ficf) gegen ben SBitten ihres VaterS auf= 
leimt; ©brigani unb Sterine, bie gemöhnlidjen ffrupellofen 
3nufcr)enhänbler. $)ie Ärjte jeigen fid) mieber öon berfelben 
«Seite, wie in ben übrigen tomöbien. Namentlich ift e$ if)r 
^ßrunfen mit gelehrten SluSbrücfen, if)r enblofeS disputieren, 
if)re Anbetung ber Xrjeorie unb Verachtung ber ^ßrajiS, bie 
hier jum SluSbrucf fommen. $)er eine Slrjt rebet fo fdf)ön 
unb gelehrt über bie oermeintliche $ranfheit ^ßourceaugnacS, 
bie §^pocrjonbrie , baft ber anbere meint, felbft menn ber 
SttarquiS nicht roirflich franf märe, fo müftte er eS merben, 
um ber ©djöntjeit unb $Rid)tigfeit ber $)inge mitten, bie 
jener behauptet habe. 9Jttt feinen föatfcfjlägen ift eS frei* 
lieh nic^t meit tyx; fyalt bod) ber &r$t befonberS baran, 
bafj jebeSmal eine ungerabe 3al)l üon Heilmitteln Der* 
abreißt merbe, ,,numero Deus impari gaudet." 

der Sfauhbrucf, mit bem auch in &i c f cr totten ^ßoffe 
Sttoliere mieber auf mebijinifche $)inge ju fprechen fommt, 
mirb meniger auffatten, menn man bebenft, bafj er felbft 
erft oor furjem r»on fernerer ftranfheit cjenefen mar; an 
feinem ßranfenlager hatte er mof>l bie $lrjte in ähnlicher 
SBeife bisputieren hören, unb feinem Ärger über ihr un* 
nüfceS ©chmafcen machte er, mo er nur fonnte, fiuft. 
dterabe bie £npochonbrie , bon ber er fytx fo eingehenb 



fpricht, wirb er wof)l nidt)t blofj theoretifch gefannt ^aben ; 
lüir werben fpätcr barauf noch jurücffommen. ©nftwetlen 
freilich war er wieber in befferer Stimmung; fcf)önere 
Reiten brauen für ilm roieber an. 

$>e3 ÄönigS ©unft genofe 9Miere öollfommen; fein 
geft fonnte of)ne feine |)ilfe üeranftaltet werben. @8 wirb 
ber ©chaufoielertruppe nirf)t immer leicht gewefen fein, 
auf längere $eit Sßari3 ju oerlaffen; anberfeitä war e$ 
aber eine fofcfje (Sr)re f bem $önig unentbehrlich $u fein, 
baß man wof)l gern bie Unannehmltchfeit ber Unterbrechung 
auf fich nahm. <Scf)on im gebruar 1670 würben neue 
g-efte in ©aint=©ermain öeranftaltet. Unb 9Mtere würbe 
beauftragt, fie buref) ein @tücf $u üerfcf)önern, beffen 
©egenftanb ber Äönig felbft angab. 2)ie ,Amants magni- 
fiques', bie prächtige gefte oeranftaltenben ßiebfjaber — einen 
furzen, bem franjöfifdfjen $itel ganj entfpred)enben $u3* 
bruef finben wir nid)t — finb fein Suftftriel, fonbern eine 
bramatifierte 2iebe3gef dachte ober SiebeSmerbung. Qtoti 
um bie ©unft einer ^rinjeffin werbenbe gürften wetteifern 
in ber galanten Sßeranftattung wunberbarer geftlkhfeiten, 
um i^re |>anb $u erobern, ©ie aber jeigt fich fpröbe unb 
fc^enft ihre £anb fc^liegCid^ einem er)rfurcf>tSt»oö unb fchücf}* 
tern für fie fdjwärmenben gelbherrn, ber itjr nur ein treue« 
£>er$ beibringen oermag. $ie einzelnen Slufeüge werben 
burd) prachrootle 3nterme^o3 unterbrochen, in benen bie 
f)öd)ften *ßerfönlichfeiten, ber Äönig an ber ©pifce, mit$u* 
wirfen berufen waren. $)ie herrlichen 2)ef orationen , bie 
foftbaren ©emanbungen, bie einfchmeichelnbe ÜKufif unb 
anmutigen Xän^e ber Snterme^o« riefen triel größere 93e= 
wunberung gettor, als baS in prejibfem Zon gehaltene 
@chaufpie(, ba3 ju ben fchwächften ©rjeugniffen be3 dichter« 
gewählt werben fann. 9Mtere, ber eS wohl nur fehr un* 
gern, nur um bem Könige ju gefallen, fchrieb, ^iett 'cä 



nidjt einmal für würbig gebrucft ju werben. 2)etwücf) 
finb einige gelungene fomifd)e Sollen barin; ber Liener 
ClitibaS, ben ÜRoItere felbft gab, unb ber «ftrotog «na* 
jarque, ber ba$ ©d)icffa( gu (fünften ber greigebigften 
unter ben Sßrtn$en $u beeinffaffen berftefjt, ^aben etwas 
wirfüd) 2Miörefd)e8 an fidj. ©onft ift ba8 ©tücf 
recf)t fabe. 

SBenn btefcö SBerf weit entfernt ift einen §öf>epunft in 
3Mtere8 ©Raffen ju bejeidjnen, fo bebeutet hingegen ba£ 
Sa^r 1670 im ^rtoatleben be3 2)icf)terg entfd)ieben eine 
Beübung jum Sefferen. S>a3 ©lücf, baS ifjm fo lange ben 
Süden gebreljt, fdjeint ifjm nun ttrieber $u$uläd)efa. (5$ 
gelingt it)m bamals, feinen innig geliebten ©djüfcling 8aron, 
ber ifyn jur 3eit ber 2luffüf)rung ber SÖtelicerte wegen feines 
©treiteS mit «rmanbe öerlaffen fyatte, wieber $u fid) fommen 
ju lafjen. (§x fjatte feine StnwefenJjett in £)tjon, alfo in 
nid)t au weiter gerne in ©rfatyrung gebraut unb üjm 
einen fef)r gütigen ©rief gefd)rieben, um if)u jur Sütffefjr 
ju beftimmen. ©o groft war feine Qfreube, ben fjoffnungS* 
trotten jungen äßann wieber $u fefyen, bafi er itjm fogar 
big ^um ©tabttfjor entgegenging unb ü)n wie ben Der* 
(orenen ©ofjn wieber bei fid) aufnahm. 3« SaronS 93c* 
gabung fjatte er fid) nid)t getäufät: er würbe fpäter einer 
feiner beritymteften ©djaufpiefer. 3)od) fdjeint fein ©ja* 
rafter feineSwegS $u ben beften gehört ju fjaben; in fitt* 
lieber Se^ie^ung tüberttd), babei unbanfbar unb rüdftcf)täCo$, 
ift er burdjauS feine ftjmpatfnftfje (§xf Meinung. Sftoltere 
liebte ifjn aber fo fef>r, bafj er feine Jefjler gern überfaf). 
3ugtetcfj mit 93aron trat in bie %xnppt eine neue ©djau* 
jpietertn ein, bie 93eaubal, welche bie ©oubretten üor$üglirf) 
fpiclcn fottte unb für bie unfer $idjter — wir werben 
nodj barauf jurüdfommen — gana gewifi einige befonbere 
Sotten gefdjrieben f)aben wirb. — Um biefe $eit fdjeint 



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— 201 — 

aud) attnfdjen ÜMtere unb feiner grau eine $nnäf)erung 
ftattgefunben f)aben. (Stafette gab fief) befonbere SMüfje 
bie entfrembeten ©atten einanber ttrieber nafje 511 bringen. 
SBie freubig SRoIi&re bie Ännäljerung begrüßte, fönnen 
mir ans einer ©teile in betn Suftfpiel erfefyen, toeId)e§ er 
nunmehr bicfjtete: ,2)er 33ürger als ©belmann' (le 
Bourgeois gentilhomme). Sott jorter Snnigfeit enttoarf 
er bort — toie bie 3^itgenoffen Bereits bemerften — in 
ber Sßerfon ber öon (Bteonte angebeteten fiueile ein 83üb 
feiner eigenen ©attin. 

2lucfj biefeS ©tütf toar eine ©attetfomöbie unb 
öerbanft feine ©ntfteljung ober toenigftenS bie erfte Än= 
regung betn Sßunfdje be§ $önig£ fetbft. Seitbem ein 
Orientreifenber fiourent b'Ärtrieuj öor bem £ofe einen mit 
großem Seifatt aufgenommenen Vortrag über feine $(ben* 
teuer im fernen Cften unb über bie ©ebräudje unb ©itten 
ber dürfen gehalten Ijatte, intereffierten fid) bie fjofjen 
$errfd>aften ungemein für dürfen. Unb SKoltere, beffen 
|jilfe bei atten Untergattungen unentbehrlich toar, würbe 
gebeten, ein ©tücf ju bieten, in bem eine türftfcfje 2Ra$fe* 
rabe auf bie 33üfyne gebracht mürbe. $'2lrtrieu£ lourbe 
beauftragt, fief) mit bem fiomifer in« (Kn&erneljmen $u 
fefcen unb atte bie Äleibung betreffenben fragen m ^ ^ m 
ju befaredjen. (3x erjä^t in feinen üRemoiren, bajj er 
$u biefem ßtoetfe mit äftoliere ^ufammen in $tuteuil gear* 
beitet ^abe. 

@§ öerftefyt fid), baft ber $)id)ter fidj mit einem bloßen 
€>d)auftü<f nidjt begnügen fonnte. 33ielleid)t fdjtoebte ü)m 
gerabe bamalS ber ©egenftanb einer neuen ©ittenfomöbte 
üor; nadjbem er folange bie Xljorfjeiten ber Slbligen felbft 
öerfpottet, toottte er bie SSerfefprtl)eit ber bieberen ©piefc 
bürger, bie e$ bem $lbel gleich $u tfjun fugten, ebenfalls 
läd)erlidj machen. 3n ©eorge $)anbin ^atte er fcfjon einen 



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reichen ©auern gezeichnet, ber fein Ungtöcf felbft baburcf}_ 
herbeiführt , bog er eine rotctfeidje Ef^ mit einer #bftgen 
eingebt; bodj lag in biefem ©tücf nicht ba8 ^auptgewidjt 
auf bem Efjrgeij °^ er ^ CT Eitelfeit be$ SBauera; ©eorge 
$)anbin benft nicht baran, ben ^bligen $u fpielen. ©oldjer 
Seute aber gab e§ bamalS ficherftd) genug; unb fo reifte 
in äMtere wof)t allmählich ber ©ebanfe, einen foldjen 
^arifer SBürger bar$ufteflen , ber in atte^ , wa£ abiig ift 
ober nach 2fo eI ausfielt, öerltebt ift. Ein neues ^orträt 
in feiner (Valerie jeitgenöffifcher X^oren. Unb als ihm 
nun aufgetragen mürbe, eine XürfenmaSferabe auf bie 

Söühne $u bringen, fyattt f c * ne $h an * a fi e & a tö e * ne ^ ne 
SBrücfe gefchlagen, bie ben bratten ©piefc&ürger mit ben 
dürfen in SBerbinbung bringen follte. Söie wäre e3, wenn 
bie Eingenommenheit beS ^ßariferS für ben $lbel fo weit 
ginge, feine Xocf>ter mit bem ©ohne beä ©ro&türfen t>er= 
heiraten ju wollen? ES flang unwahrfcheinlii} , aber ber 
3ftenfd)en tyoxtyit ift groft — unb in ber Äomöbie ift 
fo meleS möglich- Sfrifch an ^ e Ärbeit! SSenn eä fich 
auch groteSf aufnimmt, ber $of wirb lachen, ba3 ^ßublifum 
wirb fich vergnügen unb ber Erfolg wirb gewifj fein, ©o 
mag in äRoliereS ©eift ber $lan beS 93ürger=Ebelmann3 
allmählich herangereift fein. 2lm 13. Oftober 1670 fonnte 
er bei einem $offefte gu Ehamborb ™ü \t\ntm öottenbeten 
SBerfe öor ben $önig treten. 

$luch h* cr $ 3abel, welche bieSmal originell ^u 
fein fcheint, an fich überaus einfach- £anblung ift faft 
nicht üorhanben. ©ie befchränft fich au f folgenbeS: Ein 
eingebilbeter ©piepürger, Sourbain, ber ade möglichen 
©tunben nimmt, um bie einem Slbligen unerläßlichen 
Äenntniffe unb Sanieren fich anzueignen, ber fich öon 
einem t)er!ommenen ©rafen anpumpen unb betrügen lögt 
unb einer 9ttarquife ben £of macht, wirb tum bem Sieb* 



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haber feiner Softer, ber bte einwilligung be3 ätoterä nur 
erhalten fann, wenn er Äbliger ift, baburd) gefoppt, baf$ 
er fich als ©ofnt be3 (Srofctürfen bei ihm einführt unb f 
nadf)bem er ifjn buref) eine fächerliche Keremonie $um 
9J?amamoucht erhoben, auf biefe SSeife überrumpelt. $)a$ 
Sntereffe liegt naturgemäß nicht in ber |>anblung, fonbern 
ift Wieberum in ber (Sfjarafterftubie $u fuchen. 3 U tiefem 
ßweefe §at 9Mtere auch ^ier nach feiner gewöhnlichen 
ÄompofttionSweife t>erfcf)iebene, tofe mit einanber berfnüpfte 
©cenen gebicfjtet, in welchen ber %i)ox, ben er un$ t>or= 
führt, jebeämal in anberer ^Beleuchtung unb Umgebung 
erfdjeint. SBir fef)en ben abelftol^en Sourbain nadjeinanber 
in ben üerfdjiebenften Situationen öor un3 auftreten. $)er 
Bourgeois, ber fich bilben will; ber ^Bourgeois, ber fich 
eine ftanbeSgemäße Reibung toerfchafft; ber ^Bourgeois, ber 
mit feinen Äenntniffen prahlt; ber SBourgeote, ber in eine 
9lblige fcerliebt ift; ber Bourgeois, ber fich öon einem 
$(bligen foppen läßt; ber ^Bourgeois, ber feine $odjter 
einem Slbligen burdjauä $ur Sfrau geben will — fo fönnte 
man bie einzelnen ©cenen, bie ba$ gan^e ©tücf aufmachen, 
betiteln. $5iefe ©cenen bringen bie $anblung nicht bor* 
wärte, fonbern wollen nur ben ßljarafter be3 93ürger* 
(SbelmannS jebeämal tum einer anbern ©eite geigen; SKoltere 
hat fie auf ba$ ©orgfältigfte aufgearbeitet. SSBir meinen ihn 
ju fennen, ben wohlbeleibten, profcigen, eiteln unb egoiftifchen 
Sourbain, ber in feinen alten Xagen noch Stonj» unb ®e- 
fangftunben nimmt, ber fid) Fechtunterricht geben läßt, 
unb — ba er auch noc § c * nen 5*™$ SJilbung jur SBer* 
hüllung feiner bobenlofen Unwtffenheit für wof)langebrad)t 
hält — fich einen ^h^ofophielehrer in« §au3 fommen 
läßt. Um wahre ©Übung ift e3 ihm natürlich nicht $u 
tf)un; er miß fich nur 1X1 ®efettfd)aft bewegen fönnen wie 
bie $erren ber 9lriftofratie, bie ihm al3 bie einzig er* 



Di 



ftrebenSwerten Sbeale öorfommen; er will ftd) nicht blojs* 
[teilen, wenn er ben SDJunb auftaut ober einen guft öor 
ben anberen fefct. $)a e3 ihm t>or allen fingen um ben 
Schein fon tf)un ift, legt er gan$ befonbereä ©einigt auf 
bie Reibung; er ift fo ftolj, ftanbeSgemäfe angejogen $u 
fein, baft er fich ollen ßeuten, fogar feinen ßefyrem, ja 
feinem $)ienftmäbchen öon öorae unb öon hinten jeigt. 
S93ie tabello$ fifct fein SRocf! SBenn auch bie ©eiben* 
ftrümpfe fürchterlich eng finb unb bie ©djutye entfe^Hct) 
brüefen, waS fcfjabet'S ! 2Ran mufj auch etwas leiben, wenn 
man fd)ön fein will. Unb fdjön ift er — fo fchön, baß 
er fid), öon feinen gttiei fiafaien Segleitet — benn er f)at jwet 
fiafaien — auf bie Strafte begeben will, bamit alle Seute 
ftaunenb öor if)m fte^en bleiben. (£r weift e3 fid)er, jeber* 
mann wirb ihn für einen (Sbelmann halten. SRennt U)n 
boef) ber ©ctjneiberjunge bereite fo; ja er rebet ifm fogar 
mit Roheit an, als er üon tf)m ein Srinfgelb befommt. 

$ber jum mirflidjen $lbligen gehört noch me ^ r - ^ an 
muft auch emc gönnte Neigung fyabtn. ^ ehrenöotte 
©efanntfehaft beä ©rafen 25orante weift Sourbain $u be* 
nit^en, um einer getoiffen SJcarquife SDorim&ie ben £of $u 
inachen. @r fyat feine Slfmung, biefer $orante ein 
erbärmlicher ©chwinbler ift unb feine Dummheit ausbeutet, 
um bie eigene Xafche $u füllen unb felber ber SRarquife, 
bie er heiraten will, alle möglichen galanten SiebenSwürbig* 
feiten in feinem tarnen £u erweifen. 3m ©egenteil, er 
fühlt fich gefchmeichelt, wenn er bie (Shre tyibzn barf, bem 
ebeln ©rafen einige 3)ienfte ju leiften, unb wenn bie üttar* 
quife gnäbig geruht, feine förafcfüfte unb SfteDerenjen, feine 
üppigen ©aftmähler unb fein gebrechfeiten SobeSertjebungen 
entgegenzunehmen. 2Ba3 ficht eS ihn an, wenn feine grau 
unb fein $)ienftmäbchen ihn ausladen ober fogar fdjimpfen, 
bie ^hörichten ! (Sie Hüffen nicht, wag fich * n soften 



— 205 <- 

2öelt gehört; fie fjaben feine Slfjnung t>on (£f)ic ober ©Übung! 
3n biefer nieberen Sürgerfpljäre barf feine Softer Sucile 
nidfjt berfümmern. 2)e£f)alb will er fie ifjrem Änbeter 
(£l6onte nidjt $ur 3 rau geben. 3ourbain8 £od)ter ift nur 
einem 2lbtigen beftimmt. 3)iefer S^rgeij bringt ifjn aber 
ju Satt. (Steonte unb fein Liener (SoöieHe fennen feine 
fcfywadfje Seite unb nufcen fie $u ifjrem Vorteil au8. ©ie 
toertteiben fidf) als dürfen unb bringen eS fertig if)n glauben 
$u machen, bafj beä ©rojjtürfen ©of)n in feine Sodfjter 
üerliebt ift unb fie burcf}au3 heiraten will, ©o oljne 
weiteres gef)t baS freiließ nid)t. Sourbain muß junö^ft 
eine ©tanbe3erf)öf)ung über fid) ergeben (äffen; er muß 
$um Sttamamoudji erhoben werben. Söenn SRoliöre nid)t 
burd) ben Auftrag be$ $önig$ ber SBeg borge$eicf)net ge* 
wefen wäre, Ijätte er wof|l fdjwerlid) bie $>ummf)ett 3our* 
bainS fo unwatyrfdjetnltd) gefteigert. $lber bie SttaSferabe 
war ja befohlen. Unb fo läßt er benn in QourbainS 
SSo^nung fed)3 dürfen erfdjeinen, einen 3Kupf)ti unb jwei 
SDerwifdje. (öftere tragen einen Seppid) unb tanken mit 
if)m im Limmer fjerum, bann gefjen fie barunter burd), 
ftf)fiejjlidf) breiten fie ifjn auf bem ©oben aus, werfen fid> 
bann auf bie Äniee, rufen mittat} unb fingen. Sourbain 
Ijat fid) bie #aare abrafieren laffen unb als Sürfe t>er* 
Heiben müffen; er mufc ben $ttforan auf bem dürfen 
tragen, wäfyrenb ber 9flupl}ti unb feine 93eg(etter in tollem 
&auberwelfdfj ben größten Unfinn f)erfagen. 3)er 2Rupljti 
fingt: |>alaba, baladjou, balaba, balaba! unb bie dürfen 
wieberf)olen eS. darauf bringen fie bem bieberen Sourbain 
einen mit $af)lreid)en angejünbeten Sintern gefcfymücften, 
foloffalen lurban f)er unb fefcen if)m benfelben auf ben 
ftopf; enblidj geben fie if)m nod) einen Säbel, unb jum 
©djluffe fjauen fie i^n burdf). Sie gan$e fJamtCic f>at man att* 
mäljlicfy ins (SefyeimniS eingeweiht, unb bie beiben Siebenben 



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„friegen ficfj" banf biefem $ofuSpofuS ofme ©djmierigfett. 
— ©o enbigt beim bie ©ittenfomöbie als grobe garce. 
$on unferem ©tanbpunfte aus fönnen mir nid^t umtyn 
eS 51t bebauern, ober mir begreifen, bafe Poliere nidjt 
anberS fonnte; überbieS ergießt fiel} über biefe jmei testen 
$fte eine folcfje glut toller ^eiterfeit, bafj mir über ben 
gewaltigen Unfinn nur aus öoflem §alfe lachen fönnen. 

