BOUGHT WITH THE INCOME
FROM THE BEQUEST OF
CHARLES SUMNER, LL.D.,
OF BOSTON,
(Class of 1830,)
FOR
+ BOOKS RELATING TO
POLITICS AND FINE ARTS.”
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Quellenbuch
zur
Schweizergeſchichte.
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Quellenbuch
zur
5chweizergeſchichte.
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Für
Haus und Sdule
bearbeitet von
Dr. Wilhelm Oechsli.
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Zürich
Druck und Berlag von Friedrich Schultheß
1886.
N 18
Vorwort.
— — —
Um Mißverſtändniſſen vorzubeugen, ſei hier gleich eingangs
bemerkt, daß das vorliegende Buch keinerlei Anſpruch darauf erhebt,
wiſſenſchaftlichen Zwecken zu dienen. Es verdankt ſeine Eutſtehung
lediglich pädagogiſchen Motiven und will in erſter Linie ein Hilfs—
mittel für den hiſtoriſchen Unterricht, in zweiter ein belehrendes und
anregendes Haus⸗ und Volksbuch, eine Ergänzung zu jedem Lehr—
und Handbuch der vaterländischen Gejchichte fein.
Die Erkenntnis, daß die Heranziehung der Quellen in hohem
Grade zur Belebung und Fruchtbarmahung des hiftorifchen Unter-
richte beiträgt, drängt fich jedem Lehrer von ſelbſt auf; zahlreiche
und zum Teil vorzügliche Hilfsmittel ftehen ihm in diefer Hinficht
für die Gejchichte der alten Welt und Deutfchlands zu Gebote.
Wie nahe lag daher der Gedanke, die reihen Schäße, welche, mehr
oder weniger nur dem Fachmann zugänglich, in unfern vaterländifchen
Duellenpublifationen zerftreut find, für Schule und Haus zu ſam—
meln, die Urkunden, auf denen die fchmeizeriiche Eidgenoſſenſchaft
beruht, die Relationen, auf welche die hiftorifche Forſchung die heu-
tige Darftellung ihrer Vergangenheit bafirt, wenigftens auszugsweife
in reifen zur Kenntnis zu bringen, denen die Gelegenheit zum
jelbftändigen Studium der Quellen fehlt! Aber auch dem Fach—
fehrer wird eine bequeme Zujammenftellung derjenigen Quellenjtüde,
die fih zur Verwertung für den Unterricht eignen, nicht unwill—
fommen fein.
Die getroffene Auswahl muß fich jelber rechtfertigen. Manches
Stüd, das der Herausgeber jelber nur ungern in der Sammlung
vermißt, Fonnte nicht aufgenommen werden, da der vom Verleger
aus triftigen Gründen etwas Fnapp zugemeffene Raum jo ſchon um
ein Bedeutendes überfchritten ift. Im ganzen wird es jchwerlich
eine wichtige Tatjache der Schweizergefchichte geben, die nicht darin
durch eine Urkunde, eine oder mehrere zeitgenöffiiche Schilderungen
in Profa oder Poefie, oder durch Schriftſtücke mithandelnder Per—
jonen illuftrirt wäre. Die Urkunden, die zum größten Zeile unferer
unvergleihlihen „Sammlung der eidgenöſſiſchen Abſchiede“
ı.
4
entnommen find, bieten wohl in ihrer Gefamtheit eine fo volljtändige
Überficht der bundesrechtlichen Entwidlung der Schweiz, wie fie für
Schule und Haus auch nur wünfchbar ericheint, während die Aus:
züge aus den Chroniken zugleih eine Art Chreftomathie unferer
nationalen Geihichtichreibung big ins 16. Jahrhundert bilden.
Da das Bud) zunächſt zum Borlefen in Familie und Schulen
aller Stufen beftimmt ift, mußten jelbftverftändlich alle fremdſprachigen
Stüde ing Deutfche übertragen werden; diefelben find im Drude
durch Antigua als folhe gekennzeichnet. Wofern anerfannt gute
Überjegungen vorhanden waren, wurden diejelben benußt, immerhin
unter Vergleihung mit dem Driginaltert und mit den notwendig
erachteten Änderungen ; wo der Überfeger nicht mit Namen genannt
ift, ſtammt die Übertragung von Unterzeichnetem. Nur mit Bedauern
entjchloß ich mich zur Modernijirung der deutfchen Texte, da mir
wohl bewußt ift, wie viel diejelben dadurch verlieren. Allein die
Erfahrung in der Schule bewies mir, daß der Schüler beim An-
hören oder Leſen hiſtoriſcher Stüde nicht mit ſprachlichen Schwierig-
feiten zu Fämpfen haben darf, wenn fie auf ihn Eindrud machen
jollen. Bloß bei den Liedern glaubte ich eine Ausnahme machen
zu follen, da durch cine Modernifirung das Wefen derfelben zerftört
würde und ein mangelhaftes Berftändnis von Seiten des Schülers
mir als das Heinere Übel erfchien; durch die zahlreichen erflärenden
Noten juchte ich dem legtern jo gut als möglich abzuhelfen. Auch
bei den Proſaſtücken beichränfte ich mic übrigens auf eine Art
nterlinenrüberfegung, um die Eigenart der Quellen möglichft zu
in
Die Orthographie ſchließt fi) an das ſchweizeriſche Rechtſchreibe⸗
büchlein an, mit Ausnahme der unverändert aufgenommenen Stüde,
die möglichſt in der urſprünglichen Schreibweiſe wiedergegeben ſind.
Mit eckigen Klammern wurden erklärende Zuſätze von den in runden
Klammern eingeſchloſſenen Parentheſen, die in den Quellen ſelbſt
vorkommen, unterſchieden.
Zum Schluß habe ich noch den Vorſtehern der Stadtbibliothek
Winterthur, Hrn. Altrektor Dr. Geilfus und Hru. Dr. Hafner,
für die mannigfache Förderung, die fie mir bei diefer und andern
Arbeiten zu teil werden ließen, meinen herzlichiten Dank abzuftatten.
Winterthur, im Juli 1885.
Dr. Wilhelm Oechsli.
Erſter Teil.
Vorgeſchichte.
1. Die Pfahlbauten im See Praſias in Makedonien.
Die Gefchichten des Herodot, überfegt vou Yange. ‚Buch V. 16.
Herodot, der bekannte griechische Geschichtschreiber (geb. 484 v. Chr. in
Halikaroass in Kleinasien) gibt aus der Zeit der Perserkämpfe im 5. Jahrhundert v. Chr.
eine Beschreibung von Bewohnern des Sees Prasias in Makedonien (des heutigen Sees
—* Butkowo am Struma), die eine treffende Analogie zu den Pfahlbauern der Schweiz
ildet,
Sie aber um den Berg Pangäos ' und die Doberer ?® und die
Agrianer? und die Odomanter? und die an dem See Prasias,
die wurden von dem Megabazos? gar nicht bezwungen. Er
Aversuchte zwar, auch die zu unterwerfen, die in dem See
selber wohnen auf folgende Art: Mitten im See stehen zu-
sammengefügte Gerüste auf hohen Pfählen und dahin führt vom Lande
nur eine schmale Brücke. Und die Pfähle, auf denen die Gerüste ruhen,
richteten in alten Zeiten die Bürger insgemein auf; nachher aber machten
sie ein Gesetz und nun machen sie also: für jede Frau, die einer
heiratet, holt er drei Pfühle aus dem Gebirg, das da Orbélos“ heisst,
und stellt sie unter; es nimmt sich aber ein jeder viele Weiber. Sie
wohnen aber daselbst auf folgende Art: Es hat ein jeder auf dem
(Gerüst eine Hütte, darin er lebt, und eine Falltür durch das Gerüst,
die da hinuntergeht in den See. Die kleinen Kinder binden sie bei einem
Fuss an mit einem Seil, aus Furcht, dass sie hinunter rollen. Ihren
Pferden und ihrem Lastvieh reichen sie Fische zum Futter. Deren ist
eine so grosse Menge, dass wenn einer die Falltür aufmacht und einen
leeren Korb an einem Strick hinunter lässt in den See und zieht ihn
nach kurzer Zeit wieder herauf, so ist er ganz voll Fische.
! Jetzt Pirnari-Gebirge, links von der Mündung des Strama. — ? Völkerschaften
in Makedonien. — ®? Feldherr des Perserkönigs Darius. — * Jetzt Perim, Gebirg links
vom mittleren Struma.
I
2, Der Sieg der Wigoriner bei Agen. 107 v. Chr.
a. Nah Livius Epitomä, Bud 65.
Titus Livius (geb. 59 v. Chr. zu Padua, gest. 17 n. Chr.), der berühmte römische
Historiker, schrieb die ganze römische Geschichte bis auf seine Zeit in 142 Büchern,
von denen jedoch bloss 35 erhalten sind, während von den übrigen nur dürftige Inhalts-
angaben (perioch® oder epitoma) vorhanden sind. Zu deu letztern gehört nachfolgende
Notiz über die Helvetierschlacht:
Der Konsul Lucius Cassius wurde von den Tigurinern, Galliern,
Bewohnern eines Gaues der Helvetier, die aus ihrem Lande ausgezogen
waren, im Gebiet der Nitiobrogen ! mit seinem Heere niedergehauen.
Die Soldaten, welche diese Niederlage überlebten, trafen mit den Feinden
ein Abkommen, dass sie nach Stellung von Geiseln und Abtretung der
Hälfte aller ihrer Habe unversehrt entlassen wurden,
b. Nach Orofins Buch V., Kap. 15, 16.
Orosius, ein spanischer Priester, der im Anfang des 5. Jahrhunderts lebte, schrieb
einen Abriss der Weltgeschichte in 7 Büchern, der lange als Leitfaden zum Geschichts-
unterricht diente.
In denselben Zeiten des Jugurthinischen Krieges verfolgte ferner der
Konsul Z. Cassius in Gallien die Tiguriner bis zum Ozean, wurde je-
doch von denselben in einem Hinterhalt umzingelt und niedergehauen;
desgleichen wurde Lucius Piso, welcher das Konsulat bekleidet hatte
und Legat ?® des Konsuls Cassius war, getötet. Ü. Popillius, der andere
Legat, gab, damit nicht der Rest des Heeres, welcher sich in das Lager
geflüchtet hatte, vernichtet würde, durch einen äusserst schimpflichen
Vertrag den Tigurinern Geiseln und die Hälfte aller Habe. Nach Rom
zurückgekehrt, wurde er aber deshalb, weil er den Tigurinern Geiseln
gegeben hatte, von dem Volkstribunen Cülius vor Gericht gefordert und
floh in die Verbannung.
3. Cäſar und die Helvetier. 58 v. Chr.
Cäſars Gallifcher Krieg, über. von Köchly Buch I. Kap. 1—29.
Gajus Julius Cäsar (geb. 100, ermordet 44 v. Chr.), Schöpfer des römischen Kaiser-
reiches, schilderte seine eigenen Taten in den „Memoiren“ (Commentarii) über „den Gal-
lischen Krieg“ und über „den Bürgerkrieg“. Erspricht darin von sich, wie von einem
Dritten; dem Anschein nach macht sich darin nirgends eine beschönigende Eigenliebe
! Die Nitiobrogen waren ein gallischer Stamın, der an der mittlern Garonne um
seine Hauptstadt Aginnum (heute Agen) herum wohnte. Frühere Herausgeber des
Livios lasen, auf eine schlechte Handschrift gestützt: im Gebiet der Allobrogen (im
heutigen Savoyen), weshalb J. v. Müller sich den Ozean des Orosius als den Genfersee
dachte und die Schlacht an diesen verlegte, S. Gisi, Quellenbuch zur Schweizergeschichte,
p. 211 f.
® Tinterfeldherr.
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breit. Aber es ist die Frage, ob diese Beschönigung nicht zwischen den Zeilen liege,
ob Cäsar nicht vieles verschweigt, was ihn in weniger vorteilhaftem Lichte hätte er-
scheinen lassen; ob er nicht vieles anders darstellt, als es wirklich geschehen ist, um
seinen Feinden und Neidern in Rom keine Blösse zu geben. So haben nenere Forscher
gerade in seiner Geschichte des helvetischen Feldzuges mancherlei Widersprüche entdeckt
und die Glaubwürdigkeit derselben stark in Zweifel gezogen. (8. Rauchenstein, der
Feldzug Cäsars gegen die Helvetier. 1882).
1. Gallien im weitern Sinne zerfällt in drei Teile: den einen be-
wohnen die Belgier, den zweiten die Aquitanier, den dritten die Völker-
schaften, welche in ihrer eigenen Sprache Celten, in der unsrigen Gal-
lier heissen. Jeder dieser drei Stämme hat seine besondere Sprache,
Einrichtungen, Gesetze. Von ihnen allen die Tapfersten sind die Belgier;
denn einmal kommen sie mit dem Wohlleben und der Bildung der Pro-
vinz am wenigsten in Berührung und ist der Handelsverkehr und die
Einfuhr von Luxusartikeln bei ihnen überaus spärlich, sodann stossen
sie unmittelbar an die Germanen jenseits des Rheins und liegen mit
ihnen beständig im Kriege. Und das ist's auch, weshalb die Helvetier
mannhafter sind, als die übrigen Gallier, weil sie fast tagtäglich mit
den Germanen sich herumschlagen, bald bei Verteidigung des eignen
Gebietes, bald bei Einfällen in das Gebiet der Germanen. — — —
2. Bei den Helvetiern war ein gewisser Örgetorie durch Adel
und Reichtum der erste Mann im Staate. Er wollte sich zum König
machen. In dieser Absicht traf er im Konsulatjahr des Marcus Messala
und Marcus Piso [61 v. Chr.) ein geheimes Abkommen mit den Geschlech-
tern und bewog dann die Gemeinen zu dem Beschluss der Auswanderung
in Masse; bei ihrer überlegenen Tapferkeit würde es für sie eine Kleinig-
keit sein, sich ganz Gallien zu unterwerfen. Man schenkte ihm um so
leichter Gehör, weil Helvetien allenthalben von natürlichen Schranken
eingeschlossen ist; auf der einen Seite vom breiten und tiefen Rhein-
strom, welcher das helvetische Gebiet von Germanien trennt, auf der
andern vom hohen Juragebirg zwischen dem Sequanerlande und Hel-
vetien, auf der dritten vom Leman-See und dem Rhodanus |Rhone|,
welcher unsere Provinz von Helvetien trennt. So vermochten sie ihre
Streifzüge nicht gehörig auszudehnen und nur mit grosser Schwierigkeit
ihre Nachbarn zu bekriegen; und das war es, was diese kriegerischen
Gesellen durchaus nicht verschmerzen konnten. Im Hinblick auf ihre
Kopfzahl, ihren kriegerischen Ruhm und ihre Tapferkeit ward ihnen ihr
Land zu enge, welches sich doch 240 Meilen ' in die Länge und
180 Meilen in die Breite erstreckt.
3. Durch diese Gründe nicht weniger als durch den Einfluss des
Orgetorix bestimmt, beschlossen sie, die notwendigen Vorbereitungen zum
Auszuge zu treffen, eine möglichst grosse Zahl von Zugtieren und Karren
zu beschaffen, so viel Land als möglich zu bestellen, um auf dem Zuge
ausreichenden Vorrat an Korn zu haben, mit den benachbarten Staaten
! Römische Meilen zu 1000 Doppelschritten — 1,,, Kilometer. Die oben ange-
gebenen Masse — 855 km und 266 km sind viel zu gross. In Wirklichkeit betrugen
die Distanzen höchstens 278km — 180 Meilen und 118 km — 80 Meilen. Siche Gisi,
Quellenbuch p. 398.
8
die Friedens- und Freundschaftsbündnisse zu erneuern. Zur Ausführung
alles dessen hielten sie zwei Jahre für hinlänglich; auf das dritte Jahr
setzten sie den Auszug durch Volksbeschluss fest. Mit der Ausführung
ward Orgetorix beauftragt. Er übernahm für seine Person die Sendung
an die Nachbarstaaten. Auf dieser Rundreise bestimmte er den Se—
quaner ' Casticus, den Sohn des Catamantalödis, sich in seinem Vater-
lande des väterlichen Trones zu bemächtigen. Sein Vater nämlich war
lange Jahre König der Sequaner gewesen und als solcher vom römischen
Senat ausdrücklich anerkannt worden. Ebenso bestimmte er zu gleichem
Versuche den Häduer? Dumnorix, der gerade damals das höchste
Staatsamt bekleidete und bei den Gemeinen sehr beliebt war. Letzterem
gab er auch seine Tochter zur Frau. Beiden bewies er, es sei nicht
schwer für sie, ihr Vorhaben durchzusetzen; denn er selbst sei gewiss,
den Oberbefehl über sein Volk zu erhalten, und die Helvetier seien un-
zweifelhaft der mächtigste gallische Stamm; zugleich gab er ihnen sein
Wort, mit seinen Mitteln und seinem Kriegsheere ihr Königtum zu unter-
stützen. Nach dieser Verabredung tauschten sie ein eidliches Versprechen
aus und gaben sich nun der Hoffnung hin, es werde ihnen als Königen
der drei mächtigsten und kräftigsten Stämme gelingen, durch diese ganz
Gallien sich zu unterwerfen.
4. Diese Umtriebe wurden den Helvetiern verraten. Nach ihrer Sitte
ward Orgetorix festgenommen und vor Gericht gestellt; wurde er ver-
urteilt, so hätte ihn die Strafe des Feuertodes treffen müssen. Aber auf
den angesetzten Gerichtstag berief Orgetorix von allen Seiten seine sämt-
lichen Hörigen, an zehntausend Köpfe, und liess auch seine sämtlichen
Lehnsleute und Schuldner, deren er eine grosse Menge hatte, ebenda
sich einfinden. Durch diese Leute verhinderte er das Zustandekommen
des Gerichtes. Darüber gewaltige Aufregung: die Bürgerschaft griff zu
den Waffen, um das Recht aufrecht zu erhalten; die Behörden boten
das Landvolk in Masse auf. Da starb Orgetorix, und nach der Annahme
der Helvetier liegt der Verdacht vor, dass er selbst Hand an sich
gelegt hat.
5. Nach seinem Tode beharrten die Helvetier nichtsdestoweniger
bei ihrem Entschluss der Auswanderung. Als sie die nötigen Vorbereitungen
getroffen zu haben glaubten, so äscherten sie alle ihre Städte, etwa 12,
ihre Dörfer, etwa 400, sonst alle einzelnstehenden Gehöfte ein, und ver-
brannten alles Korn, welches sie nicht mitführen wollten, um, der Hoffnung
auf Rückkehr bar, allen Gefahren um so bereitwilliger Trotz zu bieten.
Jeder sollte auf drei Monate Mehl von Hause mitnehmen. Ihre Nachbarn,
die Rauraker?, Tulinger, Latoviker, bestimmten sie zu dem gleichen
Entschluss, ihre Städte und Dörfer zu verbrennen und mit ihnen auszu-
ziehen. Endlich nahmen sie die Bojer? bei sich und in ihren Bund auf,
! Die Sequaner waren die westlichen Nachbarn der Helretier und wohnten zwi-
schen Jura und Saone in der Franche-Comte.
® Die Häduer sassen westlich von der Saone in der Bourgogne.
® Wohnhaft um Basel. Die Wohnsitze der Tulinger und Latoviker sind unbekannt.
* Ein keltisches Volk, von dem Böhmen (Bojenheim) seinen Namen empfing.
9
welche sich jenseits des Rheines niedergelassen, dann Noricum ! überzogen
und Noreja? belagert hatten. ;
6. Es gab überhaupt zwei Strassen, auf denen die Helvetier ihre
Heimat verlassen konnten: die eine, eng und schwierig, durch das
Sequanerland zwischen dem Jura und dem Rhodanus, so dass kaum ein
Karren binter dem andern fahren konnte — ausserdem wurde sie von
überhängenden Gebirgshöhen beherrscht, so dass sie leicht von einer
Handvoll Leute verlegt werden konnte — , die andere - durch unsere
Provinz?, viel gangbarer und bequemer. Der Rhodanus nämlich, welcher
zwischen den Helvetiern und den jüngst unterworfenen Allobrogern die
Grenze bildet, hat auf mehreren Punkten gangbare Furten. Die letzte
Grenzstadt der Allobroger zunächst Helvetien ist Genava |Genf]. Von
dieser Stadt führt eine Brücke ins Land der Helvetier. Sie glaubten die
Allobroger entweder bei ihrer noch andauernden Unzufriedenheit mit der
römischen Herrschaft in Güte bestimmen oder mit Gewalt zwingen zu
können, ihnen durch ihr Gebiet freien Durchzug zu gestatten. Nachdem
alle Vorbereitungen getroffen waren, bestimmten sie einen Tag zur all-
gemeinen Versammlung am Ufer des Rhodanus. Dieser Tag war der
28. März im Konsulatjahr des Lucius Piso und Aulus Gabinius [58 v. Chr. .
-
7. Auf die Meldung, die Helvetier wollten durch unsere Provinz
ihren Zu& antreten, beschleunigte Cäsar seine Abreise von der Stadt
[Rom], eilte in starken Tagereisen ins jenseitige* Gallien und kam bei
(senava an. Er ordnete sofort in der ganzen Provinz starke Aushebungen
an — es stand im ganzen im jenseitigen Gallien eine einzige Legion —
und liess die Brücke bei Genava abbrechen. Als die Helvetier seine
Ankunft erfuhren, so ordneten sie die Vornehmsten ihres Volkes als Ge-
sandte an ihn ab; an der Spitze dieser Gesandtschaft standen NMammeius
und Verxwclötius. Diese erklärten, sie seien willens, in Frieden durch
die Provinz zu ziehen, weil sie keinen andern Weg hätten; sie bäten
um seine Erlaubnis dazu. Cäsar hatte nicht vergessen, dass die Helvetier
einst den Konsul Lucius Cassius erschlagen, sein Heer besiegt und unter
das Joch geschickt hatten. Schon deshalb, glaubte er die Erlaubnis ver-
sagen zu sollen; überdies musste er sehr bezweifeln, dass so entschiedene
Feinde bei Gestattung des Durchzugs durch die Provinz strenge Manns-
zucht halten würden. Um jedoch bis zum Eintreffen der ausgehobenen
Soldaten Zeit zu gewinnen, antwortete er den Gesandten, er wolle sich
die Sache in Ruhe überlegen, sie möchten getälligst zum 13. April
wieder kommen ®.
' Norieum, das Land der Noriker, umfasste etwa das heutige Österreich, Steier-
mark, Kärnthen und Salzburg.
® Wahrscheinlich der Flecken Neumarkt in Steiermark.
* Die römische Provinz Gallien umfasste vor Cüsar's Eroberungen nur den süd-
östlichen Teil des Landes, etwa das, was eine Linie von Genf nach Toulouse gezogen,
abschneidet.
* Die Römer unterschieden das „diesseitige“ Gallien, d. i. die h. Lombardei, vom
„jenseitigen“, Frankreich.
> Der Geschichtschreiber Dio Cassius berichtet freilich, Cäsar babe ihnen geradezu
Hoffnung gemacht, er werde ihnen den Durchzug gestatten.
10
8. Unterdessen liess er durch seine Legion und die aus der Provinz
bereits eingetroffenen Soldaten vom Lemansee längs des Rhodanus bis
zum Jura, der das Sequanerland von Helvetien trennt, in einer Strecke
von 19 Meilen einen Wall von 16 Fuss Höhe und einen Graben ziehen '.
Diese ganze Verschanzung entlang verteilte er Posten und legte Redouten
an, um dem Feinde nötigenfalls desto leichter den Übergang verwehren
zu können. Als nun der mit den Gesandten verabredete Tag heran-
gekommen war und die Gesandten zu ihm zurückkehrten, so erklärte er
ihnen: es sei gegen Brauch und Herkommen des römischen Volkes, wenn
er irgendwem den Durchgang durch die Provinz gestatten wolle; einen
etwaigen gewaltsamen Versuch werde er zurückzuweisen wissen. Die
Helvetier, in dieser Hoffnung getäuscht, versuchten teils auf gekoppelten
Booten und mehreren eigens dazu gebauten Flössen, teils durch die
Furten des Rhodanus, wo er am flachsten war, herüberzukommen, bis-
weilen bei Tage, öfters des Nachts. Sie vermochten aber bei der Stärke
der Verschanzung und den Geschossen der jedesmal rasch herbeigezogenen
Truppen nirgends durchzudringen und standen daher von diesen Ver-
suchen ab.
9, So blieb nur noch die eine Strasse durch das Sequanerland übrig,
die sie jedoch ohne Bewilligung der Sequaner wegen der Enge des
Passes nicht einschlagen konnten. Es gelang ihnen nicht, von sich aus
diese Bewilligung zu erhalten; sie schickten daher Gesandte an den
Häduer Dumnorix, um durch seine Vermittlung die Sequaner zu gewinnen.
Dumnorix hatte durch seine Persönlichkeit und sein Geld grossen Einfluss
bei den Sequanern und war zugleich mit den Helvetiern befreundet,
weil er eine Helvetierin, die Tochter des Orgetorix, zur Frau hatte;
ferner ging er damit um, die Verfassung umzustürzen und sich zum
König zu machen, und suchte deshalb so viele Staaten als möglich durch
gute Dienste in sein Interesse zu ziehen. Er übernahm daher die Sache,
bestimmte die Sequaner, den Helvetiern den Durchgang zu gestatten,
und vermittelte zwischen ihnen die gegenseitige Stellung von Geiseln,
wodurch die Sequaner den Helvetiern den ungehinderten Durchzug durch
ihr Gebiet, die Helvetier den Sequanern die Aufrechthaltung strenger
Mannszucht auf dem Marsche garantirten.
10. Cäsar erfuhr, die Helvetier seien willens, durch das Land der
Sequaner und der Häduer in das Land der Santonen? einzuwandern.
Dieses grenzt an das Land der Tolosaten?, welches letztere bereits zur
Provinz gehört. Er erkannte die grosse Gefahr, welche eintretenden
! Diese Verschanzung lief am linken Rhoneufer bis zu der Stelle, wo gegenüber
am rechten Ufer heutzutage das Fort de l’Ecluse liegt und das Juragebirge bis un-
mittelbar an den Finss herab sich erstreckt. Übrigens hat man sich dieselbe keineswegs
als zusammenbängend längs der ganzen Uferstrecke von 28km zu denken, da die felsige
Beschaffenheit der letztern an den meisten Stellen eine Befestigung völlig überflüssig
machte.
® Wohnhaft in der h. Saintonge (nördlich von Bordeaux, zwischen Gironde und
Charente), die nördlichen Nachbarn der Nitiobrogen, welche die Helvetier 107 heim-
gesucht hatten.
*? Die Umwohner von Toulouse,
11
Falls für die Provinz entstehen musste, wenn sich in der Nachbarschaft
ihres offenen und getreidereichen Grenzlandes ein so kriegerischer und
den Römern feindseliger Volksstamm niederliesse. Er liess daher den
Legaten [Unterfeldherr] Titus Labienus als Befehlshaber in den ange-
legten Verschanzungen zurück; er selbst reiste in starken Tagereisen
nach Italien, hob dort zwei neue Legionen aus und zog die drei alten
aus ihren Winterquartieren bei Aquileja ! heran. Mit diesen fünf Legionen
beeilte er sich, auf dem kürzesten Weg über die Alpen in das jenseitige
Gallien zu kommen. — —
11. Die Helvetier hatten sich bereits mit ihren Massen durch den
Pass und das Gebiet der Sequaner hindurchgezogen, waren dann ins
Häduerland gekommen und verwästeten dort die Felder. Die Häduer
ausser Stande, sich und ihr Eigentum zu schützen, schickten Gesandte
an Cäsar und baten um Hilfe. — — Ebenso flüchteten sich die Allobroger,
welche jenseits des Rhodanus Dörfer und Besitzungen hatten, zu Cäsar
und erklärten, es sei ihnen nichts als der nackte Erdboden übrig geblieben.
Durch alles dieses fühlte sich Cäsar verpflichtet, nicht erst zuzuwarten,
bis die Helvetier die ganze Habe der Bundesgenossen aufgezehrt hätten
und in das Santonenland gekommen wären.
12. Der Arar |Saone] mündet auf der Grenze zwischen dem
Häduer- und Sequanerland in den Rhodanus; er hat ein so ausserordentlich
langsames Gefälle, dass man kaum erkennen kann, nach welcher Richtung
er fliesst. Die Helvetier waren beschäftigt, ihn mittelst Flössen und ge-
koppelten Booten zu überschreiten. Als Cäsar durch seine Streifscharen
erfuhr, dass Dreiviertel der Helvetier den Fluss schon überschritten
hätten, der vierte Teil sich noch diesseits befände, so brach er um die
dritte Nachtwache? mit drei Legionen aus dem Lager auf und erreichte
jenen Teil, welcher den Fluss noch nicht überschritten hatte. Er griff
die Feinde unvorbereitet und keines Überfalls gewärtig, wie sie waren,
sofort an und machte einen grossen Teil von ihnen nieder; der Überrest
suchte sein Heil in der Flucht und warf sich in die nächsten Wälder.
Es war dies der sogenannte Tiguriner-Stamm. Das ganze helvetische
Volk nämlich besteht aus vier Stämmen. Gerade jener Stamm war einst
zur Zeit unserer Väter ausgezogen, hatte den Konsul Lucius Cassius
erschlagen und sein Heer unters Joch geschickt. So musste, sei es durch
Zufall, sei es nach einem Ratschluss der unsterblichen Götter, eben jener
Teil der Helvetier zuerst büssen, welcher dem römischen Volk einst
einen so bedeutenden Schlag beigebracht hatte. Cäsar rächte übrigens
durch diesen Sieg nicht nur eine das Vaterland, sondern auch ihn per-
sönlich berührende Unbill. Die Tiguriner hatten nämlich in jener Schlacht
zugleich mit dem Cassius auch dessen Legaten Lucius Piso, den Gross-
vater von Cäsars Schwiegervater Lucius Piso, erschlagen ®.
#
' Am Nordufer des Golfes von Triest, damals die erste Stadt im Norden des
adriatischen Meeres.
® Von Mitternacht bis 3 Uhr morgens.
> Andere Geschichtsschreiber berichten ausdrücklich, nicht Cäsar, sondern sein
Unterfeldherr Labienus, der von ihm mit Truppen abgesandt wurde, habe die Tigariner
vernichtet.
12
13. Um die Hauptmasse der Helvetier zu erreichen, liess Cäsar
nach diesem Treffen eine Brücke über den Arar schlagen und führte
auf derselben das Heer hinüber. Seine plötzliche Annäherung machte
auf die Helvetier grossen Eindruck, indem sie sahen, dass er den Fluss-
übergang in einem Tage bewerkstelligt hatte, welchen sie selbst mit
Mühe und Not in zwanzig Tagen fertig gebracht hatten. Sie ordneten
daher eine Gesandtschaft an ihn ab, deren Haupt jener Divwico war,
welcher im Feldzug gegen Cassius an der Spitze der Helvetier gestanden
hatte. Dieser stellte dem Cäsar vor: «Wolle das römische Volk mit den
Helvetiern Frieden machen, so seien sie bereit, dahin zu ziehen und
dort sich anzusiedeln, wo ihnen Cäsar Land anweise; beharre er aber
darauf, den Krieg gegen sie fortzusetzen, so möge er an die einstige
Niederlage der Römer und an die altererbte Tapferkeit der Helvetier
denken. Er habe zwar unversehens einen Stamm angegriffen, während die
anderen jenseits des Flusses diesen nicht unterstützen konnten. Er möge
aber deshalb keine zu hohe Meinung von sich haben und die Helvetier
nicht unterschätzen. Sie seien von ihren Vätern und Ahnen her gewohnt,
mehr der Tapferkeit als der List zu vertrauen und nicht in Überfällen
ihre Stärke zu suchen. Er möge sich daher in Acht nehmen; es könnte
sonst leicht ihr jetziger Lagerplatz nach einer Niederlage der Römer
und der Vernichtung ihres Heeres benannt oder für alle Zeiten bekannt
werden !.»
14. Cäsars Antwort lautete also: «Er habe keineswegs jenes Ereignis
vergessen, dessen die helvetischen Gesandten gedächten: im Gegenteil
gerade darum sei er vollkommen entschieden. — — — Gesetzt aber,
er wolle auch jene alte Schmach vergessen, würde er ebenso ihre jüngste
Unbill vergessen können? Gegen sein Verbot hätten sie den Durchzug
durch die Provinz gewaltsam zu erzwingen gesucht; Häduer, Ambarrer,
Allobroger hätten sie gemisshandelt. — — — Trotz alledem sei er
dennoch bereit, mit ihnen Frieden zu machen, wenn sie erstens ihm
durch Geiseln Bürgschaft für die Erfüllung ihrer Versprechungen geben
und zweitens den Häduern für sich und ihre Bundesgenossen wegen der
an ihnen verübten Unbilden, sowie gleicherweise auch den Allobrogern
(renugtunng leisten wollten.» Divico antwortete: «Die Helvetier hätten
von ihren Vorfahren gelernt, Geiseln zu nehmen, nicht zu geben. Das
wisse das römische Volk auch sehr gut.» Mit dieser Antwort ver-
abschiedete er sich.
15. Am folgenden Tage brachen sie von da auf. Cäsar tat dasselbe
und nahm seine ganze Reiterei an die Spitze, um die Marschrichtung
des Feindes beobachten zu lassen. Diese Reiterei — etwa 4000 Pferde
stark — war aus Kontingenten der ganzen Provinz, der Häduer und
ihrer Bundesgenossen zusammengesetzt. Sie drängte etwas zu hitzig
auf die feindliche Nachhut und geriet mit der Reiterei der Helvetier
auf ungünstigem Terrain ins Gefecht, wobei einige von den Unsrigen
! Ob wohl Divico ein solcher Prahler war, ob Cäsar nicht vielmehr die Worte des
Helvetiers absichtlich so zugestutzt bat, dass sie den römischen Stolz reizen mussten?
13
auf dem Platze blieben. Dies Gefecht machte die Helvetier übermütig:
hatten sie doch mit 500 Reitern eine so grosse Übermacht geworfen!
Sie machten daher von nun an von Zeit zu Zeit mit grosser Keckheit
Halt, ja sie begannen selbst durch Angriffe ihrer Nachhut die Unsrigen
zu necken. Cäsar liess sich auf kein Gefecht ein und begnügte sich für
den Augenblick damit, den Räubereien, Fouragirungen und Plünderungen
des Feindes Einhalt zu tun!. So marschirte man etwa vierzehn Tage
lang, so dass immer zwischen der feindlichen Nachhut und unserer Vorhut
ein Abstand von höchstens fünf oder sechs Meilen war.
23. Es fehlten nur noch zwei Tage, dass die Truppen ihr Korn zu
fassen hatten, und Bibracte?, die wohlversehene Hauptstadt der Häduer,
war nur 18 Meilen entfernt. Cäsar glaubte daher, für die Verpflegung
sorgen zu müssen, bog am folgenden Tage von den Helvetiern ab und
schlug den Weg nach Bibracte ein. Das wurde den Feinden durch Aus-
reisser des Lucius Ämilius, eines Decurionen? der gallischen Reiter,
verraten. Die Helvetier bildeten sich vielleicht ein, dass die Römer aus
Furcht abzögen; vielleicht schmeichelten sie sich auch, die Römer von
ihrer Verpflegung abschneiden zu können. Genug, sie änderten ihren
Plan, kehrten um und begannen unsere Nachhut zu drängen und zu necken.
24. Als dies Cäsar bemerkte, führte er seine Truppen auf die
nächste Höhe und schickte die Reiterei vor, um den Feind aufzuhalten.
Er selbst stellte unterdessen auf der Hälfte des Abhanges seine vier
alten Legionen in drei Treffen auf; auf dem Kamme der Höhe dagegen
liess er die beiden neu ausgehobenen Legionen aus dem diesseitigen
Gallien und die sämtlichen Hilfstruppen Stellung nehmen, so dass der
ganze Berg besetzt war; Tross und Gepäck liess er auf einen Platz
vereinigen und diesen von den oben auf der Höhe aufmarschirten Truppen
verschanzen. Unterdessen hatten auch die Helvetier, welche mit allen
ihren Karren gefolgt waren, ihren Tross auf einen Platz vereinigt; sie
selbst warfen in gedrängten Haufen unsere Reiterei zurück und rückten
dann in festgeschlossener Linie gegen unser erstes Treffen an.
25. Cäsar liess zuerst sein eigenes Pferd, dann die aller Übrigen
entfernen: die Gefahr sollte für alle gleich sein, niemand auf Flucht
rechnen können; dann liess er nach einer kurzen Ansprache zum Gefecht
vorgehen. Da die Soldaten ihre Pilen * von oben nach unten warfen, so
brachen sie mit leichter Mühe Lücken in die feindliche Linie. Sofort
griffen sie dann zum Schwert und stürzten sich auf den Feind. Den
Galliern aber war besonders folgender Umstand für das Handgemeng
hinderlich: ein Pilum durchbohrte nicht selten mehrere Schilde und
I Wie war das möglich, da Cusar stets anderthalb Stunden hinter dem mindestens
& Stunden langen Zug der Helvetier marschirte ?
® Bibracte ist nach der Annahme der meisten Gelehrten das heutige Autun in der
Bourgogne. Napoleon III. entscheidet sich in seiner Geschichte Cüsars für den Mont
Beuvray, 13km westlich von Autun, wo die Überreste einer keltischen Stadt gefunden
worden sind.
® Führer einer Decurie, d.h. einer Abteilung von 10 Mann.
* Wurfspiesse, mit denen die Römer gewöhnlich den Kampf eröffneten,
14
heftete sie aneinander; hatte sich nun dabei das Eisen umgebogen, 30
konnte man das Pilum nicht wieder herausziehen, die Leute konnten
ihren linken Arm nicht frei bewegen und wurden dadurch im Gebrauch
der Waffen gehindert. Viele zogen es daher vor, nachdem sie lange den
Arm geschüttelt hatten, den Schild fahren zu lassen und ohne Schutzwaffe
zu kämpfen. Endlich nach schwerem Verluste begannen sie langsam zu
weichen und sich auf eine etwa eine Meile entfernte Höhe zurückzuziehen,
wo sie sich von neuem aufstellten. Die Unsrigen rückten ihnen nach.
Unterdessen waren die Bojer und Tulinger, welche, ungefähr 15,000 Mann
stark, die feindliche Nachhut bildeten und den Tross deckten, im Anmarsch
den Unsrigen in die ungedeckte Flanke gekommen und griffen diese an;
und als die Helvetier auf der Höhe dies sahen, gingen auch sie wieder
vor und erneuerten das Gefecht. Die Römer machten durch eine
Schwenkung Front nach beiden Seiten, das erste und zweite Treffen
gegen die schon geschlagene und geworfene Hauptmacht, das dritte
Treffen gegen die eben erscheinenden Truppen.
26. So wurde der Kampf auf beiden Fronten lange und heftig fort-
gesetzt. Als endlich die Feinde den Unsrigen nicht länger widerstehen
konnten, so zogen sich die einen völlig auf die Höhe zurück, die anderen .
zu dem Tross und zu den Karren. In dem ganzen Kampfe, der von der
siebenten Stunde !' bis Sonnenuntergang dauerte, hatte kein Feind uns
den Rücken gezeigt. Und noch bis tief in die Nacht hinein dauerte das
Handgemeng bei dem grossen Gepäck. Sie hatten nämlich aus ihren
Karren eine Wagenburg gebildet und empfingen die Unsrigen von dieser
herab mit ihren Geschossen, während einige, zwischen den Rädern der
Karren aufgestellt, ihre Wurfspiesse von unten her schleuderten. So
wurden uns viele Leute verwundet. Nach langem Kampfe bemiächtigten
sich die Unsrigen des Trosses und des Lagers. Dabei fiel Orgetorix’
Tochter und einer seiner Söhne in ihre Hände. Es waren nach diesem
Kampfe noch ungefähr 130,000 Menschen übrig; diese brachen sofort
auf, marschirten ohne Aufenthalt noch die ganze Nacht und kamen am
vierten Tage in das Gebiet der Lingonen®. Die Unsrigen hatten sie
nicht verfolgen können, weil sie durch die Sorge für die Verwundeten
und die Bestattung der Gefallenen drei Tage lang aufgehalten wurden.
Dafür schickte Cäsar Boten mit einer schriftlichen Aufforderung an die
Lingonen: sie sollten den Helvetiern weder durch Kornlieferung noch
sonst irgendwie Vorschub leisten; täten sie es, so werde er mit ihnen
verfahren, wie mit den Helvetiern. Er selbst rückte diesen nach Verlauf
der drei Tage mit seinem ganzen Heere nach.
27. 28. Die Helvetier, dadurch aufs äusserste gebracht, schickten
Gesandte an Cäsar, um ihre Unterwerfung anzutragen. Diese trafen Cäsar
auf dem Marsche, warfen sich /hm zu Füssen und baten unter Tränen
flehentlich um Frieden. Cäsar befahl ihnen, an ihrem gegenwärtigen
Lagerplatze seine Ankunft abzuwarten. Sie gehorchten. Als Cäsar dort
! Von morgens 6 Uhr an gerechnet, also etwa um 1 Uhr mittags.
? Die Lingonen wohnten nördlich von den Häduern auf dem Plateau von Langres,
welches von ihnen den Namen hat.
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angelangt war, verlangte er von ihnen die Stellung von Geiseln, sowie
die Auslieferung der Waffen und der zu ihnen übergelaufenen Sklaven.
— — —. Den Helvetiern, Tulingern und Latovikern gebot er, in ihre
verlassene Heimat zurückzukehren, und weil sie nach Vernichtung aller
ihrer Früchte daheim nichts zu essen hatten, so wies er die Allobroger
an, ihnen das nötige Korn zu liefern; ihre niedergebrannten Städte und
Dörfer hatten sie selbst wieder aufzubauen. Er handelte so !vornehmlich
aus dem Grunde, weil er nicht wollte, dass das Land der Helvetier ver-
lassen bliebe; es hätten sonst leicht die Germanen von jenseits des Rheins
sich durch die Güte des Bodens bestimmen lassen, in Helvetien einzu-
wandern, und wären so die nächsten Nachbarn der Provinz Gallien und
der Allobroger geworden. Den Häduern gestattete er auf ihr Ausuchen,
die tapfern Bojer bei sich aufzunehmen. Die Häduer wiesen ihnen Land
an und gewährten ihnen später gleiche staatsbürgerliche Rechte.
29. Man fand im Lager der Helvetier Verzeichnisse in griechischer
Schrift und brachte sie Cäsar. In diesen Verzeichnissen war die ge-
samte Zahl der Ausgewanderten namentlich aufgeführt, und zwar der
Waffenfähigen besonders, und wieder die Weiber, Kinder und Greise
besonders. Nach diesen einzelnen Rubriken belief sich die Zahl der Hel-
vetier auf 263,000 Köpfe, die der Tulinger auf 36,000, die der Latoviker
auf 14,900, die der Rauraker auf 23,000, die der Bojer auf 32,000,
alles in allem gegen 368,000 Köpfe, unter ihnen gegen 92,000 Waffen-
fähige!'. Die Zahl der in die Heimat Zurückkehrenden betrug nach der
von Cäsar angeordneten Zählung 110,000.
4. Der Aufſtand der Helvetier gegen Vitellius. 69 n. Chr.
Zacitus Hiftorien, Buch I, Kap. 67—69, überfegt von Gutmann.
Cornelius Tacitus (geb. um 54 n. Chr., gest. um 120 n. Chr.), der grösste aller
römischen Geschichtschreiber, verfasste zuerst die Lebensbeschreibung seines Schwieger-
vaters Julius Agricola, des Eroberers von Britannien (97 n. Chr.). Daun folgte im Jahr 98
die „Germania“, die wertvollste Quelle über die Zustände des alten Deutschlands. Unter
Trajan schrieb er die „Historien“, welche die Geschichte des Kaiserreichs von 69—96
n. Chr. enthalten, wovon jedoch bloss noch das erste Drittel vorhanden ist, und endlich
sein reifstes Werk, die „Annalen“, eine chronologische Darstellung der Geschichte des
Kaiserreichs vom Tode des Augustus (14 n. Chr.) bis zum Tode Neros (68 n. Chr.),
wovon noch das erste und letzte Drittel erhalten sind.
Noch mehr Beute und Blut verschlang C’äcina. Diesen ungestümen
Kopf hatten die Helvetier gereizt, ein gallischer Stamm, einst durch
Schlachten und Helden, dann durch seines Namens Gedächtnis berühmt;
! Wie wenig man in Rom selber diesen Zahlenangaben Cäsars traute, geht daraus
hervor, dass kein anderer Geschichtschreiber dieselben wiederholt; Appian spricht von
200,000, Orosius gar nur von 157,000 Köpfen. Man hat überhaupt in Zweifel gezogen,
dass das ganze Volk ausgewandert sei, weil dasselbe mit dem Tross eine weit unbehif-
lichere Masse gebildet baben müsste, als die Helvetier in Cäsars Darstellung erscheinen.
16
von Galbas Ermordung nichts wissend, weigerten sie sich der Herrschaft
des Vitellius. Die Veranlassung zum Kriege war Habsucht und Hass der
einundzwanzigsten Legion '; sie hatte Geld geraubt, das zum Sold einer
Burgbesatzung bestimmt war, welche vormals die Helvetier mit eigenem
Volk und eigenen Kosten unterhielten. Hierüber entrüstet, fingen die Hel-
vetier die Briefe auf, die im Namen des germanischen Heeres an die panno—
nischen ? Legionen abgingen, und setzten einen Hauptmann nebst etlichen
Soldaten in Gewahrsam. Cäcina dürstend nach Krieg, ging darauf aus,
das erste beste Vergehen, ehe man es bereue, zu rächen. Eilig wurde
das Lager abgebrochen, die Gefilde verheert; ausgeplündert ein in langem
Frieden wie zu einer Stadt angewachsener Ort®, seiner Heilquellen wegen
ein vielbesuchter Belustigungsaufenthalt. An Rätiens Hilfsvölker schickte
er Botschaft, sie sollten die Helvetier, welche gegen die Legion sich
stellten, im Rücken angreifen.
Diese, trotzig vor der Gefahr, verzagt in der Not, hatten im ersten
Tumulte den Claudius Severus zum Anführer gewählt; aber da war
keine Kenntnis des Krieges, keine Ordnung in den Reihen, keine Ein-
helligkeit in der Beratung. Eine Schlacht gegen Veteranen war verderblich,
eine Belagerung unsicher, weil die Mauern vor Alter zerfallen waren.
Hier Cäcina mit einem gewaltigen Heer, dort die rätischen Geschwader
und Kohorten®, und die Jugend der Rätier selbst, waffengewohnt und
nach Kriegsregeln geübt; überall Verheerung und Gemetzel; jene in der
Mitte, unstet mit weggeworfenen Waffen: viele, verwundet oder umher-
schweifend, flohen auf den Bötzberg. Alsbald wurden sie von einer ein-
stürmenden Kohorte der Thrazier* heruntergejagt, dann von Germanen
und Rätiern verfolgt und in den Wäldern umher, ja selbst in Schlupf-
winkeln niedergemacht. Tausende fielen und Tausende wurden zu Sklaven
verkauft. Und als man nach allgemeiner Verwüstung mit förmlichem
Heerzuge gegen Avenches, die Hauptstadt des Landes, rückte, kamen
Abgesandte, den Ort zu übergeben, und die Übergabe ward angenommen.
Den Julius Alpinus, einen der Obersten, als Anstifter des Krieges,
bestrafte Cäicina mit dem Tode; die andern überliess er der Gnade oder
Härte des Vitellius.
Nicht leicht ist zu sagen, ob die Gesandten der Helvetier den Kaiser
oder die Soldaten unversöhnlicher angetroffen. Diese fordern den Unter-
gang der Hauptstadt und halten den Gesandten Mordgewehre und Fäuste
vors Antlitz. Vitellius sogar enthielt sich drohender Worte nicht, als
Claudius (Cossus, einer der Gesandten von bekannter Rednergabe, aber
mit wohlangebrachter Zaghaftigkeit seine Kunst verbergend, die Gemüter
der Soldaten desto wirksamer besänftigte, wie denn der gemeine Haufe,
! Die XXI. Legion, zubenannt die „räuberische*, stand in Vindonissa (Windisch)
um die Rheingrenze schützen zu helfen.
® D.i. die Legionen in Pannonien, einer römischen Provinz, welche das heutige
Ungarn südwestlicb von der Donau, nebst Krain, Kroatien und Slavonien umfasste.
® Baden im Aargau.
%4 Die Hilfstruppen, welche die Römer aus den Provinzen bezogen, zerfielen in
„Kohorten*®.
> Hilfstruppen aus Thrazien, dem heutigen Rumelien in der Türkei.
. ee rn
von plötzlichem Eindruck hingerissen, so geneigt zu Mitleid ist, als er
in Wut unbändig gewesen war. Unter strömenden Tränen und beharr-
licher Steigerung ihrer Bitten erhielten sie Verzeihung und Schonung
der Stadt.
6. Columban und Gallus. 610 -614.
Leben des heiligen Gallus, überjegt von Potthaſt, p. 6—15.
Die lateinische J.ebensbeschreibung des hl. Gallus ist das ülteste der st. gallischen
Geschichtswerke. Dieselbe scheint um das Jahr 771 von einem unbekannten Mönch ver-
fasst zu sein, der dabei allerdings weniger den Zweck verfolgte, eine getreue Aufzeichnung
der Erlebnisse des berühmten Gottesmannes zu geben, als vielmehr denjenigen, durch
Schilderungen der ihm zugeschriebenen Wunder die gläubigen Seelen zu erbauen.
ber der König [Theodebert von Austrasien] beschwor den
Mann Gottes [Columban], in seinem Reiche zu bleiben,
älindem er versprach, dass er annehmliche und den Knechten
Gottes passende Örter ausfindig mache, wo sie, wäre ihre
Wohnung dort aufgeschlagen, viele Seelen für das himm-
liche Reich gewinnen könnten. Der Mann Gottes wog mit Be-
dacht diese Versprechungen ab und erwiderte darauf: er wolle der
Bitte des Königs willfahren, dennoch aber unter keinen Umständen die
fest beschlossene Reise aufgeben. Nun überliess ihm der König die
Wahl, wenn er irgendwo einen passenden Ort aufsuchen wolle; bei dieser
Nachforschung kamen sie an den Fluss Zindimacus', folgten dessen
Lauf und erreichten eine Burg, Namens T’uregum?. Von dort gelangten
sie nach dem Weiler, den das Volk Tucconia® nennt und der oben am
See von Turegum gelegen ist. Dieser Ort gefiel, aber es missfielen die
verkehrten Gewohnheiten der Bewohner. Grausamkeit und Bosheit herrschten
unter ihnen, und sie waren dem Aberglauben der Heiden ergeben. Als
daher die Knechte Gottes unter ihnen ihren Wohnsitz genommen hatten,
lehrten sie dieselben Gott den Vater und den Sohn und den heil. Geist
anbeten. Denn Gallus, dessen Wunder zu erzählen wir mit Christi Gnade
uns bemühen werden und der dem Manne Gottes Columbanus, wie schon
gesagt ist, von Beginn seines Klosterlebens an nachfolgte und an seinen
Mühen teilnahm, dieser begann hier die Tempel der Heiden niederzubrennen
und die Heiligtümer der Götter in den See zu versenken. Als diese nun
ihre Tempel verbrannt sahen, ergriffen sie gegen jene die Waffen des
Hasses, der so sehr ihre Herzen entflammte, dass sie nach gepflogener
Beratung Gallus, den Mann Gottes, töten und Columbanus mit Schimpf
und Schande aus ihrem Gebiete treiben wollten. Da der hl. Columbanus
dieses vernahm, betete er: «Gott, Herr des Himmels, nach dessen Willen
die ganze Welt gelenkt wird, schlage mit Unheil jenes Volk, damit, was
es Übles deinen Knechten zudenkt, auf sein Haupt falle. Lass verderben
ihre Kinder; mag, wenn sie das mittlere Alter erreichen, Dummheit und
--- m————n *
Limmat. — ? Zürich. — ?! Tuggeu ia der March.
Oechsli, Quellenbuch. 2
vw. .veru Jeru 57
5 *
18
Wahn ihr Teil sein, so dass sie von Schulden erdrückt, sich bekehren
und ihre Schmach erkennen.» — —
Hierauf zog er fort — — und erreichte mit den Jüngern den Flecken
Arbona '!, wo sie einen Priester, Namens Willimar, trafen. — — Dort
erfreuten sie sich zur Ehre Christi sieben Tage hindurch an göttlichen
Unterhaltungen. Nach Verlauf derselben erfuhren sie von demselben
Priester, dass in der Nähe eine zerstörte Stadt, Namens Pregentia? sei,
welche durch die Fruchtbarkeit des Bodens und die Nähe des Sees zu
einem passenden Aufenthalt für die Knechte Gottes werden könne. Als
sie dieses gehört hatten, sehnten sie sich darnach von ganzem Herzen.
Der Mann Gottes Columbanus bestieg zur Kundschaft mit Gallus, seinem
trefflichsten Schüler, und einem andern Diakon ein Schiff und begab sich
zur Stadt. Dort nun errichtete sich die Hand der Brüder Wolnungen
und betete inständig zu Christus für jenen Ort. Ebendaselbst verehrte
das abergläubische Volk drei eherne und vergoldete Götzenbilder, denen
es mehr anhing und mehr Gelübde brachte, als dem Schöpfer der Welt.
Deshalb trug der Mann Gottes Columbanus aus Verlangen, den Aber-
glauben derselben zu vernichten, dem Gallus auf, eine Rede an das Volk
zu halten, weil jener unter den andern sich durch Zierlichkeit der latei-
nischen Sprache und auch in der Redeweise jenes Volkes hervortat. Denn
dasselbe hatte sich zahlreich versammelt zu der herkömmlichen Feier-
lichkeit im Tempel, mehr verwundert über den Anblick der Fremdlinge,
als andächtig aus Ehrfurcht vor dem Gottesdienste. Dieser Versammlung
berieselte der Auserwählte Gottes Gallus die Herzen mit Honig träufelnden
Worten, indem er sie ermahnte, sich zu bekehren zu ihrem Schöpfer Jesus
Christus, dem Sohne Gottes. — — Hierauf zerschmetterte er vor den
Augen aller die weggenommenen Götzenbilder an den Felsen und schleu-
derte sie in die Tiefe des Sees. Da bekannte ein Teil des Volkes seine
Sünden und glaubte, der andere ging zornig und aufgebracht in voller
Wut von dannen. Und es segnete der Mann Gottes Columbanus Wasser,
weihete damit die verunreinigten Örter und gab so der Kirche der
h. Aurelia die frühere Ehre zurück. Und es verweilte dort der fremde
Kämpfer Christi mit seinen Jüngern während dreier Jahre. Sie übten
nach Art der Bienen den Geist in verschiedenen Künsten: unter ihnen
pflegte der Erwählte Gottes, Gallus dem schuppentragenden Völkchen
Nachstellungen zu bereiten, und oft erfreute er durch Christi Bescherung
die Brüder, wenn er ihnen emsig des Lebens Notdurft darreichte. — —
Die Menschen aber, welche ihre Predigten verachteten, unternahmen
es, ihnen wegen der Zertrümmerung ihrer Götter Leid zuzufügen. Sie
begaben sich nämlich zu Kunzo, dem Herzog dieses Landes, und hinter-
brachten ihm trügerische Anklagen in Verbindung mit dem Geist der
Lüge, indem sie sagten, dass wegen jener Fremdlinge die öffentliche Jagd
in dieser Gegend zu Grunde gerichtet sei. Er sendete, wie man sagt,
einen Boten an jene ab und befahl ihnen, von dort wegzuziehen. Und
um die Unbilden gegen die Knechte Gottes zu vergrössern, wird ihnen
eine Kuh gestohlen und in die Verborgenheit der Wildnis geführt. Als
zwei Brüder sich aufmachten, diese zu suchen, trafen sie die Räuber
' Arbon am Bodensee. — ? Bregenz.
19
selbst. Nun verbindet man mit dem Diebstahl einen Mord, indem von
ihnen die Diener Christi getötet und ausgeplündert werden. Als die
Schandtat vollführt war, werden jene lange in der Wildnis gesucht,
jedoch endlich entseelt aufgefunden und unter Wehklagen zur Klause
zurückgeführt. Da sprach der hl. Columbanus, gezwungen durch das be-
ständige Drängen seiner Widersacher und durchdrungen vom Schmerz
über die Leichen der Brüder zu seinen Genossen: «Wir haben hier eine
goldene Schale, aber voll von Schlangen gefunden. Ihr aber betrübet
euch nicht; denn Gott, dem wir dienen, wird seinen Engel senden, der
uns zum König Italiens führen und ihn sanftmütig stimmen wird, auf
dass er uns einen ruhigen Ort gewähre.» Von dieser Reise der Knechte
Christi hielt eine Fieberplage Gallus, den Erwählten Gottes, zurück.
Denn gerade auf dem Punkte der Abreise warf er sich zu den Füssen
seines Abtes und bekannte, dass er wegen Schwäche nicht fortziehen
könne. — — Deshalb wurde dann dem eigenen Gutdünken überlassen, der
so lange unter der Leitung anderer erzogen war. — — Nachdem die Tren-
nung vollzogen war, wird der erwähnte Gastfreund, der Priester Willimar,
von Gallus, dem Knechte Gottes, mit Netzen und einem Schiffe aufgesucht,
und es erneuert sich die beklommene Trauer, als man die Art und Weise
der Trennung bespricht; und dabei bittet ihn Gallus um Obdach und
Hilfe in seiner Schwachheit. Er wurde mit Freude aufgenommen, alle
Liebe ihm erwiesen und den beiden Klerikern Maginold und Theodor
aufgetragen, dass sie für ihn sorgten und ihn in der Nähe der Kirche
pflegten. Als dieses mit Eifer besorgt war, wurde er durch die Gnade
Christi gesund und für grössere Kämpfe aufbewahrt.
Hierauf wurde ein gewisser Diakon Hiltibodus, der treue Genosse des
vorgenannten Priesters und ausgezeichnet vor andern durch Kunde jener
Wildnis, von dem Erwählten Gottes Gallus mit diesen Worten angegangen:
«Mein Sohn! Hast Du jemals in der Abgeschiedenheit dieser Wildnis
einen geeigneten Ort gefunden, darauf zu bauen ein Bethaus und eine
passende Wohnung? Voll heftigen Verlangens ist meine Seele, während
meines Lebens in der Einsamkeit zu verharren, da der Psalmist uns er-
mahnt und spricht: ««Siehe, fliehend habe ich es aufgeschoben, und ich
verblieb in der Einsamkeit und erwartete den, der mich gesund mache.»
Erwidernd sprach zu ihm der Diakon: «Mein Vater! Diese Wildnis
ist rauh und wasserreich, hat hohe Berge und enge Täler und verschie-
denes Getier, sehr viele Bären und Herden von Wölfen und Schweinen.
Ich befürchte, sie möchten über dich herfallen, wenn ich dieh dorthin
führe.» Der Mann Gottes aber antwortete: «Ist Gott für uns, wer mag
wider uns sein? Der Daniel aus der Löwengrube gerettet hat, ist auch
mächtig, mich aus der Hand der wilden Tiere zu befreien.» Da der er-
wähnte Levit [Kirchendiener] dessen Beharrlichkeit sah, sprach er: «Am
nächsten Tage wollen wir in die Geheimnisse der Wälder dringen, ob
wir vielleicht einen passenden Ort finden. Denn ich vertraue der Güte
des Schöpfers.» — —
Nach gewohnter Weise also verharrte der Mann Gottes während
dieses Tages im Gebete, ohne Speise zu sich zu nehmen. Mit Anbruch des
andern Morgens aber begaben sie sich unter Gebet auf den Weg. Als
nun die dreimal dritte Stunde des Tages verflossen war, forschte der
2 nn
Levit, ob der Mann Gottes sich erquicken wolle; er hörte jedoch von
diesem, dass er nichts zu sich nehmen werde, bevor ihm durch Christi
Gnade ein Ort geoffenbaret würde, wo er seine Wohnung aufschlagen
könne. Man treibt deshalb von neuem die schon ermüdeten Glieder an
und gelangt endlich an ein Flüsschen, Namens Petrosa [Steinach]. Dort
bietet sich ihnen eine Ruhestätte für die Nacht, da sich eine Menge
schuppentragenden Getiers zeigt. Denn sie gelangten zu dem Orte, wo
sich das Flüsschen vom Berge herunterstürzt und eine Höhlung im Felsen
gebildet hatte. Das mitgebrachte Netz wird hineingesenkt, und nicht
wenige Fischlein werden gefangen, Feuer wird vom Leviten dem Stein
entlöckt und eine erquickende Mahlzeit bereitet. Unterdes suchte der
Mann Gottes das gewohnte Gebet, wobei er mit dem Fuss an einen
Dornbusch stiess und niederfiel; als der Diakon ihm aufzuhelfen sich
bestrebte, vernahm er die Worte: «Lass mich; dies ist meine Ruhe
ewiglich; hier will ich wohnen, denn es gefällt mir wohl.» Und als er
sich vom Gebet erhoben hatte, machte er aus einer Haselrute ein Kreuz
und befestigte daran eine Kapsel, in welcher sich Reliquien der heiligen
Jungfrau der Jungfrauen, des heiligen Desiderius und des erhabenen
Heerführers Mauritius befanden. Hierauf erneuern beide ihr Gebet, und
der Mann Gottes sprach demütig flehend: «Herr Jesu Christe, Schöpfer
der Welt, der Du durch das Siegeszeichen des Kreuzes dem Menschen-
geschlecht zu Hilfe gekommen, gib zur Ehre Deiner Auserwählten, dass
jener Ort zu Deinem Lobe bewohnbar sei.» Das Gebet zieht sich bis zum
Abend hin, und die Speise wird mit Danksagung eingenommen. — -- Als
es aber Morgen geworden war, sagte der Diakon zu ihm: «Vater, was
willst du, dass wir heute tun?» Jener erwiderte: «Ich bitte dich, mein
Sohn, zürne nicht meinen Reden; lass uns hier diesen Tag noch bleiben.»
— — Hierauf durchforschten sie Tal und Berg und fanden einen Wald
zwischen zwei Bächen, eine anmutige Ebene und einen Ort, der zur Er-
richtung einer Zelle einlud. Nach dem Beispiele des hl. Jakob sprach,
im Geiste die künftige Wohnung voraussehend, Gallus, der Erwählte
Gottes: «Wahrlich, der Herr ist an diesem Orte.»
7. Der Stiftungsbrief der Fraumünfterabtei Zürich. 21. Juli 853.
Aus dem Yateinifchen überjegt von G.v. Wyß, Gefchichte der Abtei Zürich, p. 15.
Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit. Ludwig von
Gottes Gnade König: Wenn wir von den irdischen Dingen, die uns
durch die göttliche Güte zu teil geworden, aus Liebe zu Gott und
königliche Sitte geziemend zu erfüllen, an die Stätten der Heiligen
schenken, so glauben wir klärlich, dass uns dies nützlich sei, den Lohn
ewiger Vergeltung zu erlangen. Deswegen sei der Beflissenheit aller,
der heiligen Kirche Gottes und uns Getreuer, gegenwärtiger und zu-
künftiger, kundgetan, wie wir zum Heil der Seele des allerdurchlauchtigsten
Kaisers, unseres Ahnen Karls, und Ludwigs. unseres erhabenen Herrn
und Vaters, sowie unserer selbst, auch um des ewigen Lohnes unserer
21
geliebtesten Gemahlin und Kinder willen, unsern Hof Zürich, gelegen
im Herzogtum Alemannien im Lande Thurgau, mit allem, was bei dem-
selben liegt, oder dazu gehört, oder anderswo davon abhängt, das heisst
das Ländchen Uri, mit Kirchen, Häusern und andern darauf stehenden
Gebäuden, mit Eigenen jedes Geschlechtes und Alters, mit gebautem und
und unangebautem Lande, mit Wäldern, Wiesen und Weiden, mit stehenden
und fliessenden Gewässern, Wegen, Ausgängen und Eingängen, mit Er-
worbenem oder zu Erwerbendem, mit allen Zinsen und den verschiedenen
Gefällen, überdies auch unsern Forst, Albis genannt, und alles, was an
jenen Orten unseres Rechtes und Besitzes und Eigen ist und gegenwärtig
zu unsern Handen gehörig erscheint, ganz und vollständig übergeben
unserm Kloster, gelegen in demselben Flecken Zürich, allwo der heilige
Felix und die heilige Regula, die Blutzengen Christi, dem Leibe nach
ruhen.
Welches uns nämlich in der Meinung zu beschliessen gefallen hat,
dass von nun an in Zukunft daselbst jederzeit ein Leben geistlicher
Frauen nach Vorschrift der Regel und klösterliche Gemeinschaft, nach
klösterlicher Sitte geordnet, gepflegt werde, und dass um der Ausstattung
willen, womit wir diese, von uns den bereits vorgenannten Blutzeugen
gewidmete Stätte bedacht haben, um so bereitwilliger Gottesdienst da-
selbst geübt und um so eifriger und reichlicher Gottes Barmherzigkeit
und gnädiges Urteil über uns und alle unsere Sünde angefleht werde.
Wir wollen auch, dass unserer sämtlicher Getrenen Ergebenheit
wisse, dass wir, bewogen durch väterliche Liebe, das vorgenannte Kloster
mit allem, was dazu gehört, und mit unserer Schenkung an den ge-
nannten Orten unserer geliebtesten Tochter Hildigard zu Eigentum
überlassen haben, damit sie, soviel sie das mit Gottes Gnade vermag,
die Familie, die in dem genannten Kloster Gott dienet und ihrer Herr-
schaft unterworfen ist, zu Übung der Regel und Befolgung klösterlicher
Zucht anhalte, sie nähre und die ihr überlassenen Orte nach Kräften in
Aufnahme und Verbesserung bringe, mehre und bessere.
Endlich befehlen und ordnen wir an, dass kein öffentlicher Richter
noch Graf, noch irgend wer von richterlicher Gewalt an den genannten
Stätten und in allem, was dazu gehört, weder Freie noch Eigene, die
daselbst wohnhaft sind, anzufechten, zu beeinträchtigen oder Bürgen von
ihnen zu fordern oder irgend welche Leistungen oder Bussen und Bann-
geld von ihnen zu verlangen oder irgend welche unrechtmässige Gewalt
ihnen jemals anzutun sich erlaube; sondern dass jenes alles unter unserm
Schutz und festen Schirm, mit den Vögten, die daselbst gesetzt sind,
auf immerwährende Zeiten verbleibe.
Und damit dies Zeugnis unserer Schenkung und Zusicherung desto
stäter gehalten und in künftigen Zeiten von allen, der heiligen Kirche
Gottes und uns Getreuen, gegenwärtigen und zukünftigen, desto wahrer
geglaubt und sorgfältiger bewahrt werde, so haben wir dasselbe mit
unserer eigenen Hand darunter beglaubigt und mit Aufdrückung unseres
Siegelrings zu bezeichnen befohlen.
Das Zeichen des ruhmwürdigsten Herrn und Königs Ludwig.
Ich Comeatus der Notar unterzeichne als Stellvertreter
des Radleicus.
ID
to
Gegeben am 12. Tage vor Anfang August. Unter Christi Gnade
im zwanzigsten Jahre der Regierung des durchlauchtigsten Herrn und
Königs in Ostfranken, Ludwigs, in der ersten Indiktion ‘. Geschehen in
Regensburg der Stadt. In Gottes Namen, der uns gnädig ist, Amen!»
8. König Konrad I. in St. Gallen. 911.
Etteharts IV. Casus Sancti Galli, überjett von Meyerv. Knonau, I. 14. 16.
Ekkehart IV., der letzte grosse Gelehrte des Klosters St. Gallen, schrieb um 1050
die Geschichte seines Gotteshauses in lateinischer Sprache, indem er an ein älteres von
dem Zürcher Ratbert um 880 verfasstes Werk anknüpfte und dasselbe bis auf die
Regierung des Abtes Notker (971—975) herabführte. Die exakte Geschichtsforschung
hat Ekkebarts Klosterchronik zahlreiche Irrtümer nachgewiesen; auch mag ihn die
Teudenz, sein Gottesbaus gegenüber Angriffen, die zu seiner Zeit auf dasselbe gemacht
wurden, durch Schilderung seiner glorreichen Vergangenheit zu verherrlichen, zu manchen
Einseitigkeiten verleitet haben. Dennoch ist er in Folge der Lebendigkeit und Anschau-
lichkeit seiner Erzäblung einer der vorzüglichsten Geschichtschreiber des Mittelalters;
und ihm vor allem hat das Kloster St. Gallen es zu verdanken, wenn das kräftige
Geistesleben, welches im 9. und 10. Jahrhundert seine Insassen beseelte, nicht der Ver-
gessenheit anheimgefallen ist.
Nicht viele Zeit nachher feierte C'huonrad, damals König, zu Kon-
stanz des Herren Geburtsfest. Am selben Tage nach Tisch, als ihm der
Bischof die abendlichen Prozessionen jener drei Tage beim heiligen @allus?
lobte, sagte der König: «O, dass wir doch dort wären! Und weshalb
werden wir, mein Herz, nicht morgen früh dorthin gehen?» Alsbald
werden die Schiffe bereitet, und nachdem der König dieselben früh mit
den Bischöfen und dem übrigen Gefolge bestiegen, erreichte er um Mittag
unser Ufer, und indem er dem heiligen Gallus mit Frohlocken sich
näherte, wurde er unter Verkündung neuer Lobgesänge ruhmvoll an der
Stätte empfangen. Und nachdem er drei Nächte in aller Fröhlichkeit an
dem Örte verbracht, kam er endlich am vierten Tage bei Nacht nach
Arbon. Es wäre lange zu sagen, mit welchen Ergötzlichkeiten er diese
Tage und Nächte verlebt hat, vorzüglich bei dem feierlichen Aufzuge
der Kinder; diesen liess er Äpfel mitten auf dem Estrich der Kirche
vorstreuen, und da er auch nicht eines der kleinsten sich bewegen, noch
nach den Früchten seine Aufmerksamkeit richten sah, bewunderte er
deren Zucht. Als er am Tage der Kindlein 28. Dez.| mit zwei Bischöfen
zur Tischstunde auch in den Speisesaal der Brüder eingetreten war, und
mehrere fröhliche Worte zu den vor ihm sich erhebenden gesprochen
' Die Indiktion, auch Römer-Zinszahl genannt, ist eine aus der Römerzeit her-
stammende, im ganzen Mittelalter und zum Teil bis in die neuste Zeit gebräuchliche
Nebendatirung der Urkunden. Sie gibt an, die wie vielte Stelle ein gegebenes Jahr
inderhalb einer bestimmten Zeitperiode von 15 Jahren einnimmt. Bei der Berechnung
der Indiktion geht man auf das Jabr 3 vor Christi Geburt zurück; danach ist das
Jahr 853 das erste Jahr im 57. Indiktionscyklus. — * D. h. im Kloster St, Gallen,
23
hatte, sagte er: «Mit uns werdet ihr, ihr möget wollen oder nicht, zu
teilen haben.» Den Dekan aber, welcher seinetwegen vom Tische des
Abtes zu gehen sich anschickte, umarmend und zurückhaltend, setzte er
sich nieder, und das ihm Vorgesetzte zu sich nehmend, sagte er, alle
ringsum sich betrachtend und anlachend: «Lasst uns inzwischen hieran
teilnehmen.» Er schickte aber auf das geschwindeste zu Salomon ', der-
selbe möchte nicht darzu kommen, sondern ein jeder für den andern Tafel
halten. Als er dann dem Probste befahl, dass ihm nichts, als das, was
den Brüdern bereitet wäre, vorgesetzt werde, sagte dieser: «O0 König,
unser Unglück! Dass du nicht den folgenden Tag abwartetest; denn
morgen werden wir vielleicht Brot und enthülste Bohnen haben, aber
heute nicht also.» «Fürwahr,» sprach jener, «auch morgen wird sich Gott
über euch erbarmen können.» Indem hernach die Kinder der Reihe nach
lasen? und vom Lesepult herabstiegen, hob sie der König zu sich auf
und legte ihnen goldene Münzen in den Mund, und als einer der kleineren
unter ihnen das Gold heftig schreiend wieder spie, sagte er: «Der wird,
wenn er das Leben behält, einmal ein guter Mönch sein.» Als er sich
endlich vom Tische erhob, sprach er freudig vieles zu den Brüdern und
ermahnte sie, bester Hoflnung zu sein, weil, wenn er am Leben bliebe,
er solche Tischgenossen fröhlich machen wollte. Er ging also zu den
Seinigen zurück, nachdem er vor Salomon und allen sich gerühmt, dass
er niemals fröhlicher ein Gastmahl gehalten habe. — —
Als der König einen Abend und eine Nacht fröhlich verbracht hatte,
wird er, indem er um Tagesanbruch eine Versammlung der Brüder sich
erbittet, weil aller Stimmen günstig fallen, ein eingeschriebener Bruder.
Er teilte einem jeden der Brüder ein Pfund Silbers zu, damit er es für
die Kleidung behalte. Den Knaben verordnete er drei Tage zum Spielen,
sowohl für jene Zeit gerade, als für die Zukunft, und nachdem er in die
Kirche des heiligen Gallus hineingegangen war, bekleidete er die Altäre
mit Decken. — — ,
Endlich betritt er das Bethaus des seligen, durch römische Macht-
vollkommenheit zum Heiligen erhobenen Othmar — denn es waren seine
Vorfahren, welche denselben gequält hatten —, und er stellte sich an
dessen Altar, als wäre er selbst bei den Ereignissen zugegen gewesen,
als den Schuldigen dar; er besänftigte auch mit Decken, mit Gold und
Silber den Heiligen. Aber es befanden sich auch um Stammheim, das
dem hl. Othmar von Karl geschenkte Dorf, gewisse Örtlichkeiten, welche
noch im Rechte des Königs standen. Konrad aber hatte alles, was da-
selbst dem königlichen Schatze gehörte, ganz in die Hand des Vogtes
auf des hl. Othmars Altar übergeben und mit seinem Siegel bekräftigt.
Und zu Salomon gewendet, sprach er: «Unter der Verabredung, dass
unsere eingeschriebenen Brüder für unser gestriges Mahl die von Karl
festgestellte Woche des Festes dieses meines Herrn auch zu meinem
Gedächtnisse reichlicher schmausend feiern sollen» — und lächelnd sagte
er: «Denn auch ich will heute als eingeschriebener Bruder mit den
! Bischof von Konstanz und Abt von St. Gallen. — ? Während des Mables wurde
vorgelesen aus der heiligen Schrift, den Kirchenvätern etc. Damals, als am Kindleinstag,
von den Schülern.
24
Brüdern den Imbiss nehmen und unsere Bohnen aus dem Meinigen
pfeffern.» Über diesem selben Altare werden von den Brüdern dem Könige
rasch Messen gehalten. Früh steht bereit das Mahl; es füllt sich an der
Saal; kaum war gekommen der Vorleser zum Satze ein Mal. Die Liebe,
die nichts Falsches tut, verschmähte die Zucht mit freiem Mut. Niemand
sprach, das oder jenes sei nie geschehen, obschon es vorher niemals ge-
hört war oder gesehen, nie von einem Mönch in dem Haus war erfahren.
Den Geruch von Wild und von Fleisch sie gewahren. Tanzend die Gaukler
springen; Saiten klingen zum Singen. Niemals hatte des Gallus Saal nur
durch sein Zutun solch Bacchanal. Der König unter dem Tosen so laut
auf die ernsteren Brüder schaut; über der einen verzogene Mienen lacht
er, dass ihnen solche Dinge ungewohnt schienen. — — — Am Abend
geht der König hinweg, begleitet von den tränenerfüllten Lobsprüchen
seiner Brüder. Wenn ihm weiteres Lehen vergönnt sei, hatte er ver-
sprochen, werde er denselben nicht nur noch einmal Wohltaten erweisen.
9. Motker, Ratbert und Tuotilo. 9. Iahrhundert.
Eftebart, III, 33, 34, überjegt von Meyer v. Kuonan.
Notker, Ratbert, Tuotilo, diese drei waren, obschon sie in ihren
Wünschen ein Herz waren, doch durch die Natur, so wie das geschieht,
unähnlich. Notker, von Körper, nicht im Geiste, schlicht, in der Stimme,
nicht in der Seele, stammelnd, in göttlichen Dingen erhaben, in Wider-
wärtigkeit geduldig, zu allem mild, war ein scharfer Aufseher in der
Zucht der Unserigen; bei plötzlichen und unvermuteten Dingen schüchtern,
war er im Beten, im Lesen, im Dichten sehr fleissig, und damit ich im
kurzen die Gaben seiner ganzen heiligen Erscheinung zusammenfasse,
er war ein Gefüss des heiligen Geistes, wie es zu seiner Zeit nirgends
reichlicher sich zeigte.
Aber Tuotilo war in weit anderer Weise gut und nützlich, ein
Mensch von Muskelarmen und von allen Gliedern so, wie Fabius'!, die
Athleten auszulesen lehrt. Er war beredt, von heller Stimme, zierlich in
erlabener Arbeit und ein Künstler in der Malerei, ein Musiker, sowie
auch seine Genossen, aber vor allen in der Art aller Saiteninstrumente
und Rohrpfeifen: denn er unterrichtete auch die Söhne der Edeln auf
den Saiten in einem vom Abte dazu bestimmten Raume. Ein geschickter
Bote in die Ferne und Nähe, war er in Bauten und in seinen übrigen
Künsten erfolgreich, des Zusammenfügens der Worte in beiden Sprachen ?
mächtig und von Natur darin tüchtig. im Ernste und im Scherz der-
gestalt gemütlich, dass einst unser Karl? denjenigen gescholten hat,
welcher einen Menschen von solcher Naturanlage zum Mönche gemacht
' Der römische Schriftsteller Marcus Fabius Quintilianus. — * Lateiu und Deutsch.
— 3 Kaiser Karl III., der Dicke,
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habe. Aber unter diesem allem war er, was anderem voransteht, im Chore
tätig, im Verborgenen voller Tränen, Verse und Melodien zu schaffen
vermögend. — — ZBRatbert aber schritt zwischen den beiden in der Mitte
einher. Vom Jugendalter an ein Meister der Schulen, ein verständlicher
und wohlwollender Lehrer, in den Zuchtmitteln strenger, selten, weniger
noch als die Brüder, den Fuss aus dem Klosterinnern hinaus bewegend,
nur zwei Schuhe das Jahr hindurch besitzend, Ausflüge dem Tode gleich
benennend, mainte er oft unter Umarmungen den reisefertigen Tuotilo,
dass derselbe sich hüten möchte. In den Schulen geschäftig, vernach-
lässigte er sehr häufig die Gebetsstunden und Messen, indem er sagte:
<(sute Messen hören wir, indem wir lehren, sie zu halten.» Und während
er die Straflosigkeit das grösste Verderben eines Klosters genannt hat,
kam er doch zum Kapitel nur, wenn er gerufen wurde, weil, wie er
sagte, ihm das gewichtigste Amt, zu kapiteln und zu strafen, gegeben
worden sei.
10. Ekkehart II. bei der Herzogin Hadawig auf dem Hohentwiel.
Ekkehart X. 90—94, überjegt von Meyer von Knonan.
Hadawig, die Tochter des Herzogs Heinrich, nach ihrem Manne
Pnrchard als Witwe im herzoglichen Amte über die Schwaben !, wäh-
rend sie auf dem Ziel wohnte, eine überaus schöne Frau, war weit
und breit den Ländern schrecklich, weil sie für die Ihrigen von allzu
grosser Strenge war. Da dieselbe einmal in ihrer Jugend dem griechi-
schen Kaiser Konstantin verlobt war, war sie durch Gesandte desselben,
welche hiezu geschickt worden waren, in der griechischen Wissenschaft
ganz vorzüglich gebildet. — — Diese war einmal als Witwe, um zu
beten, zum heiligen Gallus gekommen. Indem Abt Purchard sie festlich
aufnahm und als seine Nichte durchaus mit Geschenken zu beehren sich
vorbereitete, sagte sie, sie wolle keine andern Gaben, ausser Ekkehart
als Lehrer für sich, wenn er ihr denselben nach dem Twiel auf eine
Zeit gewähren wollte. Denn weil derselbe Portner war, hatte sie selbst
am Tage vorher mit ihm hiezu heimlich sich verabredet. Während nun
der Abt das zwar im Verdruss zugestand, und der Oheim davon abriet ?,
hatte jener doch nichstdestoweniger, was er gebeten war zu tun, durch-
gesetzt. Als er am verabredeten Tage mit Ungeduld erwartet nach dem
Twiel kam, führte sie ihn, indem sie ihm in höherem Grade, als er
selbst wollte, eine Aufnahme bereitete, in sein Gemach, an der Hand
' In Wirklichkeit hatte sie bloss den Titel, nicht aber das Amt elnes Herzogs. —
® Da der Abt Purchard schon 971 zurückgetreten und Ekkehart I., Ekkeharts II. Oheim,
im Januar 973 gestorben war, Hadwig aber erst im November 973 Witwe wurde, kann
diese Darstellung unmöglich richtig sein. Ekkehart schrieb hanptsächlich aus dem
Gedächtnis nieder, was er von Jugend an im Kloster hatte erzühlen hören; so sind die
zahlreichen Irrtümer, die sich bei ihm finden, leicht erklärlich.
26
als ihren Meister, wie sie selbst sagte. Da pflegte sie bei Nacht und
bei Tage mit irgend einer vertrauten Zofe zum Lesen einzutreten. Dort
fanden auch häufig Dienstmannen und Krieger, ferner Fürsten des Landes
die beiden, wie sie dem Lesen oder Ratschlägen nachgingen. Indem
jedoch jene Frau bei ihren strengen und sehr wilden Gewohnheiten den
Mann oft erbitterte, bewirkte sie, dass er zuweilen viel lieber zu Hause,
als bei ihr, geblieben wäre. So geschah es bei einem Rücklaken und
dem Vorhang seines Bettes, welche er selbst nach seiner demütigen
Denkart abzunehmen befahl, dass sie den Diener, welcher die Gegen-
stände abnahm, peitschen liess, und kaum gab sie auf viele Bitten des
Meisters hin zu, dass derselbe nicht an Haut und Haar geschunden
wurde. Wann Ekkehart entweder bei Festzeiten, oder wann es ihn ge-
lüstete, einen Besuch zu machen, nach Hause ging, so war es rühmens-
wert, wie grossen Aufwand sie dem Manne auf Schiffen nach Steinach !
vorausschickte, indem sie ihm stets etwas neues in Zierstücken, entweder
für ihn selbst zum Gebrauche, oder als Gabe dem Gallus darzubringen,
als scharfsinnigste Minerva selber vorher einrichten liess. — — —
Ekkehart geht, begleitet von dem ihm gleichnamigen Diakon, dem spä-
tern Dekan, und von dem Knaben Purchard, dem spätern Abte, seinen
Vettern, nach dem Twiel. — — Am andern Tage dann, als die Her-
zogin mit der Morgendämmerung, wie sie da zu tun pflegten, das
Schweigen nach der Regel, wovon sie auch selbst eine sorgfältige
Beobachterin war, zu Ende geführt hatte, ging sie zu dem Lehrmeister,
um mit ihm zu lesen. Und als sie sich gesetzt hatte, befrug sie Ekke-
hart unter andern Dingen, wozu jener Knabe gekommen sei, indem der
Knabe selbst dabei stand. «Wegen des Griechischen», sagte Ekkehart,
«meine Herrin! Ich habe Euch denselben, der auch in andern Dingen
manches weiss, hergebracht, damit er von Eurem Munde etwas sich
merken könnte.» Der Knabe selbst aber, schön von Aussehen, brachte,
weil er im Versmass sehr fertig war, so sein Begehren vor:
„Fast sprech’ ich, Herrin, Latein; Grieche noch möcht ich sein.“
Darüber ergötzte sich jene, sowie sie neuer Dinge begierig war, so
sehr, dass sie ihn an sich zog und küsste und näher zu sich auf
einen Fussschemel setzte. Sie forderte nun neugierig von ihm, dass er
ihr noch mehr Verse unvorbereitet machen möchte. Da aber versetzte
der Knabe, eines solchen Kusses gleichsam ungewohnt, indem er seine
beiden Lehrer anschaute, die folgenden Worte:
„Nicht ganz kann ich mich richten, würdige Verse zu dichten;
„Süss hat der Kuss mir geschmeckt, als mich die Fürstin erschreckt.“
Sie jedoch brach in ein Gelächter aus, weit entfernt von ihrer gewöhn-
lichen Strenge; endlich stellte sie den Knaben vor sich hin und lehrte
ihn die Antiphon: «Maria et flumina», welche sie selbst ins Griechische
übertrug, so singen:
„Thalassi ke potami, eulogiton kyrion,* ®
! St. Gallens Hafenplatz, zwischen Arbon und Rorschach, nachher dorch das letztere
in Schatten gerückt. — ?* Schlechtes Griechisch; die Übersetzung lautet: „Meere und
Flüsse, preiset den- Herrn.“
—— — — — —— — — — —
27
Und oft unterrichtete sie ihn nachher, wann sie freie Zeit hatte, indem
sie ihn zu sich rief und Verse aus dem Stegreif von ihm forderte, im
Griechischreden, und zeigte ihm ihre Zuneigung in vorzüglicher Weise.
Endlich auch beschenkte sie ihn, als er wegging, mit einem Horaz und
einigen andern Büchern, welche unsere Büchersammlung noch heute
enthält.
11. Die goldene Handvefe der Stadt Bern. 15. April 1218.
Das lat. Orig. abgedr. bei Zeerleder, Url. f.d. G. der Stadt Bern I p. 182, und in
den Fontes Rerum Bernensium II p. 2.
Am 15. Januar 1274 bestätigte König Rudolf von Habsburg eine ihm von der
Stadt Bern vorgelegte umfassende Freibeitsurkunde, die wegen des daran hängenden
Siegels aus Goldblech die „goldene“ Handveste genaunt wurde und angeblich von
Kaiser Friedrich 11. im Jahr 1218 ausgestellt worden war. Die Ächtbeit dieser Urkunde
ist in neuerer Zeit aus verschiedenen Gründen stark in Zweifel gezogen worden. Sei es
non, dass sie wirklich aus dem Jahre 1218 stamme oder erst 1273 angefertigt wurde,
um eine Gewähr für die tatsächlich bestehenden Freibeiten der Stadt zu bilden, jedenfalls
gibt sie ein treues Bild des im 13. Jahrhundert in Bern geltenden Stadtrechtes und ist
durch die Bestätigung König Rudolfs die rechtliche Grundlage für die Reichsfreiheit
der Zähringerstadt geworden.
Friedrich von Gottes Gnaden König der Römer und allezeit Mehrer
des Reiches und König von Sizilien seinen lieben Getreuen, dem Schult-
heissen, Rat und sämtlichen Bürgern von Bern in Burgund seine Gnade
und alles Gute. Da Herzog Bertold von Zähringen die Burg Bern erbaute
mit aller Kreiheit, mit welcher Herzog Konrad Freiburg im Breisgau
erbante, und mit Freiheit begabte nach dem Rechte der Stadt Köln unter
Bestätigung Kaiser Heinrichs und mit Zustimmung sämtlicher Fürsten
der Krone des römischen Reiches, welche anwesend waren, wollen wir
euch und allen, die gegenwärtigen Brief in Ewigkeit sehen werden, kund
tun, dass wir in Kraft königlicher Hoheit dieselbe Burg Bern und alle
Bürger, die jetzt daselbst wohnen oder später dahin ühersiedeln werden,
in unsere und des römischen Reiches Herrschaft und Schirm empfangen
haben, indem wir euch und eure Nachkommen von allen Steuern und
Diensten, mit welchen ihr beschwert waret, frei und ledig machen, aus-
genommen jedoch den Zins eurer Häuser und Hofstätten, nämlich von
jeder Hofstatt von 100 Fuss Länge und 60 Fuss Breite 12 Pfennige
gemeiner Münze, jedes Jahr vom Lehen des Reiches’ zu bezahlen. Mit,
der Bezahlung dieses Zinses wollen wir, dass ihr und eure Nachkommen
unserseits und von Seiten aller unserer Nachfolger oder unserer Stell-
vertreter von allen andern Steuern und Diensten befreit seid, und diese
Freiheit und Immunität bestätigen wir euch und euren Nachkommen aus
königlicher Machtvollkommenheit.
Wir versprechen auch euch und euren Nachkommen festiglich, dass
wir die Burg Bern mit aller Ehre und allem ihr zugehörenden Rechte
in unserer und des Reiches Herrschaft behalten und sie und euch niemals
Basen...
28
durch Verleihung, Verkauf, Tausch oder auf irgend eine Weise unserer
oder des römischen Reichs Gewalt entfremden oder entziehen werden,
sondern wir wollen, dass ihr auf dem Grund und Eigen des Reiches
frei und ohne Steuer sitzet und auch des Lehenrechtes, wie andere
Getrene und Diener des Reiches, geniesset und eine Minze frei habet
und einen Markt von 15 Tagen, nämlich am Fest des hl. Georg und
nachher 8 Tage, und am Fest des Michael und nachher 8 Tage. Und
ich erlasse allen zu der Zeit des öffentlichen Marktes Ankommenden den
Zoll und verspreche aus königlicher Freiheit Frieden und Sicherheit für
Leib und Gut derselben, sowohl im Kommen als im Gehen, ausgenommen
denjenigen, welcher an einen Bürger freventlich Hand anlegt. Und wenn
einer der Kaufleute während der Marktzeit beraubt würde, werde ich,
wenn er den Räuber nennt, entweder für Rückerstattung sorgen oder
Ersatz leisten. Wir wollen auch, dass alle Kaufleute für die Zeit des
öffentlichen Marktes auf den Strassen oder dem Boden des Reiches, wo
sie immer wollen, ausser auf dem Eigentum der Bürger für sich Buden
und Zelte aufschlagen mögen ohne Kosten und Widerrede. Und wenn
irgend ein Streit zur Marktzeit zwischen einem Bürger und den Kauf-
leuten entstünde, soll er nicht unserem oder unseres Statthalters Gericht
zustehen, sondern nach dem Gewohnheitsrecht der Kaufleute und ins-
besondere dem der Kölner von den Bürgern entschieden werden. — — —
Wir beschliessen und versprechen euch auch dies, dass weder wir
noch einer unserer Nachfolger euch Schultheissen, Leutpriester, Schul-
meister, Küster, Räte, Weibel oder irgend einen Beamten setzen sollen:
sondern, welche ihr euch mit gemeinem Rate vorsetzt, die sollen wir
bestätigen. Ihr könnt auch jedes Jahr den Schultheissen und die Räte
oder auch alle Beamte der Stadt, verändern und andere wählen, den
Leutpriester ausgenommen. — — — —
Niemals auch sollt ihr mit uns oder mit irgend einem, der euer
Herr sein wird, weiter ziehen Kriegens halb, als dahin, von wo ihr in
der folgenden Nacht wieder nach Hause zurückkehren möget. Wenn aber
ener Herr in die Stadt kommt, sollen die Ritter und Gäste in den Häusern
jener beherbergt werden, welche Gäste zu empfangen pflegen. Wenn
aber die Häuser jener nicht genügen, sollen sie auch anderwärts be-
herbergt werden ohne Schaden der Bürger.
Ausserdem gewähren wir euch in königlicher Güte, dass ihr Getreide,
Wein und alle andern Dinge frei kaufen und verkaufen möget, wann
immer es euch gefällt, ohne Erschwerung und Einschränkung. Ein jeg-
licher der Bürger kann auch sein Haus, Eigen und alles, was er hat,
verzehren, verkaufen und geben, wem er will, ohne alle Erschwerung
und Widerrede. — — .
Jedermann, welcher in diesen Ort kommt und bleiben will, soll frei
sitzen und wohnen dürfen. Wenn er aber jemandes”’ Knecht ist und den
Herrn verläugnet, soll ihn der Herr binnen Jahresfrist mit sieben nahen
Verwandten desselben überführen, dass/er sein Knecht sei; andern Falls
er, wenn er nach Verfluss von Jahr und Tag nicht überwiesen ist," frei
in der Stadt wohnen soll, und fürderhin nicht gehalten ist, ihm oder
irgend einem zu folgen. Wenn er aber des Herren geständig ist, soll
ihn der entweder innerhalb Jahresfrist wegholen oder ihn in der Stadt
29
als frei zurücklassen. Wenn er aber binnen Jahresfrist nicht fortgeholt
wird, soll er nach Verfluss des Jahres fortan frei wohnen dürfen.
Wer immer das Bürgerrecht in der Stadt zu erhalten wünscht, soll,
welches Standes er auch sei, alle Rechte der Stadt erfüllen, es sei denn,
dass er mit gemeinem Rat der Bürger ausgenommen und ledig ge-
sprochen wird.
Kein Auswärtiger kann gegen einen Bürger Zeugnis ablegen, sondern
nur ein Bürger gegen einen andern Bürger, und jedes Zeugnis soll mit
zwei ehrbaren Zeugen vorgebracht werden, und zwar von solchen, die
es gesehen und gehört haben. — — — — — —
\Wer immer innerhalb der Grenzen und des Friedens der Stadt einen
tötet, soll ohne alle Widerrede enthauptet werden. Wenn er aber im
Zorn einen verwundet, hat er die Hand verloren. Wenn indes der An-
geklagte entweicht und nicht gefangen wird, und zum dritten mal ge-
laden, nicht vor Gericht erscheint, hat er sich damit selber überwiesen
und verurteilt. Und dann sollen Schultheiss und Rat mit sämtlichen
Bürgern das Haus desselben von Grund aus zerstören. Aber das Bauholz
sollen sie Jahr und Tag auf der Hofstätte unversehrt liegen lassen, und
nach Ablauf des Jahres mögen die Erben desselben das Haus wieder
aufbauen, wenn sie wollen, und frei besitzen, nachdem sie jedoch dem
Richter zuvor drei Pfund bezahlt. — — —
Jeder Bürger kann Klage erheben gegen den, welcher einen Bürger
in der Stadt getötet hat, und wegen des Totschlags mit ihm, wenn er
leugnen will, den Zweikampf beginnen; auch wenn der Erschlagene nicht
sein Verwandter ist. Wer immer in der Stadt einen des Nachts frevent-
lich angreift und verwundet, hat, angeklagt, die Hand verloren. Wenn
er aber leugnen will und der Geschädigte ihn nicht überweisen kann,
kann er, wenn er will, mit demselben den Zweikampf aufnehmen. Dieses
ist aber das Recht des Zweikampfes. Wenn einer einen andern wegen
einer zugefügten Wunde anklagt, so hat der Angeklagte, falls er be-
siegt wird, die Hand verloren. \Wenn aber der, welcher ihn anklagt,
besiegt wird, soll er jede Waffe, die er auf sich hat, mit drei Pfund
lösen. Wenn aber einer einen des vollbrachten Totschlags anklagt, so
hat der Angeklagte, wenn er besiegt wird, den Kopf verloren. Wenn
aber der, welcher anklagt, besiegt wird, hat er die Hand verloren. — — —
Ausserdem setzen wir aus königlicher Freiheit fest, dass alle Bürger,
welche in der Stadt oder ausserhalb sich verehelichen, welches Standes
sie auch seien, einander gleich sein sollen in allen Rechten. Und nach
dem Hinschied des einen, soll das andere alle Güter desselben, welche
es hinterlassen, nach Erbrecht frei und ruhig besitzen. Auch darf der
Herr der Stadt nicht hindern, noch verbieten, dass die Gattin des Ver-
storbenen oder der Gatte der Verstorbenen sich wieder verehelichen mit
wem sie wollen, nach ihrem Willen. Wenn zwei sich verehelichen und
Kinder bekommen, sollen die Kinder derselben nach dem Tode beider
Eltern alle Güter der Eltern nach Erbrecht ohne alle Widerrede frei
besitzen. — — —
Wer immer das 14. Altersjahr zurückgelegt hat, kann alle bürger-
lichen Rechte ausüben und gültiges Zeugnis vor Gericht ablegen, wie
ein anderer. Alle, welche jetzt in der Stadt unter 15 Jahren alt sind
30
und später sein werden, sollen stets im 15. Jahre schwören, alle Rechte
und Freiheiten der Stadt treu zu beobachten, und dem römischen Reich
und dem Herrn des Reiches, sowie ihren Mitbürgern und Geschworenen
Treue und Wahrheit in allem zu bewahren.
Zuletzt verleihen und bestätigen wir euch und allen euren Nach-
kommen aus königlicher Machtvollkommenheit alle die vorgenannten Rechte
und Freiheiten, sowie auch alle diejenigen, mit welchen Herzog Konrad
von Zähringen Freiburg im Breisgau erbaute und mit Freiheit begabte
nach dem Recht der Stadt Köln, indem er mit 12 seiner namhaftesten
Diener auf das Allerheiligste den Eid leistete und dazu seine rechte Hand
in die Hand eines freien Mannes legte an Eides statt, dass er und seine
Nachkommen ihnen dieselben Rechte stets und unverbrüchlich halten und
in keiner Weise verletzen würden: sowie auch jene Rechte und Frei-
heiten, welche Herzog Bertold, euer ehemaliger Herr, euch gegeben und
bestätigt hat, und dazu alle Rechte und Freiheiten, welche in euren
Rödeln und denen der Freiburger enthalten sind, oder jene, welche ihr bis
Jetzt zum gemeinen Nutzen und zur Ehre euerer Stadt und zur Erhaltung
und Mehrung der Ehre des Reiches euren Schriften und Rödeln mit ge-
meinem und verständigem Rate hinzuzufügen beschlossen habt. — — — —
Damit dies aber von unserer und unserer Nachfolger Seite fest und stät
bleibe und in Ewigkeit unverletzt, haben wir euch und euren Nachkommen
gegenwärtige Handveste schreiben und geben und mit dem goldenen
Siegel unserer königlichen Hoheit bestätigen lassen. Gegeben zu Frank-
furt im Jahre 1218, am 15. April in der sechsten Indiktion.
12. Offnungen.
a. Aus dem Engelberger Hofrodel vom Schluß des 13. Jahrhunderts.
Grimm, Reistümer I S. 1.
Ayies ind die Nechte, die das Gotteshaus von Engelberg bat in
Ai em Amte und in den Höfen im Zürichgau, die dem Gottes—
Ahaus angehören:
Erjtens, dag ein Abt von Engelberg zweimal im Jahre aus:
fahren joll auf feine Höfe im Mat und im Herbſt und foll mit ihm führen feinen
Kaplan und einen Propjt ! und einen Yeutpriefter von Stans, wenn er will, und
einen Mitter, wen er will, mit zwei Windipielen, mit einem Wogelhund und
einem Habicht, und wenn er einreitet, jo joll die Meierin? des Hofes, auf den
Vropft hieß im einem Kloſter der Stellvertreter des Abtes; ihm lag insbejondere
die ölonomiſche Verwaltung der Kioftergüter ob, — ? Die Frau des Meiers. Die zu-
fammenbängende Beſitzung eines geiftlihen oder weltlichen Grundherrn hieß der „Bor“.
31
er dann da kommet, ihm entgegenfommen vor den Hof und foll ihn empfangen
und joll in einer Hand tragen ein Brot und in der andern ein Huhn; das
Huhn gehöret dem Habicht und das Brot den Hunden. Und joll man ihm
und jeinem Gejinde, das hier genannt ift, Fleiſch von einem jungen Widder
und einem Schwein geben, und Hühner genug und fein anderes Fleiſch, und
guten Eljaßer und feinen Yandwein. Auf welchem Hof er auch das Mlittags-
mahl nimmt, will er zu Nacht wieder da bleiben, jo joll jeglihe Schup-
pojje, die zu dem Hof gehört, ein Huhn geben und von dem Gerichtstag
jonft feinen Schaden haben.
Auch joll man zum Maiengerichtstag und zum Herbjtgerichtstag acht
Tage vorher laden, und wer zwijchen Neuß und Rhein dem Gotteshaus eigen
iſt, die jollen alle auf den Gerichtstag herfommen und darnach alle die, die
von dem Gotteshaus Erbe ! oder Yehen haben. Wer aber nicht herkäme und
das verfäumte, wie bievor gejchrieben ift, derjelbe es büßen mit drei Schilling
Pfenning, und wenn des Gotteshaufes Bote die Buße zu Haus und zu Hof
fordert, wer ihm dann die vorgenannte Buße nicht entrichtet, der joll fie zwie—
fach geben.
Es joll auch auf des vorgenannten Gotteshanjes Höfen niemand wohnen,
als des Gotteshanfes eigene Yeute. — —
Dazu haben des Gotteshaufes eigene Leute das Necht, daß fie die Yehen,
die fie von dem Gotteshaufe haben, daR fie damit ihre Kinder, die dem
Gotteshauje eigen find, verheiraten jollen in die Genofjame ? mit des Abtes
Hand ? oder des Propftes, den er an jeine Statt jest, und foll fie daran
der vorgenannte Abt nicht hindern. Auch joll das obengejchriebene Yehen ein
Gotteshausmann von dem andern erben bis zum neunten Gejchlecht, und wo
ein Mann unferes Gotteshaujes ftirbt, wer den nach Recht erben joll umd
des Gotteshaufes eigen ift, der foll geben das befte Haupt [Vieh], das
der Dann hatte, da er in das Todbett fam, und jein ganzes Gewand,
wie er zur Kirche ging, von rechter |Yeibleigenjchaft [wegen]. Wir haben
auch in unjern Handvejten und Briefen, wer ohne Yeibeserben ftirbt, daß wir
den erben jollen. — —
Ein Zeil der dazu gehörigen Güter bildete den „Frohn- oder Herrenbof“. Befaßte
ſich der Grundherr nicht jelbjt mit der Bewirtſchaftung desjelben, jo überließ er ihn feinem
Rermwalter, dem „Meier“ gder „Keller“ Zo wurde der „Frohnhof“ zum „Meier-
bof*“ oder „Kelnbof”. Zu jedem Frohnhof gehörten eine mebr oder weniger große
Anzahl Heinerer Bauernhöfe, Schnppoſſen oder „Huben” genannt, auf weldhen die
dem Herrn zu Grundzinſen und Fronden verpflichteten Hörigen oder Yeibeigenen ſaßen.
Im Gegenfag zum „echten“ Eigentum“, welches dem Herrn zuftand, nannte man
das erbliche Beſitzrecht des Hörigen an jein Gut das „Erbe“. — ? Die Genoffenichaft
der zum Hofe gehörigen Yeute. — ? Da der Hörige nur ein abgeleitetes Befitrecht batte,
fo mußte er das Gut, auch wenn er es erbte, aus der Hand des Grundherrn empfangen,
Diefe Belehnung geſchah meift in feierlicher Weiſe, mittelft Überreihung eines Reiſes, eines
Halmes oder einer Erdicholle mit Nafen ıc.
PIE DORINT TITTEN IT Treten
32
b. Anderer Engelberger Hofrodel (wahrjdeinlidd aus der Mitte des
14. Jahrhunderts).
Grimm a. a. O. 82.2 fi.
Dies ſind auch des Gotteshauſes Rechte: Wenn ein Abt erwählt wird und
beſtätigt, jo ſollen ihm alle Talleute, die über vierzehn Jahre [alt] ſind, ſchwören,
ſeinen Nutzen, ſeine Ehre zu fördern, ſeinen Schimpf und Schaden zu wenden,
ſein Gericht zu ſchirmen, ſein Recht zu ſprechen und zu behalten, demſelben
Herren gehorſam zu ſein ohne alle Gefährde, wie Gotteshausleute von Rechts—
wegen tun ſollen bis an ihr Ende, oder an das Ende des Herren Herrſchaft.
Es iſt auch zu wiſſen, wenn ein Gotteshausmann ſeinen Herren verrät
an Leib oder an ſeinen Ehren, oder ſeinen Ungenoſſen! [zur Ehe] nimmt
oder ein Gotteshpausmann ein Gotteshausweib zu Tode erichlägt, deifen Yeib
und Gut iſt dem Gotteshaus verfallen und nicht dem Ammann, bis auf des
Abtes Gnade. — —
Wenn aud ein Mann jtirbt, der nicht mit jeinen Kindern geteilt hat,
und Kinder hinterläßt, die ehlich find, jo joll das Gotteshaus zu Falle nehmen
das beſte Haupt, das er hinterläßt, und jollen feine Kind ihr Erbe damit
empfangen haben. Wenn auch mehr Söhne, als einer, bei einander find,
und der ältere jtirbt, jo joll wieder dem Gotteshaus das beſte Haupt zu
Falle werden; ftürbe aber der jüngere, jo wird dem Gotteshaus fein Fall,
jofern fie nicht mit einander geteilt haben.
Das Gotteshaus erbt auch alle, die ohne Yeibeserben fterben, es jeien
Frauen oder Männer; und teilt der Water mit dem Sohn, und ftirbt der
Vater, jo erbt ihn das Gotteshaus; ftirbt auch der Sohn, jo erbt ihn auch
das Gotteshaus. Wenn auch ein Mann jtirbt, der eine ebliche Frau binter-
läßt und feine Stinder, da erbt das Gotteshaus den halben Teil alles Gutes,
jo jie mit einander hatten bis zu jenem Tod, und joll auch die Frau den
andern halben Zeil erben. — — Die frau joll auch voraushaben das bejte
Bett und alles verjchnittene Gewand, das er hinterläßt. — —
Es joll auch Feiner außer unferen Gotteshausleuten, in diefem Tale
erben. — — In diejen Grenzen find alle Gerichte dem Gotteshaufe über
des Gotteshaufes Yente und Gut, und joll niemand im dieſen Grenzen auf
dem Horne blajen noch Gewild fällen, noch fejten Bau machen ohne des
Gotteshauſes Willen, noch liegende Güter verfaufen noch hingeben auswärtigen
Leuten, und joll aud) niemand ein Gut haben in diejen Grenzen, außer der
es empfangen babe vom Abte oder von dem, der zu Gericht fitet am des
D. h. eine Frau, die micht zu den Hörigen des gleihen Herm gehört. Solche
„Ungenoſſenehen“ wurden lange aufs jchärfite verboten, weil die Kinder nah dem ur
Iprünglich geltenden Nechte dem Herm der Mutter und nicht dem des Baters zufielen.
33
Abtes Statt, und wenn einer [ein] Gut gefauft hat und es nicht im Jahresfriſt
vom Abte empfängt oder von dem, der an jeiner Statt zu Gericht fit, oder
wenn einer Gotteshausgüter über ein Jahr ungezinjet hat, die Güter find
dem Gotteshaus ledig verfallen bis auf des Abtes Gnade.
Es joll auch fein Gotteshbausmann Peib oder liegend Gut von
binnenzichen ohne des Abtes Willen und Gunſt.
Es jollen auch des Gotteshaufes Yeute ihre Zinje entrichten, Ziger!,
Käje, Zinspfenning zu St. Gallen Tag, die Eier zu Oftern, die
Milcheimer? zu Pfingften, die Maienjteuer auf St. Yohannistag. Es
ift auch Gewohnheit, jo man die Ziger und Käſe zinfet, daß ein Abt fünf
ehrbare Männer erwählt, die die Ziger und Käſe jchäten bei dem Eid, den
jte dem Gotteshaus getan haben; und jo die jprechen bei dem Eid, dafı
man die Ziger nehmen folle, jo ſoll man jie nehmen. Wollte aber der Abt
fie nicht nehmen, jo joll der, dem der Ziger ilt, 7 Schill. 4 Pfenn. für
jeglichen Ziger geben umd zu den Heiligen jchwören, daß er damit gezinfet
babe. Die Ziger follen gemachet jein mit der Milch, die des Jahres von
Mitte Mat bis an St. Gallen-Tag gemolfen worden ift, ohne alle Gefährde,
und in jeglichen Ziger ſſoll man] legen 16 Pfund und zwei alte Becher
Salzes, So auch die Schäter ſprechen, daß die Käſe zu nehmen jeien, die
ſoll man nehmen, oder aber der, der die Käſe zinfet, joll geben 3 Schill.
4 Penn. umd zu den Heiligen jchwören, daß er damit gezinfet habe. Und
wer jeinen Zins nicht entrichtet an den vorgejchriebenen Tagen, der ſoll es
büßen mit 3 Schilling. Auch ſoll ein Milcheimer gemachet jein mit der
Milch, wie fie von der Kuh gemolfen wird; die joll man aufwallen lafien
und did machen und nicht gerinnen machen und nicht abrahmen, und joll ein
ſechs alte Maß haltenden Kübel füllen.
Es joll auch ein jeglih Haus, da fahr und Tag eine Haushaltung
gewejen it, ein Faſtnachthuhn geben.
Wer auch von dem Gotteshaus Erbleben bat, der joll ein Tagewerf
tun, ein Mann mäben und eine Frau fchneiden; wer das nicht tut, der joll es
büßen mit 3 Schill., und außerdem das Tagwerf tum. — —
Des Gotteshaujes Yeute jollen auch nichts aufſetzen noch ablaffen ohne
des Herrn Willen. — — Es ſoll auch niemand Vogt jein über unfere Yeute
in dem Tal, als ein eingejeffener Talmanı. — — Des Gotteshaujes Gut
joll niemand bauen noch haben als ein eingejejfener Gotteshausmann. — —
Es joll auch niemand urteilen über der Gotteshauslente Erbe und des Gottes-
hauſes Eigen, als die, die unjeres Gotteshauſes find.
! Die fefte aus der geronnenen Milch gewonnene Maſſe. Der Ziger tft früher das
Hauptprodult der ſchweizeriſchen Milchwirtſchaft geweſen, während der Käſe nur eine ge
ringe Speife war. — * Über die Bereitung der Milcheimer ſiehe unten.
Oeschsli, Quellenbuch. 3
34
Die Zebnten der Schafe [anbetreffend], joll der, der zehn jcherbare
Lämmer hat, das befte für ſich jelber haben, und darnach das beſte als
Zehnten geben; der fünfe hat, der joll ein halbes geben, der aber unter fünfen
bat, der gibt für ein jcherbares 2 Pferminge. — —
e. Aus der Offnung von Baflerftorf. Um 1400,
Grimm, Weistümer. IV. 8.279.
AUS jind dies die Gerichte und die Nechte, hohe Gerichte und
BE niedere, Zwing und Bann’, die gehören dem Haus zu Kyburg
NLA und auc der Bauerjame zu Bajferftorf, wie fie das von
— alters hergebracht und gehalten haben, und ſoll man die Rechte
zweimal in dem Jahr im Herbſt und im Mai offnen und erzählen.
Item, wenn ein Vogt zu Baſſerſtorf am erſten Herbſtgericht zu Gericht
ſitzet, ſo ſoll er zuerſt fragen, was Recht ſei. Dann ſollen die Hausgenoſſen
urteilen in Betreff eines Weibel und ſollen den kieſen und nehmen und mit
Handmehr wählen, wenn auch dann an demſelben Tag des Weibels Jahr
aus iſt; täte aber ein Weibel, was er nicht tum follte, jo mögen ihn die von
B. zu Maien ändern. Welcher auch je Weibel wird, der joll erftens ſchwören,
dem Herren feine Nechte zu behalten und der Bauerfame ihr Holz und Feld
zu behüten, wie bisher Sitte und Gewohnheit geweien ift. — — — —
tem iſt das Recht zu B.: wenn man richten will im Mai und im
Herbit, das foll man tun zur Tageszeit, und joll man zu dem Gericht läuten
dreimal nad) einander, doch daß zwijchen jedem Zeichen jo lang ungeläutet
bleibe, daß fid) einer aus feinen Gütern begeben und zu dem Gericht kommen
möge. Welcher aber inwendig des Dorfzaung geſeſſen ift, kommt der nicht zu
dem Gericht, eh daß der Vogt jitet, umd man drei mal geläutet, wenn dann
der Vogt fitt, jo foll der, jo dann nicht da iſt, 3 Schill. Pfenn. Buße geben
dem Vogt.
Welcher auch aufeshalb des Dorizauns gejeffen ift und dem verfündet
wird zu dem Gericht, kommt der, dieweil die Offnung geſchieht, jo gibt er
nichts, kommt er nach der Offmung, fo ift er dem Vogt mit 3 Schill. Penn.
verfallen; wäre ihm aber nicht verfündet worden, jo wäre er ledig, und joll
es der geben, der ihm hätte verkimden jollen. — —
YD. 5. das Necht zu zwingen, zu gebieten und zu verbieten. S. S. 35. N. 5.
3D
13. Aus dem habsburgifchen Urbarbuch. 1303—1311.
Herausgegeben von Pfeiffer, in der Bibliothek des Stuttgarter lit. Vereins. 1850,
S.94 fi., 130 f., 172, 213 fi.
Das beite Gefamtbild der verfchiedenartigen Steuern und Abgaben des Mittelalters
und zugleich einen Überblick über die weitausgedehnten Befitungen Öftreichs in den ſchwei—
zeriſchen Yanden gibt das habsburgiihe Urbar!, welches auf König Albrechts Befehl in
den Jahren 1303—1311 durch feinen erjten Schreiber, Meifter Burfhard von Frikke,
aufgenommen wurde, Dasfelbe entbält nicht bloß, wie andere Urbarien weltlicher und geift-
licher Herrſchaften, Zinfe des Grundherren von verliehenen Eigengütern, jondern im Folge
er verfchiedenartigen Stellungen der Habsburger auch die Abgaben und Steuern der Freien
an den Yandarafen, der Gotteshausleute an den Kaſtvogt und die Einkünfte von öffentlichen
Gerichten, Zöllen und andern Hobeitsrechten.
a. Die Redtung über den Hof zu Gersan.
Das jind die Nugungen und Rechte, die die Herrichaft hat in dem Hofe
zu Gerſowe.
Derjelbe Hof, der Habsburger Eigen iſt, hat 6 Huben und 7 Schup—
pofien?. Diejelben Huben und Schuppoffen und andern Güter, die in den
Hof gehören, zahlen jährlich al8 Zins: 33 Ziger der Übereinkunft gemäß,
deren jeglicher 4 Schill. wert fein joll, 31 Lämmer, deren jegliches 18 Penn.
wert jein ſoll, 6 Gaishäute, deren jegliche 18 Pfenn. gelten joll, 50 Ellen
graues Tuch, deren jegliche Elle 1 Schill. wert fein foll, 3000 Albeln ?, deren
jedes Hundert 1 Schill. wert fein joll, und 31 Stanbalchen“, deren jegliche
3 Pfenn. joll gelten. — Da liegt auch eine Mühle, die zahlt jährlich als
Zins 1000 Albeln, die 10 Schill. gelten ſollen. — Der Fluochacker zu
Hergenswile zinst jährlih 5 Schill. — Da liegt auch ein Hof, der dem
Gotteshaus von Muri eigen ift; über den und über die Yeute, die den Hof
bauen, und fein Gut, ijt die Herrichaft Vogt. Diefelben Yeute und die Yeute
des Herrenhofes zahlen weder mehr noch minder denn 13 Pfund jährlich als
Steuer von ihrem Yeib und von ihrem Gut. Die Herrichaft nimmt auch
da von ihrem eigenen Mann als Fall das bejte Haupt, ohne eines, das er
bat, daS gejpaltene Füße hat. Dasjelbe tut fie dem, der ihr eigen Gut inne
bat, wenn er auch nicht der Herrichaft gehört. Die Herrichaft hat da Twing
md Bann’ umd richtet Dieb und Frevel“?.
’ Das Wort „Urbar“ fommt vom mittelbocdhdentichen „erbern“, — bervorbringen, und
bedeutet urfprünglich das zinstragende Grundſtück, dann die Zinfen und Einkünfte eines
Srundherren und endlich auch joviel wie Urbarbuch, ein Verzeichnis der Zinsgüter, Abgaben
und Gefälle. — * Die Hube war ein größeres Bauerngqut von 30 bis 40 Yucharten, die
Schuppoſſe ein Meineres, das den dritten oder vierten Teil einer Hube bildete, alſo etwa
10 Jucharten umfaßte. — Gangfiſche. — * Eine Art Fiiche, vielleiht Weißfelhen. —? D. h.
die Gewalt zu zwingen, zu gebieten und zu verbieten. Gewöhnlich umfaßte diefelbe die
niedere Gerichtsbarkeit, die Civilrechtspflege und Polizei. — ® D.t. fie beſitzt
de hohe Gerichtöbarkeit. Unter „Dieb“ (die Dieb- Diebſtahl) und „Frevel“ find
36
b. Die Redtung zu Hinderlappen [Anterlafen].
Dies find die Nugungen und Rechte, die die Herrichaft hat an Yeuten
und an Gut in der Herrichaft von Hinderlappen, die gekauft ift von
denen von Eſchibach.
Zu Hinderlappen in der Stadt, die die Herrſchaft als Erbe! hat von
dem Gotteshaus von Hinderlappen, liegen Hofftätten?, die zahlen der Herrichaft
jährlich Zins 2'/, Pfund und 6 Pfenning, und gibt man wieder dem Gottes-
haus aus demfelben Zins von der Eigenſchaft der Hofftätten jährlih 3 Pfund
Wade.
Die Burger zu Hinderlappen haben bis zu der Stunde, da fie die
Herrichaft faufte, Feine Steuer gegeben. Sie haben aber feit dem Mal,
da jie gefauft worden find, bis auf die Zeit, da diefe Schrift geihab, zu
Hülfe an den Kauf gegeben 140 Pfund. Die Herrichaft hat da Twing umd
Bann umd richtet Dieb und Frevel. Da liegen auch zwei Feſten; die Burg
zu Ujpunnen und eine Matte dabei und die Palme, die der Herrichaft
eigen find.
Zu Grindelwalt liegen 13 alte Lehen, die die Herrichaft von dem
Reich zur Lehen hat. Die und andere Güter, die darzu gehören, zahlen der
Herrichaft jährlih als Zins 13 Pfund, 18 Schill. und 3 Pfenm., 13 Biger,
deren jeglicher 10 Schill. wert jein joll, 12 Schweine, deren jegliches 12 Schill.
wert jein joll, 20 Widder, deren jeder 4 Schill. wert fein joll, 25 Mütt
Gerfte, 25 Mitt Haber und 3 Viertel Bohnen Thuner Maß und ift dasjelbe
Mat ein Neuntel größer, als das Yuzernermaf. Es gibt jedermann ein Faft-
nachthuhn. Die Herrichaft hat da Twing und Bann und richtet Dieb und
Frevel. Die Yeute, die auf denjelben Gütern gejeffen find, und andere haben
unter dem von Eſchibach als Steuer in einem Jahr gegeben zum meijten
10 Pfund, zum mindeften 6 Pfund. — Da liegt auch ein Berg, der der
Herrichaft eigen ift, der heikt Buosalpa [Bufalp]. Auf dem Berge find 5 Gaden-
ſtätte Sennhütten], da hat die Herrichaft das Necht, daß fie um Mitte Augften
nehmen joll all das Meulchen?, das im fünfthalb Tagen in denjelben Senn:
bütten wird, und ift das Mulchen zum mindeften ein Pfund wert. — —
e. Das Amt zu Freiburg im Üdtland.
In der Stadt zu Friburg bat die Herrichaft das Recht, daß man
ihr geben joll je zu St. Martins-Mefje als Zins einen Schilling Lauſanner
nämlich alle ſchwereren Bergeben, als Diebſtahl, Friedensbruch, — Totſchlag x.
begriffen, wegen deren es „dem Mann an den Leib gebt” oder die höchſte Buße gezaählt
wird. —
ı D.i. als erbliches Lehen. — ? Baupläge. — ? D. i. die Mild, die an einen Tage
gemollen wird, und alles, was daraus gewonnen werden kann, Käfe, Butter, Ziger u. f. w.
37
Penminge von jeder Hofftatt, die in der Yänge 100 Fuß, in der Breite 60 Fuß
baben joll. Davon wird nun zumal nicht mehr, als 6 Pfund und 14 Schill.
Yaufanner; denn da find 24 Hofftätten von demjelben Zinje frei, die 24
Hofftätten des Rates find. Da find auch andere Hofftätten, die Yehen find
von Nümwenburg, von denen aud fein Zins [ein]geht; die liegen in der Vor—
ftadt. — Da ift auch ein Zoll, der hat in gemeinen Jahren der Herrichaft
gegeben zum meijten 113 Pfund und 6 Schill. Yaufanmer, zum mindeften
38 Pfund und 6 Schill, Yaufanner. Das meifte konnte man jeit dem Male
von dem Zolle nie mehr gewinnen, weil Mäuler und Roſſe die Straße nicht
mehr gebraucht haben.
Die Herrſchaft hat auch in der Stadt zu Friburg Twing umd Bann
und alle Gerichte und richtet auch da Dieb und Frevel. An denjelben Gerichten
nimmt der Schultheiß die Buße von 3 Schill. und 3 Pfunden. Was darüber
gebüßt wird, das foll der Herrichaft werden, die mag auch niemand anders
ablaffen, als die Herrichaft. Die Herrfchaft mag zu Friburg in der Stadt
jegen und entjegen den Schultheifen und den Rat, wenn es ihr paßt oder
fie will. Sie leiht auch die Kirche zu Friburg, die bringt über den Pfaffen
wohl 20 Mark Silber oder mehr‘.
d. Das Amt des Tales Glarus.
Das find die Zinfe und Nutungen, welche die Herzoge von Ofterreich,
die Kaſtvögte find über das Gotteshaus zu Schennis und Meier und
Tögte zu Glarus, haben und haben follen an Yeuten, an Gut und an
Gerichten, die da gehören in das Yand zu Glarus und in die Höfe, die hie-
nach gejchrieben ftehen.
In den Hof zu Schennis, von dem der vierte Teil der Herrichaft
eigen ift und die Herrichaft über [die] drei [andern] Teile Vogt ift, gehören der
Hof zu Benfen und Yeute und Gut, die dem Hof zu Schennis auf dem
Bühl, der zuerft auf der Hofjtatt in dem Bache lag, pflichtig find. Der
vergenannte Hof zu Schennis zinjet der Herrichaft jährlich 130 Schafe;
davon gehen 7 Schafe ab, weil das Waffer, das die Yint heifet, von den
Adern fo viel von dannen geführt hat, davon 7 Schafe zu Zins gingen. Der
vorgenannten Schafe ſoll jegliches 3'/, Schill. gelten, ausgenommen 26 Schafe,
die Yaubichafe heißen, von denen ſoll jegliches 18 Pfenn. gelten. — Man joll
auch wiſſen, dak unter den vorgenannten Schafen 70 find, zu deren jedem
man einen Pferming geben joll; die heißen Treibpfenninge und werden dem,
der die Schafe treiben und übergeben joll; und verlieret er ein Schaf, das
muß er bezahlen. Er [der Hof zu Schermis] zinfet auch jährlich 16 Kühe,
— —
D.i. die der Kirche gewidmeten Güter bringen über die Beſoldung des Prieſters
hinaus fo viel ein.
38
deren jede 12 Schill. wert fein joll, 2 Kühe oder 30 Schill. und eine Kuh,
die joll 21 Schill. Pfenn. gelten. Er zinjet auh 3 Schweine, von denen zwei
je 12 Schill. gelten und das dritte 10 Schill. Penn. Er zinjet auch 84 ge:
räucherte Fijche, von denen jeder 3 Pfenn. gelten foll. Er zinjet auch 48 Käſe,
von denen jeder 2 Pf. gelten joll. Er zinjet auch 15'/, Hühner. Er zinfet
auch 2 Vierteil und drei Teile eines Vierteils Salz; da gilt ein Vierteil
gemeinlich 3 Schill. Er zinfet auch 30 Vierteil Haber. Er zinjet auch 36 Ellen
graues Tuch, von denen jede einen Schill. gelten jell. Er zinjet auch 6 Pfund,
6 Schill. und 3 Pfenn. Davon gehen 10 Schill. ab von den Mühlen, die
da nicht mehr gehen, und ein Pfund ımd 4 Schill. von dem Schaden, den
man an den Adern hat, die das Waffer weggeführet hat. Er zinfet auch
24 Fiſche, die Albehen heiten; von denen joll jeder 2 Pfenn. gelten, und
4 Schill. Pf., heißen Fiichpfenninge, und ein Pfund Pfeffer, das gilt ein Pfund
3 Schill. Die Herrichaft hat da Twing und Bann und richtet Dieb und Frevel.
Der vorgenannte Hof zinfet auch Schindeln, um die Burg zu Windeggt,
die der Herrichaft eigen ift, zu deden. Der Tagwan? der Yeute zu Schennis
hat innert 10 Fahren in einem fahr zum meiften 15 Pfund Pf., zum
mindejten 11 Pfund Steuer gegeben. Sie haben auch in denjelben Jahren
in einem Jahr zum meiften nicht mehr als 7 Schill. Buße und ein Vierteil
Butter gegeben, in einem andern, Jahre zum mindeften ein Pfund Pf.
Der Hof zu Benken, der oben gejchrieben ſteht, zinjet jährlich 8 Schafe,
von denen jedes 4 Schill. gelten joll. Er zinfet auch 2 Rinder, von denen
jedes 12 Schill. gelten joll. Er zinjet auch 2 Schweine, von denen jedes
10 Schill. gelten jo, 6 Hühner, 1 Roßeiſen und 10'/, Pfund 10 Pfenn.
Die Burg zu Wandelberg gehört in den vorgenannten Hof zu Benfen
und ift Herrn Bilgerins von Wagenberg rechtes Yehen von der Herrichaft —
Der Tagwan der Leute zu Denken hat innert zehn Jahren in einem Jahre
zum meijten 85 Pfund, zum mindeten im einem andern Jahre 53 Pfund
Steuer gegeben. Sie haben auch in denjelben zehen Jahren ein Jahr zum
meiften 5 Pfund Buße, ein anderes Jahr zum mindejten 2 Pfund 7 Schill.
gegeben. — Der Tagwan der eigenen Yeute bat innert zehn Jahren ein Jahr
zum meijten 35 Pfund Steuer, zum mindeften ein anderes Jahr 20 Pfund
gegeben — —
Die Rechtung zu Glarus.
Die Herzoge, die Meier und Vögte zu Glarus ſind, ſollen von
Meieramts wegen den Fall auf den Wechtagen und auf den Friſchingen?
und allenthalben nehmen, außer auf den Huben; da nimmt das Gotteshaus
Niederwindeck auf der rechten Seite der Linth. — * Hier fo viel wie Gemeinde. —
»So wurden in Glarus gewiffe Grundſtücke von geringerem Umfang genannt.
von Sedingen die Fälle. Es ift auch ein Streit um dasjelbe Amt, ob der
Meier oder das Gotteshaus die Fälle nehmen foll. Die Fälle und die Wifat !
fteigen manches Jahr auf 20 Pfund, manches Jahr auf weniger; man mag
es aber wohl verleihen um 16 Pfund jährlid. Der Kornzehnten in
Yinttal, der in das Meieramt gehöret, der ift manches Jahr verliehen um
10 Pfund, mandes um 11 Pfund, mandes um 12 Pfund Pfenn. Der
junge Zehnten? erträgt zuweilen 3 Pfund, zuweilen weniger; man mag
aber den Kornzehnten und den jungen Zehnten verleihen um 16 Pfund. Da
liegen auch Rütinen?, Hofitätten und andere Güter, die auch in das Meieramt
gehören, die zinſen jährlih 5 Pfund und 5 Schill., 43 Käſe, deren jeder
2 Penn. gelten joll zu allen Zeiten, 3 Schafe, deren jedes 4 Schill. gelten
jol. Die Fifhenz in der Lint gehört auch in das Meieramt, die ift
zumeilen verliehen um 15 Schill. Pfenn. Das Meieramt bat auch das Recht:
wer einen Bären fängt, der joll dem Meier die rechte Hand an dem Bären
bis an den Ellbogen geben. Der Meier hat auch da iiber Yeute und über Gut
Twing und Bann und richtet der Vogt Diebe und Frevel. Die Vogtei ift
aber Yehen vom Reiche und das Meieramt vom Gotteshaus zu Sedingen. — —
39
e. Das Amt Surfee,
die Stadt zu Surfee, die der Herrichaft eigen iſt, da liegen
Hofftätte und Gärten, die der Herrichaft jährlih 7'/, Pfund
Pfenn. zinfen. Da liegt auch eine Mühle, die zinfet jährlich
4) Mütt Kernen. Die Herrihaft hat da Twing und Bann und
richtet Dieb und Frevel.
Die Burger von Surfee haben von alter Gewohnheit nicht mehr jährlich
denn 10 Mark Silber Steuer gegeben. Seit aber die Herrſchaft
begann, Yand und Yeute zu Faufen, jo haben jie, wie andere
Städte der Herrſchaft, jährlich mehr geftenert als 10 Marf;
denn fie haben in gar manchen Jahren, wie ſchwer es ihnen auch fiel, jedes
Jahr 20'/, Mark gegeben. Sie ſprechen auch, daß fie e8 auf ihren Eid
Wiſat bedeutet Gefchenfe, welche die Hörigen u Feitzeiten dem Herrn darbradhten.
— 2? 8 gibt ſehr verfhiedenartige Zehnten. Der Großzehnt begreift alle Arten des
Getreides und der Halmfrüchte, als Kaizen, Roggen, Faſen. Dinkel, Gerſte, Haber, ſamt
——— und Stroh; hiezu gehört auch der Weinzehnt. Der Riütti-, Neubrud-,
eugereute, Rovalze nt ift der Zehnten von meuen Kulturen, von neu angebauten
Yand. Der Hen- oder Emdzehnten wird vom Ürtrag des micht der Aderwirtichaft
dienenden, fonbern ausſchließlich zum Graswuchs beſtimmten M dattlandes entrichtet, und
war der Heugehnten vom erſten jährlihen Schnitt, der Emdzehnten vom zweiten
Schnitt. Statt des Zehntens vom Brasertrag der Brachmweiden wird der junge (Nascens
oder Blut») Zehnten gegeben, d. h. der Zehnte von der Frucht Des Viehes, das jenen
fonfumirt hat. Der Fleine Zehnten umfaßt Gartengewächſe, Obſt, Kraut, Rüben, Hanf,
Flachs, Nüſſe, Kaſtanien, Bohnen, Erbſen, Hirſe u. ſ. w. Dieſer Zehnten wird an einigen
rten auch der naffe ahnen genannt (Eidgen. Abich. Bd. IT. 2, p. 1602), — * Durch
Reuten urbar gemachte Grundjtüde.
4)
nehmen, daß fie ein Jahr 28 Mark gegeben haben und geſchah das aber nie
mehr, als ein Jahr. Die Kirche zu Surjee leiht die Herrichaft, die bringt
über die Pfründe und über die „Pfaffheit" hinaus wohl 70 Mark, und ift
bewidmet mit 15 Schuppoffen, darüber die Herrichaft Vogt if. — —
f. Das Amt Wintertur,
Dies find Gut, Zinje, Steuern, Nutungen und Rechte, die die Herrichaft
hat in dem äußern Amt und in der Stadt zu Wintertur.
Der Kelnhof zu Ellinfon, der eigen iſt der Herrichaft, zinjet 6 Mütt
Kernen, ein Malter Haber Ziricher Maß, 10 Schill. Pfenn. für ein Schwein,
2 Herbit- und ein Faſtnachthuhn und zu Oftern 50 Eier. Er ſoll aud) alle
Dienfte tun nach der Herrichaft Gnaden. Da ift aud) eine Wideme!, die
entrichtet al8 Vogtrecht? 4 Mütt Kernen Zürcher Map. — Da liegen aud)
freier Yeute Güter, die entrichten auch al8 Vogtrecht 6 Mütt Kernen
Züriher Maß. — Da liegt aud eine Hofftatt und ein Gütlein, das zinjet
ein Schwein, das 3 Schill. wert fein joll, 5 Eier und ein Faſtnachthuhn. —
Da liegt auch eine Schuppos, die zinfet 3'/, Mütt Sternen, 2 Herbft: und
ein Faftnachthuhn und 18 Eier. — — Da ift auch eine Mühle, die eigen ift,
die zinjet 12 Mütt Kernen Züriher Maß, 2 Schweine, die beide 16 Schill.
wert fein jollen, 4 Herbſt- und 1 Faſtnachthuhn. Bon den vorgenannten freien
Yenten und Vogtleuten gibt jeglicher ein Faſtnachthuhn. Die Derrichaft bat
da Twing und Bann und richtet Diebe und Frevel. Die Yeute, die auf den
vorgenannten Gütern gejejfen find, haben in einem Jahr zum meiften 13 Pfund,
zum mindeiten 8 Pfund Steuer gegeben. Sie gaben aud) ein Jahr 17 Pfund,
und gejchah das nie mehr und mag auch nicht wohl mehr geichehen, denn die
Leute möchten es nicht erleiden.
Der Kelnhof zu Richembach Rickenbach), der eigen ift der Herrichaft,
der zinjet 15%/, Mütt Kernen, 5 Malter Haber Winterturer Maß, 3 Schweine,
von denen jeglides 10 Schilling wert ſein foll, 18 Pfenninge fiir Werg,
8 Hühner und 100 Eier. — Da ift auch ein anderer Kelnhof, der eigen ift,
der zinjet 15 Mütt Kernen, 5 Malter Haber, 3 Schweine, deren jegliches
10 Schilling wert fein joll, 18 Pfenn. für Werg, 8 Hühner und 100 Eier,
Bei Richembach liegt ein Hof, beift im Gerüte, der zinjet 6 Mütt Kernen
Winterturer Maß, 2 Malter Haber desjelben Maßes und ein Schwein, das
10 Schill. gelten joll, IS Penn. für Werg, 4 Hübner und 50 Eier. — In
dem Dorfe zu Michenbach liegen dann noch 7 Huben und eine Mühle,
die man aud für eine Hube zählet, und 11 Schuppoſen. Da zinfet jede Hube
'} Das einer Pfarrlirche gewidinete Gut. — ? Eine Abgabe der Freien und Gottes:
hausleute an den Inhaber der Vogtei, die man als Militärpflichteriag erklärt.
41
5 Mütt und ein Bierteil Kernen, Winterturer Maß, ein Schwein, das
10 Schill. wert fein joll, und 35 Eier und 3 Hühner. Jede von den
Schuppoſſen zinfet 11 Vierteil Kernen, ein Huhn und 12 Eier.
Die vorgenannten Huben und Schuppoffen find der Herrſchaft eigen.
Da ift auch eine Hofftatt in der Gaffen, die zinfet 2 Schill. Pfenn. Da liegt
auch eine Wieje, deren Heu führt man zu Hofe, davon wird wohl jährlid)
bis auf 8 Fuder. Bei der Wieſe liegt eine Rüte, die zinfet 2 Vierteil Kernen.
Es gibt auch jedermann em Faftnachthuhn. Die Herrichaft hat da Twing
und Bann und richtet Dieb und Frevel. Die Yeute desjelben Dorfes haben
in einem Jahre zum meijten 13 Pfund, zum mindeften 4 Pfund Steuer
gegeben. — — j
In dem Dorfe zu Sehein [Seen] liegt ein Kelnhof, der Yehen ift von
St. Gallen, der zinjet in zwei “Jahren jedes Jahr 20 Miütt Kernen, ein
Malter Haber, einen Mütt Bohnen, Züricher Maf, ein Schwein, das 8 Schill.
wert jein ſoll, 10 Hühner, 105 Eier; in dem dritten Jahre 15 Miütt Kernen,
ein Malter Haber, einen Mütt Bohnen, 8 Hühner und 80 Eier und auch ein
Schwein, das 7 Schill. gelten ſoll. — Da liegt auch eine halbe Schuppos, ꝛc.
— — — Es gibt jedermann ein Faftnachthuhn. Die Leute tun der Herr:
haft alle Dienfte na Gnaden. Die Herrfchaft hat da Twing und Bann
umd richtet Dieb und Frevel. Diejelben Yeute haben in einem Jahre zum
meiften 18 Pfund, zum mindeften 11 Pfund Steuer gegeben. Sie gaben
auch ein Fahr 27 Pfund, und geſchah das nie mehr und mag auch nicht
wohl mehr geichehen, denn die Yente möchten es nicht erleiden.
An den vorgenannten Gütern und an andern Gütern, die die Herridaft
an die Pfründen auf dem Heiligenberge! gegeben hat, da behält ſich
die Herrſchaft jelber die Ehre und die Gewalt vor, dar fie die Pfründen und
die Kirche leihen joll und niemand anders, da die Herrichaft rechte Stifter
iind. Diejelbe Kirche erträgt wohl an 10 Marf. Der Pfründen find viere;
von denen erträgt eine an 5 Mark, die andere an 6 Marf, die dritte an
8 Marf, die vierte an 4 Darf. Die Herrichaft behielt fich jelber die Vogtei
über die Kirche und über die Pfründen und über die Güter, die dazu gehören,
vor, und von derjelben Vogtei nimmt die Herrichaft Steuer von den Yeuten,
die die Güter bauen. — —
Zu Eſchaberg [Ejchenberg bei Wintertur] liegen zwei Schuppofien,
die eigen find, die zinſen 30 Schilling Zürcherpf. und 3 Schilling Wacht—
pfenning?. Der Hof zu Iberg, der eigen ift der Herrichaft, zinfet einen Mütt
Kernen, 5 Malter Haber, Zürcher Maß, 3 Schill. Pf., ein Schwein, das
8 Schill. gelten ſoll, 3 Hühner und 30 Eier. — — — Der Hof in dem
. Ehemaliges Chorherrenftift bei Wintertur, — .* Abgabe, die an den Burgwächter
für Bewachung der Burg entrichtet wurde,
42
Tanne Thaa bei Oberfeen], der eigen ift, zinjet 6 Vierteil Kernen, ein
Malter Haber, Winterturer Maß, ein Schwein, das 10 Schill. gelten foll,
ein Huhn und 12 Eier. — Eine Schuppos zu Sneytal!, zinfet 2 Mütt
Kernen. Die [feitgejegte Vogtjteuer, die da von dem freien Eigen und von
zwei Widemen zu Obra-Sehein [Oberjeen] [ein]geht, beträgt 2 Pfund
und 18 Pf. Die Herrichaft hat einen halben Zehnten zu Ejchaberg, ber
beträgt 5 Mütt Kernen, Winterturer Maf. Es gibt jedermann ein Faftnadht:
huhn. Die Yeute, die auf den vorgenannten Gütern gejejfen find, haben als
Steuer eines “Yahres zum meiften 11 Pfund, zum mindeften 9 Pfund gegeben.
Sie haben aud) ein Jahr 18 Pfund gegeben, und geſchah das nicht mehr
und mag auch nicht wohl mehr geichehen, denn die Yeute könnten es nicht
erleiden.
Der Kelnhof zu Velthein, der eigen ift der Herrichaft, zinjet 16 Meütt
Kernen, 6 Malter Haber, 4 Mütt Roggen, 2 Mitt Faſtmus?, Winterturer
Maß, 3 Schweine, deren jedes 5 Schill. wert fein foll, und 110 Eier,
12 Hübner. — Da liegen auch 10 Schuppofen u. ſ. w. — — — Da liegen
auch Weingärten, die haben als halben Teil 40 Saum zum meiften, 15 Saum
zum mindeften eingebracht. — Der Hof zu Aderen [Aderwieje in
Veltheim], der eigen ift, zinfet 3 Mütt Kernen, ein Malter Haber, Zürcher
Maf, ein Schwein, das 10 Schill. gelten fol, 4 Hühner und 45 Eier. — Zu
Yimper [Yindberg bei Wintertur) ift ein Hof, der eigen ift, der zinjet
4 Mütt Kernen, 2 Malter Haber, Winterturer Maß, ein Schwein, das
10 Schill, gelten fol, 3 Hühner und 30 Eier. — Da ift auch eine Schup-
pofje, die eigen ift, die zinfet 7'/, Vierteil Kernen, 6 Vierteil Roggen, einen
Mitt Faſtmus, ein Huhn und 10 Eier und 2 Schill. Wachtpfenminge auf
die Burg. Sie zinjet auch den Knechten, die des Weines hüten in der Trotte,
als Futter 2 Vierteil Haber, Züriher Maf, und 2 Hühner. — — — Die
Herrihaft hat da Twing und Bann und richtet Dieb und Frevel. Sie leihet
aud die Kirche zu Velthein, die bringt über den Pfaffen hinaus 8 Mark
Silber. Die Yeute der vorgeichriebenen Höfe und des Dorfes zu Velthein
haben in einem Jahre zum meiften 15 Pfund, zum mindeften 7 Pfund
Steuer gegeben. Sie haben auch ein Jahr 28 Pfund gegeben, und geſchah
das nie mehr umd mag auch nicht wohl mehr gejchehen, denn die Leute
möchten es nicht erleiden.
Die Hube zu dem niedern Orringen [Unter-Obhringen], die der
Herrichaft eigen ift, zinjet 28 Mitt Kernen, 6 Malter Haber, 6 Mitt Noggen,
! Wahrfcheinlih im Schneifel oder Schneislet, wie die Straße ob der Höhewies
in Seen im Winterturer Wald noch beute heit (Mitteilg. des Hrn. Pfarrer Meifter im
Seen). — ? Eigentlich Faftenfpeife ; man verftand darunter Früchte von Olpflanzen, Bohnen
und andere Hiljenfrüchte.
43
und 2 Mütt Faſtmus, Züriher Maß, 8 Schweine, deren jedes 7 Schill.
wert jein joll und 4 Pfenn. minder, 17 Hühner, 170 Eier. Die Höfe zu dem
Orringen, deren Eigenfchaft nach Krüzlingen [Rlofter Kreuzlingen im Thurgau]
gebört, gaben der Herrichaft als feitgejegte Vogtſteuer ein Pfund Penn.
Dasjelbe Pfund ift hernach in Steuermeife aljo hoch getrieben worden,
daR fie und die Yeute, die zu dem niedern Hofe zu Orringen gehören, mit
denen jie bisher gewöhnlich geiteuert haben und noch fteuern, zum meiften
12 Pfund, zum mindeften 8 Pfund gegeben haben. Sie haben auch ein Jahr
20 Pfund gegeben und gejchah das nie mehr und mag auch nicht wohl mehr
geichehen, denn die Yeute möchten es nicht erleiden. Die Herrſchaft hat da
Twing und Bann und richtet Dieb und Frevel Es gibt auch jedermann ein
Faſtnachthuhn.
Die Burg zu Wülfelingen und Leute und Gut, die die Herrſchaft
von Habsburg von alters her gehabt hat in den Dörfern zu Wülfelingen und
zu Buoch, ſind in das Amt zu Wintertur gelegt und alle die Güter und
Rechte, die zu den vorgenannten Dörfern gehören, und das iſt geſchehen ſeit
der Zeit, daß die Herrſchaft von Habsburg und von Kyburg einen Herren
gehabt haben. — — — An dem Büele Brühlberg zwiſchen Wülflingen
und Wintertur] liegen Rütinen, die zinſen 7 Mütt Kernen. An der Halden
liegt auch ein Weingarten und die Halde jelber gehört zu dem Turm der Burg
zu Wülflingen, was alles der Herrichaft eigen ift. — — Es gibt auch jeder:
mann, der die Hölzer nugnieffet, ein Huhn, und heißt das Holzhuhn. Das Dorf
zu Wilflingen und das zu Buoch dienen jährlich gen Kyburg zur Oftern mit
200 Eiern. Die Herrichaft hat an beiden Dörfern Twing und Bann und
richtet Dieb umd Frevel. Die Herrichaft leihet auch die Kirchen beidefamt zu
Wülfelingen und zu Buoch, und die zu Wiilfelingen bringt über den Pfaffen
30 Mark und die zu Buoch wohl an 18 Mark. Die Keller jeder der beiden
Kirchen follen den Pflegern der Herrichaft je in vierzehn Tagen einmal ein
Mittageifen geben, jo er da richten will mit 3 Pferden. Die Yeute der vor:
genannten Dörfer haben in einem “fahre zum meijten 12 Pfund, zum mindeften
7 Pfund Steuer gegeben. Sie haben auch ein Jahr 16 Pfund gegeben,
und geſchah das nie mehr und mag auch nicht mehr gejchehen, denn die Yeute
möchten e3 nicht erleiden.
Zu Wingarten!, da find 1'/, Hube und find der Herrichaft eigen, die
zinfen 15 Mütt Kernen, 6 Mütt Schmaljaat Züricher Maf, 7 Hühner, 75 Eier,
3 Schill. Pfenn. auf die Burg als Wachtpfenning und 6 Vierteil Haber den
Knechten, die des Weines hüten in der Trotte. — — Da liegt auch ein Wein:
garten, der eigen ift der Herrjchaft und der um den Halbteil hingeliehen ift;
| Berihwundener Ortsname; jo hieß der Weinberg am füdöftlihen Abhang des
Lindberges.
4
der hat als Halbteil in einem Jahre zum meiſten 61 Saum, zum mindeſten
30 Saum eingebracht. Die Herrſchaft hat da Twing und Bann und richtet
Dieb und Frevel. Die vorgenannten anderhalb Huben geben jährlich in den
Weingarten 15 Fuder Miſt.
Zu Wintertur und darin ſind 4 Kelnhöfe und 9 Huben, die der
Herrſchaft eigen find. [Folgen die Leiſtungen jedes Hofes und jeder Hube].
Bon den vorgenannten 4 Kelnhöfen und 9 Buben gibt jegliche jährlich)
10 Fuder Mift in den Weingarten zu Wingarten. Es gibt jedermann ein
Faſtnachthuhn. Die Herrichaft hat da Twing und Bann umd richtet Diebe
und Frevel. Die Yeute von Wingarten und von den vorgenannten Kelnhöfen
und Huben haben in einem Jahre zum meiften 22 Pfund, zum mindejten
8 Pfund Steuer gegeben. Sie haben auch ein Jahr 30 Pfund gegeben und
geichah das nie mehr und mag auch nicht wohl mehr geichehen, denm die Yeute
möchten es nicht erleiden.
Zu Wintertur liegen auch Gärten, Wiefen und Ader; die entrichten
bejonderen Zins, wie hienach geichrieben fteht, c. — — —
Die Rechtung in der Stadt zu Wintertur.
Dies find Nugungen und Rechtungen, die die Herrichaft hat in der Stadt
zu Wintertur.
Der Hauszins zu Wintertur und das Markrecht“!, das auf Wein-
gärten und auf Adern liegt, bringen 10 Pfund, 5 Schill. und 7'/, Penn.
Züricher ein. Das Maß an Korn wird jährlih auf 15 Pfund geihägt. Es
gibt jeder Saum Wein, den man vom Zapfen jchenkt, als Tavernengeld
6 Pfenning.
Von den Brotbädern gibt jeglicher, der feiles Brot bädt und an dem
rechten Markte fitet den Bach zu Wintertur hinauf und hinunter, zu Weih—
nachten 10 Schill., am St. Johannestag auch 10 Schill. Wer in den Gaffen
oder in den Vorſtädten geſeſſen ift, der gibt zu Weihnachten 6 Schill. und
auch am St. Johannestag 6 Schill. Der Zins heift die Pfiftri?.
Ein jeglicher Fleiſchhacker, der Fleiſch feil bat, gibt zu Weihnachten
2 Schill. und an St. Yobannestag auch 2 Schill.
Ein jeglicher gibt von zu verfaufenden Häufern oder Hofftätten dem
Schultheißen 2 Maß Wein und den Burgern 1 Vierteil Wein.
Die Zinfe und die Nutungen, die oben geichrieben ſtehen, ſammelt der
Schultheiß ein und von denjelben Zinjen und Nugungen und von 26 Pfunden,
die ihm der Zoller jährlich gibt von dem Zoll, und von den Nugungen, jo
Die Abgabe von den in der Mark, d. h. im Umfang von Wintertur gelegenen
Gütern. — * Bon lat. pistrina, Bäckerei.
— — — — —
— ——
— — —
45
er in der Stadt hat und unten geſchrieben ſtehn, entrichtet der Schultheiß alle
Jahre der Herrſchaft gewöhnlich bis auf 72 Pfund.
Dies find die Nutungen, die der Zoller hat, wovon er 26 Pfund gibt:
der Zoll, die Münze, Bankſchilling“ und Fronwage?.
Die Herrichaft hat da Twing und Bann und richtet Dieb und Frevel.
Die Herrichaft leihet auch die Kirche zu Wintertur; die erträgt an Korn
110 Stüde? und 10 Pfund Züricher und Opfer! und Seelgeräte ®.
Die Burger von Wintertur haben von fejtgejetter und alter Gewohnheit
ber 100 Pfund Pfenm. gegeben. Diejelbe Steuer hat ihnen die Herrichaft
erhöht, jo dar fie in einem Jahr zum meiften 150 Marf Silber, zum min:
deiten 60 Marf Silber gegeben haben, ohne die Steuer, jo fie bei dem Eide
gaben, da fie den 15. und den 20. Teil ihres fahrenden und liegenden Gutes
gaben, wovon fie die Summe jet nicht wiffen. Der Schultheiß leihet auch
das Hirtenamt und nimmt davon als Ehrihag® 5 Schill. oder 6 oder
zumeilen um 10 Schill. Der Schultheik joll auch von dem äußeren Amt einen
Forſter jegen, der nimmt feinen Yohn von jeder Ziege zu Maien 2 Pfenning
und zur Ernte von dem Mann, der zu jchmeiden hat, eine Garbe.
Dan foll auch wifjen, daß 9 Vierteil Zürder Maß 8 Vierteil Winter-
turer Maß tun. So tun 10 Ymmi ein Bierteil.
Bemerkung. — Die gewöhnlichen Geldforten in Oberdeutichland waren zur Zeit
der Abfaffung des Urbars die Pfenninge oder Denare [An]. Man rechnete nad
Marten, Pfunden, Schillingen und Pfenningen; aber nur der Pfenning war
wirklich vorhanden; Schillinge, Pfunde und Markt dagegen waren bloße Rechnungsmünzen.
Das Verhältnis vom Pfenning zum Schilling und vom Schilling zum Pfund war un-
veränderlih: 12 Pfenninge machten 1 Schilling, 20 Schilling oder 240 Pfenninge
1 Pfund. Dagegen wechielte das Verhältnis des Pfundes zur Mark, welch letstere ein be
ſtimmtes Gewicht hatte, mit der Zeit bedeutend. Schillinge und Pfenninge wurden nicht
gewogen, jondern gezäblt; die Mark dagegen wurde gewogen. Zur Zeit der Abfaffung des
Urbars galt die Mark Feinfilber [244,, Gramm) 50 Schillinge oder 2, Pfund. Das
Gramm Silber zu 20 Gt. angenommen, befaß die Mark mithin einen Metallwert von
circa 49 Fr., das Pfund einen folhen von 19 Fr. 60 Et., der Schilling einen folchen
von ca. 98 Et., der Pfenning einen folhen von ca. 8 Et... Die im Urbar angegebenen
Preife werfen ein Yicht auf den damaligen wirklichen Geldwert. Der Preis einer Kuh
'* Die Abgabe der Bäder und Mebger von den Brot- und Fleiſchbänken. — ? Die
öffentliche Wage. — * entweder = Miütt oder dann der zehnle Teil einer Mark Silber. —
+ Opfer — bie einer Kirche, befonders bei der Seelmefle zum Gedächtnis eines Verſtorbenen
dargebradjte Babe. — * Seelgeräte ift alles, was man zum Heil der Seele (feiner oder der
anderer) einer ee Anftalt für Seelmeſſen u. drgl. vermadt, ſodann legtwillige
Schenkungen und Bermäcdtniffe überhaupt. — * Sonjt eine Gebühr, die bei Veräußerung
eines Gutes oder bei fonftiger Veränderung desjelben, fei e8 durch Kauf oder Todesfall
des Befiters, an den Zins- oder Pehensherrn zu entrichten ift.
46
varürt zwifchen 12—21 Schilling, alfo zwifchen 11 Fr. 76 Et. und 20 Fr. 58 Ct., der—
jenige eines Schafes von 18 Pfenn. = 1 Fr. 44 Et. bis 31, Schill. = 3 Fr. 43 Ets.,
der eines Schweines von 2, Schill. = 2 Fr. 5 Cs. bis 15 Schill. = 14 Fr. 70 Ct.
Der Mütt Haber erfcheint zu 18 Pienning = 1 Fr. 44 Ct. angeichlagen; das Malter
Kernen, Rüdlinger Maß, zu 3 Schill. = 2 Fr. A Et., Menger, Sulger und Beringer
Maß zu 6 Schill. = 5 Fr. 88 Et., die Elle graues Tuh zu 1 Schill. = 8 Ct., die
Eile Leinwand zu 3 Pfenn. = 24 Ct., das Fuder Heu zu 1 Schill. = 98 Et., der Napf
Butter [7’, Bund] zu 20 Penn = 1 Fr. 60 Et., das Stüd Käfe zu 1—3 Pienn. —
8—24 Üt., der Ziger zu 3—10 Schill. = 2 Fr. 9 bis 9 Fr. 80, das Pfund Pfeffer
zu 1 Pfund 3 Schill, = 22 Fr. 54 Ct. Maß und Gewicht wechielten in ihrer Größe
von Yandihaft zu Yandichaft. Das Züricher Getreide-Biertel maß ca. 20,, Yiter, aljo der
Mütt — 4 Viertel = ca. 82 Liter, das Malter = 4 Mütt = 16 Viertel = circa
330 Yıter.
Die Münzen verfchlechterten fih im 14. Jahrhundert mit ſolcher Rafchheit, daß ſchon
1334 in Bern 3.8. 4 Pfund und 1377 5 Pfund 12 Schilling, 1421 ſogar 12 Pfund
auf die Mark Silber gingen. 1387 batte das Pfund in Züri etwa noch den Wert von
11 Fr. 55 Et., 1425 noch einen folden von ca. 6 ‚Fr. 20 Er., in Bern fogar nur einen
folden von 4 Fr. 30 Ct.
Zweiter Teil.
Die Bildung der ſchweizeriſchen Eidgenofenfdaft.
14. Der £reiheitsbrief der Urner von König Heinrich (VII..
26. Mai 1231.
Das lat, Original bei Tſchudi Chron. I. 125.'
Heinrich, von Gottes Gnaden König der Römer und allezeit Mehrer
des Reichs, seinen Getreuen, allen im Tale Uri niedergelassenen Leuten,
denen der gegenwärtige Brief erzeigt wird, seine Gnade und alles Gute!
Des Willens, allzeit das zu tun, was zu enrem Nutzen und Vorteil dienen
kann, haben wir euch hiemit von dem Besitze des Grafen Rudolf von
! Bei der —— dieser und der nächstfolgenden Urkunden wurde die Ver-
deutschung von J. Meyer, Gesch. des schweiz. Bundesrechtes I. zu Rate gezogen.
47
Habsburg losgekauft und befreit und versprechen euch, dass wir euch
niemals weder durch Verleihung noch durch Verpfändung von uns ver-
äussern, sondern euch stets zu unsern und des Reiches Diensten hand-
haben und schirmen wollen. Wir ermahnen daher eure Gemeinde mit
aufrichtigster Zuneigung, dass ihr in Betreff! der Einforderung unserer
Vogteisteuer und ihrer Bezahlung glaubet und tut, was unser Getreuer
Arnold von Baden [? de Aquis] euch in unserm Namen sagen und zu tun
heissen wird, auf dass wir eure bereitwillige Treue loben dürfen, weil
wir ihn mit Vorwissen unseres Rates zu euch abzuordnen für gut ge-
funden haben. Gegeben zu Hagenau am 26. Mai in der vierten Indiktion.
15. Der Zreiheitsbrief der Schwizer von Kaifer Friedrich IL.
Dezember 1240,
Das lat. Original abgebrudt von Wartmann im Archiv für ſchweiz. Geſch. XIII. p. 117.
Friedrich von Gottes Gnaden, Kaiser der Römer, allezeit Mehrer
des Reiches, König von Jerusalem und Sizilien, allen Leuten des Tales zu
Schwiz, seinen Getreuen, seine Gnade und alles Gute! Nachdem wir
Briefe und Boten von eurer Seite empfangen und uns durch dieselben
eure Bekehrung zu uns und angenommene Ergebenheit bewiesen und
kundgetan worden ist, kommen wir eurem lautern Willen mit gnädiger
und gütiger Zuneigung entgegen und loben eure Ergebenheit und Treue
nicht wenig deshalb, weil ihr den Eifer, den ihr allezeit für uns und
das Reich gehabt habt, durch wirksame Tat gezeigt habt, indem ihr
unter unsere und des Reiches Fittige, sowie ihr gehalten waret, Zuflucht
genommen habt, als freie Leute, die allein auf uns und das Reich Auf-
sehen haben mussten. Dieweil ihr also aus freien Stücken unsere und
des Reiches Herrschaft erwählt habt, empfangen wir eure Treue mit
offenen Armen und erwiedern eure aufrichtige Zuneigung mit der Lauter-
keit unserer Gunst und unseres Wohlwollens, indem wir euch unter unsern
und des Reiches besondern Schutz nehmen. So dass wir zu keiner Zeit
gestatten werden, euch aus unserer und des Reiches Herrschaft und Hand
zu veräussern oder zu entziehen. Indem wir euch dessen Sicherheit geben,
möget ihr euch freuen, die Fülle der Gnade und Gunst, welche ein
gütiger Herr auf seine Untergebenen und Getreuen ausgiessen soll, in
allem erreicht zu haben, so lange ihr in unserer Treue und Diensten
verharrt. Gegeben bei der Belagerung von Faenza im 1240. Jahre des
Herrn, im Monat Dezember der vierzehnten Indiktion.
48
16. Breve des Papſtes Innocenz IV. gegen Schwiz, Sarnen
und Luzern. 28. Auguft 1247,
Das lat, Original bei Wartmann, Ardiv XII p. 126.
Innocentius, Bischof, Knecht der Knechte Gottes, unserm geliebten
Sohne, dem Propst der Kirche zu Ölemberg', vom Orden des hl. Augustin,
im Bistum Basel, Gruss und apostolischen Segen. Durch Mitteilung unseres
geliebten Sohnes, des edeln Mannes Audolf des Ältern, Grafen von
Habsburg, haben wir vernommen, dass die Leute der Orte Subritz und
Sarmon?® im Konstanzer Bistum, welche ihm nach erblichem Rechte zu-
gehören, von der Treue und dem Gehorsam gegen ihn freventlich ge-
wichen sind und Friedrich, dem einstigen Kaiser, nach unserem gegen
ihn und seine Begünstiger gefällten Urteil der Ausschliessung aus der
Gemeinschaft der Gläubigen, leichtfertig angehangen haben, und, obwol
sie hernach, von heilsamern Ratschlägen geleitet, durch Eidleistung be-
kräftigt haben, dass sie fortan in der Herrschaft des genannten Grafen
beharren und wider ihn weder jenem Friedrich noch irgend einem andern
den mindesten (Fehorsam leisten werden, so stehen sie doch mit verdamm-
licher Verachtung jenes Eides und des gegen die Anhänger und Be-
günstiger des vorgenannten Friedrich verhängten Bannspruchs, mit Hint-
ansetzung endlich der Treue, indem sie sich jeder Herrschaft entziehen,
dem vorgenannten Friedrich gegen jenen und die Kirche nach Kräften
und Vermögen bei. Dieweil es aber billig ist, dass der Fluch über die-
jenigen komme, welche ihn lieben, und dass der Segen von denen, die
ihn nicht wollen, genommen werde, verfügen wir: Sofern sich die Sache
so verhält und die vorgenannten Leute nicht von demselben Friedrich
innerhalb einer von Dir ihnen anzusetzenden passenden Frist zur Einheit
der Kirche zurückkehren und sich befleissen, dem Grafen als ihrem derart
in Ergebenheit verharrenden Herrn zu gehorchen, wie sie verpflichtet
sind, so sollst Du sie, sowie auch die Leute der Stadt Luzern, wenn
Du festgestellt hast, dass sie mit jenen verkehren und dem vorgenannten
Friedrich anhangen, als _ dem Urteil des Bannes unterliegend erklären
und die genannten Orte und die Stadt Luzern mit dem Urteil des /nter-
diktes belegen und bewirken, dass beide Urteile kraft unserer Macht-
vollkommenheit, das Hindernis der Appellation an uns bei Seite gesetzt,
bis zu angemessener Genugtuung unverbrüchlich beobachtet werden, indem
Du im übrigen dabei verfahren wirst, wie es Dir gut scheint. Gegeben
zu Lyon am 28. Aug. im fünften Jahre unseres Pontifikats.
! Das Kloster Ölemburg liegt bei Reiningen im Sundgau. — ? So schreibt die
päpstliche Kanzlei missverständlich statt Switz und Sarnon.
49
17. Der ewige Bund der Waldflätte vom 1. Auguft 1291.
Tas lat. Original im Archiv Schwyz, abgedrudt in den Eidgen. Abſchieden J. S. 241.
Im Namen Gottes Amen. 1. Man sorgt für Ehrbarkeit und ist auf die
öffentliche Wohlfahrt bedacht, wenn man Bündnisse zu gebührendem
Bestand der Ruhe und des Friedens befestigt. Jedermann möge daher
wissen, dass die Leute des Tales Uri und die Landsgemeinde des Tales
von Schwiz und die Gemeinde der Waldleute des unteren Tales', in
Anbetracht der Arglist der Zeit, damit sie sich und das Ihrige eher zu
verteidigen und besser im gebührenden Stande zu bewahren vermögen,
in guten Treuen versprochen haben, sich gegenseitig beizustehen, mit
Hilfe, mit jeglichem Rat und jeglicher Gunst, mit Leib und Gut, inner-
halb der Täler und ausserhalb, mit ganzer Macht und aller Anstrengung,
gegen alle und einzelne, welche ihnen oder irgend einem von ihnen
irgend welche Gewalttat, Beschwerde oder Beleidigung zufügen und gegen
ihr Leib und Gut irgend etwas Böses im Schilde führen würden. 2. Und
anf jeglichen Fall hat jede Gemeinde der andern versprochen, ihr bei-
zuspringen, wann es nötig sein wird, Hilfe zu leisten, und in eigenen
Kosten, so weit es erforderlich sein wird, dem Angriff Böswilliger zu
widerstehen und Beleidigungen zu rächen, indem sie hierüber einen leib-
lichen ® Eid darauf geleistet haben, dies ohne Hintergedanken zu halten,
und die alte eidlich bekräftigte Gestalt des Bundes durch Gegenwärtiges
erneuern. 3. So jedoch, dass jedermann nach dem Stande seines Ge-
schlechtes gehalten sein soll, seinem Herrn nach Gebühr gehorsam zu
sein und zu dienen.
4. Wir haben auch in gemeinsamem Ratschlag und mit einhelligem
Beifall einander versprochen und beschliessen und verordnen, dass wir
in den vorgenannten Tälern keinen Richter, der dies Amt um irgend
welchen Preis oder um Geld irgendwie erkauft hätte oder der nicht unser Ein-
wohner oder Landsmann wäre, in irgend welcher Weise an- oder aufnehmen.
5. Wenn aber zwischen irgend welchen Eidgenossen Streit entstünde,
sollen die Einsichtigsten von den Eidgenossen herzutreten, um die Miss-
helligkeit zwischen den Parteien zu schlichten, wie es ihnen zu frommen
scheint, und dem Teil, welcher jene Richtung verschmähen würde, sollen
alsdann die andern Eidgenossen Gegner sein.
6. Über dies alles aber wurde zwischen ihnen festgesetzt, dass, wer
einen andern vorsätzlich und ohne Schuld tötet, falls er ergriffen wird,
das Leben verlieren soll; er sei denn im Stande, die Unschuld in betreff
der genannten Missetat zu erweisen, wie es seine verruchte Schuld er-
fordert, und wenn er etwa entweichen würde, soll er niemals zurückkehren.
Die Hehler und Schirmer des genannten Missetäters sollen aus den Tälern
verbannt sein, bis sie von den Verbündeten absichtlich zurückberufen
werden. 7. Wenn aber jemand einen von den Eidgenossen am Tage
oder in der Stille der Nacht vorsätzlich durch Feuer schädigen würde,
soll der nimmer für einen Landsmann gehalten werden. 8. Und wenn
! D. bh. Nidwaldens, das ursprünglich allein dem Bunde angehörte. Obwalden schloss
sich später an, indem man auf dem Siegel Nidwaldens die Worte beifügte: Et Vallis
Superioris, „und des obern Tales“. — * D. h. mit aufgehobenen Schwörfingern.
Oechsli, Quellenbuch. 4
50
jemand den genannten Missetäter schirmt und verteidigt innerhalb der
Täler, so soll er dem Geschädigten Genugtuung leisten. 9. Ferner,
wenn einer von den Verbündeten einen andern des Gutes beraubt oder
in irgend einer Weise schädigt, so soll das Gut des Schuldigen, wenn
es innerhalb der Täler gefunden werden kann, mit Beschlag belegt
werden, um den Geschädigten der Gerechtigkeit gemäss Genugtuung zu
verschaffen. 10. Überdies soll keiner den andern pfänden, er sei denn
offenkundig sein Schuldner oder Bürge, und dies soll nur geschehen mit
besonderer Erlaubnis seines Richters. Ausserdem soll jeder seinem Richter
gehorchen und, falls es nötig wäre, selber in dem Tale den Richter
nennen, vor welchem er eigentlich zu Recht stehen soll. 11. Und wenn
einer dem Urteil sich widersetzt und in Folge seiner Hartnäckigkeit
jemand von den Eidgenossen geschädigt wird, so sind sämtliche Ver-
bündeten gehalten, den vorgenannten Widerspenstigen zu zwingen, dass
er Genugtuung leiste.
12. Wenn aber Fehde oder Zwietracht zwischen irgend welchen
Eidgenossen entstehen würde und ein Teil der Streitenden sich weigert,
Recht oder Genugtuung anzunehmen, sind die Verbündeten verpflichtet,
dem andern zu helfen.
13. Diese obengeschriebenen zu gemeinem Wohle und Heile ver-
ordneten Bestimmungen sollen, so Gott will, auf ewig dauern, und zum
Beweis dessen ist auf Verlangen der Vorgenannten gegenwärtige Urkunde
gefertigt und mit den Siegeln der drei vorgenannten Gemeinden und
Täler bekräftigt worden. Geschehen im Jahre des Herrn 1291, zu Anfang
des Augustmonats.
18. Dreijähriges Bündnis zwifchen Zürich, Ari und Schwiz
gegen Ofreich. 16. Oktober 1291.
Staatsarhiv Zürich, abgedr, in den Eidgen. Abfhieden J. S. 22.
*
Illen, die dieſen Brief ſehen oder leſen hören, finden wir, der
Nat umd die Burger insgemein von Zurich, und wir Herr
Arnold der Meier von Silennun !, Yandammanı, und die
Yandleute insgemein von Ure umd wir Herr Chuonratab Iberg,
Yandammann, und die Yandleute insgemein von Zwiz, im Konſtanzer Bis-
tum, daß wir zufammen geichworen haben, von mm an bis Weihnachten und
von da auf drei Jahre, einander zu ſchirmen, zu raten und zu belfen gegen
männiglich mit diefen Bedingungen, wie biernady gejchrieben fteht. Was
immer gejchehen ift bis auf diefen Tag, darin jind wir nicht aneinander
gebunden. Hätte auch irgend ein Herr einen Mann, der jein ift, im einen
oder andern Teile, der joll ihm dienen, in der Gewohnheit, wie vor des
I Silenen.
51
Königes! Zeiten und nah Recht. Wenn jemand ihn weiter nötigen will,
den follen wir jehirmen. Wenn auch irgendwo der eine oder andere Teil
eine Feſte belagern will ohne der andern Rat und Willen, dazu find die
andern nicht verbunden. Iſt aber, daß ein Schade gejchieht im die Feſte?
mit Brand, mit Naub oder mit Gefangennehmung, da jind wir einander
verbunden, zu raten umd zu helfen gegen den, der es nicht vergütet nach
Recht. Wenn jemand denen von Ure oder denen von Swiz in ihr Yand
fahren? wollte, das jollen wir die von Zurich wehren mit aller unjerer
Macht. Meöchten wir aber dem nicht wehren, darum follen wir ihn an—
greifen mit Raub, mit Brand und mit allem, was wir darzu tun mögen.
Wäre auch, daß die von Zurich jemand anreiten * wollte an ihre Stadt, an
ihre Reben oder an ihre Bäume und die vermiüften wollte, das jollen wir
von Ure und von Swiz wehren mit aller unjerer Macht, und mit Raub
und mit Brand follen wir ihn angreifen. Iſt auch, daß jemand von ung
führt, der uns nicht gehorjam fein will, den foll der andere Teil nicht jchir:
men, ehe er wieder gehorjam wird. Iſt auch, daß wir, die einen oder an-
dern, zu jemand ſchwören, dann ift der andere Teil nicht dazu gebunden.
Auch haben wir von Ure und von Swiz, von Zurich jehs Mann genommen,
Herm Ruodolfen den Müllner, Herrn NRüedigen Manefjen den
ältern, und Herrn Ruodolfen von Beggenhoven, Ritter, Herm Walt:
bern von St. Petri, Herrn Wernhern Bibirlin und Herrn Chuon:
taten Ehrieg, Bürger. So haben wir die Burger von Zurich drei
Mann von Ure genommen, Herm Wernhern von Attigenhufen,
Herrn Burfarten, den alten Ammann, und Herrn Chuonraten den
Meier von Dertfhon? und von Swiz drei Mann, Herm Chuonraten
den Yandammann ab berg, Herrn Ruodolfen den Stonfaher umd
Herrn Ehuonraten Hunnen. Die zwölfe ſollen nad ihrem Ermefjen
von jedem der beiden Zeile dienen und helfen heißen, wie man ihrer denn
bedarf, ohne die Bedingungen, die hievor gejchrieben jtehen. Und wenn von
diejen zwölfen einer oder irgend welche jterben in dieſer Jahrzahl, jo find
die andern auf ihren Eid gebunden, einen andern zu geben binnen vierzehn
Tagen an des Geftorbenen ftatt. Und darum, daß dies ſtät bleibe dieſe
Jahrzahl aus, wie hievor gejchrieben fteht, jo hängen wir, der Nat und die
Burger von Zurich, die Yandleute von Ure, und wir die Yandleute von Swiz
unre Siegel an drei gleiche Briefe, die darum gegeben umd gemachet jind
zu einer rechten öffentlichen Urkunde. Diejer Brief ward zu Zurich gegeben
an St. Gallen Tag, in dem Jahre, da von Gottes Geburt waren zwölf-
bundert und ein und neunzig Jahre, da die Indiktion V war.
— — —
Nämlich König Rudolfs. — * Tſchudi lorrigirt: von der Feſte, was allerdings
eber einen Sinn gibt. — ? Fahren — ziehen, einfallen. — * Zu Roß angreifen. —
’ Eritielden.
52
19. Heinrich VII. [VIII] befiätigt den Schwizern den von Kaifer
Friedrich Il. erhaltenen Freiheitsbrief. 3. Iumi 1309.
Das lat. Original im Archiv Schwiz, abgedr. bei Wartmann, Archiv X. S. 14.
Heinrich von Gottes Gnaden König der Römer und allezeit Mehrer
des Reichs. Durch den Inhalt von Gegenwärtigem anerkennen und ge-
stehen wir öffentlich, das Schreiben des Herrn Friedrich, des Kaisers
der Römer, unseres Vorgängers göttlichen Angedenkens, weder durch-
gestrichen noch abgekratzt, sondern von jedem Fehl und Verdacht frei
gesehen zu haben, dessen Inhalt von Wort zu Wort als folgender erkannt
wird: Friedrich von Gottes Gnaden etc. [folgt der Text der Urkunde Nr. 15).
Wir bestätigen daher den Inhalt und die Form jenes Schreibens
und bekräftigen es, indem wir Gegenwärtiges mit dem Siegel unserer
königlichen Hoheit beglaubigen. Geschehen und gegeben zu Konstanz
im Jahre des Herrn 1309 den 3. Juni in der siebenten Indiktion im
ersten Jahre unserer Herrschaft.
20. Heinrich VII. erklärt Unterwalden für reidhsummittelbar.
3. Juni 1509.
Das lat. Original im Ardhiv von Obwalden, abgedr. bi Wartmann a.a.D. ©. 146.
Heinrich von Gottes Gnaden König der Römer, allezeit Mehrer des
Reiches, gemeinen Leuten im Tal /nterwalden, seinen Getrenen, seine
Gnade und alles Gute. Indem wir euren untertänigen Bitten gnädiglich
willfahren, bestätigen wir euch alle Freiheiten, Rechte, Vorrechte und
Gnadenverleihungen, welche euch durch die Güte der hochseligen römischen
Kaiser und Könige, unserer Vorgänger, zugestanden worden sind, mit
unserer Gunst und bekräftigen sie durch den Schirm gegenwärtiger
Schrift, die mit dem Siegel unserer königlichen Hoheit beglaubigt worden
ist, so lange ihr in unserer und des Reiches Treue und Diensten ver-
harret. Gegeben zu ÄAonstanz, im Jahre des Herrn 1309, den 3. Juni
in der siebenten Indiktion, im ersten Jahre unserer Herrschaft.
21. Heinrich VII. befreit Uri, Schwiz und Ulnterwalden von
jeder auswärtigen Gerichtsbarkeit. 3. JZuni 1309.
Das lat. Original im Archiv von Obwalden, abgedr,. bei Wartmann a. a. O. S. 146,
Heinrich von Gottes Gnaden König der Römer, allezeit Mehrer des
Reiches, gemeinen Leuten im Tal Uhnterwalden [des Tales in Schwiz,
53
im Tal Urach'], seinen Getreuen, seine Gnade und alles Gute. Von dem
Wunsche beseelt, euren Besorgnissen abzuhelfen und auf eure Erleichterung
zu denken, gewähren wir euch aus Gnaden durch gegenwärtige Schrift,
dass ihr, wofern nämlich denen, die gegen euch klagen, das schuldige
Recht nicht verweigert wird, in keiner Rechtssache oder Angelegenheit
vor das Gericht eines weltlichen Richters ausserhalb der Grenzen des
genannten Tales, mit Ausnahme jedoch des Hofgerichtes unserer Majestät,
gezogen werden dürfet, wofern ihr bereit seid, vor unserem Landvogt
innerhalb der Grenzen desselben Tales zu Recht zu stehen und zu tun,
was die richterliche Gewalt verfügt. Gegenwärtiges soll jedoch nur
Geltung haben, so lange es unserm Willen wohlgefällt.
22. Schlacht am Morgarten. 15. Mov. 1315.
Aus der lat. Chronik Johanns von Wintertur, herausgegeben v. &. von Wyß, S. 71,
mit Benugung der Überfegung von Freuler, S. 73.
Der Franziskaner-Mönch Johannes, geboren um 1300 zu Wintertur und daher
Vitoduranus genannt, verlebte daselbst seine Jugend, sah als Knabe den Herzog Leopold,
in dessen Gefolge sich auch sein Vater befand, 1315 von der Schlacht am Morgarten
heimkehıen, trat später in den Franziskanuerorden und lebte in verschiedenen Klöstern,
so 1340—47 in Lindau am Bodensee. Hier begann er 1340 eine lateinische Chronik zu
schreiben, indem er seine Erzählung mit der Regierung Kaiser Friedrichs II. anhob und
sie bis auf seine Zeit herunterführte. Im Vordergrunde seines Werkes stehen der Papst
und die Bettelorden; aber auch politische Ereignisse, Feuersbrünste, Lundplagen, Ver-
brechen und seltsame Begebenheiten aller Art, die er erlebt oder die ihm zu Ohren
kamen, finden darin ihre Stelle. So ist Vitodurans Chronik kein eigentliches Geschichts-
werk, sie besteht mehr aus vereinzelten Anekdoten und Notizen, denen der innere Zu-
sammenhang fehlt; aber sie gibt getreulich wieder, was in dem Kreise, in dem der
Mönch sich bewegte, als Tageskunde oder Überlieferung, als Eindruck, Empfindung oder
Begierde lebte und webte. Vom Jahre 1348, wo die Chronik schliesst, verschwindet
auch jede Spur vom Verfasser. Doch ist es wahrscheinlich, dass er sein Lebensende in
Zürich zubrachte, wo das Manuskript seines Werkes sich erhielt.
Zu dieser Zeit im Jahre des Herrn 1315 entzog sich ein Bauernvolk,
welches in den Tälern, genannt Schwiz, wohnte und überall von beinahe
himmelhohen Bergen geschirmt war, im Vertrauen auf die starke Schutz-
wehr seiner Berge dem Gehorsam, den Steuern und den gewohnten Dienst-
leistangen, die es dem Herzog Liipold schuldete, und rüstete sich zum
Widerstande gegen ihn. Das wollte der Herzog nicht hingehen lassen;
in grossem Zorn sammelte er um St. Martinsfest ein Heer aus den ihm
untertänigen Städten und andern in der Nähe gelegenen, die ihm Hilfe
leisteten, wie man sagt, 20,000 kriegsbereite Männer, um jene gegen ihn
aufrührerisch gewordenen Bergleute zu bekämpfen, zu berauben und zu
unterjochen. In diesem Heere hatte der Herzog Lüpold die stärkste, aus-
gewählteste, kampferfahrenste und unerschrockenste Ritterschaft. Es
! Das Schreiben ist für die drei Täler gleichlautend abgefasst worden.
54
kamen also die Männer dieses Heeres einmütig wie ein Mann zusammen,
um jene Bauern, die mit Bergen als Mauern umgeben waren, gründlich
zu bändigen und zu demütigen, und sie meinten ihres Sieges, der Ein-
nahme jenes Landes und seiner Beraubung und Plünderung so völlig
sicher zu sein, dass sie Stricke und Seile mit sich führten, um daran
die Beute an Schafen und Vieh weg zu führen. Als jene dies hörten
und in grosse Furcht gerieten, befestigten sie die schwächeren Stellen
des Landes und, wo zu ihnen ein Zugang sein konnte, mit Mauern und
Wällen und auf andere Weisen, wie sie konnten, und empfahlen sich in
Gebeten, Fasten, Prozessionen, Bittgängen Gott und besetzten alle Berg-
gipfel, und es wurde den einzelnen, bei welchen ein Durchpass stattfinden
konnte, in Auftrag gegeben, die Bergsteige, durch die ein Weg zu ihrem
Lande führen konnte, besetzt zu halten und da zu wachen, wo sie gesehen
hatten, dass der Weg zwischen den Bergen enge sei. Und sie taten, wie
ihnen befohlen worden war, und es schrie das ganze Volk in grosser
Inbrunst zum Herrn, und sie demütigten ihre Seelen in Fasten, die Männer
und ihre Weiber, und riefen einmütig zu Gott, dass doch nicht ihr Vieh
zur Beute und ihre Frauen zur Verteilung und ihre Ortschaften zur Aus-
rottung und ihre Ehre und Mannhaftigkeit zur Befleckung hingegeben
werden möchten. Daher beteten sie zum Herrn von ganzem Herzen, dass
er auf sie als sein Volk sehe, und sprachen: «Herr, Gott des Himmels
und der Erde, siehe an ihren Hochmut und blicke auf unsere Demut und
zeige, dass du die nicht verlässest, welche auf dich vertrauen, und de-
mütige die, welche auf sich vertrauen und sich ihrer Tugend rühmen.»
Dieses aber sagten sie, indem sie Busse taten, und wegen ihrer
Widerspenstigkeit baten sie aus allen Kräften um Gnade und Frieden
durch einen Herrn, den Grafen von Toggenburg, einen an Geist und
Körper ausgezeichneten Mann, welcher sich zum Vermittler beider Teile
aufwarf und bestrebt war, den Frieden zwischen ihnen herzustellen und
den ganzen Streit beizulegen. Nachdem dieser, um den Nutzen beider
Parteien zu betreiben, viel und redlich gearbeitet hatte, richtete er bei
dem Herzog Lüpold doch nichts aus, weil dieser, gegen die Schwizer
allzu erbost und von allzu grosser Wut entflammt, die ihm durch den
Grafen von Toggenburg angebotenen demütigen Bedingungen nicht an-
nehmen, sondern sie nur zermalmen und mit ihrem Gut vernichten wollte.
Als die Schwizer dies hörten, wurden sie von Furcht und Zittern ge-
schlagen. Es griffen also die Schwizer zu ihren Kriegswaffen und legten
sich an die Orte, wo der Weg eng war und der Pfad zwischen bergichten
Stellen hinleitete, und wachten da Tag und Nacht.
Am Tag des hl. Otmars nun suchte der Herzog Lüpold mit seinen
Kriegern zwischen einem Berge und einem See, Zgerisee genannt, in
das Land einzudringen, wurde aber wegen der Steilheit und Höhe des
Berges daran verhindert. Fast alle die edlen Ritter stellten sich nämlich,
von Begierde und Hofinung auf die zu erfahrenden Dinge entbrannt, kühn
im Vordertreffen auf; aber sie hatten nicht die Fähigkeit oder Möglich-
keit, den Berg hinanzureiten; denn die Fusssoldaten konnten kaum dort
fest auftreten oder Fuss fassen. Die Schwizer aber wussten durch ÖOffen-
barung des erwähnten Grafen voraus, dass sie auf jener Seite angegriffen
werden würden, und kannten die Hemmungen und Hindernisse der Feinde
55
wegen der Schwierigkeit des Zugangs zu ihrem Lande; deshalb rennen
sie mutig und beherzt aus ihren Verstecken gegen sie hinunter und fallen
sie wie Fische, die im Zuggarn eingeschlossen sind, an und machen sie ohne
allen Widerstand nieder. Sie waren nämlich nach ihrer Gewohnheit an
den Füssen mit gewissen Instrumenten, mit Fusseisen angetan, mittelst
deren sie leicht auf noch so abschüssigen Bergen fest auftreten und auf
der Erde Fuss fassen konnten, während die Feinde und die Pferde der
Feinde ihre Füsse durchaus nicht zu stellen vermochten. Es hatten auch
die Schwizer in den Händen gewisse Mordwaffen, die in jener Volks-
sprache Helnbarten genannt werden und sehr furchtbar sind, mit welchen
sie die noch so stark bewaffneten Gegner wie mit einem Schermesser
zerteilten und in Stücke hieben. Da war nicht ein Kampf, sondern in
Folge der angeführten Ursache so zu sagen nur ein Schlachten des Volkes
Herzogs Lüpolds durch jene Bergleute, wie einer zur Schlachtbank ge-
führten Herde. Niemanden verschonten sie, noch auch bemühten sie sich
einige zu fangen, sondern sie schlugen alle tot ohne Unterschied. Die-
jenigen aber, welche von ihnen nicht getötet wurden, ertranken im See,
durch welchen sie den Händen derselben zu entfliehen wähnten, in der
Hoffnung, ihn durchschwimmen zu können. Einige vom Fussvolk, welche
hörten, dass ihre tapfersten Kämpfer von den Schwizern so grausam tot
geschlagen würden, warfen sich, vor Schrecken vor einem so schauder-
haften Tode sinnlos und verwirrt, in den See und wollten sich lieber in
die Tiefe des Wassers versenken, als so schrecklichen Feinden in die
Hände fallen. Es sollen aber in jenem Gemetzel 1500 Mann der Schärfe
des Schwertes erlegen sein, ohne diejenigen, die im genannten See er-
tranken. Wegen der dort zu Grunde gegangenen Ritterschaft war in
den umliegenden Landen lange Zeit die Ritterschaft dünner gesät; denn
fast einzig Ritter kamen dort um und andere von den Jugendjahren an
in den Waffen geübte Edle. Diejenigen aber, welche andere Wege zur
Einnahme des Landes eingeschlagen hatten, entgingen den blutgierigen
Händen der Feinde; denn als sie hörten, dass die andern von den Feinden
so grausam niedergehauen würden, liessen sie alles im Stich und flohen,
das Leben zu retten. Aus einzelnen Städten, Burgen und Flecken wurden
mehrere getötet, und deshalb verstummte überall die Stimme der Freude
und des Jubels, und wurde nur die Stimme des Weinens und Wehklagens
gehört. Aus der Stadt Wintertur aber kam keiner um, ausser einem
Bürger, welcher sich von den andern getrennt und sich zu seinem Unheil
den Edeln angeschlossen hatte; die übrigen kehrten alle mit heilem
Körper und ganzer Habe nach Hause. Unter ihnen kam auch der Herzog
Lüpold zurück und schien halbtot vor übermässiger Trauer. Das habe
ich mit eigenen Augen gesehen, weil ich damals ein Schulknabe war
und mit andern ältern Schulknaben meinem Vater vor das Tor mit
nicht geringer Freude entgegenlief. Mit Recht aber erschien das Antlitz
des Herzogs Lüpold traurig und verstört, weil er den Kern und die Blüte
seines Heeres beinahe eingebüsst hatte. Dies aber geschah, da sein Bruder
Friedrich inzwischen in Östreich weilte, im Jahre des Herrn 1315, am
15. November am St. Otmars-Fest. Als der Kampf vorüber war, zogen
die Schwizer den Getöteten und Ertrunkenen die Waffen aus, beraubten
sie auch ibrer übrigen Habe und bereicherten sich sehr an Waffen und
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Geld, und sie beschlossen, an jenem Tage für den von Gott erhaltenen
Sieg einen Fest- und Feiertag jedes Jahr in Ewigkeit zu begehen.
23. Der drei Waldfätte Bund vom 9. Dezember 1315.
Arhiv Schwiz, abgedr. in den Eidgen. Abſchieden J. S. 24.
In Gottes Namen Amen. 1. Da menjchlicher Sinn blöde und ver-
gänglich [ift], dag man der Sachen und der Dinge, die langwährend und ftät
bleiben jollten, jo leicht und fo bald vergiffet, deshalb jo ift es nützlich und
notwendig, dab man die Sachen, die den Yeuten zu Frieden und zu Gemach!
und zu Nutz und zu Ehren aufgejeget werden, mit Schrift und mit Briefen
wilfend umd kund gemachet werden. Darum fo fünden und eröffnen wir, die
Yandleute von Ure, von Swiz und von Underwalden alfen denen,
die diefen Brief lefen oder lefen hören, 2, daß wir darum, dak wir uns
verjehen und hüten gegen die Härte und Strenge der Zeit und wir deſto
bejjer mit Friede und mit Gnaden bleiben möchten und wir unſern Yeib umd
unſer Gut defto befjer bejchirmen und behalten möchten, jo haben wir uns
mit Treuen und mit Eiden emiglich und ftätiglich zufammen verfichert und
und gebunden aljo, daß wir bei unferen Treuen ımd bei unferen Eiden ge-
fobt und geſchworen haben, einander zu belfen und zu raten mit Yeib und
mit Gut in unjeren Koften innerhalb [des] Yandes und auferhalb, wider alle
die und wider einen jeglichen, der uns oder einem von uns Gewalt oder Unrecht
täte oder tun wollte an Yeib oder an Gut, 3. und geſchähe darüber einem
von ums ein Schade an feinem Leib oder an feinem Gut, dem jollen wir
beholfen jein des bejten, jo wir mögen, daß es ihm vergütet oder zurüd:
erjtattet werde in Minne oder im Recht ?.
4, Wir haben auch das uns auferlegt bei demjelben ide, daß ſich
feines von unjeren Yändern, noch irgend einer von uns beberren oder irgend
einen Herren nehmen joll ohne der andern Willen und obne ihren Nat.
5. Es ſoll aber ein jeglicher Menſch, es ſei Weib und Dann, jeinem rechten
Derren oder jeiner rechten Derrichaft glimpflicher Dienfte geborfam fein, ohne
die oder den Herren, der eines der Yänder mit Gewalt angreifen wollte oder
unrechter Dinge nötigen wollte; dem oder denen joll man dieweil feinen
Dienst tum, jo lang jie mit den Yändern ungerichtet find ®, 6. Wir find auch
darin übereingefommen, daß Feines der Yänder noch der Eidgenoſſen einer
einen Eid oder eine Zufage zu den Auferen * tue obne der andern Yänder
‚. + Rube, vrgl. Ungemah. — * D. b. durch gütlichen Vergleich oder Durch richter-
lichen Entſcheid. — * Nicht Friede gemacht haben. — * Auswärtigen, Fremden.
m ED — —rer T,, —
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oder Eidgenofjen Nat. 7. Es foll auch feiner unferer Eidgenofjen irgend ein
Geipräh * mit den Auferen haben ohne der andern Eidgenoffen Rat oder
ohne ihre Erlaubnis, dieweil daß die Yänder unbeherret find. 8. Wäre auch
jemand, der eines der Yänder verriete oder hingäbe oder der vorgejchriebenen
Dinge eines bräche oder iüberträte, der foll treulos und meineid fein, und joll
jein Yeib und jein Gut den Yändern verfallen fein. 9. Dazu find wir überein:
gefommen, daß wir feinen Richter nehmen noch haben jollen, der das Amt
faufe mit Pfenningen oder mit anderm Gute, und der auch unſer Yandınann
nicht jei.
10. Wäre auch das, daß ſich eine Mißhelligkeit oder ein Krieg anhöbe
oder erftünde unter den Eidgenoffen, darzu follen die Beften und die Wigigften
fommen und follen den Krieg und die Mifhelligfeit jchlichten und beilegen nad)
Minne oder nad) Recht. Und wenn einer von beiden Teilen das verweigerte,
jo jolfen die andern Eidgenofjen dem andern zur Minne und zum Recht be-
bilflich fein auf jenes Schaden, der da ungehorjam iſt. 11. Würde auch ein
Zwiſt oder ein Krieg zwijchen den Yändern, und wollte eines von ihnen von
dem andern weder Minne noch Recht annehmen, jo joll das dritte Yand das
gehorjame jchirmen umd ihm zu Minne oder Necht behilflich jein.
12. Wäre aud), daß der Eidgenofjen einer den andern totjchlüge, der
joll auch den Yeib verlieren, er möge denn bewähren, da über ihn geurteilet
wird, daß er es aus Notwehr für feinen Yeib getan habe. 13. Iſt aber,
daß er entweicht, wer ihn dann hauſet, hofet ? oder jchirmet innerhalb des
Yandes, der joll von dem Yande fahren und foll nicht wieder in das Yand
fonımen, bis daR ihn die Eidgenoffen mit gemeinem Mate wieder einladen.
14. Wäre aud) das, daß der Eidgenofjen einer den andern böswillig oder
freventlich brennte, der joll nimmermehr Yandınann werden, und wer ihn
baufet oder hofet oder herbergt, der joll jenem feinen Schaden vergüten.
15. Wäre auch das, daß unjerer Eidgenoffen einer den andern mit Raub
oder anders ohne Recht jchädigte, findet man von deſſen Gut etwas innerhalb
des Yandes, damit joll man dem Stläger feinen Schaden vergüten. 16. Es
joll auch niemand den andern pfänden, er jei dann Schuldner oder Bürge,
und ſoll es dennoch nicht tun, außer mit feines Richters Erlaubnis. 17. Es
ſoll auch ein jegliher Dann jeinem Richter gehoriam jein und jeinen Richter
zeigen innerhalb des Yandes, vor dem er zu Necht jtehen ſoll. 18. Wenn auch
einer dem Gericht miderftünde oder ungehorfam wäre und von jenem
Ungehorſam der Eidgenofjen einer in Schaden käme, jo jollen ihn die Eid:
genofjen zwingen, dak den Schadhaften ihr Schaden von ihm vergütet werde,
19. Und damit daß die vorgefchriebene Zicherheit? und die Bedingungen
' Unterredung, Verhandlung. — ? In feinem Haus oder Hof anfnimmt. — ? Ber:
fiherung, Gelöbnis, Vertrag.
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ewig und ftät bleiben, jo haben wir die vorgenannten Yandleute und Eidgenoffen
von Ure, von Swiz und von Underwalden unjere Siegel gehängt an diejen
Brief, der ward gegeben zu Brunnen, da man zählte von Gottes Geburt
dreizehnhundert Jahre und darnach in dem fünfzehnten Jahre, an dem nächſten
Dienftag nah St. Niklaus Tag.
24. Erſter Friede der drei Waldfätten mit öſtreich.
19. Iuli 1318.
Eidgenöffifhe Abſchiede J. S.24.
Allen denen, die diefen Brief ſehen oder leſen hören, tun Fund und
erflären wir, die gemeinen Yandleute in den Waldftätten zu Ure, zu Ewiz
und zu Underwalden, daß wir von des Krieges wegen, jo wir hatten mit
den bocdhgeborenen Fürſten und Herren, den Derzogen von Oſterrich, einen
getreuen guten Frieden angenommen und gegeben haben, ohne alle Gefährde,
allen, es feien Herren, Ritter, Piaffen, Burger oder Knechte, Weiber oder
Kinder, wie die auch beiken, die den vorgenannten Herren, den Herzogen von
Ofterrich und ihren Dienern angebören, von jest an bis Ende Mai, des näch—
ften, der nun fommet, und den Tag inbegriffen, und find darin überein-
gekommen insgemein, obne alte Gefährde, mit den edeln Herren und Rittern,
Herrn Deinrich von Griefenberg, Herm NRuodolf von Arburg und
Herrn Hartmann von Ruoda, Pflegern und Amtleuten der vorgenannten
Derren Derzoge, unter den Bedingungen, wie hienach geichrieben fteht. — —
‚Zum erjten jo erflären wir, daß die vorgenannten Herren, die Herzoge
von Oſterrich, ihre Höfe, die in unſern vanden gelegen ſind, die ſie inne hatten
zu Kaiſer Heinrichs VIII. geiten, innehaben, entſetzen und beſetzen! ſollen
während dieſes Friedens, mit den Yandleuten, da die Höfe gelegen find, mit
Steuern, mit Zinfen und mit Gerichten, wie es bisber gemwöbnlich geweſen
it. Und geichäbe es auch, dar in diefem felben Frieden irgendwelche Pfründen
oder Yeben ledig würden, die die vorgenannten Herzoge oder jemand anders
vor dem Kriege leiben joltten oder verlieben batten, daran ſollen wir fie nicht
irren mit feinen Dingen, die ibnen ſchädlich fein oder werden möchten. Es jell
auch männiglich, es ſeien Klöſter, Pfaffen, Laien, Weib oder Mann, wie ſie auch
beißen, die irgend welche Giner oder Einkünfte in unſern Yanden und reiten, die
uns angebören, baben, ihre Güter und ibre Einkünfte genießen und haben
in dieſem Frieden, wie jie auch ver dem Kriege taten. Auch jellen wir, die
ı Fin Gut befegen mit Leuten S Leute darauf ſetzen; entiegen, bielen ihren Beſitz
entzirben,
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vorgenannten Landleute von Ure, Swiz und von Underwalden und die bei
uns figen, alle unfere Güter genieken, wo die gelegen find in der Herrſchaft
Gewalt draußen, wie auch jie bier innen, gänzlih, wie wir vor der Fehde
taten. Würde aber jemand daran verhindert mit irgendwelchen Dingen, der
jell darüber das Recht juchen und fordern im dem Land umd im dem Gericht,
da er den Schaden hat. Würde aber der da rechtlos gelaffen, der foll jein
Hecht anderswo juchen, wo er will. — —
Was auch für Schulden aufgelaufen find, jeit der Krieg angefangen
ward, die foll man bezahlen und berichtigen, ohne alle Gefährde auf beiden
Zeiten, ohne das, was in Raubes Weije oder von Gefangennahme oder von
Brandes wegen bergefommen ift. Was aber alte Schuld vor dem Krieg
gewejen iſt, darım ſoll niemand den andern nötigen, mit feinen Dingen, die:
weil der Friede währet, er tue es denm gerne !.
Wir erflären auch, daß wir uns einzeln oder inSgemein niemand zu
etwas verpflichten oder behilflich jein jollen während diejes Friedens, was
den vorgenannten Herzogen und ihren Dienern jchädlich jein möchte. — —
Wir find auch auf beiden Seiten übereingefommen, und haben einander
gelobt, daß niemand den Frieden abjagen joll von jett am bis zu dem Ziel,
auf das er gemacht ift und mie vorgejchrieben ſteht. Es ift auch feſtgeſetzt
und gelobt, daR die vorgenannten Herren die Herzoge und ihre Diener in
diefem jelben Frieden ung nicht beläftigen oder angreifen jollen mit feinen
geiftlichen oder weltlichen Gerichten, noch bi8 dahin auf unſern Schaden oder
unjere Schmach jinnen oder etwas tun, was uns insgejamt ſchädlich wäre.
Würden auch Yeute oder Gut genommen oder weggetrieben durch Raub oder
Diebjtahl über die Grenzen, wie fie uns bejtimmt find, das jollen der vor:
genannten Herzoge Amtleute aufhalten und anhalten, wenn fie das vernehmen,
bis daß uns darüber Recht wird.
Wäre es auch, daß jemand wider den Frieden handelte, auf der einen
oder andern Seite, außer Yandes oder in dem Yand, das joll niemand an:
derem irgend wie zum Schaden gereichen, außer dem, der die Tat begeht,
und joll man über ihn richten als über einen friedbrüchigen Mann, er ſühnte
es denn innerhalb acht Tagen.
Dean joll auch wiſſen, daß männtglich Friede haben ſoll, in unjere Yänder
aus- und einzufahren, mit Kauf und ohne Kauf zu uns und von uns ohne alle Ge:
fährde, außer denen, welche den Totichlag mit der Hand getan haben. — —
Wir jollen auch Friede haben, zu ihnen zu fahren bis zu diefen Grenzen:
gen Yuzerren, joweit der Burger Gericht geht, und gen Zug in die Stadt umd
gen Egre? und von Egre die Strafe, die durch den Wald geht bis gen
Zug. Wir jollen auch Friede haben gen Glarus und gen Weſen und bis
D. h. der Schuldner braucht nur zu bezahlen, wenn ev es gern will, — * Aegeri,
60
gen Inderlappen in die Stadt. An diejen jelben Stätten follen wir Friede
haben, hin- und herzufahren über Yand und über Zee, von den vorgenannten
Herren den Herzogen von Ofterrih und von allen ihren Dienern und von
jedermann ohne alle Gefährde.
25. Zur Sage von der Befreinng der Waldfätte.
a. Juſtinger. Um 1420,
uftingers Bernerchronif, beransgeg. von Studer, ©. 45.
Im Jahre 1420 erhielt Konrad Auftingtr, gewejener Stadtichreiber von Bern,
von Rat und Zweibundert den ebrenvollen Auftrag, der Stadt „vergangene und große
Sachen“ der Wahrheit gemäß aufzuzeichnen. Auftinger unterzog fih der Aufgabe und
ichrieb die Chronil Berns von feiner Gründung bis zum Jahr 1421. Sonſt tft von feinem
Leben weiter nichts befannt.
Da, vor alten langen Zeiten, ehe dak Bern geftiftet ward, hatten die
drei Waldftätten, Schwiz, Uri, Unterwalden, große Kriege, des erjten mit der
Herrſchaft von Kyburg, darnach mit der Herrihaft von Habsburg, zuletzt
mit der Derrichaft von Oſtreich. Und war der Kriege Urfprung: Als die
von Shwiz und von Unterwalden zugebören follten einer Herrichaft von
Habsburg und Uri an das Gotteshaus zum Frauenmünfter Zürich,
nun hatten jich die von Uri von Alters her verbunden mit den andern zwei
Waldftätten. Nun war Urjache des Krieges, daß der Herrichaft ihre Vögte
umd ihre Amtleute, jo fie in den Yändern batte, über die rechten Dienfte [hin-
aus] neue Nechte und neue Fünde fuchten und über die alten Yeiftungen
(hinaus), die fie dem Neich, von dem fie verſetzt waren, getan hatten; aud)
waren die Amtleute gar freventlich gegen fromme Yeute, Weiber, Töchter und
Jungfrauen, und wollten ihren Mutwillen mit Gewalt treiben, was aber die
ehrbaren Yeute auf die Yänge nicht ertragen mochten: und widerſetzten ſich
alfo den Amtleuten. Alſo erhob fich große Feindſchaft zwiichen der Derrichaft
und den Yändern, und jtärfte jich die Herrſchaft wider die Yänder. Die
von Schwiz juchten auch eifrig Dilfe bei ihrer rechten Herrſchaft, dem rö—
miſchen Reich, dem fie auch zugehören und das mit guten Majeftätsbriefen
wohl beweilen; dazu taten die von Zchwiz vor alten Zeiten eine große Dilfe
einem römischen Könige gen Eligurt! und des Weges hin und waren da jo
D. i. Hericourt. Es liegt dieſer Bemerkung die verſchwommene Erinnerung an
einen Kriegszug König Rudolfs von Habsburg gegen Beſançon im — 1289 zu Grunde,
auf weldem 1200 ar ihn begleiteten umd ſich auszeichneten. . Kopp, Geſch. der
eidg. Bünde, II. .4i,
We
61
mannlih, daß ihnen der König an ihr rotes Panner das heilige Neich gab,
d. i. alle Waffen und Inſtrumente der heiligen Marter unferes Herren Jeſu
Ebhrifti. Und da nun die Herrichaft von Habsburg jo lange Zeit gefrieget
hatte gegen die Waldftätte, daß fie zulegt mild wurde, da fuchte fie Hilf und
Rat bei der Herrichaft von Oftreih. Da fam es alfo, dag die Herridaft
von Öjtreih denen von Habsburg eine Summe Geldes gab
um ihre Gerehtjame, und aljo gewann eine Herrſchaft von Oſtreich
Recht an die Waldftätten; wie viel aber der Geredtjame waren,
das hab ich eigentlih nicht vernommen; darum fo laß id es
bleiben. Da nun das etwas Zeit gewährt, da ſuchten der Herrichaft Amt-
leute abermals neue Fünde und fremde Zumutungen, die aber die Yänder
nicht leiden mochten. Alfo erhob ſich Krieg zwifchen der Herrſchaft Öftreich
und den Waldftätten lange Zeit, und es erwehrten fich die drei Waldftätte
der großen Herrichaft, wiewohl fie niemand hatten, der ihnen behilflich wäre;
Yuzern, Zug, Glarus, Entlibuch, Unterfee und was an fie jtieß, gehörte alles
der Herrichaft zu, und das trieben fie fo lange, bis daR die Herrichaft fie
überziehen wollte und fie mit Kraft bezwingen. Dies währte jo lange, bis daß
man zählte 1315 Jahr. Da war zu den Zeiten Herzog Lüpold von Oftreich,
der jammelte fich mit feiner Macht, mit Herren, Rittern und Snechten, feinen
Dienern, und fie zogen mit großem Volfe gen Egeri und dachten, wo fie
fümen in das Yand gen Schwiz. Da ward geraten: an Morgarten unterm
Sattel. [Folgt die Erzählung der Schlaht am Morgarten.]
b. Felix Hemmerlin, um 1450.
De Nobilitate et Rusticitate Dialogus, Bl. CXXX.
Felix Hemmerlin, der unglückliche Zürcher Chorherr, schrieb gegen Ende des alten
Zürichkrieges (1448—50) eine lateinische Streitschrilt „De nobilitate et rusticitate*
(äber den Adel und die Bauerschaft), worin er seinem leidenschaftlichen Hass gegen
das schweizerische Bauernvolk uuverhüllten Ausdruck gab. Insbesondere strotzt das
vorletzte Kapitel 33: „über die Völker, welche Schwizer oder Schweizer genannt werden,*
von den wütendsten Ausfällen gegen die Schwizer.
Einst war ein Graf von Habsburg, welchem das Haus der Herrschaft,
der erlauchten Herzoge von Östreich nämlich, seinen Ursprung verdankt,
der natürliche Gebieter der Schwizer in dem genannten Tale Art und
hatte in einem Schloss Lowerz einen Burgvogt eingesetzt, der in seinem
Namen das ganze Tal regieren sollte. Dieser wurde von zwei Schwizern
erschlagen, weil er ihre Schwester verführt hatte. Und als der Graf
dieselben für ihre Freveltat zu bestrafen beschlossen hatte, verschworen
sich mit jenen beiden zwei andere Schwizer, ihre Verwandten, gegen
ihren Herrn. Hierauf mit diesen zehn andere, und mit diesen zwanzig,
und nach und nach kündeten alle Bewohner jenes Tales ihrem Herrn
den Gehorsam völlig auf, verbanden sich unter einander und zerstörten
das genannte Schloss, dessen Spuren noch heute mitten in einem See
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sichtbar sind, und legten so den ersten Grund zu der Eidgenossenschaft.
Dies vernahmen benachbarte Bergleute, welche gewöhnlich Unterwaldner
genannt werden, — — und, während ihr Herr, ein Edler von Landenberg,
zu Weihnachten die Frühmesse besuchte, drangen sie in sein Schloss
Sarnen, vertrieben ihn und zerstörten zuletzt das Schloss und verbündeten
sich mit den genanuten Schwizern gegen ihren Herrn. Hernach .
zerstörten die Luzerner das Schloss Rotenburg und verbündeten 'sich
mit den vorgenannten Schwizern und mit diesen Eidgenossen hierauf die
Berner. Dann die Stadt Zug, dann das Tal Uri, welches unter der
Herrschaft der Äbtissin von Zürich stand. Dann verbanden sich die Leute
vom Tal Glarus, welche unter der Herrschaft der Äbtissin von Säckingen
gestanden hatten, mit ihnen. Dann schlossen sich die Zürcher der Eid-
genossenschaft an, unter Vorbehalt des kaiserlichen Rechtes, an das sie
als Reichsstadt gebunden waren. — —
e. Die Sage von dem Schüsen Tofo, Um 1200.
Überiegt aus dem Latein. des Saro Grammaticus, Hist. Dan. 1. X. p. 184 (ed. 1610).
Saxo, zubenannt der Grammatiker, ein dänischer Geistlicher (F 1204), schrieb im
12. Jahrhundert eine grosse Geschichte seines Vaterlandes, die freilich durchaus sagenhaft
ist, da er seinen Stoff fast ausschliesslich aus alten Liedern und mündlicher Überlieferung
schöpfte. Unter seinen Erzählungen hat diejenige vom Schützen Toko und dem König
Harald Blauzahn (936— 986) eine gewisse Bedeutung für die Schweizergeschichte erlangt,
da man in ihr das Prototyp für die Tellssage gefunden zu haben glaubt.
y — in gewisser Toko, der längere Zeit in des Königs Sold ge—
— standen, hatte sich im Dienst, in welchem er seine Kameraden
an Eifer übertraf, manche zu Feinden seiner Tugenden ge-
macht. Derselbe rühmte sich zufällig in einem Gespräch,
welches er, etwas trunken, mit Zechgenossen hatte, er sei durch reichliche
Übung im Bogenschiessen so erfahren, dass er einen auch noch so kleinen
Apfel, der in einiger Entfernung auf einen Stock gelegt würde, im ersten
Schusse treffen wolle. Diese Äusserung ward zunächst von seinen Neidern
aufgefangen und kam auch dem Könige zu Ohren. Aber alsbald ver-
wandelte die Gottlosigkeit des Fürsten das Selbstvertrauen des Vaters
in eine Gefahr für den Sohn. indem er befahl, das süsseste Pfand seines
Lebens an des Stockes Statt hinzustellen. Und wenn der Urheber des
Versprechens demselben den aufgelegten Apfel nicht im ersten Pfeilschuss
vom Haupte) schösse, so werde er sein eitles Prahlen mit dem eigenen
Kopfe büssen. So nötigte der Befehl des Königs den Soldaten, Grösseres
zu vollbringen, als er versprochen. da die Nachstellungen fremden Neides
die in der Trunkenheit hingeworfene Äusserung übel auslegten.
Aber seine unerschütterliche Mannhaftigkeit, obwohl in die Schlingen
des Neides verstrickt. liess das gerechte Selbstvertrauen seiner Seele
nicht sinken. Ja, er nahm das Wagestück mit um so grösserer Zuversicht
auf sich, je schwieriger es war. Daher ermahnte Toke den zur Stelle
geschafften Jüngling eifrig, mit unbewegten Ohren und ungebeugtem
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Haupte so standhaft als möglich den heranschwirrenden Pfeil zu erwarten,
damit er nicht durch eine leichte Körperbewegung die Erfahrung der
wirksamsten Kunst zu schanden mache. Ausserdem liess er ihn, in der
Absicht, die Furcht zu mindern, sein Antlitz abkehren, damit er nicht
durch den Anblick des Geschosses erschreckt werde. Hierauf nahm er
drei Pfeile aus dem Köcher heraus und traf mit dem ersten, den er auf
die Sehne legte, das vorgesetzte Ziel. — — Der König aber fragte den
Toko, warum er mehrere Pfeile aus dem Köcher herausgezogen habe,
da er doch das Glück des Bogens nur einmal, nicht mehr und nicht
weniger, habe versuchen dürfen. «Um an dir», erwiderte er, «den Fehl-
schuss des ersten mit der Spitze der andern zu rächen, damit nicht
meiner Unschuld Strafe, deiner Gewalttat aber Straflosigkeit zu teil
geworden wäre.»
d. Das alte Tellenlied. Um 1474.
Yilientron II S. 100. Tobler, Schweizerifche Volkslieder J. ©. 3 f.
Im Jahre 1477, nah der Schlacht von Nancy, verfaßte ein Unbelannter ein Lied
„vom Urjprung der Eidgnoſchaft“ von 29 Strophen. Dabei fcheint er jedoch
ältere Yieder in dasjelbe aufgenommen zu haben, da fi Strophen darin finden, die nach
ihrem Inhalt im Jahre 1474 gedichtet worden fein müflen. Zu diefen ältern Beftandteilen
gebören wohl aud die erften 9 Stropben, die wabricheinlich einft ein eigenes Ganzes aus-
gemacht haben und das ältefte Tellenlied find, das wir befigen.
1. Von der eidgnofchaft jo wil ich heben an,
desglichen bort ! noch nie fein man;
in? ift gar wol gelungen,
h band ein wiſen feften pund;
ih mil üch fingen den rechten grund,
wie die eidgnoſchaft ift entſprungen.
2. Ein edel land, quot recht als der fern,
das lit beichloffen zwüſchen berg
vil fefter dann mit muren.
Do buob fih der pund zuom erften an,
fi band den jachen wislich getan
m einem land, beißt Ure.
3. Nun mertent, lieben berren quot,
wie fich der pund zuom erſten anhuob,
and land üch mit verbrießen:
mie einer muoßt fim eignen fun
an epfel ab der fcheitel ſchon
mit finen benden fchiefien.
4. Der landvogt ſprach zuo Wilhelm Tell:
„nun Inog, daß dir din kunſt mit fel,
„und vernim min ved gar eben ?®:
„trifft du in nit am erften ſchutz,
„fürwar es bringt dir Heinen mut
„und foftet dir din leben.“
5. Do bat er got tag und nacht,
daß er den epfel zuom erften traf;
es kond ſi fer verdrießen,
Das glüd hatt er von gotes kraft,
daß er von ganzer meifterichaft
jo hoflih ® konde ſchieſſen.
6. Alsbald er den eriten ſchutz hat gtan,
ein pfil hat er in fin göller getan:
„bett ich min find erichofien,
fo batt ich das in minem muot —
ich fag dir für die warheit guot —
ich wölt dich han erjchoffen.“
' hörte — * ihnen — * genau — * konnte — »geſchickt.
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7. Domit macht fich ein großer ftoß !, 8, Übermuot tribend fi im land —
do entiprang der erſt eidgenoff, böjer gwalt der wert nit lang —
fi wolten die landvögt vertriben; alſo findt man's verichriben.
die ſchüchten weder got noch fründ: das hand des fürften vögt getan,
wenn eim gefiel wib oder find, drumb ift er umb fin berrichaft fan ?
jo woltend fi muotwill triben. und us dem land vertriben.
9. Alfo meld ich üch den rechten grund:
fi jchwuorend alle ein trüwen pund,
die jungen und ouch die alten.
Got laß ft lang in eren jtan
firbaß bin als’ noch bishar:
jo welln wir's got lan walten!
e. Aus dem weißen Bud zu Sarnen. Um 1470.
Geichichtsfreund XIII. 68 ff.
Eine hbandiriftliche Urtundenfammlung im Archiv von Obwalden, um ihres Einbandes
willen das weiße Buch genannt, enthält unter anderm auch eine eidgenöffiihe Chronik
von unbelannter Hand, die als Datum ihrer Abfaffung jelber die Regierungszeit des Fürften
Galeazzo Maria Sforza von Mailand (1467— 1474) angibt. Diefelbe fängt mit der ſchon
völlig fagenhaften Überlieferung über die Entftehung des Walpftättebundes an und endet
mit den erjten Kämpfen der Eidgenofjen um Bellinzona und das Ejchental,
Der Anfang der drei Yänder Uri, Schwiz und Unterwalden, wie fie da
gar ehrlich hergekommen jind.
Zum erjten, jo ift Uri das erjte Yand, das von einem römiſchen Reich
empfangen hat, daß ihnen gegönnt ift, da zu reuten und da zu wohnen. Denmad)
jo find Römer gefommen gen Unterwalden; denen hat das römiſche Neid)
auch da gegönnt zu reuten und da zu wohnen; damit find fie gefreiet und be-
gabet. Darnach find gefommen Yente von Schweden gen Schwiz, da
derer daheim zu viel war; die empfingen von dem römtjchen Reich die Frei-
heit und wurdeh begabet, da zu bleiben, zu reuten und da zu wohnen.
Und jind die vorgenannten drei Yänder aljo lange Zeit und viele Jahre
in guter Ruhe geſeſſen, bis daß die Grafen von Habsburg in die Nähe
diefer Yänder famen: diejelben Grafen, die gaben in etlicher Zeit den Grafen
von Zirol ihre Töchter umd ihre Kinder zu dem Saframent der heiligen
Ehe und machten große Freundichaft zufammen. Da nun das viele Jahre
und lange Zeit gewähret hatte, da ward ein Graf Rudolf von Habsburg
zu einem römiſchen König gejegt; derjelbe König Rudolf ward jo mächtig,
daß er alle die Yande um ihn an ſich zog, nämlich das Thurgäu, das Zürichgäu
und Nargäu und was in den Yanden war, mit Hilfe jeiner Freunde von
' Streit, Aufruhr — ? gelommen — * wie,
— u TE
65
Tirol, und was da [rings] um war und darum, fo half er da den Grafen
von Tirol, daß fie Herzoge würden zu Öftreich in den Yanden.
Und als derjelbe König Rudolf etliche Jahre König war, da fuhr er zu
mit jeinen weifen Räten und ſchickte in die Yänder und ließ mit ihnen reden
und gab ihnen gute Worte und bat fie, dak fie ihm umtertänig wären zu des
Reiches Handen, jo wollte er ihnen eine befcheidene Steuer zumuten, dem
Reich zu geben und niemand anders, und wollte fie auch zu des Neiches
Handen jchirmen, als des Neiches Getreue, umd fie getreulich mit frommen
Yeuten bevogten zu des Reiches Handen, und vom Weich nicht verlaffen, und
dabei jo wollte er fie bei allen ihren Rechten, Freiheiten, Gnaden und altem
Herkommen bleiben lafjen und anders nicht bejchweren. Das gingen ihm die
Länder ein. Das beftund nun bei jeinem Yeben wohl, und [er] hielt, was er
ihnen verjprochen hatte, und tät ihnen gütlich.
Da nun derjelbe König Rudolf abging, da wurden die Vögte, die er den
Ländern gegebeu hatte, hochmütig und ftreng, und täten den Yändern ungütlich
und je länger, je ftrenger wurden jie und muteten den Yändern mehr, denn
fie follten [zu], und meinten, jie müßten tun, was fie wollten, was die Yänder
nicht ertragen mochten. Das bejtund jo lang, bis daß des Königs Gejchlecht
ausitarb. Da erbten der Grafen Frauen und Kinder von Tirol, und die, fo
von dem Geſchlecht Habsburg bergefommen waren, — — — an Yanden und
an Yeuten das Thurgäu und das Zürichgäu und das Aargäu und andere
Yande, Schlöffer, Yeute und Güter, was denen won Habsburg gewejen war.
In den Zeiten waren Edelleute im Thurgau und in dem Nargäu, die
auch gern große Herren gewejen wären; die fuhren zu und wurben bei den
Erben um die Vogteien, und daß man ihnen leihe, die Yänder zu bevogten,
und gaben gute Worte, fie wollten des Reichs getreue Vögte jein, und war
das ein Geßler, der ward Vogt zu Uri und zu Schwiz, und einer von
Yandenberg zu Unterwalden. Denen ward num die Vogtei verliehen,
daR fie die Yänder mit Treuen jollten bevogten zu des Neihs Handen. Sie
täten aber das nicht; denn fie wurden je länger, je ftrenger, und hatten die
Yänder vorher hochmütige Vögte gehabt, jo waren die nachherigen noch über:
mütiger und taten den Yeuten großen Drang an. Sie beichagten ! einen bie,
den andern da und trieben großen Mutwillen und anders, als fie gelobt und
verbeifen hatten, und gingen Tag und Nacht damit um, wie fie die Yänder
vom eich bringen möchten, ganz in ihre Gewalt. Sie liefen auch Burgen
und Häuſer machen, worauf fie die Yänder als [leibjeigene Leute beherrichen
möchten, und zwangen aljo fromme Leute und täten ihnen viel zu Yeide. — —
ı Geld von einem erpreifen.
Oechsli, Quelleubuch. 5
66
Nun war auf Sarnen einer von Pandenberg Vogt, zu des Reiches
Handen. Der vernahm, daß einer im Melchi! wäre, der hätte einen hüb—
ſchen Zug mit Ochfen. Da fuhr der Herr zu umd jchiefte einen, feinen Knecht,
dahin und hieß die Ochſen ausfpannen und ihm die bringen und hieß dem
armen Mann jagen, Bauern jollten den Pflug ziehen, und er mollte die
Ochſen haben. Der Knecht, der tät, was ihn der Herr geheißen hatte, umd
ging bin und wollte die Ochſen ausſpannen und die gen Sarnen treiben.
Nun hatte der arme Mann einen Sohn; dem gefiel das nicht, und [er] wolite
ihm die Ochjen nicht gern laffen, und als des Herren Knecht das Joch an-
griff und die Ochſen ausfpannen wollte, da ſchlug er mit dem Treibiteden
drein umd ſchlug dem Knecht des Herren einen Finger entzwei. Der Knecht,
der befand fich übel und lief heim und klagte feinem Herren, wie es ihm
gegangen war. Der Herr ward zornig und wollte e8 dem übel eintreiben.
Der mußte entrinmen; der Herr ſchickte nach jeinem Vater und hieß ihn gen
Sarnen führen auf das Haus und blendete ihn und nahm ihm, was er hatte,
und tät ihm groß Übel.
In der Zeit war ein Biedermann in Alzellen, der hatte eine hübfche
Frau, und der, [welcher] damals da Herr war, der wollte die rau haben, es
wäre ihr lieb oder leid. Der Herr fam nad Alzellen in ihr Haus; der
Mann war im Holz. Der Herr zwang die rau, daß fie ihm ein Bad machen
mußte, und jprach, fie müffe mit ihm baden. Die Frau bat Gott, daß er jie
vor Schanden behüte, und dachte, Gott verlaffe die Seinen nie, die ihn in
Nöten anrufen. Der Mann, der kam indejjen und fragte fie, was ihr fehle.
Sie ſprach: „der Herr ift hier und bat mich gezwungen, daß ich ihm ein Bad
machen mußte,” Der Dann ward zornig und ging bin und jchlug den Herren
zur Stunde mit der Art tot und erlöste jeine Frau von Schanden.
In denjelben Zeiten war einer zu Schwiz; hieß der Stoupader
und ſaß zu Steinen diesjeits der Brücke; der hatte ein hübſches Steinhaus
gemacht. Nun war der Zeit ein Geßler da Vogt, in des Neiches Namen ;
der fam auf einmal und ritt da vorbei und rief dem Stoupacher und fragte
ihn, wen die hübjche Herberge wäre. Der Stoupacher antwortete ihm umd
jprad) traurig: „Gnädiger Herr, fie ift Euer und mein Lehen,“ und durfte
nicht ſprechen, daß fie jein ſei. Alto fürchtete er den Herren. Der Herr ritt
dahin. Nun war der Stoupacher ein weiler Mann und auch wohlmögend.
Er hatte auch eine weije Fran und nahm jich der Sache an und hatte jeinen
großen Nummer umd war voll Sorge vor dem Herren, daR er ihm Yeib und
' Etterlin, welcher die Erzäblung des weißen Buches in fein Werk binübernabm, ver-
wandelte den Namen „Melchi“ in „Melchtal“. Beides iſt aber nicht ıdentiih. Das
Melchi ıft vielmehr ein Stück Yand unterhalb der Flüelilapelle gegen Sarnen bin. In dem
hochgelegenen Melchtal jelber wird kein Aderbau getrieben, S. Anzeiger fir ſchweiz. Ge
ſchichte und Altertumskunde 1867. 76.
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Gut nähme. Die Frau, die ward deffen inne umd tät, wie Frauen tun, und
hätte gern gewußt, was ihm fehle, oder warum er trauere; er leugnete ihr
das. Zuletzt drang fie mit großer Bitte in ihn, daß er ihr feine Sache zu
erfennen gebe, und ſprach: „Zue jo wohl und jage mir deine Not; wiewohl
man jpricht, Frauen geben falte Räte, wer weiß, was Gott tun will?" Sie
bat ihn jo oft in ihrer Vertraulichkeit, dak er ihr jagte, was jein Kummer
war, Sie fuhr zu und ftärfte ihn mit Worten und ſprach: „Des wird guter
Rat," und fragte ihn, ob er zu Uri jemand müßte, der ihm fo vertraut
wäre, daß er ihm feine Not Flagen dürfte, und fagte ihm von der Fürſten
Gejchlecht und von der Zur Frauen Geſchlecht. Er antwortete ihr und jprad):
ja, er wiſſe e8 wohl, und dachte dem Nat der Frau nach umd fuhr gen Uri
und lag da, bis daß er einen fand, der auch ſolchen Kummer hatte. Sie hatte
ihn auch geheißen fragen zu Unterwalden; denn fie meinte, da wären auch
Yeute, die nicht gern ſolchen Drang hätten.
Nun war des armen Mannes Sohn von Unterwalden entwichen und
war nirgends ficher, der dem Knecht des von Yandenberg mit dem Treibftecfen
den Finger entzwei geichlagen hatte; darum fein Water vom Herren geblendet
war, und es reute ihn jein Vater, und er hätte den gern gerochen. Der kam
auch zu dem Stoupacher, und kamen alfo ihrer drei zufammen, der Stoupader
von Schwiz und einer der Fürſten von Urt, und der aus Melche von
Unterwalden, und Elagte jeglicher dem andern jeine Not und feinen Kummer,
und wurden zu Hat und jchwuren zuſammen. Und als die drei einander ge-
ſchworen hatten, da juchten fie und fanden einen nid dem Wald, der ſchwur
auch zu ihnen, und fanden nun und wieder heimlich Yeute, die zogen fie an
ih und jchwuren einander Treu umd Wahrheit, und ihr Leib und Gut zu
wagen und ſich der Herren zu wehren, und wenn jie etwas tum und vornehmen
wollten, jo fuhren fie fir den Myten Stein hin Nachts an ein End, heift
im Rüdli. Da tagten fie zufammen und [es] brachte ein jeglicher von ihnen
Yeute mit ſich, denen fie trauen mochten, und trieben das ziemlich lang und
immer heimlich und tagten der Zeit nirgends anders, denn im Rüdli.
