DAS DENKEN IN DER
MEDICIN: REDE
GEHALTEN ZUR
FEIER DES
STIFTUNGSTAGES...
Hermann von Helmholtz
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Das
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)enken in der Mediän.
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Rede
gehalten
' Feier des Stiftungstages der militairärztlichen ßildungs-
Anstalten am 2. August 1877
von
Dr. H. Heimholte.
eitc Auflage,
neu durchgearbeitet.
Berlin, 1878.
Verlag von August Hirschwald.
N.W. Unter den Linden 68.
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* Hochgeehrte Herren!
Schon einmal, vor 35 Jahren, habe ich am 2. August vor
einer ähnlichen Versammlung, wie die heutige ist, in der
Aula dieses Instituts auf dem Katheder gestanden und einen
Vortrag über die Operation der Blutadergeschwülste gehal-
ten. Ich war damals noch Eleve des Instituts und gerade
am Ende meiner Studienzeit. Da ich nie eine Blutader-
geschwulst hatte operiren sehen, so war der Inhalt meines
Vortrags freilich nur aus Büchern compilirt; aber Bücher-
gelehrsamkeit spielte damals noch eine viel breitere und
angesehenere Rolle in der Medicin, als man ihr heutzutage
einzuräumen geneigt ist. Es war eine Zeit der Gährung,
des Kampfes zwischen gelehrter Tradition und dem neuen
naturwissenschaftlichen Geiste, der keiner Tradition mehr
glauben, sondern sich auf die eigene Erfahrung stellen
wollte. Meine damaligen Vorgesetzten urtheilten günstiger
über meinen Vortrag als ich selbst, und ich bewahre noch
die Bücher, welche mir dafür als Prämien zu Theil wurden.
Die bei dieser Gelegenheit sich mir aufdrängenden Er-
innerungen haben mir lebhaft das Bild des damaligen Zu-
standes unserer Wissenschaft, unserer Bestrebungen, unse-
rer Hoffnungen zurückgerufen und mich vergleichen lassen,
■ was damals war, mit dem, was daraus geworden ist. Viel
ist geworden. Wenn auch nicht Alles, was wir gehofft
hatten, erfüllt wurde, und manches anders, als wir gehofft,
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so ist auch manches geworden, auf das wir nicht
gewagt hätten. Wie die Weltgeschichte vor dei
unserer Generation einige ihrer seltenen Riesensch
macht hat, so auch unsere Wissenschaft; daher <
Schüler, wie ich, das einst wohlbekannte, damai
matronenhafte Antlitz der Dame Medicin kaum
erkennt, wenn er gelegentlich wieder in Beziehung
tritt; so lebensfrisch und entwickelungskräftig is
dem Jungbrunnen der Naturwissenschaften geworden
Vielleicht ist mir der Eindruck dieses Gcg
frischer geblieben, als denjenigen meiner niedi«
Altersgenossen, die ich vor mir als Zuhörer vei>
zu sehen heute die Ehre habe, und die, in dauern
rührung mit der Wissenschaft und Praxis geblieU
den in kleinen Stufen sich vollziehenden grossen
rungen weniger überrascht und betroffen sein möger
wird Ihnen gegenüber meine Entschuldigung sein
ich von der in dieser Periode vorgegangenen Metann
der Medicin rede, deren Entwickelungsergebnissc i
zelnen Sie selbst freilich besser kennen werden i
Für die Jüngeren aber unter meinen Zuhörern möc
den Eindruck dieser Entwicklung und ihrer Ui
nicht ganz verloren gehen lassen. Wenn diesclli
legentlich in die Litteratur jener Zeit einen Blick i
so werden sie dort einer grossen Zahl von Sätzen
nen, die ihnen fast wie in einer vergessenen Spra<
schrieben erscheinen müssen, so sehr, dass es inner
ganz leicht werden wird sich in die Sinnesweise die
wenig hinter uns liegenden Periode zurückzuversetzu
liegt eine grosse Lehre über die wahren Principien n
schaftlicher Forschung in dem Entwickelungsgan^
Medicin, und der positive Thcil dieser Lehre wird
leicht durch keine vorausgehende Zeit so eindringlich ge-
predigt, wie durch das letzte Menschenalter. Da mir selbst
zur Zeit die Aufgabe zugefallen ist diejenige von den
Naturwissenschaften zu lehren, welche die weitesten Ver-
allgemeinerungen zu raachen, den Sinn der Grundbegriffe
zu erörtern hat, und der deshalb nicht unpassend bei den
englisch redenden Völkern der Name der „Natural Plii-
loxophy" geblieben ist: so fallt es ja wohl nicht zu weit
t aus dem Kreise meiner Berufsaufgaben und meines eigcnt-
% liehen Studiums, wenn ich es unternehme hier von den
. Principien wissenschaftlicher Methodik für die Erfahrungs-
/ Wissenschaften zu reden.
y Was meine Bekanntschaft mit den Gedankenkreisen
\ der älteren Medicin betrifft, so hatte ich dazu ausser der
e allgemeinen Veranlassung, welche für jeden gebildeten Arzt
*. vorliegt, der die Litteratur seiner Wissenschaft und die
1 Richtung, sowie die Bedingungen ihres Fortschreitens ver-
stehen will, noch eine besondere, da mir mit meiner ersten
i Professur in Königsberg vom Jahre 1849 — 1856 die Auf-
f gäbe zufiel, in jedem Winter auch allgemeine Pathologie
' vorzutragen, d. h. denjenigen Theil der Krankheitslehre,
. der die allgemeinen theoretischen Begriffe von der Natur
der Krankheit und die Principien ihrer Behandlung ent-
• halten sollte. Die allgemeine Pathologie war von den
Aeltcren gleichsam als die feinste Blüthe medicinischer
Wissenschaftlichkeit angesehen worden. Tn der That aber
hatte das, was früher ihren Inhalt gebildet, für den Jünger
moderner Naturwissenschaft nur noch historisches Interesse.
lieber die wissenschaftliche Berechtigung dieses Inhalts
hatten schon manche meiner Vorgänger den Stab ge-
brochen, wie namentlich kurz zuvor Heule und Lotze.
Letzterer, der ebenfalls von der Medicin ausgegangen ist,
halte in seiner allgemeinen Pathologie und Hiera
mit vernichtendem kritischem Scharfsinne besonde
lieh und methodisch aufgeräumt.
Meine eigene ursprüngliche Neigung hatte i
Physik getrieben; äussere Umstände zwangen mivl
Studium der Mcdicin einzutreten, was mir durch <
ralen Einrichtungen dieses Instituts möglich wurde,
gens war es die Sitte der alten Zeit gewesen, das . v
der Medicin mit dem der Naturwissenschaften zu
gen, und was darin von Zwang lag, muss ich sohl
als ein Glück preisen. Nicht allein, dass ich ii
Periode in die Medicin eintrat, wo Jemand, der tu
kaiischen Betrachtungsweisen auch nur massig bew
war, einen fruchtbaren jungfräulichen Boden zur 13«
rung vorfand, sondern ich betrachte auch das nie«
sehe Studium als diejenige Schule, welche mir ein*
lieher und überzeugender, als es irgend eine andere
thun können, die ewigen Grundsätze aller wissense
liehen Arbeit gepredigt hat, Grundsätze, so einfach
doch immer wieder vergessen, so klar und doch in
wieder mit täuschendem Schleier verhängt.
Man muss vielleicht dem brechenden Auge desSter
den und dem Jammer der verzweifelnden Familien ge«
über gestanden haben, man muss sieh die schweren Fra
vorgelegt haben, ob man selbst Alles gethan habe, was n
zur Abwehr des Verhängnisses hätte thun können, und
die Wissenschaft auch wohl alle Kenntnisse und Hülfsmit
vorbereitet habe, die sie hätte vorbereiten sollen, um
wissen, dass erkenntnisstheoretische Fragen über die }\
thodik der Wissenschaft auch eine bedrängende Schwe
und eine furchtbare praktische Tragweite erlangen könne
Der blos theoretische Forscher mag vornehm kühl dariilw»
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lächeln, wenn Eitelkeit und Phantasterei sich für eine Zeit
in der Wissenschaft breit zu machen und Staub aufzuwir-
beln suchen, vorausgesetzt, dass er selbst in seinem Arbeits-
zimmer ungestört bleibt. Oder er mag auch wohl Vor-
urtheile der alten Zeit als Reste poetischer Romantik und
jugendlicher Schwärmerei interessant und verzeihlich finden.
Demjenigen, der mit den feindlichen Mächten der Wirklich-
keit zu ringen hat, vergeht die Indifferenz und die Roman-
j tik; was er weiss und kann, wird schärferer Prüfung aus-
gesetzt, er kann nur das grelle harte Licht der Thatsachen
brauchen, und muss es aufgeben sich in angenehmen Illu-
sionen zu wiegen.
ifle i
1 Dilti
fei
Ich freue mich deshalb einmal wieder vor einer fast
''(''.Vi'
ausschliesslich aus Medicinern bestehenden Versammlung
^ reden zu können, die die gleiche Schule durchgemacht haben.
^ Die Mediän ist doch nun einmal das geistige Heimathland
^ geworden, in dem ich herangewachsen bin, und auch der
' ^. Auswanderer versteht und findet sich verstanden am besten
5 in der Heimath.