•Weben Sourbain fjaben toir in ber reijenben $omöbie 
nod) anbere gelungene (Sfjaraftere. ©0 überspannt ifjr 
9Jcann ift, fo berftänbig ift grau 3ourbain; fie ift eine 
braüe, ehrbare, etmaS fpiepürgerlicf) gefinnte £auSfrau, 
ber nichts über ben §auSf)alt unb bie gamilie gef)t unb 
me(tfje baS öerrücfte £eben, baS i^r Sttann füf)rt, in £amifdf) 
bringt. 3f)r $ur Seite ftef)t ein tüdjtigeS, tt)r öon $er$en 
ergebene^ $)tenftmäbcf)en, Nicole, gubent ein luftiges $>ing, 
baS fid) franf lachen miß, als eS ben alten Sourbain im 
^offteib erblicft, unb fid) einen ©pafc barauS macf)t, auf 
ben $orfd)lag ifjreS #errn einjugeljen unb mit tym ^um 
©djer^ ju festen. 9Mtere fdjrieb biefe föolle für 
3R fle - SSeauöal, meiere bie 83efonberfjeit fjatte, fo t>eß unb 
aus öoHem $alfe tacken ju fönnen, bafj baS ganje Sßub* 
lifum mitgeriffen rourbe. $lucf) SDorante, ber herunter* 
gefommene ©raf, ber fid) burd) eine grofte Sirtuofität im 
<5d)meicfyeln unb ©cfyminbeln auszeichnet unb baS $ln* 
pumpen öerftefjt mie faum einer, ift eine üor$üglidj ge* 
lungene ©eftalt. dagegen ift bie 3flarquife 3)ortm&ne 5U 
farblos, üttan roeifj nid)t, meS ©eifteS ®inb fie ift, unb 
begreift nidjt, bajs fie — roenn fie eine anftänbige grau 
ift — 2)orante in ein frembeS £auS folgt, um ein galantes 
©ouper einzunehmen. SBoraüglidj ift bagegen mieberum 
ber Sefprer ber ^^ilofop^ie, nid)t mefjr ber typifdje *ßebant 
ber früheren italienifdjen ßomöbie, fonbern eine ©eftalt 
aus bem mitfliegen fieben, fteif unb troefen, eingebilbet, 



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bie richtige <§djulmeifternatur, bie feinen Söiberfprucf) uer* 
trägt unb fid) trofc ihrer äußerlichen (Maffenheit leicht jum 
3ome Einreißen läßt. $lud) ber fur$ angebunbene, h oc h 5 
faljrenbe 3fed)tmeifter ift gut d)arafterifiert, wätjrenb ber 
@efang= unb ^an^lehrer farblofer aufgefallen finb. $ie 
Siebenben jeigen im allgemeinen biefelben @tgenfdt)aften f 
wie in fo mannen $omöbien. (Sie finb leidjt empfinblid), 
argwöhnifd) unb eiferfüdjtig, im ©runbe aber tüchtig t>er= 
liebt unb $ur 5Berföf)nung ebenfo fd)nett bereit wie jum 
(Schmollen. Sftoliere hat wie im ,Depit amoureux' unb 
im ,Tartuffe' auch h^ er e ^ ne i ener töftltc^en Xrufcfcenen, 
bie if)m fo wof)( gelangen, eingefügt, unb wie im erften 
biefer (Stüde, jroifdr)en ben $)ienftboten auf niebrigerer 
<Spr)äre eine Sßaraflelfcene fid) abfielen (äffen. 

$en geitgenoffen fiel e3 auf, baß ba£ 2Mlb, welches 
Gtleonte mit Soüielle in einer biefer Scenen oon feiner 
(beliebten entwirft, auf §lrmanbe paßte. 3ene8 nicht $u 
große, anmutige Sfläbcrjen, mit ben flehten, glän$enben, oft 
fo rührenben klugen, mit bem jwar großen, aber liebe* 
atmenben 9Runb, roctcr)eö in Sieben unb §anblungen ein 
gewiffeS ©efjenlaffen affeftiert, unb in ber Unterhaltung fo 
geiftreich unb nrifcig, Wenn auch fate launenhaft ift, war 
gerabeju ba3 Porträt 2lrmanbe3. Unb biefeS Silb ift mit 
einer fo gefühlvollen Snnigfeit entworfen, baß man fid) 
be§ (SinbrudS nicht erwehren fann, üfloliere habe hterburdj 
feiner 3rau, mit ber er fid) gerabe bamalä öerföfjnt hatte, 
ein jarteS Qcifyn f e i ncr unwanbelbaren Siebe geben wollen. 

$)ie beibeu (hatten lebten wieber jufammen; unb um 
feiner grau, welche, wie wir wiffen, große Neigung jur 
(Sleganj unb jum SuyuS hatte, befonberä entgegen* 
jufommen, nahm fid) SMiere eine große, fdjöne Sßohnung 
in ber Rue de Richelieu unb ftattete fie großartig 
au«. 9*od) ein anberer ©runb bewog ihn umziehen. (Sr 



hatte früher im felben $aufe wie bic S)c 85rie gewohnt, 
ein Umftanb, ber an unb für fief) nichts auf fidj tyatte, 
boch au böfen Älatfchereien Stnlajj gegeben $u ^aben fcheint. 
2Ran behauptete auch, ba& bie UebenSWürbige ©chauftnelerin, 
^u ber er ja fd)on bor feiner |>eirat Begehungen gehabt, 
ihn in ber $t\t ber (Sntfrembung getröftet; Armanbe fyabt 
auch biefen $lnlaf} benufct, um fid) feine Borwürfe gefallen 
ju (äffen. 2öie bem auch H eine reinftcfje ©Reibung war 
beffer. J)ie ©atten fcheinen in ber %$at wieber glücf* 
lieber aufammen gelebt $u h^ben. $er ,BürgerebeImann' 
mit feiner gerabeju ^inrei^enben ßuftigfeit, welcher fein 
bitterer SRachgefchmacf anflumerfen ift, ift toofy ein $eug= 
nis bafür. Unb bie ©eburt eines ©ofjneS, welrf)e im 
Dftober 1672 erfolgte, beftätigt eS. ^ierre 3ean Baptifte 
^trmanb würbe er genannt. 3)ajs er bie Bornamen ber 
Gütern in feinem tarnen üereinigte, wirb fein btofjer 3 u f a ^ 
fein ; eS foßte wohl ein ©innbüb ber Berföfjnung bebeuten. 
$>aS ftinb ftarb bereits nach **f Sagen, am 11. Dftober 
1672. ©0 blieb benn 2Mtere nur bie eine Softer ©fprit 
9Jtobeletne, bie 1665 geboren war; baS erfte Äinb, SouiS, 
war fdjon nach ncun Monaten geftorben. £)en SSerluft 
biefer 5Hnber wirb ber dichter fehr fchwer empfunben 
haben. £atte er boch fchon als fein greunb Sa Sttothe 
le Satter feinen ©ofjn uerloreu hatte, ein gefühlvolles 
©onett t>oß inniger Teilnahme an ihn gerichtet, in bem 
er unter anberem ausführte, ba& in folgen gatten felbft 
bie äBeiSfjeit weinen müffe. UMtere h att e überhaupt ein 
fehr weiches, jartfühlenbeS $erj, baS oon aflem, was ihn, 
feine Angehörigen ober gfreunbe traf, heftig ergriffen würbe. 

$)ie BergnügungSfucfjt beS ÄönigS ließ ihm feine 
SRuhe. Smmer unb immer wieber mu&te er bereit fein, 
auf feine SBinfe neue Sßerfe ju erbenfen unb auszuführen. 
2>abei trug ber Äönig 3Mi6reS eigentlicher Begabung für 



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— 209 — 

ba3 Somifdje nidjt einmal ftet§ 9Red)nung. (Sr fdjeint im 
Saufe ber ,3eit intmer größeres ©efaßen an 2(u3ftattung£* 
ftücfen gewonnen gu fjaben. ©o »erlangte er für ben 
2öinter 1671 ein neues ©tücf, tueldjeä bie ©age ber ^ßftydje 
bramatifcf) beJjanbeln fottte. tiefer ©toff mar burdfj ein 
93afletftüd 33enferabe8 unb SafontaineS Vornan gleiten 
Samens in bie 9Robe gefommen. SBenn ber Äönig einen 
Söunfd) fjattc , fo mußte er gleich erfüllt merben. Site! 
$eit ließ er ben 2)idf)tern nidf)t ^ur $(u3füf)rung. SBenn 
auef) Quinault ben Xejt ber mufifalifdjen Einlagen unb 
fiuöi bie SRufif unb ben itaftemfd&en $e£t be3 erften 
ßtoifc^enfpielS bietete, fo tuar e$ für ÜDJoItere ein $ing 
ber ÜnmögUdfjfeit, in fünf Elften in Herfen ba8 ©tücf allein 
$u tjoflenben. <5o nafjm er benn bie §üfe be3 SDic^terö 
(Sorneifle in Stnforudf). (Seit feinem Srudf) mit Racine 
Iiatte er fid) bem alten £ragifer genähert, bem er juerft, 
ttrie tove ttriffen, nid)t freunblidj gefinnt getoefen. ßorneifle 
fat) mit ütteib bie (Erfolge feinet 9ßebenbuf)(er3. 3)rei 
Monate nadjbem auf ber Söüfjne be£ Hotel de Bourgogne 
ber ,2Uej anber' Racine« mit großem ©rfolg gegeben toorben, 
tyatte er auf bemfelben £f)eater feinen ,2tg6ft(a$' burdfjfaßen 
fefjen. (Sr f)atte fid) bann an ben Palais Royal gemenbet 
unb 2Roltere3 33ütyne feine neue Sragöbie Attila* anber* 
traut. 3 U f e * ner Sterbe fyatte er e3 auf atoanjtg 5tuf* 
füfjrungen gebraut; aber biefer @rfo(g toar nur öorüber* 
ge^enb. SRacineS 9htf)m ttnt(f)8 forttoäfjrenb. beibe 
beauftragt itmrben ^u gleicher 3 e ^ e ™ c S&ränice $u bid)ten, 
erlitt (SomeißeS <Stücf einen entfd)iebenen Mißerfolg, toäfjrenb 
SRacine« Xragöbie einen glänjenben @ieg feierte. 2)ie ©er* 
ftimmung 9Mtere3 gegen Statine unb ßorneifleS $nti* 
patf)ie gegen ben Heuling brachten beibe S)tcfjter nätjer. 
Unb fo erflärt e8 fidj, baß ber alte Xragifer gerne auf 
ben SSorfdjtag beä $omifer3 einging unb mit ifjrn an ber 



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210 — 

^tyche arbeitete, gür ben ßönig unb ben $of war gewig 
bie $lu3ftattung be$ ©tücfeS bie $auptfache. 3n einem 
eigens für berarttge gwecfe neu l)ergerid)teten ©aale ber 
$utferien würbe ba$ ©chaufpiet gegeben, ©cr)on im Prolog 
erblicfte man in ben SBolfen thronenb bie ©öttüt SBenuS 
mit $mor unb ben ©ra^ien ; fpäter fteflte bie 93üf)ne eine 
grauentwfle Söüftenei mit furchtbaren gelfenriffen öor; 
bann einen wunderbaren , mit ^errlic^en, goft>gefd)mücften 
©äulen auSgeftatteten $of ; im legten 2lfte fcfjauberte man 
öor bem Slnblicf be§ £abe3, wo ein Jeuermeer in fort= 
währenbem ©türm auf unb ab$uwogen fdjien, an beffen 
©tranb in Rammen (obernbe Ruinen ftanben unb wo im 
£intergrunb *ß(uto8 ^ßalaft erfcfjien. 3ar)treict)e Stände, 
herrlicher ©efang unterbrachen bie einzelnen Slfte. 2)ie in 
bem ©tücfe fpielenben ©ötter unb ©öttinnen erfchienen in 
prächtigen Äoftümen, ^äuftg auf ben SBolfen fdjwebenb. 

2) iefe wunberbare ^ßract)t intereffierte weit mefjr als ber 
3nf>alt be$ ©tücfeS. Unb bocr) war bie ©age ber ^ßfodje 
bramatifdj fct)r fjübfdj behanbelt. Poliere, welcher ben 
Sßrolog im erften $lft unb bie erften ©cenen ber beiben 
folgenben in freiem Serämafe gebietet hatte, lieg benfetben 
£umor, mit bem er ben $mpf)irrt)o erfüllt, auch ^ er 
Watten. S)er gorn ber 3}enu3, bie fich burch bie ©iege 
üon ^ßfocheS Zeigen ^urücfgefe^t fühlt, wirb fein ironiftert. 

3) er ÜReib ber ©cfjweftern ^jßftjcheä, welche fich barüber auf* 
halten, ba§ ihre jüngere ©chwefter bie 33licfe aller Männer 
auf fich hkfyf ^irb föftlich bargeftettt, unb 3 e P^ r§ Siebes* 
bienfte $u StmorS ©unften weifen biefelbe befVeftierltche 
SRüance wie bie ßiebenSWürbigfeit ber Stacht ^u 3upiter& 
©unften im 3tmphitr^on auf. (SomeiHe, ber nach SMoItereS 
$lan ben übrigen Xeil beä ©tücfeS in öier^ehn Sagen 
aufführte, wujfte fich m ^ c ^ ner ©efchmeibigfeit, bie man 
üon ihm nicht gewohnt war, bem Anfang an$ufcf)miegen, 



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— 211 — 

unb geigte, namentlich in ben ftjrifdjen teilen, begeifterten 
©djtvung. 3)a3 ©tü<f ^atte großen CSrfofg unb ttmrbe bie 
gange $arneva(3geit hinburef) im Xuiferien faafe aufgeführt. 
$(rmanbe fpielte bie $fl)che unb fofl in biefer SRoHe ent* 
gücfenb geroefen fein. $)ie Spötter behaupteten, baß fogar 
ber alte Corneille von t^rer Hnmut bezaubert mürbe unb 
ftch beg^alb fetbft in feiner 1672 aufgeführten ^ulcherie 
unter ben 3"Qen beS verliebten ©reifet SRartian auf bie 
93üf)ne gebracht h<*be. $lud) $rmanbe$ Partner Saron, 
welcher ben Hmor fpiefte, war in biefer SRoHe vorgüglid) 
unb begrünbete burd) fie feinen fdjaufpielerifchen äjuhm. 
Unb ttrieberum ttmßten bie böfen 3 ult 9 en Serleumbungen 
auSguftreuen. ©o natürlich, fo innig, fo gart fonnte man 
nur fpieten, tuenn man nurfltcf) empfanb, tvaä man bar* 
ftettte. Unb fo munfelte man fofort von einem SerhättniS 
gwifchen Slrmanbe unb bem ©d)üfcling if)re3 2ftanne3, ber 
fid) be§ attergröbften UnbanfeS unb be$ fchänblichften Se* 
trug§ fdjutöig gemacht tybttt. Um $fotf) e au f & em 
Palais Royal aufzuführen, mußten bebeutenbe bauliche 
Seränberungen auf biefer Sühne guerft vorgenommen werben; 
benn bie 9ttafd)inen unb £eforationen, bie in ben Suilericn 
gur Serfügung ftanben, mußten guerft befchafft, auch mußte 
baä £)rd)efter vergrößert toerben. ©o fonnte ba£ ©tücf 
benn erft im 8u(i 1671 auf 902oli6reö Sühne gegeben 
»erben. 

Sereitö im 2M fyattt Poliere auf feinem Zfycatex 
ein neues SBerf von fich aufführen laffen: ,SDie ©d)elmeu* 
ft r e i ch e © c a p i n 8 1 (les f ourberies de Scapin). @g fear 
eine grucht feiner Sefchäftigung mit bem $heater ber 
Gilten. $)en km\>f)itx\)o unb ben©eighal$ verbanfte 
er bem ©tubium ^ßtautuä', biefeä ©tücf ber Seftüre von 
£ er eng' Sßh orm i°- ^ uc § einige SfteminiScengen au§ 
Chrono be SergeracS betrogenem ^ebanten unb eine ©cene 

14* 



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tmä einer oietfeid)t fdjon in ber SBanbergeit gebidjteten 
rofjen $offe ,©orgibu3 im (Bad' oerroenbete er für biefe* 
neue Stücf. 

3)ie ftomöbie tyat grofce äfjnftcrjfeit mit bem ,Un= 
bebacfyten' unb Bebeutet feine&uegä einen gortfdjritt in 
SMiereä Ittterartfdt)er Söirffamfeit. 8m (Gegenteil, wir 
ftefjen nidjt an, bie <SdjeImenftreidje (ScapinS a!3 einen 
entfdjiebenen Oiücffc^ritt gu be$eid)nen. 9ttcf)t etroa au£ 
bem oon 23oi(eau gegen ba§ <5tücf vorgebrachten ©runbe, 
roeil ju rofje, poffenfjafte (Scenen barin oorfämen, — aucfj 
im ,%Ttf, tt)iber SBillen' unb in ,M r de Pourceaugnac' 
rvax bieS ber gatt, unb bod} ftnb fie geniale hoffen $u 
nennen — , fonbern ttjetl 9Miere fid) in biefem ©tücf 
roieber oiel ju fe^r ber Spanier ber itattenijdjen ÄomÖbic, 
bie er feit feiner SRüdfefjr in ^ßarte überrounben fyatte, 
näfjert. 3ftan oergegenroärtige fid) nur bie gan^ ttjpifdje 
$abel! groet junge ßeute — bie tarnen tf)un nidjtö jur 
€>ad)e — machen n>äf)renb ber $lbroefenf)eit ifjrer SBäter 
tolle Streiche. 2)er eine oerliebt fid) in eine $gi)pterin, 
ber anbere heiratet ein armes üftäbdjen. 9113 bie SBäter 
^urücffommen , finb bie beiben Surften in fjetter 
groeiflung unb müßten fid) nidjt ju fjetfen, roenn fie fidj 
uirfjt ben SRat eine3 fdjurfifdjen Lieners, beS ©capin, ^u 
92ufce machen fönnten. 2öie im ,Unbebad)ten* f)ätt ber 
Liener aud) fyier bie gäben ber Sntrigue in feiner §anb. 
(Sr erbcnft alle möglichen Siften, um ben Gilten (Mb 31t 
entlocfen; ber eine roirb burd) bie $rof)ungen eines Oer* 
meintlidjen SBraoo eingefd)üd>tert, bem anberen loirb oor= 
gefd)tuinbett , um feinen ©o^n, ber oon ben dürfen auf 
einer (Meere entführt roorben fei, ju befreien, muffe er 
ein fdjtoereä £öfegelb bejahen. $)a3 ®elb roirb aber 
natürlich jur SoSfaufung ber (Sftaoin oerroenbet. Unb 
nidjt bamit aufrieben, bie Sitten $u betrügen unb 311 be* 



ftefjten, will fidfj «Scapin nocf) an bem alten (fronte rächen, 
weit er Üjn öerleumbet fjabe. @r fc^tütnbclt ifjm üor, er 
werbe öon 23rat>o3 öerfolgt, unb unt if)n üor ben ©djurfen 
ju fc^üfeen f fteeft er if)n in einen ©aef, fjaut if)n aber 
bann felbft winbetweid> burdj, inbem er bie (Stimme ber 
öermeintlidjen SöraüoS nad)mad£)t. $)ie £ift fommt freiließ 
f)erau£; bie Sitten finb wütenb. SDocr) gefjt fdjliepcf) alles 
gut an§, weit e§ fid) — freiließ auf bie merfwürbigfte 
Söeife — f)erau$ftellt, baß bie 2ftäbd)en, welche bie 3üng* 
linge lieben, feine Unbefannten finb. ©capin felbft weift 
fidf) für feine (£>d)elmenftreicf)e baburdj Sßerjei^ung ju er* 
wirfen, baß er fid> öerwunbet unb bem $obe naf)e fteßt. 

SBie bie (Situationen, fo finb aud) bie einzelnen 
^ßerfonen Wieberum ganj ttopifd) : bem geizigen, fjartnäcfigen 
35ater ftefjt ber leid)tfinntge , tieberlidje @ofm gegenüber; 
bie liftigen, fdjurftfd>en SDiener fpielen bie Hauptrolle, 
wäf)renb bie grauen gan^ jurüeftreten. $on (Satire ift 
feine SRebe, aber aud) bie ®omif ber ^ßoffe ift f)ier lange 
nicfjt fo wirffam wie in ben früheren garcen 3ftoltere3. 
$)ie Unwaf)rfdjeinlid)feit jener oben angegebenen, Don 
Sßotteau einft fo fein* fritifterten ^ßrügelfcene ift bodj fo 
groß, baß fie ber Söewunberung für ben in ber Xfyat ge* 
lungenen ©djelmenftreidj ScapinS in unferm ©mpfinben 
bie Söage f)ält. $a infolgebeffen unfere greube u & er 
ba3 ©elingen be3 (Streif bem äftißbefyagen über bie 
$f)orf)eit be^felben faum überlegen ift, fo fönnen wir f)ier 
nidfjt in ein au3gelaffene3 unb übermütiges Sachen aus* 
brechen, wie in ben üorfyergeljenben Stücfen. $ier$u 
fommt ber Umftanb f)inau, baß bie rofje $anblung£weife 
Scaptnä bem armen ©reife gegenüber nod) ein moralifdjeä 
Unbehagen fjerüorruft , wetdjeä ba$ in un§ auffommenbe 
Unluftgefüfjl oerftärft. Übrigens fjaben wir bie (Smpfinbung, 
baß biefe (Scene aud) jum größten Seile nur ba ift, um 



bie ©efcf}icf(idjfeit be£ ©cr)aufpie(er£, t>erfcr)iebene (Stimmen 
nachzuahmen , tyxüoxteufyUn (äffen. $lud) bie ©cene, 
in roelcr)er 3 ermne ^e bem ©eronte ben bie (Entführung 
auf ber ©aleere betreffenben ©treid) ladjenb roieber erzählt, 
ift geroiß nur eingefügt, um ber ©crjaufpielerin 2tt ae - ©eauöal, 
mltyt fid) burd) bie (Spezialität ganz befonberS luftig 
lachen zu tonnen, auszeichnete, Gelegenheit zu geben, fid) 
t>on biefer ©lanzfeite zu ^igen. $enn bie ©efdjichte ber 
©aleere fennen toir fdjon, unb fonft ift e$ 2Mtere§ ©e^ 
iüot)nt)eit nicr)t, ben gufcfjauer 5tt)eimal üon berfelben ©adje 
in Kenntnis ju fefcen. 

$ecr)nifche ättotioe beleben aud) fyier r)äufig bie ©cenen 
ber $omöbie. Quid) bie 2öieberf)oUmg gleicher Sßorte, fo 
Z. 93. gerabe in ber ©ateerenfcene, tt)o ©eronte ftetö ben 
fpricr)tt)örttich geworbenen SfaSruf tt)ieberf)olt: „2Ba§ tfjat 
er nur auf biefer ©ateere?" erreicht 3Äoli^re leidet fehr 
große Söirfung. SDie ©treibe be3 ©capin fefbft, bie ttnfcige 
$lrt, toie er fie ausführt, finb ausgezeichnet. SBenn man 
fie mit ben ©treiben be3 9fla3carille im ,Unbebacr)ten" 
fcergleidjt, fo vermögen fie geroiß ftärfere fomifcr)e Söirhmg 
r)ert>orzurufen. 9tfan merft, baß SJtoliere feit jener $z\t 
eine große Routine fidj angeeignet ^at ; oon biejem ©e- 
fidjtepunfte au3 ift ba£ ©tücf genriß unterrjaftenb unb 
hübfd); aber ate ©au$eS ftef)t e3 nicr)t auf ber £jöf)e ber 
fonftigen ©djöpfungen 9Miere3 unb fann fict) auch mit 
feinen beften hoffen nicht meffen. 