Das fügte es fih auf einmal, daß der Landvogt, der Geßler, gen Uri
fuhr, und nahm ſich vor und ftedte einen Steden unter die Yinde zu Uri
und legte einen Hut auf den Steden und hatte dabei einen Knecht und tät
ein Gebot, wer da vorbeigienge, der folle [vor] dem Hut [fich] neigen, als wäre
der Herr da, und wer das nicht täte, den wollte er ftrafen und ſchwer büßen,
und jollte der Knecht darauf warten, und den anzeigen. Nun war da ein red:
Iider Dann, hieß der Thäll; der hatte auch zu dem Stoupacher geſchworen und
ſeinen Gejellen. Der gieng num ziemlich oft vor dem Steden auf und ab und
wollte [fich vor] ihm nicht neigen. Der Knecht, der des Hutes hütete, der ver-
Hagte ihn dem Herren. Der Herr fuhr zu und beſchickt den Tallen und fragte
ihn, warum er jeinem Gebot nicht gehorjam wäre und täte, was er geboten
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hätte. Der Thall, der ſprach: „Es ift geichehen ohne Gefährde ! denn ich habe
nicht gewußt, daß es Euer Gnade jo hoch ärgern jollte; denn wäre ich migig,
To hieße ich anders und nit der Tall”. Nun war der Tall gar ein guter
Schütze; er hatte auch hübſche Kinder. Die beichite der Herr zu, fih und
zwang den Tallen mit feinen Knechten, daß der Tall einem feiner Kinder einen
Apfel ab dem Hanpte ſchießen mufte; denn der Herr legte dem Kind den
Apfel auf das Haupt. Nım jah der Thall wohl, daR er beberret war und
nahm einen Pfeil und ftedte ihn in fein Gölfer; den andern Pfeil nahm er
in eine Hand und jpannte feine Armbruft umd bat Gott, daß er ihm jein
Kind behüte, und ſchoß dem Kind den Apfel ab dem Haupt. Es gefiel dem
Herren wohl, und [er] fragte ihn, was er damit meinte. Er antwortete ihm
und hätte es gern zum bejten ausgeredet. Der Herr ließ nicht ab, er molite
wijfen, was er damit meinte, Der Tall, der fürdhtete den Herren und
beforgte, er wolle ihn töten. Der Herr, der verftund feine Sorge und ſprach:
„Sage mir die Wahrheit, ich will dich deines Lebens ſichern umd dich nicht
töten!" Da ſprach der Tall: „Da hr mich gefichert habt, jo will id Eud)
die Wahrheit jagen, und es ift wahr, hätte mir der Schuß gefehlt, daß ich
mein Kind erjchoffen hätte, jo würde ich den Pfeil in Euch oder der Euern
einen gejchoffen haben.“ Da ſprach der Herr: „Da mm dem aljo ift, jo ift
es wahr, ich habe dich gefichert, daR ich dich nicht töten will," und hieß ihn
binden und ſprach, er wolle ihn an ein Ende legen, daß er weder Sonne noch
Mond nimmermebhr jehe. Und die Knechte nahmen ihn in einen Nauen und
legten jein Schiefzeug auf das Hinterded und ihn gebunden und gefangen und
fuhren den See hinab, bis an den Aren. Da kam ihnen jo ſtarker Wind entgegen,
daß der Herr und die andern alle fürchteten, fie müßten ertrinfen. Da ſprach
einer unter ihnen: „Herr, Ihr jeht wohl, wie es geben will. Tut jo wohl
und bindet den Tallen auf. Er ijt ein ftarfer Mann und fan auch wohl
fahren, und heißet ihn, daß er uns belfe, daß wir von binnen kommen.“ Da
jprach der Herr: „Willſt du dein Bejtes tun, jo will ich dich losbinden, daß
du uns allen belfeft.” Da ſprach der Tall: „Ja Herr, gern,” und ftund an
das Steuer und fuhr dahin und jchaute allezeit dabei auf fein Schiefzeug.
Denn der Herr lie ihn umngebunden gehen. Und da der Tall kam bis an
die „ze Zellen Platten“, da rief er fie alle an und ſprach, daß jie alle
jet zögen; kämen fie an der Platte vorbei, jo hätten fie das Böfe überftanden.
Aljo zogen fie alle feſt, und da ihn däuchte, daß er zu der Platte kommen
möchte, da ſchwang er den Nauen hinzu und nahm jein Schtefzeug und jprang
aus dem Nauen auf die Platte und ſtieß den Nauen von ſich und lief fie
ihwanfen auf dem Zee und lief durch die Berge hinaus, jo feſt er mochte,
und lief durch Schwiz bin jchattenhalb, durch die Berge bis gen Küßnach in
D. i. ohne böfe Abfiht; Gefährde = Arglift, Hinterlift, Tücke.
die hohle Safe. Da war er vor dem Herren und wartete da, und als fie
geritten famen, da jtund er hinter eine Staude und jpannte feine Armbruft
und ſchoß einen Pfeil in den Herren umd lief wieder zurüc hinein gen Uri
dur die Berge.
Da demnach, da ward Staupachers Gefellichaft jo mächtig, daß fie an—
fingen, den Herren die Häufer zu brechen, und jo fie etwas tum wollten, jo
fuhren fie zu tagen in Trenchi!, und wo böſe Türmlein waren, die brachen
fie, umd fingen zu Uri zuerft an, die Häufer zu brechen — nun hatte derjelbe
Derr einen Turm angefangen unter Steg? auf einem Bihel, den wollte er
nennen Twing Uri, und andere Häuſer —, damah Schwandau und
etlihes zu Schwiz und etliches zu Stans und namentlic) das auf dem Ro
berg; das ward nachher durd) eine Jungfrau gewonnen. Nun war nad) dem
allem das Haus zu Sarnen fo mächtig, daß man das nicht gewinnen mochte,
und war der Herr, der da Herr war, ein übermütiger, hoffährtiger, ftrenger
Mann und tät den Yeuten großen Drang an und fuhr zu und machte, wenn
Feſttage famen, jo mußte man ihm Gejchenfe bringen, je darnad) einer Gut
hatte, einer ein Kalb, einer ein Schaf oder einer eine Speckſeite, und aljo
zwang er die Yeute mit Steuern und hielt jie hart. Nun waren der Eib-
genofjen jo viel heimlich worden, daß fie zufuhren und mit einander anzettelten,
daß fie auf eine Weihnacht, jo man ihm wieder ſchenken und Gutjahr bringen
jolfte, daß jie je einer mit dem andern gehen follten. — — Sie jollten aber
feine Wehre tragen anders, denn einer einen Steden. Und aljo famen ihrer viele
hinein in die Küche zu dem Feuer. Nun waren die andern ihrer viele unter:
balb der Mühle in den Erlen verborgen und hatten mit einander abgemacht,
werm die im Haus däuchte, daß ihrer jo viel wären, daß fie die Tore offen
behalten möchten, jo ſollte einer hinaus gehen und jollte ein Hörnlein blajen;
dann jollten die in den Erlen auf jein und ihnen zu Hilfe fommen. Das täten
die im Haus; da fie däuchte, daß ihrer genug wären, da ging einer in einen
Balten [Balfon?] und blies fein Hörnlein, was ihr Wahrzeichen war, Nun
war es zu der Tageszeit, als inan die Gejchenfe brachte, dag der Herr in
der Kirche war. Da nun die, jo in den Erlen lagen, das Hörnlein hörten,
da liefen fie durch das Waffer, daß die niederjten jchier nirgends Waſſer
hatten, und liefen hinten hinauf und an das Haus und gewannen das. Das
Geſchrei kam zu der Kirche. Die Herren erjchrafen und liefen fort den Berg
hinauf und famen vom Yand.
Demnad haben die drei Yänder ſich mit den Eiden, jo die heimlich zu-
ſammen gejhworen hatten, jo jehr geftärkt, daß derer jo viele geworden waren,
daf fie Meifter wurden. Da ſchwuren fie zufammen und machten einen Bund,
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t Mo dies Seitenftüd zum Rütli zu fuchen it, ift noch nicht feftgeftellt. Der Name
ſcheint verfhollen zu fein. — * Amſteg.
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der den Yändern bisher wol hat erſchoſſen, und ermwehrten ſich der Herren,
daß ſie's nicht mehr jo hart hatten, und gaben ihnen, was fie ihnen jchuldig
waren, wie das der Bund noch heut zu tage enthält, und tagten da gen Bedeu:
ried, jo fie etwas zu tun hatten. [m Folgenden geht der Verfaffer auf den
Beitritt Yuzerns zur Eidgenoffenjchaft über, ohne der Schlaht am Morgarten
auch nur mit einer Silbe zu gedenfen].
26. Wie der Herzog von Oſtreich Soloturn belagert hat. 1318.
Suftinger, ©. 51.
a man zählte 1318 Jahre, hatte der Herzog von Oftreich großen
Krieg mit denen von Soloturn, fo fehr, daß er vor Soloturn
zog und die Stadt belagerte mit großer Macht, und lag da wol
zehn Wochen. Es hatten auch die Feinde oberhalb der Stadt Soloturn
eine Brücke über die Aare gemacht, auf daß fie die Stadt an allen Enden
nötigen möchten. Nun hatten die von Bern dahin gejandt vierhundert
Mann, die lagen da um Sold, die fi) gar mannlich hielten und der Feinde
Werfe, Bliden und Katzen! zerbradhen. Nun kam ein Yandregen und eine
ftarfe Waffergröße, und die Feinde fürchteten, daß die Waffergröße ihnen ihre
Brücke zerbrechen und dahin führen würde. Und aljo gingen der Feinde gar
viele und wollten die Brücke bejorgen und bejchweren, daß fie das Waſſer
nicht von dannen führe. Nun waren der Feinde gar viele auf der Brüde,
und die Stärfe des Waſſers kam jo feft, daß es die Brücke niederftieß, und
die Feinde fielen in das Waſſer und hielten ji auf den Bäumen und Hölzern,
wo fie mochten, und es fonnte ihnen niemand helfen, und [fie] trieben gegen
die Stadtbrüde. Das fahen die von Soloturn, wie es ihren Feinden jetzt
gieng, und geboten allen den Ihren, daß ihnen niemand fein Yeid täte weder
an Yeib noch an Gut, und waren da zur Stunde mit großen Schiffen und
halfen ihren Feinden heraus und jandten fie wiederum dem Herzog. — —
Als nun der Herzog jah, daß er nichts jchaffen Fonnte, da ließ er in
die Sache reden und jchied von dannen und- fuhr gen Bern; da wurden die
Sachen alle gerichtet.
ı Biden find Wurfmaſchinen, Katen Schirmdächer.
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27. Der Luzerner Bund. 7. Nov. 1332.
Eidgen. Abid. I. S. 256.
In Gottes Namen. Amen. 1. [wie 1. im Bund der drei Waldftätte von
1315). 2. Darum jo finden und [erjöffnen wir, der Schultheif, der Nat
umd die Burger insgemein der Stadt zu Yuzern, die Yandleute von Uri,
von Schwiz und von Unterwalden allen denen, die diefen Brief jehen
oder lejen hören, dag wir [folgen die Worte von 2. im Bund von 1315] ge-
ihworen haben, einander zu belfen und zu raten mit Yeib und mit Gut, in
all dem Recht und mit all den Bedingungen, wie hienach gejchrieben fteht.
3. Zum erften jo haben wir der Schultheiß, der Rat umd die Burger
zu Yuzern vorbehalten den bochgebornen unjern Herren, den Herzogen von
Oftreich, die Gerechtjame und die Dienfte, die wir ihnen von rechtswegen
tun follen, und ihre Gerichte in der Stadt und in dem Amte zu Yuzern, wie
wir von Alters und von guter Gewohnheit der Stadt zu Yuzern herfommen find,
gegen Burger und gegen Gäfte, ohne Gefährde. "Dazu haben wir vorbehalten
unferer Stadt und den Näten alle ihre Gerichte und ihr gute Gewohnheit
auch gegen Burger und gegen Säfte, wie fie von Alters berfommen find.
4. Darnach haben aber wir, die vorgenannten Yandleute zu Uri, zu Schwiz
und zu Unterwalden auch ung jelbjt vorbehalten unſerm hochgebornen Herren
den Kaifer und dem heiligen römischen Neiche die Yeiftungen, die wir
ihnen tun jollen, wie wir von alter und guter Gewohnheit herkommen find,
und behalten auch ung ſelbſt, jeglicher Waldftatt insbeſondere in ihrer Yandınarf
und in ihren Grenzen ihre Gerichte und ihre gute Gewohnheit [vor], wie wir
von Alters berfommen find. 5. Und ſoll auch uns, den vorgenannten
Burgern von Yuzern gegen die Waldleute, und uns den vorgenannten
Yandleuten zu Uri, zu Schwiz und zu Unterwalden gegen die Burger von
Yuzern, dieſelbe Gerechtſame genügen, wie vorgejchrieben jteht, ohne alle
Gefährde. 6. Gefchähe [es] aber, da vor Gott jei, daR jemand den einen
oder andern von ung außen oder innen hierüber nötigen oder bejchiweren
wollte oder angreifen oder jchädigen, welchen dann der Schaden geichieht, die
jolfen fich darüber erfennen bei dem Eide, ob man ihnen Unrecht tue, und
erfennt jich dam der Mehrteil unter ihnen, daß ihnen Unrecht geichieht, fo
iollen jie die andern mahnen, beide, die Stadt zu Yuzern die Waldleute und
jegliche Waldftatt im befondern, und auch die vorgenannten Waldleute umd
jeglihe Waldjtatt im befondern die Burger von Yuzern, und da jollen wir
denn einander wider Herren und wider märmiglich bebilflich fein mit Yeib
und mit Gut, wir die Burger von Yuzern den vorgenannten Waldleuten in
unſern Koften, und auch wir die ehgenannten Yandleute den Burgern von
12
Yuzern in unfern Koften, mit guten und ganzen Treuen ohne alle Gefährde.
7. Wäre auch, daß irgend eine Mißhelligleit oder Krieg ſich erböbe oder
entjtände unter ung den vorgenannten Eidgenofjen, dazu ſollen unter uns die
Beiten umd die Wigigften fommen und jollen den Krieg und die Mifhelligfeit
ichlichten und beilegen nad) Minne oder nad) Hecht, und wenn einer von beiden
Zeilen fich deifen weigerte, jo jollen die Eidgenoffen dem andern Teil zur
Minne oder zum Recht behilflich fein auf des Teiles Schaden, der da um:
gehorfam ift. 8. Wäre auch, daß die drei Yänder unter einander in Streit
gerieten, wofern denn zwei Yänder einhellig werden, zu denen ſollen auch
wir, die vorgenannten Burger von Luzern ftehen und das dritte Yand weijen
helfen, daß es mit den zweien einhellig werde; es wäre denn, daß wir die
vorgenannten Burger von Yuzern etwas dazmwiichen fünden, mas die zmei
Länder beſſer und angemefjener däuchte,
9. Wir find auch übereingefommen, daß weder wir die vorgenannten
Burger von Luzern für die ehegenannten Yandfeute zu Uri, zu Schwiz und
zu Unterwalden, noch auch wir diejelben Yandleute für die Burger von Yuzern
Pfand jein jollen, 10. und daß auch niemand unter uns den vorgenannten
Eidgenoffen jich mit bejondern Eiden oder mit irgend welchen bejondern Eiden
oder mit irgend welchen bejondern Gelübden jich mit jemandem, weder draußen
noch drimmen, verbinden joll ohne der gemeinen Eidgenofjen Wiffen und Willen.
11. Es joll auch fein Eidgenofje unter uns den andern pfänden, er
jei denn Schuldner oder Bürge und foll dasjelbe auch dann nicht tun, außer
mit Gericht und mit Urteil. 12. Wenn jemand unter diefen Eidgenofjen dem
Gericht widerftünde oder ungehorſam wäre und von deſſen Ungehorſam der
Eidgenoffen einer zu Schaden käme, jo ſollen ihn die Eidgenoffen zwingen,
daß den Geichädigten ihr Schade von ihm vergütet werde. 13. Wäre auch,
daß der Eidgenoffen einer fürderbin den Leib verwirfte, jorweit, daß er von
jeinem Gericht darum verichrieen würde, wofern das dem andern Gericht ver-
fündet wird mit des Yandes offenen Briefen und Ziegel oder der Stadt zu
Yuzern, jo joll man dem auch da verjchreien in demjelben Recht, als er dort
verjchrieen ift; und wer den darnach wiſſentlich haufet oder bofet oder ihm
zu ejjen oder zu trinfen gibt, der ſoll in derjelben Schuld jein ohne das Eine,
daß es ibm nicht an den Yeib geben joll, obne alle Gefährde. 14. Dazu fo
jind wir einhelliglich übereingefommen ; wer von den Eidgenofien dies alles und
jegliches im bejondern, wie es bievor gejchrieben iſt, nicht ftät hält und das
übertritt in irgend einer Weiſe, der joll meineid und treulos jein, alles ohne
Gefährde.
15. Und hierüber, daß dies alles und jegliches im beſondern von uns
allen und von jeglichem unter uns im beſondern ſtät und ungekränkt bleibe,
wie es hievor mit ausdrücklichen Worten feſtgeſetzt iſt, darum haben wir der
vorgenannte Schultheiß, der Rat und die Burger von Luzern unſerer Ge—
73
meinde Siegel und jegliches der vorgenannten Yänder jein Siegel ar diejen
Brief gehängt zu einer wahren Urkunde diefer vorgejchriebenen Sachen. Ge—
geben zu Yuzern an dem nächiten Samstag vor Martinstag, da man zählte
ven Gottes Geburt 1330 Fahr, darnach in dem andern Sabre.
28. Brunifche Umwälzung in Zürich, 7. Iuni 1356.
8 Aus dem Jahrbuch Eberhard Müluers (bevausgeg. von Ettmüller in den Mittel. der
antiqu. Gefellihaft in Zürih II. Br. S. 74 ff.)
Eberhard Miülner, Ritter und Schultheiß von Zürih, ein Geſinnungsgenoſſe
Rudolf Bruns, von 1340 an bis zu feinem 1382 erfolgten Tode mit wenigen Unter:
bredungen Mitglied des ftädtiichen Rates, fchrieb ein Jahrbuch in deuticher Sprade, in
welchem er die „Kriege und Yäufe“, welche die Zilrcher von 1336 bis 1355 gehabt hatten,
aufzeichnete. Mülners Chronik ift nicht nur wertvoll wegen der Treue ihrer Aufzeich-
nungen; fie ift auch die Ältefte unferer Stadtgefchichten und als foldhe der Anfang der
eigentlichen jchweizeriichen Geichichtichreibung.
Anno domini 1336, an dem fiebenten Tag des Brachmonats geſchah
ein großer Auflauf zu Zürich in der Stadt. Der Rat ward geändert und
entſetzt, und wurden die Öewaltigen alle herabgeftopen, und ward der erjte
Burgermeifter gejegt, hieß Rudolf Brun. Derjelbe war 24 fahre
Wurgermeifter zu Zürih. Es wurden auch dazumal Zünfte gemacht, die
vormals zu Züri) nie gewejen waren, Es wurden auch die alten Rats—
berren und, die die Gewalt geführt hatten, aus der Stadt Zürich vertrieben
und mußten aud die Stadt verfchiwören auf ein genanntes Ziel, und auch
bis fie genug täten und die Buße vollitändig geleiitet würde, die ihnen auf-
erlegt war wegen des großen Mutwillens, den jie mit armen Yenten getrieben
batten, und von der böfen unrechten Gewalt wegen, daf fie den Bürgern fein
Recht geben wollten, und wegen anderer Sachen, die denn eine ganze Ge—
meinde von Zürich an fie anzufprechen hatte. Diejelben unjere vertriebenen
Burger von Zürich zogen mehrteils gen Rapperswil unter den Grafen
von Habsburg, mit dem wir im guter Freundſchaft zu fein wähnten.
b. Aus Bitodurans Chrenil, überfeßt von Freuler p. 167.
Hierauf nach Verlauf weniger Zeit um das Jahr 1337! der Fleisch-
werdung des Herrn, gährte ein grosser und gefahrvoller Aufstand in
S. Vitoduran unrichtig für 1336,
74
der Stadt Zürich aus der Quelle der Ungerechtigkeit empor. Als näm-
lich die Räte der Stadt, wie ihnen zur Last gelegt wurde, die gemein-
samen Nutzniessungen und Gewinnste der Stadt, die ergibig und zahl-
reich sind, in betrüglicher Weise sich lange zugeeignet und frevelhafte,
unvernünftige, für sie selbst zwar vorteilhafte und gewinnreiche, für
die Gesamtheit aber schädliche und verderbliche Gesetze erlassen hatten
und dagegen niemand Einsprache zu erheben oder sie rückgängig zu
machen wagte, fiel eines Tages fast die ganze Einwohnerschaft der
Stadt, als sie dieselben gemeinsam versammelt fand, mit blinder Wut
und grosser Heftigkeit über sie her. Sie aber, vielleicht zuvor gewarnt
und benachrichtigt, oder weil sie es von selbst merkten, ergriffen ver-
dutzt schnell die Flucht in die verschiedenen umliegenden Häuser und
entgingen den Händen des aufrührerischen Volkes. Hätten sie dies nicht
getan, so wären sie zu ihrem Verderben der Gemeinde in die Hände
gefallen. Und nicht zum Wunder, da viele, ja unzählige sozusagen
wenige überfallen hatten. Am folgenden Tag kam die ganze Bürger-
gemeinde im Hof der Minderbrüder [Barfüsser]) zusammen und urteilte,
jene müssten für ihre begangenen Frevel nach Recht und Gesetz mit
den verdienten Strafen belegt werden. Und nicht mit Unrecht, da ihre
Verstocktheit und ihre seit langer Zeit eingewurzelte Bosheit dies erheischte.
Aus dem Mund der Gemeinde erging daher gegen sie das Wort, dass
sie vor der ganzen Menge einen Eid leisten und mit lauter Stimme be-
kräftigen und versprecheu sollten, sie wollten mit Fleiss vollführen, was
ihnen zur Sühne ihrer Übertretungen an Last oder Arbeit überbunden
würde, indem man ihnen dies verhehlte, bis sie den erzwungenen Eid
geleistet hätten. Wie sie dies hörten, ermattete das Herz eines jeden
nur zu sehr vor Schrecken. Denn auf allen Seiten waren sie in der
Enge nnd wussten in ihrer grossen Verwirrung nicht, was sie wählen
sollten. Endlich, von Furcht genötigt, weil der Befehl der Gewalt drängte,
verpflichteten sie sich durch die Fessel des Eides, sich der Strafe zu
unterziehen, welche jenen gut scheinen würde. Man legte ihnen daher
auf, dass sie unverzüglich die Stadt verlassen und dieselbe verschwören,
an fremde, ihnen angewiesene Orte ziehen und daselbst bis zu dem
ihnen vorgesteckten Ziel der Busse verweilen sollten. Sie büssten nun
für das Geschehene die einzelnen nach dem Erfordernis ihrer schwereren
oder leichteren Verschuldung und nach der Art und dem Umfang ihrer
Missetaten, indem sie dem einen vorschrieben, dass er in einem ihm ge-
nannten Land oder Ort während zwei, dem andern während drei, dem
dritten während fünf Jahren bei den Einwohnern oder Eingebornen jenes
Ortes oder Landes als Ansässe wohne und in keiner Weise inzwischen
heimkehre.
Nachdem dieselben diese Beschlüsse angehört, gingen sie mit ver-
wundetem und verwirrtem Herzen weg, sagten den Ihrigen mit bittern
Tränen Lebewohl und verliessen die Stadt Zürich und begaben sich
an verschiedene Orte, so dass sie unter den Nationen zerstreut und von
einander getrennt waren. Doch hatten sie sich nicht an die ihnen an-
gewiesenen Orte begeben, um zu erfüllen. was sie versprochen hatten,
weil sie gegen den Eid nach eigener Willkür handelten und ihn miss-
achteten und völlig kraftlos machten. Als dies die inwärtigen oder ver-
mt
75
bliebenen Bürger Zürichs hörten. beschlossen sie, aufgebracht, dass jene
unwiderruflich verbannt und für immer aus der Stadt ausgeschlossen
sein sollten. Sobald aber die Auswärtigen oder Vertriebenen sahen, dass
sie von jenen ohne Hoffnung auf Rückkehr ausgeschlossen und ausge-
stossen seien, bemühten sie sich, gegen sie einen Krieg anzuzetteln, und
zogen sich, um dies nachdrücklicher und kräftiger tun zu können, mit
ihren Familien, die sie endlich zu sich genommen hatten, in die Stadt
Rapperswil zurück, welche ihnen einst von dem Herrn, dem Grafen
Johann von Habsburg, verpfändet worden war. Und damit sie den
Inwärtigen einen starken Feind und sich selbst einen Vorkämpfer er-
weckten, der Schutz und Hilfe zu bringen vermochte, stachelten sie den
genannten Grafen von Habsburg an, und übergaben ihm die Stadt Rap-
perswil, soweit sie dazu die Macht hatten. Als sich nun diese Zwietracht
und Trennung der Bürger anf einige Zeit in die Länge zog, geschah
es, dass einige inwärtige Bürger den auswärtigen, wie man vermutete,
zugetan, wegen Verrates an der Stadt verzeigt wurden. Sie wurden so-
gleich mit Enthauptung bestraft. Dass sie unschuldig und von dem Fehl-
tritt des Verrates frei und fremd gewesen, haben viele bezeugt. Zu
jener Zeit wurde auch einer aufgegriffen, der, von den Auswärtigen hiezu
abgeschickt, in ein Haus der Stadt Zürich Feuer anlegte. Sie gaben
ihm auf der Stelle den wohlverdienten Tod.
Zu derselben Zeit warben die Inwärtigen auch Söldner, mit welchen
sie zwei- oder dreimal mit Macht vor der Stadt Rapperswil erschienen
und vom See aus durch Maschinen auf den Schiffen Steine gegen die
Stadt schleuderten, aber ihr dadurch nur wenig zu schaden vermochten.
Eines Tages wurde auch der Bürgermeister, Namens Brun, ein
Mann, mit der Blüte der Tugenden aufs reichste geschmückt, vor jener
Stadt von einem, der ihm den Tod zudachte und bereiten wollte, schwer
verletzt. Aus dessen Händen wurde er, als dieser ihn, da er eben zum
Schiff zurückkehren wollte, von hinten verfolgt und mit einem Schuss
verwundet hatte, durch seine Diener, die, zwölf an der Zahl, nur auf
ihn Acht zu geben hatten, rasch entrissen. Dieser Bürgermeister entwand
sich auch einmal daselbst, wie man sagt, zwölf Feinden, die ihn zu töten
suchten, indem er ihnen rühmlichen Widerland leistete, die Wut ihrer
Bosheit und Verwegenheit vereitelte, und sich mannhaft verteidigte. Als
nun die Inwärtigen den Auswärtigen vor der Stadt die Grösse ihres
Ruhmes und ihrer Hoheit gezeigt, die Gemüsegärten zertreten und ver-
wüstet, auch alle dort befindlichen Früchte ausgezogen und ausgerissen
hatten, kehrten sie triumphirend nach Zürich zurück.
29. Der erſte geſchworene Brief zu Zürich. 16. Juli 1336.
Abgedr. bei Tſchudi, I. S. 341 ff. und in der bein. Bibliothek VI. ©. 1 ff.)
In dem Yob der heiligen Dreifaltigkeit fei fund allen denen, die diefen
Brief jehen oder leſen hören, daß ih Rudolf Brun, Burgermeifter, der Nat
76
und die Burger gemeiniglich der Stadt Zürich, Gott zu Yobe und unferer
Stadt Zürich zu Nutz und Frommen zu Nate worden jind, und haben in
Züri eine Zunft und ein neues Gericht erhoben, von der großen Beichwerden
wegen, jo Ritter, Edelleute, arme und reiche Burger von Zürich hatten und
aud lange geduldet haben, von der Gewalt der Räte, die den Yeuten ihre
Klagen und ihre Nechtsjachen micht richteten, außer wenn fie wollten. Dazu
hielten fie arme Yente jchmählich und hart mit ihren Worten, fo fie wegen
ihrer Nechtsjachen vor fie kamen. Auch ward der Burger Ungeld * und unfer
Stadtgut aljo verzehrt, ohne daß jie jemand davon irgend welche Rechnung
gaben. Und von diefer und mancherlei anderer Beichwerden wegen, jo die
Burger lange gehabt hatten und auch weiterhin zu fürchten waren, jo haben
wir einhellig mit guter Worbetrachtung und mit gemeinem Rate aller unferer
Burger von Zürich die Gewalt aller Näte abgeworfen, alſo daß in Zürid)
nimmer ein Nat mehr fein joll mit vier Nittern und mit acht Burgern von
den Beften, wie bisher gewöhnlich gewejen war, jondern, daß man einen
Burgermeifter und einen Mat von Nittern, von Burgerm und von ben
Handwerfen zu Zürich haben fol, wie hienach geichrieben fteht.
Es ſoll auch derfelben feiner, jo nämlich in den Näten bisher gemwejen
find, ſowie feines ihrer Kinder, jo jett gerade leben, in einen Nat oder eine
Zunft fommen, alſo daß er etwa ein Zunftmeifter werde, wodurd er in den
Rat von Zürich fäme, nie und nimmer von jegt an. Und joll auch feiner
von ihnen um irgend welcher Sache willen je zu den Burgern ? zu Rate gejendet
werden. Aber ihre Söhne, die mag man wohl zu den Burgern zu Nat
jenden, wofern der Burgermeifter und Rat darein willigen, ohne Gefährde.
Auch find in diefer Sache ausdrücklich ausgenommen die, jo den Burgern in
ihrer Neuerung und der Aufitellung unjerer Gerichte zu Hilf und zu Troſt
famen; die und deren Kinder mögen wohl des Nates von Zürich jein und
werden ohne alle Widerrede und Verzug.
Diezu find wir die Burger von Zürich gemeiniglich übereingefommen,
dak alle Burger von Zürich, fie feien Ritter, edel oder unedel, Weiche oder
Arme, wie jie Gott geordnet bat, ſchwören jollen, dem vorgenannten Burger:
meijter, oder wer immer Burgermeifter von Zürich wird, zu dienen und ihm
und dem Wat von Zürich gehorfam zu ſein und getrenlich mit Leib und Gut
zu raten und zur beifen gegen alle die, welche ſich ihnen und ihren Gerichten
widerjegen wollten, und aber beionders vor allen Dingen joll man einem
Burgermeifter, wer immer Metjter wird, aber insbejondere nun dieſem Meifter,
jo oben genannt ift, ſchwören, alſo daß fein Eid vor allen Eiden gehe, und
daß man ibm diene und geborjam ſei in allen Sachen bis zu jeinem Tode,
jedoch dem Reich und unſeren Gotteshäujern an ihren Nechten unbejchabdet.
!t Abgabe von Einfuhr und Verkauf von Yebersmitteln, Getränken ꝛc. — D. h.
im den Großen Rat.
17
Und wenn er aber geftorben ift, jo joll man von den vier verftändigen Männern,
jo die Burger von Zürich eben jegt erwählet haben, das find: Herr Hein-
rih Biber, Herr Nüediger Maneß, Ritter, Jakob Brun und
Johannes von Hottingen, dieweil derjelben viere einer lebt, nad) dem
vergeichriebenen Rechte einen andern Burgermeiſter erfiejen.
Es joll auch der vorgenannte Burgermeifter oder wer immer zum Meifter
erforen wird, einen vorgeiprocenen Eid jchwören, die Zünfte, die Burger,
Ritter, Edelleute, Arme, Weiche und alle Burger von Zürich getreulich zu
behüten und zu bewahren mit Yeib und mit Gut, jo gut er kann und mag,
und gleich zu richten, dem Armen wie dem Neichen, ohne alle Gefährde.
Dies ift die Neuerung der Gerichte unferer Stadt Zürich und der Zünfte,
jo num gejeget find umd immer ewiglich aljo mit Gerichten und guter Ge—
wohnheit feſt umd ſtät bleiben follen.
Des erften: Ritter, Edelleute, Burger, die ihre Renten [gel-
tend guot] haben, Kaufleute, Gewandichneider!, Wechsler, Gold-
ihmide und Salzleute, die foll man nennen Konftaffel, und joll
man aus ihnen ehrbare Yeute in den Nat jeken und follen eines Burger-
meiſters warten und des Stadt-Panners.
1. Darnad) Krämer und die in Kramgejchäften wandern [nach kram
ires koufes varen], die jollen eine Zunft und ein Panner haben.
2. Tuchſcherer, Schneider md Kürſchner haben eine Zunft und
ein Banner,
3. Weinjhenfen, Weinausrufer, Faßzieher, Sattler,
Maler und Unterfäufer jollen auch zujammen eine Zunft haben und
ein Banner,
4. Pfifter [Bäder] und Müller follen eine Zunft haben und ein
Banner.
5. Wollenweber, Wollenjhläger, Grautucher und Hut—
macher jollen eine Zunft und ein Banner haben. °
6. Yeinweber, Yeinwandhändfler und Bleicher jollen eine
Zunft und ein Panner haben.
8. Schmide, Schwertfeger, Kannegießer, Glodner, Speng-
ler, Waffenſchmide, Scherer und Bader haben alle eine Zunft und
ein Banner.
8. Gerber, Weiflederer und Pergamenter find eme Zunft
und haben ein Panner.
9, Metzger und die Vieh und Rinder auf dem Yande Faufen
und zu der Mebg treiben, haben auch eine Zunft und ein Panner,
10. Schuhmacher haben eine bejondere Zunft und ein Banner,
ı D. bh. Tuchhändler, die das Tuch im Detail verkaufen.
er
18
11. Zimmerleute, Maurer, Wagner, Dredsler, Holz-
füäufer, Faßbinder und Nebleute, die in unfer Stadt wohnhaft find,
haben gemeinjam eine Zunft und ein Panner.
12. Fiſcher, Sciffleute, Karrer, Seiler und Träger, die
jollen eine Zunft und ein Banner haben.
13. Gärtner, Oler und alle Grempfer jollen eine Zunft umd ein
Panner haben.
— — — Und melde Handwerfe zuſammengeſchrieben find in eine
Zunft, da joll man jedes Halbjahr aus einem Handwerk einen Zunftmeifter
nehmen und kieſen. — — Wann au ein Zunftmeifter von feiner Zunft
erforen wird, den joll die Zunft dann dem Burgermeiſter angeben, und foll
derjelbe Zunftmeifter dann geloben, dem Burgermeifter untergeben und ge-
horſam zu fein und jeinen Nugen und feine Ehre zu fördern ohne alle Ge-
fährde, Wer ein halbes Jahr Zunftmeifter gewejen ift, der kann es das
andere Halbjahr nicht werden; aber im andern Halbjahr darf einer mwohl
[wieder] Zunftmeifter werden, jo ein halbes Jahr vergangen ift, wenn er
von feiner Zunft dazu erforen wird. Wer auch zu einem Zunftmeifter er-
foren werden joll, der joll em eingejeffener ehrbarer Burger bei jeinem Hand—
werk jein und Ehre und Gut, Wit und Verftand haben und von der Mehr-
beit der Wähler feiner Zunft erforen werden auf den Eid, und ſoll man
feinen dazu nehmen, der. neulich in die Stadt gefommen ift, damit unſere
Stadt dejto eher bei weijem und gutem Mate und Gerichte und bei gutem
Frieden jein möge.
Dies ift der Rat von Zürih: Zum erften foll der Burgermeifter zwei—
mal im Jahr, vor St. Johannesfeft zur Sonnenwende und vor
St. Johannesfeſt zu Weihnachten, vor jedem Ziele vierzehn Tage,
ohne Gefährde aus dem abgehenden Rate zwei Ritter oder Edelfnechte und
vier, die ihn bei feinem Eid die allerbejten dünken, fiefen, daß fie ihm helfen
einen Rat kieſen. Und diejelben ſechſe und aud) der Burgermeifter, die jollen
dann 6 Ritter oder Edelfnechte an der Ritter ſtatt Fiefen und 7 ehrbare
Burger von der Konftaffel; dero werden 13. Dazu fiefen 13 Zünfte, die
wir zu Zürich haben, jegliche Zunft auch einen Zunftmeiſter, wie oben gejagt
it, und gehen die 13 Zunftmeijter auch in den Kat, jo daß jährlich zweimal
im Fahre je 26 dem Rat von Zürich ſchwören jollen, wie es Sitte umd
Gewohnheit und altes Herkommen ift. — — Es joll auch eines jeden ab-
gehenden Rates Amtsdauer ausgehen an St. Johannestag zu Nacht, es jei
an der Sonnwende oder zu Weihnachten, jo man Mette zu Mitternacht läutet,
und zu derjelben Stunde joll aber des angehenden Rates Amtsdauer und
Gewalt anfangen, damit, wenn irgend ein Ding in umjerer Stadt am Tag
oder des Nachts vorfiele, man wiſſen möge, wer e8 richten oder ſtellen jolle.
Und jo ſoll man jährlich zweimal im Jahr, bei dem Eide, den Nat und die
79
Zunftmeifter ändern, ohne allen Verzug und wen man zum Nate von Zürich
fiejet, er jei Ritter oder Edelmann, Burger oder Zunftmeifter, der foll ein
eingejejfener ehrbarer Burger von Zürich fein ohne alle Gefährde. Es ſoll auch
niemand irgend welche Miete [Babe] nehmen von einer Wahl wegen des Rates,
und two das jemandem mit ehrbaren Yeuten bewiejen würde, und den Meifter
und Nat däuchte, daß es bewiejen jei, den ſoll man als meineid aus dem
Kate ſtoßen, umd er fell dazu Zürich verlaffen und nimmer in die Stadt
fommen. — — —
Wann immer aud ein Knabe 20 Jahr alt wird oder vorher, wenn es
den Burgermeifter gut dünft, er jei von Rittern, Edelleuten, von Burgern
oder von Handwerkern in Zürich, der ſoll diefen Brief beſchwören und aud)
die Eide, jo die Burger jett und dem Meifter gejchworen haben, [fie] ftät zu
halten und fein Ding nimmer dawider zu tun. — — Wäre auch, daß jemand
diefem Brief ımd den Artifeln, die darin gejchrieben ftehn, in irgend welcher
Weiſe zumiderhandelte und zumiderhandeln machte, und das dem Burger:
meifter und dem Rate fund getan würde, der joll meineidig jein und joll
ſein Burgerrecht verloren haben und joll dazu nimmer nach Zürich in die
Stadt fommen.
Diefe vorgejchriebenen Artifel umd Gejete habe ich der vorgenannte
Burgermeifter, der Rat und die Gemeinde, alle unjere Burger gemeiniglich von
Züri um guter Gerichte willen, um des Friedens und Schirmes unſerer
Veiber und unjerer Güter und um des gemeinen Nutzens und Bedürfniſſes
unfer Stadt Zürih willen, mit Gunft und Willen unjerer Gnädigen Frau
Elsbeth, von Gottes Gnaden Äbtiſſin unſeres Gotteshaufes zu Zürich,
und mit dem weijen Mate des Ehrwürdigen Herren Grafen Krafft von
Toggenburg, des Probſtes, umd aller jeiner Chorherren des Kapitels
in unferer Probftet Zürich, gefett und verordnet, ewiglich zu bleiben, wie oben
geichrieben fteht. — — —
Der Laupener Streit. 21. Iumi 1339.
Aus dem „Conflictus Laupensis*, herausgegeben von Studer, Juſtinger, p. 305. ff.
Um die Mitte des 14. Jahrhunderts entwarf ein unbekannter Berner, wahrscheinlich
ein Geistlicher, eine lebensvolle Erzählung vom „Zaupener Streit“ in lateinischer Sprache,
welche als die einzige ausführliche zeitgenössische Schilderung die Hauptquelle für
jenen wichtigen Abschnitt der bernischen Geschichte bildet.
And der oft genannte Herr Gerhard von Valengin, welcher
besonders Raub, Mord und Gewalttat gegen die Berner im
Schilde führte, sagte, da alle andern vorgenannten Herren
und Grafen noch ruhig waren, vor den übrigen den Bernern
ab und fügte diesen durch Brand und Raub, durch Mord und Hinterlist
viel Übles zu und war stets darauf bedacht, ihnen noch mehr anzutun.
80
Und als Herr Peter Graf von Aarberg den Herrn Gerhard von Valengin
oder seine Helfer bei solchen Übeltaten, welche er den Bernern zufügte,
schirmte und in seine Stadt aufnahm und ihnen gestattete, daselbst in
seiner Feste frei ein- und auszugehen, was er nicht hätte tun dürfen
vermöge eines Versprechens, welches er den Bernern in offenen Briefen
gegeben hatte, da, als die Berner sahen, wie der Herr von Aarberg
wider das erwähnte Versprechen so ein Begünstiger des Herrn Gerhard
von Valengin war, und sie sich für all die Übeltaten desselben Herrn
Gerhard zu rächen wünschten, zogen sie nach Sonnenuntergang am
heiligen Pfingsttage genannten Jahres [16. Mai 1339] in Waffen aus,
marschirten die Nacht hindurch und belagerten den Grafen von Aarberg
mit ihren Maschinen und Leuten, konnten ihn aber nicht überwinden.
Da erhoben sich die Freiburger und alle obenerwähnten Grafen zum
Beistand des Grafen von Valengin sowol, wie des Herrn von Aarberg,
ohne Scheu, einmütig und offen, versammelten sich mit all ihren Leuten
und Helfern, welche sie auftreiben konnten, mit Maschinen, Katzen,
Wagen und Pferden und legten sich nach Feindesweise vor die königliche
Burg und Stadt zu Zaupen am Vorabend des Barnabastages genannten
Jahres [10. Juni]. Bei dieser Belagerung befanden sich die Freiburger
mit all ihrer Mannschaft, der Graf von Nenxenburg mit den Seinen und
vielen auserlesenen Rittern, welche er aus Burgund mit sich geführt
hatte, der Graf von Nidau mit seinen Leuten und mit 140 Helmen,
starken, in Waffen versuchten und erprobten Rittern von Adel, welche
er im Elsass und in Schwaben ausgesucht und ausgewählt hatte, der
Graf von @reyerz, Gerhard von Valengin, Herr Johann, der einzige
Sohn Herrn Zudwigs von Savoyen, des Herrn der Waadt, der Herr von
Montenach, ein jeglicher mit Mannschaft. Herr Eberhard aber, Graf
von Ayburg, kam mit seiner Mannschaft nicht zur Belagerung, sondern
er griff die Stadt Bern von einer andern Seite, nämlich von Osten mit
Brand, Raub und Mord an. Die Vögte der Herzoge von Ostreich aber
hatten sich schon mit der Mannschaft, die sie im Aargau hatten, vereint
und standen im Begrifl, zu dieser Belagerung zu kommen. Diese alle
lagen also zwölf Tage mit ihren Leuten vor der Burg und Stadt Laupen,
indem sie mit ihrer Menge und Macht und in mannigfachem Schmucke
neuer und kostbarer Gewänder prahlten. Es waren nämlich, wie es all-
gemein heisst, 16 000 Mann bewaffnetes Fussvolk und 1000 in Eisen
gewappnete Ritter oder Helme. An Wein und Lust herrschte bei der
Belagerung Überfluss, Überfluss auch an andern Dingen und mannigfacher,
zrosser Übermut. Schon verschworen sich aber alle Feinde der Berner
and beschlossen mit einem Eidschwur, ohne Gnade und Erbarmen Stadt
und Burg zu Laupen von Grund aus zu zerstören, und alle ihre Bewohner
an Stricken und Seilen, die zum Hängen zugerüstet waren, eines schnöden
Todes sterben zu lassen, die Stadt Bern selber aber von Grund aus zu
vertilgen; oder aber es wollte ein jeder von ihnen ein Haus, welches
jeglicher für sich und seine Nachkommen schon ausgewählt hatte, als
Beute in Besitz nehmen und es zu ewigem Rechte besitzen, nachdem
sämtliche Männer und Weiber, Erwachsene und Kinder daselbst gänzlich
ausgerottet oder samt und sonders ausgetrieben sein würden, wie die
Berner hernach des Bestimmtesten vernommen haben.
81
Es war aber zu jener Zeit Schultheiss in Bern Herr Johannes von
Bubenberg, Ritter, der Altere; die Heimlicher waren: Burckhard von
Bennenwyl, Burkhard der Werkmeister, Johannes von Seedorf,
Berchtold Glockner und Peter von Kruntzingen, und die Venner:
Rudolf von Muleren, Peter von Balm, Peter Wentschatz und Johannes
von Herblingen. Diese gingen mit den Räten und Zweihundert von Bern
mit grosser Sorgfalt zu Rate, wie und auf welche Weise sie Widerstand
leisten könnten und die Sache zu gutem Ende geführt würde. Es war
auch zu jener Zeit von Seite der Berner Vogt in Laupen Herr Anton
von Blankenburg, Ritter. Aber Hauptmann und Befehlshaber daselbst
war Herr Johannes von Bubenberg, Ritter, der Jüngere, mit Meister
Burkhard, dem Werkmeister, und Meister Peter von Krantzingen. Und
ein Panner von Bern war in Laupen, welches Rudolf von Muleren mit
600 Mann trug und führte, die demselben sowol aus der Stadt Bern,
als auch aus solchen beigegeben worden waren, welche zu der Stadt
Laupen gehörten und in der Stadt Zuflucht gesucht hatten. Der Leut-
priester von Bern aber, Bruder T’heobald, hatte seine Untergebenen als
ein getreuer Vater und Seelsorger öffentlich in der Kirche aufs liebe-
vollste unterwiesen und treulich ermuntert und ermahnt, als getreue Söhne
der heiligen Kirche im Gehorsam gegen den heiligen apostolischen Stuhl
und die römische Kirche stets fest zu beharren und eher den leiblichen
Tod und den Verlust alles zeitlichen Gutes von den vorgenannten Feinden
zu erdulden, als gegen die apostolischen Gebote und gegen die wider
den vorgenannten Herrn Ludwig, der sich für den römischen Kaiser
ausgab, ergangenen apostolischen Urteile den oben genannten Feinden zu-
zustimmen und anzuhängen, auf dass sie nicht die göttliche Majestät
beleidigten, die Gnade und den Gehorsam des apostolischen Stuhls und
die Einheit der Kirche von sich stiessen, ihre eigenen Seelen durch Ver-
dammnis verlören und sich nicht des Gottesdienstes, des kirchlichen Be-
gräbnisses und der übrigen Sakramente der Kirche in irgend einer Weise
unwürdig machten oder zu machen versuchten. Deshalb waren die Berner,
die von ihrem Leutpriester in solcher Treue und Gehorsam unterwiesen
und ermahnt wurden, damit sie solchem Unheil entgingen und getreue
Söhne der heiligen Kirche blieben, bereit, alles Unglück zu erdulden,
welches ihnen von den oft genannten Feinden an Leib oder an Gut zu-
stossen konnte, da sie gutes Vertrauen auf die himmlische Hilfe setzten.
Weil aber die Berner, welche in Bern waren, fürchteten, sie könnten
durch die Belagerung der vorgenannten Feinde in einer Stunde Schloss
und Stadt Laupen verlieren und überdies alle die Vorerwähnten, welche
die Stadt und das Schloss hüteten, getötet oder von den Feinden ge-
fangen weggeführt werden, vertrauten sie sich in gemeinsamen Gebeten
der Hilfe des Herrn und empfahlen sich Gott mit Almosen und Kreuz-
gingen. Und nachdem sie tausend Bewaffnete aus den Waldstätten,
nämlich aus Schwiz, Uri und Unterwalden, und von denen im Hasle
und den Junkern von Weissenburg an sich gezogen, rückten die Berner
in Gegenwart des Junkers Johann von Weissenburg bewaffnet mit ihren
Pannern aus, vom höchsten bis zum geringsten auswendig gezeichnet
mit dem aus weissem Tuch gefertigten Zeichen des heiligen Äreuzes,
und kamen nach Laupen, um Schloss und Stadt und ihre daselbst ein-
Oechsli, Quellenbuch, 6
12227
—
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geschlossenen und belagerten sechshundert Mann vom Tode zu befreien.
Es zog auch mit den Bernern der gute Hirte aus, der seine Seele auch
selber für seine Schafe hingeben wollte, der vorgenannte Bruder Theobald,
der Leutpriester von Bern vom Orden der Deutschbrüder, und er trug
den wahren Führer und den alleinigen rechten Hirten im heiligen Sakra-
ment mit sich, unsern Herrn Jesus Christus, damit er sich abermals für
die Berner opfere. Derselbe fiel aber alsbald den vorgenannten Feinden
in die Hände, und sie entehrten ihn mit nenen Gotteslästerungen und
Schmähungen, wie einst die Juden, und verachteten ihn mit Spott nach
der Weise des Herodes.
Da die Berner aber sahen, dass eine gewaltige Menge der Feinde
ihnen gegenüber stehe, traten sie alle zu einem Haufen zusammen,
und stellten sich, gleichsam zu einem kleinen Keil geschart, an einem
kleinen Hügel auf. Und da sie nicht wagten, die Feinde anzugreifen,
erblickten sie dieselben, wie sie die Zelte verliessen und sich zur Schlacht
bereiteten, wie die Glut des Feners aus den angezündeten Zelten empor-
stieg, wie die neuen Ritter vor ihnen spotteten, indem sie die Schwerter
in die Luft warfen, und wie sie plötzlich in feindlichem Anlauf auf sie
zukamen. Und etwa 2000 Berner, welche das sahen, wandten sich voll
Schrecken zur Flucht gegen den Forstwald, um den starken Händen der
Feinde zu entkommen; unter diesen befanden sich einige Wehrlose; es
waren aber auch manche darunter, die für tüchtig zum Kampf und
kräftig gehalten wurden. Die übrigen Berner aber, welche deren Flucht
nicht sahen, — ihre Zahl mochte gegen 3000 Mann betragen — blieben
bei einander stehen und harrten der Feinde. Und auf jener Seite wurden
diejenigen, welche aus den obgenannten Waldstätten waren, von den
Feinden, die Ritter waren, mit furchtbarer Gewalt umzingelt; auf der
andern Seite aber wurden die Berner von den Freiburgern und anderem
Fussvolk feindlich angegriffen. Die Berner aber zerbrachen sozusagen
nach der Weise Simsons die Fesseln jeglicher Furcht, empfingen die
gegen sie anstürmenden Freiburger und nahmen ihnen alsbald sämtliche
Fahnen, indem ihre Pannerträger und viele andere erschlagen und das
übrige Fussvolk samt und sonders in klägliche Flucht gejagt wurde.
Und denen zu Hilfe sich wendend, welche von den Rittern umzingelt
waren, "töteten sie unverweilt sämtliche oder schlugen sie in die Flucht.
Die Zahl der Erschlagenen aber war, wie es allgemein hiess, 1500 Mann;
darunter befanden sich Herr Johann, Sohn des Herrn Ludwig von Savoyen,
des Herrn der Waadt, Herr Rudolf, Graf von Nidau, Herr @erhard
von Valengin, Herr Johannes von Maggenburg, Ritter, Schultheiss von
Freiburg und mehrere andere Ritter und Edle. Die übrigen aber ent-
kamen auf der Flucht. Und es nahmen die Berner den Feinden sieben
und zwanzig Fahnen und achtzig gekrönte Helme ab mit der Beute von
den Getöteten.
Da die Berner aber nur sich und die Ihrigen mit der Mässigung
schuldloser Fürsorge verteidigen wollten, standen sie von der Verfolgung
der Flüchtigen ab. Diejenigen aber, welche sich im Schloss und in der
Stadt Laupen befanden, wussten von der Schlacht und der Gegenwart
der Ihrigen und ihrem Siege nicht das Geringste, bis die Berner, nachdem
alle Feinde getötet oder in die Flucht geschlagen worden, bei ihnen ein-
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zogen und ihnen meldeten, was geschehen war. So also führten die Berner
voll Freude, mit Gottes Wink und Beistand befreit, die den Feinden
abgenommene Lade des Herrn, den Herrn Jesum Christum, den rechten
Führer und Hirten, der durch sie von neuem geopfert worden, mit Jubel
nach Hause und statteten Gott für ihre und der Ihrigen Befreiung den
Dank ab, indem sie beschlossen, den Tag, der 10 000 Märtyrer, an
dessen Vorabend [21. Juni] dies geschehen war, unter sich festlich zu
begehen und an diesem Tag in alle Zukunft den Armen ein reiches
Almosen zu geben.
Auf der andern Seite aber dürsteten die Freiburger und ihre Helfer,
die Feinde der Berner, voller Schmerz über ihre und der Ihrigen Einbusse
und Schande, noch nach Rache an den Bernern und verwüsteten bis zum
nächsten Osterfest [16. April 1340] das bernische Gebiet nach Kräften
mit Brand und Raub und töteten die Leute, die sie überraschten, ohne
Erbarmen. Und die erlauchten Herzoge von Östreich und ihre Vögte
leisteten nun den Freiburgern Hilfe. Die Soloturner, Bieler, die Städte
Murten und Peterlingen fielen alle von den Bernern ab und gewährten
ihnen weder Lebensmittel noch Hilfe. Sogar die Thuner fielen von den
Bernern ab, welche sie doch in Wort und Schrift für ihre Herrn anzusehen
und zu halten gewohnt waren, und töteten ihnen, indem sie ihnen mit
den Freiburgern einen Hinterhalt legten, vier Mann. So wurden die
Berner, von den Menschen verlassen, ringsum bekämpft und konnten
keine Vorräte an Lebensmitteln, namentlich an Wein und Milchspeisen,
beschaffen, ausser wenn sie solche mit den Pannern, in bewaffneten Haufen
aus Schloss und Stadt Spiez in ihre Stadt nach Bern führten. Von
solchen Leiden wurden sie von allen Seiten bis zum damals bevorstehenden
Osterfest beständig heimgesucht und bedrängt.
Und nachdem die Berner Verschiedenes und Mancherlei ihren Feinden
angetan, zogen sie in der heiligen Woche nach Palmsonntag in Waffen
aus und kamen zu der Stadt des Grafen von Kyburg, welche Hutwil
heisst. Und der vorgenannte Schultheiss Herr Johannes von Bubenberg
eilte mit dem Panner und den übrigen bernischen Rittern den andern,
welche ihnen zu Fuss nachfolgten, voraus. Bevor aber das Fussvolk dazu
kam, erstürmten diejenigen, welche zu Pferd vorausgeritten waren, die
Stadt, legten Feuer an dieselbe, plünderten und brannten sie gänzlich
nieder, wobei einige, welche die Stadt hüteten, getötet und die andern
gefangen weggeführt wurden.
Am Dienstag nach der Osterwoche [24. April 1340] zogen die Berner
allein mit Fahnen und Waffen aus und rückten gegen die Stadt Freiburg.
Und die gegen sie ausziehenden Freiburger wandten vor dem Angesicht
der Berner den Rücken. Und die Berner verfolgten dieselben auf ihrer
Flucht bis zum Stadttor, und es fielen an jenem Tage von den Frei-
burgern siebenhundert Mann, die auf der Flucht vor den Waffen der
Berner im Fluss ertranken. Damals auch war in jenem Siege Anführer
der Berner ihr treuster Helfer und gleichsam gewaltigster Löwe, der
vor dem Angriff keines Tieres zurückschreckt, noch sich entsetzt, Herr
Rudolf von Erlach', Ritter. — — Aber am nächsten darauffolgenden
! Bekanntlich schreibt Justinger und nach ihm alle Spätern Erlach auch die Führung
in der Schlacht von Laupen zu, während unsere Quelle davon schweigt und ibn nur
84
Donnerstag [Apr. 27.] zogen sie wieder gen Freiburg, plünderten den
Teil der Stadt, der @alteren heisst, sowie alle Häuser bis zur Brücke
der Stadt und steckten sie in Brand. Es wurden aber die Freiburger
in solche Angst versetzt vor dem Angesicht der Berner, dass mehrere
von ihnen gesehen wurden, wie sie das, was sie hatten, auf einer andern
Seite der Stadt zum Tor hinaustrugen und scheinbar aus der Stadt flohen.
Und die Berner stifteten, um den Ruhm dieses Sieges nicht sich, sondern
dem allmächtigen Gott zuzuschreiben und Gott für die Getöteten und
Erschlagenen Sühne zu leisten, eine immerwährend zu feiernde Messe
im Hospital der Armen. — — — Weil nun die Berner mit so grossem
Ruhm irdischen Glückes unter ihren Feinden standen, dass ..... man
allenthalben sagte: «Gott sei offenbar für die Berner und kämpfe für
ihr Recht, und es scheine, dass Gott in Bern Burger sei», da endlich
die Feinde und Gegner der Berner durch die Menge der Unfälle und
die Schande ermüdet und gebrochen, die Berner aber von den vielen
Mühen und Quälereien niedergebeugt waren, kehrten alle Feinde und
Gegner der Berner zum Frieden und zur Eintracht zurück.
31. Die Mordnacht von Zürich. 23. Februar 1350.
Aus der Chronit Eberhard Mülners, Antiqu. Mitteilungen. Bd. II. S 76.)
BIN nno domini 1350, desſelben Jahres an St. Matthäus Abend des
2 N Ziwölfboten [23. Zebr.] um die Mitternacht famen im unfere Stadt
YA k Zürich gefallen Graf Hans von Habsburg mit feinen Dienern
und Helfern, mit denen wir nichts wußten zu jchaffen zu haben als Gutes,
und wähnten, wir follen einensgetreuen Frieden mit ihm haben. Es fam aud)
mit ihm in unfere Stadt Herr Beringer von Hohenlandenberg mit viel
andern feiner Helfer, mit dem wir einen guten Frieden hatten. Es kamen aud)
mit ihn ein Zeil unſerer Burger, die wegen ihrer Miſſetat ausgewieſen waren
und gejchworen hatten, in unſere Stadt Zürich nicht zu fommen, eh fie ihre
Buße voll geleiftet hätten, die ihnen gegeben war nad der Richtung und
bier erwähnt. Man hat in dem „damals auch“ (tunc quoque) eine Bestätigung Ju-
stingers finden wollen, indem man den Worten den Sinn unterlegte: „auch damals“,
wie bei Laupen nämlich ; andere lassen dagegen das „auch“ einfach die Rede fortleiten ;
wieder andere erblicken in der Stelle eine spätere Randglosse, die von einem Abschreiber
in den Text genommen wurde; der „Conflictus* ist nämlich nicht in der Urschrift,
sondern nur in einer Abschrift aus dem 15. Jahrhundert erbalten. Sei es nun, dass
die Stelle ein nachberiges Einschiebsel ist oder ursprünglich im Texte stand, immer
fällt der Umstand, dass Rudolf von Erlach gerade hier, aber nicht bei Laupen erwähnt
wird, gegen die Tradition schwer ins Gewicht, zumal im 14. und 15. Jahrbundert bei
Auszügen des Panners gewöhnlich das Oberhaupt der Stadt im Frieden auch das im
Kriege war; dagegen mag wohl v. Erlach sich unter den dem Schultbeissen unter-
stebenden Hauptleuten befunden und sich iu der Schlacht besonders ausgezeichnet haben,
200... A u ee ne ni u
85
nach des Ausfpruches Meldung, jo unfer gnädiger Herr Kaiſer Ludwig, römischer
König, umd Herzog Albrecht von Öftreich getan hatten, deren offenen
Brief wir auch darüber hatten. Troß alledem wurben diefelben unfere aus-
gewiejenen Burger an den vorgenannten Grafen von Habsburg und verhieken
ihm, unjere Stadt hinzugeben, was doch Gott verhinderte. Dieſe Vorge-
jhriebenen alle wollten alſo nachts bei jchlafender Zeit ohne Abſage die
Stadt Zürich eingenommen haben; fie wollten auch ermordet haben Ruodolf
Brunen, den Burgermeifter, und alle, die feiner Teil waren; aljo half
Gott dem Burgermeifter und den Seinen, daß fie des inne wurden, und daf
fie jich erwehrten mit großer Arbeit, und fe] ward gefangen Graf Hans von
Habsburg, Ulrich von Bonftetten und mancher feiner Diener.
Es murden auch durch gerichtliche Urteil verderbt in unferer Stadt
die hienach Gejchriebenen. Diefe Nachgefchriebenen wurden alle auf Räder ge-
ſetzet: Des erften Heinrih Schüpfer, Oftringer, der Dietel, Dietel Schent,
Krieg, Heinz Wasmer, Windegger, Kieni von Matingen, der Affo, Johannes
ab dem Hus, Wernli Bilgri, Uoli Schafli, Nügger ab dem Tor, Johaunes
von Schlatt, Küeni us der Owe, Yohannes von Heranberg, Fritihis Sohn
ab Üetenwis, Heini von Bufjenhart.
Dieje Nachgejchriebenen wurden alle enthauptet: Des erften Heinrich
Wigant, Ruodolf Brojo, Johannes Friburger, Ruodolf Räuel, Ruodolf Senno,
Oremus Andreas Keller, des Wifen Knecht, Sigrift von Küsnach, der Grün—
delle, Claus Bilgri, der Tughen, der Fiſchli, Claus von Bufenhart, Hans
der Goldbacher, Heini, Arnolt, des von Yandenberg Knechte.
Diefe Nachgefchriebenen verloren das Yeben auf frifher Tat: Herr Be:
ringer von Yandenberg, Herr Ruodolf Biger, Herr Wir, Ritter, Uolrich von
Magingen, Freiherr, Yütpold Gaffer, Chorherr zu Embrach, Uolrih Schafli,
Heinrih Störri, Truchjef von St. Gallen, des Franzen Sohn ab dem Tor,
Ruodolf Bilgri, Lofer, Herrn Wifjen des Ritters Knecht, Hans von Glarus,
Heinrich der alt Schüpfer, Nüedi Schüpfer, fein Sohn, und des Schüpfers
Knecht, Johannes Störri, Heinrich Räuel.
Diefe fielen auf der Seite der Zürcher und wurden erjchlagen: Des
erften Herr Nuodolf Maneß, Schulherr der Propftei zu Zürich, Johannes
Heinz Sinower, Baumeifter, Jakob Maneß, Krämer, Ruodolf Binder, Ruodolf
Geijo, Rifli Zurter, H. Sumer, Hans Michelmann, Kuoni Biechli.
In derjelben Nacht waren auch die Burger von Rapperswil mit der
Macht, jo fie damals haben mochten, und aud die Yeute aus der March
mit Schiffen ausgefahren und wollten aud gen Zürich fein und ihrem Herrn
von Habsburg geholfen haben. Und da fie wohl auf den halben Zeil herab—
gekommen [waren], da wurden fie gewarnt und hörten auch zu Zürich in der
Stadt ftürmen. Ihnen ward auch zu mifjen getan, daß [es] ihrem Herrn
mißlungen war; aljo fehrten fie wieder um und fuhren beim.
a N F- re
“e, * 2
86
32. Der Zürcher Bund. 1. Mai 1351.
Staatsarchiv Zürich, abgedr. Eidgen. Abſch. I. S. 260.
Rip: N. m Namen Gottes Amen, 1. Wir der Burgermeifter, die Räte und
J die Burger insgeſamt der Stadt Zürich, der Schultheiß, der
2 2 Rat und die Burger insgeſamt der Stadt Luzern, die Ammänner,
us die Landleute insgeſamt der Länder zu Uri, Schwiz und
Unterwalden, tun kund allen, die dieſen Brief ſehen oder leſen hören,
daß wir mit gutem Rat und mit verſtändiger Vorbetrachtung, um guten
Friedens und der Schirmung unſeres Leibes und Gutes, unſerer Städte,
unſerer Länder und Leute, um Nutz und Frommens willen des geſamten
Landes ein ewiges Bündnis und Freundſchaft vereinbart, zuſammen gelobt
und geſchworen haben leibliche! und öffentliche gelehrte? Eide auf die Hei—
ligen für uns und alle unſere Nachkommen, die hiezu ausdrücklich ewig ver—
bunden und begriffen ſein ſollen, miteinander ein ewiges Bündnis zu halten
und zu haben, das auch jetzt und hernach unwandelbar, unverbrüchlich und in
allen Dingen unverjehrt mit guten Treuen ftät und feft ewiglich bleiben ſoll.
2. Und da aller vergänglichen Dinge vergeffen wird und der Yauf diefer
Welt vergeht und in der Zeit der Jahre viele Dinge geändert werden, des-
halb jo geben wir die vorgenannten Städte und Yänder einander von dieler
getreuen ejellichaft und ewigem Bündnis ein erfennbares Zeugnis mit
Briefen und mit Schrift, aljo, daß wir einander getreulich beholfen und be-
raten fein jollen, joweit ung Yeib oder Gut reichen mag, ohne alle Gefährde,
gegen alle die und wider alle die, jo uns an Yeib oder an Gut, an Ehren, an
Freiheiten, mit Gewalt und ohne Recht Unfug, Unluſt, Angriffe, Kränkungen,
irgend welchen VBerdruß oder Schaden antäten, uns vder jemand, jo in dieſem
Bündnis ift, jet oder hernach, innerhalb der Ziele und Kreiſe, als hienach
gefchrieben fteht.
3. Das ift des erften, da die Nar entipringet, was man nennt an
Grimſlen, und die Nare ab für Hasli, für Bern hin und immer weiter
abwärts der Mar nach bis an die Stätte, da die Mar in den Rhein gebt,
und den Rhein wieder aufwärts bis an die Stätte, da die Thur in den Rhein
geht, und diejelbe Thur immer weiter aufwärts bis am die Stätte, da fie
entipringt, und von dem Urjprung und derjelben Stätte die [gerade] Richtung
durch Churwalden? aufwärts bis an die Veſte zu Ringgenberg* und
von derjelben [Bejte] Ringgenberg hinüber, jenjeits des Gotthards hin bis auf
den Plattifer? und von da bis auf den Dötijel® und von dem Döijel
D. i. mit Aufhaltung der \ Schwörfinger, — * D. i. vorgeſprochene. — ? Nätien,
Graubünden. — * Bei Trons. — * Monte Piottino, den die | Schlucht des Dazio grande
durchbricht. — * Wahrfcheinlih der Deifchberg beim Dorfe Sar im Oberwallis,
> Ss
87
wieder hinüber bis an den Grimfel, da die Aar entipringt. 4. Wäre aber,
daß im diefen vorbenannten Zielen und Kreifen jemand, jo in diefem Bindnis
it, im irgend einer Weiſe je ohne Hecht von jemand angegriffen oder ge-
ihädigt wiirde, an Yeuten oder an Gut, darum jo mag und foll der Rat
oder die Gemeinde der Stadt oder des Yandes, jo dann gejchädiget ift, in
Betreff des Schadens ſich erfennen auf ihren Eid, und wes fich dann derſelbe
Nat oder die Gemeinde oder der Mehrteil der Stadt oder des Yandes, fo dann
geichädiget ift, auf den Eid erfennet, in Bezug auf Hilfe oder Angriff, auf
irgend eine Sache, jo dann notwendig iſt, darum foll und mag der Rat oder
die Gemeinde derjelben Stadt oder des Yandes, jo dann gejchädiget ift, die
andern Städte und Yänder, jo in diefem Bündniſſe find, mahnen. 5. Und
gegen wen dann die Mahnung gejchieht mit des Rates oder der Gemeinde
der Stadt und des Yandes gewiſſen! Boten oder Briefen an die Räte und
Gemeinde der Städte, die Ammänner, die Gemeinde oder die Kirchen der
vorgenannten drei Yänder, ohne alle Gefährde, gegen den und gegen die jollen
ihnen die andern Städte und Yänder, jo dann gemahnt find, bei den Eiden
unverzüglich behoffen und beraten fein mit ganzem Ernft und mit allen Sachen,
wie die es nötig haben, die fich dann um Hilfe erfannt und gemahnt haben, ohne
alle Gefährde; umd ſoll unter uns den vorgenannten Städten umd Yändern
niemand gegen die andern diefem Bündnis, dieſer Mahnung und der Hilfe
auf irgend eine Weiſe ſich entziehen oder ausweichen, mit Worten noch mit
Verfen, fein Ding fuchen noch betreiben, wodurd) die Hilfe, um die dannzumal
gemahnt ift, aufgelöst oder zu nichte gemacht werden möchte, ohne alle Ge-
fäbrde. Und ſoll auch jede Stadt und jegliches Yand diefelbe Hilfe in ihren
eigenen Koften leiften ohne alle Gefährde.
6. Wäre auch, daf gegen und oder gegen jemand, jo in diefem Bildnis
it, irgend ein jäher Schaden oder Angriff geſchähe, da man jähe Hilfe nötig
bätte, da ſollen wir zu allen Zeiten ungemahnt, unverzüglid) zufahren und
Ihaffen, wie das gerächt und vergütet werde, ohne allen Verzug.
7. Wäre aber, daf die Sache jo groß wäre, daß man eines Auszuges
oder einer Belagerung bedürfte, werm dann deshalb irgend eine Stadt oder
ein Yand unter uns von jemand, jo in diefem Bindnis ift, mit Boten oder
mit Briefen ermahnt wird, dann follen wir unverzüglich zu tagen kommen
zu dem Gotteshaus, der Abtei zu Einfiedeln, und da zu Mate werden,
was uns dann das allernütlichite dinfe, auf daß dem oder denen, jo dann
um Hilfe gemahnt haben, unverzüglich geholfen werde, ohne alle Gefährde.
8. Wäre auch, daß man jemand belagern würde, jo joll die Stadt oder
das Yand, jo die Sache angeht und die dannzumal gemahnt haben, die Koften
' Sichern, beglaubigten.
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einzig tragen, jo von Werfen oder von Werfleuten der Belagerung halber
daraufgehen, ohne alle Gefährde.
9. Wäre auch, daß jemand, wer der wäre, irgend weldhe, ſo in dieſem
Bündniſſe find, angriffe oder ſchädigte ohne Necht, und derjelbe außerhalb den
vorgenannten Zielen und Streifen gejeffen wäre, wenn es dann der Fall wäre,
daß der oder die, jo den Angriff oder den Schaden getan haben, in die Ge—
walt unferer vorgenannten Eidgenoffen kommen, denfelben oder die alle, ihre
Helfer und Diener, Yeib und Gut foll man haftbar machen und angreifen
umd fie weilen, daß fie denfelben Schaden und Angriff erjegen und vergüten,
unverzüglich, ohne alle Gefährde.
10. Wäre auch, daß wir die vorgenannten von Zürich in Streit oder
Mifheltigfeiten gerieten mit den vorgenannten unfern Eidgenoffen von Yuzern,
von Uri, von Schwiz und von Unterwalden insgefamt oder mit einem von
ihnen im bejondern, was Gott lang abwende, darum jollen wir zu tagen
kommen zu dem vorgenannten Gotteshaus zu Einfiedeln, und foll die Stadt
Luzern und die Yänder, fie alle insgefamt oder eines von ihnen im bejondern,
jo dann Streit mit uns denen von Zürich bat, zwei ehrbare Männer dazu
jegen, und auch wir zwei. Diefelben vier jollen damı ſchwören zu den Heiligen,
die Sache und die Streitigkeiten unverzüglich zu jchlichten in Minne oder
nad Recht, und wie die vier oder der Mehrteil unter ihnen dann urteilen,
das jollen wir auf beiden Seiten bejtändig balten, ohne alle Gefährde.
11. Wäre aber, daß die vier, jo dazu ernannt werden, ſich gleich teilten umd
uneins würden, jo jollen fie bei den Eiden, jo jie geichworen haben, innerhalb
unjerer Eidgenofjenichaft einen gemeinen! Mann zu ihnen kieſen und nehmen,
der fie in der Sache als Schiedsrichter tauglich und unparteiifch dünkt, und
welchen fie dazu Fiefen, den follen die, im deren Stadt oder Yand er geſeſſen
ift, bitten und weiſen, daß er jich der Sache mit den vieren annehme und
nit jeinem Eid fich verpflichte, fie zu jchlichten, ohne alle Gefährde.
12. Es joll auch fein Yaie den andern, jo in diefem Bündnis find,
Geldſchuld halber vor ein geiftliches Gericht laden; denn jedermann joll von
dem andern Recht nehmen an den Stätten und in dem Gericht, da der Be-
Hagte dann jerhaft ift und bingehöret. 13. Und joll man auch dem da un—
verzüglich richten auf den Eid, ohne alle Gefährde. 14. Wäre aber, daß er
da rechtlos gelafjen würde und das offenbar wäre, fo mag er jein Recht wol
fürbas ſuchen, wie er es dem bedarf, ohne alle Gefährde. 15. Es joll auch
niemand, jo in diefem Bimdnis ift, den andern haftbar machen, noch [auf
jein Gut] Beſchlag legen, außer den rechten Schuldner oder Bürgen, jo
! Unparteiifchen.
89
ihm darum gelobt hat, ohne alle Gefährde. 16. Wir find auch einhelliglich
darin übereingetommen, daß feine Eidgenoffen, jo in diefem Bündniſſe find,
um irgend eine Sade für einander Pfand fein follen, ohne alfe Gefährde,
17. Wäre auch, daf jemand, jo in diefem Bündnis ift, das Yeben ver-
wirfte, jo weit er von jeinem Gerichte darum verjchrien würde, wofern das
dem andern Gerichte verfündet wird mit der Stadt oder des Yandes ver:
jiegelten Briefen, jo joll man ihn auch da verjchreien in demfelben Gerichte,
wie er auch dort verjchrien ift, ohne alle Gefährde. 18. Und wer ihn danad)
wiffentlich haufet oder „hofet”, ihm zu eſſen oder zu trinken gibt, der joll in
derjelben Schuld fein, alfo, daß es ihm jedoch nicht an das Yeben gehen joll,
ohne alle Gefährde.
19. Auch haben wir insgefamt ums felber vorbehalten und verabredet:
wäre es, daß wir inggefamt oder von unferern Städten oder Yändern irgend
eines im bejondern uns irgendwohin mit Herren und Städten weiter verforgen
und verbinden wollten, das mögen wir wohl tun, aljo daß wir jedoch dies
Bimdnis vor allen Binden, die wir hienach annehmen würden, gegen einander
ewiglich ftät und feft halten follen mit allen Sachen, wie fie in diefem Brief
feſtgeſetzt und verjchrieben find, ohne alle Gefährde.
20. Es ift auch ausdrücklich feftgefegt: wäre es, daß jemand Herrn
Rudolfen Brun, Ritter, der jet Zürich Burgermeifter ift, oder welcher
immer da Burgermeifter wird, die Räte, die Zünfte und die Burger insgeſamt
derjelben Stadt fränfen oder bekümmern mwirde an ihren Gerichten, an ihren
Ziünften und an ihren Gejegen, die fie gemacht haben und in dieſem Bündnis
begriffen find, mern wir die vorgenannten von Yuzern, von Uri, von Schwiz
oder von Unterwalden darum ermahnt werden, von einem Burgermeiſter allein
oder von einem Nat von Zürich, mit eines Burgermeiſters oder des Rates
von Zürich befiegelten Briefen, jo jollen wir ihnen unverzüglid auf den Eid
beholfen und beraten fein, daß der Burgermeifter, die Räte und die Zünfte bei
ihrer Gewalt, bei ihren Gerichten und bei ihren Geſetzen bleiben, wie fie es
bisher in dies Bündnis gebracht haben, ohne alle Gefährde.
21. Wir, die vorgenannten von Zürich, haben uns jelber vorbehalten
und ausgenommen unferm Herrn, dem König, und dem heiligen Römijchen
Reiche die Yeiftungen, die wir ihnen tun jollen, wie wir von alter guter
Gewohnheit herkommen find, ohne alle Gefährde. 22. Dazu haben wir aus-
genommen unferen Eidgenofjen die Binde und Gelübde, jo wir vor dieſem
Bindnis getan haben, ohne alle Gefährde. 23. Aber wir die vorgenannten
von Yuzern, von Uri, von Schwiz und von Unterwalden haben
auch ung jelber ausgenommen die Gelübde und Bündniſſe, jo wir vorher mit
einander haben, daß die diefem Bündniſſe auch vorgehen jollen, ohne alle
Gefährde. 24. Dazu haben wir obgenannte von Yuzern vorbehalten und
%
ausgenommen den hochgeborenen, unfern Herrn, den Herzogen von Öftreic,
die Yeiftungen und Dienfte, die wir ihnen von rechtswegen tun follen, und
ihr Gericht in unferer Stadt, wie wir von alter guter Gewohnheit herfommen
jind, ohne alle Gefährde. 25. Wir die vorgenannten Yandleute von Urt, von
Schwiz und von Interwalden haben aud vorbehalten und ausgenommen
unjerm durchlauchtigen Herren, dem König, und. dem heiligen römijchen Reiche
die Yeiftungen, jo wir ihm tun follen, wie wir von alter guter Gewohnheit
berfommen jind, ohne alle Gefährde.
26. Dabei foll man bejonders wiffen, daß wir ausdrücklich feftgefett und
ausbedungen haben, gegen alle die, jo in diefem Bindniffe find, daß jegliche
Stadt, jegliches Yand, jegliches Dorf, jeglicher Hof, jo jemand zugehört, der
in diefem Bündniſſe ift, bei ihren Gerichten, bei ihren ‘Freiheiten, bei ihren
Handfeften ', bei ihren Nechten und bei ihren guten Gewohnheiten gänzlid)
bleiben jollen, wie fie es bisher geführt und gebracht haben, alfo daß niemand
den andern daran kränken noch hindern foll, ohne alle Gefährde. 27. Es ijt
auch im bejondern fetgejett, auf dak dies Bündnis Jungen und Alten und
all denen, fo dazu gehören, immer mehr defto wiffentlicher ſei, daß wir je zu
zehn Fahren auf Anfang Mai, vorher oder nachher, wie es unter ums den
vorgenannten Städten und Yänder jemand von dem andern fordert, bei umjeren
Eiden dies Gelübde und Bündnis erleuchten und erneuern follen mit Worten,
mit Schrift und mit Eiden und mit allen Dingen, fo dann notwendig find.
Was aud) denn von Männern und Knaben zu den Zeiten über jechszehn
Jahre alt ift, die follen dann fchwören, dies Bündnis auch ftät zu halten,
ewiglich, mit allen Stüden, wie in diefem Brief gejchrieben fteht, ohne alle
Gefährde. 28. Wäre aber, daß die Erneuerung nicht alfo geihähe zu denjelben
Zeiten und es fich um irgend einer Sache willen ſäumen oder verzichen würde,
jo foll das doch diefem Bündnis unſchädlich jein, da es ausdrüclich ewiglich,
jtät und feft bleiben joll, mit allen Stüden, jo vorgeichrieben ftehen, ohne alle
Gefährde.
29. Wir haben auch einmütiglich mit guter Vorbetrachtung uns ſelbſt
vorbehalten, wenn wir zu unſerm gemeinen Nutzen und Bedürfnis über irgend
ein Ding einhellig mit einander, jetzt oder ſpäter, je anders zu Rate würden,
als in dieſem Bündnis jetzt verſchrieben und feſtgeſetzt iſt, es ſei zu mindern
oder zu mehren, daß wir dazu alle mit einander wol Macht und Gewalt
haben ſollen, wenn wir darüber alle, die in dieſem Bündniſſe dann ſind, ein—
hellig zu Rat werden und übereinkommen, was uns nützlich und füglich dünkt,
ohne alle Geführde.
Freiheitsbriefen.
9
30. Und hierüber zu einer offenen Urkunde, daß die Vorgejchriebene
Alles num umd hienach ewiglih, wahr und jtät bleibe von uns und allen
unjern Nachfommen, darum fo haben wir die vorgenannten Städte und Yänder
von Zürich, von Yuzern, von Uri, von Schwiz und von Unterwalden unſere
Siegel öffentlich gehängt an diejen Brief, der gegeben ift zu Züri an
St. Walpurgis:- Tag Anfangs Mai, da man zählte von Gottes Geburt
dreizehnhumdert und fünfzig Jahre, darnach in dem erſten Sabre.
33. Das Treffen bei Tütwil. 26. Der. 1351.
a. Aus Mülners Jahrbuch S. 80,
Dies mwährte alfo, daß der Herzog immer gegen uns friegte bis auf den
heiligen Tag zu Weihnachten. Da zogen wir von Zürich aus mit dem Haufen
und mit aller Macht, die wir haben mochten in unferer Stadt Zürich, ohne
andere unjere Eidgenoffen, und zogen hinab gen Baden zu den Bädern.
Da waren uns etliche angezeigt, die zu unferem Schaden da lagen und uns
auch viel zu leid taten und getan hatten. Diefelben wollten wir gefangen
baben. Da waren wir zu jpät ausgefahren, daß wir uns ihrer verfäumt hatten.
Aljo brachen wir die Häufer bei den Bädern und verwilteten, was uns
werden mochte; dies geichah am heiligen Tag des Nachts. Und aljo zogen
wir die Yintmag hinunter bis gen Freudenau in den „Spit”, und die Reuß
wieder aufwärts bis gen Baden zu dem Galgen. Da hatten die Feinde unfer
gewartet mit einem großen Volk zu Roß umd zu Fuß wohl bei viertaujend
Mann, wohl gerüftet, und griffen uns da trogig und fed an. Aljfo gingen
wir an einander mannlih und mit befonnenem Mut umd fochten da mit
einander zu Roß umd zu Fuß wohl eine Stunde in die Nacht [hinein]. Das
geihah an St. Stefanstag, da die Sonne untergehen wollte, und half Gott
denen von Zürich, daR fie obfiegten und nicht mehr als 60 Mann verloren.
b. Ans Diessenhofens Chronik (Böhmer fontes IV. p. 84).
Heinrich Truchsess von Diessenhofen, aus einem thurganischen Adelsgeschlecht,
welchrs in engen Beziebungen zum östreichischen Fürstenbause stand, 1325 Chorberr
zu Beromünster, 1333— 37 Kaplan am päpstlichen Hofe zu Avignon, von 1341 bis zu
seinem 1376 erfolgten Tode Domberr zu Konstanz, schrieb eine lateinische Geschichte
seiner Zeit von 1316 bis 1361, welche vor allem die kirchlichen Ereignisse ins Auge
fasst, daneben aber anch eine Menge wichtiger Nachrichten für die Geschichte des Reiches
und diejenige der schweizerischen Lande im besondern enthält; natürlich steht der
Chronist auf östreichischer Seite,
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Die vorgenannten Zürcher zogen mit ihren Helfern gegen Baden
aus und verbrannten daselbst alle Gasthäuser diesseits des Wassers.
Hierauf sammelten sich die Leute des vorgenannten Herrn Albert, Herzogs
von Östreich, aus Stadt und Schloss Baden und den benachbarten Städten
und Landschaften und Dörfern im Aargau und schlugen am St. Stefanstag
des vorgenannten Jahres die vorgenannten Zürcher mit ihren Helfern in
die Flucht und töteten dreihundert, während die übrigen die Waffen
wegwarfen und schimpflich nach Zürich flohen.
34. Aus dem Glarner — 4. Juni 1352.'
Eidg. Abſchiede J. S. 273 f.
In Gottes Namen Amen. 1. Ich Rudolf Brun, Ritter, Burgermeiſter,
und wir die Räte und die Burger insgeſamt der Stadt Zürich, Ich Johannes
von Attingenhuſen, Ritter, Landammann, und die Landleute insgeſamt zu
Uri, und wir die Amtleute und die Landleute insgeſamt zu Schwiz und
zu Unterwalden zu beiden Seiten des Kernwalds, und wir der Ammann
und die Landleute insgeſamt zu Glarus tun insgeſamt fund allen, die
diefen Brief jehen oder lejen hören und erklären öffentlich: daß wir unſerer
großen Notdurft und guten Friedens halber insgemein unferer Städte und
Yänder, zur Sicherheit und zur Schirmung unferer Yeiber und Güter eine
getrene Freundichaft und ein ewiges Bündnis vereinbart und einander gelobt
und gejchtworen haben, einander zu raten und zu helfen nach den Stüden
und Artikeln, wie hienach gejchrieben ſteht.
2. Des erjten fprechen wir von Zürich, von Uri, von Schwiz und von
Unterwalden, wo das wäre, daß [jemand] den Yandlenten von Glarus insgemein
oder jemandem unter ihnen in den Zielen und Kreiſen, wie ihre Yandınarf geht,
irgend einen Schaden, Abbruc oder Angriff zufügte, an ihrem Yeib oder an
ihrem Gut, ohne Recht, darüber mögen fie fich erfermen auf den Eid, und
weſſen fie ji da in ihrem Nat erfennen, insgejamt oder der Mehrteil unter
ihnen, auf den Eid in Betreff der Hilfe, deren fie benötigt jind, darım mögen
fie uns mahnen mit ihren Briefen oder gewiſſen Boten an die Räte unjerer
Städte und Yänder.
Im Juli 1450 wurde ein neuer Bund der vier Orte mit Glarus unter Zurüd-
datirumg auf den Tag des eriten Bundes (4. Juni 1352) aufgerichtet, welcher mit dem
Zürcher Bund faft wörtlich übereinftimmt; nur wird in Art. 19 Glarus blos die Befugnis
zugeftanden, fih mit Bern, Luzern und Zug zu verbinden ; für weitere Bündniſſe
bedarf es dagegen jeweilen der Erlaubnis der Eidgenoffen. S. Abſchiede II. ©. 862.
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3. Und wenn wir aljo um Hilfe von ihnen gemahnt werden, fo jolfen
wir ihnen unverzüglich in ihren Landmarken beholfen und beraten jein mit Yeib
und mit Gut und in unfern eigenen Koften, joweit, bis ihnen der Schaden,
jo ihnen ohne Recht geichehen ift, ganz und gar vergütet und erjetst werde.
4. Wäre aber, daß ihnen irgend ein Schade oder Angriff plöglich zuftiehe,
weshalb jie auch plöglicher Hilfe benötigt wären, jo follen wir auch unverzüglich
und ungemahnt unjere ehrbare Hilfe zu ihnen jenden, ihnen beholfen und be-
raten jein mit Yeib und mit Gut, jo weit wir vermögen, aljo daß fie des
Schadens dannzumal ganz und gar ledig werden, ohne alle Gefährde. 5. Wäre
aber, daß uns die vorgenannten Eidgenofjen von Züri, von Uri, von Schwiz
und von Unterwalden insgejamt oder den Mehrteil unter uns dinfte, und
mir ung auf den Eid erfennten, daß die Beichwerde und die Sache, darım
dann die vorgenannten unjere Eidgenoffen von Glarus gemahnt hätten, ganz
ungerecht und unredlich jei, darin follen fie uns dann gehorfam fein und
fih davon weiſen laffen, ohne allen Verzug, damit fie und auch wir aus
feinen und unredlichen Sachen dejto minder in große Kriege und Schäden
fommen.
6. Hiegegen fprechen wir die vorgenannten: der Ammann und die Land:
leute insgejamt zu Glarus und geloben auch insgejamt bei den Eiden, jo wir
darum getan haben: wo das wäre, daß irgend ein Schaden oder Angriff ohne
Hecht den vorgenannten unfern Eidgenoffen von Zürich, von Uri, von Schwiz
und von Unterwalden gejchähe, ihnen insgejamt oder ihrer einem bejonders,
an ihrem Yeib oder an ihrem Gut, wenn wir dann darum gemahnt werden
mit Boten oder mit Briefen von der Stadt oder dem Yand, jo dann der
Angriff geichehen ift, nachdem als ſich dann die Räte oder Gemeinde der
Stadt oder des Yandes auf den Eid zu mahnen erfenmen, insgefamt oder der
Mebrteil unter ihnen, jo jollen wir unfere ehrbare Hilfe unverzüglich dazu
jenden, ihnen beholfen und beraten fein mit mit Yeib und mit Gut, an allen
Stätten, da jie uns hinmahnen, jo weit, daß ihnen ganz und gar vergütet
und erjett werde der Angriff und der Schade, darum fie dannzumal gemahnt
haben, ohne alle Gefährde. Und die Dienfte und Hilfe follen wir auch tum in
unjern eigenen Koften, ohne alle Gefährde.
— — — 8. Es ijt auch abgeredet, daß wir die vorgenannten Yand-
leute von Glarus uns fürbas nad feiner Seite hin ftärfen noch verbinden
jolfen, weder jet noch jpäter, weder mit Herren, Städten noch mit Yändern,
außer mit guter Gunſt, Wiffen und Willen der vorgenannten unferen Eid-
genoſſen insgejamt von Zürich, von Uri, von Schwiz und von Unterwalden.
9. Aber diejelben unjere Eidgenoffen insgejamt oder im bejondern mögen ſich
wohl fürbas ſtärken und verbinden, mit wen fie wollen, und jollen wir die
von Glarus fie daran nicht hindern, weder jetzt noch jpäter, mit feinen Sachen,
ohne alle Gefährbe. Und wohin fie ſich verbinden, dahin jollen wir uns auch
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unverzüglich mit ihnen verbinden, ohne alle Widerrede, wenn fie e8 von uns
fordern, ohne alle Gefährde. — — —
— — — 11. Wäre auch, daß wir, die vorgenannten Yandleute von
Glarus mit unfern den vorgenannten Eidgenoffen allen insgeſamt wegen einer
Sache je in Streit gerieten, jo jollen wir darüber zu tagen kommen gen Ein:
jiedeln dem Klofter und die Sache zum Austrag bringen nach den Artifeln
und Bedingungen, wie diefelben unjere Eidgenofjen in ihren alten Bund-
briefen um ſolche Sachen jett gegeneinander verjchrieben haben. 12. Gerieten
wir aber von Glarus je in Streit mit einem von den vorgenannten unjern
Eidgenoffen im befondern, jo jollen wir darüber auch zu tagen fommen: mit
denen von Zürich gen Pfäffikon, am Zürichſee gelegen, mit denen von
Schwiz auf Bergern!, mit denen von Urt auf Merchern? und mit denen
von Unterwalden gen Brunnen, und mit welchen unter ihnen wir aljo
in Streit gerieten, das jollen dann die andern Eidgenoffen Gewalt haben
endgiltig zu jchlichten und, weſſen fie dann insgeſamt oder der Mehrteil
unter ihnen fich darüber erkennen nad Recht oder in Minne mit beider Teile
Wiſſen, dem follen wir die von Glarus und auch die, welche dann Streit
mit uns haben, gänzlich gehorjam fein und ung aljo vom Kriege weijen
lafjen. — —
35. Die Stadt Bug ward gewonnen. Iumi 1352,
Aus Mülners Jahrbuh S. 82.
Dies mwährte alfo bis zum achten Tag Brachmonats des vorgenannten
Jahres [1352], da fandten die von Zürich 1600 Mann vor die Stadt Zug.
Alfo famen auch andere unjere Eidgenoffen daher, und da wir aljo vor der
Stadt lagen bis zum 15. Tag, da ftürmte man die Stadt, bis fie die Stadt
übergaben und zu ums jchwuren, das Bindnis aljo zu halten, wie wir und
andere unjere Eidgenoffen dasjelbe geihworen hatten. Und aljo warteten wir
dennoch drei Tage, ob der Herzog die Stadt entjchütten wollte, weil uns die
von Zug gebeten hatten. Sie ſchickten auch ihre Botjchaft zu dem Herzogen,
wenn er fie in drei Tagen entjchütten wollte, jo wären fie ihres Eides ledig,
was aber der Herzog nicht tum mochte. Alfo zog jedermann wieder heim und
[wir] befegten die Stadt, wie es ums notwendig war und ung gut bedünkte.
Und auf daß fie defto mehr Glimpf zu dem Bilndnis bätten, bebielten die
von Zug dem Herzogen alle feine Rechte vor, Steuer, Zins, Gilt und alle
Herrlichkeit und meinten, er jollt es ihnen deſto eher gönnen; aber jie taten
! Pragel. — * Ennetmärch im Urmerboden.
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ihm danach feinen Dienft mehr, und gaben ihm auch weder Zins, Gülten
noch anderes; denn fie nahmen es jelber ein umd ließen die Herrichaft
mangeln.
36. Der Zuger Bund, 27. Juni 1352
Abi. I. S. 275.
iſt eine faſt wörtliche Copie des Zürcher Bundes. Der Eingang lautet: In
GN. A. Wir, der Burgermeifter, die Räte und die Burger insgefamt der
Stadt Zürich, der Schultheiß, der Rat und die Burger insgefamt der Stadt
zu Yuzern, der Rat und die Burger insgefamt der Stadt Zug und alle,
jo zu demjelben Amt Zug gehören, die Ammänner und die Yandleute ins—
gejamt der Yänder zullri, u Schwiz und zulinterwalden tun Fund ac.
37. Der Berner Bund. 6. März 1353.
Abi. I. S. 2385.
In Gottes Namen, Amen. 1. Wir der Schultheif, der Rat, die Zwei:
hundert und die Burger insgemein der Stadt zu Bern, in Uechtland
gelegen, die Yandammänner und die Yandleute insgemein der Yänder zu Uri,
zu Shwiz und zu Unterwalden tun kund ac. Das folgende wörtlich
wie im Zürcherbunde; mur fällt die Begrenzung eines beſtimmten Kreiſes
weg, innerhalb deſſen die Hilfeleiftung ftattfindet]. 4. Und jobald die Mah—
nung geichieht, jo jollen alle, die in diefem Bündnis find, unverzüglich ihre
ebrbare Botichaft zu Tagen jenden in das Kienholz! und da zu Rate
werden, wie denen, jo deun um Hilfe gemahnt haben, unverzüglich bei
den Eiden geholfen und geraten werde mit ganzem Ernſt und mit allen
Sachen, wie denen nötig ift, die fich dannzumal um Hilfe erfannt und ge
mahnt haben, ohne alle Gefährde, aljo dak der Schaden und der Angriff, jo
an ihnen gejchehen ift und darım fie dannzumal gemahnt haben, gerochen,
vergütet und erfegt werde, ohne Gefährde. 5. Und haben auch wir, die
vorgenannten von Bern Gewalt, die vorgenannten Walditätte, unjere Eid-
genofjen, zu mahnen gegen alle die und an alle Stätten, jo uns und alle
ı Weiler bei Brienz.
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unfere Burger und die unfer Yehen, Pfand oder Eigen find, fchädigen wollten
oder angreifen, umd von niemand anders wegen, ohne alle Gefährde. Und
gegen die joll man ung beholfen fein in all der Weije, wie da vorgejchrieben
jteht, ohne alle Gefährde.
6. Und wenn auch wir die vorgenannten Waldftätte alle drei, oder eine
von uns im bejondern, alfo um Hilfe gemahnt werden von den vorgenannten
von Bern und wir ihnen die Hilfe fenden über den Brüning, wie in dem
Kienholze auf dem Tag in Betreff der Sache erkannt worden ift, darım
unjere Boten da beieinander gewejen find, jo jollen wir die Hilfe bis gen
Unterjeen in unjern Koften leiften, und von der erften Nacht in Unterfeen
an jollen die vorgenannten von Bern jeglichem der Unfern, jo wir ihnen ge-
waffnet gejendet haben, alle Tage, dieweil fie die in ihrem Dienfte haben
wollen, einen großen Tourney! an feine Koften geben, und joll auch ung das
von ihnen genügen, und jollen das tun, bis daß die Unjern wieder von ihrem
Dienft bis gen Unterſeen kommen und nicht weiter, ohne alle Gefährde.
7. Wäre au, daß wir die vorgenannten von Bern dereinſt unjere Hilfe
jenden würden den vorgenammten Waldjtätten allen oder einer von ihnen im
bejondern, nach der Mahnung und Erkenntnis, wie oben gejchrieben ift, die-
jelbe Hilfe follen wir ihnen auch in unfern Koften leijten bis gen Unterſeen,
und von der erjten Nacht in Unterjeen an jollen die vorgenannten Walpdftätte
jeglihem der Unjern, fo wir ihnen gewaffnet gejendet haben, alle Tage, Die:
weil jie die in ihrem Dienft haben wollen, einen großen Tourney an feine
Koſten geben und joll auch uns das von ihnen genügen, und follen das tum,
bis daß die Unfern wieder von ihrem Dienjt bis gen Unterjeen fommen und
nicht weiter, ohne alle Gefährde.
8. Wäre au, dak ung den vorgenannten Eidgenofjen irgend ein Nach:
teil oder Schaden geichähe oder irgend welche Ungebühr von jemandem zu-
ftieße, die uns gemeinſam beträfe, darum wir einbellig und gemeinschaftlich
einen Auszug oder eine Belagerung vereinbaren und bejchliegfen wirden, den
Auszug oder die Belagerung jollen wir die vorgenannten von Bern und aud)
die Waldftätte in unfern eigenen Koften tun, ohne alle Gefährde.
9. Und wäre auch, daß wir aljo einen gemeinichaftlichen Krieg bekämen,
der ung gemeinjam beträfe, wo wir, die vorgenannten von Bern oder die
Waldſtätte, dann gegen die Feinde zögen umd fie jchädigten, an welchen Stätten
das wäre, darum joll feiner von ung, die in diefem Bündnis find, dem andern
irgendwelche Koſten bezahlen noch erjtatten, ohne alle Gefährde.
10. Würe au, daß wir, die von Bern, die Feinde hie oben um uns
[herum] angriffen und jchädigten, wenn wir dann die Waldftätte mahnten, jo
jolfen fie aud) danieden um fich [herum] förderlich die Feinde angreifen und
' Gros tournois hießen in Tours geprägte Silbermiluzen, die 1 Schilling wert waren.
rw
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ſchädigen, foweit fie fünnen. Und von desjelben Angriffs wegen follen wir
ihnen noch fie uns feine Koften rechnen, zahlen noch erjtatten. 11. Und
gleicher Weife, griffen auch wir, die vorgenannten Waldftätte, die Feinde bie-
nieden bei uns an umd jchädigten die, wenn wir dann die obgenannten von
Bern, unſere Eidgenoffen, mahnten, jo follen fie auch da oben um ſich [herum]
förderlichft die Yyeinde angreifen umd jchädigen, jo weit fie fünnen, und von
desjelben Angriffs wegen follen wir ihnen noch fie uns feine Koften rechnen,
bezahlen noch erjtatten, ohne alle Gefährde.
12. Es joll auch niemand dem andern in diefem Bindnis irgend welche
Koften bezahlen noch erftatten, [für einen Zug] gen Aargau, er jei dahin
gemahnt oder nicht.
13. Wäre auch, dak man jemand befagern würde, jo joll die Stadt
oder das Yand, jo die Sache angeht und die dannzumal gemahnt haben, die
Koften allein tragen, jo von Werfen oder von Werfleuten von der Belagerung
wegen darauf gehen, ohne alle Gefährde.
14. Wir die vorgenannten von Bern haben auch im bejondern abge-
redet: wäre es, daß denen von Zürich oder von Yuzern, die jetzt mit
den obgenannten Waldftätten Eidgenofjen find, jemand einen Nachteil, Angriff
oder Schaden zufügte, darım fie dann diejelben Waldftätte, ihre Eidgenoffen,
mabnen wirden und die auch ihnen ihre Hilfe leiften wollten, wohin aud)
dann die vorgenannten Waldftätte, unfere Eidgenoffen, uns mahnen, dahin ſollen
wir unſere ehrbare Hilfe unverzüglich mit denjelben unſern Eidgenofjen jenden
und mit ihnen ziehen an jegliche Stätte, wo auch jie hinziehen, und ihnen da
ihre Feinde angreifen und jcehädigen helfen an allen Stätten, bei demjelben
Auszug oder anderswo, da wir es tum fünnen, mit guten Treuen ohne alle
Sefährde, und diejelbe Hilfe jollen wir auch tun in unfern Koſten. 15. Wäre
aber, daß wir, die von Bern, auch von jemand angegriffen oder gejchädigt
würden, und wir die obgenannten Waldftätte, unjere Eidgenofjen, darum
mahnten, wofern dann auch diejelben Waldjtätte die von Zürich oder die von
Yuzern, fie beide oder eine von beiden, ihre Eidgenofjen, mahnten, und die
mit ihnen zögen und ihnen behilflich wären, unjere Feinde zu jchädigen, bei
demjelben Auszug oder anderswo, da jollen wir denjelben von Zürich oder
denen von Yuzern auch feine Kojten bezahlen noch erjtatten.
[Die weitern Beftimmungen entjprechen den Artikeln 10—19, 21—30
des Zürcher Bundes, aus dem fie zum Teil wörtlich herübergenommen jind.]
Oeehsli Qnellenhurh. 7
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38. Das Beichsheer vor Zürich. Sept. 1354.
Aus Mülners Jahrbuch S. 86 f.
In diefen Tagen fam der Römijche König, Karolus von Böheim,
mit viel Volfes und mit großer Macht, mit viel Fürſten und Herren und
mit des Reiches Städten, und legte ji) auch vor unſere Stadt Zürih an
die Glatt, da der Herzog vorher gelegen war. Da brach er auf und zog
hinüber zu dem Kaltenftein gen dem See. Alſo brach Herzog Albrecht
von Öftreich auch auf zu Rapperswil, und famen zu einander, der König
und der Herzog, bei dem Kaltenftein, und aljo zogen fie da miteinander mit
großer Macht und großer Gewalt und legten ji vor unfere Stadt an die
Kloſen und verbrannten und verwüfteten alles, was vor der Stadt war,
was fie nicht vorher verwüftet hatten, umd jchlugen die Neben aus, und an
dem Samstag, da es des heiligen Kreuzes Tag im Herbft [14. Sept.) war,
da zogen fie oben durh Hottingen und ob Fluntern hin und ver:
wüſteten, was fie fanden, und lagerten bei der Spannweid am äußern
Yegigraben und lagen da vor unferer Stadt mit großer Gewalt.
Dies find der Fürften, der Herren und der Städte Namen, die jelber
vor Zürich gelegen find und die uns auch abgejagt hatten; es find da auch
etliher Herren und Städte Namen, die vorher mit dem Herzog vor unferer
Stadt gelegen find und die nun zumal mit dem Könige und mit dem Her—
zogen nicht vor uns lagen: Des erjten der Römiſche König Karolus, Herzog
Albrecht von Oftreih, Markgraf Yudwig von Brandenburg, Graf
Eberhard von Würtemberg, der des Herzogs Kriegshauptmann war,
Graf Ludwig von Öttingen, Graf Friedrich von Öttingen, abermals
Graf Friedrich von Öttingen, zwei Grafen von Schmalenegg, Graf
Friedrich von Ortenburg, der Burggrafvon Nürnberg, zwei Grafen
von Tettnang, Graf Eberhard und Graf Heinrich von Nellenburg,
Graf Wilhelm von Kirchberg, zwei Grafen von Fürſtenberg, Graf
Nudolf und Graf Hartmann von Werdenberg, der Graf von Mag:
berg, des Grafen Diener von Savoyen, der Graf von Hochberg, drei
Grafen von Thierftein, Graf Ymer von Straßberg, der Graf von Ky—
burg, der Graf von Neuenburg, der Graf von Nidau, Graf Peter von
Aarberg, Graf Haman von Froburg, der Graf von Zoller, der Bi:
ihof von Würzburg, der Biſchof von Freiſing, der Biichof von Bam—
berg, der Bilchof von Bajel, der Biichof von Konjtanz, der Bilchof
von Cur, der Herzog von Urslingen, Derzog Friedrich von Ted,
und dabei viel Herren, Ritter und Knechte, die hie nicht gejchrieben find.
An St. Bartholomäusabend (23. Aug.) zogen die von Konſtanz aus zu
König Karolus und Herzog Albrecht von ſtreich anno 1354. Dieſe nach—
gejchriebenen Städte find auch mit dem Herren vor Zürich gelegen. Straß:
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burg, Bafel, Freiburg im Breisgau, Breifah, Neuenburg,
Soloturn, Konftanz, Schaffhbaufen, Bern und Wil und viel
andere Städte, die vorher mit dem Herzog vor Zürich gelegen waren, deren
Namen bie nicht alle gefchrieben ftehen.
Da man nun alfo vor unferer Stadt Zürich lag mit aller Macht und
großer Gewalt, da pflanzten wir zu Zürich des Neiches Panner auf und
mahnten den Kaiſer, daß wir doc anders niemandem zugehörten, als dem
beiligen Reich, dawider wir auch nimmer handeln wollten; wir wollten ihm
auch gern gehorjam fein als einem Römiſchen Könige zu des Reiches Handen,
weil wir das von Billigfeits: und Rechtswegen täten. Und da der Kaiſer
unjern Glimpf! hörte und ſah, daß wir gern gehorjam fein wollten, da
brad das Heer mit einander auf umd 309 hinweg. Unſere Stadt Zürich
hatte e8 aud) nötig, daß wir mehr Gnade hätten beim Kaiſer, als wir hätten
beim Herzog von Öſtreich und den Seinen, und daß wir befjere Freunde
an Herren und Städten hatten, die vor uns lagen; denn derjelbe Herzog hätte
uns gern jehr wehe getan, denn es war ihm gänzlich zuwider, daß der Kaiſer
aufbrach und er von dannen ziehen mußte.
39. Der — 7. Okt. 1370.
Eidgen. Abichiede I. ©. 301.
1. Wir der Burgermeifter, die Räte, die Zunftmeifter und alle Burger
insgefamt der Stadt Zürich, der Schultheiß, der Nat und alle Burger ins-
geiamt der Stadt zu Yuzern, der Ammann, der Nat und alle Burger ins—
gefamt der Stadt Zug, zu Aegeri und alle die in dasjelbe Amt Zug
gebören, die Ammänner und alle Yandleute insgejamt der drei Yänder Uri,
Schwiz und Unterwalden tun fund allen denen, die diefen Brief jehen
oder lejen hören, daß wir mit gemeinem Mat umd mit guter Vorbetrachtung
um des Nutens und Bedürfniffes und guten Friedens willen unfer und des
Yandes übereingefommen jind, insgefamt und einhelligli, dre Ordnung umd
und Gejete, wie hienach geichrieben ſteht.
2. Des erften haben wir gejeget: Wer mit eigenem Herd, mit jeiner
eigenen Perjon oder mit jeinem Gefinde ‚fiten und mohnbaft jein will in
diejen vorgenannten Städten und Yändern, er jei Pfaff oder Yaie, edel oder
ımedel, die der Herzoge von Öftreich Nat oder Dienft gelobt oder gejchworen
haben, die alle jollen auc, geloben und jchwören, unjere, der vorgenammten
' Angemefjenes, artiges Benehmen.
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Städte und Länder, Nugen und Ehre zu fördern umd mit guten Treuen zu
warnen vor all dem Schaden, fo fie [etwas] vernähmen, was den vorgenannten
Städten oder Yändern insgefamt oder im bejondern in irgend einer Weije
Nachteil oder Schaden bringen möchte, und joll fie davor fein anderer Eid,
den fie jemandem getan haben oder noch täten, jchirmen, ohne alle Gefährde.
3. Was auch Pfaffen in unſerer Eidgenofjenichaft, in Städten oder in
Yändern, wohnhaft find, die nicht Burger, Yandleute noch Eidgenofjen find,
die jolfen fein fremdes Gericht, [weder ein] geiftliches noch weltliches, ſuchen
noch anrufen gegen jemand, jo in diefen vorgenannten Städten oder Yändern
ift. Denn fie follen von jeglihem Recht nehmen an den Stätten und vor
dem Richter, da er anſäßig ift, es wäre dann im Betreff einer Ehe oder
in geiftlichen Sachen, ohne alle Gefährde. 4. Welcher Pfaff aber dawider
handelt, da ſoll die Stadt oder das Yand, da derjelbe Pfaff wohnhaft ift,
verhüten und verforgen mit ihrer ganzen Gemeinde, daß demjelben Pfaffen
niemand zu eſſen oder trinfen gebe, [ihn weder) Haufe noch hofe, mit ihm
weder Kauf noch Widerfauf noch eine andere Gemeinjchaft mit ihm habe,
ohne Gefährde, und ſoll auch derjelbe Pfaffe in niemandes Schirm fein,
[weder] umjerer Städte noch Länder, all die Weile, bis er von den fremden
Gerichten läßt und auch den Schaden erjett hat, den der Beklagte genommen
hat der fremden Gerichte wegen, ohne alle Gefährde.
5. Wäre auch, daß jemand, fo in dieſen vorbenannten Städten und
Yändern wohnhaft ift, den andern ohne Recht angriffe und jchädigte, mit
Pfändung oder andern Sachen, auf deffen Yeib und Gut jollen die, bei denen
er wohnhaft ift, greifen, ihn dazu nötigen und anhalten, daß er den Schaden
gänzlich erjege und vergüte, da unfere gejchworenen Briefe weijen, daß nie-
mand den andern ohne Net jchädigen joll.
6. Wäre aud), daß irgend ein Paie umter uns den andern mit fremden
Gerichten beunruhigte, geiftlihen oder weltlichen, wegen weltliher Sadıe,
wie der Beklagte davon zu Schaden kommt, das foll ihm der Kläger erjegen;
denn jedermann joll von dem andern Necht nehmen vor dem Richter, da der
Beklagte anſäßig ift, wie unfere Yandesbriefe weijen.
7. Es foll auch niemand, der unter uns den vorbenannten Städten
und Yändern anfähig ift, feine Sache oder Anfprache jemandem in irgend
einer Weife geben, davon jemand bevrängt werden möchte, bei der Strafe,
jo vor und hienach gejchrieben ſteht, ohne alle Gefährde.
8. Wäre aber, daß jemand in diefen vorgenannten Städten und Yän-
dern jein Burgrecht oder fein Yandrecht aufgäbe und hernach jemand unter
uns mit fremden Gerichten, geiftlichen oder weltlichen, beunruhigte und jchä-
digte, der ſoll doch nimmermehr wieder in diejelbe Stadt oder in das Yand
fommen, ehe er dem Beklagten gänzlich allen Schaden erjegt, den er von
des fremden Gerichtes wegen genommen hat, ohne alle Gefährde.
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9. Wir find auch einhelliglich übereingefommen, daß wir alle Straßen
von der ftiebenden Brücke [Teufelsbrüde] bis gen Zürich zu allen Seiten in
unferer ganzen Eidgenoſſenſchaft ſchirmen jollen und wollen, er jei Gaſt,
Yandmann oder Burger, fremd oder einheimifch, wie fie [auch] heißen, daß die
mit ihrem Yeib und mit ihrem Gut in allen unfern und derer, jo zu ung
gehören, Gerichten und Gebieten jicher reifen, daß fie ohne Recht niemand
befümmern, hindern noch jchädigen ſoll. Wer aber dawiderhandelt, da jollen
wir alle einander beholfen und beraten fein, wie der dazu angehalten werde,
dak er den Schaden und Angriff erjege und vergüte, jo weit jein Leib und
jein Gut es bejtreiten mag, ohne alle Gefährde.
10. Und als daher zu etlichen Zeiten von Städten und von Ländern
Yeute ausgezogen find und andere Yeute angegriffen umd gepfändet, gejchädiget
baben, davon jehr großer Schaden fommen möchte, und den Schaden zu ver:
büten, haben wir einhelliglich feftgefett, meinen und wollen nicht, daß von diejen
vorgenannten Städten und Yändern jemand einen Yauf oder Auszug mache,
mit Pfändung oder andern Sachen jemand jehädige, außer mit Erlaubnis,
Willen und Wiffen: zu Zürich eines Burgermeifters und des Rates, zu
Yuzern des Schultheißen und des Nates, in Zug des Ammanns und des
Rates umd in den obgenannten drei Yändern Uri, Schwiz und Unterwalden
der Ammänner und der Räte, in jeder Stadt und jedem Yand bejonders, da
die anſäßig find, die den Angriff tum wollen oder getan haben. 11. Wer
aber damwider handelt, daß jemand zu Schaden fommt, den und die jollen
die Stadt oder das Yand, bei denen er wohnhaft ift, anhalten und nötigen
an Yeib und an Gut, daß er den Angriff und den Schaden erjege, und
gänzlich vergüte, unverzüglich, ohne alle Gefährde.
12. Aber in diefen Sachen haben wir die von Zürich uns jelber aus-
genommen und vorbehalten unſere Frau die Abtiffin und ihr Gotteshaus,
in umjerer Stadt gelegen, und auch unfern Herren, den Biſchof von Konftanz,
jein geiftlich Gericht und andere Gelübde, jo er mit uns und wir mit ihm
vereinbart haben und unſere Briefe zu beiden Seiten weiſen; jo lang die
währen, ohne alle Gefährde. 13. So haben aber wir die vorgenannten
Burger von Yuzern uns jelber in diefen Sachen vorbehalten und ausge
nommen unjere Herren und ihr Gotteshaus in dem Hof zu Yuzern, auch ohne
Gefährde.
14. Wäre auch, daß wir dieſer vorgeſchriebenen Stücke eines nun oder
jpäter mindern oder mehren wollten, das mögen wir wohl tum, wenn wir die
vorgenannten Städte und Yänder allefamt oder der Mehrteil unter ung
übereinfommen und zu Nat werden, und auch alſo, daß dies Geſetz und alles,
was in dieſem Brief gejchrieben fteht, unschädlich fein joll allen unfern Binden
und Eiden, vielmehr diefe gänzlich bleiben jollen in aller Kraft, wie unfere
geichwornen Bundesbriefe weijen, ohne alle Gefährde.
102
15. Und darüber, daß dies alles jest und in fünftigen Zeiten beftändig
und unverletst bleibe, jo haben wir die vorgenannten von Zürich, von Yuzern,
und von Zug unferer Städte gemeines Siegel und wir, die vorbenannten von
Uri, von Schwiz und von Unterwalden unſerer Yänder gemeines Siegel
öffentlich an diefen Brief gehängt, uns und allen unfern Nachkommen zu einer
Bezeugung der vorgejchriebenen Dinge, der gegeben ift an dem nächjten Montag
nad St. Yeodegars:Tag, des heiligen Bifchofs, da man zählte von Chriftus
Geburt dreizehnhundert Jahre, darnach in dem fiebenzigften Fahre.
40. Die Schlacht bei Sempach. 9. Juli 1386.
A. ſtreichiſche Berichte.
1. Gregor Hagen. Um 1395.
Abgedrudt bei Gehrig, die Winkelriedfrage, S. 58.
Gregor Hagen, ein Öftreiher, von deſſen Pebensumftänden fehr wenig befannt ift,
begann um 1393 eine Chronik zu fchreiben, die er dem Herzog Albrecht III. (F 1395)
widmete.
v2
En
Pe in grobes Bauernvolf, die Schweizer geheifen, das dem Rechte
* nach denen von Oſtreich angehört, dieſelben töriſchen Bauern be—
e mächtigten jich etlicher Städte in Schwaben, die Herzog Yeupolten
angehörten. Herzog Yeupolt gedachte um jein väterlich Erbe in rechter Weiſe zu
fechten, und bejammelte fich mit feinen Herrn, Nittern und Knechten, die er
dazumal bei jich hatte, von der Etih, von Schwaben, und zog mit feinem
Panier gen Sempach; doc war der hochgeborne Fürſt nicht gebörig geordnet
zum Streite. Er jandte einen Haufen voraus, die fanden die Schweizer vor
Augen auf dem Felde. Da waren etliche zu fe und eilten ohne Ordnung
auf den Feind. Da war auch des edeln Fürften Panier, denen ging es aud)
zum erjten wohl. Danach hörte der edle Fürſt ein Hägliches Geſchrei: „O
rette Oſterreich, rette!“ und ſah das Panier gar ſehnlich ſchweben, gleich als
wollte es untergehen. Da ruft der beherzte Fürſt all ſeine Ritter und Knechte
an, daß ſie mit ſamt ihm von den Roſſen ſtiegen und Ritter und Knechte
retteten. An demſelben Dienſt waren etliche gar träge. Alſo ſtieg der edele
Fürſt von ſeinem Roß und lief die Feinde an gar ritterlich mit ſeinen getreuen
103
Rittern und Knechten, kühn wie ein Yeo !, Etliche hielten zu Roß und jchauten
eine Weile dem Kampfe zu und begannen hernach zu fliehen. Noch hätte man
den edeln Fürſten wol mit dem Yeben davon gebradt. Der jpradh: „Er wollte
(ieber jterben mit Ehren, als ehrlos leben auf Erden“ umd focht wider die
Feinde mit all feinen getreuen Rittern und Knechten, und [fie] töteten manchen
Feind, bis die Feinde die Oberhand gewannen und der lobejame Fürft jeinen
Geiſt Gott dem Allınächtigen in feine Hände empfehlen mußte. Und aljo fielen
die Starken in dem Streit und find die ftreitbaren Wappen untergegangen,
und wurden mit dem Fürften gute Ritter und Knechte mehr al3 Hundertzwanzig
erichlagen.
2. Zwinger von Königshofen. Um 1390.
Abgedr. bei Gehrig, ©. 58.
Jalob Twinger von Königshofen, ein Straßburger Geiftlicher, geb. 1346, get. 1420,
fchrieb in den Fahren 1382—1390 eine Chronik, die er 1400 zu einem größern Werte
erweiterte.
Da machte fich der Herzog auf mit einem großen Volf, gegen 700 Yanzen
gutes berittenes Volf, und [fie] zogen vor das Städtlein Sempach und wollten
das geftürmt umd wieder gewonnen haben, weil es von dem Herzog abgefalfen
war. Und viele Schweizer lagen in demfelben Städtlein zur Yandwehr. Und
wäre es, daß der Herzog dasjelbe Städtlein nicht gewinnen möchte, jo wollte
er aber, wie man jagte, das Korn und die Früchte um dasjelbe verheert und
abgemäht haben den Schwizern zu Yeide. Und darım hatte der Herzog aud)
bei fich gegen 200 Mähder mit ihren Senjen und ihrem Geräte, das dazu
gehörte. Dies erfuhren die von Yuzern, von Schwiz, von Urad und
von Unterwalden und machten jich auch auf mit 2000 gewaffneten Fuß—
gängern, und waren die von Bern und von Zürich) da nicht bei ihnen. Und
da die beiden Heere einander anfichtig wurden, da war der Herzog und ein
Zeil jeines Bolfes fo gierig zum Streit, daß fie zu Fuß abjahen von ihren
Hengiten, und gaben die ihren Knechten zu halten und eilten ungeordnet je
einer vor dem andern zu den Schwizern. Auch waren unter des Herzogen
Volk viel junge Edelleute; die wollten Ritter geworden jein und ihre Tapferkeit
bemeijen, und eilten auch unvorfichtig den andern voran und jchrieen über die
Schwizer: „man jollte die Buben erjtechen.“ Inzwiſchen hatten die Schwizer
ihren „Spitz“ gemacht und ſich wohl geordnet zum Streite und ftellten ſich
zur Wehre und ftritten da mit einander auf einem ebenen ‘Felde vor Sempad),
daß auf beiden Seiten ritterlich gefochten ward. Nun war es dazumal der
ı D.i. Löwe, Anfpielmmg auf feinen Namen,
104
heifefte Tag des Jahres, und von der Die und Arbeit in dem Streite
wurden die Herren alsbald ermüdet und ſchwach, da fie in ihrem Harniſche
erfticlen wollten. Deshalb ward den Herren alsbald der Drud abgewonnen
und [fie] fingen an, völlig zu unterliegen. Da das die andern von des Her—
zogen Volk, der Mehrteil, die noch da auf ihren Hengften hielten und zu
Nate wurden, was zu tum wäre, jahen, wie es ihren Gejellen ging in dem
Streite, da fehrten fie bald wieder um und rannten davon. Da dies etliche
Herrn in dem Streite jahen, da brachen fie ſich aus dem Streite und fchrien
und riefen nach ihren Hengften und wollten auch davon gerannt fein. Da
waren die Knechte mit den Hengften vorher mweggeflohen, daß viele der Herren
nicht mochten zu ihren Hengften fommen. Die wurden da alsbald ereilet und
von den Schwizern auch erſchlagen. Hiemit war der Streit vollendet umd
fiegten die Schwizer über die Herren und behaupteten das Feld.
B. Schweizeriſche Berichte.
1. $uftinger Um 1420.
Heransgeg. von Studer, ©. 163.
Und da die Eidgenoffen mit denen von Zürich aljo gefriegt hatten,
da vernahmen jie, daß der Herzog mit großer Macht gen Sempad ziehen
wollte. Da erlaubten die von Zürich den Eidgenoffen, heimzufahren. Und da
es num ward am Montag, der da war der neunte Tag Heumonats, zog der
obgenannte Herzog Yüpolt von Öftreich mit großer Herrſchaft [Herrenmacht]
und mit großer Macht vor Sempach. Alſo zogen diefelben Eidgenoffen, jo zu
Zürich) gewejen waren, von Yuzern, Uri, Schwiz und Unterwalden aus gegen
Sempad, wohl bei 1300 Dann. Und da die Feinde auf beiden Seiten ein-
ander jahen, da jcharten fie jich auf dem Acer umd zogen alfo mit Vorbedacht
auf weitem Felde gegeneinander. Die Herren waren ungejtüm gegen die Eid-
genofjjen; die hatten jich jo nahe [aneinander] geſchmiegt und fochten mit dem
„Spige” und nahmen zuerft großen Schaden. Bald liefen die Eidgenofjen
von dem Spite und liefen in die Herrn umd fchlugen jo greulich mit den
Hallbarten, daß nichts vor den Streichen jtand halten mochte. Alsbald gab
Gott den Eidgenoffen das Glück, daß fie objiegten und das Feld mit großen
Ehren behaupteten. Und ward der obgenannte Fürft von Öftreich, viele große
Herren, Ritter und Knechte mit ihm erichlagen. Und waren der Feinde wohl
4000 zu Roß und zu Fuß. Da ward groß Gut gewonnen an Harniſch, an
Kleidern, an Kleinodien und an andern Sachen. Und verloren die Eidgenoffen
bei 120 Mann, und führten mit ihnen ab der Wahlftatt das Panner von
105
Tirol, das Panner von Ochſenſtein, des Markgrafen! Banner, derer von
Scaffhaufen Banner, derer von Mellingen Banner, und viele Fähnlein, die
fie nicht erfannten.
2, Bericht einer Zürderdhronif. Um 1438?
Aus G. v. Wyß „Über eine Zürderchronit aus dem 15. Jahrhundert“.
Unter den Handichriften der Zürcher Stadtbibliothek befindet fih eine von einem Un—
befannten im Jahre 1476 geichriebene Chronik, welche von Rudolf von Habsburg bis 1420
reiht und wahrſcheinlich nur die Abichrift eines ältern im Jahre 1438 verfaßten Wertes
it. Dieſelbe ift namentlich bemerkenswert, teil fie die frühefte Aufzeichnung der Tat
Winlelrieds enthält.
In den Zeiten und Tagen, al$ die von Zürich und andere umfere liebe
getreue Eidgenofjen in dem Felde lagen, da zog Herzog Yütpolt von Oftreich
mit einer großen Herrichaft vor Sempach, das Städtlein, und drohte diejen,
[fie] zu henfen und zu ertränfen, und vermwiftete da, was vor der Stadt war,
und [jie] mähten ihnen das Korn ab und jpotteten ihrer dabei und riefen in
die Stadt, dak man den Mähdern zu Morgen brächte. Unterdejfen da kamen
die Eidgenofjen mit vier Hauptpannern von Luzern, von Schwiz, von Uri
umd von Unterwalden. Da fam die Herrichaft den Berg herab mit einem
großen Gejchrei und warfen mit Steinen und mit hartem Angreifen, daß der
Eidgenoffen wohl 60 Mann getötet wurden, ehe daß der Herrichaft irgend
etwas geſchah, und derer von Yuzern Panner war untergegangen von großer
Not wegen. Und da Fam Herzog Yütpold und mwähnte, die Seinen hätten ob:
gefiegt, und wollte Ritter geworden jein. Und da half der allmächtige ewige
Gott den getrenen Eidgenoffen, dak fie objiegten mit großer Arbeit und die
Herren erjchlagen wurden und auch mit ihnen Herzog Yüitpold von ſtreich.
Dazu half uns ein getreuer Mann unter den Eidgenoſſen.
Da der ſah, daß es ſo übel ging und die Herren mit ihren
Glänenund Spießen immer die vorderſten niederſtachen, ehe
man jie allda erlangen möchte mit den Hallbarden, da drang
der ehrbare fromme Mann voran und jahte jo viel Spieße,
als er ergreifen mochte, und drüdte fie nieder, daß die Eid-
genojjen die Spieße alle abſchlugen mit den DHallbarden umd
da an fie famen, und tröftete fie und gab ihnen Freude und
rief und fprad: „Ste fliehen alle dahinten.“ Und da wurden
viel Grafen und Ritter und Knechte erjchlagen und viele Edelleute; denn fie
wollten feinen armen Mann bei ich lafjen, denn fie wollten die Schwizer
' Des Markgrafen von Hochberg.
106
jelber töten. Und da fiel Herzog Yütpold von Öftreich und mit ihm wohl
676 Mann. Und es wurden aud) viele in den Hölzern tod gefunden und er-
ftieten auch viele. Ihrer ward auch wohl gehütet bis an den dritten Tag '.
Und dazumal ward den Eidgenoffen großes Gut an Silber und Gold, an
Harnifchen und an Pannern. Merfe die Banner. Ein Panner von Tirol;
des von Ochſenſtein Banner; des Markgrafen Banner, von Mümpelgard [ein
Panner]; der Geſellſchaft? Panner; ein Panner ab der Etſch; derer von Frei—
burg Banner im Breisgau; derer von Schaffhaufen Banner; derer von Yenz-
burg Panner; des von Hajenberg Panner; des Grafen von Salm Panner.
Und da verloren die Eidgenofjen nicht mehr, als 113 Mann. Der Banner
find 11, die fie dazumal gewannen. Da ward aud Friede gegeben bis zum
dritten Tage, dak man die Toten möchte von dannen bringen in ihre Yänder.
Und diefer Streit geihah in dem Jahre, da man zählte von Gottes Geburt
1386 Jahre amı 9. Tag Heumonats an einem Montag früh um die achte
Stunde. Und aljo bangen diejelben Banner noch heutzutage zu Schwiz in
der Kirche und zu Yuzern bei den Barfüßern.
3. Aus Halbjuters Sempaderlied. Um 14707
Abgedrudt bei Lilienkron, die bift. Volkslieder, S. 125; im Auszug bei Tobler,
Schweizeriiche Volkslieder II. S. 15.
Der Name Winkelrieds ericheint zuerit in einem Piede, deffen Eriftenz zwar in der
vollftändigen Geftalt erit nad dem Jahre 1530 bezeugt iſt. Als Verfaſſer wird in der
Schlußſtrophe ein Halbiuter von Yuzern genannt, der es gemacht habe, als er „ab der
Schlacht” gefommen ſei. Wirklich bat im Jahr 1382 ein Halbiuter in Puzern gelebt; aber
aus triftigen Gründen wird bente allgemein angenommen, daß das große 67 Strophen
umfaffende Lied nicht ein uriprüngliches einheitliches Ganzes gebildet bat, fondern ans
verichiedenen älteren Liedern zufammengefetst und erweitert ift, weshalb es nicht wohl einem
Beitgenoffen der Schlacht zugeichrieben werden kann. Nun ift aber die Exiſtenz eines
jüngeren Halbiuters wohl bezeugt, welcher 1455 als Bürger in Yuzern erfcheint, von
1441—64 fogar Mitglied des Großen Rates war und den alten Zürichirieg, ſowie die
Schlacht von Grandſon mitmachte und erft nach 1476 ftarb, und es ift fein Grund vor—
handen, ihm die lrbeberichaft des Yiedes abzuftreiten, da nachgewielen worden ift, daß
„ab der Schlacht kommen“ zu jener Zeit fo viel bedeutete, als „von der Gedenkfeier der
Schlacht” kommen. Auch wäre es denfbar, daß mit der Schlacht nicht diejenige von
Sempach, jondern die von Grandion gemeint ift, jo daß wir alsdann die Entjtehung
des Picdes unmittelbar nah dem Sieg bei Grandfon auzuſetzen hätten.
! Die Sieger pflegten das Schlachtfeld drei Tage lang zu behaupten. — * Einer
Rittergefellichaft, aber welcher?
ie eh 7 Br tan DIE
10. An einem mäntag früe 17.
do man die mäder ſach!
iegt muoßen ? in dem toume,
dapen in’ we beſchach.
be, do fi gemäjet hand,
man g'lobt* in z'morgenbrote
vor Sempad uf dem Yand
il. Gar bald ruoft Hans von Küßnacht 18.
gen Sempach in die ftat:
„gend nun den mädern z'eſſen,
denn fi find an dem mad;
be, das wend die mäder han,
und tuond ir das nit balde,
ir werdind fin? fchaden han!“
12. Do antwurt im geichwinde 19.
| ein burger uf der ftat:
„wir werd ft jchlan um d’grinde
gar ſchwer in irem mad,
be, inen gen ® ein morgenbrot,
daß ritter und ouch knechte
am mad wird ligen tot!“
13. „Wenn kumt das ſelbig morgenbrot, 20.
das ir uns wellend gen?“
„wann wir die küew gemellen,
fo ſond' ir's wol verien ®;
be, wir wend dich richten an,
daß mer etwa menger
den löffel wird fallen lan!“
14. Gar bald fie das vernamend 21.
von Sempach uß der burg,
daß d'eidgnoſſen famend.
Do reit der von Hafenburg,
be, er ſpähet in dem ban®;
Do fah er bi einandern
meng eidgenoſſen ftan.
ts
21
16. Er tet zum leger’" feren,
gar bald er zuo in ſprach:
„ab, gnädiger fürft und berre,
betend ir bit üwer gemach!,
be, allein uf diſen tag!
das völfli hab ich beſchouwet,
fi find gar unverzagt.
rn > .
107
Do redt einer von Ochfenftein:
„Halenburg, haſenherz!“
im antwurt der von Hafenburg:
„dine wort bringend mir jchmerz;
be, ich ſag dir bi trüwen min:
man fol noch hüt wol ſehen,
wer der zeger '? werde fin!“
Si bundend uf ir beime
und woltend s' fürhin !"® tragen;
vo'n Schuochen 19 huwend ® 8’ d'ſchnäbel,
man bet gefüllt zwen wagen.
be, der adel wolte vornen dran,
die armen gmeinen puren
muoßtend dabinden ſtan.
Zuoſamen fi num ſprachend:
„das völkli iſt alſo Mein;
ſöltind unſer puren ſchlahen,
unſer lob das wurde klein,
he, man ſpräch: die puren hand's getan.“
die fromen eidgenoſſen
ruoftend got im himel an:
„Ad richer Chriſt von himel,
durch dinen herten tod
hilf hüt ung armen fündern
uß difer angft und not,
be, und tuo ung biftaı,
unſer land und lite
in Schirm und ſchutz behan!“
Do fi ir bet '® volbrachtend
got zuo lob und ouch zuo eer
und gotes liden gedachtend,
fant inen got der herr
be, ſtrenge!“ herz und mannesfraft
und daß fi tapfer kartend '*
iez gegen der ritterichaft.
. Des adels ber was veite,
ir ordnung did und breit,
verdroß die fromen gefte;
ein Winkelriet der feit:
„be, wend ir's g’niehen ' lan
min arme find und frouwen,
fo wil ih ein frefel ? b'ſtan.
ı Sab. — ? der Muße pflegen, von der Arbeit ruhen, — ? ihnen. — * gelobte, ver
ſprach. — ? davon. — ° geben. — ? follt. — ® vernehmen. — ? Bahn, Weg. — !9 Lager.
— 1! Ruhe — 1! zaghafter, feiger. — 2 vorwärts. — ' Schuhen. — hieben. —
16 Gebet. — ' ſtark. — '* fehrten, fih wandten, — '? entgelten. — *0 fühne Tat, —
108
28, Trüwen, Tieben eidgnoffen,
min leben verlür ich mit;
fi hand ir ordnung bichloffen,
wir mögend's in brechen mit:
be, ich wil ein inbruch han,
des wellind iv min geichlechte
in cwileit g’nießen lan!“
29. Hiemit fo tet er faſſen
ein arm vol fpießen b’hend,
den finen macht er ein gafien,
fin leben bat ein end;
be, er bat eins löumwen muot,
fin tapfer manlich fterben
was den vier waldfteten guot.
30, Alſo begunde brechen
des adels ordnung bald
mit houwen und mit ftechen.
got finer ſeelen walt!
be, wo er das nit het getan,
muoßt menger from eidgnoſſe
fin leben verloren han.
31.
33.
Sie Ichluogend unverdroffen
und ftachend mengen man
und ruoftend, die fromen eidguoflen,
einandern trülich an.
He, den löuwen! e8 fer verdroß,
der ftier fieng fih an jperren,
dem löuwen gab er ein ftoß.
Der löuw fieng an zuo maumen !
und treten hinder fich ®;
der ftier ftarzt* fine bramen ®
und.gab dem löuwen ein ftich,
be, daß er gar fum entrann:
„ih fag dir, ruche löuwe,
min weid muoßt mir bie lan!“
. Halbjuter unvergeſſen,
alfo ift er genant,
zuo Puzern iſt er gejeflen
und was gar wol erfant®,
be, er was ein biderman:
dis lied hat er gemachet,
als er ab der ſchlacht ift fan ?.
41. Die Schlacht bei Mäfels. 9. April 1388.
Nah dem Fahrtsbrief vom 2. April 1389; Blumer, Urkundenfammlung zur Geſchichte
des Kantons Glarus I. S. 306 ff.
Am 2, April 1389 beichloffen die Glarner, ihren Sieg durch einen alljährlichen Kreuz-
gang nach Näfels zu feiern. Die dabei errichtete Urkunde, der fogen. „Fabrtsbrief“,
wird gegemmwärtig no alle Jahre am Näfelſer Fabrtsfefte verleien.
oo,
*
FA der Mitte Auguſt zogen unſere guten Freunde und getreuen lieben
Eidgenofjen von Zürich, Uri, Schwiz und unfere Yandsleute von
u Glarus vor die Stadt Weſen umd gewannen die an dem nächjten
Freitag nach unjerer lieben Frauen Tag im Auguft [17. Aug. 1386] mit
vedlichen Dingen, und [es] jchwuren die von Weſen zu den Eidgenoffen [auf]
immer [und] ewig, dieweil Grund und Grat ſtünde!. Das bejtand aljo ohne
' Der Löwe ift das Habsburger Wappen, — ? brilllen. — ° zurüd. — * praeteritun
pon fterzen — ſtarr emporrichten. — ® Brauen. — * befannt. — 7 gelommen.
Sprichwörtliche Redensart; Grund — Ebene, Grat — Berg,
109
Frieden und ohne Richtung bis zu dem nächiten St. Gallen-Tag [16. Oft.];
darnach da ward ein Friede gemacht von etlichen Neichsitädten bis zu unferer
fieben Frauen-Tag der Lichtmeß |2. Febr.]. Und [es] ward derjelbe Friede
verlängert bis zur alten Faftnacht [16. Febr. 1388].
Darnach da gieng der Krieg wieder an und [es] famen viel frommer
redliher Yeute von unſerm Yand Glarus in die Stadt Wejen und wollten die
inne haben und bejchirmen zu Handen der Eidgenojjen, und dag auch unfer
Yand Glarus in defto beijerem Schirm und Ruhe bleiben möchte. Und als
jih die Unjern auf derer von Wejen Eid und Ehre verlaffen hatten, jo haben
etliche von Weſen ein großes Übel und Mord gegen die Unſern angezettelt
und mit heimlichen Dingen; da gaben jie unfern tötlichen Feinden Anweiſung
und Anleitung mit böjen Dingen. Alfo in der nächſten Fronfaſten bei be-
ginnender Faſten am Samstag [22. Febr.) in dem Jahr, da man zählte
nad) Chriſtus Geburt 1388 Jahre, in der Nacht, unverjehens und ungewarnter
Dinge, famen unjere Feinde in die Stadt Weſen und wurden ihnen die Tore
aufgetan, da doch die Unſern wähnten bei guten Freunden in ihrer Ruhe zu
jein. Alfo wurden in derjelben Nacht viel frommer Yeute hingegeben und
jämmerlich ermordet, da jie nachts in ihren Betten lagen und jchliefen. Etliche
famen kümmerlich daven mit dem Leben; nicht viel waren derjelben.
Darnad auf die nächiten Oftern an dem meunten Tag im April, am
Donnerstag in der Oftermoche des gemeldeten Jahres, da beſammelten fich unjere
tötfichen Feinde, die vorgenannte Herrichaft von Öftreich, mit 15 000! Dann
zu Roß und zu Fuß und zogen gen Näfels in unfer Yand und brachen uns durch
unjere Yegi und durch umjere Wehren, wogegen der Unſern nicht mehr als
vierthalbhundert Mann ftanden; von denen waren bei dreifig Mann von
unjern guten Freunden umd lieben getreuen Eidgenofjen von Schwiz, die
jie den Unſern zu Hilf und zu Troft gejchieft hatten. Und [es] töteten unfere
Feinde ung manchen frommen Mann, und |e8] wurden unfere tötlichen Feinde
von den Unſern bejtanden und angegriffen bei der Rauti mit Hilfe des all-
mächtigen ewigen Gottes und jeiner lieben Mutter aller Gnaden und unjern
getreuen lieben Nothelfern St. Fridli und St. Hilarius und allem himmlischen
Heer und dritthalbtaufend Mann erjchlagen und viel im See ertränft. Wie
viel derjelben am Zahl jei, mag man eigentlich nicht wijfen. Es lamen auch
derer der Mehrteil um, die da Anftifter und Anzettler und verdächtig, den
vorgenannten Mord angetragen zu haben, waren, welcher den Unſern zu
Veen gejchehen und widerfahren ift.
ı Nach öftreichiichen Quellen 5—6000. — * Nach öftr. Qu. 4—500.
110
42. Der Semparherbrief. 10. Iuli 1393.
Eidgendffiihe Abſchiede, I. S. 327.
1. Wir, der Burgermeifter, der Rat und die Burger insgefamt der
Stadt Züri, die Schultheifen, Räte und Burger insgefamt der Städte
Yuzern, Bern und Soloturn, der Ammann, der Rat umd die in das
Amt Zug insgefant gehören, die Ammmänner und die Yandleute insgejamt
der drei Yänder Uri, Schwiz und Unterwalden, der Ammann und die
Landleute insgefamt zu Glarus, verfünden allen Menjchen, die dieſen Brief
jehen, leſen oder lejen hören: Da wir in einem offenen tötlichen Krieg find
geweſen mit der Herrichaft von Oftreich und den Ihrigen von mannigfaltiger
vedlicher Forderung und Anſprache wegen, die gegen diejelbe Herrichaft geltend
gemacht worden vor Zeiten, darum auch gefochten und angegriffen [worden] ift
vor Sempad, haben wir hierin einhelliglih um unjer aller Nutz und Be—
dürfnis, Frieden und Gemad) willen beftinmet und angeordnet, etliche Stücklein
gegeneinander feftiglich zu halten, jett und hernach, wie fie in diefem Brief
erläutert ftehen für künftige Einfälle und Übergriffe, unjere Gelübden, Binden,
Eiden und Briefen, wie wir zufammen ewiglich verbunden find, jest und
hernach unſchädlich und gänzlich unvorgreiflic).
2. Zum erjten meinen wir, daß jegliche Stadt, jegliches Yand in um-
jerer Eidgenoffenjchaft bei den Eiden, jo wir unſern Städten und Yändern
geichworen haben, ausdrüdlich anordne und verjpreche, auch das ebenjo ein-
beifiglih zu halten in diefem Brief, daß fein Eidgenoß dem andern oder
denen, die zu ihnen gehören, insgemein oder irgend einem von ihnen im be-
jondern fortan freventlich oder mit Gewalt im ihre Häufer laufen und je-
mandem das Zeine darin nehmen folle, es ſei im Krieg, im Frieden oder
in Sühne !, damit wir alle fürbas ebenjo friedlich und gütlich miteinander
leben und einander in unfern Sachen ebenfo getreulich zu Hilf und zu Troft
fommen, wie wir früher getan haben und noch tun follen, ohne alle Gefährde.
3. Wer uns auch Kauf bringet, dejjen Yeib und Gut joll bei uns ficher fein.
Dazu follen wir für einander nicht Pfand jein in feiner Weiſe.
4. Und wohin wir fürderhin ziehen werden mit offenem Panner gegen
unjere Feinde, es jei gemeinjchaftlich oder eine Stadt oder Yand im bejondern,
alfe, die jo danı mit dem Panner ziehen, die jollen auch dann beieinander
bleiben, wie biderbe Yeute und unjere Vorfahren von jeher getan haben, welche
Not uns oder ihnen [auch] denn begegnet, es fei in einem Gefechte oder in
andern Angriffen. 5. Wäre aber, daß irgend einer davon flüchtig würde
oder irgend etwas überträte, was in diefem Briefe gejchrieben jteht, bejonders,
' Friede — Waffenftillftand, Siühne — Verföhnung, Friede.
111
daß jemand dem andern, wie davor [geichrieben fteht], durch fein Haus liefe
oder in was für andern Dingen er übelhandelte, weshalb er angefchuldigt
oder angeflagt würde als zu ftrafen mach diefem Briefe, und ſich daran
ſchuldig erfände mit redlicher Kundfchaft zweier ehrbarer unbejcholtener Männer
vor denen, zu denen er gehört und die darüber zu richten haben, deſſen Yeib
md Gut ſoll denjelben, die über ihn zu richten haben und da er hingehöret,
und niemand anderem unter uns verfallen fein, auf ihre Gnade. Und die
jollen auch den dafür beftrafen umverzüglih, je nach dem ſich die Schuld
findet ımd fie jich über ihn erfennen, und jollen dies tun bei den Eiden, fo
jie der Stadt oder dem Yand, da fie find, gejchworen haben, und jo weit,
daß ein jeglicher daran ein Beifpiel nähme, fich vor joldhen Dingen zu hüten.
Und wie jegliche Stadt und jegliches Yand den Seinen dafür ftraft, damit
jollen die andern fich begnügen ohne alles Wideriprechen.
6. Dabei ift unſer aller Meinung, wenn einer verwundet, geſchoſſen
und geworfen würde, es wäre in einem Öefechte oder bei andern Angriffen,
oder was ihm [auch] geſchähe, daß er unfähig wäre, fich jelber zu mehren
oder andern zu helfen, der joll aljo bleiben bei den andern, bis daß dieſe
Not ein Ende hat, und foll darım nicht flüchtig gejchäßt werden, daß er
weder fich jelbft noch jemand anderem zu ftatten kommen mag, und foll
man ihn darum unbefümmert laffen an jeinem Yeib und an jeinem Gut.
7. Es ift auch zu willen, dak in dem obgenannten Gefechte der Feinde
viele entwichen, da das Feld behauptet ward, die alle auf der Wahlftatt und
in der Nähe geblieben wären, hätten die Unfern, jo dabei waren, ihnen nad)-
gefolgt und nicht geplündert, ehe daß der Streit gänzlich gewonnen [und] zu
Ende [geführt] wurde. In jolchen Dingen ift gejehen [worden], jo ehrbare Yeute
ein Feld behaupteten, daß fie Yeibes und Gutes zu ficher fein wollten und
viele unter ihnen, wie davor, plünderten, daß ſich inzwiichen die Entwichenen
wieder jammtelten und ihnen Yeib und Gut und das Feld wieder abgewannen.
Da meinen wir einhelliglich, jo oft uns ſolche Not träfe in fünftigen Seiten,
daR jeglicher jein Möglichites tue, als ein Biedermann die Feinde zu jchädigen
und das Feld zu behaupten ohne allen Vorjag zu plündern, es jei in Feſten,
Städten oder auf dem Yand, bis zur Stunde, dak der Kampf ein Ende nimmt
und gewonnen wird, daß die Hauptleute allen erlauben zu plündern, dann mag
männiglich plündern, die dabei geweſen find, fie jeien bewaffnet oder unbewaffnet,
und den Plumder joll jeglicher den Hauptleuten einhändigen, unter die er gehöret,
umd die jollen ihn unter diejelben, die unter fie gehören und dabei gewejen
iind, nad) Marchzahl ! gleich und redlich teilen. Und wie fie den Plunder
unter die Ihren teilen, damit jollen jie und männiglich wohl zufrieden jein,
' Nah Berhältnis der Kopfzahl.
112
9. Und da der alfmächtige Gott mit feinem göttlichen Munde geſprochen
bat, daß jeine Häufer des Gebetes Häufer jollen geheiken werden und auch
durch ein Frauenbild aller Menſchen Heil erneuert und gemehret [worden] ift,
jegen wir Gott zu Vob [feft], daß feiner von uns ein geſchloſſenes Kloſter,
Kirche oder Kapelle, aufbreche oder in die offenen gebe, um zu brennen, zu
verwüften oder das zit nehmen, was darin ift, was zu der Kirche geböret,
heimlich oder öffentlich; e8 wäre denn, daß unſere Feinde oder ihr Gut in
einer Kirche gefunden würde; das mögen wir wohl angreifen und jchädigen.
10. Wir jegen auch umjerer lieben Frauen zu Ehren [fejt], daß Feiner
unter uns eine rau oder Tochter mit gewaffneter Hand ftechen, jchlagen
noch ungewöhnlich behandeln joll, damit fie uns ihre Gnade, Schirm und
Hut gegen alle unſere Feinde zufliehen laffe; es wäre denn, dar eine Tochter
oder eine Fran zu viel Gejchrei machte, was uns Schaden bringen möchte
gegen unſere Feinde, oder jich zu Wehre ftellte oder einen anfiele oder würfe,
die mag man wol dafür ftrafen, wie es dann gelegen ift, ohne Gefährde.
11. Zuletzt iſt unſere ganze einhellige Meinung, da feine Stadt oder
Yand unter uns insgeſamt, noch irgend welche, die darin find, bejonders einen
Krieg fürderhin anfange, mutwillig obne Grund oder Urjache, die dawider be-
gangen ſei, unerkennet! nach Weifung der gejchwornen Briefe, wie jegliche
Stadt und Yand zujammen verbunden find.
12. Und alſo ſollen dieje vorgejchriebenen Ordnungen und Satungen
fürderhin in Kraft bleiben für uns und unſere Nachlommen und follen [wir]
einander dabei halten in guten Treuen feftiglich, jo oft es notwendig wird.
Mit Urkunde diefes Briefes befiegelt mit unſern anhängenden Siegeln, und
gegeben an dem zehnten Tag Heumonats, da man zählte von Ehriftus Ge—
burt dreizehnhundert neunzig und drei Jahre.
43. Glarus kauft fi von Serkingen los. 17. Iuli 1395.
Blumer, Urkundenſammlung I. ©. 388.
Wr, Claranna von der Hohenflingen, von Gottes Gnaden
Abtiffin, und wir das gefamte Kapitel, Frauen und Herren des Stiftes
des Gotteshaufes St. Fridlis zu Sedingen, im Stonftanzerbistum gelegen,
tun männiglich fund mit diefem Brief, daß wir mit Nat weijer Yeute, mit
guter Vorbetradhtung für uns, unjer Gotteshaus und alle unſeres Gottes:
hauſes Nachkommen, die wir fejtiglich hiezu binden, alle die Schaf-, Kub-,
Ohne daß nad Vorſchrift der Binde vorher ein Ertenntnis darüber ergangen wäre.
—r — — — —
be — *
113
und Käs-Zinſen, klein und groß, ſo wir und unſer Gotteshaus zu Glarus
in dem Land und zu Urnen und, was zu Glarus gehört, irgendwo haben,
verlauft und recht und redlich zu kaufen gegeben haben für einen ſteten ewigen
Kauf den weiſen beſcheidenen Leuten, dem Ammann und den Landleuten ge—
meinlich zu Glarus, jegliches Schaf eines in das andere um neun Schilling
Pfenning!, jegliche Kuh eine in die andere um ein Pfund Pfenning und
jeglichen großen Käs um ſechs Pfenning und je zwei fleine Käſe um fünf
Penninge, ımd hie ift dies als zu Summa gejchlagen und gerechnet, und [fie]
baben uns gegeben aljo für jegliches Pfund Pfenning Zins dreizehn Gulden
und je zwanzig Plapparte für einen Gulden; desjelben Geldes wir alles ins-
gejamt von ihnen bezahlt find und ift in unferes Gotteshaufes befondern offen-
baren Nuten gefommen. Auch haben wir den obgenannten von Glarus und
allen ihren Nachkommen emwiglich verliehen all die Zehnten, Fälle, Nugungen
und Zinjen, jo wir oder unjer Gotteshaus zu Glarus in dem Yand oder zu
Ober-Urnen und was zu Glarus gehört, irgend haben, mit allen Rechten
und Nugungen, wie wir und unjer Gotteshaus diejelben Zehnten, Fälle,
Nugungen und Zinjen und die Güter, ab denen jie gehen, von Alter her bis
jest gehabt, gebracht und genofjen haben, um einen beftändigen, ewigen Zins,
jährlich” um zwei und dreißig Pfund Pfenning gewöhnlicher Zürcher Münze;
denjelben Zins fie uns und unjern Nachkommen jährlih ohne allen unjern
Schaden zu Züri) in der Stadt auf St. Andreastag richten und bezahlen
jollen, und joll auch dieſer Zins, diejelben zwei und dreißig Pfund den vor:
benannten von Glarus und ihren Nachkommen nimmermehr erhöht, gemehret
noch gemindert werden von uns, noch unferm Gotteshaus, noch von irgend
einer Äbtiſſin, noch dem Kapitel, Frauen und Herren des ehgenannten Gottes:
banjes, noch von unſern Nachkommen, noch von niemand anders von unſer
wegen, ohne Gefährde.
Wir verzichten aud) gänzlich für uns, unjer Gotteshaus und unferes
Gotteshaufes Nachfommen auf alle Gerechtiame, Forderung und Anſprache,
jo wir oder umnjer Gotteshaus oder Nachkommen an die Obgenannten von
Glarus und ihr Yand und am ihre Nachkommen von der vorgenannten
verfauften Güter wegen über die obgenannten zwei und dreißig Pfund hinaus
mit geiftlichen oder weltlichen Gerichten oder ohne Gericht im irgend einer
Weiſe je gewinnen möchten. Wir geloben auch für uns und unſer Gottes-
ı Als Scheidemünze dienten damals in der Schweiz die Hallerpfenninge und Doppel:
Pienninge. 2 Hallerwaren 1 [Doppel-Bfenning, 6 Pfenning 1 Schilling, 20 Schillinge ein
Fund. S. S. 45. Nach einer Übereinkunft von 1387 follte in Vorderöſtreich, Zitrich, Bern etc.
das Pfund gleich einem Gold-Gulden geichlagen werden, der damals 3,305 Gr, Feingebalt
batte. Da der Gulden mithin ca. 11', Art. wert war, fo batte der Schilling noch ca.
57 Cts., der Pfenning nicht ganz 10 und der Haller nicht ganz 5 Ets. heutigen Metall»
wert. Die Blapparte waren eine Zilbermünze, die hier der Nechnungsmünze Schil-
Ing gleichgefetst erjcheint.
Oechsli, Quellenbuch. 3
—
114
haus und Nachkommen, für diefen vorbenannten Kauf und Yehen und, was
diefer Brief weist, den Obgenannten zu Glarus und allen ihren Nad)-
fommen Wäbrichaft zu leiften und fie daran fortan nimmer zu bindern, zu
benmmen noch zu irren, weder heimlich noch öffentlich, weder mit Gericht nod)
obne Gericht, und fürbas nichts anzufprechen noch jemand anders über jie
zu weijen, der jie von unjer und unjeres Gotteshaujes wegen anſpräche oder
befümmerte mit irgend welchen Finden oder Nechtsbehelfen in irgend einer
Weiſe. — —
44. Der Appemeller Krieg.
Aus der fogenannten Klingenberger Chronik S. 156 ft.
Eine der wichtigften Cuellen für die Schweizergefchichte der eriten Hälfte des 15. Yabr-
bunderts ift eine anonpme Chronik, welde vom Herausgeber Dr. Henne ohne ge-
nügenden Grund einem Angebörigen des tburganiichen Adelsgeichlechtes der Klingen-
berge zugeichrieben wurde. Dieſelbe ift in zwei Abichriften aus den Nabren 1462 und
1479 erbalten; in den frübern Teilen wiederbolt fie bloß ältere Zürcher Chronilen, ins-
beiondere das Jahrbuch Eberbard Mülners; Die Fortſetzung dagegen, die in zulammen-
bängender Erzäblung bis 1444 reicht, iſt entichieden öftreichiich gefärbt umd fcheint im
Rapperswil entitanden zu fein.
a. Wie fi) die Appenzeller empörten wider den Herrn von St. Gallen.
In diefen Tagen erbob jich zum erften der Appenzeller Yauf, daß
jie fih empörten wider den Abt zu St. Gallen umd wider das Gotteshaus
und wollten dem weder Steuer, Zinje, noch Fälle geben, noch irgend etwas
tun, noch pflichtig fein, was jie von Alters ber dem Abt und dem Gottes-
baus zu Zt. Gallen getan batten und von rechtäwegen jchuldig waren. Zie
beflagten fich vor dem vorgenannten Abt, wie er ihnen großen Überdrang täte
mit viel Sachen, er und jeine Amtleunte, und Gewalt und Mutwillen mit
ihnen trieben wider Recht. Alſo empörten fie jich gänzlich wider den Abt
und wider die Zeinen und braden ibm jein Schloß zu Appenzell und er-
ftacben ibm die Zeinen. Alſo verband sich derjelbe Abt mit den jieben Städten,
die dazumal einen Bund mit einander batten, das ift Konftanz, Über-
lingen, Buchhorn, Yindau, Ravensburg, Wangenum St. Gallen,
um deifen willen, daß fie ibm bülfen, die von Appenzell und die Seinen
wieder geberiam machen, und daß fie ibm täten, was ſie ibm und dem
Gottesbaus Zt. Gallen von rechtswegen pflichtig und ſchuldig wären.
b. Wie die fichen Städte verloren mit den Appenzellern. 15. Mai 1408.
Anno domini 1403 an dem fünfzebnten Tag des Maien unterlagen
die ſieben Stadte, als fie auszogen und die von Appenzell dazu anbalten
115
wollten, dak fie dem Abt von St. Gallen gehorfam wären und ihm täten,
was fie ihm nach göttlichem Nechte jchuldig wären. Und [es] zogen aljo
auf den obgenannten Tag die fieben Städte aus und molften über die von
Appenzell und wollten fie jchädigen und dem Abt von St. Gallen helfen.
Und da jie an den Speicher famen, da lagen die von Appenzell auf dem
Berg und liefen gegen die Städte mit Steinen und mit einem großen heftigen
Geichrei. Alſo nahmen die Städte die Flucht und wurden ihrer mehr denn
dritthalbhundert Mann erichlagen. Die von Schwiz und die von Glarus
lagen zu Yoch, zwiſchen St. Gallen und dem Speicher und halfen auch denen
von Appenzell. Bald darnach hielten fi die von St. Gallen zu denen von
Appenzell.
e. Wie der Herzog von Öftreid) wider die Appenzeller und St. Galler
in den Krieg Fam.
Als num die von Appenzell die Städte da befiegt hatten, da wurden fie
erſt mannlich und keck und griffen alfenthalben um ſich und machten einen
Bımd mit denen von Schwiz und Glarus und griffen Edel und Unedel
an, ihre Nachbarn, und nahmen jedermann an zu Yandleuten. Sie nahmen
den Edeln ihre eigenen Yeute wider ihren Willen und halfen denen, daß jie
ihren Herren weder Steuer, Zins noch anders gaben, und machten fie un:
gehorſam. Alſo jah ein jeder dem andern zu und ließ e8 gehen, bis es ihnen
zulegt ganz und gar bejchwerlich war und ward, und daß fie fi) notwendig
wehren mußten, oder die Appenzeller hätten ſie alle vertrieben, was jie doch
bei Zeiten wohl verbütet hätten, wollten jie einander treu geholfen haben.
Alſo riefen die Yandsherren in dem Thurgau und anderswo den Herzog
von Oftreich dringend um Hilfe an, — denn fie waren weitaus in der
Mehrzahl der Herrſchaft von ſtreich Diener — daß er den Adel nicht alſo
vertreiben ließe, da er doch des Adels und des Yandes ein Haupt wäre umd
alle jeine Vorfahren des Yandes Beichirmer [gewejen] wären. Sie ritten auch)
täglih dem Grafen Hermann von Sulz nah und dem Grafen Hans
von Lupfen, die des Herzogs Yandvögte waren, daß fie dem Herzog be-
mögen, daß er ſich des Krieges annehme und ihnen zu Dilfe käme. Der vor:
genannte Abt war auch derer von Wintertur Burger; diejelben wollten
auch ihrem Burger helfen und hatten auch im Zinn, den nicht zu verlaffen.
Alfo wäre der Herzog immer gern des Krieges müßig gegangen; da ward
das Gejchrei aljo groß, von dem Adel und von den Städten, daß er fich des
Krieges unterzog und den auch beftiglih an die Hand nahm. Und jobald
der Herzog den Krieg auf jih nahm und er darein Fam, da wollten die
Eden im Thurgau auch alle Sold von ihm haben, jollten jie ihm behilflich
jein, die ihm doch mehrteils dahinter gebracht hatten; denn der Herzog wollte
116
ji) lang des Krieges mit nichten annehmen, bis daß ihm Herren und Städte
zufchwüren. Als nun der Herzog gegen die von Appenzell und gegen die von
St. Gallen und gegen die Ihren zog und es ihm mißlang, wie hienach ge-
jhrieben fteht, und die Edlen im Thurgau und anderswo Gut von ihm
haben wollten und ihm niemand dienen wollte, er hätte denn feinen Sold,
denen zu lieb er in den Krieg gefommen war, und ihnen zu Hilfe und um
ihretwillen, da ward er unwillig und reute ihn jein großer Schaden, den er
ohne Dank empfangen hatte, und die Untreue von den Edlen. Aljo ward fo
gemach zu dem Striege getan, daß derer vorn Appenzell Yäufe und Macht je
länger je größer ward, daß jchier das ganze Yand um fie herum zu ihnen
ſchwur und daR fie dem Herzog viel Yente und Yand und den andern ab-
brachen, wie es ein Teil auch hienach jagen wird.
d. Der Herzog von Öftreih Ing vor St. Gallen.
Anno domini 1405, am Fronleichnamsabend [17. Juni], da lag
der junge Herzog Friedrih von Öftreih vor St. Gallen und
wollte da um die Stadt [herum] verwüften und verderben. Und als fie auf-
braden und abziehen wollten, da bielten fie jih gar umordentlih, und da
das die von St. Gallen und, die bei ihnen waren, jaben, da eilten jie den
Herren nad umd erjtachen da manchen der redlichjten Ritter und Knechte, jo
unter den Herren waren, edel und umedel, dak der Herren wohl 36 Mann
umfamen. Und da die Herren faben, daß die von St. Gallen und ihre Delfer
ihnen folche Not bereiteten, da ordneten fie jih zum Streite und hätten gern
mit ihnen geichlagen. Aber die von St. Gallen und, die bei ihnen waren,
wollten nicht mit den Herren fechten und wollten ſich auch nicht zu ihnen im
die Ebene begeben, jondern fie waren auf den Bergen; denn der Herzog hatte
einen großen Zug von Herren, Rittern und Knechten und Städten. Alſo zogen
fie ungefochten gen Arbon. — — Deren Namen, die erjtochen wurden: Graf
Hans von Tierjtein, Herr Dans von Klingenberg, Ritter, Herr Hermann von
Yandenberg, den man nannte Zchudi, Ritter, einer von Hallwil, einer von
Wolffurt, Peter von Abensberg.
e. Tie Schladt an dem Stoß. 17. Juni 1405.
Auf denjelben Tag batte auch der vorgenannte Herzog von Oftreich
bei zwölfbundert Mann, Ritter und Knechte umd auc von den Städten, ge:
ordnet, Die jellten gen Appenzell zieben. Und alie zogen jie von Altftätten
aus dem Nbeintal den Stoß binauf gen Appenzell, und da fie an die Yeki
kamen, da bieben fie die Vetzi auf: denn da war niemand, der ihnen das
wehrte. Alſo zogen fie durch Die vetzi den Berg binauf und, da fie vielleicht
117
einen Armbruftihuß von der Yeti bergauf famen, da lagen der Appenzeller
bei vierhundert oben auf dem Berg und hatten ihre Schuhe ausgezogen; denn
es regnete und war jehr naß umd wild Wetter. Und fie liefen aljo den Berg
berab mit einem großen Gejchrei gegen die Herren und warfen mit Steinen
unter fie und liefen auch Steine und anderes unter jie herablaufen. Alſo
waren ihnen die Armbrüfte unnütz geworden von Näffe und Kälte, und konnte
niemand ſchießen und nahmen aljo die Flucht den Berg wieder herab, Und
da jie wieder durch die Letzi jollten, da waren fie vorher zu begierig gewejen
hinein [zu fommen], jo daß fie die Yegi nicht weit genug aufgehauen hatten,
und ward das Gedränge jo groß, daß ihrer viel da umfamen in dem Yoch.
Alſo flohen fie wieder bis gen Altjtätten, und ward der Herren und der
Städte, die bei ihnen waren, in derjelben Flucht erftochen und erjchlagen bei
vierthalbhundert Dann.
Mit diefen Bauern bielt e8 Graf Rudolf von Werdenberg; den
hatte der Herzog vertrieben, und er war bei den Appenzellern und lief auch
aljo mit ihnen zu Fuß, wie ein anderer Bauer; denn fie wollten nicht, daß
er einen Wappenrod oder etwas anderes trüge, als ihrer einer; dem fie
trauten ihm nicht aller Dinge a Derjelbe Graf Rudolf ftärfte die
Appenzeller jehr.
Deren Namen, die da fielen auf des Herzogs Seite. Es fielen von
Wintertur erbare redliche Yeute, die ihren Harniich trugen, 95 Mann. Die:
jelbe Stadt hatte den jchwerften Verluft. Bon Feldfirch fielen wohl SO Mann.
tem Herr Sigmund von Schlandensberg ab der Etich, war Bogt zu Feld:
firh; Goßwig von Ems, Ulrich von Rofenberg von Bernang aus dem Nheintal,
Hans von Sehen, Walther von Gachnang, Nichertshofer von Bernang,
Yaurenz von Sal, war Schultheiß zu Winterthur, Oswald von St. Johann.
In diejen Tagen hatten die Eidgenoffen einen befiegelten gejchworenen
srieden mit der Herrſchaft von Öftreich und taten dennoch denen von
Appenzell viel Vorſchub mit Yeuten umd Hilfe; doch fie meinten, es liefen nur
greiwillige, denen fie es nicht wehren fönnten. Sie nahmen aud) der Herrichaft
Yeute und Yand, welche die von Appenzell gewannen und ihnen das gaben,
und meinten, der Friede wäre darım nicht gebrochen , — —
f. Um dieje Zeit herrſchten die Appenzeller gewaltig und war ihr
Ubermut groß.
Anno domini 1407, um dieje Zeit und davor herrichten die Appenzeller
alfenthalben in dem Yand und waren wider alle Herrichaften und befonders
' Bezieht fih auf die mittlere March, welde die Appenzeller X Oftreih entriffen und
den Schwizern ſchenlten.
tm
rider die, die ihnen gelegen waren und denen fie beifommen mochten. In
rem Thurgau umd dafelbft ringsum verbrannten fie die Burgen und brachen
Se nieder. Es war in denjelben Tagen ein Yauf in die Bauern gekommen,
daR fie alle Appenzeller jein wollten, und wollte jich niemand gegen jie wehren.
Die von Feldkirch und das ganze Yand hatte zu denen von Appenzell ge-
Tworen; jie brachen auch dafelbft Montfort, Tofters und viele Feſten
dajelbſt ringsum. Item, fie zogen über den Arlberg und über Yanded
binaus, ohne daß ihnen das jemand wehrte; denn die Bauern wollten alle
gern Appenzeller fein und es war ein gar mwunderlicher Yauf; doch währte er
nicht lang. tem Altjtätten, Rheined und das ganze Nheintal batte
alles gen Appenzell gejchworen, und Wil im Thurgau. Die von Yandenberg
und die Edlen im Thurgau wurden alle Burger zu Zürich und gaben dem
Herzogen von Öftreich feinen Dienft auf, der doch mır um ihretwillen in den
Krieg gekommen war, wie vorfteht, und vertraute ihrer feiner ſich jelber noch
jeiner Feſte jo wohl, daß er jih darin finden oder befriegen ließe. Und hatten
ſich doch alle verjorget und jo wehrhaft und jo männlich gejtelft, als wollten
fie dem römischen Reich widerfteben.
45. Aus dem Burg- und Landrecht der Appenzeller mit Zürich,
Luzern, Uri, Schwiz, Unterwalden, Zug und Glarus.
24. Nov. 1411.
Eidgen Abihiede I S. 341.
Wir der Ammann und die Yandleute insgejamt des Yandes zu Appen-
zell tun fund allen denen, die dieſen Brief jeben oder leſen hören, dak wir
mit gutem Nat und beitändiger Vorbetrachtung zu Nur und zu Ehren unjeres
Yandes und Leute, und zum Frommen des gefamten Yandes, der fürfichtigen
weiſen, des Burgermeiſters, der Räte und Burger insgejamt der Stadt Zürich,
des Echultbeißen, der Näte und Burger insgefamt der Ztadt Yuzern, der
Ammänner und der Yandleute insgefamt der Yänder zu Urt, zu Schwiz
und zu Unterwalden, des Ammanns, der Räte und Burger von Zug
und des Amtes insgeſamt, die zu Zug gebören, und des Ammanns und der
Yandleute zu Glarus Burger und Yandleute worden jind und haben
das von ihnen insgefamt an ums genommen und empfangen mit den Be—
dingungen, wie bienach geichrieben find.
Des erften, wäre, daß die obgenannten Städte und Waldftätte, fie
alle oder eine Ztadt oder ein Yand unter ibnen bejenders, nun oder hernach,
u
119
mit jemand, wer der [auch] wäre, Mifhelligfeit und Krieg hätten oder gewännen,
welde Stadt oder Yand dann der Krieg anbetrifit und angeht, die dann die
andern Eidgenofjen zu mahnen haben nach ihrer Bundbriefe Weijung, diejelben
haben auch die Gewalt, uns die Vorgenannten, den Ammann und die Yand-
leute zu Appenzell oder unfern Ammann bejonders auch um Hilfe zu mahnen,
und jollen dann wir diejelben von Appenzeli denen, jo da gemahnt haben, und
auch allen andern ihren Eidgenoffen nad) der Mahnung unverzüglich und ohne
alle Widerrede mit unſern Yeibern und mit unſern Gütern und mit unjerer
Macht, die wir dann haben mögen, zu ihnen oder anders wohin, dahin wir
dann gemahnt find, ziehen und ihnen beholfen und beraten fein und darzu
unjer Beſtes tun, als ob die Sache unjer wäre, ohne alle Gefährde. Und
jolfen auch die Hilfe gänzlich in unſere Koften tun, jo oft diefer Fall eintritt,
ohne der Eidgenofjen Schaden, ungefährlich.
Würe auch, daß wir die VBorgenannten von Appenzell mit jemand, wer
die [auch] wären, jest oder hernach Streit und Krieg hätten oder befämen
und uns dünfte, daß wir dabei der Eidgenofjen Hilfe bedürften, das mögen
wir den vorgenannten Städten und Yändern mit unfern Boten oder Briefen
in ihren Räten verfünden und zu wiſſen tum. Dünkt dann ihre Räte in
Städten oder in Ländern oder die Boten, die dazu von ihnen geſchickt werden,
dak wir die Vorgenannten von Appenzell nach Gelegenheit der Sache von
ihnen Hilfe bedürfen, wie viel fie uns dann bewaffnete Männer von ihren
Städten und Yändern zu Hilfe jenden, damit ſollen wir uns begnügen und
jolfen wir dann einem jeglichem von den Söldnern alle Tage vier Kreuzplap:
part ! Sold geben, all die Weile, jo fie in unſerm Dienft find, und ſoll der
Sold mit dem Tage anfangen, jo die Söldner von ihren Hänfern jcheiden,
ungefährlid. — —
Auch jollen wir, die vorgenannten Yandleute zu Appenzell, feinen Krieg
anfangen umd auch niemandem außerhalb der Eidgenofjenschaft in feinem Krieg
beholfen und beraten jein, ohne der obgenannten Städte und Waldftätten Rat,
Wiſſen und Willen, ohne Gefährde. — —
Würden auch die obgenammten Städte und Waldftätte künftig je mit
einander mißhellig und ftreitig oder unter ihnen eine Stadt oder ein Yand
bejonders (mas Gott ewiglich wende), dieſer Streitigfeiten und Mißhelligkeiten
jollen wir die vorgenannten Yandleute zu Appenzell uns in feiner Weiſe an:
nehmen, jondern auf beiden Teilen jollen wir in den Sachen niemandem be-
bitflich noch beiftändig fein, es wäre denn, daß wir unſere ehrbaren Boten in
diefen Sachen jchidten, ob wir die mit Freundſchaft vergleichen möchten; das
mögen wir wohl tun, ohne Gefährde.
’ Eine Silbermünze, welche 1421 zu 15 Haller angeſchlagen wurde, etwa 40 Cs, im
erte.
120
„stem, jo haben wir die Vorgenannten zu Appenzell alle insgejamt und
unter uns jeglicher bejonders, was Männer oder Knaben find, die jechzehn
Jahr alt und älter find, gelehrte Eide zu Gott umd zu den Heiligen mit
aufgehobenen Händen geihworen, daß wir alle und, die zu uns gehören, und
ein jeglicher von uns im bejondern, den vorgenannten Städten und Wald—
ftätten allen und der Mehrheit der Städte und Yänder unter ihnen gehorjam
jein jollen, ohne Gefährde. Und bei denjelben Eiden haben wir gelobt und
verheißen, ihren und aller ihrer Burger und Yandleute, die jett zu ihnen allen
oder zu einer Stadt oder [einem] Yand im bejondern gehören oder hernach
aljo zu ihnen gehören werden, Schaden zu verhüten umd zu wenden und
ihre Ehre und ihren Nugen zu fördern, jo weit wir fünnen oder mögen. — —
46. Die Eroberung des Aargaus. April/Mai 1415.
Juſtinger, herausgeg. von Studer, S. 224 fi.
IND) a num der König und das Concilium fanden, daf der Papſt ver:
jtohlen von dannen gekommen war, und [daS] durch Herzog Friedrich
7) getan und gejchehen war, da wurden fie zornig und betrübt, weil die
Sache und das Fortführen wider Gott und alle Chrijtenheit war und eine Zer-
ftörung des Conciliums. Da mahnte der König alle Neichsjtädte, bejonders die
von Bern, von Zürich und alle Eidgenojjen, daß fie ihm behilflich
wären wider Herzog Friedrich, der ein Zerſtörer wäre der heiligen Chriftenbeit.
Deshalb taten die von Bern und alle Eidgenoffen ihre Botjchaft zum König
gen Konjtanz und vor das Concilium, und gaben denen lauter zu verftehen
den Frieden und Friedbrief, den jie hätten mit dem vorgenannten Herzog
Friedrich von Oftreich, und fürchteten, jollten fie dawider etwas tun, das
möchte ihnen verwiejen werden; da fie doch in diefen und anderen Dingen
ihren Ehren gern genug täten. Da antwortete ihnen der König vor dem Con-
clio und vor allen Fürſten: die Eidgenofjen möchten es mit Ehren wohl tun.
Da er ein Zerſtörer der Ehriftenheit und des heiligen Gonciliums fei, jo ſollte
und möchte jedermann jein Feind darıım fein; dazu ſei von güttlichem Recht
in allen Binden, Frieden und Briefen der Stuhl von Nom und das römische
Neich immer ausgenommen und vorbehalten. Und das erfannte das Concilium
und alle Fürften, geiftliche und weltliche, jo da waren, auf ihren Eid, daR die
Eidgenoffen und jedermann gegen Herzog Friedrich von Oftreich und, was zu
ihm gehörte, mit Ehren und Hecht friegen und ziehen möchten, ihn angreifen
und jchädigen als einen Feind Gottes und aller Chriftenheit.
121
Aljo jchieden der Eidgenoffen Boten von dannen und brachten die Sadıen
an die Ihren, wie jie von Konftanz geichieden waren. Und wie das war, daß
die von Bern zu denjelben Zeiten in großen Streitigfeiten waren mit Herrn
Burkhart von Manſperg, des Herzogs Yandvogt, von viel Sachen wegen,
darın er die von Bern unfreundlich bielt, — — — weshalb man doch mit
Ehren und mit Glimpf wohl zu den Sachen getan hätte, wollten dennoch die
von Bern feinen Angriff tun, bis daß fie vom König und Goncilio ſonach
gemahnt wurden und auch von ihnen erfannt, daß man's mit Gott und Ehren
wohl tun möchte und jollte.
Alfo wurden die von Bern zu rat, daß fie dem heiligen Concilio und
dem römischen Neiche dienen wollten und gehorjam fein, umd zogen aus mit
großer Macht vor Zofingen und belagerten die Stadt umd jchoffen mit
Büchſen und anderm Geſchütz dermaßen, daß die von Zofingen fürchteten, fie
verlören ihre Stadt, und zu Unterhandlungen griffen und die von Bern um
Gnade und Freundichaft erjuchten. Alfo ward vereinbart, daß fie fich denen
von Bern ergaben, und [fie] wurden empfangen und angenommen zu des
Reichs Handen, aljo daß jie denen von Bern mit allen Kriegen und Kriegs:
dienten gehorfam fein und in allen Sachen bebolfen jein follten und die Stadt
Zofingen derer von Bern offene Stadt und Schloß fein joll, wie dies alles
die Briefe, jo die von Zofingen hierüber beſchworen und verjiegelt haben, lauter
weijen [18. Apr. 1415]. — — Es fuhr auch ein Panner von Bern vor
Aarburg. Die ergaben fie auch an die von Bern. — —
Danach zogen die von Bern vor Aarau und jchoffen mit der großen
Büchſe in die Stadt; fie ſchoſſen auch heraus; doch zuletzt juchten fie auch
Gnade. Und da die vorgenannten Städte alle im Margau an der Miffetat
ihres Herrn unjchuldig waren, darım jo hatte man Erbarmen mit den Städten
und mit Yand und Yeuten. Aljo ergaben ji) die von Aarau an die von Bern
und jchiwuren, denen gehorjam zu jein mit allen Diensten, Herrlichfeiten und
Yeiftungen, wie fie ihrer Herrſchaft von ſtreich gehorfam und dienftbar
gewejen waren.
Danad) zogen die von Bern vor Yenzburg, darnad) vor Brugg. Die
beiden Städte ergaben fih an die von Bern und ſchwuren denen auch ge:
berjam zu fein und untertänig, wie fie der Herrichaft von Oftreich gemejen
waren. — — Danach ward gewonnen Ruod die Veſte und Hallwil ver:
brannt. Auch ward gewonnen Yiebegg und Troftberg, und ergabe ſich
Hans Rudolf von Rinach und der von Yiebegg mit ihren Veſten an die
von Bern. — —
Und als man vor Brugg lag, da ward die Weite Habsburg aud
berannt und ergab ſich Heinrich von Wolen an die von Bern mit der
vorgenannten Befte unter den Bedingungen, wie der Yiebegger und Hang
Rudolf von Rinach vorher getan hatten. — —
_ — u
Und als die von Bern in dem Aargau aljo friegten ſiebzehn Tage, da
gewannen fie auch fiebenzehn gemauerte Schlöffer, es jeien Städte oder Veſten,
die gen Bern huldigten oder verbrannt wurden.
Um diefelbe Zeit waren die von Zürich ausgezogen am nächjten
Donnerftag nah Mitte April [18. Apr.] vor Mellingen, und lagen da drei
Zage. Da gaben fie die Stadt auf und ergaben ſich an die von Zürid. — —
Danach zogen die von Zürich und von Yuzern vor Bremgarten und
lagen da vier Tage; es kamen auch dabin die von Schwiz und von Zug.
Und am vierten Tag ergaben fie jih und mit allen Rechten, jo der Herzog
über fie hatte; damit jollen fie den Eidgenoffen gehorjam fein nach Yaut der
Briefe.
Um diejelbe Zeit zogen die von Luzern vor Surfee. Die ergaben ſich
aud an die von Yuzern, nach Yaut der Briefe, jo darım gemacht wurden.
Sie hätten fich auch lieber an die von Bern ergeben, hätten fie jemanden
dahin gefandt; was aber die von Bern um derer von Yuzern willen unter:
wegen ließen.
ALS num die von Bern von Brugg heimwärts zogen, da wäre man gerne
fofort vor Wildegg gezogen. Da famen der Eidgenoffen Boten und mahnten
die von Bern, vor Baden zu ziehen und ihre Hilfe und Büchjen dahin zu
jenden; darum blieb der Zug vor Wildegg umnterwegen. Und aljo jandten die
von Bern ihre große Büchſe mit etlichen Schügen voraus; und jandte man
ihnen, den Schügen und der Büchſe, nad) mehr denn taufend gewappnete
Männer mit dem Banner von Bern. — —
Alſo ward Baden belagert von allen Eidgenoffen. Und da man bei drei
Wochen da lag, da übergaben fie die Stadt mit den Bedingungen: möchte
fie Herzog Friedrich von Öftreich, der doch im Yand war, entjchütten, dieweil
man vor der Veſte läge, jo jollten fie ledig fein. Alfo belagerte man die Leite,
und ging männiglich in der Stadt aus und ein nach feinem Willen. Es war
auch auf der Vefte Herr Burfart von Manſperg, der Herrichaft Land—
vogt, und hatte bei ſich viel ebrbare Yeute und gute Geſellen. — —
Als num die von Bern der Mahnung umd Bitte der Eidgenojfen wegen
ihre gute Botichaft und Dilfe zu Roß und zu Fur mit ihren Büchſen und
Schügen gen Baden gejandt hatten, da hatten die Eidgenoſſen angeordnet,
daß etliche freiwillige Gefellen von Zürich, von Yuzern und bejonders Schügen
zum Erfer an der Veſte Feuer hineinſchießen und brennen jollten. Aljo erhob
jich ein Geläuf, und fam das Gejchrei unter die von Bern, man wolle die
Veſte ftürmen. Da zogen die von Bern berzu, jo müd fie auch waren, und
jtürmten gegen die Veſte und litten Würfe und Schüffe, und ward die Veite
jo lang genötigt, daß alle die müde wurden, jo auf der Befte waren. Am
nächjten Morgen früh ward ein Tag angejett zwifchen dem von Manfperg
und den Eidgenoffen, daß man ihn acht Tage rubig jollte figen laffen, und
123
würde er inzwijchen micht entjchüttet, jo ſolle er die Veſte den Eidgenoffen
überantworten, aljo dak man ihn mit feiner Habe ruhig follte abziehen laſſen;
was aber der Herrichaft von Oftreich angehörte, das follte da bleiben. Das
geſchah. Und nach den acht Tagen zog er ab und gab die Veſte im der
Eidgenoffen Hand, und die Briefe, jo man in der Veſte fand, wurden gen
Yuzern geführt. — — Alſo ward die Veſte erobert, und ward gebrochen am
Fingfttag und am Montag drauf |20, Mai] in der Frühe verbrannt.
+. Aus dem Burg- und Landredht von Ernen und Münſter
im Wallis mit Luzern, Uri und Unterwalden.
14. Oktober 1416.
Abſchiede I. S. 354 ff.
In Gottes Namen Amen. Da menjchlicher Sinn blöde und vergänglic)
iſt, . . .. To ift es nützlich und notwendig, daß die Sachen, die den Leuten
zum Frieden, zum Nutzen, zu Gemach und zu Ehren aufgeſetzt werden, mit
Schrift und mit Briefen zu wiſſen und kund getan werden. Darum verkünden
und eröffnen wir, die Leute insgemein der zwei Kirchhören Ernen und Münſter
und des ganzen Zehntens vom Döß! aufwärts in Wallis ... mit
diejem Brief, daß wir fir uns und unfere Nachkommen, die ausdrücklich
ereiglich hiezu verbunden jein jollen, ein ewiges Burgrecht und Yandrecht
angenommen haben, aljo dak wir ewige Burger und Yandleute geworden
ind der Ehrbaren, Weijen, der Stadt Yuzern und der zwei Yänder Uri
und Unterwalden, und haben auch dasjelbe Burgrecht und Yandrecht jo
eben für uns und unfere Nachfommen, leibliche und öffentliche gelehrte Eide mit
aufgehobenen Fingern zu den Heiligen geſchworen, der Stadt Yuzern und
der zwei Yänder Uri und Unterwalden .. . . Nuten und Ehre zu fürdern
und ihren Schaden und Schimpf treulich zu wenden. — — —
In dieſem Burgrecht und Yandrecht ift ausdrücklich abgeredet und be-
dungen: wäre es, daß die von Bern mit uns den Übgenannten von Wallis
dereinft Ztreit befämen, was Gott lang wende, da jollen die obgenannten
zwei Yänder Uri und Unterwalden, unjere lieben Yandleute, die VBorgenannten
von Bern freundlich bitten, daß fie uns die Obgenannten von Wallis bei dem
bleiben laffen, dazu wir Recht haben, und fich von uns mit dem echt be-
gnügen. Mlöchte aber das nicht jein, da jollen die obgenannten zwei Yänder
die von Bern, ihre Eidgenofjen, mahnen nach Inhalt ihrer gejchwornen Bund:
Deiſchberg. S. S. 86,
ent
.
24
rer, daß fie ſich von ung den Obgenannten von Wallis mit einem Rechte
dezaugen. — — Und was für Koften die obgenannten zwei Yänder oder
es um beiondern dadurch je baben werden, dieje Koften jollen wir die
Serzenannten von Wallis geben. — —
Auch ift zu willen: als wir der vorgenannten Stadt Yuzern und auch
der zwei Yänder Urt und Unterwalden Burger und Yandleute geworden find,
And mir darauf getrenlich und freundichaftlich mit ihnen in das Yand Eſchen—
tal gezogen, ibnen dasjelbe Yand Eſchental gewinnen zu helfen. Darauf
baden aber die Vorgenannten von Yuzern und die zwei Yänder und andere
idte Edgenoſſen uns die Freundichaft getan und haben ung einen fiebenten
Teil Desielben Yandes Ejcbental gelaffen mit Nuten und mit Schaden. — —
ereT dit abgeredet: wäre, daß es fich da fügte, daß die von Yuzern und
> zmer Yänder mebr in dasſelbe Yand Ejchental ziehen würden, dann und
"Nein mögen die von vuzern umd Die zwei Yänder uns die Obgenannten
we Zulis wobl mabnen, zu ibmen im dasjelbe Yand Eſchental zu ziehen.
> bald wir gemabnt werden von den Borgenannten von Yuzern und den
jet vindern, jo jollen wir die Übyenaunten von Wallis mit unferer freund-
*burtiihen ebrbaren Macht in Das obgenamıte Yand Eſchental ziehen zu den
Tergenanmten von Yuzerm und den zwei Yündern, unjern lieben Burgern und
zudiemten, umd ibnen umd uns die von Eſchental weiſen und zwingen helfen,
rc gut und ermitlich wir mögen, odne Geführte. — — — Wäre au
daß die Obgenannten von Yuzern und Die zwei Yänder Uri umd Unterwalden
dereinſt alte wollten und begebrten, ins Echental zu zteben mit ihren Pannern
umd mit ibrer Macht, und fie dequemer dauchte, Durch unſer, der Obgenannten
ven Wallis ... Gediet. zu zieben, als andersive, das mögen fie wohl tun, jo oft
ibnen Das paft, doch Dur ſie ums den Obgenannten von Wallis bezahlen jollen,
was jte vom llmern eſſen oder trinken, und auch, daß fie jonjt niemanden
ren uns etwas freventiich nebmen, Es iſt auch ausdrücklich abgeredet, daß
die Obgenannten von Yuzerm und Die zwei Lander Urt und Umterwalden
memand anders durch umer. der Odgenannten ven Wallis, Gebiet befriegen
nech dadurchzieden ſollen. dann mit widerem, der Obgenanmen von Wallis,
Wilben und Summit, edne allein das GSedental. wie veritebt.
Es iſt auch anadrınftid und deenders adgeredet im allen Sachen und
SWerten. Daß wir de Vergenanttten ven Weuis von Dieter Zeit an ums weiter
—*8 weder mit Burgrecht. med mit Landrecht, noch
Du
nırun)s bin verbinde
*
r
..
» * — 2
Art irgend einer Art Bundnie. ander mit Deren, oc zıit Stadten noch mit
yäzder. chre Eleudrio wid guten Wruen uad Rüfen und Giumit der Vor:
zen wIeren un ur nur wre “ ar. - . %% 2* Yfore,
KIETEER Den Yen and Der yet Lander Vin ze linermelten — —
Ye sn uam . u.
AS RR sinne. Vi die Olnsmarnen po Nıyerm um die zwei Yänder
en um fein Zrüd,
7
J
125
Ahnliche, großenteils wörtlich gleichlautende Burg- und Pandrechte jchloffen
Yızern, Uri und Unterwalden mit den Zehnten Naters und Brieg (8. Aug.
1417), dem Behnten Viſp (17. Aug. 1417), der Stadt Sitten und den
Yeuten von Gradetih und Siders (12. Oft. 1417).]
8. Die Befreiung der fehwizerifchen Freifchar in Domo d'Oſſola.
November 1425.
Juftinger ©. 280.
Hernach nun, als jedermann heimfam, ward einer vom andern getadelt,
nämlich die, jo beim Gefechte ! gewejen waren, tadelten etlihe von Schwiz,
fie wären umd jeien nicht bei ihnen gemwejen, noch wären jie jo mannbaft,
daß fie bei ihmen hätten fein dürfen im folcher Not. Solche unfreundliche
Reden und Vorwürfe, jo denen von Schwiz geſchah, heimlich oder öffentlich,
von denen, die bei dem Gefecht waren, verdroß die von Schwiz und war
ihnen unleidlih. Darum taten ſich viel fromme? Gejellen zu Schwiz zu-
jammen, heimlich und ohne Wiffen und Erlauben des Yandes Schwiz; der
Gejellen waren bei fünfhundert Mann. Und machten ji) auf und zogen
gen Thum? und gewannen die Stadt und nahmen fie ein.
Deshalb 309 des Herzogen Volk von Mailand zu in allen Yanden und
belagerte die Stadt ımd die von Schwiz darin und hüteten alle Wege und
Tritte, daß fie nirgends fortfommen möchten. Solcher Not wegen jandte
gemeines Yand von Schwiz, damit die Ihren da nicht verdürben, ihre Bot-
haft aus an alle Eidgenoffen und baten und mahnten [bei] aller Bundſchaft,
Freundſchaft und Yiebe, daß fie ihnen und den Ihren in diefer Not zu Hilfe
fümen. Alfo famen gen Bern zwei alte ehrbare Männer von Schwiz am
Freitag, jo da ward Allerjeelentag |2. November] in dem Jahr, als man
zählte von Gottes Geburt 1425 Jahre, und flagten Räten, Schultheigen und
Zweihunderten ſolche Not, die auf ihnen und den Ihren laftete, baten und
ermabnten [bei] aller Freundichaft und Yiebe, daß man ihnen und den Ihren
beförderlich zu Hilfe kommen möchte, oder die Ihren müßten verderben; da
fie doch auf niemand beſſeren Troft jegten, denn auf umjere Herren zu Bern.
Alfo ward ihnen geantwortet, dak man ihnen und den Ihren behilflich jein
wolle mit Yeib und mit Gut; und ward gedadıt an die alte Freundichaft, daß
die von Schwiz vor langer Zeit unjeren Borfahren in ihren großen Nöten
! In der Schlacht bei Arbedo 1422, die für die Eidgenoffen unglücklich ausgefallen
mar. — * Tiichtig, wader. — Domo vV’Offola,
a
126
zu Yaupen in dem Streit auch behilflich geweſen feien, wie man das in diejer
Ehronif oben lauter bejchrieben findet.
Alfe schrieb man aus in Städte und Yänder und machte jich bereit und
zog aus hernach am nächſten Dienjtag, jo St. Yienhartstag [6. November]
war, und jegte man zu Hauptleuten Rudolf Hofmeifter, Edelknecht,
Schultheiß zu Bern, Ulrid von Erlad und Niklaus von Gijenftein
und Hegel von Yindtnad, der war Venner; und denjelben Dienjtag
zog man gen Thun, tags darauf am Mittwoch gen Unterjeen, am
Domnerstag gen Hasle; und da man furz vorher große Kriege mit denen
von Wallis ziemlich manches Jahr gehabt hatte ', darum jandte man Bot-
jchaft gen Wallis, nämlih Rudolf von Ringoltingen und Hans Miühli-
bad, fie zu bitten, daß ihr Wille jein wolle, daß wir durch ihr Yand zögen,
und [fie] uns zu faufen geben wollten. Das war derer von Wallis Wille,
aljo, daß man dafür jorgte, dag niemand der Ihren bejchädiget würde und
man jedermann das Seine bezahlte. Das ward alles wohl bejorget und
gehalten. Alfo zog man am ‚Freitag bis gen Guttannen, am Samstag
bis gen Wallis gen Münfter und gen Gejtelen; dajelbjt blieb man auch
den Zonntag und wartete man “auf die von Soloturn. Die kamen mit
ihrem Panner wohlgerüftet. tem tags darauf am Montag, jo der fiebente
Tag war, da man ausgezogen war, zog man gen Binn, am achten, Dienjtags,
gen Betich?, am neunten Tag, Mittwochs, gen Thum und da blieb man
denjelben Mittwoh, am Donnerstag, den Freitag, den Samstag bis am
Zonntag früb. Alſo wurden unſere Derren gar wohl empfangen von allen
Eidgenofjen vor Thum. Und tät der Eidgenoffen Rede Utz, derer von Schwiz,
Schreiber und Hauptmann jo ernftlib und jo dantberlih, dak manchem
Mann die Augen naß wurden. Wlan jchägte auch unjer Volk ven Bern bei
fünftaufend gewappneter Männer. Unſer waren auch mehr, als der andern
Eidgenoſſen aller waren. Die Walliſer baben auch jeitber oft gejagt, daR fie
in den Engpäſſen die Zaumroffe obne andere Roſſe zäblten, und deren
waren fünfzehnhundert. Aljo wurden die von Schwiz entjchüttet mit Gewalt
und webrbafter Hand, wesbalb alle Feinde zurüchwichen.
49. Die Flucht der Zürcher bei Pfäffikon. 4.5. Nov. 1440.
Aus Fründ's Chronik, berausg. ven Kind. S. 64.
Unter der ſchweizeriſchen Geſchichtswerken aus Dem 15. Yabrbimdert nimmt die Chronik
des Hand Fründ über den alten Zurichkrieg einen berverragenden Platz ein, da der Ber-
’ 14T wegen der in Bern verburgerden Raren. — Baceno 2 im Antigoriotal.
127
fafler in den von ihm befchriebenen Greigniffen felbft mithandelnder Augenzeuge war.
zründ war nämlich, obwohl ein geborner Yuzerner, beim Ausbruch der Streitigkeiten
zwiſchen Zürich und Schwiz von letterem als Yandichreiber berufen worden und verblich
in diefer ehrenvollen Stellung, die ihn zum Vertrauten des leitenden Staatsmannes der
Schwizer, des Ital Neding, machte, bis 1453. Im Jahre 1457 fiedelte er als Gerichts—
Ihreiber wieder nach Luzern über, wo er vor 1469 ftarb.
Sn Freitag früh nad) Allerheiligentag [4. Nov.] da zog männiglich
| X aus der March von Yachen hinauf auf den Ekel, und zogen da
— die zwei Panner von Schwiz und von Glarus zuſammen und
wurden da einhelliglich zu Rat, daß man gegen die von Zürich, ihre Feinde,
ziehen und ſie angreifen und ſchädigen ſollte an Yand, Leuten, Yeib und Gut.
Indeſſen waren mın die von Uri und von Unterwalden ausgezogen
mit ihren Pannern und hatten fich unterm Egel bei der Sihlbriüde bei
den Häufern im Felde gelagert und jandten ihre Botſchaft herauf auf den
Ekel vor die Gemeinde am Freitag, ald man zu Rate ward, gegen die von
Zürih zu ziehen, wie vorjteht. Die redeten nun eifrig in ſolcher Meinung:
wir follten auf dem Unjern bleiben und nicht gegen die von Zürich ziehen,
und daß wir ihnen zu verjtehen gäben, was wir gegen jie fiir Beſchwerden
hätten; damit wollten fie jich gern befafjfen und ihr Beſtes dazu tun; und
redeten viel ſolcher Worte. Und unter andern Worten redeten die Boten: fie
wollten nirgendswohin mit denen von Schwiz und von Glarus ziehen, nad)-
dem, wie fie die Sachen verftünden, und redeten eben grob. Warum und
weshalb die Boten jolches redeten, mag ich nicht eigentlich wiljen. Als fie num
viel Redens getrieben... ., da ward ihnen geantwortet: fie hätten zu Bilftein !
wohl veritanden, was für Bejchwerden die von Schwiz gegen die von Zürich)
hätten, desgleichen vormals; aber ihnen möchte feine ganze, vollfommene Ant-
wort von Zürich, noch von ihnen ihretwegen je werden. Alſo hätten jie ihnen
abgejagt und wären ihre offenen Feinde und mollten Gott den Allmächtigen
zu Hilfe nehmen und ihren Sachen nachgehen und zu Ende kommen, anders
jo wäre nicht mehr daran. Alſo jchieden die Boten von dannen wieder
binumter zu den Ihren an die Sihlbrücke.
Und aljo nach einer Weile da brad das Volf auf in dem Namen Gottes
mit Pfeifen und fröhlihem Mut und zog dahin vom Ekel gegen Entnau?
hinauf ob denen von Uri und Unterwalden hin und nahmen die Sachen allein
an die Hand, und jchätte man das Volk unter beiden Pannern über 2000
Mann, und auf Entnau, da jchwuren alfe die, jo da noch dem Hauptmann
nicht geſchworen hatten, und rüjteten ſich die Yeute mit Hauptgejchter ? und
! Ein Ort in der Nähe von Yachen, wo am 2. November erfolglofe Bermittlungsverfuche
der Gidgenoffen ftattgefunden hatten. — * An der Nordweitjeite des Etzels. — ꝰ Helm,
„0 regen
128
Wehren und ftiegen von den Pferden; und [es] waren bei 200 Mann über den
hoben Egel hinüber geordnet, und ſes] taten ſich die Yeute auf beiden Seiten
auseinander vor den Pannern hin mit dein Hauptmann und zogen dann hinab
in derer von Zürich Gebiet, mannhaft, durch Heden, durch Gräben, über Stod
und Stein; gleicher Weife, wie da große Lawinen gehen, aljo wälzten fie fich
vorwärts Und [es] kamen die 200 Mann alsbald jenfeits des Etzels dem Haufen
zuvor umd zogen dann hinab bis auf den Boden, da man cs nennt auf
Moſen. Da lief man dur die Häufer und raubte man das, jo man dann
da fand, Hühner, Schweine und jolden Faſel; das hatte alles den Hals ver:
loren. Nun begann es um Veſperzeit zu jein, da die Sonne begann unter:
zugehen, und waren die Yeute hungrig und müde und lagerten fich auf Moſen,
jhränzten da die Yäden von den Häufern und fiengen bie und da am die
Hütten und die Ställe zu [verbrennen Auch ſchickte man am Abend einen
Harft rückwärts an die Schindellegi, die die Brücke, auch etliche Häufer und
Hütten daſelbſt verbrannten. Alſobald jchieten die von Uri und von Unter:
walden ihre reitenden Boten nad) auf Mofen, daß man gemach täte; fie hätten
ihre Abjagebriefe auch geichrieben, weshalb ſich die Zache verzogen hätte;
aber jie wären auf dem Wege, zu uns zu ziehen. Und bald da famen die
zwei Boten mit den Briefen und beide Banner den Briefen nad) und zogen
auch zu dem Volk auf Mojen. Aljo liefen die Boten jogleich vorwärts hinab
mit den Briefen gen Pfäffikon zu denen von Zürich. Indeſſen ward man
zu Nat, daß man die Nacht auf Moſen bleiben follte, wie auch gejchah.
Nun waren die von Zürich desjelben Tages von Pfäffifon aus dem Dorf
beraufgezogen oben an das Dorf auf den weißen Ader. Da ftanden fie num,
da man fie wohl jah, ein großes, jchönes, mwohlgerüftetes Volk; die Zonne
chen nämlich am Abend eben in fie, und [es] haben die gejagt, jo dazumal
bei ihnen und den Ihren da noch waren, daß man fie außerhalb des Dorfes
zählte, als fie dazumal hinauszogen, daß ihrer 7000 Dann wären, und [fie]
hatten viele große Haufen Holzes da zujammengelegt und die Hecken und
Zäune zerbrechen, und noch verjah fich niemand eines andern, als daR fie
da derer von Schwiz und Glarus fich wehren und jie da beftehen wollten.
Nach Mitternacht da biek Ammann Neding, Hauptmann, von Gefell-
ichaft zu Gefellfchaft jich jedermann rüften und zubereiten. Wollte auch jemand
etwas eſſen, der möchte es tun, auf daß man die von Zürich früh bei Tages:
anbruch angriffe. Alfo war jedermann willig und brünftig gegen das Volk und
feften Mutes, und [es] war ein wildes Getöfe, Spieße und Hallbarten, Pfeifen
und Trommeln, und [es] war ein wildes Getümmel, bis dag der Tag anbrad)
und man mit den Pannern beganı wegzuzieben,
Als es mın jo viel Tag wurde, daß man von Miojen hinab gen Präffifon
gegen die von Zürich ziehen wollte, da man fie am Abend gejehen hatte und
man fie wähnte zu finden, und das Volk ſich bereitet hatte zu fechten, jo fam
— — — — —
129
die Mähre, daß die von Zürich da weg ſeien, und ſie flöhen. Man wollte es
nicht glauben; alſo liefen die Geſellen hinaus und ſahen hinab. Als es da noch
früb am Morgen war, da ſah man vor Pfäffikon jo viel Schiffe am Land,
und [jolche], die vom Yand ftießen mit Yeuten, die fie zählten, daß ihrer 52
wären, die dahinfuhren über den See an das andere Ufer und dann hinunter
gen Züri. Nun redete der eine hin, der andere ber; der eine jprach: jie
zögen weg; der andere Sprach: fie flöhen nicht; etliche jprachen: fie wollten
jie berausloden und einen Hinterhalt legen. Es war aud fo früh, daß man
keine Spieße, Waffen noch Harnifche gewahren fonnte, Als nun jedermann
bereit war und man aufbrad) und dahinzog, jo lommt Botichaft, daß die
Hofleute ziemlich alle zu Bfäffifon im Haus! jeien und daß die von Zürich
von ihnen gewichen wären, und baten da, dak man ihrer fchonen und ihnen
ihre Häuslein nicht verbrennen, noch fie ungewöhnlich ſchädigen möchte; fie
wollten jich ergeben und huldigen und tum, was jie tun follten. Alfo zog man
immerdar vorwärts bis hinab auf den weißen Ader ob Pfäffifon, da die von
Züri) gelegen waren und die Haufen Holzes lagen; da machte man Halt.
Da ritt Ammann Neding und etliche mit ihm hinein in das Dorf vor die
Burg zu Pfäffifon und redete mit ihnen dermaßen, daß fie ibm zufagten, fie
wollten fich ergeben, und dak man zu ihnen jchiete, jo mwollten fie ſchwören.
Alſo fehrte er um und ritt wieder hinaus zum Volk und jagte ihnen, daß
das Haus Pfäffifon und die Yente erobert wären, wie ihr denn bievor gehört
babt. Und darauf ſchickte man die Yeute hinein in die Burg und nahm die
Yeute in Eid, und [es] jchwuren die Yente, denen von Schwiz mit aller Ge-
rechtijame gewärtig zu fein, jo die von Zürich da gehabt hätten, und auch
anderes, wie es denn notwendig war und ihre Eide weiſen.
50. Die Erſtürmung der Schanze am Hirzel. 24. Wai 1443.
Fründs Chronik, ©. 134 fi.
Den Eidgenofien ward auch wohl fundgetan, wie daß die von Zürich
eine große, mächtige und ftarfe Yeti gemachet und daran Jahr und Tag ge
baut hätten am Hirzel, [das] ift am Horgerberg, bier diesfeitS gegen Zug
. umd daß ein großes Volk am derjelben Letzi läge.... Und am
Freitag früh brachen fie auf und zogen wieder zurüd gegen Zug und von da
D. i. in der Burg.
Oechsli. Quellenbuch. 9
130
gegen Finfterfee und da über die Stege, daß fie über die Sihl famen, einen
großen, weiten und harten, böjen Weg gegen diejelbe Lee zu, da fie's auch
meinten mit Gottes Hilfe zu juchen und anzugreifen... . Indem da die
vorgenannten frommen und notvejten Yeute, die Eidgenofien von Yuzern,
Uri und Unterwalden ihre Botſchaft gefandt [hatten] zu ihren Eidgenofjen
von Schwiz hinab gen Freienbach umd zu andern, daß fie zu ihnen herauf-
ziehen jollten, wie oben fteht, und fie aljo wider den Hirzel, da die Pete und
die Feinde waren, hinzogen, da hätten fie gerne gewacht und ein Feldlager
geichlagen und auf ihre Eidgenofjen gewartet. Alſo wurden die Feinde an der
Yete ihrer gewahr; das war mun am Abend eben, da die Feinde iiber dem
Nachtmahl jagen. Da fuhren fie auf und liefen auf die Letze und auf die
Raine hervor, daß fie der Eidgenoffen anfichtig wurden und beide Teile ein-
ander jahen, und daß die Feinde auf der Yege zu rufen begannen gegen der
Eidgenofjen Knechte, die da zuvorderſt hin und her liefen: „Wohl ber!” und
dabei böfe, wüfte und unfaubere Worte. Das reizte num der Eidgenofjen Knechte
und [es] drücte fie auch die Schmach, daß fie ihnen jo nahe das Dorf
Blidenjtorf verbrannt hatten, auch das Rufen und die böjen Worte, und daß
fie fich jo üppiglich und wunderlich gegen fie geberdeten ; und riefen gleich zurück
zu den Pannern, daß fie [heranzögen; denn fie wollten fie angreifen und [es]
ihnen nicht länger jparen. Und wiewol ihre Hauptleute gerne gejehen hätten,
daß fie des Abends nicht angegriffen, jondern ihre Eidgenoſſen erwartet hätten,
und fich jegliche Gemeinde verfammelte umd jich unterredete und zulett zu-
jammen an einen Ring ftunden, da fruchtete nichts, was man redete; denn
das Volk wollte immer dran.
Und aljo in dem Namen Gottes, welcher bejfer mochte, der tat auch
auch beffer, und von dem Ring [gings] an die Letze und gegen die Feinde hin
und [fie] zogen den Rain hinauf und griffen fie mannhaft an umd zogen mit
den Pannern herzu und drücken redlich nach, doc ganz ungeordnet, einer bie,
der andere dort; und bejonders griffen ſie's an am allerhärteften, wo der
Grendel ! und die Letze und die Schutzwehr am allerjtärfiten war md am
allerwehrbaftejten und wohl verjehen und wo jie am allerhärtejten und aller-
mübjeligiten zu gewinnen war, und fochten, ftachen und jchlugen und ftritten
mannhaft gegen die Feinde und gegen die Letze. Und die Feinde hatten auch
viel gute Büchſen, Steinbüchjen und Handbüchſen, Tarrasbüchſen? und viel
anderes gutes [Kriegs|-Zeug und Gejchüg bei ſich und eine große mächtige
ſtarke Yeße vor ihnen, die ungewöhnlich wehrhaft gemacht war, und wehrten
jich auch mannhaft, keck und redlich als biderbe Yeute, und trieben das Gefecht
jo lang und ftreng mit einander, bis daß der Eidgenofjen Knechte durch die
' Eigentlich Riegel, dann die Ballen, womit die Ausgänge von VBerihanzungen gefperrt
wurden, — ? Feſtungslanonen.
131
Vege auf der rechten und der finfen Seite einbrachen ; und jchlugen ineinander
zu beiden Seiten, daß da große Not und Arbeit war, wie jo viel Leute je
leiden mochten oder ich je vernommen habe; und half Gott der Allmächtige
den vorgenannten ftrengen und frommen Eidgenofjen, die er nie verlieh, daß
jie mit den Pannern durd die Yege und den Grendel bineindrücten und die
Feinde in die Flucht jchlugen. Ich mag e8 fchreiben mit Wahrheit, und hätte
ich es nicht gejehen, wie fejt und ftarf der Grendel und die Yege an dem
Ende war, da die größte Not und alles Geſchütz hingerichtet war, ich möchte
es kaum glauben. Aljo eilten ihnen die Eidgenofjen nach durch die Letze umd
den Hirzel hinauf und jchlugen und ftachen fie zu Hauf nieder zu Tode und
jagten jie hinaus über den Berg umd den Hirzel gegen Horgen hin und neben
ab in die Hölzer und Stauden, den einen hie, den andern dort. Es gingen
auch die Stiche und Streide und das Geſchütz jo ftarf, wie der Hagel auf
ein Schindeldach, und befonders in den Amarellenbäumen oberhalb der Yete
in den Gärten. Man bürte auch das Schiefen und das Schlagen in der
Ferne, und bejonders das Schießen oberhalb Freienbach, da man die Warte
hatte. Und das ift wahr; und trieben das bis in die Nacht, daß fie der
Feinde feinen mehr erreichen fonnten noch mochten und der Nacht wegen
nicht mehr nachlaufen fonnten. Auch legten fie von Stund an Feuer in die
Häufer auf der Letze, wo fie hindurch famen, und verbrannten fie, daß viele
der Feinde darin blieben, und half Gott der Allmächtige und feine würdige
Mutter, die reine Magd Maria, den frommen Eidgenofjfen von Yuzern, Uri
und Unterwalden, daß fie über ihre Feinde objtegten.
51. Die Schlacht bei St. Jakob an der Sihl. 22. Iuli 1433.
. Aus der fogen. Klingenberger Chronik, ©. 316 fi.
Fa derſelben Woche [nach dem 16. Juli) zogen die Eidgenojjen von
DES laris, Schwiz, Zug, Yuzern, Uri und Unterwalden
eu abermals mit all ihrer Diacht und, was zu ihnen gehörte in dem
Aargau, im Gaſter und, wo jie zu gebieten hatten, ſo daß ihrer im ganzen
gegen 16000 Mann waren, aus) und famen aljo zuſammen in dem Freien
Amt und wurden zu Nat, daß jie abermals gegen die von Zürich ziehen
wollten und die schädigen, und hoben am Albis an zu bremnenrumd zu ver-
müften, was jie vorher hatten ftehen laſſen. Alſo, da es nun St. Maria
Magdalenentag — an einem Montag [22. Juli] war, zogen fie herab gen
Rieden! in das Dorf bei dem Galgen. Als mm denen von Zürich [ihre]
t Albisrieden.
132
Kıumdichaft kam, daß die Eidgenoffen zu Rieden lägen, da eilten jie hinaus
zu Roß umd zu Fuß, alle ungeordnet, und famen aljo zuſammen unter der
Yinde bei den Bänken!, indem da gar niemand eine Ordnung unter ihnen
gemacht hatte, weder Fein noch groß. Daher ward nun derer von Zürich
Hauptmann, Türing von Hallwil, ſehr zornig über die von Zürich,
daß fie ohne Ordnung aljo zogen, und jprach zur etlichen von Zürich, welche
die Gewalt führten: „Ihr habt mir alle gefchworen, und bin euer" Haupt-
mann, wenn ihr wollt; wenn es euch aber nicht gelegen ift, jo bin ich nicht
euer Hauptmann; denn ihr folget mir nicht und tut, was euch gefällt.“
Alfo hielten die Edeln vielleicht mit 500 Pferden daſelbſt bei den Bänken.
Da befahb mm Hans von Rechberg mit mehreren Geſellen das Volk?
und fam wieder zu den Edlen und zu denen von Zürich und fagte, daß
er fie auf 6000 wohl gerüftete und ftreitbare Bauern ſchätze, und riet
auch da bei feinen Ehren, daß ihn das Befte däuchte, daß die von Zürich alle
nit einander zu der Stadt zügen, jo wollten jie mit den Neifigen zu ihnen
reiten und fehen, ob fie ihnen etwas Böjes zufügen möchten. Wenn es ihnen
dann gelegen wäre, jo wollten fie dennoch ohne Schaden wohl zu der Stadt
zu ihnen kommen. Aljo ward nun demjelben Nate des von Rechberg gefolget,
und hieß man die von Zürich über die Sihl und über die Brücke hineinziehen.
Da hatten fie gute Grendel und Wehren, und hieß man fie ſich da zurüften
mit guten Streifbüchjen und mit anderm Zeug und dajelbjt warten. Da
taten nun die von Zürich) nicht, was die Edeln mit ihnen ausgemacht hatten,
und zogen alfo gegen die Stadt umd lagerten ſich außerhalb der Sihl und
auperhalb des Siechenhaufes in einer großen Wieſe. Alſo war es nun
desjelben Tages gar heit, und trug man denen von Zürich aus der Stadt
Wein in Gelten und Flaſchen zu. Es war auch eine Hede und ein Gejtäud
um die Wieje herum, jo daß man fie nicht jehen fonnte.
Alſo ritten nım die Edeln und die Reifigen über das Sihlfeld zu dem
Haufen und Scharmügelten ernftlich mit ihnen und wichen und lockten fie aljo
nach ſich. Alſo meinten jie, ſie joliten die von Zürich finden, wo fie hingeordnet
waren, umd da fie im die Nähe von St. Jakob famen, da der Sieden Haus
ift, da fahen fie außerhalb des Siechenhaufes in der Wieje die von Zürich
bei einander im Feld ftehen. Darüber erjchrafen nun die Edeln, daß die von
Zürich nicht die Ordnung hielten, die man gemachet hatte, und an der Wehre
waren, da man fie hingewieſen hatte. Dennoch waren fie jo fromm und redlich
in der Mehrzahl und ftiegen zu ihnen zu Fuß ab und liefen ihre Pferde
laufen und traten ihre Sporen ab und richteten ſich ein, zu fechten, und
meinten, fie wollten da mit ihnen fechten. Nun batten die Edeln wohl ge-
! Am Scheidewege der Straßen nach Altſtetten nud Aibisrieden. — * Nämlich die
Eidgenoſſen.
133
jehen, daß es fehr ungleich war, da die Eidgenoffen viel mehr Volf hatten,
denn die von Zürich, umd waren auch weit bejfer gerüftet und geordnet,
umd zogen ihnen auch gleich auf dem Fuße nad. Da nun die Edeln von
ihren Pferden ftiegen und ihre Sporen abhieben und zu denen von Bürich
ftunden, da liefen die Eidgenoffen gleich heran, ungeordnet, Nun wollten derer
von Zürih Schützen ſchießen. Da rief der Bürgermeifter, Herr Rudolf
Stüſſi, fie follten nicht jchießen, es wären Freunde, und [je] liegen ihre
Armbrüfte wieder aus. Daher jagte man nun dazumal öffentlih und als
Wahrheit, die Eidgenoffen hätten ihrer bei zweihundert oder mehr mit roten
Kreuzen! geordnet, die voran laufen jollten, damit die von Zürich wähnen
jollten, e8 wären Freunde, und hätten vorne rote Kreuze und hinten weiße
und einen Tannaft unter dem Gürtel, und meinten auch die von Zürich, daß
fie die alfo tot gefunden hätten, und es jei die volle Wahrheit. So redeten
die Eidgenoſſen eifrig dawider und meinten, das follte ſich niemals erfinden.
Das jei nun oder ſei nicht, das laſſe ich aljo bleiben.
Da num die Eidgenofjen heranliefen, da hatten ſich die von Zürid) an
eine jehr unmwehrhafte Stätte gelagert. Alfo mieten die von Zürich nieder [zum
Sebet] und meinten, fie wollten da fechten. Als fie nun wieder aufftanden, da
ftablen fie sich hinten weg und hoben an zu fliehen gegen die Stadt über
die Sihlbrücke hinein, und wer befjer mochte, der tät auch beifer. Als das
die Frommen fahen, die gern ihr Beſtes getan hätten, edel und umedel, die
gern ihr Yeib und Yeben da gewagt hätten, da jchrien jie und riefen ihnen zu.
Aber da half fein Ermahnen und fein Rufen; die Flucht war in die Leute
gekommen, daß niemand bleiben wollte; ob man fie viel oder wenig mahnte,
es wollte niemand jtand halten. Da nun die Frommen fahen, daß die Ihren
aljo ihändfich flohen und fich niemand wehren wollte, noch bei ihnen bleiben,
da mußten fie auch weichen; denn da die Eidgenoffen die Flucht jahen, da
wurden jie erſt fed und mannhaft und warfen, jchojfen, jchlugen und jtachen
in jie. Alſo welcher zu jeinem Pferd kommen mochte, der ritt; der das nicht
mochte, der ging, und tät jedermann, wie er denn mochte. Alſo wichen ihrer
viele miteinander, mit wehrender Hand, die fich männlich und ritterlich wehrten,
die auch aljo bei der Gegenwehr erftechen und erfchlagen wurden. Viele wurden
auch auf der Flucht erichlagen, die fich nie wehrten, Es wurden auch am
jelben Tage viele alte Leute erftochen, die hinausgegangen waren und ſchauen
wollten, wie es den Ihren ging, und ohne Waffen gingen; denn fie waren
um feines Fechtens willen hinausgekommen. Und da es alſo an ein Fliehen
ging, da waren jie alt und jchwach und mochten nicht entweichen, jo daß jie
ntedergeritten, geftochen und gejchoffen wurden und erfchlagen ; denn jedermann
batte jolche Not zu fliehen, dak niemand des andern Acht hatte, und flohen
' Dem Abzeichen der Oftreicher im Gegenfag zum weißen Kreuz der Eidgenoffen,
134
auch in die Stadt. Alfo eilten ihnen die Eidgenoffen, vielleicht gegen 300,
nach bis unter das Tor und erftachen fie auch bis an das Tor. Da batte
man num zu Zürich das Tor zugejchlagen und die Grendel, bis daR Die
Yeute Mord an dem Tore jehrieen und man das Tor mit Not auftat. Aljo
drücten nun die rechten Panner und der Haufe [der Eidgenojfen] nicht nad),
wie aber die von Zürich wähnten, daß fie täten; denn hätten fie nachgedrückt
und geeilt, nachdem die Flucht und der Schreden in das Volk gekommen
war, jo hätten jie denen von Zürich den größten Schaden getan, der ihnen
je geichab von Anfang ihrer Stadt oder [den] je ein Mann gehört oder ge-
denfen mag, umd es wäre mißlich, dar fie die Stadt dazu abgelaufen und ge-
wonnen hätten; denn es war feine Wehre gerüftet. Dazu hatte man jich ſolcher
Dinge nicht verſehen. — — Alſo erftachen nun die Eidgenoſſen die von
Züri und die Ihren bis an das Tor. Man meinte auch, daß ihrer etliche
in dem Gedränge bis in die Stadt kämen. Alfo ſchoß man dennod ab den
Mauern und ab den Türmen jo fejt zu ihnen, daß jie die Toten nicht aus:
ziehen konnten bei der Stadt, außer daß jie ihrer etliche in die Häuſer zogen
und fie da auszogen, und zündeten die Häufer an umd die Toten damit, und
liegen es alles da brennen. Alſo brammten die Eidgenofien alles nieder, was
bie Diesjeit$ der Zihl war gen der Stadt bis an den Graben, und ver-
wüſteten und nahmen alles, was jie da fanden. — — —
Der Edeln Namen, die da gefallen, jind: Junker Albrecht von Buß—
nang, Freiherr, Hansvon Neuenhaujen, Pans von Mettelhaujen
und vielleicht gegen dreißig oder vierzig Reiſige zu Pferd und Fremde mit
ihnen, It. von Zürih aus der Stadt: Herr Rudolf Stüſſi, Nitter
und Burgermeifter, Ulrih von Yommis, Konrad Mayer, Panner:
meijter, trug derer von Zürich Fähnlein, Peter Kilchmatter, der alte
Hagnauer, Heinrih Uſſikon, der Stadtichreiber [Graf] von
Züri.
52. Ifenhofers Schmachlied auf die Gidgenoſſen. 1443.
Abgedrudt bei Yilienfvon I. ©. 383, gekürzt bei Tobler, Voltslieder II. S. 23.
„Es wurden auch zu Diefer Zeit mancherlei „Piedlin” zu Rapperswil und zu Zürich
denen von Schwiz gelungen, daraus viel Widerwillens entitand und man ihnen andere
Yieder himmieder fang.” Tſchudi IT. S. 358. Ein foldhes Yied ift das folgende, als deſſen
Verfaffer fich der Ritter von Iſenhofen nennt, ein Öftreicher, der 1436 Vogt zu Feld—
firh war.
135
1. Wol uf, ich hör ain nüw gebön !, 5. Nun luogend zuo ich felber,
der edel vogel fang! Zürich, in üwer ftatt,
Ich trüm?, es fom ain ganze fchon ®, da lüejend küe und kelber '®,
unmetter bät fin gang * wie man’s !° verboten hat!
gerichsnet > uf der haide, Nütend uf den grunde,
die bluomen find erfroren, der das unfrut gebirt!
dem adel alld ze laide ir gelebend ?° noch die ftunde,
bänd puren zefamen geſchworen. daß es lich fröwen wirt!
2. Die wullen ftud zeberg gedrudt ®: 6. Die Puren tribend wunder ?",
das ſchafft der ſunnen glanz. ir übermuot iſt groß!
den puren wirt ir gwalt gezudt: Schwiz und Glaris befunder,
das tuot der pfawenfchwangz ? nieman ift iv genoß ?.
Blüemi ®, laß din filejen ® Sie tragend iez die frone ®
gang hain, hab din gemach '®, für ritter und für fnecht;
es gerät !' die Herren milejen ! wirt in ?* mum der lone,
trinf uß dem mülibad ! das ift nit wider recht.
3. Belibift dur dahaima, 7. Ich mein iez die von Berne:
da betift quoti waid, tuond ouch, als üch denn dünkt:
dich betrüepti nieman, „uns zündt ain nilwer fterne,
und beichäch dir nüt zelaid ! baiter iſt fin funf“!
Du gerätft !? zewit ußbrechen Ir haind vil mengen puren,
das tuot '* dem adel zorn; gewunn es finen gang,
laſt nit von dinem ftechen fi brächen lich durch die muren,
man Schlecht '° dich uf die horn! fie fparten e8 nit lang, ®
4. Du hält ain fart '° din Schwanz geredt 8. Bafel, du macht ?* dich fröwen,
bin an den Bürichiee. wan ? dir wirt jchier ?* din Ion:
damit fo bäft du fie erfchredt, macht du die ſpis nit töwen *®
die ſchmach, die tuot in me! man git dir purgation,
Wer nun den andren hab betrogen ? die rumet dir din magen,
ib reden als !” die toren: darnach wirft du geſund!
mich dunkt, der pund hab fich gebogen, Man muoß dir vil vertragen, 39
den A händ zſamen geichworen. wan du bift in dem bund ®',
! Ton, Melodie. — ? traue, hoffe. — ? Schönheit, Klarheit. — * feinerfeits. — ® ge-
bericht. — in die Höhe gedrängt. — ? der Pfauenſchwanz, das öftreichiiche Parteizeichen.
* Bliemi, ein Kubname, foviel als Schweizertub. — % brüllen. — ' halt dich ruhig. —
"fängt an, — '* bemühen, beläftigen. — '* fängit an. — '* verurjacht. —— 1? jchlägt. —
einmal. — "wie. — * d. h. eidgenöſſiſch Geſinnte. — * wie ſehr man es auch
verboten hat: nämlich den Eidgenoſſen günſtige Geſinnungen zu äußern. — » Rerlebet. —
! treiben es außerordentlich, tun ſehr groß. — »* ihres Gleichen, ihnen ebenbürtig. —
” die Helmkrone, das Abzeichen des Adels. — * ihnen, — ** Ihr Berner, tut auch,
als ob euch ein neuer Stern zündete! Aber eure eigenen Bauern würden auch bald
durch eure Mauern brechen, tenn e8 jo fortginge, — ?* magſt. — 27 denn, — es bald, —
# verbauen. — 3° mit dir Geduld haben. — *' Bafel hatte 1441 einen 2Ojährigen Bund
mit Bern und Soloturn geichloffen.
136
10. Das Ergöm ! tet ain böfen ſchwauk.? 15. Wan kämin wir für '? die herren,
des ? fait man im Hain er, io betin wir uns ermwegen, ®
darzuo haind fi des wenig dank, wir müeßtind mwiderferen ®!,
man getrumet in mit me. dahain der küegen *? pflegen!
Bremgarten, Mellingen, Baden, unfer berrichaft wurd denn knecht,
es ift an üch nit müm: flain ichmal wurd unfer gebiet:
iv forchtend llainen jchaden, well der küng von uns das recht,
und bredhend üwer trüm! * fo fom gen Bedennied!
11. Rapperſchwil, nun halt dich veſt, 16. „Da mellen wir ım loſen l
din fromfeit ® ſchwebt dir ob ®, ſprechend Die melferfnaben.
wan dur häft ie? getan das beit, die tnüw gend in es durch Die bofen,
behab ® din quotes ob! gram röd ficht man ſi tragen.
ich main ouch die von Wintertur, Jr was ain michel taile,
erſchrelend nit von tröwen °; batbe junge und alt je
guot gräben haind ir umb die mur, tüng, got geb dir haile,
des mugend ir üch frömwen! wan fie müegt ’% din gemalt.
12. Nun lond ich nit verbriehen 21. Wer unrecht welle temmen ??
der arkeit, jo ir band: dem rat ich zuo dem fchinpf **!
des mugend ir genießen, wend ir es recht befennen,
ir band gebiet '% vor ſchand. jo haind ir quoten glimpf ®.
Man zeit üch für die fromen, '' Ru werend bi zit, ir fromen,
der eren gan !* üch got! der puren unvernunft,
es wird noch kürzlich fomen, wan °° wend ir's nit verfomen ®',
daß mengem gelit '* fin jpot! "4 8 wirt ain große zunft!
14. Der fing erfordert ie ® ſin lüt 24. Es figend ftet oder puren,
und ouch darzuo fin land, Hain ift der umderichaid:
das recht er für die fürften büt, es tail ain wenig muren, ??
das tuot den puren and !*, es iſt im allen laid!*
Ir Übermuot der ift nit fin, fie wären ſelb gern berren,
wan das lit an dem taq: und find im ® doch ze grob!
„wir weln im rechtes geborlam fin '? füng, du ſolt in's * weren,
nach unſer pundbrief Tag I*!" jo meret ſich din lob,
' Aargau. — ? Streich. — ’ desbalb, — * Bremgarten, Mellingen und Baden hatten
vor Ausbruch des Krieges dem öſtreichiſchen Yandvegt und Zürich versprochen, zu ihnen zu
halten, übergaben ſich aber fofort den Eidge nolien, als Diele ım Aargau eribienen. Man
ipottete Schon 1415 über fie, wert fie ſich zu Schnell ergeben bätten. — > Rrapbeit, Tapfer«
feit. — ® über dir. — immer. — * behalte, — droben. — ihr babı euch bebütet. —
man zählt euch zu Den Tapfern. — * die Ebre gönnet euch. — '* Darmiederliegt,
aufbört. — '* beide Ztädte waren gut öftreichtich gefinnt. — +5 König Friedrich forderte
den Margan zurück und bot Den Eidgenoſien Recht auf Die Kurfürſten. Darauf biekten die
Eidgenoſſen eine Tagſaßung zu Beckenried. — 1 web. — 7 zu Recht ftchen. — '* gemäß
dem Inbalt unserer Bundeésbriefe; Daß die Fidgenoiten den König vor ibr Bundesrecht
gefordert bätten, iſt wohl nur eine veripottende Übertreibung des Tichters. — "vor. —
2° parein ergeben. — * surädgeben, vergüten. — *t Rühe. — # ibnen, 2% großer. —
20 ſowol junge als alte, — ** bemübt, perdricht. — 9 eindämmen. — ® . Kampfipiel. —
9 Beiugnis. Recht. — " run, — * wollt ibr ibnen nicht zuvorlommen. — ** mag ſie
ein bischen Mauern von einander trennen. — » nämlich daß Friedrich III. die Reichs:
gewalt befigt. — * dafür. — *ibnen es. —
RT
137
3. Ban es hört ! dinem adel vertriben find die fromen
und Diner berichaft zuo '. als ® von der puren ſpot,
Erſchütt? den Pfawenwadel, das ir haind's ingenomen, 7
es wirt in noch ze fruo, * nun helf's uns rechen got!
