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Full text of "Der politische Verbrecher und die Revolutionen in anthropologischer, juristischer und staatswissenschaftlicher Beziehung"

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Der politische 
Verbrecher 

und die 
Revolutionen 
in ... 



Cesare Lombroso 
Rodolfo Laschi, 
Hans Kurella 



3 




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i)Eß POUTISCHE VERBßECMß 

UND 

DIE HfiVOLUTIONM 

IN ANTHR0P0L0ei8€flER, 

JüßlSTISCHER UND STAATSWISSENSCBAFTLICHER ßmEHüNG 

^^^^ 

c! LOHBROSO UND R. LASCHI. 



UNTER MITWIRKUNG DER VERFASSER DEUTSCH HERAUSOBGEBEN 

VON 

DE. H. KURBLL4. 



ZWEITER BAND. 
laTminiTAraut. 



HAMBÜRa 1892. 



YERLAGSAfiSTALT UND DBüCKBBElHACnE»>G8gBI ASGH ACT 

^CSauSS 3. P. BIOBTBB). 




Onek der Vwlinwatt«» and Dniekoret AcUra-OesolUchaft { vormalt J. F. Eichtcr) ta HAmbarg. 



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Srster The iL Anthropologie and Soziologie des poUUiclten 
▼«rte«dMai md dir BarolBttoiiiB. (Fortielinnff.} 



Neuntes Kapitel. 

liHllvillaelto FaMoran. 

Portfietzuug; Geisteskranke politisohe Verbrecher. 

1. In d«r Zahl dar poUtiMÜMii VeilwMiMr findfln aioh vide 
Gcutafkrank», die am sa mebr ni Verimohiii nrngaii, als der 
an ddi sa Uinder Impiilriyittt di^onimide Hangel dee mom- 
liaehen GefttUs bei ihnen dnoh die LabiHltt ihies peyolusohen 
Gleiohgewiehti komptisui wiid, wie dnnh Ihr g e ete i ger tea 
SelbefgefiUd, den Mangel jeder Hemnrang dee Iidie, dninh die 
üeberMagnng Ton ihrer eigenen GrOm oder von aie umgeben- 
den Machinationen, eine Uebexseognng, die sie oft ilirar ge- 
SQDden Umgebung mitteilen, da ee nie an Phantasten, Un- 
znfiriedenen und Verführten fehlt, an Feinden der bestehenden 
Qidnong, in denen der Haas des Irren gegen die Oeflellsobaft, 
der er alle eeine Leiden znsohreibt, ein Echo findet. loh er- 
innere hier an das Wort Stendhals Aber Bevolntionen, udass 
jede Gesellschaft, die Furcht hat, ohne ee zn winen, von Denen 
beherrscht wird, welche die geringste Einsicht nnd die meiste Toll- 
heit besitzen." Von besonderem Einflnss ist hier der den Irren 
eigenthümliehp gennp^prn Mi^nnpis-mns, (Üp grössere Leichtigkeit, 
mit der sip das ripue erfassen und festhalten. Maudsley wies 
darauf hin, dass die .Monomanen eine Art von Intuition be- 
sitzen, TDit der sie ohne beTm««9te Reflexion in ihrer d*^r ge- 
wuhulichen gerade entgegen Lrosetzten Art ihre Probleme auf- 
fassen. Dazu kommt, dass gerade die Irren mit der ihnen — 
nnd dem Genie — eigenen Originalität, (die sich noch deut* 
lieber bei Denen findet, die irr und genial zugleich sind) eine 
Exaltation vereinen, die das eigene Wohl und oft das Leben 
der Propaganda ihrer Ideen opfert und mit alJeu Mitteln ein 
Publikum bekehren wül, das jede Nenerung schent nnd sie 
oft blutig zurückweist Wo sich die nnerschfittezliohe, &na* 
tische IJeberzengung des Irren mit dem Torsohauenden Sohaif* 
bUek des Genies Tsrbmdet» entwiekelt sidii eine Esalt, die oft 

LomwMOt fMitliNlMr ▼mtoMbw. DU 1 



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2 I< TbcU. Anthropologie und Soziologie des politischen Verbrechens eto. 

die trSg» Mmmh elekfcriairt) di« rt auoan d ein Fhlnonfiii be- \ 
traohten, das auoli dem Denker und dem fetnen Znsohaiier * 
wunderbar eradheini Dam kommt der nnwiderstahliehe Ein- 
ftum, den die VerrttoUheit eohon an aioii nnter barbariaelien 
ZnsMaden ond anf daa Volk kat.^ 

IMUek aehaffen sie nieht ana dem Niehte, aondem fae- ^ 
sdüennigen nur die im atiUen dnvoh die Zeit nnd die Terbalt- 
Dirne Torberaitatoi Bew^gnngen, da sie aieh ftat immer fOr das 
OiigineUe, ftr die neaerten Entdeoknogen nnd Einrioliftongea 
begdatem uid von dieaem Steodfrankt ans in die Zukunft ^ 
blioken. So aobneb Schopenhaukk in einer Epoobe, in der 
der Peasimismas, zugleich mit einem Qeeokmaek fflr Hyatieia- 
mns und Bmphase, in Mode zu kommen anfii^; nnd er Ter* 
«inigte bot alke das in einem pbüosopbiaoben System, wie 
DiBwnr LucABOK nnd Ekabhdb Dabwih Tifaehmola, und 
Zola. Balsag und Flaitbebt. " 

LüTHEB nabm die Ideen vieler Vorläufer nnd Zeitgenossen 
auf. Weichen solche Ideen allzusehr von den herrschenden 
Anschauunf»en nb, oder sind ?ie ?.n abstird, so fallen sie schnell j 
und ziehen dabei nfc ihrer; Urlieber mit sich zu Boden, oder 
fr bleibt allein übrig mit der kleinen ächar Derer, die er ^ 
fortriss, oder die ihn verstanden. 

Tn Indien hat siob m aeuester Zeit eine, unter den Bra- 
miiien selbst entstandene, neue Religion gebildet, die den 
Rationalismus und modernen Skeptizismus zur Grundlage hat; 
offenbar verdankt sie ihren Erfolg dem seiner Zeit vorgreifenden 
Denken ihres geisteskranken GriiiKJers Keshab, denn selbst in 
dem so viel aufgeklärteren Europa wäre der Triumph einer 
solchen Religion noch nicht möglich. 1 

Dasselbe gilt für den deutschen Theologen Kkutzen» der ! 
▼or 200 Jahren erkiftrte, es gäbe keinen Gott nnd keine HoUe; i 
Fdecter nnd Beamte waren llberflilang nnd eehttdlieh; die Ehe 
wire nnditliek, der HenBch wflre mit dem Tode an Ende, 
Jeder mttaae aich von aeinem Gbwimen leitm lassen (daher der 
Name eonaeientiarii iDr seine Sekte); daa allea biaekte er 



> Tgl. LoüBBoao, Der geaitk Mmicliy 188S. — 2Vv Mmd, 1887. 



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Menntoi K^teL Individuelle FalcUmn. 



3 



vennischt mit den unsitiuit;steii (Jitaten vor. - — Wenn sich 
das irre (^enie nicht allzu weit von dor iierraciienden Meinung 
entfpmt oder lebhaft empfundene Bedürfnisse vertritt, dann 
bedingt und befruchtet es Reformen, die dem Leben eines 
Volkes auf die Dauer eine neue Richtung g^eben können; so 
verdankt die Wia^enBchaft Cahdanus und Nkwton grosse 
jJiüge und die religöse Entwicklung ^Muliammed. (s. o.) 

2. Pathologische Anatomie. — Einen wichtigen Bei- 
trag zur EenntniBS dieser YerldltniaBe liefert der pathologisch- 
automwolie Bafbnd im lUle Lbhoihb.^ 

JBi handelt« neh um wutt in dir Inmuitlbät bai Arnim- 
tidna TetafanrbeiMa oOjahrigen Ez-Kommanardn, dar eine IkDheie 
wiaaanaohaftlieha BUdong gemiantt nnd nacheinander der 
Umirmdi, der Jcnnaliatik und der Indiiitrie angehört hatte. 
An der Kommnne nahm er th&tigen Antheil und stand dabei 
an der Spitae einte der wiohtigaten Hiniitefien. Znm Tode 
venuiheiU» hegnadigt nnd aohlieasliflh amneetirt, lebte er nihig, 
bis sieh Symptome Ton GeiatoaBCOmqg nigten, in denen eine 
Neigung an Diebatlhlen anflBel; er aanunelte anf den Stnaaien 
von LiUe Gganenstammel, die er ab KeelhaiAeitan aufhob ; 
er hatte Beeintrftohtigungsideeir nnd aeigtB, jedoch ohne ein in 
Grtteenwahn giplelndea Wahnayttem, eine aehr hohe lietnnng 
TOD sich selbst 

Die Sektion ergab ein hypertrophisches, fettbevraohsenee 
Herz von 440 g Grewioht; des Myocard ist gelblich und weich 
infolge reichlich darin enthaltenen Fetts. Die Aorta zeigt zer^ 
streute Atheromflecke, meist weich und gelblich, selten verkalkt 
Die Schädelknochen sind ongewöhnlich fest, die dura mater 
adhärirt innig, die pia ist an vielen Stellen trübe und ■welsp- 
licb Das sehr voluminöse Gehirn wiegt 1420 g. Die beiden 
Stirnlappen sind durch Himsubstanz, die eine wahre Kom- 
missur bildet, miteinander verwachsen; dief?e" Kommissur sitzt 
kaum einen Centimeter nach vom vom Baikenrand, ist mchs 
Milliriiorer breit und fast ebenso dick. Sie besteht ilus t^^muer 
und weisser Substanz, die auf dem Durchschnitt konzentnsob 



Archiot (fanthropologie cnnttneUe. — Lyon, 1887. 

1» 



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4 LTJieü. AnthropologMODdSonotogiedesiKkUtiaohea Verbro 

ange')rdnet erscheinen, diese et~was weniger breit als jene; sie ibt 
ganz von einem Fortsatz der Pia mater umgeben, der sie von 
dem dahinter gelegenen Balken trennt. Die grosse Himsiohel 
hat einen die Kommissur aufnehmenden hall mondfönnigen Ein- 
schnitt an ihrem hinteren Rande. Die Furche, welche die 
mediale Stirn w mdung von der deti Balkens trennt, existirt in 
diesem I^u eau nicht, und die heiden Windungen sind in eine 
vereinigt. Weiter nach hintan niohnet sich die betreffimde 
Furche immer deatlioher ab. ' 

8. PhyBiognomie. — Ein «aderar BeweiB ergieht sieh 
ans dem Stodinm der Physiognomie dieser KensdheB. Es 
genügt in der Thai ein Blid: anf die PoiMb Einiger, wbol, 
andh wenn man nieht S^^enalist isft, den Oebtsskianken m 
erkennen. Man sehe s. B., wie der !K^as des Sokwaohsinnigen 
mit der kleinen, snrOekili^genden Stirn, den strnppigen Haaren 
nnd dam asymmetiisohen Gesieht bei Oatalibb und Mabat 
aoflgeiffigt ist, (vgl. Talel Vm., Nr. 5 n. 2) nnd ebenso 
bei LomsB Hiorbl mit ikiem Mannsgesioht, ihrer kydro- 
oephalisoben Stirn, den an^erjas one n Angen (Tafel Ym, Kr. 6). 
Bei Oola di Bienzi tritt nichts Abnormes hervor bis «nf das 
angewachsene Ohrläpp<^en, aber die Historiker erwfthnen alle 
SMn phantastisches (für uns auf Gröasenwahn deutendes) Liebeln. 

Wir fanden unter 50 der berrorragendsten Kommunarden 
28 mit normalen Pkysiognomieen nnd 5 mit dem Typus des 
Geisteskranken: 

PiLLOTiN, Mimik des Geisteskranken, Bartmangel, anrOek» 
fliegende Stirn, massige Jochbeine. 

Regere, glasiges Auge, Typus des Halbuarren. 

Peyonton, Typus des Geisteskranken, 2urttokiliegende 
Stirn, massige Jochbeine, üppiges Hs^r. 

Cavatjfr, der oben erwftbnt wurde und 

PoTHiEK, Typus des Halbuarren, Hnt,\stli(;lier Blick. 

4. Erblichkeit. — Auch erbliclui Belastung fehlt nicht. 
Labükde nennt unter den Koinniunaiden: F., aufbrausend und 
jähzornig, Sohn einer Gl^isteskrankeu ; T., Sohn eines Geistes- 
kranken, eitel und verschwenderisch; D., Sohn einer Geiaitsä- 
kraiiken, und F., dessen Brüder geistesgestört sind, der selbst 



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Nvont« Kapitel. Individiidle Füktemn. 



5 



mit 17 JiliNii Mnai Anfiidl tob Melanoholio liatto» aoih sor 
Spiomig» gtmguti fldgto^ dM «r immer sa Minrai VorÜMil 
aunmtrte» und Eleptomaae war. 

6. Formen das Irr 68« ina. — Die ▼emehiadaBen 8peoiaa 
dar QeiatMaiOnmg aogen ima ebeoMmd Tjpm poUtiBaber 
Veibreoher. Der Monomane, der Faianoiker besitzt &8t immer 
eine über das gewöhnliche Dorohschnittsmaass hinausgehende 
Intelligenz, durch die sie an bedentenden Vorstellnngen gelangen; 
aber aie aind oft unfiüiig, zn handeln, schliefsen sich zu oft in 
ihre etgenen Kreise ein und theilen sich Anderen nicht mit ; so 
eotalebt» wie hei wirklichen Denkern ein Widerspruch zwischen 
ibien grandiosen Gedankengebilden und ihrer Thatigkeit im 
praktischen Leben. Der Melancholiker geht von der absolute» 
sten Trägheit zu stürmischen Angriffen und yerbrecherischen 
Harifüuncrün über; der Alkoholist und der Paralytiker zeigen 
gewöhnlich in den Anfangsstadien eine gesteif^erte psr'?cbiscbe 
Thatigkeit; besondere der erste versteht es, dengrossen Haufen 
durch seine ungebundene, sprudelnde, cyniscbe Spr< oh weise zn 
Exzej'sen fortznreissen. Oft nimmt er ohne jeden Zweck an 
allen üevolten theil, nur um zu lärmen und sich zn ereifern. 
Beim Epileptiker dagegen tritt die Retiexion hinter dem 
Handeln zurück; ihn treibt der motorische und affektive Er- 
regungszustand der Hirnrinde, der ihn oft in einen politischen 
oder sozialen Reformator umwandelt. 

6. Individuelle Fälle. — Auch fehlt es mclit uu 
individuellen Beispielen. Man betrachte z. B. Luxheb. ' Er 
war einem Leiden unterworfen, das er selbst den Künsten des 
Satans ansohrieb, daa aber seiner eigenen Beschreibung naoh 
psychopathiseharNatiirgeweMii snaemaeibelnt: Angstaoaiinde, 
die aainac Anablit naeh ▼on einem ttolaen« eraOrntan Ootte 
Teraiaaidit worden, Sehwindel, Koplbehmera, Ohramauen 
(H^iii&reaohe Knukheit?) und später, im Alter von 88 Jahren, 
GebOnhaUncimiiioiieii (er hOrte den TeaÜBl einen Saak mit 
Nomen aebattoln). 

Niebt ealtan kam ea tot, dam er nm Mitlemaebt 



* iMhW Air I>y«himtrfe, Beriin, 1881. 



(> LTheil. Anthrttpologie und flqriologi» dm politiidiwii Vwhwohww «te. 

aufwachte and mit Satan über die Mflsae in difipntiren anfing. 

In der Kirche zn Wittenberg hatte er eben begonnen, die 
Epistel an die Römer auszulegen, als er bei den Worten ^der 
Gerechte wird im Glauben leben" fühlte, dass ihm die Worte 
in die Seele drangen, und dasselbe hörte er auch mehrere 
Male vor seinem Ohre flüsternd und später mit donnernder 
Stimme widerhallen, als er in £om (1510) die Stufen der 
heiligen Treppe omporstieg. 

Loyola wendete, als er verwundet war, seine Gedanken 
relie^iösen Dingen zu und ersann, durch die Wittenberger Be- 
wegung in Schrecken i^osot/t, den <^'roHs;irt:goii Plun seines ver- 
hftngnissvoUen Ordon.?; es half ihm bei dipson Planen die 
Jungfrau Makia u Person, und er hörte himmlische Stimmen, 
die ihm Eingebungen zuflüsterten. 

Auch Sav<inakola verdankte seine üeberzeugTing, /um 
Erlöser des \eid«rbten Landes berufen zu sein, emei Vision, 
die er im Jünglingsalter gehabt hatte. Eines Tages sprach er 
mit einer Könne, als er plötzlich den ^1'™™*! offen und das 
Ekod der Eiieh« deatiieh tot Augen aah und eme Stimme 
hdrie, die ihm gebot aUm dem Vcdke Teikftndigen. Die 
Vioonen der Apokalypse dee alten Testamentee jagten eieh rot 
seinem inneren Ange. Wihrand w 1492 eine Adventspredigt 
hiftLi^ hatte er dne Hallnoination; «r anh ein Sohwert mit der 
Iniehrift M01adin8 Domini saper teisun', dae neh plötdieh der 
Erde nawandte. Die liuft Tirdnnkelt» sieh, es regnete 
Sehwertor, Pfeile nnd Feuer, die Eide wurde eine Beute der 
Pest nnd dee Hungern, nnd enf Grand dieter Hallnemation 
propheMite er die Epidemie, die dann aneh wirkiiah kam. 
In einer andeien Vision maohte er, als Gesandter an Jesos 
Ohnstos, eine lange Reise ins Paiadiee, hatte Unterrednngeai 
mit yerschiedencii Heiligen, sowie mit der Jungfrau Maria, 
und beschreibt den Thron der letsteren, wobei er nicht vergisit, 
die Zahl der kostbaren Steine ansngebwi, die ihn sohmtteken. 
(Vu.LAHT, Vita di Savofiarola IL, p. 304.) 

Beständig grübelte er ttber seine Träume nach, vnd in 
den Visionen suchte er die von Engeln und die von bösen 
Geistern eingegebenen za nntenebeiden. Der Gedanke, das« 



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Nennlci JUigSUL ladividmlfe lUitotw. 



7 



or aok dabei im Irribiim bdindm ^(fimto, bwinrnhigto iho 
iu«ht; in moma aeiner Bttehar aridflrto er: «War voigiabt ein 
Prophet an sein, nur um die Mensohen au fibersengen, der 
nadit Oottsom Beirllgar.*' — „Und konnte eaniolitaam,* fiÜizt 
«r in aainan Einwendungen fort, i^daaa dudiohaaibafebaiarllgat?'^ 
«Kein,^ antwortoter, »iolibeta Gotfean, iokauohe seinen P&dan 
an fdgen, aa ist Dioht mOglioh, daaa Gh>tt mich hinteigalit'' 
{JDe veritoie proph fica 1497.) 

Und einige Zeit darauf aohrieb er mit der den Greistes- 
kranken eigenen Inkonsequenz: ^loh bin kein Prophet, auch 
nidht der Sohn eines Propheten — eure Sttnden aind es» die 
mich mit Gewalt dazu gemacht haben;« und ein ander Mal 
sagt er, dass seine Erleuchtung unabhängig ist von der Grnade. 

ViLLARi, der, unbekannt mit der Psychiatrie, wie riele 
Geschichtschreiber, wenig Werth auf diese Dinge legt, macht 
hierzu die richtige Bemerkung: „Das war seine Charaktpreipen- 
thtimlichkeit : ein Mnrtn, der Florenz die bpste 1 orni der 
Re]iul)lik geLrfl'Hii hat, d^r ein i^uuijes Heich brlierr^cht, die 
WVlt mit seinnr Bereiisaiiikeit ♦Ttullt, der zu den grosstt-n 
Philosupheu z;ililt — ist atou darauf, dass er Stimmen aus 
der Luft hört uiiü das &)hwert des Herrn sieht! 1** 

Aber, wie er ganz richtig schliesst: beweist eben die 
Kindlichkeit seiner Visionen, diiss er das Opfer von Hallucina- 
tiunen war, * und em noch deutlicherer Beweis dalur ist der 
Umstand, dass ihm seine Visionen oft nicht nur ganz unnütz, 
sondern sogar schädlich waren. 

„Was brauchte er, um das Volk zu betrügen, Abhand- 
lungen Uber Vulonen an sohreiben, mit seiner Mutter dirflber 
au apredhen und Bemerknogen Aber diesen Gegenstand an dra 
Band seiner Bibeln au sobreibm?* 

nAUea, waa seine Bewunderer gern TeiBehwiegen hatten, 
was die gewdhnliebe Sehlnuheit niemala hätte an die Oeffimi- 
liohknt kommen lassen, gerade daa Terkflndete er immer wieder 
und wieder." 

Die UTahrheit ist, dass, wie er seibat oft bekannte, dn 
Feuer an adnem Lmem aehrte, das ihn sum Sprebhen trieb, 
und auf diesem Htthepunkt des Deliriums und der Ekstase 



8 IThail. lntkropologieiiiid8on(dogi«dwiwlititQfa«nY«rb^^ 



gelang es ihm, seinen eigeDen Schilderangen naeh, dk Zu- 
hOzenehBft in einer W«in mit sich fortzareisten und sn tf- 
flehüttern, die heutzutage unglaublich erscheinen würde. 

Hasaniello, ^ ein junger, kaum 20] ähriger Fischer, der 
aieh in Gedanken viel mit der spanischen Uebermaoht und den 
unerträglichen, das Volk bedrOokenden Steimn beachiftigt 
hatte und über ein Mittel zur Befreiung nachsann, begann 
damit, dass er andere Burschen seines Schlages revolutionäre 
Worte auswendig lernen und singen liess, Worte, ä\p ihnen um 
80 mehr im Ciedächtiuss blieben, als sie die heissesten Wünsche 
des Volkes ausdrückten, wie z. B. l'olio a due tome«?i senza 
g^bella, mora ü mal güvemo. * Allmählich werden es fünfzig, 

— tausend, — zweitausend solcher Burscheu, und naoh und 
nach wuchs ihre Zahl auf hunderttausend, ja hundertzwau/.ig- 
tausend, und so sah sich Masaniello mit einem Schlage Herr 
von Neapel. Und er herrschte dort als Weiser und zu gleicher 
Zeit als Karr. 

Er riss dem Kopfe CAüAHr as, den er vorher auf grausame 
Weise vom Volk hatte ermorden laßseu, die Haare aus; und 
da er den Herzog von Maddaloni nicht, wie er gewollt, in 
seine Grewalt bekommen konnte, verwästete er dessen Palast, 
staoih dem Bilde Mmee Vaters die Angen ans und kOpfte ihn 
in efiü^. gehlinwlioh, steekto er die ZolUiioMr, d^ Wok- 
nnngen der leidhen ZoUpaohter in Bnnd nnd streike neehker 
alle Diejenigen» welche ans diesem ZentOmngsakto Vordieü 
gezogen hatten. So wnide mancher der Binwoihner w^gen 
emes TaföLtndhee oder eines Saekss Gerrte anrn Tode Teniitili«lt 
Zngleieh jedoeh seigto er anaaenndentUohe Ffchigkeiteo. Er 
oiganiabte Banikadsn; an&ngs wollte er die Hfllfe der Ban- 
diten annehmen; als er ebsr sah, dass sie ihre FMe behaitan 
woUten, ahnte er mit Beeht irgend eine VenÜlutrsi nnd liaaa 
sie umbringen«. Er verbot den Franem, Beiftooke, nnd den 

' GiRAFFf, Ragf^Hogli IHmluzione del ßegno di NapoU. 16&5. 

— AjiAi>oiu, Ao^o^ soLkvuta, Bologna. IböO. — LoMsaoBO, Trc Tribmi^ 
1887. 

' «Dm Oel eoll swei Tonmoii koitea; nieder mit dar seUeohtMi 
Begieraag." 



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UmaiH KapiteL Individiwlto Mtdraa. 



9 



Prieitt m » Miniel sn tnig«ii, vm die YerkUidiiiig der Briganten 
xn Terlündam. Er bewiflbete guise Heere von l^ea mit 
Hob und Zttnditoibii, um in den femdlidieD FilittaQ Feuer 
anzulegen. Er sohloes den ViMkOmg in eemem Sehloeee ein 

nnd begann dann Verhandluugen» indem er sich erbot» seine 
Maeht sn Onnsten des Volkes niederzulegen. Plötzlich aber 
Snderte er aein Yeriialten, sei es, weil sein krankhaft beanlagtee 
Nenrenajatem der psychischen Anatrengong nicht gewachsen 
war, sei es, dass der Gedanke an einen plötzlichen Verlust 
seiner Maobt ihm nnertiiglich war. Er, der bisber sieben 
Tage lang ni^beure Summen avflekgewiesen hatte, der sein 
rothes Fischerhemd nicht ablegen wollte und sich selbst dem 
Tizekönig kaum in einem besseren Anzüge vorgestellt hatte, 
bekam plötzlich in der Kirche, während die Verträge mit dem. 
Volk vorgelesen wurden, einen heftigen Erregungszustand, 
sandte dem Vizeköuig Boten mit einer Pordprnng nacii der 
anderen zu, verlans^e das Recht Dtti/iere zn ernennon, Wappen 
zu verleihen, fnr(lritf> die Verabschiedung der gan/en Kavallerie, 
fing dann au, seaie Kleider zu zerreissen, und verlangte, dass 
der Vizekönig und der Erzbischot kamen ihm dabei zu helfen, 
kurz, er benahm sich ganz wie ein Tobsüchtiger im Grössen- 
wahn und beging all die Tollheiten der romischen Kaiser, die 
Jacob Y mit Recht aus dem Gefüllt imi:)©8chränkt«r Gewalt 
ableitet. So wollte er z. B. durchaus einen ErzLisciiof, der 
ruhig nach seinem LändcLieu zurückkehrte, von 4000 seiner 
Anhänger begleiten lassen, giebt dann einem vorübergehenden 
ATeraaner einen Fuastritt, „so mache ich dieh sinn fiitier 
Ton Arersa", Uasl Maneransolillge maoben, den »an nioht 
ihm, sondern dem VisdEOnig gehorohen mfisse, nnd verlangt 
dsDA das Entgegengesetzte; er sohlift fast nioht mehr. Jeden 
Angenblisk giebt er seinen Garden neue Befehle^ lAnft mit 
blossem Degen dnroh die Stnesen, Terwondet mehrere Per* 
soneo, Iflsat Jeraandemp aber den sieh üner seiner Begleiter 
beUagt^ den Kopf absoUagen, besehlagnahmt die P&rde des 
Kaniga nnd sehiokt sie dann wieder snrOok, Torlangt von 
OiuucciOLOp ersoUeihm die Fttssekflsaen, weil er faeimB^gognen 
nieht vom Wagen gestiegen wflre, kcmfissirt die Güter eines 



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10 LTheO. iLnthrapo]acMuiid8öiioU)gi0dMpoIiftiM]uiiTerbii^^ 

anderen hoben Beamten, dee Oeneralyisitftton Porsso m Lbone, 
als Ve^ltang für einen Knie, den dieser ranem Ueinen 

Neffen gegeben hatte. Er verlangt, dass dtf TisekGoig an ihm 
zu Tisch kommt, und wirft Geld ina Heer, nm Die ooeh au 
beaablen, die es heraasfischen. 

Er Hess ihm unbekannte Leute grundlos tüdten, brachte 
anoh seine Anfährer nm, als wenn sie (sagt ein Gesohichta- 
aobreiber) Kapaune wären, bedroht den Vizekönig mit dem 
Tode, besohimpft die Minister, machte dabei aber doch dem 
König von Spanien Komplimente. Er springt mit den Kleidern 
ins Meer, bedroht seine Freunde einmal derart, dass sie ihn 
binden müssen, entflieht ihnen aber dann und ruft von einer 
Kirche aus das Volk auf, so dass seine intimsten Rathgeber, 
Abpaja und GEN^•l^•I, von allen Seiten bedroht und in die 
Enge getrieben, ihn tödteu mussten. Und das ganze hatte 
kaum vierzehn Tage gedauert. 

Erwähneuswerth ist hier auch die nationale Erhebung 
Roms unter Cola dz BuiiKZi, dessen in einer Zeit der Erniedri- 
gung grosse Erscheinung einer von uns an anderer Stelle 
als Beispiel eines geisteskranken Genies voll Grösbeuwuhn 
bereits dargestellt hat. ^ In bescheidenen V* rlialimssen 1317 
geboren, hatte er aus eigener Kruft i.icli zum 2sutar und 
Alterthumskenuer gebildet, als sein Bruder von den damaligen 
Machthabem in Bom getödtet wurde. Nun wurde er, dessen 
Mnnd, wie aain anonymer Biograph sagt, immer nn phanta^ 
atiaolMa LkMn leigte (vgl. Nr. 6 auf TM VHS), der liber 
den Monumenten nnd Sehiiften des alten Borna hrfltend daa 
Elend der Stadt beweint hatte, von dem nnwideratehlichen 
Verlangen ergriffen, daa wieduhenaateUen, waa er ans seinen 
Studien kannte. Als Notar hatte er die Witwen nnd Waiaen 
beaehttixt nnter dem aonderbaren Titel »Eonanl der Witwen**, 
wie es damals Konsnln der Tiaohler, der Wollspinner ete. 
gab. 1343 snohte er den Senat an Terdrttngen nnd grOndete 
die Bfigiening der Dretsehn nnter der Antoritttt dea Papatee; 
Diese sebiekten ihn als Gesandten naeh Avignon, nnd hier 



* Lomaoio, Tre l^ibmri, ~ Boro, 1887. 



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KmntM XapilaL IndifidnaUe Faktorea. 



11 



leliildArfte «r das Bleiid Borns so btndt imd lebendig, daas «r 
die kaltto frtktoa bewegte und den Titel eines Notus der 
Oamen Urbane (1344) eibielt; naoh Born «Britokgekehrt, ttbte 
er dieses Amt ans und nannte aieh lOnnsoher Konsul, aber 
nidit mebr den der Witwen. 

Eines Tages beleidigte er in einem Angenbliek fanatiseher 
Emgung die Barone nnd ttberbttnfte die Wflvdentriiger mit 
Vorwürfen und ErmahDUDgen; die nächste Folge Hiervon war 
eine ungehenre Obrfeige, die ilim ein Kämmerer der Colonna 
▼erabreiohte; er nahm Jas damals mit ziemlicher Ruhe hin und 
begann nun die frühere Herrlichkeit und das jetzige Elend Roms 
in Abhildnngen sn schildern» auf denen Mörder, Ehebrecher 
und Schurken in Gestalt von Affen und Katzen dargestellt 
waren, bestechliche Richter und Anwälte als Füchse, Senatoren 
und Feudalherren als Wölfe und Bären. Eines Tages brachte 
er die berühmte Tafel Vespasians vor und lud Volk und 
Adel zu einer draniatischen Erkläruns» dieses Alterthums ein; 
er erschien dabei m einem deutschen Jlniitel mit weisser Knpuze, 
mit einem weissen, von j^ahlroirhon Diademen umgebenen Hut, 
von denen eins eniHn sübernen Dolch in der Mitte zeigte, 
bizarre Symbole, die iS'iemand verstand, und die seine Geistes- 
störung beweisen; es ist für Monomanen charakteristisch, dass 
sie fortwährend Symbole anwenden, auch wenn sie damit die 
Möglichkeit Anderen ihre Absichten Terständlich zu machen 
verlieren. 

In der TliaL galt er in der voiuehmen Welt für einen 
jener GeisLebkranken, die damals als Narren zur Erheiterung 
der Gesellschaften sehr gesucht waren, und die Dynasten, be> 
sonders die Colonna, machten ihn einander streitig; erersAblte 
ihnen yon der Henlidiksit smnes konunenden Belehes. „Und 
wenn idi König oder Kaiser sein werde, werde leh endi Alle 
besiegen, nnd weide dann Diese bangen. Jene enthaupten lassen* 
— wobei seine Tomehmen Znbflrer ansgelassen laohtsn. So 
braebte er allmiUioh «ne stille Gibmng unter die Maasen, 
gewann Leute, die ihm geeignet ezscbienen, und besetste mit 
' ihnen den Aventin, Ende April, zu einer Zeit, in der der 
OoTematore Born yerliesB. Als er seine Anbinger um sieb 



13 LTlieU. AsthropologieoBdSondogiedeBpülitiiolMnyeilWMkAiitete. 

▼enumiMlt bstto, swgle «r bsi dsr Sduldening d«a Ekods dw 
Stedt wahve Beredaainkoit und •benao bald dazamf in euwr nlelit^ 
lioheii Yenammliiag auf d«r Bngalsboig, wo er «iaige Axitrig» 
innelimeD Im«, die wirkEeh d«i Stempel des Genint imgeii. 
Bbeneo genial erwkat ar lidt naek jEzlangiiiig abaoluter Gewalt 
über die Stadt durch sein Yi^kft-Parlament; jetat aamite er sich 
Txibiu» bekämpfte die Barone, sohaf in Rom Ruhe und Qrd* 
nuug, verbot Glücksspiele, das Konkubinat, die Verfklsoliiiiig 
der Lebensmittel und übte 'eine strenge Gerechtigkeit gegen 
Alle, 80 daas er sich immer mehr das fien dea Volkes erwarb ; 
er (»ganisirte eine Bürger-Milia und war der Erste, der sich 
Rom als das Oberhaupt von gaaa Itelien da(dite, und dorthin 
ein nationales Parlament zusammenrufen wollte.* Leider blieben 
diese Projekte im Stadium der Theorie stecken, entweder weil 
BO radikale Reformen damals {ibnrhaTipt nic^t ausführbar waren, 
oder weil Cola zwnr gross in Plänen, aber uiizu\ erliissig und 
unfähig zu praktischer Thätig-keit wnr. "Rr glaubte, in allem 
durch die Gnade des heiligen (ieistes geleitet zu sein; in den 
c-rnstesteu Angel^^geulieiten wollte er erst in sich die Stimme 
Gottes hören, der er alles berichtete und mit der er sich be- 
heth, und infolge des Prestiges dieses Ansprochei konnte er 
auch in religiösen Dingen Verfügungen erlassen, wie die, welche 
Jeden, bei Strafe des Verlustes eines Drittels seines Besitees, 
zu einmaliger Beichte im Jahre verpflichtete. 

Die dem irren eigeueu Widersprüche fehlten auch in ihra 
nicht; so yerglich er sich unter Berufung darauf, dass er mit 
dB Jabien einen Sieg erfochten hätte, mit Christus, obschon 
er lelir religiös war — ein Widezspnieh, der ebb dnndi daa 
Uebergewiehi dee GrOflaeadelive eikllrt. 

ünfer dem ISnünaB einer denrtigen deliranten VozateUnng 
krönte er aieh am 15. August 1847 mit 6 Diademen ana Yereolue- 
denen Fflanaen: ZSphen, weil ar die Beligion liebte ; Hyrtha^ weil 
er die Wiwmniwhaffc ebrte; Opinm, weil er Giffem wideiatlnde 
(wie der Kanig dem Haae), nnd daan kam nocb die Ifitra der 



* VgL PtfBVOoaivT, Cbfa di Steiuif 1844. — Oaseoaovioi, OMehickt« 
der SlMlt fio», XI, 967. 



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KwBlM Kapitel ladindndle Mionii. 



13 



trojaaiaolieii KOnige (f) und «ine nlbeni« Krone; naoh Gnsoo- 
■oviüs bfttte er damit seine Abneht angedeutet, eieli sun 
Eaiaer krOnen tn Uunen; wir würden darin eher ein Zeieheo 
seiner Yoiliebe ftr ^mbolieolie Handinngen, die der Monomane 
eo liebt» selieB« 

Wenn niebt andere Beweise seiner GeisteestOning beetflnden» 
wttrde die ungebenre Menge seiner Schriften genügen, die so 
gross war» dass man bei der Pldndemng seines Wohnsitzes 
im Campidoglio ganse Berge von Konsepten nioht abgesandter 
Briefe faod , wie es auch bekannt ist, dass er mebreren 
Sohreibem bis zur Ermüdung diktirte, nnd dass er an die 
europSiseben Herrscher Kurier auf Kniier schickte mit fiot- 
sobaften» die toU der sonderbanfeen Ansprftdhe nnd kindieebsten 
Wortspiele waren. 

So schrieb er am 5. August 1347 in einem Briefe an 
Papst Clkmens : „Da die Gnade des heiligen (leiste« dip Re- 
publik unter meiner Leitung befreit hat, und da Anfang 
August meine iiif^dere Person im Kriege vordrang, wird mir, 
wie in der Unterschnft ZU ersehen, der Name und Titel 
Auguötus ZU theil. 

Gegebeu, wie obeu, den 5. August. 

Die niedere Kreatur, 
Kandidat des heiligen Geistes, Nicolo der Strenge und Sanfte, 
Befreier der Stadt, der eifrige Freund Italiens, der die Welt 
liebt und die b'us.Kt' der Seligen kusst." 
In einem anderen Bnete au den Papst, gelegentlich seiner 
Siege über die Feudalherren und fiftuher der Umgebung Roms, 
schrieb er: „Gegenüber ihrer Un Würdigkeit war es ein grossss 
OlOek, dass ein Hann wie isli sieh im Beoken Komriurrnni 
gewasolieii hatte ;** «ne Handhnf Hbrigens, die seine Anbinger 
sehr tadeltso, die ftr ihn aber die Bedentang einer Art haiaer* 
liehsrliiTestitQr hatte, safi»!geeiner jener symboliseben Spielereien, 
denen die GMstsslaanken bsaendere Bedentungen unterlegen. 
In einem ans dem Geftngniss an Oabl IV. geeohriebraen 
Briele «rUirt er, nm ihn günstig anstimmen, erwSre mitibm 
verwandt; denn seine Ifnttsr, eine Wftsoherin, hatte Beaiehnngen 
an Heihbich YII. gehabt, Ton dem er deshalb absnstammen 



14 L Theü. Anthropologie und Soziologie de« politischen Verbrechen« etc. 



behauptete. In der an den Kaiser gerichteten Proklamatioa 
ei klart er sich für den „neuen Kämpfer des heiligen Geistes" 
nnd citirt zum Sohlass die Füisten Dentsohlanda, die sich 
Kaiser oder Erwlldto des Btiolit nennen, zu Pfingsten vor 
sein Angeiicihi H«n kann sieh nnn wohl dunaf bemfen, 
dasB Anaebauungen und Gfitten jener Zeit von den oneeren sehr 
venehiedin waren, aber man kann nidit lengnenp da» diesa 
Sobiiftatacka danttiek den Stempel des GhrOaMnwakns tingen.* 
Bin Geiateskiaaker war aaoh an der Spitie der letalen 
gfoese n obinesiaehea Bevolntion, die, von mehr ab 400000 
Kiiegem yerCheidigt, in einem jeder Menemng nnd jedem leli' 
gifleen Faaatismns abgeoirigten Lande nene« den ehristliehen 
Biten ihnliehe leligMe Formen etnfthren wollte.* IMeeer 
Fahrer des Anfirtandes hieaa HoirG43nr*TBümr, war 181S als 
Sohn einer armen fianemfamüie geboren nnd xeigie grosse 
Begabung: trotzdem bestand er mehrere y^-g«»riiiMi uiebt; nnd 
gerade als er sich voll Mtthe nnd Angst nuf das letzte Examen 
vorbereitete, kam ihm ein katholiaohes Andachtsbnch in die 
Hand ; er bestand das £xamen oieht, wnrde krank nnd bekam 
Hallucinationen; nnter anderem sah er iioh in eine Yersammlnng 
ehrwürdiger Greise versetzt, von denen einer die Undankbarkeit 
der von ihm geschaffenen Menschen beklagte, die den Dämonen 
Opfer nnd Geschenke brflchten, nnd ihm ein Schwert übergab 
mit dem Auftrags, <\\e Teufelsanbeter auszurotten. Unter dorn 
Einfluss dieser Hallucination erziihlte er seinem Vater, der 
(Tpjpt dort oben hätte ihm befohlen, die Ungläubigen zu ver- 
nichten, nnd nun müssten sich alle Meirichen vor ihm beugen nnd 
ihm ihre Sohfttze briuLTt'n; natürlich liielt der cirmo Vater ihn 
lar golste^k^■Hnk, was er auch war. Sein Delir dauerte vierzig 
Tage, und in dieser Zeit sah er sieh in Begleitung eines 
Mannes mittleren Alters gegen die bösen Geister kämpfen; er 
tobte, mit dem Schwert in der Luft umherfechtend, nnd schrie : 
„Tödtet, Tödtet, bis er, durch Schreien und Rasen er* 



' Nähere EinaeUiMten •. in meinem Bnohe: Ire IWbmM, Turin, 

Bocc», 18« 7. 

' Vgl. (^uarierly Review, London 1863. 



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ütmtM Kapitel IndividiuUd S^akUwen. 



15 



müdet, auf sein Bett sank und einschlief; dann behauptet© er 
wieder, Kaiser vou Ohinn zu .seiu, und war stola, wenn Be« 
snehende ihn scherz vs'eise als solciien Ijp^^ruijsten. 

Nachdem dieser verwirrte Zustand aufgehört hatte, nahm 
er seinen Lehrerberaf und seine erfolglosen Examensvor- 
bereitungen wieder auf, bis er eines Tagas beim Durchblättern 
jenes schoii in Peking vuri ihm gelesenen katholischen Buches 
den Schlüssel seiner Hallucinationen zu finden glaubt«; der 
alte Mann in sohwarzem G«wande war Gott Vater, der Mann 
mittleren Alte» Jesus Cluristiis eto. Das bestärkte ihn in 

▼on eineni Fisiind« tenfen, stflnte 
die Steine des Confiunufl nm nnd gründete mit einigen Ntoh* 
ben, die an ihn glaubten, eine Sekte, die er „Anbeter Gottes* 
nannte. 

Nadidem er veigebena den IGarionlr fioraar, der ihn 
nieht fbr wllidig hielt, nm die Tanfe gebeten hatte, kehrte er 
an aeinen » Anbetern" anzflflk, mnnto aber, Ton den Beh<)rden 
Terfolgt, fliehen nnd hielt aioh aiebeo Jahre lang Terbozgen; 
Mono Anhlnger waren dnroh die Yeriblgni^, wie gewOhnÜeh, 
▼eimebrt worden ; sie hatten eine Arl Tniie mit naohfolgendem 
Theetrtnken eisonnen, wollten alle Bilder aentOren nnd eehelnen 
meiatt wie ihr Prophet, hallncinirt zu haben. EHner nnter 
ihnen, ein gewiaeer Hang, unterhielt sich mit Gott Vater, und 
ein andmr, Siu, mit Christas, der ihn alle üebel heilen und 
die Sehorken aufdecken hiess. Der grosse Prophet eohenkte 
ihnen den vollsten Glauben, oder that wenigstens so; unte> 
stutzt dnroh den Fanatismus seber Anhänger, den Bassenhaai 
der Chinesen gegen die Tartaren nnd mit Hülfe europäischer 
Kriegskunst gewann er an Macht, so dass er sich 1850 Kaiser 
Tin-Wano nennen konnte und seine unzurechnungsfähigen 
Apostel, nachdem sie vorher auf die zehn biblischen Gebot« 
hatten schwören müssen, zu Königen machte — freilich, um 
sie, mit der Inkonsequenz der Irren, später tüdten zu lassen. 
Es ^^eborten lant^e Jahre und viel Blutvergiessen dazu, um 
seine Auhim^ttr niedemiwerfpn. 

Unter den Eingeborenen von Neu-Seeland eutHtaiul im 
Jahre 1862 eine neue Beligion. Ihr Gründer, Hobopapeba, 



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16 I* Tbeil. AnthropcdogiA and Sosiologi« dcf polituohen Verbreohaai etc. 

war schon jahrrlang gHisteskrank und das begünstigte ihn, da 
die Maor! ä\o hreu verehren und sie für inapirirt halten. Bf>i 
der Strandung eines englischen Fahrzeuges hatte er olles gelha«, 
um PlOnderuBg and Todtschlag zu verhindern; ah ihm das 
nicht gelang, wurde er verwirrt und fing an zu hulluciniren. 
Er glaubte mit dem Erzengel Gabriel, der ihm pino Koligiuii 
des ITriedeus lehrt«, lu Bn/iehung zu stehen, und predigte den 
in Fehde liegenden Stäiumeu Versöhnung. Von den Engländern 
anfangs begünstigt, liess er bald die Bibel verbrennen und die 
Ifilrioiiin Twtrnben, und duldete nur die Juden, von denen 
er die Herkunft der Uaori ableitete; er naimto deahalb aaeh 
seine Priester «Jen*. 

Er behauptete, dnieb WnnderkrBfte sieh von Strieken, mit 
denen man ihn band, losmachen an ktanen; aber er todtetn 
seinen Sohn mit seiner Wnnderlntven nnd verlor alle seine 
Leute, die er in das Geiwebrfeaer eines englisehen Forte führte. 

Trafadem wnide er der Petras BSremite einer Bidiebung 
die Bnglinder. «Der Ptakeka« (Fremde), sehne er mit 
den tenaend Gesten des Besessenen, ^ist ein Sehensal, eine 
Sohlange, die ihren BmihrBr beisst; es ist Zeit, ihn an ver- 
nichten . . dann hjpnotisirte er die Neophyten, indem er sie 
sich um ihn oder um einen Pfahl drehen liess, bin sin er* 
schöpft und betäubt umsanken, heulten und bellten, sich öffinnt- 
lidi sodomisirten, Menschenblut tranken, die Sehidel eiaeUsgener 
Engllader ergriffen nnd sie spreoben lehren wollten. (FkASBBs 
Hagazine, 1866.) 

Auch fast alle Aufstände in Algier (Revue scietjtifique, 
1887) verdanken ihre Entstehung irren oder nervenkranken 
Ekstatikem, die ihre Krnnklieit und den Einfluss der um sie 
gesammelten religiösen Bruderschaften in dem Bestrebeu unter- 
stützt, für inspirirt zu gelten und den Fanatismos der Musel- 
manen anzulachen. 

In neuerer Zeit hat ein Hallucinant, Geoiujk Fox, durch 
seiue KraiikliPit die mftchtig^ste Propaganda gemacht; unter 
ihrem Einflusa verlasst er seiue Familie, kleidet sich in Leder, 
lebt in hohlen Bfiuraeu und bort verkünden, dass alle recht- 
gläubigen Christen Kinder Gottes sind. Er gründete die 



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Neuntel Kapitel. Indiriduelle Fektoren. 



17 



Quäker-Gemeinde. Anfangs glaubte ihm Niemund; aber er 
hürte eiüe Stimme, die ihm zurief: Jesus versteht Dich. 
Er versinkt dann für 14 Tage in eine Art von Lethargie, 
und während iliai sein Korper todt erscheint, wirkt sein Geist 
weiter ; diese Illusion wiederholt sich übrigens bei seinen voll- 
komiueu ehrlichen, aber visionären Aposteln. 

Aber das jüngste Beispiel auf Geistesstdning beruhender 
leligiteer Berolationen waren die LazzM-ettisten auf jenem 
«bgel^genMi Berge Amkia, dMBan nnkaUiTirte Bewohner, 
nachdem sie ehrlltnhtig den FropheseiiiDgeii BRANDAVOt, 
«iiiM nligiOsen Uonomanfla dea 5. Jahrhnaderts, gelanaclkt 
und spater im Jahie 1840 «ume gewuaen Bakdassabi Aü]»i- 
birt' Heiligen Ternhit hatten, nnn in Datid Lasabitxi 
den CSttistDS dee 19. Jahrhnndflrts gelonden m haben glaubten. 

Dieeer,* 1884 in jUehideaso ak Sohn eines Lohnknteehers 
geboren, anscheinend Trinker, aber Ton iasBenl robastem 
KOrperbao, hatte unter seinen Verwandten Ins und Selbst- 
mörder, und anoh von seinen seohs BrOdem steib einer, der an 
religiöser Manie litt und sich fttr den ewigen Vater hielt, ab 
Qeisteekranker ; alle anderen waren sehr robust, besassen 
gigantische Gestalten, einen geweekten Q«st nnd ein Torsflg* 
Udiee Gedttohtniss. 

David übertraf alle, sowohl duroh seine riesige Grösse 
und die Anmnth seiner Formen, als durch seine grössere geistige 
Bedeutong, dnroh den grossen dolichocepfaalen Sohädel nnd 
durch den Jedermann fasoinirenden Blick; aber er hatt» auch 
viel vom Narren an sich (s. Tafel VIII, Nr. 8), eine hohe, 
aber enge Stirn, reichlichen Bart- und Haarwuchs; er war 
hypospadisph, was, nach Morel und Le Grand de Saullk 
{Signes phystqiies des niantes raisonymnka^ 1876) bei Irren 
häufig vorkommt. Schon in seiner Kindheit war er voller 
Widersprüche und üLorspaniitor Tendenzen, die man bei Irren- 
haiiskandidateu so haulig tindet So hatte er sich, Kutscher, 
wie sein Vater, einem zügellosen Leben und dem Trank 



' Vgl LoMBROHO, Tre Tribuni, 1887. 

* BAR2RLi.om, Smti sohktri e fiiosofi. — Bologna lödl. 

LOKBBOBO. PoUtiMlMr Yfliferaeher. U. 2 



18 L Tbeü* Antiuropologto xani Senologie itot poUtiMthen VerimolMni «ko. 

ergeben, obgleicli er eine Lektüre betrieb (Dante und besonders 
Tasso) die für einen Mnnn seines Standes «ehr miffnllend ist. 
Als niedricTpr Zänker und Händelsucher war er überall der- 
rnciassün gefürchtet, dass er eines Tages bei Gelegenheit eines 
Festes, nur von seinen Brüdern begleitet, ohne Waffen die 
ganze Bevölkerung von Cnstel del PiRiin in die Flucht in«rte. 
Dabei war er leicht zu begeistern far eine Rnde, ein Gred]cht, 
eine Predigt, ein Schauspiel, kurz für alles, was ihm edel 
und srross erschien. Er empfand grosse Verehrung für Christus 
und Muhaiuined, die er die zwei bedeutendsten Persönlichkeiten 
der Welt zu nennen pflegte. KmcIi seinen eigenen Ani/eich- 
nungea hatte er mit 14 Jahren eine religiöse iialiucmaüoü, 
die sich später, im Jahre 1866 — sei es als Wirkung des 
Alkoholgena88€e, sei €8 als die politisdier Elrreguagen — wieder- 
holte. Iii dieeerZeit enoliieii ibm dk Hadonnft nsd befahl ihm, 

SQ eineni Biiunedlep ni he^beiii der ihn m 
einer Grotte beherbergte, ihn in äieologisehe Bflober einführte 
und Üun wahieeheinlieh andi half, ein doppelte» Stigma in 
seine Stini euusoBehneiden, das er ap&ter Tom heiligen Petras 
erhalten an haben behauptete nnd Tor Fro&nen hinter einer 
Stimloeke verbarg; entspreehend einer bei Oeieteekraiiken 
häufigen Neigung, s^mboliBirte er mit seinen ▲nhingem spiter 
diese Tftttowirong in mysteiiflsem und hOohst sonderbarem 
Sinne. 

IGt seinem AufnÜnlt bei dem Eremiten beginnt lOr ihn 
eine jener bei Gteirteestörungen so häufigen Oharakterverände- 
mngen; aus dem trunksüchtigen Raufbold wird ein leicht lenk' 
barer Abstinenzler, so dass er im Sabinergebiige Ton Wasser 
und Brot lebt, und sp&ter ron Brot und Kräutern ; noch merk- 
würdiger und auch filr eine gebildetere Umgebung überrasohender 
ist aber die Umwandlung seiner bis dahin unbeholfenen und 
fast burlesken Schreibweise in einen stellen weis eleganten, 
stets treffenden Stil, bilderreich und kräftig, mit einem Hnnche 
der Innigkeit, der an die ersten christlichen Heilif^en erinnert. 
Unter dem Eintluss einer nenen Offenbarung, die iliui bpfnhl, 
mit dem Papst über die unbeüeckte Kmpf^ngnias sich zu be- 
rathen, ging er nach Horn und stellte sich Pius X. vor, der. 



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NettBiw JUpiteL IncUridaaUtt lUdoraii. 



19 



klttg«r ab manche unserer StaatomlaiMr, ihm eine Donohe in 
der Irrenanstalt am Janiouloa tiiipfehlBn haben soll. Vom 
Papst zurückgewiesen, schlug er sich zur Opposition» dekla- 
mirte gegen den päpstlichen Hof und orakelte über ein theo- 
krntisches Reich, in dem Gott und die Republik sieh die 
Hand reiclifii sollten. Inzwischen hattn ilas Volk mit f>staunen 
dif» Veränderung seines Wesens wahrgenommen und iiei, vom 
Klerus fanatisirt, hin, ihn su hören, umprab ihn mit Verohning 
und machte sich an die Erbaunni;: einos Tcmpol.s, der jedoch 
uie iertig wurde, obwohl Alauuei, Fruueu und Kinder das 
Baumaterial auf ihren Armen herbeisühlf*ppten. Im Januar 
1870 gründete er die Gesellschaft der heiligen Liga (Santa 
Lega) und begab sich bald, nach Abhaltung eines apostolischen 
Mahls, mit den Seinen nach der Insel Monte Cristo, wo er sich 
einige Monate, mit Schreibeu vou Bneien, Predigten und 
Prophezeiungen beschäftigt, aufhielt; andere Visionen und 
Qffenbanmgen schrieb er auf Montelahro und in der CerfcoM 
m. QraioUe; builior hatte er aiek auf gOttlklhen Befehl be> 
geben, und hier «r&nd er eine m Zahlen beetehende Geheim- 
aehiift und diktirie das Bnofa der „Himmlieahen Blnmen** 
(»Geleeti fiori*). 

Er wuide Terhaftet unter der AnUage, ttnen BBzgerkneg 
geplant an haben, wnrde spAter freigesproohen nnd kehrte mit 
der Aureole des MflrtyresB an leinen AnhSngem aorOok, deren 
Zahl stetig wnchs» bia er ihnen im Aogoat 187B aakflndigte, 
er wllide ihnen ein Wnnder aeigen: er eei in der Geetalt 
Qhiiati von Gott geeishiekti ala Führer nnd Biohter, nnd aei 
deshalb nnvermmdbar; jede iidiaehe Macht und Gewalt mflnte 
gegenüber seinem Willen weichen; ein Zeiidien mit seinem 
Kommandostab gwflge, um die Uftehte zu vernichten, die es 
wagten, sich ihm zu widersetzen. — Er verliess nun seine 
Einsiedelei nnd stellte sich an die Sjutae einer Prozeenoii 
seiner Getreoen, die die seltsamsten Banner vor sich h eiCrun e n , 
bemalt mit wunderlichen Thielgestalten naoh Art derjenigen, 
die er in seinen Halluoinationen gesehen und in seinen Schriften 
beschrieben hatte. Einige aus der Schar waren in bunte 
Farben gekleidet, and er selbst trug eine königliche Toga nach 

2* 



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■ 

altrömischer Art, auf dem Kopfp eine Art von Tiara mit 
wallenden Federn und in der liaiid eiripn sogenannten ..Kom- 
mandostab", Es ist bekannt, wie tragisch diese Prozession 
endigte, und wie Lazzarbtti bei Archidosso in der toUod 
niuBion des Triumphs seiner überspannten Ideale fiel.* 

Lazzahktti schien enipni gewissen Philosophen, dem die 
E^auitate der Psychiatrie fremd und unheimlich blieben, ein 
isolirtes, fremdartiges Problem, zumal er dem Jjeben unserer, 
relig:i68€r Schwärmerei so abgeneigten Zeit zu fem und heterogen 
encheint. 

In einer Revolte der neuesten Zeit finden wir ein neues 
Beispiel eines geisteskranken Fübrers, der ganz allein im Stande 
war, den Fatriotismos weiter Gebiete za «nreolcen ; m wv der 
EuMdkr Loun Rul; aem Porlitit (Tafel Vm, Nr. 8) IM 
wilde Augen, aehr diehte Haaze, ataike Jodhbdne etloMUiflii. 
Nene UntMfnohii2ige&* Haben ergeben, daaa er ein mjatiaehiar, 
an GfOflaenwabn leidender Sehwflnner war, deem wnnne und 
inapirirl» Worte dook die Kraft beeaaeen, die Maeeen lieftig 
za faiifetiairen. Br war der Sohn einer infolge leligiaaer Manie 
halb aehwaehainnigen Mntter nnd einee ftbenpanntan Yateia, 
nnd war, ehe Termeintlieh gOttlioihe Bupiralionen ihn aar Anf« 
wiegehing dar HeatiMn veEsnlaaaton, aebon dimmal in der Zeit 
swieoben 1870 und 1878 in Irrenanstalten eingeaeUoeaen weiden, 
weehalb ihn aneh ein MOnehaoiden, dem er heitreton wollte, 
aorfidkgewiaaen hatte 

Er war auch der Urheber und Leiter des Au&tandes der 
Winnepeg im Jahre 18äO, den General Woiseley niederschlug, 
nnd in diesen Kämpfen lieaa er ana blosser Tollheit, ohne jede 
Verankssang, Scott erschieeeen. Er gerieth ftbiigens jedesmal, 
wenn fiir diesen um Gnade gebeten wurde, in eine fast tob- 
süchtige ErrpgTing. Später trat sein Grössenwahn deutlicher 
hervor ; er liieit sich für einen YnlkRerlfHser und strebte nach 
Erhohtung einer Hierarchie, in der er Oberprophet und Papat sein 



' S. T.oMHKoso, Pmzi ed ammali, cap. XI, 

' 77t/' juf'dico-lt'gal JoHrnnJ, 1885, Dezember. — C. M VABMIirT, 
Jjoms md {Mevuc <k« Deux Mondes, Män, 1866). 



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Nenntet Kastel. IndividoeUe FakUnren. 



21 



wollte; seine Grundsätze und Pläne schwaukten etets, nnd wenn 
er flieh heute bigott zeigte, predigte er morgen gegen Priester und 
Kirche. Jedoch hatte er b*»i seinen krankhaften Zu^Uiudeu 
auch licliterti Intervalle uud iiandelte dann mit so viel Um- 
sicht, doä:^ er einen ungewöhnlichen Einfluss anf die Indianer 
benat. In der Thai war ar dar eigenüioha Atugangspniikt daa 
graaaaik kaaadiaebatt Anfetaadaa (1885) und aaban dan nomi- 
naUan Folowni Ddmoht und DuxAis dar «gantUciha Ghaf. 
Wlhrand dia xarolatioiiftran Haufen kämpften, ailta ar mit 
hoehgehaltenam Kniwfix, Unit daUamiiand nnd Iwtend, hin 
und hat nnd nnierlualt dadnnh «nan nnbeeehrnbliohan IWa- 
tiamua. 

Dar An&tend wnida niadaigawoilan nnd Biel varliaiftat; 
irflhiend daa Pftnaasaa TarwUnaalita ar aaönan Yarthaidigw, so 
oft diaaar B.*a GtaaateakEankhait betonta, nnd wollta Um niaht 
ananksnnan; fibrigana wnvda ar, obgleicii diai SaohT«tsittndiga 
ibn ainaiinunig fbr ainen Honomanan aikblrten, hingerichtet. 

So aiging es ihm, wie kon snvor dam Freunde der 
SklBTanaimanzipation, John Bkowh von Kansas, der 1859 dia 
Neger aufwiegelte. Auch er war erblich zur Geis toost ftmng 
baaaiagt; aaine mtindllchen nnd achhftlichen Aeussemngan 
zeugen von einer dncch den Haea g«gen dia Sklaverei henror- 
gebraehten Exaltation; aber sein Motiv war gerecht, und 
deswegen blieb sein toller, allzuMier Versuch nicht ohne 
Frucht; nachdem er besiegt und hingerichtet war, brach im 
Jahre 1861 äor von ihm prophezeite Krio? aus, und sein 
Name diente den siegreichen neuen Emanzipatoren als Feld- 
zeichen. i);iä Beispiel zeigt, dass Gewalt und brutale Unter- 
drückung auf dia Dauer g^;en eine gerechte Sache nicht vor- 
halten. 

Ramos-Meja schildert unter den Kampfern der südamerika- 
nischen Republiken als geistig abnorm : Rtvadura und Manuel 
Garcia, — Beide waren H\rpochonder und starben un Hirn- 
leiden; den Admual Brown, einen an Verfülgungsideea lei- 
denden ileknchüliker, eleu Epileptiker Dr. Varela, den ver- 
rückten Ingenieur Beltran, einen Helden des Unabhängig- 
keitskrieges, den aus den argentinischen Bdrgerkriegen 



22 LTbeil. Anthropologie and Sosiologie des politit^mTeriwoditMito. 

bekaanten ObezBtoii Ebtomba» d«r an der Spitn aeiiMr Trappen 
■ich plötzlieh mluifumig zeigte, n. a. m. 

Unter den Helden der franaOoMhen Berolntion (and rieh 
die geisteskranke TflteoiaMS, die „Belle de Lidge*. Eine 
Terrathene liebe warf sie in den Strqdel der Berolntion, nnd 
FanB sah aie bald tlglieh libendl, wo das Volk sieh sammelte : 
aof den Flltaen, hinter den Bamkaden, bei allen If ordseenen ; 
anm Offizieisrang erhoben, eilt sie nach Lüttich, um das Volk 
an&nwiegeb. nnd emoheint dann in demZnge v li Paris nach 
Versailles, von wo sie an der Seite Joürdans zu Pferde anrtti^- 
kehrt Spftter entflieht sie den Oesterreiehern, die sie gefangen 
genommen hatten, erscheint wieder in Paris nnd predigt von 
der Terrasse der 'Tnilerien Liebe, Mttasigkeit und Eintracht ; 
bald darauf zieht sie an der Spitze einer Weiberaohar umher 
mit den abgeschnittenen Köpfen der Gardes du Corps auf den 
Piken. Die Volksgunst blieb ihr jedoch nicht treu ; sie hielt 
zu den Girondisten und fiel mit ihnpn: sie wurde bei einer 
VoLksrede von der Tuilerienterrasse herunteigepeitscht und 
wurde dann ausgesprochen geisteskrank. 

Tu der Studie von Laborde' über die Parisov Komniiiue 
finden sich von GeiöLeskmükeü aufgezählt: vier frühere Inpo- 
aDStalts-In£u.ssen, vier erblich belastete Irre, sechs moruUäch 
Irrsinnige und sieben an Grössendelir Leidende. Darunter war 
der schon mehrmals wegen Mama ambitiosa internirte Alltx 
(is. Taf. YIII, Kr. 4), der Erfinder eines Telegraphen, der auf 
die reciproke Sympathie von 48 Schnecken, welche (zweimal) 
die 24 Buchstaben des Alphabets darstellten, basirt war; die 
Kommunarden selbst sperrten ihn wegen Verrath, Imbe» 
eillitit nnd Tollheit ein; femer B., ein waihnainniger 
Mystiker, der si«sh gans in Both kleidete nnd sieh als „Sohn 
des Beiekes Gottes nnd Parimnear*' nntsrsaehnet»; der Dr. F., 
ein Bxpriestsr, später Atheist nnd Befoimator von propheti- 
Seher Haltnng, der ndt ftbertriebenen, eactiaTaganten Ideen der 

* Ygl. EsQuiu)!., Du maladüg mmkikt, Fant, 1838. — A. Tsbaldi, 
Bagione e pazsia, cap. IV. 

* Lu komma H kt adto; ViMmteetim de FkH» dMM h ptvchit 
hgie moMe. - Psiis» 18B9L 



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Nanntet KaisiUH ladividiMna Faktom. 



23 



Kommline bntnt; d«f AM 0^ der sdhon froher wegen Tob- 
Booht mit yorbeneoilieiideii GrOaseuideeiL in «ner Anstalt ge- 
weeen war. 

Daxu kommen die tod Du Camp erwilinten Fälle: 
LuLUD, TrappenfQhrer, den das Zentralkomitee wegen Gkietee* 
stömog nnd Selbetmordtrieb faltnehmen liess; der Brandstifter 
PiNDT ; der dur h seine ExtraTiganaen und sein tobsüchtiges 
Benehmen anfallende Flourbns; OllAm, der in den Be- 
rathungen der Kommune die Versöhnung durch Begründung 
der „Räpnbiique imp^ro-mooazohiqiie'' beantragte, in der die 
Justizbeamten ,. Procureurs royals de la Hepubliqne aap^nale*^ 
und die Verwaltongsvonteher «Chefe de la Coamime" hensen 
sollten. 

Dr Camp und Laborde erwähnen (4aillard, ehemaligen 
Schneider, einen Hydrocephalen, Generaldirektor der Barri- 
kaden, die er ?n be^reistert verehrte, dass er sie aus Stiefeln, 
aus Brot, aus I)r umni^teinen, die ihm m die Hflnde sreriethen, 
bauen hussHu wollte und siph in beroisrher Poüe unter der 
Besatzung eiuer ad hoc eigens wieder konstruirten Barrikade 
photographiren liess. 

Auch die gegenwärtige Anarchistenpartei ^ahit unter ihren 
Älitgliedem viele Anomale, 

Eiü iriischer llevüiuliüüär, MoONEY, der an Explosiouea 
in London betheiligt war und sich vor Gericht rühmte, zuerst 
die Besitzenden mit Dynamit ezsohreokt zu haben, wurde in 
Kew-York anf das flhereinstimmeBde Gutsektsn aweief G«riohts> 
flnts ftr wahnsinnig erklBrt 

7. Königs- nnd. Prftsidentenmörder. — Hier sind 
die politiseb henrortretenden Geistsakranken an erwdinen, die 
selhstindig nnd spontan handeln, indwn sie das Staatsoberhaupt 
angreifai, nnd die meist ein nnUaies Eeko der Partsikimpfe 
nnd der politisohen oder religiMen Bewegnogen üuir Zeit 
danfallen. 

Das gilt Ton dem Attentat CüAma anf Huhbioh IIL 
wihrend der erbitterten religiösen Kflmpfe Frankrsiohs; er war 
ein Irrer, der naok dem Gestibidniss seines Yerhrsehens bekannte, 
daas er sieb gesdileehtlioh zn swiner Sekwester kingetrieben 



24 LThtiL Anthropologie and Soziologie de« poJitiiQhm Vwfaadwm eto> 

und Ton «intm Jloiddmige baonraltigt fUili, und daas der 
Tod des aciner Reügüm feindl M h en Königs seine Stnfe mildeni 
soUto. Auf die IVage, wo er diese Art von Theologie gelernt 
hatte» aatwürtele er: „in der Pluloeopliie''. An eeinem Edrper 
fand man drei Blttter mit dem Anagitmm des Königs vnd neim, 
aeme Beleihte enthaltende, naeh den xehn Qehoten angeozdnete 
Zettel.' 

Heinrich m. starb von der Hand des Dominikanermünebs 
Clement, der wahrsoheinlioh an Hallucinationen litt, da er 
nach Angabe seiner Zeitgenossen dnroh Visionen and gftttliofae 
Inspiration 2m seiner That getrieben wnxde.* 

Sehr ähnlich scheint der Fall Poltbots, eines tlbereifrigein 
CSidvinisten, gelegen za haben, der ein Attentat auf den Herzog 
▼on Goise machte, weil, nach seinem Bekenntuiss, ihm für 
die Beseitigung der f^einde der Protestanten das Paradies ver- 
sprochen WELT.' 

Sicher war relifj^irsser Furiiitismus eins der Motive, die 
Ravaillac die WaÜe gegen Heinrich FV, in die Hand gaben, 
aber die eigentliche Ursache war f^ein Veifolgungswahnsinn. 
Er war wegen Gehirusch wache aus seinem KloBter \ei- 
trieben worden, gerieth dann doroh eine iaische Anklage 'um 
Ge^ngniss und bekommt Visionen, in denen er sich zum 
Werk/euiJ!; der Yorsehimg aui»ersehen fühlt, die ihn autreibt, 
den König, doÄsea Armee gegen den Paust rüstete, zu tödt^en. 
Seine Richter erklärten ihn (nach Mathieu) wählend der 
Untersnchnng für einen Irren von melancholischer Stirn* 
mnng; trotzdem blieb ihm ein schieokliohes Ende nicht erspart; 
er gkabte 1»a mktrti das Volk mlinte ihm ftr mum Tbat 
dankbar eein.* 



* £toil, Jmamal des choses memorables advenueji durant k rigme 
d€ Emry HL ^ Fuit 1826. 

* IHicmm mm FranotUa mr f odbitraMt cceidmU de la «Mrf i» 

Mmry de Valois. — Paris, 1589. 

' CAPEriouK, Uistoire de la Rlform''. 

* Hatbikd, Jiüttoria delia morte di Bcnrico IV., Hodena, 1616. 
Supplido cMM|)te« e «orte ign miMota daia c SVanem» EamriOae, 



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Nenntn Kapital. IndividueUe Fbktoroi. 



25 



Eb ist bemerlceiiswartli, daas nach seiner Yerbaftung zahl* 
reidie SeliriilBttteke bei ihm gefonden imzdeo; unter anderen 
ein Gediisht ttber den Gang smm Bichtplats; daaralbe war 
soigfiütig und offenbar xom eigenen Oebraneh anfgezeibhneti 
da die den SeeleuniBland dee Todeekaadidaien aehildemden 
Worte MOgftltagier und mit anderen Bnehstaben geiohneben 
waren, ab der übrige Text; hiesana» wie ana vielen anderen 
Sehriftstfleken erhdlt seine Sehreibaooht (.Graphomanie'^]. 

Qau shnliefae Dinge &nden aioh hei G-uiXBAü« und dieaer 
ist jenem anok darin flhnEdi, daaa er» wie B. ans IfiHeid mit 
der KOnagin, ans Efleksiflht anf E^n Gabvisld seinen Angriff 
anfidiob. 

In England ▼eranlasste der Despotismus Gboms III. 
und die Missstände seiner Begiemng das Messer-Attentat der 
geisteskranken M.\BaASliBB Nicholson und den Angriff eines 
anderen Irren, Hatfield, der mit einer Pistole nach ihm schoss* 

In Frankreich machte d«r wahnsinnige Damiens den 
Versuch, LuDWiO XV. zu ermorden; er rechnete auf die ün- 
sn&iedenheit der durch den Stonerdmck und die Intolerans 
des Klerus erbitterten Berölkening; Ton Sönd anf düsteren 
und an GeistasstOmng grenzenden Humoia» t— weshalb er 
JElobert le diable genannt wurde — hatte er einen schweren 
Diebstahl begangen und war auf seiner angsterfüllten Flucht 
vor der Polizei geisteskrank geworden; in diesem Zustande 
bemächtigte sich seiner die Vorstellung, dass dem Könige vom 
Erzbischof von Paris die Sakramente verweis^ert worden wären, 
und das8 alle T'nruhe m Paris dadurcli veranlasst wäre. Er 
glaubte, mit seinem Attentat das J. und zu beschützen; vor den 
Richtern erklärte (^r, er hätte ein dem Himmel wohlgefülliges 
Werk zu thun i:eglaubt und ercjincr sich in meist ^anz un- 
sinnigen rcdif^noseu und politischen Ausemandei-^etzungen. ' 

In neuester Zeit tctdtete ein Epileptiker einen grossen 
amerikanijsohen Staatsmann: Ighazio Monqss,^ 3Ö Jahre alt, 



• Voltaire, Histoire du regne de Louis XV. 
' Aktoxio f. Pixkbo» Anhim di jpndtitUna e tdeme pe$uM, TU, 
5. — Turin, 1088. 



26 LThieSL AalliropologittiiiidSQstologiadMpotttiMAmTaA 

wUendMi» «m«n Stoin g^gtn dtn Gmml Booha, Pttmdeaim der 
Mgeniuiiaßhen B«p«l>lik, und Twletete ihn 8ehw«r am Kapt Der 
VerbieoW war ein Mann Ton mittlerer GrMw (1,67 m), kiif- 

tiger Konstitution, neoropathisoliem Temperament, mit laagenif 
schwarzem Bart, mehr dunkler als heller Iris ; die Stirn hoch und 
asymmetrisch, der Schädel mttaaig entwickelt, brachycepha!, ziem- 
lich schief und von linker vorderer Plagiocephalie; das Glicht 
breit, niedrig (Chamaeprosopie); die Jochbeine vorstehend, der 
Mund gross, die Lippen dick und ge^ nistet; das Gesicht zeigt 
verschiedene Narben älteren Datnms, Sparen des Sturzes im 
epileptischen Anfall. Er schluft wenig und wird von düsteren, 
schrecklichen Träumen gepeiniirt; der Puls ist voll und frequeut, 
das Sluskelsystem wohl er]t>vickelt, jedoch zeigt es emotiven 
Tumor. Am Dynamometer ergiebt sich für die Muskelkraft 
der rechten FTand 70, für die der linken 150 kg, somit also 
Linkshändigkeit und recht 1 e deutende Kraft Die Haut ist 
wenig empfindlich, Hallucinatiouen und llluaiouen fehlen. 

Ueber sein Leben berichtet er, ev wftre als uneheliches 
Kind in der Provinz Corriente geboren; Vater und Bruder, 
die er kennt, waren immer gesund. Mit 15 Jahren trat er in 
ein Kuüeg ein, lernte elementare Dinge, nahm dann an allen 
revolutionären Bewegungen seiner Heimath theil und war ein 
eifriger Anhänger seiner Partei bis zu deren Niederlage und 
ZersprenguDg im Jahn 1874. Itr siedelte nach Uruguay über, 
wnide jedooh yon der Behörde nm sein Oesbliaft gebnobt, 
und leistete bei dieser Gelegenheit bewaffiraten Widezaboid, 
wobei er mebme Soldaten yerletarie nnd sellMt an der Stirn ver- 
wundet wnide; er verlangte gleicli dannf anf dem Ministerinm 
Genngthnnng. Seit dieser Zeit hatte er keine reehte Besobfif- 
tigong mehr, infolge der hänfigen epileptisoken Anfiüle, an 
denen er von seinem swaazigsten Jahr an, naeh einem Simse 
anf den Kopf, litt. 

üeber die Motive für sein Attentat gab er an, dass er 
mit der blossen Absieht ansgegangmi wire, der EiMffitnng der 
Kammer beiniwohnen, ohne jeden vorge&ssten Plan; als er 
Trappen angestellt sah, reizte ihn das, in den für die Ab- 
geordnetsn nmstellten Banm einzudringen, nnd ab General 



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Zehntes KapiieL ludividuelie Faktoren. — liattoide Politiker etc. 27 

RocRA endüm, Inm üiib der Gedanke, ihn m tsdtiii. Ab «r 
gefragt wurde, ob ibm dieser Gedanke m oder nadk dem 
Bintrel^i dea Genends gekommen wflie, gerieÜi «r in keftigen 
Zorn. Er iet Ton hypoohondrisckar, meknoholisdher G«mttfhs> 

Sinige Monate Torkw hatte er im Ge&ngnisB einen Mit- 
geÜBDgenen dnroh einen Fanstsohlag tn Boden geefereokt, und 
gkiok daiaaf einen epileptisohen Anfidl bekommen; der Zorn 
ftnsserte sioh bei ihm in der Form impnlsiTor Tobeooht 



Zehntes Kapitel. 

Individuelle Faktoren. — Mattoide* Politiker. — lndiraiti»r 
SfliMnoni. — HyttBro-epileptiicii« AltrHitttii. 

1. Merkmaie. — Die Mattoiden, welche auf dem F^nnde, 
in unkultivirten Gegenden, unt€r dem weiblichen Greachlecht 
nur iKklii^t selten vorkommen, unterscheiden sich von den 
Verbreciiern durch die lioheio Entwicklung des inoralischen 
Gefühls i von den irren, auch von den »ogenanuleu Paranoi- 
kem, denen sie ao sehr nahe stehen, unterscheiden sie sioh 
durch Abwesenheit der Delirien, äusserst geringe Impulsivität 
und durch ihr fast unversehrtes Affektleben, und von den 
einen wie von düu uudereu durch den fast vollständigen Mangel 
all Dcgeucrationsmerkmalen und erblicher Belastung. (Von 34 
einer Untersuchung unterzogenen Mattoiden zeigten 12 nur 
zwei Degenerationsmerkmab, 2 davon hatten drei, 2 vier und 
nur einer hatte deren 6 aufweisen.) Der Gmnd hiervon ist» 
dass diese LidiTidiiett £e«t immer dk Erttohte einer Mueifin, 
ttb e rs tHrgt en Oiyilisation smd, s. B. die «Babos* ladiens, die 

' Die Uebcrsctziin^ übernimmt hier den Ausdruck des Originals 
für eine Klasse haibvcirückter Pseudo Geniea, die weder in der psycho' 
logiachen noch psychiatrischea Termiüologie Deat«chlamiB eine bestimmte 
BewiidimiDg beritaen. -> K. 



28 ^ Theil. Anthropologie and Soziologie de« politiacbeo Verbredieua etc. 



»Tnmpfi'* NoiduiMrikafl» tovie die »Faietios' und die „Oianks", 
welfih« — icih wiederhole die Worte dee .N^w*Yoik Herald* ^ 
ndie Exoentrioitilt Ine siim Wehneiim tniben, plieEtutisohe, 
psendowiflaeiisoliaftliohe Fondrongen nntemebmeii und sieht 
selten GewaltUiaten begeb€ii, besondere in Wahlperioden und 
hei politiaoheu Unmhen, wo die Aufregung ellgemein iit.* 

Hftnfiger finden eieh hei ihnen fsoktionelle Anomalieen, 
die euf kfankfaafte Yeiiadeningen dee Nervensystems hindeuten, 
wie z. B. Zudkungen des Gheiehts hei Bp. und Gin.; epileptisehe 
Fhlnomene hei Mahoionb und Dbiommabi, knzse Delirien hei 
CoBDiQLUin, sowie Anaesthesie hei IiAZZABirn undPAssANANn. 

Wae sie am meisten charakterisirt, ist ein Anstrich von 
Genie und von gegenstandslosen Apoeteltlium ; wälirend sie 
mit dem Genie die tiefe Ueberzeugong ihm eigenen Ver- 
dienstes, das sfthe Vertmen auf ihre Ueberzeugungen, die 
VemachlSssigang jedes anderen Interesses theilen, fehlt ihnen 
der Scharfsinn, die Fruchtbarkeit und Originalität derselbe q. 

Wenn sie auch manchmal einen gewissen Weitblick er- 
langen, weil sie, wie viele Degenerirte,* wenig oder gar keinen 
llisorieismus besitzen, so erlahmt doch ihre Kraft schon beim 
Beginn, weil ihnen die wahre Grundlage schöpferischer Genia- 
lität, geistige Kraft, fehlt. 

Mit dem A])ostel haben sie den vollständigen Altruismus 
gemein ; die Leiden der Menschheit drücken sie. Oft deuten 
sie auf ein Heilmittel dafür hin, aber auch hier bleiben sie 
beim Unwesentlichen stehen, verlieren den Blick aufs Grunze, 
stecken voller Widersprüche, springen von einem Extrem ins 
andere und stellen sich dabei immer nur selbst zur Schau, — 
•wenn uänilich ihre persönliche Eitelkeit im Spiele ist, die 
dann die ganze Grundlage ihres Altmismus bildet. 

Eiu anderes charakteristisches Merkmal dieser Individnen, 
dtt mit ihrer Entertungstendem im fi&me dei Atavianus lu« 
eemmenhängt, hat AiiAnii gefimden, nSmlieh die Neigung, 
immer auf das Alte anxliekrakommen. Ihr Fortschritt heeteht 



* Viele Blindgeboraae ud<1 Taubttumme sind Neophilen, oft Be* 
pabUkaner wid Anarohisleo. 



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Zehnte« KapiteL ladividiMUe Faktoren. — Mattoide Politiker eto. 29 



immer in einem Kückwärtsgreifpii auf weit ui df^r Vergangen- 
heit lieirende Prinzipien und (lebräuche. Erinnern wir uns 
nur an die spartanische Kleiduns: Bosisios, das Vegetaruim^r- 
thnm von Gleizes, an den Antiparlamentansmns von Sbakharo 
und Vita und an den Vorschlag Caporalis, die gehrflnch liehen 
Waffen abzuschaffen und zu der alten, „natürlichen Waffe," 
dem Kieselstein (!), zuruek/ukehren. — Auch Bakfuir wollte 
in i'raukreich altgallische SiUeu emfuliieii, und Coccafieller 
wollte zur romi^hen Decurie und den Tribut-Komitien zurück- 
kehren. 

Dum krauut lilii^ «iae flbartiMiMii» llBehteniheit ; so 
lebt» 2. B. Boamo '?<m mgoanlaoner FoIntBi PASgAiniAiiiB tos 
blounn Brot, QmrEMXi Ton NflMeo, Lazsabbiii begnügte sioihniit 
iw«i KvtofiiBlii» Mahgioib an tVgliah nur ftr 10 Sons EilMeii, 
Bohnen oder Bmb, Bei dieeer Lebenaweiae gewihzte ihnen 
die Befriedigung ihna Ehigeiaea und daa BewoaBtaein, lieber 
Hanger ni kiden, tla Andere an berauben oder m betrogen, 
Troet md Freode. 

Ein andeiea honatentea Merkmal iat die groaae Zahl nnd 
Weilaehweifigkeit ihrer aehiiftliohen l^odnktionett, der (3«bmn«)h 
a t erautyt N i r Phxtean von gans beetimmter Bedeatnng, die aie 
taosend&ch wiederholen, die Anhäufung unnützer Einzelheiten, 
aahlreioher Unteratreichungen, die Wahl der verschiedenartigaten 
Lettern, ja sogar veraefaieden gefitebten PapieiB, ein seltsamer 
Ueberfluls an Zahlen, — was man auch bei den Paralytikern 
beobachtet, — Spiele mit Wortm, Klängen, S.^nsibolen. Leider 
aber enthalten diese Schriften auch oft widerliche Abaur* 
ditäten, die zwar höher gebildete Menschen abetonen, das 
Volk jedook, die Maaaen, die daa wahre G^me nidht Teratehen, 
anzieht. 

Einp andere Eigenthümlichteit der Mattoiden (wenigstens 
derjenigori, die Amauki mit dem Namen „Entdecker bezeichnet) 
ist dafi Bestreben, ihre Entdeckungen geheim zu haltpn, sei es, um 
ihr Prestige zu vergröfisem, — was auch bei If^nor.iuten sehr bald 
gelingt — »sei es, um Vortheil daraus zu ziehen, Sf^i es schliesslich, 
— und das wird wohl am häufigsten die Lrsache aein — weil 
sie ein dunkles Gefühl haben von ihrer lieere und von dem 



30 ^- Theil. Anthropologie und Sociologie de« poUtiacben Verbreohea» etc. 

Mi8Bvar1iältD]88 swiadmi Uuem VflidMiiit imd dtm ihrer hsirai' 
den Böhm. So hielt OoooAPnniJtB den K«m aeiiier PUbie snr 
WiederheEsteUiiiig IteliniB lange Zeit geheim, bii lie noh ele 
WOB altem lOnuecheii Fomebi beatahend hamaaBtellteo; und 
Tita apriolit 660 Seiten lang Ton aeiner psyohologisohen Ent- 
deoknngi die aieh dann ebenialla in niehta anfloate. 

Wahrend ihre aohriftliehe Anadniekaweiaa oft hOehat abaud 
iit, fiittd BIO in dar ünterhaltnng nieht nnrentlndig; die 
Aeaaaaningen SBAHBABOa vor den Biehtem aind bekannt; — 
]£a]r»ioiib aagte, aia er angeUagt wurde, einen Doleh yetbofgen 
an haben: ,«Non en. nno pngnala, era nn £uio,*^ nnd ala er 
nnwahrerweiae behauptete, eine Ohileige bekommen an haben, 
nnd man ihn daimnf aofnierkaam machte, sagte er : „Ich meinte 
dne moralische." Auch im tftglidien Leben zeigen sie aieh 
» anders als die wahren Genies — gewitat nnd schlau. 

Und in der That er&euen aie aieh eines grossen Einflusaea 
anf die Ifaaaen, ganz besonders in nnmhigen Zeiten, dank dem 
Prestige, daa ihnen ihre Nachtemheit. Ehrlichkeit, ihr geniales 
Aenssere, ihre Gewandtheit in den Anforderungen des täg- 
lichen Lebens nnd ihr EnthusiasmiiB für ihre UeberzeugunfTf^n 
verleiht, an denen sie umso zSher hängon, je nbfnrder sie sind, 
Manchmal erblicken ^Iq wnhl auch einen Strahl der Wahrheit, 
aber ohne sich um ihretwegen von der Menge, die alles Un- 
gewöhnliche scheut, zu trennen. Sie finden Beifall, weil sie 
vulgär sind, nnd weil sie personliche Fragen hehandeln (vgl. 
CoccAriELTiER Und ÖHAUüAHo), waö emem altersschwachen Volk, 
wie dem italienischen, zusagt. Es ist allerdings wahr, dass ihr 
Altruismus, wie \Mr oben erwähnten, einen egoistischen Hinter- 
grund hat, und dass sich ihr Gerechtigkeitsgftülil mit dem der 
Banditen vergleichen lä&st, die die Reich hu uusj tl andern, um 
die Armen, und besonders sich selbst, zu entschädigen ; — aber 
gleichviel: die meisten sehen weder auf die Mittel, noch auf 
die Motive, sondern auf das Ziel, den menschlichen Fortsohritt, 
nnd das genügt nna. 

Oft Terdankan ne ihre Erfolge aneh dam Dmatanda, daaa 



* üniibenetalMrei Wevtepiel. 



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ZdratM KiviteL Individael]« EUttoren. — lEittoida PoKtito efee. 31 

sie Prag-en behandeln , die der Joarnalismus, weil er zu tief 
steht oder zu hoch zu stehen glaubt, grundlos unbeachtet 
läset; haben wir nicht lange Zeit hindurch Prairen, wie z. B. 
die Missstände des Parlamentarismus und der Rechtsptiege, 
oder aL'rarische Fragen, wie die Pellagra, nur von solchen 
Leuten behandeln sehen?* 

Ferner sind die Alattoiden, im Gegensat/ zu den Genies 
und den Irren, durch gemeinsame Antipathieen und Sympathieeu 
untereinander verbunden ; sie bilden eine Art von Freimaurerei, 
die um so mehr Macht besitzt, je regelloser sie ist, weil sie 
sich auf das gemeinsame Bestreben stützt, dem Lächerlichen 
Stand zu halten, das ihnon unw idörruÜicli uberall anhaftet, 
und auf das Bedürfniss, ihr gerades Gegenspiel, das Genie, 
auszurotten oder zu bekämpfen. Obwohl sie einander hassen, 
nnd sie doch solidarisch ; sie gOnnMi einander keine Triumphe, 
wolil aber firaaen äe sioh der gemeinflammi Opfer, denn womi 
das Volk swüohen dem waluen Geue und dem Hatloideii 
wflhlen soll, 8o entscheidet ea noh ohne Schwanken fibr den 
letsteren. Bekannt ist es, daae die politischen Mattoiden oft 
bei der Aasfilhning ihrer Plline eine gana nngewOhnliehe 
SehJanheit nnd GksohiokUohkeit an den Tag legen. 

Bin klaasiachea Beispiel hierfbr ist Maut, der, alsGesstoe- 
kraaker ins Lienhaas gesperrt, ohne Soldaten, ohne Geld, mit 
der alleinigen Hfllfe eines Geistliohen nnd eines Dienen 
Nafoibon an stttisen soeht, — was ihm aneh einen Tag lang 
beinahe zu gelingen scheint — indem er Befehle ftlsoht, einen 
Minister tödten und den Poliseiohef Terhaften Ifisst, nnd ftst 
alle Oorpakommandanten betrügt, indem er sie glauben macht, 
Napoleon wäre todt — Auoh hatte er schon im Jahre 1808 
eine Revolte gemacht, indem er einen erdichteten Parlament»* 
beschluss in die Welt setzte.' 

Die grosse Bedeutung dieser Individuen für das politische 
Verbrechen hat femer ihre Ursache darin, dass, wenn bei ihnen 
das Delirium getäuschter Hlusionen, des Alkoholismus und des 



' S. LoMBRoso, Tre Tribimi, 1887. 

* Hamel, Mittoin dea deux eana^piratiim» du QiHM MoleL Pari« 187&. 



32 I- Theil. Anthropologie and Soziologie des politischen Verbrechens etc. 

(ahrOflsenwabiis ainit ■nftritt, w€im aw dan Bvhm, waloben na 
▼on allan Saiten anraiteo, an Spott wardan aahan, ihn aonat 
80 groasa Rnha, dia sia garada toh dan Inan untanahaidet, 
ainar epileptddaiilmpulaTitIt weiohti in dar aia su Attantatan 
und sa aa&nga oft wfolgraiohan Baroliai admitan.^ 

M AF«I0NB, der ala ein finadliohar, wohlwollandar Meoaah 
Bekannt mr, aimordat plOtaliok Gioflao, g^n den er melirete 
IfaniMa verOiantUfiht hatte; Sbabbabo wird plOtiliah ana 
einem Politiker und philoBophiaohen Balbmutor gemeiner 
Verlaomder nnd Demmsiant. Bei einer Siiming der Fbknltftt 
wirft er Tintentoar nnd Tiaehdeoke auf aeine Kollegen, be- 
leidigt und heeehimpft die Minister. (S. Tre Tribuni, pag. 102.) 
CoOGAFIBLLtiR trieb es niolit so weit» aber im Gef&ngniss be- 
drohte er die Anfteher nnd aehidcia einea Tugee naob dem 
Staatsanwalt, am ibm zn sagen, „dass er nor deswegen nicht 
König aei, weil er niaht gewollt habe." (S. oben pag. 82.) 

* Caporau schreibt 10 Tage vor seinem Verbrechen an seine Mutter: 
„Dar Fortschritt der Menschheit geschieht nicht ohne Initiatiye. lo h f u h l« 
mich imstande, einen grossen Sohrttt vorwirtssn thnn, mit 
dem Du vielläeht sehr unzufrieden sein wirst; ich iriQiIe SttT Atiifllhning 

meines Plans eine natürliche Waffe (den Kieselstein '^" Fa-t denselben 
(bedanken sprach GriTEAi*, der Mörder des Prasuienten der Vereinigten 
Staaten, aus, wenn er sagte : „Ich war Ton der Idee gequält, eine groMe 
lOssUm vollbringen sa mSssen.* „Der Irrs,** bemerkt Uersa Akaobi» 
„Terfolgt die seiner Phantasie vorschwebende Idee» nicht, weil sie eine 
besondere ATiriphunp^s^rraft fifr ihn br^sitz^ sorn^ern weil ihn eine innere 
Triebfeder dazu zwingt, mid (iarum -ntcckt « r '•ich irgend *'in beliebiges 
Ziel ; die bewegende Kraft liegt nicht ausserlialb, sondern m ihm selbst, 
in dem dirgeixigen gehwvmg seiaer Seels^ in seinem stob sieh btthenden 
Selbstbewusstsein. Aber sie besohrSnken sich nicht dsnm^ ihre heir- 
liehe Idee mit dem stolzen Bewuwtsein des Urhebers zu betraclitcn, 
sondern sie setzen es sich in den Kopf, ihre Apostel, Triumphatoren, 
Märtyrer zu werden, und zwar oft mit der unwiderruflichen Impulsivität 
einer flun Idee. Von den Sdnrierigkeiten, die sidi Sven tefÜgen 
TribuMB in den Weg stellen, «ollen sie nidhts wissen; in Ifaien Ter 
hangnissvollen Illusionen sehen sie über die praktischen Hindemisse (in 
denen fiir jeden Verständigen gerade die Hauptschwierigkeit liegt) ohne 
weiteres hinweg und geben sich der Uotluung hin, ihr grosses Ideal 
mit einem Sehlage, dundi «in Bash, eine FroUiamtion, «in Attentat en 
«rniahen.« (AMAon.) 



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ZekntM KftpiteL lodividudle FAktoran. — Mattoide Folitikw «to. 33 



In pinem solchen Momente war es wohl, als Sbarbaro ein»**» 
TuL'es Qttckt vor seiue Zuhörer hintrut, sowie als er eiues 
Tages auf der Stra&se eine alte Frau küsste, die er gar nicht 
kannte, und dabei ausrief: „Ich muss, ich muss, sie ist meiner 
Mutter ähnlich.*' 

Diese seine epileptoide und impulsive Veranlaf^utii: zeigt 
sich auch m einem seiner Drolibriure un RACCKLLr. in uelchem 
er sagt, er wolle in Italien ein Exempel sUtuireu, ehe er sich 
in den Tiber stürzte. „Ich pfle^ nicht zu Ittgen," filhrt er 
dann fort, «ioli fiBhl« vam Wirbel, der mich treibt, mich auf 
ffi» 20 sttnen." IKaiam Brifif wtst, notabenab «in tatear 
Ttnangegangen, der eine einÜMilie Bitte enäueli, waa den Kon- 
tuet nooh erhAlii. 

Bei aUeden ateihi iomier der Altmiaama an dar Spitae, 
— aber immer ala Uaake and ala Yorwand and TintBehaldignay 
für den Tliftter. Daiam «noh afoUen ei« aieh an die G^tae 
▼on Berolntioneii, Ktfoigamoiden, Anfttodea, eowie aie aneb 
in ihrer Baehe die eigenen Intenaaen, die ihnen am meiaten am 
Heraea li^geii* mitmeihr oderweniger gerabhtiertigton aUgemeinen 
TemuBeben and omaldren. Erinnern wir nna dea TTrtiieila Ton 
Spaventa über Sbarbabo, daa mit einigen Yerlndeniiigen von 
jedem Irrenarat getheilt werden wird. 

«£r bat grosse Liebe zur Gerei litigkeit» aber er veiateht 
aie nur im pemdnlichen Sinne; jede That, in der er eine Un> 
gereobtigkeit gegen sich seihet erblickt, nennt er ein Verbrechen, 
und richtet aeine Drohungen, aeine Beleidigungen g^gen aie." 
(S» 1. c.) 

Sbarbaro, Cobdioliani, Lazarettt und auch Bwmx 
warfen sich immer zu Censoren der Missbrüuche auf. 

Op.MFA, Pin ßOjähriger Arbeiter, von durchaus normaler 
Erst'hemuni;, erlaubte sich, weg-cn einf^s in einem unbekannten 
Blattt' verufTentlichten demagogischen Artikels von der Regie- 
rung mit missiiebigen Blicken angesehen; er behauptet«, es sei 
aeine Aufgabe, das Unendliche und die Sterne zu studiren 
und das Volk durch seine Erfindungen zu befreien. „loh bin," 
sagt er, „ein hühnerologischer Agrar-Schriftsteller." Als seine 
Huhner eines Tages über ein Saatfeld liefen, und der Besitzer 

LOMBBOso, Politisclier Verbre«h«r. II. 3 



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•)4 LThdil. Anthropologie und Soziologie de« poUtiscben y erbrechen« etc. 

desselben ilim deshalb Vorwürfe machte, schoss er auf ihn, 
und ebenso auf die Gensdarmen, die kamen, um ihn zu ver- 
haften. Und in allem, behauptet« er, sei die Rache der Kegie» 
nmg im Spiel. 

Weil sie jedoch, wenig an Schlecbtigkeiteu gewöhnt und 
nicht geübt darin mnd, «eigen lie bei Glewtlitliaien vübA Hofd- 
weniger Kraft und Gteadiiekliebkeit^ als dn 
widdioihea Varbradier, und wenden keine mOrdenMiheii Walfan 
an. So gebvanehten Passanaxtb, GoBDioiJAin, Oipokau nnd 
BmnBB KflehenaMSser und Steine^ und Vita eine Bflchae 
mit FlUfln^eit^ die yon anasen ao atark vetpaekt war, daas 
sie nifllii explodizen konnte, aelbat wenn aie toU Pnlyer oder 
Nitroglyoerin geweeen wflre. Xieht selten laden sie ihre Wate 
nnr mit Pnher, wie bei den kOnlieh eifelgten Attentaten anf 
Gabhot nnd Fbbst. — Sie haben keine IfÜMlmldigen, aind 
nieht hintarhftltig^ aoigen niobt ftr ein AliU nnd Terheimliehen 
oder leugnen ihre Sohnld niemals. 

Ein Medonal, das diese politischen Verbrecher mit den 
Hysterischen gemein haben, ist die Sodht, ihre schwarzen 
Pläne in unaufhörlichen Schreibereien za proUamiren, indem 
sie sie bald in ein vielgelesenes Jonmal als Annonce einrücken, 
bald der Behörde, bald schliesslich dem ersten besten enthüllen, 
in offenen Briefen, oder wie Manoionb, CAPOnALl,^ BAWan, 
Vita und Gütteau in Buchform. Perner ist es für diese 
Individuen charakteristisch, dass sie, trotz der Integrität ihres 
moralischen Gefühls, niemals Reue zeigen; im Gegentheil, sie 
rühmen sieh soETür ihrer That, denn die stolze Ueberzeng-nng, 
endlich einmal etwas in der We t zu polten und der Mensch- 
heit zu helfen, erstickt jedes andere (iefahl in ihnen. 

2. Verfolgungssüchtige Mattoiden. — o^iebt 
eine besondere Abart dieser Individuen, die iai>L immer Ano- 
raalieen, besonders der Leber und des Herzens besitzen ; sie Laben 
weder ein unversehrtes AflTektleben, noch moralische Integrität; 
weil sie mit ihren Ideen nicht durchdringen, fühlen sie sich 



^ S. die Fnasnote p. 32 dieses Bande«; p. 40 über Vita und p« 46 
über GuiTBAu. 



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ZefalfM XftlitteL IndirUiMlk Fakten». — llaltoid« Folilikw S5 



beständig beleidigt, glanben sieb verfolgt and werden dann 
scbliesslicb ibrerseits zu Verfolgern, indem sie sich gegen die 
Heinben, die Häupter der BegieruDg, ja gegen das poUtiaobe 
Heigime selbst wenden. 

Andere vermischen ]H)litische und persönliche Streit iL-^kfiten, 
verfolgen Depntirte, Ma^^istratspersonen, denen sie di" Miss- 
eribige ihrer Prozesae zuschreiben, lielcidi^en die Richter und 
machen sich zum Anwalt aller Unterdrückten. Büchnkk 
(Friedeicbs Blatter, 1870) erzählt, dass einer von ihnen in 
Berlin eine Gesellschaft gründete, zum Schutz© aller Derjenigen, 
die unter der Ungerechtigkeit der Richter gelitten hätten, und 
das Programm des Vereins an den König schickte. 