Söoileau ging freilich bei feinem $abel beä ©tüdeä 
t)on anbem Srmägungen aus. 3h m * am e ^ unbegreiflich 
t>or, baß ein 9ftann, urie Poliere, ber bebeutenbfte 3)idfjter 
feiner $eit — fiubnrig XIV. gegenüber bezeichnete er ihn 
a(3 foldjen — , ber $hitor be3 2ftifantf)ropen , ber große 
^hüofoph, uu e er ih n nannte, fid) erniebrigte, fo rohe 
Sßoffcn zu fd)reiben. (Sr tonnte auä bemfelben ©runbe 



nicht begreifen, baß äftoliere bie <Sc^aufpte(cret nic^t auf- 
gab, ba er jefct bocr) berühmt tt)or. @§ mürbe ilm, fo 
meinte er, feXbft feinen ©chaufpielern gegenüber größere 
Autorität öerleihen, wenn er nicht mehr an ihrer ©eite, 
in groteSfem $oftüm unb mit befördertem ©efidjt, tag- 
täglich läd^crUc^e SRotlen gäbe. $ber Poliere ging auf ber* 
gleichen (Srmägungen nidt;t ein. @r moflte feine tameraben, 
bie if)m ^um größten Steile in greub' unb Seib bei* 
geftanben, nicht fcerlaffen; e3 mar @r)renfact)e für if)n, 
bei ihnen au^ufyarren ; außerbem mar er felbft fo 
burdj unb burdf) ©djaufpieler , er liebte feinen S3eruf fo 
leibenfcfyaftfid) , baß er nicht baran benfen mochte, gurücf* 
zutreten. (Sr arbeitete für bie 93üt)ne, nicht für baä lefenbe 
^ßublifum, unb fo mar benn auch bie lebenbige , tägliche 
gü^Iung mit ber »itync für ihn »ebürfnfe. 

tiefes fieben mit ben 6cr)aufpielern gufammen mar 
für 9Miere unb feine btdr)tertfdt)c Söirffamfeit auch infofern 
t)on großer SBebeutung, al$ e$ ihn fortmährenb mit ben 
nerfduebenen Steifen ber 93et)ölferung in Berührung brachte. 
Unb nicht am menigften anregenb maren bie häufigen SBe= 
rufungen an ben §of. SSurbe äftotiäreS Xruppe auf eines 
ber löniglichen 6d)Iöffer berufen, fo blieb fie gemöhnlich 
längere $eit, unb ber dichter hotte fo reichliche ©elegen* 
heit, 311 beobachten unb (Sinbrücfe ju fammeln. (Snbe 1671 
ließ ihn mieberum ber Sönig, biennal nach St. Germain 
en Laye fommen. (£8 galt Sfiartotte (Slifabeth öon 93at)em, 
ber jung Vermählten grau beä $önig£bruber3 ^Ph^W tou 
Orleans, melche am 1. ftejember 1671 in ©t. ©ermain 
anlangte, einen glänjenben (Smpfang $u bereiten. $om 
27. 92oöember bis 7. ^e^ember blieb SKoliereä Gruppe 
bafelbft. $)er Sönig, welcher ber ^rinjeffin fehr gemogen 
mar, mollte für fie ein großartiges (5cf)aufpiel üeranftalten 
unb hatte ben ©ebanfen gehabt, au« ben fünften SalletS, 



bie in ber legten $ett aufgeführt worben waren, bie 
fllänzenbften ©tücfe auszuwählen unb zufammen zu geben. 
Doch mufjte irgenb eine Dichtung erfunben werben, welche 
biefe bisparaten 33eftanbteile mit einanber — wenigftenS 
Zum Steine — öerbänbe. ÜMiere mujjte fid) ba^u ^er* 
geben, fie zu liefern, unb er löfte feine unbanfbare 2luf* 
gäbe, inbem er fd^ned eine Keine ©ittenfomöbie, ,bie (Gräfin 
öon (Säcarbagnaä' (la Comtesse d'Escarbagnas) ent* 
warf, bie fid) nicht bomit begnügte, ben Stammen für bie t>er* 
jcf)iebenartigen SaHetS abzugeben, fonbern bie auch bie 
SJerfehrtheiten be3 *ßromnzabel3 feierte, Dazu bietete 
er auch eine ^aftorate, bie fid) wof)l nid)t öon ben fonftigen 
©tücfen biefer 2lrt unterfchiebeu haben wirb, ©ie ift uns 
übrigens öerloren gegangen. ,Die ©räftn fc>on ©ScarbagnaS* 
intereffiert un$ nur als ©ittenluftfpiel. Die Drägerin ber 
Ditelroüe, eine abtige Dame aus ber Sßro&inz, ift in SßariS 
gewefen unb fyat baS hauptftäbtifdje Seben fennen gelernt. 
Die £id)tftabt bat ifjr einen folgen (Sinbrucf gemacht, bafj 
fie fid) berufen füf)tt, Sßarifer ©Uten bei ihrer !Rü(J fefjr in 
if)r ^rotunzftäbtehen einzuführen. Stile möglichen Gebens* 
arten, bie fie bei tyofjen §errfd)aften aufgefdjnawt f)at, 
wenbet fie jefct an, ohne fie recht 3U fcerftehen, unb öer* 
langt bereu ©ebraud) auch öon ihren Dienftboten. Slber 
gar oft öerfäHt fie wieber, namentlich wenn fie in Slffeft 
gerät, in bie gewöhnliche , provinzielle SRebeweife. 2Bir, 
bie wir nid)t mehr in biefer fyit leben, fönnen unS nicht 
ganz ton fomifcfjen ©nbruef mehr üergegenwärtigen, ben 
biefe ©pradje auf bie bamaligen 3ufcfyauer, namentlich am 
§ofe, machen mufjte. $lber wir fönnen fidjer fein, baft bie 
sperren beS $ofeS fid) weiblich luftig machten über bie »er* 
fehlten Sttanieren unb Lebensarten jener Greife, welche 
ben feinen Xon nur oberflächlich fannten unb nur baS 
„Läufern unb ©putfen" beS §ofeS nachzuäffen oerftanben. 



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— $)ie (Gräfin f)at ferner in ber $auptftabt gelernt, baß 
eine abiige $)ame ber ©efettfchaft ihre Anbeter haben muß. 
SDrei Herren ftreiten fich um bie (Sfjre ihrer ®unft, einer 
freiließ nur jum ©djem. (§& ift bieS ber §err SSicomte, 
ber tf>r nur be^alb ben £of macht, tuett er feine wirf* 
liehe ©eliebte 3u(ie nur im §aufe ber (Gräfin fefjen fann. 
gür Sutic hat er eigentlich auch ba8 großartige ©cfjau* 
fpiel vorbereitet, ba8 nun aufgeführt foerben fott. $)ie 
©räfin aber mahnt, baß eä für fie felbft beftimmt fei. $ie 
betben anberen Herren, bie für fie fchroärmen, finb ber 
§err Sftat Xibaubier, ein recht profatfeher Beamter, ber 
ficf> aüerbingS poetifdje Galanterien ertaubt, unb ber 
(Steuereinnehmer $arpin, ein ganj brutaler ©robian. 2)ie 
©räfin tfmt fo nue bie tarnen ber ©efeflfcfjaft unb läßt 
ihre ßiebhaber für fie fchmachten. $tuch in anberen 
fingen ftrebt fie banaefj, ben $on ber großen ©efetffchaft 
in ihrem £aufe fe^alten. (Sie tyttt fid) für ihren 
©ohn einen ^ofmeifter, ber ihm ßateinifcf) beibringt, unb 
fieht fehr genau barauf, baß ihre 2)ienftboten fich 9 an ä 
nach ben Regeln be8 guten %on$ benehmen. $>aburcf) 
macht fie fich a & er f etBft forttoährenb in ben klugen be3 
SBicomte unb 3ulien3 lächerlich. $anblung ift in bem 
furjen ©piele nicht toorhanben, aber bie feinfte 93e* 
obachtung ber (Sitten ber bamaUgen ^roöinj fpricfjt fich 
barin au§. * 

2)urtf> bie Sßaftorale mit ben vielen Snterme^oS aus 
ben berühmteften SSaKetS ber Testen ftzit tourbe baä ©tücf 
unterbrochen. 6ie maren teils aus ber $ft)cf)e, teils au8 
ber ^ßaftoralf omöbie , au3 bem ©eorge $)anbin unb bem 
Sürgerebelmann entnommen. 3Mtere felbft unb feine 
beften ©ujetä fpielten in ber ^aftorale, toä'hrenb in ber 
Äomöbie, abgefehen öon £a ©ränge, bie unbebeutenberen 
ber Gruppe nnrften. 5(uch bie§ fpridjt bafür, baß ber 



$önig mdjt $u unterfcfjeiben r>ermocr)te, tt>efcf)e Stücfe 
nrirfticfye Ittterarifc^e Söebeutung fjatten. SRadj feiner 
ganjen Haltung Sfloliere gegenüber fc^eint £ubroig ifjn 
öor aKen fingen für einen fef>r befähigten nnb unter- 
Ijaltenben Maitre de plaisirs gegolten gu fjabeh; unter- 
ftüjjte er ifjn obenbrem in feinen politifdjen SBeftrebungen, 
befto beffer. 2)q§ er aber in ber Sitteratnr bafmbretfienb 
gennrft, ba3 fdjeint er faum — unb jebenfatt§ nid)t in 
öottem Sttafee — geahnt gn f)aben. Sonft tjätte er if)n 
ntdr)t fortroäfjrenb mit bergleidjen Aufträgen, bie für einen 
Söenferabe geeignet waren, in feiner Arbeit geftört. 3)a6 
eä für äftoliere anberfeitä ein großer Vorteil mar, fo f)äufig 
an ben §of ju fommen, fyaben mir bereits gefe^en. Seiber 
mufjte er balb bie traurige (Srfafjrung machen, bafj aucf) 
Könige in ifjren Stimmungen unb in ujrem ®efcf)macf 
tt)ecf)feln fönnen. $lm £ofe fehlte e§ enblicf) nid)t an 3n* 
triguanten, bie if)m feine beöor^ugte (Stellung nidt)t gönnten 
unb n)of)l in ber ©tilfe arbeiteten, um if)tt öon ber Seite 
be3 SJconardfjen 51t üerbrängen. 9lad) ber furjen $eit be3 
©lücfe3 füllten abermals fettere Sage für ifjn anbrechen. 



YIII 



Das €nck 

SDfe gefte aon Saint Germain Rotten für äMiere 
ein traurige« 9tocf)fpieL Sage ber legten Aufführung 
mufcte er fdjleunigft nach $ariä reifen, roeil feine treue 
(Gefährtin ÜÄabeleine 83ejart im (Sterben lag — ein be= 
fonberS harter ©cfjtag für ben äReifter. ©eine gan$e 
$ünftferlaufbafm ^atte er in ©emeinfehaft mit ihr gurürf- 
gelegt, ©ie mar e8, meiere ihn juerft für ba3 Sweater be* 
geifterte; er fjatte fie geliebt, roie ein Süngttng bie grau 
liebt, bie ^uerft ba3 3beal feiner Sugenbträume $i ber- 
roirfüchen fcheint. ©ie mar für ifjn bie Trägerin ber 
$unft geroefen, ber er fein ßeben geroibmet. ©ine aus* 
gezeichnete ©d^aufpielerin, hatte fie niemals ihre ^ßerfon in 
ben SSorbergrunb brangen motten; bie Sntereffen ber ganzen 
Gruppe ^atte fie immer mit felbftlofer Eingabe, mit traft* 
öoHer Energie unb mit ftaunenSroerter ©efcf)äft3fenntni3 
vertreten, SRachbem bie Seibenfehaft ber erften 3ah re öers 
flogen, ^attc fie Poliere bie roärmfte greunbfehaft bewahrt. 
3Bie ängftlicf) fie um fein 3Bof)I beforgt mar, unb roie leb* 
haften Äntetf fie an feinen Arbeiten nahm, fehen roir aus 
ber SRotte, bie fie 9Roliere in ber ©tegreiffomöbie öon 
SBerfaitfeS fpielen (äjjt. ÜDMt offenem greimut 9fe&* fie 
ihre SRatfchläge, bie üon einficf)t$t)oflem SBerftänbniS unb 
warmem Sßohtrooflen erfüllt finb, unb nimmt eS nicht übel, 
wenn ihr 9Miere ungebutbig unb barfch in bie SRebe 



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fällt; eine lange unb fefte $reunbfcf)aft flößt ftdj an äuger* 
licfjfeiten nicf)t. 

Banf if)rem oorgüglicfjen ®efd)äftsfinn fjatte ficf) 
SJcabeleine ein großes Vermögen erworben; ntdjtsbefto* 
weniger lebte fie fe^r einfach in einer Keinen, nur aus . 
gwet ßimmern beftefyenben SBofjnung im vierten <Stocf ; nur 
für ityre £f)eaterfoftüme fdjeint fie fcr)r Diel ausgegeben gu 
Ijaben. 3f)r gefamteS Vermögen hinterließ fie if)rer ge* 
liebten @d)Wefter Slrmanbe; es wirb für fie ein Broft ge* 
wefen fein, bei ifjrem |jinfcf)eiben bie beiben ©atten wieber 
oerföfmt gu fe^en. <5ie ftarb am 17. Februar 1672. 

(Seit längerer $eit ^atte Poliere ein großes SBerf in 
ber Arbeit. Bie Sßregiöfen, gegen bie er feine erften $ht* 
griffe gerichtet, welche tr)n wätyrenb beS (Streites um bie 
jgrauenfdjute* mit ifjren S3oSr)eiten berfolgt, bie rtoali* 
fierenben Bitterlinge, welcfje neibifcf) auf feine Erfolge 
blickten unb ifjm fdjabeten, wo fie nur fonnten, f)atte er 
wäf)renb ber langen kämpfe, bie ifjn in $tnft>rucf) ge= 
nommen, unb trofc ber brücfenben (Sorgen, bie auf ifmt 
gelaftet, nidjt oergeffen. (5r wartete auf ben $tugenblicf, 
ifmen einen testen ©djlag gu oerfefcen. (§r tl)at eS in 
feinen ,®elel)rten 5 rauen< (ks Femmes savantes), 
bie gum erftenmal auf ber 23üf)ne beS Palais Royal am 
11. 3tfärg 1672 gegeben würben. Ber Bitel barf uns 
nidjt in bie Srre führen. Bie ,®elef)rten grauen' finb 
guerft ^ßregiöfen; gang allgemein würbe oon ben 3 cits 
genoffen baS (Stücf als eine SBieberaufnafjme beS Kampfes 
gegen bie ^ßregiofität angefef)it. 

3n ben ,£äd)erlidjen 'jßregiöfen' fagt an einer ©teile 
SJcaScarille gu einer ber gimperlidjen Barnen, fie macfje 
if)m gang ben (Sinbrucf, als ob fie fcr)on eine Äomöbie 
öerfaßt f)abe. Unb SRabelon antwortet mit felbftgufriebener 
Ziererei, eS fönne wofjf etwas föicfftigeS baran fein. Benfen 



— 221 — 

tvix un$ bic ^re^iöfen bon 9Mtere3 erfter Äomöbie etroaä 
älter geworben. SRad) intern Abenteuer mit ben fiafaien 
toott $)u ©roifQ unb £a ©ränge roerben fic toohl faum 
noch heiraten. 3Ba3 toerben fie bann treiben ? Söerben fie 
fid) nid)t an 2fta3caritte$ SSorfc^Iag erinnern, ber eine 
Academie des beaux esprits bei ihnen einrichten luotfte? 
Unb tfjun fie bieS, fo öerfjaften fie fid) fdjon gan$ ttrie bie 
,©elel)rten grauen* ber Äomöbie, bie mir jiefet im »uge 
haben. 

3m $aufe eineä reichen 93ürger3 ^^r^fatc — fo 
lautet bie työdjft einfache Jabel ber Äomöbie, bei beren 
(Srfinbung lottere meift feföftänbig getoefen ju fein 
fc^eint — befdjäftigen fich beffen grau tyfyüamink, feine 
©djtoefter ö&ife unb feine ältere $od)ter Slrmanbe mit 
litterarifc^en Arbeiten unb aflerfjanb gelehrten ©tubien. 
9htr bie jüngere bon Sh^faleS £öd)tern Henriette §at 
feine Neigung für eine berartige S^^9^ un & ffi* f^) 
$urüd. €>ie ift in einen fein gebübeten, aber nicht Der* 
mögenben jungen äftann ßlitanbre berliebt, mit beffen 
SSater ber alte &f)rt)fa(e früher fef)r befreunbet getuefen toar. 
gür biefe £eirat öertoenbet fid) ber 93ruber (Shrtyfaleg, 
Grifte, fonrie ber Stoter auch, toäfjrenb Butter unb 
@djtnefter Henriette einem im §aufe berfehrenben Schön* 
geift, Xriffotin, bermäf)ten motten. äftann unb grau 
fönnen fid) nicht einigen. $)a erfinbet ©hrt)fa(eS ©ruber 
Grifte eine Sift: er melbet, ba| ^r^fale unb ^ß^Uamintc 
auf einmal ihr ganzes Vermögen berforen fyabzn. darauf 
äief)t fich Xriffotin, ber e8 nur auf ba3 Vermögen Henriettes 
abgefehn hatte, $urüd. (Slitanbre nritt fie trofcbem heiraten, 
©o löft fich a ^ eg glücÖid), unb gmar um fo mehr, als fich 
bie galfdjhett ber 9tod)rid)ten Griftes ^crau^fteüt. 

Söenn auch bie Sift, bie Grifte antnenbet, ettoaS plump 
erfcheint, fo ift bie Söfung be3 Stüdes h* er immerhin biet 



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roafirfcfjeinlidjer af$ in ben meiften $omöbien ÜMiereS; 
fie erHärt ficf> aus ben Sf)arafteren ber einjelncn ^erfonen. 
Von $anblung tft aud) tyer wie faft überaß fonft Bei bem 
dichter faum ettuaS merfen. $uch bie gelehrten grauen' 
finb ein fatirifcf)e£ SittenbÜb in bramatifdjer gönn. 2)a3 
gange Stücf ift nicht barauffjin gebaut, eine intereffante 
Gegebenheit fpannenb unb bramatifd) t>or$ufüf)ren ; e£ roill 
nur an öerfd)iebenen braftifcfjen Geifpielen bie $erfef)rtf)eit 
ber grauen barftellen, bie in unnatürlicher ©ejiertheit ben 
eigentlichen Seruf ber grau öerfennen unb fid) mit fingen 
befaffen, bie beffer ben Scannern anheimfallen. Smmerhin 
finb hier burd) bie StebeSintrigue Henriettes unb GUtanbreS, 
foioie bie $eirat£pläne ber (Sltern bie einzelnen ©über enger 
mit einanber üerfnüpft, als in ben meiften anberen Äomöbien 
SfloliereS. 

SBon ben brei gelehrten tarnen* ift Slrmanbe, bie 
ältere Sodjter (5^rt>fale§ ^ noch fcoUftänbig ^rejiöfe. Sie 
hat öon ber Siebe biefelbe Sluffaffung tüte äftabelon unb 
Pathos. £offnungSlofe3 (Schmachten, fdjroärmerifd)e &n= 
betung, Verachtung jebeS finnlichen SriebeS, baä ift ihr 
3beal. $ie @h e betrachtet fie als etwas Stbfto&enbeS, 
©rnicbrigenbeS ; fchon baS SGöort allein jroinge ben ©eift 
jum Schlamm tyxab unb öerlefce ben „jarten Sinn" burch 
ba£ Normalen garftiger ©Uber. $u3 bem ©raub h a t fie 
früher bie Söerbung (SlitanbreS, ber ihr juerft ben £of 
gemacht, tterädjtlich abgennefen; nid)t3beftott)eniger ift fie 
jefct empört, bafc er fich ju ihrer Schtrefter getoanbt, unb 
würbe gerne, wenn eS nicht gu fpät wäre, baS ^erj in 
©naben aufnehmen, baS fie in ihrer ©raufamfeit jurütf* 
gefto&en. (Sbenfo pre^iöS ift auch 236life, bie altjüngfer* 
lid)e Schtoefter (5hn)fale$. Sie glaubt, ba& jebermann in 
fie üerliebt ift, unb als (Slitanbre fie bittet, fich 8 U feinen 
©unften bei Henriettes Altern gu üenoenben, ^ätt fie baS 



— 223 — 

für eine geiftreicfje ginte. Henriette, fo fagt fie, fei nur 
eine 3Wa8fe, ein Sßfeubonljm; fie ntüffe erröten, trenn fie 
bebenfe, bafc er fie barunter oerftefye. $)er 9lugen ftumme 
Sprache »erraten e3 if)r genug. Mein, fie fönne nicf)t 
auf feine 3Bünfdf)e eingeben, ©ie trotte $trar geliebt fein, 
aber nid)t begehrt. 

3n befonberem Wlafc jeigt fid) bie ^re^iofität biefer 
tarnen in ber großen <5cene be§ britten Elftes, als ber 
SMdfjterting $riffotin i^nen $tnei feiner ©ebicf>te rorüeft. 
$)iefe ©cene ift eine (Srtreiterung unb SBerrottfommnung 
ber ©cene ber ^ßrejiöfen, in benen 9fta§caritte fein 3nt* 
promptu jum Seften giebt. 3Bie bort, fo unterbrechen bie 
bor (Sntjücfen rerfdfjmacf)tenben tarnen ben $idf)ter burtf) 
begeifterte ßtriftfjenrufe; fi e bitten ifjn gu irieberljolen, fie 
machen if)re geiftreicfyen S9emerf ungen , unb werben md)t 
mübe, fein Talent in ben $immel $u ergeben. Unb 
Xriffotin ift ebenfo pre^iitö afä fie. (5r brüeft ftd) in ge* 
fucfjten SBttbern aue, bie er fo gefdjmacftoS als möglidf) 
auSmatt; bie 3)amen nehmen baSfelbe 93Ub if)rerfeit3 auf 
unb fügen nodj einige geiftlofere, fäbere 3üge fyw 1 - ©o 
ift ba§ ©ebicfjt, baS er i^nen rorlefen tritt, eben erft in 
ifjrem §ofe jur 2Be(t gefommen. j)otf| ^fjtfaminte Hebt, 
be3 JÖaterä tregen, ba$ neugeborene $inb fd)on järtlicf). 
S)ie 9iad)ftcf|t ber Tanten fott ifjm Butter werben, fo f)offt 
Xriffotin. $)ie ®ebicf)te fetbft, ein (Sonett auf bie Jürftin 
Urania, atö fie ba$ lieber f)atte, unb ein (Epigramm auf 
eine rergolbete Shttfcfje, treibe einer f)of)en 2)ame ron 
einem if>rer 3Seref)rer geftiftet würbe, finb ebenfo gef<f)tnacf* 
roß tüte bie SBorte, trefdje fie pretfen. 