Um den Grundfehler jener älteren Zeit gleich mit
einem Worte zu bezeichnen, möchte ich sagen, dass sie
einem falschen Ideal von Wissenschaftlichkeit nachjagte in
inseitiger und unrichtig begrenzter Hochschätzung der de-
uetiven Methode. Zwar war unter den Wissenschaften
.licht allein die Medicin in diesem Irrthum befangen, aber
j keiner anderen Wissenschaft sind die Folgen davon so
,j jjrell an das Licht getreten und haben sich dem Fortschritt
nit solchem Gewicht entgegengestemmt, als gerade in der
Medicin. Darum scheint mir in der That die Geschichte
dieser Wissenschaft ein ganz besonderes Interesse in der
jEnt\vickelungsgeschichte des menschlichen Geistes in An-
spruch zu nehmen. Keine andere ist vielleicht mehr ge-
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eignet zu zeigen, dass eine richtige Kritik der Erkenn
quellen eine auch praktisch höchst wichtige Aufgal
wahren Philosophie ist.
Als Fahne gleichsam der alten deductiven M
diente das stolze Wort des Hippokrates:
„Gottähnlich ist der Arzt, der Philosoph ist. -
Wir können es schon gelten lassen, wenn w
richtig feststellen, was unter einem Philosophen zu
stehen sei. Den Alten umfasste die Philosophie nod
theoretische Kenntniss; ihre Philosophen betrieben
Mathematik, Physik, Astronomie, Naturgeschichte in
Vereinigung mit eigentlich philosophischen und niel
sischen Betrachtungen. Will man also unter dem
liehen Philosophen des Hippokrates einen Mann
stehen, der vollendete Einsicht in den Causalzusan
hang der Naturprocesse hat, so werden wir in der
mit ihm sagen können, ein solcher wird einem Goti»
lieh helfen können. So verstanden bezeichnet der Si
drei Worten das Ideal, dem unsere Wissensehaft m
streben hat. Ob sie es je erreichen wird, wer u
sagen ?
Aber auf so lange Frist ihre Hoffnungen hina
schieben, waren diejenigen Jünger der Hedicin niel
neigt, die sieh schon bei eigenen Lebzeiten gottähnli
fühlen und Andern als solche zu imponiren wünscht
Man setzte die Ansprüche an den <pih'>oo<po<; er Ii
herab. Jeder Anhänger eines beliebigen welterklär
Systems, in welches wohl oder übel die Thatsache
Wirklichkeit hineinpassen mussten, fühlte sich als I
soph. Von den Gesetzen der Natur wussten ja die
lusophen jener Zeit nicht gerade viel mehr als dir
— 9 —
e Kritik k
s( wichtig
[fen dedor
gelehrten Laien; der Nachdruck ihrer Bestrebungen fiel
also zunächst auf das Denken, auf die logische Consequenz
und Vollständigkeit des Systems. Es begreift sich wohl,
wie es in jugendlichen Bildungsperioden zu einer so ein-
seitigen Ueberschätzung des Denkens kommen konnte.
Auf dem Denken beruht die Ueberlegenheit des Menschen
r Philo>f- üb cr d as Thier, des Gebildeten über den Barbaren; das
lassen, « Empfinden, Fühlen, Wahrnehmen theilt er dagegen mit
i Philo?<'{ seinen niederen Mitgeschöpfen und in Sinnenschärfc sind
I'hi]us«»pt>' jj im man( he von diesen sogar überlegen. Dass der Mensch
>pkfl seinem Denken die höchste Entwickelung zu geben strebt,
runseseM 1 ' ist die Aufgabe, 'von deren Lösung das Gefühl seiner
iVlieii tta-1 eigenen Würde, wie seine praktische Macht abhängt, und
\so unw ein natürlicher Irrthum ist es, wenn man daneben als
s eiflö* gleichgültig behandelte, was die Natur auch dem Thiere
L n Causam- von seelischen Fähigkeiten als Mitgift gegeben hat , und
,, n ivir B wenn das Denken sich von seiner natürlichen Grundlage,
n ] einem f dem Beobachten und Wahrnehmen, glaubte loslösen zu
zeichnet ' : können, um den lkarusflug der metaphysischen Speculation
hM .,Kv.|j,ir zu beginnen.
wird, rr In der That ist es keine leichte Aufgabe, die Ur-
sprünge unseres Wissens vollständig aufzudecken. Eine
f'jjiifltf'n ' ungeheure Menge davon ist überliefert in Rede und Schrift.
M.'di'i» • Diese Fähigkeit des Menschen, die Wissensschätze der
(>n wfiai Generationen zu sammeln, ist ein Hauptgrund seiner Ueber-
VI1 walk '- legenheit über das auf ererbten blinden Instinct und nur
nlfaf*^ individuelle Erfahrung beschränkte Thier. Aber alles über-
welifl^' lieferte Wissen wird schon geformt übergeben; wo der
TJiaistfk Berichterstatter es her hat, wie viel Kritik er angewendet,
s j,.j, ali ! l ^ nunt mcnr zu ermitteln, namentlich wenn die
CO j a ^' 1 Überlieferung durch viele Berichterstatter hindurch ge-
a |ä <I gangen ist. Man muss es auf Treu und Glauben an-
— 10 -
nehmen; zur Quelle kann man nicht kommen, und wenn
erst viele Generationen bei solchem Wissen sich beruhigt,
keine Kritik daran geübt, ja auch wohl allerlei kleine
Aenderungen, die sich schliesslich zu grossen sumrairten,
daran angebracht haben, so werden oft sonderbare Sachen
unter der Autorität uralter Weisheit berichtet und geglaubt.
Eine seltsame Historie dieser Art ist die Geschichte des
Blutkreislaufs, von der wir noch zu reden haben werden.
Aber für den, der über die Ursprünge des Wissens
rcflectirt, ist noch verwirrender eine andere Art der Ueber-
lieferung durch die Sprache, die lange unentdeckt geblieben
ist. Die Sprache wird nicht leicht Namen für Klassen
von Objecten oder für Klassen von Vorgängen ausbilden,
wenn nicht sehr oft und bei vielen Gelegenheiten die be-
treffenden Einzeldinge und Einzelfälle zusammen zu nennen
und Gemeinsames über sie auszusagen ist. Sie müssen
also viele gemeinsame Merkmale haben. Oder wenn wir,
wissenschaftlich darüber reflectirend, einige dieser Merk-
male auswählen und als Definition zusammenstellen, so
muss der gemeinsame Besitz dieser ausgewählten Merk-
male bedingen, dass in den betreffenden Fällen noch eine
grosse Menge anderer Merkmale regelmässig aufzufinden
sind, es muss eine naturgesetzliche Verbindung zwischen
den erstgenannten und den letztgenannten Merkmalen da
sein. Wenn wir zum Beispiel die Thiere, welche von
ihren Müttern gesäugt worden sind, mit dem Namen der
Säuger bezeichnen, so können wir von ihnen weiter aus-
sagen, dass diese alle Warmblüter sind, lebendig geboren
wurden, eine Wirbelsäule haben, kein Quadratbein, durch
Lungen athmen, getrennte Herzabtheilungen haben u. s. w.
u. s. w. Also schon der Umstand, dass in der Sprache
eines intelligent beobachtenden Volkes eine gewisse Aji-
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zahl von Dingen mit einem und demselben Worte be-
zeichnet wird, zeigt an, dass diese Dinge oder Fälle einem
gemeinsamen naturgesetzlichen Verhältniss unterliegen;
schon dadurch allein wird eine Summe von Erfahrungen
der vorausgegangenen Generationen überliefert, ohne dass
es so erscheint.
Ferner findet sich der Erwachsene, wenn er über den
Ursprung seines Wissens zu reflectiren beginnt, im Besitz
einer ungeheuren Menge alltäglicher Erfahrungen, die zum
grossen Theil bis in das Dunkel seiner ersten Kinderjahre
hinaufreichen. Alles Einzelne ist längst vergessen; aber
die gleichartigen Spuren, welche tägliche Wiederholung
ähnlicher Fälle in seinem Gedächtnisse zurückgelassen hat,
haben sich tief eingeschnitten. Und da nur das sich regel-
mässig immer wiederholt, was gesetzlich ist, so sind diese
tief eingegrabenen Reste aller vorausgegangenen Anschau-
ungen gerade Anschauungen des Gesetzlichen in den Dingen
und Vorgängen.
Die beiden genannten Vorgänge verschaffen dem Men-
schen den Besitz einer ausgedehnten Menge von Kennt-
nissen, von denen er nicht weiss, wo sie herkommen, die
dagewesen sind, so lange er zurückdenken kann. Wir
brauchen nicht einmal auf die Möglichkeit einer Vererbung
durch die Zeugung zurückzugehen.
Die Begriffe, die er sich gebildet, die ihm seine Mutter-
sprache überliefert hat, bewähren sich als ordnende Mächte
ich in der objectiven Welt der Dinge, und da er nicht
weiss, dass er oder seine Vorfahren diese Begriffe nach
den Dingen ausgebildet haben, so scheint ihm die Welt
der Dinge von geistigen Mächten, seinen Begriffen ähnlich,
beherrscht zu werden. Diesen psychologischen Anthropo-
morphismus erkennen wir wieder von den Ideen des
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Pluto, bis zur immanenten Dialektik des Weltproceasej
bei Hegel und zu dem unbewussten Willen Schopen-
hauers.
Die Naturwissenschaft, — und sie fällt in der altert"
Zeit mit der Medicin im Wesentlichen zusammen, — folgi.
dem Wege der Philosophie; die deductive Methode scliieL
Alles leisten zu können. Sokrates hatte freilich dif
inductive Begriflfsbildung in der lehrreichsten Weise ent-
wickelt. Aber das Beste, was er geleistet hatte, blieb,
wie es gewöhnlich geht, so gut wie unverstanden.
