Bibliothek der
Unterhaltung
und des
Wissens
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^nferlicxtfmtg
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Witten*.
Bit Briatnal-BEifrägcn
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Ijcroorragcitliden ^djrift^eUcr nnb C&eleljrten.
$a£rga*tg 1889 .
gJanfr. . - ■ » .
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Sfuffgarf.
Verlag oon ^ennnnu Srijönlefns itadjfolgcr.
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Ti 5 I;E\v i CH;».
PUBLIC LIBRARY
275346A
A3TC», LENOX AND
Tli-DtN FOUNDATIONS
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Jn^alte-tferjetdfntfi ks ^ejjnten fitntks.
ftamilienebre. fRontan uon Earl ©b. Stopfer (ftort*
Seite
fefcung)
5
$er Sormunb. JJioneUc 0011 31. ©. v. Suttner . .
105
C f i n $ r o n p r i n 3 als Hocbnerrätber. 9tad) arcbi«
ralifcben OucHeit mitgetbeilt von Dtidjarb DJlard)
180
35 ie Sufd&männer. Silber auS Sübafrila. Son
P. Peterfen
195
Piittelalterlicbe StriegSliften. $ulturgefcbid()tlicbe
Sliije t>on 2ß. Pie&lmann
208
25 i e fVrau im Serbrecben. Äriminaliftifcbe Setrad)*
tun« oon 31. DSfar ftlau&tnann
220
3lllerlei oont ©lepbanten. Seiträge ntr Sbierfunbe.
Sou SRicbarb ftritfdje
238
Plan niafaltiaeS:
3)ie öffentlichen Suftbarfeiten in Paris iwäbrenb ber
Sd&redlenSäeit
24G
2)er eiferfüd&tige 2Ro*art
250
25er ftuc&S als 2Räufeiäger
251
Haartrachten ber ^Römerinnen
253
Soueber in St. Petersburg
254
,%t>ei Sriefe non Gbriftopb ßolumbuS jc. . . .
255
IRofenlultur in Gbina
255
3ludb eine Fürbitte
256
2 >er tolle ©eneral . , . . . a . . . . .
256
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£ « m i l i e tt t \) r c.
Vornan
/
\)0lt
Carl Cb. Älopfrr.
(ftortfefeung.)
('Jladjbrud öcrbolcn.)
3 rene Betrachtete beu SJtaler läd)elnb. $a, je^t hatte fie
it)n, too jie if)n tjaben tooHte. burdj lange ßrfalj=
rung gefdjärfter S3ticf erlannte augenblicftich bie tiefinner»
liehe ©chtoache im GIjarafter beffelben. 2Bäre iljr berbor*
beneS £era auch überhaupt einer ßiebe fällig gemefen —
Sranbt hätte fie niemals erringen fönnen, allein beSbalb
fc^on, toeil er fich mit feinem toeidjlic&en ©djmachten auf eine
©tufe mit ben aafjflofen Anbetern fteKte, bie fjrau b. Ml)l s
hoff atoar als eine fcbmeidjlerifdje Qrolie ihrer Sßerfon gerne
um fich bulbete, aber bom ©runbe ihrer (Seele auS — ber»
artete. Söranbt hatte fie auerft fürsten au miiffen ge»
glaubt, aber jef}t mar natürlich babon leine 9iebe mehr.
@S galt fa auch nur nodf), ihn am ftäbdjen au halten»
baS fie fo meifterhaft au leiten berftanb, um if)n aum
mittenlofen ©Haben au machen. Sirene foulte mabrbaftig
fehr gut, mie biefe ©eifter au bannen feien, ©ie mu|te,
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6
Samtlieneljre.
bafc fie iljn mit einem einzigen gnäbigen 2)ru<f iljrer
|>anb, mit einem einzigen Slitf ifjrer Stugen beffer für
fein ©tittfdjmeigen be^a^Xte, alg fie eg mit altem ©olbe
berntocljt f)ätte. Unb mefjr mar fie iljm niemafg au ge-
mäßen gefonnen. ©erabe fein emigeg „fangen unb
Sangen" in ber „fcfjmebenben 5ßein" ber Ungemifjljeit, ob
fie ifjn liebe ober nid(jt, mar ber Stagnet, ber biefen
fdjmanfenben Gfjarafter an fie fetten mu|te, fo lange eg
ifjr beliebte, i^n fefiautjalten.
„£>öre auf bie ©timme 2)eiueg #eraeng unb fonft
uidjtg ntefjr," rief ©te$)an jejjt mit flammenber Serebt«
famfeit; er beutete iljr übertegenjöeg ©dfjmeigen alg iljren
inneren Äambf atüifc^en ifjrer Siebe, ber er nun gemifj $u
fein glaubte, unb ber teibigen Äonbeniena- „Sotge betu
unbeaminglidfjen 3uge, ber unfere ©eeten au bereinen
ftrebt — mag fümmert eg ung, mag engljeraige Sor*
urtfjeile für 2)äntme bagegen aufbauen mögen!"
„Um beg ^irnmelg mitten, fdjmeigen ©ie, icfj bitte
©ie," flüfterte Srene. „Sa, märe idfj $errin meiner felbft,
ein arnxeg Äinb aug bent Solfe, mie einfieng, fo fönnte
idlj 3ffjrer ©tintme folgen, aber in beit Legionen, in
beuen id§ nun lebe, gebeifjt nidf)t bie Slume beg ©lücfeg,
mie fie Sfj* fd&öneg ©emütf), bag ©emütf) eineg Äünftlerg,
Ijegen unb bttcQ^n fann. Sdj mufj mit bent allgemeinen
©trome gef)en, ber in feft abgeftedften ©renaen bafjinfliefjt;
idfj barf nid^t auf mein |>era fjören, bag fo gern bie
nüchterne Sernunft Überreben mödtjte. Unb bann, felbft
menn icfj eg mottte — eg ift au fpät, icf) fann nidfjt ntefjr
aurüdf. Sa, mären ©ie mir früher, nodfj bor menigen
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Dioman oon Sari Sb. Klopfer.
7
2Jtonaten, entgegen getreten, e3 toäre bielteic^t anber*,
ganj anbetä gefommen. Slber — icf) toieberfjole eö
S^nen — ba8 ift iefct borbet; idj barf, icf) fann ntd^t
tnebr aurüdf."
„Unb toarunt nicht?"
„Söeil — toeil ich mich fdjon p einem Schritte hiu=
reiften lieft, ben ich ntd^t mehr ungefdjehen machen fann.
kennen Sie e§ eine plöftticije Saune, bic mich einft biefen
fotgenfehtoeren Stritt thun tieft — gleichviel, ich barf
toeber Sie, noch bie leife Stimme in meinem Innern
mel)t andren, bie mit bietleidtjt ettoa3 pflüfteru fönnte,
toaS mit 3h re n VerheiftungSboHen SÖorten in ßinflang
fiiinbe."
„2öie? So toäre e§ toahr, toa§ ich nur al8 ein teereö
©erücfjt Betrachtete rief Stemmt, fd&meralidtj auffahrenb.
„68 toäre toahr: Sie finb gebunbett, Sie fittb an ein
SBort gefettet, ba8 atoifcheit un§ fteljt? Sie finb bie 33raut
be8 ©rafen 2öem8haufen, toie man mir fagte? 5llfo
bodfj?"
Sie nicfte emft unb blidfte traurig ju SBobett.
„Unb Sie lieben iljn?" fragte ber Italer nach einer
brüefenben Spaufe.
„fragen Sie mich nicht ! 2öie beut auch fei — ich
barf Sie nicht hören, ich fann nicht mehr priidf!"
„Unb toarunt nicht? 3öa8 fönnte Sie bop atuittaen,
ba8 ©tfief 3bre§ $eraen8 einer h°hten Abmachung gu
opfern?"
„2)a8 Urteil ber 28elt, bie ©efefte ber ©efeüfchaft, ber
idj angeljöre — nun angefjörc. @8 fann nicht anberg fein!"
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8
Samiliendjre.
„0, fpridj nidjt fo, Breite," rief er teibenfd^aftlicl).
„25u foEft, 2)u muftt mir folgen, feine fEtadjt her (Srbe
foE 5Dich boit meiner ©eite reiften!"
„SBir toerbcn feftett," ertoieberte fie. „2>ie Bufuuft
foE e3 lehren."
„0 ®u «Holbe, S)u einzig ©eliebte! «Hab’ 2)auf für
biefen füften «Hoffnunggftrahl, ber mich neu belebt!" (£r
füftrte ihre «$anb an feine brenuenbe ©üru. ,,9Jiad)’ mich
311m ©lüdlichften, Brene, fpridj nur ein einziges äöört*
djen, ba3 id) jum etoigen Stngebenfen in meiner S3ruft
bctoahren fanu!"
„©tep^an!" lifpelte fie unb lächelte i^nt mit feudjtein
9luge p.
(Sin Bubelfdjrei ftieg au8 feiner Äeftle. (Sr tboEte fte
untfdjlingen, aber fie brängte ihn fauft, mit einem bit=
tenben, ^ilfefle^enben 33licf prücf unb toanbte fidj ber
2tuägang§tf)ür p.
„Saft mich, laft mich ! ^m ©choft ber Bufunft ruhen
unfere «Hoffnungen, jeftt finb fie noch nid^t reif."
©ie toinfte ihm noch einmal p unb berlieft ba8 Sltelier,
cbc ber 3Ealcr iftr folgen fonnte.
9118 bie ^ortiöre hinter ber (Snteitenben pfamnteu*
raufchte, feufjte SSranbt tief auf unb fuhr fidj über ba8
crftiftte ©eftcftt. äöehmutft unb 3?reube ftritten fich in
feinem Innern. (Sr toanbte fich um, nach ber ©taffelei,
bon melier ba8 SSilb ber jungfräulichen SSeatvice herab*
lächelte. (Sr fteEte fidj an ba§ ©ernätbe unb bcrfenfte
fidf) auf’§ fJtcue in bie ^Betrachtung biefer Büge, übet:
bie er 9lEe3 um fich h e * 3 U bergeffen geneigt fd;ien,\
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JRontan oou (Eart 6b. SUopjer. 9
SlEcä, Söorfäße, glatte unb (Erinnerungen an frühere
Seiten.
©er junge Äünftler mod)te lange Seit f° gcftanben
fabelt, atä ein fdjüdjterneä -pochen an ber äußeren XIjüre
ihn emporfdjteden ließ. (Er ging unb öffnete, toar aber
nicht toenig erftaunt, al§ ßubloig <Btampfel bie ©djtoeEc
bc§ 2ltelier§ betrat.
„(Sott grüß 5 ©ich, SBruberT rief ber Uniberfallünftter.
„2llfo ©u tootjnft nnrltidj ba 1 ? Sch tooEte bent Sßortier
braußen am ©h° re leinen ©tauben fcbenlen unb toar fdjon
faft entfchloffcn, 2lngefid)t8 be§ flogen i}3alafteä, ber bod) gar
3 U greE bon ber jtlbernen 9tübe abftidjt, toieber umaulehren."
©ie 2Jtiene be§ 2Jtater§ brüdte jebenfaEä lein befoit»
bereä (Entaüden barüber au§, baß ber 33efudjer beit er»
mahnten Sßorfaß ber Umlrijr nicht auägefüljrt habe. 2lbcr
„©ignor ©tameEi" benterlte e§ nicht, fotoie er nicht ein»
mal barauf achtete, baß ©tepljan ihm toeber bie $anb
reichte, noch ihm ein SBort be§ ©ruße§ fdjenlte. (Er toar
febigtidj mit ber Betrachtung be§ eleganten Sltelierg be=
fertigt.
„<£>öre ’mal," fagte er mit erftauntem Äopffdjütteln,
nach feiner ©etoohnheit fofort ben ©aftfinn bei feiner Be»
fichtigung au t^ilfe neljmenb, ,,©u bijt bod) ein redjter
©lüdäpila, alter fyreunb ! |>ier lönntc man ftd) ja gerabeau
mitten in ein Biärchen hinein berfeßt glauben. £crrlid),
tounberbar ! Unb bie§ ift 9lEe§ ©ein (Eigentum, gefpenbet
bon jener holbeit $ee, ©einer ©önnerin 1 ?"
„9tun ja bod), ioa§ ftrtbefl ©u baran fo Umoahrfdjein»
ließet? Cber ßaft ©n benn mirltich gemeint, ich erblide
10
fjtomilieneljre.
meine SebenäaufgaBe barin, einig im 9iü6enBof p Blühen?
£ange genug Baben mid) jene grauen dauern eingeengt,
ben ^tug meinet ©cifteä geBentmt, mein dmpftnben, mein
IfinftterifdjeS (Schaffen berfTacBt unb jerfplittert."
„9tun, nun, SDu fdjeinft ja mit einem 9)tale Don einer
förmlichen S3ßutB gegen unferen guten 9JtufenBof erfaßt
p fein, bie icB früBer gar nicht an 35ir Bemerlte. Erinnere
2)idh bocB, bafs ioir im Qrreunbeäfreiä bafelBft fcBon biete
angeneBme, Bittere ©tunben berteBt Baben, bie uns bie
graue Äaferne ganj lieB machen tonnten."
SSranbt luoHte ettoaä ertoiebern, Bradt; aBer ptöfjlidj
aB unb pdte berädjtlid) bie 9tcBfeln. SDaitn, alä er
Stampfet gerabe§toeg§ auf ba3 ©emälbe pfdjreiten faB,
tarn er iBnt rafcB pbor unb feBrte baä 33itb auf ber
©taffetei um.
„SBarum berBirgft 3)u mir baä S3itb? 3d) Babe c§
ja bodj fdjoit gefeBen, e§ ift ja 2)eiu atte3 33ilb, bie SSraut
bau s JJtebina ober bon 5Mfa, glaub’ idj."
„9tun eBen be§Bat6, ich loitt baä töitb nicht met)r
fetjen, ba§ mir nie fertig p merben fcBeint. 916er tümmere
£id) nidjt barum. 2öie fteBt eä mit S)einent Äonjert?"
,,©eBr gut!" erttärte ber 9)htfifu§ grabitätifcB. „3)iefeö
auBerorbentticBe mufiJalifd^e ©reignifj — e§ ift ber eigent=
liehe 3®ed meinet 33efucheä, 2>ir bie§ mitptBeilen —
toirb B e bi e über brei Söodjen braunen im großen ©chicen*
faat ftattfinben. 9lHeä ift fcBon in Befter SJorBereitung,
bie üptafate unter ber treffe, bie 9tettamen an bie £agcS=
Blätter berfanbt, unb bie ÄartenfuBfcription in ber 2ftufi*
talienBanbtung bou ©parmann eröffnet."
)
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Vornan oon 6 arl 6 b. &lop|er.
11
Stampfe!, ber biefe SSorte mit grofjent üttacbbrud auä*
gefprocben, machte jc^t eine 5|kufe, um bem ffreunbe Seit
au taffen, bie ganae ßöichtigfeit biefer Senfationänachricbt
in fidj aufaune^men. fDtittlertoeüe griff er in feine 23ruft*
tafele unb tjotte barauä ein großes 9totiabuch ^eröor, bem
er mehrere rotfje 5ßapierftreifen entnahm. 2 )ann ging er
feierlich auf beit SJtaler 3 U.
„2lu3 33orforge für ben ffaß, bafj bie Nachfrage nad)
Äonaertbißetä eine fo ftarfc merben faßte, bafj 35u 3 )ict)
nic^t rechtzeitig mit etlichen baPon Perfehen Jönntcft, bube
ich 2)ir einige 5picipe im erften ^arquet referPirt, bie befteu
Sifce im ganaeit Saal, bie ich 2) ir hiermit überreife,
ißießeid^t ift bie Saroitin OT^t^off fo gütig, ebeitfaßö
baPon ©ebraud) 3 U machen, moburch idj mich felbft*
Perftänbtich fcb r geehrt fühlen mürbe. — Slpropoö, fanu
man benit biefe intereffante 2 >ame, um bie fidj im fütufen*
hofe febon ein förmlicher Sagenfreiä gemobeit ^at, nicht
auch einmal au ©efidjte befommen?"
2>abei fab er fi<h nad) aßen Seiten um, al§ ermarte
er ben $opf ber SSaronin Ijinter biefem ober jenem $or*
bang berPorguden au feben.
„ßßoau?" fragte Stepban ärgerlich, medjamfcb bie ibm
überreichten 33ißet§ entgegennebntenb. „üBift 2>u etma ein
Slbgefanbter ber £eute au§ bem föübcnbofe, ber über bie
eudj fo ftarl befchäftigenbc ffrau P. *Dtüblb°ff ^Bericht er*
fiatten foß? 3 <h hätte e§ nicht gerne, toenn eS fich Piel=
leicht Stemanb beifaßen liefje, fich ber SBaronin aufau«
brängen, ihr läfiig au faßen."
„Stephan," fagte Stampfei betreten, „mic fomrnft 2)u
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12
^amifietiefjre.
mir benn mit einem Stale bor? 3 fdj toeifj uidfjt, ob idj
nttdfj taufte, aber eg fdjeiut mir, alg fprädfjeft 2)u über
©eine 3freunbe in einem ©oue, ber — mie fott idj fagen —
ber eine gettriffe Stijjadjtung augbrudt. ©ie bon ©ir
gepadjtete ©öntterin 3U ,beläftigen‘ liegt mir ferne, icfj
moHte iljr nur meine ganj ergebene (Sinlabung au meinem
^onjerte überbringen."
„$dj foerbe fie in ©einem Flamen au bie richtige Slbreffe
leiten," entgegnete Sranbt füljl; bann fcfjien er fidf; auf
ettoag 3U befinnen. „ 9 lcfj ja, halb l)ütte idj bergeffeit —
bie Sille tg — erf djeinen fie ©ir mit fünfzig Star! gc=
uügenb bejaht?"
ßr öffnete mit nadjläfjtger ^anbbetoegung ein Heines;
Ääftd&eit, bag auf einem bergolbeten ©efintfe ftanb.
„Sraubt, mag benlft ©u bon mir?" rief je|t ber
^Jlufifer im ©one ber Äränlung. „Söilttft ©u mid^ bc=
leibigen, bafc ©u mir ©elb bieteft? £>aft benn ©u alg
mein fSreuitb uidfjt 9 lntljeil an meinem Suljrn, au meinen
(Sr folgen? 3 dj merbe midj begeifiert füllen, menn idj
midj bon ben lieben Äameraben umgeben felje, idj toerbe
bag moljltljuenbe ©efüljt Ijaben, in meiner Sälje Störer
3U befitjen, bie meine Aufregung, meine f^reube mit mir
feilen. Unb iäj fott midj für biefeg Stitgefüfjl nod)
bellen laffen? 6g ift mir überhaupt uidfjt um ben
materiellen Sortljeil, nidfjt um ©elb <ju tljun, fonbern
um (Sljre unb lünftlerifd^e Slnerlennung! 2 Bag mürbeft
©u 3um Seifpiel fagen, menn idj ßntree beaaljlen motlte,
um irgenb eineg ©einer fpdter einmal auggefteflten Silber
3U feljen?"
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iRoman non Sari Sb. Klopfer.
13
„9hm," ermieberte 23ranbt etmaS berfegen, „id(j tooEte
©idfj nidjt hänfen. 3 $ badfjte nur, bafj ©u etma ein
Bissen 9Eoo§ bonnötljen Ijaben fönnteff. 9Kein ©ott,
fjaben mir unS benn nicfjt in früheren Seiten oft genug
gegenfeitig auägef)olfen?"
„Sn früheren feiten, ja — aber jefct ift e§ ettoaS 9fn*
bere§. ©u moEteft mir ba§ ©elb offenbar audj nidf)t in
biefem ©inne bieten. S3 fd^eint mir bielmefir, al§ moEteft
©u bamit nuferem SSerfjältnifs für bie 3 «funft eine gemiffe
EBenbung geben. S$ ^abe bergeben§ gemartet, bafj ©u
©icf) nadj ben Sfreunben au§ bem 93tufenIjofe erfunbigen
mürbefi; fie fdjeinen ©ir unbequem gemorben 3 U fein.
9hm, baS Ijätteft ©u mir ja gleich ju Anfang fagen fönnen.
Setjt foEft ©u bor mir 9htf)e l§aben!"
Sn bem Eöefen ©tampfef^ mar eine rnerfmütbige
Söeränberung borgegangen, ©ein ©efid^t mar ernft uttb
traurig. Sr griff nadf) feinem -fpute unb ging ber ©ljür 31 t.
„5ldj, ©u bift nicht redC)t bei ©roft!" rief ©tebfjan
geärgert, „©eine lächerliche ©entimentatität nimmt 9lEe§
tragifdj, Submig. Eöenn ich ©ich nid^t fo genau fennte,
ich müfjte mich über ©ich ernftlidj er 3 ürnen."
„Si, feljt hoch einmal!" lächelte ©tambfel mef|mütf)ig.
„9tun, mir moEen mit einanber nicht redeten. S<h f)«be
©ich berftanben — unb bamit genug, ©ein Stfcfjeinen
ober ©eine Slbmefenffeit beim $on 3 erte mirb mid) über*
bie§ barüber belehren, ob ich mich in meiner traurigen
^Beobachtung getäufcfjt ^abe ober nicht. 33eläftigung unb
9lufbtingli<hfeit baft ©u iubeffen feinenfaES mel)r 31 t
fürdjten, unb idj münfdje ber 3 lidjft, bafc ©u e§ nie be*
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14
fyamilienefjre.
reuen mögeft, Dich jo leicht unb unbelfimmert bon ben
©enoffen Deiner ehemaligen #rmuttj toägefagt 3 U höben.
Slbieu!“
Damit entfernte er fidj raffen Sdjritteg au§ bem
Sltelier, beffen ßuft ihm plötjtidh fehr unbehaglich ge=
morben mar.
SBranbt madhte fd^on eine SBetoegung, at§ ob er ben
Scheibenbeu zurüdftjalten moltte, aber bannbrehte er ftchmifj=
muthig unb adhfetäudlenb hetum unb ging an bie Staffetei,
mo er ba§ SBilb mieber in bie frühere Stellung brachte.
„G3 ifi beffer fo!" murmelte er bor fich 1)«^ toährenb
er an ba§ Difthdhen trat, mo neben feinen SUtalerutenfitien
ein SBecher mit türlifchen Gigaretten ftanb. Gr ftecfte
fidh eine Gigarette an unb marf fich auf ben niebrigen
orientalifchen Diban in ber taufdjigen Gdte.
Sinnenb Hielte er ben buftigen blauen 9iaudhmot!en
nach, bie fidh in zerfliefjenben Gingen amifdjen feinen Sippen
herborbrängten unb langfam jur Decfe entporfiiegen. Gr
badhte baran, ba| bor kurzem 3rene auf berfelben Stelle,
auf bemfelben Diban geruht habe, unb in ben baran fidh
tnüpfenben ©ebanlen bergafj er bie Scene mit Stampfet,
mie überhaupt Me§, ma§ mit feinen früheren ^Beziehungen,
mit bem alten <£>aufe „ 3 ur fitbernen Oiübe" 3 ufammenhtng.
§epntes Kapitel.
'^totarieffe <&ef<tjäftf.
Der borgen, metcher jener 9tadht folgte, bie bem
Slbbofaten Drenner auf ©ofedE bie Rapiere ber berftorbenen
©räfin Slurelie in bie £önbe gefpiett hatte, mar trüb unb
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ilomcm non Garl Gb. Stopfer.
15
unfreunblidj , fo recht geeignet, um eine unangenehme
©emüthSftimmung $u ermeden; ein erfter Vorbote beS
letannahenben SBinterS. i
©raf SStabimir ö. SöernShaufen ftanb am genfter
feines VibtiothelaimmerS unb fah in fd^ted^ter Saune 3 «
bem regenfchmeren .fMmmel empor. Gr fühlte heute nicht
bie geringfte Sufi, an feine 2ageSgefd}äfte 31 t gehen. 2>a
trat ber Äammerbiener ein. 25er Vtinifter manbte ben
$opf nach rüdmärtS.
„2öaS gibt eS, Sorenj?"
„<$err 2>oftor Qrriebrich Brenner bittet Gure Gjceltena
um eine Unterrebung."
„Sich, f^on fo früh?"
„Gr fagte, eS hunbte fich um midjtige notarielle ©e*
fd^äfte, bie leinen Stuffdjub bulbeten."
„2)aS fennt man ! 3eber behauptet, fein Slnliegen märe
fehr bringenb unb geftatte leinen Sluffdjub. 2)och ba fällt mir
ein — Premier — baS ift ja ber SInmalt meines ©otjneS !
5Jtun benn, taffen ©ie iljn eintreten, fagen ©ie ihm aber, ich
fei fehr befdjäftigt unb lönne ihm nicht lange ©ehör fchenlen."
„©eh* moht." Soren 3 entfernte fid). 25er Vtinifter
fetjte fich fehr mifjmuthig an feinen ©djreibtifch, um ben
Vefudjer au ermarten.
Gine tjaXBe Vtinute fpäter betrat 2renner mit einer
ehrerbietigen Verbeugung baS Vibtiothelaimmer. Stachbem
er bie gtügelthür forgfältig hinter fich gefchloffett tjatte,
trat er mit gelrümmtem 9iüden öor.
„Gjcetlena geftatten mir, rnid; ganj unterthänigft üor*
juftellen — "
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IG . $amUienefjre.
„SDoltor Brenner, ja, ich |aBe foeben erfaßten. Sitte,
faffett ©ie jt<b möglicbft Iura* Söomit fann ich Sbnen bienen ?"
„3$ möchte mir erlauben, Gurer ©jceKenj einen SBerid^t
über baS Grgebnife meiner SerlaffenfcbaftSaufnabme toor=
aulegen, bie ich geftern im Aufträge #erm ©oljneS,
beS ©rafen Herbert, auf bent SJlajorate ©ofeef Vorgenont=
men bube."
„ 2 lber erlauben ©ie, $err Mtor," marf ber Stinifter
befrembet ein, „baS gebt boeb meinen ©obn an — "
„MerbingS auch," entgegnete ber 9iotar mit einem
eigentümlichen Säbeln; „nur bin icb getoifj, bafc ©jceHen 3
baS näcbfte ^ntereffe baran haben bürften, infofem i(b
ncimlicb bei bem genannten ©efetjäfte auf Umftänbe ge=
ftofcen bin, bie in mehr als einer Seaiebung ber un=
getbeilten 3lufmerlfam!eit Gurer Gjcellena toertb finb.
2>eSbalb mufi i(b auch um Gntfcbutbigung bitten, menn
ich 3 U Anfang meiner Stittbeilungen etfoaS meiter auS*
bole, als Vielleicht im erften Moment für nötbig erfebeinen
bürfte. GS entfpringt überbieS biefe meine 5lbfid§t nur
ber befonberen 9?ücffi<btnabme auf Gure Gjcellena, bie
meinen Gr Öffnungen getoifj gan 3 unb gar unvorbereitet
gegenüberfteben bürften."
SDaS feine, gelbliche ©efiebt beS fötinifterS gudCte Vor
Ungebulb, fein lebhaftes Sluge fprübte. Gr lebnte ficb in
feinem ©tubl aurütf unb beutete Iura nach einem ©effel
in ber 9täbe beS ©cbreibtifcbeS, auf melden ficb ber 9iotar
nieberliefj.
„25aS bört fief) faft mie bie Ginfeitung 3 U ettoaS febr
peinlichem an."
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Vornan oon Pari (5b. .'RCopfer.
'17
,,3icf) fürste, es$ lüirb (htrer (SjccUenj fo erflehten — "
„©teidjbiel, id) mitl ftetö rafcfjc ©emipeit fabelt.
SOSoEen ©ie alfo bentnadj bon ber bon Sfyten nötljig bc=
funbenen längeren SSorbereituug Slbfianb neunten unb mit
tfjunlicfjfter ©ile auf ben Äern ber ©adje tommen."
,,©el)r moljf, allein id) erlaube mir nodjmalö au ber=
fiebern — id) fann unmöglidj fo gerabeau bie Reiften
^unttc berühren — *
„3unt leiden -iDtalc, fpredjeu ©ie!"
„SOSie ©ure ©jcellena befehlen," eutgegnete Brenner fetjr
rul)ig unb mit feinem früheren £ädjeln, bann fuljr er
fort: „SBiffeit ©jcellena, bafi 3I)r -£)err Leiter, ber ber=
ftorbene $ufarenmajor ©raf ©goit b. Sternhaufen nidjt,
mie allgemein angenommen mirb, in ber fogenannieti
Xcufelhdtjtudjt bei ©ofed fein traurige^ ©nbe gefuttbeu
l/at? — $dj Ijabe mid^ tura gefaxt unb bin mit biefer
ftrage unmittelbar bom gcmünfdjten Jlernpunft ausige^
gangen, ©jcellena!"
S)aö glattraftrte ©efidjt beä SOiinifierä mar plöfclid)
freibemeifj gemorbett. S)a$ mar allerbingä ein Ijödfjft frap=
pirenber Anfang.
„SOßaä fotl baS 1 ?" fragte ber ©raf nadj einer SOSeile,
alle 9Jtülje aufmenbeitb, um fein biplomatifdfjeä ©leid)=
gemixt au bemalen. ,,3d) begreife biefe S^re 3*age
iticf)t, ^err SDoftor. SOteineä SOBiffenä fteljt bie 2obeöart
meinet bebauern^mertljeu S3etter§ aujjer allem 3n , eifel-
SOBie lommen ©ie Ijeutc — nadj bieraeljn 3a$ren —
barauf 1 ?"
„3)abon fpäter. ©3 genüge borläufig meine 3Jerfic§c a
SJibliotljcf. 3a$rg. 1889. 3». X. 2
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18' ^amitienefjre.
;
rung, bajj icfj feft überaeugt bin , ©raf ©gon ifi nicfjt
burdj einen ©tura in ben bewußten ?lbgrunb berunglftdt.
bieHeidjt gelingt e§ ©urer ©jceKcna, midfj int Saufe uitferer
berljanblung boc^ 3 U ber allgemeinen Slnualjme au bc=
feeren."
25er Xon unb bie 9JUene be§ Notars Waren Bei biefen
äöorten fo Ijarmloä, als lauere nicfjt bie geringfte Slnjiig*
lidjfeit bafjinter.
„$dj werbe au£ Sljren äöorten unb Streit Slbfidfjten
wirllidj nicfjt ftug, mein Befter |>err 2)oftor," crwieberte
ber ©raf nerbßö. „Söie benfeit ©ic beim, bafj ber btajor
geftorBen ift? btan Ijat bodf) bie Elarften beWeife baöon,
bafj er tfjatfäcfjlidj burcfj einen ©tura mit bem 5ßferbe — "
„Karbon, bafj idj ©ure ©jcetfena unterbrecfje. $dj Eenne
biefc angeblichen SSetoeife redfjt Woljl, bodj mßdjte idfj mir
bie ©egenBemerfuitg erlauben, bafj man bic Seidje beä
|>errn ©rafen nicfjt aufgefunben hat."
„Natürlich nicfjt, weil — "
„bkil ba§ Söaffer ber XeufelSfdjtudjt bic lobten nicht
mehr äuriidEgibt fuT^r ber s Jtotar im unbefangenften
Paubertone fort; „felbft ein — tebenbig begrabener
Eontntt nicht fo leidet Wieber 3 unt borfdjein."
SDcr btinifter fufjr empor, aber feine aitternben ©lieber
liefen £fjn fofort Wieber auf ben ©tuljl auriidfinfen.
Brenner fdjien babon nicfjt baS ©eringfte au inerten.
„ s Jloch eine Stage! Söiffen ©ure ©icellena, bafj auf
bem ©djtoffe ©ofed ein geheimes ©eWölbe eiiftirt?"
2)er ©raf blieb ftumm, aber feine 3ähne Waren feft
aufeinanber gebiffen, feine Sippen bebten wie im Sieber*
\
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ÜRomatt t)oit Gart Gb. Klopfer.
19
froft. 2>er redete 2ltnt, mit meldjent er beu '.Notar $u
fd^toeigen bebeutete, fchlotterte. SDann fcfjlug bie |>anb
beä 5Jtinifter§ mit unfidjerent ©riffe auf ben £nopf ber
filbernen Älinget, bie auf ber ©djreibtif cf; platte ftanb.'
Soren^ erfdjicit im 2^iirra^men, ber ^Befehle feine§
.§erm gemärtig, aber biefer bermodjte feinen Saut ^ert>or=
äubringen; er mufjtc fein ©eftcht beut 3fenftcr aumenben,
um beut Wiener feine furchtbare Erregung ^u berbergen.
„©eine ©jccttena münfehen, ba| 9tiemanb in ba§ S3or=
jimmer gelaffen metbe," fagte ber s Jtotar rafch, bie 9lbfkf)t
beä ©rafen fofort erratf>enb. „©ie follen bafilr forgen,
bafj mir bollftäubig ungeftört bleiben; cö Ijanbett fidj um
eine bertraulidje 9Jtittheilung im ^öd^ften ©taatSintereffe."
5>er Äautmerbiener berliefe mit einer ftumtnen $er=
beugung ba§ Simmer, itt meldjem noch lange Seit fein
Saut bie peiubollc ©tille unterbrach-
„Äura unb gut," nahm Xrenner plötjlich ba§ ©efpräch
mieber auf, al3 ob gar feine Unterbrechung ftattgefunben
hätte, „furj unb gut, ©raf ©gon 2öern$haufen ift nicht
in bie 2eufel3fchlu<ht geftürjt, fonbern in beut ermähnten
unterirbifdjen ©efaffe, bem ©eheimniffe beS ©djtoffeä --
fagen mir: internirt morben. 33ermuthen ©ure ©jceUen^
üietteicht — bott ment?"
Slbertnals eine 5paufe bumpfen, briiefenbeu ©dhmeigettö,
bann manbte fi<h ber ©raf um; fein ©eftcht mar erbfahl,
bie ©efichtämu3fetn jueften mie unter eleftrifchen ©inflüffen.
„Saffen ©ie unä ju ©nbe fontnten, «fperr," fagte er
falt, mit anfdjeinenber s Jiuhc. „©ie miffen 9We§, SttleS,
nicht mahr 1 ?"
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20
(frumlieneljre.
,,3cf) glaube," ermieberte trennet mit einer ^ubor=
fomntenben leisten Verneigung, mätyrenb er bie Vrief*
tafd^c auä feinem Paletot Ijolte unb fie IjarmtoS täubelnb
itt bett $änbcn breite.
„Unfafcbar! SBer Ijat baS (Setyeinmifj , ba£ idj längft
begraben glaubte, IjevauSgeljolt aus bem 25unfel unb e£
Sinnen berratfjen 1 ?"
„2)aS üagebud) 3förer fyxbfeligcn $rau ®emal>lin, bcr
©räfin 9lutclie," fagtc ber ÜJtotar gatta gelaffen.
„Vtein ©ott, roaS reben Sie ba? $a3 2agcbud) —
meiner tfrau?"
„ßigenttid) uteljr baä £agebudj — feiner grau,
menn mir nadj bem 3)atum gefeit moKen, ©iccUena."
,,3id) fjatte feine Stiftung bon einem folgen ! Unb mic
benn, mic tonnte benn Slurelic jemals — idj erfuhr mit
feinem SBortc, bafj fie audj nur bie leifefte Äcuntnifj
bon bem — "
„2>aS mar eben ein 3>rrtljunt St^rcrfeitS, -£>err ©raf.
Um Sie aber boltfiäubig barüber aufauflären, in mie meit
jene 2agebuctjblättcr Sie 3U fompromittiren geeignet finb,
merbe idj mir btc (5l)re geben, 3tf)uen ben J3fn^alt eines
biefer Rapiere aur Äenntntfj au bringen."
25er ©raf ftredte bie |>anb au§, um bie Rapiere ent»
gegenauuefjmen, aber ber 9iotar 30g fie mit einem feljr
berbtnblidjen Säbeln an fidj.
„Karbon, ictj mill Sie nidjt bemühen, fclbft au lefen.
25ann finb mir biefe Vtättdfjen audfj — a u liebe Paritäten,
als ba| idf) fie gerne in anbere <&änbc gelangen liefje.
$dj merbe mir alfo ertauben, baS SDÖiff ensmer tiefte bor*
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Oioman oon Part Pb. ßlopfer. 21
gulefen unb bitte für einige Minuten um 3ljr geneigtes
©el)ör!"
3)aS tagte et fo freunbticfj, fo Ijöflidfj, als buffe er
ni(^t, bafj bet fütinifter mit jebent fJterb auf bie Söorte
beS 9tbbo!aten Ijinlaufdje, bet jetjt feine 33rieftafdje öffnete
unb ein 5päcfdfjen IjerauSnatjm. Pt 30g ein SBlatt Verbot,
räufperte fiel) umftänblidj — bcn ©rafen botfäjjlicfj alle
foltern burdjlofien laffenb — um enblid§ mit bem $or=
lefen gu Beginnen.
PS mar bieS bie Slufgeidjnung, bie baS 2>atum bont
2. 3uli, 3 Uljt Borgens trug unb mit ben Söorten Begann :
„ÜJteine fßulfe fliegen, baS 33lut BrauSt in meinen Cljten"
u. f. tu.
23ei bet ©teile: „Pgon fagte gu SBlabimir, et möge
ben Slrmleudjter mitneljmen ..." ftö^nte ber ©raf fcf)metg=
lid^ auf. Pt bedfte bie $äitbe bot’S ©efidjt unb fjörte,
regungslos in feinem ©tuljl gurüdgeleljnt, auf ben Slert,
ben bet fRotat langfam unb beutlidfj, aBer fo gefdf)äftS=
mäfjig falt botlaS, als IjaBe er einen gang gleidjgütigeu
.Eontraft in $änben: „ idj lief an’S 3?enfter —
Sölabimit Ijielt ben boEftänbig aufgeräumten Etappen am
3iigel unb führte iljn, Beljutfam neben ifjnt Ijerfdjreitenb,
übet ben IRafen, bem ©artenttjore gu. 2)aBei festen eS
mit, als fucfje et abfidjtlidlj bie ©teilen, too ber ©chatten
bet SBäume Ijiitfiel, als betmeibe et äitgftlidj bie bont
grellen SöoEmonb BefdEjienenen 2Bege ..."
„@enug, genug, galten ©ie ein," ftöljnte bet ©taf,
bie gitternben $änbe abmeljrenb bot fid} fjinljattenb. „Sdj
felje, ©ie finb über bie gange ©adje boEftänbig im klaren."
22
Jvamifieneftre.
„SDaS freut mict)," ermieberte Xrcnncr refpettboll, bie
Rapiere mieber forgfältig 31t fic^ ftedenb; „mir merben
baburdj ttnt fo eljer jum Sdjlufj unferer Unterrebung
lommen."
„Unb mag gebenfen Sie mit biefen berljängnifebollen
papieren 3U tljun?"
„3e nun, icfj lönnte mit ben SBlättem gor 9 ttandfye§
anfangen, bielleidjt gebe idfj $ljnen baS Späddjen 3ur $er»
menbung nadj eigenem ©utbünlen. 2Die ©efdjidjte Ijat
bantit einen befriebigenben Slbft^Xufe gefunben, nttb Sie
tjaben rnicf), ma§ id) ja gleid) 31t beginn meiner Aubien3
in baS SBereid) ber itöglidtfeit [teilte, bottftänbig babon
überzeugt , bafj ©raf Ggon SBernSliaufen mirflidj mit
bem 5 j 3 ferbe burdj ben Stur3 in bie Sdjludjt berunglüdte."
„ 2 fcfj berfte^e, mein |>err. Sie Ijaben midj in Sförer
£>anb unb lönnen mid), menn e§ 3fl)nen beliebt, mie eine
Zitrone auSpreffen — "
„Sie fetjen miclj in ©rftaunen burdj bie biplomatifdfjc
Sdijarfficfjt, mit meldjer Sie ba§ Xerrain überbliden. 3 n
ber £l)at, idj fann Sie auSpreffen — mie eine Gitrone."
„Um Iut3 3U fein: miebiel?"
„2öie belieben GjceUens 3U bemerten?"
„Sfdj frage, miebiel? Söicbiel begehren Sie für bie
Auslieferung biefer Sdjriftftüde, geehrter .£>err Mtor?"
„Adj, Sie meinen — ©elb? Aber befter ©raf, moltten
Sie benn mirflidj fo unborfidjtig fein? 33 eben!en Sie
bod), melcfj’ geringe Sidtjerljeit $ljnen baburdj geboten
märe, menn i<$ $ljnen ba§ 5 ßädct)en berlaufen mürbe. 3 )ie
gefeptidjen SBemeife — menn man bie Aoti3en einer SSaljn*
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Vornan tum Pari Pb. Klopfer.
finnigen überhaupt als foldpe gelten taffen toollte — mären
bann alterbingS aus her 2öett gefdpafft. 9tber mer bürgt
3pnen benn bafiir, bap id) nidpt peute $pr ©etb nepme,
Spnen bie ©dpriften übergebe unb morgen bie ganje
©adpe auSplaubere, ober nodp fdptimmer: ©ie unter ber
ftetigen Sllnbropung biefer SPubtifation <}u einer immer»
mäprenben ©otbgrube für ntidj madpe, fo bap idp ©ie
nadp unb nad) ruinire, ©ie auSpreffe mie eine ßitrone?"
S)er SRotar patte fidp mäprenb biefer «Rebe bon feinem
©ip erhoben unb toar langfaut an ben SDtinifter peran=
getreten, ber unter jebent SBort mie unter einem Leuten»
fdptag erbebte, unb jept, toie in fidp jjufammengefunlen,
auf bem Fauteuil lauerte.
,,©ie fepen, ^err ©raf, eS märe ein fcptedjteS ©e=
fcpäft für ©ie, toenn idp bie Rapiere in ©otb umtoecpfelu
toollte."
„Silber bann begreife idp ©ie nidpt. 2öaS berlangcn
©ie benn? ©etüftet eS ©ie nadp ©pren unb Sßürben, bie
id) Spuen etma bermöge meines ©influffeS berfd)affen
fottte?" rief ber SDtinifter erftaunt, mit einer gemiffen
SHengftlidpfeit bem Söegepren feines Reinigers entgegen»
fepenb.
„Slludj nidpt übel, ©reellen^," fpottete Brenner, mäprenb
er, toie um fidp feine ^orberungen au überlegen, mit be=
bädptigen ©dpritten baS 3immer burdpmap; „©ie iootten
mir bielleidpt ein Stemtdpen, ein paar Crben ober ber»
gleidpen anbieten — in ber Xpat, ©ie fönnten mir baS
SllteS berfdpaffen ! . . . Silber nein, |>err ©raf, baS ift mein
©prgeia nidpt. ©elb pabe id) im Ueberflup felbft; unb
24
^amiUeneJjrc. -
bie Söürbe einer borneljmen ©teEung, bie mir nur
lofe geinbc fd^affen mürbe, Demütigungen, Saften unb fo
meiter, bie miE it lieber entbehren. — Denfen ©ie nur
an Slnbereä!"
Der <$raf atmete ferner. „St fann bot Sljrc
Söünfte nitt erraten? kennen ©ie alfo felbft ben
5 preii Sljre§ ©tmeigen§."
Der Dlotar mar auf feinem Diunbgang mieber 311m
DJtinifter gefontmen, bor bem er jetjt fielen blieb, ©eine
^XJliene mar falt unb fteinern.
„6jceEen3," begann er, boEftänbig im Don, ber 311
feinem ©efittäauäbrucf üafjte, bie .fjänbe auf bem Dlficfeit
gefaltet, „mir Ijaben feinen ©runb, un§ irgenb etma§ 311
Oeteimliten. Dllfo taffen ©ie mit 8 an 3 offen 3U Stjnen
treten, bamit mir unfere gegenmärtige ©ituation rafte*
Hären, ©ie miffen — ober miffen e8 bieEeitt out
nitt — bajj it 3U ben erften Dlbbofaten ber 9iefiben3, 31t
ben reitften DJlännern be§ gan3en Sanbeä gehöre. DJlein
Vermögen geftattet mir, aEe bie Dlntyrüte 3U befriebigen,
bie it aEenfaEä an ba§ Seben fteEen fönnte, it Ijabe
nitt nötig, nat meiterem materieEen 33 eft 3U ftreben,
ba it io bot feine mir meljr 3ufagenbe $ermettbung
babon moten fönnte. 3 ll§ it in meiner ßarriöte begann,
ba galt mir eine befteibene Diente al§ baS Ijötfte 3mt;
nun, it l)abe, mic gefagt, biefeä 3iel meitauä überflügelt,
meine Dotter l)at eine boEenbete @r3iel)ung genoffen,
it fönnte in ben beften Familien meinen ©tmiegerfo^n
futen, ja, it braute ©ie motjl nitt erft 3U berfitern,
it fänbe manten Ijotabeligen |>errn, ber feinen ber=
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Vornan r»on Pari Pb. $lopfer.
25
Staaten ?lbeläfd^i£b aXS ©ibam beS reifen Slbbofaten
Trenner neu bergolben möchte; aber ich milt nicht mein
ntühfam ermorbeneS Habitat einem fotdjen 4?errn auS=
liefern, um mich bann bon ihm mit fjod&müttjigem 9tafe=
rümpfen belächeln au taffen. Tennoch habe ich in meiner
5prajiS, bie mich t»ieX mit ber 9lriftofratie in ^Berührung
braute, ben SBertfj ber beborpgten ©tetlung fennen ge=
lernt, bie ber Slbel im Allgemeinen bodj noch immer ein*
nimmt. $dj mürbe eS nicht ungerne feljen, menn meine
©nfetfinber ein gefröntes Söappen aufaumeifen Jütten —
fura, um eS rücfhaltSloS au gcfteT^en, ich habe meine Ab*
bofatur nur beShalb nicht aufgegeben, trot$bem ich eS mir
längft geftatten fönnte, meil ich eben burefj fie baS lebte
Siet meines ©hrgeiaeS au erreichen Ijoffte : einen borneljmen
©dhmiegerfohn. deinen berfdjutbeten , banferotten, an
Körper, Sugenb, ©eift unb ©emttth h^abgefommenen
Sunfer, ber mich über bie Achfel anfeljen mürbe, nein —
einen angefeljenen, reifen, begabten, eleganten AbelSfprofe,
bor bem ich mich nicht au bemüt^igen Tratte, ber bietmehr
Altes aufbieten rnüfjte, um ftcfj in meiner ©unft au er*
galten. — Aidht mahr, ©raf, baS ift mohl ein ettoaS un=
befdfjeibener Söunfdh für einen einfachen AedhtSanmatt, her-
aus ber unteren — fagen mir meinethalben auS ber unterften
©cf)idhte beS SöotfeS geftiegen ift, benn mein 33atcr mar
ein armer Tagelöhner! Ahnen ©ie nun, #err ©raf, auf
metefje SBeife ich a u meinem SW au fommeit gebenfe?"
©r bliefte fein Opfer bei biefen Söorten mit feinen
boshaften klugen an, in metdhen ber ganae unermeßliche
Triumph funfeite, ben ihm bie gegenmeirtige ©ituation
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2G ftamilienefjrp.
getoäbrte. 3>cr ©raf fdfjtoicg unb fticrte tote geifteSabtoefeub
öor fidj t)in, er fdtjien beit ©ittn ber Söorte ülrenner’ä
fatim erfaßt 3 U haben.
„SBiffen ©ie nun, $err ©raf, toa3 icf) für bie 9lu8=
lieferung jener intereffanten ütagebudjblättcr berfange?"
2 >er 9Jhnifter anttoortete nod^ immer nidf)t.
„9hm bemt," fuhr ber 9lotar, bidjt an fein £>b r ge=
neigt, im gltiftertone fort, „ 3 b* $err ©obn toirb fid)
ba^u bequemen müffen, {fräulein ©da Brenner, bie Üodjter
be§ 9lbbofaten, 3 U feiner ©attin — pr ©räfin Söernä*
Raufen 3 U ertoäblen, unb ©ie toerben 3 b* en 3 «
biefer S5erbinbung geben."
,,©inb ©i e bei ©innen, .£>err?" fdf;rie jefct ber 9Jtinif!er
unb fuhr auf; bie 3 orne§aber an feiner ©time fdjtooll an.
„9)iein befter «fperr ©raf," ^ö^nte Brenner mit eiferner
SKube, „©ie bergeffen bie ©ituation, Oergeffen, bafj ©ie
in biefem Moment boöftänbig in meine .fpanb gegeben finb."
28ern§baufen bifj fid) auf bie Sippen uttb fiel auf feinen
©ifj äurfid; ber fdjneibenbe £on beS 9totar§ batte ibu
toieber 3 um bollftänbigen 33etoufjtfein feiner bö<bft fatalen
Sage gebraut.
„53ertoünftbt!" 3 ifd)te er jtoiftben beit !nirfd)enben
3 äbnen b^tbor. „SBenn idj mir nun lieber eine Äuget
burdj beit Äopf jagte, als 3 b*e unberfdfjämten gorberungen
3 U erfüllen?"
„©elbft burdt) biefen bezweifelten ©ebritt fönnten ©ie
nicht Oerbinbent, bafj icb an ber -fpanb meiner f oftbaren
Rapiere ben ©rafen Herbert atoinge, bie ©cbmad) einer
©ntbeefung ber ©ofeder ©ebeintniffe itt ber bott mir be=
\
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föomcm t>on Part (Ft>, fttopfer.
27
bingten 2Beife gu behüten; 3tjr ©ol)n bürfte tüo^t etn=
fcljen, baji eine fotdje $eirattj nod£) immer meitiger ©taub
aufmirbett, als bie ^ubliairung eines ^amiliengeljeimniffeS,
toie eS ftd£) in meinen £änben befinbet. deinen ©ie baS
nidjt auclj, SjceHenj?"
2öetttSf)aufen atmete miiljfam.
„UebrigenS, beruhigen ©ie fidj. ©Ea Srenner ift
aEerbingS nur eine SiirgerlidEje, aber bie Smdjter eines
unbefdjoltenen 9tbbolaten, bie ©nletin eines eljr*
lidjen 5£agelöl)nerS, unb idj glaube, fie fteigt tierab,
toenn fie itjre $anb bem ©rafen SBernSljaufen reicht —
bem ©ofjne eines 3ftÖrberS! — ©ie fefjen, baS ift aud)
ein ©efidjtSbunlt!"
„W" . • •
©S mar ein qualboEcr ©eitler, meldfjer fid^ ber Söruft
beS ©rafen entrang. 2)er SSticE feiner gläferneit, blut=
unterlaufenen Slugeit ruljte lange auf bem aierlidjen 9te=
bolüer, ber auf bem eleganten ?luffatj beS ©dfireibtifdfjeS
lag. 2>ie farlaftifdjen SBorte beS Notars liefen ifjn baS
9luSfidjtSlofe eines folgen SßorfajjeS mit fd^neibenber lieber*
Beugung erlernten. 3a, er mar mirltidj mad^tloS.
„S3eenben mir biefen unerquidtietjen Auftritt," ftöljntc
er. „kennen ©ie mir 3tjre äufjerfte $orberung — bie
genannte tann nidjt 3ljr ©rnft fein!"
„3d(j glaube midf) mit genügenber ©eutlidjleit auS=
gebriidt gu Ijaben," ermieberte Brenner lalt, „unb gelje
lein 3ota bon meiner 58ebingung ab. Manien ©ie ©ott,
£err ©raf, bafj id§ ein $inb Ijabe, beffentmegen idj fo
leidet erfüEbare 9lnfprüdje fteEe!"
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28 Samilienebre.
„316er ich fage Streit : mein ©ohn toirb fidj nimmer*
mehr <ju einem foldj’ ctenben ©chadher Oertoenben laffen!
(Sie Hüffen überbieS, bafj er eine ©raut ertoätjlt l^at, bie
er nnt jeben 5preiS erringen toill."
„9htn, biefeS ©erhältnifj toirb einfach gelöst, ©eien
©ie überzeugt, ©raf Herbert bätt bie @h re feiner Familie -
ju bocb, um nicht felbft für baS ©erbrechen feines |>errn
©apa ju büfjen. UebrigenS macht 3fh r ©oljn feine fo
fcfjledjte ©arthie. teilte Softer ift jung, faum acht*
jjefjn Sfo^re, befifjt leibliche Schönheit unb gibt an ©eift,
©Übung unb bornefjmem Auftreten ber ©aronin ©tüljt*
boff fidjerlich nichts nach; fte toirb alfo eine ganj ftanbeS*
gemäße 9tepröfentantin einer ©räfin SBernS^oufen fein,
©ie aber ^aben bie ©erufjigung, bafj Sh* ©etter ©gon
toie bisher im 9lbgrunb ber 2eufelSf<hlucht Oermobert,
toenigftenS toirb eS 9iiemanb anberS toiffett, toenn ich
3 » 6 nen bie Rapiere am Sage ber -fpodfoeit übergebe. Unb
bafj ich fernerhin über baS fatale fjamiliengeffeimnif} reinen
©lunb holte, bafür bürgt Sljnen ber Umftanb, bafj eS bodj
bann in meinem eigenen Sfutereffe liegt, ben ©djtoieger*
öater meiner Xodhter — fur«j bie ganje Familie SBernS«
Raufen nicht Oerungtintpfen 31 t laffen."
„3lber — eS faitn ja nicht fein; toie foll ich meinen
©ol)n ba^u betoegen?"
„£>aS ift St^e Sache unb nicht bie meine. Sich flebe
Shnen ©ebenfjeit bis morgen Nachmittag brei Uljr, too
ich ®ie mit 3 f)*em ©ohne in meinem $aufe $um 2 >iner
ertoarte. Sich Wn überzeugt, ©ie toerben fomnten, um
beut ©rafen feine ©raut Porauftellen. — Sfa, morgen noch
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Soman oon Gtart Cfb. .ütopfer.
29
inufe Herbert um bic $anb meiner Tochter anhalten
unb — fagcn wir ^eute über fedjS Monate, Wo bie
formelle ürauerjeit für ©räfitt Slurclie atS erlofdjen
betrachtet Werben fann, foE bic feierliche yjermdhtung
ftattfinben. — 9llfo, auf Söieberfehen , ©raf; feijen Sic
fidj hewte itodj in ber Sitten gut bünfenben äüeife mit
Syrern Sohne auSeittanber; morgen aut 25tuerftunbc er=
warte id) Sie 33cibe bei mir; meine Tochter Wirb ^h^u
bie -hontteurS machen. 3<h toitt fie h cu te nodh über beu
gefehlten Jöefuch unb beffen $Werf unterrichten. 6Ka ift
au gut exogen, um einen anbereu 2öittcn au h^en, alö
ben ihreö SJaterS. — 9lbieu!"
2Damit fchritt Xrenucr ftota erhobenen <£muütcö aus
beut Sibliothefaimnter.
(Elftes Kapitel.
3Mer unb £olfn.
3m ^ittifierpalaiS fchlich heute MeS mit utöglicbficr
©erdufcblofigteit umher; bie Heine Äontteffe ^autiUa Würbe
bon ihrer ©oubernante forgfättig in ihrem Zimmer ge=
hatten, um ihr iebe ©etegenheit au benehmen, ben s 4$aba
etwa au ftöreu, benn Seine ©jceltena fd)ien erfranft, Wie
fid) bie SDienerfdjaft in’S €h r ftüftertc.
2)er 9Jtinifter hatte nach beut SBeggang bcS 9lbbotaten
baS SBibliothefaiinmer nicht mehr üerlaffett, beut Äammer=
biener bie ftrengfte SBeifung gegeben, nicht bie gerittgfte
Störung feiner ©infamteit au butben, unb ftdj barauf
ben ganaett 2ag nicht mehr blicfen taffen. 9)iatt erwartete
ihn bergebenS au ben 9Jtahtaeitcn, bie er fonft genteinfam
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^amifieneJjre.
mit feinen beiben Äinbern im Speifefaalc ein^une^men
pflegte ; bie fdjücfjterne Anfrage bcS Wieners bor ber Xfjür
pm SiblioUjefaimmet, ob Güjcettena nic^t etwa baS Siner
bott einauneljmcn wüttfdje, fattb eine furje, barfrfjc 2 lb«
Weifung, fo bafj bet $auSl)ofmeifter Stöfjler c§ gar ttidjt
wagte, aus eigenem (Srnteffen ttacfj bem JfpauSarat gu
fdfntfen.
2ltS eS aber fdjoit gegen fcdfjS Uljr 2lbenbS geworben
mar unb ©raf Sölabimir Weber Sicfjt berlangt, ttod) fonft
irgenb ein .geicfjen feiner Stntocfentjeit gegeben Ijatte, fonnte
fief) ber alte fRöfjler nid^t tneljr galten. Änr^ entfdjloffen
naljm er einen SlrmleudEjter mit brennenben SBadjSferaett.
unb ging nad) bem SBibliotfjefyimnter. @r floate nid^t
oljne ein banges ©efüljl an — fein Saut War in bem
®etttacf)e bernefjutbar. fööfjler Ijielt cS für feine $füdf}t,
jetjt nid)t me^r 3 U äaubern, unb öffnete bie Xljür, in baS
ftodbunfle 3 tntmer eintretenb; er leuchtete mit jitternbem
Sinn untrer, als fürste er, ben ©rafett irgenbwo bewußt»
loS am 33obcn liegen ju fefjen.
Scfjt fam 2öernSl)aufen auS ber genftcrnifdjc fyerbor,
in Weidner er gelernt f>atte, unb falj ben ©intretenbeu
erftaunt an.
„äJerjeiljung, ©jceUenj." ftottertc ber greife ^au^of-
mcifter, „iclj Ijatte mir nid^t geftattet, 31 t ftören, wenn
td) nic^t berntutljet ljätte, ©uer ©ycellena Wünfd^ten bicl=
leidet Sidjt."
„©S ift gut. Stellen Sie ben Seudfjter auf beit
Sdjreibtifcfj , löfdjen Sie aber alle Sidjter aus bis auf
cine§ ; ber grelle Sdjeitt fdjmeqt micf)I" 2)amit ging ber
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'Jtonum oon Gart Gb. Töpfer. 3l
s 3Jtinifter auf unb ab unb toermieb cS forgfältig, beu Sitten
fein ©efidjt fe^ett au taffen. GS foftete ihm fchon Ntiihe
genug, feine «Stimme fo meit au bemeiftern, um itt ihr
nid^t feinen furchtbaren ©emüthSauftanb micbertlingen au
taffen.
Nöbter ttjat, mie ihm befohlen, unb moltte fidj bann
toicber entfernen.
„Sich ja," fagte ber @raf plötjlich, als fiele ihm je^t
eine gteidjgiltige Sac^c ein, „Sic tönnen im Sorbeigeheu
bei meinem Sohne borfprechen unb ihm fageu, ich taffe
ihn erfuchen, ftch heute uocf) &ei mit cinauftnben —
ich höfa mit ihm au fprechen!"
2)er -£>auShofmeifier beforgte biefeu Sluftrag natürlich
fofort, um fo mehr, als er froh mar, ben (Strafen Herbert
au feinem 33ater fchidteu au fönncit, bemt ber Ntinifter
flöhte ihm in ber Stt)« 1 * ernfte Seforgniffe ein. —
ftünf Minuten fpäter trat Herbert in baS 33ibliotljel=
aintmer, nicht menig erftaunt über baS hiet h en 'f<^ en ^ c
$albbunlet, baS ihm faunt baS ©eftdjt feinet 33aterS au
feheti geftattete, metcher mieber int Schatten ber tiefen
ftenfiernifchc lehnte unb beu ®rub beS SofjneS fauttt bcr=
nehmbar ermieberte.
„Sch t) 0 *^ bab Sic unpäßlich feien," begann Herbert,
mährettb fein 33lid über ben Schreibtifd) flog, mo ein
großes, amtliches Goubert tag, „unb nicht geftört fein
mottten, aber ich feh* hmr, bab Sie fid) mohl mit einer
midhtigen 2>ienftfache befchäftigten. Sft eS nicht fo 1 ?"
„3Bie man’S nimmt," entgegnete äBernStjaufen mit
unfidjeter Stimme, „ich hübe ben Nachmittag mit ber
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^aimüeneljre.
Slbfaffung biefeö Schreibens pgebradjt — eS tft ein 3m*
mebiatgefudh an Seine Stajeftät in eigener SIngetegen*
beit."
„2öic, ein 3mmcbiatgefudh? 2Buau?"
„3a, mein Sobn," braute ber Sttinifter nur mit 2lit=
ftrengung berbor, „cS enthalt bie Sitte um meine <5ni=
laffung."
(Sr fab gefpamit auf «Herbert, ber tut erften 3Jloment
erfdhredt aurüdroidj uitb bann mit einer leidsten 9iötbe
auf beit Söangen uttb gerunaelter Stirn bor fidj bin fab-
„Sater," fagte er nach einer Skile gebrefjten SoneS,
„glauben Sie fidj baS felbft fdplbig p fein, ober bat
man cS 3bwn bon allerböcbfter Seite nabe gelegt —
toegen meiner beborftebenben Sermäblunq mit ber Saronin
robtboff?"
„Unb — meint eS nun jufäEig fo märe?"
„Staun — bann ntüfjte ich <Sie bebauern, Sater, baS
Opfer eineä fo Xäd^erltd^en SorurtbeilS gemorben p fein."
„ Unb tonnte bieS audj SDicb ntc^t bemegen — "
„3reitc aufaugeben? Niemals! — Söabrbaftig, Sater,
id) tarnt ni(bt. SBir bbü^n bieferbalb bod; fd^on febr
cingebenbe unb ernfte llnterrebungen, bie meinen <Sntfd;lujs
nicht au erfdjüttern bcrmod)tett; erfparen Sie baber mir
unb 3bnen eine SBieberbolung biefer frucbtlofen 2luS=
cinanberfeipngcn. Söeun Sie mirflidh 3b r Portefeuille
baburcb einbiifjen, fo mögen Sie ficb tröften, nichts Se«
fonbereS berlorett au b^ben; benn menn fo tleinlidhe -£>of=
intriguen fdhon im Staube finb, 3b re Stellung a« e* s
f füttern, fo — "
j
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fRontan oon (Jarl @b. (opfer. 33
„©cuug!" unterbrach i(jn ber ÜJlinifter. @r fal) ein,
bafj ihm ein unumtouttbeneS ©eftänbnifj nicht erfpart
bleiben tonnte. „Du irrft mit Deiner Sennutbung über
ben Seloeggrunb meinet dntlaffungSgefuchS, baS boHftänbig
meinem eigenen äöitten entfpriugt. SDiefen Setoeggrunb
Dir mitjutheilen unb beS Näheren ju beleuchten, ift je^t
meine Slbficht. ©et$e Dich bort in jenen ©tubt unb h^te,
maS iih Dir 31t fagen bafo- ^Bereite Dich immerhin auf
etmaS fehr Unerwartetes unb — Unerfreuliches bor, baS
Deinem ßebenStoege Wie auch meinem Serbättniffe 31t Dir
eine bebeutenbe SBenbung 31t geben geeignet ift."
©eine ©timme Hang bei ben lebten Söorten hobt unb
gebrochen. Herbert Wollte fpredjen, aber bie 3itternbe
.jpanbbetoegung beS SaterS liefj i^n berftummen. dt nahm
auf bemfelbett ©effel $latj, ber am borgen bent fJtotar
Dtenner als ©itj gebient hatte, unb fab bem ßommenben
mit begreiflicher ©pannung unb einem bellemmenbeti
Sangen entgegen.
„Sorerft," fuhr SSernShaufen nach einer fletnen $aufe
fort, „muff ich auf einige Sfabre in unferer Sfamilien»
gefdjichte aurüdgreifen; erfdjredc nicht unb berbamnte mich
noch nidht fogteidj, Wenn ich Dir einige ©eftänbniffe —
ettoaS betifater 9 tatur 3U machen geawungen bin. Du
wirft Wiffen, bafj unfer ©efehteebt, ich meine bie birelte
ßinie SöernShaufeit, burch bie ftranaofenfriege am Einfang
unfereS SabrbunbertS fehr berarmte, fo bafj bie beiben
testen ©rafen SBernSbaufen ihren ©ötjnen — dgon, bem
Setter, unb mir — faft gar fein Sermögen hintertaffen
fonnten. SBir mußten Seibe in ben ©taatsbienft treten,
»iWUt$et. 3at)tg. 1889. 33 b. X. 3
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ftamUienefjre.
H4
bet ©ine als Offizier, bet 9lnbete als 3)iblomat, unb
maren babei faft gan,} auf bte Unterftö^ung bcS DnfelS aus
bet meiblidjen Seitenlinie, beS dürften ©albatot auf ©ichen*
bürg unb ©ofecf, angemiefen. S)er f^ürft, ber unS fcJjon nad)
bem frühen £ob unfetet 23äter unter feine SSormunbfdjaft
nahm, übte auf unS unb unferen ßebenSmeg begreiflicher
SÖeife einen (Einfluß auS, bem mir unS nicht entheben
tonnten. 3dj miß je^t nidtjt Unfdjulbige anttagen, aber
märe ber Cnfel etmaS meniger ^art gegen mich gemefen,
id) ftünbe Ijeute gemifj nicht fo bor 3Dit, mie ich nun
mufj! 3m ©egenfatje ju ber |järte alfo, bie mir ber
3rürft beS Cefteren bemieS, mar ©gon fein erftärter fiieb*
ling, bielleidjt meil biefer jut Seit, ba er als faum jebu*
jähriger $nabe in baS .jpauS beS CnfetS tarn, fich mehr an
ben oft febt munbetlidjen Sormunb anfcblofi, mährenb ich,
ber um gute elf 3aljre keltere, mit etroaS felbftftänbigeren
9lnftdjten oft mit benen beS CnfelS in Äonftift tarn,
©enug, ich fanb im dürften ©albator nur einen Sucht*
meifter, ©gon aber einen bäterlidjen ftteunb. ©t ber*
brachte bie Sferienaeit, bie ihm bie ßabettenfchule gönnte,
ftetS auf ©ofed beim Dnfel, mo er bie liebeboHfte 9luf=
nähme fanb. 3dj boHenbete inbefj in 5ßatiS meine ©tubien.
2)u fannft $>ir benten, mie unangenehm nti<h eines 2ageS
ein S3rief beS dürften ilberrafc^en muffte, in metchent mir
bie 9tothmenbigteit nahegelegt mürbe, mich 3« berbeiratben.
35er Orürfb hatte auch bereits, ohne nur im ©eringften
meinen eigenen Söißen in 9tüdft<bt 3U Riehen, eine SSraut
für mich ßemäblt: ßeonore b. £andenau. S)eine SJtutter
mar bie (infelin eines ihm befreunbeten ©eneralS, meiner
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JRontmt von Pari Pb. fl (opfer.
bor Äußern geftorben mar unb baS 9 Jtäbd)en all unber=
forgte äöaife 3urüdgelaffen hotte. Dnfef Salbator glaubte
fic^ nun bem alten Söaffengenoffen gegenüber nodj nad)
beffen £obe nicht beffer für geleiftete StounbfdjaftSbienfte
rebandjiren ju fönnen, als inbem er feiner Snfelin ben
Steffen junt 5 Jtanne gab. 9 hm, idj falj ein, bafj eS mir
nichts nüjjen mürbe, gegen biefe 9 )erbinbung 311 proteftiren,
unb fo fügte id) mi<h bem Söitlen beS dürften, 3 clj lehrte
bon 5 ßariS 3urüd, lernte Ijier in ber Stefibenj bie mir 311=
gebadjte SBraut !ennen unb bermü^fte mich mit iljr. 5 Dcr
3?ürft berfetjaffte mir eine Stellung bei unferer SSotfdjaft
in SSrüffel, mohin ich halb barauf mit meiner ©attin
überftebelte. Unfere @Ije mar ein gleicljgiltigeS 9 iebeit=
einanberhergeljen, baS beibe SLl^eite nicht gerabe betätigte,
aber auch deines begfüdte. 2öit tonnten einanber eben
nicht berfteljen, unb id) glaube, mir berfudjten eS aud£j
nicht einmal. SDiefeS ge3mungene $erhättnifj erhielt audj
feine Aenberung, als $>u nadj etma hier $aljren baS Sicht
ber Söett erblidteft. 3<h berfenfte mich gan3 in bie ®e=
fdtjäfte meinet Amtes unb fudjte ben Aufenthalt in meiner
Familie nad) 2^unlid^feit 3U bernteiben. £aS ging fo an
bie fteben 3 faljre, bis ich 3ur 2 )reSbetter ©efanbtfdjaft ber=
fe£t mürbe. 3 <h reiste borauS nad) ber fäcljfifdljen $aupt*
ftabt, um bafelbft erft feften ©oben 3U geminnen, midj
über meinen bei 2 Beitem ausgehenderen SBirfungSfteiS 31t
informiren unb für meine Qfamilie nad) einem paffeitben
S)omi3il 3U fudjen. 3dj beeilte tnidj nicht fonbertid^ mit
ber Abmietung biefer ©efdjäfte. UeberbieS berging mir
bie 3 eit beS erften Aufenthaltes in SDreSben fehr angenehm.
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ftantilienebvc.
nr>
3)cr ffrtirft ©albator l^atte eine auSgebreitcte Sefanntfchaft
in ber 2)reSbener Slriftolratie, in bie ich mid) burdj feine
Empfehlungen einführte. SefonbcrS mar eS eine ber*
mittmete grau b. Earlomi^, in beren $auS ich mit Sor*
liebe berlet)rte, benn hier fanb id} halb — "
SöeraShattfen ftodte unb ftrid) fic^ mehrere State über
bie hohe, gelichtete ©tim, ehe er jtch geniigenb gefammelt
hatte, um fortaufaljren :
„3cne Sfrau b. Eartomifj hatte auf bie Sitte beS dürften
Eichenburg eine 9trt Sefchütjeramt über bie etma ätoan^ig*
jährige 9lurelie b. ©türmer übernommen, bie in einer ber
bornehmften Senfionen ber fädjfifchen giefiben j erlogen tourbe
unb natürlich feljr oft im .$aufe ber fffrau b. Earlomi p
berührte."