$)ie ^ßre^iofität ber tarnen ift aber nicfyt ifjre einige 
Xfyoxtyxt SKit Sitteratur befcfyäftigen fie ficf> nidfjt allein; 
bie gan$e ©Übung if)rer $eit trotten fie fid) ju eigen 
machen, ©ie tragen fief) mit bem grogartigen $(an ber 



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©rünbung einer Slfabemie, in ber fie fidj mit $f)tyfif, 
Floxal, ©efdjicfjte, Äunft unb $oHtif befcf)äftigen tooflen. 
$lucf) in ber 9$f)tfofopfiie geigen fie fid) betoanbert unb bi£= 
futieren über bie Vorzüge be§ *ßerü;atf)eti£mu3 ober 
*ßlatontemu3 ; bie (Sefefce ber $!jüfif fud)en fie ifjren 
iienftboten beizubringen; um bie Slftronomie gu ftubieren, 
fjaben fie auf bem ©pei<f)er ein grofjeä gernrofjr auf* 
geftellt unb toäfjnen bereits erftaunftdje ©ntbecfungen ge* 
macf)t ju fjaben. $ßf)ifaminte glaubt 9Kenfcf)en im Sttonb 
gefeljen ju fjaben, roäfjrenb 53elife ®ircf)türme ffar erfannt 
fjaben null. 3n ba3 flaffifdje Altertum finb fie fo öer= 
narrt, bajj fie if>ren Sßotar bitten, er möge bie in bem 
(^ebertrag öorfommenben Summen in Seinen unb latenten, 
bie $)aten in Sben unb ftafenben auSbrücfen. Sfjr £aupt= 
beftreben rietet fid) aber auf bie ©rammatif, fie wollen 
bie 5lbjefrtoa, ©ubftanrtoa unb Serben au§ ber ©pradje 
bannen, bie fie aU üeroerfUcf) erfannt fjaben; fie njollen 
aöe ©Üben, bie ifjnen anftö&ig erfdjeinen unb roefdje §u 
^ägtid^en SBortfpielen Hnfajj geben fönntcn, au§ bem 
3fran$öftfd)en entfernen. 3n ber Verfolgung ifjrer, bie 
Reinigung ber Spraye betreffenben päne finb fie fo 
fanatifd), ba§ ^fjifaminte fogar ifjr 2)ienftmäbcf}en au3 
bem einfachen ©runbe fortlieft, n>eil fie fid) beim ©precfjen 
ben Regeln Vaugefaä' nidt)t anbequemen fann. SDtefe 
Sfjätigfeit nimmt fie natürlich fo fefjr in $lnfprudj, ba§ 
fie für bie güfjrung be8 §au3fjaft3 feine $eit mefjr übrig 
fjaben. ©o beflagt fidj ber arme ßfjrtjfafe, bafj bei ifjm 
afleS brunter unb brüber gefje, meü fogar bie 3)ienftboten, 
um ben tarnen gu gefallen, ©ebidjte ober Romane lefen, 
ftatt bie $üdje ju beforgen. 

9Mi6re loar nidjt ber erfte, loeldjer bie Sfjorljeit ber 
grauen, bie fid) $u eifrig mit gelehrten ©tubien befdjäf* 
tigten, geißelte. 3m 3afjre 1661 fjatte (Sfjapuaeau in 



— 225 — 

feiner grauenafabemie bie gleite Verfehrtheit angegriffen, 
unb an einigen (Sin^elheiten feljen wir, bafj SMtere jum 
$ eil auch buref) ihn angeregt mürbe. 5 rc ^^ ift bie geift* 
üotte $lrt, wie ber ätteifter baä ganje Problem beljanbelt, 
gar nid)t $u Dergleichen mit bem langweiligen (Serebe feines 
Vorgängers. Übrigens gc^t 9Woltere nicf}t auf if)n allein 
3urM Der ©panier Salberon gab in feinem fiuftfpiel 
,No hay burlas con el amor* gewifc unferm Äomifer auch 
einige SlnhaltSpunfte in ber 3«tf)nung öon $wei ©cfjweftem, 
üon benen bie eine, prejiöS unb gelehrt, fiatein ftubiert, 
bie gezierte ©prad)e beS SultiSmo rebet unb ihre TOagb 
ausfeilt, weil fie ihr nicht ben gewünfehten lateinifchen 
$lutor au§ ihrer SBibtiothef bringt, bie anbere bagegen ein* 
fach, natürlich unb liebenSwürbig ift. 3$äf)renb für $hila* 
minte unb Strmanbe (ShaWeau unb (Salberon bie Vor* 
bitter gegeben ^u fyabtn flehten, wirb tüof)l SMtere in 
ber $efp6rie ber »Visionnaires* öon DeSmaretS be ©aint* 
©orlin baS Vorbilb für 93^Iifc gefunben fyabtn. freilich 
hat ber Dichter jebeSmal nur ben einen ober anberen Sßunft 
üerwertet, wie er fonft auch & en Bttenfcljen feiner Um* 
gebung ben einen ober anberen $ug ablaufcf)te. ©onft 
hat er bie ©haraftere mit ber ihm eigenen 9Mfterfcf)aft 
ganj originell ju zeichnen gewußt. 

Die Sharaftere ber gelehrten Damen machen uns 
einen um fo fomifcheren ©inbruef, als ihre ©efd)äftigung 
mit gelehrten ©tubien unb ihre Verachtung beS gewöhn^ 
lieh Srbifchen mit recht menfehlichen Seibenfehaften fon* 
traftiert. ©o fehr ^h^ am ^ ntc mit ihrem 5ßf)ilofop^cntum 
prahlt, fo heftig ift fie bei bem geringften Slnlafj; wenn 
ihr nicht alles nach bem Äopfe geht, giebt eS fofort ein 
Donnerwetter, öor welchem ihr armer 3Kann bebt unb 
gittert, ©ie will allein im |>aufe baS ©jepter führen; fie 
hat ftdj in ben $opf gefegt, bafj ^riffottn ber 9Rann ihrer 



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3üngften werben wirb, unb will von biefem 95or^aben 
nidjt $urütftreten , aU ifjr ©atte ben ©ßtonbre Vorfdjtägt 
3t)re löngjä^rigc , verbtente $öd)üt Martine jagt fie mit 
©djimpf unb ©djanbe au* bem #aufe, weil fie gramma* 
tifcf)e fyfycr & e * m ©pted&en madjt. Unb ifjre Softer 
$rmanbe jeigt fid) al$ gleichen Reifte« ßinb. Sie be* 
Rauptet jmar f ortwäfjrenb , baß fie ftd) nur ber SBiffen* 
fd>aft nerntä^U fjabe, welche bie äftenfdjen über bie SBett 
ergebe, bafe fie bie fleifd)ltcf}e 83egierbe verachte, welche fie 
ben »üben Xieren jugefeße; aber nidjtöbeftoweniger würbe 
e* il)r wärmfter SBunfrf) fein, wenn Sfitanbre um fie an* 
fjtelte. Henriette fid) über biefe SBiberfprüdje in ityreirt 
Siefen luftig madjt, wirb fie böfe unb brüdt Ujren Un* 
Witten ht redjt unverblümten Korten aus. 9fad) SWIife, 
bie ätfjerifdtfte von allen, jeigt ftdj ber Seibenfdjaft be§ 
3orne$ gar nidjt unzugänglich, unb als ßfytyfale iljr feine 
Meinung in« ©efidjt gefagt l)at, äußert fie fid) über iljn, 
beffen ©etft nur au£ s 2ltomen ber gemeinften Maffe ent- 
ftanben fein fönne, in fefjr beutftdjen $fa3brücfen. 2Bie 
äftabclon in ben $re$iÖfen' nidjt glauben fonnte, bafe 
©orgibuS ifjr rechter $ater fei, fo fann fie eS nidjt faffen, 
bafj in ifjren &bern baSfelbe SHut fliegen fott, als in 
benen if)re8 fjauSbacfenen Kruberg, ©an$ anberen ©inne$ 
ift Henriette, (Sf^faleä jüngfte Xod)ter. ©ie ift verftänbig 
unb vernünftig, ttebenSwürbig unb freunbßd); tfjr Sbeal 
ift nid)t ©djöngeifterei unb ©elefjrfamfeit, fonbern ein be* 
fd>eibeneS f^amilienglücf an ber ©eite eines geliebten ©arten 
unb im Äreife blü^enber ftinber. 2)e3f)alb ift fie aber 
nitf)t etwa fjauSbacfen; fie verfügt über einen gefunben 
SWutterwifc unb weifj bie Xf)orf)eit ifjrer ©djwefter fefjr 
fdjarf ju ironifieren. $erj unb SBernmtft galten fid) bei 
tyr bie SBage; fo feften SfjarafterS fie ift, fie f)at bod) 
nid)t ben (Sigenfinn unb bie $ateftarrigfeit fo vieler SRäbdjen 



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beS ÜMterefcfjen S^eaterS. ©ie ift genrifj bie üoflenbetfte 
8cf)öpfung einer SWäbdjengeftalt, bie SWoItere gefdjaffen, 
borf) fetylt ifyr, um t>oflftänbig ein 3beal zu fein, ein ge* 
triff er, zarter, mäbd£)en!jafter £auber; fie farid)t über manche 
$inge metyr wie eine junge grau, als tuie ein junges 
9D?ab(f)cn. gauftS ©retdjen ift unenblid) poetifcfjer als fie. 

Sine tjoraiiglid) gezeichnete gigur ift (Sfprtyfale. Snt 
@egenfa$ ju ben fonftigen, ftetS ttyrannifdfjen SSätem bei 
3J(oItere ift er gutmütig, fogar fd^mad^. (5r mögt eS für 
getoöfmiid) nid£)t, gegen ben SSitfen feiner grau energifdfj 
aufjutreten. SllS fie if)re ßcdn'n aus bem $aufe jagt, 
roeil fie bie ©efefce ber ©rommatif toerlefct, mödjte er gar 
ZU gerne ifpre Partei ergreifen unb mac^t fjie unb ba 
fcf)ücf)terne SBerfudfje ba$u. $tber fobatt) feine grau ifjn 
Zur föebe fteKt, lenft er ein; unb als if)m bie ©äße nad)* 
£)er überläuft, richtet er feine grofje ©trafprebigt toofyU 
toeislidj an feine (Edjtoefter, nidfyt an ^^iiaminte. ($rft 
uadjbem ifym fein SBruber baS Unttmrbige fetner ^anblungS* 
roeife öor Slugen geführt, nimmt er fief) zufammen unb 
faftt ben (Sntfcfyfufc , ein ganzer Sttann zu fein. Slber er 
weiß, bog feine $f)atfraft ifm nur $u leidet im ©tidje 
läßt, unb fo bittet er bie anberen, ifjm nacfjbrücflicf) zu* 
€eite zu ftefjen, trenn eS gilt, bei ber $eirat Henriettes 
feinen SSitlen burefpfefcen. ©ogar Martine, bie er toieber 
ins $auS gurüdfgefü^rt, lägt er für fidj fpredjen; fie fagt 
^f)ilaminte t?iel beutlidfjer ins @Jefid)t, traS fid) gehört, als 
er eS je geteagt l)ätte. 

2Me SJiartine ift audf) eine ber am beften gelungenen 
£ienftmäbcf)en=<55eftalten 9J?oliereS; i^rer i)errfcf)aft treu, 
fdjon lange im £aufe, fcfjeut fie fid) mdjt eine ©pracfje zu 
führen, tceldje bie (Frenzen ber (Sfjrerbietigfeit überdrehet. 
SSkSfjalb ityr aber audf) ein ßauberfoelfcf) aufzwingen trotten, 
baS fie nidf)t üerftefjt? Sie nritt fprecfjen, tüie tf>r „ber 

15* 



3cfmabel genmchfen ift". 9BaS fümmcrt fie ber SaugelaS? 
Überhaupt fann fic baS ^errtfe^c Äommanbteren ber Sßfjifa* 
tnintc im £aufe nicht leiben. „Srft wenn ber §af)n ge* 
fräf)t hat, fräf)t bie £enne", unb „faul fteht'8 im $au$, 
wenn bie grau bie £ofen trägt" — fie fagt eS un&erbfämt 
ihrer $errjcf)aft ins ©efidjt; fie ift fdjon fo lange im 
§aufe, bafe fie fidf) wohl ein freies Sßort ertauben barf, 
wenn eS fich um baS ©lücf eine« ÄinbeS beS §aufe$ 
tjanbelt. 

Stttanbre ift ber ©atte, melier für Henriette paftt, 
fo meint fie, unb roer baS SBefen beS 3üngftngS beobachtet, 
roirb auc^ ber Anficht fein, ba& ber Üfyaxahtz biefeS be* 
bärtigen, ruhigen, oernünftigen 9ÄanneS ganj oor^üglid) 
für Henriettes gleiten ©inn geartet ift. Söenn er auch 
am £ofe oerfet)rt unb bie SBorjüge beS §of(ebenS ^oc^ $u 
fdjäfcen m\% fo ^at er bod) burchauS nicht bie Sanieren 
eines SRarquiS angenommen. (5r ift, nrie feine 93raut, ber 
Vertreter beS gejunben 9#en(chent)erftanbeS. Woliere fyat 
feine eigenen 3been über bie 33t(bung ber grauen f)kt 
burdj ben 3flunb beS 2iebf)aberS auSfprecfjen (äffen. @r 
toitt nic^t, roie (5f)rt)|*a(e, ba& bie grauen fief) nur mit ihrem 
§auähalt unb mit ber @r$tef)ung ber Äinber beschäftigen; 
grauen, bereu ©eifteSfäfjigfeiten nur fo weit reichen, „ein 
SBamS oon einer §ofe ^u unterfcheiben", finb ihm fein 
SbeaL Unmiffenheit ift auch M) m t>er^a§t ; er Uebt bei 
ben grauen ©eift unb SBtffen, boch h ö 6* er > „wenn fie mit 
erlogenem g(et& ftubieren, nur um ettoaS ju bebeuten". 
SDarum lobt er fid) bie grau, bie oor ben ßeuten 

„Sftr SBiffen ju ttetfdjroeigen weift; 
Sie \oU nidjt ftetö mit ifjrer 93übung glänzen, 
Unb mefyt ©elet)ttf)eit bergen, at$ nur fe^n. 
©ie fofl mit 5>id)tertDorten, mit Sentenzen, 
mt ©etfteSMifcen ni$t ^aufieren ge$n." 



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— 229 - 

©o ift benn SWoIi^re aud) f)kx für bie golbene Sttitte. 
SO^ag unb 9?atürlid£)feit , ba3 finb bie Sbeale, bie er ftctö 
öerfofgt. ©erabe biefe (Sigenfdjaften oermifcte er befonberS 
bei ben ^ßrc^töfeti. $er Dichterling Xriffotin, ba3 SBor* 
büb, ba§ fie t>eret)ren, ift gerabe toegen feiner unnatürlichen 
©egiertheit unb feiner öerfcfjrobenen , übertreibenben $lu$* 
brucfätneife bei ihnen fo gut angefdjrieben. Poliere hatte 
fct)on einmal in ber ,$ritif ber gfawenfchule' einen Dichter* 
ling auf bie 33ür)ne gebraut. bereite 2t)fiba8 roar afä 
eitler, etngebilbeter unb pebantifcfjer 3#enfch gezeichnet 
Horben, aber Driffotin geigt biefe (Sigenfchaften in er* 
f)öf)tetn 9Haf$e. Da3 felbftgefäHige ©chmunjeln, mit bem 
er bie 5(rtigfeiten entgegennimmt, roefdje if)m bie Tanten 
in fo reifem Sflafce entgegenbringen; bie empörenbe ©elbft* 
jufriebentjeit, mit ber er bie Sßerfe, tuelcrje bie tarnen ent* 
gücft ^aben, immer noch einmal Heft; bie leicht gereifte 
©mpfinblichfeit, roomit er bie ßritifen feinet greunbeS 
23abiu3 öernimmt; bie leibenfd^aft(idt)e ©robfjeit, mit ber 
er i^m fchliefrlid) antwortet; bie <Scr)amfofigfeit, mit welcher 
er feine Stellung im £aufe benufct, um bie äflitgift 
Henriettes ju erjagen — fie machen au£ ihm eine recht 
unfompatf)ifche ^erfönlichfeit, beren ©üb un$ aber unoer* 
geglich bleibt. SBabiuä, ber gelehrte ©riechentenner , ber 
bie tarnen auch auffucfjt, geigt nicht geringere Gntelfeit 
unb ©robfjeit, aber größere Sßebanterie. @r ift mehr ber 
©elehrte a(3 ber dichter. Die öorgügliche ©cene, in ber 
bie beiben ^erren einanber juerft mit übertriebenen £ob= 
fprüchen überhäufen, bann aber ihre gegenfeitigen Söerfe, 
ohne e8 ju tt)iffen, mit ben fchärfften Sßorten fritifieren, 
unb, — als Aar roirb, um tuen e§ ficf) fyanMt — ju ben 
flegelhafteren Schimpfereien übergehen, mar, tuie bie 3eit* 
genoffen fofort bemerften, ber SBirflkhfeit nachgebilbet 
morben. Denn Driffotin unb SBabiuS foaren ^orträt*. 



93ei bcn crften Aufführungen war ber 9fame beS $)icf)terS 
Xricotin; jebermann tonnte fc^on aus biefer fjorm erfehen, 
baß 9Miere ben befannten, üon Sotfeau fo ^äufig an* 
gegriffenen ßitteraten, ben Abb6 (Sotin im Auge gehabt 
^abe. ©päter änberte SMiere ben tarnen in $riffotiit 
um, ben „breimal Xhöric^ten". 3)er eigentliche Präger 
beS Ramend würbe baburdj faum weniger erfennbar; eS 
würbe i^m auf biefe SEöeife nur noch f e ^ r wenig 
fdjmeichelhafteS Epitheton an ben tarnen gehängt. SBabiuS 
bebeutete ben gelehrten 2ftenage; ben Vornamen ©itleS, 
lateinifch AegibtuS, h&tte 2Miere in SöabiuS umgeänbert. 
2BaS bie 3bentifi$ierung biefer beiben Sßerfonen über jeben 
ßweifel erhebt, ift ber Umftanb, baß bie öon Xriffotin 
öorgelefenen ©ebid^tc ganj wörtlich ben SGBerfen beS Abbe 
entnommen finb. $aS ©onnet befinbet fid) ©eite 386, 
baS SRabrigal ©eite 443 feiner „Oeuvres galantes". 

9ttcf)t ohne ®runb h<tt 2ttoliere SSotleau in ben ©trett 
ber beiben ©djöngeifter hineingezogen. 3eber Sefer ber 
SCBerfe SBoileauS weiß, baß ber ©atirifer fortwährenb in 
feinen SBerfen ben Abbe ßotin oerfolgt. (Sotin feinerfeitS 
hatte bem §errn be „Söipereauj", wie er in boshafter 
SQßeife ben tarnen feines 2Biberfad)erS 2)eSpreaur. entftettte, 
giftig geantwortet unb flagte ihn ber menfchltchen unb 
göttlichen 2ttajeftätSbeleibigung an. ©o ift eS leidet mög* 
lieh, baß 23otleau feinen greunb veranlagte, (£otin öor bem 
^ubtifum lächerlich $u machen. Poliere fyattt übrigens 
felbft ©rünbe genug, ben galanten Abbe anzugreifen. @r 
hatte fich bereit« 1666/67 in feiner „uneigennützigen #ritif 
ber ©atiren ber $tit u u & er ©chaufpieler in fo beleU 
bigenber Söeife ausgebrochen, baß ÜRoliere fich gefränft 
fühlen mußte. @r hatte fie als infame, gottlofe Reiben 
gebranbrnarft, benen man feine größeren Schimpfnamen 
geben fönne, als ihren eigenen tarnen. 3n ber „©atire 



— 231 — 

bcr Satiren" fjatte er noch birefter SRoltere angegriffen, 
inbem er feine fdjted^ten Serfe afö be8 Stumpf eifenä roert 
bezeichnet hatte nnb über 33otfeauS fd£)Iecf)ten ©efcfjmacf her* 
fiel, ber 9Mtere nrie einen gelben preife. <£r fei nicht fo 
thörid£)t, nnb ttmrbe nie ans einem *ßoffenreif$er einen £alb* 
gott machen. 2)a$ toaren ©rünbe genug, um eine berbe 
Slnttoort $u rechtfertigen. S)ie ©rünbe, toeS^alb HMtere 
ben 9R6nage angreift, ftnb bagegen nicht fo leidet erfichtfich. 
9£id)t$beftoioeniger fann barüber fein 3 toe ifet f c * n > 
äJtenage unter ber 2fta3fe be3 SabiuS gemeint fei 5lud) 
er mar ber größte Senner be$ ©riecfjifdfjen, hatte ftd) manche 
litterarifc^e 2)iebft<ü)Ie gu falben fommen laffen, mar 
befonber« ftofy auf feine ©flogen, unb mar t>on Soileau 
nur im Vorbeigehen in feinen Satiren geftreift toorben. 
5Iufjerbem fcheint ttrirflid) ein Streit $tüifchen ©otin unb 
SairiuB aud ähnlichem $(nlaj3, tote hier in ber Äomöbie 
gtDifdjen ben jtoei Richtern, ftattgefunben ju haben. SDtenage 
tt>ar öerftönbig genug, fich über SERoliercö Satire nicht auf* 
^halten; bagegen fonnte ©otin fich wc^t barüber tröften. 
©t mar fo niebergefchlagen, ba| er e$ 3. 33. nicht über 
fich brachte, feine Äoßegen, bie SRitgüeber ber äfabemie 
$u begleiten, als fie fich fetten ÜNonat $um fötoig be= 
gaben, um ihm für bie Übernahme be$ $roteftorat£ ber 
Süfabemie $u banfen. @r fürchtete toohl ben Spott be3 
SKonarchen. 

Sonft in ber Stabt entfeffette bie Äomöbie ber ,©e* 
lehrten grauen' feinen Sturm ttrie bie früheren £uftft>iete 
unferg SDidjterö. 2)ie fihranfheti, über bie fich SÄoItere 
luftig machte, war — abgefehn öon ihrer prejiöfen Seite — 
bamatö noch nicht fo feljr verbreitet, ©rft Diel fpäter, im 
XVIII. Saftäuribttt , a ^ &ie 3)amen gelehrtere Stubien 
$u treiben begannen, griffen einige Sitteraten ben dichter 
an, als ob er bie Sache ber 3gnoran$ verfochten hätte. 