Ich will Sie nicht durch das bunte Gewirr von patho-
logischen Theorien hindurchfuhren, die je nach wechseln-
den Neigungen ihrer Autoren, meist veranlasst durch dies«
oder jenen Zuwachs naturwissenschaftlicher Kenntnisse, auf-
tauchten und meist, wie es scheint, zuerst von Aerztei.
aufgestellt wurden, die als grosse Beobachter und Heil-
künstler, unabhängig von ihren Theorien, sich Ruhm und
Ansehen erwarben. Dann kamen die weniger begabh-L
Schüler, welche den Meister copirten, seine Theorie über-
trieben, einseitiger und logischer machten, unbekümmert
um den Widerspruch der Natur. Je strenger das System,
auf desto wenigere und desto eingreifendere Methode!
ptlegte sich das Heilverfahren zu reduciren. Je mehr di?
Schulen den anwachsenden wirklichen Kenntnissen gegen-
über in's Gedränge geriethen, desto mehr steiften sie sich
auf die alten Autoritäten, desto intoleranter wurden si-
gegen Neuerungen. Der grosse Reformator der Anatomie.
Vesalius, wurde vor die theologische Facultät von Sa-
lamanca geladen, mit Servetus wurde in Genf auch
sein Buch, in dem er den Lungenkreislauf beschrieb, ver-
brannt, und die Pariser Facultät verbot in ihren Hörsälen
den von Harvey entdeckten Blutkreislauf zu lehren.
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Dabei waren die Grundlagen der Systeme, von wel-
chen diese Schulen ausgingen, zum grossen Theil natur-
wissenschaftliche Anschauungen, deren Verwerthung inner-
halb eines begrenzten Kreises durchaus in der Ordnung
gewesen wäre. Was nicht in der Ordnung war, war nur
der Wahn, dass es wissenschaftlicher sei alle Krankheiten
auf einen Erldärungsgrund zurückzuführen, als auf verschie-
dene. Die Solidarpathologen wollten Alles aus veränderter
Mechanik der festen Theile, namentlich aus ihrer verän-
| derten Spannung, aus dem Strictum und Laxum, dem Tonus
und der Atonie, später aus den gespannten oder abge-
spannten Nerven, den Stockungen in den Gefasscn herleiten.
Die Humoralpalhologen kannten nur Aenderungen der
Mischung. Die vier Cardinalflüssigkeiten, Repräsentanten
der classischen vier Elemente, Blut, Schleim, gelbe und
schwarze Galle, bei andern die Acrimoniac oder Dyscra-
sien, welche durch Schwitzen und Purgiren ausgetrieben
werden mussten, im Anfang der neueren Zeit auch Säure
und Alkali oder die alehymistischen Spiritus und Quali-
tates occultae der aufgenommenen Stoffe waren die Ele-
mente dieser Chemie. Dazwischen spielten allerlei physio-
logische Anschauungen, von denen einzelne merkwürdige
K Vorahnungen enthielten, wie das fytepuror j^uov, die
^eingepflanzte Lebenswärme des Hippokrates, welches
j; 1 durch die Nahrungsmittel unterhalten wird, diese wiederum
Um Magen kocht, und die Quelle aller Lebensbewegung ist;
• hier ist schon die Frage angesponnen, die später von ärzt-
I licher Seite zur Auffindung des Aequivalentverhältnisses
zwischen mechanischer Arbeit und Wärme*), so wie zur
*) J. R. Mayer, die organische Bewegung in ihrem Zusammen-
hange mit dem Stoffwechsel. Heilbronn. 1845. — Die Mechanik der
Wärme. Stuttgart. 1867. S. Anhang.
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wissenschaftliehen Formulirung des Gesetzes von der Er-
haltung der Kraft*) führte. Dagegen hat das *\>tv/u.a
halb Geist, halb Luft, welches man aus den Lungen in
die Arterien dringen und diese füllen Hess, viel arge Ver-
wirrung angerichtet. Der Umstand, dass man in den Ar-
terien todter Körper der Regel nach Luft findet, die freilich
erst im Augenblicke, wo man die Gefässe anschneidet,
hineindringt, verleitete die Alten zu dem Glauben, diese
Luft sei auch im Leben in den Arterien enthalten. Dann
blieben für das Blut nur die Venen übrig, in denen es
nicht cireuliren konnte. Man meinte, es entstehe in der
Leber, bewege sich von da zum Herzen und durch die
Venen zu den Organen. Jede aufmerksame Beobachtung
eines Aderlasses hätte lehren müssen, dass es in den Venen
von der Peripherie kommt und zum Herzen hintliesst. Aber
diese falsche Theorie hatte sich mit der Erklärung der Fie-
ber und Entzündungen so verwebt, dass sie das Gewicht
eines Dograas erhielt, welches anzugreifen gefährlich war.
lndess der wesentliche principielle Fehler dieser Sy-
steme war und blieb doch die falsche Art von logischer
Consequenz, zu der man sich verpflichtet glaubte, die Vor-
stellung, es müsse auf einen solchen Erklärungsgrund ein
vollständiges, alle Formen der Erkrankung und deren Hei-
lung umfassendes System gebaut werden. Die vollendete
Kenntniss des Causalzusammenhanges einer Classe von Er-
sebeinungen giebt allerdings schliesslich auch ein logisch
consequentes System. Es giebt keinen stolzeren Bau des
strengsten Denkens, als die moderne Astronomie, deducirt
bis in die einzelnsten kleinen Störungen hinein aus New-
tons Gravitationsgesetz. Aber einem Newton war ein
*) II. llelmholtz, die Erhaltung der Kraft. 1847. Berlin.
L.
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Kepler vorausgegangen, der die Thaisachen induetiv zu-
saniraengefasst hatte; und niemals haben die Astronomen
geglaubt, dass Newton's Kraft das gleichzeitige Wirken
andrer Kräfte ausschlösse. Fortdauernd sind sie auf der
Wacht geblieben, um zu erspähen, ob nicht auch Reibung,
widerstehende Mittel, Meteorschwärrae Einfluss haben. Die
älteren Philosophen und Aerzte glaubten, sie könnten de-
duciren, ehe sie ihre allgemeinen Sätze durch Induction
gesichert hatten. Sie vergassen, dass jede Deduction nur
so viel Sicherheit hat, als der Satz, aus dem deducirt wird,
und dass jede neue Deduction zunächst immer nur wieder
ein neues Prüfungsmittel ihrer eigenen Grundlagen an der
Krfahrung werden muss. Dadurch, dass ein Schluss in
sauberster logischer Methode aus einem unsicheren Vorder-
satze hergeleitet wird, gewinnt er nicht um eines Haares
Breite an Sicherheit oder an Werth.
Charakteristisch aber für die Schulen, die auf solchen
als Dogmen angenommenen Hypothesen ihr System er-
richteten, ist die Intoleranz, deren Aeusserungen ich zum
Theil schon eben erwähnt habe. Wer auf wohlgesicherter
Basis arbeitet, kann einen Irrthum gern zugeben; ihm wird
dabei nichts genommen, als das, worin er sich geirrt hat,
Wenn man aber den Ausgangspunkt auf eine Hypothese
gestellt hat, die entweder durch Autorität gewährleistet
erscheint oder nur gewählt ist, weil sie dem entspricht,
was man für wahr halten zu können wünscht, so kann
jeder Riss das ganze Gebäude der Ueberzeugungen rettungs-
los einreissen. Die überzeugten Anhänger müssen deshalb
für jeden einzelnen Theil eines solchen Gebäudes denselben
Grad von Infallibität in Anspruch nehmen, für die Ana-
tomie des Hippokrates ebenso viel, wie für die Fieber-
krisen; jeder Gegner kann ihnen nur als dumm oder
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schlecht erscheinen, und die Polemik wird nach einer
alten Regel um so leidenschaftlicher und persönlicher, je un-
sicherer der Boden ist, der vertheidigt wird. Bei den
Schulen der dogmatisch deduetiven Mcdicin haben wir
reichlich Gelegenheit, diese allgemeinen Regeln bestätigt
zu finden. Ihre Intoleranz wandten sie theils gegen ein-
ander, theils gegen die Eklektiker, die bei verschiedenen
Krankheitsformen verschiedene Erklärungsgründe herbei-
holten. Letzteres in der Sache vollkommen begründete Ver-
fahren trug in den Augen der Systematiker den Makel
der Inconsequenz an sich. Und doch waren die grössten
Aerzte und Beobachter, Hippokrat.es an der Spitze,
Aretaeus, Galcnus, Sydenham, Uocrhave, Eklek-
tiker oder wenigstens sehr laxe Systematiker gewesen.
Um die Zeit, als wir Acltcre in das Studium der Mc-
dicin eintraten, stand sie noch unter dem Einflüsse der
wichtigen Entdeckungen, welche Albrecht von Haller
über die Erregung der Nerven gemacht hatte, diese in Ver-
bindung gesetzt mit der vitalistischen Theorie von der
Natur des Lebens. Haller hatte die Erregungsvorgänge
an den Nerven und Muskeln abgeschnittener Glieder ge-
sehen. Das auffallendste daran war ihm gewesen, dass
die verschiedenartigsten äusseren Einwirkungen, mechani-
sche, chemische, thermische, zu denen später noch die
elektrischen kamen, immer denselben Erfolg, nämlich Mus-
kelzuckung, hervorriefen. Nach ihrer Einwirkung auf den
Organismus waren sie also nur quantitativ unterschieden,
nur durch die Stärke der Wirkung; er bezeichnete sie des-
halb mit dem gemeinsamen Namen der Reize, nannte
den veränderten Zustand der Nerven die Reizung, und
deren Fähigkeit auf Reize zu antworten, welche mit dem
Absterben verloren ging, die Reizbarkeit. Dieses ganze
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Verhältniss, welches, physikalisch genommen, eigentlich
weiter nichts aussagt, als dass die Nerven betreffs der-
jenigen inneren Bewegungen, die nach der Erregung auf-
treten, in einem äusserst leicht störbaren Gleichgewichts-
zustand sind, wurde als die Grundeigenschaft des thieri-
schen Lebens angesehen und ohne Bedenken auch auf die
übrigen Organe und Gewebe des Körpers übertragen, für
welche gar keine ähnlichen Thatsachen vorlagen. Man
glaubte, dass sie alle nicht von selbst thätig wären, son-
dern erst durch Reize den Anstoss erhalten müssten; als
die normalen Reize galten Luft und Nahrungsmittel. Die
Art der Thätigkeit erschien dagegen durch die besondere
Energie des Organs unter der Leitung der Lebenskraft bedingt.