„Slurelie b. ©türmer," mieberholte Herbert langfam,
„baS toar bie fpätere Spante unb — ©tiefmutter 9luretie?"
„3a. Slurelie mar mit bem dürften ©albator entfernt
bermanbt unb, mie ich unb Egon, bon ihm abhängig. —
Sun, um Iura p fein, ich lernte Slurelie lernten unb —
lieben, ehe ich mir noch über mein ©efühl eigentlich Har
marb. SBie hätte ich mich auch gegen biefe mächtige
Neigung fchüfjen, mehren foßen, ich, ber ich — bantalS
bereits bieraig 3ahre alt — bie mahre Ciebe nod) nicht
lernten gelernt hatte. Slber man fagt nicht umfonft, bafj
ftch eine folche Serfpätung furchtbar rächt. ES entmidelte
fich eine 2eibenfd)aft itt mir, bie noch bebeutenb gefteigert
mürbe, als ich bei Sturetie eine Ermieberung meiner ber*
aehrenben ©luth au bemerlen glaubte. — hebert, ber*
bamme mich uidjt, 2)u bermagft eS rnohf launt au er*
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flioman von Carl Cb. Klopfer.
37
nteffeit, iuie tief eine foldje ßeibenfdfjaft im <£>crjeu eines
gereiften 5 )tanncS muqelt. 3 fdj ftanb ber brennenben Siebe
31t ienem tjerrlicfjen Söefen mit allen meinen ©ruttbfäßen
macfjttoS gegenüber, id} toar bereit, iljr 2 llleS 3U opfern.
3eßt erft füllte idfj, toie fcf)al, toie öbe meine Clje mar,
mic gräßtidj ich mein £eben burdj bie gügfantfeit in ben
2 BiHett beS alten gürfteu berpfufdjt hatte, unb mit biefer
Crfenntnifj regte ftdj audj eine toilbe SSiberftanbSluft in
mir, ich moHtc bie mir nun taufenbfadf) bcrljaßteu bc=
engenben gcffelit, bie mich an ein ungeliebtes äBetb
fetteten, abtoerfen, um jebeu 5 ßteiS nach beut SBefiß 2 lure=
lienS flrcben, bie nun mein ganzes SJenfen unb gühleti
bcljerrfchte. 2 turclie tuar Don mir fdjon ^alb unb Ijalb
überrebet 3U bem bon mir befdjloffenen ©dritte; i<h Ijatte
grau b. Cartomiß bon meinen 2lbfidjten bollftänbig unter»
richtet unb fdjrieb enblid^ furjtoeg an ben gürften ©al*
bator, baß idf) eutfchloffen fei, gegen meine grau bie
©Reibung loegen unbefiegbarer Abneigung einjuleiten, um
mich für immer mit ber heißgeliebten 311 berbinben."
„2>ergfirft," faßte ^erBert gepreßt, „bertoeigerte na»
türlicfj feine CintoiHigung ?"
„3n ber entfehiebenfteu Söeife. 3ur gleichen 3eit, als
ich feinen fefjr berben S 3 rief erhielt, ber mir unter 2 ln=
bro^ung feines ^öd^ften 3o*neS unb Cntjieljung aller
Unterftüßung befaßt, nidjt nur bon meiner Slbfidjt abju»
fteljen, fonbern auch fofort meine grau unb meinen ©ofju
nach SJreSben 31t berufen -- 3ttr felbeu Seit empfing
2lurelie einen nicht minber encvgifd) gehaltenen Befehl,
ungefäumt bie ^enfioii unb baS $aud bev grau b. Carlo»
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38
Jamilieneljre.
toi|} 3U berlaffett unb nach ©ofecE au tommen, Um er jeine
Verfügung über ihre 3u!unft 311 treffen gebähte. — Sch
muffte mich fügen, bie ©etiebte in Serameiftuug nach
©ofecE aieljen taffen unb ffrau unb $inb an mir be=
rufen!"
„Sinne ^lütter!" murmelte Herbert bor fidfj ^in.
„Se|t mar mir meine ©he aur §öEe gemorben. Slber
meine entfe|li<he Sage feilte nodj furchtbarer merbett.
Slurelie, mit ber ich trojj beS fürftlicfjen SefehleS in heim
lichent Sriefmechfet [taub, aeigte mir etma brei Stonate
nach unferer geamungeuen Trennung an, baff Setter ©gon,
ber aufättig auf Urlaub in ©ofeef bermeile, eine heftige
Seibenfcfjaft für fie gefaxt au haben f cheine, bie ber ffürft
begünftige. — Seijt mar baS Staff meines ©tenbS boE;
ich tonnte mich nicht länger holten. £>hue Urlaub au
nehmen, ohne mich bon meiner Familie au berabfehieben,
reiste ich bireft nach ©ofedE; ich muffte anfangs nicht ein=
mal gana genau, maS ich eigentlich bamit beatoecEen moEte,
aber eine innere bämonifche Stacht trieb mich, auf ben
©chauptah au eilen, auf metdf)em meine lebten £ebenS=
tjoffnungen boEftänbig aertreten merben foEten. — Sch
!am auf bem ©ute an, befchmor ben £>nfel, mich uicht
3ur Serameiftung au treiben -- bergebenS, ber gürft
metterte unb fluchte unb erltdrte fategorifch, ©gon hätte
ein meit größeres Stnredjt, bem 3 uge feines .jperaenS folgen
unb fich um Sturelie bemerbeit au bitrfen. ©gon mar
mir burch bie offenfunbige Seboraugung, bie er bon ©eite
beS dürften genoff, nie befonberS ftympathifch gemefen, aber
je|t befiegte ich bie alte Stbneigung, meinen ©tola; ich
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Vornan uon 6arl 6b. Äiopfer.
39
flehte üju an, toon feiner SSemerbung ab^ulaffeit , Slurelie
tönnc iljn ja bod) nimmer lieben, toeil idfj unb fie für
alle Smigleit mit ben fefteften Sanben aneinanber ge=
fdjmiebet mären. 6 r lachte mir iit ’8 @efid£)t, nannte mid}
einen alten Sporen, unb marf mir fdjliefjtidj $ßfüdjt=
bergeffenljeii, Unbanlbarleit gegen ben £>n!el unb G^r=
lofigleit bor. 3 d) mar gerabe^u befinnungSloä bor SButlj,
ljätte fidj Slurelie nidfjt ümifdjen un§ gemorfen, idfj pttc
6 gon 3 « ©oben gefd&tagen. (Später Ijatte idfj mit ifjr
eine geheime Slugeinanberfetjung, idfj mollte fie jur ffludjt
über ben Ccean bereben, aber fie fdfjien burdf) bie Ijart*
nädigen Sorftellungen beä alten dürften bereite mürbe
gemalt, fte bat ntidj, 3 U entfagen, meiner einmal unab*
meiSlidfjen SpflidEjt 3 u geljordfjen — lurj, mir marb jebe $off=
nung für immer abgefdjnitten. — 3 d(j reiste alfo, Söutlj,
Serameiflung unb glüljenben 9iad}eburft im ^er^en, mieber
nadfj 2 )re§ben in bag mid) anmibernbe |>eim 3 urüd.
9tocf} im felbett -fjerbjte erhielt idfj bom dürften au§ ®ofed
bie lur^e unb formelle Slnjeige, baf$ 6 gon fidf) mit 3lurelie
bermäijlt ^abe unb mit iljt nadfj feiner ©arnifonsftabt
abgereist fei. — £afj ntidf) einen ©djleier über bie Zöllen*
qualett ber nun folgenben fünf bis fecfjS 3fat)re breiten;
id) erfiaune Ijeute nod^ barübev, bafj id) fie ertragen bube.
?lber id} mürbe nadfj unb nad), menigftenS nad) Slufjen
bin, ruhiger; meinen ®ram bevfenfte id) in ben tiefften
SBinfel meines $ei* 3 en£, mo er berborgen, aber ftetS le=
benbig meiierfrafj. 3 df) l}5rtc nichts nteljr bott 6 gon unb
feiner fffrau, id) bemühte mid} fogar .jumeiten mirtlidfj, bie
örinnerung an 9lurelie aug meinem ©ebädjtniffe 31 t bei*
40
SumiUenetjre.
mifdjeu, aber insgeheim lebte ein uidjt gaitj HareS ©e*
fiil)l in mir, baS faft Hoffnung p nennen mar; tnir mar '8,
als märe biefeS Drama noch nidjt auSgefpielt, als hätte
id§ nodj eine Söenbung $u ermarten. 9 tun, biefe äöeu*
buitg trat enblicfj ein; eS finb je|t faft Pieren Starre her.
Deine ©tutter tag auf einem $ranlentager, bon meinem
fie fiel) nicht mehr ergeben fotttc; bie ©tunbe, in melier
fie nuferer Äamitta baS Seben gab, mar ifjrc te^te. DaS
9 lntmortStelegramm auf meine 9 tadjricf)t nach ©ofeef über
£eonoren8 Stob enthielt bie Reibung bon bent |>iu=
febeiben beS CnletS; Qrürft ©idjenburg mar !aum Pier*
unbaman^ig ©tunbeit nad^ beut 9 lbleben meiner Sfrau ge*
ftorben. ©in fettfamer 3ufatl, in meldjern ich faft ben
Ringer ber ©orfebung p erlennen glaubte: bie mir auf*
gelungene ungeliebte ©attiu mar beinahe pr felbeu 3eit
Perfd£)ieben, als ber Cnfet, ber Despot, ber mich mit eifer*
nein SßiHen an fie geleitet Ijatte."
Herbert mar fefjon feit geraumer 3^it in peinPoIler
Unruhe auf feinem ©ip ^tn unb t)er gerüdt; nun lonnte
er fiel) nicht länger galten.
,,©er,jeiben ©ie, ©ater," bradj er Ijerbor, „meäbalb
erzählen ©ie mir t)ier biefe Dinge, bie id) <$mar febon
früher ^alb unb tjalb erraten 31t höben glaubte, bie aber
nun in einer fo offenen Darlegung aus Syrern ©tunbe
mid; hoppelt peinlich berühren?"
,, 3 fdf) fann nicht attberS," entgeguete ber ©tinifter ge*
prefjt, ,,idj mufj Dir meine ©ergangenbeit enthüllen -
als ©inleitung 31t einem itod) meit entfeblidbnen ©eftäub*
nifj. 3 >dj bitte Dieb, Herbert, faffe Didj unb b^rc inid)
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SRomait oon Earl Eb. Klopfer.
41
gebutbig meiter an ; id) fann, idj barf 2 >ir nichts erfparen
in meinen qualbo tten 33eEenntniffen."
Herbert fdjüttclte befrembet baS .£>aul>t unb Ijeftcte
feinen 33lidE auf ben üEepfndj unter feinen Qrüfjcn. 2)cr
fDtinifter Trotte einige fötale tief Sittern unb mifcljte fidj
ben ©djmeifj bom ©efid&te, clje er in feinen Eröffnungen
fortfuljr.
„S)u mirft 25icf) nodj erinnern fönneit, bafj mir am
fetben 2 age, au melcf)em mir bie fötutter au ©rabc ge*
leiteten, bie 9teife nadj ©ofecE antraten, moljin midj ein
SBricf Egon’S berief, ftürft Eid^enburg mar näntlidj offne
Ü£eftament geftorben, unb mir, feine einzigen birelten Erben,
füllten nun feine £>intcrlaffenfdjaft nadf eigener Ueberein*
funft amifdjen unS ttfeiten, moju uitfere Slnmefentfeit auf
beut fölajorate unbebingt nötlfig erfdjien. ©leid) nadf ber
Xrauerfeier — man tfattc mit ber föeerbigung beS dürften
bis 31 t unferem Eintreffen gemartet — machte idf midj
mit Egon baran, ben 91ad£)Iafj au orbnen. Unfer 9Berljätt=
nifj au einanber mar, menigftenS äufjertid), ein gana un=
gcamungeneS unb tjeralidjeS. 9lber idj Tratte meinen alten
©roll unb ben Utadjefcljmur bon bamatS nidfjt bergeffeit,
als idj umfonft bor bent Siebtinge beS £5nfelS um mein
©lildf bettelte. $dj falj 9lurelie mieber, bie mit iljrem
Änaben bem ©atten nadj ©ofedf gefolgt mar, id(j falj fie
mieber, unb baS $aljre Ijinburdj fo forgfant aurfidgebräugte
©efüljl einer freier iibermenfdjlidjen Seibenfdjaft au iljr
ermatte mit berboppelter fDtadjt in meinem Tunern,
mar nun fdjou fedjSunbbieraig ^aT;re alt gemorbeu, ber
tfummer um mein berbittcrteS Sebeit tjatte meinem ©c»
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42
Samilieneljre.
fickte galten eingegrabeit, mein £aar mar fc^on ergraut,
icfj ftanb an ber ScljmeEe beg Sllterg, aber bie un«
finnige ßeibenfdtjaft für bie Eiuaiggeliebte, für Slurelie,
machte midj aunt feurigen Jüngling, mein $era brannte
in IjeEfter ßolje unb gab meinem ©eifte SJtutlj unb $raft,
itodjmalä bag 9leu|erfie an ben SBefitj beg angebeteten
SBeibeS p fe^en. £>, jef|t mar mir ja nodjmalg bie Slug*
fid^t bap geboten; ber Dnfel, ber Reiniger, unb meine
5rau — fie maren nid^t meljr, idj fonnte midO alg frei
unb ungebunben betrauten ... ja, Sluretic rnujjte mein
merben um jeben freist"
„Unb Cnfel Egon 1 ?" marf «Herbert erfdfjredft ein.
„^a, er mar bag einige <£>inbernifj, bag fid^ mir
in ben Sßcg fteEte. Sdf) grübelte ganae 9täd§te barüber,
mein -£>afj gegen iljn erhielt neue Sialjrung, mein ganaeg
25en!en mar nur stoifc^en ber Siebe au Slurelie unb bent
glüljenben tRacljeburft gegen iljn, ben tRäuber meineg ©lüefeg,
geteilt!"
Siodj je^t, alg äöerngljaufen in jenen Erinnerungen
mütjlte, burdjflammte iljn bie alte ßeibenfefjaft ; fein Sluge
funfeite, feine 33ruft feuchte, unb bie |>änbe baEten fidj
frampfljaft, alg fjätten fie nodfjmalg ben 33erl)afjten au
üernid^ten. S)er SJtinifter mar entfliehen einem ©efüljl
ber tReue niemalg entfernter gemefen, alg gerabe jejjt, mo
fiel; iljnt bag ganae 93ilb ber entfdjmunbenen ©turmaeit
bor bent geiftigen Sluge aufroEte.
„Söir malten ung gufammen baran, bie Rapiere beg
Cnfelg au unterfudjen," fuf)t er, tiadfjbem er fictj müljfaut
mieber beljerrfdjt Ijatte, fort; „im ©dtjr eibepult, bag in
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Momart oou Carl £b. Klopfer.
43
feinem ©terbejimmer ftanb, fauben hrir nad) forgfältiger
£)urchfudhung einen jiemlidj umfangreichen 23rief: ,An
ben fötajor ©raf ©gon b. Söern^aufen 1 abreffirt. 2)a§
©djreiben trug fein SDatunt, aber ba ©gott erft bor
Äußern 3 unt fDiajor beförbert toorbcn toar, mufjte e§ ber
fjürft toenige Sage bor feinem £obe abgefafjt ^aben. —
Söarte, idj fann 2)id) baS ©djriftftüd felbft lefen taffen,
benn i(3j tjabe eS aufbetbafjrt, tro^bem eä toeit mehr in
meinem Sfittereffe gelegen f)ätte, eä au bernichtcn nadfj —
ber üataftrophe."
„SBeldje Äataftrophe meinen ©ie? $>en unglüdflid^en
©tura Cnfet ©gon’SV'
„©päter, fpäter," fagte ber fJJiinifter geprefjt unb öffnete
mit einem fleinen ©djtüffet eine burdj ein funftboKeS
5ßejirfdhlojj berfperrte ©dfjiebtabe im ©dljreibtifche. 2US
er fo in ben ^Bereich be§ 2ichtfcheine§ trat, ben bie einzige
Äerje auf bcra feuchter auäjfrafjlte, erfdljraf Herbert heftig
bor bem ©efid^te be§ SöaterS. ©r faf) feine fDtunbtoinfet
3 udfen, bie «fpänbe, bie in bem Qfad&e nach bem ©efud^ten
tafteten, gittern.
„Ah, ^ier!" ftiefj Söern^aufen enblich fjevbor unb
entfaltete einen großen, fdfjou ettoaS bergilbten $apier=
bogen, ben er rafdj überflog unb bann feinem ©ohne reifte.
„ßieS biefen 2(ft — laut, ich toerbe baburch bieHeidjt ben
föiuth getoiitnen, meine 39efenntniffe mit ber bisherigen
Offenheit fort^ufehen.
Herbert nahm mit einigem Söiberftreben baS ©cfjrift=
ftiidf, baS ihm eine unerflütlidhc ©dfjeu einjagte. ©r fcfjob
ben Armleuchter näh« au fich h^an unb laS, mährenb
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44 Samilienefjro.
fidh ber Diinifter luieber in baS 2)unfel feiner genfternifdfje
auriitfaog.
„Stein lieber @gon, ®°*) n meiner BielgetieBten jungen
©djtoefter! äöenu man Bont 3rtfigetfd)tag beS 2obeS=
cngctS geftreift mirb, fühlt ntan baS Sebürfnifj, feine
aeitlidfjeu Slngelegenheiten au Beftetlen unb ftc^ BorauBereiten
auf einen mohtgeorbneten 9tücfaug Bon bem ©d^Iad^tfelbc
unfereS irbifdjen 2>afeinS. äöoht uns, toenn mir in bem
auSgefochteuen Kriege bie SSaljtfiatt mit @^ren als ©ieger
Bcrlaffen, tuenn unfere ftrategifd&en fehler gering unb
unBebeutenb genug ftnb, um uns nidjt bie ßonbuitelifte
Beim -jperrn iiBer alte Äampfpläije au BerberBen.
3<h ^aBe SDid), mein Qrgon, mit ber ganzen Snnigfeit
eines fonft Bereinfamtcn £eraeuS getieBt. 9lBer heute, an
ber Sdjtoette beS Reiches , too etoiger Trieben ^errfd^t,
lommt ein Banger 3toeifet üBer mich ; ich mufj mich fragen,
oB icf; 2)idj nicht cttoa ju fehr getieBt IjaBe, baS Reifet
deinen Setter SSlabintir SDeinethalBen au toenig mit ber
gürforge Bebaut ^aBe, bie ich eudj aur Beit, als icJj euch
Seibe unter meine CBtjut nahm, au gleiten feiten au
mibmen gebadete. Sun, man fann feinem ^erjen nidjt
immer Befehlen. 9tBer eBeit biefe ©rfenntnifj läfct eS midi)
fd^toer empftnben, bafj ich gerabe an ein frembeS $era
fotdje Slnforberungen geftettt t)aBe. SBlabimir ^at mir
fdfjtoere Sitternijs au bauten, bie ich itjm bur<h energifdje
Snfprfiche au feine ©ntfagung Bereitete. SDocfj ich fann
mich entfdfjutbigen mit ber guten Sbfidjt, mit bem fyeft=
halten au ehrenhaften ©runbfähen, bie mich baBei geleitet,
tyiir baS ctumigc BuBict fauit ber emigc Sidjter nicht mit
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{Roman von (varl Pb. jRCopfer. 4 r»
mit testen, tuenn idfj eä bereue uub biefer {Reue baburdt)
{ÄuSbrucf gebe, baß idfj getoiffc 33erfügungen umftoße, bie
idj 31 t Ungunfteu SBlabimir’S getroffen Tjabe.
31(3 Du Dictj mit Slurelie bermüßlteft, toar mein 3otu
über Sßlabimir’S PJeba^ren fo rege, baß idj ein Deftament
auffeßte, hteldjcS ißn fo gut mie enterbte, -fpeute toitt idj
benörott gegen iljn begraben; er foE nidjt berührt toerben.
Sfdfj toitt baran geljen, ftatt beS früheren, nun bernidjteten
XefiamenteS ein neues ju errieten.
Um nun nadj jeher .£>inftdjt mit bem Brbifdjeit abju»
fdßließen, muß idj Dir nodj eine 3(rt fjramiliengetjeimniß
anbertrauen, an toeldjeS ftdj mein leßter 28iEe fnüpft.
2öol)I lönnte idj Dir baffelbe berfdjtoeigen , aber eS toäre
mögtidj, baß ein BufaE, bauliche 33eränberungen, bie Du
einmal an bem ©djtoffe borneljmen tooEtejt, baS ©eljeim*
niß Dir entbedften, beffen ©efdtjidjte Du bann nidjt (ernten
toürbeft.
3n bem großen 33üdjerfdjrein bcS ©dßlaf 3 immerS toirft
Du einige bidtteibige Folianten aufftnben: SBerfe über
3Hd(jemie, 2Jtagie unb äljnlidße 3 meifel(jafte SBiffenfdjafteu ;
berbrenne fie nidjt, beim fte ftnb baS 9lnbenfen an meinen
2$ater, bett dürften |>ieront)mu3, ber ftdj anno 1768 biefeS
©dfjtößdjcn neu erbauen ließ, in toeldjent icfj im Baljre
1773 baS Sidjt ber 2Be(t erblirfte. — 3)tein SJater be=
fcßäftigtc fiefj itt übergroßem ßifer mit jenen geheimen
fünften, bie bantalS 3 a(jlreidje 5öeretjrer unb 9lntjäuger
Ratten. <£r regnete fidj 31 t ben fogenannten „9lbepten",
toeldfje ben ©tein ber äöeifeit gefunben (jaben moEten, mit
toeld^em fie bie @o(bmacfjer(unft betrieben. 9tun, fo biel
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ftamilieneljrc.
ich meifj, ^at biefe ßiebhaberei beS $ater§ nur meiblict)
©olb berfchtungcn, ftatt foldfjeS hetboraubringen. ©r liefj
ficfj ^ier auf ©ofedf eigene ein Saboratorium Bauen, in
meldfjern er mit einem ©e^itfen ober ßeljrer, ma§ meifj
ich — ^ebenfalls einem abgefeimten Sfnbuftrieritter, einem
eilten mälfdfjen SöinbBeutel — feine ©tubien Betrieb.
üDiefeS ßaboratorium , ba§ er bor aller Söelt geheim 3 U
Balten münfchte, mar unter einem Slheit beS ©chloffeS unb
unter einem 2 h e tf be§ baran ftofjenben $arfe§ angelegt.
3Der Zugang mar nur bon ber 93ibliothe! auS, mo eine
geheime kreppe hiuabfüEjrt in ba§ unterirbifche ©etafj.
25ie ßuft mttrbe burdfj Oeffnungen eiugeleitet, bie an einigen
berborgenen ©teilen beS $ßarfe§ an bie Oberfläche beS ©rb=
bobenS münbeten.
fDiefeä ßaboratorium Befteht heute noch, unb ich teilt
eS auch für bie gutunft als ein <£>eitigthum ber Familie
gehütet miffen, benn mein Söater hat in jenem Staunte ba§
Zeitliche gefegnet. ©r mufj fcbliefjlich hoch 3 ur ©injtcht
gefommen fein, bajj ihn ber Sllcbemift nur junt Starren
gehabt, benn ich erinnere mich uodfj gan^ gut, bafj ber*
felbe eines SEageS jum ^aufe hinausgejagt mürbe. Slber
ber 33ater fchien tro^bem mit bent Vertrauen in ben
Ouadffalber nicht auch ba3 Vertrauen pr ganzen ©olb*
rnachermiffenfchaft berloren ju hüben, benn er [turnte fich
eifriger als je in feine ©jperimente unb berliefj baS Sa*
boratorium fafi gar nicht mehr. SDie Seute in ber Um*
gegenb behaupteten fteif unb feft, ber ©djlofjherr bon
©ofedf habe ben SSerftanb berloren, unb ich ~ ©ott ber*
jjeihe ntir’S — ich fann mich heute biefeS SBerbachteS
ffloman non C’vavI (*b. SHopfer.
47
ebenfalls nicht ermehren. 2Bir, baS Reifet mein älterer
Stüber unb tdj, fanben ben Sater eines StorgenS tobt
in bem ©emötbe; bie ©taSfdherbcn Pon Retorten, bie
rings umher logen, liefen auf eine @£plofion fdtjtie^en ; bie
tuftbidjte SE^ilr, bie nicht einmal ben leifeften (Schall auf
bie Sßenbeltreppe beS ©emölbeS gelangen liefe, mar, mie
gemöhnlidj, gefdjloffen gemefen, unb ber ßiiftlödtjer mochten
moljl in bem unheimlichen ©elaffe zu menig gemefen fein,
um ben ejplobirenben ©afen unb Kämpfen rafdj genug
ben Slbzug zu geftatten. <So mar unfer Sater mährenb
ber 9tadht elenbiglich erftidt. 2>ieS gefchah in ber Äadjt
Pom 8. auf ben 9. (September 1794. ©ott fei feiner armen
(Seele gnübig!
Som ©efinbe mufete nur ein alter Wiener, ber bem
Sater aufmarten mufete, etmaS Pon ber ©jiftenz jenes
geheimen ßaboratoriuntS. Söir mottten bem ©erüchte Pom
bebenHichen SEreiben beS (Sdfjlofetjerrn leine meiterc 9tah =
rung geben unb Härten beSljalb and) jefet nod) nidjtS nadj
jener «jpinftdjt auf. S)er 2)orfarjt bemieS in überaus moljt*
gefefeter Siebe, (Seine burdfjtaudfjtige ©naben feien einem
©ctjtaganfaHe erlegen — unb babei blieb eS and) für alle
üErauergäfte, bie bem Seidjenbegängniffe beimo^nten. 3m
S)orf freilich fd^mor man (Stein unb Sein, ben dürften
habe ber leibhaftige ©ottfeibeiunS ermürgt. — Sruber
S)ietrid§, ber nun StajoratSherr gemorben, moltte baS ganze
©emblbe Permauern laffen; er hatte fchon bamit angefangen,
bafe er alle bie Oeffnungen, bie in baS ©elafe hiuabführten,
Perftopfen liefe. 3<h lonnte ihn aber nod) rechtzeitig über=
reben unb baPon überzeugen, bafe baS ©emötbe hoch immer
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tfamificneljrc.
48
eine intereffaute 9)leifn>ürbig!eit bot uub in Jhiegäaeitcn
utib fonftigcit 0?äl)rlicl)!eiten gatta gut al§ Söerfiedf für
fDtenfclfen ober (Selb unb Hofibarfeiten bienen fonnte, unb fo
blieb ba8 Laboratorium erhalten. 2)ir, (Jgon, Pertraue idfj
e$ an; Ijalte c§ in ©ffren! — Söenn SDu bie 3?olianten aus
bem unterften $acf) be§ SBüdfferlaftenä alte fferPornimmft,
fo mirb 2>ir in ber regten ßcfe hinten ein Heiner eiferner
SBoljcn auffallen ; jjietje iffn IferauS, unb 2>u lannft bann
ben ©darein offne fonberlicffe 3lnftrengung gleidf) einer Xffür
öffnen, benn er läuft auf 9täbern unb ift mit ber geffei=
men SIjür jur kreppe ein§. ©teigft S)u bie ©dfuedfen*
fliege im ©emäuer ffinab, fo fontmft 2>u fdffliefjlidf an
bie bidfe .^ebetffür, bie in’3 Laboratorium füffrt ; ffiite S)id()
aber tooffl, bafj biefe Xlfür, nadfbem 3)u ben unterirbifdfeu
9taum betreten, nidft ffinter 3)ir aufalle, bemt e3 !önnte
leidet fein, bafj ber 2Redf)ani3mu3, ber baä biefe (Sifen*
gefiige Poit innen öffnet, burefj 9foft unb fonftige 3er=
ftörung ber 3eit Perborben märe, unb $>u toäreft bann
unrettbar Pcrloren, benn fein nodfj fo ftarler ©dfrei bringt
burdf) bie 2f)ür nadfj aufjen.
Silin fei mir nodf) taufenbfältig gegrüßt unb gefegnet! —
fernere Söeftimmungen über meinen lejjten Söitten magft
2>u fpäter in meinem üTeftamentc nadf)fel)en. 3<$ fjoffe,
baj} ©ott mir nodf) fo lange grift l)ier auf ©rben ge*
toä^ren toerbe, um nodf) biefeä lefcte ©efc^äft in ßrbnung
ju bringen. Sölabimir magft 3Du fagen, id) Ijätte ifjm
in meiner lebten ©tunbe Peraiel)en.
SDein getreuer Dnfel ©alPator."
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Vornan oon ©arl ©b. Äfopfer.
49
„(Sr hat mir beziehen!" mieberholte ber 9Jiinifter in
fdtjneibenbem £one, alä Herbert an ©nbe gelefen ^atte.
„2)er gütige 9ftann ! 5tber ich fonnte ihm nicht ber*
aeiljen — fann e§ felbft heute noch nicht! — «£>eute noch
toeniger als bamalä," fetjte er bann halblaut Ijinau, atÄ
fpräclje er mehr au fiel) felbft.
„Unb fanb man ba§ in biefem Schreiben ermähnte
Xeftament beä dürften , in meinem er fein Unrecht gut
3 U machen fudhte?" fragte Herbert.
„9tein ; entweber batte ber £>nfel feine 3«t mehr gehabt,
ein foldbeS eraeuteä Seftament aufaufepen ober — er be*
reute e§ mieber unb Oernidjtete eä."
,;S5aä JCe^tere fann ich faum glauben, benn bann mürbe
ber 3Fürft moljl auch bie barauf beaüglidjen fünfte in
biefem ^Briefe geänbert, ober ba§ ganae (Schreiben neu Oer*
fafjt haben."
SSer 3Jtinifter aucfte bie ^chfeln unb fdfjmieg.
,,©ie haben fith atfo mit ©gon auf gütlichem 3Bege
über bie SSertheilung ber ©rbfcijaft geeinigt?"
„©o aiemlidfj. ©ofedt hätte atä Majorat atlerbingS
nadh bem ©efetje mir, bem Slelteren 3 ugefpro<hen merben
müffen, möhrenb ©gon behauptete, e§ fei beä Dnfel§ äBitte
gemefen, bafj er, ©gon, e§ übernehme — "
„2)a§ fonnte er auch fetjr moht annehmen, benn biefer
Sörief be§ dürften, ber nur an ©gon gerichtet ift, fpricht,
mentt auch inbireft, einen foldfjen äöunfch au§. 2öem
hätte ber ©rblaffer bie ©eheimniffe be§ ©ctjloffeä benn
fonft empfehlen fönnen, als bem S3efi^er beffelben, feinem
felbft crmählteu s Jtaihfolger? Ueberbieä mar bod) auch beä
Sibliot&el. 3af)tg. 1880. «b. X. 4
50 gamiUeueljre.
dürften ä}erWaitbtfchaft mit bem Cnfet ©gon eine nähere,
als bie — "
„©enug," unterbrach ber ©raf feinen Sohn, „baS
fcmrnt ja nun hier nicht mehr in Söetrad^t, W03U atfo
bariiber nu|tofe SSßorte Wedjfetn! — SQöir fdfjoben bie
llnterhanbtungen in ^Betreff ber Teilung beS ©rbeS atfo
noch auf. 35aS geheime ©eWölbe, baS unS ber SSerfiorbene
entbecft ^atte, er^i^te begreiflicher Söeife unfere fp^antafie
nicht Wenig. 2öir hegten bie 23etmutf)ung, ber Onfel höbe
bieEeicht, im testen Momente einen abweidfjenben ©nt*
fdjtujs faffenb, fein ermähntet, nicht auffutbbareS 5£efta=
ment in bem geheimen Laboratorium Verborgen. 9Zocf)
cttt)a§ 9lnbereS tarn ba^u. ©S fchien unS Wohl möglich, bafj
©ichenburg’S SJater, ber hotbberrücfte ffürft $ieront)muS,
an ber Stätte, Wo er feinen atdfjemiftifchen Sßafftonen
nachhing, Wenn auch feine (Scheine, fo hoch aEerlei in*
tereffantc fReminiSceujen juriicfgelaffen höbe. 2Bir be=
fchtoffen baher, baS geheimnifjboEe ©ewölbe in 9lugenf<hein
3 U nehmen."
S)ie Stimme beS ©rafen würbe hier foft tonlos, ber
feudjenbe $them rang fidj faum toS auS feiner Söruft.
„SEßir WoEten aber biefc Unterfuchung in einer ber nädjften
Mächte, gana insgeheim unternehmen, um bem SBunfdhc
beS dürften getnäfj bie $unbe bon biefem Laboratorium
nicht in bie Oeffenttidjfeit bringen ju taffen. $ein 9Jtenf<h
aufjer unS SSeiben Wufjte ja um baS ©eljeimnifj beS
SchtoffeS "
S)ie Stimme äöeraShaufen’S berfagte blöfcti<h-
„fEtein ©ott, was ift 3hnen, Sßater?" rief Herbert
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I K
SRomau oon öarl (5b. Sllopfer.
51
liub moUte auf ihn geilen, aber ber SJtinifter ftrcdtc feine
^änbe abmehtenb gegen ihn au§.
„töleibe, mo S5u bift, Herbert, id^ bitte 2)idj! 3d)
miß nicht, baß 3)u mich beritfjrft . . . ich lomme au
einem — gräßlichen Ipunlt!"
föiit einem rafdjen öntfchluffe trat er bei biefen Söorten
an ben Sdhreibtifch unb blie§ bie einige brenncnbe 28ad£}§=
ferae au§.
„9Ba§ tfjun Sie, 93ater — ma3 foll ba£?"
„ö§ ift beffer fo," ftieß ber SJMnifter herbor, „ich famt
2 )ich nicht fehen bei bem furchtbaren ©eftäitbniß, ba§ ich
SHr nun au machen höbe . . . T)öre! — 2 >ie 9iadjt bom
1 . auf ben 2 . 3 uli mar bon uu§ aut Sluäfiihrung unfereä
Vorhabens auäerforen. Söir aogen un§ gegen Slbeitb, mie
fdjon oft borher, in ba§ Sterbeaimmer beä Cnfelä 3 uriid
unb marteten, bis mir annehmen fonnten, baß 9lHe§ im
tiefften Schlafe lag. 25amt näherten mir un§ bem intcr*
cffanten 23tt<herf<hranf. 3<h 30 g unter 4?tlfe ögon’§ bie
bemühten Folianten au§ bem Sradje, in metcheä ftc ein*
geamängt maren. 3U§ ba§ 9iegal gefäubert mar, griff idj
in bie un 8 beaeichnete öde; id) ftieß thatfächüdj auf ben
töolacn, 30 g ihn heraus — unb maljrhaftig, mir fonnten
ben Sdfjranf oljnelbefonberen Äraftaufmanb mit feinen
9ioßen bon ber SBanb megrüden; abgleich acigtc fi«h eine
Oeffnung in ber 28anb, unb mir fonnten in einen ^unä
fchmara entgegen gähnenbett 9taum bliden. Unter ber
Schmelle maren bie erften Stufen einer fteil fich hinab*
minbenben Steintrebbe fidjtbar. SBir liefen auerft ben
bumpfen, fdjmülen SJtobcrbuft einigermaßen berfliegen,
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52
Qfamilkiteljte.
bann toar ($gon her drfte, ber enblitß bie Sambe bom
©(ßreibtifcße naßm unb borftcßtig bor flc^ ßinleucßtenb btc
Söenbettreppe ßinabftieg. 3<h folgte ißm mit einem feßau*
bernben @effißt, ba§ mi<ß unmiElfirlicß befcßlich.
9Int 3?uße ber Trebbe ermeiterte fteß ber enge Staunt
einigermaßen; mir faßen un§ einer SIrt QuEtßür gegen*
über, bie ftdj in einem feßrägen SBinfet aur ßrbe neigte,
ßgon rüttelte baran, aber fte blieb unbemeglicß, gab nießt
einmal auf unfer ^oeßen ben Mang bon fteß, ber auf
einen baßinter beftnblicßen leeren Staum hätte f erließen
taffen. <£gon gab mir bie ßambe au hatten unb unter*
futhte bie eiferne 5£ßür genauer. CEnblicß fanben mir bie
beiben feßmeren Stieget unb fonnten fte, bie halb eingeroftet
in ben Moben ftalen, aurüdfeßieben. Siacßbent mir nodj
eine Minie aufgefeßlagen , bie mit ber StebcrSfeite ber
5£ßür in SBerbinbung mar, gelang e§ un§ feßtießließ, mit
bereinten Kräften bie fernere Mabbe emboraußebeit. Sin
ber SJtauer mar ein gebahnter, bemegtießer Maßn att=
gebracht, in meteßern mir bie Stßür, bie nießt gana aurfid*
aufdjlagen mar, befeftigen fonnten. <5in aiemlicß fteit
abfaEenber @ang ftarrte un§ entgegen unb ßaueßte un8
mieber ben moberigen SSrobent in’8 (Seftcßt. 2öir unter*
fueßten bie Smtenfeite ber biden, amifd^en ißren difen*
mänben boEftänbig mafftb auSgegoffenen Ißfir. ©in Heiner
4?ebet baran feßte bie äußere Minie in Semegung, felbft*
berftänblicß aber nießt ben SJoßbeltiegel , ber nur bon
außen gefcßloffen ober geöffnet merben lonnte.
3)ie bumbfe Suft, bie au§ bem abfeßfiffigen ®ang herauf*
brattg, mürbe un§ unerträglich unb broßte bie Sarnbe au
jRomon oou Sari Sb. Älopfcr. 53
toertöfdhen. Sßit mufjten alfo borläufig nochmals um»
lehren. 9iadhbem toir oben im 3 immet getoartet, bis fich
bie fdhledhte, ein IjatBeä ^abrbunbert ^tnburc^ ba unten
eingebrefjte 9ltmofPbäre bezogen batte, malten toir unä
neuerbingS auf; Egon toieber boran mit bet Sampe, ich
bidht auf feinen Werfen. 9113 er fdhon einige ©tufen auf
ber £reppe ^inaBgefltegen toar, toanbte fidh ber Setter
3 U mir um: „9timm ben 9Irmleudhter mit, Sötabimir,
toir Jönnen bie Äer^en bielleidbt braunen, toenn mtS bie
Sampe unten bertöfcben fottte. $dj gebe einfttoeiten bor=
au3/' — 2 )amit flieg er toeiter binab. ^dh toanbte midb nach
bem ©dhreibtifdh, um baS Verlangte 3 U beforgen. SBäb=
renb idj bie Äerjen an^iinbete, ftieg eine nicht gan 3 flate,
aber furchtbare Sfbee in mir auf. 3 d) fdpüttelte mich,
al§ fönne ich bamit biefen ©ebanJen bon mir abftreifen,
aber eine fatanifdje ©timme toifperte mir unaufbörlid)
ettoaS in ’S £%, baS mich bom ©cbeitel bis <$ur fferfe
erbeben tiefj. SBanfenben ©djritteS ftieg idj, ben $an=
belaber bodh battenb, bie SBenbeltreppe binab — Egon
nach- Sei jeher ©tufe, bie ich tiefer Jam, fteigerte fidj
meine fieberhafte 9lnfpannung, mein ©d^äbel brobte mir
3 U aerfpringen unter bem einzigen ©ebanlen, ber unauS»
gefept barunter gliibte. 9lHe bie Erinnerungen an meine
qualboEen ©tunben, bie idh bem CnJel unb Egon 311
banJen batte, burd) 3 ogcn mein ©epim ; bie ©eftatt 9lure=
lien’S lächelte mir fo berfübtetifdh 3U, bottenbete mit einer
be 3 eichnenben ©ebetbe baS, toaS frdh als entfestiget 5ßtan
langfam in meinen ©ebanJen 3 ufammenfepte. Ein toilber
fRadjeburft flieg in mir auf, eine ©ier, bie fidp bämonifdj
1
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54
ffamilienebre.
auf bie ©eftalt ©gon’S heftete, auf iljn, ben tcf) als ben
eigentlichen .fterftöter meines ©IfidfeS betrauten muffte.
9hm ftanb idj plö^lich unten bor bent ©ingang in baS
ßaboratorium. ©in fdjtoadjer ßidjtfdliimmer brang aus
bem geneigten ©ang herauf — ©gon hielt unten im ©e*
toölbe Umfcljau. HJteine Ringer 3 udften — ich fühlte mief)
bom 9tadjeteufet gan^ unb gar erfaßt, aber idj toagte
leinen Stritt, feine ©etoegung, toeil ic(j muffte, toaS
bann gefcfjeljen muffte. 9Jtein 33lidf ftarrte unbemeglidj
in ben ©ang hinab ; ber füioberbuft, ber fjeraufbrang,
legte fleh brütfenb um meine Sinne, ein eiferner 9ting,
ber fidj mit jeber Sefunbe immer mefjr jufammen^og,
fchien meine $ef)le 3 U umfcJjnüren; bie ßieffter meines
ßeucffterS flatterten unruhig l)in unb f|er unb färbten ftdj
blutrot!} ... S5a mürbe ber ßampenfdjein bor mir beut=
lieber, greller — ©gon erfdjien unb blicfte 311 mir auf,
als toolle er mic§ fragen, marurn idj fo lange fäumc;
mein 9luge mar feft in baS feine gebeert, ba fal) idj il)n
plötftidj erfcJjredfen unb erbleichen — moljt über ben SluSbrutf
meiner 5)tiene — er fchien eS jäl) 3 U begreifen, maS midi} in
biefem Moment betoegte. ©r fiiefj einen fcfjmadjen Schrei
aus unb tüollte f)eraufftür 3 en — ba rif$ ein $)ämon meine
£anb, meinen 2 lrm empor — iclj fühlte ben Äraljn, ber
bie 0raHtl)tire hielt , in meinen Ringern — ein fcIjmereS,
buntpfeS Äraren, baS im feijaurigen ©d^o miberljaltte —
ber ßithtfdfjein bon ©gon’S ßampc, ber ©ang bor meinen
Sfugen mar berfdEjtounben — idj lag mit meinem Körper
auf ber eifernen Ontltfjfir; bom ßeudjtcr, ben icfj um»
ftammert Ijielt, tropfte baS Ijeiftc SSacf) S auf midfj f)crab —
I
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Vornan non Garl Gb. ftlopfer. 55
jeher tropfen Brannte tote glüBenbci Stet, tote eine mitl/lenbe
2)oldBfpitje auf meinen <£>ünben. 3dj fdjtoöre 2)ir, ^er=
Bert, märe in biefent SlugenBlid nur her geringfte Saut
au§ her £iefe zu mir gebrungen, ein nodj fo fdjtoadjer
SammerfdBrei be§ UnglüdlidBen — idj Bütte iBm geöffnet,
idj Bütte bie gatttBür toieber aufgezogen. — 2)ie laut=
tofe ©title, bie midB umfing, fcBiett mir <£>oBn — .£>oBu
auf mein fdjaleö, obeä SeBen; her alte .fpafj flammte
toieber in mir auf — icB ftieB mit üBermenfdjlicBen
Äraften ben erften — ben zweiten Siegel in ben JHoBen —
icB faB nodj bie $linfe fid) rafenb fdjnett Betoegen — her
SSegraBene mufjte unten toie maBntoiijig baran rütteln —
aBer jeijt toar mein SJtitleib erlofdBen; idj lüdBelte über-
bau oBnmücBtige ^Beginnen Ggon’3 — ein unenblidj be=
friebigenbeä ©efüBl gefättigter tftadBe burdjriefelte midB-
3cB überzeugte midB nodjmatä, baB bie XBür feft öer=
rammelt fei, bann raffte id) midB auf — unb ftieg bie
kreppe empor."
S)er ÜJlinifter fdjtoieg — audj Herbert unterbradj bie
©title nidBt einmal mit einem BötBaren SttBemzug. ©o
ftanben ftdB SSater unb ©oBn gegenüber — morttoä, oBne
baB Giner ben Slnberen Bütte feBen Jönnen.
„äöarum fpridBft SDu nidBt“?" feuchte ber 9Jtinifter
enblidB B erb0 *-
Herbert fdBtoieg ; nur ba§ einförmige &iden ber SQßanb*
nBr toar im ganzen SBiBliotBelzimmer OerneBmBar.
„|>öre toeiter! — 3dj Butte meinen $pian Oollftänbig
fertig, al§ idB in ba§ Simmer be§ Cn!el§ zurüdfeBrte;
e§ mar, al3 Bütte ber unftdBtbare ©enoffe, ber ba unten
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56
ifatmftettefjre.
im ©etoötbe an meinet (Seite fianb unb meinen teilten*
tofen 9trm tentte, bcn ganaen $tan für ntid^ in aller
©djneltigfeit auägetjedt unb mir jc^t mit einem State
eingebtafen. Stit bottfommener Mfe fdjritt idj über
ben Äorribor unb ftieg bic Hintertreppe nach bem ^art
hinab; ich öffnete ba§ ©tattthor, legte ©gon’3 Wappen,
ben er oft au feinen nächtlichen ©paaierritten beftieg,
©attel unb ^aumaeug auf unb 30 g ihn mit mir hinaus —
burd) ben ©arten — tjinauä auf bie ©trabe — ber
SLeufeXSfd^Xud^t 3U. Hart am Slbljange blieb ich ftetjen
unb Xaufdjte nach alten ©eiten — allenthalben feierlichfte
Ütulje, nur ber Sadhtteinb rafdhelte im ©eateeig ber Säume
unb ©träudfjer, bom ©runb ber ©dhtudht tönte ba§ ©e=
tofe beS teilben SöafferS tjerauf. 5Der Slottb bertroch ftdj
hinter einer 3öolte, aus bem tbaufeudjtcn StooS, ba§ ben
9ianb ber ©d^Xud^t bebedte, fd^icncn Sebet emporaufteigen,
teetche fich bumpf auf meine Stuft legten. 3d) gitterte
an Hönben unb $üben, aber ich mubte mein SBer! bolf=
enbcn, teenn eä mich nidjt betberben fottte. ^dj wfftc
midj auf unb [djiütelte ben froftigen ©dhauer bon mir
ab; ich trieb ben Wappen mit ber tpeitfctje borteärtS —
er bäumte ftch teilb auf unb freute bor bem 9lbgrunb —
aber ein neuer faufenber H^b mit @gon’ä Reitgerte, ein
jäher ©tob ~ baS Sfetb ntadjte einen geteattigen ©ab
unb berfdhteanb in ber SSiefe . . . 2)aS llebrige ift SMr
belannt; man fuchte @gon am nächften borgen, id) felbft
führte bie Seute aut ©d^Xud^t, 30 g ©gon’S fReitpeitfdje
au§ bem Serfted im ©ebüfdtj, in tt>eXd^e§ ich fie gebracht
hatte — hob einen mitgebrachten Hanbfdhuh bon ihm teie
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Vornan von Sari Sb. Stopfer. 57
pfällig steiferen ben IjalB im fDioog Perborgenen Steinen
anf — ein gtüdflidjeg Ungefähr toar mir fotoeit au Statten
gefommen, bajj ber SabaPer beg 9ieitpferbeg auf einem
nod) ftcfjtbaren ^relfenPorfprung l)ing — fur 3 , eg toar fo=
fort in bie Slugen fpringenb: fötajor Egon b. 2öem§=
Raufen ift nadfjtlid§er SBeite fammt feinem üUjiere in bie
Sd^lud^t geftürat."
SBieber fjielt ber SJtinifter inne, alg toarte er auf eine
Steuerung feinet Soljneg.
„S3ater," Begann biefer enblidj, „Sie l>aben midi) mit
2fljren furcfjtbaren Eröffnungen für immer in meinem
Snnerfien gebrochen. 3dfj toage eg jejjt faum meljr, bem
geringfien SSettter in’g Sluge au bliden!"
„SSa§ toürbeft $>u erft fagen, mein Soljn," fuljr ber
fÖtinifter leife fort, „toenn meine Sctjulb — ba§ fernere
©eljeimnijj ber Familie SGßerngljaufen — ber Ceffentlicfj*
feit preiggegeben toürbe?"
„SSie?" fdjrie Herbert auf. „3ft bieg möglidj? 2llfo
barum jeneg SDemifftonggefuclj, barum Sffjr 23efenntnifj
mir gegenüber? Sie finb entbedft, ber fDtafet unfereg
^aufeg ift offenfunbig? — Spreizen Sie! Ober foÜ idj
3för Sd§toeigen alg bie fürd^terXid^e SBejaliung beuten?
£), bann bleibt ung SSeiben nidjtg übrig, alg — "
„Söeruljige 2)idj, Herbert, nodj ift biefer äufjerfte SrciTt
nicf)t eingetreten — aber toir fielen Pietleid£)t nict)t toeit
bapon — toenn SDu SDidj niefjt in’g Mittel legft."
„SDBie bag? Sprechen Sie, 33ater!"
„|)öre toeiter ! — SDu toeifjt, ba| idlj bie ©räfin Sturelie
ein Sfaljr, nacf)bem fie Söitttoe getoorben, alg meine atoeite
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58
tfatnilienebre.
©attin ^cimfü^rtc, S)u meifjt, baff SXureXte bon bem 2age
an als geiftig geftört galt, an melchem fie ba§ einzige
$inb ©gon’S, ihren |>an3, bertor, ber tfödlft mahrfchein*
lid^ toirlltdj in bic £eufet§fchtud)t gefüllt ift, in beren
Umgebung er fo gern fpiette. — ©enug, über biefe ganzen
©efebithten bat bie Beit ©ra§ machfen taffen ; $an3 mürbe
mit feinem Später geridjttid) für tobt erttürt ; ba§ fffa*
milienbrama gerietb nach unb nadj in SSergeffenljeit — bis
borige SBodje bie arme Sßahnjinnige ftarb ... 3dt) muffte
nicht, baff ber ©runb au ihrer ©eifteäftörung fchon ein
3fabr oor bem 33ertuft be§ Änaben in fie gelegt morben
mar, icb hatte leine Sitzung, baff Sturelie — ba§ ©e=
beimnifj bon ©gon'3 Zob lannie . . ."
„SOßie*? S)ie (Stiefmutter muffte barum?"
,,©ie batte e§ erratben. £>, menn ich nur bie teifefte
Bbee bon ihrer ÜJlitmiffenfd§aft gehabt hätte! ©ie hinter*
lieb ein STagebudj — in ihrem ©cbreibtifche, baS geftern
SDein 9ted)t§anmatt, ber 25oltor Brenner, auffanb."
„SUj! — Unb er hat getefen, 9tltc§ erfahren?"
„2ltte§. Söir befinben uu§ mehrtoä in feinen Rauben,
ftnb bon feiner ©nabe abhängig. @r broht, bie furcht*
baren Rapiere au beröffentltiben, meinen, deinen tarnen
an ben Pranger au febtagen — menn mir nicht bie bon
ihm geftetTte S3ebingung erfüllen motten, um feine S)i§=
fretion au erlaufen."
„2Ba§ bertangt er?"
2Bern§baufen hielt einen 2tugenblid inne unb überlegte,
bann gab er bem ©ohne einen genauen Bericht bon ber
am borgen amifdjen ihm unb bem 9lbbofaten ftattgehab*
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SHoman oon 6arl 6b. Klopfer.
59
ten Unterrebung unb nannte i|nt ben 5j3rei§, ben Xrenner
für fein ©djmeigen bcbungen hatte.
„Unb ©ie haben eingemiEigt, in meinem Planten au=
gejagt 1 ?" ftammelte Herbert, aitternb bor 3orn. Xie 9tarbe
an feiner ©time färbte fidj blutroth, feine 3ähne fnirfcfjten.
„9iein, mein ©ohn, baä moEte ich Xir überlaffett.
Xrenner gibt un§ noch eine -fjenferäfrift — bi$ morgen
Nachmittag. 9lEe§ liegt in Xeiner $anb"
Herbert feufate fchmeralich auf unb fchtoieg. Xer
Ntinifter trat langfam bor unb ftetfte bie 2öa<h3fer3en
auf bem 9irmleu<hter an.
„Nun, Herbert," begann er nach einer Tarife, „100311
toiEft Xu Xich entfchliefjen, toa§ gebenfft Xu 51t thun?"
„ßaffen ©ie mich ba§ ©rä^tid^c erft überbenlen," fagte
Herbert bumpf, mit bem borgeftrerften 9lrm feine Nugen
befchattenb. ,,©ie felbft glaubten btircb ein Sljnen bom
Cnlel gugefügteg Unrecht bie ©eredjtigung au einem 93er*
brechen ermorben au haben — unb berlangen nun bafür,
baff ich, ber ©cijulblofe, bafür mein ganaeg £eben bergiftc.
SBenn ich nun bie 93erantmortung abtoeifen mürbe, menn
ich, unfere Familie ihrem bon 3th nen heraufbefd^morenen
©chidfale überlaffenb, mit Srene fliehen moEte, bergeffeu
moEte, baff auch ich ben tarnen eineg ©rafen b. SBerng*
häufen trage, ben ©ie für immer gebranbmarlt haben'?"
Xer Ntinifier liefj ben $opf auf bie ©ruft herab*
finfen, er magte eg nicht, bem ©ohne eine ©egenborfteEung
gu machen, er fühlte, bah ber ihm augefdEjleuberte 93or=
murf ein nur au gerechtfertigter*"’ ’ • er fanb leine 9Borte,
bie gegen ihn erhobene Nnllar V iaa entfräften ; boE unb
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60
^amiliene^rG.
gana empfanb er bie SBitterfeit ciite§ SBaterberaenB , baB
ftcfj bor bern eigenen Äinbe bemiitbigen mufe. @nbltch
30 g er fidj geräufcbloB aurittf unb berliefe baB 35ibliotbe!=
3 immer burcb eine ©eitentpr — ben ©obn mit feiner 23er=
3 toeifIung allein laffenb.
Herbert batte fein £af<bentuib an bie Singen gebrefet
nnb atmete fcfjtoer. (Sr artete nicht barauf, bafe ber
SSater binauB ging; fiumbf iiberliefe er ftc^ feinem ©djmerje,
ber ihn im Verlaufe bon !aum einer ©tunbe im Sfnnerften
gebroden butte. StegungBloB fafe er ba. (Sr bemerfte eB
auch nicht, atB fich bie ©eitentpr toieber öffnete unb ber
fDtinifter, ein aarteB 9ftab<ben an ber «fjanb fiibrenb, leife
in’B 3immer trat.
S5er ©raf neigte ftcfj 3 U bem Äinbe betab, baB mit
feinen großen Slugen erfäjrecft unb berf<büd§tert auf|)er=
bert fab, ber ba aufammengefunfen auf feinem ©tuble fafe.
„©ehe bin, mein $inb, umfcblinge ben $alB S)eineB
S3ruberB," fagte SöernBbaufen leife, mit bebenber ©timme,
„unb flebe ibn an, SBarmberaigfeit 3 U üben ; i(b, 35u, mir
Sitte, $amifta, bäugen jefet bon feinem (Sntfdjluffe ab."
2)ie kleine toufete nicht, unt toaB eB fxdj bunble, fte
begriff nicht, toaB man eigentlich bon ihr toollte, aber bie
toebmütbtgen Söorte beB SSaterB, ber fcfjmeraliche ©eficfjtB*
auBbrutf beB SBruberB, ber jefet feine ^änbe bom ©eficbt
berabfinfen liefe unb fte mit einem unbefcbreiblidjen 33lid
ftreifte — baB SlKeB brängte fich in ihrem linblidjen
fersen 3 U einem ahnungBboEen ©cbntera aufammen, ber
ibr bie betten Spänen in bie Slugen trieb.
„Herbert!" rief fte toeinenb unb ftürate fich in feine Slrme.
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Oioman oon 6arl (*b. JHoufer. 61
2>te unaufZaltfant Zerborbringenben frönen erftidten
iZre meiteren SBorte. Rettert bag junge SJtäbcZen
frampfZaft mit feinen 2lrmen umfcZlungen, mätjrenb iijn
felbft ein mitbeg ScZludZaen erfdjütterte.
SDer 5Jtinifter manbte fld^ ab ; er füfjlte, bafj er feinen
Streit Zabe an bem gezeitigten ScZmerj beg ®efcZtoifter=
paareg, bafj er auggefdjtoffen fei aug biefer reinen Seelen-
bereinigung, in toetcfjer bie $inber bag 2)erbred)en iZreg
Sßaterg betoeinten.
„Sei rutjig, kleine," flüftertc Herbert enblicZ, fein ®e=
fitZt aärtlidj auf bag btonbe Sotfentjaupt ber ScZroefter
briitfenb, „2>u foEft nichts bon bem ßeib erfahren, bag
meine 33ruft burcZtoüZtt. S)u fotCft nicZt mitgeriffen mer=
ben in ben 2£6grunb, 35ein reineg foE nidjt bergiftet
tnerben, S)u foEft glücfticZ toerben!"
ÄamiEa berftanb ben Sinn ber Söorte nicZt, meldje
ber SSruber tjalbtaut bor fid§ ^in murmelte, fie erriet^
nur fo biet, bafj fie iZn umgeftimmt Zd6e, toie eg ber
33ater bon iZr bertangt Zatte. Sie fdjlang beibe 9lrnte
um feinen 9ia<fen unb tiijjte iZn.
©nblidZ mad§te ficZ Herbert fanft log, ftricZ ber Sd^toefter
bie £aare aug ber Stirne unb ftanb auf.
„Äomm, 35u barfft nicZt länger Zte* bleiben, an 2)i<Z
foE unfer SöerZängnijj nid§t rttZren fönnen. ©eZ’ Zibiiber
3 u gräutein SPrud, eg ift fpät gemorben."
S5amit brücfte er einen testen $ufj auf ÄamiEa’g
Stirn unb führte fie aur 3:Z üre - 9tocZbent ber leidste
SdZritt beg fEtäbdfjeng in bem ^leben^immer berZaEt mar,
manbte ficZ Herbert mieber um, nadj bem SJatcr.
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62
ftamüienebrc.
„SBentt idj mich überhaupt entfd^liefeen fann, baS
Pertangte Cpfer <ju bringen, fo banfen ©ie eS biefent un*
fdjulbtgcn $inbe," fagte er ernft, unb ohne ben SJtinifter
ait^ufe^en, Perliefj er baS 3intmer.
gioölftcs Kapttd.
Per g?reiwb.
Südjarb 3joEbred)t fab in ber nun bon i^nt aEein
betoobnten *Dlanfatbeitflube beS SiübenbofeS, eifrig mit
feiner 2ageSarbeit befdjaftigt, toetdje ihm toenig 3^it lieb,
über bie entfdjtounbeuen fdjöncren feiten nadjjuftnnett.
S)er junge ©dfjriftfteEer b a üe enblidj *Etufje gefunben,
fidj feiner SieblingSibee $u toibmcn, ben 9toman fort^u*
fe^en, baS äöetf, auf toeldjeS er bie fd^önfteu Hoffnungen
fejjte.
Slber je mehr ber Nachmittag borrüdte, befto mehr
freien Nidjarb’S SlrbeitSluft $u erlahmen. Smmer öfter
hob er ben $opf bont Rapiere unb fab bor fidj hinaus
burdj’S Sanfter auin Herbftbimmel empor. Unb toenn er
fidj bann getoaltfam ^toang, toiebcr $ur Arbeit prüdp*
lebten, fo fonnte er ftdj bod) feinen neuen Eifer einimpfen,
©eine ©ebanfen fdjtoeiften unabldfftg bon ber Nidjtung
ab, bie er ihnen <ju geben bemüht toar, bie Qreber ftodte
nadj jeber ^eitc. Er erhob ftdj öfters, um nach bent
ätoeiten f^enfter ju geben, auf beffen S3rett bie ©onnenubr
angebracht toar, bie bem 5ßoeten in Ermangelung einer
Safdjenubr als gdtmeffer biente. Nber heute toar biefeS
febr gefdjidt angelegte ©ebilbe aufjer Xbötigfeit gefegt,
benn fein notbtoenbigfter töebelf, bie fjfrau ©onne, büßte
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SJtoman uon Gart (5b. Klopfer.
63
fid) mit tjartnddigem ©igenfinn in fdjtoere graue Stegen*
toolten unb tooKte fid^ nidjt aeigen.
(SnbUd) fomtte Sticljarb beftimntt annetjmen, bafj bie
bon iljm fo feljnlicfjft tjerbeigemünfctjte ©tunbe angerüdft
fein trtüffe. ßr marf bie ^eber ijitt unb berliefj bie ©tube,
in bie befdjeibenen SBoljnrdunte feiner Sßirtpleute l)inab=
fieigcnb.
Sßoltbredijt Ijatte für bie Äan^tei be§ Softor Brenner
Äobirarbeiten übernommen, meldje iljm ber alte Söalfer
jeben Sag nadj ©djlufi be§ SSureau’g mit Ijeintbrad)te.
äöaren biefe Arbeiten, bie fcljr lärglidj bejaht mürben,
audj nidjt baruadj aitgetljan, beit ©eift be§ ©djrififtellerä
51 t ergeben unb an^uregen, fo bradjteit fie bodj menigftenä
jo biel ein, al3 S3oEbred)t jur Seftreitung feiner anfprudjä*
lofen 23ebürfniffe brauste. Ueberbieä boten fie üjm ©e=
Xegen^eit , täglich mit ber Familie Söaller au berieten.
Stidjarb maren bie Sßlaubcrfiunben beim Slbljolcn feiner
Sageäaufgaben nadj unb nadj jurn S3ebürfnifj gemorbett,
feitbem er bie Sttanfarbe al 8 ©inftebler betooljnte. SJtit
ben Sfreunben beä SJiufenljofeä traf er nur am 3ttittag3=
tifdje aufammen, ba meber SBurm, ber enblidj feine Steliefä
in Singriff genommen, nod) ©tantVfel, ber ben ganzen
Sag bor feinem üßiano fafj, Seit fanbeit, nadj bem ^inter=
gebdube aunt 33efudj $u lontnten, mie früher. Ser 33e=
rid^t, ben ber Älabierbirtuofe über S3ranbt unb feine ab=
meifenbe Haltung gegen bie früheren ©enoffen geliefert
Ijatte, fonnte natürlich audj nid§t baau beitragen, beit
©djriftfteüer befonber§ Reiter au jtimmen. ©0 Ijatte er
fidj allmdljftg immer nte^r aurüdgeaogeit uitb redjtfertigte
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64
^Qtmlieneljre.
beinahe ben ©pt^noinen „ber Älaugner", beit itjm bie
muntere Äünftlerfchaft angehängt hatte. —
33oßbrecht bo^te fdfiüchtern an bie 2hür. S)a8 „.fper*
ein!" au§ einer meiblidjen Äe^le liefe ihn etmaä ^ag^aft
aurttcfmeidljen ; mie, füllte $err äöalfer mirflidfj noch nicht
au ^)aufe fein? S)ann mufete Nictjarb mohl fffräulein
Charlotte allein treffen, benn ^rau SQÖalfer hatte er fchon
bor einer Stunbe mit einem großen 5ßacfet burch ben £>of
gehen gefe^en; fie lieferte mohl ihre Näharbeiten ab.
2ll§ er bie Schmeße betrat unb eben feinen ©rufe bor»
bringen moßte, nidfte ihm £ottcf)en bon intern STifd^ her
au unb legte ben Ringer, jur Nulje mahnenb, an bie
Sippen. Nidfjarb fah fich berbufet um unb gemährte ben
alten (Schreiber, ber auf bem altmobifchen Sobha lag,
ein £uch über’3 ©eficijt gebreitet, unb au fdjlafen fchien.
„2 Ih, 3th r £err 23ater fd^läft — ba miß ich nicht
ftören!" 2)amit machte er Ntiene, ftch aurüdfaujiehen.
„33itte, «fperr 23oßbrecht, bleiben Sie nur," fagte
Sottdfjen leife unb fchob ihm einen Stuhl hin. „Sie fom»
men, um 3hre eilten abauholen ? S5er 93ater hat fie bort
auf bie Äommobe hingelegt, aber ich glaube, er hat Sfhnen
noch einige 33emerfungen über bie 2lrt unb SQSeife ber
©rlebigung ju machen. Söenn (Sie aber feine Beit ber»
lieren moßen, fo fann ich ihn ia auch meefen, bafe Sie
gleich an bie 2lrbeit gehen fönnen — "
„Nein, nein," miberfbradt) S3oßbrecht eifrig, mährenb
er neben bem Nläbdfjen 5ßtaf} nahm, „ich fann gana gut
märten; c§ märe fchabe, ben alten $errn au§ feinem
Schlummer aufauftören."
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Vornan non Sari Sb. Klopfer.
65
„3a, IRuhe thut ihm mahrlich noth, nachbem er fchon
faft eine ganaeSöoche hiuburdtj feinen guten Schlaf mehr
gehabt hat. 3$ fürste, er toirb franf merben. 3<h hörte
ihn in ben lebten Mächten mieberhott ftßhnen. «fpeute 9iach=
mittag, alg er nach |>aufe fam, fiel mir gleich feine SBläffe
unb feine mübe Haltung auf. Sr leugnete jmar ein
Uebelbefinben, aber id£j bin gemifj, er thut bieg nur, um
ung feine Sorgen au machen. — O, <£>err SoHbredjt, ich
benfe mit Schaubern baran, mag merben füll, menn er
ernfttidj franf mirb. Sr hat fidh in feinen alten £agen
au fehr angeftrengt unb bebürfte unbebingt ber 9iuhe,
auch bie Butter ift f<hoit betagt unb bie fortgefepte 5lr=
beit mit ber 9iabel mirb ihr fauer. O, mie gerne moKtc
ich £ag unb 5iad§t tfjätig fein, um ihnen jebe 2Kühe unb
Sorge au erfparen, aber Sie miffen ja, mie farg bie fötobe*
maarenhänbler beaahlen, reicht bodj felbft je^t unfer brei=
facheg Sinfommen nicht ^in, Srfparniffe aurütf aulegen."
£ottchen feufate ferner auf unb führte ihr Sluch an
bie geröteten äugen. SBoUbrecht betrachtete fie OoE
Üheilnahme.
„Slrmeg $inb! Sie haben ferner au tragen."
„O, noch nicht, noch nicht ! Slber mie bann, menn
meine ^Befürchtungen eintreffen, menn bie guten Sltern . . .
nein, ich mag gar nicht baran benfen! Unb menn Sic
nur fehen fßnnten, mie fefjr ben SJater bie Sorge bebrücft,
obgleich er eg mir ängftlicfj au berbergen fucht. Oft,
menn er mir gegenüber ftfjt, fühle ich fein Sluge auf mir
ruhen unb felje feine bcfümmerte Eftiene, höre bie ber=
ftohlenen Seufaer, bie fi<h aug feiner gequälten 33ruft
Sibliotljef. Sofirfl 1880. Sb. X. 5
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G6 ftamilienebre. .
ringen, ©eftern enblidj berlieb er feinen ©ebanfen Söorte.
2)er gute 93ater ängftigt ficb um meine 3ufunft ; er [teilte
mir bor, bafj id) bie Äraft meiner Sugenbjabre berfptittere
mit einer Slrbeit, bie Jaunt ben nötbigften £ebenSunter=
halt abtoerfe; er Jam, toaS er fonft ftetS a u bermeiben
ftrebte, auf unfere bergangene 3eit au fpredjen, als er
noch ein angefeljener, too^abenber Kaufmann getoefen."
„3db glaube gehört au hoben, bafj ^»err SBalJer burdj
einen betrügerifeben Kompagnon fein ganzes Vermögen
berlor?"
Gljarlotte nidte unb trodnete fidf) abermals bie 2lugen.
„3dj foeifj, morauf er mit biefen traurigen 33etradj=
tungen absielte. @r fpradj eS enblidj and) aus."
„SBie? 3b* Später ^at alfo einen beftimmten Sßlan
über 3b* e Brunft gefaxt? S)arf ich bieHeidfjt, menn
biefe 33itte nicht tnbiöfret ift, babon buffen?"
„Söarum füllte ich eS 3bnen befehlen, ber Sie fo
großen Slntbeil an uns nehmen," ertoieberte @barlotte.
„*Dtein 33ater beutete barauf bin, bafj icb bereits neun«
3 ebn 3fabre a ä b^, bafj ich nicht etoig im ©Iternbaufe
bleiben Jbnne, Jura — "
„@r fpradb bon — einer ^eiratb?" rief SMbrecbt
taf(b, erfd^raf aber gleich barauf über feine #eftigJeit,
bie ütottdjen’S Später aus feinem Schlummer foeden unb
bei feiner Tochter 23efremben erregen Jonnte, aber a«
9ticbarb’3 ^Beruhigung gefcbab feines bon beiben.
„3a," fagte baS 2Räb(hen unb lebnte ficb in ihrem
Stuhl an^'üd, bie Näharbeit in ben Scbojj finlcn laffenb,
„ja, baS tuar’S, toaS ber 23ater meinte. 3<b fuct)te il)n
Vornan non Gart Orb. Stopfer. G7
3tt)ar fofort bon bem Sterna abaubringen, mag mir auch
mir!li<b gelang, aber ich meifj bodj fcbr gut, mag für
eine 9Jtittfjeilung er mir noch machen mollte."
©ie meinen, bafj |>err SJatfer fdjon einen Äan*
bibaten für — jene gemünfchte $eiratb in Sorfdjlag hätte
bringen motten?"