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Unb bocf) fyattt er beutlich genug feinen ©tanbpunft in 
ben Söorten ßlitanbreS auSeinanbergefefcr. (§:£ ift nun ein* 
mal ba8 £o3 jebeä (SatiriferS, baß feine Slbfichten miß- 
oerffanben ober böswillig entftettt werben. 

ÜttoliereS ,©ete^rte grauen' f™ 0 e * ne f c ^ ner 
enbetften (Schöpfungen; baS (Stücf ift beffer gebaut a($ bie 
meiften anberen; bie ßöfung weniger unwahrfcheinUd) ; bie 
(S^araftere finb oor^üglich gewidmet; bie (Sprache ift 
ftaffifcf). 9Miere war noch in öoßer <Scf)affen3fraft. 
<5otti)t SBerfe berechtigten noch gu ben fünften Hoffnungen. 
$lber fdjon lauerte ber Xob im Verborgenen auf ben 
dichter. Gittertet Unanne^mlid)feiten unb (Snttäuf jungen 
foßten fein @nbe befchleunigen. 

3n ben Balletfomöbien , bie ber Stteifter für ben 
$önig gefcrjrieben, fpielte naturgemäß bie Üttufif feine ge- 
ringe Atolle. (Sin glorentiner Äomponift, ber fcr)on längere 
$eit in granfreicf) weifte unb im fiaufe ber $eit bei |jofe 
3U großer Beliebtheit gefangt mar, ber berühmte Sufli, war 
fein Mitarbeiter für bie mufifalifcr)en Xetfe gewefen. (5r 
hatte fogar manchmal an ber (Seite 2Miere3 Kotten in 
biefen $omöbien übernommen, (So fteüte er im M r de 
Pourceaugnac einen ber poffenfjaften italienifchen Är^tc 
bar, welche ben armen Simufiner oerfolgen, ben (Signor 
(ShMierone, im Bürger*(§:belmann ben 3Jhifti, ber bie 
groteSfe Zeremonie leitet; in feinem <Spie( fofl er un= 
befd)reiblidj fomifct) gewefen fein. ÜMiereS Verhältnis 
jum Italiener war fef)r freunbfdjaftiicf). ($r lub ir)n häufig 
$u fid) narf) Sutern! , unb als ßutti im 3af)re 1670 eine 
größere (Summe brauchte, um bie Ausgaben $u becfen, bie 
ihm burd) ben Bau eines $aufeS erwacfjfen waren, lieh 
er ifmt ofjne weiteres bie (Summe oon 11000 2. $)odj 
ßulli ^atte einen fcf)Iecf>ten Gharafter. (£r war nidt)t bloß 
eine rücf fidjtSlofe , ehrgeizige (Strebernatur, fonbem auch 



falfd) unb f)interliftig. $a SMtere ba* große Sntereffe 
auänu|3en moöte, roeldjeS ber £of unb baä ^Jubtifum an 
ber 2htffüf)rung oon 9Jhififfomöbien normen, mar e3 fein 
SBunfd) gemefen, fid) mit fiulli $u affociieren unb ben 
ßönig um ©emäljrung eine« *ßrtoileg3 für bie Sluffüfjrung 
berartiger ©rüde 31t bitten. TOeS war fd)on oerabrebet; 
ber Anteil eines jeben mar ausgemalt, fiutti festen gan$ 
einoerftanben. 9ttcf)t$beftoroeniger fam er feinem greunbe 
oerräterifcf) poor unb ermirfte für fid) allein ein ^rtoiteg, 
baä bie Sfuffüfjrung oon Sflufiffrüden in granfoeid) oon 
feiner SrfaubniS abhängig machte unb ben anbern $f)eatew 
bie 3af)l ber 2ttufifer, bie fie öermenben burften, öorfd)rieb. 
2öof)I oermod)te 2Jtoli6re, ber fief) fofort aud) nad) SBerfaifleS 
aufmalte, für fid) eine gemiffe SBefdjränfung biefeS *ßrMeg3 
ju errotrfen, aber er mußte $u feiner großen ^Betrübnis 
merfen, baß fein $err unb Äönig bem 3taliener me( 
gnäbiger gefinnt mar atö ir)m. ©o fjatte if)m benn bie 
Sreulofigfeit beö Florentiners, mit bem er natürlich fofort 
brarf), bie ©unft feines ftönigS entriffen. SBo^t fe|te er 
fid) nun mit einem anberen üftuftfer (Sfyarpentier in SBer- 
binbung unb trug ifjm auf, bie 3ttufif für bie ©räfin bon 
(SScarbagnaS, bie er auf bem Palais Koyal geben mollte, 
ju f oimponieren ; aud) fieberte er fid) feine üttitarbeiterfdjaft 
für eine neue ©atletf omöbie , bie er in ber Arbeit fjatte, 
ben ,(SingebUbeten Fronten'; aber er mußte fid) bod) fagen, 
baß eS unter biefen Umftänben für tfjn ein 2)ing ber Un* 
mögltdjfeit fein mürbe, foldje ©tütfe t>or bem ®önig auf* 
jufüfjren, benn 2uHi mürbe nie anberen 2Jhtfifern als ben 
feinigen geftatten, bie Ofjren ©einer ÜD^ajcftät %u entlüden. 
Vielleicht, baß Poliere burd) bitten unb Sntrigue etmaS 
f)ätte erreichen fönnen, aber bie ©d)feid)mege SulIiS öer- 
fdjmäfjte er. Verbittert 50g er fief) in fein Sfjeater jurüd. 
2(uf feine ®efunbf)eit Ratten biefe Erfahrungen bie 



nadjteiligfte Söirhtng. ©eit längerer fttit fyattt fidj fein ßn» 
ftanb wieber üerf flimmert. Der Ruften ließ nidft natfj; 
fortwäf>renbe SDtogenbefdjwerben famen f>in$u. Der be* 
bauernswerte Dieter fonnte fidf) nur nod) Don ÜRifd) 
nähren. Diefe pfmftfd)en Übel mürben nodfj t>ermef}rt burdj 
feine gebrückte feelifc^e (Stimmung. SBir werben woljt nicfyt 
irre gelten, wenn wir 3Äoltere für einen £)t)pod)onber galten. 
Von £>aufe au« neigte fein Temperament $ur ÜWelandjolie. 
Die ßeitgenoffen l>aben öfter« ben merfwürbigen SBiber* 
fprudfj awifdfjen feinem büftern, füllen , jurücf gezogenen 
äBefen unb ber ausgeladenen $eiterfeit feiner ©tücfe tjertwr* 
gehoben. 3n ©efellfdjaft fprad) er nid>t mel. Die ©in* 
famfett feine« Sanbf)äu«d)en« in $luteuil 30g er allen 
lärmenben Vergnügungen bor. Da« forgenüotle Seben, 
welche« er fütjrte, ber Äummer, bie ©nttäufdjungen , aud) 
feine ÜJtogenfranffieit traten ba« irrige, um biefen $uftanb 
$u Derfdfjltmmern. 3m 3af)re 1670 bereit« war ein ge* 
fyäffige« 9$ampf)tet t>on Le Boulanger de Chalussay er* 
fd)ienen, ba« ben Dichter offen al« $typod(jonber öerfpottete. 
„Der f)t)pod)onbrifdfje ©lomire ober bie gerächten Ärjte" 
(Elomire hypocondre ou les m&Lecins vengäs) — fo lautet 
ber Xitel biefe« ^ßa«quill« — wirft ein intereffante«, wenn 
emet) tenben^iö« gefärbte« ßicfjt auf bie ^Bereifungen 
foltere« $ur ÜKebijin. 2Bie e« bei ^poc^onbern fo oft 
ber ftall ift, fdjeint er juerft ba« größte ©ertrauen in bie 
Är^te gefegt $u Ijaben, fpäter aber um fo entfdjiebener ju 
üoüftänbiger ©fepfi« übergegangen $u fein. ©0 fefjr er 
fid) Über bie Heilmittel ber bamaligen $lr$neifunft luftig 
machte, au« un« überlieferten SRedmungen feljen wir, bajj 
er bodE) §wet 2(potf)efer ftxtipm unb Duprä befc^äftigte. 
SBir wiffen fogar, baß man ifjn wä^renb einer 83e= 
flemmung an einem Tage mermal jur Slber ließ, ©eit 
bem Sa^re 1669 fjatte er einen ftänbigen Är$t 9ttauöillain. 



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tiefer galt freilief} bei ber ftafultät als Äefcer. @S ift fefjr 
möglich, bafj 2Mtere fid) juerft an bic berühmten fönig* 
liefen Ärgtc roanbte, unb als fte ihm nicht Reifen fonnten 
unb er bie $of)lf)eh ihrer SBiffenfcfjaft erfannte, einem 
ihrer ärgften (Segner fein ©ertrauen fdjenfte. 3)aS oben 
ermähnte ^ßamp^let läßt ih n juerft bie §ilfe ber befannten 
ÜKebi^iner, bann bie ber ©pejialiften unb (SfjGrlatane 
anrufen. Um bie &rjte fo oft in feinen Äomöbien auf* 
treten $u faffen, mu&te er eine gan^e SWenge bei ber Arbeit 
gefehen unb fidj eine genaue Äenntnis ber 9Äebi$in er* 
roorben haben. $enn bie #rt, wie er fie auftreten lägt, 
entfpricfjt burdjauS ber SBirflidjfeit. 5118 er aber fah, bafe 
alle if)re föatfdjläge if)m nicht nü&en fonnten, unb bie 
Äranffjeit immer brüefenber würbe, bemächtigte fid) bie 
ärgfte ©nttäufdwng feiner Seele. ÜRacfjbem ^ierju noch 
bie feelifcfje ©erftimmung fam, als er, wie bereite er$äf)lt, 
oon feinem 2faunbe verraten würbe unb bie ©unft feine» 
Königs öerlor, ba fdjien ihm baS gan$e ßeben oergällt. 
3n biefer ©timmung fonnte er mof)I bie Söorte fpredjen, 
welche if)m bie Xrabition in ben 9Jtunb legte: „<So lange 
mein Seben in gleicher SGBeife £uft unb ßeib vereinte, habe 
idj mich fü* glücflidj gehalten. $ber fjeute , wo id) oon 
ber SRühfal fo erbrüeft bin, bafj ich öu f feinen Slugenblicf 
©efriebigung unb $lnnehmlkhfett mehr rechnen fann, fehe 
ich wohlf bajs ich & en Äflinpf aufgeben muß; gegen ©chmerj 
unb $)rangfal, bie mir feinen &ugenblicf SRuhe mehr gönnen, 
fann ich me ^ r ftanbhalten. Sfber wie fehr muft 
ber a^enfeh leiben, bebor er ftirbt! Sebodj fühle ich, *> a 6 
eS mit mir ju ®nbe geht." 

Xrofc aller Entmutigung fühlte fid) ber 9tteifter bodj 
bis julefct als Äomifer. @r mußte, ba& feine $ranff)eit 
feinen ©paß mehr öerftanb unb ihn ben einen ober anberen 
Xag erbarmungslos auf baS Totenbett ftreefen mürbe; unb 



236 - 



bodj fanb er ben 9)htt, in einem fiuftftrief öott aus* 
gelaffenfter $>eiterfeit einen ,®ingebilbeten Sranfen* auf bet 
$üf)ne bem ©eläcfjter preiszugeben. $)ie nrirflidje Äranf- 
fjeit war $u ernft, als baß fie ben ©egenftanb einer 
Somöbie f)ätte ausmachen fönnen. &ber aud^ ein ©tücf 
über bie £$orE>eit eineä gefunben SRenfäen, ber fid£) franf 
n>äJ|nt unb ate franf gebärbet, fonnte ifjnt Gelegenheit 
geben, fidf) über bie £of)lf>eit ber mebiginifc^en SBiffenfdjaft, 
bie if)n fcf)müf)lid) im ©tid) getaffen, grünblid) auägufpredffen. 
$luf bem Totenbette raffte er fid) auf unb warf ben $t\U 
tünftfern ben getjbetyanbfdjuf) nod) einmal ins ©efidjt. @r 
roottte nidjt fterben, ofyne if)nen nod) $um (efctenmal grünb* 
Ud) feine ÜKeinung gefagt $u f>aben. 

$a$ perf online SWoment friert in äMtereS bramattfdjer 
$f)ätigfeit ftets eine grofce SRotte. $ber bei aller ©üb* 
jefttoität bleibt er ftets unbefangen genug, um nie ttrie ein 
Stjrifer im 3)rama feine eigenen (Smpfinbungen in ben 
SBorbergrunb 51t bröngen. ©0 ift benn audj fein ,@in* 
gebilbeter $ranfer* (le Malade imaginaire) eine 
burcfjauS bramatifdje ©d&öpfung, ein Suftfpiel wie bie 
anberen aucf). 

$lud) an feiner Äompofition&oeife f>ölt er fjier feft 
Xie gäbe! ift ebenfo bürftig tt)ie untoafyrfdjeinlidj. (Sin 
reicher 33ürger aus ?ßariö r $lrgan, ber im ©runbe gan$ 
geiunb ift, fidf) aber öon einer fdjtt>eren $ranff)eit betroffen 
roäfynt, ftef>t fo fefjr unter ber $errfd)aft ber ifjn befjanbeln* 
ben Är^te unb fjat eine fotdje $eref)rung für bie SKebijin, 
bafc er feine Softer &ng&ique burdjauä einem jungen 
$(rjte T^omaS $)iafoiru$ jur grau geben Witt. ftng&ique 
fjat aber einen geioiffen (£feante im Äopfe unb fträubt fid), 
»on tfjrer gofe Soinette unterftüfct, fräftig gegen ben 
£eirat$plan ifjreS SBaterä. ©0 benft 2lrgan bereit« baran, 
bem eigennützigen $ate feiner grau 33elie, ber Stiefmutter 




— 237 — 

2lng&ique3, $u folgen, metche ihn gerne allein Beerben 
möchte, unb feine Xodjter in$ Softer fchicfen. Kornette 
weiß e3 aber fo einzurichten, baß er einerfeitS bie toafjren 
SBemeggrünbe jetner grau, anberfette bie aufrichtige Siebe 
feiner $ocf)ter ju if)tn erfennt. Nunmehr ^ätte er gegen 
bie §eirat mit (Sleante nichts mehr ein$utt>enben, toenn er 
§lrjt märe. $5enn einen Wxfl miß er burdjauS im |>aufe 
unb in ber gamtlie fyabtn. $)a macht ihm plöfclich fein 
trüber öeralbe ben SBorfcfjlag, er möchte bod) felber $r$t 
toerben, um in fid) felbft aüe Sttittel ju feiner Teilung ju 
finben. (Sofort lögt er eine „ihm befreunbete" gafultät 
herbeifommen, bie $rgan in feiner eigenen 2Bof)nung un* 
t>ertt>eilt $um Doctor medicinae promoviert. 2)en ©chluß, 
ber noch abenteuerlicher ift, als ber beä 2}ürgerebelmanne$, 
fcheint Sttoltere eigentlich nur gebidjtet ju haben, um ba£ 
Vergnügen gu haben, bie fomifche Zeremonie einer ®oftor* 
Promotion, n>eld)e öon $an$ unb ®efang begleitet baS 
©tücf befonberä glän$enb $u fd)lteßen imftanbe mar, auf 
bie Sühne $u bringen. 9tach jebem $Kte gab e§ ein Snter* 
mtföo mit ©efang unb Xanj, bod) mar fonft ber gufammen* 
hang mit bem Snhalt ber Äomöbie gan$ lofe. $)a3 ©tücf 
mar alfo als SBalletfomöbie gebacht. äftoliöre fyattt ben 
auSbrüdlidjen Söunfd), ßubmtg XIV. nach f*to« WM* 
fefjr öom ®rteg burch biefe Äomöbie ju erfreuen. 3m 
^rolog lieg er burch Ritten unb Wirtinnen ben SRuhm beS 
großen Königs in bithtyrambifdjen SBorten öerfünben. Um 
fo fchmcrjUcher mirb eä für ben dichter gemefen fein, burch 
£uttt3 gemeine Sntriguen gelungen ju merben, bie $omöbie 
$uerft nur auf feinem $h ea * er h n geben. 

Äuch fytt hat 9Mtere auf bie Aufarbeitung ber Qifyaxat * 
tere fein befonbereS Augenmerf gerichtet. Ärgan ift oon ber 
©orge um feine ©efunbheit fo au§fd)ließlich in Stnfprud) ge* 
nommen, baß er ihr alles unterordnet. Seine $oct)ter foll 

* * i ♦ » * j 



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nur be$f>oIB einen 5trjt heiraten, bamit er einen mebt^imfch 
gebilbeten ©c^njiegerfo^ii im £aufe ^obe. Db eS if)r baS 
£er$ bricht, aus bem <3tornb üjrt Sugenbliebe aufgeben 
$u muffen, ift tf)m gleichgültig. (Sr benft nur an fidj 
unb feine Äranff)eit. $iefe $ranff)ett bcfchäftigt tlnt tum 
morgens bis abenbS unb oon abenbS bis morgens, ©or 
jebem ßuftjug fjat er entfefcliche Hngft. deiner borf üor 
if)m $u laut fpredjen, benn eS fönnte ihm $opftt>eh ber* 
urfachen. (Sr bilbet fich ein, felber fein lautes SBort 
ft>red)en ju fönnen, unb fdjreit babet fein 2)ienftmäbd)en 
im 3orne — xn ocn CT fyäufig 9 enu 9 9^röt — gan$ 
orbentlich an. (£r meint of>ne bie 6tü|e eines StocfeS 
nicht gehen $u fönnen unb fifct ben langen lieben Xag, 
im <Schlafrocf, bie ©chlafmüfce auf bem £opf, auf feinem 
mit Riffen befefcten Äranfenftuhl. SRur bon ftdt $u £eit 
jmhtgt if)n eines ber ^reichen Heilmittel feines Slr^teS, 
auf einige $lugenblicfe ju oerfdjnrinben. 2Ber ihn bemit* 
leibet, ift feiner (Sympathie fieser. <So betet er feine 
3frau an, bie if)n nrie ein Keines $inb üerfjätfdjelt; ba= 
gegen fdjimpft er fortmährenb auf baS 2)ienftmäbchen, baS 
ifjn auslast. SRiemanb barf fich fjerauSnefjmen ihn für 
gejunb auszugeben. SBor feinen Ärjten h ot er großen 
SHefpeft. (£r ift auf bie genaue Beobachtung ihrer SBor* 
fünften fo bebaut, bog er fid) SB. fragt, ob er beffer 
baran thäte, beim $luf* unb Abgehen, ttue eS ihm $err 
Sßurgon geraten f)at, fein ßimmer öon oben nach unten, 
ober oon rechts nach flute 5 U burchheujen. ©obalb er 
Sir^te erblicft, bittet er um eine ßonfultation , auch njenn 
fie um gan$ anberer 2)inge nullen fommen. 3ebe Äfeinig* 
feit erregt fein 3ntereffe, loenn fie fich auf feine $ranff)eit 
bezieht, ©o fragt er 3. 83. beforgt ben £errn 2)iafoiruS, 
miemel ©aljförner man in ein toeicheS (5i ftreuen folle. 
liefen fchfoachen, egoiftifchen SWenfchen an ber SRafc herum* 



— 239 

Zuführen ift für feine fiftige Jrau, bie es nur auf feine 
(Srbfdjaft abfielt, leicht ©ie fdjmeidjeft i^m nur, um if)n 
befto beffer in ©idjerfjeit zu wiegen unb i£)n allmä^licf) 
um fein ganzes Vermögen §u bringen. 2)ieS merft bie 
3ofe Xoinette fefjr wo!)t; aud> fie ift, wie SRartine, bem 
$aufe, in bem fie bient, treu ergeben, babei fc^tau unb 
fcerftänbig unb öon einer un&erfiegbaren ßuftigfeit, bie fie 
einen tollen ©treid) nad) bem onberen begeben lögt. SJer* 
fleibet fie fidj nidjt fogar als Slrzt, um #rgan anzuführen 
unb bie %c zte , bie fie f o häufig im &aufe fief)t , uadfeu* 
äffen? 

J)ie beiben ßiebenben finb nid)t farblofe ßiebhaber* 
typen. Äng&ique ift ein gutes, brat>eS 9ttäbd)en, baS feinem 
$ater trofc aller feiner ©djwädien treu ergeben ift. 3)abei 
fehtt es ifjr Weber an 2Bi$ nod} (Sntfchloffenheit; aud) ber* 
fcfjmäht fie eS feineSmegS jur ßift ju greifen, wenn es 
gilt, ihrem leibenfdjaftlidj geliebten ©l&mte ihre Xreue zu 
bezeugen. Unb auch er ift fofort bereit 3ntriguen ju er* 
finnen unb auszuführen, um bie ©elegenheit zu finben fie 
ZU feljen. ©o führt er fid) bei ihrem Stoter als SBer* 
treter ihres öerreiften ©efangtehrerS ein unb bringt eS 
fertig, in einer fingierten ©efangftunbe fie tior bem SSater 
unb feinem Nebenbuhler feiner Reiften Siebe zu öerfidjem. 
S)er Sßitbewerber ift übrigens feineSwegS gefährlich- SBie 
fott ber pebantifd)e, trocfene X^omaS 2)iafoiruS überhaupt 
ein 9Häbdjenf)erä gewinnen fönnen, wenn er feiner ?In* 
gebeteten nicht anberS ben §of zu machen weifc, als ba* 
burdj, baß er ifjr feine X^efe über ben Sölutumlauf überreicht 
unb fie einlöbt, ber ©eftion einer grau beizuwohnen? (£r 
ift $frzt t>om ©cheijtel bis zur ©o^Ie, unb wie bie SMtere* 
fdjen Ärzte finb — bie übrigens ber 2Birflid)feit ent* 
forachen — , wiffen wir bereits aus ben anberen Äomöbiett 
£>ier erreicht bie ©atire berfelben aber ben ^öd^ftcn $unft 



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240 



U)ie fetten $)iafoiru$, ätoter unb <Sof)n, unb £err ^ßurgon 
finb bie l)er&orragenbften Vertreter jener veralteten SBiffen* 
fcfyaft. $)er alte $)iafoiru3 rüfymt eS an feinem <5of)ne, 
baß er fiel) blinblingS ben $lnfid)ten ber Otiten anfdjließe, 
baß er niemals öon einer einmal gefaßten Meinung $u* 
rücftrete, baß er nie bie neu aufgefommenen (Sntbecfungen 
unb (Srfinbungen l)abe &erftet)en ober überhaupt fennen 
lernen wollen. 3n ber $)iagnoftif machen fie ftd) bie 
Sadje ^iemltc^ (eidjt, wenn fie mit ber Sfaftdjt ifjres 
Kollegen $urgon ntdjt übereinftimmen. (Sin paar gelehrte 
$uäbrücfe ober eine feilte Q3emerfung Reifen über ben 
Sßiberfprud) fofort fjinweg. SSiel wichtiger ift e§, baß bie 
Äranfen bie oerabreid)ten Heilmittel in ungeraber $al)l 
einnehmen unb ben $lnorbnungen ber $r$te auf§ ^aar 
folgen. Sfjun fie baS nidjt, fo fte^en fie nidjt an, iljnen 
ben $ob ju wünfdjen. 