Man much das unfich * ftönben,
fo belibt das eßen rein; 28. Der diſes liedli hat gemadht,
Mit pfifen und mit tönben ®
fiiert man die brute hain!
der ift von JIſenhofen.
die puren hatten fin fain acht,
wan* er faß binder dem ofen.
27. Man bat in lang vertragen Er loſet ivem vate,
gewalt und übermuot: uud mas fi weltin triben,
ain fürſten hainds erfchlagen, an einem abend ſpate,
darzuo mäng edel bluot, er hät's nüt muot zverſchwigen.
53. Zwei Schreiben über die Kapitulation der Feſte Greifenſee.
27. Mai 1444.
Piitgeteilt von Th. v. Liebenau im Anzeiger für Schweizergeih. I. S. 302.
J
„Rudolf Bramberg, Hauptmann, der Venner, Rät und Hundert von
Yızern, wie wir zu Feld liegen’, jchreiben 1444 Dienftag den 26. Mai „ven
fürfichtigen mweifen, dem Schultheißen und Nat zu Yuzern, unfern gnädigen
lieben Herren": „stem, von des Schloffes wegen ift Rudolf Bramberg,
jegt unjer Hauptmann hinab zu dem Haus gegangen und hat das beichaut
und uns gejagt, wie daß unfere Knechte von den Eidgenoffen durch den innern
Swinger gegraben hätten und auf zwei Enden an die rechte Mauer gekommen
jeien, daß wir getrauen, daß fie hinfür ficher werfen mögen ohne die Schirme
und daß das Haus mit Gottes Hilfe joll bald erobert werden. Die Feinde
in dem Haus haben auch geftern abend mit den Unſern geredet, und dünkt
uns, jie begehrten vielleicht Gnade. Aber dar ſolches Erfolg gewinne, defjen
verjehen wir uns nicht.“
' denn das kommt .... zu. — * Schüttle. — *es kommt ihnen noch zu früh. —
* Ungeziefer. — ® blajen, flöten, — * jo. — ihre Beſitzungen babe fie eingenommen, —
“
deun,
138
1.
Den fürfihtigen, weifen, dem Schultheißen und Rat zu Luzern, unſern
gnädigen lieben Herren.
Unjere freundlichen willigen Dienjte allzeit zuvor, gnädige, liebe Herren.
Wir tum euch zu wiſſen, daß geftern die Feinde auf dem Haus begehrten
mit den Eidgenoffen zu reden, daß man fie aufnehme !. Alfo wurden die
Eidgenoffen zu rat, daß das jedermann an jeine Gemeinde bringen folite.
Alſo haben auch alle Eidgenoffen ihre Gemeinden gehalten, jegliher Ort
insbejondere, und iftinunjer Gemeinde das Mehrgeworden,
daß man das Haus, Yeute und Gut verbrennen folle, wenn
wir e$ erobern mögen, und man fie weder auf Gnade nod
Ungnade aufnehmen jolle, und war unjerer Gemeinde Urſache: wenn
wir letztes Jahr Negensberg gewannen und Grüningen, fruchtete uns das
wenig. Alfo, da jedermann jeine Gemeinde gehalten hatte, da famen der
Eidgenoffen Hauptleute, die denn nun zumal im Felde find, zufammen und
lagen die von Shwiz auch jehr auf der Meinung, wie aud
wir, um deswillen, daf es weit in den Yanden erjhalle und
unfere Feinde defto erfhrodener würden, Jedoch ward von allen
Orten das Mehr, daß man mit ihnen auf dem Haus reden jollte: wäre es
der all, daß fie fich übergeben wollten als verurteilte tote Yeute an das
Schwert auf der Eidgenofjen Ungnade ohne alle Gnade, jo wolle man fie
aljo herausnehmen und nicht anders. Das ward auch aljo mit ihnen geredet.
Aljo antwortete der Hauptmann Hans von Yandenberg für jich jelber und
bat die Eidgenofjen, daß fie jo wohl täten und ihn aufnähmen auf Gnade,
jo wollten er und alle von Yandenberg jich gegen die Eidgenoſſen verpflichten,
nummer mehr wider fie zu tun. Möchte aber das nicht fein, da man dann
jie alle auf Ungnade aufnehme und man jie 3 Tage leben ließe, daß fie
beichten, büßen umd bereuen fünnten. Möchte das auch nicht jein, jo wollten
jie eher im Haus fterben. Alſo jchieden die Hauptleute von ihnen und haben
ihnen noch feine Antwort gegeben, und werfen unſere Kuechte nichts deſto
minder. Was nun die andern Eidgenojien weiter tun, wollen wir auch tun,
und was ums weiter begegnet, wollen wir euch willen lajjen. Gegeben am
Mittwoch nah Eraudi [27. Mai] im 44. Jahre.
? Ihnen die Übergabe geſtatte.
139
54. Belagerung von Zürich. Juni bis Auguf 1444.
Aus Gerold Edlibachs Chronik, herausgegeben von Ufteri. S. 54 fi.
Gerold Edlibach, geb. 1454 in Zürich, geit. 1530, in Folge der zweiten Heirat feiner
Mutter mit Hans Waldınann deifen Stiefiobn, ſeit 1473 Mitglied des Großen und feit
1487 des Kleinen Rates der Stadt, was er mit einem furzen Unterbruch zur Zeit des
Sturzes feines Stiefvaters bis 1524 blieb, begann 1485 eine Gefchichte des alten Zürich:
krieges zu ſchreiben, der er daun auch die Ereigniffe feiner Zeit anfügte.
ZW St. Johannes Baptiften Tag [24. Juni] anno domini 1444 da
J kamen gemeine Eidgenoffen mit all ihrer Macht und legten fich vor
NR Zürich, was doc) die größte Torheit war, die fie kaum je begingen,
er. meinten das mit ihrer eigenen Gewalt zu gewinnen und lagen alfo davor
10 Wochen und drei Tage. Und lagerten die von Bern und von Zug mit jamt
der Herrichaft Baden und dem Amt Waggental [Freiamt] vor der Fleinen
Stadt an der Sihl und um Selnau herum. Die von Yuzern lagen allein bei
den Ftratten am Zürichberg; jo lagen die von Schwiz und Glaris zu
Hottingen im Boden; auch hatten die von Uri und Unterwalden ihr
Heer und Yager geichlagen um die Spitalicheuer und um Stadelhofen. Da
mm die Eidgenoſſen aljo vor Zürich lagen, da fam der Tag nie, ohne daß
man an etlichen Orten mit den Eidgenoffen ſcharmützelte; denn dazumal waren
gar viele fede Gejellen, Fremde und auch Einheimifche, die täglich) aus der
Stadt liefen umd ihr Heil an Eidgenofjen verjuchten. — —
Ich vernehme als wahr von frommen, ehrbaren, alten, glaubhaften Yeuten,
die jelbjt mit ihrem Yeib bet diefen Sachen geweſen find, daß die Ordnung
von den Fremden gemacht wurde umd nicht von den Einheimiichen, und war
die Urſache alſo. Da es an der Sihl jo übel gegangen war vor dem böfen
Frieden! umd jedermann in die Stadt floh, da forderte der Markgraf? alle
Schlüffel zu allen Toren; die wurden ihm, und [er] behielt alfo dieſelben
Schlüffel in feiner Gewalt den Krieg hindurch, dieweil die Eidgenoffen vor
der Stadt lagen, was mun viele der ehrbaren Yeute in Zürich verdroß und
tie jehr befüimmerte. Und alfo machte man die erjte Ordnung umd machte mit
aliden der Näte neue Näte von Edlen und Unedlen, von Fremden und Ein-
beimischen, und deren waren nicht mehr denn zwölfe, ... und aljo erwählten
die zwölf Räte Hanſen von Nechberg zu einem oberjten Hauptmann der
ganzen Stadt Zürich. Demnach gab man ihm vier Hauptleute zu, die nach
Böſer Frieden heißt der Waffenftillftand, der auf die Schlacht von Et. Jalob an
der Sihl felgte, während deſſen die vergeblichen FFriedensunterbandlungen zu Baden ftatt-
fanden. — ? Der Darfgraf von Röteln, der vornehmfte der Öftreichifchen Edeln, die Zürich
ju Hufe gezogen waren,
140
ihm die größten fein jollten, auch von den Fremden und von den Edlen, und
verteilte man diejelben mit ihrem Volk auf die vier Tore, nämlich auf [das]
Rennmwegertor einen Hauptmann, der mit feinem zubeicherten Wolf das
bewachte und behütete; das andere war im Niederdorf, das hatte nun
auch jeinen Hauptmann mit feinem Volf; das dritte Tor war im Neumarkt,
das auch mit einem Hauptmann und jeinem Wolf gehütet ward, und das
Yindentor an der Kirchgaſſe hatte feinen Hauptmann, aus dem Grund, daf
dasjelbe Tor am allermindeften gebraucht und geübt ward. Doc je waren
dennoch Yeute, die darüber wachten; denn man hielt die Heinen Türlein auch
täglich offen und brauchte die. Das vierte Tor war nun auf Dorf, das
hatte auch jeinen Hauptmann mit feinem eigenen Zug, der das auch gelobt
batte zu bewachen, wie denn die andern auch getan hatten, tem jo waren
zu den Heinen Toren, als [dem] Kägistürlein und Wollishoferstür:
fein, auch Leute hingeordnet, die zu hüten und zu bewachen; doch hatten fie
feine Hauptlente. Weiter jo wurden da alle Zünfte mit ſamt etlichen vom
Bürichjee und von Höngg und, woher fie denn waren, in die Türme und in
die Vollwerfe, die damals zu beiden Seiten auf der Stadt Gräben gemacht
[worden] waren, [hingeordnet], die zu bewachen und zu büten... Wenn man
auf die Wache gehen jollte und davon, was gewöhnlich zu Mittag war, jo
läutete man die Biürgerglode; dann jo famen andere auf die Wade und
wurden die andern frei und ledig bis wieder zu Mittag, Man verbot auch
alle Gloden zu läuten, die zu Zürich in der Stadt waren, ausgenommen die
vorgenannte Bürgerglode; die ließ man auch ab zu läuten, und daß ich es
weiter jage, da gieng feine Glocke mehr denn allein die Zeitglode; die ward
auch geftellt, jo daß nur der Zeiger gieng, und das gejchah nun um des
willen, daß die Eidgenofjen ihre Sache deſto minder zu handeln und zu Ichiden
müßten nach der Stunde im Tag oder des Nachts. . . Viele der Eidgenoffen
meinten, man hätte Büchſen daraus gegoffen, und jchrien viele Spottworte
der Glocken halber in die Stadt; aber fie vernahmen hernach wohl, ob jie
vergofjen waren oder nicht, da man Freude fäutete, wie du wohl” hören wirft.
.... Ale Tore der Stadt ftunden Tag und Nacht ſtets offen, diemweil
die Eidgenofjen davorlagen, doch verjehen mit ihren vier Hauptleuten . . .
Immer lagen auf beiden Stadtgräben, der Heinen und großen [Stadt], über
600 gewwappnete Männer in den Bollwerfen. Ich hab aud weiter ver-
nommen, wie daß man auf der Stadt Graben vor [dem] Rennwegertor manchen
ichönen Tanz gehalten habe, dieweil die Eidgenoffen vor Zürich gelegen jeien.
Ich vernehme auch ferner von den Alten, die jelber bei viel Dingen ge:
wejen find, daß einmal ungefähr 16 gute Gejellen fich erhoben und aus der
Stadt Zürich über die Allmend im Hard und nach Altftetten liefen und
da drei Fuder Wein fanden, die man vom Niederland den Eidgenofjen in
ihr Yager führen wollte. Denjelben Wein nahmen die 16 Mann von Zürich
A — nam re — — — — — — — u —
L——T
‘
141
md fingen bei dem Wein fieben Mann, die da den Wein führten, umd
brachten aljo den Wein und diejelben Gefangenen durch der Eidgenofjen Heer
mit Liſten in die Stadt Zürich. Alfo liefen die 16 Mann den Wein in der
Ztadt ausrufen und jchenften den aus auf der niederen Brüce beim Rathaus,
Aber es begab jich nicht lange nachher, daß die Eidgenofjfen drei ehrbare
Burger von Zürich fingen; da ward ein Bergleid) gemacht, daß die von
Bürih ihre jieben Gefangenen ledig laſſen follten, jo wollte man ihre drei
Mann ihnen mit gefunden Yeib auch wieder geben; aljo wurden die Ge—
jangenen auf beiden Seiten ledig gelaffen und den Ihren übergeben.
In der Beit, als denn die Eidgenoffen Zürich belagert hatten zu beiden
Zeiten, da ſchlugen jie eine Brüde über die Yımmat zu Wipfingen, daß
ſie Wandel und Weg von einem Yager zum andern haben möchten. Da ward
von einer Gemeinde von Zürich beichloffen und das vor die Obrigfeit gebracht,
dar man den Eidgenofjen etwas Schmach antım möchte; Dieweil jo viel gutes
Volk zu Zürich in der Stadt liege, jo wäre ihre Meinung und Wille, dieweil
die Eidgenoſſen ohne alle Hut und Ordnung nad ihrer guten Kundſchaft
Bericht ungewarnet lägen, an einem Morgen ein Schiff mit guten gleichen
wohl gerüfteten Knechten hinab an die obgemeldete Brüce zu ſchicken und die
abzuwerfen, und dann |[jollten] die in der Stadt desjelben Morgens mit jo viel
Yeuten, als ie [gut] däuchte, hinaus [gegen] die Eidgenoffen ziehen und die in
ihrem Yager früh vor Tag aufheben und unverjehens überfallen, die dann vor
der Heinen Stadt lägen. Aber da das die Gewaltigen hörten, da wollten fie
durchaus nichts mit der Sache zu IMIre baben; aljo blieb das unterwegen
und ward nichts aus der Sache. — — —
Item hernach begab es ſich, daß etliche junge mutwillige Gejellen jich
eines Abends aufmachten, und liefen von Zürich aus der Stadt und zogen
über den Albis und nahmen den Eidgenofjen wohl bei 40 Haupt gehörntes
Lieh und zogen da bei den heiligen drei Königen durch der Eidgenofjen Yager,
ohne daß man ihnen je nachfragte, wer und von ‚wannen fie wären, und
brachten das alſo hinein gen Zürich ohne alles Entgelten niit guter Ruhe. Und
ebenjo begab es ſich aber hernach, daß die jungen Bürger von Zürich jtählerne,
raub zugehauene Stifte hatten machen laſſen, und wollten es unternehmen, den
Eidgenoſſen vor der Heinen Stadt die Hauptbüchſen abzulaufen, mit denen fie
damals viel aus dem Talacker in die Stadt geichoffen hatten, und ihnen
mit den obgemeldeten Stiften die Zündlöcher verichlagen, damit fie unnütz
würden und man fie wieder neu gießen müßte. Alfo liefen jie hinauf zu den
Büchjen ; aber die Eidgenofjen wurden deſſen gewahr und vermochten das zu
wehren, jo daß die Bürger ihrem Anjchlag nicht nachlommen mochten, und
mußten aljo die Büchſen unvernagelt bleiben. Doch jo ſcharmützelte man auf
beiden Seiten mehr denn zwei ganze Stunden, und [es] jagen etliche ehrbare
Yeute, daß über jechstaufend Schützen mit Armbrüften und Büchſen auf "beiden
142
Seiten gegeneinander geicheffen hätten, und kam doch niemand um auf derer
von Zürich Seite, außer ein lediger von Geroldseck; der wollte zu viel; alſo
fam er um vor dem Wollishofertörlein..... Aber was von den Eidgenoſſen
umfam, ift mir micht zu wiſſen getan werden, und kann das auch niemand
erfahren, denn, wenn fie da viel Yeute verloren bätten, jo veritecdten jie es
gleich, dak das niemand vernehmen mochte. Aber wunder muß ich jagen, wie
die Eidgenofjen unſägliches großes Gut in die Stadt Zürich vericheffen ;
gejchah doc davon wenig Schaden, denn man findet, daß nie einem Menjchen
viel Yeid am Leib geihab, außer allein einem Priefter, der ward erſchoſſen
in einem Haus im Münjterbof, und ein Wächter in einem Turm und eine
Henne mit viel jungen Hühnern; und das war faſt der größte Schaden, der
mit den Hauptbüchjen in Zürich geichab.
55. Die Schlacht bei St. Jakob an der Birs. 26. Auguſt 1444.
Aus der Zährlarichrift der hiſt. Gefellicbaft zu Baſel: Die Schlacht bei Zt. Jalob
in den Berichten der Zeitgenoffen.
A. Schweizeriiche Beridte.
1. Die Chorherren von Neuenburg.
Zwei Chorherrn von Neuchätel, die auf dem Konzil zu Basel gewesen waren und
nnn aus Furcht vor den Armagnaken heimreisten, Antoine de Chauvirey und Henri
Purry de Rive, begegneten unterwegs den Eidgenossen, wie uns der letztere in dem
von ıhm verfassten Abschnitte der französischen Chronik der Chorherren von Neuen-
burg erzählt. Über diese letztere siehe unten: Karl der Kühne vor Grandson.
Sehr erstaunt und betrübt waren wir, da wir diese so kleine, im
übrigen fröhliche und einnehmende Schar fanden: niemals sah man eine
schönere und feinere Mannschaft. Von den Unsern waren da fünfzig
unter dem Befehl Alberts von Tissot, des tapfern Ritters, der uns grosse
Freude und Zufriedenheit über unsere nnvermutete Ankunft bezengte;
er benachrichtigte davon alsbald einige der vornehmsten Eidgenossen:
diese ersuchten uns, ihnen von den uns in bezug auf Basel bekannten
Dingen Kunde zn geben. Darauf stellten wir ihnen vor, dass das Heer
des Dauphins fünfundzwanzig bis dreissigtausend streitbare Armagnaken
stark sei, die Berge und Täler in der Umgegend der Stadt und rings
um dieselbe plünderten, und es scheine ein übermenschliches Unternehmen,
mit so geringer Macht gegen eine so erschreckliche Menge die Tore er-
reichen zu wollen. Einer der genannten Herren Eidgenossen (und es
schien dieser Ritter nach seiner stattlichen, würdevollen und stolzen
Haltung Ansehen zu geniessen) erwiederte: «Wenn es morgen also ge-
143
schehen muss und wir die genannten Hindernisse nicht mit Gewalt durch-
brechen können, so befehlen wir unsere Seelen Gott und unsere Leiber
den Armagnaken.»
2. Hans Sperrer der Brüglinger.
Hand Sperrer, genannt der Brüglinger, war ein Zunftmeifter der Brotbedenzunft
in Balel und verfaßte 1446 eine Beichreibung des St. Natoberkrieges. Wahricheinlih war
er einer von der Bürgerichar, welche den Eidgenoſſen während der Schlacht hatte zu Hilfe
len wollen.
... Und aljo machte e8 jich, daß unſere Eidgenoffen von Bern und von
Soloturn und ſonſt von allen Orten der Eidgenoffenichaft vor Farnsberg
lagen, und lagen die librigen Eidgenoffen vor Zürich. Und als nun das böfe
Tolf um uns lag an dem Blauen und da herum an dem Gebirge bis gen
Pratteln — da lag der Ktapitäne einer wohl mit 300 oder 400 Pferden —, da
nun das Volk der Eidgenoſſen jehr mutwillig war ımd auch nicht wußte, daß
des böſen Volks jo viel war, da machten fi wohl 1300 zu einander und
machten Hauptleute und jchwuren da den oberjten Hauptleuten, nicht über
Pratteln oder Muttenz hinaus zu kommen, dann den Berg zu Hilfe zu nehmen,
wenn ſie bedrängt würden, daß fie wohl ohne Schaden wieder zu dem Volk
fommen möchten. Alfo zogen jie an einem Dienftag bei Anbruch der Nacht
von Farnsberg und famen um die Mitternacht gen Yieftal und blieben bei
taufend vor der Stadt. Die übrigen famen hinein und nahmen da auch die
Tüchtigften, daß ihrer bei 1500 ward, und hielten ſich vor und in der Stadt
jo lange auf, daß ihrer die Schinder ! inne wurden; denn fie hatten ihre’ Warten
bi8 zum guten Haus. Und als fie ihrer inne wurden, da machten fie fich auf
die Säule und zogen alfe auf die Matte und jchieten ihre Botichaft zu allen
‚Herren, wie jie ringsum lagen, und entboten ihnen, daß die Schweizer im
Felde wären. Und alſo griffen die Eidgenoffen das Volf an zu Pratteln
und nahmen die Schinder die Flucht, und eilten ihnen die Eidgenofjen nach,
ein jeder, jo ſchnell er laufen fonnte, und hielten fich zumal ohne Ordnung und
woliten niemand folgen. Denn meine Herren von Bajel hatten einen Diener,
genannt Friedrich, war von Straßburg; der hatte das Volf geſchätzt, denn er
war von Yieftal ausgeſchickt, dat er jehen jollte, wie es ſich machen wollte,
Der fagte ihnen und bat fie, daß fie nicht weiter zögen, denn des Volks wäre
zu viel. Den erjtachen fie darum, daß er fie in Gutem warnete, und jo famen
fie an die Birs. Da jahen fie die Harfte vor ihnen zu Gundeldingen?
Überſetzung des franzöftichen &corcheurs, wie die Armagnafen in Franfreich genannt
wurden. — * Weiler flidlih von Bafel am Bruderholz.
144
halten. Alſo hielten die Hauptleute das Volk auf, bis daß der Mehrteil von
ihnen zu einander fam, und wollten die Hauptleute, daß das Volk geblieben
wäre, und mahnten jie an ihre Eide. Aber es half nichts; fie wollten nicht
folgen und wagten fich über das Waffer und hatten zwei Boten von ſich ge
Ihidt; die famen an das Tor, ebe man aufjchloß. Alſo ließ man fie ein, und
famen zu dem Zunftmeifter ; das war Andreas Oſpernel. Der lieh zur Stunde
in den Rat läuten, und ward man im kurzem zu Nat, daß man mit dem
Panner auszog, und in einer Stunde war man vor dem Tor mit der Macht,
und [fie] hatten eine große Begierde, dem Bolf zu Hilfe zu fommen. Aber meine
Herren hatten ihre Späher vorausgejchieft, nämlich Konrad Dür, der dazumal
der Neifigen Hauptmann war, und rüdten mit dem Panner vor bis zu dem
Kappelfelein. Da fam Konrad Dür, der hatte die Haufen gejehen und der
bat das Volk, dar fie nicht weiter zögen, und kam herzu Herr Hans Not,
der war damals Bürgermeifter, zu Hans von Yaufen und zu den Hauptleuten
und jagte ihnen, wie die Harfte hielten und wie ihre Abficht war. Alſo ſahen
wir es auch jelber wohl; denn fie hielten bei Gundeldingen an dem Rain und
hatten einen „Spit” gemacht, wenn wir über den Kreuzftein hinausgekommen
wären, daß fie dann zwiſchen uns und die Stadt gefonmmen wären. Die übrigen,
die rannten auf dem Main zu St. Yakob und fochten mit den Eidgenofjen.
Alſo fam Herr Hans Not und der von Yaufen umd geboten dem: Volk,
wieder hineinzuziehen. Wiewohl man nun ſah, daß wir nichts gegenüber dem
Volk wären, — denn ihrer waren wohl 60 000 ftreitbares Volk, — jo bradıten
fie doch das Volk mit Jammer wieder hinein, und gab uns Gott und jeine liebe
Mutter das Glück, daß wir nicht weiter zogen, jonft wären wir um Yeib und
um Gut gefommmen und um alles, was uns Gott je verlieben hat, und um die
Stadt dazu. Alfo rückten wir mit dam Banner über die Fallbrücke ein umd
mußten aljo unfere guten Freunde der Gnade Gottes warten und erjchlagen
werden laſſen, was wir doch leider nicht abwenden konnten noch ver-
mochten. — —
Alſo fochten fie mit einander bis zur Veſper, und machten ſich die Eid:
genoffen, jo viel ihrer noch waren, zufammen und famen in den Garten, und
[es] zündeten die Schinder der Gutleute! Haus an und verbrannten das und
machten ein großes Yoch durd die Mauer, die um den Garten gieng, daß fie zu
ihnen kommen mochten, und wenn eine Schar müde oder erjchlagen war, jo fam
die andere, daß der Herren und des böjen Volks jo viele in dem Garten er—
ichlagen wurden, Doc der Mehrteil ward außerhalb, eh fie in den Garten famen,
erichlagen. Denn fie hatten wohl 600 Bogner; das währte, wie wir das jeither
durch gute Kundichaft erfahren haben, nicht jo lang, als einer der halben Stadt
entlang geben fünnte, als fie jchen auf zwei Haufen lagen. Alfo das währte nun
Gutleute nannte man die Ziehen, die Unbeilbar-Nranfen, die Ausfägigen u. ſ. w.
145
bis zur Veſper; da erdachten und brachen die Herren auf den Seiten Löcher
in die Mauer und [ichoffen]) mit Tarrasbüchjen unter fie und verwundeten
ihrer jo viele, daR fie erzeigten, denen das geſchah, daß oft vierzig verwundet
wurden. Aljo gewannen fie [den Sieg über] die Eidgenoffen, und was der
Ihren erſchlagen ward, die luden fie auf und führten fie von dannen, fie feien
edel oder umedel .. .. und was der Eidgenoffen erjchlagen wurden, die
blieben auf der Wahlftatt. Derer waren wohl bei zwölf» oder dreizehnhundert
jo gerader herrlicher Männer, als wir oder die ganze Eidgenofjenichaft
baben mochten. Alfo tags darauf am Donnerstag und am Freitag und
Zamftag, da waren die ehrbaren Brüder zu den Barfüßern und auch andere
fromme Yeute und vor des Delphins Volk ein oder zwei Herolde, die auch
dabet waren, und wurden die erjchlagenen Yeute begraben und wurden größten-
teils in ein Loch gelegt hinter der Kirche und ward dafelbft geweiht.....
—E Meine Herren vernahmen, wie viel der Ihrigen [der Armagnafen]
zu St. Jakob erjchlagen wurden, das erfuhren wir von den SKapitänen, daß
ihrer über 2200 waren. ,
B. Ausländiſche Berichte,
1. Brief des Aeneas Sylvius an Joh. Gers.
Aus dem Lateinischen übersetzt v. Reber.
Aeneas Sylvius Piccolomini von Siena, berühmt als Humanist und nachmaliger Pabst
Pius II., war im Anfang eines der tätigsten Mitglieder des Basler Konzils. Während
der Schlacht selbst befand er sich zwar nicht mehr in Basel, sondern auf dem Reichstag
zu Nürnberg in der Umgebung des Kaisers Friedrich III.; aber hier oder durch seine
Bekanntschaften auf dem Kgnzil mochte er rasche und sichere Kunde über die Schlacht
erbalten haben.
Aeneas Sylvius der Dichter, grüsst den Herrn Joh. Gers, den
Pronotarius des Königs, den trefflichen Mann und Freund des Freundes.
Ich weiss, dass du einen Brief von mir wünschest, um zu erfahren,
was wir treiben; das menschliche Gemüt ist ja stets nach Neuigkeiten
begierig. Ich würde dir auch wirklich schon lange geschrieben haben,
wenn ich nur zuverlässige Boten hätte. Wenn aber Leute aus deiner
Nähe herkommen, so fliehen sie mich gleichsam mit Fleiss, um nicht mit
meinen Briefpäcklein belastet zu werden, wie eben heutzutage die Men-
schen sehr ungefällig sind. Doch diesen Brief beschloss ich auf gut Glück
zu entsenden, damit er dich treffe, wenn er könne, und dich mit dem
bedeutendsten Neuen dieser Zeit bekannt mache. Ich glaube, du hast
durch ein flüchtiges Gerücht von der Ankunft der Franzosen gehört.
Aber nun empfange von mir die Gewissheit, und was ich dir schreibe,
das kannst du als ein Evangelium ausbreiten, wenn du es durch meinen
Brief bestätigt findest. In diesen Tagen kam Ludwig der Dauphin von
Vienne und Erstgeborner des Königs von Frankreich über die Grenzen
Oechsli, Quellenbuch, 10
146
des Reichs und belagerte eine Stadt, Namens Mömpelgart, welche die
Grafen von Würtemberg vom Reich zu Lehen besitzen. Als der Delphin
einige Zeit dort verweilt, kam er endlich mit den Burgleuten überein,
dass ihm die Stadt auf eine gewisse Zeit übergeben werde, nach deren
Verlauf er sie wieder frei zurückgeben wolle. — — Sobald der Dauphin
sich Mömpelgarts bemächtigt, liess er überall seine Ankunft kund tun,
doch nicht bei allen auf dieselbe Weise. Einigen nämlich meldete er, er
komme dem Adel zu Hilfe, als wäre dieser in Deutschland von den
Bürgerschaften unterdrückt. Andern aber sagte er, er sei vom Römischen
König berufen gegen die Schweizer. Wieder einigen versicherte er, er
komme die Rechte des Hauses Frankreich anzusprechen, welche bis an
den Rhein sich ausdehnen, und aus letzterem Grund werde er Strassburg
belagern. Auch wegen des Herzog Siegmund erklärte er gekommen zu
sein. Diese Gerüchte suchte er überall zu verbreiten, nicht weil dem so
war, sondern weil er sich dadurch Zuneigung zu erwerben hoffte.
Auf diesen Ruf hin schickten die Adelichen des Elsass, denen die
Herrschaft der Schweizer drückender scheint, Gesandte an den Dauphin
und bitten ihn um Hilfe gegen die Schweizer. Über das Heer des Dauphins
schwanken die Angaben: die höchste gibt ihm 60 000 Mann, die geringste
25 000, die mittlere 30 bis 36 000. Zwischen dem Dauphin und den
Elsassern wird verabredet, dass 25 000 Mann aus seinem Heere während
dieses Winters in den Städten des Elsasses aufgenommen werden sollen,
und der Dauphin selbst verspricht, den Zürchern und den andern Be-
lagerten Hilfe zu bringen. Die Scharen des Dauphins, gewöhnlich Arma-
gnaken genannt, nahten schon heran zum Entsatz einer Burg ', welche
die Schweizer in der Nühe Basels belagerten. Die Schweizer, sobald sie
das bemerkten, eilen, ohne den Feind abzuwarten, ihm entgegen, und
greifen die ersten Haufen der Armagnaken an, werfen dieselben nieder
und schlagen die meisten tot. Die Armagnaken ziehen sich langsam fliehend
zum grösseren Heere zurück. Jene, nach Blut gierig und nach Sieg lüstern,
suchen Ruhm und finden ihren Untergang. Sie waren bis zum Siechenhaus
von St. Jakob gekommen, nur eine Viertelstunde von Basel entfernt;
hier stürzte der Armagnaken ganze Macht auf die Schweizer, während
einige vor Basels Toren stehen blieben, die Ausziehenden zu beobachten
und zu vernichten. Ein grauser schrecklicher Kampf beginnt; und auf
beiden Seiten fallen überaus viele. Es ist schauerlich zu hören: die
Schweizer rissen aus ihren Leibern die blutigen Pfeile und warfen sich
mit abgehauenen Händen auf die Feinde, und hauchten nicht eher den
Geist aus, als bis sie ihren Mörder selbst ermordet. Einige von Spiessen
durchbohrt und von Geschossen belastet, rannten in die Armagnaken
hinein und rächten ihren Tod. Vier Armagnaken verfolgten einen einzigen
Schweizer, und hatten bereits den Zerschossenen zu Boden gebracht und
wüteten auf seinem Körper; da dringt dessen Genosse, eine Hellebarde
erfassend, auf die vier ein, erschlug zwei, jagte die andern in die Flucht,
und lud darauf den Halbentseelten auf seine Achseln und trug ihn, den
Feinden zum Trotz, zu den Seinen. Hinter den Schweizern stand eine
' der Farusboarg.
147
Mauer des St. Jakobgartens, durch welche sie von einer Seite sich ge-
schützt glaubten und nur nach vorne kämpften. Die Deutschen aber, die
bei den Armagnaken waren, brechen in den Garten, durchgraben die
Mauer und greifen die Schweizer im Rücken an, was eine Hauptursache
des Untergangs der Schweizer gewesen ist. Nun wird vor- und hinter-
wärts gekämpft; Mann ringt mit Mann; nicht mehr aus der Ferne,
sondern Aug in Auge zückt man das Schwert. Die Schweizer, gleich
Löwen, rasen mitten in die Sieger durchs ganze Heer, schlagen, schmettern
alles nieder, nicht als kämpften sie um den Sieg, sondern im Bewusstsein,
ihren Tod zu rächen; die Schlacht hat vom Anbruch bis zum Neigen des
Tages gedauert. Zuletzt sanken die Schweizer, nicht besiegt, sondern vom
Siegen ermüdet, mitten unter den gewaltigen Feindeshaufen zusammen.
Ein trauriger und höchst blutiger Sieg war das für die Armagnaken,
und sie behaupteten das Feld als Überwinder nicht durch Tapferkeit,
sondern durch Übermacht. Von den Schweizern sind nach den Berichten,
die am höchsten gehen, 4000 untergegangen, nach den niedrigeren Be-
richten 1500 Mann. Von den Armagnaken, behaupten einige, seien noch
mehr vermisst worden, als von den Schweizern; an Pferden war der
Verlust sehr gross; mehrere Deutsche, die an den Schweizern ihre Rache
kühlen wollten, kamen ums Leben. Das Verderblichste für die Schweizer
aber war ihr hoher Mut, oder soll man es Tollkühnheit nennen? Denn
durch ihre Feindesverachtung wurden sie in eine Lage gebracht, aus
der sie nicht mehr entrinnen konnten. Der Kluge fürchtet den Feind
nicht zu sehr und verachtet ihn eben so wenig .....
2. Jean Chartier.
Jean Chartier, Kantor der Kirche von St. Denis und französischer Historiograph
um 1450, schrieb eine französische Chronik, welche die Ereignisse seiner Zeit von 1422
bis 1461 enthält.
Der vorgenannte Dauphin brach mit einer grossen Gesellschaft
von Herren, Edeln und Hauptleuten auf... er kam bis Basel. Etwa
eine Stunde vor der genannten Stadt fand er wohl 800 Schweizer,
welche sich in einem Siechenhause verschanzten und hernach in dem
Garten desselben, um gegen den genannten Dauphin Widerstand zu ver-
suchen; aber er besass zu grosse Macht gegen sie. Nichts destoweniger
verteidigten sie sich sehr tapfer, in Ansehung der geringen Anzahl Leute,
die sie hatten, gegen ihre Gegner; sie töteten selbst den vorgenannten
Ritter des Kaisers, Namens Bourga ! [d. i. Burkhard Mönch], und mehrere
andere, welcher Ritter hauptsächlich diese Armee führte, wiewohl sie
hernach endlich alle zum grössten Teil getötet oder gefangen wurden.....
Bald nachher begannen die vom Heere des genannten Dauphins das Land
zu plündern und grosses und ungeheures Unheil anzurichten, weshalb die
' Vrgl. die Schlachtbeschreibung des zeitgenössischen Kaplans Erhard von Appen-
weiler in Basel: »Herr Burkhard Mönch sah in den Garten, sprach: „Ich sehe in
einen Rosengarten, den meine Vorfahren gesäet haben vor 100 Jahren“, ward geworfen
zum Visir ein, dass er geführt ward gen Landsehr, danach kein Wort mehr geredet
und starb.“
148
Schweizer und Deutschen sich in Scharen versammelten und einen grossen
Teil dieses Heeres niedermachten. Hierauf kehrte der Dauphin, da er
sah, dass das ein arges und wunderbares Land (voyant que c’estoit un
facheux et merveilleux pays) sei und da der, welcher sie hätte führen
sollen und alle die Schlupfwinkel des Landes kannte, tot war, zu dem
König, seinem Vater, nach Nancy zurück ..... .
3. Matthieu de Coucy.
Matthieu de Coucy, ein französischer Edelmann, schrieb um 1461 eine Fortsetzung
der bis 1444 reichenden Ühronik des Enguerrand de Monstrelet.
. . . Sobald er [der Dauphin] das genannte Land betreten hatte,
beschlossen jene Gemeinen, Schweizer genannt, welche von seiner Ankunft
hinlänglich unterrichtet waren und sich deshalb schon in grosser Zahl ver-
sammelt hatten, einen Teil ihrer Leute dem Dauphin und seiner Truppe
entgegenzusenden, um ihm entgegenzutreten und mit ihm zu kämpfen.
So begaben sich wohl etwa 6000 |?] auf den Weg, und in der Tat zogen
sie vorwärts und nahten ihren Gegnern, d. h. den Franzosen, welche ihre
Ankunft erfahren hatten, sich sammelten und mit gutem Rat und Vor-
bedacht beschlossen, sie im freien Felde anzugreifen und zu bekämpfen.
Und so wie sie es beschlossen hatten, taten sie es. Es fand eine sehr
harte und wunderbare Schlacht zwischen diesen Parteien statt, welche
drei bis vier Stunden dauerte, bevor man sehen konnte, wer Sieger bliebe;
denn in Wahrheit, wenn die Franzosen tapfer angriffen, verteidigten
sich jene Gemeinen auch sehr hartnäckig und heftig. Und es wurde mir
über diesen Gegenstand von einigen Edelleuten, welche bei dieser Schlacht
gewesen waren und welche einst in den französischen Kriegen in meh-
reren Schlachten und Treffen sowohl gegen die Engländer als gegen
andere gewesen waren, gesagt, dass sie zu ihren Zeiten Leute von
solcher Kraft in der Verteidigung, von so beleidigendem Trotz und
kühner Todesverachtung weder gesehen noch gefunden hätten (qu'en
leurs temps ils n’avoient veu ni trouyé aucunes gens de si grande de-
fense, ny tant outrageux et t&meraires pour abandonner leurs vies).
Immerhin, nachdem die beiden Parteien so fortgefahren und, wie gesagt,
vier Stunden hindurch oder mehr mit einander gestritten hatten, be-
gannen endlich die Schweizer zu weichen und zogen sich in einen ein-
gehegten Weinberg, wo ganz nah ein Kloster war, welches mit Mauern
umgeben und umschlossen war. Hier begann das Handgemenge aber-
mals und sie kämpften und verteidigten sich sehr mutig und noch eine
lange Zeit hindurch; aber das half ihnen nichts; denn durch die Tapfer-
keit und Beharrlichkeit der Franzosen wurden sie endlich besiegt und
wurden auf der Stelle ungefähr 4000 [?] von jenen Gemeinen getötet; der
Rest rettete sich durch Flucht, so gut sie konnten. Auf Seiten der
Franzosen wurden nur etwa sechzig |?) Mann getötet, unter welchen ein
Edelmann, Namens Robert von Breeze, der Bruder des Herren von Varenne,
mit einigen andern Edelleuten starb. ....
56. Ein Gefecht auf dem Zürichſee. 29. Mai 1445.
Friind ©, 240.
149
(br habt hievor wohl verftanden, wie die von Schwiz mit Nat
und Zutun ihrer Eidgenofjen die großen Schiffe und den großen
— lo machten, darein fie nun Büchfen legten und bejonders in
den Floß die große Büchſe, damit ſie nun denen von Rapperswil viel
Kummer und Schaden taten und alſo den See mit Gewalt inne hatten mit
ihrem Zeug und namentlich mit dem Floß, der ihre große Büchſe trug,
und womit man ſchoß vom See aus, davon man vormals nie etwas gehört hatte.
Da nun ein altes Sprichwort iſt: Fund fand Fündlein, eine Liſt, andere
Yılt, da dachten die von Zürich dem nad), wie fie überſchiffet und vom See
getrieben wären und wie jie nun diefe wieder überjchiffeten und den See
wieder einnähmen. Und Liegen fich auch zwei Flöße machen, die wohl fo
groß oder der eine eher größer, al8 der von Schwiz, waren, auch zwei neue
große Schiffe, die fie nun mohl mit Büchſen und mit Geſchütz verfahen,
bejonders in den einen Floß zwei Büchjen, da die eine nad) vorne, die andere
nah Hinten hinaus ſchoß. Nun follt ihr wiffen, daß im Herbſt die von
Zürich zeitig mit ihren zwei erften großen Schiffen heraufgefahren waren
früh im Nebel, daß die, jo zu Pfäffikon lagen, ihrer nie inne worden
waren; vielmehr waren fie joweit heraufgefahren, eb ſich der Nebel verzog,
daß fie mit der Koft [Proviant) auf Rapperswil zufamen. Doc da die von
Präffifon ihrer gewahr wurden vor dem Nebel, da eilten fie ihnen nach; aber
fie fuhren mit der Koft ans Yand, und jchoffen da gar lang, hart und feft
gegeneinander. Alſo hielten die von Schwiz Tag und Nacht Hut und wachten
auf die Schiffe, wenn fie die wieder heim gen Zürich abführen wollten, da jie
bofften, fie jollten ihnen dann werden. Ob das die von Züri und von
Rapperswil verftunden oder nicht, weiß ich nicht. Die Schiffe blieben immer
zu Rapperswil bis auf diefen Tag, wie ihr hören werdet. — — Alſo auf
Freitag vor Alferheiligen [29. Oft.] da famen auch die von Zürich mit allem
ihrem Zeug heraufgefahren und mit ihren Yadichiffen, darin fie die Koft
und die Speifung führten, und wurden der Schiffe alfo zwölf. Das wurde
nun gen Pfäffiton fund getan. Da rüfteten fich die zu Pfäffikon von Stund
an und wurden zu Rate, daß ſie's immer angreifen wollten, wie fie auch
taten, und machten ihre Schiffe und den großen Floß bereit und fuhren den
Feinden entgegen.
Und gegen Mänidorf, da jie erft jo nah einander famen, daß fie ein-
ander erreichen mochten, da griffen jie einander an mit Geſchütz und fuhren
unter einander. Alfo hatten die von Rapperswil aud; darauf gewartet und
famen von oben herab mit den zwei Schiffen derer von Zürich und mit einem
Fähnlein und fchoffen auch ſtark drein, und trieben das den ganzen Tag mit
150
einander hart und ftreng. Alſo ward die Gans — das war ein großes jchönes
Schiff von Pfäffiton — in Wahrheit ftarf verwüftet und durdhichoffen, auch)
ein Zeil Yeute darin, jo daß das Schiff weichen mußte. Ebenjo war der
Floß nicht mit Pulver noch mit Steinen verjeben; vielmehr mußten jie mit
dem Floß aucd weichen und fuhren mit dem Floß zunächſt unterhalb Bäch
ans Yand und liefen aus dem Floß. Die Feinde jagten ihnen nad); und
wie ih damals vernahm, jo hatten fie fchon den Floh und die große Büchſe
verloren gegeben. Und aljo blieb das große Schiff mitten unter denen von
Zürich und den Feinden und widerjtand ihnen redlich. Darein und da—
durch geihah nun mander Schuß, es jei dann unten oder oben im Schiff ;
auch wurden Veute darin verwundet und jicher war bier Angſt und Wot.
Alſo trieben fie das bis zum Abend jpät; damit fuhren die Yadichiffe immer
vorwärts. Die gerüfteten Schiffe von Pfäffifon konnten micht viel tun; denn
fie hielten [fich] außerhalb des Geſchützes, und alfo fuhren die von Zürich mit
Gewalt und mit allem ihrem Zeug und mit ihnen die von Rapperswil hinauf
gen Rapperswil. Dieſe fuhren auch gen Pfäffikon, zu Freienbach und allent-
halben ans Yand, wo fie zuerft konnten, und wurden auf Seiten derer von
Schwiz in der Gans und im großen Schiff verwundet und bejchädigt gegen
12 Mann; da war einer aus derer von Yuzern Gebiet, einer aus der March
und zwei von Schwiz, die erjchoffen wurden.
57. Aus dem Ewigen Burg- umd Landrecht des Abts von
St. Gallen mit Zürich, Luzern, Schwi; und Glarus.
Dfäffikon, 17. Aug. 1451.
Abi. I. ©. 864 fi.
1. Wir, Kaſpar von Gottes Verhängung Abt und der gemeine Kon»
vent des würdigen Gotteshaufes zu St. Gallen des Ordens Sanfti Be-
nedifti, im Stonftanzer Bistum gelegen, dem heiligen Stuhl zu Rom un—
mittelbar zugehörend, tun öffentlidy fund mit dieſem Brief allen, die ihn
jehen oder lejen bören, gegenwärtigen und finftigen Leuten, denen es zu
wiſſen nötig ift: Daß wir im unjerm gemeinen Kapitel oft und häufig gar
eigentlich betrachtet haben, daß wir und ımjer Gotteshaus ohne Schirm der
Weltlichen nicht bleiben noch bejtehen mögen, und wo ung und unjerm Gottes—
haus Schirm umd Troft am allermüglichiten zu ſuchen jei, damit unſer Gottes:
haus in Würden, Ehren und bei jeinen echten bleibe und wir und unjere
Nachfolger dem allmächtigen Gott und den würdigen Himmelsfürften St. Gallus
und St. Othmar darin dejto vollfommener und andächtiger dienen mögen.
151
Und nach gar manchem dringenden und ernftlichen Rate, jo wir oft und
bäufig in unſerm Kapitel darım gehabt, und auch anderer unferer Freunde
und Gönner und auch aller der Unfern, die uns und unferm Gotteshaus
zugehören, Rates darin gepflogen haben, jo haben wir nichts anderes finden
fünnen, als daß es uns umd unjerm Gotteshaus am nützlichſten ſei, Schirm
und Zroft zu juchen bei den Notfeften und Fürfichtigen weifen Burgermeijtern,
Schultheißen, Ammännern, Näten und Gemeinden dieſer nachgejchriebenen
Städte und Yänder: nämlich Zürich, Yuzern, Schwiz und Glarus,
als bei denen, die das Yob und die Ehre von dem allmächtigen Gott und aud)
der Welt erlangt haben, daß fie ihre Gotteshäufer und alle ihre Priefterjchaft
jo redlich jchüten, handhaben und ſchirmen, davon fie bei Gott und der Welt Yob und
Ehre und ihre Gotteshäufer deſſen Nugen haben. 2. Darım..... jo haben
wir für und und unſer Gotteshaus und alle unfere Nachfolger und alle die
Unfern, jo unferm Gotteshaus zugehören oder künftig je zugehören werden,
niemand ausgenommen, ..... von den obgenannten unſern guten Freunden
von Städten ımd Yändern der obgenannten Eidgenoffen, nämlich Züri, Lu—
zern, Schwiz und Glarus ein ewig Burgrecht und Landrecht an ung
genommen, und nehmen das an uns fraft diefes Briefes, nämlich mit unferer
Stadt Wil im Thurgau, den Feſten Iberg und Rorihad, der Ge-
rechtigfeit der Burgſäßen und jonft mit allen andern Schlöffern, Tälern, Yanden
und Yeuten, jo wir jett haben oder hinfür gewinnen, nämlich zwijchen dem
Bodenjee und dem Zürichſee gelegen .... mit den Worten, Stüden, Punkten
und Artifeln und jolhen rechten Bedingungen, wie hienad) gejchrieben fteht.
— — 6. Daß wir obgenannter Abt von St. Gallen, unſer Konvent
und all unſere Nachfolger mit der Stadt Wil ꝛc. den obgenannten unfern
‚sreunden, den Eidgenofjen der genannten Städte und Yänder gehorfam, ge:
wärtig und behilflich fein jollen, jo oft es der Fall iſt, daß fie unfer bedürfen
zu allen ihren Nöten innerhalb der obgen. Seen in unjern eigenen Koften.
T. Atem und dag die Unſern von Wil, auch berg und Rorſchach und
die Gerechtigkeit der Burgſäßen und alle andern unfere Städte und Schlöffer,
die wir hinfür gewinnen innerhalb der obgenannten Seen und Kreiſe der
obgenannten Eidgenofjen von Städten und Yändern offene Häufer fein jollen
in allen ihren Nöten, jo oft und jo viel das notwendig wird,
8. tem, wenn wir obgenannter Abt und unfer Stonvent, unſer Gottes-
baus und die Unſern oder unjere Nachfommen insgemein oder einzeln mit
jemand Streit hätten oder befämen, die in diefem Burgrecht oder Yandrecht
nicht inbegriffen wären, und unſer Widerpart Necht böte auf die vorgenannten
Eidgenoffen von Städten uno Yändern, folches Necht follten wir eingehen und
uns mit jenem echt gänzlich begnügen und fein anderes juchen und von
dem Krieg lajjen, wenn wir dazu von den vorgenannten Eidgenojjen von
Städten und Yändern ermahnt werden. — —
152
58. Aus dem ewigen Bindnis der Stadt St. Gallen mit den
fechs Orten (ohne Uri und Unterwalden). 13. Zuni 1454.
Eidgen. Abſchiede II. ©. 878 fi.
1. Im Namen der heiligen löblichen Dreifaltigfeit, des Vaters, Sohns
und des heiligen Geiftes, Amen. Ewige Dinge und ewige Freundſchaft ſoll
man beftätigen und befeftigen mit Schrift, deshalb weil des Menſchen Ge-
dächtuis und Natur franf und blöde find umd in dem Yauf der Zeit ver-
gangener und vergänglicher Dinge bald vergeffen wird. Und darum daß dieje
ewige Freundichaft einen guten Anfang nehme, eine bejfere Mitte und das
alferbejte Ende, und daß folder Freumdichaft auf ewige Zeiten nimmermehr
vergejfen werde, jo fünden und erklären Wir der Burgermeifter, die Schult-
beißen, Ammänner, Räte, Burger und Yandleute insgemein diejer nachbenannten
Städte und Yänder, nämlih Züri, Bern, Yuzern, Schwiz, Zug und
das äußere Amt, fo zu Zug gehört, und Glarus, Und mir der Burger:
meifter, die Näte umd die Burger insgemein der Stadt zu St. Gallen
allen denen, jo diefen Brief anſehen, leſen oder hören leſen, nun und ber-
nah, daß wir gar eigentlich angejehen und bejonders betrachtet haben ſolche
Treue, Yiebe und Freundichaft, fo unſere Vorfahren und auch wir gar lange .
Zeit mit einander gehabt haben, und, auf daß mın diejelbe Freundichaft zwi:
hen ums im guten Treuen ewiglich befeftigt und bejtätigt werde, jo haben
WIE nr eine ewige Freundſchaft mit einander gemadt .. . -
2, alſo daß wir die obgenannten Eidgenofien von Städten und Yändern die
obgenannten Wurgermeiiter, Nät und Burger insgemein zu St. Gallen und
alfe ihre Nachlommen zu unſern ewigen Eidgenoffen angenommen und em—
pfangen haben, und wir obgenannte Burgermeiſter, Rät und Burger insge:
mein zu St. Gallen find für uns und alle unjere Nachkommen der obge-
nannten Eidgenofien von Städten umd Yändern ewige Eidgenoſſen geworden
mit jolchen Worten und Bedingungen, wie bienach in diefem Brief ausdrücklich
geichrieben jtebt: Dem ift alſo:
3. Erftens, wäre es daß wir die obgenannten Ztädte und Waldſtätten
alle oder unter uns eine Stadt oder ein Yand beionders mun und bernad
mit jemand . . . Mißbelligkeit und Krieg bütten oder befämen, .....
diefelben jollen dann Gewalt baben, uns die Vorgenannten von Zt. Gallen
. um Dilfe zu mabnen; und jollen wir, Ddiejelben von Zt. Gallen
. nah der Mabnung unverzüglib und obne alle Widerrede mit unjern
Yeibern md mit umjerem Gut und mit unierer Macht .... zu ibnen
eder anderswobin, wobin wir dann gemabut find, zieben ..... 4. und
jollen die Hilfe gänzlich im unſern Neiten leiten. — — — 5. Wäre
es auch, daß die ebgenannten unjern Eidgeneſſen von Zt. Gallen fürbashin
mit jemand... . . diesſeits des Rbeines, Des Bodenſees und des Gebirgs
153
Streit oder Krieg befümen und fie dDäuchte, daß fie dabei unferer Hilfe benötigt
wären, das mögen fie uns in Städten und Yändern mit ihren Boten oder
Briefen in unſeren Näten verkünden und zu wiffen tun, dann follen wir die
vorgenannten Eidgenoffen den obgenannten unfern Eidgenoffen von St. Gallen
unjere Hilfe unverzüglich zujenden .... und jolhe Hilfe ſollen wir die
obgenannten Eidgenojjen .. . . . in unjern Koſten leiften. — —
6. Wir die Obgenannten von St. Gallen jollen auch mit niemand einen
Krieg anfangen und auch niemand außerhalb der Eidgenofjenichaft in einem
Krieg beholfen noch beraten jein ohne der obgenannten unjern Eidgenojjen
von Städten und Yändern aller insgemein oder des Mehrteils unter ihnen
Rat, Gunſt, Wilfen und Willen,
7. Und wäre e8, daß wir... von St. Gallen mit jemandem etwas
zu ihaffen hätten... .. und uns der oder die vor Kriegen, oder jo wir mit
ibm oder ihnen zu friegen kämen, ſolche gleiche, völlige, billige Nechte böte,
dag unjere obgenannten Eidgenoffen insgemein oder den Mebrteil unter ihnen
bevünfte, daR es ihnen und uns ehrlich wäre, daß wir eines der Nechte auf:
nehmen jollten, jo jollen wir es tun und ihnen darin gehorjam und folgjam
jein ohne Widerrede.
8. Wir die Obgenannten von St. Gallen oder umere Nachkommen follen
uns auch mit niemand, weder mit Herren, noch mit Städten, jegt noch in
fünftigen Zeiten verbinden, mit feinen Gelübden noch Eiden ohne der obge-
nannten unjern Eidgenojjen von Städten und Yändern insgemein oder des
Mehrteild unter ihnen Nat, Gunſt, Wiffen und Willen. —
9. Würden aud) die obgenannten unjern Eidgenoffen, Städte und Yänder,
fürhin je mit einander mißhellig oder uneins . . . ., was Gott ewiglich
wende. . . ., jo mögen wir die Obgenannten von St. Gallen durch unjere
Botſchaften ..... . wohl verfuchen, ob wir jie mit Freundſchaft mit einander
verjöhnen möchten; möchte aber das nicht fein, was dann der Mehrteil unferer
obgenannten Eidgenoffen in den Sachen vornimmt, das jollen wir mit ihnen
vornehmen, wenn fie unjer dazu begehren, ohne alle Gefährde und Wider:
rede. — —
17. Und alſo haben wir, die obgenannten Burgermeiſter, Räte und
Burger insgemein zu St. Gallen und unter uns jeglicher für ſich, nämlich
alle Männer und Knaben, die ſechzehn Jahr alt und älter ſind, gelehrte Eide
mit aufgehobenen Fingern und gelehrten Worten geſchworen zu Gott und
den Heiligen für uns und unſern Nachkommen, das alles ... getreu, wahr,
feit und ftät zu halten, dem nachzufommen und genug zu tun.
18. Wir die jet genannten VBurgermeifter, Nät und Burger insgemein
zu St. Gallen und alle unfere Nachkommen jollen auch künftighin je zu zehn
‚Jahren, vorher oder nachher, ungefähr, wenn das von den obgenannten un-
jern Eidgenofjen insgemein oder dem Mehrteil von uns zu tun gefordert
u
Lt
md, ... . ſolche Eide und Briefe beichwören, erneuern und mit unſern
Eiden befeitigen.
29. Papſt Pius II. Riftet die Univerfität zu Bafel. 12. Nov. 1459.
Aus dem Lat. überserzt von W, Fischer Gesch. der Universität Basel. S. 26 ff.
@ius, Bischof, der Knecht der Knechte Gottes, zum ewigen Ge-
dächtnis der Sache. Unter den verschiedenen Glückseligkeiten,
welche der sterbliche Mensch in diesem hinfälligen Leben
9 durch Gottes Gabe erlangen kann, verdient nicht unter die
letzten gezählt zu werden, dass er durch beharrliches Studium die Perle
der Wissenschaften zu erringen vermag, welche den Weg zu gutem und
glücklichem Leben weist und durch ihre Kostbarkeit den Wissenden
hoch über den Unwissenden emporragen lässt. Sie macht überdies jenen
Gott ähnlich und führt ihn in die klare Erkenntnis der Geheimnisse der
Welt ein, sie steht den Ungelehrten bei und hebt die in tiefster Niedrigkeit
Geborenen zu den Höchsten hinauf. Daher denn der apostolische Stuhl,
als vorsorgender Spender geistlicher und auch weltlicher Güter, als um-
sichtiger Austeiler ehrbarer Freigebigkeit, als steter und beharrlicher
Beförderer jeder löblichen Übung, auf dass die Menschen desto leichter
dazu geführt werden, eine so erhabene Höhe menschlicher Bestimmung
zu erwerben und wenn erworben wieder über andere zu ergiessen, immer
mit Vermehrung des Gewonnenen, indem anderer Dinge Verteilung die
Masse vermindert, aber der Wissenschaft Mitteilung, je grösser die Zahl
derer ist, auf die sie sich erstreckt, desto mehr zunimmt und wächst, —
jene aufmuntert, ihnen Stätten bereitet und zu gedeihlicher Erleichterung
Hilfe gewährt. Da also, wie eine neulich von Seite unserer geliebten
Söhne, des Bürgermeisters, Rates und der Gemeinde der Stadt Basel an
uns gerichtete Bittschrift besagte, sie, nicht allein auf den Nutzen und
das Gedeihen des gemeinen Wesens ihrer eigenen Stadt, sondern auch
der andern benachbarten Gegenden bedacht, gar sehr wünschen, dass
in besagter Stadt Basel, als einem ausgezeichneten und wohlgelegenen
Orte, der sich einer milden Luft erfreut, wo Überfluss an Nahrungs-
mitteln und eine Fülle aller andern zum täglichen Leben nötigen Dinge
gefunden wird, und von der die berühmten hohen Schulen Deutschlands
bekanntermassen ziemlich entfernt sind, durch den apostolischen Stuhl
ein allgemeines Studium in jeder erlaubten Fakultät gestiftet und an-
geordnet werde, damit daselbst der katholische Glaube verbreitet, die
Einfältigen unterrichtet, Billigkeit erhalten werde, verständiges Urteil
kräftig gedeihe, die Geister der Menschen erhellt und ihr Verstand er-
leuchtet werden. so werden wir, in Betracht des Vorhergesagten und
auch der ausgezeichneten anfrichtigen Treue und Ergebenheit, welche
sie, Bürgermeister, Rat und Gemeinde anerkanntermassen gegen uns und
die römische Kirche tragen, vom feurigen Wunsche geleitet, dass die
155
genannte Stadt mit den Gaben der Wissenschaft geschmückt werde, so
dass sie Männer hervorbringe, ausgezeichnet durch Reife des Urteils,
gekrönt mit dem Schmucke der Tugenden und gelehrt in der Weisheit
der verschiedenen Fakultäten, und dass dort ein sprudelnder Quell der
Wissenschaften sei, aus dessen Fülle alle die schöpfen mögen, welche
in die Lehren des Wissens eingeweiht zu werden wünschen. Und den
hierauf bezüglichen demütigen Bitten der besagten Bürgermeister, Rat
und Gemeinde Gehör gebend, bestimmen wir zum Lobe des göttlichen
Namens, zur Ausbreitung des vorbenannten Glaubens und zu Nutzen und
Wohlfahrt des gemeinen Wesens und seiner Teile, vermöge aposto-
lischer Machtvollkommenheit und ordnen an, dass in der Stadt Basel
hinfort ein allgemeines Studium sei und auf alle zukünftigen Zeiten
in Kraft bestehe in der Theologie, im kanonischen und bürgerlichen
Kechte, wie auch in jeder andern erlaubten Fakultät und dass der bas-
lerischen Hochschule Kanzler unser ebrwürdige Bruder Johannes sei und
der jeweilige Bischof von Basel, und dass die daselbst Lesenden und
Studirenden sich aller und jeglicher Privilegien, Freiheiten, Ehren,
Exemptionen und Immunitäten erfreuen und geniessen sollen, welche den
auf der hohen Schule unserer Stadt Bologna verweilenden und wohnhaften
Magistern, Doktoren und Studenten bewilligt sind, und überdies erteilen
wir dem Kanzler, den Magistern, Doktoren und Schülern der besagten
baslerischen Hochschule durch Gegenwärtiges volle und freie Befugnis,
nach der Weise der Hochschule in Bologna Satzungen und Ordnungen
zu machen, welche jedoch, wenn sie zweckmässig sind, vom apostolischen
Stuhle sollen bestätigt werden, und sollen dem die apostolischen Kon-
stitutionen, Ordnungen und was sonst damit im Widerspruch sein mag,
nicht im Wege stehen.
Keinem Menschen soll es also erlaubt sein, diesem Brief unserer
Satzung, Ordnung und Bewilligung Gewalt anzutun oder durch ver-
nessenes Unterfangen ihm entgegenzutreten. Wenn aber einer sich dies zu
versuchen unterstehen sollte, so wisse er, dass er den Zorn des allmäch-
tigen Gottes und seiner seligen Apostel Petrus und Paulus auf sich laden
würde. Gegeben zu Mantua, im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1459,
am Tag vor den Iden des Novembers, unseres Papsttums im zweiten Jahr.
60. Ein Lied von der Eroberung des Thurgaus. 1460.
rilienkron, bit. Volkslieder I. ©. 521.
1. Der frieg der bat ſich aber ' erhebt, 2, An dem fürften von Djterrich
die richtung ® ift ufgſchloßen 3, von ftammten hochgeboren, —
die eidgnoßſchaft die ift erwegt !, wie daß fie wärind uncriſtenlich.
man bats’ verlegt ’, — num mertend mich,
das hats’ gar fer verdroßen er bat daran verloren.
'" abermals. — * der Friede. — *ift aufgeſchloſſen, ſo daß der Krieg herauskann. —
* bewegt, aufgeregt. — ? verklagt, nämlich beim Papſte, bei welchem Herzog Sigmund
wegen der Wegnahme Rapperswils Bann und Interdikt gegen fie zu erwirken juchte,
156
3. Sie famend fin ! in bäpftlich ban, 9. Wurd !® er fih aber fumen lang
das hand fie wol vernomen; und fürdten fines lebens:
er hat e8 in getan zur fchand, ein ftetlin, Frowenfeld genant,
umb lüt und land wirt angerant,
ift er fin ? nad * komen. es wirt fih drin ergeben.
4. Sölich Mag man bat vernon * 10. Swiz und Glarus band dar zuo ton,
in allen eidgenoßen ; (wol uf, ir lieben herren!)
die bull und brief die find nun kon, band die von Uri mit in gnon,
ft ligend ſchon ins Oberlandz' fon '7;
je Swiz und Zürich bichloßen ®, die pundichaft '° wend wir meren.
5. Bon Underwalt Heini Wolfent 11. Alſo band fi den zug geton,
(man lobet in ze fechten), ze Wintertur finds’ bliben;
du bift der giellen bouptman guent, die fromen von Zitrich find zuo in kon,
die hand fich bient, ir botfchaft
fie wellinds’ am fürften rechen. gen Bern band fi verjchriben.
6. Gen Rapperswil hat er fidh gleit, 12. Si famend röſch! und zugend bald ”",
man bat in ingelaßen; fi batend drab fein gruen;
dem fürften hat er abgefeit ?, fi famend mit eim fchönen gmwalt ®',
gar mol bereit da in der gitalt
ein panner ußgeftoßen *. wurdend wol jechzehentujend.
7. Lucern ®, dur bift ein rechter fern, 13. Dießenbofen an dem Rin,
din harnift wit ergleftet ’°, bert mit guoten muren,
diner hilfe wend wir nit embern, es muoß der eidgenoßen fin:
ir tüends doch gern, fi fine dar in,
ein ganzen züg '" ir geftet !*, es fölt den adel turen ®,
8. Wil nun der adel darzuo tuon, 14. Was bat der fürft gewunnen dran?
fo vindt ers’ bi einandren zum babit louft er gen Hagen!
uf einer mitt '? figen fchon ', er Soll fein brugg am Rin mer ichlan,
vil mengen man fi wurd mit beſtan,
ligen uf iren landen '®, man lieh im nit ein laden ®°,
' feinetwegen. — ? deshalb. » nachher, — * vernommen. — * gelommen. —
® eingefchteffen. — 7 Die Unterwaldner, an ihrer Spitze der Hauptmann un Wolffent,
ſagten Oſtreich zuerſt (am 20. Sept.) Fehde an (f. Eidgen. Abſch. II. 307), weil er
fie beim Papft verklagt habe. — * aufgepflanzt. — ® Auf Unterwalten folgte am 93, Sept.
Luzern. — 'Paufleuchten, glänzen. — ! Kriegerſchar. — "2 Heiden, Schmiden. — '® Ebene. —
ſchön. — 1% Der deutiche Adel prablte immer, die Bauern follten nur einmal ins ebene
‚Feld hinaus fommen. — '* würde. — "ins Oberland zu fommen. Am 30. September
zogen Un, Schwiz und Glarus insg Oberland, nahmen Walenjtadt, Nidberg, Freudenberg,
und drangen bis Baduz; von hier zogen ſie nach Wintertur den Zürchern zu, die
mittlerweile auch Oſtreich abgefagt hatten. — !* den eidgenöffiihen Bund. — "9 fchnell,
behend, munter, — mutig, fühn, ſchnell. — *' mit einer ftattlihen Macht. — ** dauern. —
23 sc, daran.
157
61. Ein Lied vom Sundganerzug. 1468.
Pilientron I. S. 552. Tobler, Voltslieder IL ©. 43.
. Ein liedli wil ich heben an:
wilde mär ! han ich vernan,
und wil man's d’eidgnoffen mit erlan,
fo muoßtends’ aber in d’ wite fan ?;
da mmoßtend fi ftehen und fchlan,
das man frilih fan wol verftan.
bumperlibum aberdran heiahan!
7. Wol naher, die von Sanen!
die freffind biiener und hanen !®,
finds’ nit gioten, jo müends' dran
zanen "+
biderben eidgnoſſen, wir wend üch manen,
daß ir kömind under unfer fanen,
fo wend mir troftlich mit lich voran.
bumperlibum aberdran beiaban !
3. Si wend nit glouben an uns ban;
nun lands’ uns frölid grifen an; 8. Wol naher, die von Underfibental '5!
fi wellend uns fin nit erlan, die trägend halparten breit und ſchmal;
ft jebend ?, wir dörfind nit ußer fan *; was fi treffend, das fallt je tal !6
wir mueßends’ ein fart >an d’ grind ſchlan, menger nimt von inen ein fall.
das hätend unfer vordern zitlich ® tan. wol ußher uß den Ländern überall,
bumperlibum aberdran heiahan! ir vom ftetten, ziehnd dran mit fall!
bumperlibum, aberdran heiahan!
a ;
s an — Ei — ſteg. .Do zugend wir über den Houwenſtein ab,
a ee ze meng breiter vierfchrötiger Schwizerfnab;
ir von Weggen ®, num find nit träg, i —
menger bat im ſeckel lützel '7 hab,
nun merfend uf, was ich üch ſäg! bh *4 ram fin 2% wol ab!
d wenn's fändli von Tradjien ? bi EEE DEE EM — —
* uns läg truog uf der achiel ein breiten ftab !®
; : = damit ein ieder quot werjchaft ?° gab.
fo ſchuchend '° wir weder wind noch reg. : . i
/ s lib b
bumperlibum aberdran heiahan! humperlibum aberdran heiahan
.Da kamend wir gen Liechſtal bin,
6. Wol naber '', die von Dürenrot, darnad) ftuond uns gen Bafel der finn;
und bringend uns naher win und brot, wir meintend, wir wettind all binin,
daß wir nit werdind bungers tot! do muoßt der merteil bie ußen fin.
ziehnd friſchlich mit dem panner rot, fie ſchicktend ums aber brot und win,
ja bi dem wend wir [jtan in not] !? drum ſchicktend wir warlich 's gelt
und bliben lebend oder tot. binin.
bumperlibum aberdran heiahan! bumperlibum aberdran heiahan!
' Nachricht, Kumde. — * vergl. Note 15 beim vorigen Pied. — * fagen. — # her-
ausfommen (aus unfern Bergen). — 5 einmal. — bei Zeiten. — ? Goldbach im Emmen-
tal. — * Wilen, Heines Don in der Pfarrei Yananau, — * Trachjelmald. — 'o ſcheuten. —
‘“ näber, berbei. — '? Die eingeflammerten Worte fehlen in der Handierift, find aber
ziemlich ficher zu vermuten. — '3 Hähne, — 14 fauen, nagen. — ! Niederfimmental. —
“nieder, zu Boden. — "7 Heine, geringe. — '* feiner, derfelben, — '?d. b. den Spieß. —
” Bezahlung. —
— —
— — —
.
Ro ne angfreſſen warend afın,
rrgemger was uns des hungers pin,
zaewtend derieiben nacht neben
dem Hin,
ꝓerades damend wir gen Kolmar ! bin;
Te ehem wir in die keller ın
> zurdend me warn * balb voll win.
fermmrlibum aberdran beiaban!
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batten mit vil ſildergichirr darbın,
banftend® in mit füblen in;
Nezubt wurden wir voll wın,
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Da kamend wir zum wigerhus '*,
da namend wir die quoten Farpfen uß,
daſelben lebtend wir im fus;
erlih machtend zing quater dus !®,
damit zog das gelt zum ſeckel uß,
es machet mengem ein wilden grus.
bumperlibum aberdran beiaban !
Der ichimpf !* was im beiten nun wol
dran,
wir woltend ein ander gattung fahen ar,
das man baß glouben an uns möcht han:
wir zumtend das ichlof !* immwendig an,
das es in grund und boden verbrann;
ddar find wir nümen ußbin faır;
fie dattind ung gem dabeimen g’lan! !?
Bumdertibum. unruow das fumt, was
tuot uns? *°
denner biir dagel deiaban abertran!
far nun für, dinder für, troll nahen?e,
Beterman!
gat aer ’’ am,
> wi man uns Ru mit erlan,
abermal in d'wite lan,
aberdran beiaban!
Tatamrrairtüctef ins Zundgöm bin,
meng feiites ſchwin.
iz) een wänden in,
su zmet dem Hin;
N td) az ⁊abder
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Me Zrsumer dedtend: das mögend
Ide aälte fin,
ax Pur ır) ut & mt fümend zuo
un? bu,
brrabarn!
Sr Krme 4 ımmumı2: 08 le beißen
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159
19. Da battend wir ein wilden burlebus ', fi band der kuo? ſidhar mimen g’ruoft
die Sundgöwer hattend darob ein grus; beruf,
im brand jagtend wir d'müſe hinuß, fi erforgtend wol aber ein folden ftruß!
wir battend ® ouch eben wild da bus! damit ift diefes liedli uß.
Vemerlung. Der Berfaifer diefes wilden Liedes, welches jo recht das Kriegsleben
jener Zeit wiederipiegelt, iſt, wie aus der Aufzählung der Ortichaften in Nr. 4—8 bher-
vorgebt, ohne Zweifel ein Berner, vermutlich ein Emmentaler.
62. Aus der ewigen Richtung * mit — 11. Zuni 1476.
Eidgen. Abſchiede II. S. 913.
1. Wir Ludwig, von Gottes Gnaden König von Frankreich, tun
männiglich kund und bekennen mit dieſem Brief: Da zwiſchen dem durchlauch—
tigen Hochgebornen Fürſten und Herren Sigmund, Herzogen zu ſtreich,
Steier, Kärnthen und Krain, Grafen zu Tirol ꝛc. ꝛc., unſerm lieben Oheim,
einer- und den Fürſichtigen, Ehrſamen und weiſen gemeinen Eidgenoſſen
von Städten und Ländern, Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwiz,
Unterwalden, Zug und dem Amt daſelbſt und Glarus und ihren Zu—
gewandten und Zugehörigen, unſern beſondern guten Freunden, anderſeits und
ihren beiderſeitigen Vorfahren viel vergangene Jahre mit einander in Kriegen,
Zweiungen, Irrungen und Streitigkeiten geweſen ſind ...... und wir
als der, ſo das gerne beigelegt und gerichtet geſehen hätte, beider Parteien
ind der Liebe wegen, jo wir zu ihnen haben, unſern Edlen und Ehrſamen
andäctigen Grafen Hans von Eberftein umd Joſt von Silenen,
Propft zu Münſter im Aargau, unjere Räte, zu den obgenannten beiden
Parteien gefertigt und geichieft haben ..... ‚ jo jeßen wir die Übereinkunft
und die Richtung zwifchen den obgenannten Parteien aljo und, wie das
bienach von einem zum andern geichrieben jteht. — — —
2. Daß hinfür beide obgenannten Parteien und alle die Ihren in ihren
Städten und Yändern zueinander fichern Yeibes und Gutes mit Käufen und
Verfäufen und andern getreuen unjchädlichen Gejchäften aufrecht, ehrbar und
redlich wandeln mögen oder jollen, von jeder Partei in ſolchem Fug ungehindert.
3. Und wenn unjers Oheims Herzog Sigmunds von Oftreich Zugehörige
an gemeine Eidgenofjenjchaft oder ihre Zugewandten oder derjelben Eidgenoffen-
ſchaft Zugewandte an unjern Obeim Herzog Sigmund von Öftreich oder jeine
, tür, Tumult. — ? hielten. — der Schweizerfub.
„Richtung“ ift ein definitiver, ewiger Friedensſchluß, während man unter Frieden
uur — ſolchen auf Zeit, einen Waffenſtillſtand, verſteht, von „richten“ — ausgleichen,
derſöhnen.
160
Angehörigen eine Forderung hätten oder jpäter erlangten, worüber die Parteien
nicht gütlich verglichen werden könnten, daß der Kläger jeine Gegenpartei zu
Necht und Austrag fordern joll vor den Biſchof zu Konſtanz oder die
Stadt dajelbft oder vor den Biſchof von Baſel oder die Stadt dajelbit,
und daß darauf die beflagte Partei dem Kläger innert einer Friſt von drei
Monaten nad) feiner Forderung dem echte ftattgeben joll. — — —
6. Und wenn binfür unſer Oheim Herzog Sigmund von Öftreich gegen
die vorgenannten Eidgenoffen, Städte und Yänder, [gegen alle] insgemein oder
einzelne, Klagen oder Streitigfeiten befäme, daß er fie dann aud) vor eines der
obgenannten vier Nechte zu Recht und Austrag, wie das oben begriffen ſteht,
vorfordern mag, alſo daß die auch allda rechtlich entichieden werden jollen.
7. Und in gleicher Weiſe und in dem Fug, wenn gemeine Eidgenofjen oder
ein einzelner Ort oder ihre Zugewandten gegen unfern Oheim Herzog Sig:
mund Klagen befümen, daß die in vorgejchriebener Weife auch auf dem Rechts—
weg gejtellt und da aljo rechtlich entjchieden und zu End und Austrag fommen
jollen. — — — —
9. Und wenn unjer Oheim Herzog Sigmund von Öftreich in feinen
Geſchäften der Hilfe der vorgenannten Eidgenofjenjchaft benötigt würde, daß
fie ihm die leiften wollen, wo ihnen das ehrenhalb gebührlich jein mag, in
jeinem Sold, wie die Eidgenoffenschaft ſolche Sölde gibt im ihren eigenen
Geſchäften.
10. Desgleichen, wenn die vorgenannte Eidgenoſſenſchaft unſeres Oheims
Herzog Sigmunds Hilfe in ihren Geſchäften benötigt würde, daß er ihnen
die auch leiſten ſoll, wo ihm das ehrenhalb gebürlich ſein mag, in ihrem
Sold, wie derſelbe unſere Oheim ſolche Sölde gibt in ſeinen eigenen Geſchäften.
11. Und daß auch die vorgenannten Eidgenoſſen unſerem Oheim Herzog
Sigmund von Oſtreich überantworten ſollen alle Briefe, Urbarbücher, Regiſter
und Schriften, ſo ſie inne haben und der Herrſchaft Öftreich zuftehen, . . . .
ausgenonmen die Briefe, Nödel oder Schriften, jo die innehabenden Yänder,
Städte und Schlöffer der Eidgenoffen betreffen.
12. Und daß auch beide Parteien bei allen ihren Yanden, Schlöjjern,
Städten, Dörfern und Märkten, jo jie in vergangenen Zeiten zu ihren Danden
erobert und eingenommen haben, bleiben jollen jest und in Zukunft, unan—
geiprochen und unbekümmert, und daß auc feine Partei noch ihre Zugebörigen
und Meithaften die andere Parter und ihre Meithaften an ihren Städten,
Schlöffern und Yändern in feiner Weiſe befriegen, bejchädigen, befehden oder
in irgend einer Weile an Yerb und Gut befümmern laffen joll.
13. Und daß auch feine Partei fortan die Angebörigen der andern in
Bündnis, Burgrecht, Landrecht, Schutz und Schirm... . aufnehmen joll dem
andern Teil zu Zchaden und Unfug, es wäre denn, daß jemand mit jeinem
bausbäblihen Zig in das Gebiet des andern zieben wollte. — —
161
15. Und daf fein Teil die Feinde oder Beichädiger des andern wiffentlich
bauen, hofen, ägen, tränfen, noch ihnen irgend welchen Vorjchub oder Hilfe
leiften und das auch niemandem geftatten joll. — — —
17. Und daß auch von feiner der beiden Parteien und den Ihren auf
die Gegenpartei neue Zölle noch andere Beſchwerden gelegt werden follen,
jondern [dat fie] das gegen einander bleiben lafjen, wie die von Alters her
genommen und gegeben worden find. — — —
19. Und daß alle zehn Fahre von unferm Oheim Herzog Sigmund und
jeinen Erben ſolche Richtung ihren Näten und Zugehörigen verkündet werde,
(um davon] Kunde zu haben und fie zu vollziehen; und hinwiederum von der
Eidgenoſſenſchaft und den Ihren alle zehn Fahre desgleihen auch geſchehen ſoll.
20. Und bejonders, daß auch Mannsperjonen in den Städten Rhein:
felden, Sedingen, Yaufenburg und Waldshut mit denen auf dem
Shwarzwald und denen, jo zu der Herrichaft Aheinfelden gehören, Eide
zu Gott und den Heiligen ſchwören jolfen, daß fie und ihre Nachkommen
diefe Richtung getreulich halten wollen und nach Verfluß von zehn Fahren
jolhe Eide von ihnen, jo das erfordert wird, gejchehen und geleiftet werben.
Und jollen aucd die genannten Eidgenofjen jegt und fünftig in allen ihren
Nöten zu denjelben vier Städten und Schlöſſern Zutritt haben. — — —
24. Und daß aud demnach alles, fo fi in Kriegs: oder anderer Weiſe
zwiſchen unſerm vorgenannten Obeim Herzog Sigmumd von Oſtreich umd
jeinen Vorfahren und der Eidgenoffenfchaft und ihren Vorfahren und allen
Ihren Zugebörigen und Zugewandten bis auf den Erlaß diejes Briefes gemacht,
ereignet umd begeben hat, [ohne daß] dabei ‚irgend etwas ausgenommen, aus:
geiondert und bei Seite gejett wird, bejtens und fejt gerichtet, beigelegt und
gejühnt fein, und daß auch dem geftrads von beiden Parteien und Zugehörigen
und Zugemwandten nachgelebt werden foll ohne Einrede und, wie das Ddieje
Richtung begreift und weijet, bei unjeres Oheims Herzog Sigmunds von
Oftreih Würden und Ehren und bei den Eiden, jo die Eidgenofjen ihren
Städten und Yändern gefchworen haben, zu einem ewigen Beftande jolcher
Richtung und dem allmächtigen Gott zu Yob. — —
63. Aus dem Bündnis zwiſchen Ludwig XL, König von Lrank-
reich, und den VIII Orten nebſt Freiburg und Soloturn.
26. Oktober 1474.
Das lat. Original Eidgen. Abſchiede II. S. 917.
Wir Bürgermeister, Schultheissen, Ammänner, Räte und Gemeinden
der Städte und Länder Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwiz, Uhnter-
Oechsli, Quellenbuch. 11
——
162
walden, Zug und Glarus, von dem grossen Bund in Oberdentschland,
und wir, die Schultheissen und Räte der Städte Freiburg und Soloturn
tun allen, die gegenwärtigen Brief sehen werden, kund: Weil zwischen
dem allerchristlichsten und durchlauchtigsten Herrn Zudirig, König von
Frankreich, dem uns vor allen andern gnädigen Herrn, und uns bis auf
diesen Tag getreue Liebe und Zuneigung und sogar ein ewiges Ver-
ständnis bestanden hat und noch besteht, haben wir erwogen und be-
schlossen, dasselbe Verständnis und die gegenseitige Freundschaft zu be-
festigen und zu erweitern. — — Aus dieser Ursache also haben wir
mit dem vorgenannten Herrn König in aufrichtigen, unverletzlichen Treuen
dieses Verständnis und Bündnis geschlossen, wie folgt:
Erstens dass derselbige König uns in allen und jeden Kriegen, be-
sonders gegen den Herzog von Burgund und alle andern auf seine
Kosten getreue Hilfe, Schutz und Schirm zukommen lassen soll.
Ferner wird er, so lange er lebt, jedes Jahr zum Beweis seiner
Liebe uns in seiner Stadt zu Lyon 20 000 Franken ! ausrichten und be-
zahlen lassen, jedes Vierteljahr 5000, zu gleichen Teilen unter uns vor-
genannte Orte zu verteilen.
Und wenn der König selbst in seinen Angelegenheiten und Kriegen
unserer Hilfe bedürfte und an uns ein dahin bezügliches Verlangen
stellte, dann sollen wir ihm dieselbe mit einer Anzahl Bewaffneter leisten,
wie es uns schicklich und möglich sein wird, wenn und wofern wir
nicht mit eigenen Kriegen beschäftigt sind, jedoch auf seine Kosten. Der
König aber soll jedem Bewaffneten für den Zeitraum eines Monats,
das Jahr zu 12 Monaten gerechnet, 4'/, Gl.? bezahlen. Und wann er
für gut halten wird, solche Hilfe zu verlangen, soll der König den einem
jeden von ihnen für den Zeitraum eines Monats zukommenden Sold nach
einer von den Städten Zürich, Bern oder Luzern schicken und den Sold
für zwei andere Monate in der Stadt Genf oder in einem andern uns
passenden und genehmen Orte auszahlen lassen; und sobald die Unsern
ihr Haus verlassen haben werden, beginnen die drei Monate zu laufen,
und sind ihnen alle und jede Vorrechte und Privilegien vorbehalten,
welche die übrigen königlichen Soldaten geniessen und inne haben.
Und wenn wir zu irgend welchen Zeiten in unsern Kriegen gegen
und wider den Herzog von Burgund denselbigen König auffordern würden,
dass er uns Hilfe leiste, und er seiner anderen Kriege halber uns nicht
beistehen könnte, dann wird derselbige König, damit wir solche Kriege
besser führen können, uns, so lange wir sie mit gewafineter Hand fort-
setzen, jedes Vierteljahr in seiner Stadt zu Lyon 20 000 Gl. rheinisch
bezahlen lassen unbeschadet der obbemeldeten Summe Franken.
Und wann wir mit dem Herzog von Burgund oder einem andern
Feinde des Königs oder von uns Frieden oder Waffenstillstand machen
wollten, was wir auch dürfen, sind wir verpflichtet und gehalten, den-
selbigen König ausdrücklich und besonders vorzubehalten und wie uns
! Gemeint sind Goldfranken, von denen nach einer Wertung von 1478 vier fünf
rh. Gl. (zu ca. 9 Fra.) gleichgesetzt werden; also 1 Fr. uugefähr = 11 heutigen Frs.
— ? Rh. Goldgulden.
mug "1"
163
zu berücksichtigen; umgekehrt ist derselbige König in allen seinen
Kriegen mit dem Herzog von Burgund und andern, wenn und wofern er
Frieden oder Waffenstillstand machen wollte, was er auch darf, ver-
pflichtet und gehalten, uns, wie sich, ausdrücklich und besonders zu
berücksichtigen und vorzubehalten.
Und in alle dem nehmen wir unserseits unsern allerhöchsten Herrn
den Papst, das heilige römische Reich und alle und jede aus, mit welchen
wir bis auf diesen Tag Bündnisse, Einungen, Verständnisse oder Ver-
bindungen geschlossen und mit Brief und Siegel bekräftigt haben; gleicher-
weise von seiten des Königs, abgesehen vom Herzog von Burgund, gegen
welchen der König und wir so verfahren werden, wie oben vorgesehen ist.
64. Erläuterung des Schultheißen und Rates der Stadt Bern
vom 6. April 1475 über die im franzöfifchen Bunde vom
26. Oktober 1474 enthaltenen Hilfsverpflichtungen.
Das Tat. Original Abſch. TI. ©. 921.
Wir, Schultheiss und Räte der Stadt Bern tun allen und jeden, die
Gsegenwärtiges sehen werden, kund: Da ein Vertrag vorausgegangen und
gefertigt worden ist über ein zwischen dem allerchristlichsten, durch-
lauchtigsten Herrn und Gebieter Ludwig, König von Frankreich, unserm
sehr furchtbaren und vor allen zu verehrenden Herrn, und den gross-
mächtigen Männern, den Herren von dem alten Bunde in Oberdeutsch-
land einzugehendes und abzuschliessendes Freundschaftsbündnis, und ge-
wisse Artikel... . zwischen den von seiner Majestät zu den Herren
vom Bunde abgeordneten Gesandten und den Herren vom Bunde darüber
aufgesetzt und dem allerchristlichsten Herrn König überbracht worden
sind; weil jedoch die genannten Artikel wegen ihrer Allgemeinheit eine
nicht geringe Zweideutigkeit in sich schliessen, durch welche in künftigen
Zeiten ein Gegenstand der Zwietracht zwischen dem vorgenannten aller-
christlichsten Herrn König und den Herren vom Bunde entstehen könnte,
- deshalb wollte seine Majestät mit jener besondern Zuneigung, welche der
König gegen die Herren vom Bunde hegt, um allem künftigen Streit den
Weg zu verschliessen, bevor derselbe Bündnis- und Freundschaftsvertrag
endgiltig abgeschlossen werde, zu genauerer Erklärung des Inhalts der
schon genannten Artikel über den Willen und die Absicht der genannten
Herren Eidgenossen sich Gewissheit verschaffen und verlangte, dass das,
was in zweideutigen und allgemeinen Worten geschrieben war, deutlicher
erklärt werde.
Deshalb versichern wir, vorgenannte Schultheiss und Räte, .....
E damit der genannte Vertrag nicht unterbrochen , sondern zu
gutem Ende abgeschlossen und jeder Zweifel und Skrupel gehoben werde,
nachdem wir zuvor uns über Sinn und Absicht der genannten Herren
vom Bunde gebührend unterrichtet und ihnen das Vorgenannte, welches
in Zweifel gezogen wurde, auseinandergesetzt haben, und erläutern und
erklären: Dass der vorgenannte allerchristlichste Herr König in keiner
164
Weise verpflichtet ist, sich um die Hilfeleistung an die Herren vom Bunde
zu bekümmern, ausser wenn er vorher durch sie dazu aufgefordert wird,
und auch nur dann gebunden ist, ihnen treuen Schutz und Schirm mit
seinen Leuten gegen ihre Feinde zu leisten, wenn diejenigen, welche
ihnen Fehde oder Krieg ansagen, eine solche Macht haben, dass die
Herren vom Bunde selbst, durch dringende Not gezwungen, der Hilfe
des Königs notwendig bedürften und nicht auf andere Weise hinreichend
für ihre Verteidigung sorgen könnten. Und wenn die Herren von dem
Bunde in künftigen Zeiten gegen den Herzog von Burgund die königliche
Hilfe verlangen würden und der Herr König wegen seiner anderen Kriege
ihnen mit seinen Leuten nicht beistehen könnte, dass er, indem er den
vorgenannten Herren von dem Bunde die Summe von 20 000 Gl. rhein.
zu Lyon für jedes Vierteljahr bezahlt, während dessen die Herren vom
Bunde jene Kriege mit gewaffneter Hand führen, in keiner Weise ge-
bunden ist, ihnen eine andere Hilfe mit Kriegsleuten zu leisten. — —
Und überdies versprechen wir bei unserer Treue und Ehre, dass,
so oft der König die Hilfe der genannten Herren vom Bunde anrufen
wird, wir dafür sorgen und verschaffen werden, dass sie ihm nach dem
Inhalt des jüngst gemachten Bündnisses mit 6000 Mann beistehen und
zuziehen werden, gegen Bezahlung jedoch des Soldes in der in dem
schon genannten Bündnisvertrag enthaltenen Art und Weise, unter Vor-
behalt, dass, wenn die genannten Herren vom Bunde verlangen, dass der
genannte Sold über die Grenzen des Königreiches an die Orte Bern,
Zürich, Luzern oder andere gebracht werde, er auf ihre Gefahr gebracht
werde. Und wenn etwa die genannten Herren vom Bunde auf die
Forderung des Königs die genannte Zahl von 6000 Mann ihm nicht
zu Hilfe schicken würden, so willigen wir ein und versprechen wir,
dieselbe Zahl vollständig zu machen und machen uns dafür gegenüber
dem König verantwortlich, weil nämlich in den genannten Artikeln im
Wortlaut des genannten Vertrages irgend eine bestimmte Anzahl der
Mannschaft nicht ausgedrückt ist, unbeschadet jedoch der seitens der
Herren vom Bunde von ihnen und uns gemachten und in dem vom
26. Oktober 1474 datirten Hauptbriefe ausgedrückten Vorbehalte. Zur
Bekräftigung dieser Erklärung lassen wir diesen noch dazu gefertigten
Brief mit dem Siegel unserer Stadt versehen, gegeben am 6. April 1475,
65. Deit Webers Lied zur ewigen Richtung. 1474.
Lilienkron IL S. 27.
Unzweifelhaft der vorzüglichfte von den zablreichen Volksdichtern, welche den ſchwei—
zerifchen Heldenrubm im 15. Jahrhundert durch ihre Pieder verberrlichten, war Veit Weber
von ‚Freiburg im Breisgau. Obwohl von Geburt ein Öftreicher, wurde er durch die ewige
Richtung ein Kampfgenoffe der Zchweizer, focht ibre Schlachten gegen Karl den Kühuen
mit und fang tu ihrem Dienft und zu ihrem Yob,
1.
Gelobet fi der ewig got,
daß er den frieg verrichtet bat !,
der fang zit hat gemweret
zwüſchen den bus von Öfterrich
und den eidgnoffen allen glich,
davon meng man ward beiweret!
Des bab dank herzog Sigmund,
daß er's bat richten laſſen,
die glich? ouch zuo aller ſtund
die fromen eidgnoſſen, 4.
daß ſie fich hand als ? güietlichen vereinet ®,
darıımb meng menſch hat gweinet
von rechten fröuden und
daß es darzuo ift fond®.
. 8 wer verricht vor langer zit,
bet nit der fürft ghan etlich Tüt,
die es nit gerne hatten:
fie wanten ® es umb iren nut ?;
da nun der fürft fach *® diſen zuz®,
do wolt er's nit geftatten.
Er hat gar mengen edelman
uf land und ouch im ftetten,
die fih gern friegens namen an, >.
daß fie gnuog davon hetten;
den beren 19 taten fie gar vafte !! rupfen,
er leid 1% fo vil der zupfen,
mann !3 er fin zend !* entbledt '>,
jo ward der arm eritredt !®,
Wann '?” man dem fürften zoch ins fand,
165
Das kam dem edlen fürften für ?,
er ſprach zuo finen väten:
„min armen lüt ich gar verlür,
raten, wie wir im teten ?!!
min edel lüt wend mir nit gehorſam fine
und jchaffend dem lande pine
und darzuo groß unruow,
fo gand die ſachen zuo!
Der edel fürft ward inen gram;
er Sprach: „ich wil fi machen zam!“
und tet das land verfetsen
dem welichen berzog von Burgund ?®,
wie er im doch des nit enqund 2;
der jelb Fond + an fie beten
den Hagenbadh, das wüetend jwin;
derſelb bezwang fie jchiere ?,
daß fie im müeßten gehorfam fin
als ein gezemptes tiere;
da er fie zwang nach allem finem willen
und fie im müeßten billen ?s,
die arm rott ward ungmuot ®7,
er nam in lib und quot.
Da das nu fach die ganz gemein ?*,
beid jung, alt, groß und Hein,
da bort man gmeinlich fagen,
e fi wolten Burgunner fin,
e wolt man die eidgnoffen lafjen in.
Hie zwüfchen tet man tagen ??
und was der pund 3° gar wol verniet ®!,
verrigelt und verfloffen;
3. das bat gar mengen übel gemilet ?*,
derielben man da feinen fand, der friegs vor wol bat gnoſſen ?%,
die's jpil hatten ußgeben !*; der edel fürft lost widerumb fin lande;
fie ruochten nit !?, wer es verlur, darnad tot ?* man zuo hande ®>
darumb verdarb gar mentg bur den Hagenbach gar jchier,
und batten fie guot leben! den unſinnigen ftier.
' Beigelegt bat. — ? desgleihen. — ? jo. — * verglichen, verföhnt. — ® daR es dazır
gelommen tft. — ® wendeten, hinderten. — ? um ihres Nutens willen. — * fab. —
Fopperei, Trug. — '9 Bern wegen Mühlhauſen. — " feft, ſtark. — '® fitt, ließ über
kb ergeben. — ' als. — '* Zähne. — bleckte, entblößte. — '% fo wurde der Arme
(und nicht der Edle) darnieder geftredt. — 1” als, — '* vergl. über die Feigheit des Adels
beim Sundgauerzug S. 157. — !? khümmerten ſich nicht darum. —
20 wurde dem F.
belannt. — ?! ratet, wie wir dem abbelfen können. — ** Bert Weber deutet bier witsig
de Berpfändung des Elfaßes in eine Maßnahme zur Züchtigung des unrnbigen Adels um. —
»wiewohl er ihm dasselbe nicht gönnte. — % fonnte, — % bald. — *° jibereinjtimmen,
gehorchen. — 7 verdrießlich, zornig, betrübt. — ** die ganze Menge, das Volt. — 9 Zu-
ammenkünfte abbalten,. — 3° die ewige Richtung. — ?! vernictet. — 9? bemilbt, verdroffen, —
"der früher am Krieg Nuten (oder Freude) gehabt bat. — 3! tötete, — 9 auf der Stelle,
166
6.
Davon ein ander frieg entiprüßt,
ich trüw got, daß er fin mit genüßt !,
der in bat angefangen,
das ift der herzog von Burgynn;
mich dunket wol in minem finmn,
er werd im ftrid bebangen,
fid im nu jedermann ift gram
in tütſchem land gemeine; 9.
das hören ich von wib und man,
von großen und den kleinen;
ji find all fro des bunds, der iſt beichechen,
des bört man's alle jechen ?
lob und dank der gotheit
und ouch der reinen meid,
Ir werden eidgenoffen frum,
ih bör in landen umb und um,
daß man fich üwer fröwet ;
und wenn ir wellen tuon das beit,
fo achtet nieman frönder geft,
damit man uns bie trömer *,
Want ir find aller manbeit voll,
ih weiß nit üwers glichen,
das lob ich von üch fingen fol,
in feiner not ir nit wichen,
fin ganz gemeind tft gar eins guoten
willen,
als wit® der pund tuot billen ®;
wann ir find gzogen up,
jo band ir feinen qrus ',
Was ir in hand zuo leid getan,
e daß der pund ward biloffen ſchon,
des wend fi nit me gebenfen;
uf üch band fi allfant gebumt,
ie fint das pfulment!', dem man
truwt,
das niemer mer ſol wenken.
Es iſt alles geweſen ſchimpf!“,
was ſich bat ie ergangen '?;
ir hand allwegen gefaret glimpf '';
nu grifen baß an ftangen '*
daß üch der Herzog von Burgunn nit
letze
und ſich des leids ergetze!“,
das ihm beſchechen iſt
iez in kurzer friſt““. — —
als ir gar di ® und vil beweret hande*, 12. Ir fromen eidgenoffen all,
damit ir üwer lande dienent got mit richem ſchall,
band gemachet aljo wit als ir bißhar hand tone !*;
und noch tuond allezit. wann das tuot üwer land und Lit,
fo mag es üch zuo feiner zit
8. Ir werden eidgenofien wis, niemer mer misgone !?;
ir band bißhar gefüert den pris und wann der ber zücht uß dem bol ?®
mit ftriten und mit vechten, mit allen finen jungen
das lob ſond' ir nit lam zergan! fo ſechen ir allfjamen wol,
Der edel fürft wil mit lich dran daß im mie iſt mislungen.
mit rittern und mit Inechten ; Des baben danf die fromen und die
in feiner not wil er üch lan, küenen,
es gelt lib oder quote; daß ſie's umb got verdienen!
allweg ſo wil er bi üch ſtan Die ſinen got nit lat,
ſo gar mit friſchem muote. als lang die welt beſtat.
! Daß der feinen Nuten davon bat. — * jagen. — droht. — * denn. — ® oft.
— 6 pewährt habt. — 7 ſollt. — * fomweit. — * ballen, ichallen. — '° jo habt ihr fein
Grauſen, ihr fürchtet euch nicht. — "' Fundament. — ! Spaß, Spiel. — " was je
geicheben ift. — "* ihr babt immer vecht gehandelt. — ** min greift beifer an die Spieße.
ſchadlos balte,
der Pfandlande.
getan. -
zieht.
- 17 nämlich durch die Hinrichtung Hagenbachs und die Wegnahme
19 jibel ergehn. — 9° wenn der Bär aus feiner Höhle
167
66. Breit Webers Lied fiber den Streit vor Hericourt.
13. Movember 1474.
Pilientron II. ©. 39.
4. Der pund! der ward bejloffen 11. Darzuo vil ftett uß Schwaben,
gar heimlich und gar fill, Schafhufen, Meinftet, Notwil,
das bat gar mengen verdrojien, folt ih fie alle loben,
der darımb wißt nit vil, ir ift mim lied ze vil;
der iez wol ficht die rechten mär®, Überlingen und Bibrach,
wie man zuolamen ziichet Navenspurg fam gegangen,
von allen landen ber, Coſtenz man ouch da ſach.
5. Doheim wil nieman bliben, 12. Zürich mit großem fchalle,
das iſt ein frömder finn! Swiz, Solotern und Bern
fie baben muot z'vertriben und Frowenfeld fam balde,
den berzog von Burayın; Glarus, Zug und Luzern,
man ſpricht, er fi ein jölicher man und fuft uß Swiz vil ander ftet;
und was er hüt verbeißet, die eidgnoßn muoß man loben,
mern ji er brücdig dran ?®, wer fie gefechen bet.
6. Ein zug ift zſamen feret* 13. Uf fie tet man faft !! luogen,
im Zumföw überal, es was !? von volf ein fern;
der huf bat fich gemeret vil harneich fie antrungen,
vor Grifort im tal, man jach fie fomen gern;
vil me dann achtzechentuſend man, fie waren all ftarf, lang und groß,
vil farren und vil wägen, im here han ich nit gſechen
daß ichs’ nit zelen Fann. von größe ir genoß '?,
T. Der edel biihof fame 14. Ein wagenburg ward gellagen
mit Straßburg alfo quot, vor GErifort fo jatt !#,
Zletitat er mit im name, vil zelt ſach man ufragen,
die waren all gemuot ®; als ob c8 wer cin ftatt.
fie batten all rot angeleit 7; Darnach gruob man die büchjen in,
die von Colmar famen gezogen daruß ſchoß man gar jere
in rot und blaws befleit*. — — durch die muren hin.
10. Billingen fam gar balde 15. Das bat die Walchen '5 verdrofien
in wiß und ouch in blo?, und ouch die Yampartar '®,
und Walzbuot mit dem walde !0 dag man fo vil bat gichofien.
befleit in fwarzes do; zwenzigtufent 7 famen bar
Yindow in wiß und ouch in grüen, und wolten die wagenburg guunnen ban;
von Baſel fam gezogen do man ir innen ift worden,
gar menig man jo küen, da gieng man fröhlich dran.
! Die ewige Richtung. — ? die rechte Kunde. — ° morgen brede er dasſelbe. —
* zufammmengefommen,. — ® Sundgan. — © mutig, getvoft. — 7 votes Kleid angezogen,
— * Ztropbe 8-10 ſchildert die Mannfchaften von Kaifersberg, Breiſach, Elfaß, Freiburg
i. Br. cc. — ? blau. — 1 Schwarzwald, — 1 feft, ſehr. — 1? war. — 5 ihres
leihen. — '* feſt. — * Welichen. — % Pombarden; Karl der Kühne batte zahlreiche
Yombarden in feinem Sold. — 7 nach genauen Berichten nur 10000, nämlich SO Reiter
und OO Fußſoldaten; ſ. Nodt, die Feldzlige Karls des Kilhnen I. 316.
168
16. Der reiſig zug! it balde, 24. Do man erftach die funme !®
fie warent gar gemuot, und lagen in bluotes floh '*,
und fachentS vor dem walde da fart !® man fich wider umbe
glitern im harneſch quot; gen Erifort zuo dem floh
fie ranten zuo in? in fneller il, und ſchoß man noch vil me daran.
das ſuoßvoll zoch gar balde ®, die ir belfer folten fin geweien,
ir was ouch alfo vilt. — — die lagen uf dem plan.
18. Die fromen eidgenoffen 25. Sie wurden des bald innen
die fumpten fich nit fang, zuo Erikort in dem ſloß;
ftriten$ fie fih vermaßen >, da ftuonden fie zen zinnen 16
ich fobs’ in mim geſang; und ruoften ein friden haruf ’7
fie namen zuo bilf fant Urſen chen ® und baten durch got '® mit worten füch,
und der von Bern wortzeichen ? daß man jie wolt ufnemen 9
jant Bincenz ruoftens’ an. und in das leben Tief.
19. Do man die Walcdhen fach ufbrechen, 2%. Der adel der was güetig
das alfo mechtig ber, und och darzuo die ftett,
do geriet * man fie erftechen, fie wolten nit fin wüetig
de8 9 Fuchen !9 fie fo fer der bitt, jo man im tet ?:
und famen ouch in große not; vierthalb hundert ließ man zem ſloß
vil me dann dritthalbtufent haruß;
die wurden geſlagen tot. das venli von Äſterriche
ſtakt man zuom höchſten uß?!.
20. Sie lagen in den hürſten!“ 29. Der uns dies liedli hat qedicht
im feld und an der jtraß, von diſem zug jo kluog,
nach ftreichen begond !? fie dürften, der was felber bi der geichicht,
man fach fic alle bloß, da man die Walchen erjluog;
fie wurden all gezogen ab; Bit Weber ift ouch er genant,
uf farren und uf wägen zuo Friburg in Brißgowe
leit man da ir hab. ift er gar wol erfant ?*!
Reiterei. — * ihnen. — ? mutig, kühn. — * es waren ihrer ebenfo viele. — ® fie
entichloffen fich kühn zum Streit, — ® ihön. — ? Wahrzeichen, Loſungswort. — * fieng
man an. — * deshalb. — “ flohen. — '* Geſträuch, Dieficht, Hecke. — * begann. —
2 entweder: die Menge (Summe = Anzabl, Menge) oder dann: diefelben (sume, pron.
adj. = einige, mande,. — Fluß, Strom. — 8 kehrte. — '% da ftellten fie ſich auf
die Zinnen des Schloſſes. — “ und riefen nad einem Frieden beraus. — '* um Gottes
willen. — 1? ihnen eine Kapitulation geftalten. — * wegen der Bitte, Die man an fie
richtete. — *' pflanzte man auf der Spitze auf. — *belanut.
a |
169
67. Barl der Bühne.
Aus dem Franzöſiſchen des Georges Chajtellain, abgedr. bei Ochfenbein, die Urkunden
der Belagerung und Schlacht von Murten. ©. 417.
Georges Chastellain (1403—1475) war ofizieller Chronist am burgundischen Hofe,
weshalb sein günstiges Urteil über seinen Herrn mit einiger Vorsicht aufzunehmen ist.
der Herzog Karl war kein so schlanker Fürst, wie der Vater;
aber er war beleibt, wohl gewachsen und wohl gestaltet,
kräftig im Arm und Rückgrat, hatte etwas starke Schultern
und neigte vornüber, besass gute Beine und dicke Schenkel,
lange Hände und zierliche Füsse, hatte nicht zu viel Fleisch an sich,
noch wenig Knochen, sondern einen rüstigen und behenden und zu jeder
Anstrengung und Arbeit wohl geeigneten Körper. Er hatte eine etwas
rundere Form des Gesichtes, als der Vater, aber hellbraun, hatte die
dieken, roten Lippen des Vaters, eine längliche Nase und einen braunen
Bart, eine frische, hellbraune (esichtstarbe, eine schöne Stirn und
sshwarzes, aufgelöstes, struppiges Haar, einen weissen und wohl ge-
formten Hals, und schaute im Gehen zur Erde; war nicht ganz so ge-
rade wie sein Vater, aber ein schöner Fürst und von schönem Ansehen.
Er besass natürliche Redegabe: zuweilen war er im Beginn seines Spre-
chens daran verhindert, sie zu äussern; aber einmal im Zuge war er
sehr beredt. Er hatte eine schöne Stimme, ausser in der Musik, deren
Kunst er kannte, war weise und besonnen in seinem Reden, gewählt
und abgemessen in seinen Worten, weit mehr als der Vater; er sprach
mit grossem Verstande und tief und fuhr nötigenfalls lange fort, war
nichts destoweniger hitzig in seiner Sache und stürmisch in seinem Be-
nehmen, hartnäckig in seiner Meinung, aber ein Ehrenmann und gerecht;
in Rate war er scharfsinnig, fein und rasch für sich einnehmend. Er
war tätig, nur zu arbeitsam, mehr als für einen solchen Fürsten gut
war, abends und morgens, den ganzen Tag im Rate, den ganzen Tag
beschäftigt mit Sorgen wegen irgend eines grossen Ereignisses oder
mit Geld- oder Kriegsangelegenheiten oder mit der Fürsorge für das
öffentliche Wohl. Er verlor wenig Stunden und beschäftigte viele Leute.
Er liebte seine Diener sehr; war leutselig mit ihnen, war zut zu be-
dienen und von gutem Wesen, von anhaltendem Gedächtnis und langem
Behalten. Im Zorn war er gefährlich und in der Liebe liess er viel
hoffen. In jedem Falle herrschte die Vernunft bei ihm vor, aber seine
natürliche Hitze bereitete ihm starke Anfechtungen. Er war ein auf-
richtiger und ganzer Mann; wahrhaftig und zuverlässig in seinen Worten,
liebte die Ehre und fürchtete Gott, war der Jungfrau Maria ergeben,
beobachtete Fasten, gab reichlich Almosen, fürchtete keines Menschen
Stärke, noch das Schwert irgend eines Königs, war stolz und hohen
Mutes, war, so schien es, in Eisen geboren, hatte seine Lust an Waffen
und an Feldern, die von Harnischen starrten. Er liebte sehr die Kunst
und das Schachspiel, spielte eifrig und um Geld, lief in den Schranken,
besuchte Musik, war prächtig in seinem Gewande und gerne reich ge-
schmückt ; lebte keuscher, als die Fürsten gemeiniglich tun, trank wenig
170 »
Wein, wenn er ihn schon von Natur liebte; aber aus Verstand liess er
ihn, weil er ihm Fieber verursachte, und trank mit Wein gefärbtes
Wasser, um seine Hitze zu mässigen, und war zu keiner Weichlichkeit
und Wollust geneigt.
68. Karl der Bühne vor Grandfon. Februar 1476.
Aus der Chronik der Chorberren von Neuenburg (Seichichtsforicher VIII S. 208 ff.)
Im 15. Jahrhundert entstand in Neuenburg ein grosses Geschichtswerk der romanischen
Schweiz, an welchem nach einander 13 Chorherren des neuenburgischen Kapitels schrieben,
anfänglich in lateinischer, später in französischer Sprache. Leider ging das Original
in einer Feuersbrunst 1714 zu Grande, und nur wenige Fragmente davon sind in Ab-
schriften erhalten, darunter die malerische Erzühlung der Burgunderkriege vor Hugues
de la Pierre, welche im Schweiz. Geschichtstorscher VIII. S. 216 ff. abgedruckt ist.
. . Als der Herzog von Burgund hörte, dass das Schloss Yverdon
von unseren Herren |von Bern] verbrannt, geplündert und verlassen
worden sei, wie erzählt worden ist, und dass diejenigen, welche darin
waren, sich mit denen von Grandson zurückgezogen und beschlossen
hatten, die Feste zu behaupten, schwur er hoch und teuer und sagte:
«Beim hl. Georg und allen Heiligen; ich werde sie in wenig Tagen in
meinen Händen haben», und beschloss mit dem Grafen von Romont, dem
Herrn von Orbe und Chateau-Guyon, seine Armee und Artillerie vor
Grandson marschiren zu lassen. Das geschah, und sie begannen die
Belagerung und wiesen einem jeden sein Quartier an, dass es schön
war, sie alle um die genannte Stadt herum zu sehen, und schlugen da-
selbst in gewohnter Weise Zelte und Hütten auf; und hernach schickte
der Herzog zu denen in der Festung, ob sie dieselbe übergeben wollten,
welche erwiderten, dass sie darüber noch nicht beraten hätten und dass
sie dieselbe nur auf Befehl unserer Herren übergeben würden. Des war
der Herzog sehr übel zufrieden und gab den Befehl, ihnen recht mit
Kanonenschüssen und andern Maschinen aufzuwarten. Das geschah so-
wohl des Nachts als des Tags, ohne Unterlass, indem er ausserdem sagte,
dass sie ohne Gnade über die Klinge springen müssten. Nichts desto
minder verteidigten sich die in Grandson ebenfalls mit Kanonenschüssen
und andern Maschinen aufs tapferste, töteten viele Burgunder und von
andern Nationen und behaupteten Stadt und Schloss wacker, im Verein
mit mehreren Leuten aus der Umgegend, die sich in die genannte Stadt
zurückgezogen hatten.
Als nun der Herzog sah, dass er die genannte Stadt und Feste
nicht nehmen konnte, versammelte er sein ganzes Geschütz gegen die
Stadt und liess so oft und hart Sturm gegen sie laufen, dass unsere
Leute genötigt wurden, sich in das Schloss zurückzuziehen, wo sie mit
Geschütz und Schiessbedarf wohl versehen waren. Desbalb drang der
Herzog in die Stadt ein, und beim Eindringen wurde ein grosses Ge-
metzel unter den guten Leuten angerichtet, welche geflohen waren; aber
171
es warden auch mehrere Hauptleute und vornehme Personen des Her-
zogs von Burgund getötet. Und es dauerten die erwähnten Stürme acht
ganze Tage, bevor sie die Stadt gewannen, und es warteten die von
der Besatzung immer auf Hilfe, wie man ihnen versprochen hatte. Ander-
seits hatten unsere genannten Herren allen ihren Freunden, Verbündeten
und Nachbarn sagen lassen, Tag und Nacht herbeizueilen, denen in
Grandson zu Hilfe; sonst wären sie verloren. Deshalb tat ein jeder
seine Pflicht, um herbeizukommen, und es zogen ins Feld unsere Herren
von Bern, Freiburg, Soloturn, Luzern; die ersteren durchzogen die
Grafschaft Neuenburg, indem sie ihre andern Freunde und Verbündeten
erwarteten, wie Strassburg, Zürich, Uri, Schwiz, Unterwalden, Appen-
zell und andere Verbündete und Freunde, welche alle wacker ihre Pflicht
taten und Tag und Nacht eilten. Und es wurde die Stadt Grandson
an der Fastnacht 27. Febr.] im Jahre 1476 genommen.
Und als unsere Herren Eidgenossen sahen, wie sich die Sache ver-
hielt, befahlen sie einigen Hauptleuten, mit dreihandert Bogenschützen
auf dem See bis nach Grandson zu fahren, um die andern zu unter-
stützen. Das geschah, und es eilten die genannten 300 Mann, welche
in Neuchatel waren, so sehr die ganze Nacht, dass sie von Estavayer
auf dem See, als dem sichersten Wege, heranfuhren. Aber der Herzog
hatte auf allen Seiten seine Anordnungen getroffen, dass man sich nicht
in das Schloss von Grandson werfen konnte; denn sein Geschütz und
Heer hatte nicht seines Gleichen, so dass die 300 Mann gezwungen
wurden, nach Neuchatel zurückzukehren, ohne einen aus ihrer Mitte zu
verlieren, wiewohl sie in grosser Gefahr schwebten. Und ihr könnt
glauben, dass das Geschütz des Herzogs beständig von allen Seiten
gegen das Schloss schoss, dessen Insassen sehr in Angst schwebten und
nicht ohne Grund, indem sie sich Gott befahlen und sich wacker ver-
teidigten; und sie machten auf den Türmen mehrere Feuerzeichen, um
Hilfe zu erhalten. Und sie wurden auch durch einen Gesellen von der
Besatzung benachrichtigt, welcher durch einen besondern Glücksfall ent-
kommen war und sagte: «Gott sei ihnen gnädig, denn, wenn sie nicht
bald Hilfe erhalten, ist alles verloren.» Aber es war für den Augen-
blick nicht möglich, sie zu entsetzen, weil zu wenig Leute waren und
ihre Verbündeten endlich kamen; deshalb mussten sie ein wenig warten,
und mit Gottes Willen wäre ihnen geholfen worden.
Als der Herzog sah, dass er die Feste nicht bekommen konnte und
die Insassen sich tapfer verteidigten und viele seiner Leute töteten und
ihm grossen Schaden zufügten, fiel es ihm ein, einen Ritter, namens
Herr von Rondchamps, vor sie zu senden, welcher ihnen winkte, dass
er den Herzog bewegen wolle, sie zu Gnaden anzunehmen auf freien
Abzug mit ihrer Habe, wenn sie ihm jeder zehn Schillinge für die Mühe
gäben. Worauf die von der Besatzung eine kurze Beratung hielten,
und nachdem sie sich beraten, verlangten sie von dem genannten Herrn
von Rondchamps noch einige Bedenkzeit, was er nicht zugeben wollte:
sondern er sagte zu ihnen, dass der Herzog das ganze Land erobert
habe, Neuchatel und Biel zugleich, durch den Schrecken seiner Worte,
sie sollten keine Hilfe erwarten. Deshalb vereinbarten sich die von der
Besatzung mit ihm, wie er es ihnen versprochen hatte, und also kamen
172
sie je zwei und zwei heraus, ohne Schwerter und Kolben, denn man hatte
sie ihnen beim Verlassen des Schlosses gütlich abgenommen, wie Schafen,
und wurden vor den Herzog geführt. Und so wie der Herzog sie kommen
sah, fing er an zu sprechen: «Beim hl. Georg, was sind das für Leute,
was für Neuigkeiten?» Da antwortete ein Ritter: «Sehr erhabener
und mächtiger Ritter! es ist die Besatzung vom Schloss Grandson, die
sich Euch auf Gnade und Erbarmen ergeben hat.» Der Herzog liess
sie vor sich kommen, und sie begrüssten ihn ehrerbietig, da sie meinten,
oben erwähnte Zusage zu haben, und verlangten, dass ihnen diese Zu-
sage gehalten werde. Der Herzog hielt Rat in Betreff dieser Sache;
die Mehrheit war dafür, sie ziehen zu lassen, die Minderheit, sie alle
an den Bäumen aufhängen oder im See ertränken zu lassen, damit sie
nie mehr gegen ihn streiten könnten; denn die von Yverdon und Esta-
vayer sagten, es seien die schlimmsten, die man finden könne, und an
ihrem Unglück schuld, und erhoben so grosses Geschrei gegen sie, dass
von Gerechtigkeit nicht mehr die Rede war. So befahl der Herzog dem
Generalprofossen, sie sämtlich ohne Gnade hängen und ertränken zu
lassen. Und das geschah; teils hängte man sie an Bäumen auf, teils
ertränkte man sie im See. Das war ein grosser Jammer ; Gott ist ihnen
gnädig gewesen, und es war ein grosser Schmerz für unsere genannten
Herrn.
69. Die Schlacht von Grandfon. 2. März 1476.
a. Aus Petermann Etterlins „Kronica von der loblichen Eydtgnoſchaft.“
Fol. 89-91.
Petermann Etterlin von Luzern, seit 1495 Gerichtsichreiber daſelbſt, gab. 1507,
hurz vor feinem 1509 erfolgten Tode, zu Baſel eine Chronik der lobt. Eidgenoſſenſchaft
im Drud beraus, in welcher er die Burgunderfriege als Augenzenge beichreibt.
Wa zogen mannbaft und getroft alle Eidgenofjen mit ihren offenen
Bannern aus und famen alle zıfammen gen welſch Neuen-
Fa burg. Desgleichen famen auch Herzog Sigmunds und derer
von Bajel, Straßburg und derielben niedern Städte Weiter umd
Züge and) köftlich zugezogen. Als man aljo zu Nenenburg lag, vermeinte
man ſtets, die von Freiburg und insbejondere die von Bern, jo die Ihren
zu Grandſon hatten, jollten Kundſchaft haben, wie doch der Herzog von
Burgund läge, desgleichen den Ihren kundgetan haben, wie daß man käme,
fie vedlich zu entichütten. Keines von dem war jo. Zie batten feine wahre
sumdichaft, wie der Herzog lag, aud den Ihren feinen Troſt zugeſchickt, ...
was den biverben Yenten leider zu großem Schaden gereichte. Denn wo jie
einigen Troft von ihren Herren gehabt, jo hätten fie fi) nicht übergeben. Die-
weil aber niemand zu ihnen fam, weder über See noch zu Yand, der ihnen
Trost zuſagte, und fie aber mit einem jolchen großen mächtigen Heer, wie der
Herzog von Burgund batte, belagert, alle Tage von ihnen genötigt und
gedrängt wurden, da ergaben fie jih. [Sie] vermeinten, ihr Yeben hiemit zu
friften; da gaben fie fich leider erft jelber in den Tod; denn der Herzog
von Burgund verwirfte feine fürjtliche Ehre dajelbit an ihnen, daß er ber-
nad) auch eines jchändlichen Todes ftarb und erjchlagen ward. Denn man
hatte fie ihres Vebens gefichert; da jie fih aber darauf bin ergaben, ward
jolches nicht an ihnen gehalten. — — —
Da man nun alfo zu Neuenburg lag und niemand feine rechte Kund—
ſchaft brachte, wie der Herzog liege, aufer daß man redete, er liege mächtig:
(ih mit großem Volk und grauſamlichem Geſchütz, damit er fich mit jeinem
Heere eingeichloffen habe, daß er minder zu überwinden wäre; dann liege
er [wieder] in einer großen feften [Yager-]Statt, — wurden je die Eid-
genofjen zu Rat, wie fie ihm doch tun und, wie fie ihn angreifen wollten
mit dem mindeften Schaden ihrerfeits. So ward mancherlei betrachtet, ge:
raten und ausgefonnen. Ein Teil meinte, man jollte jenjeits des Sees
binaufziehen; dann meinten andere, man jollte ihn diesfeits und jenfeits an
beiden Enden angreifen. Doch da ward zulett geredet, des Herzogs von
Burgund oberjte Räte und die mächtigften Yandesherren lägen zu Baur-
marcus in dem Schloß. Alſo ward man da alsbald zu Nat: Ddieweil die
Herren dajelbft lägen, jo jollte man davorziehen fund] fie daſelbſt belagern.
Sobald dann der Herzog von Burgund folches vernähme, würde er fie ent-
ſchütten wollen, und damit bräche er jein Yager, und möchte man ihn dann
wohl ohne Sorge des Geſchützes halb angreifen. Das alles ward aljo unter
gemeinen Eidgenoſſen das Mehr.
Die zogen am andern Tag im Namen Gottes vorwärts, und lag man
diejelbe Nacht in etlichen Dörfern herwärts Vauxmarcus, deren Namen id)
nicht weiß. Und es famen der Eidgenoffen Boten in derjelben Nacht zu
denen von Yuzern in das Dorf, wo fie lagen, um abermals zu tagen. “Derjelbe
Ratſchlag ward daſelbſt erſt recht beſchloſſen. — — Wie nahe die Eidgenojjen
ihm [dem Herzog] lauch] lagen, jo hatte er hinwiederum auch feine Kund—
Ichaft und wußte gar nichts von den Eidgenoſſen, wie es ſich wohl zeigte.
Denn fie ftießen beiderfeit$ zufammen, ohne daß der Widerpart von dem
andern etwas mußte. Und als mänmiglich ſich an den Natjchlag, jo vorber
geicheben, hielt und vermeinte, man wolle jich am andern Tag vor Vaux—
marcus lagern, rüfteten fich die von Yırzern deſto früher und bieken ihren
Priefter Meffe halten. Alfo mitten in der Meffe zogen die von Schwiz
durch das Dorf, da gerade die von Yuzern lagen. Die machten jich mit:
einander auf, desgleichen andere Eidgenoſſen allenthalben, und zogen gen
173
—— — —
174
Vauxmarcus zu. Und es waren die von Shwiz, Bern und Eoloturn
mit ihren PBannern über Vauxmarcus binaus gezogen; ob fie das wegen
guter Herberge taten, oder warum es geſchah, mag ich nicht willen. Sie
wußten auch [nichts davon], daß der Herzog von Burgund aufgebroden war,
und als fie oben hin zogen am SKarthäuferflofter * vorbei, war der Herzog
von Burgund auch auf und hatte jein Yager gebrochen. — —
Die ſtießen alſo offenfundig beiderjeits aufeinander, "ohne daß der eine
Zeil von dem andern etwas wußte. Nun waren mit denen von Schwiz,
Beru und Zoloturn, wie oben jteht, aus allen Orten und jonjt viel gute
Geſellen gelaufen, wie es denn in jolhen Zachen gern geichieht, dar ſich das
Volk allenthalben untereinander vermifcht und ein guter Gejelle den andern
nachzieht. Die wurden von dem burgumdiichen Heer angegriffen und litten
große Not, che die übrigen Eidgenofjen zu ihnen famen. Denn es war jeder:
mann ohne Willen und meinte, es wäre bei dem obgenannten Anjchlag ges
blieben, und batte jich eim Teil zu Vaumarcus gelagert. Inzwiſchen kam
alsbald das Gejchrei, wie die ven Schwiz, Bern, Zoloturn und andere, jo
bei ihnen waren, von den Feinden angegriffen jeien. Da zogen alle Eid-
genoſſen jofort jchnell nach und famen ihnen tröftlich zu Hilfe. Jetzt, da der
Herzog von Burgund die Scharen den Berg binabziehen ſah, jhien die Sonne
gerade auf fie, und es glikerte als wie ein Spiegel; desgleichen brüllte das
Horn von Uri, auch die Harjtbörner von Yızern, und es war ein joldes
Toſen, daß des Herzogs Yeute ein Grauſen darob empfingen und zurüde
wichen. Als die frommen Eidgenoffen zujammenfamen, da zogen jie gemein-
jam getroft gegen die Feinde dermaßen mit Schlagen, Hauen, Stechen und
Schießen, daß der Herzog von Burgund die Flucht ergriff, wiewohl er es
ungern tat. Denn er ritt jelber mit einem bloßen Schwert unter jeine Yeute,
ihlug auf fie und vermeinte, fie zu zwingen, daß fie nicht fliehen ſollten.
Aber es war alle Arbeit umſonſt; dem niemand vermochte fie zurüdzubalten.
Zie flohen, ohne zurüdzufehen, und ließen alles dahinten, was im Yager war.
Und [es] wurden wenig Yeute erfchlagen; denn fie wollten nicht jtehen. Doc
ein Yandesherr, nämlich der Herr von Chateau-Guyon, der fein Panner
jelber in Händen hatte, das auch von denen von Yuzern ritterlich gewonnen
und in ihre Stadt geführt [ward], der ward erichlagen. Das Fähnlein iſt
braun, weiß und bfau mit einem goldenen Zt. Andreasfrenze. Und der obge:
nannte Derzeg von Burgund fam un alles jein Gut, jo er umd andere
Fürſten und Herren bergeführt hatten. [Folgt die Beichreibung der Beute].
Und als man die Feinde über Grandſon binaus gejagt, beganı es jpät zu
werden, daß man ibnen nicht weiter nachzieben fonnte. Da zog man wiederum
' La Lance, ſüdwärts vom Paß von Baurmarcus,
175
in das Yager, da der Herzog von Burgund gelegen war, Da fand man
feider vor dem Schloß die biderben Yeute noch alfo frifch an den Bäumen
bängen, die der Wütrich eben hatte henfen falfen. Das war ein Häglicher,
jämmmerlicher Anblid; da hingen zehn oder zwanzig an einem Ajt; da waren
der Bäume viel entäftet und hingen alfefamt voll. Da hängt Vater und
Zobn bei einander, da zwei Brüder oder jonjt ‚Freunde, und kamen die bi-
derben Leute, die fie Fannten, ihre Freunde, Vetter umd Brüder waren, die
fanden fie aljo elendigli da bangen. Da ward erjt Angjt und Not von
Weinen und Klagen eines jeden um die Seinen, wie aud) wohl billig war,
Am andern Tag früh wurden die guten Yeute alle abgenommen und im
Barfüher:Klofter zu Grandjon begraben in einer gar großen Grube, die man
machte, umd wurden bejtattet. Damit jo helf Gott ihren Seelen allen.
Und ift folder Streit gejchehen an der alten Faftnacht am andern Tag
im März, als man zählte von der Geburt unſeres lieben Herren Jeſu Chriſti
1476 Jahr, und ward Merdon die Stadt an dem Tag aud verbrannt,
Ich jah nie größere Faſtnacht jeitden.
b. Brief Panigarola’s an den Herzog von Mailand über die Schlacht
von Grandſon.
Aus dem talieniichen: Depeches des Ambassadeunrs Milanais publ.
par F. de Gingins La Sarra. I. S. 315,
Zu den interessantesten Quellen über die Burgunderkriege gehören die Berichte
der Gesandten und Botschafter, welche der Herzog von Mailaud, Galeszzo Maria Sforza,
zu jener Zeit am Hoflager Karls des Kühuen und der Ilerzogin von Savoyen unterhielt,
da dieselben zum Teil den Kriegsereignissen persönlich beiwohnten, so insbesondere Johann
Peter Panigarola, welcher das Vertrauen des Herzogs von Bnrgund in hohen Grade
besass und von ihm oft zu Rate gezogen wurde.
Mein erlauchter Herr! Ich vermute, Eure Excellenz habe durch
Briefe Eurer hochwolmögenden Gesandten vernommen, dass dieser Herr
‚Karl der Kühne] von den Schweizern geschlagen worden ist; denn als
sie das Gerücht vernahmen, flohen sie von Orbe, wo sie sich befanden,
nach Genf und von dort aus, denke ich, haben sie geschrieben. Ich war
am Morgen in das Lager gegangen und wollte nicht abreisen, bevor ich
das Ende gesehen und mit dem genannten Herrn gesprochen hätte.
Nun war der vorgen. Herr am 2. dies, am Samstag Morgen, mit dem
Heere aufgebrochen, um sich auf einem Hügel in der Nähe eines Passes !
zu lagern, durch welchen man ziehen musste, um dahin zu gelangen,
! Des Passes von Vauxmarcus,
176
wo die Schweizer waren. Und schon war ein Teil der Zelte aufgeschlagen,
da stiegen die Schweizer auf einen Berg oberhalb jenes Hügels und
griffen mit den Handbüchsen an, damit man sich dort nicht lagern könne.
Der Herr liess einige Abteilungen Bogenschützen hinaufsteigen und lockte
sie nach und nach von dem Berge in die Ebene herunter, wo die Artillerie
mit den Bogenschützen in sie einschlug. An diesem Orte liess er jene
Bogenschützen sich von der Artillerie zurückziehen und seitwärts aus-
breiten, um die Schweizer noch mehr in das Feld zu locken, welche er
umzingelt hatte, so dass sie im Begriffe standen, in der Mitte erdrückt
zu werden. Die Kürassiere in den hintern Treffen und der Tross wandten
sich zur Flucht, da sie glaubten, die vordern seien durchbrochen und
geschlagen, und es erhob sich eine Stimme: «Rette sich wer kann», so
dass es nicht mehr in der Gewalt des genannten Herrn stand, irgend
jemanden zum Stehen zu bringen. Er selbst betrug sich sicherlich mit
grossem Mute, und als er die Menge fliehen sah, ohne ein Mittel, sie
zum Stehen zu bringen, leistete er mit einigen wenigen mitten unter
den Feinden ein gutes Stück Widerstand und zog sich am Ende auf das
erste Lager zurück, wo er Halt machte, um zu sehen, ob er die Seinen
sammeln könnte. Diese waren jedoch schon zwei Stunden weit entfernt;
und er sagte zu mir, dass er fürchte, verraten und von einigen verkauft
zu sein, da er solche Feigheit bei den Seinen sehe, welche, ohne verfolgt
zu werden, noch mit den Feinden, die verloren gewesen wären, wann
sie stand gehalten hätten, handgemein zu werden, so elend geflohen seien.
Zuletzt, als er die Feinde zum Lager kommen sah und beinahe allein
war, entschloss er sich, zu weichen, indem er vorher alles aufbot, um
die Seinen daselbst zu sammeln, wenn es möglich gewesen wäre. Endlich
verliess er das Lager mit grosser Mühe, indem ihm einige Kapitäne und
ich sagten, es sei keine Zeit mehr, daselbst zu bleiben. Seine Herrlichkeit
begab sich nach Jougne in Burgund, drei Stunden weit von dort. Ich
ging nach Orbe, um die Gesandten daselbst zu treffen; als ich diese
verreist fand, ritt ich die Nacht hindurch nach Jougne und gestern hieher
nach Nozeroy, einem burgundischen Flecken, zehn Stunden weit vom
Lager [bei Grandson], woselbst der vorgenannte Herr sich festgesetzt
hat, um das zu tun, was Eure Herrlichkeit unten hören wird. Denn in
dieser Niederlage haben sowol die Kürassiere als die Bogenschützen keine
Verluste erlitten, weil sie nicht ins Gefecht gekommen sind; vom Fussvolk
sind nur wenige gefallen, nämlich einige von den Vordersten an jenem
Berge und dann auf der Flucht der Artillerie. Leute von Stand sind
etwa sieben gefallen, darunter der Herr von Chateau-Guyon, Ritter des
goldenen Fliesses, Herr Peter von Lignana und fünf Edelleute vom
Hofstaat des Herzogs, so viel man bis dahin hat vernehmen können.
Der Verlust besteht in der Artillerie, welche ganz dort geblieben
ist, mit den Bombarden, die in der Tat etwas Schönes und Ausgezeich-
netes war, in Zelten, Hütten, Prunkgeräten und Lagerzeug, die seiner
Excellenz würdig waren. Die Kriegskasse, Juwelen in grosser Menge
und das Silbergeschirr sind gerettet und hieher gebracht worden. Viele
Wagen vom Lager sind verloren, worin sich immerhin Kostbarkeiten und
Silber in ziemlicher Menge befindet. Über diese, meint man, hätten sich
die Schweizer hergestürzt, um die Beute zu sammeln und zu verteilen.
177
Denn von einem, der diesen Morgen gekommen ist, hört man, dass das
dieser Tage gewonnene Grandson, wo jene gehängt wurden, von den
Unsrigen, welche, wie man sagt, etwa 1000 Mann stark, es besetzt
halten, noch behauptet wird, und dass die Schweizer, als sie das Lager
geplündert hatten, an ihren Standort zurückgekehrt sind, und man hört
nicht, dass sie etwas anderes seitdem getan hätten. So ist die Niederlage
erfolgt, ohne dass man mit den Feinden handgemein geworden wäre, und
besteht im Verlust von Hab und Gut und Geschütz und nicht in Leuten
und Soldaten, weil sie, wie schon gesagt, flohen, ohne zu kämpfen.
Nun hat gen. Herr, sobald er hieher gekommen war, sofort nach
Lotringen, Burgund und allen umliegenden Orten geschrieben, dass man
keine Soldaten passiren lasse. Vielmehr sollten alle, welche anlangten,
zurückgeschickt werden und alle Kürassiere aus den Quartieren und von
zu Hause sofort hieher kommen, da er sich bemüht, sie zu sammeln, so
viele er kann. Nach Nancy und Luxemburg hat er um grosses und kleines
Geschütz geschickt, sowie um Bombarden und Zelte, deren er eine Un-
masse hat, sechs mal mehr, wie er sagt, als er verloren hat. Er hat um
Geld geschickt in Menge, um den Soldaten welches zu geben, und auch
hier versieht er sich damit, obwol sie für den ganzen Dienst ausgerichtet
sind. Aber er will ihnen neues geben und in 15 Tagen, hat er mir ge-
sagt, überhaupt wieder ein Lager beziehen bei einem Ort auf dem Lande
zwei Stunden von hier, mitten in Savoyen, nahe den Schweizern und den
Örten, wohin er ziehen wollte, und wird daselbst das ganze Lager und
(reschütz sammeln. Dann wird er vorrücken, denn er gedenkt, sie auf-
zusuchen, und zweifelt nicht daran, mit Gottes Gnade zu seinem Ziele
zu gelangen, da er ihre Macht und Kriegsführung kennen gelernt habe;
er fürchte sich nicht vor ihnen. Wenn nur der König von Frankreich
nicht durch diese Niederlage gestärkt werde und ihm nach seiner Ge-
wohnheit einen Streich spiele; deshalb wolle er sofort ins Feld rücken
und ihm die Zähne weisen, indem er die Unternehmung mit Nachdruck
betreibe. Es fehlt ihm nämlich nicht an Mut, Geld, Leuten und Mitteln,
den Krieg zu führen. Auch ist er über diesen Vorfall nicht bestürzt,
da er die Soldaten nicht verloren hat, aber wütend, dass diese Schweizer
Bauern wegen der Feigheit der Seinen solche Ehre davon getragen und
den Ruhm seiner Excellenz vermindert hätten, zu dessen Wiedergewinnung
er, wie er sagt, im Kriege sterben oder mit grösserer Macht hervorgehen
wolle, als zuvor. Er beauftragte mich, Eure Excellenz von allem zu
unterrichten.
70. Die Beute von Grandfen.
Aus Diebold Schilling's PVBeichreibung der Burgumdiichen Kriege. S. 298.
Am 26. Dezember 1484 legte der Gerichtsichreiber Diebold Schilling dem Rat von
Bern eine von ihm geichriebene, mit über 600 folorirten Handzeichnungen verzierte Chromif
der Stadt Bern in drei Pergamentbänden vor, welche hierauf „vor Rat und Burgern
Oechsli, Quellenbuch. 12
— —
178
verhört und korrigirt“ in das Stadtgewölbe zu andern Briefen und Schätzen niedergelegt
wurde. Schilling's Werk, das noch erhalten iſt, enthält im erſten Teil eine Abſchrift der
alten Stadtchronif von Juftinger, im zweiten eine von zwei Natsgliedern, Dittlinger
und dem Benner Tſchachtlan verfafte Überarbeitung der Chronif $ründs und endlich
im dritten eine von ihm ſelbſt verfaßte ausführliche Geichichte des Zeitalters der Burgqunder-
kriege von 1468— 1454, an welchen er perfönlich teilgenommen hatte.
Da wurden auch dem Herzogen von Burgund in dem Yager mit großer
Mannheit alle feine Büchſen, groß und Fein, abgewonnen, und dazu grof
Ding an Pulver und anderem Kriegszeug. Derjelben Büchjen waren an der
Zahl 420, darunter viel große Hauptbüchſen; das andere waren mebrenteils
Schlangen: und Steinbüchjen, und es war feine fleine Büchſe darunter. Die
führte man alle gen Nidau und wurden da unter die Eidgenojjen und andere
Verwandte, die damals bei den Dingen gewejen waren, geteilt; das Pulver
und das andere Kriegszeug ward aber mehrenteils im Felde verbrannt und
vermwüjtet, was gar übel getan war; doch ward etlichen darum ihr rechter
Yohn, die ſich gar übel verbrannten und verjehrten.
Dean fand auch in dem Yager, das man ihm abgewonnen batte, gar viel
föftlicher Banner und Fäbnlein, von Gold und von Seide gemacht. Zei es,
daß man jie im ‚Felde mit der Hand gewann, oder daß man fie] in den Kaften
oder Yederjäden fand, es waren ihrer, groß und Hein, mehr als 600 an der
Zahl. Diejelben Banner und Fähnlein, befonders die, jo in den Kaſten ge-
wonnen wurden, wurden bernad gen Yuzern geführt und unter gemeine Eid:
genofjen und andere Verwandte nah Marchzahl der Yeute geteilt, und ber-
nach von jedermann aufgehängt oder behalten, nad jeinem Gefallen. — —
Dazu bat man ihm auch abgewonnen alle jeine Habe, jo er und die
Seinen im Felde gehabt baben, an goldenen und jeidenen töftlichen Tüchern und
Gewändern, Gold, Silber und Edelgeftein, und anderes jo großes Gut und
Neichtum, dak man davon nicht wohl jagen mag; denn wie ich nachmals von
Yandsherren und andern frommen Yeuten mehr als einmal gehört und ver-
nommen babe, jo haben der Herzog von Burgund umd die Seinen in Yager
von Srandjon mehr als einer Million Goldes wert verloren, das iſt zehn
mal bunderttaufend Gulden in einander, wovon jedoch nicht der hundertſte
Teil an den Tag gekommen, und [das Übrige] von unehrlichen Yeuten wider
Eid und Ehre geitohlen [worden tft]. Doch ift etwas in die gemeine Beute gen
Yızern gekommen und erzeigt worden, wie unten jtebt.
Man gewann auch des alten Herzogen von Burgund fieben Zelte, die
gar fültlih waren, und dazu viel andere Zelte, die vor Grandſon aufgejchlagen
waren; dazu ließen auch die Kaufleute und Nrämer ihre Kaufmannsichäße
und Zpezereien fat alles zurücd, wofür ihnen auch gar wenig ward.
Da fand man in dem Yager auch mehr als 4000 große Kolben; von
denen hatte jeglicher bei vier Pfund Blei und waren jo lang als eine Mordarxt,
179
dak man mit einem wohl einen Ochjen niedergejchlagen hätte. Dazu fand man
auch gar viele Mordärte, Spieße und andere Waffen, und bejonders mehr
als ein Faß voll Halsitride, damit er fromme Chriftenleute aufzuhängen ge:
dachte, was ihm dazumal von. Gottes Gnaden nicht geriet. Man fand aud)
gar viele Handbogen und viel große Fäſſer mit Pfeilen, woran die Eijen
größtenteils alle vergiftet waren '!, was doc) für einen jolchen mächtigen Fürften
unehrlih war; doch achtete er das alles nichts.
Dazu hatte er auch in dem Felde und Yager eine Münze aufgerichtet,
und hatte alle Hoffart und Kojtbarfeit mannigfaltig bei fich gehabt, wie jich
nahmals wol erzeigte; denn es kam in furzem dazu, daß in allen Städten
der Eidgenofjen und andern, jowie auf dem Yande allenthalben jo viel föftliche
jeidene Kleider und Wämmſer, dazu andere Koftbarfeiten, gemacht und getragen
wurden, daß es jo gemein ward, wie jchlichtes Tuch und Kleider. Doc) ver-
ging etlichen jolche Hoffart gar bald; denn mancher faufte aus der Beute
jeidene Wämmſer und anderes, der vorher kaum ein zwilchenes Wamms- be:
zahlen mochte. Das konnte nicht wohl zu lange währen; denn jobald diejelben
zerriffen waren, da vermochten fie fein anderes mehr zu bezahlen. Man kann
nch mag aber darum das nicht jchelten, noch für übel halten, denn ſolch Gut
und Kleider find von Gottes Gnaden gar ehrlich gewonnen worden, und die
Armen haben jo viel als die Neichen getan.
Diefe nachgenannten Stücke und Kleinodien find gen Yuzern im die ge
meine Beute gekommen und nichts anderes erzeigt worden:
Des erjten an jilbernen Kannen, Platten, Schalen, Bechern und anderm
Silbergefchirr, vergoldet und unvergoldet, was man gewogen hat und an
den Tag gekommen ift, mehr als 4 Zentner jchwer, macht über achthundert
Marf, ohne anderes, das man nicht erzeigt und verfauft und aus dem Yande
geführt hat oder darin geblieben und dennoch nicht an den Tag gekommen ift;
denn gar viel filberne Platten, Kannen und anderes wurden durch einfältige
Yeute für Zinngeſchirr verkauft. — —
Dann gar viel goldene, jilberne und jeidene Röcke, dazu andere köſtliche
jeidene umd goldene Tücher und Gewänder, auch andere große Kojtbarfeit,
was man nicht wohl beichreiben noch ſchätzen kann. Dann, des Herzogen von
Burgund köſtlicher Stein und Diamant, den jeines großen Wertes halber
niemand jchägen mag; ift eine halbe Baumnuß groß und eingefaßt in Gold,
daran bangen zwei große Perlen, geformt wie zwei Birnen. Dann des Herzogen
Degen, find im Heft eingejett jieben große Diamanten, jieben große Nubinen
und fünfzehn große Perlen, auch jo aut und foftbar, dar man es nicht wohl
ſchätzen kann. Darm aber ein über die Maßen köftliches Täfellein, ganz golden
' Eine unerwieſene Beichuldigung.
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mit ſechs großen und jchönen Perlen und jechs großen Rubinen, darin ein gar
würdig und köſtlich Heiligtum ift, wie nachfolgt: Nämlich zum erjten ein
Stüd von dem heiligen Kreuz unjeres lieben Herrn und Erhalters Jeſu
Ehrijti, dann ein Stüd von der Dornenfrone desjelben unſers Heilands und
Erbalters Jeſu Ehrifti, dann ein Stüc von dem’ föftlihen Speere Jeſu Chriſti,
unfers Erlöfers und Heilandes, dann ein Stüd von der Marterrute unſeres
lieben Herrn und barmberzigen Erhalters Jeſu Ehrifti, dann ein Stüd von der
Martergeifel unjeres Heilands und wahren Gottes Jeſu Ehrifti, dann ein
Stück von dem heiligen Grabe des vorgenannten unferes lieben Herrn Jeſu
Ehrifti, dann ein Stüd von dem würdigen Rock unferes Heilands und Er-
löfers Jeſu Ehrifti, dann ein Stück von dem Kleid, das ihm Herodes anlegte,
da er jeine bittere Marter für uns fündige Menjchen leiden wollte, dann ein
Stück von dem Tijchlafen, da er das Abendmahl mit feinen lieben Jüngern
einfegte, dann ein Stüd von der Tafel Mofe, daran die zehn Gebote ftunden,
dann ein Stüf von der Rute Narons und dazu andere unjäglich köſtliche
Heiligtümer.
Dann wieder ein anderes goldenes föftliches Täfellein, darin ift auch ein
groß würdig Deiligtum, von allen zwölf Apofteln und anderes. Dann wieder
ein anderes föftlihes Stück von Gold und Kriftall, darin ift ein Heiligtum
von St. Andreas, dem Zwölfboten !, dann wieder ein köſtliches Pacem? mit
einem X Ofberg von Perlmutter, dann wieder des alten Herzogen von Burgund
Paternojter, it ganz golden, und find darin die zwölf Apojtel in Email ge-
malt und find auch andere große Heiligtiimer daran. Damm des Herzogen von
Burgund rechtes Siegel, ganz golden und wiegt bei einem Pfunde. Dann des
Baftards von Burgund rechtes Siegel, ift filbern und vergoldet. Dann ein
elfenbeinernes gejchnittenes Täfellein, ift an den zwei Flügeln der alt und
neu Herzog von Burgund fonterfeiet, dazu viel andere Kleinode und anderes,
was gar lang zu fchreiben wäre. Dazu wurden auch in der Stadt Bern und
von allen andern Eidgenofjfen von Städten und Yändern und fonft allenthalben
in der Vereinung, die bei diefen Dingen gewejen waren, aud) andere Dinge
erbeutet, die man nicht nad) Yuzern bringen fonnte oder wollte, daraus aud)
viel Geld gelöst und unter das gemeine Wolf geteilt ward, wie damals
ſolches von gemeinen Eidgenojien und Verwandten bejchloffen und angeordnet
worden war.
I Apoftel. — * ein Agnus Dei (Gotteslamm), d. b. eine fänglich rumde Platte, auf
der ein Lamm mit der Kreuzfahıe abgedrndt iſt, Die der Priefter nach der Meile den
Diatonen oder dem Volle’ mit den Worten: Pax domini vobiseum (deffjriede des Herrn
jet mit ech) zum Küſſen reiht.
181
7. Zwei Briefe Hans Waldmanns. 1476.
Ochſenbein, Urkunden. ©. 202 u. 283.
„Da nun die Eidgenofien diefe Mähre [von den nenen Rüſtungen Karis| vernahmen,
wurden fte mit einander zn Nat, daß fie zur Sicherheit 1000 Mann ausheben und die
gen Freiburg in die Stadt zum Zuſatz legen wollten. Alſo boben meine Herren von
zürich 200 Mann ans umd der Hanptmann war nun Hear Hans Waldmann und
Fähndrich Jakob Tig. So zogen fir von Zürich aus am Montag Mittfaften [20. März]
1476 und da fie num gen Freiburg famen, waren die andern Eidgenoflen auch gefommen.
Die wurden num untereinander zu Nat, daß fie einen oberiten Hanptmann nehmen wollten,
Alſo ward Herr Hans Waldmann von Zürich zum oberjten Hauptmann in der Stadt
Freiburg erwählt. Daher ſchlugen die andern Eidgenoffen alle ihre Fähnlein auf und
zogen unter meiner Herren von Zürich Fähnlein. So lagen fie auch zu Freiburg bis
auf die Zeit, da man Murten entieten wollte, Es ift auch zu wiffen, daß die im Zufat
mitfamt denen von Freiburg viel und oft ausgezogen find unter meiner Herren von Zilrich
Fähnlein, jest mit 1500 Mannen, zumeilen mehr, zumeilen minder, es jei gen Remund
[Romont] oder gen Ruw [Rue] und an andere Orte und fih da gar ritterlich gehalten
im viel bübichen Scharmüßeln und da gar viel Raub gewonnen umd Dielen nachher gen
Freiburg gebracht haben.“ [Gerold Edlibachs Chronik S. 158].
a. Hans Waldmann an Gerold Edlibach. 16. Mai 1476.
Nener Zeitung halb wife, mein lieber Bruder, daß der Herzog Karl
noch ſtill liegt, wie vorher, mit feinem Bolt. Wir haben unfere fichere Kund—
haft, 80,000 oder 70,000 Mann. Wir waren am Freitag gen Romont
gezogen mit unferem Zug an die Stadt umd redeten mit ihmen in der Stadt,
und lagen wohl 4000 Mann darinmen und durften ung nicht angreifen. Wir
zogen rings berum, da wir vermeinten mit ihnen zu ftreiten; aber jie kamen
nie aus der Stadt; doch fingen wir 5 Mann und erftachen einen. Und wiſſe,
daß, wo wir 6000 bis 7000 Mann ftart werden möchten, wir fie juchen
wollten, mit ihnen zu jchlagen, und wenn meine Herren von Zürich und
andere Eidgenoffen ums eine Hilfe ſchickten, ſo weiß ich fürwahr, daß mir
den Herzog und all jein Volt aus dem Yand jchlagen würden mit der Hilfe
Gottes; denn fie warten unſer nirgends. Am legt vergangenen Sonntag
iind etliche Knechte auf Naub gegangen, bei 60, von denen find 12 erjtochen,
die andern gefangen. tem, jo jage meinem Herrn Burgermeiiter und Meifter
Widmer, daß viel von den Eidgenofjen aus dem Zuſatz gegangen ſeien und
lihre Zahl] ftart abnimmt. Zudem, jo wir jo lang liegen, daß mir faft
wneins würden. Doch fo jind wir noch wohl miteinander eins; aber es will
fich ändern, und wenn wir 600900 Mann hätten, jo wollten wir mit Gottes
Dilfe den, Herzog und fein Wolf angreifen und aus dem Land ſchlagen.
Darım wollte ich um Yeib und Gut wetten, und es jagt jedermanı, daß
ihn niemand fürchten dürfe; denn der Mann it unſer eigen, und bejorgen
182
wir nichts, als daß er bald fliehe. Item, vergangenen Mittwoch wollten wir
gegen ſie ziehen; da haben uns die von Freiburg gebeten, nicht auszuziehen,
bis ihr Bote von dem Tag zu Luzern käme. Das haben wir ſo zugeſagt
zu tun; darum ſag ſolches meinem Herren Burgermeiſter Röuſt und Meiſter
Widmer. Denn meine Herren ſchreiben mir nichts und laſſen mich auch
nichts wifjen; darum brauche ich ihnen auch nichts zu jchreiben; denn ich
höre wohl, daß wir Wagbälfe find. Doch jo will ih das befte tum und
ihnen jo viel Ehre heimbringen, wenn Gott will, und mehr tum mit eigner
Berfon, als je einer getan hat; das muß jedermann vernehmen, und will
dennoch kein Gold am mich henken. Nichts mehr, denn Gott behüte ung und
alle, die uns hold find. Wir haben Nitter, die nie einen Toten geſehen
haben, Das ift unfere Schand mehr, denn Ehr. Nichts mehr, denn halt
mohl Haus und tu allweg das Bet, denn wills Gott, jo will ich ehrlich)
heimkommen oder darım fterben. Darum jo behüte dich Gott treulich. Grüß
mir meinen Herrn Burgermeifter und Meifter Widmer, den Stapfer und
wer mir nachfrägt, und all unſer Heucgeſiude meine Hausfrau, Deine Mutter
und meine Schweſter.
Johans Waldmann.
Waldmann au Bürgermeiſter und Rat der Stadt Zürich.
17. Juni 1476,
Strenge, fürfichtige, Ehrjame und weile, gnädigen lieben Herren. ch
anerbiete euer Ehrjamen Weisheit meine untertänigen willigen Dienfte, und
was ich vermag mit Yeib und Gut, jei euer Weisheit immer vor allem be-
veit, gnädigen lieben Herren. Ich tue euer Weisheit zu wiſſen, daß die bi-
derben Yeute zu Murten beftig bedrängt werden von dem Herzogen. Denn
der Herzog bat bis zu ihnen gegraben an ihr Bollwerf, jo daß fie mit
Steinen gegeneinander werfen; zudem bat er den beiten Turm im vier
Schüſſen wiedergejchoffen, auch andere Türme und ihre Mauer ftarf zer:
ichoffen, daß wir für jie großes Übel bejorgen. Yieben Derren, jo haben
unſere Eidgenoffen von Bern uns im Zuſatz und die von ‚Freiburg gebeten,
dak wir zu ihnen ziehen möchten, jo wollten fie über das Waſſer [die Saane]
und fich in der Näbe unjerer yeinde lagern. Das haben wir mit den Worten
abgejchlagen, wir wollten unjerer Herren warten und obne jie nichts handeln,
und raten ihnen auch, daß fie nichts vornähmen, bis unfere Herren fümen;
jo woltten wir nichts deito minder ein treues Auffeben auf fie haben, und
wenn ihnen irgend etwas begegnete, es jei Tag oder Nacht, ihnen treulich
äuzieben und Leib und Gut zu ihnen ſetzen. Ale erwarte ich, fie kommen
den nach. Darum, gnädigen Derren, beeilt euch mit Ziehen, daß ihr nicht
die hinterften ſeit; denn habt ihr feinen Zweifel: die Yeute find alle unſer
— — —⸗
Le u
“nt
.
183
Eigen, und ſchätzt man wohl gegen drei mal jo viel Yeute als vor Grandion ;
aber erjchrede niemand, wir wollen fie mit Gottes Hilfe alle töten; fie mögen
uns nicht entrinnen, jo haben wir dann nad allem Wunſch nicht mehr mit
ihnen zu jchlagen. Der ewige Gott und feine würdige Mutter und all das
bimmlifche Heer, die geben euch Glück zu eurem Auszug und behüten ung,
dak ihr uns alle mit großen Ehren und Freuden empfanget. Amen. Ge:
geben am Montag nach unferes Herrn Fronleichnamstag, in der fiebenten
Stunde nachmittags im 76. Jahre.
Euer allerwilliger Hans Waldmann
Hauptmann zu Freiburg.
12. Die Berteidigung Murtens durch Adrian von Bubenberg.
9.—22. Iumi 1476.
Schilling, Beichreibung der Burgunder Kriege S. 307 fi.
- Re
In \ tie von Bern, der fleine und große Nat, waren auch Tag und Nacht
er IA N) bei einander zu ratjchlagen, wie fie dem Wüterich von Burgund und
—ES dem mächtigen Volk Widerſtand leiſten und zeigen möchten, und
—— —
*
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Ihidten von den „Khrigen gen Murten bei 1500 gewappnete und ftreitbare
Männer von der Stadt und auch von ihren Yanden und Gebieten aljo: wo ein
Vater oder Sohn war oder ſonſt Brüder oder andere Freunde, die zu folchen
Sachen nüte und gut waren, da wurden immer etliche von denjelben gen Murten
gelegt, auf daß fie jicher und auch gewiß wären, daß man jie nicht verlaffen
würde, was ihnen auch die von Bern zujagten und verhießen. Und jie gaben
denjelben zu ihrem oberjten Hauptmann Herrn Adrian von Bubenberg,
Ritter, Herrn zu Spiez; der ward von Näten und Zweihundert freundlich
gebeten, jich der Sache zu unterziehen und anzunehmen, was er auc alsbald
wilfiglich tat, unter jolchen Bedingungen, dar ihm dieſelben alle jchmören
müßten, gehorjam zu jein, in allen Sachen, was er unter ihnen anordnete
und fie tum hieß, und dag man ihm auch zu allen Zeiten, was er dann bedürfte
und nötig hätte, ſchicken und ihn darin nicht im Stiche laffen wollte, Das
ward ihm auch von Räten umd Burgern verheißen. — —
Die von Freiburg, die fich gegen die von Bern und andern Eid:
genojjen gar ehrlich und freundlich gehalten haben, jchicten auch aus ihrer
Stadt einen Hauptmann mit 80 wehrhaften Männern gen Murten, da
ihnen Murten zum halben Teil gehört. Diejelben fingen mit denen von
Bern an, Tag und Nacht zur arbeiten, und machten vor der Stadtmauer umd
auch unten am Ufer gar ſtarke hölzerne Bollwerfe und verforgten die Stadt
184
an allen Orten mit Büchſen, Pulver und anderm Zeug nad) aller Notdurft,
und ſchickte man ihnen auch Tag und Nacht von Bern und Freiburg, was
fie begehrten und nötig hatten. Denn der Ernft war groß; fo ging die ge-
meine Rede dergeftalt, daß man fich wohl verjah, der Herzog würde jein
Yager davor aufichlagen.
Die frommen bandveiten Yeute von Straßburg, die denen von Bern
und andern Eidgenoffen zu allen Zeiten gar getreuen Beiftand erzeigt haben,
ichieften auch ihre eigenen Büchſenmeiſter, vier ehrliche Männer, dazu ihre
Büchſen und anderes Sriegszeug auch gen Murten, die auch mit denen von
Bern und andern großen Fleiß und Ernſt hatten, wie fie alle Sachen zum
Beiten verjehen möchten. — — —
Und als fi) mm der Herzog von Burgund mit jolcher großer Macht
und all jeinem Kriegszeug vor Yaufanne gefammelt hatte und alle Städte
und Schlöffer voll Volkes lagen und nichts übrig blieb, als daß man jeinen
Mutwillen erwarten mußte, da wurde von dem Herzog und den Seinen
jtetS und überlaut geredet: er jei vor Grandjon von böjen Bauern und armen
Bettlern vertrieben und ihm jein großes Gut genommen ımd abgewonnen
worden, das ihm nicht wieder werden fünnte; darum wolle er jie ftrafen und
alle töten und erhenfen ! und zuerft mit denen, jo in Murten wären, anfangen.
Wegen folchen Drohens und Schadens waren die von Bern und die
Ihrigen in Murten unerichroden und wurden mur um jo mannhafter und
beberzter ; denn fie meinten, er werde abermals großes Gut von Gold, Silber
und andern Dingen mit fich bringen, was fie ihm abermals meinten abzu-
gewinnen. — — Und schickten auch Dazwischen allerlei Brovifion an Büchſen, Pulver
und andern Dingen, desgleichen Mehl, Wein, Fleiſch und anderes gen Murten,
damit es für alle Fälle defto bejfer verjeben wäre. Der vorgenannte Haupt:
mann von Bubenberg und andere, die bei ihm waren, schrieben auch ihren
Herren von Bern zu allen Zeiten gar getroft, und war ſtets ihr Rat umd
Meinung, der Eidgenofjen und anderen Zugewandten zu warten, jo wollten
fie fich auch getroft und ritterlich halten und von Murten nicht jcheiden bis
in den Tod, damit fie ficherlih und ehrlich entjchüttet werden möchten,
Und aljo an einem Samstag vor der heiligen Dreifaltigteit [8. Juni] ®
des vorgenannten Jahres brach der Herzog von Burgund mit umjäglich großer
Macht und all jeinem Kriegszeug, Büchſen, Pulver und andern Dingen aus
jeinem Yager und Wagenburg zu Yaufanne gegen die Statt Murten
auf. — —
' Brgl. dazu Panigarola an den Herzog von Mailand (Schreiben vom 12. Juni
1476): „So viele Zchwerzer der Herzog befommen kann, läßt er aufhängen, und das
geſchah von geſtern auf heute ſchon mit füufen.“ O bienbein, Urkunden S. 261. —
® Schilling irrt fih indes in dieſer Sekaugabe in Wirflichfeit fand der Aufbruch
ihen am 27. Mai ftatt (3. Odhfenbein, a, a. O. S. 221),
L_
185
Und den andern Tag, am Sonntag der heiligen Dreifaltigteit |9. uni]
ward Murten die Stadt von dem Herzog von Burgumd berannt und be-
lagert mit großer Gewalt und Macht. Da ließ der Hauptmann alsbald bei
200 wehrhafte Männer hinauslanfen; die fcharmügelten mit ihnen und er:
ftachen umd verwundeten den Feinden mehr als 50 Mann, und gejchah ihnen
von Gottes Gnaden fein Yeid. Und den andern Tag, am Montag, ward
Murten die Stadt ganz umlagert mit jo großer Macht, daß niemand zu
noch von ihnen fommen konnte; nur den See hatten die von Murten inne,
was auch denen von Bern und ihnen wohl fam.
Das alles jchrieben und entboten der Hauptmann und andere Räte, jo
in Murten waren, von Stund an ihren Herrn und Obern gen Bern. — —
Alſo wurden von Stund an Räte und Zweihundert verfammelt und ward von
denen beichlofjen, daß man beförderfich Boten in alle Städte, Yänder, Herr:
ſchaften und Gebiete mit Briefen ausſchicken und alfenthalben ftürmen folfe, da:
mit männiglih Tag und Nacht gen Bern fomme und die frommen Yeute in
Murten entjchütten helfe.
Und am Dienftag darauf, als der Herzog mit jo großer Gewalt und
Macht vor Murten war, fing man eifrig an, zu der Stadt hin zu graben,
und [fie] legten die zwei großen Hauptbüchſen diesfeits der Stadt, gegen
Bern zu, da der Graf von Romont lag. Daraus ſchoß man heftig die
Mauern nieder an demfelben Ort, und war ein groß Gejchrei von ihnen,
und drohten ihnen, jie alle Stunden zu henfen. Es wurden auch von den
Feinden etliche Bogenpfeile nach Murten hineingefchoffen mit papierenen Zed—
dein. Auf einem ftand gefchrieben: „hr Bauern von Bern, übergebt die
Stadt und das Schloß, ihr vermöget euch nicht zu halten; denn alle Häm—
mer möchten nicht Geld genug jchlagen, daß ihr damit. erlöst wurdet ; wir
fommen bald in die Stadt umd werden euch fangen, töten und an euren
Gurgeln erhenken.“ — —
Solche ſchändliche Sachen und Drohworte wurden von ihnen viel geſehen
und gehört und dachten wenig an den allmächtigen ewigen Gott, in deſſen
Gewalt alle Dinge ſtehen, der ſie auch alle mit einem Gedanken hätte er—
drücken und verderben können. — — Aber der Hauptmann und die andern in
Murten waren in der Stadt gar ſtill und ſchrien und redeten nicht laut, auf
daß die Äußern nicht hören noch vernehmen möchten, ob ihrer wenig oder
viel wären, und taten ihnen mit Schießen und täglichem Scharmützeln großen
Abbruch und Schaden. Sie hatten auch, ſo lang der Herzog vor Murten
lag, der Stadt Tore ſtets Tag und Nacht offen, und wurden nie geſchloſſen;
denn ſie lagen in den äußern Bollwerken, die ſie ſelber gar ſtark und feſt
gemacht hatten, Tag und Nacht und hatten große Mühe und Arbeit, wie
ſie ſich vor einer ſolch großen Gewalt zu halten vermöchten. Sie wurden
von dem großen Schießen und den Drohworten, die an den Zeddeln in die
186
Stadt geſchoſſen wurden, auch nicht befünmmert noch verzagt, jendern fie ge-
wannen dadurch mit männlichem Bergen, wie fie denn das gen Bern jchrieben,
fie wären davon [nur] defto fühner geworden und wollten mit der Hilfe Gottes
ihnen dejto männlicher widerjtehn und an dem Ort jterben und genejen. — —
Da num mit den großen Hauptbüchſen gegen die Stadt Murten heftig
geichoffen ward und die Mauern auf der einen Zeite gar weit niedergefallen
waren, da wurde am Dienjtag vor 10000 Nitter-Tag |18. Juni] abermals gar
heftig gegen die Stadt aus den Hauptbüchſen gejchoffen, und wurden des—
jelben Tages bei jiebenzig Schüffe daraus getan. Der Herzog ließ auch all
jein Volk desjelben Tages mebr ald einmal juuftern; desgleichen tat ber
Graf von Romont auch, md trieben das den ganzen Tag mit großem Ge—
jchrei und Schall, damit jie die im der Ztadt Murten hätten mögen zu
Schreden bringen. Und da es Abend ward an demjelben Tage, zwijchen
ſechs und fieben nachmittags, fingen fie an die Stadt zu ftürmen an dem
Ende, da die Mauern und Häujer abgejchojfen und niedergefallen waren,
und kamen mit jo großer Macht und unfäglichem Gejchrei, daß davon viel
zu jchreiben wäre. Sie trugen auch mit fich Yeitern, Ärte und anderes Zeug,
das zu einem Sturme dient, und waren ihrer jo viel, daß jich einer vor dem
andern kaum rühren fonnte, und fingen den Sturm mannlid an.
Der Hauptmann und die andern in der Stadt hatten ſich des vorher
wohl verjehen und eine Ordnung gemacht, daß jedermann wüßte, wohin er
gehn und was er tum ſollte. Und alſo mit unverzagtem Mut umd ganz ftille
nahmen jie die Sache je ritterlih an die Hand und jtellten ich zur Gegen-
wehr, mit Schieken, Schlagen und anderm, daß die Feinde fejt zurücgetrieben
wurden; denn fie hatten ihre guten Büchlen von der Stadt durch die Gräben
hingerichtet, daR ihrer damit gar viel erichoflen wurden, und hatten gar gute
Büchjenmeifter von Straßburg und auch von Bern bei jich, die ſich an jelbem
Sturm und auch ſonſt mit Schießen gar ehrlich und fromm gebalten; des—
gleichen auch andere getan haben, denn ich babe von dem von Bubenberg,
dem Hauptmann, gehört und vernemmen, daß jedermann in der Ztadt mann:
lih und willig und fein Berzagter unter ihnen war, und die Zeinen waren
ihm auch alle geborjam, wie er jie ordnen oder tun bie, was auch ein be-
jonderes Glück und Gnade von Gott dem Allmächtigen war; denn Gehorjam
bringt in allen Sachen gar viel Gutes, und wo man den braucht und dazu
Sottesfurcht bat, da mag frommmen beftändigen Yeuten nicht wohl mißlingen.
Das ſoll jedermann bedenken und jich davon nicht weiſen lafien.
Der Hauptmann und die Seinen batten auch in dem Graben, wo man
ſtürmte, etwas Fußeiſen, die man Kegel nennt, gelegt und heimlich verborgen,
worin die Feinde auch ftarf geichädigt wurden. — — Und wenn die zyeinde
die Toten, jo von denen in der Ztadt ericheffen waren, hinweg zogen oder
trugen, je murden dann diejelben Sieber oder Träger bei ihnen von Stund
187
an auch erichoffen. Und währte diefer harte Sturm mehr als drei Stunden
nacheinander gar lang in die Nacht. So zogen fie mit großer Schande
mieder ab und verloren bei demjelben Sturm, mit denen, die erichoffen, er:
ihlagen und verlegt wurden, bei taufend Mann, wie man das nachmals von
der Widerpart wohl vernahm, was aud ihr rechter Yohn und Verdienen war,
und geichab von Gottes Gnaden denen in der Stadt nichts, darım wir dem
allmächtigen Gott billig danfen jollen.
Und als nun die von Bern mit den Ihren zu Gümminen waren und
ſolch Schiefen zum Teil hörten, wiewohl fie nicht vernehmen fannten, was
es war, da ward unter dem gemeinen Volk ein großes Murmeln, und wäre
jedermann gern nach Murten gezogen zur Rettung und Gntjchüttung der
Zeinen; denn jeder hatte feinen Bruder oder nächften Freunde darin liegen.
Tas wollten die Werfen nicht geftatten umd meinten, man jolle die Eid-
genoffen und andern Verwandten erwarten, die das auch herzlich begehrten,
und man jchicte auch oftmals biderbe Yeute, dazu Speife und anderes nachts
gen Murten über den See hinein, damit fie deſto befjern Troft und Auf:
enthalt haben möchten, wiewel der Hauptmann und die andern Räte bei
ihm zu allen Zeiten jchrieben und begehrten, Vernunft in diefen Dingen zu
brauchen und die Eidgenofjen und Verwandten zu erwarten; jo wollten fie
auch als biderbe Yeute tum und nichts ungelitten laſſen, damit jie ficher ent:
jhüttet werden möchten. — —
Der vorgenannte Hauptmann von Bubenberg hatte auch auf einmal
vernommen und gemerkt, daß etliche bei ihm in Murten waren, die begannen,
verdrofjen, auch ungehorjam und zaghaft zu werden. Da ließ er in der
Stadt die ganze Gemeinde verfammeln und fing an, gar ernftlich mit ihnen
allen von diefen Dingen zu reden, und gab ihnen zuerft mit viel vernünftigen
und unerjchrodenen Worten zu erfennen, wo Ungehorſam und Zaghaftigkeit
unter Völfern, daß jolches eine ganze Zerftörung Yanden und Yeuten wäre, und
gebot ihnen allen darauf, bei ihren geichworenen Eiden, die fie ihm getan
hatten: wenn jemand von dem andern, wer der Jauch] wäre, von Näten,
Burgern oder ſonſt zaghafte Worte hörte, merkte oder vernähme, oder daß
jemand, dazu er geordnet wäre, ungehorjam fein wollte, dar jie dann bei den:
jelben Eiden ſolche unnütze Yeute alsbald erjtechen und vom Yeben zum Tode
bringen jollten, damit die Spreuer von den Kernen und die Böjen von den
Guten kämen, und die, welche das nicht tum wollten, die follten aber der-
gleichen zaghafte und jchnöde Yeute zu ihm bringen, jo wolle er jie von
Ztund an richten und durchaus nicht leben noch unter ſich wandeln laffen.
Und wenn auch jemand dergleichen zaghafte Worte oder Werfe von ihm oder
den Räten, die bei ihm wären, hörte oder vernähme, jo jolle man bei ihm
und ihnen anfangen und fie auch fröhlich und ohne alle Furcht erjtechen. Er
redete auch desgleichen mit denen von Murten, daß fie im diefen Sachen
— ⏑—⏑ ——
188
feine Berräterei noch Zaghaftigkeit an ſich kommen laſſen ſellten: denn mo
er das vernähme, heimlich oder öffentlich, ſo wolle er dieſelben ale nach ihrem
Verdienen von Stund an richten laſſen und niemand darin ſchönen. Und nad
jolcben Worten und Verordnungen ward jedermann geberfam und berte man
bernach von niemandem mehr ein zagbaftes Wort. Das war alles gar ver:
nünftig und männlich gebandelt, und man mag dabei auch merfen und verftebn:
wire in dem Schloß Grandſon cin erfahrener und woblerprofter Haurtmann
geweſen, der ſich nach den Kriegsläufen gerichtet bätte, es wire ibnen nicht
jo jibel ergangen.
73. Die Schlacht von Murten. 22. Imi 1476.
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189
auch mit viel ehrlichen Leuten und erzeigten ſich in allen brüderlichen Treuen
nach ihrem beſten Vermögen.
Und da nun die frommen handveſten Leute von Zürich auch mit ihrem
Banner und Macht ausgezogen und auf den Beinen waren, da wurden die
Zachen deſto länger verzogen, und wollte man um Ehre und Treue willen
ihrer warten, wie fie auch das begehrten und auch gar bald getroft und
mannlich nachfamen. Da waren alle Hauptleute, Venner und Räte von Städten
und Yändern, dazu andere Bundesgenoffen und Verwandten Tag und Nacht
bei einander, zu bedenfen und zu vatjchlagen, wie fie die Sachen nad) Ehren
angreifen und an die Hand nehmen möchten. Denn fie waren immer in
Zorge, der Herzog und die Hauptjchuldigen würden ihnen entrinnen, wie
vorher vor Grandjon gejchehen war. — —
Und aljo an einem Samstag früh, der da der hi. zehntaujend Ritter
Tag war [22. Juni], ward einhellig verordnet und abgeredet, daß jedermann
zuerit daS Amt der heiligen Meffe hören und Gott um Gnade und Barm- '
berzigfeit bitten, auch zu Morgen ejfen und ſich dann zurüften und bereiten
jellte, Doc fand man manchen Biedermann, der weder ejfern noch trinfen
wollte, bis die Sachen vollendet wären. Indeſſen kamen die frommen hand—
veiten Yente von Zürich, wie oben jteht, auch mit ihrem Panner und ganzer
Macht, und waren jehr müd und erjchöpft, da fie Tag und Nacht gezogen
waren. So hatte es auch die ganze Nacht geregnet und war tiefer, böjer Weg
und regnete auch Samſtags über die Mafen jtarf, aljo, daß fie dennoch mehr
als jehshundert Mann von den Ihren in den Hölzern zurücklaſſen mußten,
die vor rechter Müdigkeit nicht hinkommen mochten. Nichts dejto minder famen
jie herbei und zogen von Stund an mit andern frommen Yenten mannlich
dran und war auch ihr guter Wille und Meinung, daß man um ihretwillen
nicht mehr warten noch feiern. jolle, was man ihnen auch zu Gutem nicht
vergeſſen joll.
Und alfo ward von Stund an eine Vorhut gemacht und dazu die von
Thun und Entlibuch geordnet mit ihren Pannern und einer geeigneten Schar
von allen andern Eidgenofjen, und ward auch derjelben Vorhut zum oberjten
Hauptmann bejtimmt Herr Hans von Hallwil, der ein gar trefflicher
Ritter und ein Burger von Bern war und auch mit großem Ernſt und Ver—
nunft diefe Sachen nach Notdurft verfah. Und ward auch derjelben Vorhut
die Neiterei zugeordnet, auf fie acht zu haben mit jamt den Büchien- und
den Armbruftichüten, die auch bei ihnen waren, dazır auch viel lange Spieße,
die neben ihnen auf einer Seite gingen.
Danad) gingen alle Banner und Zeichen von Städten und Yändern mit
einander, mit Hellenparten und Mordärten, deren über die Maßen viel waren,
Denjelben Bannern und frommen Yeuten waren auch bei taufend Mann mit
langen Spießen, die zu beiden Seiten neben den Pannern gingen, zugegeben
190
und zugeordnet, die zu bejchirmen, und auf diefelben ward aud) eine große
und ftarfe Nachhut geordnet und gemacht, deren Hauptmann Kaſpar von
Hertenſtein von Yuzern war, welcher dabei auch vernünftiglih handelte !.
Und alfo nach jolhen Ordnungen zog jedermann mit männlichen Herzen
und unerjchroden in dem Namen des allmächtigen barmberzigen Gottes, der
hochgelobten Königin, der Magd Maria, und der heiligen zehntaufend Ritter,
an deren Tag es auch war, und festen die von Bern befonders große Hoff—
nung auf diejelben zehntaufend Ritter, da es ihnen vor mehr als hundert
‚jahren beim Streit von Yaupen, der auch an demſelben Tag geihah, wohl
und glücklich) gelungen war, da auch ihre Herzfreunde und alten Eidgenofjen
bei ihnen waren, wie man dann das in der alten Bernerchronik gar lauter
findet. Und zogen aljo oben durch den Buchwald gegen Diurten und auf des
Herzogs Yager zu gegen einen Hag, da des Herzogs Vorhut war, auch in
guter Ordnung und ganz gerüftet. Und als fie einander anfichtig wurden und
etliche von den Vorpoften anfingen zu jharmügeln, da ward jedermann, je
einer von dem andern, von den Eidgenofjen nach ihrem Löblichen Herfommen
und alter guter Gewohnheit angerufen und ermahnt, dem heiligen bittern
Verden unſers Herrn Jeſu Chrifti umd auch den zehntaufend Rittern fünf
Pater nofter und Ave Maria mit ausgebreiteten Armen zu beten und jeine
göttliche Gnade umd Barmherzigkeit anzurufen. Das geihah auch wohl zum
fünften Male von jedermann mit großem Ernite.
Es wurden auch vor dem Angriff, wie nicht unbillig war, gar viel Ritter
geichlagen, nämlich der Herzog von Yothringen, der deifen von ganzem Herzen
begehrte, dazu andere Grafen, Freie, Herren, Edle und andere fromme Leute.
Deren waren über dreihundert und verdienten es nachmals wohl,
Und bald nach dem geihah der Angriff, und ward auf beiden Seiten
mit großen Steinſchlangen und anderen Rüchjen gar heftig geſchoſſen, was etliche
übel entgelten mußten. Und mit unverzagtem Mute hieben die Reifigen drein
und neben ihnen das Fußvolk, als Hellbarten, Büchjenichügen und die langen
Spieße. Und wurden alle Ordnungen von Stund an durchbrochen und kamen
zuerft an einen Hag, darüber man nicht fommen mochte, jo daß fie wieder
umfehren und nebenzu durch einen engen Weg zu Roß und Fuß brechen
mußten ?, was leider etlichen übel befam. Denn wäre derjelbe Hag nicht da
Da Schilling es unterläßt, den Befehlshaber des Gewalthaufens anzugeben, fo jet
bier erwähnt, dag Etterlin, der felbit an der Schlacht teilnahm, darüber folgendes fchreibt :
„Und da man zu dem Holz fam, da begann man die Ordnung zu machen Da war ein
ſtreuger notveſter Ritter, genannt Herr Wilhelm Herter, der damals beider Herren
von Oſtreich und Lothringen Dienſtmann war: der ward zu einem oberſten Hauptmann
geſetzt. Ter fina an, machte und ordnete die Ordnung.” Ansbelm IT. 18 (neue Ausgabe
I. 336) nennt Waldmann als „obriften Hauptmann vor Murten“, was fich wohl, wie
man allgemein annimmt, auf den Cberbefebl des Gewalthaufens bezieht.
® Vergleiche dazu das Tagebuch des Basler Kaplans Jobannes Knebel, überfett
ven Burtorf-FFalteiien II. £. 65: „Ritter Wilbelm Herter war Feldhauptmann und
191
gewejen, hätten fie bei jenem erften Angriff großes Yob und Ehre eingelegt,
nachdem denn die Burgunder zuerjt ritterlich widerjtunden und auch in ganzer
Ordnung waren.
Und alfo zog jedermann mit freiem Mut gar mannhaft wider des Her-
zogen Yager und in jeine Wagenburg mit jolhem Zchalle, daß der hoffärtige
Burgunder Herzog und die Seinen in Flucht gerieten. Und ward der Ernit
jo groß, daß alles, was fie erreiten und erlaufen mochten, von ihnen nieder-
geichlagen und getötet ward, und fam auch ſolch große Angſt und Not ımter
fie, daß gar viele von rechtem Jammer und Schreden in den Murtenjee
reiten und laufen mußten, daß er von der Stadt Murten bis oben an das
Moos, da er ein Ende hat, ganz voll Yeute ſtand und lag, die alle darin
erftohen und erjchlagen wurden und fich auch jelber aus rechter Angſt und
Not ertränfen mußten, daß die niemand wegen der Menge der Leute zählen
‚ noch überjchlagen konnte. Und waren beinahe alles Yombarden, da diejelben
ihr Yager bei der Stadt unter den Nufbäumen neben dem Zee hatten.
4. Ein Lied von der zu Mancy. 5. Iannar 1477.
Lilientron II. S. 104, Tobler IT. S. 66.
I. Nun wend wir aber ' heben an 3. Der pund der gab vil lüte dar,
das beft, das ıch gelernet han: der eidgenoflen ein große ſchar
und ? wie es ift ergangen mit werbaftigen handen
zuo Nanfen zuo, filert ev mit im
da batends’ all ein verlangen, wol in das mweliche lande.
2. Herzog von Yutringen, das edel bluot, 4. Zuo St. Niklausport ſtuond in der Zimt,
er ichreib den pundgenofien quot, - da lagend vil der Walchen ® in,
ja wie er wär gelegen fie wurdind all erichlagen.
vor Nanſen zuo dein Herzog Karl
mit manchem küenen degen. von Burgunn tet man's jagen.
Ordner der Schlachtiharen, einer der Tapferiten. Aber da war auch ein Führer aus
Schwiz, ein Pandammanı (mabricheintih nicht Kätzi, wie gewöbnlih angenommen
wird, da derjelbe vor 1497 gar nicht Yandammann geweien zu fein eur, — fiebe Kälins
Berzeichnig der Yandammänner von Schwiz im Geſchichtsfreund Bd. — jondern
Dietrich in der Halden, * auch nach der Schlacht Schwiz am — 9 zu
Freiburg vertrat It. Abſch. II. S. 602), der als ein ſehr kluger Mann den Seinen den
Rat gab, nicht in gerader Hichtuing den Angriff zu tun, fondern um einen Hügel berum,
den Yombarden unerwartet. Alſo ſeine Helebarde ergreifend, stieg er vom Pferde, schritt
ſeiner Schar voran, führte fie in Ichräger Richtung gegen den Feind, jtärzte mutig auf ihn
und errang den Sieg.“
' Abermalg. — ? nur cinführend, erklärend: nämlich. — * Welichen.
192
m rg 1.
5. Er richt die Büchſen uf 'em plan, 12. Den vortanz folt er ban getan,
er wont !, der pund folt fomen dar, do wolt er nit im feld beſtan,
der won ? bat in betrogen; er fieng an zuo flieben;
e er fih bedacht, do bequnden fie
da bat man im überzogen. friſchlichen nach im ziehen.
6. Er lag in einem tiefen hol ®, 13. Er g’ftedte 17 in eim graben tief,
man zog im zuo, das wust er wol, menger man rann umde !® Tief,
noch dennocht ® wolt er nit flichen: bi im mwolt nieman bliben;
wol berlich # tet fin end mmost er
er inen engegen ziehen. allein im graben vertriben !
7. Es was der Welfchen ungelüd ?; 14. Ja er ift ie ?% geweſen rich,
er bat beftellet mengen ftrid, dem ficht er iez gar ungelich *',
daran mwolt er fie ® benfen:, man bat in nafet funden;
an finen tod nafet und bloß
er tet gar wenig denfen. mit fin verferten ?? wunden,
8. Sie knüwtend nider auf dem plan, ' 15. Nun fröume dich, du Hagenbac,
fie ruoftend Marien gots muoter an du heigift leid oder ungemad,
mit ufgebepten händen: din berr ift zuo dir fomen!
„und kum uns zuo bilf ür ? beder gwalt
an unſerm letten ende!“ ift üch uf erden gnomen!
9. Sie giengend wider ? uf den plan, 16. Man leit den berzogen uf ein bar,
fie grifiends’ wider gar frölich an man fuorte in gen Nanien zwar ?#,
mit feiferlichem '9 vechte, je tod ward er erichlagen:
Narl von Burgunn berzog Reinhart
der bat vil ftolger nechte ", bat in zuo Nanien begraben.
10. Fa fte lüffend '? Durch ftuden und dorn, 17. Man burmt ein fapellen an die ftat,
das teten fie uß ganzem zoru, und ® da der berzog erichlagen ward,
dann inen was jo gache "?, mit drien ** mejlen zu meren ®;
fie Schuchend '*4 mit die wicht 2? man in
das Tate !’ noch die lachen. der belgen dri künegen ere *®,
11. Do er die ſcharpfen balparten fach !%, 18. Der ung das liedli nüw gefang,
von den im zZ Murten we geichach, zwen Schwizerknaben find fie g'nant,
dazuo die langen lanzen, fie band’8 gar wol gefungen,
wolt er nit me Karl von Burgunn
in irem reien tanzen, ift nümen beim gefomen!
ı Mähnte. — * daber. — ’ Wahn. — 4 Höble, Loch, Vertiefung. — * dennod. —
6 prächtig, ſtattlich — 7 Unglück. — * nämlich die Eidgenofien, — * wie zu Murten. —
'" polltommen. — “! Krieger. — '* Tiefen. — ſie hatten ſolche Eile oder Begier. —
ſcheuten. — Pot. — 6 ſah. — 17 blieb fteden. — '* und — "9 zubringen. —
20 je, einmal. — * ungleih. — ** tötlih. — * euer. — ** wahrlich. — * nämlich. —
6 Drei. — 37 das Andenken, die Stiftung zu vermehren. — ** weibt. — ?° den
b. T
reifömigen zu Ehren,
De
>:
= :
193
75. Aus einem Schreiben Adrians von Bubenberg
vom 24. Auguft 1477.
Aus Füßli, Johannes Waldmann ©. 22.
Im Auguſt 1477 fendete die eidgen. Tagfatung den Adrian von Bubenberg von
Bern, Hans Waldmann von Zürich und den Urner Hans Imhof an Ludwig XI.
von Frankreich, um ihm für die Freigrafſchaft um Waffenſtillſtand zu erſuchen und den
zrieden zwifchen dem König und den Burgundern zu vermittelt. Die Geſandten berichteten
über ibre Reife in ausführlichen Relationen, die nach ihrem Inhalt von keinem andern als
von Adrian von Bubenberg herrühren lönnen, obſchon fie von allen drei Boten unterzeichnet
find und früher fälſchlich Waldmann zugefchrieben wurden. Der erſte Bericht erzählt die
Aufnahme, welche fie bei dem Herrn von Graon, dem Befehlshaber der franzöfifchen Streit
kräfte in der Franche Tomte, fanden, den ſie vergeblich zur Einftellung der Feindſeligleiten
gegen die Burgunder zu bewegen juchten, und endet mit folgenden für den edeln Bubenberg
bezeichnenden Worten:
Ä nd wiewohl uns die Herren im Abjchied viel freundliche Worte
gaben, jo founten wir doch an ihrer Art und Weije nichts anderes
J vermerken, als großen Unwillen, und mußten überall hören, fie
wollten noch unjer Herr und Meijter werden. Doch laffen wir das in feinem
Wert bejtehen, denn der gemeine Mann redet oft mehr als ihm befohlen wird.
Aber nichts dejto minder, Gnädige Yiebe Herren! jo jeid weije und bedenfet
eure Sachen wohl und laſſet euch von des Königs Geld und feiner Räte
Züßigfeit nicht verführen, daß ihr Sachen tuet, die unfere Nachkommen ent:
gelten möchten. Fürwahr die Franzoſen haben mit jolcher Behendigfeit jchon
manches Yand betrogen und in Kummer gebracht und tun es noch täglich, daß
ih für mein Teil wollte, wir hätten minder mit ihnen zu fchaffen, als wir
leider haben. Da uns und unſern Vorfahren noch feine Penjion vom König
ward, behielten wir mit getreuen Untertanen und Nachbaren Yand und Leute,
Yieber laßt uns Teutjche bleiben; die welſche Zunge ift untren! Wir hören
au, ihr hättet die 6000 Fußfnechte verwilliget !; das gefällt uns drei Boten
übel; denn wir vernehmen, man werde fie an Orte in Frankreich legen
zwiichen die Waſſer, daß fie nicht heimfommen fünnen, wenn fie wollen. —
Und furz: Wir jehreiben Euern Gnaden die Sachen gar viel glimpflicher, als
wir fie jehen und hören. Doc jo hoffen wir, der König werde die Dinge
und jeine Ehre beijfer bedenken dem bisher. — — —
' Nämlich dem König von Frankreich zur Unterwerfung der Freigraficaft.
Oechsli, Quellenbuch. 13
194
1.
2.
76. Hans Biols Lied von der Schladyt bei Giornico.
28. Dezember 1478.
Lilienkron IL 5.147, Tobler II. 70.
Hand Viol von Yuzern fang auch ein Lied von der Schlacht von Murten; fonft ift
von feiner Perſon nichts bekannt,
Nun merlend offenbare,
was iez in kurzer frift !
gegen einem nümen jare
je Girmis geichehen ift:
die fhlang von Mailand ift zogen uf,
dem ftter von Urt in fin land;
des * ift die ſchlange fomen ze ſchand;
num mertend uf difen ftruß!
Bi einem Hofter da lagen
mine herren der eidgnoſſen knecht.
v’Mailänder begondend ? jagen:
das fpil (das) wird uns recht!
ein anſchlag tetend fie bebend,
vil bald fie z'ſamen famend,
vil fpieß und züg + fie namend,
fie woltend geben end >,
Sie begondend ſich befachen ®.
mit werhaftiger Hand;
ein lager woltends' machen
dem ftier von Uri ins land.
ir anfchlag der was bert und ſcharf,
die Tütſchen begondend wichen,
fie woltend binder fiche ?
gen Girmis in das dorf.
D’Meiländer das erfachen,
fie ructend wol uf dem ban ®,
fie begondend fere gaden ®,
mer denn vierzechentufend man.
fie namend für ſich!“, nun merfend das,
den eidgnofjen wib und Kind z’erftechen,
den jchaden woltens' rechen,
der in geicheben was. \
Do fie beim Höfterli !! fahend
den biffelstopf '? an der mur,
v’Meiländer ir wafen namen,
fie ftalten fih gar jur '?;
fie bieten '* in berab mit gwalt,
mit lüejen '® und mit boßen '*,
als obs' in mweltind ftoßen;
ir boffart was managfalt.
D’Meiländer jhrumend jere,
vor Bellenz da wär ein bol '”,
die gräber !* wärend Iere,
fie macdtinds’ miderum vol;
dafür da hulf weder guot nod lift!
fie beroubtends’ gotshus unfer frowen,
di bernden !? böum tetends’ abhowen;
vor in hatt man fein frift *0.
Mit großer macht fie famend,
fie woltend geben end.
der eidgnojien knecht das vernamend,
fie ruften ® fich ouch bebend.
ir houptman gab in mis *?? und ler:
„ib umb, ir knaben alle!
ob ?* got mil, jo gewinnen
wir hüte quot und er!“
! Bor kurzem. — * davon, dabei. — ꝰ begannen. — * mahricheinlich ift gemeint
„reifiger Züg“ — Neiterei, oder dann Züg = Nriegszeng, Ausrüftung, Geſchütz sc. —
> einen enticheidenden Schlag führen. — * rüften. — ' binter fi, zurüd. — * Bahn. —
9 eiten. — ' fie nabınen ficb vor. — " Frauenkloſter in Poleggio am Eingang des Pivinen-
tales. — '? das Umer Wappen. — '? fie jtellten fib gar grimmig. — '* badten. —
15 brüllen. — ’* jchlagen, Hopfen, — Loch. — !* der in der Schlacht bei Arbedo (1422)
gefallenen Eidgenoſſen. i Frucht) tragenden. — *0 Ruhe, Zicherbeit. — *rüſteten. —
“2 Unterweiſung. — 9 wenn.
8. Ir fromleit ! tet fich regen:
der eidgnoffen knecht hochgemeldt ?,
fie zugend in entgegen
alls in demjelben feld.
ir warent hım jehshundert man,
gar ritterlih und gar ftille,
nach ires herzen wille
griffen vierzechentufend an.
9. #?, das was ein großer grümel *,
der Ihimpf was ungehür ®,
„Ihüß, ftich, ſchlach in fchiimel ®,
wir madend d’fiende tür ?
fo gar mit ritterlihem muot,“
ſprach einer zuo dem andern;
man jtrafet die Meilander
mit einer fcharpfen rıtot.
10. Meilender tet man erichlagen
wol fechzechenhundert man,
die andern tet man jagen,
das feld man in ang'wann ®;
man g’wann in an vil großes guot,
acht koſtbarliche fchlangen ®,
achtundzwanzig edlen gefangen ;
des battends’ fröud und muot.
11.
12,
14.
195
Bil haggenbüchſen ſchwere,
dreihundert handbüchſen guot,
fünfhundert armbruſt oder mere
ließend d'Meiländer in der buot '9;
darzuo vil mul *! und hüpſcher roß
ließend d'Meiländer an der hetze
den Tütſchen zuo einer leige !*;
ei wie übel das fi verdroß!
An derjelben ſchlacht iſt gemeien,
Zürich das ort fo guot,
min bern von Puzern ußerlejen,
Uri mit friem muot
und Schwiz alls ouch das loblich ort,
die find geweſen bi dem ſchimpf,
des hand all eidgnofien er und glimpf:
fi füerend der eren ein bort.
Sant Gotthard fol man prifen,
er ſchwebt im land fo fri,
er tet fin fraft bewiſen,
den finen wonet er bi,
als ouch den fromen Yiviner,
die find geweſen bi derielben ſchlacht
fo gar mit ritterlicher macht;
des haben fi pris und er.
17. Der dies liedli am allererftien fang,
Hans Bio! ift er's genant.
zuo Luzern es ze lob erflang
den eidgenoſſen allen fant.
er hat's gefungen uß friem muet;
er ſpricht, es wär menger gerne rich
und lebte ander lüten gli:
fo vermögen wir's nit all am quot!
77. Hans Waldheims Befuc bei Bruder Klaus. 1474,
Abgedrudt in Balthajars Helvetia II. ©. 287 fi.
Hans von Waldheim, Ritter und Ratsherr in Halle an der Saale, begab fib im
Frühjahr 1474 auf eine Betfahrt nah Südfrankreich, die er nad feiner Rücklehr jelbit
Frömmigleit im Sinne von Bravbeit,
ihnen abgewann. —
Tüchtigleit, Tapferleit. — * berühmt. —
He! — + Lärm. —* der Spaß war unheimlich. — 5 auf den Schimmel? — 7 rar. —
° Seldichlangen. — "9 in der Obhut der Eidgenoffen? oder im
Hinterhalt? — !! Manttiere. — 1 Abjchiedsgefchent.
—
196
beſchrieben hat. Da er ſchon in Halle von dem Bruder Klaus, dem heiligen Eremiten in
Unterwalden, gehört hatte, ftattete er demfelben auf der Rüdreije einen Beſuch ab und er:
zählt darüber folgendes:
Darnad) famen wir in ein Dorf, genannt Kerns. Die Herberge ift bei
dem Ammann unter der Flüe. Es ift gejchehen, als ich in der Herberge in
des Wirts Stüblein ſaß, fette ji der Wirt zu mir und ſprach: „Outer
Junker, warum feit ihr hieher in dies Yand gefommen? Seid ihr um Bruder
Klauſen willen bieher fommen, den zu ſehen?“ Da jprad ih: „Ja.“ Ant—
twortete mir der Wirt: „Es ift nicht gut zu ihm zu fommen; denn er läßt
nicht gern einen jedermann zu ihm. Aber wolltet ihr gern Bruder Klauſen
jehen und gerne zu ihm werden, jo will id) euch meinen Rat und Gutdünfen
jagen; anders möget ihr nicht zu ihm fommen. ir haben in diefem Dorf
einen Yeutpriefter; das ift bei uns ein Pfarrer. Der ift Bruder Klaufens
Beichtvater. Wenn ihr den fünntet vermögen, daß er mit euch zu Bruder
Kaufen gehen wollte, der fünnte euch zu ihm bringen, daß ihr ihn jehen
möchtet und mit ihm reden.” Alſo bat ich den Wirt zur Stunde, daß er
wollte nach dem Yeutpriejter jenden und ihm bitten laſſen, daß er auf das
Abendeffen wollte mein Gaft jein. Das geſchah. Als wir num bei der Mahl-
zeit ſaßen, berichtete ich den Yeutpriefter: Ich wäre von fernen Yanden gar
vieler langer Wege dahin geraten, hätte in unfern Yanden von einem lebendigen
Heiligen gehört, der hiefe Bruder Klaus, der hätte in jechs Jahren nicht
gegejjen noch getrunfen, umd ich wäre darum da, daß ich ihn gerne jehen
wollte. Und bat ihn, ich hätte verftanden, daß er jein Beichtvater wäre, und
daß niemand zu ihm als durch ihm umd jeine Hilfe fommen fünnte, daß er
um Gottes Willen ſich nicht wolle verdriefen noch ihm ſchwer jein laſſen,
und auf morgen Donnerstag mit mir zu Bruder Klauſen reifen. Da ant:
wortete er mir, er wolle es gerne tun. Alſo hub der Wirt an und ſprach:
„Suter Junker, ihr jollt nicht gehen. Ich will euch zum Reiten einen grauen
Hengft leihen; denn ich habe drei gar jäuberliche Hengſte in meinem Stalfe
ftehen, derer follt ihr einen nehmen, welchen ihr wollt.“
Am Donnerstag nad Eraudi war der Yeutpriefter oder Pfarrer mit mir
und meinem Knechte und mit meinen Schiffleuten bereit früh, und [wir] rei:
jeten eine halbe Meile; in unſerm Yande wäre es eine gute Meile. Und als
wir den Weg wohl halb gereifet hatten zu Bruder Klauſen, da jpracdh der
Yeutpriefter zu mir, ob ich nicht auch Bruder Klauſens Frau umd feinen
jüngften Sohn gern jehen wollte? Sprach ih: „Ja.“ Alſo wies er mir
über ein tiefes Tal an einem Inftigen Berge eine Behaujung und ſprach:
„Da hat Bruder Klaus gewohnet, und da wohnet noch jeine rau mit jeinem
jüngften Sohne, und jeine andern großen Söhne, die beweibt find, die wohnen
auch nicht fern von da." Und ſprach zu dem Schifffnaben und Jungen:
„Yauf hin zu Bruder Klauſens Frau und jag ihr, ich will Meſſe halten:
197
will fie Meffe hören, daß fie komme und bringe ihren jüngften Sohn mit
ihr.” Und wir gingen fürder und famen zu Bruder Klaujens Klaufe Daran
haben ihm die Schweizer eine Kapelle gebaut, die hat drei Altäre. Und als
wir jo in der Kapelle ftanden, fragte mich der Yeutpriefter, wovon ich gern
Meife gehalten haben wollte. Sprach ich: „Yon Sankta Marien Magdalenen.“
Alſo trat der Yeutpriefter auf den Altar und fuchte das Officium von Sankta
Marien Magdalenen, und als er das in dem Meßbuch gefunden hatte, da
jah er fih um und ward Bruder Klauſens Frau gewahr mit ihrem Sohne,
und er ging zu mir und führte mic) zu Bruder Klauſens Frau und zu ihrem
Sohne. Alſo gab ih ihr die Hand und auch dem Sohne und bot ihnen
einen guten Morgen. Es iſt feine Frau noch eine fäuberliche junge Frau
unter 40 Jahren und hat ein ſäuberlich Angefiht und ein glatt Fell.
Alſo hub ih an und ſprach: „Yiebe Frau, wie lange ift Bruder Klaus von
euch geweſen?“ Sprach fie: „Diejer gegenwärtige Knabe, mein Sohn, der
wird num zu St. Johannis des Täufers Tag fieben Jahr alt, und als der
Knabe 13 Wochen alt war (das ift zu St. Gallen Tag), da ſchied Bruder
Haus von mir umd ift jeit der Zeit noch nie mehr zu mir gefommen. Alſo
hatte ich viele Nede mit der Frau und mit ihrem Sohne, und der Syunge
ift grade geftaltet, wie Bruder Klaus, gleich als ob er ihm aus den Augen
gejchnitten wäre. Alſo gab ich dem Jungen zu vertrinfen. — — —
Bruder Klaus ift ein feiner Mann in meinem Alter, in feinen beften
Tagen, bei fünfzig Jahren. Er hat braun Haar umd hat noch fein grau
Haar. Er hat auch ein wohlgeftaltes, wohl gefärbtes, dürres Angeficht, und
ift ein gerader dürrer Mann von einer lieblichen guten deutfchen Sprache. Er ift
ein gewaltiger Amtmann in dem Yande gewejen. Er ift aud) in vielen Haupt-
ftreiten gewejen. Die Schweizer haben Bruder laufen Tag und Nacht im
erften, als fie fi) verwunderten, daß er nicht aß noch trank, bewachen und
behüten und bewahren laffen, zu jehen, ob ihm jemand bei Tag oder bei
Nacht heimlich Eſſen oder Trinken zutcüge. Man bat e8 aber noch nie er-
fahren oder befunden, denn er nicht iſſet noch trinfet, jondern er lebt der
Gnade des allmächtigen Gottes. Bruder Klaus, der hat dajelbft zu Unter:
walden jeine Klauſe an einem wilden Ende unter den Alpen, da die Gemfen
und Steinböde wohnen und laufen, was denn gar köſtlich und edel Wildpret
ft. Bruder Mans hat auch die Gewohnheit, daß er oft einen Tag oder
zwei, wenn er feine Beſchaulichkeit haben will, in den wilden Wald geht und
darin allein ift. Man jagt auch in dem Yande dak Bruder Klaus oft und
viel zu Unſerer Tieben Frauen zu Einfiedeln geyehen” wird und fein Menſch
vernimmt von ihm unterwegens, dem er weder hin noch her begegnete. Wie er
nun aber, oder durch welche Wege er dahin kommt, iſt Gott dem Allmächtigen
wohl bewußt.
Ehe ich zu Bruder laufen fan, ward mir gejagt, er hätte feine natür:
198
fihe Wärme bei fi}, fondern er hätte Hände, die wären jo falt wie Eis,
auch wäre ihm fein Angeficht gelber und bleicher, denn einem Toten, den
man follte in ein Grab legen. Er wäre auch ftetigli traurigen Mutes und
nimmer fröhlich. Sch preche aber, daß ich der Genannten feines an ihm
erfand. Denn er war zum erjten natürlich warm, die Hände waren ihm auch
natürlich warn, wie einem andern Menjchen; denn Kunze, mein Knecht, und
ich haben fie ihm zu vier oder fünf malen unſer jeglicher angegriffen, jo
hienach gejchrieben fteht. Sein Angeficht war ihm auch nicht gelb noch bleich,
ſondern e8 war ihm von rechter Yeibfarbe, wie einem andern lebenden, natür-
lichen, wohlmögenden gefunden Menjchen. Er war nidyt traurigen Mutes,
jondern in all jeinem Gejpräh, Wandeln und Handeln befunden wir ihn
feutjelig, umgänglich, behaglich, fröhlich und zu allen Dingen freundlich. — —
Wieder zu fommen auf meine vorige Rede und Materie. Der Yeut-
priefter und Pfarrer von Nerns hielt Gott und uns in Bruder Klauſens
Kapelle von Sankta Marien Magdalenen eine Meſſe. Und als die Meſſe
aus war, da ging der Leutprieſter . .. und führte uns zu Bruder Klauſen in
jeine Klauſe, an der Kapellen liegend. Und als wir zu ihm in jeine Klaufe
famen, da empfing ung Bruder Klaus mit fröhlihem und lachendem Ange:
jichte und er gab unſer jeglichen jeine Hand, die dann nicht Falt, fondern
natürlid) warm war, und da das geſchah, bat er ung, daß wir ung ein wenig
enthielten; er wolle dem Bolf, das die Meffe gehört hätte, zufprechen. Alſo
ging er von uns gen die Kapelle, und tat dagegen ein Glasfenſter auf und
jprah: „Gott gebe euch einen guten jeligen Morgen, ihr lieben Freunde
und ihr liebes Bolt.“ Des dankten fie ihm. Alſo tat er das Glasfenfter
wieder zu und jegte fich bei uns nieder. Alfo erzählte ich ihm, wie ich aus
fernen fremden Yanden zu Sankta Marien Magdalenen und zu Sankta Armen
und zu den andern lieben Heiligen geraten wäre und auch zu ihm. Als er
das hörte, fprach er zu mir: „Ich habe meine Kapelle zu Sankta Marien
Diagdalenen Ehre weiben laffen.“ Alſo erzählte ich ihm nun alle die Ge—
Ihichten von Marien Magdalenen, und ich erzählte ihm jo viel, dar ihm
jeine Augen übergingen. Darnach jagte er uns viele liebliche göttliche Yehre.
Als nun das geichah, da hub ich an und ſprach: „Yieber Bruder Klaus,
ih babe in unfern Yanden und aud bier gehört, ihr jollet nicht eſſen noch
trinfen, und jollt in jehr vielen ‚fahren nicht gegejjen noch getrunfen haben.
Wie ift es darum?“ Er antwortete mir und ſprach: „Gott weiß”. Und bub
darnad) an und ſprach: „Es wären etliche Yeute, die jprächen, das Yeben, das
ich führe, das möchte von Gott nicht fein, fondern von dem böjen Geifte. Darım
jo hatte mein Herr won Koſtnitz, der Biſchof, drei Biſſen Brodes und auch
St. Yohannisiegen gegeben und geweiht, in Meinung, wenn ich die drei gejeg-
neten Bijfen Brot äße umd den heiligen gejegneten Trank St. Johannis tränfe,
jo wäre es recht um mich; würde id) aber das Brot nicht ejfen und den Tranf
199
nicht trinfen, jo wäre es ein wahrhaftiges Zeichen, daß meine Dinge und
Yeben mit dem böjen Geifte zugingen. Und unter andern vielen Reden hub mein
Herr, der Biſchof von Koftnig, an, umd fragte mich, was in der heiligen
Chriftenheit das Alterbefte und das Allerverdienftlichfte wäre. Antiwortete ich
ihm und ſprach: Das wäre der heilige Gehorfam. Da jprach mein Herr, der
Biſchof, alfo: „Fit der Gehorfam das Beſte und das Allerverdienftlichite, jo
gebiete ich euch in Kraft des heiligen Gehorſams, daß ihr dieſe drei Biſſen
Brot ejfet und diefen Trunf St. Johannis trinfet!" Alſo bat ich meinen Herrn,
den Bifchof, er wolle mir dies erlaffen und überheben, inden mirs gar ſchwer
und bitter peinlich zu tun wäre. Das bat ich ihn mehr als einmal. Er
wollte mirs aber nicht erlaffen noch überheben, und ich mußte das von Ge—
horſam [wegen] tun und das Brot efjen und den Trank trinfen.
Alſo ſprach ich zu Bruder Klaufen: „Habt ihr aud) feit der Zeit mehr
gegeffen noch getrunfen?" Alſo fonnte ich ihm nichts anders abfrageu, denn
er ſprach: „Gott weiß." ! Und nach andern vielen Reden nahm ich einen güt-
lihen Urlaub von ihm und ich befahl mich in fein inniges Gebet. Alfo gab
er ung jeine Hand, und fchieden aljo von ihm.“
78. Die Tagſatzung zu Stans am 22. Dezember 1481.
Aus Diebod Schillings Fuzernerhonif S. 9 fi.
Diebold Schilling, der Neffe des gleihnamigen Berner Chroniften, Kaplan bei
St. Beter in Yuzern, fchrieb zwifchen 1507—13 eine Yuzerner Chronif, wobei ihm das
1507 im Drud berausgefommene Wert Etterlins als Grnndlage diente; doch enthätt feine
Arbeit von 1450 an manderlei Zufäte und Ergänzungen, die ihr troß mander Irrtümer
einen felbftändigen Wert verleihen,
NS alle Burgundifchen Kriege abgetan, beide Vereinungen mit dem
Papfte und auch dem König von Ungarn bejchloffen und alle
Eidgenoffen wohl mit einander eins und zufrieden waren, umd
aber die zwei frommen ehrlichen Städte Freiburg ımd Soloturn an-
fänglih allein mit denen von Bern im Verftändnis waren und aber mit
gemeinen Eidgenoſſen in den Burgundiſchen Kriegen viel Yiebes und Yeides
erlitten, die Ihren verloren, auch den Eidgenoffen mit Treuen und gutem
Willen zugezogen waren, wären fie aud) gern mit gemeinen Eidgenofien in
! Einem andern Befucher, der ihn fragte: „Biſt dur der, welcher ſich rühmt, in foviel
Jahren nichts gegefien zu haben? antwortete der Einſiedler: „Suter Vater, ich habe
niemals gejagt und fage es wirklich wicht, daß ich nichts eſſe.“
A
Rat, bei gemeinen Eidgenoſſen zu werben und bittweiie an fie zu gelangen,
jie zu ihnen im ihren Bund zu nehmen, damit jie von Fürſten und Herren
und andern deito höher geachtet umd ihres tröftlichen Zuziehens halber be-
lohnet und angejehen würden.
Und aljo auf ihren Ratſchlag ichickten die beiden Städte Freiburg und
Zoloturn ihre trefflihe Botihaft von Ort zu Ort, erzäblten davon alfen
Gemeinden ihr Anliegen, baten fie freundlih und mit allem Ernſt fleigiglich,
einen Tag bierüber nach Yuzern zu leiften und ihnen darüber gute Antwort
zu geben. Derjelbe Tag ward ibnen zu leiften zugejagt und nicht weiter,
und jedermann [ging] darauf daheim zu Nat, ob man ihre Bitte ehren umd
fie annehmen wolle oder nicht. Und aljo ſchickten alle Orte ihre treffliche
Botichaft jegliches mit jeiner Antwort gen Yuzern. Da nun jedermann zu
Luzern verjammelt war, und die von Freiburg und Zolotum allen Fleiß
anfehrten, mit hober fleikiger Bitte, fie anzunehmen, mit viel Ermahnens,
anzıjehen die Treue und Guttaten, Yiebes und Yeides, jo jie in den Bur-
gundiichen Kriegen mit einander erlitten und noch fürderhin zu baben im
Willen hätten, ward ihnen von den Städten ſolches zugejagt. Aber man
mochte viel oder wenig tagen, die Yänder wollten ſolches weder jehen noch
hören, und blieb die Sache alſo anjtehen, und ward von etlihen Orten
wenig betrachtet, wie wohl die zwei Städte in den Burgundijchen Kriegen
erihoffen waren oder in fünftigen erichießen mochten. Das aber fonnten
Züri, Bern, Yuzern und etlihe Orte mehr wohl ermejjen und hätten
ihnen darım gerne Dank gejagt; denn fie bejorgten, wo fie ſich an andere
Yeute gehängt haben jollten, daß jolches einer ganzen Eidgenofjenichaft übel
erichoffen wäre.
Und da aljo viel Tage hierüber geleiitet und beiderjeits große Koften,
Mühe und Arbeit gebraucht ward und jolches in feiner Weife von den Yändern
mochte erlangt werden, wollten dennoch Züri, Bern und Yuzern die von
Freibnurg und Zoloturn nicht ganz verjchüpfen, fo doch diejelben beiden
Städte nicht begehrten, jich mit jemand wider die Eidgenoffen zu verbinden,
und darauf machten die von Zürich, Bern und Yuzern ein ewig Burg:
recht mit den beiden Städten Freiburg und Soloturn umd fie wiederum
mit ihnen, verichrieben, verfiegelten und befeitigten jolches in der bejten Form
und übergaben einander Die Briefe und jchrieben demnach jtets im ihren
Miifiven einander Mitburger. Das aber vernabmen die von den Yändern
auf Tagen und jonft, davon fie feinen Gefallen, jondern groß Verdrießen
hatten.
Dies Burgrecht dauerte aljo eine Heine Zeit. Die drei Länder Uri,
Schwiz und Unterwalden fingen auch am zufammenzutagen; denn fie
hatten an ſolchem Burgrecht ein groß Mißfallen und merklich Verdrießen, und
insbejondere war ihre Meinung und Begehr, meine Herren von Yuzern
201
davon zu bringen. Doc ftanden Zug und Glarus in der Sache ftill umd
wollten fich feiner Partei beladen, außer dann freumdliche Mittler darin zu
jein. Umd als fie auch hierüber geratjchlaget hatten, kamen fie gen Yuzern
und begehrten von denfelben meinen Herren von Yuzern freundlich, von ſolchem
Burgrecht abzuftehn, denn die Binde möchten das in feiner Weije erleiden,
und wo fie das von ihrer Bitte wegen nicht tum wollten, fo wollten fie aber
darım ihre Mahnbriefe darlegen, wie fie auch taten; denn die drei Yänder
wollten vor allem meinen Herren von Yuzern jolches nicht gejtatten, weil fie
mit beiondern Bünden zujammenverbunden wären. Und wie fie zu Yuzern
die Sache vornahmen, aljo taten fie auch zu Zürich und Bern. Ihnen ward
aber damals feine weitere Antiwort, außer daß fich die Städte Bedenfzeit
nahmen.
Und als mın die drei Städte fi zu einer Antwort vereinbarten und
bierüber ihren Ratichlag ausmachten, jette man den Yändern einen Tag an
und gab ihnen zur Antwort, fie hofften umd getrauten nichts anders getan
noch gehandelt zu haben, denn was den Ehren ziemte, und was fie kraft
der ewigen Binde, e8 ſei der vier Waldftätten Bund oder andere, wohl tun
möchten. Zudem hätten fich die biderbeu Leute von Freiburg und Soloturn
jo ehrlich mit ihnen allen in den burgundifchen Kriegen gehalten, auch Yeib
und Gut jo gar treulich zu ihnen gejegt, daß es billig ſei, dieweil fie ihnen
die Ehre, ſich mit den Eidgenofjen zu verbinden, nicht gönnten, ihnen doch
darum etwas andere Guttaten und Freundſchaft dagegen zu erweiſen. Darımı
jo vermeinten jie und wollten ſich auch getrauen, mit Recht bei diefem Burg—
«recht zu bleiben, und hofften auch, ihnen möchte jolches, Burger aufzunehmen,
niemand wehren; denn fie meinten, davon nicht abzuftehen, fondern nach In—
balt der Binde mit ihnen zu rechten, dieweil fie doch ihnen nie gewehrt
hätten noch wehren wollten, Yand, Yeute oder Burger aufzunehmen, wo ihnen
die beliebten.
Da man mın dies beiderjeits lang trieb und viel Tage mit großen
Koſten hierüber leiftete, ward ein jehr böfer Zanf und großer Streit daraus,
und jonderlich fingen die Yänder an, meinen Herren heftig zu drohen und
viel ſpitze Wörtlein zu geben, jolchermahen, dak dennoch meine Herren, wie
wohl jie ihnen ſtets Recht boten, vermeinten, fie müßten ihre Stadt be-
wahren, ein Schuggatter auf dem Wickhaus!, auch etlih Schieklöcher in
Türmen und Mauern machten, jowol gegen den See und jonjt, was die
Yänder erjt übel verdrof. Doch nichts deſto minder fchlugen beide Partien
einander das Necht vor nach dem Wortlaut der Bünde. Und ward folch
Wilhus mhd. = ein feſtes Gebäude für den Krieg, Feſtungsturm sc. In Luzern
war das Wilhus ein feſtes bei der St. Peters Kapelle ſtehendes Haus, das der Abtei
Engelberg gehörte.
Recht gen Stans nid dem Wald angejeßt. Daſelbſt brachte jedermann jeine
Sade vor das Recht; aber es kam dazu, wie viel Leute [auch] auf beiden
Seiten waren, Vermittler und andere, daß man fich auf zwei Tagen durchaus
nicht einigen konnte und unfreundlich abichied. Doch ward dennoch jo viel
hierin gearbeitet, und noch ein Tag vorgeichlagen, acht Tage vor dem Weih—
nachtstage zu Stans zu fein, was beide Parteien zujagten und auch hielten.
Und als mm die Zeit [da war] und man abermals gen Stans fam, mollte
jih die Sache nach viel Mühe und Arbeit zu Feiner Freundſchaft ſchicken,
verzog jich doch bis auf St. Thomas Abend [20. Dezember), daß es je länger
je böfer ward.
Zu dieſen Zeiten war ein ehrlicher frommer Priejter Kirchherr zu Stans,
hieß Herr Heini am Grund, von Yuzern gebürtig, Bruder Klaufen felig
im Ranft jehr angenehm. Derjelbe Herr Heini verftund und merkte joviel,
daf nichts anders, denn ein Krieg daraus werden wollte. Der ftund in der
Nacht auf und verfügte jich jchnell zu Bruder Klaufen, legte ihm die Dinge
vor und verzog die Sache jo lang, dak man im Schiedsgericht zu gleichen
Stimmen geteilt umd jedermann nah Mittag willend war, heimzufahren
und fich mit dem zu bebelfen, was er ſich dann getraute, zu feiner Recht—
fertigung vorzubringen; denn niemand verſah ſich mehr eines andern, denn
des Kriegs. Als man nun gegeffen und abjcheiden wollte, da Fam Herr
Heini von Bruder laufen gelaufen, daß er jchwitte, lief allenthalben in die
Wirtshäufer, bat die Zugeſetzten! mit weinenden Augen, ji um Gottes und
Bruder Klaufen willen wieder zujammen zu verfügen und Bruder Klaujen
Rat und Meinung zu vernehmen. Das gejhah nun. Was er aber brachte,
ward nicht jedermann geoffenbaret, jondern Herrn Heinen von Bruder laufen
verboten, das jemand außer den Zugeſetzten hund zu tum.
Und aljo gab Gott das Glück; wie bös die Sache vor Mittag war,
ward fie doch von diefer Botſchaft an viel bejfer und in einer Stunde ganz
und gar verglichen und aus dem Wege gejchafft. Und alsbald ward Jo—
bannejien Schilling jelig, meiner Herren von Yuzern Schreiber, der
mein Vater war, bei dem ich auch jelber in Stans und jein Sub:
ftitut war, befohlen, den Ausgleih, wie er den vorher aufgejegt hatte,
jchriftlich zu verfaffen, wie auch eilends geichah. Und wurden aljo die
von Freiburg und Soloturn in demselben Ausgleih aufgenommen, wie jie
denn jegt find, und ward das Burgrecht abgetan, auch nene Briefe gemacht,
die man nennt die Verkommnis von Stans. Desgleichen läutete man allent-
balben Freude, und beendigte diefe Sade am St. Thomasabend 1481. Die-
jelbe Bertommnis ward mit alfer Orten Ziegeln befräftigt und angenommen,
I Zcdnedsricter,
203
auf ewige Zeiten mit den Bünden zu bejchwören. Darin aud der Brief von
Sempach, wie man ſich in Streiten halten foll, beftätigt und begriffen wird.
79. Die Stanfer Derkommnis. 22. Dezember 1481.
Eidgen. Abfchiede IIT.1. ©. 69%.
1. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geiftes. Amen,
Wir YBurgermeifter, die Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Yandleute
und Gemeinden insgejamt diefer hienach gemeldeten Städte und Yänder:
namlich von Züri, Bern, Luzern, Uri, Schwiz, Unterwalden
ob und nid dem Kermmwalde, von Zug mit dem äußern Amt, fo dazu gehört,
und von Glarus, als die aht Orte der Eidgenofjenichaft bekennen öffentlich
und tum fund allen denen, die diefen Brief immer jehen oder lejen hören:
Nachdem wir denn fraft unjerer ewigen gejchwornen Bünde, die denn
durch die Gnade und Hilfe des ewigen Gottes unjeren Vorfahren jeligen Ge—
düchtniffes und ums bisher zu gutem Frieden, Glück und Heil erjchoffen,
ewiglih zufammen verbunden find, und uns zufteht, mit wachender Fürſorge
alles das zu betrachten und vorzunehmen, damit vorab diejelben unjere ewigen
Bünde defto Fräftiger beichirmet und unfer aller Yand und Peute im gutem
Frieden, Ruhe und Gemach erhalten werden, haben wir mit gutem Wiffen,
einbelligem Rate und mutbarer Vorbetrachtung uns dieſer nachgemeldeten
Sachen, Stüde und Artikel, die aljo bei unſern Ehren und guten Treuen für
uns und alle unjere ewigen Nachfommen fürbashin ewiglich gegen einander
unverjehrt, wahr und ftet zu halten, mit einander gütlich vereinbart und die
zwiichen uns abgeredet, erläutert und beſchloſſen, wie hienach folgt und aus:
drücklich enthalten ift.
2. Des erften, dar unter uns den vorgenannten acht Orten ... . weder
durch jich jelbft noch durch unfere Untertanen, Burger, Landleute oder durch
jemand anders niemand den andern mit eigener Gewalt freventlich [mit
rieg! überziehen, noch ſonſt irgendwie weder an Yeib, no an Gut, an
Städten, Yanden, noch an Yeuten, an feinen Untertanen, Burgern, Pandleuten,
neh an denen, jo ihnen mit ewigen Binden verwandt find oder in Gelöbnis
fteben, irgend welchen Schaden noch Ungebühr, jemand dem andern das Seine zu
nehmen, [ab] zu nötigen oder die Seinen abzudrängen, in irgend einer Weije vor:
nehmen, noch das zu tum fich unterstehen joll. 3. Und wenn jemand unter uns den
vorgenannten acht Orten insgejamt oder insbejondere, davor Gott ewiglich jei,;
jemand dem andern an dem Seinen oder an den Seinen oder an denen, wie
davor erläutert ift, ſolche Sachen, wie obenfteht, zufügte, vornähme oder da=
Ba
204
wider täte: damit jolches dann verbütet und unſer alfer geichworne Bünde
fräftiglich beichirmet werden, und wir alle miteinander deſto eher in brüder:
licher Treue, Frieden, Ruhe und Gemach bleiben, welchem Orte oder den
Seinen, wie vorjtebt, dann dies unter uns je begegnet, jo ſollen und wollen
wir übrigen Orte alle gemeinfam dasjelbe Urt und die Zeinen, wie vorfteht,
jo aljo bedrängt würden, vor jolcher Gewaltſamkeit und [folchen] Übermut, un—
gehindert aller Sachen, mit guten Treuen ſchirmen, ſchützen und handhaben,
ohne alle Gefährde. 4. Und wenn unter uns irgend welche einzelne Perſonen,
eine oder mehrere, irgend einmal ſolchen Übermut, Aufruhr oder Gewaltſam—
feit, wie obitebt, gegen jemand unter uns oder den Unſeren oder denen, wie
vorher erläutert iſt, ohne Necht vornäbmen oder begingen: wer oder von
welchem Urt unter uns die auch wären, die jelten, jo oft das gejchieht, von
Ztund an nach ibrem Verdienen und Geftalt der Sache darım von ihrey
Derren und Übern obne alle Verhinderung und Widerrede geftraft werden.
5. Doc vorbebalten: wenn jemand der unſern unter uns in des andern Ge—
richten oder Gebieten irgend welche Frevel beginge oder Aufruhr machte, mag
man daſelbſt die Täter feftnebmen ımd die jemweilen um jelche Frevel und
bukwürdige Sachen nach desjelben Orts umd der Gerichte dajelbft, da ſolches
ie zu Zeiten geichiebt, Recht und Herkommen trafen und rechtfertigen [vor
Gericht ſtellen), ohne Gefäbrde.
6. Wir find auch übereingefommen und baben geſetzt, daß auch fürbas
bin unter uns und in unſerer Eidgenoſſenſchaft, weder in Ztädten noch in
Yündern niemand irgendivelde fonderbare gefäbrliche Gemeinden, Sammlungen
oder Anträge, davon dann jemand Zchaden, Aufrubr oder Unfug entjtehen
möchte, weder beimlich noch öffentlich vornehmen noch tun fell, ohne Willen
und Erlauben jeiner Derren und bern, nämlich von Zürich eines Burger:
meilters und der Räte, von Bern des Zchultbeifen und der Räte, von Yuzern
eines Zchultbeißen, der Käte und Dundert, von Uri, Schwiz, Unterwalden,
Zug und von Glarus der Ammänner, der Kate und ibrer Gemeinden dajelbit.
1. Und wenn dawider jemand unter uns irgend melde ſolche gefährliche Ge—
meinden, Beſammlungen und Anträge, wie veritebt, zu tun vornäbme, Dazu
Hilf oder Nat täte, der und dieielben sollen alsdann nach ihrem Verſchulden
geitrads und obne Zerbindern von ihren Herren und bern geitraft werden.
S, Wir buben auch insbeſendere zwüchen uns abgeredet und beichlojfen,
das fürbesbin in ımierer Gitgenere schaft und unter una bei Eid ımd Ehre
niemand dem andern die Zeinen zu Ungeberiam aufweiſen Tell, wider ihre
Verren und Über zu jem noch jemandem die Zeimen abzteben oder verjuchen
widertpenittg zu machen, dadurch Die abtrünnig oder ungeborfam werden
mochten. 9. Und went jemanden ımter uns die Zeinen widerſpenſtig fein
wellten eder ungehborſem würden, dieielden ſellen wir einander mit guten
205
Treuen förderlich helfen ihren Herrn wieder gehorjam machen, nad) Yaut und
durh Kraft unjerer gejchworenen Bundbriefe.
10. Und da denn in dem Brief, fo vor Zeiten nach dem Streit zu Sem-
padh im Jahre 1393 durch unſere Vorfahren jeligen Gedenfens, wie man fich
in Kriegen und Reiſen halten jolle, jo wir mit unfern offenen Pannern zu Feld
ziehen, etliche Artikel gejegt und beichloffen worden find: haben wir zu weiterer
Erläuterung, uns und unjern Nachkommen zu gute, in Ddiejer ewigen Ver—
kommnis abgeredet und bejchloffen und denjelben Artifel aljo geſetzt: Wohin
wir fürderhin mit unjern offenen Bannern oder Fähnlein gegen unfere Feinde
ziehen werden, gemeinjam oder umter uns eine Stadt oder ein Yand bejonders,
alle die, jo dann mit den Pannern oder Fähnlein ziehen, die jollen auch bei
einander bleiben als Biederleute, wie unjere Vorfahren von jeher getan haben,
was für Not ihnen oder uns auch begegnet, es jei in Gefechten oder andern
Angriffen, wie dann derjelbe und andere Sachen und Artikel in dem obge-
meldeten Brief, nad) dem Sempacherſtreit gemacht, des weitern und bejtimmter
ausgedrüdt jind.