„3cb fürste, ja. ©o oft ich bem Sätet bag 5rüb=
ftücf nach bem Suveau braute, juchte fich mir einer ber
ßonaipienten, ein gemiffer Stunt, au nähern. Gr mufjte
mich in'g ©efpräcb 3U aietjen unb mich fonft auf alte er*
benttid§e 3lrt aufauljalten; aber alg er enbtidt) in feinen
Semerbungen beutlicber mürbe, fuc^te ich itjnt au§au=
meinen. 3cb bat bie Siutter, mir bag ©efcbäft abau=
nehmen, um bag Sureau nicht mehr betreten 31t müffen."
„Unb jejjt, glauben ©ie, tjat fi<b ber nnerfd^üttertic^e
Söerber trofc 3ft)rer abtebnenben Gattung an 3tf)reu -fpervn
Sater gemanbt?"
„<£g fcbeint fo."
„|>m!" 9ti(barb übertam ein tebbafteg ©efübt ber
Unruhe. Gr fcbien nacbaufinnen, ftreifte aber feine 9tacb*
barin mit einem forfcbenben Sticf, alg fcbeue er fidb, bag
augaufprecben, mag ibnt auf ber 3unge lag.
„3?inben ©ie beu Sotfcblag, ben 9tatb 3b^§ Saterg
mirtticb fo unannehmbar? — 3ft jener -jpetr Slum Diel*
leidet fdbon ein alter Staun ober ein Gbarafter, mit
met ehern ©ie nicht fpmpatbifiren fönnten?"
„$ert Slum ift faum SDreifjig, unb mag feine @emütb§=
eigenfehaften anbelangt, fo fenne ich ihn au menig, um
überhaupt ein Urteil nach jener ^infiebt fällen au lönnen,
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gamilienehre.
idj glaube fogar, er meint eS mirflidj ehrlich unb T^ätte
ben reblidhen äöiüen, baS arme SDtäbchen, baS er hoch
unmöglich auS digennuf} nehmen mürbe, als feine ©attin
fo glücflich a« machen, als er eS bermag."
„9lun," meinte ber Siterat aögernb, „bann tonnten ©ie
ja immerhin ben SJerfuch machen, ihn näher tennen au
lernen, biefleidht bermögen ©ie iljn nach nnb nadj — lieb
au geminnen. ©omit ift Syrern SSater nur 9tedf)t au geben,
menn er 3ftjnen räth, ben Eintrag biefeS SflanueS in @r=
mägung au aietjen."
2)aS blaffe ©eftcht beS jungen 9Jtäbd^en§ röthete ftdC)
jäh bei biefen SBorten. ©ie neigte fidj auf il>re Arbeit
herab unb bermieb eS, ben ©predjer anaufehen.
„S<h ^offe bodj, mein Fräulein, ©ie fe^en baS Sßrat»
tifdje beS bätertidijen 9tathfdjlageS ein? ©obalb ftctj beibe
X^eile hodfjachten tönnen, merben fte fich niemals unglüct»
lieh füllen, $reili<h rnüfjte bei beiben ©^eleuten eine
^eraenSneigung au einer anberen 5ßerfon auSgefdjloffen
fein."
ß^arlotte manbte fich jejjt feitmärtS, um iljre frönen
au berbergen, aber baS Rittern ihrer |>änbe berrieth fie.
$otlbrecht mufjte nur au gut, mie graufam fie feine an»
fd^einenb fü l^armlofen Sßorte bermunbeten, aber er mollte
ßottdhen baburdfj berantaffen, fid) ihm anaubertrauen, um
il>r bann feine hilfsbereite greunbeShanb au reifen. (Sr
mufjte, bafj baS SDtäbdjen unter ber Sßereinfamung litt,
an meldfjer fie ihr $eraenSgeheimnijj nötigte, unb bafj
fte einer ©eele beburfte, ber fie fich auSfpredjen tonnte.
„Äura unb "gut," fuhr er fort, „ich mürbe an Sh^r
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Vornan ooit Sari 6b. Älopfer.
69
©teile mein |jera prüfen, bie nähere Sefanntfdjaft biefeS
|>errn Slum machen unb mir barnach bie 3?rage bor=
legen, ob ich iljn fo m§it ödsten lönnte, um feine Semer=
Bung anpneljmen."
Sottdjen berntodjte fidj nun nicht länger prüdfju^alten;
fie toanbte föidjarb ihr thränenüBerftrömteS ©efi<ht 3 U
unb fah iljn mit einem Slide an, in toeldhem ftdj eine
fleljenbe Sitte auSfpradh. 2lBer eS loftete noch geraume
3eit, Bi§ fie fid^ fo meit gefaxt Tratte, um ihm 5 U ant=
toorten.
„Sie meinen eS gut, |>err SotlBrecht, ich Bin babon
überzeugt, aber — Sie mürben nicht fo fpredjen, menn — "
fie ftodfte.
„äöenn'?" fragte Sollbredjt.
Sottchen „brüdEte iljr £uch Por baS ©efidjt unb ermie=
berte nichts. So entftanb eine fcfjtoüle Saufe. ©üblich
Berührte ber SchriftfteUer mie Begütigenb ihre $anb.
„Seraeiljen Sie, mein ffräulein, i<h mollte Sie nicht
Iranlen mit meinen Söorten, fie enthielten auch nur eine
gana allgemeine SlnfidEjt bon mir. Sie tljeilen biefe 9ln=
ficht eben gana einfach nicht — ober füllten jene Sebin-
gungen, bie ich borauSfepte, Bei Sfpmn nicht autreffen 1 ?"
„©leichbiel," ftammelte fie jept mühfam, „ich faitn
ben 9?ath meines SaterS nicht Befolgen, ich lann -£>errn
Slum leine ©attin fein."
. „Unb marurn nicht ?"
„28eil — meil, nein, ich mitt nicht lügen, aber — ich
lann Sonett ebenfo menig bie SBahrljeit fagen. Sitte,
erfparen Sie eS mir. ©S möge Stauen genügen, bafj ich
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jjamüienefjre.
mid) für immer mit beui öebanlen bertraut gemalt habe,
unbermdbtt gu Bleiben."
„Verlennen ©ie nicht meine aufrichtige fjreunbfd^aft,
mein fjrdutein, eS ift nid^t müjjige Veugierbe, fonbern bie
lebhaftere 9 lntbeitnabme an S^nen — an 3§rem ©cbid=
fatc, tuaS mich 31t meiner Srage beranlafjt. Vitte, Beant*
toorten ©ie mir biefelbe. $dj fagte, bei einer $onbenien3*
Beiratb biirfe leineS ber Beiben Xtyilt eine Neigung 3U
einem ©ritten im «freien tragen, hangelt 3buen ettoa
biefe Vorbebingung? SÖlit einem Sorte, (übartottc, ©ie —
©ie lieben?"
©ie toodte auffpringeu unb ihre tiefe Vetoegung ber=
Bergen, aber SRidjarb ^ielt ihre £>anb feft.
„Vertrauen ©ie ftcb mir an — ich fcbtoöre Stpien,
©ie bürfen eg."
„3fa, ja — ich habe geliebt," !am e§ rafdj unb faunt
bernehmtich bon ihren audcnben Sippen.
,,©ie buben geliebt?" fragte Vodbrecbt mit gait3
eigen tbümli(ber Betonung. „Sarum fprcd^cn ©ie babon
als bon ettoaS Vergangenem?"
„Seil idj biefeS ©efttbl erftiden muffte — nad)bem eä
!aum aufgeleimt tnar. 3 dj barf biefe Siebe nicht näbren."
„©tauben ©ie toirllicb, baff bie CSinficbt, toie t)offnungä=
loS eine fotd^e Neigung etma fei, auch fdjon biefe Neigung
bcruidjten lönne?"
Gbartotte fcbtoieg unb preßte bie |>anb auf’S ^erj.
©ie tooHte in biefem Vtoment nicht toiberfprecben, tuo fte
fühlte, h>ie febr fie bon jenem toarmen, berrdtherifchen
©ing Sügen geftraft toorben todre.
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I
Vornan oon 6arl 6b. Klopfer. 71
,,©ie berftuntmen, ba§ ift ruir ein .geidjen, baf* ©ie
meine fe^r beredjtigtcn $meifel über biefen Quillt tbeilen."
»•Bugegeben benit, ©ie Ratten Diedjt," fagte fte mit
§eftigfeit, „zugegeben, bafj idj biefe ßiebe noch nicht auö
meinem ^er^en tilgen fonnte, fo gern id} e§ tooKte — baä
Stefultat ift auf jeben Qfatt baffelbe."
„Fräulein ©bQ^otte," begann er nach furjem 3bgern
mit überaeugenber #eralichfeit, „ich mill Bbuen gegenüber
fo offen fein, mie ©ie eS eben ju mir maren. $cb mollte
eigentlich nur au§ Sb rem ^ttunbe bie Seftätigung beffen
bernebmen, toa§ icb fdjon längft geahnt habe. Sdj meijj
eä, bafj 3b* -fpeta an einer brennenben Söunbe franft —
icb meifj auch, mer biefelbe gefcblagen bat, toer ber
©egenftanb 3b* e * bermeintlidf) fo boffnungälofen ßiebe ift."
„(5r bat e§ Sfbnen geftanben 1 ?" frug fie, toafjrenb auf 8
Bleue ein £b*äuenfcbieier ihren SSlidE berbunfelte.
„3a, menn auch nicht auf gana gerabem Söege. ©eben
©ie, mein Fräulein, ich habe über biefen 5ßunft feitber
febr reiflich nad^gebad^t. ©tepban liebt ©ie. 6r bat ge»
mifj nicht gelogen, als er 3buen baä im SDrange feiner
(Befühle geftanb."
„SJantalö — bieHeidjt. Biber je^t bin ich gemifj, bafj
er e§ tief bereut, mir ein (Beftünbnifj gemacht au haben,
toelcheS er beute unmöglich au§ ehrlichem |>eraen mieber»
holen fonnte. 6ä mar ein flüchtiger fh'aufdj bon feiner
©eite, eine launenhafte Eingebung feiner erregten Äünftler»
Pbantafie, meldjer er nur au leichtfinnig SBorte berliebeit
batte."
„9Sir fönnen ba§ 33eibe nicht fo feft behaupten. 2öer
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ftamtlieneljre.
meiff, ob mir ihm nid^t Unrecht tljun mit unferem 5Jtiff»
trauen. 3dfj h&fa mich toieHeid^t $u meit htnreiffen taffen,
bamatB, atB ich ihm feine £>anbtung8meife in fo fdhroffen
SBorten entgegenljiett. ©ie fürsten, fo toie ich, baff jene
©önnerin feiiteB latentes, bie SBaronin Mfftffoff, fein
«£>era gefangen l^abe. 9iun, menn bent auch fo märe, fo
tarnt er bodh bon einem gemiffeit ©tanbpuntt auB Gmt=
fdjulbigung finben. SSebenten ©ie, biefe grau teifft ihn
mit einem 2ftale auS ber trüben, gebrücften Sltmofphäre,
in meiner ftdlj bisher fein ©enie bemegen muffte. 35iefer=
halb f<hon tonnte er ihr ein ©efüfjl ber S)antbarteit nicht
berfagen. Zehnten mir nun an, bie SSaronin mürbe neben
ihrer Äunfttiebe auch bon einer ganj fpe^ietten unb pribaten
^erjenSneigung jur 5ßrotettion be8 jungen 9JtaterB beran=
lafft, fo tann eS bei bem leidet entjünbbaren ©emüthe
Sranbt’B hoch nicht fo ungeheuerlich erfdheinen, menn ihm
biefe ©eneigtheit ber ebenfo bornehmen atB fronen S)ame
fdjmeidfjelt, ihn bielleicht auch mirtlich ju ähnlichen ©e=
fügten begeiftert. 2öir bürfen beBljalb noch nicht bcn
©tab über ihn brechen, menn feine fünftlerifdfje, für jeben
Grinbrucf fo empfängliche ©eete itjn tffnreifft, ein menig
bon bem Söege abaufchmeifen, ben ihm bie ftrenge bürger=
liehe 9iedhtlidhteit bor^eichnet. 3a, er tljut ferneres Un=
recht bamit, aber er fott beBtjalb noch nid^t otjue ©nabe
berbammt merben. — ©ie befdhutbigen ihn, fein ©eftänb=
niff 3h nc tt gegenüber fei nur bie Eingebung einer flüch 3
tigen Saune gemefen — nun, bietteidjt ift eben ber ge=
nannte tteine ©d^ritt bom geraben Söege nur einer feilten
©efüh^berirruttg entfprungen, unb er bemahrt im ©runbe
Vornan oon @arl @b. Klopfer.
73
fetne§ |>eraeuS bie ganae 33oEfraft einer ed^ten, innigen
Siebe, bie früher ober fpäter mit alter 2Jtadfjt toieber er=
machen toirb."
(S^arlotte reichte bem eifrig ©predjenben mit einem
me^müt^igen Sädtjeln bie <f?anb, bie er marm erfaßte unb
atoifdjen feinen Ringern brüdfte.
„(Sie finb ein madferer, f)errUd&er fEtenfcfj, ich baute
^^nen für 3>ljre lieben EBorte! 2lber — ich famt nicht
baran glauben, maS ©ie mir fo freunblidj in 2luS ficht
fteUen möchten. SDodh ich toitt S^ren 9iath befolgen, midh
3 u trßjten fudheit unb ftitt ergeben — toarten, maS mir
bie gufunft bringen foE!"
SSoEbrecht moEte nochmals feine Ijeralidfjc 9tebe be=
fräftigen, aber er berftummte, als ^err Söalfer auf feinem
Säger einen ©eufaer auSftiejj unb mit einer Setoegung
aus feinem ©djlummer ertoachte.
|>atte er ben lebten SL^eil beS StoÜQefprädjeS, baS
nach unb nach lauter getoorbcn mar, bernommen?
„2l§, -fperr SßoEbredht!" fagtc er mit mattem Sädjeln,
inbcm er fidh erhob unb bem ©afte bie |>anb retdjte.
„(Sntfdhulbigett Sie, bafj ich ©ie fo lange märten lief*. —
f Mev toarum h&ft 25u mich nie^t getoedtt, Sötte?"
„S)aS hätte ich feinenfaES angegeben," antmortete
fRidfjarb an ©teEe beS fUtäbchenS. „(SS märe ©üitbe ge*
mefeit, Sie beS erquicfenben ©chlumnterS au berauben.
3<h berlor feine 3eit, -fperr Söalfer, unb lontme noch
immer auredht, meine Elften au empfangen." —
fElS SßoEbredht mit bem Söünbel bie kreppe aur fDtan*
färbe emporftieg, glänate fein Sluge in feuchtem ©dhimmer.
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ftatnilieneljre.
Grr maitbte ftd) nochmals aurücf gegen bie ©hür, rnclche
ihn bon ber ©ochter beS ©djreiberS fc^ieb, unb murmelte
mit einem fdjmer«}lidjen ßächetn bor fidj ^in: „SlrmeS
Äinb ! — Slrmer äloltbrecht, ©u bift bodj ein bebauernS=
merther $etl, inbent ©u fo auf ©einem eigenen 4?eraen
herumtrittft!"
s ilnt nächften Nachmittage burdjmafj ©oltor ©rennet
ben ©aton feiner behaglichen Söohnung mit grabitätifchen
©chrittcn, mährenb er ftdj nach feiner ©emoljnheit, menn
er gut aufgelegt mar, bie |>änbe rieb, ©o oft er auf
feinem Nunbgange an ber ftenftcrnifche borbeilam, mo
©Ha bamit befd^äftigt mar, bie 33lumen ber pradjtbotten
Sarbini^re ju begießen, marf er einen langen SSlidE auf
bie ©ochter. <£t hatte fie fchon auf ben Sefudj ber beiben
(Strafen SöernShaufen borbereitet, -feineSmegS aber noch auf
ben eigentlichen 3h)ecf biefer Sifite. Nun fuchte er nach
einer paffenben 3brm baju.
©Ha hatte in ihrem 33etfehr mit beut SSater bon jeher
eine gemiffe Äälte unb ©teidjgiltigteit gezeigt, bie fte in
feinen Nugen faft befdjränft erfcheinen lief}. ©renner hatte
eS alterbingS im ©ränge feiner ©efdjäfte niemals ber
2ftühe merth gefunben, ftd^ mit feinem $inbe eingehenber
3 U befaffen. ©aS blieb bon jeher ber ©oubemante unb
ihren Sehrern — früher auch ber fliHen, gutmüthigen
ffrau ©rennet übertaffen, bie c§ mit ©Ha <jmar her^tid^
gut meinte, fiel) aber ebenfalls nicht <)um älerftcmbnifj
Dreijcfjntcs Kapitel.
.Auf ber ^Srautfchau.
SRoman oon Gurt 6b. ftfopfer.
75
ihres ganj eigenartigen GharafterS auffdjtoingen tonnte.
So hatte ftch baS UJläbd^en frü^eitig baran gemöhnt, fidj
in fief) fetbft aurütJau^iehen unb baS toenig fchmeichelhafte
Urteil, baS ihre Umgebung über fie fällte, mit einem
©leidjmutlje hiuaunehmen, in ben fidj fein geringer üUjeil
Verachtung mifdjte. 3)urch eifrige Beobachtungen, bie fie
im Vaterhaufe um fo leidster anfteKeu fonnte, als Brenner
bem „einfältigen Äinbe" gegenüber nie einen ^etjl aus
feiner ©cfinnung machte, hatte ftch Gfla eine VMtanfchau*
uitg gebilbet, bie ihren ©eift tocit über ihre Sahre hütauS
gereift unb — berfjärtet, Verbittert hatte. Sie mar ge*
mof)nt, ftch ben Befehlen ihres VaterS mie benen ihrer
Sekret ruhig unter^uorbnen, aber unter ihrer Schmeig*
famfeit unb äußeren Stumpfheit lag ein marmeS, be=
geifterungSfä^igeS ©emüthSleben berborgen, baS bis jefjt
nur nodt) feine ©elegenheit gefunben ^atte, ftd^ ju ber ober
jener Sache in Siebe ober |>a& <ju äußern.
„f)öre, Gfla," nahm Brenner baS auf längere 3eit
unterbrochene ©cfprädh mieber auf, „$)u fdheiuft 3)ith mohf
gar nicht 3 U munbern über ben bornehmen Befudh, ben
mir heute 3 U SEifdhe empfangen foUctt?"
„Söarum auch, ^apa 1 ?" fagte bie junge SDame gelaffeit,
ohne bah jte ifj* ©eftd^t bon ben Sßflanaen erhob, bereit
pflege ihre ganje Stufmerffamfeit in Slnfpruch 3 u nehmen
fchien. „3)u fagteft ja fetbft, ber Vtinifter fäme aur Be»
fprechung eines michtigen ©efdjäfteS in unfer <£>auS. 3BaS
fott ich baran ©rftaunlidheS fmben 1 ?"
„<£>nt! Gin ©efdhäft — na ja, allerbingS einreiiteSSjßribat*
gefchäft, baS aber auch 2>ich gemaftig iitterefjtren bürfte."
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^amtlienefjre.
„SBiefo?" fragte 6tta fo rut)ig tt>ie borget, ohne baS
fdjtaue SlugenaW intern au beachten, mit Welchem ber 9totar
feine Söorte begleitete.
,,©age ’mat, kinb, Su bift jet}t fcfjon adjtaebn $abre
unb lönnteft bernünftig genug fein, ein Wenig um unb
bor Sich au btidten."
6Ha aucfte bie 9lcbfetn unb beraog ihre feft gefdfjtoffenen
Sippen au einem geringfchäpigen ßücbetn.
„|>aft Su Sir noch gar feine ©ebanfen über bie 3u=
tunft, über bie SBeftiminung beS SöeibeS in biefer SBelt
gemalt, eine 33eftimmung, bie bodj auch bie Seine fein
fotl ? 3Jtit einem äöorte, ^aft Su noch nie baratt gebadet,
bafj Su einft Sich berbeirathen wirft?"
„$cb febe eiue folc^e 9totbWenbigteit nicht gerabe ein,
aber — "
„Su ftebft jener 9totbwenbigteit naher, als Su atjnft,
liebes kinb. 2öaS Würbeft Su fageit, Wenn i<h Sir eines
SageS — meinethalben morgen, übermorgen — einen
23räutigam borfchlagen Wollte?"
„Su fdjeraeft, Sßapa!"
„keineswegs. 9imt, Wie Würbeft Su einen foldjen
Söorfcbtag aufnebmen?"
„3<h," fagte fte langfant, „ich Würbe mich, wie idb
eS in aßen Gingen gewohnt bin, Seinem Söiüen unter*
orbnen, 5ßapa."
Ser $apa nterfte nicht bie leichte Färbung bon Ironie,
bie in ihren Söorten tag, unb fdhmunaelte bor fi dt) f)'m.
„SaS ift bübfdb gefprocben, @lta; gana fo, Wie ich cS
bon Sir, als einem folgfameit kinbe erwartete, baS ja
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'Jtomcm oon 6a'rl 6b. Klopfer.
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fietg üBeraeugt fein fann, bafc icB nur fein SBefteg teilt.
9hm, erinnere SicB biefer Seiner SBorte, toenn idj teirf»
lief) ^ute ober morgen eine gute — eine fefjr gute 5ßar»
tfjie für SicB in Sluäfidjt genommen Bütte."
„$apa," fagte 6tla, je^t mit einem bottftänbig un*
gelünftelten fiäctjeln, „Su toirft midtj nodj toirflicB glauben
matBen, bafj Su ftfjon eine getoiffe SBaBl für rnicB ge=
troffen. Seine SBorte Hingen fo eigentBümlicB, fo aBficf)t=
licB, atg teotlteft Su micB bamit auf Seinen Süorfdjlag
borBereiten."
,,©ieB 'mal, Su BeoBadjteft ja redjt fd^arf, mein $inb,
bag Bütte idj Sir gar nidjt — Bot! U)iÄ icfj fagen, bag
Bütte icB gar nicBt geglauBt, bafj Sur mir ettoag Ser»
artigeg in bie ©cBuBe fdjieBen fönnteft. 9lun, gteidjbiet,
Su foUft Binnen $uraent erfaBren, teie i(B für SicB unb
Seine 3ufunft geforgt Babe. 3<B B°ff e ^ toirft au=
frieben fein."
$n biefem SlugenBticf melbete ^einritB, ber Siener,
bafj foeBen bie (Squipage beg 9Jtinifterg OorgefaBren fei.
Srenner teanbte ftdB BliBfdjneE um.
„91B, feBr pünftUcB — toie icB mir gebaut Babe. @ut,
taffen ©ie bie Beiben Herren Bie* eintreten, ^einrid§."
Ser Siener 30g ficB aurücf.
„2Bie, *{Japa, Su toillft ©einer djcetlena nicBt ent»
gegen geBen? $cB bücBte bocB, bie ©cBidftidEjfeit erforbere
bieg einem folgen ©afte gegenüber."
„Sag OerfteBft Su nicBt, 6lla," fagte Srenner, ftcB
tooBlgefällig in ben lüften toiegenb, müBtenb feine bitfe,
fette |>anb an ber fcBtoeren UBrfette fpiette. „3cB Babe
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78
^amiHenefjre.
c§ toabrlicb titelt niHbig, bett lleberaufmerffanten jju fpteteit,
als füllte ich mich befonberS geehrt bureb biefen SSefucb."
2)a3 fagte er fo toegtoerfenb, als tjanble e§ fid^ barum,
einen bemiitljtgen SSittfteHer ju empfangen. 2>ann natjm
er toieber feinen bebäebtigen ©parier gang burdb baS 3im =
mer auf; bie ©äfte fällten ja nicht benfen, baß er ißter
Slnfunft mit einer getoiffen Spannung entgegen gefeben
habe. (Hla blidtte Pernmnbert auf ihn, fie tonnte c§
ftd) nicht erfläreit, toie $apa, ber fonft Por Sittern, toaS
nur eine einfache Sfreiberrnfrone trug, faft froeb, nun mit
einem ftttale ein 35ene^men aur ©cßau tragen tonnte, ba§
gerabe an Mißachtung ftreifte — utib bie§ noch baju bem
geloaltigen Minder SöernSbaufen gegenüber.
„®u fpricbft feljr feltfam," fagte fie. „ 3 <b bädbte
bodb, eS märe toirflidb ein ©reigniß, bie beiben ©rafen
bei un§ 3 U felgen, |>aft $)u 35icb nicht eben Porbin erft
getounbert, baß itb mi(b barüber fo toenig erftaunt geigte ? "
„ 3 a, mein JHnb, toeil £>ir eine folcbe Stadbricbt boeb
febr unertoartet fommen mußte. Sßüßteft 2 )u aber, fo
toie icb, toarum eigentlich — bm, na, baS gebt ©ich ja,
toenigftenS Porläuftg, noch nichts an. @3 mag 2>ir ge*
nügen, baff icb meine ©rünbe habe, beit beiben Herren
einigermaßen au feigen, mit toem fte 3 U tbun haben. —
5lb, i<b böre fie fdjon auf ber Üreppe! — ©ebe bitter
in’S ©peifc^immer unb ertoarte uns bort. 55u tannft in=
jtoifeben audb nadbfeben, ob SlttcS in ber Orbnung ift, bie
idb münfdbe. 3 cb miß ben ©rafen betoeifen, baß fte eS
mit feinem armen ©d£)lucfer ju tbun haben, ber folcbe
©äfte nicht ftanbeSgemäß ju betoirtben Permag."
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Vornan »on Sari Gb. Klopfer.
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GHa’g ©ejtdbt überflog mieber jeneg gemiffe tronifc^e
£äcbeln, toätjrenb fte beit ©alon berliefj.
Brenner fteHte fidb an’g fjenfter unb trommelte auf
beit ©dbeiben; er fdfjien an alleg Slnbere eher p benten,
als an bie ©äfie, bie er erloartete. Slber in feinen
grauen, ftedjenben Slugen blifjte ein bogljafter ©trabt,
ba§ ©efübt tiefinnerlicber SBefriebigung. $a, unb er
tonnte auch mabrlicb pfrieben fein. Se&t ftanb er bor
bem lebten unb ^öd^ften .Siele feineg ganzen Sebeng.
TO bie beiben Herren eintraten, begrüßte ber 9lbbotat
fie mit tüt)ter ftreunblicbfeit. „Sdj ^atte nicht gan<j fidler
auf bie Gbre 3b*eg SBefucbeg gerechnet, meine Herren,"
fagte er, „boeb feien ©ie mir bon ganzem ^er^en n>itt=
fommen!"
3)amit ftreefte er ihnen feine $änbe entgegen, aber
ber 9Jtinifter fd^ien bieg gar nicht p bemerfen. ©raf
Herbert bagegen mafj ben Stbbotaten mit einem fo burcb*
bobrenben SBlicf, bafj er feine $anb rafdb finfen liefe unb
ein ©täubeben Don feinem föoefärmet blieS , bag ibn ba
ptöfelicb febr getoaltig p geniren fd£)ien. ©o entftanb
eine tur^e SSertegenbeitgpaufe.
„|>err S)oftor," begann enbticb Herbert, „mir hoben
Sb*er Ginlabung golge geteiftet, mie ©ie feben. Gg freut
ung, 3b* *j?eintmefen fennen p lernen, ©ie mobnen
toirKidb red^t bübfcb!"
3)ag mar eine flare Slnbeutung, bafe ber junge Straf
in bem gegenfeitigen 33er!ebr amifdfjen ihnen ben Xon ber
Äonbeniena aufrecht p halten münfebte.
Söäb^enb «Herbert, antnüpfenb an feine lebte 33e=
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^ramUieneljre.
merhtng, ficb bem fpianino näherte, über tt>elc£)em an ber
Sßanb ein Keines SanbfcbaftSaquarett hing, baS anfebei»
nenb feine 2lufmer!f amfeit feffette, toarf Brenner bem
fötinifter einen fragenben ötidE j}u, melden ber alte ©raf
mit einem leisten Äopfnidfen beantmortete.
,,©ut, er toeifi atfo, um ttrnS eS ficb b^nbelt/' mur=
melte ber fJiotar für ficb, bann fetjte er taut binp, mit
pobn auf ben öon Herbert angefdEjtageneu 5£on ber Qförm*
liebfeit eingebenb: „3cb toitt bodf) hoffen, bafi ich bie
Herren burdj meine ^öftic^e ©intabung nicht bon irgenb
einem toiebtigen ©efebäfte abgeljalten höbe?"
SöemSbaufen bifi ficb auf bie bünnen, farblofen Sippen
unb fdbtoieg.
„©in bübfdbeS ©emälbe!" meinte «perbert bon ber
3immeredfe bet, als habe er bie S3emer!ung beS |>auS=
berm überbört. „2öirflid& ein febr bübfcljeS ©tüd£! 2öer
ift ber fötaler biefeS SlquareltS, perr SDoftor?"
„föteine Tochter, perr ©raf!"
2luf ber ©tim perbert’S jjeigte ficb für einen Slugen*
blidt eine finftere 3?alte über biefe ÄuSfunft, bie ibn
ettoaS unbemittelt an ben S^edE feines 33efucbeS in biefent
paufe erinnerte. SDann muffte er ficb aber gefteben, bafi
jenes SSilb tbatfäcbticb nicht ohne Talent, jebenfattS aber
mit einem febr feinen ©efcbmadE auSgefübrt fei. ©r toarf
nochmals einen brüfenben S3tiif barauf.
Brenner, ber getoiegte fötenfdbenfenner, toar genug
fPbbfiognomiEer, um fofort aus ber fDtiene perbert’S
erraten, bafi biefer noch feineStoegS geneigt fei, auf baS
ätoifeben bem SJtinifter unb bem 9totar b a ^ unb b<rib
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iHomcm mm (Sari 6b. ftlopfer.
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bereinbarte „®efdjäft" bebiitguitgSloS ein^ugeljen. 2)ieS
betätigte auch her ängftlidje iölicf, mit meinem ©raf
Sßlabimir bott 3^it 3U 3eit feinen Soljn berftoljlen be=
trachtete. Brenner nmfjte jetjt, ba| Herbert erft prüfen
tooße, eljc er fid) 31t opfern bereit mar, unb baute fofort
ein Spiändjen auf, um iljn $u einem rafdjeren CSntfdjluffe
3U brangen.
„3l)re 2od)ter ift alfo ^Dilettantin in ber SDtalfunft ?"
fragte ber Sütinifter, ftdjtlid) befriebigt. „2)aS ift in ber
Xljat ein ebler geitbertreib!"
„$alj, eine Spielerei toie jebe anbere, mit beiten bie
s JMbdjen iljren grofjen Slorratlj bon 3Jtu§eftunben auS=
fußen. 'Jiädjft ben 33üdjern bilbett biefe spinfeleiett iljre
£ieblingSbef<$äftigung. Slufjerbem treibt fte aut$ ein toenig
'Mufti."
Herbert lächelte bitter. 3f>nt Hangen bie äöortc beS
9totar§, fo gelaffen unb abfidjtSloS fte audj fdjeinen
moßtett, toie bie 9te!lame, mit melier ber Kaufmann
feine Söaarc anpreist.
„@S ift immer feljr anerfeunenStoertl), toenn bie junge
!3)aute ber Literatur unb ben fünften t^re 2lufmerffam=
feit autoenbet," fagte ber alte ©raf, ttmljrenb er bent
33litfe feinet SoljneS 31t begegnen fudjte. „2ßoßen Sie
aber nidjt fo liebettStoürbig fein, bereiter «£>err SDoltor
unS Streut tJräulein 2ocf)ter boraufteßen?"
„Söenn Sie bieS toünfdjen, toerbe idj ntidj feljr geehrt
füllen," entgegnete Xrenner mit einer $älte, toeldje bie
beiben Slnberen fiujjen unb 31t ifjm Ijinüberblirfen lieft.
„Darf idj alfo bitten, meine .^errett, mir 31t folgen?"
tBibtiotfcf. 3al)rfl. 1889. 581». X. fi
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ganiilteitefjre.
üDamit liefe er «Herbert einen ©djritt borauSgeben mtb
trat unbefangen an bie ©eite bcS SJiinifterS, mäbrenb fie
nach bem ©heifeflimmer gingen.
,,©ic bürfen fidj burd) bie 3urütfbaltung meines ©ofytcS
nid)t abfd)reden taffen," ftiifterte 2BernStjaufen feinem 53c=
gteiter ju. „QrS mirb 3^nen hoch begreiflid^ erfdjeinen,
bab er fid^ nur mit einigem 5öiberftreben in unfere 53er*
cinbarung fügt — "
„£> bitte," unterbrad) ihn ber Siotar rafdj, babei ab*
ficbttidj feine ©timme fo ertjebenb, bab ber 53orangetjenbc
jebeS 23ort bernebmen mubte; „rneber ©ie, ^jceHena, nod)
3b r .£>err ©obn braunen jtd) ben geringften 8toang auf*
Eierlegen. 3d? habe mir bie ©adje mitttermeile berart
überlegt, bab ich gerne ben 3b nen öefiern unterbreiteten
53orfd)lag prüdaiebeu möchte. 3<h fefee ein, bab id) bod)
nicht gut baran t^un mürbe, meine 2odjter in ein 53er*
bältnifj ju nötigen, baS ibr bietteidjt nid^t bet)agt."
„5öie? ©o hoben ©ie Fräulein Brenner nod) nicht
borbereitet auf — bm! — auf unfere Uebereinhtnft V 1
S)ic ©timme beS SJiinifterS bebte unb feine $anb ftridb
mit nerböfet .fpaft über ben $ut, ben er in ber Sittfen trug.
„Stein, meit i<b eben, mic gefaßt, noch nicht meifj, ob
bieS überbauet nöttjig fein mirb. 3<b habe mich befonnen
unb gefunben, bab id) bon ben bemühten papieren einen
für mich meit bortbeitbafteren Gebrauch machen fann."
SCßernSbaufen bob ben .Hopf unb fab ben gan<j ge*
fchäftSmäbig fpreebenben Slbbofaten entfett an.
„$)a§ fann 3b* ®rnft nicht fein, 2>oftor, id) müfete
Joabrbaftig nicht, metche fonftige 53ortbeite — "
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Kornau uon Ctarl (5b. iUopfer.
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SDoftor SLrenuer jurfte bic 9ld)felu uub fdjtug bie
portiere auäeinanber, feine Säfte in baä Speife^immcr
eintteten laffeitb, in toeldhem (Hk toeiltc.
Söä^renb bie SSorftettung erfolgte, prefjte Herbert feine
gähne in bie Unterlippe unb berbeugte ftdj fdjtoeigenb;
ber fötinifter fuhr fidj mit jitternben Ringern burdh ba3
ftarf gelistete $aar, mährenb fein ©lief mit ängstlicher
Unruhe Pon ber jungen $)ame auf feinen Sohn unb bann
ju bem Kotar hinüberfdjtoeifte. (Hla berneigte fid) tnr^,
ohne ben Singetretenen mehr Kufmerffamfcit ju fdheitfen,
al 8 fie eä bei allen anberen SSefannten ihres 2 kter§ ge=
tbo^nt toar.
Premier, ber mit innerlicher fffreube bemerfte, mie
bortrefflidj feine abletjnenben SBortc beim 9Jiinifter unb
auch bei beffeti Sohn getuirlt hatten, lub bie Säfte mit
leichter £>anbbetoegung ein, ^laij 311 nehmen. (Stumm
nahm gebeS beit betreffenben Stuhl ein. KedhtS bon bem
Kbbofaten fafj ber alte Sraf, link beffen Sohn, unb
ihrem 33ater gegenüber (Hla.
Huf ein Älingetaeidjen erfdjieit ber Wiener mit ber
Suppe. (Hla füllte fdhtoeigenb bie Heller, bie bor ihr
ftanben, unb mattete mit Seloanbtheit ihres HmteS als
^auäfrau. Herbert, ber fie berftohlett beobachtete, entging
eS nid)t, mit bleicher Srajie fie fetbft bie einfadhften iöer=
rid)tungen auSübtc. 2>abei ntufjte er fid) geftel)en, bajj
biefeö junge, frifchc Sefidht mit bem leichten $aud) bon
9)lelandholie unb ü£rotj ettbaS fetjr gntereffanteS befafj.
VlllerbingS toar bieS nicht im Staube, fein SöohlflefaHen
3 u erregen, ja itpi ärgerte fogar biefer. eigentümliche gug
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ftamilienehre.
in bem Antlib beS 2JtäbtenS, baS fo gait^ unb gor anberS
ausfah, als er erwartet hatte.
©nblit lam burdj bie ^Bemühungen beS flttinifterS ein
©efprät in ©ang, baS aber halb lebhafter Würbe, uitb
au bem audj Herbert fit beteiligte, natbern iljn einige
Antworten ©lla’S faft gegen feinen 2öißen intereffirt unb
jum Söiberfprut gereift Ratten, ^mnter mehr mufjte er
fit eingefte^en, bafj fte eine burtauS eigenartige Aatur,
ein 9Jtabten bon ©eift unb ©haralter fei. SDaS War ihm
unangenehm. ©r hatte fit bie Xotter beS Abbofaten
al§ ein eitles, oberfIätlit e 3 flttobegeftöpf gebatt, baS
fofort bereit fei, auf ben ftfauen !plan ein^uge^en, mit
Weitem fie ihr beretnenber S5ater itt ben .§afen einer
„bornehmen ©he" hinein $u lanciren bcabfittigte. Auit
ärgerte tn baS ganj onbere Aefultat feiner bisherigen
S3eobattung.
5Dem alten ©rafen aber bangte jefjt not mehr unt bie
SBerWirllitung jenes $Proje!teS, bon Weitem fein ferneres
Stiötfal, feine ©h re > feine ©jiftenj abhing, ©r hatte fit
bie Abwitfelung biefer Angelegenheit ebenfalls Weit leitter
gebatt.
33eim 2>effert wollte Brenner bem fDtinifter ©elegen*
heit geben, auf ben eigensten 3wed feines SBefuteS
jurüdjutommen.
„Söie Wäre eS, ©lla, Wenn SDu unS mit einem Sor*
trag auf bem Ätabier erfreuen wotlteft?" fagte er, fit
lätelnb $u ihr hinüberneigenb.
©Ha 30 g bie SBrauen aufammen unb matte eine un=
muthige ^Bewegung,
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SHonum oon ßavl ßb. fttopfer.
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„ 3 a, mein QfTäutein, mir bitten Sie barum," ftimmte
SöernS^aufen eifrig bei.
Fräulein Brenner erhob fidj fchmeigenb unb begab fich
in ben anftofjenbett Salon, in bem baS Snftrument ftanb.
(Fine briiefenbe Üßaufe entftanb jefjt amifdfjen ben gurttet-
bleibenbeit. ßtta fchien ber an fie ergangenen Sitte nicht
Srolge leiften 3 U motten, benn eS mürbe lein 2on toou
9Jtuftt auS bem Salon bernehmbar. Herbert fpiette mit
einem .ffonfettlöffelctjeu auf feinem Heller unb Hopfte mit
feiner Qrit^fpi^c ungcbulbig ben Heppidj unter bem Hifdje.
ßr begriff, bafj fid^ biefeS eigenartige Stäbchen nicht baju
fommanbiren laffen toollte, gleichfant feine Äunfiftütlchen
bor bem gelabeneu Shtbitorium $u jeigen. ßin ungeberbiget
Hrojjfopfl Cber mar baS nid^t blofje $o!etterie unb $o=
möbie? Sie mufjte bodj ohne 3meifel miffen, mit meldjen
9lbfiähten bie Sefuctjer gelommen maren. —
„SBir motten nun jene Angelegenheit berühren, bie
unfere lilnftige Stellung gu einanber betrifft, #err Hottor,"
begann enblich ber Stinifter.
„Ah, Sie meinen meine anfängliche 3bee mit meiner
lochter unb — hm! 3 dj habe Stjnen bereits gefagt, bafj
ich nad) teiflicher ßrmägung ju einer attberen Anficht in
biefer Sache gelommen bin. 3dj möchte junt Stinbeften
erft nochmals überlegen, melche Sorfchläge ich Shnen be-
treffs einer anberen £öfung ber bemühten belifaten fffrage
machen tönnte."
„Sein, laffen Sie uns fofort unb ohne Umfcljmeife 31 t
ßnbe tommen," marf Herbert mit rauhem Hone ein. „Sie
haben 3 hmi ßntfcfjlu& offenbar nicht fo boreilig gefafjt,
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8 t>
ftamitienebre.
als Sie int 8 nun glauben machen toollen. @eftern haben
Sie 3b re SBebingungen genannt, mobtan, ^eute gebe
idj Sinnen in llebereinftinmumg mit meinem Söater bie
3 ufage, auf jene Sebingungen — einjugeljen. 3 cb bin
bereit — "
@r fonnte nicht loeiter, feine Stimme berfagte ibnt
bollftänbig ben 2)ienft. @r fuhr fidj mit ber Serbiette
über baS fable ©cficbt, um einigermaßen feine furchtbare
Erregung ju bcrbergen. Seine Ringer gitterten !ramüf=
baft.
„9lun benn," atbmete SöernSbaufen erleichtert auf, „fo
batte ich hiermit im Warnen meinet SobneS um bie |>anb
3brer Tochter, Fräulein (Ufa Xrenner, an."
$er Wbbofat berbeugte ftcb leidet mit einem betbinb=
lieben fricbeln uitb tebnte fidf; bann grabitätifcb in feinen
Stubt 3 urücf.
„3cb fit^le midi) bureb biefe Söerbung mirflich fetjr
geehrt, meine Herren," ermieberte er nach einer Äunft*
paufe in einem fo gefälligen 2 on, als miffe er nicht im
Weringften, tnaS bod) eigentlich bie 3)eranlaffung 31 t biefer
feltfamen Sörautloerbung bilbete. „ 2 (ch glaube 3 b nen benn,
nachbem ich nun nachträglich mein geftern gegebenes 2 Bovt
nicht aurüefnebmen Unit, eine Wbtoicfelung ber Ungelegen*
beit in ber bon Stbuen gemünfebten 9lrt utib Söeife in
SluSfidfjt ftellen 311 lönnen, baS heißt, ich nehme 3b*en
Eintrag im Warnen meiner ütoebter in aller $orm an."
3)er WUnifter niefte einige Wiale mit bem .Raupte;
fein Sot)n ftarrte mit fuufetnbem Wuge auf feinen 5)effert*
telter nieber.
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■ ^« ■ A. ,aiwgL
Vornan non 6arl 6b. Klopfer.
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„ 3 <h braune Sbnen moht nicht alle fünfte unferer
Vereinbarung in’S ©ebädjtnife äurücfyurufen," fuhr Xrenner
langfam fort, inbem er unter ben halbgefenlten 9lugen=
Xibern herbor feine SSIicfe bont Vater nabt) bem ©ohne
fcijmeifen liefe. „3>iefe #eiratl} mirb unter alten jenen
Srormatitäten gefdjtoffen, bie bem 2 tnfehen 3 h*cr f^amtUe
entfpredfjen. 28ir motten bon biefem 2 lugenbtid£ ab, mo
mir 31 t einanber in ein bermanbtfdhafttidjeS Verhältnife
ju treten im Vegriffe fielen, nidljt mie — -ßaufteute mit
einanber feil fdjen ; ©ie, meine Herren, finb ©enttemen —
ich audh, unb ferner bin ich ber Vtitmijfer eiltet 3famitien=
geljeimniffeS, beffen Offenbarung nodf) immer in meiner
|>anb liegt . . . ©ie berftetjen!"
„VoWommen, botlfommen," ermieberte ber alte ©raf.
,,©ie motten biefe Verbinbung ganj fo bott^ogen miffen,
a(3 ob
„©ehr richtig," unterbrach ihn ber 9totar mit betjag=
tichem ßädjetn, „gan<j fo — als ob... baS tooltte idT;
eben eiit= für allemal genau feftftetten. $dh tarnt midi)
barauf bertaffen, bafe ©raf Herbert feine Verbtnbung
als — für immer gefdjtoffen betrautet, bafe er ficfj nicht
nach ber Vermählung auS ber ©efettfcfjaft auriltfjieht,
fonbern bielmehr — an ber ©eite feiner ©emahlin — in
ber Stefibena ober hoch menigftenS in ber 9Whe bermeilt,
um 31 t feinerlei ©erüdhten 3tntafe 3 U geben, als t)ätte
biefe @h e cinbere ©rünbe, als bie einer mähren, innigen
Neigung jurn Qrunbamente."
Herbert tnirfdhte mit ben gähnen unb h^tt fidh bie
geballte fjauft an bie ©tirne ; er märe in biefem Vtoment
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t$rami(ienefyre.
beut SlbBofateu am lieBfien an bic $ehle gefaxten. 5)er
*ÜUnifter, ber feinen ©ofen nicht auS ben Slugen liefe, er=
riet!) beffen ©ebanfen unb Ijielt eS für angejeigt, bie un=
erquieftidje ©ituation 311 Beenben. @r ftanb auf.
„2>aS märe alfo abgemacht," fagte er, ftdj au einem
natürlichen .ffonberfattonStone amingenb. „©ie toerben
Sfere 2od)ter noch heute Bon unferer UeBereinlunft in
Äenntnife fefeen, £err Srnftor 1 ?"
„©emife," entgegnete ber Hausherr, fid; gleichfalls er=
feeBenb. „Unb ich ^offe, bafe toir Bei bem Äinbe auf feine
Befonberen ©chmierigfeiten ftofeen."
„3n fedjS Monaten, nachbem bie Sraueraeit aBgelaufen,
mag bie öffentliche Verlobung ftattfinben," fagte ber alte
©raf geprefet, „um berfelBen bann in fünfter f?rift bic
.^ochaeit folgen au laffen."
„(Sana einöerftanben , ©rcellena," lächelte Brenner.
„Unb am Sage ber Srauung erhalten ©ie auS meinet;
$anb bie getoiffen Rapiere — fo toie mir eS geftern Be=
reitS ausgemacht hoBen."
SBernSljaufen Berneigte fich fchmeigenb unb beraBfchiebete
ftch bann mit feinem ©ofen.
S)ie Beiben ©rafen ftiegen morttoS bie Sreppe hinunter,
©elbjt als fie Bereits im Söagen fafeen unb nach Bern
9Jtinifterfjotel fuhren, fdjmiegen fie geraume $eit.
„$ch banfe SDir," fagte enblich 2BemSf}aufen unb
brüdtc leicht ben Slrnt feines ©ohneS, „ich banfe S)ir,
bafe 25u ber ©a<he biefe SBenbung gaBft! 3<h fürchtete
fchon, 3)u mürbeft im entfeheibenben Momente baS Opfer
Berfa gen."
Römern von @av( @b, itlopfer.
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Der fcfjmeralidje ©eufjer, ber aug beut 2Jhmbe .§er*
bert’ä brang, lief} erlernten, toie febtoer iljm biefeS Cpfer
in ber üTfjat getoorben toar.
9tl§ bie Equipage an ber Auffahrt beä Calais 2 öerti§=
tjaufen ^tett, toertiefjen 2kter itnb ©obn fhtmm ben Sßagen
unb traten, Oon bem portier ebrerbietigft begrübt, in baä
Söeftibüle.
„Unb toie bentft Du Didj Deinen SBefannten gegen*
über ju bemalten ?" begann ber alte @raf enblidj, al£
fie lattgfam bie breite Freitreppe emporftiegen.
„9tun, febon burdj mein anfängliche^ ^eivafblprojeft
mit — Ftau b. fJMblboff if* eine getniffe Ätuft atoifcbeit
mir unb meinen F*ennben entftanben, bie idj nun 3 U be*
feitigen um fo loeniger llrfadje ^abe, al§ midi) biefelbe
babor febiibt, ali^u oft über bie SSetoeggrftnbe 3 U meiner
^ermöbtung auägefragt 3 U toerben." Herbert lachte bitter
puf. „D, ba§ toirb ©enfatiou machen, h a ^» a h a - tnenn
man meinen neueften ©enieftreich erfährt!"
„Unb toenn man Dieb bennoeb fragen foüte?"
„Dann mögen fie fetbft eine paffenbe drfläruttg fudfjen.
UebrigenS toerbe ich müßige ©ebtoäber Oon mir ferne 3U
batten toiffen. 9Jtan toirb ftch an ba§ Foftum getoöbnen
tote — nun, toie auch ich ntith bielteicfit baran getoöbnen
toerbe."
„Unb toie toitlft Du Dieb mit ber TOblboff aus*
einanber fefeen?" fragte ber fötinifter teife unb ängftlich-
(Eine bunfte Otötbc flammte bei biefer (Erinnerung in
-fperbert’S ©efichte auf.
„Da§ toirb fich finben," fagte er nach furaem SBefkt*
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00 t$amüiene(rc.
neu; „bis id) ntid) mit bcm Unbermeiblicben bertrauter
gemacht habe!"
„ 9 lb, geftebe, Herbert, Du ^aft nod) einen Runter»
gebanfen Du bielleicht bod) noch, baß bis 31er
3eit ber Söermäblung eine jeßt nicht borber 31t fe^enbe
Söenbung in ber Sadje eintreten !bnne, Du llammerft
Di cf) an bie fc^tuac£)e Wtüglicbfeit, baß ©da Drenner bis
ba^in auS eigenem Wntrieb aurüdtreten Werbe, Du b°fffi
bielleidjt auf irgenb ein außergewöhnliches ©reigniß!"
„Sie irren ftch, Söater," entgegnete Herbert entfd^toffen,
„id? boffe nicht mehr, fonbern Werbe mich bem llnbermeib*
lidjen ohne SBiberftreben unterbieten !"
311 S er bie ©äffe bis in’S Söoraimmer hinaus geleitet
batte, ging Drenner nach beut Salon. Wber baS ©efübl
beS DriumpbeS über baS ©elingen feines flaues, fo Weit
berfelbe WenigftenS ben jungen SöernSbaufen betraf, würbe
ftarl beeinträchtigt burdj bie bange Ungewißheit, tuie fid;
ber anbere Dbeit, ber an ber Wngelegenbeit beteiligt war,
feiner Eröffnung gegenüber bemalten Würbe.
3 jnt Salon traf er ©da, bie in ber Orenfternifdje ftaub
unb bem Söagen beS WtinifterS nadjblidte, Welker eben
babou rollte. Sie bemerkte bie SlnWefenbeit ibreS 23 aterS
uid)t eher, bis biefer bie |>anb auf ihre Schulter legte.
„ 3 lb, Du bift’S!" fagte fie, leicht 3ufammenfabreub.
„3fcb bewerte eben 31t meinem ©rftaunen, baß bie Herren
unS berlaffen fy*ben, ohne fidb mir 311 empfehlen."
„Wimm eS ihnen nicht übel, mein Jfinb. ©raf Herbert
ift ein eigeittbümlidjer Äauj, Wie Du bielleicht fdjon
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Vornan non Sari Gb. Klopfer.
91
beobachten fonnteft. Gr bentt unb fühlt ettoaä anberS als
bie übrigen Seute. 3K 25« toürbeft erftaunen, luelch’ feit*
fame Sanieren er hot, um — hm! — feine Sympathien
für getoiffe ^erfonen anS<jubrücfen; er ift Dielleicht fehüdj*
tern, rauh
35er 9iotar lächelte Derlegen unb hielt inne. Gila fal)
il)n erftaunt an; in folch’ ^örtlichem, milbent Sone hotte
er noch feiten jju ihr gefprodjen.
„3)u hoft 9ted)t, 5Jlapa," fagte fte unb fam anS ber
^enfternifche fjerbor, „baS ift ein gana eigenartiger ®ho=
ralter — gar nicht toie bie anbern jungen Herren, bie
idj bisher fennen gelernt ljobe, bie mir immer nur fabe
Komplimente ju !often gaben."
„sticht toahr? 9tun, ba hötteft S5u ja gleid> einen
9)tenf<hen gefnnben, ber fi(h über ba§ alltägliche 9tibean
erhebt, ba§ SDit fo berljafst erfdjeint. Kommt er bielleidht
jenem ^beale nahe, baS 35« 35ir biSTjer als fo unmögtid)
geträumt hofH"
Gila hol» überrafcht ben Kopf, um fich bann fchnell
«b^umenben, als fie betit lädhelnben 33tid beS ÜaterS be=
gegnete. Sie fttthte fich auf bie Sehne eines SeffelS unb
fah nachbentlid) bor fidh hin- 2)ie bäterlidjen äöorte
hatten eine berbovgenc Saite in ihrem <£>er<}en angefdhlagen,
einen 3on, ber fo tounberfam erllang unb burdj ihr ganzes
Snnere bibrirte.
Srenner madhte toieber einen (Sang burdj baS 3immer,
um fidh HJluth 3U berfdhaffen ; er tootlte nun ohne SöeitereS
mit feiner Gröffnung beginnen, bie er nicht lange mehr
berfchieben tonnte.
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02
Soniilienc^re.
„.fröre, mein Äiitb," fagte er bann im oberftädjlicbften
s $laubertone , „mir mürben eigentlid) burdj ben $efud)
ber (Strafen SQBern^aufen in einem 3mtegefprftdbe unter*
brocken, meldjeS mich febr interefftrt ^fttte — "
„2öie meinft Du, S -Jkipa?" fragte (Sita.
„Du fagteft borbin, Du mürbeft Did) — ba§ fjeifit,
meitn id) mit einem ^rojefte für Deine 3 l dunft an Didj
beranträte — at§ folgfame Docfjter in meine beffere
@infid)t fügen — mar e§ nidjt fol"
„Du ^aft Dir toobl nur einen ©djerj gemacht — "
mar bie jögernb gegebene 9lntmort.
„9tein, nein — c3 fönnte ja immerhin <£rnft barauö
gemacht merbeu. 3d) fpradfj bon einer freiratb, bie Dir
ja bodj nidjt erfpart bteiben mirb, obgleich Du in deiner
2öei8^eit eine foldje ftoibmenbigfeit nicht recht einfeljen
mottteft. 9tun, menn id) Dir atfo fofort bemeifen mürbe,
bafj id) mit meinen 93orf<bIägen nicht gefdfjerjt ^abe . . .
Du mürbeft bo<h bie brabe Docbter, bie in ihrem Sßater
ben beften 9tatbgeber ancrtennt, nicht ßügen ftrafen 1 ?"
„Wein, allein, $apa — ba§ mirft Du bocb fetbft ein*
feben — baS gefdjab bocij nur im gleicbgittigen ©efprcidj,
in ber 53orau§febung, bafj Du nur im Scherbe — "
„ßarifari! 3öa§ ftnb ba§ nun mit einem 9Jtale für
Sertbabrungen unb SBerfdfjanjungen, b^ n ^ r tbetctje Du
Didj ber!rie<hen millft?"
@tta moflte etmaä entgegnen, fdfjien aber nicht bie
paffenben SBorte ^u finben. ®ie ftampfte mit bem 5ttfj=
d)en auf ben Deppid) unb ging miebet an’§ ftenfter.
Da§ ©efidjt Drenner’S nahm plötjlicb einen überaus
üRotnan t»on Sari Sb. $lop[er.
93
pfiffigen Musbrucf Qit. St fniff abtoedjfelnb halb bas!
eine, halb ba§ anberc Sluge au, fpitjte ben 2Jtunb uitb
rieb ftdj febt bebaglicb bie fetten $änbe. 3b m fehlen eine
gatta nterfmütbige $bee gefommen. Sr näherte [ich feiner
Docbter unb pang ficb jetjt au einem faft zornigen Don.
„2f(b toitt eine Bünbige 2lntmort buben. SBiUft Du
alfo Deine früheren SOßorte miberrufen? ©laubft Du
mirflicfj 2tu£fi<bt au buben, einen *Dtann au gemimten, ber
ficb über bie Piaffe feiner Äameroben ergebt unb ben Du
mürbig befinben fönnteft, mit Deinem Sofort, mit Deiner
emigen Neigung au beglfidfen?"
„Spotte nur, $apa! Dodtj i<b mitt Dir gefteben, bafj
icb etmaä übereilt mar. $cb rnüjjte boeb erft überlegen —
ma$ tüiEft Du micl) überhaupt brängen ; icb bin boef) noch
jung genug, um $eit au buben. $cb bube nod? nie an
baä gebadet, ma§ Du all eine ,9totbmenbigfeit‘ betraebteft ;
lafj alfo mit biefern ©ebanfett mich in ber SBelt, in ber
©efellfdbaft untfeben, 2Jtenf<benfenntnijj famnteln, ebe icb
Dir auf Deinen Söorfcblag eine Slntmort geben famt."
„Slucb gut," fagte Dtenner febr gelaffen unb nabnt
miebet feine 5ßromenabe bureb ba§ 3ünnter auf. „Du
foUfi Deinen SBitten buben ; icb miH Dieb in feiner SDßeifc
beeinfluffen. Sinftmeilen über famt idb Dir fo gana neben-
l)cr bie 2Jtittbeilung machen, bafj foeben Sjcellena @raf
2öern§buufen im tarnen feinet ©obneö um Deine -ftattb
angebalten bat."
Diefe furae SSenterfung rnufjte gerabe bureb ben ruhigen,
gefcbftftSmäfjigen Don, mit toelcbem jte öorgebraebt mürbe,
um fo überrafdbenber mitten. Slla fonute einen furaen
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94
$ütiiilicnef)re.
Muf beS ^ödjften GrflaunenS nid^t unterbrücfen. 2)ann
bifj fie bic 3ähnc aufeinanber uub manbte ficij langsam
nach bcm 93ater um.
„2>u bift ^cute aufjerorbentlidj mitjig, 5J3apa!" fagtc
fic leife, ihre Stimme gitterte.
„911), 25u glaubft, ich rebc nicht im Grnfte? 2!a3
märe ein fetjr fchledfjter Spaf$, mein Jfinb! 9iein, cS
ift fo, mie idt) 25ir fage : Graf Herbert hat mich in aller
Oform um 2)eine $anb gebeten — burdj ben 9Jtunb feinet
93ater8, mie e8 gute alte Sitte ift."
„SQßaä fott baS l)eijjen ? (Sr falj mich heute aum erften
fötale
„2Öer mcife !" lächelte ber 9iotar mit einem Vergnügten
9(ugeuatointern. „(Sr fcfjeint 2>idj länger au fennen, als
2>u glaubft. Vielleicht hatte er Gelegenheit, 2)idj ^eim=
lieh 3« beobachten, ^ebenfalls fant er fdhon mit bem
Vorfape hierher, ben er nun, mie 2)u h&rft, auSgeführt
hat. 25er Vefudf) ber beiben Grafen h^ttc nur biefen
ßtoetf."
„Unb 2)u mufjteft um biefen 3roecf?"
„9toch ehe fte famen. i3dj mürbe bereits geftern burdt)
ben OTinifter barauf Vorbereitet. 2)eShalb auch meine
9lnfpielungen vorher. 2)u fiehft alfo, bah ich feinen
Grunb autn Scheinen hatte. 3<h Qeftehe allerbiugS felbft,
bah biefe SBrautmerbung unb bic $orm, in melchc fic
gefleibet mürbe, eine fehr feltfame, ja befrembliche ift,
aber — ber junge Graf ift eben ein auherorbentlidjev
Vtenfdj, ber 9llleS I;a%t , maS Schablone ift. 2)och bas
fann 25ich hoch nicht geniren — 2)u fchmärrnft ja für
JHoman uon Gart (Sb. Älopfer.
95
bas Ungemöbnlidje. $a l)aft SDu nun cnblid) etmaS 2>er=
artiges, baS fid^ über baS Slßtäglidjc ergebt!"
„Seltfam!" ftüftevte (Sita fopffdjüttelnb mit finfterem
)ölid. „35abei meint biefet .fperr ®raf mobt, idj mürbe
mid) o^ne SöeitereS in feine 9lrme merfen unb itjm banfen,
bajj er mid) für mürbig befunben, bie ©emablin beä
abeligen |>errn b. SBernSbaufeit 3 U l^et§cn ! 9lber er fönnte
fidh täufeben, ber $err ®raf."
„3Du irrft, mein Äinb," lentte ber ^Jatcr ein, „er ift
burdhauS noch nicht bon deiner (Sinmiltigung überzeugt,
bietmebr bat er ntidj, 2 >ir gan$ bie (Sntfdjeibung 311 über«
taffen."
„|mft 2 )u bielleicbt fdhon SDein $amort abgegeben?"
„töerubige 2 )i<b," entgegnete ber Stbbotat, „bas ift
nicht geftbeben, aber ich f*b e in be* ^bat nicht ein, maS
2 ) id) beftintmen fönnte, '.Hein p fagen."
(Stta fdjmieg unb prefjte bie feinen -£>änbe an bie
(Schläfen, als motte fie ihre fdjmirrenben (SJebanfen feftbatten.
„3>dh fann fe|t nid)tS fagen," rief fie enbtidh, „taffe
mir 3eit pr Ueberlegung, $Papa, morgen — übermorgen
mill idh S)ir unb ihm eine beftimmte Slntmort erteilen!"
35amit rijj fie bie portiere am Eingang beS (Salons
prüd unb eilte mit rafdhen Schritten itadh ihrem 3 immer.
3) er 9iotar fab ihr, mit auf ben fHüdeit gelegten .fränben,
noch lange nadj; ein bergniigteS fächeln umfpiette feine
Sippen.
„Sie mirb!" murmelte er für fich- „Sie mirb Gräfin
HöernSbaufen — unb id) habe baS lepte 3«l meines
StrebenS erreicht!"
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96
Familiencbre.
Dicräditttcs 'Kapitel.
3>er neuere ^ßattbaf.
$Wei Jage fpäter War SlbenbgefeHfcbaft bei ber 33a=
roititt OTblljoff. 2We bie befragten unb uniformirten
©cbmetterlinge, bie eS als eine Lebensaufgabe betrachten,
ben jeweiligen „©lern" ber (SefeUfcbaft p umflattern,
fanben fidj pünltlidj bap ein. 4jjerrn b. Ubelbadj’S ge=
fälliger Sanier uub überfcbwänglicben (Salaitierien War
nicht anpmerlen, baB erft öor Wenigen SEagen fein tefjteS
(Snt fub^aflirt Worben war. ©eine SJUene War fo b^ter,
feine Laune fo rofenfarbig, Wie ungefähr bie ©einer $of)eit
beS ^rin^en Dtbenio Sßantillare^ ber beute Wie geWöbn=
litb baS fabelbaftefle (Slücf am grünen Ütifcbc p ber^eicb 2
nen ^attc. (Seneral ©cblingbeint fluchte Wie gewöhnlich,
baB er feine unbepjinglidje Vorliebe für baS 5Pb orao
Wieber einmal mit einem febr beträchtlichen (Selbberluftc
bepb^b gemuBt, unb 33aron Limbacb brängte ftcb bureb
bie Reiben ber (Safte, überall bi«b ö ^enb, halb ^Ur, halb
bort ein (Sepiauber anfnüpfenb, Wie eS feine (SeWobn*
beit War.
(£r batte bergeblidj nach feinem Steunbe Herbert auS--
geflaut unb wu^te nicht, ob er baS auffällige Fernbleiben
bcffelben in feinem ©inne günftig ober ungünftig aufp=
faffen habe. UebrigenS batte er bereits bemerlt, baB bie
-jperrin beS jpaufeS über baS rätbfelbafte Verhalten beS
(Srafen nicht Weniger im Unllaren War, benn F*au ö. 90Wibl=
boff erfebien gegen ben EroB ihrer Anbeter b eu te un=
gnäbiger als jemals, ©ie batte fi<b in ganj Heiner <Se=
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iftoman non ßart 6 b. fttopfer.
07
fettfchaft an ben 5t^eetifc^ im testen ©aton aurüdfgeaogen,
utib übetliefj eS ihrer ©efeltfchaftSbame, 3 frau b. ©pohr,
einer alten, fehr lur^ftdjtigen äöittme, bie |>onneut§ 3 «
machen.
3u bem Keinen ÄteiS ber SluSermähtten, bie in ber
näcfjften 9iähe bet SSaronin bertoeilen burften, gehörte
auch — at§ bornehmfter ©aft — ber orientaXifc^e $rin 3 ,
ferner ber .gmfarentieutenant ö. pranget, melier biefe
©unfi lebiglich feiner bertrauten Äenntnifj aller pifanten
Slffairen toerbaufte, bie fich bie JHatfdjbaJen ber 9 tefibeit 3
in’S Ohr flüfierten. 2 BaS aber ben dritten in biefern
33unb ber befonberS 33eglücften anbelangte, fo mar ntan
über beffen 5))erfönlichfeit nur oberfläd^Xic^ unterrichtet,
©inige mollten miffen, eS fei ein junger SJtater, ber bon
irgenb einer auStänbifdjen Slfabemie nach ber 9 tefiben 3
getommen fei, um fich mahrfcheinlich bei <£>ofe borftetten
3 U taffen. 3 mei ober brei befonbetS ©ingemeitjte mußten
fogar ben tarnen biefeS jungen ÄttnftlerS: ©tephan 33ranbt,
unb festen htn 3 U, biefer 9iame höbe in ber Äunftmett,
nach ber 33erftcherung ber Saronin fDlühthoff, einen guten
JHang, maä nicht be^tüeifeXt merben tonnte, ba bie SBenig*
ften ber hi« 2 tnmefenben in eben biefer Äunftmett fo be=
manbert fein mochten, um biefeS für 4 ?erm Söranbt fo
günftige ©erücht 3 U bementiren. —
,,©ieh’ ba, fteh’ ba," meinte £imbath, fi<h tächetnb
an feinen $mmb, ben ©rafett ©oSmiji, menbenb, ben er
eben bemerft hotte, „hier treffen mir unS mieber! |>ören
©ie, mein lieber fffreunb, ich fange nach «ob nach an 3 U
glauben — "
Sibliotyfl. 3al>rfl. 1889. Sb. X. 7
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Ofi ftamilieiteljre.
„2Ba3, mein beftcr S3avon?"
„35a jj ber gemaltige 9Jlagnetiämu6, beu eine gelüiffc
2 )amc in biefem |>aufe auSftrömt, aud) ouf ©ie feine
äÖirlung äufcert."
„ 2 Benn ©ie baä bloä auS meiner Slmoefenljeit l)icr
fdjliejjen, fo fönnte idj mol)t audj auf ©ie einen folgen
SBerbacfjt lenten."
„9tein, mein Söertljefter, ba§ glaubt felbft bie böfefte
Söerleumbung nidjt ; bie ©efttljle, bie idj für bie Mljtfjoff
liege, finb ju belannt. ©ie miffen ja, bafj id) nur im
Sntereffe meinet 3?reunbe§ Herbert Ijier meine 33eobacf)=
hingen anfteüe."
„Unb eine äljntidje Urfadje liegt audj meinem 23efudje
in biefem «fpaufe 511 ©runbe; idj !am nämlidj foeben an,
um ©ie aufaufudjen, ba idj beftimmt mujjte, bafj idj ©ie
Ijier treffen !5nne. äöiffen ©ie nodj nidjt, ma§ man ftdj
in jüngfter $rift bon ben SBernäljaufenä eraäljtt'?"
„2öie, Don 2)ater unb ©otju? SOßaä meinen ©ie 1 ?"
„ 2 >er SJtinifter fott bei ©einer 9Jtajeftät fein ©nt=
laffungSgefucl) eingereidjt Ijaben."
„ 2 öa§ ©ie fagen!" rief ber SBaron auf § |>odjfte über=
rafdjt. „$)a§ ift ba§ erfte 2 öort, ba§ iä) babon Ijöre.
Slber mer toeifj, ob etmaö Sßaljreä baran ift. Söoljer Ijaben
©ie biefe fenfationelle ^adjridjt?"
„9lu§ bent 9Jtunbe be§ CberljofiägermeifterS ©raf 9teu=
felb, ber bireft au§ ber ^offanfllei fam, mo er bie ©e=
fdjidjte au§ erfter |janb, brttljmarm, erfahren Ijatte. 3 fdj
traf iljn bor bent Calais beä 9Jtinifter8; er mar felbft
beim alten ©rafen getoefen, um ftdj bie 9teuigfeit beftätigen
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- — - -. ** - ...
Vornan 0011 @ar( 6 b. Stopfer.
00
311 taffe». Söeint 9ttinifter tonnte et nicht borfomnten;
cs fycfj, ©jeettenj fügten fi<h untoohl. Dafür aber tonnte
Weufelb ben ^rciljcrrn b. SBIant fptecheti, ber ben 9iücf=
tritt fetneä 33etter§ bon ben ©efdjäften ihm toirflich be=
fräftigte. — llnb toiffen ®ie, toaS ber Sägermeifter noch
erfuhr? ©raf Herbert mirb fidj bemnäctjft berloben."
„SBabr^aftig 1 ?" Xad^te £imbach , „nun, baS ift bodfj
feine ftteuigfeit mehr."
„Ser meib," ermieberte ber ©raf mit pfiffiger hielte,
„benn biefe SSertobung fott eine ganj überrafdfjenbe ^ointe
haben. Sch toürbe eS nicht magen, baran 3 U glauben,
toenn mich ® ra f fReufelb nicht berfid^ert hätte, biefe 9ladj=
rieht birett aus bem 3Jtunbe beS Notars Drenner erfahren
ju hot>en, ber bei ber unbermutheten 323enbung in 3ßernS=
haufen’S <£jeitatb3projeften in ber Dhat ftarf interefftrt
märe."
„aBiefo? Der Dottor Dtenner'?"
„9tun, gerabe heraus gefagt — aber lachen Sie mich
nid^t aul! — Herbert foll fich mit — mit einer anbereit
Dame berloben."
Simbacf) fuhr juriief unb ftarrte ben Sprecher eine
©efunbe lang morttoS an.
„aSaS?" rief er bann, „Herbert miß bie 35aronin
Mühlhoff aufgeben, unb eine anbere ©h e cingehen?"