93i8 in bie (Seremonie ber $)oftorpromotion hinein 
»erfolgt 3Mtere bie $rjte. 3n äöirfltdfjfeit ging bie (Sere* 
monie äf)nlicf) oor fiel), wie fie 2Mtere bargeftellt f)at. 
3)ie ganje fjafultät führte in corpore unter äftufifbegleitung 
ben Kanbibaten in ben ©aal. 9todj einigen lateinifdjen 
tReben nafym ber Gräfes ba$ Söort, um auf bie 9?ed)te 
unb ^ßflicfjten ber vtrjte ^injuweifen. $>ann würbe ifym 
bie $)oftormüfce aufgefegt, ein Ofling an ben Swger 9 e * 
fteeft unb ein golbener ©ürtel gegeben. (Snblicf) braute 
man tf)m ba3 ©udj be3 §ippofrate3, er legte bie §anb 
barauf unb leiftete ben @ib. 9Kolt6re fjat aber bie ganje 
Zeremonie in3 Säcfjerttdje gebogen, inbem er bie vtr^te 
gegen ifjre @ewofjnl)eit ein finnfofeS Küchenlatein fpredjen 
unb (Sfaminatoren unb Äanbibaten in Übertreibungen jeg* 
lieber 2lrt fdjwelgen läßt. S)er blinbe ®ef)orfam, baä 
|>auptoerbienft be3 Slr^teS, wirb bem jungen 93acalaureu3 
eingeprägt. @r muß fdjwören, baß er ftetö fein wolle „in 



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omnibus consultationibus ancieni aviso aut bono aut 
mauvaiso, de non jamais se servire de remediis au- 
cunis quam de ceux seulement doctae facultatis, 
maladus düt-il crevare et mori de suo malo." 
Sjamen ift nidjt befonberä fdjwer. Qebe ^ranff)cit wirb 
auf biefelbe SSeife furiert. $ür SSafferfudjt, Sungenent* 
§ünbung, Slftfjma, gieber unb $(tmung£befcf)merben weife 
ber $anbibat nur ba$ eine Sttittef: „Clysterium donare, 
postea seignare, ensuita purgare," unb wenn ba$ ntrfjtS 
nüfct „reseignare, repurgare et reclysterisare." Dotter 
©ntaücfen ruft ba3 ganje Kollegium bann auS: ,.Bene bene 
bene respondere; dignus, dignus est intrare in nostro 
docto corpore." 

dotiere f)at aber nidjt btofe in biefer poffenf)aften 
Zeremonie unb in ben ©eftatten ber brei Srjte bie SWebi^in 
angegriffen. Sine $u3einanberje$uug über bie §eitfunft 
(ag ifjm fo fefyr am §er$en, bafe er bie gan^e britte (Scene 
be3 Dritten 2lfte3 einer prinzipiellen Erörterung über bie 
9flebisin wibmete. Organs 93ruber Seralbe, welker t)ier 
ber Vertreter be3 gefunben 9ttenfdjent)erftanbeä ift, madjt 
feinem ©ruber Vorwürfe, bafe er fo blinblingS einer ftunft 
(Glauben fdjenfe, bie bod) §ur ©eilung ber 9flenfd)en gar 
nid)t£ bermöge. 9hir bie 9?atur fönne f)etfen, wenn man 
franf fei. (Sine Utopie fei eS, ftd) öorauftelten , bajs man 
fie burd) bie ungebulbige 5tnwenbung üon Heilmitteln 
aller $trt forrigieren fönne. Unb er rät if)m bie Äomöbien 
■UcoliereS ftcf) anjufefjen, in weldjen bie gan^e Xr;orr)eit 
ber SWebijin in fraffen Silbern üorgefüljrt werbe. $lber 
$rgan antwortet mit ben bebeutfamen SBorten, bie um fo 
größere SBeadjtung üerbienen, als SMiere felbft tobfranf 
war, als er fcfjrieb: „Sßenn icf) Är^t wäre, würbe id) mid) 
an ber Unöerfrf)ämtf)eit biefeä 2ttanneS fdjon rächen; unb 
wenn er franf wäre, würbe idj if)n of)ne $mlfe bafjin* 



fterben (offen. (Sr fonnte nod) fooiel bitten, icf) mürbe 
if)tn nidjt ben geringften Slberlafc, nicfjt baä geringfte 
ßlrjftier r>erfcr)reiben ; icf) mürbe ü)tn fagen: krepiere, 
frepiere ! ba3 tuirb biet) lehren, ein anbermal bie gafuftät 
ju öerfpotten!" Söeralbe antwortet ifjm, äftoltere merbc 
fid) mofjl fniten, bie Ärjte um fRat fragen; er fei ber 
«nfid&t, bafe fid) bieg nur bie ©tärfftcn unb SRüftigften 
leiften fonnten; bie, meldje genug ^raft in fid) Ratten, bie 
Heilmittel mit ber $ranfl)eit über fid) ergeben gu Iaffen; 
er bagegen fjabe nur foöiel Äraft, fein Übel gu tragen. 

(SJerabegu tragifcrjen (Sinbrud machen biefe Söorte, 
menn man bebenft, bafc SHolterc, al£ er biefe ©cene fpielte, 
unmittelbar t»or feinem £obe ftanb. 25ie erfte Sluffüfjrung 
be3 ,(5ingebilbeten ßranfen' fanb am greitag, ben 10. ge= 
bruar 1673 ^iatt 9lm barauffolgenben ©onntag unb 
$>ien3tag mürbe ba3 <&iüd mieberljolt. 2tl£ am greitag 
ben 17. ba£ ©tüd nocf) einmal gegeben merben follte, mar 
ber 3 u f* ai1 ^ oeg $)id)ter§ fo beforgniSerregenb, bafc feine 
grau unb S3aron ifjn bringenb baten, an bem Sage boct) 
nicfjt ju fpielen. $lber -Dtfoliere antmortete, mie bie Üfeer- 
lieferung $u ergäben meifc: „Sßie moflt 3f)r benn, ba& icf) 
eS tfme? günfjig arme Sfjeaterarbeiter Ijaben nur ifyren 
Sagelofjn gum £eben. 2£a3 merben fie tfjun, menn man 
nicfjt fpielt? 3cf) mürbe mir Sßernacrjläffigung meiner 
^ßflicfjt öormerfen, menn icf) fie um einen £agelof)n brächte, 
fo lange e3 für micf) nod) eine 2ftöglicf)feit gäbe, $u fpielen." 

Unb er fpielte; er, ber Sobfranfe, fpielte bie SRolIe 
be3 eingebilbeten ßranfen bis $u Snbe. 9D?it melcfjer Sin* 
ftrengung unb in mclcfjer Stimmung, fann man ficfj benfen. 
3n ber legten 6cene, al3 ber luftigfte, auSgelaffenfte 
SKummenfdjanj auf ber SBüfme tollte, mürbe er im $ugen= 
blicf, mo er ben (Sibfrfimur leiften follte unb ba$ SBort 
juro fpracf), öon einer ßontmlfion ergriffen; aber ba er 



— 243 — 

faf), baß bag Sßublifum eS merfte, öerbarg er fyinter er- 
Stoungenem £a<fjen feinen ©etymers. ®tüct 9^9 8 U 
(£nbe. SotenbleidE) unb am ganzen £eibe jitternb mußte 
er naef) £aufe getragen »erben. (Er natym eine SHeinig* 
feit fid) unb legte fidj 33ett. 9ll3baft fing ber 
Ruften ttrieber an unb fo ftarf, baß er and) 85(ut brad). 
93aron, ber Ujm beiftanb, erfetyraf unb eilte au$ bem 
3immer, um 3Miöre£ grau fjerbeijurufen. $mi barm* 
tyer^ige ©djtoeftern, benen er in feinem §aufe ©aftfreunb* 
fdjaft getoäfjrt fjatte, blieben allein bei itym. SDer Ruften 
ließ nidjt naefy, unb baS 93tut floß itym in foldjer Stenge 
aus bem äftunbe, baß eS tr)n erfüllte. 9tfS Söaron unb 
^rmanbe eintraten, war er bereits eine fieidje. 

(SS mar um yfyn Uf)r abenbS. Söelcf) bittere Stonie 
beS <3cf)icffalS liegt nidjt im Xobe beS großen ÄomiferS! 
ÜJfttten unter ben greuben beS SarneoalS, ben eingebübeten 
ßranfen ftrielenb, nod) in einigen legten Borten ber otyn* 
mädjtigen Äunft ber Ärjte fpottenb, ein errungenes Sögeln 
auf ben fiepen, fämpfte er mit bem Xobe. SSelcfje Sragtf, 
baS fiäuten ber SobeSglocfe mitten unter bem ©djellen* 
geflingel beS ßarneöalS! $>odf) ni<f)t bloß Strauer em* 
pfinben ttrir, toenn nur äMtere unter feiner poffentyaften 
Reibung mit bem $obe ringen fetyen. 2öir jagten eS 
eben: fein Stob ift tragifety. Unb in ber Xragöbie gefeilt 
fiety immer %u ber Söetymut, bie tt>ir beim $ob eines ge* 
liebten gelben empfinben, bie Söenmnberung über fein 
tyelbenfjafteS SBerfyalten. SDie S3üf)ne ift baS ©djlacf)tfelb 
beS bramatifetyen £icf)terS. Sterben, inbem man bie an* 
beren gum Sachen bringt, um feine $flid)t bis julefct ju 
erfüllen, baS ift ein Xob, ber tiefe (Styrfurcfyt, bie auf* 
ritfjtigfte Setounberung erf)etfcf)t. Ss ift ber $ob eines 
gelben, ©o oerneigen nrir uns benn oor bem großen 
$id)ter, t)or bem großen 9tfanne, ber ftarb, tüie er gelebt, 



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244 

treu feiner $ftt<f}t, immer ehrenhaft, ftanbt)aft bi$ 511m 
legten $ltem$uge. 

Mrmanbe ben Job ifjreä Cannes hatte fjeran- 
naf)en fef)en, r)atte fie ttacf) einem ^ßriefter gefcfjicft. Ob 
2Miere felbft ben Söunfcf) nacf) d)riftlicf)em SBeiftanbc 
ausgebrochen, öermögen mir nid)t $u entleiben. $er 
SDidr)ter gehörte $ur ©emeinbe St, Eustache. $)ie Sßrieftcr 
biefer $ircr)e weigerten fid) aber ju fommen, unb bia ein 
gefügiger Pfarrer gefunben war, hatte 3Miere auegelitten. 
Sflun fragte es ficf), ob ber dichter ein ftrdr)(idr)eö 23egräb= 
nis ermatten burfte. ©chaufpieter, ber nufjt 23u&e ge^ 
tf)an, galt er in ben Slugen ber $ird)e als eyfommuniäiert 
unb burfte fachliche Seftattung nicf^t beanfprudjen. $er 
(Srgbifcfjof öon ^aris, ber tf)m ofjnefjin — wie ber ganje 
Älerus — nid)t freunblid) gefinnt mar, wollte feine $lu*= 
nähme geftatten. 2)a eilte Slrmanbe nacf) @t. ®ermain 
unb warf fid) bem ®önig $u 5 u 6 en - ßubwig XIV. war 
burcr) ben Job beä großen Äomifer« wof)l aufrichtig be= 
trübt ; anberfeits wollte er aber einen Qmtft mit ber Äircfye 
t>erf)üten. (So befaßt er bem Prälaten einen <Sfanbat 51t 
öermeiben. 3)er (Sr^btfchof ließ ficf) gu einem Ausgleich 
herbei. (Sr erlaubte jwar amtlich bie fircfjlicfye Söeftattung 
im griebf)ofe St. Eustache, bod) unter ber Jöebingung, 
baß bas Begräbnis nad)t3 ftattfänbe, ohne irgenb welken 
$omp unb nur unter ber Begleitung öon $wei Sßrieftern. 

25a biefe IBer^anbtungen einige $e\t in $lnfprucf) ge^ 
nommen, würbe üttoliere erft am werten Jage nad) bem 
Jobe, am 3)ien3tag, ben 21. Februar beigefefct. Um 9 Ufjr 
abenb$ fanb ba3 Begräbnis ftatt. 9ttoliere§ 3 u 9 e ^rigfeit 
jur 3unft ber Japejierer war e$ tjielleidjt ju öerbanfen, 
ba§ trofc be3 auSbrücfüchen SöefehlS be$ (SrsbifchofS bie 
©eerbigung bod) feierlicher Dor fid^ ging. Sßicr ©eiftlidje 
trugen ben Sarg, ber mit ben $lb$eid)en ber 3 un f^ 9 es 



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— 245 — 

fcfjmücft mar, jum $Hrd)f)ofe, fed)3 (Sfyorfnaben trugen 
Äer^en, unb mehrere £afaien folgten mit 2Bad)3(eucf)tern. 
greilid) fdieint man nacfjfyer ben Äörper, ber juerft in ber 
OJfttte be3 $ircf)f)of£ am gufje beä fireufttö begraben mar, 
f)eimlic§ fortgefcfyafft unb längs ber äftauer, an ber ©tefle, 
mo bie totgeborenen lagen, alfo in nid)t gemeinter (Srbe 
beigefefct 31t fjaben. $ie &ird£)e f)atte ben ,Tartuffe< nidjt 
oergeffen unb rädjte fid) am toten $)icf)ter. 

3m 3of)te 1792, jur 3^ ber großen SReöolution, 
grub man bie 2eid)e 9Miere£ aus. £ie ©ebeine, bie 
man fanb — unb bie melletdjt gar nidjt bie feinigen finb 
— mürben mit ben fterblid)en heften £afontaine3 im 
P£re Lachaise beftattet, mo ein 2KaufoIeum baä $fabenfen 
ber beiben $id)ter mad) erhält. 

©in biel lebenbigereä $)enfmal fjatte ftdj aber EMtere 
im £erjen ber SKenfdjen errichtet, ©eine beiben Jreunbe 
Safontaine unb Soiteau mürben in ben SSerfen, bie fic 
feinem Anbeuten mibmeten, feiner Söebeutung öoüftänbig 
gerecfjt. 9Ü3 Sßlautuä unb £eren§ in einer ^ßerfon be~ 
fang if)n ber gabelbidjter in einem ®rabgebid)te. SBoileau 
machte in einer an Racine gerichteten (Spiftel auf ben 
leibenfdjaftlidjen SBiberftanb aufmerffam, bem feine fto* 
möbie einftenS bei ben $eitgenoffen begegnet war, ein 
SBiberftanb, ber mof)l am beften geeignet ift, fein Streben 
in fjefleS Sidjt $u fefcen. Sßad) feinem $obe freiließ, fo 
fd)tof$ er mefjmütig, Jjabe man balb eingefefjen, ma3 man 
an if)m öerloren. $)ie Äomöbie liege jerfc^mettert am 
©oben unb bürfe faum f)offen, lieber ju (St)ren ju ge* 
langen. 

&uf$erorbentlid) jafjlreid) finb bie ©ebidjte, bie auf 
SMtereS Xob gefdjrieben mürben, ebenfo aufterorbentlid) 
öerfd)ieben. ©eine greunbe, ju benen übrigens aud) $mei 
(Skiftftdfje ju gehören fdjeinen, ber fpätere 83ifdf>of t>on 



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— 246 — 

9lorand)eS $uet unb ber ^ßater iöouljourS, erlernten fefjr 
wof)l an, ba& er in feiner $omöbie ntd^t bloß fjabe unter» 
galten, fonbern audj bie (Bitten unb geiler feiner geit* 
genoffen fjabe fatirifieren motten, ©elbft ein jur alten 
&id|tung gef)örenber Sitterat, (Sfyapelain, be$eid)net ifjn als 
ben ^fautuS unb $eren$ beS 3aljrf)unbertS. Seibenfdjaft* 
lid) perfolgen ifm bis in ben Xob fjinein bie $eloten unb 
$r$te. ©ein $ob auf ber 93üf)ne, als eingebilbeter $ranfer 
mitten unter bem ©elädjter beS ^ßublifumS, giebt ifynen 
willfommenen Slnlafj ju ebenfo gemeinen als wifclofen 
$erf)öf)nungen. Unb audj bie Bitterlinge oerfejjen bem 
toten Sötten ben (SfelStritt. 3n einer ,$ie burleSfe £ölle< 
betitelten ®omöbie jeid^nen fie ifjn als ^offenreifeer im 
©efdjmad ber Höflinge, als böswilligen ©atirifer, als 
geinb (SJotteS, beS ©efefceS unb ber $r$te. 

$>ajj bie ©täube, meiere er in feinen ÄomÖbien un- 
erbittlich verfolgt fjatte, iljm audj im $obe nod) grollten, 
fann man oerftefjen. £)ajj aber aud) foldje, bie ifjrn im 
Seben nafye geftanben, faum nadjbem er bie klugen ge= 
fcfyfoffen, feinem Slnbenfen unbanf6ar würben, ift bitter, 
©ein Sßflegefofm 93aron »erlief bereits §u Dftern 1673 
mit bem ©cfyaufpieler Sa $l)oritlere , ber Seauoal unb 
if)rem Wann baS X^eater beS Palais Royal, um $ur 
ritmlifierenben Xruppe beS Hotel de Bourgogne überju* 
treten, ©inen foldjen ©djritt f)ätte Poliere gewiß als bie 
ftfjmäfjlidjfte gafjnenfludjt angefefjn. ©erabe um bie 3 e ^t 
wo ber (Sfyef t>erfd)Wanb, f)ätte bie Gruppe um fo ein= 
mütiger gufammenfjalten muffen. (SS war bieS um fo not* 
wenbiger, als fd)were fttittn für SMiereS Xruppe an« 
brauen. $)er ßönig f)atte feinem ©ünftling Sutti ben 
©aal beS Palais Royal gegeben unb fo bie Gruppe ge* 
jwungen, fid) ein neues £eim $u fudjen. (SS fdjeint, ba& 
er überhaupt ben $fan gehabt f)abe, SMiereS Xruppe 



247 — 

mit ber beS Hötel de Bourgogne ju ber}d) melden. Vor- 
läufig ging aber Ärmanbe ntdr)t auf ben SBorjchlag ein. 
©ie behauptete fidj in ihrem X^eater ber Eue Guenägaud 
— bort hatte fte ihren SBor)nftfe aufgefangen. S)anf ben 
©tücfen itjrcS SttanneS unb bem Xaiente beS aus bem 
3J2:aratötr)catcr $u if)r übergetretenen ^d^aufpteterö Sftoftmont 
machte fie fogar fehr gute ®cfdt)äfte. 3m Safjre 1679 nmjjte 
fte bie berühmte Sragöbin (Sc)ampme§(6 aus bem Hötel de 
Bourgogne ju ftdj ^erüber^u^te^en unb fyattt nun auch 
bie 9Wög(id)feit, mit ©rfotg bie Sragöbien SftacineS bei fief) 
aufzuführen. 

ÄrmanbeS öermögenSüerhättniffe waren nach bem 
Xobe ihres Cannes burdfjauS jufriebenftettenb. ©ie r)atte 
oon ihm ein fehr anfehnftcheS Vermögen geerbt; bei ber 
Aufführung üon ©tücfen ihres ©emahlS be$og fie nach *°te 
oor ben &utoren*$lntetf; nicf)tSbeftott)entger fdt)ciitt fte baS 
Slnbenfen ihres SRanneS wenig pietätoott bewahrt $u haben, 
©o trug fie fein Vebenfen, 9MtereS ,$on 3uan' burd) 
Xfyomtä Sorneiüe in Söerfe umfe|en gu laffen; baß eS ihr 
eine fnUfche Summe einbrachte, wirb ihr n»or)C bie $aupt* 
fache getoefen fein. 3h ren SRatm h at * e ft e überhaupt balb 
fo fef)r fcergeffen, bafj fie bereits tner 3&h rc nac § & em ^°^ e 
beS J)ichterS, am 31. 9ttat 1677 eine neue @he ^^ging; 
man fyat fie burch ben §imoeiS barauf $u entfdjulbigen 
gejucf)t, bag fte wegen einiger ffanbalöfer $ßro$effe, in bie 
fte öerwiefett worben war, eines männlichen ©chu&eS burd}* 
aus beburft hätte. Söo^t nicht mit fRed^t. Armanbe war 
fetbftänbig genug, um nötigenfalls ftdj feJbft $u fdjüfcen. 
©ie wirb aber ihren 9Äann überhaupt niemals wirftid) ge* 
liebt h^ben. <Sr mar für fte ju groß. Sie war $u egoiftifd) 
unb su faft, %vl gefattjüchtig unb ju gewöhnlich, um an 
ber ©eite eines aufjerorbentlichen Cannes glücflicf) ju fein. 
2lls ©emahün beS ©chaufpielerS ©umritt b'(5ftrich6, ber 



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Dom 9J?arai§=2f)eater ins Hotel Guenegaud übergetreten 
fear, genofj fie ba* ©fücf, beffen fie roürbig mar. 

£b fie ben Unbanf nocr) baburcr) oerfcrjärfte, bafj fie 
iJjre Xodjter aus erfter @^e fehlest befjanbelte unb itjreS 
$Bermögen§ beraubte, roagen mir nicr)t entfcrjeiben. 
Sebenfaflä lebte biefe, atS fie majorenn rourbe, im Softer 
unb heiratete erft fünf 8öh re nach bem £obe ihrer SKutter 
einen SBitroer, ©taube be 3tfonta(ant. 3^re @f)e blieb 
finbertoS. 2Hit ihr ftarb STOoltere* ©efchfecfjt fünfzig Satire 
nacr) feinem $obe aus. — $(rmanbe fetbft öerfd)ieb ben 
30. 92ooember 1700, nacr)bem fie fid) fedjS Qa^re oorf)er 
oom Ztyatex jurücfgejogen ^atte. bereits oorher ^attc 
aber Subroig XIV. feinen ^tan, bie beiben grofjen %tyakx 
oon ^ßariä, baä Hotel de Bourgogne unb ba£ Hötel 
Guenegaud, baä frühere Palais Koyal, gu oereinigen, Oer* 
nrirflid)t. 5(m 18. Stuguft 1680 fjatten ftd) beibe Struppen 
$u einer einigen tjerfdjmotjen, $ur ComMie francaise. 