11. Haben wir ferner auch gejegt und beichloffen, dak vorab berjelbe
Brief und auch der Brief, jo vor Zeiten durch unfere Vorfahren felig auch
gemacht worden ijt, von Brieftern und andern Sachen wegen, in dem
Jahre des Herrn 1370, mit allen ihren Punkten, Stüden, Sahen und Ar-
tifeln, wie und in allem Maß, was diejelben beiden Briefe enthalten und
begreifen, fürbashin unverfehrt in ganzen guten Kräften bleiben und feſt—
gehalten und daß dabei zu ewigem Gedächtnis diejelben beiden Briefe und
auch dieje freundliche ewige Verkommnis von nun an, jo oft wir unjere ewigen
Bünde beſchwören, allenthalben unter uns in allen Orten öffentlich vor unfern
Gemeinden gelefen und eröffnet werden jollen.
12, Und damit alt umd jung unſer aller gejchrworne Binde dejto eher
im Gedächtnis behalten mögen und denen wiſſen nachzufommen, jo haben wir
angejeben umd verordnet, daR die fürbashin zu ewigen Zeiten und ftets in
alfen Orten von fünf zu fünf Jahren mit gejchwornen Eiden erneuert
werden jollen.
13. Wir haben auch zwiichen uns lauter bejchloffen und abgeredet, wo
und jo oft wir fürbashin gegen jemand zum Kriegen oder Reiſen kommen,
was dann an Gut, Geld oder Brandichägen in ſolchen Kriegen oder Reiſen,
in Schlachten oder Gefechten dereinjt mit der Hilf Gottes von uns erobert
würde, daß folches nach der Summe und Anzahl der Yeute, jo jeglicher Ort,
Städte und Yänder unter uns in ſolchem Zug und Gefecht gehabt hat, den
Perjonen nad gleichmäßig geteilt werden ſoll. 14. Wenn wir aber Yan,
Yeute, Städte oder Schlöffer, Zinfen, Nenten, Zölle oder andere Herrlichfeiten
en
206
in ſolchen Kriegen eroberten oder einnähmen, die fjollen unter ung nach den
Orten, wie von Alters ber, gleichmäßig und freundlid) geteilt werden. 15. Und
wenn wir jolche eingenonmene Yänder, Städte, Schlöffer, Zinje, Renten, Zölle
oder Herrlichfeiten dereinft in Folge von Unterhandlungen wieder zu löſen
gäben um irgend eine Summe Geldes, des jei dann wenig oder viel, dasfelbe
Geld joll auch unter uns Orten von Städten und Yändern gleihmäfig geteilt
werden, freundlich und ohne Gefährde.
16. Wir haben auch erläutert und hiemit ausdrücklich beſchloſſen, daß
dieje freundliche und ewige Verfommnis uns die vielgenannten Orte und
Städte und auch alle die, jo in unjerer Eidgenoffenichaft mit ung reifen, auch
unfere Untertanen, Burger, Yandleute umd die, jo mit ung in ewigen Binden
find und uns in Gelöbnig ftehen, berühren foll und |fie] darin begriffen jein
[folfen]: ausgenommen Städte, Schlöffer, Yande und Yeute, Zinfen, Renten,
Zölle und Herrichaften, die follen uns Orten von Städten und Yändern, wie
vorfteht, zugehören und unter uns geteilt werden.
17. Und in diejer freundlichen ewigen Berfommnis behalten wir uns
jelber vor, daß dies alles, wie vorher erläutert iſt, unfer aller ewigen Bünden
unvorgreiflih und unjchädlich fein joll und daß dabei denjelben unfern Binden
zu Kräften und Beſchirmung diefe ewige Verfommnis nad all ihrem Anhalt
unverjehrt gehalten werden joll, getreulich und ohne Gefährde.
Und deſſen alles zu wahrem, feſtem und immerwährendem Urfund, jo
haben wir obgenannte acht Orte, Zürich ꝛc., unfer aller von Städten umd
Ländern Siegel für uns und unfere ewigen Nachkommen öffentlich an dieſer
Briefe acht gehängt, die von Wort zu Wort gleichlauten und jeglichem Ort
unter ung einer gegeben worden ift, am nächjten Samftag nad) St. Thomas-
Tag des heiligen Zwölfboten, als man zählte von der Geburt Chriſti unſeres
Herrn taufend vierhundertachtzig und ein Jahr.
80. Aus dem Bunde mit Freiburg und Soloturn. 22. Dezember 1481.
Eidgen. Abſchiede II. 1. S. 698 f.
1. In Gottes Namen, Amen. Weil ſeit dem Falle des erſten Menſchen
durch Länge der Jahre und Veränderung der Zeit die Sinnlichkeit der Ver—
nunft hinſchleichet und es deshalb nötig iſt, zur Unterrichtung und ewigem
Gedächtnis den Künftigen die Dinge und Sachen, die unzerſtörbar, ewig
bleiben ſollen, dem Zeugnis ſchriftlicher Wahrheit zu befehlen, darum ſo künden
wir der Burgermeiſter, die Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Landleute
—
207
und ganzen Gemeinden von Zürih, Bern, Yuzern, Uri, Schwiz,
Unterwalden ob und nid dem Kernwalde, von Zug mit dem äußern
Amt, jo dazu gehört, und von Glarus als die acht Orte der Eidgenojjen-
ihaft einesteils und wir die Schultheigen, Räte, Burger und ganzen Ge—
meinden der Städte von Freiburg in Ochtland und von Soloturn
andernteils allen und jeglihen Menſchen, die diefen gegenwärtigen Brief in
fünftigen Zeiten je anjehen, leſen oder leſen hören, daf wir mit gutem Herzen
betrachtet haben jolche Treue, Yiebe und freundliche Einhelligfeit, damit unjere
Altvordern jeligen Andenfens in allen ihren Nöten, Gejchäften und Sachen
getren Hilf, Yeib und Gut zujammen zu ſetzen von jeher mit einander gewohnt
gewwejen find, darauf zu beharren und ... joldhe Yiebe und Freundſchaft zu
mehren. So haben wir dieje ewige getreue Freundſchaft und Bündnis mit
einander eingegangen und gemacht, jegen, machen und verbinden ung wiffentlich
mit diefem Brief für uns und alle unfere ewigen Nachlommen in der Mei—
nung, wie dann das hienach von Wort zu Wort ausdrüdlih enthalten ift.
Dem ift aljo:
2. Erftens, daß wir einander getreulich beholfen und beraten fein follen
und wollen, mit unferm Yeib und Gut und wider männiglich, jo ung an
Yanden, an Peuten, an Yeib, an Gut, an Ehren, an Freiheit und an unſerem
löblihen alten Herfommen fortan zu fränfen, Krieg oder Schaden zuzufügen
ſich unterftehen werden, . . alfo und mit jolchen rechten Bedingungen:
3. Wenn wir die obgen. acht Orte insgemein oder ein Ort unter ung im
bejonderen fürbashin mit jemand in Krieg gerieten, und wir die vorgenannten
unjere getreuen lieben Eidgenofjen von Freiburg und Soloturn durch unjere
Boten oder verfiegelteun Briefe um Hilfe mahnen werden, jo oft das gefchieht,
jollen jie ung alsbald und fürderlichjt mit ihren Pannern und Yähnlein, wie
wir das je begehren, ihre Hilfe und die Ihren jchiden und das tun in guten
Treuen in ihren eigenen Koften, und was und wie viel fie ums je zu Zeiten
ſchicken, damit jollen wir uns von ihnen gütlich begnügen.
4. Desgleichen, wenn wir die vorgen. Städte Freiburg oder Soloturn
fürbashin auch mit jemand in Krieg gerieten, und wir, wie vorjteht, die
vorgen. unjere getreuen lieben Eidgenoſſen der acht Orte um uns zu leijtende
Hilfe durch unſere Boten oder verjiegelten Briefe mahnen werden, daß fie ung
alsdann auch fürderlichit mit den Ihren zu Hilfe kommen follen, auf ihre
eigenen Koften, jo oft das nötig wird, im diefen hienach gemeldeten Zielen
und Kreijen:
5. Erjtens, um mit uns den obgen. von Freiburg anzufangen, durch
die Grafihaft von Greyerz, jo weit und fern die geht, und von da bis
gen Oron, von Oron gen Milden, von Milden gen Stäffis, von
208
Stäffis gen Grandcour, und von da bis zu oberft am Murtenjee, und
von da hinab bis an die Brüde gen Gümminen.
6. Und aber, um mit uns den obgen. von Soloturn anzufangen, erjtens
oberhalb der Herrichaft zu Grendhen, da des Bistums von Bajel, der
Stadt von Soloturn und derer von Biel hohe und niedere Gerichte zufammen-
ftoßen, unfern von Yügliftall und da himüber in die Probſtei Münſter
in Grandval, jo weit und fern diejelbe Probjtei geht, und von da in die Herr-
ichaften Tierjtein, Gilgenberg und Pfeffingen, jo weit diejelben drei
Herrichaften reichen, item von denjelben drei Herrichaften hinüber gen Schön—
tal, jo weit und fern unfere, [derer] von Soloturn, Herrichaften Falkenſtein,
alt und neu Behburg langen und gehn, item von Schöntal und den jett ge-
nannten drei Herrichaften . . . bis zu der Platten auf dem niedern Hauen-
ftein und von derjelben Platten hinüber bis in die Herrichaft Kienberg,
jo weit diefelbe Herrichaft gebt, und von dem Schloß und der Herrichaft Kien-
berg bis zu St. Lorenzen Brunnen ! in unferer, derer von Soloturn, Herr:
Ihaft Gösgen, und dann von dem Urſprung desjelben St. Yorenzenbrummen
dem Erlisbacd nad durd die Herrichaft Gösgen bis in die Aare. 7. Und
was und wie viel uns dieſelben unjere getreuen lieben Eidgenoffen der acht
Orte je zu Zeiten ſchicken, damit jollen und wollen wir uns von ihnen auch
gütlih begnügen.
9. Und wenn wir obgen. acht Orte insgemein oder einzeln die gen.
unjere getreuen lieben Cidgenofjen von Freiburg und Soloturn jamt oder
jonders in unjern Kriegen oder Reifen, wie vorjteht, dereinjt um ihre Hilfe
mahnen werden und fie ung die jchiden, oder wenn jie ſonſt ungemahnt mit
ihrer Hilfe zu uns fommen, desgleichen wenn fie in ihren Kriegen oder Reifen
um unjere Hilfe mahnen ꝛc., was dann in jelchen Kriegen oder Reiſen .. an
Yanden, an Yeuten, Städten oder Schlöffern, Zinfen, Renten, Zöllen oder
andern Herrlichkeiten mit der Hilfe Gottes durch fie und ung je eingenommen
oder erobert werden, ... daran jollen fie wie ein anderer Ort unter uns
nach Anzahl ihre Teile nehmen . ., wie wir acht Urte das bisher jreund-
ichaftlich gegen einander gepflegt haben. — — —
15. Wir haben auc in diejem ewigen Bindnis ausdrücklich abgeredet
und beſchloſſen, daß fürbashin jeder Teil und die Zeinen dem andern Teil
und den Zeinen gütlih und freundlich feilen Nauf zugeben laſſen ſoll ohne
weitere Beichwerung mit irgend welchen Zöllen, mit guten Treuen, obne
Gefährde, wie es altes Herkommen iſt.
! Yorenzenbad in der Pfr. Ober-Erlisbach, Kt. Aargau.
209
16. Wir die vorgen. von Freiburg und Soloturn wollen uns aud)
fünftighin mit feinerlei Gelübden noch Eiden mit jemand weiter verbinden,
außer mit der acht Orten insgemein oder des Mehrteils unter ihnen Kat,
Wiſſen und Willen, doch vorbehalten, daß wir nad) ımjerer Stadt Recht
Burger aufnehmen mögen, den ewigen Bünden und diejer Bereinung ohne
Schaden.
17. Und wenn wir jegtgenannten von Freiburg und Soloturn, wie
vorfteht, mit jemand künftig in Krieg gerieten und uns darin Waffenftillftand,
Friede oder ſolche Richtungen angetragen würden, da die obgen. unjere getreuen
lieben Eidgenoffen der acht Orte insgemein oder den Mehrteil unter ihnen
bedünfte, daß ung ſolche Waffenftillftände, Frieden oder Nichtungen nüglich
und ehrenhaft wären, diefelben anzunehmen, darein jollen und wollen wir
ihnen gütlih und freundlich willigen. —
Das zürcherifche Sittenmandat vom November 1488.
Abgedrudt bei Füßli, Johaun Waldmann ©. 141 ff.
In Abſicht auf die Stadt:
I. sein Burger joll in Zukunft mehr als einen Tag Hochzeit halten.
Und er mag, iſt er ein Gejell zum Rüden ', zu demjelben Mahl die Frauen
zum Rüden laden, ein anderer feine Zünfterinnen, jonjt niemand, vorbehalten
jeine und der Braut Verwandte; auch darf niemand ungeladen fommen. —
Diefen Hoczeitsgäften joll niemand mehr geben denn eine Gabe, nämlich
die nächſten Freunde nicht über 5 Schill., Vater und Mutter allein in ihrem
Willen freigelajien. — Es ſoll auch font niemand der Braut etwas geben
weder zu dem Brautlauf [Hochzeitsfeft] noch zu der Morgengabe; auch
Bräutigam und Braut oder die Freunde unter ſich jollen einander nichts
framen in feiner Weife. — Ferner joll man in Zukunft dem Bräutigam
nirgendswo Schenfe? halten, als auf der Stube, wohin er gehört, umd darf
niemand dahin fommen oder geben, als die, jo zu diefer Stube oder Gefell-
haft gehören ?, vorbehalten des neuen Paares verwandte Freunde, die von
augerhalb der Stadt her ihnen zu Ehren fommen; denen mag man zu Eſſen
beichiefen, alles bei zwei Darf Silbers unnachläfjiger Buße. — — —
Auf dem Nüden war die Ztube der Konftaffel, der Gefellihaft der Adligen und
Kaufleute. — ? Schmans oder Gelage, wobei die Gäſte zu ichenten pflegen. — * Jede
Zunft hatte ibre , ‚Stube, d. h. ihr Geſellſchaftshaus, das ihnen ſowohl als Sitzungslokal
für ihre offiziellen Zufammenkünfte, wie auch als Trinkſtube diente.
Oechsli, Quellenbuch. 14
210
III. Seinem Rind jollen Götti oder Gotte mehr einbinden denn 5 Schill.
Zürcerpfenning oder ungefähr diefen Wert. — Steine Sindbetterin joll
fürobin eine Küchleten oder eine andere Einladung mehr halten; aud) den
Frauen, jo an die Taufe kommen, weder zu ejjen noch zu trinfen geben,
außer den Ehrenwein. Auch Götti und Gotte jollen feine Küchleten geben,
vorbehalten die Frauen zum Rüden, die mögen in ihrer erften Kindbett eine
Küchleten halten; aber die, jo die Kindbetterin einlädt, jollen ihr ganz [und
gar] nichts jchenfen. Endlich dürfen Götti und Gotte einem Kind nicht mehr
zum Gutenjahr geben, als einen Käs fir 8 Schill. ungefähr; abermals bei
obiger Buße. — —
V. Segen wir, daß binfür zu Faſtnacht und andern Zeiten die Frauen
zum Rüden, Schneden ! oder von anderen Zünften bei zwei Marf Silbers
Ztrafe feine Einladung unter ſich, die man Schlegel nennt, halten, jondern
allein auf ihre Stuben, jo man fie beruft, kommen jollen, jedermann auf jeine
Koften. Doc ift jedem eine geziemende Gafteret jeinen Freunden und quten
Gönnern zu geben, nicht verboten.
VI. In Anbetracht merflicher Unordnung, die in unjerer Stadt unter
dem gemeinen Mann angefangen, der Föftlichen Kleider halb, jo ihre Frauen
und Züchter tragen, ſolches abzuitellen haben wir verordnet, daß binfür feine
rau noch Tochter jülberne oder vergoldete Daften, Ninglein oder Spangen,
auch fein feiden Gewand oder Beleg an Röcken, Schuhen, Halsmänteln u. ſ. f.
tragen follen in feiner Weiſe, ausgenommen die ‚rauen zum Nüden und
Schneden. Auch daß ſonſt feine Frau aus der Gemeinde einen beichlagenen
Gürtel baben joll, vorbehalten die, deren Dann 1000 GL. und darüber bat,
daß Ddieje einen jelchen Gürtel und nicht mehr, 12 St. Wertes ungefähr,
tragen mag. Eben dieſe mögen jeidene Verbrämungen und Belege mit Be-
jcheidenbeit an ihrem Yeibe tragen, do ohne Haften und Spangen, wie oben
ſteht. Wenn aber eine dawiderhandelte, daß dann ein jolcher verbotener Gürtel
unferer gemeinen Ztadt verfallen jet. Und welche ſchon dergleichen hätten, viel
oder wenig, daß fie jolche verfaufen oder ihren Ehmann fie verfaufen lajien
für jein Gewerbe und Bedarf. Der Daften, Ringlein und Zeide halber gibt
jede, Die jolche dem Verbot zuwider trägt, jedesmal 2 Mark Zilbers zur
Rufe. -
Betreffend die Yandidaft:
Damit in Zukunft in unjern Grafichaften, Derrichaften und Gebieten
auch eim geziemendes Weſen gebalten und unmäßige Noften abgetan werden,
Auf dem Schnecken bielt die Geſellſchaft der „Schildner zum Schnecken“, die ſich
IH aus Ratsgliedern and andern angelebenen Bürgern gebildet hatte, ibre Berfammlungen.
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baben wir folgende Artikel, alle ber 2 Mark Silbers Buße gegen die Fehl—
baren, verordnet:
I. In Betreff der Hochzeiten und Schenfen: dag ein Bräutigam zu
jenem Brautlauf und Hochzeit niemand einlade, denn, die in feinem Kirchſpiel
jigen, insbejondere feine Nachichenfe halten joll. Auch darf niemand außerhalb
jeines Kirchipiels an eine ſolche Schenfe gehen, niemand, jo in unjerer Stadt
geiejfen, auswärtige Schenfen bejuchen, noch die außerhalb Geſeſſenen an die
unjrigen fommen, ausgenommen des Bräutigams und der Braut verwandte
Freunde.
II. Der Artifel von den Hochzeitsgefchenfen ꝛc. lautet genam, wie das
Stadt-Mandat.]
III. Haben wir geſetzt: daß künftig in allen unſern Herrichaften niemand,
weder edel noch unedel, ein Gemeinſchießen ausrufen, noch jonft ein Spiel,
es jei mit Kegeln oder in anderer Weile, abhalten und irgend welche Ver—
jammlung oder öffentliche Einladung veranftalten joll, ausgenommen an rechten
öffentlichen Kirchweihen; da mag man hingehen wie von Alters ber.
IV, Und damit diefe unfere löbliche Ordmung, jo zu gemeinem Nuten
beiehlofjen ijt, aufrecht gehalten werde, jo haben wir einhellig erfannt: daR
binfür fein Burgermeifter, Ratsherr oder Zunftmeiſter anbringen, raten, Bei-
ftand oder Hilfe tun joll, ſolche Satung abzutun oder zu verlegen. Und wer
damwiderhandelte oder riete, der joll gemeiner Stadt zwei Marl Silbers ohne
Gnade verfallen jein. Datum Dienjtag nah St. Othmari 1488.
82. Sturz Dans Waldmanns. 1489.
Beihreibung des Waldmanniſchen Auflaufs von einem Zeitgenoffen, mitgeteilt von
M. v. Stürler, Archiv für Schweizergefh. IX. ©. 279 f.
Unter den eidgenöfftfchen Vermittlern, welche beim Waldmannifchen Aufftand zugegen
waren, befanden fih auch Geſandte Bernd, Nur vorübergehend bielten ſich Dr. Thüring
Aridart, der gelehrte berniiche Stadtichreiber, und Ritter Ludwig von Diesbah in Zürich
auf, längere Zeit dagegen Anton Schöni und Urs Werder, beide Mitglieder des
berniichen Rates. Bon einem der beiden leßteren jcheint daber ein im bermifchen Staats—
archiv aufbewahrter ausführlicher Bericht über Waldmanns Sturz zu ſtammen, welcher,
Quelle für diefe Ereigniffe bildet.
Aus welcher Urſache fich diefer nachgejchriebene Handel gefügt und gemacht
bat, ijt zu ermeffen, dag er allein jeinen Urjprung habe in der Handlung
212
des Hundetötens; denn diefelbe Handlung hat den Bauersmann mehr zu
Unwillen gebracht, al$ irgend eine andere Sache. . .. Und daß man ab:
nehmen möge, daß von der Hunde wegen der größte Unwille erwachſen, hat
die Meimumg: als der Zuzug von denen vom Zee ift angefangen worden,
find die von andern Herrichaften allein zu der Sache geneigt gewejen, zu
ihnen zu ziehen, von der Hunde wegen, und die rauen haben ihre Männer
dazu gereizt und geredet: wenn es am ihnen gelegen wäre, jo wollten fie
jelber ziehen und die Hunde rächen.
Während vierzehn Tagen ward durch die Boten der VII Orte umd
andere Zugemwandte mit viel Müh und Arbeit jo weit unterhandelt, daß die
Unruhe dermaßen zu Gutem gewendet wurde, daß die Aufern immerhin ge
nötigt wurden, heimzukehren; doch dergeftalt, daß fie die von Zürid), Bürger:
meiſter und Räte, bitten jollten, wenn jie ihnen widerjeglic) gewejen, daß jie
das im Bejten aufnähmen, denn fie vermeinten eben [es aus] Not getan [zu
haben], und wollten nun fortan einem Wurgermeijter und Räten zu Zürich,
wie jie das jchuldig wären, als ihren gnädigen lieben Herren, wie frommen
Yeuten gebühre, ftets gehorjam begegnen und erjcheinen. Doch jo war der
Abfchied, dak den Äußern zugefagt wurde, die neuen Verordnungen von
dannen zu tun, beförderlichjt ohne Zögern [„für und nit hinder“] dermaßen,
daß fie damit zufrieden jein follten, und daR dieß geſchehe und getan werde
in aller Ordnung im nächiten Monat. Und ward das den Äeußern zugejagt
von Burgermeifter Waldmann und Meifter Oehem, dem Überftzunft-
meijter und jeßten dieſelben zwei den Aufern, daß jolhes geichehen werde,
ihrer beider Yeib und Gut zu Pfand denen, jo von den Äußern als Unter:
händler in der Stadt waren. Derer find bei 80 gewejen aus allen Gegenden,
Herrichaften und Amtern, von denen die Abrede und der Beſchluß geichab.
Und jollte damit die Sache und der Span vertragen fein. — —
Und wurden damit die Eidgenojjen mit Abjchieden abgefertigt, in Er:
wartung, daß fein Unwille da erwachſen follte und es eine beigelegte Sache
wäre. Und ward jeglichem Boten ein chriftlicher Abjchied gegeben, lautend,
wie die Äußern von der Yandichaft fie, den Vürgermeifter und den Nat von
Zürich, gebeten, ihnen ihr Vornehmen zu verzeihen; denn fie befenmten, Un
recht getan zu haben, und wollten das nicht mehr tum. Und nad) ſolchem
Abjchied find der Burgermeifter und auch die Zunftmeijter auf alle Zünfte
gegangen, vor verjammelte Zünfte und haben da eröffnen laffen, wie die
Sache abgeftellt jei, daß Die von der Yandichaft alle insgejamt, etliche Fuß:
jällig flehend, ie gebeten, ihnen zu verzeihen und ihr Vornehmen zu ver-
geben; denn fie befennten, Unrecht getan zu haben und wollten das nicht mehr
tun. Und bevor... die Zache zum völligen Austrag gekommen und gebracht
worden wäre, ıjt alsbald Burgermeifter Waldmann mit etlichen jeiner An-
hänger gen Baden gefahren und dajelbit ungefähr vier oder fünf Tage bei
213
gutem Yeben verharret, Es ift auch dahin zu ihm gefommen des römischen
Königs Botſchaft, einer der Näte Herzog Sigmunds von Oſtreich,
die auch allda zu Baden drei Tage lang geweſen. Desgleichen war zufällig
ein Tag bejtimmt umd angefegt gen Bern von wegen des Königs von Frank—
reich, dahin der Burgermeifter Röiſt der Alte hingefertigt ward. — —
Inzwiſchen wurden die vom Zürichjee von dem gemachten Abjchied unter-
richtet, wie fie befannt haben joltten, in ihrem Vorhaben Unrecht getan zu
haben. Und war ein großer Unwille unter ihnen und waren die, jo dabei
geweien, .... jehr bejorgt, ihr Yeben deshalb zu verlieren. Und find abermals zu
einer Verſammlung zufammengefommen. Und als fie dann berichtet wurden,
daß Burgermeifter Waldınann alsbald gen Baden gefahren, Kurzweil gefucht
und der Zufage nicht von Stund an Folge gegeben werden wollte, desgleichen
VBürgermeifter Nöift gen Bern geritten, erwuchs bei den Äußern großer Un-
wille und vermeinten: fie möchten wohl abnehmen, dak dem Burgermeiſter
Waldmann ihre Sachen nicht jehr zu Herzen gingen. Und ihr Sinn und
Rede war, ſie wollten ihn zu Baden verſcheuchen und fo weit mit ihm handeln,
dag der Zufage nachgefommen würde. Und war das jo lautbar, daß Burger:
meifter Waldmann von Baden heim gen Zürich geritten fam und vor Sorge
feinen rechten Weg dahin zu reiten wagte. Inzwiſchen waren die vom Zürich—
jee erſt völlig von dem Abjchied unterrichtet worden. Und zogen zujammen
und ward der Unmille viel größer denn im Anfang der Sache und wollten
in feiner Weife geftändig fein, befannt zu haben, in ihrer Handlung vorher
Unrecht getan zu haben, jondern große Not [habe] das erheifchen [und] hätte
ihnen Unrecht zugezogen. — —
Und da zufällig damals eine Tagſatzung zu Schwiz ftattfand, jo daß
gemeiner Eidgenoffen Boten von den acht Orten bei einander verjammelt
waren, ... . machten fich diefelben Boten von Stund an auf und ritten gen Zürich),
um zu verfuchen, in den Sachen zum Guten zu handeln. Und famen etliche
am Dienjtag vor Mittag dahin. Als Burgermeifter Waldmann der Boten
gewahr ward, verfügte er ich zu ihnen, um das Mittagsmahl auf der Brücke
zum Schwert in der Herberge zu nehmen. Und als die Mahlzeit getan und
die Ratsfnechte der Meinung waren, den Waldmann heimzugeleiten, und von
dem Rathaus über die Brücke ihren Gang taten, gerüjtet mit ihren großen
Schmwertern, umd mitten auf der Brüde neben das Waſſerrad gekommen
waren, — iſt einer unter den Stuechten gegangen, genannt der Schnee:
vogel; den hatte der Waldmann ſehr an jich gezogen; denn derjelbe war fein
guter Menſch, ftarf den Kriegen nachgezogen; dem wollte der Waldmann,
wie wohl es dem Kate widrig war, den Stab geben, wie es auch geichehen
und durch ihn getan ward; derjelbe trug auch ein Schwert, wie die andern
Knechte — find etliche von den Burgern ihnen auf der Brücke begegnet und
haben denfelben Schneevogel wegen etlicher Worte angejchuldigt, Die er geredet
214
haben joltte: er wollte lieber bei einem frommen Schwaben fteben, als bei
einem gebornen Züricher, denn derjelbe bleibe bei ihm, jo der Züricher von
ihm weiche, und er wollte, welcher den Außern vom Zee Gutes rede... .., daß
denjelben die Häupter abgejchlagen werden jolften. Und wiewol er der Worte
nicht geftändig war, fo zogen etliche, bejonders ihrer vier, vom Yeder und
hieben drein und ſchlugen danjelben Schneevogel alsbald zu Tod. Und hatten
diejelben einen folchen Anhang, daß die Knechte, wiewohl jie ihre Schwerter
trugen, nicht im Stand waren, zu jcheiden.
Bei jolhem Auflauf, als Herr Hans Waldmann das hörte, war er
der Meinung, aus der Herberge auch binzuzulaufen; aber er wurde durch
die Boten der Eidgenoſſen zurüdgebalten. Und wenn er dahin gelommen,
war die gemeine Nede, daß es ihm auch desgleichen gegangen umd geichehen
wäre; nur daß es [noch] nicht Zeit war. Die vier Täter, jo den Schneevogel
abgetan, machten ſich in die freiheit Aſyl), und ch derjelbe Tag verging,
hatten diejelben joldhen Zulauf von der Gemeinde, daß Burgermeiiter und
Räte in der Sache beichlofjen, ihnen Sicherheit zuzufagen, jo daß fie au
demjelben Tag herausgingen.
Am andern Tage am Mittwoch) nad Halbfaften [1. Apr.) ging der Burger:
meifter Waldınann früh in die Waſſerkirche Meffe zu hören. Und als die Meſſe
gehalten und er aus der Kirche ging, waren die vier auf dem Helmhaus
vor der Waſſerkirche, jo den Totjchlag getan. Die nahm der Burgermeiſter
an einen Ort mit freundlichen Geberden, bat ihnen mit guten Worten die
Hand geboten und eine Weile geredet und iſt mit Erzeigung eines guten
Gemüts von denjelben gejchieden. Hierauf hat er Beitelit, daß alle Zünfte
zuſammen kämen, in der Abficht, von einer zur andern zu geben, und mit
ihnen Nede zu halten, da er nämlich einen Auflauf bejorgte, von dem Unwillen
der Gemeinde zum Teil unterrichtet war und das abzuitellen verjuchen und
dem gerne zuvorfommen wollte. Dem es mochte wenig in der Stadt ge-
handelt und getan werden, ohne daß er es vernahm durch die, jo er allent:
halben bezahlt bat, auf feine Sachen zu horchen. Und ging in ſolcher Abjicht
Anfangs in der Sciffleuten Haus und in diejelbe Zunft und hielt allda feine
Rede; nachher auf der Zimmerleuten Haus und vor diejelbe Zunft und voll:
führte auch da feine Rede. Inzwiſchen hatten fich der Eidgenojjen Boten,
denen er Abends zugejagt, wenn es ihnen Morgens füglich wäre, für jie
Großen und Kleinen Rat zu balten, auf das Nathaus begeben. Die jandten
ihre Botichaft zu ihm und liegen ihm jagen, wie ſie auf dem Rathauſe wären
und allda warteten. Er ward gefunden auf der Zimmerleuten Haus bei der
jelben Zunft, und wiewohl er in andere Zünfte auch zu fommen willens war,
jo willfahrte er den Eidgenoffen, und fam auf das Nathaus und befabl
jofort in beide Räte zu läuten zwiſchen der fiebenten und achten Ztunde
Morgens. Es ward auch nachher geredet, wo jein Vorhaben, auf andere
Bi
Zunfthäufer zu geben, vollzogen worden wäre, wäre er von etlichen nicht
[ebendig gefommen. Es jollte aber nicht ſich alſo ſchicken.
Und als die Räte zuſammenkamen, und der Eidgenofjen Boten vor
denjelben erſchienen . . . und jolche Rede getan, wie fie die Notdurft erheifchte,
und die Eidgenojfen ausitanden in die Fleinere Ratsſtube, famen etliche von
der Gemeinde, bei zwölfen, und begehrten auch vor den Mat. . . Aber als:
bald ward ein Geläuf und Geräufch vor dem Rathaus, jo groß, dak man
wohl abnehmen mochte, dar ſich ein Auflauf begeben wollte, und daß fich etliche
der eidgenöffiihen Boten hinab vor das Wathaus verfügten im Vorſatz,
die zu beruhigen. Aber der Zulauf mehrte jich jo ftarf für und für, alle in
ihrem Harnifch mit Gewehren, Arten und anderen. Und ward indeffen gleich
von der Gemeinde gefordert: der Burgermeifter Waldmann, der Stadt-
jhreiber, Heini Götz, der Schifflenten Zunftmeiſter, und der oberite
Ratsknecht. . . Und als nun jolche Forderung geichab, kamen etliche der eid-
genöffiihen Boten wiederum vor den Nat; etliche hatten genug der Gemeinde
zu wehren, daß jie nicht hinauf in das Nathaus kämen. Und als der Burger:
meifter von der Forderung unterrichtet ward, jtand er auf und hielt eine
Rede zu feiner Rechtfertigung und ermahnte die Boten von den Orten...
und rief fie an, daß fie ihn beim Recht behüten, jcehirmen und handhaben
möchten, wie jie dies jchuldig wären laut der Binde, . . mit viel Worten.
Und anerbot ſich zu Recht zu ftehen vor einem Bürgermeifter und dem Kleinen
Kat oder, wenn es dajelbjt nicht füglich jei, vor dem Großen Nat, desgleichen
vor der ganzen Gemeinde, und wenn es alles nicht jein möchte, vor den
Boten der fieben Orte. Desgleichen taten auch die andern. . . Und auf jolche
Rede wurden die Semeldeten ausgeftellt. Und inzwiichen war der Zulauf
der Gemeinde jo groß geworden, dar der Eidgenoffen Boten alle zu wehren
batten und mit großem Ernft fie zurüctreiben und drängen mußten, daß fie
nicht hinauffommen würden, Und fam die ganze Gemeinde zufammen, daß
ver Plag vor dem Rathauſe überftellt war, desgleichen der Fiſchmarkt und
das Rathaus um und um allenthalben umſtellt und bewacht war. Und doc)
wurde indejjen durch etliche Boten unterbandelt, mit großer Mühe des Ge:
ichreies halb, und der Gemeinde das Nechtsbot zu verftehen gegeben, das vom
Burgermeifter getan, mit Begebr, fie in einem Haus bewacen zu lafjen. ...
Da ſchrien fie alle einhellig: „Mein, nein!" mit lauter Stimme, „fie müffen
in den Schelmenturm; da haben fie uns oft umverdient hineingelegt”! und
mit trogigen und frevelhaften Worten, die fie brauchten: „wolle man ihnen,
die ſie fordern, nicht herausgeben, jo wollten jie diejelben und andere mehr
jelber holen.“ Und drangen mit großem Ungeſtüm gegen die Tür und die
Ratsſtiege. . . . Und wo der Eidgenofjen Boten nicht allda gewejen wären,
jo wäre es fehr übel gegangen. Die hielten jich als fromme Piederleute ;
derjelben ward auch jehr von der Gemeinde gejchenet, jo daß niemand fich
215
True
216
unterftand, irgend welche unfreumdliche Handlung gegen fie mit Worten noch
Seberden zu üben... . Und ward durch die Boten fo viel erlangt, daß fie die,
jo gefordert wurden, zu ihren Banden nehmen möchten zu echt; doch daß
jie in den Turm Wellenberg geführt umd gelegt werden jollten. Und
wurden darauf abermals ihrer drei gefordert, nämlich Meifter Yienbard
Oechen, ein Metzger, Oberjtzunftmeifter, Hans Bieger, der Weber Zunft:
meijter, ein Natsfnecht, namens Marti Ztrider und einer, hieß der Plübler,
war Turmhüter des Wellenbergs und dem Waldmann jehr lieb.
Während diefes Handels wurden der Eidgenoffen Boten berichtet, wie
ein gemeiner Sturm ginge am Zürichiee . . . Eine Stunde nachher waren die
Aufßern an der Stadt. Die Gemeinde hatte aber die Stadt und Tore mit
Wachen verjehen auf Anbringen der Voten; denn wo die Äußern hinein-
gefommen wären, hätte es wohl gejcheben fünnen, daß eine Zerſtörung der
Stadt ftattgefunden haben möchte.
Als dann die Geforderten von den Boten feftgenommten worden waren,
... wurde mit der Gemeinde geredet, daß fie eine Weite machten und Sicherheit
binauszugehen zujagten, wie auch geſchah. Da machte die Gemeinde mit dem
Bolf eine weite Gafje, und nahmen die Voten die Verbafteten und führten
fie hinauf gegen den Turm. Da zog eine große Menge Volks voraus und
hintennach. Und als man fie zu Schiff brachte, fie hinüber zu führen zu dem
Zurm, ward von der Gemeinde ein großer Einfall, daß man der Schiffe
Untergang beſorgte. . . Und als man die Gefangenen in den Turm gebracht
und man anfangs die böjen umd niedern Gefängniſſe öffnete, vermeinten Die
von der Gemeinde, jogleich den Waldmann dahin zu legen. Aber von den
Boten ward Mitleid mit ihm gehabt und führten ihn hinauf fürbas zu den
andern Gefängnifen, jo nicht jo hart waren. . . Aber in den untern Ge—
fängnijjen, deren drei neben einander jind und jo nieder, daß einer nicht im
jtande ift, ji) von den Knien aufzurichten, lag im einen ein Ketzer, zwei
waren leer. .... Und ward Waldmann von einem Boten von Bern, mit Namen
Anton Schöni, und Yudwig Seiler, Schultheiß zu Yuzern, vom Nat-
haus in den Turm geführt; danach die andern von den andern Boten. Und
wiewohl der Eidgenoffen Boten Begehr und Forderung war, dieweil fie ihnen
zu ihren Handen in Gefangenschaft [aelegt und] zu Recht zugejagt worden,
daß man dann ihnen die Schlüffel zu den imnern Gefängniffen zu ihren
Danden kommen laſſen jollte, wollten fie das nicht verwilligen. Wohl ward das
zugelajien, daf einer von den Boten, Werner von Meggen von Yuzern,
zwei oder drei Tage ungefähr mit denen, jo ihnen zu effen brachten, in den
Zurm fuhr und das tun half, Aber darnach .. . nahmen fie den Ketzer aus
dem böfen Gefängnis und führten ihn in einen andern Turm. Und ward
der Waldmann an des Kegers Statt gelegt, desgleichen der Oberitzumftmeifter
auch in eines; deshalb ftellte der Bote von vuzern jein Hinüberfahren ab.
217
Und ward hernach der Waldmann von der Gemeinde mit harter Peinigung
vernommen, ohne alles Erbarmen gefragt, nichts geipart, jehr ſchnöde gehalten,
mit Ejien und Trinken nicht am beiten, das Gejchirr, daraus der Ketzer ge:
jpeist, gebraucht, feine Gnade noch Milde mit ihm gehabt, und er dermaßen
gepeinigt, daß er fich jelber feine Hilfe hat tun mögen, mit feinen Händen
nicht des Eſſens hat pflegen können; desgleichen wurde mit den Andern
verfahren. — —
Die Gemeinde in der Stadt hatte einen Hauptmann gemacht, mit Na—
men Yazarıs Göldli, der vorher unſchuldig feiner obrigkeitlichen Stelle
im Nat entiegt worden war. . . Und anfangs hatte feiner von den Räten mehr
Gewalt; wurden auch in nichts gebraucht, noch zur Handlung zugezogen... ..
Und handelte niemand, als die Gemeinde mit dem Hauptmann. . . . Nach—
dem der Hauptmann und die Gemeinde in der Stadt e8 auf jich nahmen,
mit dem Waldınann anfangs zu handeln, wie zum Zeil vorfteht, ward von
den Aufern vom Ziürichfee und andern vom Hauptmann und der Gemeinde
in der Stadt verlangt, die Ihren dabei zu haben, jo man ihn vernehmen
und fragen täte, desgleichen fie auch in des Waldmanns Haus kommen zu
laffen, zu Schauen, was da wäre oder was da gefunden, es jeien Briefe oder
anderes, daR jie deffen auch Wiſſen haben möchten. Ward ihnen von der
Gemeinde zugelaffen und von den Aufern dazu Abgeordnete gejchiekt, desgleich
das Haus befegt mit den Äußern und den Innern, die in demfelben Haus
nicht viel fparten, Tag und Nacht lärmten. Die Äußern nahmen auch das Haus
Dübelftein, jo des Waldmanns war, ein zu ihren Handen, fanden viel
guten Weins da. . . . Demnach ward von den Boten immer an einem fort
unterhandelt, die Gemeinde in der Stadt und die Aufern zu freundlichem
Vergleich zu bringen. Deshalb verzog ſich die Sache mehrenteil$, daR die
Außern darauf drangen und beharrten, daß ihnen der Gefangenen Gut zum
halben Teil werden folite, .. daß des Waldmanns und Meifter Ochens Gut
ihnen ganz follte verabfolgt werden, zum voraus, weil diefelben zwei ihnen
Anfangs Leib und Gut zu Pfand geiett hätten, daß ihre vorher im Anfang
gemeldeten Beichwerden beförderlich und ohne Zögern abgejtellt werden follten:
das jet Alles nicht gejchehen; darum, meinten fie, ſei ihnen ihr ganzes
Gut verfallen. .... Niemand wollte abziehen und meinten, der Wald-
mann jolle vorher jterben umd die andern auch. Und lagen da vor der Stadt
und tranfen und afen, und das alles ohne Bezahlen. Und waren eines wilden
Gemütes, fragten feinem Beichten nach, wären auch lieber weiter gerückt, die
Yente zu jchädigen.
Inzwiſchen war mit dem Waldmann mit großem Eifer gehandelt worden
und nichts geipart, um feinen Tod zu befördern; man war der Meinung und
Erwartung, wenn er gerichtet würde, gäbe es eine Förderung des Abzugs.
Und am Montag vor dem Palmtag 6. April] ließ man ihn früh in dem Turm
218
jeine Beichte verrichten. Und zwiſchen der neunten und zehnten Stunde ward
er vom Turm an den Fiſchmarkt geführt, da öffentlich vor aller Menge feiner
Nitterfchaft beraubt und nachher fein Bekenntnis und Übeltun öffentlich vor-
gelefen und darauf das Urteil eröffnet, daß er mit dem Schwert gerichtet
werden jollte, und er dem Nachrichter befoblen, der ihn denmac hin—
führte, Und waren bejtellt bei 100 guter wohlgewaffneter Männer, die ihm
zur Hälfte vor, zur Hälfte nachgingen, damit auch alte die, jo zu den Eid:
genofjen gehörten. Und durfte niemand jonft von der Stadt kommen; denn
die Tore und Mauern waren bejeßt und bewacht; denn man war noch im
großen Sorgen. Und führte man den Waldmann an den See, oberhalb der
Waffertirche; da ward er und andere hinausgeführt zu Schiff bis außerhalb
der Stadt und neben der Stadt auf dem Graben auf eine große Matte.
Inmitten der Matte war ein Gerüft mannshoc gemacht. Und war die ganze
Sammlung aller ihrer Herrichaften und Ämter da bei einander. Und war
ein großer Nain an der Matte, daran die Peute ſaßen, jo daß der Hinterſte
und der Vorderfte ihn mochten richten jehen. An dem Ende bei dem Gerüfte
rüftete ibn der Nachrichter zu nach jeinem Willen und führte ihn die Treppe
binauf auf die Diele. Da ſchlug er ihm jein Haupt ab. Und er war vom
Anfang bis zum Ende männlid und ging jo ftolz und jo aufrecht einher,
als er vorher je gegangen war; bat alle Menjchen, wenn er jemandem etwas
getan, ihm das zu vergeben und jedermann, daß er Gott für ihn bitten wolle
oder eine Meſſe bejtellen; wer des Willens ſei, möge eine Hand aufheben.
Als das auch männiglih tat, dankte er den Yeuten mit guten Worten, mit
Vernunft, bielt fich bis an jein Ende als ein guter, chriftgläubiger Menſch,
geduldig und hat feine unnügen noch böfe, neidische Worte gebraucht, jondern
immer Gott den Allmächtigen und jeine würdige Mutter Jungfrau Marta
und die Gottes Heiligen angerufen umd ich zu dem Tode wohl gerüftet und
iſt damit geichieden.
83. Stiftung des Gotteshausbundes. Chur, den 29. Januar 1367.
Ev. Moor, Samml. der Urkunden zur Gefch. Eur-Rätiens III. S. 202.
Bien denen, die dieſen Brief jeben, lejen oder lejen bören, künden
wir: der Defan und das gefamte Kapitel zu Chur,
J Dienftleute, Täler und die Burger zu Chur insgejamt
und erklären öffentlich mit diefem Briefe, daß unfer ehrwürdiger Herr Bilchof
Peter ums allen mit jeinen Priefen entboten bat, daß wir zu ihm gen
Zernetz kämen, da wollte er mit uns veden und zu Mat werden von feines
Gottesbanjes wegen, was ihm und uns und dem Gotteshaus das Beſte und
Nüglichite wäre. Da wir zu Zernetz alle zugegen waren, da baten wir alle
gemeinfam unſern obgenannten gnädigen Herrn Biichof Peter, daR er jelber
bei uns fein und auf feinem Bistum jiten jollte; denn er jet jo lang von
uns jabwejend] gewejen, daß wir insgefamt und das Gotteshaus insbejondere
davon großen Abbruch ımd Schaden empfiengen und empfangen hätten, was
wir zu Gott vertrauten, wäre er bei uns geweſen, wir hätten es mit feiner
Hilfe und mit unjerer Hilfe verhindert und abgewendet. Da er uns darin
nicht folgen wollte und alſo ohne Ende und Berrichtung von uns ſchied, da
famen wir aber alle insgefamt von des Gotteshaufes Notdurft wegen zu
einander, das Kapitel, Rudolf von Ehrenfels, Egloff von Schauen-
fein, Albrecht und Rudolf von Schauenjtein, Brüder, Simon
Panigad umd ih Egloff von Juvalt, für uns und alle Gotteshausteute
m Domleſchg md in Schams; Conradin von Marmels und
Heinrich von Fontana für uns und alle Gotteshausleute, edel und un—
edel, ob dem Stein [im Oberhalbjtein], Ulrich Propit, Podeitat, Ulrich
Minüſch, Jakob von Caftelmur, Jakob Schuler, Hans von
Stampf md Hans Saliſch von Zils, für uns und die Commune
gemeinlihb im Val Bergell, edel und unedel, ob Port und unter Port,
tel Plant, Jakob und Heinrich Planten, für uns und alle Planten,
und die geſamte Commune im obern Engadin, ob PBontalt; Anfelm
Mor, Ammann, Yuß von Zerneg, fir uns und alle Gotteshausleute, edel
und umedel, im untern Engadin, unterhalb Pontalt; der Nat und die
gejamten Burger der Stadt zu Chur, und insgefamt alle Gotteshausteute,
wie und wo fie geieffen jind, ausgenommen die Gotteshauslente, die gen
Fürſtenburg gehören. Sind wir die obgeichriebenen Kapitel, Täler, Burger
und Dienftlente mit bedachtem Mut und guter Vorbetrachtung, einbelliglich,
zu des Gotteshauſes Nuten, Frommen und Belferung, darin übereingefommen,
daß wir alle, die hie geichrieben fteben, uns zufammen verbunden und gelobt
baben, dag wir alldieweil jest unſer Herr Biſchof Peter lebt und Biſchof zu
Chur iſt, feinen als Vifar, noch als Pfleger in weltlichen Sachen über das
Gotteshaus zu Chur annehmen noch empfangen jolten ohne unfer aller obge:
ihriebener gemeinem Willen, Gunſt und Nat, immer unjeres Herrn des Bi:
ihofs Rechte und unſer aller obgejchriebener Nechte ausgenemmen und vor:
behalten. Und wer uns darüber um diefer Zache willen in irgend welcden
Dingen angreifen umd bemühen wollte mit Gewalt oder mit Recht, da jollen wir
alle gemeinſam einander bebolfen jein, mit Nat, Yeıb und Gut im unſerem
Bistum, in guten Treuen, ohne alle Gefährde.
Es haben aud die obgeichriebenen Herren von dem Kapitel verbeigen
und gelobt, daß jie, dieweil unjer obgeichriebener Herr Biſchof Peter unſer
219
220
Biſchof ift zu Chur, [fich dem widerjegen ſollen, daß)! des Gotteshaujes Gut
dem obgenannten Gotteshaus entfremdet werde mit Verſetzen oder mit Ver:
faufen, ohne unſer aller Nat, Wiſſen, Willen und Gunit. i
Es ift auch unter uns abgeredet und find wir insgefamt darin überein:
gefommen: was an Koften und Zehrung wegen der Feſten des vorgenannten
Gotteshaufes, die wir innebaben, auflaufen wird, fie zu jpeifen und zu be-
jorgen, von diefem heutigen Tage an, da der Brief gegeben ift, daran jollen
wir zum erften des Gotteshaufes Gut geben, wo wir das finden und es uns
inne werden mag, an die vorgeichriebene Zehrung un® Koften, fo viel und jo
weit das langen und erjchießen mag, und mo das mangelt und abgeht, jo
jolfen wir das übrige an diefelben Koften und Zehrung bezahlen und aus-
richten, alfo und in der Meinung, daß wir darüber ſitzen und es mit gutem
Rat teilen und auf uns alle gemeinjam, Pfaffen und Yaien, edel und umedel,
arm umd reich, ohne Gefährde legen follen, einem jeden nach feinen Verhält—
nifen zu zahlen und zur geben mit guten Treuen ohne alle Gefährde. — — —
54. Stiftung des obern oder grauen Bundes.
Jlanz, 14. Februar 1395.
v. Moor, Coder Diplomaticus IV. 2. 259.
Alfen denen, die diefen Brief anjehen, lejen oder lejen hören, künden Wir,
Johannes von Gottes Gnaden Abt des Gotteshaufes Difjentis und
die Gemeinde desielben Gotteshauſes zu Diffentis, Ulrih Brun von
Räzüns und jeine Yeute, Albrecht von Sar von Monfar und Die
Tallente in Lugnetz, und erflären öffentlich mit diefem Brief für uns und
unjere Nachkommen, für unſere Yeute umd insgemein für alle unjere Erben,
dak mir alle insgemein und ehrbarlich, nach weilem Nat und guter langer
Borbetrachtung ein Bündnis gütlich und freundichaftlich vereinbart haben, und
haben dasjelbe allgemein und jeglicher von uns bejonders mit vorgeiprochenen
Worten und mit aufgebebenen Händen geichweren, ewiglich, jtät und fejt zu
balten alles das, was hienach geichrieben jteht:
Zum erjten haben wir gelobt und geichworen, jeglichen Herrn und jeg-
lichen Mann, der in dasjelbe Bündnis gebört, bei jernem Necht bleiben zu
laſſen. Geſchähe es auch, daß ein Herr oder Mann oder wie er [auch] gebeißen
wäre, an einem unferer obgenannten Eidgenoffen mehr juchen oder ihm Weiteres
! An Stelle der eingellammerten Worte befindet fih im Original eine Yüde,
ET
221
jumuten würde, denn jo weit er Necht bat, jo jollen wir vorgejchriebene Eid-
genojfen denjelben Eidgenofjen, die da angefprochen werden, raten, helfen und
beiftehn mit Peib und Gut, jo weit wir es vermögen und können, in Mecht
und Unrecht, im guten Treuen und ohne alle Gefährde, wofern fie jich mit
dem Recht nicht begnügen wollten. — —
Wäre au, daß Mifheltigfeit, Streit oder Krieg entſtünde zwijchen denen,
die zu unjerem Teil gehören und darin find, wegen Todſchlag, Stechen oder
Schlagen und wegen anderen großen wichtigen Sachen, jo foll dennod) das
obgeichriebene Bündnis ewiglich ftät und feſt bleiben. Sie jollen aber von
einander ein Recht nehmen, wie es Sitte und Gewohnheit gewejen. Falls
aber das Hecht einem von beiden Teilen nicht genehm wäre, jo jollen wir die
obgejchriebenen Eidgenojjen, der Abt und die Gemeinde des vorgen. Gottes-
baujes zu Diffentis zu einem Teil, Ulrih von Räzüns, alle feine Erben und
Nahfommen, zu dem andern Zeil, Albrecht von Zar, jeine Erben und jeine
Nachkommen mit der Talleute Räten in Yugneg zu dem dritten Teil, jeglicher
einen gemeinen Schiedsmann dazugeben, deren Aufgabe ift, den Streit bei-
zulegen mit der Minne; fönnten aber diejelben Schiedleute ſich nicht zu
einer Minne vereinigen, jo ſollen jie auf ihren Eid bloßes Recht darım
jprechen, und wenn die Schiedleute uneins würden, wie dann Zwei jich ent-
iheiden, da joll der Dritte ſich fügen.
Wir die obgejchriebenen Eidgenoſſen, Abt Johannes x. und insgemein
alte unjere Yeute, wo die Jauch] feien, die zu unjerem Bund und obgenannter
Eidgenoffenichaft gehören und darin geſeſſen find, jollen auch alle und wollen
je zu fünf ‚jahren den ehgenannten Bund und Eid erneuern und eröffnen,
mit jedem, die den nicht geichworen haben und zu ihren Tagen gekommen
iind, die jollen den jchwören und jollen das ohne Gefährde tun zu Truns.
85. Stiftung des Ichngerichtenbundes. 8. Juni 1456.
Jedlin, Urfunden zur Berfaffungsgeih. Graubiindens S. 29,
Allen, die diejen Brief anjehen oder lejen hören, tun wir fund und er-
flären männiglic öffentlich mit Urkund dieſes Briefes, daR wir die nachbe-
nannten eilf Gerichte, erjtens das Yand und Gericht zu Davos, das
Yand umd Gericht im Prättigau zu Klojters, das Yand und Gericht zu
Caſtels, das Yand und Gericht zu Schiers und Sewis ımd auch der
Chorherren Gericht zu Schiers mit allen ihren Nechten und aud) das
Gericht zu Malans und das Gericht zu Maienfeld und was dazu ge-
bört, und auch das Yand und Gericht zu Belfort und das Yand und Ge
22
richt zu Curwalden und das vordere Yand und Gericht in Schanfigg
und das Yand und Gericht in Schanfigg zu Yangwiejen: daß wir alle
insgemein und ımmmterichiedlich einander gehuldigt und geichworen haben, wie
dann bienach geichrieben jteht:
Erjtens, daß wir einander dazır behilflich jein ſollen dei gejchworenen
Eiden, wozu jemand Necht hat.
Die obgenannten Länder und Gerichte wollen auch einem Erbherrn tun,
wozu er dann Recht bat, jo jie von ibm vernehmen, daß er ein Erbberr iſt.
Es ift auch abgeredet und ausbedungen: wenn wir obgenannte Yänder
und Gerichte einen Erbherrn bekämen, daß wir doch bei einander bleiben jollen,
bei den Eiden, wie oben gejchrieben ift, umd einander dazu helfen, wozu jemand
Hecht bat, mit guten Irenen, ohne Sefährde, num und bernacd und uns nicht
davon drängen laſſen.
Es ift auch abgeredet und ausbedungen: daß wir obgenannte Yänder
und Gerichte fürbasbin Feine Übereinkunft noch Bündnis fuchen noch machen
jollen, ohne der genannten Yänder und Gerichte Wiſſen und Willen. Welches
Yand umd Gericht jich Darin verfeblte, dat fie anderswo Bündniß annäbmen
oder machten, diejelben wären dann meinetd, und jollen dann die andern Ge—
richte und Yänder dasjelbe Gericht dafiir, daß es ſich verfehlt bätte, ftrafen
nacb ibrer Gnade.
Es iſt auch abgeredet und bedungen: wenn die obgenannten Yänder und
Gerichte etwas zu Schaffen bätten, daß fte zufammen fommen wollten zu Tagen,
jo jollen fie nach Davos fommen und den Tag leilten. — — —
Es iſt auch abgeredet und bedumngen in dieſem Bündnis, daß man jeder-
mann jell bleiben laſſen bei feinen Nechten und Freiheiten in guten Treuen,
ohne alle Gefäbhrde.
Falls wir obgen. Gerichte fürbas wollten Bünde oder Bündniſſe machen,
wenn dies nötig würde, was dann das Mehr wird unter dieſen obgeſchriebenen
Gerichten und Yanden, den ſoll der mindere Zeil nachfolgen. — —
Auch iſt abgeredet und bedungen, daR wir dies Bündnis erneuern jollen
in zwolf Jahren einmal. —
448% = * 4 5 “ E
Sb. Aus dem Bund der VII Orte mit dem -obern granen Bund.
21. Inmi 1497.
Abdichiede IE 1. S. 74 ñ.
[Der Eingang wie im Bunde mir Freiburg und Soleturn. — Darum
ie kunden wir, der Burgermeiſter, der Schultbeißk. Ammänner, Räte, Burger,
vandieute und game Okmeinden ven Juri, Yuzern, Uri, Schwiz,
Unterwalden, ob und nid dem Nermwald, von Zug mit dem äußern
Amt, jo dazu gehört, und von Glarus, als die jieben Orte der Eid-
genoffenichaft einesteils, und wir Ammann und ganze Gemeinde zu Dijjentis,
Togt und Gemeinde zu Lugnetz, Ammann und Gemeinde zu Jlanz und
in der Gruob, Ammann und Gemeinde in Oberjaren, Ammann und Ge-
meinde zu Waltenjpurg, Ammann umd Gemeinde der Freien ob dem
Wald’, Ammann und Gemeinde zu Flims, Ammann und Gemeinde zu
Schlöwis, Ammann und Gemeinde zu Trins, Ammann und Gemeinde
zu Räzüns, Ammann und Gemeinde zu Heinzenberg mit jamt Thujis
und Katzis, Ammann und Gemeinde zu Shams, Ammann und Gemeinde
zu Rheinwald, Ammann und Gemeinde zu Miſox und Noveredo und
des ganzen Mijorertals, Ammann und Gemeinde zuSapien, Ammann und
Gemeinde zu Tenna, Ammann und Gemeinde zu Tihupina, Ammann
und Gemeinde zu Vals, alle insgemein des grauen Bundes in Ober:
Gurwalen, andernteils, allen und jeglichen Menſchen, die diejen gegemvärtigen
Brief anfehen ꝛc., daß mir mit gutem Herzen betrachtet haben, jolhe Treue
und Yiebe und alle freundliche Einhelligfeit, damit unſere Altvordern jeligen
Andenfens in allen ihren Gejchäften und anliegenden Sachen ihr getreues
Auffeben von jeher mit einander gehabt und aljo gewohnt jind, dabei zu be-
barren und... . jolche Yiebe und Freundichaft zu mehren. So haben wir dieje
ewige und getreue Freundſchaft und Bündnis mit einander eingegangen und
gemacht, jeten, machen und verbünden uns wiljentlich mit diefem Brief für
uns und alle unjere ewigen Nachfommen in der Meimung, wie dann das
hienach von Wort zu Wort bejonders enthalten ift. Dem iſt aljo:
Des erften, day die obgemeldeten beiden Zeile ſich in allen ihren Sachen,
Anliegen und Gejchäften aller Freundichaft, Treue und Förderung gegen
einander befleißen und getröjten und ein getreues Aufjehen zujammen haben.
Auch jolf fein Teil den andern durch jeine Städte, Schlöffer und Gebiete
durch irgend jemand angreifen, bejchädigen, überziehen noch befümmern laſſen,
jondern, wenn jemand, wer der Jauch] wäre, ſolches verjuchte, das nad) jeinen
beiten Vermögen abwenden und wehren.
Zum andern, daß beide obgenannte Teile jelber einander nicht überziehen,
angreifen noch bejchädigen, noch den Ihren und denen, jo ihnen gehören, |das|
geftatten, jondern jeder Teil jich gegen den andern mit dem Wecht und
Austrag begnügen jolle, wie hernach im bejondern gemeldet wird. — —
Desgleichen joll auch ein jeder Teil dem andern durch jeine Städte und
Schlöſſer, Yande und Gebiete feilen Kauf zu jeiner Notdurft zugehen lajien,
doch nicht weiter, als im feinen Yanden zu gebrauchen und nicht weiter zu
verführen, und alſo beiderjeitS die Straßen offen und frei halten ohne Be—
"Dd.ı ob dem Flimſerwald, die jogen, Freien von Yar.
TEE
224
laftung oder Beichwerung durch irgend welche neuen Zölle oder andere Auf-
lagen,rjondern das zu halten und zu üben, wie es von Alters Herfommen ijt.
Es ijt auch hierin ausdrücklich bejtinumt: wenn es jich begäbe, daß einer
von beiden Zeilen binfür künftig je fich weiter mit Herren, Städten oder
Yanden verbinden oder verpflichten wollte, daß doch ſolches diejer Einung
unschädlich fein und dieſe Eimung denjelben vorgehen jolle.
Wenn auch beide Teile zufammen in Krieg oder Fehde mit jemand ge-
raten würden, daß dann Fein Teil irgend welchen Frieden oder Waffen-
jtillftand mit demfelben jchließen noch annehmen joll, außer der andere Teil
ſei auch darin enthalten und begriffen. — —
ST. Bund der VII Orte mit der Stadt Chur umd den Gottes-
hausleuten in Churwalen. 13. Dezember 1498.
Eidgen. Abſchiede IIL 1 2. 753.
Tem vorigen gleichlautend. Die vertragichließenden Parteien nennen fih im Eingang:
Wir die Burgermeijter, Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Yand-
leute umd ganze Gemeinden von Zürich, Yuzern, Uri, Schwiz,
Unterwalden ob und nid dem Kernwald, Zug mit dem äußern Amt jo
dazu gebört und von Glarus, als die jieben Orte der Eidgenofjenjchaft
einesteils, jo dann wir der Burgermeijter, der Nat, die Burger und die ganze
Semeinde der Stadt Chur und dazu wir die nachgejchriebenen Gegenden und
Gemeinden der Gottesbauslente zu dem Ztift zu Chur gebörend, nämlich Vogt
und ganze Gemeinde zu Fürſtenau, Vogt und Gemeinde der vier Dörfer
zu Ajpermont gehörend, Ammann und Gemeinde zu Cbervag, Bogt und
Gemeinde zu Neams oberbalb Stein, Ammann und Gemeinde zum Tiefen-
ka ſten, Vogt und Gemeinde zu Greifenjtein gebörend, Ammann und
Gemeinde zu Ztalla, Ammann und Gemeinde zu Avers, Richter und
Gemeinde zu Bregaglia, Unterpert und Überport !, Ammann und Ge—
meinde zu Jürg, Ammann und Gemeinde zu Zamaden, Niditer und Ge-
meinde zu Puſchlav, Ammanı und Gemeinde zu Zteinsberg?, Am—
mann und Gemeinde zu Schuls, Ammann und Gemeinde zu Remüs mit
jamt deren von Samnaun, Ammann und Gemeinde im Meünitertal,
Ammann und Gemeinde zu Mals umter Nalven, aud Ammann und Ge—
meinde zu Zcbanza? andernteils x.
’®. b. ober und unterhalb la porta, der Enge dei Bromentogno. — ? Burg bei
Ardes im Unterengadin. » Tier biidoribe Hei Schanza umiaßte Schlanders im
Crota!: md Umgebungq.
225
88. Geferht bei "riefen. 12. Februar 1499.
Aus Anshelms Berner Chronik, herausgeg. von Stierlin und Wyß. IL S. 317.
Valerind Rüd, genannt Andhelm, geb. in der damals zur Eidgenoöſſenſchaft ge—
börigen Stadt Rottweil in Schwaben, ſeit 1504 in Bern, wo er zuerſt als Schul
meister und ſpäter als Stadtarzt wirkte, ein eifriger Freund der Reformation, wurde 1520
vom Kate unter Gewährung eines Gehaltes angeftellt, um die Chronik Diebold Schillings
bis auf feine Zeit fortzufegen, zu welchem Zwede ihm die Archive Berns nnd anderer
Schweizerftädte geöffnet wurden. Er begann fein Werf mit einer furzen Zufammenfaffung
der Älteren Geichichte Berns aus den bekannten Chronifen, beichrieb aber felbftändig und
im großer Ausführlichleit die Ereigniffe von 1480—1536, indem er fich nicht auf die
berniichen Verhältniſſe beichränfte, ſondern die ganze Eidgenoffenichaft ins Auge faßte;
doch ift die Darftellimg der legten zehn Jahre von 1526—36 unvollendet und lückenhaft.
Die Gewiffenhaftigkeit, mit der Anshelm die Archive bemutte, der männliche Freimut und
warme Patriotismus, der ihm eigen war, die Größe der Zeit, die er beichreibt, fichern
feiner Chronik wohl die erfie Stelle unter den älteren fchweizerifchen Gefchichtswerfen.
nd aljo am Pienstag der jungen Faſtnacht, am Morgen nad)
der Meſſe und Morgenbrot brachen die Eidgenofjen auf, zu
Triejen, da der Rhein am dünnſten, hinüberzuziehen, zogen
aljo den Rhein abwärts in guter Ordnung. Desgleichen zogen die König:
lihen auf der andern Seite abwärts, auch im ftarfer Ordnung, mit gewal-
tiger Neiterei und Geſchütz, vermeinend, den Übergang über den Rhein den
Eidgenoffen zu verwehren. Da eilten aber die Fähnlein von Zürich und
Zug mit ihrer Vorhut in den Rhein; da half je einer dem andern, bis bei
jehshundert hinüber zufammen kamen, welche da verhängten Mutes ohne
alle Ordnung den Feinden in die Seite liefen, jo gegen fie mit ihrer Orb:
nung und Gejchüg drangen. Gewannen ihnen die Flucht, viel Gewehre
und Schuhe, zwei Fähnlein und eine Büchle ab und erjchlugen von den
rechten Katzbalgern über vierthalbhundert, ehe der Eidgenoffen Zeichen alle
binzufommen mochten, Und als die Feinde durd Stauden und Stöcke einem
Berg zu und hinauf flohen, kamen ihmen die tanfend Eidgenoffen entgegen,
jo die Nacht durd) bei Gutenberg geftanden waren, erjchlugen ihrer auch viel.
So famen aud) die von Appenzell mit ihrem Banner hinzu, taten ihnen
beim Nacheilen auch merflichen Schaden.
7
Oechsli, Quellenbuch, 15
PT)
8, Schlacht bei Fußach und Haard. 20. Februar 149%.
Uberſett ans Pirtheimers Hist, belli Suitensis (tim Thesaurus Hist. Helret. ih. IL p. 13.
Der Nürnberger Patrizier Wilibald Pirkheimer, geb. 1470. zest. 1528, einer der
bedontendaten Gelehrten seiner Zeit, von seiner Stadt und den Kıisera Maximilian und
Karl V. vielfach als Ratgeber, Diplomat und Kriegsfährer verwendet. verfiiste unter
anderm eine lateinische Beschreibung des Schwaben- oder, wie er sert. Ichweizerkriegs,
an welchem ar als Befehlshaber des Nürnberger Kontingentes seiser Teil enommen hatte,
Hierauf rückten die Eidgenossen' vorwärts, unterwerten den ganzen
Wallgau bis zum Arlberg ihrer Herrschaft und zwinzren di Einwohner.
ihren Befehlen nachzukummen, nachdem sie wiki? wr2iz til aus ihnen
erpresst, Nachdem sie dies vollbracht, ziet-n »i- wied-rum regen die
Kaiserlichen, welche sämtliche Streitkräfte in der Suadı Bu 42 ZUSAMMEN-
xvzogen hatten, um die Schweizer von weiserem Verden 2.2en sıbyauhalten.
Sobald man daher von dem — —— der Schweizer rehirt har, rufen
die Kaiserlichen zu den Wagen ur! ermatı-m die Eırzrore, sie gegen
.
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die Feinde zu führen. Dach jen- ri isr Ari Fir och en-
Innen ansvlanzen wenden: er re Delg-Drentmn roten bereblen
St, Syaker aruzwiie. welie Ze Sri eg Soerarirs arskend-
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kriegerischer Weise zurückgehen sollten. Aber dieser Befehl wurde
ganz anders aufgenommen. Die noch eben so beherzten Krieger gerieten
dadurch in solchen Schrecken, dass sie glaubten, er sei das Zeichen
zur Flucht. Inzwischen nahten die Schweizer und schon griffen sie die
Hintersten an, so weit nicht die Reiter sie daran hinderten. Es kam
daher zur offenen Flucht, und die Feigen rissen selbst die Tapfern zum
Fliehen hin und alle eilen auf Bregenz zu. Es war ein grosser Sumpf,
in welchen der See zur Sommerszeit und beim Schmelzen des Schnees
der Alpen austrat; damals entbehrte er zwar des Wassers, war aber
ganz mit tiefem Kote angefüll. Auf der Flucht hieher verschlagen,
versuchten sie, weil der gerade Weg nach Bregenz dort darchführte,
ihn zu überschreiten. Aber so gross war die Breite des Grabens und
die Tiefe des Kotes, dass ihn niemand zu überwinden vermochte. Daher
wurden die ersten, die hineingeschritten waren, von den Nachfolgenden
niedergetreten und so lange in grässlichem Todeskampfe von dem Unflat
verschlungen, bis der Sumpf endlich ganz mit Leichen gefüllt war und
auch den Nachfolgenden einen Übergang darbot. Und wiewohl die Flie-
henden das offenbare Verderben vor sich sahen, stürzten sie sich doch,
um dem drohenden Tod zu entgehen, in den offenbaren Untergang; die-
jenigen aber, welche der Gegend kundig waren, vermieden die Gefahr
des Sumpfes mit einem kleinen Umweg.
Unterdessen drängten die Schweizer nach und hieben die Hintersten
nieder; aber sie wurden von der Reiterei, die sie gewaltig fürchteten,
daran verhindert, in aufgelöster Ordnung blindlings zu verfolgen. Ausser
denen, welche der Sumpf verschlang, fielen daher nur wenige auf der
Verfolgung; die übrigen gelangten mit heiler Haut nach Bregenz. So-
bald sie daselbst von der Furcht vor den Feinden befreit waren, fingen
sie an gegen die Führer zu wüten, um die eigene Schuld auf anderer
Haupt zu werfen. Die Hauptleute wurden daher gezwungen, der Unver-
schämtheit der Krieger zu weichen, bis jene Aufregung sich eine Weile
ausgetobt hatte. Und wahrlich, wenn einer die Sache recht betrachten
wollte, hat man nicht bloss diese Niederlage, sondern auch alle andern
hauptsächlich wegen der Unbesonnenheit der Krieger und der allzugrossen
Missachtung der Feinde empfangen, da die Schweizer stets nach Vor-
schrift handelten und die strengste Mannszucht beobachteten, die Kaiser-
lichen aber und die Schwaben allzusehr auf ihre Tapferkeit vertrauten;
namentlich standen von den letztern die. Ulmer in schlechtem Rufe, als
ob sie die Mutigsten im Schreien, im Kampf aber die Feigsten seien.
Das steht jedenfalls fest, dass der Mut der Schwaben durch diese einzige
Niederlage so sank, dass sie fortan mit Mühe den feindlichen Anblick
ertrugen, obgleich es noch nicht einmal zum Handgemenge gekommen
war. Auch war die Zahl der Untergegangenen nicht sehr gross. Denn
nicht über 500 wurden vermisst, wiewohl einige die Zahl vermindern,
andere sie aber vergrössern. Da jedoch jene Furcht sich einmal der
Gemüter der Krieger bemächtigt hatte, konnte sie nicht so leicht wieder
ausgetilgt werden. Die Schweizer aber kehrten, da sie nicht wagten,
dem Feind entgegen zu gehen, um und zogen weg, indem sie mittler-
weile alles mit Feuer und Schwert verheerten oder die Landleute um
Geld brandschatzten. Hierauf gingen sie über den Rhein zurück und
228
legten überall an die passenden Orte Besatzungen, um die Feinde leicht
vom Übergang ———
90. Schweizeriſche Mannszucht im Schwabenkrieg.
Pirkheimer S. 14.
on einem der gelegentlichen Beutezüge, welche im Rheintal
hinüber und herüber gemacht wurden, erzählt Pirkheimer
S. 14 folgenden Vorfall:
Es geschah einmal, dass die Schweizer in Reih und
Glied über den Rheinstrom setzten, der dort zur Winterszeit und vor
dem Schmelzen des Schnees der Alpen, bevor er in den Bregenzersee
tritt, manchmal voll seichter Stellen zu sein pflegt, und als die Vorderen
schon das Ufer erreicht hatten, entstand plötzlich das Gerücht, die Feinde
seien da. Denn die Reiter, welche auf den Posten Wache zu halten
pflegten, ritten, als sie den Übergang der Schweizer wahrgenommen
hatten, nach Späherart hinzu, und die Hauptleute befahlen dem Zuge
der Ihrigen, stehen zu bleiben, bis man auskundschaften könne, was der
Feind im Schilde führe. Ein jeder machte daher an dem Orte Halt,
wo ihn gerade das Loos getroffen hatte, in voller Schlachtordnung, so
dass die, welche das Ufer erreicht hatten, auch dort stehen blieben,
die aber, welche noch im Flusse angehalten worden waren, ebenfalls
darin verharrten, obgleich einige bis an die Schultern und das Kinn
von der Flut benetzt wurden, da unterdessen der Rhein überall voll
Eis strömte, dessen grosse Schollen die Krieger mit den Spiessen durch
die Zwischenräume der Glieder ableiteten und vorwärts stiessen. Und
so verharrten sie beinahe zwei Stunden lang, bis gemeldet wurde, es
stecke kein Hinterhalt dahinter; sintemal sie es für schimpflich hielten,
sich zurückziehen, ohne den Feind gesehen zu haben, für unbesonnen
aber, weiter vorzurücken, ohne vorher Kundschaft einzuziehen. So
strenge beobachteten sie sowohl hier als anderwärts die kriegerische
Zucht, was ihnen zu besonderem Ruhm und Nutzen gereichte. Man
fand nämlich auch solche, denen von der heftigen Kälte die Füsse und
einige, denen die Hände erfroren, während sie angestrengt nächtlicher
Weile Wache standen. Ja einige gaben sogar die Seele auf, indem sie
es für schimpflich und schmachvoll hielten, die Glieder zu verlassen,
91. Das Treffen beim Brwderhoß. 22. März 1499.
Aus Schradins Reimchronik, Geſchichtsfreund IV. S. &
Nikolaus Schradin, ſeit 1488 Ratsſubſtitut in Yuzern, beſchrieb den Schwabenkrieg
in Reimen, die er 1500 zu Surſee im Aargau druden lich.
*8p
Bi
229
ren mach uf den 22. tag merzen, als ich bin bericht,
4 | Begab fi bi Bafel uf bruderholz ein gefchicht,
Als der vind ob 4000 ! bi einander warent verfampt
us fungom ?, den vier vinftetten ? und andrem land.
Gttich * von luzern, follenturn und us berner piet
Bi 800 an zal, gerüfcht + und der Dingen gemiet ®,
Die griffend die vind die obgemelte zal an.
Bon eidgenoffen diefelben achthundert man
Habent mit gottes hilf mit verr ® von bafel
Berrudt ” dem pfawenfwanz fin vafel ®,
So zier? mit einer flucht genomen an die hand,
Des glich kum erhort !9 ift in feinem land.
Erlih hand fich mit lonfen geflochen ze tod,
Etliche hand fih vor hit getrimfen ze tod,
Und fo oft oder did !! ih doran gedenf,
So muß einer lachen folicher ſchwenk,
Zunder '? dem fin golter !? mit wirt geflochet 4 oder geleit !’
Und einer alfo flüchet, den man hat ufgefett !6.
Sie ließent but, Schuch '7, waffen und anders fallen,
So bat man erichlagen ob 80 man uß in '* allen
Und fie gon bafel an die grendel !? gejagt.
Bon forchten warent fie fo ganz verzagt,
Wär der weg in die heil 2% offen geftanden,
Sie wärend geloufen zu des tüfels handen,
Mit lonfen find fie der eidgenoffen meifter zu dem zil,
Dann?! feiner ir ftreichen erwarten wil,
Mit fliechen bettent fie gewonnen das gelt ®%,
Doch zu ftrit ?3 behieltent die eidgenofjen das veld,
On ſchaden, als ** fie einen man verlurent und nit mer.
Zu gott fund ir lob in dankbarkeit der er ®,
So er inen mitteilt und den fieg zufandt.
Mit guter betrachtung habent fie das wol ertant.
I Birfheimer gibt 6000 Staiferliche und 2000 Schweizer an. — * Sundgau. —
> Waldshut, Yaufenburg, ZSädingen und Rheinfelden. — * gerüftet. — ° erfahren. —
° fern, weit. — ” außer Faſſung gebracht, verwirrt, — *Nachlommenſchaft, Jungen. —
prächtig, ſchön. — !9 erhört. — woft, häufig. — ** beſonders der. — 8 geſteppte
Bettdecke. — geflüchtet, in Sicherheit gebracht. — '? geranbt. — 19 drauf geſetzt oder
feindlich behandelt (orgl. auffägig)? — 97 Schuhe. — * ihnen, — Fallgatter an ben
Toren. — ?° Hölle. — *! denn. — ?*? nämlich den Preis im Wettlauf. — 9 ım Streit,
24 als daß. — für die Ehre.
92. Die Schlacht im Schwaderloch. 11. April 1499,
Anshelm S. 383 fi.
Alſo begab es ſich am elften Tag April — es war Donnerstag nach der
Oſterwoche — daß die Königlichen und Schwäbiichen mit großer Macht zu
—— -
230
Roß und zu Fur, über 17,000 Mann !, nad) Notdurft mit Lieferung, Ge:
wehr und Gefchüt zu einem Heerzug verjehen, aus der Au? zu Schiff und
zu Land und aus Konftanz verfammelt waren. Sie hatten zu Konftanz die
Brücke mit Mift überftreut, daß man die Neifigen nicht hörte, lieken aud)
allenthalben auf den Seen bewaffnete Schiffe gegen die Beſatzungen der Eid-
genoffen jchweben, fie am Zufammenlauf zu hindern. . . . Zogen aljo früh
ftill zum Dorf Ermatingen, überfielen da die übel bejorgte Wache und
und auch die unachtiame Bejatung, welche, wiewohl jie jich zu wehren ver-
juchte, auch etliche Feinde erwürgte, doch von der Viele der Feinde jo gar
iberdrängt wurde, daß fie über 73 Mann, vornehmlich von den Inſaſſen,
dahinten, auch etliche in den Betten erjtochen ließ, [und] fümmerlich mit viel
Wunden rüdwärts in ein Tobel und Holz entfloh. Von denen waren etliche
jo erſchreckt, daß jie Schuhe, Kleider, Harnifche, Gewehre und all ihre Habe
fallen ließen, ſchreiend: „Fliehet! Altes verloren, o weh, lieben Eidgenoſſen!
fliehet!“ — Und da der Feldhauptmann im Schwaderloh, Rudolf Haß
von Yuzern, zwei Halbichlangen mit zwanzig Knechten des Morgens dahin
geichieft hatte, ward der Büchſenmeiſter jelb dritt erjtochen und die Büchſen
von den Feinden binmweggeführt.
Da num fein Eidgenoffe mehr vorhanden war, aßen die Schwäbiſchen
fröhlich zu Morgen, was die Eidgenoffen gefocht und getifcht hatten, plün—
derten dies Dorf, desgleichen Triboldingen und, nicht ohne ihren Schaden,
Mannenbach mit Kirchen und Allen, liegen nichts undurchſucht, und waren
jo roh, daß fie auch auf Frauen mit blanfer Waffe einhieben. . . . . Herr
Burkard von Randeck, des Fußvolks oberjter Hauptmann, war ein jo
grimmiger Schweizerfeind, daß er in die Kirche ritt, einen fiebenzigjährigen
grauen bfatterlahmen Mann, vor dem Altar liegend, erjtach [und] jauchzend
bei Gottes Marter jchwur: „er wollte an diefem Tag im Schweizerland
räuchern und bremen, daß Gott im Negenbogen vor Rauch und Hite blin-
zeln und die Füße an fich ziehen müſſe.“ ... Nach der Plünderung ver-
brannten jie die vorgenannten Dörfer und räucherten, daß die zu Zell, Über-
lingen und Yindau fröhlich meinten, das ganze Thurgau fahre, erobert, im
Hauch zum Himmel. Bogen bernach oberhalb Ermatingen auf den Berg,
da Nat zu halten, was weiter vorzimehmen [jeil. Da rieten die beladenen
Kiſten- und Kirchenfeger, wieder zurückzuziehen, aber die Peeren, auf ihren
Zieg und auf der Schweizer Flucht, als ob fie jchon alle geflohen wären,
nunmehr das Schwaderloch auszuräumen, und vermeinten, das ganze
Thurgäu bis gen Zürich an die Stadt jet zu gewinnen. Und aljo uneins, fuhr
' Birtheimer bat 10000; andere dentiche Berichte ſogar bloß 4500 Landsknechte und
IN Netter, — Reichenan, die von Peutichen bejegt war.
231
einer bie hinaus, der andere dort hinaus, wie nach ganz gewonnener Sache,
ohne Sorge: jo doch etliche rieten zu ihrem Spott, man jollte Sorge tragen
und die Feinde nicht verachten, die da ihren Schaden faum würden ungerächt
laſſen. Sie hoben an, im „Boden“ ihre gewonnene Beute zu teilen.
Nun während diefer Dinge war ein Sturm ausgegangen allenthalben
durch das ganze Thurgau bis gen Zürich und Schaffhaufen. . . . Auch lief
der Mehrteil der Geflohenen von Crmatingen zu den Hauptleuten und
Knechten, jo in und am Schwaderlod lagen, Hagten ihmen ihre Not,
Schmach und Schaden, dringend bittend und begehrend um Rat und Hilfe,
die Sache zu rächen; daran wollten fie gern ihr Yeib und Leben als fromme
Eidgenofjen jegen und lieber, jo es nicht anders fein möchte, ehrlich jterben,
denn ehrlos leben. Darauf taten fich der neun Orte und ihre Verwandten,
der Thurgäuer, St. Galler, Bifchofzeller ꝛc,, Hauptleute zufammen, fürnehmlid)
Rudolf Haß, Oswald von Rotz und Stoffel Suter, fo ſchon auf-
gebrochen waren, um zuzuziehen, beriefen ihre Knechte, ihnen ernitlich für—
haltend und hoch ermahnend, daR fie nach löblichem Herfommen und Braud)
ihrer frommen handveften Altvordern, die ihnen mit Heiner, aber vauber
Hand von gewaltigen mächtigen Tyrannen ein freies Yand, Ehre und Gut
erobert hätten, ... mehr jollten zu Herzen nehmen, . . . empfangenen Schaden
zu rächen, ja, umd vielmehr ihre Ehre zu retten, als alle Macht und große
Zahl ihrer Feinde vorzufchüten, jo früher immer und jett in diefem Kriege
oft, von Gottes Gnaden, mit fleiner, aber mannlicher Hand und Zahl, wäre
überwunden worden. Und in Anſehung diejer Dinge jollten fie ... den
grimmen, aber flüchtigen Feinden der alten Eidgenoffen jtandhaftes, un—
verzagtes Herz truglich erzeigen, das da eher will mannhaft und ehrlich)
tterben, als mit zager, aber jchändlicher Flucht die Feinde frifch machen und
ftärfen. Wann, was Gott wenden wolle, jte, die Eidgenofjen, der Flüchtigen
Namen befämen, jo würde zu ihrer und alt ihrer Nachkommen ewigen Schande
einer hoch und weit geachteten Eidgenoffenichaft Achtung gar in Verachtung
fommen. Dem, jo viel an uns iſt, vorzubeugen, jo wollten fie ihr Glück auf ihren
alten gnädigen Gott hin fröhlich wagen, gegen ihre Feinde, eh fie von Fleck
rückten, getroft ziehen und jich da als fromme, treue Eidgenoffen beweiſen.
Da nun diefe Meinung Allen wohl gefiel, ... machten fie mit fünf
sehnhundert Dann, [jo] da verſammelt [waren], hinter dem Wald eine Ordnung,
beteten, rückten dann jtill im Walde vor gen Wäldi; und nachdem fie durch
ihre Späher, berichtet, wie die Feinde zerjtreut, ihr Geſchütz gegen das
Schwaderloch gerichtet wäre, jchlugen jie einen Seitenweg ein, bis daß ſie
die Feinde jehen konnten. Beteten abermals drei Paternoſter und Ave Maria;
fuhren dann mit großem Grimme auf und Tiefen wie die wütenden Löwen
durh den Wald den Berg ab gegen die Fähnlein, den Feinden im die
Seite,
232
Als aber die Feinde die Eidgenoffen gewahr wurden, Tiefen fie auch zu:
jammen, eine Ordnung zu machen, da neben dem Fußvolk die Neiterei —
deren Hauptmann Graf Wolf von Fürftenberg — mit eingelegten
Yanzen hielt, ließen ihr Gejchüig auf die Eidgenoffen ab, aljo dak vor Rauch
fein Teil den andern ſehen mochte. Nichts defto minder drangen die Eid:
genojjen, vom Geſchütz ungefchädigt, gewaltig vor, jchoffen, jchlugen und ftachen
jo ritterlich drein, dan nach zwei Schlangenjchüffen der Feinde Fähnlein zuerft
anheben, rückwärts zu weichen. Und da das ihre Meifigen erjahen, jtrengten
jie ſich trefflih an, beitändig zu fein wider dieſe vorerjt geichlagene und
flüchtig gemachte Handvoll Yente; ftunden hiemit ihrer etliche vom Adel,
nämlich voran Herr Burfard umd fein Bruder, Herr Heinrich von
Randed... und andere herzhafte Ritter, ſchnell von ihren Pferden, traten mit
guten Spieken in die vorderjten Glieder, wehrten ſich dermaßen, daß, wo die
andern dergleichen getan hätten, ihnen von dem fleinen Haufen nichts abzu-
gewinnen gewejen wäre. Da jchrien die Eidgenoffen: „D'ran, d’ran! die
Böswichte fliehen! D’ran, weidelih d'ran.“ Drüdten aljo mit ungejäumter
Fauſt jo heftig dran, daß fie die obgenannten Ritter und die drei vorderften
(lieder, nicht ohne Schweiß und Blut, ganz darnieder legten, und die andern
hinten ab, wie zu Hard gelehrt, die Flucht ergriffen. Da machten die Eid:
genojjen gejchwind zwei Haufen, einen, der Flucht nachzueilen, den andern,
auf die Reifigen, jo gar oft umkehrten, zu halten. Jagten aljo von Triboldingen
weg bis gen Gottlieben, und als fie das emfige Schießen aus dem Schloß
‚da beſtrich, wurden jie von den Hauptleuten zurüdgerufen, ihr gewonnenes
Gut zu behaupten und bei ihren Eiden, ji dahin zu begeben, gemahnt, und
aljo hatte der große Streit ein Ende. . . . Den Reiſigen geſchah nicht viel,
aber vom Fußvolk blieben über 1300 Mann, darunter 130 Konftanzer Bürger,
auf der Wahlftatt liegen. —
Da nun die Eidgenoffen zuſammen gelommen waren, fnieten fie vor allen
Dingen nieder, dankten hoch ihrem treuen alten Gott um den großen ehrlichen
Sieg, ihnen von ihm gnädiglich, mit Heinem Schaden ihrerjeits hier verliehen... .
Gaben, auf Begebr derer von Konftanz, den Pfaffen und Frauen Geleite, die
Entleibten, wo jie wollten, zu begraben. Aljo, was Namen hatte, ward hinweg
geführt, aber der Mehrteil mußte im Feld elendiglich verweſen. Zogen nachher
mit erretteter und gewonnener Habe wieder ab im ihr Yager, hatten nicht
zwanzig Marmn verloren.
vs —
233
93. Die Schlacht bei Fraftenz. 20. April 1499.
Anshelm I. S. 379. 393 fi.
Als die Eidgenoffen zu Ende Hormmg aus dem Oberland heimzogen,
hatten fie ihre Plätze mit Beſatzungen nicht aufs befte, nur gegen einen [erjten]
Sturm verwahrt, den Wallganern ihres gejchwornen Eides |wegen| mobl:
vertrauend. Diefe aber, an den Eidgenofjen eidbrüchig, flochten mit Hilfe der
Etſchleute und Schwaben, wie geihägt [wurde], eine ımeinnehmbare, zwiefache
Yege, von rauhen [unbehauenen] Bäumen, zu Fraſtenz von der Ill bis
an den Yanzengajtberg, mit allerhand Geſchütz und Yeuten, zu Roß und
zu Fuß über 15000 Mann ſtark, aljo aufs befte verforgt, daß fie vermeinten,
da, wie in einer Stadt ficher zu fein und die Eidgenoffen daraus zu befriegen.
[Folgt die Beichreibung eines Einfalls, den die Kaiſerlichen von Fraſtenz
aus im jchweizeriichen Rheintal machten, und der Sammlung eines eid-
genöffiichen Heeres von 7000 Mann.) . . . Die Eidgenofjen im Oberland
wurden am 19. Tag April — es war Freitag vor Jubilate — zu Tſchan
zu Rat, ihre Feinde zu Fraſtenz in ihrer Letze zu bejuchen und anzugreifen.
Deshalb gewarnt, rüfteten jich die Feinde von Stund an mit aller Notdurft
zur Gegenwehr, die Eidgenofjen zu empfangen. Verordneten 300 Büchfen-
ihügen auf den Yanzengaft, den Berg zu behüten, und legten in die Mitte
des Berges 1500 mwohlgerüftete Knechte, jo die Eidgenoffen ihre Letze vorn
anzufallen ſich unterftünden, daß fie dann herab ihnen in die Seite oder in
den Rücken fielen. Dies waren meiit Erzfnappen, die ſich hiezu mit viel
Rühmens jelber anerboten; hieß der „stählerne Haufe“, hatte viel Vertrauen
darauf, Kuhmäuler zu wirgen. Dagegen, als die Eidgenoffen von diejer
Rüftung benachrichtigt wurden, gaben fie dem friichen, friegsfundigen Heinrich)
Wolleben von Uri, auf jeinen Nat und Begehr, 2000 willige Knechte, und
die Panner von Urjeren und Sargans damit, um den Berg zu gewinnen, in
die Yete zu brechen und fie zu umgeben, dar, indem das ganze Heer am
Berg durch das Holz hinein gegen die Letze ride, der graue Bund auf den
Troß die Nachhut hielte, und aljo hinter den Feinden alle wieder zufammen
fommen jollten.
Alſo nach diejem Anschlag am andern Tage früh, Samstags, brachen
die Eidgenoffen in Gottes Namen auf, zogen gegen das Yager der Feinde
hin, und als jie durch die alte Letze auf eine Ebene famen, da nahm obge-
nannter Hauptmann Wolleb jeine Knechte zu ſich, zog till an den Berg zu
einer wilden Schlucht, betete da, ftieg da durch Stauden, Stöde und Felſen
jo rauh, daß jie einander mit Spieken binaufichieben und ziehen mußten.
Kamen aljo mit harter Mühe hinauf. Hieß fie abermals beten, und ermabnte
jie tröftlih, um ungezweifelte Ehre einzulegen. Damm, ehe daß jie alle hinauf
rn DA
234
zufammen fommen mochten, waren der Feinde Büchſenſchützen ihrer gemahr
worden und jchoffen gräulich auf fie. Da ducten fie ſich und Frochen auf allen
vieren vorwärts, bis die Handſchützen abgeſchoſſen hatten und die Ihren herzu—
famen. Drangen dann jo feit auf die jtählernen Schügen ein, daß fie zurück
dur das Holz wichen, da ihre 1500 ftählernen Gejellen in guter ftählerner
Ordnung jtanden, die herzu- und heranlaufenden Kuhmäuler zu empfangen.
Alfo kämpften fie da hart mit einander, Stich um Stich, Streid um Streich,
bis vom ftählernen Haufen zwei Glieder niedergelegt und die andern in ihre
jtarfe Yege mit Fliehen unternahmen zu entrinnen umd auch die Ihren zu
warnen. Und aljo, da jie den Berg hinab liefen, war indeſſen der Eidgenoſſen
Heerzug hinzugerüct, empfing fie gerade in die Spieße; aljo daß die, welche
vom ftählernen Haufen nicht vom Wege ſeitab jchoffen oder ſich ins Geftrüpp
verfrochen, alle erfchlagen wurden ; und erfand fich, daß diefer ftählerne Haufe
jo jehr vom Kuhmäuleratem zerjchmolzen war, daß von ihm nicht zweihundert
mit Fliehen ganz geblieben waren. Und aljo hatten die redlichen Eidgenoſſen
ohne einigen Verluſt mit diefem redlichen Vorfpiel den fteinigen Berg und
die jtählerne Vorhut zur Morgenſuppe redlich gewonnen.
Dierauf, al$ die Eidgenofjen zufammen gefommen waren, jchlüpften fie,
Hommen jie, wie jie mochten, durd den durcheinander gefällten Wald, bis
daß fie, hinter die Letze durchgebrochen, im Angeficht der Feinde ftanden.
Taten jich ernſtlich zuſammen, beteten und rücten gemad) vorwärts; denn ihre
Feinde, noch über 14000 [Mamn] ftart, machten da drei Haufen gegen fie,
einen zu Roß und zwei zu Fuß, davor über 1200 Büchſenſchützen und das
Dauptgeichüg vor und auf den Flügeln gededt. Drückten aljo gegeneinander
in guter Ordnung; und da die Königlichen meinten zu treffen, ließen jie eine
große Zalve auf die Eidgenoffen ab. Da hatten fie jich nieder gedudt, und
als der Donner vergieng, wollten fie im Rauch auf und d’ran wiſchen. Da
ruft der Hauptmann Wolleb: „Nicht, nicht, lieben Eidgenoffen, laßt noch einen
Schuß vorübergehn, und dann jo greifet geichwind und wirffam die Webrlojen
an!” Indeſſen liefen die Feinde noch einen größern Donnerſchlag und Hagel
auf jie gehen; alfo daß jie vermeinten, die Eidgenofjen jollten zerichoffen und
zerftäubt jein; denn fein Teil mochte den andern vor dem Rauch des großen
Schiekens jehen. Da ward der getrojte Hauptmann Wolleb, als er aufrecht
die Ordnung erhalten wollte, tötlich geſchoſſen; hieß jich bei Zeite legen und
ermahnte die Eidgenoffen jtreng, fie ſollten getroft, obne fein zu achten, vor-
gehen; die Sache jei gewonnen. Wünſchte ihnen Glück und empfahl ſich der
Gnade Gottes und verichied hiemit nicht obme Yob noch Yeid der ganzen Eid-
genofjenichaft, der er oft als ein unruhiger dreifter Kriegsmann Yob und Leid
zugefügt hatte !.
' Heint Wolleb und fein Bruder behaupteten, im Jahr 1491 durch Florentiner beranbt
worden zu fein, und nahmen ſich berans, Florentiner Kaufleuten aufzulauern, fie zu über:
Und alfo, ſchnell, eh denn die Schwäbiichen möchten wieder zum Schießen
fommen, jchojfen, ftachen und jchlugen die Eidgenoſſen jo ftarf und jo wirkſam
drein, daß die Königlichen und Schwaben abermals ſich mit ihren Ferſen jo
trefflich, ja ſchändlich wehrten, daß fie, über die Ill hinaus fliehend, über
3000 Mann auf der Wahlftatt dahinten Tiefen und über 1300 in dem
Waſſer der Ill Ertrunfene zu Feldkirch am Nechen auflajen. Da die Feldkircher
ihrer gewahr wurden, wurden fie jehr erfreut, vermeinend, es wären eitel
Schweizer, bejonders da der erfte ein weißes Kreuz am fich hatte. Da aber
die andern alle, und die, jo diefe zu Roß und zu Fuß geleiteten, vote Kreuze
trugen, wurde ihre Freude zu jpät mit Schaden in Leid verkehrt.
Nachdem nun die Eidgenofjen zum Imbis diejen gewaltigen Streit nur
mit elf Dann Verluft gewonnen hatten, zogen fie zufammen in der verjagten
Feinde ftarfe Letze. Sagten vor allen Dingen ihrem alten, gnädigen Gott
groß Yob und Danf um die zwei großen, an diejem Morgen gewonnene Siege
und trugen ihre Beute zu Haufen. . . . Und als nun die Eidgenoffen in der
Yese drei Tage nach Kriegsbrauch verharrten und die überbliebenen Wall-
gauer wiſſen mochten, was ihnen und ihrem Meineid bevorftand, wurden
fie zu Rat, abermals die Eidgenofjen um Gnade zu erjuchen. Sandten hierauf
ihre Priefter mit dem bi. Saframent und ihre Weiber und Kinder zu den
Eidgenofien in die Letze, welche da knieend, Hagend, jchreiend und weinend
235
fallen und zu berauben, bis ihnen dies Handwerk von der Tagſatzung gelegt wurde. Auch
fübrten fie wiederholt dem König von Frankreich Söldner zu, troß der obrigkeitlichen Ver—
bote. Wollebs Heldentod wird in andern Quellen anders dargeftellt. Pirkheimer erzählt:
„Es entitand alfo eine gewaltige Schlacht. Von beiden Zeiten wurde bartnädig gefochten
umd viel Blut vergofien; alles miederhallte von dem Donner der Gefchüge, den Geſchrei
und dem Setöfe der Trommeln, Unter den Schweizern war ein äußerſt fübner und kriegs—
erfabrner Mann, Namens Hein rich Wolleben. Dieſer befann ſich nicht, ſein Haupt
dem Baterland zu weihen. Er ergriff eine längere Streitaxt oder ſogen. Halbarte, ſchob
ſie quer unter die feindlichen Speere, drückte dieſe in die Höhe und hielt, die Feinde am
(Gebrauch der Speere verhindernd, jo lange damit an, bis er von vielen Wunden durch
bohrt die Kräfte verlor und fterbend zur Erde fanf. Dort wurde alfo die Schlachtordnung
der Kaiſerlichen am ftärkften erichiittert.“ Die Alta des Tyrolerkriegs (ſ. unten) laſſen Wolleb
ſchon im erften Kampf mit den ftählernen Haufen den Tod finden: „Da it auf der Eid-
genoflen Zeiten im erften Glied geweſen der Wolleb, und auf der Königlichen Zeite
Yeonbard Nenn von Nentingen, zwei Hauptleute bochberübmt, vedliche qute und erfahrene
Kriegstnechte, ... und ehe fie die Letze überhöht hatten (d. h. die die Schanze beberrichende
Berghöhe erflommen), find fie in einer Tiefe in ein dichtes Geftrüpp von alt und neu ge-
fälltem Holz gelommen, daß cin Mann nach dem andern hindurch Schlüpfen mußte, und als
fte hindurch und damit über der Yetse waren und Die überböbt batten, da griffen fie an, und
trat der Wolleb und noch einer aus der Ordnung und überichlugen quer gegeneinander
mit ihren Spießen den Königlichen ihre Spieße im erſten Glied alle, daR fie Die nicht
aufheben, noch brauchen fonnten: da wurden der Wolleb und der Nenn aleich eritochen,
und war dem Wolleben vorber ein Schuß mit einer Büchſe worden durch den Hals, und
gewannen die Eidgenofien den Sieg.“ Ta indes die Schweizerischen Zeitgenoſſen ſämtlich
Wolleb von einem Schuffe fallen laffen und von feiner Wintefriedstat nichts berichten, fo
mag bei Pirkheimer und den Alta der Opfertod eines andern beidenmütigen Kriegsmannes
mit demjenigen Wollebs verwechielt, refp. vermengt worden fein. ©. Meyer, die Schlacht
bei Fraftenz, Archiv für Schweizergeich. 1864. XIV. Bd. Z. 24 fi.
236
die Eidgenoffen . . . jehr demütig um Barmherzigkeit und Gnade anriefen ;
jie aufs höchfte um Gottes Barmherzigkeit willen... ermahnend und bittend,
ihre vorher getanen Gelübde nicht anzufehen, die fie, von ihnen nicht mit der
begehrten Bejagung verjehen und von ihrem natürlichen Herrn beberricht, nicht
hätten halten fünnen, jondern jich ihres erbärmlichen Elendes genügen zu
laffen, daß fie in Mehrzahl troſt- und hilflos, ihrer Väter, Brüder, Gatten
und Söhne durch fie beraubt, nichts mehr an Vorrat hätten, als ihre mann-
loſe, wehrlofe Behaufung. Und dieje zum Aufenthalt der armen Wittwen und
Waijen zu retten, jo amerböten fie jich willig und mit Danf, eine Brand-
Ihagung nad ihrem Vermögen, ihnen nad) Gnaden aufgelegt, redlich zu ver-
bürgen und zu bezahlen. Während diefer Bitte und Werbung biegen die Eid-
genofjen unwirſch den Priefter mit dem Sakrament, als ungebührlich handelnden,
jofort aufjtehn. Danach, auf gehaltenen Natjchlag, gaben jie ihnen zur Antwort :
zumal der allmächtige Gott ihnen wider dieje ihre ungnädigen tötlichen Feinde,
jo mit umleidlichen, unchriftlichen Schmähtvorten und Taten fie und eine ganze
jonft friedliche Eidgenofjenichaft zu ſolcher Kriegsübung verurjacht hätten,
guädigen Sieg verliehen hätte, wiewohl jie ſich feiner Gnaden von den
Ihren, als Feinden, verjehen könnten, jo wollten jie, die Betrogenen, dennoch
ihnen abermals auf getane Bitte und Begehr verzeihen und Gnade beweijen,
und jtatt weiterer Beihädigung, zu der jie Macht und Fug zu tum hätten,
8000 GL. nehmen, welche fie ihnen ohne Verzug verfichern follten, dazu acht
wohlhabende, ehrliche Männer als Bürgen in ihre Hand bis zu genügender
Entrihtung übergeben. Nachdem das alles nach der Eidgenoffen Willen voll-
zogen war, zerriffen und verbrannten fie die Yere und zogen jiegreid ab und
mit Freude wieder heim.
94. Aus der Mahnung König Warimilions zum Reichskrieg
gegen die Eidgenoffen. Freiburg im Breisgau. 22. April 1499.
Anshelm IL ©. 42 ff.
Maximilian, von Gottes Gnaden Nömifcher König, zu aller Zeiten
Mehrer des Neichs ꝛc. Ihr Vieben, Getreuen! Wir haben unfern und des
heiligen Römiſchen Neiches Kurfürften, Fürſten und Ständen das hochmütige
und verächtliche Yornehmen der Eidgenojjen umd derer vom Granbund
der Yänge nach in etlichen Ansichreiben angezeigt und dabei aufs höchſte ver-
mahnt, Uns auf das allerjtärkite zu Roß und zu Fuß unter des heiligen
Römischen Reichs Panner zuzuziehen. - =
BE —— 2
237
Damit aber männiglid der Eidgenoffen unbillige Handlung, und aus
was für unredlichem Grund ihr Eid gekommen und entjprungen jei, merken
und Har verjtehen möge — wiewohl der leider, was zum Erbarmen
ift, von der Welt unweislich geehret wird — fo ijt den alfo:
Anfänglich haben fich etliche Orter in der Eidgenoſſenſchaft, nämlich die von
Uri, Schwiz und Unterwalden wider ihre erften Eide und altes Herfommen,
wider ihre rechten natürlichen Herren und Yandesfürjten, die Herzoge zu
Oſtreich als Grafen der alten und edlen Fürjtentümer Habsburg und Kyburg,
wider Gott, Ehre und Recht und alle Billigkeit, aus eigenem böjen, mutwilfigen
Lornehmen, in Vergeſſung Gottes, ihres Glimpfs, Ehre und Eidpflicht, ſich
aufgeworfen, zuſammengetan und mit geichworenen unvedlichen, undhriftlichen
Eiden ſich mit einander verbunden. Auch aljo nachmals andere ihrer Umſäßen
und Anftößer, darunter eine merfliche Anzahl von Grafen, ‚Freien, Nittern,
Edlen und Knechten, die zuverderjt des heiligen Reichs und zum Teil des
Fürſtentums von Habsburg Untertanen gewejen find, zu ſich zu folchem Un-
gehorfam und Berpflichtung mit Gewalt genötigt und ihnen diejelben ihre
natürlichen Angehörigen vor etwa viel hundert jahren abgedrungen . . . und
ihr Blut vergoffen und [fie] mit dem Schwert erjchlagen, und von den Ihren
und aus dem Ihren vertrieben und gänzlich ausgetilget, darzu aud) der Geift-
lichen weltliche Befigungen und Oberberrlichkeiten an fich gezogen. Dazu haben
Wir und weiland unfere Vorfahren Löblichen Andenfens bisher zugejehen und
das gelitten umd wider fie nichts gehandelt, jondern verhofft, mit der Zeit
nit Gütigfeit etwas zu erlangen. Aber fie, verhärtet und verftopft, jind aljo
für und für durch Uneinigfeit und Zwietracht der Kurfürjten, Fürſten und
Stände des heiligen Neichs, zum Schaden, zur Unterdrüdung und Strafe
derfelben, aus göttlichem Verhängnis, um unfer aller Sünde willen, dermaßen
eingewurzelt, daß Fein König noch Fürſt neben ihnen, da fie denn allzeit der
unrechten Partei lieber, als der gerechten geholfen, außer mit merklicher Ge—
fährdumg jeiner eigenen Negierung [hat] aushalten mögen... . Und wie
wohl die Sachen groß und merflih, jo haben doch die Gemeldeten vom un—
ehrlichen und umnatürlichen neu erdachten Eid an jochen ihren ungegründeten,
undriftlichen und unehrlichen Handlungen und Hertommen nicht genug gehabt,
jondern jett aufs neue vorgenommen und bedacht, ihren Fuß meiter in das
beilige Reich und die deutjche Nation zu fegen, und aus eigenem Mutwillen,
ungewarnter Sache und unbewahrter Ehre, wider alle Billigfeit, Glimpf und
Recht, unabgejagt, wider alle Kriegsbräude, was dod weder vom Türken noch
Heiden zu gewärtigen ift, das ganze heilige Reich anzugreifen, das zu befriegen
und einen merflichen Teil, nämlich die vom grauen Bund, jo unmittelbar dem
heiligen Reich zugehören und die zu diejer Zeit ihnen ganz folgen und dazu
Diefed gegenwärtigen Kriegs Anreizer und Anfänger jind, in ihren Gehorſam
und in den obberührten, ihren ungegründeten, unmatürlichen Eid zu drängen
238
und zu bringen Lijtiglich jich unterjtanden. Zu was für Verachtung, Unter:
drüdung und verderblichem Schaden das deutjcher Nation, dem heiligen Neid)
und der ganzen Chrijtenheit diene, mag männiglich ermeſſen, wiewohl fie
bisher mit ihren Hiftigen Worten und Dandlungen gar viele Städte und
Untertanen des heiligen Reichs an ich gezogen und gebracht, die jett heut:
zutage gegen ihre Nachbarn jo grob und dem heiligen Reich ganz widerwärtig
jind, wie die eriten Bauersleute, denen jie jtets Hilfe bewiejen.
Deshalb ganz erichredlich zu hören wäre, jollte den böſen, groben und
ſchnöden Bauersleuten, in denen doch Feine Tugend, adlig Geblüt, ned)
Mäfigung, jondern allein Üppigfeit, Untreue, Haß gegen die deutiche Nation,
ihre rechte, natürliche Herrſchaft [zu finden it], davon jie ſich, wie oben ge-
meldet, gejchieden haben ihr Vorhaben gelingen], und eine große Schande tft
es, länger zuzujehen und ſie nicht gebührlich darum zu ftrafen. — — —
95. Die Schlacht an der Calven. 22. Mai 1499.
Acta des Tyroler-Kriegs, abgedr. in Der Nätia, 1869. IV. Jahrg. S. 133 fi.
Unter den Quellen zum ZSchwabenfrieg nimmt ein alter, von einem unbelannten
Bilndner, Untertanen des Biſchefs von Chur, einem Angehörigen des Gottesbausbundes,
noch 1499 geichriebener oder wenigſtens begonnener Schlachtbericht, betitelt: Acta des
Tproler-Kriegs xc., für die auf Graubiinden bezüglichen Ereigniffe die erite Stelle ein.
Wührend der Zeit haben die Königlichen zwiichen Yaatih und Calven
von einem Berg an den andern über das Waffer, das aus den Münftertal
berausrinnt, eine gar hübſche, wehrbafte, ftarfe und hohe Letze gemacht, mit
guten Baſteien, Bollwerten umd die Schußlöcher jchräg übereinander geftellt,
daß man dergleichen lange nie gejeben, willens, die Bünde da zu ftrafen und
jich ihrer da zu erwehren, ſich gejtärft, gerüftet in das Mlünftertal gezogen
und da alles verbrannt und zerjtört. Darnach an dem heiligen Pfingitfeft jind
die drei Bünde gemeinſam und einhellig durch das Engadin in das Minftertal
gezogen, [haben] jih Montags und Dienftags zu Münſter im Gotteshaus
und darum verſammelt und 6300 Knechte zuſammengebracht und geratichlagt,
wie fie die Königlichen, ihre Feinde (die damals mit einer großen Macht an
der obgemeldeten Yege zu Yaatich, zu Mals und zu Glurns und allenthalben
herum zu Roß umd zu Fuß wartend fagen), angreifen wollten, und haben
aljo beichloffen, daR fie von Münſter mit dem halben Heer bei angehender
Nacht hinter Rodund! durch das Hochgebirge (wie denn ihrer viele und be:
' Burg oberhalb Taufers, von der no Trümmer erhalten find,
239
jonders die Münſtertaler diejelben ungewöhnlichen, ungebrauchten Tritte und
Engpäjje wohl famıten) durch alle Töbel oberhalb St. Marienberg ! hinanziehen
und ſich dann am Gebirg herabtun und gem Yaatjch zuziehen jollten. Und,
wenn jie hinüber wären, jo wollten fie der andern bier befindlichen Hälfte ein
Zeichen mit euer geben, wozu jie ihnen ein Haus oder Stadel bejtimmt
hatten, und wenn fie [die Zurücgebliebenen] das brennen jähen, jo wollten
jie [die Vorausgejandten] gegen Laatſch und die Yege zu ziehen und die ver-
juchen, zu räumen; dann jollte der andere bleibende Teil auch getrojt von
vorn gegen die Letze rücden, und |ite] wollten zugleich angreifen und vor allen
Dingen die Letze wegtun und verbrennen.
Diegem Anſchlag ward nachgelebt, und ward der Zug die ganze Nacht
über das hohe, rauhe, wüjte Gebirg mit ungebauten Wegen und Töbeln mit
großer Müh umd Arbeit vollbracht. Und es kamen die Knechte und ihre Führer
und Fühnlein von einander, daß jie (wenn es not getan hätte) einander feine
Dilfe hätten erweiſen fönnen, alfo daß ein Teil gen Schleiß und der andere
dem Anjchlag nachkam [nämlich nach Yaatjch]. Und wurden die Gejellen ganz
erichöpft, müde, hungrig und durſtig und ſammelten jich langjam. Und als
jie mit ihren Fähnlein durch die Töbel zogen, war es Tag und war man
ihrer inne worden, da man fie zu Mals im Turm und dafelbjt wohl jehen
mochte. Nun hatten die Königlichen eine Wache gen Schleif gelegt und meinten,
jie wollten die Bünde „überhöht” und empfangen haben. Es war aber ein
jolch Gejchrei und jchreefenerregende Kundichaft, es kämen 30 000 Schweizer
und die Bünde kämen, daß fein Heiner Haufe allein bleiben wollte. Und als
die Bundsfnechte zuſammengekommen und fich ein wenig gerüftet, geordnet und
verichnauft hatten, da gaben fie den andern (laut ihres Abjchieds von gejtern
Nacht) das Zeichen mit dem Feuer, das fie wohl jehen Fonnten. Indeſſen
waren die Feinde in drei Haufen geteilt, und war darzu unter der Yege gegen
Glurns in dem Walde eine Hut mit hübjchen wohlgerüfteten Knechten gejtoßen.
Und [die Bündner] famen dermaßen zwijchen die Feinde, daß fie nicht mehr
abtreten mochten noch konnten; denn jie konnten das Gebirge hinauf, da fie
mit Not und Arbeit herabgekommen waren, nicht entweichen, jondern mußten
angreifen, jich wehren oder jchändlich jterben.
Und als fie das jahen und ermaßen, machten fie jich jelbjt guten Troſt
und baten Gott (in dejjen Dienjt und Namen fie da waren) um Gnade und
barmberzige Hilfe und griffen darauf fröhlih an und machten den erjten
Haufen flüchtig und famen damit gegen die Yege. Da wandten fie einen Teil
der VBüchjen gegen fie und taten ihnen Schaden. Da rüdten die anderen durch
das Tal herab gar ernitlich, ein Teil neben dem Waſſer auf der Ebene, der
' Ein Klofter im Etſchtal bei Burgeis,
240
andere Teil am Berg auf der Yaatjcher Seite; der dritte rüdte durch das
Waſſer bis an die Weichen, ımd am andern Berg und allenthalben mit einem
Sturm gegen die Yebe heran. Da hatten ſie großen merklichen Widerſtand
mit Geichüg, davon jie beionders gejchädigt wurden. Da war Dietrich
Frömler von Schams, ein Hauptmann wohlgemut, friſch und durjtig beim
Angriff, wiewohl ihm etliche, die die Sache nicht verjtanden, noch Ehren und
Gutes gönnten, Heine Ehre, vielmehr Verräterei zulegen wollten, die hernach
geichweigt worden find; denn viel fromme Edle und andere Knechte, die mit
ihm gegen die Yege und auf die Schau |?] mehrmals geramnt find, jchreiben
ihm feine Untreue, Unmännlichkeit, noch Unehre, [die er] da begangen, zu '.
Dabei waren Hans und Nudolf von Marmels, die jich friich und ge-
trojt hielten; inSbejondere ward Rudolf von Marmels zum andern Mal über
eine Bajtei abgeftochen?. Da waren die andern derfelben [d. b. der Hauptlente]
mit den Bundsfnechten, übten ſich dermaßen, daß fie die Letze eroberten, [viele
‚seinde] erichlugen und über die Yaatjcher Brücke, darauf bei hundert Mann
erjchlagen wurden, und durch das Waſſer, die Etſch, trieben, daß eine große
Anzahl darin verdarb, ertrant und erftochen ward, jo daß ſich das Wafler
davon an der Brücke jchwellte. Und ein merflicher Haufe Floh die Straße
hinab, am Berg gen Nauders, die wurden großenteils ertränft und erftochen.
An diefem Angriff hat der franzöfiihe Schüige mit des Trivulzio Schlangen
' Sofort nach der Schlacht wurde nämlich gegen Dietrich Freuler, einen geboren
Schmizer, den Hauptmann des im Münſtertal geblicbenen Hanfens, die Beſchuldigung er-
hoben, er habe aus VBerräterei mit dem Angriff auf Die Zchanze gezögert und dadurch Die
vorausgefandte Abteilung in große Not gebracht, Obſchon die eidgenöſſiſche Tagſatzung, vor
welche die Sache gebracht wurde, ihn 6 Wochen nah der Schlacht von dieſem Borwuri
frei ſprach, wurde or doch von den drei Biinden in ihrem Gebiete vogelfrei erflärt und
irrte nun als der „Verräter von der Slurnier Schlacht“ umher. Unfere Quelle nimmt den
unglücklichen Dann mutvoll gegen Die Anklage in Schutz. — * Auffallend iſt es, daR
der Yieblingsheld der Biindner, Benedikt Fontana, bier nicht auch unter den
tapfern Hauptleuten genannt wird, Nach urkundlichen Belegen befand fih ‚Fontana
wirklich umter den Anfübrern des Gottesbausbundes bei dem Deere im Münſtertal;
welche Rolle er aber im der Schlacht felbit geipielt bat, läßt ſich aus den zeit-
aenöffiichen Daritellungen nicht erieben. Erit der Port Simon Lemnius ans dem
Miünftertal, der den Schwabenkrieg in einem lateimiihen Epos „Räteis“ um 1550 ver-
herrlichte, machte ibn zum eigentlichen Helden der Schlacht; nach ibm war es ‚Fontana,
der gegenüber dem Zögern Freulers zum Angriff auf die Schanze drängte, gegen diefelbe
anftürmte und vom Geſchütze bingerafft fiel, indem er feine Genoſſen fterbend ermumterte:
„Kameraden, vorwärts gegen dem von Geſchoſſen ſtarrenden Wall! Heute iſt Rätien oder
ſonſt nimmer! Verteidigt die Heimat!“ oder wie Campell, der bündneriſche Tſchudi, die
Worte Fontanas in ſeiner um 1570 geſchriebenen rätiſchen Geſchichte überliefert: „Friſch
voran meine Jungen! mit mir iſt's nur um einen Mann geſchehen; darauf ſehet nicht!
Heute noch Rätier und Bünde oder nimmermehr!“ So viel ſcheint denn doch aus dieſen
Zengniffen berverzugeben, daß ‚Fontana ſich unter den Tapfern befand, die den Sturm
auf Die Schanze mit ihrem Yeben bezahlten; ſonſt hätte ihn Yemnins, defien Vater felber
in der Schlacht mitgefämpft hatte, unmöglich zum Helden feines Gedichtes machen können.
Die Nichterwähnung durch Die Acta iſt wohl eine rein zufällige, wie ja F— B. auch Schradin
bei der Schlacht von Fraſtenz Wollebs mit feiner Silbe gedenkt. ©. Better, Benedikt
Fontana, eine ſchweiz. Heldentegende, im Jahrb. für Schweizergeic. vũi S. 201 fl.
241
ſich redlich gehalten, getroft und wohl gejchoffen und gute Wehr getan t, des—
gleichen Meifter Ulrih Stubenvoll, jenfeitsS des Waffers oberhalb der
Yeße am Berg.
Inzwiſchen war die Nachhut im Walde zum Vorichein gekommen, umd
jind die Bundsfnechte zum Teil über fie und neben fie gekommen, die andern
[von] unten, und haben abermals mit einander geichlagen. Und jind die
Königlichen fieglos und flüchtig worden, und was da jung und grad geweien,
it durch den Wald hinauf umd etliche an Glurns vorbei entrunnen. Und ift
die behende Schar den Feinden nachgelanfen bis gen Glurns in die Stadt,
da haben jie ihrer noch viele erjtochen, Wein auf dem Markt in Fäſſern und
in allen Häuſern Fleiſch, Brot, Trinfen und Efjen genug gefunden. Da war
gar nichts geflüchtet, überall feinerfei Habe; denn fie hatten ſich dermaßen
verjehen und bewahrt, daß fie geredet hatten, fie wollten die Biinde nicht ge:
wijier haben. Da war Salz, Geſchütz und was zur Wehre dienet, genug.
Und während der Zeit, da die Schlacht geichehen ift, hat die Neiterei unter
Mals auf den Wiejen gehalten und nie feinen Angriff getan; denn es waren
ihrer jehr wenige und wollten den Bauern nicht trauen. So wollten die
Bauern dem Adel auch nicht trauen; denn fie waren hievor uneinig worden,
wie man das Yand bejegen und verjehen wollte. — — —
Und an diejer Schlacht find viel Schügen gemwejen aus dem Etjchland,
Bregenzerwälder und Wallgauer Kinedte...... und waren der König—
lichen immer vier gegen einen Bundsmann, und [diefe] mußten Hinten und
vornen angreifen, jich ernſtlich wehren, der vordere und hintere hatten gleic)
zu fechten ohne Vorteil; welcher jich jäumte, der war verloren; bei 300 Mann,
worunter 15 von Chur aus der Stadt gewejen ſind umgefommen]; dazu
jind viele wund werden und nachher gejtorben. Da hatte das Geſchütz ihnen
unter zweimalen neun Mann genommen und den "größten Schaden getan.
Zie haben das Feld behalten und von den Königlichen 5000 erichlagen, von
denen der Mebrteil ertrunfen ijt, und haben darnach etliche Vinſchgauer ge-
jagt, jie hätten bei TOOO Mann verloren und feien ihrer 15,100° gegen die
Binde verordnet gewejen, darımter jeien viel gute Leute und Burger allent:
balben aus dem Etichland und Inntal geweſen. Item da find an der Yete
viel Dandbüchjen und Hafen und jieben hübjche jchöne, wohlgerüſtete Schlangen-
büchjen gewonnen worden, . . . wie ich die zu Chur in der Stadt nad) der
Schlacht gejehen babe, item ein Barmer und vier Fähnlein, die in die Bünde
gekommen jind.
! Trivulzio, Graf von Miſox, ein bekauuter Kriegsmann jener Zeit, hatte den Bilden
4 Schlangenbüchſen mit einem Biichienmeifter aus Frankreich geichidt.
8000 Etſchländer, dazu AM) Büchlenfhüten und 1500 Söldner nach Ansbelm,
10000 laut Schatzung Der Engadiner gleich nach der Schlacht, OMW nach feindlichen
Quellen.
Oechsli, Quellenbueh. 16
242
96. Briegselend im Tirol.
Pirtheimer ©. 12.
s geschah, dass ich zufällig während des Marsches durch ein
grosses , aber abgebranntes Dorf [im Vinschgau] kam, an
dessen Ende ich zwei alte Frauen antraf, welche einen Zug
von etwa vierzig kleinen Knaben und Mädchen wie eine Vieh-
herde vor sich hertrieben. Alle waren vom Hunger zu äusserster Magerkeit
abgezehrt, so dass sie den Vorübergehenden durch ihren Anblick eine
Art Grauen einflössten. Ich fragte die alten Frauen, wohin sie denn
die bejammernswerte Schar führten. Jene aber antworteten, wie betäubt,
indem sie vor Schmerz und Hunger kaum den Mund öffnen konnten,
ich werde sogleich sehen, wohin die unglückliche Jugend geführt würde.
Kaum hatten sie das gesagt, als man zu einer Art Wiese kam. Diese
betraten sie und fingen an, auf die Knie fallend, nach Art der Tiere
Gras abzuweiden, mit dem einzigen Unterschied, dass jene es mit den
Zähnen abbeissen, diese aber die Nahrung mit den Händen pflückten.
Und schon hatten sie durch die Gewohnheit die Gräser unterscheiden
lernen und wussten, welche bitter oder fade, und welche süss oder von
besserm Geschmacke waren. Mit Vorliebe aber wählten sie ein saures
Gras aus, welches sie auch aus den übrigen heraus kannten. Bei dem
so grausigen Schauspiel erstarrte ich und stand lange wie geistes-
abwesend da. Da versetzte die Alte wieder: «Da siehst du nun, warum
diese unglückselige Schar hieher geführt worden ist; weit besser wäre
es für sie gewesen, wenn sie nie geboren worden wäre, als solchen
Trübsalen zu unterliegen und ein so elendes Leben zu verbringen. Vom
Schwerte sind ihre Väter gefallen, der Hunger aber hat ihre Mütter
weggetrieben; die Habe ist zur Beute geworden und die Wohnungen
sind von den Flammen verzehrt. Wir Unglücklichen sind wegen unseres
hohen Alters hier zurückgelassen worden, damit wir diese unglück-
seligste Jugend wie unvernünftige Tiere auf die Weide treiben, und
so lange wir können, mit Grasessen ihr Leben fristen. Wir hoffen je-
doch, dass jene sowohl als auch wir in kurzem von solchem Elend er-
löst werden. Denn, obgleich ihrer doppelt so viel gewesen sind, so sind
sie dennoch in kurzem auf diese Zahl gesunken, da täglich einige vor
Hunger und Nahrungslosigkeit dahin schwinden, wahrlich weit glück-
licher durch ihren schnellen Tod, als durch ein längeres Leben.» Als
ich dies sah und hörte, konnte ich die Tränen nicht zurückhalten, in-
dem ich mich des jammervollen Loses des Menschen erbarmte und die
Raserei des Krieges nach Verdienen verwünschte.
243
7. Schlacht bei Dorner. 22. Iuli 1499.
a. Pirkheimer &, 23,
Der Graf von Fürstenberg hatte auf des Kaisers Befehl ein Heer
von 14000 Fussknechten und 2000 Reitern gesammelt und schickte sich
an, bei der Feste Dorneck unweit Basel in das feindliche Land einzu-
brechen. Als die Schweizer, welche in der Nähe waren, die Berner
und Soloturner nämlich, dies merkten, zogen sie selber auf der Stelle
auch ihre Truppen zusammen und rückten in grosser Eile herbei, um
die Kaiserlichen vom Einfall in ihre Grenzen abzuhalten. Als jedoch
der Rat von Basel die Rüstung der Schweizer erfahren hatte, schickte
er Boten an den Grafen, benachrichtigte ihn davon (noch war nämlich
Basel nicht vom Reiche abgefallen) und ermahnte ihn, sich ja recht
vorzusehen. So weit war aber der Graf davon entfernt, die freund-
schaftliche Ermahnung gut aufzunehmen, dass er die Boten sogar mit
Sticheleien reizte und ihnen sehr zur Unzeit Freundschaft mit den
Schweizern .vorwarf. In auffallender Missachtung der Feinde belagerte
er die Feste Dorneck und beschoss sie mit Büchsen, indem aller Posten-
und Wachtdienst vernachlässigt wurde. — —
Und als nichts weniger erwartet wurde, stürmte plötzlich ein Zug
von etwa 2000 Feinden über einen anstossenden Hügel gegen das Lager
an, haut diejenigen nieder, welche zuerst herbeigeeilt waren, bringt die
übrigen in Verwirrung und dringt mit gewaltiger Anstrengung vorwärts,
und, damit die Sache besser gelinge, hatten die Schweizer einen Betrug
damit verbunden. Denn die Brust hatten sie mit roten Krenzen be-
zeichnet, den Rücken aber mit weissen Zeichen versehen. Daher glaubte
man im Anfang, es sei ein Streit unter den Kriegern und Bundesgenossen.
Als aber alle ohne Unterschied niedergehauen wurden, salı man endlich
zu spät ein, dass die Feinde da seien. Sogleich eilte daher der Graf
herbei, um den Aufruhr zu stillen; ihm folgten auch einige erlauchte
Männer; aber bevor er hatte wahrnehmen künnen, worum es sich handle,
fiel er von Feindeshand erstochen. Einige wenige und fast waffenlose
Veteranen taten sich zusammen und fingen an, den Feind zurück-
zudrängen und sich tapfer zu wehren, aber vergebens; denn schon war
jener grosse Haufe da, durch dessen Ungestüm jede Verteidigung un-
möglich gemacht wurde. Ein grosser Teil der Veteranen wollte daher,
auf seinem Standort beharrend, lieber ehrlich sterben, als schimpflich
den Rücken wenden. Die übrige Mannschaft stob überallhin auseinander,
wo sich eine Hoffnung auf Entrinnen zeigte oder geringere Gefahr
drohte, und warf sich kopfüber in die Flucht. Die Schweizer aber ver-
folgten sie unablässig und hörten nieht auf, die Fliehenden fortwährend
zu verwunden und zu töten, bis das Geschrei zum Lager der Reisigen
drang. Zuerst flog die Leibgarde des Königs (worunter sich auch etliche
surgunder befanden) den Fliehenden zu Hilfe und fielen unerschrocken
mit grossem Ungestiüm die Verfolger an, werfen und machen sie nieder.
Als das die übrigen Schweizer sahen, fingen sie an, selber fliehend sich
anf die Ihrigen zurückzuziehen: aber nur wenige entrannen dem Anprall
nn au»
24
der Reisigen. Inzwischen kam auch die übrige Reiterei herbei, und
etliches Fussvolk sammelte sich, freilich nur halb bewaffnet, zur Schlacht-
ordnung, und alle schickten sich an, den grossen Haufen der Feinde
anzugreifen. Aber da die Nacht schon hereinbrach und die Schweizer
sich aus Furcht vor den Reisigen und wegen des empfangenen Schadens
auf die Hügel zurückzogen, kehrten die Kaiserlichen, ihrer geringen
Zahl misstrauend und aus Furcht, den Schaden mit Schaden gut zu
machen, um, zogen ab und kamen endlich in Freundesland. In dieser
verworrenen Schlacht wurden ungefähr 4000 Kaiserliche vermisst, und
es fielen ausser dem Grafen von Fürstenberg noch viele erlauchte und
ausgezeichnete Männer, darunter der Graf von Bitsch, und der Freiherr
von Castelwart, der letzte von jener Familie. Wiewohl die Schweizer
nach ihrer Gewohnheit die Zahl ihrer Toten vermindern, steht doch fest,
dass sie ein nicht geringeres Unglück erlitten haben, als die Kaiser-
lichen ', obgleich sie aus der Schlacht als Sieger hervorgingen. Wenn
indess der Graf die Pflicht eines einsichtigen Feldherrn erfüllt hätte,
wäre grosse Hoffnung auf einen guten Ausgang der Sache gewesen.
Aber so hatte es der göttliche Wille beschlossen. Die Schweizer bemäch-
tigten sich der Habe der Gefallenen und sämtlicher Geschütze, dann
kehrten sie endlich am dritten Tage (wie sie es nach gewonnenem Sieg
gewohnt waren) nach Hause.
b. Schreiben der Berner Hanptlente vom Schlachtfeld bei Dorned.
Abgedr. bei Gluß-Blowßbeim, Geſchichte der Eidgenofien S. 524 ff.
Als wir gen Yiejtal gekommen mit großer Müh etlicher der Euern, ſind
unjere lieben Eidgenofjen von Soloturn diefes Tags mit ihrem Banner
heute, eine fleine Zeit vor uns mit jamt vier unferer Fähnlein, jo ihnen
Najpar von Stein von den Euern vorzu gegeben, gen Dorned gezogen,
aus der Urjache, daß die ‚Feinde zwei der Ihrigen heute zunächit vor der
Stadt Yiejtal erjtochen, dazı das Schloß Dornef mit großer Macht und
Mannichaft, trefflichem Hauptgeſchütz und Nriegszeug belagert. Deshalb [find]
wir mit eurem Banner gleich darauf, auch die von Zürich mit einem Fähn—
lein gegen 400 Damm, Zug mit einem Fähnlein, und etliche verirrte Rechte
von Yuzern — nacber [find] jie [die Yuzerner] mit ihrem Panner zum
Kampfe gefommen — nachgerücdt umd einen hohen Berg binaufgezogen. Und
als die Feinde eine enge Strafe, da fie meinten, wir ziehen gen Dorned,
mit Geſchütz verlegt, find wir daneben binten berum in ihr Pager gezogen,
|baben] jie mit männlihem Gemüt angegriffen und zuerft da$ vor das Schloß
gelegte Geſchütz, deſſen Zabl wir noch nicht gründlich wilfen, abgenommen,
! Jedenfalls übertreibt hier Pirkbeimer ganz gewaltig, da das gesamte Heer der
Eidgenossen kaum 4000 Maon betrug. Aushelm erwähnt bei 200 Gefallene auf der
Schweizer Seite, Schilling „bei hunderten“, Eiterlin „mehr denn hundert“. Vrgl. auch b.
fie den Berg hinab durch böjes Geftrüpp gejagt und unten im weiten Feld
den rechten veifigen Zug und Fußvolk gefunden und jie mit Gewalt aus dem
Feld gejagt, bis über die Birs, ihmen eine merfliche Zahl der Feinde er-
ihlagen, — wie viel, wir noch nicht grimdlich wiſſen; aber zwo mächtige
Dauptbüchjen, eine das Kätherli von Enfisheim, die andere von Straßburg,
gewonnen — jind beide jo groß und eher mehr, als euer Gnaden Haupt—
geſchütz — und jonft viel andere gute Büchſen mit ſamt dem Zeug und
Steinen. Und haben die ‚Feinde angegriffen ungefähr zwiſchen fieben und
der achten Stunde und folches bis im die Nacht getrieben. Wir haben ihnen
auch etwas Zeichen, bejonders jagt man als Wahrheit, das Banner von
Straßburg oder Fähnlein abgewonnen. Etliche von uns find umgekommen,
aber nicht viel, und wund Wir danken Gott, unjerer lieben Frauen und
jenen lieben Heiligen. Wir Tiegen unter Dorned auf der Wahlftatt im
weiten Feld, und iſt großer Zug im Yand, und erjt diefer Tage oder Wochen
der Herr von Naſſau mit 10,000 Mann im Rheinfelden eingezogen. Was
uns weiter begegnen [wird], werden wir allweg euer Gnaden zu wilfen tum;
denn noch find viel der Euern nicht bei uns,
Datum eilends in der Nacht, bei einem fchlechten Feuer geſchrieben am
St. Magdalenentag [22. Julius] 1499.
Hauptleute, Venner und Räte von Bern
vor Dorneck im Feld.
24h
98. Der Friede von Bafel, 22. September 1499.
Abſchiede II. 1. S. 758 fi.
$
Wir Yudwig Maria Sfortia Anglus, Herzog zu Mailand,
Graf zu Pavia ꝛc. tun allermänniglich mit diefem Briefe fund;
Als zwiſchen dem Alferdurchlaudtigiten Großmächtigſten Fürſten und
Herrn, Herrn Maximilian, Römiſchem König ꝛxc. von wegen feiner Ma—
jeſtät Grafſchaft Tirol eines- und Biſchof Heinrich zu Chur, ſeinem
Stift und desſelben Leuten andernteils Zwietracht und Irrung entſtanden, die
zu Aufruhr gewachſen, dermaßen, daß demnach zwiſchen königlicher Majeſtät,
dem Bund zu Schwaben und andern ihren Mithaften und Anhüngern
eineg- und gemeinen Eidgenofjjen, auch den Bünden in Churwalen
und andern ihren Zugewandten und Anhängern andernteils offene Fehde und
Krieg entjprungen, was uns aber in Treuen leid geweien ijt, darauf wir
den Edeln, unjern Nat umd lieben Getreuen, Galeazzo VBisconti, ab
gefertigt haben, mit ernjtlichen Befehl, allen Fleiß anzuwenden, folchen
— — —s, — ——
246
Krieg und Aufruhr beizulegen und die zu Frieden und Nichtung zu bringen,
was auch derjelbe getreulich getan und zuletzt nach viel Arbeit und merflicher
Mühe joviel erfunden, damit er zwijchen beiden Teilen abgeredet und jie
vereint hat, in Weile und Form, als hernach folgt: nämlich
1) Zum erjten, daß die ſechs Gerichte im Prättigau, jo an das
Haus Öftreich von dem von Mätſch erfauft jind und der Römiſchen könig—
lichen Majeftät als Erzherzogen zu ſtreich vormals geſchworen haben,
wiederum wie vorher huldigen und ſchwören und die andern zwei Gerichte, jo
noch nit geſchworen haben, jeiner Majeſtät ſchwören ... jollen, ... doch jo, daß
die königliche Majeftät ihnen diefes Aufruhrs halber feine Ungnade oder Strafe
auflegen, ſondern fie gnädiglich, wie jie vorher an das Haus Öftreih in Kaufs
weile gekommen jind, halten und bei dem Bündnis, jo jie mit denen
von Bünden vormals gehabt haben, bleiben lajjen jollen.
2) [Die Späne zwijchen dem Bistum Chur und dem König jollen der
ichiedsrichterlichen Entjcheidung des Biſchofs Friedrich von Augsburg und jeiner
Räte anheim geſtellt werden!.
3) Zum dritten, daß alle Handlung [fo] in dieſem Krieg ergangen, es ſei
mit Todſchlag, Wegnahme, Brand oder in anderer Weije, beiderjeits, gegen-
einander verglichen, hin und ab- und niemand deshalb dem andern einen
Erſatz oder Entihädigung jehuldig jein ſolle.
4) Zum vierten der eingenommenen und eroberten Schlöſſer, Ztädte,
Yandjchaften und Überberrlichfeiten halber foll jede Partei der andern alles
das, jo fie ihr im diefem Krieg abgewonnen und in ihre Gewaltjame gebracht
hat, wiederum zu [kommen] laſſen, in dem Weſen, wie es jest ijt, und Die
Untertanen ibrer Pflicht ledig jprechen, doch ohne Verzicht und mit Vorbehalt
der Nechte und Pflichten, jo jemand vor dem Krieg daran gebabt hat. — —
Von des Yandesgeridhtes wegen im Thurgau mit jeinen echten
und Zubehörde, jo bisher in Pfandſchaftweiſe vom heiligen Neid die Ztadt
Conjtanz inne gehabt hat und die Eidgenofjen in dieſem Krieg zu ihren
Handen gezogen und aber jet beide Parteien das zu unſern Handen geftelit
haben, das nach unjerer Erkenntnis und Gefallen zu verwenden und hinzu:
geben, iſt abgeredet, daß wir als der Vermittler in einem Monat, dem nächſt—
fommenden, ohne Gefährde darüber ſprechen und erfennen jollen. Und wie
und wohin wir ſolches Yandgericht durch unſern Spruch aljo verwenden und
bingeben, dar es dann geftrads und ohne alle Einwände dabet bleiben und
bejtehen joll !.
! Tiefer Artikel enthält nichts anderes, als die Abtretung des Yandgerichtes
an die Eidaenoffen in einer weniger Demütigenden Form, da der Herzog von Mailand,
dem Maximilian dasſelbe zu Handen ſtellte, den Eidgenoſſen vor Abſchluß des Friedens
die urkundliche Zuſicherung gehen mußte, daß er es ihnen zuſprechen werde, was denn
auch durch Urkunde vom 15, Oktober 1499 geſchah.
247
5) Zum fünften, daß bei hoben Penen an Yeib und Gut dafiir gejorgt
werde, daß fortan auf beiden Seiten die Schmähworte nicht mehr, wie bisher
geiheben ift, geübt und gebraucht ; wer aber dasjelbe überträte, daß der durch)
feine Obrigfeit gejtrads und ohne Vorenthalten gejtraft werden jolle.
6) Zum jechsten, daß fortan feine Partei der andern die Ihrigen in
Burgrecht, Schutz, Schirm, noch Verjprechen aufnehmen joll, dem andern
Zeil zum Schaden oder Unfug, ... aud daß feine Partei noch die Ihren
ein Schloß, Stadt oder Herrichaft unter der andern Partei mit Kauf oder
Tauſch an jich bringen joll ohne der Yandichaft und Obrigfeit, unter der
jolhes gelegen ift, Gunft und Willen. — —
7) Zum fiebenten, dar alle Brandſchätze und Schaggelder der Gefangenen,
die noch nicht bezahlt find, hin- und abjein und die Gefangenen beiderjeits
auf eine geziemende Urfehde und bejcheidenes Koſtgeld ledig gelaffen werden
jollen. ®,
8) Zum achten, damit weitere Zwietracht und Aufruhr zwiichen den
Parteien verhütet, jondern in Betreff aller Dinge rechtlicher Austrag gejucht
und erſtattet werde, jo iſt hierin ausdrücklich, abgeredet, beſchloſſen und beider:
jeit$ angenommen: Wenn die königliche Majeftät als Erzherzog zu Oſtreich
oder jeiner Majeftät Erben und Nachkommen, Erzberzoge zu ſtreich, ihre
Untertanen und HZugehörigen an einen oder mehrere Orte gemeiner Eid:
genoffenschaft oder ihre Untertanen, Zugebörigen und Berwandten
oder diejelben Eidgenoffen insgemein oder einzeln oder ihre Untertanen, Zu—
gehörigen und Berwandten hinmwiederum an ihre Majeſtät als Fürft zu ſt—
reih, ihre Erben und Nachkommen oder ihre Untertanen und Zugehörigen
Anfprüche oder Forderungen hätten oder künftig befümen, in Betreff deren
die Parteien nicht gütlich verglichen werden fünnten, daß der Kläger jeine
Segenpartei zu Recht und Austrag fordern joll vor den Biſchof von Kon—
tanz oder den Biſchof von Bafel, jo je zu Zeiten jind, oder vor Bürger:
meijter und fleine Räte der Stadt Basel :c. [folgen noch ausführlichere
Beitimmungen über den Rechtsgang] ... und daß auch beide Parteien und
alle die Fhrigen ſich mit ſolchem Austrag und Recht in allen Sachen gegen:
Auch bier wurde int einem befondern Beibricf Des Bermittlers vom 20. September
eine Ausnahme zu Gunften der Eidgenoſſen ftipulirt, durch die fich Marimilian als der
Beftegte betennen mußte; darin beißt es, daß der Artikel „geicheben iſt zu Ehren der
föniglihen Majeſtät umd doch die im befondern mir zugejagt und gewollt bat, daß die
nachgeichriebenen Summen nichts defto minder bezahlt und ausgerichtet werden jollen
durch die, fo ſich dazu verpflichtet haben, unverhindert Durch das berübrte Kapitel: näm-
ih die Summe von 8000 Gt. Rh., To gelobt haben die Gemeinden im Wallgau als
Brandſchatz, item die Summe von 1100 St. Rh., fo gelobt haben die vom Bregenzer
Wald auch als Brandihag, item die Summe von 40 GL. Rh., fo um die gleiche Ur-
lache gelobt haben die Leute des Dorfes Dorubirn, und zulegt Die Zumme von 1000
Gl. Rh., fo der Edel Hans von Balded zur Erledigung feiner Perſon ſchuldet.“
248
eimander begnügen und ſonſt mit feinem andern Gericht anfechten,
befümmern, noch beimjucden jollen in feinem Weg. ir gleicher Weile
in aller Form joll diefer Austrag und Nechtfertigung zwilchen dem Bund zu
Schwaben insgefamt oder Einzelnen, audı der Eidgenofjenichaft insgefamt
eder Einzelnen, und ihren Zugewandten alſo gebalten und erjtattet werden
zwölf Jahre, die nächjten nad Datum diefes Briefes, alfo daß beide Teile,
alle die Ihren und Die zu Ihnen gehören... jich während diejer Zeit damit
gegeneimander in allen Sachen begnügen und mit feinen andern Gerichten
anfechten, befümmern, noch beimjuchen jollen, in feinem Lege. —
9) Zum neunten, daß damit die königliche Majeſtät aus Gnaden auf—
beben und abtun ſoll alle und jegliche Fehde, Ungnade, Acht, Prozeſſe und
Beſchwerden, ſo in dem Krieg oder vor dem Krieg wider die Eidgenoſſen,
ihre Untertanen, Zugehörigen oder Verwandten, niemand aus—
geſondert und ausgeſchloſſen, beſchloſſen oder ausgegangen find, und daß ſonſt
in Betreff aller andern Zaden, jo hierin nicht begriffen
jind, beide Teile bleiben jollen, wie fie vor dem Nriege ge
ftanden und berfommen find, alles getrenlid, ohne Argliit
und Gefährde', — -
Und zum Schluß alfer vorgeichriebenen Dinge, jo haben wir vorgenannter
König Marimilian umjererjeits in ſolchem Frieden und Richtung eingeichloflen :
unjer Haus Öftreich, den obgenannten Yudwig, Herzog zu Mailand und
alle andern Kurfürsten, Fürften und Stände des heiligen Reichs, insbejondere
die Biichöfe zu Straßburg und Baſel, auch die Städte Straßburg, Colmar
und Schlettitadt ꝛc. und Mülhauſen. — Und dagegen baben wir obgemeldete
Eidgenoffen unſererſeits im ſolchen Frieden und Richtung eingejchlojfen und
begriffen den Alterchriftlichiten Nönig Yudwig zu Frankreich, und alle dic,
jo mit uns in Bündnis, Einung oder Berwandtichaft jind, insbejondere den
Hochwürdigen Kürften, Derm Gottbart, Abt des Gottesbaufes St. Gallen,
jein Gottesbaus und desjelben Yente, die Stadt St.Gallen, das Yand
Appenzell, die beiden Städte Schaffhauſen md Rottwil, auch
die Bünde in Cburmwalden, jo ıms mit Bündnis und Einung verwandt
jind. And nachdem die Stadt Bajel ibre merkliche Urſache und Anliegen,
derenbalb fie in dieſem Krieg wider die Eidgenoffen nicht Kriegsübung vor:
' Artikel 8 und 9 entbalten Die Hanptbefiimmunaen Des Friedens. Zie gewäbren
indireft, mas die Eidgenoſſen im Berlauf der Friedensbverbandlungen gefordert hatten;
daß Ne und alle ibre Untertanen, Juacberigen und Bermwandten, geift
liche und weltliche, weder dem Reibstammergericht, noch irgend melden Stenern,
Anschlägen, Tributen und Auflagen des Reichs unterwerfen fein ſollten, d. b. die tatiäch
be Yostrennung der Schweiz vom Reiche. Tie Eidgenofien duldeten desbalb
auch nicht, Daß ſie im Frieden noch „lieder des Reiches“ genannt wurden. Siehe Ulmaun,
Geichichte Kater Maximilians 1.
249
genommen, der föniglichen Majeftät jelber als ihrem allergnädigften Herrn
untertäniglich angebracht und geklagt haben, in Hoffnung, foldhes in Ungnaden
nicht zu empfangen, bat darauf die Fünigliche Majeſtät ſolch ihre Notdurft
und Anliegen in Gnaden bedacht und angenommen, auch zugelaffen, jie des-
halb in dieſem Frieden auch eimzujchliegen. — —
99. Aus dem Basler Bunde. 9. Iuni 1501.
Eidgen. Abſchiede III.2. ©. 1291.
Kir der Burgermeijter, die Schultheißen, Ammänner, Nüte, Burger,
Yandleute und ganze Gemeinden gemeiner Eidgenofjenichaft, Städte und Yänder
hienach benannt, nämlich zu Zürich ꝛc, Jreiburg und Soloturn eines-
teils und wir, der Burgermeiiter und Rat mitfamt den Sechſern, jo man
nennt den großen Nat, und die ganze Gemeinde der Stadt Bajel anderen-
teils tun männiglich fund mit diefem Briefe: Daß wir bedacht haben die große
Freundſchaft ꝛc., und alſo in jolchem Hinfür, wie bisher getreulich zu beharren :c.,
baben wir uns im dem Namen Gottes, feiner alferjeligiten Gebärerin und des
himmliſchen Heeres eines getreuen, ewigen Bindniffes und Freundſchaft,
ohne allen Abgang zu währen, beredet und die an: umd aufgenommen, wie
hernach ſteht:
2. Des erſten ſo faſſen, nehmen und empfangen wir, die obgenannte
Eidgenoſſenſchaft von Städten und Ländern, für uns und unſere ewigen Nach—
fommen ... eine lobliche Stadt Baſel, ihre gemeinen Burger, Yand und
Yeute, für ich und ihre ewigen Nachkommen in unſerer Eidgenoſſenſchaft Pflicht
und als nun hiefür unjere ewigen Eidgenoffen: alfo daR fie in der Geftalt
und in dem, jo nun biefür von dato dieſes Briefes in Gejchäften und Händeln
uns beide Teile berührt, zu Yieb oder Yeib erbebt und begibt... wie ein
anderer Ort in jolcher Form zu uns gehören, ewiglich bei uns und wir
bei ihnen bebarren und aljo geachtet jein und werden ſollen. — — —
4. Und jo fih nun binfür irgend welche Sachen oder Gejchäfte begeben,
die umjere gemeine Eidgenoffenichaft und eine Stadt Bajel betreffen und be-
rühren möchten, joll diejelbe Stadt Baſel durch ihre ehrbare Botjchaft berufen
werden, bei unfern Anwälten ! jigen und mit Nat und Tat, wie ein anderer
Ort unſerer Eidgenofienichaft, beifen raten, bedenken und bandeln, was zu
umer aller Nugen und Notdurft wird gebühren. -— -
’ Taglagungsgefandten.
en
14. Es joll aber eine Stadt Bajel mit niemand friegeriichen Aufrubr
anbeben, jie bringe denn zuvor ihr Anliegen und was fie dazu dränge und
dewege, vor unſerer gemeinen Eidgenoffenjchaft Anwälte oder derjelben Obrigfeit,
und mit unſerem oder des Mebrteils unter uns Begünftigen und Zulaffen. — —
16. Und wenn es jich begäbe, daß eine Stadt Baſel mit jemand zu
Unwillen füme und derjelbe auf unjere gemeine Eidgenoſſenſchaft jamt oder
jonders Recht böte, jo joll eine Stadt Baſel jich mit ſolchem Recht begnügen
und dem jtattgeben ohne weitere andere Kriegsübung. — —
19. Wo es auch durch irgend ein Ungefäll dazu füme, daß unter und
zwiſchen uns der Eidgenojlenjchaft, es wäre eins oder mehrere Orte, gegen
und widereinander Aufrubr erwachen würde, was Gott ewiglich verhüten
wolle, jo mag eine Ztadt Bajel durch ihre Botjchaft dabei arbeiten, ſolchen
Aufrubr, Zweiung und Zpan beizulegen.
20, Und wenn das je nicht jein könnte, jo joll doch diejelbe Stadt jonft
feinem Teil bilflih wider den andern Teil auhangen, jondern ftill ſitzen,
doch ohne Verzicht auf ihre freundliche Vermittelung, wie vorfteht, wenn die
erichießen möchte.
31. Wir obgenaunten Partien jollen auch einander Feilen Kauf zulafien
und bei unſern Zöllen, Geleiten und Nutungen ſamt und ſonders, wie wir
die von Alters ber geübt baben, bleiben und uns der Neuerungen darin ent-
balten, damit der gemeine Kauf und Verkauf und alle quten chrbaren Gewerbe
und Dantierungen ibren Gang deito beſſer haben mögen.
45. Wo auch eine Stadt Baſel binfüro beabjichtigte, mit jemand Bind-
niſſe oder andere Dilfseinungen anzunehmen, das joll fie vor gemeiner Eid-
genoſſen Verwalter oder derjelben Übrigfeit bringen und mit ihrem oder des
Mebrteils unter ibnen Nat und Begünitigung tun und nicht anders, dieweil
doch in der Eidgenoffenichaft Das alſo bisber von etlichen Orten jelber gebraucht
[werden] iſt und zu gutem einbelligem Willen und Nube dienen mag. Doch
jo mag diefelbe Stadt mit Burger anzunehmen und empfangen ihrer Stadt
Freiheit und Derfommen nach aud bandeln und tun wie bisher,
nn
———
—
251
100. Aus einem Lied über den seh Bumd. 1501.
Yilientron II. 3. 458.
3 Das ſolt der römſche king ban beſunnen, 5. Gemain aidgnoſſen band fich recht
damit Bafel nit von im wer fomen, bejunnen,
als ſich das wol gezeme! dat fie Bafel fir ain ort band gnumen;
der Öftreicher fpott was jo groß, den Ichlüffel band fie empfangen,
daß die von Bafel gar übel verdroß; damit fie ir land mögen bichließen,
fie werden fich ſelbs kennen fernen. das tuot manchen Öfterreicher verdrießen,
fie haben ir * groß verlangen.
4. Die von Baſel betens recht ermeßen,
daß fie der aidgnoſſen Erieg find ſtill
geſeſſen!, 11. Es ſolt dem Breisgöw wol mißfallen,
man wolt's dabei nit laſſen bliben; daß Baſel iſt zuo den aidgnoſſen gefallen,
die küngiſchen triben des übermuots jo die bruck hat es verloren,
viel, Br eher: 2 ee en
drum inen der tier ® helfen wil, fie ift im ain ftarte maur geweien,
der ber? tuot fin kurzwil triben. Baſel bat den aidgnoffen geſchworen.
101. Der Schaffhaufer Bund, 10. Auguf 1501
Eidgen. Abſchiede. III 2. ©. 1297.
it dem Bund mit Freiburg und Soloturn faft wörtlich nachgebilvet ;
nur fallen die Grenzbejtimmungen für die Hilfeleiftung weg und find Artikel
19 und 20 des Basler Bundes zwiſchen 17 und 18 des Freiburger Bundes
eingeicheben. Als Bündnis jchliekende Teile find am Eingang genannt: .
wir, der Burgermeifter, die Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Fandleute
und ganze Gemeinden von Zürich, Bern, Yuzern, Uri, Schwiz,
Unterwalden ob und nid dem Kernwald, vonZug mit dem äußern Amt,
jo dazu gehört, von Glarus, von Baſel und von Freiburg und
Soloturn, eines und wir der Burgermeiiter, Nat, Burger und ganze
Gemeinde der Stadt Schaffhauſen andernteils ıc.
' Äh im dem Krieg gegen die Eidgenoflen neutral verhalten haben. — ? Uri. —
em — ! nad) ihr, der Stadt Baſel. — ® Im Orginal feblt ein Vers.
252
102. Frankreich tritt Bellinzona an die Waldfätte ab.
1. April 1505.
Aus dem lat. ‚Friedensvertrag zu Arona. Abſch. III. 2. ©. 1305 f.
* Anhbalt der Artikel des zwischen dem Allerchristlichsten Herrn
unserm König der Franzosen, Herzog von Mailand etc,
einerseits, und den grossmächtigen Männern, den Herren Eid-
hängern insgesamt im Lager zu J,ocarno, von dem edeln ete. Herrn
Anton de Bessey, Ritter, Landvogt von Dijon, Statthalter von Como, in
Gegenwart und durch Vermittlung des ehrwürdigen Vaters in Christo
und Herrn ‚Matthäus [Schinner|, Bischofs von Sitten, Präfekten und
Fürsten von Wallis ete., und des wohlgebornen Mannes, Herrn UTrich
von Hohensa., Freiherrn, bewerkstelligten und abgeschlossenen Friedens:
Erstens: dass der Allerchristlichste Herr unser König jenen drei
ersten Orten der Eidgenossen, Uri, Schwiz und Unterwalden nid dem
Wald, Burg und Grafschaft Bellinzona abtreten, überlassen und ein-
händigen wird mit hoher und niederer Gerichtsbarkeit, mit Grund und
Boden, Privilegien, Immunitäten, Rechten und allen Zubehörden, ohne
Ausnahme und Vorbehalt, so, wie sie von Alters her zu dieser Grafschaft,
Burg und Stadt gehört haben oder zu gehören pflegten, mit samt den
zwei jenseits des Monte Cenere gelegenen Dörfern Isone und Medaglia,
welche Dörfer sie mit Bellinzona genommen und seitdem stets inne gehabt
haben; so dass der Allerchristlichste König etc. für seine Majestät und
seine Nachfolger, als Herzog von Mailand, auf solche Burg, Stadt und
Grafschaft mit den vorgeschriebenen zwei Dörfern verzichten und die
vorgen. drei Orte der Eidgenossen . . . mit sichern Briefen oder hin-
reichenden und glaubwürdigen Anweisungen in ruhigen Besitz derselben
setzen wird . . . unter Vorbehalt jedoch des Oberlehensrechtes des Reiches,
so dass diese Schenkung seiner königlichen Majestät in ihrer übrigen
Herrschaft und Herzogtum Mailand keinen Eintrag tun kann; vielmehr
sollen die drei vorgeschriebenen Orte der Eidgenossen auf ihre Kosten
solche Grafschaft vom Reich zu Lehen nehmen.
103. Badener Verkommnis über Penfionen und Reislaufen.
21. Iuli 1503.
Eidgen. Abichiede III. 2. S. 1315 fi.
Wir die Bürgermeister, Schultheißen, Ammänner, Räte ımd ganze Ge-
meinden der löblichen Eidgenofjenjchaft, nämlih Zürich, Bern, Yuzern,
Uri, Schwiz, Unterwalden ob und nid dem Wald, Zug und das
253
äußere Amt, dazu gehörend, Glarus, Bajel, Freiburg, Soloturn
und Schaffbaufen, tun alfermänniglich fund mit diefen Briefen: daß wir
nah) den vielfältigen Sorgen, Müh und Arbeit und Ungehorfam, [jo] uns
jegt etliche Jahre her mit Hinlaufen der Unjern [nämlich in fremde Kriegs—
dienfte] und in anderer Weije entjprungen, in unjern Natsfigungen, Gemeinden,
auch durch unſere geordneten Boten auf gar manchem deshalb geleifteten Tage,
jolhem abzubelfen, ernftlich betrachtet und zulegt im Beiſein, mit Rat und
Zutun der fürnehmen, weijen Birgermeiiter, Ammann und Näte der Stadt
St. Gallen und des Yandes zu Appenzell, unjerer guten Freunde
und getreuen, lieben Eidgenoſſen ..., Botichaft zur Erhaltung unferer vor-
genannten Eidgenofjenjchaft und aller unferer Zugewandten, zur Handhabung
unjerer löblichen Binde und Pflichten, fo wir Eidgenoffen und Zugewandten
insgemein und befonders zu und gegeneinander haben, damit denen in allen
Dingen nachgelebt, nachgekommen und Gehorfam der Untertanen, auch Friede
und ehrbares Wejen befejtigt und gemehret werden möge, jolhe Ordnung und
Satzung in Gottes Namen einhellig, freiwillig und wiſſentlich mit einander
angenommen ꝛc.
Des erften, daß niemand in der Eidgenofjenichaft, er jei Burger, Yand-
mann oder Hinterſäß, geiftlich oder weltlich, edel oder unedel, reich oder arm,
welches Standes oder Wejens die jeien, von diejem Tag an von Kaijern,
Königen, Fürften, Herrſchaften oder Städten, geiftlichen oder weltlichen Ständen
und gar von niemand überall eine Penſion, Dienftgeld, Proviſion,
Gnadengeld, Miete, Gaben noch Geſchenke haben oder nehmen ſoll,
weder durch ſich jelber, jein Weib, Kinder, Freunde, Dienftboten noch andere,
damit es in jeinen Nuten fommen möchte, heimlich oder öffentlich in feinem
Weg. Und wenn jemand jolches nicht halten und ſich das mit Wahrheit er-
finden würde, der und diejelben jollen ewiglich von ihren Ehren und Amtern,
wenn fie jolhe haben, entjett, . . . auch zu feinen ehrlichen Sachen, wie zu
Gericht, Nat, Kundſchaften und dergleichen Händel gebraucht, ſondern auch
von ihren Herrn und Obern von Ztund an verhaftet und dazu am Yeib md
Gut nach derjelben feiner Herren und Obern Erkenntnis und gutem Bedünken
geitraft werden. — — — Doc jo iſt hierin vorbehalten, dar ein Eidgenoffe,
auch ein Yandmann und Burger dem andern ungefährlicher Weile von feinem
eigenen Gut wohl jchenfen und verehren mag, wie das von Altersher in
unſerer Eidgenoſſenſchaft Sitte und Gewohnheit gewejen ift.
Ferner merflihen Schaden und Abgang unferer Eidgenoffenichaft zu ver:
hüten, ift bejchlojfen, dak niemand, darin wohnhaft oder angejejfen, hinaus in
irgend eine Reiſe! oder Krieg ziehen noch kommen folt, im feinem Weg,
' Im Sinne von Kriegsdienft,
>
stme Seiondere Erlaubnis und Einwilligung jeiner Herren und Obern. Und
ne Erlaubnis ſoll aud fein Ort für jich jelbit Gewalt haben zu geben,
me Fimtlicher Orte unferer Eidgenoffenichaft oder der Mehrheit unter ihnen
Sort und Zulaffen. Und wer damider tut, der foll vor allen Dingen von
nen Ehren und Amtern, wenn er ſolche bat, entjegt und ... . als ein ver-
zıriter, ebriofer Mann geachtet und gehalten jein umd zu feinen ehrlichen
Sachen. wie Gericht sc. gebraucht, jondern dazu auch von feinen Herren und
Obern gefänglich eingezogen und bernach nicht anders, als gegen eine Strafe
von fünf Gulden binausgelaifen werden. Und wenn er jolch Geld nicht hat, als-
dann jell er dasjelbe mit fünf Wochen und Zpeilung zu Waffer und Brot
in jolhem Gefängnis abverdienen. — — — Sofern aber joldhe Hingelaufene
nicht wieder ins Yand fommen, .. . alsdann mag derjelben Obrigfeit auf
ihr Gut greifen und Damit bandeln nach ihrem Gefallen.
Und da bisher etliche Hauptleute und andere die Knechte aufgewiegelt
umd im der Herren Dienjt genommen und binmweggeführt haben, wo joldhes
mmer durch irgend einen mebr geichibe oder jich erfünde, daß jemand von
denielben Hauptleuten und Anfwieglern irgend welches Geld darauf empfinge,
mit was für Worten und Geſtalt jotches auch verfucht würde, diejelben Haupt?
leute, Aufwiegler, Dinfübrer und Empfänger des Geldes, wo man die erreichen
und willen mag, fell jedermann ven Stund an verbaften und jelde vom
Yeben zum Tode obne alle Gnade richten laffen und darin niemand feine
Einwände und Einreden brauchen, ob auch diejelben einem andern Ort unjerer
Eidgenoſſenſchaft oder ihren Verwandten zugebörten. — — —
Desgleichen ſoll niemand in unſerer Eidgenoſſenſchaft ſich fremder Per—
ſonen, Sachen oder Anſprachen beladen noch annebmen ohne ſämtlicher Orte
unſerer Eidgenoſſenſchaft oder der Mehrbeit Wiſſen und Willen, auch niemand
keine Febde, Krieg oder Feindſchaft für ſich ſelber anfangen noch vornehmen,
außer, wie unſere geſchworenen Bünde Verkommmniſſe und Briefe, jo unſere
Altwordern und wir uns darüber gegen einander verſchrieben haben, zugeben.
Und fett dieſe Ordnung jährlich, je man in Städten und Yändern Burger:
meiiter, Zchultbeiken und Ammänner jegt, desgleichen, jo man die Binde
beſchwört, vor den Gemeinden geleten und beichworen werden.
Es ſollen auch Feine einzelnen Orte, eines oder mebrere, ohne jäntlicher
Orte oder der Mebrteil unter ibnen Gunſt, Wiſſen und Gefallen diefe Ordnung
zu ändern und nachzulaſſen Gewalt und Macht baben.
Einen äbnlichen „Renftonenbrief” baten die Drei Binde m Cburmwalen icon
am 2. Februar DOM aeibleren: ſ. Abich. zZ. 110,
255
104. Zwingli an Badian über den Pavier Zug. 1512,
Aus dem Lateinischen überfeßt von Hottinger, Huldreih Zwingli &. 36.
Ayla die Verleumdung der Eidgenossen sich rasch und nach allen
% Seiten hin verbreitet und auch dasjenige, was der Erfolg als
gerecht und schuldlos erweist, geschmäht und verdreht wird,
3) so habe ich mir vorgenommen, dir den dermaligen Stand un-
serer Angelegenheiten zwar kurz, aber getreu darzustellen. Ich über-
gehe die Bedingungen, unter welchen zwischen dem allerheiligsten Statt-
halter Christi, Julius II, und den EKidgenossen ein Bundesvertrag ge-
schlossen worden; ich deute nur an, dass der König der Franzosen
(dem man, während er doch Christi Kirche angriff, sehr unpassend mit
dem Ehrentitel des «Allerchristlichsten« schmeichelte) die Venetianer
durch anhaltenden Krieg ermüdete, in mehreren ernsten Treffen besiegte,
ihre Städte einnahm oder verheerte; wie er das geweihte Oberhaupt der
Kirche, einen Gegenpapst, wie man ihn nennt, aus Antrieb eines bösen
Dämons erwählte und Bologna, die Mutter der Wissenschaften, die Amme
des kanonischen Rechtes, und viele andere ansehnliche Städte ihm weg-
nahm. Als zur Zeit der verflossenen Ostern der durchlauchtigste König
von Spanien den Nachen Petri auf Gefahr drohenden Wogen treiben
sah, jammerte ihn des Zustandes der Kirche. So schnell als möglich
sammelte er ein Heer und schickte dasselbe den päpstlichen Scharen,
die vom Winter her noch in Mittelitalien weilten, zu Hilfe. Kriegslustig
und kriegskundig zieht es in Eilmärschen gegen Ravenna. Auch der
französische Tyrann schickt eben dahin eine gewaltige Macht den Spa-
niern und ihren Verbündeten, den Venetianern entgegen. [Folgt eine
Schilderung der Schlacht von Ravenna, in welcher die Franzosen über
das gefürchtete spanisch-italienische Heer den glänzendsten Sieg davon-
trugen].
Hannibal nach dem Siege bei Cannä verbreitete keinen grössern
Schrecken über Rom und Italien. Allgemeinen Jammer weckt die Furcht
vor neuer französischer Herrschaft. Man fleht um Trost und Beistand
von allen Seiten. Die Eidgenossen beim Anblick dieses Zustandes be-
denken, welch gefährliches Beispiel es wäre, wenn jedem wütenden
Tyrannen erlaubt sein sollte, die gemeinsame Mutter aller Christgläubigen !
ungestraft zu bekriegen. Rasch versammeln sie sich und beschliessen
mit Eifer, die Angelegenheiten der Kirche und Italiens in bessern Stand
zu stellen. Es erscheint als Legat? der Kardinal [Schinner], bittet,
beschwört, der Verträge eingedenk, sogleich aufzubrechen; doch kann
er auf den Mann nur einen Goldgulden bieten. Kaum glaublich! In
sechs Tagen sind dennoch 20000 Mann auserlesenen Fussvolks beisammen,
die sogleich durch Graubünden über die Etsch und durch die Engpässe
nach Verona aufbrechen, das von den Landsknechten und Welschen be-
‘ Rom. — ? päpstlicher Gesandter.
Be
. — ——
La True
256
setzt war. Doch vor Ankunft der Eidgenossen hatten diese die Stadt
verlassen. Bei dem schweizerischen Heere aber trifft der Kardinal ein
und wird mit vielfacher Ehrenbezeugung empfangen. Auch von den
Venetianern erhält man Kunde und bald erscheinen sie selbst, 800 ge-
harnischte Reiter und 500 leichte. Voll frohen Vorgefühls erblicken sie
das Heer der Eidgenossen. Man rückt an den Fluss' vor (seinen Namen
habe ich nicht erfahren), jenseits dessen das starke französische Heer
wohl verschanzt steht. Die Brücke, hinter welcher Valeggio liegt, war
durch drei starke Türme geschützt. Das Geschütz der Venetianer nötigt
die Franzosen, sie zu verlassen. Sie nehmen mit sich, was sie an Lebens-
mitteln aufbringen können. Das Heer rückt nach Pontevico vor, wo die
Gegner wieder einen Augenblick stand halten. Hier erhebt sich ein
Kastell in Mitte der Brücke ’. Bis an dieses hin finden die Eidgenossen
dieselbe abgeworfen. Im Angesichte des Feindes und unter dem Schutze
der venetianischen Artillerie schwimmen Freiwillige hinüber, holen die
jenseits angefahrenen Schiffe. Schnell entstelit eine Brücke. Aber das
hinübergezogene Heer trifft schon nicht mehr die flüchtigen Franzosen.
Nur einige Schüsse aus den Feldstücken werden ihnen nachgesendet.
Im Bewusstsein ihrer schlechten Sache, der deutschen Unterstützung ver-
lustig ?, den Feind, mit dem sie kämpfen haben, kennend, nirgends sich
sicher glaubend, schliessen sie sich in Paria ein, den Ausgang der Sache
erwartend. Eine bedeutende Ochsenherde hatten ihnen die raschesten
der eidgenössischen Jünglinge weggefangen. Von diesen nährte sich ge-
‘aume Zeit hindurch reichlich das Heer.
Huldreich von Sa.x, Führer der Eidgenossen, ebenso klug als tätig,
beschliesst, Pavia, das er durch Sturm zu nehmen, noch nicht ratsam
findet, einstweilen einzuschliessen. Noch suchen die Franzosen den Über-
gang über den Po * zu verwehren. Da ereignet sich ein ebenso unglaub-
licher als spasshafter Auftritt. Bei dem französischen Heere befanden
sich 800 Landsknechte, Überbleibsel der Niederlage bei Ravenna. Einige
der Unsern schwimmen über den Po, am jenseitigen Ufer Massnahmen
zur Befestigung einer Brücke zu treffen. Die Landsknechte brechen
hervor, dies zu hindern. Die gesamte Jugend des eidgenössischen Heeres,
erfahren im Schwimmen, Laufen, Springen, stürzt sich mit abgewor-
fenen Kleidern, die Halbarten in der Hand, in den Po, mit den
Feinden sich zu schlagen, von denen sie sprachen, Gott hätte ihnen die-
selben zur täglichen Übung in der Kriegskunst gegeben. In der Tat
erhoben sie auch, so oft sie die Landsknechte erblickten, ein kriegerisches
Gelächter, nicht, weil sie dieselben für feige und verwerfliche Gegner
hielten, sondern, weil sie von ihnen immer auf der Seite der Feinde ge-
funden und öfter besiegt wurden, als sierten. Obwohl die Landsknechte
die nacktweissen Körper sahen, flohen sie dennoch, den Pass über den
Fluss freigebend.
! Den Mincio. — *über den Oglio. — * Kaiser Maximilian, der noch eben Frank-
reichs Verbündeter gewesen, fiel von demselben ab und gebot den Landsknechten, Jie
im französischen Heere dienten, bei Strafe die Heimkehr — * Es ist wohl die Adda ge-
meint, mit der Zwingli den Po verwechselt.
257
Nun rückten die Eidgenossen an Pavia heran, das eingeschlossen
und nach wenigen Tagen auf folgende Weise genommen wird. Etwelche
Einzelkämpfe waren vorangegangen. Sechs Franzosen hatten vier Eid-
genossen gefordert und waren erlegen. Zwei andere riefen, was ihn
freute, einen Glarner zum Kampfe auf. Dieser, ein Bergjäger, schoss
mit seiner Büchse den einen nieder, den andern greift er mit dem
Schwerte an. Es fällt auch dieser schwer verwundet durch das Schwert
eines zweiten Glarners, der eben dazu kommt. Die Franzosen, weder
den Mauern, noch ihrer Macht, noch weniger ihrem Mute mehr trauend,
denken auf Flucht und wünschen durch die Landsknechte sie zu decken.
Sie sprechen so zu denselben: «Ihr seht, wackere Kameraden, sei's
Zufall, sei’s Schicksal, Frankreichs Kriegsglück weicht. Wir müssen
auf Flucht denken, wenn auf Sieg nicht zu rechnen ist. Verzweiflungs-
voll ist unsere Lage. Eurer bisherigen Tapferkeit harret hente noch
die rühmlichste Prüfung. Leistet auch das Höchste noch! Wir, die
schwer und leicht Bewafineten, wollen den Teil der Stadt besetzen, der
gegen den Mincio ! sich hinzieht, ehe der Feind etwa da eindringt und
uns den Weg zur Flucht abschneidet. So sorgen wir für die Rettung
aller. Kann man jetzt nicht siegen, so muss man das Leben zu erhalten
suchen, um es später zu können, wie schon Demosthenes sagte. Damit
niemand Verrat wittere, lassen wir euch das Geschütz, das Pfand un-
serer Hoffnung.» Die leichtgläubigen Landsknechte, den Worten trauend,
verstatten den Abzug. Kaum aber haben die Franzosen den Mincio
(Tessin) hinter sich, so ergreifen sie die Flucht und lassen die Lands-
knechte im Stiche. Sobald die Bürger von Pavia dieses bemerken, ver-
sprechen sie unter der Bedingung, mit Plündern verschont zu werden,
jedem einzelnen eidgenössischen und venetianischen Soldaten einen Monats-
sold. Die ersteren gelüstete nach einem Kampf mit den Landsknechten,
aber manchen kostete diese Lust noch sauren Schweiss. Das grobe Ge-
schütz des Belagerungsheeres war ausser der Stadt im Tiergarten auf-
gefahren, eine Wache von hundert Mann dazu geordnet, ausgezogen aus
den einzelnen Heerhaufen. Noch war es nicht Mittag, als Weiber und
ältere Bürger, den Landsknechten unverdächtig, auf den Mauern er-
schienen und Strickleitern über dieselben herunterliessen. Die hundert
im Tiergarten mit der Wache Beauftragten, denen noch einige andere
sich anschlossen, eilen herbei, ersteigen die Mauer und suchen ohne
Wissen des übrigen Heeres im Innern der Stadt sich zu ordnen. Allein
die Landsknechte haben Geschütz. sie nur ihre kurzen Waffen und ihren
feurigen Mut. Hätten nicht die engen Gassen jene gehemmt, die Eid-
genossen würden alle den Tod gefunden haben. Sie suchen, hinter Vor-
sprüngen und schützenden Mauern sich augenblicklich zu bergen; dann
aber brechen sie plötzlich hervor, bemächtigen sich zweier Stücke und
wenden sie gegen die Feinde. So werden dieselben allmälig zurück-
gedrängt. Jetzt ersteigt einer der Kämpfer die Mauer, verkündet Sieg
und die Einnahme der Stadt. Man glaubt es nicht, fürchtet Hinterlist
' Vielmehr den Tessin.
Oechsli, Quellenbuch, 17
+
258
und verbietet, der Mauer sich zu nähern. Endlich durch das fortwährende
Stentorgeschrei bewogen, wagen einige die Mauer zu ersteigen. Umsonst
widerstehen noch die Landsknechte. Sie ermatten und werden an den
Fluss getrieben. Von 800 werden nur 50 lebend gefangen. Unterdessen
ziehen die Eidgenossen durch das Tor ein. Die venetianische Reiterei
verfolgt die Fliehenden, kann aber nur wenige noch erreichen. Jetzt
erschallt ein Geschrei durch die Stadt: «Julius! Die Schweizer sind
Sieger!» Am dritten Tag ergibt sich auch die Besatzung des Kastells.
Acht Mauerbrecher, zehn Feldschlangen, zehn Stücke kleineren Geschützes
werden erobert. Einige hatten früher den Venetianern gehört. Nun bei
ihrem Anblick umarmen, benetzen sie dieselben mit Tränen, küssen das
Wappen des hl. Markus. So hatte der schimpfliche Verlust sie geschmerzt.
Die übrigen Städte senden Botschaften, ergeben sich dem Kardinal
und den Eidgenossen. Auch Genua wird durch die Spanier erobert und
Asti anerkennt, mit gebundenen Händen um Friede flehend, der heiligen
Liga Gewalt. Ganz Italien, Liguriens Küstenland, die Lombarden sind
frei durch die Eidgenossen. «Diesen verdanken wir», gestehen sie, «was
einst dem Titus Qninctius das befreite Griechenland». Durch Städte, Flecken,
Dörfer wiederhallt die Posaune, läuten die Glocken. Gelehrte, Geist-
liche, Prediger rufen von den Kanzeln herunter: «Das Volk Gottes
seid ihr. Ihr habt die Feinde der Braut des Gekreuzigten gedemütigt.«
Das Heer, einige Tage zu Pavia verweilend, unterdrückte einen Auf-
stand, den ich übergehe, weil die Sache ein gutes Ende nahm. Dann
eilen Boten nach allen Seiten, damit die Angelegenheiten Mailands ge-
ordnet werden.
In Baden ist nun die eidgenössische Tagsatzung zusammengetreten
und folgende Gesandtschaften haben sich dabei eingetunden: Sr. Heilig-
keit des Papsts Julius II., des Kaisers, des Kardinals St. Po-
tentianä ', Legaten a Latere, des Königs von Spanien, des Königs von
Frankreich (diese halb im Verstohlenen), des Herzogs von Savoyen,
des Herzogs von Lothringen, der Venetianer, der Mailänder; alle mit
ihren eigentümlichen Wünschen und Absichten. Hier muss man der
Menschen Vorsicht und Schlauheit studiren; wie sie einander in Ver-
legenheit zu bringen versuchen, um in der Verwirrung desto sicherer
den eigenen Vorteil zu verfolgen; wie sie dieses zu wünschen vorgeben,
um das Gegenteil zu erhalten. Vorzüglich schürzt der Kaiser den Knoten.
Er hatte in der Stille beschlossen, Maximilian, den Sohn des vertrie-
benen Herzogs Ludwig Sforza auf den Fürstenstuhl wieder einzusetzen.
Jetzt zu allgemeiner Verwunderung rückt er mit der Behauptung her-
vor, die Lombardei, als Reichslehen, dürfe von niemandem, als dem
Öberhaupte des Reiches ihren Herrscher empfangen. Wenig gefällt
dieses den Eidgenossen. «Der Kaiser — sagen sie — hat verheissen,
uns mit Reiterei zu unterstützen; er hat es aber bei schönen Worten
bewenden lassen. Die Last des Krieges haben wir, der Papst, die Ve-
netianer getragen. Jetzt will er, der nichts getan hat, den Gewinn
davon ziehen.» Doch kommt es nicht zum förmlichen Streite. Eine an-
' M. Schinner,
250
dere Gresandtschaft des heiligen Vaters Julius und der Kardinäle trifft
ein. Sie bringt den Eidgenossen den Ehrentitel: «Befreier der Kirche.»
Willkommen ist ihnen derselbe, willkommen der Beisatz: Sie mögen
bitten, was sie wollen, das Heiligste soll ihnen gewährt sein. Der
grüssere Teil, ja alle bitten um das Recht, das Bild des Gekreuzigten
im Banner zu führen, die Glarner wünschen dasjenige des Auferstandenen.
Am Ende erfolgt der Beschluss, Maximilian, den Sohn Ludwigs, auf
den väterlichen Tron zurückzuführen.
Ausführlicher würde ich dir geschrieben haben, mein geliebter Vadian,
denn nicht der hundertste Teil ist dieses, hätten nicht dringende Ge—
schäfte mich abgehalten. Beurteile den hingeworfenen Brief mit Nach-
sicht, er musste die Arbeit von nicht mehr als drei Stunden sein.«
105. Papſt Julius II. verleiht den Schweizern den Titel
„Berteidiger der Freiheit der Kirche“. 5. Juli 1512.
Die Tat. Bulle in den Abjchieden III. 2. S. 632 fi.
Julius, Bischof, Knecht der Knechte Gottes, zu ewigem Gedächtnis
dieser Sache. Wenn auch die römischen Päpste allen Getreuen und
Ergebenen des apostolischen Stuhls ihre milden Gaben willig darzureichen
gewohnt sind, erachten wir es doch wahrlich für würdig, ja wahrlich
gebührend, dass denjenigen, welche für die Beschirmung der Freiheit
der Kirche und ganz Italiens mit ausserordentlicher Begierde und Er-
gebenheit, mit allen Kräften und aller Anstrengung Leib und Leben
preiszugeben sich nicht gescheut haben, das mit um so freigebigerm Ge-
müte gewährt werde, wodurch ihnen Ehre und Ruhm zu Teil wird und
die Zeichen ihrer Tugenden und Verdienste überall gezeigt werden,
auch sie selbst hiedurch um so inbrünstiger in gewohnter Treue und Er-
gebenheit beharren, uud andere, durch ihr Beispiel angereizt, ermuntert
werden, dem vorgenannten Stuhl treuen Gehorsam zu leisten, da man
weiss, dass sie von demselben Stuhl grössere Beweise seiner Freigebigkeit
empfangen haben. Da also neulich auf Anstiften des Säers böser Werke,
welcher die Verkehrten ' und die Feinde der christlichen Religion unter-
stützt, dem die der Verderbnis verfallenen Menschen dienen, die rö-
mische Kirche von einem unheilvollen und verderblichen Schisma und
ganz Italien von Wirren und vom häftesten Joche der Parteien heim-
gesucht wurden und es nicht ohne Grund fürchtete, dass es Tag für Tag
mehr heimgesucht und dass das ungenähte Gewand des Gottessohnes
zerrissen werde und der Nachen Petri versinke, da haben unsere ge-
liebten Söhne, die Schweizer [Helvetii] in unserem und des vorgenannten
! Ich folge hier der Übersetzung Anshelms, da das im Original stehende perver-
seque keinen rechten Sinn gibt.
260
Stubles Solde, kriegend unsere Bundesgenossen, so unerschrocken,, herr-
lich, tapfer und ruhmvoll alle Hindernisse überwunden und (refahren
verachtet und sich als treue Helden so löblich und trefllich gehalten.
dass niemand zweifelt, dass durch ihre Stärke, Treue und Kraft, indem
ihnen zleichsam die Rechte des Herrn voranging, fast in einen Augenblick
das vorgenannte Schisma zerstoben, die Freiheit der Kirche wieder ge-
wonnen, und Italien von dem unerträglichen Joche der Knechtschaft
befreit worden ist. Den Fussstapfen der römischen Päpste. unserer Vor-
gänger, folgend, welche diejenigen, die sich gegen die vorgenannte Kirche
wohl verhalten, mit Ehren erhöht und mit ausgezeichneten Beinamen ge-
schmückt haben, zu eigenem Lob und ihrem Rulhme und zum Zeugnis
der Dankbarkeit der römischen Kirche, und von dem Wunsche beseelt,
den vorgenannten Schweizern nach ihrem Verdienste angemessenen Dank
zu beweisen, bezeichnen und schmücken wir nach dem Rat unserer ehr-
würdigen Brüder, der Kardinäle der heiligen römischen Kirche, und aus
apostolischer Machtvollkommenheit die vorgenannten Schweizer mit dem
Titel und der Ehre der „Beschirmer der Freiheit der Kirche‘ |defen-
sores ecelesiastic# libertatis]| und wollen und erkennen, dass sie auf
ewige Zeiten Beschirmer der Freiheit der Kirche genannt und geheissen
werden, und verleihen und spenden ilnen nach dem Rat derselben
Brüder und aus derselben Machtvollkommenheit in Wahrheit zum Zei-
chen ihrer Treue und Tugenden zwei Fahnen, Banner genannt, für die
zwölf Gegenden oder Teile, welche sie selbst Kantone heissen, mit un-
sern und der vorgenannten Kirche Schlüsseln, Wappen und Abzeichen,
deren sie sich auf ewig bedienen und erfreuen mögen, und welche wir
durch unsern geliebten Sohn Matthäus, des Titels Priester von St. Poten-
tiana, Kardinal, unsern Legaten a Latere' in den lombardischen Landen,
ihnen zuzustellen in andern Briefen von uns befohlen haben. So mögen
die vorgenannten Schweizer, vom Guten zum Bessern [fortschreitend],
unter dem Beistand der göttlichen Gnade auch in Zukunft löblich han-
deln und Schutz und Schirm der vorgenannten römischen Kirche, ihrer
Mutter, auf sich nehmen und sich befleissen, dass sie ausser unserem
und des genannten Stuhles Segen und Dank vom Spender der himm-
lischen Gaben den Ruhm ewiger Seligkeit und auf Erden unvergäng-
liches Lob erwerben.
! Legaten a latere sind Kardinäle, welche von der Seite (a latere) des Papstes
abgeschickt werden, um bei besonderen Veranlassungen die Stelle des Oberhauptes
der Kirche zu vertreten.
261
106. Eine ſchweizeriſche Tagfakımg zur Zeit der Machthöhe der
Eidgenoflenfchaft. Auguſt / September 1512.
I. Baden. 11. Auguft 1512.
Abſchiede IIL.2. ©. 638 fi.
a. Auf diefem Tage ift der Baillif [Yandvogt] von Yothringen er-
jhienen und hat im Namen feines Fürften angebradht: Es gebe die Nede,
daß einige Eidgenoffen durch defien Gebiet dem König von Frankreich zuziehen
und daß der Fürſt ihnen biefür Durchpaß geftattet habe. Yetteres jei unrichtig,
der Durchzug jei wider jein Wiffen und Willen gejchehen und er habe, jobald
er davon Bericht erhalten, . gegen ſolchen Durchzug ftrenge Verbote erlaffen
und auch eimige jeiner Untertanen, die deſſen ungeachtet nad) Frankreich ziehen
wollten, gefangen gelegt und werde fie ftrafen. Er bitte daher die Eidgenoſſen,
ihn für entſchuldigt zu halten und zu glauben, daß er jich Feineswegs gegen
fie jegen wolle. Ferner werde geredet, es befinde fich fein Bruder beim König
von Frankreich. Das jei wahr; bei der Teilung der Yandjchaft jet nämlich
jeinem Bruder derjenige Teil zugefallen, welcher von dem König von Frankreich
lehubar jei, weshalb derjelbe jich feiner Yehenspflicht nicht entziehen fünne,
was der Herzog die Eidgenojjen zu bedenfen bitte.
b. Der Papſt bat eine löbliche Eidgenoffenfchaft um ihre getreuen guten
Dienfte ehrenvoll begabet, nämlich mit einem Schwert, Hut! und zwei
Banner, mit Freiheiten nach Inhalt der Bulle, Man jell auf nächſtem Tag
entjcheiden, wo man diefe Gejchenfe zu gemeiner Eidgenojjenichaft Handen
verwahren wolle.
c. Auf diefem Tag ijt eine Botjchaft des Königs von Spanien er:
ihienen mit dem Begehren, die Eidgenofjen möchten in den Bund mit den
Bapjt, dem König von Spanien und der Herrichaft Venedig eintreten und
denjelben auf ewig, oder wenn diejes nicht fein möchte, auf drei Jahre oder
auf jo lange, als der Bımd zwifchen den drei genannten währe, abichliegen.
Auch möchten die Eidgenoffen trachten, den Streit zwiſchen kaiſerlicher Majeftät
und Venedig zu vergleichen, damit dann alle fünf Staaten in Einung und
Bündnis mit einander treten fünnten. Man möchte diefen Gegenftand be-
förderlich in Behandlung nehmen, denn der König von Spanien liege mit jo
ihweren Koſten zu Felde, daß es ihm beinahe unerträglich ſei.
' Durch die Verleihung von Schwert uud Hut, den Abzeichen höchſter ftaatlicher Wiirde,
anerlannte der Papſt ſinnbildlich die im Schwabenkrieg errungeue ſtaatliche Selbſtändigkeit
der Schweiz. S. Giſi, Anteil der Eidgenoſſen an der europäiſchen Politik. S. 63.
262
d. Ferner ift erichienen eine Berichaft des Herzog® von Savoyen, der
Dechant von Colmar, und bat begebrt, die Aufrichtung der Vereinung zwiſchen
den Eidgenoiten und dem Herzog möchte befördert werden. Dabei bat jie den
Herzog verantiwertet wegen der Rede, daß er dem König von Frankreich wider
uns anbange und demtielben Beiftand tue, mit weiterm Begehren, man möchte
ibm erlauben, zwichen dem Konig und uns einen Frieden zu unterhandeln,
es geichebe das mit gutem Sillen und in guten Treuen. Darüber will man
auf dem näciten Tage Anmrert geben. e. Derielbe javegice Bete bat unterm
anderm angezogen, der Kardinal ren Zitten liege mit den rüpftlichen Truppen
un Yande Zaroren, mas cbne Schaden der armen Yeute daſelbſt micht abgebe.
Auf fein Begebdren wird dem Kardinal geichrieben, er möchte jene Truppen
anderswebin verizgen und tvericrgen, daß Die, welche durch Savoyen ziehen,
gebubriih bezetlen und Die Leute dajelbn nicht beichädigen, denn der Herzog
bobe ums bderens eine greke Zumme Geldes gegeben und müſſe noch mehr
geten Sena man feine Untertanen jo beichidigt würden, jo wäre er außer
Zterte, kınza Terrflibtungen nadbzutenmen. Die Veten, welche der Büchſen
men som Cardiral ven Zitten geben, fclen ibm vieles auch mimdlich
(Senf zu bringen wire. Da mın daraus großen Nuten
gz zizder bez, Fo wird mit den Kürten des Kaifers Darüber geredet. Dieje
sr Derumommen, den Segenftand an farrertibe Mateitit zu bringen in der
3. 08 werde vom ibrer Zeite amidige Aummert felgen. Die ſpaniſche
> zutrrtde Beriduft, mi denen iesfslis auch geredet werden ift, find
*
g. Es Mt mc Anzug gefallen bezüglich der Meñe von Won, wie dieſelbe
Ir
J
b Die kaiſerticden Rate beden bdegedtt. „mir ihnen niederzufitzen und
bh Burgund Asia zu on“ auch auf kaüerliche Majeſtät
wenn: — ib ar or 10% :
Kreis ums en zu daben bee of — wir ſeien zu dieſer Zeit
— — ir at M vor sure Kaarye R
az ame eitärten laden un) been Sau fette Ielimacht, wellten aber
2 Bexiören — und auf garten I Anmert geben.
L „an de mh Erohrun Des Sermurms Watland Meier Tag all-
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I digen wi a re Besen ar) Veoezbeswer auf vergebaltenen
Eee -α. Safran Sum Tas Se zu Baden erichienen
ee Eee ne U SE Ds Dee Railand ehren—
BEE EL EN Re Ra Der DE Sr N AND RTL
— a RL Pt ae derfaßt und beider:
ea a We ar ae Eee rs To Tewfelbe
RATTE ED TE Der I Der dieſelben vor⸗
zubringen, fi) darüber zu beraten, und auf den Tag, fo darum auf Sonntag
nah St. Verenatag 5. Sept.] nächſt, nachts, wiederum hie zu Baden in der
Herberge zu fein angefegt ift, endgültig zu antworten und die Dinge zu be-
ihließen, angejeben, daß der Handel feinen langen Verzug leiden mag, wie
die Boten das wiſſen zu jagen." Man ſoll auf den angejegten Tag alle
Kapitel, neue und alte, welche zwiichen den Herzogen von Mailand und uns
Eidgenofjen bisher gewejen find, herbringen, damit man diejelben einjehen
und daraus ziehen möge, was den jetigen Verhältniſſen angemeſſen zu fein jeheint.
k. Eine Botichaft der Herrichaft Venedig hat bei uns um ein Bündnis
geworben ; wir haben geantwortet, wir jeien mit faijerlicher Majeftät in Ver:
einung, und da diefe und Venedig noch etwas Widerwärtigfeit gegeneinander
haben, jo fönnen wir, bevor dieje ausgetragen, in feine VBereinung mit Venedig
treten. Wir haben aber unſere Vermittelung angetragen und die faijerliche
Borihaft habe übernommen, diefen Antrag an ihre Herren zu bringen und
auf den nächjten Tag zu antworten. Deshalb möge der venetianiſche Gejandte
dieje Meinung auch an jeine Herrichaft berichten; denn jobald wir von beiden
Parteien die Einwilligung haben, werden wir mit allem Fleiße an das Wert
gehen, und gelinge der Verſuch, jo werde Venedig auch der Vereinung halb
gute Antwort finden.
263
I. Baden, 6. September 1512.
Abſchiede IIL2. 3.647.
a. Der Herzog von Yothringen hat ſich abermals ſchriftlich anerboten,
zwiichen den Eidgenoffen und dem König von Frankreich über einen Frieden
zu unterhandeln. Man hat ihm von diefem Tag aus freundlich gedankt, aber
weiter nichts geantwortet, als man hoffe, daß mit der Zeit die Sache, jo
Gott wolle, jich auf irgend einem Wege zu Frieden und Ruhe wenden werde,
g. Die jpanifhen nnd venetianijchen Voten werden mit ihrem
auf festem Tag getanen Anbringen mit freundlichen Worten abgefertigt: Wir
Eidgenofjen jeien in Vereinung mit dem römijchen Kaiſer und dem Papit und
gegen den König von Frankreich „mit merflichen Geſchäften beladen“, weshalb
uns zu diefer Zeit nicht füglich fei, weitere Vereinungen zu machen.
h. „Darauf hat der ſpaniſche Bote angebracht, des erjten, daß es nicht
der Wille feiner Päpftlichen Heiligfeit, Faiferlicher Majeftät, jeines Herrn und
Königs und der Venediger ei, Herzog Marimilian einzufegen, jondern Herzog
Karl !; darum wolle fein König die 300,000 Dufaten Koſten geben und fortan
I Den nachmaligen Karl V., den Enfel Kaiſer Marimilians und König Ferdinands
von Spanien,
264
jährlich 50,000 Dulaten Benfion dazu, diemeil mir Eidgenoffen Krieg mit
den Franzoſen haben, [damit wir] ums alsdann in den heiligen Bund jchiden
und über den König von Frankreich ziehen, denn fie jeien Willens, ihn aus
aller Welt zu treiben; darum wolle jein Herr und König uns eine Penſion
geben, wie päpftl. Ht., und daß wir jolches Anerbieten ſchriftlich abfaſſen.
Sit man bei voriger Antwort geblieben, doch hat man diefe Meinung beim:
zubringen angenommen.
k. Als päpftlicher Bote ift ein Auditor der Rota erjchtenen und hat
vier Artifel angebradt: 1. Der Papſt mahne uns höchlich, weder durd den
Herzog von Savoyen, nod) andere dem König von Frankreich Gehör zu geben,
2. Der Papft begehre, da er noch einige Gejchäfte in Italien habe, eine An-
zahl unferer Knechte in feinen Dienft zu nehmen und habe jelbe von unjern
Hauptleuten im Feld verlangt, die aber hiefür feine Vollmacht hätten. Da
die Sache Eile habe, jo möchten wir jenen Gewalt geben, jeiner Heiligfeit zu
entiprechen ; die Knechte werden nur gegen den Herzog von Ferrara gebraucht
werden. 3. Er vernehme, wir Eidgenoffen ſeien im Handel, den Herzog
Marimilian in Mailand einzufegen; da der Bote nicht wilfe, ob dies der
Wille des Papſtes jei, jo möchte man die Sache verjchieben; wäre das aber
nicht möglich, wenigſtens die Städte Parma und Piacenza, die der Papit als
Gut der Kirche eingenommen, vorbehalten; geſchähe diejes nicht, jo proteftirt
er auf diefen Fall jchriftlich und verfichert, die Ungnade des Papftes werde
folgen. Zollte nichts deſto weniger die Einfegung Marimilians erfolgen, jo
möchte man ibm doch zur Bedingung ftellen, daß er diefer Städte wegen die
Kirche niemals befeinde oder bekümmere. 4. Bezüglich der ausftehenden Sölde
derer, die in päpftlichem Dienft geitanden, hat der Bote nach vielen Worten,
dar der Papſt nichts ſchuldig jei, erflärt, jeiner Deiligfeit wolle das uns Eid-
genoffen zum Enticheid anbeimiegen, boffend, wir werden zu gleichem Schluſſe
fommten.
m. Die Boten, welche von Mailand herausgefommen, haben verlangt,
daß jeder Ort 50 Gulden für Erbauung ven Schanzen ꝛc. nah Lauis
[Yugano) ſchicke. Es wird beſchloſſen, daß diejes Geld auf den Tag zu Yuzern
gefertigt werden joll, Damit es ohne Verzug bineinfomme. Auch joll auf Freitag
nach Matthäi jeder Ort zwei Zentner Pulver zu Uri haben.
n. Auf diefem Tag find erichienen Faiferlicher Majeftät Boten, Herr
Hans von Yandau, Dar Ulrich von Habsperg, Rudolf von
Blumenegg und Jobannes Storch ımd haben im Namen des Kaifers
verlangt, daß wir Gidgenoffen feine Vereinigung mit den Venedigern, Die
gegen ibn in Feindſchaft ftehen, machen, dagegen mögen wir wohl mit dem
bi. Bund an dem Vermittlungsverfuch Teil nehmen. Bezüglich der Einjegung
Herzog Maximilians in Mailand fajfe der Kaiſer das gejcheben, doch jo, daß
z un — me
er
F
265
er nicht als Herzog, jondern nur als Gubernator eingefett werde Dis zum
Reichstag, der auf nächite hl. drei Könige fein werde und mo ferner über die
Sache werde gehandelt werden. Was wir der Kriegsfoften wegen handeln,
taffe faiferliche Majeftät geichehen; aber der drei Pläge Yauis, Yuggarıs und
Domo wegen begehre er, daß bis zum Neichstag nicht vorgefahren werde.
Bezüglich eines Zuges nad) Burgund haben die Boten abermals Vollmacht,
mit uns darüber zu verhandeln. Auch begehrt der Kaijer, daß wir mit dem
König von Spanien eine Vereinung eingehen möchten und entjchufdigt ſich
betreffend die Heirat zwijchen Erzherzog Philipp und der Tochter des Königs
von Franfreih. — Man bat das Verlangen erneuert, daß der Kaiſer den
Yandsfnechten verbiete, zum Künig von Frankreich zu ziehen, und daR er die,
welche bereits dort jind, abfordere. Einen Zug nach Frankreich zu tun, hat
man zur Zeit mit freundlichen Worten abgeichlagen.
p. Unjere Bundesgenoffen vom Wallis haben begehrt, daß wir, wenn
wir Penfionen oder Ktoftenerjag erhielten, jie bedenken möchten ; unſere Bundes—
genoffen, die Bündner, welche Beltlin und Eleven innehaben, begehren,
dak man fie dabei bleiben faffe, zumal das Gotteshaus Chur da Gerechtig:
feiten habe, wofür es auch lange Zeit eine Penfion von 300 Gulden gehabt
babe. Es wird auf Hinterfichbringen mit ihnen verabjchiedet, daR, wofern jie
die beiden Herrichaften wieder zu dem Herzogtum kommen lafjen, man ihnen
von der Penſion jährlich 1000 Dufaten zutommen Taffen und daran fein wolle,
daß dem Gotteshaus Chur jeine Penfion auch gebeffert werde, fo daß der,
welcher das Yand inmehabe, ihm jährlich 400 Gulden gebe.
r. Dem römifchen Boten ift geantwortet, bisher haben die Obrigkeiten
feine Vollmacht gegeben, dem König von Frankreich zu „loſen“; was ihnen
fürderhin gefallen werde, möge man nicht willen. Das Begehren des Papites
um Knechte gegen den Herzog von Ferrara wolle man heimbringen,
s. Alle unfere Herrſchaften! begehren, wenn wir bei einem Frieden Penfion
und Kriegsfoftenerfag erhalten, möchten wir fie daran auch teilnehmen laſſen.
Das will man heimbringen.
t. „Schwert, Barmer, Hut und Bullen find geteilt, wie ſolches die Boten
willen. *
y. Artikel und Abredung zwiichen der Mailändiichen Botichaft
und uns Eidgenojjen, auf dem Tag zu Baden an Marti Geburtstag
18. Sept.) verfaßt:
1. Wir Eidgenoſſen wollen, wie ſchon auf dem vorigen Tag angegeben,
die Herrſchaften Lauis [Yugano|, Luggarus Locarno) und Domo d'Oſſola)
Nämlich die gemeinen Untertanenländer.
266
mit aller Zubehörde, wie fie von After her befeffen worden, nichts aus-
genommen. — —
2. Der Herzog oder der Staat von Mailand foll uns an unsere Roften
und Mihe 150,000 Dufaten geben, 25,000 auf den 1. Januar nächithin und
fortan jedes Jahr ebenfo viel, bis die ganze Summe bezahlt ift.
3. Soll und der Herzog und der Staat von Mailand auf ewige Zeiten
jährlih auf 1. Januar 40,000 Dufaten Penfion nad Züri oder Yuzern
legen. Die erſte Penfion verfällt vom 1. Januar nächſthin über ein Jahr.
4. Wir Eidgenoffen und die Unfern jollen im ganzen Herzogtum Mai-
land bis an den Stadtgraben zu Mailand zollfrei fein nad Mafgabe der
alten Kapitel. — —
5. Dagegen jollen wir Eidgenofjen den Herzog und das Herzogtum
ſchirmen und ihnen auf Begehren Hilfe leiften nach Notdurft; doch ſoll er der
Hilfsmannſchaft Sold geben, wie folgt: einem Hauptmann 10, einem Yütiner !
6, einem Venner 6 Sölde, für einen einfachen Sold 4'/, Gulden... Bruch—
zahlen zwiichen Auszug und Heimfehr für ganze Monate gerechnet.
6. Wenn wir Eidgenoffen jelbjt mit ſchweren und großen Kriegen oder
Gejhäften beladen wären, jo follen wir jolher Hilfleiftung ledig fein. Auch
ſoll dieſelbe ſtets von uns verlangt und das Annehmen von Knechten ohne
unjer Wilfen und Willen nicht geftattet fein.
7. Wenn wir des Herzogs Hilfe zu unfern Kriegen bedürfen, jo joll er
uns mit 500 Pferden, zur Hälfte jchweren, zur Hälfte leichten, in feinen
eigenen Koften beiftehen.
107. Die Belagerung von Movara. Iumi 1513.
Aus Pauli Jovii Historiae sui temporis, Bafel 1567. I. 361 ff., Buch XI.
Paolo Giovio [lat. Paulus Jovius], 1483— 1552, seit 1516 in Rom lebend, erbielt
durch die Gunst der Päpste Musse, um in einem grossen lateinischen Werke die Ge-
schichte seiner Zeit zu schreiben, wobei er am römischen Hofe Gelegenheit hatte, seine
Notizen aus dem Mund der vornehmsten Teilnehmer und Augenzeugen zu schöpfen. So
verfasste er seinen Bericht über die Schlacht von Novara nach den Mitteilungen, welche
ihm die beiden französischen Feldherrn Tremoille und Trivulzio machten.
N N die Schweizer von den Rüstungen und dem Alpenübergang
der Franzosen Kunde erhielten, sagen sie eine Tagsatzung
an, geben ihre Meinungen ab und sind mit wunderbarer Ein-
stimmigkeit aller Orte der Ansicht, Sforza sei um jeden Preis
zu AAN Die allerentschlossensten Männer werden zu Hauptleuten
für den zu führenden Krieg gewählt, vor allem Zohensax, erlaucht durch
Lieutenant.
er
267
seinen alten Adel und damals wegen der Vertreibung der Franzosen aus
Italien in vorzüglichem Ruhme strahlend, welche mit fliegenden Fahnen
alsbald nach Italien eilen. Überall werden Krieger eingeschrieben, obgleich
kein Sold geboten wird und kein Geld vorhanden ist, was niemals vorher
geschehen war, indem sie mit solcher Lust ihre Namen gaben, dass es
wunderbar scheinen konnte, dass der neue, das alte Bündnis treuer
Frenndschaft bedeckende Hass so stark geworden war.... Zu allererst
überschritten die Anführer von Uri, Schwiz und Unterwalden, welche
sie Ammänner nennen, als die nächsten an Italien, die Alpen, angetrieben
durch die besondere Sorge auch um ihre eigenen Besitzungen. Denn indem
sie in den frühern Kriegen den Franzosen Bellinzona entrissen und jüngst
Lugano besetzt, hatten sie ihre Oberherrlichkeit nach Italien ausgedehnt,
welche sie sowohl des grossen Vorteils, als auch des öffentlichen Ansehens
halber um jeden Preis bewahren zu müssen glaubten. Diesen folgten in
zusammenhängendem Zuge die übrigen Scharen aus Glarus, Zug, Luzern,
Schaffhausen und endlich nach einiger Zeit die Banner der Zürcher
und Berner, der angesehensten und mächtigsten Orte. Im letzten Zug,
bei welchem sich 5000 auserlesene Fussknechte befanden, war Hohensax,
welchem man befohlen hatte, wegen der Anordnungen hinsichtlich der
Lebensmittel auf dem Marsche, soweit es auf kurzem Wege geschehen
könne, durch Graubünden zu eilen. — —
Zur gleichen Zeit war Sforza, bestürzt über die ungünstigen Berichte
von dem wankenden Ligurien und durch den unerwarteten Abfall des
Saecamoro Visconti ', mit den ersten Scharen der Schweizer nach Novara
geeilt, um in der zuverlässigen Stadt sicher vor Verrat die ankommenden
Heerhaufen zu erwarten. . . Schon flogen die französischen Feldherrn von
Turin zur Belagerung Novaras herbei. . . . Mit grossem Aufwand von
Geschütz wurden die Mauern von Novara beschossen, eben so sehr zum
grossen Schrecken der Bürger, wie zur merklichen Fröhlichkeit der
Schweizer. Denn diese verachteten mit seltener Einstimmigkeit und un-
erschrockenen Gemütes, wiewohl die Mauer niedergeschossen und weithin
offen war, die Stärke des so grossen, wohlversehenen Heeres und die
Drohungen der Franzosen so sehr, dass sie erklärten, sie werden inwendig
keinen Wall, wie sonst Kriegsbrauch ist, und durchaus keinerlei Schutz-
wehren errichten, um den Ansturm des angreifenden Feindes aufzuhalten.
Umsonst beschwor sie Silvio Sabello, sie möchten wenigstens gestatten,
dass durch die Hände der italienischen Soldaten und der Bürger hinter
dem eingestürzten Mauerstück ein Quergraben gezogen werde. Das Gleiche
forderten auch die übrigen kriegskundigen Grossen Sforzas. Aber mit
stolzer Stirne wiesen sie diese Bitten zurück, und Jordian von Unter-
walden, ein Hauptmann von trefflichem hohem Mute, wandte sich zu ihnen
und sprach: «Höret auf, erlauchte Männer, euch zu fürchten und über
den Ausgang des Krieges so bekümmert zu sein. ... Wenn nur die
mit eitelm Prahlen so tapfern Franzosen so viel Mut und Kampflust
haben, dass sie es wagen, näher heranzukommen und durch die offene
' Saccamoro Visconti, der militärische Befehlshaber in Mailand, erklärte sich für
den König von Frankreich.
268
Mauer hereinzudringen!» Sie werden dann erfahren, wie die schweizerischen
Heerscharen die Feinde zu empfangen pflegen.» Um die Kühnheit der
Franzosen, welche in Schlachtordnung vorgerückt waren und prahlten,
sobald das Zeichen gegeben würde, werden sie stürmen und keinen ver-
schonen, zu verlachen und zu verspotten, verhingen sie sogar die Lücken
der niedergeworfenen Mauer mit Betttüchern, die sie an Querstangen
aufspannten, so dass die in der Stadt herumgehenden Krieger und die
Wachestehenden weder vom Feinde erblickt, noch daher mit sicherm
Schusse von den kleinern Geschützen auf sie gezielt werden konnte.
Gleich darauf schickten sie einen Trompeter, der die sichernden Abzeichen
eines friedlichen Unterhändlers zur Schau trug, mit einer Botschaft zu
den Befehlshabern der Feinde. Die Schweizer baten nämlich nicht un-
passend zum Scherz, die französischen Geschützmeister möchten doch
das Abschiessen der Geschütze einstellen, um so viel unnütze Kosten für
Schwefel, Pulver und Kugeln zu sparen; da die weithin niedergeschossenen
Mauern denen, die stürmen wollten, nicht bloss an einem Orte einen Zu-
gang zu ebener Erde böten, und drinnen keinerlei Schutzwehren, welche
selbst die in gevierter Ordnung Eindringenden aufhalten könnten, errichtet
und zugerüstet seien. Daher sollten sie, sicher vor jedem Hinterhalt,
worauf die Schweizer, auf die wahre Tapferkeit vertrauend, ganz und
gar nicht bauten, wenn die Franzosen und Deutschen Männer seien,
Waffen und Gemüter in Bereitschaft setzen, um sich unter den günstigsten
Bedingungen mit den wenigen Truppen zu messen, bevor die stärkern
Hilfsscharen ihres Volkes, welche nicht mehr ferne seien, ihnen zu un-
gelegener Zeit einträfen.
Darauf erwiederte Trirulzio strenge: Die Schweizer, die sonst zu
ihrem Vorteil nirgends unverschämt oder töricht zu sein pflegten, würden
recht und klug tun, wenn sie aufhörten, für den seiner Städte beraubten
und von seinen Freunden und Verbündeten verlassenen Sforza zu kämpfen
und zu toben. . . . Sie sollten, wenn sie bei Verstande wären und für
Weib und Kind gut sorgen wollten, was er wegen seiner besondern
Freundschaft und wohlwollenden Gesinnung gegen ihr Volk sehr wünsche,
der alten und neuen Freundschaft mit den Franzosen eingedenk sein
und zur rechten Zeit sich umsehen, ob ihnen, die zwischen ihren schnee-
bedeckten Alpen fast aller Dinge ermangelten, anderswoher, als aus
Frankreich, im Krieg und im Frieden regelmässige und überreiche Jahr-
gelder zufliessen werden. «Was,» sagte er, «wird aus den Plänen derer,
welche so hartnäckig und töricht wüten, werden, wenn wir den Krieg
in die Länge ziehen wollen, da wir an Zufluss von Lebensmitteln und
Geld, was euch beides eben mangelt, an Völkern, die zur Treue zurück-
kehren, Überfluss haben. Auch hätte ich nicht geglaubt, dass sie so un-
sinnig wären und ihr Leben so wenig achten würden, dass sie uns, die -
wir mit verschanztem Lager bewehrt, mit so viel Geschützen und mit
den stärksten Hilfstruppen der Deutschen und Gaskogner versehen und
durch so grosse Reiterei verstärkt sind, lieber angreifen und auf der
Stelle die Strafe für die wilde Unbesonnenheit bezahlen, als mit dreifachem
Sold und sichern und reichen Geschenken zu den Frauen nach Hause
kehren wollen; was alles im Überfluss sofort auf königliches Wort er-
folgen würde, wenn sie den Sforza, wie sie vorher mit Recht seinen anf
Erden verhassten und im Himmel verdammten Vater überliefert haben,
sogleich in seine Hände lieferten oder ihn durch sichere Übergabe der
Stadt und Wegziehen der Besatzung seinem Schicksal überliessen.» Nachdem
der Trompeter dies zurückzumelden geheissen und mit Geld beschenkt
worden, kehrte er zu den Seinigen in die Stadt zurück.
Als aber diese Antwort den Führern berichtet wurde und sich als-
bald durch die einzelnen Scharen verbreitete, konnten die Hauptleute und
Venner, weit davon entfernt, dass irgend einer davon beunruhigt worden
wäre, sich vor wilder Tapferkeit, wie sie diesen kühnen Herzen an-
geboren und anerzogen war, kaum eines Ausfalls enthalten; wiewohl
einige, wie man glaubt, vom französischen Gelde bestochen, in ihrer
Meinung schwankten und auseinander setzten: Vorsichtige und Viel-
beschäftigte müssten die sichern Belohnungen des angebotenen Friedens
einem so zweifelhaften und so schweren Kriege vorziehen. Darauf legte
sich nämlich Trivulzio mit allem Fleisse, die Wildheit der Hartnäckigen
durch geheime Spenden teilweise zu besänftigen. — —
Unterdessen wird dem von grosser Sorge gequälten und bei jedem
Gerücht sich fürchtenden Maximilian gemeldet, die Hilfe der Schweizer
sei in den genannten Zügen im Anmarsch, Hohensax aber sei auf der
Strasse von ('omo nach Gallarate gelangt.... Gleichzeitig erhalten auch
Tremoille und Trivulzio über den Anmarsch der Feinde durch Späher Kunde.
Es wird daher ein Kriegsrat zusammenberufen und in bündigen Worten bei
der Beratung gestritten, ob es vorteilhaft sei, das Lager rückwärts zu ver-
legen und es weiter von der Stadt an sicherem Orte aufzuschlagen oder mit
dem leicht beweglichen Teil des Heeres die neuen Feinde, während sie ohne
(Geschütz, ohne Reiter in aufgelöstem Zuge herbei eilten, im offenen Felde
anzugreifen. Dieser Meinung war insbesondere Robert von NSedan, während
Tremoille, unentschieden, sie nicht abwies. . . . Aber Trivulzio, der vor
der neuen Kraft des hartnäckigen und feurigen Volkes zurückscheute,
bewies, dass jede Entscheidung durch ein Treffen vermieden werden
müsse, weil für den gehofften siegreichen Ausgang nachteilig oder sicherlich
nicht notwendig. «Die unbändigen Kräfte,» sagte er, «welche mit dem
wuchtigsten Angriff nicht ohne viel Blut und Verlust durchbrochen werden
können, lösen sich meist durch nützliches Hinhalten und sicheres Zögern
auf. Das wird uns zu grossem Vorteil geschehen, wenn wir das Lager
von hier nach dem Flecken Riotta, etwa eine Stunde von der Stadt,
verlegen.». . . Nichts schien von einem so grossen Feldherrn, welcher
an Erfahrung in den italienischen Angelegenheiten, an Kenntnis der
Gegend and Ehre des Alters die Franzosen übertraf, ohne Überlegung
versichert zu werden, zumal da er urteilte, das Lager sollte auf seinen
Gütern, in einer ihm bekannten und eigen zugehörigen Wiese am Mora-
flusse aufgeschlagen werden. Deshalb schwieg Sedan, und selbst die
Tapfern und Kampfbegierigen traten der Ansicht Trivulzios bei. Daher
machten sie mit Vermeidung jedes (reräusches alles zum Aufbruch bereit,
liessen von der Belagerung ab und steckten das Lager bei Riotta aus.
270 |
108. Die Schlacht bei Movara. 6. Iumi 1513.
Jovü Hist. I. ©. 371 fi.
So gelangten die Schweizer, ohne dass sie auf dem Marsche einen
Feind, der ihnen entgegengerückt wäre, erblickten, nach Novara unter
lautem Jubel und zur grossen Freude aller. Als sie, reichlich mit Wein
beschenkt, gefrühstückt hatten und kaum eine Stunde Frist der Ruhe
gegönnt worden war, gingen die neuen Hanptleute in den Rat. Denn
die frühern, welche vorher zugeschaut hatten, wie die Feinde zurück-
gingen und die Geschütze wegführten, hatten schon vernommen, dass
sie sich bei Riotta gelagert hätten, und, von den Eingeborenen über die
Beschaffenheit des Ortes, die Lage der Felder, die Untiefe, das Ufer und
die Biegungen des hinströmenden Flusses unterrichtet, waren sie der
Ansicht, man solle, bevor die Feinde weiter von der Stadt zurückwichen,
sofort tapfern Mutes den Angriff auf das Lager wagen. ... Denn sie
hatten erfahren, dass andere französische Heerhaufen und Reitergeschwader
die Alpen überschritten hätten. Da erhob sich vollends Graf von Zürich,
ein Mann von hervorragendem Ansehen, und sagte: «Wollet nicht, un-
besiegte Brüder, durch Verschieben es verschulden, dass der mit kräftigem
Mute unternommene Plan durch ungelegenes Warten auf Hohensax und
die Hilfstruppen verdorben werde. Denn derselbe wird namentlich durch
Schnelligkeit sicher und von glücklichem Ausgange sein. Und nichts
anderes brauchen wir, wenn wir einen rechten und tüchtigen Beschluss
fassen, als rasches Handeln, damit wir nicht eine so schöne Gelegenheit,
welche sich uns darbietet und hoffen lässt, die Sache zu gutem Ende zu
bringen, aber in einem kurzen Augenblick vereitelt werden kann, träge
verpassen. Denn auch wenige Scharen von unbezwinglicher Tapferkeit
werden genügen, um die Feinde zu erdrücken, während sie glauben, wir
werden nichts wagen, bevor Hohensax zu uns stösst. Machen wir uns
daher ihren Irrtum zu Nutze und bringen wir über die in sorglosem
Hochmut und trügerischer Meinung Befangenen durch den unerwarteten
Angriff unversehens Schrecken, sichere Niederlage und Flucht!» Jetzt
pflichten alle Hauptleute und Venner bis auf den letzten ohne Zögern
dem Graf, als er seine Rede schloss, bei; sie fassen mit würdevollem
Ernst Beschluss über die Art und Weise, die Schlacht zu beginnen; und
den Soldaten wird befohlen, den Leib mit Speise und Ruhe zu erquicken,
und nach Mitternacht sich unter den Fahnen zu sammeln; was dann ge-
schehen sollte, würden die Hauptleute vor dem Morgenrot befehlen !.
! Guieciardini 8. 553: „Nie fasste die schweizerische Nation einen stolzeren, kühneren
Entschluss: wenige gegen viele, ohne Reiter und ohne Geschütz gegen ein in diesen
Dingen äusserst starkes Heer, durch keine Not bewogen, da Novara von der Gefahr
befreit war und sie auf den nüchsten Tag eine nicht geringe Verstärkung von Soldaten
erwarteten, zogen sie es aus freien Stücken vor, denjenigen Weg zu versuchen, anf
welchem die Sicherheit geringer, aber die Hoffnung auf Ruhm grösser war, als den,
auf welchem ibuen der grösseren Sicherheit halber kleinerer Ruhm zu Teil geworden
wäre,“
Maximilian aber, welcher, ängstlichen und matten Gemütes, das Äusserste
fürchtete, richtete sich jetzt erst wieder auf und ermannte sich, be-
wunderte die hellstrahlende Ergebenheit des Volkes gegen sich und seinen
so feurigen Mut, umarmte die einzelnen Hauptleute und versicherte diesen
weitläufig, er werde denen, welchen er Herrschaft, Glück und Heil ver-
danke, es reichlich vergelten.
Die schweizerischen Anführer aber liessen, indem sie etwas anderes
vorgaben, als was vorbereitet wurde, die ganze Nacht in der Stadt herum
Trommeln schlagen, um den Spähern, wenn solche in der Nähe waren,
den Anschein eines Auszugs zu bieten, und dadurch die Feinde, welche,
wie man wusste, den ganzen Tag in Waffen gestanden hatten, auch noch
die Nacht hindurch in Schlachtordnung auf den Pferden zu halten. Im
übrigen wird allen befohlen, den Körper mit Speise und Schlaf zu stärken
und das Tageslicht zu erwarten, damit ein jeder seine Tapferkeit im
schönsten Wettstreit um die Ehre am hellen Sonnenlicht an den Tag
legen könne; auf der andern Seite aber würden die Feigen nicht unge-
straft wagen, den Rücken zu wenden oder die Glieder zu verlassen.
Denn das sind die strengsten Gesetze der Schweizer, dass die, welche
aus Furcht Schimpfliches und eines tapfern Mannes Unwürdiges versuchen,
unter den Augen des zuschauenden Heeres von den nächsten Kameraden
auf der Stelle niedergehauen werden. So siegt die grössere Furcht über
die kleinere, und aus Furcht vor einem ehrlosen Tode wird ein ehren-
voller nicht geschent.
Kurz vor Tagesanbruch wählen die Anführer aus sämtlichen Truppen
(es betrugen diese gegen 9000 Mann Fussvolk) Tausend von bewährter
Tapferkeit aus, welche die acht Falkonette ' decken und Maximilian und
seine Reiter, deren nur wenige, aber vom höchsten Adel waren, begleiten
sollten. Die übrigen dehnen sich zu zwei Schlachthaufen aus und rücken
auf verschiedenen Wegen ohne jeden Trommellärm in gänzlich still-
schweigendem Zuge gegen den Feind. Aber Trivulzio, welcher, wiewohl
er für einen Feldherrn von altbewährter Klugheit galt, doch nicht glaubte,
dass die wenigen und ermüdeten Fusssoldaten vor der Ankunft des
Hohensax gegen die stärksten Truppen ausrücken oder irgendwie das
Schlachtenglück versuchen würden, scheuchte, sobald er erfuhr, dass der
Schlachthaufe der Feinde in Sicht sei, Tremoille und die andern Anführer
auf, befiehlt, die Trompete zu blasen, die Geschütze gegen den Feind
zu richten und alles, was er durch Erfahrung und Kriegskunst gelernt
hatte, für die dringende Gefahr vorzunehmen. So kurz war die Zeit zu-
gemessen, und so kampfbereit der Mut der Feinde, dass die französischen
Ritter, welche einen grossen Teil des Tages und der Nacht, auf die
Befehle gespannt, unter den Waffen gestanden und erst spät, als ge-
meldet wurde, zu Novara sei alles ruhig, sich in die Zelte zur Ruhe
zurückgezogen hatten, kaum Zeit hatten, die Rosse anfzuzäumen und die
Helme anzulegen. Dennoch begegnete die leichte Reiterei, weil rascher
kampffertig, auf dem ausgedehnten sehr langen linken Flügel noch zu
rechter Zeit den tausend herankommenden Schweizern, welche zur Ver-
271
! Kleine Geschütze, welche 1'/,- bis 2pfündige Kngeln schossen.
212
meidung des feindlichen Geschützes, da schon von demselben auf sie ge-
schossen wurde, auf einem viel gewundenen Umweg an den Moratluss
eilten, um hierauf, nach Überschreitung der Brücke, den Rücken des
Feindes und die Zelte anzugreifen. Es war nämlich jenes Flüsslein, wie-
wohl sanften Laufes, wenn er durchwatet werden musste, doch dem be-
schuhten und schon im Kampfe begriffenen Fusssoldaten unbequem, weil
es bis an die Mitte der Hüfte reichte. Als daher die Schweizer auf offenem
Wege zu der Brücke vorrückten, fingen sie an, von der feindlichen Ar-
tillerie seitwärts beschossen und von dem durch das Bachbett und längs
der beiden Ufer hereinbrechenden Ansturm der Reiter heftig bedrängt
zu werden. Da änderte aber Jakob Mutti! von Altorf mit Geistesgegenwart
den Plan und heisst den Maximilian, der in Folge des Angriffs der
Albanesen ! in grosser Gefahr schwebte, die Schlacht verlassen und so-
gleich in die Stadt zurückkehren, um das der Unfreundlichkeit des Ge-
schickes ausgesetzte Oberhaupt des Krieges für den gehofften Sieg zu
erhalten. Zwei Hauptleute mit eben so viel Rotten ergreifen seine Zügel,
nehmen ihm den Helmbusch ab, werfen ihm einen geringen Mantel über,
um sein Herzogsgewand zu bedecken, führen ihn heimlich aus der Schlacht
weg und nötigen ihn, in dicht geschartem Reitergeschwader nach der
Stadt zurückzukehren. So von dieser Sorge befreit, ordnet Mutti die
wankende Schar der Seinigen, die schon drei Falkonette verloren hatte,
nimmt die Verwundeten in die Mitte, treibt die vorgedrungenen Albanesen,
sie gewaltsam durchbrechend, mit heftigem Anprall zurück und schlägt
sie aufs Haupt, nachdem der Anführer des albanesischen Geschwaders,
ein edler Grieche, gefallen. Im gleichen Anprall dringt er zum Lager
der Feinde vor, haut den Tross nieder, bringt die wachehaltenden Soldaten
in Verwirrung und bemächtigt sich des Gepäckes. Aber kurz bevor dies
von Mutti vollbracht wurde, fiel ein anderer Haufe, welcher einen längern
Weg durch hochaufgeschossene Saatfelder eingeschlagen und deshalb
keinen Schaden vom Geschütz empfangen hatte, den Feinden in die Seite.
Hier stand die dreigeteilte französische Schlachtordnung: auf dem Flügel
befehligte Za Tremoille, auf dem andern Robert |von Sedan]; Trirulzio
überwachte die Mitte, und ganz in der Nähe, zwischen den Reiter-
geschwadern, hatte sich die Phalanx der Deutschen hinter einen mässigen
Graben zurückgezogen. . . . Gegen diese wandten sich nun die Schweizer
mit entflammtem Mute, weil sie einsahen, dass der Sieg ihnen alsdann
leicht sein werde, wann sie den Kern des feindlichen Heeres mit dem
Keil durchbrochen hätten. Als dies die französischen Feldherrn aus
nächster Nähe gewahrten, liessen sie sogleich die Geschütze gegen die
dichten Reihen richten, weite Lücken in dieselben reissen, und bald die
gepanzerten Reiter mit heftigem Ungestüm dem ermattenden Heerhaufen
in die Seite fallen. In diesem Getümmel fallen kämpfend der Hauptmann
der Berner ?, von einer Kugel vorn ins Gesicht getroffen, und der Ammann
von Zug. Nichts, weder der Tod ihrer Anführer, noch ihre eigene Gefahr,
noch das entsetzliche Niederschmettern ihrer Genossen, entmutigt jedoch
! Die Albavnesen dienten als leichte Reiterei in den italienischen Söldnerheeren. —
% Benedikt Weingarten,
et et ie a ——
273
diese Krieger; sie scharen sich vermöge ihrer Disziplin enger zusammen
und ordnen sich zu einem «Igel» [in globum], treiben die Reiter mit
gewaltiger Kraft in die Flucht, und sogleich, wie sie vorher beschlossen
hatten, überschreiten sie den Graben und greifen die Deutschen an. Hier
entstand alsbald ein blutiger furchtbarer Kampf; auf beiden Seiten
wurden indes keine Stimmen, sondern nur das schaurige Getöse der
Waffen und das leise Gestöhne der Sterbenden laut. Die Deutschen
kämpften aufs heftigste, um die im vorigen Jahr am Tessin nieder-
gehanenen Kameraden zu rächen und den vor 14 Jahren beim Schwarz-
wald [?] im Baslergebiet ’ verlorenen Kriegsruhm durch neue Ehren wieder
zu gewinnen. Die Schweizer aber fochten mit gleicher Tapferkeit und
Kraft, um ihre alten persönlichen Feinde, die, aus Deutschland flüchtig,
zur Schande des Kaisers sich in französischem Solde schlugen, endlich
einmal zu vernichten.