Steigerung oder Herabsetzung der Reizbarkeit waren die Ka-
tegorien, unter welche die sämmtlichen acuten Krankheiten
subsumirt und aus denen die Indicationen für schwächende
oder erregende Behandlung hergenommen wurden. Die
starre Einseitigkeit und rücksichtslose Consequenz, mit
welcher R. Brown dies System einst durchgeführt hatte,
war allerdings gebrochen; doch wurden immer noch die
leitenden Gesichtspunkte daher genommen.
Die Lebenskraft hatte einst als luftartiger Geist, als
Pneuma, in den Arterien gehaust, hatte dann beim Pa-
racelsus die Gestalt des Archeus, einer Art hilfreichen
Kobold's oder „ inwendigen Alchymistcn - angezogen, und
ihre klarste wissenschaftliche Fassung als Lebensseele,
Anima inscia, bei Georg Ernst Stahl erlangt, der in
der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts Professor der
Chemie und Pathologie in Halle war. Stahl war ein
klarer und feiner Kopf, der selbst da, wo er gegen unsere
etzigen Ansichten entscheidet, durch die Art, wie er die
i cht igen Fragen stellt, belehrend und fördernd ist. Er ist
2
— 18 —
derselbe, der das erste umfassendere System der Chemie,
das phlogistische, gründete. Wenn man sein Phlogistoo
in latente Wärme übersetzt, so gingen die theoretischen
Grundzüge seines Systems wesentlich auch in Lavoisicr's
über; nur kannte Stahl den Sauerstoff noch nicht, wo-
durch einige falsche Hypothesen, z B. über die negative
Schwere des Phlogiston, bedingt waren. Stahl's Lebens-
seele ist im Ganzen nach dem Vorbilde dargestellt, wie
sich die pietistischen Gemeinden jener Zeit die sündige
menschliche Seele dachten; sie ist Irrthümern und Leiden-
schaften, der Trägheit, Furcht, Ungeduld, Trauer, Unbe-
dachtsamkeit, Verzweiflung unterworfen. Der Arzt muss
sie bald besänftigen, bald aufstacheln oder strafen und
zur Busse zwingen. Sehr gut ausgesonnen war es, wie er
daneben die Notwendigkeit der physikalischen und chemi-
schen Wirkungen begründete. Die Lebcnsseele regiert den
Körper und wirkt nur mittels der physikalisch-chemischen
Kräfte der aufgenommenen Stoffe. Aber sie hat die Macht
diese Kräfte zu binden und zu lösen, sie gewähren zu
lassen oder zu hemmen. Nach dem Tode werden die ge-
hemmten Kräfte frei und rufen Fäulniss und Verwesung
hervor. Diese Hypothese vom Binden und Lösen zu wider-
legen, musste das Gesetz von der Erhaltung der kraft
klar ausgesprochen werden.
Die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts war schon
zu sehr von Aufklärungsprincipien angesteckt, um Stahlt
Lebensseele offen anzuerkennen. Man übertünchte sie mein
naturwissenschaftlich als Lebenskraft, Vis Vitalis, wäh-
rend sie im Wesentlichen ihre Functionen beibehielt un<
unter dem Namen der Naturheilkraft in Krankheiten ein«
hervorragende Rolle spielte.
Die Lehre von der Lebenskraft trat ein in das puthu
logische System der Erregbarkeitsänderungen. Man suchte
zu trennen die unmittelbaren Einwirkungen der krank-
machenden Schädlichkeit, soweit sie von dem Spiel blinder
Naturkräfte abhingen, die Symptomata morbi, von denen,
welche die Reaction der Lebenskraft einleitete, den Symp-
tomata reactionis. Die letztern sah man hauptsächlich in
der Entzündung und im Fieber. Dem Arzte fiel fast allein
noch die Rolle zu, die Stärke dieser Reaction zu über-
wachen und sie, je nach Umständen, anzustacheln oder zu
dämpfen.
Die Behandlung des Fiebers erschien jener Zeit als
die Hauptsache, als der eigentlich wissenschaftlich be-
gründete Theil der Medicin, woneben die Localbehandlung
als verhältnissmässig untergeordnet zurücktrat. Die The-
rapie der fieberhaften Krankheiten war dadurch schon
sehr einförmig geworden, wenn auch die durch die Theorie
indicirten Mittel, wie namentlich das seit jener Zeit fast
ganz aufgegebene Blutlassen, noch kräftig gebraucht
wurden. Noch mehr verarmte die Therapie, als die jüngere
und kritischer gestimmte Generation herantrat und die
Voraussetzungen dessen, was man als wissenschaftlich
betrachtete, prüfte. Es waren damals unter den jüngeren
Aerzten viele, die in Verzweiflung an ihrer Wissenschaft
fast jede Therapie aufgaben oder prineipmässig nach einer
Empirie griffen, wie sie Rademacher damals lehrte,
welche grundsätzlich jede Hoffnung auf wissenschaftliches
Verständniss als eitel ansah.
Was wir damals kennen gelernt haben, waren nur
noch Ruinen des alten Dogmatismus, aber die bedenklichen
Seiten desselben traten noch deutlich genug hervor.
Dem vitalistischen Arzte hing der wesentliche Theil
der Lebensvorgänge nicht von Naturkräften ab, die, mit
2*
'20 -
blinder Notwendigkeit und nach festem Gesetz ihre Wir-
kung ausübend, den Erfolg bestimmten. Was solche ver-
richten konnten, erschien als Nebensache und ein eingehendes
Studium davon kaum der Mühe werth. Er glaubte mit
einem seelenähnlichen Wesen zu thun zu haben, dem ein
Denker, ein Philosoph und geistreicher Mann gegenüber-
stehen musste. Darf ich es Ihnen durch einzelne Züge
erläutern ?
Es war eine Zeit, wo Auscultation und Pereussion
der Brustorgane in den Kliniken schon regelmässig betrieben
wurde; aber ich habe noch manchmal behaupten hören,
es seien dies grob mechanische Untersuchungsmittel, deren
ein Arzt von hellem Geistesauge nicht bedürfe; auch setze
man dadurch den Patienten, der doch auch ein Mensch
sei, herab und entwürdige ihn, als sei er eine Maschine.
Das Pulsfühlen erschien als das directeste Verfahren, um
die Reactionsweisc der Lebenskraft kennen zu lernen, und
wurde deshalb als bei weitem das wichtigste Beobachtungs-
mittel fein eingeübt. Dabei mit der Secundenuhr zu zählen
war schon gewöhnlich, galt aber bei den alten Herren
als ein Verfahren von nicht ganz gutem Geschmack. An
Temperaturmessungen bei Kranken wurde noch nicht ge-
dacht. In Bezug auf den Augenspiegel sagte mir ein
hochberühmter chirurgischer College, er werde das Instru-
ment nie anwenden, es sei zu gefahrlich das grelle Licht
in kranke Augen fallen zu lassen; ein Anderer erklärte,
der Spiegel möge für Aerzte mit schlechten Augen nütz-
lich sein, er selbst habe sehr gute Augen und bedürfe
seiner nicht.
Ein durch bedeutende litterarische Thätigkeit berühmter,
als Redner und geistreicher Mann gefeierter Professor der
Physiologie jener Zeit hatte einen Streit über die Bilder im
...
» . »
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Auge mit dem Collegen von der Physik. Der Physiker
forderte den Physiologen auf, zu ihm zu kommen und den
Versuch zu sehen. Der letztere wies dies Ansinnen ent-
rüstet zurück: „ein Physiologe habe mit Versuchen nichts
zu thun, die seien gut für den Physiker." Ein anderer
bejahrter und hochgelehrter Professor der Arzneimittellehre,
der sich viel mit Reorganisation der Universitäten beschäf-
tigte, um die alte gute Zeit zurückzuführen, drang instän-
digst in mich die Physiologie zu theilen, den eigentlich
gedanklichen Theil selbst vorzutragen, und die niedere ex-
perimentelle Seite einem Collegen zu überlassen, den er
dafür als gut genug ansah. Er gab mich auf, als ich
ihm erklärte, ich betrachtete selbst die Experimente als
die eigentliche Basis der Wissenschaft.
Ich erzähle Ihnen diese selbst erlebten Züge, um Ihnen
anschaulich zu machen, wie die Stimmung der älteren
Schulen und zwar die von gefeierten Repräsentanten der
irztlichen Wissenschaft gegenüber dem andringenden Ideen-
kreise der Naturwissenschaften war; in der Litteratur
iahen diese Ansichten natürlich schwächeren Ausdruck ge-
linden, weil die alten Herren doch zu vorsichtig und welt-
gewandt waren.