Ein Beispiel dulüi ist Saxuon, der Naj'Olkon III. und 
BiLLAUT viel zu schaffen machte, und zu dessen Charakterisi- 
nmg wir einige Bemerkungen von Tardieu entlehnen.^ 

S&üDOK, ein Advokat toh übermässigem Ehrgeiz, hatte 
in seiner Jxigmiä mo» mm^eh imtergeoidneft» Slelhmg. Er 
bängte rieh an Billaüt, Minen Sehnlkameniden, der ihm an 
Anstellungen weit Uber lein Yocdiflnat verhalf. Als er die* 
selben dann Terlor» well man seine Venohrobenheit einsah, 
legte er die Yerantwortliehkeit ftr das erlittene üng«nuieh 
BiUiAUT aar liest Er klagte, das Opfer nnerhorter Verfol- 
gungen an sein, wfthrend er selbst ein ganaes System von 
Yerieumdangen oiganiairte, mit denen er den Mimster an 
kompromittiren snehte. ^ 

Und Tom ftnssenten Stola ging er anr gemeinsten Behnftig- 
keit Uber; bald droht er, bald demflthigt er sich. Er verlangt, 
dass man mit ihm umgeht, wie mit dem Oberhaupt einer 
Partei, und dann will er sich wieder als armer Kranker mit 
einer Stelle in einer Heilanstalt zufrieden geben. Derselbe 
Btißf, in welchem er Billaüt drohte er würde ihn ermoiden 
lassen, enthält die Bitte um Zusendung eines Fisches ; ansserdem 
vertraut er ihm darin noch die Sorge für die Ansfäbmng seines 
letzten Willens an und bestimmt den Ort, wo seine sterb- 
liehen Beste rohen sollen. Die f&ibang politisoher Opposition, 



* £tiide mitL Ug, mir la fcUe, Peru 1866. 



36 ^ Tb«U. AaUiroi>oi<^:ie und Pönologie des poUtischeu Verbrecheos etc. 

durch die äeh mixm DeUrieo anaaeicliiMii, MbiUeirt ia mdir 
all B^geabogvnfiurbeii. Bald selÜMBrt «r aieh ainar Mebong 
in, bald vanruft ar sie wieder aamt alien ihian BeprtaeiitaiitoD. 
Oabhot dioihtet er das Venpredheii an, ihn avm Deputiiieii 
Ton Bsris SB maelien, und dabei sieltt ar noeli die Bedingung, 
unter dem F^ironai vom. Qnfen von Pebsiokt xu sieben und 
aiakt unter dem des Heinoga von Hounr. (I) 

Br iat flbenengt, dass Frankieidi, ja gans Eniopa sieb 
anasehliesslieb mit ibm beeelillftigt; er teigleiabt sieb mit 
HoHTBBQüixir und aiebt aohon, dank aiinmn X\raäe mir 1» 
yrandmt ä is Menämot ie Is IMmoenHet die Ffortsn der 
Akademie sieb TOf ibm offiien. 

BeaoliteDawertii ist seine sohriftstelleriscbe Fraohtbarkeiti 
seine Y (»liebe für sahlreiohe Naohsohrifleu und Untentreicbuogen 
und die gediingte Sebrift, die an diejenige Geisteskranker er- 
innert. ~ Beim S^piaoben fliesoen ibm die Worte leiobt und 
teiohlioh zusammenbai^gska an; antwortet er auf eine 

Frage direkt, und wenn ea sieb um eine kürzlich geschehene 
Thatsache handelt, &ngt er an, aus seiner Tergangenheit zu 
erzftblen und die femliegendst^n Dinge heranzuholpn. Eine.» 
Tages bittet er den Vorsitzeudeu der Anwaltskaramer, ihn m 
Mazas zu besuchen. Kaum i^t er erschienen, so hält er ihn 
für einen Spion, und l)ehauptet tipnj), ©r habe in emom bel- 
gischen Journal eine Notiz gegen ihn ersoheiueu laäseu, die 
aber er (Sandon) selber geschrieben hatte. 

3, Mattoi de Ge n ies. — Es fehlt unter ihnen nicht 
an halbgenialen Menschen, die sich in der That über die vul- 
gäre Si^hicht emporheben, aber mehr, um zu fallen, als um zu 
Hiegen, wie Icakus. Kaum haben sie sich so weit empor- 
gesüliwungen, um neue Horizonte zu erblicken, ao gehen sie 
auch schon im Vulgären und Absurden unter. So z. B. Sbar- 
BABO und OoCApnitHfc/ die wir schon mehrfach erwflbnt haben, 
md BunBR, der den Deputirtsn Oabsb im Veisaal der Kammer 
an arauuden anebte, ibn aber nur stnilte. 



* S. LoiDBOSo, 2W ^ ümo «klinqumu, Yel, IL 



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ZdmtM KapiteL LadiTidoeUe Faktoran. ~ MatUnd« PoHtänr «te. 37 

Baffiek, Jahre alt/ ein grosser, robuster Mann, mit 
schöuer Schädel form und Gresichtsbildung, dichtem, schwarzem 
Bart, einer etwas niedrigen Stirn, ohne erbliche Belastnng und 
von ^esnnden Eltern stammend, war ein armer Steinmetz, der 
Lntorkunft bei emem Bildhauer fand, was schon Inngst scnn 
Wunsch gewesen war, und sich mit grossem Eifer ans Lernen 
machte. Er laa viel und verdaute wenig davon, und da er ein 
lebhaftes OeftUil für Familie und Vaterland besaae, yerwickelte 
«r swh in wiira FhmtaiiMn tübn dw Kunit, di« Dor natioBBl 
itm dflile; er maohte €b ««sh son Ziele, die gionen, mlanUeben 
ObanlctaUlder der alljgaUiMiheD Bane wieder im Lende auf- 
leben ta hama; er litt Hunger nnd Kllte, aber das atOrts ihn 
nicht in semer Arbeit an Sbüptnrsn mit politiaoher Ttodena. 
Er meisaelte JIarat, Jacqü» BoHHomii, in denen er, seinen 
«ignen Wortsn nadi, die Tesditton der gallisohen Knnst m- 
korperte. Daianf begann er an einer Statne St. Jüsib an ai^ 
batsn, mit dem er eidL dmeh das «frige Stodinm seiner 
Memeiren gewiaaermanesen identiflsirta, nnd soUieailioh kam er 
daaut obgleiflli selber von sanftem Temperament, daa Oredo 
dieses Mannes aaanneSmien: diejenigen, welche sohleelit 
regieren, müssen getödtet werden. Mit diesen Ideen trat 
er in ein Wahlkomitee ein, fühlte sich aber durch die hier 
heiTSohende Mittelmässigkeit und Erbttnnlichkeit angewidert 
„Ich habe mit ihnen geetimmt", sagt er, «aber da ich immer 
der Ansicht gewesen bin, man dürfe die Macht nur einem 
Verdienstvollen geben; nnd da ich nun aus Parteidisziplin für 
Einen gestimmt habe, der es nicht verdient, fühle ich mich 
schuldig; ich habe mir gesagt, dass ich dafür verantwortlich 
bin uTul da?<s ich meinem Lande eine Revolution sparen muss, 
indem ich meinen Kopf in das politische Rädfnvprk ?tprk(*. 
um es anzuhalten. Ich ziehe den Tod dem Verlust meiner 
SelbptnoVitung vor. Nun, die Sache lie?t so: der Präsident ver- 
steckt sich hinter die 31inister, die±?e hinter die Kamnicr, und 
hinter der Kammer steht der Wähler» d. h. ich. Ich musete 



^ Aua dem nicht veröffentlichten Gutachten von BroXakdbl and 
MoTBT (5. Januar 1687), das mir gütigst überlaasen wurde. 



38 LTbeil. Anthropologie and Soziologie des politiacheaVerbrechenB etc. 

ein Beispiel geben: ich erinnere mich, dxss mir mein Vater 
eines Tages eine Raupe zeigte und sagte; siehst du? Das 
sieht gut aus, und frisst dook den Kohl, und er zertrat sie 
sdt der Fm>. Auoh diMe Uinner, daehto iah, mfistan ridi 
WM die Baupeo, und man mUvte es mit ihneii ebeoeo nadun.* 
Des eind Worte» eines gtoflMii Heimee wOidig, wid dodi irt 
«ein WeriEehen „Xe reveß «k la Oonät^ ein Ilohefliebee und 
absnrdes Bagoui Unter aodeKem liest man daiio : „Hugo der 
Grosse ist als Diohter ^patant, eeme Ideen smd hohl, seine 
Sohriften Bchwfllstig, sein BepnblihaDismiis windig, er ist ein 
Jahrmarld^CSbarlafan (nn fbiieauz). Das Volk bvsooht nioht 
aufemeigelte Mflnner wie Louis Blavo, HeQehler wie Huoo, 
StrohmUmer wie BooHKtOBT nnd GanUer wie OL^MBiotAü*, 
Aber das galnngensto IVagment seiner Beredsamheit ist 
Sttne Bitte an die Franen, den Pleonasmus abzuschafiini« der 
einen Theil ihres Körpers aufbansoht und unehrfoar entstellt. 
Im Gef^ngniss zeigte er keine Beue, „dem Gesetz gegenüber 
bin iek schuldig, mir selbst gegenüber nicht*^. Als man ihm 
anseinanderaetate, dass man auf diese Weise keine Beformen 
ezlangen kann, antwortete er: «was wollen Sie? meine Ideen 
rind mir das Theuerste, und wenn ihnen auob die Ghruudlage 
fehlt, so erfüllen sie mich doch. Denken sie nur, wie leicht 
pp wäre, den Künstlern herrliche Aufgaben zu stellen, und statt 
dessen giebt man ihueu lächerliche Sujets, wie z. B, Tobias mit 
dem h'isch". Ein andermal äusserte er antirevolutiouüie Ideen, 
z. B.: ..Sf'lbst auf dem Lande geht alles fort, selbst uusere alteu 
Volkfiliedo! verschwinden; npiiHoh sah ich die jungen Mädchen 
nach eineui deutschen Liode tanzexi; als ich das hörte, holte 
ich einen Dudelsack und Hess sie danach springen**. Er hat 
stellenweise die schönste Prosa, verstreut zwischen politisches 
Gefasel (er verlangt für Frankreich die Wahl eines Justioier 
de Gaule, der uuf 10 Jahre ernannt und nicht wieder wählbar 
ist, und seinerseits den eigentlich auaführcuden Conseil wählen 
soll). Unter anderem schreibt er: „Das Vaterland ist der Sonnen- 
schein in den Zweigen der Eiche, ist der Thautropfen, das 
Naebtigalleikliedi der Kinaehsmsehrei, ein FrOhlingsmorgen, 
eine sehöne Stemennaobt: es ist der Wein, der in meinem 



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Zehntw Kapitel Individuelle Faktoten. — Mattoide Politiker etc. 39 

Becher glänzt, der Blick des schönen Kindes, der mir das 
Herz erwärmt, ist die Dorfkirche mit ihrem Glookenklang, 
der meine traurige (jedanken verscheneht, es ist der Kirchhof, 
wo meine Alten schlafen, es ist der Acker, auf dem der Pflug 
die Gebeine alter Krieger blosslegt. Das alles ist daa V ater« 
land, und das alles liebe ich grenzenlos." 

Ton den weiblichen Studenten sagte er, „warum wollt 
3u den ZmlMf eozv acihttiMii Augen fllwr SohaiidBw w- 
derben, warum mm Hinde und «oie H«md«a mit Tinte be- 
Meeiaf Ihr seid Fnum, und ioh sage endi, irerft die Tinten- 
ftmor Denen an die Nase, die gegen die Nntor TentoiMn.'' 

In meiner Seluift: 2V« IHbmi (p. 119 £f.) habe idh geniale 
Aeoaeerangen Sbarbaros angefahrt, Ton denen leh einige 
wiederhole: 

,y£än famafiaiflbher Joomalisk aprieht von dem nooh immer 
hen a ehend e n Paganiamna dea Beakena; aehlimmer aber ist der 
Fäganiamna dea Gewinena, ein »beigliab&ohea Hddenflnim dar 
GMtthle, der epidemiaohen Leideaaehafken, der poUüaahen 
Instinkte der Völker, die sich sohmählioherweise hinter 
juristischen Formen verstecken." Auch bei Passanante habe ich 
konstetirt» dass er in seinen schriftlichen, noch mehr in seinen 
mflndliohen Aeuaerangen originelle, kräftige Wendungen hatte, 
und gerade das rennlaaste Viele, an der krankhaften Natur 
seines Znstandes an aweifelu. Ich erinnere an die Aeusse- 
rangen: „Wo der Gelehrte stockt, trinmphirt der Unwissende", 
und : „Die von den Völkern gelehrte Geatdiiohte iat lahrreioher, 
als die in unseren Büchern.'' 

Louise Mtoh FL hat die Physiognomie einer Irren: enorme 
Nase und Kiuniade, männliches Anj^sehcn (vl:1. Xr. 6 Tafel VIII); 
ihre Verwandtehaft ist reich an bizarren Persönlichkeiten, wie 
ihre ( irosvsniutter. die eine versifii'irte Familienchronik ver- 
fasste. Aus ihren eigenen Schriften^ erhellt ihre merkwürdige 
Liebe zu Thieren; ihr Haus wimmelte von Legionen von 
Katzen, Hunden, Vögeln, Wölfen, und dazu zahlreichen Kühen 
— die sie mit Blomenstrftu^n fütterte. Nooh ganz jung 



^ Memoires de Louise MicheL — Paris, 1886. 



40 I'Th«y. Aaäiri^lofieniidSoskdogiedMpditiiolwnTflri^^ 

tebritb twibtOEel gegen Napoleon; beim Aufttaade dearKmakm 
iBlüte ue siob kanakisoher als die Elanaken selbst; iue beUtgt 
die aimtn Wilden, sie nimmt mitleidig ihre KaAsen mit Dach 
Namea, sie sncht die Prostitnirten za bekehren und opfert sieh 
Ikir sie anf, und doch hatte sie unbewegt engeseheo, als Thomas 
ennoidsi wnide, und „bien fait!^ dazu gerufen, doch wollte sie 
Thiers ermorden und stimmte während der Kommune fär die 
Aufhebung des geschriebenen Rechts, die Einkerkerong der 
Priester und die Hinrichtring eines Geisels an jedem Tage. 
Der pathologischen Grefühllosigkeit, die sich in ihrem tödtlichen 
HflS" E^ef^en Gesellschaft und Bürgerthum ausspricht, stehen alt- 
ruistische Regungen gf^gf^nübpr. wio ihrn i'renzenlose Kinder- 
liebe, ihre hochherzige Fitnmdschaft für die mitdejiortirten 
Frauen, die ihr in Numea den liamen „Engel der Deportirten" 
eintrug. 

Aber gerade dicsnr G^egensaL-^ /nvischen kranlslud'ter Impul- 
sivität und einer fast Icraukhaften Gemüthßweichheit konstitoirt 
bei ihr den Ohan^ter der Mattoiden, zusammen mit ihrem 
Stolis auf ihre unsinnigen Schreibereien und Dichtungen, aus 
denen «le lortwähreud — meist ganz unangebrachtermaassen — 
Citate vorbringt, mit ihrem religiösen und litu lanschen Auti- 
misoneismus, der ihr oft weittragende, aber immer schief ge- 
&8Bte Ideen oingiebt; so ersinnt sie eine Art PASXBUBscher 
Impfung, aber — ÜBr knmke PftnuwD. 

Tancbid Tita war eiii mittelgrosser, soblankar If aan und 
fltottorto. Seino 1iocliaiig«NliaiM SVmulie liess ihn in BBlonao 
afaidiion. Hier warf er sieh mit BMsion auf dia Hetaphysik 
und vaxnaeUiflrigte aein Brotstodinm, dia Jnriapnidfliu. Dann 
lebte er als Hauslehrer in Florens und kam sohliesslieh nach 
Rom, wo er bei einigen Zeitungen, n. a. der QnäeUa «FItüia, 
BeaehSftigang &nd. Im Mai 1887 reioihte er dem Knltos- 
ministerinm eine angedruokte psyehologische Arbeit ein und 
verlangte daraufhin eine Unienttttsung zur Fortsatning seiner 
angeblich sehr bedeutenden Untersnchnngen; er bekam eine, 
mit Recht, ablehnende Antwort; versweifelt nnd bitter ent- 
täuscht, schleuderte er am Neujahrs tage 1888 eine — mit 
harmloser Flttssigkeit gefüllte — Kapsel gegen ein Portal des 



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Zehnte« Kapitel. Individaelie Faktoren. — Mftttoide Politiker etc. 41 

Quinnal, iix der Haltung eines furchtbaren Anaitshisten ; kurg 
vorher hatte er auf der Redaktion der Tribwta ein dIdcM 
Manuskript abge^ben, da» ent naeh b«aoiid««r Naidiridit von 
ihm ge&ftMt werden sollte. Bs um&flBie 660 Seiten, voll von 
ImHUcnn Bebraptongen, aber sndk yon gepial und mnfhig waOf 
gesproehenen Wahrheiten, Ihnlieh den Aensseningen yon 
Baru (ygl. S. 87): ,lCan konnte unsere Z«,t die der Atten- 
tate nennen; kein Tag yeigeht ohne Naehrioht von dnem neuen 
und eigenartigen Attentate; Ton den JPttrsten ange&Dgea, und 
weiter henmter von den Kuustern Iris an den Abgeordneten, 
Boigenaeistem, Biohieni nnd Snbalienibeainten, ja bis an 
Statuen nnd Monmneoten, an allen liest sieh der Zorn dea 
eieten besten aus. Hier ist ea ein abgestrafter Sehulkaabe, 
der ssinen Lehrer flberfidlt, dort eine Qiisette, die die Walfe 
gegen ihren Beeohflteer erhebt. Einmal ftUi ein Soldat Aber 
Offiaien und Kameraden her, ein andermal ein nnmOgUeh ge* 
wordener Kannegiesser mit SteinwUrfen und Bevolyersehttssen 
über das ganze Parlameat; in Italien, in ganz Europa, in 
der alten wie in der nenen Welt regt siob ein allgemeines 
Bedürfhiss, durch au s ser g ewOhnliche Maassregeln oder doch 
mit mitleidsloser Streoge g^gen Yerfareeher dieeer Art TOisn- 
gehen." 

„Bei jedem solchen Attentat erklärt das Gerfloht den 

Thäter für geisteskrank; Niemand weiss, woher es stammt und 
wie es auf einmal verbreitet ist, ob von der Familie, Bekannten, 
dem Publikum oder gar selbst von dem Gegenstand des Atten- 
tats. r)ns Wnrnra ist klar. Jene Unglücklichen M-erdeii zu 
ihrem Verbcecheu vielmehr durch übermächtie:e Impuls*» von 
höuhg huiierer Natur, als durch Eigennutz, -Niedrigkeit und 
BoBheit getrieben. Es sind Menschen, die eine überall be- 
kämpfte fixe Idee quält und erbittert; die innere Unruhe macht 
sie rasend, sie müssen reagiren, oft nicht, um sich zu röchen, 
sondern um ihr Recht, ilue Idee zu bekennen und zu pro- 
testiren, ja oft nur, uoi aich. Luit zu machen. Sie denken 
nicht daran, ihr Vergehen zu verdecken; sie stellen es selbst 
ins hellste Licht und rühmen sich seiner. Sie gewinnen dabei 
auch niehts, Terlieien Tirimsthr alles» und dooh drftagt es sie 



42 LTheü. Anthropologie und Soziologie des politischen Yerbrecbeas etc. 



xnr That. Und so macht ihr «zaltiries Verhalton auf Alle den 
Eindnicik dar Ge iatoBBt Orapg.^ 

„Wer aieh nieht «mpOveo kann, ist au niohte walirliafk 
GKitem und Grossem fkhig. Italien wurde seiner selbst erst 
wflrdig an dem Tagi^, an velohem jede Stadt» jedes Dorf sieh 
erhöh, um sieh gegen einen von Jahrfanndert an Jehrhnndert 
gesetalieh ttherlieftirtsn Zustand der Dinge aolinilehnen. Das 
Hans SaToyen war seiner seihet und Italiens nie so sehr wertfa, 
als am Tage seiner rQokhaltBlosen flingahe an diese grosse 
Brhehnng.*^ 

Seme Ghfaphomanie war mit diesem SehrübtOek nooh 
niaiht befriedigt; als letster Aushmeh folgt ein Ai»pendix ron 
91 Blättern, eine Art Vorgeschmack eines von ihm geplanten 
Werkes über Schnlorgamsatioa. Er macht sich darin mit der 
Donokratie zu schaffen, von der er folgendes Bild entwirft: 
i,Je mehr sie anschwillt und agiUrt, desto unklarer wird sie; 
je mehr sie sich erhebt und ausdehnt, desto plebejisoher und 
leidenschaftlicher, tlbermfithiger und herrschsüchtiger wird sie. 
Die Demokratie ist Kampf und Wildheit, Begehrlichkeit und 
Parteifanatismus, die Beutegier blftht ihre Segel. Ein Rabagas 
ist immer demokratisch und ebenso jeder Chauvin und jeder 
BouLANGER Die Führer brauchen die stupiden, leichtgläubigen 
Massen zur Stütze, alles bläßt in die ilammen, bescbleuui^t 
die Strömung; wehe Dem, der an sie rührt. Die Demokratie 
produzirt zwar Cavoub, Gakibaldi und Victor Emanuel, 
den Geist, das Herz und die Synthese eines V'olkes, in deutn 
die Kraft und Wildheit seiner Seele und semes Armes wohnte. 
Aber auf jeden dieser Männer kommt ein endlosas Lumpenpack, 
das sich Gott weis» \s ie sehr spreizt. Wie viel Parasiten, 
wie viel Blutsauger und gefrassin;e Mittelmässigkeiten, wie viel 
liäuse kriecheu an den Schultern dieser grosbeu Mänuer, um 
dort zu nagen und sich zu mästen und ein grosses Werk zu 
entstellen. Welche Kanaille macht sieh breit und schwatzt 
iBr oder gegen diese Mttnner, wie es ihr eben heqnem er- 
aohaini*' 

Anf jeder Seite des Mannski-ipts kdiren die Ansfiüle 
gegen die Fsendodemokiatie^ nnter deren Begime er gelitten, 



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Zehote» Kapitel. ladividualle Faktoren. — Mattoide Politiker etc. 43 



wieder. Seine Klagen über die Ungereeiitigkeit, mit der die 
Hülfsfonds des Unterrichtsministeriunis N ertheLlt werdeü, sind 
mit Dokumenten belegt, und nicht immer ungerecht. 

,SO0 Uvt hat Pro&esor ANToasoiri bekommen zur Ver- 
QffimiBcIniDgr mums Wakm: Die Gnudlage der DokmiMnt» 
il«r Liebe Mnns EBAROBCoe da Bibbbbxho; 1000 Liie ein 
Frofeaeor Saltadobz lllr die Hetam^be der Oinithologie 
Papnaaieiw und der Holnicken, 400 üre Froteor FuMi fbr 
aeine Beitiige snr veigleiehenden Gkeohiehte der laieiniecfaen 
Deklinationen; Pavl Mantmaua bekommt 4000 Idie tfkt die 
VeiOffentliehnng eeiner Beoae naeh Lappland, die der Verleger 
aohon hfibeoh benhlt hat" AnfiGülend ist im Verlauf des 
ganien Sehziftstfiokes der nnanfhOrliebe Hinweis auf seine 
gioflse Bntdeekung, die grosse Idee^ aiber man erfilhit dnrehaus 
nicht, worin sie besteht, und eist aus seinen anderen Manu- 
skripten ergiebt es. sieh« daas es sieh um niehts Geiingeres 
handelt, als — eine neue Religion. 

Die Mattoiden, denen die Genialität fehlt, können natUr- 
lieh keine eigenen Ideen entwiclceln , sondern nur die Anderer, 
daher findet man bei BoBiBlo das Zartgefühl unserer Thier* 
freunde in übertriebener Form und einen Anklang an die 
Ideen Eotebs und Comtes über die Anwendung des Malthusia- 
nismus. Ein Schwindler, wie der Makler Detommasi, ersaun 
mit einem Zusatz von krankhaftem Erotismus eine praktische 
Anwendung der DAiiwiNSchen Sc-loktionstheorie. GlANOHSTIIKI 
versucht deu yoziaiismua zu verwirklichen. 

4. Pervtision des moralischen Crefühls. — Bei 
einer scliliminen Ahart der Mattoiden fehlt der Aitrunismus fast 
ganz, bei tiefer Vt i aiideruiig des moralischen Gefühls. Sie 
sind im Grunde geborene Verbrecher, die auch ausserhalb des 
Gemüthaiebens psychische Defekte haben, wie die Schwach- 
sinnigen, und eine gewisse Spur von ( ionialifat kann diese 
nicht kompensiren. So viel wii- aus der Geschichte wissen, 
war Kaiser Claudius eine solche ^atur. Bei sulchen i'ullen 
finden sich degenerative Veränderungen, obgleich in geringerer 

Zahl. So hatte Pel ein Giftmörder, der seine 

▼exgiftete Fiau verbrannte, übrigens des Perpetuum mohilo 



44 I« Tbeil. AaUuropologi« und Soüolugie des politiscbeu Verbrecbeas etc. 



erfunden haben wollte, Oxyoephalie und Henkelohren. Pa88A- 
NANTE hatte muLguIiache Gesichtabüdiing. 

G. C, ein ganz ungebildeter Bauer, schrieb fortwährend 
schlechte Verse und glaubte, einen aosgezeichneten Dttnger 
entdeckt zu haben, den er snm Wohl d«r Hauohluat 
breiten wollte, alwr bei diMen Beatralraiigen bwekwiadelte er 
gcsnen Kompagnon. 

DiLLA JBL bemifliie noh, iBr oinen bedeatenden Folitite 
gleichen Nemena gehalten in weiden, eiOffiieie SahekriptioiieB 
vnd verwendete groaee Sammen m Oeeehenken an den KOnig. 
Er iMnft anf allen Bedaktionen «ralMr, irad wihrend aeine 
Finulie hungert, begebt er aahlieiehe Sebwindeleien und Bitt- 
liehkeitayeibreoben. Binen anderen l^na repitienürt D., ein 
Hann Ton kietinartigMn Aenaaenn, der wegen aeiner Bmtalitlt 
berilobtigt war nnd swanaignal w^gen ArbeiiMahen nnd kleiner 
Biebatihkn beetmft war; er naebte aich in dar Generala 
(Zuchthaus), wo er auf 18 Jahre eingeschlossen war, in Worten 
amn Vertheidiger dei; Sdiwaohen» die er im übrigen schlug 
nnd miaahandelte. Er war der ständige Journalist der Straf- 
anstalt und Terzeichnete in einem Buch, das täglich unter 
den Gefangenen cirkulirte, die kleinsten Ereignisse, wobei er 
theoretisch die Sehwachen gegen die Starken vertheidigte und 
seinen Namen an den Anfang jeder Seite setzte. Eine ähn- 
liche Natur war Aubbrtik, dessen Versuch, Ferrt mit Pulver 
in die Luft zu sprenj?*»?!, nnf *>inige Zeit von ihm reden machte. 
Er hatte vor tmpefähr 12 Juhreü mit seiner inng-en Frau ein 
Moderaa[^azm erölfnet . seine Frau belrft^r ibn, luid er bearbeitete 
den Kopf ihres Liebhabers mit eiuer KisoiistJin^ft; um sicli 
vor Strafe zu scbüteen und einen sclnineti Grund für die 
Scheiduüg zu haben, band er sich selbst in seinem Bette fest 
und that so, als wenn er geschlagen worden wäre. Diese 
Kriegslist mi.ssh^Dg ; er musste vor Geriebt erscheinen, und 
hier kam heraus, das8 er selbst den Ehebruch seiner Frau 
begünstigt hatte, Die Journale machten sich über ihn lustig; 
er wurde dann (j laömaler und erlitt noch wegen V erleum- 
dung und Erpressung Strafen. Das erbitterte ihn gegen die 
Gesellschaft und ihre leitenden Persönlichkeiten; er ^hlte 



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ZehntiM iUpiteL IndtTidodUe Fftkionn. — Mattoide Politikar et«. 45 



Ferky zu semem Opfer, allem deshalb, v^ eü er der hervor- 
rageudste Mann war. Er hittfö allgemein I homme modiste, 
weil er selber Dameahüte machte ; er war auch Dichter. Ein 
von ihm herausgegebenes Böndchen hiess: Va te faire pnithe 
aiÜeurs. Er erzählt dort, duä« er als kleiuee Kind mit seiner 
Matter einen Juwelierladen besucht und einen Gegenstand in 
die Tasche gesteckt hätte. Die Matter bemerkte da* und 
swang ihn, den Gegenttud liM»iiszugebeD, wohei m» den 
Juwdier «af Knieen nm Veimiliiiiig bat. fir iohUMat seine 
EnlUiiog folgendermianen: 

Ponir c'eit piu?donnerl J*ai brode sur ce thine. 
Pardonner c'eat pntn'r- vouer k l'anathi^me! 
J'ai montr^ qa'un eDiant pour uu leger de&ut 
Qti'oa avait toM, noanit mir Ttebafimd. 

Bin aadsEti BtndohMi nannte er: I/ne UM h imtj^ fmea. 
Die Idee dieaer Geaehiohte beateht in dem fiatlie» Nieaamdem 
«men Dienst an leisten ebne das Versprechen eises gleiob* 
wwthigen Gegendienstes; tWMidem eribnd er nooh einen 
^Eamin-Stook" dessen Knopf eine glühende Koble enthielt 
som Erwärmen der Hand und AmsOnden dar Gigarre. 

Karl Gditiaij, von hoher Stator, aajnunetrisohem Kopf^ 
Makrocephali^ ron 610 mm Schttdelnmfinig, mit linksseitiger, 
frontaler Plagiocephalie, Herabdrücknng nnd Abplattung der 
ganzen rechten Seite des Kopfes, üppigen schwarzen Haaren, 
kleinen, tiefliegenden, weit Toneinander abstehenden Augen, 
enormen Henkelohren (a. Tafel X.) und einer Narbe auf der 
Stirn, von emor schweren N'erlctzunf,' in der Jugendzeit her- 
ruliTHud. in Beziehung auf erbliche Belastung ist zu bemerken, 
dass sein Vater ein fanatischer Anhänger der Gemeinde von 
Oneida war, der er auch seine Frau zuführen wollte, obgleich 
sie dadurch die Frau aller Brüder geworden wäre, und daas 
er peraönliche Beziehungen mit dem Erlöser unterhielt, der 
ihn alle Kmukheiteu heilen lehrte; zwei Vaterbrüder Guiteaus 
waren geist^krank gestorben; zwei Tanten, von denen eine 
selbst Symptome von Irresein zeigte, huttou geusteikraukö Suhue. 
Guiteaus Mutter war einige Monate vor seiner Geburt an 



46 L Theü. Anthropologie und Soadologie des politischea Verbreohent eto. 



einer Gehirnaffektion erkrankt, wie ihr Bruder und ihre 
Schwester. Guiteau hatte erst spat und schlecht Worte aid- 
kuliren gelernt, er war ein arbeitssohener Bücherwurm und 
verliess deehalb mit 18 Jahren seine Familie, um zu Btadina. 
Nseh «ÜMm Jtbre sohon rftrUeei « das Kolleg und wollte 
Journale gründen» woW er ooSi an TenoMBdenen Stdien ein- 
sumsten mehte. Dann eehloes er aeb aneh der Oneida- 
Oemeinde an, Teriieaa sie aber liald vnd wklagte aie nm 
New« York ans anf ^^Umg einer Rente von IfiOO Dollar IHr 
geleistete Dienste, wibrend or zngleioli ihre eiotisoben Ifiss- 
brtnohe dennnsirte. Dann wandte er sieh dem fiechtsstadiam 
JSQ nnd trat sogar in (SiioBgo als Beehtsanwalt anf; aber seine 
Praxis besohrHnkte sieb darauf, nneinbringliebe Fordeningen «n- 
sotreiben, die Prosesse sobon yemrtbeUter Verbreeber anmfedbten 
oder ibm ffkt seineKlienteo anvertranteSnmmen snrllokBabebalttik, 
so dasB er in Chicago und New- York Terbaftet wurde. Er bot 
Dem, der ihm 200000 Dollar boi^fsn wollte, allen Ernstes die 
Präsidentschaft von Nordamerika an; Anderen bot er gegen 
50000 Dollar den Posten des Gouverneurs von Illinois an. 
Schliesslich fand er einen Zufluchtsort bei seiner Schwester auf 
dem Lande» bedrohte sie aber mit der Axt» ftls sie ihn bat, etwas 
Holz zu spalten. Sie befragte über seinen Zustand einen Arzt, 
und dieser erklärte ihn für geisteskrank. Um dem Transport 
in die Irrenanstalt zn entgehen, floh er wieder nach Chirngo 
nnd he,tr;"iiin ictd ppine polifisfhf» Cnrriern, erst als Thürsteher 
bei JVleeting!::, dann als Prediger. Er predigte über Relie^ion 
und verkaufte seine Predip-ten auf der Strasse. Dann ij;ali lif 
sie unter dem Titel „Die Wahrheit, der GefäVirt-p der Bibel" 
i:Hsan\iiiült heraus. Die Annonce eines seiner Vorträge in 
Boston lautete folge ndermaaasen: „Verfehlt nicht, den ehren- 
werthen Charles Guiteau, den kleinen Riesen des Westens, zu 
hören. Er wird euch beweisen, dass zwei Drittel der Mensch« 
heit ins Verderben rennen." 

Im Winter 1879 — 80 blieb er in Boston, theils als 
Commis einer Versicherungsgesellschaft, theils als Wander- 
apostel» Becitator» Händler mit seinen eigenen Werben, Adyolnt; 
immer elend, immer bestrebt» mögliehst wenig xa besablen. 



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ZeliBtes KapitdU Individuelle Fakteren. — Maitoide PolitilMr eto. 47 

Er wäre der Commis von Jesus Christus & Co., der ira Weiu- 
Ler?p des Herrn arbeitete und nicht hpznlilte, da Jesus Christus 
diese (crewnhnheit auch nicht gehabt liulte. Er wandte sich 
dann wieder der Poliük zu und wurde Wahlagent, agitirte für 
die Wahl Gabpislds und schickte demselben, als er Prtisident 
geworden war, die zu seinen Gunsten auf Meetings gehaltene 
Kede mit der Bemerkung, dass der Wiener Konsulatsposten 
ihm nicht unwillkommen wäre. Vom iluuster des Aeusseren 
verlaugie er deu Pariser Posten. Als er sah, dac»» er trotz 
aller Verdienste nichts galt, tauchte in ihm die Idee der Be- 
seitigung (removal) des Prteideiiten auf. Er selbst bekannte, 
daas naeli asiQer ZnrOdciraisinig dozdi den FUtoidenteB ihm 
diesw Qedanke in der Naclit nun 18, Mai in Fem aner 
wahren ZwaitgavonteUung gekommen wlie. Beiehen Nihnftoff 
&ttd diese Tennemilidie Inspiration in der damaligen SpaLtong 
der republikaniaehen Partei, die ihm die BeesitiguDg des Prftp 
aidenten aor Verhütung eines Bürgerkii^ges nnvermeidlieh er^ 
soheiiien liesa; dnrehdrongen von dem musterhaften Patiiotia> 
mos ssiner Motive rttstste er sieh mit kohler Bohe anr Thab 
y or der Ansfiihnnig bsandita er die GkflIngniBse, am sich eme 
Vontellnng von seinem kOnft^en Aufenthalt an veiidiaflan; 
seine ante Sorge naoh der Tbat war der Vevsnch, den Zeitungen 
17oti2en und Dokumente zuzustellen. Einem Freunde erklärte 
er, der Gedanke der Ermordong des Präsidenten wflre ihm 
sechs Woohen vorher gekommen, und jeden Tag wäre es ihm 
klarer geworden, dass der Wille Gottes ihm befehle, Garfield 
zu tödten : „Ich hatte keinen Hass gegen ihn, ich achtete ihn 
vielmehr; abor ieh glaubte, dass das Interesse des Landes seine 
Entfernung verlangte und das Volk es so wollte." Auf den 
Einwand, das Volk verahscheue seine Verbrechen vielmehr, 
erwiderte er, man verstünde seine Ideen nicht. Dem Unter- 
suchungsrichter sagte er: „Ich glaubte Gott zu gehorchen, aber 
ich kann mich getäuscht haben ; ich glaube, Gott wollte nicht, 
dass er stürbe ; uod ich würde das Attentat nicht wiederholen, 
w"enn ich frei wäre. Hätte Gott beschloRsen, daps der Prftsi- 
deul slerbeu juusste, so wäiv dieser heute nirlit uni Leben. 
Die Pistole war gut geladen und mein Handgelenk wie aus 



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48 I'TlwiL Anthropologie und SoiiologiedMpoUtMolieo Verbrechens etc. 

Eisen. Ich hnbf» aus der Nähe auf ihn geschossen, und nur 
die Vorsehung, die Vorsehung konnte ihn retten. Er wird 
nicht sterben, ich bin davon überzeug^, und ich beklage es, 
ihm so viel Leiden verursacht zu haben.** — Anderen sagte er, 
er h&tte auf Gabfibld geschossen, um das Vaterland zu er- 
retten. Cnter den Papieren, die zur Zeit der That bei ihm 
gefunden wuiien warea, befand sich folgender Brief: 
„Au das Wei.sse Haus.* 
Der Tod des Präsidenten ist eine traurige Nothwendig- 
keit, wenn ich die republikanische Partei einig machen und 
dal Ysterlaad erretten soll. Das menaoliliolie Leben hat 
wttUf Werth. Wfthrtnd des Krieges fielen Xansende braver 
MUiner, und keiiie Thiiae flo«. leh gUnhe^ diat dar Prt- 
aident ein guter Ouüt vi und «omii im Pandieee glfloklioher 
sein wird, als hier. Ich bin Jurist, Theologe und Fblitiker. 
leh bin der Üemokiat nnter den Demokieten; ich habe ver- 
edhiedene Sdhriften in Dmek m gehen, die bei Bioa depo- 
nirt aind» wo die Reporter sie «nsehen können* loh gehe 
ins Oefibigniss.*^ 
'Wahrend der Oeriehtsreritandlnngen nntecbiaeh nnd be> 
sohimpfte er immer wieder seine Yertheidiger und berief neue 
AdTokaten, denen er Beaahhing — in Weehsehi TeiBpiaoh. 

Als er das Wort erhielt» «rUlite er, wichtige Tha ts sche n 
ndttheilen sn mllsssn aar Entsoheidnng d«r Fn^, ob er oder 
Gott den entsn Sohnss abgsgeben httte. .Ibh hin physisch 
lug, — moEsliseh ts]»!», wenn Gott mir sixr Sote sMkt; ioh 
habe geflum, was die Zeitungen mir Torwerftn, aber idi bitte 
es nicht ohne den Befehl Gottes gethan; die Jniy mag ent> 
scheiden, ob ioh inspiiirt war oder nicht** Die Art seiner 
Inspiration beschrieb er folgendermaaasen: „Wenn der G^ist 
Ton der höchsten Göttliohkeit ecfttUt ist und ausserhalb seiner 
selbst steht. Anfangs graute mir vor dem Gedanken, einen 
Jfensehen an tödten; dann erkannte ich, dass er eine wahre 



* Ich bemerke, dau seine Schrift die Sbm mit langgeeogenen 
Sohriftzügen hat, die ich schon oft (v|^. Der geniale lleiMch) brigmpho* 
manen Mattoiden gefoadea habe. 



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ZabatM Kapitel IndindmllA lUrtonn. — Hattoid« FbUtikar ele. 49 



InapiittioiL war. lob katm nicht goieiesknuik aem. Goft w&hlt 
Bam BiitMiig nicht unter Verrlldctni; und weil Gh>tt sieh 
mmit annahm, hin iah nicht gahingt oder enchoesen wordan.^ 

Vor dan Qasohwoianan bamtthta ar nah freilich, Ulr 
gaiateikiank su gdtan; abar welcher GMateakranka — wann 
er nicht anf Selhstmord anifeht — wird lieh nidit in ru- 
theidigen, nicht sein Leben in retten anchen, oder nicht für 
aeina S^iheit sich anders seigen als er ist? Uebrigens fiel 
er ebenso giftig über Die her, die seine Geisteskrankheit be- 
haupteten, wie über Die, die sie bestritten; selbst aaina wärmsteo 
Vortheidiger, das Ehepaar Scoville, behandelte er so und schalt 
sie Verrückte and Ignoranten. Selbst die Jury, die er doch 
hatte EU gewinnen suchen sollen, schonte er nicht und rief 
ihr zu: ^Wenn Gott es für nöthig hult, wird das Tribunal 
samt den Geschworenen aus diesem Fenster fliegen." Als der 
Vertreter der Anklage seine Verkommenheit snhild*>rte, er- 
widerte er: ^Tch war mein Leben lang ein gläubiger Ohrist, 
und wenn ieli einen Ehebruch beging, um eine verhasste 3' rau 
IvH 7.U werden, und \v« nu ich ein paar hundert Dollar Schulden 
habe, so habe ich damit nichts gethau, was die Reinheit 
meines Charakt* rs befleckt." Diese Worte zeigen seineu absoluten 
Ifangel an uinrnlischem Gefühl. 

Seine nnL'elieure Eitelkeit zeifft sich u. a. darin, dass er 
Mittiieilungeu au duü Publikum darüber verlangte, diUiS er aui 
Weümachtstage gut gegessen hatte, daas er Blumen und Obst 
von Damen zugesandt erhalten und eine grosse Zahl (800) 
liabaoawfirdiger Briafa ampfangan hitta. Er bahanptata sogar, 
maiaara tantand Dollar bekonman m hahan; aa waren frailich 
nur Noten dar »Bank dar Gom^^imaste'', aber ar ranommirte 
mit diasan »Bltttfaan*. Saina Eitalkait nnd aain poatiach- 
religiöser Enthnnaamna blieb ihm bis zom latatan Anganblicka 
tren. Einiga Stondan vor eainam Toda Tar&asta ar aina 
Hymna nntar dam Titel «Ein&lt*, in walahar ar aioh lalbat, 
der nnn vor eainan SchOp&r traten aoUta, ala ein kleinae Kind, 
das nach dam Yatar ruft, daiatellta. Ala dar Piadigar Hicks 
ihm nutthailta, daas ar nnn nicht mahr aaf Bagnadigang 
xaahnan durfte, blieb er nämlich ruhig: »leih haba im Dianata 

LoimOM, PoUtlMhtr VifbnalMr. IL 4 



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60 LTlMiL Ant]iropoloei«i»d8oiurtoei«dMp<a^ 



Gottes gearbeitet und habe keinen Grand, das an bereuen.** 
£r fing bald an, sich mit 8«n«r leteten Toilette sa beechä ft igeB, 

and wollte sich in einem weissen Anznge bringen lassen; ftt 
gab diese Absiebt erst auf, als der Gk>istliohe ihm sagte, eine 
80 sonderbare Kleidang würde den Aerzten Stoff geben, an 
behaupten, er wäre wirklieb geisteskrank. 

Er ordnet« selbst das Zeremoniell 'seiner Hinrichtung. 
Prediger Hic KS sollte d-ds erste (4e}>et ;uif dem Gerüst pprHcKen; 
dann wollte er das zehnte KEi]iitel au'i dem "Evangelium 
Johannis lesen, dann beton und scViliesslirli eine imtolno^ra- 
pbiscbe Dichtung vortiaL^en, mit deren letztem Worte er daun 
s-tc'rl>en wollte. AUes das that er ohne die geringste Ge- 
müthsbewegnng mit der Bemerkung, seine Verse würden 
einen noch schöneren Eindruck machen, wenn sie in Musik 
gesetzt wären. Seine letzten Worte waren: »Heil, drauf, 
vorwärts.** 

Der Altruismus dieser Menschen dient nur dazu, den 
eigenen und fremden Augen das Stigma des Verbrechens zu 
▼«ideekia. Wie das Delir der Hystensohen, Alkoholiaten und 
Verfo]gnngswalintinaig«^a wnehert der MattoidiBmaB lanainien 
mit anderen WahnTonrteUnDgen anf dem Stamme des moraliwdiea 
Irresnns. So Tersohmolssn sieh bei Swahbabo der Alkobolismns, 
der Verfolgungswabn, daa erotisohe nnd das Ambiüoos-Delir; 
bei QfUTiELU das lelipOse mit dem Veifeignngs- nnd dem 
Ambitiona>Delir. 

&. Indirekter Selbstmord. lob mnss hier noeh jene 
merkwfirdigen Koidthaten erwSbneo, die ein lüttel snm Selbst- 
morde liefern sollen; es smd dies Morde oder Tielmebr sehr nn- 
gesohiekt ausgefohrte Selbstmorde in Form Ton Attentaten gegen 
regierende Häupter, durch die der Verbieeber ein Leben enden 
will, das ihm zur L ist i st, wlbrend ihm derlinthznm direkten 
Selbstmord fehlt. Wir Tirnnion als ein neuere? Beispiel den 
Spanier Oliva t Manct . Wie sein Bild (auf Tafol IX, Nr. 16) 
zeigt, f^llt er durch zahlieiohe Degenerations-Zeichen unter den 
politischen Verbrechern aus Leidenschaft auf; 1878 beging er 
ein Attentat auf König Alfons, der Niemandem, nieht einmal 
den Bevoluüonttien, iigend einen Grund fülr einen solchen 



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Zdmtw Kapitel IndivUiMlk Mkttm. - lüMOd» PoUtikw «lo. 51 



Angriff gegeben h&tte. Oliya mur ein eigensmmger, wenig 
begabter Mensch nnd hatte gegen den Willen seiner Familie 
Mathematik studirt; er machte aber gar keine Fortschritte und 
g;ib das Stadium auf, um nacheinander Setzer, Steinmetzgeselle, 
Feidarbeiter, Böttcher und schliesslich Soldat zu werden; er 
znip^f» übrigens f^inigo niilitflrische Tüchtigkeit- Schliesglich 
ging er wieder in eine Druckerei nnd las hier so leidenschaftlich 
Bücher und Journale ultra-iiberaier Bichtang, daes er darüber 
seine Arbeit ganz vernachlässigte. Schliesslich konnte er Peine 
allen seinen Neigungen zuwiderlaufende Lebensweise nicht länger 
ertragen, ftnsserte oft Selbstmordgedunken und ging, als ihn 
sein Vater mit einer kleinen Snmme zur Auswanderun» nach 
Algier ausrüstete, nach Madrid, wo er das Attentat beging.* 
Ein anderer Fall indirekten Selbstmords (wie EsQUiaoL, 
Maüdsley und Kka FFT -Ebing mehrere hesohrieben haben) 
war das Attentat Nobtlinos auf den deutschen Kaiser im 
Juni 1878; Nüüllixg wandte den zweiten Schuss seines 
Gewehrs gegen sich selbst. Auch er war ein stellen und 
aussichtsloser Deklassirter, mit zahlreichen Degenerations- 
Zeichen (Hydrooephalie, Gesidits- Asymmetrie; er ^t dadurch 
miier den im übrigen so normalin Ywlmolinni ans Udenschaft 
uf. « 8. TM IX No. 15). Ehst Doktor d«r Philosophie, 
wude er splter pnktiMliw LmdwiHih und gab eine AMii 
Oltonomiadhen LihaUa h«mu» wat die hin tu eine AurteUimg 
im preiMMflhan BtotuÜiahep Bnmii nbtA und «lAklt; «r wir 
jedoch unfthig, eiiie ihm ai^ g etwigepe wiohtigeie Arheit ms- 
snfUhien wad wurde deshalb wieder entlswtm. Er frnd dann 
«ine heaoheidene Anatollnng» reiste naeh Fhuikreieh und England 
md konnie naeh seiner BAflkkebr keine dauernde Beeehiftignng 
mehr finden. Nun plante er das Attentat und ftthrle es bald 
daianf ans« Er war ein eigensinniger nnd egoistisdher Measoh, 
und seine Bekamitea beseiebneten ihn vor Gerieht als einen 
nn v e rb es serl i e h e n, aber sanften Fhantssten, befangen in spiii- 
tis t ischen Tiftamereien nnd sosialistisehen Theorieen, die er aiem- 
ludL konfiis bei jeder Gelegenheit anskiamte; das venchafEte ihm 



* Tgl. Oaeekt de CaMuia und Jmmai dat IMhü», 1878. 

4» 



52 TheiL Anthropologie und Sodologi« des politiMbeayeelwMiwiti «tc. 

dk Spitmamtn Pvtrokiir irad KommimisfcK "Wir 861mb «Im 
tuMk Hatm TOB dunliaiis nioht TerimolMriidMr Anlage, wie ihn 
Mine normale und mteUigente Phytiognoniie aeigt^ von aiein- 
Uobtr BitelligMiB und wissenaoliaftUehein Eifiv, wenn anok etwas 
pbantastifloh, zum politisehen Verbrecher werden, anAoheinend 
unter den Fiwfl"«" zerstörten EihigeiaeB und leerer Illusionen, 
die seine nniQnidMnde Intelligenz nieht TerwiiUichen konnte. 

CoBDiOLUKi wurf von der Galerie Steine unter die Ab> 
geordneten und erklarte dann, er bitte das thnn mü^n, um 
»aioh das Brot der Gereohtigfceit an Teidienen^ Er war 
Mitglied des Cirooio Republioano gewesen, war aber ausgetreten, 
weil er eine „grosse That" vollbringen müsste, die seinen Ge- 
noßson sühnden könnte; Andrrpn sagte er, er würde für die 
That, die er au>fuhren wollte, eine Regierung^^-Ppinsion erhalten, 
in diesem Zirkel war er einmu[ m M;uykenkostüm (als „Oice- 
ruacchio") erschienen, so daas man ihn für k,'eiste5>kmnk hielt; 
seine Bekannten erklärten, er wäre pin pxaltirter Mensch und 
hätte oft Selbstmordgedauken geäussert; er machte dann im 
GefäDgniss einen Snicid -Versuch und hatte sohreokhafte De- 
lirien mit allgemeinem Angstgefühl. 

Passanante erklärte nach seiner Festnehmung, er hätte 
daa Attentat auf den König in der sicheren Erwartung der 
Todesstrafe begangen, da ihm die Misshandlungeu seines Brot- 
herrn das Leben nnertrftglioh gemacht hätten. In der That 
hatte er eieh einige Tage vor dem Attentat viel mehr mit 
iimeff IBnthiiimng als mit Königanoid hesehftftigt, und nach 
der Yerhalbiuig bemOhte er sieh, sdne Lege wa Tsraohlimniem: 
ao erinnerte er duan» daas er das revolntionin Manite mit 
der Anftefarift: Tod dem Könige, hoeh die Bepabük — Ttr- 
geoeii hittew Diese Abeioht, snaammoi mit sdner BtteUuit 
eiUirt, dasB «r nislit appeUiien wollte und bei der Mit- 
flieilnng seber Begnadigung sieh nieht mit dam Gedanken an 
die Erhaltung aeinea Lebens, sondern mit den sn erwartenden 
Zeitnnganotiien besehifiigte.* 



* nioitriite Zeitaaff, 1878. p. £ 

* 7gL besSgUeh dsa Mattoidimat PissAMAmiB, dsM Biagaoaa 



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Zehnt« Kapitel. IndividneOo FbktoNn. — Kattoide Politiker ete. 53 



Frattini schlenderte nnf der Piazza Colonna eine Bombe, 
die zahlreiche Verwundungen herbeifulirte, und erklärte vor 
Grerieht, ot hätte Niemaiidea treffen, sondern gegen die jetzige 
Ordnung der Dins^e jiroteHtiren wollen, und wäre damit zn- 
Ineden, den Feudal-Ad»l u^otrrttlen zu haben! Wie sehr aber 
seine Verzweiflung am Leben seine Narren-Plftne bcöUmmto, 
geht ans folgenden Bmchstüoken seiner Aufzeichnungen hervor.^ 

„Ich fttrchte nicht für meine Freiheit und noch weniger 
für mein Leben, nein! Man kann es mir nehmen, und es 
wäre das die grösste Wohlthat, die man mir erweisen künnte.'* 
„ . . . Und aUe die Andereu, die dtsr iluuger aua ihieDa 
Vaterlands Tertreibt, wie den Wolf aus dem Busoh, was sagt 
d«r Sindtteo Ton Urnen? Wie sohOn ist ee, an nichts mehr 
denkm m mfl—on, inSl maa d«n Waort toU lirtl Und mir 
kttte man dlMen Vorwuf maohmi kOnmn, wann die 'VonOg^ 
Hehan (!) Signori mir nieht vor da paar Monaten, an Anfang 
daa Wintazs, dan . . . SahnrkanBini«th . . . gespielt hSttan» 
mieb zttfan an laaaan imd mieh, mit dar Straidrang «Inas 
Gebaltaviailab an flbanuehan, wann aa mir gafiala, an Uaiban. 
Und daa nadi drei IHana^abren, rantaiidaikl . . . M«ial, wdl 
aie aifili in dia Nonnan T«r]iabt liatten. * . . loh konnte die 
Bniadrigong, die Sdiande nioht mehr ertiagsn, an der die 
oirile GaaaUabbaft miali ▼erartheilt hatte; aber ehe ieh Üal, 
wollte ich noch atwaa thnn, waa meina^eiolien nfltcen, nioht 
aohadeo ktonte! . . . Darum konnte, ja dufte ich keinen 
flasB gegen iigend ein«i Menschen haben! ..." Und dar 
Hunger, der an mir nagte? Die Arbeit, die ich nicht hadf . . . 
Qualifiairtar Mord — weU ioh kein wirklicher Mörder werden 
wollte . . . stehlen — nnd wanim hatte ich nioht zum 
aweiten Male den Muth, Selbstmord an begehen? . . 
«... Die Thiere' finden ihre Nahnmg» jedea naidi aeiner 



zur Folge hatte, dasa italienisclie Kuliegea mich für verrückt erklärten; 
8. auch meine Schrift Ire Tnbuni, 1887, 2. Ed., und Faszi cd anomadif 

rm, %. Bd. 

^ loh verdanke dieselben der Liebenswürdigkeit des Dr. Sioana. 

* „Sie lieben sich und sind glücklich, ohne einander zu bekämpfen. 
— Ist es möglich, dass der Mensch die Qabeo der Natur verkehrt 



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54 1. Thea. AnthraiMriogie and SonologiAdMiwUtiM^ 



Art» wdl kwm die Nilinuig des andern stiehlt and jedes sor 
frieden ist, wenn es seine BedtLr&isse befriedigt hail Die 
Natur hat die Qemeinschaft geschafim; die Osurpation, das 
Pjcivai^Bigentham, das ist der Ursprung ^Im Verderbens I . . . " 

Den sichersten Beweis für die Rolle des Selbstmordes als 
▼erhoigenes Motiv des politischen Mordes liefert ein merk- 
wtlidiges psychologisches Dokoment, das ich einer fär «Ue 
modernen Ideen sogttngliohen Frau, der als Diohterin wie als 
Gelehrten gleieh ansgeeeiehneten Königin 
yerdanke. 

Der Rumäne C. . . ., 30 Jahre alt, der vor einem Jahre 
wegen Mordes venirtheilt und dann begnadicft wurde, begeht 
ein Tin^innig angelecktes Attentat auf dcu Kcmip;, iiidotn c-r von 
df-r Strasse aus nach den erleuchteten Fenstern seiner Zinmier 
schiöast, wobei er kaum ein [uar Scheiben traf. Bei der 
Haussuchung fanden sich mehrere Photog^raphieen, in denen er 
bewaffnet dargestellt i?t, welche die Kuuigiu mit Recht der 
Oavaglias veri^leicht ; ei hatte sich sechs Monate vor dem 
Attöütat m einer Situation photographiren lassen, die die Ver- 
eitelung eines Selbstmordversuches durch seine Geliebt© dar- 
stellt; offenbar trug er sich, wenn auch in eitler Weise, mit 
Selbstmordgedanken schon lauge vor dem Attentat, das sich 
somit als ein indirekter Selbstmord erweist. 

6. H Vi teru - epile ptische Altruisten. — Wenn 
Dostojewski sich in seinem Idioten selbst geschildert hat, so 
haben wir hier eine andere Abart von Geisteskranken, die ihr 
Leben lang den Stempel des dem Epileptiker eigenthümliohen 
Seelenlebens an sieh tragen: Impnlsivitat, zwiespftltiges Ich, 
Neigung m Kindiieien mid eine prophetische Penetration, 
aber sngleioli wahre Heiligkeit, ads Höchste gesteigattsn 
Altmisuins, und die dadnreh Urheber religiöfwr nnd socialer 
BflTolntionen weiden. Diese letrte Thateaeh e ist sehr wibhtig, 
da die Immoralitttt des Epileptikeis Teifaieten wHide, ihn 
neben das so aarte Bild des Heiligen su sfeeUen; aber dieser 



gebraucht und, miArreichbar, uaübertrefilich in seiner Wildheit, sich 
seMimiaef alt alle die gniuainitMi B««tiea letgt?" 



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ZehatM Kapitel Indindnelto Fftktonn. » Httttoide Politiker oto. 55 

Einwurf ist onch den von Btanchi, Tonnini und Filippi 
veröffentlichten BeobacLtuufren inrlit m^hf stichhaltig. Der 
Hysteri.smu.-^, d^r Zwillingsbrutler der P^.|n[e|)SLH, zeii!;t uns noch 
häufige I neben übertriebenem Eguisiuua übermiissig altruistische 
Neigungen; das beweist, dais diese oft nur eine Spielart des 
moraiiBchen Irreseins sind, wie jener. „Manche", schreibt 
Leorand de Saulle/ „schliessen sich perfluschroU allen guten 
Werken dtti Parochie ixii, sie bitten für die Axiueu, arbeittsu 
fui die Waisen, besuchen die Kranken, geben Almosen, be- 
wachen die Todten, werben glühend um die Wohlthtttigkeit 
Anderer, vernohten eine Unnhl g:ater Werke und yemaohf 
liMBg«!! darllber Mann, Kinder und Hamstaad. Solohe Damen 
ttben eine Woblflifttig^t voller Oatontation und EiteUwit« 
Sie leigen bei ihren wohltiiAtigen Wecken einen Eifer, wie 
die Lidnatrieritter, die ein diTidendenreiobee Untemehmen 
landren. Solehe Damen laufen fiirtwihrend hin nnd her, sie 
aeheinen eioh an Tervielfidtigen, aie haben Eingehangen von 
aartoeter Delihatesee, eie denken inmitten von öientliöhen 
Kämpfen nnd Katastrophen an allee und weisen errOthend den 
Tribut der Bewunderung zurfiok, den ihnen dankbare Leid- 
tregende und gerührte Zneohaaer aoUen. Wenn die Ehen, 
die Hoffiiungen, das Glück einer Familie getroffen ist, so wird 
die hytteiiache Wohlthfttenn einen überraschenden Elan und 
ttne rührende Thfitigkeit entwickeln. Sie weint mit Diesen, 
trooknet Jenen die Thränen, stärkt die Trostlosesten, eröffiiet 
unerwartete Ausblicke und tröstet alle Welt. Wie ein Apostel 
ist sie um ao hülfsbereiter, je tiefer die Sohmersen and, und 
bei ihrem beweglichen, krampfhalten Wesen erweist sie nie 
eine Wohlthat mit kaltem Blut. Die wohlthfttige Hysterische 
kann einen Muth entwickeln, dessen Beweise erzählt und 
wiedererzählt und schliesslich legendär werden. Bei eineru 
Brande kann sie eine überraschende Geistesj^egenwart ent- 
wickeln, sie bringt Möbel und Vieh in Sicherheit und stürzt 
sich in die Flammen, Tim einen Kranken, emen Säugling oder 
einen Greis zu retten; bei einem Auistande stellt sie sich an 



' L'hy^itmame' 1880. 



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56 I'Tbail* iLBtliropolQgi«iudSoaologi«deipotitiMlienT«rl>r^^ 

die Spitze der Insurgentpn Fragen wir diese Heldin am 
Tage nach dem Brande, dem Aufstände oder der Ueberschwem- 
mnng nnd prüfen sie etwas naher, so hört man sie vollkommen 
erschöpft ^nz aufrichtig- '-agen, „ich weiss nicht, was ich 
gethau biibe, ich hatte kein Bewusstsein von der Gefahr." In 
Choleraepidemieen, wo die Furcht ein so schlechter Kathgeber 
ist, zeigen einzelne Hysterische eine ausserordentliche Selbst- 
verleugnung; nichts ist ihnen widerlich, vur uiobt.s liisst ihr 
Schamgefühl sie zumckscheuen, nichts schwächt ihren Muth. 
Sie fachtn den Eiter der Pfleger an, machen Proselyten, 
führen die Aerzte mit sich hemm. Sie frottireo die Sterbenden 
und begraben die Todtea. Die Zeitungen des Ortes preiien 
dann 80 trlwbeBe SdbsbrcskDgnung. Sellnlnifepferang wird 
ftr diew knmk«n Flauen ein Bedttrfiiui, eine Gelegenheit, 
lieh nttelieh m maolien, und olme dees ne ee almen, fthren 
patiiologuelie Hotive ne raf den Pfid der Tugend. Sie (Uim Alle 
iize, aber daa Beispiel, welehea sie damit geben, iet gat Des 
gnten Beispiele wegen liabe ich einmal fta eine Hystsrisehe^ 
die sehen einmal in der Ihenensialt geweesn war luid die in 
ihrem Stadtbeiiik eine rOhzende Wohlthäiigkeit entwickelte^ 
eine dflEentliche Belohnung snsgewirkt Sie pflegt die Kranken 
in die Spreehstonden hestimmter Acute an fahren, sie hiingt 
Wöchnerinnen Brot und Wein, ver&eilt vorzflgliohe IGleh an 
Neugeborene, sie kleidet Unglfickliche, sie Iftsst fortwihiend 
AnfnahmeantrSge an die Tcrscbiedenen Siechen* oder Altersver- 
sorgongen los, für Frauen wie für Männer, sie Terschaflb 
kostenlose Konsultationen bei Spezialisten, die gernde in Mode 
sind, sie vertheilt Medikamente, Leibwftsche u. s. w., und für 
sieh selbst hat sie nicht mehr, als was nöthig ist zur Erhal- 
tung ihres eigenen Anzuges, der in jeder Jahreszeit derselbe 
ist; ich glaube kaum, dass sie für ihren eigenen Gebrauch 
mehr als 5 bis 6 Hemden übrig hat. Diese Dame leidet an 
hy8tf»ri<?rhen AnMlen, erreg!: sich hei den geringsten Anlässen, 
fcliluft ziemlich schleiht und ist ernstlich krank. Schliesslich 
entfernt sich die Hysterische im eifrenen Unglück oft weit vom 
normalen Verhalten; sie verliert S< Im i Hier Tochter nnd hleibt 
ruhig, klar und gefasst, vergiesst keine Thr≠ sie denkt an 



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• 



ZdmtM KapiteL iadividaeU« lUdoran. — Matteide PoUtikw «to. 57 

alles, verdoppelt ihre AarndnnnL'pn, vrnrisst kein no^^h ?o 
peinliches Detail, leibt allem ein*' wurdiL'-e Haltung und wohnt, 
ohne Erschöpfung zu s]iurpn, dem BegralmisP bf»i. Im all- 
gemeinen glaubt man, dass eiue solche Mutter eine äussere rd ent- 
liche Seelenstärke besitzt. 31aii irrt sich, sie ist schwftoherf als 
Andere, oder besser, sie ist krank." 

7. Litterarische Schilderung. Die bisher geschilderten 
Typen sind müdemen, auf Grund menschlicher Dokumente 
arbeitenden Schriftsteliern niclit entgangen. Ich habe sohoo. 
anderwärts darauf hingewiesen, dafs DAUi-EX emon Lrarizen 
Roman, Jack, darauf aufgebaut hat. Und Zohx hat m »einem 
Roman VOeuvrt in dar Peison des Lantier, eines Abkömm- 
lings von BiImUmi und AlkolwHrtsii, ansgezeiebnat diesen 
Typus geadbUdert. 

DoszojBwacr giebi um m d«B „Je a ew aMw " eim game 
Bildemihe mattoider Politiker Bnnltiide. Einer dafon, 
SiBKAii TaomowiTBCH, irt ein Idaansoh gebildeter Mattode, 
der (wia Daüdb» d'Aigenson im Jacib) ifceti ein« Arbeit in 
Qang bat, dia nia fertig wird, und neb von der mariseben 
PdliMi w^gaa eainer libezalen Ideen und «einer demniehet 
fertig ereobainendan klaaaieoban Warba ?erfe]gt gilaiibt; er ist 
dabai gans in der Qawalt dnar Ghaaialin, dia ibn antacbllt, 
nnd bat dna laideneahaflMia SpialsQidkt; «ftKUaMHiiii gestattet 
er in seinam Hiania nibilistisobe VerMUBmbingen. Pbibb 
SnvBAHOWiTSCH, sein Sohn, ist ein wsbiar VerMbwArar, 
Trftumerisch, skeptiaob, rachsücliti^, von merkwürdiger Kalt- 
blfltigkeit und grosser Geschicklichkeit im Erfinden von Ltigan 
und in der Ausnutzung fremder Laster für seine Sache, stiftet er 
im ganzen Lande Mord und Brand an vnd entflieht geschickt bei 
drohender Gefahr; dabei lässt er cinan ehrlidi^, fflnfltisfthiim 
Mattoiden, der auf ihn schwört, und einen andern HalbYar* 
rückten, der filut scheut, in der Falle zurück. 

Der Kapitän Lebiadkin, ©in Revolutionär, der im Begriff 
ist, Spion zu werden, ist em schwachsuuiiger Alküholist, 
niurulisch irrsinnig-, voller Passionen und lyrischer Aiiwand- 
iuDgen; er bat eine l>lödsinnige , halb-prostitunte Schv-ester. 

In den nihiiistischea Versammlungen treten zwei andere 



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1^ X. TbfiL AuUiropologte «nd SoiiolofM dei politnehaiTnlindieni ete. 

Mattoido auf, Ton denen der eine den Anwowmdon gtam 

Binde über folgendes Thema verlesen will: 

„Ein Zehntel der Menschheit soll E^hte über die anderen 
neun Zehntel besitEen, die wie das Vieh in der Gewalt dieeer 
bleiben mtliaen.^ 

Champilxübt schreibt in seinen „ExcenMqites'^ {Fum 1886): 
»Jede Revolution zieht eine Scbnr von Reformatoren, Aposteln, 
Halbgöttern hinter aioh her, die alle den Wahlspruch haben: 
Retten wir die Menschheit! Die Reformatoren bilden zwei 
Klassen: die eine ist komisch, die andere ernst. Im Grunde 
sind alle ein wenig Komiker, aber wenn sie eine gewisse Zahl 
von Adepten um sich haben, wird ihr System eine wichtige 
Angelpg-enheit, die ihren Plan, ihr Reglement, ihre Kasse hat. 
Tch füi meinen Theil ziehe die nrmen Utopiker vor, die in 
der Wüste predigen und die Menschheit allein erlösen, ohne 
l^eophyton, ohne Zeitungen." 



Elftes Kapitel 
Individuell« Faktoren. 

Fortsetzung: Politische Gelegeiilieits- und Leiden- 
schaf tsTerbrecher. 

1. GhelegenheitBTerbreeher. — Unter dieser Bezeich- 
nnng yenteben wir jene ehrenhaften Bürger, die sich gezwungen 
sehen, unbefolgbeien Geaeteen Widentnd ra kisteo, oder die 
gesehiekte ParteifidLrsr, yerlookende Ho&nngen snr Biebelli<m 
yerfohit haben. Dostojewskt schildert in seinem Romane Be$i 
meisterhaft die Mittel, mit denen jene schlauen VersohwOrer 
die fiiedUohsten Bürger in Rerolntionflxe vennuideln. »Vor 
allem wirkt der bnreankratiache Zuschnitt; man erfindet Titel 
und Aemter, rerieiht Presidenten- und Sekretlrposten. Dann 
wirkt der bedeutende Faktor der Sentimentalität, daneben der 



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• Elfte» KapileL IndividneUe Faktom. 



59 



B^*?*p*^kt von der Bedeutung Ander* r. dio Furclit ^ o^ der Be- 
hauptung piner eigenen Meinung und die Abneigung, iur nnti- 
liberal zu gelten. Hierzu kommt di« Kunst, die Zfiuderiidtjn 
ohne ihr Wissen zu Mitschuldigen eines Veigelieus zu macheu, 
der Auftrag an eine Gruppe von Grenos&eu, einen angeblichen 
Spion zu ermorden, da der Mord der schlechtesten Sache ais 
Kitt dient und die \\ iderstn ltendsten festbannt. 

Endlich wirken hier mdividuelle, besonders ökonomische 
Verhältnisse. In Ländern mit volksthilmlichem Wahlsystem 
werden oft Unruhen erregt im Interesse eines bestimmten 
Parteichefs, und um dadurch persönliche Yortheile zu erreichen. 
Viele der italieniMhai Ananhisfera, die idi stndirt halm» wazoi 
alte Beamte^ Soldaten efo., die so lange ruhig blieben, bia 
Yadroas im Dienet, GMialtmniiindenin^ oder eohleohte Be- 
lumdlnng lie iintn die DeUaaurton trieben. Aebnlieh ist das 
Sehieksal Deter, die bei Ubbafter Angeregtheit, aber wenig 
Konekflkeit nie eine rahige Bxistena finden, die weniger 
Begabte leitht emngen. Indessen würde weder die VerfUuning 
dnreb Fkrtei]iin[iter, nooh der liSiiflii^ der Lebenslage und dist 
CMegenbflit ansrncihen» nm den dnxob den SelbsteilialtBng»- 
trieb, diesen znlehtigen lUktor im Leben der Dorebaohnitts- 
mensohen, yeiattrkten IGsoneiamiia in fiberwinden, wann bei 
diesen Gklegenbeiiererbietshem der Boden niohi sehen Torbe- 
reitet wäre. Es handelt sich hier um Individuen, die den 
Pbiloneiamns des Genies und den Altruismus der Leidensobaft* 
liehen in mflasigem Grade besitzen, ohne das Temperament der 
Einen oder der Andern; Naturen, deren wesentliober psycholo* 
giaeber Charakterzug in der geringen AnpassongsfiÜugkeit an 
ibre soiiale Situation besteht, getragen von unruhiger Sehn- 
sucht nach etwas Besserem, von einer Hyperästhesie, die sie 
bestehende üebelstände lebhafter empfinden lässt und von einer 
Lu?t nach Abrateuem und Gefahren, die sie zu tollkühnen 
Streichen drängt. ^Das Geheimniss ihres Einflusses beruht 
darauf, dass sie unbesonnen und oft unbewusst yomnq'ebeQ, 
ohne den praktischen Jesuitismus, mit dem die herechuende 
Schlauheit ihr Ziel verfolgt. Im tttglichen Leben sind es 
galügte, zornmüthige und reizbare Meofiohen, häufig ein wenig 



60 I* Theii. Anthropologie nnd Soziologie politischen Verbrechens etc. 

beschränkt, worin übrigeDS gerade ihre Kraft liegt.' Authro- 
pologisch charakterisiren sich die politischen Gelegenheits- 
Terbreoher diureh normale, von Degenerationsseiolitti freie 
FormeiL Wahrend unter oobeMdkoltenen Uenfloheii DegODerBtionB- 
seielMn bei 2% an finden dnd, fimd ibh nnler 681 aooBi 
nonnalen politisaben Vorbieobem d iowl ben bei 0,57% (vergL 
8. 852). Im iUgemelnen alao unteneheiden lie eiob mM tqh 
den flbngen normalen Menieben; eebr bedeotend wiegt bei 
Urnen — im VeibiltniaB rm 100 an 87 — daa mlnnUebe Ck» 
eebleoht vor. 

OABSiua war, wie wir aehen werden, ein Gelegenheili^ 
▼erbreaher, da er weniger aUnualiMih war ala BBtnrüS, ein 
Yerbieober ana Laidenaefaaft. BSn bakanntaver Typaa iai der 
BoBBsniBUB, deaaen Intelligena im IfissTerh&Itmaa an aainem 
Ebfgeia alaad, wMbrend sein sittliches Gefühl sehr apirlieh 
war. Er wäre ohne die Macht der G^elegenbeit nnr einer von 
den vielen rftnkeedimiedenden AdTdtaten geweaen. 

„In BoBBSPmitE,'' sagt T/avE, „Ist der gebiahte, leere 
Geiat» der, weil er woitraioh iat, aieh iUr gedankenreich hält; 
er schwelgt in seinen eigenen Phrasen and betrügt sich selbst, 
um die Anderen zu beherrschen. Zwischen seinem Werk imd 
seinem Talent ist ein nngehearer Kontrast; als Advokat wäre 
er nie üWr Grenzen einer kleinen Provinzialstadt hinatis 
vorgpflniiigen, und in der Nationalversammlung blieb er in der 
Thiit lange im Hintei^ninde; aber er war fleis^'i? nihlitern, 
schwer zu bestechen, und als gepen da-s Ende der Konstituante 
die grossen r^Iänner verschwanden, trat er in den Vordergrund 
der politischeii Bülmo. Für ihri ist dt-r Verdacht der beste 
Beweis; jeder Aristx»krttt ist corrumpirt und jeder korrnmpirte 
Mensch Aristokrat. In kaum drei Jahren steht er anf gleichem 
Boden mit Marat, und der Philosoph eignet sich die puHtische 
Ziele uod Mittel, die Taktik und fast das Vocalulanum des 
Narren au; üobespibrre wiU neben dem Kampf gegen die 
Bourgeoisie die Ausrottung der Reichen und der „lasterhaften 
Menschen". Beim bannenden Niedergang seiner Popnlarittt 



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Ufte« KtpitoL Indifidmlto Fdctoren. 



61 



«fert er gegen die Verleumder, Ittsst die Giiillotine arbeiten 
und erhalt vom Konvent das Gesetz vom Prairial bewilligt, 
das ihm alle Köpfe zur Disposition stellt. Er verlangt die 
sofortige Räuraunn^ der r-refängni''se , wpü er vor den Ver- 
schwörungen der [ntemirten zittert, und verninbtet So seine 
Gegner. Als er angeklagt wird, rüstet er h mit seinen 
Freunden znm Widerstande, wagt es aber nicht aus Hinem 
Rest von Billigkeitsgefübl) das Volk für sich aufzuwerten, und 
unterliegt. Mit eiuem Wort, er ist ein Doktrinär; in eine Idee 
verrannt, die im Grunde richtig, in der Praxis paradox ist, 
und die er mit den MitteiD dt*s Schreckens von dem Moment 
an zu verwirklichen sucht, wo die Umstände, seine Eitelkeit 
und seine kümmerlich entwickelte Moralität den Impuls geben. 
Er war eine Zeit lang der Herr Frankreichs, aber von seinem 
Werke ist wenig oder niehtB flbrig; die G^legenheitBpolitiker, 
die am finmdaehmrf der JEtofolntioneii ihr loh mABten, haboii, 
■oob wenn nmfiMBende Ideen sie eiftUeD, nicht die intellek« 
taelLeii Miltel, sie bleibend sa gestelton. 

Amh DAmoH, ein obaknrer AdTokat beim Gonseil des 
Königs, der nvr mit ü n tssst tt t sun g eines ihm Tsrwandten 
Oestwiiths lebte, Teidankie der Berolntion die Mügliefakeit» 
ssbe Chnnsmioht nnd Hensohb^gierde za befidedigeii; jedodi 
nnteisfelltite ihn dabei wiiUiehe Bsgnbnng filr die Politik nnd 
seine wilde Beradsamheit; sein kordisles, freies Wesen msehten 
ihn bei den Yolbemtssen befiehl^ Aber es fehlte ihm mo- 
mlis^es GefBhl; als Justizministor war er kinflioh; er lebte 
in der Gesellschaft von Dieben und StiffUngen nnd war der 
Urheber der schlimmsten Greuel der KevoluHon; Beoe schien 
«r erst zu empfinden, als sr selbst ein Opfer geworfien war, 
nnd da erst erkannte er, dass ,|in den Berolntionen die Macht 
den Frevelhaftesten bleibt" 

3. Yerbreoher aus Leidensohafi — Bei den Ver« 
brechem aus Leidenschaft verschärfen und steigern sich die 
beim Qelegenheitsverbreohcr embrjonaien Oharaktenrilge. JCan 



* Dahton laast Degenerationszeichen erkennen: er hatte eine mf- 
gestiUpte Maie und von^ringende Baekenknoohep. 



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62 !• Theil. Aathropologi« and Soziologie d«8 poUtiscUeD Verbr«cb«o8 etc. 

vergleicht' da.s Püitiät voü Brutus (s. Figur 18), an dem sich 
nur ein angewachsenes Ohrläppchen und alveolare Prognathie 
nachweisen Ifisst 

Wirft man einen Bliok auf die Erseheinwig der sechzig 
TOD d'Atala portittttzten poUtisdiflii ICftrlyrer, ae finden neh 
26 Flijraiognomieen Ton holier SehflnhMt; nur Tier toh anormalem 
Amdmcik, ein blanea Geaieht^ eine mift Tonpzingenden Badcan« 
knoohen und swei Bhacbitiker; S6 aind Ton liolier, nur dnl 
Ton kleiner GMtli 

Yon 2M) beriiiimten Nihilisten attgen 18 ein aohltnea Ge- 
noht, und swar: die Fibowbkaja (Tat IX, No. 4)» Oydowifa 
(No. 8), die HiLmAxir (No, 14), BAXUxm (No. 18^ Lawbow, 
. SnPHAJfownsoH, IfiCHAlLow (No. 3), Wjbra SBAsanunoH 
(No. 5), OssnraKi (No. 6), Anioirow (No. 9), XTsbaitowa (Now 11) 

WiLABOBINOW (N0.12), ShBLJABOW (No. 13), TÜHBRNI80HMW8KT 

(Nr. 18), ZuNDBLBwiTscH, FioiTKB, Pbbznakow ; 12 betitsen 
eine gewisse Anomalie, aber nur einer bat drei nnd zwei je 
zwei derartiger Zeichen; diea sind: SsoLOWjsw (StiinkShlan), 
LUKANOW (Bartmaqgei). Mtsohkin (flenkelohren), NstschaILOW 
(Prognathie), Albsjew (vorspringende Jochbeine), QOBWJWW 
(vorspringende Backenknochen), die Babdina (vorspringende 
Backenknochen und männliches Aussehen), Breseowskaja 
(kranse Haare nnd vorspringende Jochbeine), Okladsky (Bart^ 
mRng:el. üppip^es Haar nnd wilder Blick), Zelwakow (vor- 
ppnngende Backenknochen und jrntsser Unterkiefer), Lebedbwa 
(Stirnhöhlen und grosser Unterkiefer), -und ♦■ndlich RooathchBW 
(Stirnhöhlen, grausamer Blick und grosser Unterkiefer 
Verbrecl 1 rvty j:» us ) . 

Aus der Zahl der italienischen lievolutionäre, deren Bilder 
im „Mmeo dd risorgmmiio itaUano" in Mailand gesammelt 
sind, und die wir nach der schöneQ PuiJikation von DAMrANO 
MuONT studirten, erwähnen wir die schönen Glesichter von 

DaNDüLO, PoMA, PEllliU, ÜCllIAFFINO. FaBRTZI, PePE, PaOLI, 

Crispi, Fabiiliii, Pisacane etc. In der französischen Revolution 
zeichneten sich Desmoülins, Barras, Brissot uud Carnot 
durch Schönheit aus. — Karl Sand war sehr schön. Wer 
bewundert nicht die harmoniaohe, robuste Schönheit von 



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£lAet KapiteL lodiTiduelie Faktoren. 



63 



Charlotte Corday, die derPEROwsKUA.der Kulischrw.Orsinis? 
(vgl. Taf. IX). Wirft man eui«xi Blick aaf eine Portrfttsammlang 
vnaerar giOartm Berolntioiiira, ao Mkn femmnaaine SSgen- 
thttmlidhkeiten auf, di« man ala antikrimmall beanohnmi mOohte. 
Die boha Stirn, dar atettliaha Bart, der gaiftninige Sehüdel, dar 
aanft» imd liaiteia Blick, daa allaa maeht ana ürnan eine grosse 
Familiei ao veiaohiadenan Völkern nnd Lindem aia waak an- 
gekfiran. MoBO «knelt Bandibka nnd PiaAOAirB, nnd diese 
bsidni wieder IIaxsini nnd Ofiflnn. Degenerationeieiehen 
fmden wir allein bei dem gnindehilidien SomcoBiroiiA (vgL 
Tai. X, Nr. 1). ,Ber einaige wakre Dichter, der wlhzend dea 
Toiigan Jahrhnnderti* in den neapolitamaohen Landau geboren 
wurde, war laiTAZio Ciaja. Er war sokön nnd ▼on Yomekmer 
Erscheinung, nnd Lente, die ilm gekannt hatten, enShltan, 
dasB Niemand dem Zauber seiner glänzenden Angen, seiner 
aamntiliigen Haltung und Sprache widerstehen konnte.'^ 

3. Alter nnd Geschlecht. — In dieser Kategorie sind 
die Frauen relativ zahlreich, und unter den Mflnnem überwiegt 
dns Alter zwischen 18 und 25 Jahren. R^ie (£es rSgidäegf 
IbUO) bemerkt, daas imt alle Königsmörder ganz jung waren: 
SoLOWiEw, die Sahla, Chatel und Staps 18 Jahr alt, Sand 
25, die Benault 20, Barrierr und Booth 27. Alibat d 26, 
Ch. Corday 25, Meünier 23. — Drfmarrets schreibt: „Die 
neapolitanische Polizei bewachte besonders strens: die jungen 
Leute zwischen lÖ und 20 Jahren, überzeugt, dass Enthusiaa- 
muB und Opfermuth Krankheiten der ersten Jugend sind." 
{^T6moi^mffes etc., Quinze ans d'hauk polwe, 1833). 

4. Psychisches Leben. — Bei den Revolutionären aus 
Leidenschaft tritt neben der hohen körperlichen auch eine 
vollendete geistige Entwicklung hervor; sie sind die Genies 
des G^mtlthes ; und hier erupliüdeu wir eä harter, als irgendwo 
anders, wie grausam es ist, sie, die den Gipfel menschlicher 
Gttte^ Hingebung und Heiligkeit darstellen, neben gemeinen 
Yerbieehem zu nennen, wenn aneh nvr infolge eines spraeh* 
liehen Zwanges. Ja, sie im Liehta der Ptoyehiatrie atadiren 



' Luioi CoNFoKTi, Najxjit nd 1789. — 



Neap«!, 1886. 



M LThdl. A]itiiraiNilogitfliidSoilok)giedMpoUUadieny«r1>rtehe^ 

SU wolkn, ist «in ibalioliefl UntemehnMn» wie wenn man die 
aoihflnen Linien der mediceisoben Venns mit dem Zirkel er 
grftnden wollte^ ohne anf die eriiabeiie Beinheit das giaaen 
Kunstwerkes zu aiditnu 

0, ihr heiligen, der Idee hingegebenen Seelen, TecMiht 
nns; wir fahlen es, dass euer bi oae or Anblick sobon genügt, 
die Mensobbeit boob aebitaen an lebien nnd die UebenabI 
Derer vergessen an maehen, denen grober Oenuss das einzige 
Ziel ist; aber der Forscher hat seine Pflichten, und nachdem 
wir unsere Bewundening and Anbetung daxgebiaobt haben, 
kehren wir zum Zirkel zuiüek. 

8io sind, wiederhole ich, der Gipfel der Ehrenhaftigkeit ; 
K.AKL Sand lebte und starb wie ein Heiliger, uud das Volk 
taufte den Platz seiner Hinrichtung „Sands Himnieitahrts-Wiese". 
Crarlottk OnKHAY \v!ir das Muster eines sittsameo Weibes. 
— Der ISihihst LisdüiB — schreibt Stepniak — war Millionär, 
aber er lebte wie ein Bettler, um die Kasse seiner Gesinnungs- 
genossen föllen zu kr»!iiien, und seine Freunde mussten ihn 
mit Gewalt liuidern, >i('li durcli seine Askese krank zu iiüiolieü ; 
und ebenso lebte in Italien OAflSRO. 

lu dem von Ayala gegebenen Verzeiohniss sechzig 
politischer Märtyrer sind ron S7 unter ihnen Charakter* 
aohildenmgen gegeben, nnd daraneh enulwinen 29 a)a edle, 
mntluge, groasmfltbige Natnien, aber ab allan Umng nnd 
wagbaJrig. 

uBbutdb (ieh «lira Plutaboh) war ein Naehkiwnme jenes 
Brutus, der die Tarqniniir niedenehlng, nnd der Sbbtilia, 
in derra Flamiüe der TyiannennOrder SmviLnra äla gdM». 
Br entwiokelie seinen Gbaiakier dnzoh das Stadium der Litte- 
mtar nnd der Pyiosopliie nnd war sn den ehrenTollsten Hand* 
Inngen besämmt; selbst Die, welehe ihn wegen seiner Ter- 
sobwdmng gegen OlsAR hassen, sohmben aUea, was es Edles 
in dieser That giebt, Beuvus allein zu und snohen die Qnelle 
des ünreobts dabei in Cassius, der ein Genosse des Brutus, 
aber von der Beinheii nnd SinfiMbheit aeinea Wesens weit 
entfernt war." 

»Beutub gri^ üffiontUoh Luoxus Filla (einen frfiberen 



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EIAm KMfiUL IndiTidiuUe FaktortiL 



66 



Prätor, dem er sein Vertrauen geschenkt hatte) an und kenn- 
zeichnete ihn als infam, als er von den Anklagen der Sardinier 
gegen ihn vernahm, während Cassius kurz vorher zwei gleich 
schuldige Freunde im geheimen gewarnt und öffentlich für 
schuldlos erklärt hatte und sie dann weiter in seinen Diensten 
verwendete, worin sich der gewissenlose Politiker kennzeichnete/ 




flWenn — sagte Brutus — es überhaupt einen Grand 
•giebt, die Gerechtigkeit zu vergessen, so hätten wir lieber die 
-ungerechten Anhänger Cäsars ertragen sollen, als unsere 
•eigenen, dann hätte nur der Schimpf der Feigheit an uns ge- 
haftet, während wir nun gewissenlos erscheinen müssten and 
•das gleiche Los verdienten, wie jene.** 

I.uMiiuu80, I>olitiacher Verbrecher. IL 5 



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66 I- Theil. Anthropologie und Soziologie des politiscbeu Verbrechens etc. 



Und in der That Iflaat gegen ^im» htm Vorwurf 
erbeben aiuBer dem aeiner Sebnld «n der Plflndernng Tbeaaer 
lonienB nnd Spartas dnreb seine Soldaten. 

Fiat bei allen Bevolntionlren ans Leidensehaft findet nok 
eine gesteigerte SensibüitM, eine wabre Hyperflstbesie, wie bei 
den bUigerUeben Yerbreebem ans Leidenaobaft; fieilicib be- 
stimmt Jene ibie bobe Litelligens nnd üur grosser Altroismna 
an gana anderen Zielen als Biese; niobt der Beiobtbnm, die 
Eitelkeit» der Beia des Weibes sieben sie an (obwobl 6ßt 
Erotismiis Vielen — wie Gabibaldi, Maszihi, Gatoub — niobt 
faUt), sondern die erbabenen Ideale des Vaterlandes^ der fieligion^ 
der Wiflsensobaft. Sie Ittblen lebhafter und frOber als Andere 
den Druck politischer and sozialer Tyrunaei nnd sehnen sieb 
mebr naob formeD» bereit, für deren Förderung sich selbst 
an opfern. Ihr Verlangen nach Gerechtigkeit, ihre naive Aof* 
richtigkeit und Begeisterung geht so weit, dass sie oft nnr 
desbalb, weil Viele ibre Ideale theilen, ihren Triumpb erwarten. 
Vor allem besitaen sie einen hochgesteigwten Altruismus; in 
ihnen tritt der Schmerz Anderer mit einer Gewalt auf, die der 
übrigen Menschheit fast unbe-reinich ist. 

Oartpai.di brinjrt in spinen Lebenserinnerungen einen 
Nachruf an jeden verlorenen Freund, an Jlutter, die er in 
der Phantasie so oft auf ihren Knieen für ihn beten sah, und 
selbst für seinen Hund Pastore, der vor Schmerz ^tmh, 
als ihn sein Herr in Tanger hatte zurück.lus^sen müssen; 
als kleines Kind weinte er einmal stundenlang, als er einer 
Grüle, mit der er spielte, ein Bein zerbrochen hatte; als 
Knabe rettete er eine Frau aus dem Wasser, als erwachsener 
Jüngling widmete er all seine Exaft der Pflege der Cholera- 
kranken. 

ViNCENZo Russo, geboren am 16. Juni 1770 in Talma 
Nolana, war ein gelehrter, beredter Advokat und derart selbstlos, 
dass er aUes hingab, um Andern zn belfen. Er lebte alle Tage 
Ton ein wenig Korn und nahm diese Nabnmg gelegentliob anf 
der Strasse an sieb; an Hans batte er kaum ein dfirftiges Bett 
Er war mensobenfrenndliob bis aom Exosss« Anf dem Gange 
anm Ghilgen sobrie ibm der Henker an, er wttrde ibn niebt 



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Elftes Kapitel. Indiridaelle Faktoren. 



67 



sprechen lassen, er thäte nnr seine Pflicht. Russo sprach 
ruhig und nnersohrooken : ,.Ieli sterbe frei und für die 
Republik" und warf sieb dftnn, mit dem Sfanog am den 
Hals, Yon der Leiter.* (Ookfobti 1. o.) 

Weiteie Beispiele Ton Altmkmiis liefern die Ffihnl^ der 
NihilisteD, wie sie Stbfmiak mit dem EnthnsiasmiiB des Kampf« 
imd Gesinoangsgenoesen sebildert. Yalebiav Obsihbki, der 
den Terrorismns feurig und mit krttfUger Flropaganda yertiat, 
war mnihig bis aar ToUkObnbeit; erst elQibrig, betbeiligte er 
sieb bewaffiiet an der Vertbeidigtoig des Hauses eines Kaobbam, 
eines Todfeindes seiner EWilie» gegen Bttnber; er liebte die 
Oe&hr, weit die Anfrqgong des £ampls ihm ein leidenBobaft- 
liehos Glttoksgeföhl Terlieb; er liebte denRnbrn und die VnmoL 
Bei sdner revolutionären Energie nahm er an hst allen Yet' 
suchen der Rerolie in Rassland theil; 1879 in Kiew ver* 
bafte^ wurde er znm Tode Tsrurtheilt und musste znseben, 
wie vor ibm swei seiner Genossen hingerichtet wurden ; er soU 
dahei in ganz kurzer Zeit ergraut sein» ohne jedoob seine 
Selbstbebemebnng zu verliami. 

Demetrit-s LisorfFB, ein grosser, blasser, schlanker Mann, 
mit sanften blauen Äugen, widmete sein ganzes ungeheures 
Einkomraen seiner Partei und lebte ganz ärmlich ; äusserlich 
ruhig und sanft, ivar er voll Fmer und Fnthnsiosmus. Sein 
WniT^rh, f]pv Partei sein Vermögen zu erhalten, zwang ihn 
zu finer \ orsichtigen Zurückhaltung; aber er empfand seine 
Thatenlosigkeit wie etwas Schmähliches. Von seinem Ren- 
dnnten verrathen und zum Tode verurtheilt, weigerte er sich, 
ein Gnadengesuch zu unterschreiben; zum Richtplatz ging er 
heiter und lächelnd und trcistete seine Freunde mit den Worten, 
dass er jetzt seinen Wunsch, für die gemeine Sache zu sterben, 
erfüllt sähe. 

Dembtrtüs Clemkns, ein Mann von einer Redegahe, die 
ihn zu einem der besten Apostel seiner Sache machte, mit 
breiter Denkerstim, sanften lebhaften braunen Augen, schmalen 
Lippen, Stumpfnase, wurde wegen seines guten Herzens und 
seiner Selbstlosigkeit angebetet Er snehte die Gefahr und 
stellte neb ibr ruhig entgegen ; er bot einmal einem Beamten, 



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I- TheiL Anthropologie unU Soziologie des politiachen Verbrechens etc. 

uutoi >ieiiiiuüg seines vahreu ^iameus, sich selbst als Bürgen 
emes gefangenen Genossen an; ein andermal befreite er 6e- 
£uigene, nachdem er als Kegierongs-Ingeniear aufgetreten war 
«nd iklL alle Henen gewonnaa bette. 

OsABüons CaBDAX (Ta£. IX., No. 1) liette dee mildeete 
OemfliSi, ein sanftee Weaen; rie beeehftftigto eUk in der Jugend 
mit hiwtftrieohen nnd phfloeopliiaohen Studien, begeisterte aieb 
an Plntubh, Honteeqnien mid Bonaaean. Dia attndende Ba* 
lediambeit einiger flOobtiger Ginodiaten, TieUeiobt aneh eina 
atilla KeigoBf an einem Ton ibnan» maebto aie lu einer 
glflbendan Anbingenn dieier Saeha; ne war bei der Sitmng 
dee Konyente aogegen, in der die Qizondistan aom Tode Ter- 
nrtheilt Warden, und beeebloaa, die Urheber dieeer Bntaoheidnng 
zu todten. Anf die Fhige, wie aie, ein sartea ungellbtea 
Iffidnhen, ohne Mitschuldige Marat tödtlioh treffen konnte, 
antwortete sie: ^Der Zorn hatte mein Herz geeohwellt und 
mir den Weg gezeigt, seins zu treffen.*^ (D'Abrantes, Vita 
• rüraUi lü donne celebri, ld3d.) £be sie das Schaffet betrat 
— wo ihre leteto Bewegung dem Schamgefühl entsprang — , 
schrieb sie an Babbaboitz, ihre Eraonde sollten ihr Loa nioht 
beklagen, denn wer wie sie von einer lebhaften Phantasie 
und einem erregbaren Gemüth beben-scht würde, hätte nur ein 
stürmisches Leben zu erwarten; sie sf bloss ihren Brief: „Welch' 
erbärmliches Vnlk, eine Republik damit zu gründen 1 Sie ver- 
stehen nicht einmal, dass ein Weib, dessen Leben Aiemaudem 
nützt, sich ruhig für ihr Vaterland opfern kann." Lamartine' 
schreibt von ihr: ,.Wenn wir für diese erhabene Freiheits- 
heldin und hochherzige TyrauneTininnienu einen Namen tinden 
wollten, der die gerechte Bewunderung mit dem ernsten Urtheil 
über ihr Vorgehen verbindet, würden wir sieden Engel des 
Mordes nennen und in einem Worte Bewunderung und 
Schauder vereinen." 

Eleünoua DB Fü^•SECA-PIME^i EL studirte Chemie bei 
Falaocerba, Mineralogie bei Delfico, Mathematik und Astro- 
nomie bei FiLXPPis und Yixo Cabavelll Sie lernte Griechisch 



* Bimrin de§ Ommiiiu» lY. p. 998. 



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Eifiefl Kapitel. lodxvidueiie f aktorcn. 



69 



und Lainn, iMfdilftigte mok mit AiQiu>iiii8oh«ii und poläiwiwii 
Stadien und Q&ete ihn Seele frflli den Gedanken des Ftnfeohritts 
und der IVeOiMl Ihra Diehtangen seUagen immer dieselbe 
Saite an $ daa Wohl, den Fezteduritt der Uen^ohheit^ Bblfset 
nennt dieFbvsncA in einem aeiner Bfleh«r eine Sehwinaerin; 
sie sohwirmt in der Ihat Dbr das Gute» aber in allem tther> 
trieben, nndCteoOT enthlt, dass ihr das einaige Stdueben in- 
nige ihier peyeholegiieh>iriaseiHflhaftKehBn Bnaehnngameihodea 
geetorben sei, — ein Zeidien Ton ftbeftiiebenem Anti- 
Misoneisrnns. 

Kanm war die Republik proUamirt, so giOndet nnd leitet 
sie die erste npnblikanische ZeitOQg, f^JRMimUmre napotetano" , 
der jeden Ta^ nene, nicht immer opportune Maaasrsgeln be- 

fiUn^ortete, nnter denen aber manche zart ersonnen waren, wie 
z. B. das Verlangen nach einem milden Strafverfahren, um 
das Volk nicht abzuschrecken. Auf dem Schaffet begrüsste 
sie die in der Xähe liegenden Leichen ihrer Frennde. Im 
Gefilngniss schrieb sie folgendes Sonett, das wegen meiner 
Schönheit nnd m&nnliohen Kraft eine Zeit lang Paoako aiige> 
sohheben wurde: 

Badivira Poppea, tribade impun, 

D'imbecille tiranno empia oonsorte, 

CkkU pur d uggravar uottre ritorte, 

L*iimaiiit& •pavanta e la natmis; 
Gredi il trono cosi premer aicura, 

E tutto il niifTo -»t-i liger alla Sorte; 

Folio, non aai ch entro la nube oacura 

Piü oh e compresso U tuon piü sooppia forte. 
'AI par di te movea torbo e tempeata, 

Sul Gallo oppreMO b tua iniqaa taova, 

Fiiichö al 8uol non nizzö I'orrida testa. 
£ tu chi »a? tardar ben puö; ma Tora 

Segnata h in cielo, ed un boI älo arresta 

La lonre appeia ««1 tue «ipo aaooia. 

(Cboob^ L 0^ p. S9.) 



' Bbibdsro Cbooi, JSIeeNom da Finm»PSmmkl Bon, 1887. 



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70 ^- TheiL Anthropoli^e uad Soziologie des poUtiacheu Verbrachen« etc. 



Die Perowskaja hatte ein schönes, fiist kindliches Gesicht 
(vgl. Tafel IX.), ein heiteres Gemüth, aber eine ausserordent- 
lidie ImprefisionabiUtat; obgleiohi voa altem Adel, hasste sie 
die ünferdrüdnuig, empfand auf das bittetsto die zaahe Be- 
handlimg iluer Mafter durbh den Vater; sie floh ana dem 
eiterliehen Hanse nnd wnide die Seele des Kihilismns. Sie 
war bald eins der einflnasreiebaten Uütiglieder eines politisehen 
Zirkels nnd betrieb selbst die Froiwganda in den Fabriken 
nnd anf dem Lande. Yerhaftet nnd im Norden Bosslands 
intemirtk floh sie 1878, wnrde die GhrOnderin der tenroiistischen 
Geeelkehaftp nahm an dem Attentate Hartmanns gegen den 
Zaren theil nnd ertrag, zum Tode Teroztheilt, die Strafe mit 
nngewOhnliohem Mnthe. 