©oStoib juefte bie 9fchfetn. „So behauptete toenigftenS
Drenner."
„5tber fagen Sie mir hoch um beS Rimmels mitten,
toaS baS bebeutet? DaS überfteigt ja atte Segriffe!"
„9lun, man tritt ja groben ha^n, bajj bie @nt=
27534B 1
100 ftamüienetjre.
fc^ltiffe be§ «§etrn ©rafen oft ebenfo nnmberbar al£ blötj»
tid) finb."
„Unb auf tuen foß bentt jeijt mit einem Wate feine
Stahl gefaßen fein? Sten miß er benn je^t 31 « ©räfin
Sternhaufen machen, ber fjeillofe Wenfcf) ?"
„Fräulein — @ßa Drenner, bie Dodjter be§ Stotar£!"
flüfterte ©oämib.
„$aba," tad^te ber SBaron auf. „©inb mir benn im
Äarnebal, in ber 3eit ber tollen fötaSfenfcberae? — Stenn
fitb aber," fuhr er ernftbaft fort, „mit!li<b be*au$fteHen
fottte, bafj bie§ S5ertobung§gerü(bt mabr ift, bann ^ätte
aßerbingä fein Fernbleiben am blutigen Slbenb eine bin»
reidjenbe ürflärung gefunben. ©oßte e§ jmifeben Herbert
unb ber Wäbt^off etloaä gegeben höben? Die S^aronin
fiebt mir gau^ barnadj au§."
„#m, bießeidjt haben ©ie 9te<bt," meinte ©oämitj.
„Der junge Water , ber fidj ba brinnen an ihrer ©eite
breit macht, foß ja im fßabißon ibre§ ©artend fein Sltelier
aufgefebtagen haben."
»3a, Ftau b. Wübtboff täfct fi<b bon |>errn S3ranbt
borträtiren, toie fie felbft borbin erftärtc," lachte ßimbadj ;
„fie tüitt biedeicht ihren SSräutigam mit ihrem S9ilbnifj
tiberrafchen!" \
„Stäre nicht übel, ©(habe, bafj ber ©raf für eine fotdhe
Heberrafdhung menig ©iitn unb Danlbarleit au haben fdjeint. "
„ 3 ebcnfaߧ miß ich nod) b cu * e nttferett F^nnb auf»
fud)en. 3 <h Inerbe mich nicht abtneifen ~ laffen , menn er
fich auch, toie fdjon einige fötale, berleugnen läfct — er
foß mir enblid) reinen Stein einfdjenfen!"
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Vornan uott ©avl @b. Stopfer.
101
$amit berabfdhkbete fid) Varon Lintbad) bon ©osmih
uitb berliefj in <5ile baS -f?auS bcr 3fvau b. Mühlhoff- —
9ludj bon anbcrcn Herren tuurbc iit^toifd^cn bereits
bcr beborftetjenbe ÜHidtritt bcS ÜJlinifterS SOBernShaufett
befprodjett, bcr fein ©eheimttifi mehr tbar. Slitbcrc mufjteu
hittfluflufügen, bafj ©raf Herbert plötzlich berietet fei, uitb
nun begab utau fich baran, 311 foutbintren unb Vermuthun*
gen aufflufteHen, bie halb bic beiben Xhatfadfjeu mit ein*
anber in Verbinbuug brachten. Man mar halb barüber
einig getoorbett, bafj bic Vermählung <£)erbert’£ boit aller*
fyödjfter Seite ^intertrieben fei, toeäljatb fich ber Miuifter
genötigt fa^e, auf feinen Voftcn flu belichten, mährettb
©raf Herbert, um fid) allem ©crebe flu entfliegen, $nall
unb gatt bie 9iefibettfl bertaffen habe.
Mehrere ber ©äfte näherten fich jej}t ber Varonitt,
um 2tbfchieb flu neunten; baran märe aflerbiitgS nichts
Auffälliges gemefen, benn bie 3eü mar fdjon fo rneit bor*
gefdjritten, aber 3rene tonnte eS nicht entgegen, bafj bic
an fie gerichteten AbfchiebStoorte etmaS ©igenthümlichcS,
faft Verlegenes halten. $n allen ©dien hatten fich ©rup*
pen gebilbet, bic etmaS Angelegentliches flu biStutireu
fchienen, babei fah bie Varonin bon allen Seiten bcr*
ftohlcne Vlidfe auf fich gerichtet; fie tonnte nicht länger
in 3l°eifel bleiben — eS tbar irgeub eine Aachricht auf*
getaucht, bie mehr ober meniger auf ftc Veflug ha^en
inufjte. Unb bafj biefe Aadhridjt leine für fie befonberS
erfreulidhe fein modhte, baS tonnte fie aus bent beutlitf)
fichtbaren Veftrcben entnehmen, ihr biefelbe flu berbergeit.
Lieutenant b. Mangel hatte felbftberftäublich mit bent
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102
Fumilienehre.
ihm befonberö eigentümlichen Feingefühl füt 2lEe§, trag
nur entfernt einer ^ifanten 9leuigleit ähnlich fah, fofort
gebuttert, bah ba hüben ltnb brüben — auf allen ©eiten
„etma§ lo§" fein muhte. @r rüdte unruhig auf feinem
©tnljle hi« unb Ijev, nach einer gefdjidten Sluäflucht
fudjenb, bie eä ihm ermöglichen fönnte, ba brauhen 6r=
funbiguitgcn eiitauaiehen, ohne ba§ Sefremben ber fchönen
$auäfrau $u erregen. 2llä ihm enblidj $err b. ^üEnifj,
fein Sufenfreuub, boit ber ©djtueEe bc§ 2Jtittelfatonä hev
einen heimlichen, aber fehr bebeutfamen äöin! gab, tonnte
er feine bremtenbe Neugier nicht länger aurüdhalten. @r
raffte fich fdjon au irgenb einer entfchulbigenben ^p^rafe
auf, ba !ant ihm bie 23aronin felbft ju |)ilfe, inbent ftc
fich ih« toanbte.
„3lth, fperr b. pranget, moEten ©ie nicht bieEeidjt
bie ©üte h^eit, im anberen gimnter Fr«« b. ©poht
aufaufudjcit? 3)ie gute 2)ante bernachläffigt uitä gana,
unb ©ie, meine «Herren, toerben tä hoch getoih nicht ber=
fdfntähen tooEen, mit mir noch eine letzte £affe Ühee
au trinfen?"
,,©ie entlüden uns," flötete 5}kina 33antiEarea mit
feinem fühlidjen 2lccent, in toelcheni er feiner beutfdjeit
Wuäfprache ein gemiffeä ejotifdjeä ^arfüm berlieh- „2Bir
merben un§ — bei ©an 3tago ! — gana befoitberS glüd=
lieh fühlen, toenn ©ie un3 geftatten, noch einige Minuten
in Sth^er himtnlifchen 9tähe ju bertoeilen."
SSranbt fenfte ben S3lid, alä er bie Slugeit Irenens
auf fid) gerichtet fal). 3h ! « ü»ar überhaupt nicht gana
mohl in biefer ©efeEfchaft. 6r muhte, bah er hiev nicht
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5Roman oon (Jarl ($b. Jllopfer.
103
tuefyr galt, als irgenb eine äöanbbeqietung, ja bafj mau
if>n bon mehr als einer ©eite auS als einen ©inbring*
ling Betrachtete , gegen melden man jt<h nicht referüirt
genug bemalten tonnte. SDieje ©rtenntnifi hätte cS ihm
Setoife unleibtidh gemacht, h^t auSjuharren, loeitit nicht
fein Gegenüber, bie Btenbcnbe |>auSfrau, ber Magnet
getoefeit märe, ber ihn h^r Wie mit ^auBerträften feft=
hielt. Sfn ihren SlnBlict berloreit, mar ihm baS gan^e
betriebe rings umher gteichgiltig ; aber fonberbar, er ber*
mochte nicht bie immer mieberfehrenben ©ebanten au ber=
fdheudjen, melcfje ihm neben ber glänjenben ©rfchemung
ber SBaronin immer unb immer mieber ein anbereS ütaum*
bilb bor ben feetifdjeu Stic! fdhoben. $5aS fumntenbe
Öeplauber, baS an fein Cljr fä^g, XuXtte ihn in eine
9lrt geiftigen Schlummers, in meinem er auS ber ober
jener entfernteren ©ruppe eine betanntc Stimme, bie
Stimme Dttcharb SoHBrecht’S h erauö 3 u1 h ören bermeinte.
Cft fuhr er auf unb tauf^te gefpannt bahin, boit too ber
fonore 2on hctÄutommen fdjien. 3>amt mertte er freilich
feinen Sfrrthum unb bann iibertam eS beit fötaler fo feit*
laut bebtücfenb, er fühlte fleh hoppelt bereiufamt, meil eS
ihm fchien, als häbe er felbft einen Xheil ber eigenen
Seele berloren unb mit ihm alle feine frühere fjreube am
S?cBcn — an feiuer fchönen, geliebten Äunft.
@r fuhr faft aufaittmen, als bor feinem gefenften 2luge
bie magere £anb ber ©efellfdhaftSbame ftrau b. ©pohr
auftauchte, bie ihm feine !Xheetaffe füllte.
„€i, $err SBranbt," brang im felben Moment bie
Stimme Irenens an fein Ohr, „Sie feljeu ja fo an«
104
SantiUenebre.
geftrengt auf beu ©runb Sbrer Staffc, alö tooEten Sie
barauä, toi e bie aöabrfagetinnen auö bent Äaffeefajjc, ftcf>
ettoaä pro^e^eien."
Söranbt läd^elte trüb. (Sr §atte eine unbeftimntte
3t$nung , bafj eine fold^e ^rop^ejeiung für Uju teilte
günftige getoefen toäre.
biefern atugenblidf tarn #err b. pranget toieber
an ben Ütjeetifcf) ^nrüd. Srene fa^ fofort, bafj er ettoaä
3Bicbtige3 erfahren ^atte, benn feine aitiene ftralpe fßnn=
tidfj unter bent (Stande ber tjocbbebeutenben ©efd()id(jte, Don
ber er foeben Äenntnifj ermatten, ttr ärgerte ficfj jtoar
int tiefftcn ©runbe feines ^er^enS barüber, bafj er, ber
fonft aEe s Jteuigteiten auerft toufjte, bie fenfationeEe ©e=
fd)idf)tc,erft au§ fünfter ober fester ^anb erfahren batte,
fonnte fidj jeboc^ in ber (Srtoartung ber bebeutenbeit 2öir=
tung, bie er mit biefer 9tad£jricbt in anberen, bisher ba=
Don noch nidjt unterrichteten Greifen unfehlbar eraielen
mufjte. Seijt toar er lebigli<b bon bem Streben befeelt,
bic SSaronin unb i^r $au§ fo fd(jneE atä möglich au ber*
taffen, um feine grofje 9icuig!eit nadt; aEeit SEßinbrid^tungeu
au berbreiten.
(3ort)efeu«fl folgt.)
Sec ttorntunb.
ItooeUc
von
X (6. u. Suttner.
(9Jad)brud Daboten.)
1 .
„Äairo, 13. Februar 1880.
|>errn 9lübiger ©tafelt ftranfenfteiu. äöieit. ©ranb*.f?otet.
Sieber 9iübiget!
freute haben mir deinen armen Ctjeint ju ©rabe ge=
**■/ tragen. ^dj fonn mir benfen, mein Sfunge, mie Sief;
meine Sebefdhe erfd^üttert haben toirb, toenn Su audj
batauf gefaxt getoefen fein mufeteft , Seinen leijten S3er=
Wanbten nicht mehr 3 u fehen. Su ftehft jefjt allein auf
ber Söelt, unb i<h fürchte, biefeä Meinftehen toirb für
Sich noch aßerhanb SSitterteiten im ©efolge haben ; bereite
Sich auf ioeitere fchlintme Nachrichten bor, Su meifjt:
ein Ungtfitf tommt nie allein!
Soch i<h toitt nicht feilte fefjon mit meinen Eröffnungen
fommen ; ba§ SSöfc erfährt man nodh immer jeitig genug.
3dh berlaffc morgen $aito ; in 3 ehn Sagen bin idh bei Sir.
Ntit ©rufj Sein ^ollbadh."
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106
Xct Jöormunb.
2 )iefer iörief erßößte bie Aufregung Dtübiger’ä, in bcr
er ftcf) befaitb, feitbem iljnt bet £elegrapl) bie Sladjricßt
bom 2 lblebeit be§ Iranfett Cßeimä gebracht ßatte. SBor
brei 2 ageit mar e§ gemefen. ©beit bon einer luftigen
©efeßfdjaft ßeimgefeljrt, too inan biel Gljantpagner ge=
trunfen, Sluftern uitb £rüffelpaftete gegeffen, gefpielt, uitb
tbo er auänaßntätoeife einmal tücptig gewonnen — alfo
in ber beften Saune — ßatte er auf feinem Üifcße bie
Unglücfäbotfcßaft gefuttben. 2)er gute fütann, ber ben
Neffen mie einen eigenen ©oßn geßätfdfielt unb betrogen,
ber ju beffen oft red^t tfjöridjten ©treidfjeit immer ein
9luge augebrücft unb nur ein „aber, aber!" gefprocfjeit,
toenu eö geheißen, bringenbe ©Bulben befaßten — biefer
liebensMmrbige fötann toar nun nicßt nteßr.
Unb jcßt, taum baß ber erfte ©cßmerj überftanben
mar, jeßt fcßrieb tljm ber alte 3 ?reunb beä Cßeintä, baß
er fidj nodfj auf meitere fcf)limme 9tadjridjten gefaßt madfjeit
foltc!
(Sr überflog nochmals ba§ eben empfangene Schreiben,
legte e§ mit einem ©eufoer auf ben Xifcß aurütf unb
uafjm ein paar anbere SBriefe pr £>anb, melcße bie $oft
gebraut ßatte. ^err Sffibor Slcdj, ber ©djneiber nach
bcr fDlobc, erlaubte fiel), ©einer Ijocßgeboren in ©rinne*
rung ^u bringen, baß fid^ nodf) in feinem .ftauptbucfje ein
Heiner Sßoften bon nur 1250 ©ulbeit borfanb, beit er nun*
meßr löfcßen ju bürfen Ijoffe. ©djufier unb äßäfdjeljanb*
lung mahnten ebenfalls. 3)er ^Pferbe^änbler bat um 33e=
gleicßuttg feiner 3 ro*berung, ber 2 lgent Sfofepß ©d^medfer
enblidj crfudjte beu |>erru ©rafen, nidjt 311 bergeffen, baß
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Siooefle t)on 3t. ©. v. Suttner.
107
in bierjeBn Xageu ein SöecBfelcBen ju prolongiren, ober
nodj beffer eiit^ulöfen fei.
üJtifjmutBig fctjleuberte Milbiger biefe 3 wfd^riftcn bon
fid). $alt, ba tag nodj ein Srief, ober bietntef>r ein
Sriefdjen, 3 art=rofa angeljau<f)t, buftenb, mit einer ^ärt»
liefen 2)ebifc in ftimmernbem OrarBenbrud ©r toar bon
ber fteinen ©ba, ber Sängerin bc§ SorftabttBeaterä, ber
er au feuern bctpugnifcboften 9lBeubc ben $of gemadjt,
nur auä 9ieib unb fDtifjgunft, al§ er erfahren, ba§ fid;
ein reifer SantierSfoBn uni ifjte ©unft BetuatB. 3ef}t
nat)m fie Ujn Beim SBortc : tjeutc trat fie ^um erften 2 ftale
in ber neuen Operette auf, unb er fottte feinem Scr=
fpredfjen geniäfj in her erften Parterreloge etfdjeinen, um
iljr itadj betn Slutrittäliebe eine Slumeufpenbe äu^utoerfett.
So Batte er e§ berfprodjen.
Unfinn! ©r toat jc^t in Xrauer, unb bann gefiel fie
ifjut gar nidjt, biefe ©ba. 3fn ber ©Bampagnerlautte toeifj
man ja oft nidjt, toa§ man fpridjt unb tBut; auf bent
#ßitutoege fdjon Batte er ettoaS toie ©etoiffeuäBiffe ber«
fpört, benn feit bent $arttebal toar er ernfilidj berlieBt in
eine SSfttbigere, bie fcBBnc Sfngtib, bie Xocfjter be§ Saronä
3UiBaufen ; mit ber er auf bem Salle Bei £ofe ben $ 0 *
titton getankt Batte, bie tfjn in feinen Xräumen unt=
gaufeltc unb ber er auf ber fRingftrafje ftetä 31 t Begegnen
tourte, toenn ftc mit ber 2Jtutter tfjre Promeuabc mad^te.
$ajj audj er tfjr nidjt gleid^giltig fei, fdjlofj er auä ber«
fcBiebenen lleinen 9Jterfmalen.
2>a§ SiHet ber rotBen ©ba Batte iBn auf bie Btonbc
Sngrib geBra<Bt, unb er fd^toelgte ein Siertelftünbdjen in
108
$>er SSormunb.
ben angenehmften Staunten, bann aber !am baä Semußt=
fein beä gefächenen UnglütfeS baamifeßen unb ^erfiörte
bic Silber, «nt ihn aur UBirllichfeit aurüdt ju bringen.
3feßt mürbe bie 23)ür leife geöffnet, unb ein Heiner
©room erfchieu in berfelben.
„5Der ^err Saron ©rilling läßt burdj ben portier
anfragen, ob ber <£>err ©raf au £aufe fei."
„freilich bin ich an .fpaufe!"
25aä mar gefcheibt; ber §reunb unb luftige Sruber
bradl)te bodf) etma§ Leben in ben heute fo biiftereu Saunt.
Sad) menigen Siitiuten warb Sporenllttrcn Pernehm*
bar, unb ber Sefudfjer trat einigermaßen polternb in’ö
3intnter. ,,©rüß SDidj, Sübiger!" er fcßlug mit bem linlen
Seine feittuärtö au§, um nicht burdj ben Säbel gehemmt
au merben. „|jabe eben bie Xobeäanaeige erhalten, tßut
mir unenbtidj leib; mar ein braber Staun, ber Dnfel."
Sübiger brüefte bie bargebotene $anb.
„Sa, mäffen einmal 9111c in’3 ©raä beißen," nahm
ber Lieutenant feine Sebe mieber auf. „Schon einmal fo
bumm eingerichtet. So ein lumpiger Papagei überlebt
Sfahrßunberte, unb mir, bie Herren ber Schöpfung, finb
auf ja unb nein taput; au blöbe!"
„Äarl, Zigaretten!" befahl ber ©raf bem bienenben
ÄnirpS, ber an ber 2hüre fielen geblieben mar- unb jeßt
iit’ä Sdjlafgemach eilte, um ba§ ©emünfehte au h°fen.
Zr öerfah bie beiben Herren mit freuet unb berließ hierauf
ba§ 3immer.
„3fa, £>ans," nahm Sübiger ba§ 2Bort, „eine traurige,
recht traurige ©efchidhte. freilich mußte ich, baß ber
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9!oi>eUe non 2(. ©. u. Suttner.
100
amte Cnfel nicht mehr lange ju leben batte, aber trofc*
bent bat ntidb bie Nachricht getnaltig erfcbfittert."
„^Begreife eä, armer $ert. Slber maS Ijitft ba§ 3 am=
tttern? Daburcb mirb er nicht lebenbig. 9 Jtujjt 2)idfj
etmaS jerftreuen, Milbiger; bie Heine (Stoa bat beute ihr — "
„2Bo benfft 2>u bin ! $cb tarnt bodb nicht im Sweater
erfdbeinen."
„ 9 ta, fo madfjen mir ma§ 2 lnbere 3 , fommen beute 2lbettb
3U 5Dir ju einet ^ßart^ie; ift’S S)ir recht fo?"
„©emifj mirb e§ mich freuen, euch 3U fe^en."
„ 9 ladj bem Xbeater erft, natürlich- 2 )u meifjt, Stuben=
beim, Äirdbberg uttb fyriebegg haben Tjeute SJattetbienft ;
müffen erft bie fleinen hatten nach $aufe fahren, fonft
gibt’S ein SdbntoHen unb Xrofsen. ftetbing ermattet eine
alte Xante, mit ber er bett Zfye hinten ntufi, ’S ift eine
ßrbtante; unb i(b — idb — "
„S)u mirft bielleicht bie ©fite haben, meine Stelle im
Äarltbeater 3U bertreten, ja?"
„SBenn 2)ir ein ©efaflen bamit gefdfjiebt — "
9 tübiger batte bie Heine SBerlegenbeit beS 2 ?efucberS
bemerft.
„ 3 a, eS gefcbiebt mir ein großer (SefaHen, menn SDu
bem erften Auftreten ber kleinen beimobnft," ermieberte
er, fdEjmacb löd^elnb. „3<b mödbte menigftenS nicht mort*
brüchig merben." @r 30g feine SBrieftafcbe unb entnahm
berfelben eine SBantnote. „Sei fo gefällig, einen S 3 tumen=
forb 3U beforgen unb benfelben an feine Slbreffe gelangen 311
taffen; bergifc auch nicht, ber Heilten Gba 31t fagen, baf}
mir uns nun lange nicht fehen merben."
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110
Ter 3'orniunb.
„©<$ 011 , fdjön, mill’g in Drbnung Bringen." SDer
Lieutenant er^ä^lte nodfj in feiner ntobernen abgeljadften
Sanier einige ©knurren, bie er im ßaffeeljaufe ober
hinter ben <£ouIiffen gefammelt Ijatte, unb madjte fidfj
fobann mieber auf ben Söeg.
9iübiger berBradfjte ein paar langmeilige ©tunben allein,
Big er fiel) enblidtj pm 9luggeljen umfteibete. SEBie getüöljnlid;
naljm er feinen Söeg über bie 9tingftra|c, Bei ber Ober borBei
Bi? pm Äaifergarten, unb auclj tjeute Begann il)m mieber
bag «fperj p Hopfen, alg er ber erlbarteten SDamen anfidfjtig
tourbc. Sefjt Bog 3>ngrib eBen mit itjrer fDhitter um bie Gde,
fo bafj er bidjt an itjnen borüBerfam. @r pg ben |>ut unb
rnollte borBei gelten, aber bie Weitere rief iljm p : „©uten
3Eag, lieber ©raf! 2Rit grofjem SSebauem Traben mir bon
bem falberen Söerlufte bernomnten, ber ©ie getroffen Ijat."
©elBfiberftänblidl} Blieb er ftetjen, grüßte nodjmatg
unb ergriff bie bargeBotene -fpanb, um glcidj barauf nod)
eine atocite p brüden, bie fidj il>m entgegengeftrerft ^atte.
„2öar mein fötann nid&t Bei Sinnen ?" frug bie 33aro=
nin. „@r rnollte Sffjncn fein unb unfer SSeiteib perfönlidt)
augbrüdeit."
„3u licBengloürbig bom |>errn 33aron," berfepte 9tit=
biger gerührt, „ßg tpte mir fep leib, tnenn idf) feinen
Sefuclj berfäumt ptte."
„SöoHen ©ie ung ein ©tüd Begleiten?"
9tatürlid) tooHte er bag. ©r lieft fidj’g nidjt pjeimal
fagen unb fdjtoft fid) ben Beiben ©paprgängerinnen an.
„SJleiBen mir lieber $ier auf bem 33urgting; briiBen
mirb eg Bei bem fdjBnen SBetter bon SSelannten mirnmeln."
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'JiooeUe »cm ?(. $. v. Suttner.
111
„@Qti3 einberftanben." Sr bertiefte fidf) in ein ©efpräch
mit ber Butter unb fanb babci Vtufje, bie Stochtet 31t
betrachten. äöic hübfch fie heute toieber au§fah! 2)iefe
bunfle Toilette mit ber anliegenben ^elaiacfc, bem futa=
gefdjüraten Äleibe, unter bem bie fdjmalen $üfjchen in
fdjmaraen 2mdjgamafcfjen herauägucücn — alte§ baä ftanb
ihr bortrefftich. SDaau ber Heine mit aufgebogenen
Ärenipen unb Qrafanflügel — bie ganae Stfcheinung machte
ben Sinbrucf einfacher, aber mirtlidljer Vornehmheit.
3meirnal fchritten fie plaubernb auf unb niebet, bann
meinte bie Vtutter, e§ fei nun 3 eit, bie Sinläufe 31t be=
forgen, bie fie borhatten. Stmaä ängftlich frag er, ob
feine ©egentoart babci ftörenb fei, unb freubig leuchtete
fein Vlicf, als $ngtib rafch einfiel: „Vtama, @raf Sfranfen*
ftein lönnte un§ bei ber kuämaht bon Schlittfdjuhen be=
hilfli^h fein."
Ohttc 3 toeifel lonnte er ba§, benn er mar felbft ein
bortrefflicher Säufer.
„§llfo haben Sie fich hoch entfdjtoffen, ben Verfuch 31t
machen 1 ?" frug er mit banfbarem Vlicfe.
„freilich. Vtan mufc boch mit ben Slnbereit mit=
thun." 2Merbing§ fei e§ langmeilig, erft 3U lernen, aber
ba mufjte 9 tübiger fogletch 9 iath:
„SBenn Sie mir geftatten moHen, 3 h n en bie 9 lnfang 3 =
griinbe beiaubringen — ich habe fdjon einige Viole mit
Schülern Sr folg gehabt."
„SDa§ ift mohl fehr liebenimtttbig bon 3haen, aber
e§ märe boch eine arge 3wmrfhung, menn mir 3haen
biefe Vürbe auflaben moHten," fiel bie Vtutter ein.
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112
"Der IBomiunb.
„SSürbe?" mar bie PormurfSüollc Slntmort. „können
Eycetlenz baS crnfttich meinen? 3fch mürbe mich gtüdflidh
fchäjjen, menn fich SSaronin $ngrib meiner Orüfpmng an=
öertranen mollte." Er fdjmieg ptöijtich, benn er fptirte,
bafj er zu marm mürbe.
Tie ©chtittfchuhe mürben getauft, aber ber Unterricht
follte erft anfangs nädjfter Söoche beginnen, unb fo be=
ftimmte man benn Tag unb ©tunbe, um fich hierauf zu
tjerabfc^ieben.
Tie SluSfidjt, bem jungen Stäbchen als £ef)rmeifter
( ]u bienen, gefiel Stübiger fo ausgezeichnet, bafj er in Er=
martung biefcr beöorftehenben Stnnehmlidhfeit auf eine
halbe ©tunbe feinen Kummer bergafj; erft als er jenen
Xtjeit ber Stingftrafje betrat, mo fich bie elegante Söelt
erging, unb mo eS nun zmifdjen allerlei fragen unb 33ei=
leibSbetheuerungen ©piefjruthen taufen hiefi, erft jetjt mürbe
er feinen angenehmen Träumereien mieber entriffen. 33atb
begab er fich nach <£aufe.
Tie 3eit bis zum Slbenb mottte fein Enbe nehmen;
fie fdfjien ihm um fo länger, meil ihm mieber ber SBrief
beS alten fJfreunbeS in Erinnerung tarn unb ©toff zu
alterhanb unerquicftichen ©rübeleien gab. ^atte ber
©ctjreiber lieber gleich gefagt, maS noch 9ltleS beöorftanb,
märe eS beffer gemefen; fo zermarterte er fich mit 9}er=
muthungen ben $opf, ohne natürlich z u einem beftimmteu
©chtuffe fommen zu tönnen, menn er auch annehmen mufcte,
bafe fich bie SBortebeS Sitten auf ©etbangetegenheiten bezogen.
Ter Heine Tietter brachte bie £ampe unb frug feinen
£errn, ob er etmaS befehle.
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■JtoueUe oon 21. ©. r>. Suttner.
113
faß* unten, bafc man für fed)ö s ^erfonen ein
2lbenbeffen bereit Ijaltc; toir »erben c§ l)ier einneljmen."
Um bie $eit tobt au fdjtagen, nafjm 9iiibiger ein Spiel
harten unb legte einige Patiencen auf. 8*age: „Söirb
nod^ 9llle§ gut enben?" Spaffig! ©ine nad§ ber anbereu
ging glatt auf, fclbft jene, bie ficlj bisher immer Ijart*
ltäcfig gezeigt Ijatte. 35a mufjte er bod^ noclj eine be=
foitbere 3?rage ftetlen, bie in ber früheren eigentlich nicht
genau enthalten »ar: „Söirb Sngrib einft mein »erben'?"
9tein, nein, unb nodj breimal nein! 35a§ »ar bodf)
beutXich-
„35umml" brummte er unb »arf bic harten ntifj*
ntutljig Ijin. „Unb nun gerübe!" entfdjieb er auffpringenb.
„Sie »irb, fie mufj!"
Stimmen »urben hörbar unb Stritte, bie fidj näherten.
3ept rifj $arl bie £ljttr auf, unb bie ©enoffen traten ein.
SJtan fetjte ftch um ben Äainin. Anfangs »ar baö
ÖSefprach fdf)leppenb unb tourbe in gebümpftem £one ge=
führt, um bie Stimmung be§ |>auät)errn au e^ren, nad)
unb itadj lam aber meljr ßeben in bie Heine ©efeHfdjaft
unb halb »ar »ieber ber alte ü£on gefunben: haltet,
©efettfdfjaftättatfdj, Spiel unb bcrgleidjen »idjtigc 2)iugc
gaben ben Stoff ab.
•Dtittlertoeile erfdjienen a»ei Kellner, »eiche bie £afcl
bedften, unb ba§ Slbenbeffen »urbe auf getragen; man »ufjte
fchon im .$otel, mie ber ©raf ba§ liebte.
2!ie Herren »aren !aum beim 9tachtifch angefomnteit,
als fetjon Steron Stuben^eim frug : „9ta, madjen »ir eine
^Parthic
Sibliottjet. 3ot>rg. 1889. Sb. X.
8
114
Ser Sormunb.
Selbftberftänblidj! 2Ba§ patte inan fonft attbetö ttjun
fömten, nadpbem ber Sageäftatfdp beenbet toar? Siafcp
tourbe bie Safel abgeräumt, Söein unb Zigarren fanbcn
auf einem Seitentifcpdfjen 5)ßtap, unb nacpbent bie Muer
piuau§gepu[dpt toaren, ging ba§ 39accarat lo§.
Um brei Upr trennten fidp bie fjreunbe. SUibiger patte
tiid^tig bertoren, unb nodp baju bom SBein unb ©igarren*
barnpf Äopffcpmerjen mit in ben $auf betommen.
So patte er toieber einen Slbenb „nupbringenb" ber*
bradpt, toie bieS feit ^toei Sauren bei ipm bie Sieget ge*
toefen toar.
2 .
„2Ilfo ba bin idp, mein lieber Siübiger!" SJlit biefen
2öorten trat @raf |>ottbadp, ber ffreunb beä beworbenen
■DpeimS, in’3 3immer. „Sßie gept e§ Sir? $aft Su
Sicp bon bent Scptage fdpon ein toenig erholt?" ©r patte
beit jungen SJlann bei beibcn |)änben ergriffen unb an’ä
fünfter gezogen. „Sla, idp ntufi fagen, befonberä ftepft
Su gerabe nidpt au§."
Äein Söunber ; am Slbenb borper patte er einer Spiet*
partpie bei Stubenpeim beigetoopnt, bie erft um ftebeit
Upr SJlorgenS ipr ©nbe gefunben. Seine ©elbbörfe toar
teer toie ein au§gebtafene§ ©i.
„3a, armer Siiibiger, e§ ift traurig, redpt traurig/'
fagtc ber 23efucper topfnicfenb, ba jept bie T^erbe ©rinne*
rung toirtlidp bem Stnberen einen Seufzer entprefjte. „3cp
toeifj nidpt, fott idp Sir fdpon peute baä datiere mittpeiten,
ober nodp ein paar Sage — " .
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SRooette ütm 31. ©. ü. ©uttner.
115
„9lein, bitte, lieber gleich 1 " unterbrach ihn 9tübiger,
ber enblich toiffeu toollte, tooran er fei.
„Sßor 9lHent bie Nachricht, bajj mich Sein Oulet au
feinem Seftamentgbollftreder unb au Seinem SBormunb
ernannt hat."
Sa leine Slnttoort erfolgte, fuhr ber ©raf fort: „Seiber
mufj ich ®it bie Eröffnung machen, bafj eg mit bem 9iadj=
laffe fdjlecht befteüt ift. 2 luf bem ©ute ©djönbüchl haften
©thulben, bie faft bem Söerthe beS SBefi^eS gleich lommen."
„©o biel?"
„Söunbert Sid; bag? 3<h meine, Su haft felbft
einigeg baju beigetragen, unb Sein Ontel mar fdjtoad)
genug, jebegmal ohne füturren au aahlett."
„Sa bürftc moljl ein ^rrthum borliegen, ©chöitbüdjl
mag immerhin einen Söerth bon biermalhunberttaufenb
©ulben haben."
„©efefjt, eg toäre fo ber gatl, obtoohl bag nach meiner
2lnjt<ht hoch gegriffen ift — meifet Su genau, mit toie*
biel eg für Sidj belaftet mürbe?"
,,©o gana genau toeifj ich eg toohl nicht," ftammelte
ber ^Befragte, „inbefj — "
„9lber ich toeifj eg." Ser ©raf 50 g ein Rapier aug
feiner SBrieftafdje unb lag: „3m Januar 1878 für $ü=
biger: aehntaufenb ©ulben; Oltober beffelben 3at)reg:
fünftaufenb; ÜRära 79: amölftaufenb; Sluguft: fieben*
taufenb; Seaembcr: ameitaufenb; 9Jtai 80: adjttaufenb;
9iobember: fech§taufenb. Sag macht aufammen fünfzig»
taufenb ©ulben; bie recht hohen 3 infen hierbon betragen
breitaufenbfünfhunbert ©ulben. ferner laftcten auf bem
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110
Xcr Sßormunb.
33efifje «^pot^efcn bon adjtaigtaufenb ©ulben, als bcr
Sßerftorbcne bcnfetben übernahm ; babon ntadjen bie 3tnfen
biertaufenb, mithin SlEeS in Ment fiebentaufenbfünffjun*
bcrt ©ulben. DaS ©ut trägt ncuntaufenbfünfljunbert
©ulben, bleiben fomit jtoeitaufenb ©ulben für Didj au
bekehren."
9tübiger fdjminbelte bor ben unb als fejjt bet
Slitbere fdjtoicg, Tratte er fobiel begriffen, bafj er mit einer
©umnte im Satjre auSaufommen habe, bic er manchmal
in menigen ©tunben berfpielt tjattc.
„|)aft Du berftanben 1 ?" frug ber 2lnbere, ba nodj
immer feine Stntmort erfolgt toar.
„Sdj glaube — fo atemltdj."
„'Jtuu aber nodj ©ins. 3fdj ^abe alten ©runb, au ber*
mutten, bafj Du in ber testen $eit toieber meljr bcr*
braudjt $afi, als Du auSaugeben ^atteft. Cber foEte idj
11 t id) tauften'?"
Stfibiger Rüttelte niebergefc^lagen ben Äopf. „ßeiber
ntufj idj gefielen — "
„Da fjuben mir’S!" rief ber Slnbere. „3a, Ijätte Dein
Cnfet meine $att)fcf)töge befolgt unb bamatS, als eS nodj
3eit mar, ber ©ad§e energifdj ein ©nbe gemadjt! 9tü=
biger, Siübtger, idj fürste, Du bifi mit atoeiunbatoanaig
Sauren an bem ©nbe deiner SL^ätigfcit angetangt. Du
Ijaft in bierunbamanaig Monaten baS genoffen, toaS Slnberen
für iljre ßebenSacit gemöbrt ift. Deine ©djulb aEein ift
eS, menn Du jefjt arbeiten unb entbehren ntufjt, um baS
Dafein au ermöglichen."
„Arbeiten? ©chtimmften SaES müjjte man ©djön«
Siooefle non $1. ©. o. Suttner. 117
büdjl gut au Verlaufen trauten," toagte bet funge SJtann
3 U bemerfen.
„SJteinft SDu*? Stun, fo biene S)ir au toiffen, bafi ber
Söerftorbene biefen Verlauf auSbrüdElidtj in feinem ütefta*
mente berboten Ijat. SDiefe «ftintertfjür bleibt 35it nidjt
offen, um ben lebten 9ieft au PetfcJjleubern. Stein, mein
Soljn, fcijtage S)it betlei ©ebanlen au§ bem Aopf unb
bequeme 2>iclj jefjt, mit Gruft unb Vernunft an bie 3u r
funft au benfen. 93or SlKem: toa2 bift SDu nodj fdjulbig 1 ?"
„25aä toeift idj nictjt fo genau; idfj mfifjte erft meine
Siedlungen aufammenftellen."
„@ut, biefeS ©efdjäft tooHett mit fogleidfj in Eingriff
nehmen." 25er ©raf fdjob einen Stüljt an ben ütifdj unb
lief} ftdj nieber. „So, jefct gib mit Rapier unb SSteiftift
unb fage mit bann bie 5)3often an."
Sifibiget, ntufjte ftd^ tooljl ober übel Ijerbeilaffen, feine
33eicf)te abaulegen.
„Stedjt fdjön," fagte bet 93ormunb, nadjbem et bie
Sagten aufammengefteHt Ifatte, „aeljntaufenb ©ulben bei*
nal)e! 25a§ madfjt ettoa ffinflfimbert an 3in!fn, bleiben
3Dit atfo tunb ffinfäel)nt)unbert jäfjtlitJj, ober t)unbert=
fiinfunbatoanaig monatlidj."
„Slbet baS ift ja gana unmöglich, baS lann bodj nidjt
einmal auSteidjen, um
„Söeifjt 25u tooljl, toie öiele SSeamte bon einem foldjen
©eljalte leben, babei fjtau unb Einher erhalten miiffen?
G8 lommt eben batauf an, toie man fictj bie Sadje ein*
ttjeilt. — <£>ör’ micfj an, Siübiget! GS bleibt $)ir nur
eine 2öal)l: enttoeber eine Augel burdj ben Aopf, toenn
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118
Der SBormunb.
Du ein Feigling bifi, ober ben -hanbfdjul) mutljig auf»
neunten, ben Dir baS ©djiiffal tjiugeWorfen l)at. Denfe
ein wenig über Deine Bisherige SebenSWeife nadj unb
frage Did) felber: $aft Du Didj in biefen atoei Sfaljren
alä ein nüfclidjeS ©lieb ber menfdjlicben ©efellfdjjaft ge=
füljlt? ^aben Dir Deine nftrrifdjen Ausgaben tuirftid^en
©enufj bereitet? $ft Dir au manchen ©tunben nicht ein
geWiffer ©lei bor einer foldjen fdjalen, nu|lofen, tljöricbten
©jiftena aufgeftiegen? ©ei eljrlicb unb aufrichtig gegen
Dich felbft! SBiSljer tannteft Du nur ben ©enufj beS
©elbeS, unb biefer ©enufj war ein rei^lofer , oft mit
bitterem Stacbgefdjmatf. SSie ganj anberS fchmedt baS
berbiente! Da ntunbet ein ©tfi dt Stob beffer, als Drüffel»
paftete unb berlei Secferbiffen , an benen man fid§ Iran!
ifjt. $ch, ber ich in meinen jungen Sauren auch bumme
©treibe begangen unb bann ein SHertelmenfdjenalter lang
bafür au bü^en f)atte, bis eS mir gelang, mich wieber
auf bie Oberfläche a u ringen, ich Weif} babon au eraö^len.
3cf) ^atte bie Sßiftole fdjon in ber $anb, aber ba fam
ber Wahre SJiuth über mich: ich fchleuberte bie 3Jlorb*
Waffe au S3oben unb raffte bie baut ©ulben, bie mir noch
blieben, aufammen, um über ben Ocean au gehen. Dort
habe ich mich Wie ein Sieger abgeplagt, bin bor leiner
Slrbeit aurüdgefcl)eut, bie mir SSerbienft brachte, unb
fchliebü<h behielt ich bie Cberljanb. Diefe 3«ten bort
brüben fittb jefjt Wohl botbei, aber ich Weif}, man tarnt
ftch auch im alten ©uropa mit ©nergie unb gutem Söillen
fortbringen, -hier !ann aÜerbingS Deines SSleibenS nicht
fein; ©raf fjranlenftein Würbe bon feinen ©tanbeSgenoffen
RooeHe t»on 91. ©. o. Suttner.
119
berladfjt toerben, toenn er plötjlidfj ben ©lub unb ba§
©ranb=.£>otel mit einem ©omptoir unb einem befdjeibenen
3immet bertaufcfjte, aber nichts feffeXt SDidj an Söien unb
on bie engere |>eimatfj ; fcfjnür’ SDein Sünbel unb gef)’ auf
bt’e Söanberfdfjaft, lafj ben ©rafen au |>aufe, ein ©raf
oljne ©elb ift toie ein $fau oljne Scfjtoeif. — 2)a§ ift
ber einzige Ratlj, ben idj 2>ir au geben toeifj, unb idj
Ijalte iljn für gut."
RidjtS feffelte iljn an bie $eimatl) unb inSbefonbere
an bie Stabt, too er lebte 1 ©raf .fpoEbadj Ijatte gut
reben; n>a§ tourte er, ob ein 33anb ejiftirte ober nidjt,
ba§ ju aerreifjen e§ größerer $raft beburfte, als Rübiger
fidj autraute. Unb arbeiten! 3a, toa§ foUte er arbeiten,
bamit er jtdj fein Seben berbiente? (Sr, ber Ijier in einem
getoiffen Greife ben £on angegeben, er, ber allen noblen
Sßaffionen geljulbigt, ber ba§ Ijödjfte Raffinement be§ Sehens
fennen gelernt — er füllte jept toie ein armfeliger -£>anb*
lung^ge^ilfe au tfujj laufen unb mit SBurft unb SSrob
feine Rbenbmaljlaeit galten? ©3 toar gana unmöglidfj!
„Run?" frug |)ollbadfj, ber feinen Sc£)upbefot)lenen
nid^t au 8 ben Rügen gelaffen. „3dj lefe S)ir’S bom ©e=
fidf)te ab, bafj eS mit deinem Rtutlje nidjt Weit tjer ift."
„Rtutlj!" rief Rübiger bitter. „Söenn man au ettoaS
gana Ruberem exogen toorben ift, als aum Stagelöljner,
mufj man bodp fdjliefjlidf) einfeljen, bafj eS überflüffig
toäre, ben SSerfudj au machen."
,,©i, idj glaube, ein 2 agetöljner brauet nidjt erft baau
exogen 31 t toerben. UebrigenS fprad^ idj audp nidfjt ba*
bon, bafj S)u ben Spaten ober bie §ade in bie $anb
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©er 23 ormunb.
nehmen follft. Mit ber Keinen fKente, bie ©ir bleibt,
bift ©u bor Mangel gefdjüpt; e£ Ijanbelt fid) nur nodj
barum, ba§ 3U gewinnen, womit ©u ©ir gewiffe Keine
2u?u§au§gaben geftatten fannft."
„SuyuSauggaben? Gin fronet fiujui, wenn id) biel=
leidjt nodj ben gleichen Setrag berbiene!"
,,©o gtaubft ©u alfo, bem Keinen Mann fc^eine bie
©djWefgerei nid^t grofj, Wenn er ©onntagg einen 9 lug*
fing madjen unb fid) eine beffere Gigarre ober ein ©lag
Mein erlauben fann? fjreilid), Wer fietg ben ©urft mit
Gbatnpagner löfdjt unb fRegalia raucht, beffen ©aumett
bat ben richtigen ©efdjmad berloren. — Kebertege ©ir
bie ©acbe. 3 cf) laffe ©ir noch brei Stage 0 tube ; fo lange
Werbe id) brauchen, um ©eine Sßribatangetegenbeiten iit
Crbnung 3U bringen. 3dj berlange l)eute nichts alg ©ein
Mort, bafj ©u big ©onntag feinen entfd)eibenben Stritt
ol)ne mein Miffen tbuft. ©ibft ©u eg mir?"
„ 2 [d) gebe eg, fürdjte aber, bafj in brei Stagen bie
©ad)lage biefelbe fein Wirb."
,,©a§ boffc icb nid^t , borauggefebt, ©u gibft ©ir bie
Mfilje, bie gufunft ernftlidj in GrWägung 31t sieben. 2 ebe
Wobl für beute; ©onntag früh feben wir un§ Wieber."
©er ©raf ftecfte bie berfcbiebenen fKedjnungen 311 fidj
unb ntad)te fid) auf ben Meg.
©ie ©timmung, in ber ffttibiger surüdblieb, ftreifte
an Stroftlofigfeit. Morin beftanben feine Äenntniffe, bafj
er fid) jefct burd) eigene Arbeit fortbringen follte ? ©aritt
bietteidjt, bafj er nod) im 9 totl)fafte ein paar lateinifdje
ober gried)ifd)e ©äfje Ijolprig 3U überfein wufjte, ober bafj
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üfioüeHe oon 91. ©. ®. (Suttner.
121
er eine fdjmacfje 9ll)nung tont römifdjett unb beutfdfjen
9ted&te Ijatte, in ba§ er jtdj mäfjrenb biefer beiben 3 at)ie
Ijätte tertiefen foHeit, um gu Sommeranfang bie Staate
Prüfung abplegen? -gmtte man itjn lieber ein .£wnbmerf
lernen laffen, tjätte man iljn lieber aum nädfjftbeften
Sdjufter, als auf bie UniterfitiU gefd^itft.
So llagte unb feufete er ben 9ieft be§ £agel l)in=
burdj, um ftd^ fdjliefjtidj in berjjtoeifelter Saune p Söett
31 t legen.
SDer nädjfte borgen braute bodj einen Keinen <£>off=
nungäfdjimmer. 9ladjbem Üiübiger fictj bi§ jeljn llljr im
Bette umljer gemäht, mar er auf eine Sfbee gefommen.
Söarum foIXte er fid) nid§t nadfj SdfjönbüdE)t aurüd^ie^eu
unb bort in alter Befd&eibenfjeit leben, um feine Stubien
p toHenben ? SöenigftenS mar er ba p |>aufe, unb Ijier
unb ba fonnte er ftdj ja bodj tietleidjt einen Keinen 91b*
fted^er nadj SSien geftatten, um bie alten greunbe unb —
Sfrtgrib mieberpfeljen. SBenn er erft fein Gramen hinter
fidj l)atte, bann fjief} e3 eben in ben Staat3bienft treten,
unb in einigen Starren fonnte er ja fdjon tiel beffer
baran fein.
So Kügette er fidfj bie Sacfje au§ unb bertiefj in ter=
Ij<nijimitjjig gefaxter Stimmung ba3 Säger, um fidj
rafetj anauKeiben. |>eute foHte er ben erften Unterridjt
auf bent (Sifc erteilen; ein ptöplidj eingetreteneS ü£ljau=
metter ^atte ben 9luffd£jub terfdfjulbet.
Sßfinfttidj um (Hf mar er 3 ur Stelle, unb menige
Minuten fpäter fam fie in Begleitung ber Blutter elafti*
fd^en Sdjritteä baljer. ©ern Ijätte er ba3 9lnfd>rauben
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122 ' $5er Sßormimb.
ber Scblittfcbub* felbft beforgt, aber ber ßafai War au
biefem Btoecfe mitgenommen worben, unb fo fonnte $ü=
biger nur barüber Wachen, bajj ber 5Jtann bie nötige
Sorgfalt anWanbte, bamit 3ngrib fictjer auf ben fdjarfen
Stabifchienen ftanb.
„So, jefct bitte i<h um 3b™ $änbe." (Sr begann
langfam nach rü<fwärt§ au gleiten, Wäbrenb jte ibm aag=
baft folgte unb jtdj oft ängftlicb an ibn anflammerte. ®a§
War ibm gana recht fo, er hätte biefe aarte, fchmiegfame
©eftatt gerne Stunben lang babin getragen.
9Jtit tuet Mbe unb SSefcbWerbe war man am ßnbe
ber S3abn angelangt; jebt fonnte ein Wenig geraftet Wer*
ben. Sie lief} feine ^ftnbe loS unb febte bie Sßefamtitse,
bie fi<h berfchoben batte, aurecbt.
„3<h glaube, itb Werbe e§ nie lernen," fagte fte ent=
mutbigt.
„£> botb! 3« Wenigen Sagen Werben Sie fdfjon $ort=
fdfjritte fpüren ; man barf nicht ängftlicb fein, nur mutbig
borWärtS, auch Wenn man einmal fallen füllte, wa§ liegt
baran. 3$ bespreche 3bnen, bafj i<b in brei Söocben — "
(Sr OoHenbete feinen Sab nicht, fonbern blicfte auf einmal
finfter au SBoben.
„Sie betfprechen — Wa§?" frug jte, ihre Slugen er«
ftaunt auf ihn rid§tenb.
„3<b toottte 3bnen bie SSerftcberung geben, bajj ich in
brei Sßocben eine gana gute Scfjlittfchubläuferin au3 3bnen
gemalt haben Würbe, aber leiber bürfte meine SBirffam*
feit als Sebrer früher ein (Snbe haben."
„3ch berftebe Sie nicht," berfebte 3ngrib, bon feinem
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UiooeHe oon ®. <S. u. Suttner.
123
traurigen $one Betroffen. „Sitte, fagen Sie mir, ift
Stjnen ettoaS Unangenehmes augeftofjen? 68 fdjien mir
gleich, als feien Sie gebrüdt unb — "
„%a, ettoaS feljr, fehr Unangenehmes fleht mir bebor.
3dj fürchte toenigflenS, bafc eS nicht au bermeiben fein
toirb."
„3<h toitt mich nicht in 3h* Vertrauen brängen,"
fagte fie ängftlich, „aber Sie tönnen überjeugt fein, bafj
3h«en meine jDjeilnahme getoifj ift."
„3ch baute Sh^en, baute 3hnen bon ^erjen; glauben
Sie mir, ber 9R>fthieb bon 2öien toirb mir unenblid)
fdjtoet toerben."
„Sie berlaffen Söien?"
„3ch toerbe toohl müffen. 68 finb Serljältniffe ein*
getreten, bie mich atoingen bürften, ber Sefifcung, bie mir
mein armer Ontel hinterlaffen hot, auf längere 3eit meine
ganae Slufmertfamteit au fdjenten." 6r brachte e8 nicht
über fid), ein boIteS ©eftänbnifj abaulegen, unb gebrauchte
baher biefe Heine 9lothlüge.
„9tun, Schönbüchl liegt ja nicht au8 ber Söelt, glaube
ich," berfe^te fie erleichtert. „Sie fpradjen mir ja öfters
bon biefer Seftfcung unb fagten, man fönne fte in einigen
Stunben erreichen."
„3a, in einigen Stunben."
„25a toerben Sie toohl hin unb toieber 3h re ^reunbe
in Söien auffuchen."
„3<h hoffe, bafj bieS möglich fein toirb."
„9tun alfo! SDann ift ja tein ©runb au folcher Xrauer
borhanben; ich fürchtete biel Schlimmeres. — 2öoEen toir
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ÜDer Ißormuitb.
jefct toieber einen Söerfudf) madjen ?" Sie Batte bie Bi§*
Teerige 33orfidjt aufjer Sldjt gelaffen unb Balte mut^ig 311
einem (Stritte au§, eBe fie an iljrem ^Begleiter nodj eine
Stiijje gefugt; bie Stelle toar zufällig Befonberä glatt,
unb elje er fie 3 a fangen toermodjte, tag fie ba. Sonett
toar er an Üjrer Seite, um itjr aufsuBeffen.
„Sie BaBen fiel) bodj nid^t toeB getBan?"
„9iein," fagte fie öertoirrt unb errötljenb.
,,©er 3 eiben Sie meine UngefdjidflicBfeit, idj Bütte Sie
tjieUeid^t nodj toor bem Stur 3 e Bemalten fönnen. Sinb
Sie mir böfe 1 ?"
3e£t tadjte fie, ba er ein fo 3 erfnirfdf)te§ ÖJefid^t macBte.
„9tein, idj Bin nidjt B5fe; lontmen Sie."
3.
9tübiger toar an jenem borgen, für ben ber $or*
munb feinen SSefudfj angefagt Batte, fefjon Bei £age3grauen
tuadj. 2 )ie Aufregung tiefj i^nt leine DtuBe; er erBot»
fiel), foBatb ber Heine Wiener f^euer angemacBt, unb fet}te
fidf), natBbem er mit bem Sinfleiben fertig getoorben, an
ben Äamin. @r Bereitete fidf) im ©eifte auf bie tommenbe
Sfu&inanberfejjung bor, toappnete fidB mit allerlei 2fer=
nunftgrünben , legte fidj bie 5ßB rQ fen aured^t unb fudjte
im 93orauä auf jebe möglidje ©intoenbung be§ 33ormunbe3
eine paffenbe, fd^lagfertige Slnttoort. 3 a, nm getoifj nidfjt
in ber #if|e be 8 ©efedfjteS in’3 Stodfen 3 U geratBen, fefcte
er ein paar SdBlagtoorte auf ein SSlatt Rapier, ba§ er
in’S 9 teBen 3 immer auf ben Üifdj legte, tt jo bie SBefpredjung
ftattfinben füllte. -fpin unb toieber gerietBen feine ©ebanfen
9ioücüc oon ©. t). Suttner.
125
auf Srrmege, eine fdjlanfe ©eftalt taufte Por i$m auf,
ein paar glänaenbe, blaue klugen blidten ilju frcunbXid)
an, uitb eine liebe Stimme fagte fanft: „©3 mirb nodj
2We3 gut merbeu." Slber bann rifs er fidj bodj mieber
gemaltfarn au§ biefeu Träumereien, .um aur Süirtlictjfcit
3 urüdaufeljren.
Gmblidj mürbe bie Tljür geöffnet unb fogleicfj mieber
fyinter bem ©rmarteten gefcljloffen. „§öre, mein Sieber,
unter foldjen 33er$ältniffen möchte idj nidjt lange bie
5ßorntunbfdjaft führen!" l)ob ber ©raf brummig an. „9Jiit
einem <f?errn jEfibor Sledj unb einem SEofeplj Sdjmeder
öfter als einmal au öerfeljren, ginge über meine Mfte unb
meine ©ebulb. Sllfo biefe leibigen Slngelegenfjeiten mareu in
Crbnung gebradjt, audj Seine .gmtelredjnung ift beglidjeu.
©igentlidj unerhört! Sie beiben 3intnter toften monatlidj
Ijunbertfünfaig ©ulben, breifeig nodj für baS Stüddjcu
Gebienten. Äoft : acfjtljunbertbieraig, ba tommen auf beit
Tag toieruitbbreifeig ©ulben! 3fa, ma3 fjafi Su nur ba
effcit unb trinfett fönnen?"
„Siefe bermüufdEjte Slrt beS SöormunbeS, alle Balten au
acrlegen unb auf Tage au öertfjeilen!" badjte 9iübigcr.
Sann antmortete er: „9tidjt3 SSefoitbcreS. ffreitidj Ijattc
idj ntandjmal ffreunbe au Sßefud^ unb ba muffte idj ilpien
bodj etmaä anbieten."
„9latfirlidj! Unb fte? -gmben fie Sir aud§ etmaS
augeboten, ober fidfj mit bem Sdjmarojjen begnügt?"
„©etoife; idj pflegte feinen Umgang mit SdjmarDtjcrn."
„9ta, bann mar ber felige Sucuttuä ein Sttrnp gegen
eudj. — UebrigettS gefdjeljen ift gefdjeljen ; taffen mir alfo
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$er Sormunb.
bte ©adje ritten unb gefeit toir au unfern* Hauptfrage
über: ^aft S)u 2)idj entfdjieben?"
„3ö," ertüieberte Milbiger feft.
„ s -8rab. 3)u bift alfo aut ©rlenntnifj gefommen, bafj
eS mit bem luftigen, umtü^en Seben abfdjltefjen unb at*
beiten Reifet?"
„3$ bin aur Grfenntnijj gefommen, bafs icf) bon nun
au ernftlidj bem SSerufe obliegen mufe, au bem idj eraogeu
toorben bin."
„35ßie?" frug Hottbad(j gebeljnt.
„GS toitb not^toenbig fein, bafj ich meine ©tubien
mit Gifer betreibe unb biefelben fo fchnett als möglich
beenbe, um in ben ©taatSbienft au treten. Saturn meine
idj, baS SBeftc ift, id£) fieble nad) ©djönbüchl über; bort
faitn idj mit Sßenigem auSfommen unb bann — "
„3a, unb bann?"
„Sann toerbe ich eine paffenbe ©teile als Beamter
finbeit."
„Unb toobou toirft Su, toenn i<h fragen barf, als
^Beamter leben?"
„53on meinem ©ehalte."
„3a, mein lieber föübigcr, toeifjt Su benn nicht, bafj
eS 3af|te bauern toirb, bis Su ein ©ehalt bon ein
paar Ijunbert ©ulben beaiehft? Ser ©taat Ijat eS nänt*
lieh fo ptaltifd) eingerichtet, bafj ftdfj bie jungen Seute ein
Vergnügen barauS machen, ihm einige 3u^e hiuburdh
i^re 3*it unb ihre Kräfte umfonft au toibmen. Su toirft
alfo mit Seinen Ijunbertfünfunbatoanaig ©utben tote
auSaufommen haben."
StooeHe oon 3t. ©. o. ©uttner.
127
©as hatte Stübiger atterbingg nid^t gettmfjt. „316er
eg ift bodj unmöglich, bafj man Beamte nicht befolbet!"
rief er betroffen.
„©8 ift aber leibcr fo, mein Sreunb. Sriinf $ahtc
bauert eg minbefieng , big ©u ein fogenannteg Slbjutum
beaieljft, ein ©afdjengelb, mit bem fidj nicht biel an=
fangen läfct. ©u ftehfi alfo, ©u haft ©ich arg berrechnet."
„SlUerbingg," betätigte Stübiger entmutigt.
„SQSie ich ©ir fdjon neulich fagte, ©u müfcteft ©ich
entfd^tie^cn, ein befcheibeneg 3intmer au miettjen unb im
SBierijaufe ©ein SJtittagmaht au Ratten, bann fönnteft
©u ©ich al8 ©tubent aur Stoth burchfdfjlagen. Stein,
Dlixbigcr , ©u $aft bie ©athe nicht bon ber praltifchen
©eite angepadCt ; hier, too ©u big jefct eine herborragenbe
Stolle unter — nimm mir’g nicht übel — unter ©age=
hieben gefpielt Ijajt, fannfi ©u unmöglich bleiben; ober
ertrügft ©u eg, bon nun an bie StoHe eineg armen ©eufelg
au fpielen ? — ©ag !ann man in ber Qfrembe leidster, ©ort
fd^eert fid) Stiemanb barum, ob ©u Stübiger Sranlenftein
ober Sßeter 3&bfl hei&eft; fobalb ©u arbeiteft unb ©ir
©ein 35rob Oerbienft, bift ©u ein geachteter SJtamt. 3«
$aufe toürbeft ©u unmöglich; ©u toäreft ber unglücf=
lichfle SJienfd) ber 3Belt, toenn ©u nur einen SJtonat hier
ein untergeorbneteg ©afein au führen h^tteft, toenn ©u
fehen müfeteft, mie ©eine einftigen ßameraben in eigenen
(gquipagen batjinfaufen ober auf eblen Sßferben Oorbei=
fprengen, toährenb ©u fchön befcheiben au ftufc ©einen
2öeg aurüdlegft. «^abe ich Stecht?"
Chue 3toeifel tjatte er Stecht, aber — aber — „3öfj
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128
Der Sormunb.
!ann nidjt tu bie grcinbe geljcn, id) famt midfj nid^t bon
ber «fteintatlj logreifjcn!" !otn eg mie ein Auf bet $er=
jmeiflung aug Aiibiger’g gepreßter SBruft.
„Du laitnft nid^f? Sott icfj Dir lagen, toarum? Du
Ijaft ein 23erljältniji, bag Dicfj l)ter feftljält."
Milbiger füllte ben burcfjboijrenben SBIxtf , ber unter
beit bufdfjigen Augenbrauen lauerte, unb tourte nicljt, mag
er anttoorten foHte.
„@g Ijanbett fid§ nur baruni, ju miffen, mie biefcg
2 Jer$ättni|j befc^affen ift," fuljr ber ßuätgeift fort. „ 3 ft
cg eine Beater* ober eine ©alonbrinjeffin, ber Du Deine
Dienfte gemeint? glaube, bag Cetjtere, benn man
fpridjt babon, bafc Du fe^r befliffen bift, einer jungeu
Dame Danaunterridjt auf bem (Sife au geben. Dag ift
Dtjorljeit unb ßeidjtfinn, Aflbiger. 9)on bem Augenbliefe
an, too Du mufjteft, toie bie Dinge fielen, ptteft Du
Didj aurüdtaietjen füllen, toenn nidf)t aug Sßflidjtgeffi^l, fo
bodj aug Achtung bor ben ©efiiljlen beg jungen 2Jtäb=
djeng. 2Do jum Deufet Ijatteft Du nur $opf unb <£>era?
Du aroeiunbatoanaig Sialjre, bift nidfjtg unb Ijaft
nid^tg; gebadjteft Du alfo, auf biefe Augftattung $in bor
ben Sßater 3 U treten unb 31 t fagen : ,|>err, idt) ntöd^te Sföre
Dodjter TOeirat^en?* "
Afibiger ftarrte mit einem gemifdjten ©efiiljte bon
Drotj unb bon Aeue bor ftdf) l)in. Der Httann naljm
maljrtjaftig lein 33latt bor ben HJtunb, aber Ijatte er im
(Srunbe nicf)t Aedfjt ? 2fa, mie fatj er bie gulunft eigent»
lidij bor ftd&? (htoartete er, bafj eg plöfjlidfj iljm auliebe
©olb bom Fimmel regnen mürbe?
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9looefle t)on 91. ©. t>. Suttner.
129
4?ottbadb »artete eine Söeite, bann ljuf> er »ieberan:
„liefen unfeligen ßeic^tftnn mubt 2>u mit ber Suraet
auSaurotten trauten, er mürbe fonft in Äürje 2)ein 33er=
berben »erben. fann mir gana gut benfen, bajj SDir
unb ibr ba3 £erj bluten mirb, allein ber Stritt mub
gemalt »erben; e3 gibt feinen anberen 9lu3»eg, unb
foldje Sunben öernarben fdfjnetter, at3 man glaubt."
„lieber frembe ©efüljle fpridtjt man immer leister,
als über bie eigenen," murmelte Stübiger öor jtcb bin.
„63 gibt eben Sunben, bie nie — "
„Sarifari!" unterbradt) ibu ber SÖormunb. „3<b habe
felbft im Seben Diel burcbgemacbt, auch fo einen Saft,
unb itb b fl fo auf meinen SBanberungen burcb bie Seit
Diele *tttenfcben fennen gelernt. Ser feine fünf Sinne
beifammen bat, »er fidtj ber 5ßfIidE)ten gegen ficb unb bie
Sittoett betoubt ift, ber überfielt alle Schläge be3 S<bicf=
fal8. Äranfbeit ift ber einzige Seinb, ber bie @eifte3=
unb ßörperfraft fdjmäcbt, ber bie SiberftanbSfäbigfeit
labm legt, unb bodj bin idb audb genug armen Teufeln
begegnet, bie mit bem 3»be8feime im fieibe »adter fäntpf=
ten unb rangen. 3?ür einen gefunben Surften in deinem
Sitter gibt e3 feine <£>inberniffe. Unb nun, benfe idb,
hätten mir uns aur ©enttge auSgefprocben. Siebft S)u
iefct ein, bab 2>ir feine anbere Sat)t bleibt, als in bie
fjrrembe au sieben?"
63 mar, als ob ber alte <£>err ibm mit feinen burdb*
bringenben 33lid£en ben eigenen Sitten in bie Seele pflanate ;
faft unbemubt ermieberte föübiger: „3tdb febe e§ ein."
„Unb mann gebenfft 2)u S)ein Söünbet a« fdjnüren?"
SBiWioltift. 3o^rg. 1889. 58b. X. 9
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©er Vonrnmb.
toeiB nodf) fetBfi nidjt recijt," ermieberte Milbiger
un fidler.
„ 2 fd§ rnadfje ©idfj barauf aufmertfam, bafj mit bcnt
morgigen ©age ©ein 9Jtonat ju Gnbe ge§t ; Bi§ batjin ift
bie |jotetred(}nung geregelt."
„Mfo bieKeid^t nadj — StBtauf be3 nöd^ften SJtonatS?"
fdfjtug Sftübiger fdjüd§tem bor.
„©o fott id§ bietteidjt biefe Verlängerung au§ meiner
lafdje Befreiten? Verlangt ©u biefe§ — Sttmofen bon
mir“? ©ut, e§ mag ©ir gemätjrt toerben."
©a Bäumte fid§ aBer enblictj 9tübiger’§ ©tol 3 auf.
„3>d£j, ein Sltmofen Begehren?" rief er, unb feine klugen
Büßten. „9tein, id) reife übermorgen."
„Dtedfjt fo; biefe Slnttoort tjabe i<$ ermattet. Vtorgen
StBenb fetjen mir un§; id§ Bringe ©ir ©ein VtonatSgelb
unb für unbortjergefetjene ?lu§tagen einen Vetrag, ben
idj Bei ^Begleichung ©eines SGöed^fetS erfpart ^aBe. 2113
borläuftgeä Siet mürbe idf) ©ir bie ©d(jmei 3 anembfetjten ;
bort mirb ©ein ©totjj meniger auf bie SßtoBe gefiettt
merben, als in irgenb einem anberen ßanbe, mo man auf
tarnen unb ©itet mehr giBt; auch mirfi ©u bort am
fdfjnettften bon ©einen ariftolratifchen Stnftdjten Belehrt
merben unb einfehen lernen, bafj e§ fi<h gan 3 gleicf) BteiBt,
oB man ein ,bon‘ bor Bern tarnen führt ober nicht,
©ie 9?atur fümmert fidfj menig barum; fie fdjtägt ben
Springen eBenfo gut 3 U Voben mie ben Änedjt, unb mir
leben heute in einer Seit, mo ©tanbeäborurttjeile, im
©efdjäftg* unb ©rmerBSteben menigften§, 3 um alten ©ifen
gehören. 9tüfte ©ich alfo, 9iübtger; ein 2Jtann ein SBort!"
SlooeUe turn ?(. ©. t*. Suttner. 131
3 Bie ber Serurtheitte, bem eben berffinbet Worben,
baf} er nach 3Weimat bierunb3Wan3ig Stunben baä Schaffet
3U bezeigen höbe, blieb 9 iübtger 3ufammengebrochen fi^en.
Gr war unfähig, .SufammenhängenbeS p benlen; 9 ille 8 ,
WaS er wufcte, war, ba| in Äiirje SltteS mit einem fötale
ju Gnbe fein Werbe.
2 Öö8 hotte ber SSormunb untängft gefagt ? Gntweber
eine Äuget burch ben Äopf ober ben Äampf aufnehmen!
Brauchte er eigentlich bie 9 toße beS gelben 3U fpieten?
äöar e§ nicht einfacher, ba 2 Ule 8 in bie Brüche ging,
ben entfcheibenben Schritt 3U thun, ber biefem Stummer
ein Gnbe machte?
2 >er eintretenbe SDiener ftörte ihn in feinen ©rübeleien ;
er überbrachte feinem #erra ein Briefchen:
„Sieber ^reunb !
S)ie ganje Banbe ift bei mir berfammeft; ©rifling
hat ©ba mitgebracht, bie fich bereit erltärt, einige GoupletS
3um Beften ju geben. Unbftnbig luftig! Äomm, Wirft
2 )ich jerftreuen; machen jum Schluffe ein Heines Spiel.
S tubenheim.
P. S. Bitte um SlntWort."
SDiefe Ginlabung !am eigentlich gan^ im rechten Slugen»
blicfe; eine treffliche ©elegenheit, um ftch noch einmal in
ben Strubel 3U ftüt3en unb bie fdjwar3en ©ebanfen 311
berf ehelichen.
Gr ging 3um Sdjreibtifch , blieb aber auf halbem
äöege ftehen. Spielen — bießeicht auf GhrentoOTt ber-
lieren unb bann feine Sdjutb nicht einlöfen iönnen! Unb
überhaupt, noch einmal ba8 @an3e burchloften wie ber
132
S)er SSortnunb.
gemeine Sump, bet Por ber ^inridfjtung ein auSgieBigeS
Gffen, Sein unb gute Gigarten begehrt? 9tein, ba§ burfte
nidfjt fein!
Gr f elfte ftd§ fjin unb fd^rieB, bafj et leibet butdj Per*
fdljiebene Umftänbe PerBinbert fei, gu lammen. Um fidB
öot jebem UeBerfaHe gu fidlem, Befahl et bem 2)iener,
Bei einet etwaigen fpäteren Anfrage gu fagcn, fein .fperr
fei md§t gu $aufe.
2ll§ et fid§ früB gu 33ett legte, tBat et eS mit einem
gang eigenen ©efütjl bet GrteicBterung.
Gr erWacBte nadj gefunbem Sdjtafe. 2lBet feine Stirn*
mung War ttrieber eine trübe; ein fdfjweret £ag jtanb i^m
Benot, $atte er bodf) Sngtib für Beute feinen 23efud(j
angefagt, unb biefet Sefudj fottte ber le^te fein; morgen
mar er ftBon üBer alle SBerge.
Älopfenben $etgen§ trat er gegen ein UBt feinen (Sang
an; et Wollte etwas friiBer lommen, eBe no(B anbete
fieute im Salon Perfammelt Waten. SSetlommen bur<B=
fcBritt er ben fleinen Sintergarten, in ben man Pom
«§ofe be? üeinen Calais gelangte, um toon bort ba§ 23or=
gimmet gu crreid^en ; bie grofjen GmpfangSräume Waten
nur geöffnet, wenn itgenb eine 3?efitid(jteit ftattfanb.