Sie begreifen, wie sehr eine solche Stimmung von
influss reichen und geachteten Männern dem Fortschritt
linderlich gewesen sein muss. Die medicinische Bildung
-ner Zeit beruhte noch wesentlich auf Bücherstudium ; es
ab noch Vorlesungen, die sich auf das Dictiren eines
fettes beschränkten; für Versuche und Demonstrationen
1 den Vorlesungen war zum Theil schon gut, zum Theil
ur dürftig gesorgt; physiologische und physikalische La-
»ratorien, wo der Schüler selbst hätte angreifen können,
i!> es überhaupt noch nicht; für die Chemie war Li ebig's
22
grosse That, die Gründung des Giessener Laboratorium,
schon vollzogen, aber anderswo noch nicht nachgeahmt
worden. Indessen besass die Medicin in den anatomischen
Ucbungen ein grosses Erziehungsmittel für selbstständige
Beobachtung, welches den anderen Faeultäten fehlte und
dessen Einlluss ich sehr hoch zu schätzen geneigt biu.
Mikroskopische Demonstrationen kamen nur sehr vereinzelt
und selten in den Vorlesungen vor. Die Instrumente waren
noch theuer und selten; ich selbst gelangte dadurch in
den Besitz eines solchen, dass ich die Herbstferien 1841
in der Charite am Typhus darniederliegend zubrachte, als
Eleve unentgeltlich verpflegt, und mich als Reeonvalescent
im Besitz meiner aufgesparten kleinen Einkünfte sah. Das
Instrument war nicht schön; doch war ich damit im Stande
die in meiner Dissertation beschriebenen Nerven fortsätze
der Ganglienzellen bei den wirbellosen Thieren zu erkennen
und die Vibrionen in meiner Arbeit über Fäulniss und
Gährung zu verfolgen.
Ueberhaupt wer von meinen Studiengenossen Versuche
anstellen wollte, musste dafür mit seinem Taschengelde
einstehen. Eines haben wir dabei gelernt, was die jüngere
Generation in den Laboratorien vielleicht nicht mehr so
gut lernt, nämlich die Mittel und Wege, um zum Ziele zu
gelangen, nach allen Richtungen hin zu überlegen und alle
Möglichkeiten in der Ueberlegung zu erschöpfen, bis ein
gangbarer Weg gefunden war. Aber freilich hatten wir
auch vor uns ein kaum angebrochenes Feld, in welchem
fast jeder Spatenstich lohnende Ergebnisse herauflordern
konnte.
Es war ein Mann vorzugsweise, der uns den Enthusias-
mus zur Arbeit in der wahren Riebtang gab, nämlich Johan-
nes Müller, der Physiolog. In seinen theoretischen An-
- 23 -
schauungen bevorzugte er noch die vitalistische Hypothese,
aber in dem wesentlichsten Punkte war er Naturforscher,
fest und unerschütterlich: alle Theorien waren ihm nur
Hypothesen, die an den Thatsachen geprüft werden muss-
ten, und über die einzig und allein die Thatsachen zu
entscheiden hatten. Auch die Ansichten über diejenigen
Punkte, welche sich am leichtesten in Dogmen versteinern,
über die Wirkungsweise der Lebenskraft und die Thätig-
keiten der bewussten Seele, suchte er unablässig mittels
der Thatsachen fester zu begrenzen, zu beweisen oder zu
widerlegen.
Wenn auch die Technik anatomischer Untersuchungen
ihm am geläufigsten war und er auf diese deshalb am
liebsten zurückging, so arbeitete er sich doch auch in die
ihm fremderen chemischen und physikalischen Methoden
ein. Er lieferte den Nachweis, dass der Faserstoff in der
Blutflüssigkeit gelöst sei, er experimentirte über Schall-
fortpflanzung in solchen Mechanismen, wie sie sich in der
Trommelhöhle finden, behandelte als Optiker die Thätig-
keit des Auges. Seine für die Physiologie des Nerven-
systems, wie für die Erkennt nisstheorie bedeutsamste Lei-
stung war die feste thatsächliche Begründung der Lehre
von den spezifischen Energien der Nerven. In Bezug auf
die Scheidung der Nerven von motorischer und sensibler
Energie lehrte er, wie der experimentelle Beweis des BelT-
schen Gesetzes über die Kückenmarkwurzeln fehlerfrei zu
fuhren sei, und betreffs der spezifischen Energien der
Sinnesnerven stellt«' er nicht blos das allgemeine Gesetz
auf, sondern führte auch eine grosse Anzahl von Einzel-
untersuchungen durch, um Ausnahmen zu beseitigen, fal-
sche Deutungen und Ausflüchte zu widerlegen. Was man
i>is dahin aus den Daten der täglichen Erfahrung geahnt
■
i
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— 24 -
und in unbestimmter, das Wahre mit Falschem vermischen-
der Weise auszusprechen gesucht, oder nur erst für ein-
zelne engere Gebiete, wie Th. Young für die Farben-
theorie, Ch. Bell für die motorischen Nerven fest for-
mulirt hatte, das ging aus Müller's Händen in der Form
classischer Vollendung hervor, eine wissenschaftliche Er-
rungenschaft, deren Werth ich der Entdeckung des Gravi-
tationsgesetzes gleichzustellen geneigt bin.
Sein Geist und sein Beispiel vorzugsweise arbeitete
fort in seinen Schülern. Uns waren schon vorausgegangen:
Schwann, 11 c nie, Reichert, Peters, Remak, ich traf
hier als Studiengenossen E. du Bois-Koy mond, Vir-
chow, Brücke, Ludwig, Traube, J. Meyer, Lieber-
kühn, IIa 11 mann; es folgten nach A. v. Graefe,
W. Busch, Max Schultze, A. Schneider.
Die mikroskopische und pathologische Anatomie, das
Studium der organischen Typen, die Physiologie, die ex-
perimentirende Pathologie und Arzneimittellehre, die Augen-
heilkunde entwickelten sich unter dem Einfluss dieses mäch-
tigen Anstosses in Deutschland schnell hinaus über das
Maass der mitstrebenden Nachbarlander. Zu Hilfe kam
das Wirken ähnlich gesinnter Zeitgenossen Müller's, unter
denen vor allen die drei Leipziger Brüder Weber zu nennen
sind, die in der Mechanik des Kreislaufs, der Muskeln,
der Gelenke, des Ohrs festen Grund gemacht haben.
Man griff an, wo man irgendwie einen Weg sah um
einen der Lebensvorgänge verständlich zu machen; man
setzte voraus, sie seien verständlich, und der Erfolg ent-
sprach dieser Voraussetzung. Jetzt ist eine feine und
reiche Technik für die Methoden des Mikroskopirens, der
physiologischen Chemie, der Viviscctionen ausgebildet,
letztere namentlich mit Hilfe des betäubenden Aethcrs und
r 1
- 25 -
des lähmenden Curare ausserordentlich erleichtert, wo-
durch eine Fülle von viel tiefer gehenden Problemen an-
greifbar werden, die unserer Generation noch ganz hoff-
nungslos erschienen. Das Thermometer, der Augen-, Ohren-
und Kehlkopfspiegel, die Nervenreizung am Lebenden, ge-
ben dem Arzte Möglichkeiten feiner und sicherer Diagno-
stik, wo uns noch absolutes Dunkel erschien; die immer
steigende Anzahl nachgewiesener parasitischer Organismen
setzt greifbare Objecto an die Stelle mystischer Krank-
heits-Entitaten und lehrt den Chirurgen, den furchtbar
tückischen Zersetzungskrankheiten zuvorzukommen.
Aber glauben Sie nicht, meine Herren, dass der
Kampf zu Ende ist. So lange es Leute von hinreichend
gesteigertem Eigendünkel geben wird, die sich einbilden
durch Blitze der Genialität leisten zu. können, was das
Menschengeschlecht sonst nur durch mühsame Arbeit zu
erreichen holTen darf, wird es auch Hypothesen geben,
welche, als Dogmen vorgetragen, alle Räthsel auf einmal
zu lösen versprechen. Und so lange es noch Leute giebt,
die kritiklos leicht an das glauben, von dem sie wün-
schen, dass es wahr sein möchte, so lange werden die
Hypothesen der ersteren auch noch Glauben finden. Beide
Klassen von Menschen werden wohl nicht aussterben, und
der letzteren wird immer die Majorität angehören.
Zwei Motive sind es namentlich, welche die metaphy-
sischen Systeme immer getragen haben. Einmal möchte
sich der Mensch als ein über das Maass der übrigen Natur
hinausragendes Wesen höherer Art fühlen; diesem Wunsche
entsprechen die Spiritualisten. Andererseits möchte er un-
bedingter Herr über die AVeit durch sein Denken sein, und
zwar natürlich durch sein Denken mit denjenigen Begriffs-
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f
— 26 —
formen, zu deren Ausbildung er bis jetzt gelangt ist; dem
suchen die Materialisten zu genügen.