W JBBA SSASSVIJTSCH wnrde nach ihrem Attentate anf General 
Tbepoif fireigeeproehen; aber selbst voll der höchsten Ansprache 
an sieh selbst, erklärte sie nach der Freispreohnng, sie wlie 
beim Lesen des Urtheils von Traurigkeit ergriffen worden, denn 
ihre Yerurtheilnng hätte ihr den Trost gewährt, sieh ganz ihrer 
Saehe hingeben an können. Den G^eeohworenen sagte sie: 
„Es ist etwas Fnrohtbares, die Hand gegen das lieben eines 
Menschen in erheben, ich weiss es; aber ich wollte zeigen, 
doss es nie möglich ist, ihn nach so viel Greaelthaten^ un- 
bestraft zu lassen, ich wollte die allgemeine Anfnierksiirakeit 
auf diese Dinge lenken, um. /.n verhindern, dass sie sich wieder- 
holten/' Es war in diesen Worten so viel aufrichtige Leiden* 
Schaft, dass sie Alle ül)er7,eu<:rte. 

Zu diesen Uhurakterzügen kommt das dieser Kategorie 
eiürenthümliche Bedürfniss, Schmerz ;u empfinden und zu 
leiden. Das Leid ist etwas Gutes, ia^st Dostojewskv einen 
seiner politischen Helden sagen; wohl verstanden, um .so mehr, 
je wichtiger die Sache, die Idee ist, für die sie leiden; oft 
aber suchen sie die Unlust an und für sich, und geniesseu z. B. 
um der Unlust willen bittere SubatuiLZLU. Etwas Aehnliches 
findet sich so oft bei religiösen Fanatikern, die sieb geissela 
lassen, und zu Ehren eines Heiligen, oder des göttlichen Herzens 



* Die Auspeitachungeii der politisch V erdächtigen. 



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» 



£l£t«9 Kapitel. Individuelle Faktoren. 7 t 

Stachel-Gürtel tragen; und das erklärt uns die grossartige Un- 
vorsichtigkeit der Nihilisten und der christlichen Märtyrer. 

Eine der Angeklagten in dem Petersburger Prozess der 
Fünfzig, die m den letzten Stadien der Tuberkulose sich befand, 
improvisurte vor ihren Bichtem eine Rede, die hat einer 
Dichtung glich und dio eine lodernd« Sehnsaohi nadh dem 
Hartyrhmi bewies: „Eilt Euoh, Ihr Bichter, und ▼onuräieilt 
mich ohne wttteies; achww und MfazedElicih irt mein Ver- 
htechenl In daa bftnerliehe Kleid aus gmner Wolle gekleidet, 
hebe loh es gewagt, ohne Schuhe zu wandern, dorthin, wo 
unsere Brfider seu&en, wo Aibeit und Elend nie aufhören» 
Wosu die nuresen und Yorhandlungen? Bin ich nidht von 
Tomherein eine ttberfklhrte Verbreoherin? Bin ich nicht das 
TcrkOrperte Yerhieehen? Die Schultern noch im bäuerlichen 
IQeide, die Ettsae mu^t, mit schwieligen HAnden stehe ich 
hier, gebrochen durch harte Arbeit; aber der schlimmste Be- 
weis gogan mich ist mebe Liebe anm Vaterlande 1 Aber, so 
schuldig ich auch bin, Ihr Richter seid ohnmächtig gegen 
mich; ja ich bin unerreichbar für alle Strafen, denn ich habe 
einen Glauben, den Ihr nicht habt, den an den Sieg meines 
Ideals. Ihr könnt mich lebenslang verurtheilen, aber mein 
Leiden wird, wie Ihr seht, meine Strafe nicht lange dauern 
lassen, und selbst die Schergen werden den Kerkeraohlüssel 
zu Boden werfen und werden schluchzend an meinem Kopf- 
kissen beten." 

Renan ^ sieht einen wesentlichen Grund für die Ausbreitung 
des Christen thums — neben dem Geiste des Gründers und 
dem Einfluss seiner Vorgänger, der Essäer — in der seine 
Anhäni^^er beseelenden Lf^idcn>rhaft für das Martyrium, die 
mächtig genug war, um Hokehrun^ien w j« die von JusTiNüS 
und Tertülltan zu bewuken, nachdem sie Zuschauer des un- 
beugsamen Muths der Märtyrer geworden waren. So versteht 
man auch leicht, daas die Gnostiker, welche das Martyrium für 
nuuluä erklärten, von allen christlichen Sekten in den Bann 
gethan wurden. 



* L'Eglüe ckreUetme, p. 366. Fans 1Ö79. 



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72 I TImU. JManptioifi» und Soriotogig dat polititeiiip Ygrbrodwiit ttc 

Es handelt sich bei dieser Wonne des Schmenea um eine 
pAndocn I^ufistherie; die Anästhesie, die Indifferenz gegen den 
Sdimerz, entspringt einer absoluten leidensohaftliohen Konzen- 
tntion anf eine eiiudge Idee, dem Monoideismus, ähnlich der 
Herrschaft einer mäditigen SoggMtion anf den Hypnotisirten. 
DiM« leidenschaftlichen Menaoheii nnd die wahren Pionier« 
allw politischen, religiösen nnd sozialen Freiheit, nnd unter 
ihnen hat die Geschichte die edelsten Härtyrergestalten ver- 
zeichnet. Uebrigens sind hier, wie im Gebiet des Hypnotis- 
mns, die Frauen relativ starker vertreten, was ibre bedeutende 
Betheilip:ung: nn der rliristliclifm Kerohition und der nihilistischen 
Bewegung erklärt (vgl. o p. 223. tf,). Kenan schreibt bei seiner 
Scbüdening der ersten christlicben Märtyrer u. a. : .^Dans 
l'affaire des bä,bis, on vit des g^ns qni ^taient k peme de ia 
seote venir se dönonoer eux memes, afin (ju'on les adjoigmts 
anx patients. II est si doux h l'homme de souffrir pour 
qnelquechose, que dans bien des cas Tapptlt du martyre sulfit 
pour croire. Un disciple qui fut le compagnon de supplice 
du Ijfil), su.ypendu ;\ cöte de Uli aux remparta de Tebriz, et 
attcndaut Ia mort, u avait qu'un mot ä la bouche: „Bs-ta 
content de moi, maitre?" 

„ün jonr sans pareil pent-dtre dans Thistoire du moade 
tat oAm (1852) d« ü grmd« bonoberie qui se fit des bftbis i 
Xöbäraii. On vit oe jwoAk dans Im mes et Im \mam de 
TäiäwDi an speotade qnd la population semble deroir n'onblior 
jamait. Qnaad Ia oonTfiiation, «noim aujouid'hm le mei snr 
ottte matitee, on pent juger de Tadmiration mtite d'honaor 
qne la ^le ^nrnva at qna le> aon^ n'ont paa duninufe.*^ 

»Qoand un das sapplki^ tombait at qn'on la fidaail; fda- 
Tar & aoupa da finiat on da bayonatta, pour pan qua la paita 
ita son magt qni miesalait aor tont sea mambna, Ini kinlt 
anaaia nn pan da foroa» U la mattait & danaer et eriait avae 
an •otoiolt d'anihonaiaania: „Ein TiM, nons aommaa k Dien, 
at nona retournons k Inil" Qoalqoaa-nnB das anfSuiiB azpixteani 
dans le trajat Ijss bonrraanx jattiant lanrs oorpa sons les 
pieds da lean ptees at de lenrs soeors, qni marehteent fi^pa- 
ment dassos at na lenis donatoent pas danx ragards. Qnand 



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SftM Sittel Individaell« Fftktoran. 



73 



on arriva au lieu d exöcution, od proposa encore aux victimes 
la vie ponr leur abjuration. Un bonrreau imagina de dire k 
un p5re que, s'il ne cödait pas, il coaperait la gorge & ses 
demx fila snr sa poitrine. C'ötaient deux petita gar^ons, dont 
Talnö avait quatorzf' an?*, et qui rouges de leur propre sang, 
les chRirs caloinces ecoutaieut froidöment le diaioguei le pt?re 
repondit, en se couchant par terre, qu il etait pröt, et l'ainö 
des enfants, r^amant aveo emportement son droit d'ainesse, 
demanda k dtre ^gor^ le premier. Quelques sectaires furent 
■ttMih^ h ]a gnenle des oanoos, smorote d'ane mdehA longoe 
Mimt Imfeamani On Imir propoaait de couper la m^oli* 
8*118 raaudeiit le Bftb. Enz, les bras tendoB Ten I0 fen, k 
suppliaient de ee liftter et de Tenir bien viie oonBommer leur 
boBhear*" 

Bbvam Adirt Ünrt: „Lee pereoonee qm legardent eonuno 
nmaeuletix on ehuu^riqae ce qni daae riiistoiTe ddpane lee 
ealmda d'an bon Bens Tnlgure, doiTent trouTer de tele frite 
meisplxeablee. La eondition fimdamentele de la eritiqne eet de 
aavoür oompiendi« lee ^tale divers de Tesprit bnmain. La iai 
absolue est par neos en fait oompldteinent ötraoger. En dehon 
des scienees poeitiTee, d'ane oertitnde en qndqne sorfte maM- 
lieUei toube opinion n'est k nos yenx qn'nn k pen prds, impU« 
qnaut une pari de v6rit^ et one pari d'enreur. La part d'erreur 
pent dtre aossi petite que Ton vondia; eile ne se r^nit jamais 
k aero, quand il s'agit de ohoses morales, impUqnant nne que* 
stion d'art de langage, de lome littöiaire, de personnes. Tel 
n'est pas la maniäre de voir des esprits Stroits et obstin^ 
des Orientauz par exemple. L'oeil de ces gens n'est pas comme 
le nötre; c'est l'oeil d t-mail des personnages de mosaYqiteg, 
teme, fixe. Hs ne aavent voir qu'une seule ohose ä la fois, 
cette chose les ol^söde, s'erapare d'enx; ils no sont plus maitre 
alors de croire ou de ne paa ctoup; il n'ya plus de place en 
eux pour nne arrii'^re ponst e n il jcluo. TJne opinion ainsi em- 
brassee, on se fait tuer pour eile. Le raartvr est en r^ligion 
ce que i'hümme de parti est en puliüque. Ii n'ya pas eu 
beaucoup de martyrs tr^-intelligents. Les confesseurs du temps 
de Diodätien dorent dtre, aprto la paix de r£güse, de gdnants 



74 !• Theü. Anthropoli^e und Soziologie de« pulitüdieu Yerbreoheas eto. 



et imperieux personnages. Ou n'est jamais bien tolörant, quand 
on croit qu'uii u tout ä iait raisou el que ita uuLies out tout 
ä fiut tort."* 

Ettt alle christliohen Märtyrer sind an Leidenschaft und 
Gamftth ganialalfanaolMn gewesen, dia daa Mar^^iua ürendig 
«rdnldoten, und fllinlioha Beiapiela fbhUii in dan ÜBrnatan nnd 
dan OOS nlebatau Zeiten nicht 

Ahna Asohbw, ezxiililt SMiLva» tiiat, ab ihr auf dar 
Folteibank die Glieder auagerenkt wurden, nicht einen Schrei, 
anekte mit keinem Mnakel, aondetn hlickte ihren Peinigern 
mhig ina Gesicht» ohne au bekennen oder an wideimien; 
anoh Latiher nnd Bidlvt gingen ohne Klage, mit der Heiter- 
keit einer fiiant» die an den Altar tritt, in den Tod nnd er« 
mahnten einander, guten ICuthea an bleiben. » Wir dflrfen heut' 
durch Gottes Ghiada in Bnj^d eine Fankel anattnden, die 
niemals wieder Tcrlöschen kann." — Kart Dtbb, eine 
Quäkerin, die wegen ihrer Predigten Ton den Puritanern Neu* 
Snglanda zum Tode durch den Strang verurtbeilt worden war, 
ging mit ruhiger Fassung zum Tode und starb nach eiuer 
ruhigen Ansprache an die Umstehenden in Ftevd» und Buhe. 

(SUILBS.) 

Der Mystimsmus ist der wesentliche Cbarakterzng der 
Königsmörder (schreibt Reois 1. o.) und zeigt sich in ihrem 
fanatischen Festhalten an einem religiösen oder politischen 
Glanbensbekenntniss, das selbst ihre Gesinnungsgenossen in 
ötaunen versetzt; so ermordet Louvfl den Drrc de Bebet, 
um Frankreich von seinen Feinden zu betiHiHM Rwatllac 
tödtet Heikkicu IV., um ihn an einem KrieL'szui^o gegen den 
Papst zn hiLkiiern ; \ou ihrer Misäiun duiclidrungen, führen 
diese Fanatiker ihren Streich, ihres Todes gewiss und bereit 
zu sterben. 

In den Monarchien waren die Regenten mör der Mystiker 
der Religion, in den Revolutionen Mystiker der Politik, wie 
beut diti Anarchisten sind (Regis, 1, c). 

Daher stammt bei den Revoiuuumireu nua Leideiiaoliaft 



* Bmva», Les ÄjMirejtf p. 378—382. — Pans, 1Ö66. 



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£lftM Kapital. IndividneUe fUUoren. 



76 



die üeberzeugung von der Erepriesslichkeit ihres Handeluß, was 
sie nicht nur unerackrücken, auch dem Tode ge{,'enüber, iiia^ht 
(Pabhy, Corday. Gkk.viüj), sonderu jede iieue aus- 

ßchlieast; man darf sie aber deshalb nicht mit Verbrechern 
zusammenwerfen, deren !N[angel au lleue uud Grleichgültigkeit 
gegen das Leben dem Mangel ethischen Gefühls entspringt. 
„Die Knechtung des Vaterlandes (Confokti, 1. c.) sjab 
nach seiner Verurtheiiung jenes Gefühl unbeweglicher 
Festigkeit ein, das aus seinen Versen spricht: 

SuuQü di antico cerro 
SqI Cardin nginoM» 

Sttccede a reo silenzio: 
Sia Circo il j)h- tli fiTro, 
L ahua i in egoal hposo 

Horte te cbiamo e tremo, 
PensMido tl fin che attendo, 

IIa non per me, che itnpavido 
Guardo il momeoto estremo 
Sulla mia tomba, e sceodo. 

Das vielleicbt über/.eugeudste Beispiel gaben die uuglück« 
liehen Decembristeu in Petersburg; weder die Qual einer 
imerü%lich langen üntersuchungfliuiL, noch die wiederholten 
T«fsaohe cor AnsfEllmiDg des Todeeurtibeib, die aageblioL 
dofoli die mangelode üebang des Sdi&rfrifikteis Tenmlasrt 
waren, entriaBen ihnen ein Wort des Haaaes oder der Beae. 
Sbrobj Mubawjbw 9xhoh sieht als beim ersten Yersnob der 
Striek gerissen war, und sagte nur: Ob nnseliges Land, wo 
nD«n weder m regieren, noeb nob za Tusdiwören nnd niebt 
einmal sn bfingen Terstebt.*^ Rtlbjxw sagte bei der Ifit- 
{beilnng des üräieils: »leb wnsste, dass iob bei diesem Unter- 
nebmen sn Grande geben würde, aber ieh konnte das Vater- 
land niebt mebr Iftnger nnter dem Despotismns seben. Der 
an^gestrente Same wird BlUtben tiagen." Bistübohbw starb 
mit den Worten: „lob bereue nidits; iob sterbe Unfrieden und 
sicher, «nen Baober zu erbalten,** vnd Pbstbc sagte: 
beben ernten wollen, ohne m sIen.* 



* TouToi, Lea dicembrüta. Pr^üace de Jodbbrt, lÖdO. 



76 I- TheiL Anthropologie und Soziologie dea politischen Verbrechen« el& 



5. Neurosen und PsychoseD. — Wie Leim Genie, 
so fehlt es auch hier niobt an Neurosen und psychischen Ano- 
malien. Ich habe eine der intelligentesten russischen Nihi* 
listmnen, Frau R., gekannt und beobaohtat. Sie w dk 
Todifar «iiiii niahfln, iiMiropaihiMihai, hoehbegabten ICuiMg; 
sehoD yoa ihnm 10. Jalm an aaL ai« mit Widentrabea den 
üntenoliMd twiaeben Am und Bodi, wollt» kain Obat mahr 
aaaan, kuM leidanen Kkidar tragen (um, wie aie aa^» kein 
üniedht an den Annen an begehen); kaum kflite aie (nocih tot 
der Pnbertat) vom Nihiliamna apieohen, to warf aie wk Qm 
leidenBehaülioli in die Anne; mit 12 Jakien trat sie ala Ar* 
beiterin in Spinnereien ein, nm Propaganda an maoben; mit 
14 Jahren wnide aie snagewieaan nnd ging naeh derSokwna, 
nm Ifaihemafik an atodiren; nm an den Anfttttnden theilaa* 
nebmen, kehrte sie in Begleitong anderer Nibiliaten nach 
Bnaaland anrtlck, aie fand beim Landrolk sehr wenig Ver- 
ständnisB fELr ihre Ideen, deshalb wnrde sie selbst Tage- 
löhnerin und arbeitete anf dem Felde, um Einfluss auf das 
ländliche Proletariat zu gewinnen; als sie auch dann keine 
Erfolge hatte, wurde aie Wfischerin, später arbeitete sie in einer 
Bäckerei. Nach einem Putsch, der zur Yerhaftong und Hin* 
richtung vieler QenoMen führte, wnrde sie in e£ßgie hinge- 
richtet. Sie entkam nach Paris, arbeitete bei einem Schuh- 
macher und trieb dabei Propaganda. Bakünin hielt sie mit 
Mühe davon ab, nach Rus.sland zurück und damit in das 
sichere Verderben zu gehen, und überredete die zarte Frau, in 
Dörfern der Schweiz als Apostel des Nihilismus zu wirken; 
wie gewöhnlich, so hatte sie auch dabei keinen Erfolg. Sie 
versuchte dann ihr Glück in Italien, kam aber dabei ins Ge- 
f^gniss. Nach ihrer Haftentlassung fing sie in dor Schweiz 
an, Mediciu zu studiren und zeichnete sich dabei lu huheui 
Maasse aus ; aber mit der diesen leidenschaftlichen Naturen 
ei^^cueu Ver:indorlichkeit ging sie erst von der Gynäkologie 
zur Pädiatrie und dann zur Chirurgir über. 

Sie war eine schöne, hormouiscLe Erscheinung, halt« aber 
vollständig unbewegliche Pupillen, gesteigerte Sehnen- und 
Gefiteneflene nnd eine ansserordentliöhe Neigung zum Ilnftthent 



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BtflM SifttaL iBdivadnelle fkktaran. 



77 



obwohl Medicinerin, hatte sie eine unrichtige Vorstellung von 
der weiblichen Nfltnr, sie hielt die i?'rau für dem Manne ^^ben- 
bürtig; obwohl ;ithei8ti3ch, glaubte sie an eine Seeienwaiideriing. 
Sie beaitzt eine grosse Leiohtigkeit des mündlichen Ausdrucka 
und ein wahres Bedürfhiss, Propaganda zu mnchen, nicht nur 
in der Politik, aondorn auch für neue chirur^nsche oder 
gyuäkologiaohe Eiitdeikungen — Grebiete, in denen öie Behr 
bewandert ist — wie sie sieh überhaupt durch wistjeuschaft- 
liehen Antimiaoneismus auazeichnet. Sie fasst leicht eine 
Neigung für den ersten Besten, die sie dann ebenso leicht 
wieder verliert, und m der Liebe wie im Kiiss ist sie gleich 
übertrieben. Die^e Defekte finden jedoch eine KompeusaLiou 
in dem Drange, sich für die Freunde zu opfern, in einer 
anaiaroidentlidien Zähigkeit im Festhalten ihrer Pläne, in 
einer mebr lEkom und «laktan als sohöpImalMii Intelligenz, 
in einar hohm lingoiBttMlMn,^ mathamatMahwi und mtdi- 
ainiicihin Büdung und in einer uMndlieh groBBan Mnttorliabe. 

Obbxmi' liaUe aina anaiahanda Phyiognomia, «na propor- 
tioniriai itaitliaba Oaitalt, ainan langen aahwanan diohtan 
Bart» atna bolia nnd breitaStim,' Uama loliwamp abar dnrok- 
dxiogaBd Uiokanda Angan, toUmi» nur anf dar Stirn nnd an 
dan SohUl&n dflnnea Haar. Wann ar spiaoh» 80 gasehah aa 
an&nga laogaam nnd Toiiiahiig, später, wenn er nah. fOi dan 
Gtagaofltand arwflnnt batia, Mlmall, laicht nnd an^aragt. Sein 
Laban iwnrandaia ar anacUiMaliah im Diaoit dea Tatarlandaa. 
aber leider gaos vaigabani. Dar Gadanka stand bei ibm 
immer hinter der Tbat soiOak, er muasta immer etwas thun 
auf jede Gc f ihr hin, um jeden Pkeia, nnd er stürzte sich in 
die toUatan Unternehmungen Mazzinis. Seine Tollkühnheit 
war ao gros», dass sie selbst von Denen getadelt wurde, dia 
ibn anm Handehi getrieben hatten, so dass man im Kreise der 
Mftwnni a ne r eine toUa, nnTorsiebtiga Untamebmang ,,OrBuuada*' 
an nennen pflegte. 

Er war gutherzig, ehrlich und äusserst muthig, aber die 
Anlagen seines Hantans überwogen bei waitam die seines 

* Sie tprAch sieben Sprachen. 

' MosvAuo, Fdic$ Onmi, tm 186a 



78 ^' Theil. Anthropologie tmd Soxiologic des politischen Verbrechens etc. 



Geistes. Er war ruhmsüchtig, eitel auf den von ihm erworbenen 
Ruf; seine Gegner erzählen, dass er zn sagen pfle|?t€, es gäbe 
nur zwei Mlinner m Italien : ihü und Mazzini. Im politischen 
Kampf war er beständig, aber sein Wesen steckte voller Wider- 
sprüche. Er, der in seinen Memoiren die ieolirten Insurrek» 
tionsversaohe tadelt, ist der Held fttt aller Mamnianiscben 
TTntemelimangen, die nieht inigiaoh, sondern koBUseh endeteD. 
Er, der mehrere Seiten hindnreli dtm politisoben Mord ver- 
wirft und von dem Attentat wiederholt ftossart, er ihdle 
Mazkznib Theorie nieht his an jener ftnssenten Ghranaep — 
plant und leitet das Attentat vom Jannar 1868. Sein Ghankter 
war sehwaoh und leieht au heeinflnssen und bedurfte der Leitong. 
Seine bUnde Unterordnung unttf "Mmm trat erst in den 
Hintefgnmd, aU fianaOsisehe Emignmten ihn fUae ihre Sache 
gewannen« Daau kam der Kiteel, ganz allein beflfliigi zu eein, 
einen einer ungeheuren BeTolution gleiohwerthigen Streibh 
zu fahren, der Wunsch, ein unerträglich weidendes Leben zu 
beenden durch eine Thnt, die ihn für immer berflbmt machen 
sollte, und endlich der Einflun seiner neuen englischen und 
firaazösischeu f^nde. 

Die Neigang zun Konspiriren war für ihn zu einer Art 
Manie geworden , wie er selbst seinen Richtern erklärte , und 
das war nicht die einsige Spur einer Geistesstörung bei ihm. 

Ein Bekannter aus den letzten Jahren seines Lebens, 
MoNTAZIO, schreibt von ihm: „Nichts zeigte auf den ersten 
Blick, wie viel er gelitten hatte ; aber während eines litn^eren 
Umgangs mnrkte irh, wie oft er geistesabwesend und versunken 
war. Er litt au langen Fieberanfäiien und hatte plötzlich 
merkwürdige Haliucinatinnm, neben AnfHllen düsterster Stim- 
mung." Die Lebhaftigkeit seiner politischen Leidenschaft 
erklärt sich bei ihm wohl durch Erblichkeit. Sein Vater 
nahm an allen Verschwürungen für die Befreiung und Einigung 
Italiens theil; so im Jahre 18.')() au der Erhebung gegen den 
Kirchenstaat. Felix Orrini sah damals mit zwölf Jahren die 
Füsilirung eines Hauptverschworenen. Er erzählte später, seit 
seiner Jugend hiitten seine Gedanken, seine Handlungen ein 
einziges Ziel gehabt : die Befreiung des \'aterlaudes, die Rache 



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ElftM KapitoL IndividneUe lUrtoran. 



79 



an den Auslttndem, den Oesterreichern ; daswegen hätte er an 
allen Verschwörungen bis 184H theilgenommen. 1874 fiel er in 
Ungarn in die Hände der (Jesterreicher, sio machten ihm den 
ProzAss und vemrtheilten ihn, aber es gelang ihm, gerade als er 
gehängt werden sollte, zu entfliehen. „Durauf ging ich nach 
Bne-lnnd, immer mit diesem Gedanken, dieser Manie, wenn 
man will, meinem Vaterlande ntttzlich zu sein, es zu befreien, 
mioh ihm zu opfern. Ich war überzeugt, dass es ganz unnütz 
sei, zehn uder zwanzig Mann dem Tode zu opfern, wie es 
Mazzini immer vergebens that, ich wollte mich auf das Gesetz 
stützen, ich wollte mich an die englischen Pairs wenden; ich 
plante eine Petition an die B^iernng für das Prinzip der 
Nieht-Inte n r en tion nnd wegen Anfhebmig der firenzOneohen 
nncl Otteireieliieolieii Beaetenng. Ihre Sympathie hatte iöh 
flbhoD damab gewonnen^ als die Bevolte in Indien ansbiaflh, 
und natflrlieh ist dieee Frage filr England von gröaaeier Be* 
dentnng als die itatieniaehe Frage." 

«Nachdem iehdiepoUtiMihen YerhAltniase aller Regiernngea 
Enxopas einer genauen FrBfiing nntenogen habe, hin ieh üher- 
zengt, datt es nnr einen Ihnn gieht, der im stände ist, mein 
Vaterland von dem Joeb der F^mden au befreien, nimlieh 
"NAfOiMOt in., der in Europa aUmAehtig ist Und doeh giobt 
mir seine ganae YeigBiqiuiheit die Gewiasheiti dass er nioht Ihnn 
wird, was doeh emzig und allein in seiner Madit steht loh bekenne 
M, dass ieh ihn für ein Hindern iss ansah. Und da habe ieh 
an mir gesagt: man muss ihn aus dem Wege räumen. 

Ieh wollte es, wie gesagt, selbst thun, aber ich sah ein, 
dass es nnmOgHoh sei. Da sammelte sich am mich eine Sehar 
▼on Mttnnem, die meine Pläne kannten und sich mit mir ver< 
banden, und die mieb, als sie verhaftot wurden , dennnsizten. 
Als ich mich von ihnen rerrathen sah, sehnte ich mioh nadi 
Kache und klagte sie an ; aber heute beklage ich alles, was 
die Lage meiner Genossen verschlimmem konnte. Alles, was 
ich gegpn s\e gesagt habe, nehme ich zurück, and bringe mioh 
selbst meinem Lande zum Opfer." * 

^ ^f"norie a FeUee Onmif eoa eppeadioe di Avsokio Fsavobl 

Tonn, 1862. 



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so ITbdl. Anfliw»potogie und Soddcg^ dw pd l i t iwiiwi VwffamhwM <*e. 

Ehe er das Sohaffot bestieg, Mhiieb er folgvndee in aflUMm 
bertthmtea Biief an den Kaiaer: 

„In wamgin Standen weida iok nuht mehr sein: aber 
ehe ich meinen letzten Athemzng thne, will ich erklftren 
— nnd ich thue es mit dem Freimuth, den ich bis heute 
niemals verleugnet habe — , dass der Mord , unter welctor 
Form er auch auftreten möfje, nicht, zu meii^et^ Pririzipien 
gehört, sondern dass ich mich nur durch eine verhängniaa-' 
volle geistige Verirrong zur Organisation des Attentate vom 

14. Marz habe verleiten lassen Und mögen meine 

Landsleuto dm Mordtyst'em weit von sich werfen, statt 
darauf zu bauen, raögeu sie sich von einem sterbenden 
Genossen gesagt sein la.ssen, dass ihre Erlösung nur durch 
Selbstverleugnung gescheht' r; k:inn, durch stetige Vereinigung 
ihrer Kräfte, durch Opfer und durch Ausübung der wahr* 
haftigen Tugoud." 
BoOTH, NoBiLiNG, Alibaüd Waren Söhne von Selbstmördern. 
Karl Sand, der vielleicht der vollkommenste Typns dieser 
Klaaae ist, litt au AnMlen von Melanoholie mit Salbstmoid- 
^•dankan. (BAaiB, Ln rigidäes, 1890.) 

HaillabauBi der Basums sa etmordfln molite, um dia 
Ehre Fhuikreiolis an letten, liatte «ine AofteBinaoflbMu, 
Atrophie des xeohten Annes nnd epfleptoide KoDTolsbnen, wie 
anoh La 8abi«a, der einen Hoidvenaoh auf Kavo&boh ge* 
maeht hatte nnd der rttekenmarkilrrMik starb. 

6. Leidensehaftliohe Genies. — Bei einnlnen Didivi- 
dnen sehliesst die Heftigkeit der Leidenschaft die geniale Kraft 
nieht ans, sondern bringt sie nebnehr aar Beif»; disse Ifitnner 
haben in aber BeTolntion die meistan Erfolge^ vas sehr natflilieh 
ist ; denn wenn schon, wie wir gesehen haben, jene Gigantm dea 
Gefühls so mächtigen Einfluß erlangen, wie viel mehr muss 
er Diesen gelingen, deren Geist und Gkmttth gleich gigantiaoh 
beanlagt sind. Zu ihnen geboren Gaubalto, Cnrnn, LabbaXiLB 
nnd Cavoüb. 

Die physische Eisoheittnng Oatoubs» Wesen seines 
Geistes nnd ChaiakisEa liessen ron seiner früheeien Kindheit 



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SUkw KspiteL IndtvidiwUe Faktorm. 



an Hyperästhesie erkennen.^ Mit 6 Jahren (1816) auf einer Reise 
durch die Schweiz, wollte er oinen Postmeister absf'tzpn lassen, 
weil dip'sor schlechte Pff>nl*^ für den Wagen seiner Eltern ge- 
liefert hatte, und er beruhigte sich nicht, bi« znm anderen 
Morgen, wo man ihm vorsprach, die Absetzung werde aus- 
geführt werden. Einmal gerieth er, als er znr Sohnle o-erufen 
wnrde, m solche Wuth, dass er sich mit einem 2^1« s>er tt iltpu 
und sich aus dem Fenster stürzen wollte. Solohe Wuthanfalle 
kamen häutig, dauerten aber nur kurze Zeit, besonders als er 
unter die Disciplin der Schule und der Armee kam. Vuu 
Jugend iiuf war er ein Rebell, immer im Widerstreit mit den 
Ideen seiner Umgebung und .seiner Zeit: dreizehnjährig erweckte 
ihm der Gedanke, Pugenkleidung anzulegen, Entrüstung. 

ESr war noch ganz jung, als ihm der Fürst von Oabionamo 
den Spitznamen «Jakobiner*' gab, im Jahre 1830 brach er b« 
der Naohneht von der Juliieroliitioii O&ntlidh in die Worte 
ans: Es lobe die Bepnblikt 

Ale naeh den dnrcli die Worte Kapolbohb m. geweoktsn 
Hoflhnngen anf Kn»g die Dinge plofzlieh eine friedBche 
Wendung m nehmen sohieneD, gerietii Gatoub, der damals 
s«hon Staatsmann war, in eine Erregung, die eine extramo 
UaasnegeL fOrchten liess. Naeh den Beriohien von ViLLAffauiOA 
war der Graf gana ausser sieh nnd rief; Getto paix no se 
-fem pasl Ce tmitö no s'extentera pesl Je me hrai oon- 
«piraienr (nnd dabei sohlng er sieh an die Brost). Je mo 
f«rai rdfolntionnairo; mais oe trait^ no s|eK^tera pas. Kon; 
millo fois non; jamais, jamais. — Er reiste naeh der Sehwoii, 
jenem Zufluchtsort der poBtiseh Verwundeten. 

Und in dieeer Zeit traten die Symptome der Hyperflsthesie 
mehr akut auf; so z. B. die An&lle von Entmuthignng, in 
denen er auf jeden Gedanken an Ruhm und Berühmtheit rer- 
aiehten zu wollen scheint (Brief MCIC der Sammlung 
Ohiala), ,^die Uebergftngo Ton gutgelaunten Tagen m Tsgen 



> Bian, Cbvoer mwtiff il IBtB. — E. Uatos, Un ^ptntUUeo: JB 
Conte di Cavour. Archivio di ptMUriOf 9Ck»u pmM td mUnpobgia 
-eriminale, vol. vn, fasc. IV. 

LoiUBoso, FoUUMlier Verbreeber. II. $ 



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82 I. TheiL AnthroiK>logieiuid8oiioIogiedeaiK>litiioh«nVerbraohantetG. 

der äussersten TraungkbiL (Bkkti, pag. 154). „Er fühlt sich 
vereinsamt, die Melancholie bemächtigt sich seiner Seele, er 
gieht nichts, was ihn tröstet. Er spricht von sich als von 
einem Menschen, der eine freudlose Jugend, ohne Freunde, 
ohne Ideale hinter sich hat." (Beuti, pag. 154.) 

„Sein Zustand verschlimmert sich in dem Muassc, dass er, 
um grösseren üebelu zu begegnen und sich einer sinnlosen 
Existenz zu entziehen, keinen anderen Ausweg sieht, als seinem 
Leben ein Ende m mtolien, wes er gewiss gethan hätte, wenn 
Dicht der Selbstniord in Minen Augen etwas Unmoialiaohea wa».* 

LassüiLB,* ein ansserordentlieh aohönerMann, mitbrnier 
Stirn, zeigte sieh von Kindheit an rebeIHseh und weigerte 
sieh, die Oarridre seines Vaters einzosehlagen. Sehen bei 
Beginn seiner Studien erkannte er die Aufgabe, die er später 
erfüllte. Er war, sagt man, ein Gigant der Leidensohali 
Hbinb schreibt an ihn: 

„Bei Kieroandem habe ieh soviel Iieidensobaft, soviel 
Geistesknltor und zngleieh soviel Thatkraft gefunden, wie bei 
Ihnen. Sie haben das vollste Bech^ arrogant nt sem, wir 
Andern dagegen nsnrpiren es nnr, dieses gottliehe Beeht, dieses 
himmlische Privilegium. Ihnen gegentlber bin ich nichts, ab 
eine bescheidene Mücke.'* 

„Die Anhftnger Lassalles,*' sagt Lateleye in seinem 
Somlisme contempornin, „sahen in ihm den Messias dea 
Sosialisnins. Wfihron I er lebte, lauschten sie seinen Worten 
wie einem Orakel, pach seinem Tode verehrten sie ihn wie 
einen Halbgott. Seine in Wort und Schrift gleich hinreissende 
Rhetorik versetzte zwei Jahre lang Deutschland in Auf- 
re^npr und schuf hier die sozialdemokratische Partei. 
Wie Abelaf.d bezauberte er die Fmueu und begeisterte die 
Massen. Jung, schön, beredt, durchreiste er das Land, riss 
alle Herzen mit sich und Hess überall Bewunderer und enthu- 
siastische Schüler zurück, die dann den Kern der Arbeiter- 
verbiuduugeu bildeten. In unserer Zeil kenne ich kein isweites 



' WriT.L'SoBOTT, La vita e le (>pere di Ferdiiumdo Jjcmalle, — 

Milano, im. 



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Elftes Kapitel. Indtvidiielle lektofen. 



83 



Beispiel von einem so o^rossen, so ausgedelinten und in so 
kurzer Zeit erlangten Einflttfis. Und so ist sein Leben ein 
wahrer Homan." 

„Es war etwas von Cäsar in diesem Jüngling," sagt 
Bkam)es — „während die ängsUioben Bürger fttrobteten, ee 
könnte ein Catiliua sein." 

Auf ihn Iftsst sich anwenden, was er von Heraklit 
sagte: „lu seinem Innern brauste der Sturmwind." Während 
seiner ersten sechsmouatlichen Haft weigert er sich nicht nnr, 
der Hausordnung des Gefängnisses sich zu fügen, sondern er 
ertheilt sogar den Wärtern seine Befehle, u:id es kam zu 
heftigen Scenen, als diese versuchten, ihre Autuntjttt geltend 
zu machen. Als er eines Tages erfuhr, dass seine Schwester 
ein Gnadengesuch eingereicht hatte, schrieb er, um eruitaellen 
Miaaventlndniaflaa vonnbeugen, an den EOnig, «r wUide 
niemals seine Ckede annehmen. 

LassaIiIiB war znm Hemoiher geboren; da er nnn abw 
nioht der Sohn eines Fflrsten, ja nidit einmal Ton Adel, 
sondern bflrgerlioh war, wnrde er ein reTolntionfirer Demokrat. 

Aber Lassalui war nicht nur in Politik und Wissen- 
schaft bedeutend, er war auch ein „Ibon von Welt", wie 
man zn sagen pflegt, und nieht nur ein Glentiemaxi, sondern 
ein echter ritterlicher Kavalier; ftlr das Weib, das er beschtttst 
oder liebt, setzt er sein Leben au& Spiel und Terliert es* 

Beweise dalElr findet man in seinen Bezishnngen za äst 
Gräfin Hatzfeld, Sophix yov Soluisbvf und Hxlmse 

T. DÖHBIOBB. 



84 I-Theü. Anthropolocie and Soziologie detpoUtiwbenVerbrcdieiueto. 



Zw5lft«8 Kapitel. 
Einfluss des Genies auf die Revolutionaa. 

1. Genies. — Einen Hanptfaklnr der Revolutionen bilden 
die Genies. Die Geschichte überliefert uns einen Aasspruch 
von Takquimus, wenn der Despotismus bestehen solle, müssten 
die höchsten Häupter fallen. 

Carltle zeigt, dass die Gesohiohte der Welt im Grunde 
die der groaaen Hämier ist. EinntTOK sagt, mui mOsse jede 
neue InstitntLen als den verlängerten Sebattea irgend eines 
Genies betiaehten. So ging der Islam von Mobamiied ans» ctor 
Paritanisnras von Oalyut, der Jesaitismns von Lotola, so 
gründete Fox das Qnakerthnm, Wbslbt den Hethodisnras und 
Olarksor den Abolitionismus u. s. w. 

Die grossen Mitnner, schreibt SmLis, geben ibnr Zeit 
und ibier Nation* das Gepräge des eigenen Geistes, so Lüthbr 
dem modernen DeutBobland, Eitok seinem sohotttsohen Vater- 
lande. {C^ofoders, p, 28.) 

,Die Genies/ sefareibt Flaubbbt {Corrapetidaiieet 1889» 
p. 538), „vereinigen viele verstrente Typen in einem einsigen, 
und bringen so dem menschlichen Gesohlecibt ganz neue Persön- 
lichkeiten zum Bewusstseiu.'' 

Und das ist eine der Ursachen ihres immoosen Einflusses: 
um wieviel Jahrhunderte haben Buddha, Luthbb, Chnstns» 
Pster der Grosse die Welt vorwärts gebracht! 

Und die Genies besitzen nicht nur keinen Misoneismua, 
sondern sie sind erbitterte Feinde des Alten und Beförderer 
des Neuen und Unbekannten. Als Garibaldi in noch unbe- 
kannte Gegenden Amerikas eindrang, sagte er: Ich liebe das 
Unbekannte (Ferri, Nuova Äniologia, 1HH0) Und Christus 
trieb die Idee einer neuen Welt bis zu einem Ziele, das heute 
noch als ein äusserst kühnes gilt, — bis zum vollständigen 
Kommumsmus. Viele Genies hen'St^hen sogar noch über das 
Grab hinaus. Cähars Macht (schreibt JVfii in:i>KT) kam erst 
nach seinem Tode zur vollen Geltung (1. c.) und ebenso ging es 



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Zwölftes Kapitel. Einflaas des Genies aof die Berobtionen. 85 



WiLBiLii dem Schweigsaindii. Max Nobdaü geht eogar ao 
weit, n behaupten, daas wir den mensebliehen Fbriaehriti 
agaaehlicMilich einigen genialeii Despoten ro yerdanken luiben. 

^Dte Uaeae iat immer konaervatiT, weil aie nach den 
ererliten tnatinkten der Art, nicht aber nach neuen, indiTidaeUen 
Ideen bandelt, nnd wdl aie aLcb infolgedeeeen in neuen (^toa- 
tionea nioht orientiren kann, aondem eich nnr in ihren alten, 
gewohnten Eziatenabediiigimgen wohl ftthlt. Dem gewaltigen 
Willen einer originalen Indi^idnalitlt kann es wohl geUngen, 
aie vom gewohnten Wege abweichen zn laaaen, aber aus eigener 
Initiative gelangen sie nie in neue Bahnen. Jede Revolution 
ist das Werk der Minderheit, deren Individualität eioh den 
£xiston/.LediDgungen nicht anpassen kann , die weder für sie 
gescha&n noeh vorberechnet sind. Die Majorität folgt der 
Bewegung nur uDgern, wenn sie nioht adhon durch viele Jahr- 
hnnderte darauf vorliereitet ist, die gegenwftrtigen Institutionen 
als unmöglich und deshalb zum Untergange reif zu betrachten. 
Die einzigen, wahren Neuerer, welche die Geschichte kennt, 
sind die nirfgekliirtmi , genialen Despoten, die Ideale konser- 
vativer Histoiikei-, und die von der Masse unternommenen 
Revolutionen smd blosse Gemeinplätze. Deshalb müsste man, 
um logisch zu sein, auf das Titelblatt jeder in reaktionärem 
Sinn geschriebenen Geschichte nioht das Bild Friedrichs des 
Grossen oder Josephs II. von Oeslei reich set?!en, sondern das 
irgend eines Demokraten von 184Ö mit dem für diese bewegte 
Zeit cbarakteristischea Hut. " * 

,.Keine Revolution gelingt, bei der nicht ein Mann an 
der Spitze steht," schrieb MaccfiiavellI; und an anderem Orte: 
„Die Menge ohne H:iii|.r ist nutzlos;** und Coco sagt, wo er 
von der neapolitunischeu Revolution S])richt: „In Neapel waren 
alle Elemente der Revolution vuiiumden , aber es fehlte der 
Hann, nnd so war sie von keiner langen Dauer." 

Und daa liegt in der Natur der Dinge, denn da das 
Gknie weaenüieh philoneiatiadh iat, dabei aelbat originell nnd 
ein Freund der Originalität, ao iat ea ein natttrlioher Gegner 



' ÜAX NOEDAV, AmHloM; 



86 I. TheiL Anthropologie und Suzioiogie des poliüscben Verbrechens etc. 



des EooBonPtttiimin»^ der aUen Tradttionen. Das Ganie ist der 
geborene BerolntioiUlr und daher der thatigate, glfieklioihste 
Yorlänfer und Vorberetter der Entwiekltmg, — eine Thatsaohe, 
die ona den ToDsttodigen Ptoallelianras erklttrt, den wir xwtaclieQ 
denümohan nnd d«i fieweguDgen, dem Genie nnd den Eevo- 
Intionen finden. 

Welche groaaariige VereiDigong hoher moralisoher nnd 
' intdlelctneller Gaben finden wir bei dieeen groeaen Uttnnem, 
nnd weldie gltlekliehe Anpassung ihrer Fllhigkeit an die Be- 
dürfnisse dea historiaehen Moments I 

Man denke nnr an Cromwbll, den Güizot (L o.) so trefflich 
schildert: 

J^'Er war der feurigste Sektirer, der glühendste Revolutionär, 
der ge8chi<diLtest<> Soldat; gleioli eifrii: und gewandt im Sprechen, 
Predigen und Kämpfen. Expansiv und, wenn es nöthig war, 
der Verstellung, der Lüge fUhig, iinmer von einer unerhörten 
Kühnheit beseelt, die selbst seine Feinde mit Bewundening 
erfüllte ; leidenschaftlich und grob, tollkühn und klug, mystisch 
und praktisch und von grenzenloser Einbildungskraft. Im 
Drange der Nothwendigkeit kannte er keine Skrupel; sein 
Verlangen nach Erfolg um jeden Preis liess ihn desselben 
immer sicher sein , und es gelaug ihm, sowohl Freunde, als 
Feinde davon zu überzeugen, dn«« Ni^Muand solche Erfolge 
gehabt hätte, Niemand weiter gegungeu sein würde, als er." 

Neben seiner Genialität fehlte es jedoch nicht nn Ano- 
malien; der Umstand allein, dass er in meinem lluuse zu 
predigen anfing, wenn er vom Geiste orgntfen wurde, 
was unge^r zwei- bis dreimal in der Woche geschah, ^eugt 
von einem fast ans Wahusinnige grenzenden Mystioismus. In 
seiner Jagend uberfiel ihn oft nachts bei voller Gesundheit 
das Gefühl, er würde sterben, so dass er einen Arzt holen 
liess; auch hatte er Visionen, in deueu er deu Teufel, Kreuze 
u. 8. w. sah. 

* L'unique marque des hommes de ginie rorigmaliti, ils crSent 
mienx, plus et surtout aatrement qae le commun des hommes. Bichet, 
pref. 4 rhomme de ymi«, 1089. „Ce qui distingue les grands g^nies, c'eat 
Im gtoenÜMtion «t la orlatioii.'' ItAUBaar, 1. o. 



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ZwolflM KapitdL Einfluss den Genies auf die ReTolatioaen. 87 



Von Napoleon sagt Taixe\ der neueste seiner Biographen, 
folgendes: „Sein Temperament, seine Instinkte, seine Fähig- 
keiten, seine EinbUdongskrafit und seine Hozal WMben ans 
ihm einen Mensohen, der in eine gaox andere Form geprigt 
vnd ans ganz andeirem Metall nsammengesetst enoheint, als 
seine Hiibttrger nnd Zeitgenossen. Anssergewöhnlieh nnd 
allen üebf igen überlegen, anm Erobern nnd Hemeben gesehaffbn, 
isft das, was Um vor allen Andern eharakterisirt, niebi nnr die 
Sobflrfe nnd üniTetsalttflt seiner Ihtelligens, sondern die Ge- 
adhmeidigkeit, Kraft nnd Daner seiner Anfmerkssmkeit» die 
Üm befthigt, aohtzebn Standen hintereinander an arbeiten.^ 

«Die Menge von Thatsaohen, die sein Geist aufnimmt 
nnd behftlt, die Masse von Ideen, welche er dnrohdenkt und 
prodnnrt, sobemt mensehliebe Fähigkeiten an übersteigen; nnd 
dies unersättliche, unermüdliche, unveränderliche Gehini fank' 
tionirt so, ohne Unterbrsehnng, BO Jahre hindurch.*' 

Niemand hatte einen sensibleren Geist, als er, niemand eine 
reizbarere Sensibilität und einen dem eigenen Antrieb unbedingter 
folgenden Gedanken, keiner einen so leichten, reichen BedefiosSi 
der doch manchmal indiskret nnd unklug war; er ist das» was 
sein Genie aus ihm hervorsprudelte. Nun bedurfte es com 
Ordnen, Beherrschen und Leiten so starker Leidenschaften einer 
gewaltigen Kraft: in Napolkon war dies der Trieb, sich zum 
Mittelpunkt zu macheu, alles an sich zu fesseln ; clor Egoismus 
also, alit r nicht ein träger, sondern em aktiver, aggressiver, der 
Kratt und Ausdehnung seiner i^'ähigkeiten angemessener, den 
Erziehuntr nnd Umstände entwickelt, Erfolg und unbeschrünkte 
JJacht gesteigert hatten; so lässt sich das politische Wirken 
Kai'ot KONH defiuiren als ein Werk des vom Egoismus ge- 
triebenen Genius. 

Toussaint Loüvertürk kann als typischer Fall von 
Binflnss des Genies auf die Revolution gelten. In St. Domingo 
war die Unterdrückung der Neger durch die Weissen bis 
zur äusserstea Grenze getrieben worden. Die Kolonisten 



' XapoUcox Bonaparte {Bevue des Deiix Mond«», Februar iind 
März im). 



I. Tilcil. Äuthropolügie und Soziologie poiiti«oheQ Verbreoheos etc. 

nagelten die Sehwanen am U«beniiQäi an Simt Oliren 
an, prügelten die Mihwangeran Flauen, die dabei ihien Leib 
in eine in den Boden gegrabene Hoble legten mnaston; und 
diese Ffanioeen battea die Laft der BeTolntion Ton 1789 
geathmetl Aber die Kommiaaäre der Republik beeohrBnkten 
ibren Libetaliimna darani^ das Maarirnnm der den Sklaven^ 
baltem erlanbten Stoekiebllge auf 50 festsastellen. Trets 
alledem baiten die Anstrengnngen der ünterdraekfeoi keiaeo 
Elfolg, nnd wenn sieb aneh talentroUe, aber niob1;gakiale 
Hnlatten oder NegerfUuer, wie Ooi nnd Boukkab, der ünter* 
drOokton aanabmen, so wnidni die Yersoebe doeb e^orfe nnter* 
diflokt und erstitikt. Aber Toüsbaikt, der erst mit 50 Jabren 
einen Soldaten geeeben liatte, ein einfaebw Sklave, der nur 
etwaB an lesen Terstand, Toussaint gelang es, dnrch grosse 
Anstrengnngen, dorch Listen und Schliche sich, gegenüber der 
napoleoniaeben Gewalt, der Herrsobaft des Landes zu bemtteb- 
tigen.^ Er verstand es, sagt sein Biograph, da nnsicbtbor an 
werden, wo er war, nnd sichtbar, wo er nicht war. 

Er organisirte eine Regiemng, zeii'tp "Ich. viele Jahre 
hindurch wenigstens, gemässigt und würdigte dio Vorzüge der 
Schulbildung für sein Volk; man findet bei ihm Züge von 
Genie wie bei Garibaldi. Als fli^ Schwarzen eineä Tages 
einen Aufstand gemacht hatten und keine Lust zeigten, mit 
den Weissen Frieden zu schliessen, Hess er sich Wein und 
Wasser Inniren, mischte es untereinander und sagte: Wie 
wollt ihr (la^ nun voneinander trennen? 

2. Genio und Neurose. - Wir haben darauf hinge- 
wiesen , dass Geistesstörung uad moralisehes Irresein oder 
Kriminalität und Epilepsie — und letztere ganz besonders — 
konstante Begleiter des Genies sind, so dass dieses letztere als 
eine Neurose erscheint, die aus einer Verschmelzung mehr 
oder weniger abortiver oder larvirter Formen jener Störungen 
eutätouden ist ; wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn wir 
bei Napoleon, bei Peter dem Grossen, bei ClSAi, Obomwell 
nnd IfoHAiORD das Genie mit Nenrosen Termiscbt finden, nnd 



* SoBoucB, Ftr ä$ TomtaiiU-lMweriwre. 1888. 



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Zwölfte» Kapitel Eiofluss de« Genie« auf die £evolutionen. 89 



Ramos Meija weist Neurosen und (_Teistesstötuugen bei faat 
allen revolutionftren Führern Sudamerikas nach. 

So war liach ihm RiVADüRA hypochondrisch uud starb an 
Gekirnerweichung; ebenso starb Manuel Gaucia — auch 
Hjrpochooder — an einer Gebirnaffektion ; der Adrnual Brown 
litt an MeUnoholie mit Verfolgnngsdelirium ; LoP£z, der Dichter 
dar argentiiiisohen Nationalhymne, starb an einer Nerven- 
kranUieit; Dr., TabUiA war Epileptiker, Dov Val. Gombz 
starb an HimbliitiiDg; der Ingenieur Bbltbam, ein Held des. 
ünaUiftDgigkeitakrieges, erkrankte spiter an einer Geistes^ 
Störung ; der Haaptmann Estomba, bekannt in den Annalen 
des argentiniscbee Bfligerkrieges, wurde wahnsinnig, wibrend 
er seine Trappen kommandirto. Und Hontbaoudo litt an 
Hysterie und GiOssenwaliu. 

3. PhysisoheEntstekangsbedingnagen des Genies. 
— Jedooh aneh das Werk dee G^ies ist nur die Folge einer 
Synthese, einer sobnellen Entwiekelnng von Ideen and Qt^ 
ftthlen, die sdion Toibereitet nnd gereift im Sehosse des 
Volkes scklnmmwten. 

Und darin besteht das wahre Werk des Genies. Unsere 
Trftgheit ist so gross, dass, wenn auch alles an einer Reform 
vorbereitet ist, sie doch nicht zu stände kommt| wenn nicht 
ein Genie den Zündfanken giebt. 

Viele, wenn auch nicht alle gebildeten Italiener sind der 
UeberzengUDg, dass die klassisoben Stadien mehr dekorativen 
als instruktiven "Werth besitzen, was neben mir auch Graf 
Sergi, Angiulli und Morselli wiederholt ausgesprochen 
haben, und es sind auch in betreff dieser Angelegenheit mehr- 
fach Interpellationen im Parlament gestellt worden (Sciacci), 
aber man erhielt nichts als vage Versprepbiini^'nn und liicher- 
lich schüchterne, fruchtlose Versuche; ohne eine geniale Politik, 
vrelohe die schleppende Opposition von ihren alten Gewohn- 
h» ireii, von ihrer TTnwissenhpit und Furohtsarakeit losreissr, 
werden Jahrhunderte vergeben, ehe es hier zu einer Ket'orm 
kommt. 

Aber auch das Genie kommt ohne ein entsprechendes 
umgebendes Mittel nicht auf, nicht weil geniale Naturen fehlen. 



90 Th«il. Anthropologie und Soziologie des poUtiachen Verbreohens etc. 

sondern weil sie nicht verstanden werden; deshalb blieben zahl- 
reiche Et)tdeckuugeii, w ie die des Leuchtgases, der Elektricitftt, 
unbemerkt, und deshalb fanden wir einen zahlenmäs^igen 
Parellelisinns zwischen der Genialität und Kultur eines Landes 
und der Bevolution (I, p. 129); wenn man wohl sagen kann, daag 
die Hftnfigkeit der Gfenialitftt in Athen seine Kvltnr und 
Politik besümmt liat^ ao mn» man umgekehrt ingebeik, daaa 
die hohe Knltnr der Athener, der aohneUe Weehael der Parteien 
.mit noch grösserer Sidierheit als üjnaohe des Aafblühena 
genialer Natnr angesehen werden darf (Der geniale Menseh); 
in diesem Sinne Iftssi es sieh verstehen, daas in repnblikanisoh 
regierten oder von heftigen Parteikfimpfen erschfltterten lAndem 
eine bedeutendere Zahl grosser Httsner gefonden wird (man 
denke an Florenz und an die Gesohiohte Gabibaldis), als in 
ruhigen nnd monarohiseh regirten Lindem. 

In der That hat Florenz in seiner nnmhigen lepnblikani- 
sehen Zeit die höchste GeniaUtllt in Italien entfaltet, während 
ähnliche Bewegungen in Südamerika, in den Vereinigten 
Staaten, und dw fnmzilsisdien fievolution nicht grosse Männer 
hervorbrachten , sondern unter den damaligm Untstflnden 
nützliche Persönlichkeiten, die mehr wegen ihrer erspriess« 
liehen Thätigkeit, als wegen grosser psychischer Kraft für 
bedeutend galten. Die Civilisation ist also nioht die einzige 
Ursache der Genialität und der Entdeckungen, aber sie be* 
stimmt die Richtung, die embryonale Entwicklung oder, 
besser noch, die Aufnabrae und Anerkennung; deswegen darf 
man zugeben, dass immer und überall geniale Naturen auftreten, 
dass aber viele von ihnen im Kampf ums Dasein untergehen, 
als Beute der iStarkeron, und so werden /ahlroiche Genies, die 
ihrer Zeit Unverstand lic^h sind, übersehen, verkannt od' i be- 
straft. Es giebt dem Genie günstige Kulturverhilltuisse und 
solche, die es miterdrückeu ; in Italien mit seiner uralten Civili- 
sation, die eine ganze Reihe von Blüthenepochen hinter sich 
hat, ist zwar der Sinn des Volkes oÜener, die gebildeten Kreise 
aber höchst unempfänglich für alles Neue und geradezu ge- 
fesselt an die blinde Anbetung dos Alteu. Wo eine junge Civili- 
sation eben die Barbarei abgelöst hat, wie in Eu&slaud, werden 



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Zwölftes Kapitel. Eioflu»» des Genies auf die Bevolutioaeo. 91 



die nenen Ideen mit fanatischem Eifer aufgenonimen. Ist eine 
Anschauung so oft wiederholt worden, dass sie weuiger feindlich 
zurückgewiesen wird, oder Luacht die Nothwendigkeit sie un- 
entbehrlich, so wird sie schliesslich auirenoniaiLU und zu guter 
Letzt geheiligt. Die Menschen, die das Kebeneinauder im Auf- 
traten einer bestimmten Kultur und dem des Geniu? sehen, ver- 
woohaeln den geringfügigen Einfluss, der das Küchlein die 
Sdbale m dnrohbreehen bestimmt, mit der Befrnohtung, die 
▼ielmekr dorch die EinflOase der Basse, d&t Erafthrung, dea 
Klimas reprflsentirt ist' 

In aUerletxter Zeit erst lisben wir erleU, dass eine alte 
Eotdeeknng — die des Hypnotismns — wieder und wiedor 
gemacht wnrde, nm den Augen nnaerer Zeitgenoasen dock 
als neu m eracheinen. 

Jedes Zeltalter ist gleioh unreif für TorlAnÜBrlose Ent- 
deckungen, und damit ist es unfthig, zu begreifen, dass ibm 
die Bedingungen ibier Aneignung fehlen. Die Wiederbolung 
denelben Entdeokung bereitet das Gebim tot, sie au apper- 
cipiren, und Terringert allmllblieh das Widerstreben gegen ihre 
Aufnahme. Wenn das Gh»nie seinem Volk und seiner Zeit 
um Jahrhunderte voraus ist, kann es wohl, kraft seiner finergie, 
sieb seinen Zeitgenossen aufdrängen und eine Revolution hervor- 
rufen, aber diese hinterlässt, je gewaltiger und edler sie ist, 
entweder kaum eine Spur, oder veianlasst nur eine Reaktion 
im entgegengesetsten Sinne, Fombal überlebte seine Reformen, 
Peter der Grosse erregte eine heute noch nachvibrirende 
Reaktion, die für schädlicher gilt, als die Unwissenheit, die er 
aulkiären wollte. Freilich hat man Revolutionen sich durch 
den Geist ihrer Führer, wenn auch nur kurzn Zeit, behaupten 
sehen; so die noch in die Feudalzeit Frankreichs fallende 
ReTolution iVrAHCELS undLE( u( Qs; das Genie Callks beeinflusste 
die .Tacqaurieu in den Landschaften Clermont und Boves, wie 
das iSa VON AKOLAS die Florentiner Bewegung und das Colas 
den Aufstund des römischen Volkes. Aber diese Versuche 
entsprachen keinem dringenden Bedürfniss ihrer Zeit und wollten 
die Grenze der Reife ihrer Epoche überschreiten, deswegen ver- 
liefen sie erfolglos. In Russland erlangen unzählige Genies 



92 L Theil. Aatbropologic und Soziologie des poUti«cbea Verbrechen« etc. 

und Märtyrer die gewünschten Reformen nicht, weil die Mehr- 
heit des Volkes ihnen fremd gegenübersteht. Das Schicksal 
von CnuiSTüs, Mazzini, Szechenti und Kossuth zeigt uns, 
das« der Tod oder die Niederlage der Führer grosser Bewegungen 
nicht hindert, dass sie nach Jahren oder Jahrhunderten Erfolg 
haben. 

Man äast alao d«ii pei«OiiUoli«i EinfliuB vevolntioiiflnr 
FlÜii«r nicht ttbendhfttBeo. Ebkrabi xKhlt nur 1000 berOhmie 
Bevolntionftre unter den sieben Millionen, dmen er die Be- 
wegungen aeit dem Jahre lOOO bis heute snaehrabt; wenn der 
Boden voibeieitet ist, so haben sie Erfolg, sonst nioht Wir 
haben hent ein Beispiel an Balgarien, wo der Rnbel und die 
panslawistisehen Ansehauungen zusammen mit dem Einflnss 
Ton ELkBAWBLOW und Zankow nioht hinreidhten, eine wirkliche 
Bevolution hevoraumfen. 

Die Wirksamkeit Napolion8 yersehwand wie die Albxab- 
DEBs, jene nooh su Lebzeiten ihres Urhebers. Ist ein derartiger 
Einflnss seiner Zeit nur nm weniges yoraus, so straft er sich 
hart; wir f&hlen jetzt allmfihltdk in Italien, dass die von 
Qabibaldi, Mazzini und Oavour ausgegangene Bewegung allzu 
verfrüht war. Halb Italien, besonders der Süden und die 
Inseln leiden unter der zu frflh gekommenen Freiheit wie unter 
einem tyrannischen Druck. 

4. Reaktionäre Genies. — InderThat giebt es solche; 
Savokarola, St. Igxaz, St. Dominicüs, Fürst Metternich 
waren echte Genies des Misoneismus. Die Originalität des 
Genies schliesst ja den nach gewissen Richtungen hin wirken- 
den Misoneismus nicht aus (Der geniale Mensch, Kap. 6), sondern 
erbittert es gegen das Nene, und so begreift es sich, dass, eine 
theologische oder feudale Erziehung, eine vererbte Anlage 

vorausgesetzt (de MaTBTRE, Ch XTEArBRIANI), SCHOPEXnAFKR, 

Bis^r vitCK) und unter dem Eindnifk prechiitti i :i ior Ereignisse, 
wie sie Manzoni und St. Iqnaz enegien, oder durch historische 
.Noth wendigkeit, der Misoneismus i ieseugross wird ; das findet 
sich bei den sparsam vertretenen Akademikern von Genie, die 
jede fremde Entdeckung zurückweisen {Velpeau leugnete im 
Jahre 1839 die Anaesthetika), und doch fehlt ihnen nicht 



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Zwölftel £«pitel. BinfluM dei ü«mM auf di« Asrolntionon. 98 



Originalität uiui Entwickluiigskraft ; Bismarck, der feudale 
Verehrer seiues Königs, huldijfte dem Staatssozialisnnis, und 
Kapoleok verschmolz mit seiner atavistischen Coudottiere- 
Katur die Ideen der Revohitiou von sozialer \m(] religiöser 
Gleichheit; Savonarola führte zum Triumph einer wahren 
Demokratie, «ahreud er die Keime der Henaissanoe zu zer- 
stören drohte. Schopenhauer wetterte gegen die revolutionären 
IVlassen und forderte den Triumph einer positivistischen Philo- 
sopiiie, Rückschrittliche Revolutionen theilen auch unter der 
Führung eiues Genius, wenu sie gegen die Zeitströmuug ge- 
kehrt sind, das Loos der Revolten, wenn auch weniger plötz- 
lieb, da sie einer eingewurzelten Sympathie im menschlichen 
Hflfson begegnen. 

5. Das Grenie in Berolteii. — Viele glttoUiohe Er- 
hebungen, wie t. B. die aiziliamaelie Vesper, ' der Au&laad der 
Niederlande, der ErmheitBkampf der Nengriedien, saheinen 
ohne eigentUohe Fllhier trinmplurt stt haben. Hier Te^ 
sohmokea die Ftthier durch Kombinatioo oder daroih eine, 
krftitige That die herrsohenden Oedsnken and Wünsche Aller. 

Die Volksr wihlen übiigens, wie vir sehen, mit Vorliebe 
mütelmissige Köpfe, Halbnarren oder Gauner lieber, als Talente 
oder Genies, znmal wenn diese Genies unprakÜseh sind; und 
wenn dooh einmal ein Genie nur Hadii gelangt, so geschieht es 
doroh Ueberraschung der Majorifftt, die tlb«rfallen werden mnes, 
wie das wilde Pferd von seinem Bändiger. 

Aber wenn das Genie, das an sich schon eine Revolution 
darstellt, Revolutionen anregt, ist es in den Revolten, wo Ge- 
meinheit und Narrheit triumphiren, in der Minderheit; denn wie 
Oooo richtig bemerkt, können die Denker das Volk nicht beein- 
flnssen, sondwn Die, welche seine Gefühle und Sprache theilen. 

' Es f:ind sidi unter so viel Tausenden ein beweglicher und tief- 
blickender Kopf mit einer «'ntsfblussfnfn Faust, der den Anfang machte; 
sofort stünste sich, was in Palermo Muth uud Geist hatte, in einem 
Aagenbliok ihm naob, dann Alk» wollten daatelbe. Dm migai&em tcbleditMi 
XenaohenlMiiiier eine YenobwSntiig erscheinen, der nicht bedenkt, da«, 
sind einmal die Qemtither geapanut, jeder Zu&U sfinden mow, wie M 
keine ELnnst oder List vermag. (Amari, /. c.) 



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94 LTheiL AnthropologMSiidSoiiologiedespolitisohenVerbFdchdusete. 

Heinb san:t«: „Das Volk traut dorn Sfrftber, der das 
Rothwelsch seiner Laster spricht, melir nia deiu Biedemiann, der 
es aufklären will." Dagegen schreibt ein Revolutionär par 
ex'cellence, wie Valles, in seinem Insuryc. .,Sehr naive Leute 
glauben, dass die Führer die Aufstände leiten; der Kopf der 
Führer ist wie die Gallion am Schift, die im Sturm auttaucht, 
um dann zn verschwindeu." 

In Revolten fehlt das Genie, denn die meisten Führer 
maeht der Zufall, nnd nicht sie schaffen ihre Atmosphäre, 
sondern diese sie; man denke an die Jakobiner, die bis 1792 
monaraliiscih muMi, und an Smu Führer Bobbspisibb, der in 
seiner Zeitschrift die konstitutionelle Uonarehie Terfooht.^ 

Bemerkenswertherweise erklären die Anaiehisten, keine 
Fahrer su brandien. Ihr neuestes Organ, der nDolch** (ü puffnale), 
drttokt diesen Gedanken folgendermaassen aus: »Die BeTohttiou 
muss immer ohne Fflhrer Tor sieh gehen, und tauchen solche 
auf, so sind die erst^ FlintensehQsse für sie. Man moss sieh 
endlich merken, dass alle Beyolutionen unterdrückt wurden, 
weil der Gimpel von Volk sich Führer gemadit hat und sidi 
am Schlepptau eiehen liees; die Berolntion muss aber durch 
das Volk ftlr das Volk genuieht werden, und deshalb fort mit 
dem Bourgeois.** 



Dreizehntes Kapitel. 

Rebellion und Revolte, ihre Analogien und ihre Unterechiede. 

1. Differenzen. — Aus unseren bisherigen Unter- 
suchungen eigiebt sich, dass man an gewissen Zügen hin- 
reichend scharf die fievolte — das eigentliche politische Ver- 
brechen — von der Berolution, die durdbaus kein ver> 
bzecherischer Akt ist, unteischeiden kann. 

Revolten lassen Beiiehungen und Abhflngigkeit vom Klima 
erkennen (vgl. I, p. 66 und 57). Sie kommen am häufigsten in 

* QciiiBrr, La BevohtUoHf p. 342. 



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DrMMhBtes K»pil«l. fiebeUion and B«volt«. 



95 



hochgelegeneu oder hpi< t ti T ftrdem vor, im HügellaDd, in 
Zeiten der Theuei ullI,^ weun diese nicht zu excessiv (I, p. 90), bei 
brachycephaleu Völkern mit bräunlicher Haut, uud stehen in 
engster Beziehung zum Alkoholismus (I, p. 98) und den warmen 
Jahreszeiten; sie lodern plötzlich auf und erlöschen ebenso 
sclmell und sind sehr liaufig (vgl. Taf. I — II). Kleine Ursachen 
(wie die Entrüstung über eine Prozession) haben Revolten 
erregt, im Gegensatz üu den Revolutionen, die tiefgreifenden, 
mannigfaltigen Ursachen entspringen (I, p. 218). 

Die Frau nimmt viel häufiger an AuBstfioden ab an 
Barolutboen fheil; und an jenen betheiligeu sbh nnr dne Ktoooo 
oder nnr wenige nnd Sekten (I, p. iT o), Verbreeher nnd Irre eo 
aahlreioh, dase ein epidemischer fiinflnss offenbar wird, wAhrend 
genial» Natoren meist fehlen (I, p. 147). An&tlinde sind hftnfig 
bei barbarisohen nnd bei abgelebten Völkern, die, dnreh eine 
Bnhe alter KnltorqKKihen ersohOpf^ nieht mehr leeht ent- 
viflklnngefiüiig sind. 

BeTolnttonen sind immer selten, am selt e nsten in helssen 
Lflsdem; sie sind, entsprechend den Geseteen der Genialitftt, 
am httnfigsten in den warmen Monaten, entwidkeln udi, im 
Gegensatz an Auistfinden in Lftndem mit missiger Warme* 
auf troclvonem Boden (I, p. 64) und vor allem auf Berg- und 
fifigelland, selten im Flachland und auf Tnlkanisohem Boden ; 
am allerhäufigsten treten sie in maiitimoi Ländern auf und 
in Gebiet«!, welche den Verkehr zu Land und Wasser 
begünstigen, und noch zahlreicher vielleicht in Gebieten mit 
Jnrakalkboden (1* p. 84). Sie gehen parallel mit der Körper« 
grosse der Rasse, mit ihrer grösseren Sterblichkeit oder Genia- 
lität (I, p. 129) und mit der geringeren Fruchtbarkeit des Bodens. 
Sip zeigen sich häufiger in industriellen, als in agrarischen 
Landern, häufiger in den grossen, als in dou kleinen Zentren, 
häutiger bei der einen Rasse (Ligurer und Üimbrer), als bei der 
anderen; sie stehen in oberflächlichen Beziehungen zum Alko- 
kolismus; man findet sie in L'rosser Anzahl bei den 
blonden (I, p. 98) und dolichooephaien (I, p. KL'Vi Rassen, am 
allerhäufigsten bei Mischrassen und bei solchen, bei denen der 
Wechsel des Klimas ahnlich wirkt, wie die Vermischung mit 



96 LTlieU. Anthropologie and Soziologie de» {M^tiaoheaVerbreobeiwet«. 

einem andern Stamm (I, ]>. 11 '2'; ?if^ stehen in direktem \ er- 
hiiltuiss zu der Zunahme der Xnmmalität, dor Geistesstörung 
und der Neurosen; es betheiligen sich an ihiu ti mehr die 
leidenschaftlichen und genialen Menschen, als die ( iNtr skrankeu 
und die Verbrecher, und in der Regel die juei.sieu Klassen der 
Bevölkerung, nie eine einzelne. Sie sind stets selten und 
treten nur nach langer, zögernder Vorbereitung auf (1, p. 43) 
und kraft bedeutender Ursachen; sie führen immer zum 
Triumph und bedeuten auch nach dem Tode oder der Isieder- 
lage des Führers eine gewaltige Entwicklung, deren Effekt 
und Ausdruck sie sind, wahrend Revolten aucli bei uicht ent- 
wicklungsreife u Völkern vorkommen, ja vorzugsweise bei solchen, 
die keinen Fortschritt bedingen, ausser da, wo sie das erste 
Ali/eichen einer Revolution bilden, wie es gelegentlich der 
Fall ist. 

2. Analogien. — In gewissen Etilen ist es jedoeh 
an&ngs unmöglich, ni eatseheiden, ob eine Bewegung als 
Berolution oder als blooe Bevolte anavsehen ist Vor allem 
kann aneh die legitimste Bevolation nieht ohne den einen 
oder den anderen Gewaltakt Yerlanfen, der das Dnrebbreehen 
der Sdbale bedeutet ; solcbe Vorkomnuiiese kOnnen als Aufnibr- 
bondlungen encheinen, besonden Soloben, deren Inter oo a on 
bedrobt sind, nnd an diesen feblt es nie. Die LOsnng der 
Ftage kann nieht im Moment gegeben werden, da nur die edle 
Art der Triebfedern, die BetbeÜignng allw Klassen in grossem 
Maassstabe und der Erfolg sie ermöglieben, und diese Faktoren 
werden erst naoh Ungerer Zeit sichtbar. So wissen wir beut 
nioht zu sagen, ob die Nihilisten BebeUen oder Berolutionfire 
sind. Oft erregt eine mftobtige, siegieiohe Genialität, die ihrer 
Zeit um ganze Jahrhunderte Tonras ist (Pombaii, Petbb der 
Grosse), Bevolntionen, die, weil zu vorzeitig, nicht legitim 
sind, wttbrend die ihnen folgende Beaktion legitim und 
dauerhaft ist 

Dasselbe gilt von Revolten, die vollkommen gerechte 
Motive haben, aber illegitim und damit strafbar sind, weil sie 
für ihre Zeit zu früh nnd inopportun kommen. Man denke 
an die Au&lttnde Stephav Mabcbm in frankreiob, Colas^ 



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IkniMbBtet K*pit«L RoImIUob and fievolte. 



97 



MASAMEiiiiOa und die italienisohea Unmhen der Jahre 1821 

und 1H31 

Frühreife und rafünirte Kultur da«» jugendliche Alter, 
die ökonomiarhen Ursachen ^ind L'pineinsame Faktoren der 
Revolten und df^r Revolutifinen, » In ii^io die relativ grosse 
Kriminalität mxd dio Dit^lUe der Bevulkprung (I, p. 151), ebenso 
der Eintiu-js i^enialer und geisteskranker Menschen, und unter 
diesen besouders der der Epileptiker und geboreDen Verbrecher 
— um so mehr, ak ein Genie alle diese Eigensohaften in sich 
vereinigen kann ; selbst die Bedeutung der Gelegenheit kann 
für eine Kcvuiutioa dieselbe sein, wie fdr eine Revolte 
(sizilianiscbe Vesper). 

Die Herrschaft einer einzigen Klasse, eine schlechte Re- 
giemng (I, p. 188) begüoBtigen Revolution und Revolte in gleicher 
Weise (I,p. 170); fthnlich wirken historisohe UeberUeferungen, 
TOT allflm aber die ökoDomieohen Znstftnde, weniger Im Alter- 
fhnrn und unter ImIbbaibenielMii Völkern, wo die Addsherr- 
eehaft miUttriedie Unrnhen bedingt und der EapÜaliimua 
nieht ine Gewieht ftllt» eis in unserer Zeit, wo Begits und 
Leben^genuei Vielen sug&nglicb itt. Jedenfalle wird eine 
Untmedbeidung, die Ton den tTiMMben aasgeht, reobt ungenau 
eeia, da anÜMigs eekundAie üreacben plOtaliek in den Yocder^ 
gmnd treten kOnnen und lo das ürtheil Terwiiren. 

So Terwlseben Beicibtbum und Kultur den einstmals so 
ungebenten Eiafluss der topogfupbiseben Verblltnisse und der 
Beligionen, wflbrend gute Oesetae und gttnstige Okonomisolie 
Yeibälinisse die naobtbeiUgen Folgen des Bassenunteiacbiedea 
aufbeben. 

ScbKeealicb beben beettmmte Slastea und aristokratische 
GeeelleobaftsBobichten, in denen sich Misoneismos und Reaktion 
TetkOrpertt die abschliessenden Sohranken durchbrochen und 
unter Umständen den Kern ÜBr Revolten wie fttr Rerolutionem 
abgegeben (I, pp. 239, 247). 



LOHBBIMO, PoIitiMlMr TerbfwlMT. II. 



7 



Zweiter Theil. 



JnriapnidMii. 
Oekonoiniacliep Bosiale und polilisclie Prophylaxe 
das politiBchen Verbrechens. 



Brätes Kapitel.* 
JirMMie Fragen. — eetchiclitliGliaa. 

1. Patriotismus und Servilität bei primitiven 
Völkern. — Gaeofalo und mit ihm viele andere hervor- 
rageuilt! J misten suchen die Basis des politischen Verbrechens 
in der Verletzung des patriotischen Gefühls; dieaer Auffassung 
stellt, aber entgegen, dass ein solches Gefühl auf dieser Ent- 
wicklungsstufe kaum in embryonaler Anlage besteht uud sich 
auf das Festhalten am Kollektiveigenthum des Stammes be- 
Bohrflnkt, während es dem Nachbarstamm gegenüber jede An- 
eignimg und GewaltÜhat gestattet; es sieht somit der Liebe 
so den tob einer kleinen etlmisohea Gmppe okkupirten Boden 
der ein g ewur s elte Haas gegen riTalisirsnde Gnqipen gegen- 
aber.* So sieht man NatorrOlker nit der gröölan Bereit- 
wiUigkeii den Enropttem hd der Y enuehtong ihxer Naohbam 
helfen; Cook sagti er hätte die ganse polynesisehe Basse aoft- 
Tottm kdnnen, wenn er allen Anfnrderangen nacbgekomnen 
«iie; nnd in dieser Weise gingen yorsogsweise die Spanier 



^ Dieses Kapitel stammt aoasohliesslioh aus der Feder des Advokaten 
LAsam. 

* LnoeaiiaAV, X'Mii<üm 4e Is morale, Fuii 1887> 

7* 



100 n.TheU. Jarüpradens. Prophylaxe des politiacheiiVerbrechieiit. 

in Amerika vor. Wie könnte wohl auct ein patriotisches 
Geluhl da existiren, wo noch keinerlei staatliche Bildungen, 
kein Vatorlaud vorhanden ist? Ein Naturvolk, wie die Eskimo 
fand Parby in einer Anarchie lel>eii, die ihnen die Rolle der 
Vorgesetzten unter der Mannschaft dieser Expedition unbegreif- 
lich sein liefis.^ Gewiss veigiug lange Zeit, bis sich um den 
Kern d«r Ftmilie die erste GenieiiMcliaft politischer Art und 
«ine ralaÜT« Sanktion gegenfiber störandm Bipgiiffen ent- 
wickeln konnte. Da» geaohak mft der BUdnog der Qm dmob 
Familien -YoniAnde, die aiek niokt mehr einer gemeinaamen 
Abatammong bewnast nnd aomit von der Feeael dee F^itriazohata 
fni waren; dieee Gentea traten snm Zweok gemeinaamer 
Unternehmungen snaammen nnd hildetan ao die Tribna, die 
«inen kriegoriaohen Ohaiakfeer oder ein&eh den einer dfirflicfaen 
Gemeinaofaaft hatten; daimoa eniaprang daa Bedflrfiuaa der 
Brwahlnng von Ftthieni, die bald nilittriaehe (Diktator nnd 
Piaetor der latiniaohen Uneit), bald adminisbntiTe nnd jnriati- 
atiaeke Funktionen hatten nnd damit den Beweia der vtter- 
liehen Qewilt daa Famtlien^OberhAuptea einachrttoktan (jndex 
et rex). * 

El gab aber anoh ZwiadienatnÜBn; Stamme, wie die Roth- 
hftnte Nordamerikas, die Maori Nen-Seelands, wählten ihren 
Häuptling im Kriegsfall, während er im Frieden nur daa 
Fkirileg genoas, auf Rosten des Stammes zu leben. Eiat 
wHhreDd der weiteren Entwicklung, bei der Konzentrirung 
der Tribus in Städten, in kleinen KemgebUden künftiger 
Staaten, wurde dem Ffihrer auch im Frieden der Schuta der 
Rechte des Einzelnen anvertraut nnd ihm die Gewalt Übertragen, 
die bis dahin im Bezirk der Familie das Sippen -Oberhaupt 
anagettbt hatte, bia aohlieaaHoh auch daa BiOcht über Leben 
nnd Tod der Stammeagenoseen auf ihn überging. Allmählich 
kam es bei diesen zu einer intellektuellen und physischen 
Inferiorität, die zur Entwicklung eines instinktiven Servi Ii smus 
führte; nnd wo dieaer kein ethisches Gegengewicht findet. 



* Tgt LouBoso, Ummt himeo §ä uom «U «olore. 

• Vgl. 0. Go&a, Lt oriikU M ürim nmam. Turin, 1888. 



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I 



Bm« KApitol. JniktiMdM n«fai. -> G«MliMhtlichM. IQl 



konstituiert er eine eharakteristische Eigenschaft primitiver 
Völker mit monwrebiBchen oder Karten-Institutionen. Iq Zentral- 
Amerika amsste man z. 6. in Gegenwart eines TuiBCUA-Kaiikeii 
mit dem Geaiekt anf der Erde liegen. Aof den Samoa-Ineelii 
durfte man vor einem Orte, an dem sicH ein Häuptling be> 
&nd« nnr mit gekrOmmtem Bäoken und gebeagUÖn Kopfe 
vorübergehen.* 

Auf den Fidji-Inseln warfen sich die Unterthanen vor 
dem Häuptling nieder, drückten das Gleicht auf den Boden 
und riefen ihm „Gott" „Wurzel des Krieges" zu. Im 

Tonga-Archipel besteht die Begrüssung des Monarchen darin, 
dass mau seinen Euas mit den Händen berührt and den Kopf 
darauf legt 

Gegenüber einer solchen zum Instinkt gewordener! Servi- 
lität begreift man. dass jedes Zeichen der Nichtachtung gefren- 
tiber dejii Hfirscher das schlimmble aller Verbrechen wurde 
und das em^^ige politische Verbrechen. In Loango, sagt Battel, 
ist es ein Kapitalverbrechen, don König anzusehen; Kinder, 
und darunter ein Sohn des Königs selbst, wurdeu wegen emer 
unabsichtlichen Uebertretung dieses Verbotes hingerichtet. Bei 
den liuüdü vtird die Erlegung eines Löwen als Verletzung des 
königlichen Ans»diens bestraft; bei den Jkionbuttu gilt es als 
Hochverrath, dur uugenlilirklieh mit dem Tode lestruft wird, 
seine rfeiie au dem Feuer anzustecken, das vor dem Kouige 
brennt. Vor dem König von Dahomey vom Tode zu sprechen, 
ist nach Bosman ein Kapitalverbrechen, und ebenso auf den 
Samoa-Inseb, auf den Schatten einee Häuptlings zu treten. 

2. Das politische Verbrechen in den ersten 
absoluten Monarchien. — Dieeeii Formen des Serrilia^ 
mu8 entspreohen die sohweren Strafen, welche in den primi- 
ti-Tcn Monarchien Jeden trafen, der sieh dem Willen des 
Königs uiobt nntenrerfen wollte, wosa noch der Ansprach anf 
götüiohe Verehrung kam, gestfttst anf den Anspruch der 



* Spekckk erklärt das, wie die beut übüchen Verbeugimgeu, mit 
dem Misstrauen der Könige, die nur waffenlose Leute vor sich erscheinen 
li cM e p , vod nur in einer IBr «inen Angriff nngeeigattai Heltiuig* 



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lOS UTlidL JmapmäME. FroptaylftMdetpolitiioliiaTcrimalMiu. 

Könige, göttlichen Ursprungs sa aein; daher ataaimt ihr nnhe- 
schrfinktes Beoht flb«r I«boB und Bedti ihrer üttterthanen 
und die grausame Bestrafang der geringsten Unhotmässigkeit. 
So warde in Persien der ^^T ijnstttivrerbrecher nach Ghitdttnken 
dee Königs bestraft, der ihn erst peitsoheo, Tetstttmmeln, 
blenden und lebendig abhäuten und dann kreuzigen, in lang* 
ttaaedk Feuer braten, steinigen oder den Thieren vorwerfen 
liees. Die Vemrtheilung exstraokte sich aieist auf die Kinder 
nnd zog die Güterkonfiskation nach sich. In relativ moderner 
Zeit ging mancher Schah soweit, Jünglinge aus mächtigen 
Familien, die ihm für die Sicherheit ihres Thrones ge- 
fährlich erschienen, zu Eunuchen zu machen. Maspeuo * ent- 
nimmt der Inschrift eines assyrischen Herrschers, diiss er den 
Rebellen Zuogp, Hände und Füsse abschneidon. sie lebendig 
einmauern, in Oefen stecken oder auch enthiuitcn und die 
Haut an die Stadtmauer nabeln liess. In J^exiko wurde der 
Hochverrath gegen den Herrscher durch Tödtung des Schuldigen, 
üUsamTTieii mit seiner ganzen Verwandtschaft bis zum vierten 
Grade, bestraft. Je Peru wurde eine rebeüisdip Stadt oder 
Provinz vollkommen isoiirt und die ganze Einwohnerschaft aus- 
gerottet. In Japan vernichtete man eine ganze unbotmüssige 
Rasse. (Vacabo.) In Egypten wurde schwer gezüchtigt, wer nicht 
den Behörden alles erzählte, was ihm von einer Verschwörung 
zu Ohren gekommen war; Rebellen und Verröther wurden mit 
ihrer ganzen Familie ans Kreuz geschlagen, und da^ warde 
auch an Leichen ausgeführt. Noch der spartanische König 
KLEOiiENBS wurde nach einer Empörung gegen Ptolemaecs 
Philopatob ans Kreuz geschlagen und seine Familie aus- 
gerottet Die Mittheilung von StaaiigelieiBiniasen wurde mit 
AMmeiden der Zunge bsatraft.* Dieeelbe Strafe stellt nofk 
hent in Abessynien anf Hajeetlilbeleidigungen, wtüuend Ver- 
aehwOrer geUaiidet wurden.' Beiehliehe und mTedlasige 
Quellen ftr die KanntnisB derartiger Haassrogeln in poUtiadMik 



' Masi'ero, Du ffenre ejnstolatre. p. 345. 

* Thovissbs, ^tudeti sm Cimtoirt du drmt criminel. Bruselle« lä69. 

• P. Yraoai, Ali MiM k L Hüsae^ 



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Mm KqpÜd. JucirtiNhe Fngan. — 6«ioUohllidhn. 103 



DiligVD litfern die Gesäte» dar mdiadlMii Konairobieii, der 
btbittiaolMii Steaten lad Ohioas. 

Indien. — Dm Oeeotilmoh das Muni «ntliSlt IstiBe 
•pftsidkn Beetimninngen g^gvn den KOugKuoid, TieUeidit 
weil man ein derartigeB Yezgehen gagen das Oberlumpt alka 
alaalliehen nnd leligiösen Lebens, das für eine unmittelbare 
Emanatiam der Gottheit galt, sich gar nieht denken konnte. 
Indeasan galten dort als die allerschlimmsten Yergelien Ver- 
Btösse gegen die Rechte des HerTBeheia nnd Babon der blosse 
Zweifel an seinem göttlichen Wesen. Wer seinen Wohnsitz; 
an der früheren Wohnstätte eines Teratoibenen Königs auf- 
sohlng, galt, je nachdem das bei Tage oder bei Nacht ge- 
echehen war, für unrein, so lange das Licht der Sonne oder 
das der Sterne lenohtete. (Buch Y, Art. 82.) Die Todesstrafe 
stand auf Beschädigung des Palastes, der Schatzkammer oder 
auf Entwendung von Elefanten, Pferden oder Wagen des 
Königs (Buch IX, Art. 280), nnd die Verbannung auf 
Zerstörung einer Mauer eines Walles oder eines Gartens an 
öffentlichen oder königlichen Gebäuden (Buch IX, Art. 289) ; 
ferner verhängte der König verscViiodoue Formen von Hin- 
ricLtimg für i3er;iubung seines Schatzes, Gehorsamsverweige- 
rung und Aufhetzung somer Feinde, — und ähnliche Strafe 
erwarteten Die, welche Eiiss gegen ihn vernethen. (Buch IX, 
Art. 265.) Dazu kam die Verordnung, dass man nur mit 
Achtung von einem Monarchen sprechen durfte, auch wenn 
er noch im Kindesalter stand, und dass man ihn nicht für 
einen einfachen Sterhiichen halten durfte. (Buch VIII, Art. 8.) 
Da.s Feuer, so heisst es an dieser Stelle, verbrennt Jeden, der 
sich ihm unvorsichtig nähert, dm Feuer des königlichen Grimms 
▼erzehrt die gauzü l'amilie und alle Güter eines Unvorsich- 
tigen. (Buch Vn, Art. 9.) Darin spricht sich also die Aus- 
dehnung der Strafe auf Familie und Besitz atis. Wie der 
Biahmine die Herrschaft mit dem König theilte, so strafte 
man indh das kjasete Vei^gdLen gegen Um dementsprechend. 
Sslbefc jeder Batbsoblag, jede Kritik ihrer Bjandlnogen war 
strafbar. Sdioa oben wurde erwttlmt, dan ein Sodre» der eo 
ktthn war, einem Brahmiaen einen Rath an geben, getodtet 



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104 XL^nieO. J«ritpnid«iut FtropbykmdMpoUtiMheByerbMolMiii. 

wurde, und «war in kooheadflni Ool. Dag^n wird ein 
Brahmine kaum bestrafifc, wenn er «oan Sudia tödtet^ die 
Tödtung einee BrahmineD aber ist das allerschwerste Ver- 
brechen. Das G-esetzbuch schreibt: n^er Brahmine hat die 
erste Stelle auf Erden, als oberster Herr aller Wesen ; was die 
Welt einschiiesst, ist Eigenthum der Brahminen" (I, 99), und 
weiter unten: „ob gelehrt oder unwissend, ist der Brahmine 
eine mOohtige Grottheit (Kap. IX, 3171). Der König lasse 
dem Unterthanen siedendes Oel in Mund nnd Ohren giessen, 
der die T^nverpolmmtheit begeht, den Brahminen über 
seine PtiLchteu bilebr<n 7M wollen. Der Künig hüte sich, 
einen Bralimmen zu tudtou, und wenn er alle möglichen Ver- 
brechen bflg-angen haben sollte, er verbanne ihn aus seinem 
Reich, aber er lasse ihm alle seine Güter and taste ihn 
nicdit an." 

„Ein Brahmine, der das ganze Rigveda kennt, ist unbe- 
fleckbar, und wenn er alle Einwohner der drei Welten ge- 
tödtet odru vniii niedrigsten Menschen Speise uDgeuummen 
bätte." Ganz wie bei uns im Mittelalter. ,,Unde laici de- 
collantur, inde clerici degnideutur — unde laici detruiicantur, 
ibi clerici üb officio degraJentur." (Püii'iz, Leg. II, 30. — - 
V. Bae, Deutsches Strafrecht. I, 1882.) 

In der etroskischen, druidischen, indischen, egyptisohen 
und Kebitiieiien Theokratie war das Verbrechen eine Pfliokt> 
▼enUumiaB gegen die Gottheit, und nioht der private und 
eoEiale^ aondecn der prieeterliehe Gesichtspunkt war vasi^getMod. 

Daa Tapo oder Tabon, der von den BrieBtem Qaeanient 
dem Volke übennittelte, angeblidke Wille der Gtotter gewann 
eine enorme Anadebniing, sobald dieee begfiff»n, welohen 
Vortheil ee ihnen hnahte, ea mit aller Strenge lor Geltang 
SU bringen. Sie Teiatehen, einen Venstoes gegen das Tabu mit 
merkwOidiger Schlauheit heiaiisnibekommen, und bestrafen den 
Verfaieeher, &at immer im gehsimen, dnioh Strang, doroh 
Gtift, dnreh StOizea in AbgrOnde, aneh wenn er ans ünkenntniss 
gefehlt hat, — aneh wenn er nur veidttohtigt ist (RaDieuR, 169). 



* Vom ädmgtmie. VoL I p. 68—49. 



V 



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SntM lUpitoL Juriititoli« VtfUL ^ OeMhiobÜiehai. 105 

Hebräer. — Auch hier tiiidoM wir uns dem theokratischen 
Staate gegenüber; die Basiy des s>esamten pülit;ychen und bürger- 
lichen Organismus Ist die Lintrbeit. unter deren Auspizien die 
grundlegendi n GeaeUe erla.ssen worden >\iu\ im Einklang mit 
der askeliachen Xatur des Volkes. Deshalb ist das schwerste 
Ver^ifehen die Idolatrie, die als Auflehnuug o^e2:en dea König 
und Gesetzgeber Israels, Jehovab, die Gesetze direkt erschüttert. 
Deswegen bedrohen die Gesetze den Apostaten nicht nur mit 
Steinigung, sondern mit dem uneri{r;uubaren göttlichen Zorn, 
wenn er der irdischen Gewalt entgeht (Exodus, XX, 3, 4, ö; 
XXII; Deuteronom, VI, 14, 15; XIII, G — 11; XVII. 2 — 5). 
Beligiöse Vergehen waren die eigentlichen politischen • Ver- 
brechen imd Warden mit dem Tode bestraft; deshalb galt die 
Avfltluiimg gegen die Anwdmiiigm der Priwtor ab Kapital* 
verbieohen. So irt «b «ich vetsttndUok, daas die Heiligen 
Bflqher niciht von V«rbre<dien gegen das StaatBoberbaiipi oder 
das Vaterlaiid spieoben, die neben der Gh>ttlieit vexachwauden, 
soviel Eiaft nnd Solinti sie «nch in dieser Stellnng erhielten; 
etnselne ttberlieferfce Ereignisse zeigen jedoeh» dass anoh diese 
Vergehen mit dem Tode bestraft wnxden. So liess Baxsl die 
Opfersr NoBs» weil sie ihm die drohende Ge&hr nicht angezeigt 
hatten, todten; Dayid liess den mit der Botsehaft Yon Saülb 
Tode kommenden Amalekiter tödien, weil er die Hand an den 
Gesalbten des Herzn gelegt hfttte; Salomos Broder, Adonia, 
worde stnsngiilirt wegen smner Neigong m einer der Franm 
Pjlvim, und Smu wegen Beleidignng Datum, als dieser rot 
Amaiov geiohen war (KlSnige I, I^. JmoMXAB wurde wegen 
Yerdaehtee des EinyerständniaBes mit Landesfeinden eingekerkert 
(Jebamias XXXVI nnd XXXVII). Judas Maocabaeüs Hess 
Kallistan und Filabch bestrafen, weil sie zu dem Unter> 
drOoker Israels hieltsn (Maeeabaeer VIII, 32— d3). Heroobb 
tfldtefo HiKKANUB wegen einer Verschwörung und liess einen 
hohen WtLrdentrflger, der ein Geheimniss nicht bewahrt hatte, 
hinrichten (Gidsbppe, Antichita gmäuMe^ XX). 

Poiitisehe An&tftnde brachten, wie ttberall im Orient, wenn 
sie miisUuigeai, den Tod; als Josüa zum Heerführer gewählt 
war, sagten ihm die Väter Israels: Wer sich dir wideisetst. 



106 IL TImU. Jariipradens. Fkoplijtaxe dw poli t iicliMi Tatlnvebeiia. 



8oU getodtet weiden (JosüA L 17, 18). Sehon unter Uosss 
wurden RebaUeD biageriditei „«iif Gottw Anoidning'' Nu- 
meri XVI). 

China. — Der Ursprung des politischen Vetliraeheiis in 
China geht am dem Bestreben des Confucius herror, das 
unter unabhängige, einander befehdende Dynasten getheill» 
Beich unter einem Eerrsoher zu vereinigen. Zu diemm Zwecke 
machte er zur Grrundlage und zum Typus der Herrsdhennaeht 
die väterliche Gewalt und übertrug auf den obersten Familien- 
Tater, das Staatsoberhaupt, die absolute Herrschaft über den 
gesamten Grund und Boden ; di« härtesten Strafen standen auf 
Verletzung der kleinsten Konsequenzen dieses Regierungssystems, 
dessen Anforderungen sieh auch der Kaiser nicht entziehen 
konnte, ohne dass der Himmel sein ganzes V'olk i,':e2:eii ihn 
aufstehen Hess. CoNPüCius ordnete für direkte Vergehen gegen 
die Sicherheit und Ruhe des Staate die Todesstrafe an, weil 
die Verletzung der staatlichen Institutionen und Gewohnheiten 
ein schwereres Verbrechen wäre , als der Mord. Weiter 
ging noch die Gesetzgebung von ZiN, die bei Staataver- 
brechen geradezu die Ausrottung der drei Verwandtschafts- 
gruppen des Delinquenten, d. h. der Frau, der Mutter und der 
Kinder verlangte. Diese zu wiederholten Malen abgeschaffte 
uutl wieder eingeführte Strafe lllsst noch in dem 1647 er- 
lassenen Strafgesetzbuch Spuren erkennen in der Bestimmung: 
wer den Versuch macht, Staatseinrichtungeu oder da^ kaiserliche 
Hans zn beseitigen, wird zum langsamen, verlängerten Tode 
T^rtheili Dia minnlichen Verwandten über 16 Jiüue und die 
zu fliia gehörigen Weiber wmden enthauptet, Frauen md Kinder 
wohlveidienien Beamten ala SkkTen gegeben. Unter dem 
Kaiaer Wbv-ti (99 r. dir. Geb.) wurde der SehriflsteUer 
SB-MAB-ecHm wegen Staatsverbreoben aom Tode Tenirtheüt, 
wnrde dann aber mit Botmannung beetmft; diese Strafe wurde 
eist dnrob Dekret des EaiMiB flo-n (94 n. Ohr.) abgesdhaift. 
Der Kaiser WsH-soHüii-n ans der nardUohen I>ynaatie der 
Zts {660 T. Chr.) Hess alle Uber IB Jahre alten Ufinner etnee 
BeigTolkes enthaiq»ten nnd vertbeilte die Franen und Kinder 
a]s SklsTen an seine Soldaten; nnd dem Fttbier eines anderen 



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Ente« Kapitel. Juristische Fragen. — Qeschidi^ohet. 107 

Bergvolkes liesa er deu üuuch aufschlitzen und zwang sciiio 
Anhänger, von den herausbängenden Einge weiden 
Li scHUM, der Führer der von Wano-siao-po gegen die hab- 
gierigen Boamten nxid die unetsohwinglichen Stenern begönne- 
nm VolkserhelniDg, wnids nwsh goin« QsfimgfniMliflM in 
Jahre 997 auf Ofleniliehem. Platte gevierihmlt; danelbe Sohiok- 
tal erfbhr im Jahn 1046 der neobuddluBtisohe Apostel 
Fmwbr-u, der von der ihm trenen Stadt Pai^Twhea aus 
religiflae imd httigerliehe Befoimen verklindigt hatte.* Gegen- 
wirtig nennt das ehineeisohe Stra^eeeti nnter den 10 Sehe-go 
(die sehn YerirflnBohangen) snent Eolgende drei: 1. Men-Ean, 
Vergehen gegen die Gnmdeinriehtungen deaStaatea; 2. Hen-Ta>m, 
Tergehen gegen die Sieherheit des Kaiaezs, oder Majeetftts- 
wbreehen; 8. Men-paa, Yeigehen gegen die tnsBere Sioherheii 
des Staates. Dann kommt das SakrUegivm, d. h. der Diebstahl 
an filr den Kaiser hestimmtsn Gegenstlnden, dessen Urheber 
Ton Begnadigangserlaesen nnd allgemeiner Amnestie an^ge- 
sch l össe n warsn. 