2)iefe3 $heater, loelcheS nocr) heutzutage ben föuhm 
ber franjöfifcfjen S3üt)ne aufregt erhält, fief>t gerne auf 
Poliere als feinen urfprüngticr)en (Schöpfer jurücf. ,La 
maison de Moliere' nennt e$ fict) mit ©tot^. 3ft e3 aber 
berechtigt, biefen tarnen $u führen? fiebt SKoliereS $ra* 
bition nod) auf feiner 23üf)ne? $at SWoliere fitf> bie 
Satjr^unberte r)inburcr) atö „führenber ©eift" ber franko* 
fifc^en Äomöbie erroiefen? 

6ef)en mir bie Eigenart unfereS Richters etwa« ge* 
nauer an. äMiereS ©ebeulung ift boppelter Slrt. (Sr 
ift forooht ein Sßoffenbicfjter erften langes a(3 auch ber 
eigentliche Schöpfer beS fattrifdjen (Bitten* unb Qtyixatttx* 
SuftfpielS. 3n äfthetifcr)er £inficht ift er ebenfo bebeutenb 
atö i)idt)ter be* ,$Irate3 miber SBiflen' wie als Serfaffer 
be£ ^ijanthropen* ober ber ,©elef)rten grauen*. Äeiner 
oor i^m hotte bie $ecr)nif ber ?offe, roelcr)e auf bie £acr> 



— 249 — 

muSfeln ber ßufchauer untoiberftehlicfje äBirfung augübt, 
ebenfo genial gefjanbfjabt als er. Seiner fyaüz aber auch 
ber Sftenfchen gehler unb Schwächen fo fdjarf ju beobachten 
unb fo treu toieberjugeben vermocht als er — auch 
ßorneilfe nicht. — Seiner hatte noch öor ihm gesagt, auf 
ber „fomifdjen 33ühne" zeitgemäße gragen in großem ©tile 
ju befjanbefa, befte^enbe Einrichtungen anzugreifen, ©itten 
unb guftänbe litterarifcfjer, religiöfer ober allgemein fultu* 
reller $rt $1 öerfpotten. Sor ihm war bie ®attung ber 
Äomöbie in ber %f)at untergeorbnet; er erhob fie ju einer 
poetifchen ©atiung, bie ben nachhöltigften (Einfluß auf ba£ 
fieben feinet $Bolfe$ ausüben fonnte. Äuf feine eigenartige 
Äompofitionäwetfe k brauchen wir nicht mehr näher ein^u* 
ge^en. ©ie fte^t unter bem (Sinfluffe be3 *ßrinaip3, ba8 
ihn fein ganzes fieben lang geleitet $u §obm Weint. 
Überall unb ftetö ift e£ fein Seftreben, bie SRatur $u be* 
obachten unb ber Statur ^u folgen. Unb ebenfo wie er 
alles befämpft, wa$ ber Statur wiberftrebt, fei e3, baß e3 
fid) in gezierter SRebeWeife, gefugter SIeibung, fcheinheiligem 
SBefen funbgiebt, fei e$, baß e$ im. 3wange beftefjt, ben 
man ber Neigung beS ^er^enS ober bem Xriebe be$ 3n* 
ftinftö auferlegt, ebenfo »erachtet er im 83au feiner ©tücfe 
bie fünftliche, ber Realität be3 2eben3 wiberfprechenbe 3n* 
trigue, unb läßt bie 9Wenfchen fommen unb gehen unb bie 
$>inge aufeinanberfolgen wie im wirtlichen Seben. 2öie 
ber tlaffifche dichter ftetö, unb namentlich in granfreich 
jur $eit Subwig XIV., weiß er baä Unwichtige, (Spifoben* 
hafte hinter ba$ äBichtige, 33ebeutenbe jurüeftreten $u laffen. 
J5ie £arftellung be$ ©harafterg, bie treue SBiebergabe ber 
einzelnen fultureüen güge, unb bie ©atire berfelben, ba3 
ift ba3 eingige, wa£ ihm ber Beachtung wert bünft; 
gabel, Qntrigue unb Söfung finb ihm Siebenfache. 

Seiner ber fpäteren Somöbienbichter h at öer * 



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fcfn'ebenen fdjriftftetterifcf>en (Sigenfdjaften 9ftofiere3 nueber* 
um in ftcf) Dereinigt. $)arum ift er bte ^eut^utage in ber 
@efd)icf)te ber Äomöbie noch unerreicht, ©eine ÜRadjfoIger 
in ber franjöfifc^en ßitteratur ^aben immer nur bie eine 
ober anbere ©eite feinet SßefenS in fid) aufzunehmen unb 
ju öerroerten öermocht; t)ier unb bo fjaben fie if)n jroar 
nach ber einen 9fticf)tung übertroffen, fo namentlich in bem 
äußeren ©au ber ©tücfe; umfomefjr (äffen fie aber bann 
nach ber anberen Dichtung nad). 

2)aS ift jum SBeifpiel ber gatt bei feinem unmittef* 
baren Nachfolger Sftegnarb. (Seine ©tücfe roeifen fprubelnbe 
Suftigfeit unb ^eiterften £umor auf unb finb oft beffer ge* 
baut afä bie SMterefdjen, roie auch manche feiner S^araftere 
toorjüglicf) getroffen finb. $>odf) fef)ft e3 bem dichter burd)* 
aus an pf|ttofopr)tf(^er Siefe ber 5luffaffung; auch r)at er 
nie wie SOZoIi^re baran gebacfjt, bie ©cfjäben feiner $tit 
an ben Oranger ju ftellen unb burch bie ©cljärfe feiner 
©atire flu geißeln, ©o haben benn feine ©tücfe feine Qtit* 
genoffen nie in Aufregung üerfefct. SDaSfelbe laßt ftd} auch 
t>on 2)ancourt unb $ufre3nty fagen. 

SDer erfte, ber nach 2Mtere roieberum burch bie 
©atire ber ftomöbie ein ßafter ber geit ernft unb energifch 
verfolgen fottte, ift am Anfang beS XVIII. 3af)rf)unbert3 
fiefage in feinem ,$urcaref; unerbittlich get)t er mit bem 
unerfättlufjen $)urft ber $dt nach (Mb $u ©eric^t unb 
branbmarft bie ginan$Ieute aufs f<f)ärffte. 3Bie er im 
fatirifdjen ©ittenbtlbe bem großen 2)icf)ter nacheifert, fo 
2)eftouche8 im ßhctrafterbifo. ® r ift offenbar beftrebt, bie 
^orträtgaferie SRoIiereS ju öerüottftänbigen. $em 9Äifan* 
thropen unb (Seijigen mitt er ben Unentfchloffeneu , ben 
fiäfterer, ben gubringüchen, ben ©treber, ben ^raljter, an 
bie ©eite fteffen; aber fo fein unb nnfcig btefe ^h ara ^ erc 
auch ctnattjfiert werben, fie bleiben boch mehr fattc Hb 



— 251 — 

ftrofttonen bcnn leben&jolle Httenfchen. Sluch Sßiron in 
fetner SRetromanie 1738 unb ©reffet in feinem SBoäfyaften 
1747 »iffen es 3Roltere bod) eigentlich nur nach ber einen 
ober anberen ©eite nachzumachen. 3Äartoau£ fdjlägt gan$ 
anbere Sahnen ein als unfer dichter. 8n feinen garten 
unb eleganten ©alonftücfen lebt, wenn aud) feiner unb 
gefd&macfüoHer, fogar eine #rt *ßre$iofität lieber auf. 95ei 
aller Serfdnebenffeit ftef)t bie bürgerliche Äomöbie ber Sttitte 
beS 3^r^unbert§ , welche auch ttneberum wie ÜDloliere in 
feiner €>chule ber (Seemänner uub ber Jrauen $h e f cn 
bishitiert, unferm $)icf)ter näher, freilich f c ^ cn e ^ Stilette 
be la ©hauffee unb 2)iberot in ihren ©ittenbilbern unb 
(Sharafterftücfen auf föüfjrung ab, aber nidjtSbeftoroeniger 
gef)t baS morattfdje ©runbprinjip , burd) welches fte fiel) 
leiten (äffen, in getoiffer $tnfid)t bodj aud) auf baS 
DJioti^refd^e (Streben nach Statur, wie eS fid) etwa im 
,9Jlifantfjropen* funbgiebt, jurücf. Än überfprubelnber 
Suftigfeit unb feinfter Beobachtung, an <5d)ärfe ber 
(H)arafteriftif unb Tragweite ber ©atire !ommen nur 
Beaumarchais' ,Barbier von ©etriüV unb ,§odj$eit beS 
gigaro' ben grofjen ©tütfen unfereS Richters gleich- %xd* 
lid) burdjmefjt Beaumarchais' SSerf nod) ein ungleich 
fcfjärfercr 28inb, als SftoltereS fampfeSfrohefte Schöpfungen. 
S)er ä&enbe, $erftörungSluftige SBifc beS XVIII. 3af)r* 
fjunberts fyat ben bei SMtere faft immer ju ©runbe 
liegenben fpielenben £umor öerbrängt. 

$Lm Anfang beS neunzehnten 3af)rhunbertS nimmt 
SOMtereS Äomöbie feinen h cröorr agenben P a Ö ein - 
©cribe fiefjt eS in feinen oberflächlichen, profaifcfjen ßuft* 
fptelen nur auf bie Sntrigue ab, unb 2Tlfrcb be 3Äuf]'et 
ift in feinen ©tücfen — vielleicht mit ber einigen SluS* 
nähme beS (£f)ßnbelier, ber etroaS an ©eorge $>anbin er* 
innert, — entweber romantifch ober pre$iöS. Um fo 



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— 252 — 

lebenäöotter erftefyt SMiereä ©ctft in ber 2ttitte beä 
3af)rfjunbert3 in (Smile SlugierS Suftfpielen roieber auf. 
2öenn aucf) ofme bie geniale SBertoe unfereS ®omifer3, be* 
fjanbeft biefer $)ramatifer bocf) äfmlicf|e Probleme auf äf)n* 
licf)e SBeife. £)er 93au feiner ©tücfe ift fogar entfd)ieben 
öiel beffer. §errn ^Birnbaums <5d)roiegerfofm (le Gendre 
de M r Poirier) ift ein £uftfpiel, ba3 fyinfidjtficf) ber (Satire 
unb (Sfjarafteriftif ben SBergteidj mit bem S9ürger*(£be(= 
manne burcr)au$ nidjt ju freuen braucht. Unb HugierS 
gan^e, auf 2Baf)rf)eit unb 92atürlid)fett fjinfteuernbe ßhrunb* 
ricf>tung fyat mit berjenigen äMiereS m'ele $8erüf)rung&= 
punfte. Überhaupt ^at bie bramatifcfje fiitteratur ber 
feiten £älfte beä XIX. 3öf)rfmnbert3 , metteidf)t of)ne e£ 
$u afmen, ficf) in 9Miere§ ©efolgfcfjaft begeben. $)ie 
<5ud)t, bie Probleme be3 gamilienlebenä , ber ©efeüfcfyaft, 
ber Religion auf ber 93üf>ne ju btefutieren, gefjt in te^ter 
Qnftanj bod) auf unferen 5)icf>ter ^urücf. greiütf) werben 
biefe fragen ^utjutage meiftenä im ©mfte erörtert, 
roäfjrenb er fie ftetö in ba3 5Heib ber Äomöbte gebüßt 
f)at. Qm ©runbe genommen ift aber er ber @d)öpfer be3 
„$f)efenftücte\ Unb manche ber mobernen fran$öfifd)en 
iramatifer fjaben aurf) in iljren ©ttenbilbern bie gorm 
ber $omöbie bewahrt, ^ßaifleronS „äöett, in ber man fid) 
langroeilt" (le Monde oü Ton s'ennuie) ift ein moberneS 
(Beitenftücf gu ben ,©elet)rten grauen', ^fad) ?°H e 
tjat in unferer %eit mieber einen großen Sluffdjroung ge* 
nommen. 3n ber gfüfjrung ber ^anblung ift fie fogar ber 
s 3Mierefdjen entfdneben toeit überlegen. $5ie (5f)arafteriftif 
unb ©atire mit ber Sßoffe ju toerbinben, f)aben übrigen* 
einige 2Miere abgelaugt, ©o ift Sabine« ,ÜR r ^erridjon 4 
eine ©eftalt, in ber ed)te3 2Mierefrf|e3 Sieben pulfiert. 
üttoliere ift in granfreidj bis fyeutyutage mobern ge* 
blieben. 



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$luf bie $omöbie ber onberen europäifcfjen SBölfer ift 
fein (Sinflnfj ebenfalls majjgebenb geroefen. (SJolbonte 
Reform be3 italienifchen i^eoterg, fein SSerfuc^ , bte 
(gtegreiffomöbie burd) ba3 (Sljarafterluftfyiet zu erfefcen, ift 
in bemühter Anlehnung an dotiere erfolgt. (Sr ^at ben 
großen granjojen ftetS als feinen üfteifter oeret)rt nnb mar 
fein ßeben lang beftrebt if)m nachzueifern. 

92od) enger als ©olboni h<*t ftd) ber bänifcfye dichter 
Dolberg an Poliere gehalten. (5r t)at Meie feiner Xtjpen 
nnb Stjaraftere entlehnt ; feine fittlidje Xenbenj fyat er über* 
nommen; er baut feine <Stücfe nadj feinem dufter unb 
fud)t biefelben fomifchen Sßirfungen ^u erzielen; freiließ 
tft aöeS bei ihm rof)er unb tritrialer, atteS aber aud) ec^t 
bäntfef) national. 

$lud) in (Snglanb haben einige $)ramatifer SMiere 
nachzuahmen uerfucht. Namentlich finb eä in ber 9teftau- 
ration^eit 2örjcr)erlet), Songreoe unb $)rt)ben geroefen, bie 
fich sunt Seil fogar fet)r eng au unfern $)icf)ter hielten; 
freilief) überfefcten fie ihn ins 5)erbe unb Nof)e unb feer* 
folgten fogar Stenbenjen, bie ben feinigen entgegengefefct 
tuaren; fie mollten ihr ^ublifum nur amüfieren unb thaten 
eS ffrupettoS auf Soften ber 9)?oral unb beS Slnftanbe«. 

3n $eutfd)lanb roirfte unter ben (Srften grau ©Ott* 
fdjeb für ben SDid)ter. fieffing nal)m ihn in feinen erften 
©tttefen jum ÜDhtfter. Namentlich toaren eS aber ®o£ebue, 
ber ihm feine niebrig fomifchen 3 u 9 e ablaufd)te, unb 
Sfflanb, ber in feinen fittlidt) ernfteren $omöbien Ausbeute 
fudjte. @3 märe ju münfd)en gemefen, baß unfere bra* 
matifchen dichter fich intenftoer mit il)m befchäftigt hätten. 
$)ie beutfehe ^omöbie hätte triel oon ihm zu lernen gehabt. 
3n ber legten ßeit tft bei uns ba3 ©tubium ÜMtereS 
im $luffd)ttmng begriffen. Huf unferen Sühnen merben 
häufig aftolterefdje (Stüde gegeben. SBir h^ben heutzutage 



öorgügltc^e Überfe|ungen beä $)icf)ter£. (£r ift ober trofcbem 
im großen *ßubltfum nod) nid^t befonnt genug. Seber 
$)eutfcf)e foflte fid) ftetö öergegenwärtigen, wa3 ber größte 
beutle (Scfjriftfteller, Wa3 ©oetfje öon if)tn fagte. (Scfer* 
mann teilt un£ unter bem Saturn be3 12. 2Wat 1825 
folgenbe äßorte au8 ©oetfjeä Stfunbe mit: „TOoli^re ift fo 
groß, baß man immer öon neuem erftaunt, wenn man Um 
wieberlieft. (Sr ift ein 3ttann fürfüf); feine ©tücfe grenzen 
an£ Xragifcfje ; fie finb apprefyenfiö, unb niemanb fjat ben 
■Ühtt e§ if)m nad)$utf)un. 3cf) lefe toon Üftoltere äße Safjre 
einige ©tücfe, fowie idj audj öon $eit $u $eit Tupfer 
nacf) ben großen italienifcf)en Sfleiftern betrachte. 3)enn 
wir Keinen Ottensen finb nicf)t fällig, bie ©röße foldjer 
25inge in un£ ju bewahren, unb wir müffen bafjer öon 
3eit $u geit immer baf)in jurücf f eljren , um folcfje (Sin- 
brücfe in un3 aufoufrifcf)en." $113 (5cf ermann am 29. Sanuar 
1826 9Mtere einen reinen ättenfdjen nannte, antwortete 
©oetfye: „3a, reiner Sttenfcf), ba£ ift ba$ eigentliche SBort, 
wag man öon ifun fagen fann, e3 ift an ifun nichts öer= 
bogen unb öerbilbet. Unb nun biefe ®roßf)eit! @r be* 
f)errfcf)te bie (Sitten feiner ßeit, wogegen aber unfer Sfffanb 
unb Äofcebue fiel) öon ben ©Uten ber ifjrigen bef)errfd)en 
ließen unb barin befdjränft unb befangen waren. äftoliere 
äüdjtigte bie 2ftenfd)en , inbem er fie in if)rer Söafjrljeit 
geidmete." $lm 28. ättärj be£ folgenben 3ßf)re3 rebet 
(Stoetze gu Scfermann über SBülnte unb SBüfjnenmirffamfeit 
unb behauptet : „Söenn wir unfere mobenien ßwecfe lernen 
wollen, uns auf bem Xfyeater $u benehmen, fo wäre 
ÜDiültere ber 9ftann, an ben wir unä ju wenben Ratten." 
Unb er fäf)rt fort: ,,3cf) fenne unb liebe 2Holiere feit 
meiner 3ugenb unb fjabe wäljrenb meines ganzen fiebenS 
öon if)m gelernt. 3d) unterlaffe nicfjt, jährlich öon tym 
einige Stüde ju lefen, um mid) immer im SBerfefjr beS 



SBortreffIicf)en ju erhalten. (§& ift nicf)t Bloß baS üoüenbete, 
fünftierifcfje 93er fahren, roaS mid) an üjm ent^ürft, fonbern 
üorsüglicr) and) baä liebenSttmrbige Naturell, baS ^oc^= 
gebilbete Qnnere be3 $>icf)ter3. (§& ift in if)tn eine (Srajie 
unb ein Xaft für bag (Sdjicflidje, unb ein £on bcö feinen 
Umgangs, luie eS feine angeborene ferjöne Stfatur nnr im 
täglichen Sßerfe^r mit ben öorgüglic^ften 3Jcenfcrjen feine« 
3al)rf)unbert3 erreichen fonnte. — Sßon Sttenanber fenne 
icr) nur bie wenigen 93rudjftücfe; aber btefe geben mir t>on 
ifmt gleichfalls eine fo ^o^e 3bee, baß icr) biefen großen 
©rieben für ben einzigen äftenfcfjen halte, ber mit 9Mi£re 
tr-äre Dergleichen geniefen!" 



2$i($ttßfle £itUxatuxan$aben «Der ba$ ^tubiitttt 



Biographie. $ie älteftcn Angaben über 9Miere finben fid) 
— natürlich in tenbenjiöä gefärbtem Sickte — in ben Pamphleten, 
bie ihn bei Willah ber ,ftrauenfd)ule' angriffen [pai. #ap. V. @. 99 ff.), 
unb im (Slomire §ttpoconbre (ogl. $ap. VIII. S. 234) be$ Boulanger 
de Chalussay, ebenfo aud) in ber gegen 9Äoliere3 %tan gerichteten 
©c^mÄ^rift ,La Fameuse comedienne'. Sehr roertüoHc Angaben 
über bie ^uffü^rung feiner Stüde finben mir im Registre de La 
Grange ed. <£b. Xtynxi) 1876 (ogl. ßap. III. 3. 57). $erfelbe 
üerbiente ©dmufpieler unb §reunb be3 $id)ter3 öerfafcte aud) bie 
erfte Biographie beS ftomifcrS, bie im 3af)re 1682 $orroort ju 
feiner Aufgabe ber SBccfe be3 $id)tcr3 erfd)ien (neu ^ausgegeben 
in ber großen SßoliereauSgabe oon Despois et Mesnard I, XII ff.). 
Anelbotenhaft unb oft red)t unauuerläffig , aber bod) nod) au« bem 
SJcunbe »on SKoltereS 3eitgenoffcn fd)öpfenb ift bie Vie de Mr. de 
Molierc Don Le Gallois de Grimarest 1705. Bis $u Anfang 
be3 XIX. Sahrhunber« ift biefeS 93ud) bie £auptquetlc aller Bio* 
graphien 9Koliere3 getoefen. ©rft mit ber Arbeit oou Bcffara: 
Dissertation sur J. B. Pocquelin M. 1821, ber fid) auf Urtunben 
be§ flioitftanbregifterä ftüfct, unb mit bem SBerfe Xafdjereau« 
„Histoire de la vie et des ouvrages de Moliere" 1825 beginnt 
eine neue Aera. 93i$ 1863, roo baS SBcrf in 5. Auflage erfdjien, 
mar $afd)ereau ba$ mafigebenbe, biographifdjc SBerf. $ie Autorität 
©rimareftS jerftörte enbgültig SBajin in feinen Etudes sur les 
commencements et les dernieres anne'es de la vie de Moliere 



(Rev. des deux mondes, ^ulifjeft 1847/48). 9?cue§ 2td)t in bic 
©efdndjte 9Roüere3, feiner Familie unb ber iljm fonft nafjefteljenbcn 
bringen bie forgfaltigcn, auf urfunblidjem SJtaterinI fid) aufbauenben 
Arbeiten oon Eudore Soulie: Recherches sur Moliere et sa 
famille 1863 unb Jal: Dictionnaire critique de Biographie et 
d'histoirc 1864, 2. 9(ufl. 1872, metdje burd) Loiseleur: Points 
obscurs de la vie de Moliere 1877 oerboUftänbigt mürben. Um 
bie Sftoliereftubten nodj grünblidjer $u betreiben, grünbete ©. äftonbat 
1879 bie 3eitfdjrift Molieriste, loeldje jefjn ^afjre tyinburd) ber 
■äRtttcfyunft bc3 SHoliereftubiumS in ftranlretcf) geroefen ift. $11 
gtctdjer $cit begann man ftd) aud) in $cutfd)Ianb mit bem $irf)ter 
intenfto ju befdjftftigen. 1879 grünbete Sdjtoeifoer eine Poliere* 
jeitfdjrift „^Kotiere unb feine Söüfme, 3Jiofiere»SKufeum" , bie bis 
jum 9Rftr$ 1884 lebte, unb an roeldjer bic f)auptfäd)lid)en beutfdjen 
SJtolieriften 3Kal)renl)olfc, ^angolb , ^ritfdje, Gumbert, Saun unb 
$nörid) regen Slnteil nahmen. 9(ud) bic $citfd)r. f. neufranj. 
@fcr. u. Sitt. üon Äoerting unb Stofdjmifc unb ba£ $lrd)io für 
b. ©tub. b. neueren 6tor. u. i?ttt. Ralfen burd) bie Wufnatjme 
jatjlreidjer Arbeiten über dotiere oon nun an aud) in 2>eutfaV 
lanb bem Stubium 3ftoliere8 auf. gaft gtetd)$citig erfducnen bie 
ebenfo gcfdjmacfüoß unb anregenb gefdjrtebene, als aud) bamatö $u= 
üerlftffige Strbeit t»on Äiotljeiften: Sftotiere, fein Scbcn unb feine 
SBerfe (1880), unb bie grünblidjc, gelehrte, aber trodene Arbeit oon 
SKaljrenljoItj: SftoliereS Seben unb SBerfe oom Staubpunft ber 
heutigen fjorfrijung, im II. löanbe ber ^ranj. Stubien; aud) in 
fteinerer Raffung al3: 2Ko(iere, (Sinfütjrung in ba3 Sieben unb bie 
SBerfe be3 2)id)ter$ (1883). 91ud) in ^ranfretd) futyr man fort fid) 
mit bem Xidjter ju befd)aftigcn. 1885 erfd)ien bie ausgezeichnete, 
nur bic $ne!botenlttteratur $u feljr berüdfiajtigenbe SBiografcfjie 
äftottereS Don Mol and: M., sa vie et ses ouvrages, fur^e fteit 
Darauf bie in jeber &infitt)t Oor$üglid)en, juerft in ber Revue des 
deux mondes in einzelnen Wrtifefa, bann unter bem Xitct „la 
ComeMie de Moliere, l'auteur et le milieu* herausgegebenen 
Arbeiten oon Sarroumet (1886, 2. Stufl. 1887). Eon fat^olifajcm, 
fpejieH jefuitifdjem Stanbtounft auS fdjrteb P. & reiten „Volleres 
Seben unb SBerfe" (1887). »ei toeitem bic boüftänbigfte , mit be- 
tounberungStoertcm ftleifc unb öcinlia^ftcr ©enauigfeit aufgeführte, 

©djnceflanS, ÜHoCteie. 17 



aber nur für ba$ getct)rte ^ublifum beregnete SBtograpt>te ift bie 
1889 als X. 93b. bei großen 9Jcoliereau3gabe (bgl. u.) herausgegebene 
Notice biographique sur Moliere (486 enggebruefte Seiten) bon 
Sßaul 9Re8narb. Snbtict) fei bie ba$ grofee ^ublifum borjüglich 
orientierenbe, in furzen, marftgen 3ügen ba8 3Bid)tigfte jufammen* 
faffenbe biographtfdje <3f ij$e bon 9R o r f „SJloliere" ($)eutfd)e 9lunb- 
fdmu, flttai 1897) ermahnt. 