Unterdessen, während mit den Deutschen Mann an Mann gekämpft
wurde, meldete man dem La Tremoille und Trivulzio, das Gepäck sei
genommen, und die Wächter des Lagers niedergehanuen und alles im
Rücken voll Verwirrung und Blut. Dies Gerücht brachte die Gemüter
der Franzosen derart in Verwirrung, dass ein grosser Teil der Reiter
fortrannte, um die Beute den Schweizern wieder zu entreissen, während
ein jeder, voll Sorge um Gepäck und Habseligkeiten, sich umschaute.
Fast im gleichen Augenblick zeigte sich auf der andern Seite der dritte
Schlachthaufen der Schweizer in der Fronte. Dieser hatte sich, während
die Geschütze von den Franzosen auf die entgegengesetzte Seite ver-
geblich abgefeuert wurden, weil er listiger Weise zwischen den Bäumen
zur Täuschung des Feindes untaugliche Knechte, die den Schein von
Bewaffneten erwecken sollten, zurückgelassen hatte, allmälig seitwärts
herangeschlichen, die Körper zur Erde geneigt und die grösseren Spiesse
bei den Spitzen fassend, um die vorbeifliegenden Kugeln zu vermeiden.
So sehr verachteten sie die einschlagenden Geschosse und so gewaltig
war das Ungestüm ihres Angriffs, dass das französische und gaskognische
Fussvolk, dessen Führer fiel, und mit diesen die zwei Geschwader der
Gennesen und Piemontesen alsbald niedergeworfen und zerstreut und
obendrein die Geschütze genommen und von den Siegern den Fliehenden
in den Rücken gewendet wurden. Als dies die übrigen Reiter sahen,
nämlich dass die Geschütze, auf welche die Franzosen in allen Kriegen
stets mehr Vertrauen, als auf ihre Arme und ihre Tapferkeit, gesetzt
hatten, von den Feinden erobert, die Deutschen beinahe vernichtet, die Zelte
genommen seien und die Feinde alles niedermachten und sich weithin des
Lagers bemächtigten, wandten sie, zwischen Scham und Furcht schwan-
kend, den Rücken. Da alle verzagten, versuchen die Feldherrn, sie selbst
auch in misslicher Lage unerschrocken genug, die in Unordnung geratenen,
bei dem verworrenen Geschrei der Kameraden sich wendenden Reihen
zu ordnen, zum Stehen zu bringen und zum Kampfe zu zwingen. Sie
ermahnen die Hauptleute und Fahnenträger, die Furcht abzulegen und
wenigen, ermüdeten und schon durch Wunden geschwächten Bauern eine
! Gemeint ist die Schlacht bei Dorneck.
Oechsli, Quellenbuch. 18
274
Weile stand zu halten, während die Leichtbewaffneten sie umzingeln, die
Deutschen die Wucht des Kampfes aushalten und die Schlacht auf allen
Punkten hergestellt würde. Aber, ungerührt durch dies Zureden der er-
mahnenden und befehlenden Feldherrn, stürzen sich die Reiter in die
schimpflichste Flucht; denn schon waren die Schweizer, die sich des
Lagers bemächtigt hatten, obwohl ihr Führer Mutti, von einem Geschoss
hingerafft, umgekommen war, mit blutdürstiger, wilder Tapferkeit den
Reitern in die linke Seite gefallen. Zur Rechten aber und im Rücken
bedrängte der grössere Schlachthaufe die Erschrockenen und Verwirrten
mit gefällten Spiessen. Als aber die Deutschen, die sich, wiewohl
mehr als die Hälfte erschlagen, zwei Fahnen verloren und ihr Anführer
Fleuranges schwer verwundet worden war, eine Zeit lang aufs zähste
gewehrt hatten, sich von der Reiterei verlassen, das übrige Fussvolk
allenthalben vernichtet und die Geschütze genommen sahen, hoben sie,
weil die Flucht schimpflich und höchst unsicher schien, nach ihrer Sitte
die Spiesse in die Höhe als Zeichen der Ergebung und baten den sieg-
reichen Feind um Gnade. In diesem schweren Getümmel trieb Robert
von Sedan, von ohnmächtigem Schmerz gereizt, um seinen in so grosser
Lebensgefahr schwebenden Söhnen Fleuranges und Jamets Hilfe zu
bringen, mit den gepanzerten Reitern einen gewaltigen Keil in den Heer-
haufen der Feinde und drang mitten in denselben, richtete die unter den
Leichen liegenden und von vielen Wunden entstellten Söhne auf und hob
sie in die Höhe, so dass sie, halb entseelt wie Lasten auf dem Nacken
der Pferde weggetragen, zum grössten Ruhm der Liebe und kriegerischen
Tugend des Vaters, für die schon in künftigen Kriegen bestimmten Ehren
erhalten blieben. So brachten die Schweizer, in dreifachem Heerhaufen
kämpfend, im Zeitraum von anderhalb Stunden sowohl eine denkwürdige
Schlacht, als auch einen sehr schweren Krieg zu Ende.
(Das Folgende aus Guicciardini 8. 555.)
Die Schlacht dauerte ungefähr zwei Stunden unter sehr schweren
Verlusten auf beiden Seiten; von den Schweizern starben etwa 1500,
von ihren Feinden eine weit grössere Zahl: einige sagen 10,000; aber
von den Deutschen kam der grössere Teil während des Kampfes um, von
dem französischen und gaskognischen Fussvolk dagegen auf der Flucht;
es rettete sich fast die ganze Reiterei, da die Schweizer sie nicht ver-
folgen konnten; hätten diese Pferde gehabt, so hätten sie dieselbe mit
Leichtigkeit vernichtet; mit so grossem Schrecken zog sie sich zurück.
Den Siegern fielen alles Gepäck, 22 Stück grobe Geschütze und alle zu
ihrem Gebrauch bestimmten Pferde als Beute anheim. Triumphirenden
gleich kehrten die Sieger am nämlichen Tag nach Novara zurück und
init solchem Ruhm durch die ganze Welt, dass manche es gewagt haben,
in Anbetracht der Seelengrösse des Vorsatzes, der augenscheinlichsten
Verachtung des Todes, der Kühnheit des Kampfes und des Glückes im
Erfolge diese Tat fast all den denkwürdigen Dingen voranzustellen, die
man von den Römern und Griechen liest.
109. Der Appenzeller Bund, Zürich 17. Dezember 1513
Eidgen. Abſchiede III. 2. S. 1361.
lautet mit unbedeutenden Änderungen dem Schaffhauſer Bund fat wörtlich
gleih. Als vertragichliegende Parteien werden am Eingang erwähnt: „wir,
der Burgermeijter, die Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Yandleute und
ganze Gemeinden von Zürich, Bern, Yuzern, Uri, Schwiz, Unter-
walden ob und nid dem Wald, Zug mit dem äußern Amt, jo dazu ge-
hört, Glarus, Bajel, Freiburg, Soloturn und Schaffhauſen
eines: und wir der Yandammann, Rat, Yandleute und ganze Gemeinde des
Yandes zu Appenzell andernteils.” —
Bei dem Artilel, der die Hilfeleiftung feftjegt, wird diefelbe von Seite
der Eidgenoffen gegenüber den Appenzellern durch folgenden Zufag eingeſchränlt:
„Und doch jollen fie [die Eidgenofjen] uns [Appenzellern] die Hilfe zu tum
nicht weiter jchuldig fein, denn innerhalb unjerer Yandmarfen, fie täten es
denn gerne.
110. Die Schlacht bei Warignans. 13. September 1515.
Aus Guicciardini, La Historia d'Italia, Venedig 1568, Buh XII ©. 602 fi.
Francesco Guicciardini, geb. 1482 zu Florenz, erwarb sich im Staatsdienst seiner
Heimat and des Papster eine gründliche Kenntnis der damaligen Weltverhältuisse und
binterliess bei seinem Tode [1540] eine Grscbichte Italiens von 1494 bis 1532, die ibm
den Ruhm des klassischen Geschichtschreibers seines Landes eingetragen hat.
> achdem der Autor eine feurige Rede, Schinners berichtet hat,
WE: worin derselbe die Eidgenossen zum Kampfe aufforderte,
} R
DIN
Ya‘
1V Wie fährt er fort:
Kt tg) Erhitzt durch diese Rede griffen sie plötzlich wütend zu
ihren Waffen, und als sie ausserhalb des Römertores waren und ihre
Haufen in Schlachtordnung gestellt hatten, machten sie sich, obwohl nicht
viel vom Tage übrig war, auf den Weg gegen das französische Heer
mit solcher Fröhlichkeit und solchem Lärm, dass, wer nichts anderes
gewusst hätte, für gewiss gehalten haben würde, dass sie irgend einen
grossen Sieg errungen hätten. Die Hanptleute spornten die Soldaten zur
Eile an. Die Soldaten erinnerten sie daran, sobald man sich dem Quartier
der Feinde nähere, sofort das Zeichen zur Schlacht zu geben; sie wollten
die Walstatt mit Leichen bedecken, sie wollten an diesem Tage den
Namen der deutschen Fussknechte auslöschen, insbesondere jener, welche,
den Tod sich weissagend, als Abzeichen schwarze Banner trügen. In
solcher Kampfwut gelangten sie in die Nähe des französischen Lagers,
als nur noch zwei Stunden von diesem Tage übrig waren, und begannen
*
316
die Schlacht, indem sie auf die Artillerie und Schutzwehren losstürmten.
Kaum waren sie so stürmend angelangt, so hatten sie die ersten Ab-
teilungen niedergerannt und durchbrochen und einen Teil des Geschützes
gewonnen. Aber, da sich ihnen die Reiterei und ein grosser Teil des
Heeres entgegenstellte und der König selbst, umgeben von einer tapfern
Schwadron Edelleute, sich ihnen entgegenwarf, wurde ihre so grosse Wut
ein wenig im Zaum gehalten, und eine wütende Schlacht begann. Mit
wechselndem Glücke und unter den schwersten Verlusten der französischen
Kürassiere, die zum Weichen gebracht wurden, danerte der Kampf fort
bis um Mitternacht, indem schon einige der französischen Hauptleute tot
auf dem Platze blieben und der König selbst von vielen Lanzenstichen
getroffen war. Da weder der eine noch der andere Teil aus Ermattung
die Waffe mehr in der Hand halten konnte, liess man von einander ab ohne
Trompetensignal, ohne Befehl der Hauptleute, und die Schweizer schickten
sich an im gleichen Lager zu übernachten, indem man einander nicht
mehr bekämpfte, sondern gleichsam mit stillschweigend vereinbarter Waffen-
ruhe den nächsten Tag erwartete. Aber da der erste Angriff der Schweizer
so glücklich gewesen war und der Kardinal ihnen, als sie ausgeruht
hatten, Lebensmittel aus Mailand zuführen liess, eilten berittene Boten
durch ganz Italien, um zu melden, die Schweizer hätten das Heer der
Feinde in die Flucht geschlagen. Der König liess das, was von der Nacht
übrig blieb, nicht unnütz verstreichen; denn die Grösse der Gefahr er-
messend, richtete er sein Augenmerk darauf, die Artillerie auf günstigen
Punkten rückwärts und in gehöriger Ordnung aufzustellen, die Lands-
knechte und Gaskogner wieder zu Schlachthanfen und die Reiterei zu
Schwadronen neu zu ordnen.
Darüber brach der.Tag an, bei dessen Beginn die Schweizer, die
nicht nur das französische Heer, sondern alle Kriegsvölker Italiens ver-
eint verachtet hätten, mit dem gleichen Ungestüm und mit grösster Ver-
wegenheit die Feinde angriffen. Von diesen tapfer, aber mit grösserer
Vorsicht und besserer Ordunng empfangen, wurden sie teils von der
Artillerie, teils von dem Pfeillhagel der Gaskogner überschüttet, auch
von der Reiterei angefallen, so dass sie vorn und auf den Seiten mör-
derische Verluste erlitten. Und bei Sonnenaufgang erschien plötzlich
Alviano'!, welcher, während der Nacht vom König gerufen, sich sofort
init der leichten Reiterei und dem beweglicheren Teil des Heeres auf
den Weg gemacht hatte und anlangte, als der Kampf am härtesten und
furchtbarsten war und die Dinge sich zur grössten Not und Gefahr an-
liessen. Indem ihm der Rest des Heeres nach und nach folgte, griff er
mit grossem Ungestüm die Schweizer im Rücken an. Wiewohl diese fort-
während mit grösster Kühnheit und Tapferkeit fochten, verzweifelten sie
dennoch, da sie so rüstigen \Viderstand und die unvermutete Ankunft
des venetianischen Heeres sahen, daran, den Sieg gewinnen zu können,
liessen — die Sonne stand schon mehrere Stunden über der Erde —
zur Sammlung blasen, nahmen die Geschütze, welche sie mit sich geführt
hatten, auf den Rücken, wendeten die Heerhaufen, indem sie fortwährend
die gewohnte Ordnung beibehielten, und zogen langsamen Schrittes gegen
’ Der Befehlshaber des venetianischen Heeres.
wenn
Mailand zu, unter solchem Erstaunen der Franzosen, dass vom ganzen
Heere niemand, weder vom Fussvolk noch von der Reiterei, gewagt hätte,
sie zu verfolgen. Nur zwei Fähnlein derselben, welche in einem Land-
hause Zuflucht gesucht, wurden darin von den leichten venetianischen
Reitern verbrannt. Der Rest des Heeres kehrte, gänzlich in seiner
Schlachtordnung und immer die gleiche Kampfwut in Gesicht und Augen
zeigend, nach Mailand zurück, indem sie in den Gräben, wie einige
sagen, fünfzehn Stück grobes Geschütz zurückliessen, welches sie im
ersten Zusammentreffen genommen hatten, weil sie keine Gelegenheit
hatten, es mit sich zu führen. — Unter allen Menschen war nur eine Stimme,
dass seit langen Jahren in Italien keine wildere und schrecklichere
Schlacht stattgefunden habe. Denn da durch den Sturm, mit welchem die
Schweizer den Angriff eröffneten, und hierauf durch die Verwirrung der
Nacht die Reihen beider Heere sich aufgelöst hatten und man im Ge-
tümmel ohne Befehl, ohne Zeichen kämpfte, war alles rein dem Zufall
anheimgegeben; der König selbst, welcher oftmals in Gefahr gewesen,
hatte seine Rettung mehr der eigenen Tapferkeit und dem Zufall zu ver-
danken, als dem Beistand der Seinigen, von welchen er oftmals in Folge
der Verwirrung der Schlacht und der nächtlichen Finsternis verlassen
worden war: so dass Trivulzio, der Feldherr, der so viele Dinge gesehen
hatte, versicherte, das sei keine Schlacht von Menschen, sondern von
Riesen gewesen; die achtzehn Schlachten, an denen er teilgenommen,
seien im Vergleich mit dieser Kinderspiel gewesen, und er zweifle nicht,
dass ohne die Beihilfe des Geschützes der Sieg den Schweizern geblieben
wäre, welche im ersten Ansturm in die Verschanzungen der Franzosen
gedrungen waren, den grössern Teil des Geschützes genommen und immer
mehr Boden gewonnen hatten; auch war von nicht geringer Bedeutung
die Ankunft Alviano’s, welcher, da er zu einer Zeit, wo die Schlacht noch
zweifelhaft war, unvermutet erschien, den Franzosen Mut und den
Schweizern Schrecken einflösste, da sie glaubten, er habe das ganze
venetianische Heer bei sich. Die Zahl der Toten, wenn sie je in einer
Schlacht ungewiss war, wie beinahe immer in allen, war in dieser am
ungewissesten, indem die Menschen, die einen aus Leidenschaft, die andern
aus Irrtum, in ihren Berichten sehr von einander abwichen; einige be-
haupteten, es seien mehr als 14,000 Schweizer umgekommen; andere
sprachen von 10,000, die mässigsten von 8000; es fehlte auch nicht an
solchen, welche die Zahl auf 3000 beschränken wollten; lauter geringe
Lente unbekannten Namens. Aber von den Franzosen starben in der
nächtlichen Schlacht Franz. der Bruder des Herzogs von Bourbon,
Ymbercourt, Sancerre, der Fürst von Talmont, der Sohn La Tremoille's,
Bussy, der Neffe des Kardinals von Rohan. der Graf von Sasarth,
Catelarth von Savoyen, Busiechio und Muy. welcher die Fahne der Edel-
leute des Königs trug, alles Personen erlancht durch Geburt oder Grüsse
der Besitzungen oder, weil sie ehrenvolle Grade im Heere bekleideten:
und von der Zahl ihrer Toten redete man aus den gleichen Gründen
verschieden, indem die einen behaupteten, es seien ihrer 6000 um-
umgekommen, andere dagegen, nicht mehr als 3000, unter welchen einige
Hauptleute des deutschen Fussvolks.
278
111. Der ewige Friede mit Frankreich.
Freiburg. 29. — 1516.
Eidgen. Abſchiede III. 2. ©. 1406.
Air Franciscus, von Gottes Gnaden König zu Frankreich,
Herzog zu Mailand, Herr zu Genua und Graf zu Ati an einem, und
wir die Burgermeifter, Schultheigen, Ammann, Räte, Gemeinden, Burger,
Pandleute und Einwohner der Städte, Yänder und Herricaften gemeiner
Eidgenofjenfhaft des großen alten Bundes oberdeutjder
Yande, nämlich von Züri, Bern, Yuzern, Uri, Schwiz, Unter:
walden ob und nid dem Kernwald, Zug mit dem äußern Amt,
Glarus, Bajel, Freiburg, Soloturn, Schaffhauſen und Appen-
zell, mitfamt dem Herren Abt und der Stadt St.Gallen, auch dem
Hauptmann, Meyern, Gaftellanen und Yandleuten der drei Bünde in
Churmwalen und der Yandichaft Wallis und der Stadt ———
dem andern Teil, tun fund und zu wiſſen mit dieſem Brief: — — ——
— — — Zum erften jollen durch dieje nachfolgenden Mittel hin: *
abſein und gänzlich befriedet, gerichtet und geſchlichtet ſein alle Fehden, Feind—
ſchaften, desgleichen alle Handlungen, Klagen und Anſprachen, ſo aus ſolchem
Krieg von Anfang bis auf dieſen Tag ſich zwiſchen beiden Teilen verlaufen
und begeben haben, es ſei mit Todſchlag, Raub, Brand oder auf andern
Wegen. — — —
Zum fünften ſollen den Kaufleuten und Untertanen, jo von unſerer Eid-
genofjenichaft find, vorbehalten fein und bejtätigt werden alle Privilegia und
beiondern Freiheiten in der Stadt Wyon, wenn ihnen irgend welche von den
Königen von Franfreih jeligen Andenfens find gegeben und verliehen
[worden]. — —
Zum jechsten, damit die gemeldeten unjere guten Freunde die Eid—
genofjen unjerer füniglichen Majejtät Gutwilligfeit gegen fie ſpüren, jo wolfen
wir aus eigenem freiem Willen denjelben Herren den Eidgenoffen zum Erſatz
der Koften und des Schadens, fo jie bei der Belagerung der Stadt Dijon
gehabt, bezahlen . . die Summa vierbunderttaufend Kronen mit der Zonne,
gut an Gold und des Zchlags von Frankreich, desgleichen zum Erſatz der
Noften in dem Yand Italien, [io] durch diejelben Herren die Eidgenofjen
und ihre Verwandten empfangen, wollen wir obgemeldeter König ihnen lauter
bezablen dreibunderttaufend der gleichen Nronen ...., mit welhen Summen
die obgenannten Herren Eidgenoſſen nichts weiter an uns zu fordern noch
anzuiprechen haben ſollen von jolcher Beſoldung oder andern Koſten wegen,
[jo] den vergangenen Krieg berühren. — —
279
Zum fiebenten ..... Belonders ift zur beffern Erläuterung und Be-
ftätigung dieſes Friedens befchloffen: wenn in fünftigen Zeiten zwijchen ung
beiden Parteien als der Obrigfeit oder unjern Yanden, Yeuten und Unter—
tanen irgend welcherlei Streit oder Mißverſtändniſſe entjtünden, davor Gott
jei, darum ſoll feine Partei gegen die andere etwelche friegerifche Empörung
vornehmen, fondern [es] foll folder Handel und Span freundlic) oder recht—
fh nah Laut und Sag der nachgejchriebenen Kapitel vorgenommen und
ausgetragen werden.
Zum adten .... jollen wir obgemeldete Eidgenoffen für uns jelber
noch unjern Untertanen in feiner Weije bemilligen noch zulaffen, irgend
welchen Fürften, Herren und Gemeinden zuzulaufen, die ihn, gemeldeten
König, in feinem Königreich Frankreich, feinem Herzogtum Mailand, der
Herrihaft Genua, Grafichaft Afti oder andern feinen innehabenden Yanden
und Erdreichen diesjeits und jenſeits des Gebirges zu jchädigen oder zu über-
ziehen vermeinten, jondern das zum höchiten bei Yeib und Gut verbieten, und,
wenn etliche das überjehen, trogdem hinlaufen, nad) Vermögen zurüdrufen
und heimfordern und nach ihrem Verdienen jtrafen.
Zum neunten jo jollen die Unjrigen beider Zeile und unjere Bundes-
genofjen in beider Zeile Yanden, Herrichaften und Streifen gefeffen, Kaufleute,
Boten, Diener, Pilger, Untertanen und Verwandte, in was Wiürden, Staat
und Weſen die find, mit ihren Peibern, Gütern, Kaufmannfchaften, in allen
unfern Yanden und Gebieten allenthalden, wo das ift, frei und ficher zu und
von einander gehen, handeln und wandeln und ihr Gewerbe und Gejchäft
üben und brauchen ohne irgend welche Beleidigung und Schmach, auch ohne
irgend welche Neuerung der Hölle und andere Erjchwerungen, anders, als
von Alters her Sitte und Brand) geweſen ift.
Zum zehnten, aus bejonderer Gutwilligfeit, jo wir vielgemeldeter König
zu den obgemeldeten Herren den Eidgenoffen tragen, jollen und wollen wir
ihnen, nämlich den dreizehn Orten und jedem Ort bejonders, dazu auch der
Yandichaft Wallis zweitaujend Franken freiwillig geben umd jährlich in der
Stadt Yyon ausrichten. . . . Aber betreffend die Binde in Ehurwalen, die
wollen wir halten in aller Maß, wie jie von dem allerchriitlichiten letzten
König Yudwig dem Zwölften feligen Andenfens gehalten worden find !. tem
und zu demjelben jagen wir den obgenannten dreizehn Orten der Eidgenofjen-
haft zu Ehren und gutem Gefallen über die obgenannte Summe noch zwei-
taujend Franken jährlich zu bezahlen, wie jie die umter ihre Zugewandten,
wie hernach fteht, geteilt haben, nämlich dem Herrn Abt zu St. Gallen, feinen
Sotteshausleuten und der Grafihaft Toggenburg jehshundert Franken, der
' Nab dem Bündnis von 1509 erhielten die drei Bünde 6000 Franken Jahrgelder.
IL
280
Stadt St. Gallen vierhundert Franfen, der Stadt Mühlhauſen vierhundert
Franken, den Untertanen der Grafichaft Greierz jechshundert Franfen. — —
Zum zwölften wegen der Schlöffer Lowertz [Yugano] und Lucaris [Yo-
carno], auc des Maintals mit aller Zugehör, ift abgeredet, daß wir vorge-
nannter König unjern guten Freunden, den Eidgenoffen, die Wahl gelafjen
haben, daß fie ſich in Jahresfriſt erläutern mögen, ob fie diejelben Schlöffer
und Yande behalten oder dreimalhunderttaufend Kronen dafür nehmen wollen.
Wo fie dann das Geld an die Hand nehmen werden, jo joll nicht allein
verftanden werden Lowertz, Yucaris und das Maintal, jondern auch das
Beltlin, Eläfen und andern Pläte und Yande, jo zu dem Herzogtum Mailand
gehört haben ..., ausgenommen die Stadt und Schloß Bellen; mit aller
Bugehör, fo in unjern, derer von Uri, Schwyz und Unterwalden nid dem
Wald, Handen bleiben follen.
112. Aus der Vereinung zwifchen König Franz I. von Frankreich
und den zwölf Orten (ohne Zürich) nebR ihren Zugewandten.
Zusern. 5. Mai 1521.
Abſchiede IV. ta. ©. 1491 fi.
Il. Weiter find wir übereingefommen, fonfordirt und haben beichloffen
mittelſt gedachten Bündniffes, Vereinung und Verpflichtung, daß jo oft und
viel oft gemeldeter alferchriftlicher König in feinem Königreih, Herzogtum
Mailand, der Herrichaft Genua und in allen Erdreichen und Herrſchaften,
fo er inne hält und befigt, diesfeits und jenjeitS des Gebirges, angefprengt,
angefallen, verlett oder zu Slrieg bewegt würde durch männiglih, er fei ein
Fürft oder ein anderer, welcherlei Würde, Eigenfchaft oder Standes der fei,
niemand ausgenommen, und ob er gleich mit größerer Würde bervorrage,
er zur Echirmung und Handhabung feines genannten Königreich®, Herzog:
tums, auch anderer Erdreiche und Derrichaften eine Zahl von gewaffneten
Fußlnechten der Eidgenoffen, jo viel er will, nehmen, befommen und auf:
brechen laſſen) möge, doch nicht minder denn jechstaufend, auch nicht mehr
denn jechzehntaufend, es geichehe denn durch Verwilligung unjerer Herren der
Eidgenoffen, und ihre Hauptleute (Männer guten Leumunds und von Tüchtig-
feit) aus alfen Orten und umjern ewigen Bundesgenofien ... auslejen nad
feinem Gefallen, doch in jeinen Koften. Und derjelben Knechte |jo] zuvor be:
gehrt [worden], melde Hauptleute und Fußfnechte zum Dienſt und zur
Hilfe gemeldeten chriftlichiten Königs ziehen wollen, die jollen wir die ge:
nannten Eidgenoſſen in feiner Weiſe verhindern, behalten oder irren, jondern
rs, tet PETE
%
L
281
die ohne allen Verzug und Entſchuldigung zugehn und zuziehen laffen in
zehn Tagen, nachdem fie auf erfter Tagſatzung gefordert worden. Und
[eg] jollen dieſelben Hauptleute und Knechte im Dienft des Königs bleiben
und beharren, jo lang der Krieg währet und jo lang es ihm gefällt, follen
auch von ums, ihren Obern, nicht zurücdberufen werden, bis der ganze Krieg
geichehen und vollendet ift, und ſollen bejoldet werden in des gedachten Königs
Koſten nach gewöhnlichen Brauch, — —
IV. Er joll auch jolde Hauptleute und Knechte während des Krieges
nicht von einander teilen, jondern fie jollen bei einander bleiben. Doc mag
er jie außer dem Kriege von einander teilen und an mancherlei Orte, Städte
und ESchlöffer zur Bewachung und Bejchirmung jolcher Orte, Städte und
Schlöffer jenden.
V. Sie ſollen gedachten chriftlichjten König nicht verbunden jein, auf
dem Meer, jondern allein auf dem Erdreich) zu dienen, unter der Bedingung,
daß der allerchriftlichite König von Feinden bejchwert oder angejprengt fei.
VII. Und wenn wir genannte Herren die Eidgenoffen...... mit Krieg
verirt oder wir von einem Yürften oder einem andern Herrn, wer der fei...
angefochten oder angejprengt würden, alsdann ſoll vorgenannter chriftlichfter
König, jo lang der Krieg mwähret, ... uns vermeldeten Eidgenofjen ſchuldig
jein (wenn er aufgefordert wird), ... zu geben zweihundert Yanzen, ſamt
zwölf Stück Büchſen ... in feinen Koften, mit aller Notdurft und Munition.
Und weiter zum Aushalten gedachten Krieges, und fo lang der währet, ſoll
derjelbe chriftlichite König geben und zahlen laffen uns Herren den Eid—
genoffen in der Stadt Yyon für jeglich Vierteljahr 25000 Goldfronen, er fei
mit Kriegen beladen oder nicht. — —
IX. Ferner ift fonfordirt und übereingefommen: wenn der genannte
riftlichjte König oder wir genannte Herren die Eidgenoffen vielleicht friegen
würden wider etliche ihrer Feinde, jo foll feine Partei beiderſeits Berhand-
lungen oder Frieden, Freundſchaft oder Waffenftillftand eingehen mit ge-
nanntem Feind, e8 fei denn daß fie das vorher der andern Partei zu wilfen
tue und diejelbe in ſolchem Frieden, Freundſchaft oder Stillftand vorbehalte
und eimbegreife.
XI. Zum festen ... ſoll derſelbe chriftlichjte König zur Erzeigumg
einer Befejtigung feiner Yiebe und Gutwilligleit geben und auszahlen laſſen
alle fahre, jo fang gegenmärtiger Bund währet, einem jeden Ort ge
nannter unjerer Eidgenoffenichaft taufend FFranfen über die Summe der zwei—
tauſend Franlen, die jeder Ort von dem chriftlichiten König zu empfangen und
zu haben gewohnt ift, hinaus, Ferner joll der chriftlichfte König unfern Zu
gewandten jährlih, jo lange gegenwärtiger Bund währet, über die” gemeine
Penſion, jo jolhe unfere Zugewandten jet empfangen, hinaus zu Mehrung
jolder Benfion den halben Teil der Summe der gemeinen Penjion geben. — —
282
113. Ausländifche Zrteile Über die Schweizer des XV. umd
XVI. Iahrhunderts.
a. Zrithemins in den Hirſchauer Annalen.
Annales Hirsaugienses ed. Struve II. 572.
Trithemius oder Tritheim, eigentlich Johannes Heidenberg von Trittenheim {bei Trier),
geb. 1462, 1483 Abt zu Sponheim bei Kreuznach, seit 1506 Abt eines Klosters zu
Würzburg, wo er 1516 starb, war einer der berühmtesten und vielseitigsten Gelebrien
des damaligen Deutschlands, Er schrieb unter anderm eine „Chronik des Klosters Hirschau
bis 1513*, die inves in Wirklichkeit eher eine Weltgeschichte ist. Das Folgende bezieht
sich auf den Schwabenkrieg:
Ob die Fidyenossen eine gerechte oder ungerechte Ursache zum
Krieg gehabt haben. kommt mir, der ich nicht die Stelle eines Richters
einnehme, zu entscheiden nicht zu. Aber das sare, das schreibe und
überliefere ich schriftlich der Nachwelt, was alle heute wissen, die mit
uns in Deutschland leben, und alle sagen. welche die Sitten der Schweizer
kennen, dass sie Leute sind, von Natur übermütig, den Fürsten feind,
aufrührerisch und schon seit langer Zeit widerspenstig und ungehorsam
gegen ihre Herren, von Verachtung gegen andere, von Anmassung in
sich selbst erfüllt, im Krieg hinterlistig und Liebhaber des Betrugs, im
Frieden nie recht beständig, dass sie der Gerechtigkeit in dem, was sie
von Rechts wegen schuldig wären, nichts nachfragen, namentlich darin,
wo es sich um ihre angemasste Freiheit handelt. Ich sage indes, dass
sie im Kriege nicht nur herzhaft, sondern auch klug und sich gegenseitig
in aller Not treuste Helfer sind und keiner den andern in der Gefahr
verlässt und auch der Reiche den Armen nicht verachtet.
b. Wimphelings Gebet um den Frieden der Chriften und für die
Helvetier, daß jie ſich belehren.
Solilogium Wimphkelingü, Zürich 1784.
Wimpheling, Jakob, geb. 1450 in Schlettstadt, studirte Philosophie nnd Theologie,
lebte abwech-elud bald als Lebrer und Schriftsteller, hald als Prediger oder Mönch in
Heidelberg, Strassburg, Basel, Freiburg und Schlettstadt, wo er 1528 starh. Zu seinen
literarischen Erzeugnissen gehört auch das merkwürdige Selbstgespräch oder Gebet zur
Bekehrung der Schweizer, das er um 1504 an den Kurfürsten von Mainz richtete.
So viel ich, Hochwürdigster Vater, Sitten und Gemüt der Helcetier
mit Fleiss betrachtet habe, vermute ich, dass sie nicht sowohl mit Waffen-
zewalt als mit frommen Ermahnungen wieder zur Einheit des heiligen
Reiches und zum Gehorsam gegen die römischen Könige gebracht werden
können. Da nämlich dieses Volk sonst nicht gänzlich gottlos ist, fürchte ich,
dass es aus blosser Unwissenheit des göttlichen Gesetzes, welches Gehor
sam befiehlt. schwerlich ohne Verderben seiner Seelen, in den Abgrund des
283
Irrtums und des Ungehorsams gestürzt ist. Daher habe ich aus Erbarmen
mit seiner Einfalt das Selbstgespräch herausgegeben, Gott bittend, dass
jenes Volk endlich erleuchtet werde, zum Reich, von dem es getrennt
ist, zurückkehre, Könige und Fürsten anerkenne, Gehorsam leiste, an den
gerechten Kriegen gegen die Feinde der Deutschen teilnehme, damit auch
die Verwegenheit der Tyrannen, die sich bis dahin auf seine Hilfe ge-
stützt haben, vermindert und die Wut der treulosen Türken mit glück-
licherem Erfolge gebändigt werde. Vielleicht mag dieses unser Gebet
bewirken, dass der Aufruhr des unerfahrenen Volkes gegen den König
und die übrigen Fürsten nicht länger fortwuchert, zum Ruin und Spott
aller gerechten Gewalt und der geistlichen Freiheit. Dazu, glaube ich,
würde nicht wenig beitragen, wenn nach deinem Sinn das Studium der
göttlichen Schriften sich täglich ausbreitete. Denn dieselben lehren ja,
Gott dürfe nicht verkleinert und den Fürsten des Volkes nicht geflucht
werden. Besser sei Gehorsam als Opfer. Und wie die Sünde der Zauberei
sei Widerstreben, und wie das Verbrechen des Götzendienstes nicht
gehorchen wollen. Und dass dem Kaiser zu geben sei, was sein ist; und
dass Ehre, Steuern, Abgaben der Obrigkeit nicht vorenthalten werden
sollen. Und ebenso flehe ich, dass zuallererst flehentliche Gebete für alle
Menschen, für die Könige und alle, die auf die Höhe gestellt sind, ver-
anstaltet werden; dazu wagen die Prediger bei den Helvetiern und ihren
Verbündeten kaum zu ermahnen, ja nicht einmal am Schluss dcr Predigten
des Königs und der Fürsten mit Namen zu gedenken. — — — —
[Folgt das Gebet.)
XI. Kap. Beim Gefangennehmen von Feinden ist grössere Menschlichkeit
bei den Türken und Böhmen zu finden als bei den Schweizern.
Gib ihnen ein Herz von Fleisch und nimm ihnen das Herz von Stein.
Gib, dass sie wenigstens einige Menschlichkeit unter den Waffen walten
lassen. Gib ihnen die Frömmigkeit, damit sie nicht sofort niederhauen,
sondern die Feinde, die sich demütig ergeben, gefangen nehmen und
wegführen, sie des Lösegeldes wegen annehmen, das Gold dem Leichnam
vorziehen. Das pflegen sogar die Völker der Türken zu tun, die einst
Sigmund von Ungarn und bald nachher dem römischen König, die von
ihnen gefangen worden, gestatteten, unverletzt zu uns heimzukehren.
Das taten auch die Böhmen [Hussiten] nenlich. . . . Grösser also scheint
in dieser Beziehung die Frömmigkeit bei den Türken und Böhmen zu
sein, als bei diesen starken, drohenden, grimmigen. stolzen, waflenlieben-
den, stets zum Krieg bereiten, von der Wiege an zum Kampf erzogenen,
an Christenblut sich weidenden und durch die Zwietracht der Könige
reich gewordenen Wilden, die keinen Fürsten, keine Gesetze ehren, die
keine gesunde Vernunft walten lassen, sondern von einer gewissen
Raserei in den Abgrund getrieben werden; welchen umsonst das Gesetz
gegeben wird; deren Gesetze sind: Willkür, Begierde, Zorn, Ungestüm,
Heftigkeit, Raserei; deren Urteile und Entscheidungen so gefällt werden:
wenn einer von ihnen den Finger ausstreckt, halten auch die andern die
ihrigen in die Höhe; und wann ein Völklein das Kriegspanner aufpflanzt,
284
sind die näher \Wohnenden auf der Stelle ünd dann einer nach dem
andern verpflichtet, zu folgen und sich anzuschliessen, und so kann auf
den Antrieb des schändlichsten Räubers oder eines Rache- oder Geld-
gierigen im Nu ein Heer von unzähligen überaus starken Männern ge-
sammelt werden, um die auch noch so unschuldigen Nachbarn und Christen
zu vertilgen und zu vernichten.
XII. Kap. Ihre Gesetze und Vorschriften sind genau genommen
drei, wie man sagt: «Wir wollen nicht; wir wollen; man muss.»
Darüber hat sich Papst Pius II. in Übereinstimmung mit uns sehr
beklagt: sie seien von Natur hochfahrende Leute, welche sich nicht der
Gerechtigkeit fügen wollen, sondern dass die Gerechtigkeit ihnen dienstbar
sei, und nichts halten sie für recht, ausser wenn es ihren phantastischen
Köpfen angemessen zu sein scheint. Und wie könnten jene das Rechte
und Billige wahrhaft kennen, die nicht in den Philosophen, nicht in den
Gesetzen des Kaisers, sondern nur in den Waffen, im Krieg ihr ganzes
Leben bewandert sind. Es schweigen ja unter den Waffen die Gesetze.
XII. Gib ihnen, Herr Gott, dass sie nicht den Basilisken, nicht
den Stieren, nicht den Bären, nicht den Wildschweinen, nicht den Greifen,
nicht den Steinböcken nachfolgen !, sondern den Adlern und den Löwen,
die aus angeborner Milde die zu Boden Geworfenen zu schonen wissen.
Gib ihnen königliche Herzen, grossmütige Seelen, edeln Willen und hoch-
herzige, herrliche Gefühle, auf dass sie nicht von einem Wort oder Wink
zum Zorne entflammt werden, Rache suchen, kostbares Leben morden,
auf dass sie nicht deine Priester in Fesseln schlagen oder in die Ver-
hannung treiben. Gib ihnen diese Frömmigkeit, dass sie nicht einen
Menschen wegen der geringsten Schmähung, wie dieselbe ihm auch ent-
schlüpft sei, in den Kerker stossen, zum Seile schleppen und hinführen, um
ihn an den Galgen zu flechten; auf dass sie nicht wegen der leichtfertigen
Worte eines einzigen geschwätzigen Menschen oder wegen eines unsichern
und falschen Gerüchtes (wie es neulich über den ins Wasser getauchten
Farren und das Pferd entstanden ist), sich alsbald waffnen, um die Hütten
der Elenden zu verbrennen, die Felder mit Feuer und Schwert zu ver-
wüsten, um Menschen, die an dich, frommer Christ! glauben, aufs grau-
samste und unmenschlichste zu erschlagen.
XIV. Gib ihnen die Milde der Fürsten, die Sanftmut der Kaiser
und die Frömmigkeit der Könige. — — —
XVII. Nicht sind dir oder einem Julius oder einem Augustus oder
auch den Kaisern unserer Zeit, einem Friedrich und Maximilian (nichts
ist sanftmütiger als diese) jene Wilden älmlich, die voll Schroffheit und
Zorn alsbald zu den Waffen stürzen, wenn irgend einer wagt, das Ge-
brüll einer Kuh auszustossen oder aus Einfalt die schönen Federn des
jJunonischen Vogels* auf seinem Haupte zu tragen. — —
' Anspielung anf die Wappentiere in den eidgenössischen Paunern — ! Der Pfau
Ist der Juno heilig.
285
XX. Nicht stimmen mit der Lehre des heiligen Thomas noch mit der
des gelehrtesten Aristoteles diejenigen überein, welche die wilde Staats-
form dieses Volkes der Monarchie des ganzen römischen Reiches oder der
Aristokratie der herrlichsten Städte desselben vorziehen. Es gibt jedoch
Brüder, welche predigen, verfechten und behaupten, diese Herrschaft
des unleidlichen Pöbels und dieser Ungehorsam und Aufruhr gegen alle
Häupter der christlichen Vereinigung sei dir, Gott, gemäss und vertrage
sich mit dem Heil ihrer Seelen. — -—
e. Pirkheimer über die Kriegsfunjt der Schweizer.
Hist. belli Suitensis. 2. 11
[Nach der Schilderung der Burgunderkriege fährt er fort]: Die
Schweizer ruhten inzwischen vom Kriegslärm aus. Denn keine Macht
war so gross, dass sie nach der Unterdrückung des Burgunders hätte
wagen dürfen, jene herauszufordern. Sie liessen zwar wiederholt bald
dem Maximilian, bald dem Franzosen auf ihre Bitten Hilfe zugehen;
nicht nur deshalb, weil sie ihre Jungmannschaft in kriegerischer Zucht
zu üben wünschten, sondern auch, weil sie beide fürchteten oder eher
hassten und der Erfolg jedes Teiles ihren Argwohn erregte. Und in
Wahrheit haben alle Deutschen die Waffen und die (@efechtsart, die
sie jetzt anwenden, von den Schweizern empfangen, indem sie die
Schilde wegwarfen, deren sie sich vorher nach der Sitte aller Nationen
bedienten. Durch die Erfahrung lernten sie nämlich, dass jene der Pha-
lanx und der Gewalt der Spiesse in keiner Weise widerstehen können.
Und deslıalb sind bis auf meine Zeit diejenigen, welche Spiesse, Hall-
barten und Schwerter trugen, Schweizer genannt worden, wenn sie auch
mitten in Deutschland geboren waren, bis endlich wegen des Hasses
gegen die Schweizer der Name «Landsknechte», d.i. Soldaten aus dem
Lande, aufzutauchen und berühmt zu werden begann.
d. Aventin über die Schweizer.
—
Aventins Werke J. Urſachen des Türkenlrieges S. 219.
Joh. Turmair, geb. 1477 zu Ahensberg in Baiern nnd daher Aventinus genannt,
gest. 1534, schrieb als bairischer Hufhistoriograph eine vortrefliche bairische Geschichte
sowohl in lateinischer als in deutscher Sprache, welche ihm den Ruhm des „deutschen
Herodot* eintrug. Ausserdem verfasste er zahlreiche kleinere hixtorisch-patrintische
Schriften, darunter 1526 eine s«lche über die Ursachen des Türkenkrieges, in welcher
er der Schweizer folgendermassen gedeukt:
Es liegt am Tag, wo Gerechtigkeit ist, da ist auch Fried und
Einigkeit, da setzt man in Nöten Leib und Leben zusammen, hat jeder-
mann genug. . . . Wo es gleich zugeht und Gerechtigkeit regiert, be-
schwert keiner den andern, wie man denn von den] Schweizern sieht,
die das beste Regiment bei uns und gegen sich selbst (lass sich's nur
286
keiner zum Zorn gereichen) halten. Wo Ungerechtigkeit ist, da ist kein
Friede, kein Glück noch Einigkeit, will immer einer besser sein, denn
der andere; da ist kein Verschonen, Schirmen noch Schützen des armen
Manns, macht unwillige, verzagte und verzweifelte Leute, die nur be-
gehren, dass alles über und über gehe.
Mochiavelli.
Niccolo Macchiavelli (1469 —1527), der berühmte Florentiner Staatsmann und
Schriftsteller, gedeukt in seinen Werken: dem „Fürsten“, der „Kriegskunst* und den
„Abb+ndlungen über die erste Dekade des Livius“, der Schweizer häufig. Folgendes
sind einige der bezeichnendsten Stellen:
ei 51 prineipe cap. XII: «Und aus Erfahrung sieht man die be-
I waffneten Republiken die grössten Fortschritte machen, die
Söldnerarmeen aber nie anderes als Schaden anrichten; und
bez x weit schwerer gerät eine mit eigenen Waffen bewafinete
Republik unter die Gewalt eines ihrer Bürger, als eine mit fremden
Waffen bewaffnete. Rom und Sparta blieben viele Jahrhunderte bewaffnet
und frei. Die Schweizer sind aufs stärkste bewaffnet und äusserst
frei [armatissimi e liberissimil. — — —
ar HE
Discorsi I, cap. 12. [Macchiavelli weist in treffender Weise nach, dass
die weltliche Herrschaft des Papsttams das Haupthindernis für eine
Einigung Italiens ist]. «Da die Kirche also nicht so mächtig gewesen ist,
sich ganz Italiens bemächtigen zu können, aber auch nicht gestattet hat,
dass sich ein anderer seiner bemächtigte, ist sie die Ursache gewesen,
dass es nicht hat unter ein Haupt kommen können, sondern unter
mehreren Fürsten und Herrn geblieben ist, woraus solche Uneinigkeit
und Schwäche entstanden, dass es so weit gekommen ist, die Beute nicht
bloss mächtiger Barbaren, sondern eines jeden, der es angreift, zu sein.
Das verdanken wir andern Italiener der Kirche und niemand anderm.
Und wer die Wahrheit dessen durch untrügliche Erfahrung recht schnell
einsehen wollte, der müsste so viel Gewalt haben, dass er den Sitz des
römischen Hofes mit der Macht, die er in Italien besitzt, in die Lande
der Schweizer verlegen könnte, welche heute das einzige Volk sind, das
sowohl in Bezug auf Religion als auf militärische Einrichtungen den
Alten gemäss lebt: und er würde sehen, dass die traurigen Sitten jenes
Hofes in kurzer Zeit mehr Unordnung in jenem Lande anrichten würden,
als irgend ein anderes Unglück, das zu irgend einer Zeit daselbst sich
ereignen könnte. u
Discorsi II, cap. 4. Wer die alte Geschichte beobachtet hat, findet,
wie die Republiken drei Arten sich zu vergrössern haben. Die eine ist
die gewesen, welche die alten Toskaner d. i. die Etrusker] beobachteten.
einen Bund von mehreren Republiken zusammen zu bilden, wo keine der
andern weder an Macht noch an Rang voransteht, und beim Landerwerb
sich die andern Städte zu Bundesgenossen zu machen, in ähnlicher Weise,
wie das zu dieser Zeit die Schweizer tun. — —
re en TIEREN
Die andere Art ist, Bundesgenossen anzunehmen, doch nicht so
weit, dass nicht einem der Vorrang des Befehls, der Sitz des Reiches
und der Name der Unternehmungen bliebe, welche Art von den Römern
beobachtet wurde. Die dritte Art ist, sich unmittelbar Untertanen, und
nicht Bundesgenossen zu machen, wie die Spartaner und die Athener
taten. Von diesen drei Arten ist diese letztere völlig nutzlos; wie man
sieht, dass sie es bei den beiden obgenannten Republiken war, die sich
durch nichts anderes zu Grunde richteten, als durch die Erwerbung jener
Herrschaft, die sie nicht behaupten konnten. Denn, die Sorge übernehmen,
Städte mit Gewalt regieren zu müssen, namentlich solche, welche gewohnt
waren, frei zu leben, ist eine schwere und mühselige Sache. — —
[Folgt der Nachweis, dass das Verfahren Roms, soweit die Erfahrung
reiche, einzig zur Bildung eines grossen Reiches durch eine Republik
geeignet sei. Der oben angeführte Weg der Bünde, wie die Toskaner,
die Achäer und Ätoler lebten und wie heute die Schweizer leben, ist
nach dem der Römer der beste; denn, wenn man sich damit nicht sehr
vergrössern kann, so hat das zwei Vorteile im Gefolge, den einen, dass
man sich nicht leicht Krieg zuzfeht, den andern, dass man das, was man
bekommt, leicht behält. Der Grund warum eine solche Republik sich
nicht [stark] vergrössern kann, liegt darin, dass sie zersplittert ist und
mehrere Sitze hat, was bewirkt, dass sie nur schwer beraten und be-
schliessen können. Es bewirkt auch, dass sie nicht begierig sind zu
herrschen; da nämlich viele Gemeinwesen an der Herrschaft Anteil haben,
schätzen sie eine solche Erwerbung nicht so sehr, wie eine Republik
tut, welche hofft, sie ganz zu geniessen. . . . Man sieht auch durch die
Erfahrung, dass eine solche Art zu verfahren, eine bestimmte Grenze
hat; und kein Beispiel gibt es, welches zeigt, dass sie überschritten
worden wäre; und diese ist bis auf zwölf oder vierzehn Gemeinwesen
zu verbinden, hierauf nach keiner Erweiterung mehr zu streben. Denn,
da sie sich bis auf einen Grad verbunden haben, dass sie glauben, sich
gegen jedermann verteidigen zu können, suchen sie keine grössere Herr-
schaft; teils weil die Notwendigkeit sie nicht zwingt, mehr Macht zu
haben, teils weil sie aus den obenangeführten Gründen in den Eroberungen
nichts nützliches erblicken. Sie müssten nämlich eines von zwei Dingen
tun; entweder in der Aufnahme von Bundesgenossen fortfahren; diese
Menge aber würde Verwirrung anrichten; oder sie müs.«ten sich Unter-
tanen machen; weil sie aber darin Schwierigkeiten erblicken und nicht
viel Nutzen, sie zu behaupten, geben sie nichts darauf. Deshalb, wenn
sie zu so grosser Zahl gekommen sind, dass sie meinen, in Sicherheit zu
leben, wenden sie sich zu zwei Dingen, einmal Schutzbefohlene auf-
zunehmen und Beschirmungen zu übernehmen, und durch dieses Mittel
von allen Seiten her Geld zu ziehen, welches sie leicht unter sich ver-
teilen können. Das andere ist, für andere Krieg zu führen und von diesem
oder jenem Fürsten, der sie für seine Unternehmungen anwirbt, Sold zu
nehmen; wie man sieht, dass hente die Schweizer tun.
cap. 12. Entweder halte ich mein Land bewaffnet, wie die Römer
oder wie es die Schweizer tun, oder ich halte es unbewafinet, wie
es die Karthager taten oder wie es die Könige von Frankreich und
_—
288
die Italiener tun. In diesem Fall soll man den Feind fern vom Hause
halten; denn, da deine Kraft im Geld und nicht in Männern besteht,
bist du verkauft, sobald dir der Weg zu jenem versperrt ist, und nichts
versperrt dir ihn so sehr, wie der Krieg zu Hause ....... Aber
wann die Reiche bewaffnet sind, wie Rom bewaffnet war oder wie es
die Schweizer sind, so sind sie um so schwieriger zu besiegen, je mehr
du dich ihnen näherst; denn diese Staatenkörper können mehr Kräfte
aufbringen, um einem Einfall zu widerstehen, als sie können, um andere
anzugreifen... .. Es ist leicht, die Schweizer ausser der Heimat zu
besiegen, wohin sie nicht mehr als einige dreissig- oder vierzigtausend
Mann schicken können; aber sie zu Hause zu besiegen, wo sie hundert-
tausend sammeln können, hält äusserst schwer.
cap. 16. Die Schweizer, welche die Lehrmeister des modernen
Krieges sind |i maestri delle moderne guerre], tragen, wenn sie mit den
Franzosen zu Felde ziehen, vor allen Dingen Sorge, sich auf die Seite
zu stellen, damit die befreundete Reiterei, wenn sie geworfen würde,
nicht anf sie stosse. — —
cap. 22. |Macchiavelli erzählt, dass Franz L., als er auf die Eroberung
Mailands auszog, die Hilfe der Florentiner und des Papstes Leo X. gegen
die Schweizer angesucht habe]. Papst Leo willfahrte dem König nicht,
sondern liess sich (wie man sagt) von seinen Räten überreden, indem sie
ihm bewiesen, wenn er neutral bliebe, liege in diesem Entschluss der
sichere Sieg; denn für die Kirche passe es, weder den König, noch die
Schweizer in Italien gewaltig werden zu lassen, sondern, wenn man es
wieder zur alten Freiheit erleben wolle, sei es nötig, es von der Knecht-
schaft des einen und der anderen zu befreien. Und weil es nicht möglich
sei, den einen und die andern, jeden für sich oder alle beide zusammen,
zu besieren, so müsse man einen durch den andern überwinden lassen, und
dann sollte die Kirche mit ihren Freunden sich auf den werfen, welcher
Sieger bliebe.
Dell’ arte delle guerre lib. II. (Opere 1796, t. IV. S. 64). Ich
will bloss von der Art der gegenwärtigen Bewaffnung reden. Es haben
die Fussoldaten zu ihrer Verteidigung eine Brust von Eisen und zum
Angriff eine neun Ellen lange Lanze, die sie Spiess nennen, mit einem
Schwert zur Seite, das am Ende eher rund, als spitz ist. Das ist
die gewöhnliche Bewaffnung des heutigen Fussvolkes, denn es gibt nur
wenige, welche den Rücken und die Arme, und niemand, der das Haupt
bewehrt hätte: und diese wenigen tragen statt des Spiesses eine Hall-
barde, deren Schaft, wie ihr wisst, drei Ellen lang ist und ein wie ein
Beil geformtes Eisen hat. Sie haben Büchsenschützen unter sich, welche
mit der Gewalt des Feners jene Stelle versehen, welche vor Alters die
Schleuderer und Bogenschützen versahen. ‚Diese Art der Bewaffnung ist
von den deutschen Völkern erfunden worden, hanptsächlich von den
Srehveeizern, welche, arm, wie sie sind, und des Willens frei zu leben,
genötigt waren und es noch sind. mit dem Ehrgeiz der Fürsten Deutsch-
lands zu kämpfen, welche, bei ihrem Reichtum Reiter unterhalten konnten,
was jene Völker aus Armut nicht vermögen. Daher geschah es, dass sie,
da sie sich zu Fuss gegen Feinde zu Pferd verteidigen wollten, wieder
289
zu den Schlachtordnungen des Altertums greifen und Waffen ausfindig
machen mussten, welche sie vor dem Ansturm der Reiter schützen könnten.
Diese Notwendigkeit hat bewirkt, dass dieselben die antiken Ordnungen
entweder behalten oder wiedergefunden haben, ohne welche, wie jeder
Einsichtige bestätigt, das Fussvolk gänzlich untauglich ist, Sie wählten
deswegen die Spiesse zur Waffe, die nicht nur äusserst tauglich sind,
die Reiter auszuhalten, sondern auch sie zu besiegen. Und vermöge dieser
Waffe und dieser Schlachtordnung haben die Deutschen [d. h. die Schweizer]
solche Kühnheit angenommen, dass ihrer fünfzeln- oder zwanzigtausend
jede noch so grosse Anzahl Reiter angreifen würden, wovon in den
letzten 25 Jahren genug Versuche gesehen worden sind. Und die Bei-
spiele ihrer auf diese Waffen und diese Schlachtordnung gegründeten
Tapferkeit sind so gewaltig gewesen, dass, seitdem König Karl! nach
Italien gezogen ist, jede Nation sie nachgeahmt hat; dergestalt, dass
die spanischen Heere zu einem sehr grossen Ruf gelangt sind.
f. Gnicciardini.
La Historia d’Italia. Venedig 1568. S. 480. Buch X.a. 1511. S. 480,
Die Schweizer sind die gleichen, welche von den Alten Helvetier
genannt wurden, ein Geschlecht, welches in Bergen höher als der Jura
wohnt, .... von Natur tapfere bäurische Menschen und infolge der
Unfruchtbarkeit des Landes eher Hirten als Ackerbauer. Sie wurden
einst von den Herzogen von Östreich beherrscht, gegen welche sie sich
schon vor sehr langer Zeit empörten, und regieren sich jetzt selbst, indem
sie keine Miene machen, weder den Kaiser noch die andern Fürsten an-
zuerkennen. Sie sind in dreizehn Völker (sie nennen dieselben Kantone)
geteilt, von denen jedes sich mit eigenen Behörden, Gesetzen und Ord-
nungen regiert. Sie veranstalten jedes Jahr oder öfters, je nachdem das
Bedürfnis eintritt, eine Beratung der gemeinsamen Angelegenheiten, indem
sie sich an diesem oder jenem Orte versammeln, welchen die Abgeordneten
jedes Kantons bestimmen; sie heissen nach dem Branche Deutschlands
diese Versammlungen Bundestage, an welchen über Krieg, Frieden, Bünd-
nisse, über die Begehren derer, welche bitten, man möchte ihnen durch
Staatsbeschluss Söldner bewilligen oder Freiwilligen gestatten, ihnen zu-
zulaufen, sowie über die im Interesse aller liegenden Dinge beraten wird.
Wann die Kantone durch Staatsbeschluss Söldner bewilligen, wählen sir
selbst unter sich einen obersten Hauptmann, dem das Heer mit den
Fahnen im Namen des Staates übergeben wird. Gross haben den Namen
dieses so schrecklichen und ungebildeten Volkes die Einigkeit und der
Waffenrulhm gemacht, womit sie infolge ihrer natürlichen Tapferkeit
und der Disziplin ibrer Schlachtordnungen nicht nur ihr Land immer
kraftvoll verteidigt, sondern auch ausserhalb ihrer Heimat die Kriegskunst
! Es ist König Karl VIII. von Frankreich gemeint, welcher 1494 mit einem Ileere,
‚lessen Kern 6000 Schweizer bildeten, Neapel eroberte.
Oechsli, Quellenbuch, 19
2%
mit höchstem Ruhme ansgeübt haben. Und dieser wäre noch unvergleich-
lich grösser gewesen, wenn sie dieselbe für die eigene Herrschaft und
nicht für Sold und zur Ausbreitung der Herrschaft anderer ausgeübt
hätten, und wenn sie hochherzigere Ziele vor Augen gehabt hätten, als
die Begierde ach Geld. Von Liebe dazu verführt, haben sie die Gelegenheit
verloren, ganz Italien furchtbar zu werden; denn, da sie nur als Mietsoldaten
aus der Heimat auszogen, haben sie von ihren Siegen keine Frucht für
den Staat davon getragen... .. Zu Hause scheuen sich die Vornehmen
nicht, Geschenke und ‚Jahrgelder von den Fürsten anzunehmen, um bei
den Beratungen ihre Partei zu ergreifen und zu begünstigen. Indem sie
dadurch die öffentlichen Angelegenheiten mit dem Privatnutzen verknüpft
haben und käuflich und bestechlich geworden sind, hat sich unter ihnen
selbst Zwietracht eingeschlichen. Nachdem sie damit angefangen, dass
das, was die Mehrheit der Kantone auf den Tagsatzungen beschloss,
nicht von allen befolgt wurde, sind sie zuletzt vor wenig Jahren in
offenen Krieg miteinander gekommen zur höchsten Verminderung des
Ansehens, das sie überall besassen.
Dritter Teil.
Die Beit der Glanbensfpaltung.
114. Beatus Rhenanıs an Zwingli. 6. Dezember 1518.
Überfegt aus dem Pateinifchen, &. Zwinglis Werte VII. &. 57.
Beatus Rhenanus, eigentlich Bilde, von Schlettstadt (1474—1547), eiu hervor-
ragender deutscher Hnmanist, der in Basel, Strassburg und Schlettstadt lebte, unterhielt
mit Zwingli einen eifrigen Briefwechsel. Leider scheint der Brief Zwinglis, auf den das
nachfolgende Schreiben die Antwort ist, nicht erhalten zu sein.
.. . Der Kardinal! scheint mir nicht sehr zuverlässig zu sein;
denn er ist ja selber einer von jener Komödie, wenn anders nicht das
nglück seinen Geist verwandelt hat. Über Luther haben wir noch nichts
erfahren. Wir haben reichlich gelacht über den Ablasskrämer, welchen
du in deinem Brief so fein beschrieben hast. Sie geben den Kriegsführern
! Matthäus Schinner. Zwingli setzte anfänglich Hoffnungen auf den ihm befreundeten
Kirchenfürsten wegen einer Reformation der Kirche. Der cursiv gedruckte Satz ist im
Original griechisch,
291
Ablassbriefe für die, welche im Kriege umkommen werden. Wie abge-
schmackt ist dies und der päpstlichen Legaten unwürdig! Was wird
nicht endlich noch ausgesonnen, damit sich Italien unseres Geldes be-
mächtige? Wahrlich, nicht für des Lachens, sondern eher des Weinens
wert halte ich dies. Denn nichts ist, was mich mehr schmerzt, als dass
ich allenthalben das Christenvolk mit Zeremonien, die nicht zur Sache
gehören, ja mit reinen Possen beschwert sehe. Und ich finde keine andere
Ursache, als dass die Priester, durch jene scholastischen und sophistischen
Theologen betrogen, heidnische und jüdische Lehre lehren. Ich spreche
von der Masse der Priester. Denn es ist mir nicht verborgen, dass du
und deinesgleichen die reinste Weisheit Christi aus den Quellen selbst
dem Volke vortragen, nicht die durch die scotischen und gabrielischen !
Auslegungen verdorbene, sondern die von Augustin, Ambrosius, Cyprian,
Hieronymus? echt und lauter auseinandergesetzte. Es schwatzen jene,
wenn sie an dem Orte stehen, wo das Volk alles, was gesagt wird,
für die Jauterste Wahrheit hält, einfältiges Zeug von der päpstlichen
(sewalt, von der Sündenvergebung, vom Fegfeuer, von erfundenen
Wußadern der Heiligen, von der Belehnung?, von Erwerbungen, Ge-
lübden, von den Höllenstrafen, vom Antichrist. Ihr dagegen, wenn ihr
vor versammelter Gemeinde predigt, zeiget die gesamte Lehre Christi
kurz, wie anf einer Tafel geschrieben: Deshalb sei Ohristus von Gott
auf Erden gesendet worden, damit er uns den Willen seines Vaters lehre,
auf dass er zeige, dass diese Welt, das heisst Reichtümer, Ehren, Herr-
schaft, Wollust und anderes derart, gänzlich verachtet werden müsse,
das himmlische Vaterland dagegen mit ganzer Seele zu suchen sei; damit
er uns Friede und Eintracht und die schöne Gemeinschaft aller Dinge
(denn nichts anderes ist das Christentum) lehre, wie sie nur immer der
den grossen Propheten beizuzählende Plato einst in seiner Republik ge-
träumt zu haben scheint... .. Aber wohin reisst, mich das Feuer des
Schreibens, dass ich, der ich einen vertraulichen Brief begonnen, zu
deklamiren anfange, gleichsam meiner vergessend. Möchte doch Helvetien
viele deinesgleichen haben! So könnte es doch endlich leicht geschehen,
dass unsere Landsleute bessere Sitten annähmen. Sicherlich ist das Volk
Jeder Besserung fähig, wenn es nur nicht solcher beraubt wird, welche
Christum lehren können und wollen. Lebe wohl. Basel, am St. Niklaustag 1518.
Aufschrift: Dem ausgezeichneten Manne, Herrn Muldreich Zwinglius,
dem Priester zu Unserer lieben Frauen zu Kinsiedeln, dem unvergleich-
lichen Freunde.
! Scotus (F 1308) und Gabriel Biel (F 1495) waren berühmte scholastische Tbeologen
des Mittelalters. — ? Kirchenväter aus dem 3. u. 4. Jahrb. — * Belehnung der Kirche
mit weltlichen Gütern.
292
115. Zwingli an Mykonius. 24. Juli 1520.
Überſetzt aus dem Pateinifhen, Zwinglis Werte VII. 142.
NS] einem Gemüt, teuerster Mykonius, ist bange vor unseren
Zeiten, in welchen alles auf und nieder wogt, alles durch-
einander wirbelt, so dass von keinem das natürliche Ant-
litz zu erkennen sei; im Gegenteil alles sei so verworren,
dass nichts das Hanpt in die Höhe richten könne, von dem nicht das
(regenteil aus dem Horizonte emportauchen würde; daher schwebt einem
jeden scharfblickenderen Geiste mit der aufkeimenden Hoffnung zugleich
auch Furcht vor den Augen. Längst ist allen, welche die Reinheit
der Menschheit lieben, die Hoffnung aufgegangen, dass jene gebildeten
Jahrhunderte wiederkehren werden, in welchen man hoffen darf, dass
beinahe alle auch im Volke unterrichtet sind; allein diese Hoffnung
wird durch die hartnäckige Unwissenheit, um nicht zu sagen Unverschämt-
heit gewisser Leute ins (regenteil verkehrt, die alles eher leidet, als dass
sie etwas Gelehrtes und Schönes zuliesse, damit nämlich der Makel
jener Unwissenheit nicht zum Vorschein komme. Diese unterstützt Mars,
der immer den Denkenden abhold ist. Es ist auch nicht geringe Hoffnung
aufgegangen, dass Christus und das Evangelium wieder auferstehen
werden, da nicht wenige rechtschaffene und gelehrte Männer mit Rudern
und Segeln, wie man sagt, darauf losgesteuert sind, dass sie die Saat zur
Reife und Frucht brächten. Aber der Anblick des Unkrautes, welches der
Feind den Schlafenden und Unachtsamen nachgesät hat [Matthäus 13, 24],
entmutigt sie; und da es die Wurzel schon allzutief getrieben habe, sei
zu fürchten, dass es auch die Wurzeln des Getreides umklammert halte,
so dass dieses schon .nicht ohne Gefahr davon gereinigt werden könne.
Auf welche Weise also da zu helfen sei, sagst du? Höre Christum, der
spricht: «Lasst beides wachsen bis zur Zeit der Ernte u. s. w.» So
muss, vorsichtigster Mykonius, das Gold im Feuer geläutert, so das Silber
vom Gestein gereinigt werden; so hat Christus den Aposteln gesagt:
«Auf Erden werdet ihr Drangsal haben»; und wiederum: «Und ihr
werdet von jedermann gehasst sein um meines Namens willen»; und:
ses kommt die Stunde, da jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen
Dienst zu tun.» . . . So werden uns (ich spreche als Christ) nie solche
fehlen, welehe Christum in uns verfoleen, auch wenn sie im Namen
Christi aufs prächtigste einhergehen. . . . Ein Kriegsdienst ist das Leben
des Menschen auf Erden: daher muss der, mit den Paulinischen Waffen
versehen, tapfer in der Schlachtreihe kämpfen, welcher des Ruhmes teil-
haft werden will... . Und wann du dagegen den Einwurf erhebst:
«Was sollen wir die unserer Treue Anvertrauten lehren. da wir sehen,
dass die Arbeit umsonst ist, da keine oder nur sehr wenige dem Evan-
welium oder der apostolischen Lehre gehorchen ?>» Um so angestrengter,
sage ich, musst du arbeiten, damit du diese köstliche, von der Menge
verachtete oder vernachlässigte und doch in ihrer Schönheit strahlende
Perle so vielen als möglich zeigest, damit sie, von Begierde darnach er-
griffen, alles verkaufen und jene erwerben, Hat Christus nicht gesagt,
295
dass der Same sich in vier Teile gesondert habe, von denen nur einer
anf gutes Erdreich gefallen sei? .... Denn dass ich dir auch dieses
offenbare: Ich glaube, wie die Kirche aus Blut entstanden ist, so kann
sie anf keinem andern Wege, als durch Blut, wieder erneuert werden. ...
Niemals wird die Welt mit Christus zusammengehen, und die Verheissung
jener Vergeltung Christi ist mit Verfolgungen verbunden. Er hat die
Seinen wie Schafe mitten unter die Wölfe gesendet. Siehe zu, Bruder,
auf welchem Weg du hoffen kannst, ein Schaf Christi zu sein; sicherlich
dann, wenn dir, der du für Christi Ruhm alles tust, alles leidest, das
gottlose Geschlecht der Wölfe den Tod androht, wenn sie die Zähne
fletschen, dich mit den Klauen zerfleischen.
Für Zuthers Leben fürchte ich wenig, für seine Seele nichts, auch
wenn er vom Blitzstrahl jenes Jupiters getroffen wird. Nicht dass ich
den Bann verachte, aber weil ich glaube, dass jene Verdammungen eher
den Leib als die Seele treffen, wenn sie ungerecht sind. Ob billig oder
unbillig mit Luther gehandelt werde, steht nicht bei uns zu entscheiden.
Du weisst jedoch selber, welcher Ansicht ich bin. Ich will mich dieser
Tage an den päpstlichen Kommissär Wilhelm ' wenden, und wenn er die
vede anf diese Sache bringt, wie er kürzlich getan hat, werde ich ihm raten,
dass er den Papst ermahne, den Bann nicht zu erlassen, weil ich glaube,
dass dies sehr in seinem Interesse liege. Denn wenn er erlassen wird, ver-
mute ich, die Deutschen werden mit dem Bann auch den Papst verachten.
Du aber sei guten Mutes; nie werden unserer Zeit solche fehlen,
die Christum anfrichtig lehren und gerne das Leben für ihn hingeben,
auch wenn ihre Namen nach diesem Leben bei den Menschen aufs ärgste
gelästert werden sollten, was ja von jeher‘ der Fall gewesen ist, als:
«er war ein Ketzer, ein Verführer, ein Taugenichts». Bei denen, die so
sprechen, gelten sie eben als Verführer, und doch sprechen sie die
Wahrheit. Was mich anbetrifit, so habe ich mich längst darein ergeben
und erwarte alles Schlimme von allen, Geistlichen, meine ich, und L.aien,
Christum nur um dies eine flehend, dass er mir günne, alles mit männ-
lichem Mute zu tragen, und dass er mich, sein irdenes Geschirr , zer-
breche oder fest mache, nach seinem Gefallen. Wenn ich in den Bann
getan werde, werde ich des Hilarius*, des gelehrtesten und heiligsten
Mannes eingedenk sein, welcher von Gallien nach Afrika verwiesen
wurde, und des Lueius®?, der, vom römischen Stuhl vertrieben, mit grossen
Ehren zurückkehrte. Nicht dass ich mich jenen vergleichen wollte; aber
ich werde mich an ihnen trösten, die, weit besser als wir, so lane das
Unwürdigste ertragen haben; und wenn man sich anders rühmen dürfte,
so würde ich mich freuen, für den Namen Christi Schmach zu leiden.
Aber, wer glaubt, er stehe, sehe zu, dass er nicht falle! Von Lnther
habe ich noch beinahe nichts gelesen; aber was ich bis jetzt geschen
habe, irrt, glaube ich, nicht in der evangelischen Lehre. Du weisst in
dieser Sache, weshalb ich ihn hauptsächlich gepriesen habe: weil er
nämlich das Seine mit gewichtigen Zeugen bekräftigt. — —
! Wilhelm a Falconibus, Sekretär des päpstlichen Legaten Anton Puceins, —
® Kirchenvater des 4. Jahrh., der als Gegner der Arianer von Kaiser Constantius ver-
folgt wurde. — * Lucius I., römischer Bischof 252.258.
re
294
116. Zwingli am Bertold Haller in Bern. 29. Dogember 1521.
Überfegt ans dem Yateinifchen. Zwinglis Werte VIL 2.180.
.. . Du hast schon einige Male verlangt, dass ich dir die Predigten
über den Glauben und über die Heiligenverehrung sende; ich habe dir
deswegen nicht willfahrt, weil ich sie nie niedergeschrieben habe, was
vielleicht einer, der mit unsern Arbeiten nicht bekannt ist, abscheulich
finden mag. Du aber, der diese von Sehen und Hören kennt, wirst es
mir zu Gute halten; sobald ich indessen so viel Musse habe, werde ich
mich bemühen, deinen Wünschen, wenn nicht genug zu tun, doch etwelcher-
massen zu entsprechen. Du führe indessen das, was du von mir forderst,
mutig durch, damit deine wilden Bären durch Anlıören der Lehre Christi
anfangen zahm zu werden; dies Geschäft muss aber, wie ich glaube,
äusserst vorsichtig in Angriff genommen werden. Denn es geht nicht an,
bei den Deinigen so zu verfahren, wie bei den Unsern; da nämlich die
Ohren der Deinigen jetzt noch zu zart sind, darf man sie nicht plötzlich
mit der so scharfen Wahrheit ausputzen (was auch Christus, wie ich
glaube, gefühlt hat, als er verbot, die Perlen vor die Schweine zu
werfen); denn sie könnten sich gegen dich wenden und dich mit grosser
Wut zerreissen, ja das Evangelium Christi auf immer’ verabschenen.
Deshalb muss man diese Bären sanft streicheln und ihrem Sprung ein
wenig ausweichen, bis sie, durch unsere Geduld und unerschrockene
Herzensbeständigkeit überwunden, zahm gemacht sind. Auch Petrus
gab etwas nach, als er sagte: „Aber jetzt weiss ich, Brüder, dass ihr
dies aus Unkenntnis getan habt»; und Paulus ebenso, indem er die
Galater mit Milch und nicht mit fester Speise nährte. Alle Apostel wichen
der Wildheit, indem sie, obwohl mit Striemen bedeckt, den [jüdischen]
Rat nicht hartnäckig überschrieen; aber vom Predigen liessen sie nicht
ab. So bitte ich dich, sei allen alles, damit Uhristus nicht mit dir ver-
trieben werde. Erhalte uns Christum bei den Deinen; sei geduldig, damit
du nicht mit mir in übeln Ruf kommest. \Wiewohl das, womit jene mich
schamlos besudeln, aufs unverschämteste erfunden ist; denn wir haben
weder etwas mit dem Franzosen, noch mit dem Kaiser vor andern Sterb-
lichen gemein, ausser den einigen Christus, von dem ich nicht weiss, ob
er ihnen so sehr am Herzen liegt, da sie Himmel und Erde vermengen
und alles mit Aufruhr und Gemetzel erfüllen. Grüsse in meinem Namen
meine Freunde Tremp, Sebastian |Meyer], Valerius |Anshelm], dieser ein
Arzt der Leiber, jener ein solcher der Seelen, Thomas Wittenbach,
meinen teuersten Lehrer, wenn er etwa zu euch kommt, und nimm alles
in Gutem auf. Lebe wohl, Bruder in Christo.
295
117. Aus Niklaus Mannels Faftnachtfpiel von Papſts und Chrifi
Gegenfab. 1522,
Nillans Manuel, herausgeg. von J. Bächtold 2. 108 fi.
Cläiwe Pfluog (ein Bauer) ſpricht:
„Better Rüede, was lebens iſt nun vorhand ?
„Dich dankt, es fig aber neimas ! nüws
im land.
„Wer iſt der quot fromm bidermanıt,
„Der da ein gramen rod treit an
„Und uf dem jchlechten ejel fit
„Und treit ein fron, von dörnen geipitt ?
„Es iſt fein boffart in im nit,
„Sin bofgefind im des zügnuß git:
„Die im nachgand, hinkend und friechen,
„Die armen blinden und feldfiechen ?.
„Scheum, was ’ armer lüten gand im nach!
„Ich mein, daß er nieman verichmadh. ®
„Die armen ftintender ellenden lüt,
„Sie bend doch fein gelt und gend im gar
nüt.
„Das iſt doch ein ellende unluſtige ſchar
„And gand ouch fo gar gottsjämerlich dahar:
„Der lam, der ander blind, der dritt waſſer
jüchtig !
„Und figt aber der guot man fo herzlich
züchtig,
„So ganz Ihämig und einfeltig uf dem tier.
„Lieber min etter ? Rüedi, wie gfallt er dir?
„Lieber etter, weistu, wer er iſt,
„Ad, jo ſag mirs onch durch Jeſum Ehrift !
Rüede Vogelneſt (ein anderer Bauer):
„Etter Cläiwe, ich befennen # im vaſt? wol,
„Darumb ich's dir ouch billichen jagen fol!
„Er iſt unſer böchfter ſchatz und bort,
„Er ift des ewigen vaters wort,
„Das in dem anfang was bi gott,
„Do er alle Ding beichaffen wott,
„Himmel und erden, tag und nacht.
„on in tft ganz nüt gemacht,
„Noch das firmament, noch der erdenfloß:
„Er ijt der jun des lebendigen gotts.
„Er iſt der ſüeß, mild und recht demüetig,
„Zröftlich, fröfich, barmberzig und güetig
„Heilmacher der welt, Herr Jeſus Chrift,
„Der am crüg für ums geitorben ift,
„Ein künig aller fünig, berr aller herren,
„Den vuch die freft der bimel eren,
Cläiwe Prluog:
„Verden pluojt willen ® ift das der?
„Wenn er halb als hoffertig wer,
„Als unfer Kilchherr 9 und fin faplaıı,
„So ſähe er der bettler feinen an.
„Was gemeint der alt glatzet“ fiſcher darmit,
„Daß er fo dapfer neben im dahar tritt,
„Und ouch die anderen biderben lüt?
„Weist dur och, was doch das ſelb bedüt?
Rüede Vogelneit:
„zer alt filcher, das tft fant Peter,
„Der herr Jeſus hat fein trumeter,
„Blind und lam find fin trabanten,
„Und die in ein jun gottes erfanten,
„Das warend fchlechı M einvaltig lüt;
„Die pfaffen Ichagtend in gar niit
„Und widerjteebtend im alle zit,
„So jtraft er fie umb iren git
„Und ander jüntiih wis und berden, "?
„Er found nie eins mit inen werden.
„Darumb ſie in allwegen verſtießend
„Und zuoletzt am krütz ermörden ließend.
Die zwiſchen kam der bapſt geritten in großem triumph in harniſch,
mit großem kriegszüg zuo voß und fuoß mit großen panern amd fenlinen
von allerlei nationen lüt.
Ein eidgnojfen gwardi # all in ſiner farb,
„etwas. — ? Ausſätzigen. — ? wie viel. — * verichmähe. — * Gevatter. — * fenne.
? jehr. — * Schwur, etwa „Bob Belten!” — * Pfarrer. — '" glaglöpfige. — ſchlicht.
2 Seherden. — 1? Garde,
296
trumeten, pajunen !, trummen?, pfifen, fartonen?, jchlangen, frowen und
buoben und was zum frieg gehört, vichlich, hochprachtlich, als ob er der tür:
fiich feifer wär. Do jprad) aber
Cläiwe Pfluog:
„Better Riüede, und wer iſt aber der groß
leiſer,
„Der mit im bringt ſo vil kriegiſcher pfaffen
und reiſer“
„Mit jo großen mechtigen hochen roſſen,
„So mencherlei wilder ſeltſamer boſſen ?,
„So vil multier mit gold, ſamet beziert,
„Und zwen ſpicherſchlüſſel im paner fiert #7
„Das nimpt mich frömbd und mechtig wunder,
„Wärind nit fovil pfaffen darımder,
„Zo meinte ich Doch, es wärind Türken und
beiden
„Mit denen foltiamen Tappen und wilden
fleiden :
„Der rot, der ichwarz, der brun, der blam,
„Und etlich ganz ſchier efelgram,
„Der wiß und fchwarz in ägriften 7 wis,
„Und band darneben ouch großen fliß,
„Daß jeder cin beiondre fappen hab;
„Der ein in longfads * wis binden ab,
„Der ander wie ein pfaunenſtil,
„Der dritt groß holzſchuoch tragen wil;
„Rot bitet, ſchwarz büet und die flach, breit,
„Der dritt zwen ſpitz am huet uftreit ?.
„Das find doch wärlich wild faſſnachtbutzen !®,
„Die fih doch jo gar ſeltſamlich mutzen ".
„Wie große richtumb ſchint an diſen herren!
„sb gloub, es möcht all fürſten übermeren.
„Und warum treit er dri hüpſcher guldiner
kronen?
„Das ſag mir, daß dir got trülichen well
fonen !
Rüede Bogelneft :
„Das weiß; ich ouch und fan dir's jagen,
„Man muoß in uf den achslen tragen
„Und wit darfür gehalten werden,
„Daß er fig ein gott uf der erden;
„Darumb treit er der kronen dri,
„Daß er über all herren fi
„Und fig ein ftattbalter Jeſu Chrift,
„Der uf dem ejel geritten ift.
Cläiwe Pflug:
„Das möcht wol ein hoffertig ftatthalter fin !
„Das lit heiter am tag umd iſt ougeuſchin.
„Das find doch warlich zwo unglich perfonen !
„Des ewigen gotts fun treit ein dörne fronen
„Und iſt dev armuet geliebt und hold;
„So ift fing ftatthalters kronen gold
„Und benitegt fich dennocht nit daran,
„Er wil dri ob einandren han.
„Zo ift Chriftus fridfam, demiletig und
milt,
„So iſt der bapft kriegſch, rumoriſch und
wild
„Und ritet daher ſo kriegſch und fri,
„Grad als ob er voller tüflen ft.
„Die hand in ouch om allen zwifel befefien !
„Es rimt ſich grad wie kochen und falz
meſſen,
„Des bapſts und demnach Chriſtus exempel!
„Sch wond, '? er fölte ietz ſton im tempel
„Und predgen das enangelium fri
„On alle eignen fünd '> und alle triegern;
„So predgend iets vaft alle fine pfafſen,
„Wie fie fin und iren nutz mögend ſchaffen.
„Zin muß, fin eer fürderet er alle ftund,
Tie göttlich eer ſtoſſet er zuo grund,
„So vil er mag und jo vil an im ill.
„Sie bruchend ven? und alle lift,
„Damit man fonfe vil ablafbrief.
„OD wäre der fee noch fo tief
„Und lägind fie darın am grund,
„Das wäre ein glüdjelige ſtund!
„Sie ftond am fanzel ie und Itegend, "
„Daß fich ganze wend und bollwerk biegend!
ı sojamıen, — ° Trommeln, 3 Kartaunen, eine Art Geſchütz. — * Neisläufer,
Zoldaten. — * Burſchen, Buben, * Der Papit führt zwei Schlüflel im Banner. —
Elſter. — * Nichenfad. ° Manuel veripottet Hier die verschiedenen geiftlichen Ge
wänder, Möndsfutten ꝛc. — !° Faitnachtmasten. — '! pugen, Ihmüden, — 12 meinte, —
3 Erſindungen, Kniffe. — '* lügen,
FE
297
118. Zuther und die Schweizerfiudenten in Jena. 1522.
Aus Keßlers Sabbata, herausgeg. von Götzinger J. S. 145.
Johannes Kehler, geb. 1502 zu St. Gallen, jtudirte zu Bajel und Wittenberg Theo-
logie, griff aber nach feiner Rückkehr in die Baterftadt zum Sattlerhandwerf, um nicht
untätig jein zu müſſen und weil er glaubte, ein Prediger des göttlichen Wortes dürfe in
Zukunft aus feinem Amt feinen Ermwerbszweig mehr machen. Er wirfte eifrig für die
Reformation in St. Gallen, indem er feit Neujahr 1524 vor einem ftetS wachſenden
Kreife von Bürgern die Bibel auslegte, betrieb aber daneben rüftig fein Handwerk, bis
er 1537 zum Yebrer au der Yateinichule und 1542 zum Stadtpfarrer berufen wurde. Er
jtarb 1574. Ummittelbar nach feiner Rückkehr aus Wittenberg hatte er die Gefchichte der
großen religiöien Bewegung, deren Zeuge und Anhänger er war, aufzuzeichnen begonnen
und führte diefelbe bis 1539 fort; er gab feiner fchlichten treuherzigen Chronik den Namen
Sabbata, weil er nur die Feiertage und Feierſtunden zu ihrer Abfaſſung benutzte.
Die fann ich nicht laſſen (ob es auch vielleicht Heinfüg und gar find-
lich jcheinet), wie mir und einem meiner Gejellen Martinus [Yuther], als
er aus jeiner Gefangenjchaft wiederum gen Wittenberg reiten wollte, begegnet
ift, bie zu verzeichnen. Als denn wir, von Studirens wegen der heiligen
Schrift gen Wittenberg reifend, gen Jena im Yand Thüringen (weiß Gott
in einem wüſten Gewitter) gekommen jind, haben mir nad) viel Umfragens
in der Stadt um eine Herberg, da wir über Nacht blieben, feine erhajchen,
noch erfragen können; alfenthalben ward uns Herberge abgejchlagen, denn es
war Faſtnacht, jo man nicht viel Sorge für die Pilger und Fremdlinge trägt.
Sind wir aus der Stadt wieder gefehrt, vorwärts zu gehn, ob wir ein Dorf
erreichten, da man uns doc beherbergen wollte. In dem, jo begegnete uns
unter den Tor ein ehrbarer Mann, ſprach uns freundlich zu, fragend, wo
wir doch jo jpät hin wollten, da wir in feiner Nähe weder Haus noch Hof,
da man ums behielte, vor finjterer Nacht erreichen möchten. Zudem jei es
ein fehl- und irreführender Weg, deshalb er uns raten wollte, allbie zu
bleiben. Antworteten wir: „Yieber Bater, wir find bei allen Wirtshäuſern
geweien, dahin man uns bin- und hergewiejen hat; alfenthalben aber hat man
uns abgewiejen und verjagt, müſſen alſo mothalber fürbas ziehen." Sprad
er, ob wir auch im Wirtshaus zum Schwarzen Bären gefragt hätten; jprachen
wir: „Es ift uns mie begegnet. Yieber, jaget, wo finden wir dies?" Da
zeigt er es ung ein wenig vor der Stadt. Und wie wir den jchwarzen Bären
jaben, jiehe, wie uns vorher alle Wirte Herberg abgejchlagen, alſo fam bie
der Wirt unter die Türe, hielt uns auf und anerbot fich jelbjt, uns zu be-
herbergen, gutwillig [und] führte uns in die Stube,
Da fanden wir einen Mann bei dem Tiich allein jigend und ein Büchlein
vor ihm liegend; der grüßet uns freundlich, hieß uns zu ihm an den Tiſch
hervor jigen (denn unſere Schuhe waren, bie mit Derlaub zu jchreiben, jo
298
voll Kot und Schmuß, daß wir vor Kneten aus Scham nicht fröhlich in die
Stube hereintreten durften, und drüdten ums heimlich bei der Tür auf em
Bänklein nieder), Da bot er uns zu trinfen, was wir ihm nicht abichlagen
fonnten. Nachdem wir feine Freundlichkeit und Holdfeligfeit erfahren, ſetzten
wir uns zu ihm (mie er uns geheigen) an feinen Tiſch, bejtellten auch eine Maß
Wein aufzutvagen, damit wir der Ehre wegen wiederum zu trinfen böten, ver-
meinten aber nicht anders, denn es wäre ein Weiter, jo er nach Yandes-
gewohnheit da ſaß in einem voten Lederkäppel, in bloßen Hofen und Wanıs,
ein Schwert an der Seite, mit der rechten Hand auf des Schwertes Knopf,
mit der andern das Heft umfangend. Bald fing er an zu fragen, von
wannen wir gebirtig wären; doch gab er jich jelbjt Antwort: „hr jeid
Schweizer, von wannen jeid ihr aus dem Schweizerland ?" Antworteten
wir: „von St. Gallen“. Sprad er: „Wollt ihr denn (wie ic) vernehme) nad)
Wittenberg, jo findet ihr gute Yandsleute, nämlich Doktor Dieronimum Schurpfen
und jeinen Bruder Doktor Auguftinum.” Zagten: „Wir haben Briefe an
ſie.“ Da fragten wir ihm wieder: „Mein Derr, wiſſet ihr nicht uns zu
befcheiden, ob M. Yuther jegt zu Wittenberg oder an welchen Ort er doch
jet?" Antwortete er: „Ich hab gewiſſe Nundicaft, daß der Yuther jetzt
nicht zu Wittenberg iſt; er joll aber bald dahin fommen. Philippus Melanchthon
aber iſt da, lehret die griechiihe Sprach, jo aud) andere, die Hebräiſch Lehren,
welch beide er uns in Treuen vaten wollte zu jtudiren, da fie, die heilige
Schrift zu verftehen, vor allem notwendig ſind.“ Zprechen wir: „Gott jet
gelobt, denn wir wollten (jo Gott unſer Yeben friften würde) nicht ruhen,
bis wir den Mann jehen und hören werden. Dem wir haben jeinetwegen
unjere Fahrt unternommen“. ... Nach ſolchen Worten fragt er: „Wo habt
ihr vormals ſtudirt?“ Antwort: „Zu Baſel.“ Sagt er: „Wie fteht es
zu Bajel, iſt Erasmus Moterodamus noch dajelbit, was tut er?" „Mein
Herr (jprachen wir), es ijt uns nichts anders befannt, denn es ftehe wohl;
jo ijt Erasmus auch da; was er aber handle, iſt jedermann unbekannt und
verborgen, da er ſich gar till und heimlich hält.“ Diefe Worte nahmen uns
gar wunder am dem Weiter; ... zudem redete ev dazwijchen etliche lateinijche
Norte, daß ung wollte bedinten, er wäre eine andere Perjon, denn ein ge
meiner Reiter. „Yieber", fragt er uns, „was hält man im Schweizerland
von dem Luther?“ „Mein Herr, es find (mie allenthalben) mancherlei Mei-
nungen ; etliche können ihn nicht genugjam erheben und Gott danken, daß er
jeine Wahrheit durch ihn geoffenbaret und die Irrtümer zu erfennen gegeben
bat; etliche aber verdammen ihn als einen unleidlichen Neger, und vor allem
die Geiſtlichen.“ Sprach er: „Ich verjehe mich dejien wohl, es jeien Die
Pfaffen.“ Unter ſolchem Geſpräch ward er ums gar heimlich; jo daß mein
Geſell das Büchlein, das vor ihm lag, aufhob, und es aufſperrte. Da war
es ein hebräiſcher Pialter; da legte er es bald wieder nieder, und der Neiter
a
299
behielt das, woraus uns mehr Zweifel zufiel, wer er doc) wäre, und jprad)
mein Gejelle: „Ich wollte einen Finger von der Hand geben, daß ich mic)
auf dieſe Sprache verſtünde.“ Antwortete er: „Ihr möget e8 wohl begreifen,
wo ihr anders Fleiß anwendet; denn auch ich begehre die, weiter zu erlernen,
und übe mic täglich darin.“
Nachdem der Tag ganz hinunter und es jehr dunfel ward, fam der
Wirt vor den Tiih, wie er unjer hoch Verlangen umd Begierde nach dem
M. Yuther vernommen. Sprach er: „Yiebe Gejellen, euch wäre es gelungen,
wo ihr vor zwei Tagen bier gewejen wäret; denn bie ijt er an dem Tiſch
gejeffen und (zeigt mit dem Finger) an dem Ort.“ Das verdroß uns jehr
und zürnten, daß wir uns verjäumt hätten; ... doch jpradhen wir: „Nun
freut uns doch, daß wir in dem Haus, an dem Tiſch, da er gejejfen, find“!
Des mochte der Wirt wohl lachen und ging damit zu der Tür hinaus. Nach
einer Kleinen Weile ruft mich der Wirt vor die Stubentür hinaus, zu ihm
zu kommen. Erjchraf id) und bedachte mich, was ich verunſchicket oder weſſen
ih unjchuldig verdadht würde, Da ſprach der Wirt zu mir: „Dieweil ich
euch in Treuen erfenne, daß ihr den Yuther zu hören und jehen begehret, der
iſt's, jo bei euch ſitzet.“ Die Worte nahm ich gejpöttweije auf und jprad):
„Ja, Derr Wirt, ihr wolltet mich gern foppen und meine Begierde mit des
Yuthers Trugbild erjättigen.” Antwortete er: „Er iſt es gewiß; doch tu
nicht dergleichen, als ob du ihn dafür hafteft und kenneſt.“ Ich ließ dem
Wirt Necht, ich konnte es aber nicht glauben. Ich ging wieder in die Stube,
jegte mich wieder zu dem Tiſch, hätte es auch meinem Gejellen gern gejagt,
was mir der Wirt eröffnet hatte. Endlich wandte ich mich gegen ibn, raunte
heimlich [ihm zu], der Wirt hätte mir gejagt, der jei der Yuther. Er wollte
es auch, wie ich, nicht bald glauben und ſprach: „Er hat vielleicht gejagt,
es jei der Hutten und haft ihm nicht recht verſtanden.“ Dieweil mich nun
die Neiterfleidung und Geberde mehr an den Hutten, denn an dem Yuther
als einen Mönchen gemahnte, Lie ich mich bereden, er hätte geiprochen: er
ift der Hutten, da die Anfänge beider Namen jchier zujammenflingen. Des:
halb, was ich fürderhin redete, geſchah, als ob ic) mit Herrn Ulrich von Hutten,
Ritter, redete.
In dem allem kamen ihrer zwei Kaufleute, die auch allda übernacht
bleiben wollten, und nachdem fie jich entkleidet und entjpornt, legte einer
neben jich ein uneingebundenes Buch; fraget Martinus, was es fr ein Buch
wäre. Sprad er: „Es ijt Doktor Yuthers Auslegung etliher Evangelien
und Epifteln, erjt neu gedrucdt und ausgegangen, habt ihr die nicht gejehen ?“
Sprah Martins: „Sie jollen mir auch bald werden." Da fprad) ber
Wirt: „Nun füget euch zum Tiſch, wir wollen eſſen!“ Wir aber jprachen
und baten den Wirt, er möchte jich mit uns leiden und uns etwas Beſon—
deres geben. Sprach der Wirt: „Yiebe Gejellen, jeget euch nur zu den
300
Herren an den Tiſch; ich will euch ziemlich halten.“ Da es Martinus hörte,
jpradh er: „Kommet herzu, ich will die Zehrung mit dem Wirt jchon ab-
tragen."
Unter dem Eſſen tat Martinus viel gottjelige freundliche Reden, daß
die Kaufleute und wir vor ihm verftummten, mehr auf feine Worte, denn
alle Speiſen achtend. . .. Indem fam der Wirt neben uns, jprach heimlich:
„Habt nicht Sorge für die Zehrung. Martinus hat das Nachtmahl für euch
ausgerichtet.” Das freute uns jehr, nicht des Geldes und des Genießens
wegen, jondern daß uns diefer Mann gaftjvei gehalten hatte. Nach dem
Nachtmahl jtanden die Kaufleute auf, gingen in den Stall, die Noffe zu ver-
jehen. In dem blieb Martinus allein bei uns in der Stube; da dankten
wir ihm für feine Verehrung und Spende, ließen uns dabei merfen, daß wir
ihn für Ulrich von Hutten hielten. Er ſprach aber: ch bin es nicht." Zur
Hand kommt der Wirt, ſpricht Martinus: „Ich bin dieſe Nacht zu einem
Edelmann geworden ; denn dieje Schweizer halten mic; für Ulrich von Hutten.“
Sprad der Wirt: „Ihr jeid es nicht, aber Martimus Luther.“ Da lächelte
er mit jolchem Scherz: „Die halten mich für den Dutten, ihr für den Yuther,
ich jollt wohl bald Vlarkolfus ! werden“, umd nad) ſolchem Geſpräch nahm
er ein hoch Bierglas und ſprach nad des Yandes Brauch: „Schweizer,
trinten wir noch einen freundlichen Trumf zum Segen!" Und wie id das
Glas von ihm empfangen wollte, änderte er das Glas, bot dafür einen Krug
mit Wein, jprechend: „Das Bier ift euch unheimiſch und ungewohnt, trinfet
den Wein!" Indem ftund er auf, warf den Wappenrod auf feine Achjeln
und nahm Urlaub, bot ung jeine Hand und ſprach: „So ihr gen Wittenberg
fommet, grüßet mir den Dr. Hieronimum Schurpfen.“ Sprachen wir: „Wir
wollten es willig tun; ja wie jollen wir euch nennen, daß er den Gruß von
euch verstehe?" Sprach er: „Saget nicht mehr, denn: der kommen jolt,
läßt euch grüßen; jo verfteht er die Worte bald.“ Alſo ſchied er von uns
[und ging] zu feiner Ruhe. — — —
Am Samftag darnach find wir bei dem Dr. Hieronimo Scurpfen em-
gefehrt, auch unjere Briefe zu überantivorten. Wie man uns in die Stube ruft,
jiehe, jo finden wir Martinum gleicher Maßen, wie zu Jena, bei ihm Philip-
pus Melanchthon, Yuftus Jodocus J Jonas, Nikolaus Amsdorf, Dr. Auguſtin
Schurpf, erzählend, was ſich in ſeiner Abweſenheit zu Wittenberg verlaufen
habe. Er grüßt uns und lächelt, zeigt mit dem Finger und ſpricht: „Dies
iſt der Philipp Melanchthon, von dem ich euch gejagt habe;“ da fehret ſich
' Anjpielung anf das bekannte Bollsbud aus dem 15. Jahrhundert: „Salomon und
Martolf“, in welchem der lettere als cine Art Eulenjpiegel ericheint, der felbjt den weiſen
Salomon überlijtet.
301
Philippus gegen ums, fraget viel, und fo mandherlei der Läufe halb, des
wir ihm, jo viel wir mußten, Beſcheid geben. Aljo verbrachten wir denjelbigen
bei ihnen, unjerjeitS mit Freuden und großem Verlangen.
119. Aus Bwinglis göttlicher Dermahnung an die Schwizer, daß
fie ih vor fremden Herren hüten umd entladen. Mai 1522.
Zwingli's Werfe IL. 2. S. 289 fi.
„Unſere Altwordern haben aus feiner andern, als güttlicher Kraft ihre
‚Feinde überwunden und fich in Freiheit gejegt, haben auch joldhes immer an
ſich treulich erfannt mit großer Dankbarkeit und Yiebe. ... Dazu haben auch
unſere Altvordern nicht um Yohn Chriftenleute totgeichlagen, jondern um
Freiheit allein geftritten, dantit ihr Yeib, Yeben, Weib und Kind eimem üp—
pigen Adel nicht jo jämmerlich zu allem Mutwillen unterrvorfen wäre. Welcher
‚sreiheit Gott jelber günftig ift, wie er bezeugt hat, indem er alle Kinder
Israels aus Ägypten geführt hat, darım daf fie die ägyptiſchen Könige und
Bolt ungnädiglih und ſchmählich hielten, ... auch, indem er fie darnach, da
jie nach einem König fchrien, von den Mifbräuchen und der Gewalt der
Könige berichtete, ohne Zweifel fie vor der Herrichaft warnend. — —
Darum hat ihnen Gott immer Sieg, Ehre und Gut gemehrt, jo gewiß,
jo oft, daß fein Herr fie nie überwunden hat, jo ftarf ift er nie geweſen;
was ohne Zweifel nicht menjchlichen Vermögens ift, jondern göttlicher Kraft
und Gnade. Ja, wo fie ihr Vaterland beichirmt haben und ihre Freiheit,
wie am Meorgarten, zu Sempach, zu Näfels in Glaris, da vierthalbhundert
fünfzehntaujfend eines Tags zum elften mal angegriffen und zum legten in
die Flucht gejchlagen — bei denen auch ihr Frommen von Schwiz dreißig Mann
gehabt habt — ja nod) an viel Orten, da jie angegriffen umd immer mit
Freud und Ehren wiederum heimgefommen, jet gar nabe an zweihundert
Jahre ruhig geweien jind und ungeſchändet. — —
Da nun leider jeit einiger Zeit etliche unter ums kindiſch genug ihrer
jelbjt vergejjen, Gottes vergejfen, ſich von ihrer Begierde haben führen laſſen,
bat der Teufel, aller Frommen Feind, gleich wie zum erjten der Gejchöpfe
die Schlange, aljo zu unſern Zeiten die fremden Herren aufgerichtet, daß fie
mit uns aljo jprächen: „Ihr ftarfen Helden, jolfet nicht in euerm Yand und
Gebirge bleiben; was wollt ihr mit dem rauhen Yande? Dient uns um
reihen Sold! Wird euch großen Namen und Gut gebären und wird eure
Stärke den Menſchen Fund umd gefürchtet!" Gleich wie der Teufel zu Eva
302
ſprach durch die Schlange: „Ahr werdet wie die Götter.” ... Alfo find fie
mit einer einfältigen Eidgenoffenichaft umgegangen, ihren Nuten juchend, bis
jie uns in folche Gefahr und unfreumdfiche Hand gebracht, daß wir ungeachtet
des Vaterlands größere Sorge haben, wie wir ihnen das Ihre, Neich und
Gewalt, behalten, als unjere eigenen Häufer, Weib und Kind. Und das wäre
alles Flein, wo uns nit Schand und Schaden damit Hand in Hand ginge.
Wir haben in Menfchengedenfen zu Neapel, Novara, Mailand größeren
Schaden im der Herren Dienft empfangen, denn dieweil eine Eidgenoffenfchaft
geftanden ift; und find im eigenem Krieg immer jiegbaft gewejen, in fremden
oft fieglos.
Das aber alles zu bejorgen ift aufgebracht worden von denen, jo ihren
eigenen Nuten mehr denn den gemeinen angejehen haben; und es kommt doch
der Schaden der Gemeinichaft ins Haus; ja es wächst von Tag zu Tag
immer mehr Geiz, Woltuft, Mutwille, Ungeborfam; wir legen denn ein an-
deres Kleid an umd tuen die Augen auf, daß wir die Gefährlichkeit, jo darauf
jteht, jehen und verhüten. Deren Gefährlichfeiten die erfte und
größte ift, dak wir den Zorn Gottes damit Schwer auf uns
laden. ... Es joll auch eim jeglicher die Gefahr des Krieges an ſich ſelbſt
bedenfen, wenn mit ihm gehandelt würde, wie er mit andern Chriftenmenjchen
handelt, daR, wo ein fremder Söldner dir in dein Yand gewaltig zöge, deine
Matten, Äcker, Weingärten verheerte, deine Rinder und Vieh hinweg triebe,
allen Hausrat zuſammen bände umd hinweg führte, deine Söhne vorher im
Angriff, jo fie ſich und dich beichirmten, erjchlagen hätte, deine Töchter mit
Gewalt motzüchtigte und jchändete, deine liebe Hausfrau, jo herfür geht und
zu den Füßen fällt, dir und ihr Gnade begehrend, mit den Füßen hinſtieße,
und dich, frommen alten Knecht, in deinem eigenen Haus und Gemach ver:
borgen liegenden, hervorzöge und dich im Angejicht deines Weibes jämmerlich
erjtäche, unangefehen dein zitternd ehrjam Alter, deiner frommen Hausfrau
Jammer und Klage, und zulett erjt Haus und Hof verbrannte. So meinteft
du, wo ſich der Himmel nicht auftäte und Feuer fpiee, und das Erdreich jich
nicht zerriffe und jolche Böſewichte verichlucte, jo wäre fein Gott; und jo du
aber dergleichen einem andern tuft, meinft du, es jei Kriegsrecht. — —
Die andere Gefahr, die uns der Herren und ihres Kriegens halber
bevorfteht, ift, Dak daraus niedergedrüdt wird die gemeine Ge-
rechtigkeit, als gar ein alt geiprochen Wort: Leges silent inter arma,
das ift, wo die Waffen Oberhand haben, da müſſen die Geſetze ſtill ſtehn
und jchweigen. Auch ift das Wort „Nriegsrecht“ nichts anderes denn Ge—
walt. Brauch es, wie du willſt, und befimm es, wie du willſt, es ijt nichts
anders denn Gewalt. Noch werfen fie entgegen: Man muß die Ungebor-
jamen mit Gewalt und Waffen zwingen, wo jie dem Rechten nicht folgen
wollen,” ... a wenn man mit Striegen nur dieſelben träfe oder jeder die
Seinen, fo ungehorfam find, zum Gehorſam in ziemlichen Dingen zwänge,
ginge es feinen Weg. Was redeft du aber dazu, dak du Geld nimmft umd
einem fremden Herrn bilfft, ein anderes unverjchuldetes Yand mit Gewalt
berauben, einnehmen, verheeren? ja etwa Herren bilfft, denen gar nicht ziemt
zu Eriegen, als Bijchöfen, Päpften, Abten und andern Geiftlichen allein um
Geldes willen? So wir aber hriftlic) von der Sache reden follten, jo ziemt
uns das Kriegen in feiner Weiſe. Wir jollen aus der Yehre Ehrifti Gott
bitten für die, fo uns übel reden und verfolgen und nad) einem Badenftreic)
den andern auch darbieten. Denn jo werden wir Söhne des himmlischen
Vaters.
Weiter fchaden die Herren gemeiner Gerechtigfeit, indem ihre Gaben
eines jeden Mannes, jei er jo weiſe als er wolle, Vernunft und Tugend
verblenden, wie Mojes lehrt: „Die Gaben verblenden die Augen der Weijen
und verfehren die Worte der Gerechten.“ O web, was mag uns hie in den
Sinn fommen? Ohne Zweifel das, daß fo mancher wohlfönnende biderbe
Mann ums ift verblendet worden, daß er all feine Worte, Vernunft und
Sinn darauf gelegt hat, daß er einem Herm feinen Nugen und Yob fürdern
möchte; damit die Einfältigen durch feine ſüßen, aber jchädlichen Worte ver-
feitet würden, feiner Meinung nachzufolgen. Auch ift zu bejorgen, daß ein
großer Teil derjelben einander die Hand bieten und helfen, es ſei vor Gericht,
im Rat, an Gemeinden, dadurch ein lauterer und rechter Handel zumeilen
getrübt und gebeugt werden müffe, davon Jeſajas droht: „Weh euch, Die
jagen, das Bös jei gut und das Gute fei bös, die die Finfternis zu einem
Yiht und das Yicht zu einer Finfternis machen.“ Wann die da jagen:
„Bir müffen aber Herren haben; wir find ein armes Volk, haben ein rauhes
Yand“, fo ift es wahr: je man fich nicht begnügen will mit ziemlicher Nah—
rung und Kleidung, muß es irgend woher fommen. Wenn aber feiner ſich
weiter ftredte, als er Dede hat, bevürfte e$ der Worte nicht. Denn der
Kaiſer Julius hat, nachdem er die Helvetier (derem größter Teil wir in der
Eidgenoffenschaft find) überwand, verordnet, daß ihr Yand wieder angebaut
werde, darum daß es fruchtbar wäre. Wie wäre es geichehen, daß es nicht
mehr fruchtbar wäre und vor jechszehneinhalbhundert Fahren fruchtbar geweſen
wäre. Ja, es ijt fruchtbarer an fchönen, mannbaften Yeuten, denn fein Yand
auf dem Erdboden ift, und fruchtbar genug, diejelbigen zu ernähren, jo wir
nur mit ihm vorlieb nähmen.
Ferner jo verbfendet uns der Herren Geld, dak wir wenig achten den
Verluſt unſeres eigenen FFleiiches und Blutes, mur daß den Herren gedient
werde; auch wenig des ganzen Regiments, ob aller Ungehorjam erwächst
und man wm die Obrigkeit gar nichts gibt; womit aber mit der Zeit aller
Schirm der Tugend niedergelegt wird und alle Nache des Übeln. Much er-
wächst daraus mit der Zeit, daß die Neisläufer mit Gewalt die Obrigfeit
303
re
304
unter ſich zwingen werden und fchalten, wie fie wollen. Much werden fie ung
zwingen zu halten, was wir nicht jehuldig find, umd jprechen, wir jeien es
jchuldig, und uns verblenden, dak wir umjern gemeinen Nuten nicht erfennen
mögen, noch unjern Borteil und Recht ermeffen und uns daran halten dürfen.
Verſteht mich aljo: So ein Herr mit einem Nat oder einer Gemeinde öffentlich
einen Handel vornimmt, da es fich aber micht ziemt, weder Miet noch Gaben
zu nehmen, und er heimlich mit Gaben jein Vornehmen durchjegt: wenn Die:
jelben jeine Gaben offenbart und die Untreue und Hintergehung entdedt wird,
ift man ihm micht nur nichts jchuldig, jondern man mag jolche Untreue aud)
an ihm rächen nach den menjchlichen echten. Und laß dich das nicht wunder-
nehmen; du findeft die päpftlichen Rechte darüber ; und wenn ſchon der Papſt
jelbft es tut, ift man ihm nichts jchuldig. ... Bier wird Eure Frommheit
verftehen, daß ich einmal vecht geredet habe, wiewohl es mir in Haß verkehrt
ward, da ich ſprach: „Ich wollte, dak man durd des Bapites Bereinigung
ein Yoch geftochen und jie dem Boten auf den Rücken gegeben hätte, beim-
zutragen !." Das däuchte jedermann ein unbillig Ding; und redete ich aber
jolhes aus oben angezeigtem Grund; denn ich wußte, daß der Papit mit
heimlichen Penjionen umgegangen war und man ihm darım nichts jchuldig
war. Aljo verfteht es von einem jeglichen Herrn. — —
Die dritte Gefahr ift, daß man böje Sitten mit fremden:
Geld uud Krieg hbeimbringt und pflanzet. Das jehen wir eigent-
lich; denn die Unſern find nie heimgefommen aus fremden Kriegen, jie hätten
“denn mit fich etwas Neues gebracht an Kleidung ihrer jelbit und ihrer Weiber,
an Speis, an Trank Unmaß, neue Schmwüre; und mas fie jündliches jehen,
das lernen jie gern; alfo daß zu beiorgen ift, laſſe man nicht von freinden
Herren, man werde noch jchädlichere Yafter mit der Zeit erlernen. Es wird
auch alle Frauenzucht davon ſchwächer und unfrommer. ... Es ift auch zu
bejorgen, es werde mit der Zeit viel abgehn an Manmnbaftigteit, wiewohl
wir desjelben noch nicht inneworden jind; dennoch jo erlindet man in der
Wolluft; denn ſanft Yeben wird nicht gern verlaffen. ... Was meint ihr,
daß zulett aus den goldenen Hemdlein werde, Fingerringen, jeidener Klei—
dung? Sektor hielt jeinem Bruder Alerander jcharf vor, daß er immer jo
weichlich gelebt habe, annehmend, es babe ihn dazu gebracht, daß er vor
jeinem Feind Menelaus geflohen wäre.
Die vierte Gefahr, daß die Derrengaben großen Haß und
Untreue unter uns gebären. Deun es ijt von Natur des Glückes
Sejell der Haß, daß, wo man Glück hat, die Mikgunft gleich darnad) fommt ;
Als Zürih 1521 kraft des 1515 geichloffenen Bındes vom PBapft zum Zuzug af
geiordert wurde,
aa — —
305
noch viel mehr wird man neidiſch, da einer ſo viel vor den andern gewertet
wird; und ſo aber die Not kommt, iſt je ein biderber Mann des andern
wert, und beſchirmen das Vaterland die allerſchlichteſten viel mannhafter denn
die Gejtreiften ! zum öfteren Mal. Und nad) ſolcher Mißgunſt kommt auch
Uneinigfeit und Unwillen derer, die da jagen: „Geh du voran, tu du Dies,
tu du das, fannft du mehr Geld auflefen, lies auch mehr Streiche auf." End:
lich, Krieg fremder Herren und Geld ijt eine Schule aller Yafter und Mutter,
die uns ins Alter nichts anderes gebiert, al$ verfümmertes Gewiſſen.
Die legte Gefahr ijt, dag man bejorgen muß, man fomme
zulegt in der Herren Hände, entweder derer, die Freundſchaft mit
uns haben, oder aber derer, die uns Feind find. Denn was ift nicht zu
fürdten, da Hoffart, Weichlichfeit, Neid und Zwietracht jo ftarf find; auch,
jollte e8 dazu kommen, daß man uns mit dem Maß gemejjfen wird, mit dem
wir gemejfen haben, wir möchten unfern Jammer nicht genug beweinen ..
davor uns Gott behüte.
Darum, fronme, weife getreue liebe Ehrenleute von Schwyz! ermahne ich
euch beim Yeiden und Erlöjen Jeſu Chriſti, umjeres Herren, bei aller Ehre,
jo der allmäcdhtige Gott unjern frommen Altvordern je bewiejen hat, bei dem
Schweiße und der übeln Zeit, die fie gehabt haben um unjerer Freiheit willen.
Hütet euch vor der fremden Herren Geld, das uns umbringen würde, und
tut das, dieweil es noch geſchehen mag, und folget nicht denen, jo da jprechen,
es Fünne nicht geichehen. Es jteht noch wohl in einer Eidgenojfenjchaft; der
Unwille, der jich unter uns erzeigt, iſt nur ein Blast ?, gleich wie zwijchen
zwei Ehemenjchen oder Brüdern oft gejchieht, nicht eine ſtarke Feindſchaft.
Dazu haben wir jo große Stärke an Yeuten als je, Gott behüte fie! Und
es wird der Sad) leichtlicd) Nat, jo man fie trenlich und handlich vornehmen
wird. Ihr habt dazu günftig unſere frommen Yeute von Zürich, Stadt und
Gebiet, zu denen ich mich verjehe, daß fie hinfür fein Herr vermögen werde,
da fie etwas mit ihm jolch jchädlidher Gejtalt handeln oder fich dazu ver:
binden werden; Gott befeftige fie in gutem Vorhaben! Dazu eure frommen
Zugewandten ?, deren Ehrbarfeit fremden Herren auch ganz entgegen ift.
Und fo ihr auch wiederum im die Fußſpur unferer frommen Altwordern treten
würdet, habe ich feinen Zweifel, es wirde euch eine gemeine Eidgenofjenichaft
folgen. . . Yafjet euch micht befümmern den Abgang der Neichtümer. Es
ift ei armer Neichtum, darım einer umkommen muß. Solcher Reichtum ift
nichts anders denn ein Yeim, darin man gefangen wird gleich wie die Vögel.
Yafjet euch auch nicht befümmern den Abgang fremder Hilfe, jondern jprecht
! Diejenigen, deren Nleidung bunte Streifen aufweist (die Neihen 4 — ſchnell
vorübergebendes Unwetter, — ? Mit Zürich hatten auch die Bündner den Kriegszug für
Aranfreih ausgeichlagen.
Oechsli, Quellenbuch. 20)
306
mit dem heiligen Paulus: „Wenn Gott an unferer Seite jtehen wird, wer
wird wider uns jein?” Wie haben unjere Vorfahren getan, deren noch viel
weniger waren, als unjer jett ift; man bedarf der Yege zu Art und Näfels
nicht mehr; der Rhein ift jett die Yere. Wiewohl das alles nichts ift, es
behüte denn Gott jein Volk. . . . Es ſchadet nichts, daß der Widerftrebenden
viel find; Gott ijt ftärfer denn fie alle. Höre man nur nicht auf mit ängft-
(ihem Gebet ihn anzurufen; er wird uns wohl rechten Zinn und Berjtand
geben, und vom Böſen zum Guten fehren. Das tut Gott. Amen.
120. Die 67 Theſen Bwinglis zur Difputation in Zürich.
Jannar 1523.
Zwinglis Werte L S. 155 fi.
1. Alle, jo reden, das Evangelium jei a ohne die Bewährung der
Kirche, irren amd ſchmähen Gott.
2. Summa des Evangeliums ift, daß unfer Herr Ehriftus Jeſus, wahrer
Gottes Sohn, uns den Willen feines himmlischen Vaters fund getan und
mit jeiner Unſchuld vom Tod erlöst und Gott verfühnt hat.
3. Daher der einzige Weg zur Seligfeit Chriftus ift aller, die je
waren, find und werden,
4. Welcher eine andere Türe jucht oder zeigt, der irrt, ja ift ein Mörder
der Seelen und ein Dieb.
5. Darum alle, jo andere Yehren den Gvangelio gleich) oder höher
mejjen, irren, willen nicht, was Evangelium iſt.
6. Dem GChriftus Jeſus ift der Wegführer und Hauptmann, allem
menschlichen Geichlecht von Gott verheifen und auch geleitet.
7. Daß er ein ewig Heil und Haupt jet aller Gläubigen, die fein
veichnam jind, der aber tot ift umd nichts vermag ohne ibn.
8. Aus dem folgt, daß alle, jo in dem Haupt leben, Glieder und Kinder
Gottes find; umd das ijt die Kirche oder Gemeinſchaft der Deiligen, eine
Hausfrau Chriſti. Ecelesia catholica.
9. Zum andern, daß wie die leiblichen Glieder ohne Verwalten des
Hauptes nichts vermögen, alſo in dem Yeib Chriſti niemand etwas vermag
ohne jein Haupt Chriſtum.
10, Wie der Menſch toll fit, jo die Glieder etwas ohne das Haupt
wirfen, [wie ſie fich jelber reißen, verwunden, jchädigen: alio, wem die Glieder
Ehrifti etwas ohne ihr Haupt Chriſtum verfuchen, jind ſie toll, jchlagen
und beichweren jich jelbjt mit unweiſen Gejegen.
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307
11. Daher jehen wir der jogenannten Geiftlichen Satungen von ihrer
Pracht, Neichtüimern, Ständen, Titeln, Gejegen eine Urſache aller Unfinnigfeit
jein; denn fie ſtimmen nicht mit dem Haupte überein.
13. Ro dem Gehör gegeben wird, lernt man lauter und flar den
Willen Gottes und wird der Menſch durch feinen Geift zu ihm gezogen und
in ihn verwandelt.
14. Darum alle Chriftenmenfchen ihren höchften Fleiß anfehren ſollen,
dat das Evangelium Chrifti einzig gepredigt werde allenthalben.
16. Im Evangelium lernet man, daß Menfchenlehre und Satungen
zu der Seligfeit nichts nügen.
Vom Papſt.
17. eDak Chriftus ein einziger ewiger oberjter Priefter ift, daraus er-
meſſen wird, daß, die jich für oberjte Priefter ausgegeben haben, der Ehre
und Gewalt Ehrifti widerftreben, ja fie zurückſetzen.
Von der Meſſe.
18. Daß Ehriftus, fich jelbft einmal aufgeopfert, in die Ewigfeit ein
ausreichendes uud bezahlendes Opfer ift, für aller Gläubigen Sünde; daraus
ermefjen wird, daß die Meſſe nicht ein Opfer, jondern ein Wiedergedächtnis
des Opfers ift und eine Verficherung der Erlöfung, die Ehriftus uns be-
wieſen bat.
Bon der Fürbitte der Heiligen.
19. Daß Chriftus ein einziger Mittler ift zwiſchen Gott und uns.
20. Daß uns Gott alle Dinge will in feinem Namen geben; daraus
entjpringt, daß wir auferhalb diejer Zeit feines Meittlers bedürfen, denn
jeiner.
21. Daß, jo wir für einander auf Erden bitten, das in der Geitalt
tun, daß wir allein daranf vertrauen, dak uns durd Chriftum alle Dinge
gegeben werden.
Bon den guten Werfen.
22. Daß Ebrijtus unſere Gerechtigkeit ift, daraus wir ermeſſen, daR
unfere Werfe ſoweit gut find, foweit jie Chrifti, joweit fie aber unſer, nicht
recht, nicht gut find.
Vom Gut der Geiſtlichen.
23. Daß Chriftus die Habe und Pracht diefer Welt verwirft; daraus
ermejjen wird, daR die, jo Neichtum an fich ziehen in feinem Namen, ihn
größlich ſchmähen, fo jie ihm zu einem Deckmantel ihres Geizes und Mut:
willens machen.
Vom Speijeverbot.
24. Daß ein jeder Chrift zu den Werfen, die Gott nicht geboten hat,
308
unverbunden ift, darf alle Zeit alle Speiſe effen; daraus gelernt wird, daß
Käfe- und Butterbriefe ' eine römiſche Gejchwindigfeit find.
Bom Feiertag und Wallfahrten.
25. Daß Zeit und Ort den Ehriftenmenjchen unterworfen jind und der
Menſch nicht ihnen; daraus gelernt wird, daR die, jo Zeit und Ort anbinden,
die Chriften ihrer ‘Freiheit berauben,
Bon Kutten, Kleidung, Zeichen.
26. Daß Gott nichts mißfälliger ift, als Gleisen; daraus gelernt wird,
daß alles, jo ſich verichönt vor Menſchen, eine jchwere Gleisnerei und Ver—
ruchtbeit ift. Dier fallen Nutten, Zeichen, Platten ? :c.
Bon der geiftlihen Ehe.
28. Daß alles, jo Gott erlaubt oder nicht verboten hat, recht ijt; daraus
gelernt wird, daß die Ehe allen Menjchen jich zieme.
29. Daß alle, die man geiſtlich nennt, fündigen, wenn fie, nachdem fie
inne worden find, daß ihnen Gott Neinheit zu halten abgejchlagen hat, ſich
nicht mit der Ehe vorjehen.
Nom Gelübde der Neinbeit.
30. Daß die, jo Neinheit verheißen, närrifch oder kindiſch zu viel auf
fid nehmen; daraus gelernet wird, daß, die jolche Gelübde abnehmen, frevent-
lih an den frommen Menſchen fahren.
Bon dem Bann.
31. Daß den Bann fein einzelner Menſch jemand auflegen mag, jon:
dern die Kirche, das ijt die Gemeinjchaft derer, unter denen der Bannwürdige
wohnet, mit jamt dem Wächter, das ift der Pfarrer.
32. Daß man allein den bannen mag, der öffentlich ärgert.
Von unredhtfertigem Gut.
33. Daß unredtfertig Gut nicht Tempeln, Klöftern, Mönchen, Pfaffen,
Nonnen, jondern den Dürftigen gegeben werden joll, jo es dem redjten Be:
jiger nicht zurüderftattet werden mag.
Bon der Obrigfeit.
34. Die jogenannte geiftliche Gewalt bat feinen Grund ihrer Pracht
aus der Yehre Chriſti.
' Die Kirche gewährte gegen gewiſſe Taren die Erlaubnis zur Faſtenzeit Käſe und
Butter zu genteßen. — ? Die Tonſur.
— — ⸗— — —
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35. Uber die weltliche hat Kraft und Befeftigung aus der Yehre umd
Tat Ehrifti.
36. Alles, jo der geiftlih genannte Stand ihm zuzugehören Nechtes
oder Rechtesichirms halber vorgibt, gehört den Weltlichen zu, wenn fie Ehriften
jein wollen.
37. Ihnen find alle Chriften jchuldig gehorjam zu fein, niemand aus:
genonmen.
38. Sofern fie nichts gebieten, was wider Gott ift.
39. Darım jollen alle ihre Geſetze dem göttlihen Willen gleichförmig
jein, aljo daß fie den Bedrückten beſchirmen, ob er ſchon nicht klagte.
40. Sie mögen allein mit Hecht töten, auch allein die, jo öffentlich
Ärgernis geben (Gott unerzürnt, der heiße denn ein anderes).
41. Wenn fie recht Rat und Hilfe leiften denen, fir die fie Rechnung
geben werden vor Gott, fo jind diefe auch ihnen fchuldig, leibliche Hand-
reichung zu tum.
42. So fie aber ungetreu und außer der Schnur Chrifti fahren würden,
mögen fie mit Gott entjegt werden.
43. Summa, deſſen Neich iſt am allerbeiten und fejtejten, der allein
mit Gott herrſchet, und deffen am allerböjejten und unftäteften, der aus feinem
Gemüt [herricht].
Bom Gebet.
44, Wahre Anbeter rufen Gott im Geift und wahrhaft an, ohne alles
Geſchrei vor den Menfchen. |
45. Gleisner tun ihre Werte, daß fie von den Menſchen gejehen werden ;
nehmen aud) den Yohn in diefer Zeit! ein.
46. So muß immer folgen, daß Tempelgeſang oder Geſchrei ohne Au—
dacht und nur um Lohn entweder Ruhm jucht vor den Menſchen oder Gewinn.
Vom Ärgernis.
47. Yeiblihen Tod foll der Menſch eher leiden, als daß er einen
Chriſtenmenſchen ärgere oder ſchände.
48. Wer aus Blödigfeit oder Unwiſſenheit jich will ohne Urjache ärgern,
den joll man nicht frank oder Klein bleiben laſſen, jondern ihn ftarf machen,
daß er nicht für Sünde halte, was nicht Sünde tft.
Bon Nachlaſſen der Sünde.
0. Gott läßt allein die Sünde nah, durch Chriftum Jeſum feinen
Sohn, unjern alleinigen Herren.
'» b. auf Erden, jtatt im Jenſeits.
—
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51. Welcher ſolches der Kreatur zumißt, zieht Gott ſeine Ehre ab und
gibt ſie dem, der nicht Gott iſt; iſt eine wahre Abgötterei.
52. Darum die Beichte, ſo dem Prieſter oder Nächſten geſchieht, nicht
für ein Nachlaſſen der Sünde, ſondern für eine Ratforſchung vorgegeben
werden joll.
53. Aufgelegte Bußwerke, fommend von menschlichen Yatjchlag (aus-
genommen den Bann), nehmen die Sünde nicht hin, werden aufgelegt andern
zum Schreden.
54. Chriftus bat ’all unſere Schmerzen und Arbeit getragen. Welcher
nun Bußwerken zumißt, was allein Chriſti ijt, der irrt und ſchmäht Gott.
55. Welcher irgend eine Sünde dem reuigen Menſchen nachzulafjen
jäumte, wäre nicht an Gottes, noch Petri, fondern an des Teufels ftatt.
56. Welcher etlihe Sünde allein um Geldes willen nachläßt, ift St
mons und Balaams Gejell und des Teufels eigentlicher Bote.
Bom Fegfeuer.
57. Die wahre beilige Schrift weiß fein Fegfeuer nach dieſen Zeiten.
58. Das Urteil der Abgefchiedenen tft allein Gott befannt.
59. Und je minder uns Gott davon hat wiſſen lajfen, je minder wir
ung davon zu willen unternehmen jollen.
60. Wenn der Menfch für die Geftorbenen jorgfältig Gott anruft, ihnen
Gnade zu beweifen, verwerfe ich das nicht; doch davon Seit bejtimmen (jieben
„jahre um eine Todſünde) und um Gewinnes willen lügen, ift nicht menſch—
li, jondern teufliich.
Bon der Priejterjchaft.
61. Von dem Charakter (Weihe), deſſen die Priefter in den letten
Zeiten find inne worden, weißt die göttliche Schrift nichts.
62. Sie erfennt auch feine Priefter, denn die jo das Gotteswort ver-
finden.
63. Denen heißt jie Ehre entbieten, das ift leibliche Nahrung reichen.
Bon der Abjtellung der Mißbräuche.
64. Alle, fo ihre Irrung erfenmen, joll man nicht laſſen entgelten, jon-
dern fie im Frieden fterben laſſen, und bernad das Ztiftsgut chrijtlich ver
wenden.
65. Die jo fie nicht ertennen wollen, mit denen wird Gott wohl han-
dein. Darum joll man ihren Berjonen feine Gewalt antun, es wäre denn,
dar fie jo ungebührlich verführen, daß man deſſen nicht entbehren möchte.
66, Es jollen alle geitlichen Vorgejegten fich eilends erniedrigen und
311
allein das Kreuz Chrifti, nicht die Kiften ! aufrichten; oder fie ftürzen um,
denn ich jage dir: Die Art fteht am Baum.
67. Wenn jemand begehrte, Gejpräch mit mir zu balten von Zinſen,
Zehnten, von ungetauften Kindlein, von der Firmung, jo erbiete ich mid)
willig, zu antworten.
Hier unterjtehe ſich feiner zu ftreiten mit Sophijterei oder Menjchentand,
jondern komme an die Schrift (die Schrift atmet den Geift Gottes), die zu
einem Nichter zu haben, damit man die Wahrheit entweder finde oder, jo
fie gefunden ijt, wie ich hoffe, behalte. Amen.
Das walte Gott!
121. Urteil des Zürcheriſchen Rates nach gehaltener Difpntation.
29. Januar 1523.
Egli, Aktenſammlung zur Gefchichte der Zürcher Neformation S. 114.
SE Na denn im jegt verfloffenen Jahre und jeither viel Zwietracht und
a | Biweiung jich zwiſchen denen erhoben, jo auf der Kanzel das
— Gotteswort den gemeinen Menjchen verkünden ; da etlich gemeint,
das gu treulich gepredigt zu haben, andere fie [aber] geichelten
haben, als ob fie nicht geichicft und frömmiglich gehandelt, und dagegen aud)
die andern wiederum die Verführer und gar Neger genannt, Die aber immer
mit göttlicher Schrift einem jeden, der es begehre, Beſcheid zu geben fich er:
boten haben ꝛc. — jo nun beinahe vor einem Jahre unferes guädigen Herrn
von Konftanz ehrwürdige Botſchaft ſolcher Sachen halb in der Stadt Zürich
vor einem Bürgermeijter, Heinem und großem Kat gemejen und hiervon allerlei
geredet worden, ift dazumal verabichiedet worden, daß unfer gnädiger Herr von
Konjtanz daran fein wolle, in jeinem Bisſtum die Gelehrten (dazu die in andern
anitoßenden Bistümern), Prälaten und Brädifanten zu berufen, zu raten und
zu helfen und mit denjelben zu handeln, damit ein einhelliger Beſchluß ge:
ichehe und männiglich fi) wühte zu halten, So aber bisher von unſerm
gnädigen Herren von Konftanz, vielleicht aus merklichen Urſachen, nichts des
halb bejonders vollendet worden iſt und die Widerwärtigleit ſich fort und
fort unter EChriftlichen und Weltlichen erhebt — jo haben ein Birgermetiter,
Rat und der Große Nat in dem Namen Gottes um Friedens und chriftlicher
’ Die Gelblajten,
—
Eu
312
Einigfeit willen diefen Tag angefegt und dazu unſers gnädigen Herrn von
Konſtanz lobwirdige Botjchaft vermocht, wofür fie ihren Gnaden hoben und
fleifigen Dank jagen; biezu alle Yeutpriefter, Pradifanten und Seelforger
insgemein und jeden bejonders durch ihre offenen Briefe aus aller ihrer
Yandichaft in ihre Stadt vor fich beſchickt, bejchrieben und berufen und be-
ichloffen, die, jo einander anfchuldigen und Ketzer fchelten, gegen einander zu
verhören, welche als die Gehorfamen erjcheinen.
Dieweil aber M. Ulrich Zwingli, Chorherr und Prädifant zum Großen
Münſter, vorher viel übel nachgeredet, verleumdet und bejchuldigt worden ift,
jo hat fich auf jein Erbieten und feine offen vorgehaltenen Artikel niemand
wider ihn erhoben oder mit der gerechten göttlichen Schrift es unternommen,
ihn zu überwinden. Und da er die, jo ihn als Keter angejchuldigt, zu mehren
Dialen hervor zu kommen aufgefordert und ihm niemand irgend welche Kekerei
bewiejen hat, haben fich darauf die genannten Biürgermeifter, Nat umd der
Große Rat der Stadt Zürich, um große Unruhe und Zwietracht abzuitellen,
nad) gehaltenem Nate erkannt, entſchloſſen und ift ihre ernjtliche Meinung,
dag M. Ulrid Zwingli fortfahren [jolle] und fortan, wie bis—
ber, das heilige Evangelium und die rechte göttlide Schrift
verfünde, fo lang und viel, bis er eines bejjern beridtet
werde Es follen auch alle andern ihre Yeutpriejter, Seel-
jorger und PBrädifanten in ihro Stadt Yandjdhaften und
Herridhaften nichts anderes vornehmen noch predigen, denn
was jie mit dem heiligen Evangelium und jonft mit redter
göttliher Schrift bewähren mögen, desgleichen einander fortan im
feiner Weiſe bejudeln, verfegern, noch andere Schmähworte zureden. Denn,
welche bierin ungehorſam erjcheinen und dem nicht genug fäten, diejelben
würde man dermaßen halten, daß jie jeben und befinden müßten, unvecht
getan zu haben.
122. Obwalden an Zürich auf deffen Einladung zu der Difputation
über Bilder und Meſſe. 25. Oktober 1523.
Eidgen. Abſchiede IV. 1.a. 2. 345.
uch zu dienen jind wir allzeit gutwiltig; aber wir haben nicht
2 | jenderlich hoch gelehrte Veute, aber fromme ehrbare Priejter, die
| uns die beiligen Evangelien und andere heiligen Schriften aus-
legen, wie unjern Altvordern das auch ausgelegt worden ift und die heiligen
Päpſte und das Nonzilium uns jolches geboten hat. Dem wollen wir nad)-
IR ’ u
313
gehn und glauben bis an unſer Ende und eher den Tod darum leiden, fo
lang bis ein Papſt und ein Konziltum das widerruft; denn wir meinen
nimmer, daR es uns zuftehe, das zu Ändern, was vor alten Zeiten jo ordent
ih mit der ganzen Chriftenheit bejchtoffen worden ijt, mit Geiftlichen und
Weltlichen; wir wollen auch nicht glauben, daß unjer Herrgott dem Zwingli
jo viel Gnaden getan habe, mehr denn den lieben Heiligen und Yehrern, die
alte Tod und Marter gelitten haben um des Glaubens willen; denn wir
vernehmen nicht befonders, dar er aljo ein geiftliches Yeben führe vor an-
dern, als [vielmehr], daR er auf Unruhe geneigt fei, mehr denn zu Frieden
und Ruhe. Darum jo wollen wir niemand zu ihm jchiefen, noch zu andern
jeines gleichen; denn wir geben ihm feinen Glauben, und daß es wahr sei,
jo find wir des Willens: hätten wir ihn und erfände ſich, daß von ihm
geredet würde, jo wollten wir ihm den Yohn geben, daR er es nimmer mehr
täte. Nichts mehr, denn jeid Gott befohlen.
125. Stiftung des Somderbundes der V Orte. 8. April 1524.
Eidgen. Abſchiede IV. 1. a. S. 410,
Die Boten der V Orte an Bern:
Euch ijt wohl wiſſend, wie daR auf jüngft vergangenen Tagſatzungen
vielmal von den gejandten Katsboten unſerer Eidgenoffen wegen der jchäd-
lichen böjen Srrung des Yuthers oder Zwinglis, auch ihrer gemeinfamen
trüglichen und zum Teil fegerifchen Lehre gehandelt, auch wie eine Botjchaft
von den eilf Orten [dabei euer Botichaft auch geweſen ift] zu euern und
unjern Eidgenofjen von Zürich geichiedt, und was mit ihnen geredet, auch
was jie darauf schriftlich und mündlich zur Antwort gegeben, und [wie] jest
auf dem jüngft vergangenen Tage zum fetten abgeredet und vereinbart
mworden it, daß jegliches Ort auf den nächjttünftigen Tag lautere Antwort
geben joll, ja oder nein, ob es dieje Huſſiſche Irrung ausreuten und wehren
helfen wolle oder nicht ꝛc,, wie das der Abjchied zugibt. Und jo wir denn
täglich jehen und merfen, daß dieje neue leichtfertige Yehre von Tag zu Tag
ji) mehrt, da des Menjchen Eigenſchaft ſonderlich geneigt iſt zu neuen
Dingen und mutwilliger Freibeit und Üppigfeit, wie das Vieh ohne Gejet
und Ordnung zu leben; dieweil dann ... mit Vermmft wohl mag
gejeben und gemerft werden, wozu dieſe neue Lehre uns Eidgenofien
dienen und gereichen werde, aber wahrlich zu nichts Gutem, jondern gewiß
folgt aus ſolcher Verfehrung des heiligen Gotteswortes und it zum Teil
vorhanden der Ordnung der hl. chrijtlichen Kirche Zerjtörung, altes Gottes:
314
dienftes Verachtung, Gottes und feiner auserwählten Mutter, der Jungfrau
Marie, Verkleinerung, der lieben Heiligen Berjpottung, der Seelen der arınen
Ehriftgläubigen und aller unferer Vorfahren Bergeffung, und in Zumma
eine Zerrüttung geiftlicher und weltlicher Obrigfeit. ... Wir wollen aber
biemit um ſolche Irrung, jo ja ven unjern Altvordern, von chriftlichen
stirhenverfammlungen, von viel heiligen Vätern und Yehrern unter Hilfe
und Wirkung des heiligen Geiftes oftmals für Ketzerei erflärt und erfannt
und ſtets ausgerottet und unterdrückt worden ift, jest gar nicht diſputiren,
iſt auch verboten und nicht von Nöten.
Auf ſolches alles fo haben wir die fünf Orte Tagleiftung zu Beden-
ried bejchloffen und gehalten, jeder Bote feiner Herren und Obern Willen
und Meinung eröffnet und aljo einmütig erfunden und uns dazu entjchloffen,
bei chriſtlicher Kirchenordnung wie von alters ber, und bei dem alten wahren
rechten Chrijtenglauben zu bleiben auch dieſe Intberijche, zwingliſche,
bujfiiche, irrige, verfebrte Yehre in allen unſern Gebieten und
Obrigfeiten auszurotten, zu wehren, zu ftrafenund zuunter-
drüden, jo weit und fern unjer Vermögen fteht; find auch un:
gezweifelter, ftarler Doffmmg und Vertrauens zu Gott dem Allmächtigen,
der werde ums durch Mittel und Fürbitte feines eingebornen Sohns, auch
feiner wiürdigiten Ghebärerin, der Jungfrau Maria, umd aller lieben Engel
und Heiligen Dervortreten uns wenige nicht verlaffen, ſondern uns, wie früher
unjere Altvordern, die auch etwa in Heiner Zahl große Taten getan, feine
Gnade, Hilfe und Beiftand erzeigen.
Dieweil aber euere Yandichaft und Gebiet allentbalben an die unſern
ſtößt ımd die Euern, auch die Unſern, täglich zufammen wandeln und wohnen
und fich immer wohl mit einander vertragen baben, wie frommen Eidgenofjen
und guten Nachbarn zuftebt, und wir uns auch deijen fürobin verjehen ; wo aber
jolcher Intberiicher Dandel bei euch und den Euern bervorbreden jollte, wie
wir jedoch nicht boffen, würde das große Unrube, Umvillen und böje Nach—
barſchaft, auch große Zwietracht und viel Böjes bringen, wie ihr jelbjt er:
meſſen möget. Und darnm ſolches zu verbiten und ihm zuvorzukommen,
getreue liebe Eidgenoſſen, ſo ermahnen wir euch erſtlich, ihr wollet betrachten
und bedenken, wie großes Yob, Glück, Sieg und Ehre euere und unſere Alt:
vordern vor Zeiten in ſolchem unſerm alten Glauben erlangt und bekommen
haben, dabei, in wie großer Einigkeit, Friede und Ruhe in ſolchem Glauben
unſere Vorfahren gelebt; dagegen jo wollet ermeſſen, was jetzt in dieſem
neuen Glauben und Irrung vorgehe und wie es ſtehe, wie großer Neid,
Haß, Unfreundſchaft, Zwietracht, auch alle Veichtfertigkeit daraus entſpringt,
welches Glück wir jetzt haben, welche Einigkeit und Freundſchaft ſolches unter
uns Eidgenoſſen bringe: der Vater iſt wider ſein Kind, Bruder wider
Bruder, je ein Ort wider den andern, und es iſt zu beſorgen, daß durch
—
315
die Strafe Gottes ſolches ein allerböſeſtes Ende mit ſich bringen werde.
Darum, getreue liebe Eidgenoſſen, wiewohl wir vernommen, daß ſolche Ir
rung und Mißglauben auch etwas unter euch gewurzelt und ſeinen Samen
geſät, hoffen wir doch, daß die fromme Tapferkeit und die Handveſten und
voraus der Mehrteil ſtärker ſind und bei dem alten Glauben bleiben werden,
und iſt darauf an euch, als unſere beſonders getreuen lieben Eidgenoſſen,
unfere allerhöchite und ernjtlichjte Bitte, Erjuchen und Begehr, daß euch nicht
von uns jondert noch fern haltet, jondern zu uns ftcht umd euch unjerm
Vorhaben und Willen gleichförmig macht und verbelfet, das Beſte zu tun,
ſolchen Mißglauben und Zwietracht zu wnterdrüden und zu wehren... Das
wird, jo Gott will, ohne Zweifel euch und ums zu großem Yob, Ehre, aud)
gemeiner Eidgenofjenihaft zum Frieden, Ruhe und wieder zur Cinigfeit
dienen und vor allen Dingen den allerhöchiten Gott damit bewegen, uns
gnädig und barınberzig zu jein, und wir bitten, ihr wollet auf nächjtlinftigen
Tag bei eurer Botſchaft uns gute Antwort zuſchicken und ihnen befehlen, zu
uns zu jtehen.
Wenn dann euch etwas Beichwerde und Yaft von geiftlicher Obrigfeit
anläge und widerwärtig wäre, wie und in welcher Gejtalt das ijt, da wollen
wir mitſamt euch und, jo Gott will, mit andern Orten, jo aud zu uns
jtehen werden, darüber figen und ratichlagen, was dann notdürftig, uns allen
müglic und ehrbar ift, damit wir deſſen entladen werden. Denn wir tragen
nicht minder denn ihr an viel Dingen auch Bejchwerde und Mißfallen; es
it aber wohl in anderer Weije abzuftellen, denn aljo mit ſolcher böjer
Irrung.
124. Aufhebung der Leibeigenſchaft im Kanton Zürich.
18. Mai 1525.
Egli, Aktenſammlung Nr. 724; vrgl. Nr. 726 ©. 337.
Der Yeibeigenjchaft halb haben unfere Herren das höchſt angejehen,
daß mir alle Kinder Gottes find und brüderlich gegen einander leben jollen ;
darum iſt geratichlagt, daß wir unſere leibeigenen Leute folcher Eigenjchaft
freifagen, umd ihnen die Yyälle, Geläſſe und Ungenoſſame, jo von Yeib-
eigenſchaft herrühren, erlaffen wollen, in Hoffnung, unfere biderben Yeute werden
jolches gegen Gott und ung in Treuen auf andere Wege erjegen. Se wir
aber niemand gern das Zeine hingeben, wollen wir mit andern Herren, fo
eigene Leute in unſeren Gebieten haben, beförderlich reden, ob fie joldyes
auch gleicher Form nachlaifen.
316
125. Don M. Alrich Zwinglis vielfältiger Miüh und Arbeit.
Bıllingers Neformationsgefhichte 1. S. 300.
Heinrich Bullinger, der berühmte Nachfolger Zwingli's am Großmiünfter in Zürich,
geb. 104 zu Bremgarten, geſt. 1575, fand neben den vielfachen Beſchäftigungen feines
Amtes und feiner tbeologiichen Arbeiten noch Muße, fih in das Studium der vater
ländiſchen Bergangenheit zu vertiefen, und verfaßte eine große Chronif, welche in zwei
Abteilungen zerfällt, die eidgenöſſiſche Geſchichte, von den frühbeften Zeiten bis
zur Reformation, und die Reformationsgeſchichte von 1519 bis 1532. Die leßtere,
in welcher Bullinger als Augenzeuge und Mitbandelnder berichtet, ift won befonderem
Werte. Die Wärme und Herzlichkett der Darſtellung, die gründliche Forſchung, die vela
tive Unbefangenbeit Des Urteils auch in lonfeſſionellen Dingen erheben fie zu einem un—
ſerer beiten hiſtoriſchen Worte.
M. Ulrich Zwingli ift im Eſſen und Trinken gar ein mäßiger Menjch
und jonft auch einer ftarfen gefunden Kompflerion, nicht fchwermütig, ſondern
eines freien, fröhlichen Gemüts geweſen, dak er feine große und vielfältige
Arbeit, insbejondere durch Gottes Gnade und bejondere Hilfe wohl hat aus-
halten mögen; zudem er dann die Muficam gebraucht bat zur Erlabung
und Ergögung des bejchwerten Gemiüts, wie er dam auch zu diefem Erde
bin jeine ehrbare Geſellſchaft gottfeliger und freundlicher Leute und ergetliche
und nutzbare Geſpräche zu feinen Zeiten gehabt, ſonſt aber aller Stunden,
daß er fie wohl anmwende und gebrauche, auf das allerfleigigite geachtet bat,
daß ihm and) nicht eine ohne Nuten entginge oder verbürbe. Früh tt er
aufgeftanden. Biel hat er bei Nacht ausgerichtet mit Schreiben, doch auch
nur dann, wenn er mit Gejchäften, die feinen Aufjchub noch Verzug leiden
mochten, überladen war. Sonſt befliß er fich immer rechter notwendiger
Ruhe.
Das Predigen an Sonn- und Feiertagen, auch in der Woche hat er
alle Zeit ſelber zu ſeinen Tagen und Stunden verrichtet und hat ſelten andere
an ſeiner ſtatt zu predigen angeſtellt, er wäre denn krank geweſen, was
ihm wenig begegnete, oder mit gar großen und notwendigen Geſchäften über
laden. In ſeinen Predigten war er ganz fleißig, einfach und verſtändlich,
alſo daß ihn männiglich gern hörte, und ein großer Zulauf des Volkes zu
ihm war. Wenn er nicht predigte, war anderer Lehren und Predigen nicht
ſo wert als das ſeine gehalten. Denn im Lehren war er gar verſtändlich
und gut zu merken, im Strafen ganz ernſthaft und erſchrecklich, doch väter—
lich, im Vermahnen gar inbrünſtig und eindringlich und im Tröſten ſehr
anmutig und lieblich. Sein Geſpräch war auch anmutig und lieblich, denn
er redete gar ländlich und war dem fremden angenommenen Geklapper, der
kanzleiiſchen Verwirrung und Pracht der unnützen Worte ungünſtig. Das
TE u 3 vi Tun | am uud nn re
317
Gebet vor der Kirche hielt er mit großem Ernft, vermahnte jtreng zum Gebet
und betete auch bejonders viel und jtet.
Alle Tage, ausgenommen Feiertage und Freitags, profitierte, d. i. las
er in der Schrift des alten Tejtamentes, erflärte in offener Yeltion den Text
der Siebzig ', fonferirte ihn gegen den hebrätjchen und zeigte jeinen rechten
Sinn und Gebrauh an. Solche Arbeit allein wäre einem gelehrten, ge-
ſchickten und viel geübten Mann ſchwer genug geweien. Darum wurden auch
nad) jeinem Tod zwei Perfonen angeftellt, fein Amt zu verwalten, Heinrich
Yullinger, daß er Pfarrer und Prädifant, und Theodorus Bibliander, daß
er Profejior oder Yejer des alten Teftamentes wäre.
Viel Arbeit und Müh hat er auch mit der Schule gehabt, dar fie recht
eingerichtet und man die Jugend darin nüglich lehrte. Atem, daß bin und
ber auf die Pfarren oder PBrädifaturen geſchickte Perſonen geordnet würden,
von welchen er dann wegen mancherlei Sachen viel angeftrengt wurde. Nicht
mindere Arbeit, Sorge und Unrube hat er mit bejondern und auch allgemeinen
öffentlichen Diſputationen gehabt, ... mit den Voten des Biſchofs von Kon—
ftanz, mit den Yesmeiftern, Mönchen, Pfaffen und Chorherren zu Zürich,
mit Franzisco Yamberto, mit Joachim am Grüt Unterfchreiber, mit Eck und
Faber, der Zeit als zu Baden difputirt wurde, Da beitund er beionders
große Gefahr umd doch erhielt er weislich mit der Hilf Gottes Frieden in
gemeiner Eidgenojjenichaft, welchen etliche gerne verfehrt hätten. Er mußte
auch vom Zehnten dijputiren; item öffentlich md zum andern Mal zu
Züri wider männiglih im jahre 1523, zu Anfang und Ausgang des
‚sahres. Großen Ruhm hat er erlangt von der Dijputation, die er zu Bern
half fertigen und die er zu Marburg ver den Fürften, vor dem Adel und
vor den Gelehrten mit Doftor Yuther jelber gehalten hat. tem zum dritten
und vierten, ja zu öfteren Malen hat er im bejondern und öffentlich diſpu—
tirt mit den Täufern und fie gewaltig überwunden. In dem Diiputiren
hatte er bejondere Gnade. Denn er lie feine Widerſacher nicht hin- und
berichweifen und allerlei hineinziehen, jondern hielt jie zur Sache, verwarf
unnötige Neden, war geihwind, ihnen ihre Argumente wider fie jelber zu
richten, und drang nur immer auf die Schrift, machte es alles kurz.
Briefe hat er hin und her jo viel gejchrieben, nämlich nach Deutichland,
Frankreich, Italien und in andere Yande, in denen allen ev Kundſchaft und
jeine Gönner und Freunde hatte, daß jemand ſich wundern möchte, ob zwei,
die nur fertig mit Schreiben wären, gefunden werden möchten, was Zwingli
allein inmitten anderer jo vielfältiger Gejchäfte ordentlich) ausgerichtet hat.
Ihm iſt von fernen und viel Orten, von Fürften, Herren, Edeln, Gelehrten
' Der Septuaginta, der alten griediichen Bibelüberfegung.
318
und Angelehrten viel gefchrieben worden. Der hat diejes, der andere anderes
von ihm begehrt. Andere haben ihm allerlei quarstiones vorgelegt, die andern
ihm vielerlei Arten, die heilige Schrift zu erklären, vorgetragen. Viele haben
fonft ihre Not und Anliegen erzählt und jeines treuen Nates begehrt. Denen
bat er immer willig wieder gejchrieben und geantwortet, daß jie zufrieden,
nit Verminderung, ihm treulich gedankt haben. Gar viele Briefe hat er
unaufgefordert hin und her, micht allein in der Eidgenofjenichaft, jondern
außerhalb die Eidgenoffenjchaft an gelehrte, befondere Perjonen, an denen
viel gelegen war, geichrieben, der evangelijchen Mehrheit allenthalben aufzu-
beifen, Zetten und Irrtümern zu wehren. Von diefen Briefen jind viele zu
Nafel gedrudt in dem Buch, genannt Epistole Zwingli und Oecolampadii.
Der Bücher find vier, noch jind von den Epijteln jehr viele binterbalten, unter-
drückt und verloren. Iu Zonderbeit aber bat er mit dem Drud und Truden
große Arbeit gebabt. Darüber beflagt er jich jelbit in jeinen Büchern. Schaffte
aber viel Nugen damit.
Der tägliche Überlauf von Reichen, Armen, Einbeimiicen und fremden,
bei Tag und Nacht, war ibm ſehr bejchwerlich. Die, welde vertrieben
waren von des Glaubens wegen, loben zu ibm, als einem Bater. Biele
gingen ib an um Beförderung bei einem ebrjamen Kat ron Zirich und
bei andern geebrten vornehmen gewaltigen Yeuten, Niemand lie$ er unge
troſtet von ſich. Jedermann empfing er gar freundiih, Und mem er mit
mehr vermochte, erzeigte er ſich dech als der, weider sen Yen Vers rien,
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wenn er ex game und vermecht batte. Und bier, ve er mr m
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Schrift geübt, wiewohl er mit dazu Graecos und Latinos autores classicos
auch fleißig las. Viele Bücher hat er in Latein und Deutſch zum Druck
geichrieben, ... daß, wenn er diefe 11 Jahre, die er zu Zürich Gott und
der Kirche gedienet, nichts anderes getan, denn allein dieje Bücher geichrieben,
niemand mit Wahrheit jagen möchte, daß er wenig getan hätte.
126. Don Huldreichen Bwingli.
Keßlers Sabbata.
J. S. 169. anno 1523. Huldrich Zwingli, aus der Grafichaft Toggen-
burg, zum Wildenhaus genannt gebürtig, nach Yeibes Form eine jchöne tapfere
Perjon [von] ziemlicher Länge, jein Angeficht freundlich und votfarben, nad)
dem Gemüt in geiftlihen und weltlichen Händeln Hug, fürjichtig und rat-
ihlägig, eines ehrbaren Wandels, daß von feinen Widerwärtigen ihm nichts
mag vorgeworfen werden, denn daß er jeine Erquickung empfängt in ehrbarem
Gebrauch des Saitenfpiels.
II. ©. 324. a. 1531 nad) Zwinglis Tod. Seine Art zu reden war...
unfalſch, pur, verjtindig und nicht zu viel gefliffen, noch auf die Schau-
jtellung zugepußt, alles jchlicht und männiglichem zu verftehen; gar nichts
lag bie oder jchlich auf dem Boden, alles lebte, und mit Tapferkeit etlicher-
mapen zufammengefügt, ging es leicht durch ich weiß nicht was fiir eine Lieb:
liche Kraft den Hörenden zu Herzen. In der Schrift war jein Urteil un—
falſch, jcharf, heilig und nicht zu vergleichen, hatte eine wunderbare Geſchick—
lichkeit, der Schrift Geheimmis hervorzubringen, eine wunderbare Einfalt und
Yeichtigfeit, diejelbe zu handhaben, wunderbar, wie treffend und verjtändig
er aus einer Sprady in die andere weiß zu verdolmetichen. . . . Steiner tt,
der eines aus dem andern Fräftiger ſchließe, denn diefer Menſch, feiner, der
den Pfeil gegen den Widerpart jchärfer abdrüde, oder himvieder wunderbarer
den ausfchlage, der gegen ihn angelegt iſt. . . . Welcher beluftiget doch ſtatt—
licher, welcher bewegt heftiger? lobt mit weniger Falſch? welcher beredet
tapferer? welcher vermahnet inbrünftiger? Mlle Dinge find bei diejem
Menſchen aufs höchſte gelommen. So haben nun die Römer in der Wohl
vedenheit ihren Tullium [Cicero], in der Freibeit wieder zu erlangen Brutum;
die Griechen erheben die Ihren, es ſeien Kaiſer, Negierer oder Gejetgeber,
Themiſtoclem, Periclem, Lycurgum und Solonem; wie viel wahrhafter und
gerechter jollen wir unjern Zwinglium ... mit etwas beiliger Dantbarteit
rübmen, als den, der nad) größter Übung gottjeligen Wandels wiederum zu
erlangen Freiheit umd Güte umd heilige Yehren zu erneuern wunderbarlich
320
gebt hat. . . Denn in diefem Menjchen it gewejen eine inbrünftige Yiebe
zur Gerechtigfeit, eine bremmende Übung der Billigteit und eine unerjättliche
Begierde nad) der Wohlfahrt jeines Vaterlandes.
127. Ocholampad an Zwingli während der Difputation zu Baden.
Mai 1526.
Aus dem Lateiniſchen Zwinglis Werte VII S. 511 fi.
18. Mai. Seid auch ihr guten Mutes, Brüder! Wir werden von dem
Herrn Hilfe empfangen; er wird die Seinen nicht verlassen. In der
ersten Zusammenkunft werde ich aus Leibeskräften darauf dringen, dass
wir uns an einem geeigneten Orte versammeln können; ich hoffe aber
auch, dass dir Schaffhausen, wenn das übrige sicher ist, nicht missfallen
werde. Vor dem Mittagsmahl werden wir nicht gerufen werden. In der
Kirche, sagen sie, seien Sitze zugerüstet. Bertold |Haller] ist noch nicht
gekommen, auch Hess von Appenzell nicht. Die Gegner aber sind zahl-
reich; Gott Lob. Ich habe den Brief an Bertold gelesen und er hat mir
gefallen. Wir werden nichts von dem unterlassen, was du befiehlst, wenn
wir disputiren müssen. Aber wir werden, wenn irgend möglich, der Dispu-
tation ausweichen aus dem einzigen Grunde, damit uns nicht Unheil daraus
erwachse, dass ihr nicht anwesend seid. Möchte es doch irgend einen
Weg geben, auf dem ihr hieher gebracht werden könntet; aber ich
möchte euch in keiner Weise in Gefahr bringen. Lebet wohl.
22. Mai. Sei gegrüsst in Christo, mein Bruder. Die für uns besorgten
Basler Bürger haben den Befehl geschickt, uns der Disputation zu ent-
halten. Aber der Bote kam nicht zeitig genug. Gestern morgen nämlich
haben wir, wie du gehört hast, Gottlob, nicht unglücklich, begonnen.
Wie verdriesst es sie, mich reden hören zu müssen. Mein Bürgermeister
und mein Rat haben entschlossen gehandelt, indem sie den übrigen Ge-
sandten ernstlich drohten, wenn sie mir nicht in dem, was nötig ist,
Gelegenheit zum Reden gäben; daher habe ich gute Hoffnung, dass man
uns hernach grössere Billigkeit zu Teil werden lasse. Übrigens laufen
weder wir noch ‚unsere Sache Gefahr, da der Herr seine Ehre, die wir
rein zu erhalten wünschen, nicht verlassen wird. Du sei einstweilen
guten Mutes. Wir haben das Gespräch nicht gut so lenken können, dass
wir die Disputirenden an einen andern Ort hätten ziehen mögen. . ..
lebe wohl und bete, dass die Sache ein gutes Ende nehme.
23. Mai. Die Gnade Christi sei mit dir, mein Bruder. Jetzt sind
wir nicht sowohl unser- als deinetwegen besorgt. Denn, weil die Berner
jenen Beschluss gutgeheissen, wie du wissen wirst, und dich öffentlich
tadeln, dass du mit so sicherm Geleite hier nicht habest erscheinen
wollen, so finde ich und einige wohlgesinnte Brüder, dass du, wenn es
en
321
anders ohne Gefahr geschehen kann, der Disputation nicht fern bleiben
solltest. Wir fürchten nicht für die Sache. Sogar unsern Gegnern ist die
Unverschämtheit Ecks lästig... .. Wie wenn die Sicherheitsbriefe für
dies Mal die Verschwörungen der fünf Orte und der Berner zu nichte
machten, ... und du ein Geleite von 50 vertrauten Männern mitbrächtest ?
ausserdem könntest du auch eigene Speisen mitbringen. Denn ich sehe
nicht ein, wie wir mit Schriften oder auf andere Weise den Gegnern
den Mund stopfen können. Wenn das nicht möglich ist, so sehe ich nicht
ein, auf welche Weise sich je wieder eine ähnliche Gelegenheit darbieten
soll. Wenn du Gefahr leidest, so werden wir alle mit dir leiden. Aber
vielleicht hast du mehr erfahren, als ich selber weiss. Siehe zu, was zum
Ruhme des Evangeliums Christi gereicht, dem unser Leben, soweit es
uns noch beschert bleibt, geweiht sein soll. Lebe wohl.
12. Juni, von Basel. Gnade und Friede von Christus, mein Bruder.
Wir sind glücklich nach Hause gelangt, dringend erwartet und beglück-
wünscht von allen Frommen. Ich fürchte aber, dass es [nur] eine Freude
von Stunden sein und dass der Satan sie in Betrübnis verkehren wird.
Noch hat man uns das Predigen nicht verboten, was im Abschied die
Grossen der Schweizer den Gesandten aufgetragen haben sollen. Wir
müssen zu Christus beten, dass er die Seinigen nicht verlasse, und bald
den Satan unter seinen Füssen zermalme. Habe Dank für deine zahl-
reichen Briefe und Grüsse nach Baden, durch welche mich der Herr nicht
wenig ermuntert und gestärkt hat. Die Gesandten von Basel haben kein
Exemplar der Disputation erlangen können, was den Meisten hier gar
unangenehm ist. Diesen Brief fand ich zu Hause. Urbanus'! hat die
Freundschaft noch nicht gekündigt. Lebe wohl.
128. Altfehultheiß Hans Hug an Schultheiß und Rat zu Luzern
fiber die Difpntation zu Baden. 3. Zuni 1526.
Abſchiede IV. 1a S. 911.
Ich füge eurer Weisheit zu wiſſen, daß die Diiputaz ftreng vor fich geht
für und für, und daß Doktor Ed jeine Schlußreden noch bisher nicht zu Ende
gebracht hat. Nämlich jo find Die zwei erſten Schlufreden ausgemacht und
beichlojien, und auf heute jo wird die dritte Schlußrede auch beichloffen, und
dabei [melde ich euch], daß D. Ed durch die hl. Schrift noch bisher jeine
Artifel jo redlich [aufrecht] erhalten, daß fi) darcb zu verwundern und gar
mandem gefällig ift, und [es] jteht von Gottes Gnaden wohl. Denn wahrlich),
' Urbanus Rhegius, Prediger zu Augsburg. Oekolompad spielt hier auf den zwischen
den deutschen und schweizerischeu Reformatoren ausgebrocheneu Abendinahlsstreit an.
Oechsli, Quellenbuch. 21
322
wie viel allenthalbenher der lutheriſchen Pfaffen find, jo gelüftet doch feinen
und darf feiner auf die Kanzel kommen gegen D. Eden; fie fcheuten die
Kanzel, wie der Teufel das Kreuz. Denn wo D. Defolampadius von Bajel
nicht wäre, jo hielte ich dafür, alle Pfaffen ftünden jo jchändlid [da], als
feine Yeute je beftanden find, daß ihrer feiner auf die Kanzel kommen dürfte;
aber ohngezweifelt hoffe ih, die Sache werde zu gutem Ende gebradt. ...
Item zu Aarau ijt einer gefangen genommen worden, der hat geredet, die Eid-
genoſſen hätten fiebentaufend Gulden genommen, daß fie den neuen Glauben
und das Evangelium unterdrücen follen. Darum haben meiner Herren Boten
ihn berechtigen laffen; der hat einen Widerruf getan, daß ers erlogen habe
und nichts davon wifje. tem der Prädifant zu Bern [Bertold Haller] ift
bie gewejen, und wiewohl jeine Herren von Bern gejchrieben, daß er Antwort
geben jolle um alles, was er gepredigt habe wider den alten Glauben, nichts
dejto minder, als D. Ef ihn gefragt in der Dijputaz, was er halte umd
glaube, ob in dem Saframent des Altars der wahre Fronleichnam und das
Blut Chrifti gegenwärtig fei oder nicht, darauf hat er feine Antwort geben
wollen. Alſo hat man ihn heimgeſchickt und denen von Bern deshalb gejchrieben.
Es ift Bubenwerk; fie find alle frijch; aber jett, da dieſe Buben unter die
Gelehrten gefommen find, jo fünnen jie weder „gigg* no „gaggen“; denn
jie ftehen ganz im Unrecht da. Item ich ſchicke E. W. eine Abjchrift der Ar-
tifel, jo die grauen Bündner angenommen haben; damit ihr wohl ermejjen
möget, was aus diefen Dingen werden wollte, wenn man nicht wehren würde.
tem auf heut Abend ift der Artifel berührend die Fürbittung der Jungfrau
Mariä und aller Heiligen auch bejchloffen und auf morgen jo füngt man an,
an die Bilderftürmer zu rühren. ch bin ganz guter Hoffmung, es ſoll dieje
Difputaz zu allem Guten erjchießen.
129. Ein Batholik über die Difputation in Bern. Zanuar 1528.
Aus dem Pat.; Ruchat, Histoire de la Reformation de la Suisse. II. ©. 519 fi.
Der Priester Jakob Müller von Soloturn, ein eifriger Altgläubiger, welcher der
Disputation zu Bern beiwohnte, schrieb am 19. Januar 1528 einen lateinischen Brief
über dieselbe an einen ihm befreundeten Chorherrn in Mainz.
——
ZEN) wunderst dich, denke ich, was sich denn zugetragen habe,
N AN dass ich euch so spät schreibe. Wisse, dass die Ursache
=) ein Afterkonzilium oder Gespei (Gespräch wollte ich sagen)
ea der Lutherischen oder vielmehr der Zwinglischen Ketzer
ee GE |
gewesen ist, das zu Bern abgehalten wurde. Wie sehr auch die
Geschäfte drängten, zumal die Chorherrnpfründe beim hl. Mauritius,
323
welche mir vor zwei Monaten mein zu Rom im Solddienst befindlicher
Bruder verschafft hat (die Mühwaltung der Soldaten ist mir nämlich
zu Rom erspriesslicher gewesen, als die der Kardinäle), wie sehr auch,
sage ich, diese und andere Geschäfte mich drängten, beliebte es mir
doch, sie liegen zu lassen und zu sehen, wo die Raserei hinauswolle
und wie viel unsern Bischöfen an der Kirche gelegen sei. Was soll ich
aber sagen? Wir jammern teils über die Geschicklichkeit der Ketzer,
teils über die Nachsicht der Fürsten; vielfach klagen wir auch das Ver-
hängnis an. Aber was ich meinerseits zu sagen pflege, das hat sich mir
in dieser Versammlung der Ketzer aufs vollste bewahrheitet. Es geht
abwärts mit unserer Sache einzig in Folge unserer Trägheit, und weil
unsere Kirchenhäupter keine wissenschaftlich gebildeten Männer heran-
ziehen. ’
Einige der uns getreuen Erhalter Berns und zwar gerade diejenigen,
bei welchen bisher die Oberleitung des Staates stand, hatten bewirkt,
dass auch die Bischöfe, welche in ihrem Gebiete die kirchliche Hoheit
besitzen, sogar unter Beifügung von Drohungen zu ihrer Disputation ge-
laden wurden, aber in keiner andern Hofinung, als dass sie Gelehrte
mitbrächten, welche die Ketzer widerlegen würden. Aber was geschah ?
Keiner von ihnen kam entweder selber oder schickte Gelehrte. Der
Lausanner sandte einige Franzosen; aber bevor es zum Kampfe kam,
rief er sie wieder zurück. Einige Tage nachher kam ein gewisser
Augustinerbruder; sie grüssten ihn als Provinzialen und hiessen ihn
Träger; aber bei dem war wohl etwelche Maulfertigkeit, jedoch keinerlei
Gelehrsamkeit und echte Beredsamkeit zu finden. Sobald nämlich Beweise
aus der Schrift gefordert wurden, wollte er lieber abreisen, als dispu-
tiren. Ich meinerseits habe in ihm nichts gesehen, als einen unverschämten
Mönch, obwohl andere ich weiss nicht was von ihm rühmen. Mit mehr
Geschrei, aber keineswegs mit grösserer Gelehrsamkeit polterte ein
Dominikaster einige Tage hindurch aus der Schrift, aber, mit welchem
Glücke, magst du aus folgendem abnehmen. Um zu beweisen, dass der
Papst auch das Haupt der Kirche sei, führte er an, dass er dies von
Petrus empfangen habe, welcher deshalb vom Herrn Aephas, d. i. Kopf!
genannt worden sei; so nämlich, sagte er, habe er es in Wörterbüchern
gelesen. Siehe! solche Vorkämpfer haben wir; und da verwundern wir
uns noch, dass wir von der Menge verachtet werden und allenthalben
viele von uns abfallen. Es disputirten ausserdem drei oder vier Priester
samt einem Schulmeister, den sie Buchstab heissen. Kein übler Mann,
wie es schien, der allein mehr Eifer für die Verteidigung der Kirche
und der Schriften der Väter an den Tag legte, als alle, welche in jener
Versammlung waren. Aber seine Kräfte reichten nicht aus. Alle die dir
bekannten Gründe, welche unsere Faber, Eck, Roflensis? — keineswegs so
bestimmt und scharf, wie es nötig gewesen wäre — gegen die Ketzer ge-
sammelt haben, brachte er mit Umsicht vor. Aber höre die Standhaftig-
! Der Mönch verwechseite das griechische Wort Kephale (Kopf) mit dem syrischen
Kephas, welches „Stein, Fels“ bedeutet. — * Joh. Rofensis, eiu englischer Bischof, der
gegen Luther schrieb,
324
keit der Prälaten und des Kapitels von Bern. Da, der eine oder andere
ausgenommen, niemand von ihnen jene Artikel der Ketzer nicht als
gotteslästerlich erkannte, haben sie dennoch ein jeder alle unterschrieben,
und zwar in versammeltem Kapitel, bloss weil die unwissenden Bestien
nichts Ketzerisches daran auszusetzen hatten. Wenn sie Herz oder auch
nur mittelmässige Geschicklichkeit besessen hätten, so wäre unsere Partei
in Bern noch so stark gewesen, dass sie, wenn nichts anderes, doch die
Disputation ein ganzes Jahr hindurch hätten hinausziehen können. Aber
so leiden wir die verdiente Strafe für die Verachtung der Wissenschaften
und die Vernachlässigung der Studien. — —
Du wünschest vielleicht, dass ich dir über die Ketzer schreibe; aber
was soll ich mir und dir Schmerz verursachen? Ich will von wenigen
schreiben. Leicht war der Kampf für sie, da ihnen keine gerüsteten
Gegner gegenüberstanden. So bereit habe ich sie nicht gesehen, dass,
wenn geschickte und in der Schrift bewanderte Männer gegenwärtig ge-
wesen, diese, wenn nicht in allem gesiegt (denn wer vermöchte diejenigen
zu besiegen, die geschwätziger sind, als alles korinthische Erz? zumal
da unsere Sache nicht in allen Punkten klar aus der Schrift bewiesen
werden kann), doch den Erfolg jener zweifelhaft gemacht hätten. O wenn
nur ein Erasmus sich ihnen entgegengestellt hätte! Denn oft sah ich
sie über ihre Antworten nicht einig; ich sah ängstlich den einen dem
andern zuflüstern, was er sagen solle; ich sah sie in Verlegenheit über
den rechten Sinn gewisser Stellen. So hätten sich einem unterrichteten
und gewandten Disputator die geeignetsten Handhaben geboten, sie in
Verwirrung zu bringen, ihr Ansehen zu vermindern und so die Ver-
heerungen, die sie angerichtet haben, wieder gut zu machen. \Wiewohl
sie indes, wenn sie Männer gegen sich gehabt hätten, sich vorsichtiger
und besonnener benommen haben würden. Es waren einige unter ihnen,
welche nur durch Zwinglis Heftigkeit und Zorn angestachelt werden
konnten. Denn jener war beständig in der Hitze. Und es würde uns zum
Nutzen und Vorteil gereicht haben, und wir hätten sein Ansehen ver-
mindert. Doch ist dies Ungetüm gelehrter, als ich glaubte. Der gross-
nasige Oekolampar scheint ihn in den Propheten und in der hebräischen
Sprache zu übertreffen, keineswegs aber an Reichtum des Geistes und
an Klarheit der Rede; doch ist er ihm im Griechischen gewachsen, wenn
nicht überlegen.
Was nun hinter dem Betrüger (apito stecke, konnte nicht beurteilt
werden; denn er hat wenig gesprochen. Häufiger der.Schnapphahn Bieer,
der, wenn er dem Zwingli und Oekolampad an Gelehrsamkeit und Sprach-
kenntnis gleichkäme, für uns mehr zu fürchten sein würde. So schwer
gerät die kleine Bestie in Wallung, und so lichtvoll bringt er seine
Sachen vor. Du siehst, wie ungleich unsere Sache den kampfgeübten
Ketzern gegenüber vertreten war. Wohl belferten diese oder jene Priester,
welche im Singen der Vigilien, aber nicht im Disputiren geübt sind;
jener gute Schulmeister Buchstab war eben allzuwenig in den Buchstaben
der Wissenschaft zu Hause.
Welchen Ausgang aber hatte die Disputation? Es ist schmachvoll
für unsere Umsicht. Als die Disputation am 25. Januar beendet war,
erging ein Beschluss beider Räte, dass alle Altäre, Bilder, Messen und
325
was zum Gottesdienst und den Zeremonien der Kirche gehört, in der
Stadt Bern und allen ihrer Herrschaft untertänigen Dörfern und Landen,
wo die Mehrheit des Volkes das nicht [sonst] täte, beseitigt und nie
wieder angenommen werden sollen. O, über unsere Zeiten und Sitten,
über unsere Sorglosigkeit! Wie leicht hätte dieses Übel abgewendet
werden können, wenn unsere Bischöfe so grosse Liebhaber der Studien,
als der Dirnen wären. Aber du wirst sagen: ist denn keine Hoffnung
mehr, das Unterfangen der verruchten Ketzer zu hemmen? Sicherlich sehr
wenig. Du kennst den unerschrockenen Mut dieses Volkes, welches nichts
anderes auf die verkehrte Bahn gebracht hat, als dass eben niemand
Tauglicher gegen die Ketzer aufzutreten gewagt hat. Die Luzerner samt
einigen Häuptern der Länder haben sich in der Tat eifrig Mühe gegeben,
sicherlich eifriger, als alle Bischöfe, um jenes zu hintertreiben. Aber da
unsere Partei mit so schlechten Verteidigern zum Vorschein gekommen
ist, so hat die rohe Menge geurteilt, dass sie auch ohne Wahrheit seien,
und der mehrere Teil hat den bessern besiegt. Denn die Zürcher ver-
mögen alles bei ihnen; du weisst, wie geübt in Listen und von welch
unvergleichlicher Beharrlichkeit diese sind. Was mögen nun die andern
tun? Du weisst, dass auch der Rat von Basel aus Furcht vor seinem
Volke, welches Oekolampad nicht sowohl durch Gelehrsamkeit, als durch
seine Heuchelei berückt, nichts dagegen vermag. Das Gleiche wird in
kurzem auch bei den andern notwendig eintreten. Ich meinerseits fürchte
das eine, dass in kurzem die Schweizer das Joch des Papstes abschütteln
werden, gleich wie sie schon längst das des Kaisers abgeschüttelt haben.
Und möchten nur Konstanz und andere Reichsstädte das Beispiel nicht
befolgen!
130. Aus einem Brief Thomas Murners in Luzern.
27. Februar 1529.
Eidgen. Abſchiede 1V. 1b. 8.73.
Der befannte Franzisfanermöndh Thomas Murner von Straßburg hatte durch feine
ſatiriſchen Schmäbfchriften fih in Händel verwidelt, im Folge deren er nach Yuzern flob,
wo er Anftellung und Schub fand. Von bier aus fchrieb er zur Zeit des Abſchluſſes des
Ferdinandeiſchen Bündniſſes folgenden Brief:
„Wir find jest handfeſter denn unſer Yebtag nie; unjere Yänder find zu
seldfirch auf dem Tag gewejen ! und kennen den Herzogen von Savoyen gar
wohl; wir geben nicht einen Pfifferling um die ‚Zürcher, Berner, die evange-
liichen Sadpfeifer. Gott wird ums nicht verlaffen, es iſt fein erfchrodener
' Um mit Öftreich den Sonderbund abzuſchließen.
326
Mann unter und; das Blut im Yeib wallet ihnen wider die ungläubige
Schelmerei. Ich bejorge mehr, als ichs begehre, wir werden bald laufen !;
denn die Schwizer haben uns jchon ermahnt und gebeten, ein treues Aufieben
auf fie zu haben; die im after, von Wejen ꝛc. haben ihnen gemeldet, jie
wollen die alte Dirne von Einfiedeln bald aus der Kirche hinauswerfen ;
unterjtehen fie jich deifen, jo ift dem Frieden der Boden aus, jo wollen wir
fie um die Grinde jchlagen, dak ihnen das Bild der würdigen Mutter Gottes
wohl in Vergeſſenheit geraten wird. Wiffet, lieber Vetter, daf der Basler Abfall
und Aufruhr fie ganz und gar erzürnt bat. Unſere Herren haben genug zu
wehren, jo ergrimmt ijt jedermann über die Ketzerei; fie jagen, fie wollten
die Städte wohl wieder gläubig machen; bei dem Allmächtigen, die Weiber
find zorniger, als die Männer. Gott jei gelobt, wir find mannhaft, und es
jteht wohl um uns. Dürfen Bern, Zürich ausländische Städte, wie Konjtanz,
wider den Bund annehmen, jo dürfen wir beide Negimente?, den ſchwäbiſchen
Bund, Savoyen, Wallis ꝛc., das übrige verfteht ihr jelber wohl. Die Glocke
ift gegoffen, wir werden fie bald läuten, daß der Ton weit erjchallen joll.... .
Wir wollen den Glauben bald miteinander teilen mit langen Spießen und
guten Hellenparten, wollen fie nicht anders. Wir hätten gerne Frieden; aber
der neue Glaube hat die Art, daß er ſich jelber feine Ruhe läßt und andere
Yeute auch nicht ruhig läßt.
Die Bappeler Milchſuppe. Juni 1529.
Bullinger II. ©. 182 f.
un war es in den V Orten jehr teuer und großer Mangel und
Hunger. Im Zürcher fonnte man einen Mitt Kernen um
einen Gl., eine Maß Wein um einen halben Bagen haben.
Deshalb liegen ſich etliche freundliche Gefellen aus den V Orten mit Fleiß
über die Wache hinaus, die wurden dann gefangen, vor den Hauptmann ge=
führt und mit Brot bejchenft und wieder heim geichidt.
Auf eine Zeit nahmen viel tapfere Gejellen von den V Orten eine
große Mutte mit Milch und stellten fie mitten auf die Grenzmark, jchrien
den Zürchern zu, fie hätten da wohl einen guten Broden Milch, aber nichts
darein zu broden. Da liefen redliche Gejellen von den Zürchern hinzu mit
! D.b. zum Krieg ausziehen. — * Die öſtreichiſchen Regierungen zu Junsbrud und
Enfisheim im Elſaß.
Brot und brodten ein, und lag jeder Teil auf feinem Erdreich und aßen bie
Milch miteinander. Wenn dann einer über die halbe Mutte hinausgriff und
ab, ſchlug ihm der andere Teil im Scherz auf die Hände umd fagte: Friß
auf deinem Erdreich. Und ſolche Scherze gejchahen noch mehrere, daß, da es
dem Stabtmeifter von Straßburg, Jakob Sturm, der aud unter den
Schiedleuten war, zu Ohren fam, er jagte: „Ihr Eidgenoffen jeid wunderbare
Leute; wenn ihr ſchon uneins jeid, jo ſeid ihr eins umd vergeht der alten
Freundſchaft nicht."
327
132. Aus dem erfien Bappelerfrieden. 26. Juni 1529.
Eidgen. Abſchiede IV1b. ©. 1478 ff.
1. Des erften, von wegen des göttlichen Wortes; dieweil niemand zum
Glauben gezwungen werden ſoll, daß dann die Orter und die Ihrigen dazu
auch nicht genötigt [werden]; aber die Zugewandten und die Bogteten, wo
man mit einander zu herrichen hat, anlangend, wo diejelben die Mefje ab-
geſtellt und die Bilder verbrannt oder abgetan, da dieſelben an Leib, Ehre
und Gut nicht geftraft werden follen; wo aber die Meſſe und andere Here
monien noch vorhanden, die follen nicht gezwungen, auch feine Prädifanten,
jo es nicht durch den Mehrteil bejchloffen würde, aufgejtellt oder gegeben
werden; jondern was unter ihnen den Sirchgenofjen, die auf: oder abzutun,
desgleichen mit der Speije, jo Gott nicht verboten zu ejjen, gemehret wird,
Dabei joll es bis auf der Kirchgenoffen Gefallen bleiben, und fein Teil dem
andern jeinen Glauben weder befehden noch ftrafen.
2. Zum andern, von wegen des Ferdinandeiſchen Bundes und Ver:
einung, dieweil denn diejelbe allein des Glaubens halber aufgerichtet, und jetst
aber durh uns Schiedleute ausgemacht worden ift, daß fein Teil den andern
des Glaubens halber zwingen, befehden noch haſſen |jolfe], jo joll diejelbe Ver—
einung alsbald zu umjern, der Schiedleute der fünf Orte, nämlich) [von]
Glarus, Freiburg, Soloturn, Schaffhaujen und Appenzell, Handen
vor allem Abrüden aus dem Felde gegeben und liberantwortet werden, und
diejelbe unnüg, hin, tod und ab fein, und fein Teil fie und dergleichen fortan
gebrauchen, und wegen der andern Burgrechte und Bündniſſe, jo neulich auf:
gerichtet, joll auf Tagen in Beratung gezogen werden, wie man ji) in denjelben
halten wolle, doc) den Burgrechten, jo die beiden Städte Zürich und Bern unter
ſich jelbft und mit andern gemacht, auf jeden Fall ohne Abbruch und unſchädlich.
3. Zum dritten, von wegen der Penjionen, Mieten, Gaben und
Schenkungen von Königen, Fürften und Herren nimmermehr [jolcdhe] zu nehmen,
328
haben die die obgen. jehs Städte Züri), Bern, Bafel, St. Gallen, Mühl—
haufen und Biel ſamt andern ihren Verwandten hoch und ernftlich gebeten,
dak fie die fünf Orte und ihre Gemeinden fich aller Fürften und Herren,
auch dero Neifen, Penfionen, Mieten und Gaben gänzlich entziehen und [jte]
abtun und unferes Vaterlands acht haben. — — —
5. Zum fünften, weil etlihe Orte gen Bedenried oder an andere Ende
zu Tagen fich verfügen, daß nun fortan weder die vier Waldftätten noch andere
Städte, jo Burgrecht mit einander haben, nicht mehr um irgendweldde Sachen,
jo gemeine Eidgenofjen betreffen, an irgend eim Ende ſich zuſammen verfügen ;
denn es ijt zu bejorgen, daß auf die Yänge nichts Gutes daraus entjpringen
möchte. — —
133. Aus dem Religionsgefpräd) zu Marburg. 2. Oktober 1529.
Überfegt aus Rudolf Collins Bericht, in Zwinglis Werten 4. S. 176 ff.
Rudolf Collinus (1499 - 1578), eigentlich am Büel, geb. zu Gundelingen im Kanton
Luzern, Professor des Griecbischen am Karolinum in Zürich, begleitete Zwingli nach
Marburg und verfasste einen lateinischen, aber mit deutschen Worten nntermischten
Bericht über das Religionsgespräch, dem er als Augenzeuge beigewohnt.
Zwingli behandelt hierauf Kap. 6 Joh., vorzüglich das: «Der Geist
ist's, der da lebendig macht, das Fleisch ist gar nichts nütze» ... Aus
der Folge der Worte beweist er aufs stärkste, dass das gegessene Fleisch
nichts nütze. . . «Gott giht Licht und verbreitet nicht Finsternis. Daher
sagt er nicht: «Das ist mein Leib», wirklich fleischlich, da die Schrift
dem widerstraitet. Die Orakel der Diimonen sind dunkel, nicht die Christi.
Die Seele geniesst den Geist, also nicht das Fleisch.»
Luther: « «Bruder» wird aus der Schrift als «Vetter» erwiesen ;
aber dies: «Das ist mein Leib» kann nicht als bildliche Redensart er-
wiesen werden. Wenn Gott es mich hiesse, würde ich Holzäpfel geistlich
geniessen. Denn wo immer das Wort Gottes ist, da ist das Geniessen
geistlich. Also, wenn er den leiblichen Genuss hinzugefügt hat mit den
Worten: «Das ist mein Leib», wird man es glauben müssen: Wir essen
im Glauben diesen Leib, welcher für uns dahingegeben wird. Der Mund
empfängt den Leib Christi; die Seele glaubt den Worten, weil sie den
Leib isst».
Zwingli: «Aus der Schrift wird bewiesen, dass das Bezeichnete [oft]
für das Zeichen steht: aus Ezechiel, jdem Wort] Passah Exod. 12, 27.
Also, da in zweifelhaften Stellen der Schrift eine Vergleichung nötig ist,
ist den ähnlichen Stellen zu glauben». Er wirft ihm Rhetorik und fingirte
Beweise vor, wenn er sage: «Wenn Gott dieses oder jenes befehlen würde»;
denn wir wissen, dass Gott dieses oder solches nicht befiehlt. . . . Gott
heisst uns nicht Unbegreifliches tun. Maria z. B. frägt: «Wie kann das
geschehen?» und, erst, nachdem sie Gewissheit erhalten, glaubt sie. Aber
— — — a — u A |
329
hier in Kap. 6 [Ev. Joh.] haben die Jünger am leiblichen Genuss ge-
zweifelt, weil er selbst den geistigen lehrt.
Luther: «Das aus Ezechiel und das Passah sind Allegorien ; Deutelei;
keine Bezeichnung ist es. Wir sagen nicht, dass durch unsere Worte
der Leib herbeigebracht werde; aber von der Einsetzung Christi sagen
wir: es sind nicht unsere Worte, sondern die des Herrn. Der Mund ist
nicht mein, die Zunge ist nicht mein, sondern Christi: ich sei ein Bub
oder Schalk. . . . Ich disputire nicht, ob «ist» «bedeutet» sei, sondern
ich bin zufrieden, dass Christus sagt: «Dies ist mein Leib». Da kann der
Teufel nicht dafür. Das will ich, dass die Worte nicht in meine Gewalt
kommen, sondern in der Gewalt und dem Geheiss Gottes bleiben. Die
Seele geniesst auch den Leib; denn Leib ist auch leiblich im Worte.
Wenn ich frage, verliere ich den Glauben; ich werde zum Narren darob.
Warum macht ihr nicht auch eine bildliche Redensart aus: «Er fuhr auf
in den Himmel?» Weil ihr den lautern Worten glaubt und Gott die
Ehre gebt».
Zwingli: «Wir ersuchen euch ebenfalls, dass ihr Gott die Ehre gebt
und die Petitio Prinzipii aufgebt. Wo wird euer Satz bewiesen. Ich
werde diese Stelle [Johannes 6] nicht unerschüttert und so leichtfertig
behandelt aufgeben. Ihr werdet mir anders singen».
Luther: «Du sprichst gehässig».
Zwingli frägt, ob er glaube, dass Joh. 6 Christus den Unwissenden
hat zu Hilfe kommen wollen.
Luther: «Ihr wollt es überböldern. Diese Rede ist hart. Die Juden
sprechen von Unmöglichem und Absurdem. Aber lassen wir das fahren,
was nichts zur Sache tut».
Zwingli: «Nein, Nein; dieser Ort bricht euch den Hals ab».
Luther: «Rühmt euch nicht zu sehr, ihr seid in Hessen und nicht
in der Schweiz. Die Hälse brechen nicht also.» Und mäkelte noch anders
an dieser Rede herum und beklagte sich aufs heftigste.. Und doch hat
I.uther ein ähnliches Wort in dem Buch gegen die himmlischen Propheten
gebraucht, indem er sagte: «Lass uns dem Schalk an die Gurgel,» indem
er den Karlstadt meinte.
Zwingli entschuldigte sich: es sei das nach unserm Dialekt ge-
sprochen. Es gebe verschiedene Redensarten so ete. Der Fürst [Philipp
von Hessen] nahm mit Nicken und Worten die Entschuldigung an.
154. Luther über das Marburger Gefpräd).
Überſetzt aus dem Lateiniſchen. Zwinglis Werte 4. S. 1%.
Wenn die Saframentirer prablen, ich ſei zu Marburg befiegt worden,
tum jie nach ihrer Sitte; denn fie find nicht blos lügneriſch, jondern die Yüge,
die Berftellung und Heuchelei jelber, was Karlſtadt und Zwingli durch ihre
Zaten und Schriften bezeugen. — —
330
Sie haben mit vielen Worten verjprochen, jie wollten mit uns jagen,
Ehrifti Yeib jei wahrhaft im Abendmahl gegenwärtig, aber geiftig, nur damit
wir geruhten, fie Brüder zu nennen und fo die Eintracht zu beucheln. Dies
bat Zwingli offen unter Tränen vor dem Yandgrafen und allen, mit dieſen
Worten: „Es find feine Yeute auf Erden, mit denen ich lieber wollte einig
jein, denn mit den Wittenbergern.” Mit höchftem Eifer und Fleiß haben fie
dahin gejtrebt, daß ſie mit uns einträchtig jchienen, jo dak fie nie dies Wort
von mir ertragen fonnten: „Ihr habt einen andern Geift, als wir." Cie
entbrannten ganz und gar, jo oft fie dies hörten. Zulegt haben wir das zu—
geftanden, dar im lebten Artikel fejtgefett werde, daß jie zwar nicht unſere
Brüder jeien, aber dennoch unſerer chriftlichen Yiebe (die wir ja auc dem
‚Feinde Schulden) nicht beraubt fein jollten. So find fie äuferft unmutig, daß
fie den Namen von Brüdern nicht haben erlangen fünnen, jondern als Ketzer
abziehen mußten, jo jedoch, daß wir einjtweilen in unſeren gegenjeitigen
Schriften Ruhe halten, ob vielleicht Gott ihnen das Herz öffne.
135. Zwingli über die Proviantfperre. Pfingftien 1531.
Bullinger II. ©. 388.
| 28 Ind am Pfingſttag ward öffentlich in den Kirchen Zürichs dieſes
—8 —— Mandat vom Abſchlag der Proviants ausgerufen. Was nun etlichen
gefiel, etlichen mißfiel. Und als Zwingli desſelben Tags predigte,
redete er unter andern Worten alſo: „Welcher ſo verwegen iſt, daß er den andern
unter Augen lügen heißt, dem iſt notwendig, daß er Wort und Fauſt mit einander
gehen laſſe. Denn ſchlägt er nicht, ſo wird er geſchlagen. Alſo ſchlägt ihr von
Zürich den V Orten den Proviant ab als Übeltätern. Da ſolltet ihr nun den
Streich folgen laſſen und die armen Unfchuldigen nicht aushungern. Dieweil ihr
aber ſtille ſitzet, als hättet ihr nicht genugiame Urſache zur Strafe, und jchlaget
ihnen nicht$ deſto minder Speiſe und Trank ab, fo nötiget ihr fie, euch zu
Itrafen und zu jchlagen. Das wird auch geichehen!”
136. Ans Zwinglis Plan einer Amgeſtaltung der Eidgenofenfhaft.
Juni 1531.
Eidgen. Abſchiede IV. 1b. S. 104 fi.
1112. Erſtlich ift das Beite, dag man jie zum alfereheften angreife, aus
diefen Urfachen. Zu diefer Zeit fteht Mailand mit ihnen übel. Der König von
331
Frankreich will jich feiner Partei anhängig machen. Der Kaiſer iſt in Deutich-
land in die Patſche geraten, und fie haben aljo feine Hilfe weder von Eid-
genofjen noch von Fremden; fie find auch mit Geſchütz und anderer Notdurft
zu diefer Seit noch nicht gerüjtet, welches fie mit der Zeit beſſer befommen,
und es find viel fromme Yeute unter ihnen, denen ihr Herz bejjer zu ums
als zu ihnen jteht.
3. Da man jie jetst mit Abjchlagen des Proviants angegriffen hat, ift es
nicht genug und auch ums nicht förderlich. Urſach: 1. Die Unfern, deren Ge:
winn und Gewerbe unter die V Orte gebt, werden bald müde fein. 2, Die
Ihren dürfen in der Gemeinde nicht reden. Darum muß man ie
mit Abjtogen von den Vogteien oder mit Serausgeben der Bünde oder
mit Überziehen gehorjam machen. So nun das Überziehen vielen zu ſchwer
jein will, jo muß eines der beiden andern an die Hand genommen werden,
Will man die Binde von ihnen fordern, muß Teilung der Dinge, jo man
miteinander hat, mitlaufen und nachher Artikel und Kapitel gemacht werden,
wie man nebeneinander bleiben möge, gleich wie man Kapitel gegen andere
anftoßende Herren hat. So fie aber damit nichts an der Macht gemindert,
jondern jo ſtark als je würden, deshalb von ihnen geteilt jein erjt gefährlich
würde, dat man täglich Angriffs von ihnen gewärtig fein müßte, jo wäre
nichts befieres, als fie ausftoßen aus den gemeinen Vogteien, und jo das zu
tun in den welichen VBogteien nicht füglich, geichehe es in denen hier draußen.
Aljo hat man die Appenzeller auch ums Aheintal geftraft.
4, Wie aber den andern Orten, Städten und Yändern hierin zu tum jei,
müſſen ji Zürich und Bern umſehen. . . Nehmen nun die zwei Städte die
andern Orte auch zu jich, jo folgt viel Verwirrung; denn die V Orte werden
ohne Unterlaß bei den übrigen werben, und es käme mit der Zeit dazu, daß
man mit den übrigen Orten in Hetze liegen müßte, wie jet mit den fünfen.
Darum wird das Bejte fein, daß die Orte, jo miteinander im Handel find,
auf die VBogteien greifen, doch mit Vorbehalt der Gerechtigkeit eines jeden
Ortes, das auch Teil an denjelben Logteien bat.
IV. 1. Darum jollen Zürich und Bern dazu jehen, daß — fintemal ihre
Macht zwei Teile (jo aller Eidgenoffen Macht in drei geteilt wird) find —
ja, wie es jett mit den Borländern ſteht, find fie wohl jechs Teile von ſieben
— daß fie den Vorteil dermaßen in die Hände faſſen, daß fie nicht folgen
müffen, jo die fünf Orte etwas abzumehren jich unterjtänden. Das wird
aber aljo zugehen müſſen, daß die zwei Ztädte ftets einhellig jeien; jo werden
fie an der Eidgenojjenjchaft ſein gleich wie zwei Ochſen vor dem Wagen, Die
an einen ‘och ziehen; demm es wird feine Sache weder in der Eidgenoſſen—
ichaft noch davor gehen, die zwei Städte jeien denn dabei. — —
332
3. Sie jollen auch jehen, dar fie fich eng mit den äußern, wohl gelegenen
Städten verbinden und befreunden, ohne alle Orte, ausgenommen Bafel und
Ktonftanz; die zwei jollen»fie vor andern neben jich dareingehen laſſen, doc
daß fie des Hofes feien, aber nicht der Herr, dar fie an der Hand geführt,
aber nicht ſelbſt geben.
4... . ihre [der V Orte] Macht ift num fortan, jo alle Striege mit dem
Geſchütz ausgerichtet werden, jo flein, daß man ihrethalben nicht Angjt haben
darf; denn die Städte find gerüfteter als fie. — —
V. Es ift auch ihr, der V Orte, Unvermögen, zu regieren, eine notwendige
Urſache, daß man ſich von ihnen teilen muß. Denn wo Brüder miteinander
haushalten und einer unter ihnen nicht hausbalten fann, jondern nur vertut,
miüſſen fie teilen und fich ändern, oder aber der Vertuende brächte jie alle zu
Armut. Daß aber fie nicht regieren können, bewährt all ihr Handeln in
deutſchen und welichen Vogteien. In den melichen Yanden haben jie die Vog—
teien zu Grunde gerichtet mit Geld nehmen um die Urteile und Appellationen,
daß es jo jchändlich zugeht, dak fein Frommer ohne große Schmerzen es ſehen
und hören fann. In den deutſchen Vogteien iſt es auch in Brauch gefommen ;
zudem tun fie in die Vogteien entweder hochmütige und geizige oder mutwillige
und üppige Vögte; jene rupfen, unterjchlagen, führen bin, gucken und betteln,
daß der fünförtichen Vögte männiglich müde [ijt], und jo man von den
V Orten ungeteilt bleibt, folgt mit der Zeit, daß auch ein Abjchen vor den
Städten gehabt wird; denn auch von diejen fahren etliche den Fünförtiſchen
gleih. — — —
VI. So jie alfo bleiben joliten in ihrem Wert, blieben ihnen aud) die
V Stimmen; damit würden fie wiederum alle Gewalt und Anhang derer,
die Gottes Wort widrig find, an fich ziehen in den gemeinen Vogteien ; dein
fie würden immer vermögen, alle Dinge zu verleihen, urteilen, ausiprechen
und walten nad ihrem Willen; damit würde ein jeder jagen: ich jehe wohl,
wer den V Orten anbanget, der jchafft das Seine, und demnach ſich zu ihnen
halten. Es ift auch zu bedenfen, daß fie immer 10 Jahre nacheinander be:
vogten, da wohl zu bedenfen ift, wie jie ihre Sachen befejtigen. Und da jemand
denfen möchte: fie werden nicht mehr zufammenraunen, jondern das Ned
vor Augen haben, jag ich, daß das nicht geſchieht; denn das ift in allen
Beijpielen erfunden, daß nachdem der Haß und Hochmut in den Aufwuchs
kommt, daß er nicht mehr nachläßt; deshalb nichts anders zu erwarte |jtebt],
als ihr Herr oder der Mächtigere zu jein, oder aber ihr Knecht und ıninder.
VII. 1. Wo nicht von ihnen geteilt oder fie in eine ſolche Minderung
gebracht werden, daß fie Die zwei Städte 3. und B. fürchten, jo wird gewiß
in diefen Yanden ein todjchädliches Parteien, wie in Italien Guelph und
333
Gibelin ift. Denn die V Orte werden nicht nachlaffen, an fich zu hängen in
den Vorlanden umd Partei zu machen, auch diejelbe zu äufnen.
2. Summa junmarum, wer nicht ein Herr fein fann, dem ijt es billig,
daß er ein Knecht jei.
137. Die Schlacht bei Bappel. 11. Oktober 1531.
| Bullinger II. ©. 124.
Das alles verzog fich, bis es fajt um die 4 war und die Sonne fich
neigte, daß man achtete, fürohin gejchehe fein Angriff mehr. Und die Haupt-
leute der V Orte, jobald jie auf die Höhe gefommen waren, auch wuhten, daf
das Panner von Zirih auch zum Fähnlein gekommen war, ritten fie bin
und ber, das Volf zu bejichtigen und ein rechtes Nachtlager zu jchlagen. Wie
num der gemeine Mann der V Orte ſah, daß die Hauptleute ein Yager
zu Schlagen gedachten, gefiel es ihm übel, geſchahen allerlei ungeſchickte Reden,
die Hauptleute und großen Hanjen fürchteten ich, wollten den Fuchs nicht
beißen. Und man würde die Sade, wo man nicht angriffe, verderben.
Es mar aber ein handfefter Yandmann von Uri, Hans Jauch, gemeinlic)
Vogt Jauch genannt, ein guter Büchſenſchütze, welcher etliche vertraute Yeute zu
jich genommen und jich in das Buchwäldii gewagt und gelajjen hatte, zu erfahren
und bejichtigen, wie doch die Zürcher lägen. Da ift er am nächjten an fie
berangefommen, bat geiehen, wie jie etliche Büchſen gerüftet zu verändern,
und daR fie mit Leuten gar nicht verjeben, jondern ihrer wenig waren, dazu
unachtjam, daß fie alfo den Wald leer und offen gelaffen haben. Darauf er
flugs jolches angezeigt, und daß es Zeit jei anzugreifen, man möge aud) zum
nächſten auf und an fie ohne großen Schaden des Gejchüges kommen. Da
hat Jakob Troger, Hauptmann von Uri, im Beifein der andern Hauptleute
geredet: „Mein lieber Gevatter Vogt, dieweil man fich nunmehr darein er-
geben bat, das Nachtlager bier zu jchlagen und man jchon zerjtreut ijt, jo
bejtehe du nicht darauf, daß man erft jo ſpät angreife. Es weiß männiglich
mohl, daß das Spät-Angreifen unſern Vorfahren in Neapel und zu Mailand
nicht wohl erichejfen ift. Das möchte es uns auch an dieſem Abend. Und jo
wir denn jollten einen Schaden erleiden, jtünde darauf, wir würden alles das
verlieren, was unfere Altvordern uns gewonnen baben. Denn unjere Feinde
würden unjer feineswegs jchonen. Darım iſt diefe Sache, als eine jehr große
Sache, und die uns auf der Wage liegt, wohl zu ermeffen.” Kaſpar Göldli,
Hütter, ein geborner Zürcher (des Hauptmanns Göldli von Zürich leiblicher
Bruder umd der zu Fraftenz und Dornach im Schwabenfrieg der Zürcher
334
Hauptmann gewefen, mit Ehren heimgefonmen war), der damals ein von
Zürich Verbannter war und unter den V Orten fich eine gute Zeit aufgehalten
hatte und darum auch jet mit ihnen ziehen müſſen, ſprach: „Yieße man jich
die von Zürich jammeln, jo fennte er jie wohl, daß die V Ort dann mit ihnen
genug zu jchaffen haben würden. Und es jtünde eben darauf, daß, wo die
V Otte diefen Abend die Zürcher nicht jchlügen, jo würden die Zürcher morgen
die V Orte jchlagen ; danach möge man fich ficherlich zu richten haben.” Und
als noch weiter auch von andern Dingen biezu geredet ward, ſprach Vogt
auch und etliche andere bei ihm: „Laſſet uns doch mur ein Scharmügel ver:
ſuchen!“ umd jchrien: „Welche redlicher Eidgenoffen wert jind, die laufen ung
nach." Hiemit folgten ihnen viele Büchjenichügen, auch die Eichentaler, und
ſonſt auch viel redliche Yente aus den V Orten, insbeiendere aber Unterwaldner
hinein in den Wald. Doch hat man jelche alte nicht über 300 Mann geſchätzt.
Als ſolches die Hanptleute der V Orte jahen, mujterten fie in Eile alles Bolt
bei den Pannern und ftellten jih auf dem Acer bei ihrem Geſchütz gegen
den Wald bin in ihre Ordnung, daß ſie mit Gewalt auch durch den Wald
auf die Zürcher drückten.
Als nun diefe Dinge geichaben, wollten die Zürcher ihren Ratſchlag
(dak man nämlich einen Haufen Volkes hinüber an den Mündbühl führen
jollte) volljtreden ; umd ward aber der obere Haufen oder ein Teil aus dem
Volk und Haufen, wie er auf Scheuren jtand, gegen das Kloſter, und nicht
der bintere, gegen den Graben, wie abgeredet, abgeführt; welches ein großer
Fehler war und einen bedeutenden Schaden, nicht nur Verwirrung brachte.
Denn das Geſchütz (oder etliche Stücke), das davor jtund, war jett gerüftet
zur Fahrt, und nicht mehr zum Schießen gegen den Angriff; jo zog das
Fähnlein von Kyburg ſamt einem guten Teil des Volkes über den Graben,
und ward der Ort, von wo dieje von dannen geführt wurden, los und ledig
gegen den Feind; es folgte auch hieraus der Anfang der Flucht, wie fich
bald zeigen wird.
Dieje Dinge alle gewahrten die V Orte im Wald; deshalb drangen die
Schüten der V Orte gegen das Sennhaus, verfuchten auch, durch die Matte
auszubrechen. Zolches ward ihnen verwehrt durch die Hafenichügen der Zürcher
mit gewaltigem Schießen. Deshalb Liegen die Fünförttichen einen Yärmen rüd:
wärts gegen die Banner und den Gewalthaufen geben, und ſchoſſen damit
auch ihr Handgeſchütz auf die Zürcher ab, Diejelben batten ſich niedergelegt
auf den Boden, daß das Geſchütz über fie binausginge Da jie aljo eine
Weile lagen, jchrien etliche Zürcder: „Was liegen wir da alſo, wollen wir
uns ermüden laffen? Warum laufen wir den Feind nicht getroft an?" In—
demſelben liefen die Fünförtiichen an dem Teil des Waldes, der an das Moos
jtößt, aus dem Wald und über das Moos gegen die Ordnung der Zürcher mit
ihren Spießen und audern Gewehren. Die Zürcher aber wijchten vom Boden
335
auf, die Feinde zu empfangen. Es waren aud) gar redliche getrofte Yeute von
Stadt umd Yand Zürich; zuvorderft am Feind ftand Hauptmann Yavater mit
jeinem Spieß vorn an der Ordnung gegen das Moos, am Angriff; der ſprach:
„Biderbe Yeute, jeid Gottes und meiner Herren eingedenf und haltet euch wie
redliche Leute!“ M. Ulrich Zwingli hatte eine Halbarte, ſtund auch wohl
vorn, und wie er in diefen Dingen ftill war und grad vor dem Angriff ernſtlich
fragte: woher doch der Feind käme? jprach Bernhard Sprüngli, Burger von
Züri: „Me. Ulrich iprechet dem Volk zu und ftärfet es." Sprach M. Ulrich
Zwingli zu denen, die bei und um ihn ftanden: „Biderbe Yente, jeid getroft
und fürchtet euch nicht. Müffen wir gleich leiden, jo tft die Sache gut. Be—
jehlet euch Gott; der kann unjer und der Unjern pflegen. Gott walte über fie!“
Die Knechte aber der V Orte, die den Anlauf und Angriff taten, waren
jtarfe, tapfere und wohlgerüftete Männer, jchrien den Zürchern zu: „Wohlber,
ihr Ketzer und ihr Stelchdiebe, da finden wir euch!" Die Zürcher fchrien den
Fünförtiſchen zu: „Ihr Verräter und Fleiſchverkäufer, jeid ihr hie?” Hiemit
ging es an mit heftigem Stechen, Schlagen und auch Werfen mit Steinen,
von beiden Teilen. Und wurden viel mit Steinwerfen gejchädigt. Und als
jetst der Angriff und Streit eine Weile gewähret und die Fünförtiſchen nicht eine
jtarfe Ordnung hatten — denn derer, die anliefen, waren nicht über 300,
wie obgemeldet —, dazu ein jeder aus dem Wald und durd) das Moos lief,
wie er mochte, mußten die Fünförtiſchen (derem vorderfte fajt niedergeftochen
[waren] von den Zürchern) etwas zurücktreten ; welches auch zum andern Mal
geichah, alſo dar etliche jich verjahen, der Sieg wolle jich neigen auf der
Zürder Seite. Und dieweil davor der Angriff und das Zurückweichen der
Fünförtiihen da unten an dem Moos war, geichah es, daß der Zürcher Haufe
und Ordnung dahinab fich dem Moos zuſenkte. Dahinten aber gegen die
Brüce über den Mühlegraben war eine große Verwirrung der Zürcher. Denn,
da etliche (wie oben gemeldet) an den Münchbühl ziehen follten und grad in
ihrem Abzug der Angriff geſchah, waren jie ob dem Angriff erjchroden, und
nahmen ihrer etliche die Flucht; etliche wenige eilten wiederum von dem
Graben zum Angriff. Welches alles die Fünförtiſchen aus dem Wald jehen
mochten und darum jich wiederum ftärkten, und einander zuſchrien: „Tapfer
dran, redliche Eidgenoſſen, jeht ihr nicht, daR die Neger fliehen!” Denen ward
von den Zürchern vorne, die nicht wußten, wie es hinten ging, geantwortet:
„Ihr lüget als Böswichte.“ Aber die Flucht wuchs hinten immerdar heftig,
umd ward auch gemehret durch einen Verräter Oswald Yuft von Baar
(der auch hernach darum zu Zürich gerichtet ward), welcher ſich hinten unter
die Zürcher gejtellt hatte umd immerdar jchrie: „Fliehet, fromme Zürcher,
fliehet, ihr jeid verraten, euer Gebein kommt nicht davon!“
Wie auch die Zürcher vorn am Angriff heftig gegen das Moos (wie
oben gemeldet) drücten auf die Zünförtiichen, kamen fie mit ihren Gewehren in-
— Br
336
einander. Und wifchte einer der Fünförtifchen mit einem kurzen Gewehr den
Zürchern unter die Spieße, fie noch mehr zu verhindern, ward aber nieder:
gelegt. Und wiewohl von etlichen Zürchern gejchrien wurde: „Drücfet nicht jo
heftig, daß mir ung rühren können“, auch Jos Brennwald, Burger von
Zürich, nach kurzen Gewehren jchrie, war es doch alles vergebens. ES drückte
auch heftig mit dem Panner vorwärts der Pannerherr Schwizer und jdhrie:
„Redlich dran, biderbe Yeute!" In dem allem drangen hervor durd das
Eicher, gegen das Sennhaus, ungeichädigt die V Orte mit den Bannern und
dem rechten Gewalthaufen und famen ganz den Zürchern, die noch ftunden,
in die Seite; etliche der V Orte eilten der Pinten und dem Graben zu, die
übrigen Zürcher zu hinterziehen, jo daß es dahin fam, daß, was noch an
Zürchern vorn ftund und fich wehrte, mehrteils (denn auch etliche davon ge-
fommen find) von den Fünförtiſchen niedergelegt wurde, und der hintere Teil,
was hinter dem Panner war, die Flucht ergriff. Auf welche auch das Nach—
drüden und Nacheilen der V Orte eifrig anging.
138. Die Rettung des zürcheriſchen Panners bei Bappel.
Aus Gilg Tihudis Kappelerkrieg, abgedrudt in Balthafars Helvetia II. S. 19.
Gilg Aegidius) Tſchudi, der beriihmte Gefchichtsichreiber, geb. 1505 zu Glarus, empfing
jeinen erften Unterricht von Zwingli, ftudirte ın Bafel und Paris und verfaßte 1528 eine
Beihreibung Rätiens, welche gedrudt wurde. Nachdem er verichiedene hohe Stellumgen in
feiner Heimat befleidet und auch als Hauptmann in franzöfiichen Dienften geweſen, wurde
er 1558 Yandammann in feinem Heimatlanten, verlor aber, weil er al$ Katholife in immer
ichrofferen Gegenſatz zur reformirten Mehrheit feiner Yandsleute trat, 1562 diefe Stellung
und widmete fih fortan bis zu feinem 1572 erfolgten Tode fat ausſchließlich der Abfaſſung
feiner zwei großen biftorifchen Werte, der Gallia Comata und dem Ehronicon
Helveticum, auf weld) leterem fein Ruhm als Geichichtsichreiber beruht. Obgleich die
neuere Gefchichtsforichung ihm vielfache Irrtümer nachgewieſen bat und insbefondere feine
Darftellung vom Uriprung der Eidgenoſſenſchaft, die Jahrhunderte lang Die berrichende
geweſen ift, nur auf einer gefchicten Verknüpfung der Urkunden mit den fagenhaften Über-
Iieferungen und freien Erfindungen des Autors berubt, fo befigt doch Tſchudis Werk un—
vergänglichen Wert ſowohl wegen feiner literariſchen Bedeutung, als der erften großen
Nationalgeihichte der Schweiz, als auch wegen der zablreichen jet zum Teil verlorenen
Urkunden, deren Wortlaut es uns erbalten bat. Obichen alle fpätern Bearbeiter der
Zchmweizergeichichte auf Tſchudis Chronicon fußten, wurde dasfelbe erft 1734 von dem
Basler Jielin herausgegeben, fo weit es vollendet war, d. b. bis zum Jahre 1470. Für
die Sefchichte der folgenden Jahre bis auf feine Zeit berumter hat Tſchudi umfaſſende
Sammlungen von Urkunden und zahlreiche biftoriiche Fragmente binterlaffen, die nur zum
feinen Teile gedruckt find. Tichudis ausführliche, im übrigen ziemlich parteiiſche Geſchichte
des Kappelerfrieges, aus welcher das Nachfolgende entnommen ift, gebört nicht zu
diefer Fortſetzung, fondern bildet eine eigene Schrift.
rn 7⸗ — — a SD 2 Lt a. |
—— — —— —
er
337
Alfo nahmen die von Zürich die Flucht über den Albis auf Zürich zu,
liegen alles Geſchütz dahinten; deren waren 19 Stüde auf Rädern und eine
große Zahl Hafen und Handgeſchütz, viel Harnifch und Gewehr, auch eine
große Menge Proviant. Man eilte ihnen nach bis an den kleinen Albis. Da
trieb fie [die Fünförtifchen] die finftere Nacht ab, daß fie wieder zurückzogen
bis auf die Wahlftatt. Da blieben fie drei Tage liegen nad) Kriegsbraud),
warteten allda, ob jemand fommen wollte, feinen Schaden zu rächen.
Der Pannermeifter von Zürich, diefer Zeiten ein gar unruhiger Daun,
als er tötlich wund war und jah, dak ihr Ding wollt ſchwanken, ſchrie er:
„Ach! wie will es der Stadt Zürich jo übel ergehn!” Alſo ward ihm nod)
eine Wunde; biemit fiel er. Da war fein VBortrager bei ihm, Hans Kambli
genammt, und wie derjelbe jah, dak der Pannermeifter der Wunden fterben
mußte, griff er nach dem Panner; aber der Pannermeifter hielt's ftarf in den
Händen. Kambli jprah: „Herr Pannerherr! Yafjet mir das Panner gehn.
Ihr ſehet wohl, dag eures Dings nicht mehr ift.” Aus Erjchredung oder
Erftummung des Todes hielt er's hart ımd ließ es nicht gehen. Da riß es
ihm der Vortrager Kambli mit Gewalt aus den Händen und ward dadurch
jo lang verjäumt, daß die fünförtifchen Knechte auf ihn eilten !, daß fie ihn ſehr
vermwundeten und insbejondere ihm etliche Schüffe und Stiche in feine Schenfel
wurden, daß er fallen und bleiben mußte, wiewohl er nicht ftarb; dem man
führte ihn nad) der Tat al8 Gefangenen ab der Wahlftatt nach der Stadt
Zug und ließ ihn arznen, wie aud) andere mehr. Da aber derjelbe Kambli
jab, dak er das Panner nicht mehr jchirmen mochte von feiner ſchweren
Wunden wegen, ruft er zu den Seinen: „Iſt irgend ein frommer Zürcher
da, der getraue unferer Stadt Panner davon zu bringen? Da antwortete ihm
einer aus dem Greifenfeer-Amt, Ulrich Denzler genannt: „Gebet es mir,
ich bin behend; ich hoff es davon zu bringen.” Da bot er ihm das Banner,
als jetst die Flucht ftarf angegangen war. Der Pannermeifter fam um, wie
objteht, und blieb der VBortrager auf der Wahlftatt verwundet, und brachte
der Denzler das Banner davon; doch ließ er fein Schwert dahinten ſamt
andern Gewehr und Waffen im Fliehen.
! Bullinger S. 130: Einer der Feinde fiel ihm mit feiner Hand an des Panners
Ne: ein anderer fiel ihm in den Damaft und zehrte unten ein Stüd darans. Kambli
aber brachte den einen mit jeinem Schwert von der Stange und fchrie im Gefecht mithinzu:
„Helfet, fromme Zürcher, belfet meiner Herren Ehre und Zeichen retten!“ Die Macht der
Feinde aber war jo ftark, daß Kambli anhub zu Boden zu gehn. Da lief Adam Näf
von Vollenweid aus dem freien Amt mit einem Schwert hinzu und bieb dem andern, der
das Panner auch gefaltet hatte, feinen Kopf vom Körper, daß das Blut in das Banner
ſpritzte. Es lief auch hinzu Junler Thumyſen mit feiner Hellenbarte und machte unter
den ‚zeinden, mit Hilfe Adam Näfs, jo viel Weite und Raum, daß Kambli mit dem
Panner wiederum auf und zum Gehen fommen mochte.“
Oechsli, Quellenbuch. 22
338
139. Zwinglis God.
Aus Johann Salats Chronit der fchweizerifchen Reformation, Archiv für die
ſchweizeriſche Reformationsgeſchichte I. S. 310.
Johann Salat, gebürtig von Surſee, ſeit 1525 Gerichtsſchreiber in Luzern, im zweiten
Kappelerkrieg Feldſchreiber der fünförtiſchen Truppen im Aargau, ein heftiger Gegner der
Reformation, die er auch in Spott- und Schmähliedern angriff, verfaßte im Auftrag der
VOrte in den Jahren 1530—35 eine ausführliche Chronik der Reformation von 151725434,
wie er meinte „ohne Rachſal ımd Zorn“, was ihm freilich bei feiner leidenichaftlichen
Natur nicht iiberall gelungen: ift.
Die, fo den Feind in die Flucht gefchlagen, eine jo ritterliche, ſchwere,
jaure Arbeit vollbracht und ihre tapfern Yeiber dergeftalt gebraucht, daß fie
nicht weit zu laufen gerichtet [waren], jondern blieben ſamt andern müden,
ihweren, alten, zu laufen unvermögenden auf der Wahljtatt, bliefen, juchten
ihre Kräfte wieder, gingen hin und her al$ die zornigen wütenden Löwen, ...
mit Beſchauung und Erfennung vollbradter Tat, da denn fo mancher hand-
fefter, tapferer, redlicher Dann jetzt lag, fterbend, tod und wund. Da redete
bie und da einer, in feinem Blute röchelnd, mit halb entgangnem Yeben, einen
Ehrenmann an umd gab ſich zu erfennen. Da ftrengte man ſich denn an, die
bei ihrem Hinfcheid zum wahren, alten Ehriftenglauben zu befehren, mit Beicht
und Empfang der Saframente, was auch von etlichen angenommen ward.
In ſolchem, nun auch vorne, da der Zürcher Ordnung geftanden war, ward
Zwingli gefunden, auf feinem Angeficht liegend, der noch nicht mit befondern
Stichen nod Wunden verlegt war, dermaßen, daß er, fo er Yuft und Atem hätte
haben mögen, noch von danmen gefommen wäre, welches die alten Chrijten
bedünft; kehrten ihn um, fchüttelten ihn, lannten ihn jedoch nicht. Tat er feine
Augen auf, jah um fi. Da ward er gefragt, ob er beichten wolle. Schüttelte
er feinen Kopf und jchüttelte fi, gab zu verftehen, dar er die Beichte nicht
wolle. Darauf haut ein redlicher alter Chriſt mit einem Schlachtſchwert drein,
Zwingli unter dem Kinn in den Hals; des Streich ftarb er. Indem famen
num etliche herzu, jo Zwingli in ſeinem Yeben gefannt hatten, bejchauten ihn,
juchten auch nad) befondern Wahrzeichen an feinem Yeib und fanden, daß dies
der Zwingli war, den fie wahrlid) mit mancherlei Neden nad jeinem Tod be-
grüßten, mit vielen Titeln, die ihm alle wohl gemäß waren, nicht mit wenig hohem
Danfjagen zu Gott dem Allmächtigen, daß der rechte Grund, Urfprung, Anfang,
Urfache und Verfchulder alles diefes Übels, Elends, Jammers und Angft jetst da
lag, röchelnd in feinem verpefteten Blut; dein doch Gott die Gnade getan hat,
vielfeicht, weil er ein Priefter gewefen, daß er von biderben Ehrenleuten, unter
ihnen und in deren Beijein ftarb; jonft wäre es fein Wunder gewejen, es
wären mehr Teufel bei jeinem Ende gewejen, dem Kriegsleute im Felde
339
waren. Alfo kamen fort und fort den ganzen Abend viele der alten Chriften
zu ihm über jeinen toten Yeichnam, zu bejchauen den, der fürwahr mehr Un-
frieden, Unruh, Angft, Not und Jammer angerichtet hat, als alle Fürften,
Herrn, Stände und Städte nie hätten zu Wege bringen mögen, der nun da
lag und von ihren Händen als von Gott dazu verordneten Inſtrumenten
jeiner Bosheit Yohn empfangen hatte. Da lag jett der Vogt aller Eidge-
nojjen und von den Gnaden Gottes alle feine Anfchläge bei ihm in Endfchaft.
140. Aus dem zweiten Landfrieden. 20. Movember 1531.
Eidgen. Abſch. IVIb. ©. 1567 ff.
I. a. Zum erften jo ſollen und wollen wir von Zürich unfere getreuen
lteben Eidgenoffen von den fünf Orten, desgleichen auch ihre lieben Mitburger
und Yandleute von Wallis und alle ihre Meithaften, fie ſeien geiftlich oder weltlich,
bei hrem wahren ungezmweifelten hrijtliden Glauben jegt und ber-
nad in ihren eigenen Städten, Yanden, Gebieten und Herrlichfeiten gänzlich un—
gearguirt und ungebifputirt bleiben laffen, alle böfen Finde, Ausflüchte, Ge-
fährden und Arglift vermieden und hintangeſetzt. b. Hinwiederum jo wollen
wir von den fünf Orten unjere Eidgenoffen von Zürich) und ihre eigenen Mit—
verwandten bei ihrem Glauben aud) bleiben laſſen.
c. Wir von den fünf Orten behalten uns in diefem Frieden lauter vor
alle, die uns ſamt und jonders mit Burg- und Landrecht oder in anderer
Weije verwandt find, auch die, jo uns Hilfe, Rat, Beiftand und Zuzug be-
wiejen und getan haben ..... d. Himviederum jo behalten wir von Zürich)
ung vor, daß die, jo ung Hilfe, Rat, Beiftand und Zuzug getan vor und
in diefem Krieg, ... daß auch die in diefem Frieden begriffen fein follen.
e. Weiter jo behalten wir von den fünf Orten ung vor und dingen lauter
aus die aus den freien Ämtern im Nargan, Bremgarten md Mel:
Lingen, jo ji) denen von Bern anhängig gemacht, ihnen zugezogen und ung zu
überziehen Fürſchub getan; desgleichen geben fie den Bernern noch Aufenthalt ;
deshalb ihnen der Frieden vielleicht nicht annehmbar fein, zudem unfer Be—
dürfnis zur Ausführung des Krieges gegen die Berner erfordern will, daf
man dajelbft Durchzug haben möge; deshalb wir fie jegt zumal im dieſem
Frieden nicht einbegreifen laſſen.
f. Desgleichen behalten wir auch lauter vor die von Rapperswil,
Zoggenburger, Gaftler und die von Wefen, jo unfere Eidgenofjen von
Züri nichts angehn, noch Jihnen] verwandt find, die in dieſem Frieden aud)
ausgeſchloſſen und nicht begriffen jein jollen, doch dak nad Gnaden, in
HBiemlichfeit mit ihnen gehandelt [werden jolle], mit Strafe oder mit Recht.
PER
340
II. a. Zum andern fo follen wir zu beiden Teilen einander bei allen
unfern Freiheiten, Herrlichfeiten und Gerechtigfeiten, jo wir in den gemeinen
Herrjhaften und Bogteien haben, von männiglichem ungehindert, gänz-
(ih bleiben laſſen. b. Es ift auch lauter zwilchen uns zu beiden Teilen
abgeredet und bejchloffen, wenn in denjelben gemeinen SHerrichaften etliche
Kirhhören, Gemeinden oder Herrihaften, wie die genannt werden möchten,
die den neuen Glauben angenommen und auch dabei bleiben wollten, daß fie
es wohl tun mögen. c. Wenn aber etliche derjelben, jo den neuen Glauben
angenommen und wieder davon abzuftehn begehrten und den alten wahren
chriſtlichen Glauben wieder annehmen wollten, daß fie zu demfelben freie Er-
laubnis, von männiglich ungehindert, guten Fug, Macht und Gewalt haben
jolfen. d. Desgleichen, wenn jemand in gemeldeten Herrichaften wäre, jo den
alten Glauben noch nicht verleugnet, e8 wäre heimlich) oder öffentlich, daR
diefelben auch unangefochten und ungehaßt bei ihrem alten Glauben bleiben
ſollen. e. Wenn auch diejfelben, e8 wäre an einem oder mehr Orten, die
fieben Saframente, das Amt der heiligen Meſſe und andere Ordnungen der
hriftlichen Kirchenzeremonie wieder aufrichten und haben wollten, dak fie das
auch tum follen und mögen und dasjelbe fo wohl halten, als der andere Teil
die Prädifanten. f. Sie jollen auch die Kirchengüter und was den Pfründen
zugehört, nach Marchzahl nit dem Priefter teilen und das übrige dem Prä-
difanten verabfolgen. g. ES joll auch fein Teil den andern von des Glaubens
wegen weder bejudeln noch ſchmähen, und wer dagegen tun würde, daß der—
jelbige je von dem Vogte daſelbſt darum geftraft werden ſoll je nach Geftalt
der Sache. — —
IV. Zum vierten jo jolfen und wollen wir von Zürich uns der neu
aufgerichteten Burgrechte, jo wir mit jemand in unferer Eidgenoffenichaft
oder ausländiichen Herren oder Städen gemacht, müfjigen und follen die
unferes Teils hin, tot und abgetan werden, laut unferer geſchwornen Binde,
dieweil diefelben geſchwornen Bünde ſolche Burgrechte nicht erleiden, wo wir
anders Eidgenofjen fein wollen; darum fo follen und wollen wir diefelben Burg-
rechtsbriefe mit jamt dem vorher aufgerichteten Yandfrieden und dem darüber
gemachten Beibrief, jo auch hiemit tot und abfein und nichts mehr gelten
jolfen, den fünf Orten von Stund an und unverzüglich zu ihren Handen
aushingeben.
V.a. Zum fünften jo folfen und wollen wir von Zürich umjern ge-
treuen lieben Eidgenoffen von den fünf Orten den Teil, jo wir von den
dritthalbtaufend Kronen, jo gemeldete unfere Eidgenoffen von den fünf Orten
uns jamt unjern Mithaften vermöge des damals abgeredeten Yandfriedens
an unjere Koften gegeben, empfangen, wieder aushingeben und fie darum
gütlich bezahlen, b. Es follen auch alle die, jo in diefem Frieden einbegriffen,
341
jo von ſolchem Gelde, den dritthalbtaufend Kronen empfangen, jo viel ihnen
daran geworden, das auch wieder geben. — —
141. Der Tod Philipp Berthelier's. 23. Auguf 1519.
Aus dem franz. des Bonivard, les Chroniques de Gendve II. cap. 28 S. 360 ff.
Frangois de Bonivard, geb. 1499, seit 1513 Prior von St. Victor zu Geuf, wurde
wegen seiner Anhänglichkeit an die Freiheit der Stadt vom Herzog von Savoyen 1530
in die unterirdischen Kerker von Chillon gesperrt und erst 1536, als die Berner das
Schloss eroberten, befreit. 1546 begann er im Auftrag der kalvinistischen Regierung
die Abfassung einer Chronik von Genf und starb 1570.