Sefct ftanb et ber Sutter unb XocBter gegenüber.
„Siebet ©ott!" tief bie SBatonin Betroffen, „finb Sie
unWoBl? Sie feljen fo Blajj unb leibenb au8."
Gr PerfudEjte gu lüd&eln, aber eä gelang gang unb gar
nicBt. „3fa, idj füBle mid£j etwas aBgefpannt unb erregt,
benn idfj fomme, mi(B Pon SB^n gu PetaBfdfjieben."
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I
9?oodle oon $1. ©. o. Suttner.
133
„So feiten fdjon? Sfrtfirib eraöljlte mir babon, bafj
Sie bie Slbfidjt gälten, bie 23ertoaltung ©uteS
felbfi in bie <£>aub -ju neunten ; Sie tljun feljr toofjl baran,
nur ber <£jerr allein lattn ba bie richtige Orbnung — "
„9lein, ffrau SBaronin, iclj mufj meine 5fJläne ünbern,
id) ^abe eine toeitere Steife bor, eine ©efdjäftSreife — "
er ftodte unb füllte, toie ifjm biefe Untoaljrljeit bie Stöt^e
in bie SBangen trieb. „SDaS t)ei|t, idj toerbe midj auf
längere 3eit entfernen milffen — ja, auf feljr lange 3eit
biclleidjt."
2>ie Saroniit atjnte fogleid), bafj cttoaS nidjt in ber
Crbnung fei, unb auch Sngrib errietl) fjalb unb halb ben
©runb feines berftörten SöefenS.
„Scpen Sie fid^ bodj," fagtc bie SBaronin, betn 23e=
fudjer einen 5ßlap antoeifenb. „3dj teilt nur hoffen, bafj
3fl)re ©efdjafte ftd^ nadj Söuitfdj abtoideln. Sllfo eS ift
gan^ unbeftimmt, toann mir Sie teieber feljeu?"
„©anj unbeftimmt. ©S toirb tootjl lange bauern, bis
id) toieber bie ffreube tjaben toerbe, biefe 9täume au be*
treten, toenn eS überhaupt je gefdjiel)t."
„Sie erfdjreden midj, lieber ©raf! @S Hingt toaljr=
tjaftig ettoaS toie Strofttofigfeit auS Stimme. Äantt
Sfljnen biettcic^t mein 9Jtann irgenbtoie mit guten 9tatl)=
f flögen beljilflidj fein?"
„Sie finb ju gütig unb freunbfdjaftlidj, ffrau SBaronin.
Stein , mir !ann 9tiemanb als idj felbft betjilflidj fein."
(Sr toar nalje baran, bie Söaljrijeit mitautljeilen, als bie
ütljür geöffnet tourbe unb einige SSefud^er eintraten. S)a
teoCCte nun Stübiger eS überhaupt bermeiben, bon feiner
134
$cr SSormunb.
Slbreife au fpredjen, uub Ijielt eS baljer für baS 33efte,
aufaubredjen.
„8eben <5ie Wot)t," faßte bie 33aronin, als er fid& er*
Ijob. „Xradtjten Sie, halb Wieber ju tarnen; Sie wer*
ben unS Sitten ljier red^t fehlen."
(Sr führte bie bargebotene |)anb an bie Stybm unb
Wanbte fidj bann Sfagrib au, bie ebenfo btafj geworben
war, toie er felbft. „($S tljut mir unenblict) leib, bafj
uitferc Se^rftunben auf fo ptßfjtidjc Slrt abgebrochen teer*
beit." 25ieSmat gelang iljm ein gelungenes Südjeln.
„(SS bürfte 3huen iebodfj nicfjt fd^toer Werben, einen
befferen Sezier ju ftnben — unb einen glfidttidfjeten,"
fügte er leife t)inau.
„Seben Sie Woljl," antwortete fie fura, faft raut}, unb
er bertiefj mit einem (Befühle unenblid^en 2öel)cS baS
©ernadfj.
3m SSorjtmmer angetaugt, braute itjm ber Safai
bienftfertig ben Ueberrocf; er fdjlübfte hinein unb naljui
wieber feinen 28eg bur<Sj ben Söintergarten. (Sben als
er bem StuSgange aufdtjritt, l^örte er hinter einer 33 turnen*
grita baS knarren einer Xl)ür, bann bemannt er au
feiner üeberrafdtjung ben leifen 9tuf: „(Sinen 2lugenbti<f,
©raf fjranfenftein!"
3Bar eS möglich? Sie ^atte iljm nodt) etwas au
fagen, nactjbem fte ihn eben fo !ura, ja unfreunbtidj ent»
taffen? (Sr folgte ber Slufforberung unb begab fidj nadfj
ber Stelle, wo fie iljn erwartete.
„3$ Weit nidt)t, WaS Sie bon mir benten Werben,"
fagte fie in erregtem £one. „Slber ich tonnte fo nidjt
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^tooelle oon 51. o. Suttner.
135
bon Sitten fcheiben. 3<h — ich ahne Schlimmes, idj
meifj, ein ferneres Uttglücf hot Sie getroffen. Sie motten
öiefleidjt ba§ ©eheimnifj für fich bemahreit, finb au ftola,
Sernanb in’3 Vertrauen au aie^en, aber — ich !amt
nichts bafür, e§ ttjut mir toeh — furchtbar met), unb — "
„Sngrib!" unterbrach er fie, inbent er nach t^rern
^änbehen ^afchte. „£), Sngrib, Shoen miE ich SlHcö
fagen; tljöricht, unfinnig märe ber Stola Stjuen Ö e S cn=
über, bie mir bie befte £röfterin fein fann! So, ein
fdjmereä Unglücf hot mich getroffen, benn ich ntufj meinen
heifjefien SBünfcheit entfagen, bem Streben, Sie einmal —
5ßeraeil>ung, Sngrib, ich bitte Sie, beleihen Sic mir,
bafj ich Shuen je genagt bin, ba ich io fträflichent Seid)t=
finn in ben £ag hiueintebte unb mein (Slücf bieEeicfjt für
immer aerftört höbe. §ätte ich Seotjut, bafj eä fo lommcu
mürbe, fo märe gemijj SttandjeS ungefdjehen geblieben,
unb ich ftünbe heute nicht bor Sh nen , um biefe t^eure,
theure <gmnb autn lebten Male au lüffen."
„3tein, iJtübiger, nicht aum testen 2Jtate! 2öo§ bliebe
bem 9ttenfchen in fchmeren Stunben, menn er nicht hoffen
bürfte. Sie fehen bielleicht au fc&mara, <5ie ftetteu fich
bie 3)inge ärger bor, al§ fie finb."
@r fchüttelte mel)müthig ben $opf. „3teiit, ich hin
leiber nur au genau in bie unfeligen SOerhättniffe eiit=
gemeiht. S«h ntuf} fort bon hier, ich lonn nicht anberä.
93on morgen an geht ber $ambf um ba§ S)afein an, unb
elenb, recht elenb mirb biefeä SJafein merben! 3<h mufj
au ber nächftbeften Arbeit greifen, bie ftch mir bieten
mirb; fehen Sie ein, bajj ich ba§ unmöglich hie* berfuchen
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136
55er 93ormunb.
Jan« 1 ? $n ber grembe, too mich fHientanb !ettnt, toitb
e§ eher gelingen, toenn mich nicht Äraft unb SJhttfj ber-
taffen. C, beffer märe e§ bieEeidfjt, ich machte btefem
(Stenb auf anbere Söeife ein dnbe."
,,©tiE, Milbiger! DaS ift ein tjftjstidfjer SluSfpruch,
mit bem ©ie 3h rc mannhaften Söorte befdhlie&en. 3frt
ber ©efaljr jeigt jid§ ber mahre, ber echte ßcble; toenn
baä ©chicffal mit feinen Schlägen über Sie hereingefaEen
ift, fo thuit ©ie recht, fidh mit aller Äraft bagegen ju
toehren, au fämpfen, ju ringen, jju fiegen. ©o mitnfdhe
idfj mir ben 2Jtann, ben — ben — nun ja, ©ie miffen
eS ja ohnebieS — ben ich liebe."
„Sfngrib, ifi’S maljr?" <£r hielt fre sütemb um-
f(hlungen, mährenb jte ihr Äöpfdjen an feiner SSruft ber-
barg. „3a, mein 2lEe§, meine Königin, baS 23emu|tfein,
Deine fiiebe ju befipen, foE mich ftärlen unb ftählen!
3<h ünE meine Äraft, mein 2eben baran fefcen, Dich au
geminnen! Sange, lange Beit mag eS bauern, aber lein
Bogen barf über mich lomrnen, immer foE ber ©ebanle
meinen fötuth aufred^t halten, meldh’ h°he* fßreiS au er-
ringen ift." @r beugte fi<h hetab unb brttefte einen Äufj
auf ihr blonbeS $aar.
3h*e 2lrme fanfen bon feinen ©dhultern, unb fte bliefte
fchmeratidj au 23oben. „SDßirft 5)u bie Jhaft unb 2lu8-
bauer hoben? SBirft Du, fern bon hier, 3ener gebenfen,
bie Dir ihr heiligfteS ©eheimnijj preisgegeben hat? SRübiger,
ich bitte Dich, ben!’ nicht f Riecht bon mir, aber ich lonnte
nicht onberS, idh muffte Dir’S fagen — ich glaubte, Dir
fo einen Drofi mit auf ben ferneren Söeg au geben."
9toüeQe oon 51. @. o. ©uttner.
137
„DaS tljuft Du auch, meine Sugrib; ich fdhmöre eS
Dir: id) filmte midj erleichtert uub ermutigt. 9JUt bem
flogen, erhebenben äBemufjtfein berlaffe ich bic Deimatfj,
bafj baS Siebfte, baS Ebelfie meiner in Siebe gebenft, bafc
eS mir geftattet ift, nad) bem tbeuren S3eft^e $u ringen."
Er 30g einen (Bolbreif bom ginger. „Da, meine (Beliebte,
bieS fott unferen S3unb — unfere Verlobung feftigeu."
©ie nahm ben 9teif. „hiermit ^aft Du Didh mir
berfdjrieben, 9tübiger, ich Ijabe Dein ttttort, bafj Du nidjt
besagen, bafj Du nicht in einer unfeligen ©tunbe ber
Sßerameiflung einen mahnfinnigen ©djritt unternehmen
mirft?"
„Du haft eS."
9tafdh fcbritt fie 3U einem Difdjdjeu unb ergriff eine
©djeere; bann löste fie eine ihrer btonben gledjten unb
fdjnitt haftig ein Eitbe ab. „9timm ein ©ttid bon mir
felbft, trag’ eS immer mit Dir; in ©tunben ber Drauer
unb ber Serjagtheit fott eS bie Erinnerung an ben heu*
tigen Dag auffrifdjeu uub Dir bie Äraft berieten, um
unferer Siebe mitten 2ltteS ju ertragen. Unb nun geh’,
(Beliebter; id? barf nicht länger bon briiben fortbleiben."
jJlodjmalS fchlang fie bie Slrme um feinen |>aiS. „D
Milbiger, eS ift furdjtbar! $amt benn 9tiemanb helfen?
ÜJlein S3ater bietteidjt, menn Du — "
„9tein, gitgrib, 9tiemanb, am menigften Dein Später."
„2öie tobt merben mir für einanber fein. $eiu SebeitS*
3eidjen, feine Nachricht, nichts!"
,,©o barf ich Dir nicht fdjreiben?"
„ES geht nicht. 9tiemanb fott unb barf je^t unfer
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138
$)er Stormunb.
©eheimnifj erfahren. 33ittere Seiten mögen ba§ nun
toerben, nicht adein für SHch, audj für mid). 2Jtir fann
baä Söohlleben Oon je^t an feinen ©enufj Bereiten, too
id) 2)id) in 2)ürftigfeit toeifj, faft fdjeint mir ^ier ber
£uj;u§, ber un§ nmgiBt, eine SSerfünbigung gegen ade
3'cnc, tueldje mit fRotf), Entbehrung unb Elenb fäntpfen!"
Ein ©todenfchlag ertönte, ba§ Seiten, bajj neue S3e=
fnd§er angelangt feien.
9todj ein |ei§er $ufj, unb 9fübiger rifc ftd) log. Ofjne
auf^uBIiden, eilte er an ben Stngefommeneit Oorbci, ^um
Stl^or hinauf, too ber portier ehrerbietig feinen $ut 30g.
3et$t erinnerte er ftd), bafj er für ben aBtuefenben 33aron
eine ßarte jurüdlaffen müffe; bann haftete er toeiter,
feiner 2öohnung au.
4.
E§ fdjneite in biden, fdjtoeren Dioden, al3 ber 3ug
jur S3ahnhof§hnde hinauäbampfte. fRübiger Befanb fich
in einem jener fieberhaften 3uftänbe, in betten man feine
©ebanfen gan,} unb gar nicht ju fantmein berntag, unb
too man, nicht toiffenb, toaä mit Einem gefehlt, iu
ftumpfer ©leidjgiltigfeit ba§ Setoufstfein ^alb Oerloren
hat. Er hatte nur ba§ unBeftimmte ©effihl, baji er ber
unglüdlichfte fütenfeh auf ber Söelt fei.
2)er Süormunb ^atte ihm in feiner DrbnuttgSlieBe aut
SIBenb Oorher fogar bie §ahrfarte gebradjt, eine fold^e
^toeiter klaffe, benn bie <£>errlid)feit ber erften mufjte ein
Enbe nehmen. 3)a fafj er benn jejjt atoifdjen einem
fchnardjenben alten |>ertn jur Rechten, einem hnftenben
unb fpudenben jur Sinfen, gegenüber brei jüngeren ßeuten,
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9?ot)eKe oou St. ©. o. Suttner.
139
ohne Steifet ©efdl)äft8reifenben, benn fie fptacben öon
lieber», ÄBein* unb Stmbpreifen uub erfüllten bett Kaum
mit beut ätjenben Kampfe ihrer SSirginiacigarren.
9tad§ unb nach tarn er aunt 33etouf$tfein, bajj btefe Slrt
^u reifen für itjn unerträglich fei; baä ununterbrochene
©efebtoät} ber Slnberen begann itjm au bie Keröen au
geben, ba eä ihn in feinen eigenen ©ebanleit ftörte; über»
tjaupt füllte er fi<b in feiner unglüctlidjen Stimmung
unter biefen fffrentben noch fdjlimmer baran. frier unb
ba batte ber ©ine ober ber Slnbere febon einen neugierigen
23litf herüber getoorfen. S)iefe beobaebtenben SBtidfe toaren
ibnt läftig, toeil er fi<b in feinem Stotze Perlest fübtte;
er meinte, bie ßeute müßten auf ben erften 33tic£ feine
ganae ©efebiebte erraten unb abnen, bafj ba ein „herunter»
gefointnener" Slbeliger mit ihnen fuhr. 2)aau gef eilte fid)
auch nodj fcbliefjticb ber ©ebanle: „Söentt Mcb Sugrib
hier fäbe! 2Ba3 müjjte fie bon bir benten!"
SJiefeä törichte Schamgefühl tourbe f<bliefjlicb fo ftarl,
bafj er auf ber näcbften Station, too länger gehalten
tourbe, auSftieg unb aur $affe eilte. „3cb bitte, toiebiel
ift auf eine ftabrlarte atoeiter Älaffe nach 3üri(b barauf
au aabfcn, um erfter an fahren 1 ?" frug er ben Beamten,
»^ünfaebn ©ulben."
©r aog bie SBörfe unb legte ben betrag btn. So,
ie|t fühlte er fi<b erleichtert, al§ er auf ben Schaffner
aufdEjritt: „fraben Sie ein ©oupe erfter klaffe frei?"
©in rafeber 33lid be§ Gefragten belehrte biefen, bafs
er mit einem „Äatmlier" au thun habe, er griff fomit
höflich an bie OT^e unb öffnete eine üHjür : „.frier, bitte."
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140
$er SBotmunb.
„aOÖottcn Sic auch fo gut fein, mein ^mnbgebäcf,
baS — baS auä SSetfe^en in bie atoeite bort gegeben
toorben ift, herüber au bringen?"
„Sogleich."
9ladj einigen Minuten !am ber fDtamt aurfief unb brachte
bie £af<hcn nebft 5piaib unter. „So, bitte einaufieigen."
9?übiger tonnte nicht umhin, bem gefälligen ^Beamten
einen ©ulben in bie |>anb au brüdEen.
„S)anle beftenS, -fperr ©raf."
S5er „©raf" that mohl, unb auch ber fd^tüeKenbe Sifc,
auf bem er ftch iefct hinftreefte; ein erleichtertes „2lh!"
tarn aus bolter SBruft.
9tuit fonnte er ftch ungeftört feinen ©ebanfen hingeben,
unb augenblidflidEj flogen fie nach bem Crte aurüdE , beit
er laum bor einer Stunbe bertaffen hatte. ©rft je^t fanb
er bie richtige Stimmung, um bie ©rlebniffe bon geftent
im ©eifte an ftch boriiberaiehen au taffen, beim als er
bott feinem SlbfdhiebSbefucbe nach |>aufe gelommen toar,
hatte er fogteidtj aix’S $adEen gehen mitffen, unb ba§ hatte
bie Stunben auSgefüttt, bis ber Sormunb erfchien, um
ihm bie testen SBerhaltungSmafjregetn au erteilen.
©in furchtbarer 2Jtantt, biefer SSormunb! ©igentlich
hatte er allen ©runb, ihn au halfen, ben UnglüdEäraben,
ber mit feinem erften Auftreten einen böHigen Umftura
in ben bisherigen ruhigen 33erbaltniffen tjerborgerufen
hatte. SlbenbS toar er noch mit allerlei guten 9tatb s
fdjtägen gefommen. „#ier, atoeihunbert ©ulben, bie ich
bon deiner Sßechfetfchulb abgeljanbett habe ; geh’ fparfam
um bamit, betraute biefe unter Umftänben bebcutenbe
PigitistfLji iWigle
SfooeUe oon 91. ©. o. Suttner.
141
Summe als einen 9iothpfennig, falls S)u franf unb eine
■Seit lang arbeitsunfähig toerben follteft." 2 )ann: „93er=
toahre biefen Srief gut; er enthält ein paar @infüh=
rungSaeilen an einen $reunb, bem i<h fd^on Por mehreren
2 agen gefchrieben h^e, unb ber 2 )ir behitfli(h fei« toirb,
eine Stelle 3 U ftnben." $5er Umfchlag trug bie Slbreffe :
„^errn Sßrofeffor 3Jterj in .Sürich-" Sdjliefjlidj ttoth bie
feierliche Ueberreichung beS DieifebilletS mit ber Semer*
fung, bat Pon morgen an ber erfte Schritt jur Setretung
beS ÄreuatoegeS gemalt toerben müffe. Söenn ihn fett
ber Sormunb fälje, toie er ba in ber erften JJlaffe lag
unb eine ber lebten DtegaliaS raubte, bie ihm geblieben
toaren! 2llj, jum Teufel mit bem Sormunbe! SOßaS
brauste er an ihn au benlen , too 3«nanb gana SlnbereS
auf Grinlat toartete!
Gr gab jtch ein paar Stunben lang feinen £räunte=
reien hin, bann raffte er ftch auf, um auch bie 3 u=
funft ein toenig in’S 9luge au faffen. SöaS mit ihm in
Zürich gefchehen toürbe, tourte er abfolut nicht, aber er
hoffte, ba| ber Stamt, bem er anempfohlen toar, alle
£ebel in Setoegung fe^en toürbe, um ihm eine paffenbe
unb einträgliche Stelle au Perfdjaffen.
|>atte er bodj fchon öfters gehört, bat „biefe 9tepu=
blifaner" burchauS leine Slriftolratenfreffer feien, im (Segen»
theil: Stubenheim’S fetter toar beifpielstoeife inSlmerila
getoefen, unb bort hotten bie groten ©elbpropen um bie
SBette ben Umgang mit bem „Saron" gcfucht, um ihm
au dhven prächtige (Saftmähler, Sätte unb Soireen au Per»
anftalten, ja Siele Pon ihnen foUten in Seto=9)orl auf
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142
2>er SSormunb.
iljren Söagenfd&lägen SCßappen eigener ©rfinbung unb S3er=
leiljung führen. Sn ber ©dfjtoeia toar e§ bermuttjlid& nidjt
tote! anberS, alfo ftanb au ertoarten, bafj ein ©raf Oranten-
ftein nidjt, toie ber SSormunb gemeint, angetoiefen fein
merbe, um tärglicfjen 2ot)n au bienen.
S)er ©djaffner rifj iljn au§ feinen ^Betrachtungen, in=
bem er berfiinbete, bafj man ber 5Jtittag§ftation natje fei ;
ber Slufenthalt bauere atoanaig Minuten, um ben Steifen-
ben 3eit aum ©peifen au geben, toenn aber ber $exx
©raf befehle, fo fönne er, ber ©ctjaffner, ein ©ebedt in
ben SCßagen bringen.
Stübiger fürchtete , fidj ettoa§ a u bergeben, toenn er
biefen Slntrag nicht annähme, unb fo erfuctjte er benn ben
SJiann, ba§ Stößige au beforgen unb auch eine ffflafdfje
SSorbeaur au befteEen.
©r afj mit Stppetit, toenn auch bie 3ubereitung nicht
ber be§ @ranb=^otet ober ©adjerä gleich tarn; ben S5or-
beaii£ befielt er bei fich, um nach unb nach bie ^lafctje
3 U teeren. SDie Seche belief fich auf hier ©utben unb
einige Äreuaer; felbftberftänbtich überliefe er ben Steft ber
Srfinfgutbenbantnote bem gefäEigen SJtann, ber ftctj feiner
fo freunblidh annahm, unb aum SDanf frug berfetbe ben
Ijerrn ©rafen, ob er für itjn einen 5piafe im ©djlaftoagen
bormerfen taffen folte.
Sept tjiefj e§ fcfjon auch au biefer Sluälage noch Sa
unb Stmen fagen; biefe Steife toenigftenS foEte noch in
boEer Söequemlid^feit unb Söeljaglicfjfeit gemacht toerben,
toenn audfj ein Xtjeit be§ „StothPfennigä" babei ftart in
SJtitteibenfchaft geaogen tourbe.
9?ooeHe oon 91. @. o. (Suttner. 143
Dev ftarfeSBein toecfte bie SebenSgeifier; Diübiger fa^
gufehenbS feinen 2Jtuth unb feine Hoffnungen toachfen; in
feinem tljeilS angeborenen, theitS aner^ogenen Dünfel er*
ioartete er, halb in feinem neuen JöeftimmungSorte oben*
auf 3U fchtoimmen. Söarum fottte er nicht 311m 33 eifpiel
in ben Dienft jenes «Staates treten, um in tftr^efter 3 eit
einen angenehmen unb einträglichen ^often 3U betteiben,
etwa im auswärtigen 9 lmte, ober als 23 eboHmächtigter
ber IRepublif im 3 tuSlanbe. Diefe Siepublifanet mußten
fidh ’3 ja jur Öhre regnen, einen ©tafen ^ranlenftein jttm
Vertreter 3U haben.
©r muffte eben nicht , Welcher Sörief ihm borauSge*
gangen War.
„Sieber 3 ?reunb ÜJler^ !
9 llS Du mir bor 3toei iahten Deinen Wettmübeu
Neffen fanbteft, bamit ich in unferem teid^ther^igen Söien
einen Sebemann auS ihm mad£>e, fchriebft Du mir, baff
Du 3U ©egenbienften jeberjeit bereit feieft. Der 9 lugen*
blidf, mir einen ©egenbienft 311 leiften, ift nun gelommen.
Der junge fDiamt, ben ich 3 >« in’S HauS fenbe, ©raf
fjranlenftein, ift mein OTnbel, ein iöfirfchchen bon 3Wei=
unb3toan3ig Sahnen, baS infolge ber bebauernSwertheu
Schwäche feines CheimS bereits mit ben Daufenben herum*
ge wirthf «haftet hat» tote ber SBirbelWinb mit ben bürren
SSlättern.
So ift er benn jept glücflid) am ©nbe angetangt, unb
eS heifct hüben. ©r befitjt Wohl ein ©infontmen bon
hunbertfttnftmb3toau3ig ©ulben monatlich, baS genügt aber
nicht, um hier ftanbeSgemäji 3U leben, unb er fott baljer
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144
2) er 33®nmmb.
arbeiten, um ficfj feine 3u!unft au ftd&ern. 2)u mirft
hoffentlich etmaS SßaffenbeS für ihn finben, eBenfo mie ich
ertoarte, bafj er Bei euch Bon feinen etmaS h°<httaBenben
$been geteilt toerben mirb. $<h Bitte 2)idj baljer, gleich
Bon Anfang an ben ©rafen Bei ©eite au laffen, ihn als
ftmplen Sfrantenftein au Behanbetn unb bemgemäjj unter=
auBringen.
2)ich ^ier unb ba um Sadtjridjt Bittenb S)ein
£ollbach."
Sübiger liefj jtch, am 3iele angelommen, nach einem
erften ©aft^ofe - fahren- SDort machte er erft forgfältig
Soilette, elje er feinen ©ang nach ber Söotjnung beS
ffJtanneS unternahm, mit bem er Bon nun an in 3}er!etjr
treten fotCte.
5$or einem Keinen 4?äuS<hen angelangt unb Bon einer
2)ienftmagb empfangen, überreichte er biefer baS Schreiben
mit bem Gebeuten, bem |>errn $ßrofeffor feinen SBefudf)
au rnelben.
Sach furaer 3eit !am fie aurücf unb führte ben S5e=
fudfjer in ein Keines ©emacf), baS in ber SJtitte einen
ÜEifdfj unb an ben SGßänben ©tüljle neBft einem Ärebena*
tifdfj hatte» fomit ohne .Btoeifel als ©peifeaimmer biente.
„©o, ©ie foKen hi« nur märten/' Bebeutete ihm bie
©dfjmeiaerht. „S)er $err ift noch Befchäftigt."
Sun, auBorlommenb mar ber ©mpfang gerabe nicht.
Sehnlichen SBefdfjeib hatte Sübiger feinem Wiener gegeben,
menn biefer gemelbet, baff ber ©chufter ober ber ©chneiber
braufjen fei.
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I
Stooelle oon S(. @. o. Suttner.
145
( 5 t fanb Stufje genug, ben tangtoeitigen fteifen Staunt,
in bem er fafj, einer einge^enben ^Beobachtung 3U unter*
3iel)en unb au® bemfelben auf ben Setoobner 3U fdjlieficn;
eine Siertetftunbe berging, unb nod) eine, unb fdjon be=
gann ber Slnföntmling ärgerlich ba® ©emactj 3U burct)=
ineffen, ermägenb, ob er nid§t lieber geben unb ein anber*
mal botfprecljen fotte, al® ju feinen «ftäupten ba® buntpfe
©epolter bon gerüdten TOöbetftiicfen, bann Stritte (jötbat
mürben. hierauf fnattie eine Ütreppe, unb bie übür
mürbe geöffnet.
©in SJiann, ettoa im Sitter bc® Sormunbe®, trat in’®
3immer. ,,^err Sfranfenftein, nicht mabr 1 ?" fagte er in
etma® gemeffener Slrt.
Siübiget ^atte Suft, ben „©tafen" jur ©eltung 3U
bringen, aber er begnügte fiel), fcfjliefjtidj 311 fagen: „3«
bienen."
„Sie fudjen eine SlnfteKung, mie mir mein $reunb
fcfjtteb. 3 )a® ift Ijeutautage leine leiste ©adtje, too e®
mehr SSittfteÜer al® freie $täpe gibt."
$E>a® mirfte mie ein fatter Sßaffcrftrat)t auf bie ( 5 r=
martungen, bie fxc^ Stiibiger bon feiner Stufnabme ge*
macht batte.
„$ier, in 3üricb, ift für ben StugenbUtf nidht® 311
finben," fuhr ber Sßrofeffor fort. „ 3 )odh ift e® mir ge*
lungen, bon einem Sefannten in Sern eine 3 ufage 31t er=
mitten : .jpert ftrifdh, einer ber bebeutenbften ©rof bänbler
jener ©tabt, bat fich bereit erflärt, ©ie in fein ©omptoir
auf3uneT§men. Sefitjen ©ie einige .ffenntniffe in ber .fpanbet®*
miffenfdhaft ?"
«ibliotfitf. Oabi'fl. 1889. 33b. X. 10
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146
3)er 33omtunb.
3fa, glaubte benn ber gute 9Jtann, baß in Söien bie
Äabaliere au ©ttenreitern in bie Seßre gingen 1 ? „3dj ßabe
an ber Uniber jität ftubirt," fagte er in einigermaßen ent=
rüftctem £one, „unb midj nie um baS |janbel§facß be=
lümmert, außer menn icß für midj Osinfäufe au machen
ßatte."
„(So! 2)a§ ift bebauerlicß," berfeßte ber Sßrofeffor feT^r
rußig, „bann toeiß icß nicßt, ob ©ie $errn ffrifcß ent=
fprecßen toerben. 33ietleicßt mirb eS mögticß fein, baS
Sßerfäumte nacßaußolen, toenn ©ie ficß fütüße geben unb
bie freien ©tunben, bie übrigens !arg bemejfen fein bürften,
aum ©elbftunterricßte bermenben. 2öie gefagt, icß müßte
für ©te augenbtidticß feine anbere Untertunft; audj ßabe
id) bem betreffenben .jperrn umgeßenb bie 3nfage gemacßt
unb außerbent für ©ie eine 9Jtietße bort abgefcßloffen :
ein 3intmer bei einer braben alten ftrau, ber Söittme
beS einftigen ßieftgen UniberjttätSbienerS. 3hnmer unb
5ßenfion foften monatlicß ßunbertatoanaig Oranten, ©te
merben ermartet; mann motten ©ie abreifen?"
„©onft märe mirflicß nicßtä — SeffereS an finben?"
frug 9tübiger unfcßlüfjtg.
„S5effere§? ©eien ©ie überaeugt, junger 3Jtann, fo
utancßer ©tettefucßenbe märe glüdflicß, in jenem <§aufe
aufgenommen au merben. ^err ftrifcß macßt nur mir au
Siebe eine 5lu§naßme, ba fein 5ßerfonat eigentlich boU=
3 üßlig ift. ßrfunbtgen ©ie ficß ßier nacß bem ©efcßäftc,
man mirb ©ie überall beleßren, baß baffelbe au ben erften
be§ Sanbeä geßört."
,,©ut, fo mitt ich nticß morgen auf ben 2öeg tnacßen."
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Wooette uon 91. o. Suttner.
147
„Schön, ich Werbe Sitten nod^ ein paar @inf übrungS»
aetlen fenben; Wo Wohnen Sie?"
„ 3 nt $otel 33eltebue."
„@i ber SEaufenb ! 2>aS ift Wobt ber bornebmfte, ober
auch ber tbeuerfte Slufentbalt. Wun, baS ift 3b« Sache,
ich glaube Sie aber bodj aufmerlfam mailen 3 U müffen,
bafj eS ratbfam fein Wirb, in S3ern biefen erften ®aft»
böfen fern ju bleiben; fdfjon 3 b*er @omptoirgenoffett
Wegen."
„Wein, nein, idj Werbe mich bort borauSficbtticb mit
ber SBobnung begnügen, bie Sie fo freunblidfj waren, mir
3 U beforgen."
„SltterbingS träten Sie gut baran. 3cb Will ©ie nun
nicht länger aufbatten, e§ bürfte Sie ja interefftren, fidf)
unfere Stabt näher an^ufeben. S)a ich febt befebäftigt
bin, nerabfdjiebe icb mich lieber jefjt gleich bon 3 bneit
unb erfudje Sie, mir gelegentlich 3 U fdjreiben, Wie bic
SJittge geben. Wtein 23riefcben an |>errn Srifdb Witt ich
3 b«en beute noch jubmmen laffen." —
9lm fotgenben SJtorgen war Wübigcr wieber unterwegs,
um nach Wenigen Stunben an feinem oorläufigen giele
anjulangen. S)ie§mat tief* er fidfj fogteicb nach ber S 8 e=
baufung ber fjrau SGBatterli fahren.
dr rnufjte fidf) fdjon fetbft bequemen, fein .£janbgepädf
bont SBagen 3 U nehmen unb hinein 31 t tragen, benn Wie=
rnanb bot ihm bierau feine 3)ienfte an. 35ie hauSWirtbin,
eine behäbige Sitte, empfing ihn mit ©önnermiene unb
meinte febmunsetnb, bafi ba§ Sintnter febon bereit fei.
3)ajfetbe War ein Heiner Waurn mit einem einigen
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148
$er 58orntimb.
Ofenfier unb fo befdjräntt, bafj gerate eine 23 ettfteEe, ein
©djran!, ein £ifd) nebft brei ©tüljlen unb ein SBafcIjtifdj
barin 5 piaij Ratten. 9 ln bem fünfter meifje ©arbinen,
an ber Söanb ein ©piegeldjen — bag mar aEer Sujuä,
ben eg bot.
Siübiger l)atte 9 )tülje, ein ©efüljl ber ©mpörung 31t
beljerrfdjen, alg er über bie ©d§meEe trat. 9 Jtifmutl>ig
toarf er fein ©epäd auf bag S 3 ett unb ging an’g fünfter,
um trotjig in ben büfteren |>of tfinab 3U ftarren.
„Sdj miE Sinnen ein menig $euer anmadfjen," fagte
0 ?rau Eöatterli gutmütig. „Stber menn ©ie effen moEen,
müffen ©ie fdjon in bag ©aftljaug gelten ; id§ mufete nid^t,
bafj ©ie ^eute fomrnen mürben."
Sa, ja, nur tjeraug aug biefem Sodje ! SDag mar $Ee§,
mag er für ben Sfugenblid Oerlangte.
Siadfjbem er biEig, aber fdjtedjt gegejfen, irrte er eine
Seit lang 3iellog burdj bie ©tragen. @g mar iljm fo
melj unb beängftigenb 3U 9 )tutt)e, menn er badete, bafj
mit bem üebertreten jener ©djmeEe ein neueg, erbärm=
lid§eg Seben feinen Slnfang nehmen mürbe. 3 )arum fdjob
er ben garten Slugenblicf Ijinaug, um red£)t fpät, unb nadfj-
bem er meljrmalg feljl gegangen, feine Söeljaufung auf=
3ufucfjen.
„$err ^ranlenftein," empfing il)n 0*<tu Söatterli im
SEone beg 33 ormurfg. „Unt 3eljn Uljr mirb 3ugefdjloffen
unb in ber Stegei nidjt rnelfr geöffnet. Sd£) bitte, ein
anbermal ben |>augfdjlüffet mit3unel)men."
@r nafjrn bag fiidjt in ©mpfang unb ftieg bie £rep£e
3U feiner Kammer hinauf, ohne ein Söort 311 ermiebern.
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s J?ooeHc oott 31. ©. u. ©uttncr.
149
s Jtoch lange blieb er am £ifd)e fitjen, in ’8 Jdeere ftierenb
uitb grübelitb. S5ann ging er enblidj au 33ett, ohne aber bie
erhoffte Stube 31 t finben ; eilt (Befühl ber SJtutbtofigfeit, bcr
33 cr^toeif tung überfiel ihn plö^tid^, eine 33eraagtbeit, gegen
bie er bergeblich anlämpfte, benn tocnn er auch bie Raufte
baßte unb bie 3 äbne aufeinanber bifj, fo rannen ihm bod)
unaufbaltfam bie bitteren 3 öb rel t über bie Söangen herab.
SJtit bem anbred&enben Xage legte ftcb ber ©türm in
feinem Innern; er fefjte jtcb im 33ctte auf unb breite
eine Zigarette, um bann bie 25inge toieber mit ettoaä mehr
SJtutb in ’8 Sluge au faffen. Um fiebenUbr erfdjien fjrau
SBatterli mit bem ^rühflüdf.
„ 2 Bie, ©ie finb noch im SSett ? 3 <h badete, ©ie feien
bei -fperrn Sfrifcb angefteßt unb — "
„ 3 <h bitte, beruhigen ©ie ftcb," unterbrach er fie
ärgerlich. „SBenn ich irgenbtoo angefteßt bin, toerbe ich
toohl felbft toiffen, um toelcbe ©tuube ich mich bin 3 «
begebeu höbe."
„Shtn, nun, ich nteinte nur — "
„3ch staube 3 buen, bat* ©ie ettoaS meinten — aber
ich nmji ©ie ein* für aßemal erfucben, meine 2 lngetegeu=
beiten mir p überlaffen."
„ 4 ?err ^ranlenftein, ich batte in meinem Seben mit
fehr bieten jungen Leuten au thun; mein Sßaitn toar
Uniberfitätgbicner unb erfter Sßebeß — "
„35 aä toeifj ich, tfrau ßöatterli, aber ba§ berechtigt
©ie noch nicht, 3 b*em Sftietber gegenüber ben Rebelt au
fpielen. Ober bießeicht ift e§ 3b ne n lieber, ich fudje mir
eine anbere SBohnung."
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150
'Ser ^ormunb.
©ie fteßtc ben Kaffee auf ben £ifd& unb berliefc be^
leibigt bie Kammer.
SBorberljanb befdljlofj er, feine 2 )roljung nidjt au§=
aufüfjren, bemt ba ftdfj 5fkofeffor ÜJler^ in feinem Flamen
für einen 9)tonat berpflidfjtet ^attc, fo märe ber 3 in§ oljne
3 toeifet berf alten getoefen, unb ba§ Ijätte bodfj eine arge
23refdje in feine befdjeibene $affe geriffen.
©egen neun Ufjr madjte er fid^ auf ben 28eg nadj bem
Comptoir, um -fperrn ^rifd§ bon feiner 2 tnfunft 31 t benad}=
richtigen. @r betrat einen grojjen, eigentfjümtidl} naclj ben
aufgefpeidtjerten Söotttoaaren buftenben 9taum, too mehrere
Seute befdjäftigt toaren, grofje Giften au berpatfen unb au
bcritageln.
2 luf feine 3 ?rage toieä man ifjm eine üLtjür, bie in
ein jjtoeiteä ebenfo grofjeä ©elajj führte, too be§ trüben ’
£ageäticf)te§ toegen bie ©aätampen ange^ünbet toaren.
<f?ier befanben ftcfj atoei ffteitjen bon ©oppetpulten, über
toetdje jüngere unb ältere ßeute in entftger Arbeit gebeugt
fafjen. 2 lm (Snbe bemertte er einen ©ta§berfd£)Iag, in bem er
ba§ SlrbeitSfabinet be§ @Ijef3 bermutljete. 9tiemanb beaefj*
tete iljn, at§ er borbeifcfjritt; nun tourbe aber bie Stjür
aum Söerfdfjtage geöffnet unb ein ältlid^er fütann trat IjerauS.
„(intfcfjulbigen ©ie," frug ber Slnfömmting, „ift J£>err
9 -rifd^ antoefenb?"
„^atoofjl; ©ie toünfcfjenr
„ 3 >dj tjabe Ijier ein ©cfjreiben für ifjn abaugeben."
2)er Slnbere nat>m ben SBrief be§ 5profeffor8 in ©mpfang
unb berfdfjtoanb in ber ©ta§tajüte, um naefj toenigen fÖtinu»
ten toieber an erfdfjeinen.
Siooelle oon 21. ©. u. Suttner.
151
„Sitte eiitpfteten."
Milbiger getjordjte ber Slufforberung unb fattb fid) nun
einem beleibten ^errn mit feljr rotljem ©efid&te gegenüber.
63 fiel bemfelben nidjt ein, fid) ju ergeben, ober bem
gfremben einen ©tuljl anaubieten, toie e3 bodj fRübiger
ertoarten p bürfen glaubte, fonbern er lernte fid) breit
in feinem 2lrmfhd)l gurüd unb mufterte ben Slnfömmling
feljr genau; bann fagte er: ,,©ie finb alfo ber |>err
granfenftein'?"
Siübiger öerbeugte fid^ bejaljenb.
„Sprofeffor Sttera, bem idlj au3 perfönlidfjer ©efäHigfeit
eine ^ufagenbe Slnhoort gegeben Ijabe, bemerft Ijicr in
feinem Sriefe, baf* ©ie eigentlich in «gmnbelSfadjen nod)
feine Äenntniffe befifcen," fuljr ber ©rofjljänbler fort, mit
ben fetten Ringern ber redjten .fpanb auf ben Sifdj tront=
ntelnb. „Sa3 ift freilich fdjlimm, benn idj braudjc
Seute, bie fidj im ©efd^äfte hoch toenigftenS ettoa3 au3=
fennen; ljm, ljm." 6r brüdte nadjbenflidj bie Unterlippe
atoifdjen Saumen unb Zeigefinger aufamnten. „Sta, idj
toitl’S txerfudjen; müffen fidj eben für einige Zeit mit ber
©teile eine3 SolontärS begnügen; möglicher SBeife fauxt
ja bie ©adje nadj unb nadj geljen. Stt ber Siegel bezieht
ein folcfjer fein ©eljalt, ba aber «£>err SJtera betont, bafj
©ie bebürftig feien, fo mag eine 2lu3naljme gemalt
toerben." Ser 6ljef brüdte an einen Selegrapljenfnopf,
unb halb barauf erfchien berfelbe Seamte, melier Stübiger
angemefbet hatte.
„Sa3 ift |>err Malier, mein ^rofurift, unb 3tljr un=
mittelbarer Sorgefetjter," toanbte fich ber @rofjfjänbler an
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152
$er Sßormunb.
bett jungen s Dtamt; hierauf pnt Slnberen : „$err .§aEer,
idj fteHe S^ncit Ijier $errn ftranlenftein bor, ber bon
morgen an feinen $ienft antreten fann. ©eijen ©ie i^n
auf bie Sifte als Volontär mit fünfzig grauten monatlidj
SluSnabmSgebalt. ©o, junger 9Jtann, alfo morgen tönnen
©ie beginnen. 25ie ©tunben finb: bon adjt bis jmölf
llljr JBurmittagS; bann, nach einftünbiger 9JtittagSpaufe,
bis fedEjS; in 9luSnabmSfällen Reifet eS mobl audj bis
fieben ober acht ll^r bleiben. 33efleifjigen ©ie ficb ftrenger
!pün!tlicb!eit unb riiften ©ie ficb mit (Sifer für bie ©acbe ;
je früher ©ie ftd^ bie notfjtoenbigen $enntniffe aneignen,
um fo beffer für ©ie. 9luf Söieberfe^en."
2IIS 9tübiger baS ©omptoir bertieb, tjörte er noch beu
Gpef pm ^rofurafü^rer fagen: „(Sr berfte^t nodj gar
nichts bom ©efebüfte; eS gefdbiebt auS reiner ©efälligleit
für einen SBefannten, bab icb ipn jur $robe anne^me."
fßun, baS ging ja bortrefflidj ! ©nabenmeife aufgeuom«
men mit fünfzig Uranien fJJtonatSgebalt, nicht biel mehr,
al§ er feinem ©room gegeben Ijatte. 2Bo maren feine
bräunte, feine (Srmartungen, bab man ben Ijodjgebomeu
•fperrn mit (SntbufiaSmuS aufnebmett mürbe! (Sr begann
jept allmäpig einpfeljen, bab man hier fepr toenig fjebet*
lefenS mit ibm machte, nicbtSbeftomeniger moEte ftcb aber
fein 2)üu!el nodfj nicht recht in bie 33ert)ältniffe fügen.
33ieEeicbt §atte ihm ba ber SBormunb einen ©treicb ge*
fpielt. S3om 5Profeffor an Ratten ihn bis jept 2lEe als
^Bürgerlichen bebanbelt, eS mar fomit mögtidp, bab eS
Sener für überflüfftg gehalten, ipn als fütitalieb ber
böcbften Söiener Slriftolratie einpfübren.
\
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Aooetle üon A. @. t>. Suttner. 153
3it $aufc angelomnten, fefctc er ficb alfo fogleidb au
bett üTifdj unb fdjrieb an ^tofeffor SJtera, bafj er amar a»t=
genommen fei, ba{j er eS aber bocb traurig finbe, toenn
ein ©raf 3?ranfenftein nichts löeffereS crrcid^ett !önne, als
eine SBolontärfielte in einer Söollbanblung, mit einem
©nabengetjalte, baS nicht einmal auSreicbte, um fi<h fatt
au effen.
Am näcbften SJtorgen mar er übrigens pfinftlidf) in
feinem Amte, um bon $errn patter bie nötigen Au=
meifungen unb Anleitungen au erbalten, ©eine Arbeit
beftanb barin, ^Briefe, melcbe ber @bef mit SBleiftift auf=
gefeijt batte, in’S Steine au fdjreiben.
AIS er AbenbS nach «f?aufe !am, mübe uttb mie ge=
räbert bon bcm ununterbrochenen ©iijen am 5J}ulte, fattb
er eine Anttoort beS SprofefforS bor; fie lautete einfach,
bafj bie Aufteilung feinen Äenntniffen entfprecbenb fei unb
bafc man in ber ©chioeia leinen Unterfcbieb amifeben einem
©teile fuebenben ©rafen ober ^Bürgerlichen madbe; 33eibc
feien angemiefen, auf gleidbe Söeife ibt 35rob au bcrbicucn.
5.
2>aS ©dbreibett beS 5ßrofefforS batte ibm fd^liefelidf>
bie Augen geöffnet, je^t mufjte er alfo bodb, mie er barau
mar. löon £ag au Xag febmanb ein ©tücfcben £>ocbmutb
unb ©itelfeit babin, unb er begann immer mehr au fühlen,
bafj er bisher bon Anficbten befangen getoefen fei, bie er
nur mit einem febr Keinen Zfyilt ber 99tenfcbbeit gemein
batte. Sßeber fein unmittelbarer SBorgefefcter, noch ber
@bef bebanbelten ibn anberS, als bie übrigen Angeftettten,
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154
$>er Sormunb.
bie mittbeflend eBeitfo biet trifteten, toie er, unb baßer
biefelben Siedete Beattfpruchett fonnten. Sa, oft erhielt er
Aufträge, toelcße meßr an „^auäfnedfjtäarBeit" ftreiftcn,
toenn e§ Äifteit jur 33aßn Bringen unb öon bort aBfenben
hieß, ober toenn irgenb ein SlBne^mer in ber Stabt
toiinfdfjte, baß man ißm SJtufter üBerBringe. 2)a mußte fid^
cBen ber Volontär ^erBeilaffen, hinter bem Safitoagen ein*
^equfd^reiten, ba§ SlBtoagen unb bie StufgaBe ju Beauf=
fidjtigen, ober bie 33tufterfarten borautegen, um bie 9luf=
träge be§ Äleinljänbterä in Empfang ju nehmen.
Slttmähtig getoöhnte er ftdh auch an folcße SHttge, unb
e§ ging ein 2Jionat baßin, oßne baß in feinem einförmigen .
SeBen eine SSeränberung eingetreten toäre. Sßünftlicß toar
er äur fefigcfeßten Stunbe im ßomptoir, pünftlidß im
töett, SlEeS ging nach ber Minute, unb bie Söitttoe fonnte
mit 23efriebigung Behaupten, baß #err granfenfiein ein
recht Braber junger 9Jiann fei.
SCßaS nun feinen Srobljerrn Betraf, fo toar biefer mit
ben Seiftungen feines 33olontär§ nur mittelmäßig au=
frieben. 5Der junge Sftann fcßtoeBte tßeiltoeife in ben
SBolfen, toie ber ßßef entbecfte; er faß oft in ©ebanfen
bertieft iiBer feinem ^apierBogen, fraßte allerlei Schnörfet
auf bie Unterlage, auto eilen auch ein geßeimnißboIteS SGßort
ober biefteicßt einen tarnen; baneBen toieber 3lnfangS=
geilen bon ©ebidßten, unb fo laut eS öfter bor, baß bie
SSriefe meßr 3^it Brauchten, at§ notßtoenbig toar, ober
baß fie fehlerhafte StngaBen enthielten, toa§ unter Um»
ftänben fehr fcßtimme folgen ßaBen fonnte.
©ineä *0torgen§ trat ber ßßef noch röther at$ getoößn»
*1
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Slouelle oon Sl. ©. o. Suttner.
155
lid) aus feiner Sabine ; er hielt ein Rapier in ber ^attb,
büdte forfdjenb butdj ben StrbeitSfaat unb tief bann mit
überlauter Stimme : „SBer Ijat biefe (Sfetei gemalt? 333er
hat an bie ©ebtüber gimmetmann gefchrieben?"
Sille blidten auf, auch Stilbiger, ber ebenfalls fetjr rotlj
mürbe unb bann ermieberte: „3$ b a ^ e bor fünf £ageu
einen 33rief an jene Sirrna abgefanbt."
|>err ffrifd) fd^ritt auf bie Stelle au, mo fein Volontär
fafj, fchleuberte ihm baS SBlatt bin unb fdjric: „9tun,
baS mag eine fdjöne SDuntmheit gemefen fein, bie Sie ba
au Fabier gebracht h^en! fefen 3tntmort
unb — "
„$err £$frifcb, icb mufj bitten — " unterbrach i$n
Stübiger mit bebenber Stimme.
„6i toaS, Sie brauchen gar nichts a u bitten! 3Q3aS
ich bon Sh^en berlange, ift Slufmerlfamleit unb gute Slrbeit.
Sabberment, ich bezahle bafür unb beanfbruche baher eine
entfbrechenbe ©egenleiftung ; ich b a & e fein (Mb bap, um
cS für unbrauchbare ßeute hiuauSaumerfen."
Stübiger fühlte bie 33lide alter Uebrigen auf fich ge=
richtet unb gitterte fo bor Erregung, bor gom, bafj er
fich ®etoalt anthun mufjte, nicht bem SJtanne ben nä<hft=
beften ©egenftanb an ben $obf au metfen.
„S)a lefen Sie bie Stnttoort fetbft!" henfehte ihn ber
(Hjef an* „3$ »erbe nicht llug barauS." S)amt ging
er grottenb in fein $abinet aurüd.
Stübiger martete ein baut HJtinuten, bis er fühlte, bafi
er bie Sbrache mieber gemonnen, hinauf ging er gerabe*
megS auf ben 33erfchtag au.
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156
2)er Sßormunb.
„Alfo ttms ift ’S?" frug ber eh c ?* ber glaubte, bafj
bcr Anbere ben Srrtfyum aufauflären laut. „SSaS haben
Sie in Sfhrent SSviefc — "
„53<h fomme nic^t tu bicfer Angelegenheit, |>err ifrifch,"
unterbrach ihn Aübiger. „3<h möchte bor AEent ben
Stanb$mnft flat fteEen. (Sie haben mich gröblich bc=
leibigt, ich bin ebelmann unb !ann eine foldje SBefcbimpfung
nicht auf mir ruhen taffen."
„Sie ftnb ebelmann? Sagen Sie mir gefäEigft:
habe ich Sie als ebelmann ober als Schreiber in meinen
SHenft genommen? Sinb Sie in elfterer Meinung be=
fangen, fo tnuf} ich ertoiebern, bafj ich Irin gefröntes ^au))t
bin, um mir einen folgen 2u|uS ju geftatten, für alle
ffäEe bin aber ich ber |)err in meinem <£>aufe."
„25aS beftreite ich nicht," berfehte Aübiger, nach
ringenb. „AEein eS gibt getoiffe fonbentionelte @efefje,
toelchen zufolge man fich für eine 33eteibigung au ber=
anttoorten hat."
„Aha, fo ift baS gemeint!" 25er eifef brüefte an ben
Xelegrabhm , unb ber Sßrofurift erfchien fogleich in ber
£hür. ,,^err 4>aEer, mein £>err Volontär, ber nebenbei
©belmann ift, fühlt fich in feiner ehre gefränft, toeit ich
mir erlaubt habe, feine Aachläffigfeit ju rügen. 6S fcheint,
bafj er ertoartet, ich toerbe atoei 3eugen fteEen, mit benen
bic feinen au berljanbeln haben, toie, too unb toann mir
uns fchlagen foEen. — Seien Sie fo gefäEig, mit ihm
abaured§nen unb ben Aamen auS ber Sifte ber AngefteEten
au ftreidhen. So, <£jerr ffranfenftein, Sie haben in meinem
eomptoir nichts mehr au fuchen. Abieu!"
HF* —
Diooelte oon 91. ©. o. Suttner. 157
„Vorerft tuitt ich 3 I;nen aber bod^ noch eine Seition
erteilen!" fuhr nun Diübiger ou|er fidj auf. „Sch toerbe - "
S)er Vrofurift nahm ihn Saftig beim Dlrme unb fCilfterte
ihm Begütigenb ju: „kommen Sie, ich Bitte; Betoeifen
Sie, bab Sie ein DJiann bon Vitbung finb." Unb er
^errte iljn mit fidj fort.
^Draußen angefommen, fagte er: „Saffen Sie bie @e=
fd^ic^te auf ftch Beruhen; ber ßljef ift eben manchmal jäh =
Sornig, eS toar nicht fo Böfe gemeint, toenn Sic ihm biel-
leicht auch bieSmat ©runb jur ünpfriebenl)eit gegeben
haben. Sch toerbe DttleS toieber in’S ©eleife 3U bringen
trachten."
„Sd} banfe Shtten, ,£jerr patter. Diur Sh nen 3« Siebe
lieb i<h wich abhalten, ben ungefchliffenen DJlenfdjen 31t
Süchtigen, toie er eS berbiente. Von meinem VleiBen ift
feine Diebe ; lieber berhungern, als baS Vrob eines folchen
Vienfchen ejfen." ßr padte heftig feine Sachen sufammeu
unb bertieb baS |>auS.
5 )a ftanb er alfo jefct auf ber Strabe. DWerbingS
fonnte bon Verhungern feine Diebe fein, benn toemt er eS
aud; berfdtjmähte, ben Dieft beS ihm sufommenben SohneS
Su nehmen, fo blieb ihm ja noch ber Dieft beS „Dlotfj*
Pfennigs" unb feine monatliche 3 ulage, aber auf biefc
DBeife fal) er fein Qfortfommen bor fid). ltnb toaS baS
Schlimmfte toar, er ntubte jugeben, bab er bem Dtnberen
bie (Gelegenheit 31t bem gansen Dluftritte geboten h a tte ;
fchon mehrmals toar er in ruhigen Söorten für fleine
Diachläffigfeiten gerügt toorben, bie baburch berfchutbet
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158
2)er SBormnnb.
morben maren, bafj er jtch nicht mit bem gehörigen ßifer
feinen Slrbeiten Angegeben Tratte. ©dhliefjlich mar e§ alfo
nicht fo unerhört, menn ber Kaufmann für fein ©elb eine
orbentlicfje ßeiftung berlangte, ingbefonbere ba er muffte,
baff eg Äiele alg ein ©lüd betrachteten, bei it>m auf*
genommen 3U merben.
ftrau Sßotterli mar feljr unangenehm überrafdjt, alg
ihr ber 5 JHether mittheilte, baff er entlaffen fei.
„ 3 )u lieber Fimmel!" rief fte bebauernb. „SDa haben
©ie einen fdjönen $often berloren; fo ein angefeljeneg,
bornehmeg <£>aug!"
ßr gab meiter leine Slntmort, fonbern ging fogleich
auf fein 3immer, um fßrofeffor 9Jter3 bon bem ©efdhehenen
Nachricht 31t geben. SOÖotjl geftanb er 3U, baff er nidht
ganj ohne ©djulb fei, aber hoch bellagte er ftch babei
andh bitter über bie rohe SBeljanblung, bie ihm 3U Slheit
gemorben, unb er bat ben ^rofeffor, ihm eine S 3 efdhäftigung
augfinbig 3U madhen, bie mehr feinem ©efcfjmacfe unb
feiner Sßorbitbung entfpräche. 2luch frug er ihn um Dtatlj,
ob eg nicht bietleicht beffer märe, feine ©tubien in 3üridj
fort3ufehen, um bann bietleicht bie SBeamtentaufbahn ein*
3nfchtagen.
S)ie Slnttoort lief* nicht lange auf fidj märten. S)er
fßrofeffor bebauerte, baff #err Sranfenftein einen mahr=
fdjeinlidh berbienten STabet in ber 2lrt eineg ßorpgftubenten
aufgenommen. 2luf foldhe 2lrt madhe man ftch nur tächer*
lidh unb gan3 unmöglich; menn bie ©efdhidhte in SBern
betannt mürbe, lönnte £)err ^rantenftcin fidler fein, überall
gefdhloffene 'Iljüren 3U finben. Gebern 2)ienfttjerrn ftänbe
Stooeltc »on 31. ©. b. Suttner.
150
fdjliefjlid? ba§ Stecfjt au, feine Stngeftettten au tabetn, unb
tuet bie unglüdtidje 9latur fjabe, fid^ nid^t fügen au !önnen,
ber müffe eben fefien, toie et fidj ofjne frembe SSeitjitfe
burcfjbringe. Sen Sdjlufi biefet Strafprebigt bilbete bie
9lufforberung , nadj Bfiridj a« fommen; e§ tterbe eben
bort ein gtofjeS .fpotel gebaut, unb bet SBaumeifter, ein
näherer SSefanntet beS SßrofefforS, fei beteit, ben jungen
9Hann anaunefjmen, toenn berfetbe ftc^ einbetftanben et=
Hüte, bie Sluffidjt übet bie Slrbeiter au fügten. —
Sa begann benn nun eine fieberhafte 21jätigfeit für
9iübiget. Ser Neubau, bet fdjon unter Sach ftanb, be=
fanb ftcfj eine aiemlidje Streife toeit außerhalb ber Stabt,
unb e§ fant öfter als einmal bor, bafj 9tübiger in einem
Sage ben Söeg hiu unb aurütf a^nmal au matten hatte,
benn nicht genug mit ber 33eaufftcf)tigung ber Slrbeiter,
mufjte er auch bie ^Jtateriallifte führen unb halb bieS,
halb jene§ auS ber 9ticbertage Traten, um eS ben Seuten
gegen S3eftütigung auSaufolgen. Sa fanb er feine $eit
mehr, auf „ftanbeSgemäfjeS" Sleufjere au fetjen, auch ftmren
bie ftaub= unb f d^utterf üHten Sftäume nicht ber geeignete
£)rt, um Äleiber au fronen. Sein Söerfe^r befdjränfte
fich faft gana auf ben Umgang mit ben StrbeitSleuten ;
ben Sienftgeber fal) er toohl täglich, aber biefer hatte ben
Äopf boU bon feinen ©efdjäften unb fanb feine 3eit, mit
feinem Untergebenen bon anberen Singen au föredjen, als
bon foldjett, bie mit bem S3aue in gufammen^ang ftanbett.
biübiger fügte fich in’S Unbermeiblicfje ; gana unbetontst
fam er aUmä^fig in’S ©leithgettücht , unb je mehr bie
bergangenen feiten in bie fterne rücften, je mehr if>m
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IGO
$er SSorniunb.
baS Einfi traumhaft, faft untoahrfcheinlich fchien, um fo
ftetiger nahm feine moralifche Kraft au. Er glaubte fchon
gar nicht mehr baran, baß er eS getoefen, ber bor nicht
au langer 3eit noch mit Xaufenben um fich getoorfen,
mäljrenb er je^t allmonatlich bie fjranfen ^ä^tte unb einen
Üfjetf feines 93erbienfteS a u ben Erfparniffen legte; er
glaubte nicht, baß er in reich auSgeftatteten ©peifefälen
faft täglich in Sedferbiffen unb feinen äöeinen gefdjtoelgt,
ba er jeßt, auf einem ©teinblotf fißenb, haftig fein lalteS
Effen begehrte, um erft nach bem fjeierabenb in einem
befcheibenen ©aftljofe ein ebenfo befcheibeneS Ntahl au ft<h
au nehmen. Unb ioenn er auf feine Kleiber herabblidfte,
fo mußte er über ben Darren lächeln, ber gemeint, ein
anftänbiger Ntenfdj fönne einen Nodt nicht länger als
eine ©aifon ^tnburch tragen. Slber Eines glaubte er troß
aKebent noch: nämlich, baß ihm ein ttmnberlieblicheS,
ebleS Söefen treue Siebe augefchtooren, unb baß biefeS
SBefen feft an feinem ©chtoure ßtett, ebenfo toie er noch
bie toeiheboUe ©tunbe beutlich in Erinnerung ^atte, too
fie ihm ein ©tttdf bon fich felbft aum Nnbenfen, aunt £rofte
unb aur Kräftigung auf ben bomenboUen 2Seg mitgegeben.
$ier unb ba an freien Nachmittagen fuchte er 5ßro=
feffor Ntera auf, ber {ich nun etioaS augänglicher unb
toeniger gemeffen a« aetgen begann. 3)er bielbefchäftigte
©eleßrte liebte eS, bon feinem Sache a« fp wehen, unb
toenn auch bem Nnberen anfangs ber Stoff einigermaßen
troefen erfchien , fo begann hoch ber Eifer beS Natur»
forfdfjerS fich Nübiger mitautheiten, unb er nahm ben Nn=
trag beS ^rofefforS, ihm SBttdfjer au leihen, banlenb an.
Vorteile mm Sl. ©. u. Suttner. 161
2)a öffnete ftd^ ihm öttmä^lig eine ganj neue SSelt.
SJtit feinen Äanteraben l^atte et oft über bie »eltbetoegeit*
beit Steuerungen gelabt unb gemeint, bafj e§ feine $unft
fei, auf feiner ©tube aÜertei SDinge auäauhecfen, um fic
bann al§ £f)atfacfjen ^in^uftelten ; jejjt aber mujjte er er=
fennen, baf} 2ltte§ auf ©efefcen aufgebaut toar, auf nicht
au leugnenbett ^batfai^en , unb bafj gerabe $ene au ber=
lai^en unb au bebauent toaren, bie nid^tö babon toiffen
unb toie bie ftrampelnben Äiitber ihr alteä, morfd^eä
©bielaeug alä ba§ SSeffere hinftetten tooßten.
Sluch SPtofeffot SJtera toar mit feinem ©djüjjting au=
frieben; fein legier SSrief an Stfibiger’ä Sßormunb lautete:
„(B mac^t fidj, lieber fffreunb! 3öir höben ihm fo
ziemlich ben ÄrebS h^°uägefchnitten ; ba§ SBrennen ber
SBunbe thut noch toeh, aber jef}t ift fte in guter Reifung
begriffen. @r arbeitet tüchtig, fpart unb beginnt fid) für
bernünftigere $>inge au intereffiren, aB für jene, bie ihn
ju einer getoiffen 3eit in Slihern hielten. SGßenn er auf
ber neuen SBahn rüftig fortfdjreitet, fo fattn noch ein tüch=
tiger SOtenfdj au§ ihm »erben. "
S)er Steubau toar au @nbe be§ frühjahrs fertig, unb
bamit h a ^te auch Stübiger’ä 3^hötigfeit fein @nbe, beim
fein SDienfigeber fah ftch genötigt, für einige 3eit alle
©efchüfte auf^ugeben, um bor Sittern Teilung bon einem
fchmerahaften ßeiben au fuchen.
S)iefe Eröffnung toar für Stübiger ein 2)onnerf<hlag.
©o fottte er je^t toieber befchäftigung§lo3 »erben unb bie
befdjeibenen (Bfbarniffe aufaehren, bie er mit fo biel @nt*
fagung aurüif gelegt hatte?
Sibliottjet. 3ot)rg. 1889. Sb. X. XI
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162
3>cr Sormunb.
2)er Jöaumeifter bemerlte ben nieberfdfjmetternben (Sin*
brucf, ben feine SJlittljeilung hetborgebradjt ^attc, uttb
fagte ttjeilnehmeub : „(S3 thut mir toafjrljaftig leib, bafj
ich augenblidftich fo gar feine 93ertoenbung für ©ie habe,
aBcr ich toill berfucfjen, S^nen meine (Srlenntlichfeit für
bie geteifteten SDienfte au geigen; bietlcicht mache hoch
ettoa3 auSfinbig, toa 8 ©ie borberhanb annehmen fönnen,
Bis idf) toieber arbeitsfähig getoorben Bin. SSefudjen ©ie
mich in *>en elften Stagen ber nächfien Söodhe."
SDer 5ttann hielt Söort. 9113 9tübiger toieber bor*
fpradj, benachrichtigte ihn $ener, bafj er mit bem SBeft^er
be3 neugeBauten Rotels föücffprache genommen hübe, unb
bafj biefer Bereit fei, #errn 3?ran!enftein al3 SSudjhalter
anauftetten. „(Sntfpricht ba3 Sh r en Sßünfchen?"
SBarum nicht? $eute toar er nicht mehr tüählerifdj,
unb al3 ber 9lrchiteft noch hinaufügte, bafj ihm ein @e=
halt boit atoeihunbert hänfen monatlich nebft freier
SBohnung unb SBeföftigung BetoiÜigt toerbe, meinte 9tü=
biger, bafj er ba einen herrlichen Streffer gemacht hübe.
(Sr fagte alfo auf ber ©teile au, unb bie ©adje tourbe
fcijon am nächften Stage fo toeit abgemacht, bafj er au
^Beginn ber ©aifon cintreten tonnte.
9lrbeit gab e3 bon ba an in $üHe unb Drütte : boit
früh bis fpät fafj er am Sßulte, unb oft hiefc e 8 einen
Stljcil ber 9tad£jt opfern, toenn eben 9teifenbe bie 9lbficht
hatten, früh am SJtorgen ihre ftaljrt fortaufepen. S)er 3 u=
brang tourbe bon Stag 311 £ag ftärler, ber 2ßirth rieb fiel)
immer bergnügter bie .fp&nbc, toährenb ber SBuchhalter bor
Ueberarbeitungoft launt noch bief^eber au hallen bermochte.
StooeUe oon 2t. ©. v. Suttner.
163
$eht fanb er auch nur hä<hft fetten geit, ben $fko=
feffor aufaufudjen, benn in feiner gegenwärtigen ©teEung
gab eä für ihn Weber Sonn* nodj Qfeiertage. SJtit bem
Vormunbe War ber briefliche SSerfe^r niemals ein be=
foitberS reger gewefen, unb nun fah er ft«h genötigt,
beffen ©treiben nur mit ein baar furzen 3 eilen ju be=
antworten, ©raf £)oEba(h unterlieft eS übrigens nie, ber
aEmonatlichm ©elbfenbung einen Vrief besiegen, ber
in ber Siegel Stadjridjten über Söiener ©reigniffe enthielt.
S)a erfüllt auch Stübigcr über fich fetbft VerfdjiebeneS,
benn fein ptö^tid^eö Verfdhwinben hatte immerhin einiges
Sluffehen erregt. Stach ber Vehaubtung ber meiften Seute, be=
fonberS feiner genaueren fjreunbe, war er ©dhulben halber
burdhgegangen, um fich ber Verfolgung feiner ©laubiger 3 U
entziehen. SlEerbingS War ber Vormunb ju feiner ©hren*
rettung eingetreten, aber fo eine borgefafjte SMitung ift
nicht fo leicht auSjurotten, unb fontit blieb eS bei ber Segeitbe.
©ineS SJtorgenS brachte ber portier wie gewöhnlich
bie ßifte ber am lebten Slbenb angetommenen Steifenben
in’S ©ombtoir. Stübiger nahm fogleich biefetbe toor, um
bie Stummem in’S Vudh 3 U übertragen, als er blöfjlich
betroffen in feiner Slrbeit innehiett unb auf ben Stamett
hinftarrte, ber ben eben gef chriebenen folgte: „Varon 3llt=
häufen auS Söien mit Qfrau unb Tochter."
S5aS |>er 3 begann ihm fo gewaltig 3 U bo<hea, bafi
ihm faft ber Slthent auSging, unb er mufjte ftd) bon
feinem ©ifcc erheben, um ein baarmat ben fteinen Staunt
auf unb ab 3 U fehreiten, fo eigentümlich bellotnmen unb
brücfenb War ihm 31 t SJtuthc.
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164
$er Sormunb.
Sie ^icr! s Jtur burdfj eine Xreppe boit üjm getrennt
unb nicht abnenb, bafj er ihr fo nabe mar! SöaS foßte
er tbun? <£>inaufeilen unb — unb maS? (£tma melben
taffen, bafj ber Sucbbalter beS Rotels ben borne^men
Seifenbeit einen freunbfcbaftticben Sefucb abpftatten
münfdEje?!
SBebmütbig fd^ütteXte er ben Äopf. „S)u gebörft nicht
ntet)r p ihnen," murmelte er fcbmeralicb öor ftcb hüt.
„2)iefe Greife finb 2)ir berfd^toffen, feitbent SDu pr Ätaffc
ber bicnenbeit Scute pblft." 6r mufjte ja, toie biefe
hochgeborenen ftcb in @iS p büßen berftanben, toenn jte
mit Semanbem p bertebren batten, ber unter ihnen ftanb.
(£r felbft batte eS einft nicht beffer gemacht fo Ständlern
gegenüber. $ngrib — freilich, toenn er fie aßein träfe,
fie mürbe bießeid^t ben Stann, ber ftcb rebticb bureb*
fämpfte, freunbticb unb tbeilnebmenb empfangen, aber ihre
ßltem, befonberS ber als b°<$ m ütbi9 betannte Sater —
nein, niemals!
dnbticb fanb er bie nötige Stube, um feine Arbeit
mieber aufpnebmen, aber bie ©ebanten febmeiften boeb
aße Sugenblicfe fort nach einem anberen Orte, als ben,
mo er in Sergen bon papieren eingefeilt fab-
So berging ber Sormittag, unb als bie 3frübftüdtS=
ftunbe gefebtagen batte, febtieb er betauS, um einen
forfdhenben Stic! bureb bie ©laStbür beS SpeifefaaleS p
merfen. 3b m toar ber Eintritt b^r bermebrt, bie Stabt*
feiten mürben ibm nach einem lleinen ©emacbe gebracht,
baS an fein Sureau anftief}.