3. Die politischen Verbreoher in Griechenland. 
— Nur die htiehste Blfithe griechischer Knltur konnte das 
Werkzeug des Despotismus, das Verfahren gegen das politische 
Vabredien in ein ^hutzmittel der Grösse des Staates um- 
wandeln. Schon in der homerischen Epoche war die Steinigung 
die gewöhnliche Strafe fftr Staatsverbrecher. Sakrileginm, Ver- 
rath, Aufruhr, Spionage, Rebellion, alle Vergehen gegen das 
öffentliche Wohl fanden diese Strafe. Nach Homer war der 
Störer der öffentlichen Ordnung ohne Gesetz, ohne Familie, ohne 
Heimath {Ilias IX, 63). In den griechischen Stadtrepubliken war 
der Yerrath das schwerste Verbrechen und wurde mit dem Tode 
bestraft. Der Leichnam wurde ausserhalb der heiraathlichen 
Grenzen verscharrt, und das geschah auch, wenn das Verbrechen 
erst nach dem Tode des Verräthera entdeckt wurde. Seine 
Guter worden konfiszirt. Wer den Verräther tödtete« wnrde für 



' AnDBiotB^ Le Itggi penali degU <mHtM (XkmL 
* Cooicani ]» HÄiisas, ftxii a toao autk», p. 819. — Totiius 
Boooa, 1889. 



108 IL Th«U. Jurbpradens. Proiphylu« des poUtitehta VttbrMdMos. 

dies offentliehe Veidienit mit eiiiMii LorbeerkruiB gdaHiaL 
Noch naoh der Reform des gittosamen Gewohnheitsiechtea dnieh 
Deazok bildeten im «ÜheDiaehen Geeetc die Verletnmg der 

grossen nationalen Interessen durch Rmlte, Venath, Auf- 
stand, VerschwOrong, militlriMhe Veigehen di« wiehtigato 
Kategorie von Verbrechen und murde streng bestraft. Daran 
schloss sich daa Sakrilegium, das als eigentliches politisdiea 

Terbrechen galt, da die Lästerung der vaterländischen Götter 
nach athenischer An&ssung die Grundlage des Staate« bedrohte. 
Die herkömmliche Strafe fflr aolohe Verbrechen war die Ver- 
giftung, die für Attentate g^gea Ehre und Sicherheit des 
Vaterlandes die Verbannnng und in den schwersten Fällen 
die seit Solon sehr seltene Steinigung. Solon, deagen Gre- 
setzgebung ein Vei-söhnungswerk war, neigte zur Aufhebung 
oder doch Milderung dieser alten Strafen und rief die Ver- 
bannten unter AufhebiiTic: des ihnen ancrethanen Schimpfes 
wieder zurück. Da er die Bürger durch ]iri\ ate Interessen an 
den Staat fesseln wollte, legte er Jedem das iieciit und die 
Pflicht auf. bei Bedrohung des Staatsinteresses als Ankläger 
autzuireteii, wudurch, auch den Mächtigsten oregenüber, ein 
regelrechtes Gericbtsvertahren nothwendig wurde, ganz im 
Gegensate zu der Bestimmung Lycürgs, wonach bei Atten- 
taten gegen die Regierung die Strafe dem Verbrechen voraus- 
gehen musste. Als dann Parteikampfe ausbrachen, verlangte 
SoLuN bei Todesstrafe und Verlust der bürgerlichen Rechte, 
dass jeder sofort Partei ergreifen müsste, damit Keiner theil- 
nahmlos den Ereignissen zuschaute, um dann für den «Sieger 
Partei zu ergreifen.^ 

Kaoih Solon hörte Rigorosität und Willkür in politischen 
Dingen mcbt uat So wude nach dem Sturz der 400 der 
Antrag yon Dsmopeakiub angenommen, die Zerstörer der 
atheniadhen Demdkxatie fOt Yaterlaodafeinde zn erklären; na 
wann Togelfrai, ihre Qflterirnrden konfiaart, und jader BOifer 
mnaite aohwöien, den Todter ainaa aololhen wie Habmodius 
und ABnmiTQM an ahzen. Nach dar Vertiailniiig der 



* Cmamt GxiMluMhe Gescihiobte, II, S. 



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Bn««« KMfm. JnrkttMhe i^i^ra. G«iohieb«lioli«t. 109 



Dreis^iig- hob das Volk jedoch diese strengen Bestimmungen 
von selbst nnf; die Todesstrafe blieb aber bei poHtiseben Ver- 
brechen bestehen, und anscbrinr'nd wiirdo auch die \ach- 
Icommenschaft verbannt; dem schwersten Veibrechen, dem 
Hochverrath, wurde der Bruch von Vertrügen mit dem Volke 
und jede schwere Verlet^nn^ def öffentlichen Interesses gleich- 
gesetzt; so genügte es, einen Kriog, der unglücklich ablief, 
angerathen zu haben, um sich eine Anklage auf Leben und 
Tod zuzuziehen. 

In unruhigen Zeiten genügten Tod und Verbannung 
nicht; die beiden Verräther Archaxoptolemcs und Antisones 
wurden hingerichtet, ihre Güter koufiszirt, ihre Häuser nieder- 
gerissen und die Banatätte mit infam irenden Inschriften ge- 
kennzeichnet; ausserdem wurde die Adoptirung ihrer Ivinder 
bei Strafe der Infamie untersagt (Pseüdo-PlüTARCH, VUae 
decem oratorum^ Antisones, 27). 

Weniger schwere Vergehen waren: Öffentliches Anftreien 
gegen die Qesetse, das mit QeldhiUMii bestnft wmd», An- 
träge sehadliohsr oder dem iwlioitleB Recht niwiderkiEfeiider 
Geeetso und eohlieeilieh die Weigerung, YoUabesdhlttMi 
beumMtti.^ 

In jedem lUle winde der Veimoh der AnsfQhnmg gleiob- 
gestellt, und das geschah aveh in Sputa, wo Ltodbo he- 
stimmte: «»Ein dem Staate £nndliaheB Fhijekt planen ist gleich 
der VoUendnog eines Angrifi* (liBOOKAnB, 126—126). 

Ostracismns. — Sine politische FrftventiT-Maassregal 
war der Ostrseismaa, der, Ton Klbibthbiibb in Athen eiage- 
fthit, dannif auflging» ühermtlhige, den freien Institatienen 
gefidiTÜohe Personen ans dem Lande an bringen, wenn der 
Stoff ftr eine Verfolgung in Bechtrfbrm nicht ansrsiohte. 
Jeder Bürger durfte das Yerfrhren beantragen; der Antrsfr 
wurde aar weiteren Bearbsttong dem Balih der 600 Hherwieeen, 
einem Senat, der gewohnlich nnr Uber verfassungswidrige 
Qesetassvorii^en an bersthen hatte; er insserte sieh dann der 



* TB01IIM8»» Lt Mt piml d$ Is JNjpiiiKpie Mrimm«. 
Brflnel, 1875. 



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110 ILTIwiL Jnriipradftt». FraplijlaaedMpoU&dMnVerlmdisiia. 

YoUuiversaminlang gegenfiber über die Opportunität dfB Antraget. 
Die Antragsteller entwickelten vor der Volksversammliuig thr» 
Grtlnde, ohne Namen zu nennen und ohne daas eine Ver- 
theidig^ng zugelassen war; wenn die Mehrheit für den Antrag 
war, riefen die Prytanen eine Yolksyprsammlung auf der Agora 
zusammen, die dfxs Verdikt des Ostracismus fkllen konnte. 
Dem Votum ging kerne Diakussion voraus; jeder Bürger trat 
dtiri h die seiner Abtheilung zugewiesene Thür, erhielt eine 
Scherlie, schnol) einen Xamen darauf und übergab sie den 
Beamten Wessen Name nuf der Mehrzahl der Scherben 
stand, der miisst«' iu9. Exil L:eheii; jedoch mussten die gegen 
ihn abgegebenen Stimmen mindestens 6000 betragen. Das 
Urtheil blieb zehn Jahre in Kraft, konnte jedoch vor Ablauf 
di^er Frist durch Volksbesch luss aufgehobea w erden. UebrigeDS 
schädigte das Urtheil weder die materiellen Interessen noch die 
Ehre des Verbannten. 

Der Ostracismus schien in der Jugend der Demokratie zur 
Zügelung der vielen volksfeindlichpn, nitiohtigen Grossen noth.- 
wendig; nachdem das Volk seme Kochte kennen und üben 
gelernt hatte, verlor er seine Bedeutung und wurde in der 
zweiten Hälfte des fünften Jahrhimderts schon ziemlich selten; 
naeh dem Ortrademng eines lo Terftohtliohen Memehen wie 
Htpibbolüb veifiel dieee InstUntion der lAoherliclikeii^ 

Denmter hatte dieFreiheit nicht zn leiden, nnd AsiBiotiLBB, 
der die Einriehtiuig fttr nflfzlioh hi^t. konnte ihn vom Stand- 
pnnkt der abaolaten Gerechtigkeit nioht Üir bezeehtigt erkl&ren 
nnd meinte, er lieese aidi kanm im InterMse der monuntanen 
Opportonit&tspolitik yeifbeidigen; die Volkaleidenachaft aber 
bzanehte diese zweiaohneidige nnd dem Staate oft Daohtiieilige 
Waffö. So galt in Syiaens die fihnliche Biariehtnng dea 
Petalismns, der, nachdem er znr Abwehr tyiannisoher Gk- 
Ifiste kanm etwas beigetragen hatte, naeh zwanzigjähriger 
tnng abgeschaflt wurde; er hatte nnr die Ihitfeninng der edelsten 
und ehrenhafteeten Bttzger bewirkt nnd die OÜBntlioheii Inter» 
eessn an Partn-Eiferer ausgeliefert. 

* YogL Caan», L e. n. Kap. 8. — H. Hoemva, X^oKAmmm ä 
jiAteat, ibrae iteDm« Jfondet, LT, p. 886 fil 



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BniM XapiteL JnrittiMhtt £nig«ii. — 0««sUohUiolMi. III 



4, Die politischen Verbrechen in Rom. — Tn den 
eri'teTi Gebilden der römischen Hechtsentwicklun<,' irateu als 
bestimmte Formen von Vergehen zuerst das parricidiam 
nnd die p e r d n e 1 1 i o auf, «onut auf der einen Seite die Tüdtnng 
des FamilieDvaters, dif- nach dem patriarchalischen System als 
das schwerste Vergoheü gegen göttliches und menschliches 
Gesetz galt, anf der andexen Seite die That D^en, der den 
Frieden der patriarchalischen Gemeinschaft störte oder sie 
ihren Feinden verrathen wollte — perduellio. Nach der Kon- 
fbderatioQ der G^ utes und Tribus im Stadtwesen gingen diese 
beiden BegriflPe mit m die neue Organisation hinüber; parricida 
war Dicht mehr aliein der Mörder seines Familien- oder Clan- 
Hanptes, sondern Jeder, der das Leben irgend eines Genossen 
der btLrgerlichen Gemeinschaft, der civitas, angriff; perduellis 
war nicht mehr nur der Störer des Friedens zwischen den 
QviiM, 8ond«m jeder Feind der friedlichen Gemeinschaft im 
S dio we der ganaeii Bttrgenehaft (Cablb l o.) Aber ehe die 
perduellio den komplexen Ghwakter des poUtiaehen BeliktB 
umelmen und jeden Anfrnhnkt gegen rtantlMihe Gebilde be- 
denien konnte» musie aie dnieh einfiMihere Fonnen hindnreh- 
gehen. In der Tliat denten die Ueberliefenmgen Aber die 
IIMe rOmiaohe Gesetsgebang nur anf die fkwmn Sioherheit 
dea Staatea als Objekt politiaehen Verbreohens; Diovtb von 
HaliflaTBa« erwShnt ein anf fioMULi» znrOokgeftlirtea Ghoets 
Uber die proditio; Tüu.im Horanjcs hatte in einem Oeaete 
gegen die VenohwOrer anf ein froherea Go a et a g^gen Hooh- 
▼enatk rarttfll^iegrifien. 

Die anf daa poUtiaeheVerbieohen beaflgliehenBeatimmnngen 
der zwölf Tafsln berühren in der Daistellmig JuarniiAirs naoh 
dem Decemviralgeseta nur die proditio ; dobh mnas damala ein 
andere Gesetz bestanden haben, das die coetna nootnmi 
▼erbot und aieh anaaohlieBBlioh auf die innere Sicherheit bezog 
nnd daa PoRnOB Jjatro ab er liefert hat l^aoh einer Bemeiknng 
von DiONTsrcB durfte der Verräther von Jedem straflos ge- 
tOdtet werden. Als sich, ziemlich früh, das Bedfirfriiss nach 
innerem Schutze im Staatsleben geltend machte, wurde das 
Wort peidnailio anf beide Klaaaen von Stiafthaten anagedehnt 



112 ILThaiL Jaruprudenz. Froj^jUxe de« politiacheii Verbreohens. 

und 90 entstanden die ersten Gesetze, die siob auf Umsturz 
des Staates, Tödtun? oder Vergewalti^ng des Königs und 
gesetzwidrige Usurpation der öffentlichen Gewalt bezogen; wahr- 
scheinlicli bezog sich die vom Senat in oontnmacis ansge- 
»proclieüB \'erui"theilung der Söhne des Axcüs Martiüs, der 
Anstifter der Ermordung des Tarquinius Priscüs und die 
Hinrichtung der Mörder selbst auf diese Gesetze. Unter Tae- 
QüiNivs Superbus wurden die Anklagen wegen perdnellio 
siemliok mhlreiob, besonders gegen die Anstifter Ton Haolü- 
netionen gegen den KOnig; es kam la Verboten eller Ter- 
sammlongen, am Versinigungen snm Angriff axif dos Könige 
ihnm wa Terbindem. 

Widuend der Republik Tsrnnlttsten in Cepna entdedrts 
Venobwttrangen die In Gakhia, die ausser den eoetns noe- 
tnrni aneh die ooitiones olandestinae und die YenohwO- 
rangen gegen das VaXk Tnrbot. Spitar erveitertsn die Leges 
Sacra tae und die Leges Yaleriae die perdnellio dabin, 
dass dieselbe sngleieb das Streben naeb dar Königsgewalt» die 
Vennobe snr Einsetenng eines Oewaltbabers Uber Leben nnd 
Tod, die Anstühing Ton ünraben gegen die Verftssong, die 
Znsammenberafiing des Volkes an «nen Ort ansserbalb Borns» 
um es aufzuwiegeln, sowie die Usurpation einer Gfewaltiiexnoibaft» 
den Missbrancb der Gowalt aar Zllebtigung, Hinrichtung und 
EziUrong römischer Bürger, — was auf die Centuriat-Comitien 
zielte -~ und schliesslich gewaltsame Eingriffs in die Rechto der 
Bürger umfasste; für alle diese Vergehen war die Todesstrafe 
und die Güterkonfiskation angedroht. Die Gewalt über Leben 
und Tod eines Bürgers mbte also bei den CentuiatOomitien, 
und die Lex Sempronia des Cajus Graoghüb wiederholte 
nur den alten Grundsatz, dass kein Bürger ohne Zustimmung 
des Volkes an Leben und Freiheit gestraft werden dürfte; 
somit bestand in den Comitien eine Art von Jury für die 
Kapitalverbrechen der perdnellio, die über die Anwendung 
der Strafe entschied.^ 



^ ZvMPT behauptet (Kriminalrecht der Bömisohen Repablik, Berlin, 
1686), dnt sur Zeit dw BepobUk perdaeUio der Nemo llir jadM 



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Bntet Kapitol. JwutiMlw ftugvo. — G«MbiditHohM. 113 



Später TUBobwaad na«h dem Geeeis des Tribunen Poetiub, 
dw die Todentxafe und die fiaUienzflehtigimg gegen rOmieohe 
Bfliger untersagte, die Todesstrafe auf die perdnellio guu. 
Im lAnfo der Zeit stellte sieh daa Bedttrfniss heraus, andeie 

Veigebeo, die weniger sdiwer waren als proditio und perdnellio, 
an beetrafen. Die Lex ApaIeja(652Q. c), das crimen immi* 
natae majestatis bezog sich anfangs auf die Verletzung der 
Würde und Majestät des römischen Volkes und wurde sp&ter 
auf Widerstaad g^en den Kaiser, der sich dem Staate substi- 
tuirte, uigewend^ Die majeetas absorbirte in der Zeit zwischen 
SvLLA und AuGüBTüS die proditio nnd die perdnellio 
und umfasste Dinge, welche die Kategorie der politischen Ver- 
brechen weit ausdehnten ; die von Sulla dekretirte Strafe war 
jedoch allein die Tnterdiktion des Wassers und Feuers, d. h. die 
duuerude Ausweisung. Die Lex .Julia Caksars bezog sich auf 
Revolution und Angriffe gegen die Würde und Gr<>ssp Roms 
und des Volkes; hier war die provocatio ad populum aus- 
geschlossen und dadurch das Eiagreiten der Bürger in die 
politischen Angelegenheiten voUkommen beseitigt (Cicero, 
£hüipp, I. c. 9). 

Seit AuüUsTus wurde der Kaiser, und allmählich auch die 
hohen staatlichen Würdenträger, der eigentliche Träger der 
majestas; da« Majestätsverbrechen wurde ausschliesslich Gegen- 
stand des Gutdünkens des Kaisers und zog die schwersten 
Strafen nach sich. So gilt ein Fluch, in dem der Kaiser ge- 
nannt wird, als Majestäts verbrechen, ebenso das Befragen Orakel- 
kundiger über das kaiserliche Haus, die Verstümmelung kaiser- 
licher Standbilder, das Ablegen der Kleider vor Kaiserbildern, 
das Tragen purpurfarbiger Stoffe etc. Unter den guten Kaisem 
varen freilich Anklagen wegen Majestätsbeleidigung nicht zu- 
Ifissig, unter TiTUB blieben selbst Versobwörer straflos« wie 
nnter Nbbta, M. Aübblidi^ AirroviNirB Sklavenunraben nnd 
Sobimpfreden gegen den Kaiser; Hadbiav liess einen SklaTen, 
4er ibn angriff, Aenten anuenden, weil er tobeflcbtig wHre — 



Eapitatverbreohen gewewn wire, daa im amBerordmÜidieii Yei&hrett 
Tom Volk abgenzthiilt werden mvwte. 

Loaaaoso, PuUtlMlMr VtrIiMebcr. IL 8 



114 II.Theü. Jurisprudenz. Prophylaxe des politiscbea Verbrecheiu. 

aber unter Diocletian galt es schon als Majestäts verbrechen, 
Münzen mit dem Bilde des Kaisers zu prJtj^n, die Verdienste 
vom Kaiser angestellter Beamten zu l e/ w eiiVln, und unter 
Domitian sogar, seine Gladiatoren >:u uichtacliten. Nero 
verbot den Gebraaeh violetter und Purpurfarben und koufiszirte 
die Güter einer dies Verbot verletzenden Witwe (Sueton, 
Nero, 82). Unter TrasBnre galt es ab Hajestlltsverbreclien, 
mit etaer daa kaiaerliohe Bild tragenden Mflnae oder Sohmuok- 
aaidie «ne Latrine oder ein Bordell an betreten. Calioula 
snspendirte naeh dem Tode seiner Scihweeter Dbüsilla die 
Geeohttflie nnd erklärte es filr ein Majestitsverbreohen, in dieaer 
Zeit an lachen, sieh an baden nnd mit Verwandten in apeisan 
(Sueton, CcUiffula, 24). 

Zablreicbe Bfiiger liesa er in die Bergwerke schieken, 
wilden Thieren vorwerfen, in Eftfige einsperren, mitten entawei 
sAgeo, wenn ne dn von Uun gegeboieB Sobanspiel nidit lobten 
oder nidfct anf seinen Genius sobwoxen. Sübton erzlhlt si^gar, 
dass es als Kapitalverbrechen galt, von einem hoher gelegenen 
Platae ansnsehen, wenn CALtavLA vorflberkam, nnd ans ugand 
einem Gmnde das Wort capra ansznsprechen. Auch Cab&calla 
war nicht nur von grfisster Härte bei respektlosen ürtheilen 
und Gesprächen über ihn, sondern Hess Alle verurtheilen, qui 
urinam in eo loco feoenint, in quo statuae ant imagines erani 
principis, et qui Coronas imaginibus ejus detraxerunt, nt alias 
ponerent (Spabtian, CaracaUa, 5). Diesen Kaisem gesellt 
sich Cw.fsrs, der Bülger tödten Hess, weil sie in seiner Gegen- 
wart gelacht hatten, und VaIiBktiniax. der den Begriff des 
Majestätsverbreoheos auf stapmm, Ehebmoh, und andere Beato 
erstreckte. 

Trotz aller dieser Auswüchse blieb doch eine gewisse 

ünforscheidung zwischen Staatsverhreehen schwerster (perduellio^ 
und weniger schwerer Art (majestas) bestehen; wie es scheint, 
gehörten in den Bereich majestas die Vergehen gegen den 
Glanz, die Würde und das Ansehen des Herrschers, und sie 
wurden durch Deportation oder einfache Relegation bestraft. 
Allniilhlich aber kam es auch hier zur Todesstrafe, und auch 
Arcadius und HoNomus drohten sie ausdrUckiich an tOr 



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EnAM SApitaL Jnriftiieh« FrifMi. — G«whiohtiidifli. 115 



Attentate und VerechwOnmgen gegen das Leben des Kaisers nnd 
semer Käthe; diese lex Quisquis ging auob in das kanoni- 
sche Recht über.* 

Der Mnjestät5verbreoher ertuhr dio Konfiskation seines 
Patrimoniums, 8uiiue verloren ihr viiterin hos und mütterliches 
Erbtheil, sowie das der Anverwandten, es blieb ihnen nur das 
Beneticmm Falcidiae bezügUoh der Mutter; die von dem 
SchuKiigen ausgehenden Emanzipationen, Mitgift, Veränsse- 
ningen und Schenkungen ^jalteu als null und nichtig, und 
dieselben Strafen trafen dit* Mitschuldigen. Dti^j iiet ht der 
Exception gestattete die Rolle des Anklkgers bei Majestäts- 
verbrechen auch den Fniuen, Soldaten, Sklaven und i*'rei- 
gelasseuen, selbst gegenüber dem eigenen Patron, und erstreckte 
sich bis auf die Infamie; das Eintreten für den Schuldigen 
zog die Infamie nach sich. Femer war bei diesen Vergehen 
die Pmeskription nnzulfisaig; audi im Todesfall wurde Torge- 
gangen« der Leiehiiam proiessirt, du Andenken des Tentorbenen 
geächtet, seine GHlter konfiaciit nnd seine Kinder miibestraft 

SpOtor Würde doich die Erlasse von Abcadius und Ho- 
KOBiüS, dem Denunzianten neben der Straflosigkeit eine Be- 
lobnung zugebilligt, und ebenso wnide jedem Mitschnldigen, 
der eine Yersobwöinng Tor ihrer Eintdedcung bekannt maehte^ 
Strafloeigkeit zugesichert' 

b. Barbarisches Aeoht. Die aitgermanisdbe Anschau- 
ung über das politische Verbrechen Iflsst sich nur andentnngs- 
weise ans einer Angabe Ton Taoitds {Gemama, Kap. XIL) 
ermitteln, wo es heisst: Proditores et transfngas arboribns sn- 
spendnnt; darnach scheint bei diesem so nngemein kriegexisdien 
Volke das politische Verbiechen in der Verletsong der kriegeri- 
sdien Ehre und Tapferkeit bestanden an haben. Sobald jedoeh 
die Heerführer m danemdem Emflnss oder znr Hemcherwttrde 



' Es ist charakteristisch dafür, wie hier politische und kirchliche 
Angelegenheiten zusammengeworfen wurden, dass AnK inn s, Hnvonirs 
und TuRouosiDS die Ketzerei der Maniohaeer unter den politisclieu Ver- 
brühen aa&ihlt«n. (GmL üb. 17. De «retieu.) 

* Tgl. Paoklletti e Coouolo, Storia da Diriih BmtmOt Flovsna. — 
D.DKPnxA, DeireaHeontrolttmaaregMamienia ieUo OMo^ finnig 1888. 

8» 



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116 II. TheiL Jarisprudenz. Prophylaxe de« politischen VerbrecheiM. 

golangten, machte sich das Bedürfniss nach einem Gesetze 
fühlbar, das Leben, Würde und Subsistenz des Fürsten sicherte, 
und in der That wurden in der germanischen Urzeit alle Staats- 
verbrechen als Akte der Untreue gegen den König betrachtet. 
Während jedoch Verbrechen gegen das \'aterlaud mit dem 
Tode bestrali wurden, wurden bei Vergehen gegen den König, 
selbst bei Königsmord, nur Geldstrafen verbangt; aber das 
Wehrgeld war so hoch bemessen, dass ein solcher Mord that- 
sfichliob uDsühnbar war und mit dem Tode bestraft wurde. 

So bffltefe es im sknmmiiiohflB Geeeis, Titel XXIV: Sfi 
aliquia bomo in mortem dnoie coneiliatne fuerit et 
inde oonYietus fnerit, ani ritam perdat, aot ee redimat, 
sieut dnx ant principes populi jmdioaTerint Die Ale* 
maanen betraohteten den Biebatehl am Hofe des HenaebeiSt 
die Livasion seines Bigentliiuns, die Beleidigung der Fraven 
eemes Hofes als sohwere TerbreelieQ. In der Lex Ala- 
mannorum aeigen sieh die eisten Spuren der Fttisoige für 
die ttnnera Sioherheit des Staates; in Titel XXV wird Ter* 
bannnng nnd Güter •Eoafiskatiott oder Todeastiafe Denen 
angedroht, die ein fremdes Volk anm fieatemaehwi oder snr 
Bnmdlegnng auf alemannisehem Boden anfhetaten. 

Das Sadiflenrecht (Titel m, § 1) droht einlach den Tod 
für Verschwörung gegen das Leben des Königs odw seiner 
Söhne an, und das Edictom Botharis (Ari H) Tod nnd 
Konfiskation : Si quis contra animam r^s oogitayerit, ant 
consiliatuB fuerit, animae suao incurrat periculum et res ejus 
iofiscentur. Ebenso bestrafte das 6fresetz der Bavaren (Titel II, 
Kap. II) die Tödtung dos Heiaogs mit dem Tode und der 
Konfiskation: Si quis ducem suum occiderit, anima illius pro 
anima ejns sit; mortem quam intulit recipiat, et res ejus in- 
fiscentur in serapitemura. Im Falle einfacher Verschwörung 
wurde der Schuldige dem Herzog als Unterpfand übergeben, 
und seine Güter wurden konfissiri Kapitel III desselben 
Gesetzes stellt eine Stufenfolge von Strafen für Revolten auf, 
en Sprechend der verschiedenen Verantwortlichkeit der Grossen, 
der gregarii und der einfachen Gefolgsmänner, was sieber 
damals einen legislativen Fortsehritt bedeutete und ihn sicher 



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Erste« £apitel. Jumtiiobe Fragen. — Geschichtliches. 117 



auch heute noch för viele Mi Hlerue Gesetzbücher bedeuten 
würde. Si quis seditionem iii< itaverit contra duoem suum, 
qaod Bajuwan carmulum dicuiit, per quem in primis fuerit 
levatiis, componat duci DC Solidos. Alii homines, qui eum 
secuti sunt, illi simila<i et consilium cum ipso habuerunt, unus- 
quisque eum CC solidis componat. Minores popnli qui eum 
secuti sunt et liberi sunt, cum XL soUdia componant, ut tuie 
Scandalum nou iiaöcuLur iu provincia. 

Im übrigen sorgten die Leges barbarorum für recht 
strenge Unterdrückung ron Revolten, und wenn diese iD Baiern 
mit bloasen Geldstrafen geahndet wurden, waren z. B. im fränki- 
Beben G^esetz die Strafim selir schwer. Anctoree seditioms et 
tamnltos vel oondlatons populi pro qualitate dignitatis ant in 
onioem toUantnr, aut bestiis objiciantur, ant in ^«^«1»™ depor- 
tentor. (Cap. lieg. Francortm. lib. VII. 371.) 

Nach dem Edikt Theodobicbs (Kap. lOS) wurde der An- 
stifter einer Vereehwörung im Volk oder im Heer snm Scheiier- 
banfen Terttrtheilt. Das £dikt Boihabi beetimmt (Eap. VI) : 
Si qtiis in eseroitnm eeditionem leraverit et contra dncam amvan, 
ant contra enm, qni ordinatne est a rege ad exMoitam gnber^ 
nandi, ant aliqnam partem exeroitne sednxerit, inoanrat peiionlnm. 

Ein Edikt Chlothabs II. in den EdictaMerovingiana 
(§ 21) ftnssert sieb bezflgUcb der Bevolten: üt pox et discipüna 
in regno nostro sit, Christo propitiante, perpetna rebellio vel 
insolentia malomm hominnm seTerisaime r^rimator. Naoih den 
Gapitnlaria Oarolornm wurden YeisohwOrer bingerioibtet» 
die Mitsdhnldigen gepeitsdit; war die YaschwOnuig ergebnisslos 
verlaufen» so bestand die Strafe in Peitsdrang nnd Absehneiden 
der Haare. ^ 

Die Longobarden bestraften wie die Franken den miU- 
tttrischen Aufruhr gegpu den Führer und das Verlas.sen der 
Genossen im Gefecht mit dem Tode; und dieselbe Strafe stand 
auf Desertion, die zu deu Majeetäts verbrechen rechnete. 

6. Recht der italienischen Kommunen. — Auch 
die Statuten nnseier Kommnnen betrachten militftrisehe Yer- 



* QnoLEB, UemunuMdie BedhtsdeiikiiiXIar. — Brlangai, 16761. 



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118 ILTbeü. Jurisprudenz. Prophylaxe des politischen Verbrechens. 



brechen als Staatsverbrechen; weniger schwere Vergehen, wie 
das unpünktliche Erscheinen auf dem Waffenplatz oder das 
gänzliche Ausbleibeii, wurden mit G«ldliiiaBsii oder ntob Gut- 
dttuk«!! iMslnft« di« DMertion vom SoUiohtfolde mit d«m 
Tode; diese Strafen wurden mit der Zeit nodi Tendhsrft. 
Ausserdem standen Strafen auf Yeirlsitung und B^hfllfe snr 
Fahnenflneht, anf Meuterei unter den Waffsn, anf Gehorsams- 
Verweigerung, auf Ausbleiben bei KonsiguatioD, auf Debeigabe 
oder Torsohuldetsn Verlust einer Befestigung und auf Hand- 
lungen der Feigheit: die Strafe war fast überall die an Leib 
und Leben. 

Unter den Vergehen gegen den Bestand und die Sicher^ 
heit des Staates finden sich die Führung des Feindes auf 
heimathliohes Gebiet, das Verbergen von Spionen, das Ueber« 
laufen in die Beihen der Feinde und der Verrath von Stsats- 
geheimnissen; hier drohte überall Todesstrais, mit oder ohne 
Konfiskation, wie sohon in den Gesetzen der Longoborden. 
In Venedig waren die Bestimmungen besttglioh der Ver- 
breitung von Staatsgeheimnissen am strengsten. Bas florsn- 
tinische Statut bestrafte niohtantorisirte Friedensverhandlungen 
mit dorn Feinde mit Geld- und kOrperlidien Strafen. 

Bei den fortwährend zu Unruhen führeoden Partei- 
kämpfen der italienischen Stadtrepubliken ist es begreiflich, 
dass man, wie Karl der Grosse schon die eingeschworenen 
Greselbchaften verboten hatte, hier die Bildung von Kassen, 
Konventikeln, fTesellscLaften, Eidgenossensshaften verbot, meist 
unter Geldstrafe, die jedoch häufig zur Verbannung und 
Güterkonfislcation gesteigert wurde. Man verlangte selbst von 
den T^ürgeru den Schwur, keiner politischen Partei anzuge* 
hören, und ging so weit, die Erwähnung der Parteinamen bei 
Strafe d^r Konfiskation der (-laleere oder der Ausschueiduiitr 
der Zunge zu verbieten. Denientsiireeliend liestrafto man auek 
das Erregen von Aufläufen, das Erhelien von Fahnen, den 
Ruf zu den Watieu und das viva- oder rauoja-Scbreien : waren 
solche Versuche Theile eines Angriffes zum Sturz der herrschenden 
Partei, so staud Tode.^ 1 1 afe und Konfiskation darauf, und nur 
wenige Gesetze begnügten sich mit einer Geldstrafe. Die 



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Erstes Kapitel. Juristische Fragen. — OesohiohtUcIiet. 119 

gew;iiti>ame Be&eUuog eines Thurmes des Stadthauses oder einer 
öfientUchen Befestignngsanlaf^ ■wurde mit dem Tode bestraft, 
in contuinacia mit Verbanrmug uud Konfiskation; die uner- 
laubte Anlage eiuer Befestigung zog eine Geldstrafe uacli sich 
uad ebenso die Weigerung, den Platz sofort zu rftumen. Selbst das 
bloBBe Uebersteigen der Stadtmauer zog eine Strafe nach sich, 
die Vis rar Todesstrafe verschärft werden konnte. Todessfcraie 
drohte Buch Dem, dar ij*gend eine Untemehmnng xar Los- 
tMimtuig eines TheUee des Staetoterritorinme oder Krieg gegen 
den Staat anetiftete. In Bologna figorirte der Versndh der 
Verlegung der üniversifttt an einen andern Ort nnd der Ter- 
hinderuDg der Vorlesungen als Staatsrerbrechen.' 

Bemerkeneweräi ist in diesen Beehtsgebieten die Binrioh- 
tong der Admonition (^ammoniidone^), eine Fmoht der wilden 
ParteikBmpfe, die in ▼ersohleohterter Form den antiken 
Ostracdsmus wiederholte. 

Das Volk Ton Fistoja erklärte infolge der Fehde swisdien 
den Familien CAMCBUiiBBi nnd Paxolltiobi die Fendalhenen 
filr nnfthig znr Bekleidung Ton Aemtem der Stadt nnd be- 
Bohloes, dasB jede die Offontlidie Bnhe stOrende Familie auf 
das Adelsiegiater gesetzt wttrde, nm.dadnroh den Ungehonam 
gegen die Qesetie an bestrafen. 

In Floreiu wnide im Jalue 1358 von den Guelfen eine 
ähnliche Maassregel zur AnsscUiessnng der Ghibdlinen Ton 
den öffentlichen Aemtem angewandt; die zur Verwaltung der 
konfiaairteu ghibellinischen Güter eingesetzten Capitani di parte 
brachten ein Gesetz durch, wonach jeder Ghibelline, der ein 
öffentUohes Amt annehme, vom Podesta su Strafen verurtheilt 
werden sollte, die von 600 Florin bis zur Todesstrafe geh«! 
konnten; die Deniinsiatiyn sollte für erwiesen gelten, wenn sie 
sich auf sechs Zeugen stützte und die Beurtheilung der Aussagen 
nur durch die Capitani und die „Consoli d'iirte" geschelieu. 
Später wurde dieses Gesetz dahin geändert, dass die Beschul- 
digung eines Bürgers durch -/a der Stimmen eines aus dem 
Capitano di parte und zwei Bürgern gebildeten Koliegiams, 



' PsuTiLB, Storia dei diritto italiaao, vol V, § 196. 



130 ILTbeU. Juhsprudenz. ProphylAxe des poUtischeu Verbreobdus. 

er wäie ein Gbibelline, dio Admunition, kein öffentliches Amt 
zu bekleiden, zur Folge haben müsste, unter AndruLuu^^ 
der Anklage; diese Anklage konnte dann Jeder erbeben und 
816 Terpfliohtete die „Rettori", wenn sie nicht selbst bestraft 
weiden woUtoa, den Admonirten zu verurtheilen, wenn sie ein 
Vergehen Tor&nden. So wurden ▼erdttohtige Personen von 
Aemtem ferngehAlten, ohne sie Strafen sn onterwef&n, was 
den TolksÜittnilieben Sprach entstehen liees: Beeser admonirt, 
aU heetraft; man sohnf dadnxdi aber eme Klasse nnsn- 
Wiedener Billiger, die geradeam ^ammoniti'' hiessen, im Gründe 
Ton den hflzgerliohen Beohten auBgesohlossen waren und sieher' 
kein beeonde» nihigee Element bildeten,^ nm so weniger, als 
die Admonition sieh anf die gause Verwandtsohaft ausdehnte 
und die BetroffiBnett sehliesslioh ins fiadl f&hrte; daher dio 
grosse Zahl der Flüchtlinge. 

7. Fendal-Becht. — Wahrend in Italien das Lehns- 
weeen hinter der stftdtisohen Entwiofclttiig anrückblieb, kehrte 
maii im übrigen Europa seit Wiederbelebung des rümischen 
Beohtes zu der antiken Auffassong der Staateverbrechen anrttck 

und das crimen majestatis des römisdien Reiches, dem die 
Lehnsverhtlltnisse den Nebenbegriff der Felonie verliehen, 
wurde in aller Strenge wieder ins Leben zurückberufen. So 
erklärten dio Gesotzgeber und Beohtflgelehrten nicht nur das 
Attentat auf Staat und Fürsten, sondern auch die Beleidigung 
des Letzteren, seine Beschimpfung im Bilde, die Kränkung 
seiner Familienmitglieder und Bäthe für Majestäts-Beleidigung, 
selbst unzufriedene Aeusserungen über Besteuerung, Fälschung 
amtlicher Akte, Münzenschlagen, der Widerstand gegen die 
öffentliche Macht, die Diskussion yqfi. Staatsangelegenheiten, 
die Tribut-Verweigerung, das Uebersteigen der Stadtmauern, 
die Besetzung von Burgen, das Abbrechen von Brücken, wenn 
es mit der Absicht der Beieidigong des Fürsten geschah, ja. 



> M. ViLLAKi. lib. VIII, c. 24. — M. di Coppo ra'SnFAin, Storia 

fiorenfina, lib. IX, rubr. 674, tom XIV. — SiBMOiTDi, AoKb delb 
M^iMUcM itaUam» vol VI, oap. XLY. 



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Srttea Kapital. JuutiMba Fxtigta. — OeiebicfatlMhca. 121 



vom Volk auch nur zu sprechen — das alles galt ab orimen 
laesae majestatis.^ 

Die Schriftsteller des IG. und 17. Jahrhunderts nennen 
gegen fiinfziir Ffiür von lae.sa majestas, die selbst dann an- 
gerechnet wurde , wenn die Absicht nur geäussert, aber nicht 
2ur Ausfübrnng^ gekommen war. 

Für die Theorie des Feudalstaates aber, die den Staat auf 
Vertrag und Treueschwur gründete, konnte die Handlung 
eines !N icht-Staatsangehörigen nicht als Staatsverbrechen gelten ; 
deshalb nahm sie nicht nur Ausländer, sondern auch den 
Klerus davon aus, der zur Miliz der Kirche «rerechnet wurde ; 
nur in ganz spftter Zeit hörte die Sonderstellung der Ausländer 
und im I^antle wohnenden Fremden auf. 

Die grosse Zahl der als Majestfttsverbrechen geltenden 
HaudluDgeü nüthigten die Gesetzgeber zur Unterscheidung einer 
majestas primi et secuudi capitis; zu diesem gehörten alle 
gegen das Bestehen des Staates oder gegen das Leben des 
Fttisten und setner Nachkonunenschaft gerichteten Aufstände 
(HoohT«nath}; zu jenem gehörten alle anderen Handlungen Ton 
geringerer Wichtigkeit; diese Eintheilong ging auf die dentsehe 
und die franzteiaehe Jnriaprndenz über. Die Strafen waren 
hti immer dieselben; meist kam zur Todesstrafe noeh eine 
besondere Marter, wie das Sohleifen am Eselssehwana, das 
Bfisten» das Zwieken der Hant, die Viertheilnng n. s. w. Dazn 
kam die Fortnelune des Besities zn Gunsten des Fiskus und 
die üngnltigkeiiseridttrung jedes von dem Schuldigen seit dem 
Tage des begangenen Yerbreohens gesefaloesenen Vertragee, 
femer die Zezatömng seines Hauses und des Versammlungsortes 
der Venbhworenen. Den Hitwissem drohten, wenn sie das 
Verbreohen niciht zur Anzeige brachten, dieselben Strafen, und 
dieee erstreekten sieh auf die Sohne, auf die Bnkel, auch auf 
die illegitime Nachkommenschaft und andere Familienmitglieder; 
fttx diese begnügten sich die mildesten Gesetze mit der ewigen 
Yerbaanung oder mit der Unfthigkmt der Sueeession und der 



part I. — Florens, 1888. 



122 n.TlMfl. Jntlipnid«». PropbyUun dei poUtiMdMii T«ln«olMin. 



InfamM. Demmziaiiten woideii belohnt und bEeben, wenn 
eie Mitvenohwoiene gewesen waren, strafloe; der Sobn konnte 
selbst den Vater dennnsiren, und eohon das Eintraten fär die 
Sohuldigen zog Bestrafung nach sieb (Pbbtilb 1. e.). 

8. Kanon isobea Beohi Einen Antheil an der will* 
kttriieben Ansdebnnng des Begiifb der majestas im mittel* 
alterlieben Beohte bat das kanoniaohe Beoht, das in dem 
Deere tnm Gratiani (cansa VI, qnaestiol, cap XXII) ganz die 
lex Quisquis des Codex Jastiniani reproduzirte, und an einer 
Stolle der Ddaetatien {De poenis, cap. V, tit. X, lib. V) bei 
den \'ergehen gegen die Kardinale Exoeptionakriterien bezfiglioh 
der Tbäter einfübrte. 

In der Tbat bestrafte inan nicbt Dur Attentate auf das 
Leben der Kardinäle, sondern auob blosse Angriffe and selbst 
das H^en feindlicher Absiebten gegen sie; zngleioh wurden 
niebt nur die Tbäter und ihre Mitsoholdigen, sondern auch 
ibre Kinder, Enkel und Seitenverwandten von der Strafe 
betroffen. 

Dieselben Strafen standen auf Auflehnung gegen einen 

Kleriker oder Mönch, der zum Hause de?? Papstes oder eines 
Kardinals geborte; die Strafe sc1i1ü.s.s jedoch nicht ein weltliches 
Strafverfahren wegen Sakrileg aus. Fürsten, Senatorrn Konsuln, 
Stadt-Häupter, welche diese Bestimmungen nicht zur Geltung 
bmchteu, drohte die Exkommunikation, und von Rom ange- 
fangen, vertipl jede Stadt, die den Schuldigen Hülfe oder Rath 
ertheilte, der luterdiktion und dem Verlust der pontitikalen 
bitze. 

ü. Europäische Monarchien. — In den grossen Mo- 
narchien, die sich vom 11. bis zum 12. Jahrhundert den Besitz 
Euro])as streitig machten, wurde die römische Doktrin von der 
laesa majestas die Stütze des drückendsten Despotismus, wie 
eine kurze Prüfung ihrer die Unterdrückung des politischen 
Verbrechens betreflfenden Gesetze ergiebt. 

In England erklärte ein Erlass Richards II. den blossen 
Vorsatz der Absetzung oder Ermordung des Königs für Hoch- 
rerrath; unter Hedtrioh VO. gehörte in diese Kategorie der 
in Wales verabte Yiebdiebstabl, eine private Unterbaltöng über 



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J 



BntM KapttaL Jurittitolie S^mgra. " OeaehiohtUohM. 123 



die TiPgitimitiit der Ehe des Königs, und seilest Vermuthungen 
üher seine Lehensdauer. T^nter Eli.^abeth galt für Hoch- 
verrath die Anerkennuni; der päpstlichen Jurisdiktion, und der 
dreitägige Aufenthalt eines katholischen Priesters, der sich 
nicht nach dem anglikanischen Ritus richtete, auf englischem 
Boden; unter Jacou T. ehensn die Leugnung des Sumui- 
episkopats des Königs, die V'ersöhuung mit dem Papstthum, 
oder die Verleitung Anderer dazu. {Stntufe B, chapt. 4.) Als 
Majestlitsverhrecheii wurden ferner betrachtet dieFahfchmün/orei 
uod Mün/verschlechterung, die Nachahmung des königlichen 
Siegels oder Namenzuges {Stat. 2, Cap. 6 der Marin), die Au- 
fertignng und der Vertrieb von Münz-fTcrilthsohaften (Wil- 
helm IIL, SM. 8 und 9, Cap. Sfalnt der Ktinigin Anxa, 
7. Cap. 25), die Behauptung, der König könnte, auch rait Zu- 
stimmung des Parlaments, nicht über die Thronfolge disponiren 
(Elisabeth, Stat. 13, cap. 1), die Leistung eines eiufacheu 
Dienstes an den Prätendenten und seine Kinder (Wilhelm HI., 
SM. 13, 14, cap. 3). 

In den Fällen ein&olien Yerrathes (mit Einsohlnss des 
maliloqoium) bestimmte das Geaete die Todesstrafe und die 
freie Verfügung des Königs über die Qflter innerhalb des 
Zeitianmes von einem Jahr und einem Tage; es hiess dies 
„das Jahr nnd der Tag des Königs".* In Dentm^land übe^ 
nahm die goldene Bulle die Beetimmmigen des römischen 
Beehtes über die laesa majestas fast bnchstäbliidi, wihrend die 
OarolinB sie selbst bei BseohrBnlcung auf den blossen Yeisneh 
mit dem Tode bestrafte. Als Strafen bestanden die Yiertheilnng. 
die Kpnophoria (Rüdem) nnd andere Hartem, neben der Infamie 
des Namens und der Konfiskation der Ottter des Schuldigen, 
dessen Kinder ihre Suoosssion Terloren. 

Man unterschied femer andere Arten der Auflehnung und 
die ein&che Ehrfnrchtsverletznng gegenüber dem Hensdier; 
aber auch hterfilr warsn die Strafen hart: selbst ein Pasquill 
gegen die Regierung konnte ein Todesurtheil hervormfen. 

In Spanien stand das Majestitsverbreohen in einer 



< FiLAiioKBi, La seimm dtitta t^fMuiane lU» 3. 



124 II.TlieU. Jazitpnideiu. PxopbylAM dm iraUtiadifla V«ibnch«iia. 

Kategorie mit der blasphemia Spiritus SaDcti; der „fnero 
real** Alfonsos X. (1254— (>5) bedrohte Jeden mit dem Tode, 
der nicht das Leben des Königs aohfltite, seine Macht und Ehre 
nicht förderte oder Unruhen gegen seine Autorität erregte; im 
Ealle der Begnadigung wurden derartige Verbrecher geblendet. 
Dazu l:am die Konfiskation der Güter bis auf ein den Erben 
zufallendes Zwanzigstel. Für das einfache maliloquium gegen 
den König bestand die Strafe bei einem Hidalgo in der Kon- 
fiskation des halben Besitzet-, bei einem gemeinen Jlaun in der 
des ganzen; war der Köniir infolge des Angriffes gestorben, 
so musstö der Thäter 100 Maravedis zahlen, und war er irr^ol. 
vent, so konnte der Nachfolger des Königs nach Gutdunken 
über ihn verfügen. Die Siede Partidas Ai.roNsos (125B^ Ite- 
traehteten den König als Statthalter Gottes und erklärten jeile 
beleidigende Aeusserung gegen ihn als Hochverrath; dem 
Könige seineu Ruf abzuschneiden, -wäre wie eine Todtung des 
Körpers , uud man müsse dem Verleumder die Zunge ab- 
schneiden. Die Pai-tidas imterschieden zwischen peniuellio und 
laesa majestas, aber sie verfielen in die Uebertreibungen der 
übrigen zeitgenössischen Gesetzgebung, da uieht nur abfällige 
Aeusseruugen über die Autorität des Königs (ausser wenn dieser 
darin eine gerechte Absicht fand) als Verrath bestraft, sondern 
Attentat und Komplott gegen den König an I rbebern, Mit- 
schuldigen und Mitwissern mit dem Tode bestraft wurden. Bei 
perdnellio konnte auch gegen den Leichnam des Schnldigen 
TOigegangen weiden, nnd die Toobter hatten nur Anspmeh 
auf ein Viertel des Nachlasses. Die laesa majestas begriff aneh 
alle direkte Vergehen gegen (IfiBniUche Beamte in tidi, und 
anoh sptters Gksefase, vie die Nnova recopiladon de las leyes 
Philipps H. yom Jahre 1666, entfernten sieh nicht von so 
exoeptioneUen Definitionen. 

In Frankreich serfiel naeh den Vorgang:e des rümisohen 
Rechtes die laesa majestas in zwei Kategorien, Ton denen 
die eine Yergehen gegen die Sicherheit des Staates nnd des 
Königs, die andere Verstösse gegen die Wllrde des Königs 
nnd die Anmaaasang seiner Antoritilt um&sste. Die Strafen 
waren jedoch gleich; die Schuldigen worden tob vier Pferden 



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EntM KainteL Jumtiidw ¥ngUL Oeiohiohtliohet. 12d 



geviertheilt, und dies Urtheil eventuell an der Loiclie voUstroi kf, 
wenn man den Scliuldigon nicht lebend ergreifen konnte; 
dazu kam die vollständige Güter-Konfiskation. Zugleich galt 
der Dolus gleich der Ausführung, das Stillschweigen eines 
JStlitw issers gleich der Mitschuld; selbst Geistesstörung galt 
nicht als Einrede.* Die Willkür ging schiieäalich so weit, dass 
eine astrologische Prognose des fürstlichen Lebens für ein 
Majestätsverbrechen erklärt wurde, ferner die Beseitigung, Ver- 
stümmelung und Beschmutzung der dtsa Pursten darstellenden 
Bilder uud Statuen, das LTebersteigen der Sludi und Festungs- 
mauern in Kriegszeiten, die gewaltsame Fortführung einer 
in einen fürstlichen Palast geflüchteten Person, das Duell, die 
unerlaubten Yersammlungen n. i. w. 

10. Einwirkungen der franiOeiscIien Bevolntion 
und beginnende Eeformen. Die feengOmache Berohition 
braohfe anfange nur eine VeneUimmeirang auf dem Gebiete 
der poUtisohen Yerbreeben, da die dufeh den Lauf der Dinge 
in Frankreieh endiredkten ttbrigen Souverlne niohi auf die 
Hftrto» dureh die sie ihren Thron au Biebern glaubten, Ter- 
siebten wollten. So stellte ein milder Ffiiat wie Piibb IiiOPOia>p 
der frflber anob fttr Staateverbreeben die TodeBstralB auf» 
gehoben hatte, dieselbe naebdem er Kaiser tou Oesterreiob 
geworden wsr, in Toelnna wieder ber, «lür alle Die, welebe 
das Volk aufinibetaen wagten und sieh an seine Spitse stellten, 
um sieb duroh öfEmtlicbe GewaHtbaten den Bestinmraogen der 
Begiemng an widersetsen. (Edikt vom 30. Juni 1790.) Anob 
in Frankreieh behielt der Oodax Tom Jsbre 1791 die Todes- 
strafe hei, fOhrte jedooh die Yeigeben gegen die innere Sieber- 
heit des Staates auf gereobte Grenaen zurflok und beseitigte 
die Bezei(^ungen „Hochverrath" und „laesa majestas." 

In Preusaen bedrohte das Allgemeine Landrecht von 1 794 
HochveiTäther, zu denoi es auch Solohe xeehnete, die einen 
entfernten Antheil durch Rath oder That genommen hatten, mit 
dem Tode, dem Verlust aller Güter und der bürgerlichen Beobte, 
und ermitabtigte femer den Staat seine Kinder ausaaweisen. 



* Mboaooi. D» rmti poKHei, Boma, 1879. 



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126 ILTkeiL Jumprodenx. Prophylaxe detpoUüachMiyflrbvooiMafl. 

oder in iaui iMipr Haft zvi baiteu. (Allgem. Pieufis. Landiecht 
II., Titel 20, § i^l ff.) 

In Oosterreioh -wurde dipTodpsstmie iur H och verrath durch Pa- 
tent vom Jahre 17^5 fest ^^f. setz' und bliebvoudaiin dauernd bestehen. 

Ziemlich früh regte sich eine wohlthätige Reaktion und 
eine reformatorische Bewegung in Italien mit dem Aufhören 
der alten statutarischen und pragmatischen Gesetzgebung und 
der königlichen Konstitutionen. Der Anfang wurde im König- 
reich Neapel gemacht, wo diis rigorüse Statut Karls von Anjoti 
„Nuper upud Tranura" in Kraft war, da.s dies Verfahren gegen 
die Sühne der perduelli anordnete und ihnen sogar die Ehe 
verbot. Das Gesetz vom 20. Mai löüb gab eine gerechtere 
Eintheilung der Staatsverbrechen und unterschied die auf Be- 
seitigung oder Veränderung der Regierungsform abzielenden 
Handlungen, für welohe Todesstrafe angedroht wmde, von 
denen, Äe anf Verbrettang yon Unsnfinedenlieit gegen die 
Staatsgewalt abzielten oder auf Adktnngsverweigenmg, und be- 
stimmte ftkt diese mildere Strafen. 

InToakaaa, wodae QefletzPolTerinaCoBiMOBLjedemBürgeir 
den Venäliier su todten gestattete, bestimmte Artikel 62 des Qe- 
setxes vom 30. Novbr. 1786 folgendes : „Wir ordnen die Kassi- 
rang aller Gesetzean, die in missbrfluchlielier AbsLcbt die Majestäts- 
Terbrechen auij^teUt und verrielftltigt haben . . . ; um soldien Miss- 
brauoh zu beseitigen, wird jede speasielle Bezeichnung als Majestäts- 
▼erbreoben, jedes spezielle Beweisverfahien abgescbalEib, zugleich 
mit der Kriminalitftt aller derjenigen Handlungen die, ohne an taxk 
yerbreeherisoh zu sein, es erst durch Gesetze ttber diese Materie 
geworden sind; alle anderen Vergehen sollen gleich gemeinen 
Vergehen entspreohender Art betrachtet, d. h. je nach den Um- 
ständen ak Diebstahl, BuhestOmng ete. und als solche bestraft 
werden ohne Rücksicht auf die durch das Gesetz unter dem 
Vorwand der laesa majestas bestimmte grössere Schwere.'^ 
Besser wurde die Materie durch das Gesetz vom 30. August 1795 
geregelt, das unter Wiedereinführung des Terminus der laesa 
majestas ihre juristischen Charaktere defiuirte und die Beleidi- 
gung der Beamten in Ausübung ihrer Funktion unter die ge- 
meinen Verbrechen versetzte, unter Anordnung leichter Strafen. 



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Bnt«8 Kapitel. JuristUche Fragen. — UesuhiobtUchea. 127 

Schliesslich beseitigte das toskanische Strafgesetzbneh von 1856 
d:e lueäu ^uujebUia uud unterschied die \'eii)recbeu gegen die 
innere und äussere Sicherheit des Staates nach dem Vorgänge 
der übrigen Staaten. 

11. Moderne Straf geeetsVttelier. In der enien Hälfte 
UBMies Jahrlranderts schien die Geeets^bung der bedeotendaten 
Staaien reagiren zu wollen gegen die ttbertriebene WillkOr, 
die deh unter dem Ebfliras des rOmisolien Beohtes in der 
Ibterie der poHtiaeben Verbreoihen geltend gemaciht hatte, jedoch 
ohne yOUige Beseitigung dieses Einflusses. In der That aeigt 
hei genauerer Untersnchung fast aller modernen Strafgeseta- 
kodifikationen, wenigstens der monarohischen Staaten, der auf 
die poUtisohen Verbeehen heaflgliohe Abschnitt den Oharakter 
anagsaproohener Ezoepttonalitftt, sowohl in der Imputation, wie 
in der Anwendung der Strafen; das aeigt, wie tief avoh anf 
jniistiaohem Gebiete die Tradition wnraelt, nnd wie deshalb 
liberale Beformen, so allgemein man sich auch des Bedflrfiiisaea 
bewusat ist, einen erhebliehen Widerstand finden. Die Tradi- 
tion bewahrt seihst die Namen da, wo das Verbrechen ver- 
schwunden oder umgestaltet ist ; so findet sieh der HochTerrath 
noch in dorn tlsterreichischen Codex und dem des deutschen 
Beiches, wobei er neben dem Attentat gegen den Souverftn 
das gegen die Sicherheit und den Bestand des Staates umfasst; 
indem letzteren ßndet sich noch das Majestätsverbrechen, das die 
Beleidigung und Gewaltthat gegen das Staatsoberhaupt umfasst, 
soweit sie nicht unter die Imputation des Hocbverruths fallen. 

Auch das spanische Gesetz behandelt unter dem Majestätsver- 
brechen die Attentate auf den König und den Thronerben, und unter 
Hochverrath die Vergehen gegen das Vaterland, während diese 
Bezeichnung im englischen Gesetz beide Kategorien umfasst. 

In republikanischen Staaten bezeichnet Hochverrath natür- 
lich nur das Attentat gegen den Staat; des Hochverraths macht 
sich nach der Verfassung der Vereinigten Staaten derjenige 
Bürger oder Einwohner schuldig, der Krieg gegen den Bund 
beginnt oder seine Feinde m irgend einer Art begünstigt; treason 
war also anfangs das einzige politische Verbrechen. Im Kanton 
Zürich beabsichtigte man, den Hochverrath aus dem Strafgesetz- 



128 H. Tiieil. Jurisprudenz. Prophylaxe des polituohen Verbrechens. 

bn^ WH entfernen, weil man Ilm fOae eine W«Ai dee Despotis- 
mus hielt, und Untemehmungeu gegen die staatliehe Seihet- 
atftndigkeit des Kantons (Landesremth) anf eine Stnfe mit 
dem Widerstand gegen die Staatsgewalt nnd mit der Störang 
der Öfientliohen Ordnung an stellen. Bar fnmzOaisdie Codex 
fahrte snm Zwedk einer rationelleren Eintheilnog der politisehen 
Verbreehen ihre Trennung in Vergehen gegen die tossere und 
solche gegen die innere Steherheit des Staates ein; diesem Vor- 
gänge folgte das belgische und das sardbische (spttter für gans 
Italien etngeftdirte) Ghsets; freilich Tenniscfat» wie Zatabdilli 
mit Beoht bemerkt, diese Dinstiuktion die Ursachen und 
Wirkungen dieser Verbrechen; die Ursachen kOnnm äussere 
aeu» die Wirkungen treffen in allen fUlen die inneren Ve^ 
hftltnime des Staates. Das neue italienische Strafgesetsbndi geht 
von der objektiven Tersebiedenheit der Handlungen aus und 
unterscheidet die delitti contro la patria, welche das Land in 
seiner Ex ton z treffen, und die delitti contro la costituzione, 
(gegen die MachtbefugniBse des Staates,) welche ihn in seiner 
politisohen Form treffen, und denen auch die Attentate anf 
den Herrscher zugerechnet werden. 

Zu den delitti contro la patria gehört die Betbeiligung 
am Kriege gegen dos Yaterlasd, die Err^ung von Feindselig- 
keiten bei einer auswärtigen Macht gegen dieselbe, oder die 
VerbinduTi{> mit fremden Regierungen zu kriegerischen Zwecken, 
die Erleichterung feindlicher Invasionen in das Staatsgebiet, 
und die Ueberiaasung von Städten, ITeetungen u. s. w. an 
deo Feind. 

Bezüglich der Verbrechen cregen das Staatsoberhaupt stim- 
men die Gesetzgebungen noch M-eniger überein; häufig zeigen 
sie di« alte Vermischung des Versuches und der Ausführung. 
In Oesterreich konstituirt jeder Angriff auf die persönliche 
Sicherheit des Souveräns auch*" im Stadium des \ ersuches das 
schwerste Verbrechen und wird entsprechend bestraft. Das 
deutsche Strafgesetzbuch dagegen setzt für den Begriff des 
Attentats den Eintritt der Regierungsunfohigkeit voraus und 
liisst für die vorbereitenden Handlungen die Möglichkeit mil- 
dernder Umstände zu. Auch in Belgien wird zwischen dem 



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Ente* SapitoL JnfktiMlM £Vftg»n. CMiiobÜiohM. 129 



AngTÜf auf das Leben und dem Aiigrüf auf die Pprsop df^s 
Königs, die nicht auf Tödtung desselben gerichtet sind, unter- 
schieden. Das Iranzösische Strafgesetzbnch sprach d?it,'pgeu 
im allgemeinen von Attentaten gegen das Leben des Souveräns 
nnd ebenso das frühere italienische. Die Willkürlichkeit dieser 
Bestimmung veranlasste gerade in dem neuen italienischen 
Kodex die Substituirunp- der Formel: iizumi dirette contro la 
vitu G ia libeiLa per^unale del re. Wcim der Souverän somit 
einen ausnahms weisen Schutz auch gegen blosse Angriffe ge- 
uiesst, mnsste der Zeitgeist die Benrtheilnng sohriftUcher oder 
mündlieher Beleidigung gegen ihn mildem. So unterwirft das 
deataebe Strafgesetsbnoh nach dem Vorgang des prenssiaohen 
Beelitea das Voigeheii gegen Beleidigungen der Bnndeiftislea 
ibnr vorherigen Antorttation, nnd da» italiemaehe StMljgeiieU 
maohte die Verfolgung toh der vorlierigea ZnetimnmBg dee 
JiietizimmstMS abhängig. Die gesteigerten intenati<maleii 
Beiieliungen maehen dagegen beeondere Beetimmnogen inm 
Sehnta answftitiger Sonveittae, welehe anf dem £MaatQgebiei 
▼erweilen, nnd snm Sehnti dar Sioherheit befreundeter Staaten 
nethwendig. Und diese BMtinimnngen sind &8t allen moder- 
nen Qeaet^bnngen gemeinsam, mit Ananabme derer, die sie, 
wie die dentBcibe Oesetsgebnng, von der BedproeitSt abblngig 
madien. 

Seitdem die meoatsn enropttisohen Staaten konstitntioneU 
regiert werden, hat sieh die Gesetagebnng dieeen neuen Yer- 
hflltnissen angepasst, und es sind zum Sehnte der neuen kon« 
etitntioaellen Gewalten besondere Sanktionen gesehaffen worden, 
die je nach der Bedentong, die man dem nenen Regime bei- 
misst, m^ oder weniger Streng sieh gestalten. So existiren 
in Belgien, wo die Verfassnngsprarogative eifersüchtig gesohtttat 
weiden, neberi dnn Strafen auf Attentate oder Verschwörungen 
gegen die Begieran^orm auch solche auf bewafiPoete £r- 
hebnngen gegen die gesetsgebenden Körperschaften, auf An- 
griffe gegen die Prärogative der Minister und Abgeordneten 
und auf versteckte und öffentliche Beeinträchtigung der Rechte 
und der Äutoritfit der Karamern. Ebenso folgen in Spanien, 
wo Hevolutionen so häufig sind, die Veigehen gegen die Cortes 

LOMBMMO, PttttttMlier VerlK««lMr. OL 9 



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180 n.Tliiil. Jnrupnidaii. Flnqpli]rluftdwpoJiliichc& Verttreohcaa. 

und eleu Staatsrath unmittelbar auf die Aogiiffe ^egen den 
Fneden und die ünabbftn;2^^^keit des Staates. 

Im italienischen Stralgf-petzbuch wird die Hinderung des 
Parlarnents in der ÄTisübung seiner Funktionen ebenso be- 
trachtet, wie die Hinderung des Königs oder des Kegenten 
an der Ausübung seiner Souveränität. Blosse Beleidigungen 
können nur mit Genebmiguug des Parlaments verfolgt werden. 

Diesen Bestimmuogea sollten Anordnungen bezüglich der \'er- 
antwortlichkeit der Minister entsprechen ; gewöhnlich ist diese nicht 
besonders spezifizirt, nut Ausnahme des spanischen Gesetzbuchs, 
welches selbst die Verantwortlichkeit der Mitglieder der könig- 
lichen Familie, welche die Parlaraentsprärogative autasten, regelt 

Besondere Bestimmungen betreffen femer den Schatz des 
Staates gegen Verletzungen durch seine Beamten durch Preis- 
gebnng Ton GebwniniaMii, MitÜieilirag von Flinen ockr dnveli 
HaisfainatioiMii snr Hiaiaitreibung der G^eeetse und kOnigUclMr 
Verfügungen. Da f«mer daa WaUnoht die Onindlage der 
VolksBOUTeiliiitik iat und wai ihm yiele moderne Verfksaangen 

gewiaae Gleeetzgebungen in Belgien, Spanien, 
DentaeliUniid andi die Veigeben gegen die freie Anafibung dea 
Wahlreebia onter die politiaoheD Verbrechen, wlbrend andere, 
wie die iialieniache, aie den Verleta uu gen der individuellen 
Freihtti nreohmen. 

Eine beaondera Stellnng nehmen die Venobwöningen em. 
Das fimnitlfliaobe Geeeta definirt aie ala den, awiaeben swei 
oder mehr Peraonen verabredeten und ge&aaten Entachlnse sq 
handebi; dieae Definition «bennalimen andi die Strafgesetzbfloher 
Belgiens nnd der klein«! italieniaohen Staaten. Die liberaler» 
AnffosBung erklärt sieh gewOhnlicih gegen eine derartige Auf- 
fassung der VeraoihwOmng, wenn sie nioht dnrob materieU» 
Handinngen nach aosBen hervortritt Dagegen haben r!ie meisten 
Gksetse ana PMventivgrfinden besondere Strafen für Yer- 
schwörungen, abgesehen von ausführenden Handlungen, fest- 
gesetzt. So das österreichische, das deutsche und holländisch» 
Stia%eeetsbneh , der englische Entwurf von 1880 und der 
spanische von 1884, während das amerikanische Gesetz die- 
VsTsehwörnng als eine bloss vorbereitende Handlung betraohtel. 



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Das firaniOsisohe, Iwl^iiselie nnd ungariscHe G^«eetz beetrafen 
die blosse VflnchwOnmg milder als die mit dem Beginn der 
Ausführong verbimdsD«. Das neue italienische Gresetz bestraft 
die V^ecaehwOnmg um jswei Grade milder als das Verbrechen, 
auf das sie absielt, ohne Unterschied bezüglich präparatorischer 
Akte. Entsprechend seiner liberaleren Richtnng kennt das 
italienische Gesetz nicht das Vergehen der Auffordening zur 
Verschwörung gegen die Sicherheit des Stantp?', wplebe der 
französische und helg-i^che C^dpx bestrafen, Miihrend andere 
Gesetzp^bnn^Pü diese Handlung nach den allgem»Mnon GruTid- 
Sätzen der Anstiftung behandeln. So das Gesetzbuch des 
deutschen Reiche, des Kanton Teeein und der englische Ent- 
wurf von 1880.» 

Audere, die politjsclie Ordnuüg sturende A'or^'ehen sind 
der Aufruhr, weichen das österreichische (besetz deiinirt nlp 
Veifciuigung mehrerer Personen zum gewalLsamea Widerstand 
gegen eine Behörde, der Aufstand, welcher nach demselben 
Gesetzbuch in dem Beharren hei einer Auflehnung, gleichviel 
aus welcher Ursache, in der Widersetelichkeit gegen die Er- 
maLnuugt'U der Behörde und der Anwendung derart gewalt- 
samer Mittel, dass sie eine ausserordentliche Krait zur Wieder- 
herstellung der Ordnung erfordern, besteht; femer die Bildung 
bewaffneter Scharen Oberhaupt, zum Aufstand gegen die 
Staatsorgane, vrie «e dee itälienisohe Gesetz erwfthnt, und 
aeUieediolk der Bttigerkrieg des fruizOeiaeheD, belgischen und 
MvdlnieolMii Oeeetne. 

Nieht alle Geietigebiingeii betisebten diee letsie Ver- 
breeben ale «n politiedies, oder sie votanebeideD es wenigitena 
TOB der Plfinderäng, dem Maasenmord u. s. w.» wie in Belgien. 
Anoh das neue italienisebe Geeetz liUt den Bfligerkricg za 
den Vefgehen g?gen die Oifontiielie Ordnung; offenbar bertlbieii 
diese Verbiecben in hohem Grade die politiaehe Ordnung; nnd 
wenn ea sweekmBarig ist, die Yeibrepben der Plttndemng und 
Verw«8tang unter die gegen daa Eigenfhnm an stellen, so lange 
rie nicht den Cbaraktcor der Feindliehkdt einer Klasse gegen 



9* 



132 ILThtO. JmiaprodffDS. Prophylaxe des politiMbMi Vwbradieat. 

die andere baben, eo ist» wenn dies der Fall iat» offinibar eine 
strengwe Sanktion eifoiderUdi, weldie den Staat vor diewn 
Attentaten sobntst, die offBnbar in das politisobe Gebiet flber- 
gieifen. Dement^iechtnd behandelt daaanflgeattehnetenngariflehe 
Stm^ eoet abnch vom Jabie 1878 nnter dem YerbieeheE des 
Aufrohn die Znaammemotton; von Peiaonen anm Zwecke 
des bewafheten Angrifis auf einialtte Klassen, NationalitAten 
oder religiöse Korpenbhaften des Steatqgebieti, da, wie die 
sozialen, anob die BeligionsTerbraoben ein politisobes S u b s trat 
haben, insoweit sie einen grossen Bethandtheil der BevOlkenmg 
troffon. 

In Hinsicht auf religiöse Fraget], welche das politiaohe 
Gebiet berühren, nennt das spauische Gesetz anter den Aa> 
griffen auf die Rahe oder die Unabhängigkeit des Staates die 
kirchliche Yerkündigang einer Balle oder eines Breve, das den, 
Staat oder seine Gesetze stören könnte, and bestraft Geistlidie, 
welehe politische Verbrechen begehen oder anstiften, schwerer; 
das wiederholt sich auch in Italien. Der Codex Zanaroblli 
bestraft einen Geistlichen, der öffentlich die EinrichtaDgen 
und Gesetze des Staates herabsetzt oder andere kraft seines 
Amts zar Beschimpfung an£reiat, mit Detention oder einer 
„malta" (Geldstrafe). 

Für die Mitsohold auf diesem Gebiete gelten exzeptionelle 
Bestimmungen; so gilt nach dem österreichischen Strafgesetz- 
buch als Mitschuldiger, wer einem hochverriitherischen Unter- 
nehmen nicht, wenn er kann, Widerstand leistet oder es nicht 
zur Anzeige bringt, falls ihm das möglich ist. Ausserdem 
bewilligen die in tJesterreich, Ungarn, Frankreich und Belgien 
geltenden Gesetze Straflosigkeit für Den, der bei Aufruhr oder 
Verschwörung seine Mitschuldigen angiebt. Der italienische 
Gesetzgeber wollte eine derartige Immoralität nicht durch ein 
angebliches Siaiitümteresse sanktioniren und sicherte Straflosigkeit 
nur Dem zu, der vor Beginn der Ausführung sich von einem 
Komplott lossagt, hei Aufstäudeu kernen Widerstand leistet 
oder als Hanpt eines solchen ihn vor dem Einschreiten der 
Obrigkeit beseitigt. 

12. Strafen. Wir haben von Tomherein den ezoeptionellen 



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Bntai KftpitoL JoiktiMlM Rigm. ^ GMahiofatHekM. 183 



Charakter der auf diesem Grebiete gflltigeD Strafen betont; 
gewöhnlich steht auf daa Attentat gegen daa Staatsoberhanpt 
md die Grewalttbat gegen seine Person Todesstrafe oder eine 
lebenslängliche Strafe, wo jene, wie in Italien, aufgehoben ist, 
oder es sind für weniger schwere Gewaltthaten Strafen be- 
stimmt, die der schwersten am nächsten stehen. So werden 
in Deutschlund Attentate gegen das Leben des Kaisers mit 
dem Tode bestraft und gewaltsam© Angriflfe mit Zuchthaus 
auf Lebenszeit, jedoch mit der Möfirlichkeit der Redu/unmL; auf 
fünf Jahre beim Vorhandensein mildernder Umstände. In 
Oesterreich wird Hochverrath im alli:- rueincn mit dem Tode 
bestruft, und die^*41ie Strafe besieht m Frankreich, Belg^ien, 
England und Spanien; und in Italien werden alle Hnndlnngen 
gegen das Lel en, die Integrität oder die persönliche Freiiieit 
des K.migs luit dem Ergastolo* bestraft. Dasselbe gilt für die 
schwereren Fälle von Vaterlandsverrath, ausser in Frankreich, 
wo die DeportutkDU an Stelle der Todesstrafe tritt. Die Ver- 
fassung der Vereinigten Staaten überlies dem Kongress die 
Strafbemessung bei Hochverrath; aber ein 18li2 erlassenes 
Gesetz überliess die VerhÄngung der Todesstrafe dem Befinden 
des Gerichtshofes, bei einer Hinimalstrafe von 5 Jahren Ge- 
fängniss neben 10,000 Dollar an Geldstrafe; ein Gesetz vom 
Jahre 1861 unterscheidet neben dem HoohTenath noch ein 
schweres Verbrechen (Veiachwiärmig warn ümttais der 
Regierung oder rar Anfirifgeliing zum Kriege swucben den 
Staaten) und ein schweres Vergehen (Anwerhimg von 
Truppen gegen die Unionf nnd setzt für jene die Ältematlye 
▼on Geld- oder Ckfitaignissstrafe, die jedoch ragleich yerhAugt 
werden können, fest' 

Eine derartige Stra&ltematiTe findet sieh auch im italieni- 
schen G^esetz, awiechen Detention und ReUnsion, nm in Eftllen, 
in denen ein nicht unedlee MotiT an Grande liegen klinnie, 
dem fiiehter die Wflrdignng an ttberlassen. 

' Lehen?1ängiicber schwerer Kerker mit Isolirang in den ersten 
sieben Jahren. (Aum. d. Uebersetzers.) 

" Vgl. BtJmifiinr, Dm nordsaiarikaaiMhe Bttadenttitiredit 
ZBoMk, 1872. 



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134 XL TlieiL Jorapradeiu. Prophjkuw de« politiMhen Verbrecliani. 

Ein Beispiel s])ezLelier Beatrafung giebt Belgien, wo rem 
politi-jclie üeLei treiuugen mit Haft bestraft werden, und Frank- 
reich, wi) der Code Napoleon die GeflÜurdiing des Landes durch 
Herbeiführung einer drohenden Kriegserkläning mit Verban« 
nuug bestraft; wie oben erwähnt, ist hier auch die Deporiaüon 
die Strafe für Gkfllhrdung der äusseren stiiutlichen Sicherheit- 

Tm übrigen siud die gew ohnliclisteu Straten tar die gerin- 
göieii iiolitischen Verbrecheu: Zuchthaus, Festungshaft, Ge- 
fängüiss (Deutschland), schwerer Kerker und Zwangsarbeit 
(Oesterreich), Zwangsarbeit and Detention (Frankreich), lebens- 
längliche Ankettung, Ausweisung, Znohthaos und G^ikngmss 
(Spanien); Teisohiectoiw Strafgesetibfloher, danmtw du ite- 
lienisohe, bestimnMn fiftr gowlaso Ytigehen Dtbfin GeMstiafe 
anoh die Unfidu^it zat Bekleidiuig OffantUoliBr Aemtor. 

Die Docih im aaidiniwÜMii Gonott To iymdh ePi, gaos mittel- 
alterlidh« QttteEkoufiakation wofd» ans dem modernen itelieiii> 
sehen Strafieeht an^gement nnd ist in Kordamenka ver- 
frssungsmässig ausgesoUossen; in DentseUaad ist fftr die Dauer 
des Pioae§sss bei EftUen ron Koaigsmoid, Attentat nnd Ver- 
sohwOrang die G1lte^Seqnestntion snllssig. 

Bei bewaffiieten Anfettodep nntendheidet man gewdhnlidi 
die einen Fühier- oder Beamten-Posten in demselben beklei- 
denden Theüaehmer Ton den gewOhnliohen Anbftagen nnd 
denen, die nnr Beihlll£B leisten; dementapieoliend werden beim 
Aufruhr die Urheber schwerer beetrsft, als die Ifitsehnldigen. 

BesOglieh der Kompetenz ttberwiegt im allgemeinen die 
Tendenz zur exoeptionellen BehancUnng; die Idee, weniger 
schwere Verbrechen durch das Geschworenengericht Vertretern 
des Volkes zu überweisen, drang fast in ganz Europa, selbst in 
Russland, durch, wo durch ein Gesetz vom Jahre 1874 neben 
der Kompetenz der Appellhüfe und des höchsten Genohtshofes 
auch die der Vertreter der Bevölkerungsklassen gersgelt wurde. 
Nach der Freisprechung der Wjera Sabsvlitsoh wnrde jedoeh 
die Reohtspreohung aber Verbrechen gegen die Verwaltungs- 
Ordnung nnd gegen die Beamten den Apellhö&n übertragen. 

Fälle von Hoohverrath dag^en, die eine besonders hohe 
politische Bedentang haben, werden gewOhnlioh dem höchsten 



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Entes Kapitel. Jumtiache Fragen. — üeackichtiiches. 135 



liobterliehfin KoU^nm oder dan dmkten mp. indiiiktoa 
Vertretom des Yolkee ttberwteeen. So woideD eie in Nord- 
Amenka dem Boadeegerieht, in I^mkreieh und Italien der 
Kompeftens dei Senates überwiesen, ebenso wie die Veigeben 
der Ministttr. 

Gewisse Umstände, in denen sieb die einer Bebellion gegen- 
llbentebende Re^ening befinden kann, antoriairen sie naeb 
mebieran S t m ^ es otsbOebem inr Einsstiong anssenndentlieber 
Geriobtof wie der Standgeriebte in Ossteneieb, nnd aar Kti^ 
aett aar fiinsetsnng Ton Kriegsgetiebten, wie in Italien und 
anderwärts. 

18. Auslieferung. — Die Auslieferong grflndet siob 
ibram Umprange naeb auf das Verlangen der HensobeTp die 

Thronprätendenten oder BebeUen beseitigen wollten; so existirt 
die Tradition von einem 1174 zwischen Heinrich III. von 
England und Wilbxlm von Schottland abgeaebloesenen Ver- 
tmge, kraft dessen nach Schottland geflüchtete, wegen Felonie 

verfolgte Engländer ohne weiteres festgenommen und von 
schottischen Richtern abgeartheilt oder englisoben Bidbtem 
Überliefert werden sollten, and umgekehrt. 

Spftter kam man in dem im Mai des Jahres 1303 ge> 
aohlossenen Pariser Vertrag zwischen England und Frankreiob 
dahin überein, dass keiner von den beiden Souveränen einem 
Feinde des Anderen Schutz angedeihen lassen würde. 

Im Jahre 1413 verlangte Karl VI. vom König von 
Englfuui, ihm den Anstifter der Pariser Unruhen zur Bestrafung 
auszuliefern. 

Tn dem 1497 zwischen Bjsiniuch VII. von England und 
ilanderu abgeschlossenen Vertrage, im intercursua mag-mis, 
oder wio ihn Baco nannte, malus, verpflichteten sich die heideu 
Parteien, Kebelleu des anderen Staates nicht im Lande zu 
dulden. In dem Vertrage vom 23. Februar 1663 erklarte sich 
Dänemark bereit auf Ersuchen Karls II. von England die an 
der Hinrichtung seines Vaters betheiligten Personen festzu- 
nehmen. In demselben Jahrhundert lieferten die hollimdischen 
Generalstaaten, ohne durch einen formellen Vertrag' gebunden 
zu sein, mehrere politische Verbrecher uu England aus und 



136 n. ThtSL Joriipradais.. Froplqpltte äm polititdiMii VerbnbiMiis. 



TerpBiohteteii neh. durah Vwfanig Tom 14. September 1662 mr 
Yerbaltiiog gewiaer, in die Anmestiebill nioht einbegriiiener 
Fenonen, wie funer aller von ibrer Begienug leUamirten 
Bnglaader. So entredkte neb die AvalielNning atlmilüieh 
avob auf in politiaoben Angel^geobeiton begangene gemeine 
Yerhreclien nnd auf StaatiTerbredien; im 18. Jalurbnndert 
wann diese anadrfloklieb in dem swisoben Frankrtiob und der 
Eidgenonenaobaft gaeohlaeBenen Veffarage (28. Mai 1777) inbe- 
griffen, da dieser die Fertoabme der StaatSTerbreoher nnd 
Höider aus dem anderen Lande oadi dem Prinzip der 
Gegenseitigkeit festsetzte. Ein AllianzTertrag vom 19. Angust 
1798 bestimmte die AosUefenuig von Individuen, die dnroh 
Bii^torspnich wegen Verschwörang gegen die innere nnd 
ftussere Sioherbeit des Staates für schuldig erklärt waren, und 
diese Bestimmung Miirde in den Verträgen vom 17. September 
1808 and 28. Jali 1Ö28 wiederholt Uuter ähnlichen Ver- 
kägen nennen wir die Konvention von 1738 zwischen Däne- 
mark und Schweden und den Friedensvertrag von 1809 zwischen 
denselben Mächten, in welchem die Ausliefemng der beider- 
seitigen Untertbanen bei politischen Verbrechen stipulirt wurde, 
die sich zugleich auf des Hochverrathes und der Majestüts- 
beleidlgung bloss Verdächtige erstreckte. Ebenso rigoros gegen- 
über den polltischen Verbrechern waren die von Oesterreich 
geschlossenen AuslieferungsvertrM«'e mit dfm Grossherzogtbum 
Parma (Juli 1818), mit d*'in Konijriei< Ii Xcapol (Dezember 
l'S4r)), mit Toskana (At)gust ma Sardmieu (Juni 1838), 

die Konveiitiuu der Scliw eiz mit dem ürossherzogthum Baden, 
(August 1888 und November 1820) nnd mit Oesterreich {Juli 
1828), die Konvention zwischen S])aüiea und Portugal ^Mar/i 
1823) und schliesslich der Vertrag zwischen Preussen und 
Russland (Marz 1830), der im August 1857 erneuert wurde. 

Aber schon um die Mitte unseres Jalu liunderts erscheinen 
Ausnahmebestimmuugen zu Gunsten der j)olitischen Verbrechen. 
Die erste Ausnahmebestimmung findet sich in einer zwischen 
Frankreioh nnd dem Schweizer Bundesdirektorium gewechselten 
Erklirung vom 80. September 1833. Trotzdem verabredeten 
Ftaaaaen, Oesterreich nnd RnBeland gegenüber der polniaohen 



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. Sntet Kapiftel. Jnriatateh« Atg«ii« OncbiohtlidiM. 137 



Revolution noch im Januar 1834 im gemeinsamen Interes^ie 
die Auslieferung' politischer Verbrecher. Die Konföderations- 
akte der Vereini<rten Staaten verjiäicht^ten (Art. 4, Sektion 2) 
dw Staaten unteremauder zur Auslieferung in Fftlien von 
jjtreason, felony aud any other crime." 

Datrc't'en bestimmt dio Sdiss in/ei- Verfassung von 1848 und 
die von löö4, dass die Ausiieterung bei politischen und Press- 
verbrechen nicht obligatorisch sein dürfte.^ 

Gewisse monarchische Regierungen haben den Versuch 
gemacht, d.a& heute allgemein zugelas.sene Prinzip der Nicht- 
auslieferung politischer Verbrecher stellenweise einzuschränken. 
So will das belgische Gesetz vom 22. Marz 18oü das 
Attentat gegen ein auswärtiges Staatsoberhaupt an dieser 
Ausnahme nicht theilnehmen lassen, wenn das Attentat den 
Thatbestand des Todtschlags, des Mordes oder Giftmordes ein- 
BohlieflBt. Dieaer, durch ihre Breite fehlerhaften Bestimmung 
winde das holbndiMiLe Geaets Tom 1875 saheiitiiirt» welobee 
an der Spitae des VerattdhiusseB der die Anslieferiuig bedin- 
genden Terbre^en das Attentat gegen das Leben eines 
SouTeritaiB and eines Mitgliedes seiner Familie oder des Prtsi* 
denten einer Bepnblik setite; man Uess also in den einaelnen 
Fallen die Frage nach der pelitisehen Katar eines Ver- 
breohens oäen. 

England mit seinen libwalen Traditionen bestimmte im 
Gesetse vom Angost 1870 die Verweigefong der Anslieferang 
bei Yertifechien Ton politischem Charakter and Terweigerte 
sie femer» wenn der Sdraldige beweisen konnte, dass man be- 
absichtige, ihn, nnterdem Vorwand eines gemeinen Verbreohfliiis, 
wegen eines politasohen Verbrediens sn prosesairen oder an 
bestrafen. 

Ebenso bestimmt das Ton DuvauRB eingebrachte und vom 
Senat am 4. Apiü 1879 angenommene Gesetz, dass die Aus- 
lieferung Terweigert werden mtisste, wenn Verbrechen oder 
Vergehen einen politischen Charakter hätten (Art 3.) 



■ A TaMBMunr, Le» dOiH pdKÜqiie». — LeHffieiae tt VixtradUkm. 
JBmn« de droit iniematiomiL 



138 IL Theil. Jumprudeas, Prophylaxe de« politwdMu Verbreoh^iia. 

Diese Anschaunngr beherrscht auch fast alle neueren inter- 
nationalen Verträge, die ausser der ausführlichen Aufzählung 
alier, die Auflieferung bediui^endeu, gemeiuen \'erbrecLieii auch 
noch den ausdrücklichfiteu Auääckiuss der politischen Yerbreoliea 
für nöthig erachten. 

Dm g«sohah in lialien in den Verträgen mit Monaeo nnd 
Sehwed^a-Korwegen (1866), mit den Vamnigton Staatu (1868), 
mit Spanien, der Sohweis, Oe8taReioh.>Ü9gam und den Nieder* 
Innden (1869), mit Frankxeieh (1870, mit Bneelaiid und DentBoh- 
lend (1871), mit England (1873), mit GrieehenlMid (1877) und 
in Yertrigen mit kleineren Miehten«* 



Zweites Kapitel. 

Jyristl80lMr Thml (ForteetJtnng). — Strafüi. 

1. Jnriatisohe G-rnndlage des politischen Ver* 
breoliene. — Die vorausgehende kurze historische Studie hat 
die TOn den politischen Verbrechen durchlaufene Entwicklung 
daigestellt. Nachdem die Beohte des Familienvaters auf das 
Stammoberhaupt übergegangen waren, genoss dieser als Entgelt 
ftr den der Gemeinsobaft gewährten Schutz eine Achtung und 
ünTerletzlichkeit, deren geringste Antaatong ein Verbrechen 
ausmachte. Mit dem Waohsthum des Stammee wird die AntoritAt 
des Oberhauptes erblich, und ihr Ursprung verliert sich in 
religiösen Mythen, wodurch das Recht des Herrschers über die 
Untertbanen immer unbeschränkter wird und jedes Attentat 
fiuf ihn nl? ein An^^riff auf Gott ttod Staat ab Sakhi^ die 
strengsten Stiafen findet. 

Die Biüthe der griechischea Kultur liringl eine andere 
Auffassung zur Geltang. Die alten orientalischen Monarchien 



Vgl. Atti deUrt commissinne ministerinlf prr tm progttio (K tßgft 
ntUa atraditione, t^Utitita dal MUmbru Manäni. ßomi^ 1^86. 



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Zirait« KapittL Jumtinhar TImO. 



~ SlnfiNk 



189 



brechen ihre Kraft an den frisch aufstrebenden Stuten mit 
ihrem republikanischen Leben, das die bedeutende Vorsts II in- ;^ 
von der Allgewalt des Staates herromifti ah dem höchsten 
Ziel der GeseliBohaft. 

Freilieh wird diese Allmacht des Staates schnell zur Ueber- 
macht, wie Blüntschli bemerkt, und jede Auflehnuno' u'e:^^» n 
den Staat, gegen seine Heli'.'-ioii, selbst gegen soinen Abcr- 
glnuben gilt als schwerstes \ erbreoheu und findet die liartestea 
StralVn. 

SoKüATEs bezahlte seine von den damaligen griechischen 
abweichende Auffassung der Ethik mit dem Leben, nnd fast 
wäre nicht nur er, sondern auch Alkihiades, Pbütagoeas, 
Theodobus der Atheist, Sth.po, Aristobül, Theophbast, 
EuRiPiDES ebenso schwer getroüeu worden.^ Verstösse, wenn 
auch noch so kindischer Art, gegen die Religion der Mysterien 
wurden als Staatsverbrechen mit dem Tode bestraft, und so 
erging es bei den Hebräern Christas. Rom erbt diese Begriffe 
TOD Chneohenland und maoht sie, so lange es frei ist, zac 
Qnmdlage adnflr Politik; mitar dam Kaiaarraiali tritt dar Cüaar 
an Stalla dea Staataa, und die Torlatata majestaa daa lOniiohan 
VolkflB vird aar kaiaerli^fiaD Hajaatit, die saletatk wann aa den 
daaren und ihren Naahfolgem gefiült, aiah anah dnnih ga- 
wObnliefaa Verhieohen beleidigt Dtthlt. 

Wie Bbnav bemeikt, hatte dar lOmiaahe Abaolntiamna 
wie der orientaUaohe Despotiamna (ÄimA und die Ptolemlar) 
wanigrtene den YorÜieil, daaa er die Freiheit daa leligiflean 
Lebena, die nntar dar Bepnblik nnterdrOokt war, baeaer aehfitate. 
Gkgen die Freiheit dea Gedaakana wurde kein Gkeeta erlBaaen» 
nnd liücux, aowie Flotin lebten nnbehelligk 

Bai den einbieehenden Baibaren iat die SteUnng daa 
Bbnptiinga nooh patriarehaHaoh, wie in dar prinutiTan Oaeall* 
schalt, nnd aur Eriegaseit übt er nnter seinen LagarrOlkem 
daa etnngate Beoht ans. 

Unter dem Kontakt mit der lOmiaahan OifüiflBtion mildert 



' Diooms IiABaTirs, n, V,5— 6» IX, 68. — AvhbuIus, HXL 98.— 
Ummm, Im ^pUnB, p. 887. 



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140 ^- Theil. JurispruUeaz. Prophylaxe des politUehen Verbrechens. 

mak diwe Strenge, und wihrand JuBtnUN im Orient die 
Velleittten der laeea majestae qvalifisir^ nehmen die neuen 
Hemoher des Westens sie in ihre Gesetie auf, wie spAter die 
Pftpste damit die Traditionen des gttttUohen Beohtee sttttsten. 
Wftbiend der liberalismos Athens nnd der fOnusohen Bepnblik 
in den italimisehen 8tAdten wieder auflebt nnd troti der 
Parteiawiste die Staatsgewalt in ihren Oeseteen die eivte Stelle 
hat, adoptirten die anf den Trttmniem des Fendalismos ent- 
stehenden Honarohien die Lehie vom göttlichen Reeht nnd 
machten es mit der stillschweigenden oder ansdrflckliehen Zn- 
stimmnng Borns snm Werkxeng der WillkUr nnd der Unter« 
drAetkong. 

Anoh hent sind diese Tiaditionen nicht verschwunden, 
trotz der Atmosphäre liberaler Reformen, die den Sohriften 
mftchtiger Denker und der Ehitwicklimg der Ideen entströmt, 
nnterliegt die antike kesa majestas, wie wir gesehen haben, 
nicht nur der modernsten Uesetzgebung, sondern sie hat anch 
noch ihre Wurzeln in der öffentlichen Meinung; wer den 
Souverän anrührt, erscheint den Meisten nicht als ein Ver- 
brecher wie Andere; wehe Dem, der eine Prüfung seiner oft 
nichts weniger als unedlen Motive fosdert und ihn nicht mit 
dem Hass überschüttet, wie er einst das Sakrileg traf nnd 
dafür den Tod oder eine noch grausamere Qual forderte. 

Man kann freilich nicht leugnen, dass wenigstens auf 
juristischem Oebiete die Auffassung des politischen Verbrechens 
etnp vnll'^tandige Umwaudluui? erfahren hat, entepr^^chend der 
v»M-;LiKlerleu ÄufFasf?nng dos Staates und j^r-iTirr A'(M |)jlu'}itr,n[r''n 
gegen den Bürger. In der That absorbirt der Staat das niitnuiaie 
Leben nicht mehr ganz, sondern existirt, soweit die Bürger in 
ihm den Sehnt?! ihrer Rechte tinden, und ausserhalb der in 
der Regierung verkörperten Zentml'jowalt regt sich das Lüben 
der Gemeinde , und das Haus strebt immer mehr nach 
Autonomie. Der Blick auf so viele rmwaaillungen in der 
Geschichte der J^«ationen, auf die vielen langen ünabhängig- 
keitskämpfe der Völker, auf die allmähliche Lockerung der 
Fesseln religiösen Vorurtheils haben im modenien Gedanken zu 
einer Loslösung des Staatsbegriifs vuu dem der Kegierangsfurm 



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Z««itM K»iiiteL Jiuiiti«ober Tbeü. 



— Strmf«n. 



141 



geführt, die wie alles menschliche Ge^cheben sich dem 
Gesetz der VeräDderung und Vollendungafähigkeit unterworfen 
gezeigt hat. Deswegen sieht man nicht mehr in einem poli- 
tischen Verbrechen jedt sumi einen Angriff gegen den Bestand 
der Gesellschait, inau unterscheidet Angriffe geu'fu Dasjenige, 
was dauemd der Nation ungeburt. wa^s diis Ileaultat physischer, 
ethnischer und historischer l'rsachen ist und die Einheit und 
Unabhängigkeit des Staates ausmacht. Man unterscheidet von 
solchen Attentaten Angriffe gegen die Form der Regierung, 
die der flxistenz des Staates salioidinui ist 

Aus der Yerttuderliehkeit und Besaerungsf^gkeit dw 
Ywfiissung folgt aber nook oiolit, daas ein gewaltsamw Vemioh 
#iiMt Mwm— ^ eine angeblieh beasera Begienmgsfoim durobsa- 
aetmi, iinflo« bleiben mftaBto. 

Sehon bei der CTntennuibiug dee politiadhen VerbreobenB 
im Sinne der Anthropologie het es gezeigt, deas die ge- 
watttibitige Oppoeitien gegen einen Ton der nonnalenreiae 
nieoneiatiadhen Majorittt feelgebalteoen poUtiaoliea Ofganiamna 
nnnatOzlifili iat, nnd daa Bind aneb alle jene plotalidien ond 
knradanamden Erfegangen, welehe die Bevolten danteUen« 
an denen aieh wenige Pbaataatan oder anomale Kopfe be* 
theiligeny oder nvr eine einaige YolkaMhiobt; aie mdgen beraeh- 
%ie Beatrebuigen aom Anadmok bringen, aber aie entapieeben 
dem Medinm aieht, daa aie eiabhttttam wollen. 

Hier veiknflpfen aiob Natur nnd Beeht in einem Qeaeta, 
und wie der Angriff aaf den politieohen IGaoneiamna der ][abr> 
heit die Natur rerletzt, so rerietii der gewaltsame Voratoaa 
anf den Willen der Majorität, den von ihr geaehaffenen poU- 
tiaoiliRi Oigaoismus zu erhalten, das Recht. 

Dagegen beateht kein GegenaaAa awiaeben dem natOrhebeiL 
Qeeeta nnd den großartigen, langaamen Umwälzungen, an denen 
ein ganxaa Volk theilnimmt, in denen gesunde politiaohe Neue* 
rangen negen und die der Jurisprudenz den Weg zu einem 
neuen Rechte bahnen, daa jede sie fördernde Handlung, ao 
Bohnldig sie auch anfangs scheinen mag, legitimirt. 

Bei alledem reprttsentirt die Revolution einen Thatbestand, 
keinen Eeobtabeatand. und konatatirte aie letstoren, ao wttie 



142 n* Thial. Jnriipniidtiu. Flrapbylai» des politiicliMi Yeilveöhnt. 

ieine Anwmdimg inuiMr willkfiriieh; ww ibr jnriftiseli Indmi« 
nitlt T«rleikt, itt die vofladerte AnlEumiiig dw Vajorittft; die 
dieee flieh aber ftr sie euqgeepzpQlieii liati verleM» wer die 
Regientogsform sa ttadeni Yeranoht» die freie VfM denelbeiL 
dnzeh die Hehrheit und nmaa einer Strmfie entgegenaBhen. 

»Jedes hemohende polituohe Syetom,* aohreibt ObiolahS 
gjede hemoheiide Macht erhebt den Ansprudh enf Le^timitttt 
und streit entspieohend; des positiTe Stra^eeets ezistirt, die 
Formel kann nnyecftndert bleiben, und dieselbe Formel kann 
Zug nm Zug der eben gestürzten Regienmg und ihrer sieg- 
reioben Nachfolgerin dienen.** Die kriminelle Natur der That 
muss man immer anerkennen, so lange man in der Sphäre des 
abstrakten Baisomiements nnd der ahsolnten Qeredhttgkeit 
sieh hält. 

Unter den Aber die politischen Verbrechen verbreiteten 

Vornrtheilen findet man die AnsohanuDg, als hätten sie gar 

keine Berührung mit gemeinen Verbrechen, sondern verdankten 
ihre Anerkennnnp; nur der Willkür der Regierungen, oder der 
augenblicklichen Opportunität; in der That hat es einen 
ürsprnnL'" mit dem gemeinen Verbrechen, dü? fler Verletzung 
des Keclitr;- der Einzelnen auf die Integrit ät der Person und 
des Eigeiithunis entapnnp't xnid orst eine individuelle Reaktion., 
dann die der Familie, des SMinme-^ nnd dor zum Schntz der 
individuellen Rechte zusammengetretenen Ge.seilschaft hervor- 
rief, während das politische V' erbrechen die Reaktion derselben 
Gemeinschaften hervorrief gegen einen Angriff auf ihre Sicher- 
heit oder die Unversehrtheit des Oberhauptes. 

Wir trennen uus an diesem Punkte von GIarofalo, der 
ein natürliches politisches Verbrechen annimmt in der Ver- 
letzung des Pietätsgefühles, dessen Gegenstand das Leben des 
Souveräns und der Würdenträger des Staates ist. Und daneben 
ein konventionelles, das nur das patriotische Gefühl verletzt, 
weim das Verbreehen s. B. die Sieherheit des Staates angreift.* 



' Eianenta de droit pinal — Paris 1875. 

• S. CrimimlogMf Tonuo, Bocca Lc deiit naturel i^JRevue 

jfhibaophique, Juivier 1887) — Crimimloffie, Ptzis 1889. 



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Zweites KApiteL Juriititoher TlieiL — Strafen. 143 

Für uns Evolntionisten eDtapringt der von der Majorität 
gewollte politische Organismus dem Instinkt der Soziabilität, 
welcher die Quelle der Hechte und Pflichten für die in Ge- 
meinschaft lebenden Individuen ist. 

80 lange nun von Seiten der Einzelnen die ^loth wendigkeit 
anerkannt ist, zum Schutz gemeinsamer Interessen auf einen 
Theil der eigenen Rechte zu verzichten, um sie einer ordnen- 
den Antoritftt su übertragen, wird jede Handlimg im «n%eg«i- 
gesetston SsBM immer ein VwbiedwB Min. 