Als der Herzog sah, dass das noch nicht geschah, [dass die Bürger-
14 schaft von Genf ihr Burgrecht mit Freiburg nicht aufgab], weil
ihm die Partei der «Eidgenossen» seinen ganzen Fang störte,
beschloss er, ihre Gesellschaft zu sprengen. Und weil durch
den Vergleich [mit Freiburg] ausgemacht worden war, dass der Herzog
nichts an der bischöflichen Gewalt und Gerichtshoheit ändern dürfe,
wagte er nichts in seinem Namen zu tun; aber er bediente sich dabei
des Bischofs als eines Werkzeugs und schickte den genannten Bischof
nach Genf mit fünf- oder sechshundert Kriegsknechten, um folgende
Heldentaten auszuüben.
Am 20. August, einem Samstag, um 4 Uhr Nachmittags, kam er
[der Bischof] mit seiner Truppe in Genf an, weil man ihm, da sie ihn
für ihren Fürsten hielten, die Tore nicht zu schliessen wagte. Zuerst
hielt er sich an diesem Tag und dem folgenden Sonntag ruhig, gab
aber Acht auf Berthelier, den er für den Leithammel der Herde hielt.
Dieser, obgleich er von mehreren deshalb gewarnt wurde, kümmerte sich
nicht darum, sondern liess nicht ab, überallhin zu kommen und zu gehen
wie vorher, so dass man hätte sagen können, er fliehe den Tod nicht,
sondern laufe ihm nach.
So wurde er am folgenden Montag vom Vidomne !, den eine Anzahl
Soldaten des Bischofs begleiteten, etwa um 6 Uhr angetroffen; dieser
Vidomne nahm ihn namens des Herrn von Genf gefangen, und nahm
ihm sein Schwert ab, worauf Berthelier stolz zu ihm sagte: «Besinnt
euch, was ihr mit diesem Schwerte tut; denn ihr werdet Rechenschaft
darüber ablegen müssen». So wurde er indes nach der Insel geführt,
wo er eingeschlossen und den ganzen Tag von einer grossen Anzahl
bischöflicher Kriegsknechte bewacht wurde. Und der Bischof hob seinen
Prozess gegen ihn an nicht nach den Rechten und Freiheiten der Stadt,
' Der vom Herzog von Savoyen gesetzte Beamte, der im Namen des Bischofs in
Geuf Gericht bielt.
PR
f
342
welche besagen, dass jeder eines Verbrechens angeklagte Laie den Syn-
dies * überliefert werden solle, um ihm seinen Prozess zu machen, als
den rechtmässigen Richtern dieser Angelegenheit; sondern er setzte einen
Profossen ein, um dies Amt auszuüben, einen Greis von Chambery, der
indes damals in Genf wohnte und sein ganzes Leben Zähneausreisser
gewesen war, Namens Johann Desbois. Dieser kam auf den Befehl
des Bischofs auf die Insel, um Berthelier zu verhören; aber er wollte
keine Antwort in seine Hände ablegen, indem er sagte, dass er nicht
sein rechtmässiger Richter sei. Und um zu beweisen, dass er sich frei
von jeder Furcht fühle, schrieb er an die Wand des Gemaches, wo er
sich befand: «Non moriar sed vivam, et narrabo opera Domini» Ich
werde nicht sterben, sondern leben und die Werke des Herrn lobpreisen].
Man sagte auch zu ihm, wenn er den Herrn von Savoyen um Gnade
bitten wollte, würde er sie ihm gewähren; aber er wollte das nimmer
und zog es vor zu sterben. Aber am folgenden Morgen kehrte der Pro-
foss zurück und führte mit sich die ganze Bande Kriegsknechte mit
ihren Hauptleuten, welche der Bischof herbeigeführt hatte; diese lagerten
sich in guter Ordnung, um die Insel und die Brücke zu bewachen. Dann
begann der genannte Profoss, Berthelier abermals aufzufordern, in seine
Hände Antwort abzulegen, was er ihm wie vorher verweigerte, und nun
füllte der genannte Profoss sein ebenso törichtes als elendes Urteil, in-
dem er sagte, dass er ihn sowohl für seine vergangenen Missetaten, wie
für den Ungehorsam, den er jetzt seinem Fürsten beweise, dazu ver-
urteile, enthauptet zu werden; sein Körper solle an dem Galgen von
Champel und sein Kopf im Plainpalais aufgehangen und seine Güter zu
Gunsten des Fürsten eingezogen werden.
In betreff der beiden ersten enthalte ich mich zu erklären, ob er
es mit Recht tat; denn darüber hätte man im Zweifel sein können; aber
das letzte, die Gütereinziehung, geschah unmittelbar gegen das Stadt-
recht, welches besagte, dass für kein Verbrechen die Güter der leidenden
Person eingezogen werden dürften. Dessenungeachtet geschah dies mit
Berthelier, und was schlimmer ist, man machte ihm einen Beichtvater
und den Henker zum Geschenk. Er hielt indes dem Beichtvater keine
langen Reden. Deshalb ergriff ihn der Henker, führte ihn vor den Platz
der Insel, wo er keine andere Rede hielt, ausser dass er rief: «Ah!
Ihr Herren von Genf!» dann kniete er nieder und wurde enthauptet,
sein Körper auf einen Karren gelegt, auf dem sich auch der Henker
befand, der seinen Kopf hielt. Und der genannte Wagen wurde mitten
durch die Stadt gezogen, begleitet von mehreren Kriegsknechten, und
der Henker schrie an einem fort: «Seht da den Kopf des Verräters
Berthelier!« Dann brachte man das Haupt und den Körper an die vom
Richter bezeichneten Orte. Seine Güter gab der Bischof (obgleich sie
eingezogen waren) auf die Bitte mehrerer Leute wieder den Kindern
heraus, die noch klein waren, unter der Bedingung jedoch, dass sie die
Stadt verlassen sollten und niemals darin wohnen, aus Furcht, sie möchten
darin das gleiche Unkraut säen, wie der Vater.
! Dem städtischen Magistrat.
343
142. Aus dem fünfundzwanzigjährigen Burgrecht Berns und
Freiburgs mit Genf, 8. Februar 1526,
Abſchiede IV. 1. a. ©. 1507.
Wir, die Schultheifen, Räte und Burger der zwei Städte Bern umd
Freiburg an einem und wir die Syndics, Räte und Burger der Stadt
und Gemeinde zu Genf, dem andern Teil, tum fund und zu wiſſen .....
1) daß wir... jede Stadt in der andern von uns drei Städten
fir ung und unfere Nachfommen ... ein aufrechtes und redliches Burgrecht
auf: umd angenommen und empfangen, ... ung auch alſo einander wifjentlich
zu rechten und eingejeffenen Burgern empfangen und nehmen, alſo daß wir
zu Gott und den Heiligen mit aufgehobenen Händen ... ſchwören follen,
nämlich jegliche Stadt von uns der andern Treue und Wahrheit zu Leiften,
ihren Nuten, ihre Ehre und Frömmigkeit zu fördern und Schaden zu wenden
und alles das zu tum, fo treuen Burgern gebührt.
2) Damit aber Hilfe und Beiftand, [fo] einander zu beweiſen liſt), ge-
nau beftinmmt jei, ift zwifchen uns folgende Erläuterung abgeredet und be-
ihloffen: Wo fih in fünftigen Zeiten während dieſes Burgrechts begäbe,
daß einer oder mehrere, wer die wären oder fein würden, jo obgemeldete Syn-
dics, Rät und Burger der Stadt und Gemeinde zu Genf an Leib, Ehre
und Gut, an Yand und Leuten, Herrichaften, Freiheiten, guten Gewohnheiten
und altem Herkommen wider Necht und Billigfeit fchtwächen, verlegen, ſchädigen
und mit irgend andern Saden, Gewalt, Frevel, Angriff, Mutwilfe oder
Überfall . . . herausfordern und beleidigen wollte, alsdann jo jollen wir obgen.
Schultheißen, Räte und Burger der Städte Bern und Freiburg bei unjern
geihworenen Eiden ermejjen, erwägen und erfennen, ob ein folcher Angriff,
Beleidigung, Überfall und andere Nötigung wider Recht umd Billigfeit ge-
ihehen, und wo fich dann ... erfände, daß ſolches wider Necht und Billigfeit
und mit Gewalt begegnen und wider gemeldete von Genf vorgenommen werde,
alsdann jo jollen wir obgemeldete von Bern und Freiburg gedachten von
Genf... . notwendige Hilfe, Zuzug, Beiftand ımd Schirm nad unfern
Vermögen, doch in ihren, derjelben von Genf, Koſten und Bejoldung beweifen.
3) Hinwiederum haben wir obgemeldete Syndics, Rät und Burger der
Stadt und Gemeinde zu Genf gelobt und zugefagt, gedachten Schultheiken,
Näten, Burgern und Gemeinden der Städte Bern und Freiburg, [jo fie]
gleicher Geftalt angegriffen, überfallen, genötigt und befümmert [würden],
nad unferm Vermögen, mit Yeib und Gut, auch in unſern eigenen Koften
und Bejoldung behilflich und beiftändig zu fein. — —
18) Desgleichen behalten wir die von Genf aud vor unferm aller:
guädigften Herrn, den Bifchof von Genf und feine rechtlich erwählten Nach—
344
folger, die wir für unfere Oberherren in aller Gewalt und Obrigkeit aner:
fennen.
19) Zudem find hier ausdrüdtich und eigentlich) vorbehalten der fürft-
(ichen Durchlaucht von Savoyen, auch der eben genannten bifchöflichen Hoch—
würdigfeit Freiheiten, Gerechtigfeiten, Gewalt, Obrigfeiten und Herrlichkeiten,
die fie haben möchten, ohne Abbruh, Schaden und Schwächung derjelben,
fraft dieſes Briefs.
143. Aus dem Frieden von St. Julien. 19. Oktober 1530.
Abſchiede IV. 1. b. S. 1501 fi,
— — — 2, Ferner, wenn es fich fügte, daß außerhalb des Herzogs
[von Savoyen] Yand und Gebiet die Seinen gegen die Genfer oder ihre
Güter mit Worten oder Werfen frevelhafte Hand anlegten, und es nachher
dem Herzog zu Klage käme, er auch den Täter ergreifen [joll, um ihn] als-
dann in aller Form, Weife und Maß, wie oben gehört und ausdrüdlich er-
läutert ift, zu ftrafen und bierin gar niemandes zu jchonen.
3. Solches alfo feit, ftät und unwandelbar zu halten, ſoll gejagter unjer
guädiger Herr von Savoyen für fich und feine Nachkommen beiden Städten
Bern und Freiburg in Unterpfands- und Einbunds-Weife einſetzen und
verpfänden das Yand genannt die Waadt, mit all dem echte, jo er jetzt
daran bat, oder er und die Seinen in künftiger Zeit befommen und inne-
haben möchten, nichts ausgenommen noch vorbehalten, dergeftalt, wo er alio,
wie vorfteht, um Recht angerufen und er demjelben nachher jäumig mürde,
und ich ſolches rechtlich erfände, daf alsdanı das Yand der Waadt den
beiden Städten heimgefallen jet.
144. Die Bürgergemeinde von Genf nimmt die Beformation an
und führt den Schulzwang ein. 31. Mai 15536.
Überfegt aus dem Frauzöfiihen; Roget, Hist. du Peuple de Geneve L S. 2.
h) J = p
Hier ist versammelt die Bürgergemeinde bei Glocken- und Trom-
petenschall, so wie es Gewohnheit ist und durch die Stimme des ersten
Syndie’s, Claude Savoye, ist der Beschluss des täglichen Rates und der
Zweihundert die Art zu leben betreflend vorgelegt und hernach mit
lauter Stimme gefragt worden, ob jemand wäre, welcher etwas gegen
345
das Wort und die Lehre sagen könnte und wollte, welche uns in
dieser Stadt gepredigt wird, der solle es sagen, und ob nicht alle
nach dem Evangelium und dem Worte Gottes, sowie es uns seit der
Abschaffung der Messe gepredigt worden ist und alle Tage gepredigt
wird, leben wollen, ohne mehr nach Messe, Bildern, Götzen oder andern
päpstlichen Missbräuchen, welche es auch seien, trachten zu wollen.
Worauf ohne Einrede, mit Einstimmigkeit insgemein beschlossen, fest-
gesetzt und Gott mit in die Höhe erhobenen Händen gelobt und ge-
schworen worden ist, dass wir alle, einhellig, mit Gottes Hilfe in diesem
heiligen Gesetze des Evangeliums und dem Worte Gottes leben wollen,
so wie es uns verkündet worden ist, des Willens, alle Messen und
andern päpstlichen Zeremonien und Missbräuche, Bilder und Götzen zu
lassen, in Eintracht und Gehorsam der Gerechtigkeit zu leben.
Daselbst ist auch der Artikel über die Schulen vorgelegt und darüber
mit Einstimmigkeit beschlossen worden, dass man sich bemühen solle,
einen dazu tauglichen Mann zu bekommen, und dass man ihn so besolde,
dass er die Armen nähren und lehren könne, ohne von ihnen irgend
welche Bezahlung zu verlangen, und auch, dass ein jeder gehalten sei,
seine Kinder zur Schule zu schicken und sie lernen zu lassen, und dass
alle Schüler und auch die Lehrer gehalten seien, ihren Sitz in der
grossen Schule zu nehmen, wo der Rektor und seine Baccalaurei sein
werden.
145. Catvin an Farel über feine Zurückberufung nad) Genf.
Straßburg, den 21. Oktober 1540.
Aus dem Yateinifchen; Calvini Opera ed. Baum etc. vol. XI. p. 90.
ch zweifle nicht, dass du mich bei den Brüdern bestens ent-
schuldigt hast, welche mich brieflich ermahnten, [nach Genf]
zurückzukehren, weil ich ihnen nichts geantwortet habe. Du
Ben weisst ja, dass mein Gemüt deswegen zwei Tage lang in
solcher Verwirrung schwebte, dass ich halb von Sinnen war. ... Jedes-
mal, wenn ich mir ins Gedächtnis zurückrufe, wie elend ich mich dort
befunden habe, kann ich nicht umhin, von ganzer Seele zu schaudern,
wenn von meiner Zurückberufung die Rede ist. Ich will von jener Un
ruhe nicht reden, von der wir beständig hin- und hergeworfen wurden,
seit ich dir als Amtsgenosse beigesellt worden war: ich weiss ja, dass
mir, wohin ich mich auch zurückziehe, endlose Mühsalen bevorstehen,
dass, wenn ich Christo leben will, diese Welt für mich immer stürmisech
sein wird, dass das gegenwärtige Leben zum Kampfe bestimmt ist.
Aber wenn ich überdenke, von was für Qualen damals mein Gewissen
gemartert wurde und in welchen Sorgen es schwebte, so verzeihe mir,
wenn ich diesen Ort als für mich verhängnisvoll fürchte. Du bist mir
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mit Gott der beste Zeuge, dass ich mich durch keine andere Fessel
dort so lange habe zurückhalten lassen, als weil ich das Joch der Be-
rufung, das ich mir vom Herrn auferlegt wusste, nicht abzuschütteln
wagte. So lange ich daher so gebunden war, habe ich lieber das Ausserte
ertragen, als dem Gedanken einer Veränderung meines Aufenthaltes in
meiner Seele Raum gegeben, der mich sonst oft beschlich. Aber da ich
einmal durch die Wohltat Gottes frei geworden bin, wer könnte mich
tadeln, wenn ich nicht gerne von neuem in den Strudel tauche, der sich
mir als unheilvoll erwiesen hat? Wird mich nicht vielmehr jedermann
allzugrossen Leichtsinns zeihen, wenn ich mich mit Wissen und Willen
kopfüber hineinstürze. Selbst wenn ich mich durch keine persönliche
Gefahr abschrecken liesse, so denke ich doch kaum, dass mein Dienst
ihnen den Genfern]! von Nutzen sein würde. Denn bei dem Geiste, der
die Meisten dort beseelt, werde ich sie nicht ertragen können, noch sie
mich. ... Und, um die Wahrheit zu gestehen, selbst wenn mir alle
Hindernisse aus dem Wege geräumt würden, ich habe die Kunst, die
Menge zu regieren, ich weiss nicht durch welche Entwöhnung vergessen.
Hier habe ich nur mit wenigen zu tun, von denen mir überdies die
Mehrzahl nicht sowohl als ihrem Hirten gehorcht, sondern mich als ihren
Lehrer achtet.
146. Farel an Calvin über Servet. 8. September 1553.
Aus dem Yateinifchen; Calv. op. XIV. p. 612.
Wunderbar ist Gottes Fügung in betreff des Servet, dass er dorthin
Inach Genf] gekommen ist. Möge er zur Erkenntnis kommen, so spät
es auch sei. Das wird sicherlich ein grosses Wunder sein, wenn er
den Tod erleidet, ernstlich zu Gott bekehrt, und einmal des Todes stirbt,
den er viel tausendmal verdient hat; wenn er sich bemüht, alle An-
wesenden zu erbauen, er, der den schon Gestorbenen, wie den Lebenden
und selbst den Künftigen zu schaden sich bestrebt hat. Grausam, ja
Beleidiger Christi und der gottesfürchtigen Lehre und wahre Feinde
der Kirche werden die Richter sein, wenn sie gegen die schauderhaften
Gotteslästerungen des verruchten Ketzers unempfindlich bleiben, mit
denen er sich an der göttlichen Majestät vergriffen und versucht hat,
das Evangelium Christi zu stürzen und alle Kirchen zu verderben. Aber
ich hoffe, Gott werde bewirken, dass die, welche gepriesen werden, dass
sie Diebe und Heiligtumsschänder so wohl zu strafen wissen, ein Ver-
halten beobachten werden, welches ihnen auch in dieser Sache gerechtes
l.ob einträgt, indem sie denjenigen sterben lassen, der so lange aufs
hartnäckigste in seinen Ketzereien beharrte und so viele ins Verderben
vestürzt hat. Wenn du wünschest, das Grässliche der Strafe zu mildern,
so übst du das Amt eines Freundes an deinem tötlichsten Feind. Aber
ich bitte dieh, verfahre so, dass nicht leicht mehr einer es wagt, neue
Lehren an die Öffentlichkeit zu bringen und so lange alles ungestraft
urn.
347
zu verwirren, wie jener es getan hat. . . Nicht wenige pflichten ge-
wissermassen der Sekte der Wiedertäufer bei, welche Missetäter durch-
aus nicht wollen, dass die Gottlosen aus dem Wege geräumt werden,
damit ihnen gestattet sei, ungestraft ihre Schändlichkeiten zu lehren
und zu befolgen; sie wollen, dass man mit den Ketzern nicht anders
verfahre, als dass man sie machen lasse, wie wenn kein Unterschied
wäre zwischen dem Amt eines Geistlichen und dem der Obrigkeit. Wenn
der Papst die Frommen wegen Ketzerei verdammt und wütende Richter
ungerechterweise gegen Unschuldige die Strafe verhängen, die den
Ketzern gebührt, welcher Unsinn ist es, daraus zu schliessen, dass man
die Ketzer nicht vernichten dürfe, um den Gläubigen zu helfen! Sicher-
lich haben jene solches sich und andern mit einer vormals unerhörten
Beweisführung raten wollen, der Balın zuwider, die alle Diener des Herrn
einschlugen, und haben sich dadurch gleichsam selber den Ketzern bei-
gesellt. Ich meinerseits, da ich den Ausspruch des heiligen Paulus las,
er fliehe den Tod nicht, wenn er etwas verschuldet habe, habe mich
öfters ausdrücklich bereit erklärt, das Todesurteil zu erdulden, wenn
ich etwas gegen die gottesfürchtige Lehre gelehrt hätte. Und ich habe
hinzugefügt, dass ich jede Todesqual verdienen würde, wenn ich einen
vom Glauben und der Lehre Christi abwendig machte. Gewiss kann ich
in betreff anderer keine andern Gefühle hegen, als was ich über mich
selbst verhänge.
147. Der Berner Stadtfchreiber Burkinden an Calvin, nachdem
ihm dieſer fein Buch zur Rechtfertigung der Hinrichtung Servets
überfandt hatte. 10. Februar 1554.
Aus dem Yateinifchen; Calv. opera. XV. S. 20 ff.
— — Ich gestehe dir gerne, dass auch ich zu der Zahl derjenigen
gehöre, welche, sei es aus Unwissenheit oder aus allzu grosser Schüchtern-
heit, wünschen, das Schwert so selten als möglich als Zwangsmittel
gegen die Widersacher des Glaubens angewendet zu sehen, sei es, dass
sie mit Vorsatz, sei es, dass sie aus Unwissenheit irren. Und mich be-
wegen dazu nicht so sehr die Stellen der Schrift, welche jene anführen,
um die Schärfe des Schwertes von der Behandlung der Religionssachen
fern zu halten, als die erstaunlichen Beispiele, die zu unserer Zeit bei
der Bestrafung der Wiedertäufer vorgekommen sind. Ich habe hier eine
achtzigjährige Greisin mit ihrer Tochter, der Mutter von sechs Waisen,
zum Tode führen sehen, die nichts anderes verschuldet hatten, als dass sie,
von der so einleuchtenden und beim Volke beliebten Lehre der Wiedertäufer
hingerissen, die Kindertaufe leugneten. Und das niemand zum Unheil als
zu ihrem eigenen; denn es war keine Gefahr, dass die beiden Weiblein
unsern Erdkreis mit der falschen Lehre ins Verderben stürzen würden. Mit
348
diesem einen Beispiel von vielen will ich mich begnügen, welches mich
so sehr erschüttert, dass ich fürchte, die Obrigkeiten bleiben nicht inner-
halb der Schranken, in welche du sie weisest, dass sie nämlich nur die
scheusslichsten Zerstörer des Glaubens und der Religion zur Hinrichtung
schleppen. Wenn du hoffst, dies erreichen zu können, sträube ich mich nicht
dagegen; aber ich fürchte (ohne Grund vielleicht), es möchten auch die
leichten Irrtümer für todeswürdig gehalten werden, wenn nicht die Obrig-
keiten in der Furcht des Herrn stark sind und mit genauem Urteil unter-
scheiden zwischen denen, die von Eifer, aber nicht dem rechten Verstande
gemäss getrieben werden, und denen, die vorsätzlich die friedlichen Kir-
chen Christi mit neuen gottlosen Lehren quälen; und ich will lieber, dass
auch in letzterem Fall die Obrigkeiten sowohl als ich aus Unerfahren-
heit zu grosse Milde und Schüchternheit walten lassen, als dass wir zu
sehr zur Strenge des Schwertes neigen. Dies ist, wie ich sehe, auch
deine Meinung, da du vieles von jenem strengsten Recht des Schwertes
ausnimmst und ihm nur das Verruchteste zuweisest. Und denke nicht,
dass ich dies zu Gunsten Servets sage, des gottlosen und schmähsüchtigen
Menschen — ich wollte indess, er wäre eines andern Todes gestorben —
sondern, weil ich das böse Beispiel und den Irrtum fürchte, der nur
allzu sehr zur Grausamkeit geneigt ist, vor welcher ich solchen Abscheu
hege, dass ich lieber wollte, mein Blut würde vergossen, als dass es
sich mit dem Tode eines nicht im äussersten Grade Schuldigen befleckte.
Da ich einmal von einem Ratsherrn gefragt wurde, warum ich die Todes-
urteile gegen die unglücklichen Wiedertäufer nicht unterzeichne, er-
wiederte ich ilım, er solle aus der Zahl derselben irgend einen auf Leib
und Leben anklagen, welcher die Gebote der Ehe befleckt, öffentlich
das Volk zum Abfall aufgereizt und jene Schandtaten begangen habe,
die einige unter dem Deckmantel der Religion heimlich zugelassen hätten ;
jene Einfalt und Unwissenheit scheine mir der Nachsicht, nicht des Todes
würdig, und andere Zwangsmittel seien gegen diese, als gegen jene an-
zuwenden; man dürfe nicht alle ohne Unterschied zum Tode führen.
Es gibt sodann noch einen andern Grund, warum ich vor der Hin-
richtung derselben zurückscheue. Ich sehe, dass nur einige wenige auf
diese Weise vernichtet werden können, ganze Völkerschaften aber
nicht; ich aber wünschte die Strafgesetze so beschaffen, dass ihre Strenge
nicht gegen wenige scharf, gegen die Menge aber stumpf sind. Ich
glaube nämlich, dass heutzutage keines Fürsten oder Freistaates Strenge
so unbengsam und unmenschlich ist, um ganze Scharen Volkes wegen
irgend einer Abweichung von der Religion mit dem Schwerte ausrotten
zu wollen, im Namen des Rechtes und der Obrigkeit, nicht mit den
Waffen und offener Gewalt. Auch können die Menschen nicht wissen,
welche Augenblicke jedem Irrenden zur Sinnesänderung bestimmt sind,
und mancher kann, da man seine Busse nicht abwartet, getötet werden,
der in kurzem der Kirche nicht zur Last, sondern zur Zierde gereicht
haben würde. Die Meisten sind ja von solcher Gemütsart, dass sie sich
wohl leiten, nicht aber schleppen lassen und wir haben manche bei der
Erwähnung der Todesstrafe sich erst recht verstocken sehen, die sonst
wohl hätten mit sich reden lassen.
Dies hat der wohlweise Rat von Basel eingesehen und ist in diesen
349
Dingen so verfahren, dass meines Wissens keiner wegen Religionssachen
um sein Haupt gebisst worden ist. Sie haben die Unglücklichen eine
Weile an gelegener Stätte eingesperrt gehalten, wo die Geistlichen und
andere gute Männer Zutritt hatten, um sie mit Menschlichkeit von ihrem
Irrtum abzubringen. Auch wir haben, betroffen über die grausamen
Exempel, angefangen, milde zu werden. Du siehst auch, mit welcher Er-
bitterung und beinahe mit den Waffen in unseren erlauchten Republiken,
nicht um den Kern, sondern um die Schale der Religion gestritten
worden ist. Ich sehe eine jede ihre Zeremonien mit solcher Hartnäckig-
keit verteidigen, dass um ein weniges die Bünde, der Friede, die Ein-
tracht und die durch Christi Blut besiegelte Gemeinschaft zusammen-
stürzen und der wilde Kriegsgott eher sein Signal ertönen lässt, als
dass eine der andern nachgibt oder sie wenigstens ihrer Freiheit ge-
niessen lässt. So dass, wohin ich mich wende, es mir nötig scheint,
die Schwerter der Obrigkeiten eher abzustumpfen als zu schärfen.
Aber wozu dies alles? Damit du siehst, was du übrigens auch
ohne jemandes Ermahnung tust, wie wahr es ist, was du schreibst, dass
viele sonst nicht zu den Schlechtesten zählende Menschen fürchten, es möchte
durch die leiseste Zustimmung seitens der Diener des göttlichen Wortes
der Zorn der Obrigkeiten in dieser Sache nur allzusehr angefacht werden,
während sie in der Verfolgung der schwersten und überwiesensten Frevel-
taten sehr langsam sind. Ich füge bei, dass wir den Papisten nichts
Angenehmeres tun können, als wenn wir, nachdem wir ihre Wut dem
Abscheu preisgegeben haben, nun selbst dulden, dass die Arbeit des
Henkers im eigenen Hause neu auflebt. ... Ich wollte, dass der erste
Teil deines Buches über das Recht des Schwertes, welches die Obrig-
keiten zur Züchtigung der Ketzer sollen in Anspruch nehmen dürfen,
nicht in deinem, sondern deines Rates Namen herausgekommen wäre,
welcher der Verteidiger seiner Tat hätte sein können. Ich sehe nicht ein,
wie du bei den Leuten von gelassenem Gemüt irgend welchen Dank
dafür ernten sollst, dass du fast geflissentlich zuerst von allen es unter-
nommen hast, diesen, soweit ich aus den vorläufigen Urteilen heraus-
merke, so ziemlich jedermann verhassten Gegenstand zu behandeln.
148. Johanna Gray an Bullinger. JZuni 1553.
Überſetzt aus dem Patein.; Epistole Tigurin®, herausgeg. von der Parker-Society. ©. 3.
Johanna Gray, eine Urenkelin König Heinrichs VII. von England, berühmt durch
ihre Schönbeit, Tugend, Bildung und ibr unglückliches Geschick, wurde 1553 nach dem
Tode Eduard VI. von den protestantischen Grossen zur Königin von England ausge-
rufen, um die Tronfolge der katholischen Maria zu hindern, und deshalb von dieser,
trotzdem sie erst siebzehn Jahre alt war, samt ihrem Gemahl am 12. Februar 1554
aufs Blutgerüste geschickt.
Du darfst die späte Erfüllung einer Pflicht nicht tadeln, zumal
wenn sie nicht aus Nachlässigkeit versäumt worden ist. Ich bin ja in
RER N = _ EX
350
weiter Ferne von dir, der Briefboten sind wenige und ich komme spät
zu den Neuigkeiten; aber nun, da ich ihn habe, den Boten, durch dessen
Hand meine Briefe dir und die deinigen mir überliefert zu werden
pflegen, habe ich meine Pflicht nicht versäumen dürfen, dir so eilig als
möglich durch Wort und Schrift das Beste zu wünschen und Dank zu
sagen. Denn so gross ist dein Ansehen bei allen, so gross, wie ich ver-
nehme, die Wirkung deiner Predigt, so gross, wie diejenigen zu sagen
pflegen, welche dich kennen, die Reinheit deines Wandels, dass nicht
nur durch deine Worte, sondern auch durch die Sitten deines Lebens
sowohl die fremden und auswärtigen Nationen, als das Land, welches
du selbst bewohnest, eher zu einem guten und glückseligen Leben an-
gespornt werden; denn du bist, wie Jakobus’ sagt, nicht bloss ein em-
siger Herold und Prediger des Evangeliums und der heiligen Gebote
Gottes, sondern auch ein wahrer Ausführer und Vollender desselben ;
und im Leben vollbringst du das, was du mit Worten vorschreibst, indem
du dich nicht selber betrügst. Nicht fürwahr gleichst du denen, die ihr
äusseres Gesicht im Spiegel betrachten, und sobald sie weggegangen
sind, vergessen, welches seine Form gewesen ist; sondern wahr und auf-
richtig predigst du und bist durch deinen Lebenswandel andern ein Bei-
spiel und Vorbild, dass sie das befolgen, was du befiehlst und tust.
Aber was schreibe ich solches an deine Hochwürden, da meine Un-
wissenheit so gross ist, dass sie weder deine Frömmigkeit gebührend
loben, noch die Reinheit deines Lebens genügend preisen, noch, wie es
sich geziemt, deine verehrungs- und bewunderungswürdige Lehre aus-
drücken kann. Denn, um dich, wie es die Wahrheit verlangt, zu loben,
müsste ich die Beredsamkeit eines Demosthenes oder den Redefluss eines
Cicero besitzen; so gross sind ja deine Verdienste, dass ihre Auseinander-
setzung sowohl genügende Zeit als auch eine mehr als kindliche Geistes-
schärfe und Feinheit der Rede erforderte. Denn in dir hat sich, wie
es offenbar ist, Gott so sehr gefallen, dass er dich für sein Reich, wie
für diese Welt geschaffen hat; in diesem irdischen Gefängnis verbringst
du deinen Lebenslauf, wie wenn du gestorben wärest; da du doch lebst
und zwar nicht bloss in erster Linie Christo, ohne welchen kein Leben
sein kann, und sodann dir, sondern auch unendlich vielen andern,
welche du, so Gott will, za der Unsterblichkeit, die du selbst erlangen
wirst, nachdem du aus diesem Leben geschieden sein wirst, zu führen
aus Kräften dich bestrebst und bemühst; und damit deine Frömmigkeit
das vollbringe, was sie wünscht, will ich ohne Unterlass zu Gott, dem
Allmächtigen, dem Spender alles Guten, beten, und nicht aufhören, seine
göttlichen Ohren zu belästigen, auf dass du möglichst lange diesem
Leben erhalten bleibest.
Dies habe ich mit mehr Kühnheit, als Klugheit an dich geschrieben ;
aber so gross sind die Wohltaten, welche du mir erwiesen hast, der du
an mich die Unbekannte zu schreiben, und, was zur Zierde des Geistes
und zur Ausbildung der Scele nötig ist, an die Hand zu geben geruht
hast, dass ich mit Recht der Nachlässigkeit geziehen werden und pflicht-
vergessen scheinen könnte, wenn mich nicht in jeder Weise deiner und
deiner Verdienste eingedenk erwiese. Auch habe ich gute Hoffnung, du
werdest dieser, meiner mehr als weiblichen Kühnheit, dass ich, eine
351
Jungfrau an den Mann, und eine Ungelehrte an den Vater der Wissen-
schaft, zu schreiben wage, verzeihen, und meiner Unwissenheit zu gute
halten, dass ich dich mit ernsteren Dingen Beschäftigten mit meinem
Geschwätz, Tand und kindischem Geschreibsel zu stören mich nicht
scheue. . . . Es bleibt mir aber noch übrig, trefllichster Mann, dich aufs
eifrigste zu bitten, in meinem Namen jenen berühmten, durch Gelehr-
samkeit, Frömmigkeit und Würde ausgezeichneten Bibliander, den ich
zwar nicht kenne, herzlich zu grüssen. Denn so gross ist, wie ich höre,
der Ruf seiner Gelehrsamkeit in unserem Vaterlande, und so berühmt,
wie ich vernehme, sein Name bei allen wegen der ihm von Gott ver-
liehenen „besondern Geistesgaben, dass ich, so geringe Kenntnis ich mir
auch erworben habe, gezwungen bin, ich wolle oder nicht, der Frömmig-
keit und Aufrichtigkeit eines solchen (wenn ich mich nicht täusche) uns
vom Himmel gesandten Mannes meine Verehrung zu bezeugen, und ich
bitte Gott, dass solche Säulen der Kirche, wie ihr seid, sich lange guter
Gesundheit erfreuen mögen. So lange mir aber vergönnt ist, zu atmen,
werde ich nicht ablassen, deiner Hochwürden das Beste zu wünschen,
wegen der mir erwiesenen Güte Dank zu sagen und für dein Wohlergehen
zu beten. Lebe wohl, gelehrtester Mann. Deiner Frömmigkeit ergebenste
Johanna Gray.
149. Aus dem Stchiedsvertrag zu ZLanfanne zwiſchen Savoyen
und Bern. 30. Oktober 1564.
Eidgen. Abſchiede IV 2. ©. 1498 ff.
... Da jo haben wir den Begriff und Inhalt oftgemeldeter jüngft hievor
in der Stadt Bafel aufgeftellten Vergleihspunfte, desgleichen . . . das, fo in
der Stadt Bern und zu Murten und jegiger Zeit zu Lauſanne von der viel-
gedachten javoyifchen Yande . . . wegen durch uns umd gleicherweije durch
beider Zeile bevollmächtigte Anwälte zu chlieglicher und endgültiger Verband:
(ung und Erläuterung gekommen iſt ... auf das Kürzeſte in diefer Schrift
ftellen und abfaflen lajfen, unter welchem die Artifel des vielgemeldeten Ver—
gleiches ... . aljo lauten:
Nämlich, daß die Herren der Stadt Bern dieje hienach bejtimmten Herr-
ichaften, Yande und Flecken, mit Namen die ganze Herrſchaft Ger, dazu den
Zeil und alles das, jo fie jenfeits des Sees in der Herrichaft Chablais
erobert, desgleichen alles das, fo fie in der Herrichaft Genevois eingenommen
. umd bisher innegehabt und beherrichet haben, aber zuvor jegiger Fürftl.
Durdl. zu Savoyen Vorfahren Löblichen Gedächtniffes gewejen find, mit aller
Gerechtigkeit und Zubehörde . . . wieder von Handen geben, auf diefe und
alle ihre Forderung, Gerechtſame und Anjprache, die ſie oder ihre Nad)-
Ten
352
fommen ... . an diefelben vorgen. Herrichaften und Pande ... haben jollten
oder mochten, gänzlich . . . verzichten, . .. und diefelben Herrſchaften ...
der Hochgenannten Fürftl. Durchlaucht zu Savoyen einräumen, übergeben und
zuftellen jollen. ... .
Hingegen ſoll der übrige Teil der ganzen Yandichaft Waat jamt der
ganzen Herrichaft und Vogtei Neus (Nyon), desgleihen die Flefen und
Herrichaften VBivis, Turn (La Tour), Chillon und Neuenitadt
(Villeneuve), die diesſeits des Sees gelegen und zuvor zu der Herrichaft
Chablais gehört haben, jamt aller Herrlichkeit, Gerechtigkeit und Zubehör... .,
denfelben Herren der Stadt Bern als ihr rechtes Eigentum bleiben, aljo daß
jie und ihre ewigen Nachkommen diejelbige Yandichaft Waat jamt den andern
bievorgenannten Herrlichfeiten und Flecken binfüro inmehaben, beſitzen, bejeten,
entjegen, benüßen und genießen und damit tun, handeln, jchalten und walten
jolfen und mögen, wie mit andern ihren eigenen Yanden und Derrichaften,
altes ohne daß oftgen. Fürftl. Durdlaucht zu Savoyen noch ihre Erben und
Nachkommen noch jemand anders von ihretwegen bemeldete Herren von Bern
bernah zu ewigen Zeiten und Tagen ferner darum anfechten, befümmern,
molejtiren, noch bemühen jolle noch möge, in welcher Weiſe, Gejtalt umd Art
das immer jein und gejchehen Fünnte oder möchte, — — —
Zum adten haben wir die Schied$männer bedacht: daß mit der vor-
jtehbenden Erläuterung allen einzelnen Perjonen, Edeln und Unedeln, auch
allen Ztäden, Dörfern und Communen an ihren bejondern Gütern, Eigentums:
rechten, Yehen, Weidgängen, Feldfahrten, Hölzern, Feldern, guten Gewohn-
beiten, Bräuchen und Gerechtigfeiten, wie die im jegiger Zeit in Gang und
Übung find, nichts benommen, noch vergeben jein, jondern daß männiglich,
der TÜbrigfeit balber ungebindert, bei jeiner bergebrachten Gerectigfeit und
Beſitzung, aud) bei feinem Brief und Siegeln bleiben joll. — — — —
Natifilation des Königs von Frankreich. 26. April 1565.
Karl, von Gottes Gnaden König von Frankreich, allen Gegenwärtigen
und Nünftigen Gruß. Da über die Zwijtigfeiten, die vormals zwijchen unſerm
jebr tenern und jebr geliebten Cheim, dem Herzog von Savoyen, und
unfern ſehr teuern und großen Freunden, den Herren vom Kanten Bern, be:
ftanden, nach Beranftaltung mebrerer Zufammentünfte unter ihnen, im Beifein
der dazu bejtellten Vermittler zwiſchen den genannten jelbigen Parteien unter
Mitwirkung unſers ordentlichen, bei unjern jebr teuern und großen Freunden
und Eidgenoſſen, den Derren von den jchweizeriihen Binden refidirenden
Geſandten, endlich eine Übereinkunft und ein Vertrag erzielt werden ift, nad)
der Seftalt und den Artifeln, jo in demſelben entbalten, deilen in gebübrender
Weiſe verglichene Überjegung bier angebängt iſt unter dem Gegenfiegel unjerer
Kanzlei: haben wir, da bejagte Parteien uns erfuchten, den genannten Vertrag
——— Her ER
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353
zu bilfigen und gutzuheißen, nachdem wir ihn unferm Rate vorgelegt haben,
da wir die Ruhe und den Frieden der genannten zwei Parteien winjchen,
auf das Gutachten unſeres befagten Rates bekannt und befennen durch Gegen-
| wärtiges, daß uns befagter Vertrag angenehm ift. Zu Urkund dejjen haben
wir Dieſem unfer Siegel beiſetzen laſſen.
150. Aus dem Dortrag einer Gefandifchaft der vier evangelifchen
| Städte in den kathelifchen Orten, November 1585.
| Abſchiede IV.2. S. 896 fi.
infonders giftige Herren, gute Freunde und getreue liebe
= alte Eidgenofjen! Wir können nicht widerjprechen, müſſen be-
— daß der Mehrteil unſerer frommen Altvordern fremder Fürſten und
Herren Untertanen und deshalb ihnen Gehorfam zu leiſten pflichtig und ver—
bunden gewejen und durch ihre Yandvögte beherrſchet, regieret und bevogtet
worden jind, doch ein Ort mehr denn das andere, wie euch felbjt wiſſend ift.
As aber jie und ihre Yandvögte mit ihnen unjern Vorfahren jeligen Gedenfens
allerlei Hochmut, unbillige Gewalt, Hoffart und Stolz gerade am meisten in
euren Yanden getrieben, hat der Allmächtige Gott, der Hoffart, Übermut, un—
billige Gewalt nicht leiden mag, durch jeine göttliche Gnade und Kraft uns
gemeinſam jolcher Gewalt entledigt und aljo eine Löbliche Eidgenoffenichaft vor
andern Nationen unterm Himmel dermaßen mit Freiheiten begabet, daß die
feinem Fürſten oder Herren mit irgend welcher Dienftbarfeit mehr unterworfen
und zugetan, welche auch eine lange Zeit durch bejondere Vorſehung Gottes
und unferer frommen Altvordern Fürfichtigfeit in Frieden, Ruhe und Einigkeit
gnädiglich erhalten worden ift, und aus zufammengejegter Yiebe und Einigfeit
den Bezirf je länger je mehr erweitert haben. — —
Nun aber hören und vernehmen wir... ., daß Könige, Kaiſer, Fürſten,
Botentaten und Herren gemeiner Eidgenofjenichaft, unangefehen, welcher Neligion
und wes Glaubens ein jeder jei, ganz feind, abhold und aufjägig find, uns
die Freiheit nicht gönnen; denn freie Völker zu jehen, ihnen gar widerwärtig
it, aus Furcht, daß fie bei ihren Untertanen auch deito minder Gehorſam
behalten mögen, und brächten uns deswegen gern wieder unter das Joch der
Knechtichaft und Dienftbarkeit. Und wie ihnen der Mund jtets nach unſern
Yanden ſchmatzet, da fie reden, der Mebrteil ſei ihr Eigentum, müſſe ihnen
wiederum werden, das fünnen fie nicht bergen noch in fich behalten.
Oechsli, Quellenbuch, 23
— —— — —
354
.. . Und werden die Praftifen dahin gerichtet, daß man durch innerliche
Uneinigfeit das bisherige, aufrichtige, herzliche Vertrauen zertrennen, und
Ziwietracht, ein Samen alles Übels, unter uns ſäen [möchte], gemeine Eid—
genoſſenſchaft allgemach zum Abfall von brüderlicher Yiebe brächte und den
Bund oder die Glieder desjelben einesteil8 geringer machte, die übrigen gar
unter das Joch ftürztee — — — —
Deshalb fünnen wir nicht länger unterlaffen, ... einmal über alle Be-
ihwerden und Anliegen freundliche und gütliche Unterredung und Geſpräch zu
halten, der Zuverfiht und guter Hoffnung, Ihr werdet joldes zu allem Guten
und zum Beften gejchehen zu fein verftehn, aufnehmen und erfennen.
So viel nun uns die evangelichen Orte anlangen tut, daß wir ung mit
andern Fürſten und Herren in Bündnis eingelaffen [haben jollen], fann man
auch wohl vergewifjern, daß wir uns über die gemeinjamen öffentlichen be-
fannten Binde hinaus mit feinem Potentaten, fie ſeien Könige, Fürften und
Herren, Deutfche oder Welfche, eingelajjen haben . . ., find auch Fünftig ent-
ſchloſſen, uns nicht leichtfertig in Bündniffe, deren wir nicht alle in gemeiner
Eidgenoffenichaft geniefen und wegen unferes allgemeinen Vaterlandes und
des gemeinen Nugens und Wohljtands nicht hochnotwendig bedürfen, ein-
zulaffen, jondern gefinnt, unjern gemeinen öffentlichen Bund, jo wir zuſammen
gelobt und geſchworen, getreulich, ehrlich, jtandhaft, mit vedlicher, männlicher
Tapferkeit unverbrüchlich zu handhaben. Denn [es gibt] fein Volk unter der
Sonne, mit denen wir lieber begehren zu haufen, zu handeln, Lieb und Yeid
zu leiden, die einander auch beſſer anftünden, denn Ihr unfere treuen, lieben,
alten Eidgenoffen.
Und ift hierauf an Euch unfere eidgenöffische Bitte und Begehr, firohin
nicht mehr, wie bisher, aus jonderm Gefallen und eigenem Willen in jedes
Fürften Bindnis fich bewegen zu laffen, fondern mit gemeinem Nat, wie
unjere Altvordern, des Vaterlandes Heil und Wohlfahrt zu befördern, damit
unjer gewaltiger, alter, wohl hergebrachter, guter Name und Achtung, den
andere Nationen und Völker jo hoch gepriejen, unjere ſchwer erlangte Freiheit,
Kühnheit, Mannbeit, unſerer Vorfahren große Taten, die fremden Fürften und
Herren, denen fie zu Sieg und Wohlfahrt gereicht, angenehm, andern aber
ſchrecklich und furchtbar find, nicht geſchmälert und gemindert werde, jondern
wie eine feſte Mauer wider alle feindlichen Anläufe mit Yob und Ehren
beftehe. — — —
Wir fünnen uns aber nicht genugſam verwundern, daß ihr alfo wider
Senf und andere Evangelifche verhetzt und dahin getrachtet, daß der König
[von Frankreich] den Genfiſchen den Schirm und andern, die nicht katholiſch
jind, das Bindnis hätte aufjagen jollen.
Denn, foviel Genf anlangt, wiſſet ihr insgemein, daß diefelbige Stadt
eine Wehre, Vormauer und ein Schlüffel ganzer Eidgenofjenjchaft ift, und
en — —
wir
ar
355
wenn bie verloren, foll man nicht mehr unfer Vaterland bejchloffen, fondern
auf der allergefährlichften Seite offen nennen. — —
Wenn wir nun von Zürich zu Stadt und Yand, ſamt uns von Bern,
die günftige Yage diejer Stadt, Löblicher Eidgenoffenfchaft Ehre und Wohlfahrt
bedacht und erwogen, ... haben wir nicht umhin gekonnt, eine Stadt Genf
mit ehrenhaften Bedingungen in Schug und Schirm anzunehmen, und, damit
ihr jeht, daß mir nichts Uneidgenöffifches noch Verborgenes gehandelt nod)
abgeredet, jo wollen wir euch von unferer Vergleichung hiemit öffentlichen
wifjentlichen Bericht erftatten..... Und wir find, getreue, liebe, alte Eid:
genofjen, Zweifel frei: wo euere frommen Vorfahren von einer Stadt Genf
erjucht worden wären, fie zu einer Vorwehre einer löblichen Eidgenofjenfchaft
zu brauchen umd anzunehmen, fie hätten zur Erhaltung der Freiheiten und
des Vaterlandes einen ſolchen glücdhaften Schlüffel nicht aus den Händen ge-
lafjen. Darum bitten wir eidgenöffifch, die Anfechtungen, die euch hieran hindern
möchten, fallen zu laffen und auf unfere, unferer Kinder Ehre, Freiheit und
Baterland mehr zu jehen, eine Stadt Genf in Zugewandtichaft, wie andere
Orte, anzunehmen nicht verachten, wie fie euch dann felber mehrmals erfucht
und gebeten haben.
Und dieweil wir dann, aus heiligem göttlihem Wort genugjam erfahren
und gelernt haben, daß der Glaube eine freie teure Gabe Gottes durch den
heiligen Geift den Menjchen eingegoffen wird und nicht durch Macht und
Zwang irgend welcher Potentaten, geiftlicher noch weltlicher Menſchen, gegeben
werden fann, auch die Gewiffen nicht mit Krieg, Wehr umd Waffen mögen
gezwungen werden, wie das die tägliche Erfahrung mitbringt, haben unfere
frommen Voreltern, geiftlich und weltlih, vor fahren auf allerlei gejchehene
Klagen im Namen Gottes die heilige göttliche Schrift alten und neuen Teita-
ment3 vor fich genommen, darans eine hriftliche allgemeine Konfefjion und
Slaubensbefenntnis geftellt, in welcher man das heilige Vaterunſer betet, die
12 Artifel unferes wahren chriftlichen Glaubens befennt, die heiligen 10 Ge:
bote vollfommenlich lehrt, wie in allen chriftlichen Kirchen gebraucht wird,
daraus man das Volf zur Furcht Gottes, Gehorfam der Obrigfeit, hriftlicher
brüderlicher Liebe und zu allen guten Werfen treibt und ernftlich vermahnt ....
Und mwiewohl in dem äufßerlichen Gottesdienft in der Ehriftenheit etwas
Anderung und Ungleichheit ift, alfo daß ein Teil meint, auf die Weiſe, der
andere auf eine andere beifer daran zu fein, jo ftimmt man doch im dem
Hauptftüd, darauf hriftlicher Glaube gebaut, zuſammen. . . . Und mag des:
halb ſolche äuferliche Änderung fo viel nicht auf fid) haben, daß äuferlicher
Friede, Ruhe und Einigkeit darum nicht beftehn möge. Denn offenbar am Tag
ift, dar etliche Orte unjerer Eidgenoffenichaft und gemeine Untertanen (wie
auch viel Städte und Stände im Reich deutjcher Nation) in beiden Religionen
fi freundlich mit einander halten und vertragen können. — — —
356
151. Der Goldene oder Borromäifce Bund zwiſchen den
VII katholifchen Orten. Luzern 5. Oktober 1586.
Eidgen. Abſchiede IV. 2. ©. 15% fi.
In dem Namen der heiligen, göttlichen, unzerteilbarlichen Dreifaltigteit
und einigen Gottheit, Amen. Wir von Städten umd Yanden der Sieben
Katholiſchen Orte Yoblicher Eidgenoffenfchaft verordnete Räte, auch vollmächtige
Anwälte und Sendboten, nämlich von Yuzern Ludwig Pfyffer, Ritter, Banner:
herr, der Zeit Schultheiß :c,, von Uri Hans Jakob Troger, Ritter, der Zeit
Statthalter sc, von Schwiz Ehriftoffel Schorno, Ritter, Bannerherr zc., von
Unterwalden Ob dem Wald Johans Roßacher, Yandammann und von
Unterwalden Nid dem Wald Johans Wafer, Ritter, Bannerherr und
Yandammann, vou Zug von Stadt und Amts wegen Heinrich Ellfiner, des
Nats, von Freiburg Pankraz Wild ꝛc. und von Soloturn Stephan
Schwaller, Schultheiß xc...... in der Stadt Yuzern verfammelt, tun fund
männiglich mit diefem Brief. Nachdem denn unfere Herren und Obern und wir
jet eine lange Zeit her nicht ohne großen Schmerz und mit bejonderem Be-
dauern jehen müffen, welch großer Abfall von dem wahren alten Katholiſchen,
Römiſchen, Apoftoliichen und Ehriftlichen allein jelig machenden Glauben ſich bei
vielen Nationen und Bölfern in der ganzen Ehriftenheit, ja auch bis gar nabe
zu unjeren Toren und Hausichwellen (leider) zugetragen, die dann den Weg
und Fußſtapfen ihrer frommen Boreltern und den ebengemeldeten rechten wahren
Ktatholiichen Glauben verlaffen und ſich von demjelbigen abgejondert, und
gleichwohl dabei verhofft, der gütige Gott würde endlich ein gnädiges Genügen
haben und jolchen Abgewichenen die Sonne der Gnaden und das Yicht der
Wahrheit wiederum erſcheinen lajjen, das aber, ungezweifelt um unjerer jchweren
Sünden willen, bisher nicht allein verhindert, jondern auch ausdrücklich be-
funden und geſpürt wird, [daß] fie je länger je verjtodter und hartnäckiger
darin werden, wie dann der Augenjchein und die tägliche Erfahrnis durch Die
vielfältigen Praftifen, Bündniſſe und Verpflichtungen, jo fie ftetS zuſammen
tun, folches mitbringt; aus dem nun klärlich abzunehmen |ift], daR der Fürft
der FFinfternis folder Praftifen ein Yeiter und Führer ift, fintemal doc ie,
unangejehen, daß jie in und unter fich jelbjt zertrennt [find], allein in dem
einzig übereinftimmen, wie fie unſern wahren Katholiichen Glauben unterdrüden
und ausrenten möchten. „.. Und jo Wir aber die Anjchläge umd Praftifen
der Neugläubigen wider uns Katholiiche je mehr fih ftärten und zunehmen
lieben], da jo haben nicht unbillig unſere Herren und Obern der Sachen
ernftliches und forgfältiges Nachdenten gehabt, jolches alles in Anjehung und
Betrachtung gegemmwärtiger gefährlicher und jeltfamer ſchwebender Yäufe mit
wohlbedachten Mut und zeitigem Rat erwogen und darauf aljo einbelliglich
für jih und ihre ewigen Nachkommen in Weis und Maßen, wie bernach
357
folgt, fich entjchloffen und uns, als ihren vollmächtigen Anwälten und Befehls-
babern, in ihrem Namen zu verrichten befohlen:
Nämlich und erftlich, jo nehmen Wir die obgenannten Sieben Katholischen
Orte einander auf und erfennen einander für getreue liebe alte Eidgenoffen,
Mitbürger und Yandleute, auch der Alten Katholiſchen Römiſchen Religion
Verwandte, hiemit allen und jeden andern Glaubens- oder Neligionsbefennt-
nijfen als irrigen und jektiichen für uns und unſere Nachkommen endgültig
und gänzlich widerjagend. Wir erfennen ums auch weiter für wohl vertraute
wahre herzliche Brüder, fir welche wir fürhin einander in allen Briefen,
Anftrumenten, gemeinen bejondern Händeln, in Worten und Werfen aljo er:
fennen, namjen und halten jollen, in maßen, als ob wir leibliche Brüder
wären, je eines Lieb und Yeid des andern Yieb und Yeid fei. Und obgleich
uns wohl zu wiſſen [ift], was wir im Fall zuftoßender Not fraft zufanmen-
habender und hievor aufgerichteter Bündniffe, Burgrechte und Verſtändniſſe
gegeneinander zu tum jchuldig und pflichtig [find] (welche dann auch darum
biemit feineswegs widerrufen noch aufgehoben fein, jondern ſolche alle und
jede in ihren Kräften feftiglich bejtehn und bleiben jollen), jo haben wir doch
aus bewegenden Urjachen jolche Biindniffe und Verſtändniſſe mit gegenwärtigen
Zutun mehren wollen; und nämlich, fintemal wir alle gemeinschaftlich bedacht
und entichloffen, auch endgültig uns vorgenommen, bei dem wahren, unge—
zweifelten Alten Apoftolichen, Römijchen, Katholifchen und Ehriftlichen Glauben
vollkommen, bejtändig und fejtiglich zu verharren, darin und dabei zu leben
und zu ſterben ..., da jo haben wir einander verjprochen und verjprechen
aud das einander hiemit in Fraft diejes Briefs für und und unſere ewigen
Nachkommen, die wir denn biezu fejtiglich und unwiderruflich verbinden und
verpflichten, daß wir, die Sieben Katholischen Orte, allererftlich und zuvorderft
bei demfelben Apoftoliichen, Römiſchen, Katholichen, Ehriftlichen Glauben ein:
ander handhaben jollen und wollen, aljo, wann eines oder mehr Orte unter
ung (was jedoch Gott der Allmächtige in Ewigfeit gnädiglich verhüten wolle)
von deimjelbigen abweichen wollte, daß dann die übrigen Orte dasfelbige ein:
zige oder mehrere Orte bei gedachten unſerm wahren Katholischen Alten
Ehriftlihen Glauben zu bleiben und zu verharren handhaben und nötigen,
auch die Urſächer oder Aufwiegler ſolches Abfalls, wo die ergriffen werden
mögen, nach ihrem Verdienen ftrafen follen.
Zu dem andern jo verjprecdhen Wir die Sieben Katholifchen Orte, daß
wir einander bei demfelben obgenannten wahren Glauben mit aller unferer
Macht und Vermögen Yeibs und Guts fchüten und ſchirmen helfen jollen und
wollen wider alle die, jo uns antajten würden, niemand ausgejchloffen ; dern
fein älteres no auch jüngeres Bündnis, jo aufgerichtet oder in künftige
aufgerichtet werden möchte, joll uns an ſolchem Schirmen ganz [und gar]
nicht hindern, noch darin oder dagegen irgend welche Ausrede, Finde oder
358
Liſt, Arguiven, noch Difputiren endlich nicht vorgewandt werden, jondern wir
verfprechen einander Mar und ausdrüdlih: Sobald wir, es jei eins oder
mehrere Orte unter ung von irgend einem Feind, wer der jei, gar niemand
ausgejchloffen (der nicht unſeres alten wahren Glaubens ift) feindlicher Weije
angetaftet oder überzogen würden, oder obgleich wohl jolcher Feind aus anderm
gejuchtem oder erdichtetem Schein, als von des Glaubens wegen, den Krieg
wider uns anfinge, daß alsdann wir die übrigen Orte mit aller unjerer
Macht dem oder denjelben angetafteten oder überzogenen, wie vorgemeldet,
mit aller unſerer Macht unverzüglich zu Hilfe fommen und aljo ihnen bei-
jtändig fein jollen, bis daß fie aus aller Not errettet find.
Und dieweil man aber einander nicht allein mit den Waffen, ſondern
auch auf andern Wegen und Weifen jehädigen, verfolgen, verheeren und ver—
derben kann und mag, jo erläutern Wir uns auch deſſen Far biemit: nämlich,
wenn irgend einem unter uns den Sieben Katholifchen Orten von jemanden,
jo nicht unſeres Katholischen Glaubens ift, dergleichen unleidliche Sachen be-
gegnen, dadurch dasjelbige eine oder mehr Orte unter ung Notzwangshalb
gedrungen würde, zuerft zu den Waffen zu greifen, wider des andern Teils
Tyrannei und Unbill fich zu erretten, daß alsdann wir die übrigen Orte auch
Ihuldig und pflichtig fein jollen, demfelbigen einen oder mehr Orten unter
ung zu Hilf zu fommen, in Weis und Maß, als hievor erläutert ift, und
als wenn fie überzogen wären.
E3 mag auch diefes umfer chriftliches Bündnis je zu Zeiten, warn es
die Obrigfeiten aljo für gut und notwendig anfehen würden, wohl wiederum
verfejen und befchworen werden, damit es den ungen auch eingebildet und
dejto minder vergeffen werde; doch mit dem Zutum, daß hierin nichts ge-
mindert noch verändert werde, auch feine neuen Briefe aufgerichtet werden,
londern die alten alfo in guten Kräften bleiben.
152. Aus dem Bündnis der VI katholifchen Orte Luzern, Uri,
Schwiz, Ilnterwalden, Zug und Freiburg mit König Philipp II.
von Spanien. Luzern 12. Mai 1587.
Eidgen. Abſchiede V. 1. S. 1929 ff.
.. . Zum Vierten, fo laffen zu und bemilligen wir die verbündeten
Orte, daß Ihre katholiſche, königliche Majeftät mit ihrem Volk zu Roß und
Fuß, ſamt Geld, Posten, bejchirmlichen und verleglichen Waffen, Kaufmann:
ſchatz und aller andern Waare, Hab und Gut, jo eimer bei ſich haben oder
tragen oder fertigen möchte, durch unfere oder unjerer Untertanen Yandichaften
ee „er er rue em
-.: — er Fin 5 B
359
freien, unverjperrten Durchzug haben folfen und mögen. Und im Fall, warn
in fünftigem Ihre Majeftät das bebürfte oder begehrte, eine Anzahl Kriegs:
volf durch folche unjere, der Eidgenoffen, oder der Unſern Yandichaften durch-
ziehen oder führen zu laffen, alsdann follen ihre Befehlsleute ſchuldig fein,
jolhen Paß von uns zu begehren. Und fo wir's dann verwilligen, joll es ge
ihehen in jo Heiner Anzahl auf das Mal, wie es dann von uns Eidgenoffen
jelbft geordnet wird (angejehen die Enge und Unkommlichkeit der Yande), und
daß je eine Rotte von der andern zwei Tagereifen weit abgejondert jein jolle,
bi8 daß die begehrte Anzahl hindurchgezogen; doch daß fie alle Zölle und
Nahrung nah Billigfeit bezahlen und auch ſonſt ſich nach Gebühr halten,
desgleichen die hohen Gewehre nicht gleich mit ihnen ſelbſt durchführen, jondern
in Ballen oder Kiften vermacht eine Tagereife oder zwei vor oder nach dem
Kriegsvolf durdhfertigen follen nach der Ordnung, die wir in ſolchem Fall
geben mögen, damit wir und die Unſern defto beifer vor allem Unfug und
Aufruhr, jo manchmal in ſolchen Fällen vorfallen möchten, gefichert feien. — —
Zum Neunten. Wenn denn fie, die Herren Eidgenoffen, unjere vorge:
meldeten Bundesgenofien, von unſers wahren, alten fatholischen Glaubens
wegen in Not umd Kriegsgefahr kämen, alsdann und im folhem Fall jollen
und wollen wir der König ohne irgend welchen Verzug auf jedes ihres Er-
fordern, mit alfer unferer Macht und in allen Treuen ihnen zu Hilfe kommen
und Beiftand tun mit folcher Anzahl Geldes und Zahl Kriegsleute, als dann
in ſolcher Not durd fie die Herren Eidgenoffen, in diefem Bündnis begriffen,
jelbft für notwendig erfannt und von ums dem König an Geld oder Yeuten
begehrt würde... . Wenn es aber der Fall wäre, daß fie, die Herren Eid:
genofjen aus andern Urfachen oder Zufällen, denn von des wahren fatholijchen
Glaubens wegen zu Krieg kämen oder jemand, wer die wären, Fürſten, Herren
oder andre befriegen wollten, alsdann follen und wollen wir der König ihnen
zu bejondern Gunften und Beichirmung, ohne irgend welchen Verzug und auf
jedes ihres Erfordern, ihnen Hilfe tun und innerhalb fünfzehn Tagen ihnen
ichaffen 2000 hifpanifche oder italienische Schügen zu Fuß, auch 100 Schügen
zu Roß und 100 leichte Pferde (die fie alle von unſerm Gubernatoren zu
Mailand begehren mögen). — — —
Zum dreizehnten. Wenn ſich auch begäbe, daß bei den Herren Eid-
genofjen, nämlich den Orten, jo in diefem Bündnis begriffen, etwa Perjonen
der Ihrigen fich in Mißhandlung jo weit vergriffen, daß die mit Urteil und
Recht auf die Galeeren erfennt und condemnirt würden, follen unjere des
Königs Amtsleute ſchuldig fein, ihnen diefelbigen abzunehmen; alfo, [daf]
wann fie_die an umjere Grenzen überantworten, fie alsdann diejelbigen em:
pfangen und vermöge ergangenen Urteil® an Orte und Enden, da ſich das
gebührt, jchaffen und fertigen, — — — —
360
Zum Finfzehnten. Dieweil dann unfere der Eidgenoffen Macht und
Stärfe (nad göttlichem Zutun) an der Viele unſerer redlichen, tapfern, in
Kriegen geübten, gewohnten und erfahrenen Mannjchaft gelegen (wie denn
die vergangene Zeit mehrmalen bezeugt) und wir wenig andere Übung noch
Unterhalt haben, da jo hat Ihre fatholiihe Majeftät aus befonderm gnädigem
gutem Willen fich entſchloſſen und eingelaffen, zu bejjerer Erhaltung ſolcher
Freundſchaft und Bündnis den gejagten Orten, jo in jelbiger begriffen, jährlich
einem jeden Ort in den gemeinen Yandesjedel 1500 Kronen, je zwei Münz—
gulden fir eine Krone gerechnet, an gutem Geld und Währung, immer nad
dem Yauf der Zeit, unfehlbarlich zu entrichten... ... ‚serner, jo lang
diefe Vereinung währt, immer und ftet8 von jedem Ort, fo in diefem Bündnis
begriffen, zwei Jünglinge oder Studenten auf der hoben Schule zu Mailand
oder Pavia freie Künſte und Tugend jamt der Sprache des Yandes zu
lernen, in ihren der königl. Majeftät Kojten erhalten zu lafjen, und nämlich
für jeden Studenten jährlih 70 Kronen gejagter Währung bezahlen lafjen
an dem Ort, da fie ftudiren, damit fie aljo neben der Yehre der Tugenden
und Künſte auch deſto geneigter werden zu ihrer Majeftät Dienft. — —
Zum Siebzehnten und Beſchluß behalten wir ums zu beiden Teilen
biemit vor alle älteren Bindniffe und Verftändniffe, jo wir gegen und mit
männiglichem haben möchten. . . . . So wir [aber], bemeldete Orte der Eid-
genoffenichaft, mit andern, jo nicht unjeres wahren fatholiichen Glaubens
wären, in Nrieg fümen, [aus] was Urjachen auch jolches geihähe, obgleich
jie uns oder wir jie angreifen würden, daß alsdann wir, der König, unan—
gejehen alles Bündniſſes, jo wir zuvor mit denjelbigen hätten, ihnen, den
Orten, [jo] uns hierin verbündet, Dilf tun ſollen und wollen, in Weis und
Map, als oben begriffen und bejchlojjen. — —
153. Teilumg des Landes Appenzell in Inner- und Außer-Boden.
8. September 1597.
Abſchied V. 1. S. 1861 fi.
Wir nachbenennten Johannes Kelier, Burgermeifter der Stadt Zürich,
Niklaus Piyffer, Pannerherr und des Nats der Stadt Yuzern, Rudolf Neding,
Nitter, Yandammann und Pannerherr zu Zchwiz, Johannes Wajer, Ritter,
Yandammanı und PBannerberr zu Unterwalden nid dem Wald, Joſt
Pendler, Statthalter und des Nats zu Glarus, und Johann Conrad Vieyer,
der Nechten Doktor, Burgermeifter der Stadt Schaffhauſen, befennen öffentlich
a —— BITTE
- *
361
und tun kund männiglich mit dieſem Brief: Nachdem ſich zwiſchen den
frommen, ehrenfeſten ꝛc. Herren Landammann, Hauptleuten, Räten und ganzer
Gemeinde der Kirchhöre und von den innern Roden des Landes Appenzell
an einem, ſodann Herrn Landammann, Hauptleuten, Räten und Gemeinden
von den äußern Roden des Landes Appenzell, beiderſeits unſern beſonders
guten Freunden und getreuen lieben Eidgenoſſen, am andern Teil ſich etwas
zeither allerlei Späne, Zwietracht, Mifhelligfeit und merklicher Widerwillen
erhebt [hat], ... und ihnen beiderſeits von gemeiner Eidgenoſſenſchaft Ge—
ſandten auf der Kirchhöre und innern Roden Andeutung heimgeſtellt worden,
daß ſie, die beiden Parteien von den inneren und äußeren Roden des Landes
Appenzell um mehr Friedens, Ruhe und [zu] verhoffender Einigfeit willen zwi:
ichen ihnen fich von einander des Negiments umd gemeinen Guts halber, jo fie
bisher mit einander gemein gehabt und geführt, jondern und jcheiden möchten ;
und hierauf die beiden Parteien ſich mit einander auf Die vorangedeutete
Sonderung und Teilung veranlaßt und verglichen, und demnach ... ung
jechs, nämlich jede Partei drei unter uns, erforen und erbeten, fie mit und
gegeneinander um jolche vorhabende Sonderung und Abteilung (deren fie zu
bejorgen für jich jelbft nicht wohl eins werden möchten) zu vergleichen ...
haben wir aus Befehl unferer Herren und Obern und auch ihnen unſeren
lieben Eidgenofjen von beiden Teilen zu Ehren und Gefallen uns hiezu be-
wegen laſſen. . . Sind von deswegen zu Appenzell im Hauptfleden auf Montag
den erjten Herbſtmonat diejes laufenden Sahres zujammen gekommen; und
nachdem wir beider Parteien Ausichüffe und Verordnete . . . gegeneinander...
verhört . . . da haben wir nach lang und vielfältig angewandter Mühe und
Arbeit endlich den Handel zu beider Parteien mehrer Ruhe, Heil und Wohl:
fahrt dahin gerichtet... und gejtellt, wie hernach von einem Artifel zum
andern folgt, nämlid) :
Fürs Erite..... jolle diejelbige Teilung im Namen Gottes vor:
genommen md ins Werk gefett werden, dergejtalt, daß nun binfüro unfere
lieben Eidgenofjen von den äußern Noden, mit Namen Urnäfch, Herisau,
Hundwil, Teufen und Trogen jamt denen von Gais und ihren Mitgenoffen
ihr eigen Negiment und Obrigkeit für ſich ſelbſt mit Nat, Gericht und Necht,
Hochgericht, Stock und Galgen, auch niedern Gerichten, jamt, was zu einer
ordentlichen, fürmlichen und vollfommenen Negierung gehören mag, nad) beiter
Gelegenheit, an Orten und Enden, da es ihnen kommlich jein wird, nad)
ihres Yandes Freiheiten, Necht und Herkommen anftellen, führen und haben,
gleicher Geftalt, wie ihre Meitlandleute von der Kirchhöre und den innern
Roden das ihres Teils auch haben und führen; und doch [fell] Altes nicht
anders dem allein ein Unterjcheiden [jein] und [fie] aber nicht von einander
zertrennt oder abgejondert, jondern gemeines Yand heißen, auch jolche Ab:
teilung ihnen zu beiden Zeilen an ihren Privilegien und Freiheiten... und
362
an dem gemeinen eidgenöffischen Bund, in dem das Land Appenzeli fteht, in
feinem Weg nachteilig, abbrüchig oder jchädlich jein, jondern ſolche Privilegien,
Freiheiten, Rechte und Gerechtigfeiten, wie auch der eidgenöſſiſche Bund ſich
auf beide Teile zugleich, auf die äußern Roden ſowohl als die Kirchhöre und
inneren Roden als jämtlich ein Ort umd Glied der Eidgenoſſenſchaft erftreden
und auf beide Teile zugleich dienen, ohne alle Gefahr.
Fürs andere. Belangend des gemeinen Yandes Appenzell gemeines
Gut..., es jei das Rathaus zu Appenzell, Spital, Siehenhaus, Zeughaus,
Ziegelhütten, Metg und anderes, jamt den Gülten, Schilling Geld, liegenden
Gütern, Schulden und allem andern, jo dem Spital, Siechenhaus und ge-
meinem Yand zugehört.... das alles und jedes... ſoll unſern lieben
Eidgenoffen von der Kirchhöre und innern Roden zudienen und im ihren
Handen bleiben, dagegen dann aber die von der Kirchhöre und inneren Roden
ſchuldig fein, unjern lieben Eidgenoffen von den äußern Roden ihren Mit-
landleuten insgemein für ihren gebührenden Teil und Gerectigfeit an ſolchem
gemeinen Gut allem (darinnen man deſſen, daf die von den äußeren Roden
an der Anzahl der Meannesperjonen die mehreren als die andern find, um
etwas Rechnung gehabt und die Geſtalt der Sachen auf beiden Seiten ange-
jehen hat), in eines freien Ausfaufs Weije für alle Anjprache zu geben, zu
zahlen und verabjolgen zu laffen achtzehntaufend Pfund Geldes Tandläufiger
Währung. — —
Zum Sechsſsten. Betreffend die gemeinen eidgenöffiichen Zagleiftungen,
darauf ſollen beide Teile... al$ insgemein ein Ort der Eidgenofjenichaft ihre
Ratsbotichaften verordnen umd mit einander fchiden mögen, doch beide Ge-
jandten nicht mehr denn eine Stimme, wie bräuchlich, haben... .. Wenn aber
beide der innern und äußern Noden Botjchaften fich ihrer Stimmen zu Tagen
in Sachen nicht vergleichen könnten, alsdann |jollen] beide Stimmen neben
fich geftelft und nicht gezählt werden, wie in jolhen Fällen, wann zweifache
Botichaften auf Tagleiftungen find, bisher bräuchlich gewejen it. — — —
Zum Achten ift vom wegen des Panners und Siegel alſo abgeredet,
daß nämlich das alte Panner und Siegel der Kirchhöre und den innern
Moden bleiben und zugehören und die von Außerroden für ſich aud ein
eigenes neues Panner und Siegel, doch mit etwas Unterfchted gegen dem
andern und alten Panner und Siegel machen laffen mögen und jollen, da
die von der Kirchhöre und innern Moden den halben Zeil deifen, jo das
neue Banner und Siegel foften wird, den Auferroden wieder erjtatten. — —
363
154. Tod des Oberften Ienatfch. 24. Januar 1639.
Spreders Geichichte der bündneriichen Kriege und Unruhen, nach dem Lateiniſchen
bearbeitet von C. v. Mohr. II. ©. 281.
Fortunat Sprecher von Bernegg, geb. 1585 zu Davos, leistete, nachdem er zu
Orleans die Rechte studirt hatte, seiner Heimat als Staatsmann und Diplomat während
der vielbewegten Zeit des dreissigjährigen Krieges wesentliche Dienste und zeichnete
zugleich die wechselvollen Schicksale Bündens in jener Epoche ausführlich und ver-
hältnissmässig unparteiisch in einem lateinischen Geschichtswerke auf, betitelt: „Ge-
schichte der in den letzten Jahren in Rätien erregten und geführten Unruhen und
Kriege“. Er starb 1647 zu Chur.
Montags den 24. Januar sassen die Obersten Guler, Jenatsch und
Travers mit den Oberstlieutenants Tscharner und Ambrosius Planta im
Hause Lorenz Fausch’s, des Pastetenbäckers, das in der Stadt Chur,
wenn auch etwas auf der Seite liegt, zechend beisammen. Sie hatten
Fiedler und Spielleute zugezogen. Abends um sechs Uhr wurde Tscharner
durch seinen Diener abgerufen. Die übrigen blieben bis zehn Uhr, wo
ungefähr zwanzig Personen, die meisten maskirt, von Haldenstein an-
langten, in die Stadt traten und auf dieses Haus zuschritten. Zuerst
betrat dasselbe Rudolf Planta, Kastellan von Tarasp, des Pompejus
Sohn, welchen Jenatsch neulich bei der Teilung des Erbes seines Oheims
Rudolf, durch Begünstigung und Protegirung der Travers, Erben der
Frau des Verstorbenen, gegen sich aufgebracht hatte, — und Hauptmann
Konradin Beli. Sie näherten sich Jenatsch, welcher, um wegzugehen,
schon aufgestanden war, mit Verbeugungen und Planta ergriff dessen
Hand. Als Jenatsch den Gruss erwiederte, als ob er mit ihm einen
Reigen aufführen wollte, erhielt er von Georg Thüringer einen Pistolen-
schuss in die linke Wange, dass das Blut hinabfloss. Während er einen
Kerzenstock ergriff, hieb ihn Bartholome Birtsch, wie Thüringer ebenfalls
aus Haldenstein, mit umgekehrter Axt, wie man einen Ochsen schlägt,
in den Nacken, so dass er zu Boden stürzte. Die übrigen Haldensteiner
wiederholten die Axthiebe bis zum sechsten und der Kastellan schlug ihn
mit einem Fausthammer in die Seite. Hierauf löschte man die Lichter
aus. Zwei Diener Jenatsch’s hatten sich in einen Winkel verkrochen.
Anwesend war auch Julius Otto, Freiherr von Ehrenfels und Herr zu
Haldenstein, den Jenatsch privatim beleidigt hatte, wie ihn denn auch
die Bewohner der Freiherrschaft Haldenstein wegen der vor fünf Jahren
ihnen mit Gewalt aufgedrungenen Einquartierung hassten, ferner Haupt-
mann Karl v. Salis mit zwei Söhnen, sowie die andern, welche mit
Jenatsch gespeist hatten. Alle sahen die Tat mit an. Die Mörder nah-
men Jenatsch’s Hut und Schwert mit sich. Am folgenden Tage wurde
die Leiche mit kriegerischem Gepränge unter dem Zulaufe einer grossen
Menschenmenge in der bischöflichen Kathedrale beigesetzt.
Jenatsch's Grossvater und Vater waren evangelische Prediger ge-
wesen und hatten ihm nur geringe Glücksgüter hinterlassen. Seine
Studien hatte er in Zürich, wo der Rat einen Teil seines Unterhaltes
bestritt und zu Basel, wo er Hofmeister der Söhne des Obersten Bapt.
v. Salis war, getrieben; kehrte zuletzt wohlbewandert im Lateinischen,
364
Griechischen nnd den freien Künsten zurück, und da er der Gottes-
gelahrtheit sich gewidmet hatte, stand er, wegen seines treflichen Ge-
dächtnisses und kühnen Geistes von vielen bewundert, während dreier
Jahre seinem Berufe als Prediger in den Bünden und dem Veltlin vor.
Von seinen Taten hat die Geschichte viele aufbewahrt. In der Pfalz
hatte er unter dem Grafen von Mansfeld gedient und dabei mehrfache
Totschläge (man zählte ihrer acht) begangen. Drei jedoch, diejenigen
des Pompejus Planta, Josephs von Capaul und des Obersten Jakob
Ruinelli, zogen ihm den tiefsten Hass von deren Kindern und Ver-
wandten zu. In Venedig sass er fünf Monate im Gefängnis, beschuldigt
im Jahre 1630, wo er daselbst diente, mit dem kaiserlichen Residenten
ein heimliches Verständnis (was auch wirklich der Fall war) unterhalten
zu haben. Durch Dazwischenkunft des Marschalls D’Estr&ee jedoch wurde
er wieder auf freien Fuss gesetzt.
Im Jahre 1635 bekannte er sich öffentlich zur römisch-katholischen
Kirche ', stand in hohen Ehren bei den französischen Agenten und an-
fangs heimlich, später aber auch öffentlich, nicht weniger bei den Spa-
niern und Östreichern. Er war schnell entschlossen, erfinderischen
Geistes und stand in kühner Ausführung keinem nach. Beredt und in
der Verstellung Meister, machte er, während bei der Austeilung der
Jahrgelder beider Monarchen die Summen durch seine Hand gingen,
viele selbst wider ihren Willen sich zeitweise zu Freunden. Sein Alter
war 43 Jahre, sein Körper noch kräftig, obgleich er ein schwelgerisches,
an Mutwillen reiches und selbst mit Ehebruch beflecktes Leben geführt
hatte. In seinen Privatgeschäften und der Verwaltung seines Vermögens,
das er emsig mehrte, zeigte er eine seltene Geschicklichkeit und erwies
sich als äusserst pünktlicher Zahler. Zuletzt wollte er gleichsam als
oberster General der Bündner, Direktor des spanischen Bündnisses und
unumschränkter Gouverneur der Grafschaft Cleven angesehen werden
und behielt auch letztere Stelle unter Beistand der Spanier bis zur letzten
Stunde seines Lebens.
155. Der die Gremtion der Eidgenoffenfchaft vom Reiche betreffende
Artikel VI. des wefälifchen Friedens vom 24. Oktober 1648.
Aus dem Yatein.; Abſchiede V. 2, ©. 2218.
Na ferner die Kaiserliche Majestät auf die namens der Stadt
Basel und ganz Helvetiens vor ihre zu gegenwärtigen Kon-
gressen abgesandten Bevollmächtigten gebrachten Klagen über
einige von der Reichskammer gegen die genannte Stadt und
! Seine Söhne liess er als Protestanten erziehen, woraus wohl hervorgeht, dass
sein Übertritt zur katholischen Kirche nur aus politischen Gründen stattfand.
365
andere verbündeten Kantone der Helvetier und deren Bürger und Unter-
tanen ausgegangene Prozesse und Executivmandate, nach Einholung der
Meinung und des Rates der Reichsstände, in besonderem Dekrete vom
14. Mai nächstvergangenen Jahres erklärt hat, dass vorgenannte Stadt
Basel und die übrigen Kantone der Helvetier im Besitz so gut wie
voller Freiheit und Exemtion vom Reiche und in keiner Weise den
Dikasterien nnd Gerichten desselben Reiches unterworfen sind, ist
beschlossen worden, das Gleiche in diesem öffentlichen Friedensvertrag
zur Bestätigung und Bekräftigung aufzunehmen, und dass deshalb solche
Prozesse mit samt den bei Anlass derselben zu irgend welcher Zeit ver-
hängten Beschlagnahmen fortan aufgehoben und unwirksam sein sollen.
156. Der Huttwilerbund vom 14. Wai 1653.
Abſchiede VI. 1. ©. 168.
Der auf der Landsgemeinde zu Sumiswald am 23. April aufgerichtete, hernach zu
Huttwil am 30. April durch offenes Handmehr der dajelbjt verfammelten Bauern be—
ftätigte Bundbrief wurde erſt auf der Hauptlandsgemeinde zu Huttwil am 14. Mai in
rechte urtundliche Form gebracht und bejiegelt.
Zu wiffen und fund ift männiglich, was ſich anno 1653 in der Herr—
ihaft Yuzern im Entlibuch für ein Span und Streitigfeit entjtanden wider
Ihre G. Obrigkeit der Stadt Yuzern jelbjt der Urjachen [wegen], daß fie
ihnen viel neue Auffäge, große Strafen und Beichwernifje aufgeladen und
gezwungen haben wider ihre Briefe und Siegel, darin fie gefandte Männer
an ihre G. Obrigfeit geſchickt, welche freundlich, untertänig und in Gebühr
mit großer Bitte angehalten haben, ſolcher Beichwerden jie zu entlaffen und
abzutun, aber nicht allein nichts [haben] erlangen mögen, jondern noch aus:
gebalget und abdrohen wollen; derowegen die Bauern erzürnt worden und
haben zujammengejchworen, ihr Yeib und Yeben daran zu jegen, und alsbald
ihnen feine Zinſen oder Geldſchulden mehr wollen zufommen laſſen, bis ihre
G. Obrigkeit ihre alten Briefe und Rechtungen wieder zu Handen ſtellen,
die jie ihnen genommen haben; darin ihre Obrigfeit ihre übrigen Untertanen
aufmahnen wollen, fie damit zu bezwingen zu gehorjamen. Als fie aber die
Urjache vernommen, haben fie fich in gleichen Bejchwerden auch beladen ge-
funden, darum fie auch zu denen tm Entlebuch gejtanden und zu Wolhujen
zuſammen gejchworen haben, weil ſie mit Bitte nichts bejonders erlangen möchten,
was ihnen gehörte, derowegen ihre Obrigfeit übel zufrieden; darin bejchrieben
jie gejandte Herren aus den jechs katholiſchen Orten, welche Herren gar lange
mit dem Handel umgegangen find, und biezwijchen jchrieben fie um Hilfe
und wird aljo der Handel je länger, je böjer, aljo daß die Ämter vor die
366
Stadt Puzern zogen, weil die Herren ihren erzürnten Bundesgenoffen Kriens
und Horw ftarf und hoch gebräut haben, alles zu verderben, wenn fie nicht
wieder zu der Stadt ſchwören wollten. Und in dem haben die dreizehn und
etliche zugewandte Orte der Eidgenofjenichaft abgefandte Herren zu Baden
ein ungutes, unwahrhaftes Mandat gemacht (des Inhalts, daß fie allerhand
bochiträfliche Fehler und Mutwillen umverantwortlid), wie offenbar am Tag
verübt, getan haben jollen), jolches über die obgenannten Anfänger im Entle-
buch mehrteils und über alle, die ihnen behilflich jein würden, gejchehen und
ausgehn laffen, damit fie von aller Orten Untertanen verhaftet würden und
daß fie nicht zu ihnen fielen, aljo daß fie zu den Nachbarn zu allen Orten
nicht wohl mehr fommen dürften, wegen des Mandats, weil fie jo hoch ver:
fleinert und verleumdet worden, da fie ihres Yeibs und Lebens nicht wohl
mehr ficher waren, jondern jchon gefährlich begegnet; auch dazwiſchen haben
von vielen Orten fremde und heimijche Kriegsleute jollen auf jie einfallen,
und darum fie mit uns Berner Bauern zu reden gefommen und abgeredet
haben, daß wir einander fein Yeid und Schaden zufügen wollen, jondern auch
fein fremd oder heimisch Volk durchziehen laffen, fie oder ung zu jchädigen, da-
mit wir als getrene liebe Nachbarn mit einander handeln und wandeln fünnen,
auch unjere Häufer, Höfe, Hab und Gut, Weib und Kinder in gutem, fried-
lichen Ruhſtand erhalten und bleiben fünne. Und weil wir im Berner Gebiet
oft des Willens gewejen, unſere G. H. und Opbrigfeiten zu bitten, daß fie
unfere Beichwerden auch nachlaffen follen und abtun, wie dann vor Jahren
im Donnerfrieg oder Span auch dergleichen hätte vereinbart fein jolfen, aber
jchlecht gehalten worden, darum haben wir abermals gejandte Männer vor
unfere ©. Obrigkeit gen Bern geſchickt und fie umtertänig und hoch gebeten,
fie ſollen unjere Beſchwerden ab ung nehmen; darüber fie aber unjere Ge—
jandte bezwungen, da fie in unjer aller Namen haben müſſen auf die Knie
niederfallen, um Gnade bitten und annehmen, und hernach dasjelbige doch
noch nit gehalten haben, was fie ſchon unjern Gejandten verſprochen; darım
wir Urſache genommen, uns in alle Wege zu verjehen. Iſt darum auf den
13./23. Tag Aprils im obgejegten 1653. Jahr zu Sumiswald eine Yands-
gemeinde gehalten worden wegen unferes Slagartifels Punkten umd des un-
guten Mandats, welches unfere Ehre und guten Namen antreffen täte, daran
uns nicht wenig gelegen; darum wir aus der Herrihaft Bern, Yuzern, So-
loturn und Bajel Gebiet und aus den hienach genannten Orten find zufammen
gekommen, allda wir uns freundlich erſprachen wegen unjern Bejchwerden und
jonderbaren Urjachen halber und darüber auf freiem Feld einhellig einen auf-
gehobenen, ewigen, fteifen, ftäten und feften Eid und Bund zu dem wahren
und ewigen Gott zufammen gejchworen haben, dieje nachfolgenden Artikel
treulich zu halten, wie folgt:
Im Namen der hechheiligen Dreifaltigfeit Gott, Vater, Sohn und
Er Ze I —
367
heiliger Geift Amen. So haben wir zujammengeichworen in dieſem erjten
Artikel, daß wir den erjten eidgenöfjischen Bund, jo die uralten Eidgenoffen
vor etlich hundert Jahren zuſammen gejchworen haben, haben und erhalten
und die IUngerechtigfeit einander abtun helfen, mit Yeib, Hab, Gut und Blut
jhügen und ſchirmen wollen, alſo daß, was den Herren und Ubrigfeiten ge-
bört, ihnen bleiben und gegeben werden joll, und was uns Bauern und Unter:
tanen gehörte, joll auch uns bleiben und zugejtellt werden, dies zu aller Seits
den Religionen unvorgreiflich und unjchädlid.
Zum Zweiten wollen wir einander belfen alle unguten neuen Aufjäte
von dannen tun, und joll aber jedes Orts Untertanen ihre Gerechtigfeiten
von ihren Obrigfeiten felbit fordern; wenn fie aber einen Streit gegen ihre
Obrigfeiten befommen möchten, jollen fie doch nicht ausziehen ohne Wifjen
und Willen der andern Bundsgenofjen, daß man vorber könne jehen, welche
Partei Recht oder Unrecht habe; haben unjere Bundesgenofien dann Recht, jo
wollen wir ihnen dazu helfen; haben jie aber Unrecht, jo wollen wir fie abweijen.
Zum Dritten, wann die Obrigfeiten wollten fremde oder einheimijche
Völfer ung Untertanen auf den Hals richten oder legen, jo wollen wir die-
jelben helfen zurückweiſen und dasjelbige gar nicht dulden, jondern, jo es von
nöten wäre, wollen wir einander tröftlih und mannlich beilpringen.
Zum Bierten. Wann aud) ein oder andere Perjonen in Städten oder
Yanden um dieſes aufgelaufenen Handels willen von einer Herrichaft oder
andern Yeuten eingezogen und an Yeib und Gut oder Yeben gejchädigt würden,
jolfen alle Orter unferer Bundesgenofjen denjelben helfen mit Yeib, Hab,
Gut und Blut erledigen und erlöjen, wie wann ’S einen jeden jelber an-
treffen würde.
Zum Finften, fo folle diefer unjer gejchworne Bund zu allen 10 Jahren
neu vorgelejen und erneuert werden von den Bundsgenoffen, und jo dann
der ein oder andere Ort eine Beſchwerde hätte, von ihrer Obrigfeit oder
anders, jo will man alle Zeit demſelben zum Rechten behilflich jein, damit
aljo unjern Nachkömmlingen feine Neuerung und ungebührliche Beſchwerden
mehr aufgeladen werden fünne.
Zum Sechsten. Es joll feiner unter uns jo vermeſſen und frech ſein,
der wider dieſen Bundſchwur reden ſolle oder Rat und Tat geben wollte,
wieder davon zu ſtehn und [ihn] zunichte zu machen; welcher aber dies
überjehen würde, ein jolcher joll für eimen meineiden und treulofen Dann
gehalten und nach jeinem Verdienen abgejtraft werden.
Zum Siebenten. Es joll auch feines Orts Bundsgenoffen mit ihrer
Obrigfeit diefen Handel völlig vergleichen und beſchließen, bis die andern
unjere Bundsgenofien auch an allen Orten den Beſchluß machen können, aljo
daß zu allen Zeilen und gleich) mit einander der Bejchluß und Frieden jolle
gemacht werden.
368
157. Aus der Reformation über die gemeinen Vogteien der
Eidgenoſſenſchaft von 1654.
Abſchiede VI. 1. S. 1729.
Bon der Yandvögte Wahl und Beitätigung.
achdem aus dem unordentlichen practiciren und Eindringen auf
die gemeinen Vogteien und Ämter anders nichts erfolget, denn
—X daß der allmächtige Gott erzürnt wird und uns ſeine Strafe auf
den Hals wächst; mancher ehrliche Mann, deſſen Altvordern oder er jelbjt
um das Vaterland wohl verdient und dergleichen nicht brauchen will, vielmal
ungefördert bleibt; diejenigen aber zu den Ämtern gelangen, welche deren am
wenigjten wert und diejelben nicht verwalten fünnen ; aus welchen: dann folgt
alle Unordnung und fonderlich viel Klagens und Schreiens der armen be-
drängten Untertanen, an welchen man das jo umehrbarlid ausgelegte Geld
wiederum einbringen und erholen will, und auch die. welche in ſolchem prac-
tieiren fehl geichlagen und das begehrte Amt nicht erlanget, vielmals von
gutem Stand in Verachtung, Armut, Elend und jchier gar in Verzweiflung ge-
raten; die Yandleute aber ejfen und trinfen überflüjjig angewöhnen, und wann
fein practieiren vorhanden, ſich deſſen auch gebrauchen wollen und ihre Werfe
jtill ftehen lafjen, hiemit an vielen Orten in Grund verderben. Alſo haben
wir notwendig erachtet, allen Ernft anzuwenden, ſolchem Übel zu begegnen
und deswegen ung dejfen mit einander beredet: nämlich, daß jedes Ortes
Obrigfeit den ihrigen Angehörigen dies Practiciren und Trölen mit höch—
jtem Ernjt abjtriden und verbieten jolle, dergeftalt, daß auf ſolches Ende
hin weder Geld noch Geldes Wert, weder Miet noch Gaben, weder Eijjen
noch Trinken ausgegeben werde, auch weder Verheißungen noch Bedrohungen
geſchehen. . . . Und wenn in Bejegung von dergleichen Sachen das Wenigſte
gejpürt würde oder irgend welcher Zweifel oder Argwohn vorfiele, da ſoll
eine Obrigkeit mit höchſtem Fleiß Inquisition halten und Erforſchung tun,
nicht allein in ganzer Yandsgemeinde, jondern aud im Geheimen und von
jonderbaren Berjonen, in Maßen und Gejtalt, als fie vermeinen, auf die Spur
zu fommen und die Sache zu ergründen, auf welches bin denn die Obrig-
feiten ihren Schein und Zeugnis, die Gejandten aber, jo den Yandvogt prae-
sentiren, ihren Bericht erteilen jollen.
Und wenn ein jolcher Erwäblter vor die Gejandten auf die badijche
Jahrrechnung zur Beftätigung kommt und gleichwohl den Schein auflegt von
jeiner Obrigfeit und feines Ortes Gejandte den weitern mündlichen Bericht
gegeben haben, joll er doch zuvor und ehe nicht angenommen werden, er
—AA ——————— — — —
n x EEE nee — —
* * — —
| 369
ihmwöre denn hienach ftehenden Eid. An welchem alfem jo Mangel erjchiene
irgend welcher Art, ein jolcher joll nicht angenommen werden und ihm noch
dazu feine ordentliche Obrigkeit die gebührende Strafe auflegen.
| Praktizier-Eid aller Landvögte:
hr ſollet ſchwören, daß Ihr zur Erlangung dieſer Landvogtei oder Amts—
verwaltung weder Geld noch Geldes Wert, weder Speis noch Trank von
Euch ſelbſt oder durch andere mit Eurem Wiſſen auszugeben verſchaffet habet.
158. Zum erſten Vilmerger Krieg. 1656.
a. Schwiz au Soloturn. 27. September 1655.
Eidgen. Abſchiede VI. 1. ©. 1766.
Aben da wir im Begriff geweſen, das Neſt der gottloſen Vögel, jo
jich jelbjt vermittelt ihrer hochtragenden Geiſter und Eigenfinnig-
u) Feit aus den Schranken unjerer wahren allein jeligmachenden
Kathotifchen Religion verführen laffen, auszunehmen, ergibt legt verwichenen
Mittwoch ſich, daß etwelche diejer verkehrten Buben und Tröler, deren von
Mann, Weibsperfonen und Kindern 37 au der Anzahl, bei Naht und Nebel
beimlicher, meineid-, abtrimniger und verjtohlener Weis abgetreten und fich
landsflüchtig gemachet. Da wir bei diefem urplöglichen Zufall anders nichts
(außer daß wir mit der Inquisition der Sachen fortjegen und übrigen ver:
dächtigen Perjonen uns verfihern tun) vornehmen und noch andern TLoblichen
Katholischen Orten darob Communication geben fünnen, weilen uns unbewuft,
wohin fie ihren Strich genommen haben möchten, jo kommt anjeto der leidige
Bericht und Zeitung, auch Anmutung ein, wie Euch unjere ©. L. E. beliche,
teils aus der Ausgeflohenen in abnegiertem wahren Glauben auf des neuen
Irrtums eingefogenen Gifts Profession (mie aus dem Concept derjelbigen,
von wen eingejpunnen umd diktirt, wohl abzumerfen iſt) ihrer diefer von dem
rechten Weg abgeführten Geijter, teils aber aus der Verglimpf- auch gleicher
Anmutung, deren jich Euer und unſer E. der Stadt Zürich von ihretwegen
unterfangen tun, zu verjtehen; Sachen, darob wir Blut weinen und Eurer
und übriger lobl. Katholiſchen Orte hoch vernünftigen Nat und [zu] verhoffende
Assistenz anrufen jellen, wie Euch wir hiemit ganz angelegentlid), als an
übrige lobl. Katholische Orte auch gejchieht, darum erjuchen und zumal bitten
Oechsli, Quellenbuch. 24
370
tum, dies weitausſehende Werf mit der Circumspection, welche die Importanz
deſſen erheifcht, auch Euer ruhmwürdiger, wohl befannter quter Eifer zu tun
pflegt, zu umfaſſen, Eidg. gemeint fein, und durch Euere Ehren Deputaticaft,
jo auf bevorftehende nach Yuzern gejette Katholische Zuſammenlunft und heiliges
Intent (das eben auf dergleichen End dirigiert ift) fich einfinden werden,
uns mit Ihrer hohen Prudenz, guten Rat und Tat zu assistiren ; darauf wir
uns jteuern und Gott den Herrn durch das Fürbitten der Allerjeligften
Mutter Gottes demütig anrufen tum, der hiezu jeine Gnade erteilen und uns
eingeben wolle, was zur Erhöhung jeiner Glorj und Conservation unjerer
wahren Katholifchen Religion am dienlichiten fein mag.
b. Alfons von Sonnenberg meldet den Sieg der Luzerner bei Bilmergen.
24. Januar 1656. !
Briefe denkwürdiger Schweizer, berausgegeben vom biftorifhen Verein
der V Orte. ©, 14.
Dem hochgeachten wol Edlen, geftrengen Ehrennotveften, fürnehmen, für-
fichtigen, wolweifen, Inſunders Docgeehrten Herrn Schultheis und Panerher
Urih Thulidher zu Handen in Surfee.
Cito, Cito, Cito? per Muri, Miünfter.
Hoc Ehrenter Herr Schultheis, wilen wir alhie in Vilmergen den Findt
angetroffen, und Gott Yob die ſach der gejtalt abgangen, das wir denfelbigen
genglich verjagt, 9 ſtuckh geichüg und vil bagaſchi befummen, uf das wenigift
in die 600 nider gemacht und wilen Herr General von Erlad ein joldat,
ift wol zu gedenthen, jy werden den jchaden wellen rächen; aljo ijt nothwendig,
das man fich gueter poftur halte und wan min hoch Ehrenter her guet funde,
in dem Entlibuoch und andern Ortten gli) auch den angrif thätend; ift auch
nothiwendig, das man unjere Eydgenojen von Friburg und Soloduhrn
erntlich ermahne, das jy by diſer glegenheit Ihr jach auch thätend, und der
Herzog in Savoy glichfals auch. geben um 9 vhr vohr mitnacht den
24. Jenner 1650.
V. H. D. Sonnenberg.
— — —— — — — —*
Von da an werden, wo immer möglich, Sprache und Orthographie der deutſchen
Stücke aleihlautend mit den Originalien gegeben.
»Eilig, Eilig, Eilig.
371
159. Aus der Abfchiedsrede des ungarifchen Pfarrers Stephan
Sellyei an Zürich. Herbſt 1677.
Aus Mörikofer, Geſchichte der enangeliichen Flüchtlinge in der Schweiz, ©. 165.
dd
1675 wurden 30 reformirte Prediger und Lehrer aus Ungarn von Kaiſer Leopold I.
nach Neapel auf die Galeeren verfauft, aber auf die Verwendung der proteftantiichen
Yänder, insbefondere Hollands und der erangeliihen Schweiz, befreit, worauf fie zunächſt
in Zürich Zuflucht nahmen.
Da wir auf den Neapolitantichen Galeeren an den berbiten und grau-
jamjten Ruderbänfen mit Stetten angebunden waren, habt Ihr durd gute
Gönner mit Euerer Sorgfalt allenthalben her und oftmals ums getröftet. Ihr
jeid die Erſten gemwejen, die den löblichen reformirten Orten der Eidgenofien-
Ihaft unjere Sache mit höchſtem Fleiß anbefohlen. Da wir neh auf den
Galeeren gefangen waren, habt hr inner und aufer der Stadt Steueru
angeftellt. Durch Euere Freigebigkeit habt Ihr andere angereizet, uns mild»
rei Gutes zu tun. Al3 wir in Euere Stadt gefommen, habt Ihr uns wie
Engel Gottes aufgenommen. Ihr habt je zwei und zwei in fünfzehn Herbergen
bei Pfarrern und Profeſſoren ausgeteilt und zu Tiſchgenoſſen großgünſtig ver-
ordnet. Ihr habt Euch nicht geichämt, uns vom Wuft der Gefangenjchaft
und der Galeeren zu jäubern und unfere Wunden und Streihe zu majchen ;
Ihr habt die Kranfen mit Ärzten verjorget und es an Vorſchuß nicht mangeln
fafjen. Da die Unſrigen in zwei Abteilungen an die Generaljtaaten d. i.
Holland] und an die evangeliichen Fürſten des Reichs abgereist, um Fürbitte
bei dem Kaiſer einzulegen, zur Wiedereinjegung in die Kirchen nach achtzehn
Jahren, deren fünfhundert genommen worden, habt Ihr beide Geiellichaften
mit genugjamem Reiſegeld verjehen. Die übrigen habt Ihr unterhalten bis
auf diejen Tag, ein jahr und fünf Monate. Ihr habt acht Männer, vier
aus dem Rat und vier aus dem Chorberren-Ztift zu Zorg und Fürſehung
gelegt. Nebſt einer großen Zteuer habt Ihr auch noch jolde an drei hoben
seiten erhoben. Den Nenetianiichen Kaufleuten, welche für Yölung, Kleidung
und Unterhalt über tauſend Taler ausgelegt, habt Ihr nebit den übrigen
Eidgenoffen jolches zurüderitattet, und auf unjer Anbalten den Doktor Niklaus
Zaffen, unjerer Sache Beförderer, mit 100 Dutaten beichentt.“
3712
160. Inhalt der Formula Consensus.
Aus einer Zufchrift der Zürcher Geiftlichkeit an ihre Obern vom 30. März 1675.
Eidgen. Abichıede VI 1. 1824.
Der Innhalt diger Formel ift ſummariſch begriffen in nachfolgenden
Yehrfägen, Alß da gelehret wird:
I. Daß der Hebraijche Grundtext des A. T. von Gett jelbften eingegeiftet
und hiemit in allen, auch geringjten püncteln für gültig und authentiſch ge-
halten werden mühe, zuwider denjenigen, welche dargebend, es jenge jelbiger
nit authentifch, jondern von den Juden und anderen vilfaltig verfälicht worden.
Hievon wird gehandlet in dem 1., 2., 3. Lehrſatz.
II. Daß Gott der Herr von Ewigfeit hero feinen allgemeinen vorjag
gehabt, fich in der zeit aller und jeder menjchen zu erbarmen, auch allen und
jeden menjchen den Herren Chriſtum zu einem mittler zu verordnen, jondern
allein etlicher auf dem im die ſünd gefablenen geichlächt jich zu erbarmen,
diejelbe allein zu erwehlen und ihnen als ſchon erwehlten den berren Chriſtum
zu einem Mittler zu verordnen. Hiervon wird gehandlet in dem 4, 5. ımd
. Yehrjak.
III. Daß unjerem erften Vatter Adam in währender unjchuld derjenige
bundt der werfen, welchen Gott der Herr mit ihme gemacht, nit allein ein
zwahren ewige, jedoch nur irdiiche, jondern ein ewige Himmeliſche glüdjeligfeit
—
zugeſagt habe. Hiervon handlet der T., 8. und 9. Lehrſatz.
IV. Daß diejenige ſünd, welche unſer erſte Vatter Adam begangen, allen
und jeden menſchen, welche da natürlicher weiß von ihm entſproſſen, un—
mittelbar zugerechnet werde. Darvon lautet der 10., 11. und 12. Lehrſatz.
V. Daß der Chriſtus ſein theures blut dahingegeben und geſtorben ſeyge
nit für alle und jede, auch die verdammte, ſonder allein für die außerwelten
menſchen, und daß auch zu derjenigen gerechtigkeit Chriſti, welche unß durch
den glauben zugerechnet wird, gehöre nit allein ſein leiden und ſterben, ſonder
auch die ganze gehorſamme und gerechtigkeit ſeines lebens, wormit er dem
gejet Gottes ein foltommes genüge geleiftet. Hiervon handlet der 13., 14,
15. und 16. Yebrjak.
VI. Daß der äuferliche Gnadenberuf Gottes nit ſeyge zu allen und
jeden zeiten unbedingt allgemein und durchgehend, jondern nach Gottes heiligen
wollgefallen zu allen zeiten gewejen ſeyge, derjenigen völfer und menjchen,
welche Gott der Herr zu jeinem gnadenbund äußerlich nit berüfft, und daß
mu...
373
nichts deſto weniger diejer äuferliche alßo erflärte beruff Gottes Heilig, treulich
und ernftlich gemeint ſeyge. Hiervon meldet der 17., 18., 19. und 20. Lehrſatz.
VII. Daß diejenige unmöglichfeit, dem gejat Gottes zu gehorfamen,
welche jich bey den unwidergebohrenen befindet, nit nur ein bloße fittliche,
jonder ein natürliche unmöglichkeit jeyge, und auch mit ein jeder, der da mur
will, glauben könne. Hiervon lautet der 21. und 22. Yehrjak.
VII. Daß die heiligen Vätter des A. T. jälig worden feigind durch
den glauben an Ehriftum und die Hochgelobte Heilige Dreifaltigkeit, und in
der H. Schrift mehr weg oder mittel vor Gott gerecht zu werden nicht alß
zween, nemlich durch die werf des gejages vor dem fündenfahl und durch den
glauben an Ehriftum nach demjelben, und folgends auch nur ein zweyfacher
bumdt, nemlich der werfen in dem jtand der unjchuld umd der gnaden nad)
dem fündenfahl, angezeiget werdind, Hiervon handlet der 23. und 24. Lehrſatz.
IX. Endlich geichicht ein jehr träffe und ernftlihe ermahnung an alfe
und iede, welche bey und unter uns zu dem Firchen und jchuldienft gewidmet
oder Gott dem Herren im demjelben jchon würklich dienen, bei, dem Heiligen
wort Gottes, der Eidtgenöffiichen glaubensbefantnuß, den canonibus def synodi
zu Dordrecht und gegenmwertiger Formel treuwlich, veit und rumeglich zu halten
und vor allen glaubensneuwerungen fich zu vergaumen. Hiervon handlet der
25. letjte Lehrſatz.
161. Bittſchriſt eines zürcherifchen Schulmeifters aus dem Jahr 1700.
Mitgeteilt von Dr. U. Ernft in der Neuen Zürcher Zeitung. 1883, Nr. 294.
„Snädiger Herr Burgermeifter. Hoc Geachte woledle geftrenge. Ehr
vnd Notfejte wohl vornemme, Fromme vnd Hochweiſe Allergnädigfte Derren
vnd Vätter,
Vor dem gnaden Thron Eüwer. Gnaden Erſcheine ich Heinrich ſchmid
52 Syähriger ſchreiner vnd 7 Jähriger jchuldiener zu Höry. in Tiefefter Demut.
vnd umderthänigfeit. Eier gnaden weemütig vorbringend das ich bei meinem
Beichwerlichen jchuldienft, darben vnd verichmachten muß — wo nit Eüer
gnaden, Einige tröpflein ihrer weltbefannten gütigfeit auff mich trieffen lajen.
Eier gnaden ijt ohne mein andeüten zur gnüge befant, in waß fir einem
grofen Holtzmangel wir arme höhrer (ad) das wir Entlich erhört wurde)
ſtäckend vnd ſchwäbend, der wägen ich den allerorthen gwondlichen fchulicheiteren
manglen muß, zu dem ijt meine gante Beſoldung aufert dem geringe ſchul—
löhndlj 3 einige X wartgält, von der firchen Bülach, bei welicher ich mid)
374
mehr mohlen angemeldet, in Hoffnung glei anderen jchuldieneren betrachtet
zumwerden, habe aber nicht mehr Als Einen eingigen thlr. zur bejerung Er:
halten Mögen. Weil derohalben Mihr alle Hoffnung Zu Fehrnerem troft
aller orthen abgejchnidten, als nimme ich meine Zuflucht, Zu der überflüffigen
Brunquel der Gnaden unſers lands, zu Eüer gnaden meinen Hochgebiethenden
Herren, auß der Tieffe meines Hergens. Diejelbe mit allen meinen Krefften
anflehende vnd bittende, Sye in großen gnaden geruhen, Einiche bröjemiy von
ihrem Reichen tiich auf mich umd meine Yieben finder, wegen meiner treiien
Dienften, fallen zu lafen, damit ich nit fürters wie bijher mit guten Zähnen
übel Beißen, vnd bei meinem bejchwerlichen Dienft hunger vnd mangel leiden
müße. Der Barmberkige Gott jchliege Eier gnaden, ohren und bergen auf,
mich Armen jupplifanten in meiner flehenlichen Bitt, Vätterlich zu erhören,
wie ich dan zu ihm Mit vefter Zuverficht der Erhörung jeüfze, das er Eich
erhöre, das der namım Gottes Jakobs Eüer gnaden jchüte, das er Eüch gebe
was Eüer Her begehrt, und nicht weigere was Eüer Mund wiünfcet.
Alſo bittet, vnd wünſchet Eüer gnaden gehorjamfter vnd mit leib und
blutt ergebnefter Vndertheniger Fnecht, Heinrich ſchmid, jchreiner vnd jchuldiener
zu Hörj.“
162. Aus dem bernifchen Pradtgefeh von 1703.
Aus Morel, die heivetiiche Gefellichait. S. 15.
„Die Perruques anlangend, jo jind diejelben denen Perjonen, jo unter
zwanzig Jahren Alters begriffen, gänzlich verboten und abbeitellt, ausgenommen
in denen Nothfällen. Im Uebrigen jind diejelben dahin eingezielet, daß die
Weltlichen, jo jich deren gebrauchen, anjtändige, nicht zu lange Perrüquen in
geziemender Maß und Bejcheidenheit tragen mögen, alſo daß jelbige vornher
nicht über den Rabat hinabgehend und binden nicht mehr als ungefähr 3 Zoll
über den Mantelfragen hinunterhangend ; die auf der Stirnen verböchte, lange,
gefnüpfte oder hangende ärgerliche Zopfen-Perrüque aber, wie auch andere
daran erjcheinende Unehrbar- oder Ntöjtlichkeiten in der Stadt zu tragen
gänzlich verboten jein. Die Geiftlichen und Studiosi dann, jo fich aud) der
Perruques bedienen müſſen, jüllend, um fie von den politieis recht zu unter:
jheiden, feine andere als Heine runde Perruques tragen.“
RENT |
375
163. Zum zweiten Dilmerger Krieg. 1712,
a. Papſt Clemens XI. an Luzern. 15. Juli 1712,
Aus dem Lateinischen. Helvet.-Bibliothel. VI. ©. 159.
y\ Pleliebte Söhne! Sobald Uns die unbilligen, unziemlichen und
\ ganz und gar unerträglichen Friedensbedingungen gemeldet
—— sind, welche Euch und den übrigen katholischen Orten
nicht nur ne bie ins Innerste von herbem Schmerz, sondern auch von tiefstem
Entsetzen erfüllt worden. Ein nicht geringer Trost ist indes unserm be-
trübten Herzen dadurch zu Teil geworden, dass vier von den genannten
katholischen Orten, nämlich Uri, Unterwalden, Schwiz und Zug, von
gerechtester Entrüstung entflammt, und, wie es sich geziemt, vom Eifer
für die Erhaltung der rechtgläubigen Religion beseelt, die vorgenannten
Bedingungen gänzlich verworfen und, wenn nicht alles in den frühern
Stand hergestellt wird, mit frommem, hochherzigem Entschluss die Würfel
des Krieges zu versuchen beschlossen haben, bereit, eher ihre ganze
Habe, ihre Freiheit selbst und das Leben aufs Spiel zu setzen, als Ge-
setze anzunehmen, durch welche dem heiligen Glauben auch nur der ge-
ringste Abbruch getan würde. Wir haben Uns heftig verwundert, dass
Ihr, denen es vorzüglich gebührt hätte, bei dieser Entschliessung den
andern mit dem Beispiel voranzugehen, nicht nur, wie Wir gehört haben,
die Sache lässig geführt, sondern, was weit schlimmer ist, durch den
falschen Namen des Friedens getäuscht, Euch völlig geneigt gezeigt habet,
die genannten Bedingungen anzunehmen. Daher dürfen Wir, Kraft des
Amtes der apostolischen Knechtschaft, das uns der allmächtige Gott,
wiewohl wir seiner unwürdig sind, übertragen hat, und von dem Wunsche
beseelt, unserem Gewissen, so gut wir können, genug zu tan, in keiner
Weise unterlassen, Euch wiederum mit diesem unserm Schreiben, mit
väterlicher Liebe und mit dem höchst möglichen Eifer zu ermahnen, dass
Ihr in diesen Verträgen aufs genauste bedenkt, was Ihr tut. Denn, wo-
fern der Friede unter jenen gottlosen und überaus harten Bedingungen
geschlossen wird, was kann den katholischen Orten je Schlimmeres und
Gefährlicheres zustossen, als der Friede selber? Erstens wird durch den
Abschluss desselben der rechtgläubigen Religion die grösste Wunde ge-
schlagen, die sie empfangen kann; sodann fällt auf Euer Gemeinwesen,
Eure Würde und Achtung der schimpflichste Makel der Schande, und
endlich werden den Katholiken durch die höchste Unbill und Ungerech-
tigkeit zahlreiche und bedeutende Städte entrissen; es werden Euren
heftigsten Feinden die Zugänge geöffnet, damit sie Euch noch grössere
Übel zufügen, und Euer Aller Freiheit und Heil wird offenkundig aufs
Spiel gesetzt. Und selbst wenn jene nicht Willens wären, solche Dinge
zu wagen, so wird doch Gott in dem gerechten Ratschluss seiner Vor-
sehung ihnen diesen Vorsatz eingeben, um auf diese Weise die Sühne
für die Vernachlässigung seiner Religion von denen, die sie vernachlässigt
376
haben, zu fordern. Deshalb ermahnen wir Euch wiederholt und beschwören
Euch beim allmächtigen Gott, dass Ihr, eingedenk der alten Frömmigkeit
und der ausgezeichneten Tugend Eurer Altvordern, welche um der
Religion willen so oft ihr ruhmreiches Blut vergossen und mit göttlicher
Hilfe glänzende Siege über die Feinde davongetragen haben; eingedenk
der Liebe, die Ihr dem Vaterlande, den Kindern und Euch selbst zu
erweisen habet; eingedenk endlich der Pflicht, die Ihr Gott, der Kirche
und dem orthodoxen Glauben schuldet, alles aufbietet, die Beratungen
und Verhandlungen über einen derartigen Frieden, wenn nicht billige
und gerechte Bedingungen gestellt werden, gänzlich zu hintertreiben und
zu vereiteln, und in gegenseitiger Übereinstimmung des Willens und
Strebens mit den übrigen katholischen Orten alles mit Eifer rüstet, was
zur Dämpfung der Vermessenheit der Gegner und zur völligen Wieder-
herstellung dessen, was seither verwegen geändert worden ist, notwendig
scheint. Vor allem aber hütet Euch mit allem Fleisse, dass nicht durch
Euer Tun oder Lassen irgend welcher auch noch so kleine Nachteil der
Religion und der Kirche zugefügt werde, und verteidigt ihre Rechte mit
Verachtung jeder Gefahr, mit beharrlichem und tapferem Mute, indem
Ihr auf den Euer Vertrauen setzet, dessen Rechte über allen gefunden
wird, die ihn hassen. Wir nehmen uns fernerhin, mit allen weltlichen
und geistlichen Hilfsmitteln, die in unserer Macht stehen, auch mit neuen
Bemühungen bei den katholischen Fürsten Euer aus Kräften an, und
werden nie ablassen, Euch beizustehen, wie Ihr von Unserem Ehrwürdigen
Bruder Jakob, Erzbischof von Ephesus, und dieses heiligen Stuhles
Nuntius, mündlich sattsam vernehmet, geliebte Söhne, welchen wir unter-
dessen den apostolischen Segen aufs liebreichste erteilen. Gegeben zu
Rom am 15. Juli im 12. Jahre unseres Papsttums.
. Derfelbe an den Kaifer. 17. Juli 1712,
Aus dem Yateinifhen. Helvet. Bibliothef. VI. S. 169.
Geliebtester Sohn in Christo. Durch das letzte Schreiben aus Hel-
vetien werden Wir bedeutet, dass die Berner und Zürcher im Vertrauen
auf ihre Stärke und durch ihre glücklichen Erfolge derart gänzlich auf-
geblasen sind, dass sie den katholischen Orten durchaus unbillige und
völlig unerträgliche Friedensbedingungen vorschreiben, und dass dieselbigen
Orte aus Furcht vor schwererem Unglück, und der Hilfe der katholischen
Fürsten beraubt, nicht weit davon entfernt sind, jene Bedingungen an-
zunehmen. Erschüttert durch die Grösse der drohenden Gefahr haben
wir geglaubt, mit höchstmöglichem Eifer wiederum Deine Majestät er-
mahnen, beschwören und um des Herrn willen anflehen zu sollen, wie
wir sie ermahnen, beschwören und anflehen, Du mögest der dort in
höchster Gefahr schwebenden rechtgläubigen Religion, auf welche es die
Ketzer vor allem abgesehen haben, so schnell als möglich beistehen und
wirksame Hilfe bringen. . . Erhebe Dich also so bald als möglich
zu Schirm und Schutz der gerechtesten Sache, ergreife willig die aus-
gezeichnete Gelegenheit, die sich Dir darbietet, Dich um jene Gläubigen,
377
um die Religion, die Kirche, das Reich selbst verdient zu machen und,
strenge Dich mit allem möglichen Fleiss an, dass die Ketzerei das, was
sie sich verwegen angemasst hat, wieder fahren lasse und alles in den
frühern Stand zurückstelle, um Dir grosses Lob von den Menschen, noch
weit grösseren Lohn aber von Gott zu erwerben. . . . Übrigens
haben wir unserm geliebten Sohn, seiner Eminenz, dem Kardinal Piazza
aufgetragen, Dir ein Mehreres über diesen Gegenstand auseinander zu
setzen und bitten Dich, Du wollest ihm vollen Glauben schenken. — —
e. Luzern an den Papit nad) der Schlacht von Bilmergen. 13. Auguft 1712.
Aus dem Yatein. überfept im Schweiz. Mufeum. 1816. IV. ©. 59 fi.
Heiligster Vater! Die drei Briefe Eurer Heiligkeit, von denen der
erste an die fünf katholischen Orte, die übrigen an uns allein gerichtet
waren, haben wir mit grösster Ehrfurcht geöffnet, aber mit eben so
grosser Betrübnis des Herzens lasen wir darin die Beschuldigung, als
hätten wir, von eitler Furcht ergriffen, unsere Pflicht nicht erfüllt, der
wahren Religion die tiefste Wunde geschlagen, und durch diese Feigheit
uns selbst mit Schmach und Schande bedeckt. Diese treulose, immerdar
fortdauernde Anschwärzung bei E. H. ist es, was uns ausserordentlich
schmerzt und kränkt. Denn selbst die Feinde, auch gegen Feinde gerecht,
wagen es nicht, uns solcher Fehler zu beschuldigen, und für das Gegen-
teil spricht doch wohl laut genug unser Blut, welches reichlich in wieder-
holtem Kampfe mit den Feinden geflossen. Der ungünstige Erfolg des
ersten Treffens ! muss lediglich der Kampflust und dem Eifer unserer
Truppen zugeschrieben werden, welche, auf die Befehle der Anführer
nicht achtend, zügellos und unbesonnen auf die Feinde losstürmten. Und
wie hätte die zweite Schlacht ? anders als höchst unglücklich sich endigen
können? Das Volk, durch die Geistlichen vorzüglich, unter dem Deck-
mantel der Religion, zur Empörung verleitet, kündigte seinen recht-
mässigen Obern den Gehorsam auf, drohete, raubgierig und wütend, den
Anführern Mord, unserer Stadt aber Zerstörung und Verderben, und
entzog uns hierdurch ohne Zweifel den Segen des Himmels. Auf diesen
Gedanken musste wenigstens jeder kommen, der da sah, wie, nachdem
bereits das ganze feindliche Heer geschlagen war, ein nur unbedeutender
Haufen desselben noch widerstand, endlich die Unsrigen, die sich einer
wilden Verwirrung überliessen, angriff, sie scharenweise vor sich her
Jagte, und zuletzt — wer sollte es glauben? — unser ganzes Heer in
die Flucht trieb, während unsere Obersten und Hauptleute, die alle, mit
Ausnahme weniger, verwundet oder getödtet wurden, fruchtlos sich ent-
gegenstellten, und durch Worte und Schläge die fliehenden Soldaten
wieder zu sammeln umsonst sich bemüheten. So weit ist es nun gekommen,
dass jene Kantone, die vorher von Friedensunterhandlungen nichts hören
! der sogen. „Staudenschlacht* bei Bremgarten 26. Mai 1712. — ? bei Vilmergen
am 25. Juli.
378
wollten, jetzt die weit schlimmeren, von den Feinden vorgeschriebenen
Friedensbedingungen die ersten angenommen und dadurch uns ebenfalls
zur Annahme genötigt haben. Nicht uns also messe man die Schuld bei!
Mit dem Stand Uri, von welchem der lügenhafte Berichterstatter E. H.
versicherte, er huldige der Ansicht der übrigen für die Fortsetzung des
Krieges gestimmten Kantone, fühlten wir die drückende Lage, als es uns
an Lebensmitteln gebrach, Gold und Silber, des Krieges Nerve, uns
mangelte, und die katholischen Fürsten und unsere übrigen Bundes-
genossen mit eigenem Missgeschick rangen, als der Herr Nuntius stets
mit vollem Munde uns Unterstützung verhiess, aber bis auf den heutigen
Tag nur leere Hände darbot, und zuletzt einzig die Hoffnung auf Gott
uns übrig blieb... Dem Frieden, zu welchem die gegenwärtigen Verhält-
nisse und Umstände uns zwingen, fügen wir uns, unwilligen Herzens; wir
trinken den bittern Kelch mit gedemütigtem, doch immer noch ent-
schlossenem Sinne. Sobald Recht ımd günstige Gelegenheit es wieder
gestatten, werden wir freudiges Mutes, was Männern geziemt, leisten,
und vor aller Welt Beweise unserer Gottesfurcht und Vaterlandsliebe
ablegen; nie soll man uns der Versänmung dessen anklagen können, was
wir der katholischen Religion, dem Vaterlande, dem Ruhme unserer Vor-
eltern und der Erwartung der Nachkommenschaft schuldig sind. Zu diesem
Ende wagen wir, auf die Güte Eurer Heiligkeit vertrauend, die demütige
und inständigste Bitte, E. H. möchte gnädigst eine Verordnung zu er-
lassen geruhen, dass die Klöster unsers Kantons, deren Äbte und Vor-
steher jährlich, in Pracht und Wohlleben und durch kostbare Bauten,
eine ungeheure Summe Geldes verschwenden, einen bestimmten Teil ihrer
jährlichen Einkünfte, als freiwillige Gabe, zur Wiederherstellung unsers
öffentlichen Schatzes beisteuern, und dass zugleich das Einkommen unserer
einträglichsten Pfarrpfründen, auf welche bei künftigen Erledigungsfällen
Pfarrverweser auf sechs Jahre, mit hinlänglichem Unterhalte, gesetzt
werden könnten, zur Verteidigung der katholischen Religion in unsere
Staatskasse fliesse,
Endlich ersuchen wir E. H. dringendst, den Herrn Nuntius (’arraceioli
von seiner hiesigen Stelle abzurufen und aus der Schweiz zu entfernen.
Denn er trägt die ganze Schuld unsers Unglücks; er hat auch die Fort-
setzung dieses Krieges mit gesetzwidrigem und ungestümem Eifer be-
trieben, durch Aufhetzung der Geistlichen vermittelst eines anhaltenden
Briefwechsels, durch Aufwiegelung des unruhigen Pöbels, der keine Rechte
des Krieges anerkennt, und durch die Beihilfe anderer berüchtigter Per-
sonen, mit welchen der gemeldete Herr Nuntius, dessen Amtswürde wir
übrigens in aller Demut verehren, die Massregeln zur Führung dieses
Krieges festgesetzt und verabredet hatte, ohne den vernünftigen Vor-
stellungen weiser Männer Gehör zu geben. Auf solche Art hat er uns
in die gegenwärtige unglückliche Lage gestürzt, den wahren Glauben in
die grösste Gefahr, und unsern Staat, durch den Aufruhr der Untertanen,
an den Rand des Unterganges geführt. Es ist uns daher unmöglich,
fernerhin mit gehörigem Vertrauen unsere Anliegen dem heiligen Stuhle
durch eben jenen Mann zu eröffnen und mitzuteilen, der uns, wenn nicht
in das äusserste Verderben gebracht, doch gewiss einen unersetzlichen
Schaden zugefügt hat. Indessen wollen wir nun dieses alles, so wie die
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379
vielen andern unrühmlichen Schritte, die sich der Herr Nuntius bei ver-
schiedenen Anlässen erlaubte, mit Stillschweigen übergehen, um Eurer
Heil. nicht länger beschwerlich zu fallen, deren heilige Füsse wir mit
tiefster Verehrung küssen, auf ewig verharrend E. H.
Untertänigste und gehorsamste Söhne und Diener,
Schultheiss und Rat der Stadt und Republik Luzern
in der Schweiz.
Gegeben zu Luzern, den 13. August 1712.
164. Aus dem Anrauerfrieden zwifchen Zürich und Bern und
den V Orten. 18. Iuli, 9. und 10. Auguf 1712,
Abſchiede VI. 2b. S. 2330 fi.
Erjtens jolle den beiden loblichen Orten Zürich und Bern verbleiben
die ganze Srafihaft Baden fammt allen darin liegenden und dazu gehörigen
Städten, Orten, Yand und Yeuten, worumter die Stadt Bremgarten
gleichfallS gemeint und begriffen ift, zufammt allen andern Landesherrlichen
Rechten und Gerechtigkeiten. .... Ferner folle in den freien Ämtern
von nun an eine Landmarch-Ligne gezogen werden von Yunfhofen an bis auf
Fahrwangen, alfo daß, was unterhar diefer Ligne, den beiden loblichen Orten
Zürich und Bern allein, mit Vorbehalt foblihen Orts Glarus habenden
Nechtens verbleiben, was aber ob diejer ermelter March:Ligne, den regierenden
foblihen Orten zudienen. . . . Hiebei aber verjprechen beide lobliche Orte
Zürich und Bern, die Katholiichen in diefen erzählten Städten ımd Yanden
bei einer volltommenen freien Übung ihrer Religion; desgleichen auch die darin
ſich befindenden Stifte und Ktlöfter bei ihren Hab und Gütern, Necht und
Gerechtigfeiten, Einkünften, Zins und Zehenden, ... verbleiben zu lajjen, zu
Ihügen und zu jchirmen, ..... auch den Loblichen fünf katholiſchen Orten
ſowohl als allen der Eidgenoffenichaft An: und Zugehörigen fünftig, wie
vorhin bejchehen, freier Handel und Wandel, in Kraft der Binden jederweilen
den freien Paß und Repaß, aud Zu- und Durchfuhr aller Sad): und Waaren
ohne neuerliche Beichwerde und Auflage durch die abgetretene Yand zu ge:
jtatten. — —
Dann jo jolle auch zum Anderen beiden loblihen Ständen Zürich und
Bern überlaffen bleiben (jedoch mit Vorbehalt loblihen Orts Glarus habenden
Hechtens) die Stadt Rapperswyl ſammt der Brugg, Hof und Zoll und
übriger Zugehörd nach Inhalt der den erjten Augufti dies Jahrs von
beiden loblihen Ständen Zürich und Bern mit Schuftheiß und Rath zu
Rapperswyl gejchloffener Capitulation, wie auch das gegemüberjtehende Dorf
Hurden .. . mit der Erläuterung, daß ermeltes Hurden und Einwohner
380
bei ihrer freien und ohngehinderten fatholiichen Religionsübung, geift- und
weltlichen ?sreibeiten . . . rubig verbleiben . . .; dabei auch verglichen
worden, daß zu ermeltem Hurden feine Fortificationes oder Schanzen gegen
einander gemacht werden jollen, und die neu aufgeworfenen gejchleift werden,
um die vertrauliche Nachbarſchaft wiederum dejto fteifer einzurichten und zu
behalten.
tem, jo ſoll auch Drittens loblicher Stand Bern in die Mitregierung
im Thurgen, Rheinthal, Sargans und übrigem Bezirk der Freien
Ämtern aufgenommen fein, aljo daß jelbiger von mm an dajelbitige Be-
pogtigungen auf loblihen Stands Zürich Ausbedienung anzutreten haben jolte.
Und weil beide loblichen Orte Züri) und Bern das Thurgen und
Nheinthal zu gemeinfamer Regierung mit denjenigen loblichen Orten, melde
jelbige vorber beherrichet, wiederum abtreten werden, mit Beding, daß vorharo
jowohl der Religion als der Regierung halber die gebührende Parität
wirflichen zu Werf gerichtet werde, alfo ift Viertens hierum abgeredet, verglichen
und geſchloſſen, dar künftige Streitigkeiten in den gemeinen Herrichaften zu
vermeiden und eine gerechte und friedfame Negierung zu führen, die Evan-
geliichen gleich wie die Katholischen der Religion und Gottesdienſts halber und
was jelbigem anhanget, in den gemeinen Herrichaften, in welchen beide Re—
figionen fich befinden, im einem ganz gleichen Nechten ftehen und was jeder
von beiden Religionen zu derjelben Übung in partieulari zugehöret, derjelben
verbleiben und fie deſſen ohnweigerlich zu genießen haben. So follen auch
in hohen Regalien, item wann es wm allgemeine Regierungs-, Policei-,
Yands- und Kriegsordnung zu thun, fünftighin die Majora nichts enticheiden,
jondern wo darüber ohngleihe Meinungen wären, jollen, gleichwie im
denen die Religion anfehenden Gefchäften, vderethalb der eine Theil ver:
meinte, daß es die Neligion nicht berühre, der andere Theil aber es für eine
Neligionsjache dargibet, weder von den mehreren loblichen regierenden Orten,
noch viel weniger von den nachgefezten Yandvögten nichtS decidirt oder darüber
geiprochen, jondern damit bis auf aller regierender Orte Zuſammenkunft ge-
wartet und alsdann durch gleiche Säte beider Keligionen zu güt- oder recht:
lichem Austrag geichritten werden. In allen andern Sachen aber follen die
regierenden Orte wie hiebevor handeln, erfennen, richten und urtheilen, und
ein Mehr ein Mehr jein und verbleiben.
Und gleich wie man zugibt, daß die katholische Geiſtlichkeit ſammt allem,
was ihren Gottesdienſt und Kirchenzucht betrifft, item die Ehefachen und was
dem foro matrimoniali anhanget, vor dem befannten Nichter ihrer Religion
beurtheilet werden, eben aljo ſollen auch die evangeliichen Pfarrer und Seel:
jorger jammt allen, was derjelben Gottesdienst und Kirchenzucht betrifft, dar-
unter auch die Beitell- und Haltung der Schulen begriffen, gleid) der Judi—
catur über die Ehejachen, dem Richter ihrer Religion, nämlich der Stadt
3 ET
EN
ET
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381
Zürich auch allein unterworfen jein; die Schulmeifter aber in allen andern
Sachen aufert was die Inſtitution und Religionsdocirung betrifft, dem welt-
fihen Richter unterworfen bleiben. Auch wo die eine oder andere Religion
verlangte, daß die Schule gejündert wurde, oder aber eine neue aufrichten
wolfte, jolfe jolches derjelben auf eigenen Koften zu thun bewilliget fein.
Es jolle auch fein Theil an des andern Neligions-Ceremonien und Ge-
bräuchen oder was immer jeiner Glaubensbefeuntnig nicht gemäß tft, infonderheit
auch nicht zu Haltung des andern Theils Feſt- und Feiertagen verbunden fein,
und gleichwie die Katholiichen in ihrem Gottsdienjt, Geremonien und Pro:
cejfionen nicht gehindert, beſchimpfet noch beleidiget werden, eben aljo jollen
auch die Evangelifchen in ihrem Gottesdienft, Kirchengebräuchen und Bere
monien nicht gehindert, bejchimpfet noch beleidiget werden. ..... Dannethin
jo war auch angejehen und geordnet, daß zu Verhütung bejorglicher Ohn—
ordnung für das Künftige die Kirche zur Verrichtung des Gottesdienftes an
Sonntagen von denen, die jelbige zuerjt gebrauchen, denen fo der anderen
Religion find, vom Frühling bis in den Herbit um 8 Uhren und vom Herbſt
bis in den Frühling jpäteft um 9 Uhren überlaffen, es wäre dann Sache,
daß fie fi) unter einander mit beidjeitigem Belieben... einer andern Stunde
verglichen hätten; ... jedem Theil auch zu Verrichtung des Ordinari- und Ertra-
Ordinari Gottendienfts durch die Wochen derjelben Gebrauch ohngehindert
geftattet werden; zu ſolchem End wo man feine eigenen Kirchenſchlüſſel und
Meßmer hat, und derer begehrt wurden, ſolche dem begehrenden Theil zudienen
jolfen, ... aud) den Evangeliichen an jolchen Orten, wo fie mit feinen eigenen
Taufſteinen verfehen, jelbe zu eigenem Gebrauch in die Stirche hinzuzujezen
ohne einiche Hindernig geitattet werden, zugleich) auch jeder Religion ein be-
jonderer proportionirter Kirchhof, ihre Todten nach ihrer Religionsmanier zu
begraben, vermwilliget jein ſolle. . . . Dafern auch ein- oder anderjeitige Religions:
genofjen eine gemein befizende Kirche im eigenen Koften vergrößern wollten,
jolfe jolches ihnen ohngehindert gejtattet werden; jedoch jo, daß der Bau alfo
geführet, daß jo viel als möglich in Zeit des Bauens fein Iheil an jeiner
Neligionsübung verhindert, auch der Katholischen Altäre und Zacrifteien nichts
benachtbeiliget werden; alfo aud, wann die Gvangeliichen um beſſerer
Ktommlichfeit willen eine nächſt gelegene Kirche, darin ihre Neligion geübt
und bejuchen wollten, jolle ihnen jolches ohngehindert zugelajfen jein. — — —
Mithin dann auch der Yandsfrieden von Anno 1531 aufgebebt, todt und
abjein, dagegen aber die diesmalige Befriedigung künftighin der Yandsfrieden
heißen und die Yandvögte jowohl als alle geift- und weltliche Gerichtsherren
und Golfatores zu diejem neuen Yandsfrieden verpflichtet und verbunden jein
ſollen.
Damit dann auch in Verwaltung der Juſtiz die Ohnparteilichkeit deſto
beſſer Plaz finden möge, jo ſollen die Ehrenſtellen, Ämter und oberkeitliche Be—
—— — — —
382
dienungen von nun an aus beiden Religionen beftellt werden, aljo daß gleich
wie der Yandichreiber im Thurgen fatholiicher Neligion bleibt, hargegen jederzeit
der Yandammann evangeliicher Religion fein. — — —
So ift auch gut befunden und beabredet worden, daß künftighin bei
alfen haltenden gemeinen Tagleiftungen in Neligions- und Standsſachen all-
wegen ein evangelifcher und ein fatholischer Protocollift zugleich in die Seſſion
abmittirt, derojelben führende Protocolle jeweilen gegen einander gehalten und
conformirt, folglich dann das aljo Berglichene in gemeinen Sejfionen abgelejen
werden jolle. Übrige, ſowohl Civil: als Militärbedienungen, als da find
Untervögte, Yandrichter, Weibel, Yandgerichtsdiener, item Redner, Yand- umd
Duartierhauptleute, Hauptleute jeder Religion ohne Unterfchied gleich viel be-
jtellt werden. .... So jollen aud die Waiſen mit Vögten ihrer Religion
bejorget ... werden.
Wann dannethin lobliche regierende Orte (welches aber Gott ewig wende)
in Krieg gegeneinander zerfielen, jo folle fein Theil, er mache gleich die Majora
aus oder nicht, mögen die gemeinen Unterthanen mahnen, jondern dieje fich
neutral halten und feintwederem Theil weder Volk, Geld, Munition oder
Proviant geben oder einih andern Vorfchub thun, anders als mit Gebet zu
Gott zu derojelben Wiederverein- und Befriedigung. .... Zu deſto jicherer
Berhütung dann aller Ohnbeliebigfeiten und reizenden Anläfjen, folle fünftighin
alles verhaßte Schmüzen und Schmähen von Geiſt- und Weltlihen in und
außert der Kirchen, mund- und jchriftlich, bei höchfter Ohngnad verboten und
abgejtraft werden; auch jolle bei gemeinen und jonderbaren Zufammenfünften,
es jei im Neden, Schreiben und vergleichen die eine Neligion evangeliich und
die andere Fatholifch genenmet und betitelt werden. Übrigens dann jolle auch
in Juſtizſachen, Succeſſion, Erbichaften und Collocationen die Einten gleich
den Anderen ohne Unterfchied der Religion gebalten und angejehen, auch bei den
Yehensverlethungen feinem der Neligion halber etwas zugemuthet werden. — —
165. Der geheime Bund der katholiſchen Orte mit Frankreich,
genannt der Trücklibund, gefclofen zu Soloturn
den 9. Mai 1715.
Abſchiede VII. 1. ©. 1379.
Wir Frank Carl von Vintimille... Graf du Luc,... . Ihrer Ma-
yeſtet Pottichaffter in der Eydtgnoſchaft . . . erflären in krafft des gewalts, jo
uns von dem König den ein und zwengigften hornung dies Jahrs 1715 ge-
geben worden... ., daß weylen die nun underjchribne und bejchworne Pindtnus
Pr —r ME 3 Ve ——
.
= 7
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hauptſächlich zur widerherſtellung der Catholicitet, und handhabung des
Eydtgnoſiſchen Standts ins gemein zihlet, Ihrer Mayeſtet Intention und
meinung ſeye, es dahin zu bringen, daß die Ohrt und Stände proteſtierender
Religion eben in diſe Pündtnuß eintretten; weylen aber ſolches nicht geſchehen
kan, ehe und bevor die Glider, aus welchen der lobliche Eydtgnoſſiſche Standt
beſtehet, ſich einanderen eine volkommene Justiz halten, wegen denen ſachen,
die heütiges Tags denſelben zertheilen; verſpricht der König für Ihne, für
den Herrn Delphin, und für die Könige ſeine Nachfahrer, alle ſeine officien,
oder alle jeine macht anzuwenden, umb die Partheyen jo geſchwind als es wird
möglich fein, zu verleithen, oder fie zu nöthigen zu widerheritellung der Ca-
tholieitet in allem dem, jo fie lefthin verlohren hat, und zu erneiierung einer
Pündtnuß zwijchen beyden Religionen die handt zu geben, welche denen vor-
gehenderen Pindnuffen, die dem loblichen Eydtgnoffiihen Standt ins gemeit
vereinen, neüe jtärfe geben.
Zu diſem endt, bij dem Allmächtigen Gott belieben wird, die Intention
des Königs zu jegnen, wird Ihro Mayeſtet die Ohrt Zürich und Bern in
dife man bejchloffene Pündtnus nicht annemmen, es jeye dan, daß jie zu einer
vollfommen restitution, umd zu widerherjtellung der alten verirägen und
Pündtnuſſen eimwilligen.
Was die andere Ohrt und Stände gleicher Neligion anbetrifft, welche
an dem leſten frieg feinen theyl gehabt haben, werden jelbige auch nicht in
obgedachte Pündtnuſ können eingelaſſen werden, fie verjprechen dan, fie wollen
beyden erjteren Ohrten weder directé noch indirecte helfen, da man diejelbe
zu gedachter restitution und widerherjtellung wird nöthigen wollen. — — —
Wan es geichehe (jo Gott abwenden molle), daß der König, der Herr
Delphin oder die Könige Ihre Nachfahrere zu bilff kommen müßten dem Eydt-
gnoſſiſchen Standt ins gemein, denen Catholiſchen Ohrten, der Republiq Walliſ,
oder einigem Standt in particular, jo im gegenwertiger Pündnuſ begriffen
jeind, wird jolches anderſt nicht gefchehen, als auff erjuchen des Standts, oder
derer Ständen, welche vermeinen werden, Ihrer Mayeftet, des Herren Delphins,
oder deren Königen Ihrer Nachfahreren hilff vonnöthen zu haben.
Der König gibt zu, ehe und bevor feine macht den Eydtgnoffiichen
boden betrette, mit dem Begerenden, oder denen Begerenden, zu berahten, jo-
wohl über die bejchaffenheit und anzahl des succurs, jo wird vermilliget
werden, als über die route oder weg, welchen dijer succurs wird nemmen
follen. — — —
Wan man in felbigem einige conquestes madet, was gattung und
natur fie jein können, werden der König, Herr Delphin, oder die Könige
deren Nachfahrere, weder under dem vorwand der friegsföften, noch feinem
anderen vorwand nichts Davon behalten fünnen, und werden jelbige erobe-
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rungen dem Standt, oder denen Ständen, welche den succurs werden be-
gehrt haben, zugeftelt werden. — —
166. Landvogt Eſchers Bemerkungen über die Regierung der
Graffchaft Kyburg. 117—1723.
Heransgeg. v. Wyß im Archiv für ſchweiz. Geichichte IV. 249 fi.
Biirgermeifter Joh. Kafp. Eicher, von Zürich, geb. 1678, geft. 1762, einer der treff-
lichften Staatsmänner, welche die Stadt im 18. Jahrhundert gehabt bat, hinterließ eine
eigenhändig geichriebene Darftellung der Erfahrungen, die er als Yandvogt von Kyburg
von 1717—1723 in feiner amtlihen Tätigkeit gemacht hatte. Diefe Schrift, ausgezeichnet
durch die humanen und gefunden Anſchauungen, die der Verfaffer darin äußert, gewährt
zugleich ein getreues Bild der Rechtspflege und Berwaltung, wie fie im Kanton Zürich
im legten Jahrhundert gehandhabt wurden.
N as Aınt eines Yandvogts auf Kyburg beftehet eigentlich darin, daß
a | er jeiner hohen Obrigfeit jura, Mandat, Sak- und Ordnungen
PR bandhabe, dem Böjen nachfrage, jelbiges den Geſetzen oder der
Norhourft gemäß jtrafe, den Unterthanen, welche ſich anmelden, oder für die
er es jonjt nothwendig findt und die er bejchiefen joll, getreuen, vorfichtigen
Rath erteile, wo immer möglich verhüte, daß fie nit in Prozeß und Streit
verfallen; wann aber ungeachtet jeiner Müh Streit entjteht, daß er jelbigen
nach den Kegeln, den Gefegen umd der Billigfeit entſcheide. In Summa,
ein Yandvogt joll jein ein Water des Yandes und jorgen, jchaffen und ar-
beiten, daR die Unterthanen in guter Zucht, Ordnung und Ginigfeit unter:
einander leben, mithin ein jeder bei dem Zeinigen gejchügt werde. Wer die
Yandvogtei Kyburg anfiehet als ein Gewerb, dur) den man müfje reich
werden, und deswegen bei den vorkommenden Gejchäften abmift, welchen
Weg er den meijten Gewinnt oder Verdienſt davon zu erwarten habe, der
verfehlt überall des Zweds oder vielmehr, der hat einen faulen Zwed, das
Yicht und Recht wird ihm finjter; er ift nit wertb, daß er den jchünen Namen
eines Vogtes oder Vaters des Yandes trage. ... Es joll ein Yandvogt
jedermann umfonjt den freien Zugang zu ihm vergünftigen, die Yeute mit
Gedult und Weil verhören, dabei aufmerfam und in Worten und Werfen
die Unterthanen traftiren als jolche, von welchen im Notbfall das gemeine Vater:
land mit Yeib und Gut muß bejchügt werden. Sie jind Commilitones, nit
Servi. — — —
Durch die oberfeitlichen jogenannten Buß- Mandat find unferen Yand-
leuten alle öffentlichen Recreationes verboten, da doch bei offentlichen Ber:
385
jammlungen jelten etwas Schandbares vorgehet. . . . Weil man aber diejes
nit faſſet, und das offentliche Tanzen, Keglen, die Kilbinen und andere der—
gleichen Luftbarfeiten den jungen Yeuten gänzlich will verboten haben, juchen
fie heimliche Luft, figen in Schläufwinfel zum Spielen, treiben allerlei Yeicht-
fertigfeiten in Kammeren, Hölzeren ꝛc., jaufen fich voll, bei müßigen Tagen
figen die Alten zufammen und vertreiben die Zeit mit Yiegen [Yügen], Hinder—
reden ꝛc., dardurch das Yandvolf übel verderbt und jonderbar bei jungen Yeuten
gar viel ohnzeitige, fie in äußerten Ruin ftürzende Ehen veranlaßt werden.
Hieran find eine große Schuld die Herren Pfarrer, welche in den synodis
dergleichen Berbott an M. G. H. begehren, und vermeinen dabei einen gott-
jeligen Eifer zu bejcheinen. Weil nun freilich bejfer wäre, jedermann wird
nichts thun als beten und arbeiten, anbei alle Luſt der Welt meiden, wider-
Ipricht ihnen niemand gern, fonderbar, da der Yajt nit auf den Legislatorem,
jondern auf die Yandleute kommt, und aljo ift man mit dergleichen Mandaten
freigebig. Ob aber jolches nüglih und recht jeie, werden folgende Reflexiones
aufheitern. Insgemein, was bei geringer Geldbuß verboten wird, trudt nur
die armen Leuth; die Reichen fehren jich wenig daran. Das Trinken in Wirthg-
häuſern am Sonntag, Tanzen an Hochzeiten und Brautmählern ꝛc. wird durch
die Mandat in der Stadt nit verwehrt; mur der arme Bauersmann muß
fi zwingen laſſen. Geiftliche und weltliche Herren auf dem Yand trinfen
täglih Wein, halten ihre Zujammenfünfte, mehrenteils auch an den Sonn-
tagen; ihren Kindern find erlaubt allerhand recreationes. Wie es darbei
oft zugehe, ijt befannt. Dem Yandvolf ift es nit verborgen. Aber wenn ein
mühſeliger Hausvater, Bauernjohn oder Knecht, der die ganze Woche feinen
Moment zu feiner recreation übrig hat, auch feinen Wein fiehet, an den
Sonntagen nad) der Predigt eine Maaß Wein im Wirthshaus trinfet oder
mit feinen Ccetaneis [Altersgenofjen] die oder dieſe Necreation vornimmt, oder
an Hochzeiten und andern Jahrstagen tanzet zc., muß er angefehen werden
als ein heillofer Mann, und das Geld, daraus er follt Brot kaufen, der
Obrigkeit zu Buß bezahlen. — —
Es wird auch durch dergleichen Verbott den jungen Yeuten viel Muth,
item Luft und Liebe zum Vaterland benommen ; fie urtheilen, in andern Yan-
den jei mehr ‘Freiheit al8 bei und. Sie werden dardurch nit tugendhaft ge-
macht, jondern nur argliftig ihre Fehler zu bedenken umd gleichjam verleitet
zu Schanden. ... Ein frifcher, freier Muth ift auch moraliter allzeit beſſer, als
ein verichlagenes, jchalfhaftes Herz, welches durch allzuftrengen, äußerlichen
Zwang gemeinflid in den natürlichen Menjchen erwedt wird... . . .. Nach dem
magis et minus find unfere Mandat den Mönchsregeln zu vergleichen ...
Selbft unfere jonft eifrigen Reformatores find in diefen Punkten gar nit
juperftitio8 umd fo ftreng gewejen, als man jeg ift. Offentliche Yuftbarfeit
beichädiget fürwahr niemand, weder an Ehr, Yeib noch Gut. Daß unſere
Oechsli, Quellenimeh. 25
— J
Zürichbietler minder aufgeweckt und auch in Kriegen nit ſo munter als andere
Eidgenoſſen, kommt nit wenig bar von ibrer mönchiſchen Lebensart, darzu
die Mandat fie zwingen. — —
Die in Ao. 1722 ausgegangenen beiden großen Bußmandat, das einte
für die Statt und Burger, das ander für die Yandichaft und Yandleuth, machen
in dem Articul der Kleider Hoffabrt einen gar deutlichen Unterjchied zwijchen
den Nurgeren und Bauren, verbietet diefen legteren gar viel Sachen, die es
den Burgern erlaubt: jonderbar werden die Weiber der Yandleute gezwungen
zu einer recht ſpöttiſchen Kleidung. Nachdem ich diefes hab müſſen Taffen
rudlicieren. bat zu Elgg und im äufferen Amt jelches erwedt einen gar böſen
len, wie umm in der Tat eine jelde distinetion jebr odies tft und gleich
iıme ein opprobrium der Yandleute mit sich fübret, um jo mehr, als an
emigen Dieter Orten jigen Burger, die an Mittlen den Yandleuten bei weiten
zur zufemmen. Du it nun leicht zu erachten, wann das Weib eines bemitt-
leten Yandmann!, der ewwan noch derzu ein ebrenbuftes Amt befleidet, bat
mitten adlegen und mit mebr derfen brauchen Die Sierratben, jo fie zuwor
Kragen und Ab gleichſtelen den Mayer, Webinzegen die Frau eines Bur
ze, Ver an Mittien und am Rang vie xringer geweſen, alö der Land—
zerz, Kb mogen darin dütinguieren uıd ver der andern prangen, mas dies
für Nerdmmt dei dergleihen Yeren eomwmft, weiber Verdruß noch it ver:
ehrt werden — dir Noto Zierberkr ımd Iburgäuer, ſo unfere
var duriier sunigesher ned geriet Ir dem !% zfenmen, daß eine ge:
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387
167. Das Manifeſt Davels an Bern. 31. Mäy 1723.
Aus dem Franz. bei Olivier, Etudes d’Histoire ©. 10 fi.
5 ——
— dle, Erlauchte und Hohe Herren. — Ein Augenblick ernst-
| [a haften Nachdenkens über euer Verhalten gegen das Waadt-
NE land wird euch von selbst überzeugen, dass ihr in Folge
— euer Ungleichheit, Anmassung und tyrannischen Regierung
der Hoheit über das Waadtland entsetzt seid, welches den Entschluss ge-
fasst hat, in Zukunft keinen Befehl von euch mehr anzuerkennen, ohne
dass irgend ein Drohwort oder Versprechen, von welcher Beschaffenheit
es auch sei, irgend etwas daran ändern könnte.
Wir werden unsere Grenze bei der Gümminenbrücke festsetzen, da
wir unsern Befreiungsplan nicht soweit ausgedehnt haben, um euch in
euerer Hauptstadt zu beunruhigen, welche dies in bezug auf euch bleiben
wird; wofern ihr wenigstens uns durch euere Bewaffnung keinen Anlass
bietet; dann freilich werden wir dem Kriegsrecht Folge geben. — —
Unsere Absicht beschränkt sich gegenwärtig darauf, euch der Herr-
schaft über das Waadtland zu entledigen, das ihr misshandelt und in
unerträgliche Not gestürzt habt.
Man hat euch durch offene und anonyme Briefe von dem schmäh-
lichen Benehmen euerer Landvögte in Kenntnis gesetzt, mit dem Aner-
bieten, sich zu stellen, um die gerechten Beschwerden und Anklagen zu
verfechten; das hat einen Befehl an euren Schatzmeister bewirkt, [die
Sache] zu untersuchen, welcher völlig davon überzeugt worden ist. Und die
Folge davon ist nur eine verschlimmerte Fortsetzung von Veruntreuungen
und ungeheuerlichen Bussen gewesen, die Bürger und Einwohner derart
niedergedrückt und zu Grunde gerichtet haben, dass es zum Erstaunen
ist, dass man es bis heute hat ertragen können.
Ihr habt alle bürgerlichen, politischen und geistlichen Ämter, die
von euren Landvögten abhängen, dem Meistbietenden käuflich gemacht.
Ihr habt Landvögte hergesendet, um die Rechtspflege zu verwalten,
die nicht die oberflächlichste Kenntnis vom Recht erworben haben noch
besitzen.
Eure Landvögte und hohen Kammern vervielfältigen und verlängern
die Prozesse der Städte, öffentliche und private, ins Endlose. Keine
Änderung oder Besserung, zeigt sich; jedes Jahr wird es schlimmer,
daher ist es endlich zum Äussersten mit dieser verderblichsten Herrschaft
gekommen.
Ihr führt jedes Jahr irgend eine nene Auflage oder neue Zölle ein,
und ihr belastet Gemeinden und Private mit dem Unterhalt aller Land-
und Reichsstrassen.
Ihr habt den Handel zu Grunde gerichtet, da eure Unfähigkeit
zum Regieren bewirkt hat, dass alle guten Münzen fast aus dem Lande
verschwunden sind.
Die Rechte und Freiheiten mancher Städte des Waadtlandes sind
nach und nach vernichtet worden. — — —
388
Eure Kommissäre, unterrichtet von euren Absichten, unterwerfen
diejenigen, die sich nicht gut zu verteidigen wissen, den Fendalabgaben
und Zehnten.
Ihr habt, so viel es euch möglich gewesen ist, die waadtländischen
Offiziere, welche sich bemühten, in benachbarten Landen die Waffen zu
tragen, daran verhindert, zu Stellen zu gelangen; und wann ihr Ver-
dienst euch bekannt war und sie fast unfehlbar auf dem Wege waren,
zu avanciren, habt ihr ihnen schlimme Händel angerichtet, um ihnen die
Möglichkeit, unter den Waffen zu avanciren, zu rauben, damit enere
Bürger von Bern alle Stellen bekämen. — —
Ihr habt ein allgemein missbilligtes Verfahren gegen die Geist-
lichkeit eingeschlagen, durch die angebliche Reform, welche eure Ab-
geordneten von weltlichem Stande und zweifelhaftem Lebenswandel
unternommen haben. Die Akademie von Lausanne wurde für blühend
und wohlbestellt gehalten. Es waltet darin sogar ein vortrefllicher Geist,
der an fremden Höfen geglänzt und ehrenvolle Preise davon getragen
hat; statt Beweise der Auszeichnung zu empfangen, wurde sie zuerst
die Zielscheibe von Verfolgungen und dem gebieterischen Befehle aus
gesetzt, eure Artikel zu unterzeichnen, was sie zu tun nicht umhin ge-
konnt hat aus Rücksicht auf das öffentliche Wohl '!. Diese blühende
Akademie hat die ganze Bürde eurer einfältigen und rohen Herrschaft
erfahren.
Ihr lässt euch Jahre lang bitten, um geringe Reparaturen an
Pfarmhäusern und Kirchen vorzunehmen. Die Schatzmeister, die ins Land
kommen, beschränken sich auf die Untersuchung der Keller, und würden
nicht eine Viertelstunde um gehen, um ihre Aufmerksamkeit der Reparatur
einer Kirche zuzuwenden, wo es auf die Köpfe des Pfarrers und der
Zuhörer regnet.
Alle Kirchengüter, welche dem Gottesdienst gewidmet worden waren,
sind den Domänen Euerer Excellenzen einverleibt worden. Ihr Gebrauch
ist in erster Linie für die weltlichen Pensionen bestimmt. Die Herren
Professoren und Pfarrer sind auf den Ausschuss eurer Keller |zu ihrem
Unterhalt] angewiesen. Ihr setzt die Pfarrer auf die leichtfertigste Weise
ein und ab; ihr vergesst, dass man mit einem Stande solchen Charakters
nicht so umgehen darf. — —
! Es bezieht sich dies auf den Zwang zur Unterzeichnung der sogenannten Con-
sensusformel, wodurch Bern dem Eindringen des freieren Geistes der französischen
Hugenotten zu wehren suchte.
339
168. Aus dem zürcerifcen Sittenmandat vom 10. März 1755.
Sammlung der Bürgerl, und Policeg-Gefeze Yobl. Stadt und Landſchaft Zürich.
IL S. 201 ff.
Wir Burgermeifter, Nlein- und Grofje Räthe, jo man nennet die Zwey:
hundert der Stadt Zürich, thun fund männiglich hiemit: Daß wir in Kraft
Unjerer aufhabenden Pflichten, ... in Beherzigung fo vieler täglich im
Schwang gehenden Sünden und Yaftern, befonderbar wegen der jchnöden Ge—
ringbaltung der Unſerm Vaterland mildiglich befchehrten Wohlthaten, Uns ge:
nöthiget gejeben, theils diejen einreifjenden Sünden und Yaftern den Riegel zu
jtoffen, theils durch jchleunige und ungegleichsnete Buß den Zorn des Höchiten
von Uns abzuwenden, gegenmwärtiges zum Nuzen Unſerer lieben Burgerichaft
angejehenes Mandat wiederum ausfertigen zu laffen; und ift man Unſer Will
und Meinung, daß jeder männiglich ſich jorgfältig hüte vor Yäfterung der
heiligen und hohen Majeſtät GOttes, vor Mißbrauch Seines hohen und
theuren Namens, und der heiligen Sacramenten, vor Gottes-vergefjener Über-
jehung des Eids, vor dem je länger je mehr bei ungen und Alten überhand
nehmenden Fluchen und Schweeren, wie auch vor Yachsnen ! und abergläubifchem
Segnen; geftalten Wir die Fehlbare, je nach Geſtaltſame der Sachen, mit
Geld: oder andern Strafen, Stillftand?, Erden- Kuß, oder aud) gar an Yeib
und Peben abbüſſen werden.
Dan joll fi die Heiligung des Tags des HErrn eifrig angelegen
jeyn laffen, durch fleiffige Bejuchung der Predigten Göttlichen Worts, und
der Eatechijationen, injonderheit Ddieje leztere von erwachlenen Söhnen md
Töchtern, auch vor-in-und nach der Predigt, desgleichen währender Zudienung
des Sacraments des heiligen Taufs, und Verrichtung des Gejangs, ſich des
unanjtändigen Schwäzens und unnöthigen Hinauslaufens unter dem Gejang
gänzlich) enthalten. — — —
Auch joll niemand wer der ijt, ohne erhaltene Erlaubnuß und Zeichen
von dem jeweiligen Herrn Prasidenten in der Reformation an einem
Sonntag aus der Stadt weder reiten, fahren noch gehen, darunter auch die-
jenige begriffen jind, deren Hochzeiten verkündet werden: Wie Wir dann aud)
ferner alle, jo Kutſchen, Yittieren, oder Schiffe darzu lehnen, zu gleicher Ber:
antwortung zu ziehen gefinnet find: Nebſt dem auch jonderbar verboten jeyn
joll, das neuerdingen unter den Gejellichaften aufgefommene Halten der Mittag-
Mahlzeiten und Vijitenmachen vor- und in währender Abend-Predigt, auch
, Mit Zaubermitteln heilen, beſprechen. — ? D. i. mit Citiren vor den Stillftand,
die Kirchenpflege.
3m.
aller anderer Zufammenfunften und Gejellihaften, jowol in Wirths: und
Schenthäufern, als Zünften; jodann auch das in Schwang gekommene un-
anftändige Herumtragen der Spaniſchbrodten und Kichlenen an einem Sonntag
vor vollendeter Abend-Predigt, dardurch dann etwann leider! der Gottesdienft
verjaumet, und der Tag des Herrn unverantwortlich entheiliget wird, bey
fünf und zwanzig Pfunden unabläßlicher Buß.
Ferner jollen die Wächter bey den Thoren vor der Abend- Predigt, bey
Straf der Gefangenfchaft, Suspension oder gar nach Beichaffenheit der Sachen
gänzlicher Erlaffung des Dienfts, niemanden aus der Stadt laſſen. Es jolfen
aud bis nad) geendigter Abend-Predigt die Grändel bey dem Schänzlein, und
bey dem Schüzenhaus, jamt dem Stadelhofer Wafferthor, wie auch das Thörlein
zu Wollishofen und Hottingen bey hoher Straf und Ungnad niemand mehr,
wer er ſeyn möchte, geöffnet werden, auch alle Unfere Bürger, Manns: und
Weibs-Perjonen um minderer Unordnung und allerhand Ungelegenheit willen
in ihren Pfarren, und nicht auffer der Stadt zur Kirchen gehen; die fremde
Yand- und Bilgerfuhren an den Sonntagen vor zwölf Uhren ohne genommene
Erlaubnuß nicht hinweg fahren mögen, die Einheimjche aber ſich deſſen gänzlic)
müfjigen, zumalen auch alle und jede, e$ jeyen Manns- oder Weibs-Perjonen,
Kinder, Knechte oder Mägde, welche währenden Sonntäglichen Predigten ohne
erhebliche Urjach auf der Gaſſe angetroffen werden, für das erfte mal um
drey Pfunde gebüffet, und jo jolches von einer Perjon zum andern oder
mehrmalen gejchehen wurde, ſolche Fehlbare je nach der Sachen Bejchaffenheit
mit doppelter Buß, diejenige aber, jo die Buß nicht zu bezahlen haben, mit
Gefangenſchaft beleget werden.
Gleichergeſtalten foll in den währenden Dienftags- Predigten alles Fahren,
Holzicheiten und andere Arbeit, wie nicht weniger das Gehen auf die Jagd
in der Zeit, da fie gehalten wird, und das Auswäjchen der Wäfchen an den
Dienftagen gänzlich verbotten, auch an denen wmochentlichen Abend-Gebetts-
Tagen, als am Mittwochen und Zamftag, die Eonftaffel-Zunft-Gefellichafts-
und Wirthshäufer zu allen Bürgerlichen Zufammenfünften gänzlich beſchloſſen
jeyn; da mithin jedermann kräftigſt erinmert ift, der Ehrbarfeit zu jchonen,
und feine Ärgernuf über diefen Punkten zu geben; und follen an einem Mitt-
wochen feine andere, als die von jelbigen Tags gefchehenen Wahlen, her-
rührende Mahlzeiten gehalten werden. — — —
. Und weilen Wir mit herzlihem Miffallen verjpüren müſſen, daß
ungeachtet alles ernftlihen Verwarnens und Zuſprechens die übermachte
Nleider-Hoffart zu grojfer Verderbnuß und umviderbringlihem Schaden
Unferer Bürgerichaft, und des ganzen Yands in allen Ständen, je länger je
mehr überhand nehme, haben Wir eine äufferfte Nothdurft zu jeyn erachtet,
hierinnen von neuem ein eifriges Einfehen zu thun, und wollen deswegen, daß
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jedernann ſich einer ehrbaren und feinem Stand geziemenden Kleidung,
jonderlich in das Haus des Herrn, an Sonn: und Werktagen befleifie.
Daher ift Unfer ernftlicher Befehl, dak alle Frauen und Töchtern, welche
zu dem Tiſch des HErrn gehen, und annod) gewohnt find, das Tüchlein zu
tragen, weiterhin anftändige Tüchlein in die Kirchen tragen; diejenigen aber,
jo das Tüchlein nicht mehr tragen wollen, jchwarze glattburatene gebundene
Nadtröfe und Fürgürtlein von gleichem Zeug, in alle Kirchen und Predigt-
Stunden tragen jollen. Was den Kopfgerujt anbelangt, joll derjelbe, ſowol
als die Halstücher, ſchwarz und ganz glatt, ohne Spize und Franſen ein-
gerichtet jeyn, auch aus nichts anders als Flor oder Taffet bejtehen mögen ;
da hingegen das Tragen der Mantilles, offenen Volantes, Obrenbehänfen,
wie nicht weniger das Pudern umd Kräufen der Haaren bey dreyßig Pfunden
Buß gänzlich verbotten ſeyn foll. — — —
Ferner iſt Unſer ermftlicher Befehl und Meinung, daß die Weibs-
Perfonen und Töchtern, Junge und Alte, ſich müfjigen und enthalten jollen,
des Tragens aller ftählener und anderer Hals-Zieraten, in die Kirchen, aus:
genommen einem ehrbaren jchwarzen Halsbändlein, oder einfachen goldenen
Kettemlein, daran nichts angehängt; desgleichen aller unanftändigen Ent-
blöffungen, jowol inner als auffer dem Haufe des Herrn, bey fünfzehen
Pfunden Buf.
Sodann it ferner Unjer ernftlicher Will, daß für alle und jede Weibs-
Perjonen, und bey allen vorfallenden Anläfen, es bey dem Tragen des wollenen
und baummollenen Zeugs, des jchwarzen und rothen Tuchs, der feidenen halb:
und floret-feidenen Etoffes, aud) gros de tour und brochirten Taffets, für
das künftige fein erlaubtes Nerbleiben haben; hingegen alles andere gefärbte
Tuch, die allzufoftbare Persienne, der Brocard, und andere foftlid) brochirte
Zeuge, alle ſammetene, alle gefarbete, oder mit Spizen bejezte, umd mit ſeidenem
oder anderm Pelz gefüterte Mantilles, wie auch das (sarnieren der Röken,
gänzlich und bey fünfzig Pfunden Buß verbotten ſeyn joll.
Wie Wir dann aucd jedermann alles Tragen der Spizen, jeidener jo
wol, als leinener, auch blondines, und von Gaze, item allerley Franſen,
woran es immer ſeyn möchte, bey Einhumdert Pfunden Buß auf das ernftliche
verbieten, zumalen jolches Verbott auch auf die Umferige, jo fich auf der Yand-
ſchaft, oder in Babenfährten befinden, gemeint ſeyn joll; mit der Ausnahm
jedoh, daß Wir denen Weibs-Perjonen, auf Zujehen hin, an den Riemen
ihrer Kappen und Häublenen, bejcheidenliche Gattungen einfacher Spizen,
welche nicht mehr als höchitens einen Zoll breit find, zu tragen zugelaſſen
haben wollen.
Ingleichem ſoll auch abgefennt jeyn alles und jedes genähete Zeug auf
Zeiden oder Leinwat, und woran es immer jeyn wolle, gelüchertes Kammer—
tuch, gemodelte und geblumte Mouseline, wie nicht weniger das Tragen der
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von Gold und Silber geftiften Schuhen und Pantoffeln, alles Tragen ber
Neiffe und aller fteif ausgedehnten Unterröfen in die Kirchen gänzlich, und
deren Mifbrauc auf der Gaffen, bey fünf und zwanzig Pfunden Buß; in-
zwijchen mag auf Zufehen bin, das Tragen der undurchbrochenen genäbeten
Halstüchern frey ftehen und bemwilliget jeyn.
Dann verbieten Wir auch fürehin alles Ernfts, jowol Manns: als
Weibs-Verfonen, das Tragen aller Perlen, Edelgefteinen, Carniöl, Gejundheits-
Steinen, Elements:Steinen, Perlemutter, auch alle Gattungen anderer guter
oder faljcher Steinen und Glasflüffen, einig die Eryftallene Hembderfnöpfe und
die ſchwarzen Steine, auf Zufehen hin, hiervon ausbedungen, von was Ge:
jtalt oder jonftiger Farb, auch wovon ſolche immer feyn mögen, bei Confis-
cation und Einhundert Pfunden Buß. Item die föftliche, mit Schmelz-Arbeit
gezierte, mit Schiltfrott gefaßte, mit goldenen Nägeln bejchlagene und gemwürfte
Bücher, die neuaufgefommene von Silber polirte, auf Kleinode, Kettemlein,
an Ningen, und andere auf Gold gejezte Steinlein, alle abhangende Contre-
faitlein und andere Figuren; denen Manns: und Weibs-Perjonen die Massiv-
goldene Saf-Uhren, jamt den Massiv-goldenen Tabatieren und Degengefäfjen,
gänzlih und bey Confiscation. Wie dann weiter all- und jedes gold- und
jilber-fädene Zug, es ſey mm gut oder faljch, und von was Gattung, oder
woran es immer jeyn mag, bei allen und jeden Anläjen, mit der alleinigen
Ausnahm der bordierten Hüten zu Pferd. Desgleihen jolcher, und dann in
weiterm auch noch der gold» und filber-füdenen Knöpfen auf den Mufterungen,
und bey dergleichen Anläfen für die Herren Officiers eines bejcheidenlichen
bordierten Pferdgerufts ; jeglicher diejer obspecifieirter Artifeln bey fünfzig
Pfunden Buf.
Allen Unfern Mägden, und allhier in Koft und Yohn ftehenden Dienjten,
ſowol verburgerten als einheimſchen und fremden, verbieten Wir das Tragen
aller halb: und ganz-jeidener Kleidern, Brüften und Corsets, von ſeidenem
Damaſt, an Sonn und Werktagen ; mithin auch infonderheit das jeit einiger
Zeit unter ihnen aufgefommene Tragen der Reiff- und anderer fteif-ausgedehnten
Röfen: Item die foftliche Halstücher, daS Tragen der Volantes und Man-
tilles, und das unanftändige Kräuſen und Pudern der Haaren gänzlich und
zu jeden Zeiten bey zehen Pfunden Buß; und ift hierbey Unſere heiter-aus—
gedrufte Meinung und Gebott, daß felbige in die Kirchen, über die Kappen
oder Häublein nichts anders als ein baummollen weiſſes Kopftuch zu tragen
befügt jeyn jollen.
Allen und jeden Manns Perfonen befehlen Wir, daß jolche in alle Kirchen,
bürgerliche Bötter, und für die Tribunalien jhwarze Mäntel und glatte Krägen,
auch an den hoben Feſten, ſowol in der Franzöſiſch- als Teutſchen Kirchen,
Yeidhüte; diejenige aber, jo des Grofjen Raths find, bey dergleichen heiligen
Anläjen und andern solennen Tagen, die die Krägen tragen, bey fünfzehen
—— — — ER
nie ee rer nei ne un
« —*
393
Pfunden Buß: Mithin aber aller und jeder Kleidern von Sammet, Castor
und Atlas, der Vestes und SHojen von gefarbetem und ausgejchnittenem
Sammet, desgleichen der geftiften Sachen, auch gemodelt- und geblitmt-jeidener
Kleidungen gänzlich und bey fünfzig Pfunden Buß fich müffigen und enthalten,
Es ſollen auch alle Unſere Verburgerte, in fremden Kriegs-Dienften ic)
befindenden Officiers, jamt ihren Frauen und Kindern, allen in diefem Mandat
enthaltenen Verordnungen ſich durchaus gefliffenlich zu unterziehen und Folge
zu leiften pflichtig, und nichts al8 das Tragen der Negiment3-Uniformes hie:
von ausgenommen jeyn. Auch ordnen Wir, daß denen aus der Fremde wieder
heimkommenden jungen Verburgerten, ihre aus fremden Yanden anher gebrachte
und hierinn abgefennte Ktleidungen, nicht länger als eine Zeit von ſechs Wochen
zu tragen verwilliget jeyn foll; und zwaren all- und jedes bey obausgejezter Buß.
Denen geiftlichen Exspectanten und Studenten gebieten Wir, daß jelbige
ſich einer ehrbaren jchwarzen Kleidung befleiffen, und feine jeidene, noch mit
weiſſem oder andern, auch jchwarz-feidenem Zeug gefüterte Kleider oder Camifol
haben, mithin fie die Exspectanten in die Collegia, bey Disputationen, oder
andern Anläjen bejcheivenliche dife Krägen, die Studenten hingegen glatte
Krägen und Mäntel tragen; alle und jede aber aller anderer Allemodereyen,
und die Zeit ber aufgefommenen ihrem Stand ganz unanftändigen gefarbeten
Kleidern ſich gänzlich müfjigen; in der ausdrüflichen Meinung, daß die Un:
gehorfame nicht allein von Unjern Verordneten zur Auffiht nach Verdienen
abgejtraft, jondern annoch denen verordneten Examinatoribus zu gleid) jcharfer
Reprehension gelaidet werden ſollen. — —
So iſt auch Unfer ernjtlicher Will, das alle Neuerungen, fie ſeyen
bierinn verbotten oder nicht, zumalen nicht alles ausgeſezet werden fan, gänzlich
und bey fünf und zwanzig Pfunden, auch je nach deren Bejchaffenheit ver:
mehrter Buß verbotten jeyn follen. — — —
Des Schlittenfahrens halber ift Unſer Befehl und Meinung,
dag jolches, auffer in dem Tall aufftoffender Reiſen und Gejchäften, gänzlich
verbotten jeyn joll, bey zwanzig Pfunden unnachläfliher Buß, jo oft. einer
darmwider handeln wurde.
Das Danzen an Hochzeiten, Brautmählern und andern vffentlichen
Anläfen, wie auch das aufs neue wieder jtarf einreiffende Ürten-tragen und
Badenjchenfen wollen Wir bey zwanzig Pfunden Buß verbotten haben.
Und demnach die Berehrungen, jo ein Hochzeiter oder Braut ihren
Brüdern, Schweitern, Schwägern umd Gejchweyen, auch Götti und Gotten,
Braut- und Bräutigams-Führern thut, je länger ie höher fteigen; fo ift hiemit
Unfer ernftgemeinter Will und Befehl, daß ſolche, jie jeyen nun an Geld,
' oder Gelds: Werth, bey fünfzig Pfunden Buß verbotten ſeyn jolfen. — — —
Der Ehren-Mahlzeiten halber, auf Gonftaffel und Zünften, ijt
Unjere Meinung, daß der, jo eine Mahlzeit giebt, aufjer denen Zünftern,
394
gar und ganz niemand andern zu laden befügt jeyn joll, als Eltern, Kinder,
Brüdern und Schmägern; in dem heitern Verftand, dak darbey alles Ge-
flügel, Confect, Zuferwerf, und fremder Wein, ſowol als das ftarf einreifjende
Thee- und Gaffe-Trinfen auch Tabafrauchen gänzlich verbotten ſeyn joll:
Sonderheitlich aber gehet unſer ernitlicher Befehl dahin, daß jowol die Ehren-
Säfte, als auch die Abwarten, ſich fünftighin des die Zeit her jo weit ge-
triebenien Überfizens, auch danahen flieffenden gar unanftändigen Jolens und
Wüehlens gänzlich enthalten: Es jollen auch alle andere von erlangten Ehren-
Stellen herrührende Privat-Mahlzeiten, jie werden gleich auf den Zünften,
Gejellihafts-Häufern, Wirths- oder Privat-Häujern gehalten, gänzlich, bey fünf
und zwanzig Pfunden Buß verbotten jeyn. — — —
Weiter wollen Wir, daß alle Schent- und Trinf- Häufer nad) der
Thor-Glogg bejchloffen jeyn jollen; in der Meinung, daß derjenige, jo über
die Zeit aus zu trinfen geben würde, zwanzig Pfunde, und jede Perſon die
er jezt, fünf Pfunde Buß bezahlen joll. Dannethin verbieten Wir auch den
Mifbraud des Tabaks, und follen diejenigen, jo auf den Gaffen und
Strafen, wie auch diejenigen, welche in den Wirths- und Schenfhäufern zu
offenen Fenſtern hinaus, auch vor denen Yäden hier in der Stadt, es jeyen
gleih Burger oder Yandleute, desgleichen in den Ställen und Scheuren, und
bey dem Tröjchen Tabak rauchen, von Unſern Verordneten mit Geld-Buß oder
Gefangenichaft unausbleiblich gejtraft werden. — — —
Das Fahren jomwol im eigenen als Yehngutjchen und Chatjen, in
Unjerer Stadt und denen Vorftädten, verbieten Wir hiermit gänzlih, und
zwar bey fünfzig Pfunden unnachläßlicher Buß.
Weil Wir auch wahrnehmen müſſen, daß die Zeit her das übermäflige
Yeidtragen zu groffen Koften Anlaß gegeben, und allzuweit erjtrefet worden,
ift Unſer Will und Meinung, daß für Eltern, Groß Eltern, Ehegenoſſen, er-
wachſene Kinder, und Kinds-Kinder, höchſtens ein Jahr lang; für erwachſene
Geſchwiſterte ein halbes Jahr; für Oncles und’ Tantes aber eine fürzere
Zeit, das Yeid getragen; hingegen für Neveux, Nieces und Geſchwiſterte—
Kinder, nur das kleine Yeid gebraucht, und getragen werden möge; auch jollen
die Dienfte, und zwar nur diejenige, jo wirklich und bejtändig in dem Haufe
wohnen, einig und allein bey Abfterben des Hausvaters oder der Hausmutter
ganz ſchwarze Kleider tragen, mithin für die längite Yeid- Zeit mehrers nicht
als eine einige ſchwarze Stleidung zu empfangen haben.
Endlich verordnen und gebieten Wir auch Hoch Obrigkeitlich, daß jeder-
mann vor dem ärgerlichen Ausftreuen verleumderiicher Shmäh- umd Läſter—
Schriften, wie nicht weniger vor dem Tadel Unſerer beftgemeinten Mandaten,
Urtheilen und Erkanntnuſſen, jorgfältig sich hüte, umd des einen jo wol als
des andern gänzlich enthalte; geitalten Wir denen darwider handelnden mit
äufferftem Eifer nachforſchen, und die in Erfahrung bringende je nad) Be:
3%
findnuß der Sachen Beichaffenheit alles Ernſts anfehen werden: Auch, jo der
ein als andere dergleihen Schmäh- und Yäfter- Schriften antreffen und finden
jolfte, wird er jelbige alfobald unnüz machen, und niemandem zeigen, nod)
davon etwas eröffnen; widrigenfall® Wir einen folchen für den Thäter ſelbſt
halten, und darnach abbüffen würden.
169. Landammann und Rat von Uri an Bürgermeifter und Rat
von Zürich. 16. Oktober 1790,
Archiv für fchweizeriiche Geſchichte. I. S. 310 f.
Uns ift unter der Aufichrift „a Monsieur Monsieur le Landammann d’Uri
pour le Conseil et Communes du pays“ von dem berüchtigten jchändlichen
Schweizer-Efub in Paris eine gedrudte Zufchrift zufommen, intitulirt: „Lettre
aux Communes des Villes, Bourgs et Villages de la Suisse et de ses
Allies, ou l’Aristocratie Suisse devoilee*, welche Euh U. G. L. A. E.
gewiß auch jchon zu Geficht gefommen ift. Dieſes abermaligen vermwegenen
Schrittes des verruchten Clubs Euch Tit. ungejäumt zu benachrichtigen, fanden
wir in unjerm reblichen, treuen Bruderherzen Pflicht. Und wir thun auch ein
Gleiches mit eben diefer Post zu Euern und unjern %. E, von Bern, Luzern
und Freiburg beobachten. Ihr U. ©. L. A. E. könnt in Euerm eigenen Herzen
es bejjer lejen, al8 wir es zu bejchreiben vermögen, wie dieje jo böswichteriſche
Aufwieglungsichrift, wahres Mord: und Brand-Libell, von uns werde an-
gejehen worden jein.
Mit Urteil und Recht haben wir dieß Fibell zum Feuer durd Scharf:
rihter8 Hand verdammt, der fünftigen Donnerstag dasjelbe zu Altorf ver
brennen joll. In dieſem ift unjre fromme Hauptabjicht, eine ganze Welt zu
belehren, wie fteif und unausjeglich die jchweizerifchen hohen Obrigfeiten an-
einander bangen, wie fürchterlich und ſchwer ihre vereinte heilige Herrfcherhand
auf den Scheitel aller derjenigen fallen würde, die zu Meajeftätsverlegung an
den Pandesfürften ſich verirren thäten. — — —
Dahero haben wir angefehen, in unjerm ganzen Land von allen Kanzeln
durch ein Mandat Allen und Jeden, wes Standes, Wirdens und Weſens
auch die jeien, zu befehlen, alle Aufwieglungsfchriften, jo ihnen durch irgend
einen Weg zufommen möchten, von Stund an dem Herrn Richter des Yands
einzuhändigen, als lieb einem jeden fein werde Vermeidung hochobrigfeitlicher
Straf und Ungnad.
Nun warn wir aber zu gemeiner Ruhe und Sicherheit das Zuträglichite
zu jein erachten, wenn in eidgenöſſiſchem Namen bei feiner Allerchriſtl. Majeftät
U.
396
auf die Auslieferung diefer Böswichter des Clubs vermöge des 8 15 des
Schirmbündniſſes von 1777 gedrungen würde, jo thun wir Euch Tit. diejen
unmaßgeblichen Vorſchlag, geben Eud) zugleich zu erwägen, ob nicht gut wäre,
den Amtsleuten der gemeinen Herrſchaften jcharfe Aufjicht wegen Einftreuung
gefährlicher Schriften zu befehlen, und empfehlen Euch ſammt uns in engit
brüderlihe Umarmung grundmüthigſt Gottes heiligfter Bewahrung.
170. Eſcher (von der Linth) an Rengger über die Htäfner
Unruhen. 3. September 1795.
Aus Wydler, Leben und Briefwechſel von Albrecht Nengger. I. S. 204.
Baden, den 3. September 1795.
Wie oft hätte ich in den legten Zeiten Deinen Rath, Deinen Troft nötbig
gehabt, aber ic kannte Deine Gejchäfte zu gut, um mich deßwegen an Dich zu
wenden. Jetzt ift mir wieder leichter ums Herz. Noch vor acht Tagen war
alie8 gegen die Urbeber umferer Unruhen mörderifch geftimmt — man aber,
Gott jei Dank, und bejonders auch dem alten Yavater, der Himmel und
Erde gegen die Blutegel in unjerer Negierung bewegte, joll wenigitens fein
Blut fliegen. Daß man die Harlefinade begeht, diefe Männer aufs Schaflot
zu führen und da das Schwert über ihnen zu jchwingen, mag ich am Ende
noch wohl leiden. Genug, daß ihnen ihr Kopf bleibt, der ihnen wohl auch
einjt Mittel an die Hand geben wird, andere als bloße Kterferluft einzuatınen. —
Aber was nun weiter die Folge fein wird, das iſt wichtig; hoffentlich ift die
Regierung jo erichredt, daß fie von ſich aus und ihrer jelbit wegen auf Ber:
bejferung einiger der wichtigſten Staatögebrechen denten wird. Freilich wird
das nur ein Palliativ fein; allein bis die Menjchen lernen ohne blutige
Komvulfionen ihre großen Haushaltungen vernünftiger einzurichten, ſehe ich
doch einftweilige Palliativfuren nicht ungen. Mit Füßli war ich in den
legten Zeiten nicht unzufrieden. Freilich deflarirte er fich nicht ganz offen,
wirfte aber darıım und ohne die Magnaten durch direften Widerjpruch noch
mebr zu erbittern, fehr viel. In einigen bejondern Unterredungen wurden wir
recht gute Freunde. — Auch unjer Uſteri betrug ſich — für mich um:
erwartet — gut und vernünftig in diefer Gejchichte. Er blieb eingezogener als
ich, weil er jah, daß wir zu ifolirt feien; aus bloßer Vernunft unterließ er
mebrere Schritte, die ich erft dann eintellte, als ich den Kopf angejtopen
hatte; allein im feiner Privatunterhaltung war er dagegen jo fieberhaft, daß
wenn er diefe Stimmung beibehält, bis er jelbit aus Pflicht reden muß, er jeden
guten Eindrud feiner vortrefflichen Dentungsart in feiner Wirkung jelbft hemmt;
—— — — — Eh
397
wenn Du doch hierin auf ihn wirken fünnteft! In diejer Rückſicht gewährt
mir mein fühlerer Charakter große Vorzüge vor Ufteri. Daß der alte Yavater
bei feinem ehemaligen Wüthen wider die Franken jett ſich jo eifrig der guten
Sache annimmt, jeheint vielen der auffallendfte Widerjpruch zu jein — man
ift aber hierin ungerecht gegen ihn. Er wüthete eigentlich nur wider den Königs—
mord und wider die Nevolutionsregierung — ganz wie Dr. Ujteri, beide find
Girondiſten — jett erblicte er im unfern Verhafteten, was er einjt im König
und den Schlachtopfern der Nevolutionstribimale ſah, Menjchen, die den Tod
nicht verdient haben. — Konnte er aljo konſequenter handeln, als ſich für
beide ins Feld zu laſſen? Und ich darf wohl jagen: ohne ihn lägen nun
unſere Inſurgenten im diefer Stunde — Morgens 8 Uhr — in ihrem Bfute.
Predigten, Bittjchriften, Beſuche jeder Art wandte der wadere Hans Kafpar-
an, um die Unſchuld zu retten. Er war der erſte, der öffentlich jagte, dieje
Inſurgenten wären, diefen Fehler abgerechwet, vortreffliche Gatten, mufterhafte
Hausväter, gute Bürger, — das jagte er, ohne auf das Toben der Blutdürftigen
zu achten, letten Sonntag laut ab der Kanzel. — Er habe meinen Segen! —
Sein Bruder, Rathsherr Yavater, war gleich eifrig wie Hans Kaſpar und
weckte vielleicht den Eifer Füßli's, vecht herzhaft hervorzutreten. Auch Zunft:
meifter Bürfli jei uns in diefer Hinficht geehrt. — Da ich von Zürich)
wegjagte, jobald ich das Urteil kannte, ſelbſt ehe die Sejjion aus war, jo
fann ich Div nichts Näheres über die Individuen, die mitgewirkt, angeben;
willſt Du, jo geſchieht's ein andermal.
— ——
Vierter Teil.
Die Schweiz ſeit 1798.
171. Peter Ochs an Bonaparte. 12. Dezember 1797.
Überfetst von Hottinger, Vorlefungen über die Geſchichte des Untergangs ber
ſchweiz. Eidgenoffenfchaft der dreizehn Orte. S. 290 ff.
Es ist schon viel für mich gewonnen, wenn Sie selbst wissen, dass,
insofern die Schweiz ihre vorgebliche Verfassung behält, in Frankreich
sich noch oft die Ereignisse vom Vendemiaire und Fructidor erneuern
müssen. Diese innige Überzeugung ist es, die mich endlich bewogen hat,
he... ce:
398
selbst für eine Revolution tätig zu sein, deren Notwendigkeit ich besser
einsehe, als wohin sie uns führen werde. Ein zweiter wesentlicher Punkt
ist die Frage, ob wir die föderative Staatsform beibehalten sollen, die
Östreich so sehr gefällt, oder die Einheit einführen, das einzige Mittel,
aus der Schweiz eine getreue und ehrliche Bundesgenossin der französi-
schen Republik und eine Schutzmauer für dieselbe längs eines Teiles
ihrer Grenzen zu machen. Mit dem grössten Vergnügen habe ich gesehen,
dass auch Sie die Ansichten der Patrioten teilen. Was nun aber die
Weise der Ausführung betrifft, so bedürfen wir vorzüglich des Rates und
der Unterstützung. Das Ergebnis unseres Briefwechsels und unserer
Unterredungen geht dahin, dass eine Nationalversamnılung erforderlich
'sei und zu deren Schutze die Aufstellung eines Armeekorps in ihrer Nähe;
allein über die Art und Weise, wie die Einberufung dieser Versammlung
zu Stande zu bringen sei, wissen wir vorderhand uns nicht zu raten.
Die Mehrzahl, bekannt mit dem Geiste ihrer Kaste, wünscht eine Er-
klärung der französischen Regierung, und in der Tat, dieselbe könnte
leicht so ausgestellt werden, dass Jedermann zugestehen müsste, Frank-
reich sei berechtigt, eine Verfassungsänderung zu verlangen. Sollte man
dies aber nicht tun wollen, so erlaube ich mir hier einige andere Ge-
danken Ihrer Prüfung zu unterwerfen.
1. Ich wünsche, dass es mir erlaubt würde, meinen Freunden durch
einige doppelsinnige Phrasen zu verstehen zu geben, dass sie Unter-
stützung finden werden, wie z. B. dem schönsten Tage muss die Morgen-
röte vorhergehen, oder jedem grossherzigen Vertrauen folgt früher oder
später die Vergeltung.
2. Sollte man Zürich zu wissen tun, dass die wegen politischer
Vorgänge verlangte Amnestie auch auf die Stäfner sich erstrecken müsse.
3. Nachdem ich in meinem Kanton durch eine einleitende Rede
alle Gemüter werde vorbereitet haben, werde ich im versammelten Rate
von der Notwendigkeit sprechen, den Unterschied zwischen Bürgern und
Untertanen fallen zu lassen. Ich werde meine zwei Schwäger beauftragen,
den ausdrücklichen Antrag zu stellen, unsern Untertanen die Freiheit
und das Bürgerrecht, dessen die Städter geniessen, zu erteilen.....
4. Es wird gut sein, wenn Frankreich seine unbestreitbaren Rechte
auf das Münstertal, Erquel und Biel gelten macht.
5. Ebenso, wenn es die in der Stadt und dem Kanton Basel ge-
legenen Häuser und Grundstücke des ehemaligen Bistums Basel in Anspruch
nimmt.
6. Ferner muss dasselbe seine Garantie der Freiheiten des Waadt-
landes in Anwendung bringen.
7. Die italienischen Vogteien sollen Bittschriften einreichen, und
von Mailand aus es nicht gehindert werden, dass die Cisalpiner mit ihnen
fraternisiren.
8. Das demokratisch gewordene Basel kann dann den Waadtländern,
den Bewohnern der italienischen Vogteien und des Gebietes des Abtes
von St. Gallen antragen, mit ihm gemeinsam eine Nationalversammlung
zu errichten. Es kann die Glaruer und Appenzeller, die Waadtländer und
Pie * ll — — en et in a TEE ner — — —— — —— — —
399
Neuenburger einladen, teil zu nehmen. Unzweifelhaft werden, wenn dieses
stattgefunden hat, auch Luzern, Unterwalden, und allmälig die gesamte
übrige Schweiz sich anschliessen.
9. Die französischen Agenten müssen revolutionäre Schriften unter
das Volk werfen und allen Regierungen bestimmt erklären, dass Frank-
reich diejenigen, welche an den Verbesserungen der Zustände des Vater-
landes arbeiten, in seinen Schutz nehme. Diese Erklärung ist aus Gründen,
die ich mündlich entwickeln werde, durchaus vonnöten. Sie kann indes
offieiell oder im Vertrauen geschehen. Das erstere findet statt, wenn sie
an den Vorort Zürich zu Handen sämtlicher Regierungen gerichtet wird;
das letztere, wenn die Agenten hier an diese, dort an jene Hauptperson
in den einzelnen Kantonen schreiben. Ich anerbiete mich, den Entwurf
eines solchen vertraulichen Schreibens vorzulegen.
Ich ende, indem ich Ihnen, Bürger General, wiederhole, dass nur,
wenn mit den Anstrengungen der Patrioten die Unterstützung Frank-
reichs sich vereinigt, die Rettung jener und das Gelingen der Revolution
ohne zu gewaltige Erschütterungen möglich sind.
Ohne diese Übereinstimmung sehe ich entweder eine Teilung der
Schweiz, oder die neue Befestigung der wütendsten Oligarchie voraus.
Man muss Teilhaber der letzteren gewesen sein, um sie zu kennen.
172. Der Minifter der fränkifchen Republik an die wakern
Bewohner der Schweiz und befonders an Die Berner.
Anfangs Februar 1798.
Flugblatt, Ztadtbibliothef MWintertur.
Schon hat die Stunde der Unabhängigkeit für euere Mitbürger des
Waadtlandes gejchlagen, und fie war nicht die Stunde euerer Freyheit! Eure
Brüder haben das Joch eines hafjenswürdigen Deipotismus abgeworfen, und
eure Stirne brandmarft noch das Mal der Knechtihaft! — Wer kann euch)
hindern, euch zu der Freyheit aufzuſchwingen, die euch angeboten ift? Welche
unbefannte Gewalt bewaffnet euch gegen euch jelbjt umd macht euch zum
Werkzeuge eurer Unterdrüder ? Nicht zufrieden, die Gleichheit, die euch winkt,
von euch zu ſtoßen, wollt ihr fie euern Brüdern rauben, die fie errungen
haben. Warum verlanget ihr nicht lieber, gleich ihnen, die Nechte, welche
euch die Natur verliehen hat? Waget es, fie zu fordern, und. wieder frey,
wieder Schweizer zu werden. — — —
Ja, euere Obrigfeiten betrügen euch, wenn jie euch die Freyheit als
eine mordjüchtige und blutdürftige Gottheit ſchildern. . . .. Euere Obrigfeiten
betrügen euch, warn fie euch verjichern, dat eine heilfjame Wiedergeburt nur
unter Schmerzen und Unglück gejchehen könne. .... Euere Obrigfeiten be—
400
trügen euch, wenn fie mit frecher Stirne euch verfündigen, daß die franzöftiche
Republik ſich eueres Bodens bemächtigen wolle. Die franzöſiſche Re—
publif ift zu groß, um auf Koſten eines Bundsgenoſſen, eine
ungeredhte Vergrößerung zu wollen, deren fie nicht bedarf. Sie
ift zu edelmüthig, umfich für einen Schuß bezahlt zu maden,
den jie für jedes unterdrüdte Volf bereit hält. Sie fennt in
Helvetien nur einen Feind, und diejer ift noch vielmehr der Eurige. Es
ift der Magiftrat von Bern, diejer wahnfinnige Tyrann, der jich gegen euch
einer langen und barbarijchen Unterdrückung, gegen Frankreich mancherlei
treulofer und jchändficher Complotte jchuldig gemacht hat; und der endlich
ein Verbrecher an allen helvetiihen Cantonen wird, deren Sicherheit er auf
das Spiel jekt.
Erwachet endlid), brave Einwohner der Schweiz, erwachet aus euerem
Zodesihlummer! Ahmet nach euern Mitbürgern im Waadtlande, euern
Brüdern in Bajel! Die Waffen, womit eure Tyrannen euch ausgerüftet
haben, und die bejtimmt waren, mit dem Blute eurer Brüder getränft zu
werden, fehret fie gegen eure Beberricher! Alsdann werdet ihr, befreyt von
einer langen Tyrannei, euch felbft eine Regierung geben fünnen, an der nichts
euch hindert, felbjt Antheil zu nehmen. Dann werdet ihr nicht mehr im
Schweiß eueres Angefichts für eine Fleine Anzahl übermüthiger Familien ar:
beiten, die jich der Früchte eueres Fleißes anmaßen. . . Alsdann werdet ihr,
vereinigt unter einer weijen Berfafjung, die euer Werf jeyn wird, end-
lich die glücklichen Früchte der Freyheit und Gleichheit einerndten, die man
bisher in euerem Yande faum dem Nahmen nad) gefannt hat. Erjt wann
ihr euch würdig gemacht habt, jie zu genießen, werdet ihr fühlen, wie jüRe,
wie beglüdend jie find,
J. Mengaud.
173. Aus Brune's Rorrefpondeny. Februar 1798.
Überjetst aus dem Franzöſiſchen. Herausgegeben von W. v. Stürler im Archiv für
Schweiz, Geſchihte Bd. XII. &. 232 f. Bd. XIV. &. 175 ff. und Bd. XVI. ©. 179 fi.
6. Febr. 1798. Brune an das französische Direktorium. — Ich
habe mich zu vagen Unterhandlungen entschlossen, bis der General
Schauenburg die Position von Biel besetzt hat; dann werden die Oli-
garchen tun, was Sie von ihnen verlangen, oder meine Expedition wird
nur noch ein Handstreich sein; ich glaube indessen, dass sie halb aus
Furcht‘ halb aus Gewissensbissen sich selber exekutiren werden, ohne es
zum Kampfe kommen zu lassen; im letztern Fall, um so schlimmer für
—
— — —
ur —
401
sie. .... Ich fange an im Lande geheime, Verständnisse zu unter-
halten, die mir Erfolg versprechen; morgen oder später werde ich Ihnen
reichlichere Aufschlüsse geben; in diesem Augenblicke liegt mir am
meisten daran, dass Schauenburg in Biel anlange und dass ich Ihren
Verfassungsplan für die Schweiz erhalte.
12. Febr. Brune an Schauenburg. — Dieses Land [die Waadt)
hat soeben für seine Rechnung das Verfassungsprojekt, welches ihm von
Paris geschickt worden ist, angenommen; ich verhehle indessen nicht,
dass die Berner hier nicht so verabscheut werden, als sie es sein
sollten. ... Die Berner werden heute zwei Abgeordnete zu mir schicken ;
ich werde die Zeit dieser Konferenzen benutzen, um den Vorwand zu
haben, Sie durch einen Offizier einzuladen, keine Bewegung zu machen;
durch dieses sehr einfache Mittel werden wir im stande sein, in Über-
einstimmung und auf die Minute zu handeln, wenn sie nicht aufrichtig
entschlossen sind, den Willen des Direktoriums auszuführen.
17. Febr. Brune an das Direktorium. — — Die Verzögerungen,
welche die Notwendigkeit der Ausführung Ihres Willens entgegensetzt,
weit davon entfernt, die Streitkräfte des Feindes zu vermehren, bewirken
vielmehr ihre Auflösung durch die Langeweile, die Ermüdung und das Rä-
sonniren seiner buntscheckigen Milizen. Die französische Streitmacht da-
gegen verstärkt sich mit jedem Tag. Seien Sie versichert, Bürger Direk-
toren, dass ich es weder an Klugheit noch an Kühnheit werde fehlen
lassen. ... Als ich vor acht Tagen die Linie inspizirte, traf ich in Moudon
einen Herrn Herrenschwand von Murten, einen schon bejahrten Mann, der
Friedensworte an mich richtete. Da ich mir diesen Zwischenfall zu nutze
machen wollte, um mir die Zeit und die Mitt! zu verschaffen, meine
Verbindungen zu sichern, lud ich diesen Privatmann ein, nach Payerne
zu kommen, wo ich Musse hätte, mit ihm zu konferiren. .... Unsere
Konversation bewegte sich in Allgemeinheiten, wobei er mir immer Recht
gab, und endigte seinerseits mit der Bitte um eine Konferenz mit zwei
bernischen Deputirten, welche von dem grossmächtigen Rat nach Payerne
geschickt würden. Dieser Rat und Herr v. Erlach haben mich um einen
Pass ersucht für die Herren Oberst T'scharner und Altseckelmeister
Frisching; ich habe ihnen willfahrt. ... Sie sind vorgestern abend
in Payerne angekommen ... und ich habe gestern mit ihnen konferirt.
Sie gestehen mir die sofortige Abschaffung der Oligarchie und die
Herstellung der Freiheit und Gleichheit zu; sie streiten über den Sinn
des Wortes Einheit und verbinden damit hartnäckig eine Idee von
Bund.... Es sind in dieser Verhandlung zugestandene Punkte genug,
um sie hinauszuziehen, und ablehnbare Forderungen genug, um sie
nach Belieben abzubrechen. Einstweilen sind die Soldaten in der besten
Stimmung; sie bekunden laut das Verlangen, sich zu schlagen; und
diesen Abend haben die Herren von Bern unter ihren Fenstern Kor-
poräle hören können, die sich über die Teurung der Lebensmittel be-
klagten und ausriefen: «Vorwärts nach Bern; da werden wir solche
billig finden !»
18. Febr. Brune an Direktor Barras. — Es ist mir, als ob ich
dich sagen höre, mein teurer Barras: «Was macht Brune? Warum ist
Oechsli, Quellenbuch, 26
402
er nicht in Bern? Er verliert Zeit.» .... Aber ohne Munition, Ka-
nonen, Kavallerie und Artillerie, was hättet ihr von mir gesagt, wenn
ich marschirt wäre, wenn ich euch verraten und mich entehrt hätte... .
In zwei Tagen werde ich in Bereitschaft sein. Es blieb mir nur noch
übrig, mit Schauenburg eine prompte Verbindung herzustellen. Zu
diesem Zweck habe ich eine Konferenz mit zwei Abgesandten von Bern
angenommen, die mir sicheres Geleite für einen Offizier gewährt haben,
welcher abgegangen ist, um mit Schauenburg Rücksprache zu nehmen.
Ich schicke die Konferenz dem Direktorium; ich habe nur unbestimmt
gesprochen, um nichts abzuschliessen; aber wenn ihr nur eine Ande-
rung im helvetischen Staate und die Unabhängigkeit des Waadtlandes
wollt, habt ihr nicht nötig, einen Tropfen Blut zu vergiessen. ....
Was ihr wünschtet, geschähe. In der Tat werden dadurch 1) Truppen
verfügbar, 2) die in ihrem Innern bewegte Schweiz ist ausser stand,
euch zu schaden, 3) die Mächte werden keinen Vorwand haben, sich in
irgend etwas in die nene Ordnung der Dinge einzumischen, 4) ein langer
Krieg und langer Hass wird im Entstehen erstickt. Auf jeden Fall
werde ich vom 7. auf den 8. [Ventose, d. h. 25. auf 26. Febr.| meinen
Angriff kombinirt mit demjenigen Schauenburgs beginnen, wofern ihr
mir nicht neue Ordre gebt.
22. Febr. Das Direktorium an Brune. Sie müssen, ohne allen
weitern Verzug, Ihren Plan, auf Bern zu marschiren, ins Werk setzen.
Sie werden die in der Depesche des Direktoriums vom 29. Pluviose er-
wähnte Aufforderung zur Übergabe voranschicken, indem Sie hinzufügen,
dass, wenn Sie den geringsten Widerstand erfahren und ein einziger
Tropfen französischen Blutes vergossen wird, die Mitglieder der bernischen
Regierung mit ihren Köpfen sowohl als mit ihren Gütern dafür haften
werden, und dass Sie das unerbittlichste und eklatanteste Strafgericht
dafür werden ergehen lassen. —
24. Febr. Brune an das Direktorium. — Bürgerdirektoren. Der
Angriff, statt am achten dieses Monats begonnen zu werden, wie ich
Ihnen durch einen ausserordentlichen Courrier angekündigt hatte, kann
erst am 10. [28. Febr.) stattfinden, weil die Schwierigkeit der Ver-
bindungen infolge des reichlichen Schneefalls grösser geworden ist. ...
Die Truppen unter dem Befehl Schauenburgs sind so zerstreut von diesem
Orte |Neuenstadt| bis nach Basel, dass es unmöglich wäre, sie in weniger
als drei Tagen zusammenzuziehen, selbst in Eilmärschen. — —
25. Febr. Brune an Frisching und T'scharner. — Der gute
Wille, den Sie mir bezeugen, mit Frankreich die alte Freundschaft wieder
anzuknüpfen, welche Sie mit ihm verband, erfordert, dass ich Sie ein-
lade, sich am 9. d. [27. Febr.) in Payerne einzufinden. Da ich mit
Vollmachten versehen bin, ist es unerlässlich, dass Sie es auch seien.
Gegenwärtiges wird Ihnen als Pass dienen. Sie haben wohl die Güte,
einen solchen dem Überbringer dieses zu gewähren, der sich nach Basel
zum Gesandten Mengaud begibt.
Gleiches Datum. Brune an Schauenburg. — Nachdem ich reiflich
das Ganze unseres Angriffs überlegt, habe ich eingesehen, dass wir beim
Marsche nach Bern Freiburg und Soloturn nicht hinter uns lassen dürfen.
une nn — — — a ne — |
403
Ich gebe Ihnen daher den Befehl, Soloturn am 10. dies [28. Febr.) an-
zugreifen. ... Ist Soloturn eingenommen, so verlieren Sie keinen Augen-
blick, um auf Bern zu marschiren. — —
Am 28. Febr. stellte Brune an die bernischen Gesandten das Verlangen, dass die
Regierung von Bern sofort zu Gunsten einer provisorischen abdanke und ihre Truppen
entferne mit dem Versprechen. dass falls diese Bedingungen erfüllt würden, seine
Truppen den Schweizerboden nicht betreten würden, und gewährte zur Beratung dieser
Forderung einen Waffenstillstand bis zum 1. März. Das hinderte ihn nicht, gleichzeitig
am 28. Februar von Payerne aus eine Proklamation „an die Vülker des Kantons Bern
und der andern Orte der helvetischen Eidgenossenschaft‘‘ zu erlassen, in welcher fol-
gende Stellen vorkommen:
Die braven Soldaten, die ich die Ehre habe zu kommandiren, sind
gezwungen, einen Teil eures Gebietes zu betreten; schöpfet daraus
keinen Ärgwohn, sie sind enre Freunde, eure Brüder; sie stehen unter
den Waffen gegen die Tyrannei, die ench unterdrückt. Wenn sie die-
selbe bestrafen, so brennen sie nur vor Begierde, euch das ruchlose
Joch derselben zerbrechen zu helfen... .... Eure Bedrücker, eure grau-
samsten Feinde geben sich die Mühe, euch die Furcht einzuflösen, dass
die französische Republik diesen Anlass ergreifen werde, um ihr Gebiet,
auf Kosten des euern zu vergrössern.
Eure edein und hochherzigen Seelen werden diese hinterlistigen
Einflüsterungen von sich weisen.
Nein, die französische Republik will nichts von alledem sich
aneignen, was zur helvetischen J— gehört. Weder der
Ehrgeiz noch die Habgier werden den Schritt entehren, den ich heute
in ihrem Namen tue, und nicht als Eroberer, nur als Freund der
würdigen Nachkommen Wilhelm Tells, nur um die schuldigen Räuber
eurer Souveränetät zu strafen, befinde ich mich in diesem Angen-
blicke mitten unter euch.
Fern sei also von euch jede Sorge über eure persönliche Sicher-
heit, euer Eigentum, euren Gottesdienst, eure politische Unabhängig-
keit, über die Integrität eures Gebietes; die französische Regierung,
deren Organ ich bin, verbürgt sie euch; und ihre Befehle werden
gewissenhaft von meinen Waffenbrüdern beobachtet werden; ich
schwöre darauf bei ihrer Liebe zur Freiheit und bei dem Ruhm,
mit dem sie sich, für dieselbe kämpfend, bedeckt haben.
Seid frei! Die französische Republik ladet euch dazu ein; die
Natur befiehlt es euch; und um es zu sein, braucht ihr nur zu
wollen !
174. Bern am 4. amd 5. Mäu 1798.
Nach zürcheriſchen Gefandtichaftsberichten, Eidgen. Abichtede VIIL 2. 716 f.
Am 2. Januar 1798 waren Repräfentanten der acht alten Orte ohne Zug, fowie von
von Freiburg und Soloturn zu einer außerordentlichen Konferenz in Bern zuſammen—
getreten und tagten dafelbjt bis zum 5. März. Der zürcheriſche Repräſentant Hans Konrad
D
404
Wyß, der ihm beigegebene Kriegsrat Hans Konrad Eſcher, ſowie der Legationsietretär
‘ob. Jat. Pavater jandten über die Verhandlungen und jonftigen Zuftände in Bern Be-
richte nach Haufe, die ein anſchauliches Bild von der in der Zähringerftadt in jenen Tagen
berrichenden Railofigleit und Verwirrung geben.
DD) cn, 4. März 1798, morgens halb 9 Uhr. — Unſer liebes Vater-
MIZ {| land eilt mit furchtbar jchnellen Schritten feiner politiichen Auf-
DM Lölung, jeiner Vernichtung in Hinficht auf Freiheit und Un—
abbängigteit entgegen.; es ift der Wille Gottes. Alle Umftände, die unjer
Unglüf und — ich muß mir den Ausdrud erlauben — die unjere jchande-
volle Zernichtung bewirken, vereinigen ſich. Mit jedem Augenblide vermehrt
ji die Verwirrung. Nicht nur will in diefen jo enticheidenden Augenbliden
niemand mehr geborchen, es will niemand mehr befehlen; alle gegenfeitigen
Bande jcheinen aufgelöst zu fein. Welch’ ein fürchterlicher Tag war der
gejtrige; beinahe den ganzen Tag auf dem Rathhaus umd den Straßen, von
welchen Begegniffen mußte ich Zeuge jein. Banden von Soldaten drangen
ins Rathhaus, oft ohne einen Offizier; bald Der, bald Diefer führte das Wort,
bejchwerte ich über die Offiziere und daß fie von ihnen verlajfen, verrathen
geweſen. Solche Klagen wurden von Compagnien angehört, deren Hauptleute
an ihrer Spike todt geblieben find. Andere drangen mit Ungeftiim auf das
Rathhaus und verlangten vor den Kriegsrath gelafien zu werden. Sie wollten
Waffen, Munition und dak man ihnen Offiziere gebe. Für alle Forderungen
fanden fie ſtets, wie gerecht und billig, gemeigtes Gehör; aber eraltirt und
unglüdlich verblendet jollte alles auf das erjte Wort, das ab ihren Yippen
fiel, in bejter Ordnung daitehen. Auf den Straßen führten fie die gleichen
Reden, äußerten die nämlichen Bejchwerden. Auf der Stelle verjammelte ſich
immer eine Menge Volles um fie und Bürger predigten einer Menge Zuhörer,
der Eine Dies, der Andere etwas anderes, aber niemals den Tert, der allein
in diefen ſchwerſten Augenbliden die Gemüthsftimmung Aller vereinigen und
lenken jollte. Ungeachtet aller meiner Vorftellungen gelang es mir nicht, meine
Herren Repräjentanten und einen Theil der Kriegsrätbe für diejenige Stimmung
zu lenfen, die in diefem Augenblide jo dringend erforderlich gewejen wäre.
Berns Schickſal mag mm in wenigen Stunden eine Wendung nehmen, wie
es immer will, ich weiche nicht von der Stelle und erachte meines Standes
und meiner hoben Prinzipalen Ehre wie meine Pflicht nicht verfannt zu
haben. — Ihro Gnaden Zteiger hat mit Muth und Würde gejtern der
böchiten Verſammlung angezeigt und durchaus verlangt, wenn es zu einer
Gapitulation kommen ſolle, jo verbete er jih, daß jeiner darin im mindejten
Erwähnung geichebe. Er werde jein Schickſal mit Nube auf alle Weije
erwarten.
— —
—R
405
Am gleichen Tage, abends 4 Uhr. — Höchſt unglücklich iſt es zu ſehen,
wie ſehr man ſich bemüht, dem berneriſchen, mit wenigen Ausnahmen ſo
tapfern und wohl geſinnten Volk Mißtrauen gegen die Regierung und ſeine
Offiziere beizubringen, durch Vorſpiegelung, daß es von der erſtern verkauft
und von den letztern verrathen ſei. Dergleichen perfide Inſinuationen finden
ſo ſehr Gehör, daß unter einem Theile des Volkes dadurch bereits eine Art
von Fanatismus bewirkt worden iſt. Zwei wackere hieſige Stabsoffiziere ſind
dieſen Morgen bereits traurige Opfer dieſer Volkswuth geworden, indem ihre
gegen den überlegenen Feind bezeigte Vorſicht und Behutſamkeit nicht ihrer
Klugheit, ſondern einem Einverſtändniß mit den Franken zugeſchrieben ward.
Herr Oberſt Ryhiner ward auf dem Bärengraben von ſeinen eigenen Leuten
erſtochen, ſo daß er nach wenigen Stunden verſchied, und Herr Oberſt Stettler
ward ungefähr zu gleicher Zeit gleich außerhalb der Stadt von einigen Sol—
daten ſeines Bataillons angefallen, auf die unmenſchlichſte Weiſe zerfleiſcht und
ihm mehrere Kugeln durch den Leib geſchoſſen. Indeß iſt der Rädelsführer
dieſer Schandthat hieher gebracht worden, und man redet von prompter und
ſcharfer Execution gegen denſelben.
Am gleichen Tage, abends 8 Uhr. — Ich eile Euer Gnaden von den
in mehrern Rückſichten ſeit einigen Stunden günſtiger eingetretenen Umſtänden
die förderſamſte Anzeige zu geben. Die Beruhigung hier in der Stadt und
bei den Truppen, eine Stimmung, die für dieſe entſcheidenden Augenblicke
angemeſſen iſt, ſcheint allmälig durch Gottes Güte die Oberhand zu gewinnen,
und vielleicht iſt noch Rettung und eine erträgliche Behandlung der Stadt und
des Standes Bern möglich. Seit etwa 9 Uhr hat es vielen vereinigten Be—
mühungen gelingen fünnen, dieje günstige Wendung zu bewirfen und nun hoffe
ich, die neuorganifirte Negierung werde vollends der guten Sache des Vater:
lands wieder aufhelfen und der abichenlich anarchiſchen Stimmung von zwei
Tage, die jo manmnigfaltiges Unheil veranlaft bat, auch unter allen Um:
jtänden, die hier auf uns warten mögen, ein Ende gemacht haben. Um
10 Uhr ward nach rührender feierlicher Abdankung der alten Negierung, die
neue aus hundertundvier Gliedern und einem Präfidenten, nämlich Herr
Zedelmeifter Friſching, als proviſoriſch gewählt. Herr Tillier ift jogleich nad)
Murten zu dem General Brune mit diefer Nachricht abgereist, wodurd nun
alle jeine Forderungen erreicht jein jollten. Bor wenigen Augenblicken kömmt
die Verabicheidung, er wolle in Perjon und im Begleit zweier Compagnien
Huſaren und zweier Füfiliercompagnien der neuen Organijation der Regierung
jelbjt beimohnen, vorher aber müßten alle bernerifchen und eidgenöjjiichen
Milizen abgedanft umd entlaſſen fein. Euer Gnaden will ich ohne einige Be—
merfung diefe Zumuthung in ihren Folgen beurtheilen laſſen. Dieſelbe ift aud)
mit einmiüthiger Stimme verworfen worden, und zudem hat ſich die Negierung
ſchon in Activität gejett.
406
Bern, 5. März 1798, morgens nad 10 Uhr. — Diejen Morgen um
3 Uhr fam Herr Oberft Tillier zurüd, und welch” bedauerliche Erklärung des
Generals vernehmen nun Euer Gnaden. Brune befteht auf jeiner Forderung,
Bern wenigftens auf einen Monat mit etwa jehshundert Dann franzöfiicher
Truppen zu bejegen, ja da Brune jein Ultimatum nicht einmal fchriftlich dem
Herrn Tillier behändigen wollte, jo erachten Euer Gnaden die Abjichten diejes
Generals auf Bern ımd wahrlich auf die ganze Schweiz. Herr Sedelmeifter
Friſching befammelte jchen gleich nach 3 Uhr die neue Regierung. Auf der
Stelle nahm man den einmüthigen Beſchluß, dieſer harten, jo ungemein gefahr:
vollen Zumuthung jich nicht zu unterziehen, jondern das Außerjte zu wagen.
Ungefähr um 4 Uhr erhielten wir die Anzeige, daß von Murten aus die
Franzoſen angegriffen und die Feindfeligfeiten angefangen haben. Das Schidjal
Berns und das unferige wird nun von dem Succef der auch von diejer Seite
angebebten Feindjeligfeiten abhangen. Während der ganzen Nacht bat man
hier den Donner der Kanonen von der untern Gegend ber, vermuthlich bei
Burgdorf, Derzogenbuchjee, Wangen, Fraubrunnen und der Enden deutlich
vernehmen fünnen. In diejer, nun vielleicht in wenigen Stunden entjcheidenden
Yage befinden wir ums bier, umd Euer Gnaden können fich die Wirkung der:
jelben in hiefiger Stadt und bei deren Eimwohnern denken. Wird ſich Die
Regierung für das Nachgeben verftehen, jo find zuverläffig alle Offiziere bei
den Truppen das erjte jchauervolle Opfer des Nachgebens, und geſchieht es
nicht, gelingt e8 aber den Franzoſen, die bernerifchen und eidgenöffischen
Truppen zu jchlagen, jo kann man fich der Stadt Bern und unjer aller
Schickſal vorstellen. Der Wuth der franzöfiichen Truppen, ihrem heißen Ver—
langen ji) der Stadt Bern zu bemächtigen wird, wann fie ihre Abjichten
erreicht haben, nichts heilig jein und unabjehbares Elend und die jchauervolliten
Auftritte jteben zu envarten. Ein anjehnlider Zeil der Einwohner Berns ijt
mit einem beroischen Mut auf Alles gefaht und ftellt ſich aud das ſchrecken—
volljte Begegniß als ihr bevorjtehendes Schidjal vor Augen. Die Vorjehung
allein kann durch glüclich lenfende Umſtände unfer Schickſal in etwas lindern.
... Schon lange jab ich für mein teures Vaterland fein bejferes, glüdlicheres
Schickſal vor, und unjere Yage, unjer Benehmen jehmerzte, kränfte mich tief.
Mit jedem Augenblik kömmen Wagen mit Verwundeten an, ich darf nicht
hoffen, dieſen Brief zu enden und noch weniger, daß derjelbe Euer Gnaden
fünne behändigt werden.
*
407
175. Schauenburg an das franzöfifche Direktorium fiber die Kümpfe
bei Franbrunnen und im Grauholz am 5. März 1798,
Überfegt aus dem Franzöſiſchen: Erlach, zur bernifchen Kriegsgeichichte. S. 844.
Bürgerdirektoren !
angezeigt, dass ich mit ——— Streitkräften auf Bern zu
marschiren im Begriffe stehe. — —
Den 15. [Ventose, d. h. den 5. März] um 5 Uhr morgens setzten
wir uns in Marsch. Wir trafen auf den Feind in dem Holz, welches
sich hinter Schalunen befindet. Es entspann sich ein ziemlich heftiges
Gewehrfeuer zwischen der 14. Halbbrigade leichter Infanterie und den
bernischen Truppen, die Kanonen bei sich hatten. Sofort liess ich die
zwei Stücke ‚Geschütz und die Haubitze, die der Vorhut beigegeben
waren, vorrücken, und nach kurzem Widerstande zog sich der Feind
zurück und nahm Stellung auf den Höhen vor Fraubrunnen; hier lei-
stete er starken Widerstand. Wir wurden wieder genötigt, neue Dis-
positionen zu treffen, um ihn aus dieser zweiten Stellung hinauszuwerfen.
Er formirte sich hierauf hinter Urtenen, wo er wiederum stand hielt. Aus
diesem Posten vertrieben, zog er sich in ziemlich guter Ordnung zurück
und stellte sich zwischen Felsen und einem grossen Tannenwald auf,
welche jene Höhen von Altimerchingen * krönen. Die Landstrasse von
Soloturn nach Bern bildet ein Defil&, welches diese Höhen durchschneidet.
Der Feind hatte in dieser Stellung zu seiner Rechten Felsen und
zur Linken den Wald und Sümpfe; er hatte die Vorsicht gehabt, an-
sehnliche Verhaue anzulegen, um die Jaandstrasse zu sperren; er hatte
sich hinter diesen Verhauen versteckt, von denen aus er ein äusserst
lebhaftes Feuer unterhielt. Die 14. Halbbrigade leichte Infanterie und
die 89%. Linie wurden verwendet, um diese furchtbare Stellung zu er-
stürmen; der Kampf dauerte mehr als eine Stunde. Der Brighdechef
Ruby, der Kommandant der Vorhut, liess durch drei Kompagnien vom
2. Bataillon von der 89. die Felsen erklettern; ein Bataillon von der
14. Halbbrigade und ein Halbbataillon von der 89. drangen durch die
Sümpfe, um den Feind auf seiner Linken zu umgehen; gleichzeitig be-
strich die leichte Artillerie die Landstrasse; es herrschte in diesen ver-
schiedenen Bewegungen ein so glückliches Zusammenwirken, dass der Feind,
von vorn und auf den Seiten angegriffen, sozusagen, mit einem Male
umzingelt war. Er verlor viele Leute dabei und löste sich völlig auf
mit Hinterlassung seines ganzen Geschützes; hierauf sammelte er sich
noch einmal auf den Höhen vor Bern, wo sich ein fünftes Gefecht ent-
spann. Die Husaren vom 7. und 8. Regiment stürmten tapfer auf die
* Verschreibung Schauenburgs für Allmendholz, es ist das (Grauholz geweint.
Fur m
A:
408
Kanonen ein, und es ist kein Zweifel, dass, wenn Bern nicht in diesem
Augenblick Abgeordnete geschickt hätte, um zu kapituliren, alle seine
Truppen kriegsgefangen worden wären, und die Vorhut, welche ihnen
jeden Rückzug abgeschnitten hätte, würde in Bern eingedrungen sein,
bevor man Zeit gehabt hätte, die Tore zu schliessen. Ich gestand Bern
die gleiche Kapitulation zu, wie Soloturn. Wir zogen um 1 Uhr nach-
mittags darin ein. — —
Ich kann keinen genauen Bericht über die Kanonen und Pulver-
wagen abstatten, die wir genommen haben. Überall, wo wir Artillerie
fanden, haben wir uns ihrer bemächtigt. Ich schlage die Zahl auf etwa
25 Stücke an, jeden Kalibers. Die Berner haben in diesen verschiedenen
Kämpfen viel Leute verloren. Wir haben mehrere Offiziere gefangen
genommen. Ich muss indes zur Steuer der Wahrheit sagen, dass
es erstaunlich ist, wie Truppen, welche seit zweihundert Jahren keinen
Krieg geführt haben, mit Tapferkeit fünf Gefechte nach einander
bestanden und, kaum aus einer Stellung vertrieben, eine neue einzu-
nehmen im stande waren.
176. Aus Brune's Borrefpondenn. März 1798.
Fortſetzung.
7. März. Brune an den Direktor Barras. — Am 12. [2. März]
wurde Freiburg erstürmt und kapitulirte Soloturn, am 15. |5. März]
wurde die Brücke von Neueneck erstürmt, wie die von Lodi [?| und
Bern kapitulirte, kurz der helvetische Feldzug hat stattgefunden, wie
ich ihn dem General Bonaparte durch meinen Brief vom 30. Pluviose
angekündigt hatte. Obgleich der Krieg grosse Verheerungen angerichtet
hat und die Plünderung auf hüchste getrieben worden ist ', hoffe ich
die Gemüter wieder zu beruhigen; sagt mir, was ihr wünschet, dass ich
tun soll.
Gleiches Datum. Brune an das Direktorium. — Unternehmer,
Lieferanten, Kommissäre etc. hatten schon einige öffentliche Kassen in
Beschlag genommen. Sofort nach meiner Ankunft habe ich die Siegel
anlegen lassen. Ich weiss noch nicht, was sie enthalten; aber man sagt,
mir, dass nahe an 4 Mill. darin sein können. Wollen Sie, dass ich
sie Ihnen schicke; wollen Sie, dass ich Kriegssteuern erhebe, und wie
hoch sollen sie sich belaufen?! was werden Sie mit den bernischen
Schuldtiteln machen, die sich, sagt man, auf nahe zu 18 Mill. livres
belaufen!
Gleiches Datum. Brune an General Bonaparte. — Mein General
Bonaparte; sobald ich mich im stande gesehen habe zu handeln, habe
ı Nach amtlicher Schatzung erlitten Bern und die Ortschaften ringsum durch Plün-
derung und Zerstörung der Soldaten einen Schaden von über 4 Mill. Frkn.
er — ——— —
409
ich meine Kräfte gesammelt, nm zu treffen, wie der Blitz: denn da die
Schweiz eine Pflanzschule von Soldaten ist und ihre Wohnungen eine
ungehenre Kaserne, hatte ich alles von. den Vorpostengefechten zu
fürchten. Jch habe sie durch Unterhandlungen beseitigt, von denen
ich wusste, dass sie von Seiten der Berner nicht aufrichtig gemeint
seien |sic!], und als ich endlich meinen Entschluss fasste, habe ich ihn
mit einer Schnelligkeit ausgeführt, die mir den Erfolg gesichert hat. — —
11. März. Der franzüsische Kriegsminister an den General
Schauenburg. — Ich melde Ihnen, dass es die Absicht des Direktoriums
ist, dass unsere Truppen von dem Lande ernährt werden, welches
Sie besetzt halten, und dass alle Kriegsmunition, Kanonen, Hau-
bitzen etc., deren Sie sich bemiichtigt haben werden, sogleich nach
Hüningen geschickt werden sollen. — —
12. März. Das Direktorium an Brune, — Es |das Direktorium]
zweifelt nicht daran, dass der Kurier zu gleicher Zeit die Nachricht
von der gerechten Züchtigung bringt, die Sie den Oligarchen haben zu
teil worden lassen, und von den Geldentschädigungen, die Sie der
Republik auf Kosten ihrer Feinde verschafft haben werden. — —
16. März. Brune an die Bewohner des Kantons Bern. —
Bürger, eine Tyrannei, die um so unerträglicher war, als sie .einige
Formen der Freiheit angenommen hatte, lastete schon lange auf euch;
einige Menschen, die sich Frei und Weise nannten, hatten euch geknechtet
und irre geführt. Sie haben euch bewaffnet, um ihre Anmassung zu
sichern, und haben euch derart getäuscht, dass ihr die Franzosen, deren
Freundschaft ihr einst suchtet und deren Triumphe ihr teiltet, als Feinde
ansahet, und dass sie durch Beleidigungen und verbrecherische Angriffe
sich genötigt gesehen haben, gegen euch ihre unbesiegliche Tapferkeit
zu erproben.