SCÖirttidh! 3)ort fafjen bie üDrei an bem ber &bür
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9tooe0e oon 9(. ©. r>. Suttner. 165
junäcbft ftebenben Tif<be, $ngrib gerabe ibm gegenüber,
unb at§ fein ©efidjt ant fünfter auf taufte, ^ob fie eben
ben Vticf nnb — mar e§ Täufcbung? 6§ batte t^m ge=
fcbienen, at§ ob fie plöttticb jufamntengefabren märe, al§
ob fi<b i^re SBangen purpurn gefärbt batten. Slber ba
börte er Stritte bie Treppe berauffommen unb tjaftig
30g er ficb 3urii(f.
Ten ganzen 9iacbmittag über burcbfreujten bie när=
rifdjeften ©ebanfen fein ©ebim, unb einige Vtale toar er
nabe baran, it;r ein Vittet burdj Vermittelung eine§ ber
©tubenmäbcben aufommen ju laffen, aber bie Vernunft
bebielt fdjliefjticb bie Cberbanb. 2öie, toenn ba§ Vrief=
eben in unredjte ^anbe gerietb, toenn ein ©fanbat ent=
ftanb, unb fein Tienftgeber erfuhr, bafj ber Vudjbalter
e8 getoagt, ftcb ber Tochter eine§ augefebenen SJteifenben
in fo unberfebämter SBeife p näbern? Unb überbauet,
toie burfte er eine bon ben Stngeftetlten in’3 Vertrauen
Rieben unb babei Sfagrib blojiftelten'? @3 btefe, feine
©ebnfudjt bemeiftern, entfagen, aufjer toenn bietteid^t ber
3ufatt xbm p ^»itfe fant unb ein Söieberfeben unter hier
Stugen ermöglichte.
(?r toar fo in Träumereien berfunfen, bafj ein £>otet=
gaft, ber bor toenigen Vtinuten eingetreten toar, fein @r=
fmben um 2tu§foIgung be§ ^brepudjeä atoeimat toieber=
boten mujjte. Ter ^rembe nahm ba§ Vu<b enblidj in
©mpfang unb fepte ficb an’3 ftenfter, um ba§ ©etoünfebte
aufpfueben unb in fein Tafcbenbucb 3« notiren.
föübiger toottte ficb einfttoeilen toieber an bie Arbeit
machen, als nochmals bie Ibür geöffnet mürbe, unb ein
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ICC Der Sonrnmb.
atoeiter ^err tjereintrat, bet beffen ©rfcbeinen ber Sucb=
Raiter tote eteltrifirt entporfprang.
erfudje, mit meine Rechnung botaulegen; ich
toerbe biefelbe hier begleichen, ba ich fogleid^ abreife,"
fagte Saron Slltljaufen, Ütiibiget faum eine§ Slicfeä
toiitbigcnb. Da leine 9tnttoort erfolgte , 50g et einiget»
mafjen ärgerlich bie 5lugenbtauen in bie .fjöhe, unb jet}t
jeigte ftch in feinet 3Jtiene ettoa§ toie Uebertafchung, abet
auch nut für toenige ©elunben, bann lehrte bet getoöhn*
liehe gleichgittige §lu§brucf aurücf.
,,.£>etr Saron , fennen (Sie mich nicht?" ftantmelte
9iübiget befangen.
„3ch glaube, ich hohe um meine Rechnung etfucht,"
ertoieberte Sllthaufen mit eiftget -Hätte.
Milbiger fenfte befcljämt ba§ -§aupt. 2Bie hotte et ficb
nut fo toeit betgeffen fönnen! 5Jtit aittember $anb fdjrieb
et bie Seträge h^tau§ unb überreichte bann bem Saron
ba§ Statt.
£ef}terer a^S tuhig fein Dafdjenbuch h erau §, toühtenb
et bie einaetnen $often burchfal) unb fogat bie (Summe
noch einmal aufammenaählte. Dann legte er eine gröbere
Sanlnote auf ben Difdj unb toartete, bi§ ihm bet 9ieft
hetau§gegeben tootben toar. Die Srieftafclje tourbe be»
bädjtig öerforgt, bet #ut ergriffen, bann toanbte ftch ber
9teifenbe aum ©eben; an bet Dhüt angelommen, blieb er
ftehen, mab ben jungen Stamt mit ftrengem Stiele unb
fagte: ,,©raf gfranfenftein , e8 ift recht bebauetlich, bab
e§ mit 3fh«en fo toeit lornmen ntubte." Ohne toeiteren
©rub berlieb er ba$ Comptoir.
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^looefle von *}(. t>. ©uttner. 1G7
Üiiibtger toar toie bernidhtet in feinen ©tuljl prüd=
gefunfen; ben $opf in bie $anb gefüllt, blidte er fiier
ju 33oben, unb in feinem ©dfjmerae bergeffenb, bafj bort
am 3?enfter ein Stember fafj, feufete er ein paarmal
ferner auf.
5)a erhob fidh ber 3?rembe Bon feinem 5jJla|e unb ging
auf ben 9iiebergefchmetterten ju. „3dj toar unfreitoiltiger
3cuge einer Ijödjft peinlichen ©eene," ^ub er an, toährenb
fein 23lid mit bem SluSbrude beS 2ftitleib§ auf bem
jungen 3Jtanne ruhte. „©ie toerben e§ mir ^offentlid^
nid^t Oerübetn, toenn ich Sonett tneine £Ijeilnaf)me be=
jeuge." SDer ©precher, ein ältlicher 2Jtann, bem man eS
auf ben erften 33lid anfatj, bafj feine Söiege in feinem
5ßalafte geftanben, nidte bor fidh hin. „3fa, ja, bei ben
©rofjen gibt e§ nur ein gufammenhalten , fo lange bie
golbene Äette nicht geriffen ift. $dh möchte nidjt auf=
bringlidj fdjeinen, lieber iperr, aber — "
„?luf bringt id^ 1 " unterbrach iljn 9tübiger, beffett ©timme
bor Erregung unb ©dhmerj bebte. „Xheilnaljme ift nie
aufbringlidj, toenn fie eljrtidh ift, unb Shnen mu | {<§ lim
fo banfbarer fein, ba ich Shnen böEig fremb bin; ©ie
fönnen ja nicht toiffen, ob ich biefelbe überhaupt berbiene."
„3n meinen Slugen berbient fie Sfeber, ber bor ehr=
lieber 9ltbeit nicht prüdfehridt. Sfener fteife alte |?err
gab 3h ncn ^ en SKtel @raf; nun, ich toitt Shnen auf=
richtig gefielen , bafj gerabe biefer Umftanb midh betoog,
©ie anpfprechen, benn fotoeit id& 3h re ©tanbeSgenoffen
bisher fennen gelernt hd6e, toürben ftdh nicht Söiele p
foldher Arbeit bequemen. 3)er gemeine 9Jtamt, toie idh,
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1G8
(Der SSormunb.
ift bon Äinb^eit aiif getoöljnt, feine -fjäitbe atä Söerfaeuge
au Betrauten, mit benen er fein 33rob au berbienen f)at;
in 3 fcen Greifen fjerrfdjt bie gegenteilige Sfnjxtt: ba
folten bie fieberen arbeiten, bamit bie |>of>en babon leben
unb iljre 3 eit mit allerlei £l)orf)eiten bergeuben lönnen.
Söotlen (Sie mir ettoaä Vertrauen ftenfen, junger SJtann ?
(5§ ift nid§t ffteugierbe, bie au§ mir fpritt; it lönnte
3 |nen biellei tt mit 9tatfj unb X^at au ©ienften fein."
SDie ftlitten SSorte be§ SJtannel brachten auf fbtübiger
eine unenblit tooljttfiuenbe Söirfung fjerbor; er füllte fit
in eigentljümliter Söeife au bem ^fremben fjingeaogen,
unb fo gögerte er benn feinen Slugenblid, in furzen ^Sorten
feine ©eftiti* au er^ä^len.
Slufmerffam Ijörte ber Stnbere au, um bann, als 9tii=
biger geenbet, au ertoiebern: „ 3 t glaube, l)ier auf biefem
Sßoften toerben (Sie e§ faum fo halb au ettoaS bringen;
in einem |)otet ift ber Kellner toeit beffer baran, al§ ber
S 3 ut^alter. fommt nic^t fetten bor, baf (Srfterer ber
9 tatfolget be§ SBefitjer! toirb, toäljrenb Setjterer nie 9lu§=
fitt l)at, fit eine (Setbftftänbigfeit au erringen. 3b*
(Stidfat interefftrt mit, #err — $err — "
„granfenftein," ergänjte Ütübiger.
„9Jtit ober otjne ©raf?" frug ber klettere lütetnb.
„D^ne, bitte; ber ©raf fjat ^ier nitt§ au futen, unb
beute bebaure it ft 0 « nitt «tt*/ ba| er begraben ift."
„93iefteitt feiert er bot not fei«e Stuferfieljung."
„9Jtag fein; bann aber toirb er befliffen fein, fit in
befteibenen ©renaett au betoegen unb o^ne 9tttdfitt auf
bie (Stanbe3genoffen feine eigenen 2Bege 3 U geben."
Siooette non 91. ©. o. Suttner.
IGO
„Sltfo, |>err ^anfenftcin , ich möchte 3^nen einen
Süorfchlag machen. Sftein 9tame ift S3ranb, unb ich Bin
einer Bon ben Unternehmern ber ©ottharbbahn. Ätein,
feljr Uein h a ^ e i<h Begonnen, h eu * e Beft^e i<h aber jum
©tüdf genug ©inftufj, um mich Solchen nützlich 3 U machen,
bie ehrlich auf ihr 3W loSftreben. (Sagen (Sie mir Bor
Sittern: Befi^en Sie irgenb toelche ©rfpamijfe, ober jtnb
Sie ganj mittellos?"
„3n Sh^en Slugen mag eS lächerlich erfdjeinen, menn
ich Pon meinem Kapitale fpreche: eS Beläuft fi<h auf
fiinfaehnhunbert Oranten."
„Söarum lächerlich? 3<h felhft tjaBe mit bem britten
Xheil ben ©runb p meinem Vermögen gelegt. £>ie
Summe, bie Sie genannt, genügt Pottfommen, um ben
Slnfang p machen. SBürben Sie fich getrauen, Bei uuS
eine Strecfe p übernehmen 1 ? 2)ie SlrBeiten fotten im
fommenben Sfahre Bottenbet fein, unb mir Brauchen thä=
tige, energifche ^artieftthrer, auf bie mir unS Berlaffeu
tonnen."
„©etrauen? $ch Bin pr UeBeraeugung getommen,
bah Be* SJtenfch mit gutem SBitten, menn auch nicht
SltteS, aber hoch baS SJteifte burchführen tann, maS er
pch Porgefefct hat. 2öenn ich alfo mühte, bah ich mein
StuSfommen fänbe — "
„3{«h flehe $h ne n gut baftir, bah Sie biefeS 2luS=
tommen finben merben, menn Sie bie Sache praftifch unb
mit alter Äraft anpaefen. ©enügt Shitcn baS, menn idt)
ffinen bie $erfi<herung gebe, bah ©ie Bis p @nbe beS
SBaueS 3h T Kapital Perjehnfacht haben tönnen?"
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170
Xer SBormunb.
„$>a§ märe allerbingS meljr, at§ idfj mir tjätte träumen
taffen. S)a griffe idfj mit greuben au."
„ 2 opp, eS gilt; idf) bin nicfjt ber 9Jknn, ber metjr
berfpridfjt, atS er galten fann; idfj berfpredje Sfljnen biefen
ßrfotg unb aufjerbem nodfj, bafj idfj batb nadfj ber S3ott=
enbung biefer ßinie eine ätjntidfje Söefdfjäftigung für ©ie
finben merbe, falls ©ie ©efatten an ber ©adfje tjaben."
-fperr Sranb ergriff feinen $ut. „©plagen ©ie ein?"
„Unb ob idfj einfdfjlage! fOtit ftreuben unb 3Danfbar=
feit; idfj merbe nie bergeffen — "
„@i, reben mir nicfjt meiter barüber; glauben ©ie,
einem fötenfcfjenfreunbe mad§e eS nicfjt fetbft Vergnügen,
einem SGßürbigen unter bie 9trme au greifen? 3dj tjabe
nticfj nocfj fetten in meinen ©cfjü|Iingen betrogen gefeiten,
©o, unb nun taffe idfj ©ie bei Sfjrer Arbeit; idfj reife
morgen ab; tjier meine Slbreffe. ©obatb ©ie mit Syrern
Gtjef in’S Steine gefommen finb, fd^reiben ©ie mir, unb
©ie merben midfj bereit finben, mein SBort einaulöfen."
2)ie3mal tjätte Stübiger ©runb getjabt, 31 t fagen:
„Studfj ein ©tttef fommt nie allein," benn am nädfjften
borgen fanb er unter ben eingetaufenen Briefen einen, ber
bie Sluffdfjrift trug: „9tn ben 33ucijtjatter beS Rotels $agen."
Saftig rt| er ben Umfdljtag auf unb ta§:
„'iRtc^t besagen, Stübiger! 2 öemt man audfj in unter=
geovbneter ©tettung oft Buriicffebungen ertragen mufj, fo
finb boefj nicfjt Sitte ungeredfjt; eS gibt audfj SJtenfdfjen, bic
baS mutige Kämpfen unb Gingen unter maS immer für
einer ftorm mit Sldfjtung erfüllt. Sfngrib."
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Wooetie von 91 ©. v. Suttner.
171
2 )rei SSoten nather erhielt ©raf |joltbat bon feinem
greunbe 5Jleta folgenbcä ©treiben:
„Sieber ffreunb!
2 )ein 9)tünbet ift mir burtgegangen ; er miß, mie
el fteint, auf eigene §auft ben iYarnpf um’3 SDafein
auäfetten. ©an«j urplöijlit ^at er feine SudjljatterfteHe,
bie gar nid^t f dftedjt mar, aufgegeben, um feine (Sieben*
fadjen 3 ufammen 3 ubacfen unb auf bie SBanberfcfjaft 31 t
gehen. 9Jtir fanbte er nur ein paar Seiten be§ Snljattä,
bafj er borhabe, fit mit feinen befteibenen ©rfparniffen
an einem Unternehmen 31 t beteiligen; menn ber S5erfucf>
gelänge, fotle ich meiter üon ihm höten. St h°ffe, bofi
i _h halb in ber Sage fein merbe, 2)ir 9iähe,re§ 3 U berichten.
9Jtit ©ruf S)ein
3Jter3."
6 .
£>a§ 3 tt»eite Sahr, feitbem Ütübiger SBien bertaffen,
ging feinem @nbe entgegen. £>ie SSahnarbeiten auf feiner
©trede maren bottenbet unb er hotte bie S9efriebigung,
3 U fehen, bajj bie ^robtjeaeiung feine§ ©ömterä richtig
gemefen: er befanb ftch im 2$eft eines Keinen 3Sermögen3
bon 3 toan 3 igtaufenb Uranien, ba§ burch Umficht unb fjrleift
noch mit ber Seit bergröjjert merben tonnte.
$err SSranb, ber ben jungen 9Jtann lieb getoonnen,
hatte bemfelben gaftfreunbttd) fein ^au§ geöffnet, unb
bort berührte Oiiibiger nun faft tägtit, um mit bem
Wetteren aUertei Sufunftöpläne 31 t beraten, mährenb tut
bie ©attin be§ reiten Unternehmer^, eine fetjr gebilbete
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172
Ser Aormunb.
ftrau, ©elegenheit bot, bie mit Sfkofeffot 9Jtera Begonnenen
©tubien mieber aufaunehnten.
Sem 5]3rofeffot ^atte et über feinen ©rfotg ^Bericht
erftattet, unb bon biefem mar auch ©raf $oEbach auf
bem Saufenben erhalten morben. Sen lebten Aadjrichten
zufolge mar Aübiger in ©efeEfdjaft be§ ihm befreunbeten
©hepoareS auf eine !urae ©rholungSreife nach Italien
gegangen.
Ser Aufenthalt bortfelbft mürbe übrigens abgelürjt,
ba ein großes ^ßrojeft aufgetaucht mar, unb $err SSranb
eS für nötljig ^ieXt , fidj bei 3eiten ju melben. Aübiger
befcf)toß, einftmeilen ben Abfdjluß beS ©efdjäfteS in 3ütidj
abjjumarten. $aum angetommen, empfing er aber ein
Schreiben bon feinem SSormunbe, baS borläufig aEe feine
$läne über ben Raufen toarf. ©S lautete:
„Sa Su in menigen Sagen Seine ©roßjährigfeit er*
reicht haben mirft, forbere ich Sich auf, behufs ©infichtS*
nähme in Seine Angelegenheiten unb ©ntlaftung meiner
5ßerfon in bie £eimath aurücfyulehren. Aadjhet magft Su
felbft entfdjeiben, maS Su in ber 3uftmft ju tljun für
baS SSefte hältft.
3um ©dhluffe noch einige Aadjridjten , bie Sich in*
tereffiren bürften. Sein einftiger 3e<h = unb ©pielgenoffe
©ritting tj<*t fi<h brüefenber ©djulben falber erfdjoffen.
©tubenheim, mit bem Su ja auch auf befreunbetem ftußc
ftanbeft, h^trathet morgen bie einigermaßen abgetragene
Sochter beS nicht gerabe gut beleumunbeten Armeelieferanten
Leiter. 39aron Althaufen ift bor menigen Sagen einem
©E)lagßuffe erlegen. ©S fteEt fidj jeßt h^auS, baß ber
■DtooeUe üon ©. «. Suttner.
173
fteife 2lrifiofrat ti nicht üerfchmaht hat, au ber iBörfe
grofjeS ©piet p treiben, uub bafj habet fein gan^eö 33er=
mögen in bie 33rüche gegangen ift. ©eine $rau uub
Dodjter füllen in fehr mißlicher Sage aurücfbleiben.
3n ber Hoffnung, Dich balb 3U fefjen, grii^t Dich
Dein Sßormunb |>o Ubach."
Diefe lejjte Nachricht toar für Stübiger entfdjeibenb.
Sitgrib in bebürftiger Sage ! Da burfte er feinen 2lugett=
blicE aögern, ihr Droft unb f)itfe au bringen, $ilfe?
©rofjartig fonnte fie aÖerbingä nicht auSfalten, toenn aber
feine ßrfparniffe genügten unb toenn fie fich entfdjliefjen
fonnte, ilpn in bie ^rembe 31t folgen, toar fte tocnigftenä
Oor 9toth gefiebert, ©in neueä Unternehmen in ©enteilt»
fc^aft mit feinem ©önner ftanb ihm jebenfatU in 2ltt§»
ficht, uttb mit befdjeibenen Slnfprüchett toar baä 2lu3fontmen
möglich, fefbft toenn auch noch Sngrib’3 Butter mit
ihnen 30g.
Diefer ©ebanfe h a t^ e fo Oiet 93erheifjenbe§ , fo Piel
33eglücfenbe§ , bafj 9tübiger mit fieberhafter Ungebulb
feinen Äoffer padfte, um fich ohne 3eitberluft auf beit
2öeg 3U machen.
Diesmal fuhr er jtoeiter Älaffe.
Daä @oup6, in bem er $Iah gefunben, feilte eine
alte Dame mit ihm, bie fich bie 3eit mit 5patiencetegen
Pertrieb. Da3 brachte ihm untoittfürlicf) jenen Slbenb in
©rinnerung, ba er ba§ Äartenorafel befragt hafte. 2öaS
mar bamalä bie Stnttoort getoefen 1 ? ^ngrib 1 ? 9tiemat§!
$ah, h^wte glaubte er fchon lüngft nicht mehr an berlei
Dinge; heute toieberhofte er ftch ohne llittetlafj: „3ngrib,
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174
Xer 33ormunb.
»ott Sir allein füll eg abhättgen; in Seine .fränbe lege
ich unfere 3 ufunft!"
„Sta, bag nenne ich Site!" fagte ber SJorntunb, alg
ber 2 in!ömmting in fein3tuttner trat. „SGBeifjt Su, bafc
ich noch brei Sage lang bag ©cef)ter p führen Beredt*
tigt Bin?"
,,©ut, fo toitt i<h in brei Sagen toieber borf Brechen."
„<$i, .fooau? 3dh Bin auf mein 2lmt nicht fo feljr
berfeffen, um eg nicht heute fdfjon au§ ben $dnben au
geben, toenn Su toiHft; jebenfallg ^aBen toir eine SJienge
Singe au Befpredjen, bie ebenfo gut augenblicflid^ in’g
Steine gebraut toerben fönnen. S3or Slllem : toag gebenlft
Su nun au thun?"
„ 2 öag ich au thun gebenle? Slun, ettoa eine Söodfje
fynburcfj ^ier au§auru^en unb bann einen Soften anau*
treten, ben mir ein bortreff lieber SJtann angeboten hat."
„8o, fo; alfo fejfelt Sich nichtg mehr an bie^eimatt)?"
„D ja, ettoag getoijj, aber biefeg @ttoag, hoffe ich,
toerbe ich mir mitnehmen. SWerbingg toäre eg mir lieber,
hier mein fjrortfommen au ftnben, allein ba biefe 5Rög=
lid^feit au3gefd§loffen ift — "
„Vielleicht ftnbe ich Ijier bod^ eine annehmbare ©teile,
ja, bieEeidfjt todre fte fd§on gefunben. Sod§ fage mir auerfl,
mag eg mit biefem ,(Stmag‘ für eine Vetoanbtnifi hat."
„SBarum folt ich ein (Seheimnifc baraug madhen?
Söenn 3 ngrib Sllthaufen meine SeBenggefdhrtin toerben
tuiE, fo !ann ich fagen, bafj mir 31 t meinem ©lücfe nur
noch toenig fehlt."
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ÜRooeHe wrn 91. ©. o. Suttner.
175
„Unb ©u glaubft, bafj fte fidfj fo leicht in biefe neuen
iüerbältniffe finben mirb 1 ?
„ 3 ch glaube unb baff* eS."
©er ©raf lachte unb Hopfte 9tübiger auf bie Schulter.
,,©a tpuft ©u red^t baran; fte mirb fi<h barciit fhtbeu."
„Söobet öermutbeft ©u baS?"
„ 3 <h braune eS nid^t 3 U berntutben, icfj meifj eä, beim
fie bat mir felbft geftanben. 25a ihr ber S3ud^^alter
nicht 3 U gering getoefen ift, märe ipr ber S3auunter=
nebmer gemifj auch recht."
,,©u baft fie alfo lennen gelernt^"
„®emif 3 . Unb ba ich au§ ©einen ^Briefen oft genug
berauStaS, mobin ©eine ©ebanlen flogen, fo glaubte idj
©ir einen ©ienft ju ertoeifen, toenn id£) ben SSoben einft*
loeilen borbereitete."
„©amit ift mir auch ein unenblicher ©ienft ermiefen,"
berficherte IRübtger mann. „ 3 <h banfe ©ir bon ganzem
^erjen bafiir."
„$eine Urfacbe, gern gefcheben; fie ift in ber ©bat ein
bergiges ©ing ! — ©a§ märe fomit abgemacht. 2öir moHen
nun, menn e§ ©ir recht ift, 3 U ben ©efebäften übergeben."
,,©ie merben mobl nicht biet 3 *it in Slnfpruch nehmen ;
ober baft ©u mir bieUeidtjt bie 9Jtittbeilung 3 U machen,
bafj meine bunbertfünfunbatoanaig ©ulben 9ftonatSrentc
eingefteUt merben müfjten?"
„ 3 a, fo etmaS ähnliches."
„ 2 Rir auch xed^t ; ich ftebe je^t auf eigenen Srnfjen
unb merbe mich mobl ohne .Sufchujj behelfen fönnen."
©er ©raf blidte bem Slnbereu böd^lich befriebigt in’§
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176
2er Sormunb.
©efidjt. „33rab, 9tübiger," fagte er beifällig, „Su Ijaft
Sich toacfer herauSgetounben. ©eftehe aber, Su toarft
einmal ein gan<j fchänblicher Sump."
„SJtit boÜfter Ueberaeugung lege id) biefeS ©eftänb=
nij} ab."
„Unb hätte Sir Sein Cnfel eine ■SDtiflion ^intertaffen ,
fie toare benfelben 2öeg gegangen, beit bamalS bie 2au=
fenbe genommen haben, toie?"
„Saä ift mehr als toahrfcheinlich."
„.jpeute fäfjefi Su bann ba ohne geller in ber Xafche
mit einem ©fei bor ber SBelt unb bor Sir felbft im
.fjeraen, ober Su h^tteft nach bent SBeifpiele jenes ungliicf*
feligen ©riHing bie Söfung in einem Sßiftolenfchuffe gefugt."
„Sehr möglich."
„9llfo gibft Su au, baf ich nach beftem Söiffen ge=
hanbelt habe, als ich ber Sache energifdj ein ßnbe machte,
als ich — "
„3<h feige gana offen unb aufrichtig: ich banfe eS
aum guten Sheile Sir, bafj ich eia 2Jtenfch getoorben bin,
ber eine ^Berechtigung h Q t, bie SBohlthöt beS £eben3 au
geniefen. freilich, ben 2Jtuth, bie StuSbauer, bie — ich
möchte fagen — SobeSberachtung hat mir Sfngrib ein=
geflößt."
„Sehr fchön. 2BaS mürbeft Su aber jept fagen, toenn
ich Sit geftdnbe, bafj Seine Serhättniffe nicht gana fo
armfelig feien, als ich fie Sir gefdjilbert habe, toenn ich,
um Sich bor bem Serberben au retten, einen @etoalt=
ftreich auSgeftthrt hätte?"
iMbiger blicfte überrafcht auf. „SprichftSu im ©mfte?"
■JioueUe oon 21. ©. u. Suttner. 177
„3m bottfieu ©rnfic."
„Dann iöunte id) nur ertuiebern, bafj Du berbienteft,
ber ad)te Söeife genannt au tuerben. Dod), bitte, fagc mir
offen, toie fielen bie Dinge? 5Du tbirft begtcifcit, bafj
mich D eine Stnfpietung auf’8 4?ödjfte gekannt gemadjt
bat."
„©etoijj begreife id) baS; böte alfo, mein ©obn: ba
Du Dich um ©djönbüdjl nur infotoeit befümmerteft, als
cS für Did) eilte Duette toar, auS ber Du ©etber fd)öpfeit
tonnteft, ift mir bie 2luSfübrung meines SßtaneS nid)t au
febtoer getuorben. Du fd)äfcteft bamatS, meint Du Did)
erinnerft, ben S3efife auf bicrmalbuitberttaufeub ©ulbeit.
3dj tiefe Did) gerne bei biefem ©tauben, berminberte
in meiner 'Jiedjnung bie ©infünfte uitb erhöhte bie 3infcit
für Deine ©cbulben; baS mar atfo eine recht einfadje
©ad)e."
„©ehr einfad)."
„Die Dinge ftet;en aber aitberS, mein 3unge." ©t ging
an ben ©djrcibtifd), toiifelte eine 3eit taug unter ©djrift*
fadbeu uttb brachte enblid) ein großes berfdjtoffeneS Gou=
bert aum 93orfdjein. „DiefeS b^r ift mein tKedjcnfdjafts*
bericht, ©efee Dich bortbin au ben $amin, jünbe Dir
eine Gigarre an, unb UeS bie ©adje mit 33el)agen burd).
Du toirfi freilidj toieber biet Bahlen a u fdjtuden be!om=
men, aber heute bürfteft Du bie ©acbe gemöhnt fein; ba=
utalS Ijahe ich Dich bamit überrumpelt, Dir mit bcn=
fetben fo ben $opf brummen gemacht, bafj Du froh toarft,
AtS bie ©ache ein ©nbe batte."
9?übiger tbat, toie ihm gebeifeen, ©r machte fidj’S im
$ibtiothtf. aflfirg. 1889. Sb. X. 12
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178
$cr SJormunb.
großen Jfaminftufjte bequem, ailnbete eine Gigarre an unb
öffnete beit Untfdjlag.
2)er ©raf naljm ein 3eitung§btatt jur «£>aub unb
fd^ien jtdj in baffelbe au Vertiefen , aber in SBBirflid^feit
fdjiettc er mit einem ©entifcf) bon (Spannung unb§reube
jju SJiübiger hinüber.
ßefcterer begann au lefen; plöijticfj aber legte er bie
Gigarre toeg, fufjr fidj über bie Slugen unb begann bann
toieber bon Anfang:
„$5aS ©ut Scfjönbüd&l ift auf rttnb 600,000 ©utben
gefdfjäpt. 2)er berftorbene ©raf ftranfenftein, ein bortreff*
lidjer Sanbmirtt), mujjte au§ bemfelben ein jäfjrlidjeS
9ieinerträgnifj bon 24,000 ©utben au aieljen. 2>a er felbft
feinen befonberett Stufmanb trieb, fo fiel e§ iljm nidjt ferner,
in ben erften a^u Sfaljren bie barauf laftenben 80,000
©utben .gippotfjefenfdjutben abauaaljlen unb in ben folgen*
ben elf ein Kapital bon 150,000 ©ulben aurüdfaulegeit.
$on biefer (Summe mürben für 9fübiger (Sdjulbeit in ber
«Ipölje bon 50,000 ©utben beaaljlt.
33alb, nadf;bem idj bie $ormunbfcf)aft übernommen
Ijatte, gelang e§ mir, burdj Skreinfadfjung be§ SSermal*
tung§apparate§ unb Ginfüljrung bon Skrbcfferungen bic
Ginnatymen auf 28,000 ©utben au erfjöljen. G§ blieben
fomit nadj Slbaug ber atueijäljrigen 'Jtente für föübiget
53.000 ©ulben, ferner bom Saarfapitate ginfen 8000 ©ul=
ben, ober mit Gnbe bc§ ^tneiten SatjreS SltteS in silent
161.000 ©ulben baar."
„|>aft 5Du etma§ gefagt," frug ber ^ormunb, ba er
einen 9tuf ber Ueberrafdjung bernommen.
\
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Stooellc uoit ?l. IS. u. Suttner. 179
Siefe 3öorte Wedten Ruhiger aus feiner halben 33e=
täubung ; er fprang auf unb eilte auf bett Jöormuub au.
„So mujj einem armen Teufel au SJlut^c fein/' rief er,
„ber eben gelefen tjat, bafj er baS grofje 2 ooS gewonnen!
D, wie foE, Wie lann id) Sir banfen!"
„Su nimmft mir alfo ben Streif nicht übel? So
!omm’, mein Suitge, unb faE’ mir in bie Sinne. Sie
Sehre war bieEeidji hart, aber — "
„Slber fyülfam ! llnb Su foEft feljcn, bafj id) fie mir
für immer gemerft habe. Unb fo wie id) auf meinen
garten SBegen §reunbe unb theilneljmenbe SJtenfcfjen gc=
funben Ijabe, fo WiE auch ich ben SBürbigen nach beften
Äräftcn äur Seite fielen. Sie Städjfienliebc lernt man
erft bann recht, wenn man felbft in ber Sage gewefen ift,
fie 3 U beanfprudjen. SBiEigft Su biefe 2)orfäpe?"
Ser @raf reidjtc betn jungen SJtanne bie £>anb, Wäl)=
reub ^eEe ftreube fid) auf feinem ©cfidjte geigte, „^a,
id) biEige fie bon ganzem <£>eraen. Unb je^t ? ©cbenlft
Su nodj immer, ^Bauunternehmer au Werben?"
,/Jtein, jept ^abe id) meine eigenen Unternehmungen
au leiten. Slber borerft ntuf$ id) nodj baS Eöidjtigfte in
Crbnung bringen."
„SUja, idj berftelje." Söiebcr fdjritt er rafd) abtu
Sdjreibtifdje unb fdjrieb ein paar feiten auf ein SSlatt
Rapier. „§icr, ihre Slbreffc; cS ift eine befdjeibene 2 öoI)=
nuug in einer finfieren ©affe; gel), a e tÖ c b«tt Sonnen«
ftrahl ben SCßeg bortljin, unb bring’ fie mir halb autüd —
Seine Sfngrib!"
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(gttt ünmyrim als fjodiücrriitljer.
Itarij arrijtualifdjen (BUieUeu mitgetljeUt
t)OU
Hittjarb Jtard).
(91ad)brud berbotcn.)
TSie ©cfdjidjte melbet un§ alle erbentlidjen ©reue! Don
^ beit <£>öfen BatBarifdjet unb T§alBciöilifirter, toie bon
beneit tnieber itt 33erfatt gerätsener Sßölfer, inbcffen ftel)t
eä faft einzig ba, bajs in einem cibilifirten Sanbe (üuropa’ä
ber tonprina beS Oieidjeä bom eigenen $ater, bem Serr=
fdjenben Äönige, at§ <§od)berrätljet erllärt mirb. Unb
bodj iffc bie§ in Onanien in ber neueren Seit atoeimal
gefd;etjen. SDa§ erfte ÜJlat Sanbelte e§ jtdj um beit burd)
©djiller’§ SDidjtmtg unfterBIidj geworbenen SDon darloä
(geB. 1545), ben ©ol)n $önig II., ber Slnbere
aber War £)on ^ernanbo (geB. 1784), ber ©oljn be§
j?önig§ Äarl IV., ein $rina, Bet im DftoBer 1807 als
©taatSberBredjer erllärt Würbe unb nur mit genauer 9totfj
bem £obe entging, ben jener unglüdlidje SDon SarloS am
24. $uli 1568 im ©efängnifj auf Biäljet unaufgeflärt ge=
BlieBene Söeife erlitt.
©inb nun bie 9lnfic£)ten bariiBet berfdjieben, dB 2)on
@arlo§ in Bemustern ober unaured)nung§fäl)igem guftanbe
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93on JRidjarb HJiard).
181
gegen feinen Skter feinbfetig getjanbelt unb fomit fein
traurige^ @efcf)id£ berbient Ijabe, fo ftimmen fie hingegen
in betreff $erbinanb’S botttommen überein. @r mar,
ebenfo mie 5lte£iS, ber am 14. 3uni 1718 aurn Stöbe ber=
urteilte unb brei Söodjen fpäter im Werter „unbetannt
mie" berftorbene ©otfn Sßeter’S beS ©rofjen bon Otufjlanb,
unbebingt ein ©taatSberbredjer ; er T^at, gleidj bem eben
genannten 3ciretoitfd^, ben Eintritt feines SSaterS mit ber
größten Ungebutb ermartei, unb bei bolter Vernunft unb
Sietbemufjtljeit „bertoegene 9lnfd£)läge mibcr feinen 2anbeS=
f)errn, fomie ben ©taat" geplant unb in’S Söer! au fejjen
gefudjt. — 9tudj tjinfictjtlicf) ber 33emeggrünbe au biefeni
2)erbred£)en beftetjt amifctjen bem fpanifdjen unb bem ruffi=
fdfjen Sttjronerben eine gemiffe ©leidjartigteit. 33eibe maren
bon ^errfd^fuc^t unb einem fxnfteren, fortfcfjrittSfeinblidljen
©eifte befeett, aber mätjrenb SllejtS, eine rotje Statur, bic
man bergebenS au berebeln gefügt tjatte, eS flar auS=
fpradj, bajj er nadfj ber ßrone ftrebe, um bie itjm in
tieffter ©eele berljafjten Reformen feines SSaterS tüieber
rücfgängig au machen, mufjte ber bon feinem erften £et)r=
meifter, Manuel ©oboi, £eraog bon 5ttcubia, fctjmerlidj
ol)ne 9lbficfjt fd^ted^t eraogene unb fpäter bon bieten mit
ber beftetjenben Drbnung ber 2)inge unaufriebenen
fönlidjteiten als ber einzige Sürge einer gtänaenben 3u=
funft ©üanienS gepriefene tjeuctjlerifcfje fterbinanb feine
matjren 9lbfid(jten au bemänteln unb im 33olfe ben ©tauben
au erregen, er fei nur burdfj bie .Surtidffejjungen unb 3)e=
müttjigungen, metctje er auf betreiben beS in 3 mifctjen 3 unt
„9lEeS leitenben" itinifter unb attmncfjtigen ©ünfttinge
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182
Gin Äronprinj all .^ocfwerrätfjer.
borgeriidten Sllcubia 3U erbulben Ijabe, 311 bent Gntfcftluffe
getrieben Worben, bie ^errfdjaft an ftd(j 3U reiften.
Sn ber Xljat wuftte fcljon im Saläre 1806 gan3 Btabrib
bon biefer .Surüdfeftung bei 5 ßrinjjen bon 2lfturien, wie
ber Xitel bei fpanifdjen Xljronfolgerl lautet, fotoie barum,
baft bie 3Wifdjen iljm unb bem ^er^oge fdjon längft be*
ftanbene ©paunung ben Gljaralter unberföljnlidjer 3?einb=
fdjaft angenommen Ijabe. Xan! ber woljlberecfjneten ®e=
fdjwäftigfeit ber 3aljlreidjen Slnljänger fJerbinanb’S Waren
im Bolle fogar bie Giwjclfjeiten ber im föniglidfjcn 5 pa=
lafte borgefaüencn Ijcftigen Auftritte bclannt, beren leiben*
ber Xfteil ber 5ßrin3 bon 2lfturien gewesen, unb allgemein
würbe bie ©djulb baran bem <£er3oge beigelegt. Sind)
l)ieft el, er fdjicbe fidj wie eine ©c^eibewanb 3Wifc§en
Bater nnb ©oljn, unb el fei nidjt unmöglich, baft er ben
iljm blinblingl ergebenen Jfönig nodj bewegen Werbe,
Sferbinanb bon ber Xljronfolge 311 feinen, bei >£>er3ogl,
©unften anl3ufdjlieften.
.(fein Söunber baljer, baft bal mit ber bal £anb be=
brüdenben nnb fdjäbigcnbcn .fperrfdjaft bei ©ünftlingl
längft un3ufriebene Bolf in Serbinanb einen Btärtprer
erbliden 31t muffen glaubte, unb Ijodj erfreut War, all
Wlcubia im Cftober 1806 eine fd)Wcre politifdje Bieber*
tage erlitt. Gr Ijatte nämlidj, all ^reuften mit ©adjfcu
im Bunbc Napoleon ben $rieg erltärte, unb biefer mit
feiner galten Bfadjt gegen bie Xeutfdjen sieben muftte,
bie ©elegenljeit Waljrgenommen, feinen längft gehegten
^tan, eine Bereinigung ber Blädjte gegen Sranfreidj 31t
©taube 311 bringen, bevWivUidjt unb, ol)ne bal mit left*
Digi
j bv vjOOqIc
uztx) uy njuv.
3>on föidjarb 9Kardj.
183
ierem Staate 1796 311 San Stlbefonfo abgefchloffene Sd;ut}=
wnb Srutjbünbnifj 3 U achten, Portugal, fotoie ©rofjbritam
nien für feine Sbee 3 U geminnen geltmfjt. Sie fffolge
babon maren jene überaus eifrig betriebenen 3hiegS=
rüfiungen Spaniens, bon beren eigentlichem 3mccfe bie
hodjtrabenben Sßrottamationen Sllcubia’S bom 9. unb
11 . Cftober 1806 nichts 3 U fagen tourten, bie aber 9la=
poteon fofort als gegen fidfj gerichtet erfannte unb als
eine Sreulofigfeit erllärte, toelcbe gerächt merben folle.
Slorerft jeboch begnügte er ft<h bamit, feinem ©efaubten
in fDtabrib, SSeauharnaiS, gleichzeitig mit ber Nachricht
bon feinem am 14. Oltober bei $ena unb Sluerftäbt über
bie Seutfdjeh errungenen Siege, Aufträge julommen 3 U
laffen, in beren ^Befolgung $ener fcott flflrl’S IV. Regierung
9luffchlufj über beren friegerifche SJtafinabmen begehrte.
Unb als ber «^erjog bon Sltcubia herauf in ©egentoart
beS ÄönigS berficherte, bie Lüftungen hätten mit Stücfficht
auf bie feinbfelige «Haltung Portugals unb ©rofjbritan»
niettS — feiner heimlichen SSerbünbeten — fomie auf eine
fchou lange befürchtete Sanbung ber fDtaroftaner in ?ln-
balufien erfolgen müffen, ba fchritt ber ©efanbte zur @r=
füllung beS ameiten XheileS feiner Slufgabe. @r mieS
nach, bafj alT biefe ©efahren eingebilbete feien, unb for=
berte mit |nntoeiS auf ben Vertrag bon San Slbefonfo,
Spanien folle bon ben 40,000 in 3 mifchen mobiliftrten Ärie*
gern 24,000 Napoleon 3 ur Verfügung fteUen.
SöaS toar 3 U thun 1 ? — Sie 24,000 9Jtamt bermeigern,
biefj bie Sreulofigfeit 3 ugebeu unb fiel) einer .üriegS-
erllärung auSfepen. Sie $ilfe mu|te alfo bemiUigt toer*
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184
Pin ^ronyrinj als .^ocboerrötber.
ben, unb bie Gruppen tourben bon Napoleon alSbalb nadj
©cljtoeben gefdjidt, baS bcr Eroberer gerabe bamalS be=
brängte.
2DaS toar, toie fdjon gefagt, eine fdjtoere ©ieberlage,
imb man gab ftdj im ©olfe ber Hoffnung Ijin, ber Äönig
merbe einen fo fdjtedjten 9tatljgeber, mie Sltcubia, enblidj
bodj entlaffen. Sillein biefe ßrtoartung erfüllte ftdj nidjt,
benn ber «^er^og Tratte ben $önig nidjt nur ju bem ©Iau=
ben betoogen, an bem ©tifjerfolge trage einzig unb allein
ber ©erratlj ber mit Portugal geführten geheimen ©er=
Ijanblungen fcfjulb, fonbern in iljm aucfj ben ©erbacfjt
erregt, ber ©errätljer lönne nur ber $ßrin 3 bon Slfturien
getoefen fein. @r felbft toar bereits überaeugt babon,
• 3 ?erbinanb unb fein Slnberer $abe Napoleon ©etoeife für
ben ©eftanb jenes geheimen ©ünbniffeS geliefert.
$5aS toar nun aHerbingS ein ©taatSberbredfjen, allein
bie ©etoeife hierfür fonnten nidjt befdjafft toerben. Unb
bodj Ijätte Sllcubia gerne Staclje an bem feine Sßläne burdj=
freu;jenben Äronprinjen genommen. (Ir beantragte baljer
anfangs beS ^aljreS 1807 in ber toofjlertoogenen Slbfidjt,
bie flluft 3 toifdjen ©ater unb ©oljn 3 U ertoeitern, bajj
ber feit ©tai 1806 bertoitttoete Äronprin^ mit feiner, beS
.fper^ogS, ©djtoägerin ©tarie Suife bon ©ourbon ficlj ber=
ntäfjlen foüe, unb rechtfertigte biefen ©orfdjtag mit bem
gfüljenben ©erlangen, bie 3 toifdjen iljm unb ^erbinanb
fjerrfdjenbe fjeljbe beigelegt ju feljen.
Äarl IV. ging hierauf mit ftreitben ein, ber $ronprin 3
aber toieS, toie Sllcubia gehofft hatte, biefen ©orfdjtag mit
©eradjtung jurüd unb tourbe 3 ur ©träfe bafttr bom ^ofe
3?on Dfic&arb 5Dtard). 185
in ben einige Steilen bon 9)tabrib im ©uabaramagebirge
gelegenen Spataft (Säforiat berioiefett.
£!er Jfönig liimmerte fidf nunmehr ioenig um feinen
©ol)it, unb aucf) 9llcubia fdjiett bemfelben feine 91ufmerf=
famfeit 31 t fdjenfen. $n ber SEfjat aber tourbc $erbiuanb
fo fdfarf beobachtet, bafj ber ^er^og um jeben feiner
©djritte nntfjte. Sfnbejj mufj ber 5 ßrin 5 feine auf be?
üEffrone? Umfturj ab^ielenben 5pläne fe^r borfidjtig ge=
förbert ^aT 6 en , benn fDtonate bergingeit, unb ber «fperbft
1807 toar bereite in’3 £anb gefommen, offne bafi fid)
Sllcubia Slnlafj ju einem neuen ©dhlage gegen ba? „©djrerf=
bilb feiner Sufunft" geboten ^ätte. @nblidf aber, al§
ihnt feine ©pione bon einem ebenfo ^ibilidjen al? ge=
fdfaftigen 3$erfef)re be? Äronbrinjen mit bem franjbftfdjen
©efanbten 3 U berieten toufjten, al? fie e^äfflten, fotoof)!
Serbinanb al? audf ber ihm auf £eben unb Stob ergebene
©eneral -^erjog bon Snfantabo feien berfleibet in 33eau=
harnais’ 5|3alafte getoefen, ba fanb er ba? $orn reif 311 m
Schnitte, unb fdfon am anberen fDtorgen, e? toar ber be§
29. Oftober, entbedte $arl IV. unter ben ifjm 3 ur Sturdj»
fid)t oorgelegten papieren auch einen mehrfad) berfiegelten
SSrief, auf beffen Umfdjlage mit grojjen, in bie Slugen
fatlenben Sögen bie Söorte: „9ln ben $önig" gefdjriebcn
ftanben. Saftig öffnete ber fDtonardj ba? Goubert unb
la? £5?olgenbe§: „(Sure 3Jtaieftöt fd)toeben in ernfter ®e=
fahr. ©eine |>offeit ber 5 ßrin 3 bon Slfturien langt nadj
Sl’hrer Ärone, ja mehr nod), er bebroljt 3 fj* geheiligte?
£eben unb erfreut fid) in biefem rudjlofen ^Beginnen, toie
e§ fdjeint, ber Unterftüfcung ber ftranjofen. (Sure 9Jtajeftät !
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18G Gin ßronprinj oI§ .ftocboerratfjer.
©ernten ©ic tafdj unb cnergifch 31t Ijanbeln. Bertreten
©ie ber ©djtange ba§ |)aupt unb belohnen ©ic fo bie
2 Badjfant!eit eines ©tamteS, bcr fidf) nennt Guter fDlajeftät
attergetreueftcn Untertan."
S 5 a§ mirlte. $arl geriet^ in grofje ©eforgnifj unb
fanbte fofort nadj feinem feiten 3$, nach Sllcubia. $E>er=
felbe toar inbeffen gerabe in ber ©tunbe fo ernfter ©efaljr
nirgenbS 3U finben, unb fo fab fich benn ber $önig ge=
3tmmgen, anbere iljm ergebene Sßetfonen in’S ©ertrauen
31t 3ietjen unb 3U befragen, ma§ in biefer SlngeXegen^cit
gettjan merben miiffe. Unb fiefje ba, bie Stnfidjten ber
Staatsmänner gingen bieSmal nicht tote fonft auSeinanber,
fonbern ftinintten bolltommen überein, $eber ber ohne
3cugen insgeheim ©efragten mufjte nur ben einen SKath'.
©eine ©lajeftät ber Äönig möge fi<h in Slnbetradjt beffen,
bafj bie ^Inftage gegen ben grinsen bon Slfturien bon
einem 9 iamenlofen auSgehe, borerft über beffen ljodjber=
rät^erifc^e ©efinnungen ©emifjfjeit betfdjaffen. Unb 3mar
empfehle fich 3U biefem .Bmecfe feineStoegS bie ©efangen=
nähme unb ein ©erhör beS $ronprin3en, fonbern bielmehr
eine gtünbliche, bon ©einer ©tajeftät felbft borsuneljmenbe
£)ur<hfuchung ber prin3tichen SBohnung.
3 )er Äönig mar bamit bottfommen einberftanben unb
alSbalb auf bem SBege 3U feinem ©ohne, ©iehrcre ©ii=
nifter unb 3ahlreiche ©arben gaben ihm bahin baS ©e=
leite, bcr <£>er3og bon Sltcubia aber begnügte fiih bamit,
bem glän3cnben hinter ben ©orhangen feiner 2öoh=
nung berborgen, mit ben klugen 3U folgen. SDiefe Gnt=
haltfamfeit mufjte jeboch eine mohlermogene fein, benn ber
3 ?on föicparb ÜDinrd).
187
•fperjog blidte fo Vergnügt barein, mie Sfentanb, bem ein
großer 2öurf gelungen ift. Unb al§ fidj einer jener
Staatärätfje, meldje ben' Äönig in ^Betreff ber gegen ben
ipriujjen bon Slfturien au ergreifenben 9 ttafjnal)men be=
ratzen ^atte, einfteHte nnb freubig erregt nietbete, ma§
gcfcfjeljen fei, ba flog ein bämonifdje§ ßädjetn über fein
glattes Slngefidjt.
üDer tonprina Tratte feine Sl^nung bon ber i^nt broljen»
ben ©cfaljr. 6r befpradj fidj foeben fe^r angelegenttidj
mit bem at§ mifjbcrgnügt befannten Snfantabo, alä ber
$önig im ©§forial erfdjien. Snfantabo fonnte fidj nidjt
meljr entfernen, er mürbe gefangen genommen, bem 5 ßrin= .
jeu non 3 lfturien aber tourbe bebeutet, alle bie in feinem
2trbeit§3immer befinblidjen ©djränfe, Xifdjc unb fßulte 31t
öffnen. 2)ie§ gcfctjalj w ©egenmart fämmtti^er ©taat§=
mürbeuträger. ©ine fOtenge bon ©Triften fant 311m 23 or=
fdjeine, ©Triften, meld^c auf be§ 9 ttonarcfjen ©ebot ber $u=
ftijminifter mit Sefdjlag belegte unb fofort 31t prüfen begann.
2 )a§ Girgebnifj mar für ben ^rinjen feljr bclaftenb.
3 )lan fanb ben S 5 emei§ bafür, baff er fidj ben Dtang unb
Xitel eines $öuig§ bon (Spanien miberredjttidj beigetegt
unb al§ Serbinanb VII. in aller fjorm bem ^er^oge bon
Snfantabo ben Cberbefeljl über bie gefammte fpanifdjc
.(iricgSmadjt berlict;en Ijß&c. S)er $ronprin3 fudjtc fid;
au§jureben, inbem er erllärte, ba§ iljn fo fdjtocr belaftenbe
Sdjviftftücf fei unterjeidjnet morben, al§ fein SJater 'am
Ofanbe be§ ®rabe§ fdjmebte, unb er befürchten muffte, in
bem .fper^ogc bott Stlcubia einen ©egner feiner Xl)ron=
befteigung 311 fiuben, allein ber Äönig mollte biefe s Jiedjt=
18 Ö Orin ßronprinj als Eotfmerrätljer.
fertigung nidjt gelten taffen, unb als fidf) ferner ber (£nt=
murf eine! SriefeS borfanb, meldjien ber $ronprins erft
bor Äursem an Napoleon gefdfjrieben Tratte, unb toorin er
bem Verlangen, ftd^ mit einer franjofifd^en ^rinjeffin,
ber ÜLodfjter £ucian Sonaparte’S, bermäljten 31t lönnen,
lebhaften 9 tuSbrurl gab, ba fdfjteuberte Äart IV. feinem
6oijne bie Slnltage in’S Slngefidjt, er Ij'abe auf dmpörung
gefonnen, fdjtauer SBeife einen frembcn Stonardjen in fein
Sntereffe 31t sieben gefugt unb nur bcffen SEntmort ab=
getoartet, um feine rudjlofen ^täne 31t bermirttidljen.
5 Der Äronprin3 leugnete, allein ba unter feinen 5 pa=
pieren audj in einer nur (Singetoeitjten lesbaren ©eljeim*
fdjrift abgefafjte 25 ofumente borgefunben mürben, über
beren Sntjatt er jebe Slufftärung entfliehen bertoeigerte,
nahm ber «ffönig fein Sßerfctjutben als ermiefen an, for=
berte itjrn ben SDegen ab, tiefj ihn in Eaft nehmen unb
erltärte ihn mittelft Srollamation bom 30 . Cltober 1807
als einen StaatSberbredjer, ber bom ^en 9 tat$e bon
Äaftitien abgeurt^eitt merben fülle.
SDamit mar nun baS SmbeStooS über ^erbinanb ge=
morfen, hoch niemanb SlnberS als ber <§er3og bon Sllcubia
entriß ihn bem Serberben. SltterbingS höchft unfreimiltig,
benn obmoht er ängftlich bemüht getoefen, felbft ben teifeften
Schein einer ßinflufjnaljme auf beS Äronprinsen ©efd§idE
31t bernteiben, mürbe er bom Solle hoch als ber Urheber
beS S^seffeS beseitiget, unb Ijatte allen ©runb, für ben
£ 5 ?aU ber Einrichtung beS Äronprin3en ben 9 luSbruch einer
9 tebotution 311 beforgen, beren Sßogen bor Ment ilpt hin*
megfpüten mußten.
Sou Dtidjarb 9Jlard).
189
©ana natürlich bapr, bafi er befdjlofj, als fetter beö
ßronprinaen aufautreten, unb fo nicp nur beit (Sbelmutlj
beä f$?einbe£ ju bctoeifen, fonbern fid^ audj ben Beinamen
„ber griebenäfürft", ber ifpn jurn 2 )an£ für bie gXücfttdjc
Sermittelung be§ f^riebenS atoifdjen fjranfreidfj unb ©pa*
itten 1795 berlieljen morben mar, auf 3 Bleue $u berbieuen.
3m Verfolge biefer Slbfidjt Begab er fidj am 5. Blobentber
1807 nad) einer längeren Sefprecpng mit betn Könige
3 U bem ©efangenen unb teilte bemfelben mit, bafj Äarl IV.,
puf’3 -^öd^fte erbittert, ben Sob aller iitamifdpn entbedtten
Serfdjmörer forbere, unb bafj e§ nur ein einjigeä Stittet
gebe, baä ©cpedlidjfte ju berpten. Unb ^mar müffe ber
SPtina, „um fein unb feiner Slnpnger Seben au retten",
ein botte§ unb reumütpgeä Selenntnifj feiner ©d^utb au
ber iüngften Serfdfjmörung oblegen, be^iepttgämeife bie
boit bem «^er^oge fcpn fertig mitgebradjten Sriefe unter*
fdjreiben.
^erbinanb luar mutljtoä unb gebroden, er unterfdjrieb
baljer ope Bbgern ;jmei moljl ntep atä bie 2 Bapt)eit
entpUenbeu Sriefe, bereu einen Bllcubia als „mertpoHeä
S)olument" für fid§ bepelt, mäpenb ber anbere Äart IV.
borgelegt mürbe. Biber obmoP berfelbe bötlige 3er*
fnirfcpng atptete unb mit ber Sitte um ©nabe fdjloji,
beburfte eö bodj nodj ber Qrürfpradje ber Königin, um
ben BJtonarcpn ju beftitnmen, bem $ronprinaen ju bcr=
3 cipn unb fidj mit ber Serbannung einiger feiner Btatp
gebet — barunter be§ |>er 3 og 3 bou Snfantabo — 3 U be=
gnügen. Blut Sage ber fjreilaffung bc§ Äronprinjen aber
mürben in allen Äircpn ber ^auptftabt, ja be§ ganzen
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190 (5iu Äronprinj als «ftodwerrätBer.
£anbcS für bic Rettung beS ÄönigS aus großer föefaljr
feierliche DanlgotteSbicnfte abgeBalten. —
Unb nun put 9tacBfpiele biefer Greigniffc. Napoleon
Batte btefelben fd^arf BeoBacBtet unb War, fd^on WdBtenb
fie im ®ange waren, in Portugal eingebrungen, Batte am
13. 9tobentBer mit ber turnen Grllärung: „baS 4?auS
23raganp Bat aufgeBört in Portugal p regieren," bon
biefem Äönigreidje 23efit} ergriffen, unb nadjbem ber por=
tugiefifcBe -fpof am 29. 9tobentBer mit 17,000 £anbeS=
ünbern nacB 33rajtlien aBgefegelt War, Siffabon Befefjt.
9tun Wenbete fidj ber Gröberer, eingebenf ber bon 911cubia
an iBm begangenen Sreulofigleit, gegen (Spanien, inbent
er im geBruar 1808 in 9Jtabrib ben Antrag fteßen liefj,
$önig Äarl IV. möge fitB unberWeilt nadh ^ßejifo ein=
fdjiffen unb fürberBin nur „als $aifer bon Slmerila" bort
regieren. 9llcubia überrebete ben iBm BünblingS ergebenen
Äönig audt), auf biefe guntutBung einpgeBeit, unb traf
Bereits alte ülnftalten pr SIBreife, als ein bon SJturat,
bent nachmaligen Könige bon Neapel, BefeBligteS fran=
3 Öfifd§e§ .jpeer bor fültabrib erfdjicn. GS Bt e Ü WoBl, biefe
ÄriegSmacBt fei pr 33erftär!ung ber in Portugal fteBcn=
ben Slrmee Beftimmt, aßein 9iiemanb Wüßte baran glauben.
SielmeBr meinte Sebermann, ber $erpg bon Sllcubia
Babe Spanien an Napoleon berlauft unb berratBen. Äeiu
SBunber baBer, bafj, als eS am 16. fDtärj 1808, waBr=
fcBeinticB burcB 91nBänger bcS Äronprin^en, rucBBar Würbe,
ber Äönig ftelje auf bem Sßunlte, feine UntertBanen iBrent
Sdjidfale ju üBetlaffen, jener brei Sage wäBrenbe 2luf=
ftanb auSBradh, in beffen Verlaufe bor Mcm ber Sßalaft
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$on '«Ridjutb ÜDiard).
191
Sllcubia’S 31 t Slraitjuej bon bem empörten '.ßöbet unter
'Btitmirfung ber löniglidjen ©arbe geftürmt unb -bermüftet
mürbe. ©ein 23efi|er entzog fiel) nur mit genauer 9totlj
ber SRadje beä $olfe§, ba§ feinen £ob begehrte. SDiefe
bringenbe fyorbetung erfüllte ber Honig audj fpäter nidjt,
mie benn überhaupt 9Me3, toa§ er tljat, barin beftanb,
bem injmifcljen behafteten ^er^oge bie „mieberljolt er=
betene ©ntlaffung" $u geben.
5Die§ gefdjal) am 19. 9 ftär 3 unb mar bie lepte 9te=
gicrunghöbbtung beä Hönigä, benn an bemfelben £age
erfdjiett jene SßroHamation, mittelft bereit Hart IV. „feiner
cingehmrjetten ©ebredjtidjleiten falber ber ferneren Saft ber
'«Regierung 3 U ©unften feinet Soljneä fferbinanb entfagte."
(So beftieg benn biefer, genau fünf Monate, nadjbent
er auf Seben unb Xob angeflagt gemefen, als fferbinanb VIT.
ben üUjron feiner SMter, unb ba3 ©rfte, maä er tljat, mar
bie ©in^ie^ung bc§ grofjen, unredjtmäfjig ermorbenen 33er=
mögeit§ Sllcubia’ä 3 U ©unften ber tone. 2 )a§ 5öolt mar
über feine ülljronbefteigung erfreut, allein feine bisherigen
franaöjtfdjen ffreunbe, 33eaul>arnai3 an ber Spipe, ber=
fagten iljm bie Stnerfennung. Sie beriefen fiel) babei auf
ein born 21. 9 Jtär 3 batirteS Sdjreiben Harl’ä IV., morin
berfelbe, otjne 9iamcn 3 U nennen, erHürte, nur bie blutigen
Sccnen be§ 19. fßtärj unb bie ©efaljr, morin fein Sebeit
unb ba§ be§ „SrriebenSfürften" gefdjmebt, Jütten djin bie
Xfjronentfagung abgenötfjigt. 6 r proteftire fontit ba=
gegen unb lege bie ©ntfdjeibung feines SdjidfalS, beä
©efdjideS ber Königin, fomie 9ttcubia’§ in 'Jtapoleon’ä
hänbe. —
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IÜ2 ©iit Kronpriuj als JpocpoerrcUhcr.
4
hierauf erfolgte feine Slnttoort. Napoleon liejj fotoohl
Karl 1Y. als auch 3?erbinanb VII., auf beffeu ^eirat^S»
projeft er übrigens fdjeiitbar eingegangen toar, im Un*
ftaren, toen er für beit redjtmäfjigcn König ^altc; SScibe
aber tourben beranlafjt, bem auf bem 2Begc nach (Spanien
begriffenen granjofenfaifer bis über bie ©renac, nad)
33at)onnc, entgegen a« teifen, tooljin fcfjon früher ber auf
„brittgenbe Skranlaffung" 9iapoleon’S iljm „übergebene"
<£>eraog bon 2ltcubia gebraut toorben toar. itnb bicS nid)t
oljne ©tuttb, beim Napoleon beburfte biefeS „treulofcu
9Jteitfdjen" bet Ausführung beS großartigen KunftftüdcS,
ein getoaltigeS Königreid) auf fc^eittbar rechtliche Söeife
au fid) au bringen. Kein Söunber halber, bafj er fid) mit ihm
feljr angelegentlich unterhielt , bebor er Karl IV. uitb itt
beffett 58eifein ^erbinanb VII. empfing. @S toar eine Art
Konfrontation atoifchen Slater unb <Soljn, eine Koitfron=
tatiou, toobei ber drftere bett Seßteren befchulbigte, ihn
burd) Erregung beS AufftanbeS getoaltfam bont Sprotte
geftoßcu au h Q fon, unb bie utibebingte Burüdftelluttg ber
AegicrungSgetoalt begehrte. 2>a Napoleon fich Karl IV.
geneigt aeigte unb außerbem beutlidj au berftehcti gab,
burdj „Atcubia’S ©üte" im Jöefiße beS bott Qrerbinattb
feiiteraeit im ©efängttiffe unter fd)ri ebenen 3ugeftänbniffeS
einer (Schulb 311 fein, toorauS bie fühnften fjolgerungctt
gcaogen toerben fönitteit, aeigte fid) ber junge König, ber
int ©runbe ein Feigling toar, bereit, feine fauttt ein paar
Sage alte Krone toieber nieberaulegett, unb Karl IV. hatte
nichts SiligereS au tpun, als feinen getreuen Alcubia toieber
in Amt unb SCÖürben einaufeßen, fotoie auch aunt Abfcßluffe
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58on SRtdjarb 9)inrc(j. 193
jeher 9lrt hon Unterhaltungen mit ftranlreuh 31 t er*
mastigen.
2)aS mar eS, maS Napoleon, her ©effigigfeit 9ltcu=
bia’S fieser, gemotlt hatte. 2)enn nadjbem ^erbinaitb VIT.
am 6 . 2 Jtai erttärt hatte, bie Regierung micber in bie
$änbe feinet STaterS 3 urüd 3 utegen, mieS Napoleon einen
jmifdjen feinem SBeboltmächtigten 2)uroc unb SIXcubia £agS
bortjer abgefdhtoffenen Vertrag öor, fraft beffen ÄartlV.
ade Rechte feines |>aufeS auf (Spanien unb Söeftinbien
unter ben SBebingungen in ^apoteon’S $änbe nieber*
legte, bafj baS Königreich Spanien als fotdjeS befielen
unb bie römifdj=fatIjolifd)e Religion bafetbft bie einzige
bleiben folte.
König Kart IV. mar fornit „ohne ßanb", aber er fanb
fammt ©entahlin unb Familie, fomie bem unaertrennlid^en
Sllcubia „Zuflucht in Sranfreich", b. h- nebfi betriebenen
Sdjtöffern eine (Jibitlifte bon 30 2Jlitlionen 9ieaten iäljr*
tidj, mährenb bem nunmehr mieber jjum ^Prin^en bon
Slfturien gemorbenen Qferbinanb, ber fich meigerte, biefem
Vertrage belüfteten, bie Söa^l smifepen feiner Unter*
fcfjrift unb bem Xobe gelaffen mürbe.
Unb mie einft im Werfer beS ©Sforiat, fo tfiat er aud)
jept ben rettenben f^eberjug, unb Napoleon „erneuerte",
nadjbem er ^erbinanb baS ©djlofj SBatcncap 311 m 2luf=
enthalte angemiefen hatte, „bie alt gemorbene 5Ttonard;ie",
inbem er feinen S3ruber $ofeph 33onaparte, ben bisherigen
König bon Neapel, auf ben £t)ron Spaniens feijte. SDiefcr
Stjron hmlt inbefj nid^t lange feft; fdjon nadj fünf fahren,
1813, brach er, mie fo biele 5ftapoleonifdjc Schöpfungen,
58iblioll)eI. 3aljrfl. 1889. 58b. X. jg
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194 Gin ^ronprinj al§ Jpohücrrfitber.
3 ufammen, unb bcr Äorfe felbft bot gerbinanb VII. bie
Söiebereinfetjnng an.
infolge beffen fe^rte ber ehemalige ©taat§Perbrecher
im OTrj 1814 al§ $önig nach Spanien 3 urücf, bodj
nicht, um, feie fo SBiete gehofft, fein iolf einer gtürflidjen
3u!unft entgegen^ufithren, fonbern um äunädjft ben Gib
auf bie freiheitliche Äonftitution Pon 1812 3 U bertoeigern,
biefe umjuftolen unb — obtooljl er ben bßfen Ginflufj
ber ©ünftlingäherrfchaft genugfam fennen gelernt — Pon
Sfinfterlingen geleitet in einem ©eifte 3 U regieren, ber,
einem mittelalterlichen 3)e§poten alle Ghre machenb, ba§
SSolf miebcrholt 3 ur Gmpörung trieb. UeberbieS befcheerte
^ferbinanb feinem Pielgeprfiften Reiche baburch, bafj er ba£
Grbfolgegefetj, bemäufolge fein S3rubcr 2)on Garlo£ unb
beffen 9ta<hfommen jur Thronfolge berufen toaren, 31 t
©unften feiner ein 3 igen Tochter SfabeKa aufhob, auch noch
bie Garliftenfriege. Gr ftarb 1833, Manuel ©oboi, $er 3 og
Pon Sllcubia, aber Perfcfjicb erft 1851 3 U 5ßari§, too er, ba
ihm Napoleon 3 ur ©träfe für feine Treulofigteit bie in
JSahomte geleiftete <£>ilfe nicht mit ftingenber 3 Jtün 3 e ge*
lohnt, bi§ 3 U ber 1847 erfolgten 9tücffteIEung feiner Pon
^erbinanb VII. fonfiS^irten ©iiter in SJürftigfeit gelebt hatte.
Sic ßufdjmäniter.
i3 i 1 b r r ans S> ü t> a f r t h a.
Von
$). flctcrfni.
(9lftt^bru5 Verboten.)
^Zu ben fogcnamtten „toilben" SMfexftämmcn Siib=
C^/ afxifa’ä, bic in ben Sattbftxidjcn, metdje bem bortigen
beutfdjen $otoniaIgcbict benadjbaxt ftnb, ifjxe Sßoljnfitie
£)a 6 en, gehören aud) bie Shtfdjmännex, bie beStoegen ioof)l
eine ettoa£ eingetjenbcxe ©djtfbexung bexbienen.
^iefelben finben fid) nämtidj öjttidj unb nöxbUdj bott
9lnqxa=5J3equena in ©xofj=9tamaquaIanb 31 t beiben ©eiten
be£ ®xofjen $ifdjf(uffe§, fexner in gxöjjcxex gotyt in bcx
Söüfte Matjaxi unb noxbloäxt§ bt§ übex ben 9tgamifee
ljinaU§.
3 t)te x§aitytfi|c exftxeden fid) bon bex ^affexugrc^e
im ©üboften quex buxdj bie $apMomc bi§ in ben 9toxb=
loeften bexfelben, atfo im ©üben bc§ Cxanjeftxome§.
3Öa£)xenb bex 9tame „Sßufdjmann" itjnen bon ben $oto=
niften beigelegt ift, nennen fte ftdj fetbft snn unb sagua;
bod) ift man über ben ©inn biefcx ^Benennungen nidjt
xeäjt ttax. Xfj. $afjtt füt;xt 3 toei SDeutuugen an, inbem
ex fie einmal „(Mjebtc" obex „SBextooxfene" unb bann aud)
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196
$5te öitjc&männer.
„ßnedjte" unb „Unterwürfige" nennt. SBatlmann bagegen
Reifet fic bic „©epaften".
Cbgleid) fte bon ben Hottentotten in Sprache unb
ScbenStoeife grunbberfdjieben finb, fo finb fie bodj mit
i(jnen bon berfelben föaffe. 9ln ©röfje ftetjen fte ganj er*
beblid) tjinter biefen jurüd. ©ie matten ben Öeinbrud
be§ Stoerg^aften unb Sßerfümmerten, neigen toenig 3 ur
3?ettleibigfeit, unb il)re Höbt ift bon leberartig trodener
Söefdjaffcnbeit, toenig etaftifdj unb ftarf <jur ^altenbilbung
geneigt; ber ©runbton ihrer Hautfarbe ift bem Äupfer*
rotbett jjuncigenb. SDen übrigen Vlet^iopiern gegenüber
finb fte Ijdt 3 U nennen. 35ie (Jnttoideluug ber ^Behaarung
ift febr gering, bod> ift $ablföpfigfcit eine ©eltenbeit;
bie feinen ftlaumbaare am Körper fehlen jebodj gänzlich;
ber Söart ift meiftenS nur fdjtoadj angebcutet. 6ine ^erbor=
tretenbe ©igentbümlicbfeit ift ber Hängebaud), bon ben
Itapfoloniften „2trtnoeb=5ßenä" genannt. S)a§ ©efidjt ift
breit, bie Hugcn fteljen toagercdjt, unb ber 33lid bat ettoaS
©cbcue§, Söilbe§, Qfunfelnbeä., SDie gebogene 9iafe ift bon
ber SBur^el an eingebrüdt mit aufgeftiitpter ©pifje, toie
bei ben Hottentotten. S)er 2Jtunb ifi breit, bie Sippen
finb ntäjjig aufgetoorfen. $>ie $ieferpartbie ftebt jebodj
ftarf b^bor, fo bafj ba§ ganae ©efidjt eine fdjnauaen*
förmige ©eftaltung bat ; auch tragen bie groben, abfteben*
ben Obren biel bap bei, ben (Sinbrud be§ Snjierifdjcn
3U erhöben.