FrtOiok miiM \m dmr Zmohniiiig diMer Yetbreohsii T<m 
jener angeUidMii DüMiliobni GbmUUag« AlMtad genommsii 
wwdeiii auf Ghimd dmen der KomgOBOid s. B. Iftr ein 8ehwe> 
rens Yerfaraohen gdton loll, als der Mord an rieh, nur iaeo* 
weit der KOnig eine der Jlajorittt geaebme poUtisehe Idee 
zepiisentirfc. Umgekekrt iet die Beteitigaog des Kflniga nieht 
nur ein gewfthnliehwi Terbredhen, iondeni kann anok mnen 
weniger ematen Charakter haben, wenn sie dem allgemeinen 
Wnnsehe entsprieht, wie ea bei Kabl f. nnd vielleieht bei 
LuDWi« XVL der Fall war. Fflr nns liegt also der QvmA 
fbr die Anieohnnng des politiMdien Verbreohens in dem Beehte 
der Mehrheit anf Bzhattang ^r Tim ihr gatgeheiaaenen politi- 
aehen Qigattisatioo; das Verbreehen besteht gerade in der Ver- 
letzung dieses Rechtes. Man kann aneh nicht sagen, dass dieses 
Beaht der Mehrheit willkürlich wäre, weil häufig die Minori- 
täten gegenüber der misoneistisohen Masse das Gute und Rechte 
▼ertreten; ist dies der Fall, so werden ihre politischen Ziele 
allmählich die Mehrheit für sich gewinnen ; die Thatsache aber, 
dasB sie sie noch nicht erlangt haben, zeigt, dass die Ideen 
noch nicht reif sind; wie in der Natur kein sprungweiser 
Fortschritt vorkommt, so entwickelt sich das, was Comte das 
dynamische Gesetz nennt, im politischen Leben langsam und 
duldet keine Erschütterungen. "Wer die Naturgesetze nur um 
eine Linie überachreiten will, ist zum Untergang venirtheilt, 
und wer zu schnelle nnd unzeitgemässe «n/inlp Fortschritte 
herlieiführen will, Den tntit die in ihrer natürlichen Neigung 
£mn Beharren verletzte Gesellschaft. (S. p. 11 ff.) 

Das Gesetz der Mehrheit ist also im Grande ein Natar* 



144 n.Tli0fl. Jnriaprndaiit. Piropl^t«dMpoliliio1mTflibredMiit. 

geieti, auf ilim bttirt der Stiai, iat nur dm cioiBlttluigen 
Willon dtr BOigvr daittollt» di« indirekt alle an der Eegienmg 
iheibebmeii. 

Wenn dieee Mehrheit an&ngs EOreten und Ibgnaten ^ 
untertiiaD war und sidi der militlriadien Machi der Monaiühien 
hengte, erhob sie wieder ihr Haupt, sobald sie sich kräftig 
genng aar SeLbetregierimg fühlte, and nach hundertjährigen 
Kttnipfen um die politische Macht triumphirte sie dadurch, 
dass sie dem Tolksthümliohen Element den entsprechenden 
Antheil an der R^gierang sicherte. Sobald dies Beeht ge* 
eiohert war, mneeto eeine Ansübung geordnet werden; die 
groeeen Volksmaeeen konnten nicht direkt an öffentlichen 
Angelegenheiten theilnehmen, und nun eieann man » unter 
Festhalten der Grundlage, die aus den grossen sozialen Um- 
wälzungen des letzten Jahrhunderts hervorgegangen und die 
eine ihrer grössteu Errnngenschaften war, der Volkssouverünität, 
— Meohnnismen, durch welche die Leitung des Staate? den 
Fähigsten gesichert wurde. So entstanden die Konstitutionen, 
durch welche das Volk seinen Abgeordneten die Vertretung 
fast aller eigenen Macht anvertraute neben den Plelusciten. 
dem uUgetneiiieii Stimmrecht, dem Referondura, neben dem 
Petition.s recht, den W ahlen erster und zvveiter Ordnung u, 8- w. 

Heute kann sich die Ilegierung die Schöpfung der Mehr- 
heit der Begabten oder der gesetzmässig dafür geltenden 
nennen, und so lange sie die Mehrheit bleibt, ist die einzige, 
legal zulässige Prüsuniption die, dass die Mehrzahl sie gewollt 
hat: daher alle Maassregeln, welche die politische Or^^aiii>ation 
als Ausdrui:k deä Majoritütsvvi Ileus sanktioniren, biö anthropo- 
logische, physische und soziale Faktoren langsam und schonend 
der öffentlichen Meinung eine andere Richtung gehen und für 
die Anhänger neuer politischer Formen das numeriaohe und 
mozaliiohe Uebergewioht aohaffon. 

2. Wesentliohe Elemente des Verbreohene. — 
Nioht jeder Akt der Oppoeitkm gegen einen gegebenen Zu* 
atand konstitiurt ein politteohes Veibreohen; irie bei allen 
Verbreoiien kann anoh hier nur die ftneeere, cur Aneftbrang 
eebieiteDde Handlung for etraf bar gelten, welehe die Elemente 



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SMtM K^BteL JoriitiMlMr TbaSL — 



145 



des Willens und mgleioh die der Gewalt oder des Betruges 

in sich schliesst. 

Der Vorsatz ist erforderlich, weil eine äussere Handlung, 
die nicht von dpr Absicht, die politische Organisation anzu- 
greifen, begleitet wäre, den speziell politischen Charakter ver- 
lieren würde, um in die Klasse der gewöhnlioheii Siraf- 
bandlungpn einzutreten. 

Ferner muss eiiio solche ausübende Handlung gewaltthätig 
oder dolus sein, wodurch die Strafl^nrkeit aller Manifestationen 
ausgeschlossen ist, die sich auf theoretischem Gf lnet lialt< a 
und sich auf reine Propaganda der Ideen beschränken, die 
das herrschende System bekämpfen. Gewalt ist z. B. eine 
Beschimpfung, die sich gegen Beamte des Staates wendet, und 
als solche ist sie strafbar, aber alle diejenigen Reden und 
Schriften, welche die Form oder die Führung der Regierung 
kritisiren, die Privilegien dieser oder jener politischen Macht 
untersuchen und bekämpfen, können nicht als politische Ver- 
brechen gelten. Gewisse andere Handlangen, die der be- 
stehenden politischen Form enl^gentreten, können nicht ab 
eiralbar hetraohtet wevden, sie nuushen den Widerstand ans, 
den Orlaitdo^ legal nennt» weil er tidi auf TM&ssnngsnifiBsigem 
Boden bewegt, und der legitim ist, sobald die Bürger, die ihn 
ansflben, irgend einen Anfheil an der Regierung haben. 
Bhvmmu, der den Gehonam für das normale Beehtsrer- 
htltnisB dem Staat gegenflber erkliit, gebt noch weiter und 
giebt an, dass, wo die Begiemng nieht die Brlangong ihres 
«igenfliohen Reehtsiweckes anstrebt, der Widerstand ein Ezoep- 
tionsreebt wird, nnter der Vomnssetming jedoch, dass die 
Bechtswidrigkeit maniftst ist, dass sie natürliche nnd konstita« 
tionelle Beohte verletst, die kern legales Sehntsmittel finden, 
wohWerstanden nnter der Yoranssstenng, dass der Wideistand 
naeh Enreiehnng seines Zieles anfhOren muas, nm dem alten 
Bsspekt gegen die Terfittsongsmlssige Ordnung Plats sn 
nadien.* 



« 2kBa MriMem» polUif» üMtiämU € eoOMiM. — Twin, 188B. 
* BLumsoau, Ldue Tom modnmea Staat, H. 19. 
LOMBMMk. MHUiolMr YarbnolMr. n. 10 



146 ILThiiL Jwiipffiidco*. Rwgli^i» dat p oH tiaeh t P ▼«breolieaiL 



Pbssina schreibt: „Wenn die politischen Elnrichtongen 
eines Volkes 4ie Fniheit sichern und mit ihr das Recht dir 
Meinangsänawrai^ und Propaganda, so mnas der Kampf um 
das Eeoht zwttfellos ansgefochten werden, aber nur in der 
friedlichen Form der freien Diskussion and Verbreitung der 
Ideen. Das Ziel politischer und sozialer Reformen reditfertigt 
nicht die Anwendung jedes beliebigen Mitteb, und wer Grewalt- 
thaten gegen die Grundeinrichtungen des Staates yerübt, 
macht sieb einer That schuldig, die recht eigentlich ein Ver- 
brechen ist, da er jiicht das Recht hat, durch seine Gewaltthat 
NeuerungeTi aufzitdrangen, wolche dio Mehrheit der Nation für 
df*n giinstigen i^'^rtgaug dos üflenthchen XisbeiiB Weder aU 
nothwendig noch als nützlich erachtet."^ 

Diesen Gedanken fasst TissOT in folgender Weise: „Jede 
flacdlung, die so beschaflFen ist, dass sie in rechtswidriger 
Weise die Ordnung stört, einen Zustand von Leiden und 
Schwäche schafft, ist eine juiistisoh absolut strafbare Handlung.* 

3. Objekt des Verbrechens. Wenn nun die Ver- 
letzung des politischen Willens der r'^Iohrheit ent\\eder gewalt- 
thätig oder dolos oder vorsätzlich sein muss, bleibt es noch 
übrig, ihr Objekt zu bestimmen und sie dadurch eingehender 
zu charaktensiren, da die bisher festgestellten Elemente, so noth- 
wendig sie auch für die juristische Existenz derselben sein 
mögen, ihr mit anderen Verbrechen gemein^im sind. Wir haben 
im allgemeinen gezeigt, dass der Gegenstand des politischen 
Verl rec heiis die der Majorität {genehme politische Organisation 
ist. xSun umfcLsst jede politische Organisation nothwendiger- 
weise ein Territorium, eine sich darin entv. iekelnde Regiemngs- 
form und Personen, die sie verkörpern und handhaben. Daraus 
foJgt eine doppelte Reihe von Schädigungen der politischen 
Organisation; auf der einen Seite die der Integrität des Staats- 
gebietes» d. h. alle gewaltsamen Handlungen, welche auf Ver- 
kleinenmg oder Aenderung der Ghrenzen, auf Auslieferung von 
GeMetotbeileii an einen feindlichen Staat absieleii oder den. 



> Ekmmti di dintto pcnak, Bd. UI, 1885. 

* Tmor. ImrodueCwii phüosqphique etc., livre 4, cap. V. — Paris 1674. 



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Zw«ilM XftpitdL JariiMnr TlwiL — StiaftB. 147 



Staat Kriegen aussetzen, die aeine UnaUitogigkttt odar 
Sicherheit gefiLhrden, nnd die man unter den flogemiiiiiteii Ver- 
brechen gflgsn dM VatorlMMl zusammenfaast 

Diesen gegenüber stehen die Angriffe auf die bestehende 

politische Ordnung ; sie umfassen Gewaltakte «regen die Regie- 
rungsform, rlie Versuche zur Hinderung der Austlbung von 
Rechten und Ftiichten der verschiedenen Resorts des Staates 
oder Angriffe gegen die Personen r!pr Regierung, der^pn Beseitigung 
oder Verletzung- einen bestimmten ujaterieHen oder morulisohen 
Schaden für den Staat involvirt und deren Ansehen daher 
geschützt werden muss; dies sind die Verbrechen siegen die 
Gewalten des Staates. Ferner bestehen heute nuter den Kultur- 
staaten Beziehungen, die sie veqiflirliten, emen fre^^enseitif^en 
Schatz über die Sicherheit der Herrscher und Regierungs- 
häupter auszuüben, die sich auf dem Gebietti eines anderen 
Staates befinden. Schlidäslick giebt pb indirekte politische Ver- 
gehen, welche die Bürger in der AusubuDg der Volkssouveränität, 
wo diese die (irundlage des Staates ist, beschränken wollen; dies 
sind die sogenannten Wahlvergehen. Ferner kommen speziell 
erschwerende Umstände in Betracht. Das Zusammenwirken 
mehr als eines Willens zur Erreichung emes der angedeuteten 
Ziele (Verschwörung) und der Angnü zahlreicher Personen 
mit den Waffen in der Hand, auf den politischen Besitzstand 
der Bürger (Aufstand, Aufruhr). 

4. Soziale und religiöse Verbrechen. Es ist ferner- 
hin fraglich, ob die sogenannten ionalen nnd religifieen Ter* 
hreehen den politisohen snsoreohnen sind. Nachdem wir die 
enge Beeiebtiiig der Bevolntion nnd Anfttftnde mit wirtfasehftfk- 
liehen Fragen kennen gdemt heben, ist eine Darlegung der 
yerhnttpfiing sonaler Fragen mit den politisohen entbehrlieh; 
je man kann sagen, daas der Kampf nm politiadhe Beehte sieh 
sehliesalioh anflOsen lisst in das Stroben naoh einer besseren 
wir&sohaftliohen Lage. Vielleieht sind die Qienaen dieser 
beiden Beetrebnngso niemals mehr meinander ttbergegangen, 
wie hont Anf der einen Seite streben die Arbeitarklassen 
mit aller Energie d«e Klassenkampfoe den priTilsgirten iriaiwon 
die Fohmng an entreiflaen, wobei die fimatiaehsten Anhftuger 

10* 



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148 ILTImU. Jtuuprnd«!)«. Pn»^^»x»dMpolitiMli0aV«rtirediei». 



wa Verbreoheii sohieifeD, die absolut politiseli und, wie die 
Feniw in Irkad und die Äsarehiiteii in Frankreiolii, Belgiieii 
und DeutBobland. Auf der andefea Seite yertheidigeii eich 
die henBohendeii Klaflsen nioihi nur mit den IGttetn dv 
Gewalt gegen die Oe?ralt, sondern niohen sieh duroli indirekte 
Mittel in iliier MaehtiteÜnng m lialten. indem eie x. B. dnzoli 
den Sfaat880«ialiemngBeilnmgen zn beseitigen nnd diesehlimmstem 
Misastftnde in beben suoheD. 

In allerneneeter Zeit haben uusschlieaslieh wiräiaohaftliolie 
Ursachen die emstseten politisohen Fragen angeregt: 6o wurde 
die Sklavenfrage die Ursache des amerilcHnischen Secessions- 
kriegea, die Angelegenheit der Kulis gnb Anlass zu Yerstim- 
mnngen zwischen Nordamerika nnd China, nnd heute bilden 
in Frankreich die Stimmung gegen die italienischen Arbeiter, 
in Amerika die SchutzzöUnerei und in England die Frage der 
Abstinenz den Gegenstand parlamentarischer Kampfe. Gewiss 
sind wirthschaftliche Fragen unpolitisch, so lange sie partiell 
bleiben und der Stellung der Gewaltthaten und Aufruhrhaud- 
hingen dem gemeinen Verbrechen gegenüber entsprechen. 
Dahin gehören auch Strikes von geringer Ausdehnung, aber 
sie werden politisch par excellence, sie sind der Ausdruck eines 
sozialen Fobelstandes, wenn sie nllgemem verbreitet sind; und 
ihr UIS]Jrlln^^ wie ihre ünterdrttokung, enthält fast immer 
politischt:^ Kriterien. 

Es ^st hier auf eine Thatsache hinzuweisen, welche aus 
den im Appendix T g-oi^i'beQen EmzelLiiicliwt^isuiii^en deutlicher 
wird, wie ans dp in Text; es ist dies die enge Beziehung und 
der analog© Veriaul der Strikes und der politischen Verbrechen. 
Beide geben grössere Zahlen in den warmen Monaten für das 
männliche Geschlecht in den Departements, die republikanisch 
stimmen, und in denen, wo der Wohlstand grosser und der 
Druck geringer ist. (8. Appendix I.) 

Das gilt auch im wesentlichen für religiöse Unruhen. 
Wenn wir davun absehen, dass religiöse Revolutionen ihrem 
Wesen nach oft nur die Anpassung an neue soziale Bedingungen 
bedeuteten, wie das Christenthum, in dem die unteren Ktassen 
triumphirten, nnd der Protestantismus, in dem der Gelebrtenitand 



U9 



Aber die PriMtsnohnft SMgte, bo sogt nna di« Geflofaiekte 
ttbeiall die Vcseebmebiuig poli t iBehe r mit religiMeo IVigen. 
Li Fiaiikieieb mid ItaHen galt die Boloidigong einse Kerdinab 
und aelbtt die aeiiMS Hauflstandes ftr ein politiiobes ye^ * 
biechen; in BngUund galt die Neigimg zum Paiiiamiift dafiHr, 
in GrieaheDla&d und Pklfletina galten aelbafiindige etbiiolie 
Anaehanungen für Sakrileg (8. L TInü, Kap, 1], wie in China 
das Tragen nngewOlmlioher Kleidnng etc. 

Wir mHaaen uns hier von Vonutheilen, auch von denen 
unserer wissenscLaftlichen Mitbrüder, befreien und uns vor 
dem Fehler der Gegner hüten, welche die Gefühle Anderer 
nach ihren eigenen beurtheilen. Es ist ein Irrthum, mit SlBGI 
zu behaupten, dass die Religion ein pathologiaohce Phänomen 
der Defensivfunktion ist, ein Yeisncb, Sobntz vor den Natur* 
kiiffcen, die drohend erschienen, zu erlangen, und anzunehmen, 
daas dies Gefttbl Schaden schüfe, ohne iigend einen Vcurtheil 
zu gewähren. Ihr Dasein, ihre Fortdauer und ihre nngehenie 
Verbreitung genügen zur Widerlegung dieser Auffassung. Para- 
siten, die wirklich schädlich sind, verschwinden, oder es verschwin- 
det das sie beherbergende Wesen. Die Religionen würden nicht 
bestehen, wenn sie nicht eine physiologische Ftmlction darstellten. 

Die Moral hat in der That sich hanfig durch Religionen 
ersetzen lassen müssen gewissen Verbrechen gegenüber, wie 
denen der Simonie, um bald wieder auf sieh angewiesen zu 
sein,' und jedenfalls hatte sie aus.^erhalb der Iveligionen stehen 
können sobald sich ein Zusammenleben Liltlrte da ohne sie 
die Gesell^('}i;ifL weder bestehen, noch sich entwickeln könnte. 

Ehe der Staat und seine Gesetze eine Wirkung entfaltete, 
verdankte man die Entwicklung des moralischen Gefühls, und 
der Glerechtigkeit und ihre Anerkennung in den meisten 
Landern der Religion (nicht in allen, da Naturvölker, wie die 
Karubar, und hochcivilisirte Völker, wie die Chinesen, ethisch 
hochstehen, obschon sie ganz oder fast ganz religionslos sind). 
Mit dem Staat verschmolz freilich häufig genug die Religion 
in der Person des Oberhauptes, der zugleich Oberprieeter und 



Sieh« : Der Verbrecher, Baud I, Kap. 1 u. 2. 



160 n. TImoL Jnriipnidaiiii. Prafbylian dM polilmoh«ii Yarbracfaent« 



Sohamane war. Soweit sie dadurot nicht nützlioli waren, 
Hüteten die Religionen, wie man gerade heute betont, durch 
eine andere, wichtige Funktion: die des Miaoneismus; freilioh hat 

' sie energische Fortschritte gehemmt, aber auch Ueberstürzungen, 
in welehe die ungeduldigen Neuerer die Menschheit geloekt 
hAtten, verhindert und so Neaerongen, fiBr welche die Zeiten 
nicht reif waren, ferngehalten. 

Zwar bringen die Religionen neben dem Guten auch das 
Böse, aber dies verschwindet mit der Zeit (Kannibalismus, Tödtung 
der Feinde, Gottesurtheil u. s. w.), und es bleibt das Gute oder 
wenigstens die Anerkennung des Guten ; jedenfalls entwickelten 
sie in ihrer Gesamtwirkung den ästhetischen Sinn, abgesehen 
daTon, dass sie das Wohlbefinden der Menschen durch Sinnes>imd 
ästhetische Genüsse steigerten (den Geruch durch Räncherwerk, 
das Gesicht durch Götterbilder, das Gehör durch Tempelmusik, 
den Geschmack durch Opferfleisch, die geschlechtlichen Empfin- 
dungen durch den Venuskultus). Sie begünstigten die Schöpfung 
von Meisterwerken der Kunst und belebten schliesslich durch 
Weckung des Wohlthätigkeitssinnes das ethische Gefühl. Sie 
bemachtigteu sich so sehr des menschlichen Herzens, dass sie 
Jahrhunderte lang seine grösste Kraft wurden und eine Zeit 
lams; den Staat absolut beherrschten, um später als Verbündete 
mit ihm zu wetteifern, narlidoni .sie ihm in der Theokratie die 
erste Organisation verliehen hatten. Dmi EinÜuss der Religion 
entstammt wach di ' i'^etischverehroog für das Staatsoberhaupt! 
das von ihr geweiht wurde. 

Man kann einen solchen Einfluss nicht als negative Grösse 
verrechnen, allein aus dem einen Grunde, diiss vieles unserer 
Philosophie unwahr erscheint. Man muss sie als groasartige 
politische Macht betrachten, gerade wie die Meinung derMasseu, 
die- sie bilden hilft, und die sicher nicht dorn Wahrheitsideal 
des politischen Denkers entsprirht, i^doch mehr in Rechnung 
zu ziehen ist, als vereiuzelte geuiaie Kinfttlle, die in der 
Epoche ihres Auftretens unverständlich waix^n. In der That 
wurde die Religion als politische Macht auch betrachtet in den 
altorientalischen Staaten, in denen religiöse und politische 
Macht Tereinigt waren, wie bei den Israeliten, den ludern 




Zweites Kapitel. Juristischer Tbeil. — Strafen. 151 



und deu Egyptern. Aber auch wo Politik und Gesetzgebung 
sich frei und hoch entwu kelten, wie in Griechenland, sah man 
in jeder antireligiösen Handlung oder Anschauung eine An- 
Uiötuüg der staatlichen Sicherheit. Auch houtn ist trotz tief 
gehender Differenzen eine rechtliche Treiiimug von äiaut uud 
Kirohe mehr Phrase, als Thatsache; da beide fortwährend iu 
Wechselwirkung stehen; und da wenigstens die Hälfte (siehe 
p. 33) der Menschheit (Ghmse, Weiber, Kinder, Aristokraten, 
ÜDgehildete) fest m der Beligioii hängt, kann der Staai niobt 
frei TOn Bennmhigang bleiben, wenn fdigiOee Fragen die 
Gemtttber erregen. 

„Wie konnte der Staat," adhieibt Lhot-Bbauubd,' »dieMf 
fttr den sonalen Frieden Teiaatwortliobe Orgaoiannu, der beute 
anoh Eniehung und Untetriebt» Ameupflege nnd einen anf 
Beesenmg aboelenden StiafVollsag in aein Bereieb gezogen 
bat, jede BerObrong mit der filteeten, allgemeinaten nnd aktivsten 
Kraft yerlieren, welche die GeaeUsobaft kennt? ünd wenn 
ibr EinfluBB sieb anob nur auf die Eiaaen emtreokte^ wflrde sie 
dem Staat noob koetbara Dienste leisten, da die Eianen in 
der Eniebnng und der Leitung des Hauswesens am bfliger- 
lieben Leben tiieilnebmen, und damit an den realen Leistongen 
der Oesellsobaft.*' 

Wir selbst, die wir Tom Miaoneismns und Behainmgs- 
j^rsot?: als Grundsatz ausgehen (siehe Kapitel I nnd II, erster 
Theil), die wir, obwohl mit Schauder, die Legitimität der 
Yerurtiieilung von Sokbatss und Chribii» nicht bezweifeln 
können, finden, dsss» wenn geniale Männer, wie ein Dabwut 
oder Spenoir, einem noch unreifen Volke gewaltsam su toi«' 
geschrittene antireligiöse Systeme aufzwingen wollten, es die 
Mehrheit, die vom Staate die Yertheidigung ihres Glaubens 
verlangt, beunruhigen und somit ein politiBohes Yerbreohiui 
begehen würde. 

Auf der anderen Seite kann der Staat niemals wachsam 
genug sein, in der Abwehr klerikaler Uebergriffe und An- 
maassoDgen, ehe der meosohliohe Geist nicht von dem mftohtigeA 



^ L'^ißt modtrm tt Mt fimctüm, liv. V. Pari«, 1890. 



152 ILTheil. Jurisprudenz. Prophylaxe des poUtiloben Verbrechens. 



Einflnss der GeistlicLkeii frei ist. Eine solche Abwehr prä- 
ventiver oder repressiver Art involvirt nur eine hochpolitißclie 
Frage; das hat der spanische Gesetzgeber, der klerikale Miss- 
bräuche unter die politischen Verbrechen zählte, wohlverstanden, 
und Zanardelli Iiat oü durch, die in das italienische Straf- 
gesetzbuch eingeführten neuen Bestimmungen bestätigt. 

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass uraprünglich das 
aohwento aller Yerbredien das gegen die Sitte war; und sq 
miuB es nooh weiterhin bleiben, wo das Volk bavbuisoli ist 
(und in Europa selbst ist du ja nicht islten); noeh rot koner 
Zttt bildeten der Zopf, der Sohnnirbert, der Tabak politisdhe 
Prägen ; die Yerwendnng Ton Schweinefett fSa Patnmen duroh 
die Engländer wnrde nun Anstoes oder inr IFnaehe einer 
Berolntion, nnd ebenso im ftnssenten Orient ein Streit nm 
Schreibpapier (s. o.). 

Unter UmstHnden kann eine ganz trookene Yerwattongs- 
aogelegenheit snr poUtisohen Frage werden; so eigiebt sich ans 
dem historischen Theil des Büches (IL, p. 12S), dass in Bologna 
die 5t5mng der UniTendttttsvorlesnngen als poUtisehes Ver^ 
breohen galt; ebenso wurde in Venedig die lUsehnng der Kedi- 
kamente und in Wales der Viehdiebstahl als solches aufgefSust. 

So eigiebt sich, dass diese VersohmeUung eine natOrlidhe 
Grundlage ha^ ein historisches Phfinomen isl^ und dass die 
Opposition dagegen zu fortwShrenden Widersprüchen und 
Absurditäten fdhrt wie in Italien, wo das Yeigehen gegen die 
Wahlfreiheit unter die Vergehen gegen die persönliche Freiheit 
gerechnet wird, w&hrend es in Belgien, Spanien und Deutsch- 
land als politisches Verbreoben gilt, und wo das politische 
Verbrechen par ezcellence, die Aufreizung sum Bürgerkriege 
zu den Störungen der öffentlichen Ordnung zfthlt, während 
klerikale Uebei^ifie dem poUtisohen Verbreohen sugerechnet 
werden. 

5. Definition. Diesen Vorstellungen zufolge betrachten 

wir als politisches Verbrechen jede gewaltthätige Verletzung des 
von der Majorität konstituirten Rechtes auf die Erhaltung und 
Aelihmg' der von ihr gewollten politischen, sozialen und wirth- 
schaftüchen OrganisatioDen. Diese auf den objektiven Begriff 



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Zweitei Ki^iteL JumÜMber Tbeil. — Strafen. 158 

des verietzteu Rechtes gegründete Detiüitiou scheint uns zahl- 
reiche Fragen zu lösen, die auf juristischem Gebiete unter 
anderen von MoBIN, vou Üktolan, von Ghippo, und Mkcacci auf- 
geworfen sind; diese Juristen wollen jedes Verbrechen, das ein 
politisches Ziel liat, als politisches betrachten. Für uns ist 
die Aufsuchung des Zieles ein Weg zur Erfassung der Objekti- 
Tität des verletzten Hechtes, kann aher nicht hinreichen, das 
Vertnechen zu koustituiren. Es können in der That gemeine 
V«El)ireoh«a Tonkommen, mit denen der Thater ein politiachee 
Ziel Terbindet, wie im £Ule eines Mordee ana Pexieieifer. 
Wenn aber die politiaohe Ozganisation dadoreh niehi verletst wird, 
bleibt ee ein gemeines Verbraehen, und die politisohe Leiden» 
sebaft, welohe den Sobnldigen antrieb» kann zwar als Maasaitab 
der Stralbarkeii dienen gegenflber den Ton nnedleren Leiden- 
scihaften motivirten Verbredien, Inmn ibn aber niemals an einem 
StsaAsTsrbreobeii maohen. 

Dagegen kann ein enteebieden politiscbes VerbreobfiOf wie 
die Ansliefernng militiriseher Flttne an den Feind, einsig den 
Grewinn som Motiv beben; desbalb bdrt das Yerbreeben niobt 
anf, an den poUtiseben an geboren, da es den Staat angebt, 
indem es sttne Siobeifaeit gefidirdet» und da diese GefUirdnng 
emster ist, erfordert sie eine sdbwerere Strsfe nnd eneigisdbere 
Voibeiigiiogaaiaasregefai. 

6. G-emisebte Vergeben. Wir wollen damit niebt 
die grosse Wichtigkeit leugnen, welebe der intentioneile Moment 
hat und gerade ftlr uns hahen muss, die ans dem Studium 
des Verbrechers seine Ofi^rlichkeit entnehmen und nach 
dieser die Strafe ahmeesen; viel mehr wollen wir sie ver- 
werthen zur Lösung einer anderen, unter den Juristen streitigen 
jBVage, ob nämlich hei gemisebten Yerbreeben das politische 
dem gemeinen Vergeben Yorgeben soll, oder umgekehrt. Hier 
ist der Impuls das einzig sichere Kriterium; er markirt die 
Trennung zwischen heiden Kategorien von Verbrechen, wie 
schon Bbusa nadiwies,' aber wir fordern zugleich die unentbehr- 
üobe antbropologisebe Unteisacbnng des Verbreohens, die allein 



' Jmmma, deä$ tcitnee gmidielu, IL — Milano^ 1888. 



154 n.Thd]. JiiriqpnidsMi. Froj^kjkn dm politite hw i YerbwdMmi. 



SU eintr sioiheren WttnUgimg de« Antrifllras mm Verineofaen 
foliren kann; denn es ist Yergeb«iis, unter Beroloiig auf die 
Prinzipien der Freiheit zu behaupten, dass die gemeinen Ver- 
brechen, als die leiohterm» in den poütiaohen aufgehen soUan. 
Wenn die Politik nur eine llaake aar Verhüllung der Ter- 
wor£Misten Verbrechen sein soll, ist es unverständlich, warum 
diese nicht mit aller Strenge und in den gewdhnliehen Proasaa 
fsnnen unteidraokt werden sollen. Das mnas um so mehr ge- 
schehen, als diese gemeinen Verbrechen in politischer Madd- 
rung meist von den geborenen Verbrechern begangen werden, 
welche der Sicherheit der Gesellschaft am gefährlichsten sind, 
und die es um so mehr dann werden, wenn ihre Handlungen 
weniger Abscheu erregen, so dass sie neben der Unterstützung 
durch ihre Cxenossen auch die Nachsicht der rechtlichen Leute 
finden, die aus Parteifanatismus nicht selten in jedem politischen 
Verbrecher einen Märtyrer sehen. "Wenn dagegen d;us jMotiT 
von verbrecherischen Impulsen frei erscheint, so ist das gemeine 
Verbrechen nur ein Mittel zur Erreichung' eines politischen 
Zieles, und die Thnt s-ehört iu die letzlere Kategone. 

7. Concomitireude Umstände. • — Zufolge einer miss- 
verständlichon Auffassung des Liberalismus verlangen einige 
englische uud amerikanisclie Autoren, für die Definition des 
politischen Verbrechens sollten einzig die Umstände, unter 
denen es begangen wurde, maasgebend sein. So gilt für 
Stuart Mill als politisches Verbrechen um eme lui Laufe 
eines Bürgerkrieges, eines Aufstandes oder politischer Erschütte- 
mngen begangene politische Strafthat. 

Die Konsequeuzeu einer solchen Theorie sind offenbar. 
Es gftbe kein poUtiaehee Verbiedien mehr, sobald dieae ezoep« 
iioneUea Teiliiltmafle aufgehört bitten. Im FHeden wflfde 
jeder Angriff gegen den ataatUeken Oiganiamna, wenn anob 
niebt gaiadean atraflos, naeb den gewähnlielien Geaetaen ab- 
geartkeilt werden. 

Wenn anob die begleitenden Umstünde dea Yeibreckei» 
fbr die Anwendung der Strafe von Wiektigkeit werden können, 
ao wllre ea oflbnbar au gefidirlioki den Staat gegen Angrifft 
anf sein Oefitge aebntzloa an laaaen naek ISntEitt normaler 



Ztr«it« K*ptt«l. JnmtiMiMr TheiL — dtnCm* 156 



Bedingungen, zu einer Zeit, wo sich am meisten das Bediirfniss 
geltend macht, die politischen Rechte der Mehrheit ohne über- 
triebene Hiirtp, aber auch ohne Schuilrhp zu schütssen. Gewiss 
bedeuten in Zeiten von Unruhen unter abnormen Verhaltnissen 
die politischen Verbrecher eine grössere Gefahr, und in der 
That werden dnnn bei fnst nllen Volkerrs aussergewöhuiiche 
\'()[-sichtfmasissregelii i<elioHeu, wie z. H, <lie kStundp^erichte ; 
dass aber diese exceptionellen Situationen des politischen Lebens 
ausschliesslich die Strafbarkeit der Attentate gegen den Staat 
bedingen sollte, kann nur Der hehaupten, der ihre Gefährlich- 
keit für die Rechte der Bürger nicht kennt. Wir Haben uns 
deshalb ua einem anderen Orte ' gegen die von Carelli in 
seinem scharfsinnigen Appu7iti al nmm Codice pemlc geäusserte 
Anschauung gewendet, dass man die in unruliigeu Zeiten be- 
gangenen politischen Verbrechen trennen müsste von denen in 
normalen Zeiten, nicht sowohl, weil wir den grösseren Emst 
jener btttreiten wollten, aU weil wir henrorheben wollen, dass 
man mit IJnnoht dem politischen Yezbreohen d«n Charakter 
der Ezoeptiooalitftt geben will, wihrend sie, wie die gemeinen 
Ywbradmk, BeohfByerletanmgen gegen die Büiger sind. Dea* 
halb können die begleitenden ünutflnde auch ge h l ie ari ic h als 
lüwaBBtab der Yerantwortlidikeii dienen; die BeohtiTerietzuug 
mnsa also das weeenfüehe Eiiteriiun ftr die Deflaiilon des 
politaaohen Yerbieehena eein. Sie ehaiakteiunrt den gegen das 
politieehe Beaitstiinm der Borger geriobteten Angril^ der jedodh, 
um ein Yerbreohen an konatitniren, konknrrirende Elemente 
enthalten naua: die Art und Weiae, in der dieser Angriff rieh 
entwickelt neben dem Schaden, den er bedingt, imd die Ab- 
flieht der Sdinldigen, die durah ftuaaere Handlongen sich 
ansepraoh. 

8. Strafen. — Geht man aar FeiMellung eines wirk- 
aamen StrafiyateB» Ton den wichtigsten Eaktoren des politischen 
Verbrechens^ den physischen, ans, speaieU mit Bücksioht auf 
das Klima, so darf die Repression in warmen Landern, wo 
die An&tlnde hinfig nnd «gebnisalos sind, weniger energisdh 



* ArcMrio a ptidikaHa « $eiem» pmiäH, DC, tun, I. 



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156 n. Theil. Jansprudenz. Prophylaxe des politischen Verbreobeni. 



sein, während in kaltsn Lttndem, wo die Eevolten seltener 
und nidihaltiger sind, eine geringere Tolenns politueli gesrsolit- 
fertigt wir«. Wir eriimem hier dMsn, dass in Spaaisii, in 
dem nöidliehen Astnrien, die karlistisohe Beaktion lange daaeite. 
wlhrend im Sttden ein Phrnimeiftmento olme weiteres dem 
anderen folgte; somit ist die leg^sIaliTe Gleiebfitmiigkeit auf 
po litiaehem Gelnetf wennsie anoh da» Kinheitsbedflrfnisa befioedigi, 
nicht immer eine gute Ptophylaze der Bomakn Sieheiheii So 
darf anoh in Italien der sociologisohe Kriminalist nioht naoh 
demselhen liaassstahe eine Bereite henrtheilen, die» wie die 
Bisilianisehe Yeeper, unter ober leicht bis aar SiedehitM er- 
regten BerOlkemng eohnell und heftig auflodert und bald 
Terpnflti und eine Erhsibnng im Norden, die jahrehmg fort> 
dnuert und das ganse Land umwftlaen kann. 

Nicht nur Bttckdeht auf die Dauer, sondem auch 
auf die qualitativen Beziehungen ist von Bedeutung für die 
Gestaltong der Strafen , eine kurze, aber inteosiTe Strafe, wie 
die Ausweisung, verbunden mit Intemirung an einem bestimmten 
Orte, wird cur ßembigimg genügen, wo die Erregung heftig, 
aber vorübeigehend war, während im entgegengesetzten falle 
die Entfernung des Sohuldigen vom Mittelpunkt seiner lerolU' 
tionftren Thätigkeit um so mehr verlängert werden muss, je 
emster und dauernder er die Gesellschaft ge0lhrdet hat Ein 
anderer physischer Einflnas lie^ in der geographischen Kon- 
figuration. — Wie wir sahen, sind Flachliindbewohner apathisch, 
Bergbewohner zeigen Initiative nnd Zähigkeit bei Revolutionen ; 
auch hier muss ein wohldurchdachtes Strafsystem sich der 
Yerschieciunheit der lokalen Bedingungen anpassen. 

Somit inüsste man die strafrechtliche Repression mit Rm k- 
sieht aul die Unterschiede der Rasse und der Bevülkeruugs- 
dichtickeit verschieden gestalten, da diese Verbrechen den 
grossen Zentren eigonthunilioh und in wenig :^entnili>>irLen und 
zivilisirten Gebieten s*Iteu sind; wir sprechen hier, wohl- 
verstanden, von allgeuiemen Krittsnen, ohne /u \ nrlaugen, dass 
die Legislative eines und desselben Landes nach Region, 
Kliraatypus, Bevölkerung oder Rasse eine andere sein soll. 
.Nur weitgehende Unterschiede bedingen eine verschiedene 



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2SweitM Kapitel. Jnriiluohflr TbmL — Stnftn. 157 

Behandlmig, wie bezüglioh des Klimas die swisclien dem 
Festlande und den Inseln, oder bezüglich der Rasse die der 
einzelnen Länder Oesterreichs, wo die ethnischen Charaktere 
so Toneinander abweichen, dass eine in Oberösterreich oder 
Kärntben nnQ^ebmcbte politische Kepressioili in Ungftm und 
Söhnien nicht ;cni;'cbracht wäre. 

Das wird sehr viel zur Beseitigunq' der Frsachen politischer 
Unruhen beitragen, die ihren Ausgangspunkt gerade in der 
Äassen-Disaffinität haben. 

Ein alle vStrafthaten umfasseodefl System kann nie von 
einem Ltiniie a\if das andere übertragen worden, am wenirrstpii 
mit Einsclilusü der politischen Verbrechen; diese Systeme 
müssen sich mit den wechselnden Existenzbedingungen der 
Völker ändern. So ist in halbharbarischen lAndem, wo man 
eine fetischartige Verehrung für den Thron hegt, ein Majestäts- 
verbrechen ganz anders zu beurtheilen, als in einem Lande, 
wo man in dieser Riclituug von jedem Vorurtheile frei ist. Dem- 
entsprechend müssen die Strafen verschieden t>em. So muhaen 
z. B. Vei^ehen gegen Sitten, Gebräuche, Gewohnheiten, ja 
selbet gegen die Mode bestraft werden, und zwar streng, in 
Llndeni, die nur geringe oder gar keine OiTiliaation benteen. 
Bin lialiener, der in Abeopinien ein Madonnenbild besdhimpfte, 
vetdiente fkir die aehweieo Verwiiikelungen, die er dedubh 
seinem Vnterlnnde Temmbhen wflrde» fint den Tod, wibiend 
in Heiland eine Idobie Geldstnfe &8t eo e^ng ftr ihn wire. 
Die Polygande abeebaffinn m w<dlen, wftre im Orient ein Ver» 
bredben, wie ein Yennali, aie bei nne sn begifinetigeo, wiedenun 
etrafber wlie. Utopisten, die, nioht nofineden ndt der gewali- 
eamen Vereinigung der Bewon Italiens xmter ein Gesets, dies 
anflib in den afrikaniseben Wilsten verbreiten wollen nnd die 
gewaltsame, ptotsüehe Anfhebnng der SklaTerei ftr eine der 
ernten Pfliebten halten, »igen nnr, welohe Unwissenheit bei 
nns heneeht; dagegen aehten die fSngllnder, wie die BQmer die 
Gebiftnohe nnterworfenec Lander nnd lassen soUiesslioh selbst die 
WttwenTerbrennnng nnd die Sehen vor Schweinefleiadh gelten. 

Wenn man in hoohcivilisirten Ländern, wie in vielen 
Enropas den Atheismns oder die VerBohtang des Fetisohdieostes 



168 n. Thaü. JmiiprndMit. Pfophyk«» dw poKtiichen Titwdwn». 



und abergläubischer Sitten nicht besirafii weil sie eine höher» 
menschliche Entwicklung bezeichnen und ihre Strafe ins 
Lächerliche fallen würde, muss das öffentliche Hervortreten 
solcher Anschauungen und der Versuch ihrer Verbreitung 
wegen der solchem Unternehmen folgenden Reaktion bestraft 
Trerdnii Deshalb verdient der Antisemitisnms viel mehr eine 
Kepreiision in civilinirten nis in baxbarischen Liändenit für die 
er eine natürliche Aeusserung ist. 

Bei der Bestrafung politischer Verbrechen müssen aber, 
mehr ah alle«! Andere, die anthropologischen JB'aktoien berück> 
sichtigt werden. 

9. Geborene Verbrecher. Schon aus der anlliropo- 
logischen Untersuchung hat sich oben ergebea, wie gefährlich 
das Eindringen von Verbrechernaturen in die Kreise politischer 
Revolutionäre ist; handeln sie auf eigne Faust, so scheuen sie 
vor keiner Schandthat zurück, auch wenn sie sich im Gegen- 
satz, zu den herrschenden Anschauungen befinden, wenn sie 
nur ihre verbrecherischen Neigungen befriedigen können; tindeii 
sie sich bei gemeinsamen Unternehmungen als Theilnehmer 
ein, wie bei Aufständen, so kommt zu der durch ihren Mangel 
an moralischem Gefühl gegebenen Ge&hr nodi die des durdii 
ihr Bticpiel angeregtan Nadbahmnngstriebes ; dieae Blamaota 
mttnan steCa mit dem gröesten Kfaftanfiraiid mifatdrOokt weidfln, 
zumal ihre Baiheiligung an wiiklieh nUtdidieii pdifuehMi 
Bewegungen — den Barolntioiieii (e. o.) mehr die Ammahmo 
als die B«gel bildat. 

Alle Verhreehen, die wShiend politisoher ünraheii ans 
brataler BOaarttghint, ana Imai aa Raab und PlOnderong be- 
gangen werden, kOnnen nioht mit den Haaeoregebai des Aogiifi 
nnd der Verth^digong TerwedheeLt weiden, die eine zere* 
Inüonflie Sehaar bewaffiietem Widentande gegenüber siir An* 
wendnng bringt, nnd die dnroh strafbare Hotive gegenftber 
der beetehenden Regienmg, nicht aber gegenüber dem Sitten- 
geeeta bestimmt lind* 

Haüs,^ demdieSdhlnaefölgenuigeo der kriminalen Anthiopo- 



* Mieqp« ginirmx 4k Droit pkiäl hdge. — Oiad 1874. 



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ZmitM SapitoL JnrMiiolMr ThtSL — 



Stnfn. 



160 



logie fremd waren, wurde durch diesen Unterschied veran- 
lasst, bei Aufständen Maassnahmen, die das Völkerrecht im 
Kriege sauktionirt, als politische Verbrechen /u betracliteii, 
als gememe Verbreclieu dugeg'en alle Atteiitaie gegen die Person 
und das Eigenthum, die duich Hass, Rachsucht, Gier, mit 
einem Wort durch verbrecliensche [injmlse eingegebeti sind. 

Bei Attentaten ^^egen das Staats oberbaupt ist diese Unter- 
scheidung weniger klar erkennbar, denn sie sind oft durch den 
Hafis gegen Den, der hochgestellt ist, durch die Eitelkeit, die 
von sich reden macheu will, eingegeben, oder durch den Ein- 
fluss Anderer, durch die Absicht eines indirekten Selbstmordes; 
die politische Leidenschaft fehlt ihnen jedoch oft nicht ganz 
und kann ihren malignen Charakter maskiren. 

Auf der anderen Seite lassen diese Verbreeben sieb ihrer 
Katur nach nicht mit dem Morde oder gemeiusamen Unter- 
nehmungen g^en das Leben identifiziren, weil zu der sozialen 
Gefahr, welohe sie mit diesen gemein haben« noch die dnrch 
sie bedingte eratie StOmng kommt, die eine beeondere Bcpranion 
BOtfaig iBMht. DttMlbe gilt von den Yexgehen dea Lude»- 
TBmßm, desaen politiaciher Ghankter jedes anden Eriterimn 
llberwi^ Deshalb mflaita «in gebonner Verbraeheir, der dies 
YesbraolMn beginge, dem BpeaieUen Verfahren bei politisoiben 
Yffirbrecihen unterliegen. Jbn duf aber nieht die Gefithr ans 
dem Ange reilieran, mijb wvlolier der geborene Vsarbieeber in 
jedem Falle die Gesellaebaft bedroht» nm so mehip nis die Ab- 
lenkong seiner ▼eibreeherisehen Katar snf das politisoihe Gebiet 
seine Tendeos jnim Yerbzeehen snrflclcdrftngen kann, sie aber 
niobt bsBeitigi Dies mnss man Denen entgegenhalten, die 
Ton der Manie beseelt, alle Traditionen ansrastreiolien. Bedenken 
tiagen, vor so gefthrlidhen Elenienten die Kerkerthttr su i^ffiien. 
Das neuerdings TOn Frankreieh gegebene Beispiel der Amne- 
stimog der Kommunarden war gewiss der Akt unes edlen 
Patriotismus und fUr Viele unter ihnen «ine genehie flabili- 
tirong» aber gleiohzeitig ein Akt grosser Unklugheit g^genfiber 
den Verrückten und den gemeinen Verbreohem untor ihnen, 
die heute sich unter der Fahne des Anarchismus wieder- 
ansammengelnnden haben, die Bepnblik in einem fortwahrenden 



1^ II.Tlieü. Jumprudei». ProphjlwM 6m polititohen Verbrechen». 

Zustand der Erregunp' b alten. In dipspr Frnso i-^t dio R»^prps- 
sion rückfölliger Verlirecher von besoudei'^r Ijedeutun^-, wie 
Frankreich sie begonnen hat mit seiner kiihuen Heform der 
lebenslänglichen Deportation, die den grossen Vortheil bat, eine 
Elimination ohne jede Grausamkeit zn erreichen, die sonst 
nur der Tod geben kann. Wir haben auf den enormen Schaden 
hingewiesen, den gewisse, von zweifelhaften Personen gegrün- 
dete Sekten hervorrufen, die anfangs rem pohtiscke oder soziale 
Ziele verfolgen, um schliesslich zu Yerbrecherbanden zu werden, 
und die oft die Maske der Politik nur vornehmen, um ehrliche 
Mitglieder nicht abzuBohreoken und einer milderen Beartheilung 
▼or Gericht sicher za eeiii. In Sflditelien Terstooken vwle 
eoloher GMUaehsfitan ^lalBfti Ounoim) ihre Terbreehirisbhe 
Thftiigkmt unter einem politiaehen Fimias, der eioh anfangs 
durah den Widerataod gegen die Bonrbonen und jetzt dmeh 
flosialistiaohe Tendensen. nnd leider anoh durah die Wahl von 
MitgUedem in die kommunalen und die parlamentuiaehen Ter* 
Bammlungen Auaaert 

Hier muaa ohne alle Bedenken eingeaohritten werden, da 
die Aaaosiationafiteiheit in der That eine unaerar gröaaten Br- 
rungeoaohaffcen und «oaammen mit der Bede* und Breaafreiheit 
daa haste politiaehe Sieherheitsrentil ist» da aie das iJibntliohe 
flenrortreten der Unsnfriedenheit^ die Diakaanon der durah aie 
geaohaff»neu Wttnaehe und die Qibntliche Erörterung der Gkgen* 
maaasr^ln geatattei In Italien ist, wie 1Ibaz«b' hemeikt, die 
grosse Zahl von Aufständen eine Folge der übereifrigen Unter- 
drückungen der auf die Theilnabme des Volkes berechneten 
Vereinigungen, wAhrend in England die UnterdrückuQg fehlt 
und die Achtung vor den Oeaefat en sehr gross ist. 

Aber all^ hat seine Grense; mit Hecht aagt Tooqübvillk,* 
^dass eine Nation ihren Bürgern nicht immer die absolute Aaao» 
siationsfreibeit geben darf* — diese Freiheit hört unserer Meinung 
nach auf mit dem Eintritt des gemeinen Yerbreohera in die 
Vereinigung, die dadurch entehrt wird. Solohe Vereinigungen 

^ Modemm LngkUimrra; EAieoiMme alte eito poKHea, — Tarin, 
Boom 18S6. 



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Zweites Kapitel JnmtiMher Theil. — StnUan. 161 



mflasen auf ehrenhaftem Boden gedeihen und ihrer Natnr und 
ihrer Führung nach ehrenhaft sein. Ereilich kaiin die Ver- 
waltungsbehörde in ihrem diskretionären Ermessen hierüber 
willkürlich verfahren nnd auch die richterliche Entscheidung 
vielleicht nicht ganz unbeeinflusst bleiben. So haben Gerichts* 
höfe international -sozialistische Vereine £tlr Terwandt mit Ver> 
brecher^sellschaften erklärt, während sie nichts Verbrecherisches 
versucht hsitteu. Deswegen mtisste den von der Verwaltungs- 
behörde als geffihrlich aufgeliisten Verbindungen die Berufung 
nn die Spezial-J ur}' offen .stehen, (hv "».vir in der folge für 
politische Verbrechen in Vorschlag bringen werden. 

Das gilt auch für die Pressfreiheit. Für die Tresse giebt 
es, wie Tocqueville (1. c.) sagt, zwischen Sklaverei und Un- 
gebuudenheit nichts Drittes; fiir die uns* ir.it:^baren Vorzüge der 
Pressfreiheit niuss man auch ihre unv( rraeidlichen Nachtheile 
hiunehmeu; wenn die Presse aber unter dem Deckmantel der 
Politik zu gemeinen Verbrechen aufrei/t (vgl. Bd. I, Kap. IV, 
S. 134 bis 136} und den Klasseuhass schürt, die gemeinsten 
Leidenschaften entfesselt, dünn muss eiae gute Regierung sie 
zügeln. 

10. Irre und Matt üide. — L^benso gefährlich, wie dieVer- 
brechematuien, sind die politisch Wahnsinnigen, ob sie einzeln 
durch Hallucinationen zu Königsmord getrieben werden oder 
Wahmdeen ihnen Impulse suggeriren, oder ob ihre pseudo- 
gemale, kraaUialbe ImpuMvitltt äe an der Spitae Ton Be* 
wunderem nnd Anhftngero m Hftnptero der Bereite madhi 
Die Sieherhelt der Geeellflohaft verlangt ihre Absondemng 
neben den irren Yerbreoheni, noeh ehe sie von der Drohnng 
aor That fibergeben. Die prävenÜTe JE^DSohlieaanng aoloher 
Bidividnen, die ancb in ruhigen Zeiten in geeignete An* 
stalten gehören, ist eine setbetrentändliehe ALiassiegel, da 
sie bei den unbedeutendsten Anlässen au gewalttbfttigen und 
Terbreebenseben AnMohieitnngen neigen. Lftsst man diesen 
an folie raisonnante leidenden Xndiyidaen «ne nnbesehrttnkte 
Fieibeit^ so trägt nnter ümstttnden die ganae l^ation diesen 
Sehaden, niobt allein deshalb, weil diese Sjanken (wie die 
Mörder Giobos HI. nnd LnrooLNs) ihre Mozdgedanken gegen 

IiOiniOM, PoUttwdMr yarlmeliaf. U. 11 



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162 IL^eü. Jukpradmi. FMpbylimdMimfitiMihmycrbcedims. 

die Hftnptor der Nation riehten, sondern anoh, weil sie dmeh 
ihr adhkgflndea BaiBonnement und ikren Han^ mm Kom- 
l»lottinn nnter geeigneten ümatSndeB Sekten bilden, die, da 
der mäBSgende nnd hemmende Binflimii geennder üeberlegnng 
fehlt» gerade doroh den Beiz ihrer Seltaamkeit auf die Maiocn 
wirken, die ihnen Uind folgen; lU wiiken durah die fnieht- 
bare Haeht ihrer BerOhnmg wie ein Gihnngefennent, dat 
rieh hei einer gegebenen Temperatnr in einem ptftduponirlan 
Ofgeniamne eniwiokelt Die ans dem Hittehlter bekannten 
Bpidemien geistiger Stttrang wiedwhokn rieh in dem mswaehen 
Nihilismus, in dem Mormonen- nnd Hethodiatentfanm Nord- 
amerikae und in der normannisohen Bnndstifltinigsmanie. 
Italien ist nooh frei Ton dem Flnohe des Alkoholismus nnd des 
GrOasenwahns» und aeine lomanisefae Miawgkeit wird es nooh 
aiheren 'Wideietand leisten lehien; erinnert man rieh jedooh 
an die gnaenerregenden Vorgtnge nnter den ron der Oholera- 
foroht bessssenen Süditalienem und an den Anfrtand in der 
Emilift gegen die Mahlstener, an welchem, wie ZäXl naehweiast, 
rieben Geisteskranke henromgend Antheil genommen haben, 
80 müssen wir nns fragen, ob unter dem fänflnss von Irren 
nicht eines Tages beunmhigende Ereignisse nnserr bewundemngs* 
würdige Ruhe ersohttttem, die Phantasie des Volkes aufrühren 
und daä Fermentmolekül zur Wirkung komm«! lassen konnten, 
weiches der irre Verbrecher darBtelli.^ 

Die Sinriohtong kiimineller Irrenanstalten wird sich dann 
nlltalich erweisen, wenn sie jeden RttokfsU Entbuwner dadurch 
Tsrmeidet, daas sie den die Entlassnng anordnenden Richter, 
die maassgebenden Sachverständigen oder den dirigirenden Arst 
der Anstalt zum Bürgen für jeden der Entlassung folgenden 
Schaden macht. — Damit würde man erreichen, was das englische 
System ein wenig anders dadurch erzielt, dass es die Ein- 
schliessung des irren Verbrechers „during Her Majesty's pleasure* 
anordnet, das heisst die eigentlich dauernde Rekinsion. 

Vor allen anderen gilt dieser Anspruch für die Epileptiker, 
die Verfolgungswahnsinnigen nnd die Aikoholisten, die wir 



> IiOMssoflO, StOt isHtimom dnÜ Mi eom ermimik mHalia. 1870. 



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Ztreitei bpitoL Jnmlisbber Tbeü. — Stnüui. 1^ 



als die geftihrlichsten Anstifter und Theiinehmfir von ReToIten 
kennen gelernt haben. Monomam»! sind awar oft ge&hriidi, 
haben aber nicht selten an grossen Revolntionen theilgenommen, 
wie genialfl Menschen, deren Zerrbild sie so oft darstellen, nnd 
sie verdienen deshalb Nachsicht wie jene Geraüths- und 
Hysterisch-Irren, die ihre Krankheit zn übertriebenen Tugenden, 
zur Heiligkeit führt, fvf^l. Knp. VITL) und die den mensch- 
lichen Fortschritt si(^iifr jtiehr törderu, al^ .schädigen. 

Mattoide sind dagegen weni^r g^fthrlich, als Irre, weil 
sie nicht die Konsequenz der Wahnideen Jener besitzen und 
ihr ^itüiche^ (jefühl nicht so absolut i)pivers ist; ftir sie ist 
eine Fräventiv-Intemirung nur in der akuten Steigerung ihres 
Delirs erforderlich, die sich gewöhnlich bei Widerstand gegen 
ihre Träume von ßuhm einstellt, oder wenn Hunger und Elend 
sie verblendet. Eine geriehtliche Verfolgung kann sie nicht 
niederhalten, und mit der fort*;chreiteiiden Kultur wird man 
sie immer hiiuliger finden; sie sind ein Produkt unserer Kultur, 
unserer politischen Erregung, die jeden Ehrgeiz entÜammt. 

Obgleich dies Element mehr Schaden als Nutzen bringt, 
wäre es gransam, ftlr sie die Intemirung zu verlangen, ehe SM 
das Ghbiet politischer Speknlationeii ▼erlaasen und sich gemein- 
geMidieh gezeigt haben; wie manehe Fefmeat-Keime, bsbea 
sie iknii NntMO im OifentSiolkeik Leben, waA. dnieh ihxe Unneik 
TendiOMQ. Zeigen aie aber eine Degenezation Teibieelierisobter 
Brabtnng, wie Sbabbabo^ wie liAKeiom, ao mma man aie 
aneiehan können, nieihi mit den Mitteln dea Stimfireohtea, sondern 
mit denen der Pbycihiatrie; ae iat daa LiterMoo der Meoaohliohkeit 
nnd daa der Politik gewahrt, nnd Veidaoht wie Beaktion ▼e^ 
mieden. War es nioht ein tianrigfla Zeichan dar Zeit, einen 
Sbabbabo, der den Anapraoh anf die in der Inenanstalt 
gebotene Sidiernng imd Strafloaij^eit hatte, ala geeond tor 
die Richter nnd ao an einer Apotheose hingeatellt an aehen, 
die eine Schmach ftr Italien war, weil aie aeigte, wie Vielen 
daa Kritarinm der Wahrheit fehlte, oder der Huth, sieh 
an ihr an bekennend Wamm dieeoi aohillemden hohlen 
Seifenblasen eine Bedentimg verleihen, indem man ihren 
Urheber feierlich vor Oerioht fOhrt nnd den Mttrtyier spielen 

11» 



164 n. Theil. JutifprudonE. Prophylaxe des politbohen Verbrecheos. 

iJispt, wo das Gutochteu von ein paar Irreßiuzien ihn UDSchädlich 
machen und dem Gerichtshof Widersprüche und Mühe, dem 
Lande ein unwürdiges Schauspiel ersparen würde? Spricht 
das Tribunal, wie bei Sbarbaro, eine Verurtheilung aus, so ist 
damit sicherlich nicht mehr erreicht, als diircli eine Internimng 
bis zum Zeitpunkt völliger Heilung an einem Orte, wo fthnliche, 
oft weniger schwer Kranke Ueherwachung und Kur tiiideu. 
Und dann fänden sie nicht, was die Verurtheilung ihnen giebt, 
da5 Prestige d^ Märtyrers, die ernste Rolle, die ihnen anfangs 
fehlt. Um das aber zu erreichen, müssten zunächst ELranken* 
häuser für irre Verbrecher und Ghsetae, die flolehe EUle 
dordim Terweifien, gesohaffen werden. 

Damit die in ihien eigenen Untemehmiingen tt> wenig 
glflekliehen Uattolden nieht Geschidite rnuibsm, nioiht das UrfÜMil 
nnd die WitauKdie dee Pablikama bestimnieii, darf ihnen kein 
empfängliohee Terrain geboten aein, mnes ihre Stimnrang eine 
Diasonana mit dem henaehenden Gelllhl ergeben. Da wir 
diesen politiadken lükroben nicht mit Bajonetten an Leibe 
können» mfiasen wir ihren Nfthrboden nnempfibiglieh Bkt sie 
machen. 

Wenn wir wollen, das» die Hattolden keinen Anhang 
finden, rntteaen wir die Wanden heilen, in denen aie gedeihen, 
wie die Wflrmer in der Eftnkiifla; weil ihr krankhafter Znatand 
aie Ton allem HiaoneiBania beMt» wittern rie eohon lange, ehe 
die Masse sie merkt, wirkliche MiaBstlnde, und finden, wenn 
das Publikum sie erat empfindet, kaum noch Schwierigkeiten, 
ihre B«formplftne angenommen nnd aich aelfaet ala Propheten 
bewundert zu sehen.* 

11. Gelegenheits-Verbreoher. <— Carglli weist 
auf den bedeutenden Antheil hin, welchen die Jugend an 
politischen Verbrechen hat und den unsere üntersnchongen 
bestätigt haben ; er befürwortet, da er den Grund dafür in der 
ünerfahrenheit der Jugend sieht, die Hinausschiebung des Alters 
voller Strafmündigkeit bezüglich der politisohen Verbrechen bia 
zum 25. Jahr. 



C. Iiomioso, I\re Trilmni, Toxin 1887. 



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Z««itot Kapiial. Jnriitiiehar Th«l. — Strafen. 165 



Unserer Beobachtung nach handelt ea doh viel weniger 

um Unerfahrenbeit, als um die Aeiuflening einer ganz besonderen 
Lnpakivitfttf die den MisoneumoB verdrängt, und wir halten 
somit zwar eine Straftnildemng im jugendlichen Alter für billig, 
nicht aber eine Verschiebung des strafmündigen Alters, welch© 
die Bestrafung der häufigsten Fälle — die ja freilich oft ver- 
zeihlich sind — vereiteln würde. Heute übrig-ens, wo man die 
Jneend nicht mehr prinzipiell vom politischen Schauplatz aus- 
schliesst, und selbst leschriinktere Wahlsysteme allen gross- 
jährigen Uum^ern das Wahlrecht geben, ist dies allein schon ein 
Mittel, das zur Verhinderung politischer Verbrechen geeignet ist. 

Wir können auch nicht Itei 25jährigen Männern eine 
Minorennität bezüglich der politischen Verbrechen einführen, 
wo wir als Mittel L'^e^en die Versumpfung der ])arlamentan.-r 'mmi 
Tnstitutiuriyii ein*' Aus lohuuug des Wahlrechtes auf noch jüngere 
Männer befürworien. Wenn wir der Jugend ein so wichtiges 
politisches Recht einräumen, warum sollen wir dann von ihnen 
nicht die Anerkennung der Pflicht verlangen, sich der von der 
Mehrheit angenommenen politischen Organisation nicht gewaltsam 
zu widersetzen? 

Wenn wir somit an der gewöhnlichen (rronze des minu- 
renuen Alters festhalten, auch für die politischen Verbrecher, 
so wünschen wir doch nicht, dass die Strafen gegen Minorenne 
^ wenn es sich nicht um kongenitale Anomalien handelt — 
mOaBxf» als gewölinlioli sein mflssten. Sie mflssen sich ab- 
stufen nach dem Uniezaeheidungsvermögen, mit Rüoksiokt auf 
die höhere Impresnonabilitttt« die grössere Neigung zur Nach' 
ahmung. Das jugendliche Alter mnss eine mildere Strafe 
deshalb bedingen, weil es zu poUtischen Yerbiedhen prädispo> 
msi, und weil diese zn einer Zeit begangen werden, wo die 
Jugend am fhfttigstenj hoehheni^ien nnd leidensdhaftliehsten 
ist. Ein hervorragender Nihilist (Ja...) sagte mir: „Ein 
Bnsse, der mit 80 Jahren nicht Nihilist ist nnd das mit 
40 Jahren nicht herent hat, mnss imbedll sein.*' 

Ancfa das Geschlecht, das im gewühnliidien Yer&hren 
nicht berttckaichtigt wird, erfordert in der politischen Eiimi- 
naliiftt eine qiesielle Behandlnng, wenigstens bfzOglich der 



166 n.TliflU. Jurupradeni. Pr<^y]ax«detpolitiMh«nYerlmeliaM. 

Qualität mid der Dauer der Strafen, da das ßlement der 
Leidenscbaft hier jedee andere übemigt, beeonders wählend 
bestimmter physiologiaeher Perioden, der Menstruation, der 
Schwangerschaft, in denen man Franen ab ftmpoiftr kystenech 

betrachten darf.^ 

Bezüglich des Elinfiasses äneseTer Gewalt müssen wir 
dem Einfluss der Führer Beehanng tragen, der oft so weit 
geht, dass man ihn einer eigentlidien Suggestion gleich- 
setzen kann. Pieträzzani^ zeigt, wie das Wort eines über- 
legenen Memw^hen, das sich unter der erregbaren, neuenings- 
lüstprnpn Mpuge verbreitet, die reich an Glauben, Unwissenheit 
und lierdisnms ist, sich ihr mit der unwiderstebliohen Gewalt 
enn r vuii lien kommenden Sug<^estion aufdrängt. Es kommt 
daun zu eir:em moralischen Rau.sch (wie PUOLIESE* es nenntV itv- 
dem zu dem IVispi*»! * der Führer sich die ::(';::enseitige Auiouorunu', 
der aus dem Kontakt, dem Cir-fulil i;eiiieiii-.:imon Hanflt lns eut- 
springende Muth g^llt; alles das vei\Mrri daa individuelle 
Bewnsstsein und treibt die Menge zur Ausluhruug von Dingen, 
die der Einzelne nie gedacht» geschweige denn gewagt hätte 
Zü begehen. 

Das steigert die Verantwortlichkeit der Führer und An- 
stifter, und ihr Werk uiu.ss als eine moralische Nöthigung 
betrachtet werden, die die Schuld ihrer Auhänger mildert, bei 
denen kurzzeitige Strafen, am besten körperliche (z. B. Fasten, 
Dottohen) zur Verhütung von Rückfälligkeit genügen. 

Wae die innere Nöthigung betrifft, so gelten hier unsere 
Bemerkungen über die Yerbredher ans Leidenaohaft. 

1$. Leidenaoliaftlielie und geniale Yerbreoher. — 
Diese Kategorie Terlangt eine besondere stiaficeehtliohe Be* 
liandlung, denn liier ist die TJntenelieidting von den gemeinen 
Verbreohem soliarf nnd klar; bier entopreehen den aus 



^ loAU», La femme penimU la perioie mmtsirueüe, Pari«, 19S0. 

* La mggesfione ndla v^tta e neJIo «teft» tjpeetiM». — SMtta 9f*n- 
meiltele wedidna legale. 

' • IMI delilto colktHw. — Traiii, 1887. 

* VgL die ausgezeichnete Sehilderaag in KAmom Atmien» spon, 
Kap. Zm. (Ausgabe von 1840, S. S&S—SBS.) 



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ZwdtM K*pitel Juriatiaohw ThtSL — Stnftn. 167 



imibropologisobeii AnomalMii itenmuDdeo IfotiTen jener »bioliit 
altrautiMlie dOe Ini|ndM; bier stehen wir endlieh dem iralumi 
politiielMii Yerbiefllieo g«genflber, 4u die GeeeUaohaft irohl 
oft beeteeftn aiiiae, um die Beehte der Hftjeriiftt sn lohfltMn, 
sber nieht ohne Aehtong, gemieeht mit tiefer Sympathie; das 
beweiat daa Volkabewneitaein, daa niokt immer mit dem jnnati'' 
eehen flbeieinatimmt nnd, wenn niebt aofort, doeh naeb koner 
Zeit widerwillig jede Verortbeilnng «na poEtiioben Gründen 
Aofiiiiiimt» wenn dar Vemiib«lte genial ist oder ana Leiden- 
aohaft gehandelt bat, sobald der blosse Anaehein dar Verfol* 
gnng und WUlkOr vorliiigt; daher die blnfige Freiq[»roobang 
doroh die Geschworenen. Selbst wenn es sich wesentlich am 
gemiaebte Yerbreohen haadelti wie in den Fällen von Ctpriani, 
Sbabbaro, Coccapisllbb» so genügt für die öfientlidie Mr inung 
ein leidenschaftliches politisches GefBbl oder eine geniale Per' 
aOnlichkeit bei dem Yerurtheilten, um ihm die volle Absolntion 
zu ertheilen, durch wiederholte Wahlen enm Parlament, was 
deutlich zeigte, dass ihre Thaten, soweit sie politischer Natur 
waren, nioht mehr als Verbrechen gelten. So sind in Frank- 
reich gewisse MittelmUssigkeiten politische Märtyrer geworden, 
dank einem politischen Prozess, der ihnen zu einem Sitz im 
Parlament und damit zur Maobt verhalf. (Ptai, Yall^, 

ROOHEPORT.) 

Nnn enthüllen solche Politiker, wenn am li in heltiger Form, 
einen Fekier des politischen oder sozialen Urganismus, eine un- 
gesühnte Ungerechtigkeit, einen im stillen von Vielen gehogt^Mi 
Reformvrausch ; und da Das, was anfangs als kühne Utopie 
erschien, oft schlu's^lich von d^n Meisten anerkannt wird, so 
wird aus dem Schuldigen von gesierii der Apostel von heute; das 
zeigen, um nur einis?« Beispiele zu nennen, Christus, Luther und 
Mazzint. Daher kommt es, dass ihre Richter häufig mehr zur 
Freisprechung als zur Verurtheiluug neigen, weil sie dieselben 
wegen der Abwesenheit aller verbrecherischen Charaktere und 
Impulse für ungefährlicii halten, oder weil sie durch eine Be- 
strafung nicht die Möglichkeit einer künftigen glückiioheu 
Lösung abschneiden wollen. 

Wie die Geschichte zeigt, hat die allzu strenge Bestrafang 



168 U. TheiL Jamfurodens. Prophylaxe dei politiMhen VerbreoheiiB. 

politischer Vetbrechen Ive^Merungen häutig uicht gestützt, 
sondern erschüttert and das nationale Interesse viel mehr 
geschädigt, als es die Verbrecher selber konnten ; so ist der 
Verfall von Florenz wesentlich dnrch die Erschöpfung be- 
schleunigt worden, welche die Verbannung und Admonition 
der besten Bürger und die dadurch bedingt« Veraimuug des 
politischen Lebens herbeiführte. Ein ahnliches Schauspiel ge- 
währt heute ßuÄsIand, das durch die Verfolgung der Nihilisten 
allmählich die Blüthe seiner Intelligenz vernichtet, vor allem 
aber Spanien, das seine besten Männer auf dem Scheiterhaufen 
TerbnoBte, jede Spur T(m Genialität anaioitete und das Laad 
in eine intellektnelle Wüste yerwandelte. (S. oben p. 169.) 

Mit Beobt bemerkt Suioi\ dnaSp wenn die Henacher 
wirUiob das yon ihnen regierte Land und Volk liebten nnd 
nicht dnreh seknndfire Zwecke abgezogen wttiden, sie niohi 
Mttnner yon nnabhsngigem Ghamkter yemaehläsngen oder be- 
seitigen würden, um die Sdhaar der Seryilen an yennehren nnd 
an ennnfhigen. 

So lange nnn aber die Handinngen gegen den politis^en 
BeeLtastand der Bfliger nidit den Charakter einer strafbaren 
Handlnng yerlieren, haben diese den Anspruch anf Sohnts yor 
denaelben; daher die Notbwendigkmt einer besondwen Strafe, 
die dem Thäter anf der einen Seite die HOgliohkttt, sdiBdlidi 
an werden, nimmt, anf der anderen Sdte ihre hoobbensigen 
Beweggründe wtlrdigt, und leicht onterbrooben werden kann, 
wenn die von ihr gebroifene That anfbört, der Öffentlichen 
Meinung feindlich gegenüberzustehen. 

13. SpezialStrafen. — Wie wir sehen, haben wenige 
moderne Stra%esetzbücher die Nothwendigkeit solcher beson* 
deren Strafe anerkannt. In Frankreich setzte das Dekret vom 
ö. April 1850 die Deportation an Stelle der Todesstrafe für 
den Fall des bewaffneten Angriffes au£» Vaterland, und heute 
steht diese Strafe auf Komplott und manche Fälle von be- 
waffnetem Aufstand; Freiheitsstrafen werden yorsogsweise in 
weniger schweren Fällen angewendet. 



' Per PtdmoMifim dü caniMere, — Torino, 1885. 



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ZmiiM Kapitel. JnriitiMher TheiL 



Stnüni« 



Das belguebe Stn^aseisbnoh bestunmt EraÜLeitSBtnilen, 
die in einer beeonderan AbÜieilnng einer dmoh kttmglicliee 
Dekret bestimmten Strafanstalt abgebOsst werden dnükok, damit 
die aus polituehen Grttoden YeniTtheilten nieht mit gemeinen 

Vttbrecliem zusammengebraoht werden. 

Bei uns sind die BestimmungeD des neuen Stnfgeeetsbuehas 

durch die Arbeiten der Kommission verzögert worden; das 
Projekt DB Falco bestimmte noch, dass bei Yerbreehen, die 
begangen wären infolge plötalidier Gernttthsbewegiing, einer 

übertriebenen Leidenschaft, einer schweren Provokation oder 
als AuasohreitiiDgen bei der Yertheidigung de» Lebens oder 
der Ehre — nnd unter diese Rubriken gebürten die politbcben 
Verbrechen — die Strafe sieh auf blosse Freiheitsentssiehnng 
beschränken sollte. 

"TnHfir Intztor Gesotzgeber, der darin eine Art von Glori- 
fikatiou des Schuldigen sah, bestimmte jedocb für mehrere 
Fülle die Alternative df^r Rpklusious- und der Dotentionsstrnfe 
und iiberliess es den Richtern, lestznstellen, ob die inkrimiuirte 
Handlung politischer Leidenschaft oder aber Habgier oder 
anderen niedrigen' (lefuhien entstammte.* 

Die AbstufuDi; der Strafe nach der Natur und Gefährlich- 
keit des Verbreoliens war hier gewiss zweckmässig, da sie den 
Angelpunkt des von der neuen Schule gewählten Strafsysteuis 
enthält; wie diese Bestimmung aber heute dasteht, ohne eine 
entsprechende Reform des Prozessverfahrens, verspricht man 
sich von ihr vergeblich die Erreichung ihres Zieles. Eine 
psychologische Untersuchung des Schuldigen, die zu einer 
genauen Bestimmung seiner Motive ausreicht, luäst sich bei 
der heutigen Organisation des Strafprozesses nicht erwarten; 
die Unabhängigkeit des Verfahrens von der Exekutive, 
besonders in poliüscbeQ Dingen, ist sehr wenig garantirt, 
und die Biehtw nnd in ibrer grossen Hehrbett, was 
ftbiigens noch mebr fttr die Gesobworenen gilt, obne Kennt» 
nitt von den Resultaten des Stadinms der Verbfeeher, welcbe 



* Vgl. Uelazwne del Minütro Zanmrdeiit mti jjroyetto dt un nuovo 



170 Il- Tbeil. Jurisprudeiut. Plrophylaxe de« politücheu Terbrecbeus. 



di« krininalle Antihropologie in diesen letzten Jahren an- 
gemmmelt bat 

So lange die psychisfcriMhen GntMliten aU «n sntdiMe» 
Turnier aUeinateheoder Fonoher betrsohtet irwden, welche die 
Bioihter nngem solueen nnd dolden, 90 lange die psyohologieelie 
Beoitheilnng nioht als einaig siohere Ghrandlage der Znreebnnng 
in die G^ohtssäle eingezogen ist, liat die Alternative der 
Strafen kein praktisbbes Besoltat nnd lOst sieh in neue Willkllr 
anf oder in strafbare ILidnlgens. Offenbar ist der Gesetsgeber 
in WidersprUebe gerathen; er bestimmt die AltematiTe iwisohen 
BeUnsion nnd Detention bei Handinngen, die wie die Spionage 
&st immer von verbreoberisohen MotiTOi augebm» wibiend 
er nnr eine, nnd awar die mildere Strafe der Defontion fär 
sebr sobwere nnd g^hrliolie Yerbreehen androbte^ wie fttr die 
Bildung bewaflneter Banden, die nnr selten anf edleren Motiven 
berubt« 

Garofalo, der auch von der Nothwendigkeit einer be> 
sonderen Strafe für politische Verbrechen überzeugt ist, pro- 
ponirt in seiner Ormimlogia für den Fall des durch politischen 
oder relipOsen Fanatismus motivirten Mordes die Ausweisong 
naeh einer Ini^el oder Kolonie auf eine Zeit, deren Bestimmung, 
je nach der Erfahrung üher den Charakter nnd die wahr- 
scheinliche Rüekfiklligkeit des Schuldigen, nach Ablauf der 
ersten 10 Jahre von dem Urtbeü der den ersten Spniob fiüien* 
den Instanz abhflngt. 

Für uns wäre dieser Fall der eines gemischten politischen 
von einem Leidenschaftsverbrecher begimg-enen Verbrechens, und 
wir finden es gerecht, dai?s die Strafe in der Entfernung des 
Schuldigen besteht, aus der Umgebung heraus, in welcher er 
das Verbrechen begangen hat, de.ssen Natur, unabliiingig von 
dem verfolgten politischen Ziele, eine Reaktion in dem öffent- 
lichen Gefühl hervorgerufen hat. Aber diese Ijeidenscbafts- 
verbreci;- 1 worden niobt immer durch momentanen FaiKiti^üius 
angetrieben, vielmehr haben sie feste Leberzeugungen und den 
entschiedensten Ent'^ohluss, sich für ihre Ideale zu opfern. 
Wenn mau somit ihre Strafe von der Möglichkeit eines Rück- 
falles abhängig moohen sollte, so müsste sie oft lebenslänglich 



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Zweites ivapitcl. Juristi»über TheU. — Strafen. 



in 



Min, aadi irami naoh d«ii Mbn Rrobejahna das UttlMÜ des 
BiehtttTB «bflolvt iiiib«fiuig«ii und nnabbftngig wäre. Jed«o&llB 
wire diese aebnjllirige Periode ftbertrieben lang, denn eineiseltB 
gewihit die kriminelle Antiliropologie rioliero Kriterien snr 
üntenoheidnug des Veri»ieohef8 ans Leidenaohaft von dem 
gebozenen Yerimelier; und fener genügt eine yiel kflneie 
Beihe von Jalizen dam, nm die öffentlielie Meinung besttglioh 
Deesen, was sie als politisehee Verbreehen beimiditety m 
Indem. 

Bei poUtifloheB Yerbrecliero ans blosser Ijeidensehaft balten 
wir mit Oabelli die Verbannimg für die geeignetste Strafe. 
,fWer die Binriebtongen seinee eigenen Vaterlandea nioht liebt, 
hat keinen Äns(inioh anf ihre Wobldiateii; er hat das GM>tet 
des Staates zu Terlasaen and emt aarllflkinkehren, wenn er 
feierlich die Absieht äussert, sie zu achten. Yielleioht wird ihn 
daa Heimweh erfassen; ans der Feme wird er die Einrichtungen 
der Heimath mehr sohätaen; sicher wird er nioht mehr unter 
d«a Einflüssen der Umgebung stehen, die eeine schlecht be- 
rathene Leidenschaft genährt baben. Alter und £xil werden 
bessere Heilmittel sein, als die Einsamkeit der Gefangenschaft 
oder die GeBeilaohaft gemeiner Yerbreoher.** (Cabelu, 1. c.) 

Femer mflsste die Todesstrafe auflgeeoblossen werden, die 
GuizoT auf diesem Gebiete schon so beredt bekämpft hat/ und 
die als künstliches Mittel der Auslese empfohlen worden ist, bei 
ihrer Anwendung gegen die Neuerer aber daa Gegentheil des 
gewünschten Resultates herbeiführen würde. 

Eine .solche Sti'afe iiesse sich nach Dem. \va,'< wir aus- 
geführt haben, nur rechtfertigen für dip srf^borenen Verbrecher, 
für die während eines Aufstandes begangenen Verbreoheo oder 
für die entsprechenden geiinMncn Verbrechen. 

14. Temporäre 8;i;ite. — Nach unserer iVleinimg 
müssen die Strafen für blot-s politische V erbrechen oder gemischte 
Verbrechen mit ausschliesslich politischem Ziele temporär sein. 
Wenn jedes gewaltsame Attentat gegen die politische Organi- 
sation, welche die Majorität der Bürger will, ein politische:» 



* De la peine de mort en mattere ixAiUgue. — Pans. 



172 U-Theil. JurisprudeiuE. Prophylaxe des poHÜBcbea Verbrechens. 

Verbrechen ist, so ist offenbar uicht nur jede Aendening dieser 
Organisation, sondern auch die Aendeiung des Litheils dor 
Majorität über den verbrecberischeu Charakter der That ein 
Grund für das Aufhören der Strafe; denn nicht jede neue 
politische Richtung, selbst wenu sie die Anachanapg der Mehr- 
zahl oder doch der Intelligentesten reprUemtirt, beotet di» 
Kraft, das Alte sa Terdringen, weil man vor jeder plotKliohen 
Aendemng mHokschreckt, nnd weil oft das fiestebende ein 
Unbehagen erzeugt, das die Berolntion der fnedUeben Ent- 
widclung Yoraieben lieese. Dana aber smd die «mstigea 
Fördmer dieser neuen Biditung niebt mehr sobuldig; ist nun die 
Strafe, welcbe sie von der Gesellscbaft fembalt. anwiderrafUcb, 
so wird sie an einer üngeredbtigkeit, nnd das erkiftrt die oben 
angedeutete Hftofigkeit der Freiapreohungen in politischen 
Proaessen. 

Nun kann man fiwilieb nicht alle Augenblicke die poli- 
tiseben Anaohauungen eines Landes ermitteb, um das Loos 
politiscih Yerurtheilter danaob au gestaltso; das bindert jedoch 
nidh^ dass sioh das Land gegen eine als ungerecbt empfiuLdene 
politische Yerurtbeilung Äussert , indem es die einzige, ihm 
gesetzmässig zustehende und wirksame Waffe gebraucht — 
das politis(die Wahlrecht 

Andererseits sind die Parlan.ortto, welche mehr oder weniger 
treu die Souverftnität und den Willen des Volkes vertreten, 
häufig verfassungmässig zur Aburtbeilung der schwersten poli- 
tischen Verbrechen bernfen, ja sie kimnen, wo sie, wie in 
Frankreich, die Initiative der Amnestie haben, durch ihr Votum 
jede Strafbarkeit beseitigen. 

Wie oben gezeigt, hat in Nordamerika der Kongress die 
Strafen für politische Verbrechen zu bestimmen, wie der Senat 
im alten republikanischen Rom. (S. Bd. TT. p. lli>.) 

Es haben also Parlament und 8enat nur alle drei bis 
fünf Jahre in einer Sitzung zu erklären, dass ein be.stimmte8 
politisches Verbrechen nach der Meinung des von ilrnen ver- 
tretenen Volkes nicht mehr a!? solche.s anzusehen ist. So 
wurden Atheismus und (jottesla.sterungen früher als schwere 
Verbrechen bestraft, während es heute lächerlich wäre, sie 



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Zweites Kapitel. Jurutbcher Theil. — Strafen. 17B 



be.Htrnfen zu \\r,lU':i; uud eiu ähuliches Schicksal steht den 
Majeslätsbel* ifliLTuui^en und den Strikes bevor. 

Der tempurüre Charakter müsste absolut sein für Ver- 
brechen, die einzig und allein aus politischer Leideuschaft 
hervorgegangen sind, die somit so zu sagen konventionell sind, 
da sie nur durch ihre Beziehungen auf ein bestimmtes politisches 
System als solche existiren. Die Stmfe darf nicht infamirend, 
nicht sehr sehnici zlich sein (Verbannung) und so lange dauern, 

die Scliuld, welche occasioneller Natur ist, besteht. So 
kann man bei jenen Füllen von Rebellionftu, die den Anfang 
einer Entwickelung darstellen, verfahren; dieser Vorschlag ist 
weder revolutionäx noch neu, denn er ist in der Form des 
OrtxwismiB in Grieelienlaad, des Petalismus in Sizilien und 
der Admonition in FIotsdb in yenoliiedeiifln Llndoni und Zeiten 
nnter walirliaft liberalen B^erangen dniohgefiUirt worden. 

Bei polifüdhen Terbreeben gemiaobter Natur dagegen 
nraas man das politiedie Element Ten dem gemeinen Yerbrechm 
trennen; das efstere riohtet siolk gegen die berrsehende politiBobe 
Fenn oder die sie vertietenden Penonen» deshalb ist aber 
das gemeine Yerbieoben, das diesem Ziele diente, niebt 
weniger strafbar, aomal es das moialisefae Geftbl der Gesell- 
sehaft Terletst. 

In diesem Falle bat anch die Strafe eine gemischte sn 
sein; die Attentate gegen das Leben oder die Freiheit der 
Bfliger mttaen mit einer der legitimen socialen Reaktion ent- 
spreohenden Freiheitsstmfe belogt werden, wahrend eine aweite 
Freiheitsstrafe eine nnbestimmte Daner bat, entspreohend der 
Zeit, in welcher der Angri£F anf die politisi^e Organisation 
noob als Verbrechen gilt. 

15. Strafabstufung. — Ohne eine vollständiges System 
Ton Strafen aufstellen zu wollen, geben wir in folgendem 
eine praktische Anwendung unsersr Ideen Uber die fiepression 
dieser Strafthaten. 

Als Strafen ftb* Terbreoherisohe Irre nnd geborene 
Verbrecher die Rekluslon in kriminellen Irrenanstalten, für 
das gemeine Verbrechen die Anwendung entsprechender 
Strafen mit angemessener Verscbärfiuig bei besonderer 



174 ILThaiL Jurbpciul«!». Prophylaxe dea politiieliin Verbredh«»!. 

Oefthrlichkflit des Thätws. BesflgUdi der Leidenschaft»- und 
GelegenheitsTerbreeher aohligen wir tot: 

1* Fdr Todtang und soliwere Verwimdiuig des Staaisober* 
haaptee des eigenen oder eines ftemden Laadee und bei an 
einem poUtiaahen Zweek begangenen Horden (genuaelite ye^ 
breohen) die Deportation oder die Yerbannimg unter Sondemng 
von den gemeinen Yerbrecbem nach dem belgischen System. 
Diese Strafe mnss in ihrer Dauer der für Mord oder KOrpe^ 
rerletzang unter gewöhnlichen Umstanden ^eiob sein. 

2. Bei Landesverrath (Gefährdung des äusseren Friedens 
Spionage, Veigehen der Minister eto>) die Deportation and die 
Ausweisung ohne Zeitbestimmung. 

3. Fttr Insurrektion und Bildung bewaffiieter Banden 
gegen die hensohende Form der Regierung, der Kirche und 
der sozialen Organisation, für die FtLhrer und Anstifter dieselbe 
Strafe der ein£M)hen Deportation tind Relegation ohne Zeit- 
abmessung. 

4. Wenn einfache, die Ausführung eines solchen Vergehens 
bezweckende Handlungen oder auf das Gebiet der Aktion über- 
gehende VerschworanfTf^n vorliegen, und überbaupt für alle 
gewaltsame Auflehnung gegen die politische, soziale o'lf^r 
r<Migius* Furtn des Staates, die nicht unter die oben gennnntea 
Kfttegonen fällt, die Verbannung auf unbestimmte Zeit. 

5. Für den einfachen persönlichen Angriff auf das Staats- 
Oberhaupt eine Freiheitsstrafe in Einzelhaft von bestimmter Dauer. 

6. Dieselbe Strafe für die Genossen von Insurrektionen 
oder bewaffneten Aufstfinden, die weder Anstifter noch Fuhrer 
waren, unter Vorbehalt der Straflosigkeit für Diejenigen, die 
sich vor Ausbruch der Revolte von .hr lossagen. 

Für Unmündige mildert sich die Stiufe um eine Stufe; 
Aufhebung der Verantwortlichkeit ist nur zuzulassen bei voll- 
ständiger, nicht zum Zweck des Verbrechens erworbener 
Trunkenheit. 

Wo ein gewinnsOehtiges IfotiT lannttritt, ist eine dem 
Besits des SehnUigen proportionale Geldstrafe ana Bs eta en 
womn dem Verlast der politisehen Ehienzeehte» der Sus- 
pension Ton Oftntlidien Aemtem und bei Beamten. 



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Zweites Kapitel. Jiutetiadier Theil. 



— Strtfen. 



175 



7. Für \'erbreituu^ von Staatsgeheimnissen oder von 
iTiTicren Verwaltimgs- Angelegenheiten stehen sich die Gefahren 
df't Straflosigkeit einerseits und andererseits der Sohadeu 
gegenüber, den das üüentiiche Leben erfährt, wenn die Ver- 
breitung höchst wisseuswerther nnd nützlicher jN'achrichteu 
Vf-tiiindpft wird: wir ^ind deshuib für widerrufliche Geldstmfen, 
neben dem Verluöt de» AmtPs, in Form einpr l-'.ärLr^cliufts- 
Summe, die rtickerst-attet werden kann, wenn die beueitemlpii 
Mittheilungen sich später als für das Land nützlich eru i isi ii. 

8. Beleidigungen dys Staatsul crh iuptes und des Pariamenies 
dnrob die Presse bilden oft em Sicherheitsventil und ein 
Symptom der öffentlichen Meinung , sie gehen entweder von 
Halbverrückten aus und lassen die Ding-e, wie sie sind, oder 
von genialen, ge8iiiüungstücht.igeu ^laiinerii, und fördern duuu 
das öflFentliche Leben, indem sie Lücken und Gebrechen ent- 
hüllen, die bei der die Mehrheit beherrschenden Furchtsamkeit 
verhüllt und nob^traft geblieben wären. Bei diesen Vergehen 
genügt eine Geldstrafe, die «in gewiates Ibximnin erreiohtn 
kann in 1*111611, wo die geriohtlielie TJnteiBnohung die Inspiiation 
der Handlung durch peisOnliolLeii Giott oder andere niedrige 
JCotiTe naohweist. 

Fttr Yerbal-Injoiien, die £uft niemals eine niedrige G(e- 
nanung beweiNn, wflrde eine leichte Qeldttrafe, deren Betrag 
patriotiflahen Untemehmnngen mffient^ genflgen. Wie man 
heute eine Bestralnng dee Flnehens lUr lioherlich ludten würde, 
mttaste auch die Beleidigung des Begenten oder des Flailunantee 
dafUr gelten, die, an sieh Aohtnng gebietend, dieee Bedentnng 
nieht durah reine indindiieUe AuNohreitang Yerlieran — und 
wenn sie wflrdelos aind, retten auch die drakoniecheten Stialen 
eie nicht Tor der Veiachtong. 

9. Bio fieUgioniveigehen, VeretOaee gegen Sitte und Bitna 
der Beligion mflesen in barbeiiaohen Lsndern (Kolonien) bestmft 
werden, glemhTiel ob sie yon Eingeborenen begangen werden 
oder yon Suropäern xum Aeigemiss der Eingebccenen, aber 
nicht mehr in zivilisirten LBndem, ausser wenn ein anscheinend 
religiöses Vergehen sich gegen die Buhe und den Bestand des 
Landes richtet 



176 n. Theii. Jurisprudenz. Prophylaxe des politischen Verbrecbeus. 



10. Sirikeft sind «rlauH wetm sie olme Waffengewalt 
Terlaofen; dabei vorkommende ZentOraDgen und Kflfper* 
TerletBangen weiden ab gemeine Yerbreolieii besirafiL 

11« Strafbare Handlnngen der Deputiiten, wenn aie nidit 
politiBcher Katar eind» münen wie die anderer Individnen beetaraft 
werden ; nach Einholung der Autoiiaation, wenn sie gemiaditen 
Charakter haben; parlamentarisohe Yeigehen mflssen eine epe- 
aielle, in einem Aiftlokal des FtEurlamentes an ToUsiehende Strafe 
finden, fthnlich den militttrisehen Vergehen. 

12. FOr die eogenannten indirekten politisohMi Ver- 
breehen, die Attentate anf die £reie Anettbnng des Wahlreobtee, 
mu88 die Strafe in der Eriegnng einer Oeldramme nnd in der 
aeitweiligen Suspension vom Amte und von der Ansftbnng 
politischer Rechte bestehen. — Vor allem moBS aber auch die 
WaUentibaltnng bestraft werden, was Tielleioht eine Ehnenerong 
des Wahlkttrpeis and die Zufahr unverdorbener Kräfte bewirken 
wird; denn anter den Nicht-Abstimmenden herrscht das Element 
der ebienhaften, aber apathisohen Bfliger vor, die eine Strafe 
stimuliren würde. 

16. Korapotenz — Es bleibt nan zu erwägen, 
welehen riohterliohen oder politischen Organen die Handhabung 
disses Strafsystems anzuvertzanen ist, und welche da^u berufen 
sein sollen, die Strafe zn annulUren, sobald die bestrafte 
Handlung dem allgemeinen Bewusstsein nicht mehr als strafbar 
gilt. Mit Rücksicht darauf, dass die Strafbarkeit politischer 
Verbrechen der politischen ^feinung der Mehrheit unterworfen 
ist, würde es in abstracto gerpcht erscheinen, alle dem nu- 
mittelbaren Urtheil des Volkes oder seinor Vertreter zu unter- 
werfen; in der Pi-axis wäre das aber für die häufigsten dieser 
Handlungen, die leichteren, übertrieben; ferner würde der 
Gegenstüutl des Verfahrens s«>lbst eine fohwankende Stellung 
eionebmeu und allen Schicksalen des Parteikam])tes ausgesetzt sein. 

Eine richterliche Behörde, die infolge ihrer schwachen 
Fühlung mit dem politischen Leben gewöhnlich sehr k inservativ 
gestimmt ist, würde zu oft ihr Urtheil im Gegensatz zu den 
herrschenden Anschauungen bilden und damit gefährliche 
Konflikte err^en. So wenig Voreingenommenheit wir sonst 



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Z««itM KspiteL JnriitiMlMr TbeU. — 



Strifen. 



177 



fOr die Geschworenengerichte hegen, glauben wir von ihnen 
bei der Beurtheilung politischer Verbrochen mindestens ein 
vom realen Leben der Nation inspirirtes Verdikt erwarten zu 
können, das von der Rxficntiv-Gcwalt nnübbün^ii^ i'^t, ahor 
wären «icberpre (iarantieii f ür seine Kinsicht and £hrenhaitigkeit 
erforderlich, als wir sie heute basitzen. 

Wo die Richter durch das Volk gewählt werden, wie in 
Amerika, wäre nichts leichter, als ihm iinrh von Fall zu 
Fall die Wahl <lie.se> jinli tischen iSchwurgenchtes anzuvertrauen ; 
wo ein System indirekter \\'ahlen besteht, raüKf«!*' niuu die 
Cmennung der Geschworenen den Wählern hrherea Grades 
(Wahlmflnnem) übertragen, weil die Entscheidung über solche 
Vergehen fast immer eine Frage hoher Poiitik iu sich schliesst 
und somit die daran besonders interessirten Bürger zur Ent- 
scheidung berufen sind. 

In Italien, wg eine derartige Reform allzu sehr gegen die 
alten Rechtsformen Verstössen würde, könnte man die Mitglieder 
dieser Spezialgesetze unter gewissen, gesetzlich fixirten Kate- 
gorien wählen, zu denen der intelligenteste und politisch am 
bestell orientiito ^tliail dw BeTftlkenmg gehört, wie imter den 
Depnfcbten und Smatoien, den UmveittttlB-Ptofeüonii der 
Jnrispradens, den Frovinsial* und Komnranal-Vewmminnge- 
Kitgliedem, den N>rik-Ohe&, den PMsidenten von fierdb- 
oder KooparatiT«GenoflMnaoliaften. 

So konnte man ohne ftberailte Nenemngen eine riebterliche 
Köipenohaft bilden, die dem BegiernngeeinflnaB nnenciehbar, 
dem Fartei&natiemns fem und mit dem QefiBhl des Landes in 
Hmnonie wäre. 

Die Verletzung einer Kaste oder einer Landschaft durch 
die andere innerhalb desselben Volkes mtisste man der Joris* 
diktion einer aus beiden einander bekämpfenden Elementen 
gemisehten Jury unterwerfoo; das wttrde lüsstrauen und 
Reibungen beseitigen. 

Auf diese Jury wttrde die Kompetenz in allen politischen 
Verbrechen ttbergeben, nur das ürtheil über Landesverrath 
der Minister würde zur Kompetenz der Kammern gehOren, 
damit das Drtbeil aus derselben Sphftre stammt, ans der 
IiOMBaom, FolttlMbw Varbreelisr. n. 18 



178 II. Theil. Jurisprudenz. Prophylaxe des politüohen Verbrechen«. 



die Anklago hervorging und die an sich dort ortheilen 
berafen ist. 

Die Zulassmii? der Initiative des Volkes auf diesem Gebiete, 
wo die RepressM n im Interesse Aller liegt, und wo AliUAüsnahmen 
der Regierung und der Gericlitc oh zu. schwach oder zu .^piit 
ausfallen, bedeutet eine weitere Reforiii deä \ t;rfahreDS. In 
Rom war dies Institut vor der Kaiserzeit eine wichtige Sohutz- 
webr freiheitlicher Zustände, und seine Unterdrückung bezeichnet 
den Anfang des Despotismus und der politischen Willkür- 
hflumctKait (s. o. I, p. 174). 

Kraft dieMB R«oht«8 kann j«d«r Bürger tot der x»oht«^ 
liohon Anturit&t als Anklfiger auftraten, vor allem ab«r beeBase 
ee der AMcat der Sdtwa^m, Ton dem wir noeh weiter 
Bpreohen werden. Es handelt odb hier nicht nm die niedrige 
J>enimaation dnreh einen IGteohnldigen; ee iet das mnthige 
Auftraten eines Bfligeis, der den Bichter gegen Feinde 
dar Steats-Institationen aamft; nur mnss das Qeseta als Btag- 
sehaft fiBr den Emst der Anklage die Person and die Existens- 
mittel des Anklflgeis beanspmehen xmd sun Eneheinen vor 
Gerioht fordern. 

Wenn die |K>litisohen Parteien, anstatt den Sehanplata 
peiBOnlichenEhigeiaes nnd akademisoherDudmasionen ahiageben, 
wiiUich die Vorposten grosser politiseher Ideale darsteUten, 
so könnten sie durch dieses Mittel leioht den Venath auf- 
decken und IGssbrinohe treffen. Damit nicht genug, müsste 
dem allgemeinen Anklageradit auch die allgemeine Befugniss 
entq>reoh6n, die Bevision von Prozessen und die Abschaffung 
von Strafen solcher politischer Verbrechen zu verlangen, die 
aufgehört haben, als solche zu gelten. Hier sind ernste Kauteln 
erforderlich; auf der einen Seite könnte eine grosse Ansah! 
von Personen die entsprechende Aenderung der politisslisn 
Anschauungen bezeugen, auf der anderen Seite könnten wenige 
Parteigänger den Lauf der Gerechtigkeit stören und gefilhr- 
liehe ünnihen her\'ornifen . 