Wer aber, wie der Arzt, den Heil oder Verderben
bringenden Kräften handelnd gegen übertreten soll, dem
liegt unter schwerer Verantwortlichkeit die Verpflichtung
ob, die Kenntniss der Wahrheit und nur der Wahrheit zu
suchen, ohne Rücksicht, ob, was er findet, den W'ünschen
der einen oder der andern Art schmeichelt. Sein Ziel ist
ein ganz fest gegebenes, für ihn ist schliesslich nur der
thatsächliche Erfolg entscheidend. Er muss streben voraus
zu wissen, was der Erfolg seines Eingreifens sein wird,
wenn er so oder so verfährt. Um dieses Vorauswissen des
Kommenden oder des noch nicht durch Beobachtung Fest-
gestellten zu erwerben, haben wir keine andere Methode
als die, dass wir die Gesetze der Thatsachcn durch Beob-
achtung kennen zu lernen suchen; und wir können sie
kennen lernen durch Induction, durch sorgfältige Auf-
suchung, Herbeiführung, Beobachtung solcher Fälle, die
unter das Gesetz gehören. Glauben wir ein Gesetz ge-
funden zu haben, dann tritt auch das Geschäft des Dedu-
cirens ein. Dann haben wir die Consequenzen unseres
Gesetzes möglichst vollständig abzuleiten, aber freilich zu-
nächst nur um sie an der Erfahrung zu prüfen, so weit
sie sich irgend prüfen lassen, und um durch diese Prüfung
zu entscheiden, ob das Gesetz sich als gültig bewähre
und in welchem Umfange. Dies ist eine Arbeit, die eigent-
lich nie aufhört. Der ächte Naturforscher überlegt bei
jeder neuen fremdartigen Erscheinung, ob nicht die best-
bewährten Wirkungsgesetze längst bekannter Kräfte eine
Abänderung erhalten müssen; natürlich kann es sich da-
bei nur um eine Abänderung handeln, die dem ganzen
Schatze der bisher aufgesammelten Erfahrungen nicht wider-
27
spricht. So kommt er freilich nie zur unbedingten Wahr-
heit, aber doch zu so hohen Graden der Wahrscheinlich-
keit, dass sie praktisch der Gewissheit gleich stehen.
Lassen wir die Metaphysiker darüber spotten, wir wollen
uns ihren Spott zu Heizen nehmen, wenn sie einmal Bes-
seres oder auch nur ebensoviel zu leisten im Stande sein
werden, als die inductivc Methode schon geleistet bat
Noch aber sind die alten Worte des Sokrates, des Alt-
meisters inductiver Begriffsbildung, über sie genau eben
so jung, wie vor *2000 Jahren: „Jene glaubten zu wissen,
was sie nicht wüssten, und er selbst habe wenigstens den
Vorzug, dass er nicht vermeinte zu wissen, was er nicht
wisse." Und wiederum: „Er wundere sich nur, dass Jene
nicht merkten, wie unmöglich es den Menschen sei der-
gleichen zu finden; da ja selbst die, welche auf ihre da-
rüber vorgetragenen Theorien im allerhöchsten Grade ein-
gebildet seien, unter sich nicht übereinstimmten, sondern
sich wie die Rasenden ( T0 ? s pano/iews öfioüog) gegen einan-
ander betrügen."*) ß^urrow ippovoowa^ nennt sie So-
krates. Einen r Montblanc neben einem Maulwurfshaufen "
nennt sich Schopenhauer**), wenn er sich mit einem
Naturforscher vergleicht. Die Schüler bewundern das
grosse Wort und suchen dem Meister nachzuahmen.
Wenn ich gegen das leere Hypothesenmachen spreche,
glauben Sie übrigens nicht, dass ich den Werth der acht
originalen Gedanken herabsetzen wolle. Die erste Auffin-
dung eines neuen Gesetzes ist die Auffindung bisher ver-
borgen gebliebener Aehnlichkcit im Ablauf der Naturvor-
gänge. Sie ist eine Aeusserung des Seelenvermögens,
*) Xenophon Mcmorabil. I. 1. 11.
**) Arthur Schopenhauer, von ihm. über ihn, von Krauen-
s t ä d t und L i n d n c r. Berlin. 1 863. S. 653.
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- 28 -
welches unsere Vorfahren noch im ernsten Sinne .Witz"
nannten; sie ist gleicher Art mit den höchsten Leistungen
künstlerischer Anschauung in der Auffindung neuer Typen
ausdrucksvoller Erscheinung. Sie ist etwas, was man
nicht erzwingen und durch keine bekannte Methode er-
werben kann. Darum haschen Alle danach, die sich als
bevorzugte Kinder des Genius geltend machen möchten.
Auch scheint es so leicht, so mühelos, durch plötzliche
Geistesblitze einen unerschwingbaren Vorzug vor den Mit-
lebenden sich anzueignen. Der rechte Künstler zwar und
der rechte Forscher wissen, dass grosse Leistungen nur
durch grosse Arbeit entstehen. Der Beweis dafür, dass
die gefundenen Ideen nicht nur oberflächliche Aehnlich-
keiten zusammenraffen, sondern durch einen tiefen Blick
in den Zusammenhang des Ganzen erzeugt sind, lässt sich
doch nur durch eine vollständige Durchführung derselben
geben, für das neu entdeckte Naturgesetz also nur an
seiner Uebercinstimmung mit den Thatsachen. Es ist das
nicht etwa als eine Werthschätzung nach dem äusserlichen
Erfolge anzusehen, sondern der Erfolg hängt hier wesent-
lich zusammen mit der Tiefe und Vollständigkeit der vor-
ausgegangenen Anschauung.
Oberflächliche Aehnlichkciten finden ist leicht, ist unter-
haltend in der Gesellschaft, und witzige Einfälle verschaffen
ihrem Autor bald den Namen eines geistreichen Mannes.
Unter einer grossen Zahl solcher Einfalle werden ja auch
wohl einige sein müssen, die sich schliesslich als halb oder
ganz richtig erweisen; es wäre ja geradezu ein Kunststück,
immer falsch zu rathen. In solchem Glücksfalle kann man
seine Priorität auf die Entdeckung laut geltend machen;
wenn nicht, so bedeckt glückliche Vergessenheit die ge-
machten Fehlschüsse. Andre Anhänger desselben Verfahrens
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helfen gern dazu den Werth eines „ersten Gedankens ■ zu
sichern. Die gewissenhaften Arbeiter, welche ihre Ge-
danken zu Markte zu bringen sich scheuen, ehe sie sie
nicht nach allen Seiten geprüft, alle Bedenken erledigt
und den Beweis vollkommen gefestigt haben, kommen da-
bei in unverkennbaren Nachtheil. Die jetzige Art Priori-
tätsfragen nur nach dem Datum der ersten Veröffentlichung
zu entscheiden, ohne dabei die Reife der Arbeit zu be-
achten, hat dieses Unwesen sehr begünstigt.
In den Letterkästen eines Buchdruckers liegt alle
Weisheit der Welt zusammen, die schon gefunden ist und
noch gefunden werden kann; man müsste nur wissen, wie
man die Lettern zusammenzuordnen hat. So sind auch in
den Hunderten von Schriften und Schriftchen, die alljähr-
lich erscheinen über Acther, Beschaffenheit der Atome,
Theorie der Wahrnehmung, ebenso wie über das Wesen
der asthenischen Fieber und der Carcinome, gewiss schon
längst alle zartesten Nüancirungen der möglichen Hypothesen
erschöpft und unter diesen müssen nothwendig viele Bruch-
stücke der richtigen Theorie sein. Wer sie nur zu finden
wüsste!
Ich hebe dies hervor, um Ihnen klar zu machen, dass
diese Litteratur der ungeprüften und unbestätigten Specula-
tionen gar keinen Werth für den Fortschritt der Wissenschaft
hat; im Gegentheil, die wenigen gesunden Gedanken, die
j darin stecken mögen, werden von dem Unkraut der Uebrigen
^ zugedeckt, und wer nachher wirklich Neues und wohlge-
prüfte Thatsachen bringen will, sieht sich der Gefahr un-
zähliger Reclaraationen ausgesetzt, wenn er nicht vorher mit
dem Durchlesen einer Menge absolut unfruchtbarer Bücher
Zeit und Kräfte vergeuden und den Leser durch die Menge
unnützer Citate ungeduldig machen will.
Digitize^ypy Google
— 30 -
Unsere Generation hal noch unter dem Drucke spiri-
tualistischer Metaphysik gelitten, die jüngere wird sich
wohl vor dem der materialistischen zu wahren haben. Kant's
Zurückweisung der Ansprüche des reinen Denkens hat all-
mälig Eindruck gemacht, aber Kant liess noch einen Aus-
weg offen. Dass alle bis dahin aufgestellten metaphysi-
schen Systeme nur Gewebe von Trugschlüssen seien, war
ihm so klar wie dem Sokrates. Seine Kritik der reinen
Vernunft ist eine fortlaufende Predigt gegen den Gebrauch
der Kategorien des Denkens über die Grenzen möglicher
Erfahrung hinaus. Aber die Geometrie schien ihm so etwas
zu leisten, wie die Metaphysik es anstrebte, und er erklärte
deshalb die Axiome der Geometrie, die er als a priori vor
aller Erfahrung gegebene Sätze ansah, für gegeben durch
transcendcntale Anschauung, oder als die angeborene Form
aller äusseren Anschauung. Seitdem ist die reine Anschau-
ung a priori der Ankerplatz der Metaphysiker geworden.
Sie ist noch bequemer als das reine Denken, weil man ihr
Alles aufbürden kann, ohne sich in Sehlussketten hinein-
zubegeben, die einer Prüfung und Widerlegung fähig wären.