3Der 33uf<bmann beftp eine ganj befottbere SluSbauer,
befonberS 3 eidjnet er ftd) al§ S)aucr= unb ©cbneltläufer
au§ unb erhielt al§ foteber eine berbältnif}inäf}ig gro|e
i'Oit t*. ^etcrfeu.
197
3}urd)t'cbuittsgcfd)tbinbigleit. ©o Tjager bie 23ufd)mämicr
audj ftnb, bafj fie auSfehen U?ie burdj baS Riebet herunter
gefommenc Sitbibibuen, fo laufen fie bod) „mit bei* ©e=
fehtoinbigfeit eines Vogels". ©etoiffc Söilbarteu erjagen
fie fid) mit Erfolg, inbem fie biefelbcit 311 ftufjc ntübe bereit,
mobei ihnen bie (Bd^ävfe her ©inne, befonberS ber Slugeit,
itub bie ausgezeichnete ©pürlraft 31 t <£>ilfe loitimt. Slu
junger nnb 25urft, überhaupt an Entbehrungen ift ber
33ufchmann bon Sugenb auf getoöljnt.
©eine ganze £cbenStoeife ift menig bazu geeignet, be=
foubere Eigenfchaften beS ©eiftcS nnb beS ©emütljcS zu
Zeitigen nnb zu enttoidcln. ©0 macht 23urdjell über beu
bolltommcnen Mangel an Söernunft btefer SJtenfdjeu bie
abeuteuerlid)ften Sttittheitungen ; bod) geht er bariit zu
mcit, toeit feine SSeobadjtuugcn nid)t eingchenb genug finb.
©0 biel läfjt fid) aber mit ©idjerbeit behaupten, bafj ihre
geiftigeu ftähigleiten fid) nur auf baS erftrerfen, maS zum
Unterhalte unb ©enuffe beS £ebeuS ihnen uubebingt u5tl)ig
ift. 2 )ie rcligiöfen 33orftcHungen finb h ö <hfi mangelhaft
unb bertoorren. „S)cr SBufdjmauu ift baS uuglüdfclige
Zliub beS StugcnbtidS," fagt ©. £5?ritfd), unb fajjt in biefeu
bezcidjncnben SBortcn fein ganzes Urtheil über beu Et)a=
ratter biefcS Golfes zufammeu. Er ift bis zum haften
©rabe uubebadjtfam unb labt fid) zu einer 2 l)üt burd)
bie augenbtidtiche Steigung beftintmen, ohne bie barauS
entfpringenben folgen zu ertoägen.
Stuf ber niebrigften ©tufc ber Äultur ftehenb, ift er
ein ^äger, nnb in biefer Beziehung toofjt ber cntfchiebcu
gefdjidteftc SJteufdj, beu man fid) nur zu beulen bermag.
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Sie SBufdjmätmer.
33on bcr Statur fdjeiut er fd§on gan<$ bcfonbcrS $u bicfer
ScbcnStocife inbibibualifirt. SSebeuIen toir nur bie 2luS=
bauer, toelcfje beut flehten, fdfjmäcfjtigen, feljnigen Körper
innetooljnt; bie 3?ät)igfeit, junger unb Surft j}u ertragen,
bie ungeheure Sdjärfe ber Sinne, toie toir fte bet feinem
aitberen 93olf ber Grrbe fennen, fo läjjt fidj leidet begreifen,
bafj er ein boEenbeter Säger fein rnufj. Slbljättgig botn
Sßilbe, mu| er feinen Slufentljalt öftere toedfjfeln, unb
bafjer lebt er aucf) nur fantilicntoeife ober in flehten SruppS
beifantmen, ba nur immer SBettige ftd) auf einem getoiffeit
Staunte bon ber Sagb 3 U nähren bermögen. Sic grauen
unb ßinber finb gelungen, aEe Strafen ber Sftänncr
mit^umac^en, unb eS fel|lt iljnen fomit bie nötljige Stulje
gattj unb gar.
Cbgleid) ber SBufdjmann, toie bereits ertoäfjnt, in
manchen Scaieljungen bieEcid^t auf ber niebrigften Stufe
unter ben Sßölfertt Slfrifa’S ftel)t, fo ift er bodfj burdj
feine unbcugfame SreilicitSliebe bor iljnen auSge,jeidjnct.
6 r beugt fidlj feinem Sflabcnjoclje, unb felbft in ber ©e=
fangenfcfjaft bcrläfjt iljn ber toilbe SreifjeitSbrang nidjt.
Sn toilbem .fpaffe füfjrt er $ricg gegen SlEeS, toaS feine
Srreifjeit einfcfjränfcn toiE. 23efonberS fudfjt er bie S3ie^=
fjeerben <ju jerftören, burcfj toetd^e er immer ntefjr aus
feinen Sagbgrünben jurüdEgebrängt toirb. So fange man
bon 33ufdjntännern toeifj, fennt man fie aucfj als 3?iefj=
bicbc. Sdjon aus älteren Säuberungen toiffen toir, bafj
cS Sitte ber 23ufc£jntänner ift, baS geraubte 33icfj ju
töbten, ober cS clcub berfcfjmadjten 311 laffctt, nadjbcnt fie
bemfelben bie Seinen bcr f^erfert burdjgefdjnittcu fjabett.
3?oii % 'licterfen.
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2>a aber bie Söeifjeit mtb ebenfo bic Hottentotten Ijier
ausfcbliejjlicb bon Söieljaudjt leben, fo ift beftäitbig $aieg
3 Wifcbcn biefen unb ben Söufdjmännetn.
33on einer eigentlichen gefetCfd^afttic^cn Crganifation
Weifj ber S3ufdjmann fe^r Wenig. Sttteö, WaS eine anbere
Spraye, anbere (Sitten unb Gebräuche bat, als er, ift
fein §einb. ©ein einziger S3cfib ftnb feine äöaffen. ©ein
Familienleben ift ein äufjerft lotteret, ja oft mufj man
bei iljnt an jeher menfcblidjen Regung jmeifeln. ©o cr=
3 äblt £ibingftone bon einem alten S3ufdf)inann: 2llS uttfere
Gefdjenfc an Fleifd? fein He*3 erwärmt Ratten, erzählte
er beim Feuer feine früheren Slbenteuer, unb unter 2tnbe=
rent auch bie Grntorbung boit fünf 33ufchutäitneru. „ 8 wei,"
fühlte er an feinen Fingern, „Waren Söetber, einer ein
UJtann, unb 3 Wei Äiitber."
„Söetcf)’ ein ©eburfe feib 3 b*» bn& 3 b* Such rühmt,
Söeiber unb Äinber GureS eigenen SSotfeS getöbtet 31 t
haben! 2öaS wirb Gott fagen, toenn 3b* bür ihm cr=
fdjeinU"
„Gr wirb fagen, baji ich ein tüchtiger Äcrt War!"
SDiefer 9Jtenfcb erfebien boWommcn gcWiffcnloS unb
boit Statur jebeS Gefühles ber Verantwortung bar 31 t
fein ; als ich ihn aber burdj Weitere Gefpräcbe auf^utlärcu
f uchte, entbeette ich, ba& er, WieWobt baS SÖort an=
Wcitbenb, Welches bie Vufcbntänner für Gott haben, immer
nur bie 3 bce eines Häuptlings im ©imte hatte unb 3 toar
bcS ©efontiS, bott Welchem er gegen eine ©djaar auf=
rübrerifcher Vufctjmänner gefanbt toorben War.
SDer Vufdjmann beweist nicht nur eine unerhörte Grau=
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200
Die SJufcOmfinner.
famtcit, fonbcrn auch einen ^ot;en förab bon -Dtuth, bet-
au Jobcäberachtung grenat. O^ne aßc 33ctoaffuung treiben
fic beit ßötoen, um itjn in einem Hinterhalte au über=
faßen. 2 öie oft fjofan niefjt (Sinaelitc mit ihrem ärmlichen
33ogen fich gegen ganae ©djaaren bon SGßcifjen 31 er Söehrc
gefegt. ©0 hat ba§ Surchtgefüljl bor ben SJufcIjmännem
3 ur (Sntmalbung ©übafrüa’3 bicl beigetragen, inbcnt bie
SBeifjcn 2lße3 um ihre Slnfieblungen au§robeten, um baö
unbemerlte Rnfchteichcn ber toilben fteinbe au berhütcit.
©eiten geht ber SBufchmann in einen cibilifirtercn 3 u=
ftanb über, noch fcltcner berharrt er in bemfetben, fo bafj
man annehmen barf, bafj biejenigen bon ihnen, toctchc fich
beit ßöcifjcn angefthloffen halben, gemachten 33lnte8 finb.
SBiele -äJtiffionäbcrfuche finb mit ihnen angcftcflt toorben,
bie aber uteifienS fcheiterten. S3alb toaren eä bie geinb^
feligfeiten ber milben 33ufcfjmänner, halb Reibereien mit
ben Slnfiebfern ber Radjbarfcfjaft, ntciftenä aber bie Un=
Geneigtheit unb Söiberfpenftigleit ber au SSclehreubeu,
toelcheä aßc Rlülje fruchtlos machte.
2 )er SSufcljmann beftätigt ben ©ah, bafj bei ben Ratur=
bölfern bie Äleibung ftch nicht in erftcr fiinie nach kein
Ätima unb ben SBebürfniffen richtet, fonbent nach ber
Äulturftufe ; bal)er er fich auch in fehr unboßfommener
3Bcifc fleibet. 3 hnt genügt ein breieefigeä ©tücf ^eß,
ba§ mit einer ©chnur um bie Hüften befeftigt toirb. S)a=
gegen trägt er über bent ganaen Körper eine tüchtige
©chmuijlrufte, toeähulb auch Sichtenftein bon ihnen fdfjreibt:
..2)ic ?Varbc ihrer flaut mar mir an meniaen ©teßen er*
SHon ty. ^etcrfen.
201
mie eine iRinbe, baä ©efidjt unb bie mageren ©lieber.
s Jtur unter ben Slugen, bie non bent Stauch beä qualmen*
ben geuerS, an meldjent fie <ju fißen lieben, oft tfjränen,
mar ein Heiner gled rein gemäßen, an meldjent man
bie cigcitthüntlidje , gelbtidje garbe ber .fpaut crbtitftc."
Ser SBufdjntann liebt c§, fich mit SSudjufalbe ^u be=
firmieren, unb ba er fein 9iadjttager läufig auö am geucr
crmärrnten <Sanb nnb 2lfd£je bereitet, fo ift bie «Sdjmutj*
Irufte halb ^crgcfteHt. Sie grauen tragen einen größeren
£enbcnfdjura al§ bie Männer, ber mit lebernen graitfcit
ber<jiert ift, nnb um bie (Schultern ben Sragmantcl, mor*
unter and) bie «Säuglinge Söärme Ijabcn. 5?iänner nnb
grauen tragen bielfad) (Sanbalen Don geU ober S3aft=
gefled)t ; bod) fteht man fie auch tjaufig barfuß beit glühen*
ben (Saitb burdjmaten ober Sorncngeftrüpp burd)bringcit.
2$icte (Scfjuiucfgegenftänbe finbet man nicht bei ihnen ;
hödjfteitä einige SJieffing* ober ©ifenringe, ober eine ftctte
bunfler perlen, bie fie Don (Europäern für geleiftcte Sienftc
empfingen unb montit fie .fpaare unb «£>al§ fd)ntüdcn ; ober
fie bereiten fidj Sagbtrop^äen au§ gebern uitb £>afeu=
feijmänaen, bie fie in ben paaren tragen, ober folche aus
gähnen, Älaueit, Körnern unb fDtufdjclit, bie ben <£>alä
gieren. $n giegetthörnern unb beit tleinen (Skalen ber
Jdanbfcljilblröte tragen fie ihren Saba!, ihre Salben unb
Slmulette an bett lüften ober am ^>alfe.
5totl)tocnbiger, at§ bie Üteibung, finb bem 93ufdjmanuc
feine Söaffen. Sie JHeibung entbehrt er gern, benn er ift
geitügfam unb abgehärtet, aber feine SBaffen muß er
haben; nur fie ermöglidjen ihm ba§ £ebctt, auf fie Der*
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202
$ic Sufdjmänner.
toeubet er alle (Sorgfalt unb fie finb baljer auch faft bie
einzigen Erjeugniffe feiner Äunfifertigfeit. Er befitjt
Sogen, 5ßfeit unb Söurffeute ($irri). Erftere finb feine
nationalen Skiffen, bie er bon alten ©übafrifanern ant
gefcf)icEtcften ^erpftetten unb <ju Bernden toeifj. S)er Sogen,
1,5 Sieter lang, ift tjötjer als bet Staun felbft unb bc=
ftct)t au§ einem ntäfjig gebogenen, in ber Stitte berbicften
Barten .fpolaftabe, mit einer ftro^atmbidfen ©ebne, bie auS
Ubierfebnen äufammengebreht ift. 2)ie 5ßfeile finb bon ber=
fdjiebenfter fform, unb ihre ©pifee befteht au§ Änochen,
Eifen ober ©taä. Sm Stünchener Slufeum befinbet fidj
ein Sufchmannäpfeil, beffen ©pifje au§ ©taäplättcheu be=
ftcbt. Sefonberä gefährlich toerben biefe Pfeile baburcfj,
bafj fee mciftenS Vergiftet finb.
55a§ ©ift ber Sufdjmannäpfeite ift fefjr ftart. Eä
tobtet felbft größere SE^iere nach Wenigen ©tunben. Ueber
bie Sereitung be§ ©ifteä toeifj man nicht ©icijercä an^u»
geben; hoch fott ber fpauptbeftanbtheit nach Uebereinftint*
ntung ber meiften Serichterftatter (Schlangengift fein. SDiefcä
toirb mit bem ©afte einer 3toiebel, ber ©iftamarpttiS, in
beftimmter Söeife angemacht. 2)afj aber bie ©iftamarpttiä
ungefährlich ift, geht barau§ hetbor, bafj bie Sufdjmänner
mit bemfelbett ©afte itjre ©efchirre ^ufammentitten. Sur
gegen Saubthierc bebienen fie ftch ber ©iftpfeile, fetten
gegen Slenfchen; e§ fei benn au§ Sothtoehr ober um in
ben Sefitj ihrer beerben jju gelangen.
2>er Sufchmann ift ein Sleifter in ber -fmnbhabung
beS Sogenä ; auf 60 bi§ 80 ©chritt Entfernung trifft er
ganj ficher, toaB für einen Säger bon folcher gein^eit be§
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üloit s tt. ^eterfen.
203
©eljörS unb fotdjjer ©eräufcfjfofigfeit ber 33etoegungeu bott=
ftanbig genügt. Sü* feine Pfeile I)at er einen Äödjer aus
ber SRtnbe ber Aloe perfoliata («ttoferbaunt ber 33oereit),
mit einem ©oben unb SDecfeX auS Seber, auch toohf gan 3
mit Seber überzogen, ©in fotd^er Köcher fafjt gegen
30 Pfeile, einen WinJet jutn Aufträgen bcS ©iftcS unb
bie ^euertjötaer.
Eigentliche 2öol)nungen befitjt ber SSufcfpuanit bei feinem
unftüten SBanberleben nicht; ja er hat feiten ein .Seit,
toie bie anberen Söanberft&ntme. Er begnügt fiel) mit
Selfenfpalten unb Höhlen, ober mit einem überhängeubeu
©teine, ber ihm notljbürftig ©djuh gegen bie Unbilben
ber SBitterung bietet. 33iSmeilen bilbet er fiih auch tooht
einen Jffiinbfdjirm, inbem er einige Stocige jufammenbiegt
unb mit anberen Stoeigeu unb 9JiooS berffechtct, um bar=
unter fich ein Säger Don 9JtooS unb Saub aufpfchütteu.
9tur in gan^ fettenen Salten, menn er ein recht ergiebiges
Sagbgebiet antrifft, berfteigt er fidf; 3 um £)üttenbau, inbem
er einige pfähle in bie Erbe treibt unb biefc mit .8tueigcu
unb Setten befleibct. Sn fofehen Satten flechten auch bie
Söeiber rohe hatten aufammen. 9tur in ben felfigcit
©egenben ber Soerenfreiftaaten fotl er fiel) eine 9trt Ärat
bauen, inbem er bie Jütten mit einem 9iing aus locfer
aufeinanber gelegten ©teinen unb mit Sanggruben unt=
gibt. Sarroto bcfcfjreibt einen folchen $rat als auS ärm=
liehen ©trohhütten beftefjenb.
©elbftöerftänblich fann boit $auSgeräth faum bie Siebe
fein, beim toaS .ber 33ufdf)mann nicht mit fich führen fann,
baS fann er auch nicht gebrauchen, ©elbft ^auSthiere,
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204
$ic Öufdjmftnner.
fo oft er fic auch raubt, fdjeiueit iljiii eine üiaft, bcSpalb
. tobtet er fie unb begehrt fie fo fdjnetl als ntöglid). Um
feine fDtatjlaeit 511 bereiten, braudjt er nur fjeuer, iucldjcS
er, toie attbere fftaturbölfer, burd) Slneinanberreiben eines
garten unb eines tueidjen StüdeS -£jola erzeugt. (Sr bc=
reitet fein Steift, inbem er bie einzelnen Streifen in’S
(Jener toirft, um fie gar ju matten, ©ana roh geniest er
nur ^ufeften, befonberS Säufe, unb bie fetjr beliebten (Sicr
ber tocifeen 2lmcife. Sludj (Sibedjfen, Schlangen, fjröfdjc,
Söürnter, 9iaupett unb Farben begehrt er mit SSebagcn.
.$onig ift feine SieblingSfpeife. 2)aS Sßflanacnreich liefert
tl)m Stuiebcln unb Söuraeln; trop i^rer 33ittcr!eit geniest
er aud) bie loilbe SBaffermclonc, beren Saft i$m oft baS
einzige SJtittcl aunt Söffen feines SJurfteS bietet. (Sr ift
ein leibeufdjaftlicher fRaudjcr unb baljer für £abal leicht
311 ÜDicnftlciftungen Ijerbeiauaiehen.
Äenntniffe bon ber fftatur bat ber SBufdjmatm in cr=
ftaunlicber fjütte, fo bafj man ftdj tounbern mufj, bafs
er biefe nicht beffer bertoerthet. Slucfj eine merftoürbige
WadjabmungSgabe befipt er. Vermöge feiner au eine
biegfamc, h ö <hft formenreidjc Sprache getoöbntcu 3unge
bertnag er bie Sogcllaute, fotoie auch bie bcrfdjiebeneu
Stimmen ber 23ierfüf$lcr auf's Üaufdjenbfte toieberau*
geben, toobureb ihm bie $agb mit feinen primitiben Söaffett
bebeuteub erleichtert toirb, ba bicfcS Talent ihm au §ilfc
fommt beim 33efd)lei<hen ber SLbterc. 9Jterftoürbig ift in
biefer 58eaiebung bie Straupenjagb, bie er bermittelft
eines fattelartigen, mit Straufjenfcbern befe^ten 5PotfterS,
baS er auf ben Schultern trägt, unb tooran fich born ber
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SSon % ^eterfen.
205
auägeftopfte $opf uttb ber <f?al§ eine§ ©traujjeä befinbet,
auäübt. 9ftit ben SBaffen in ber linten £>onb ficf) unter
folget 9Jtaäfe anfchleichenb, tueifs er ben Strauß in einer
SBeife p tiiufdbeu, bafj er leidet auf ©dbujjmeite an ihn
heranaufommen berntag. ©eine 9tacbabmung§fertigfeit er=
ftrecft ficb fogar auf eine leibliche ftacbbitbung bon
9)tenfd§en unb Spieren. finb biefelben burdj ben
^infel mit ben hier färben 2 öei|, ©djtüar,}, 9toth unb
£<fer auf Reifen ^ergefteltt, ttjeit§ finb fie eine 9lrt 33ilb=
hauerarbeit, mit einem (Stift in toeidjem ©anbftein au§=
gefragt, ober gar in t>arte§ ©eftein eingemeifjelt. ^3ferbe
foßen häufig in ihren 3 eithnungen t, 0 r f 0 mmen, aufjerbent
ber ©traufj, berfchiebene Sintitoben, Ouagga§, Fabiane
unb Siinber.
23om Familienleben be§ 23ufdjmanne§ toeif} man fet)r
toenig. Wer mannbare Suicbmann fudjt fich ein Söeib,
rnobei berföntietje Zuneigung mafjgebenb ^u fein fcheint.
SDie Söerbung gefc^iefjt burdj Sßertoanbte beö FüngtingS,
bie feine ©efehenfe mitbringen. Wie Annahme ber ©efdjenfe
gilt al§ 3 ufoge. ©in ©djntauä unb ©efdjente ber 9tn=
gehörigen unb F*eunbe befiegett ben SSunb. SMtoeiberei
ift geftattet. Stur bie uädjften 33attbe ber 33tut§bermanbt=
fdjaft biXben ein $inbernifi ber ©h e - Söeiber nehmen
eine fehr niebrige Stellung ein, fie ftehen auf ber ©tufe
ber Wienerinnen unb beS 8 afttt>iere§. Stuf ber SOßanbermtg
miiffen fie neben ihren Äinbern einen großen Wh e ^ ber
S3orräthe tragen, bamit ber SJtann unbehinbert feine Söaffen
führen !ann ; fte hoben für Feuer, Nahrung, Söaffer, fttr^
für Mittel 31 t forgen. Sßirb ein Söeib auf ber SBauberuug
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206
Sie Sufc&männer.
franf unb fdjmacfj, fo toirb e§ oljne 2 ßeitere§ 3 urüdgetaffen
unb neben ifjm eine (Schale mit äöaffer, einige Söui^eln
unb ettua§ f^Ieifd^ geftettt. Ctjne Reinigung, äöartung
unb pflege toadjfen bie JKnber tjeran, bie lange gefäugt,
babei aber fctjon in ben erften Sagen audj mit Mügeln,
Sfteifdj unb anberen feften 9tatjrung§ftoffen gefüttert toerben.
$aum !ann ber Änabe laufen, fo foirb er Pon bem Später
in bie ©eljeimniffe be§ ©dtjiefjenä, ber Sßitbfpuren unb be§
Honigfucf)en§ eingetoeiljt. Sie Mutterliebe fott redjt grofj
fein, unb Sf). Halm eraäfjU babon merftoürbige SBeifpiele,
toie bie Mutter mit Sobeäberadfjtung itjr $inb 3 U fdjitfcen
toeifj.
Sie Sufdfjmänner tjaben too^l religiöfe S3orfteKungen,
aber feine eigenttidfje bogmatifdf;e Religion. Sille ofjne
SluSnatjme tragen Slmutette, um böfe ©eifter abjutoeljren
ober ba§ ©tüd fidj untermürfig 3 U macfjeu. Um ben
SBitten ber ©eifter 31 t erfahren, toürfeln fie. ©in 33ufdj=
mann, ber ßibingftone begleitete, toarf feine Söürfet unb
erflärte, ber ©eift gebiete iljnt, um 3 ufet)ren. 3n ben Senf=
malern fjerborragenber Sobten laffen fidfj getoiffe ©puren
bon bem ©tauben an eine ftortbauer nad) bem Sobe er=
btiden. Man mirft auf bie ©räber ber Häuptlinge, fo
lange itjr Slnbenfen toätjrt, ©teine, bie 3 U ©rabljügeln
antoadjfen, unter metdjen bann fpätere ©efdjtedjter böfe
©eifter Permutljen, bie ifjnen ben Hals umbreljen, toenn
fie nicfyt ebenfalls ©teine ba 3 u toerfen. Sie Sufdjmänner
ber Statuliberge Ijabcn ein ©pridtjmort: „Ser Sob ift nur
ein Sdjtaf." Sind) bie 2?cgräbnifcmeifc beulet auf einen
©tauben an eine 5orteriften3 nad) bem Sobe t)in. Sie
2km ißeterfen.
207
ganje Familie bertäfjt bcn Crt, an bem Semanb geftorben
ift, nai^bem fie feine <£)ütte -jerftört tjat. 25er £obte mirb
am Raupte gcfalbt, bann einer 9täudjerung unterworfen
nnb in ein gegrabenes ©rab gelegt. 2 )ie lobten toerbcn
nadj Gampbell mit nadj ber Sonne getoanbtem ©efidjt
begraben. SDie ©egenftänbe bei tägtidjen ©ebraudjS werben
iljnen mit in’S ©rab gelegt, fo bem Spanne befonberS
feine SCÖaffen.
2ludj geWiffe mptljifdje 33orftettungen fommen bei beit
23ufdjmännem bor. ihin afrifanifdjeS 23olE tjat einen
reicheren Sdjafj bon 21jiermptljen. GbenfattS fdjeineit Sonne
unb TOonb eine ijerborragenbe Stellung einaunetjmcn unb
3 toar finb fie ©egenftänbe ber retigiöfen 33ereljrung. 23teeE
zweifelt gar nid^t baran, bafj bie SBufdjmänner jur $er=
eljrung ber |>immelStörper fortgefdjritten feien. $on ber
Sonne erjäljlen fie, bafj fte als 9Jtann auf ber Grbe lebte
unb Sidjt au§ ber 2ldjfelf)öljle auSftrat)lte, baS aber nur
einem Heincn 9iaum um bie |>ütte ju ©ute !am ; beSljalb
fanbten bie SBufdjmänner einige Äinber auS, um fie in
ben |>immel 3 U werfen, Wo fie feitbem 9lEen fdjeint. 25er
ERonb tritt ebenfalls in itjren Sagen als ein jJJiann auf,
bon bem bie Sonne in i^rem 30 m mit bem 9)teffer
(ifren Strahlen) Stüde abfdjneibet, bis er bittet, fie möge
nod) ein Wenig für iljre $inber übrig taffen. 25iefeS Stüd
wädjSt bann wieber, bis eS SßoEmonb Wirb. 9Jtit bem
9Jtonbe wirb ber llrfprung beS 2wbeS in 2$erbinbung ge=
brad;t. ?ludj $enntniffe bon ben Sternen fjabcn fte. 25aS
Sternbitb Äaftor unb jpoltuj nennen fie bie Glenfüpe,
^tageUan’S SBolfe nennen fie ben Steinbod.
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208
ÜRittelalterlicfie $?rieg§liften.
9tadf) ollen biefen 9lnfüljrungen toirb man 3 U ber lieber*
3 eugung gebrängt, bafj bie SBufdjmänner, obtool)l auf ber
niebrigften $ulturftufe fteljenb, bodj ein feljr intereffanteä
tßotf finb. finben fidfj bei iljnen religiöfe 33orfteltnngen,
fo 3 iate ©tieberungen, Äunfttriebe, Jura alte bie Anfänge
jener Kultur, auf beren 2 lu§bilbung mit felbft fo ftolj finb
unb bie in ifjren urfprünglidfjften formen toieber au finben
unä fo lebhaft intereffirt, bafj ber 33ufdjmamt nocfj lange
eine§ ber fjerborragenbften 33cobad§tung§obje!te für ben
ftorfdfjcr fein toirb.
ÜtiHelaltfrlidje & riegsli|ltn.
jßnltnrgefitjidjtUrije S>kine
UOR
tö. jHcfjlmamt.
(Sladjbrutf Verboten.)
5 djon bie berühmten ftelbljerren be§ 2 lttertljum 8 ljul*
bigten bem ©runbfafc, bafj man aur fiift greifen müffe,
toenn man mit ©etoalt nidjt burdjlomme, unb fo ifl eS
bi§ Ijeute geblieben. 2)ie $unft be§ Strategen befielt öor
SIKem barin, bie 3 )i§pofitionen be§ ©egnerS ju erlernten
unb 3 U burdjfdjauen unb üjn über bie eigenen nad§ *Dtög=
lidjfeit 31 t täufetjen. 3 m 3 Rittelalter toar biefe „Jhieg3=
funft" iu SDeutfdjlanb toeiter üorgefdtjritten, al3 in aßen
anberen Äulturlänbern, beutfdje ©ölbuer fdjlugen fidt) im
93ou iß. ^iebtmamt.
209
SDienfte frember dürften auf allen ©chladhtfelbern, beutfdje
«Heerführer fommanbirten faft überall frembe Heere unb
berfchafften ihnen ben ©ieg, fein SGßunber alfo, toenn gerabe
in jener 3*it, in toetcfjer auch Teutfchlanb felBft beftänbige
innere Kriege führte, bie ÄriegSliften eine grofje Nolle
fpielten.
E3 gibt eine Literatur au3 bem 16. unb 17. 3fahr=
fjunbert, tüeld^e un§ gar getreulich über biefe «ffriegäliften
berietet, unb au§ biefer Siteratur toolten toir ben Sefern
intereffante Ntittheilungen machen, au3 benen biefelben
erfehen bürften, bafe befonberä ztoei ©achen in ber mittel=
alterlichen Ärieg§funft feljr au§gebilbet toaren: bie Qfelb=
telegraphie unb ba§ Nachrichten» unb ©pionentoefen.
Natürlich Ijnnbelt e3 fidi) ^ier nicht um eine Selb»
telegraphie in unferem ©inne, fonbern um ein optif<he3
©ignalmefen, toetdheä fo feljr auSgebitbet erfcheint, bafj
man billig erftaunen mufj, toie man in jener 3ät ntdht
fdhon auf eine optifche Telegraphie auch für SriebenSztoecfe
gefommen ift, toeldhe toir in Europa erft bei beginn beä
19. 3ahthunbert3 eingefü'hrt feljen.
SSor mir liegt ein Sud): „Ntagifcher Traftat", bon
einem SBerfaffer, toeldjer fich ba3 5pfeubonpm 3an. Hercul.
ba ©unte beilegt, unb barin erhält man erfchöpfenbe 9lu3«
funft, toie über bie $öpfe bon gruben hintoeg auf toeite
Entfernung 3ct(^en gegeben toerben lönnen. 25er 33et*
faffer nimmt immer an, e3 hnnble fich barum, in eine
belagerte ©tabt hinein Nachrichten gelangen zu laffen, unb
bezeichnet ben Niamt, ber in ber belagerten ©tabt bie
Nachrichten empfängt, mit bem Namen Ntar3, ben Ntann
SBibliottjd. 3afyrg, 1889. Sb. X. 14
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210
SHittelalterlidje Ätrieggliften.
aufjerBalB ber ©tabt mit bem tarnen fDtercuriug. 9tatiir=
lic^ ntiiffen bie Beiben Äorrefponbenten , int EinberneBmen
mit einanbet fein unb 33eraBrebungen getroffen Baben, Bei
großen Entfernungen ift aucB bie Stnmenbung bon ftern*
rosten notBtoenbig.
3fntereffant ift bag 3eicBengeBen mit ber „©cBeiBe",
Bei toeldjem eg ficf) um 33ifiren Banbelt. 3luf einem
^Burme in ber Belagerten ©tabt fteHt 2Jtarg magerecBt
eine BalBrunbe ©cBeiBe auf, beten Ütunbung nacB aufjer*
BalB geBt, unb fcBlägt in ber fUtitte beg 2)urdBmefferg
einen ©tift ein. 2tufjerBatB ber Qfeftung unb jenfeitg beg
feinblicBen ßagerg fteEt fütercuriug ad^t ©teine in toeiten
StoifcBenräumen auf, ober fd^Iägt adjt grofje *ßfäBle ein.
StatürlicB mufj er bieg fo tBun, bafj ber Qfeinb nicBtg
babon merlt. 2>iefe acBt ©teine ober ^fäBle BleiBen un=
berriicft fteBen, unb 33targ bifirt bon feinem ©tift auf
ber ©cBeiBe nacB iebem ber ^UterfyeicBen unb jieBt auf
ber ©cBeiBe mit |)ilfe eineg ßinealg in ber S3ifirridBtung
febeg föterfaeicBeng eine gerabe Sinie. Eg entfteBen bem*
nacB adjt fäcBerförmig bon einanber auggeBenbe ßinien,
toeldBe bon ltn!g na<B xed^tg gejäBlt folgenbe 33udBftaBen
Bebeuten: 1) b unb c, 2 ) d unb g, 3) h unb k, 4) a
unb e, 5) i unb o, 6 ) u unb 1, 7) m unb n, 8 ) r unb s.
2 Jtercuriug, ber ©ignalifirenbe, nimmt nun einen auf*
faEenben ©egenftanb in bie |>aub, 3 . 33. einen meinen
©taB, ber oBen eine fcBtoarje ©cBeiBe trägt, unb beutet
bamit auf bie einzelnen ©teine unb SßfäBle, inbent er bon
einem jum anberen geBt. 9Jtarg bifirt mit bem ßineal
nacB Bern ^Dtcrf^eicBen.
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33on 2S. ^He&lnmnn.
211
(Sr Brauet infolge beffeit nidijt jebeemtal auöauaäljlen,
baä miebielte 5Jterfaeicf)en, bon ItnfS ober red^tö ^er ge=
rechnet, Berührt ift, toaä a u feljr oiel 3frtl)ümetn Slnlafj
geBen mürbe, fonbern fteljt fofort auf bet SdjeiBe, toetd^c
£iitie born ßineal BebedCt ift, unb famt bie bort auf*
gejeidjneten 33udjftaBcn aBlefen unb pajjt auf, oB 2Jter=
curiuä baä SJlerf^eid^eu einmal ober «jtoeimal Berührt,
benn einmalige Serüljrung Beaeidjnet ben erften, amei*
malige ben atoeiten SBudjftaBen ber Betreffenben 33ifirlinie.
9luf biefe 2Beife laffen fiel) aiemtidj fd^nett Söorte Budfj*
ftaBiren unb 2Jtercuriu§ pat nur nötljig, jebegmal in bem
löerüljren ber 5Jterfaeidfjen eine längere Sßaufe au machen/
menn er anbeuten miH, bafj ein SBort au (Snbe Budij*
ftaBirt ift.
33ei 9tadfjt ift biefeä optifeije Xelegrapf)iren nadj 9ln=
gaBe beä „9ttagifdfjen Xraftat" nodj Oiel leidster, maljr*
fc^einlid^ fonnte man audj auf Weitere (Entfernungen
fignalifiren. Söir geben ljier mörttidf) eine§ ber Signal*
ftyfteme für bie 9tad§t:
„9Jtercuriu§ mufj ftd^ gefaffet madfjen, mit einem hier*
ecfidtjten ober runben Mafien ober aut nopt mit einer
gönnen ober §afj, ba§ bomen ein S3rett borljaBe, meldjeS
baä gajj nett (bollftänbig) Bebecfe, ba8 man gefdjminbt
auff unb au tljun !ann. 3um aubern ntufi man beä
Qfaffeä ober gönnen Spunt mit Bledj Befcfjtagen. gum
brüten mufj man aum Spunt hinein einen etjfenpadfen
IjencEen Bifj ungefetyr in bie EJtitte ber Xljonnen, unb toeil
ba8 Qrafj ober Xfyonnen fornen offen, fann man aum
bierbten an ben Ijadfen etliche SBedjlränp pängen. ferner
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212 2)tittela(terlict)e &rieg3liften.
müffen ftcb Seibe, 9Jtarg unb 2Jtercuriug, mit fiatbernlein
berfeben, bic ^alB bermacbt, bafj einem jeben feine fiatbern
allein nu|e, unb ber anbei ganfj feinen fd^ein babon febe.
Söann nun foldljeg atleg orbentXic^ berridjtet, nehmen
beljbeg, fUlarg unb 2Jtercuriug, für fid^ folgenbeg Säflein,
bag fte pbor mit einanber erweblet:
1 .
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
a.
e.
i.
0 .
u.
d.
h.
m.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
n.
g-
k.
1.
r.
b.
s.
c.
9lacb biefem jünbet 9Jlercuriug bie aSedjfränfc an, macbet
bag Sljürlem am gab (bag S3rett bor ber Ceffnung ift ge=
meint) p unb toann er bem Üttarti folgenbe toort wollte
3 U berfte^en geben:
borgen toirb ein einfatt gefcbeben umb Pen utjr
bormittag
fo t^ut 2Jtercuriug fürg m bag Sl^ürlein achtmal auff,
weil über bem m bie 8 fteljt, fo fahren achtmal grobe
flammen raub, toelcbe 2Jtarg feben unb jeblen, auch
baraub ben Sud^ftaben m erlernen fann. 3um anbern
beit fütercuriug ein Wenig ftill, bamit 2Jtarg febe, wann
ein budjftab angebeutet fet). Bum britten für bag o Hpt
9Jtercuriug bag £bflrlein am biermal auf, für bag r
brei^ebitmal, fürg g jebnmal unb fo fortbin, bib er alle
bucbftaben bem ÜJlarti p berftebcn geben, unb 2ttarg feine
meinung ritbtig bernontmen."
Sine noch praftifcbere 2lrt war aber Wobl bag ©igna=
lifircit mit gadfeln, weldfjeg man auch baau berwenben
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93on 2B. ißieljfmann.
213
tonnte, um aus her Belagerten ©tabt 91adjridjten nadj
aufjerljalb ju geben.
5Jtan fann l)ier mit berfdjiebenen ©pfiemen nadj ge*
fdjeljener 33erabrebung , unb jmar mit 10, 8, 5, 4, 3, 2
ober einer Sattel ftgnalifiren. 5)iefe 2lrt beä ©ignali*
firen§ ift nebenbei Bemerlt uralt unb fdjon bie Eroberung
£roja’3 (1184 b. 61)r. ©cb.) foll burdj ^acEelfignale bon
ber fliifte Äleinaftenä nad) ©riedjenlanb hinüber gemelbet
toorben fein. 9tel)men mir ba§ ©pftem mit 10 fyadelti,
fo miiffen jmei ©ignaliften auf berfdjiebene Stürme etmaS
bon einanber entfernt aufgeftettt merben, im SBefifj ber
^Belagerten aber unb beä üöertrauten braunen, meldjer bic
9iadjridjt au§ ber Qreftung empfangen foE, miiffen fidj
folgenbe iibereinftimmenbe 5£afeld)en befinben:
1
2
3
4
5
1
a
f
1
q
w
2
b
g
m
r
X
3
c
h
n
s
y
4
d
•
l
0
t
7
5
e
k
P
u
„Söann nun 9Jtar§ bem 5Rercuriu3 molte au entbieben :
<$ä ift Stieb,
Ijelt 9Jtarg eine Sadel, bafj fie Eftercuriuä feljen fönne,
meit e auf ber erften jeil nacfj ber obern jaljt fielet,
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214
9RittetaltfrIicf)e .ftriegSHften.
feinen ©efeHen (b. h- auf bem Racf)baithurm) aber läffet
er filnff Sradeln auffreden, toeil baS e auf bet fünfften
unb unterften jeit flehet. 28ann nun SttercuriuS erfitidj
eine Sfadel erftehet, merdet er, bafj 2JtarS einen aufj ben
fünff 33udhftaben a b c d e metjne, unb toeil befj fötartiS
©efeCC fünff Sfadeln auffgeredet, fpüret er, bafj baS e ge=
meinet fep. $üt 8 s 3 et?gct 9JtarS bier Radeln, fein ©efell
aber nur bret). ftfirS i aetjget er 3*00 Radeln, fein ©efell
aber bier unb alfo forthin bijj p enbe."
2 öir übergeben bie mannigfaltigen anberen Strten, um
mittelft Sintern auS beftimmten ©dhiefjf (harten einer
Heftung ober mit ßaternen ju ftgnaliftren, unb ermähnen
nur noch ber afuftifdfjen SEelegraphie, bie Uebermittelung'
bon Nachrichten burch baS ©eljör traf} toeiter (Sntfernungen.
hierher gehörte baS Nnfdhtagen bon ©loden in beftimmten
Raufen unb nach berabrebeter Reihenfolge, bann bie Ntit=
theilungen burch .jpammerfchläge auf ben Nrnbofj. Solche
hört man fehr toeit, unb toenn man ein Sllphabet ber-
abrebet h 0 *r fattn man burdj ©ruppen bon Jammer-
fdfjlägen fehr bequem Nachrichten 3 . 35. auS einer be=
lagerten Heftung IjinauSbuchftabiren.
©ana befonberen ©dharffinn aber bertoenbete man im
Ntittelatter barauf, geheime SSotfdjaften auf noch anberem
als bem telegraphifchen Söege burch baS ©efidht ober
©ehör 3 U übermitteln. 3 fr ber fdhlimmen ^ehbeaeit jener
Sfrhrhunberte toa* & bon grofjer 3ßi<htigfeit, einanber
heimlidh 3ßarnungen, Ntittheilungen, |>ilfSberfprechungen
augehen 3 U laffen, fo bafj bod) fein Nnberer als ber rich-
tige Empfänger babon Nachricht erhielt. Sa man burfte
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33on 2 B. ^Hc^lmann.
215
fogar bem 33oten, bcrt man fenbete, nicht trauen, fetbft
memt gar nic^t anauneljmen mar, bafj er in bie -fjjänbe
beS ^einbeä fallen mürbe. (B gab ba^er öerfdfjiebene
Slrten, um 9tadf)ridbten burcf) 33oten au beförbern, oljne
bafj fiefjtere etmaä bon ber heimlichen 9tadjricf)t mußten,
bie fie bei ficfi Ratten.
9Jtan nahm 3 . 35. bom ©cfjmert be§ IBoten, ohne fein
SCÖiffen, bie untere Swinge ber ©treibe, ba§ fogenannte
„£>rt§banb" ab, ftetfte bort einen Bettel bon fefjT bünnem,
fogenanntem „Bungfernpergament" hinein unb befeftigte
bie Bringe mieber. Üiatürtidf) rnujjte derjenige, 3 U bem
ber 33ote ging, borljer burcb Sßerabrebung erfahren haben,
mo bie heimliche Nachricht au fhtben fei. SDie ©chmerter
Ratten ^bljerne ©Reiben, bie mit fieber überzogen maren.
3Jtan fcfjrieb baljer auf ba§ ^> 0 X 3 ber neuen ©djeibe, bebor
fte noch mit fieber überzogen mar, bebedfte bann bie
©d^rift mit bem fieber unb fdfjentte bem 33oten ba§
©djmert aum ©ebtaudh unb aur 35ertljeibigung auf ber
Steife. ^Derjenige, 3 U bem ber 35ote fam, fanb bann fcfjon
Gelegenheit, ba§ ©chmert 3 U bertaufdfjen ober fleh auf
anbere SQÖeife feiner au bemächtigen. SDie 33oten, melc§e
meift „reifige Änecbte" maren, trugen aufjer ben ©dhmertern
auch nodh ©piefce ober $ettebarben. fiebere Söaffen pflegen
inSbefonbere an ber ©teile, mo bie ©pi|e auf bem ©dhaft
befeftigt ift, mit fieberriemen ummunben au fein. $)iefe
fieberriemen nahm man beimtief) ab, fdjrieb bie 9tadfjtid(jt
auf bie Bnnenfeite ber Sfiiemen unb befeftigte bann biefe
mieber an ber Söaffe. 2 Iudh unter ben SEBappcnjtegeln
mürben geheime 35otfd£jaften berborgen, ohne bafj e 8 ber
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216
2ftittelalterlidje Äriegsliften.
33ote tourte, dürften, Herren, ©täbte unb ßlöfter füfjrten
grofje SBappenfiegel, toeldje in ©iegeltoadjä abgebrüdft an
Urfunben angepngt ober bireft auf bie 5|3ergamentbriefe
gefegt tourben. 2 )tan fdjrieb beSljalb einen fjarmlofen
33rief, bon beffen 3frri)att ber 33ote, ebenfo toie iebe anbere
$Perfon, Äenntnifj nehmen fonnte, 3 . 33. eine (Sinlabung
3 U irgenb einem Sfefte. Stuf ein ©tücf Sfungfernpergament
aber tourbe mit Keinen 33ucf)ftaben bie geheime 9iacf)ridjt
getrieben, bann ber Zettel jufammengefattet unb mit
©eife beftricfjen, auf eine beftimmte ©teile beS 33riefe3
gelegt unb bann ©iegettoad^ö auf il)n geträufelt, worauf
in festerem baS ©iegel abgebrüdft werben fonnte. S)a 8
33cftreidE)en mit ©eife berf)inberte, bafj ba§ ©iegeltoa<f)3
an bem .Bettel Heben blieb.
(Sine anbere originelle 2lrt, geheime Siad^ridfit fortp*
bringen, flirrt ber 33erfaffer toie folgt an:
„5Jtan fann audj in einem Celglafj einem Verborgen
ettoaä aufdjidfen, alfo: 9Umb ein ©<f)toein» ober halber*
blafen in ber gröffe eines @Iafj, ba§ bu fjaben magft, fo
oben ein eng locf), blafj bie blafen auff fo ftarf bu fannft,
binbS oben au, bafj fein lufft Ijeraufj fann, lajj trodfnen
unb fdfjreib barauff toaä bu teilt mit einer hinten, fo mit
fieimtoaffer gemalt, lafj alfo trodfnen. 9lacf) biefent binbe
bie blafen oben auff, ba3 ber lufft Ijeraufj fomme unb
bu bie blafen bei bem unteren tljeit fönneft alfo in ba§
©lafj fliehen, bafj nur ber blafen lodfj über beS ©tafeö
lodf) Ijeraufj fürgefje. 33tafj alfo bie blafen toieber auff,
geufj Cet barein unb berfiopff baS lodfj mit 2 öact )8 ober
einer anbern SJtateri, baß nichts Ijeraufj Iauffe, unb binb
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9$on 2S. $ie^Imatin.
217
ba§ ©tafj atfo 3 U, fo toirb man bon aujjen feine ©djrifft
fpüren unb nur ein blofeä Cef gefetjen toerben. Süann
nun einem foldjeg überantwortet toirb, fo ttjut er ba§
©lafj atfo auff, ba js itjme bie btafen nidtjt gar in ba§
©tafj hinein fdjluffe, geufet ba§ £)et au§ unb bläfet bie
btafen toieber auff, fo fanit er tefen, toa3 barauff ge=
fcfjrieben ftetjet."
Studj ba§ 9iactjricf}tengeben burdf) ©pieget toar fctjon
im 9JUttetatter befannt. 9Jterftoürbiger Söeife t)at man
in ben europäifdljen feeren, befonber§ in ben Äotoniat*
feeren Engtanbä unb f^ranfreidjS, in ben testen Sauren
toieber eingetjenbe 23erfudf)e gemalt, um burcf) ©pieget
(toobei man al§ Söermittelungäfpiegetung bie Söotfen p
bertoenben fuctjte) ÜJtitt^eitungen auf grofje Entfernungen
3 U geben unb $u empfangen. 9Jtan fd^eint aber biäfjer feine
günftigen Erfolge gehabt ju fjaben.
2)er S3erfaffer be§ „9Jtagifcfjen Sraftatä" behauptet
bagegen, ein 9Jtönd) fjabe eine Äonftruftion bon brei
©piegetn erfunben, mit toetdjer man bei 33ottmonb 5t tleS
fe^en fönne, toa§ auf ber bom 3Jtonbe befctjienenen Erb*
Ijatbfuget borgefje. 2Jtan fönne mit biefen ©piegeln ,,bep
bem ^Jionbfdjein in $onftantinopel tefen, toa§ p Sunben
in Engetanb getrieben". Er befd£)reibt audj genau bie
Stufftettung unb Äonftruftion biefer ©pieget nad) ben
Angaben be§ erfinberifdljen SJtöndjeS, fefd aber bann tjinp :
„2>ie gröffefte fütüfje aber ift, bafj man ba§ ort ftnbe,
batjin man ju feljen begeret, toie offt einer in 3 unb
4 Sagen ba§ Ort nicfjt finben fönnen unb bietteicfjt fann
man’§ gar nidjt finben."
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218
Ü)littetolterlic§e ftriegdliften.
35a§ fiebere »oEen »ir bem guten SJtanne gerne glauben.
<$ine8 ber intereffanteften SBotfchaftengeheimniffe beS
SttittetalterS ift bie Uebermittelung toon Siachrichten burdj
einen gaben. SBei 3ln»enbung biefe§ geheimen Stiftern^
ift eä noth»enbig, bafc bie beiben ßorrefponbenten jtoei
gleichförmige iörettdjen befifjen, »eiche einige lang,
fdjmal unb an ben ßangfeiten mit 24 (Jinferbungen in
unregelmäßigen Slbftänben berfehen ftnb. Siebe ©inferbung
bebeutet einen toerabrebeten, beftimmten SBudjftaben. 35er*
jenige nun, ber eine Stachricht übermitteln toitt, nimmt
einen langen, »eifen gaben unb legt baä @nbe an bie
untere, linfe @cfe beS eingeferbten SBrettchenä. Sin biefer
Stelle be§ gabenä, »o berfelbe bie @cfe berührt, macht
er einen Änoten, bamit fein Äorrefbonbent ein Stterfaeidjen
für ben Slnfang habe, 3eßt toicfett er ben Stoben fo um
ba§ Frettchen Ijctum, baß berfelbe immer in biejenige
©interbung fommt, beren SBuchftaben er beaeicßnen foltt,
unb jebeämat erhalt ber gaben an ber Stelle, »o er bie
ßinferbung berührt, mit Xinte einen fcßtoaraen Strich.
Sluf biefe Sßeife »irb ba§ Frettchen toollfiänbig be»idelt,
ober e£ fann berfelbe gaben noch einmal aufge»idelt unb
bie betreffenben Striche mit rother Xinte gemalt »erben,
ßrljätt ber Slbreffat biefen gaben, fo nimmt er fein
SBrettdjen «}ur -fpanb, fteht nach, »o ber knoten am Sin*
fang beä gabenS ift, unb »idelt ihn auf ba§ SBrettdjen
auf, inbem er probirt, in »eiche (Sinferbungen (t>. h- in
»etcbe SBuchftaben) bie mit Strichen toerfehenen Stellen
beä gabenä paffen. Sluf biefe Söeife buchftabirt er fid)
bie einzelnen SBörter ber Stadjricht jufammen. Sßer nicht
33ou 2 B. SSietpmaim.
219
im SSepp beg lorrcfponbirenben SSrettcpeng ift, fann bon
bem ffaben nid^tS ablefen.
2 >amit aber ber S3eft^ eineg foldjen gabeng, toenn bet
SSote in gfeinbegljanb pet, nidjt SSerbadjt ertoeden ober
bem SSoten ©djaben unb ben Xob bringen tonnte, ^atte
man ein fdjlaueg 93tittel etfonnen. ®g tourbe in bie
©djale einer {leinen .fpafetnup ein feineg £odj gebohrt
unb burdj biefeg ber $ern entfernt. 3)ann tourbe burcp
baffelbe £ocl) ber f^aben in bag Ijolile innere ber |>afet=
nup gebraut, bie Ceffnung mit einem {leinen 5)}pod ber=
fd)toffen unb bie |)afelnup bann bem SSoten übergeben.
$am biefer nun in ©efaljr, fo berfdtjludte er bie 9lup,
{am er glüdlicf) an fein 3 «l, fo tonnte er biefelbe auf
natürlichem SQßege toieber bon ficfj geben unb ber Schale
ben Snben mit ber Sßacljtidjt entnehmen.
2 Jtan {onnte inbep aud) mit bem fabelt tftadjridjteu
geben, oljne bap bic 3 toei gleid&mäpig eingeterbten S3rett=
cfjen borljanben toaren. 9ttan madjte bann an ben Slnfang
beg Sabeng 3 toei ettoag bon einanber entfernte knoten,
unb ber ©mpfänger trug nun ben gtoifdjenraum jtoifd^en
ben beiben Änoten fünfunb^ttjan^igmal auf eine gerabe
£inie auf, bie er 3 . SS. auf einen XifdEj ge 3 ogen Ijatte.
6 g toaren bann bie fünfunb 3 toan 3 ig SSudtftaben beg Sllplja*
betg beaeid^net, unb er map nun mit bem Oraben, ber
natürlich toieber mit fd^toaraen ©trieben berfe^en toar,
bie SSud^ftaben auf ber betreffenben Sinie ab. SÖBenn ein be*
fonbereg Sllphabet berabrebet toar, toetdjeg eine anbere 9luf=
einanberfolge ber SSudjftaben Ijattc, alg bag getoöljnlidje, fo
toar natürlich aud) bag ©epeimnip in biefem ftalle gepdjert.
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Ute jFriro im Ücrbrcdjeit.
Ärtmtnaltfttfrtfe iBeiraiijtung
Don
31. ©shar ^laußmann.
(Wadjbrud öerboien.)
TNie SSebeutung ber fjrau für Staat unb ^amitie, iljre
toidjtige Stellung im gefeEfdjafttidjen unb foaialen
Seben ift eine fo b^öorragenbe, bafj man fidj untoiltffit*
Xiä) fragen mufj, toelcfjen Stntbeit b a * benn bie grau auc§
an benjenigen ^anbtungen, bie eine Sdjübigung ber ©e=
feUfdjaft in fidj fcfjtiefjen? äöeldjen Sintbert b fl t fie am
Söerbredjen ?
S)te SÖeanttoortung biefer ftrage ift eine fo ^odb>toic^tige,
bafj man fief) fetjr toobl barüber tounbern mufj, bafj man
biöT^er noch nicht baran gebaut bat, biefe 33eanttoortung
in einer erfeböpfenben SBeife 31 t geben. freilich ift biefe
33eanttoortung an unb für ftdj aujjerorbentticb fc^toer,
meil fidj ber Stntfjeil, ben gerabe bie grauen an faft
fümmtlicben <£janblungen be§ öffentlichen unb priüaten
fiebeni nehmen, toeniger auf eine attiöe Sbeilnabme, al§
auf einen anfpornenben ober abtoetjrenben ©influfj beaiebt.
2 fa, menn nur tbeoretifcb fcftgeftettt toerben fottte, toie
biet na<b fiatifiifcben SDaten bie ffrau mehr ober toeniger
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)OQ
Von £>§lar Klaufjmann. 221
Verbrechen Begeht, alä ber ÜJlantt , fo ift biefc Slntiaort
leicht 3U geben, benn ber SDurdjfdjnitt aller ftatiftifd^en
3a^len ergibt, bafj auf fünf männliche Verbrecher erft
eine toeibtic^e S3erbred^erin lommt, b. t>. bie Anlage unb
Veranlagung 3unt Verbrechen ift Beim Vßeibe um fünf=
mal toeniger borhanben, al§ Beim Vtanne, ebenfo taie
auch — toaä ^ier’ gleich ermähnt toerben mag — Bei ben
grauen bie Neigung $um ©elbftmorb breimal geringer ift,
als Beim 2Jtanne. (53 !ommt nämlich auf brei männliche
6elBftmörber nur ein toeiblidjer.
2)ie Kriminalität ber grauen berhält ft<h bemnach im
Surdjfdjnitt 3U berjenigen ber Vtänner ettoa mie 5 jul;
in ben öerfdjiebenen Sänbern ift fie fdjtoanfenb, unb e8
lammen 3. 23. auf 100 männliche Verbrecher in ©rofj=
Britannien 21 toeibliche, in S)änemar! unb 'ftortaegen 20,
in $otlanb 19, in Velgien 18, in granfreidj 17, in
Cefterreidj 17, in 3)eutfchlanb 15, in ben beutfdj*rufjtfcf)en
Sänbern 14, im eigentlichen fRufjlanb 9. S)ie ©tatiftit
le^rt un3 auch, bafj ebenfo toie Bei ben Männern, auch
Bei ben grauen bie 3aljt ber Unbertjeiratheten unter ben
Verbrechern Bebeutenb größer ift, al3 bie ber Verheirateten ;
bie ifolirte Stellung ber grau mirlt alfo ftet§ fehr un=
günftig auf biefelbe ein. 2)ie Statifti! ber hreufjifchen
Kriminalgefängniffe gibt 3. V. in V*03enten an, bafj bie
Kriminalität be3 2öeibe3 ergebe Beim berheiratljeten 13
Bi3 14 $ro3ent, Beim unberheiratheten 16 5ßro3ent, Bei
bem gefchiebenen 31 $ßt03ent.
2öir erfehen fchon au§ biefer Statiftit, trenn tair un3
bie gjtühc geben, au3 ihren trodfenen fahlen nur ettoaö
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222
T^ie ^ratt tut Verbrechen.
IjerauSaulefen , baff aEerbingS für bie fjfrau eine getoiffe
©efahr borfjcnben ift, eher bent 93erbrecijen au öerfallen,
toenn fte allein in ber Söelt haftest, als toenn fte burdh
baS |jera an getoiffe Sfntereffen gebunben ifl. SQßir er*
feljen, bafj, too fein binbenbeS Sntereffe borhanben ift, bafj ba
bie ©efahr beS 93erbrecf)enS eine bü|j^eXtc unb breifache toirb.
2>iefeS pftjchologifche Vtotib ift für bie Veurttjeilung
ber 2öeiber*Äriminalitüt aufjerorbentlidj toidfjtig. @S aeifit
unS, toie baS 2Beib biel leidster bergifjt, toaS Qttyct, Pflicht
unb ©efeij Reifet, toenn eS allein haftest, toenn eS fich
unt Aiemanben au füntntern brautet, ber feinem <£>eraen
nahe fteht.
2roh attebem toäre baS ftatiftifdfje ©rgebnifc, toonath
bie 9Seiber*Äriminalität fünfmal geringer ift als bie
ber Vtänner, ein feljr günftigeS au nennen, toenn nicht
getoiffe Dtücffithten bei ber Veurtfjeilung biefer 3uht c n in
Vetradjt geaogen toerben müfjten. S5er größte Vtoral*
ftatiftifer, ben toir in hu&en, ^rofeffor Ateranber 0. Det=
tingen, äußert fich gerabe über biefeS ftatifiifche ©rgeb*
itifj, toie folgt: „93ei ber ©ntfeheibung ber bietfach auf*
getoorfenen Srage, ob bie geringere Vetheiligung ber
Söeiber ein VetoeiS ihrer fittlich hörten ©nttoicfelung
unb Feinheit ift, mufj auf 3tueierlei Aücfficht genommen
toerben, toaS nicht für Bejahung berfelben fpricht. 3<h
gehe hier nicht auf üfgcfjologifche Momente ein, toie bie,
bajj baS Söeib oft ber inteHeftueße Sttiturljeber ber 93er*
brechen beS VtanneS ift, ohne bie ühhfifdje Äraft ober bie
äufjere ©etegenheit, ja man fönnte fagen, ben 9Jtuth aur
Ausführung beffetben au hufon. $ch toifl mich h«r nur
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2$ou 31. 03far jtlaufsmann.
223
auf ©tatiftifdjeS Berufen. (IrftenS erfdjeint baS SBeiB Bei
mannen BefonberS grauenhaften Verbrechen relatib feljr
ftar! Beteiligt, fo Beim Vertoanbtenmorb unb ber Ver=
giftung, beä ÄinbeSntorbeS gar nicht j$u gebenlen. 9tid)t
BToS bie relatibe Vetheiligung Bei ben Bramebitirten, nid^t
mit p^fifc^er ©etoalt auSjuitBenben Verbrechen ber Voi=
heit ift eine toeit größere, als nach ^ em allgemeinen 2)urch=
fdjnitt ber SBeiBerBetheiligung , fonbern Bei ben Vergif=
tungen hält ftdj bie Sah* ber Männer unb grauen faft
bie 2öage, fo bafj bie VJahrfcheinlichleit, burdj einen Vtann
ober burch eine $rau bergiftet au toerben, Beinahe gleich
ift, toahtenb bie Vtohrfcheintichfeit, bon einem 2Jtann ober
einer f^rau irgenb einen fdjtoeren Eingriff auf SeBen unb
©efunbljeit, @hre unb ©igenthum au erteiben, fich toic
6 : 1 Bertolt. 3DaS ift nicht BloS in Sßreufjen , fonbern
nach ©uebrh genau eBenfo in ffranfreich ber Qdß. Sfn
©nglanb ift bie berBrechetifdje Steigung beS toeiBlidjen
©efchlechteS bon 3»ttgenb auf eine intenfibere, als irgenbtoo
fonft. 2tm ftärlften unter ben aßgemeinen fchtourgeridjt*
liehen Beaten bafelBft erfcheint bie 2h c ^ na hme ber SßeiBer
an ben ftälfehungen, am fdjtoächften an ben ©igenthumS*
berlehungen mit ©etoalt ober auS VoSheit. Unb Bei bem
ftarlen ^roaentfaij ber ganj jugenblidjen Verbrecher in
©nglanb toerben toir an baS toahre Söort Valentini’S er=
innert: „2)aS toeibliche ©efchledjt ift bon üBertoiegenbem
©influfj auf bie ©r^iehung ber Äinber. 2je unmoralifdher
unb fittenlofer baS SöeiB, befto fchlechter toirb bie (£r*
jiehung ber Äinber fein, befto leichter toerben jene bem
Verbrechen anheimfaßen."
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224
$ie ^rau im Verbrechen.
916er (Sngtanb gerabe meigt ung Ijin auf ben atoeiten
fßunft ber für bie toeiblidje Kriminalität bon Söebeutung
ift unb nicf)t gerabe als ein günftigeg ©ümptom erfdjeint.
Sd) meine bie furchtbare 3 ä^igfeit ber Söetber im 33er=
brechen. Sßä^renb fonft ber meibliche 9lntheil an ber
Kriminalität in (Sngtanb gegen 21 fßroaent augmadht,
fanben fidj unter ben Snbibibuen, bie angeltagt toaren
unb fid§ bisher menigfteng bürgerlich eineg guten fftufeg
erfreuten, nur 11,8 fßroaent unbefcfjottene Söeiber gegen*
über 88,2 fßroaent Männern bon berfelben Kategorie.
SDaljer auch unter ben fRüdfäßigen immer bag 33erhält=
nifj ber 3Beiber ein ungünftigeg ift. dg betrug 3 . 35.
ber 9tntl)eil ber Söeiber bei ben in ben breufjifdhen Krimi*
nalgefängniffen erftmatig fJtetinirten nur 16 fßroaent, bei
ben 3 um erften fötale fRüdfäßigen 17 fßroaent, 3 um atoeiten
bi§ fünften fötale 18 big 19 fßroaent, aum felgten fötale
24 fßroaent, aum fiebenlen fötale unb mehr gegen 30 fßro*
3 ent aller föerurttjeitten Sa in ©achfen hat ftch ^eraug*
gefteßt, bafj nicht btog bie 3ahl ber rüdfäßigen 33er*
brecherinnen bon 1840 big 1859 aßiäljrlidj lonfiant fid?
bcrmeljrte, fonbern bafj bie 3Beiber bei ber fJhibrif „fünf*
mal rüdfäßig" fo fehr borautoalten begannen, bafj fte bie
Saht ber in biefe Kategorie gehörigen fötänner abfotut
überftiegen, obgleich fonft, im 9lßgenteinen betrautet, in
©achfen bie fötämterbetheiligung in relatibem 3Ba<hgthum
begriffen mar."
©eben mir nunmehr nach biefer tljeoretifdjen 33etracfj=
tung aur fß rasig über, b. b- feljen mir 3 «, toie fidh bie
Sfrau altib am 33erbred)en beteiligt.
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93on 91. D$lar ftfauftmatin.
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SBie Bereite ermätjnt, beteiligt flcB bie grau fetten
an bem fdjmerften aller 58erbredjen, am 53torbe, menig=
ftenä nicfjt an bem 9}iorbe, bet mit ciufjerer ©ematt ber=
übt mirb. SDagegen ift bie ©iftmifctjerei ein SBerbredfjen,
beffen fidj bie grauen oft f^utbig machen. Stufcerbem ift
ba§ Söeib aber tootjt im Staube, au einer Mutigen Stjat
3U fdjreiten, menn e§ ftd) in einem befonberen 9lffeft, in
einer befonberen Aufregung befinbet.
Sßenn mir ferner bie getoattfamen SJerbredjett betrauten,
bie nidjt gegen ba§ Sebeit, fonbcrn gegen bal (£igentt|um
ber ^Mitbürger gerietet finb, fo ftnben mir §ier attib
nur tfödjft fetten grauen beseitigt. Unter ben 6in*
bredjem finb au3natjmMo3 5Jtänncr bertreten, ttnb bie
ganje preufjifdje Äriminaliftif tjat nur eine einzige
©inbredjerin aufcjumeifen, metdje in ben fünfziger
$aljren in S3ertin „arbeitete" unb ber man nocfj tjeute
nadjfagt, bafj fie ganj befonberä „faubere SIrbeit" p
tiefem berftanb. Sotdje ©rfctjeinungen aber finb aufjer=
orbentlicfj feiten. 2>ie 2d)ätigfeit ber grauen auf ber=
bre^erifd&em ©ebiete, itjre attibe SMjeilnatjme , beginnt
bietmetjr erft beim 2)iebftatjl otjne ©ematt, b. tj. bei bem
3ufalt§biebftat)l, beim £afdjen* unb £abenbiebftat)t.
S3eim SDiebftatjt ift bie grau teiber fetjr oft bie beftc
©eljilfin beS 5Jtanne§. Sie <jeigt fid^ ftüger, gemanbter
unb berfdjmijjter at§ er, unb für ben £afcfjenbiebftatjt 3. $8.
t)at fie eine meit leidjtere |>anb, alä ber 5Jtann unb fann
infolge beffen um fo gemanbter unb ficfjerer „arbeiten".
Um p jeigen, melier Ätugtjeit unb metdjer Stiftungen
auf berbredjerifdjem ©ebiete eine grau fiitjig ift, mag in
Sibliotlje!. 3af)rg. 1889. 33t>. X 15
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226
$ie $rau int Verbrechen.
ben fotgenben feiten ein 9lu3pg auä einem frimtnalifU»
fcfjen SBevfe *) gebracht toerben , ber ftd) auf eine Ver=
bredjerin Ramena Henriette ober Sette ß. bepljt. 25iefer
SBeridjt ftammt au3 bem ^a^re 1842 unb tautet:
„Henriette ober Sette ß. ift 34 Satjte alt, 4 gujj
7 $ott grofj, bon Heiner, fct)lanfer Statur, t>at ein Heine§,
obale§, btüljenbeä ©eftetjt, freie Stirn, braunes «£>aar,
btonbe uttb fcfjmadhe Stugenbrauen , grofje unb lebhafte
bunfetbtaue Olugen, Heine Olafe, Heinen OUtunb, bottftänbige,
grojje unb meifjc 3äljne. Stuf ber tinfen Söange, in ber
Otäije ber Olafe, tjat fie eine Heine Söar^e.
Sie ift eine äufjerft burcfjtriebene unb bcrfdjmifjte
SJkrfon, ma§ fidj audj unbertennbar in itjren @efid)t^ügen
au§brüdt. Otuäneljmenb freunbtictj unb gefpräetjig, ber*
ftef)t fie bie ßeute beim erften ^Begegnen fofort für fid)
einpnetjmen. Von einem borttjeittjaften Oteujjern begünftigt,
toinbet fie fiel), einer tjübfcfjen Solange gleich, burdfj alte
Verlegenheiten Ijinburdf) unb meifj befonber§ bie Sdhmfldjen
ber OJtenfdjen mit einem Sdjarffinn ^erau§ 3 ufinben , ber
bem erfahrenden 5f)ft)d)otogen <5^re matten mürbe. Sie
mufjte namentlich öftere burdj ihre Schlauheit, burdj ihre
ßarbe unb burdj ©olb pm Vorteile ihrer Vermanbten
p mirfen, menn biefe behaftet ober berfotgt maren, unb
fet6ft ntand^er ^Beamter, ber nicht unerfdjütterlidh in feiner
Vflidjt mar, ift ein Opfer ber Verführungäfünfte biefe§
Heinen Xeufelö gemorben. — Syrern ©aunergemerbe nach
ift fie ScfjottenfeÜerin (ßabenbiebin).
*) 31t)iele, „$te ©auner in $eutftblanb."
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Go*Jle
3>on ?(. 0 «far ßtaupmann. .
227
Sette ß. ifi bic £$rrau Don Safob eine Socfjtcr bon
31. ©chm. Sb* 33ruber ift fötorip ©cbm. ; burdj Unter»
bringung geftoblenen ©uteä u. f. m. bat fie befonberä tbätig
an ben 35tebfta^ten iijreä 33ater§ Streit genommen, ©onber»
bar genug bat pe ihren fdjtedjten 9tuf ju einträglichen 23e=
triigercien benupt. SöaS pe bertaufte, babon mupte Seber
fdjon im Voraus, bap e§ gefiepten fei. ©teicbmobt fauftc
man gern bon tpr, meil man ba meift um billigen 5Prei3
3 U mertbbollen ©adjen gelangte, darauf fpefulireitb, be»
fcpäftigte pe pdf) eine ganje 3 eü lang bamit, neuptberne
©egenftänbe für echte fitberne 3 U bertaufen, toobei pe eine
hübfche ©umme ©etbe§ berbiente unb noch basu unBejtraft
blieb; benn bie geprellten Käufer hüteten fich mopt, bon
ber ©ache ettoa§ bei ber ©epörbe anju^eigen, meil pe in
bcr Meinung ftanben, geftopteneä ®ut getauft 3 U haben,
©rft in ber S.’fcpen Unterfucpung tarnen mehrere foldjer
fjälle jur ©pracbe, meäpatb pe, fomie megen SMebäbepterei,
mit breimonatiger ©trafarbeit belegt marb.