Wo, wie in It^ilieu, der Appell au djis Volk nicht zulässig 
wäre, müsste ein entsprechendes Votum aus dem Volke an die 
Kammer gehen, und wenn dasselbe von einer gewissen Angahl 



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Zw«itM KftpitoL Jariatiaoher TImU. — Str»f«ii. l'J^ 

von Wählern — z. B. 10(KK) — unterstützt und im Pnrl iTUPut 
mit Vä aller Stimmen angenommen würde, mü«*?te f<s (io.-otzcs- 
kraft erlmltpn, wobei bpzücrlich politscber VprKreciien gemischten 
Gbaraktei^ em Kevisiousurtkeil eines oidentiicbeii Gerichtshofes 
Voraussetzung wäre. 

Die Kammer selbst müsste alle fünf Jahre die Gesetze 
über die politischen Verbrechen revidiren und über ihre Ab- 
grenzung und Aufhebung beschliesson ; jedenfalls müsste sie 
das ßegnadigung-srecht iiusübeu, das man mit konventioneller 
Unwahrlieil als Prärogative des Könige bezeichnet^ während 
es vom Minister ausgeübt wird. 

Wo sich das Votum des gesetzgebenden Körpers zu 
Ghmsten politisch VenutheUter aiuspricht, würde es zeigen, 
dass das ihien Motiveii frtther abgeneigte Gefühl des Volkes 
sieh geändert hat, und dass somit eins frfiher strafbare politisehe 
Aktion nunmeliT anden betraehiet wird; so ysrliort die Kaiion 
käme Zm^ und soglsieli fshlt dem Scbutia der lisinclieiideii 
politisehen Ideen das Odinm, das eine miTeranderliolie, imme^ 
wfthrende Strafe mit meh bringt. 

17. Ansliefernng. — Die ttberwiegende Zahl der Ans- 
lieferangsrertiflge stainiren beute eine Ausnahme ftr poUtisolie 
Yerbiedher ans dem Grandoi dass bei ihnen nicht die Noth* 
wendigkeit einer gemsinsamen YediheidigQng gegen das Ter« 
bre^en Torllge, da ihre Stnf barkeit meist konventioneU wttie 
und ganz Ton den spesiellen inneren Veifailtmssen eines 
Staates abhinge. In der That bedingt die Yersohiedenheit 
dieser Verhiltniase nieht nnr Uniendhiede in der jnristisohen 
WmdigDng dieser Veilneehen, sondern anoh in der Stellnng 
der öientliehen Keinnng sn ihnen. So wUzde in einem repn^ 
bUkanisohen Lande die Auslieferung des Urhebers eines Atten- 
tates, das gegen das Leben eines despotisohen Monaiehen ge- 
richtet ist, fast ebenso grosse Entrflstong erwecken, wie das 
Attentat bei den Unterthanen des angegriffenen Fürsten, 

Dasn kommt, dass gewisse Strafen, wie die Todesstrafe, 
in manchen Ländern — Sehweiz, Frankreich — bei politisoben 
Verbrechen ausdrücklich anageschlossen sind. 

J>as Vorgehen gegen politische Verbrechen als Attentate 



180 ^ Theil. Jurisprudens. Prophylaxe des poUtiscben VerbrecheDs. 

auf die SouverÄnitÄt und Freiheit dea Volkes läge, wie 
Blui^tschli und Berner bemerken, im gemeinsamen Interne 
aller Regierungen, wenn die demokratischen Ideen alle Ver- 
fassungen durchdrängen; heutzutage tritt kein Staat aus seinem 
Zirkel heraus, uud jeder iulilt äieli nach der Seite limgezügen, 
wo gleiche Regierungsform eine Geneigtheit zur Gegenseitigkeit 
der Auslieferungen bedingt. 

Wir haben für rein politisohe Verbrechen die hlowe Ent* 
femung aus der gewohnten ümgelning befBrwortet, da wir in dar 
Ezilinuig m dem Vaterlaade und in der TJnmögliohkeit der 
Büi&kfllir eine ansreiehend adiweie Stnfe erUiflkan, und daaut 
sind wir natflrüoli Gegner der AnaUefornng poUtieefaer Verbreohar. 

Etwas Anderee aber gilt für nur ftnaeerlidi ak politieoli 
aaftretende Verbreohen, die tos Yerbreoher^Natiiien oder Inen 
begangen sind, deren Gefillirliohkeit nicht mit dem Gebiete 
ihrer Heimafh anfhOrl^ sondern die ganse menaohliehe Gesell- 
sohaft bediühi Hier mnss die Anslieferong nach IPMAmg 
dea Frooessveifiüiiens mgestanden werden. Andeia liegt die 
Furage beatiglich der gemisehten und komplexen Vetbreohen, 
die von Leidenschafts- oder,6telegenheitB?erbreehem begangen 
mnd; hier ist das gemeine Beeht neben dem politischen Ter- 
letet worden. Als SrUerium mnss hier die Gefthrliohkeit des 
Schuldigen gelten, die in seiner That dokomentirten Mängel 
moralischen Gefühls. Ist dies sehr dflrftig, so mnss die Aus- 
lieferung ZQgestanden weiden, und umgekehrt. 

HoLTZENBORFF^ — Und nehen ihm Andere — haben in 
diesen Fällen die Auslieferung befürwortet unter der ana- 
drfloklichen Verpflichtung, das Individuum nur für das began- 
gene gemeine Verbrechen zu bestrafen; 'so in FftUen von 
Insurrektion, für yerbrecherische Handlungen, aneh wenn die 
Partei des Thäters im Rechte war. 

Welche Garantien sind aber dafür geboten, dass der die 
Auslieferung verlangende Staat, der eben erst den störenden 
Einfiuss solcher Verbrechen erfahren hat und deshalb zu einem 
leidenschaftlichen parteüsobieii Urtheil neigen moss, seine 



' 8uUa eatraditümc. — Smvta penale. Min-Aphi 1882. 



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DiittM Kapitel. FrilTt&tiniuuMragdii. 



181 



VerpflichtuDg erfüllt and den Sohnidigen nidit fOr seine poli- 
tiachen Handinngen bestraft? 

Im übrigen liegt, wenn es sieb nicbt um geborene Ver- 
brecher handelt, kein Ipfritimps Interesse einer gemeinsamen 
Abwehr für die AnslieferunL^ \ ( r; höchstens können monarohiäche 
Staaten sich untereinander zur Auslieferung wegen Königsmordes 
verptiichten, sei es ausdrücklich, sei es dumh seine Subsnmimng 
unter die gemeinen Verbrechen; es lüRst sich, hier keine all- 
mt iiie Norm ß-ewinnen; wer mit uns sehen hat, welch grossen 
Antheil uu diesen Ytubreclieii Leidenschaftsverbrecber haben, 
welch altruistische Ziele sie häufig dabei verfolgen, und wie huutig 
ihnen das Verbrechen nur ein Mittel znr Realisirung holier 
Ideale ist, obwohl sie mit Widerstreben und nicht selten mit 
Abscheu dazu greifen, wird sie nicht auf Gnade und rn^nuide 
einem fanatischen Volke oder einer siegreichen Partei über- 
antworten wollen. 



Drittes Kapitel. 

PrMntlvnaatsregeln gegen dat poNtitelw VarliracliMi. 
Wirthseliaftlicbe Prophylaxs.^ 

Die Stnfgeaetse nfltm den Individuen wenig und noeh 
weniger der ganaen Bevölkerong. Man sieht in dieBem falle 
deatlicih, wie die Geietse ein todter Bnohstabe bleiben, wenn 
ne nudit dsroh Natnr und offentliehe Meinnng nnierstatst 
werden; daher kommt es mehr darauf an, daa Tenain tot- 
znbereiten, damit die politischen Parteien und die Staats* 
maschine ungehindert funktioniren können, und damit der 
politiacdie Organismus nicht erkrankt, als die Wirkongan der 
an^getietenen Krankheit mit Strafen an bedrohen. 



^ Diese« Kapitel rührt aoMofalieMlioh Ytm Lasobi her. 



182 II.Tb0il. JofjqpnideiiK. Fh>phylaxede8politiMlMnY«rl»«f^ieiis. 

1. Die sosisle Frage. — Die aooiab Frage itt die 
dringendste von fdlen, die an maere Pforten klopfeiif nnd 
man darf nicht bofbn, wie ea Manche (hna,* daaa ihie LOeong 
aieh ohne Yerlefcning der politischen Fonneo, an die sie jetet 
geknüpft ist, volhnehen winL 

Alle NationalAkonomen his anf dm heutigen Tag haben 
die enge Yerhindmig herrinrgehoben, die das politiaohe mit 
dem aotialen Leben TerknUpft Abibioxbleb war der erstov 
welcher bemerkte, dass man eineneits in der Demokratie die 
Ansbentnng der Bciehen Yerhindem mUsste, indem man sie 
Teranlasste, Theatervorstellungen zu veranstalten etc., und wie 
man anf der anderen Seite in der Oliganshie für das Wohl 
des Volkes sorgen, ihm gnt beaahlte Stellen versohalGen und 
mehr die Sohadigong der Armen dnndi die Reichen, als die 
der Reichen unter sich rächen müsse. Bei uns geadueht 
nichts von dem Allen, da die parteiische Justiz Europas fast 
niemals die Reichen trifft und die Armen schlecht beschfitst 
Bei uns &ulen die Söhne der Reiclien und Mächtigen in 
Müssiggang und Genuss, während die der Armen sich in der 
Arbeit abhärten und so die Krflfte zur Rebellion erwerben 

Unter den modernen Sohriftstelleru ist Tocquevillb der 
Meinung, dass zur Bildung eines Staates, der die grössten 
Friedensgarantien bietet, demokratische Institutionen die geeig- 
netsten Bind, in denen Jeder etwas zu vertlieidigen und etwas 
zu ervk'^erben hat; und in der That sind in ♦'inem demokratischen 
Staat die Armen, statt, wie es in aristokrrili<( heu Stnnt*»n irmn^r 
der Fall ist, dif^ L'-msse Mehrlieit zn bilden, in '^'»M ini;er An/.ahi 
vertreten, und die iieichen ihrerseits haben wenig Macht und 
gar keine Privilegien. Zwischen diesen beiden Extremen be- 
findet sich eine grosse Menge Solcher, die, weder reich noch 
arm, genug besitzen, um ein Interesse an der bestehenden 
UiJnuug zu haben, oline jedoch Neid zu erregen. Sie sind 
die natürlichen Feinde heftiger Bewegungen, und lu tast ganz 
Europa sichern äie ab Bourgeoisie die Stabiiitat des sozialen 
Blttrpers. 



* V. Orlakdo, Deüa resutenza poUtica ttc. — Torüio, 1886. 




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Drittel Kftpitei. PiiventlTiaMMnfeltt. 



188 



2. Ersatzmittel dr s Lohnwespns. — Aber da-s kann 
anijtMisclminlich nnr für eine kurze Zeit genü^'en und nur da, 
"v^o die Arbeiterklasse noch nicht genü<,^end herangereift ist, 
Ulli sich der Bourgeoisie zur Seite zu stellen; dann erst wird 
die Lösung des secnlären Gegensatzes zwischen Blapital und 
Arbeit zu einer brennenden Frage. 

Heute treibt einerseits die Entwicklung grosser industrieller 
Unternehmungen und die den KujaULseitrü^^ \ (^riniiiderude 
gesteigerte Konkurrenz den Kapitalisten dazu, uai ArbüiLslohn 
zu sparen, andererseits Ifisst der gesteigerte Unabhängigkeits- 
dnn der Massen sie ihren entsprecbenden Antheil am Grewinn 
foidvn, ein« Fordtrnng, die den enten Schritt xnr Emanzipa- 
tioa -vom Kapital Vedentot; es euMelit ao eme baittndiga 
GWhnmg, eine stete ünrolie, die den Nationalwohlstend 
aebftdigt. 

An die Stelle der Sklaven der atten Wel^ der mehr ein 
Werkeengf ab ein Meneeh war, ist beute der werthTelle Hifr- 
aibeiter gebraten, an Stelle der antomatiseh arbeitenden Hand, 
die Intelligeiia^ welohe die Arbeitslwstang hnndert&eh steigert, 
wenn sie eine entspreebende Entubidigung findet 

Das antomebmende Kapital mnss siidi den gereobten 
Foidernngen der Arbeiter mgttagüeb aeigen and sie dwob 
Tbeilnabnie am Gewinn beben; es gewinnt dadnnb den 
Verfbeil, sieh tot Sttikes an siobeni, and die Gemeinsamkeit 
der Interessen wird bewirken, daas sieb die Ptodnktionskraft 
▼ermebrt 

Erst vor kurzem hat Godin eine Ldfiong dieaes Konflikte 
in seinem ,^S^miliBtöre'^ zu erblicken geglaubt. 

Er wandelte seine Giesserei in ein Unternehmen um, bei 
welobem die Arbeiter nach und nach selbst zu Untemebmem 
wurden. Er verpflichtete die Arbeiter, duroh Partizipations- 
Quotm Antheil am Kapital an erwerben, woan er auch ihre 
Ersparnisse Terwendete, und zwar derart, dass das Kapital des 
Unternehmers nach und nach durch das der Arbeiter ersetzt 
wnrde. Die Durchführung geschah in der Weise, dass die 
besten Arbeiter Theilnehmer wurden und zu den wichtigsten 
Stellen emporstiegen, and nur den als Theilnehmem fiingiienden 



184 Theü. Jamprndaiuu Ftophyl«xe dm politiwdiMi Tttbcedhent. 



Arbeitera stand das Bedht des Euipnulies in Verwaltiinga- 
angelflgenheiten sa. 

Dar Bamertng des ÜDtamebmens wnide naoh Absng 
bestimmter EnUlmngfgelder und Summen ftkt Venuherong 
derarfc nnter die Aibeiter T^rüheUt^ da» Jeder den Lelm seiner 
Arbeit und die Zinsen seines Kapitals erhielt entspreobeod 
den Terschiedenen Arbeiterkategorien. Und um bei voll ein- 
gezahltem Kapital der Arbeit das Uebeigewicht zu sichern, 
sollten die vorher snbskribirten Quoten amortiairt nnd dnroh 
neue ersetzt werden, die aus den Ersparnissen nen eingetretener 
Arbeiter gebildet werden sollien,' 

Sieherliob veidanken wir die gnten Erfolge dieses Unter- 
nehmens einem ungewöhnlichen Manne ; v^elleieht hat Rabbemo 
recht, wenn er meint, nicht alle Unternehmer würden den 
Willen nnd die Fähigkeit für ahnliche Leistungen haben; 
vielleicht kann aucli die Theilhaberschaft am Eigentbum für 
den Arbeiter selbst gefährlich werden für den Fall, dass das 
Unternehmen fallirt; jedenfalls ist hierdurch, wie durch die 
Versuche von Scnio und llossi, die ebenfalls nur Anerkennung 
verdienen < ia grosses Beispiel zur Nachahmung aufgestellt. 

3. Kooperation. — Waxsittard Nkai-e resumirt die 
Erfolge dieser Leistung iulgeudermaasseu: „Jeder ^.\eis'^, d-d<s 
Meeresstiirme durch ein paar auf die Wogen gegossene 
Tonnen Oel beruhigt werden können : so sind die sozialen 
Stürme durch das soziale Oel der Kooperation zu stillen; sie 
wird die wüthenden Wogen besänftigen, welche die Civili- 
sation zu verschlingen drohen." 

Erst dann, weuu alle isolirten Kräfte, die für sich allein 
zum Kampf ums Dasein zu schwach sind, sich zu einer Gruppe 
vereinigen, die in sich selbst nicht nur eine Stütze der eigenen 
Kechte gegen die Stärkeren» sondern anoh die Energie und 
die nOihigen Mittel znr Elrlangung der Unabhängigkeit finden 
wird, erst dann wird das Gleidhgewieht beigestellt sein, das 
die sidheiste Garantie f&r den sozialen Frieden bietet. 

Die konservativen KationalOkonomsn mOgen mit Lbbot 



^ Babbivo, X« McieA coopmUioe Ü pndmtiomt — Mibulo, 1889. 



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Dritte« Kapitel. PräventivniMMr^ela. 



185 



Beaui^ü^ öügeQ, das8 der Arbeiter zu dem Werk des Unter- 
nehmers, das jetzt auf die bürgerliche Klasse beschränkt und 
von ihr allein ausgeübt wird, nicht geeignet ist; oder mit Triebs, 
dass es für die Arbeiter gefährlich sei, sie mit ihren Erspar- 
nissen in das Risiko des Unternehmers zu verwickeln: der 
intellektnelle Fortschritt, don unsere Arbeiterklassen heute er- 
reicht haben, giebt uns das Vertrauen, dass sie zu dieser Um- 
wandlung reif sind. 

Gewiss stehen Schwierigkeiten im Wege, und zwar in der 
Wahl der Tludliieliiner, aowie in der der Dixefctoren, Tor allem 
aber in dem Anfbrmgen der erforderliehen Kapitalien nnd des 
Kredits; aber iBr die Bildung des Kapitals könnten ansser der 
erhöhten Ftoorge der Arbeitsr selbst Konsum- nnd Httl&ikassen 
sorgen, nnd für den Kredit bietet die Leistungsfähigkeit nnd der 
Weräi der flbemommenen Arbeiten eine Garantie, besondeis wenn 
die anf dem letsten Kongress dw Kooperativ<Genossensdiaften 
angenommenen VozsehlKge, die anf einen Vorsohnss von 2*/» 
des Arbeitsbetiägee nnd eine IdVo-Beserre der Löhne antragen, 
Anerkennung finden. In der Bomagna sehen wir diese Frin- 
sipien in grossem Maassstabe ükr die Bnclidmakerei*Arbeiter 
dnrohgefiBlizt. 

Wenn, die Arbeiter nieht in den Bssits grosser Betriebe 
gelangen, so wird dodh das G^lnet der Kleinindostiie der 
Kooperation immer ofien stehen (Rabbeno 1. c); dazn kommt 

die von der Ersetzung des Dampfes durch Elektrizität erhoffte 
Demokratisation der Industrie, welohe die Gebiete der koopera- 
tiven Produktion immer weiter ausdehnen wird. 

Die Ver])3anzung der Kooperation auf das Land wird 
vielleicht eine Lösung der agrarischen Frage anbahnen, die in 
Italien viel dringender ist, als die industrielle. Bei uns 
haben dahingehende Versuche Moni nnd Rof:sr gemacht, wie 
in Amerika einzelne Philanthropen, die in mehr als 60 blühenden 
Dörfern, wie Oneida, Amana, Economy, unter der Form reli- 
giöser Verbindungen vollständige Kooperativ-Genossenschaften 
gegrttndet haben, in denen auf gemeinsame Rechnung ge- 

' JLa ^imtim oiimirt au XIX. süUe. — Fum, 1882. 



186 IL Tlieil. JunqHradens. Fr«»pbykxe det politiaohen Verbrechern. 

arbeitet und der Yerdieost unter alle Mitglieder getbeüt 
wird. 

Immerbin bleibt noch viel zu tbiin übrig, bis die Tdee 
der Assoziation un^eiMm Landvolk vertraut ^^worl^'n spin \\\"d, 
und Iiis dabin begrussen wir mit Freuden div }-Psclitiuieiien 
\ ersuche, die hier und da zur Verbreitung des Segens der 
Kooperation gemacht werden. Unter diesen beben vrir die 
ländlichen Darl ehnskassen von Raiffeisen ehrenvuU lier- 
vor, die, von WiiLLFMBoi^i aus der Rheinprovinz nach Italien 
verpflanzt, uns die Hoffnung geben, dass der gegenseitige Kredit 
daä Landvolk vom Wucher befreien "wird. 

Wenn wir nun zu der Kooperation der Produktion zurück- 
kehren, so stehen wir einer Gefahr gegenüber, die die Arbeiter 
selbst in ihrem eigenen Interesse vermeiden müssen: nämlioh 
dsr der Degenemtion dvroh den Uebergang des üntenMliineaB 
in ein speknletiTee, aei es dureh Erböhnng des Lohnee bei 
▼ennehrtor Arbeit, sei es dnidi Eiinsohrfl&kung der Zehl der 
Theillutber oder dnroli ZnsoUag eines su groesen Tbeiles des 
Srtrages mm Kapital. 

Welchen VortÜeil bAben denn in aolchem SUle — fragt 
Labsallb — die altgemeinen ArbeiterrerbäliDiflee, wenn der 
Arbeiter für eeinesgleidhen tbtttig ist, statt ftr das Unte^ 
nehmen eines Bonigeois? Nichts gewinnen sie, als Degeneration, 
denn hier steht ein Arbeiter dem anderen £nndlioh gegenAber: 
die Person ist eine andere geworden, die Sache dieselbe 
geblieben. 

Nun muss der Staat die Kooperation begttnatigen, indem 
er sie Ton allen Fiskalitäten l^freit, die Vertrige im all- 
gemeinen erschweren, und ihr unter bestimmten yoreiohtnnaam' 
regeln die Ausführung (gütlicher Leistangen und Dienste 
überträgt, wie diee mit gutem Erfolge in der Bomagna und 
im Gebiet von Mantna auf Betreiben von Fbbsi dnrohgeaetst 
worden ist. 

4. Feinde der Arbeiterklasse. — Aber jenseits der 
Lohnfrage, jenseits der Anstrengungen des Staates, der Kapi- 
talisten und der Arbeiter selbst zur Lösung des Konfliktes 
awisdien Kapital und Arbeit stehen die nnTerftnderliohen 



Dil 



DditM KAjpiteL FrilventiTOMUti^gelii. 



18; 



Gepptze der Natur nnd des Zufalles, die die Neigung haben, 
den Arbeiter immer \sied«r ins Elend zurück / u->( u r/pu : es 
sind auf der eiuen Seite Krankheit, frühzeitiger Tod und 
Alter, auf der anderen Betriebsunfälle. 

Die Wohlthätigkeitsanstalton helfen hier sehr wenig. Die 
Hospitalverwaltung ist z. B. so kostspielig, dass in Frankreich 
die Kosten jedes Krankheitsfalles auf 200 lire berechnet werden 
— das Vierfache von dem, was er oiuor rrivatgesellseliatt 
kosten würde. Die Sparkaiisen, wenn sie auch die kleinsten 
Quoten aufnehmen, die Postkassen z. B., sind doch nicht im 
stände, die Ersparnisse des Armen gegen seine eigenen Begierden 
und Launen su sohützen, nnd geben ihm, wenn einmal das 
Depositmn eisehOpft ist, keinen Ersdit. 

SehHmmer noch — es giebt Institntionen, die den Leicht 
sinn geradeni begünstigen, z. B. die PJkndhlnser» die soweit 
geben, 9^/*% (in Paris)» ja sogar 14% an nehmen. 

Nfltalieher sind solohe Kreditinstitate» die, wie die Banebe 
popolari dem bedztngten, ehrliobMi Arbeiter mit Peiaonalkredit 
m Hülfe kommen; aber de kleben an boreankmtiscben Formen, 
stieben immer nadi grossen Spekulationen, kommen mit der 
Klasse, die sie nntentfttaeii sollten, wenig in Kontakt und 
kennen ihre Bedita&isse nioht. 

5. Genossensebaften su gegenseitiger Hfilfe. — 
Gewias konnten diese GeseUsebafton einen grossen Theil des 
Problems der FttnKMge lOsen: in bestandigem Kontakt mit den 
Arbeiterklassen und mit ihnen rertrant, können sie sowohl 
schnelle, dem augenbliciklichen Bedürfnisse angemessene Hfilfa 
leisten, als auch die Zukunft der fOisonglioben und sparsamen 
Arbeiter siobem. 

Baron^ bereehneft, dass, wenn alle Arbeiter IfiigUeder einer 
Gesellschaft au gegenseitiger Unterstützung wären, mit einem 
Beitrage von nur 20 Oentimee ^y$» des £lends aus der Welt 
veisohwiBden würden. 

Diese Verbindungen könnten, wenn sie Rerufs^enossen- 
schaften bildeten, dem Arbeiter üQr den Fall des Arbeits- 



— Fkrit. 



lüQ II. Tbeü. Jurisprudenz. Prophylaxe des politiidien Verbreobeiu. 

riKLTiLrrls Existenzmittel sichern. Kfbon Mounahi stellt sich 
die gegenwärügeii Trades-Ünion^: und Ge\^ erlissvndikate, in 
HandelsgeseUschnften umgewaudelt vor. die die Konzentration 
der Arbeit zum Ziel haben und als solche ihr© Mitglieder in 
gefkhrlicheu Berufsuilen und bei Ungliicksfälleu schützen uud 
slo durch als Ereparnisse angewendete Lohnabzüge gegen 
Kiiiiikheit und Alter versichern. Aber von diesem Ideal, das 
vielleicht die Zukunft der grossen Arbeitervereinigungen bilden 
wird, sind wir noch weit entfernt, selbst in England, wo ihre 
Entwicklang doch schon soweit vorgeschritten ist. Die yiel 
bescheideneren italienischea Gtesellsohaften zu gegenseitiger 
Untontützui^ müssen, wenn rie sioh aiielL mit genügender 
SehneUi^eii Terbieiien, und wenn eie mk Hhn Mitglieder 
gegm die nadiÜieiligen Folgen der Krankheit Bohfitsen, die- 
selben dodi im StifliL laaaen oder die eigene EzistonE riekiren» 
wenn die Dauer der Xiaakheit das Dnrohaehnittsniaaae tlbe^ 
aebreitei 

Deehalb mHasten ae iieh mit den Un&lle* nnd GMUir- 
VeraiohemngfrGeaellachaftBn verbinden nnd filr Pensionen ete. E^ 
gflnznnge-Qnoten vbl gewinnen Boehen, die dem individnellen 
Konto jedes Genossen gntgesohiieben nnd erent nr Kapitals* 
Bildung, snr Lebensversiobemng anf den Todes&U Terwendet 
wurden. Um rar Spaiaamkeit ro ermntliigen, mlisste die 
OeseUsebaft im stände sein, gegen slnndge Hi%lisder Zwaags- 
maasBTSgeln an ergreifen, wie Geldstrafen ete., die etat wieder 
SU erstatten wären, wenn rie eine gewisse Höhe erreicht haben, 
oder nur in bestimmten, regelmlssigen Perioden, z. B. alle 
fünf Jahre — abgesehen von dem Fall eines berechtigten, 
motiTirten fiedttrfnisses, wie a. B. Krankbeit, £beedbJiessnDg, 
Umzug n. s. w. 

Die Spareinlagen könnten dann da^u dienen, den Ankauf 
von Wohnhäusern zu erleichtem und den Mitgliedern der 
Gesellschaft bei Lieferauten, Handwerkern u. s. w. günstigere 
Bedingungen zu sohafen, wodurch sioh auch das Eüsiko, daa 
durch Gründung gemeinsamer Magarine nnd Werkstätten 
entstol^ni könnte, vermeiden Hesse. 

Ö. 6taat8Sozialiamns. — Aber die individnellen und 



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Drittes Kapitel. Pr&veiitimuatregela. 



189 



koUeküveii BemühuDgeu genugeu jetzt nicht raelr, \\<> wir die 
soziale Ungleichbeit immer schärfer hervortreten sehen, und 
wir /.weifein nicht daran, dass der Staat bis zu einer gewissen 
Grenze hier einschreiten muss ; er hat auch unzweifelhaft die 
günstigsten Bedin^nngen dafür: er macht die Gesetze, denen 
gehorcht werden muss, er hui billigen Kredit und kann das Geld 
ebenso billig wieder ausleihen. Aber er darf die Sache incLl 
übertreiben, da allee, was er den Bürgern mit grossen Kosten 
leistet, den Anschein eines Geschenkes hat, und weil er sich 
schliesslich denselben Schwierigkeiten gegenttbenehen würde, 
wdohe auf poliÜMliun Gebiet dk Zentnlinning nach sieh 
sieht: die Wohlthaton werden Ton oben her erwarte^ und 
wenn sie dann kommen ~ nnsnzeiehendt dnroh die Bnreankratie 
abfOBohwtcht, die thatrikihlichen BedHr&tBse nnbefriedigt 
lassend — , sohaffen sie nichts, ala nene, grössere Miss- 
Stande. 

Der Staat reprtaenlirt die Kontinnität imd ut deshalb 
der BesehtttMr der Sohwaehen nnd Httlfrbedfirftigett, aber er 
ist dadnidh nicht rerpfliehtet, die ganse Mensohheit an be- 

glflfll cf ni 

Wenn er den Sehnte der Sehwaehen alhm sehr ansdehot, 
vird die Sehwftohe, statt eine Ansnahme in der mensdhliehen 
Q ee e ll s eh aft zu bilden, anr Kegel. Denn nenn Zehntel der 
Menschen stehen an körperlicher Kraft, Vermögen oder 

Charakterenergie hinter einer anderen Gmppe anrttdc, die 
durch Erziehung, durch Tradition und dnroh ihr peisflnliches 
Vorleben diese Vorzüge besitzen. 

Dazu kommt, dass die Leistungen des Staates nichts 
weniger als unfehlbar sind; alle Irrthümer der Politik, Ton 
den Ohnstenrerfolgungen bis zur Inquisition, vom Despotismus 
eines Calvin und Knoz bis zur Bartholomäusnacht und den 
Verbrechen der Revolution, waren eine Folge der Verderbtheit 
nnd des Egoismus der Staatsmänner und ihrer Ueberzeugung 
die absolute Wahrheit zu besritzen, der sie das menschliche 
Geschlecht unterwerfen müssten. 

Einige glorreiche Ausnahmen abgerechnet, sind auch 
unsere modernen Staatsrnftoner nicht besser geeignet, als ihre 



190 II- Theil. Jurisprudenz. Prophylaxe des politischen Verbrechens. 

Vorgänger zur Befestigung und Verbreitung von Wahrheit und 
Gerechtigkeit 

Sie maä grOBsteiiibflils HAnner der Thai; ihr GMum 
fltrftubt aoh gegen geduldiges, iaa emaehw gehendes Sfodfaun; 
oder, aohlimmer Booh, ne gehören einer Flaitei an nnd mOnen 
deshalb bestinimte Yerpfliehtungen erftUlen, denen sie sieh 
selten entaJeken können. (LiaoT-BBAüTXBii L e.) 

Anch die Fsriamente aeheinen nieht im stände an sein, 
diese LOeke anaanfOllen. Javbov, Ton der Biitiah Soeiety of 
Legislation, weist naeh, dass Ton 1286 — 1872 daa eagliisehe 
Parlament 18100 legislative Ifaassragehi votirt hat, Ton denen 
vier Fonftel gana oder theilweiae wieder abgesohafit wurden. 
Spracm sagt, dass in den drei Jahren 1870, 71 nnd 72 
3632 frohere Ghsetae amendürt oder vollständig abgeschafit 
worden sind. 

Von 1870 — 1887 nahm dann das engUsehe ParlamMit 

243 legislative Maassregeln von sozialistischem Charakter an, 
nnd doch hat durch alles dies die wichtigste Frage, um die 
es aioh in England handelt, die irländische, keine voUstindige 

tiöSüng erfuliren. 

Das darf uns jedoch dem Staatssozialismus gegenüber nicht 
ganz skeptisch stimmen ; es steht, wie gesagt, fast, dass nur der 
Staat Mittel besitzt, die miiohtig genng sind, um den Lebena- 
bediBgnngen der verschiedenen Klassen nnd ihren Beziehungen 
an einander eine andere Richtung zu geben. Denn wenn 
geniale Reformatoren auch selten sind und gewöhnlich verfolgt 
und verhöhnt werden, so haben wir es doch selbst erlebt, dass 
höhere Intelligenzen, wie BiöMAECK und Gladstone, die Durch- 
führung ausgedehnter sozialer ReformplUne versucht haben. 

Die Zeil wird dem grossen englischen Staatsmann Recht 
geben, der in der Ihsh landpurcha^ie bill den Ankauf 
irländischen Bodens zur Verthoilnnp' an die Farmer vor- 
geschlagen hat, die nach 4'.* j Lht i^^t r Zahlung des Fachtsmses 
Eigenthtimer des Landes werden s illen. 

Das war nicht nur ein Akt grossartiger Politik, sondern 
im Grunde auch ein Akt der Grerechtigkeit eine Entöchiuligung 
der Irläuder für den ihnen von Heu^eioh IY., EubABüTB, 



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Dritt«« KapitaL PrftvwttvmMMnfebi. 



191 



Cbomwell und Wilhelm III. zugefügten Schaden, und doch 
fi(fl diese** T riteruehmen mit seinem Urheber der vieileioht nie 
ao ^oäs gewesen war, wie an jenem Tage. 

In Indien hnt EuL'hind eine ganz andere Politik verfolgt, 
wai* es nicht zu i ertueu hattt* ; hior war durch eine Reihe von 
Gesetzen dafür g|■M)!^^^ daas der Besitz des Bodens aus den 
Händen des Eigenihurners in die des unglücklichen Ryott 
überging, der ihn vorher, ohne Vortheil davon zu haben, 
bearbeitete, und der nun sein eigenes Land mit Liebe und 
Eifer bebaut, um seinra Ertrag zu steigern, den er selbst 
genieeet.* 

Alles das beweist uns, daas nicht alle Reformen, die unsere 
Gesellschaft für uiiausf uIü oüi Luit, eb in der Thut uucli siud, 
xmd dass auch Rechte, welche für absolut unantastbar gelten, 
Einschränkungen erleiden können, wenn es sich um den Vor- 
fheil Aller lumdalt 

Wieviel BSade nnd nidit gegen die KoUektivüten au- 
aammengeeohrieben voiden; und doeiht wtre es moht denkbar, 
dies die elten Ideen, mit denen wir yollgesogen mnä, unter 
dem ifliwflw«* ihrer Iheoxien ine Sohwanken kämen? Waixim 
ktante man ilmen nieki als ultima ratio den von Donhat 
angegebenen Yoneblag maohen: „Wflklt eneh einen Distrikt 
und maoht dort Propagandai e^llrt eure Doktrinen, und wenn 
es eneli gelingt» eine genOgende Ansaki von Bflrgem an ttber- 
aengen und eneh ikzes Anhangea an Tezsielieni, dami verlangt 
die EonaeBsion eines bestimmten Gebietes in irgend einer 
Kolonie, wo ' ibr ungehindert eure Er&hmngen maohen 
könnt." 

«Die grossen Interessen der Menschheit, " sagt Stuart 
Hill, „verlangen heatantage, dass alle fireiwilligen volkswirth- 
sehaftliohen Experimente antorisirt werden." Wenn das 
ExpeamsEnt missling^ so wird man den herrschenden Klassen 
nicht vorwerfen kOnnen, es aus eigsnnfiiaigen Gründen unter- 
drttekt an haben, und gLtlokt es, so werdsn sie sieh überlegen 



^ Dl LimiAV, 12mtihm Oriart tt Is colmiMioii siodenM. (Bevoe 
Sdentifiqae^ 8. Juni 1688.) 



192 II.Theü. Jamprudeu, Propbyl»xode«politt«oti«iiVerbreoheiic. 

müssoD, nb es nicht aus Gründen der Selbeterhaitaag an« 

zuuehmeii ist. 

7. Erbrecht. — Aber die Betheiiigung der Regierung 
darf, wie wir schoD hervorgehoben haben, nicht hloi^s passiv 
sein; es giebt Hindernisse im Gesetz, die der gleichmtlssigen 
Vertbeilang der Güter im Wege stehen und die die Regierang 
forträumen mii^te. 

Das gilt vor allem für das Erbrecht : es genügt nicht, daas 
die Majorate und dua Recht der todten Hand abgeschafft sind, 
— was seinerzeit als eine unerhörte Kühnheit galt; es genügt 
auch nicht, wie man yorgeschlagen hat, die Testirfreiheit zu 
erweitem, am dui'ch Erhöhung der disponibeln Quote die 
peisOnUehe InitiatiTe und Thatigkeit der Kinder anzospornen. 
Die Institution selbst wird angefochten, — nnd nidit <^e 
Gbond — als einer der Faktoren der nng^eiolien Besits* 
Tertheilung. 

JjABBAhtR nennt sie mit Beobt eine Ton der Goeoltoehaft 
wiUkflrlioli getroffene Einriehtnng, da hentsnisge Niemand 
mehr an die Fiktion glanl»t, dass der Wille des Testators im 
Elben fortlebt, womit man das Dogma der Unsterbliehkeit 
beststigen wollte.^ 

Nun könnte man das Etbreoht mtbeidigen und anfreoht* 
erkalten, indnn man anfahrt, dass es die Bande der Familie 
zusammenhält, die den Kern der GkseUsefaaft bilden; aber 
wenn ea auf Personen llbeigekt, deren entfernte Blutsbande 
die Anspraohe auf ein unvorbeiges^nes und oft unverdientes 
G^lttok nicht genügend rechtfertigen, so muss der Staat inter« 
▼eniren und das Erbrecht zu Gunsten der Armen unterdrücken. 

So sehen wir in Russland jede Erbschaft, die niokt direkt 
vom Vater auf Kinder und von der Ehefrau auf den Mann 
übergeht, dem Staate zufallen. In Frankreich biaobten im 
Juni 1884 die Deputirten GxaABD, Uabxt, Laoubrre und 
R^viLLON einen Gesetzentwurf ein, in welokem sie verlangten, 
das £rbfolgereoht awiscken Verwandten jenseits des vierten 



* S. WsiLL^ooTT, F. LmaBes lOm md Werlte, (It«]i«iii*oh, 
Muland, 1889.) 



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I 



Drittes Kapitel. Prävuutivmaassregeln. 193 

Grades sn vntexdraokeii und die firbschaften mit einer pro- 
gressiyen Steuer Ton 1— >60% zu belegen (anaaer denen tinter 
20000 Hark, die zwei oder mebieren Kindern m&llen). Die 
hieiaoB entstehendeii EinkOnfte aollien von Staat und Komnivne 
an dem Zweeke Terwendet werden, die Hfll6>Ea8aen an nntei^ 
attttaen nnd die Stenern an verringern. 

Dieaem Entwurf Ton Oibabd war aohon im Mftra 1884 
ein anderer, maaaBTolleier Torangegangen, dessen Urheber 
OotJTUBiBB nnd adbtsig andere Depntirte waren, nnd der das 
Verlangen enthielt, eine Kasse snr Yeiwngnng verlassener 
Kinder an grflnden nnd das Erhfolgeieoht Aber den asdhaten 
Grad binana an nnterdraeken. 

Wir nnserexseite glauben, daas man ein System annehmen 
kftnnte, welches die Anhflnfnng allau grosser Reiehthflmer in 
einer Familie verhinderte. Man mfiaste die kleinen Erbsobaften 
schonen und durch eine Besehrftnkung der Zahl der Erbfolge- 
berechtigtem die Ursadbe jener Verbrechen aus Anlass von 
Erbeohaften ans dem Wege rftnmen; dass diese Vergehen nicht 
an den seltenen gehören beweisen uns aahlreiche Beispiele 
ans der rt^mischen Kaiserzeit, wo die Franen durch Gift ihre 
Witwensohaft beschleunigten, und aus der Zeit Ludwigs XIV., 
wo man sich der sogenannten „poodrea de suoosssion'' 
bediente. 

Zu diesem Zwecke könnte man die Erbschaften nach 

ihrer Grösse in fünf Kategorien theilen, von denen die kleinsten 
gar nicht, die kleinen nur wenig und die übrigen in auf- 
steigendem Verhältnisse besteuert sein müssten, von einem 
mittleren Satz von 10% an bis zu 80%. Entfernte Verwandte 
und £?anz Fremde müssten von der Erbfolge ausgesrb lotsen 
»em, wie s in Rn^sland der Fall ist. Schenkungen müssten 
annullirt ^^ r i( ti, ausser denen für philanthropische Zwecke. 

Wir smd uberzeugt, dass unsere Vorschläge sich sehr 
wohl daau eignen würden, die grossen sozialen Ungleichheiten 
zu b^eitigen. ohne dabei die Entw icklung und Befestigung des 
"Werthes individueller Thätigkeit zu stören. 

8. Steuersystem. — Auch die Steneryiolitik ist ein Werk 
des Ausgleichs, desseu Bich, der Staat bedienen muss, zunächst 

UHmoaa, Pott&^ar VtrtmdMr. IL 18 



I 



194 U.Tbeii« Juhipnidenz. Prophylaxe des poliÜsohea Yerbreoheni. 

zur Erleichterung der relativ am schwersten von Steuern be- 
troffenen Klassen, indem er die Grenze des steuerfreien Ein- 
kommens höher iuüauiruckt und die Steuern aus fundirtem 
Einkommen erhöht, mit proportioneller Steigerung in den 
höheren Stufen. Gewiss kann der iStaat nicht aul' Hüfsquo'leu 
veraichten, die er nothwendig hrauoht, wenn auch ujiter mugiiclist 
geringem Eingreifen in die geseUschaftlichen Verhältnisse ; aher 
es ist ebenso gerecht, daa die Beidkea im Verhältniss zu ihrem 
Besiti m d« Aii£reohteEbaltiuig des ganzen Schutz- und 
GanntieoigaiufiiniB, doi dw Staat com aUgcmaiiMn Baateii 
mit fffmea Opfern vnteiliilt, beitragen, wobei jedoeh die 
aUgemeine Entwicklung des BmobtbimiB niebt gebindert W€P> 
den dail 

Dam wfliden aller ' WabiBobeinlibhkwt nadi maaobe 
Voiachlige fttbren, die TOin Zeit an Zeit gemaobt werden — 
wie der einer piogreBaiTen Steaer in ibrar eztremston Foim, 
oder wie der Iümibbb» der eine Steuer von so nnd soviel %• 
Tom nnbeweglicben Kapital verlangte^ wodnroib man das Kapital 
in seinem 'vitalsten Elemenie treffen wttrde, oder noob mebr 
die ladibalen VonrabUlge Hbmbt Omoam^^ der die Lfienng 
dieser Eiage einaig in der Konfiskation der Grandrente aiebt 
nnd BAnofNs', der die Ezpropriinuig der gegenwirttgen BedtMr 
verlangt nnd eine Vertbeilnng des Bodens dsiartp dass jeder 
soviel erhält, wie er ananntaen kann. 

Diese VorBeblige würden jedoch allzu tiefgehende Ver* 
ftnderungen in unseren wirthsobafilltobeQ Zuständen herbeifftbien, 
nnd deshalb sind sie, wenn sie auch die allerbesten wflien, 
niobt anwendbar, weil, wie wir sobon betont haben, Beformen 
immer langsam und dm Zeiten angepasst sein mfiasen, mn den 
Misoneismus nicht zu verletzen. Anob Hessen sidi ja nnter 
Beibehaltung des hentigen Systems eine gsnae Anxabl niobt 
unwichtiger Reformen einführen: so z. B. wie wir schon an- 
deuteten, die verhältnissmassige Erhöhung der Steuer auf be- 
wegUdien Besitz, sobald er eine bestimmte Höbe des Kapitals 



' i'i oyrciy» and S^nerty- — New-Tork, 1882. 

* Bjfgiine »oetak anun le paujpMme, Paris, Aloan. 



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DvittM Kapitel. FktvwitivBUMNgdn. 195 

abenfeeigf^ dma die ErlM^tonm; der Stoner anf die nofli> 
vMidigilMi Lebenimittel, und eine Tollständige Anfhebmig der« 
eelben ftr KonsimiTereiiie» wenigateiu im AsAag ikiea Be* 
tbAmm, Ersatz der den kleinen Gewerbe* und Haadeketend 

am schwersten belaitonden Abgaben durch andere, etwa nach 
Art der auf GmoiB Yorsohlag in Paris eingeführten, die in 
einer gewissen Quote ron jedem Tausend cl s ^lliethswerthes des 
GhMohttftslokales und aller selbständigen Etablissements besteht, 
neben der Abgabe von alkoholhaltigen Getränken, deren Be- 
deataag auf dar einen Seite die einer hygienischen auf der an- 
d«en die einer gegen Revolten vorbeugenden Maassregel wäre. 

9. Arbeiterschutz. — Dazu kommt die Verpfliolitang 
des Staates, ftlr Gesundheit und Leben seiner Bürger zu sorgen. 
Die übertriebene Spekulation der Industriellen und üntemehmer 
darf nicht die Existenz und die Gesundheit ihrer Untergebenen 
gefährden; deshalb niuss der Staat auf die gefahrlichen Gewerbs- 
zwei?e. auf allzu gromf* T^eUoninstrengung, und auf die Gefahren 
der Konstruktion immer ein wachsames Auge haben. Hierzu 
gehört eine genatiP Kontrolle der Dampfkessel, der Trans- 
missionen an M:i> 'liirK n, der Ventilation ^ow!*> de« Raum- 
inhaltes der VVerkätftttea, und vor allem die Üegelung dvt 
Eönderarbeit. 

Es giebt heute in ganz Europa nur ein Land, welches die 
Kinderarbeit in Fabriken nicht in allgemeiner Weise geregelt 
hat, narulieh Belgien, wo man sich darauf beschränkt, die 
Berg Werksarbeit von Kindern unter 10 Jahren zu verbieten. 
In Italien ist die Arbeit von Kindern unter neun Jahren in 
allen Erwerbszweigen verboten. Zur Bergwerksarbeit dürfen 
nur Kinder über zehn Jahre benutzt werden, und die Arbeits- 
zeit darf nicht über 8 Stunden ausgedehnt werden. In diesen 
beiden Ländern ist die Bevölkerung sehr dicht und der Lohn- 
nts sehr niedrig, so dass das meneeUiehe Gefbhl ron der Notli 
znrttekgedrftngt wird. 

Li Niehenm Landern giebt ei eine viel grösMne Antthl von 
Btelimmnngen Aber diesen Gegenstsnd. 80 dUifen in Dentacb' 
land Kinder nntsr 12 Jabrsn gar nicht, Kinder awisdien 12 
nnd 14 Jahren nnr seohs Standen tagUoh arbeiteoi wflbrend die 



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196 ILTheil. Jtirigprud«az. Prophylaxe dea politischen Verbrecbeiu. 

Arl eitfcizeiL bei Kindern über 14 Jahre auf sechzehn Stunden 
erhöht ist. Ausserdem ist hier den Kindern die Sonntags- und 
die Nachtaibeit verboten. 

In Oesterreich ist die Arbeit \ (m Knideru unter 14 Jahren 
nicht gestattet, und überdies ist die Arbeitszeit für Alle — 
Ausnahmen abgerechnet — auf elf Stunden festgesetzt; ferner 
lat den Frauen die Isachtarbeit verboten. 

Jn Eüglaud dürfen Kinder zwischen 10 und 14 Jahren 
nicht mehr als 30 Stunden in der Woche arbeiten. Junge 
Männer zwischen 14 und 18 Jalii«B« aowio Fnnfln d^en in 
der.,TextiliiidnBtrie [luoht mebr ak 56Vt Standen, in andern 
I^bfliken und Werlntfttten nichi mehr als 60 Standen wOehent- 
lieh arbeiten. Anasexdem ist die nftehtUehe Aiheit nnd die 
an Festtagen Terboten. 

In Erankreieb nntecMbeidet man hei den Kindern awisdhen 
12 nnd 14 Jahren Boldhe, die keinen Elementaronteineht ge- 
neesen haben nnd nioht mehr als seehs Standen arbeiten dflrfm, 
nnd aolohe, die diesen ünterrieht genossen haben nnd dezen 
Arheitueit anf swölf Standen anagedehnt werden kann. Ferner 
dürfen alle Knaben bis zum 16. nnd alle ICfidchen bis zum 
21. Jahie nnr hei Tage nnd nnr 6 Tage in der Woohe ar- 
beiten. Der Arheitslag ist in Frankreich ftr alle Arbeiter anf 
awölf, in der Schweis anf elf Stunden festgesetst. 

Wenn der Staat nun noch die Arbeit yon Kindern unter 
12 Jahren in Schmiedewerkstätten verbietet, die Arbeit der 
jungen Leute zwischen 12 und 16 Jahren beschränkt, die 
Nachtarbeit für Minderjährige verbietet, und eine obligatorische 
Sonntagsruhe fdr sie einfElhrt, dann hat er seine Pflicht gethan» 
ohne der Nator der Binge nnd dem Bedite des IndiTidnnms 
Gewalt anzntiinn. 

Dieses Kecbt besteht für die Erwachsenen in der freien 
Verfügung über ihre Zeit nnd ihre Kräfte unter der einzigen 
Bedingung, dass Andere dadurch nicht geschädigt werden. 

Sonst müsstc die Regierung den Arbeiter für den Arbeits- 
ausfall, den sie ihm auferlegt, eiit^chüdigeu, wobei schon die 
Festsetzung f>iues Einheitslohnes für die verschiedenen Geweibs- 
zweige grosse Schwierigkeiten mit sich brächte. 



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Drittes Kapitel. Präve&tivmaanregeln. 



197 



Dasselbe gilt auch für jene Vorschlägo, welche eine inter- 
nationale Gesetzgebuntr für den Arbeiterschutz verlangen. Sie 
vergessen, dass für Arbeiterbevolkerung Verlängerung der 
Arbeitszeit eine HüUaquelle darstellt, wie in Belgien, llalinu 
nnd einem Theile Deut<?chlands, und noch mehr in Indien, 
wo man sonst die Konkurrenz reicherer Länder wie Englands 
und der Vereinigten Staaten nicht aushalten könnte (Leeoy- 
Beaulieu, 1. c). Es giebt nichts GeftdirlichenB als das Ein- 
schreiten des Staates da, wo nur die Achtung yoor diiii Kon* 
trakt und ror penOnlieher Freilioit nnd Yeraiitiroriliolikeit 
gelten sollte. Dun geihOren endi die olfisiMen Lohntarife, die 
Ton Manohen so warm empfohlen woden, bei denen jedooh die 
Uebelettnde die geringen Vorzüge sieherlich aberwiegen wfliden, 
da die Arbeiter durah sie dahin kftmen das, was nur eine 
KouBtatining sein aoU, titt ein üiCheil aosusehen, und da sie 
erbittert weiden wlliden, weil sie alle Lohnherabsetrangeo, die 
unter dem Dmok der Konknrrens hingenommen wcvden mfissen, 
als eine abeiohtliche Sehfidignng betraditen wflidoL 

Man bat in Ftois gesehen, wie ttt gewisse Arbeiter- 
kategorien der Lohn auf & — 14 Franos tllglioh festgesetat wurde 
und dann in der Ftaads aur grossen BmpOmng der Arbeiter 
um 16, 20 und 26 % hembsank. 

Bbenso wenig glauben wir, dass die Idee der städtischen 
Bureaus für Arbeitsnachweis zu untenttttzen sei, die in Pteis 
in der Arbeits-Börse realisirt worden ist, dort aber zu einer 
blossen Wahlmasohinerie wurde, die einen neuen Parasitismus 
schuf und Anlass zu Misshelligkeiten gab. Die Idee, den 
Axbeitsmarkt in einem Ptmkte zu konzentriren, ist gut, und 
wir sshen mit Vorgnflgen, dass sie auch bei uns warme Auf- 
nahme findet; auch ist diese Einrichtung für grosse Industrie- 
pUtze ein dringendes Bedürfniss; aber die Administration und 
Keglementirung einer solchen Börse müsste ausschliesslich der 
Initiative der Arbeiterrereine nnd philanthropisoher Verbindungen 
(überlassen bleiben. 

10. Staatsversichei'uu<^'. — Deshalb glauben wir nicht, 
dass der Staat sich mit anfroren Formen des Arbeiterschutzes 
beschäftigen sollte, als durch seine Interrentioo, da, wo mangel- 



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198 II. Theil. Junsprudenx. Prophylaxe dea politischen VerbrecbeoB. 



halt» FOiBoig» £ar die Ziiknaft obwalte om dvi Somlimuis der 
Stna^ durok einen gesonden SodaUtmna la enetsen, und w 
ftllem dieVendehtrong sa erleMkttni und obligatoriMk sanadien. 
Dadwoh wiid er, wie SohIttlb' sagt, die AfbetienDaaeen 
▼OD dem Flvehe der Sorglosigkeit b efe i i i B , ebenfo wie er ate 
dnicli den obligatocischen Untanielit rvt. dem der UnwiMMilMifc 
Igemaeht 

Die NationalOkononien haben gnt aegen, daaa man den 
Arbeitem eelbat das Vetdieaafc der Anstrangiuigea l&r ibre 
Emanaipation haien soll; die Jfittel aar Vertieherang ibnr 
Znkooft können «ie doeh enudf und allein ihrem Ldrn ent> 
nehmen» der oft nioht welter feieht» ala filr die notiiwendigaten 
Bbnatanabedttrfiiine, und der weder in Beang auf Hobe nook 
auf Daner Bieber atehi 

Das gilt auek f&r den Voiiaklag, die yeraidiemng der 
freien Konkurrenz der Versieh ernng ag ee e llschaften zu über- 
lassen. Wir zweifeln ja nieht dann, dass viele solcher G-eseli- 
sehafteu dem Pablikom eine genügende Garantie der Soliditftt 
und Gewiasenkaftigkeit bieten ; auch erkennen wir mit SalaIIDRA' 
an, dass die private Yersichening immer eine Vereinigung von 
Kräften darstellt, die ihren Mitgliedern grosse Ökonomist 
Vortheiie au bieten im stände ist; aber die Arbeiter sind im 
allgemeinen nioht in der Lage, daran theilznnehmen, und 
deshalb hat der Staat, der die wirthschaftlich Schwachen 
unterstützen soll, die Verpflichtung für ihre VerBiokerung gegen 
die Gefahreu der Zukunft Sorge zu tragen. 

Tu diesem Falle würde das Eintreten des Staates eine 
rationelle und zweckmässi[rf Aendening der gesetzlichen Armen- 
pflege bedeuten oder, wenn die Industrie die auf ihr liegenden 
Lasten nicht zu tragen vermag, eine ihr gegebene direkte Sub- 
vention, wie der Staat ja schon Exportprämien zahlt und die 
nationale Industrie durch Zölle schützt' 



^ ScBlpru, XapiteUsmas and Sonaliamna, 1869—1870. 

* Lo Stato assicuratore. — Nttova AnMogia^ 1. Juni 1881. 

* Vgl. IIaxeola, U., Vasricmaeiime deqH opm» in Gtrmania. — 
Koma. im. 



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1 



Drittes KapiteL PräveativmaaMregelii. . 1^ 

In Dentsokland, wo die Initiative Bismarcks die Unter- 
suchong dieser Fragen begünstigt hat, befürwortete Arendt^ 
geradtan «m allgematne Veraidiening aller Bürger gegen 
Knnkhoiai, Alter und gegen AriMUamifiÜiigkeit, gleiokTiel 
w^lfllMi tTiBpaninges, dwen MtOM ia Pom dner Kkommmip 
fltoiMf null MMF den ttbrigcn direkten StenMii analogen 
fiilMlMiiigtwais» arhobtn und don Fall, daas de äm Bedfiif- 
niflaan dar Yaiaobaraiig oicht ganz genügte» ans dm übrigen 
StamtwiPlrttoftap ergänaft waiden aoUfa. 

Die gttringaten StomenStw MUtea in wüahent&ekaa Raten 
▼on 25 Ffbimigcii oiImiImii wardan und doNli dia OamaiBda' 
verMug oriaaaaD wardaa kflonan. Jadio&lla aoUten die an 
den xuadrigaton Staf)» d« SteaMeiMC Yanuilagteii kana andara 
Ijaat tiagaii ala dia VanielwrBiigBpaiiirift Die duck einen 
Taiif featgeaeteten üntentotenngen aolhan daa Mininiiim der 
Labenabedflifiiitta uolii überMsbreitoB imd da^ vo für diese 
gesorgt ist» nielit bewilligt wetden. Nadi Axum aoUte diea 
Syt^bum nur den anteiateii Klassen zu gnte kommen und saina 
ErgiBsnng durch entsprechenden Arbeitsnachweis fiir Beschäfiti* 
gnngaloaa nnd Invalidea finden, auf dem Wege öfPentlichar 
Arbeiten oder auf Anweisung von Kommunal-KommiasioBen. 
Dieses Systera würde freilieh mehr eine Form der Armenpflege 
als eine aoUie der Yersicherang darstallen und einen Theil der 
Bevölkerung belaatao, dem seine Vortheile vexaagt blieben; 
feiner wtida ea aekr abweiohanden Auf&ssnngen Ramn 
gaben nnd enormer Willkür, vor RÜem in der Beurtheilung 
der nicht imek pkyaiaehe Unfiüügkeit bedingte» Acbeita- 
loBigkeit* 

In Beziehnag auf die Arbeitslosigkeit muss die Versiche- 
rung sich auf Fälle wirklichen Nothstnndes beschränken und 
auf die direkt betroffenen zur Sf^lbsthülfe unffthigeu Kiassen, 
bei der gegen wärtigeu Organisation der Industrie, wo der 
Unternehmer die Arbeitsbedingungen bestimmt und den Gewuun 



^ Arendt, Allgemeine Stantävorsicheraog und TeilioheruDgssteuer. 
Leipcig, 1881. — Derselbe, I>ie fieiohsimfidlTeniobenmg. Leipng, 1^01. 
* VgL Salaxsaa 1. c. 



200 XI. Tlieil. Juriaptrudaiu. Frophylaate dos poUtiaohen Verbreokeni. 

einstreicht, ruht auf ihm die Last des Schutzes der Arbeiter 
vor den Schaden, denen sie sich durch den ArbeiLs\ ertrag 
aussetzen. Dasselbe gilt für den Grundb^itzer gegenüber seineu 
Häuslern ; jene müssen den Arbeitern eine Fürsorge octroyiren, 
welche diese bei ihren beschränkten Mitteln allein nicht be- 
thätigen können. Man sagt, die Arbeitgeber würden sich durch 
Luhnreduktion schadlos halten; dem liesse sich durch Nicht- 
interventiün bei Arbeitseinstellung begegnen, und dadurch d.is 
Sinken des Lohnes unter ein Niveau hindern, dessen Grenzen 
die Hnmamiftt bestimmt, w«nii die wiithsehaftlichen Verhält- 
nisse sn seiner Bestimmiing niobt genügen. 

Daa deutache G^esetz yom Jahre 1884 schuf bekanntUch 
ala Yefneherangsorgane die Beroüsgenosaenaduiiftan, eine Ali 
GegenseitigkeitsgeeellsdbftfteD, «relohe die snr Veisiolierung ver« 
pfliohteten Unterneihiner bilden, und die alle einen tansend 
Hark niobt flbenteigeiiden Lohn benebenden Arbeiter un- 
fiusfcen. Dadnxdi wird der Anepmeh, die Veteiehflinin; obli- 
gatoriaeb sn maeben, viiksam. Sperielle Beetimmnngen fixiien 
die Subvention im Falle TÖUiger oder theilweiaer AibeitS' 
nnfidiigkeit; so» setMn sieh ans den Eurkosten nnd einer Rente 
anBammen nnd fiaren die fär den TodesfoU der Witwe nnd 
den Waisen zukommende Pension; die Mittel werden dnroh 
die dem Lohn der Yeisioberton proportionalen nnd nach Ge- 
fthrenklassen weiter abgestoften Beittflge an:^lHnM3!ht Straitig> 
keiten fiber die Hohe der Beitige sind dem ordentUehen Biebter 
entzogen und im Interesse des guten Einvernehmens zwischen 
Kapital nnd Arbeit einem besonderen Schiedsgericht überwiesen, 
YOn dessen Mitgliedern die Regierung einen kleinen Theil er* 
nennt, während die übrigen durch Arbeiter nnd Arbeitgeber 
gebildet werden. Im übrigen steht die Berufung an das Reichs- 
▼ersichemngsamt frei, dessen Mitglieder meist Beamte sind, 
und das die An&icht über die gesamten Bemfagenossonachaften 
fahrt 

Offenbar setzt dies System eine kräftige Entwicklung 

der Industrie voraus; wo diese nicht existirt, müssen die 
Arbeitgeber, nnd mit ihnen der Staat, die Arbeiter gegen Un> 
fälle jeder Art bei einer nationalen Prävidenzkasse versichem, 



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Drittes Kapitel. PraveaUvmaassregein. 



201 



welohe dieee gmuBolita y«i8ieh«niiig sulflast, oder aaoh bei 
FnTatgesellBofaflfiteii. Bin strenges Qeseb mOsate die Vesent* 
wortliohkeit dee üntemelime» Imi ünfiUlen beetinmeii und bei 
ZnwiderbaiidluDgea Strafen und eyentuell EotBiehiiDg der Bnt- 
sebädignng androheo. 

11. Ana Wanderung. — Die Abnalune des Verbrauohee 
sagleiob mit Ueberprodnktion, die zum Sinken der L&hne 
fahren mosB, wird sieh bei der wachaenden KonkiuiemB auf 
dem japanisehen, ehineaiaeihen und amerikaniaohen Markte 
immer mehr steigern nnd bildet eine wichtige TJnaohe des 
Arbeiterelends, oft amih des Intemationalismns ; deswegen mnss 
die Answandenmg eneigisoh b^gOnstigt werden, am besten die 
zeitweise Answandsrong aus Tolkreiobeii in dfinnbevolkerte 
Distrikte des Landes nnd schlimmsten E^lls naoh Welt- 
gegenden, wo wir, wie in A£nka, anf einigermaassen sidieren 
Erfolg leohjQien können. 

Das in Baden durch das Fallissement der grossen Fabri- 
kanten bedingte nx^ebeure Elend milderte sich nach der XxOf 
Wanderung von mehr als 12000 Arbeitern in den Jahren 
1B51 — 58. Lord Debbt ftnsserte sieh in dieser Beziehnng 
folgendennaassen : 

^Wenn wir in unserem Lande immer £rai waren von den 
üebeln, welche die Geeeilsohaft drücken, so kommt das nach 
meiner Ueberzeugung auf Rechnung der Schleusen für unsere 
Bevölkerung und unsere Industrie, die wir jenseits des Meeres 
besitzen." Freilich hat England den unormesslichen O/.eau, 
die Welt als Wirkungskreis für seinen Bevöikerungsüberschuss ; 
Amerika hat ungeheure, noch nicht angebaute Strecken Landes : 
Italien bat nur seine Küstenschiffahrt und die durch Tradition 
und nachbarliche Beziehungen bestimmten Kolonien. Machen 
wir aus ganz Italien Das, was einst Pisa und Venedig waren 
und heute Genua ist, lassen wir die Lebensgewobnbeiten der 
ligurischen Küsten und der Veltliner Berge in Toskana und 
Sizilien heimisch werden, und wir werden dort auch denselben 
Reichtbum haben. Freilich darf die Initiative nicht Speku- 
lanten zufallen , sondern wir müssen sie in der Hund neu- 
entstandener pkiiuuihropiächer und kommerzieller Genossen- 



202 U.TbeU Juröpnkleiii. iProphylaxedMiwUiwoiMn Verbrat 

Schäften sehen, und vor allem unter dem Auge der Rpcierung", 
die durch ihre Konsuln und ihre Munnt- allein im -Stande ist, 
Kolonieen zu schützen. Die reichsto italienische Kol'uup i«t Süd- 
ameiika, wohiu die italienische Tradition weist. Leiolitt-r wäre 
es noch, zu den Küsten und vielleicht zum Zentrum Afrikas 
zu gelangen. Seme BevolkHiuti<; übersteigt nach Stanley 
140ÖO0OO0 Einwohner; es ist überreich an Naturerzeuguissen, 
Metallen, Kohle, KaflPee, Gummi, Oel. Guttapercha, ElfeDbein, 
Häuten, dagegen fehlt jede raanufakiurale Thätigkeit. Daher 
der primitive Tauschhandel mit Rohprodukten, der nur eineu 
Ahzugc-kaiiiii \i ilangt. Dazu w urde eine Eisenbahn genägen, 
die man von Zanzibar auä für 000 000 l'ranos hauen 
könnte. 

DImw Handel ist der einxige, der uns fdr den verlorenen 
ohineiisolieii und jupanisohen Marici entsohid'gen kUsute, und 
den wir bei nsaerer geograpbisehen Lage bebaapten kOnateii 
gegenflbar Bngland, dessen grosse DamplnflotU mi» vtm allen 
Kfiston Teidrängt. Das Meiste aber mQsseii wir su Hanse 
thun; wamm gestatten wir, dass ganie Be?Olkwimgen in Ser> 
dinien in nnterirdisehea Höblen wobnen und sieh im Ejunpf 
um den Qemeindeacker zerfleiseben? leb fttbve hier die Ans* 
sage des Staatsanwalts in Lneera an: 

»Wir müssen die Yerbreoben am Gkogano ▼eniagem, 
die Meuteieien unter der BerOtkerong von St Angelo bindemi 
wo man das Volk anf den Stiassan mfan hOrt: Nieder mit - 
den Beamten! Wir müssen neue Biyasionen des Velkes am 
Lesina'See, in Oapmo md Oaatellncoio bindern, die eobon 
viele FkoMsse mit Hunderten von Angeklagten Teranksst baben, 
aber dazu gebort die Paraellirang der Dominen nnd des 
Gtomeindeaokers. *' 

12. Haftpflicbtgesetz. — Da yorbengeade Maassrsgeln 
immer den Yonrag yerdienen, muss ein jSepteesionsgesetz an- 
genommen werden, das sum Schadenersatz an den Verletztea 
verpfliobtet, so lange der Schaden bestebt. In unserer Zeit, 
wo die grosse Industrie nach immer weiterer Entwiekbiag 
drängt, ist ein Ilnlallge.sets ein dringendes Bedttr£uss, sei es 
in Verbindung mit d«: Zwangs^ersiebenisg, sei ee filr sieb 



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DritiM Kapitel. PlrivamtfyiniMMigalii. 



allein, um die Arbeitgeber zu freiwilliger Yeruchemn^ zu 
Temnlassen, und zum Schutze des Arbeiters vor Bethebft- 
unfäUen. Diizn genügt die gewöhnliche Gesetzgebung nicht; 
vielleicht besteht d^r eigentliche legislative Fortschritt in der 
Differenzirung der juristischen Ideen uuter ihrer Anwendung 
»uf die Gebilde dos Gesellschaftslebfns. In dem speziellen Fall 
der Betrieböuufftllu berührt die Schuld so viele Stadion, uud 
die Beweisführung^ erfährt so viel Modiükatiuuea, dass das 
aligemeiue Gest iz hier nicht ausreicht. 

Was die Bevs eislast betrifft, so scheuerte bekanntlich in 
der italienischen Kammer, wie schua vorher im französischen 
Senat, ein Haiipliichtgesetz an der Bestimmung, dass dem 
X nternehmer die Rolle des PrÄsumptivschuldigen zufhllt, wenn 
er nicht den Gegenbeweis führeii k nnte; damit wulltt« mau 
die iu Ut'utschlaiid liervoi^treteiieu ^ili-'^^tande vermeiden, wo 
die Boweisilaht dem Verletzten ublag uud äusserst drückend 
wurde; aber man verfiel in den entgegengesetzten Fehler, 
bereitete der Industrie ernste Verlegenheiten und verbittert» 
die Bexiehongen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnelimer. 

Das G^esets mioi gereoibt sein, wie des es belebeode 
Brinsip. Ei edbidert ein eiHfedhee mnd leiditee Beweis» 
ver&lueii und die S^zimng der BntBehid%ttng ftlr den Ver- 
«agllkkten oder seine Erben snf der Basis der Billigkeit 
Es mss den Untemeluner firei amgehen lessen, wenn er i)lr 
die Vexsieheraag seiner Arbeiter geaoigt hat, wenn den Yer^ 
nnglftetten eine sebwevs Sohnld trifft oder der EJn&ll dnreb 
foroe augeue, also onabbftsgig von der Natur dssUntemehmeos, 
m Stande gekomsMii ist' 

13. Invalidität und Alter. — Wenn die YersiehenuBg 
gegen die Invalidittt als unmittelbaren oder outtol* 
baran Eflbkt der Arbeit eine weitere Entwiekhing der 
Ua&Uveniebemng bildet nnd Gegenstsnd eines besond«en 
Gesetses weiden kann, knflpfl die Altersversicbening an ein 
ellgemeineres BUligkeifsprinzip an und kann keinen obliga- 



* Vgl den Becidit Brof. Fmeabm, betrefl^ ein Ftojekt einei 
GiMtin Ober UagliiekifXUe^ 1889. 



204 (LThcil Jnropnideiut. Pn^ylaiw des politisohen Verbrechea». 

torischen Charakter annehmen. In der That sind die Wechsel- 
fälle in der Industrie so gross, die Arbeiter wechseln so häufig 
Arbeit und Arbeitgeber, dass die Beln^tunij des Tndustriellen 
mit einer so schwerwioi^cndpn Versicherung eines von ihm nur 
vorübergehend Beschäftigten em übermässisres Opfer verlangen 
würde. Anf der anderen Seite zweifelt Xiemand, dass der 
Soldat, der sein Leben einsetzt, der Beamte, 'iei oliue G^e£ftbr 
und weol^r mühevoll für sein Vaterland arbeitet, ein Recht 
auf Pension bei Invalidität oder im Alter hat. Warum sollte 
man nicht ebenM> viel für den edlen Soldaten der Industrie, des 
Ackerbaus Üiun, der nicht sedentär, nicht nur eini^ Monate, 
sondern sein ganzes Leben unter schwerster Anstrengung kämpft? 
Die ganze Nation muss somit diese gewaltige Fürsorge in ihre 
Hand nebmon, und so lange die Gegenseitigkeits-Gesellschatteu 
in ihrer Entwicklung nicht so weit gelangt sind, den Mittel- 
punkt dieser Fürsorge zu bilden, muss dir Stäal daraus eine 
seiner Institutionen macheu, durch fakultative Versicherung an 
einer Zentralkasse, welche sich die Thätigkeit anderer staatlicher 
Einrichtungen oder Kreditinstitute zu nutze maohen und 
damit vortheillialkere Bedingungen gewähren kdnnte. 

TTebrigens mflsste eiiie aoldw KreditaafllBlti ohne auf die 
ligozose Bniühftüinuig der allem Yeniofaenrngswesea au Gnmde 
liegenden Prinaipien an Teraiohten, derart vorgehen, daai aie die 
kleinen Ezapamiase an neh aiekt, a. B. dnrdh die Bestinuanng, 
daea im Ealle des voraeitigen Todea dea Vereieherten aeine Bin« 
aahlnngen den Erben in ii^d welcher Weiae an gute kommen. 

So yeiaidhert in Denteehland die Kaaaer^Wilhelmspende 
ein in einem gewiaeen Alter, frühestens jedoek im 65. Jahie 
aaklbarea Elapital oder eine Aente. Dabei bleibt eine Fkämieo* 
leserre gesiekert in der Weiae, dass bei frttkaeitigem Tode des 
Venioiherten aeine Erben die Gkeamteinlagen aurOokerkalten. 
Beim Vendokt anf Bttokecstattong Ton Einlagen steigt natllriicik 
die Teraiekerte Bente oder Kapitalaomme in entsprediendem 
VerkttltnisB. 

Die biskerigen Erfakrongen kaben geaeigt, dam demt^ 
Institutionen, anluiga wenigatenfs aiek mit ikren eigenen Ein« 
kflnften kanm aufreokt erkalten können, nnd ferner mnas man 



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Dritte« Kapitel. FriveottviiiMMreflieln. 



205 



bei dn heutigen Sorglosigkeit dee Arbeiten ihn für diese Form 
der Versioheraog dnrdi geringfügige Beitrflge zu gewinnen 
mcihen; deshalb ist die finansielle Befhnligong dee Sdaatea 
nnTermeidlioh, und dieser kann seineneüs die kräftigsten 
Kreditinstitnte snr Beflieiligmig henuudehen, indem er Das 
bildet, was Bihhaiiok mit einem g^flokliehen Ausdnick^das 
,iFatnmomnm der Enterbten* nannte. 

14. Der Staat nnd die Koalition. — Wenn das 
Looe der Arbeiter in dieser Weise gebessert ist, so darf man 
nicht glauben, dass deshalb die Kämpfe awisohen Kapital und 
Arbeit gioalidi venschwinden werdm. Zu viel widerstreitende 
Interessen stehen sich hier gegenüber nnd an stane wirthsohaft- 
lidhe Gestetze wirken hier, als dass jede Beibong Tersehwinden 
könnte. Dem Staate ftUlt die Aufgabe y.n. sie mrtglichst zn 
millrrn. So stimmt man hente darin übereiny dass die durch 
das Uebergewicht des Stärkeren eingegebenen und als angebliche 
Qarantie für die industrielle Freiheit aufrecht erhaltenen Gesetze 
gegen ArbeitseineteUimgen den Arbeiijgeber privüegiren, während 
der Arbeiter in seiner BedrSngniss kern anderes Mittel des 
Widerstandes besitzt. Dagegen waren die Drohungen gegen 
Arbeitgeber-Koalitionen ganz wirkungslos, da ihnen derCharakter 
nach aussen hervortretender Kundgebungen fehlt, welcher bei 
Arbeitervereinigungen so bnld zu Unterdrückung führt. Die 
Geschichte ist reich an Beispielen dafür, welche Folgen 
Zwangsniaassregeln zur Aufrechterhaltung der Ruhe haben. 
In England folgten den Gesetzen dr« und 10. Jahrhunderts, 
wolrho strikende Arbeiter des Treubruches schnMiL- rrklärten 
und mit Abschneiden der Ohren hpdrohten, nnici- IIfjiSABETH 
besondeie Beamte (Justices of labour), welche die Arbeits- 
bedingungen feststellten. Gegen Ende des Jahres 1700 traten 
in London sehwero Unruhen ein, in denen Fabriken zerstört 
wurden, und dasselbe geschah 1773 in Leicester trotz der 
Androhung hilriebter Strafen. 

Tm ersten Viertel dieses Jahrhunderts fanden sich häufige 
Koalitionen und Arbeitseinstellungen, begleitet von verbreche- 
rischer Grausamkeit, wie in den Jahren 1811 und 1813, wo 
18 Arbeiter gehängt wurden, und man begriff endlich die 



206 n^TlidL JnriqpnidaBi. Ph>pbyItt«d«ipo1itinheiiyerbKohflBa. 

Wirkungslosigkeit von Prohibitivgesetzen ; 1824 wnrde durch 
Gesetz ohne weiteres das Koalitionsrecbt anerkannt und nur 
die Aufreizung zum Strike bestraft ; dies Prinzip wurde durch 
die Gesetze aus den Jahren 18ö9, 1871 und 1875 bestätigt 
und im Sinne absolutor I^rPiheit angewendet Auch in 
Frankreich führten Zwan^'s^'^psetze nur zur Vervielfältigung 
der Strikes ; in don neini .luhron /\sischen 185.H nnd 1863 wurde 
gegen 749 Arbeitseinstellungen uu<\ Ünternelimer-Koalitiouea 
Tor[^i' trau gen. Erst nl« dns (ipsetz vom 25. Mai 1864 die 
Straibarkeit der Koalitionen authob und nur für Bedrohung 
und Nöthigong Straten festsetzte, nahm die Zahl der 
Strikes ab. 

In Deutschland, wo <ir\\ ^ni dem liJ. Jahrhundert Spuren 
von Arbeitervereiaigungen und Repreasivmaassregeln finden, wo 
im Jahre 1301 zwei Arbeiterfühi-er verbrannt, 1361 dreiund- 
dreiseig Weber gehängt und hundert undaobtzehn mitihren Familien 
ausgewiesen wurden, zeigten sich Repres.sivgesetze wirkungslos, 
und der norddeutsche Bund s( luiüto sie 1869 ab. Die Reichs- 
gesetzgehung bestrafte spater nur Drohungen.* Grewisse Gesetz- 
gebungen, wie die frühere italienische, adoptirten ein gemischtes 
System; gegenüber dem rein wirthschaftlichen Faktor d^ 
ArheitBemstelinngen sollte der Eichter di« Entacheidung über 
ihn mehr od€f weniger gerechte Begrttndnng haben, das lief 
sohUenlioh auf eine gerichiliehe Lohnfiztrnng hinan, vas 
Ck)»^^! fitr eme wiitheohaHludM Abeoiditlt erklflrle. 

Eine gewiase Biohtang verlangt die Uiiterdrttokaiig vflb 
Sirikflc im Inteiesse der Arbeiter selbst und ttollt das nnbeogsans 
Gesets Ton Angebot nnd Nachfrage und den Sohaden, den die 
Stiikenden fiiit immer erieideOp in den Yoidergrond. Non 
wird der Lohn nioht immer dnroh das Verfalltniss twisehen 
Angebot nnd Nachfrage beaiimmt, da der Axbeitgaber seine 
Höhe unterhalb der dnreh den Arbeitsmarkt gagebenen Be- 
dingungen au fiziren sucht, und lemer widerlegen Thatsaohen 
die Behauptung« dass Aibeiteikoalitionen gewöhnlieh niohtB 

^ 8. BoBsi, n fcmre eeoHOmko nä moU nPoinciONari — Arckkia 
4i psiehiatria < «cteue pmaM^ IX. 



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DritlMKAintttL FrlvwttmunMNfalii. 



207 



«Tfeiehtan. 1832 «imohtoii die TiadhW in Frankraieh die 
SrhAhuig ihm Lohiiea Ton 3 auf 3Vt Fnmoe und 1845 «nf 
5 FxanoB, vnd ein fnomm Bespiel geben die Bergleute in 
Wales, weloihe 1863 eine z«]inpTOaentige und bald daxanf eine 
ftin^linproflentige Lobnerbolimig dnvdheetaten. Li Sogland 
selbst stiegen naeh den Striksa von 1871, 1873 und 1873 die 
JJÜme um 21 bis 26 Vt Ftoasni LnantHT^ bat berebhnet, 
da«s von 206 in Italien wtiuend der Jabie 1872—1876 be- 
obaehteten Strikes 82 einen günstigen Ansgang eneiolitent nnd 
darunter 48 eine Lohnerhobong; das ergiebt, wenn man die 
Strikee mit nnbekaontem Anflgange absieht, bei 48,64% der 
Strikes einen Vortheil für die Arbeiter. 

Oegenflber den häufigen Yortheilen der Strikes ist die 
Bestrafung von Drohungen, ohne welehe ein Strike gar nicht 
durchführbar is^ als besonderes Vergehen nicht zu billigen; 
mit einem in der Gesetzgebung häufigen Widenpmoh bleibt 
der Strike strafloSf während der Strikende yerurtheilt wird. 
Man wende gegen Gewaltthaten das allgemeine Strafgeseta 
an, wie in ftagiand, da die Aufrechterbaltnng von Sonder* 
bestimmungen nur den Verdacht nährt, dass es sich nnr nm 
Anfrechterhaltnng der alten Hepressionsbestiramungen handelt. 
Das durch die Freiheit wachsende Gefühl der Verantwortlichkeit 
wird die Arbeiter lehren, dass sie z'.var der wesentlichste, aber 
nicht der einzige Faktor der Produktinn sind. — Der 
Gesetzgeber hat seinerseits dio Aufgabe, an Stelle der selten 
abschreckenden, immer aber erbitten^df n Strafen einfache 
Maassregeln zum Ausgleich des Lohnkamptes zu setzen. 

Gewiss wäre die ideale Losung der Frage dadurch gegeben, 
dass die grossen Arbeiter^ussoziationeu die Lttsung übernShmen, 
wie die Trades-Unions und die Syndikatkammeru, welche in 
England und Frankreich die Initiative zu Schiedsgerichten 
gebeu , wo, wie in Italien, derartige Organisationen fehlen, mnss 
der Staat einen Schiedsspruch obligatoiisoh machen und seine 
Vollstreckung sichern. 

15. Prndhommes. — Schon Napoleon versuchte die 



* Per rinchUifta sugti acwperi. 



— Vtrona lö79. 



208 II.TlieU. Jarisprodeu. Propb jlase des poUtiiohen Verbredieitt- 

Institution (Ips Schiedsgerichtes der Piudhommes, die, zur Hälfte 
aus Ai l)f itirelf rn und Arbeitern zui^amraengesetzt (letztere jedoch 
von den Ai l ei^gebern berufen), anfangs nur durch Sühnversuche 
wirkfin, sp;iti r in Sachen bis 300 ^Francs kompetent wurden, 
unter 13erulung an die Handelstribunulf . In Italien sollte 
durch die lex Berti der Schiedwchtersprnch vollstrt'oklj ir und 
iDappellabel gemacht werden; das wäre wuhi ausfuhrbar. wenn 
Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den Sohiedsgeriohten ent- 
sprechend vertreten wären. 

Die Prudhommes tunktioniren in Frankreich seit dem 
Jahre 1806 mit dem besten Resultat. In Belgien sind sie 
1869 eingeführt, in Deutschland bestehen theilweise seit 1809 
und in grösserer Ausdehnung seit 1870 Gewerbegerichte nach 
diesem Muster; in Oesterreich-Ungarn entscheiden die 1869 
eingeftlhrten Gewerbekammem in Streitigkeiten swiscben Arbeit^ 
gebeiu und Aibeitnehmero ; in England worde das System dsr 
Sehiedsgeriolite 1814 eingefohrt und dnrolL Verfügung yon 
1867 geregelt 

Für die WirksBinkeit dieser Liatitate spreohen folgende 
swei Zahlenangaben. Tn Frankreich kamen während eines 
swölfj übrigen Zeitnnmea 184000 streitige Fälle vor diese £olle- 
gioD, nnd davon wurden 174600 beigelegt. In Belgien kam 
ee bei 2958 Streitigkeiten yor den Prodhommes mehr als 2400 
mal snm friedliehen An^leioh. 

Die den Strikes gewährte Freiheit wird die Tendenz der 
Arbeiterrereinigongen snm ünionismns yeistHrken» nnd aicher 
werden die ArbeiterhClfekassen, wenn sie gesetBlioh anerkannt 
sind, ihrem Ph^graome sehr bald den Sohnts der Oenoesen 
in Lohnfragen nnd die Gründung einer Hfllfikaase für Strikende 
anfügen. 

16. Agrarkrisen. — Ein ernstes Pkoblem bildet das 
Elend der sehr aehlreiehen, aber duroh ihre Unwisseohsit nnd 
ihre iftnmliche Trennung vom Schutse ihres eigenen Bedites 

femgehaltenen Landarbeiter. Viele tansende von Hektaren 
aind nnangebani in den Händen einzehier GTOSsgrundbesitser» 
die anf elue nutzbringende Bewirthachaftnng verzichten and 
damit Wohlstand und G^esundhmt ganser BeyOlkerangen 



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Drittes KaiHtel. PräventivmaMsregeln. 



209 



flebldigm; vaii mnaa fragen, waram dsr Staat diese nn* 
thltigen Eigenihflmer iiielit expropriirt, anstatt HiUicnen fSa 
Festungen, HofbftUe^ Flotten und entfernte nntslose Kolonien 
ansBogeben.* 

Gewiss ist eine wohlgeregelte, der gierigen Spekulation 
entaogene Answandcning ein SioberheitsTentil beim Eintreten 
Ton Erisen. Sie yerbreitet den Namen lud die Kapitalien 
find die ArbeitBkiSfte eines Landes naeh aussen und Tecsohafft 
ihm neae» daoenide Verbinduigeii; nook viel wichtiger aber 
ist es, diese Strömung snr Befruehtong des Landes selber an 
benntBen. 

Und wenn an ladihnle Befonnen unsere Generation, die 
voeh gans in der Yeigangenhett stebk^ ersohreeken, so erfillle 
man wenigstens die Foidening der Panellimng der Dominen 
und der Gkmeindsidter in Ueine Anflieile.* 

Aber so Isnge die Qesellsehafk, die ein indnstrielles Stadium 
«ixeittht haben sollte, mit ihren Mitteln den Militarismus anf- 
recht erhält, den die CiTilisation Terurtheilt, den uns aber die 
Eifersaoht der Diplomaten und der berofsmflssigen Politilcer 
anfdr&Dgen, kann man nicht entarten, dass die herrschenden 
Klaasen das Dringende der socialen Probleme empEnden. 

17. Armenpflege. — Unter der aller Anfmerksamkeit 
werthen Arheitersehicht leht die Schicht Derer, die ans den 
verschiedensten Ordnden arbeitslos sind, oft weil sie eine nega- 
tive Qualität fhr den Kampf ums Dasein besitzen, oft durah 
Verschuldung der Gesellschaft, die doch für sie sor^n muss. 
■So giebt Fmnkreioh 151 Millionen jährlich für ö£fentliobe 
Armenpflege ans. England unterhält jahrlich mehr als eine 
Million Armer, die Stadt New York giebt für denselben Zweck 
sieben Millionen Dollar aus, und alles das begünstigt nur 
£iend und Leichtsinn ; das zeigt, wie alle öffentlichen Anstalten, 
in denen sich diese Fürso^ konsentrirty wie Hospitäler, 



* Bia ia Strdiiiiea gemachter beieheidener Venneh toheifecrts ea 
•dem lUngal fraflgendw Kapitalin und aa dem Widenlaad der iasnlinn 

Verurtbeile. 

• Vgl LoMBR05?o, Sul incremento del ddiUo in halia. — Tarin, 1879, 
LoMBBOSo, PoUtiMber Verbrecher, ü. 14 



210 n. Th«U. Jniifpnidaiis. FropliylaabedM|K>litiiohenyerfarMfa«]^ 

SieclifTihuuser, Leihämter, verbunden oder ersetzt werden 
mubbeu durch Schöpfungen der Gegen sei tii?keit oder der 
privaten Initiative, wo die ehrliche, rührige Armuth Kredit für 
ihre Arbeit findet, auf den ein gutes Vorleben und das Zengniss 
von Notabilitäten Anspruch verleihen.* 

In DeatBc bland existirt ein aus öffentlicher Armeu pflege 
und individueller Wohlthfttigkeit kombinirtes System, das 
Elberfelder System, das in dieser Stadt das ^ erliältniss der 
Ai'iuen zur Emwohner/.alil von 1 zu V2 auf 1 zu 83 rcdu^irt 
hat. Das System be.stelit m häufigen Besucheu bei den Armen 
und in der Ausübung einer Art von moralischer Direktive 
auf dieselben. Es bildet den Glegensatz zur boreaukratischeii 
Organisation der öffentlichen Armenpflege. G-ewiss muss der 
ünterstützong aus öffentlichen Mitteln 6x9 ans privaten top» 
gezogen wvideD. Dias« ubatet mit Mwilligen Beiträgen, nnd 
ihre Bithttmer laasen doh prompt sugleiehen, wfl]ireiid jene 
mS einer PrfifoDg der Details vcoA eine Imeht bewegÜehe An« 
paasung veniohteii mvm, und Olren Handliiiigeii dea dianJctev 
der UmTeraalitftt und relatiTen Perautnens giebt. Der Staat 
miu8 aber cantieten, wo private Mittel aiclit anneiehen, durok 
eigene Veiajutaltungen, deren ]3iidget ans den Ghldem beetrittea 
weiden mm, die ane der Aufhebung unEeitgemlaaer nilder 
Stiifciuigen, ehriatlieher Benefisien nnd anheimiaUenden Erb- 
eehaften gewonnen werden, wahrend alle Vagabunden, ICflnig- 
gftnger nnd Verbreoher, an deren Leben die GeeeUeehaft kein 
Intereeee hat, an Zwangflaibeii angehalten werden mttnen, 
deren Ertrag die Mittd für ihren ünierhalt an lielem hat, 
ohne iigendwelehe ZnsehtiaBe, bis sie arbeitsnnfillüg oder alt 
werden. 

Man verlange von den Elaeeen, die wohlthnn können» 
rnoht mehr, als sie an leisten yermOgea* Unsne Zeitgenossen! 
sind, wie Coste bemerkt, nicht genusssttohtiger, nnwiaeenderr 

als unsere Vorfahren, vielleicht sind sie es weniger; nur ist 
der soziale Mechanismus komplizirter : die Volk^wirthschaft ist 
an Stelle der Hanswirthaohaft getreten, die Familie allein 



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Vierte« i^apiteL PnventivzQfuusregeln. 



211 



gentigt nicht mehr als Faktor der Wechselbeziehungen; kurz die 
Anpasiang d«r Fnnkiionan an neue Existensbedingaugen ist 
nodi oieht Tollsogen, und es ist di» Pfiiclit imd die «hrä&ToUe 
Ao^be der bslieien Tflnnfwin^ dieaen "Bwemb in Tollenden. 
Sie, welehe dae liOeheto l atwfo an politiaeher Ordnung haben, 
mflasen mlion im •InturmiBO iluer SeHwteriialtuig die innige 
Yerinndnng der politiMlken nnd dkononusehen Thaiiaehen 
lieraduiehtigen; öm Ihätigkeit nniw den baaherigen, sn 
Gnnatan dar Bomjgeoisie geaohehenen Wandlnngen adolie an 
Gtinaten der aaUreicinften nnd ftnusten BerOlkerangSBohichten 
folgen laflaen. 

Ea rnttsBen aie die Worte Oatoüb inapixizen, der mit 
dar Intnition dea Qenina propheeaiie: .Daa einiige Uitlel aur 
Abwebr dea SoaUüiamna iat die ffiogabe der lioliaian Klaaeen 
an daa Wold der nntereB, aonat in der aoaiale Kii^ nnvar> 
meidlieli.^ 



Yiertea KapiteL 

Präventivmaassregeln iTortsotzung). — Politische Prophylaxe. 
(Pbysisciiei poUttsclie und soziale Faktoren.) 

1. Physische Faktoren. — Viele Ursachen des politi- 
aohen Verbrechena, wie Klima, Boden, geographische Las^e 
nnd It^f^t können vom Menschen nicht überwunden werden; 
aber immerhin ist es mögliiSi, ihre Wirkungen /n mildem. 

So wird es zur Bekämpfung der Eintiusse von Seiten dea 
Bodens sich empfehlen, neue Verkehrswege v.ii erutfnen, Waider 
niederzuschlagen, was den Wideretaud der Rebellen eisohvecen 
nnd die Stabilität der Regiening hefpstigen wird. 
. So ist es ein grosser fehler, in heissen Ländern, wo 

14« 



212 U^ThsiL Jüikgxniäim. FrotbiyUiMdM 

Revoltoa häufig uud frufhtlos sind, dieselben Gesetze m A:j 
wendun<2: zu bringen wie in kalten Himmelsstrichen, \s<) \ut- 
stände selten vurkümmeu und oft Symptome der Entwicklung 
und des Fortschrittes daratellen. 

2. Ernäbrnng. — In unserer Zeit ist die Gefahr der 
Theuern II g nur eine geringe, denn seit einiger Zeit versehen 
Amerika und Kleinasien unseren Markt mit ihrem Getreide 
und veranlassen durch das reichliche Angebot ein Herahsinken 
der Preise. Deshalb kouuen die Schutzzölle auf Lebensmittel 
eine Waffe in dont gegen N^ärtigon wirthschaftlichen Kampie 
darstellen, und m fruchtbaren Ländern werden sie vielleicht 
den allgemeinen iaüd\Wrthschaftlichen Bedingungen guuatig 
sein; aber da, wo sie, wie in Italien, eine Yertheuening der 
allemothwendigsten Nahrungsmittel zur Folge haben, werden 
sie, besonders ro Zeiten achleohtor £niten, nur die Veranlawang 
wa ünrohen bilden. 

In emem Lende, welehea, vie ItaUen und andi Spanien, 
swei gaas Teradliiedene Klimate Tun&eat, kfinnto dnrah neue 
KnUivHfiioneniBtlLoden dafür gesorgt werden, daae der Sttden 
dea Laadea mit seinen Braengniaaen dam Norden an Hülfe 
kirne nnd umgekehrt» nnd man mflaate darllW waehan, da» 
nnr der Nator dea Bodena angepaaato Nfthrpflanaen angebaut 
wttrden und nieht Bolohe, die (wie in Noiditalien der Maia) 
leieht dem Verderben anageaetit sind. 

Ferner mUaaten eine ganae Beihe aoloher Vorkehmngen 
ermntbigt nnd Terbieitet weiden, die die moderne Volkawiiäi- 
adhaft erfanden bat, nm den Preis Ton Lebensmitftahi nnd 
alledei Waren bis zur niedriAaten Oiense beuBbauaetaeni so 
die «Volkakflehen*, die lindlidien KooperofiT-BlIekweien, die 
dem diei&ehen Zwecke der Hygiene, der Spaiaamkeit und der 
gegenaeiügen Holftleiatang dienen, nnd die GenoasansefaaltB- 
Magazine^ die Honopolen und noeb mebr der Furdit Tor Mo- 
nopoien entgegenwirken. 

Wenn man siebt, wie Tbeuemngen in Ländern mit einem 
Hauptnabrungsmittel Torbenaohen, wie in Indien und China, 
wo der Beis, in Irland, wo die Kartoffel, und in Venetien, 
wo der tariaaobe Weiaen das flauptnabmngamittel iat, und 



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Vierte« Kapitel. Prävenuvmaassregein. 



213 



wi« die Pellfl^ dort wlltbet, wo, wenn aucli zusammen mit 
andeieD, vorzn^weise ioloho Lebonttiiittal genossen werden, 
welehe laioht ▼eidorboDi wie in DwtMhliad dar Boggen, in 
Italian imd Spamon der MtoB, so diingt nek nnwillkOfUeh 
der BaHi auf — denn BefeUe helfen liier mehfe — , die 
Knltor anderer Gktradeaiien sn erleiehtem, und «war da, wo 
jene eeliSdHöhen, die mOglioIiBt gans nnteidrfleki werden rnttasten, 
am niei«ten dem Verderben ausgesetzt sind, wie in den bergigen 
Gegenden Italieos ; nun mindesten sollte die Anscbaflbng Ton 
Vonriolitangen sm Anstrodmnng des feneht gewordenen GtetreideB 
yeranlasst weiden. Es ift tranng, an sdien, wie in Italien, 
wo infolge von Terdorbenem Vais seit mehr als einem Jabr- 
bnndert die Pellagra beizaoht, die mtÜLerollsten, langwierigsten 
Anstrengongen nun Zwecke der liiufilhnnig einer anderen 
Getreideart fiut ei&lglos geblieben sind, während in dem 
nahen Oesteneioh, wo diese Kmnkhat dooh nnr seUen anftriit, 
im Jahre 1888 ein spenelles Gesets dafElr in Voisehlag ge- 
braeht nnd angenommen wnrde. Und sogar in der alten Bepn- 
blik Venedig standen sdhwere Strafen auf dem Veikaufe von 
fenditem oder verdorbenem Getreide.* Und darin liegt eine 
der ÜESachen, welche die Bepnbik Venedig so vielen StUrmen 
widerstehen liess: der Arme war dort nicht so sehr vom 
Reichen vergessen, wie es heute der Fall ist, wo er dem 
Kamen nach alle Bechte beaitEt, in der That aber bittere 
Noth leidet. 

3. Alkoholismns* — An die Nahruogsirage schliesst 
sieh der Alkoholismus an; denn wir haben gesehen, welche 
grosse Rolle er, besonders in den Revolten, als Antrieb stf 
den schlimmsten Exzessen spielt. Da nun eine Bessemog der 
ökonomischen und moralischen Lebensbedingungen an sieh 
noch nicht genügt, um hier einen Zügel anzulegen, so ist 
es nothwendig, daas der Oeeet^ber diesem Schaden ab- 
snhelfen sucht. 

Zu diesem Zwecke wird es genügen, dass Fabrikation 



' S. Salteraglio, BibHognfia dcUa pdhgra. XUano, 1887. 
Äfdtid» d. priddairia « «cwmm pmak, 1888w 



214 II. ThtU. JarHpnid«ai. Ptoplijlue dm poUtisoheft 7erbf«olieiM. 



und Verkaaf des Alkohols gewissen Hestriktionen unterliegt, 
die swar auf den ersten Blick die Freiheit des Handels ein- 
zuengen scheinen» jedoch genügen werden, nm die Bevölkerung 
an Wein zu gewöhnen, der, in massigen Mengen genossen, 
gewiss eins dm nnschädlichsten Alcoholica ist Und dass sieh 
diese Maassregeln nucb mit einer liberalen Eegienmg vertragen, 
beweist der demokratische Staat Maine, wo nicht nur der Wirth 
für jede Schädigung durch Betrunkene verantwortlich gemacht 
wird, sondern wo sogar die Quantität Branntwein bestimmt 
ist, die jeder Bürger im Hause haben darf. 

In anderen Staaten werden schwere Strafen gegen die 
Trunksucht finrrcwondet. In Irlaiul ^Mirdon durch ein Gresetz 
im Jahre 1861 die Friedensrichter autonsirt, jeden Betrunkenen 
in eine Korrektionsanstalt zu schicken. Tn Schottland wird 
ihnen eine Geldstrafe von 40 Schilling und eine rifrzehntägige 
Haft auferlegt (G-esetz von 1862). In England unterliegt jedes 
Individuum, das an einem <5ffentlichoii Ort oder in einem 
Wirtbshaus betrunken gefunden wird, einer Creldstrale von 
10-— 20 und im Falle der Wiederholung von 40 Schilling 
(Gesetz von 1872). 

Aber auch diese llepressivmaassregelu gaben nur geringe 
Erfolge ; in Belfast wurde z. B. eine Frau 240 mal wegen 
Trunkenheit eingesperrt, eine andere in DuIjUü lÜD mal und 
eine dritte in Waterford 141 mal, so dass man in England 
jetzt nur noch diejenigen Betrunkenen einsperrt, die Unfog 



Indessen besteben Gesetze aus den Jahren 1872 und 1874, 
welche in England den Verkauf von Getränken nur während 
gewisser Sonntagsatunden verbieten, sowie eine im Jahre 1884 
eingebrachte Bill, welche die Ausdehnung dieses Verbots auf 
den ganzen Tag einfühlte. In filokottland bestand das Verbot 
sehen seit 1853, im Jahre 1878 wurde es auf alle Sttdie 
Irlands und im Jnlire 1881 auf das Gebiet ron Wales aus- 
gedehnt 

In Schweden, das seit 1855 ein Qesetz gegen den Alkolio- 
lismns bat, ist die yon der Stadt Goihenburg getroffene, später 
Ton anderen naohgeakmts Uaassregel bemerkenswertb; sie 



treiben. 




Viert«« Kapitel. PräveativinaitmregelD. 



215 



bMle&t in dem Ualiergaiig der Sehank-EonieeriikiMii «nf dk 
eüdtieeheii KOrpeeBohalten» die dieselben im InienBBe der 
Oemeinde Terwalten; entepieohend dieeer BinrinTitimg iat mehr- 
höh, der Vonehlag gemaoiht worden, die KonMeflumeii fOx 
SohaDkwilfhBohaften einer wählbaren Lokal-Kommissum su 
liberimgen. 

Die zsdikalete Haaesregel jedooh, eo eehr ne aneb tqh 
den Xaberalen angegriffen wird, und nieihi ohne gute Gründe, 
ist die dee AlkohoMf onopole, das in der Sebweiz seit dem 
15. Desember 1886 dnrohgeftüirt iat Dieses Gkseto, welches 
nnter anderem die Fflioht der genflgenden Hektifiaimng anf- 
«rlegt, ist dadorob bygienisbb von nngehenrem Nntaen. 