Ihr habt gesehen, welchen Gebrauch die republikanischen Franzosen
von dem Siege gemacht haben. Zur Vergeltung ihres vergossenen Blutes
entledigen sie euch eurer Tyrannen und bringen euch diese Freiheit
wieder, welche euer Abgott war und die eure oligarchischen Räte ganz
verstümmelt hatten. Brüder, euer Irrtum hat sich verflüchtigt; ihr seht
in uns nur noch Brüder, welche alle eure Leiden gut machen wollen
und die darnach trachten, euer Glück und eure Unabhängigkeit unver-
änderlich festzustellen ete.
17. März. Brune an das Direktorium. — Zuerst, Bürger Direk-
toren, wünschten Sie für die Schweiz eine einzige, eine und unteilbare
Jtepublik, aber in Ansehung einiger Schwierigkeiten der Verfassung,
welche die Grundlagen dazu entwarf, und vielleicht in Erwägung der
nachbarlichen Wirkungen einer grossen politischen Maschine, deren
Bewegungen rasch und einheitlich wären, und vor der wir uns stets
mehr zu hüten hätten, als dass wir uns ihrer bedienen könnten, habt ihr
gedacht, dass die Gesamtheit Helvetiens drei unabhängige Itepubliken
bilden könnte; die Ausführung dieses Plans vollzieht sich heute. Die
eine der drei Republiken, bestehend aus dem gesamten Teil der Schweiz,
410
der französisch spricht, ist schon fast ganz gebildet.... Da die Rhone
einen grossen Teil dieser Repnblik durchläuft, . . habe ich dieses Land
Rhodanien genannt; so wird man sagen können: Die Rhodanier, die
Rhodanische Republik. Da es nicht in eurer Absicht liegt, die kleinen
Kantone, nämlich: Uri, Schwiz, Unterwalden, Zug und Glarus zu
beunruhigen,.... werden sie unter sich einen Bund bilden, ... dem
die Graubündner sich werden anschliessen können. Nichts spricht da-
gegen, dass man dies Land den TZe/lgau oder das Land Tells nennt;
man würde sagen: die Tellgoviten; die Hauptstadt wäre Schwiz oder
Altorf. Die dritte Republik, die wichtigste infolge ihrer Ausdehnung,
ihres Handels und ihrer Bevölkerung, wird zwölf Kantone oder Depar-
tements haben; die Hauptstadt könnte Luzern oder Zürich sein, man
würde dies Land elvetien nennen; es wird leicht sein nach dem, was
ich getan habe, die Gemüter darauf vorzubereiten, darin das Verfassungs-
projekt des Hrn. Ochs einzuführen. — —
Gleiches Datum. Drune an Direktor Barras. — Die Raben
folgen den Feldlagern, um die Leichen zu verzehren, und die Lieferanten,
um den Unterhalt der Truppen aufzuzehren und das Geld der Besiegten
zu vergeuden. Ich halte festen Stand, damit ihr den Nutzen aus
meiner Expedition zieht. Dies gefrässige Geschlecht wird aufschreien,
aber es wird mich nicht einschüchtern; es ist eine Horde von Kom-
missären, Geldwucherern, welche euch mittelst der Formen bestehlen
wollen; aber diesmal wird die Form die Sache nicht davon tragen. Ich
erwarte eure Befehle für die Kriegssteuern.
Gleiches Datum. Brune an Thun, Burgdorf, Lenzburg ete. —
Bürger. Gemäss der guten Ordnung, die in eurer Gemeinde herrscht,
und der Begierde, die ihr bezeugt, euch zu regeneriren, erkennt die
Grosse Nation, deren Repräsentant in diesen Landen ich bin, mit Ver-
gnügen euch für ihre Brüder an und versichert euch ihrer Freundschaft
und ihres Schutzes. ... Infolge euerer Bitte werde ich keine Truppen
im Kriegszustande in eure (iemeinde schicken, aber ich lade euch ein,
den Baum der Freiheit zu pflanzen und durch eure Liebe zur Freiheit
wieder zu echten Nachkommen Wilhelm Tells zu werden.
18. März. Der französische Kriegsminister an Brune. — Ich
bemerke Ihnen, dass es notwendig ist, dass Sie mir die Mittel kund
geben, die Sie bei den verschiedenen Kantonen angewendet haben, um
den Unterhalt der Truppen zu sichern; da es die Absicht des Direk-
toriums ist, dass diese Lieferungen so wenig als möglich der Republik
zur Last fallen, ist es gut, dass ich die schon ins Werk gesetzten Mass-
regeln kenne, bevor ich ihm die Anwendung von Jteqnisitionen vor-
schlage.
19. März. Desportes, französischer Gesandter in Geuf, an Brune. —
Es ist Ihnen ohne Zweifel wohlbekannt, dass die Republik Genf sich
anschickt, ihre Vereinigung mit Frankreich auszusprechen. Da es
unerlässlich ist, sofort nach der Ausserung dieses Wunsches eine bewaff-
nete Streitmacht in Gienf einrücken zu lassen, um seine vollkommene
411
Ruhe und die Polizei aufrecht zu erhalten, habe ich, Bürger General,
unsere Regierung benachrichtigt, dass ich in Anbetracht der Eintracht,
die unter den Genfern herrscht, von Ihnen nur 1) ein vollständiges Ba-
taillon, 2) eine Schwadron, 3) eine Kompagnie leichte Artillerie mit
zwei Achtpfündern und einer Haubitze verlangen werde. — —
Gleiches Datum. Drune an den bernischen Öberstkriegskommissär
Jenner. — Bürger Kommissär. Binnen 24 Stunden werden die Summen,
welche etwa dem Staatsschatze entzogen worden sind, um anderswo ver-
wahrt zu werden, in das Salzgewölbe gebracht sein, wo sich schon eine
Geldniederlage unter Siegel befindet, Sie werden mir von den hesondern
öffentlichen Kassen, sowie von den öffentlichen Leder- und Kleider-
magazinen des Staates Bern Kenntnis geben, alles unter Ihrer Verant-
wortlichkeit. Sie werden sich mit dem Schatzmeister des Staates verstän-
digen, um mir gleicherweise binnen 24 Stunden Rechnung abzulegen
über die Schuldforderungen Berns an England oder jeden andern
Staat Europa’s unter seiner persönlichen Verantwortlichkeit. Die Schuld-
titel müssen sofort zu mir gebracht werden.
Gleiches Datum. Brune an die provisorische Regierung von
Freiburg. — Alle Kontributionen an Geld sind suspendirt. Die provi-
sorische Regierung wird mir unter ihrer Verantwortlichkeit Rechenschaft
ablegen über den Stand des Stautsschatzes, der Schuldtitel und be-
sondern dem Staate gehörenden Aussen binnen 24 Stunden nach Em-
pfang des Gegenwärtigen. Ich muss auch die Äleider- und Ledermaga-
zine kennen lernen.
20. März. Brune an den Generalkommissär und den Chef des
Generalstabs. — Dem Generalkommissär und dem Chef des General-
stabs wird befohlen, bei der Verifikation gegenwärtig zu sein, welche
der Kriegszahlmeister der Armee mit dem Staatsschatz von Bern vor-
nehmen wird. Dieser Staatsschatz muss sofort nach der Verifikation in
Fässer verpackt werden, um gemäss deu weiteren Befehlen, die ich
darüber verfügen werde, forttransportirt zu werden.
25. März. Brune an die provisorische Regierung von Luzern. —
Ich schicke Ihnen die Verfassung und die verschiedenen darauf bezüg-
lichen Reglemente. Die Grosse Nation erwartet nur den Augenblick, da
die Verfassung Helvetiens in Kraft gesetzt sein wird, um ihre Truppen
von seinem Gebiet zurückzuziehen. (lücklich diese grosse und’ hoch-
herzige Nation, dass sie ihre Stärke nur für die Befreiung und
das Glück ihrer quten Freunde und Verbündeten in Helvetien ent-
faltet hat!
Am gleichen Tag. Brune an das französische Direktorium. —
Ich schicke Ihnen alle [bernischen] Schuldtitel, die ich mir habe ver-
schaffen können; sie sind sehr beträchtlich und lauten nicht bloss auf
England, sondern auch auf andere Mächte, wie Östreich, Dänemark und
verschiedene deutsche Staaten. ... Was die Summen anbetrifit, über
die ich verfügt habe für die Bedürfnisse der Truppen, so belaufen sie
sich auf 900,000 Liv. ... Es wird soviel im Staatsschatz bleiben, um
412
den Bedarf der Truppen, die der General Schauenburg kommandirt, zu
bestreiten, bis die Brandschatzungen, die reichlich sein dürfen und
deren Höhe Sie bestimmen werden, eingehen, um diese Bedürfnisse
weiterhin zu bestreiten, wenn dies notwendig ist. Der Überschuss des
Schatzes wird nach Mainz transportirt werden; ich werde meinem Nach-
folger die Ordre dazu hinterlassen. Ich schicke Ihnen auch ein Ver-
zeichnis der Guthaben des Kantons Freiburg, sowohl auf die Einwohner
des Landes, als auf die Fremden und Frankreich. Sie werden gleich-
zeitig die Liste der dem Feinde abgenommenen Geschütze empfangen;
sie besteht aus 293 Kanonen verschiedenen Kalibers, 38 Haubitzen und
32 Mörsern. Der General Schauenburg ist mit der Überführung dieser
Feldstücke nach Hüningen und Carouge beauftragt; 163 sind schon
befördert. — —
27. März. Brune an das französische Direktorium. — Ich sende
Ihnen einen Bestand der freiburgischen Krieyskasse. Die Verifikation des
Berner Geldes ist noch nicht fertig; mein Nachfolger wird Ihnen das
Resultat übermitteln. ... Der General Schauenburyg wird, was im
Schatze nach Abzug des Bedarfs für die Truppen unter seinem Kom-
mando übrig bleibt, nach Mainz schicken.
Der Bürger Junod, Bataillonschef in den waadtländischen Truppen,
führt die drei Bären in den Gräben Berns nach Paris; es sind ein
Männchen, Weibchen und ein Junges; diese Tiere sind von gewaltigem
Wuchs und bei gutem Befinden. Der führende Offizier hat sie Steiger,
Weiss etc. getauft. !
Es gibt hier keine künstlerischen und wissenschaftlichen Gegen-
stände, die das herrliche französische Museum bereichern könnten.
Indessen existirt auf der Bibliothek, die unter Siegel gelegt ist, wie
auch die andern Monumente, ein JFelief der Schweiz, nach welchem
man in diesem Augenblick eine sehr schöne und ausführliche geographische
Karte herstellt.,.. Es existirt auch im gleichen Gewahrsam ein Her-
barium des berühmten Haller und eine grosse Anzahl sehr merkwürdiger
Manuskripte, unter anderm eine Chronik von Froissard, mehrere grie-
chische und lateinische Klassiker und eine vielleicht einzige Sammlung
alter französischer Romandichter. /hre Kommissäre werden unter
diesen Gegenständen die auswählen können, welche der französischen
Kunstliebhaberei und der Forschungen der Gelehrten wert sind.
Ich veröffentliche heute einen Abschiedsbrief an das helvetische
Volk. . . . Ich kann Sie versichern, Bürger Direktoren, dass dies Volk
gut und freiheitsfreundlich ist. Es existirten namentlich im Norden Vor-
urteile, die uns wenig günstig waren; ich glaube, dass es mir gelangen
ist, diese wackern Leute eines Bessern zu belehren und ihnen ebenso
viel Liebe als Achtung für die grosse Nation einzuflössen, die ihnen die
Freiheit wieder gibt. — —
— — — — —
! Steiger nach dem ehrwürdigen Schultheissen des gefallenen Bern, Weiss nach
dem letzten beruischen Oberkommwandanten der Waadt.
413
177. Der franzöfifche Regierungskommiflär Lecarlier legt der
Schweiz eine Kriegsſteuer von 15 Millionen auf.
8. April 1798.
Poffelts Annalen 1798. II. 228 fi.
Der Negierungscommiffair bei der Armee der fränkischen Nepublif in der
Schweiz,
Erwägend, daß e8 die höchjte Gerechtigkeit jey, daß die fränkiſche
Republifichleunig die Shadloshaltung für die beträdhtliden
Koften erhalte, weldhe die Sendung einer Armee in die
Schweiz veranlaft hat, die dazu beftimmt ift, die Freunde der Freiheit
zu bejchügen und den Herausfoderungen der Dligarchie ein Ende zu machen ;
Erwägend, daß diefe Schadloshaltung jih nicht einzig auf den
Unterhalt der Armee, welche ſich auf dem helvetiſchen Boden befindet,
beihränfen, fondern jolche Reſultate darbieten joll, daß die Verantwort-
lichfeit, die auf den alten Regenten lag, nicht vergeblich jei:
Erjucht den Obergeneral zu befehlen, wie folgt:
Artifel 1. ES wird von den Kantonen Bern, Freiburg, Solothurn,
Yucern und Zürich eine Kriegs: Stener von 15 Millionen fränf, Livres,
und von dem Kapitel in Yucern und den Abteien St. Urban ımd
Einjiedeln eine Kriegs-Steuer von 1 Million erhoben.
Art. 2. Diefe Kriegs-Steuer wird ausgetheilt, wie folgt:
Der Kanton Bern zahlt . . . 6 Millionen.
. „ Freiburg 2.2.2 2
= „ Solothurn un, 2. 2 R
u; „ Lucern a v
* „Ziürich se en —
Art.3. Dieſe Summe wird nach Fünfteln bezahlt, nemlich: das erſte Fünftheil
innerhalb 5 Tagen von der Foderung an; das zweite Fünftheil in den 25
folgenden Tagen; das dritte Fünftheil in den 20 erſten Tagen des folgenden
Monats; und die zwei letzten Fünftheile in den 40 folgenden Tagen, ſo daß
die völlige Zahlung in 3 Monaten geſchehen ſey.
Art. 4. Die Kriegs-Steuer von 15 Millionen wird einzig durch die
alten Regenten, in welchen Kantonen ſie wohnen und wo auch ihre
Güter liegen mögen, durch die Familien der erwähnten Regenten
und durch die Schazmeifter der Regierungen bezahlt.
414
Art. 5. Man verfteht unter den alten Regenten diejenigen, welche zur
Zeit des Einmarfches der fränfifchen Armee in die Schweiz das Stimm-
oder Gerichtöbarfeits-Hecht bei irgend einer der damals vorhandenen Gemalten
hatten. Dergleichen find die Mitglieder der Räthe, die Yand-Vögte ꝛc. ꝛc.
Art. 6. Man verjteht unter Familien der Regenten:
1. die Familien, die man Patrizier nannte, und die ein ausjchliesliches
Recht zu den Negierungs-Stellen hatten ;
2, die eriftirenden Individuen, welche Mitglieder der Negierung waren,
fi) aber vor dem Anfange des Krieges davon entfernt haben. — — —
Art. 10. Die Verwaltungs: Kammern werden, bei der Vertheilung, auf das
gröfere und geringere Vermögen jehen, jo daß das Überflüffige immer ver-
hältnißmäſig ftärfer angelegt werde, als das Mittelmäfige. Sie können auch,
bis zum Belange des ganzen Vermögens, diejenigen Individuen anlegen, von
welchen man weiß, daß fie einen thätigern Antheil an der Veranlaffung des
Krieges genommen haben ; aber mit Vorbehalt der gemeinjchaftlihen Bürgichaft
aller Steuermäfigen, im alle der zu den beftimmten Zeitpunkten nicht er-
folgten Bezahlung. — — —
Art. 15. Die Yieferungen jeder Art, welche der fränkiſchen Armee, zufolge
gejezmäßiger und gehörig erwiejener Requifitionen, gemacht wurden, jollen im
jedem Kanton auf die ganze Maſſe der ihm angejezten Kriegs-Steuer gut-
geichrieben, und nach dem Inhalt ihres Betrags von den drei legten Fünfteln
abgezogen werden.
Art. 16. Es wird fein Abzug für die Summen gemadt, die
in den Kajjen der alten Regierungen gefunden, nod für irgend
eine Art Yieferung, weldhe aus den Magazinen gemacht wurde, nod)
für die VBorfchüffe, die unter dem Namen öffentliher Fonds befannt find.
Art. 17. Alle Güter der Steuermäfigen find von mun am bis zur gänz-
lichen Erlegung der gefoderten Steuer für unveräußerlich erflärt. Sie können
nur in Verſaz gegeben werden.
Art. 18. In Ermanglung der Bezahlung auf die beftimmte Zeit, werden
jchleunige und ftrenge Masregeln gegen jeden Steuermäfigen ergriffen werden ;
von izt an werden 12 Geijjeln aus dem Kanton Bern, und 8 aus dem
Kanton Solothurn genommen werden.
Art. 19. Die Geifjeln aus dem Kanton Bern find [folgen 12 Namen];
die aus dem Kanton Solothurn find [folgen 8 Namen]. Die bejagten Geiffeln
werden nah Strasburg oder Hüningen geführt werden.
Art. 20. Nebit obigen Verfügungen wird auch zur Bewährung der
öffentlihen Kafjen und der Borjchüjje, die unter dem Namen
si a >
415
öffentliher Fonds befannt find, in den Kantonen Solothurn, Frei—
burg, Lucern und Zürich geichritten, umd * der Bewähruug
das Weitere beſchloſſen werden.
Art. 21. Es wird in jedem Kantons-Haupt-Ort eine beſondre Kaffe er-
richtet werden, um die Kriegd-Steuer zu erheben, und der Betrag davon wird
nad und nach in die Kaſſe des Haupt-Zahlmeifters auf die Befehle des Haupt:
Commifjair-Ordonnateurs gebracht werden.
Gejchehen zu Bern, den 19. Germinal, Jahr 6 der fränfischen Republik.
Unterzeichnet: Lecarlier.
Der Ober-General der fränkischen Armee in Helvetien befiehlt, daR die
Verfügungen des obigen Bejchluffes nach ihrer Form und ihrem Inhalt voll-
zogen, in beiden Sprachen gedruft, und, wo es erfoberlich ift, fund gemacht
und angejchlagen werden.
Im Haupt-Quartier Bern, den 19, Germinal, Jahr 6 der fränfijchen
Nepubtif.
Unterzeihnet: Shauenburg.
Aus der diejen Erlaß begleitenden Proflamation Yecarliers an das
Scweizervolf.
Flugblatt. Stadtbibl. Wintertur.
„An die Bürger Helvetiens.
Bürger! Erjchrefet nicht über die Kriegs-Steuer, welche in enerm Yand
erhoben werben ſoll. . . . Keiner von euch wird die Gefinmungen der Freund—
Ihaft und der guten Nachbarfchaft, welche die franzöfische Regierung gegen die
ichweizerifche Nation beleben, in Zweifel ziehen, jowie auch feiner bezweifeln
wird, daß die ehemalige Oligarchie alle Kräfte angewandt habe, um die
Schweiz zu Feinden der großen Nation zu machen. Es ift wahr, daß
ihre Anftrengungen vergeblich gemwejen. Aber nichts defto weniger mußte man
diejelben hindern, und die kräftigften Zurüftungen gegen eine undantbare und
treuloje Regierung veranftalten. Und gewiß wird man nicht finden, daß man
die Folgen des Sieges zu weit ausdehne, wenn die Befiegten
die Kriegs-Koften bezahlen müjjen. — —
Die beftimmte Kriegs-Steuer, welche man Frankreich als Schadloshaltung
ihufdig ift, muß entweder von der ganzen Schweiz bezahlt, oder nur von
denen getragen werden, welche die Regierungs-Stellen befleideten, und theils
jelbjt, theils mittelft des Einflufjes derjenigen, jo mit ihnen gleiche Meynungen
und gleiche Vortheile hatten, die Urjache des Krieges gewejen find.
416
Der erjtere Weg wäre an ſich jelbft ungerecht und den Grunbfägen der
franzöfischen Negierung zuwider, welche die Verirrung der Wölfer niemals mit
den Ungerechtigfeiten und den Verbrechen der Regierung verwechielt.
Man muß fi alfo an das andere Mittel halten, wodurd die erforder-
liche Schadloshaltung einzig auf diejenigen fällt, welche zur ſchweizeriſchen
Oligarchie gehörten. — —
178. Der franzöfifche Regierungskommiffär befiehlt die unver-
änderte Annahme der heivetifchen Konfitution.
28. Mäu 1798.
Flugblatt Stadtbibl. Wintertur.
Freiheit, Gleichheit.
Franzölifhe Republik.
Der Eommiffair der Regierung bey der Armee der Franzöfiihen Republif in
Helvetien:
TEN la dem Vernehmen nach der Eifer, mit welchen in mehrern Cantonen
| A die Annahme des Schweiteriichen Eonftitutions-Plans erfolgt ift,
a hin und wieder Zweifel über den eigentlichen Snnbhalt der ange-
nommenen VBerfaffungs-Afte erweden fünnte, — zumahl in einigen Cantonen
lediglich und allein der erfte in der ganzen Schweiz ausgeftreute und in beyder
Sprachen gedrufte Projekt angenommen, in andern aber eint und andere Be-
ftimmungen defjelben abgeändert worden find, —
Da jede Art von Ungewißheit über einen jo wmejentlichen Punft die
aller bedenklichften Folgen nach fich ziehen Fünnte, —
Da endlid) die Umftände fich jo verhalten, daß jeder Verzug von dem
gefährlichiten Einfluß auf den Erfolg der Helvetiichen repräfentativen Negierungs-
Berfaffung jeyn müßte, und man diejelbe wirklich kaum gejchwind genug ins
Werf jeßen kann, —
So ergeht von Seite des Eingangs erwähnten Commiſſairs das Anſuchen
an den fommandierenden Generalen, nachitehende Befehle zu ertheilen:
1) Die Annahme der Schweizerischen Conftitution fann fi) einzig auf
das dierfällige erſte im deutjcher und franzöfischer Sprache gedrufte, und in
der ganzen Schweiz befannt gemachte Projekt beziehen.
2) Alle in gedachtem Projekt angebrachten Abänderungen müßen als
völlig ungejchehen betrachtet werden.
417
3) Einzig joll dem von der Yandes-Eintheilung handelnden Artifel bey-
gefügt werden, daß das Oberland einen Canton, und die Stadt Thun
dejfen Hauptort ausmachen wird.
4) Den früheren Beitimmungen gemäß werden fich die Deputierten zum
gejezgebenden Corps am 10ten diefes Monats in der Stadt Arau einfinden.
5) Das gejetgebende Corps kann mit jeinen Berathungen den Anfang
maden, jobald nur ein einziges über die Hälfte jeiner bereits erwählten
Glieder vorhanden it. Es wird allervorderft die Umabhängigfeit der Schwei-
zerifchen Nation, und ihre Verfaſſung in eine einzige, unzertheilbare, demo-
fratiihe und repräjentative Nepublit proflamiren, und fodann den Con—
jtitutiongaft feyerlich verlejen laſſen.
6) Sobald das gejetgebende Corps in Beitand fommt, wird es den
fommanbdirenden General von jeiner Errichtung benachrichtigen. — —
8) Der Siz des gefezgebenden Corps ift nur provijoriic nach Arau
beftimmt worden, und kann von demfelben nach Lu zern verlegt werden, jobald
jich diefer Kanton für die Annahme der Conftitution erflärt haben wird.
Alle gegenwärtiger Schrift zumiderlaufende Maaßnahmen jollen ohne
alle Wirffamfeit feyn. .
Bern am 8. Germinal im 6ten Jahre der Franzöſ. einen umd unzer—
theilbaren Republif.
Le Carlier.
Der fommandierende General ertheilt den Befehl, daß alle in obftehendent
geforderten Verfügungen ihrem ganzen Innhalt und Umfang nad) in Ausübung
gejezt, in beyden Sprachen gedruft, und an allen Orten befannt gemacht und
angejchlagen werden jollen.
Hauptquartier Bern am Pten Germinal im VI. Jahr der Fr. Rep.
Schauenburg.
179, Die helvetifche Staatsverfaſſung.
Nah dem „Entwurf der neuen belvetifhen Staatsverfaffung, ans Auftrag der Zürcheriſchen
Eantons-Berfammlung gedrudt“, 6, April 1798, Vollftändige Abdrücde der
helv. Verfaffung bei Hilty, VBorlefungen Über die Helvetif, Bluntichli,
Geſch. des Schweiz. Bundesrechts, u. |. w.
Erſter Titel.
Hauptgrundſätze.
1. Die helvetiſche Republik macht Einen unzertheilbaren
Staat aus. Es giebt keine Grenzen mehr zwiſchen den Cantonen und den
Oechsli. Quellenbuch. 27
umierweorfenen Yanden, noch zwiichen einem Canton und dem andern. Die
Einbeit des Baterlands und das allgemeine Intereſſe vertritt Fünftig das
cwache Band, welches fremdartige, ungleiche, in feinem Berhältnifje jtehende,
fleinlichen Yofalitäten umd einbeimiichen Vorurtheilen unterworfene Theile zu-
jammenbielt, und aufs Geratbewobl leitete. Ze lange alle einzelne Theile
ſchwach waren, mußte auch das Ganze ſchwach ſeyn. Die vereinigte Stärte
Aller wird künftig eine allgemeine Ztärfe bewirfen.
2. Die Gejammtbeit der Bürger ift der Souverain oder
Oberherrſcher. Kein Theil und fein einzelnes Recht der Oberberrichaft farm
vom Ganzen abgerifien werden, um das Eigenthum eines Einzelnen zu werden.
Die Regierungsform, wenn ſie auch jollte verändert werden, joll allezeit eine
reprejentative Demofratie ſeyn. — —
4. Die zwey Grundlagen des öffentlichen Wobls find die Sicherheit und
die Aufklärung. Die Aufklärung ift dem Woblitand vorzuziehen.
9. Die natürliche Freybeit des Menſchen iſt ımmeräujjerlid. Sie hat
feine andern Grenzen als die Freyheit jedes andern, und die Verfügungen,
welche das allgemeine Wohl unnmgänglich erbeiicht; jedoch) unter der Be—
dingung, daß dieſe umumgängliche Nothwendigteit rechtskräftig erwiejen jei. Das
Geſetz verbietet alle Art von Ausgelaffenbeit; es muntert auf, Gutes zu thun,
6. Die Gewiſſensfreyheit it meingeſchränkt, jedoch muß die öffent:
liche Aeufjerung von Religions: Meynungen die Eintracht und Ruhe nicht ftören-
‚jede Art von Gottesdient ift erlaubt, wenn er die öffentliche Ordmung nicht
jtört, und nicht Herrichaft oder Borzug verlangt. Jeder Gottesdienft jteht
unter der Aufjicht der Polizey, welche das Recht bat, ſich die Yehren und
Prlichten, die gepredigt werden, vorlegen zu laſſen. Das Verhältniß, in welchem
irgend eine Zelte gegen eine fremde Gewalt ftehen mag, darf weder auf
Staatsjachen, noch auf den Wobljtand und die Aufklärung des Volls Einfluß
baben.
7. Die Preffreybeit it eine natürliche Folge des Nechtes, das jeder
ſich unterrichten zu laffen.
S, Es giebt feine erblibe Gewalt, Rang noch Ehrentitel.
Die Strafgeiege jollen jeden Titel und jedes Inſtitut unterjagen, welches an
Erblichfeit erinnert.
Die erblichen Ebrentitel erzeugen Hochmuth und Unterdrüdung, führen
zur Umwiſſenheit und Trägbeit, und leiten die Meynung über die Dinge, die
Begebenheiten und die Menſchen irrig.
9. Der Staat bat fein Recht auf das Privat Eigentbum, ausgenemmen
in dringenden Füllen, wenn daſſelbe zum allgemeinen Gebrauch unentbehrlich
iſt, ımd gegen eine gerechte Entichädigung.
10. Ein jeder, der durch gegenwärtige Ztaatsverfaffung das Einkommen
einer Stelle oder Pfründe verliert, ſoll als Entichädigung eine lebenslängliche
bat
*
419
Rente erhalten, ausgenommen in den Jahren, in welchen ihn eine ergiebige
Stelle oder eine Penjion auf eine billige Art entichädigt. Es jind jedoch von
aller Entjchädigung oder Vergütung ausgefchloffen, diejenigen, welche von dem
Augenblit an, da gegenwärtiger Entwurf einer Verfaffung befannt gemacht
wird, ſich der Einführung einer weiſen politiſchen Gleichheit zwiichen den
Bürgern und Unterthanen, und des Syitems der Einheit und der Gleichheit
zwijchen den Mitgliedern des allgemeinen Vaterlands widerjegen; aufjerdem
jolfen feiner Zeit ftrenge Maasregeln gegen diejenigen ergriffen werden, deren
Widerftand ſich durch Arglift, Treulofigfeit oder Bosheit ausgezeichnet hätte.
11. Die Steuern müffen zum allgemeinen Nuten angewandt werben.
Die Auflagen müjjen mit dem Bermögen, den Einkünften und
der Einnahme der Steuerbaren im Verhältniß ftehen; jedoch
kann dieſes Verhältniß nicht ganz genau jeyn; eine allzu groffe Genauigfeit
würde Urſache fein, daß die Auflagen drüdend, das Einfammeln derjelben
foftipielig, und das Ganze dem Glück der Nation nachtheilig würde.
12. Die Bejoldungen der öffentlichen Beamten jollen mit der Arbeit umd
den Talenten im Verhältniß ftehen, welche ihre Stelle erfordert; es muß
darauf Rücjicht genommen werden, in wie weit es gefährlich ift, jolche Stellen
Leuten anzuvertrauen, die ſich leicht beftechen laſſen könnten; auch muß man
hindern, daß fie nicht das ausfchliegliche Eigenthum der Reichen werden.
Dieje Bejoldungen jollen in Früchten beftimmt, und jo lang als ein Beamter
an jeiner Stelle jeyn wird, nicht vermindert werden fünnen.
13. Kein liegendes Gut kann unveräuſſerlich erflärt werden, weder für
eine Corporation, oder für eine Geſellſchaft, noch für eine Familie; das aus:
ſchließliche Recht, liegende Güter zu bejigen, führt zur Sflaverey. Der Grund
und Boden fann mit feiner Yajt, Zins oder Dienjtbarfeit be-
Ihwert werden, wovon man ji nicht losfaufen könnte.
14. Der Bürger ift fi) dem Vaterlande, feiner Familie und den Be—
drängten jhuldig. Die Freundſchaft ift ihm heilig; er opfert ihr aber Feine
jeiner Pflichten auf. Er jchwört allen perjönlihen Haß und alle Eitelfeit ab.
Er will nur die moralische Veredlung des menjchlichen Geichlechts; er ladet,
ohne Unterlaß, zur führen Bruderliebe ein; jein Ruhm ift die Achtung guter
Menſchen, und jein Gewiſſen entichädigt ihn, wenn man ihm ungerechter
Weiſe diefe Achtung verjagt.
Zweyter Titel.
Eintheilung des helvetiſchen Gebiets.
* 15. Helvetien iſt in Cantone, in Diftrifte, in Gemeinden und in Sek—
tionen oder Quartiere der grofjen Gemeinden eingetheilt. Dieje Eintheilungen
420
bezieben ji auf die Wahlen, die Gerichtsbarkeit und Verwaltung ; fie machen
aber Feine Grenzen aus.
16. Der Umfang der Cantone, Diftrifte, Gemeinden und Seftionen von
Gemeinden kann durch das Geſetz verändert, oder berichtiget werden.
Die Cantone find gleich, und das Yoos bejtimmt alle Jahre ihren Rang.
17. Die Hauptjtadt der helvetiichen Republik joll durch die gejetsgebenden
Rätbe beſtimmt werden. Einjtweilen ift die Gemeine Yucern der Hauptort.
18. Die Graubündmer jind eingeladen, ein Theil der Schweiz zu
_ werden, und wenn jie diefer Einladung entiprechen, jo jollen der Cantone
einſtweilen zwei und zwanzig an der Zahl jeyn, nämlich [folgt die Aufzählung
der Kantone mit ibren Hauptorten, die bier weggelaffen wird, weil die Kantenseintheilung
sdeld durchgreifende Anderungen erfuhr.)
Dritter Titel.
Politiſcher Stand der Bürger.
19. Alle diejenigen, welche jett würfliche Birger einer regierenden oder
Municipalitadt, eines umterworfenen oder freyen Dorfes find, werden durch
gegentwärtige Conjtitution Shweizer-Bürger. Ebenſo diejenigen, welche
das ewige Dinterfährecht batten, umd alle in der Schweiz geborne Hinderfüßen.
20. Der Fremde wird Bürger werden, wenn er zwanzig Jahre lang nad)
einander in der Schweiz gewohnt, wenn er fich nüglich gemacht hat, und wegen
jeiner Aufführung und Sitten günftige Zeugniffe aufweiſen kann; er muß
aber für ſich und feine Nachkommen auf jedes andere Bürgerrecht Verzicht
leijten. .—
24. Ein jeder Bürger, wenn er zwanzig ‚jahre alt ift, muß ſich in das
Bürger-Regiſter jeines Cantons einjchreiben laſſen und den Eid ablegen:
jeinem Baterlande zu dienen, und der Zade der Freybeit
und Gleichbeit, als ein guterumd getreuer Bürger, mit aller
Pünktlichkeit und allem Eifer, jo er vermag, und mit einem
gerechten Haß gegen die Anarchie oder Ausgelajjenheit, an-
zubangen.
Diefer Eid wird von allen jungen Bürgern, die das genannte Alter er-
reicht haben, in der jchönen Jahreszeit, an demjelbigen Tage, in Gegenwart der
Eltern und Übrigkeiten abgelegt, und endiget ſich mit einem bürgerlichen Feſt.
Der Negierungs Statthalter nimmt den Eid ab, und hält eine dem Gegenitand
des Feſtes angemeſſene Rede, .
25. Jeder Bürgerifteingebobrner Soldat des Vaterlands;
er kann ſich durch einen andern erjegen laſſen, went es das Gejeg erlaubt ;
er iſt aber jchuldig, wenigitens zweyp Jahre lang unter dem auserwäblten
Corps, jo ein jeder Canton unterbalten wird, zu dienen. Der Tag, an
welchem die jungen Bürger die erſten Waffen erbalten, ſoll ein bürgerliches
421
Feſt ſeyn; der Negierungs-Statthalter bewaffnet die Augend im Namen des
Vaterlandes.
26. Die Diener irgend einer Religion können keine Staats-Aemter bekleiden,
noch den Primär-Verſammlungen beywohnen. — —
Vierter Titel.
Von den Primär- und Wahlverſammlungen.
28. Die Primär-Verſammlungen beſtehen aus den Bürgern und
Bürgersſöhnen, welche ſeit fünf Jahren in derſelben Gemeinde wohnen, vom
Tage an zu rechnen, allwo ſie erklärt haben, daß ihr Wille ſeye, ſich allda
häuslich niederzulaſſen. — —
Um in einer Primär- oder Wahlverſammlung zu ſtimmen, muß man
das zwanzigfte Jahr zurücgelegt haben,
29. Jedes Dorf oder Flecken, wo ſich hundert Bürger befinden, die das
Stimmrecht haben, macht eine Primär-Verfammlung aus.
30. Die Bürger eines jeden Dorfs oder Fleckens, jo nicht hundert
jtimmfähige Bürger enthält, vereinigen fich mit denen von dem nächftgelegenen
Flecken oder Dorf.
31. Die Städte haben eine Primär-Verſammlung in jeder Sektion oder
Tuartier. Die gefetgebenden Räthe beftimmen die Anzahl der Bürger.
32. Die Primär-Berfammlungen haben Statt:
1°. Um die Staatsverfaflung anzunehmen oder zu verwerfen.
2°, Um alle Jahre die Glieder der Wahlverfammlung des Cantons zu
ernennen.
\ 33. Je auf hundert Perjonen, welche die erforderlichen Eigenschaften
haben, um Bürgep zu jeyn, wird ein Wahlmanın ernannt.
34. Die Namen der Erwäblten werden dem Negierungs- Statthalter zu-
geichieft, welcher, mit Beyjtand des Präfidenten von jeder conftituirten Gewalt
des Orts jeines Wohnjites, öffentlich Durch) das Loos die Hälfte der Ermählten
ausſchließen läßt.
Die übriggebliebene Hälfte macht für das Jahr das Wahlcorps aus,
Am Tage diejer Ziehung wird ein drittes biürgerliches Feſt gefeyert und
eine Rede gehalten, worin der Negierumngs-Statthalter die Grundfäge ausein-
ander jegt, die da8 Wahlcorps leiten jollen, wenn es zuſammen berufen wird,
um die ihm obliegenden Ernennungen zu machen.
Das erjtemal hat obige Ausichliefung der Hälfte Wahlmänner durd)
das Yoos, nicht Statt.
39. Die Wahlforps erwählen:
1". die Deputirten für das gejetgebende Corps,
422
2°, die Richter des Cantons-Gerichts.
3". die Richter des obern Gerichtshofs.
4°, die Mitglieder der Verwaltungsfammer; endlich die Suppleanten ge-
dachter Richter und Verwalter.
Fünfter Titel.
Bon der gejeggebenden Gemalt.
36. Die gejetgebende Gewalt wird durch zwey umnterjchiedene, abgejon-
derte, eines von dem andern unabhängige, und jedes ein verfchiedenes Coſtume
tragende Räthe ausgeübt.
Dieje beyden Näthe find:
| Der Senat, welder aus den gewejenen Direktoren und vier Deputirten
jedes Cantons beſteht.
Der große Rath, welcher das erſtemal aus acht Abgeordneten jedes
Cantons beſteht; für die Folge ſoll das Geſetz die Anzahl beſtimmen, welche
jeder Canton nach dem Verhältniß ſeiner Bevölkerung zu ernennen hat.
37. Im dritten Jahre gegenwärtiger Staatsverfaſſung, und in der
Folge, muß man, um in den Senat erwählt zu werden, entweder Miniſter,
oder auswärtiger Agent, oder Mitglied des großen Rathes, oder des obern
Gerichts, oder Regierungs-Statthalter, oder Präſident einer Verwaltungs—
kammer, oder eines Cantonsgerichts, geweſen ſein, oder noch ſeyn.
38. Ferner muß man verheirathet oder Wittwer ſeyn, und das Alter
von dreißig Jahren erreicht haben; dieſe zwey letztern Bedingungen ſollen ſo—
gleich Statt haben. — — —
42. Um als Mitglied vom großen Rathe erwählt zu werden, muß man
das fünf und zwanzigſte Jahr zurückgelegt haben, und im Genuß des Bürger:
rechts ſeyn. — —
47. Der Senat genehmigt oder verwirft die Schlüſſe des großen
Raths. — —
49. Die Sitzungen der beyden Räthe werden öffentlich gehalten; jedoch
kann die Anzahl der Zuhörer in jedem Rath, die Anzahl feiner Mitglieder
nicht überſteigen. Jeder Rath kann fich in ein geheimes Gomite verwandeln.
50. Die geſetzgebenden Käthe genehmigen oder verwerfen, auf den Vor—
ſchlag des Vollziehungs- Directoriums, alles, was die Finanzen, den Frieden
und den Krieg betrifft. Sie können aber dieſe Gegenftände nicht ohne einen
jolhen Vorſchlag des Directoriums beratbichlagen. — —
69. In keinem Falle fünnen ſich die beyden Näthe in einen Saale
vereinigen.
70. Weder der eine noch der andere Rath fann aus jich ſelbſt einen
bleibenden Ausihug ernennen, — —
‘ #
v
423
Schöter Titel.
Bollziehungs-Direftorium.
N 71. Die vollziehende Gewalt ift einem aus fünf Mitgliedern beftehenden
Bollziehungs- Direktorium übertragen.
Das Vollziehungs-Direktorium wird alle Fahre, drey Monate vor der Er:
neuerung des geſetzgebenden Raths, folglich im Anfang des Sommers, theil-
weile erneuert.
72. Um als Direftor erwählt zu werden, muß man das Alter von
40) Fahren erreicht haben, und verheirathet oder im Wittwenftand [sie!) ſeyn.
Diefe Verfügung gilt auch chen für die nächften Wahlen.
Bom dritten Jahr an, nachdem gegenwärtige Eonftitution eingeführt jeyn
wird, muß man aufferdem entweder Mitglied eines der gejetsgebenden Käthe,
oder Miniſter, oder Mitglied des obern Gerichtshofs, oder endlid) Negierungs-
Statthalter geweſen ſeyn.
73. Die Erwählungsart iſt für das erſte Jahr folgende:
Einer der Räthe verfertigt durch geheimes Stimmgeben, und nach der
abſoluten Mehrheit der Stimmen, eine Liſte von fünf Candidaten, und der
andere Rath wählt, durch geheimes Stimmgeben und nach der abſoluten
Mehrheit der Stimmen, in dieſer vorgelegten Liſte, den neuen Direktor.
Das Loos entſcheidet aber, unmittelbar vor der Wahl, welcher von den
beyden Räthen die Liſte der Candidaten verfertigt: dieſe Operation wird das
erſte Jahr fünfmal wiederholt, und das Loos entſcheidet, wie die erſt er—
nannten nach und nach austreten. — —
76. Das Vollziehungs-Direktorium ſorgt, den Geſetzen gemäß, für die
äuſſere und innere Sicherheit des Staats. Es ſchaltet über die Kriegsmacht;
doch kann in keinem Fall das Direktorium insgeſammt, noch eines feiner Mit—
glieder, weder während der Zeit feiner Amtsverrichtung, noch zwey Jahre lang
nad; Endigung derjelben, die Truppen commandiren.
77. Das Vollziehungs- Direktorium fanı jeden der beyden Räthe einladen,
einen Gegenjtand in Betracht zu ziehen. — —
79. Es verfiegelt die Gefete, umd läßt fie befammt machen; es bejorgt
die Vollziehung derjelben.
80. Es unternimmt und führt die Unterhandlungen mit dem fremden
Mächten; aber die Verträge, welche es unterjchreibt oder unterjchreiben Läft,
jind nicht gültig, bevor jie von den geſetzgebenden Näthen in einem geheimen
Comité unterfucht und genehmiget worden.
Die Verfügungen der geheimen Artifel werden ohne die Genehmigung
der gejetsgebenden Räthe vollzogen; jie dürfen aber den öffentlichen Artikeln
und der Verfaſſung micht entgegen jeyn.
424
81. Das Direktorium legt alle Jahre den gejetgebenden Räthen Rechnung
ab, iiber die Verwendung der einem jeden Departement angewiejfenen Gelder,
auffer denen, jo ihm für perjönliche oder geheime Ausgaben bejonders an—
vertraut worden find.
82. Die Ernennung, Zurücdberufung und Abjegung aller Anführer und
Offiziere der Armee in jedem Grade, der Minifter und diplomatischen Agenten,
der Kommiffarien der National-Schagfanımer, der Regierungs-Statthalter, des
Präfidenten, der öffentlichen Ankläger und Schreiber des obern Gerichtshofs,
und Ober-Einnehmer der Einkünfte der Republik, fteht ihm zu. Die Unter-
bedienten und Unteragenten werden von denjenigen ernannt, von denen fie
unmittelbar abhangen. — —
84. Es find vier Minifter im Staate; der Minifter der auswärtigen
Geſchäfte umd des Kriegsweſens; der Minifter der Gerechtigfeits-Pflege und
der Polizey; der Minifter der Finanzen, des Handels, des Aderbaus und
der Handwerke; der Minifter der Wiffenichaften, jchönen Künfte, der öffent:
lichen Gebäude, Brüden und Strafjen. — —
Das Geje kann obige Anstheilung der den Miniftern zugetheilten Ge-
ichäfte verändern.
Es kann die Zahl der Minifter auf ſechs, aber nicht auf fünf feftjegen,
noch ihrer weniger als vier bejtimmen. — —
Siebenter Titel.
Oberfter Gerichtshof.
N 86. Der ober ſte Gerichtshof befteht aus einem von jedem Canton
ernannten Nichter. Alte Jahre wird der vierte Theil feiner Mitglieder ernannt,
und zwar drey Sabre lang fünfe, das vierte Jahr aber fieben Mitglieder.
Bier Diefer Gerichtshof richtet die Mitglieder der gejetsgebenden
Näthe, und das Vollziehungs Direktorium.
SS, Diejer Gerichtshof richtet ferner ohne Appellation, entweder allein,
oder mit Zuziehung jeiner Zuppleanten, in Criminalfachen, weldye die Todes:
jtrafe, oder die Einjperrung, oder die Deportation auf zehen Jahre oder mehr
nach ſich ziehen.
sy Er cafjirt auch in Civilfachen die Sprücde der untern Gerichte,
welche aus Mangel der Competenz, wegen Berletung der Form oder der
Staats. Berfaffung nichtig find. — —
a Te DR.
Na
„.
’
ı
Achter Titel.
Bon der bewaffneten Mat.
425
! 91. Es ſoll in Friedenszeiten ein bejoldetes Truppen-Corps gehalten
werden, welches durch freywillige Anwerbung, und im Fall der Noth, auf die
durch das Geſetz bejtimmte Art formirt werden jolf.
22. Es foll in jedem Canton ein Corps von auserlejenen Miligen oder
Nationalgarden jeyn, welche alfezeit bereit find, im Nothfall zu marſchiren,
entweder um der gejeglichen Obrigkeit Hülfe zu leiften, oder einen erften
fremden Angriff zurüd zu treiben. — —
Zehnter Titel.
Cantons-Obrigfeiten.
95. Die drey erften Obrigfeiten von jedem Canton find der Regierungs—
Statthalter, die Verwaltungs-Kammer und das Gantons-
Geridt.
9%. Der Regierungs-Statthalter ftellt die vollziehende Gewalt
| vor. — —
| Er hat die Aufficht über alle Gewalten und Bedienten, in der Ausübung
ihrer Aemter, und ermahnt fie an ihre Pflicht.
Er übermadht ihnen / die Geſetze, wie auch die Befehle des Divectoriums.
Er nimmt ihre Anmerkungen, Vorfchläge und lagen an; er ift ver:
bunden, jich von Zeit zu Zeit in die verfchiedenen Diftrifte des Cantons zu
begeben, um feine Aufficht auszuüben.
Er ſelbſt kann nichts verwilligen, jondern nimmt bloß die Bittjchriften
der Bürger an, und läft fie den gehörigen Obrigfeiten zufommen.
Er beruft die Primär-Verſammlungen und die Wahl-Eorps zuſammen.
Er hat den Vorſitz bey den bürgerlichen Feſten.
Er hat das Recht, den Berathichlagungen der Gerichtshöfe, und der Ver:
mwaltungs-Kammmer beyzuwohnen; er requirirt allda die Vollziehung der Gejeke,
ohne aber dabey jeine Stimme zu geben.
Er wacht für die innere Sicherheit, übt das Necht der Gefangermehmung
aus, und jchaltet über die bewaffnete Gewalt, ohne daß er fie jelbjt comman-
diren fann.
Er ernennt die Präfidenten des Tribunals, der Verwaltungs-Kammer und
der niedern Gerichte, unter den Nichtern und Verwaltern, welche das Wahl:
Gorps gewählt hat.
Er ernennt auch die Gerichtfchreiber, den öffentlichen Ankläger uud die
Unter-Statthalter des Hauptorts und der Diftrifte, Er jelbft wird vom Diref:
torium erwählt, abgefegt, oder zu einer andern Stelle berufen,
426
97. Das Kantons: Tribunal fpricht im erfter Inſtanz in Haupt:
Criminalſachen, und in legter Inſtauz in allen andern Eriminal-PBrozeffen, und
in Civil- und Bolizey-Sadhen. — —
101. Die Verwaltungs-Rammer beforgt die unmittelbare Vollziehung
der Gejege über die Finanzen und den Handel, die Künfte, die Handwerke,
den Aderbau, die Yebensmittel, die Unterhaltung der Städte und der Yand-
jtraffen. Sie befteht aus einem Präfidenten, und vier Beyſitzern, jo das
Wahl⸗Corps erwählt, und wovon alle Jahre einer erneuert wird, — — —
Eilfter Titel.
Abänderung der Conftitution.
106. Der Senat ſchlägt diefe Abänderungen vor; die hierüber gemachten
Vorſchläge aber erhalten nicht eher die Kraft eines Schluffes, bis ſie zweymal
defretirt worden, und zwar muß zwiichen dein erjten Dekret und dem zweyten,
ein Zeitraum von 5 fahren verjtreichen. Dieje Schlüſſe des Senats müſſen
hierauf von dem groſſen Rathe verworfen oder genehmiget, und im legtern
Fall den Primär-Verfammlungen zugeſchickt werden, um fie anzunehmen oder
zu verwerfen.
107. Wenn die Primär-Berfammlungen diejelben annehmen, jo jind jie
neue Grundgeſetze der Staats-Verfaſſung. — —
180. Berkündigung der helvetifchen Republik. 12, April 1798.
Tageblatt der Geſetze und Defrete der geießgebenden Räte der beivetiichen Republik 1798.
I. S. 3.
Die geſetzgebenden Räthe, auf den Antrag des Bürgers Hemmeler
verordnen einſtimmig:
Daß die Unabhängigkeit der ſchweizeriſchen Nation, und ihre Bildung
in eine einzige, untheilbare, demokratiſche und repräſentative
Kepublif verkündet, und die Verfaſſungsakte feyerlich verlefen werde.
Beichloffen von großen Nathe den 12, April 1798.
Angenommen vom Senat den gleichen Tag.
Arau, den 12. April 1798.
Dem Original gleichlautend:
Der Zefretair des Direltoriums, Sted.
—
— ————— Per: S
427
181. Belimmung der Farben der helvctifchen Kokarde.
14. April 1798.
Tageblatt der Geſetze und Defrete L S. 4.
Die gefetgebenden Räthe haben
beichlojjen:
Daß die Kofarde dreifarbig jeye; und zwar follen diefe Farben grün,
roth und gelb jeyn; grün oben, roth in der Mitte, und gelb unten.
Beichloffen vom großen Rath den 14. April 1798,
Angenommen vom Senat den gleihen Tag.
182. Beſchluß der Glarner Landsgeminde, die helvetifche
Derfalung nicht anzunehmen. 15. April 1798.
Schweiz. Republitaner 1798. ©. 13.
In Betreff der jogenannten neuen helvetiichen Staatsverfaffung, die be:
reits von einigen andern Cantonen angenommen, und auc uns von denſelben
in jehr jchmeichelhaften Worten empfohlen worden, ziehen wir den großen
Unterjchied in Betrachtung, der jowohl in Abficht des Reichthums, als in
Abficht der Yage, zwiſchen diefen Cantonen und den unfrigen jtatt hat. Gänzlich
mangelt e8 ung an Staatsfonds und an jährlichen Einkünften zur Bejoldung
der neuen Negierung. Aus diefen und andern Gründen faſſen wir einmüthig
den Entſchluß zur Beybehaltung unſrer alten Verfafjung, die ja weder ari-
ſtokratiſch noch oligarchiich, jondern ganz einfach, ländlich und democratijch
ijt; in der Hoffnung, daß uns deshalb Niemand eine andere Staatsverfaffung
aufbürden, noch in unjerem friedlichen Thale in der Ruhe ftören werde; im
Tall aber uns Jemand an unſrer jeit „Jahrhunderten ruhig geftandenen Re—
gierungsform beeinträchtigen, oder gar feindlich anfallen wollte, jo haben wir
ung in dem Bewußtſeyn unferer gerechten Sache, und dem Vertrauen auf
den Gott, der umjern Vätern vor mehr als vierhundert Jahren im einer eben
jo bedrängten Yage geholfen hat, fejt entſchloſſen, und uns alle unterm freyen
Himmel mit Abjchwörung eines feyerlichen Eides verbunden, die von unfern
jeligen Vätern uns mit ihrem treuen Blut erworbene Freyheit, al$ dem
größten Theil unjers Vermögens mit Yeib, Blut und Gut bis auf's Aeußerſte
zu verteidigen.
Ferner daß die Büchlein der neuen Helvetiihen Staatsverfaffung ; alle
auf die neue Megierungsform bezüglide Schriften, wie auch die Zeitungen
a ea
428
von Zürich, Schaffhaufen und Chur, und alfe andere Zeitungsblätter und
derley Schriften von nun an in Unſerm Land aberfannt, und wer entdekt
würde, daß einer derley Schriften in Händen, und jelbe nicht abgejchaft habe,
derjelbe alsdann der Hoheit angezeigt, und als ein meineidig treulojer Vater:
landsverräther von dem Mealifizgericht abgeftraft werden jolle.
Nicht minder jollen diejenigen, die dieſe neue helvetiiche Staatsverfaſſung
vorzunehmen, an einer Yandsgemeinde oder öffentlichen VBerjammlungen an—
rathet, oder auf öffentlichen Straßen oder Zujammenfünften, oder auf irgend
eine Art im Geheim jelbe Conſtitution oder derley Schriften mündlid) oder
ſchriftlich anlobte, annähme oder gut auslegte, joll auch malefiziich abgejtraft
werden, er jey geift- oder weltlichen Standes.
183. Die gefehgebenden Räthe der rinen und untheilbaren
helvetifchen Republik an die noch nicht mit ihnen
vereinten Kantone.
Tageblatt der Gefete und Dekrete S. 11.
Bürger und Freunde!
Mit wahrer Betrübnis und beflemten Herzen haben wir jhen mehrere
mahl in unfrer Verfammlung den traurigen Ton der Klage aus euern Alpen
vernommen, der Klage über den Verluſt eurer Freiheit, welchen die Annabıne
einer neuen Konftitution, die wir eben bejchworen, nad) jich ziehen würde.
Diefes bewegt uns bier in Aarau zum Glück Helvetiens verſammelte
Brüder, die wir euch mit ganzer Seele zugethan find, ein Wort der Yiebe —
der reinjten Bruderliebe, wie Schweizer nur empfinden fünnen, die jeit meb-
rern Jahrhunderten an ein einziges Vaterland gefnüpft jind, zu euch zu
jprechen. Hört, Brüder, auf die Stimme der Yiebe und Freundſchaft; ver-
ihmähet nicht die neuen Bande der Einigfeit, die wir euch freundichaftlic)
anbieten; die Natur und der Väter Treue bat uns zu einem Volk bejtimmt.
Brüder! Was mollt ihr euch trennen von alten Eidgenofjen, die jeit
vierhundert Jahren jich in jeder Gefahr beigeftanden; und wo war und ift
die Gefahr der Trennung gröffer als jezt?
Wollt ihr die Alpen, die Thäler, dieje ftillen Zeugen ımjrer Eintracht,
zu Zeugen des Zweifpalts, des Brudermordes umichaffen? Sollen Einigfeit
und Tugend mın fremd in Helvetien ſeyn?
D mie würde e8 bluten, das Herz unfrer drei Väter im Grütli, wenn
fie mit eignen Augen jezt fähen, mit eignen Obren jezt hören würden, wie
ihre Söhne jich entzweien, ſich jelbft entzweien, über Freiheit, iiber die heilige
‚Freiheit, für welche fie allein lebten ?
i
429
Wie wiirde es bluten, das Herz des frommen Klaus, wern er die Kinder
jener Väter, welche er einjt jo glücklich vereinigte, gegen einander im Streit
jehen würde — im Streit — umd für mas?
Meynt ihr, Brüder, wir jeyen etwa nicht mehr frei, durch die Annahme der
neuen Conftitution? Wer könnte euch, ums Himmels willen, jo irre führen!
Dieje Eonftitution macht uns ja alle gleich, fezt uns alle unter den
Shut eines Rechts, unter den Schug von Gejegen, die wir ums jelbit
geben; und darinn bejteht doch das Wejen jeder Freiheit.
Brüder! Bedentt doch recht, was ihr thut; frage doc) jeder fein eigen
Herz, ob wir je noch jo frei geweſen find, wie wir es durch dieje Eonftitution
nun werden ?
Wir wiffen alle, wie und worinn eure Freiheit beftanden; wie auch
jelbjt den Eifer, mit welchem ihr jie vertheidigen wollt, wenn man fie an-
tajten würde; allein wir wiſſen auch, daß wenn ihr eine andere vertheidigen
wolltet, als die ift, welche wir nun beſchworen, ihr nicht mir euch, eure
Weiber und Kinder, jondern ener ganzes Vaterland ins Unglück ftürzet.
Dingegen, welch jchöner herrlicher Gewinn wartet auf euch, auf uns
alle, wenn ihr gemeinjchaftlic mit uns den ſchönen Pfad der neuen Freiheit
betretet, welche der Himmel ung jezt jchenft! In einen einzigen Staat ver-
eint, hat unſer Vaterland mehr Kraft im Innern, und mehr Widerftand
gegen jeden Feind, der jeine Freiheit antaften ſollte.
Greifet der Hand des Schickſals nicht vor, die uns bis dahin jo väter:
lich geleitet, und glaubet mit uns daß eine einzige Nepublif unendlich mehr
innere Kraft, als jo viel zerftüdelte Kantonen habe.
Das alte Gebäude unfrer Verfaffung iſt ſchon lange baufällig gewejen ;
num iſt es geftürzt, geftürzt durch die Allmacht einer jchönern Freiheit, als
die war, welche es nur jo kümmerlich zujammenhielt.
Kommt Brüder! Kommt, helfet uns brüderlich den neuen Bau vollenden ;
ihlagt Hand in Hand mit uns zum Wohl des theuren VBaterlandes, und
jeyd verfichert, daß die Stifter unſrer erften Freiheit im Grütli, hätten fie
damahls jchon den reifen Verftand unjers Jahrhunderts gehabt, gewiß dieſe
neue Gonjtitution, ımd feine andere bejchworen hätten, bejonders, wenn, wie
jett, von diefem Schwur dag Heil des Vaterlandes abhieng.
Laßt euch, Brüder, nicht bethören, nicht verführen von faljchen Gerichten
und Vorjpiegelungen, als wenn ihr die Koften der neuen Conftitution nicht
ertragen könntet. Ganz Helvetien fteht zujammen; alle ftehen für einen, und
einer für alle; wir haben alle nur eine Staatsfaffe; und wie fünnte es alſo
uns noch fehlen ?
Laßt euch noch weniger verführen, zu glauben, als wenn dieje Conſti—
tution der Neligion, dem Glauben unferer Väter nachtheilig jey. Die Neligion
bleibt unangetaftet, und Gott iſt überal Gott,
430
Bei diefem unjerm Gott, der unſre Väter jo oft in Gefahren beichüzte,
der unjer Vaterland jo lange vor Unglüd bewahret hat, beſchwören wir euch
theuer und heilig: kommt in unſern Schooß, Brüder! Eilt in unſere Arme!
Herz an Herz, Mund an Mund ſchwören wir dann den jchönen, feterlichen
Schwur aufs neue, den Schwur eines einzigen, ungetheilten, freien Volkes:
„Keinen Herrn als fich ſelbſt, feine andere Macht anzuerkennen, als die Ge—
jee, welche wir zu unſerm Glücke uns ſelbſt geben!"
Aarau, den 19ten April 1798.
Der Präjident des groſſen Raths,
Kuhn.
Zimmermann, Sefretair.
Der Präfident des Senats,
Peter Ochs.
Ujteri, Sefretair.
184. Der fränkifche Obergeneral an die Kantone, die der
helvetifchen Mehrheit noch nicht beigetreten find.
27. April 1798.
Republifaner 1798 ©. 35.
ING ie üiberlegenfte Mehrheit der helvetiichen Nation hat die Konftitution
| &.\ angenommen; ihre Gejezgeber beſchäftigen ſich unaufhörlich mit
a den Mitteln, fie in Ihätigfeit zu verjegen. Das BVollziehungs-
direftorium iſt eingelegt — Ehrfurcht umd allgemeines Zutrauen haben es
umrungen — jeine Stütze ijt die fränkische Regierung, und Vollmacht ift ihm
gegeben über Truppen zu fchalten, welche ganz Europa befiegt haben. Was
vermöchte wohl jo groffen Borfehren die Minderzahl unmächtiger Aufrührer
entgegenzujeßen ?
Bürger, bört endlich einmal die Stimme der Vernunft! vereinigt euch
unter der Fahne der helvetiſchen Konftitution! fehret zurid in den Schoos
einer Brüderfamilie, die die Arme nach euch ausftredt! Euer Eigenthum,
euere Neligion follen unangetaftet bleiben; die Duldung ift die erfte Tugend
eines freien Volkes.
Wenn ihr aber in eurer Blindheit verharret, wenn ihr nur auf Die
Pügenftinmen des Fanatismus zu achten fortfahret, jo ftürzet ihr euch noth-
wendigermweife in einen Abgrund von Uebeln. Aber erzittern follen fie, die
Urheber euerer Blindheit, dieje ſtirnloſen Heuchler, die jelbjt an die Mährchen
431
nicht glauben, die fie euch vorſchwatzen — Eine eremplariiche Strafe wartet
auf jie.
Auf der einen Seite Friede und Glück — Auf der andern Seite Krieg
und alle Qualen die ihn begleiten! Wähler! Noch habt ihr Zeit dazu. —
Wühlet, aber — geſchwind!
Arau, den 27. April 1798.
Schauenburg.
185. Abfıhaffung des Prädikats Herr. 28. April 1798.
Tageblatt der Gefege und Defrete ©. 28.
Die gejeßgebenden Näthe haben
beichlojjen:
Daß das Wort Herr bei allen Authoritäten abgejchafft bleiben; und
daß ftatt diefem der Gleichheit widerftrebenden Ausdrude, überall das jchöne
md fimple Wort Bürger gebraucht werden ſolle.
Beichlojfen vom großen Rath den 25. April 1798.
Angenommen vom Senat den 28. gleichen Monats.
186. Gefeh über die Amtskleidung der gefehgebenden Räthe und
des Direktoriums. 3. Mai 1798,
Tageblatt der Gelege und Dekrete S. 40 f.
Die gejetgebenden Näthe, nachdem fie die iiber das Coſtüme der gejek-
gebenden Räthe und des Direftoriums niedergejegten Commiſſion vernommen,
haben folgendes
beſchloſſen:
Coſtüme des Senats.
1) In den Verſammlungen:
a) Einen Rock von dunkelblauem Tuche, nach franzöſiſcher Art zuge—
ſchnitten, und mit einer Reihe eng aneinander ſtehender Knöpfe,
über die Bruſt herab zugeknüpfet; der Kragen hoch und fliegend
und von gleicher Farbe, aber von Sammet, mit einer leichten ein-
fachen Brodüre von Gold geftidt, die Knöpfe gelb von mittlerer
Größe, etwas erhöht und einfad).
432
2)
1)
2)
b) Eine ftrohgelbe Wefte in Form gewöhnlicher Gilets.
c) Dunfelblaue Hojen, wobei aber erlaubt iſt, jtatt dieſer, Pantalons
von gleicher Farbe mit Halbftiefeln zu tragen.
Eine dreyfarbige jeidene Schärpe um den Yeib gewunden, die auf
der linfen Seite durch eine einfache Schleife zufammengefügt wird,
deren Ende herabhängen, und mit jeidenen Franſen geziert find.
e) Einen runden jchwarzen Hut, worauf eine grüne Strausfeder be-
fejtiget ift.
Außer den Verſammlungen:
Das gleiche Kleid, gleiche Hojen und Wefte, ohne zu Tragung der
Schärpe und des runden Hutes verbunden zu jeyn.
d
—
Coſtüme des großen Raths.
In den Verſammlungen:
Genau das Gleiche, wie der Senat, außer eine rothe Strausfeder
ſtatt einer grünen, auf dem Hut, und den Röockkragen von gleicher
blauer Farbe und Tuche wie der Nod.
Außer den Verjammlungen:
Gleich mit dem Senat, nur der Rodfragen von eben dem Tuche
wie der Rod.
Coſtüme des Direftoriums.
Kleines oder tägliches Coſtüme.
a) Ein dunfelblauer Rock von Tuche, gleich gefchnitten und mit gleichen
Knöpfen, wie der von beiden Räthen, auf dem Kragen, den Auf-
jchlägen der Ermel und den Rocktaſchen eine einfache Brodire von
Gold geftict.
b) Dunfelblaue Beinfleider, wie die Näthe.
c) Eine weiße Wefte en gilet.
d) Eine dreifache jeidene Schärpe mit Franſen um den Yeib ge-
ihwungen wie die Räthe.
e) Einen runden, auf der einen Seite aufgefchlagenen Hut, mit drei
Strausfedern von drei Farben darauf.
Großes Coſtüme bei Feſten, Ceremonien und groffen Audienzen.
a) Die gleiche Kleidung wie gewöhnlih, außer die Schärpe von der
rechten Schulter auf die linke Seite herabhängend, und bei der
linfen Hüfte in eine Schleife geichlungen.
b) Ein gelber Säbel an einen Säbelgehänge, das um den Yeib über
den Nod getragen wird; das Gehäng ift von grünem Saffianleder
und gejtickt mit Arabejque von Gold. Es wird vorn mit einem
433
Hafen von gewöhnlicher Form ($) zugeichloffen, und der Säbel
hängt durch zwei jchmale Riemchen von Saffianleder an dem Gürtel,
Beichloffen vom grofjen Rath den 2. May 1798.
Angenommen vom Senat den 3. gleichen Monats.
187. Borläufige Aufhebung aller Perfonat-Feodal-Redte.
4. Mai 1798.
Tageblatt der Geſetze und Defrete S. 45.
SM Nie gejetgebenden Näthe, auf Einladung des Direktorium über die
ua dringende Nothwendigfeit ſich ungejäumt mit der Unterjuchung
IA der Feodal:Rechte zu beichäftigen, haben vorläufig das Princip
beſchloſſen:
Daß alle Perſonal-Feodal-Rechte aufgehoben ſeyn ſollen.
| Beichlofjen vom groffen Rath den 4. May 1798.
Angenommen vom Senat den gleichen Tag.
188. Sequeſter auf Klöfter, Stifte und Abteien. 8. Mai 1798.
Tageblatt der Geſetze und Defrete S. 50.
Die geſetzgebenden Räthe, auf den Vorfchlag eines Mitgliedes, haben
den Umſtänden der Sachen angemefjen gefunden, zu
beſchlieſſen:
Daß das ſämmtliche Vermögen aller geiſtlichen Klöſter, Stifte und Ab—
teyen von Stunde an, ſolle mit Sequeſter belegt werden, und den Beſitzern
und Verwaltern unter ihrer Verantwortlichkeit, und bey hoher Strafe unter-
jagt jeyn, mehr von denjelben veräußern zu dürfen.
189, Unbedingte DHandlungsfreiheit zwiſchen allen Bantonen.
8. Mai 1798.
Tageblatt der Gejege und Dekrete S. 52,
Die gejetgebenden Räthe, auf mitgetheilte Anzeige des Vollziehungs—
Direftoriums, daß die Verwaltungsfammer des Kantons Zürich durch eine
Verordnung die Ausfuhr aller Yebensmittel unterfagt habe;
Oechsli, Quellenbuch. 28
434
In Erwägung, daß die Conftitution Art. 1. alfe Gränzen*zwifchen den
Kantonen aufhebt, dergleichen Ausfuhrverbote, geradezu dem Grundfage der
Einheit und Untheilbarfeit zumiderlaufen, haben
beſchloſſen:
Daß die Verordnung der Verwaltungskammer von Zürich annullirt ſeyn,
und daß ferner eine unbedingte Handlungsfreyheit zwiſchen allen Kantonen
Platz haben, und dieſes überall publizirt werden ſolle.
190. Geſetz über das helvetiſche Staatsſtegel. 12. Mai 1798.
Tageblatt der Geſetze und Dekrete S. 71.
Die geſetzgebenden Räthe, auf Einladung des Vollziehungs-Direktoriums,
das Symbol zu beftimmen, welches es fich zu jeinem Siegel bedienen joll,
haben
beſchloſſen:
Wilhelm Tell, dem ſein Knabe den Apfel am Pfeil überreicht, ſoll das
Symbol des Siegels der helvetiſchen Republik ſeyn.
191. Abſchaffung der Tortur. 12. Mai 1798,
Tageblatt der Gelege und Dekrete ©. 73,
Die gejetgebenden Räthe
verordnen:
Daß von jezt an in ganz Helvetien die Tortur abgejchafft jene.
192. Gine Publikation des zürcheriſchen Regierungsfatthalters.
Flugblatt, Stabtbibl. Wintertur.
Freyheit. Gleichheit.
Publication.
Bürger!
Da an mehrern Freyheitsbäumen noch Fähnlein wehen, welche die
ſchwarze Farbe neben der rothen und gelben führen, und da auch noch einige
en su
435
Eocarden, die aus nicht nationalen Farben zufammengejezt find, da und dort
zum Vorſchein fommen; jo ergreife ich diefe Gelegenheit, alle Bürger zu er:
mahnen, an Fähnlein und Cocarden ftatt der fchwarzen Farbe die grüne,
vorgejchriebener Maßen, anzubringen.
Republifanijher Gruß!
Zürid) den 25. May 1798.
Der Negierungs-Statthalter des Kantons Zürich
Pfenninger.
193. Das Bollziehungsdirektorium an BRapinat. 9. Mai 1798.
Nepublitaner ©. 79,
Bürger Commiffar!
Das helvetiiche Vollziehungsdirectorium wird nicht eher aufhören Sie
mit Vorftellungen anzugehen, als bis Sie den Uebeln, welche die verfchiedenen
Theile Helvetiens bedrüden, werden Schranfen gejezt haben. Vorgeftern
Abend ſchloß ein Detachement franzöfiicher Truppen, welche in Luzern ein-
quartiert find, die Thore diefer Stadt und begab ſich zu fünf Bürgern, die
e3 gefangen nahın. — Hernach verfügte es fi) auf das Stadthaus, ver-
fiegelte dajelbft die öffentlichen Kajjen, jo wie auch diejenigen wohlthätiger
Stiftungen, welche zum Troſt der leidenden Menjchheit beftimmt find.
B. Commiffar, diefe Maasregeln gegen ein Volk, deifen Beichüter das
franzöſiſche Directorium ift, find ficher eben jo jehr feinem Willen, als den
heiligen Grundjägen der Menjchlichfeit und Gerechtigkeit zuwider.
Das Directorium erjucht Sie, B. Commiffar, daß da der Unterhalt der
franz. Truppen den BVBerwaltungsfammern der Kantone zukömmt, Sie diefen
Kammern auch die Freiheit lafjen mollen, dasjenige aus den öffentlichen
Kafjen zu entheben, was dieſer Unterhalt erfodert: dies verlangt die Ge—
rechtigfeit, dieſes ift der allgemein befannte Wille des franz. Directoriums.
Es verlangt von Ihnen, B. Commiffar, daß Sie Befehle ertheilen,
damit die Caſſen frommer Stiftungen, des Hoſpitals, des Waifenhaufes umd
anderer mehr, von den ftrengen Maasnahmen befreit bleiben, die in Bezug
der öffentlichen Gelder getroffen mworden find. Diefe Eafjen find gar fein
öffentliches Gut; fie haben fich durch die Gejchenfe von Partifularen, die von
ihren Glüdsgütern einen würdigen Gebrauch zum Troſt der leidenden Menſch—
heit gemacht haben, gebildet. — Heilig jind fie als Eigenthum der Armen,
Kranfen und Waiſen; und auch jelbft mitten in den Schrekniſſen einer durch
Sturm eroberten Stadt wurden fie immer verjchont. — —
436
194. Bapinats Antwort auf diefe und ähnliche Zufrhriften des
helvetifchen Direktoriums.
Republilaner S. 9%.
Generalquartier zu Bern am 25. Floreal [14. Mail]
im 6ten Jahr der Republik.
Bürger Directoren!
Ich muß den ungerechten Klagen und den Verläumdungen ein Ende
machen, die gegen den B. Roubiere, Commifjair Ordonnateur bei der Arınee,
verbreitet werden. Seine Verordnungen find anders nichts als Folgen der
allgemeinen Maafregeln, weldye der Obergeneral mit meinem Vorwiſſen ge-
troffen hat.
Mit Unrecht macht man dem B. Rouhiere Vorwürfe über den Verkauf
der alten Waffen und des alten Plunders, der in den Arjenalen von Bern,
‚Freiburg und Solothurn gefunden ward; diefer Verkauf ift mit dem Über:
general und mit dem Commandanten der Artillerie verabredet worden, ich
war davon unterrichtet, und jeit den Vorftellungen, die ich darüber von Ihnen
empfangen habe, ijt er eingeſtellt worden.
Eben jo wenig hatte man Urfache, jich über die Maafregeln zu beflagen,
die er zu Bezahlung der Contribution getroffen bat, und die gegen ihn ge-
führte Klage über die Verhaftnehmung des B. Bay, ift durchaus falſch be-
funden worden. ’
Der Obercommiffar mußte, gemäß Befehlen und Torjchriften des Minifters
die Vorräthe fennen, die im Yand vorhanden waren. ... Er mußte Maga-
zine zur Aufbewahrung der Yebensmittel anlegen, um auf unvorbergejebene
Fälle bereit zu jeyn, und diefe Vorfichtsanftalt hat man für eine Bedrüdung
ausgegeben. — — —
Mit einem Wort, alle jeine Handlungen waren mit dem Stempel der
Anftändigfeit, der Achtung, des Zartgefühls und einer unmwandelbaren An-
bänglichkeit an feine Pflichten bezeichnet, und dafür überhäuft man ihn mit
Kränfungen aller Art. Meine Pflicht gebietet mir, der fränfifchen Hegierung
die Ränke der Intriganten, deren Anjchlägen er entgegen arbeitet, bekannt
zu machen..... Ich verhehle Ihnen nit, Bürger Directoren,
daß ich feſt entichlofjen bin, Befehlen der fränkiſchen Regie—
rung Ehrfurdt zu verjhaffen. Ueberzeugen Sie ſich aljo
von der Wahrheit, dag Sie das Recht nicht bejigen fönnen,
den Maafregeln, die auf jener Befehle getroffen werden,
Hindernijfe in den Weg zu legen: Ihre Amtsvollmadt be-
ſchränkt ji auf die innere Verwaltung der helvetiſchen Re—
publik, jie fann fi nicht weiter erjtreden. — — —
= gr — u er
437
Diejen Grundfägen zufolge, habe ich die Siegel erbrechen laffen, die der
von Ihnen beauftragte Commiljar auf die Caſſen und öffentlichen Fonds zu
Bern hat legen laffen, denn diefe Kafjen find das Eigenthum der fränkiſchen
Republik. . . . Ich habe einen Beſchluß ausgefertigt, der den ohne Unterlaß
wiederkehrenden Hinderniſſen ein Ende machen ſoll.
Ich hoffe, Bürger Direktoren, Sie werden, nach den Erklärungen von
Anhänglichkeit an die fränkiſche Republik und von Ergebenheit an die Grund—
jäge ihrer Regierung, die Sie gethan haben, in Zukunft feine Verfügungen
mehr treffen, die den Abfichten der fränkiſchen Republik zumider find; und
Sie werden fi begnügen, Vorftellungen zu machen, welche allein fünnen
angenommen werden. — —
Nepublifaniicher Gruß.
Rapinaz.
195. Aus den Beratungen des helvetiſchen Großen Rates,
2./3. Juni 1798,
Republifaner ©. 154 und 157.
2. uni. Panchaud macht eine lebhafte Schilderung von den häufigen
gewaltthätigen Handlungen umd jelbft Mordthaten, welche im Kanton Leman
von fränkischen Soldaten verübt worden, und fodert Hilfe gegen diejes Un—
glüd. Billeter bejtätigt diefe Angaben, und jagt, im Kanton Zürich jeyen
noch häufiger ähnliche Mighandlungen verübt, und fogar in einem Dorf
7 Perfonen ermordet worden: zudem bat er wenig Hofnung für Erleichterung,
indem die franzöfiihen Soldaten ſich laut erflären, fie fragen den Profla-
mationen ihrer Generale und Commiſſaire nichts nah. Suter jagt, es jey
traurig ſolche Greuelthaten von Gliedern jener Nation vernehmen zu müſſen,
die ung befreit habe.... Derzog: es werden jo häufige und jo jcheus-
liche Gewaltthätigfeiten begangen, daß es bald bejjer wäre, unter der Tyrannei
zu jeufzen, als auf diefe Art frei zu fein...... Näf macht eine lebhafte
und rührende Darjtellung von dem Drud, den Beraubungen, Schändungen
und Mordthaten aller Art, die durch die franzöfiihen Soldaten verübt werden,
und jagt, jelbjt die Vorftellung, daß die Gegenden, die fie auf dieſe Art be-
handeln, ächt republifanijch gefinnt find, jey ohne Wirfung, indem die Soldaten
zur Antwort geben, die Demofraten müjjen mit den Ariftofraten zahlen... .
Schoch fordert, daß man fogleic 20,000 Mann anwerbe, fich aljo auf jeine
eignen Füſſe ftelle, dieſes dann dem fränkischen Direktorium anzeige, und
dasjelbe bitte, jeine Truppen wegzuziehen. Tröjch jagt, ehe die Franzoſen
weggehen können, müſſen wir erft ung das Zutrauen des Volk verichaffen,
438
welches ganz leicht ift. Endlich wird zur Berathung der zu ergreifenden
Maasregeln eine Commiffion niedergejezt. — —
3. Juni. Nuzet theilt eine Proflamation des franzöſiſchen Kom—
miffar Rapinaz mit, der zufolge fein helvetifher Bürger ohne
Paß auſſer feinen Kanton, und nicht ohne Erlaubnißdesfran-
zöſiſchen Kommiſſärs aufjer Yandes reifen fann, mit An—
drohung von Gefangennehmung, Kriegsgeriht und Buße im
Fall der Nihtbeahtung des Beſchluſſes. Secretan: Das fran-
zöſiſche Direktorium hat uns frei erflärt, dieſe Profflamation jcheint unfrer
Freiheit zumider zu ſeyn, daher fodre ich Unterjuchung der Sache durch eine
Kommiſſion. Eſcher fagt, durch diefe Proflamation find alle Helvetier in
Kantonsarreft gejezt, alfo ift wohl einleuchtend, daß fie unſrer Freiheit ent-
gegen iſt; aber mehr noch, fie ift eben jo beſtimmt unfrer Konftitution, der-
jenigen, die wir von den Franken empfangen haben, zumider, denn diefer
zufolge follen feine Grenzen mehr in Helvetien ftatt haben; darum fodre ich
Kaſſirung der Proflamation, mit Weberweifung diefes neuen Eingriffs im
unſre Freiheit, an diejenige Kommiffion, die wir geftern wegen andern Ge—
waltthätigfeiten der Franzoſen niedergejezt haben; denn wenn die Sachen fo
fortgehen, jo wird es bald Zeit feyn die Frage in Umfrage zu jegen, von
der jüngfthin unfer Präjident ſprach, „Frei leben oder fterben!“ (Geklatſch). ...
Huber fühlt auch die Verlegung umfrer Freiheit, aber da Kaffirung eines
jolchen Arretes eine zu ungewohnte Maasregel wäre, jo wünſche er, daß das
Direftorium eingeladen werde, die nöthigen Maasregeln zu ergreifen, und erft
wenn dieſe fruchtlos find, fünnen wir Verfügungen treffen. Tröſch ent-
Ihuldigt die Proflamation, und jagt, fie diene nur zu unſrer Sicherheit.
Carrard fühlt auch den Eingriff den unfre Freiheit leidet; allein da die
Proflamation auch zugleich auf Fremde und Franfen ausgedehnt ift, fo fodert
er erft eine Kommijfion.... Eicher: Freilich haben wir auch ſchon ſolche Pro-
Hamationen fajjirt, nämlich die des Kommiſſärs Pommier, über die Werth
beftimmung der Freiburger Thaler, die gegenwärtige aber greift num unſre
Unabhängfeit beftimmter und weit allgemeiner an, als jene, und fodert aljo
auch wenigitens die gleiche Energie. Zudem find wir die Gefetgeber Hel—
vetiens, nicht Rapinaz ift es; wenn Er alſo Geſetze gibt, fo greift er in
unfern Beruf, und wir haben aus Auftrag des Volfs allein die Pflicht auf
uns, Gefege zu machen, alfo jollen auch wir uns jolden Eingriffen zuerft
widerfegen, ich beharre denmad auf der gefoderten Kaſſation. Nuzet fagt:
Eicher hat völlig Recht, wenn er jagt, es gebe uns eine fremde Macht Gejete,
und dies laufe der Somveränität umfers Volkes entgegen..... ‚ ih fodere
daber jogleich eine Adreife an das Direktorium, indem auch ich lieber fterben,
als das Vaterland umterdrüft willen will. Cartier entjhuldigt die Pro-
Namation, und findet fie darin vortheilhaft, weil durch diejelbe die Oligarchen
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gehindert werden, im Lande herum zu ziehen, und Unruhe zu ftiften.....
Herzog: unjere Freiheit und unfere Konftitution find durch diefe Prollamation
mit Füſſen getreten; wir find unnüz hier, wenn wir ung Geſetze geben laſſen!
nichtS bliebe uns übrig, als auseinander und nad) Hauje zu gehen, um über
unfre verlohrne Freiheit zu meinen, aljo fodere ich Kafjation und Nieder:
fegung einer Kommiffion über Päffe. Huber fagt, wir follen ja nicht auffer
die Formen treten, fonft ftürzen wir uns in noch größere Gefahr: das Diref-
torium bat Pflicht auf fi, uns vor äuffern Eingriffen zu fihern. Secretan
beharrt auf einer Kommifjion, um dann erflären zu fünnen, daß diefe Pro:
Mamation die Schweizer nichts angehe. Hüſſi fodert Theilung des
Segenftandes, und in diefer Nükficht Unterfuchung, was davon uns allein
angehe, um dann auch dieſes allein ausheben zu fünmen: übrigens hat er
Ahnung, als ob uns hierdurch alle unmittelbare Kommunifation mit dem
fränfiichen Direktorium abgejchnitten werden follte. Hüſſis Antrag wird an-
genommen und zu der Hierzu erforderlichen Kommiffion ernannt: Kuhn,
Nuzet, Secretan.
Das Direktorium zeigt an, daß es vom General Schauenburg die
Nachricht eines wichtigen Sieges der fränfifchen Republik über die,Engländer
bei Oftende erhalten habe. Man Hatjcht und ruft bravo!
196. Bapinat befiehlt den Austritt Bay's und Wfyffers aus dem
helvetifchen Direktorium. 16. Juni 1798.
Republilaner S. 227.
Bürger Direktoren,
Der natürliche Antheil, den ich an allem nehme, was die fränfifche Re—
gierung, deren Stellvertreter ich in diefem Lande bin, betrifft, haben mich
bisher überzeugt, daß die Wohlfahrt Helvetiens auf das innigſte mit ihr
verbunden ift; ich muß daher alle Maasregeln ergreifen, welche die Vortheile
beider Republiken zu vereinigen, im Stande find.
Um diefen beilfamen Endzwek zu erreichen, fteht mir nur ein einziger
Weg offen, diefer, Die obern und untern Obrigfeiten der Schweiz
zu reformiren. Es ift durd die That erwiejen, daß der jehr entjchiedene
Hang einiger Mitglieder des Vollziehungsdirektoriums zur Rüffehr nach der
ehemaligen Regierungsform nur die größten Uebel nad) fich ziehen kann. ...
Es ift dringend, es ift ummmgänglich, daß die Bürger Direktoren Pfyffer
und Bay umverzüglich ihren Abjchied nehmen. Ebenſo nothwendig ift es,
daß der General-Sefretär Stef, und der Minifter der auswärtigen Angelegen-
beiten, Begos, jofort von ihren Poften abgehen. Ich werde die beiden
440
abgehenden Direftoren durch die Ernennung von andern
Bürgern, deren Ergebenheit an die Franfen und Anhäng:
lihfeitanihr Baterland befauntift, erfegen, und das Direktorium
wird zu einer neuen Wahl eines andern General-Sefretärs und. Minifterd der
auswärtigen Angelegenheiten fchreiten. Sie werden endlich nicht anftehen,
den Statthalter und die Mitglieder der Yuzerner Verwaltungs:
fammer abzurufen; die Bürger, welche fie zu erjegen berufen jcheinen, find
die, welche ich die Ehre gehabt habe, Ihnen anzuzeigen. Der Stabsoffizier,
der Ihnen diefen Brief überreichen wird, ſoll Ihre Antwort abwarten, und
fein Bericht wird die Maasregeln bejtimmen, die mir meine entjchiedene
Feſtigkeit und bejtimmter Entſchluß, Helvetien zu retten, eingiebt.
Empfangen Sie meinen republifanifchen Gruß.
Rapinat.
197. Aus der Situng des Großen Rates der helvetifchen
Republik am 17. Juni 1798.
Republilaner S. 208 fi.
a die Einteilung des Kantons Oberland vom Senat ver:
worfen ward, jo fordert Eicher Rückweiſung in die gleiche Com:
— miſſion, welche angenommen wird.
Das Direftorium theilt den Verbalproce über die Wegnahme des
Yuzernerfhen Nationaljhages, voneinem franzöjiihen Com-
mijjair mit, worin das männlich feſte Betragen des Regierungsitatthalters
mit Vergnügen bemerkt wird.
Die Gemeinde Cheifiere bei Ollon dankt in einer Adreffe für die Auf:
hebung der Zortur, Feudalrechte u. j. w. und bittet um äuſſerſt leichte Los—
fäuflichfeit von den Grundzinſen. Man geht zur Tagesordnung über.
Das Direktorium theilt eine Publifation des Commifjar Rapinat
mit, worin derjelbe erklärt, daß alle Magazine, welde beim Ein-
marjh der Franken in Helvetien vorhanden waren, franzd-
jifhes Eigenthum find, daß er diefelben unterfuchen und aus den Kontris
butionen Getraideanfäufe machen laſſen werde.
Kuhn [von Bern] jagt, jeine Verwunderung über das Betragen der
Franken fteige mit jedem Tage; wenn man ihre vorausgejandten Proflama-
tionen mit gegenwärtiger und ähnlichen Publikationen vergleiche, jo empfinde
man einen fchmerzlichen Unterfchied: fie führten doch nicht gegen alle Kantone
Krieg und wurden in mehreren freundichaftlih empfangen, und doch machen
fie nun ihre Spieße gegen alle gleich lang. Wann fie jchon das ftrenge
Kriegsrecht zu ähnlichen Bevollmächtigungen in einigen Kantonen berechtigt,
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441
ſo iſt doch die Ausdehnung derſelben auf die übrigen höchſt ungerecht, daher
fodere ich Niederſezung einer Commiſſion, welche die Grenzen dieſes Rechts
unterſuche, um dann auf dieſe Kenntnis hin handeln zu können.
Secretan [ven Yaufanne] glaubt, da dieje Publifation der Verſamm—
lung fo ſpät mitgetheilt werde, jo foll man zur Tagesordnung übergehen. ... .
Haas [von Bafel] findet in der Publifation nichts böjes, im Gegenteil
dankeswürdige Vorficht von Rapinat, indem er durch diefe Sorge, die er auf
unjere Getraidevorräthe verwenden wolle, Helvetien vor Mangel ſchützen werde.
Laßt uns daher diefen Danf nicht verfennen und jeder an jeinem Ort mit
Sorgfalt nachdenten, wie wir das gute Vernehmen mit der groffen Republif
und gegenjeitiges Zutrauen wieder heritellen können: mit Mühe ſehe ich umjre
wachjende Empfindlichkeit über jeden uns nicht ganz behaglichen Schritt der
Franken, und eine Art Freudeäufferung, wenn neue Klagen gegen diejelben
vor uns erjcheinen. Billeter [von Stäfa] ftimmt Haajen ganz bei und
glaubt Spuren zu haben, daß die Oligarchen hieran Schuld feyen. Näf [von
Haufen a. Albis] jagt: Die Franfen haben ihren vorausgefandten Proflama-
tionen gemäß gehandelt, fie haben uns Freiheit geichenft und unfer Eigenthum
geſchüzt; denn die Magazine find ja Eigenthum der alten Dligarchen gemejen,
aljo haben ſie Necht auf diejelben, und ich fodere, daß das Direktorium ein-
geladen werde, in Rükſicht diefer Magazine mit Napinat zu unterhandeln.
Eicher! |von Züri]: wahrlid, B. Stellvertreter, der Barometer unſers
Unabhängigfeitsgefühls, it jchreflich gejunfen: unfre dem Yande, nicht den
Oligarchen, gehörige unentbehrliche Getraidemagazine werden als franzöfiiches
Eigenthum erklärt, umd wir jollen ruhig zufehen und danfen für die Gnade
die man uns erweist! Ich begreife euer Betragen nicht: noch ijt es feine
Stunde, daß ihr dem männlichen Muthe des Statthalters von Yuzern, den er
bei der Wegnahme des Yuzerneriichen Schates zeigte, Beifall zolltet, und jezt
da man der ganzen Nation ihre Getraidemagazine wegnimmt, wollt ihr
rubig zufehen? ift euch demm ein elender Schaz wichtiger als die Magazine
Helvetiens, die uns. bei der geringiten Sperre von Zufuhr oder beim geringften
Mißwachs vor dem Hungertod fichern? was lähmt euch denn wenigftens das
zu thun, was noch in unjern Kräften ift, das zu thun, was wir am Statthalter
von Yuzern mit Beifall bejchenkten? B. Stellvertreter, ich begehre, daß das
Direftorium aufgefodert werde, gegen diefe Bemächtigung feierlich zu protejtiren
und zu erklären, daß dadurd die helvetiiche Nation der umentbehrlichiten Mittel
ihres Dafeyns beraubt werde. Und mun noch ein Wort fir Haas: ich erfläre
feierlich, daß ich nie Freude empfand und nie Freude bemerkte in unjrer
Lerfammlung, wenn Klagen über die Franken vor uns erfchienen, jondern
' Der jpätere Urheber des Linthwerks.
442
daß ich jedesmal im innerjten meines Herzens darüber gefränft war ; ich gebe
‘alfo diefe Angabe als durdaus falſch zurücd! (hier und da Beifallruf).
Huber [von Bafel] findet die Franken ſehr forgfältig in diefer Maas:
regel und freut fich über das Erleichternde derjelben für das Bolt, welches
nun durch das, aus den oligarchiſchen Kontributionen zu faufende Getraide
unterjtizt werden fan. Er denkt noch wie ehedem, und fein Barometer der
Unabhängigkeit ift nicht geſunken; aber er vergißt nicht in den Franzoſen die
Befreier Helvetiens zu ehren und zu jchägen. Haas ift gleicher Meinung und
erflärt, daß er nicht Freude in der Verfammlung gejehen über das üble Be-
tragen der Franken, aber doch jolche zu bemerken glaubte, wenn neue lagen
gegen fie aufgeftellt wurden; er fodert aufs neue zu jorgfältiger Bewirkung
von Harmonie auf, und begehrt, dak das Direktorium aufs neue eingeladen
werde, das Gemählde über den Zuftand Helvetiens zu bejchleumigen; auch
bittet er um der Ruhe des Volkes willen, und um fein Zutrauen gegen die
Franken nicht zu jchwächen, feine auffallenden Schritte zu thun. Eufter [von
Eſchenbach, Et. Linth] zollt dem Borfchlag von Haas feinen Beifall. Rellſtab
[von Langnau, Zürich] erflärt, daß er nicht gleichgültig ift über diefen Verluft;
aber dagegen ift er überzeugt, daß die Franzoſen weder den Zürcheriſchen
Schaz nod) die Magazine weggenommen und nicht einmaf auf Zürich gefommen
wären, wenn fie die Heinen Kantone nicht durch ihren Krieg Hingezogen hätten:
er wünſcht auch, daß das Direktorium eingeladen werde, fich wider dieje
Maasregel zu verwenden.
Eicher jagt: „ich begreife nicht, was ich höre, entweder fan Huber und
Haas, oder ich nicht recht leſen, denm ich leſe hier beftimmt: „alle Magazine,
welche bei dem Einmarjch der franzöfifchen Truppen in die Schweiz bereits
eriftirten, find ein erworbenes Eigenthum der franzöfifhen Republik“ und dieß,
DB. Stellvertreter, foll aljo danfenswerthe Sorgfalt des fränkiſchen Commifjairs
gegen die helvetifche Nation ſeyn? Wie ftehen wir dann, warn einft etwan
Schwaben gegen ung ſperrt oder warn noch einige Hagelwetter unjre Fluren
vermüften wie jüngfthin die Gegend von Stäfa? was find alle Schäze, die
man ung wegnahm, gegen die dringende Unentbehrlichfeit der Magazine! ich
erfenne euch nicht mehr, B. Stellvertreter: ſonſt waret ihr bis zur Aengjtlichfeit
aufmerffam auf die Beihügung des Eigenthums und der Unabhängigkeit Hel-
vetiens, und jezt wollt ihr das Wichtigfte, deſſen man euch entblöffen will,
nicht mehr mit Eurem Muthe bejchügen! — Erhebet euch und ladet das
Direktorium ein, mit mehr Energie, mit fraftvollerer Sprache und fefterem
Muthe als noch nie, fich diefer Maasregel des fränkiſchen Commiffairs zu
widerſezen, und vor der ganzen Welt dagegen zu proteftiren! — Und da
Haas feine faljche Beihuldigung aufs neue beftätigt, jo erfläre auch ich neuer:
dings, daß ich immer bis ins Innerſte beflemmt war, jedesmal wenn Nach—
richten über Beeinträchtigungen von Seiten der Franken eingiengen; aber da—
443
gegen, daß ich jedesmal lebhafte Freude empfand, warın die Berfammlung fich
mit unerfchrodenem Muthe folchen Verlezungen unfrer Unabhängigkeit wider:
jezte, fich mit einem Muthe widerfezte, den ich heute vergebens unter ung fuche;
und in Rükſicht der Beruhigung unſers Volkes; glaubt es, B. Stellvertreter,
wir können fie durch nichts fefter begründen, al8 wenn wir demfelben zeigen,
daß es ſich auf unjre treue Sorgfalt für fein Intereſſe verlaffen fann, und
wenn wir die Franken von Schritten zurüfhalten, welche dafjelbe zur Unrube
aufreizen; aljo ftimmt jelbft Klugheit mit der Gerechtigkeit zufammen, um uns
Muth einzuflögen!" Jomini [von Bayerne] und Panchaud [von Moudon]
ſtimmen Eſchern ganz bei.
Weber [von Schwiz] ftimmt fir Haas und Huber und glaubt, diejes
- Mißverftändnis zwijchen Helvetien und der fränfifchen Republik fomme von
Leuten her, die entweder in der Anarchie ihr Glük fuchen, oder die mit dem
gegenwärtigen Zuftand der Dinge unzufrieden find, und die alte Ordnung
wieder herzuftellen wünſchen: in Rüdficht Rellftabs Antrag bemerft er, daß
nun feine feinen Kantone mehr find und, daß fie jo gut SHelvetier find, als
die Einwohner des Kantons Zürich; daß fie ſich aber gegen die Franken ver:
theidigt haben, war reines Freiheits- und Vaterlandsgefühl und Anhänglichkeit
an die Konftitution ihrer Väter, deren fie fich durch ihren Muth würdig bezeigt
haben. Mit 43 Stimmen gegen 34 wird die Vertagung eines Beichluffes
über diefen Gegenftand angenommen.
Die Stadt Peterlingen dankt in einer Adrefje für die fFeftigfeit mit der
die Gefezgebung immer unerfchroden die Unabhängigkeit Helvetiens ſchüze! auf
Secretans Antrag wird Ehrenmeldung erfennt.
Das Direktorium fodert 6000 Liv. für geheime Ausgaben. Bewilligt.
198. Proklamation Rapinats vom 18. Zuni 1798.
Republilaner ©. 232. Bgl. Stürler, Arhiv XVI. ©. 356.
Der Regierungs:Commiffair bei der Armee der fränkiſchen Nepublif in
Helvetien.
In Betracht, daß, wenn es einerjeit wahr ift, daß die Schweiz
bis jegt eine Eroberung der fränfifhen Armee war, es von
der andern Seite nicht weniger wahr ift, daß es den Agenten der fränfifchen
Regierung nicht weniger zufommt, alle Eivil- Politifche und Finanz-Operationen,
die in Helvetien ftatthaben follen, anzuordnen ;
In Betracht, daß alle diejenigen, welche darauf bedacht wären, irgend
eine Maasregel, welche e8 der fränfifchen Regierung in der Schweiz zu treffen
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gefiele, dur; Anträge, Neden oder Beichlüffe zu hindern, nothiwendig Feinde
der Freiheit diejer Nation und der Armee jind, welche ihr diefelbe zum Ge—
ihenf gebracht haben, und nicht anders, [denn] als Soldfnechte des brittiichen
Kabinets angejehen werden können;
In Betracht ferner, daß die Motionen und Defrete, welche täglich von
der gejezgebenden Gewalt Helvetiens gemacht werden, ebenfo wie die Beichlüffe
des Vollziehungs:Direftoriums das Dajeyn einer gefährlichen und dem Wohl
Helvetiens nachtheiligen Faktion an den Tag legen; einer Faktion, deren Theil-
haber, in der Abjicht, ihr mehr Ausbreitung zu verfchaffen, die Zeitungs-
jchreiber umd Drucder in Sold haben, oder jich jelbft damit abgeben, das
Gift, das in den öffentlichen Blättern circulirt, zu diftilfiren ;
In Betracht endlih, daß man nur in der verrätherifchen Abficht die
Einwohner der Schweiz gegen die Franken zu erbittern, mordbrennerijche
Motionen in der gefezgebenden Verſammlung vorbringt, oder fich’8 zum Ge-
Ihäft macht, wenig oder gar nicht gegründete Klagen gegen die fränkiſchen
Armeen vorzubringen, um den fo jehr gewünfchten Zwef der alten Regierungen,
Dligarhen und Feinde Frankreichs zu erzielen, jo daß es offenbar, daß es
dringend iſt, eine ſolche zaktion durch die Anwendung einer ftrengen, aber
gerechten, umd durch die Umftände gebotnen Feftigkeit zu unterdrüden:
Wird der Obergeneral aufgefordert, folgenden Befehl ergehen zu laffen:
Art. I. Alle in dem gejezgebenden Körper gemadten Mo:
tionen und Defrete, alle von dem helvetiſchen Direftorium
und den Berwaltungsfammern genommenen Bejchlüfje, welde
den entwedervondemMegierungs-Commifjair beider fränfi-
ihen Armee in Delvetien, oder von dem Obergeneral, oder
ihren Befehlen zufolge getroffenen Maasregeln zuwider find,
werden für nichtig und ohne alle Wirkung erflärt. E83 ergebt
daher an alle Obrigfeiten und an alle Einwohner Helvetiens das gemeſſenſte
Verbott, diefe Defrete und Beſchlüſſe zu vollziehen ; im Gegentheil befiehlt
man ihnen ausdrüflich, die von dem Commilfär, der Regierung und dem
Obergeneral genommenen Bejchlüffe zu vollziehen und vollziehen zu machen.
Art. IT. Alte, welche durch Reden oder Handlungen, alle Beamten, welche
durch ihre Urtheile den Operationen der fräntiichen Regierung, oder den von
ihren Commiffärs und dem Obergeneral genommenen Maasregefn hinderlich
zu ſeyn fuchten, endlich alle Zeitungsjchreiber, SYournaliften, Verfaffer und
Redakteurs öffentlicher Blätter, welche fich erlauben würden, auf eine Weije
zu jchreiben, um die Einwohner Helvetiens gegen die Franken, und umgekehrt,
zu erbittern, die Armee, ihre Obern und die Commiffärs der Regierung zu
verläumden, argliftige Klagen, Beichiwerden und andere der Ordnung und
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445
Mannszucht nachtheilige Reklamationen zu verbreiten, durch Erzählung von
Thatjachen (die, wenn jie von der Art find, daß ihnen geftenert werden kann,
vor die Commiſſärs der Regierung, oder den Obergeneral, damit er das
nöthige darüber verfüge, gebracht werden müſſen) das Volk gegen die Franken
zu empören — alle dieje fo bezeichnete Perfonen ſollen ergriffen, ſogleich
fejtgefezt, als Störer der öffentlichen Ruhe militairijch gerichtet, und ihre Preffen
und Buchdruker-Werkzeuge zerbrochen werden.
Art. III. Jeden Tag, an dem irgend ein öffentliches Blatt in der
Schweiz ausgegeben wird, und von allen Buchdrufern, Zeitungsfchreibern und
Redakteurs diejer Blätter, joll dem Commijfär der Regierung und dem Ober:
general der fränfiichen Armee in der Schweiz ein Exemplar davon zugeichikt
werden, damit die bejagten Zeitungen von ihnen verificirt und unterſucht
werden, ob nichts dem vorhergehenden Artifel zumiderlaufendes darin auf-
geftellt und erzählt wird. Der Preis des Abonnements wird von denjelben,
jo wie von allen andern Bürgern, vierteljährlich entrichtet werden. Die Bud)
drufer, Zeitungsichreiber und Nedakteurs find diejer Verfügung ftreng nachzu-
fommen gehalten.
IV. Der vorhergehende Beſchluß, der in Form eines Anjchlagzettels in
| beiden Sprachen gebruft und zu 2000 Eremplaren in allen Gemeinden des
| helvetijchen Gebiets befannt gemacht und angeheftet werden foll, ift den zwei
Näthen der gejezgebenden Macht, dem helvetischen Direktorium, jowie alfen
Verwaltungsfammern zu feiner völligen und genauen Bollziehung offiziell zu- '
zujchifen. Die Druffoften jollen von den Contributionen, zufolge der vom
Commiffair-Ordonnateur en Chef ertheilten Weifungen bezahlt werden.
Unterzeichnet: Rapinat.
Der Obergeneral befiehlt, daß von der gegenwärtigen Fertigung 2000
Eremplare gebruft, joldhe in allen Dauptorten der helvetiichen Cantone be-
fannt gemacht und angejchlagen, und ihrer Form und Innhalt nach vollzogen
werden joll.
Zürich, den 30. Prairial Gten Jahr.
Unterzeihnet: Shauenburg.
446
199. Aus dem Offenfiv- und Defenfiv-Bündnis zwiſchen der
franzöfifchen und helvetifchen Republik. 19. Auguf 1798.
Tageblatt S. 438 fi.
Art. 1. Es foll zwiſchen der franzöfifchen und helvetiſchen Republik auf
immer Friede, Freundſchaft und gutes Einverjtändnig Statt haben.
Art. 2. Es befteht von diefem Augenblid an zwifchen beiden Republifen
ein DOffenfiv- und Defenfiv-Bündnif. Die allgemeine Wirkung dieſes
Bündniffes ift, daß jede der beiden Republifen im Falle eines Krieges ihre
Berbündete zur Mitwirkung auffordern kann. Die auffordernde Macht beftimmt
al3dann, gegen wen die Mitwirkung gefordert werde, und vermöge dieſer be-
ftimmten Aufforderung tritt die aufgeforderte Macht gegen die genannte Macht
oder Mächte in Krieg... . Die begehrten Truppen werden von der auf:
fordernden Macht bezahlt und unterhalten, und im Aufforderungsfalfe foll
feine der beiden Republifen einen Waffenftillftand oder ein Friedensbündniß
für ſich bejonders ſchließen können. — — — —
Art. 3. Dem zufolge garantiert die franzöfifche Republik der heivetifchen
ihre Unabhängigkeit und die Einheit ihrer Regierung, und im Falle, daß die
Oligarchie fuchte, die gegenwärtige Verfaffung Helvetiens umzuftürzen, fo ver-
pflichtet fich die franzöfifche Republik, der heivetifchen auf ihr Anſuchen die
Hülfe zu leiften, deren fie bebürfte, um über die innern oder äuffern Angriffe,
die gegen fie gerichtet werden könnten, zu fiegen. .... Und um ihr die
Mittel zu verichaffen, ihre Kriegsverfaffung auf den nachdruckſamſten Fuß
einzurichten, willigt die franzöfifche Republik ein, fie wieder in den Befig ber
Kanonen, Mörfer und Artillerieftücte zu fegen, welche ihr während des gegen-
wärtigen Krieges weggenommen worden find, über welche die franzöfifche
Regierung in dem Augenblicke der Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrages -
noch verfügen fann. — — — — —
Art. 4. Die Grenzen zwiſchen Frankreich und Helvetien werden in einem
bejondern Vertrage beftimmt werden, welder zur Grundlage haben foll, daß
alles;das, was einen Theil des ehmaligen Bißthums Bafel umd des Fürften-
thums Bruntrut ausmachte, auf immer mit dem franzöfiichen Gebiet vereinigt
bleiben wird, jo wie alle ſchweitzeriſche Zwijchenländer, welche fih in den
Departementen des Überrheins und des Mont-Terrible eingejchloffen finden;
mit Vorbehalt der Gegenabtretungen oder Austaufchungen, welche zur voll:
fommenften Berichtigung der erwähnten Grenzen von Baſel bis Genf unum-
gänglich nöthig wären, und den jchon vollftändig ausgeführten Vereinigungen
mit dem franzöfiichen Gebiete nicht entgegen ftühnden.
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Art. 5. Um den Verkehr der frangöfifchen Republif mit dem füdlichen
Zeutijhland und mit Jtalien zu fichern, wird ihr der freie und immer-
währende Gebrauch zwoer Handels- und Kriegsftrajjen zugejtanden
werden, deren die eine durch den Norden Helvetiens den Ahein hinauf und
längs den weftlichen und ſüdlichen Ufern des Bodenſees hingehen, die andere
von Genf aus und durch das Departement von Montblanc, jowie dur das
Wallis ſich hinziehen wird, um an das Gebiet der cisalpiniſchen Republik zu
reihen, nach einer Richtung, welche beftimmt werden joll; auch ift man
übereingefommen, daß jeder Staat die nöthigen Arbeiten zur Vollendung diejer
Straffen auf feinem Gebiete vornehmen wird. — — —
Art. 14. Die beiden Republifen verpflichten ich gegenfeitig, den Aus-
gewanderten oder Hinausgejchaften beidjeitiger Nationen Feine Zuflucht zu
geſtatten; fie verpflichten fich gleichermafjen, bei der erften Aufforderung die
Perjonen der beidjeitigen Nationen auszuliefern, welche gerichtlich als der Ver—
ſchwörung gegen die innere oder äußere Sicherheit des Staates, des Tod-
ihlags, der Vergiftung, der Mordbrennerei, der Verfälſchung öffentlicher
Schriften und des Diebftahls mit Gewalt oder Einbruch ſchuldig erklärt
worden, oder als ſolche zufolge der von der rechtmäßigen Obrigfeit aus-
gefertigten Verhaftbefehle verfolgt werden. — — —
Art. 15. Es wird unverweilt zwijchen beiden Republifen ein Handels—
vertrag geſchloſſen werden, welcher auf die vollfommenfte Gegenjeitigfeit der
Vortheile gegründet jeyn ſolle. Bis dahin werden die Bürger beider Republifen
gegenjeitig, wie die begünftigteften Nationen behandelt werden.
Geſchloſſen, und unterzeichnet, Paris, den 2ten Fruftidor im bten Jahr
der franzöfiichen einen und untheilbaren Republik. (19ten Auguft 1798).
200. Schauenburg an General Iordi fiber die Ginnahme von
Nidwalden am 9. September 1798.
Aus dem Franzöfiichen. Bulletin officiel du Directoire Helvetique III. &. 410.
Bljegen 6 Uhr Abends waren wir vollkommen Herr dieser un-
ww glücklichen Gegend (des Tales von Stans), die zum grossen
li Teil vom Feuer verheert und verwüstet ist. Es war unmöglich,
RE der Wut der Soldaten Schranken zu setzen, weil mehrere
ihrer Kameraden auf verschiedenen Posten niedergemacht worden waren.
Wir haben viel Leute verloren, was bei der unglaublichen Hartnäckigkeit
dieser Menschen, deren Kühnheit bis zur Raserei ging, unvermeidlich
war. Mehrere Priester und leider! auch eine grosse Anzahl Frauen sind
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auf dem Platze geblieben. Alles, was Waffen trug, ist getötet worden.
Wir haben ungeführ 350 Verwundete. Es war einer der heissesten Tage,
die ich je gesehen. Man schlug sich mit Keulen. Man zermalmte sich
mit Felsstücken. Man kämpfte auf dem Wasser. Kurz man wendete alle
möglichen Mittel an, um einander zu vernichten. Wir hatten mehrere
Tausend Zuschauer, die von verschiedenen Kantonen herzugeströmt waren
und deren Haltung desto niedergeschlagener wurde, je mehr wir vor-
rückten. Ganz Unterwalden ist unterworfen. Ich werde am 26. [fructidor,
12. September] gegen Schwiz marschiren; wenn es Widerstand leistet,
werde ich dort ein eben so schreckliches Exempel statuiren. Die Papiere,
die mir in die Hände gefallen sind, beweisen, dass, wenn wir nicht über
diese Wahnsinnigen gesiegt hätten, der Aufstand in kurzem allgemein
geworden wäre; alles hing aneinander. Aber die Anstifter sind meist
umgekommen. Die Bauern selber, deren Augen endlich aufgegangen sind,
bringen mir auch die andern herbei. — Das helvetische Direktorium
hat mich um ein Kriegsgericht gebeten. Wenn unsere Regierung in seine
Bitte einwilligt, werden diese Ruhestörer den Lohn empfangen, den sie
verdienen. Ich hoffe, dass dies das letzte Stück Arbeit in diesem Kriege
gewesen ist. Alle diese Vorfälle sind bejammernswert! Ungerechnet
die einzelnen Entwaffnungen, haben wir 12 Kanonen und 6 Fahnen
erobert. Der Brigade-Chef Delpoint ist am rechten Arme verwundet.
Wir haben mehrere Offiziere verloren.
201. Der Regierungskommifär Ifchokke an den 8. Bengger,
Minifter der innern Angelegenheiten.
Stans, 20. Juni 1799.
Zſchokke, Denkwirdigfeiten II. 309,
... Ich habe das Waiſenhaus von Stang, diejes ehrenvolle Denkmal
ſchweizeriſcher Wohlthätigfeit feinesweges aufgehoben, jondern nur die Anzahl der
darin verjorgten Kinder vermindert. Auch mitten unter den Krieges-Stürmen
ſoll dieſe edle Anftalt erhalten werden; wenigſtens will ich nicht der fein, der
jie auflöft. Die ‚ungeheuern Einquartirungen, der Mangel eines jchiflichen
Plazzes zum Hofpital für die ranfen und verwundeten Vertheidiger des Vater-
landes, das ängſtliche Anfuchen der Eltern, welche bei der Nähe des Kriegs—
Theaters ihre Kinder zu fich zurüffoderten bis nad) verjchwundener Gefahr —
hundert andre Umftände mehr geboten die einftweilige Einfchränfung der
Anstalt jelbit.
Es find auf meinen ausdrüffichen Befehl nur ſolche Kinder entlafjen
worden, deren Eltern oder Verwandten dem B. Peſtalozzi oder mir jelbjt
bezeugten, daß fie diejelben für einige Zeit wohl verjorgen könnten. B. Peſtalozzi
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gab darauf jedem der Entlafjenen doppelte Kleidung, Wäſche, und einiges
Geld mit. Gegenwärtig befinden fich wirflich noch in der Anftalt zweiundzwanzig
Kinder beiverlei Geſchlechts. . . Die Kinder werden zur allerftrengjten Ord-
nung und Neinlichfeit angehalten. Sie empfangen Unterricht im Leſen,
Schreiben und in der Religion. Die ehrwiürdigen Väter Capuziner unterrichten
jelbft abwechſelnd.
Es ift für mich ein Feſt, diefe Kleinen in ihren reinlichen Zimmern bei-
einander zu jehn. Gejundheit, Frohfinn und Unſchuld lacht ihnen aus den
Augen. Der Anblick derjelben ift für die Wohlthäter, durch deren Milde dies
Waiſenhaus entftand, der rührendfte Dank, Der tugendhafte Peftalozzi hat
fih auch bier durch feine Thätigkeit ein umvergekliches Denkmal geftiftet.
202. Botfchaft des helvetifchen Direktoriums an den Großen
Bat in Betreff des Grziehungsweſens. 18. November 1798.
Republikaner II. ©. 265, mit einigen Varianten bei Hilty, PVorlefungen S. 632 ff.
Luzern, den 18. November 1798.
Bürger Gejezgeber!
Seit unferer Ernennung waren wir mit den umerläßlichiten Vorkehrungen
für die Befriedigung der dringendern Bedürfnifje eines unter den Waffen
und durch die Auflöfung aller vorigen Verhältniſſe entjtandenen Freiftaates
beichäftiget, und fonnten, unter dem Drang der Ereignijfe und der Pflichten,
welche auf unfere Eorge das erfte Anjpruchsrecht hatten, faum von Zeit zu
Zeit einen Nebenblid der ſchützenden Wachjamfeit auf die Volksſchulen und
höhern Erziehungsanitalten der helvetiichen Nation werfen.
Allein da jetzt unfere, auf die unverjährbaren Nechte der Menjchheit ge-
gründete Staatsverfaffung alle Hinderniffe überwunden bat, die Unwiſſenheit,
Fanatismus und Uebelgefinntheit derjelben entgegenjezten, jo dürfen wir auch
in denjenigen Theilen der Staatsverwaltung zu wirken anfangen, welche zwar
nicht Gegenftand unjerer erjten Sorge jeyn fonnten, aber gewiß Ihrem und
unfern Herzen am nächjten liegen.
Sie ahnden gewiß jchon, Bürger Gejezgeber, daß wir von dem öffent:
(ihen Unterricht und der Volksbildung jprechen wollen.
Rettung, Verbefjerung und Erweiterung unferer Erziehungsanftalten,
Erhaltung und Vervollkommnung der Veredlungsmittel unjrer Nation, find
heilige Mittel, die um jo viel wichtiger find, je näher ihre Erfüllung das
jegige und die kommenden Gejchlechter zugleich betrift, — und je gewiſſer
fie allein unfre Meitbürger ſowohl zum Vollgenuß ihrer wiedererlangten
Oechsli, Quellenbuch.
450
Freiheit Hinführen, als auch gegen alle fünftigen Eingriffe in ihre Rechte
fihern fann.
Kein Staat ift durch feine innere Einrichtung lauter aufgefordert, die
Ausbreitung müzlicher Kenntniffe unter allen feinen Bürgern und die Ver—
edlung des Nationalcharafters zum Hauptzwek der Bemühungen feiner Beamten
zu machen, als derjenige, deſſen Verfaſſung allen Bürgern gleihe Rechte zu-
jihert und den Zugang zu allen Stellen ohne Ausnahme öffnet.
In Yändern, wo nur einige oder wenige Familien jich das Recht an—
mafjen, Bormiünder und Führer der übrigen zu fein, iſt es begreiflich, oder
ſelbſt Vorſichtsmaßregel, daß der Volfsunterricht als Nebenjache behandelt
oder gar aus Furt der Aufklärung, mit welcher das Menjchengejchlecht
miündig wird, vernadjläffigt werde.
Aber da, wo die Volfsgunft jeden ohne Ausnahme zu den erjten Stellen
des Staates erheben und ihm einen Einfluß verjchaffen kann, der in den
Händen der Umwifjenheit oder des Eigennuges zum VBerderben de3 gemeinen
Weſens wird, da die Belehrung und Ausbildung des Volkes nicht zum
Hauptgefchäfte machen, heißt in der That, das Heil des Baterlandes auf die
unverantwortlichite Weife aufs Spiel jegen. Wenn das Steuerruder jedem
Schiffsmann nad) der Reihe oder irgend einem ohne Ausichlieffung eines
einzigen in die Hände gegeben werben kann, jo ift e8 ja der ganzen Mann:
ihaft daran gelegen, daß feiner ins Schiff trete, welchem es an Kenntniffen
und Tiichtigfeit zur Führung des Steuers gebridt.
Allein auch zum Wählen braucht es Einficht und Rechtichaffenbeit ; umd
wenn es wahr ift, daß die Bejorgung der öffentlichen Angelegenheiten eines
Volkes durch Stellvertretung, diejenige Staatsform ift, welche die Entwiklung
aller Menſchenkräfte und ihre Vervollkommnung ins Unendliche am wirkſamſten
befördert; jo iſt es nicht weniger auffallend, dak die Aufregung aller Yeiden-
ihaften und der Wettjtreit aller Talente, welche jene Negierungsart veranlaft,
nur durch allgemeine, gleihförmige und der Sittlichfeit günftige Volksbildung
fürs gemeine Beßte wohlthätig gemacht werden kann.
Sie werden aljo, Bürger Gejezgeber, es gewiß eine Ihrer angelegent-
lichjten Sorgen ſeyn laffen, für die Verbejferung und Erweiterung des Er-
ziehungswejens der Nation in Ihrer Weisheit zu jorgen, jobald die dringendften
Bebürfniffe der Gejezgebung und Verwaltung durch Ihre Beſchlüſſe befriedigt
jeyn werden. Ä
Allein noch bevor Ihr einen allgemeinen und umfafjenden Blid auf
alle Bildungsanftalten der helvetiihen Nation werdet werfen fünnen, jo ift
es durchaus notbwendig, durch einige vorläufige Einrichtungen denjenigen
Theil des Unterricht3 zu beleben, welcher bisher am meiften vernachläffigt
wurde. Es ift mur zu bekannt, in welchen elenden Zuftande ſich die Volks:
ſchulen fajt überall in Helvetien befinden. An vielen Orten find gar feine
451
Schulhäuſer; an andern find fie nicht hinreichend für die Bedürfniſſe des
Unterrichts, oder höchſt unbequem eingerichtet.
Die Schulmeifter find fchlecht bejoldet. Es fehlt ihnen an den Kennt—
niffen und Fertigkeiten felbft, welche fie ihren Yehrlingen beibringen follen ;
die Pehrgegenftände reichen feineswegs an die Bedürfniffe des Menſchen, der
jeine Würde fühlen, und des Bürgers, der feine Rechte kennen, feine Pflichten
erfüllen jol. Die Yehrart ift verfehrt, vernunftwidrig; die Schulzucht iſt
bald zu ftreng, bald zu nachläjfig und auf alle Fälle unzureichend. Die irre
geleiteten Begriffe des Volkes haben auch in dieſem Theile der gejellichaft-
lichen Berhältniffe unter dem Vorwande der Freiheit, Zügellofigfeit veranlaßt,
Frechheit erzeugt und Rohheit begünftigt.
Es ift dringend, daß diefen Mängeln abgeholfen umd die größten Lücken
des Volksunterrichts ausgefüllt werden. Dann erft, wenn unfere ausgebildeten
Mitbürger jehen werden, daß ihre Veredlung und ihr Menjchenwerth ums
am Herzen liegen, daß wir fie gerne in allen Kenntniſſen und Wiſſenſchaften
unterrichten, die wir jelbjt als höchjt wohlthätig und nüzlich durch eigenes
Studium fennen, wenn fie jehen, daß es uns nicht bloß daran gelegen tjt,
fie zu gehorjamen und ruhigen Untergebenen und zu tauglichen Werkzeugen
der Regierung zu machen, jondern, dag wir fie zur Selbftftändigfeit zu er:
ziehen, jie zum Selbitdenfen, Selbjturtheilen, Selbfthandeln und zur Selbft-
achtung, kurz zum Genuß eben der Vorzüge emporzuheben juchen, welche den
gebildetejten unter ung wahre Unabhängigfeit und mit frohem Selbftgefühl
ächte Freiheit verjchafften; dann erjt werden fie glauben, daß die Revolution
nicht blos ein von der Yaune des Glüks herrührender Herricherwechjel, jondern
eine wahre Wiedergeburt des Staates, eine Veränderung fei, welche auf das
allgemeine Behte und die Achtung gegen die Menſchheit berechnet war; erft
dann werden fie über die vorübergehenden Uebel, welche diefe Ummwälzung
veranlaßte, weg auf den bleibenden Gewinn jehen, welcher für ihre Nach—
kommen aus derjelben erwachjen muß.
Ihr werdet aljo, Bürger Gejeggeber, zuerft einen Unterricht veranftalten,
der alle Volksklaſſen umfaſſe und jeden Bürger des Staates bis auf den-
jenigen Grad der Einficht und Fähigkeit fortbilde, auf welchem er einerjeits
jeine Menjchenrechte und Bürgerpflichten genau kenne, und auszuüben verjtehe,
anderjeits im einem Beruf, der ihn feinen Mitbiirgern nothwendig macht und
ihm eine fichere Unterhaltsquelle eröffnet, mit Yuft zur Arbeit ohne Schwie-
rigfeit fortkomme.
Diefer bürgerliche Unterricht wird fo beichaffen fein, daß durch die
Art, wie die nöthigften Kenntniffe den Yehrlingen beigebracht würden, die
Seelenträfte ſelbſt geweckt und an freie ungehinderte Wirffamfeit gewohnt
werden. Er wird nach der Verjchiedenheit des Orts, der Hülfsquellen und
der Gejchiflichfeit der Lehrer mehr oder weniger umfaſſend jeyn und fich von
452
den Elementar- oder Landſchulen durch alle Grade, deren fie nach Beichaffenbeit
der Gemeinden und nach der Menge ihrer Hiülfsquellen fähig find, bis zu
volffommnern Realſchulen in den Hauptjtädten der Kantone erweitern. Mit
diefen Anftalten zur bürgerlichen Bildung werden Induſtrieſchulen in den-
jenigen Gemeinden verbunden werden, welche die Hülfsmittel dazu befigen.
Diefer bürgerliche Unterricht wird wohlfeil, für Arme unentgeldlic
und gleihförmig feyn müffen. Sein Zwek ift, die Gleichheit der Rechte
gegen die Ungleichheit der Deittel, welche jene immerfort bedroht, müöglichft
zu fichern und den Bürger mit feinen Mechten und Pflichten vertraut zu
machen, denjelben auch in Stand zu jegen, fie mit öffentlichem und Privat:
vortheil auszuüben. Wer denfelben nicht genoffen haben wird, oder die Kennt-
niffe und Fähigkeiten fich nicht jonft erwarb, die er dem Bürger zu ver-
ſchaffen beftimmt ift, jollte weder im den Urverfammlungen noch in irgend
einem Amte zum Dienfte des Staates zugelaffen werden. Denn wodurch
fann jeinen Mitbürgern wahrſcheinlich oder befannt ſeyn, daß er die Fähigkeit
und den Willen habe, feine Rechte zu ihrem Beßten auszuüben, wenn er
diefe Gewährleiftung nicht aus den öffentlichen Bürgerfchulen mitbringt.
Allein neben dieſem allgemeinen bürgerlichen Unterricht ift eine gelehrte
Bildung zur Erhaltung und Vervollkommnung der gefellichaftlichen Verhält—
nifje nothwendig. Der Staat fann es nicht aufs Gerathwohl und auf die
Privatinduftrie feiner Bürger anfommen laſſen, ob ich gejchifte Baumeijter
und Ingenieurs, einfichtsvolfe und forgfältige Aerzte, gewiflenhafte und auf:
geflärte Sitienlehrer, helldenkende Gefezgeber, fähige Regenten, jachfundige
Richter umd in aufferordentlichen Umſtänden erfindungsreiche Künſtler oder
ſinnvolle Gelehrte vorfinden werden, die dem jedesmaligen Bedürfniß auf
eine befriedigende Art abhelfen oder den Staat aus der Verlegenheit durch
neue Gontributionen und paffende Vorfehrungen ziehen. Nächftdem ift es
unleugbar, daß Stilljtand Rükſchritt iſt, und daß der Unterricht, wenn er
nicht beftändig vorwärts rüft und ſich mit den wachjenden Bedürfniffen er-
weitert, in Verfall geräth. Alſo werden Männer erfordert, die aus der
Sphäre ausgebreiteter und gründlicher Gelehriamfeit den populären Belehrungs-
anjtalten immerfort neuen Nahrungsftoff und friiche Säfte zuführen.
Ihr werdet aljo, Bürger Gejezgeber, eine zweite Klaſſe von Yehr:
anftalten möthig erachten, Anftalten zum gelehrten Unterricht oder zur po-
litiſchen Bildung, durd welche die ausgezeichneten Köpfe ausgebildet und in
den Stand gejezt werden können, dem Staate in irgend einem Zweige öffent-
licher Arbeiten, als Werzte, Nechtsgelehrte, Sittenlehrer, Beamte, Künſtler,
Ingenieurs u. j. w. zu dienen,
Zur Erlangung diejer Gejchitlichfeit bedarf es mannigjaltiger Vorfennt-
nifje und Vorrüdungen, die eine bejondere Art von Schulen, Gymnajien,
erfordern. In dieſen Vorbereitungsanftalten werden zwar zum Theil die
453
nämlichen Yehrgegenftände vorgetragen, welche in den Bürgerjchulen vorfamen,
aber wifjenjchaftlich behandelt, aus ihren Gründen hergeleitet, und mit mehr
Sorgfalt erläutert.
Der Yehrling erhält in denjelben den Vorrath von “deen und den Grad
von Vernunftbildung, welche er zum leichten umd fruchtbaren Erlernen irgend
einer von jenen Gejchiklichfeiten, ohne die fein Gemeinwejen beftehen und ſich
vervollfommmen fann, nothwendig mitbringen muß.
Unglaublih viel an Zeit und Sraftaufwand wird dereinft gewonnen
werden, wenn aus jenen Vorfchulen oder Gymnafien alle Yehrbegriffe und
Uebungen verbannt ſeyn werden, die nicht bloß vorbereitend find, und alle
angewandten Wiffenjchaften für den höhern Unterricht einer Centralſchule
aufbewahrt werden.
Diefe Schule wäre ein allumfaffendes Inſtitut, worin alle nüzlichen
Wiffenfhaften und Künſte in möglichjter Ausdehnung und Bollftändigfeit
gelehrt und durch die vereinten Nationalfräfte von den reichften Hülfsmitteln
umringt würden. Aus diefer Anftalt gienge ein Ausſchuß der fähigften und
verdienteften Männer hervor, welche ganz den höhern Wiffenjchaften umd der
Erweiterung des Gebiets menjchlicher Einfiht und Kumftfähigkeit lebten. Da
würfe niemand die Frage auf, wozu diefe oder jene Unterſuchung nüte?
Den Forfhungen würde feine Grenze gejteft, weil man fich erinnerte, daß
ohne Yavoifiers Erfindungen der fränfifchen Nation das Werkzeug ihrer Ber:
theidigung und des Triumpfs über die Feinde der Freiheit gefehlt hätte.
Die Schule, worimm der junge Bürger eine aus jenen Geſchiklichkeiten
zu öffentlicher Arbeit erwirbe, müßte eine einzige für ganz Helvetien fein.
Die Gründe diejes Vorfchlages, Bürger Gefezgeber, werden Ihrer Einficht
und Waterlandsliebe nicht entgehen. Die Grundlagen unſrer Verfaffung,
bejonders das Bedürfnif der Einheit in Grumdjägen und Gefinnungen, deuten
alle auf eine jolche einzige Univerfität oder Gentralanftalt hin.
Die unglüfliche Trennung der Kantone, und der Geiſt der Ausjchlieffung
und des Eigennutzes haben zu tiefe Wurzeln gejchlagen, als daß ihre gänz-
liche Ausrottung durch irgend ein anderes als das langjam aber ſicher mir:
fende Mittel einer öffentlichen, allgemeinen und gleichförmigen vaterländifchen
Erziehung bewerfjtelfigt werden könnte. Die jungen Helvetier, welche fich
irgend einem Zweige öffentlicher Arbeiten zu widmen gedenfen, müſſen aus
allen Gegenden der Republik in einer Gentralanftalt zujammenftrömen. Hier
werden fie unter den Augen der Nation zu ihrer Beftimmung heranreifen.
Hier werden fie in den “Jahren, wo der Kopf für Belehrung, das Herz
für freundfchaftliche Gefühle offen ift, mit Jünglingen der verfchiedenften
Kantone und Kulturgrade Verbindungen eingehen, und aus dem gemeinjchaft:
lien begeifternden Unterrichte aufgeflärter und patriotijch gefinnter Yehrer
Grundfäge und Entjchlüffe wieder nach Haufe tragen, welche bald in die
454
entlegenften Thäler unferes Vaterlandes Einheit der Abfichten und Gefinmungen
verbreiten müſſen.
Die fähigften Jünglinge werden, wenn fie dürftig find, aus den Bürger:
ichulen auf Kojten der Nation in die Gymnaſien verpflanzt; und aus dieſen
die vorzüglichern Köpfe nad) der Centralfchule gejchift werden, um fich da
unter öffentlicher Aufficht in Bereinigung mit der Blüthe der helvetifchen
Jugend, zum Dienfte des Baterlandes in allen Zweigen gemeinnüziger Ar:
beiten auszubilden.
Die Nation wird bei Wahlen öffentlicher Beamter nicht mehr verlegen
feyn, auf welche Männer fie ihre Wahl fallen laſſen wolle.
In den Jünglingen, die ihre Bildung auf der vaterländiichen Central-
ſchule erhalten haben, wird fie die Einficht und Fähigkeit antreffen, welche
fie von ihren höhern Beamten fordern muß, und deren Garantie fie nur in
dem Umftand finden fann, daß derjenige, dem das Wohl der Nation anver-
traut wird, auf der Nationallehranftalt ſchon Proben feiner Gejchiklichkeit
und Denfart öffentlich gegeben habe.
Diefes Inſtitut wird der Brennpunkt der intellektuellen Kräfte unferer
Nation, das Verjchmelzungsmittel ihrer noch immerfort beftehenden einzelnen
Völferfchaften und der Stapelort der Kultur der drei gebildeten Völker jeyn,
deren Mittelpunkt Helvetien ausmacht.
Es iſt vielleicht beſtimmt, deutjchen Tiefjinn mit fränkiſcher Gewandtbheit
und italiäniſchem Geſchmack zu vermählen, und den Grundjägen der Nevolution
durch ihre Bereinigung mit den Yehren einer Ehrfurcht gebietenden Recht—
ichaffenheit ummiderftehbaren Eingang in die Herzen der Menſchen zu ver:
ſchaffen.
Denn mit allen dieſen Anſtalten zur techniſchen Bildung unſrer
Mitbürger muß der moraliſche Unterricht gleichen Schritt halten; Kräfte
wecken, entwikeln, üben, Fähigkeiten nähren, Fertigkeiten erzeugen, reicht zur
Ausbildung des Menſchen nicht hin. Es muß auch für den guten Gebrauch
dieſer geſchärften Werkzeuge, für die Toohlthätige Richtung jener Kräfte geſorgt
werden. Bildung ohne Veredlung iſt nur die Hälfte der Erziehung. Nebſt
Unterrichts- und Bildungsmitteln ſind Anſtalten zur Entwiklung und Schär—
fung des ſittlichen Gefühls nicht weniger nothwendig.
Wir fühlen es wohl, Bürger Geſezgeber, daß dringendere Geſchäfte Ihre
Aufmerkſamkeit noch einige Zeit von den Angelegenheiten der öffentlichen Er-
ziehung abziehen müffen und daß die Umſtände es noch nicht erlauben, an
die Ausführung eines jo umfaffenden Plans als der oben nad) jeinen Haupt-
umriffen gezeichnete ijt, in diefem Augenblide zu denken.
Allen etwas muß gethan und wenigſtens einige vorläufige Maafregeln,
welche zugleich den Weg zur künftigen, leichtern und ſchnellern Vollziehung
—— 5 mn ur ni
Ä m,
455
jenes oder eines ähnlichen Entwurfs anbahnen würden, müffen zur Abhel—
fung der dringendften Bebürfniffe jchleunigft genommen werden.
Unter diejen verdient das einer befjern Einrichtung und freigebigern
Unterftügung des Yandichulenumterrichts die erjte Stelle,
Zwar mwinjchten wir, Bürger Gejezgeber, daß es Ihnen gefallen möchte,
durch ein bejonderes Dekret die Nothwendigfeit der Errichtung eines National:
injtituts der Künfte und Wiejinfchaften vorläufig anzuerkennen, und
dem Bollziehungsdireftorium die Sorge fir feine Bewerfjtelligung aufzutragen.
Es wäre das wirfjamfte Mittel zur gänzlichen Zerftörung des Föderalismus
und zur reellen Einführung unſrer Stonftitution; e8 würde uns in den Augen
aller Menjchenfreunde heben, und unjrer Revolution einen Charakter von
durchgedachter Planmäßigfeit und humaner Philofophie geben, der ihr die
Achtung aller Freunde der Aufklärung und der Kulturfortichritte unſers Ge—
jchlechtS abgewonnen; e3 würde endlich die Organifierung des ganzen Erziehens-
wejens ungemein erleichtern. Wenn einmal der oberfte Punkt feftgejezt ift,
jo lafjen fich die Stufen, die zu demfelben hinführen follen, leichter und ge:
nauer bejtimmen. Denn dieje find Mittel zum Zwecke, und diefer muß an—
gemwiejen jeyn, wenn jene darnach berechnet werden follen.
Das Yuftitut würde Yehrer und Werkzeuge zur Organifierung der untern
Anstalten berbeifchaffen und eine belebende Aufficht über diejelben verbreiten.
Wäre nur die Nothwendigfeit desjelben, dem Prinzip nad), von dent Gejez-
geber anerkannt, jo würde diefer Ausspruch ſchon hinreichen, den Grund dazu
jogleich zu legen.
Allein ein weit dringenderes Bedürfniß noch als die Errichtung der
polytechnijchen oder encyklopädiſchen Schule, ift die Verbeſſerung des erften
Unterrichts der jungen Bürger auf dem Yande,
Der rettende Arm des Baterlandes muß ſich zuerjt nach diefen lallenden
und hülfloſen Zöglingen der Natur ausftreden: die Sorge für fie iſt Die
Schuld, die es zuerſt abtragen joll.
Der Elementarunterricht in den Bürgerjchulen follte fich freilich auf alle
Kenntniffe und Uebungen erjtreden, ohne welche der Menſch nie zum vollen
Gefühl feiner Würde und Beftimmung, der Bürger nie zur genauen Kenntniß
jeiner Rechte und Pflichten gelangt; er follte die phyſiſchen, intelleftuellen
und moralijchen Sträfte des Syünglings bis zur Gründung der Selbftftändigfeit
ausbilden. Er ſollte denfelben in Stand jegen, das Maaß feiner Talente
zu jchägen und ihn zu demjenigen Beruf gehörig vorbereiten, der feinen
Fähigkeiten am angemeflenften und zugleich für jeine Bebürfniffe hinreichend
wäre Er müßte demnach, auffer einer genauen Anleitung zum richtigen
Leſen, Sprechen und Schreiben in der Mutterſprache und Rechnen, ſich über
die Anfangsgründe der franzöſiſchen Sprache für das deutjche, der deutichen
für das franzöſiſche und beider Sprachen für das italienijche Helvetien, über
456
die Planimetrie, einige Kenntniß der Naturgefchichte, der Phyſik, Geographie
und Gejchichte, die nüzlichiten Gewerbe und Handwerfe, den Bau des menſch—
lichen Körpers, feine VBerrichtungen und die nothwendigiten Gejundheitsregeln,
über die Hauswirthſchaft und die Buchhaltung, die Konftitution, die wichtigiten
Geſeze, die gejellichaftlichen Verhältniſſe und die Moral verbreiten.
Denn jeder Menſch joll ja zur Humanität, d. i. zum leichten und
fittlihen Gebrauch feiner Kräfte in allen feinen Verhältniffen ausgebildet
werden.
Der Staat iſt nur Mittel zu diefem Zwek, und foll dem Bürger zu
jeiner Erreichung verhelfen, alfo zur Bildung feiner phyſiſchen Anlagen, feiner
finnlihen Vermögen, feines Verftandes umd jeines Willens, zur Kenntniß
jeiner Verhältniffe zur Natur, zur Gejellichaft überhaupt und zum Staate
insbejondere, damit er dieſe Verhältniffe zu feinem Zwek bemugen könne.
Allein diefer Plan ift vor der Hand unausführbar und wird es noch
lange bleiben! das vorhandene, jo mangelhaft und dürftig es ift, muß als
der Keim behandelt werden, aus dem eine forgfältige Pflege nach und nad)
etwas bejjeres entwideln jolt.
Die Nachrichten, welche wir über die Fähigkeit der groffen Mehrheit der
Landſchullehrer und die Hülfsmittel des Unterrichts eingezogen haben, erlauben
uns in diefem Augenblide nicht, unſere Wiünfche für Unterftügung und Ver—
befferung der Volksſchulen über die engen Grenzen des folgenden Plans
auszudehnen, welcher fich auf Yejen, Schreiben, Nechnen, die Anfangsgründe
der Mutterjprache, die Kenntniß der Konftitution, einige Lebungen des Ge—
dächtniffes und der Lirtheilsfraft, vermittelft eines einzuführenden Yejebuchs
und ausführlichen moralijchen Unterricht einfchränft, und den wir hiemit Ihrer
einfichtsvollen Prüfung vorlegen.
Nur noch das Verlangen fünnen wir, Bürger Gejezgeber, nicht unter:
drüden, daß Sie uns begwältigen, diefen Plan für diejenigen Gemeinden zu
erweitern, wo die Hülfsmittel und die Yehrer diefe Ausdehnung fordern oder
geitatten.
Republifaniicher Gruß.
Der Präfident des vollziehenden Direktortums :
Yaharpe.
Im Namen des Direftoriums:
der General -Sefretair, Moufjon.
457
203. Die Ginfegung eines helvetifchen Mationalfeftes.
Flugblatt, Stadtbibl. Wintertur.
Puzern, den Tten Merz 179.
Freyheil. Gleichheit,
Im Namen
der belvetiihen einen und untheilbaren Republik,
Geſetz.
Luzern, den A4ten Mer; 1799.
Der große Rath, nachdem er feine Commiſſion über die Vollziehung des
Gefeges von 8. Hormung das Nationalfeft vom 12ten Aprill betreffend, an-
gehört ;
In Erwägung, dak am 12ten Aprill von den Stellvertretern des Volls,
die Einheit, Untheilbarfeit und Unabhängigfeit der helvetiſchen Republik profla-
mirt, und die repräjentative Verfaffung in Thätigfeit gebracht, umd diefer Tag
zu einem beftändigen Nationalfet eingeſetzt wurde ;
In Erwägung, daß Volfsfefte nicht leerer Prunf und Schall, jondern
bedeutend und zweckmäßig jeyn ſollen;
In Erwägung, daß fie der befte Anlaß find, Verdienſte zu belohnen,
Tugend zu ehren, und Baterlandsliebe fortzupflanzen ;
In Erwägung, daß fie mit Gejchmad, aber einfach, ohne große Unfoften,
würdig und fröhlich jollen gefeyert werden,
Hat, nad erflärter Urgenz,
; Beſchloßen:
1. Den 12ten Aprill ſoll in allen Gemeinden Helvetiens das Feſt der
einen und ımtheilbaren Republik und ihrer Unabhängigkeit gefeyert werden.
2. Am Alten des Abends, nach Sonnenuntergang, jollen in den Ge—
meinden, wo fich Artillerie-Stücde befinden, drey Vorbereitungsihüffe gethan
werden.
3. Den 12ten, Morgens, bey Aufgang der Sonne, jollen Freudenſchüße
geichehen, alle Gloden geläutet werden, und an allen ſchicklichen Orten die
Nationalfarben wehen.
4. Ungefähr eine Stunde hernach, oder wie es die Umſtände erlauben,
find alfe Glaubensgenoſſen der verichiedenen Religionen eingeladen, einem dem
Anlage anpajjenden Gottesdienfte beyzumohnen.
458
5. In dem Hauptorte der Republif wird fich der große Nath um 8 Uhr
zu einer feyerlichen Situng verjammeln. In derfelben wird der im vorigen
Jahr fürs Vaterland geichehenen ausgezeichneten Thaten, ehrenvolle Meldung
gejchehen. Der Präfident und einige andere Mitglieder werden furze umd
pajjende Reden halten.
6. Der Senat wird fi) um 10 Uhr verfammeln, und feyerliche Situng
halten, wie der große Rath.
7. Es folf ein ausgezeichneter Ehrenplak für die fremden Minifter, im
Innern beyder Rathſäle bereit jeyn, und diefelben zu den Sigungen eingeladen
werden.
8. Um 12 Uhr ſoll das Vollziehungs-Direktorium die Feyerlichfeit be-
geben. Sein Präfident wird den in Thätigkeit gejegten Vaterlandsvertheidigern
die Fahnen öffentlich überreichen. Die übrigen Umftändlichkeiten für dafjelbe
jind jeinen eignen Verfügungen überlaffen.
9. In der ganzen Republit joll die Jugend, welche im Fall ift, die
Waffen zu empfangen, fie diefen Tag öffentlich empfangen, nachdem die Greife
iiber 60 Jahre fie werden vor dem Altare des Vaterlandes niedergelegt haben.
10. Hernach treten jchöne, gefittete Mädchen, in reinlichem einfachen An-
zuge hervor, und bieten Blumen-Kränze und Sträufe den künftigen Siegern an.
11. Die Knaben erjcheinen beym Feſte in Feyerkleidern, von ihren Yehrern
begleitet.
12. Das wirdige Alter, umd Bürger, die jich im verwichenen Jahre
durch vorzügliche Thaten fürs Vaterland ausgezeichnet haben, erhalten Ehren-
pläge am Feſte.
13. In den Gemeinden, wo grobes Geſchütz vorhanden ift, ſollen Salven
geichehen; die bewaffnete Mannjchaft ericheint in den Waffen, die öffentliche
Beamten in ihrem Coſtüme.
14. Die Feyerlichkeit jolle jo viel möglich unter freyem Hipimel begangen
werden,
15. Das Feſt foll, wo es die Umftände begünftigen, mit Mufit und
Geſang belebt, und mit fröhlichen Tänzen beſchloßen werden.
17, Männer ohne Bürgerfinn, Weiber ohne Sittſamkeit, feige Jünglinge
und ungerathene Kinder dürfen zu Dane bleiben,
18. Diejes Geſetz ſoll fogleih gedrucdt, in der ganzen Nepublif befannt
gemacht, und wo es nöthig ift, angejchlagen werden,
Der Senat an das Bollziehungs: Direktorium.
Der Senat der einen und untheilbaren Republik Helvetiens hat den
hievor enthaltenen Beichluß des groſſen Rathes in Erwägung gezogen und
genehmigt.
459
Das Vollziehungs-Direktoriun bejchlieft: daß obftehendes vom großen
Math am Aten Merz beichloßenes, und vom Senat den Tten gleichen Monats
1799 beftätigtes Geſetz gedruct, publizirt, vollzogen, und die Original-Afte
mit dem Siegel der Republik verwahrt werden ſolle.
Zu druden und zu publiziren anbefohlen.
Der Minifter der Juſtiz und der Polizey.
204. Die Schlacht bei Zürich. 25. und 26. September 1799.
„Die Tage des Schredens“ von David Heß, veröffentlicht von J. Bächtold ım der
Einleitung zu „Joh. Caſpar Schweizer”. S. XLIV ff.
David Heß (1770—1843), der Verfaſſer der „Badenfahrt“, des „Salomon Landolt“
und des „ob. Caſpar Schweizer“, befand fih während der zweiten Schlacht von Zürich
auf feinem mitten in der Aktion gelegenen väterlichen Gute „Bedenbof“ in Unterjtraß und
verewigte feine Erlebniffe während jener „Tage des Schredens“ in nachfolgender draitiicher
Schilderung.
Schon jeit vierzehn Tagen hieß es: bald muß es endlich etwas Neues
geben. Die Armeen werden nicht ewig fo unthätig vor einander über ftehen
bleiben. Die Deftreicher, die nicht anbeißen wollten, find abgezogen, die Ruſſen
haben feine hemmenden VBorjchriften von ihrem Hof wie jene, der englijche
Gejandte, der immer vorwärts möchte, hat direkten Einfluß auf fie; endlich
müſſen fie doch zeigen, dak fie da find, müſſen fich auch ihren Theil Ruhm
erwerben, wie ihre Brüder in Italien unter Sumarow. Yord Mulgrave ! hatte
Wikham? gefchrieben, dak Suwarow den 14ten in Airolo eintreffen und über
den Gotthard ſich mit der Armee in der Schweiz vereinigen würde, um einen
Hauptichlag zu bewürfen. St. George ?, der mir immer über alles, was ge-
ſchehen follte, Winke gab, hatte mich auch von einem wohl combinirten Angriff
benachrichtigt, der erfter Tagen von allen Seiten auf die Franzoſen gefchehen
jollte — alles war voll der größten Erwartung.
Dienftag Abends kam Wikham, deſſen Geficht immer der Barometer der
Geſchäfte iſt, fröhlich heim. „Morgen,“ ſagte er bei Tiſch, „geb’ ich der ruſ—
jichen Generalität ein großes Gaftmahl und übermorgen,“ fuhr er lächelnd
fort, „werden Sie früh aufgewect werden und etwas hören.” Wir legten uns
1 Engliſcher Mmiſter. — 2 Der engliſche Geſandte bei der Armee der Verbündeten.
Derjelbe hatte bei Heß im Bedenbofe Quartier genommen. — * St. George, ein mit Heß
befreundeter Waabdtländer, war Yegationsfelretär bei Wilham,
460
rubig jchlafen, fanft eingewiegt von dem Gedanfen, daß endlich einmal die
Armeen vorwärts rücden und uns wieder frei athmen faffen würden.
Am Mittwoch, Morgens um 6 Uhr ungefähr, erwachte ich von einigen
Kanonenſchüſſen, die ziemlich weit von der Limmat herauf tönten. Bald nachher
fielen mehrere. Sollte es heute jchon anfangen? — jagte ich zu Nettchen
[Frau Heß], das ſchon verfchiedene Schüffe früher als ich gehört hatte, und
unfer Wunſch für den glüclichen Ausgang der Sache war Gebet. Daf aber
das Schießen von der Yimmat herauf Fam und nicht auf allen Vorpoften zu
hören war, fam mir jonderbar vor, und da Wifham Abends zuvor jo beſtimmt
gejagt hatte, der Angriff werde den 26ten geichehen, er, der es durchaus wiffen
mußte und feine Mahlzeit auf heut’ eingerichtet hatte: fo ftieg der Gedanke
in mir auf, die Franzoſen fünnten das Prävenire gejpielt haben, die feinen
Füchſe! Es war ein dicker Nebel, man konnte nichts fehen.
Alles war im Haus bald wader. Wikham lieh ich gegen feine Gewohn—
beit das Frühſtück in's Zimmer bringen und ritt jogleich nachher gegen Höngg,
indeß St. George, der faft die ganze Nacht aufgeblieben war, noch an Depeichen
arbeitete. Das Feuer ward bald heftiger und fieng auch auf der Wolfishofer
Seite an. Der Nebel vertbeilte fich ein wenig, man fonnte die Ruſſen in den
Weinbergen der Enge unterjcheiden und an dem Hin- und Herwallen des
Rauchs den Gang des Waffenglüds beobachten, das immer zweifelhaft war.
Segen 9 Uhr fam Obrift Roll von Höngg herauf und berichtete uns,
was ich jchon lang vermuthet hatte, daß die Franzoſen angefangen hätten, und
— was mich gar nicht erbaute — daß fie jchen früh bei Dietifon über
die Yimmat marjchiert feten, ohne daR es den ruſſiſchen Vorpoften möglich ge:
wejen jei, fie zu hindern, ihre Brücke zu fchlagen. Bald nachher fam Wikham
auch zurück, machte nicht viel aus der Sache, beftand darauf, er wolle feine
Mahlzeit geben, feine Frau könne ganz ruhig nad) der Stadt fahren, um noch
die nöthigen Anftalten zu treffen, und jchien es fat übel nehmen zu wollen,
als wir riethen, fie würde beffer thun, bei ung zu bleiben, weil fie von hier
aus einen Vorfprung hätte, wenn die Sachen jchlimmer giengen. Er jette ſich
wieder zu Pferd und gab feiner Frau Nendezvous in der neuen Wohnung in
der Stadt.
Unterdeijen hatten die Nuffen den Feind wieder gegen den Sihlwald
zurücgedrängt; hingegen famen von unten herauf eine Menge ruffiiche Ver:
wundete bei uns vorbei, das mir außerordentlich auffiel, und nur jelten waren
einzelne gefangene oder bfefjirte Franzofen dabei. Wir theilten Branntwein
und Brot aus, wobei uns der dazugefommene Zunftmeifter Irminger treulich half.
Indeß wir uns mit den Verwundeten abgaben, hatte Madame Wikham
ihre Sachen vollends in Ordnung gebracht und nahm gegen 11 Uhr Abjchied.
St. George war vorausgeritten. Das Telestop ftand auf der Altane gerichtet.
Nettchen jah gegen die Yimmat hinab und rief: da fieht man ein ganzes
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Corps von den rothen Tartaren. Ich jchaute auch umd erfannte auf dem
Weg, der von dem Fahr gegen Höngg binaufführt, eine Schwadron rother
frangöfifcher Hufaren, die zwei Kanonen dedte, welche nad jedem Schuß vor-
wärts rücten. Von diefem Augenblid an gab ich alle Hoffnung auf und war
überzeugt, daß wir binnen wenig Stunden wieder in franzöfiichen Händen
jein würden. Mein erfter Gedanke war, Nettchen in Sicherheit zu bringen... . .
Es foftete einige Ueberwindung, doch überwog der Drang der Umjtände und
meine Bitte; wir eilten nad) der Stadt, unter ficherem Geleit jah ich Nettchen
nad) der Wohnung ihrer Freundin gehen, und ich flog wieder heim, um da
noch die nöthigen Anftalten zu treffen; St. George fam mir bintendrein ge:
iprengt, raffte noch wichtige Gejandtichaftspapiere zuſammen, die beinahe wären
vergejjen worden, umarınte mich mit Thränen in den Augen und jagte wieder davon.
Als wir unfere beften Sachen ein wenig auf die Seite gejchafft hatten
und wir nun dem Speltafel paſſiv zujehen muRten, ward mir unausjprechlich
wehmüthig. . . . Schon jahen wir den Feind auf dem SHönggerberg, das
euer rüdte immer näher und einzelne Ruſſen poftirten fich ſchon in unſere
Wiejen. Ein lautes Hurrah! tönte die Gafje herauf, da fam das grün und
rojenrothe Dragonerregiment angefprengt, der brave engliiche Oberſt Steward
an der Spike. Er winfte und rief, er wolle noch das Aeußerſte verjuchen.
Eine BViertelftunde nachher fam er allein wieder zurüd und ſagte, er habe
feine Hoffnung mehr, der Feind ſei jchon zu weit vorgedrungen und die
Dragoner hätten nicht anbeißen wollen; und er hätte vergebens ihrem Oberſt
mit harten Worten zugeredet und feinen Stod beinah’ an den Yeuten zer-
ichlagen — wir jollten num unfere Thüren wohl verjchliegen und niemand
einlaffen. Ich drücte dem wadern Mann noch die Hand, er ritt weg und
wir ſchloſſen ung ein.
Jetzt näherte jich das Gewühl immer mehr; Kojafen und andere Reiterei
jagte durch unfere Allee, die Ruſſen jchoffen hinter den Bäumen und Hecken
hervor, die Kugeln hagelten von beiden Seiten her, im Haus mar nichts
mehr jiher und wir zogen uns in den gemwölbten Keller zurüd. Da hallte
das Gejchrei und Schieken, bejonders die Schüffe der gezogenen Stugen noch
ichredlicher herab. Von Zeit zu Zeit jchlichen wir uns hinauf und laufchten
durch die Riten der Fenſterladen. Die Ruſſen vertheidigten fich wie Yöwen,
aber ungejchict und ohne Gewandtheit. Sie zerftreuten fich zu viel und die
Offiziere wußten fie gar nicht vortheilhaft zu ftellen. Yange hintereinander
durfte niemand von ung droben bleiben, denn die Kugeln praliten überall an.
Noch begehrte zu gutem Glück feiner in's Haus zu kommen; fie hatten zu
viel mit dem Feind zu fchaffen, der ihnen noch auf den Eijen war, fonft
hätten fie vielleicht auch bei uns jolchen Gräuel begangen, wie in vielen
Häufern in unferer Nachbarichaft. Die Tolffühnheit, mit der fie fich Ichlugen,
fonnte ung jet in's größte Unglüd bringen. — — —
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Wie hätte ich jemals glauben fünnen, daß ich die Franken wieder herbei-
wünfchen würde? und das that ich doch jekt, da nichts anderes zu erwarten
war, und uns nur die gejchwinde Entjcheidung aus der fchredlichen Yage ziehen
fonnte, in der wir uns jeit einigen Stunden befanden. Es kamen verjchiedene
Male friiche Truppen aus der Stadt; wir hörten das wilde ruſſiſche Feld—
geichrei, aber jie fonnten jelten weiter vordringen als bis an die Spannweid,
vergebens wurden die Yeute zufammengetronmmelt — gegen 4 Uhr lief alles
ruſſiſche Volk durcheinander mit fürchterlichem Geheul die Gaſſe hinab, und
gleich hinter ihnen hörten wir das avance! avance! der Franzoſen und die
Trommeln, die den Pas de charge [Sturmjchritt] ſchlugen. Da find jie,
bieß es, und jegt mußten wir hinauf, und mußten fie empfangen und will-
fommen heißen, um nicht mißhandelt zu werden.
Ich hatte jchon zum voraus Wein genug heraufbringen lafjen; jobald
zum erjtenmal angejchellt war, öffneten wir und boten zu trinfen au. Das
that gute Wirkung und glüclicher Weife waren überall Offiziere voraus... .
Es fam eine Partie Trinkluftiger nad) der andern, doch hielten fie jich nicht
lang auf und begiengen feine Exzeſſe. Die Offiziere zweifelten, daß fie noch
denjelbigen Abend in die Stadt fommen fünnten. Die Kanonen fenerten noch
immer von den Wällen und man jehlug fich heftig vor den Thoren.
Wie es zu dämmern anfieng, zogen ſich die Franzoſen, immer fechtend,
wieder etwas zurück, verliefen unjer Gut, und mit Trommeln und Geheul
fündeten fi) die Auffen wieder an. Nur die einbrechende Nacht machte dem
Schießen endlich ein Ende. Die Franzoſen ſammelten fich auf dem Höngger
und Wipfinger Berge, wo fie große Feuer anzündeten. Der Yegebach trennte
beide Barteien. Alle umjere Yaden waren zugemacht, damit fein Yicht fichtbar
jei und Yeute herbeilode. Dem ungeachtet kamen einige ruffiiche Parteien,
Hopften und begehrten zu trinfen. Man reichte Wein aus dem Fenſter; da
Offiziere mit dabei waren, hielten fie fich ordentlich und nad 9 Uhr famen
feine mehr... . Um halb 10 Uhr fam Frau Loſer mit ihrer Tochter umd
dem Sohn durch den Garten herauf gelaufen, jchellten an und flehten um
Hilfe, die wir ihnen aber mit dem bejten Willen nicht geben fonnten. Be—
joffene Ruſſen waren bei ihnen eingebrochen, zerichlugen und plünderten ihnen
alles, verichlangen allen Branntwein, den jie noch fanden, und wollten die
Tochter mißhandeln. Da niemand ihre Sprache verfteht, und fich mit dieſen
wilden Beftien überhaupt nicht reden läßt, jo war auch nicht zu helfen. Die
Mutter gieng, vom buckligten Mattis begleitet, wieder zurüd; der Sohn, dem
fie jchen die Stiefel von den Beinen genommen hatten, folgte ihr bald nach,
und die Tochter behielten wir bei uns, weil fie doch bier vor Mißhandlungen
jiher war.
Draußen war alles jtille und aus der Ferne jchallte das Gejchrei der
Franzoſen vom Wipfinger Berg berüber, deren Feuer durd) die ſchwarze Nacht
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emporloderten, und bin und wieder fiel ein Schuß. Pers Haus durfte ſich
niemand wagen, denn es ſchweiften überall einzelne Marodeurs durch das
Gut. Es iſt unbegreiflib, daß feine in's Haus begebrten. So ſchlich die
traurige Nacht vorbei und ihre Stille verkündete deſto gewiſſer den folgenden
Stumm. — — —
So rubig es bei uns auf den Vorpeiten war, jo ſtürmiſch gieng es bin-
gegen in der Stadt zu. Es war ein Yärmen und Fahren an einem fort. Die
Verwundeten wurden in die Häufer getragen; überall mußten Yebensmittel
für die auf allen Straßen verſammelten Soldaten berbeigeichleppt werden, und
wo es nicht geichab, erfolgten Drobungen und Gewalttbätigfeiten. — Ich
legte mich auf den Sopha, voll banger Zorge auf den morgenden Tag: der
milde Schlaf wollte nicht bei mir einfebren, die innere Unrube trieb mich alle
Viertelitunden an's Fenſter und im Daus berum. Ich wußte, wie jest Nettchen
um mich beiorgt jein wirde. Ich hatte ihr feine Nachricht geben fünnen, die
Ruſſen liegen niemand durch. Ich befürchtete die Plünderung der Stadt von
den Franzoſen, wenn der Widerjtand noch lange dauern würde, und bätte fie
doch nicht herausholen fünnen; weder da noch dort war mit Gewißheit
Schonung zu erwarten.
Der trübe Morgen brab an. Beide Parteien mußten noch müde jein von
den Gräueln des vorigen Tages, denn es währte ziemlich lang, ebe jie wieder
über einander herfuhren. Nach fieben Uhr geihaben die erjten Schüſſe. ...
Die Ruſſen poftirten jih auf die Anhöhen und in die Weinberge, und die
Franzoſen griffen lebhaft an. Die Affaire zog ſich bald wieder in umjer Gut
und wir mußten im Seller Sicherheit juchen. Da ſaßen und ftanden und
giengen wir herum, wie Geilter in Grabgewölben. . .. Ich gieng mit den
beiden Knechten ab und zu auf Necognosziren durch die Nigen der enfter-
laden. — —
Unaufbörlih donnerte das Geſchütz und das Geichrei der wilden Rufen
ward immer gräßlicher. Zuweilen machten einzelne Vorüberjtreifende die Yaden
des Kellers auf und jpähten hinab; da fie aber vermutblich in der Dunfelbeit
nicht3 von uns erbliden konnten, machten jie wieder zu. Zumeilen hörten wir
oben Scheiben flingeln und die Erjchütterung der anprallenden Kugeln. . ..
Nach und nach fiengen einzelne Ruſſen an zu pochen und anzujchellen und
begehrten Branntwein. Wir liegen niemand berein und verrammelten die Thüre,
bis endlich gegen halb zwei Uhr Nachmittags ein ganzes Detajchement in den
Hof bereinftürmte und jogleich die Thüre einschlagen wollte. Ich lief mit den
beiden Knechten hinauf und öffnete. Der ganze Zchwall drängte jich berein,
ſchmiß, jtatt zu trinfen, die Deilcheimer um, die man ihnen mit Wein gefüllt
darreichte, und forderte ungeftiim die Oeffnung der Zaalthüre. Ich hatte den
Schlüſſel nicht bei mir und fürchtete, jie würden mir nachfolgen, wenn id)
binaufgienge, den Hauptichlüffel zu holen. Ich zudte die Achſeln und molite
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ihnen zu verftehen geben, daß ich nicht aufmachen könne. Da fuhren einige
wie wüthend über mich ber, fetten die Bajonette auf mid an und hätten mich
vielleicht ermordet, wenn ich ihnen, nun da alle Weigerung vergebens war
nicht gedeutet hätte, fie jollten die Thiüre einfprengen. Das geſchah auch jogleich
und ich mußte noch thun, als wollt’ ich dazu helfen. Im Saal mußt' ich
ihnen die Gartenthüre öffnen, fie jelbft machten auch die Nebenzimmer mit
Gewalt auf, umd erjt jetzt jah ich eigentlih, warum es zu thun war, da
Dffiziere dazu famen. Sie wollten fih nämlich in's Haus förmlich poftiren
und aus den Fenſtern jchiegen. Da gab ich alles auf. Ich glaubte alles der
Plünderung preisgegeben und erwartete, daß die Franzoſen Granaten hinein-
werfen würden, um das Haus anzuzünden, oder, wenn fie weiter vorrüdten,
uns beftrafen würden, weil aus den Fenſtern, freilich ohne unjere Schuld,
gejchoffen ward. Das alles konnte gejchehen. Ich lieh die Ruffen haufen und
gieng wieder in den Keller, meinem Vater zu jagen, was droben vorgehe. — — —
Beinahe eine halbe Stunde dauerte die jchredliche Erwartung, als die
beiden Knechte, die fich mit auferordentlihem Muth und jeltener Treue für
das Haus unter die wüthende Menge geworfen hatten, in den Seller herab-
famen mit der beruhigenden Nachricht, die Ruſſen jeien alle wieder aus dem
Haufe weg. Sie hatten wenig Schaden angeftellt. Den kryſtallenen Kronleuchter
im Saal hatten fie mit den Gewehren jorgfältig ausgewichen und verjchont ;
fo auch die großen Spiegel, in denen fie fich alle, wie Affen, wohlgefällig
betrachteten. Oben waren fie nur in der Marguerite Stube und Klammer ge-
wejen, hatten einiges altes Yeinenzeug, Faden und mir auf dem Söller einige
Schuhe und Stiefel weggenommen. Von Yampenöl und Eſſig, das fie auf
dem Ofen fanden, hatten fie ein gemijchtes Getränf gemacht und ſich damit
erfriicht. Sie jchoffen aus den hintern Fenſtern und wurden von den Franzoſen
auch wieder begrüßt, denn rings um die Fenſter fanden wir nachher von außen
die Yöcher der angepraliten Kugeln. Zum guten Glüd hatten die Franzoſen
feine Kanonen oder Haubigen in der Nähe, fonft wär’ e8 uns gewiß übel
ergangen. Endlich fam ein ruffiicher General, der deutich ſprach, angeritten,
ließ die Soldaten alle wieder herausjagen, vietb, die Thüren zu verrammmeln, was
auch jogleich geſchah, und jo waren wir umbegreiflich glücklih davon gekommen.
Jetzt ward der ruffische Widerftand immer ſchwächer, eine halbe Stunde
nachher wichen dieſe Thiermenſchen ganz; das „avance“! der Franzoſen
jchallte wieder vor dem Haufe und diesmal waren fie ung wirflich willfommen ;
denn die Scenen des Entjegens mußten doch endlich ein Ende nehmen. Wir
öffneten jogleich die Thüre und boten ungefragt zu trinfen an. Sei's dieſer
Empfang und die wirklich ungeheuchelte Freude über das Ende der Affaire
in unſerm Gut, die unverfennbar auf unfern Gefichtern zu lefen war, oder
ſonſt ein glückliches Ungefähr: furz alle Franzoſen, die anliefen, waren ziemlich
ordentlich für Yeute, die ich feit zwei Tagen gefchlagen und feit vier Monaten
der — — — —
u na nn
465
feinen Sold befommen hatten. Sie begehrten niemand etwas Yeids zu thun;
einige jelbft, das muß ich zu ihrem Ruhm geftehen, waren höflich und mır
ein paar halb Bejoffene wollten unbejcheidene Forderungen thun, die ihnen
aber von ihren eigenen Kameraden abgejchlagen wurden. Das ijt wahr, zu
trinfen befamen jie! Nicht in Gläfern, nicht in Flaſchen, jondern in großen
Zubern und Eimern, die fie oft anjegten, um dejto geichtwinder den Magen
zu füllen. Brot gab man ihnen, jo lang noch im Haus war, und als man
ihnen jagte, es jei alles aufgegefjen, weil die Rufen ſchon einen Theil davon
aufgezehrt hätten, jo gaben fie jich auch wieder zufrieden. In der Nachbar:
ihaft, befonders in Wipfingen, hatten fie viel geplündert und jo ein Marodeur
zwang uns, einen Stod und einen Degen zu faufen, die nachher aber der
Eigenthüner wieder befam, jowie ein Buch mit vergoldeten Schloffen, das
auch hier verfauft worden war. Einige begehrten Hemden, und da fie fich
jonft geichloffen hielten, wollte ihnen welche geben; mehrere aber folgten, und
wie ich über die Kommode gieng, nahmen jie, jedoch nicht eben mit Gewalt,
ungefähr anderthalb Dugend; dann ſchloß ich wieder vor ihnen zu und fie
führten fih ab. Wenn freilich die vielen, die unten beim Wein waren, den
Schlich gemerkt hätten, jo hätt' ich auch mehr eingebüßt; im Taumel aber
gaben jie nicht auf alles Acht, fie ſoffen ımd erzählten von ihren Siegen,
darüber vergaßen fie das übrige und feiner begehrte mehr hinaufzugehen. . ..
Das Tränken des Viehs dauerte ungefähr anderthalb Stunden, es famen
immer mehr Offiziere ımd mit ihnen auch mehr Ordnung, bis man zulett
die Unbejcheidenften abweifen und zulegt der ganzen Weinjchenfe ein Ende
machen fonnte, die jonjt bis Mitternacht fortgedauert hätte.
Fett verlangte mein Herz nach Nettchen. Die Stadt war offen; unter
dem fichern Begleit Bailleuls, eines befannten Chef de Bataillon, der bei uns
angeritten war, eilte ich über Trümmern und Yeichen dahin, und hielt nad)
der furzen, aber fürchterlich verhängnifvollen Trennung das geliebte Weib
wieder in meinen Armen. Es war ein Wiederjehen wie nad) einer Jahre
langen Trennung — es läßt jich nicht bejchreiben. ... . Jetzt erfuhr ih am
Morgen eine Menge Umftände, die uns Belagerten unbekannt geblieben wareı.
Die Hotziſche Armee an der Yinth war ebenjo wie die ruſſiſche geichlagen
worden. Bote jelbjt, der ehrwürdige Greis, ftarb, nachdem er tödtlich ver:
wundet noch in die Hände der Feinde gefallen war... . . Eine Menge von
unjern Bekannten waren todt, verwundet und gefangen. Die Divijion des
General Ye Courbe hatte jich zwilchen Suwarow und Hotze hineingeworfen,
und nun ftürmten die Franzojen am 26ten über Stäfa am See herunter, jo
daß die Ruſſen zwiſchen zwei Feuer kamen.
” Der Uebergang der Franzoſen über die Limmat geſchah außerordentlich
ſchnell und beweist die unverzeihliche Nachläſſigkeit der ruſſiſchen Vorpoſten,
die Dummheit der Offiziere und die Unbrauchbarkeit ihrer Artillerie. In der
Oechsli, Quellenbuch. 30
466
Nacht hatten die Franzofen ihre Pontons ganz leiſe herbeigeführt und eine
Menge Kanonen auf die ruſſiſchen Hauptpoften gerichtet. Mit Tagesanbruch
fiengen die Feuerſchlünde plöglih au, Kartätſchen über den Fluß zu jpeien.
Die aufgeichredten Ruſſen prallten zurüd und wollten mit ihren Kanonen
antivorten; die waren aber jo ungeſchickt vertheilt, daR jie dem Feind feinen
Schaden thaten; die Brüde war in wenig Zeit vollendet, die Franzoſen
jtinmten berüber, wurden ſogleich handgemein mit, den Ruſſen, die ſich jeist
mit rajender Tollkühnheit jchlugen, aber dabei jo ungeſchickt, daß die gewandten
Feinde ihnen einen Schritt nad) dem andern abgewannen ımd jie jo bis an
die Stadt zurücdrängten. Ebenſo ward das Yager bei Affoltern überrumpelt.
Korſakow bededte ſich in diefen zwei Tagen auf ewig mit Schande. Ein
Norporal hätte die Arınce beſſer führen fünnen. Als die Franzoſen ſchon über
die Yimmat waren, blieb er immer ganz ruhig, lächelte, machte feine Diſpo—
jittonen, jagte, er kenne jeine Yeute, er verlaffe jih auf fie und ließ nicht
einmal die jchweren Bagagen etwas rückwärts bringen, un die Wege im
Nüden frei zu haben. Zeine eigenen Sachen, jeine jilbernen Nachtgeſchirre,
jeine lächerlich brillanten Equipagen, das alles blieb uneingepadt, bis am
Mittwoch jpät in der Nacht jeine Yente, vernünftiger als er, Anftalt Dazu
machten. Am Donnerstag Morgen jollten endlich die Wagen über die Ford)
abgeführt werden, aber ſchon außer Hirslanden blieben die ſchweren unbehülf-
lichen Karren ſtecken, die Fuhrleute liefen zum Teufel und wenige Franzoſen
bemächtigten ſich auf verſchiedenen Auswegen der Stadt aller Kaſſen und Bor:
räthe der ganzen Armee, jowie des größten Theils der plumpen Kanonen.
Einzelne Huſaren befamen bei dieſem Fang viele hundert Youisd’or, Ordens:
bänder mit diamantnen Kreuzen und eine Menge Koftbarfeiten, die von ihren
Offizieren jogleidh aufgekauft wurden,
Korjatow war jchon um 12 Uhr am 26ten mit den Franzoſen in eine
Art von Unterhandlung getreten und hatte jich erflärt, er wolle jich zurüd-
ziehen, was aud) jogleich geichab. Dem ungeachtet ließ er jeinen Truppen, die
jih auf unver Zeite jchlugen, feine Nachricht davon geben, jo daß dieje noch
immer fortwütheten, ohne zu willen, daß der Feind jchen in der Stadt war,
der auch tüchtig von den Wällen auf unſer Haus und die ganze Gegend
tanonirte. Hätte Korſakow diejen unverzeiblichen Fehler nicht begangen, jo
wäre viel Nuffenblut geichent worden und wir hätten alle vingsumber viel
weniger gelitten. Wie er für jeine Perſon das Heil in der Flucht juchen
mußte, fannte er, der General, der ſchon jeit mehr als vier Wochen bier
fommandirte, feinen Weg und mußte ſich erſt noch zurecht weijen laſſen, um
aus der Falle zu kommen,
Die Ruſſen begiengen überall abicheuliche Graujamteiten. Sie jchenten
faſt gar feinem Gefangenen das Yeben. Als am Mittwoch Nachmittags mein
Schwager Neinbard zu uns herauskommen wollte und nicht durchgelajien
467
ward, traf er gleich vor dem Thor einen Trupp Koſaken an, die zwei ge-
fangene Franzoſen herbrachten; jie quälten und mißhandelten jie erjt, ließen
jie dann einige Schritte vorausgehen, ſpießten fie endlich mit ihren Yanzen
an den Boden feit und ermordeten fie auf die unmenſchlichſte Weiſe. Der arme
Zunftmeifter Irminger ward aud) ein Opfer ihrer Grauſamkeit. Wie die
Franzoſen am erften Abend. bis zu uns vorgedrüdt hatten, waren einige der-
jelben in Irmingers Neben gejehen worden. Wie die Ruſſen wieder Meijter
waren, erwilchten fie diefe Franzoſen, tödteten jie und klopften nun mit Macht
an Irmingers Haus an, wo fie vermuthlich noch mehr Feinde verfteckt
glaubten. Irminger, um jie zu befriedigen, fommt zur Hinterthüre heraus,
geht mit Brot und Wein in den Händen auf fie zu und die Barbaren fahren
über ihn bin; im nämlichen Augenblick befommt er einen Zäbelhieb über den
Kopf, einige Bajonettftihe in den Yeıb umd bleibt todt an der Ede jeines
Hauſes liegen. VBermuthlih hatten ihn die wüthenden Beftien für einen
Franzoſen angejehen, weil er, aus Vorſicht, die ihm freilich übel befam, jeine
blaue Commiſſariats-Uniform angezogen hatte. ALS jeine Frau aus dem
Haufe ftürzte und mit dem Gejchrei des Entjeßens über den Ermordeten her:
fiel, jchienen fie einiges Mitleid zu bezeugen. Ein Mann aus der Nachbar:
haft ward von jeiner Wohnung von ihnen weggejchleppt und beim weißen
Haus mit Kolben todtgejchlagen. Ein andrer, nicht weit von der Wohnung
des erjten, befam einen Schuß in den Arm, an dem er nachher ftarb, und
auch jein zehnjähriger Knabe war todt geichoffen. Im „Weinberg plünderten
jie alles aus und einer der Ihiermenichen, nachdem er dem Amtmann die
Uhr genommen hatte, z0g eine abgejchofjene Hand aus der Taſche, ſchlug ihm
diejelbe einigemal um die Naſe und ftecte fie dann wieder ein. Auch dort ward
der Lehenmann auf der Galerie hinterm Haufe todt gefunden. Kurz, überall
während der Affaire und auf dem Rückzug liegen fie Blut und Entjegen
zurüd und wiütheten unter dem Bolf, das fie zu befhügen taujend Stunden
weither gefommen waren, ebenjo wie gegen den Feind, — — —
Obgleich die franzöfiichen Generale ihren Soldaten bei ihrem Einbrud)
in Zürich die Plünderung nicht geftattet hatten, jo wurden doch beinah' in
alfen Häujern Gewaltthätigfeiten verübt, Geld, Yebensmittel und Wäſche ertrogt
und geftohlen, Thüren und Kaſten erbrocdhen, und wie in Feindesland gehaust
von den Brüdern, von den Freiheitsbringern. Die helvetiſchen Yegionen zeid)-
neten ſich bei diefen Gewaltthätigfeiten am meiten aus und raubten am un—
verjchämteften. Lavater, der janfte, fromme Yavater, der die wilden bejoffenen
Leute vom Einbruch in ein benachbartes Haus abhielt und bereits alles Geld,
das er bei ſich trug, hingegeben hatte, befam einen Schuß, der ihm kaum
eines Meſſerrückens breit außer den Grenzen der ummittelbaren Tödtlichfeit
durch den Yeib drang. Ein Bedienter neben ihm ward von der nämlichen
Kugel am Arm verwundet. Maſſena jelbjt und verjchiedene Ztabsoffiziere
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ritten durch die Stadt, um die Ordnung einigermaßen wieder herzuſtellen,
und wo ſie Plünderer antrafen, jagten ſie dieſelben mit Klingenhieben vom
Raub weg; aber dem ungeachtet geſchahen den erſten Abend und die ganze
folgende Nacht Exzeſſe aller Art und die trunknen Soldaten wurden erſt
nach und nach etwas ruhiger, nachdem fich der erfte Taumel etwas gejett
hatte.
205. Der franzöäfifche Gefandte Pichon an feine Regierung über
das Briegselend der Schweiz. 20. Hovember 1799.
Monnard, Geichichte der Eidgenofien III. S. 373.
«Sie haben wohl sagen hören, dass die Schweiz viel zu leiden habe,
und Sie zweifeln auch nicht daran; ich dachte mir das schon in Paris;
aber man macht sich kaum einen Begriff davon, welchen Grad das Elend
erreicht hat.
«Die kleinen Kantone sind eine Wüstenei; nach zwei Aufständen,
welche von 15,000 Franzosen mit Feuer und Schwert unterdrückt wurden,
sind die Wechselfälle des Krieges dort häufiger und verderblicher ge-
wesen, als sonst irgendwo. Das französische Heer ist nur binnen sechs
Monaten drei- bis viermal im Hin- oder Hermarsche zwischen Glarus
und dem Gotthard gestanden und hat da Dinge gethan oder gelitten,
die fabelhaft scheinen. Zwei oder drei Divisionen haben die Wege,
welche aus jenen Kantonen nach Bünden, an den Gotthard und zu den
andern Pässen nach Italien führen, in allen Richtungen und mehrere
Male gemacht. Der Soldat hat von den Vorräthen der Einwohner gelebt.
Da es beinahe unmöglich war, Lebensmittel an diese Punkte mit einer
den Bewegungen entsprechenden Raschheit hinzuschaffen, so musste man
anf Kosten des Landes leben. Was man nicht aus Mitleid gab, ward
mit Gewalt genommen. Da unsere Truppen keine einzige Ration aus
Frankreich erhielten, so war seit einem halben Jahre alles aufgezehrt
worden, ehe noch die Russen 25,000 Mann in diese verödeten Gegenden
warfen. Nur Urseren hat seit einem Jahre etwa 700,000 Menschen er-
nährt und beherbergt, was auf den Tag fast 2000 Menschen beträgt.
Die vom Schwert verschonten Einwohner mussten ihre Weiler im Stiche
lassen.
«Die wohlhabendsten Kantone sind durchweg von Requisitionen er-
drückt und erliegen unter der Last der Einquartierungen, der Unter-
haltung der Soldaten und Pferde. Ueberall mangelt es an Futter; überall
schlachtet man das Vieh: die Zugpferde sind zu Grunde gerichtet und
dem Ackerbau entzogen. Im Kanton Freiburg hat ein kleines Dorf seit
einem halben Jahre 25.000 Mann ernährt, welche während dieser ganzen
Zeit keine einzige Ration von den Republik erhalten haben.
«Bei einer so vollständigen Einstellung aller Leistungen unserseits
469
ist ein Heer von 95,000 Mann eine Geissel für Helvetien und Helvetien
eine Geissel für dieses Heer.»
206. Der Staatsftreidh vom 7. Januar 1800.
Flugblatt, Stadtbibl. Wintertur,
Freiheit. Gleichheit.
Im Namen der einen und untheilbaren helvetiſchen Republik.
Dekret.
Bern, den 7. Jenner 1800.
4] An Erwägung, daß das bisherige Vollziehungs- Direktorium eine
Menge unzweidentiger und beftimmter Beweife feiner Unfähigkeit
' gegeben hat, die öffentlichen Angelegenheiten zu führen ;
In Erwägung, daß insbejondere die Bürger Yaharpe, Secretan
und Oberlin ſich einer Verſchwörung gegen die National-Kepräfentation
ſchuldig gemacht haben, deren inconjtitutioneller und gefährlicher Zivef aus
den dem großen Rath vorgelegten Beweis-Schriften deutlich erhelfet ;
In Erwägung, dab die Wohlfahrt des Vaterlandes und die Erhaltung
der conftitutionellen National-Kepräjentation jchlechterdings nicht zulaßen, daß
die Zügel der Negierung länger in den Händen diefer Männer bleiben;
In Erwägung, daß die Bürger Direktoren Dolder und Savary und
der General-Zecretair Moufjon, dur ihre Standhaftigkeit allein, die
Ausführung jener gefährlichen Rathſchläge verhindert haben;
In Erwägung, daß der tramrige Zuftand der Nepublif und die beinahe
durchgängige Desorganifation der öffentlichen Gewalten, die Niederlegung der
Negierung in fähigere Hände nothwendig machen;
Hat der groſſe Rath, nad erflärter Dringlichkeit, beſchloſſen:
1) Das Vollziehungs-Direftorium ift von diefem Augenblid an aufgelöst.
2) Die Mitglieder deijelben bleiben für ihre Verhandlungen verant-
wortlich.
3) Den Bürgern Dolder und Savaryh iſt einzig die vollziehende
Gewalt übertragen, bis die geſezgebenden Räthe die neuen Wahlen gemacht
haben.
4) Die Bürger Dohder md Savary find bei Ihrer Verantwort—
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fichfeit beauftragt, die zur Sicherheit der Nationaf-Repräfentation umd zur
Erhaltung der öffentlichen Ordnung nöthigen Mafregeln vorzufehren.
5) Den Bürgern Dolder und Savary wird die pünftliche und
ſchnelle Bollziehung dieſes Defrets aufgetragen.
Der Senat an die vollziehende Gewalt:
Der Senat der einen und untbeilbaren Republik Helvetiens bat den
hievor enthaltenen Beſchluß des großen Raths in Erwägung gezogen und
genehmigt.
207. Bonaparte kündigt der Schweiz feine Vermittlung an.
30. September 1802.
Flugblatt, Ztadebibl. Wintertur.
Bonaparte, erjter Conſul der franzöſiſchen Republif, an die
XVIII Eantone der helvetiſchen Republik.
In St. Cloud den Sten Vendémiaire, im Jahr 11.
Bewohner Helvetiens!
Ihr bietet jeit zwey Jahren ein betrübendes Schaujpiel dar, entgegen:
gejegte Fraktionen baben fich eine nach der andern der Gewalt bemächtiget,
fie haben ihre vorübergehende Herrichaft mit partheyifchen Syſtemen bezeichnet,
welche Beweije ihrer Untanglichfeit und Schwäche waren. —
Im Yauf des 10ten Jahrs wünſchte Euere Megierung, daß man die
Fleine Anzahl franzöfiicher Truppen zurücziehe, die in Helvetien waren. —
Die franzöfiihe Negierung ergriff diefen Anlak gerne, um Euere Unabbängigfeit
zu ehren; allein bald nachher haben ſich Euere Partheyen mit neuer Wuth
in Bewegung gejett; das Schweizerblut ift von Schweizerhänden vergoffen
worden. —
Ihr habet Euch drey Jahre gezanft, ohne Euch zu verftehen. Wenn
man Euch länger Euch jelbiten überläßt, jo werdet Ihr Euch noch drey
Jahre morden, und Euch eben jo wenig verftehen. Euere Gejchichte beweißt
auch, dar Euere innere Kriege nie anders als durd die wirfjame Dazwiichen:
funft von Frankreich ſich endigen lonnten.
Es ift wahr, ich batte den Entichluß gefaßt, mich nicht mehr in Euere
Angelegenheiten zu miſchen. Ich ſah immer Euere Negierungen mid um
Math fragen, und ibn micht befolgen, und einigemal meinen Namen nad)
ihren Intereſſen und Leidenſchaften mißbrauchen.
471
Allein ich kann, ich darf nicht unempfindlich bleiben beym Unglück,
deſſen Raub Ihr ſeyd, ich komme auf meinen Entſchluß zurück: ich will der
Vermittler Eueres Streites, und meine Vermittlung wird wirkſam ſeyn, wie
es der groſſen Völker in deren Namen ich rede, würdig iſt. —
Fünf Tage nach Eröffnung dieſer Proklamation wird der Senat ſich
in Bern vereinigen. —
Jede Magiſtratur, die ſich in Bern ſeit der Capitulation gebildet hatte,
wird aufgelößt werden, und aufhören ſich zu verſammeln, oder irgend ein
Anſehen auszuüben.
Die Statthalter werden ſich auf ihre Poſten begeben. Alle Authoritäten,
welche gebildet worden, werden aufhören ſich zu beſammeln.
Die bewaffneten Truppen werden ſich zerſtreuen.
Die erſte und zweyte helvetiſche Halb-Brigade werden die Garniſon von
Bern ausmachen. Die Truppen, welche ſeit mehr als ſechs Monaten auf
den Füſſen waren, können allein in Corps vereinigt bleiben.
Endlich werden alle entlaſſene Individuen der Kriegführenden Armeen,
die jetzt bewaffnet ſind, ihre Waffen bey der Munizipalität ihres Geburts—
orts niederlegen.
Der Senat wird drey Deputirte nach Paris ſchicken; jeder Canton kann
auch Deputirte ſchicken. *
Alle Bürger, welche ſeit drey Jahren Landammann oder Senatoren
geweſen ſind, und Succeßiv-Plätze in der Central-Regierung hatten, können
ſich nach Paris begeben, um die Mittel, Einigkeit und Ruhe wieder herzu—
ſtellen, und alle Partheyen zu vereinigen, bekannt zu machen.
Von meiner Seite habe ich das Recht zu erwarten, daß keine Stadt,
keine Gemeinde, kein Corps den Verfügungen zuwider handeln werde, die ich
Euch bekannt mache.
Bewohner Helvetiens! lebet wieder auf zur Hoffnung!!! — Euer Vater
land iſt an dem Rand des Abgrundes, es wird unmittelbar davon zurück—
gezogen werden. — —
Jeder vernünftige Dann muß überzeugt ſeyn, daß die Vermittlung,
welche id über mich nehme, für Helvetien eine Wohlthat derjenigen Vor—
jehung ift, welche mitten umter jo vielen Umftürzungen und Stöſſen immer
über die Eriftenz und Unabhängigkeit Euerer Nation gewacht hat, und dal
dieje Vermittlung das einzige Mittel ift, welches Euch übrig bleibt, um die
eine umd die andere zu retten.
Denn ift es Zeit endlich, dar Ihr bedenket, dag wenn der Patriotismus
und die Einigkeit Euerer Loreltern Euere Nepublif gründeten, der ſchlimme
Geiſt Euerer Faktionen, wenn er fortdauert, fie unfehlbar zu Grunde richten
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wird, und der Gedanfe wäre fränfend, daß zur nämlichen Zeit, wo mehrere
neue Republiken entjtanden find, das Schickſaal endlid das Ende einer der
ältejten berbeygeführt habe.
Unterzeichnet: Bonaparte.
208. Aus der Anfpradye Bonaparte's an den Ausſchuß der
helvetifchen Confulta zu St. Clowd. 12. Dezember 1802.
Aus v. Muralts Yeben des Biürgermeifterd Hans von Reinhard S. 105 fi.
„Je mehr ich über die Beichaffenheit Eueres Yandes nachgedacht habe,
defto ftärfer ergab fich für mich aus der Verſchiedenheit jeiner Beitandtbeile
die Überzeugung der Unmöglichkeit, es einer Gleichförmigleit zu unterwerfen;
alles führt euch zum Föderalismus hin.
„Welcher Unterichied waltet 3. B. nicht zwiſchen Euern Berg: und Euern
Städtebewohnern ?
„Solltet ihr etwa die demokratischen Kantone zwingen wollen, unter der
gleihen Regierung wie die Städte zu leben, oder gar in den Städten, 3.8.
zu Bern, eine reine Demofratie einzuführen gedenfen.
„Die Einheit bedarf einer ſtehenden bewaffneten Macht; dieje will be-
joldet jein, und dazu reichen Euere Finanzen ohne drüdende Abgaben nicht
bin. Euer Volk erträgt nur ungerne Abgaben. Wollt Ihr es zufrieden
jtellen, jo diürfet Ihr ibm deren wenig aufladen und feine Truppen geben.
Vormals bezahlte das Schweizervolk nur jehr wenig Abgaben, warum joll
es deren im Zukunft ertragen? Abgaben machen den unmittelbarjten Ein:
druck auf das Volk, nach diejen wird es euch richten. — —
„Die Schweiz kann feine bedeutende Rolle mehr unter den Staaten
Europens jpielen, wie zu der Zeit, wo feine großen Nachbarn neben ihr
jtanden, wo Frankreich in jechszig, Italien in vierzig Herrichaften eingetheilt
war. Damals wog eine Enerer Municipalitäten an Macht einen Herzog, die
perjönlic” unter der Fahne vereinigte Tapferkeit Euerer Völfer halbe Deere
auf. Jetzt iſt es anders. Frankreich bejitt ein Heer von fünfmalhundert,
Tfterreih von drei-, Preußen von zweimalhunderttaufend Mann wohl diszi-
plinirter Truppen. Hierbei verjchwindet die Schweiz und bfeibt ihr nur
übrig, ibre innern Intereſſen wohl zu bejorgen.
„Euch bliebe ein einziges Mittel, um Antbeil an den Großthaten unjerer
Zeit zu nehmen: nämlich die Lereinigung mit Frankreich. Die Schweiz
könnte vielleicht zwei Departemente der großen Nepublif bilden. Die Natur
verweigert Euch aber auch dieſen Ausweg. Große Bergfetten jcheiden Euch
von dem Tyrol, von Italien und von Franfreih ab. Ihr ſollt feine thätige
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473
Rolle in Europa fpielen. Ihr bedürft der Ruhe, der Unabhängigfeit, und
einer von Allen Euch ummringenden Mächten anerkannten Neutralität. Seitdem
Wallis von Euch getrennt, und der Simplon für Frankreich offen ift, jteht
diejen Erforderniffen nichts mehr entgegen.
„Wie wolltet ihr eine Gentral-Regierung bilden? Dazu befitt Ihr zu
wenig ausgezeichneter Männer. Schon einen tüchtigen Yandammann zu finden,
würde Euch jchwer genug fallen.
„Slücliche Ereigniffe haben mich an die Zpige der franzöfiichen Re—
gierung berufen, und doch würde ich mich für unfähig halten, die Schweizer
zu regieren.
„Wäre der erjte Yandammann von Zürich, jo wären die Berner unzu—
frieden ; wählt Ihr einen Berner, jo jchimpfen die Zürcher. Wählt Ihr einen
Protejtanten, jo widerftreben alle Katholifen, und jo wieder umgefehrt. Wählt
Ihr einen Reichen, jo macht er Neidifche, wählt Ihr einen verdienftvollen
Unbemittelten, jo müßt Ihr ibn jtarf bezahlen, joll er einiger Achtung genießen.
„Zolltet Ihr aber auch alles Erwünjchte finden, umd ic) würde Etwas
von Euerm Yandammann fordern, das er mir nicht gewähren wollte, jo wiirde
ich ihm mit der Abjendung von zwanzigtaujend Mann drohen und er müßte
gehorchen. Muß ich mich hingegen an den einzelnen Kanton wenden, jo wird
der Entjcheid von einer Behörde zur andern gejchoben, jede declinirt gegen
mid ihre Kompetenz, und antwortet mir, kommt effet unſere Berge. Zuletzt
muß die Tagfatıng einberufen werden, dazu bedarf e8 zweier Mionate Zeit,
und während diejem Berjchube zieht das Gewitter vorüber, und Ihr jeid
gerettet. Hierin liegt die wahre Politik der Schweiz.
„Ich ſpreche zu Euch, als wäre ich felbjt ein Schweizer; für Heine
Staaten iſt die Föderation ungemein vortheilbaft. Ich jelbit ‚bin ein geborner
Bergbewohner (montagnard); ich fenne den hieraus entfpringenden Geift.
Nur feine Einheit, feine Truppen, feine Gentral-Finanzen, feine Central:
Abgaben, feine diplomatischen Agenten bei den andern Mächten, umd damit
habt Ihr ſchon mehrere Mal hunderttaufend Franfen erjpart.
„Die Schweiz ſoll ſich darauf bejchränfen, ihre innern Angelegenheiten
wohl zu verwalten, fie joll der dreifachen Gleichheit, der Kantone je einer zu
dem andern, der Stadtbewohner je die einen zu den andern, der Städte-
und der Yandbewohner genießen, und jich dabei auf die franzöfiiche Freund—
ſchaft jtüken.
„Um zu Enerer Unabhängigkeit und Neutralität zu gelangen ift unter:
läßlich, daß Ihr schnell und vor Alten ans Euere Kantone ungefähr nad)
der ehevorigen Weiſe, Doch mit den Abänderumgen und Grundlagen organijirt,
dag alle Kantone gleiche politiiche Rechte genießen, und daß die Städte auf
ihre Privilegien gegen ihre ehemaligen Unterthanen und die Patricier- Familien
auf die ihrigen, ihren Ztadtmitbürgern gegenüber, verzichten. — —
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474
„Die Kantonal-Organtjationen, ich wiederhole es, müſſen auf die Zitten,
die Religion, die Anterefjen und die Meinungen eines jeden einzelnen Kantons
gegründet fein. Sorgt für Gejeglichfeit und für pafjende Formen.
„Die Gemeinden in den Heinen Kantonen mögen ihre Alp-Streitigfeiten
nad) Belieben unter ſich ausmachen, aber nie jollen fich Kantone gegen andere
Kantone verbinden, und mit ihnen Krieg führen. Für die Söhne Wilhelm
Tells dürfen feine Feſſeln gejchmiedet werden.
„Die größern Städte und Kantone ſollen bei ihrer Organifation Die
Intereſſen ihrer Induſtrie zu Mathe ziehen, daneben mit böhern Einjichten
und nad ihrer angeſtammten Nedlichfeit (probite) regieren, dann wird es
ihnen nad) und nach gelingen, ihre Oekonomie für die befcheidenen Bedürfniſſe
ihrer Kantone wieder herzuitellen.
„Sind einmal diefe Rantonal-Grundlagen feitgejegt, jo wird es jehr leicht
jein, ich über diefe Punkte des allgemeinen Verbandes zu verftändigen. Wo
weder Armee noch Ober-Tribunal aufzuftellen, und wenig Diplomatie zu
organijiren ift, geht die Sache ſchnell.“
209. Die Bermittlungs-Akte vom 19. Februar 1803.
Nach der offiziellen Überfegung in der Sammlung der Geſetze des Kantons Zürid. I. S. 3.
Das franzöftiche Original im Repertorium der Abichiede 1803— 1815,
*
Urkunden S. 1 fi.
Bonaparte, Erjter Conſul der Fränftjchen und Präfident der
Italieniſchen Republik, an die Shmeizer.
Helvetien, der Zwietracht preis gegeben, war mit feiner Auflöſung bedroht.
In fich ſelbſt konnte es die Mittel nicht finden, um wieder zu einer verfafjungs-
mäffigen Ordnung zu gelangen. Die alte Gewogenbeit der Fränftichen Nation
für dieſes achtungswerthe Wolf, welches ſie vor furzem noch durd ihre Waffen
verteidigt, und durch ihre Verträge als unabhängige Macht hatte anerfennen
laffen; das Intereſſe Frankreichs und der Italieniſchen Republik, deren
Grenzen die Schweiz bedeckt; das Anſuchen des Senats; das der Demokra—
tiſchen Cantone; der Wunſch endlich des geſammten helvetiſchen Volls: haben
es Uns zur Pflicht gemacht, als Vermittler zwiſchen den Partheyen auf—
zutreten, die es trennen.
Zu dem Ende haben Wir die Senatoren Barthelemy, Röderer,
Fouché, und Demeunier beauftragt, mit jechs und fünfzig Deputirten
des helvetiichen Senats, der Städte und Cantone, in Unterredung zu treten.
Die Beantwortung der Frage: Ch die Schweiz von der Natur jelbft zu einer
— — ——
m.
475
Bundes Verfaſfung beftimmt, anders als durch Gewalt unter einer Central-
Regierung erhalten werden könnte; die Ausfindigmachung derjenigen Staats:
form, die mit den Wünſchen jedes Cantons am meiften übereinftinmute: Die
Heraushebung defjen, was den in den neuen Cantonen entftandenen Begriffen
von Freyheit und Wohlfahrt am beften entipräche; endlich dann in den alten
Cantonen die Vereinbarung derjenigen Einrichtungen, die durch die ‚Zeit ebr-
würdig geworden waren, mit den wiederhergeftellten Nechten des Volks: —
Dies waren die Gegenftände, die der Unterfuchung und Berathichlagung unter:
worfen werden mußten.
Ihre Wichtigkeit jowohl, als das Schwierige derjelben, haben Uns be-
wogen, zehn Ausgeichoffene beyder Partheyen, nemlich: die Bürger von Afiry,
Gluz, Jauch, Monod, Reinhard, Spreder, Stapfer, Ufteri,
von Wattenwyl und Vonflüe, in eigner Perjon zu vernehmen; und
Wir haben das Nefultat ihrer Berathichlagungen, theils mit den verfchiedenen
Vorjchlägen der Cantonal-Deputationen, theils mit denjenigen zuſammen ge-
halten, was fih aus den Unterredungen diefer Deputationen mit den come
mittirten Senatoren ergeben hatte.
Nachdem Wir auf diefe Weife alle Mittel erfchöpft haben, um das In—
terejje und den Willen der Schweizerifchen Nation fennen zu lernen; jo wird
von Uns, in der Eigenfchaft eines Bermittlers, umd ohne andere Abjicht,
als die Wohlfahrt der Völferjchaften zu erzweden, über deren Angelegenheiten
Wir abzufprechen hatten, jo wie ohne Verlegung der Schweizeriſchen Un—
abhängigkeit, folgendes feſtgeſezt:
[Folgen in Kapitel I—XIX. die Verfaſſungen der Kantone: Appen—
zell, Nargau, Baſel, Bern, Freiburg, Glarus, Graubünden,
Yuzern, St.Gallen, Schaffbaujen, Shwiz, Soloturn, Tejfin,
Thurgau, Unterwalden, Uri, Waadt, Zug und Zürich].
Bapitel XX.
Bundes-Berfafjung.
Erfter Titel. Allgemeine Verfügungen.
Art. 1. Die neunzehn Cantone der Schweiz, als: Appenzell, Aargau, Bafel, Beru, Fry—
burg, Glarus, Granbündten, Yuzern, St. Gallen, Schafhauſen, Schwyz, Solothurn, Teifin,
Thurkau, Unterwalden, Uri, Waadt, Zug und Zilrich, find unter fich, gemäß den in ihren
befondern Berfaffungen aufgeitellten Grundſätzen, verbindet. Sie Übernehmen gegenseitig
die Sewährleiftung für ihre Verfaſſung, ibr Gebiet, ihre Freyheit und Unabhängigfeit,
ſowohl gegen auswärtige Mächte, als gegen die Angriffe eines Gantons, oder einer be-
jondern Parthey.
Art. 2. Die Truppen- und Geldbeyträge, welche für die Vollziehung diefer Gewähr—
leiftung erforderlich jeyn möchten, werden von jedem Gantone nad — Berhältniſſe
gelieſert.
476
Zu fünfzehntaufend zwenhundert und drey Mann wird liefern: Bern 2292, Zürich
1929, Waadt 1482, St. Gallen 1315, Argau 1205, Graubündten 1200, Teiftn 902.
Luzern 867, Thurgau 835, Fryburg 620, Appenzell 486, Solothurn 452, Baſel 409,
Schwyz 301, Glarus 241, Schafhanfen 233, Unterwalden 191, Zug 125, Urt 118 Mann,
An einer Summe von viermalbimdert und neunzigtanfend fünfbundert und fieben
Schweizerfranfen wird bezahlen: Granbündten 12000, Schwyz 3012, Unterwalden 1907,
Urt 1184, Teifin 18039, Appenzell 9728, Glarus 4823, Zug 2497, Zt. Gallen 39451,
Yuzern 26016, Thurgau 25052, Fryburg 18591, Bern 9169, Zürih 77153, Waadt
59273, Argau 52212, Zolotburn 1897, Zchafbanfen 9327, Bajel 2040 Franten.
Art. 3. Es giebt in dev Schweiz weder Untertbanenlande mehr, noch Borrechte der
Orte, der Geburt, der Perfonen oder Familien.
Art. 4. Jeder Schweizerbürger ift befugt, feinen Wohnfiz in einen andern Canton
zu verlegen, und feinen Gewerb dafelbit frey zu treiben: er fann Die politiichen Rechte,
gemäß den Geſetze des Kantons, in dem er fich niederläßt, erwerben ; aber diefelben nicht
zu gleicher Zeit in zweyen Gantonen ausüben,
Art. 5. Die ehemaligen Zugs- und Abzugsrechte find abgeihafit. Für den freyen
Umlauf der Pebensmittel, des Viehes, und der Handelswaaren, wird die Gewährleiſtuug
gegeben. Im Innern der Schweiz fönnen feine örtlichen oder allgemeinen Eingangs-,
Durhpaß- oder Zollgebiibren eingeführt werden. Die äuffern Grenzzöfle gehören den an
das Ausland ftoffenden Cantonen zu; jedoch ſollen die Tarife der Tagſatzung zur Ge—
nehmigung vorgelegt werden.
Art. 6. Feder Canton behält die Zölle bey, die zur Ausbeſſerung der Wege, Heer
ftraßen, und Flußufer beftimmt find. Die Tarife bedürfen ebenfalls der Genchmigung
der Tagſatzung.
Art. T. Die in der Schweiz verfertigten Münzen haben einen gleichen Gehalt, der
von der Tagſatzung zu beſtimmen iſt.
Art. 8. Kein Canton kann, weder einem geſezmäßig verurtheilten Verbrecher, noch
einem Bellagten, der nach den geiezlichen Formen belangt wird, eine Freyſtatt geben.
Art. 9. Die Anzabl befoldeter Truppen, die ein Canton unterhalten fann, ift auf
zweyhundert Mann beichränft.
Art. 10. Jedes Bündniß eines einzelnen Kantons mit einem andern Cantone, ober
mit einer auswärtigen Macht, ift verboten,
Art. 11. Die Regierung, oder Die aefetgebende Behörde reines jeden Kantons, die
ein Defret der Tagſatzung übertveten wiirde, fann als aufrübreriih vor ein Gericht ge:
zogen werden, das aus den Präfidenten der peinlichen Gerichtshöfe aller andern Cantone
zufammengeiet werden Toll,
Art. 12. Die Kantone üben alle Gewalt ans, die micht ausdrücklich der Bundes—
bebörde übertragen ift.
Zwepter Titel, Vom Direltorial-Canton.
Art. 15. Die Tagſatzung verfammelt ſich wechſelsweiſe von einem Jahr zum andern;
zu Fryburg, Bern, Solothurn, Baſel, Zürich und Luzern.
Art. 14. Die Cantone, von denen dieſe Städte die Hauptorte find, werden nach ber
Reihe Direftorial Cantone Tas Direltorial Jahr fängt mit dem erfien Jenner am,
477
Art. 15. Der Direktorial Canton forgt für die Wohnung der Depntierten ben der
Tagſatzung, und für ihre Ehrenwache; er beftreitet die Sitzungskoſten.
Art. 16. Der Schultheiß oder Burgermeifter des Direltorial-Cantens, verbindet mit
feinem Titel denjenigen eines Yandammanns der Zchmweiz; er bat das Siegel der
belvetiichen Republit in Berwahrung; er lann ſich nicht aus der Stadt entfernen. Der
große Ratb feines Kantons ſezt ihm ein befonderes Gehalt aus, und beftreitet die mit
diefer obrigteitlihen Würde verbundenen aufferordentlichen Ausgaben.
Art. 17. Die fremden Gefandten übergeben dem Landammann der Schweiz ihre
Ereditive, oder Zurüdberufungsichreiben, und wenden ſich für die Unterhandlungen an ihn.
Er ift ebenfalls die Zwiſchenbehörde für die übrigen diplomatifchen Berbältnifie.
Art. 18. Ben Eröffnung der Tagſatzung macht er derielben feine amtliche Anzeige
über den Zuſtand der innern und äuſſern Bundesangelegenbeiten.
Art. 19. Rein Canton kann in feinem Innern mehr als fünfhundert Mann Milizen
aufbieten, und in Bewegung fegen, ohne den Yandammann der Schweiz davon benach—
riehtigt zu haben.
Art, M. Im Fall eines Aufftandes im Innern eines Cantons, oder irgend eines
andern dringenden Bedürfnifies, läßt der Yandammanı Truppen von einem Canton in
den andern marichiren, jedoh nur auf Verlangen des grofien oder Heinen Raths des
Hülfe begehrenden Kantons, und auf Einbolung des Gutachtens vom Heinen Ratbe des
Tireltorials-Gantons ; mit dem Vorbehalte, daß nach Unterdrückung der Feindieligleiten,
oder bey fortdauernder Gefabr, die Tagſatzung von ihm zufammenberufen werde.
Art. 21. Wenn zu der Zeit, da feine Tagſatzung verfammelt it, Streitigleiten zwi—
ichen zweyen oder mehreren Gantonen entjtehen ſollten, ſo wendet man ſich au den Yand-
ammann der Schweiz, der je nach der gröſſern oder geringen Dringlichkeit der Umſtände,
entweder Schiedsrichter zum Bermitteln ernennt, oder die Erörterung bis zur nächſten
Tagſatzung ausjext.
Art. 22. Er warnt die GCantone, wenn ihr inneres Betragen die Ruhe der Schweiz
gefährdet, oder irgend etwas unregelmäßiges, und dem Bundesvertrage oder ihrer be-
ſondern Verfaſſung zuwider laufendes, bey ihnen ftatt findet. In diefem Fall kann er
die Zufammenberufung des grofien Ratbs, oder da, wo die höchſte Gewalt unmittelbar
von dem Wolke ausgeiibt wird, diejenige der Yandsgemeinde verorduen.
Art. 23, Der Yandammann der Schweiz fan nöthigen Falls Auficher zur Unter
juchung der Heerftrafien, Wege und Flüſſe abjenden. Gr ordnet dringende Arbeiten, die
dahin gehören, an, und läßt fie im Falle der Noth unmittelbar, und auf Koften deilen,
dem es zulommen mag, ausführen, wenn fie in der vorgeichriebenen Zeit nicht angefangen,
oder vollendet find.
Art. 24. Seine Unterjchrift gibt den Damit befleideten Akten das Anfehen umd den
Charalter von Nationalaften.,
Dritter Titel, Bon der Taglabung.
Art. 25. Jeder Canton jendet einen Abgeordneten zur Tagfatung, dem einer oder
zwey Räthe beygeordnet werden fönnen, die, im Falle von Abweſenheit oder Krankheit,
feine Stelle einnehmen,
Art. 26. Die Abgeordneten bey der Tagfatung baben beſchränkte Vollmachten und
Inſtrultionen, Denen zuwider fie nicht fiimmen können.
478
Art. 27. Der Sandammann der Schweiz ift von Rechts wegen Deputirter des
Direltorial- Eantons,
Art. 28. Die meunzehn Abgeordneten, aus denen die Tagſatzung beſteht, machen
insgefamt fünf und zwanzig Stimmen bey den Beratbichlagungen aus.
Die Abgeordneten der Gantone, deren Volksmenge einmal bumberttaufend Seelen
itberfteigt, al$ die von Bern, Zürih, Waadt, St. Gallen, Aargau, und Graubündten,
haben jeder zwey Stimmen.
Die Abgeordneten der Cantone, deren Vollsmenge weniger als einmal bunderttaufend
Seelen beträgt, als die von Teffin, Yuzern, Thurgau, Fryburg, Appenzell, Zolothurn,
Bafel, Schwyz, Glarus, Schafhaufen, Unterwalden, Zug, und Uri, baben jeder nur eine
Stimme.
Art. 29. Die Tagſatzung verfammtelt ſich unter dem Borfit des Yandammanns der
Schweiz, den erſten Montag im Brachmonat; ibre Zitungszeit kann fich nicht über einen
Monat binans erftreden,
Art. 31. Die Kriegserklärungen, Friedensichlüffe und Bündniſſe geben von der Tag—
ſatzung aus; jedoch ift die Zuftimmung von drey Viertbeilen der Kantone dazu erforderlich.
Art. 32. Die Taglatung allein ſchließt Haudelstraftate und Verkommniſſe über den
auswärtigen Dienft ab. Sie bevollmächtigt Die Cantone, wenn es der Fall ift, mit einer
fremden Macht über andere Gegenflände befonders zu unterbandeln.
Art. 33. Ohne ibre Einwilligung können im keinem Canton Anwerbungen für eine
auswärtige Macht ftatt haben,
Art. 34. Die Tagſatzung befieblt die Stellung des im zweyten Artifel für jeden
Canton fejtgefezten Iruppentontingents, fie ernennt den General, der fie anflibren fol,
und trifft überdies alle nöthigen Verfügungen für die Sicherheit der Schweiz, und für
die Vollziehung der übrigen Borfchriften Des erften Artitels. Das nemliche Recht ftebt
ihr zu, wenn der Ausbruch von Unruhen in einem Canton die Ruhe der Übrigen Cantone
bedrodt.
Art. 35. Ste bat die auflerordentlihen Gefandten zu ernennen und abzuienden.
Art. 36. Sie enticheidet über Streitigkeiten, die zwiſchen den Cantonen entfteben,
wenn diefelben auf dem Wege der Vermittlung nicht baben können beygelegt werden. Zu
dem Ende bildet fie fih, nachdem ihre ordentlichen Geſchäfte abgetban find, im einen
Syndilat, wobey jeder Depntirte dennzumal nur eine Stimme bat, und für feine daherigen
Berrichtungen feine Fnftruftionen erhalten kann.
Art. 38. Ein Kanzler und ein Ztaatsjchreiber, welche die Tagſatzung für zwey
Jahre zu ernennen bat, und die auf dem von ihr feſtgeſetzten Fuße von dem Direftorial-
Kanten befoldet werden, folgen jedesmal dem Staatsſiegel und den Protofollen.
Art. 39. Die Berfafiungsurfunde jedes Kantons, auf Pergament geichrieben, und
mit dem Cantons-Siegel verjehen, wird in den Archiven der Tagſatzung niedergelegt.
Art. 40. Durch die gegenwärtige Bırndesafte, fo wie durch die befondern Verfaſſungen
der neunzehn Cantone, werden alle frübern Berfügungen, die denfelben zuwider laufen
könnten, aufgehoben, und in allem, was die innere Einrichtung der Gantene, und ibre
gegenfeitigen Verhältniſſe betrifft, können feine Rechte auf den ebemaligen politijchen Zu—
jtand der Schweiz begründet werden.
210. Zwei Proklamationen der zürcheriſthen Regierung aus der
Zeit Napoleons.
Flugblätter, Stadibibl. Wintertur,
479
I.
WIN, Burgermeifter und Räthe des Eydsgenöſſiſchen
Standes Zürich entbieten Unſern G. Y. Cantons-Angehörigen Unſern ge—
neigten Willen, und geben ihnen anmit folgendes zu vernehmen:
Bereits unterm 27ſten Septembris 1803 hat die erſte, in Freyburg ver-
genokichaft, eine Militar-Capitulation mit Frankreich abgeichlofien. — —
Die würflihe Vollziehung diejer Kapitulation joll nunmehr mit Thätig-
feit betrieben, und ſomit zu Aufftellung der vier zu errichtenden Regimenter
nah den Grundjäten der Gapitulation möglichjt beygetragen werden. — —
Bereits ijt eine beträchtliche Anzahl von Bürgern des hiefigen Cantons
zu Stabsofficiers- Hauptmanns- und andern Officters-Stellen ernennt worden,
und mehrere Hundert Mann aus Unſerm Canton haben, unter vortheilhaften
Bedingnilfen, Dienfte bey den neun zu errichtenden Schweizer-Regimentern
genohmen.
Um inzwijchen den auf Beförderung des Kaiſerlich-Franzöſiſchen Dienſts
abzielenden Einleitungen in biejigem Canton auch weiterhin den bejten und
chnelfeften Fortgang zuzufichern, — fordern Wir andurch Jedermann, ins-
bejondere aber alle und jede Beamtete in Uinjerm Canton, und zum voraus
die ſämmtlichen Gemeindsbehörden, nachdrücklichſt auf, alle ſchicklichen Mittel
anzumenden, welche zu Erreichung diejes Endzweds führen, und zu Be-
günftigung der Werbung für den Dienft Er. Majeftät des Franzöſiſchen
Kaijers dienen fünnen. Wir werden Uns bierüber von Unferer verordneten
Werbungs-Commifjion von Zeit zu Zeit genaue Berichte, und nach den ver:
ſchiedenen Bezirken geordnete tabellariiche Ueberfichten, was in jeder einzelnen
Gemeinde an Mannjchaft geleiftet worden, und welche Gemeinden diekfalls
noch mehr oder minder zurück find, — vorlegen laffen, und jolhe Gemeinden,
Behörden, Beamtete oder Partifularen, die ſich im dieſer Rückſicht durch
Ihätigfeit und Eifer hervorthun würden, mit landesväterlicher Zufriedenheit
und Wohlgefallen anjehen.
Hingegen wird Jedermann auf das Ernitlichjte verwarnt, durch Worte
oder Handlungen den Fortgang der Werbung zu behindern, den Werb-
commando's und ihren VBerrichtungen auf irgend eine Weife entgegen zu ar:
beiten, oder jolche Yeute, die nach ihrer Yage und Verhältniſſen im den Dienft
Zr. Kaiſerlichen Majejtät von Frankreich zu treten im Falle find, davon ab:
480
zubalten, zumahlen ein foldhes Betragen dem oder denen, die fich deffelben
ihuldig machen wirden, die ftrengfte Verantwortung und Strafe zuziehen
würde: Allein — wir wollen die pünktlichſte Nachachtung Unferer andurd
geäufferten Willensmeynung viel cher von den vaterländifchen Gefinnungen
und dem eigenen Pflichtgefühl Unſerer ©. L. Cantons-Angehörigen erwarten.
Geben in Unjerer Rathsverfammlung Dienftags den ten Merz 1807.
11.
Bon Sr. Ereellenz, dem Herrn Yandammann der Schweiz, jind ums, jo
wie den übrigen vV. Ständen der Eydsgenofichaft, diejenigen Beichwerden be-
fannt gemacht worden, welche von der franzöfiichen Regierung über die Nieder:
lage von Englijden Manufactur- und von Golonialwaaren in
der Schweiz geführt werden. — Da biermit zugleich die jehr dringende und
nachdrükliche Aufforderung verbunden war, die erjteren diefer Waaren mit
Confijcation, und die legteren mit Sequeſter und mit ähnlichen Ab-
gaaben wie diejenigen, welche durch den K. K. franzöfiihen Tarif vom 12ten
Septembris 1810 feftgejetst jind, zu belegen, jo haben wir aus den wich—
tigften höheren Nüffichten uns bewogen gefunden, die nöthigen Einleitungen
zum Bezug der Abgaben zu treffen, einftweilen und bis jolches gejchehen aber,
alle im biefigen Canton befindlichen, allfähligen Vorräthe von Englischen
Manufactur-Waaren und von biernächit jpeciell benannten Colonial-Waaren
mit einem umbedingten Sequefter zu belegen, der in allen jeinen Iheilen jo
lange fortdauern joll, bis durch einen neuen Regierungsbeſchluß, je nach der
Natur und Beichaffenheit der Waaren, entweder die Confifcation derjelben
oder die Aufhebung des Sequefters verfügt wird:
Yange Baumwolle aus Brafilien, Gujana, Surinam und Demerary.
Yevantiiche Baumwolle, welche über Meer fonımt. Ditto, welche über Yand
fommt. Alle andere Baummolle. Nober Zuder. Raffinirter Zucer. Hysvin-Tbee.
Grün-Thee. Alles andere Thee. Kaffe. Indigo. Kakao. Cochenille. Weißer
Pfeffer. Schwarzer Pfeffer. Gewöhnlicher Zimmet. ‘Feiner Zimmet. Gewürz:
Nelken, Mußkatnüße. Mahagonyholz. Fernambukholz. Kampeichenholz. Gemahl—
nes Färbeholz. Amerikaniſche Potaſche. Amerikaniſche ungegerbte Felle. Fiſchthran.
Stockfiſch. Gedörrte Fiſche. Elfenbein. Schildkrottſchaale. Perlmutter. Amerika—
niſches Reis. Catjon. Vanille. Rothe China. Gelbe China. Graue China. Rha—
barber. Ipecacuana. Sumac. Ingwer. Piment. Cassialignea. Casse ou cune
pur. Rocou; Orseille. Indianiſcher Safran. Gumi von Sennegal. Ditto
arabiicher. Ditto türfifcher. Ditto Gayac. Ditto Copal. Ditto Lak in Blättern.
Ditto resine elastique. Ditto Amoniaf. Ditto Sagapenum. Gumi Elemi.
Gumi Gutt. Gumi Oppoponax. Gayac-Holz. Holz-Cayenne Satine.
Winde Quercitron. Holz-Palusandre. Rothholz. Roth Sandelholz. Aloe-
481
Holz. Griesholz. Holz Rodes. Eitronenfarb Sandelholz. Brafilienholz und
Spän. Holz-Calliatons. Tamaristenholz.
Denmad fordern wir alle unfere Angehörigen bey ihren bürgerlichen
Prlihten auf, diejenigen allfähligen Vorräthe, welche jie von Englischen
Manufactur- und oben jpeciell benannten Colonial-Waaren, jey es für eigene
oder fremde Rechnung, bey Handen haben, genau und gewißenhaft, mit be:
ftimmter Bemerkung, auf weßen Rechnung jelbige jeyen, — ſchriftlich anzu:
zeigen, umd jich nicht, durch irgend eine Verheimlichung, Veräußerung oder
Veränderung derjelben, der verdienten Verantwortung und Strafe auszufegen,
indem die mit diefem Gejchäft eigens beauftragte Commißion von uns völlig
begwältigt ijt, nöthigenfalls alle, zur Entdefung der Wahrheit führenden
Mittel zu ergreifen.
Die dießfälligen Erklärungen follen dem BVBollziehungsbeamten jeder Ge-
meinde jchriftlich eingegeben werden, und zwar in der hiejigen Stadt unfehlbar
im Yaufe des morndrigen Tags, in Winterthur bis Mittwoch Mittags um
12 Uhr, und auf der Yandjchaft bis Mittwoch Abends. Diejelben ſollen ber-
nad) von den Gemeindammännern umverweilt den Obervollziehungsbeamten,
und von diejen ebenfalls ohne Verzug und zwar jpäteftens und bey Verant-
wortung insgejammt bis Freytags den 19ten Oftober Vormittags um 7 Uhr
an unſere Staats-Canzley eingejendet werden,
Geben in unjerer Rathsverfammlung Montags den 15ten Octobris 1810.
211. Napoleons Dekret betreffend die Ginverleibung des Wallis.
15. Hovember 1810.
Aus Hilty, Öffentliche Vorlefungen über die Helvetil. ©. 72.
apoleon, in Betracht, dass die Simplonstrasse, welche das
| Kaiserreich mit unserm Königreich Italien verbindet, mehr
| als 60 Millionen Menschen nützlich ist und dass sie unserer
di Schatzkammer von Frankreich und Italien mehr als 18 Mil-
lionen Franes gekostet, und das alles unnütz verwendet wäre, wenn der
Handel hinüber nicht sicher und bequem könnte getrieben werden; in
Betracht, dass die Walliser von allem dem, was sie bei Eröffnung dieses
grossen Werkes eingegangen sind, nichts erfüllt, zugleich um der Anarchie,
die in diesem Lande herrscht, ein Ende zu machen und die Anmassung
auf Vorrechte abzuschneiden, welche ein Teil über den andern behauptet,
hat beschlossen :
1) Wallis ist mit dem Kaiserreich vereinigt;
2) der Bezirk heisst von jetzt an Departement du Simplon;
3) ein Commissär wird es sofort in Besitz nelımen und unterdessen
verwalten.
Oechsli, Quellenbuch. 31
212. Aufhebung der Dermittlungsakte in Bern.
22. Dezember 1813.
Flugblatt, Stadtbibl. Winterthur,
Wir Schulthbeig, Klein und Grojje Räthe des Canton
Bern, thun fund biemit:
Daß Wir in Betrahtung die allierten Mächte die Neu-
tralität der Shweiz nicht zugegeben jondern mitibren Trup-
pen in grojjer Uebermadt das Gebiet des Kantons. würflid)
betreten haben; in Betrahtung Allerboddiejelben jih ganz
bejtimmt gegen Seine Ercellenz den Herrn Yandammann der
Schweiz erklärt haben, daß die Bermittlungs-Afte und Die
Folgen derjelben mit ihrem grojjen Zwed, der Befreyung
der Völker und der Freyheit der Schweizeriihen Nation un—
verträglid jeye; in Betradhtung dadurd der vormalige Can:
ton Bern und dejjelben rehtmäßige einzig durch fremde Ge-
walt gejtürgte Regierung in alle ihre wohlbergebradten
Rechte zutrittet
beihlojjen und verordnet:
1) Die Bermittlungs-Afte vom Jahr 1803, ſoll ſoviel den Canton Bern
betrift, aufgehoben ſeyn.
2) Wir, der in Folge derjelben erwählte Große Rath als die gegen-
wärtige oberjte Yandes-Behörde des Gantons Bern legen hiermit Unſere Ge—
walt fürmlih ab und übergeben diejelbe wieder an Schultheiß Räth und
Burger der Stadt und Hepublid Bern als den rechtmäjjigen Yandesherrn,
weicher vor dem Zeitpunkt Unjerer Umwälzung Jahrhunderte lang den Frey—
jtaat Bern mit Glück und mit Ruhm regiert bat.
Es werden mithin jämmtliche Beamtete und Angehörige zu Stadt ımd
Yand von Ihren Eyden gegen Uns anmit entbunden, und aufgefordert, Die
gegen Uns nun aufgelösten Berhältniffe mit der wieder eintretenden alt her:
gebrachten Negierung Schultheiß Räthe und Burger der Stadt und Nepublid
Bern jogleich wieder anzufnüpfen und das Uns ertheilte Zutrauen mın Ihnen,
als ihren künftigen Yandespätern zu jchenfen. — -
Geben im Unſerer Großen Rathsverſammlung in Bern, den 22ten
December 1813.
453
213. Proklamation der wiederhergefellten patrizifchen Regierung
der „Stadt und Republik“ Bern. 24. Chriftmonat 1813.
Flugblatt, Stabebibl. Wintertur.
Schon jind 11 Jahre verfloffen jeitdem Unſer Vaterland, durch die damals
freye Meufferung unjers Willens und unjrer Kraft wieder hergeftellt, und unfer
ehrwürdige Staaten-Berein, auf der Tagſatzung zu Schwyz aufs nene wieder
jollte bejhworen werden: als uns der franzöfiihe Kaifer durch die Vermitt-
lungs-Afte eine willführliche Eintheilung der Schweiz, und mit derjelben die
ihme beliebige Verfaſſung aufgedrungen.
Was wir uns durch Llebermacht gezwungen jeit derjelben Zeit haben
müſſen gefallen laffen, wie man uns die wichtigften Theile unſerer Grenzen
entriffen, wie wir uns fremden, unferm Wohl entgegengejegten Polizey-Gejezen
unterwerfen, fremder Groberungsjucht dienen, und mit übermäfjigen Beläfti-
gungen zu den entfernteften Kriegen die Söhne unjeres Vaterlandes aufopferen
müſſen, das ift euch Yiebe und Getreue nur zu bekannt.
Den Befreyern von Europa, den H. H. allierten Mächten verdankt aljo
auch unjer Yand die Fühigfeit wieder an Heilung feiner Wunden in ungetrübter
Ruhe zu arbeiten — Die Vermittlungs-Afte it aufgehoben, und am deren
jtatt joll das Werf vollendet werden, das wir im “fahre 1802, mit edler
Ruhe, ernftem feftem Sinn, und ohne Einwirkung einiger Yeidenjchaften be-
gonnen hatten.
Der Tit. Cantons-Rath hat die ihme übertragene Regierung niedergelegt. ..
Wir haben nun, einer in Unſerer Großen Raths-Berfammlung heute den
24. dies niedergejezten Hohen Standes-Commißion die Yeitung der Gejchäften
bis zur nächjt bevorjtehenden Ergänzung des Souverainen Rathes übertragen ;
und befehlen, allen Adminiſtrativ- und Civil-Unterbehörden und Beamteten,
jowohl im dermaligen Canton Bern, als in den abgeriſſenen Theilen
deſſelben, Waadt und Argäum, mit der gröften Wachlamfeit und
Thätigfeit für Ruhe und Ordnung zu forgen, in aufferordentlichen Fällen
aber jih an Hochdiejelbe zu wenden.
Bon Empfang diejer Publikation an ſollen die beyden Regierungen in
Argäum und Waadt fowohl als alle ihre Unterbeamten die mit Einnahme
öffentlicher Gelder beauftragt find, ihren Cafjen-Beftand mit authentijchen Be-
legen unterftüzt feftiezen, und jelbigen jo wie alle noch eingehenden Gelder,
unter perjönlicher Verantwortlichkeit den betreffenden, zu Unſeren Berfügungen
bereit halten, desgleichen befehlen Wir aud dar alle Mititair-Vorräthe an
Waffen, Pulver ꝛc. ꝛc. von nun an verjieglet, unverändert gelaſſen und für
getrene Berwahrung derjelben gejorget werden.
Da mın die Armeen der H. H. allierten Mächten bey ihrem Durchmarſch
durch die Schweiz auch unjern Canton betreten, jo befehlen Wir hiemit allen
484
Unſern Unterthanen, ſelbige freundſchaftlich aufzunehmen, und das von
den Tit. Offizieren und Quartiermeiſtern geforderte willig gefolgen zu laſſen.
Die alte ehrwürdige, durch Jahrhunderte von wachſendem Wohlſtand
bewährte Verfaſſung des Cantons Bern ſoll immerhin die Grundlage des
künftigen Staatsgebändes bleiben, allein bey Ergänzung des Groſſen Rathes
werden Wir von höbern und allgemeinen Grumdjägen ausgehen, die dem Staat
eine ausgedebntere Grundlage und jomit für die Zukunft eine mebrere Feſtigkeit
gewähren jolfen. Männer von Bildung und Fäbigkeiten aller Stände jollen
aus allen Theilen des Gantons nicht nur von der Regierung nicht ansge-
ichlofien, jondern da aufgeiucht, und zu unmittelbarem Antheil an Regierungs—
Geſchäften gezogen werden, wo fie ihre Brauchbarfeit, ihre Rechtichaffenheit und
ihre Geſinnungen thätig werden bewährt haben: und überdieß joll eine be-
deutende Anzahl Familien jowohl aus dem Argäuw und der Waadt, als aus
dem gegenwärtigen Berner-Gebiet in das Burger-Mecht von Bern aufgenommen
werden.