1833 mürbe pe mit ihrer ©chmiegermutter Ütperefe 2-,
fomie mit ihren ©dpmägern megen fDtarftbiebftaptä in
Qrranffurt a. £>. berhaftet unb 3 U breimonatiger 3 udjt=
pauäprafe berurtheilt, bie pe in ber ©trafanftalt ju fjftamiq
berbüpt hat. 1835 ftanb pe megen ^Betrugs unb 33e=
fiedpung eineä 9fti<bter§ beim Snquiptoriat 3 U fjrauftabt
in Unterfuchung unb mürbe 3 U hier SCÖochen ßinfperrung
berurtheilt.
Sb* ©ater hatte in ber 9tacpt 3Utn 27. 5lpril 1828
bie SBlutegelpänbter ©ebrüber ©obion au§ 3?*anfrei<b in
9tatmip um eine bebeutenbe ©umme in ©olb beftobten,
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2)ie ^rau im Verbrechen.
bag toat cbenfo allgemein befannt, alg man glaubte, bafj
er turn biefern 2)iebftal)l tjer noch eine tüchtige ß^atourc
(berborgene SBeute) irgenbtoo liegen ^abe. 2)ieg @erüdf>t
machte fid§ Sette ß. in ©emeinfdhaft mit ihrem SBruber
5 Jbrit 3 ©cpm. 3 U nufce, um ßeidhtgläubige, bie nach bent
©dfjaf}e liiftern toaren, um bebeutenbe ©ummen ju prellen.
2)a§ fran^öfifd^e ©olb, toeldjeg fte, toie fte angaben, ohne
93erbadjt au erregen nicht auggeben tonnten, foKte näm=
lidj getoedhfelt, ober, beffer gefagt, für ettoa bie fpalfte
beg Söertljeg berfauft merben. 3)ag toar für ben lieben
Gigemtup, ber nun einmal bie SJtenfctjen plagt, ein guteg
©efdfjäft, unb barunt ging benn auch mehr alg Güter in
bie ftalle. 33eibe ©efdjtoifter tarnen atoar begtoegen 1838
beim ßanb= unb ©tabtgeridtjt au Söollftein in Unterfucfjung,
Sette ß. tourbe auch in erfter Snfiana 3« adjtaehnmonatiger
©trafarbeit berurtljeilt , in a^eiter Snftana jebodfj bor»
läufig loggefprodfjen.
1839 trieb fte fidj mit ihrem ©ctjtoiegerbater , ihrem
©dhtoager unb ihrer ©d£)toägerin iRofalie ß. in ©Rieften
umljer unb geriet^ mit ihnen toegen ©djottenfelteng (ßaben=
unb 2ttarttbiebfial)tg) beim tfürftenthumggeridjt au £elg
in Unterfucfjung unb 4?aft, aug toetetjer fte jebodf) auf
tjödjft berfdhmipte SGßeife ant 12. Sonuar 1840 a« ent=
fpringen toufjte. ©ie fanb ftdfj halb mit itjrem 2Ramt
aufammen, ber, toegen 2)iebftaljtg bom t. Suquifttoriat au
SBreglau berfolgt, fidf) auf flüchtigem Qrufje befanb, unb
tarn mit iljm unb Suliug fp. noch in bemfelbeu SRonat
au Gilenburg itt .£>aft. ©ie aeidjnete fidj Ijier burdj auper»
orbentticlj fredjeg ßiigen attg, inbent fte beftritt, bafj ipr
Sott $1. Osfut* Ätaufsmanit.
229
SJlann fdfjon früher in Slrreft gemefen fei; audfj tooltte fte
benfeXBen nur unter bem kanten Sfofepl) ©. !ennen. Um
nad> CelS 3 urüdgefcfjafft 3 U toerbett, mürbe fie bon @iten=
bürg aus auf ben Transport gefegt; in ©örlifj lief fie
jebocfj fammt intern Transporteur babon, meil fie audfj
biefent ioieber bon i^ren bergrabenen ©ctjäfjen etmaS bor=
gefdjminbelt batte, bie fie mit ifjm teilen moEte." —
9Xocb SebeutenbereS teiften aber oft feljr jugcnblicljc
meiblidje Setbredjerinnen als £abenbiebinnen unb nodj
mebt* als |jodjftapletinneu unb ^Betrügerinnen. ©elbft un=
gebilbete grauen beftjjen eine getoiffe gefeEfdjaftlidf)e ©e*
manbtljeit, fte Ijaben angeborene Slnlagen, um fidj beliebt,
um ftcb angenehm 3 U machen, unb feljr oft buffen burdj=
aus ungebilbete flauen ein 58cnel)men 3 U fjeudjeln, toomit
fie felbft ernft unb Iritifdj benfenbe fütänner berblenbcn
unb täufdjen. ©o mirb eS 3 . 58. immer mieber möglich, bafj
^Betrügerinnen faft oljne jebe mirflidje SÖilbung unb Pom ge*
ringften |>erfommen in ber beften ©efeEfdjaft fötonate lang
bie fRoEe bon Ijodjfteljenben Tarnen fpiclen fönnen, um in
biefer fBtaSfe bie unglaublichen ^Betrügereien ju üerüben,
bie getoöb^litb nid)t einmal an baS TageSlidjt fommen,
meil bie ^Betrogenen butdj bie Sl^eige unb burdj ©eftänb*
itiffe fid^ biel 3 U feljr Jompromittiren mürben.
2öo eS fidfj um ^Betrug, mo eS ftdj um bie feineren
Sitten beS ©ctjminbelS Ijanbelt, bort pflegen nodj Ijente bie
toeiblidjen 93erbredjer, bie meiblidjen ^Betrüget bie größten
©rfolge 3 U erzielen, meil fie eine angeborene Serfcfjmibttjeit
unb ein aufjerorbentlidj großes fdjaufpiclerifcfjeS Talent
befifcen unb fo itjre fRoEe natürlich biel beffer fpielen
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230
$5ie $rau im ©erbrechen.
fönnen, al§ ©tänner. S)iefe eben ertoähnten ©igenfdhaften
ber Söeiber matten fie aber auch $u ben toerthbottften
«jpelferähelferinnen unb ©enoffinnen ber männlichen ©er*
bredfjer unb baburdh, toenn aud) nur ^u inbireften, hoch
getoiffermafjen ju aftiben 5L^eitne^mern am ©erbrechen.
|>ier ift andh ber Crt, über ba§ berühmte „cliereliez
la femrne!“ b. b- „ 2 öo ift bie 3 ?rau?" ftoudhe’ä $u fprecfjen,
burdh toetc^eS jener grofje ^olijeimann auäbrücfen toottte,
bajj man, fobatb ein ©erbrechen entbedft fei, bor 9lttem
nach einer fjrauenäperfon fudjen müffe, meil jebenfattä
eine foldje ba§ ©erbrechen berantafjt, berfdjulbet unb,
toenn auch nidht felbft auägefüfjrt, fo bodh 3 U feiner 2 lu§*
führung angefpornt unb bei berfel&en burdh atterlei ßiftcn
geholfen habe. liefet frattjöfifdhe Äriminalift fott über*
bie§ nidht einmal ber ©rfinber biefeä Söorteä fein, toeldjeg
bielmehr fogar bi§ auf $arl III. bon (Spanien (1759—1788)
prüdfgeführt toirb, toeldher jebeSmal, toenn ihm ein ©er*
brechen gemelbet tourbe, fofort gefragt hoben fott: „9Bo
ift fie?"
©tan fann toohl ohne jebe Uebertreibung behaupten,
bafj e§ nidht einen einzigen toirflidhen ©erbrechet gibt,
b. h- feinen ©tenfdhen, ber in offenem Ärieg fidh mit ber
©efellfdhaft befinbet, ber nidht alä ^elferShelferiit ein SBeib
hätte, ©teift ift eä feine ©eliebtf unb für ihn eine gan$
unfdhähbare ©enoffin, toeit fie nidbt nur treu an ihm hängt
unb ihn um feinen $Prei§ berräth, fonbern toeil jte ihm
audh oft mit ber raffinirtefien ßift beS SBeibeä ein fidjere$
Unterfommen bei fidh felbft $u berfdhaffen toeifj, toenn er
berfolgt toirb, ober inbem fie ©adhridhten für ihn beforgt
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93on s 31. 0«fur J$laufjmann.
231
unb fo bie Vermittlerin ^toifc^en ihm, bent Verfolgten,
unb feinen ®enoffen bitbet unb e§ bielleicht noch fertig
bringt, bie ^Poti^ei auf eine falfdje Fährte au tocfen.
Vei ben 9täuberbanben, toetc^e im 16., 17. unb 18. 3af)r»
tjunbert 2)eutfcf)lanb unjtdjer machten unb oft ganje ßänber=
ftreden in eine 2lrt bon Ärieggauftanb berfeijten, befanben
fid) ftetä grauen, Welche nic^t nur ebenfo treue ®e»
fäbrtinnen ber Ütäuber, als auch in SöirHichfeit Weitlj=
bolle SJtitglieber ber Vanben Waren. ©ie leisteten ©pionen*
bienfte, fie beforgten bte fcfjtoierigften ©efdjäfte, au benen
fid} bie Vtänner oft gar nicht eigneten, toie ba§ f?inein=
wagen in ©täbte unb Crtfd^aften, ben (Jinfauf bon ßebenä»
mittein, baä Sluäfpioniren bon guten (Megenheiten au
Otäubereien unb 5)iebftählen, enblidj ba§ ©urdjbringen
bon Nachrichten bon Vanbe au Vanbe, oft unter ben un=
glaublid}ften ©djwierigfeiten.
NUerbingö fornrnt ben grauen bei biefcr eigentljüm*
litten Sbätigfeit ber Umftanb au ©ute, bafj e3 in beS
Vtanne§ Natur liegt, einer $rau biel Weniger ein Ver*
bredjen auautrauen, al§ einem Ntanne, unb Wenn fidj eine
berfchmihte ©aunerin nur red^t harmlos a u betragen ber»
ftebt, Wenn fie fidj autraulidj unb freunblidj benimmt,
nodj bielmehr, Wenn fie fich baS Nnfehen einer tjilflofen
Verfon gibt unb ba§ Ntitleib rege au machen Weifj, bann
Wirb fte i^re gaunerifdjen ^Ibfidjten ftetS erreichen, Weil
biefeS Ntitleib Weber Niifjtrauen noch irgenb Welchen Ver*
badjt gegen fie auftommen läjjt.
2)ie fffrau befi^t alfo natürliche Qeigenfdjaften, welche
fie gana befonberS aut Verbrecherin qualifiairen unb, wenn
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232
Die f5frou im Verbrechen.
auch nidfjt jur felbftftänbigen Ausübung toou Verbrechen
beranlaffen, fo boc^ ifjr bic Vtöglicbfeit gewähren, eine
aufjerorbentlicf) toid£)tige VUtbelferin für bie männlichen
Verbrecher au fein.
9ta<h biefen borftefjenben SluSführungen aber toirb ber
Sefer toohl fehen, toie fdjtoer e§ ift, ftatiftifch ben toirf*
licken Stntljeil ber grauen am Verbrechen Be»
ftimmt feftaufteßen, tueldfjer gan<j entfliehen ein aufter*
orbentlidj großer ift, ja fogar ein toeit größerer, at§ man
gewöhnlich glaubt unb annimmt. Vielleicht fomrnt man
auch einmal gu ber ßinfidjt, ba| bie Srau, bie man in
rechtlicher unb gefefclidjer Schiebung noch nic^t als t>oH=
fommen felbftftänbig betrachtet, nicht nur auf ba§ Ver=
bred^ertbum, toaä mir hier fpcaiell berücffichtigten, fonbern
auch auf ba§ ©taatäleben, auf bie dmttoicfelung ber ©efeU»
fdjaft unb auf bic fokalen fragen einen toiel größeren
@influ| auätibt, als man bi§h cr angenommen hat.
JUUrlet uotn Cflejijiaittett.
öciträge jur ©Ijlcrhunbc.
ttfou
Htdjarb /rttfdff.
(9ta<f)brud berboteit.)
^\er fötenfdj, als l)öd)ftenttoidelteS ber irbifdjen £cbc*
^ toefen, nennt fid) mit Stola bcn -fperrn ber @rbe, unb
leitet barauS baS 9ted)t Ijer, über bie 2f)iere gatta ttadj
©utbünfen p berfügen, fie au tobten, 3 U martern, au
fdjiuben, tfjeilS aus (Sigennufj, tfjeilS aus Vergnügen, mit
aitbern ^Sorten, fie toie Sadjcn au beljanbeln, bie toeber
SBetoufjtfein nodj ©efüljl Ijaben.
Sn tote toeit ein foldjeS 3?erfaljren fotooljt ber ©eredjtig*
feit, al§ bent fUtitleib; biefen ©runbqueEen aEer magren
fDtenfdfjlidjfeit, toiberftmdjt, foE Ijier unerörtert bleiben,
ba toir feine Slbljaitblung über 33toralität au fdjreiben
beabftdjtigen, bafj aber ber .£>crr ber ($rbe ba, too iljm
uidjt baS ©efefc bie $änbe binbet, oftmals nic^t nur als
graufamer Sdjlädjter unb 33ertoüfter, fonbern audj als
blinber, gegen ben eigenen SBortljeil toütljenber Slljor ljan=
beit, aeigt uns am beutlidjften ber 33ernid)tungSfrieg, bcn
er gegen ben afrifanifdjen dle^anten füljrt.
55enit toie gering ift ber Sßortljeil, bcn er aus bcn
i
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234
Allerlei ootu ©lepljaiiten.
Sännen ber ©etöbteten jiefjt, gegen ben 9tutjen, toeldjen
er burdj bie Stimmung biefeä aufjerorbentlidjen Xf)iereg
erlangen fönnte; toie leicht toäre biefeg ftar!e unb !tuge
©efcfjöpf, toenn man eg, toie bieg in alter Seit borneljm»
lief) bie Jfartljager traten, <ju aäfjmen berftänbe, alg bag
boraüglidjfte Safttljier <ju Oertoenben! 3m tropifdjen Slftifa
fommt toebcr bag Äameel, nocf) ber @fet, nod§ fDiaultljier
ober ^ferb fort. 5)ie tfaratoanen, bie bon ber $üfte in’g
innere beg Sanbeg bringen, um Ijicr im Xaufcfjljanbel für
Tupfer, ©ifen, ©lagperlen unb bergleicfjen ©IfenBein ober
©flaben au erhalten, Befielen Ijiet nur aug fDtenfd^en,
toeldfje, bie fernere äöaare auf bem Äopfe unb fftücfen
fd)leppenb, Bei ber enormen <£>ifje nur beg fDtorgeng mar»
fcfjiren unb trop Sßoffenreifier unb lärmenber SJtufif bureij»
fcfjnittlidj nur atoei fDteilen täglidfj aurüdtegen !önnen.
Slnbere SJtittel beg 3}erfeljrg finb ba nicfjt au IjaBen, auclj
nicf)t bor Äarrett gefpannte Ceijfen ober SSüffel ober Sänften»
träger. Unb trotjbem fteltt man bem einzigen Xfjiere,
bag Ijier aum Safttragen Oertoenbet toerben fönnte, auf
bag Unfinnigfte nad^ unb Beraubt ficfj fo beg einigen
9lu|tl)iereg biefer Sänber. Unb toarum? SDamit toir
«ftlabiertaften, iBittarbfugeln, ©tocfgriffe, SSrod^en, Äämme,
gäcijer, ^apiermeffer, gebet» unb SBleiftiftljaltet unb ber»
gleiten ©egenftänbe aug ©IfenBein IjaBen. ©in großer
Xljeil beg ©IfenBeing, bag man in ben fDtagaainen am
XBemfeftranb in Sonbon auf gehäuft fieljt, ftammt aller»
bingg tooljl bon ben borgefdljicf)tlicf)en ftBirifc^en ©lepljanten,
bie bort in großer 3&ljl aufgefunben toerben, bod§ ein
aiemlidjet ^ro^entfa^ begjenigen, bag auf ben eutopäifdjen
2*on üHic^arb T^ritfc^e.
235
9Karlt fommt, toirb aug 3lfrifa bezogen, too eine ungeheure
Singabt ber ebten unb nützlichen Siliere begljalb iljr £eben
Xaffen mujj.
2)ie (Slfenbeinbönbter unb ©lepbantenjäger, bie beim
Slufbrucb bie rotbe gähne beg gglam mit bem meinen
(Stern unb Halbmonb entfalten, unb biefe in bag 33 lut
beg Samnteg tauchen, bag nach allgemeinem 33raucb ge=
opfert toirb, hoben toobt bag 33erbienft, bag CueHgebiet
beg toeifjen unb blauen Stitg burdh ihre immer toeiter
borgerütften Slnfiebelungen erfdjlofjen gu haben, aber fie
rotten bag einzige Stuijtbier ßentratafrifa’g aug, unb ftc
^aben auch ben Sftabenhänbtern ben 28cg gebahnt, bie nun
gu 2aufenben über Äorbofan unb 3)afd^ur bie Slegerlänber
beg Innern überfchtoemmen, um ^ier ihre grauenhaften
93ienfdhenjagben gu beranftalten, an benen auch bie die*
ptjantenjäger nur gu gern tbeilnebmen.
|)ören mir einmal, toie eg bei einer folgen dtepbanten*
jagb gugebt.
3nt ©ebiete beg ©agellenfluffeg, im Canb ber 9liam=
9liam in 9Jiittelafri!a, toerben toeüe flächen, Welche mit
©räfern beftanben finb, bie big gu fünfgeljn gufj $öfje auf*
fd^iefeen unb fingerbidfe Stengel hoben, bor bem Steppen*
branbe forgfam behütet, um in biefelben bie dtepbanten*
beerben, bie in ber ©egenb auftaueben, bineiif gu treiben unb
hier mit geuer unb fiange gu bernichten. Sobalb dtepbanten
gefehen toerben, taffen bie Häuptlinge mit großen Hotg=
trommeln alleg Süolf auf fUteilen hin gufammenrufen, in
lurger 3*it ftnb üTaufenbe bon S(htoargen auf ben SSeinen,
gu ihnen gefeiten ficb bie 33etooljner ber Seribag, bag ift
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236
SlUerlei uom ©leohanten.
ber mit 5J3aliffaben umftcllten 3ettbörfer, aus beiten bie
S5iener ber reifen (Slfenbeinhänbter mit Sliuten utib
©chmertent herborftüraen, mit Höllenlärm jagen fte bie
(Stephanien in jene ©raSpläße, umringen fte bon alten
©eiten, ftecfen baS ©ra§ an unb brängen bie Spiere, bie
auSbredben motten, mit Scuerbränben aurücf, fo baß biefe
unfehlbar etenb ju ©rmtbe gehen ntüffen. 3n STobeSangft
unb rafenber SSutß flüchten bie üteptjanten brüttenb bor
bem reißenb um ficf) greifcnben Seuer, bod^ jeher StuStoeg
ift berfperrt, ein Entrinnen ift unmöglich ; bom föaucß faft
erfticft, bott ben Stammen bermunbet, fucßen bie SBeibcßen
ihre jungen mit ihrem Seibe bor bem furchtbaren (Slement
5 u fcßüßen, bebedfen fte mit @ra§, befprengcn jte mit
SBaffer, baS jie auS ihrem Büffet pumpen, bis fie enbließ,
mit SSranbmunben bebedft, über ihnen aufamntenbredben,
unb ber £anaenftoß ber Söitben ihrer harter ein ©nbc
macht. SDaS Steifch föttt ben Treibern an; fie fdhneiben
cS in Streifen unb braten eS bann über bem Seuer,
loorauf fie eS bei großartigem ©dbmauSfefte heißhungrig
bekehren. 2)aS Elfenbein gehört natürlich ben Häuptlingen.
Sßiete (Stephanien merben auch burcb Saßen getöbtet, *
bie man auf ben bott ben Steren begangenen Sßfaben beS
SBatbeS ftettt unb bie au pafjtren baS Xhier baburch ge=
amungen mirb, baß ber SBatb au beiben ©eiten beS 233egeS
burch SÖerhaue, ©eftrüpp unb fünfttich berfeßte 33äumc
uitburdßbringlich gemacht ift. ©obalb ber fdbtoere Suß
beS (Stephanien ben Hebel ber Säße betritt, löst fid§ ber
aufgeftellte 9tiefenftamm in ber Höhe unb ftürat mit fotdb’
ungeheurer äöucbt herunter, baß baS Slhier, baS unter
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93on ffiidmrb ftritfdfje.
ihm bintoegfcblttpfen toilt, unfehlbar au ©oben gefdfjmettert
unb aerquetfcht toirb. (Snblich toerben bie ©lepljunten in
bicraig biä fünfaig tiefen ©ruben gefangen, bereit
Ceffnung fo gefcf)i(ft berbetft ift, bafc ba§ S^ier bie ©e=
fahr, ber e 8 entgegen gebt, unmöglich au erlernten berntag.
93ornet)tntic£j burcb bie erftgenannten Xreibjagben toer*
ben nicht nur bie Männchen, fonbern auch bie SBeibcben
nnb jungen, bon benen man fein ©Ifenbein getoimtt, auf
unerhört graufame SBeife getöbtet, unb ba§ 2 ^iet fo fpfte=
matifcb auägerottet. Smmer tiefer in’§ innere be§ 2 Belt=
tbeilS jie^en ftcb bie ©lepljauten anrüdf; im SBongolanbe,
too fie noch bor atoanaig Sagten häufig fid^ zeigten, fom=
men fte nicht mehr bor, am toeifjen unb blauen 9ül toerben
fie immer feltener, unb bei bem graufigen 33ernicfjtung§=
fampfe, ben ber ^Jtenfcb gegen ba§ Steter führt, fann man
aiemlicb genau berechnen, toie lange e§ noch bauern fann,
bi§ ber afrifanifcbe ©lepbant au§ ©egenben, in benen er
jebt noch beimifcb ift, gänaticb berfcf)tounben fein toirb. —
©ana anberS ift e§ mit bem inbifctjen (Hepbanten be=
ftellt, ber bem afrifanifdjen an ©rö£e nnb an Sßilbbeit
nacbftebt, bafür aber feit alter 3 eit au ben nujjbarften
©ebilfen be§ 9Jtenfcben gehört. $n Snbien gilt ber @le=
Pbant al§ Sinnbilb ber SSeiS^eit, toie benn ja auch ©a=
nefa, ber ©ott ber SCßeiS^eit , mit einem ©lepbantenfopfc
bargeftettt toirb. 5ln ben alten fjelfentempeln unb allen
heiligen Stätten ift fein 39ilb in Stein gemeißelt, in
3JtetaE gegoffen ober in ^ 0 X 3 gefthni^t au feben. 9111=
befannt ift ferner, bafj bie fogenannten toeifjen Stephanien
ber Könige bon Siam unb S3irma atä Sinnbilb beS
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238
Merlei oom Glepljanteu.
58ubbt>a gelten, unb baljer bont Sotfe Ijeilig gehalten
merben. S)iefe tüci^cn ©leppanten finb 9llbinoS, unb ber*
bauten bie lidpte Färbung ber Sßupille beS Elcinen, aber
feelenbollen 9lugeS, fotüie ber |)aare beS ftelteä bent Stängel
an ^igmentftoff. SÖirb ein folc^cr ©lepljant entbedft, an
bent bie ermttnfdpten Sterfinale, boriteljmlicf) bic licfjte
Färbung ber Slugen, fiel) borfinben, fo fontmt er in bie
©tallungen ber <£>errfdjer beS Raubes, ber fdpönfte ber
toeijjen ©tepljanten erhält ben Xitel „itönig". X>ie anbe*
ren Xpiere erhalten nadp bem ©rabe ber SoHfommenpeit,
ben fie erreichen, ben Xitel Xfdfjau=fia, OieicpSminifter,
ffta, ©ouberneur, 3£ang=pralat, Söunberbarer, bann ben
cineä ©rofjofftaierS unb anberer tjoljer äöitrbenträger beS
9teid(jcS. 3n Sangfof, ber 4?auptftabt bon ©iam, paben
bie meifjen ©tepljanten in ben ©ebäuben ber Eönigtidfjen
^alaftftabt ipre Käufer, über bereu ©ingang auf rotljer
Xafel ber Xitel ber Xtjiere beqeidjnet ift.
3m mitben guftanbe fommt ber ©lepljant in ^inboftan
nur nocl) in größerer Sln^a^l in ben Xarai, bem fumpfigen
ßanbe, baS fidj fiiblidj bom $imatapa teilen meit er=
ftreeft, fomie in ben Sergen Pon Slffam bor. 1874 fing
man nodj in ben Söälbern ber ©IjatS bon Äurg unb boit
Staifur an einem Xage 55 ©leppanten, bodt) Eommt ber*
gleichen peute nidjt mepr bor. 9ludf) auf ©epton nimmt
bie 3atjl ber ©leppanten jufepenbs ab. 3n ben fünf
3apren bon 1858 bis 1862 mürben 1600 ©leppanten aus
©eplon eyportirt, aber bon 1863 bis 1880, alfo in acpt*
3 epn 3atjren, nur nodp 1685. — Söeiter nadp Often pin,
mopin bie Kultur SorberinbicnS noep niept gebrungen ift,
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S3on SRidjarb ftvitfdje.
230
ift ber loilbe ßtepfyant nod) häufiger 31 t finben. ©djoit
im SUnamalal), baS ift im drlepljautengcbitge, bcffcu (Gipfel
bereits in ben ©taaten üoit (Sodjindjina unb Xratoanforc
liegen, ift er nodj aaljtreid) borljanben. 3 n ben pfablofcn
Söätbern unb 25fdjaugeln bon 2 )fdjittagong unb Slrafan
in ^interinbien merben alliäljrlid) Ijunbert unb metyr
Xljicre gefangen. Slm Orluffe Äljorapof, einem 9tebenfluffe
beS SJtenam in ©iant, ftöfjt man häufig auf @tepljanten=
beerben bon atoanaig bis fünfunbatoanaig gieren, bie, toie
bieS if)re ©emoljnfjeit ift, längs beS SBafferS Ijinaieljcn unb
fjier, toie am meinen unb blauen 9tit in Slfrifa, bie ©trafjen=
bauer beS llrtoatbeS finb. Sin einigen ©teilen beS Genant,
befonberS aber in ben bitten Söälbern bon ßaoS, gibt eS
nod) biete (Slepljanten. —
3tm mitben guftanbe liebt ber ßleptjant baS fumpftgc
ßanb unb bie ©tröme ber Söilbnif, Ijält fidj ben %a%
über im 2Batbe berborgen unb fomntt beS StadjtS an ben
3rtufj, um fid^ mit Ijödjfter ßuft in’S Söaffer 311 ftüraen
unb baS erquidenbe Sab 3 « neunten. ftrifdjeS faftigeS
ÖSraS unb baS junge ßaub ber Säume finb bon it)tn fetjr
begehrt, bod) fällt er aud) in bie fReiSfelber — foioeit
biefe nicf)t eingelegt finb — ein unb ridjtet ba grojjen
©djaben an. ©onft tljut er aber feinem 2öefen ein Seib,
aud) bie Heineren SL^iere beS SöalbeS ljaben itjn nidjt au
fürdjten.
S)aS ftärffte £ljier ber beerbe ift if)r |>aupt unb Sin*
fütjrer bei ben nädjtlidjen (Srpebitionen, bem bie anbcrn
folgen, ©ie geljen babei ungemein borfidjtig a u SBetfe
unb berfdjttnnben auf baS fleinfte ©eräufdj t)in toicber im
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240
Merlei t)om ©(eptjanten.
SBalbe. ^rembe SC^iere toerben in bie beerbe nidjt auf*
genommen. 3ft ein Glepljant bDn ben anbem bei ber
Üreibjagb getrennt toorben, fo mufj er bon ba an ein
einfameS SeBen führen. SHefe berfprengten Spiere toerben
metandjolifch, mürrifdj unb ^eimtüdtifd^, bertoüften bie
gelber, greifen fogar attenfdjen an unb toerben baljer ohne
©nabe gefdjoffen, too man fie antrifft.
3um ©infangen ber ©lephanten haben juerft bie 5ßortu*
giefen in 3nbien bie XreiBjagben eingeführt, toorin bie
-fpoßänber ihnen folgten unb bie nun bie ©it glaub er fort*
fefjen. S)ie Treiber umfleßen ba§ ©ebiet, in Bern bie
©lephanten ftdj aeigen, rüden ihnen mit $antpfgefdjrei
immer nä^er an ben fieib unb brängen fte enblidj in bon
flarlen ^aliffaben umfchloffene ©etjege, too fie burdj junger
unb ge^mte ©lephanten gebünbigt toerben. ßetjtere brän=
gen bie eingefangenen Spiere an bie S3äume, an bie fie
bann angebunben toerben, unb fdjütjen augleidj ihren |)errn
gegen bie 28uttjau§brfidje ber gefeffelten ©efäfjrten. 9tur
feefjä Monate bauert bie Oreffur; fobalb ba§ Silier 3 h*
neigmtg ju feinem «£>errtt jeigt, fann e§ nach unb nach
3 ur ?lrbeit ^erangegogen toerben. ©3 ift nun aber ein
anbereä Söefen getoorben, ba§ bie berfdjiebenften S)ienfte
toißig berridjtet unb niemals in bie Söilbnijj au entfliegen
fut^t.
3m ge^ä^mten 3uftanbe toirb ber ©lephant bornehmlich
3 ur ©rljöhung be§ ©lan 3 e§ bei ben im Oriente fo beliebten
pomphaften aiufaügen, bei religiöfen ober 33olf§feften ber*
toenbet. S5ei toeldjer ©elegenheit auch immer bie 9tabfcha§,
bie eingeborenen dürften, öffentlich bem SSolfe fid) geigen
:
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\ V
5?oit Üiidjarb $rititi)c.
241
mögen, niemals festen bte bann mit golbumfäunttcr,
fammetner ober feibettcr ©djabradEe prädfjtig aufgeräumten
(Stephanien, ja bte ©taat§elept)anten be§ ÄonigS toott ©tarn
tragen bann fogar an bctt ©toferähnen in Slbfäijen fcfjtoere
gotbeite 9tinge. ?ludj bei bcr Xigerjagb ftoX^irt ber (£te=
pljant, auf beffen föücfett bte Säger SiöjJ genommen, in
ber Stitte bc§ SagbrugeS eitler. SDodf) aud) bei allen
®eiücrbeu unb bet ber SefteKung beä 5tdferö teiftet bcr
(Stepljant borjüglid^e E£>ieitfte. (Stephanien geifert bern
ittbifdfjen ^eepflanrer bet ber $elbarbeit, fte tranäporüren
au§ bem |>olrfcl)tag beä ©ebirgeä bte gefällten ©tämmc
Gleiten tueit in bie Säge, auf itjren 9iüdfen labet mau
tu beit Slrfeitalen ba§ fdEjtoere 9tol)r ber Kanonen, um eä
nach ben Sßerfftätten ru fdjaffen. Unb toie biet attbere
ÖJefdjäfte Traben fte ru beforgen ! Sie ejpebtren bie Sßaarc
beä Kaufmanns, ^etroleuntfäffer, $afao, 9?ei3, gebörrte
Srifdje, ÖJeft^irre, nad^ ihrem Seftimmungiorte unb bringen
anbere Sßaare tuiebcr nach $aufe jurüif. ©ie ftttb S3rief=
träger, toeldje bie Srtefe rur nädjften ©tation beförberit
unb bie neue Soft bafelbft an fich nehmen, ©ie finb
Settier für Sagoben, bie iljre berfdjloffene Äaffe bor
jebent .jpaufe flirrettb fdjütteln, ob nicht ein ©laubiger
eine ntilbe (Babe ^tneintoerfett tootte. Sit ber grofjett
SDantpffäge ru 9tangun in Sirma fielet man bie (Sie*
planten inmitten be§ raffelnbett 9täbertoerf§ unb beä
fdjtüirrenben 9tiemenreug§ unb ber puftenben Staudjfängc
bie Satfen ftcher ^erbeitragen , fie gerabe an ber redeten
©teile unter bie ©äge bringen, bte Sretter forgfant in
ben Jpof l§inau^fdjaffen unb fte Ijier regelrecht berfcljränft
23i&lioif)et. 1889. 33b. X. 10
I
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O AO
filiertet turnt ©lepfjanten.
auffteßen. Stuf Cietjtou finb bie (Stephanien bte ©trajjen*
unb Srücfenbauer. ©ie fd^teppen ba§ $013 unb bte ©tein«
tjcvbei uttb fdjidjten fie auf baä ©efd^irftefte am Sau^Ia^e
auf. Sn Sirtna märe bie |>crbeif(baffung be§ foftbaren
£catf)otäeä au§ ben bitten SBälbern of)ne bte .£)ilfe ber
(Stephanien eine Unmögticbfeit.
Sei ber inbifdjen ©tabt Sltapatti, einem ber befudjteften
<£mfen auf Stataüa, ftnb bie beiben (Seftabe ber fpatbinfet
burtf) eine Port (Stephanien gezogene (SifenBahn mit ein*
anber berBunbett. Sei ben £ao§ am oberen Stenam in
©iant unb am Sief bong, mo Biel $onbet getrieben mirb,
Bat jebeS SDotf fünfzig bis hnnbert £aftetepbanten.
2tu<b im Kriege ift ber (Stepbant ein febr nii^Iid^eä
Stb^r. SlntiocbuS ber ©rofje bon ©prieit, |jannibat unb
SPhrrbuS fiettten befanntlidj bie (Stephanien, beren Stiltfen
einen bott ©otbaten befe^ten SLburm trug, in ihren
©cbtadjtreiben gegen bie 9tömer auf, uttb mit .fpannibal
mußten fie über bie SUpen fteigen, mobei biete bott ihnen
■ju ®runbe gingen. Sb rel 'f e ^§ tbaten bie 9tömer baä
(SJteidje bem ffeinb gegenüber, unb ^mar junt erfien State
gegen 5PbWW bon Slafebonien, um bie berühmte Sßbotans
bcS Königs bon ben (Stephanien burd£)brecben 3 U taffen.
Sn ber Strmee ber inbifeben dürften mürben ben (Sie*
Pbattten fogar CfftjierSgrabe juerfannt. SDen (Snglänbertt
bienen fte b e nte beim £raitt, mo fie bie ©efd^ü^e über
bie Serge febteppen. ©türgt babei ein Äanonenmagen um
ober rutftbt ein 9tobr bon ihrem tttücfen herab, fo ruhen
fie nicht, bis StHe§ mieber in Orbnung gebracht ift. Sn
biefer SDÖeife benüfjten bie (Sngtänber bie (Stephonten bei
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93oit Stidjarb ffcitfdje.
243
tpren gelbaügen gegen Slfghanifian, im inbifdjen Stufftanb
bott 1857, gegen ©hina, gegen 2l6effinieit unb in neuefier
$eit gegen SBtrmo, ja ber Ärieg gegen 31^eobor boit
Hbeffiniett märe ohne bie ©tephanteu gar nicht ntöglid)
gcmefen, ba nur fie baä fernere ©efchüfj in ba§ $od)taitb
fc^lep^en lonnten.
2tudj at§ Kämpfer in ber Strena mufjte ber ßlephaut
fidj oft gebrauten taffen. S3ei beit Römern ber $aifer=
^eit , mo bie blutigen 33jierlämpfe bei bem entarteten
Solle immer beliebter mürben, lämpffen bie (Stephanien
häufig mit ßömen unb Sären ober mit ©tabiatoren. 3fu
Saroba, ber |jauptftabt eine§ iitbifdjen Staate^, beffeit
9tabfdja moht bie Dberherrfdjaft ©ngtanbä anerfeunt,
aber bod) fomeit feine Unabhängigleit bemahrt Ijat, bafj
er leinen Tribut an (Sitglanb aaljlt, gibt e§ nodj immer
am #ofe Kämpfe amifdjen (Stephanien unb St^tnoeeroffeu.
Ulucf) in <Siam mirb ba§ friebticlje SL^ier, menn aud) nur
fcljr feiten, in biefer Söeife noch miffbraudjt, hoch mujj
e§ bann einige Monate hinburcp burcb aufregenbe Mittel
förmlich moratifdj unb geiftig öerborben merben.
(Snbtidj ift ber (Slephant auch Zünftler, ber bei feiner
fdjeiubaren Plumpheit hoch fehr gcfdjidt ift, inbem ihm
fein IRüffei unb beffen fingerartiger 9tnfap al§ Slrnt unb
f?anb unb Merl^eug bient. (Schon bie Sitten richteten
ba§ 2djier $u allerlei ftaunenämerthen Äunftftitden ab.
So erzählt 5ßliniu8, baf} bie (Stephanien in ber römiftheti
Slrena auf einem fdjräg gefpannteit unb am Soben be=
feftigten Seite auf unb ab fpa^ierten, bafj fie beim 9luf=
marfch im Sweater einen atlerbingä etmaä plump auä=
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244
einerlei oom ßlepljanten.
feljenbcn Slan^ auffüljrten, bafj einer fid) Iran! fieltte unb
auf eine SBaljre fiel) legte, mäljrenb hier anbere iljn babon
trugen, ja bafj einer eS bermocljte, einen griectjifctjen ©at$
auf eine £afel <ju fcfjreiben. Sludf) bei unS führen ja bie
flugen $l)iere im GirluS nodj ätjnlidje $unftftüc£d(jen auf.
23on ber ©ctjarfjinnigleit beS Glepljanten geben eine
Stenge 6raö|lungett Seugnifj, bie bietteicfjt manchmal
etmaS übertrieben finb, im (SJanjen aber bodj maljr fein
bürfteit. ©o tbirb eraüljlt, bafj ein ßlepljant, ber, mit
&0I3 beloben, auS bem SCßalbe auf fdfjmafem ^Pfabe nad;
.^aufe ging, tjöflidj auSmicfj, als iljm ein Leiter be=
gegnete, fictj beifeitS in bie S3üunte brücfte, unb als
baS $ferb fidfj fcljcute, meiter ju gelten, freuitblid^i er»
munternb fein „urm^, urmp^" grunzte, bis 9tofj unb
Leiter herüber mareit. @in anbereS £l)ier fannte genau
ben Strjt, ber iljm feinen bertounbeten Qmjj gereinigt,
berbunbcit unb geteilt Ijatte, unb brüdfte immer tbieber
in broltigfter SBeife feine Ofreube unb S)an!bar!eit auS,
menn eS fo glücflid§ mar, feinen 2öol)ltljäter mieber^u»
feljen. StlS beim Ueberfefjen über bie 5urt eines SluffeS
ein 9Jiann in ber 2Jlitte beS ©trombetteS bon ben SCßelteu
ergriffen unb fortgeriffen mürbe, ftürjte fidj ein (Siebt)ant,
ber born Ufer auS 3euge beS Unfalls gcmefen mar, fofort
in bie fflutl), fjob ben (Srtrinfenben mit bem fftüffel auf
feinen 9iücfeit unb rettete if)tt bom fidleren £obe.
5E)octj aucl) $üge bon ber 9taä)fud(jt beS ßlepljanteu
finb aEbefannt. (Sin ©Habe, ber ein Xtjier öfters oljne
©runb gefdtjlagen Ijatte, mürbe bon biefem eines üEageS bei
baffeuber (Megenljeit blöjjlidt) ergriffen unb in ben naljeu
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$ort ffiidjarb ^ritfcfie.
245
£eid) gefd&leubert, mo er fo lange umfjetfdjmimmen mufjte,
Big auf feinen Hilferuf fieute fyrBeigefommen maren,
benen eg gelang, bag aürnenbe 2l)ier p Begütigen,
©dfjliefjlidj fei l)ier nod) eine luftige ©efdjidjte angeführt,
©in ©lepljant ging al§ ber SBärter ber $inber eineg
«Kaufes mit biefen pm naljen 33adje unb lernte Bon iljnen
bie $unft beg fjifdljeng. (Sie Befeftigten iljm bie 2lngel=
fcfjnur am 9iüffel, er martete ruljig, Big ber auf bem
SÖaffer tan^enbe $orf pdte, unb fcfjnellte bann mirflidj
unter bem Saucen ber $inber ben an ber 2 lngel püpeln=
ben Snfdj an’g Ufer.
©ebenlen mir fo noctjmafg beg grofjen fftutjeng, ben
ber ©lepljant, biefer föiefe ber £f)iermelt, bem SJtenfdjen
Bringt, unb mie er gleidj bem |mnb unb bem 5ßferb
burdj ©elel)rigfeit unb 33erftänbnifj für 2 llte§, mag ben
SJtenfdtjen angelt, tjodj über ben anberen Spieren fteljt,
fo fann man faum Begreifen, bafj ber SJtenfctj Berl)ätt=
uijjmäfjig geringer Stortljeile megen bag eble 5E^ier in
9lfrifa mit unfagBarer ©raufamfeit augrottet, unb fann
nidjt genug Bebauern, bafi eg audj in $nbien Bebenflidj
ftd) Berrtngert, unb bafj alfo Borauäfidtjtlidfj bie Seit
fomrnen mirb, mo eg 311 ben auggeftorBenen 2lrten ber
2 fjiermelt gehören mirb.
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'gtanmgfaffißes.
$ie üffentUdrjcn Suftbarfciten i» ^attd tuäbrenb
bet ©djrerfcttSjeit. — Jer.ffrranaofe tanjt auf einem Stil*
fan, über ©räbern unb um bie ©uiUotine. Sn ben furd^tbnrften
Jagen ber SReuolution erflangeit flöten unb ©eigen, unb bie
berühmten ftübdjen ber ^ariferinnen ruhten nicht. Snt ©egen«
tbeil febien mit betn junebmenben ©cbredeit au<b bie Suft am
Janjeu ju maebfeu. 2Bftb**nb bie ©uiUotine arbeitete, fanbeu
beftänbig Sülle in Jrianon, in ber Eremitage, fomie faft in
allen Vierteln non Saris ftatt. Sn Slettbon mürbe gerabe ge*
tan^t , als bie ©efaitgenen au§ Orleans por bem Jreppenbaufe
ber Orangerie ermorbet mürben. Sb r ©efdfjrei mub rottbrenb
ber Slufifpaufen in ben ©aal gebnntgen fein, allein baS mar
für bie entmenfebten Ißarifer fein ©runb, ben SaU ju unter*
breeben.
©egen bie Siitte beS Sab«? 1793 aber febien biefe SJlanie
plöblifb ju ermatten, ja bie ßuft am Janje mar fo gänjlicb vor*
bei, bab nur noch „auf böseren Sefebl" Jünjer fub fanben.
Xiefe offijieKen Sülle mareit baber meift fo büfter, mie ber Jobten*
tanj auf ben $ir<bbof3freSfen beS SftittelalterS. 2>ie Jänjer
roaren gröbtentbeilS Sünglinge unb SJläbcben, bereu ©Item noeb
im ©efüngniffe febmaebteten ober febon bingeriebtet maren. ©ine
©inlabung ju biefen Süllen abäulebneit, mar inbeb gerabeju un«
möglich, benn man fefcte ft<b baburdb ber ©efabr aus, am nädbften
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3Rnnnigfaltige?.
247
Doge felbft als „oerbädjtig" in eines bcr ©efängniffe unb von
bort sur ©uiUotine gefdjleppt ju werben.
GineS DageS feierten bie ^krifer ben Sieg tum glettruS mit
Gängen auf bent Saftiüeplab. Sei einer OuabriCe fehlte itod)
ein Dänjer. ©iner ber fyeftorbner manbte ftcf) baher an einen
iungen 2Rann, ber ntüfjig unter ben gufchauern ftanb, unb for*
berte ihn auf, mit anjutreten.
„?[tb fann nicht tanjen," mar bie Antwort.
„DaS foH wohl ^eifien: Du millft nicht."
„3<h füge Dir: ich fann nicht."
„Dann bift Du ein 9Iriftofrat !" fc^rie ber tfeftorbner. „Du
uerachteft bie fffreuben beS 93olfe§ unb ärgerft Dich über unfere
Siege. SorwärtS, folge mir nach ber SJiairie! 2Bir wollen
fehen, wer Du bift."
Som Säbel unterftüfct, pacfte er ben jungen SRann unb
fchleppte ihn nach ber ÜRairie, wo man jebenfalls, wenn er ftcf)
nicht al§ guter Patriot, felbftoerftänblidj im Sinne ber Diepubli«
faner, hätte auSmeifen fönrten, furgen ^rogeft mit ihm gemacht
haben würbe. —
5Rad) bent Sturje fRobeSpierre’S trat abermals eine fReaftioit
ein. Die Danjluft erwachte non ffieuent. UeberaU in Soris
würben wieber SäUe arraitgirt. Der erfte öffentliche SaU faub
bei ber ©inmeihung oon „Diooli" ftatt. Unter biefem fRatneit
nftmljch würbe ber prächtige ©arten be§ ©eneralpächterS Soutitt,
bent ber Serfauf feuchten Rabats ben $opf gefoftet, bem Solfe
übergeben, ©in ähnliches ©tabliffement würbe in ben ©hampS»
©lifdeS unter bem fRarnen „bie ©ärten tton -URarboeuf" ein*
gerichtet. 2Bemt bie Jänjer fröhlid) über ben fRafen fchwebten,
bauten wohl nur wenige baran, bah an biefem ©runb unb
Sobett baS Slut ber früheren Seftfceriu haftete. Die 9Rarqttife
ü. ORarboeuf war nämlid; lebiglicf) beShalb guiUotinirt worben,
weil fie in bie Umwanbluttg ihrer hf^rlidhen ©artenanlagett in
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248 2Jlannigfaltigel.
5?artoffeXfelber jum Söefteu bei „fouoeränen Bolfel" nicht Ijatte
einwilligen wollen.
Balb waren bie öffentlichen Satijlofale nicht mehr ju jählen.
Sa waren IRanelagh unb Bauj-hall, $ralfati unb ber ^Jamllon
oon Ipannooet. Sa war enblich ber $rabo mit einer 90113
neuen 2lrt uon 2Jhtjtfaufführungen , ben eoncerts miaufciques
ober „2Jliau*$onäerten".
Siefe $onjerte waren jener 3 e ü nmrbig. Etliche Hafcen
würben nämlich ber 9ieil?e nach in eine $lrt Planier geftedt, fo
bah nur ber $opf heraulfah- $ebe Safte bei ^nftrumentl war
mit einem $abenfdjroanj oerbunben. 2Benn nun bie Safte an»
gefdhlagen würbe, brang eine fdjarfe Spifce in ben Schwaß ein,
worüber bal Shier natürlich einen Schtnerjenlfcbrei aulftieji.
3mar hatte man bie Stimmen fo gut all möglich nad) ber Son*
leitet abgepajit, leiber war aber ber Schmerj ber gequälten
aujjer aller Berechnung unb belhalb eine „harmonifche" 2Bir»
fttng biefel finnreidjen Snftrumentl nicht ju erjielen-
Ser toÜfte Einfall aber war bie Berwenbimg bei alten $iv<h»
hofl non ©t. ©ulpice all BaWofal. Ueber bem ©ittertljor, bal
bie Embleme ber urfprünglichen Beftimmung bei Drtel trug,
prangte ein Sranlparent mit ben Sßorten : „Bai des Zöphyrs“.
$ltif ben ©rabfteineit, bie man nicht entfernt hatte, ruhten bie
erhiljten Baare nont Sanj aul. Erft Napoleon machte biefem
grnuennollen ©cherje ein Enbe.
Sie nach bem ©turje fflobelpierre’l jurüdgetehrten unb theil»
weife in ben Befifc ihrer eingejogenen ©üter wieber eingefefcten
Slbeligen grünbeteit eine gefchloffene ©efeUfdjaft jum 3 loe( fe
Bergnügenl, bei welcher nur Serjenige SKitgtieb werben tonnte,
welcher Bater ober HJhitter, Bruber ober ©d)Wefter, ober min»
beftenl Dnfel ober Sante bitrch bie ©uillotiue nerloren hßtte.
Ser Elub würbe bemjufolge „le Bai des Victimes — ber Ball
ber ©djlachtopfer", genannt. Siefe Bälle fanben im JÖinter
V
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2Jtannigfattige?.
249
1794 im erften Stocf be§ fpotet IRic^elieit ftatt. Sämmtticbe
©aUgäfte rcaren in tiefe Trauer getteibet, bie 2öänbe fcbrcarj
au§gefcblagen, bie Scuc^ter, ÜRufifiuftrumente itnb ©erätbfcbafien
mit fcbrcarjem $tor umrounben. Slnftatt ber Verbeugung rcar
eine Neigung be3 <$aupte§ üblich, ähnlich ber be§ Opfer§, roenit
e§ ben Kopf in bie ftöbtung fhob, über welcher bo» 9Jteffer ber
©liillotine |ing.
S)ie S<brecfen§männer fetbft wollten teine§rceg§ jurüdEbteiben.
Sie oeranftalteten im zweiten Stocf beffetbeu fjaufe» „bie Väfle ber
genfer". 3 U biefen nmrbe mau nur jugetaffen, rcenn man feine
perfönliche Vetbeiligung an ben 2baten ber S<brecfen§berrfcbaft
nachweifen fonnte. tpier erfd&ienen fämmtlicbe ©aügäfte in fRotb,
bie Säle waren rotb auSgefd&tagen, bie 2eu$ter, ^nftrumentc
unb ©erätbfchaften mit rotfjfeibenen Vänberit umrounben. fDian
follte beuten, baf? e3 su fjänbeln gefommen märe, rcenn Schwarje
unb Diotbe ft<b begegneten, ^tber e3 gefdfiab gerabe ba§ ©egen*
tbeil, man oerbeugte ftcb unb fnijte auf ba§ §öfli<bfte unb medj*
fette Komplimente im prunfooEften 9teooIution§*„59ruberftpt".
©ine Heine ©pifobe, bie auf einem „Vati ber Opfer" fid)
begab, mag jum Schlufj ben entfebtichen .fpumor biefer fyefte
fenn 3 eichnen. Sßenn mäbrenb ber S<bredfen§tage eine $ur ©uil*
totine oerurtbeilte Verfon nicht gefunbeu rcerben fonnte, nahm
man fetjr oft ftatt ihrer irgenb einen anberen ©efangenen, ber
iffr oerroanbt roar ober auch nur einen äffnlicb ftingenben fftameu
batte, ftricb jebod) ben Flamen jener erften Verfon oon ber ßifte
unb machte ihren offiziellen 2ob befannt. 2)ie§ rcar auch zwei
Scbmeftern begegnet. Veibe batten fidb ben öenfern ju entziehen
geraubt, ba aber Veiber tarnen auf bie Sifte ber ©uittotinirten
tarnen, roäbnte jebe nur fid) gerettet unb bie ?tnbere tobt. 9tuf
einem „Vati ber Opfer" trafen fie jufammen. Subelnb fanfen
fie fub in bie 9trme. 9iber roäbrenb fie noch fcbtudbjeub fiel)
umfangen bitten unb fiel) gegenfeitig ihre fieiben unb bie ©e*
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250
ßftannigfaltige«.
fehlte ihrer Rettung ersten, trat ein ©orftanbSmitglieb ju
ihnen. Skr 2ob ber Schroefter roar für jebe ber beiben Sdjroeftem
ber SßechtStitel geroefen, fraft beffen fie bie ©intrittSfarte erlangt
hatte. Ste nun roeber bie ©ine noch bie 9tnbere guiUotinirt
roorbeit roar, fo roaren fie laut ber ©aflftatuten jur ©fitglieb*
fchaft nicht mehr berechtigt.
„©leine Steinen," fagte alfo ber .fterr nom ßomitd, „ich muh
Shnen 51 t meinem größten ©ebauern mittheilen, bah Sie unferetn
©alle nicht länger beimohnen lönnen."
㩤 ift jroar fehr erfreulich, eine tobtgeglaubte Schroefter ju
finbeu," fagte nach einer ©aufe bie keltere ber tarnen, „aber
barum auf biefe fchöuen ©äße per, pichten ju müffen, ba§ ift hoch
mirtlich etroaS ju hart!"
Unb nur fehr ungern imb roiberroißig perliehen bie beiben
„Opfer" ba§ ©aßlolal. Sd>— t.
cifcrfttd^tifie 9Jlo$art. — Siebe macht befanntlich
crfinberifdh, Siebe mar unb ift bie 9lmme jebeS ^ö^eren ©efüljl§
unb roecft ben ©eniuS. Steh aber auch bie ©iferfucht anfeuernb
auf bie $raft be» ©eifteS ju mirfen permag unb einen ähnlichen
9luffchroung erjielen faun, bafiir bietet eine ©pifobe aitS bem
Seben be§ größten SonfchßpferS, ber piefleicbt ju aßen Seiten
erftanben, einen fräftigen ©eieg. 9luch ©tojart’S melobienreiche
©ruft blieb nicht pon ben ©feilen ber Siebe oerfchont. ©ben
mit ber $ompojition feines „Sbometteo" befchäftigt, roar fein
£>er 5 in perjehrenber Siebe ju ber bamals fehr gefeierten Sängerin
9lloifia Söeber (feine fpätere Schwägerin, nachmals $rau beS
£>offchaufpieler§ $ofeph Sange) am I. f. ,£>ofoperntheater ju 2Bien
entbrannt. 91 Bein er rourbe perfchmäfjt. ©in 9lnberer roarb ihm
uorgejogen.
SieS roirlte fo aufregenb auf fein ©emütb, bah er auf ©acbe
faun, unb biefe beftanb barin, bah et jroei 9lrien »oß ber raun*
berbarften Schfinheiten, aber 3 ugleich mit ungeheuren Schmierig*
Mannigfaltige?.
251
feiten überhäuft, fomponirte unb für bie graufame Schöne be»
ftimmte. Sie mar bisher fein ©efd)öpf. (Sr batte fte auf bem
ffrittig feiner Meifterfdjaft mit ficb jur £>öhe be? DiubmeS empor»
gehoben. f)lun rooKtc er fie faden taffen, mollte ba§ 2Berf5eug
feiner Melobien oerberbenb gegen fie lehren. Sie follte einfetfen
ternen, baff fte nicht? ohne ihn mar.
Mein ber Meifter batte ficb perrecbnet. Statt mit ben neuen
ßompofitionen $ia?fo 51t machen, erntete 2)emoifetIe Söeber einen
beifpiettofen ©rfolg. Selbft ber eiferfücbtige Sonbidjter mar
burcb biefen unerroarteten 9lu?gang gerührt, perjiefj, refignirte,
unb al? er ein Sabr barauf (im Mai 1781) ficb bei ber alten
Mabame döeber, 9lloifia’S Mutter, einquartierte, verliebte er
ftcb in bie ältere Scbroefter $onftanje, bie er benn auch am
4. Huguft 1782 ^eimfü^rte.
^lloifta , ber Mojart’S (Siferfudbt einen Triumph bereitete,
ben ihr bie Siebe vielleicht nicht gemährt batte, trat 1784 eine
längere Urlaubsreife an, mürbe 1788 au? bem 93erbanb be?
SBiener Dpernbaufe? entlaffen, 1791 (bem Sterbejahre Mojart’S)
bafelbft neuerbing? angeftellt, um erft 1795, nach Scbeibung
ihrer unglüdtlicben ©be mit bem Scbaufpieler Sange, 2Bieu enb»
giltig ju petlaffen. 3 un äcbft roirfte fie brei Sabre in Hamburg,
1798 bi? 1801 in $lmfterbam, bann in Bremen unb Sranf*
furt a. M., verlief 1808 ba? Theater unb lebte al? peufionirte
f. f. .ftoffängerin bi? ju ihrem am 8. Suni 1839 erfolgten 2obe
in Salzburg. Sie liegt bafelbft in einem ©rabe mit ihrer
Scbroefter Sophie, verehelichten £>aibl (bie jüngfte ber Pier
Scbroeftern 2Beber), auf bem St. SebaftianS«Sriebbofe. Ri
Sfcer als SjÄäufejäger. — fHeinefe ift al? virtuofer
Mäufejäger roeniger anerfannt unb geachtet, roie er al? kühner«
bieb beim Sanbntann, al? .^aienliebhaber unb diebfibbefcbleicber
bei bem Säger perhabt unb perfolgt ift. Unb bennoeb ift fein
ffierbienft al? Mäufejäger Pom Sanbmirtl) fehr hoch anjufcblagen,
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252
ÜRaitnigfaltigeS.
wenn er auch juroeiten auS unoerwahrtem ©eflügelftafl fich ein
Huhn als Sagbredfjt beilegt. 3 um ®emeiS feiner SDiäufejäger«
oirtuofität tfjeile ich folgenbe Beobachtung mit, bie ich nicht nur
einmal, ionbern fchon öfter gemalt habe.
Stuf freiem, fchneebebecftem f^elbe trottet SRetnefe gemächlich
unb gemütlich bahin. Seht fefct er fuh unb f<haut mit oer»
gnögten Sinnen auf ben ebenen Schneeplan hin. (Sin hüpfenber
Blagegeift fcheint ihn in feiner ruhigen Erwägung, welche fRich*
tung er auf feinem Bürfchgange nehmen fott, ju ftöreit. (Sr hebt
ein Hinterbein unb bringt ben Keinen Störenfrieb hinter bem
Dhr jur fRuhe. $)ann trabt er behaglich weiter über bie
Scbneefläche.
Stuf einmal fteljt er ftiH, ftrecft bie Sunte gerabeauS, unb
plöhlich macht er einen bogenförmigen, jiemtich hohen Spmng
in bie £uft, bie Borberläufe unb bie Sdfjuauje auf eine be*
ftimmte Stelle beS fcfmeebebecften BobenS gerietet. Der Sprung
hatte jebenfaÜS einer 2Rau§ gegolten; er fcheint fte aber nid>t
erwifdjt ju haben, benn er geht fogleich weiter. Seht fteht er
wieber ftiU unb eS erfolgt berfelbe gewanbte Sprung. Diesmal
aber hat er feine 93eute richtig erhafcht. Sei eS nun, bah er
bereits gefättigt war, ober bah er wegen feines SlppetitS um fo
gröbere ffreube an feinem §ange hatte, item, er oerfpeiSte ben
iBiffen nicht fogleich, fonbent machte nach Slrt ber $ahen allerlei
luftige Sprünge. Er warf ben $ang mit ben Borberläufen unb
ber Schnauje in bie Höhe unb fprang bann, als gälte eS einen
SBettfampf, mit größter Sdtjnelligfeit barauf loS. Dann legte
er ftch bucfenb in ben Schnee unb lieh bie 2RauS über benfelbeit
hufchen, um fie unter oerfdjiebenen Burjelbäumen wieber einju*
holen. So trieb er fein Spiet mit bem SDjier, bis eS fchachmatt
war; bann erft würbe eS getöbtet unb oerfpeist.
SBunberbar ift eS, wie eS bem Such» möglich ift, auf einige
Schritte Entfernung bie 9RauS wahrjunehmen. Sehen fonnte er
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2Jlannigfaltige§.
253
fic nicht wegen beS Scbnee’S. Ohne 3»oeifcl bat ihn fein äufjerft
fd^acfer ©erucb uub fein fetiteö ©ebör geleitet.
$a Reinete biefe 'JRäufcjagb nidjt nur jur Stillung feinet
.ftungcrS, fonbern oft auch lebiglicb jutu Vergnügen betreibt, fo
bürfte ber fianbmann burcb biefe feine „noble $affion" fidjer
uon manchem läftigen Rager befreit werben. äo*.
$aartrad)tcn bet ^Römerinnen» — S)cr berühmte, alt*
römifd^e Siebter Coib b fl t e§ nid)t uerfebmäbt, in eleganten
Werfen über bie bamaligen «<paartrad)ten ber frönen Römerinnen
SU fdjreibcn :
„Guer .spaar fei ©egenftanb eurer gaitj befonberen Sorgfalt.
Gure Rnmutb ^ängt uon ber ©efcbidlicbleit eurer .ftänbe ab;
jeboeb gibt e§ ber Rrten uiele, jene in immer neuem 2Öed)fel jur
(Geltung ju bringen. Rlöge eine 3ebe ibreit Spiegel um Rath
fragen! Gin längliches ©efidjt erforbert, bafc ba§ $aar einfad)
über ber Stirn geteilt werbe. Gin loderet knoten oben auf
bem topf, ber bie Obren unbebedt läfet , ftebt beit runben ©e*
fiebtertt beffer. S)ie Giite wirb ibr §aar auf eine Schulter fallen
iaffen, gleich bem RpoH, ber bie £yra hält, bie Rubere wirb es
in flechten auffteden, wie $iana es tbat, wenn fic wilbe Spiere
rcrfolgte. S)ie Gine entjüdt unS burcb ihre wallenbett Jadeit,
bie Rnbere bureb eine fefte $rifur, bie fidj glatt an bie Schläfe
febmiegt. $>er Ginen gefällt eS, iljr £>aar mit glänjenbem Sdjilb*
patt ju jierett, ber Rnberen, baS ihrige in bie $orm fanft
flutbcnber SLÖeUeit ju bringen. Rlan lönnte eher bie Giebeln eines
bidjt belaubten GicbbautneS jäblett, ober bie dienen uon .^>i;bla,
ober bie Obrere, welche bie Rlpen berölfern, als bie neuen .fpaar*
trachten, weldje feben 2ag ftcb entfalten. — G§ gibt uiele grauen,
benen eine fdjeinbar naebläfftge ^rifur gut ftebt ; mau fömtte fie
für bie beS geftrigen 2ageS halten, unb boeb ift fie eben erft
bergerkbtet worben. 3>ie tunft foll baS Zufällige uadjabmen.
derartig war bie liebreijettbe Unorbttuitg bei Sole, als §erlule§
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254
2Rannigfaltige$.
fie jum erften s iMc in einer mit flürmeuber £)anb genommenen
Stabt erblicftc uttb auSrief: , 3 $ liebe Sieb! 1 So fah bie
^ürftin aus, melche auf bem ©eftabe oou MjoS ucrlaffeit mürbe,
a(§ SacchuS fie auf feinem 2Bageit entführte." (£. 2.
iöouchct in ®i. ^Jetctätmrg. — ‘Der berühmte Piolin*
uirtuofe SSoucher befafi in ©eftalt unb ©eftcbtSjüflen eine nterl*
mürbige Slehnlichfeit mit bem $aifer Napoleon I. $ur$ nach ber
jroeiten 9 teftauration hatte er ficb nach Petersburg begeben, um
bafelbft Stöberte 311 oeranftalten. ©iiteS MenbS fpielte er uor
einer auSerlefeneit ©efellfchaft bei bem dürften MriSfin. Mch
Jtaifer Myanber mar anroefenb. 3 ?on feinem piafce au§ beob*
artete berfelbe ben Zünftler längere Seit fcharf, unb nachbent
biefer fein Spiel beenbet, f<hritt er auf ihn 311 unb bat ihn mit
grober .fpöflichfeit, ihm eine ©efälligfeit 311 ermeifen unb am
nädhften Sage um bie unb bie $eit fich im Söinterpalafte ein*
finben 3U roollen. pünftlich 31er beftimmten Stunbe mar Poucher
3ur Stelle, ©r mürbe fogleich pon einem Wiener in ©ntpfang
genommen unb in ein Stromer geführt, mo er 3U feiner Per*
munberung auf einem Sioan einen Keinen £mt ohne Treffen,
einen Segen, eine Ober ftenuni form ber franäöftfdjeu ©arbejäger
unb ein Offi3ierSlreu3 ber ©htfmlegion liegen fanb. Mch menigeit
Mgenblicfen erfdjien ft'aifer Slleyanber, begrüßte ben ßünftlcr
frcunblidj unb fagte: „Mn miU i<h Sh»cn mittheilen, um toaS
es fid) hßtibelt. Me biefe ©egenftänbe haben bem $aifet Napoleon
gehört unb mürben in ÜDioSlau gefunben. fDton hat mir uon
Sh«r ^lehnlichfeit mit bemfelben erjä^lt, unb ich finbe biefe faft
noch auffallenber, als man mir gefaßt. Pteine ÜJiutter bebauert
nun nichts fo fehr, als bah fie Ponaparte niemals gefehen hat;
menn Sie baher bie ©iite haben mürben, biefe Sachen anjulegen,
fo lönnte ich Sie meiner fDtutter als baS getreue ©benbilb
unfereS großen ©egnetS oorftellen, unb fie mie ich mürben Shneu
311 San! oerpflichtet fein."
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ÜJlannigfaltigeS.
255
©oucber war natürlich fogleid) bereit , wecbfelte bie Siteiber
unb würbe barauf oon Slleyaitbcr in ba§ Sfabinet bet 3 arin
geführt, wcldjer ihr Sohn wieberbolt ucrfidjerte, bie däufdjitng
fd)ieuc ihm ooHfommett, unb fie fönnte nunmehr gctroft glauben,
Napoleon felbet gefehlt 511 haben. 3 m.
3h>ei üöricfe oon ^^rifto|)lj (Solumbutf unb einen oon
Slntertgo ©eSpucci, bie für ade diejenigen, welche fid) mit geo*
grapbifdjen Stubien befdjäftigen, oon ^»tcreffe fein bürften, bat
flluguft 3«n in 8 ®ont betauSgegebeu. der erfte ©rief beS ©nt*
becferS oon $lmerifa trägt fein datum unb ift an „ 3 bte fatbo*
lifcbc .fpobeit gerbinanb, Slönig oon Spanien, unb an Sfabella,
beffeit ©entablin" gerichtet. ©olumbuS gibt in biefem ©d)tciben
einen auefiibrlidjen ©ericht über bie ©ntbecfiing oon £>iSpaitiola
(fjayti), unb bet geniate ©enuefe jeigt ficb barin nicht nur als
tüdjtiger Seemann, fonbern amh als umftchtiger ©olitifer. der
jmcitc ©rief ift am 6 . fyebruar 1502 in ©ranaba gefchriebeit
worben; ber 2lbreffat ift unbefannt, hoch fcheint eS, bafi biefer
©rief ebenfalls an $önig ^erbinanb gerichtet ift. derfelbe ent-
hält eine gebrängte darfteUung ber ©chifffabrtsfunbc. fdierf*
würbig ift biefer ©rief beSbalb, weil ©olumbuS in bemfelben
noch Steifet an ber fpbärifcben ©eftalt ber ©rbe attSfpracb. der
britte ©rief ift oon ber £>anb 2lmerigo ©eSpucci’S. ©r ift, wie
wir unS beute auSbrüdfeit würben, eine Hrt „$onfularberid)t".
©eSpucci febreibt an beit Sfarbittal .l'itnenej, ©rjbifdjof oon do*
lebo, über bie ©ebeutung ber neuentbedten Sänber für beit fpa*
nifchen £)attbel. ©r gibt auch bie Söaaren an, bie nach feiner
^luficht auf ben Antillen rafchen Slbfajj finben würben. SR.
Diojeniultur in <£b*urt. — 3 »n Ipimtnlifcben ©eiche mibntet
man ber ©ofenfultur cbeitfo oiel ©flege unb Sorgfalt, als in
ber dürfei unb ©erfieit. die ©ofengärten beS ®aiferS oon ©bina
follen pracbtooU fein, unb berfelbe bitreh ben ©ewittn beS ©ofen*
Öls unb ©ofcnwafferS ganj enorme Summen jährlich in feine
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ERannigfaltige?.
Staffen fließen laffen. Elur bie oorncljmftcn C^iitejen, al§ ba
finb: bie faifcrlicfje (Familie, b<>bc Eftilitär?, ERanbaritten unb
attbere Eöürbenträgcr be? Eieicbe?, bitrfeit biefe ©ffeitäcti im £>aufe
haben , ein gemöbnlicbet (S^inefe mürbe barte Strafen erleiben,
menn ftcb ein Stopfen baoon bei ihm oorfänbe. Urfprünglid;
fanntc man nur jmei Eiofenforten in ß^ina, bie roeibe unb rotlje
EEoosrofe. 3c Heiner biefelbe ift, befto gröberen Eöertb bat fie.
3brc ©lütter bienen auch al? Elmulet. Eftan fie oielfadj
in einem Sftddjen oor ber SdjroeEe be? .fraufe? auf unb glaubt
fid) bann gegen jebe? Unbeil gefeit. — Sie SHofe fdjeint in ®bi«a
fdjott int grauen Elltertbum eine grobe 9loEe gefpielt ju haben,
bcmt in ber faiferlidjeu ©ibliotbef foEen fid) an 500 Eftanu*
fcripte befinben, roeldje au?fcblief5lidj biefe ©turne bebaitbeln.
• ®. 3B— r.
3tud) eine 3'ü^bittc. — (Sin preSbyterianifdjer ©rebiger,
ber unter $önig EBilbelm III. ooit ©nglattb in ber ^oflirdje ju
(Sbiuburg beit öffentlichen ©otteebienft oerfab, brauste folgenbe
ttterlnmrbige Formel am Schluffe feine? ©ebet§: „.fterr, bab’
©rbarmeti mit aEen geiftig Elrmeit unb ©infaltigen, oorjügticb
aber mit bent rooblmeifen Stabtratb ooit ©binburg." e. It.
tolle ©ctteral. — EU? man in ©egeuroart ^riebricb’3
be§ ©roben auf beit tapferen unb oerbienftooEen öfterreichifdjm
©eiteral Saubon su fpretben laut, fagte ber ©eneral o. S., ber
beut Ä?öitifl burd) taftifd&e Rebler fdjoit mebrfad) ©runb jur
Uiigufriebeiibeit gegeben batte, Saubon fei toll.
„3dj habe nid)t? baoon gemerft," meinte ber Jftöttig mit
einem Seiteitblid auf ben Sprecher, „aber toemt e? roirllid) ber
$aE märe, fo mürbe ich febt jufrieben fein, roetttt er einige
meiner ©eiteräle biffe!" — 3.
&erau$gegebert, gebrudt unb oerlegt ooit £>ermattnScbönlein§
Ela cb folg er in Stuttgart.
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