Die nativistische Theorie der Sinneswahrnehmungen ist der
Ausdruck dieser Theorie in der Physiologie. Alle Meta-
physiker vereinigt kämpfen gegen jeden Versuch die An-
schauungen, seien es sogenannte reine oder empirische, die
Axiome der Geometrie, die Grundsätze der Mechanik oder
die Gesichtswahrnehmungen in ihre rationellen Elemente
aufzulösen. Eben wegen dieses Sachverhalts halte ich die
neueren mathematischen Untersuchungen von Lobat-
sch ewsky, Gauss, Riem an ii u. A. über die logisch mög-
lichen Abänderungen der Axiome dcrGeometric und den Nach-
weis, dass die Axiome Sätze sind, die durch die Erfahrung
bestätigt oder vielleicht auch widerlegt, und deshalb aus
- 31 -
der Erfahrung gewonnen werden können, für einen sehr
wichtigen Fortsehritt. Dass alle Seeten der Metaphysikcr
sich darüber ereifern, darf Sie nicht irre machen; denn
diese Untersuchungen legen die Axt an die scheinbar festeste
.Stütze, die ihren Ansprüchen noch blieb.
Ich bitte Sie nicht zu vergessen, dass auch der Mate-
rialismus eine metaphysische Hypothese ist, eine Hypothese,
die siel) im Gebiete der Naturwissenschaften allerdings als
sehr fruchtbar erwiesen hat, aber doch immer eine Hypo-
these. Und wenn man diese seine Natur vergisst, so wird .
er ein Dogma, was dem Fortschritte der Wissenschaft ebenso
hinderlich werden und zu leidenschaftlicher Intoleranz trei-
ben kann, wie andere Dogmen. Diese Gefahr tritt ein,
sobald man Thatsachcn zu leugnen oder zu verdecken
sucht zu Gunsten entweder der erkenntnisstheoretischen
Principien des Systems, oder zu Gunsten von Specialtheo-
rien, die naturwissenschaftlich wenigstens klingende Erklä-
rungen von einzelnen Gebieten zu geben suchen. So hat
man z. B. gegen solche Forscher, welche aus den Sinnes-
wahrnehmungen herauszulösen suchen, was darin von Wir-
kungen des Gedächtnisses und der im Gedächtnisse zu
Stande kommenden Verstärkung wiederholter gleichartiger
Eindrücke, kurz der Erfahrung angehört, ein Parteigeschrei
zu erheben gesucht, sie seien Spiritualisten. Als ob Ge-
dächtnis*, Erfahrung und Ucbung nicht auch Thatsaehen
wären, deren Gesetze gesucht werden können, und die sich
nicht wegdeeretiren lassen, wenn sie auch nicht schon
jetzt glatt und einfach auf die bekannten Gesetze der Er-
regung von Nervenfasern und deren Leitung zurückzuführen
sind, so günstigen Spielraum der Phantasie auch das Ge-
wirr der Ganglienzellenfortsätze und Nervenfaserverbindun-
gen im Gehirn darbietet.
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32 -
Ueberhaupt, so selbstverständlich der Grundsatz er-
scheint und so wichtig er ist, so oft wird er vergessen,
der Grundsatz nämlich, dass die Naturforschung die Ge-
setze der Thatsachen zu suchen hat. Indem wir das ge-
fundene Gesetz als eine die Vorgänge in der Natur be-
herrschende Macht anerkennen, objectiviren wir es als
Kraft, und nennen eine solche Zurückfuhrung der ein-
zelnen Fälle auf eine unter bestimmten Bedingungen einen
bestimmten Erfolg hervorrufende Kraft eine ursächliche
Erklärung der Erscheinungen. Wir können dabei nicht
immer zurückgehn auf die Kräfte der Atome; wir sprechen
auch von einer Lichtbrechungskraft, elektromotorischen und
elektrodynamischen Kraft. Aber vergessen Sic nicht die
bestimmten Bedingungen und den bestimmten Er-
folg. Wenn diese nicht anzugeben sind, so ist die angeb-
liche Erklärung nur ein verschämtes Geständniss des
Nichtwissens, und dann ist es entschieden besser, dafür
ein offenes Geständniss zu geben.
Wenn z. B. irgend ein vegetativer Process auf Kräfte
der Zellen zurückgeführt wird ohne nähere Bestimmung der
Bedingungen, unter welchen, und der Richtung, nach wel-
cher diese wirken, so kann dies höchstens noch den Sinn
haben auszudrücken, dass entferntere Theile des Organis-
mus dabei ohne Einfluss sind; aber auch dies möchte in
den wenigsten Fällen sicher constatirt sein. Ebenso ist
der ursprünglich wohl bestimmte Sinn, den Johannes
Müller dem Begriff der Reflexbewegung gab, allmälig
dahin verflüchtigt, dass, wenn an irgend einer Stelle
des Nervensystems ein Eindruck stattgefunden hat, und
an irgend einer andern eine Wirkung eintritt, man dies
erklärt zu haben glaubt, wenn man sagt, es sei ein Re-
flex. Den unentwirrbaren Verflechtungen der Hirnnerven-
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fasern kann man Vieles aufbürden. Aber die Aehnlieh-
keit mit den Qualitates occultae der alten Medicin ist
sehr bedenklich.
Aus dem ganzen Zusammenhange meiner Darstellung
geht wohl eigentlich schon hervor, dass das, was ich
gegen die Metaphysik gesagt habe, nicht gegen die Philo-
sophie gerichtet sein soll. Aber die Mctaphysiker haben
sich von jeher das Ansehen zu geben gesucht, als wenn
sie die Philosophen wären, und die philosophischen Di-
lettanten haben sich meistens nur für die weitlliegenden
Spcculationcn der Metaphysiker interessirt, durch welche
sie in kurzer Zeit und ohne zu grosse Mühe die Summe alles
Wissenswert hen glaubten kennen lernen zu können. Ich habe
schon bei einer andern Gelegenheit*) das Verhältniss der
Metaphysik zur Philosophie mit dem der Astrologie zur
Astronomie verglichen. Jene hatte das aufregendste In-
teresse tür das grosse Publikum, namentlich die vornehme
Welt, und machte ihre angeblichen Kenner zu einflussreichen
Personen. Die Astronomie dagegen, trotzdem sie das Ideal
wissenschaftlicher Durcharbeitung geworden ist, rauss sich
jetzt mit einer kleinen Zahl still fortarbeitender Jünger
begnügen.
Ebenso bleibt der Philosophie, wenn sie die Meta-
physik aufgiebt, noch ein grosses und wichtiges Feld, die
Kenntniss der geistigen und seelischen Vorgänge und deren
Gesetze. Wie der Anatom, wenn er an die Grenzen des
mikroskopischen Sehvermögens kommt, sich Einsicht in die
Wirkung seines optischen Instruments zu verschaffen suchen
muss, so wird jeder wissenschaftliche Forscher auch das
») Tyndall, wissenschaftliche Fragmente, übers, v. A. Helm-
holtz. Vorrede S. XXII.
3
Haupt Instrument, mit dorn er arbeitet, das menschliche
Denken nach seiner Leistungsfähigkeit genau studiren
müssen. Zengniss für die Schädlichkeit irrt hüml icher An-
sichten in dieser Beziehung ist unter Anderem das zwei-
tausendjährige Herumtappen der medicinischen Schulen. Und
auf die Kenntnis* der Gesetze der psychischen Vorgänge
müsstc der Arzt, der Staatsmann, der Jurist, der Geist-
liche und Lehrer bauen können, wenn sie eine wahrhaft
wissenschaftliche Begründung ihrer praktischen Thätigkeit
gewinnen wollten. Aber die ächte Wissenschaft der Philo-
sophie hat unter den üblen geistigen Gewohnheiten und
falschen Idealen der Metaphysik vielleicht noch mehr zu
leiden gehabt, als die Medicin.
Nun noch eine Verwahrung; ich möchte nicht, dass
Sie glaubten, meine Darstellung sei durch persönliche Er-
regung beeinflusst gewesen. Dass Jemand, der solche Mei-
nungen hat, wie ich Ihnen vorgetragen habe, der seinen
Schülern, wo er kann, den Grundsatz einschärft: .Ein me-
taphysischer Schluss ist entweder ein Trugschluss oder ein
versteckter E r fa h r u ngssc h 1 u ss * , von den Liebhabern der
Metaphysik und der Anschauungen a priori nicht günstig
angesehen wird, brauche ich nicht auseinanderzusetzen.
Metaphysiker pflegen, wie Alle, die ihren Gegnern keine
entscheidenden Gründe entgegenzusetzen haben, nicht höf-
lich in ihrer Polemik zu sein; den eigenen Erfolg kann
man ungefähr an der steigenden Unhöflichkeit der Rück-
äusserungen beurt heilen.
Meine eigenen Arbeiten haben mich mehr, als die
übrigen Jünger der naturwissenschaftlichen Schule, in die
strittigen Gebiete geführt, und die Aeusserungen meta-
physischer Unzufriedenheit haben mich deshalb auch mehr
- 35
als meine Freunde betroffen, wie ja Viele von Ihnen wissen
werden.