In Dentsobland, wo das Ftojekt des absolnlen Monopob 
keinen AntlaTiy ^nd, wnrde statt dessen die Stoner emgefilhrt, 
von der nnr der mm Export, sowie sa hftnslioben nnd in- 
dustriellen Zweeken bestimmte Alkohol ansgese hlo sse n wurde; 
anoh wurde hier die Bektifizinmg obligatorisch gemacht 

In Frankreich soll auch das Monopol eingeführt werden, 
weil hier die Tmnksucht erschreckende Fortschritte macht. In 
der letiten Zeit haben sich in Frankreich die Yerkan&stellen 
für Branntwein jährlich um 6000 vermehrt, so dass dort im 
Durchschnitt auf 105 Einwohner ein Wirthshans kommt. — ^ 
So wenig hat das Repressionsgesetz gegen Trunksncht vom 
Jahre 1873, das man der Initiative Rousbbls verdankt, genützt. 

In Italien hoffen Manche auf des Monopol, auch als auf 
«in finaniielles Hülfsmittei, wollen es aber auf den Klein* 
verkauf beschränken;^ in jedem Fall wird die Hektifizimng 
des Alkohols dtizu beitragen, ihn weniger gefährlich zu machen, 
und so könnte indirekt das Ziel politisoher nnd sozialer Vor- 
bengung erreicht werden. 

Wahr ist es, dass so strenge Gesetze in der Praxis nicht 
genügen, um Missbrftuche zu unterdrücken. Wo, wie in den 
Verpinigten Staaten, der Verkauf von Getränken verboten war, 
sorgten die Apotheker dafür, und zu ihren Kunden o-^hörteu 
sogar die Deputirteo, welche die Verordnung erlassen hatten; 



^ 8. Baimoiipi, n «MMM9»Jio degU akooH. — KiUno 1888 



216 n^Thsü. Jiini]iradMii. IVopliyUxeditpolitiidMnyflrbradliQDi. 

da, wo das Verbot sich auf den Sonntag beschränkte, wurden 
grotte Einkäufe am Sonnabend gemacht und 80 die Wachflamkeit 
der Polieei hinters Lioht gefiUurt. Aber ee gir^bt mildf re nni 
klügere PräventiTmaassregeln , die sidi auf die Thatsacke 
etfltieiii dass die Trunksucht ans einem BedüifiuBS nach Ast- 
regvng des Gehirns entsteht, die ein Volk am 80 nöihiger 
bmnoht, je fortgeschrittener ee ist: nfimlioh alle jene indirekten 
ilbttel, die das Gehirn anregen, ohne es zu reizen und zu t«^ 
giften, wie z. B. Darbietimg von Kunstgenüssen (tägliche popa- 
läre Theatervorstellungen, Erholungssäle, freier Zutritt in 
Museen und Galerien etc.) und femer die Begünstigung dee* 
Genusses von Kaffee und Thee, mit allen zu Gebote stehenden 
Mitteln ; denn diese Genüsse, welche mehr die intellektuelle 
Thätigkeit des Gehirns begünstigen, als die instinktive, sind 
«in doppeltes Gegenmittel gegen den Alkohol, der seinerseits 
die weniger edlen Instinkte erregt.* 

Und an f'esttagen, die nun einmal ht , u bp'^pitigen 
sind, muss man durch momlische und üsthetische Anregung 
auf das Volk wirken, wie das heute schon in England versucht 
wird, wo man Unternehtslokale und Theehallen für 8000 bis 
4000 Pei-sonen zu ganz geringem Eintrittsgeld eröffnet hat. 
Etwas Aehnliehes ist in Turin von Lessona voi ^o^t hlagen 
worden, und in einem Turmer Verein gegen den Alkuiiolismus 
soll ein Arbeiter gesagt haben: «Gebt uns das Theater zu 
billigeren Preisen oder öffnet es uns wenigstens an den Tagen 
und zu den Stunden, wo wir sonst in die Schenken gehen 
würden!" Hier erinnern wir uns an eino Anekdote, die Toii2<I 
erzählt, wo in einem Dörfchen der Wirth einen Schauspieler 
durchprügeln lässt, weil er seit seiner Ankunft nur halb so viel 
Wein verkauft hat, wie früher. {L Inkmasionak e h Stato, 
1878, p. 409.) 

4. Hasse ngegensfttze. — Wir haben gesehen, dass die 
Goexisten^ Terachicdmer, nicht ossimilirberer Rassen die dnroli 
etaatliche Bande zusammengehalten werden, stete poUtisebe 



* S. KoBaAKoFK, Arch. tii ^^yjcA., X, 6. — Fjorktti, Jl vtno cd il 
eafff, im 



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Vierties Kapitel PräventivmaaMregeln. 



217 



Gefahren in sich birgt. Der Ausgang des nn venneidlichen 
Kampfes zwischen diesen Brachstücken von Nationen wird, 
sobald sie zu politisohem Einfluss* gelangen, der sein, dass 
entweder die söhwftolien Nation dank der inteUektneUen Ueber- 
l^genheit der andenn, untergeht, oder dass bestünmte Gebiete 
dem Staate infolge answlitiger Kriege gewaltBam enfrissen 
weiden oder seUieesliob, dass die Teisdhiedenen Brachsttteke 
von Nationen, nadi völliger EjfsehOpfvng ikier Krifte, sieh 
dnieh gcigenseitige Konaessioneu guiUeh einigen. Besonders 
Oestoneieh nnd die Tflikei geben ein Bdspiel lür solehe dnrdb 
Streitigkeiten swisdhen refsehiedenen Nationalitäten ker▼o^ 
genifene Störungen und 'aeigen, dass die sckliessliehe Losung 
mekr tou der natOrliohenj niekt an hindernden Entwicklung 
der sieh bekftmpfenden Kzftfte, als von den Politikern abhflngt. 

Gewiss wäre es die beste Politik, die Parteien sich selbst 
8U ftberlassenp wie Laitbssah' bemerkt; denn die gesohiehtliehe 
Eifrhmng lehrt, dass, wenn das hensohende Yolk an Kultnr 
nnd Maebt aoraebateht, das unterwoifene dook sohliessliek dahin 
gelangen wird, sieh M au maehen, wie es in den yersinigten 
Stuten, in Ghneehenlaad und in Holland der Pall war. Aber 
Eitelkeit und augenblioklieke Interessen wirken Terblendend • 
und lassen nur selten einen Entiehluss aufkommen, wie ihn 
England in Bezug auf die jonischen Inseln ausführte. Ein 
besseres Auskonftsmittel ist jene relative Abtrennung, wie sie 
Oesterreich gegenüber üngam nnd England mit einem Theil 
seiner Kolonien durchführte, wodurch man die Abhängigkeit 
und die zahlreichen Berührungspunkte und fleibungen ver- 
mindert und so eine wichtige Ursache des poUtiscben Ver- 
breobens beseitigt. Und diese Politik der Abtrennung und der 
Autonomie ist auch innerhalb einer einheitlichen Nation an- 
geaeigt, wenn sich, duroh Bassenverhältnisse bedingt eine an 
enorme Ungleichheit herausstellt. In diesem Falle bringt ein 
einhpifliohes Gesetz Unzuträglichkeiten und Missstftnde berror, 
die sich dann in einer Beyolution auflösen.' 

' HoLTXBsmoBrr, Die Frin«pien der Politik. ^ Hamborg, 1887. 

• L*tXirime Orient ete, — Sewe Hcientifique, Juin 1888. 

* B. LoMBMMO, Trofpo pntto. — Torino, 1888. 



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218 U^Theil. Juhapnideu. PlrophylucftdMpolitiBQhmiyerbreoheiii. 



Wir in Italien z. B. haben ä\o Einheit wohl der Form, 
aber nicht dem Wesen nach erreicht.^ Man kann ^äogren, daa« 
Italien nicht nur m eine nürdliche, südliche und insolaro, 
60Ddem noch in .so und so viele Unterregionen zerfällt. 

Aus der Kiimiual- Statistik der letzten '20 ,lnhre ergiebt 
sich, wenn sich überhaupt etwas mit Sicherheit daraus nach- 
weisen läast. das.« sich die Trennung Italiens in Regionen und 
grosse Zoneu, die »ich schon im Dialekt, in der Presse, der 
Physiognomie, den Gebräuchen und Rechten zeigt, am nller- 
deutlichsteii aus der Kriminalität nachweisen lüsst. Man denke 
nur an die nach Art schottischer Clans oder arabischer Stämma 
verbundenen Strassen räuber Sardiniens. 

Um diese Erscheinungen zu verstehen, genügt es, die 
graphischen Karten von BoDio, von Mäüliam und von Rossi 
zu stuihren. ^lau ersieht hieraus sofort, dass Italien durchaus 
nicht homogen ist, suiideru dass sich, iii LilU-n Aousseruugen 
des Lebens jener Regionalismus offenbart, der sich schon im 
Klima ausspricht (die Jahrestemperatur in Piemont ergiebt 
1^,1—12,9*', in Yenetien und der Lombardei 16,2 und 
17,1 ^ in Calabrien, Sardinien und Sizilien 17,4**), wie in der 
, Körpergrösse, die in Yenetien nnd Lnooa bedeutend, in Sar* 
dtnien, OaUbnen und BasilioBta gering ist, und neh in der 
Zahl der Geborten zeigt, die im etldliolien Italien aoBSeroideDtlieli 
' gtoaSt im mittteran eelir gering nnd im Norden ItalieoB von 
mittlerer Hohe iet 

Frühe nnd sehlreiehe Eheedhiieasungen, aowie hfinfige nnd 
frfihaeitige P^titntion aeigen aioh in den warmen Begionen, 
beeonden in CSalahrien, der Baailioata nnd Siailien, am wenigrten 
in den aentraleo (nmbro-etmddaohen) Thailen. Die grOsate 
Sterbliehkeit nnd die grOaate ZaU von Greiaen eigeben die 
attdiiohen nnd inanlaren Gebiete, die niedrigste Zahl die 
nordliehen Begionen. 

An KonBnmateuem werden die geringsten Sommen von 
den Inaebi nnd von den südlichen Thailen an%ebradlity welehe 



^ Appunü Ol mfOM CotUee pemOe, 8- edii. — Tovino, SVatelli, 
BoooA, 1889. 



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Viertes KapiteL PräventiTmaaMregeln. 



219 



bteten dagegen sioli am sttrlcBteii am Lotio bethMligeiL* 
Daasolbe gilt auch Uta die Yerbreohen, die am itahlmiolmteii 
auf dorn Luelgebiot und im sfldliolMn Italien sind» vad swar 
Torwiegend Verbieoben gegen die Penon. VerbreelMii gegen 
daa Eigenthimi kommen am bftnfigsien in Born nnd Sardinien 
nnd niohafedem in der Bmilia, Venetien nnd der Lombardei vor. 

Aneh aebelnt dieser Begionalismns niebt vecsohwindeD an 
wollen. Meine 20jibrigen Stodien Aber Scbidelform nnd 
KOipergiOflsOi ans denen ein Yorwiegen der Dolicboeepbalie 
in Gbi&gnana» Calabrien» einem Tbeil Ton Sizilien nnd 8ar> 
dinien, der fixacbyeepbalie im Piemontesisofaen, in Yenetien, 
Tosoana nnd den Abbnuzw, bedontender K O ipetgrIlese in 
Yenetien, sowie im Lnoebesisoben Gebiet benrotgebt, sind kttralieb 
dniob die neneren Stndien hma (s. Arekhiö ü Mdnakia, 
Viil) bestttügt worden; nnd fioflsi wdst nach, dass die Zahl 
der wegen Hindermaassss ZnrAokgewiesenea in den Perioden 
1843 — 66 sich nicht verflnderte. Ebenso findet man keinen 
grossen Unterschied in der Yertheilung der Zahl der Qreise 
zwischen 1871 und 1881, inul in der der Morde zwischen den 
swei Perioden 1868—1871 und 1875—1883, was sioh anob, 
wenn der Terfttghare Raum nicht zu beschränkt wäre, anf 
allen anderen statistisch zugänglichen Gebieten naohweisen 
Hesse. Nur in einem Punkte macht sich die Neigung zum 
Ausgleich zwischen den verschiedenen Gebieten geltend, nämlich 
in den Eieisprechungen durch (ieschwome, dio eine exhebUobe 
Steigerung seit der Periode 1876—1880 bis zu der von 
1881 — 188Ö edcennen lassen, was, zusammen mit dem Umstände, 
dass immerhin noch zahlreiche Verurtheilungen vorkommen, 
der Vermehrung der Verbrechen eine sehr ernste Bedeutung 
giebt. — Und auch in di^em Punkte kommt ea zu keiner 
vollständigen Ausgleichung zwischen den verschiedenen Regionen 
Italiens. In beiden PeriofleTi haben wir immer das üaximnra 
der Freisprechungen in Sardinien und ein zweite? i^luxirnura 
in Einilia, und die geringst/^ Ziffer finden wir, Einilia aus- 
genommen, in Zentral •Italien; und wenn wir die Kategorie 



* Tgl. die Tafeln des Aammno del MmisUno deUe Finamc, 



220 TheSL J uritpnideni. FnjIbfiMM des po1i(iidie& Verlnedu«!. 



des Yeigebene in Betracht ziehen (auf Grund von Spezialstndien, 
die wir aus typographisclien Gründen nicht veröffentlichen 
können), so ergieht sich, dass Sardinien fast alle Arten von 
Verbrechen freispricht, aussor einigen wenigen gegen das 
Eigenthnra. Tn Sizilier.. (Jalabhen und in einem Theil 
Apuliens erfahren alle Verl rochen gegen die Sicherheit des 
Stnntes, und zum grospt.-^n Theil solche gegen den Handel, 
Aufruhr- und PressvergfeheD, '-owi*' solche gegen die Sitten uiul 
geg^n die öffentliche Ruhe Freisprechung. Tn Piemont verfährt 
man milde gegen Pressvergehen, Vergehen gegen die öffentlich© 
Verwaltung und gegen die Ordnung der Familie, in Venedig 
gegen alle Pressvcri:) n und öolche gegen dif» Ppn^im. 

Italien ist also nicht einmal im Verbrechen emheitlick. — 
Und auf diesen Nachweis der Diileronz sollten sich, nun 
administrative und Strafgesetze aufbauen, um die menschliche 
Natur nicht durch erzwungene Unifikation zu verletzen- Bei 
der frühen geschlechtlichen Entwicklung ist es in manchen 
Gegenden widersinnig, geschlechtlichen Verkehr mit einer 
Zwölijuhrigen ebenso zu bestrafen wie in anderen Gegenden, 
und ebenso muss die Altersgrenze der vollen ZnrcrlmuiiLrs- 
fühigkeit in den südlichen Gegenden, besonders lIch iiisukreu, 
speziell bestimmt werden. Das darf aber nicht am gruueu Tische 
geschehen, sondern muss aus der Praxis herauswachsen, die zu 
zeigen hat, ob die frühe Entwicklung der Geschlechtsreife nicht 
auch, wie es sehr wahrscheinlich ist, zugleich die sittliche Beife 
und die Zmechnunggfuhigkeit mit sich führt. 

In dieeea Fällen bat Italien wohl die Einheitlichkeit der 
Gesetze ; aber sie trag gewiss nioht dazu bei, weder die Yeigehen, 
nooh die Ersisprechuogeii sn Terringem, sie dknie nur dasa, 
die Gesetze der Lftoherliohkeit pniszugeben. 

Wenn hier die Stra& der Offentliohen Meintmg angepasst 
wSre, wenn ne für hlnfiger Torkommenda Vergeben ge müder! 
wurde, so würden die hänfigen Fieispreohungen niolit Tor- 
kommen. So müsete auch der Unterricht da« wo es SQVo 
Analphabeten glebt, anders geregelt sein, als da, wo es 25% 
giobt, und ebenso mttsste die Verwaltung da, wo die Cantorm 
au Hause ist, andere IVonnen »f&r die Kommnnalwablen ete. 



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Viartes KipiteL PrivMitivmti|ing«lii. 



221 



aufstellen, als da, wo man sie gar nicht kennt Um eine 
wirklieho, nirht blo?? auf dem Papier bestehende Einheitlichkeit 
der Regieruur: diirchzuführ^fn, müsste man für die Unterechiede 
der bitten, der Fnulitburkeit, der sexuellen Reife, oder 
besser gesagt, flirKiima, Bodenbeschafieuheit und Kultur aus- 
gleichende Maassregeln finden. So lange dai* r.K'bt geschieht, 
bleibt das auferlegt« (i<setz jenem Tkas gleich, der einen 
Wecb?'?l der Sprache beiahl. Man kann das Volk (juuieu und 
plageu ; al er man wird es nicht dazu bringen, die Sprache zu 
verändern, bis* man nicht das Klima, die Luft, ihre Kehlen 
imd Nerven, aus denen mit zwingender Notbwendigkeit die 
lingnistiscben Modihkationen benrorgeheu, ge&ndert haben wird; 
und diese Ukase sind und bleiben ein Beweis für die mensch- 
liche Unwissenheit und Herrschsucht. Ein sprechendes Beispiel 
hierfür liefert uns Frankreich, das buchstäblich legislative 
Einheitlichkeit besitzt, - - denn Korsika wird nach denselben 
Gesetzen regiert wie das Seine-Departement, — dessen Einheit 
aber unaufhörlichen Anlass zu ivebellionen giebt. 

In Korsika^ giebt es 15 oder 20 herrschende Familien; 
einige davon verfügen nur über hundert, andere über mehrere 
Tausende von Wählern, die nach ihrem Belieben stimmen 
müssen. Fünfzig Familien sind seit Iftnger als zwei Jahr- 
binderten ttner einiigen tran ergeben. Ein nnabbllngigee Leben 
Itt mimOglieh ; denn wer alkin etelii, eneifllit mehts. 

IN« Gflieder einer Familie wagen mit gnmm&thiger Selbat- 
▼erlevgnnng ihr Leben, nm einen der Ihrigen an retten. Zwei 
Weltaaaehannngen kttmpfen anf ^eaer luel miteinander» — 
die modene Ton den abeolnten Prinsqnen dea Beehte and der 
Gleiehheii genihrte, und die alte koiaiBehe, die nah nieht 
aber FunilienuitereMi an echebm im etande ist, nnd die fast 
immer die hetiaohende ist. Das aeigte die Thstigkait der 
Üzpropriationa-Kommifltton ffkt die Eieenbahn, die unter dem 
Yorrita Oasabiahoas, ebes der miehtigaten Firteihftupter der 
Luel, einem gewiaMn BrnsEomn, der mit diesem ferÜBindet 
war, nur 2000 Fnmes filr seinen Wmnbeig von 16,17 Ar 



^ BooBi»!, La crimimMii m Com 1887. — Ärdtino diptkhialnaf fX. 



222 II.Xh«il. Juriqpnideiu!. I^pliykxe d«s politiadMn Vttrbnehai». 

zahlte, während eine, zur Partei Casabiascas gehörende Frau, 
ViRGiTTi, für ihren Weinberg von 18,90 Ar 13000 Franos 
erhielt und dergleichen mehr. Und in Korsika erscheinen 
solche üngeroelitigkriton selbst dem Gpjrner ganz natürlich ; 
denn sie würden es, wenn sie die Macht hesttssen, za Gunstan 
ihrer Klienten genau ebenso machen. 

Die Friedensrichter sind hier allmächtig und drr Partei, 
die pie erwählt hnt, treu ergphm. Bei der Aufsteilung von 
AViihlliNtoü verfaiiien die K useii ganz willkürlich, streiobnn 
Namen und fügen andere hinzu, je nachdem sie ihrer Partei 
schaden oder nützen können, und das alles trotz der Gesetze, 
trotz der Dekrete der Berufungsinstanzen. Das bildet oft die 
Ursache zu schweren Verbrechen. Francesco Ricci, ein 
Tagelöhner, war auf Anstiften der Familie Moeacuhini von 
der Wahlliste gestrichen worden. Wüthend darüber, dass er 
nicht stimmen soUte, versteckte sich Ricci wöhrend der Gemeinde- 
wahlen hinter eine Hecke und verwundete durch oinen Schnss 
einen der Moracciuni. Als ihm sein Verbrechen vurgelialten 
wurde, antwortete Kicci: ^Weun ich das nicht gethan hätte, 
würden sie mich für einen Luoohesen gehalten haben." 

Ein Hauptziel der Parteien in Korsika ist es, in den 
Bedts d«r Maine zu gelangen. Dw Haire kt Booh m&ohtiger 
dB der Friedensridhtor und daif flioh alles hezsuiiehmeii. Die 
Yerbandlungen vor dem Biiditer eind (tflEbntlich und kootna- 
diktorisdi; der Maire entociheidet eouveribi bei sieh und &brisirt 
die WahlliiieD ohne SontroUe aelbet oder liaet sie von seinen 
Kreaturen anftrtigen. Der in Bastia installierte Prooarsnr kann 
dem Mail« wohl den Hnissier sehioken, um ihn sa der Ton 
seinen Gegnern geforderten Bektiiikation an ermahnen; aber 
dieeer ntigut nieht daianf. Es giebt in Korsika 864 yommqiwm, 
nnd in 164 derselben im Jahio 1884 Proteste gegen Wahl- 
nmtriebe vor. 

Dio Komlldien des Wahltages haben anoh oft einen tnr 
gisdien Ansgang. In Fdneea schob der Maire Babtou .drei* 
mal die Abstimmung anf^ um einen günstigen Moment aban.- 
warten. Das Tierte Mal (am 28. Septbr. 1884) Tenammelten 
sieh aohtaig seiner Fteteigenossen bei ihm in der Maicie and 



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befestigten sich da, so dass die Gegner bei ilucr Ankunft nicht 
ins Hnns konnten und, als sie «gewaltsam eindringen wollten, 
mit Flintenschüsspn zurückgetrieben wurden. Dph gän/^'ii T-n^ 
hindurch flogen die Kugeln von einem Haus zum andern, und 
man hatte Todte und Verwundete zu beklagen. Die Gegner 
Babtolis erklilrten (h-m Priiffkten, „sie wollten lieber sterben, 
als in Sklaverei leben." Der Maire richtet gewöhnlich die 
Mairie in seinem Hause ein, und lässt sich so und so viel 
Miethe geben. Seine Parteigenossen machen mit den Gemeinde- 
gütem, was sie wollen. In Olmetto gab es grosse Strecken 
Gemeindeland — heute sind sie verloren, die mächtigste 
Partei hat sie unter ihre Mitglieder vertheilt. Bei der Steuer- 
Distribution kommen die Gegner der Partei am härtesten weg, 
während die Frrnntio derselben nur eine Kleinigkeit zu zahlen 
haben. In Korsika kann man 150 Kilometer weit reisen, ohne 
auch nur ein paar Karren oder Wagen zu begegnen, weil es 
an öffentlichen Strassen fehlt. Selbst auf den wenigen fahr- 
bwao Wegen sieht man sie auf Haulthieren leitea. 

In ganz Sraokm«!! liiid im Ja!»» 188& 42533 «giwiadie 
V«igebMi koiutetizt wofden — wlhzmid KoraikA aUttn deirai 
13405, abo dan dritten Tbeil, aofinnrosen hatta^ und dodh 
Warden hiaf Yerbalproteafla nur gegen Feinde der Fhrtei 
angeftrengt. 

Hit einigen üntenobieden gUt «hnliebee aneh Ton Sardinien, 
SiiUien vnd von der Sfadt Neapel, wo dieEhriiehen den Kampf 
gegen die ünefarlioben einer Art organiairter Bravo-Ghaellaobafl 
ttberlaaaen, wo so oft nnr ^e Oamorra an der WaUnme enoheint. 

Yielleioht werden m Beaeitigang gewisser naohÜieUiger 
Folgen dea Bassennnteiadiiedea, wie a. B. des Antisemitiiimns, 
die gemiaohten Eben genügen, und nene GUegenheiten an 
gflgenaeitigen Besieimngen bei Anlasa der Belonitirnng, der 
Wahlen, der Beehtspflege, ja in der Gemeinsamkeii der I[irob- 
böfe, wodnreh die Yenohiedflnbeiten des Ritus, der Gebrftnobe, 
der Beruisarten anqg^ohen werden* 

Ansserdem mOaaten, wo es sich ihun liesse, gemiaabte 
Geriobtshöfe geschaffen werden, die ana fieprlaentanten dar 
aobeinbar nnasainiilirbaren Bassen ansammengeaatst sein mflssten. 



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;^24 U< Tbdll. JorupnuleBS. Ftopiiylaxe de« poliiuohea YeilweahaiUL 

B«i den Völkem mit sehww «lanigletelittid«!! Baiaeo- 
nntetBehiedeii, d«ti indlaebeik Kasten s. B. und der ftnatisehen 
moliammedaniaelken BeTOUcenmg I^gyptens, besteht die einaige 
Tezeöhnlielie Politik dann, jeden Yerandli der A-n^^eioIiDng, 
des bfligeriiehen oder leligiMen FortBohritte absdebnen, nnd 
den StotoB quo an& ekrapfnJfiaeste so bewabien, bie in die 
einzelnen Beteila — bis nof die Ebrfiuceht tot der Aeohe ver- 
brannter Sohriftstaoke in Tonking (Laneaaan), bis anf dee 
Sohveinefett und die Witwenverbrennnngen in lodien; das ist 
die Politik, in der die Bomer lleiBier waren und die Englünder 
es bis heute sind. 

5. Dezentralisation. — Spencer erblickt in der Dezen- 
tralisation die Zukunft der politischen Gesellschaft. Duroh sie 
(schreibt er) werden die kommunalen Körperschaften eine un- 
abbftngige legislative und administiatiTe Antoritttt ausüben, die 
der Autorität der Zentralregierung nur soweit untersteht, als 
snr Anfreohterhaltung der Einheit der Gesellschaft afaeolnt 
nöthig ist; dem Staate wird die Rolle des Besobütesfs und 
Begrenzers der individuellen Rechte zufallen. 

Und sicher ist, dass die Konzentration jeder Initiative 
und aller Fvlrsorge in den Händen des Staats, die sich in 
wenig fortgeschrittenen Lfindern als ganz nützlich erweist, wenn 
sie auf civilisirte Länder übertragen und dort in übertriebener 
Weise ausgeübt ■wird, — wie im heutigen Frankreich — den 
Anlass zu rnbestandigkoit und zu ]\Iissständen bildet. 

In Frankreich beuL'^t das Gesetz nicht nur Testaments- 
irrthümem vor, — es bestimmt den Lebensgang der Literaten, 
die Kindererziehung und gewi^ermaassen auch die litterarischen 
Formen'. Wonn man ein Volk als Kind bcfhiindelt, so raubt 
man ihm die Spuutaneität, die Gewohnheit, ge<j:en Schwierig- 
keiten zu kämpfen. Daher kommt es, daas, wo die Engländer 
au gegenseitige üntfrstützung appellieren, die Franzosen sich 
immer an die Regierung wenden. Sie küuuen auch gar keine 
freien, stabilen Regierungen haben; denn wenn sie firei sind, so 



* Es ist bekannt, dass der Staat g'egen GoxcorrRT, Flaitbkbt a. •. w 
Proa«a«e »ostrengte wagen angeblich unmoraUscher SchrüUo. 



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Viertes Kapitel. Praventimaa«3regeln. 



225 



verlieren sie, du ^jib zum Anarchismus neigen, bald jede Stabi- 
litüt, und diejenige Regierimgsform, die vielleicht am dauer- 
haftesten und den Verhältnissen am meisten angepasst wäre, 
— der Cäsarismos, ist an sich niemals eine freie. 

Die Städte mOssten freie Verwaltung iluer eigeneii An- 
gelegenhflxten je naeh deren Winihtigkeit beben, «ie mttMten 
eich ]]ir Oberhaupt selbst wflblen, münten InilitationeD, 
wie die Genebteberkeit eiater Inetenz, den nütÜeien Unteirioiht» 
FoUaei vad GefiiagxuMweeen und die Unterbaltong der grossen 
Terkehisstnusen ete. selbständig in Händen haben; sor Rege- 
lung aUgemeiner konunnnaler Liietessen (wie e. B. nationale 
Verkehiswege, Forstrerwaltang, höherer ünterrioiht, Benifangs- 
instenzen) könnten sie sieh dann an VerbAnden ansammen- 
eohlieesen. Auf diese Weise wdiden dem Staat alle diese 
Lasten abgenonunen, und es wllide die Plage der Bueankratie 
and die AUmaeht der Begientng Teisehwinden, mit ihr jene 
Apatiiie, die unser nationales Leben lihmt. 

„Zwanaig Jahie haben nieht genügt»** sehreibt Tübullo,' 
,um mit Ausnahme der Armee aneh nur eine der neuen In- 
Stationen beliebt au machen» weder den Kommunal-Bath, 
noeh den &fyndikus mit seinen gegenwartigen Bechten» weder 
4en Pftfekten, nooh den Biehter; den einen, weil er au sehr 
Ton oben abhflngig ist, den anderen, weil der Wfihler die 
wfinsohte Person nicht unmittelbar nennen kann, obgleiidi seine 
Funktionen und Angaben dem Wähler gerade die Persönlichkeit 
«Is das Wichtigste exseheinen lassen. Da ist es ganz natürlich, dass 
•das Volk sieh von dem Wirkliehen abwendet und sich in 
Abstraktionen verliert, so dass es sich von Jedem, der ihm 
höhere politische Ideale vormalt, leicht mit fortreissen Iftsst, 
und wenn der Betreffende auch nieht genau angiebt» inwieweit 
•diese Neuerungen auch Verbesserungen sein werden, so gelingt 
•es dem Demagogen doeh, das Volk duioh den Gedanken au 
•entsttnden und an£raregea, dass jeden&lls grooM Verttndemngen 

* Gotemo e govemati m liaUa. Bologna, 1882. T. hat übrigens 
diete Worte vor dem Brian der neaeii itaUeniidiea OemeindeOrdiinng 
KeschriebcD, die, wenn auch in unzulingHcher Fomi, prhutpiell dn 
Ampt der Kommune direkt wählen litot. 

LoKBROTO. IViUtiaeber V«ri>neber. U. 15 



226 II.Tbeil. Jurivprodeiu. Prophylasttdespolitiiohen Yerbreebeni. 

Bötliig sind. Und die Fol gen dieses Standes der Dinge sind, 
wenn nicht bei Zeiten eme Besserung eintritt, ganz klar: 
Bevolution oder Anarchie." 

6. Politische Verbindungen. — Mit eiserner Hand 
Tnti.^sen alle Verbindungeo, gleichviel ob sie in ernster oder 
kindischer Weise Politik treiben, gesprengt werden, wenn sie 
Verbrechen oder gar gemeinM,me Strafthaten begünstigen. Zu 
den :uif den ersten Blick am wenigsten zu fürchtenden Ver- 
binduugeu, die doch gerad© ganz besonders überwacht und 
unterdrückt werden müssen, gehören die auf den öffentlichen 
Plätzen grosser Städte geschlossenen Vereine junger Leute. 
„Wir können/ sagt Spaoliardi, „mit Gewissheit sagen, dass 
eine grosse Anzahl dieser jungen Burschen nicht wegen 
mangelhafter £Snd«hiuig oder ans Noili müssig mnherragabiin- 
dinm, flondeonD weil Our yerderbter Oliixtkfer Tcm dem ^ndlel 
der Verbindnngeii eioh angezogen ftUi" 

Die IMheit üt wie da» Gold Allen tlieaer, wwl nnd 
solange sie die Qnelle von GhoHnen ist; aber sie wird wie 
das Gold in den Hlnden des Königs MmAs som Gsgenstand 
des Abeoheues nnd der Verachtung, wenn sie sidi in eine 
Quelle Ton Leiden verwandelt 

7. Kampf nm das politisclie üebevgewioht — 
üm sn verhindeni, dass eine Klasse der BevOlkerong die Maoht» 
an der sie gelangt isft, com Sehaden anderer Klassen gebranebty 
muss man nacb dem Rath Ton HoLnmmoBFt eine Vertretong 
sdhafo, wie sie der Uauiig&ltigkeit der konstitutiven histori- 
schen nnd der Binheit der konstitutiven nationalen Momente 
des Yolkes entspriehi {Soäoloffff, P. Y.) 

Gewiss sind, wie Spbnobb mit Beeht sagt» niehi alle 
politisohen Organismen dasn bestimmt» eine voUstUidige Bn^ 
wieUnng dazehnmaohen, da Basse imd Klima EntwioklnngS' 
hemmungen bilden können; aber alle YOlkor» die in den 
Bereich der modernen Zivilisation hineingezogen werden, haben 
eine Tendenz zum industriellen Regime, in welchem die indi- 
viduelle Initiative an Stelle der zentralen Impulse trit^ die 
konkurrirendeu Interessen diskutirt und geprüft woden, nnd 
wo Kontrolle und freiwillige Cooperation den Zwang des 



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Tierto» Kftintel. Präventivnuaaaregeln. 



227 



militÄrischen und theokratischen Regimes ersetzen. Nun entwickeln 
und befestigen sich diese Tendenzen immer melir unter einer 
repräsentativen Regiemng, die in der Politik dem industriellen 
Typus entspricht, und aus dor duroli direkte oder indirekte 
Wahl der ganze politische und administrative Organismus 
hervorgehen soll. Und was geschieht nun heutzutage zur 
Beförderung der politischen Gesellschaft in dieser ihrer Ent- 
wiekliing? 

8. ParlAmeiitBrifimiis, — Ber Parlamentarismus, der 
80 waltr als der grösste modeme Abeiglanbe beseidhnet worden 
ist» der in Italien und Vmiknäßh.^ einer Tscnflnftigen Re- 
gierongsmethode immer grössere Hindeniisse in den Weg legt, 
soll diese Entwiddnng fördern; wo er nieht ans dem Oharakter 
des Volkes horrorgegangen ist» wird er dnroh die Leiden* 
sehaften der Wflliler nnd der Gewählten TerfUsoht, nnd wfllirend 
er sie die hohen Ideale politisehen Lehens ans den Angen 
Terlieren llsst, Teianlasst er eine Unzahl von G^esetsen Ton 
sekondlier Wiohtigkeit. 

Und femer ist der Ftolamentariamos Ton henfe, — darin 
theite idi die Ansieht von Dokitat, — nichts als ein Triumph 
der AdTohatenhaste nnd der Bnreankratie. 

Wähzendp wie in diesem Bnohe sohon mehrfadh geieigt 
worden ist, das starke Ueherwiegen einer Kaste tther die 
andertti eine der Hauptnnaiihen yon politasohen Unruhen ist» 
haben wir» da wir diesen Unruhen vräbeugen wollten» daför 
gesorgt» dass die Kaste» wenn sie auoh vielleicht geringer an 
Zahl ist» doch das ifA™nin der Ysrtretung und dee Einflusses 
ausmadit. 

Ich sage »wir'', die Ruhne der lateinischen Basse; dam 
gans anders liegen die Verhältnisse in England, wo der Par- 
lamentarismus viel gesundere, historische Wurzeln hat und sidi 
deshalh weniger in Widenpmoh mit der wahren Natur der 
Dinge hefindet. 

Bei uns und in Frankreich haben die Juristen und 
die Beamten» die doch nur einen geringen Bruchtheil der 



^ DoWAT» Im poUUqM «a^^Mmentak. — Pari«, 1996, 



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228 n.TiieiL Jnrispradeni. Froplijlax6dwpolitiich«nT«riindieiii. 

Bevölkerung ausmachen, die Vertretung aller Klassen absorbirt, 

wie man an der graphischen Darstellung* (Fig. 16) sieht, 
xmd. die Industriellen, die Landwirthe kommen erst in dritter 
und Tierter Linie, wlihreQd sie in dei Bevölkerung die erste 

« 




und zweite Reihe einnebmen. In England ist es gerade um- 
gekehrt ; dort nehmen im Parlament wie in der Bevölkerung 
Landwirthsohaft und Indnatne die ersten Stellen ein, die 
liberalen Berufsarten kommen in dritter, der Handel in vierter 
Linie und dann erst Beamte nnd Offiaiere. 

* DoiBBovE, 8., La rhobtUim ieonemigue «te. Piiis, 1889. » Xe 
Ȋmee soeiakt 1889, Nr. 4. 



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Tienet Kapitel MreiitiviMAnregeln. 



229 



Allerdings ist es walir, dsas moht alle nnTertretenen 
KlMseu Kvltar und iniellektiieUe Energie genug bentMo» um 
sie «nes Sitses unter den leitenden ELlaasen wOidig n 
machen, allerdings mnss der Hanptwnnsdh des Landes dslüii 
geben, dass hier die Intelligens • Tonriegt; aber die Dispro- 
por^on ist hier ohne allen Zweifel grosser als innerhalb der 
gesamten Zivilisation des Landes, üm so mehr, als wir nnter 
Knltnr nicht den hlassiiwlten Firnis yentehen, sondern die 
Flhigkeit die einzelnen Zweige der Verwaltong an benxtheilen, 
n. II., nnd dasn ist ein gntw Werkmeister vielleicht eher im 
stände als ein in Formeln oder abstrakte Doktrinen ▼ertießer 
Advokat oder Grelehrter. IMkioht wird dann auch die stille 
Yevaehtang, die man gegen Lsoidwirthe nnd Lidnstrielle^ g^S^ 
AUe, die kein Latein können, hegt, vor dem gerediten Kriterium 
des praktischen Verdienstes weichen. 

Was die Burmnkraten anbetrifPi;, die unnmgftnglich nOtbig 
sind, wo das Volk nicht reif genug ist sich selbst zu regieren» 
so vertreten sie die Boutine, die der schlimmste Feind jedes 
Fortsdhiitts ist. Jsolirt von der Welt und den grossen Ideen- 
hewegnngen, wie sie leben, sind sie nicht im stände über ihre 
Formel hinauszusehen, verachten die Meinungen Anderer, und 
haben, was noch schlimmer ist, keinVerständniss fär die Leiden, 
die fem von ihren Kansleien die Welt bewegen und bedrücken. 
Und darum sehen sie awdi nnr dio praktischen fikshwieiigkeiten, 
niemals den Xutzen irgend einer Nenemng. 

Was die Advokaten betrifift, so können sie schon deshalb 
keine Freunde emster Reformen sein, weil diese ihr Gesetz- 
buch beeinflussen und sie nöthigen würden ihre Scbokstik zu 
verändern, nbg'esehen davon, da?s lei wenit^er komplizirten 
Gesetzen nud vereinfachtem Prozessverfahreu iVtr Verdienst 
schmäler ^\•crden würde. Deshrilb hat man in Frankreich die 
Advokaten, weni[^tens diejenigen, welche keine ausgesprochenen 
politischen Neiguntren hatten, der Vertretung der Minderheit, 
der Revision der Verfassung, den Ehescheidungsgesetzen Wider- 
stand entgegensetzen sehen. (Donnat.) 

Gewohnt das Wahre nnd das Falsche mit gleicher 
Gesduokiiohkeit zvl vertheidigen, kommen die Advokaten 



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230 II. ThftU. JwupnidenB. Prophylaiie dai politiseliBii Verbradwia. 

8oh]i«8lioh dahin, dafs sie selbst das «ine vom andern nicht 
mehr genau unterscheiden,^ und gepanzer; mit Eormeln und 

Worten bringen sie einen guten Theil davon mit auf die 
Bednerbühne; daa verleiht ihnen in der Kammer eine Ober- 
herrschaft, die dem Staate nur ge^hrlich ist, — mit der Zeit 
aber ihnen selbst ge&hrüch wird ; denn wie wir g^ehen haben, 
(e. oben), erweckt das zu starke Ueberwiegen einer Kaste eine 
Reaktion, die m gänzlicher Unterdrückung derselben ftthrt. 
Ich sehe übrigens, dass Zanakdelli in seinem schönen Werke 
[Ätwocatura 1879) die Verordnung der französischen Anwalt- 
kammer lobt, welche den Advokaten verbietet, Leiter und 
selbst Mitglieder des Verwaltungsraths von Eisenbahngesell- 
schaften zu werden, um nicht in einen Konflikt zwischen ihren 
Pflichten und ihren Interessen zu gerathen. Aber sollte daa 
nicht viel mehr auf das Parlament angewendet werden, wo 
die Advokaten in ihrer Eigenschaft als Gesetzgeber, für Gesetze 
stimmen können, die ihnen in ihrem Berufe Vortheile sichern ? 
Zanardelli giebt in seinem Werke selbst zu, wenn es 
dein Advokaten nncli m Zivilsarlien nicht erlaubt ist, daa 
Unrecht zu ^ ei theidigen, so dürfe er es doch in Strufsiacbeu. 
Ist es nicht klar, dafs Persnnen, deren Beruf derartige Auf- 
gaben mit sich brinc^l, s( hiiesslich ihr Kriterium in allen 
anderen Fragen, bei denen irgend ein Interesse ins Spiel 
kommt, fälschen werden, zumal in Strafsachen das Interesse 
ottenbiir nicht auf Seiten der Gesellschaft, sondern auf Seiten 
ihrer Ges-uer ist? Ist es nicht klar, dass selbsL die, welche 
nicht zu einer Verwechselung der Kriterien neigen, durch den 
beständigen Kontakt mit \'erbrecht3a, durch, die fürtwülirende 
Arbeit in ihrem Interesse, schliesslich unbewusst zu Gunsten 
derselben beeinflusst werden müssen, durch jene Anziehungs- 
kraft, die den wohlwollenden Mensohen dam treibt, seines- 
gleicben beizustehen, um so mehr, wenn er in nahe Bertthrong 
mit ihren Leiden kommt und sie ans nflohster Nahe sieht, 
um 80 mehr, wenn es ihm nnr ein paar Fhraaen, ein paar 
Blätter Papier oder die Abgabe seiner Stimme kostet, um so 

^ ZäXAsaxLUy Ämocatmu. — Lihixboso, Inonmtmto tkl deUtto m ifaiia. 



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I 



YieriM XapttiL MventiniiMMregslii. 231 

mehr endlich, wenn dieses ungMunde obsohon sehr entscbald* 
bare Mitleid »ick unter dem Mantel eines melu* oder weniger 
metapLysisohen Apostelthums Terbirgt, das sie selbst hOohat' 
wabrachftinlich nicht noht yerstehen, das die Ifiaaa aber nooh 
weniger versteht; denn sie glaubt, dass 68 sich hier um abstruse, 
über ihre Urtheilsf^higkeit hinausgehende Konklusionen handelt, 
beugt deshalb das Haupt und fügt sich, bis endlich ein- 
mal die allzu bittern Folgen dieser leeren Träume zu einem 
Abschütteln der lästigen Fesseln führen werden. Es liegt eine 
unmittelbare schwere Schädisriins? dann, wenn die kStirannino: 
stets zu Gunsten der Sclmklit^^en, und das Urtheil der Ee 
gründnni:: des Fnlschen ireneiL-'t ist. Deshalb scheitern die 
wichnu'st« n Itetoimeu der Gesetze und ihrer Handhabung an 
der Interessenpolitik der Advokaten. Direkt als Minister und 
indirekt als Deputirte unterdrücken sie den unabhängigen 
Geist der Richter, ohne Rücksicht darauf, dass dieso gegen 
ihren Willen nicht versetzt werden ciuifen und bringen so 
Aengstlichkeit und Schlaffheit in die Rechtsfr^e. Es ist be- 
kanntlich nicht selten vorgeküuimeu, dass der Prozess eines zu 
geringer Hoffnung berechtigten, wohlprotegirteu Angeklagten 
durch den Einfluss eines Vertheidigers am Tage der Verhand- 
lung snspendirt wurde, nachdem dem Gerichtshof zu yer- 
stehen gegeben war, dass er durch ein zn rigoroses Ver- 
fahren rielleicht wenig Dank ernten wurde, wie es auch vor- 
geki iiiiiiieii ist, dass schon gefällte Urtheile suspendirt und 
revozirt warden, wiliirend lu der Wu,Ll ilirea Vertheidigers 
weniger glückliche Mitschuldige ihre Strafe abbüasen mussten. 
Wir haben Yertheidiger gehabt, die Minister geworden sind; 
gewiss hielten sie die Ehre ihrer Stellung und ihiee Namens 
hoch und unbefleokt; sicher müBsen sie sich Opf« «nferlegen, 
4ie aaoh heroiioliai Katnisn abhirer lallea, B» hdmk auf dk 
Ananaluiie und nieht auf dia Bagal ladmeii, wann man dia 
Sbrafiaehtspflege in dia Hiada derjenigen giebt» dia iudi toq 
Amts wagan mit dan PHastorn damalban im Eampfa bafindan 
odar an bafindan aohainan. (0. LoMBBoao, SiU inenmmto dd 
ddUfo M nOia, Torino, 1879.) 

Wann dia lEaalit diaaar AdTokatokzatia niaht gabioohen 



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232 n.TlieiI. Juiiimidioi. Itepliylaze dei poUtitditn Terbreebeni. 



wixd> die, geMrliolnr ab die alte FriaBterheiraohaftt aDaa 

absorbirt, überall ^als beirsoheiide Gewalt eindringt, selbst auf 
Gebieten, die ibr absolut fimnd aind, wie die Marino» die 
Landwirtbscbaft, wie kami man auf eine sichere imd 
unparteiische Entwioklimg auf dem Gebiete boflfen, auf dem 
ihre Künste den geeignetsten Schauplatz nud die geringste 
Kontrolle und Gegenwirkung finden? Wie kann es eine gute 
Rechtspflege geben, wenn man anf der einen Seite dem Laster 
alle Schranken aus dem Wege räumt, auf der andern ihre 
eobwaohen Vertheidiger, die Magistiatur, wehrlos den Angriffen 
ihrer natürlichen legitimen Gegner liberlisat? Und wie kann 
ein Staat ohne Gerechtigkeit bestehen? 

Alles dies gilt für den Vertheidiger in Strafsachen; aber 
auch den Advokaten an den Zivilgerichtshöfen müsste man 
eine gewisse Beschränkung auferlegen. Es lüge im öflfent- 
lichen Interesse, den Zugang zu den juristischen Stadion zu 
erschweren, dem Bich nllzuviele zuwenden, etwa dnrcb Er- 
höhung der Taxen und der Examensansprüche; es muss die 
immer wachsende Yergröäserung eines Sediments von De- 
klassirten, von gewerbsmässigen Politikern gehindert wprden. 

Dann würde auch die Manie der Greset /macherei abneljnj'^n, 
und wir werden dann yielleicht unsere Kräfte auf eine i^ute 
Anwendung dor bestehenden Gesetze konzentriren, die, dun h 
Studium und Grewohnheit schon assimilirt, immer noch besser 
sind, als dieses fortwährende S\ne\ der Abschaffung und Neu- 
schaffung von Gesetzen, die nur ein Ziel erreichen, — die Zucht- 
losigkeit oder das Misstrauen Derer, auf die sie sich erstrecken. 

Deshalb fascinirt uns ein Strafgesetzbuch nicht, das nur 
zur Verl^^nheit der Richter und damit zur Verschleppung 
der Rechtssprechung einige abstrakte Formeln ändert und die 
schlimmste aller Gefahren, die Milde des Strafvollzugs, noch 
steigert, nachdem jahrelang wortreiche, fruchtlose Diskuääiouea 
geführt worden waren. 

9. Allgemeines Stimmrecht. — • Nach der herrschen- 
den Anschauung scheint das allgemeine Stimmrecht bestimmt, 
die Vertretung der Erlassen zu nivelliren; aber während jede- 
Partei, jede Schule es nach eigenen Wünschen zurechtknetet^ 



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Viertel KspiteL PriventinnatMregeln. 



2dS 



üWwiegen die Xachtheile die Vortheile, so lange nicht das 
Durch schnittsniveau der Bildang und poliüflohen Sobaloug 
erheblich höher wird. 

Nicht dass die Tyrannei der Mehrheit so sehr 7.n fürchten 
wäre — denn in der Regel folgt die Mehrzahl einer Minderzahl 
— das schlimmste ist der Sohift'bruch tüchtiger Charaktere und 
hervorragender Intelligenzen ; das treibt die Völker in die 
Arme der degenerirten A]nisir'], deren gefährlichen Einflnss 
wir untersucht haben. Auf emen X ap illon, luit einen PkriklES 
kommen hundert Ki.kon, Mar.'VT uiier Boll.anger; deshalb 
niu>b man dem intellektuellen Element eine hervorragende 
Stelle anweisen oder es als Ferment frei wirken lassen. 

Die Intelligenz allein, wie Erskine May * schreibt, wird 
die Freiheit des Volkes sichern. Ein Volk von Träumern 
könnte immer in Knechtschaft bleiben ; eine von Geist durch- 
drungene Thfttigkeit dagegen bessert die sozialen Zustandu, 
macht die Arbeit ergiebiger, die Vertheilung der Reichthümer 
gleichmftssiger, schafift neue Klassen der Gesellschaft mit viel- 
luchen Interessen und ändert den ganzen Charakter des Staates. 

Das allgemeine Stimmrecht bedeutet die Herrschaft de; 
Zahl über das Verdienst, der Quantität über die Qnalitit und 
wenn es anch ganz allgemeine, dem gemeinen Urttieil zngftng- 
liobeii Probleme lOsen, der sUgemeuieii ZiutiiniiiiEDg bedttiftige 
KaaBBregeln ftidem kann, wie gewiase Stenern, setrt es dem 
lieberen Irrthtim und dem bloasen ZafyH Entsdieidnngen ans, 
in denen nnr die erJoeonoto Liielligens einen gnton Baih er» 
ilieilen konnte. 

Wae entiebt werden mnes, ist das Wohlergeben, niebi die 
Henaobaft der grOasten AnsabI, vnd jenes sebliesst diese ans, 
wie die Gesondbeit nnd das Wobleigeben eines Kindes in 
nmgelMbrtem Yerbaltniss snr FttUe seiner Freibeit nnd Maobt 
stsbi Wenn man somit alles begOnstigen mnss, was die 
WoUeigeben des armen Mannes steigert» mnss seine Haobt nnr 
soweit Terstttrbt werden, als ee ndtbig ist nm den boberen Stinden 
die tta sein Wobleigehen nOtbigen Konsessionen absnawingen. 



* Im democnaia m Bunpa. 



234 ILTlidL Jurispriidflni. Pfopbyl«xedeiiK>Utiaoh«iVer1i^^ 



Die Aristokratie des Wissens, die Aristoteles für un- 
möglich erklärte, die aber seit vielen Jahrhunderten in China 
besteht, ist die einzige« weldie die Bourgeoisie über das Pro- 
letariat stellen kann. Ist nun einmal das aUgemeine Stimm- 
reobt als unablenkbare Strömung losgelassen, so muss sich ihm 
das aufgeklarte Yotom der Männef von Werth and klaienm 
Blick entgegenstellen. 

Deshalb müssen Gelehrte, Schi'iftsteller , Journalisten, 
Fabrikvorsteher, Arbeiter, denen eine Entdeckung patentirt 
worden ist, Studenten, Kultusbeamte, Offiziere, alle Vertreter 
des intelligeuten, denkenden Theils der Nation über eine ihrem 
Verdienst entsprechende Anzahl von Stimmen verfügen, wdch. 
gewissen Kategorien, die den EinUuss der Zahl ausgleichen 
nnd iliueu die Majorität sichern. 

Wenn man ferner den verschiedenen Gesellschxift.*5lcl;isseu 
eine besondere Vertretuns: sichert, würde es schwer sein, eine 
Null oder gnr einen Degenerirtprs in der Wahl durclizubrinLrfii ; 
jeileiifull> würde sich ihr emc Ariötukratie de^ Geistes eiugegeu- 
steiien, die sicher weniger getuhrlich wäre, als jede andere. 

10. Klassen Vertretung, — Zum Zwecke einer gleich- 
mftssigen Vertretung aller Klassen in der gesetzgebenden Ver- 
Sammlung schlägt Prins (1. c.) die Eintheilung eines Landes in 
die verschiedenen es zusammensetzenden Elemente vor, d. h. in 
agrarische, industrielle, Mittelstadt- nnd Grossstadt -Bezirke, 
isü dass diese verschiedenen Faktoren der sozialen Bewegung 
gleichmässig im Paiiaraent vertroteu wären. So solltou die 
eiuen ländlichen oder mdustrielleu Bezirk bildenden Gemeinden 
ihre Abgeordneten in zwei Kollegien, dem der Grund- oder 
Fabrikbesitzer, und dem der Arbeiter, wählen, mit je einem 
Depnürten. In den Mittelstädten sollten die Abgeordneten von 
drei Wahlkörpem gewfthlt werden, mit je einem Deputirten; 
diu dar K^asitSten) dem der Zennten nnd einem dritten 
alle aDderan Bttzger umftaeendeii WaUkOiper. Für Ovossstldte 
aoihUlgt P. ead]iek aoht WaUkOiper oaeh Iblgenden Kategorien 
Tor: StiLdtiMher GmndbesitB; WiaMiiaehaft, Litteratnr, Kunst 
und Unienieht; Beoht; Lidustrie und Handel, Arbeiter; 
nationale Tertbeidigung; Hygiene nnd OffentUehe Arbeiten; 



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Yiertm Kapital. FrSviiitivinMMregelii. 



236 



Verwftltong; Kulte. Jedor WaUkOrper soll eine der Wiob- 
tigkeit der dnrbh aie Tertretenen S^lrase entspiebhende Zabl 
▼OD Vertretern wiUen. 

11. Vertretung der Uinoritftt. — Wo die Stimme 
der Minoriiftt entlokt ist» nud wo diese keinen pfoportionalen 
Binflniw auf die Lniang des <)ffentliehen Lebens bat, da ist 
— wie Louis Blanc trefifead bemerkt <— die.Begiemng nur 
eine Herrschaft der PriTilegirten zu Gimsteii der Majorität 

In Italien hat man aiemlieh eigebnisslos eine solche Ver- 
tretung SU schaffen gesucht; andere, vielleicht bessere Systeme, 
erstreben denselben Zweck, z. B. das bei Kommunal wählen in ' 
Nord-Amerika adoptirte kumulative Votum, nach dem jeder 
Wähler 80 viel Stimmen abgiebt, als Vertreter gewählt werden 
sollen, und dieselben nach GefsUen anf mehrere Kandidaten 
oder auf nur einen abgeben kann. 

Bei der Abstimmung durch konkurrirende Listen stellt jede 
Partei eine Liste ihrer Kandidaten auf, die die Namen derselben 
nach dem Vorzug, der ihnen ertheilt wird, angeordnet erhält 
und durch einen Buchstaben bezeichnet ist ; der Wähler nimmt 
eine dieser Listen an und darf nun die "Reihenfolge der darauf 
enthaltenen Namen ändern; nach der Wahl werden die Listen 
nach der Zahl der ihrem Buchstaben -Index zugefallenen Voten 
geordnet, xinä die ?timmpnreichsten Kandidaten jeder Liste 
werden zur Konkurrenz um die der betreäenden Partei zu- 
gefallenen Sitze zugelassen. 

Bei der Ab s 1 1 m rau n g nach Quotienten in Kol!egi«^n 
zur Wahl ni^^hrei er Abgeordneter, verfügt jeder Wahl er ül er 
nur eine Stimm« , diirf nber unter den Namen des ihm genehmen 
Kandidaten so viel andere schrei l eü, dass die Zahl der in 
seiner Abtbeilung zu Wüiiienden erreicht ist. Bei der Veri- 
fizirung wird nur der erste Name gezählt, es werden aber der 
Aeihe nach alle Kandidaten als gewählt proklamirt, die eine 
dem Wahl -Quotienten gleiche Anzahl Stimmen erhalten 
haben, der sich aus der Division der Wähler -Zahl durch die 
der dem Wahikörper zufallenden Deputirteii eigiebt. — 

Vor allem muss man mit praktischem Blick das Neue 
auf doä Alte plropfen, um die auf übei-äturzte Beformen folgende 



236 ILTheil Joritpradeiu. Prophylaxe d«ipotitudwnVeil>rec3Miu. 

Bmktion za Tenmärn; die Sehfidtn des Parlameiiiansnitu 
mfiflsen Tennieden weiden, aber unter Walmmg seiner Formen. 
So mnas man in den Fallen, welche eine beeondere Sedikennt- 
niae erferdem, e. B. Finansangelegenhuten und Vngeai des 
StnfroUnigs, wo anch ein gutes Filament nicht genügend 
nntnriohtete Hinner enthalt, ihm eine Ait Ton ieohnisclisr 
Kommission sls provisonsohe Brweiterang hinsoftagen. Bei 
Fragen, die eine bestimmte Klasse betreffen (z. B. die Aerate 
Militaia» Apotheker, Seelente), mHaste mi» Yerfafetang derselben, 
ans ihren l^otabilitttten bestehend, berufen werden, wobei ntr 
' Zeitecspamias schriftliohe Vethandlmigen an Stelle der mOnd- 
lidien treten könnten. 

12. Alter der Deputirten. — Noch andere Ifaassrageln 
sind nOthig. Die Zabl der Abgeordneten ist meist zu gross» 
sie mflSBten schon mit 25 Jahren wählbar sein, miis^sten Indem- 
nität gemessen, und der Bemoh der Inkompatibilität mitAemtem 
Atteste ausgedehnt werden. Die Wählbarkeit nach ToUendetsm 
25. Lebensjahr würde eine Anzahl aktiver, weniger misoneisti- 
soher Abgeordneter ins Parlament bringen, und würde mancher 
hohen Begabung, die heute keinen Wirkungskreis iindet, ehren- 
volle und ihrer Energie angemessene Aufgaben stellen. Es i.st 
einer der Schäden unseres politischen Lebens, djiss gesetzliche 
Beechrfinkungen und allgemeine Vorurtbeile die Wirksamkeit 
der Jugend einschränken, die in Amerika und Btilg-nrien sich 
80 vqrtheilhaft bethätigt. Bei uns hat der Mann 9r?.t (Tcitung, 
wenn er eine ausgepresste Zitrone ist. Tn Italien giebt es 
keine anderen Politiker, als die ÜpberMeibsel von 1 und 1859, 
die sicher nicht mehr die Originalität und Spannkraft der 
Jugend besitzen. Es ist, wie wenn man im Kriege die Vete- 
ranen zu. Lieutenants machen wollte: sie wissen zu widerstehen, 
aber nicht zu biegen. 

Dagegen wurden m Rom lu soliw ifri^ritFällenZwanzigjäbrigo 
zu Konsuln gewählt, und ebenso handelte Frankreich während 
seiner grossen Revolutiou und Garibaldi im Jahre 1860. Nun 
ändert sich zwar die öffentliche Meinung nicht; aber eine ge- 
setzliche Maassregel kann das Alter der Wählbarkeit für Senate 
und Kammern herabsetzen, um dem politischen Treiben einen 



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Viertes Kapitel. Fräventivmaassregeln. 



237 



lebhaften Impuls zu geben ; übrigens würde auch die reclit- 
zeitige Pensionirnng der Beamten dos träge bureuulcratisclie 
Leben verjüngen. 

13. Indemnitftt. — Ausreichende Diäten würden fähigen 
aW tanoDßn Mftnndni die Abgeordneten -Thttti^eit zngänglioh 
maohea und den Arbeiterklassen eine aaUieiolie Tertretong 
•lolMm; die Anfhebong der fielen Biseabalmfiidiit wttrde viele 
AdTokaten vom Filament fernhalten und gewiaae üngleieh- 
heitsn der ▼eraehiedenen Bemfourten wttiden ansgegliohen 
werden. 

14. Inkompatibilitfti — Wenn der Besitz eines Ab- 
geordneten -Mandats unverdnbar ist mit der SteUnng eines 
konmranalen oder provinsialen Landtagsmitgliedes n. s. w., so 
wftre nicht mehr alle Autorität in einer geringen Zahl Ton 
Indiridnen yeieinigt) die dadnreh übermiehtig verden; wiik- 
lichen EaparitÜsn wOrde dann Spielianm gegeben werden und 
die ArbeitatheUnng würde anf jedem (Gebiete einen kompetenten 
Jfonn finden, an Stelle der Hftnner» die v<m allem einen Anflog 
haben, aber in niohtB tflchtig nnd. Eine Veningerang der 
Zahl der Abgeordneten würde die Auswahl unter den Besten 
erieichtani, und Klassen» welche wie die Landwirtheehaft und 
Industrie aus Mangel an geeigneten lAbmem ihre Vertreter 
aus anderen Gebieten nehmen müssen, geeignete Abgeordnete 
sichern. Bei nicht politischen Verbrechen dürfen Abgeordnete 
und Senatoren dnrchans nicht in abweichender Weise behandelt 
werden, um den Pariamen tarismns vor Missbrüuohen und Miss- 
achtung zu sichern. Welche Beziehungen haben Diebstahl, 
Bestechungen oder Sittliohkeitsvergehen zur Freiheit des Votums? 
Wenn wir allen Ständen ihren pririlegirten Gerichtsstand ge- 
nommen haben, warum lassen wir den Abgeordneten eine 
Sonderstellung, die eine neue Form des Despotismus schafft? 
In den seltenen F&llen, wo die Gerechtigkeit trotz alier 
Schwierigkeiten einen Al^geoidneten Temrtiieiit, muss das 
Urtheil ohne weitere Eingriffe vollzogen werden. Zur Be- 
freiung des Parlaments von verbrecherischen Elementen müsste 
eine spezielle parlamentarische Jury bestehen, die den Ur- 
heber gesetzlich nicht strafbarer ehrenrühriger Handlungen zur 



I 



238 ILTbeil. Jurisprudenz. Prophylaxe dea politiaohen Verbreohenn 

Demission zwingt. Eine Art von politischer Staifhuft m der 
]^&he des Parlaments müsste Abgeordneten, welche parlamen- 
tarische Vergehen begangen haben, gestatten ihre Strafe ab« 
znbüssen, ohne das ^Hanidat zn unterbrechen. Unsere hti 
permanenteiL Saanonen nnd wa lang und an ErgebiuMeit tarnet, 
als die komn aUe awoi Jalir embenifeiMii Sltningeii des 
n<»damerifcaniachen Kongresses, Biit denen sieh der praktasdie 
SImi dieses Volkes ha^uu^t. — 

Jede Anssdüieasimg wflide dmeh die direkte XoitiatiTe 
des Volkes gemildert werden. Dnreh diese in ▼enohiedensn 
Kantonen Terfaratenen Instiiationen konnte die Sehweis uns als 
Muster dienen; so empfiehlt es sieh, einen von einem Blliger 
aoflgehenden nnd Ton einem Theile der Kammer nntentotsten 
Antrag anf Verfirnngsrevision dem Volk sor hOohsten Bnt- 
sdheidnng Toml^gen nnd ebenso die Binfthrong nener Lisli- 
tatLonen und gewisse SUle politischer Verbrechen. 

Wenn alle Veranche einer Befbrm des Bsrlamentarismos 
Tsigeblioh sind, wird man mit Houhabi* fingen, ob es nicht 
besser wflrs es den politischen Konsamenten, wie er sie nennt, 
an überlassen die Bedingnugen des Kontrakts selbst ftstaastsDen, 
ihn an modifiziren und seine Aosfilhnmg zu überwaoheB» ohne 
ihnen eine Form der Vertretung anfinerl^gen. IndividneU nnd 
sie dieeer Aufgabe gewiss nicht gewachsen, vielleicht könnten 
sie aber freigebildeto Assoaiationen mit Hülfe der Presse er* 
lallen. Wo die Masse weder die Fähigkeit noch die Müsse 
zum Poütisiren besitzt, könnte eine freie Vertretung der Kon- 
sumenten ans der Mitte der genllgend Bef^igten ein Werkzetig 
der Kontrolle und Besserung der öfifentlichen Angelegenheiten 
werden, die wirksamer und unbesteehlicher ist, als die ofifiaidle 
Vertretung unwissender Massen oder priTÜegirter Klassen. 

15. ünbesoldeteBeirttthe. — Unsere an der Advokaten- 
plage leidenden Parlamente zeigen weitere Schäden in der 
Tendenz Gesetzentwürfe einzubringen, wo sofortige Maassregeln 
nöthig sind, und für haltlose Entwürfe Kommissionen ein zu- 
setaen. Hierher gehört auch die Organiaimng berathender 



* L^ecettttim polUiqtie et la rivoluticm. Paris, Beinwald, 1884. 



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Viertes Kapitel. Prävcntivmaassregeln. 



239 



Körperscbdten nach dem Vorbilde r^ps Parlaments, nur noch 
unfähiger nnd negativer in ihrer Wirkung, die wie der Geannd- 
heitsrath, die Ünterrichtsdeputation, der Landwirthschaftsrath 
unbesoldete, znm Theil wählbare Mitglieder haben, die mit 
anderen Geschäften überladen die oberste Leitung der wesent- 
lichsten Staatsinteressen mit den Ministern theileu sollen, die 
aber in der That durch ihre kollektive, interraittirende 
Tbätigkeit nnd infolge ihres Mangels an Exekutivgewalt die 
nnyeraatwortUohe Tbätigkeit des Ministen nur verzögem, 
▼encblechteni, venohnOrk«bi und TtrwiBsan. Dtrartigen be- 
nähenden Kttrpenoh&Aen sind SpeziaEaten za ial»titiili«D, die 
auch ein «KekntiYes Yotmn benteen nnd eine bedeutende Ver- 
antwortiiehkeit innerbalb ihxee Gtebietea, soweit es nieht die 
Politik berflkrt Hier verlangt die moderne Wiaeenseihaft so 
ta aagen speaialiairte Spezialisten nnd niflikt .Hftnner fbr alles» 
die anf den Tonohiedensten Gebieten ratiien soUen. 

16. Teohnisobe Ministerien. — Bio Sdiafinng 
ein^^r absolut teobniseher, jedem Parteieinflnas, aber niebt 
jeder Yeiantwortliohkeit entasogener IGnisterien soheint nns ein 
wmteres Eonektir der SdbHden des Pulamentaiisrnns in Italien» 
wenn reaktioxiflre Maasnegeln Tennieden werden sollen, denen 
die Ghsinnmig nnseres Xonaroiben widentieben wUrde. PoUtisebe 
nnd parlamentarisdbe Minister können die des Innern nnd 
AensBem sein» so lange man will; aber welcbe Beäebnngen 
baben die JCnisterien der Marine» dee ünterridhis nnd der 
Landwirtibsebaft znr Politik? Wenn die bemoihende psrla- 
mentsrisobe Bhetorik nnd Intrigoe das nnmOg^eb maobt» so 
müssen innerhalb der einseinen Ministerien Aemter mit sebr 
ausgedehnten Befugnissen geschaffen werden, äbnlich dem des 
Seg^retario Generale, welche die parlamenfaurischen Wecbsel&Ue 
nicht mitmachen und deren Inhaber ausgezeichnete Vertreter 
der betreffenden Thätigkeitssphäre sind. Dann hfttte der 
politische Ehrgeiz einen viel beschränkteren Tummelplatz, nnd 
man wflrde es nicht mehr erleben, dass ernste Staatsmänner 
widerspruchslos sieb mit dem Yoxsobiag bürni lassen, znr 
Beseitigong der Pellagra die Wasserrenorgong zu andern und 
Epidemien dureh Sebliessung der Alpenplase abzubalten. Wir 



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240 Tiieil. Jurisprudenz. Prophylaxe des politischen Yerbreohans. 

haben ja Advokaten als Marine- und Kriegsmiuister ^habt. 
Man darf sich über die bizarrsten Bestrebungen nielit wundem, 
:-u liuiu-e -icli üeiariige Fälle uuier unseren Augen verriel- 
iiiiLigeii, ohne die leiseste Gegenwirkung zu erwecken. 

17. Formalismus. — Es giebt noch manche andere 
Uebelstände, die einander entgegenwirken, aber darin überein- 
ttimmen, daas aie «na immer mehr niimren. Die Bnreankiati* 
erinnert mioli an eine Ton mir hebandelte Geisteakitnkai 
welche eine Jfanie für aahUoae Sdhaehteln batfce, die aie in- 
einandersieokte; die innaiste mÜhielt aber nichts ala Werg oder 
eine Nadel. Wir hftnfen Papier auf Papier, fierieht anf 
Bericht^ nm in einem Hospital einen Teller Sv^pe an sparen, 
dabei haben wir Eassirer ohne Kautionen und ftr eine eisparte 
Suppe sperren wir Jemanden acht, nenn Monate ein, der lüehta 
verbrodhen hat, ala daas er nicht in den E^giatem dieaer 
sondwbaren Belipon der Bnveaukratie nntergehradit werden 
kann. Wir iUlen z. B. Taoaende Ries Papier mit einer 
mythisehan Statiatik rttokfillliger Verbrecher, die nicht ein 
Drittel der wirklichen Zahl eigiebt und die eme Abnahme des 
stets wachsenden Yerbreohena konstatirt 

18. Elerus. — Der Vatikan iat der ewige Feind der 
Entwicklmig und gegen ihn hilfik keine militiriaohe Strategie. 
Smne Hanplkrafk findet er in dem ataviatischen QefOhl f&r daa 
Althergebrachte, das Fraaen, Kinder und Greise behetisoht 
und die, welche eine Gehirnschwäche diesen ähnlich gemacht 
hat. Ihn mit Gewalt bekämpfen heisst Märtyrer schaffen und 
ihm neuee Prestige Terieiheu. Hier iat daa eigentliche Kampf- 
mittel die Verbreitung der Bildung. Das aeigt schon der 
Vergleich i^wischen der städtischen Bevölkerung und der unter 
abeolnter Priesterherrsohaft stehenden ländlichen. Es gäbe eine 
andere, fireilich schwierige Kampfinethode gegen die ecclesia 
militans : man müsste die Soldaten gegen die Genemle nnd dm 
Oberbefehlshaber aufwiegein. Liesse man den Pfarrer von der 
Gemeinde wtthlan, wie es auf Anregung von Güerriebi 
GoNZAQA yersncht worden ist, so wäre diese gefohrliche Kette 
gesprengt und durch die Wahl diese mächtige, bisher feindliche 
Armee nationaUsirt. (Veigl. C. LoiiB&oso, Ire Tribmi) 



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241 



19. Berufsbildung. — Von grosser AVichtigkeit ist 
die Erziehung der Arbeiter für die Kooperation, und daran 
bat sich vor allem der Staat durch Fachunterricht zu betheiligen. 
Der staatliche Unterricht, der schon zur Bekämpfung des kleri- 
kalen Einflusses nothwendig i-^t, mnss schon auf der primären 
Stufe über das rein theoretische und ästhetische Gebiet hinaus- 
reicben, aus dem der Mensch nach Mnlen Jahren geistiger Ueber- 
anstrengung ohne jede praktisch h Kenntniss in dem Kampfe 
ums Dasein tritt, so dass eine Klasse permanent Unzu^edener 
entsteht, die wie die Baba in Hindostnn vom Staate eine Eni* 
flohftdigung für ihre L nfühigkeit \ erlangen. 

20. Erziehung. — Man beginne mit dem Kindergarten, 
der die jungen Köpfe an das Wirkliche im Leben gewöhnt; dann 
führe man das eigentliche Antidot gegen rhetorische Tendenzen 
ein, den Handarbeitsunterricht in den Schulen, der die Jugend 
für produktive Thfttigkeit interessirt und gute Handwerker 
und Werkmeister bildet an Stelle der Advokaten und Aerzte, 
deren Bt rut liänfig nur negativ oder die Xegution eines Beruf» ist. 

Em mteliigenter Arbeiter übt durch seinen Verkehr mit 
weniger intelligenten Genossen einen wohlthätigen Einfluss auf 
fiie aus ; nimmt man ihn aus seiner Sphäre, macht man ihn zum 
AdTokaten, Beamten oder Arzt, so gewinnt die an solohm 
Elementen reiche G^esellflohaft nichts, wfthrend die kleine 
Arbeitergruppe, unter der er lebte, an Aufgeweektheit und 
Tbftti^Mit feiüert.^ 

Dennoeh wilie ee eine Xlinnon, zu glauben, dasB eioli die 
UasMa sdhnell anlUftien leesen, und daas das ao gebildete 
Volk die bflzgerliehen KlaaMn leiten kftnaie, die ihr an Knltnr, 
eo Teikehrt äe sneh sein mag, aieherlieh fiberkgen ist Des- 
wegen nrass Tor allen Dingen daltlr gesorgt weiden, dass die 
bläiereii BJasson wiiklieb gut nntemehtet sind; man mnss die 
M^eUirten Elaasen anfUiien, sehiieb FeiAVHIET an GiOBOi 
Säxu, d. h. man mnss das firaebongasystem Bndem, das uns 
in einer Welt der Todten leben lisst, nnd mnss nns die Luft 
wiiUiohen, modecnen Lebens athmen lassen. 



* LeiOT BtAVUKr, L*Eiai modmie de 
LowBvoiO» Fglldioliar ▼«rluwilier. H. 



242 II* Th«iL Jnriipnidn». l^ophyltxe det poUtiiolMii TerbradiMii. 



Zur Abwehr der GelegenheiterarolntioniFe, die meist 
Deklassirte und Mattoido» immer naktionäre atayistifloliA Be* 
formen erstreben, müssen wir uns ans diesem Netze, ans den 
Traditionen unserer GroesTAter^ dem Banne der akademiachen 

Ebetorik fireimachen. 

Wer die Vorgänge der Jahre 1789 und 1848 und das 
Wesen vieler Mattoiden untersucht hat, wird gesehen baboi, 
dass eine Hauptursache von Rebellionen und Yerimingen der 

Mattoiden in der philologischen Erziehung gegenüber den 
positiven Bedürfnissen dos Tj^r^bens zu finden ist. Wir nähren 
die jungen Geister mit Blum euduft, statt mit Brot und Fleisch, 
und dann sollen sie kräftig sein. Sie werden ästhetisch 
werden, das leugnen wir nicht, — v,enn wir es auch stellen- 
weise stark bezweifeln, — aber es wird nichts anderes erreicht, 
als wenn wir unsere jnneen Leute zehn Jahre hindurch täglich 
sechs Stunden an künstlichen Blumen arbeiten Hessen. "\Vie 
werden unsere Enkel lächeln, wenn sie daran denken, das.s 
Tausende von Menschen im Emst ge2:lfiubt haben, iro-end ein 
Fragment eines Klassikers, gähnend unter Z^vtmg studirt und 
schneller vergessen als gelernt, oder schlimmer noch, die 
trockenen grammatischen Reigeln irgend einer alten Sprache 
wäre ein werthvolles Werkzeug, um den jungen Greist zu 
bilden, werthvoller als die Darlegung der Thatsachen, die 
seinem Interesse näher liegen müssteu, und mehr als die Logik 
der Thatsachen selbst. Wer wird spater noch glauben, dass 
ein Schiffsoffizier oder ein Kompagmechef Latein verstehen 
muss, uüchdeni die Ei-fiuduug des Kompasses, des Pulvers, der 
Dampfmaschine die strategischen und nautischen Grundsätze 
vollkommen geändert haben ? Inzwischen fällt man bei einer 
Generation nach der anderen das Gehirn lange Zeit mit Fonnen, 
nifiht mit der Sabstanz, mit einem Eetiiofadienet des Alter- 
thmns, der weeonlooer iat ala die Form (die wenigstens einmal 
ein fieflielaieliea Hcieterwerk anregen konnte), nnd nm so nn- 
froditibaier nnd sinnloBer, je llngeve Zeit bei diesem Tretben 
nntsloe Terthan wird. Darin lablt der Jngend eine eofide 
Grandlage nnd deshalb wirft sie sieh der ersten besten, auch 
noch so irrigen, nnseifgemUsen Nenernng in die Arme, wenn 



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l^wtM Kapitel. FkCvsntivinMaNgebi. 



243 



dieee nur an etwas ans dem falsohTOistandenen Alterthnm er* 
innert.^ Wenn nun endlich das junge Gehirn mit antiken 
Hadem genügend vollgestopft ist, presst man hinterdrein noch 
Jahr auf Jahr metaphysische Nichtigkeiten hinein, mit denen 
der Student, wenigstens der Junat, sich bis 2um ESnde seines 
Studiums beschflftip^en rnnps. 

Die <?^Avaltip;st€n Werkzeuge gesflllsehaftHclier Bildung, 
das Studium dpr Statistik und der Soziologie, bleiben in r'weiter 
Linie und in den Händen Professoren, die ni;iu kaum ernst 
nimmt, gar nicht tu sprechen von der Religionsgeschichte, 
der Etlinolü^ie, liei Anthropulogie, der Psychiatrie, der Hygiene, 
der Buktprinbigip, die auf den Univprsitäten die ßoile des 
Aschenbrödels spielen. Man schiebt die schöne pädagogische 
Ent<Jeckung, welche die FRöBELsche Schule repräsentirt, in 
den Hintergrund und man wartet auf ihre Einführung in ganz 
Ehiropa, ehe man die gesundeste, der blossen Khetorik feind- 
lichste Neuerung, den Handfertigkeitsunterricht, in den Schulen 
einführt. Dieser Unterricht wurde etwas Praktisches, iüxaktes 
an Stelle der antiken Nebelbilder setzen, würde dem Hand- 
werk wieder Ansehen und Anziehungskraft einbringen und 
uns vor jener Sündfluth von Abiturienten, d. h. von Kandidaten 
der Aussichtslosigkeit bewahren, welche der erleichterte Zugang 
£um Studium tflglich mehr anschwellen lässt, anstatt dass man 
sie dnxoh erhöhte Gebfihien nnd Aufhebung von Univenüftten 
ftnffaidte. 

Ja, wir liaben KtCbeder der Eloqneos» der Deklamation 
und — oll Glflekl — der DAimehen Diebiang und der 
Ardiiologie; imd wenn eine FhifesBor ftlr xOmudhee Beoht 
niehi genügen aollte^ eo wird man an jeder ünivemitifc awei 
neve sehaiim. Ist ee nickt beikaan^ dam wir» die Toga ana- 
nodi naeh den Sitten nnd Qeeetsen nnaerer Abnen 
leben? — mid eigentUoh Ishlt avob die Toga niehi 

int dieeem Gepleke lieben wir ans, nm den DniebeebnittS' 

' Wer daran zweifeln sollte, der denke an den Klassicismiis der 
liänner von 1789 und lese Le bachelier et Vmsurgi von Vall^; er wird 
tioh dann überzeugea wie nel Terfeblte Kdstensm nnd Bebellen diem 
fiberlebto Xniehiwgmnftem gesebaiha hat 

Iß* 



244 II- Theü. Jurispruden*. Prophylaxe des politischen VerbrecLem. 



Italimier m groesen Geschioken zu erheben, starke uud vor 
allem gendiiakte miger zu machen, die sich nicht bloss damit 
sufriedfla geben, ni, dm Fflwm balbrerrackter Pbilologen oder 
Jeeuiien die Gfitoee des Alterthnnis sa rahmen mid. n bewemeo. 
Müdem nene GiflMen mit neuen Hittdn adbafibn eoUen. 

Fttr alle jene neuem WieBeneehafteo, denn Erfonolimig 
jetit liegonnen hat und deren Tiagwttte undbeBBehbar ist» wie 
die Gesofaiehte und Kiitik der Beligion, die F^yeho-Fhysiologie, 
die Desoendenstheorie, die kriminelle Antbiopologie, die in- 
duktile Politik, mOssen Katheder gesuhafEan werden, nioht nur 
an den UniTenitttten, wo ne hftufig eratanen worden, sondern 
an aUen grossen Berfilkerungssentran, oder in Form von 
WandfiTTOitiflgen. So hat man in Fiankveieh auf einen yo^ 
sdilag DowAXB ein von dem Pariser Ifunisipium dotiitss 
Katheder der biologisdhen Philosophie und solbhe fftr Beügions' 
gesohiohte, fOr €hsebiehts der firanaOsisohen Berolution und 
ein ganaes anthiopologisehfls lastitnt gssdmffen. 

In den Yeieinigtan Staaten wie in Deutsehland giebt es 
Kafliedsar der pfaysiologisdhen Pqrohologie und der Anthropologie. 
Der Vortrag dieser Wissenaohaften wirkt wahrhaft erdehend 
auf die höheren Klassen und erOShet ihnen neue Gesiehts- 
punkte. Dadurch macht man sie uuTeigleichlich mehr regienings* 
fidug als alle oder fast alle Proüeisoren der Metaphysik, Philo- 
sophie und klassischen Litteratur, die unter dem- Verwände 
ästhetischen Schmucks den Geist der denkenden Jugend prft- 
okkupiren und sie weit ab von gTossen Horisonten in Sack- 
gassen ftthren. In Italien und Frankreich verschlucken mehr 
oder weniger lächerliehe Akademien, die unter klassischen, 
mittelalterlichen oder modernen Namen überall vegetiren, 
enorme Summen, die man ohne Belastung des Staatsbudgets 
ausserordentlich nützlich für bedeutende Denker oder Natur- 
forsoher zur Onterstützung ihrer Schulen und ihrer Labora- 
torien rerwenden könnte. Den Beweis daftlr geben die freien 
Lehrkurse bei Ferri und Sebqi oder die Arbeiten iu den 
Laboratorien von Pasteür, Golqt, Bizzozzeko, Celli, Mosso, 
Cahtani, Marchiafava. Mürri, Baccelli, Foa u. s. w., die 
durch die Initiative ihrer Schöpfer mehr leisteten als alle 



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I 



246 



Fakultäten zusammengenommeD, und die mehr Nutsen aobaffm 
als die olympischen Gaben aller Akademien ; Akademien waran 
wie die Messen für dea mientwiokelten Handel einmal nfltalioli 

als Scheidewand gegen die unsinnigen Neuerungen halb* 
veirücktar Be^olntionäre; heute, wo der Unterricht allgemein 
ist, entfaltet sich ihre Thätigkeit nur noch in einem wUthenden 
nnd gltiflklieherweise erfolglosen Kampfe g^|en jede groflse 
Entdeckung und jedes wahre Genie, vor dessen hlossem Schatten 
ihre blasse Mittelmässigkeit verschwindet Pasoal, MoultBB» 
Dji»s&oi, Balzac, Flaubebt lehren das.^ 

Die Schwierigkeit in diesen Fällen besteht gerade wie 
bei der Glocke, welche die Mäuse der Katze an den Sohwau 
binden S(jllten, in der Wahl, da alle diese Wissenszweige von 
der akademischen Welt, die den Lehrer bezeichnen soll, 
befehdet werden. Gegenüber dieser Schwierigkeit mtisste man 
der Minorität der Profesaoren die Möglichkeit geben alle drei 

* Wie langsam der Fortschritt unter den romanischen Völkern ist' 
trots des angebUoh fortschrittUchen Anatosses durch die französische 
Revolution, geht dam» benror, dui dM tlloi und swar viel adhMr 
sdion 1789 in Frankreich gesagt worden ilt» aber — vergeblich. 

Am 20. August 1790 verlnn^tc Lanjcixai.'' die Aufhebung der privi- 
legirten Akademien ; er wies aut England und Deutschland hin, wo Wisscn- 
sobafi und Litteratur ohne gouvernementell unterstützte Akademien 
btüliteii. Aiiah Mikamav war Ar ihre Anfhebmig; aber er itarb» ehe 
er den Yon Cbamvort vorbereiteten Beridit verieMMi konnte. GsiooiBB 
sagte im Konvent am 8. Aogotl 1793: „Unsere Akademien befestigen 
eine Art Hierarchie unter Minnem, die nur dem Genius den Vorrang 
einräumen dürften ; sie maassen sich an, die allein privilegirten Genie« 
an snn; mit blinder Wuth wenden sie sich g^en Jeden, der eie in 
Sebattan n stellen wairi: deihelb Uieb es dem Genie enpert» dort einen 
Site in finden; ich will nur Kouftas, DüFagain, PiaOAi., Boubpaloq^ 
RorssEATT, Pmnx, Rkgnarh, HKT.TEnr.s, Din- nnT, Uably nennen. T*'.i^ 
französische Akademie, die den Abbe Samt Pierre aus ibr^r ilitte 
jagte, war ein Werk des Despotismus und stellte einmal die Aufgabe: 
.Wddie der Tugenden dei Könige ist am melflen der Bevrandetnng 
wivdig?" 

tJÜB Akademien konnten einmal nutzlich sein, um beim Wieder 
erwachen des geistigen Lebens das Chaos zu entwirren; damit war ihre 
Mission erfüllt. Sie haben theilgenommen an der Bearbrntong des Alter- 
thums; aber dieser Schacht ist jetzt abgebaut. Sin fteiet Luid mH keine 



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246 ILTheil. Juriaprudeiu. Prophylaxe des politischen Veriirooheiu. 



Jahre über das Verbleiben oder Absetzung die Wahl ent- 
scheiden zu lassen oder das ürtheil ausläudischer Autoritäten 
anrufen, welche der persönlichen Protektion und Befehdnüg; 
fremd sind. Ich habe darauf hing:ewie8en, dass die Schule 
häufig das G^enie in früher Jugend, wo am sensibelsten ist, 
unterdrückt und die Besten zu Grunde richtet, weil sie am 
leichtesten ruinirt worden, hier uuterdrückt dtr Dabciuskampf, 
anders .ih m der Natur, die Stärksten oder doch die Edelsten. 

Leider giebt es gegen alles das kein Mittel; denn die die 
Regierung bildenden Persönlichkeiten sind als solche nicht 
aiuh genial und können nur Air die Entwicklung der Mittel* 
miBsigkeit Sorge iaragen. Es wftre aber sohon genug, wenn sie 
dem Genie kttn Hin&mitt in den Weg legten. Dahin gehört 
V. 6. der obligatoriedhe Untenioht in der HaHiematik fCLr 
litteraiiaeh begabte KOpfe nnd umgekehrt; dahin gehören 
jene Sehnlen, in denen die Manie aubtilw Analysen nnd kalter 
granunatikaliaeher Hegeln den isthetisohen Sinn anoh bei den 
•daltor Bestbeanlagitai nntaidraokt, obeohon diese MeÜhode ihn 
gexade wedran eoIL Adinlioh wirken auch die höheren Mnnk* 
nnd SnnatMhnlen, in denen das konsüerisehe GMlühl durch 
eine Art Ton ästhetiseheuL Einmaleins entwickelt weiden seil, 
in desien Ansdbnng die mittelrnftsaigen EOple nnd die natfir- 
liehen Feinde der GMes nnd der Originalitit exeelliren. 
Diese Schulen sollte man Handweri^e, aber nioht Kflnsfte 
lehren hissen (0. LoHBBOflo, BoMMi eä womaUt Oitti di Gastello, 
1890). 



nnttlosen EinrichtuDgen haben; jedenfiills aber können die Akademien 
sich in freie GeieUicheften ranwMidelB, nnd ihn Thätigkeit wird dadaroh 

nur gewinnen." 

OaBaoiBS fimd die UnterBtützung Davids, der gegen die Ktuiit* 
akademien donnert«^ das ffindemiis aDer jngendlickeii GenialitSt: «0 

ihr der Nachwelt varlomneii Gdttor," rief er, grosse, verkannte 
Männer, ich will p-ire vergessenen Manen besänftigen! Eaer üng-lrick 
aoU gerächt werden, erhabene Opfer der Akademie," Die National- 
versammlung besobloM die Aufhebung, — wir sehen heute, mit welchem 
Brfe%e. Und bei alledem bat man Daudit ni^ Zola penSoUbbe Baacune 
vorgeworfen, wenn sie, freilich viel weniger stark, diese gerediten Worte 
wiederholten. Und wir Lateiner nennen una Ibrigeoobzitteai 



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I 



Vi«rtM KapitoL PräveativmAaiiregelu. 247 

„Bisher^ hat die Pildasrosrik darüber du-kuiirt, wie das 
Bnchstabiren gelehn und das Schreiben mugiichst schnell 
beigebracht werdeu soll, wie mau nach dieser oder jener 
Methode den Geist entwh kein soll, welche Stoffe der Vor- 
bereitung und welche der Bildung dienen sollen i aber sie fra<>t 
uucli nicht nach der Leitung unserer Gefühle und Triebe, 
wenn man hier nicht den Katechismus mitzählen will. Noch 
schwarnion wir hier lurs Mittelalter oder lur das Unbestimmte 
oder for nichts. Ansehe lueud haben, uu.sere ausgezeichneten 
Behörden von der Erziehung gar keine Vorstellung, weder eine 
klare, noch eine dunkle; wie wenig sie davon eine Idee haben, 
ergiebt noh ans dem erbftrmlioheu, jsweckwidrigeu Zustande 
der Anstalten, in denen die YolksBchnllehivr voigebildet werden. 

«Die Eniehnn^ nimmt ein ihnliehe Stellnng ein, wie 
die Hygiene fftr die Erhaltong der Geeondlieit; wer die Ge- 
enndlieitspfiege rertritt» Yerhaltungsmaassregeln und Heilmittel 
angeben will, mnas die gestindeo Eonktionen und ikre Ab- 
weiehnngen kennen nnd die dabei maa^^gebenden Faktoren. 
jEbenso mnsB der Eraeber die Nator des mensehlibhen Seelen- 
lebens kennen, wie es im IndiTidunm auf die Gesellsebaft 
wirkt; er moss die oiganisdhen Uisaoiben seinsf abw^obenden 
Aevsserangen kennen, wie die iosseren nnd soanalen Bedingungen 
seiner abmoimen Funktionen. Unaeie Lebrer bleiben in dieser 
Bftinehnng unwissend und treten ohne eine klare YontsUung 
▼on der Schwierigkeit ibrer Angabe an die Eisieibung und 
den üntenieht unserer Kinder kenn. Jedes kleine mensob- 
Uehe Wesen, das in die Sehlde geht» ist ein Problem mit 
mebiersn TJnbekanntsn, und doch wird es ak geltet betraohtet 

mSo müssen die Menschen sieh selbst bilden, und das thnn 
die, deren Charakter überlegen genug ist, jeden Widerstand 
SU besinn und jeden Feind su überwinden. Aber nidit alle 
Menschen besitzen solche Eigenschaften, und darum werden 
Viele von dem Strome des Lasters und der sozialen Uebel fort* 
getrieben. Stfthlt dieee Mlinner von Kindheit auf, leitet ihre 
Lebenscegongen rim der eisten an, und ihr werdet die Zahl 



* SnoL 



248 II- Xheil. Jorisprudenz. Prophylaxe de« politischen Verbrechens. 

der Degeaerirten vermindern. Aber wir, noch im tiefen Mittel- 
alter, kennen keinen anderen Typus einer Schule, ab die 
klassische. Diese Schulen sollte man vermindern, nicht ver- 
mehren, nnd nnr noeh solche f&r Handel» Kttnste nnd Hand- 
wefke grOnden, Faebsohnlen, praktisohe Selmlen, die den An- 
forderungen des modernen Lehens entspreshen; in sie hinein 
pflamse man die Schulung des Geistes, des Oharakten, die 
Sehnle fttr das tVgliehe Leben. Dann wird die Gewöhnung 
an die Arbeit, in der die wirksamste Eniehnng liegt, tiefe 
Wurzeln sdilagen." 

»Gymnasien und Ljroeen geben uns verfehlte SzistsnaeDa 
die dann in Sehaien von der ünivenitttt kommen, um sich 
grimmige KonlmiTena an machen, und, weil sie au knner 
anderen Arbeit taugen, vom Staate ein Amt verlangen. Giebt 
es eist aahlreiohe Handwerks» und Gewerbesdralen, so wixd 
die Handarbeit zu Ansehen kommen, wfihrend heute der an> 
gehende Lehrling in Dienatvqrhältniss au einem Meister traten 
muss und aneh nur die Pnzis mehr oder weniger sehlecht 
lernt. Heute giebt es nicht mehr, wie im Jahre 1000, eine 
TiennuDg in Plebs, Gelehrte und Priester; die GeseUsdiaft 
hat sieh ganz und gar geändert: warom sollen wir uns an das 
Jahr 1000 schmieden lassen?" 

„Das wesentUehste Zi^ jeder Schule ist die Erziehung 
des Charakters, von dem die Eohrung des Lebens ahhftngt: 
seine Festigung, wo er schwankend ist, seine Leitung, wo die 
Führung fe)ilt. Erreicht man die Erziehung des Charakters 
nicht, so scha£H: keine Schule, keine Anstalt Ergebnisse ; alle 
Mittel, alle Wege müssen darauf gerichtet sein, oder eine 
soziale Besserung, eine Hebung der Rasse wird zur Unmöglich- 
keit, und die Degeneration verbreitet sich furchtbar naeh allen 
Eichtnngen." 

„Man wird manchmal mit Schmerz daran erinnert, dass 
die Kammer das Prinzip der Militarisimng für die Jugend- 
erziehung aufgestellt hat. Das ist ein schwerer Irrthum; die 
für das Heer «»o nützliche militärische Disziplin ist für die 
Gesellschaft als Erziehungsmethode verderblich nnd würd^' ihr 
nur Herdenwesen, Menschen ohne Initiative und Selbstgefühl 



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TiertM K^tal. Fki*«Bti?inauncgt]n, 



249 



geben. Denn die Aaw«ndiiDg eines starren Systems auf ver* 
schiedene Naturen mit versohiedenen Trieben, die mitten in 
der £ntwicklaiig sind und sich einst in taoMndfMsh yer- 
schiedener Weise far die Gesellschaft betbätigen solkn, be- 
deutet eine Sterilisinmg der individuellen Initiatire, eine 
Unterdrückung des jedem jungen Menschen eigenen Strebens, 
eine Fälschung der spontanen Triebe und Gefühle. Die mensch- 
liche Gesellschaft braucht nicht Herdenwesen, sie hat leider 
zu viel davon. Sio braucht hochplf^hende Naturen, voll (Tlaubeii 
an ihre eigene Kraft, frei in ihrer Entwicklung, und bereit 
sich in jedem Sinne, in jeder Wei«e zu bewegen. Sie Irain ht 
franko und freie, widerstandsfähige Charaktere. Die Herden- 
naturen sind Lakaiennaturen, und ser^-üp Naturen sind d^gene- 
rirt oder auf dem Wege zur Degeneration. " 

„Ich liegreif<=* wohl, dass Menschen] ler den sich l^n-hter 
r»'^l^'!■e^ lussen, weil r-u^ kem»^ Iiniiative, keine eigenen B.'il'.uen 
besitzen, wie ich auch l)e?rfufo, d:^ss das Rindvieh sich leichter 
führen lässt, als lebensvollere und intelligentere Thiere; aber 
ein Volk von Herdenw^n kann sich nur ein Despot, ein 
Autokrat wünschen, nicht Derjenige, der sich die menschliche 
Gesellschaft als harmonisches Zusanftnenwirken freier indivi- 
dueller Kräfte denkt." (S. SsROi, Le ilegenercusümi umane, 
Milano, 1889.) 

21. Bicbterstand. Der Richterstand müsste frei sem 
von der Unterwerfung unter die legislative Gewalt, die in 
Italien seine Krfifte paralysirt. Anders ist es in Amerika, wo 
die Wahl der Richter durch das Volk sie so mächtig und 
nnabbftngig stellt, dass sie die der Ver&ssung widersprwlittndea 
O t xrtio ab ungültig befenohtKi kOnnon, Bolidd «in dufob rie 
in aebeni BMsliie TtttUMm fiOfgier dagegen Ftotort einlegt 

Eiiw «nlängst «ndumiw Stodie* leigt, wie diea Systam, 
das direkt su dem en^isohen kw stemmt, aowoU 

die Becihto der EinmLrtaaiai und der Bidiiidiien Tor dem 
üebeigewiehte des Koognaaes» wie die Privilegien der National- 
regiening gegenttber dem Staatspaitikidaiiflmns geeehfltBt hat 



Dm DB NoAnus, JBnwe d. 2>. Mimdm, 1. Aogoit, 1888. 



X 



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250 U. Theü. Jump rudenz* Prophylaxe de* politiscbea Verbrechens. 

Weun ein Widerspnicli zwischen einer Verfiassungs- 
bdstimmung und einem Kongressbeschluss auftaucht, so schützt 
die richterliche Gewalt die verfassungsmässige l^Veiheit vor den 
Gefahren der Schwäche oder der Tyrannei des Parlaments. 

So sind von richterlicher Seite Proteste gegen die Suspen- 
sion des Habeas corpus uu l ihis rögime der Kxiegsgeriehte 
erhoben Würden, der liichter hat Gesetze von finanzieller 
Tragweite kontroUirt und solche, die ernste politische und reli- 
giöse Prinzipien berührten, wie das über die Kinihengüter; 
selbst bei internatioxiAlen Bezielraiigeii und diplomatiebhea Yer* 
tilgen hat die rioihterlioiie Gewalt konnuentiieDd und aogar 
anspendiNiiid eingegriffen. 

I^eiiioh wild die Beohiapieehang des obentm Geriekte- 
hoÜBS von den poUiiadhen laafamiien, denea das PtiTÜeg, die 
YerfiMSimg m interpratiraii vorbehaltai iai^ Iwld befolgt^ liald 
Tenroz^Bii; deswegen verlieren diese EntsoheidiingeiL aber aioht 
ihren gioesen Eiaflnse und jeder Bürger, der sioli in seinen 
Tar&ssnngsmllsBigea Beohten besehiHnkt glaubt» ^Eann die Eni- 
soheidung der Gleriohte anrolni; wird ein Oe s ete für inkon» 
stitattonell erklart, so wird es auf den hetrefiaidsn Bttiger 
nioht angewendet. * 

In der Ihat ^t der Eongrsss ausser vieUeiokt rar Zeit 
des Btligerkrieges noeh niemals die ünahhllngigkeit des obentan 
Geridhtahofes emsÜioix ansntasten oder seine Beehtspreeknng 
einxnsohilnken vezsueht. 

Wie wir oben sahen, bernkte der inneie IVieden Bons 
lange Zsit auf dem dnieh die Volkstribnnen gesioherlen Gleiok- 
g^wiokt, wie der Venedigs anf der relatir nnp«rteüschen 
Beoktspflege; und wenn tyrannisoke Begiemngen, wie die 
Qetomiohisdke und die ekemalige piemontesische in Italien so 
lange ungestört blieben, verdanken sie es der G«rsoktigkeit f&r 
Alle, den König ausgenommen, die sie dank der Aimeoadvokator 
und der Berechtigung des Senats anr Kassirung gesetzwidriger 
Erlasse und Ministerialverfügungen ausübten. — Heute steht 
der König vielleicht in zweiter Beihe, in erster stehen 700 
kleine ElOnigef die viel heftig:er und durch ihr verborgenes 
Widcen viel geflthrlieher, die üngereohtigkeit in alle Poren 



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Viertn XapiteL PrKvMitiTiii«Maregttl&. 