Ausgaben. 3)ie SBafiS jeben toiffenfdjaf tilgen StubiumS 
3Jioliere3 bilbet bie in ber Sammlung ber Grands ecrivains de la 
France bon$e8boi3 unb 9fte$narb beforgte, muftergültige HnS- 
gabe ber Oeuvres de Moliere, mit Sejifon unb grammatifcf)er ?(b# 
hanblung bon Ä. unb 2)e$feuille$, in 13 SB&nben mit einem $Ubum 
(1873 — 1900). 5>ie beften fonftigen franjöftfdjen Ausgaben bürften 
hJO^t fein: bie Don SÄolanb: Oeuvres corapletes de Moliere, in 
7 SBbn. 1863/64, 2. Su8g., 1880/84; ^ouauft: The"ätre complet 
de Moliöre, in 8 ©bn., 1882/83; $aulb,: Les oeuvres de 
Moliere 1872/74, bann 1888, 8 58be.; 21. Trance: Les Oeuvres 
de J. B. P. Moliere, 4 93be. 1889/92. Slufcerorbentlich jahlreiä) 
finb bie billigen Schulausgaben; e3 fei befonberä auf bie jtuar Hein 
gebruefte, aber bollftanbige Ausgabe be8 SerlageS #achette in 3 33bn. 
hingemiefen. $on ben beutfd^en Ausgaben berbtenen befonbere (£r* 
toäfmung üaun: Sföolierc mit beutfdjem Kommentar, Einleitungen 
unb Sjfurfen, fortgefefct bon Ifrtörich; unb ftritfdje: fcuSgemahlte 
£uftfbiele, erflärt bon ft. 

Überfetjungen. 2)ie beften beutfd^en Überfefeungen finb un* 
ftreitig bie bom ©rafen 93aubiffin, 1865/67, 4 SJbe., in fünf* 
füfrigen, reimlofen Jamben, unb namentlich bie bon Ofulba, 1892, 
bie aber leiber nur bie SReifterroerfe bc$ 3)id)ter3, ben j^artuffe', 
, s Dctfanthroben', bie ,©eleljrten OftauW in freiem, gereimten SBerS* 
mag unb ben ,©ei$igen' in Jßrofa bietet. Stecht lebern finb bie 
Überfefcungen bon Saun, fotoohl bie in 9lleranbrtnern als auch bie 
in boarmeife gereimten Jamben. 

(Quellen. äRoIiere« Verhältnis ju ber italienifdjen Äomöbie 
ift namentlich unterfucht toorben bon SRolanb: Moliere et la 
comedie italienne 1867. Seine Beziehungen gu ben Gilten bejbricht 
SWahrcnholfc in: 9Jt. unb bie römifdje Äomöbie (SCrdj. f. neuere 
Sbr. u. fiitt. ©b. 56, S. 241/264) unb ffieinharbftöttner: $taut 



Suftfeiele in festerer Bearbeitung (£efe$ig 1880, 95b. I.). ©ein 
8er$ättni8 511 ©panien unterfudjt 3Jcafjrent)ol& in TO. unb fein 
Serpltm« jur feanifdjen ftomöbtc («rd). SBb. 60, ©. 284 ff.), ©eine 
Weiterungen ju ben jeitgenöffifdjeu 3)romattfem laffen fid) am beften 
auf ©runb toon ftournel: Les contemporains de Moliere (3 ©be., 
«ßariS 1868) erforfdjen. gttr jebe« Äuftfelet finb 3. %. feljr forg- 
fältige ©injelunterfu<f)ungen angeftettt worben, beren Xitel in S3tMio- 
grasten (ögl. u.) nadjgefudjt werben mögen. 

IHoliere als Knnftler. 9Äand)e8 finbet ftdj fd>n bei 
Gumbert: 3Miere, ©Ijafefeeare unb bie beutfä> Sfritif (Sefejig 
1869). Sorafigtid) finb bie Prüfet tion £. SSiüier im Molieriste 
Vin : L'art de Moliere. 9teä)t 99eljerätgengn>erte3 bietet 6 a r c e b : 
Quarantc ans de thd&tre, Moliere (1900); audj SBeifj' S3ud) über 
SKolierc bef>anbelt bie ftft^etif^e ©ette üon 20 Sirfen geiftüoH, 
tr-enn aud) manchmal fcarabor,. 93 e t^g e unterfucfyt eingeljenb in 
feiner au§ einer Grrlanger $>iffertation Ijeröorgegangcnen Slbljanblung 
in 3eitfd)r. f. franj. ©J>r. u. fiitt. (XXI, ©. 258) bie Sedjnit 
SRoliereS. %m ßufammenljang f U( ^t 0 ettinger in fetner „tfomif 
9Miere3" (Strasburg 1901) bie «ftljetit be§ fcidjterS ju beljanbetn. 
(gnblid) möge auf SSerfafferS „©rotegfe ©atire bei Vollere ? M in ben 
«bljanblungen j. rom. «ßljifoi. föcftgabe für ®röbcr 1899) Ijin- 
genriefen »erben. 

C^eater- unb Kulturoerljältn if f e. ftür Sweater 
ift bie befte Quelle 2>e3boi3: Le tbeätrc francais sous Louis XIV 
OßartS 1874) unb g 0 u r n e 1 : Le theatre au 17© siecle. La comddie. 
Studj §. ftritfdje: 2ftoliereS »ütjne unb if>re Einrichtung, an ber 
©üifce feiner Avare-Äuggabe (1886) ift erfoftfynenStoert. S)ie örejiöfen 
SJerljöItniffe unterfudjt Siüet: Prdcieux et pr&ieuses; ba3 SBer* 
IjftltntS jur Sttebtjtn: föatinaub: Les medecius du temps 
de Moliere. 

Spradje. (Sin monumentales SBer! erften SRangcS ift Sibet: 
Lexique de la langue de Moliere, companSe a celle des ecrivains 
de son temps (3 $be. 1896). föedjt lefenSmert ift SBrunetierc: 
La langue de Moliere (Revue des deux mondes 15. S)e$. 1898). 
2>te Sftamen ber in ben Äomöbien auftretenben ^ßerfonen unterfudjt 
ftritfdfje \ n feinem Sßamenbud) gu SKoliereS SBerten mit pfyio» 
logifdjen unb ^iftorifdjen Erläuterungen (1868, 2. Stuft. 1887). 

17* 



Über ©ramm. u. ßejifalifdjeS tigl. audj bie grofce 3Jcoliereau3gabe 
XII, XIII (tigl. o. unter „Ausgaben"). 

<E t tt 3 e I f ragen. 5>ie jmei tfröfl««/ todty am metften ©taub 
aufgewirbelt tyaben, finb bie Slrmanbe* unb bie $artuffe* 
grager ©e^üglid) ber fo oft unb leibenfdjaftliä) erörterten ftrage 
über WrmanbeS §erlunft fei befonberS tiertoiefen auf bie 
f dürfen MuSetnanberfefcungen tion ©djudjljarbt (Stffgem. 3«ton9 
ti. 29. 3Kai 1878), @afton$ari3 (Revue critique, 3 Aoüt 1878 
in einer $eföred>ung öon Soifeleur) unb SRayont: NuovaAnto- 
logia (H'<7. 95) La Vita di Moiiere secondo gli ultimi studi. 
Über ben ,£ artuffe* giebt e3 — hrie über ben »SDUfantliirotien' — 
5toei auSgejeidjnete SWonogratiljien, ti. Sftangolb: SRotiereS ,Xar- 
tuffe* (Otitieln 1881) unb SBef feto ff Sfti: Etudy o Molierye, 
,$artuffe' (9tto8fau 1879). $te fo bielfact) umftrittene religiöfe 
Örage be8 ,Xartuffe' ift am tiefften tion folgenben i$otfä)exn er» 
örtert toorben: im liberalen Sinne tion $aul Sanet: La Philo- 
sophie de Moiiere (Revue des deux mondes S9b. 44, 1881) unb 
9tene 2) o u m i c : La question de Tartuffe. Le Correspondant 
(1890). 3)eätioi3 1. c. S. 225 tiertritt efyer einen oermittelnben 
©tanbtiunft. Sörunetiere in feinen Etudes critiques neigt meljr 
nadj ber anberen Seite, breiten 1. c. möchte aus bem jXartuffe* 
ein gegen bie $anfeniften gerichtetem jefuitifd>e§ Sßarteiroerf machen, 
erörtert aber audj fonft Dorn fatljolifdjen Stanbtiunft bie ganje 
3rrage. 

Bilbniffe bes Dieters. $a3 ältefte Porträt SRoliereS ift 
tion SKignarb unb ftammt etma au8 bem Anfang ber feiger 
Sa^re. ©3 ftettt ben $id)ter als (£äfar im «ßurtiurfleibe beS 
SmtieratorS unb ben &>rbeer!ranj auf bem Raupte in SorneitteS 
,Mort de Pompee' bar. 9luf ©runb btefeS 83Ube3 finb äffe 
ftiäteren tbeatifierenben ©Uber gemadjt toorben, aud) bie berühmte 
»üfte tion fcoubon. SSicl intereffanter ift baS »üb be* ^riöat* 
mannet Poliere, tion einem nidjt befannten 2Raler, tiietleid)t 
©ebaftien 33ourbon, toeldjeS ben 2Jid)tcr tooljl in ftiftteren Sauren, 
unb mof)l in leibenbem Suftanb, mit fd)toermütigem ©efidjtä* 
auSbrucf barftefft (f. unjere «bbilbung). 3)a8 Original befinbet 
fid) in ber ©aterie be$ &erjog$ tion Äurnale in (S^antiffti. (Sin 
ftutiferfttd) tion ©imonin ftefft enblid) Poliere als ©ganarctle 



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bar. (Über anberc S«c^nungcn bgl. 2Raljrenl)of&, Setter, f. neufr. 
©l>r. u. Sitt. 11. 1889.) 

öibliograpbjfdjes. VllleS SRäfjere fann in ben fpe$iellen 
Sttoliere^SMbliograjjljien nadjgefeljcn ttjerben, bon benen Sttqljren* 
Ijolfc in feiner 9Kolterc«93iograpljie big jum Saljre 1881 unb 
fltteänarb im 11. 93b. ber großen 3Mtere*9luSgabc big 1898 an* 
geführt feien. Über bie fpäter etfcfytcnenen Arbeiten bgf. bie 
©upplementljefte in QJröberS ^ettfd^irtf t unb bie btbliograpljtfdjcn 
3ufammenfteöungen im „Sitteraturblatt für geim. u. rom. $f)üo- 
logie" bon Sttenmann u. 93c^agtjel ober in ber „3eitfdjrift für frj. 
<Bpx. u. fiitt.". 




$>tU(f ten ©. nrcijf»"J in Seivjig. 



J. 6. Cotta'scbe BucWMfl. Racbf. 6. m. b. B. in Stuttgart ti. Berlin 



molicres Meisterwerke 

3n beutfcfyer Übertragung 
oon 

— Dritte Derntebrte aufläge 

(Bebeftct 9«. 6.50; elegant gebunben 3». 7.50 

3 n ^ alt: Üartüff. — Der SWifautbroD. — Die gelehrten ftrauen. — Die 
juie ber ftrauen. — Die @$ule ber Ifbcmäiinev. — »mpbitrtjon. — Der 
iiige. — Det eiugebiltete Äranfe. 



Hloliercö ausgcnmljltc. Perhe 

ftfaefefet ron 9, s. Bierlina, mit €inleitung con paul Lindau 

3 ©änbe. — Öebuubcn t<£otta'i<be »ibliotbe! ber 28eltlitteratur k 3». l.— ) 3R. 3.— . 

^nbalt: 

Banfe 1. 9Ro(iftre in DeutfAtanb. $n SJaut 8 in bau. »ierting« 9?at6- 
ndt Don Scheie- c*et cn unb ©Triften. Die Iäd)erti$en ^ßre&i&fcit. 
Die -"c.nmaiduile. Die graueufdjute. Slritil ber jrauenfdjule. Don 
Der 4Jieuf$enfeinb. 

Sanb 2. Der Hrjt toiber feinen «JlUcn. Dartüffe. «mp&itnjo. Der ©einige, 
©anb 3. ükorae Danbin. Der abclige Bürger. Die geiebtten grauen. Der 
Krante in oer Ginbilbung. 



Derlag pon €rn$t ftofmann $ Co. tu Berlin SW. 46, ßebemannftr. 2 

farltclnm fcttrdt fimtft nub Httltur 

Con <|>eora. c <u6en 

160 Seiten. - ßcbeftet 2tt. 2,50 ; fein gebunben W. 3,50 



Jcitgcnossischc Sranzoscn 

Citteraturgefdjkfytlidje Cffays 

Don 

Dr. Ittax ttordau 

865 Seiten — (Seiftet IH. 5,60; fein gebunben ITT. 6,80 

SnbaltS auSjug: 
aoma»bid)tfr: »aljac — ©liebelet — «bm. be Ooncourt - »not. &rance — 

SJlaupaffant — „brei CifcrfucbtSflubien", «. a. m. 
3>ie brei Sürßen: Verlaine — SHallarm« — Dierr 

3>ramatifur: ». Duma« — ©rieur — fcerDieu — SWaur. Donnafi, — ftran?. be 
(Suret — „anbere 3koblcm»Drantatiter", u. a. tn. 
Gyrano be öergerac — granjßftfcbe (Jlnflüffe auf exilier« „Don Sarlo§". 



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Perlag von €rnst fiormann $ Co. in Berlin SW. 46, fjebemannftr. 2 



6et$te$i>eiaeti 

(Eine Sammlung pon & t 0 g r a p i e e n 



Bisher erf ebenen folgenbe — etuseln f aufliefe — Bänbe: 

Jlnzenaruber. 2. 2XufT. Don Dr. 2Inton Bettelfietm. [4] 
Böcklin. Don fjenrt XlTenbelfoIjn. [<*o] 
p. Bucb. Sietjc: fjumbolbt. [39] 

Carlcle. 2. 2tufl. Don prof. Dr. <S. p, Sa?ul3e.<SaeDemifc. [6] 
Columbus. Von prof. Dr. Sopfjus Huge. [5] 
Cotta. Don Irtinifter Dr. Ulbert Sdjäffle. [18] 
Dante. Don pfarrer Dr. 3°*?- 2Inbr. Scaxia^in'x. [21] 
Darioiii. Don prof. Dr. ttHUfelm preyer. [19] 
6alilel. Siefje: Kepler. [22] 
€örres. Von prof. Dr. 3. H. Sepp. [23] 
6oett>e. Don Örof. Dr. Htdjarb ITT. meyer. 2. 2InfI. 
preisgefrönt. [13/15] 

Hölderlin. * Reuter. 2. 21ufL Don Dr. 21b. IDilbranbt. [2/3] 
ü. flumboldt. * £. P. Bucb. Don prof. Dr. (ßtinttjer. [89] 
3al)n. Don Dr. ^. (5. Sdjultffeifj. preisgefrön t. [7] 

Kepler. * 6aHlet. Don prof. Dr. S. (Süntber. [22] 

€essing. Don prtpatbo3ent Dr. K. Bortnsfi. [34/35] 

£ist, Jriedricb. Don <£arl 3entfa>. [41] 

Cutber. 1.11,1. Don prof. Dr. Hrn. €. Berger. [16/17.27] 

IHoltke. 3£be. Don 0bcrft!euln. Dr.maj 3ä!?ns. [10/11.37/38] 

IPontesquieu. Don prof. Dr. 21 Ib. Sorel. [20] 

IRozart. Don prof. Dr. 0. £letfd?er. [33] 

Peter der 6rosse. Don Dr. K. tDaltS3etrsfi. [30/31] 

Reuter. Steuer ^ölberlin. [2/3] 

Schiller. Don prof. Dr. 0tto fjarnatf. [28/29] 

Scbopcnbauer. Don KonfuI Dr. €buarb <S rtf ebadj. [25/26] 

Sbakfpere. Don prof. Dr. 21 lots Br an bl. [8] 

Spinoza. Don prof. Dr. IDilb,elm Soltn. [9] 

Stanlcp. Don paul Heid?arb. [24] 

Stein. Don Dr. tfr. ZTeubauer. preisgef röttt. [12] 

tennpfon. Don prof. Dr. <H. Koeppel. [32] 

tizian. Don Dr. (Seorg (Sronau. [36] 

Waltber p. d. Vogelwelde. 2. 2Zuff. D.prof.2I.<2.Sd?önbaa?. [1] 

# Bei Bejfeünng genfigt 21ngabe ber cingeflammerten Banb-ZIo, & 



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üerlag von €rnst ßoftnaiin $ Co. in Berlin SW. 46, tfebemannftr. 2 

TNie in Caufenben von (Exemplaren perbreitete, angefefyenjte , 
^ Biograprneen «Sammlung i^rer 2lrt 

„öeisteslKlden" 

bilbet einen nuentbebrlid>en Beftanbtetl aller off entlidjen , Sdml» 
unb prir>at'Btbltott}efen; fie gemährt einen bilbeubeu nnb anregen« 
ben lefeftoff für IHänner unb grauen, reife nrie reifenbe £efer. 
Die „6eistesbel4cn" bieten in crfdjöpfenber DielfcitigFett £ebens« 
bilber aus allen (gebieten ber Kultur, litteratur, Kunft uno 
tf)iffenfd?aft. Der Umfang ber gebiegen unb gefdjmacFooll aus» 
geftatteten Bänbe umfaßt je 200—300 Drutf feiten. Der (Eejrt ijt 
mdjt burd? gelehrte 2lnmerfungen befdjroert; 2Peiterftrebenben xviib 
im 2Jnbaug burd? genaue (Quellenangaben Material gemährt. 



3n Tgoxttxtituub : 

triedrieb der 6roste (2lra>iorat Dr. o3eorg W tnter) 
Rapoleon I. (Profeffor 2llois Spulte) 
Crotmoell (profeffor IPolfg. IHidjael) 
Jfdam Smitb (profeffor Hidj. €tjrenberg) 
Ubland (profeffor €rid? Sdjmi bt) 
Hebbel (profeffor Hidj. m. IPerner) 
Ran* Sachs (Örioatboaent ITTar ^errmann) 
ßpron (profeffor (Emil Koeppel) 
heim hol tz (profeffor ßugo Kronetfcr) 
Beetboven (Profeffor 21. Sanbberger) 
Riebard Wagner (Profeffor Itlar. Koa>) 
6rillparzer (Dr. Baus Sittenberger) 

3eber Sanb ift felbffänbig unb cin3eln Fäuflid?. 

Die Sammlung fann allmäbjtd? in ^mifd^enräumeu pon 
iPodjen ober JTtonaten be3ogen werben. 

Irrels des SSanoes: 
$eQ. SIT. 2.40; £duen6anb gr. 3.20; £afefranj*aub #r. 3.80 

Unter OTitmirFnng ron Prof. t>. Se3olb, 21. 23ranbl, 
S. (Sünder, (D. Dörens, 3. minor, $. Hafcel, (Er.Sdjmibt, 

21. <£. Sdjönbadj u. 21. 
IjcvauSjegeben von 

Dr. £nfon gSeUeffycim 

2 23be. — 3cbcr ©b. (500 «Seiten 8q: .»gormat) ift felbftanbiß u. einzeln fäuflid). 
©c^eftet nur W. 5,-; fein gebuiiben SW. 0,50. 



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