Um also nieine persönlichen Meinungen ausser Spiel
zu lassen, habe ich schon zwei unverdächtige Gewährs-
männer für mich sprechen lassen, Sokrates und Kant,
welche beide sicher waren, dass alle bis zu ihrer Zeit auf-
gestellten metaphysischen Systeme Gewehe von eitel Trug-
schlüssen waren und selbst sich hüteten, ein neues hin-
zuzufügen. Nur um zu zeigen, dass weder in den
letzten 2000, noch in den letzten 100 Jahren sich die
Sache geändert hat, lassen Sie mich schliessen mit einem
Ausspruch des uns leider zu früh entrissenen Verfassers •
der Geschichte des Materialismus, Friedrich Albert
Lange. In seinen nachgelassenen „Logischen Studien - ,
die er schon in der Aussicht auf sein herannahendes Ende
geschrieben hat, giebt er (S. (>) folgende Schilderung, die
mir aufgefallen ist, weil sie eben so gut von den Solidar-
und Humoralpathologen oder beliebigen anderen alten
dogmatischen Schulen der Medicin gelten könnte. Lange
sagt: .Der Hegelianer schreibt zwar dem Ilerbartianer ein
unvollkommeneres Wissen zu als sich selbst, und umge-
kehrt; aber keiner nimmt Anstand, das Wissen des An-
dern gegenüber dem des Empirikers, als ein höheres, und
wenigstens als eine Annäherung an das allein wahre Wissen
anzuerkennen. Es zeigt sich also, dass hier von der Bün-
digkeit des Beweises ganz abgesehen und schon die blosse
Darstellung in Form der Deduction aus dem Ganzen eines
Systems heraus als apodiktisches Wissen anerkannt wird.* 1
Werfen wir also keine Steine auf unsere alten medi-
cinischen Vorgänger, die in dunklen Jahrhunderten und
mit geringen Vorkenntnissen in genau dieselben Fehler
verfallen sind, wie die grossen Intelligenzen des aufgeklärt
— 36 —
sein wollenden neunzehnten Jahrhunderts. Jene machten
es nicht schlechter als ihre Zeitgenossen, nur trat das
Widersinnige der Methode an dem naturwissenschaftlichen
Stoffe stärker hervor. Arbeiten wir weiter. Die Aerzte
sind berufen in diesem Werke der wahren Aufklärung eine
hervorragende Rolle zu spielen. Unter den Ständen,
welche ihre Kennt niss der Natur gegenüber fortdauernd
handelnd bewähren müssen, sind sie diejenigen, welche
mit der besten geistigen Vorbereitung herantreten und mit
den mannigfachsten Gebieten der Naturerscheinungen be-
kannt werden.
Um endlich unsere Consultation über den Zustand
der Dame Mcdicin rite mit der Rpikrisis zu schliessen:
so meine ich, wir haben alle Ursache mit dem Erfolge der
Behandlung zufrieden zu sein, die ihr die naturwissen-
schaftliche Schule hat angedeihen lassen, und wir können
der jüngeren Generation nur empfehlen in derselben The-
rapie fortzufahren.
.V ii Ii a ii g-
zu Seite 13.
Dor Text der ersten Ausgabe enthielt nur die Worte: .Hier ist
schon die Frage angesponnen, die später von ärztlicher Seite zur
Aufstellung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft führte. -
Dazu hat Herr J. R. Mayer in den von Dr. Fr. Hetz heraus-
gegebeneu Mernora bil ie n , Monatshefte für rationelle praktische
Aerzte. Jahrg. XXII. S. 524 die Bemerkung gemacht: .So viel
mir aber bekannt, so wurde das I'rineip oder Gesetz von der Erhal-
tung der lebendigen Kraft zuerst von dem grossen hollandischen
Mechaniker Huyghens. einem Zeitgenossen Newton's. also schon
vor etwa zwei Jahrhunderten aufgefunden und dann später nament-
lich von Leibnitz gegen Descartes jn Schutz genommen. Dieses
Gesetz ist also schon viel früher bekannt, als die in unsere Zeit fal-
lende Entdeckung des mechanischen Wärme-Aequivalents mit seinen
Beziehungen zur Median."
Nun ist aber das Gesetz, welches ich unter dem Namen der Er-
haltung der Kraft aufgestellt habe, wesentlich verschieden von
dem, was die älteren Mechaniker das Gesetz von der Erhaltung
der lebendigen Kraft nannten, wie denn auch in meiner Ab-
handlung die beiden Namen in Gegensatz zu einander gebracht wor-
den sind. Heide Gesetze sind allerdings öfter verwechselt worden,
wie hier von Herrn Dr. H. Mayer, so auch von denjenigen andern
Physikern, welche die Entdeckung des Gesetzes von der Erhaltung
derKraft aufLeibnitz undNewton zurüekdatiren. DasältereGesetz
von der Erhaltung der lebendigen Kraft sagt aus. dass die gesammte
lebendige Kraft eines bewegten Massensystems bei gleicher relativer
Lage der wirkenden Massen zu einander immer wieder denselben
Werth erhält, unter der Voraussetzung, dass sämmtliche mit-
38
wirkende Kräfte einen gewissen analytischen Charakter haben, oder
um den neuerdings von Sir \V. Thomson eingeführten Manien zu
gebrauchen, in die Klasse der ronservuüven Kräfte gehören, lno
älteren .Mechaniker wussten. dass «'im 1 grosse Anzahl von wichtigen
und wohlbekannten Bewegungskräften, wie Gravitation. .Schwere.
Elasticität, Flüssigkeitsdruck conservativ sind, daneben aber liesseu
sie ohne weiteres Bedenken auch nicht consorvative Kräfte zu, wie '
Keibung. unelastischen Stoss u. s. w.
Dagegen behauptet das Gesetz von der Erhaltung der
Kraft, dass alle elementaren Naturkräfte conservativ seien, was
offenbar eine ganz andre Behauptung ist, als die früher aufgestellte,
wo diese Natur der Kräfte nur als Bedingung für einen gewissen
Krfolg und als einer unter mehreren möglichen Fällen angenommen
wurde. Meine Abhandlung über die Erhaltung der Kraft hat den
ausgesprochenen Zweck, die Giltigkeit dieses zweiten Gesetzes an
den That Sachen zu prüfen.
Historisch genommen war um die Zeit, als die Herren K. Mayer
und P.Joule ihre Arbeiten begannen, die wichtigste Lücke, die der
allgemeinen Geltendmachung des letztgenannten Gesetzes entgegen-
stand, die mangelnde Kenutniss der Aequivalenz zwischen Wärme
und mechanischer Arbeit. Insofern war die Auffassung der Idee
eines solchen Verhältnisses und dessen thatsächlicher Nachweis ein
wichtiger Forlschritt. Aber es seheint mir die allgemeine Bedeutung
eines der weitreichendsten Naturgesetze herabzuziehen, wenn man
darin nur eine Beziehung zwischen Wärme und Arbeit sieht. Ich
habe indessen dem in der vorher chirien Stelle von Herrn K. Mayer
ausgedruckten Wunsche entsprechend den Te\t meiner Bede ge-
ändert. Meine Absicht war gewesen ihm nicht weniger, sondern
mehr zuzuschreiben, als er selbst für sieh in Anspruch nimmt.
Was ich selbst in dieser Kichtung gethan habe, habe ich oben
nur als die „Formul innig" des Gesetzes bezeichnet; in der Thai
habe ich es nie als eine Entdeckung im eigentlichen Sinne be-
trachtet oder dafür ausgegeben. I>ie Unmöglichkeit, eine Triebkraft
ohne Verbrauch zu erzengen, halle sich seit ältester Zeit den Mecha-
nikern aufgedrängt-: sie ward als induetiv gewonnene feste Ucber-
zeugung der leitenden wissenschaftlichen Männer ausgesprochen, als
die Europäischen Akademien den Bcschluss fassien. keine Mittei-
lungen über die Erfindung eines Perpetuum mobile mehr anzunehmen.
Was mich KU leisten blieb, war diejenigen Beziehungen zwischen den
Naturkräften theoretisch fest zu defmiren und experimentell zu prü-
fen, welche bestehen mussten. wenn kein Perpetuum mol ile möglich
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sein sollte, um die allseitige Berechtigung und Gültigkeit der ge-
nannten Induction festzustellen. Das war die Absicht meiner Arbeit.
Die erste Veranlassung dazu war für mich, dass ich eine klare und
priicise Bestimmung dieser Beziehungen nöthig fand, um die Zu-
lässige it der auf Seite 17 erwähnten Theorie G. E. Stahl's zu
prüfen. Meino Arbeit war. meiner eigenen damaligen l'eberzeugung
nach, daher eine wesentlich kritische. Was darin von Entdeckung
stockte, war das Ergebniss der Arbeit derjenigen, welche alle Wege
zum Perpetuum mobile zu gelangen versucht und ungangbar ge-
funden hallen. Von dieser Grundlage aus methodisch die bekannten
physikalischen Gesetze analysirend. musste ich auch die Aequivalenz
zwischen Wärme und Arbeit finden, welche wenige Jahre vorher die
Herren R. Mayer und I'. Joule, ohne dass ich von ihnen wusste,
ebenfalls gefunden hatten. Von letzterem lernte ich erst unmittelbar
vor der Absendung meines Manuscripts einige seiner ersten, noch
unvollkommeneren Versuche kennen.
Ich behalte mir vor bei einer anderen passenderen Gelegenheit
auf die Geschichte dieser Entdeckung zurückzukommen.
(•(•druckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Hofmann, Prof. Dr Aug. Wilh., I )ic Organische Chemie und 'Ii'- Hcil-
mittcllchrc. Rede. 8. 1871. 80 Pf,
Roth, Dr. Em , Historisch-kritische Studien üher Vererbung auf physinl.
und palhol. Gebiete, (ff. 8. 1877. 2 M.
Virchow, Geh Rath, Prof. Dr. Rud. , l'eber die nationale Etltwiflto»
lung und Bedculun;; der Naturwissenschaften. Kode. 18(55. 8. SO l'l.
- — <!othe als Naturforscher und in besonderer Beziehung aul Schilter.
Kine Rede nebst Erläuterungen. Mit Holzschnitten. 8. 18(18* I M. SO.
— I)ie Fortschritte der Krie^sheilkunde besonders im Gebilde der
Infeetionskrankbeiteu. Rede zur Stiftungsfeier der milit.-iirztl. Bildung
Anstalten am 2. Aug. 1874 gehalten, gr. s. 1874. 1 M.
li- ilriirkt bi-i I.. .s '. .im... Ii i in B*rltii.