251 



der Nation eindringen käsen, bis in das entl^enste Thal, 
welches das Glück hat einen Vertreter zu besitzen ; man muss 
diesen Einfluss um so mehr fürchten, weil sein Missbrauch 
von der Presse immer verschwiegen wird und der Richter 
dazu nicht nur oft schweigt, sondern, wenn auch voll Schmerz 
T'.nd Grimm, sich ihm unterwirft. So lauge die fortwährende 
Jhimmisohung in die Pro^ess^ von Seiten der Advokaten, die 
Abgeordnete sind, und ihr Eintiuss im Justiz- Ministerium fort- 
dauern, so lange die Mehrzahl der Richter keine feste An- 
stellung besitzt, wird dpr Verdacht nicht aufhören, dnss sie 
nicht immer ganz niilielanu^eu sind, so übertrieben und ungerecht 
er auch sein mag. Der Richter darf deshalb nicht abgesetzt 
und nicht versetzt werden ; und seine Wahl muss durch eine 
angesehene und miabhäugige Körperschaft, wie der Kassations- 
hof es ist, geschehen ; diase müsste bei Beförderungen den Ausfall 
des Examens und die Anzahl der nicht angefochtenen ürtheile 
zum Kriterium der Beförderung aus untergeordneten Richter- 
stelleu machen; daneben inupsti für sie, wie für die »St^ts- 
^lll^väl^e die Korrekt luu uud Kontrolle ihres Verfahrens durch 
d e b iberen luslaiizeii berücksichtigt werden, womit ein höchst 
exaktes Kriterium und ein sehr wirksamer Antrieb zu korrek- 
tem Verfahren gegeben werden. Es ist natürlich, daas man 
die zur Verbesserung der Beolitspreohtmg getroffenen Einrioh* 
timgen zugleich zu einem Kriteriom b« der Answalil zu 
böherm BiditeiBtelleii maehi^ 

Heutintage ist die euuige Axistokrati« die des VeidieoBtee 
tud de» Gastes; wa£ sie mfissea vir uns stütsen, naehdem 
jeder andere Adel hinfiLllig geworden ist, wenn wir nicht ebne 
jede Basis bleiben wollen. Wenn das Examen das eigentliobe 
Eriterimn der Befiähigung ist, so ist es aneb die eigentliobe Sttttae 
der B^emngshienurebie; das aeigt nns Obina, wo die auf das 
fiianien gegründete Yertbeilung der Beamtenst e U e n dem Beieb 
ein so festes Geftlge gegeben bat, dass es insseren Inmdonen, 
inneren Anlrtftnden nnd selbst der Zeit wideistebt (Marikllo, 
jSSfoTM dd hdemaHatialismOf 1870. — Lombrobo» 3iä ntere- 
mmio da ddüia, 1879.) 

* LoMBBoao, Sa mcremmio del iiMU», 1879. 



252 n.TlieU. Jnropnid«!». Propbjlsxedespolituelienyerbi«cheiM. 

22. Advokatur der Schwaehen. — Die Einiieibiaog 
oder vielmehr die WiederherstelluDg eines TOm Justizministeriiuii 
nnahbtogigren intermediärea Amts, einer Art Advokatur der 
Annen oder Schwachen, ist daneben nothwendig. Seine Mit- 
glieder müssten von der Kommunal- oder Provinzial- Vertretung 
gewählt werden, nnd an sie müssen sich Alle wenden können, 
die sich durch Parlament, 3Iinisterium oder Rechtsprecbnnj^ 
unterdrückt einnben, mit dem Rechte ohne weiteres gehurt zu 
werden, und mit der Befno'niss zur VeröflFentlichuug der in 
ihrer Sache gefftUten Entscheidungen. Damit wäre eine Ein- 
richtung wiederhergestellt, welche der in dp^spotischen Mon- 
archien ein<rpführteu Adv okritui- ^pt Sch^\■al heu und Tum Tlieii 
tiem \ ulk--t[-ii ninnl pntspnii'he. iM'^se Jvninmission kuuDle sich 
aus Arbeitern, Handweikoru, Studeuteii zusammensetzen, die 
nur für kurze Zeit im Amte bleiben und die bei Misghräuchen 
nur der Kontrolle des Kassationshofes unterständen ; ihre Funk- 
tionen wären die des Tribunen, Zensors und zugleich des Ver- 
theidigers, und so würden sie sowohl den Nachtheilen der Advo- 
katokratie wie den ^Missgriffen der Verwaltungsbehörden der 
herrschenden Parteien entgegenwirken. Wenn die privilegirten 
Klassen ihre zu: Auiiiebung ihrer Vorrechte erforderliche Zu- 
stimmung verweigern, so ist, wie Holtzendorff bemerkt, 
sobald die unterdrückten Klassen vom Verlangen nach Gleich- 
heit durchdrungen sind, oder wenn die Privilegien die Existenz 
des Staates bedrohen, die Auflehnung gegen das Geeets nicht 
nnr nothwandig, sondern anoh garsohtfertigt. Aliar solehe 
Aenderangan dflifen nicht brttsk sein, mllssan «inan üabatgang 
Tom Altan snm Nanan badantan imd anoh sehr sahwer a^ 
sehsinanda IfisBstSnda allmShliah, niamals mit atnam Zuge, be- 
saitigan. 

Damit lassan sich BaTolntionan vaimaidan, dia hei einam 
KonlBiki swisehan Gksets und ISfibniliahar Mainnag nnvanneid- 
lieh sind, nnd zugleich ein grosser Theil dar Vargahan, waLoha 
dnioh sohlachta Geeetze bedingt and. 

23. Anpassungsfähigkeit dar Gasetsa. — Wann es 
für dia Daner politisoher Formen eine MlJglidikeit geben soll, 
so bemht diese in der Sehmiegsamkett ihrer Gesetae, die «na 



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YiertM Kapitel PxäveBtimiMnregeUi. 



253 



Anpassung an den Fortgang der Entwickelung irostnttet; das 
zeigt die Schweiz, wplcte iu den 50 Jahren von 1830 — 89 
116 Revisionen der Kantonal- und drei der Bundes^•erfasfiung 
durchgemacht hat und trotz der Verschiedenheit ihrer Basse 
ihre Einheit behauptet. 

Wi[- sagten, dass jede Aeuderuüg gelinde und niemnls 
brüsk oinu'^fiführt werden rauss. Wenn die Einrichtungen emei 
Nation stabil sein sollen, sagt CoNSTANT, müssen sie dem 
Niveau ihrer Vorstellungen entsprechen; dann giebt es keine 
E^völutionen; es bleibt dami bei lieibungen, individuellen 
Mißerfolgen, beim Wechsel der Parteien und der herrschenden 
Personen, aber so lange die Anschauungen und die Institutionen 
übereinstimmen, bleiben diese bestehen. Ist diese Harmonie 
zei-stört, so kommt e.-: uuvermeidiich zu Revolutionen, gerade 
uin bie wieder herzustellen. 

So war in Russlaud die rücksichtslose Aufhebung der 
Leibeigenschaft und in Frankreich und Deutschland die Auf- 
hebung der absoluten Herrschermaoht ein noÜxwendiger Akt 
historiaohflfr Gerechtigkeit Dasselbe gilt Ton der SteknliiriiriTinig 
des Kiiohengats, wo di« Bwitnoliftiifbiig in der todten Hand 
und der Anspniob des Klemt auf Befreiung von der Grund- 
ifeeuer i^olitiaehe und Okonomisobe Fortaebritte unmOglioh maokte. 
Aber auoh diese Beforuen wuiden nidbt obne unmittelbsrs» 
wailigfeifonds Störungen dniebgsftbrt, weil man dabei den 
Hisonflismosi der niokts, aueb niobt das Gute^ sobnell ein- 
suftduen erlaubt, verkao^ke* 

24. Beobt auf Initiatiye und n^^eferendum'** — 
Das Beobt der InitiatiTe, das jedem von einer gewissen 2^ibl 
vom WAblem unteratatsten Bfligar zngebOrt, wie in der Sobweii» 
und das wir aJs Haassstab der OfEentilieben Meinung beaQgBdL 
der politiscthmi Yeibreciben Toigesoblagen beben, bann auf 
politisebam Gebiete ein G^ngewiebt gegen gouTa m em emt ale 
und parlamentanaebe Beaktion bilden. 

Das BsÜBireindum oder der Appell an das Volk kann aur 
Ansobauung bringen, ob die notbwendige üebereinstimmung 
der Ideen awisoben der Nation und ibren Vertretern besteht 
und wie weit sie leiobi Man behauptet swar, doss es die 



254 Il-tllieU, Jnri^mdeiiB. IVapliylne dei poUtiMdran Vertmehflm. 

Befonn enohwert, weil das. Volk im allgemeinen reaktionärer 
wttre, als seine Yertreftar und dass es, dank der überall vor- 
herrsebenden Apatbie nur den Triumph der Wühler und 
Berufspolitiker befördert, während es zugleich mangels jeder 

ernsten Verantwortlichkeit der berathenden Körperschaft fort- 
währende Agitationen und Störungen des Volksiebens beding^. 

Aber abgesehen von der schon oft gemachten Bemerkung, 
dass die Reformen, denen die Stütze der Majorität fehlt und 
die sich deshalb als frühreif erweisen, zu nifht=: fülircn, wenn 
sie nicht gar Unheil stiften, und dass dag Referendura daher nur 
zur Erlauf^nng solcher Veränderungen dienen, kann, die das 
Land verlruig't, würden die angede'iteten Unzutrftglichkeitcn 
authören, wenn 'his iveferendum fakultativ oder auf gewisse 
Beschlüsso beschränkt wäre, damit das Volk die wichtige 
Garantie der lokalen Autonomie darin erblickte, die ea wirklich 
ist. Ausserdem ist es, wie HiLTT bemerkt, ein wichtiges Er- 
ziehungswerkzeug fär eine freie Nation ; denn es zwingt sie, 
sich die Gesetze, nach denen sie leben soll, einzuprägen, es 
giebt ihr das Bewusstsein der Antheilnahme am politischen 
Leben und läset sie die ganze Verantwortlichkeit derselben 
fühlen.* 

25. Fäulniss. — Alle diese Maassregeln sind angezeigt, 
80 hmge der Staatskörper jung und gesund ist. Wo aber die 
Fftnlni« begonntn hat, die jeden Vemieh einer VerbesBenuig 
veigeblieh, mir s« einer ünMske weitewr VenoUiBimerang 
maobt, hat keine M aaenregel Glftok #id Erfeig. So kommt ee, 
dam ttbendl bei kommpizten Völkern eine Maamreigel die 
andeie ablOet Wenn dsmnter anoh viele absnide aind, fehlen 
ja anoh gate sieht ganz. Und dodi war es bei vns nie mOglieh 
Maffia und Oamona gana sn unterdrIldLen, wihrend ea in 
New-York gelang den Tamnany-Bing an aprengen. Das 
pobiisdie Beioh ging im Jahre 1789 an die AbhiÜlb g^gen 
die weeentliobaten Craaeben seines YerlaUs dnieb Absehafliing 
des WaUkOnigärams nnd das Ubemm veto. Man hatte die 



' 8. fiivmcn, A. Im « In CScrtik mäh £9tato moämio, 
parte — Torioo. 1888. 



« 



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ViwiM Kapitel. Mvmtömaamngfiln, 



285 



Königs^walt stabil gemaciht; aber die Bube trat nicht ein nnd 
die Fänlniss giiS immer weiter, die Terderblichen Parteiklmpfe 
loderten wieder auf, aU der gemeineame Feind si^greieb an 
die Thore klopfte. 

Etwas Aehnliches sehen wir in Italien in der Befürwor- 
tung des Listensknitimams zur Bessemng der Wahlverhältnisse, 
die sich in Frankreich nach Einführung dieses Wahlsystems 
nur noch verschlimmert haben, und beute denkt man an ueuo 
Aenderungen, wie man bei einer sich zersetzenden Wunde 
wohl das Pllaster wechselt; dan^es-en erzielt der englische Par- 
lamenten^ raus rait seinen altfisgrauen Walilmissständen gute 
Resultate. Aber es ist bitter das zu wiederholen, was ich schon 
vor Jahren schrieb. 

Fruchtlos sind die Träume eines Denkers inmitten der 
allgenieiiien Apathie. Er gleicht einem Kinde, das der Fluth 
des Oceaus Sanddärame entgegenstellt ; eine W oge kommt und 
am Ufer bleibt vom Damm nur eine schwache Spur.^ 

^ Am SohluMe des Buches ist es uns eine angenehme Pflicht^ für 
siUfeiohe Datea and BerichtigungeD in äm hitfattiidiMi, im JoristiielieD, 
im ■latutiMihe& und im okoacmiichen AtMohaitt antaren leUafken Daak 

abzuBtatten an die aasgezeichneten Professoren Cipolla, Rikaüdo, Mattt- 
BOLD, CoaxRTTi DE UABxns, CAaLB, CaiaoicK jttAJKo, V. Bossi, und dem 
Ingenieur Mazza. 



Namen-Register. 



Ah&rb&nal 119. 


Arcadias II. 114. 116. 




Acoste 118. 


Archimedea III. 




Adam S98. 


D'Arvj 186w 






Ardesat 23. 




Achill 103 


Ardigo 138. 240. 




Ahenobarbtts 104> 


Arendt Tl. 198. 




Albft 246. 


Aristarch 26. 




Akx n. S88. 


Ariatogiton 217; IL 119. 






Ariatobol n. 188. 




Alesiew II 62. 


Aristoteles 122. 148. 166. 1*^7. 


1C8. 


Alkibiades II. 139. 


170. 172. 173. 176. 183. 


20L 


Alibaud II. 63. 80. 


217. 219. 241; IL 188. 233. 


Alimooda 18. 


Arnold 185. 




AUix H ». 


AnoM von Bmoia 840. 




Amabile 270. 


Arnould 259. 




Amadei II. 28. 2S. 32. 


Arpaja II. 10. 




Aman 198; II. 93. 


Arria 225. 




Amjrntor, v., IQQ, 


Artigaa 98. 




AnakmoB 108. 


Awihaw, Aona, IL 74. 




Atuucifonw 36. 


Aiooli 114. 




AndreoKzi II, III. 


AtbeDäus II. 139. 




Anfouo 12. 


Attila II. 139. 




Anpialli Tl. 89. 


Aubertin II. 44. 




Autoguoui II. 43. 


Aubry 146. 




Antoniniu 149; IL 118. 


Andibart, B., II. 17. 




AatoBow II. 62. 


Andral 146. 




D'Angot 223. 


AugTisttia II. 113. 




Apollo 103. 


Aviueona 101. 




Appert 247. 


D'Ayala 224. 237; IL 62. 64. 




D'AAaatet 822. 


D*A«6gUo 180. 241. 




D'Arboiw 822. 


Aior 244. 





I^OMBSOSO, PdiUtcber Verbnchar, H. t 17 



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258 



Mamen-Bcgister. 



» 



Babliago 117. 

Baboeuf 260. 

Baoelli U. 33. 243. 

Bmod 18. S18; II. 185. 

Bagebot 124. 

Baffier II. 29. 37. 41. 

Bakunin 134. m 241; U. 62. 76. 

Balilln 234. 

Balzac 29. 31. 221. 22a. II. 2. 244. 

Bsnda 191. 

Bandier Tl. 63. 

BarbaroQx 142; II. 66. 

Barbasf e 146. 

Barberino, Fr. d., II. 43. 

fiardin SSB. 

Birdma IL 63. 

Baijatinski 238. 

Baroncelli 183. 

Barras 260; II. 62. • 

Barriere II. 63. 

Baron 141. 948; IL)87. 198. 

BttMUotti IL 17. 

Baasi 242. 

Bastifin 00. 

Battenberg, v., 210. 

Baudelaire 18. 

Bayard 871. 

Bazaine IL 80. 

Beard 9. 64. 136. 

Beatrice 104. 

Beaamont, E. de, 79. 

Beqaao 844. 

Beeoaria 188. 

Beddoe 117. 

Beecher Stowe 222. 

Beethf>ven 101. 

Beguurd il. 244. 

BeiMO 114. 

BeUiomme 189. 

Bellucci 13. 

Belmonte, L., 242. 

Beltrame 10. 

Beltran II. 21. 89. 

Benot 267. 



! Beranger 263. 
Berenice 225, 
Beresowski 238. 
Belageret 188. 
BariioUiqrM 941. 
Bemer II. 180. 
Berry, duc de, II. 74. 
Berti IT. 81. 
Bertbolet 36. 
Bertnuid SB9. 
BestuBchew II. 76* 
Bianchi II. 58. 
Billaot II. 35. 

Bismarck 30 ; II. 92. 93. 190. 19Ö. 204. - 
Binolen» IL 948. 
Blaoeto 96. 

Blanc, L., n 234. 
Bluntschli II. 139. 146. m 
Bodio 61. 203. 217. 
Boito 29. 

Bokalaw d. Gr. 180. 

Bonacooni 196. 
Bonfadini 42. 
Bonheur 222. 
Boimefois 240. 
Bono 1(N». 

Booth 970; n. 68. 80. 

Bordat 256. 
Bosiflio II. 29. 43. 
Bosman II. 105. 
Bookmar IL 88. 
Boalanger 90; II. 41t 
Bonrdalone IL 244. 
Bourget 188. 
Bove 49. 
Brady 273. 
Brandanos II. 17. 
Braadee IL 88. 
Breidel 245. 
Brienza 242. 

Brierro de üoismont 142. 
Brion 258. 
BriMot 184; TL 62. 
Broca 106. 117. 



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Nftm«ii>KegisAar. 



259 



Br II. 89. 

Brunetiero 18. 27. 

Bruuiatti II. 2&3. 

Bintto» Oioiteo, 70. 810. 

Bnm n. 168. 

Brutus 149; n. 60. 62. 64. 

Buckle 16. 44. 47. 79. 169. 176. 

183. 187. 246. 
Buddha 41 ; II. 84. 
Büchner n. 85. 
Bvflet n. 83. 

Purl^p 272. 
Burlamaqui 113. 
Buzot 142. 
Bytoik 101. 



Cabauis 76. 
Cafiero IL 64. 
GbmertM 106. 

OuDiiiiM loa 

OMnp. M. du, 124. 147. 338. S63. 

257. 271; II. 23. 
Campanella 24ü. 270. 
OraeeUieri IL 119. 
OdipiU n. lU. 
CaUöa n. 91. 
Calvin 240; II. 84. . 187. 
Cantani U. 243. 
Capefigue II. 24. 
Caporali II. 29. 32. 34. 
Caracciolo II. 9. 
Caracalla II. 114. 
Caraffa IL 8. 
CaniTelli U. 68. 
Gndnitfi 299. 
Otrdini» n. 8. 
Carducci 138. 
Carelli II. 155. 164. 171. 
Carey 273. 
Cariguauo Ii. 81. 
Ottimu n. 114. 264. 



Carle 195 ; II. 104. 264. 

Carlo 2C)0. 

Carlyle 124. 129; IL 84. 
Carnot U. 62. 
Caro 99. 

Curier 254. 269. 

Cäsar 10. 35. 102. 149. 170. 172. 

201 ; n. 64. 66. 88. 84. 88. 118. 
Casper 119. 
Canins n. 60. 64. 66. 
Cutigliom, Hwir., 228. 
CatiUna 149. 170. 171. 24L 266. 
Catharina, Sta., 2^2» 
Cato 104. 149. 
CatuU 103. 
Gaunditre 99. 
GavaUMr IL 4. 
CavendiBh 272. 

Cavour 21. 43. 185. 241; IL 42. 

66. 80. 210. 
Caua, S»L de, 16. 
Geodhiai 254. 
Celli IL 248. 
Ceneri 254. 
Cöre 223. 
Ceretü 256. 
Oerrelkro 270. 
Chamboii 1^. 
Champfleury II. 58. 
Chamfort II. 244. 
Chancourtais, de, 80. 
Chaudon 257. 
Cluttiter 10. 
Chapitel 257. 
Charikles 241. 
Chateaubriand II. 92. 
Chatel n. 23. 63. 
ChateliiMan 246. 
Ghuifdor 16. 
Cbaavin II. 41. 
Chenu 99. 150. 
Chirone II. 254. 
Chlotar 117. 
Choltwftf M., 131. 

17* 



Nune&'Rmiitw. 



2ÖU 

ChriatoB 44. IGS; O. 81 98. 161. 

167. 
CiA 223. 

Cianchetti II. 43. 
Cüya n. 63. 7B. 
Ckoro 148; II. IIS. 
Ciceruaochio 188. 
Cimbali 244. 
Ciocnti 54. 
CipoUa 34; IL 254. 
G^tm II. 187. ■ 
(HtOm 8K. 

Claudius 149; n. 48. 

CleftTithe« 26. 
Clelius 149. 
Clemens IL 18. 
Clodini im 176. 
Cluaeret 99. 

Cocapieller 183. 877} IL 28. 80. 

32. 167 

Cooo 149. 176. 178. 166. 24:i, Ii. 85. 
Cofflnean 160. 
Cogliolo JL 116. 

Cognetti d« Ktrtüi 196; n. III. 

254. 
Coheu 119. 
Cohnheim 119. 
Coliyamü 90B. SIMS. 
Cola de BienzL 170. 186. 878; n. 

90. 100. 
CoUodi 235. 
CoUot d'Herbois 24Ö. 
Gdnmbu 16. 981. 
Commodus 4L 99. 876l 
Comitolo 244. 
Comte II. 43. 143. 
Conde 102. 
Condorcet 102. 

Conforti 948. 246; n. 68. 66. 76. 

20G. 246. 
Coufucias IL HO. 
Couitiu 245. 
Conti 241. 

OoBttittt 866; n. 868. 



ConitMitia IL 18. 
Ooperoicus 16. 18. 

Coppi 180. 

Coppo de Stefani II. 120. 
Corday, Ch., 23. 102; IL 63. 64. 
68. 76. 

Cordiera 223 

Cordigliani IL 28. 88. 84. 62. 

Corre 62. 

Corso Donati 260. 

Coubet 869. 

Coatnrier IL 198. 

Crfimieux 138. 

Crispi II. 62. 80. 

Cristin 8S. 

Croce n. 69. 

Cromwdl 87. 48. 160. 167. 186. 
195; n. 86. 88. 190. 

Curio 149. 
Cuvier 114. 
Cydowiua II. 62. 
Cyprian, St., 48. 
C^nw 68. 



DaU' OngMO 848- 
Damiano II. 68. 

Damicns II. 25. 
Daudolo II. 62. 
Dante 44. 104. 184. 26f!, 
Danton 228. 254; II. 61. 
DantiMos 18L 
Dard868. 
Dardelle 100. 
Darigiiy 7. 
Darthe 259. 

Darwin 1. 3. 16. 18. HL 190; 
n. 3. 16L 

Daudet 60; II. 57. 266. 
David II. 17. 255. 
DavidsoLu 121. 222. 
Davis, Th., 135. 
Delaney 273. 



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Namen-Register. 



261 



Delfico n. 6&. 

Deraophilas tß8. 

Desmarets II. 63i 

Desmoulins 102 : II. 62. 

Despine ÖiL IIS. 2aL 256. 

Detoromasi II. 28. 

Diderot 102; U. 2M, 

Dido m 

Diocletian IL IH. 

Diodonu diculus 2iL 

Diodor IfiS. 

Dionys 2iL 

Dlagoez 13L 

Dolabella 149. 

Dolguschin 228. 

Dombrowski 2SiL 

Domergue II. 22L 

Domitian II. 114 

Domizia 225. 

Donato Cabri Ii. 

Donnat H. lüd 22fi. 228. 2M- 

Dönniges II. 83. 

Dostojewski 2AL 2ßO. 2fLL 214. 

II. 54. &L 58. GÜ. 2Ü. 
Draper Ifi. 
Draun 222. 
Drouet 259. 
Dnuilla n. 114. 
Dryden 22L 
Dacasse 258. 
Dufaure II. 131 
Dufresne II. 244. 
DuUios 12L 
Damais II. 2L 
Dumolard 83. 
Dumont 260] II. 2L 
Durand fi2. 
Därschner 253. 
Dyer IL 14. 



Egmont 2iL 
Eliot 222. 



Elisabeth 195: II. 122. 190. 
Ellis 28. 
Engel 275. 
Epilly 233. 
Erasmus 1.^1 
Erskine May 24fi. 
Bsquirol 139; H. 22. 5L 
Eatombft II. 22. 89. 
Euiios III. 
.Ewald 118. 
Exner 12. 
Eysart 253. 



Fabretti IL 62. 

Fabricius 16. 

Fabrizi IL 62. 

Falagtierra II. 68. 

Falco, de. IL IM. 

Faraglia SIL 94. 95. 

Felico 228. 

Ferdinand VII. 18L 

Ferrari Ö4. 148. 183^ U. 22. 203. 

Ferr6 252. 

Fern IL S4. 186. 2Ö2. 242. 
Ferry II. 44. 
Fieschi 250. 220. 22L 
Figner II. 62. 
Filangori 132^ II. 123. 
Filelfo 2Ü8. 
Filippi n. 55. 
Filippis IL 68. 

Fiaubert 22. 2£L UL 147_i IT. 2. 

84. 86. 223. 24Ü. 244. 
Flavias 104. 
Flieger 27."). 
Floqaet 2Ü. 
Flourens II. 23. 
Folaine 252. 
Foucher 260. 
Foa n. 243. 

Fonseca 234; II. 68. 62. 
Fonzano 260. 



262 



Nameii-Begiiter. 



Forbert, Lealie, 12. 
Forster 132. 
Fories 114. 
FoMftti 170. 

Fouqmer^ThioBTille 143. SM. 

Fourier 31. 114. 
Franr hi 240. 270. 
Fraiicia 98. 169. 274. 
iraüco 18. 
nrmnklin 188. 
Fnnati SSS. 
Frattini II. 53. 
Friedrich d. Or. 17. 
Fucini 51. 
Fnlviiu 101 225. 
Fmm TL 43. 
Fusari 5. 
Fosinieri 138. 



Galilei 15. 

Oaillard II. 88. 
Galba 218. 
Gallienus 35. 206. 
OaUaa 180. 
Oalton 241. 
Garcia, M., U. 89. 
Garfield II. 25. 77. 
Gargotte 253. 

Garibaldi 43. 44. 149. 243. 261; 

IL ffi. €6. 80. 88. 90. 23&. 
OuibaMi. Aimite, 228. 
Qarofalo 21. 222. 240; II. 103. 

142. 170. 
Gasparoue 254. 
Gautbier 148. 222. 
G«e 185. 
GemmiBi II. 10. 
Genton 100. 

George, H., löl; n. 198. 
George Sand II. 240. 
Genxd IL 75. 
Gervinns 68. 



Gibbon 35. 

Giglioli 49. 

Gilbert 18. 

Gioberti 244. 

Oiraffi H. 8. 

Girmcd n. 192. 

Gladstone 60. II. 190. 

Gudia TL 183. 

Goldsmith zJl. 

Oolgi n. 249. 

Gomea 270; H. 89. 

Goncoort 26. 29. 32. 151. 227. 284; 

II. 223. 
Gonzaga II. 239. 
Gord<m 188. 
Gomieki 131. 
Gotha 17. 
Gouges 228. 
Gould 90. 
Graf 19 ; II. 89. 
GnailinAiion 259. 
GrandmesnU 99. 
Granvienx 258. 
Grapine 147. 
Gratiolet 251. 
Grazioli 242. 

Qregoin 240; IL 244. 256. 
Gregor von Valenn* 244. 

Gregornv-Tj=5 IL 12. 
Gretzcr 214 
Öriolli 242. 
Gripp» IL 153. 
Gnjjicki 183. 
Grot, Jan, 130. 
Grote 80. 
Grzebski 132. 
GnigiMTd 243. 
GnitMW a 25. 29. 84. 45. 
Guizot 167. 185; II. 86. 
Gotbrie 124. 



HSo]rel20. 
Eadnlreadner 131. 



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NMneu-Begiater. 



263 



Hftdrian II. 113. 

Hagowind 191. 

Hiillamid n. 80. 

HiUv7 119. 

BftiDCl n. 31. 

Hanp II. 15. 

Hanlou 273. 

Hanno 171. 

Bknnodiat 817. 

Hartwig 218. 

Hasselmann 179. 

Hatzfeld II. 83, 

Hans IL 158. 

Heotor lOS. 

Hag«wneh SOO. 

Heine 119. 188; n. 91. 97. 

Heinrich TH., 197; II. 23. 13Ö. 

Heinrich VII., II. 13.i. 

Heinrich XIU., U. 122. 

Belfert IL 69. 

Helfmann 237 ; II. 62. 

Heliogabal 275. 

Helmboitz 19. 

Helvetios 102; XL 244. 

Eenriot 260. 

Henklit H. 83. 

Herbart 132. 

Herbert 246. 

Herder 17. 

Herkules 115. 

Herodok 10. 68. 

D'HiroD, Jean, 269. 

Herve 182. 

Herzen 134, 

Uia 2ii. 

Hieka IL 60. 

Billy n. 258. 

Hippnrch 217. 

Hipparinus 241. 

Hirsch 119. 

Hoch, A., 13. 

HoUSnder 274. 

Holttendorff 62; II. 216. 225. 
Homer 108. 



Honorius II. 114. 115. 
HoBg'Siu-Taaen IL 14. 
H5del 271. 
Hook 16. 
Horn 241. 
Iloropspera II. 15. 
Hosius 131. 
Hunter 95. 



Icard II. 116. 
Ignaz IL 92. 
Imn Vr. 187. 288. 



Jacini 203. 
Jacob I. n. 123. 
Jeoobe 187. 

jMoby 65. 123. 124. 128. 137. 216. 
221. 278. 

Jamenel 17. 

Janet 19. 

JftnkM 181. 

Jsneoa IL 187. 

Jaschwit 238. 

Javogues 2.'9 

Jeanne d'Arc 22'i. 

Johanna von Neapel 225. 
: Joly 27. 
I Joseph IL 16. 
I Jourdan 254 259; n. 22. 
I Jourdanet 70. 71. 

Juan, Manuel, 98. 

Joliui 92. 276. 

Jost, St., 102. 246. 254. 260. 

Justin 171. 

Jnetinien II. 140. 



. Kedlnbek, 7., 18L 
Ksmineiw 258. 256. 



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264 



Namen-Begibter. 



KanduMOW 888. 
Kanwttlow II. 92 

KmA d. Gr. II. 118. 
Karl I., 42. 43; II. 143. 
Karl II., 37 ; II. 135. 
EmA m., 186. 
Kari Tl., n. 185. 
Kaatmir I. 130. 
Katharina IL m 
Kaje 95. 
Xamadar 91. 
Kaller 244. 
Kepler 16. 
Krshab II. 2. 
.Kjl altschitach 237. 
lürck 109. 
JDoois 188. 
KlopabMk 17. 144. 
Knox n. 84. 187. 
Kocbftnowski 131. 
KoUmann 5. 103. 
Kolomboa 146. 
Koparmkna 181. 
Kossuth II. 92. 
Kächler 272. 
Kulischcw 248; II. 63. 
K.nuLzeu II. 2. 
Knaolika 63. 
KralR-Kbiog H. 51. 
Krapotkin 241. 
Krauu 181. 280. 
Kromer 131. 
Krzycki 131. 



Lttborde lOü; II. 4. 22, 23. 
Lacombe, Bom. 22b. 233. 
Laertitu ü. 188. 
Laguirra IL 192. 

Lamartine 241; II. 68. 

Lmmbriot 2G4. 
Lameth 2ü4. 
Lamarck II. 2. 



LaaaaHui 91. III. 199. 193; II. 

190. 216. 
Lanjuinaia Tl. 244. 
Lanthier 277. 

LapoDge 103. 104. 106. 106. 
Laney 49. 

laanUe 99. 181 188; H. 80. 81* 
82. 186. 191. 

Latham 00 

Latinia II. 74. 

Laado, M. de, 260. 

Laaaay, de, 969. 

Lftnra 104. 

Lareleye 100. 108. 

Lavinia 103. 

LavoUier 102. 

LawTow IL 69. 

Laiaratti n. 17. SO. 28. 88. 

Lebedewa II. 62. 

LebjadkiD II. 67. 

Leblankin 260. 

Le Bon 16. 102. 129. 146. 187. 211. 
Lflbreoht IL 206. 
Le Brun 222. 

Lccocq II. 90. 
Le (Jomte 270. 
LedruBollia 141. 
LegoaT4 898. 

LegiMd da 8a«Ua 140; n, 17. 66u 

Lc^eone 259. 

Lemoigne 251. 
Lemoine II. 3. 
LeoDia 226. 

Iieroy-Beanliaa 18; n. 151. 184. 
187. 196. 940. 

Lessing 17. 
Lea£ona II. 215. 
LesÜngi 181. 
Lenrat 251. 

Letonrneaa 83; IL 109. 

ladon 142. 
Lincoln 270. 
Lingard 97. 
Lisogub II. 64. 66. 



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Iiamen*Biegiaier. 



265 



Livi n. 218. 
LinogflUm« 49. 81. 
Ijornbard 86. 

Loinbroeo IG. 17. 18. 61. 70. 83. 

85. 106. 115. 117. 124. 143. 

175. 241. 275; II. 10. 17. 20. 

31. 104. 162. 164. 208. 230. 

289. 956. 
Loogn«vUIe 941. 
Lopez II. 89. 
Lori« 5« 196. 197. 198. 
Lorin 244. 
LcNiit Fliilippe 198. 
Lowrel IL 74. 
LoQvertore II. 87. 
Lovati 222. 
Loyola II, 6. 84. 
Luciaa II. 139. 
Laoni 16k 
Lolniioir II. 68. 
Lunier 189. 
Lustig 114. 

Luther 44. 153. 196. 240; II. 5. 

84. 167. 
Ludwig V., n. S6w 
Ludwig XV., 32. 
Ludwig XVI, IL 148. 
Lykurg 173. 



Kabley 240. 

Mably 134; IL 944. 

Macaalay 37. 

Harcbiafava IL 249. 

Ibcdiwvalli 179. 178. 174. 188. 

184. 186; n. 86. 
Macrobius 63. 
Maillard 147. 
Maistre, de, II. 92. 
Mi^ao n. 9Ö4. 
Ihglinii n. 917. 
Malet IL 81. 
Xalon 999. 



Manfred 219. 

Uangione 98. 80. 89. 84; IL 168. 
Hratogtoa IL 48. 

Manzoni II. 99» 

Massaia 28. 
Maraini 222. 

Marat 11. 102. 142. 245. 231. 232. 

954; n. 4 87. 60. 68. 
Hwo Aor«I 34. 275; n. 113. 
ÜMOel, Stephan, 45. 118. 17L 186; 

II. 91. 96. 100. 
Marchaut 76. 
llarcia 225. 
Vcrat n. 199. 
Markowioz 236. 
'^Tarinnn 244, 
Maria Stuart 195. 226. 
Marius 171. 
KuimlU 70l 
Htrnont 197. 
Marro 106. 259. 
Martello IT. 250. 
MarÜu, Sarah, 222. 
ManrUlM 941. 
Marx 184. 188. 
Marzolo 138. 

Masaniello 43. 45. 93. 199. 273; 
II, 8. 101. 
i Malheus 181. 
MilhiMi n. 94. 
Mathflde 104. 
Mattirolo II. 254. 
Maudsley 276; IL L 61. 
Mayer 23. 
, Mayor II. 81. 82. 
Maua n. 964. 

Masnni 44 ; H. 66. 77. 78. 79. 99. 

167. 198. 
Meale II. 160. 
Mecacci n. 124. 153. 
Medici, AI. 186. 
Madici, Maria, 828. 
Meggy 266. 
Meiaanw 161. 



266 



lleleagros 1U3. 
.UendaoirlOB. 
MeniMT n. 198. 

Mercier 151. 

Merkur 103 

Sr^rlin 27, 2S. 260. 

MerLm de Thioaville 2&4. 

X«aaaliiiA 2S5. 

Metternieh II. 98. 

Hennieur II. SSb . 

Meyerbeer 119. 

lUchailow 237; IL 62. 

Ifioliaiid 96. 

HidMl, Lonia«, n. a9. 

Michelangelo 223. 

Uiobelet 32. 91. 298. 286. 251. 268; 

II. 84. 
Mill, Stuart, iL 191. . 
Ißnenra 108. 
Hinkelexs 16. 

Mirabeau 102 11$. 228. 240. 211. 

254; II. 244. 
llodrxewski 131. 

Hohumned 86. 191. 876; H. 81 88. 

Xoliire n. 844. 

MoUnari 23; II. 187. 237. 

Hommsen 175. 200. 201. 

Moncada 61. 

Munoasticr dd. 

MoogM n. 86. 

Uontaigne 235. 

Montazio II. 77. 78. 79. 

Montesquieu 49. 78. 85. 92; 11.36. 

Honteagudu II. 89. 

Moonoj n. 88. 

Korat n. 17. 

Xorelly 134. 

Morfv 270. 

Morl II. 185. 

Moro II. 63. 

Honelli 6. 60. 108. 104. 105. 148; 

n. 89. 

Hortillet 13 
UoMB 2Ö. 144. 



MoBBO 179. 
HottiiM» 
Maoni IL 68. 
HnmjMr IL 76. 

Marger 101. 

Mtirri n. 243. 
Myachkiu II. 62. 



Nacgeli 4. 6. . 
Nanak 191. 

NapoleMi 16. 188. 197. 886. 841. 
970. 978; n. 81. 87. Sa 98. 

93. 207. 
Xarses 36. 
Neandcr 138. 
Nero 35; II. 114. 
Nerv» IL 118. 
Netmhttlow II. 62. 
Newton 223; IL 3. 
Nibbi 71. 73. 
Nicholaon, Karg., II. 25. 
Nikohni 180. 
Ninoo-NaiiflO 864. 
Nitschmann 113. 132. 
Noailles. duc Je, IL 248. 
Nobiling U. 51. 80. . 
Nodier 18. 114. 

NoidM, M.. 7. 10. 90. 23. 88. 878; 

n. 86. 
Nttgfent 186. 



O'GoimU 186. 

Octarian 172. 
Og6 IT. 88. 
Okladaki II. 62. 
Okolowicki 250. 
Oliva f Manono II. 60. 
OreUi 887. 

Orlando n. 146. 188. 
Orlow 238. 



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267 



Ormea II. 33. 

pmui 2Ö1. 270; II. 63. 77. 7ö. 79. 

Ortogun Sa. 

OrtoUn n. 143. 163. 

Orzechowski 131. 

Ossinski II. 62. «6. 

Ottolenghi 106. 

Ovid 108. 



Padellettl II. 115. 
Pagano Xi. QU. 
FkDdataobk IL 119. 
Pkiii Boiai 28. 
PanizzB 255. 
Pantaleo 240. 
Paoli II. 62. 
Pkpenoordt IL 12. 
Papin 15. . 
Paqne 270. 



P-ircut 257. 



Parry iL 75. 104. 
Fncäl 102. 231; IL 344 
Pmanant« n. 28. 89. 34. 44. 63. 

Passatore 251. 
Pasteur 1; II. 243. 
Fastore IX. 66. . 
PatroUos 103. 
PuiI I, 238. . 
Paulus 41. 276. 
Paulus DiakoDOS 35. 
Puusanias 104. 
Pekin 17. 
Pelagia 286. 
P«Ua n. 64. 
Pepe II. 62. 
Pepin 'J70. 
Pen kies 173. 

Perrena 113. 150. 171. 176. 177. 

860. 
Perro IL 62. 
PertÜe H. 119. 120. 



Perowskaja 229. 237. 241; II. 62. 

63. 70. 
FMit n. 146. 
Pwtel n. 75. 

Peter d. Gr. 45. 273; II. 96. 100. 

Petrarca 104. 184. 

Petroff 261. 

FMkkm 108. 143. 264. 

FliOipp IL, n. 184. 

Picard 259. 

Pierl 270. 

Pietrazaoi II. 168. 

Pignatello 270. 

FiUa, de, H. 115. 181. 

Filbtin n. 4. 

Pindy II. 23. 

Pinero U. 25. 

Pini 253. 256. 

FSvoiiIL 344. 

FiHMue n. 68. 63. . 

Pitre 13. 83. 

Pitt 235. 

Plater, Ste., 113. 

Plato 25. 262. 

Plotiii U. 139. 

Platarch 16. 69. 188; H. 64. 

Polemon 103. 

Polonius, M.. 131. 

Poltrot IL 24. 

Polybitu 173. 

Poma n. 62. . 

Pombai 45; II. 91. 96. 100. 

Pompojus 149. 

Portiu3 113. 

Porzia 225. 

Pothior n. 4. 

Preznakow II. 68. 

Pteyer 50. 

Prim 179. 

Prins 173. . . 

Proal 27. 
Probat 218. 
Procopins 35. 
Pn>tagonw n. 139. 



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Namen-Register. 



268 

Protot m 

Proudhon 31. U4. 141. 
Pru gabin I4fi- 
Przeclaw IBÜ. 
Pagliese II. IM. 
Pulcheria 223. 
Pyat II. IfiL 
Pythagoras llL 



Qoatrefages IS. 83. 
Qaetelet IßL 
Qninet im lüfi- 281_; II. äi. 
Quiroga ÜäL lüL 



Rabagas II. iL 
Rabbeno n. m ISß. 
Rabbuls IM. 
Racine 109 
Raiffeisen II. Iß^ 
lUimondi H. 214. 
Ramorino 242, 251. 
Ramos-Meja ÜS. 14Ö. 290] II. 

2L 8SL 
Ranvier H3. 
Ratzel lä. 24. Zü. B9. 
RavaUlac n. 24. Z4. 
Rheins ß5. 82. 8&. 12fi. 
Redfield 62, 
Regere II. 4. 
R6gi8 G3. Ii. SQ. 
Reinsdorf 222. 

Renan lü. 31. 4L Ifi- llfL 12IL 
14L 145. 14fi. 152. m 21Ü. 
213. 22ß. 240i II. I£L 72. 13. 

IL m 

Renault II. gH. 
Revere 114. 
RÖTillon n. 1S2. 
Ribot 10» 24Ü. 



Ricasoli 24L 
Richelieu 15. 

Riebet 15. > 

Richter 124. 

Richard IL/H. 122. 

Ridley U. 24. 

Riel, L., II. 20. 

Rigaalt 2üIL 

Rinaodo II. 254. 

Rinck 41L 

Rissakoff 2ÖL 22lL 

Rivadura II. 21. SS. 

Robert II. 15. 

Robespierre 42. 14L 245. 254^ H. 

Robin 18. 
Rocha n. 26. 
Rochard 99. 
Rochefort 2iL 
Roche, Th. de la, 16. 
Rogatschew II. fiL 
Roland 115. 223. 234. 
Romanes HL 
Rosamunde 225. 
Rosas liü. 162. ISL 219. 
Roscher 2L 22. 26. 12S. 
Rosino 198. 

Rossi &L 200. 226] II. 185. 205 

2LL 21ä. 2iiL 
Rossignol 99. 
Rossini Ifi. SQ. 
Rothari n. llfL HL 
Rothschild 115. 

Rousseau 28. m 113. 122 ; II. 244. 

Rouge III. 

Rouvier 25L 

Eoux 142. 

Royer II. 43. 

Rudio 22Ü. 

Ruffo 142. 192. 239. 

Rupsch 222. 

Russe n. 66. 

Rüthmann II. 133. 

Rylejew II. 23. 



NaineiinBegiiter. 



269 



Sa, E., 244. 
Saccli«tti 218. 260. 
SikziMki 131. 
8dih Mi; IL 6S. 80. 

SaUndra n. 197. 198. 

Salvadori II. 43. 

Sftlveraglio TL. 212. 

Sand, C 223; H. 62. 63. 64. 80. 

Sander 16. 

Sandon II. 35. 

Sappho 103. 222. 

Sanni'ento 177. 250. 25(>. 

Sarmcki 131. 

Supi 940. 

SMinUtoch, Vm, 939; IL 62, 70. 

134. 

SstTjrninus 170. 171. 206. 
Sauäsure 87. 113. 
Sauvage 15. 
Btmtfi S74. 

SaTonaroIa 18K. 940; H. 6. 99. 93. 

Say 92. 98. 

Sbarbaro IL 29. 30. 32. 33. 50. 

168w 167. 
Sohlflk n. 197. 

Scherr 132. 
ScbiafSno IL 62. 
Schiff 119. 
Schiflajew II. 62. 
Sdüagintweit 70. 
Schoell 190. 
Sciacci II. 89. 
Schopenhauer II. 2, 97. 
Scorlino 204. 
Soott n. 90. 
Soribe 99L 
SCona, Cftth., 9S8. 
Sichele IT. 58. 
Siennik 132. 
Sisiuüudo II. 121. 
Sigaiii 141. 
Sempor 70. 
flaidawqj 139. 



Seneca 50. 
Scr Xuto 150. 

8«rgi 19 ; IL 89. 168. 948. 946. 948. 
Sttgot 989. 

Serizier 257. 
Sertobius 249. 
Servilia IT. 64. 
Severus 92. 
She^abow 987; O. 68. 
Sheridan 97. 
Smilea 124; IT. 74. 84. 
Snxifb, Ad., 203. 
Socimaa 240. 

SofaatM 96. 199. 148. 199; IL 189. 
16L 

Solowiew 238; IL 69. 68. 

Solutzeff II. 83. 
Soltyk 219. 243. 
SommerriUd 222. 
Sottooomola 969; IL 63. 
SpagUardi n. 22& 
Spartiau II. 114. 
SpavenU II. 33. . 
Spedding 15. 

Spencer, Herb., 2. 11. 69. 90. 127. 
910.911.998; H. 105. 16L 998. 

Spieszynaki 132. 
Spinoza 118. 110. 246. 
Spuriug Caados 200. 
Suel 222. 
Staunbnlüw 910. 
Stamura 228. 
Stanley 28; II. 201. 
Staps IT. 63. 75. 
SUwrochin 261. 262. 
StoUmmoher 968. 
SlAudhal IL L 
Stern 222. 

Stephanowitscb IL 67, 62. 
Stephensohn 2'JI. 

Stepniak 27. 17Ö. 267, II. 64. 66. 
Stüpo n. 189. 
Strabo la 
StfMmrioi 999. 



270 



Namen-Register. 



Stringhini 254. 
Stryjkowski 131. 
Suarez ^44 
SuetoD II. IIA. 
Sulkowski 2iL 
Sulla HL 
SuUier U. 23. 
Sullivan 135. 
Sully IDIL 

Sulpicius Bufua 125. 
Sutajew IM. 
Szechenyi II. 92. 
Szymonowicz 13L 



Taboc d'Egloatine 251. 
Tacitus M. 176i H. 115. 
Taine 24. IM. IIL 15L 199. 262. 

2fiü. 265i n. fiQ. 8L 
Tanzi III 

Tarde 2L 28. fifi. 2(Ä. 
Tamowsk^a 238. 2i& 
Tazzoli 242. 
Tebald II. iJ2. 
Tedeschi 114, 
Teichmann II. 232. 
Telesiua 240. 
Tewfik Pascha ISS. 
Theodorich IL 112. 
Theodoras II. 132. 
Theodosius II. 116. 
Theophrast U. 122. 
Theot, Kath,, 12L 
Theroigne II. 22. 
Thiers n. IM. 
Thonissen 25^ II. Ififi. 
Tiberius 35. IMi H- 114. 
Tin- Wang II. 15. 
TiraboBchi 14. 
Tissot II. Ue. 
Trezzo ISiL 240. 

Tocqueville 177^ II. im. IM. Ifi2. 
Tolstoi II. 25. 



Tonnini II. 55. 
Topinard fiL IQL 
Tomi n. 21iL 
Toussaint II. B&. 
Traube 112. 
Trömaux 8L 
Trepow 222. 
Trinicus 241. 
Trofinowitsch II. 5L 
Tsakni 145. 124. 
Tschekin 238. 

Tschemischewski IM] II. 62. 
Tschuriloff 82. 
Turco, Jan, IM. 
Turenne 102. 
Turiello 50i II. 224. 
Tomofl 1Ü3. 



Urban V. IM. 
Urbanowa II. 62. 



Vaccaro 23. 121. 
Vacberon 22. 260. 

Vado G9, 
Vaillant m 
VaUe 

Valenün 112. 

Valentinian II. 114. 

Vallds 233. 25L 258. 263^ II. 94. 

28. IfiL 242. 
Yanncci 224. 
Varela 2L 82. 
Varenne 245. 
Varigny II. 20. 
Velpeau II. 22. 
Verdi 29. 

Vergniaud 1Q2. 233. 
Vermorel 25L 252. 
Vemey, du, Ifi. 
Verri Ifi. IL 22. 



^ d by Google 



Xamen-Begister. 



271 



Vcrz^fni 144. 
Vespasian II. IL 

Veysset 259. 
Viala 2M. 
Vico 212. 

Victor Emanuel II. ^ 

Vigoni n. lüfi- 

Villafraaca II. 8L 

Villani II. 120. 

Villari 23. 167^ H. fi. 1 

Vincent, St, 192. 

Violet le Duc 12L 

Virchow L 5, Ml 

Virgil 7K m 

Visconti, Ph., IfilL 

Vita II. 23. 3(L 34. 4D. 

Vitellius 122. 

Voigt 208. 

Volaze 

Voltaire Ifi. 80.. IL 25- 



Wallace ISL 
Wallon HL 122, 
Walpole lÜIL 
Walton mi 

Wansittard Neale U. m 
Wapowski m 
Warszawski 132. 
Washington IfiS. 192. 



Weill-Schott 119; U. 82. 19L 

Weissmann 

Wendel 235. 

Wesley Clarkson II. ÜL 

Wieland IM. 

Wilaschenow II. 62. 

Wilhelm von Schottland II. 135. 

Wilhelm III., m. m 

Willems 53. 

Winsor 15. 

Wlassin 

Wollensborg II. 
Wröblewski 25Ö. 



Yung 119. 



Zacher LZ9. 2Ü1 
Zaborowtki 132. 
Zain IL 1£2. 
Zanardelli 128. 132. 222. 
Zanichelti 50. 
Zankow IL 92. 
Zelwakow II G2. 
Zengler 117. 

Zola 29. 33. 12fi. 221; IL 2. 52. 
Zorilla lliL 
Zaccarelli 228. 
Zundelewitsch IL 62. 



Sachregister. 



Adel, Degeneration des, 2L 2ML 
2AL — Geniaütät im, 211. — 
in iUlieniflchen Republiken, II. 
IIIL — Theilnahme an Revolu- 
tionen 232. 

Admonition IUI 209] II. 119 f. 

Advokaten als Politiker II. 222 ff. 

Advokatenregime 220^ IL 231 f. 

AenderuDg der Exiatenzbedigungen 
21iL 

Agrarische Zustande 21Ü. — in 
Italien 202. 

Agrarpolitik in Italien II. 2(^ f. 

Akademie, reaktionäre Tendenz der, 
17. — von Frankreich lü, 

Akademiker, wisseoscbaA liehe Rich- 
tung der, 2d. 

Akademisches Wesen in Frankreich, 
32. 

Alkoholismua 98 ff. — Bekämpfung 

des, U. 2i;if. 
Alkoholisten, Anstifter von Revolten 

II. Ifiä. 
Altersversicherung II. 2Qä f. 
Amtsgeheimniss, Venrath des, II. 

Amnestie II. 112i 
Amnestirung der Kommunarden II. 
152. 

Analphabetismus, politische Bedeu- 
tung des, 121 f. 

LoMHROSO, Politischer Verbrecher. II. 



Anarchismus, Presse des, 2M f. — 
Preasorgane des, 135 f. — Vor- 
wiegen der Verbrechematuren 

im, 253, 

Anarchisten m f.; II. 148, 152. — 
Diebe unter den, 215. — Führer 
der, 256. — Führerlosigkeit der, 
II. 94. — tättowirte, m 
Anatotnie, pathologische irrer Revo- 
lutionäre, IL 3. 
Anklagen gegen politische Ver- 
brecher IL m. 
Antisemitismus 122. — bedingt 
durch Rassendifferenz 213. 214- 
Arbeiter, - Schutz 125 ~ 12L — 
-Koalition, IL 2Q5 f. Fach- 
bildung der, II. 211. — Feinde 
der, Ififi f. — -Versicherung IL 
197-200. 
Arbettseinatellungen II. 205 f. — 

Unterdrückung der, IL 20fi f. 
Arbeitslohn, Fixirung des, IL 12L 
Arbeitszeit IL 12L 
Argentinien, Zustande in, 177. — 

politische Zustände, 22. 
Aristokraten, als Leiter der Revo- 
lution, 2^ 
Aristokratie fi. — Devotion 
für, 2L 

Armee, Unruhen durch die, 1^. 
ArmenpBege II. 203. 202 ff. 

Ifl 



274 



Sachregister. 



Athen ÜS. — Kultur und Revolu- 
tion in, 130. — Häufigkeit der 
Genialität in, II. SQ. 

Attentate 22Ü ff ; II, 122. 129. m 
— Irrer 23 ff. — Vorkommen 
im Frühjahr, 57. 

Aufruhr II. 1.^1. 147. — und poli- 
tische Verbrechen 61. 

Aufstände II. IM. — Ursachen 12. 

Auslieferung II. 179—186. — poli- 
tischer Verbrecher II. 125 bis 
laL 

Australneger, Decadencc der, 21Ö. 
Auswanderung 3ii; II. 201 f. 
Ausweisung II. 156. 170. 
Azteken 71. 



Babismus 212. 
Babu m. 
BaumkultuB 1^ 
Befruchtung, gekreuzte, III 
Begnadigung II. 179. 
Beharruugsgesetz L fi» 
Belgische Rasse lÜS f. 
Berber 21L 

Berge als politischer Faktor fiiL 
Bergvölker fifi f. 

Beruf 23a ff. — Genossenschaft II. 

•><)l. 

Besessenheit 144. 

Bestrafung politischer Verbrecher, 
in China II. lÖß. — in warmen 
Ländern II. 156. 

Bevölkerungsdichtigkeit M. 122 f. 

Bjeguny IfiS. 

Black-legs 182. 

Blonde Rassen f. 

Boden-Ertrag, politische Bedeutung 
des, 85. 

Boeoticn IL 

Boeren 211. 

Boulangismus 32. 



Bourgeoisie, in Deutschland 196, — 
in England, 125. — in Frank- 
reich, IST. — als Faktor der 
Revolution, 245. 

Brahminen, politische Stellung der, 
1031: 

Brahmaismus 14. 

Branntwein-MoDOpoI II. 216 ff. 

Brigantaggio in Süditalien lilL 

Buchstabenschrift, Erfindung der, 
IIL 

Buddha U. 

Buddhismus 19L 

Bulgarien 2111 

Bulle, goldene, II. 123. — Verkün- 
digung einer, II. 182. 

Bundesfürsten, Beleidigung der, II. 
122. 

Bnreaukratie II. 240. 

Bürgerkrieg II. 131. 

Bürgerthum, Entwicklung des, 167. 

Camorra 149 
Carlisten II. 15iL 
Caroli Capitnlaria II. 112. 
Carolina II. 122. 

China, Misoneismus in, 25 ff. — 
moderne Eultor in, 112. — 
Revolution des Hong Siu-Tsuea 
II. U ff. 

Christenthum, Ausbreitung des, 41. 

— Vorläufer des, 144. 
Cimbrische Ra«se IM ff. 
Circumcision LL 

Civillsation, iu heissen Ländern 48> 

— sekundäre Wirkung der^ 
215. 

Comitien II. 112. 

Concomitanz politischer Verbrechen 

II. IM IT. 
Consoli d arte II. 119. 
Cranks OL 

Crimen majestatis II. 1 20 . 



Sachregister. 



275 



Darlehnska«sen II. 1S&. 

Decretum Gratiani II. 1'^t> 

DekreUlien II. 122. 

Delitti contro la costituzione II. 
1^ — contro 1a patria 128. 

Demetrias, falscher iÜL 

Demokratien. ISi — in Athen 21fi. 

Deportation II. lüCL 174. 

DespotiemuB, Entwicklung in Tief- 
ebenen ifi. 

Dezentralisation II. 221 f. 

DiffereiiziruDg 2. 

Dolichocephalie. in Italien 107. — 

in Frankreich IQZ f. 
Dorer IIL 
Duell 2(L 



Edictum Rotharis II. Hfi. 
Egypter, reaktionäre Neigung der, 
212 f- 

Elberfelder System II. 2ia 

England, Monarchie in, 1fi7 — Be- 
völkerung, 114. 

Englische Revolution, Theilnehmer 
an der, 2i5. 

Entdeckungen, Schicksal der, lä. — 
Widerstand gegen, 1&. 

Entwicklung 2. 

Epidemien von Verbrechen 45. 
Epilepsie, politische, 2Iß f. — unter 

den Anarchisten, 278. 
Epileptiker als Anstifter von £e 

Volten n. Ifia. 
Erblichkeit von Geistesstörung bei 

Revolutionären II. 
Erbrecht U. 132 f. 
Erbschaftsteuer II. 193. 
Erßndungen, Zurückweisung grosser, 

15. 

Ernährung, Bedeutung für die Ent- 
wicklung, 8S t. 
Eroberer-Rassen 65. 



Er2iehung,803;ialeBedeotungder,241. 
Eskimos 43l — politische Zustände 

der, ILIIÖ. 
Expertise, psychiatrische, II. 170. 



Fachbildung der Arbeiter II. 2iL 
Fahnenflucht, Bestrafung der, 11.118. 
Falcidia, Beneficium F., II. 115. 
Familist^re U. m 
Farben, verbotene, 26. 
Felonie II. 120. 
Fenier lä5. 
Fetischismus 12. 
Feuerländer 49, 

Flachland, antirevolutionäre Nei- 
gungen im, Zä. 

Florenz, Zahl der Genies in, II. 20. 

Formation, geologische, SL 

Fortschritt 1 ff. — Durchbruch des, 
23i — Ueberstörzung des, 4£L 46^ 

Frankreich, Orographie, ßfi ö". — 
Parteiverhältnisse in, ßfi. — 
Rassen und politische Richtung 
in, IDfi t — verschiedene Rassen 
in, 1D2. 

Fraiuosen in Indochina 187. — 
Nationalcharakter der, 1£L 

Frauen L — als Regenten, 22iL — 
Betheiligung der — an der Revo- 
lution 154. — -Klubs in Paris 
(1790) 232. — -Emanzipation in 
Russland LüL — geistige Be- 
deutung der, 222. — geringe 
Evolution der, 211. — Impulsi- 
vität der, 221. — Individualis- 
mus der, 224. — in der Kunst 
222. — in Palermo 231* — in 
der Revolution 223. — in der 
französischen Revolution 22L — 
in Petersburg, Coelibat der, 230. 
Misoneismus der, 224. — revo- 
lutionäre in Russland 230. — sla- 



18* 



27G 



Sachregister. 



vische, ^?^0- — Stellung der — 
zum Fortschritt, 28* — Theil- 
nähme am Kommune • Au£stand 
233, — Theibahme an Ver- 
Bchwörungen '22h. — und Cbri- 
Btenthum 22fi. 
Freitag 14, 

Fürsten, Ehrfurcht vor, II 100 f. — 
Funktion primitiver, II. 100- — 
revolutionäre, 213. 



Gallische Rasse 11^ f. 
Uebirge, politische Zustünde in, 23 f. 
üedächtniss. Stratifikation, des 214. 
Gedankenfreiheit II. 139. 
Qeistcskraake, Revolutionäre, U. 1 ff. 

— Rolle der — in politischen 
Unruhen 126 f. — Zahl der, 13L 

Geistesstörung, Zunahme während 
Unruhen IM f. 

Genialität, Abhängigkeit von der 
Bodengestalt, fifi f. — Analogie 
mit der Revolution, 62 ff. — 
Auftreten bei überkultivirten 
Völkern, 212. — historische Be- 
deutung, II. M f. — in Hafen- 
städten, SL — 8-Index der fran- 
zösischen Departemeuta 81L — 
und Entwicklung, 12iL — und 
Republikanismus, 128. 

Genie, Kinfluss in Revolutionen, IL 
M ff. — Entwicklung des, 22D. 
22L — in Revolten, II. 23. — 
Leidenschaftlichkeit des, II. fiQ f. 

— Mangel des Misoneismus des, 
43: IL OL. — Misoneismus des, 
3£L — physische Entstehungs- 
bedingungen des, II. 8d ff. — 
reaktionäre Neigung bei, II. 92. 

— und Neurose, IL 88. 
Gens, als Keim des Staatswesens, 

IL loa 



Geologie s. Formation. 
Germanen vor der Völkerwanderung 
M. 

Geschworenengericht bei politischen 
Verbrechen H. IM. 12L 

Oetreidezoll II. 212. 

Gewiaubetheilignng II. 182. 

Gleichgewicht, politisches, 122 f. 

Grammatik-Fetischismus Id. 

Graph omanie II. 2iL 31, 

Grenzgebiete, Bodenbeschaffenheit, 

Ii- 
Grundrente, Besteuerung der, IL 
194 

Guelfen SQä. — undGhibelUnen 21ä 



Haftpflicht IL 202 f, 
Hainbund HL, 

Hallucinationen, Rolle epidemisdier 

H. bei Unruhen lliL 
Hebräer, politische Verbrechen bei 

den, n. 106. 
Heisee Zone, Revolution in der, 12 i. 
Helden, homerische, 1Ü3. 
Heldenverehrung der Romanen 2L 
Hitze, Einwirkung auf den Charakter, 

41 f. 

Hochgebirge, hemmender Einfluss 
des, 69 f. 

Hoohverrath, Bestrafung des, II. 
102. 133. — in modernen Bepu- 
bliken, IL 12L — im modernen 
Strafrecht, II. 127. — im preussi« 
sehen Landrecht, DL 12& f. — 
in Zürich, n.l2L 

Holland, Bodenverhältnisse, 21iL 

HoBpitalverwaltung II. 187. 

Huahabat 133, 

Hügelland, politische Zustände, fifi, 
Hulfskaasen IL 182 f. 
Humanität 202. 
Hungersnoth äfi. 



Sachregister. 



277 



Hysterie, epideiniBche, bei Revolten 
140. 

HjBteriche Revolationaro II. ^ ff. 

Iberische Rasse f. 
Idioplasma i. 

Idolatrie als politische Verbrechen 

n. m 

Impulsivität, politischer Verbrecher, 

2fiiL 
Indianer ä. 

ludien, englische Politik in, II. IdL 

— europäische Cultur in, 133. 
Indemnität politischer Verbrechen, 

n. 142. 

Industrialistnus V27. 

Industriekrisen, politische Bedeu- 
tung der, 201. 

Inkarcich 6^ 

Initiative in der Gesetzgebung II. 
233. 

Insurrektion 12^ f. 
Intercursus magnus II. 135. 
Interdiktion II. 122. 
Internationale 123 f. 
Intemirung II. IM. 
Invaliditätsversicherung II. 2Ü3. 
InvincibleB lEL 
Iren, Kulturzustände der, 213. 
Irish landpurchase bill II. 190. 
Irland, soziale Zustände, in 6Q. 
Irre im Eommuneau&tand II. 22. 

— Originalität der, II. L 
Irrenanstalt, kriminelle, II. 162. 
Italien, Verfall, 209j II. 255. - ver- 
schiedene Bassen in IQö. 



Janitschareu 190. 

Japan, moderne Kultur in, 112. 

Jesuiten als Königsmörder 243. — 

in Polen 132. 
Jonier III. 



Juden, .icclimatisirung der, llß. — 
Aktivität der, 112. — anthropo- 
logische Merkmale, 116. 117. — 
Geburtsziffer, 117. — reaktionäre 
und revoIutionäreNeigungen der, 
138. — Transformation des 
Typus, 1211 — in Asien 12L 



Kaiser, römischer, II. 113. 
Kälte, Einfluss aiif denCharakter, 4Ö. 
Kampf ums Dasein 2Ü2. 
Kanada, Winnepeg- Aufstand II. 2Qf. 
Kanonisches Recht, Majestätaver- 
brechen im, n. 115. 122. 
Kardinal U. 122. 
Karneval liL 

Kasten-Herrschaft 220. — - Wesen 21. 
Kelpis 12. 

Kelten, rebellisches Temperament 
der, 21L 

Ketzerei als politische Verbrechen 
n. llä. 

Kirche, Bollwerk der Reaktion, IL 
— Trennung vom Staat II. 

Kinderarbeit II. 1B5 f. 

Klassen-Kampf II. 226. — Kampf 
der Gesellschafts-, ISQ ff. — 
-Herrschaft Ifiö ff. — untere^ 
122. 

Klassische Bildung 19^ U. S2 f. 
Klassicismus in der Erziehung II. 
242. 

Kleinindustrie II. 1S5. 

Klericalismus II. 15L 240 — in 
Argentinien IfiL — in Schottland 
Ifia f. — in Spanien IfiS. IM. — 
in Südearopa lüö f. 

Klerus, Theilnabme an Revolutionen, 
232. 242. 

Klima, Bedeutung für die Revolu- 
tion, 42 ff. — Wechsel, Wirkung 
des, 6Sl 



Sachregfiater. 



Knights of Labour lüQ. 

Koalitionsfreiheit II. 205 f. 

Kolonien, kosmopolitische Bedeu- 
tung der, 213. 

Kommune, Führer der, 25fi ff. — 
Massenmorde während der, 147. 

— verbrecherische Elemente der, 
1*^1- 253. — Wahu»iua während 
der, Iii. 

Kompetenz bei politischen Ver- 
brechen II. IZfi. 

Konfiskation II. 12L IM. 

König, gottlicher Ursprung der, II. 
1Ü2. 

Konigsmörder 22ü ff. — irre, II. 

23 ff. — Mysticismus der, II. Z4. 
Königsraord II. 103. LIiL III 
Konigawnrde in Rom 184. 
Kouservative, Gegner der Genialität 

II. afi. 

Kooperation II. 184—186. 
Kooperativgenossenschaften II. Ifi&f. 
Körperlänge und Genialität 85. 
Korsika, öffentliche Zustände in, II. 

221 f. 
Krao L 

Kreideformation, Bevölkerung der 

— in Frankreich 82 f. 
Kretinismus 7h. f. 
Kreuzzügo 33. 

Kriege, Ursachen politischer Um* 

«rälzungen, 218. 
Kriminalität der Revolutionen 2&1 f. 

— epidemische 14G. — Um- 
wandlung in Rebellenthum 274ff. 

— und Rcbelleuthum 149. — und 
Genialität IM. 

Kriminalstatistik in Italien Ol ; II. 

2ia f. — in Spanien 3L 
Krisen, ökonomische, 20Q ff. 
Kultur, Entwicklungsgrad der, 2Q8. 
Kulturrassen, Senilität der, 138 f. 
Kunst 12. — staatliche Normen der, 



Laesa mnjestas, Uebergang ins 
Mittelalter, II. 14£L 

Landbevölkerung, politische Rich- 
tung der, 12fi f. 

Landesverrath II. lüL Iii. 

Landschaft, Schönheit der, Zä. 

Landwirthschaft, Entwicklung der, 
12fi. 

Lebensalter, als Faktor politischer 

Unruhen. 2M. 
Lebensmittelpreise und Revolu- 
tionen Si ff. 
Leges barbarorum II. IIL 
Leges Valeriae II. 112. 
Leges sacratae IL 112. 
Legitimisten 21. 

Lchnsweaen, politische Verbrechen 
im, IL im f. 

Lex AUemauuorum II. Llii f. 

Lex Bajuvar. II. lliL 

Lex Sempronia II. 112. 

Lex Quisquis II. 122. 

Litteratur, Bedeutung für die poli- 
tische Entwicklung, 134 — 
polnische, 131 f. — und Miso- 
neismus IS. 

Litthauen, Kultur in, 132. 

Lohnwesen II. 183 f. 

Longrobarden 31L 

Luftdruck ülL ILL 

Luftfeuchtigkeit OL 



Magna Charta 184. 
Mahdismus IIÜ 

Majestas, crimen laesae, II. 113. — 
Begriff der, IL 113 f.; 121^ — 
in Frankreich, II. 12i. — in 
Spanien, II. 12i. — in Toskana, 
n. 12fi. - primi caf itis, II. I2L 

Majestäts-Beleidigungen II. 113. 175. 
— -Beleidigungen in Deutsch- 
land (seit 1871) 213. — -Ver- 



Sachregister. 



279 



brechen in Assyrien II. 102. — 
•Verbrechen in China II. 106. 
•Verbreohen in Mexiko II. 1Ü2. 

— -Verbrechen in Fernen II. 
1Ü2. — -Verbrechen in Bom II. 
113j — Verbrechen bei Natur- 
völkern II. lÜL 

Majorität, Wille der — aU Objekt 
des politischen Verbrechens IL 

Manchesterthum 90^ 
Mano fraterna ISL 
Uano negra 182. 
Manu, Gesetz des, 21. 
Maori II. IDQ. 
MSrtjrer 4fl. 

Martyrium, politisches, TO ff. 
Alattoidismus, £ntstehuug des, II. 
27 ff. — Produkt der üeberkultur 

n. ifia. 

Mattoide, Genies, II. afi ff . — reak- 
tionäre Neifi^ang der, II. 2fi. — 
EevolutioQiire, II. 22 ff. — Soli- 
darität der, n. äL 

Mehrheit, Recht der, II. lia. 

Herovingiana Edicta II. 117. 

Meuterei n. US. 

Mexiko, Kultur des alten, (i^f. U f. 
Mikrocephalen 4. 
Militarismus 22. 30. 
Ministerien, Organisation der, II. 
239 f. 

Minorität, Vertretung der, II. 23& f. 
Mitschuld, an politischen Ver- 
brechen. II. 114. 
Mitschuldige an Verschwörungen II. 

iir). 

Misoneismus L fi.. — Verletzung 
des, II. UL — des Volks Ißä. 

— physiologische Grundlage 
des, I f. 

Missregierung ISä f. 
Mode & 2a 
Molly-Maguire l&L 



Monarchien des Mittelalters, poli- 
tische Verbrechen in. II. 122 ff. 

Moral und Misoneismus Ii f. 

Moralische Irre 2äL — Marat ab 
Typus des — Revolutionärs 265. 

Mord in Xordamerika ß2. 

Mortalität 8fi f 

Münzpolitik m f. 



NachahmoDg , epidemisches Auf- 
treten von, 133. ~ in politischen 
Unruhen 183. 

Narkotica, historische Bedeutung 
der, 212. 

Neogriechen lü 

Neuraathenie, folge der Civilisation 
21fi. 

[ Neurosen bei Revolutionären II. 
Zfi ff. 
Niemoliald 145. 

Nihilisten II. IfiS. — Beru&arten 
unter den, 948 — geborene Ver- 
brecher unter den, 252. — Typen 
der, IL filff. ZÜf. - Verfol- 
gung der, II. 1£&. 

Nihiüsmus 4^ 132. IM. - Rolle 
der Fraueu im, 222. — soziale 
Ursachen des, 60. 

Nordamerika, Kultur-Elemente, HS. 
— moderne Basse in, llü. — 
Unabhängigkeitskampf 190. 

Normanuou iu Italien ^ 

Nomadenvölker, Patriarchie bei, 
21fi. 

Nuper apud Tranum II. 126. 

Oekonomische Verhältnisse, Einfluss 
gegenüber den physischen, 21!L 
Ohrmuskeln 4^ 

Orthographie, französische, 32. 
Ostracismus II. lOH. 



280 



Sachregister. 



Pädagogik II. 2il f. 

Palastrevolutionen 238. 

Paris, Degeneration in, 12L 

Parlament, Schatz des, II. ISSL 

Parlamentarismus 20. II. 227. 

Parricidium II. 111- 

Parteiwesen llfi f. 

Patricier-Herrschaft 170 

Patriotismus und politische Ver- 
brechen II. 99. 

Pauperismus 2ül f. 

Perduellio II. HL 113. — im 
kaiserlichen Rom II. 114. 

Petalismus II. llü. 

Petrolösen 233. 

PhiloneismuB 22 fT. 

Physiognomie irrer Revolutionäre 
II. 

Plebs, politische Stellung der, 1^ 
Polen, Civilisation in, 8£L — Kultur 
in, 113 f. — Einwanderung nach, 
113. — im Kommune-Äufstand 
— Königswahl in, IfiL — 
Rassenkreurung, 112. — Rasse 
und Institutionen, 13D. — geo- 
graphische Lage, 130- — Russen* 
hass der, 212. 914. — Universi- 
täten, 13L — Untergang, 212. 
Politik als Maske gemeiner Ver- 
brechen II. IM- — Misoneismns 
in der, 20 fT. — in Nordamerika 
22 f. 

Politisches Verbrechen, aus sozialen 
Motiven, II. 148. — Bestrafung 
des — in Indien II. 103. — Defi- 
nition des, II. Ifi2f. Ißä. — 
Elemente des, II. 144—146. — 
evolutionäre Auffassung des, II. 
142» — Exceptionalität des, II. 
12L — in absoluten llonarchicn 
II. 101 f. — im germanischen 
Recht n. 115. — in Griechen- 
land II. 101 ff. — in italienischen 
Städten II. 112 f. — im modernen 



Strafrecht II. 12L — in Ron» 
IL III f. — individuelle Fak- 
toren, 222 ff. — Indemnität, IL 
142 — moderner Begriff des, 
IL m — Objekt de«, H.lifif. 

— Prophylaxe des, II. Sä. 

— VfirwandtBchafl mit ge- 
meinem, IL 142 f. — Wese» 
des, II. 143. — und Patriotis- 
mus, — unter Louis Philippe 
138 f. 

Politische Verbrecher 24. — Aus- 
lieferung der, IL 135. — Ge- 
legenheitsverbrecher II. 5fi ff. — 
geisteskranke, Repression der,. 
IL 161—164. — mattoide IL 
161—164. — Strafmündigkeit 
der, II. UL 

Politische Bewegungen iä ff. 

Polverina II. 12fi. 

Praetorianer-Aufstände 206. 

Proditio II; HL 113. 

Presse, politische Rolle der, IM ff. 

Press Freiheit II. 161. — Vergehen 
II. IfiL — Vergehen, Statistik 
der — in Frankreich 189. 

Priesterherrschafl im Alterthum 24. 
25. 

Programm der Sozialdemokratie 200. 

Proletariat, Lage des, 23. 

ProDunciamentos II. IM. 

Prophetenthum 129. 

Prophylaxe, des politischen Ver- 
brechens, IL ilS. — wirthschaft- 
liche IL 181—211. 

Prostituirtc während der Kommune 
22i •>4T 

Protestantismus in Frankreich 31^ 
Prudhommes IL 202 f. 
Psychologie der Revolutionäre 254 f. 

Quellenanbetung 12 f. 



Sachregister. 



281 



Basse, Bedeutunpr für politische Be- 
weguDgoD, lli2 ff. — und Ge- 
nialität m f. 

Rassen-Frage, politische Bedeutung 
der, II. 21fi ff. — Gegensätze 
122 f. — -Kreuzung Ui f. — 
-Mischung 212^ — Zusammen- 
leben fremder, 212 f. 

Reaktion, legitime, 186. 

Rebellion, mehr Gegensätze als Be- 
rührungspunkte mit der Revo- 
lution 21S. 

Rechtswesen, Korruption des mo- 
dernen, 22> 

Referendum II. 252. 

Regierungsform , Angriffe auf, II. 
HL 

Religion, als politische Macht, II. 
1^ f. — Bedeutung der, II. Uä. 

— entstehende, 21L 212. — 
•Stiftung in Neuseeland II. 15. 

— und Mifloneismus IL — und 
Revolution 19Ö f. — -Vergehen 
II. 1Z5. — während der fran- 
zösischen Revolution 12L 

Renaissance, deutsche, 144. 

RepubUk unter Cromwell 3L — 
Republikanismus in Frankreich 
66—69. Z4. 81-^4. 107-112. 

Revolten ML — arm an Genie« II. 
aa. — Erfolg der, 4Ö. — Theil- 
nahme der Frauen an, 2äl. — 
veranlasst durch Bagatellen 21fi. 
Unterscheidung von Revolutio- 
nen II. ff. — Ursacheu 5S f. 
2QQf. 

Revolution 39 ff. — Ausbreitung 
der, IL — chinesische II. Ii ff. 

— Einfluss des Genies in der, 
n. M ff. — in Europa 6^ — 
englische ^ — flandrische 42. 

— französische, Bourgeoisie in 
der, 2i£L — französische — Ein- 
wirkung auf Staatsrecht II. 125. 



— französische (von 1789) IL 

— französische (von 1848) IfiO. 

— gewaltsame Durchführung, 45. 

— Mischform, 4L — parallel 
den Verbrechen IM. — phy- 
sische Faktoren der, 207. — 
religiöse, II. 148. — und Revolte, 
Unterschiede, 222. II. SL ~ 
Unterschied von Rebellion, 152. 

— Ursachen, 42. — verfrühte, 4L 
Revolutionäre, geisteskranke, spe- 
zielle Fälle, II. 1 ff. 5 ff. - 
hystero-epileptische, II. 5i ff. — 
mattoide, IL22 ff. — Verbrecher, 
Typus, 263 £ 

Rheinländer, französische Sym- 
pathien der, 213. 
Richterstaud, Stellung des, 24d. 
Rom, unter Cola di Rienzi, II. IQ ff. 

— Verfassung, 173. 
Rothwelsch der Anarchisten 2öS. 
Russen, Empfänglichkeit für die 

Entwicklung bei den, 138. — 
Entwicklung der modernen, 22L 
Russland, Sektenwesen in, 145. — 
Universitäten 230. 



Sachsenrecht II. IIB. 
Saorilegium als politisches Ver- 
brechen II. IQS. 
Satumalien 111 f. 
Schädeltypen in Europa 213. 
Schiedsgerichte II. 2ül ff. 
Schmerz, Wonne des, II. 12 f. 
Schweiz. Verfa^ungsänderungen, 69. 
Seapoys, Aufstand, der, 123. 
Sekten in Kussland 134 f. 
Selbstverwaltung II. 22&. 
Selbstmord Ulf. — politischer, 5Q ff. 
Selektionstheorie 16, 202. 
Senilität der Rasse 2m. 
Senussi ISB. 



282 



Sachregister 



Servilismua, Yoranssetzung politi- 
scher Verbrechen, II. 100. 

Sezessionskrieg ISI f. 

Sicherheit de« Staats II. 1^- — 
äussere, II ; III. — innere, 119 

Sicilien, Bevölkemng, HA. 

Sicilische Vesper 45. 213. 

Siede Partidas II. 12L 

Sitte, Grundlage der Moral, 2i f. 

Sklavenaufstaud IHK 171 

Skopsen I4fi 

Slaven, Kreuzung mit Italienern, 114. 
Solonische Gesetzgebung II. 108. 
Sozialdemokratie ilü f. 
Soziale Frage, politische Bedeutung 

der, II. LHi 
Sozialismus, revolutionärer, 904. — 

Staats-, n. 1B8 ff. liVL 2Ü5. 
Spanien, Reaktion in, liL 
Spartaner IL 

Stadtbevölkerung 12L, — Geniali« 
tat der, 12h. — revolutionäre 
Neigungen der, 239, 

Stadtmauer, Uebersteigen der, II. 
119 120. 

Stadtrepubliken, italienische, 177. 

— italienische, politische Ver- 
brechen in den, III f. 

Standgericht II. 155. 

Staats-Gebiet, Integrität des, II. 
liü f. — -Geheimnisse, Verbrei- 
tung von, n. 125. — -Geheim- 
nisse. Verrath von, II. Ilfi. 130. 

— -Oberhaupt, Angriff auf das, 
II. m. — -Oberhaupt, Ver- 
brechen gegen die Person des, 
II. 128. — -Sozialismus II. IfiS 
—192. — -Verbrechen, Umfang 
der, II. 139 ff. 

Status nascendi der Institutionen 
21L 

Stein- Anbetung 12^ — -Werkzeuge 
13. — -Zeit, moderne Spuren 
der, 13. 



Steuerpolitik 138 f. ; II. 193. 
Stimmrecht, allgemeines. II. 232 f. 
Straf-Abstofung II. 123. — mündig- 

keit politischer Verbrecher II. 

IM 

Strafen, für politische Verbrechen, 
II. 133— 181. — spezielle — für 
politische Verbrechen IfiS f. — 
temporare — für politische Ver- 
brechen U. 121 f. 

Strike* 2ÖL 203i n. 12fi. — Kampf 
mittel der Internationale 179. 
— Parallelismns mit dem po- 
litischen Verbrechen II. 1^ — 
Verbreitung von, ML 

Stundisten 1A5. 

Südamerika 55^ 

Südeuropa, Volkscharakter in, 50. 
Suggestion, Einfluse der — auf die 

Menge, II. IfifL 
Summepiskopat des Königs II. 123. 
Symmetrie lä. 



Tabu II. IM. 

Theokratie 22; H. löl. — der 

Hebräer II. 105 f. 
Thenening, politische Bedeutung 

der, 90 f. 98. — s PoUtik 92. 212. 
Todesstrafe II. ILL 
Tolteken TL 

Toskana iL — Kevolten in. 5i. 
Trades-Unions 180i H. 188. 
Tradition, Wirkung der — in der 

Revolution 183. 
Trockenheit der Luft, erregende 

Wirkung der, ßi. 
Trunksucht U 21Ü ff. 
Türken, Invasion der, ^ ff. 
Tyrannenmord in Griechenland 21L 

Unruhen 5L 52. 

Unempfindlicbkeit der Verbrecher- 
naturen 2ßL 



Sachregister. 



Yaiiftltilitit d«r Arten 8, 
Vamtionm, «llinililiohe, 88 t 

Veltlin 76. 

Venedig, politisches Sj'stem in, 175 f. 

Yerbrecben, gegeu die Person uod 
politische, 60 f. — gemeine, bei 
Aufttlndein, II. 168 f. ge- 
meine, mit politischen Zielen, 
II. 153. — gemischten Charak- 
ters TT 153 soziale, II. 147 f. 
— und üntwitkluDg 152 1, 

Verbreeher, «ntihropologiBdM Untar* 
enoluing der, IL 158 f. — Auf« 
treten dar — en Aaftuag der Re- 
Tolationen 150. — geborene, 
148. — geborene, Neigung der— 
cur Rebellion 148. — Gelegen- 
heita-T. II. 164 f. —geniale— in 
der Politik IT. 168 ff. — -Ne* 
turen in dieir Revolution von 
1798, 258 ff. — -Naturen, Theü- 
nahme der — an politischen Be- 
-weguugen S61 iL — ünempfind- 
UdüMit der, 861. 

Vererbung, kontr^'re, 240 

Verfassung, Schutz der, II. 129. 

Verfrühnng der Kevolution 184. 

Terkehrsw^e, politische Bedeutung 
der, 80. 



283 

Teraehw5niQg IL 147. 174^ — Be- 
Btmfnng der, 180 f. 

Versicherung der Arbeiter IL 107 

bis 201. 

Verträge, internationale, II. 13ti f. 

Vis incrtiae 1. 3. 6. 

VSlkerwendening 34 ff. 

Volksinitiative II. 178. 

Volkstribunal 173 f. 

Volksvertreter il. 136. — Alter 
der, 236. — Inkompatibilität der 
Stellung der — IL 887, — In- 
demniat der, II. 287. 



Wahlen in Frankreich 65 f. 
Wiblentbaltang u. Bodengeatelt 74. 

Wallonen 102. 

Wifdertäufer Ml. 

Wissenschaft und Uisoaeismus 15. 



Yankee, Nervosität der, 136 f. 



Zentralisation IL 224. 
Zw81fbfeM3eaeU n. III. 



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Inhaltsverzeichniss. 



I. Band. 

Erster Theil. 

Anthnfolosle waA Soziolofle im pdllllielwi fmehnAtm 
9mA 4er S«velitl«MB. - 

Intet Itpltel* Vit üurÜae tmd Fortschritt. — üfMonkMMWt. — 2MIv 
MeiMUM. — SembiHon tmd Becotie. • 

L Vis inertiae und Fortschritt t 1 

1. Forttobriti — S. Hie vi» inertiee in der oi|;M»ucheii 
Welt. — 3. Das Beharmngiigesets in der noraliseiieB Welt 

IL Hitoneismas 6 

1. Einleitung. — 2. Misoneismus in den Uewohnheiten. — 
3. WsoiHiniiis in der BdigioD. — 4, MisoBeii m w in der 
Xond. 6i. Xisooeismu in der Wissensoliaft. ^ 5. IBsanais' 

mu9 im littcrarischen Leben. — 7. Xisotieismas in der Kunst. 

— 8. Uisoneismus in der Mode. — 9 Mi?ioneismus in der 
Politik. — 10. MifioneismuB im Strafrecht, Heilijfkeit der iSitteu. 

III. Pbiioueismus 27 

IV. Revolutionen nnd Bevolten 89 

1. Fundament des politischen Verbrechens. — 3. BerolntUmen 
etc. — 3. Miscbfonnen. — 4. Ifethode. 

Zweites Kapitel. Klinta und meteorologische Verhältnisse 47 

I. Uebermässige Hitze. — 2. Kälte. — 3. QemiUsigtes Klima. 

— 4. Jahreszeiten. — 5. Jahreszeiten, soziale Ursachen eto. — 
6. Qeofrraphie de« poUtisehen Verhreflliens. 7. Bedehnagan 
swiseben politischen oad niob^litisahen Vergehen. — 8. Ana> 
logien mit der OenialitSt. — 9. Luftdruck nnd barometrisdie 
Schwankungen. — 1<). Trockenei und feuchtes Klima. — 

II. Berg- und Hügelland. — 12. Bcrgland. — 13. Hemmeudcr 
Einfloss sehr bedeutender Bergbühen. — 14. Unzugänglichkeit. 

— 15. Bmflwa des Kretinismus. 16. Plachland. ^ 17. Boden- 
gestaltnng; HBfen; VerhehrswCfe. — 18. Geologische Ver- 
hältnisse. — 19. Bodenertrag. — 20. Oesundheitsverblltnissa 
und Körperlänge; Mortalität. — 21. Mortalität. 



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ItihtltoTfrufiohwiwL 



285 



BMm 

MtlN lipHeL Ernährung. - Theuenouß. - MkohoUmM 89 

1. Emährnng. — ^ R-n-oIution. — 3. Tbeuentng. — 4. Alkoho- 

lisiuus. — 6. Alkoliolisrniis und EntwicIcluD^. 

Tiertes Kapitel. Geniaittat, Kultur, Kriminalität und \i alnusinn 

iiMerhalb einer Bevölkerung f 102 

1. Rmm. — 9. Bmm und Oeidalitit. — 8. BttMokrewon^. — 
4. RasMDgvgaiuits. — 5. Dichtigkeit der Bevolkemng. — 
ß. Bezielmng"en zur Genialität. — 7, Fortschritt der Land- 
wirthschaft und Industrie. — 8. Kultur, elementare» Wiaaen. 
— 9. Geuiaiität. » 10. Prewe und Litterator. — 11. En- 
dwnlicha vaA «pid«oiiMhe 0«ii«fligUiraiig«a. — 12. StXbtA- 
BodL >~ 18. Haltaniiirtionen. — 14. EpidMiiiidi« KrinunaUtti 
Ift. MwiAkhuig. — 16. Xrittinal-Stotiilik. 

Haftes Kapitel. Soeüät, Utofiomische und politische FcMoren 168 

1. Der Kampf der vpr<9rliif'<!t'npn Oe'^eHorhaft-klAgsen um die 
Suprematie, — 'i. Klassenherrschaft. Pnesterberrachafl. — 
3. Patricier. — 4. Sklaven. — 5. Niedere« Volk. — 6. Gleich- 
gewidbt der Ifltwen. — 7. Fuieien und Sekten. — 8. Nadi- 
■hmung. — 9. Hbtoiiiche Tradition. — 10. öneiigepaMte oder 
verfrühte Eeformcn. — 11. Schlechte Begfierung. — 12. Mili 
• tSrische Unruhen. — 13. Relisrionen. — 14. Wirthschaft liehe 
Unachen. — 15. Steuern und Müniesystem. — 16. Wirth- 
MthalUidie Kzinn. — 17. Pauperiamne. — 18. Vertheilmig. 

SedutM KipitcIL huuferirmute fmd oetariomtb Mbmmtte 907 

1. Rüileitnng. — 8. KoUnxitiife. — 8. SeniliCit. — 4. Aende- 

rung der Umgebung. — 6. Status nascendt. — 6. Einfluss 
fenistebender Rassen. — 7 Analopfe Wirkung differenter Pak 
toreu. — 8. Sekundäre Wirkungen der Cirilisation. — 9. Kleine 
Unaoheo. — 10. Bereiten. — 11. GegeoaitM. — 12. Gelegen- 
Imtramchen. 18. Kriege. ^ 14, GeniaUai 

8iab«itM Knpltol. biüviduau Fakiorm: OetdOeeM, AtUft Stand 

und Beruf 998 

I, Oeschleoht. 

1. Die Frau in der Entwicklung der Künste, Politik etc. — 
9. Die i^'rauen im Cbriateothum. — 3. Die Frauen in der 
fransfiliaohen Serolation. — 4. Die reTolation8fe& Fnven 
RoMknds; weitere Anenabmen. — 6. IMe Franen in den Be> 
Tolten. 

U. Alter 234 

1. Jugend. — 2. Alter der Rebellen. 
m. Barnf 888 

1. Binleitoog. 9. Adel mid Xlenia. ^ 8. Bonigeoliie vnd 

Ftoletariai, — 4. H5liei« Bemftarten. 



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286 



InhalttTttTMicbiilst. 



Acitot Kapitel« JHdMMOeFaklmns IMMuMlr« wnd poHtiatks 
JUbeUm, (06barene Verineher. — MonOigA Im.) Sftl 

1. Kriminalität. — 2. Die anarchistische Partei. — 3. Psycho* 
loffie. — 4 Impulsivität. — 6. Emotive Unempfindlichkeit. — 

6. Moralisch Irre und Verbrechernaturen. — 7. Königsmörder. 

— 8. Förstes and Düttatorcn als verbreuhensohe Kevolu- 
tiooSre. 9. Umceaitaltang dar kriminellen AnUig» in pofi- 
(iwliei 7erbredMrtlk«n. — 10. PoUtitciie 

II. Band. 

Erster Theil. 

JLutbropoIof ie nnd Sozlolofle des poUUsdien Verbreclieiis 
«ai 4er BvniMiiomm» (Povtaeteung.) 

Nemtes KupiteL Indiciduelie Faktcren; geusteitkraHke politische 

F<r^<cÄer. 1 

1. Einleitang. ~ 2. Pathologische Anatomie. — 3. Physio- 
gnomie. — 4. Erblichkeit. — 5. Formen des Irreseins. — 6. Indi- 
viduelle Fälle. — 7. Königs- nnd Präsidentenmörder. 

Zehntes Kapitel. ItuUvidtuUe Fuktoren. — MattoHe Folitiker. — 

IndürdOtr St^lmari. — Hyttoro-epileptiaiket JWvwm... .* S7 

1, Kerkmale. — 9. Verfolgangifiehtige Hatioideii. — 8. Ibt- 
toide Genies. — 4. Perversion des moralischen Gefühls. — 
5. Indirekter Selbstmord. — 6. HjitenhqpUeptiache Aitniiitio. 

7. Litturarische Schilderung. 

Elfte« Kl^itel. IndicidueUe Faktoren: rolitiscJte GekgenheiUi- und 

XcMloNadkn/itoecfAreeAcr 58 

1. Getogeiibeitsverbrecher. — 2. Verbrecher aus LoiclmtoliaA. 

— 3. Alter und Geschlecht. — 4. Psychisches Leben. — S.Nea* 
rosen und Psychosen. — 6. Leidcn^irbaftliche Genies. 

Zwttlfles Kapitel. Einfiuss des Qetuoi auf die Mevolutionen 84 

1. Genie, — 2. Ctonia mict Neerow. 8. PijiAiMlie Kii> 
stehnngsbedingongen des Genies. 

Dnlzelintefi Kapitel. BebdUon und JUfOkriüm, ihn Amaio$im 

und ihre Unterschiede *.* 94 

1. DifiiNrenzen. — 2. Analogien. 

Zweiter Theil. 
Julqiiiitou. Oebonomfsctae, soziolr Tind |K»lltl8Gii6 Propliflezo 
des politischen Verbrechens. 

Entes Kapitel. Juristische Fragen. — Geschichtliches 99 

1. Patriotiamut und Servilität bei primitiven Völkern. — 2. Das 
Yerbreohen in den entm abiolnteii Mo n a re lri e i t . — 



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IiünlttveneiohiuM. 



287 



8. Die politiidieii Vertoeeher in OrieekenUmd. — 4. D!e 

polituchen Verbrechen in Rom. — 5. l^barisches Recht. 
<?. Recht der itnlif^nischen Kommunen. — 7. Ffiidalrechf — 
8. Kanonisches Kccht. — 9. Eoropäische Monarchien. — 
10. Einwirkongen der fnnsMsohen Revolution und beginnende 
BefiDfiBMi. 11. ModenM 8tim%eMtBb8(dMr. — 12. Strafen. 
— 13. Auslieferung. 
Xweiteü Kßpftel. /i<m^v,/,,r Thcil. -~ Strafen 12$ 

1. Juristische (Jrundlage des politischen Verbrechens. — 

2. Wnentlicbe Elemente des Verbrecheni. — 3. Objekt des 
Yerbredienk 4. Sonal« und leGgioie Vertneebeo. ~ 5. Dd> 
finition. — 6, Qemiidhta Veifdien. — 7. OonoMDitirNkde 
Umstände. — 8. Strafen. — 9. Geborene Verbrecher. 
10. Irre und Mattoide. — 11. Gelegenheitsverbrecher. — 
12. Leidenschaftliche und geniale Verbrecher. — 13. Spezial- 
ftrafen. ~ 14. Temporlre Stnfe. — 15. Strnfiibetufang. 

16. KompoCenB. 17. Andiefenuig. 

Mttai Kapitel. Piäventivmaassregi^ g^gm 4af poUttiCke Ver- 
brechen. Wiyih.^-linftUche Prophylaxe 181 

1. Die soziale Fmpe. — 2. Ersatzmittel des Lohnweaens. — 

3. Kooperation. — 4. Feinde der Arbeiterklasse. — ö. Qenoaaen* 
aehallen so gegenseitiger HfiUb. — 6. StaaiiaorialjamBt. — 

7. Brbraoht. — 8. Stenenyatem. — 9. ArbaitanoAratc. — 
10. Staataveniichening. — 11. Auswanderung. — 12. Haft- 
pflichtgesetz. — 13. Invalidität and Alter, - - 14. Der Staat 
und die Koalition. — 15. Prudhommes. — 16. Agrarkrisen. — 

17. Armenpflege. 

(Phi/sim he, politische mä totidk Faktortn.) 911 

1. Physische Faktoren. — 2. Ernährung. — 3. Alkoholismus. 

4. Bassengegensätze. — 5. De'^ontraliaation. — 6. Politische 
Verbindungen. — 7. Kampf um das politische Uebergewicht. 

8. Ftarlamentannm». — 9. Allgemainaa Stimnoeobt— ]0.]OaiaMi> 
Tirtntang. ^ 11. Yartratang dar Uinerititi — 12. Alter dar 
Deputirten. — 13. Indemnität. — 14. Inkompatibilität. — 
15. ünb"«inl(1ete T^pjrfithe — 16. Technische Ministerien. -- 
n. Formalismus. — lö. Klerus. — 19. Berafsbildong. — 
20. Erziehung. — 21. Ricbtentend. — 22. AdTokntnr dar 
Sobwneben, 28. AnpaeanngifSliiglceit der Oeeelie. 91 Beebt 
anf Initiative nnd ,Referendnm<*. — 25. nnlnin. 



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Druckfehler. 



I. Band. 

Bette 210» Zeile 16 von oben lies: Spencer statt Ssencer. 

U. Band. 

Seite 35, Zeile 9 von oben lies: Friedreii hs statt Friedeicbs. 
„ S6, „ 16 „ „ „ Sandon statt Saudoo. 
„ 94, „ 8 von unten « Bevolution Btatt Revolte. 
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MitttklUY (550-1551^ . 
Neuere 'At it (liKVI -niNi) 



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lio^iiioi). Uerzugowina, Serbiuu i). lt(U{;arieii... 

Polen (mi— laSO). 




). 8. Eaglin«! ond Sehottbnd 

Irland..- ... Skandinavieu 
£urop. Russland • • • (179] _ 1880). 



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Tafel IV. 



Vertheilung der Frequenz der Rew 




otiofien in Europa (1791—1880). 






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18. StUBclNS una ntiiUreB luma 


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83 


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14> Bimp. Tftricfli ...... 


28 


4« 


27 


15. Spanien 


9H 


56 


33 




29 


5« 


51 


17. Schweiz , . ... 


24 


80 


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18. OriecbeDland 


1» 


95 


80 



Rp«»lDtlraiMi «aflO KlUloam 







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15 , 80 


• • » ■■> « 


80 , 45 




45 , 80 


60 „ mehr. 





Hamburg. 



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itiscb. 



Fig. 3. - KATte der OenialitAt in Frankreieli w&hrood eines Jahrbtmdert«. 



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Tafel VII. 



Die determmirende» Motive der Aufstände in ihrer VerikeHunff 
auf die eur^iscke» JfationeH (i79a—J8B6). 



cf © • • 

cf et o O (? 
6 6 6 6 6 
^<P 6' 6* tP 

Spuoicn 
und PortuipkI. 



OO cf 5 

cP <f 6 ö 

ff cP <P «f- 
ö <P <S ' <P <P 



6 6 6 cf 
6 6 6 6 6 

^ cP <P 6 

niMl (lrieclt«iilMMl. 



cP 6 6 Cf 

Boanien, 8erbi«a, 

HerKisr'iwiii-i ni»U 
Uulgaricu. 



© 0 0 • • • 

cfcfcJ©© 00000 

ö COO CT OO d* 0 S • • 

<P tP tp & <S <P<P<POO <P <P <P d d 6d(SOO 

Frankreich. ll«lirlcii 8cbw«li. Denlaehtaiitl. 

mil Hhnleriaiid». 



O 0 0 • • 

cT o' 0 0 O 

& OO ^ & o d OO cPöS & 6 a 6 

Ocvtcrrciili- K^^land SkandilUiTlcn. Rutmlniitl 

l ntCHrn. und Irlaud. uu«l Pul«;u^ 



6 miilairiwbe « 
d ReltglSM « 
O HaD8«naolli. 



C/ Aiidcrf^ itkoiioniisctiv UrtuicLcn. 

0 Arb«iter-Verbäliiiia«e. 

$ Btndentni'Bevcgiuisea- 

• VeracMedciw UnuMslien. 



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Tapei, VII r. 

Moralisch-Irre und Mattoi'de. 




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Taff.!, IX. 

Revolutionäre und Königsmörder aus Leidenschaft. 




7. Mlr«b«-:ia U. lUktiniti. 15». Tuchcroyachcwiiky. 20.""Fcit<?. 

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