Wir wollen alle bisher gejeßlidy getroffene Yosfäufe von Zehnden,
Bodenzinjen u. dgl. in Kraft bejteben laſſen.
Mach der Weife Unſerer in Gott ruhenden Negiments-VBorfabren werden
wir bißherige Verirrungen vwäterlich überjehben und zu feiner perjönlichen
Ahndung zieben. -
214. Aus der Erklärung des Wienerkongrefes über die
Angelegenheiten der Schweiz. 20. Mürz 1815.
Repertorium der Abichtede 1SI4—1848. IL S. 786,
Die Mächte, welche berufen find, zu Erfüllung des Gten Artikels des
Parijervertrags vom 30, Mai 1814 durch ihre Dazwiſchenkunft die Berbält:
niffe der Schweiz feitjezen zu belfen, überzeugt, daß das allgemeine Staaten:
interefje zu Gunften der jehweizerijchen Eidgenofjenichaft die Anerkennung einer
immerwährenden Neutralität erheifcht, und gejinnt, durch Rükerſtattungen und
VÜberlaffungen von Yandesgebiet ihr die, für die Zicherftellung ihrer Un—
abhängigfeit und für die Handhabung ihrer Neutralität erforderlichen Meittel
darzureichen, —
Nachdem Sie über Die Intereſſen der verſchiedenen Nantene alle erforder:
lichen Erkundigungen geſammelt und die ihnen durch die jchweizeriiche Ge—
Jandtichaft vorgetragenen Begehren in Betracht gezogen babe,
Erflären:
Daß, jobald die jchweizeriiche Tagſazung zu den in dem gegenwärtigen
Bergleich feitgefegten Bedingungen ihre Zuftimmmmg in guter und geböriger
455
Form wird ertheift haben, eine Urkunde ausgefertigt werden joll, welche von
Seite aller Mächte die Anerkennung und Gewährleiftung dev immerwähren:
den Neutralität der Schweiz innerhalb ihrer neuen Grenzen enthalten,
und einen Bejtandtheil derjenigen Urkunde -bilden wird, die in Vollziehung des
32ſten Artifel8 des obbenannten Parifer Friedensſchluſſes vont 30. Mai die
Anordnungen dieſes Vertrages vervollftändigen joll.
Bergleid).
Art. 1. Der unverlezte Beſtand der neunzehn Kantone, wie jid) Die
jelben im Zeitpunft der Übereinkunft vom 29. Chriftmonat 1813 als Staats
förper befanden, wird als die Grundlage des jchweizertichen Bundesſyſtems
anerfannt.
Art. 2. Das Wallis, das Gebiet von Genf, das Fürftenthum Neuen:
burg jind der Schweiz einverleibt und werden drei neue Kantone bilden ;
das vormals zum Kanten Waadt gehörige Dappenthal wird demſelben
zurüfgegeben.
Art. 3. Auf den von der Eidgenoffenichaft geäuferten Wunſch für die
Einverleibung des Bisthums Bajel umd in der Abjicht, das Schikſal diejes
Yandes endlich feitzujezen, erklären die Mächte, es joll das genannte Bisthum
und die Stadt Biel mit ihrem Gebietsumfang künftighin ein Beitandtheil des
Kantons Bern jein. Hievon ausgenommen jind nur folgende Bezirfe |folgt
die Aufzählung der Gebiete, die den Kantonen Bajel und Neuenburg
zugeteilt wurden].
Art.d.... Die dazwiichen kommenden Mächte werden . . . ihre gute
Verwendung eintreten lafjen, um für die Stadt Genf, gegen Zavoyen bin,
eine angemeſſene Gebietserweiterung zu erhalten,
Art. 6. Zu Feſtſezung gegenfeitiger Entjchäduiffe werden die Kantone
Aargau, Waadt, Teſſin und St. Gallen den alten Kantonen Schwyz, Unter-
walden, Uri, Glarus, Zug und Appenzell (Inner-Rhoden) eine Summe be:
zahlen, die zum Behuf öffentlicher Unterrichtsanftalten und zu Bejtreitung der
Yandesverwaltung (jedoch vorzüglich für den erjten Gegenftand) in den ge-
nannten Nantonen verwendet werden joll. — —
1. Die Kantone Aargau, Waadt und St. Gallen bezahlen den Kantonen
Schwyz, Unterwalden, Uri, Zug, Glarus und Appenzell (Inner Rhoden) ein
Capital von fünfmalhunderttauſend Schweizerfranfen. —- —
4. Der Kanton Tejjin wird dem Kanton Uri alljährlich die Hälfte des
Ertrags der Zölle im Yivinerthal bezahlen, — — —
486
Nahträglihe Berfügungen zum 5. Artikel der Erklärnug des Wiener-
fongrefies, den Kanton Genf betreffend, vom 29. März 1815.
An Ihre Ercellenzen die Herren Bevollmädtigten von Eng:
land, Ofterreih, Preufen und Rußland, beim
Congreß in Wien.
Der unterzeichnete Staatsminiſter und Bevollmächtigte Sr. Majeſtät des
Königs von Sardinien hat ſeinem erhabenen Gebieter das Verlangen der
hohen verbündeten Mächte zur Kenntniß gebracht, daß gegen Savoyen hin
dem Kanton Genf einige Gebietsabtretungen geſchehen möchten, und er hat Ihm
auch den deßhalb entworfenen Plan vorgelegt. Se. Majeſtät, jederzeit will
fährig, Ihren hoben und mächtigen Verbündeten Beweife zu geben von Ihrer
Danfbarfeit und von Ihrem Verlangen, zu thun, was Ihnen angenehm jein
kaun, haben die jehr natürliche Abneigung, Sich von guten, alten und treuen
Unterthanen zu trennen, überwunden und den Unterzeichneten bevollmädtigt,
für eine Gebietsabtretung zu Gunften des Kantons Genf einzumilligen, wie
jolche in dem beiliegenden Protofolle vorgefchlagen ift, und unter den nach:
folgenden Bedingungen:
1. Daß die Provinzen Chablais und Faucigny und alles von
Ugine nördlich gelegene, Sr. Majeftät zugehörige Yand in der durd alle
Mächte gewährleifteten ſchweizeriſchen Neutralität einbegriffen fein
jolfen; das heißt, daß, jo oft die der Schweiz benachbarten Mächte ſich im
Zuftande wirklich ausgebrocdhener oder unmittelbar bevorftehender Feindſelig—
feiten befinden werden, die Truppen Er. Majeftät des Königs von Sardinien,
welche allfällig in jenen Provinzen ftehen möchten, ſich zurüfziehen und dafür,
wenn es nothwendig ift, ihren Weg durch das Wallis nehmen fünnen; daß
feine andere bewaffnete Truppen irgend einer Macht jich dort aufhalten oder
durchziehen können, mit Ausnahme derjenigen, welche die jchweizeriiche Eid.
genoſſenſchaft daſelbſt aufzuftellen für gut finden würde. — — —
Bon St. Marjan.
Genehmigt in der Sizung vom 29. März durch die Herren Bevollmäch
tigten der Mächte, die den Vertrag von Paris unterzeichnet haben, deren
Unterichriften folgen:
[Folgen die Unterichriften der Bevollmächtigten Oftreihs, Spaniens,
Franfreihs, Großbritanniens, Portugals, Preußens, Ruß—
lands und Schwedensſ.
457
215. Aus dem Barifer Frieden. 20. November 1815.
Repert. der Abſchiede Il. S. 815.
Art. 1.3. Um eine unmittelbare Verbindung zwijchen dem Kanton
Genf und der Schweiz berzuftellen, joll derjenige Teil der Yandichaft Ger,
welcher öftlidh von dem Leman, jüdlid vom Gebiet des Kantons Genf, nörd-
lich durch den Kanton Waadt und wejtlid) durch den Yauf der Berfoy und
einer Yinie, welche die Gemeinden Collex-Boſſy und Meyrin in fich begreift,
die Gemeinde Ferney aber bei Frankreich läht, begrenzt wird, au den ſchweize—
riſchen Bundesſtaat abgetreten werden, um jelchen dem Kanton Genf einzu-
verleiben. — — —
Art. 3. Da die Feftungswerfe von Hüningen die Stadt Baſel
beftändig im Unruhe verjezt haben, jo jind die hohen contrabirenden Meächte,
um der Schweiz einen neuen Beweis Ihres Wohlwollens und Ihrer Bor
jorge zu geben, unter ſich übereingefommen, die Feſtungswerke von Hüningen
niederreigen zu laſſen, und die franzöfiiche Megierung macht ſich aus dem
nämlichen Beweggrumd anheiichig, fie niemals wieder herzuftellen, und wenig:
jtens auf eine Entfernung von drei Meilen von der Stadt Bajel feine andern
eftungswerte an ihrer Statt zu errichten.
Die Neutralität der Schweiz joll anf das Gebiet ausgedehnt werden,
welches nördlich einer Yinie liegt, die von Ugine ausläuft (diefe Stadt mit
einbegriffen) jüdtwärts am See von Annecy vorbei, über Faverge bis Yecheraine
und von da bis zum See von Bourget nnd zur Rhone bingeht, jo wie es
durd) den Art. 92 der Schlufacte des Wienercongrefies mit den Provinzen
von Chablais ımd Faucigny geichehen ift.
216. Bundesvertrag zwiſchen den XXII. Bantonen der Schweiz.
Zürich, 7. Auguft 1815.
Repert. der Abichiede II. S. 695 fi.
sm Namen Gottes des Allmäcdhtigen!
1. Die XXI fonmveränen Kantone der Schweiz, als: Züri, Bern, Yucern, Uri,
Schwyz, Unterwalden, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Baſel, Schaii-
banien, Appenzell beider Rhoden, St.Gallen, Graubünden, Aargau,
Thurgau, Tefſſin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf, vereinigen fich durch
den gegenwärtigen Bund zur Behauptung ihrer Freibeit, Unabhängigkeit und Zicherbeit
gegen alle Angriffe fremder Mächte, und zur Handbabung der Ruhe und Ordnung tm
Innern. Sie gewäbhrleiften ſich gegenfeitig ihre Verfaſſungen, jo wie diefelben von den
oberſten Bebörben jedes Kantons, in Uebereinſtimmung mit den Grundſäzen des Buudes—
vertrags, werden angenommen worden fein, Zie gemährleiften fi) gegenieitig ihr Gebier,
488
2. Zu Handhabung dieſer Gewährleiſtung und zu Behauptung der Neutralität der
Schweiz wird aus der waffenfähigen Mannfchaft eines jeden Rantons, nah dem Ber-
hältuig von 2 Mann auf 100 Seelen Bevölkerung, ein Contingent gebildet. Die Truppen
werden von den Kantonen geliefert, wie folgt:
Zürih 3858 Mann, Bern 4584 Mann ...., Un 236 Mann .... Total 32,886
Dann. Diefe vorläufig angenommene Scala joll ven der nächſt bevorftehenden ordent-
lihen Tagſazung durchgefehen und nach obigem Grundſaz berichtigt werden.
3. Die Geldbeiträge zu Beftreitung der Kriegsfoften und anderer Ausgaben des
Bundes werden von den Kantonen nach folgendem Verhältniß entrichtet:
Zürich 77,155 Franfen, Bern 91,69 Fr...., Uri 1184 Fr.... Total 540,108
Franken. — — —
Zu Beftreitung der Kriegskoſten foll überdieß eine gemeineidgenöffiihe Kriegscafie
errichtet werden, deren Gehalt bis auf den Betrag eines doppelten Geldcontingents an-
wachſen foll.
Diefe Kriegscaffe foll ausihlieglih nur zu Militärkoſten bei eidgenöffiihen Auszügen
angewendet, und in fich ergebenden Fällen die eine Hälfte der Ausgaben durch Einziehung
eines Geldcontingents nad der Scala beftritten, und die andere Hälfte aus der Kriegs:
caffe bezahlt werden.
Zu Bildung diefer Kriegscaſſe foll eine Eingangsgebühr auf Waaren gelegt werden,
die nicht zu den nothwendigſten Bedirfniffen gehören.
Diefe Gebühren werden die Gränzfantone beziehen, und der Taglazung alljährlich
darüber Rechnung ablegen. — —
4. Im Fall äußerer oder innerer Gefahr hat jeder Kanton das Recht, die Mitftände
zu getrenem Aufſehen aufzufordern. Wenn in einem Nanton Unrnhen ausbrechen, fo
mag die Regierung andere Kantone zur Hülfe mahnen, doch foll fogleih das Vorort davon
benachrichtigt werden; bei fortdauernder Gefahr wird die Tagfazung, auf Anfuchen der
Regierung, die meitern Maßregeln treffen.
Im Fall einer plözlihen Gefahr von Außen mag zwar der bedrohte Kanton andere
Kantone zur Hülfe mahnen, doch ſoll jogleih das Vorort davon in Kenntniß gefezt werden;
diefem liegt ob, die Taglazung zu verfammeln, welcher alle Verfügungen zur Sicherheit
der Eidgenoffenfchaft zuſtehen.
Der oder die gemabnten Kantone haben die Pflicht, dem mahnenden Hilfe zu leisten,
Im Fall äußerer Gefahr werden die Koften von der Eidgenoflenichaft getragen;
bei innert Unruhen liegen diefelben auf dem mahnenden Kanton, e8 wäre denn Sache,
daß die Tagfazung wegen befondern Umftänden eine andere Beftimmung trefien wiirde.
5. Alle Ansprüche und Ztreitigkeiten zwischen den Nantonen über Gegenftände, vie
nicht duch den Bundesvertrag gewäbrleiftet find, werden an das erdgenöffiihe Recht
gewiefen. Der Gang und die Form diefer Rechtshandlung find folgendermaßen feftgejest:
[Folgen ausführliche Beftimmungen über die Beftellung eidgenöſſiſcher Schiedsgerichtel.
6. Es fjollen unter den einzelnen Kantonen feine, dem allgemeinen Bund oder den
Rechten anderer Kantone nachtheilige Verbindungen geichloffen werden,
7. Die Eidgenoſſenſchaft huldigt dem Grundſaz, daß fo wie es, nach Anertenmung
der XXII Kantone, feine Untertbanentande mehr in der Schweiz gibt, jo könne auch der
Genuß der politischen Rechte nie das ausſchließliche Privilegium eimer Claffe der Kantons
bürger fein.
8. Die Tagſazung beforgt, nach den Vorfchriften des Bundesvertrags, die ihr von
den fonveränen Ständen übertragenen Angelegenheiten des Bundes. Sie befteht aus den
Geſandten der XXII Kantone, weiche nad ihren Inſtructionen ftimmen. Jeder Kanton
489
hat eine Stimme, welche von einem Geſandten eröffnet wird. Sie verfammeln fih in
Hauptitadt des jeweiligen Vororts, ordentlicher Weife alle Jahre am erften Montag im
Heumonat, außerordentlicher Weife, wenn das Vorort diefelbe ausichreibt, oder auf das
Begehren von fünf Kantonen.
Der im Amt ftebende Bürgermeifter oder Schultheiß des Vororts führt den Borfiz.
Die Tagſazung erflärt Krieg umd schließt Frieden; fie. allein errichtet Bündniſſe mit
auswärtigen Staaten; doch find für Diele wichtigen Verhandlungen drei Viertheile der
Kantonsftimmen erforderlih. In allen iibrigen Verfügungen, die durch den gegemmärtigen
Bund der Tagfazung übertragen find, enticheidet die abſolute Mehrheit.
Handelsverträge mit auswärtigen Staaten werden von der Tagſazung geſchloſſen.
Militär-Capitulationen und Berträge über öconomiſche und Polizeigegenftände mögen
von einzelnen Kantonen mit ausmärtigen Staaten geichloifen werden, Sie follen aber
weder dem Bundesverein, noch bejtehenden Bündniſſen, noch verfaffungsmäßigen Rechten
anderer Kantone zumider fein, und zu diefem Ende zur Kenntniß der Tagſazung ge
bracht werben.
Eidgenöffiihe Geſandten, wenn deren Abordnung nothwendig erachtet wird, werden
von der Tagfazuıg ernannt und abberufen.
Die Tagfazung trifft alle erforderlichen Maßregeln fir Die Äußere und innere Sicher:
heit der Eidgenofienichaft. Sie beftimmt die Organifation der Contingentstruppen, ber:
fügt über derfeiben Anfftellung und Gebrauch, ernennt den General, den Generalftab
und die eidgenöffiihen Oberften. Sie ordnet, ım Einverſtäudniß mit den Kantons-
regierungen, die Aufſicht über die Bildung und Ausrüſtung des Militärcontingents au.
9. Bei auferordentlihen Umftänden, und wenn fie nicht fortdanernd verfammelt
bleiben fanır, hat die Tagſazung die Befugniß, dem Vororte befondere Vollmachten zu
ertbeilen. Sie kann auch derjenigen Bebörde des Vororts, welche mit der eidgenöfftfchen
Geſchäftsführung beauftragt tft, zu Beſorgung wichtiger Bundesangelegenheiten, eidsgenöf-
füche Repräfentanten beiordnen; im beiden ‚Fällen find zwei Drittbeile der Stimmen ex:
forderih. — — —
10. Die Yeitung der Bundesangelegenheiten, wenn die Taglazung nicht verfammelt
ift, wird einem Bororte, mit den bis zum Jahr 1798 ausgeibten Befuguiffen, übertragen.
Das Vorort werhielt unter den Kantonen Zürich, Bern und Fucern, je zu zmei
jahren un, welche Kehrordnung mit dem erften Jannar 1815 ihren Anfang genommeıt bat.
Dem Borort ift eine eidgenöffiiche Kanzlei beigeordnet; diefelbe befteht aus einem
Kanzler und einem Ztaatsfchreiber, die von der Tagſazung gewählt werden.
11. Für Lebensmittel, Yandeserzeugniffe und Naufmannswaaren ift der freie Kauf,
und für diefe Gegenftände, jo wie auch fiir das Bich, die ungehinderte Aus- und Durch—
fuhr von einem Kanton zum andern gefiert, mit Vorbehalt der erforderlichen Polizei
verfiiqungen gegen Wucher und jchädlichen Vorkauf.
Dieſe Polizeiverfügungen follen für die eigenen Rantonsbirger und die Einwohner
anderer Kantone gleich beſtimmt werden.
Die dermalen beftehenden, von der Tagſazung genehmigten Zölle, Weg- und Brüken—
gelder verbleiben in ihrem Beftand. Es fünnen aber ohne Genehmigung der Tagſazuug
weder neue errichtet, noch die beitehenden erböbt, noch ihr Bezug, wen er auf beftimmte
Jahre beichränft war, verlängert werden.
Die Abzugsrechte von Kanton zu Kanton find abgeſchafft.
12. Der Feortbeftand der Ktlöfter und Gapitel, und die Zicherheit ihres Eigenthums,
fo weit es von den Kantonsregierumgen abhängt, find gemährleiftet; ihr Vermögen ift,
glei anderm Privargut, den Stenern und Abgaben unterworfen,
®
40
15. Sowohl gegenmwärtiger Bındesvertrag, ale auch die Kantonalverfaſſungen Sollen
in das eidgenöffiihe Archiv niedergelegt werben.
Die XXII Kantone fonftitwiren ſich als ſchweizeriſche Eidgenoiicn-
Ibaft; fie erflären, daß fie frei und ungezwungen in diefen Bund tre
ten, dDenfelben im Glük wie im Unglül als Brüder und Eidarnoffen
getreulih balten, infonders aber, daß fie von nun an alle daraus
entftebenden Pflichten und Berbindlihfeiten gegenfeitig erfüllten
wollen; und damit eine für das Wohl des gefammten Batcerlandes jo
wichtige Handlung, nah der Zitte der Bäter, eine beilige Gewähr
ſchaft erbalte, so ift dieſe Bundesurfunde nıcht allein durch die bevoll-
mädtigten Geſandten eines jeden Standes unterzeichnet und mit dem
neuen Bundesiniiegel vericben, ſondern nob durch einen theuren
Eid zu Gott dem Allmächtigen feierlich befräftiget worden.
217. Aus dem Memorial von Ufer.
Aus Dändlifer, der Uſiertag, Beilage.
Ehrerbietige Vorftellung der Yandesverjanmmlung des Kantons
Zürich, abgehalten zu Ufter, Montags den 22. November 1830.
Hohwohlgeborner, Hochgeachteter Junker Amtsburgermeifter!
Hochgeachtete, Hochzuverehrende Herren und Übere!
EI 8 iſt allgemein befannt, daß die in den legten Tagen des abge:
— wichenen July für ganz Europa höchſt wichtigen, in Frankreich
RL E Statt gefundenen Vorfälle auch in unſerm gemeinjamen Vater—
fande, und bejonders auch in unſerm Kanton, die verjchiedenen Begehren und
Wiünjche, die jeit dem Jahre 1814 durch die Ereignijje in Schlummer ein-
gewiegt wurden, aufgewect haben, welche gegenwärtig am der Tagesordnung
find. Allgemein ift in unferm Kanton der Wunſch und das Begehren nad)
Berfafjungs-Aenderung und Erleichterungen. Mit geipannter Erwar—
tung jab man der durd die Verſammlung der ein und dreyßig großen Käthe in
Uſter herbeygeführten außerordentlichen großen Nathsjigung entgegen; einerjeits
darum, weil Erzeile zu befürchten jtunden, welche Eigenthum und perjönliche
Zicherbeit hätten gefährden fünnen, anderjeits darum, weil man allgemein
mit bewegtem Gemüthe auf die Wahrung der Bolfsrechte achtet. Der erjte
Punkt ift, Gott ſey Danf! durch die, der Stellung des großen Rathes ange:
meſſene würdige Haltung bejeitigt; hingegen ermangelten in dem zweyten Punkt
Viele derjenigen energiichen Sprade, welde einzig geeignet iſt, verlorene
Volks-Rechte wieder ins Yeben zu rufen, weßwegen auch Viele, im Vertrauen
“72
491
auf den großen Math, einigermaßen entmutbigt werden mußten. Gänzliche
Entmuthigung im Vertrauen auf dieje hohe Behörde ift eingetreten, nachdem
das Reſultat der Verhandlungen der vom großen Rathe niedergejegten Kom:
miffion befannt wurde. Was imdejfen die höchfte Yandesbehörde hiezu jagen
werde, ift zur Stunde noch nicht befannt. Indeſſen ift zu erwarten, Hoch—
diejelbe werde einen jolchen Antrag nicht genehmigen. Da übrigens, went
man berücjichtigt, daß die Mehrheit diefer Commifjion aus Yandbürgern be-
ftanden ift, die Vertheidigung und Sicherung der Volks-Rechte auf einem be-
denflichen Fuße jteht, jo fanden viele Freunde der Ordnung und Gejeglichkeit
jih bewogen, bey der jich laut ausfprechenden Gährung des Volfes, bey den
anlodenden Beijpielen in benachbarten Kantonen und in der Gewißheit, daß
unter diefen Umſtänden nächftens gewaltſame Ausbrüche folgen würden, eine
Volksverſammlung in Uſter zu veranftalten und von derjelben, jomohl durd)
Anhörnng der Einzelnen, als durd ein Gefammtmehr ihre Wünfche zu ver:
nehmen. Das verfammelte Volt, wenigftens zwölf taufend Männer an der
Zahl, hat in der Ueberzeugung:
1. Daß in Freiftaaten das Volk, oder die Gejammtheit der freyen Bürger
der Souverain ift, folglih nur mit ihrem Willen die Verfaffung
abgeändert werden darf:
2. Daß die Dringlichfeit einer Reviſion und verjchiedene Veränderungen
des Grundgejetes — der Verfaſſung — nicht nur von dem geſammten
zürcherifchen großen Rathe eingefehen, jondern auch von der Mehrzahl
der Staatsbürger anerfannt wird:
3. Daß weder in der Ao. 1814, ohne fürmliche Sanftion des Volfes
eingeführten Verfaffung, noch im Weſen des Repräjentations-Syftem
eine unbedingte Bevollmächtigung der gegenwärtigen großen Näthe
liege, diefe Abänderung ohne die Sanftion des Volfes vorzunehmen:
+4 Daß die bisherigen Schritte dieſer Volksdeputirten feine genügende
Garantie geben, daß die neue Verfaſſung dem Geifte der Zeit, dem
Wejen eines freyen Staates und dem Willen des Volfes gemäß
abgefaft und demielben zur Sanftion und zur Beſchwörung vorge-
legt werde:
5. Daß die Verfaſſung nur dann von Dauer und Haltbarkeit jeyn kann,
wenn fie den Wünfchen und Forderungen der Mehrzahl entipricht:
6. Daß die Volksſtimmung über dieſes heiligite Intereſſe eines freyen
Bürgers noch auf feine geeignete Weiſe ſey erforſcht worden, vielmehr
der Mangel einer Proflamation und die bisher umterlaffene Eröffnung
eines Weges, jeine Anfichten einzugeben, zu zeigen jcheint, daß man
fie nicht kennen molle:
492
7. Daß es jich vorerft um die Ausmtittelung eines angemeffenen Reprä-
jentations-Verhältnifjes und einer freyen Wahlart handeln müfje;
daß zwar die Bevölkerung den allein richtigen Maaßſtab für jenes
Verhältniß darbiete, indefjen zur Zeit auch noch auf Bildung und
Vermögen Rückſicht zu nehmen jey, ferner die Rechte eines freyen
Bürgers erheiihen, dat die Wahlen zum größten Theil von ihm
ausgehen:
8. In der Ueberzeugung endlich, dag der Antrag der großen Raths—
Kommiſſion diefe Erfordernife nicht erfüllt, vielmehr der Volfswille
jich immer lauter dagegen ausipreche und die Ruhe des Staates eine
Zeit: und Zwedgemäßere Abänderung dringend erheiſcht; — für gut
befunden und beichloffen: Eine Dentichrift an den großen Rath zu
erlaffen und die allgemein ausgeiprochenen Begehren und Wünſche
an jeinen Vorftand in aller Ehrerbietigteit zu bringen.
Das allgemein berrichende Begehren, das dem Bolfe, jeinem echt und
jeinem Intereſſe am nächſten Liegt, ift mut:
1. Eine verhältnigmäßige Nepräjentation im großen Rathe;
2. Ein bejjeres Wahliyiten.
In Bezug auf den erjten Punkt iſt das bejtimmte Begehren heute ein-
müthig bejchloffen worden, dap von nun an der große Rath aus zwey Dritt:
theilen von Yandbürgern umd zu einen Drittbeile aus Stadtbürgern Zürichs
bejeßt werde. — — -
In Bezug auf den zweiten Punkt, das Wahlſyſtem betreffend, begehrt
die Verfanunlung einmüthig, dag durch die Verfaſſung fejtgejetst werde:
1. Daß fünf Sehstheile der von den, dem Yande zufallenden zwey
Drittheilen jederzeit durch die Zünfte direfte gewählt werden.
2. Soll die Amtsdauer auf 3 ‚Jahre reduzirt werden; die Ausgetretenen
aber wieder wählbar jeyn.
3. Die Wählbarteit joll vom Vermögen gänzlich unabhängig jeyn und
bleiben.
4. Sollen alle die Förderung und Weinheit der Wahlen hemmenden
Vorkehrungen und Umtriebe ausgemerzt und überhaupt die Wahl:
polizey erneuert werden.
5. Sollen die bisherigen Abrufungswahlen abgeichafft werden.
6. Den Anſäßen joll geftattet werden, an ihrem Wohnorte das Wahl—
recht auszuüben.
Mit der Befriedigung dieſer beyden Hauptforderungen findet das Yand-
volf ſein nächſtes und heiligſtes Intereſſe für den gegenwärtigen bewegten
Moment befriedigt. Da es aber einmal genöthigt war, im einer Yandesver:
lammlung aufzutreten, jo bat es auch für Pilicht erachtet, die allzugrellen
Mängel der Berfafjung und Gefege aufzudecken und von jeinen Stellvertretern
u
495
befriedigende Abhülfe zu verlangen. Diejenigen Punfte, über welche die
Verſammlung einmüthig beichlojjen bat, Abhülfe zu begehren, beitehen in
folgendem :
1.
Daß in Bälde eine gänzliche Nevifion der Verfaffung und der Kan—
tonalgejege in allen Zweigen überhaupt in Zuzug von Rechtskundigen
und Yandesfundigen angehoben werde.
Daß ein Verfahren gejetlich werde, wie in Folgezeit die Verfaſſung
nach dem Gejittungsitand umd den gemeinen Bedürfniffen zu ändern jey.
Daß die jett gewünfchte Verfaſſung und alle fünftigen organijchen
Berfaffungsänderungen nur nach erhaltener Sanftion des Volkes in
den Urverſammlungen in Kraft und Wirffamfeit treten jollen.
4. Trennung der Gewalten im Staat in allen Stufen.
Preffreiheit, als ftetes Grundgejek.
Deffentlichkeit des großen Naths-Protofolls und nad) dem Yofal be-
dingte Deffentlichfeit der großen Raths-Verhandlungen.
Das Necht, Beichwerden und Wiünjche des Volfes an den großen
Rath zu bringen, oder ein geſetzlich gefichertes Petitions-Recht.
Wahl der Amtsitatthalter durch den Heinen Rath, der Gerichtspräft-
denten durch das Übergericht. Vorſchlag zu Amtsrichterftellen durch
Wahl-Korps und periodiiche Ernenerungen aller diejer Stellen je zu
drey Jahren.
.Freye Wahl der Gemeindrathspräfidenten und Friedensrichter, der
Semeindammänner nach einem Dreyer-Vorſchlag der Gemeinden durch
den Kleinen Rath und periodijche Erneuerung diefer Stellen und Vor-
Ichläge, je zu drey Jahren.
Mit diefem beftimmten Begehren der Berfaffungsverbeiferung ver:
bindet die Yandesverfammlung nachfolgende allgemeine Wünſche:
—
2
3.
Aufhebung des Zunftzwanges.
Aufhebung des bisherigen Kaſernendienſtes und rechts- und zweck—
mäßigere Verlegung der Montierungsſteuer.
Bedingte frühere Entlaſſung vom Militärdienſt ohne Abbruch der
Landesbewaffnung.
Verminderung der Getränk,, der Stempel-, jo wie der meiſten indirekten
Abgaben.
Aufhebung des Zuchtſtieren Geſetzes.
. Verſchmelzung der Yandjägeritener mit den allgemeinen StaatSausgaben
und Verminderung dieſes Korps.
Aufhebung der Porten: und Kaufbauszölle gegen volle Entſchädigung.
Berücdfichtigung der an verjchiedenen Orten allzu läftigen Zehnten—
bezüge.
.Geſetzliche Herabſetzung des Zinsfußes von 5 auf 4%.
Aufbeburg des cr Auıms.
.. 2erinderung der jesiger Arreiimm Ürtmung.
2. Seregliches Kate ter Srhmemeriden, ihren Zeeljorger aus einem
TIreverreriäisy nat verzmmegumgpemer Trobepredigt zu wählen.
13. Zrezielle Deffentlic?eit der Sunazsrehmung zu Handen der Gemeinden.
14 Gegen vie Erleicteneny der imiireften Steuern gerechte und richtige
Bermögensbeitenerung.
In. Als emer der wideruer Niüorde durchgreifende Verbeiferung im
Schulweſen.
Sabrend der Berbandlungen edtger beſtirunter Begehren und allgemeiner
Eomibe And ven einzelnen Seiten nadielgende ſpezielle Bemerkungen
zu> Bimiche ausgeiprochen und an die Beriummmiung begehrt worden, die:
rien an uire bebe Regierung einzurcichen:
1. Keviiion des Yosfanfägeieges der modenen umd naſſen Zehnden und
Kerperatiensreht, Das Zedndenlestaufs Kapital zu verzinjen.
2. Geſetzliche Regulirung der Amritengelder.
Ein durchgreifendes Sees, dezüglich auf Anlegung umd Unterhaltung
der Ztraken und Fußwege.
4. Milderumg der seriterdmung, namentiib Zicherung gegen Willfür
der Forſtbeamten.
>. Da ven vericiedenen Zeiten Beichwerden gegen das Entjtehen von
Webmaſchinen gefübrt und bereits Drobungen gegen diejelben aus-
geiprochen werden jind, je wird der Große Rath erjucht, dieſe Sache
an Hand zu nebmen, Erperten auszuſenden, Unterſuch zu balten,
die Klage des Volkes anzuberen amd dur eine Bekanntmachung die
Anbandnabme dem Publikum anzızeigen und den Betrieb derjelben
einzuitellen.
Berrogen dur den rubigen, aber feiten Willen des Volles, jedoch nicht
ohne bange Erwartungen, baben die zabireihen Wänner, welche in Uſter die
Klagen des Volkes eimvernabmen, und dasielbe zur Geduld und Ruhe be-
mwogen baben, ſich zur Abfaffung der vorliegenden Denkſchrift entichloffen,
welche jie, obne alle andere Abficht, als dem Xaterlande zu nügen, in den
Schooß einer weiten und gerechten Regierung legen, und dabei die lieber:
yengung auszuſprechen wagen, daß mur eine durrchgreifende Verbeflerung der
Verfaflung und danernde Abbülfe der Beichwerden, die ven Woche zu Woche
größer werdende Gübrung und Unzufriedenbeit zu ftillen vermögen. Bietet
bingegen die bobe Regierung zur Yölung des Wortes, welches obige Männer
der Verſammlung zu Uſter gaben: „Es tell Abbülfe verſchafft werden!“
die väterlibe Hand, jo kann Hochdieſelbe nenerdings auf dDauerbafte Rube,
ſowie auf die Irene ibres Volkes züblen und ji auf deilen ummandelbare
Anbänglichteit und freudige Dingebung von Gut uud Blut in jeder Yage
ws
495
verlaſſen. Aber jo wie ji das Volk früher und am jenem Tage gezeigt hat,
ift beftinmmt anzunehmen, daß bei der Nichtentſprechung feines Verlangens,
es mit dem nämlichen Muthe, aber vielleicht nicht mit der nämlichen Ruhe
jeine Wünſche wiederholen werde. Zur Ueberzeugung, wie allgemein der Wunſch
von Verfafjungs-Verbefjerung fer, nehmen jene Männer die Freiheit, von
12,000 anmejenden Bürgern mur einige tauſend Unterfchriften im Namen der
Uebrigen beizulegen.
Schließlich bitten wir Hochdieſelben im Namen des Volkes, die Verſicherung
vollfommener Hochachtung zu genehmigen.
Alſo unterzeichnet in Zürich, den 24. November 1830,
Im Namen der in Uſter verjammtelt gewejenen, wenigjtens
zwöfftaufend Cantonsbürger, die Abgeordneten:
Im Namen und aus Auftrag der ganzen Bürgerjchaft Winterthurs:
G. A. Hirzel, Stadtrath. Troll, Rector. Rieter,
J. R. Heller, Lehrer an der Stadtichule.
Im Namen der Gemeinde Zolliton, Oberamt Zirid) :
Ihommann, Major, von Zollikon.
Für die Oberämter Wädenſchweil und Meilen (beide Seeufer):
Hieftand, Gemeindammann. J. Steffan, Hauptmann.
Joh. Brändlin von Stäfa.
Für das Oberamt Griningen: Zollinger, Arzt in Dürnten.
Im Namen der Abgeordneten des Oberamtes Andelfingen:
Dr. Maag in Feuerthalen.
218. Das Siebner Bonkordat vom 17. März 1832.
Nepertorium der eidgenöffiichen Abichiede I. S. 406,
In Ermanglung näherer Beitimmungen des Bundesvertrags über Um—
fang und Folgen einer Gewährleiftung der Verfaffung und in der durch den
$ 6 des Bundesvertrags begründeten Berechtigung haben die eidgenöffiichen
Stände Yucern, Züri, Bern, Solothurn, St.Gallen, Aargau
und Thurgau folgendes Concordat unter fic) geſchloſſen:
Art. 1. Indem die vorgenannten, dem gegenwärtigen Goncordat bei-
tretenden Stände ihre auf dem Grundſatz der Volfsjonveränität beruhenden,
in dem eidgenöſſiſchen Archiv niedergelegten Verfaſſungen gegenjeitig gewähr—
leijten, verheigen jie biedurch jowohl die dem Volk jedes Kantons nad) feiner
406
Berfaffung zuftehenden Nechte und Freiheiten, als die verfaſſungsgemäß auf-
gejtellten Behörden jedes Kantons und ihre verfaflungsmäßigen Berugnifie
aufrecht zu erhalten. Sie gewährleijten ſich ferner, daß Anderumgen dieſer
Verfaſſungen einzig im der durch jede Verfaſſung ſelbſt feſtgeſezten Weiſe
vorgenommen werden können.
Art. 2, Wenn in einem der beitretenden Kantone wegen Verfaſſungs—
verlezungen Zerwürfniffe entjtehen, welche die allgemeine Ruhe desjelben ge-
fährden, jo üben, nach fruchtlos verjuchter Vermittlung, die übrigen im Gon-
cordat begriffenen Kantone insgejammt das Schiedsrichteramt aus. Die Schieds-
richter haben ſtrenge nach dem Sinne der beftehenden Verfaffung zu urteilen
und fünnen in derjelben feinerlei Beränderungen vornehmen.
Art. 3. Zu Bildung des Schiedsgerichtes fendet jeder der beitretenden
Stände (mit Ausnahme des jelbjt betheiligten Kantons) einen von jeiner
oberjten Kantonsbehörde gewählten Schiedsrichter, Dieje Schiedsrichter find
an feine Inſtruction gebunden.
Art. 4. Der betheiligte Stand ift pflichtig, jih dem Spruche zu unter—
ziehen, den die concordirenden Stände nöthigenfalls vollitrefen.
Art. 5, Durch die verbeikene Garantie anerfennen die beitretenden
Stände ihr Recht und ihre Pflicht, einander Schuz und Schirm zu leiften
und umter Anzeige au den Vorort einander jelbjt mit bewaffneter Macht
einzeln oder in Gemeinschaft zu Hülfe zu ziehen, um Ruhe, Ordnung und
Verfaffung, wo diefe gefährdet fein follten, aufrecht zu erhalten.
Art. 6. Gegenmwärtiges Concordat wird mit ausdrüflihem Vorbehalt
aller aus dem bejtehenden Bundesvertrag bervorgehenden Rechte und Pflichten
der beitretenden Kantone ſowohl gegen die gefammte Eidgenofjenjchaft als gegen
die einzelnen übrigen Stände abgejchloffen. Sobald der Bundesvertrag der
Eidgenofjen revidirt und in demjelben die angemefjenen Beſtimmungen über
Umfang und Wirkung der Garantie der Verfafjungen aufgenommen jein
werden, tritt dieſes Concordat als erlojhen außer Kraft und Wirkſamkeit.
Protofoll über eine nachträgliche Verabredung.
... 5. jedem Stand der Eidgenoffenichaft ift der Beitritt zu diejem
Concordat vorbehalten.
497
219. Die Trennung von Bafeltadt und Bafelland.
26. Auguſt 1833.
Repertorium der eidgen. Abichiede II. S. 870.
Die eidgenöfjiihe Tagfazung
in Betrachtung, daß die VBeichlüjje der Tagjazung vom 14. Herbftimonat
und 5. Weinmonat 1832 über die Angelegenheiten des Kantons Bajel, in-
folge beharrfichen Widerftandes der Behörden des Kantons Bajel-Stadttbeil,
in ihren wejentlichiten Beſtimmungen nicht vollzogen worden ;
in Betrachtung aber, daß es der Tagjazung nach Artifel VIIT des
Bundesvertrags obliegt, diejenigen allgemeinen Gefahren des Vaterlandes zu
bejeitigen, von welchen es durch eine längere Fortdauer der Wirren im Kan—
ton Bajel bedroht ijt, und daß zu diejem Ende ein dauerhafter Zuſtand
öffentlicher Ordnung daſelbſt begrimdet werden muß;
in Betrachtung, daß die neueften Ereigniffe im Stanton Bajel Ber:
änderungen der oben erwähnten Tagſazungsbeſchlüſſe gebieten, eine Wieder:
vereinigung beider Yandestheile aber in der nächiten Zeit unausführbar ge-
worden ift:
beſchließt:
Art. 1. Der Kanton Bafel wird in ſeinem Verhältniß zum Bunde,
wie bisanhin, einen einzigen Staatsförper bilden, in Bezug auf die
öffentliche Verwaltung hingegen, jedoch unter Vorbehalt freiwilliger Wieder:
vereinigung, in zwei bejondere Gemeinmwejen geteilt.
Art. 2. Der eine Yandestheil befteht aus der Stadt Bajel, mit Inbegriff
ihres Stadtbannes, und den am rechten Rheinufer gelegenen Gemeinden des
Kantons. Er wird jih Kanton Bajel-Stadttheil nennen.
Der andere Yandestheil bejteht aus dem gejammten übrigen Gebiete des
Kantons Bafel, mit der Bezeihnung: Kanton Baſel-Landſchaft.
An diefer Gebietsansicheidung kann feine Veränderung vorgenommen
werden.
Art, 3. Jeder der beiden Yandestheile wird jeine eigene Verfaſſung
haben; dieje Verfaffungen unterliegen der Anerkennung und Gewährleiftung
der Eidgenofjenichaft. — —
Art. 7. In der Tagjazung jollen beide Yandestheife in gleichen Nechten
repräjentirt werden. Den Vorſiz führen Baſel-Stadttheil und Bajel-Yandichaft
"in jährlichen Wechjel. Wenn im einzelnen Falle feine Verftändigung zwijchen
beiden Yandestheilen für eine gemeinſame Inſtruction erfolgt, jo zählt die
Standesſtimme nicht.
Occhsli, Quellenbuch. 32
J er
498
Art. 9. Das geſammte Staatseigenthum des Kantons Bajel an Capitalien,
Gefällen, Gebäuden, Kriegsmaterial u. j. w., ohne irgend eine Ausnahme,
und ausdrüflid mit Inbegriff der Kirchen-, Schul: und Armenfonds, joll
auf billigen Fuße zwiichen beiden Yandestheilen ausgejchieden und vertheilt
werden. [Folgen nähere Beſtimmungen über die Art, wie die Ausjcheidung
zu vollziehen ift.]
Art. 11. Die militärische Bejezung des Kantons Bajel-Yandichaft wird
aufhören, jobald jeine Verfaffung im Umfang des ganzen landjchaftlichen
Gebietes eingeführt und, nad) amtlicher Erklärung der eidgenöfjischen Com—
miffarien, Ruhe und Ordnung dajelbft zurüfgefehrt fein werden. Gleiches
wird im Kanton Bajel-Stadttheil geſchehen, nachdem er allen aus gegen-
wärtigem Beſchluß hervorgehenden, jowie überhaupt jeinen bundesgemäßen
Verpflichtungen Genüge geleiftet und die Eidgenoffenjchaft dadurch Sicherheit
erhalten haben wird, dag Ruhe und Ordnung aud) von Seite diejes Yandes-
tbeiles nicht weiter gefährdet jeien.
220. Sendfchreiben des Glaubenskomite's wegen der Berufung
des Dr. Strauß an fämtliche Birchgemeinden des
Bantons Züri. 13. Februar 1839.
vithogr. Flugbl., Stadtbibl. Wintertur.
An den vereinten rejp. Stilljtand und Gemeindrath.
zit.
ie Berufung des Dr. D. F. Strauß, von Yudwigsburg, an den
theologiſchen Yehrjtuhl der Dogmatif unjerer Hochſchule, durch
I den H. Negierungsrath, ift eim für die ungeheure Mehrzahl der
Bewohner des Kantons Zürich zu erjhütterndes Ereigniß, als daß ſich nicht
alle Gemüther, wie durd) eleftriichen Schlag getroffen, mit Entjegen erfüllt
jähen. —
In allen Gegenden des Kantons, in den vielfachen Berührungen des
Vebens, zeigte ſich unverfennbar das tief verlegte Gefühl, des von der H.
Negierung, vielleicht ihr unbewuft, verjuchten Übergriffes, in die verfaffungs-
mäßigen Nechte unjerer Landeskirche, bloß um der jubjektiven Überzeugung
der Mebrheit ihrer jegigen Mitglieder, in der heiligjten Sache der Menſchheit,
zu fröhnen; gegen einen pojitiven biftorischen göttlichen Glauben, einen, wenn
and) durch ſcharfſinnige Dialeftif geniegbaren menjchlihen Glauben zu
499
jubftitwiren, und denfelben bei dem Volk des Kantons Zürich, durch Berufung
eines Schismatifers, Eingang zu verjchaffen.
Sie wäre wahrlich ein entartetes Geſchlecht die jekige Generazion des
Kantons Zürich, wenn irgend eine weltliche Macht es vermögen ſollte, ihr ihren
Glauben an einen Weltheiland, Erlöfer und Seligmader, zu nehmen, den
Glauben, in welchem ihre Väter, im Yeben und im Tode, Beruhigung, Troft
md Ermunterung gefunden, fie jelbft in den manigfaltigen Wechjeln menſch—
licher Begegniffe und Schidjale, jo zahlreihe Spuren dieſer unausſprechlich
göttlichen Wohlthaten empfunden und noch täglich empfindet.
rei geboren, und gewohnt, ihre Gefühle ohne Schen auszudrüden, fühlt
jie ſich beleidigt, gefränft in den heiligiten Nechten der Menſchheit durch eine
in den Annalen der Gejchichte beijpiellofe Verfügung über ihre religiöje Zu:
funft, und wie Ein Mann und Eine Seele fteht fie auf, die ganze Bevöl-
ferung des Kantons Zürich, und jpricht als Freiin des Vaterlandes zu ihrer
Regierung: „Ich will in meinem evangeliich-reformirten Glaubensbekenntniß
fernerhin unmwandelbar beharren, und fordere von Euch, geſtützt auf unfern
Palt, daß Ihr den Dr. Strauß von Yudwigsburg entlafjet, und an den
theologiichen Yehrjtuhl der Dogmatik einen vechtgläubigen Theologen berufet.‘
Um aber auf gejeglichem Wege hierzu zu gelangen, die Angelegenheit
als rein religiös, in feinerlei Beziehung zur Politik, zu halten, hat eine Ver—
jammlung zu Wädenjchweil, von Deputirten aus 29 Gemeinden Statt gefunden,
und nad) einläßlicher Erörterung der hochwichtigen heiligen Sache gefunden, daß
fie die Amitiative zur Bildung von Kirch-, Bezirfs- und Zentralvereinen zu
ergreifen habe, indem jie jich dafiir an die Stillftände und Gemeindräthe der
Slirchgemeinden wendet, damit von da aus die Organijation diefer Komité
vor jich gebe. — —
Die Kirchgemeindstomite werden ihre Ausſchüſſe an die Bezirksvereine
inftruiren; die Bezirfsvereine werden das Nämliche in Bezug auf die Abord-
nung in den Zentralverein, vornehmen... . Um aber den Ausdrud des Ge—
ſammtwillens des ganzen Kantons zu fernen, ift ein Zentralverein nothwendig,
welcher in legter Inſtanz das ganze Volk des Kantons Zürich vertritt und
die einzuleitenden Schritte bejorgt ; dieſer wird die Mittel und Wege berathen,
welche einzufchlagen find, um die Entferming des Dr. Strauß vom theol.
Vehrjtuhle der Dogmatik zu erzielen; er wird auf Garantien denfen, welche
die Wiederholung ähnlicher Verjuche vereiteln, und zugleich in Bezug anf die
Schule, die fih nach vielfach geflofienen Äußerungen, auf dem Wege der
jrreligiofität befinden joll, die nöthig erachteten Forderungen ftellen; er wird
in Unterjuchung ziehen, wie Verbefferungen in unſern kirchlichen Verhältniſſen
auf die unantajtbarfte Grundlage unjers hriftlich-evangeliicy-reformirten Glau—
bensbefenntnijies bin, vorgenoinmen werden können. — —
500
221. Aus dem Protokoll der Luzernerkonferenz vom 13./14.
September 1845, im welcher der Grund zum katholifchen
Sonderbund gelegt wurde.
Heransgeg. von 8. Herzog. 2. W.
IT. Über einen Antrag des Herrn Staatsjhreibers Meyer,
die Tit. Deputationen möchten ſich ausſprechen, inwiefern
das Bolf ihrer Kantone geneigt und geſtimmt jei, allfällige
energiihe Schritte der Kantonsregierungen mit aller Ent:
ihiedenheit und Aufopferung zu unterftüßen.
Es jprachen jich die Tit. Deputationen von Yuzern, Uri, Schwyz,
Obwalden und Freiburg jämmtlich dahin aus, dar fie hierüber beſtimmte
Inſchlüſſe nicht zu geben im Falle jeien; die Abgeordneten von Uri und
Schwyz wünſchten gerade durch das Netultat der Konferential-Berathung
dem Bolfe Anlaß zu geben, jeine Anficht entichieden auszufpredhen, um eine
jefte Grundlage des Handelns für die Negierung zu gewinnen, und ſprachen
die Zuverfiht aus, dar gehörig über den Stand der Sache belehrt und des
Yeiftandes ihrer Miteidgenoffen aus den betreffenden Kantonen verjichert,
das Volk jeine Regierung mit aller Energie unterftügen wiirde, Weniger
bejtimmt wurde dieje Erflärung von der Abordnung von Obwalden gegeben.
Die Abordnung von Nidwalden dagegen äußerte, es habe jich in Nidwalden
allgemein die Anficht gebildet, der Kloſterhandel jei ein verlorner Handel,
der durch einen Tagſatzungsbeſchluß entjchieden jei. Zwar fühle man allgemein
dejfen Unrecht und habe durch die Gefandtichaft auf allen Tagjagungen es
ausgejprochen, allein weitere Schritte würden beim Volk, das die Klojter-
angelegenheit als eine iolirt jtehende betrachtet und durch ſchwere Erfahrungen
belehrt, den Frieden liebe, weniger Anklang finden. Die Abordnung von Zug
erflärte jich über die Stimmung ihres Volfes, jo viel ihr befamnt jei, ebenfalls,
daß bei der erponirten Yage des Kantons Zug und der faft fichern Ausficht auf
ein größeres Unglüd, das Zuger'ſche Volk jchwerlich geneigt fein werde, einen
Zuftand friedlichen Glückes den ungewiſſen Folgen weiterer Schritte zum
Opfer zu bringen.
III. Über ven Hauptgegenftand der Berathung, nämlid) über
die in Folge des Tagjakungsbejhlujjfes vom 31. Augftmonat!
und der dagegen eingegebenen Proteftation der bundes—
getreuen Stände vorzunehmenden weitern Mafregeln äußerten
jich die Tit. Deputationen im Wejentlichen folgendermaßen:
Die Abordnung von Yırzern war in diefer Beziehung getheilter Mei—
mung. Herr Negierumgsitatthalter Siegwart-Müller ſprach jich dahin
Die Narganer Klofterfrage ans Abſchied und Traltanden fallen zu laffen.
501
aus: Die mannigfaltigen Bedrückungen, welche die Katholiken in jo mannig:
faltigen Alten der neuern Zeitgeſchichte erlitten, wie die Aufhebung der
aargauiſchen Klöfter, die Unterdrüdumg der Thurgauer Klöfter, die Verfolgung
der Statholifen in allen paritätiichen Kantonen hätten die fatholifchen Stände
längft berechtiget zum Aeußerſten zu jchreiten; allein es fei Pflicht, ſelbſt dem
offenbaren Bundesbruc gegenüber, jo lang als möglich auf dem Wege des
Friedens zu bleiben, und erft, wenn die friedlichen Meittel erichöpft jeien,
weiter zu gehen. Sein individueller Vorſchlag gebe deßhalb dahin:
1) Auf dem Wege der Belehrung auf die verirrten Bundesbrüder mod)
einmal einzumirfen umd zwar möchten die fonferirenden Abordnungen ihren
Inſtruktionsbehörden ein Manifeft an die gefammmte Eidgenofjenjchaft zu er:
lafjen vorichlagen, worin alle rechtswidrigen Bedrückungen, welche die Katho>
lifen in neuerer Zeit im Aargau, Thurgau, Zürich, Bern, Glarus erlitten,
mit Rückſicht auf die alten Yandfriedensverträge, die theils als natürliches
Recht, theils nach dem Buchſtaben, wenn auch nicht nach) dem Geifte und
der Anwendung der j. g. regenerirten Berfaffungen fortwährend rechtliche
Geltung haben, jowie auf Art. XII des Bundes und die Folgen, welche
eine Außerrechtlaſſung dieſes einzigen Schuges der fatholiichen Konfeſſion und
ihrer Intereſſen in dem gegenwärtigen Staatsrecht der Schweiz nach ſich
ziehen müßte, dargeftellt würde, worauf begründet, die Nechte der Katholiten
zurüdgefordert würden, unter der Drohung, dag im Falle fort:
dauernder Verweigerung, den bundesgetreuen Ständen nidts
übrig bleibe, als die Gemeinjhaftmitden übrigen aufzuheben.
2) Möchte eine außerordentliche Tagjagung etwa auf den Frühling, wo
durch die zu hoffende Wirfung eines ſolchen Manifeſtes, die Stimmung und
viekeicht die Perjonen in mancher Inſtruktionsbehörde geändert jein dürften,
einberufen werden, um über die Begehren der fatholifchen Stände zu ent:
jheiden. Dabei jollte man aber nicht ftehen bleiben, jondern von den In—
jtruftionsbehörden die Bezeihmung und Bevollmächtigung von Abgeordneten
zu einer beftändigen Konferenz auswirfen, der die Yeitung diejer An—
gelegenheit übertragen würde, jo wie die Anordnung einiger mili:
tärifcher Vertheidigungsmaßregeln. Wenn die katholischen Stände
fejt auftreten, jo werde es niemand wagen, jie anzugreifen, ein einzelner
Stand werde gegen fie nicht zu Felde ziehen, ein Tagſatzungsbeſchluß werde
niemals zu Stande fommen. Auch werden jich bei ernfthaften Ausjichten auf
wirkliche Kollifion Mittler genug finden. Bajeljtadt und Neuenburg jcheinen
jich diefe Rolle vorbehalten zu haben. Auch St. Gallen werde ſich in der
Yage befinden. Wagen dagegen die fonjervativen Stände ihrer Proteftation
feine weitere Folge zu geben, jo werden nicht mur die fonjervativen und
fatholiichen Elemente in den großen Kantonen erdrüct werden, jondern der
Nadifalismus werde neu geftärft auch im die von ihm bisher wenig berührten
502
Kantone mit feinen antifozialen und antifirchlichen Tendenzen unaufhaltſam
dringen.
Die HB. Schultheiß Rüttimann und Staatsichreiber Meyer pflicd
teten der Anficht des Hrn. Statthalter Siegwart in allen Theilen bei, mit
Ausnahme der Drohungen mit Trennung, melde fie in das
Manifeft nicht aufnehmen wollen. — — —
Die Abordmung von Uri entwidelte vorzüglich die Anficht, daß bei allen
Handlungen des Nadifalismus jeit 1831 ein jo eflatanter offenbarer Bundes:
bruch nicht vorhanden geweſen fei, wie er jett durd den Tagſatzungsbeſchluß
vom 31. Auguft vorliege, daß der gegenwärtige Moment daher der geeignete
jei, den bejtändigen Vexationen der Katholiken ein Ende zu machen, und die
drohende Gefahr der gänzlichen Unterdrüdung der Fatholiihen Stände abzu—
wenden. Daß der Moment einerjeits günftig jei, durch die größere Macht
und kompakte Maffe, welche die fonjervativen Stände gegenwärtig bejigen,
anderjeitS nothiwendig, weil die Ehre und die Selbfterhaltung den fatholiichen
Ständen nad ihrer Erklärung vom 31. Auguft in der Tagjagung feinen
Ausweg mehr laſſe, als zu energifchen Mitteln zu greifen; endlich jet der
Moment ummviederbringlich, weil dur ein Stillftehen oder einen Rückzug die
moraliiche Kraft der fonjerpativen Kantone gebrochen werde, und in der preis:
gegebenen fatholiichen Bevölferung der paritätiihen Kantone ihnen eine mäd)-
tige Hülfe verloren gehe. Halbe Mafregeln fünnen nur jchaden, Entſchiedenheit
werde gegenüber dem Wadifalismus den Sieg auch ohne Waffengewalt
fichern, wie die Erfahrung lehre. . . Einftimmigfeit thue aber vor allem
North, und die Abordnung von Ury müſſe vor allem auf diefe dringen und
hinzielen. Unter dieſer Vorausjegung jtimme fie grundſätzlich der Anſicht
des Hru. Negierungsftatthalters Siegwart bei. ®
Die Abordnung von Schwyz erklärt ſich ebenfalls mit der Anficht des
Herrn Siegwart einverjtanden. Nur zu entjchiedenen und energiihen Schritten
fünne Schwyz mithelfen. Die Ehre der Stände laffe nah dem Auf:
treten derjelben an der Tagſatzung, nach dem Auffehen, welches die Einbe-
rufung diefer Konferenz in der ganzen Schweiz erregt, nach der ganzen Yage
der Dinge feine halbe Mafregeln mehr zu. Belehrung jolle allerdings nod)
verjucht werden, aber mit der Belehrung müſſe die beftimmte Drohung ver-
bunden werden und derjelben müſſe, werm die Forderung verweigert werde,
Folge gegeben werden... .. or der anfcheinenden Uebermacht ſoll man ſich
nicht fürchten, die alten Eidgenoffen jeien oft im Falle geweſen mit einem
meit überlegenen Feinde zu kämpfen und dann jet ihr Wahlſpruch geweſen,
ihre Gegner nicht zu zählen, aber auch nicht zu verachten.
Die Abordnung von Nidwalden vermahnte in eindringlichem Vortrage
in Hinficht auf ihre Zuftruftion und die perjönliche Anficht der Herren De-
putirten von allen vorgeſchlagenen Mafregeln ab und beantragte, auf der am
— — FE
503
31. Auguft abgegebenen Proteſtation ..... jtehen zu bleiben. Die Abordnung
weist auf die Uebermacht, die Hilfsquellen und die Entjchloffenheit der gegen:
überftehenden Kantone hin, auf die Folgen, welche die vorgejchlagene Maß—
regel, der nothwendig Folge gegeben werden müßte, über dieje Stände bringen
würde, auf den umvermeidlichen Sieg des Radikalismus, die Vernichtung der
Selbitjtändigfeit der Fleinen Kantone und die Einführung der Einheit. Sie
zählt die Unglüdsfälle, welche namentlich) Nidwalden durch Einnehmung einer
Separatftellung betroffen und glaubt, die abgegebene Protejtation führe nicht
nothwendig weitere Schritte mit jich, die unterbleiben fünnen, weil eine un:
mittelbare Gefahr die Neligion und die Ynftitutionen der verfammelten Kan-
tone noch nicht bedrohe.
Die Abordnung von Oberwalden ging von der Anficht aus, daß es
feineswegs bloß um die Klöfter jich handle, ſondern daß der Bund und die
Intereſſen der fatholiichen Neligion in Frage jtehen. Ein Bundesbrucd, den
man binnehme, werde als Nechtfertigung aller nachfolgenden dienen. ...
Die Vorjchläge des Herrn Regierungsraths Siegwart findet die Abordnung
paffend, kann aber auch zu andern gemeinfamen Mafregeln ftimmen, nur hält
jie dafür, daß etwas geichehen müſſe. . . Wenn auf diejer Konferenz nichts
zu Stande kommen jollte, jo würde diek der größte Schlag fein, den die
fonjervativen Kantone jeit 1831 erlitten.
Die Abordnung von Zug entwidelt in jehr einläßlichem Vortrage ihre
Anfihten. Der Kanton Zug werde immer zum echt des Bundes und der
katholiſchen Kirche unerjchüitterlich ftehen. Allein nur mit großer Bedenflichkeit
habe man daſelbſt die gegenwärtige Stonferenz und deren Folgen geiehen.
Zug babe durch feine vorgeichobene Yage ... bejonders Pflicht, mit Vorficht
zu Werfe zu gehen umd auf die unausbleiblichen Folgen hinzuweiſen, welche aus
jedem Verjuche einer Separatftellung für die an Macht und Hülfsquellen weit
zurückſtehenden fonjervativen Kantone erwachſen würden. Zug müßte deren erſtes
Opfer werden. Man ſoll ſich nicht dem Wahne hingeben, durch Einnehmung
einer Separatjtellung die übrigen Stände zu ſchrecken. Nicht die Radifalen allein,
jondern das allgemeine Gefühl des Bedürfniffes der Ruhe und des Friedens,
welche wejentlich zur Bildung des Zwölf Stände-Beichluffes mitgewirkt, würde
jich mit Entjchiedenheit gegen die aus einer Separatftellung bervorgehende Stö—
rung diefer Ruhe gewiß fiegreich erheben. Die Gefahr der Bedrohung der Selbſt—
ftändigfeit der Kantone jei noch nicht nahe, fie werde genährt durch das vorge:
ichlagene Auftreten. Auch dürfte die Ausicheidung in ein fatholiiches Yager und
reformirtes Yager dem Intereſſe der fonfervativen Stände nicht zuträglich fein
und die Vermittler Stellung der Stände Bajel-Ztadt und Neuenburg müſſe
jehr bezweifelt werden, vielmehr dürften beim beten Willen dieje Stände
zum vermitteln nicht einmal Zeit finden. ... Der Abgeordnete hält dafür,
daß man bei der eingegebenen Proteftation mit Ehren jtehen bleiben könne,
504
jeine perjönliche Anficht gehe nicht dahin, die Güter des Friedens ungewiſſem
Erfolge preis zu geben, jondern immer in loyaler Haltung zu bleiben.
Die Abordnung von Freiburg bedauerte, dak der Kanten Freiburg
ſich abgejondert und in ſchwieriger Stellung befinde, glaubt aber, daß etwas
und zwar mit Einmuth gethan werden ſolle. Immerhin biete der Tagjagungs-
beihluk vom 31. Augftmonat durd feine Unförmlichkeit Anlaß genug, jelben
immer wieder auf die Bahn zu bringen. Der Abgeordnete wäre perſönlich
der Anjicht des Herrn Siegwart geneigt, wünjchte jedoch) die Drohung wegzulaffen
oder zu modifiziven, will jedoch die Borjchläge an den Großen Rath bringen.
222. Sonderbundsakte. Dezember 1845.
Nepertorium der Abichiede 1814—1848, I. S. 459.
1. Die Kantone Yucern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug,
Freiburg, Wallis verpflichten fi), jo wie einer oder mehrere aus ihnen
angegriffen würden, zur Wahrung ihrer Zouveränitäts: und Territorialredjte
den Angriff gemäß dem Bundesvertrag vom 7. Auguft 1815, jowie gemäß
den alten Binden, gemeinichaftlich mit allen zu Gebote ftehenden Mitteln
abzuwehren. z
2. Die Kantone werden jich über die zwekmäßigſte Weiſe, ſich gegen-
jeitig in Kenntniß von allen Vorfällen zu erhalten, verftändigen. Somie ein
Kanten von einem bevorjtehenden oder erfolgten Angriffe fichere Kenntniß
erhält, ift er bereits als bundesgemäh aufgemahnt anzujehen und verpflichtet,
die nad) Umſtänden erforderliche waffenfähige Mannjchaft aufzubieten, ohne
geradezu die officielle Mahnung des betreffenden Kantons abzuwarten.
3. Ein Kriegsrath, bejtehend aus einem Abgeordneten aus jedem der
oben genannten Stände, mit allgemeinen und ſoviel möglich ausge:
dehnten Bollmadten von der Negierung verjeben, bat die oberjte
Yeitung des Kriegs zu bejorgen. Er wird bei einem bevorftehenden oder
erfolgten Angriffe zufammentreten.
4. Der Kriegsrath mit den ihm ertheilten Vollmachten hat im alle der
Roth alle zur Bertheidigung der betreffenden Kantone erforderlihen Maßregeln
zu treffen. Wo die Gefahr nicht jo dringender Natur ift, wird er ſich mit
den Regierungen diefer Kantone in Rükſprache jezen.
5. In Beziehung auf Bejtreitimg der durch ſolche Truppenaufgebote
erwachlenen Koften wird als Regel angenommen, daf der mahnende Kanton
die often des von ihm verlangten Truppenaufgebots zu bejtreiten bat. Vor—
behalten bleiben jedoch jolche Fälle, wo bejondere Gründe vorhanden find,
daR ein bejonderer Maßſtab der Vertheidigung einzutreten habe. Andere Kojten,
che
505
=
die im gemeinjchaftlichen Intereſſe dem einen oder andern Kanton erwachſen
jind, jollen von allen jieben Kantonen nach der eidgenöffiichen Geldſcala ge:
tragen werden.
223. Ausweifung des Icefuitenordens aus der Schweiz.
3. September *
Offizielle Sammluug III. S. 313.
Die eidgenöſſiſche Tagſatzung,
in Betracht, daß dem Bunde nach Art. J und VIII der Bundesalte
unbeſtreitbar das Recht zuſteht und die Pflicht obliegt, für die innere Sicherheit
und die Handhabung der Ruhe und Ordnung in der Eidgenoſſenſchaft die
erforderlihen Maßnahmen zu treffen:
in Betracht, daR der in einzelnen Kantonen aufgenommene Jeſuiten—
orden diefe Ruhe und Ordnung gefährdet, und daß bejonders aud) die Be:
rufung desjelben in einen vorörtlichen Kanton fich als umverträglic mit der
Ruhe und Ordnung in der Eidgenoſſenſchaft herausgeftellt hat,
beichliegt:
1. Die Jeſuitenangelegenheit it von Bundeswegen zu behandeln.
2. Demgemäß werpen die hohen Stände Yuzern, Schwyz, Frei-
burg und Wallis eingeladen, die Jeſuiten aus ihrem Gebiete zu entfernen.
3. Jede fünftige Aufnahme des Jeſuitenordens in die Kantone der
Eidgenoffenichaft ijt von Bundeswegen unterjagt.
224. Zwei Briefe Ionas Furrers über die lehten Verhandlungen
mit dem Sonderbund, Ende Oktober 1847.
(Gütigft mitgeteilt von Hrn. Oberftl. Meyer - Furrer in Wintertur).
1.
Bern, 28. Oftober 1847.
Yiebe Frau!
Jus Deinem geftrigen Briefchen erjehe ic mit Vergnügen, daß ihr
— euch wohl befindet; ich rathe dir ernſtlich, daß du dir ſo viel
als möglich Bewegung gebeſt, theils mit häuslichen Geſchäften,
theils mit Beſuchen oder jonftigen Ausgängen bejonders in dieſer frifchen
vuft. Sch thue das nämliche auch; denn bey Gejchäften, wie die meinigen,
hat man das Blut auch häufig weit oben, —
506
Ich begreife wohl, dak man bey Euch immer jehr unruhig ijt über die
Stille der Tagſatzung und den Mangel eines Entjcheides. Allein jeder Ver—
nünftige wird einjehen, daß die Tagſatzung nicht eine Erecution bejchliekt, bis
fie einigermaßen gerüftet ift; es bedarf ungeheure Vorbereitungen, bis ein
Heer von 50—80,000 Dann jchlagfertig ijt. Das ift der Grund, warum
wir die Sache wo immer möglich noch eine Woche hinausfchleppen wollen;
es wird indeh faum angehen.
Heute Abend haben wir mit den Sonderbündlern noch eine Conferenz,
um zu jehen, ob es möglich jey, auf irgend eine Weiſe die Grundlage eines
Friedens zu gewinnen. Zu diefer Eonferenz jind von unfrer Seite abgeordnet
Näf, Kern, Munzinger und ich.
Adien, meine Liebe! Herzlichen Gruß an Did) und die lieben Kinder ıc.
Il.
Bern, 30. Oktober 1847.
Yiebe Frau!
Auch dein Geftriges beweist mir Ener Wohlbefinden; daß du über
vieles unruhig und ängftlich bift, begreife ich; allein ich fann dich nicht er-
heitern, da wir hier natürlich in jo ftürmijchen Zeiten auch unendliche Sorgen
haben. Indeß bien wir immer mit Hoffnung, Muth und Vertrauen in
die Zukunft, das Bewuhtjein eines edlen Zwedes in uns tragend. Die vor:
geftrige Conferenz war eine ernjte und feyerliche; denn es war das lekte
freundichaftliche Zufammenfeyn; allein es fam zu nichts, weil die Gegner
jogar auf die Aarganifchen Klöſter zurückkommen wollten. Geſtern entlud ſich
das Gewitter in der Tagjagung, indem die Gegner die Entlaffung der Truppen
verlangten und wir fie verweigerten, worauf fie ſogleich abreisten. Mit diejem
ift eine Art Kriegszuftand eingetreten, obwohl wir den CErecutionsbejchluf
erjt in einigen Tagen faffen werden aus Gründen, welche dir bereits befannt
jind; inzwifchen werden wir gegen allfällige Angriffe uns in Bereitichaft
jegen. Du mußt nicht jogleich erichreden, wenn allenfall$ die Nachricht ein-
ginge, daß die Yiberalen da oder dort den Kürzern gezogen hätten. Denn
in der Schweiz gibt e$ des Terrains wegen nicht große Schlachten, jondern
an vielen Punkten einzelne Kämpfe; und es ift wohl möglich, daß wir erjt
etwas ſpäter überall Mleifter werden, wenn alle unſre Maffen concentrirt
jind. Wir haben jett auch die diiponible Yandwehr aufbieten laſſen, jo daß
unfre Armee ca. 30,000 Mann betragen wird. Ich melde dir alles diejes
zu deiner jegigen und Fünftigen Beruhigung. —
Yebe wohl, liebe Frau! Herzlichen Gruß an Alle ꝛc.
507
225. Beſchluß der Tagſahung, die Aufläfung des Sonderbunds
mit Waffengewalt durchzuführen. Bern, 4. November 1847.
Flugblatt, Stadtbibl. Wintertur.
Die eidgenöjjiihe Tagjakung,
in Betrachtung, daß durch den Beſchluß vom 20. Heumonat diejes Jahres
das Separatbiindnis der fieben Stände: Yuzern, Uri, Schwyz, Unterwalden,
Zug, Freiburg und Wallis als mit den Beitimmmmgen des Bundes unver:
täglich und demgemäß als aufgelöst erflärt worden ift; daß die erwähnten
Kantone fir die Beachtung diejes Beſchluſſes verantwortlich gemacht wurden,
und dar fich die Tagjagung vorbehalten hat, wenn die Umſtände es erfordern,
die weitern Mafregeln zu treffen;
in Betrachtung, daß die Gejandtichaften der Sonderbundsfantone jchon
unterm 22. Heumonat die Erflärung abgaben, daß ſie jene Schlugnahme
nicht anerfennen ;
in Betrachtung, dar die erwähnten Kantone ſchon vor dem 20. Juli,
jowie nachher außerordentliche militärifche Nüftungen getroffen, Feldbefeſtigungen
aufgeworfen, Waffen und Munition aus dem Auslande bezogen haben, offen:
bar zum med, um fich der Vollziehung der durch die Tagſatzung gefaßten
Schlußnahmen jelbft mit Waffengewalt zu widerjegen ;
in Betrachtung, daß die gleichen Kantone auch den Beichluß vom
11, August, durch welchen jie ernſtlich gemahnt wurden, Alles zu unterlajfen,
was den Yandfrieden ftören könnte, nicht beachtet, jondern nach wie vor dem-
jelben durch Herftellung von Verfchanzungen und Fortjegung ihrer außer:
ordentlichen NRüftungen den Schlufnahmen der Tagſatzung entgegengehandelt
haben ;
in Betrachtung, daß den von der Tagjagung ernannten eidgenöffiichen
Repräjentanten der Zutritt vor den Inſtruktionsbehörden und vor den Lands—
gemeinden der betreffenden Kantone verweigert, die Verbreitung der verſöhn—
lihen und freundeidgenöſſiſchen Proflamation beinahe überall verboten und
im Kanton Luzern ſogar als ein Verbrechen mit Strafe bedroht worden ift;
in Betrachtung, daß either gemachte Bermittlungsvorfchläge von den
nämlichen jieben Ständen zurücgemwiejen wurden, und alle Bemühungen, die-
jelben auf friedlichen Wege zur Anerfenmung und Erfüllung bejchworner
Bundespflichten zurüctzuführen, erfolglos geblieben find;
in Betrachtung, daß die Gejandtichaften diefer Stände unterm 29, Wein-
monat die Tagſatzung und die Bundesftadt verlaffen und daß die mehr-
erwähnten Kantone durch jolchen Aft in Verbindung mit den gleichzeitig ab
gegebenen Erklärungen und feither getroffenen militärischen Anordnungen fich
gegenüber der Eidgenoffenichaft in offenen Kriegszuftand verjegt haben;
508
in Betrachtung, daR nad Alleın diefem es Gebot des Bundes und
Pflicht der Tagjagung ift, den von ihr auf, Grundlage bundesrechtlicher Vor-
ichriften gefaßten Beichlüffen Nachachtung zu verjchaffen und alle bundes-
mäßigen Mittel anzumenden, um einem jolchen die innere und äußere Sicherheit
der Eidgenoffenichaft bevrohenden Zuftand entgegenzutreten ;
in Anwendung der Artikel I, VI umd VIII des Bundesvertrags,
beſchließt, was folgt:
1) Der Beſchluß der Tagfagung vom 20. Heumonat laufenden Jahres
über Auflöjung des unter den Kantonen Yuzern, Uri, Schwyz, Unterwalden,
Zug, Freiburg und Wallis abgejchloffenen Sonderbundes ift durch Anwendung
bewaffneter Macht in Vollziehung zu jegen.
2) Der Überbefehlshaber der eidgenöfjischen Truppen ift mit der Aus-
führung diefes Beichluffes beauftragt.
3) Die Tagjatung behält jich vor, die weiter erforderlichen Maßnahmen
zu treffen.
4) Der eidgenöffische Vorort ift angemwiefen, gegenwärtigen Beſchluß dem
Oberbefehlshaber der eidgenöffiihen Truppen, dem eidgenöfjischen Kriegsrate
und ſämmtlichen Rantonsregierungen unverzüglich mitzuteilen.
Alſo beſchloſſen in unferer Sigung, zu Bern, den 4. Wintermonat 1847.
In deren Namen
Der Präjident des Negierungsrates des eidgenöſſiſchen Vorortes Bern,
Präfident der Tagſatzung:
Ochſenbein.
Der eidgenöſſiſche Staatsſchreiber:
Schieß.
226. Der ſonderbündiſche Kriegsrat begehrt öſtreichiſche
Intervention. 15. Hovember 1847.
Nene Zürcher Zeitung 1847, Beilage zu Ar. 343.
Yuzern, den 15. November 1847.
Erzellenz!
Mit Vergnügen erjehen wir aus der uns unterm 11. November über—
mittelten Note, daß Ze. Maj. der Kaiſer die Stellung, welche die T Kantone
eingenommen haben, anerfennen, und feine Schuld für die Folgen, welche
509
für die Schweiz fommen werden, denfelben beimejjen. — Indem wir Namens
der 7 Stände unfern wärmften Danf für diefe mwohlwollende Anerfennung
ausjprechen, fünnen wir nicht wnhin, nochmals diejenige Bemerkung fallen
zu laſſen, welche wir in unjerm Schreiben vom 13. d. au Ihre Erzellenz uns
erlaubten — die Bemerkung nämlih, daß der mächtige Kaijerftaat
Defterreih in Folge Anerfennung unjerer redtlihen Stellung
nicht ermangeln wird, diejenigen Mafregeln beförderlih zu er-
greifen, welche geeignet jind, uns von der drohenden Unter—
drüdung zu jihern und uns im unferer rechtlichen Stellung zu
erhalten.
Genehmigen ꝛc.
Namens des Vllörtigen Kriegsrathes,
der Präſident:
(Sig.) Siegwart-Müller.
Der Sefretär:
(Sig.) B. Meyer.
227. Dufours Armeebefehl vom 22. November 1847.
Neue Zürcher Zeitung 1847. Nr. 327. Vgl. Dufour, der Sonderbunds Krieg S. 9,
Eidgenöfjiihe Wehrmänner!
Ihr werdet in den Kanton Yuzern einrüden. Wie Ihr die Grenzen
überjchreitet, jo laßt Euern Groll zurück und denft nur an die Erfüllung der
Pflichten, welche das Vaterland Euch auferlegt. Zieht dem Feinde kühn
entgegen, jchlagt Euch tapfer und jteht zu Eurer Fahne bis zum legten
Blutstropfen! Sobald aber der Sieg für ums entichieden ijt, jo vergeſſet
jedes Nachegefühl, betragt. Euch wie großmüthige Krieger, denn dadurd be-
weist Ihr Eueren wahren Muth. Thut unter allen Umftänden, was ich)
Euch ſchon oft empfohlen habe. Achtet die Kirchen und alle Gebäude, welche
dem Gottesdienft geweiht find! Nichts befledkt Eure Fahne mehr, als Be-
feidigungen gegen die Religion. Nehmt alle Wehrlofen unter Euern Schuß ;
gebt nicht zu, daß diejelben beleidigt oder gar mißhandelt werden. Zerſtört
nichts ohne Noth, verſchleudert nichts; mit einem Worte, betragt Euch jo,
daß Ihr Euch ftets Achtung erwerbet und Euch jtets des Namens, den Ihr
traget, würdig zeiget!
Der Oberbefehlshaber: W. 9. Dufour.
510
228. Das Gefecht bei Gislikon. 23. November 1848.
Schreiben eines eidgenöfftihen Wehrmannes in der Neuen Zürcher Zeitung vom
27. November 1847,
Schon vom Dorfe Roth aus wollte ich Ahnen einen Bericht über die
wichtigen Ereigniffe der leiten Tage, den ich unmittelbar nach dem Kampfe
bei Gyſikon im Bivouak niederjchrieb, zukommen laſſen, allein es fand ſich
dafür fein Bote. Heute ſchreibe ich Ihnen aus dem Jeſuitenkollegium zu
Yuzern, und obwohl nun meine Nachrichten ziemlich verjpätet find, jo dürften
fie Ihnen dennoch willfommen jein, da bis jest faum etwas ausführliche und
zufammenhängende Nachrichten von Augenzeugen nad) Zürich gelangt fein
fönnen. Noch iſt freilich mein Gemüth von dem Erhabenen und Schredlichen
des Kampfes und jeiner Folgen tief ergriffen, dennoch will ich mich möglichit
fammeln, um nichts Wejentfiches zu übergehen. Sie fünnen ji auf meine
Darjtellung um jo eher verlaffen, als meine militäriiche Stellung mich nicht
an eim einzelnes Korps und jeine Bewegungen fejlelte, jondern mir Ge—
(egenheit verjchaffte, mich frei an die entjcheidenden Punkte zu begeben. Der
beifefte Tag in dem Kampfe gegen den Sonderbund ift vorüber, und Gott
jet Danf! jiegreich bejtanden, was noch übrig bleibt, dem theuren Vaterland
jeine innere Einigfeit und Unabhängigfeit vom Jeſuitismus zu erringen, wird
hoffentlich feine Menjchenleben mehr koſten.
Am 22. d. Abends lag die ganze zum Angriffe bei Gislikon beſtimmte
Macht im Freienamte von Muri bis Dietweil beifammen, die ganze Divifion
Ziegler, in Schönau und Sins der beträchtlichjte Theil derjelben. Die
Nacht mußte wachend zugebracht werden; die Vorräthe für die Truppen
fonnten erjt am Morgen anlangen, nachdem die Märjche jchon begonnen
hatten. Frühe Morgens wurde aufgebrochen. Die Divijion theilte ſich; die
größere Abtheilung blieb auf der Seite von Dietweil, während 5 Bataillone
der Brigade Egloff (Ginsberg, Häusler, Zuppinger, Benz, Basler), die
Zürcher Zmwölfpfünder:Batterie, die Berner Zwölfpfünder-Haubigen, Solo:
thurner-Artillerie und übrige Zpeztalwaffen über eine oberhalb der zerjtörten
Sinſerbrücke während der Nacht gejichlagene Schiffbrüde ſetzten. Mit diejen
Truppen jollten ſich jpäter diejenigen von Dietweil oberhalb der Gislifer-
brüce vereinigen, zu welchem Ende hin eine zweite Schiffbrücke ziemlich weit
oberhalb dem Gisliferzolihaufe gejchlagen wurde. Unangefochten rückte die
Brigade Egloff durch das Zugergebiet bis an die Yuzernerjche Grenze vor,
und vernahm von Ferne den Kanonendonner der nach Arth und Küsnacht
in anderer Richtung vorrüdenden Divifion Gmür.
Der Kampf begann bei dem erften Iuzernerjchen Dorfe Donau, von
wo das Terrain dem Gegner die günftigften Pofitionen darbot. Die Höbe
u rg EEE vw. X
—
511
hinterhalb Honau war von der feindlichen Artillerie beſetzt, welche ein wirt:
james Feuer unterhielt. Bald aber war die Zürcher-Batterie in ginftiger
Höhe aufgefahren und flößte dem Feinde ſolchen Reſpelt ein, daß vorgedrungen
werden fonnte; indeſſen hatte das Bataillon Ginsberg ſchon einen Schwer:
verwundeten zu beklagen. Man gelangte nunmehr am die zweite Höhe von
Gislifon, wo die Vereinigung mit den von Dietweil her kommenden
Truppen hätte ftattfinden jollen; allein dieje lettere wurde durch das von
den jtarfen Befejtigungen bei der Gisliferbrüde herfommende Feuer größten-
theil3 verbindert, und erſt jpäter konnte das Bataillon Fäſi von dort ber
unter ziemlichem Berlufte vorrüden.
Auf der Höhe des Dorfes Gislifon waren Unterwaldner-Scharfichügen
in jicherem Hinterhalte, in den Wäldern auf dem Bergrücen der Yandfturm,
vor dem Dorfe jelbjt die feindliche, jtarf bedeckte Artillerie. Allmählig wurde
bier der Kampf zur völligen Schlacht, die leider auch von unjerer Seite nicht
wenige Opfer an Bermwundeten und Todten foftete. Beinahe alle Bataillone
der Brigade Egloff famen bier nad) und nad) ins Feuer, voran die Thur-
gauer Scharfihügen. Schon war indejjen die Gisliferhöhe genommen, die
Solothurner-Artillerie aufgepflanzt, als der Feind mit ſolcher Macht vor-
drang und von der Schanze zu Gislifon einen jolchen Kartätjchenhagel ent-
jendete, daß einen Augenblid lang der Sieg unentihieden blieb, ja 3 Stiüde
der Solothurner-Artillerie mit ihrer nicht mehr Stand haltenden Bedeckung
und mit bedeutenden Verluſte weichen mußten. Da rücten die Berner Zwölf—
pfünder im Galopp vor, das Bataillon Benz, voran der unerjchrodene Haupt-
mann Steinemann mit jeinen Jägern rechts, jicherte jeine Stellung, und
der nun beginnende Kugel- und Kartätichenregen brachte den Feind nicht nur
zum plöglichen Weichen, jondern nöthigte ihn, die Werfe bei der Gislifer-
brüce zu verlajfen. Auch die Solothurner-PBiecen konnten wieder Stellung
nehmen. Der Sieg war entjchieden, und die feindlichen Truppen, nicht mehr
Stand haltend, wichen im immer wilderer Flucht bis nach Yuzern. Es galt
jegt nur noch die Höhen von den Unterwaldner-Schügen und Yandftürmern
zu jäubern.
Leicht hätte noch am gleichen Abend Yuzern eingenommen werden können,
allein die Vorficht gebot, vorerft die Vereinigung mit den übrigen Truppen
zu Dietweil zu bewirken und ſich des Bordringens der übrigen Divifionen
in anderer Richtung zu vergewiffern. Man rückte noch bis über das Dorf Noth
vor. Aber einen jchredlichen Anblie bot überall das Schlachtfeld dar. Hatten
icon die pfeifenden Kugeln, die zujammenjtürzenden Bäume, die vorbei ge-
tragenen Zodten und Verwundeten die Seele desjenigen, der zum erjten Dial
auf einem Schlachtfelde ſich befand, jtarf bewegt, jo konnte man ſich des
Grauens faum erwehren, als hinter uns das Feuer aus mehreren Wohmmngen
zu Gisliton hoch empor loderte; hier am Boden lagen Stuger, Flinten,
512
Tſchalo's, Mützen, Säbel, Kugeln, Berwundete, Todte, dort ein zerjchoffenes
Pferd auf drei Füßen im Todeskampfe umberftolpernd. Beim Zollhaufe zu
Gislikon bot jih das Bild der Zerftörung dem Betrachtenden am furchtbarften
dar. Das Haus war mit zertrümmerten Geräthichaften angefüllt, vor dem:
jelben jtand eine verlaffene Yuzernerfanone, welche ſofort vernagelt wurde; am
Wege zwei Todte, ein dritter noch halb lebend. Außerhalb Roth wurde bi-
vonafirt. Allmählig jammelten ſich alle Truppen, auch die den Berg durch—
jtreifenden Jäger und Schügen, die bisweilen oben auf dem Berge mit denen
der Divifion Gmiür zuſammengeſtoßen waren.
Der vortrefflichen Yeitung des Hrn. Divifionstommandanten Ziegler,
jeinem, ſowie des Hrn. Brigadiers Egloff perjönlihem Muthe, der Ueber—
legenheit der Artillerie, der braven Haltung ſämmtlicher Truppen ift der Sieg
und die Ehre des Tages nebſt des Allmächtigen höhern Lenkung zu verdanfen.
Ich kann die Zahl umjerer Todten und Verwundeten auch jett noch nicht
genau angeben; ich denfe, wir haben gegen 20 Todte und vielleicht bis auf
60 Verwundete. Auch der Verluſt der Gegner, von denen jich namentlich
die Unterwaldner auszeichneten, ijt nicht genau befannt; aus den Folgen zu
ihliegen, nur aus dem, was man unterwegs ſah, und in Yuzern jett ver-
nimmt, muß er jehr groß gewefen jein.
Während der dem Kampfe folgenden Nacht wurde das Dorf Roth hart
mitgenommen: die hungernden Wehrmänner gingen nad) Yebensmitteln aus;
Käſe, Butter, auch Schweine, Ziegen :c., was ſich vorfand, wurde herbeige-
ichleppt. Yeider konnte auch das Zertrümmern und Abbrennen mehrerer Hänjer
nicht verhindert werden. Nach dem Kampfe regte ſich in mancher Bruft eine
Nacheluft, die auch bier in Yuzern manche Unordnung zur Folge hatte; be-
jonders iſt Diek bei denjenigen der Fall, die vor zwei Jahren in dieſem
Kanton jo arg mißhandelt wurden.
Schon während der Nacht war ein Parlamentär erichienen, und am
Morgen erfolgte die bejtimmte Uebergabe Yuzerns. Die Gefangenen aus
dem Bataillon Fäſi langten zugleich mit dem Parlamentär an und wurden
mit Jubel begrüßt. Durch die geftern von Männern, Weibern und Kindern
verlaffenen, jetst wieder belebten Dörfer zogen die Truppen nad) Yuzern.
Ueberall wehte die weiße Fahne, überall brachte man zu ejjen und zu trinfen.
Aber was für ein Getümmel geitern und heute noch in Yırzern war, davon
fann man fich feinen Begriff machen. Im wahren Sinne des Wortes hätte
man auf den Köpfen herumgehen fünnen, denn gegen die Nacht rückten drei
Divifionen ein. Der unerlaubten Selbjthülfe, dem Plündern und ungebühr-
lichen Betragen wird fräftigft gefteuert. Siegwart: Müller und Bernhard
Meier find fort. Die Sonderbimdstruppen ſollen blaß vor Schreden nad)
Luzern geflüchtet, die Unterwaldner einzeln aufgelöst, ohne Führung, unter
Verwünjchungen gegen die Stifter ihres Elendes heimgezogen, die fremden
—
515
Offiziere ihrer Epaufettes und Degen beraubt umd beichimpft worden fein;
der Haß und die Verwünſchungen des Volks gegen die Entflohenen und die
Jeſuiten machten jich Yuft. Es jollen gegen 400,000 Franken noch mit auf
die Reife gegangen jein. Unter diejen Berhältniffen werden Unterwalden
und Schwyz jchwerlih mehr Stand halten. Auch verlaffene, entwaffnete
Wallifer ftehen rathlo8 auf den Straßen. Es iſt aljo ein baldiges Ende des
unjeligen Sonderbundes zu hoffen!
229. Die Bollektiv-Hote der Mächte vom 30. Movember 1847
an die frhweizerifche Tagſatzung.
Neue Zürder Zeitung 1847. ©. 1462,
Der Unterzeichnete, Gejandte Sr. Majeftät des Königs der Franzoſen
bei der jchweizeriichen Eidgenojfenschaft, hat von jeiner Negierung den Auf—
trag erhalten, Sr. Erzellenz dem Präfidenten der ſchweizeriſchen
Tagfagung und dem Herrn PBräfidenten des Kriegsraths
des Sonderbunds die folgende Mittheilung zu machen:
Die Negierung des Königs, von dem lebhafteften Wunfche bejeelt, alle
Theile Europa’s im Genufje der Wohlthaten des Friedens zu jehen, durd)-
drungen von den aufrichtigen Gefühlen der Freundichaft für die ſchweizeriſche
Nation und getreu den Verpflichtungen, welche Franfreich, als eine der Mächte,
die den Wienervertrag von 1815 unterzeichnet haben, gegenüber der ſchweiz.
Eidgenoffenjchaft übernommen, hat mit dem tiefjten Bedauern den Anfang
eines Bürgerfrieges zwijchen den Kantonen, welche die Eidgenofjenichaft bilden,
gejehen. In dem Wunſche, das Ihrige zu thun und ihre guten Nathichläge
eintreten zu laffen, um die Anftände zu heben, welche die Quelle diejer Feind-
jeligfeiten gewejen jind, hat die Negierung des Königs ſich diesfalls mit den
Regierungen von Defterreih, Großbritannien, Preußen und Ruß—
land in Verbindung gejett, und da fie dieſe Negierungen von denjelben
Motiven durchdrungen fand, jo hat jie in Uebereinftimmung mit ihren Alliirten
beichlofien, ein gemeinfames VBermittlungsanerbieten der fünf Mächte zu
machen, in der Abficht, den Frieden und die Eintracht unter den Kantonen,
aus welchen die jchweizeriiche Eidgenoſſenſchaft zuſammengeſetzt ift, wieder
berzuftellen. Der Unterzeichnete iſt demnach beauftragt, in Bezug auf diejen
Gegenjtand die Vermittlung Frankreichs in Verbindung mit derjenigen der
übrigen vier Mächte anzubieten.
Wenn, wie die Regierung des Königs hofft, Diefes Anerbieten angenommen
wird, jo würde eine jofortige Einftellung aller Feindfeligfeiten zwiichen den
Oechsli, Quellenbuch. 33
514
friegführenden Parteien jtattfinden, welche bis zum endlichen Abſchluſſe der
nachfolgenden Unterhandlungen dauern würde. Ju diefem alle wäre es
überdies nothrvendig, unverzüglich eine Konferenz zu halten, zuſammengeſetzt
aus einem Nepräfentanten von jeder der fünf Mächte, einem Nepräfentanten
der Tagſatzung ımd einem Nepräfentanten des Sonderbunds. — —
Folgendes wären die Bedingungen, welde die Regierung des Königs
zur Herftellung des Friedens vorjchlüge.
Erjtens würden die jieben Kautone des Sonderbundes jih an den heil.
Stuhl wenden, um bei ihm anzufragen, ob es nicht im Intereſſe des Friedens
und der Religion rathſam jei, dem Orden der Jeſuiten jede Niederlafjung
in dem Gebiete der ſchweizeriſchen Eidgenofjenichaft zu unterjagen, unter Vor-
behalt einer gerechten und hinreichenden Entihädigung für alle Bejigungen
in Yandgütern und Gebäuden, die fie zu verlaffen hätten.
Zweitens würde die Tagſatzung in Beftätigung ihrer frühern Erflä-
rungen die Verpflichtung eingehen, die Unabhängigkeit und die Souveränetät
der Kantone, wie jolhe durch den Bundesvertrag garantirt ijt, in feiner
Weife zu beeinträchtigen; in Zukunft den Kantonen, welche durd Einfälle
der Freiſchaaren bedroht wären, einen wirkſamen Schu zu verleihen und
eintretenden Yyalls feinen neuen Artikel in die Bundesafte auf:
zunehmen ohne Zuftimmung aller Bundesglieder.
Drittens, die jieben Kantone des Sonderbunds würden dann ihr Separat-
bündniß förmlich und wirklich auflöfen.
Viertens und jchlieglich würden beide Parteien, jobald die Jeſuitenfrage,
wie es im Artifel 1 angegeben ift, ihre endliche Erledigung gefunden hätte,
ihre betreffenden Streitfräfte entlaffen und wieder ihre ordentliche und fried-
liche Haltung einnehmen.
Der Unterzeichnete ijt beauftragt, die lebhafte Hoffnung der Negierung
des Königs auszudrüden, daß diejer billige Vorſchlag bereitwilligft von beiden
friegführenden Parteien angenommen werde. Er iſt überdieß beauftragt, um
eine jchnelle Antwort der Tagjatung nachzuſuchen.
Der Unterzeichnete bittet Se. Erzellenz den Präfidenten der Tagſatzung
die Verſicherung feiner Hochachtung entgegenzunehmen.
Baſel, den 30. November 1847.
Der Gefandte von Frankreich:
Graf von Bois-Ie-Comte.
NB. Eine gleichlautende Note wurde der Tagſatzung vom öftreichiichen
Geſandten eingereicht.
515
230. Aus der Antwortsnote der Tagſahung. 7. Dezember 1847.
. Obgleid) die Tagjagung für die Aufmerffantfeit, welche die hohen
Mächte der Schweiz zu widmen geruhen, ſehr dankbar ift, fo fann fie dennoch)
das ihr gemachte Anerbieten nicht annehmen, jowohl weil die von der Re—
gierung des Königs und feinen Alliirten vorausgejfegten Thatjachen nicht
eriftiren oder zu eriftiren aufgehört haben, als auch hauptiächlich, weil der
Grundſatz jelbft der vorgefchlagenen Vermittelung ich weder mit der Stellung,
welche die Verträge der jchweizeriichen Nation in Europa zuerfannt haben,
noch mit der Verfaffung der Eidgenoffenichaft verträgt.
Der Zwed der VBermittelung ift, dem Bürgerkrieg in der Schweiz ein
Ende zu machen und eine Ausjühnung zwiſchen der Tagjagung und dem
Sonderbund zu bewirken. Dieje Vermittlung jest das Dafein des Separat:
bündnifjes, das Dafein zweier Eriegführenden Parteien voraus,
Wir haben aber das Vergnügen Ew. Erzellenz mitzutheilen, daß die
reindfeligfeiten jeit mehreren Tagen gänzlich aufgehört haben, daR es demnach
in der Schweiz weder friegführende Parteien, noch Bürgerkrieg gibt, daß die
jieben Kantone, die den Sonderbund bildeten, auf denjelben ausdrücklich ver:
zichtet, daß fie ihre Truppen verabichiedet haben und diejelben entwaffnet
wurden, daß ein beträchtlicher Theil der eidgenöffiichen Armee verabjchiedet
worden ift, daß die Truppen, die noch im Dienft ftehen, als Freunde in den
jieben Ständen aufgenommen wurden, welche ſie hauptfächlich in der Abficht
bejegt halten, um die Ordnung aufrecht zu erhalten und die Perfonen und
das Eigenthum vor der Race der Anhänger des Sonderbumdes zu ſchützen,
die gegen diejenigen aufgebracht find, durch welche jie auf unwürdige Weiſe
fanatifirt, ind Unglück geführt und hintergangen wurden.
Es iſt fein eigentlicher Bürgerkrieg, den die Schweiz zu beklagen hatte;
es war fein Krieg zwifchen den Kantonen, fondern die fompetente eidgenöffiiche
Behörde mußte zur bewaffneten Erefution fchreiten, um ihren Bejchlüffen
Nachachtung zu verihaffen, um ein verfaffungswidriges, der Eidgenofjenjchaft
nachtheiliges und mit ihrem Beſtand unverträgliches Bündniß aufzulöfen, um
eine rebellische Faktion zur Pflicht zurückzuführen, die Ordnung und Ruhe
und die innere Sicherheit der Schweiz berzuftellen, wie der Yundesvertrag
es ihr zur Pflicht macht. — —
Wir wollen jelbft, ohne es zuzugeben, für einen Augenblik annehmen,
daß der Sonderbund bejtehe und die Feindſeligleiten fortdauern. Jedoch auch
bei diefer Vorausſetzung erlauben weder das internationale, noch das eidge-
nöfjische Necht der Tagjakung, das ihr gemachte Yermittelungsanerbieten
anzunehmen. — — —
Da der Sonderbund ein durch eine ausdrüdliche Beftimmung des Bındes-
vertrages verbotenes Bündniß war, eine die Eidgenofjenjchaft jelbjt auflöjende
516
Verbindung, jo kann er nie als die Gegenpartei der Kantone, welche die
Mehrheit der Tagſatzung bilden, angefehen werden; man darf ihn nicht der
Eidgenofjenichaft entgegenjeken, man fan den ſonderbündiſchen Kriegsrath
nicht der eidgenöſſiſchen Behörde, noch die Nepräfentanten des Sonderbundes
den Nepräjentanten der Tagſatzung und weniger noch denen der fünf Mächte
gleichſtellen; der Präfident des jonderbimdiichen Kriegsrathes fann oder fonnte
vielmehr nicht mit dem WPräfidenten der Tagſatzung in eine Yinie geftelft
werden. Wäre dem nicht jo, jo gäbe es zwei Eidgenojjenjchaften in der
Schweiz, zwei oder mehrere Separatbindniffe, das heißt, es gäbe feine Eid—
genoffenschaft mehr. Indem nun die Bermittelung den Sonderbund, und was
damit zufammenhängt, mit der Eidgenofjenfchaft und ihren Behörden in eine
Linie jtellt, . .. ftellt fie einen Grundfag auf, den die Schweiz nicht anerfennen
fann, ohne einen Selbſtmord an ſich zu begehen, nämlich den Grundjag, daß
e8 zwei einander gegenüberjtehende Eidgenofjenjchaften gäbe und daß der
Sonderbund unter den europätjchen Staaten Plat genommen hätte, Wäre
diejes der all, jo wiirde die Tagſatzung mit aller Macht gegen einen jolchen
Eingriff in die Integrität der Schweiz, gegen eine jo auffallende Verletzung
ihrer Rechte und Verträge proteftiren.
Nein, der Zonderbund war und konnte nichts anders ſein, als eine
faftioje Minderheit in der jchweizeriichen Eidgenojjenichaft ; die Kantone fteben
jich nicht wie unabhängige und fremde Mächte gegenüber, wie 3. B. Frank—
reich und England, jondern fie verhalten ji) zu einander wie die Glieder
eines, durch ein geimeinfames Band verbundenen Körpers. Diejer Körper, die
Eidgenoffenichaft, hat allen Kantonen gemeinjame Intereſſen; jo hat die Schweiz
eine allgemeine Verfaffung, den Bundesvertrag, der über den Kantonalver—
fafjungen fteht, wie die eidgenöfjiihe Zouveränetät derjenigen der Kantone vor:
angeht; fie hat eine allgemeine Berfammlung, die Tagſatzung, wo die Beichlüffe
mit Stimmenmehrheit gefaßt werden, nicht mit Einmuth, wie in den Kon-
grejjen der Fürſten; fie bat eine eidg. Behörde, welche wejentlich die voll-
ziehende Gewalt ausübt ; eine Haupttadt, den Vorort ; eine Armee, eine Fahne,
ein Siegel, Eigenthum, Einkünfte ꝛc., kurz alles, was zu einer Negierung ge-
bört; die Tagſatzung entjcheidet über Krieg und Frieden; fie allein gebt Ver-
bindungen mit fremden Mächten ein.... Nicht die Kantone find bei den euro—
päiſchen Staaten repräjentirt, jondern die Eidgenoſſenſchaft . . .; bei der Eid-
genoſſenſchaft und nicht bei den Kantonen find die Gefandten, die Minifter umd
die Gejchäftsträger der fremden Mächte aftreditirt; die Bevölferung der 22 Kan-
tone bilden, trog der Verjchiedenheit des Urſprungs, der Sitten, der Lokalinſti—
tutionen und der Neligion nur eine und diejelbe Nation, die ſchweizeriſche Nation.
Nie war feit den Jahrhunderten, da die Eidgenoffenichaft beiteht, die Souveränität
der Kantone eine abjolute und durchaus unbeſchränkte; fie war immer mir
eine relative, dem Ganzen, der Eidgenoflenichaft, untergeordnete. — — —
517
Den Grundſatz der angebotenen Vermittelung annehmen, das heift von
Macht zu Macht mit dem Sonderbund unterbandeln, biefe die durch die
Verträge anerkannte und gewährleiftete Integrität der Schweiz gefährden,
hieße den eidgenöffischen Bundesvertrag, der nur eine Eidgenoffenichaft, eine
Tagſatzung, einen Vorort, einen eidgenöffiichen Kriegsrath anerkennt und
welcher im Artifel 8 feftjett, dat bei alfen Angelegenheiten, wo der Vertrag
nicht andere Beitimmungen aufftellt, die abſolute Mehrheit enticheidet —
verlegen; hieße das Band zerreiken, welches die Kantone zu einem Föderativ:
Staat vereiniget; hieße dieſe jchweizeriiche Nation, welche mit ihrem Blute
die Unabhängigkeit erfämpfte, die von Europa jeit Jahrhunderten, jo wie
durch die Wienerverträge von 1815 anerfannt wurde,... auflöfen, kurz es
hieße die Schweiz in zwei Eidgenoffenfchaften trennen, was ihr Verderben
herbeiführen umd im europäiichen Gleichgewicht und in den Verhältniffen der
Mächte zu einander eine Störung verurfachen würde, deren Folgen ſchwer
zu berechnen jind.
Ihre Erzellenz wird demnach begreifen, welche jchmerzliche Ueberraſchung
e3 der Tagſatzung verurfachen mußte, in der Anerbietung des Hrn. Bois-le-Comte
den Präjidenten des jonderbimdiichen Kriegsrathes in eine Yinie mit dem
Präfidenten der eidgenöſſiſchen Verſammlung, dem Haupt der Eidgenoffenichaft,
geftellt zu jehen. Ein Rebell dur eine Negierung der rechtmäßigen Behörde
gleichgeftellt! Gewiß, Herr Minijter, wenn der Gejandte Sr. Majeftät ung
nicht die beftimmte Berficherung gegeben hätte, dah die Negierung Sr. Ma:
jejtät von den aufrichtigften Gefühlen der Freundſchaft für die ſchweizeriſche
Nation bejeelt ift, jo wäre die Stellung, welche die Regierung offiziell dem
Erpräfidenten des ehemaligen Rathes eines aufgelösten Bindniffes anweist,
geeignet, die jeltjamften Vermuthungen hervorzurufen, wie diejenige der Abjicht,
den Sonderbund wieder aufleben zu laſſen oder demſelben zu Hülfe zu fommen.
In der Mehrzahl der eidgenöffiichen Stände würden ſich feine Magiftrate
finden, welche ſich dazu verjtehen fünnten, in einer Konferenz mit einem In—
dividuum zu jigen, welches vor der gerechten Entrüftung der Bürger der
Kantone, die er in das Bündniß traurigen Andentens getrieben hat, fliehen
mußte. Das Nationalgefühl würde jich tief verlegt fühlen durch den Ge-
danfen, daß es anders jein könnte. — — —
Eine Vermittelung oder jede andere Intervention iſt um ſo weniger
begründet, da die Ereigniſſe, die ſich in der Schweiz zugetragen, auf keine
Weiſe die Sicherheit der Nachbarſtaaten gefährdet haben. . . Die Schweiz,
befliffen, ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, hat glücklicherweiſe
auch die Macht es zu thun. Die Mafregeln, die jie zur jchnellen Herjtellung
der Ruhe und Ordnung im Yande, zur Aufrechtbaltung ihrer innern und äußern
Sicherheit zu ergreifen wußte . . . die Militärkräfte, welche die Eidgenoffen-
ichaft entwicelt hat, der Muth, die Einficht, die Mannszucht ihrer Wehr—
re
518
männer, die wohlwollenden Gefinnungen, welche die Bevölferungen der Schweiz
gegen die andern Nationen begen, die Klugheit und Energie, welche die Be:
börden an den Tag gelegt haben, find für die Nachbarländer und ganz
Europa die beſte Bürgichaft gegen die Gefahren, am deren Dafein man
allein in Folge ungenauer oder unvollftändiger Angaben, die nur zu oft aus
trüben Quellen geſchöpft wurden, glauben fonnte. .
Wir ergreifen diejen Anlaß ꝛc.
— — nn —
231. Die öſterreichiſche Uote vom 18. Jannar 1848.
Neue Zürcher Zeitung 1848. S. 102.
Neuenburg, den 18. Jenner 1848.
.... Als die kaiſerlich öſterreichiſche Regierung fich mit den Megierungen
von Frankreich, Großbritannien, Preußen und Nufland dahin einver—
ftand, daß jie gemeinschaftlich der Schweiz ihre freundichaftliche Vermittelung an
bieten würden, that jie diejes, nicht in der Abjicht allein, dem in jenem Yande
ausgebrochenen Bürgerkrieg ein Ziel zu ſetzen, jondern fie hatte dabei aud)
den Zweck im Auge, den oberjten Grundjag, auf welchem der Schweizerbund
berubt, zu wahren und zu jchirmen, den Grundjag nämlid der Souveränität
der 22 Kantone, welche unter ſich, als ſouveräne Staaten den unter
dem Namen des Schweizeriihen Bundespertrags befannten Al—
ltanztraftat, im welchem obige Bezeichnungen ausdrücklich gebraucht find,
abgeichloffen haben.
Deutlich haben die Mächte ihre diehfällige Meinung zu erfennen gegeben,
als fie das Begehren jtellten, daß von Zeite der Tagſatzung fürmlid aner-
fannt und erflärt werde: feine Veränderung dürfe in der Bundes:
akte gemacht werden anders, als unter Zuſtimmung eines
jeden der fouveränen 22 Kantone. — — —
Unter Mitwirkung der Mächte bat der jchweizeriiche Bund in den Jahren
1814 und 1815 jich wieder fonftitwirt. Dieſe Mitwirfung allein war es,
durch welche damals mehrere Kantone, namentlih Schwyz, Appenzell J.Rh.
und Unterwalden nid dem Wald ich beftimmen ließen, wieder in den Bund
der Schweizer einzutreten; und jie thaten diejes erjt, nachdem fie von der
Tagjagung, wie von den Mächten jelbjt, die Verficherung erhalten hatten,
daß ihre Souveränität und ihre Neligion durch ihren Anfchluß an den Bund
niemals irgend einen Abbruch zu erleiden haben würden.
Und als jpäter diejelben Mächte . . dem neu geregelten Bunde beden-
tende Gebietsvermehrungen, und die bejtändige Neutralität jeines Bodens
519
gewährten, thaten jie es mit Hinblick auf die weentlihen Grundlagen des
eben geichleffenen Bundes, und in dem Vertrauen, daß diefe Grundlagen
unverbrüchlid) würden heilig gehalten werden. — — —
Und wenn mithin die Mächte, welche ihren Verpflichtungen gegen die
Schweiz getreulich nachfommen, hinwiederum von ihr verlangen, daß fie die
Grundlagen, auf die jene Verpflichtungen Bezug nehmen, heilig halte, jo
üben jie lediglich ein nicht zu beftreitendes Recht aus, ein Recht, welches jie
denjelben Verträgen entnehmen, auf welche jich die eigenen Mechte des Schweizer:
bundes gründen.
Im Angefichte der Ereignijje, welche jih in der Schweiz zugetragen
haben, und dejlen, was heute in diefem Yande vorgeht, fühlen jich die Mächte
gedrungen, von obigem Rechte Gebrauch zu machen; denn jie jehen, und
fönnen im jenen Begebenheiten nichts anderes jehen, als einen beflagensmwertben
Bürgerkrieg, welcher inmitten des Bundes zwiichen zwölf und zwei halben
jowveränen Kantonen einerſeits und jieben nicht minder jouveränen Kantonen
anderjeitS zum Ausbruch gefommen, und unverkennbar gegen die Kantonal:
jowveränität, d. h. gegen die Grundlage des Schweizerbundes und feiner
Stellung in Europa gerichtet geweſen ift.
Bewogen durch dieje Betrachtungen, hat ſich der kaiſerliche Hof mit den
Höfen von Berlin, Paris und St. Petersburg, welche gleih ihm
die wechjeljeitig zwiichen der Schweiz und den Mächten eingegangenen Ver-
pflichtungen achten und geachtet jehen wollen, einverftanden, und im Einklang
mit ihnen zu erklären bejchloffen:
1) Daß die Kantonafjonveränität nicht als beſtehend anerkannt werden
fann im jenen Kantonen, welche durch die Truppen anderer Kantone mili—
täriſch bejegt jind, und unter dem Drude der Mafregeln jtehen, von denen
jene Beſetzung begleitet ijt; 2) daß der Schweizerbund, als in regelmäßiger
und traftatgemäßer Yage ſich befindend, nicht eher wird angefehen werden
fönnen, als bis die erwähnten Kantone, ihrer völligen Unabhängigfeit wieder:
gegeben, ihre Negierungsbehörden vollfommen frei werden haben beſtellen
fünnen; 3) daß die Rückkehr auf den militärischen Friedensfuß in allen Kan—
tonen die nothwendige Bürgichaft ihrer wechieljeitigen und allgemeinen Freiheit
ift; 4) daß feine Veränderung in der Bundesafte gültig gemacht werden kann,
es ſei denn unter einftinmiger Genehmigung aller Staaten, welche den Bund
bilden.
Indem der f. k. Hof diefe Erklärung zu Tag fürdert, hat er das Be—
wußtjein, die heiligen Geſetze der Gerechtigkeit nicht minder, als die weſent—
lichen Grundlagen des jchweizeriihen Bundes unter jeinen Schuß zu nehmen,
Er wünſcht in der Schweiz nichts anderes, als den innern Frieden des
Yandes und die Erhaltung des inmigen Verbandes zwiſchen den Kantonen,
ans denen der Bund befteht. Er hegt die tieffte Achtung für die Würde wie
520
fir die Unabhängigfeit der Schweiz. Nie hat er der regelmäßigen und ver-
jaffungsgemäßen Bervollfommmung der Ynftitutionen des Bundes ein Hinderniß
in den Weg gelegt. Zugleich hat er aber immer gemeint, daß die Souveränität
und die Unabhängigfeit der einzelnen Kantone im Innern der Schweiz nad)
den Beitinnmungen der Bundesafte eben jo aufrichtig und treu heilig gehalten
werden müſſen, als es die Souveränität und die Unabhängigkeit der Schweiz
jelbjt, inmitten von Europa, jind. Die Verbindlichfeiten der Mächte gegen
die jchweizeriiche Eidgenoffenichaft und jene der Eidgenojjenjchaft gegen die
Mächte, jind wechjelfeitig und auf diejelben Traftate gegründet. Winden die
einen wicht treilich beobachtet, jo wären unvermeidlic die andern gefährdet
und juspendirt, und die Mächte, welche der Schweiz die ihr bisher gewährten
Vorzüge verbürgt haben, bejäßen das umftreitige Necht, nur mehr die Prlichten,
welde ihnen als Glieder des großen europäiſchen Staatenverbandes obliegen
und das Wohl ihrer eigenen Yänder zu Mathe zu ziehen,
Der Unterzeichnete ergreift diefen Anlaß ꝛc.
Freiherr v. Kaijersfeld.
NB. Zwei gleichlautende Noten wurden au von Preußen und Frank—
reich der Tagſatzung übermittelt.
232. Aus der Antwortsnote der Tagfakung. 15. Februar 1848.
Neue Zürcher Zeitung 1848, Beilage zu Nr. 48,
[7 u x Eh = „. N er 5 24
N N (8 gegen Ende des vorigen jahres Ew. Exzellenz allerhöchſte
KRAAS der Schweiz eine freundichaftliche Vermittlung zur Bejeitigung
des damaligen, unruhigen Zuftandes anzubieten, mußte die Tagjagung unter
Verdankung der darin ausgejprochenen, wohlmeinenden Abjicht jene Vermitt-
lung ablehnen. Indem ſie dieſe Pflicht erfüllte, hegte jie die Erwartung,
daß die Verhältniffe der Eidgenoſſenſchaft nun zu feiner weitern diplomatijchen
Mittheilung Stoff und Veranlaffung darbieten. Obwohl fie auch jetzt dieſer
Anſicht ift, fo entnahm jie aus der neuen Kolleftiv-Note vom 18. Januar
1848 mit Bedauern, daß fie fich in ihrer Erwartung geivrt hatte. Der Herr
Präfident der Tagſatzung, an den diefe Note perſönlich addreifirt iſt, hat der
Verſammlung davon Kenntniß gegeben, und die lettere hält jich um fo mehr
verpflichtet, ihre Anficht darüber auszufprechen, weil in derjelben über die
rechtliche Stellung der Schweiz zum Auslande und über ihre innere Organi-
jatton Prinzipien ausgefprochen werden, welche die Tagſatzung nicht mit Stilf-
ihmweigen hinnehmen tann.
521
[Die Antwort widerlegt an Hand des Wortlautes der Verträge von 1814
und 1815 umd ihrer Geichichte die Auffaſſung der Mächte, als ob fie durch
ihre Mitwirkung bei der Refonftituirung der Schweiz in den Jahren 1814
und 1815 mit ihr in eine vertragsgemäße Wechjelbeziehumg der Art getreten
wären, daß fie berechtigt jeien, die hauptjächlichen Grundlagen der jchweize-
riſchen Bundesorganifation in ihren Schuß zu nehmen md, fofern jie die
jelben für gefährdet erachteten, ibrerjeits von den Verpflichtungen zurückzutreten,
welche fie gegen die Schweiz übernommen haben, und fährt dann fort:]
Aus diejen denfwiürdigen Ereigniffen und dem Haren Wortlaut der an-
geführten Akten jchöpft demnach die Tagſatzung die vollendete Ueberzeugung,
daß die Bundesverfaflung jelbft niemals garantirt und daß jomit die der
Schweiz zugeficherte Neutralität nie an die Bedingung gewilfer Formen der
Bundes-Einrichtungen geknüpft wurde.
Dieje rechtliche Auffaffung wird nicht im mindeften durch die in der
Note vom 18. Januar berührte Behanptung widerlegt, daß mehrere Kantone
durch die Mitwirkung der hohen Mächte beftimmt worden jeien, ſich der
Bundesafte anzuschließen... Die Tagſatzung der Jahre 1814 und 1815
hat ſich mit allen Kräften angeftrengt, jene Kantone zum Anjchluß an den
Bundesvertrag zu beftimmen; fie hat dabei diefelben zu belehren verjucht,
daß der Bundesvertrag ihre Souveränetät nicht mehr bejchränfe, als das
gemeinjame Intereſſe verlange; aber nie hat fie einem Stande die Zuficherung
ertheilt, daß der Bundesvertrag zu feiner Zeit werde verändert werden.
Ebenfo iſt der Tagſatzung befannt, daß die hohen Mächte fie durch ähnliche
Vorftellungen und Ermahnungen bei den drei Ständen, welche jich dem Bunde
lange nicht anfchliegen wollten, unterftügten. Allein e8 dürfte jchwer fein zu
beſtimmen, welchen Antheil diefe Bemühungen in Verbindung mit dem Drang
der Umftände und den energiichen Schritten der Tagfagung an dem Entſchluß
jener Stände gehabt haben. So viel iſt hiſtoriſch gewiß, daß diejes alles
bei Unterwalden nicht zum Ziele führte, jondern daß diefer Stand erjt in
Folge einer militärischen Offupation durch die Eidgenoffenichaft jich dem
Bunde anjchlof. Auch kann es wohl feinem Zweifel unterliegen, daß jene
drei Stände wegen der Einwirkung der fremden Mächte gewiß in fein anderes
Nechtsverhältnig zum Auslande traten, als die geſammte übrige Eidgenoffen-
haft. Die Tagſatzung fann dieſen Gedanten nicht jchöner ausdrüden, als
diejes in den beiden Noten der hohen Mächte vom 8. April und 28. Yuli
1815 an den Stand Nidwalden mit folgenden Worten geſchah: „Sie, die
verbündeten Monarchen, fennen nur Eine Schweiz, nur Schweizer deifelben
Bundes, derjelben Eintracht, derjelben Verpflichtung. Sie werden immer
alles weit von jich entfernt halten, was eine unglücklicherweiſe bejtehende
Trennung auch nur einen Augenblid verlängern oder eine Gefährdung des
Bundes nad) ſich ziehen fünnte,“ — —
522
[Es wird im weitern der Gefichtspunft zurüdgewiejen, daß die in der
Note berührte Gebietsvermehrung die Auffaffung der Mächte rechtfertige).
Obwohl nun... die Eidgenoffenichaft im Bewußtſein ihrer Gedichte
und ihrer Intereſſen weit entfernt ift, eine Bundesverfaflung anzujtreben, in
welder die Souveränetät der Kantone und der füderative Charakter der
Schweiz bejeitigt würden, jo glaubt jie doch das jedem Staate inhärirende,
freie Konftituirungsrecht als die Grumdbedingung jeder nationalen Selbit:
ftändigfeit wahren zu follen, als ein Recht, auf das jie nie verzichtet hat.
Aus demjelben Grunde muß fie auch jedes jpezielle Schutzverhältniß, welches
in der Note in Bezug auf einzelne Kantone oder die Organifation des Bundes
geltend gemacht werden will, entfchieden ablehnen.
.... Indem die Tagſatzung ſich im Allgemeinen auf ihre frühere,
ausführliche Antwort:Note vom 6. Dezember 1847 bezieht, muß fie wieder:
holt der Auffaſſung entgegentreten, daß zwölf und zwei halbe jouveräne Stände
gegen jieben jouveräne Stände einen Krieg geführt und dadurch deren Sou-
veränetät unterdrüdt haben. Die Eidgenojjenjchaft war nad fruchtlofer An-
wendung aller friedlichen Mittel gemöthigt, ein durd die Bundesafte unzwei-
deutig unterfagtes und den Frieden der Schweiz bedrohendes Separatbündniß
aufzulöfen und die rechtmäßige Bundesgewalt geltend zu machen. — — —
Ob Veränderimgen in der Bundesverfaffung mit Einftimmigfeit oder
mit einer gewilfen Mehrheit von Ständen vorgenommen werden können, ift
eine Frage, welche mit dem der Eidgenofjenichaft unverfümmert zuftehenden
Konftituirungsrechte aufs engjte zufammenhängt und deren Enſcheidung daher
nicht Sache anderer Staaten jein kanun. Die Art und Weije der Vervoll-
kommnung der politiichen Inſtitutionen der Schweiz ift demnach eine Aufgabe,
welde die Kantone unter ſich zu löjen haben, da fie in der jelbitftändigen
Fortbildung ihrer Bundeseinrichtungen durd feine Staatsverträge bejchräntt
worden find.
Wenn auch die Eidgenojfenjchaft in legter Inſtanz jederzeit auf ihr
gutes Recht und ihre Kraft verwieſen ift, jo kann jie gleichwohl nicht zugeben,
daß die ausdrüdlichen Garantien, welche in den angeführten Staatsverträgen
enthalten find, einjeitig zurücgezogen werden; ſie hegt übrigens das volle
Vertrauen, daß die Gerechtigkeitsliebe der hohen Mächte jene Garantien in
dem ganzen Umfange anerfennen werde, in welchem fie nad dem klaren
Wortlaute jener Verträge erlaſſen wurden.
Gleichwie jie aber auf der einen Seite diejes geltend macht, jo hat jie
auf der andern Seite den fejten Willen und das Intereſſe, fremden Staaten
in internationalen Beziehungen feinen Stoff zu begründeten Beichwerden
darzubieten. — — —
Die Tagſatzung hat noch eine Pflicht zu erfüllen, indem fie Ew. Er-
zellenz allerhöchſter Negierung deren Wünſche verdankt, welche diejelbe dem
523
innern Frieden des Yandes und der Erhaltung des innigen Verbandes zwi-
ichen den Kantonen darbringt; nicht minder verdankt die Tagjagung auch die
in der Note ausgejprochene Geſinnung der Achtung für die Würde und Unab—
hängigfeit der Schweiz. Es wird ihr ernftes Beftreben fein, an der Reali—
jirung jener Wünſche zu arbeiten, und jie hegt die Ueberzeugung, es werde
diefe Aufgabe ihr defto eher gelingen, je mehr die Unabhängigkeit der Schweiz
nad) den Worten der Neutralitätsafte vom 20. November 1815 als „Unab:
hängigfeit von jedem fremden Einfluß“ ihre volle Anerkennung
finden wird.
233. Aus dem Bericht der von der Tagfakung ernannten
Bevifionskommiffion über den Entwurf der neuen
Bundesverfaffung vom 8. April 1848.
Verfaßt von den NRedaltoren des Entwurfs, Dr. Kern und 9. Drüey.
IN i: außerordentlichen Ereigniffe, welche gerade zur Zeit, als die
| AN Kommiſſion mitten in ihren Berathungen war, im dem ung um:
Re gebenden Yändern eingetreten find, konnten nicht unbeachtet bleiben ;
aber jie konnten nicht zur Folge haben, der Schweiz ynjtitutionen zu em:
pfehlen, welche mit unjern Nationaldharafter unvereinbar wären, oder den
natürlichen Entwicklungsgang jchweizerifcher Ideen zu überjpringen. Dagegen
hatten dieje Ereigniffe den Einfluß, daß jie das Gefühl lebendig machten, die
Schweiz jei in der Ausübung ihres freien Rechtes von Außen her auf feine
Weije gehemmt, während jene Ereigniffe gleichzeitig von der Entwidlung des
Geiſtes Zeugniß ablegten, und die Möglichkeit zeigten, Ideen ins Yeben zu
führen, welche zu andern Zeiten von Manchem als Utopien betrachtet worden
wären. Das it in der That der Charakter und der Zwed der Ynftitutionen :
Den Ideen und den Bedürfniffen der Zeit zu entiprechen, indem man das
Vergangene benutt und der Zukunft einen neuen Weg öffnet. Es widerjpricht
ebenjo jehr dem Gejege der Entwidelung, wenn man über das Alter, in
welchem jich die Gejellichaft befindet, hinausgeht, al$ wenn man mit Gewalt
hinter demjelben zurücbleiben will. Kein Rückſchritt, aber aud) feine Sprünge.
Wenn es einen Zuftand der Dinge gibt, in welchem ſich die Schweiz nicht
mehr befindet, jo gibt es auch einen, im welchem jie zur Zeit noch nicht
ift. Die Schweiz bildet nicht mehr, wie vor der Nevolution von 1798, eine
bloße Allianz fonveräner Staaten, verbündet, um fich gegenfeitig Hülfe zu
feiften gegen Angriffe von Außen umd gegen Unruhen im Innern, welche
524
nichts Gemeinfames hatte, als was durchaus nothwendig war, um dieſen
Zwed zn erreichen, und wo die volle Unabhängigkeit vorbehalten war, mit
Ausnahme weniger Fälle, bei welchen die Minderheit der Mehrheit ſich unter:
werfen mußte. Die Eidgenoffenjchaft ijt nicht mehr bloß eine Allianz, wobei
die Tagſatzung mehr ein Kongrek von Somveränen, als eine beliberirende
Verfammlung war, und wo die Gejchäfte mehr auf dem Wege der Leberein-
funft, als auf dem Wege von Beichlüffen ſich erledigten. Nicht nur find
diefe Zeiten weit hinter uns, indem die helvetiiche Republif, die Mediations-
afte, der Bundesvertrag und die fortichreitende Entwicelung einen andern
Zuftand herbeigeführt haben; jondern das jchweizerifche Wolf iſt weit hinaus
über die beftehenden Bırndeseinrichtungen. Und doch ichlieken dieje eine jtär-
fere Bundesgewalt in ſich, als die ältern Allianzen, indem fie, abgejehen
von Hülfeleiftung in Fällen von Gefahr, die Somveränetät der Kantone in
mehrfacher Beziehung bejchränfen, eine Yandesarmee, gemeinfame Finanzen
aufjtellen, Bundesbehörden organifiren, deren Entjcheidung jich die Minderheit
zu unterziehen bat, indem jie jogar die Bundesautorität über die Kantonal—
jouveränetät jtellen, wie im Art. 3 des Bundes, wonad die Tagſatzung alle
Maßregeln treffen kann, welche jie für die innere oder äußere Sicherheit der
Schweiz nothwendig findet, was, wie man bei verjchiedenen Gelegenheiten
gejeben, eine Art von eidgenöffischer Omnipotenz in fich ſchließt.
Dieje Ynftitutionen gemügten nicht mebr, weil fie nicht genug echte
garantirten, weil fie nicht genug Intereſſen zur gemeinfamen Sache machen,
weil die Bundesbehörden übel organifirt und in ihrer Thätigkeit gehemmt
jind, und befonders weil die Behörden ausichlieglich aus den Kantonen, oder
vielmehr ihren Negierungen, und feineswegs aus dem jchweizerijchen Wolfe
in jeiner Geſammtheit hervorgehen; weil diejelben daher nur eines der
Elemente der Eidgenofienichaft, das Fantonale repräfentiren, während das
nationale oder allgemeine Element fein eigenes und direltes Organ bat.
Die Unruhen, welche jeit mehreren Jahren in der Schweiz ftattgefunden,
haben zu einem großen Theil ihre Quelle in dem Mifverhältniffe, welches
zwijchen den Bındeseinrichtungen und den Ideen und Bedürfniſſen des
ſchweizeriſchen Volkes beiteht.
Aber wenn die Schweiz ſich nicht mehr im Zuſtand der Dinge befindet,
für welchen der Bundesvertrag vom Jahre 1815 geſchaffen war, ſo befindet
ſie ſich, nach der Anſicht der Kommiſſion, doch auch nicht in einem Zuſtande,
wie ihn eine Einheitsregierung, eine neue helvetiſche Republik vorausſetzen
müßte. Eine einheitliche und untheilbare Republik müßte, wenn ſie ihren
Zweck erreichen und nicht ein Baſtardföderalismus ſein ſoll, die Kantone mit
ihren politiſchen, bürgerlichen, finanziellen und militäriſchen Inſtitutionen ver—
ſchwinden laſſen, um einer einheitlichen Regierung Platz zu machen, welche
alle Zweige des ſozialen Lebens zu umfaſſen hätte. Mit einem Worte, das
525
fantonale Element würde unter dem Einheitsſyſteme verjchiwinden, wie das
nationale Element wenn nicht zerftört (dem es ift ungerjtörbar), aber doch
verborgen, gewiſſermaßen erftickt wird, unter der Herrichaft einer bloßen Allianz
von Staaten. So große Fortſchritte nun der nationale Geift gemacht bat,
jo ift doch auch der Kantonalgeift noch tief eingeprägt in der Schweiz. Was
gegenwärtig in Frankreich und andern Einheitöjtaaten vorgeht, wo der Pro-
vinzialgeift troß Allem, was jeit Jahrhunderten gejchehen ijt, um ihn zu
unterdrücen, und jelbjt zu vernichten, doch von Zeit zu Zeit wieder hervor:
tritt, beweist hinlänglich, daß es nicht gelingen würde, denfelben in der Schweiz,
wo er noch in der Baſis der Ymftitutionen liegt umd fich im Beſitz der
Bundesgewalt befindet, zu zerſtören. Es würde vielleicht gelingen, das Ein-
heitsſyſtem einzuführen, aber nicht, es zu behaupten. Der unmwiderftehbare
Strom einer ftarfen Reaktion aller Unzufriedenheiten würde nicht erinangeln,
alle Dämme zu durchbrechen, und den Unitarismus in kurzer Zeit wieder
wegzuſchwemmen. Es rührt dieß daher, weil in der Natur der Dinge neben
dem Gejet der Einheit auch ein Geſetz der Theilung oder Gliederung befteht,
oder vielmehr, weil beide zujanınen nur Eines find und die Organijation
bilden. Die Einheit ohne Glieder ift eine leere Maſſe, die Glieder ohne
Einheit find ohnmächtig. Wird die Schweiz ſpäter zum Einheitsſyſtem ge-
langen, oder mit andern Worten, werden in derjelben in Zukunft jtatt mehr
oder weniger jouveräner Kantone nur noch Dijtrifte oder andere Territorial-
eintheilungen als Glieder eines organifirten Körpers vorhanden jein? Es
ift möglid. Aber dieje Zeit fcheint uns noch nicht gefommen zu jein. Der
Kantonalismus hat zu tiefe Wurzel, hundertjährige Gewohnheiten haben zu
viel Macht, um eine jolche Umgeftaltung zu verwirffihen, ohne eine Krifis
bervorzurufen, für welche die Schweiz, wenn nicht alle Anzeichen trügen,
feineswegs hinreichend vorbereitet ift.
Ein Föderativfyften, welches die beiden Elemente, welche nun einmal
in der Schweiz vorhanden find, nämlich das nationale oder gemeinfame und
das fantonale oder bejondere, achtet, welches jedem dieſer Elemente gibt, was
ihm im Syntereffe des Ganzen und feiner Theile gehört, welches fie ver-
jchmelzt, vereinigt, welches die Glieder dem Ganzen, das Kantonale dem
Nationalen unterordnet, indem jonft feine Eidgenoffenfchaft möglich wäre und
die Kantone in ihrer Vereinzelung zu Grunde gehen müßten; — das iſt's
was die jegige Schweiz bedarf, das iſt's, was die Kommiſſion anftrebte in
dem Entwurf einer Bundesverfajfung, den fie der Tagjakung vorzulegen die
Ehre hat; das ijt der Grundgedanfe der ganzen Arbeit, der Schlüffel zu
allen Artifeln.
526
234. Die Bundesverfaſſung vom 12. September 1848.
Repertorium der eidgen. Abſchiede IL. S. 764.
Im Samen Gottes ded Allmädtigen!
Die Shweizerifhe Eidgenoſſenſchaft,
in der Abficht, den Bund der Eidgenoffen zu befeftigen, die Einheit, Kraft und Ehre
der ſchweizeriſchen Nation zu erhalten und zu fördern, bat nachſtehende Bundesverfaffung
angenommen :
Erſter Abſchnitt.
Allgemeine Beſtimmungen.
Art. 1. Die durch gegenwärtigen Bund vereinigten Völlerſchaften der zwei und
zwanzig ſouveränen Kantone, als: Zürich, Bern, Lucern, Uri, Schwyz, Unter—
walden (ob und nid dem Wald), Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Baſel
(Stadt und Land), Schaffhauſen, Appenzell (beider Rhoden), St.Gallen, Grau—
bünden, Aargau, Thurgau, Teſſin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf,
bilden in ihrer Sefammtheit die Schweizerifhe Eidgenoſſenſchaft.
Art. 2. Der Bund bat zum Zwei: Behauptung der Unabhängigkeit des Baterlandes
gegen Außen, Handhabung von Ruhe und Ordnung ım Innern, Schuz der freiheit und
der Rechte der Eidgenoffen und Beförderung ihrer gemeinfamen Wohlfahrt.
Art. 3. Die Kantone find ſouverän, joweit ihre Souveränität nicht durch die Bundes
verfaſſung beichränft ift, und üben als ſolche alle Nechte aus, welche nicht der Bundes-
gewalt übertragen find.
Art. 4, Alle Schweizer find vor dem Geſeze gleich. Es gibt in der Schweiz keine
Untertbanenverbältniffe, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Berfonen.
Art. 5. Der Bund gemwäbrleiftet den Kantonen ihr Gebiet, ihre Souveränetät innert
den Schranten des Art. 3, ihre Berfaffungen, die Freibeit, die Rechte des Volles und
die verfafjungsmäßigen Rechte der Bürger gleich den Rechten und Befugnifien, weiche das
Volt den Behörden übertragen hat.
Art. 6. Die Kantone find verpflichtet, für ihre Berfaffungen die Gewährleiſtung des
Bundes nachzufuchen.
Der Bund übernimmt diefe Gewährleiſtung, infofern :
a) fie nichts den Vorſchriften der Bundesverfaflung Zımpiderlaufendes enthalten;
b) fie die Ausübung der politischen Rechte nach republifaniichen (repräfentativen
oder demecratiichen) ‚Formen fichern ;
ce) fie vom Volle angenommen worden find und revidirt werden fünnen, wenn die
abjolnte Mehrheit der Bürger es verlangt.
Art, 7. Beſondere Bindniffe und Verträge politiichen Inhalts zwiihen den Kantonen
find unterfagt.
Dagegen fteht ihnen das Hecht zu, Verkommniſſe über Gegenftände der Geſezgebung,
des Gerichtsweſens und der Verwaltung unter ſich abzuſchließen; jedoch haben ſie dieſelben
der Bundesbehörde zur Einſicht vorzulegen, welche, wenn dieſe Berkommniſſe etwas dem
Bunde oder den Rechten anderer Kantone Zuwiderlaufendes enthalten, deren Vollziehung
zu hindern befugt iſt. Im entgegengeſezten Falle find die betreffenden Kantone berechtigt,
zur Vollziebung die Mitwirkung der Bundesbehörden anzuſprechen.
Art. 8. Dem Band allein ſteht das Hecht zu, Krieg zu erflären und Frieden zu
ſchließen, Bündniſſe und Staatsverträge, namentlich Zoll- und Handelsverträge mit dem
Auslande einzugeben.
ee" ui EZ .
527
Art. 9. Ausnahmsweiſe bleibt den Rantonen die Befugniß, Berträge über Gegen-
fände der Staatswirtbihaft, des nachbarlichen Verlehrs und der Polizei mit dem Aus—
lande abzuichliegen; jedoch dilrfen Diefelben nichts dem Bunde oder den Rechten anderer
Kantone Zuwiderlaufendes enthalten.
Art. 10, Der amtliche Berkehr zwiihen Kantonen und auswärtigen Staatsregierungen,
jowie ihren Stellvertretem, findet durch Vermittlung des Bundesrathes ftatt.
Ueber die im Art. 9 bezeichneten Gegenftände können jedoch die Kantone mit den
untergeordneten Behörden und Beamten eines auswärtigen Staates in unmittelbaren
Verlkehr treten.
Art, 11. Es dürfen feine Milttärcapitnlationen abgeſchloſſen werben.
Art, 12, Die Mitglieder der Bundesbehörden, die eidgenöffiihen Civil- und Militär-
beamten und die eidgenöffiichen Repräfentanten oder Commiflarien dürfen von auswärtigen
Regierungen weder Benfionen oder Gehalte, noch Titel, Gefchenfe oder Orden annehmen.
ind fie bereits im Befize von Penfionen, Titeln oder Orden, fo. haben fie für ihre
Amtsdauer auf den Genuß der Penfionen und das Tragen der Titel und Orden zu
verzichten,
Untergeordneten Beamten und Angeftellten dann jedoch vom Bundesrath der Fort—
bezug von Penfionen bewilligt werden.
Art. 13. Der Bund ift nicht berechtigt, ſtehende Truppen zu halten.
Ohne Bewilligung der Bundesbehörde darf fein Kanton oder in getheilten Kantonen
fein Yandestheil mehr als 300 Mann ftebende Truppen haften, die Yandjägercorps nicht
inbegriffen.
Art. 14. Die Kantone find verpflichtet, wenn Streitigkeiten unter ihnen vorfallen,
ſich jeder Selbfthülfe, fowie jeder Bewaffnung zu enthalten und jich der bundesmäßigen
Entſcheidung zu unterziehen.
Art. 15. Wenn einem Kanton vom Auslande plözlich Gefahr droht, fo ift die Re—
gierung des bedrohten Kantons verpflichtet, andere Kantone zur Hülfe zu mabnen, unter
gleichzeitiger Anzeige an die Bundesbehörde und umvorgreiflih den ſpätern Verfügungen
diefer leztern. Die gemahnten Kantone find zum Zuzuge verpflichtet. Die Koften trägt
| die Eidgenofienichaft.
Art. 16. Bei geftörter Ordnung im Innern, oder wenn von einem andern Kantone
Gefahr droht, hat die Negierung des bedrohten Kantons dem Bundesrathe fogleih Keuntnig
zu geben, damit diefer innert den Schranfen feiner Competenz (Art. W, Nr. 3, 10 und 11)
die erforderlichen Daßregeln treffen oder die Bundesverfammlung einberufen kann. In
dringenden Fällen ift die betreffende Regierung befugt, unter fofortiger Anzeige an den
Bundesrath, andere Kantone zur Hilfe zu mahnen, und die gemahnten Stände find zur
Hilfeleiftung verpflichtet.
| Wenn die Rantonsregierung außer Stande ift, Hülfe anzufpreden, fo fann, und
wenn die Sicherheit der Schweiz gefährdet wird, jo ſohl die competente Bundesbehörde
von ſich aus einfchreiten.
In Fällen eidgenöſſiſcher Intervention forgen die Bundesbehörden für Beachtung der
Vorichriften von Art. 5.
Die Koften trägt der mahnende oder die eidgenöfftiche Intervention veranlaffende
Kanton, wenn nicht die Bundesverlammlung wegen beionderer Umſtände etwas Anderes
beichlicht.
Art. 17. In den durch Art. 15 und 16 bezeichneten Fällen iſt jeder Kanton ver
pflichtet, den Truppen freien Durchzug zu geſtatten. Diefe find fofort unter eidgenöffiiche
Yeitung zu Stellen.
Art. 18. Jeder Schweizer ift wehrpflichtig.
528
Art. 19. Tas Bundesheer, welches ans den Contingenten der Kantone gebildet
wird, beitebt:
a) aus dem Bundesauszug, wozu jeder Kanton auf IM Zeelen ſchweizeriſcher Be—
völferung 3 Maun zu ftellen bat;
b) aus der Hejerve, deren Beitand die Hälfte des Bundesauszugs beträgt.
In Zeiten der Gefahr kann der Bund auch iiber Die übrigen Streitkräfte (die Yand-
wehr) eines jeden Kantons verfügen.
Die Mannjhaftsicala, welche nach dem bezeichneten Maßitabe das Contingent für
jeden Kanton feſtſezt, it alle zwanzig Jahre einer Reviſion zu unterwerfen.
Art. M. Um in dem Bundesheere die erforderliche Gleihmäßigkeit und Dienſtfähigleit
zu erzielen, werben folgende Grundſäze feftgeiezt:
1. Ein Bundesgefez beitimmt die allgemeine Organilation des Bundesheeres.
2, Der Bund übernimmt:
a) den Unterricht der Genietruppen, der Artillerie und der Cavallerie, wobei jedoch
den Kantonen, welche dieſe Waffengattungen zu ftellen haben, die Lieferung
der Pierde obliegt;
b) die Bildung der Inſtructoren für die übrigen Waffengattungen ;
ec) für alle Waffengattungen den höhern Milttärunterricht, wozu er namentlich
Militärſchulen errichtet und Zuſammenzüge von Truppen anordnet;
d) die Leferung eines Theiles des Kriegsmaterials.
Die Centraliſation des Militärunterrichts kann nöthigenfalls durch die Bundesgeſez-
gebung weiter entwidelt werden.
3. Der Bund überwadt den Militärunterricht der Infanterie und der Scharfichlizen,
fowie die Anſchaffung, den Bau und Unterhalt des Kriegszeugs, welches die Kantone zu
liefern haben.
4. Die Milttärverorbnungen der Kantone dürfen nichts enthalten, was der eidgenöſ—
ſiſchen Militärorganifation und den den Kantonen obliegenden bundesmäßigen Ber-
pflichtungen entgegen ift, und müſſen zu diepfälliger Prüfung dem Bundesratbe vorgelegt
werden.
5. Alle Truppenabtheilungen im eidgenöfftichen Dienfte führen ausſchließlich die eid-
genöfftiche Fahne.
Art. 21. Dem Bunde ſieht das Recht zu, im Intereſſe der Eidgenoſſenſchaft oder
eines großen Theiles derfelben auf Koſten der Eidgenofienichaft öffentliche Werte zu er:
richten oder die Errichtung derfelben zu unterſtüzen.
Zu diefem Zwele it er anch befugt, gegen volle Entfhädigung das Recht der Er:
propriation geltend zu machen. Die näbern Beitimmungen bierüber bleiben der Bundes—
gefezgebung vorbehalten.
Die Bundesverfammlung kann die Errichtung öffentlicher Werfe umterfagen, welche
die militärischen Intereſſen der Eidgenoflenichaft verlegen.
Art. 22. Der Bund iſt befugt, eine Univerfität und eine polgtechnifche Schule zu
errichten.
Art. 23. Das Zollweien it Sache des Bundes.
Art. 24. Dem Bunde fteht das Recht zu, die von der Tagfazıng bewilligten oder
anerkannten Yand- und Warlerzölle, Weg- und Brilfengelder, verbindliche Kanfbaus- und
andere Gebühren diefer Art, mögen diefelben von Kantonen, Gemeinden, Corporationen
oder Privaten bezogen werden, gegen Entihädigung ganz oder tbeilweile aufzubeben. Die-
jenigen Zölle und Weggelder, weiche anf dem Tranfit laften, follen jedenfalls im ganzen
Umfange der Eidgenofienichaft und zwar gleichzeitig eingelöst werden.
529
Die Eidgenoſſenſchaft hat das Recht, an der fchmeizeriichen Grenze Eingangs-, Ans»
gangs- und Durdgangszölle zu erheben.
Sie iſt berechtigt, gegenwärtig für das Zollweſen beftimmte Gebäulichleiten an der
ichweizerifchen Grenze gegen Entihädigung entweder als Eigenthum oder miethweiſe zur
Benuzung zu übernehmen,
Art. 25. Bei Erhebung der Zölle follen folgende Grundſäze beachtet werden:
1. Eingangsgebühren:
a) Die für die inländiiche Induſtrie erforderlichen Stoffe find im Zolltarif mög-
lichft gering zu tariren.
b) Ebenfo die zum nothwendigen Pebensbedarf erforderlihen Gegenftände.
c) Die Gegenftände des Luxus unterliegen der höchſten Taxe.
2. Durchgangsgebühren, und in der Regel auch die Ausgangsgebühren, find möglichit
mäßig feftzufezen.
3. Durh die Zollgefezgebung find zur Sicherung des Grenz und Marktvertehrs
geeignete Beftimmungen zu treffen,
Dem Bımde bleibt immerhin das Recht vorbehalten, unter außerordentlichen Um-
ftänden, in Abweichung von vorftehenden Beftimmungen, vorübergehend befondere Maß-
nahmen zu treffen,
Art. 26. Der Ertrag der Eingangs-, Ausgangs- und Durchgangszölle wird folgender-
maßen verwendet:
a. Jeder Kanton erhält 4 Bazen auf den Kopf nah dem Mafftab der Gefanmt:
bevölferung, welche nach der Volkszählung von 1838 berechnet wird.
b, Wenn ein Kanton biedurch flir die nach Art. 24 aufgehobenen Gebiihren nicht
binlänglicdh gedeft wird, fo hat er noch fo viel zu beziehen, als erforderlich ift, um ihn
für diejelben Gebühren nah dem Durchichnitt des Reinertrages der fünf Jahre, 1842 bis
und mit 1846, zu entichädigen.
c. Die Mehreinnahme fällt in die Bundescaife.
Art. 29. Für Pebensmittel, Vieh- und Kaufmannswaaren, Yandes- und Gewerbs
erzeugniſſe jeder Art find freier Kauf und Verkauf, freie Ein-, Aus« und Durchfuhr von
einem Kanton in den andern gewährleiftet.
Borbehalten find:
a. In Beziehung auf Kauf und Verkauf das Salz: und Pulverregal.
b. Polizeifihe Verfügungen der Kantone über die Ausübung von Handel und Ge—
werbe und über die Benuzung der Straßen.
ce. Berfügungen gegen ſchädlichen Vorkauf.
d. Borübergebende janitätspolizeiliche Maßregeln bei Seuchen.
Die in Hit. b. und c. bezeichneten Verfügungen müſſen die Kantonsbürger und die
Schmweizerbürger anderer Kantone gleich behandeln. Sie find dem Bundesrathe zur Prü—
fung vorzulegen und dürfen nicht vollzogen werden, che fie die Genehmigung desfelben
erhalten haben,
e. Die von der Tagſazung bewilligten oder anerfannten Gebühren, welche der Bund
nicht aufgehoben bat (Art. 24 und 31).
f. Die EConfumogebühren auf Wein und andern geiftigen Getränfen, nad Vorſchrift
von Art. 32,
Art. 30. Der Bundesgejezgebung bleibt vorbebaften, binfichtli der Abichaffung be-
ftebender Vorrechte in Bezug auf Transport von Perfonen und Waaren jeder Art zwi
chen den Kantonen und im Innern derjelben auf dem Wafler und auf dem Lande, die
nöthigen Verfügungen zu treffen, jo weit die Eidgenoſſenſchaft hiebei ein Intereſſe hat.
Oechsli, Quellenbuch. 34
530
Art. 31. Der Bezug der im Art. 29, lit. e. bezeichneten Gebühren ſteht unter
der Auffiht des Bundesraths. Sie dürfen nicht erböht und der Bezug derjelben darf
ohne Genehmigung der Bundesverfammlung, wenn er auf eine beftimmte Zeit beichränft
war, nicht verlängert werden.
Die Kantone dürfen weder Zölle, Weg: noch Brüfengelder unter irgend welchem
Namen neu einführen. Bon der Bundesverfammlung können jedoch auf beftimmte Zeit
folhe Gebühren bewilligt werden, um die Errichtung öffentlicher Werte zu umnterftüzen,
welche im Sinne des Art. 21 von allgemeinem Intereſſe für den Berfehr find und ohne
ſolche Berilligung nicht zu Stande kommen könnten.
Art. 32. Die Kantone find befugt, außer den nad Art. 29, lit. e. vorbehaltenen
Beredhtigungen, von Wein umd andern geiftigen Getränfen Conjumogebübren zu erheben,
jedoh unter folgenden Beichräntungen:
a. Bei dem Bezug derfelben fol der Tranfit in feiner Weiſe beläftigt und der Ber-
fehr überhaupt jo wenig als möglich gehemmt und mit feinen andern Gebihren belegt
werben.
b. Werden die für den Berbraud eingeführten Gegenftände wieder aus dem Kanton
ausgeführt, fo find die bezahlten Confumogebühren ohne weitere Beläftigung zurüfzuer-
ftatten, J
c. Die Erzeugniſſe ſchweizeriſchen Urſprungs find mit niedrigern Gebühren zu belegen
als diejenigen des Auslandes.
d. Eonfumogebühren auf Wein und andern geiftigen Getränken jchmeizeriichen Ur—
iprungs dürfen da, wo foldhe Schon beftehen, nicht erhöbt, und in Kantonen, melde nod
feine beziehen, nicht eingeführt werden.
e. Die Gefeze und Verordnungen der Kantone Über den Bezug der Conjumogebühren
find der Bundesbehörde vor Vollziehung derfelben zur Gutheißung vorzulegen, damit die
Nichtbeachtung vorftehender Grundfäze verhindert werden kann.
Art. 33. Das Poftweien im ganzen Umfange der Eidgenofjenfchaft wird vom Bunde
übernommen unter folgenden Vorſchriften:
1. Die gegenwärtig beftehenden Poftverbindungen dürfen im Ganzen ohne Zuftim-
mung der betheiligten Kantone nicht vermindert werben,
2. Die Tarife werden im ganzen Gebiete der Eidgenoſſenſchaft nad den gleichen
möglichſt billigen Grundfäzen beitimmt.
3. Die Unverlezbarkeit des Poſtgeheimniſſes ift gewährleiſtet.
4, Fir Abtretung des Poftregals leiftet der Bund Entihädigung, und zwar nad
folgenden nähern Beftimmungen: — — — —
Art. 34. Bei der Berwaltung des Zolle und Poftweiens find die Angeftellten größten-
theild aus den Einwohnern derjenigen Kantone zu wählen, fir welche fie bejtimmt find.
Art. 35. Der Bund übt die Oberauffiht über die Straßen und Brüfen, an deren
Erhaltung die Eidgenoffenichaft ein Intereſſe bat.
Die nad) Art. 26 und 33 den Kantonen für Zölle und Bolten zulommenden Sunmen
werden von der Bundesbehörde zurüfbebalten, wenn diele Straßen und Brüfen von den
betreffenden Kantonen, Corporationen oder Privaten nicht in gebörigem Zuftand unter—
halten werden.
Art. 36. Dem Bunde fteht die Ausübung aller im Münzregale begriffenen Rechte zu.
Die Miünzprägung durch die Kantone hört auf und geht einzig vom Bunde aus,
Es iſt Sache der Bundesgefezgebung, den Münzfuß feftzufezen, die vorhandenen
Münzforten zu tarifiren und die nähern Beftimmungen zu treffen, nach welchen die Kan-
tone verpflichtet find, von den von ihnen geprägten Münzen einichmelzen oder umprägen
zu laffen.
531
Art. 37. Der Bund wird auf die Grundlagen des beftehenden eidgenöſſiſchen Con-
cordats für die ganze Eidgenoffenfchaft gleiches Maß und Gewicht einführen.
Art. 38, Fabrication und Berkauf des Schießpulvers im Umfange der Eidgeuoffen-
ſchaft fteben ausichließlih dem Bunde zu.
Art. 39. Die Ausgaben des Bundes werden beftritten:
a) and den Zinfen' der eidgenöffiichen Kriegsfonds;
b) aus dem Ertrag der fchweizeriichen Grenzzölle;
c) aus dem Ertrag der Poſtverwaltung;
d) aus dem Ertrag der Pulververwaltung;
e) aus Beiträgen der Kantone, welche jedoch nur in Folge von Beichlüffen der
Bundesverfammlung erhoben werden können.
Solche Beiträge find von den Kantonen nad Verhältniß der Geldſcala zu leiften,
melde alle zwanzig Fahre einer Nevifion zu unterwerfen iſt. Bei einer ſolchen Revifion
jollen theils die Bevölterung, theild die Vermögens- und Erwerbsverhältniffe der Kantone
zur Grundlage dienen.
Art. 40. Es foll jederzeit wenigftens der Betrag des doppelten Geldcontingentes für
Beftreitung von Militärkoften bei eidgenöfftichen Aufgeboten baar in der Bundescaffe liegen.
Art. 41. Der Bund gemährleiftet allen Schmweizern, welche einer der chriſtlichen Con-
feffionen angehören, das Recht der freien Niederlaffung im ganzen Umfange der Eid-
genoſſenſchaft, nach folgenden nähern Beſtimmungen:
1. Keinem Schweizer, der einer der chriftlichen Confeffionen angehört, fann die Nieber-
laffung in irgend einem Kanton verweigert werben, wenn er folgende Ausweisichriften
befizt:
a) einen Heimatichein oder eine andere gleihbedeutende Ausweisichrift;
b) ein Zeugniß fittlicher Aufführung ;
e) eine Beſcheinigung, daß er in bürgerlichen Rechten und Ehren jtebe ;
und wenn er auf Verlangen fi ausweiſen fann, daß er durch Vermögen, Beruf
oder Gewerbe ſich und feine Familie zu ernähren im Stande fei.
Naturalifirte Schweizer müffen überdieß die Beicheinigung beibringen, daß fie
wenigftens fünf Fahre lang im Beftze eines Kantonsbürgerrechts fich befinden,
2, Der Niedergelaffene darf von Seite des die Niederlaffung geftattenden Kantons
mit feiner Bürgſchaft und mit feinen andern befondern Laſten bebufs der Niederlaffung
belegt werden.
3. Ein Bundesgeſez wird die Dauer der Niederlaflungsbewilligung, ſowie das
Marimum der zu Erlangung derfelben an den Kanton zu entrichtenden Kanzleigebübren
beitimmeit.
4. Der Niedergelaffene genießt alle Rechte der Bürger des Kantons, in welchem er
fih niedergelaffen hat, mit Ausnahme des Stimmrechts in Gemeindeangelegenheiten und
des Mitantheils an Gemeinde- und Gorporationsgütern. Insbeſondere wird ihm freie
Gewerbsausübung und das Recht der Erwerbung und Beräußerung von Piegenichaften
zugefichert, nah Maßgabe der Gefeze und Berordnungen des Kantons, die in allen diefen
Beziehungen den Niedergelaffenen dem eigenen Bürger gleih halten follen.
5. Den Niedergelaffenen anderer Kantone können von Seite der Gemeinden feine
größern Leiftungen an Gemeindelaften auferlegt werben, als den Niedergelaffenen bes
eigenen Kantons.
6. Der Niedergelaffene fann aus dem Kanton, in welchem er niedergelafien ift, weg-
gewiejen werben:
a) durch gerihtliches Strafurtheil;
532
b) dur Berfügung der Polizeibehörden, wenn er die bürgerlichen Rechte und Ehren
verloren hat, oder ſich eines unfittlihen Pebensmwandels fchuldig macht, oder durch
Berarmung zur Laſt fällt, oder fchon oft wegen Uebertretung polizeilicher Vor—
ſchriften beftraft werden mußte.
Art. 42. Jeder Kantonsbürger ift Schweizerbürger. Als folder lann er in eidge-
nöffiihen und kantonalen Angelegenheiten die politifchen Rechte in jedem Kanton ausüben,
in welchem er miedergelafjen if. Er kann aber diefe Rechte nur unter den nämlichen
Bedingungen ausüben, wie die Bürger des Kantons und in Beziehung auf die lantonalen
Angelegenheiten erft nach einem längern Aufenthalte, deſſen Dauer durch die Kantonal-
gefezgebung beftimmt wird, jedoch nicht über zwei Fahre ausgedehnt werben darf.
Niemand darf in mehr als einem Kanton politifche Rechte ausüben.
Art. 43. Kein Kanton darf einen Bürger des Bürgerrechts verluftig erklären.
Ausländern darf fein Kanton das Bürgerrecht ertheilen, wenn fie nicht aus dem
frühern Staatsverband entlaflen werben.
Art. 44. Die freie Ausübung des Gottesdienftes ift den anerfannten chriſtlichen Con-
fefftonen im ganzen Umfange der Eidgenofjenichaft gemäbrleiftet.
Den Kantonen, fowie dem Bunde, bleibt vorbehalten, fiir Handhabung der öffent-
lichen Ordnung und des Friedens umter den Confeſſionen die geeigneten Maßnahmen zu
treffen.
Art. 45. Die Preßfreiheit it gewährleiftet.
Ueber den Mißbrauch derielben trifft die Kantonalgefezgebung die erforderlichen Be-
ftimmungen, welche jedoch der Genehmigung des Bundesratbs bedürfen.
Dem Bunde fteht das Recht zu, Strafbeftimmungen gegen den Mißbrauch der Preſſe
zu erlaffen, der gegen die Eidgenoſſenſchaft und ihre Behörden gerichtet ift.
Art. 46. Die Bürger haben das Recht, Vereine zu bilden, fofern ſolche weder in
ihrem Zwel, noch in den dafür beftimmten Mitteln rechtswidrig oder ftaatsgefährlich find.
Ueber den Mißbrauch diefes Rechts trifft die Kantonalgefezgebung die erforderlichen Be-
ftimmungen.
Art, 47. Das Petitionsredt ift gemäbhrleiftet.
Art. 48. Sämmtlihe Kantone find verpflichtet, alle Schweizerbürger chriftlicher Con-
feffion in der Geſezgebung fomohl als im gerichtlichen Verfahren den Bürgern des eigenen
Kantons gleich zu halten,
Art. 49. Die rechtsträftigen Eivilurtheile, die in einem Kanton gefällt find, jollen
in der ganzen Schweiz vollzogen werden können.
Art. 50. Der aufrechtftehende ſchweizeriſche Schuldner, welcher einen feften Wohnſiz
bat, muß für perfönliche Anfprachen vor dem Richter feines Wohnortes geſucht, und es
darf daber für Forderungen auf das Vermögen eines foldhen außer dem Kanton, in
welchem er wohnt, kein Arreſt gelegt werden.
Art. 51. Alle Abzugsrechte im Innern der Schweiz, ſowie die Zugrechte von Bür-
gern des einen Kantons gegen Bürger anderer Kantone find abgeſchafft.
Art. 52. Gegen die auswärtigen Staaten beftebt Freizügigkeit, unter Vorbehalt des
Gegenrechtes.
Art. 53. Niemand darf ſeinem verfaſſungsmäßigen Gerichtsſtand entzogen, und es
dürfen daher feine Ausnahmsgerichte eingeführt werden.
Art. 54. Wegen politifher Vergeben darf fein Todesurtbeil gefällt werben.
Art. 55. Ein Bundesgefez wird über die Auslieferung der Angellagten von einem
Kanton an den andern Beftimmnngen treffen; die Auslieferung kann jedoch fir politifche
Bergeben nicht verbindlich gemacht werben.
533
Art. 56. Die Ansmittlung von Birgerrechten für Heimatlofe und die Maßregeln
zur Verhinderung der Entftehung neuer Heimatlofen find Gegenftand der Bundesgefez-
gebung.
Art. 57. Dem Bunde fteht das Mecht zu, Fremde, melde die innere oder äußere
Sicherheit der Eidgenoſſenſchaft gefährden, aus dem fchrweizeriichen Gebiete wegzumeifen.
Art. 58. Der Orden der Fefuiten und die ihm affiliirten Gefellfhaften dirfen in
feinem Theile der Schweiz Aufnahme finden.
Art. 59. Die Bundesbehörden find befugt, bei gemeingefährlichen Seuchen gefund-
heitspolizeiliche Verfügungen zu erlaffen.
Zweiter Abſchnitt.
Bundesbehörden.
I. Bundesverfanmlung.
Art. 60. Die oberfte Gewalt des Bundes wird durch die Bundesverfammlung aus-
geübt, welche aus zwei Abtheilungen befteht:
A. aus dem Nationalrath;
B. aus dem Ständerath.
A. Nationalrath.
Art. 61. Der Nationalrath wird aus Abgeordneten des fchweizerifchen Volkes gebildet.
Auf je 20,000 Seelen der Gefammtbevöllerung wird ein Mitglied gewählt.
Eine Bruchzahl iiber 10,000 Seelen wird für 20,000 Seelen berechnet.
Jeder Kanton und bei getheilten Kantonen jeder der beiden Landestheile hat mwenig-
ftens ein Mitglied zu wählen.
Art. 62. Die Wahlen für den Nationalrat find directe. Sie finden in eidgenöfftichen
Wahltreifen ftatt, welche jedoch nicht aus Theilen verfchiedener Kantone gebildet werden
fönnen,
Art. 63. Stimmberechtigt ift jeder Schweizer, der das zwanzigfte Altersjahr zur:
gelegt hat und im Uebrigen nach der Gefezgebung des Kantons, in welchem er feinen
Wohnfiz hat, nicht vom Activbürgerrecht ausgefchloffen ift.
Art. 64. Wahlfähig als Mitglied des Nationalrathes ift jeder ftimmberectigte
Schweizerbiürger weltlichen Standes.
Naturalifirte Schweizerbürger müſſen feit wenigftens fünf Jahren das erworbene
Bürgerrecht befizen, um wahlfähig zu fein.
Art. 65. Der Nationalrath wird auf die Dauer von drei Jahren gewählt, und es
findet jeweilen Geſammterneuerung ftatt.
Art. 66. Die Mitglieder des Ständerathes, des Bundesrathes und vom lettern ge-
wählte Beamte können nicht zugleich Mitglieder des Nationalratbes jein.
Art. 67. Der Nationalrath wählt aus feiner Mitte für jede ordentliche oder außer-
ordentliche Sizung einen Präfidenten und Vicepräſidenten.
Dasjenige Dlitglied, welches während einer ordentlichen Sizung die Stelle eines
Präfidenten befleidete, ift für die nächftfolgende ordentliche Sizung weder als Präfident
no als Vicepräfident wählbar. Das gleihe Mitglied kann nicht während zwei ummittel-
bar auf einander folgenden ordentlihen Sizungen BVicepräftdent fein.
Der Präſident hat bei gleich getbeilten Stimmen zu enticheiden; bei Wahlen übt er
das Stimmrecht aus, wie jedes Mitglied. a
Art, 68, Die Mitglieder des Nationalvathes werden aus der Bundescaffe entſchädigt.
534
B. Ständerath.
Art. 69. Der Ständerath befteht aus 44 Abgeordneten der Kantone. Yeder Kanton
wählt zwei Abgeordnete; in den getheilten Kantonen jeder Yandestbeil einen Abgeordneten.
Art. 70, Die Mitglieder des Nationalratbes und des Bundesrathes können nicht
zugleich Mitglieder des Stänberathes fein.
Art, 71. Der Ständerath wählt für jede ordentliche oder außerordentlihe Stzung
aus feiner Mitte einen Präfidenten und Picepräfidenten.
Aus den Gefandten desjenigen Kantons, aus welden für eine ordentliche Sizung
der Präfident gemäblt worden tft, kann für die nächitfolgende ordentliche Sizung weder
der Präfident, noch der Bicepräfident gewählt werben.
Gefandte des gleichen Kantons können nicht während zwei unmittelbar auf einander
folgenden ordentlichen Sizungen die Stelle eines Vicepräſidenten befleiden.
Der Präfident hat bei gleich getheilten Stimmen zu enticheiden; bei Wahlen übt er
das Stimmrecht aus wie jedes Mitglied.
Art. 72, Die Mitglieder des Stänberathes werden von den Kantonen entichädigt.
C. Befugniffe der Bundeöverfammlung.
Art. 73. Der Nationalrath und der Ständerath haben alle Gegenftände zu behandeln,
melde nad Inhalt der gegenwärtigen Berfaffung in die Competenz des Bundes gebören
und nicht einer andern Bundesbehörde zugefchieden find.
Art. 74. Die Gegenftände, welche in den Geichäftsfreis beider Räthe fallen, find
ingbefondere folgende:
1. Geſeze und Beichlitffe zur Ausführung der Bundesverfaffung, wie namentlich Ge—
feze über Bildung der Wablfreife, über Wablart, über Organifation und Geſchäftsgang
der Bundesbehörden und Bildung der Schmurgerichte.
2. Beloldung und Entihädigung der Mitglieder der Bundesbehörden und der Bundes—
tanzlet; Errichtung bleibender Beamtungen und Beſtimmung ihrer Gehalte.
3. Wahl des Bımdesratbes, des Bundesgerichtes, des Kanzlers, des Generals, des
Chefs des Stabes und eidgenöffiicher Repräfentanten,
4. Anerlennung auswärtiger Staaten und Regierungen.
5. Bindniffe und Verträge mit dem Auslande, fowie die Gutheißung von Verträgen
der Kantone unter fich oder mit dem Auslande. Solche Verträge der Kantone gelangen
jedboh nur dann an die Bundesverfammlung, wenn vom Bundesrath oder einem andern
Kanton Einſprache erhoben mird.
6. Mafregeln für die äußere Sicherheit, für Behauptung der Unabhängigkeit und
Neutralität der Schweiz, Kriegserflärungen und Friedensſchlilſſe.
7. Garantie der Berfaffungen und des Gebietes der Kantone; Intervention in Folge
der Garantie; Mafregeln fiir die innere Sicherheit, für Handhabung ven Rube und
Ordnung; Amneftie und Begnadigung.
8. Mafregeln, welche die Handhabung der Bundesverfaffung, die Garantie der
Kantonalverfaffungen, die Erfüllung der bundesmäßigen Verpflichtungen und den Schu;
der durch den Bund gemäbrleifteren Rechte zum Zwele haben.
9. Gefezliche Beftimmungen über Organifation des eidgenöfftfchen Militärweſens, über
Unterricht der Truppen und über Leiftungen der Kantone; Verfügungen über das Bundesheer.
10. Feſtſezung der eidgenöfftihen Mannſchafts- und Geldicala; gefezliche Beftim-
mungen über Bermaltung und Verwendung der eidgenöfftihen SKriegsfonds, Erhebung
directer Beiträge der Kantone; Anteiben; Voranſchlag und Rechnungen.
535
11. Gefeze und Beichlüffe iiber Zölle, Poftweien, Münzen, Maß und Gewicht, Fabri-
cation und Verlauf von Schiekpulver, Waffen und Munition.
12. Errichtung öffentlicher Auftalten und Werte und hierauf beziigliche Erpropriationen.
13. Gefezliche Verfügungen fiber Niederlaffungsverhäftniffe; über Heimatlofe, Fremden-
polizei und Sanitätsweſen.
14. Die Oberaufficht über die eidgenöfftiche Verwaltung und Rechtspflege.
15. Beichwerden von Kantonen oder Bürgern über Verfügungen des Bundesrathes.
16. Streitigkeiten unter den Kantonen, welche ftaatsrechtlicher Natur find.
17. Competenzftreitigteiten insbefondere darüber:
8) ob ein Gegenftand in den Bereich des Bundes oder der SKantonal-
fonveränität gehöre;
b) ob eine frage fin die Competenz des Bundesrathes oder des Bunbes-
gerichtes falle.
18. Revifion der Bundesverfaffung.
Art. 75. Die beiden Räthe verfammeln fich jährlich ein Mal zur ordentlichen Sizung
an einem durch das Reglement feftzufezgenden Tage.
Sie werden außerordentlich einberufen durch Beſchluß des Bundesrathes, oder wenn
ein Biertheil der Mitglieder des Nationalrathes oder fünf Kantone es verlangen.
Art. 76. Um gültig verhandeln zu können, ift die Anmefenheit der abfoluten Mehrheit
der Mitglieder des betreffenden Rathes erforderlich.
Art. 77. Im Nationalrath und im Ständerath entfcheidet die Mehrheit der
Stimmenden,
Art. 78, Für Bundesgefeze und Bundesbeſchlüſſe ift die Zuftimmung beider Räthe
erforderlich.
Art. 79, Die Mitglieder beider Räthe ftimmen ohne Inſtructionen.
Art. 80. Feder Rath verhandelt abgefondert. Bei Wahlen (Art. 74, Nr. 3), bei
Ausübung des Begnadigungsrehtes und für Enticheidung von Competenzftreitigfeiten ver-
einigen fich beide Räthe unter der Peitung des Präfidenten des Nationalrathes zu einer
gemeinfchaftlihen Verhandlung, fo daß die abfolute Mehrheit der ftimmenden Mitglieder
beider Räthe entfcheibet.
Art. 81. Jedem der beiden Räthe und jedem Mitglied derfelben fteht das Bor-
ſchlagsrecht (die Initiative) zu.
Das gleiche Recht können die Kantone durch Correſpondenz ausülben.
Art. 82. Die Sizungen der beiden Räthe ſind in der Regel öffentlich.
II. Bundesrath.
Art, 83. Die oberſte vollziehende und leitende Behörde der Eidgenoſſenſchaft iſt ein
Bundesrath, welcher aus fieben Mitgliedern befteht.
Art. 84. Die Mitglieder des Bundesrathes werden von der Bundesverfammlung
aus allen Schmweizerbürgern, welche als Mitglieder des Nationalrathes wählbar find, auf
die Dauer von drei Jahren ernannt. Es darf jedoch nicht mehr als ein Mitglied aus
dem nämlichen Kanton gemäblt werden.
Nach jeder Gefammterneuerung des Nationalrathes findet auch eine Gefammterneuerung
des Bundesrathes ftatt.
Die in der Bmifchenzeit ledig gewordenen Stellen werden bei der nädhftfolgenden
Sizung der Bundesverfammlung fir den Reſt der Amtstaner wieder befezt.
Art. 85. Die Mitglieder des Bundesrathes dürfen feine andere Beamtung, jet e8
im Dienfte der Eidgenoffenfhaft, fei e8 in einem Kantone, beffeiden, noch irgend einen
andern Beruf oder Gewerbe treiben.
536
Art. 86. Den Borfiz im Bundesrath führt der Bundespräftdent, welcher, ſowie auch
der Bicepräfident, von den vereinigten Räthen aus den Mitgliedern desjelben für die
Dauer eines Jahres gemählt wird.
Der abtretende Präfident ift für das nächitfolgende Jahr weder als Präfident, noch
als Nicepräfident wählbar. Das gleiche Mitglied kann nicht während zwei unmittelbar
auf einander folgenden Fahren die Stelle eines Vicepräfidenten befleiden.
Art. 87. Der Bundespräfident und die fibrigen Mitglieder des Bundesrathes be:
ziehen einen jährlichen Gehalt aus der Bundescaffe,
Art. 88. Um gültig verhandeln zu können, müſſen wenigftens vier Mitglieder des
Bundesrathes anweſend fein,
Art. 89. Die Mitglieder des Bundesrathes haben bei den Verhandlungen der beiden
Abtheilungen der Bundesverſammlung berathende Stimme und auch das Recht, über
einen in Berathung liegenden Gegenſtand Anträge zu ſtellen.
Art. 90. Der Bundesrath bat inner den Schranken der gegenwärtigen Verfaſſung
vorzüglich folgende Befugniffe und Obliegenbeiten:
1. Er leitet die eidgenöffiichen Angelegenheiten, gemäß der Bundesgefeze nnd Bundes-
beichlüffe.
2. Er bat für Beobachtung der Berfaffung, der Gefeze und Beichliffe des Bundes,
ſowie der Vorſchriften eidgenöffiicher Concordate zu wachen; er trifft zu Handhabung der-
jelben von ſich aus oder auf eingegangene Beſchwerde die erforderlichen Verfügungen.
3. Er wacht für die Garantie der Kantonalverfaffungen.
4. Er ſchlägt der Bundesverfammlung Gefeze und Beichliiffe vor und begutachtet
die Anträge, welche von den Räthen des Bundes oder von den Kantonen an ihn gelangen,
5. Er vollzieht die Bundesgefeze und Bundesbeſchlüſſe, die Urtheile des Bundes
gerichtes, ſowie die Vergleiche oder frhiedsrichterlichen Sprüche über Streitigkeiten zwiichen
Kantonen,
6. Er bat diejenigen Wahlen zu treffen, welche nicht durch die Verfaſſung der
Bımdesverfammlung und dem Bundesgericht oder durch die Gefezgebung einer andern
untergeordneten Behörde übertragen werden.
Er ernennt Commiffarien für Sendungen im Innern oder nad Außen.
7. Er prüft die Verträge der Kantone unter fih oder mit dem Auslande, und ge-
nehmigt diefelben, fofern fie zuläffig find. (Art. 74, Nr. 5.)
8. Er wahrt die Intereſſen der Eidgenoffenfchaft nah Außen, wie namentlich ibre
völferredtlihen Beziebungen, und beforgt die auswärtigen Angelegenheiten itberbaupt.
9. Er wacht für die äußere Sicherheit, fiir die Behauptung der Unabhängigkeit und
Neutralität der Schmeiz.
10. Er forgt für die innere Sicherheit der Eidgenoſſenſchaft, fiir Handhabung von
Rube und Ordnung.
11. In Fällen von Dringlichkeit ift der Bundesrath befugt, fofern die Räthe nicht
verfammelt find, die erforderliche Truppenzahl aufzubieten und über folche zu verfügen,
unter Vorbehalt unverzüglicder Einberufung der Bundesverfammlung, fofern die auſge—
botenen Truppen zweitaufend Mann iüberfteigen oder das Aufgebot länger als drei Wo-
hen dauert.
12. Er beforgt das eidgenöfftihe Militärwefen und alle Zmeige der Bermaltung,
welche dem Bunde angehören,
13. Er prüft die Geſeze und BVerordnungen der Kantone, welche feiner Genehmigung
bedürfen; er überwacht diejenigen Zmeige der Kantonalverwaltung, welche durch den Bund
ſeiner Aufſicht unterftellt find, wie das Militärweſen, Zölle, Straßen und Brüfen,
—
537
14. Er forgt fir die Berwaltung der Finanzen des Bundes, für die Entwerfung
des Voranichlages und Die Stellung der Rechnungen über die Einnahmen und Ausgaben
des Bundes.
15. Er bat die Aufficht über die Geſchäftsführung aller Beamten und Angeftellten
der eidgenöfftichen Verwaltung.
16. Er erftattet der Bundesverfammlung jemweilen bei ihrer ordentlichen Sizung
Rechenſchaft über feine Verrichtungen, ſowie Bericht über den Zuſtand der Erdgenoffenichaft
im Innern ſowohl ala nah Außen, und wird ihrer Aufmerkfamfeit diejenigen Maßregeln
eınpfeblen, welche er zur Beförderung gqemeinfamer Wohlfahrt für dienlich erachtet.
Er hat auch befondere Berichte zu erftatten, wenn die Bundesverſammlung oder eine
Abtbeilung derielben es verlangt.
Art. 9. Die Gefchäfte des Bıurndesrathes werden nach Departementen unter die
einzelnen Mitglieder vertheilt. Diefe Eintheilung hat aber einzig zum Zwel, die Prilfung
und Beſorgung der Geſchäfte zu fördern; der jeweilige Enticheid geht von dem Bundes»
rathe als Behörde aus.
Art. 92. Der Bundesrath und feine Departemente find befugt, fiir befondere Ge—
ſchäfte Sachkundige beizuziehen.
III. Bundeskanzlei.
Art. 9. Eine Bırndesfanzlei, welcher ein Kanzler vorftebt, beforgt die Kanzlei-
geichäfte bei der Yundesverfammlung und beim Bundesrath.
Der Kanzler wird von der Bundesverfammluug auf die Dauer von drei Jahren je
weilen gleichzeitig mit dem Bundesrath gewählt.
Die Bundeskanzlei fteht unter der beiondern Aufficht des Bundesrathes.
Die näbere Organifation der Bundeskanzlei bleibt der Bundesgefezgebung vorbehalten.
IV. Bundesgeridt.
Art. 9. Zur Ausübung der Rechtspflege, ſoweit diefelbe in den Bereich des Bundes
fällt, wird ein Bundesgericht aufgeftellt.
Fir Beurtheilung von Straffällen werden Schwurgerichte (Jury) gebildet.
Art. 5. Das Bundesgericht befteht aus eilf Mitgliedern nebft Erſazmännern, deren
Anzahl durch die Bundesgefezgebung beftimmt wird.
Art. 96. Die Mitglieder des Bundesgerichtes und die Erfazmänner werden von der
Bundesoerfammlung gemäblt. Ihre Amtsdauer ift drei Jahre. Nah der Geſammt—
ernenerung des Nationalrathes findet auch eine Gefanımternenerung des Bundesgerichtes ftatt.
Die in der Zwifchenzeit lediq gewordenen Stellen werden bei der nächſtfolgenden
Sizung der Bundesverſammlung für den Reſt der Amtsdauer wieder befezt.
Art. 97. In das Bundesgericht kann jeder Schweizerbürger ernannt werden, der in
den Nationalrath wählbar ift.
Die Mitglieder des Bundesrathes und die von ihm gewählten Beamten fünnen nicht
zugleih Mitglieder des Bundesgerichtes fein.
Art. 98, Der Präfident und der Vicepräfident des Bundesgeridhtes werden von der
Bundesverſammlung aus den Mitgliedern desfelben je anf ein Jahr gewählt.
Art. 99. Die Mitglieder des Bırndesgerichtes werden aus der Bundescaffe durch
Taggelder entichäbdiat.
Art. 100. Tas Bundesgericht beftellt feine Kanzlei.
Art. 101. Das Bundesgericht urtheilt als Civilgericht:
1. über Streitigkeiten, welche nicht ſtaatsrechtlicher Natur find:
a) zwifchen Kantonen unter ſich;
b) zwifchen dem Bund und einem Kanton;
2. über Streitigkeiten zwifchen dem Bund einerfeits und Corporationen oder Privaten
anderfeits, wenn diefe Eorporationen oder Privaten Kläger find und der Streitgegenftand
von einem beträchtlichen durd die Bundesgefezgebung zu beftimmenden Werthe ift;
3. über Streitigkeiten in Bezug auf Heimatlofigfeit.
In den unter Nr. 1, lit. a. und b., bezeichneten Fällen gefchieht die Ueberweiſuug
an das Bundesgericht dur den Bundesrath. Wenn diefer die Frage, ob ein Gegenftand
vor das Bundesgericht geböre, verneinend beantwortet, jo enticheidet hierüber die Bundes-
verfammlung.
Art. 102. Das Bundesgericht ift verpflichtet, auch die Beurtheilung anderer Fälle
zu Übernehmen, wenn dasfelbe von beiden Parteien angerufen wird und der Streitgegen«
fand von einem beträchtlichen, durch die Bundesgefezgebung feftzufezenden Werthe ift.
Dabei fallen jedoch die Koften ausschliehlih auf Rechnung der Parteien.
Art. 103. Die Mitwirkung des Bundesgerichtes bei Beurtheilung von Straffällen
wird durch die Bundesgeſezgebung beftimmt, welche über Berfezung in Auflagezuftand,
itber Bildung des Aififen- und Kaffationsgerichts das Nähere feftfezen wird.
Art. 104. Das Affifengeriht, mit Zuziebung von Geſchwornen, melche über die
Thatfrage abſprechen, urteilt:
a. in Fällen, wo von einer Bundesbehörde die von ihr ernannten Beamten zur ftraf-
rechtlichen Beurtheilung überwiefen werben;
b. über Fälle von Hocverrath gegen die Eidgenoffenfchaft, von Aufruhr und Ge—
waltthat gegen die Bundesbehörden;
e. über Berbrehen umd Bergeben gegen das Völlerrecht;
d. über politifche Verbrechen und Vergeben, die Urfache oder Folge derjenigen Un—
ruben find, durch welche eine bewaffnete eidgenöſſiſche Antervention veranlaßt worden ift.
Der Bundesverfanmlung fteht das Recht zu, binfichtlich folder Verbrechen und Ber-
gehen Amneftie oder Begnadiqung auszufprecen.
Art. 105. Das Bundesgericht urtheilt im Fernern über Verlezung der durch die
Bundesverfaffung garantirten Rechte, wenn hierauf bezügliche Klagen von der Bundes-
berfammlung an dasfelbe gewiefen werden.
Art. 106. Es bleibt der Bundesgefezgebung überlaffen, außer ben in den Art. 101,
104 und 105 bezeichneten Gegenftänden auch noch andere Fälle in die Competenz des
Bundesgerichtes zu legen.
Art. 107. Die Bundesgefezgebung wird das Nähere beftimmen:
a. iiber Aufftellung eines Staatsanmaltes;
b. ilber die Verbrechen und Vergeben, welche in die Competenz des Bundesgerichtes
fallen, und über die Strafgefeze, welche anzuwenden find; ’
. über das Verfahren, welches mündlich und öffentlich fein fol;
d. über die Gerichtsfoften.
[<)
V. Verſchiedene Befimmungen.
Art. 108. Alles, was ſich auf den Siz der Bundesbehörden bezieht, iſt Gegenſtand
der Bundesgeſezgebung.
Art. 109. Die drei Hauptſprachen der Schweiz, die deutſche, franzöſiſche und italieniſche,
find Nationalfpraden des Bundes,
Art. 110, Die Beamten der Eidgenoffenihaft find für ihre Gefchäftsführung ver-
antwortlich. Ein Bundesgefez wird diefe Verantwortlichkeit näher beftimmen,
539
Dritter Abſchnitt.
Revifion der Bundesverfafjung.
Art. 111. Die Bundesverfaffung kann jederzeit vevidirt werben.
Art. 112. Die Revifion geichiceht auf dem Wege der Bundesgefezgebung.
Art. 113. Wenn eine Abtheilung der Bundesverfammlung die Revifion beichließt
und die andere nicht zuftimmt, oder wenn finfzigtaufend ftimmberechtigte Schweizerbürger
die Revifion der Bundesverfaffung verlangen, jo muß im einen wie im andern Falle die
Frage, ob eine Revifion ftattfinden foll oder nicht, dem fchweizerifchen Volle zur Abftum-
mung vorgelegt werden.
Sofern in einem diefer Fälle die Mehrheit der ſtimmenden Schweizerbürger ſich be:
jabend ausfpricht, fo find beide Räthe neu zu wählen, um die Mevifion zur Hand zu
nehmen.
Art. 114. Die repidirte Bundesverfaſſung tritt in Kraft, wenn fie von der Mehrheit
der ftimmberedhtigten Schweizerbürger uud von der Mehrheit der Kantone angenommen ift.
235. Beſchluß der Tagfakung betreffend die Annahme der neuen
Bundesverfaſſung. 12. Herbfimonat 1848.
Nepertorium der Abfchiede II. 783.
ie eivgenöffiihe Tagfazung, nah Prüfung der Verbal—
procefje und der übrigen Acten, welche in Betreff der Abſtimmung
uüber die Bundesverfaffung der jchweizerifchen Eidgenoffenichaft, wie
biejelbe aus den Berathungen der Tagjazung vom 15. Mat bis und mit
dem 27. Brachmonat 1848 hervorging, aus fänmtlichen Kantonen an den
Vorort eingefandt worden find;
Erwägend . . . . daß aus der vorgenommenen genauen Prüfung ſämmt—
licher Verbalproceſſe über die in allen Kantonen ſtattgehabte Abſtimmung
hervorgeht, es ſei die in Frage liegende Bundesverfaſſung der ſchweizeriſchen
Eidgenoſſenſchaft von fünfzehn ganzen Kantonen und einem halben
Kanton, welche zuſammen eine Bevölkerung von 1,897,887 Seelen, alſo die
überwiegende Mehrheit der ſchweizeriſchen Bevölkerung und der Kantone, re—
präjentiren ', angenommen worden, .....
! Aus dem Kommiffionalberiht an die Tagſatzung gebt folgendes Nähere über die
Abftimmung hervor:
Im Kanton Zürich nahmen an 25,119; verwarfen 2517 Stimmen.
fr ra ern J „ 10,972 * 3357 J
Luzern A „ 15,890 11,121
— J Solothurn „4,599 „ 2834 „
” [23 Bajel abt [1 " 1,364 ” 186 [23
beſchließt:
Art. 1. Die Bundesverfaſſung der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft, wie
ſolche aus den Berathungen der Tagſazung .... hervorgegangen und ...
in ſämmtlichen Kantonen der Abſtimmung unterſtellt worden iſt, iſt anmit
feierlich angenommen und wird als Grundgeſez der ſchweizeriſchen Eidgenoſſen—
ſchaft erflärt.
Art. 3. Die Tagjazung wird die zur Einführung der Bundesverfaſſung
erforderlichen Beſtimmungen fofort von ſich aus treffen.
Alfo gegeben in Bern, den zwölften Herbitmonat des Jahres achtzehn
hundert vierzig und act.
236. Die Eröffnung der fchweizerifchen Bundesverfammlung.
6. Movember 1848.
Neue Zircher Zeitung vom 9. November 1848.
BP ern, 6. November. Noch jelten mag wohl unfre ernjthafte, alte
ähringerſtadt ein jo fetliches Anjehen gehabt haben wie heute.
Schon am frühen Morgen wedte Kanonendonner die Einwohner
ı Schlafe, und von da entjtand reges Veben auf den Gaffen und in
den Häufern. Um 9 Uhr rief der majeftätiiche Ton der Gloden vom Münfter:
thurme und demjenigen der jogenannten franzöfiichen Kirche herab die Mit-
glieder des National: und Ständerathes je nach ihren verjchiedenen Konfejfionen
Im Kanton Bafelland nahmen au 3,669; verwarfen 431 Stimmen.
»„ » Schaffhaufen „ „ 4,273 or 8
" * t. Gallen „ 16,893 „ 8072 R
‚» Margau i „ 20,699 . Bi 5
} Thurgau 5 ‚ 13,384 , 20 —
Waadt P „ 15,535 3,535 a
‚» Neuenburg , 5,481 ; 04 „
die Bırndesverfaflung „im Namen des freiburgiichen Volkes und als Kepräfentant deilelben“
an. Iun Graubünden ergaben fich bei der Abjtimmung nach Gemeinden 54 dafiir und
12 Ztimmen dagegen.
Schwyz verwarf mit 3454 gegen 1168, Zug mit 1780 gegen 808, und Wallis
mit A171 gegen 2704 Stimmen. In Uri verwarf die Pandsgemeinde „mit großer Mebr-
beit”, desgleihen die Yandsgemeinden von Nid- und Obwalden, fowie von Appen-
zelt J.Kh. Am Teſſin ſprachen ſich 21 Kreife gegen und 11 Kreife nur bedingt für
die Annabme aus. Die 6, verwerfenden Kantone repräfentirten eine Bevölferung von
22,371 Seelen,
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zum feierlichen Gottesdienfte in die beiden genannten Kirchen. Die Predigt
die ung nur etwas zu lang fchien, mochte nahe an 2 Stunden gedauert haben,
ald nach deren Beendigung die beiden hohen Behörden jich bei dem Rathhauſe
wieder zufammenfanden, das troß feiner vielhundertjährigen Banfälligfeit recht
feſtlich aufgeſchmückt ausſah. Unter Kanonendonner und den Geläute aller Glucken
jegte der Zug fich jodann von da aus durch Die reich mit Fahnen, Inſchriften ıc.
verzierten Gaſſen nad den Situngslofafen der beiden Körperichaften hin. Bor
dem Ständerathhauje, dem ehemaligen Situngslofal der Tagjatung, begrüften
die uniformirten Knaben des Waifenhaufes den von der Stadtmufif und dem
Studentenforps in Waffen begleiteten impofanten Zug mit den militärifchen
Ehrenbezeugungen, Trommelwirbel, Präjentiren der Gewehre und Senfen der
Fahne. Hier jonderten die beiden Behörden fi ab; der Ständerath be-
309g das Lokal der Behörde, mit welcher er eine gewiſſe Aehnlichfeit von
frühern Zeiten her behalten haben mag, und der Nationalrath begab ſich
in die freundlichen, mit Geſchmack, wenn auch einfach deforirten Räume des
großen Saales des Cafino, vor dejfen Pforte das ſchmucke Knaben-Kadetten—
forp& der ſogenannten grünen Schule, en haies aufgeftellt, ihn empfing.
Nachdem die Deputirten Plat genommen, begrüßte der Alterspräfident Herr
alt Yandammann Sidler von Zürich die Berfammlung mit der nachfolgenden
herzlichen und mit tiefer Gemüthsbewegung angehörten Anrede:
„Dochgeehrte Herren Nationalräthe! Wenn irgend etwas in meinen Veben
geeignet war, mir Herz und Geift zu erheben, jo ift e$ der gegenwärtige Mo—
ment, beim Anblick diefer hohen Verſammlung, die ich als Alterspräfident zu
präfidiren die Ehre habe. Ja jeien Sie mir aus tief bewegter Brujt als
jchweizerifche Nationalräthe gegrüßt — gegrüft als Volfsmänner, die durd)
Namen, durch Gefinnung, durch Kenntniffe, durch vaterländiiche Wirkſamkeit,
durch unmittelbare Wahl von Seite des Volfes, durch die Beſtimmungen der
Bundesverfaffung zunächit berufen find, die ſchweizeriſche Bevölferung in ihrer
Geſammtheit, in ihrer neuen engern Verbindung, in ihrer nationalen Einheit
zu vertreten.
„Unfer heißgeliebtes Vaterland, das mehr als bisanhin unſer gemeinfames
Vaterland geworden ift, hatte in der neueſten Zeit eine harte Prüfung zu
beſtehen; es mar von Innen und von Außen bedroht, es jollte in feinem
Entwillungsgange, in feinen lebensfrifchen, naturgemäßen Strebungen nad)
Fortſchritt und Vervollkommnung gelähmt, gehindert werden. So vielfach es
aber zu Erzielung eines ſolchen Stillſtandes — ja ſelbſt Rückgangszuſtandes
angefeindet und gefährdet wurde, jo ging es dennoch jiegreih aus Sturm
und Krifis hervor; dasielbe unterlag nicht nur nicht, es erhob, erneuerte,
verjüngte ſich. Wir dürfen jeine Wiedergeburt, feine Auferftehung, jeinen
Oftertag feiern.
„Die erfolgte Neugejtaltung unjeres jtaatlichen Grundgeſetzes jteht als
Er — 9
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ein äuferft wichtiges Ereigniß da, als ein Ereignif, das weit folgereicher
werden wird, al$ man es auf den einen erften Blick überjieht. Ein großer
Zeitabjchnitt der Schweizergeihichte ift dadurch abgejchlofjen, ein neuer, em
wejentlich neuer beginnt. Die Jahrhunderte dur bis zur gegemmwärtigen
Verjaffung mit geringem Unterbruch gedauerte Epoche beinahe unbejchräntter
Kantonsjouveränität liegt hinter uns, die frei aus dem Willen der großen
Mehrheit der ſchweizeriſchen Bevölkerung hervorgegangene Epoche größerer
Zentralität, mehrerer Gleichförmigfeit und Uebereinftimmung in freifinnigen
Grundlagen, fejterer Verbindung der einzelnen Theile zu einem organijchen
Ganzen, näherer Verbrüderung aller Schweizer zu einem Volfe nimmt ihren
Anfang. — — — —
„Die Schweiz war vielleicht nie, nach Innen und Außen zugleich in einer
günſtigeren Lage als dermalen. Den auswärtigen Staaten gegenüber befinden
wir uns in vollfommener Unabhängigkeit. Gekrönte Häupter, durch Revo—
lutionen verſchwunden oder erſchüttert, und mit ihren Völkern im Kampfe,
haben aufgehört, unſere Selbſtkonſtituirung zu überwachen. Es gibt für fie
in den eigenen Yändern genug zu thun. Bezüglich der innern Yage des Vater-
landes berechtigt die neue Bundesverfafjung zu zuverläßigen Hoffnungen.
Schon dadurd, daß fie, frei von fremder Einmiſchung, rein von ung aus-
gegangen, und unmittelbar vom Wolfe jelbft angenommen wurde, erhält fie
einen entjchiedenen Werth und verjenft ihre Wurzel tief in jchweizeriichen Boden.
Ich will hier der mannigfachen Vorzüge, die jelbe gegenüber dem Bundes-
vertrag von 1815 bietet, nicht umftändlich erwähnen... Einiges laffe ich
indefjen nicht gerne unberührt. Ich laffe nicht gerne unberührt, daß für die
Zukunft feine Militärfapitulationen der Kantone mit dem Auslande
abgeichlofjen werden fünnen, So verjchwindet doch einmal das Aergerniß, daß
Schweizer den Fürſten zu Unterdrüdung ihrer Völker Hülfe leiſten! Ich
laſſe nicht gerne unberührt, daß das Militärwejen gröftentbeils, das
das Zollweien, das Poftwejen, das Münzmwejen, dag Map: umd
Gewihtwejen gänzlich zentralifirt find. Ich laſſe nicht gerne unberührt,
daß die Preffreibeit, das Vereinsrecht, das Petitionsredht, das
Recht der freien Niederlafjung gemwährleiftet erfcheinen. Ich laſſe nicht
gern unberührt, daß die freie Ausübung des Gottesdienjtes dem aner-
fannten chriftlichen Stonfejfionen auf dem ganzen Gebiete der Eidgenofienichaft
zugejtanden wird. Freilich würde die Erweiterung diejes Nechtes auf noch
andere Konfeſſionen dem Zeitfortichritt und einer erleuchteten Auffaffung lirch—
licher Anftitutionen angemejjen gewejen fein; denn in das Heiligthum der
religiöjen lLleberzeugung und in das Dandeln nach derjelben joll der Staat,
infofern die allgemein anerfannten Geſetze des Nechtes und der Moral nicht
verlegt werden, nicht eingreifen. Ich lafje nicht gern unberührt, daß das
Recht der Wiederabänderung der gegenwärtigen Berfajjung
543
auf erleichtertem, gejetlihem Wege, nach dem Willen der Mehrheit des
Schweizervolfs förmlich anerkannt ift. Diejes Recht gelte uns als das aller:
wichtigfte, durch dasjelbe kann die nationale Entwidlung der Schweiz mit
dem Fortſchritt der Zeit ſtets im Einklang erhalten werden. Erſt durch diejes
Recht ift das Schweizervolf ganz unverkümmert in fein Konftituirungsrecht ein-
gejett und frei und würdevoll bingeftellt auf die dem einzelnen Menjchen,
wie den Staaten und der geſammten Menfchheit angewiejene Bahn fortge-
ſetzter Vervolllommnung. Hierüber jpreche ich den lauten “yubel meines Herzens
aus und, ich weiß, ich täufche mich nicht, wenn ich vorausſetze, es werde
dieſer Jubel bei Ihnen, wie bei der großen Mehrheit der jchweizerijchen Be:
völferung lebhaften, freudigen Wiederhall finden.
„Daß bei der Nevifionsarbeit oft jichtbar das weniger Gute dem Befjern
vorgezogen wurde, gereicht dem Werk nicht zum Vorwurf. Kein Billiger,
Keiner, der weiß, wie jchwer joldhe Dinge zu Stande fommen, wird es ta-
deln, daß, um nicht das Ganze zu gefährden, der Nothwendigfeit einer Ber:
einigung die erforderliche Nechnung getragen worden. Das Gewonnene iſt
übrigens feine ſchwächliche Halbheit, es iſt ein mächtiger Schritt vorwärts,
ein bedeutſam weiterer Schritt vorwärts, als der Revijionsentwurf von 1832;
die Bundesverfajfung trägt offenbar das Gepräg einer vorgerüdten jtaatlichen
Organijation in der Nichtung nach mehr Einheit und mehr Nationalität.
Wer hätte wohl vor einem Jahr eine Verfafjungsverbefjerung in jolchem
Maße erwarten dürfen? Wo man es mit dem Willen der Menjichen und
den Dingen der Wirklichkeit zu thun hat, können Umgeſtaltungen jelten einem
ichnelten, hohen Gedanfenflug folgen. Mag man für jhöne und große Ideen
noch jo ſehr erglühen, man darf jie im praftiichen Yeben nur als jtermum-
glänzte Zielpunfte betrachten, glücklich, wenn e3 einem gelingt, ſich in ihrer
Richtung zu bewegen, überglüdlich, wenn man jich ihnen einigermaßen wahr-
nehmbar nähern kann. Der Revifionsarbeit konnte unter unſern Verhältnifjen
fein anderer Standpunkt, als der Standpunft der Transaktion, der Verſöhnung
und Ausgleihung verjchiedener Intereſſen angewiejen jein. Es durfte jich nicht
darım handeln, das möglichjt Vollkommene nad) Ideen zu entwerfen ; hingegen
war nothwendig, das zu erforichen, zu erfennen und zu formuliren, was den
vorhandenen Begriffen und Bebürfniffen der meiften Kantone und der Mehrheit
des Schweizervolfes entiprehend war. Und diejer Zwed wurde, wie es die
Abftimmung über die Annahme der Bundesverfajjung erwahrt hat, auf jehr
befriedigende Weije erreicht. Danf, warmer Danf der Einfiht, dem praftijchen
Verftand und der gegeneitigen, verjühnlichen Nachgiebigfeit der verehrten
Männer, denen die Bundesrevifion zunächſt oblag! Ihre Namen werden
auf den Blättern der Schweizergeichichte nicht erlöſchen! ...... Der
Alterspräfident erklärt die Sigung des jchweizerijchen Nationalrathes für
eröffnet." — — — —
544
Abends ſchwamm die Stadt in einem wahren Lichtmeer. Auch fein ein-
ziges Haus war zurücdgeblieben, und die alte ernjthafte Zähringerftadt jchien
in einen einzigen folofjalen Zauberpalaft umgewandelt zu fein. Bejonders
glänzend war die Beleuchtung des Kaſino, auf welchem felbjt die Dachkanten
mit taufenden von Yichtern gejchmüct waren, und diejenige der Kuppel des
Münfterthurmes, auf welcher ein folofjales Flammenfreuz in wundervollen
Glanze ftrablte.
237. König Friedrich Wilhelm IV. an die Neuenburger Royaliften.
5. April 1848.
Hottinger, Neuenburg ın feinen Rechtsverhältnifien zur Schweiz und zu Preußen.
Arhiv für Schweiz. Geſch. IX. 80.
Neuenburger. Die in euerm Vaterlande vorgefallenen Ereignisse
haben mich innig betrübt; mit Rührung aber erfuhr ich die edle
Charakterfestigkeit aller derjenigen, die ihrem Eide unentwegt getreu
geblieben sind. Ich bezeuge diesen loyalen Männern, deren Treue nichts
erschüttern konnte und die Europa das schöne Beispiel der Heilighaltung
des Eides und bürgerlicher Tugenden gegeben haben, meine Achtung.
Mein einziges und angelegentliches Streben, wie dasjenige meiner
königlichen Vorgänger ging dahin, euer Land, über dessen Schicksale
zu wachen die Vorsehung mir aufgetragen hat, glücklich zu machen.
Ich liebe das neuenburgische Volk, es hat meine aufrichtige Zuneigung:
allein die gegenwärtigen Zustände Europa’s treten für den Augenblick
der Betätigung des Wohlwollens, das ich für dasselbe empfinde, hemmend
entgegen.
Die Eide, womit sie mir verbunden sind, haben meine getreuen
Untertanen verhindert, an den Angelegenheiten ihres Vaterlandes unter
einer Oberbehörde, die sie nicht als legitim betrachten können, teil zu
nehmen. Dieser Entschluss ist ein ehrenvoller Beweis der Treue, womit
sie mir zugetan sind. Ich billige daher vollkommen ihr Verfahren. Nichts-
destoweniger glaube ich im Interesse ihres Vaterlandes, so gut wie
in ihrem eigenen, sie durch das gegenwärtige Schreiben bevollmäch-
tigen zu sollen, nur ihre eigene Stellung und das Wohl des Landes
zu berücksichtigen, ohne durch die Bande, die zwischen mir und
ihnen bestehen, sich hindern zu lassen. Das lebhafte Interesse, das ich
an ihrem Vaterlande nehme, und meine Zuneigung zu ihnen sind die
einzigen Gründe dieser Erklärung.
Ich werde Kommissarien ernennen und bevollmächtigen, um mit der
eidgenössischen Bundesbehörde in Unterhandlung zu treten und sie dahin
zu instruiren, Hand bieten zu allem, was beitragen kann zum Wohle
eines Landes, dessen Los stets der Gegenstand meiner aufrichtigen
Teilnahme sein wird.
238. Bismardk über die Menenburger Frage.
Aus Boihinger, Preußen im Bundestag ILL. 60 fi.
Frankfurt, 26. Dezember 1856. Es ift jeltiam genug, daß unſer
deutſcher Bundesgenoffe Ofterreich, der jelbft jo viel über die Schweiz zu
flagen hat, der einzige Staat ift, der Anftrengungen macht, uns wider unſern
Willen zurüdzubalten, und die deutfchen Cabinette gegen uns einzunehmen.
Unter meinen Collegen findet diejes Verhalten eine ziemlich ungetheilte Miß—
bilfigung ; die meiften, und wie es jcheint, auch ihre Negierungen, fajfen die
Frage nachgerade weniger aus dem Neuenburger Standpuntte auf, als aus
dem einer Erefution gegen den übermuth der Schweizer Demokratie. Die
und am meiften befreumdeten jagen, daR fie es in unjerem Intereſſe beflagen
würden, wenn wir jet noch die Gelegenheit verlieren jollten, eine glänzende
Rolle durchzuführen, und dadurch wieder eine angejehene Stelle im Europätjchen
Mathe einzunehmen. Wenn jest die Schweiz auf unjer Begehren einfach
einginge, die Gefangenen freiließe, und wir demnächſt auf Neuenburg ver:
zichteten, jo werde die Schweiz die Yadıer auf ihrer Zeite haben. Gerade
die preußiſch Gefinnten umter den biefigen Diplomaten mahnen mit Ungednld,
dag wir Ernjt machen follen, und hören mit Bejorguiß von der Vertagung
unjerer Mobilmachung auf den 10., dann auf den 15. und auf den 25. Ja—
nuar. Sch halte ihnen entgegen, daß wir vor dem März nicht operiren
fönnten, und daß jeder Tag, den wir unnöthig unter Waffen zubringen, ung
100,000 Thaler tofte.
Für das Verhalten Öfterreihs gibt man folgende Erklärung: Das
Hauptmotiv fei die Eiferjucht gegen uns, das Gefühl, in zweiter Yinie zu
jtehen, während Preußen jeine Macht entfalte, und nähere Beziehungen zu
Süddeutſchland und zu Frankreich dabei begründe. Dieſem Übeljtande und
demjenigen, daß Frankreich vielleicht Genf! bejegt, dadurch zu begegnen,
daß auch ſterreich in Teſſin oder Graubündten Poſition nehme,
werde man durch Geldmangel abgehalten. Letzterer ſei wiederum aufs Äußerſte
geſtiegen, weil die den Gemeinden der ganzen Monarchie zwangsweiſe auf—
erlegten Antheile an der Nationalanleihe von den Gemeinden und Privaten
wegen Mangels an baarem Gelde nicht realiſirt werden könnten. Man ſei
Vrgl. dazu die mündliche Außerung Bismarcks bei Buſch, Graf Bismarck und
feine Pente II. 47: „In Paris war Napoleon ſehr nett und liebenswürdig. Zwar in
den Wirnfch des Königs, durch Elſaß und Yothringen marſchiren zu dürfen, könnte er
nicht willigen, da das im ‚zranfreich zu wiel Aufregung bervorenfen würde. Zonft aber
billigte er das Unternehmen volllommen. Es lönnte ibm nur lieb fein, wenn das
Neft von Demofraten ausgenommen würde“.
Oeehsli, Quellenbuch. 35
n46
deshalb genöthigt, an eine neue Anleihe im regelmäßigen Wege zu denfen umd
Bruck |der öfterreichifche Finanzminifter] habe auf das Entſchiedenſte dagegen
protejtirt, „dan auch nur Ein öfterreichiiches Bataillon gerührt werde, weif
jonft die Nationalanleihe auf 60 heruntergeben werde, die Gemeinden alſo
noch weniger im Stande wären, ihre Zeichnungen vderjelben zu verfilbern,
und eine neue Anleihe dann auch nicht höher angebracht werden könne“.
Paris, 24. Aprit 1857. Poſchinger Seite 91]. — — Ich erlaube
mir, vorbehaltlid) fernerer Berichterftattung, über meinen Aufenthalt in Paris
einjtweilen auf dasjenige zurückzukommen, was mir in Betreff der Neuen:
burger Angelegenheit von den Mitgliedern der dortigen Gonferenz ! gejagt
worden ift, namentlich in den legten Tagen vom Grafen Walemwsfi [dem
franzöfiihen Mlinifter der auswärtigen Angelegenheiten] und dem General
Kiſſeleff [dem rujfischen Botjchafter in Paris]. Letzterer gab mir ver:
traulich einige Details über die Discuffionen, welde ohne Theilnahme
Preußens umd der Schweiz zwifchen den Vertretern der übrigen vier Groß—
mächte jtattgefunden hatten. Er jagte, daß er jelbft, feinen Inſtruktionen und
jeinen perjönlichen Sympatbien entſprechend, die Ddiesjeitigen Auffaffungen
jederzeit als der legte vertreten habe, die Oppofition dagegen jei ſtets von
England ausgegangen, obſchon er jich jelbit von Yord Cowleys [des
englischen Bevollmächtigten] wiederholten Bemühungen, jeine Inſtruktionen im
Sinne unjerer Bedingungen modificirt zu ſehen, habe überzeugen können.
Die nächjte Unterftügung habe der engliihe Widerſpruch regelmäßig bei
Öfterreich gefunden. Graf Walewsti habe bei jedem Puukte den Verſuch
gemacht, dem Engliſchen Widerjpruch Terrain abzugewinnen, im Ganzen und
jchließlih habe er jein Verhalten dem Bedürfniffe untergeordnet, die Be—
ziehungen Frankreichs zu England nicht zu compromittiren. Graf Walewski
jelbft jagte mir über diefen Punkt, als ich ihn das legte Mal ſah, daß es
mutzlos jei, Forderungen an die Schweiz zu jtellen, gegen welche die letstere
einer entjchiedenen Unterſtützung Englands ſicher jei; denn in der Schweiz
jei man überzeugt, dak England e8 zu Zwangsmahregeln gegen die Eid-
genoffenjchaft nicht werde fommen laffen, und daß feine der übrigen Mächte
um diejer Frage willen es zum Bruch mit England treiben werde. — --
' Am 5. März 1857 begammen in Paris unter dem Borfig des Grafen Walsh
die Verhandlungen der Vertreter der Großmächte über die Regulirung der Neuenburger
Angelegenbeit.
547
239. Vertrag betreffend Erledigung der Heuenburger Angelegenheit.
Paris, 26. Mai 1857.
Amntlihe Sammlung der YBundesgefege und Berorduungen V. S. MJ fi.
hre Majejtäten der Kaifervon Oeſterreich, der Kaifer
von Frankreich, die Königin des vereinigten König-
E reeichs von Großbritannien und Jrland, der Kaifer
aller Neußen,
von dem Wunjche bejeelt, den allgemeinen Frieden vor Störung zu be-
wahren und zu diefem Ende die internationale Stellung des Fürftenthums
Neuenburg und der Grafichaft Balengin mit den Forderungen der Ruhe
Europa’s in Einklang zu bringen, haben,
nachdem Seine Majeftät der König von Preußen, Fürſt von
Neuenburg und Graf von Valengin, jeine Abficht kundgegeben hat, zu oben
erwähntem Zwele den Wünſchen Seiner Alliirten entgegenzufommen, vie
ſchweizeriſche Eidgenoſſenſchaft eingeladen, fi) mit den vorgenannten:
Majeftäten über die geeignetften Beſtimmungen zur Erreichung diejes Zwekes
zu verjtändigen.
Dem zufolge jind Ihre genannten Majeftäten und die jchweizeriiche Eid-
genofjenfchaft dahin übereingefommen, einen Vertrag abzujchließen, und haben
zu Ihren Bevollmächtigten ernannt [Folgen die Namen der Bevollmächtigten],
welche, nad) vorheriger Meittheilung ihrer, im gehöriger Ausfertigung befun-
denen VBollmachten, über folgende Artitel übereingefommen find:
Art. 1. Se. Majeftät der König von Preußen willigt ein, auf ewige
Zeiten für fich, feine Erben und Nachfolger auf die Souveränetätsrechte zu
verzichten, welche ihm der Art. 23 des am 9. Juni 1815 im Wien abge:
ichlojfenen Vertrags auf das Fürſtenthum Neuenburg und die Graffchaft
VBalengin einräumt.
Art, 2. Der Staat Neuenburg, fortan ſich jelbft augehörend, fährt fort,
ein Glied der fchweizerijchen Eidgenofjenjchaft zu bilden, mit den gleichen Rechten
wie die übrigen Kantone, und gemäß dem Art. 75 des obgedadhten Vertrags.
Art. 3. Der jchweizerifchen Eidgenoſſenſchaft bleiben alle Koften zur
Yajt, welche ihr durch die Ereigniffe im September 1856 verurfacht worden
jind. Der Kanton Neuenburg kann nur wie jeder andere Kanton, und nad)
Verhältniß jeines Gefdfontingentes angehalten werden, zur Dekung derjelben
beizutragen,
Art. 5. Für alle politiichen und militärtichen Verbrechen und Vergeben,
welche zu den lezten Ereigniffen in Beziehung jtehen, wird volle und gänzliche
Anmmejtie ertheilt, und zwar zu Gunften aller Neuenburger, Schweizer oder
Fremden; und namentlich auch zu Gunften der Milizen, welche jich durch
48
Entfernung ins Ausland der Waffenpflicht entzogen haben. Eine kriminelle oder
forreftionelle Klage, eine Klage auf Schadenerjaz kann weder durch den Kanton
Neuenburg, noch durch irgend eine Korporation oder Perfon gegen diejenigen
angehoben werden, weldye unmittelbar oder mittelbar an den September:
Ereigniſſen theilgenommen haben. Die Ammejtie joll ſich gleichfalls auf alle
politiichen umd Preßvergehen erjtreden, welche vor den Scptember-Ereigniffen
jtattgefunden haben, — —
238. Die Bundesverfaffung vom 29. Mai 1874.
Abgedrudt nach dem Bundesgeſez betreffend die Nevifton der Bundesverfaflung vom
31. Januar 1874.
Erſter Abſchnitt.
Allgemeine Beſtimmungen.
Anfang, Art. 1-11 find unverändert, wie in der Verfaſſung von 1848.)
[Bei Art. 12 iſt hinzugefügt]: Im jchweizeriichen Heere dürfen weder Orden getragen,
noch von auswärtigen Negierungen verlichene Titel geltend gemacht werden,
Das Annehmen folder Auszeichnungen ift allen Offizieren, Unteroffizieren und Zol
daten unterſagt.
(Art. 13—17 unverändert, nur ift in Art. 16 das Zitat (Art. 90) xc. zu erſetzen durch
Art. 102, Ziff. 3, 10 und 11].
Art. 18. Feder Schweizer iſt wehrpflichtig.
Wehrmänner, welche in Folge des eidgenöffiihen Mititärdienftes ihr Leben verlieren
oder dauernden Schaden an ihrer Gefundheit erleiden, haben für fih oder ihre Familien
im Falle des Bedürfniſſes Anſpruch auf Unterjtüzung des Bundes.
Die Wehrmänner follen ihre erſte Ausrüftung, Belleidung und Bewaffnung unent-
geltlich erhalten. Die Waffe bleibt unter den durch die Bımdesgefezgebung aufzuitellenden
Bedingungen in den Händen des Wehrmannes,
Der Bund wird über den Mitlitärpflichterfaz einheitliche Beftimmungen aufſiellen.
Art. 19. Das Bundesheer beiteht:
a. aus den Truppenkörpern der Kantone;
b. aus allen Schweizern, welche zwar nicht zu diefen Truppenkörpern gebören, aber
nichts defto weniger mulitärpflichtig find,
Die Verfügung über das Bundesheer mit Jnbegriff des gefezlih dazu gebörigen
Kriegsmaterials ftebt der Eidgenoffenfchaft zır.
In Zeiten der Gefahr hat der Bund das ausschließliche und unmittelbare Berfiigungs-
recht auch über die nicht im das Bundesheer eingetheilte Mannſchaft und alle übrigen
Streitmittel der Kantone.
Die Kantone verfügen über die Wehrkraft ihres Gebietes, ſoweit fie micht Durch ver-
faſſungsmäßige oder gqefezlihe Anordnungen des Bundes beichräntt find.
Art. 20, Die Gefezgebung über das Heerweien ift Sache des Bundes. Die Aus-
führımg der bezüglichen Gefeze in den Kantonen geicbiebt, innerhalb der durch die Bundes—
geſezgebung fetzufezenden Grenzen und unter Anfficht des Bundes, durch die fantonalen
Bebörden.
549
Der geſammte Militärunterricht und ebenfo die Bewafſnung it Sache des Bundes.
Die Beihaffung der Befleidung und Ausrüſtung und die Sorge für deren Unterhalt
it Sache der Kantone; die daherigen Koften werden jedoch den Kantonen vom Bunde
nad einer von ihm aufzuftellenden Norm vergütet.
Art. 21. So weit nicht militärifche Gründe entgegenftchen, follen die Truppenlörper
aus der Mannschaft desielben Kantons gebildet werden.
Die Zufammenfezung diefer Truppenlörper, die Fürlorge für die Erhaltung ibres
Beſtandes und die Ernennung und Beförderung ihrer Offiziere ift, unter Beachtung der
durch den Bund aufzuftellenden allgemeinen Vorſchriften, Zache der Kantone.
Art. 22, Der Bund hat das Hecht, die in den Kantonen vorhandenen Waffenpläze
und die zu militäriichen Zweken beitimmten Gebäude ſammt Zubehörden gegen billige
Entihädiqung zur Benuzung oder als Eigentbum zu übernehmen.
Tie Normen für die daherige Entihädiqung werben durch die Bundesgefezgebung
geregelt. j
[|Art. 23 gleih alt Art. 21.]
Art. 24. Der Bund hat das Recht der Oberaufficht über die Wafferbau- und Forft-
polizei im Hochgebirge.
Es wird die Korvektion und Berbauung der Wildwaffer, jowie die Aufforftung ibrer
Duellengebiete unterftüzen und die nötbigen fchüzenden Beſtimmungen zur Erhaltung dieſer
Werke md der Schon vorhandenen Waldungen aufftellen.
Art. 25. Der Bund ift befugt, gefezliche Beſtimmuugen über die Ausübung der
Fiſcherei und Jagd, namentlich zur Erhaltung des Hochwildes, fowie zum Schuze der
für die Land- und Forftwirtbichaft nüzlichen Bögel zu treffen.
Art. 26. Die Gefezgebung über den Bau und Betrieb der Eifenbahnen ift Buudesſache.
Art. 27. Der Bund ift befugt, außer der beftehenden polytechniihen Schule, cine
Univerfität und andere böbere Unterrichtsanftalten zu errichten oder ſolche Anftalten zu
unterſtüzen.
Die Kantone ſorgen für genügenden Primarunterricht, welcher ausſchließlich unter
ſtaatlicher Leitung ſtehen ſoll. Derſelbe iſt obligatoriſch und in den öffentlichen Schulen
unentgeltlich.
Die öffentlichen Schulen follen von den Angehörigen aller Betenntniffe ohne Beet:
trächtigung ihrer Glaubens⸗ und Gewiſſensfreiheit beincht werden können.
Gegen Kantone, welche diefen Berpflichtungen nicht nachlommen, wird der Bund die
nöthigen Berfügungen treffen,
Art. 28. Das Zollweſen ift Zache des Bundes. Derfelbe hat das Recht, Ei und
Ausfuhrzölle zu erheben,
Art. 29. Ber Erhebung ver Zölle follen folgende Grundſäze beachtet werden:
1) Eingangsgebübren :
a. Die für die inländifche Induſtrie und Yandwirtbichaft erforderlichen Stoffe
find im Bolltarife möglichit gering zu taxiren.
b. Ebenfo die zum mötbigen Pebensbedarf erforderlichen Gegenſtände.
€. Die Gegenftände des Yurus unterliegen den höchſten Taxen.
Diele Grundſäze find, wenn nicht zwingende Gründe entgegenftehen, auch bei Ab:
ſchliegung von Handelsverträgen mit dem Anslande zu befolgen.
2) Die Ausgangsgebühren find möglichft mäßig feftzuiezen.
3) Durch Die Bollgefezgebung find zur Zicherung des Wrenz und Marktvcrtehrs
geeignete Beftimmmmgen zu treffen.
Tem Bunde bieibt immerhin das Hecht vorbehalten, ter außerordentlichen Um—
550
ftänden, unter Abweichung von vorftehenden Beftimmungen, vorübergehend befondere Maß:
nahmen zu treffen.
Art. 30. Ter Ertrag der Zölle fällt in die Bundeskaſſe.
Die * Kantonen bisher bezahlten Entſchädigungen für die losgekauften Zölle, Weg
und Brülengelder, Kaufhaus⸗ und audern Gebühren dieſer Art fallen weg.
Ausnahmsweiſe erhalten die Kantone Uri, Graubünden, Teſſin und Wallis, mit Rül—
ficht auf ihre internationalen Alpenftraßen, eine jährliche Entihädigung, welde, in Wür—
digung aller Berhältniffe, feitgeftellt wird wie folgt:
Fri... 0. Fr. 80,000
„ Graubünden „. „200,000
„ Icfn 2. 2 2 00u.200,000
„ Wallis... u. 0,000
Für Beſorgung des Schneebruches auf dem St. Gotthard erhalten die Kantone Urt
und Teſſin eine jährliche Entihädigung von zufammen Franken 40,000 für jo lange, als
die Straße Über den Bergpaß nicht Durch eine Eifenbahn erjezt fein wird.
Art. 31. Die Freiheit des Handels und Der Gewerbe ift im ganzen Umfange der
Eidgenofienichaft gemäbrleiftet,
Vorbehalten find:
a. Das Salz und Pulverregal, die eidgenöffiichen Zölle, die Eingangsgebühren von
Bein und geiftigen Geträuken, fowie andere, vom Bunde ausdrüftih anerkannte
Verbrauchsitenern, nah Maßgabe des Art. 32.
b. Santtätspolizeilihe Maßregeln gegen Epidemien und Viehſeuchen.
c. BVerfiigungen über Ausführung von Handel und Gewerben, über Beftenerung des
Sewerbebetriches und iiber die Benuzung der Straßen,
Diefe Berfügungen dürfen den Grundſaz der Handels: und Gewerbefreiheit ſelbſt
nicht beeinträchtigen. !
Art. 32. Die Kantone find befugt, Die im Art. 31, litt. a erwähnten Eingangs:
gebühren von Wein und andern geiftigen Getränken unter folgenden Beichränfungen zu
erheben :
a. Bei dem Bezug derfelben foll der Tranſit in keiner Weife beläftigt und der Ber-
fehr überhaupt fo wenig als möglich gehemmt und mit feinen andern Gebühren
belegt werden.
ı Zeit der Volksabſtimmung vom 25. Oltober 1885 lautet Art. 31 folgendermaßen:
Art, 31. Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ift im ganzen Umfange ber
Kidgenoffenichaft gewährleiſtet.
Vorbehalten find:
a. Das Zalz und Pulverregal, die eidgenöffischen Zölle, die Eingangsgebübren von
Wein amd andern geiſtigen Getränfen , ſowie andere von Bunde ausdrücklich
anerkannte Berbrauchsiteuern, nach Mahgabe des Art. 32,
b. Die Fabrikation und der Berlanf gebrannter Waffer, nad
Maßgabe des Art. 32 bis,
ec. Das Wirtbihaftsweien und der Kleinhbandel mit geiftigen Ge»
tränfen, in dem Sinne, daß die Kantoneauf dem Wege der Se
ſetzgebung Die Ausübung des Wirtbihaftsgewerbes und des
Kleinhbandels mit geiftigen Getränken den durch das öffentlide
Wohl geforderten Befhräntungen unterwerfen fünnen.
d. Zamitätspolizeitihe Mafregeln gegen Epidemien und Bichfeichen.
e. Berfügnugen Über Ausübung von Handel und Sewerben, über Beltenerung des
Gewerbebetriebes und über die Benugung der Straßen. Tiefe Verfügungen dürfen
den Grundſatz der Handels- und Gewerbefreibeit ſelbſt nicht beeinträchtigen,
551
b. Werden die fiir den Gebrauch eingeführten Gegenſtände wieder aus dem Kanten
ausgeführt, fo find die bezahlten Eingangsgebühren ohne weitere Beläftigung
zuriifzuerftatten,
e. Die Erzengniffe ſchweizeriſchen Urfprungs find mit niedrigen Gebühren zu be
legen als diejenigen des Auslandes,
d. Eingangsgebühren auf Wein und amdern geiftigen Getränken fchweizeriichen Ur
jprungs dürfen da, wo folche ſchon beftehen, nicht erhöht, und in Kantonen, welche
noch feine beziehen, micht eingeführt werden.
e. Die Gefeze und Verordnungen der Kautone über den Bezug der Eingangsgebühren
find der Bundesbehörde vor Vollziehung derfelben zur Gutheißung vorzulegen,
damit die Nichtbeachtung vorfiehender Grundſäze verhindert werden fan,
Mit Ablauf des Jahres 1890 ſollen alle Eingangsgebühren, melde dermalen von
den Kantonen erhoben werden, ſowie ähnliche von einzelnen Gemeinden bezogene Gebühren
ohne Entſchädigung dahinfallen. !
Art. 33. Den Kantenen bleibt es anheimgeftellt, die Ausübung der wiſſenſchaft—
lichen Berufsarten von einem Ausweile der Befähigung abhängig zu machen,
Auf dem Wege der Bundesgeſezgebung ift dafliv zu forgen, daß derartige Ausweiſe
für die ganze Eidgenoffenfchaft gültig erworben werben können,
Art. 34. Der Bund iſt befugt, einheitliche Beitimmmmgen über die Verwendung von
Kindern in den Fabrilen und über die Dauer der Arbeit erwachlener Perſonen in den;
ſelben aufzuſtellen. Ebenſo it er berechtigt, Borichriften zum Schuze der Arbeiter gegen
einen, die Geſundheit und Sicherheit gefährdenden Gewerbebetrieb zu erlaffen,
! Dur die am 28. Oftober 1885 angenommene Reviſion ift zwiichen Art. 32 und 33
ein neuer Art. 32 bis eingefiigt worden:
Art. 32 bis, Der Bund iſt befugt, im Wege der Sefeggebung Bor:
Schriften über die Fabrikation und den Verkauf gebrannter Waſſer zu
erlaffen. Bei dieſer Geſetzgebung folten diejenigen Erzeugniffe, welche
entweder ausgeführt werden oder eine den Genuß ausſchließende Zu-
bereitung erfabren baben, feiner Befteuerung unterworfen werde,
Das Brennen von Wein, Obſt und deren Abfällen, von Enzianwurzeln,
Wachbholderbeeren und äbnlihen Stoffen fällt betreffend die Fabri—
fation und Beftenerung nicht unter Die Bundesgeſetzgebung.
Nah dem Wegfall der in Artilel 32 der Bundesverfaffung er»
wähnten Eingangsgebübren auf geiftigen Getränfen kann der Handel
mit foldben, welche nicht gebrannt find, von den Kantonen feinen be-
fondern Steuern unterworfen werden, noch andern Befhränfungen
als denjenigen, welde zum Schutze vor gefälichten oder gefundbeits-
fhädlihen Getränken notbwendig find. Jedoch bleiben hiebei in Be—
tresf des Betrichs von Wirtbfchaften und des Kleinverlaufs von Quan—
titäten unter zwei Yiter Die den Kantonen mach Artifet 31 zuftebenden
Kompetenzen vorbebalten.
Die aus der Beftenerung des Berfaufs gebrannter Waller erzielten
Reineiunabmen verbleiben den Kantonen, in welden fie zum Bezug
gelangen.
Die Reineinnabmen des Bundes aus der inländifhen Fabrikation
und ans dem entiprehbenden Zollzufchlag auf eingeführte gebrannte
Waſſer werden unter die fämmtlihen Nantone nah Berbältniß der
Durch die jeweilige legte eidgenöſſiſche Bollszäblung ermittelten fat
tiihen Bevölterung vertbeilt. Bon den daherigen Einnahmen haben
die Kantone wenigftens 10 %, zur Belämpfung des Alkoholismus im
feinen Urfaden und Wirfungen zu verwenden,
Der Geichäftsbetrieb von Auswandernngsagenturen und von Privatunternehmungen
im Gebiete des Verſicherungsweſens unterliegt der Anfficht und Geſezgebung des Bundes.
Art. 35. Die Errichtung von Spielbanfen ift unterſagt. Die zur Zeit beftebenden
Zpielbäufer müfen am 31. Dezember 1877 gejchloffen werden,
Allfällig jeit dem Anfange des Jahres 1871 ertheilte oder erneuerte Konzeffionen
werden als ungültig erflärt.
Der Bund kann auch in Beziehung auf die Yotterien geeignete Maßnahmen treffen.
Art. 36. Das Poſt- und Telegrapbenweien im ganzen Umfange der Eidgenoſſenſchaft
it Bundesſache.
Der Ertrag der Poft- und Telegraphenverwaltung fällt in die eidgenöſſiſche Kaſſe.
Die Tarife werden im ganzen Gebiete der Eidgenoffenfchaft nach den gleichen, mög:
fichit billigen Grundſäzen beftimmt.
Die Unverlezlichteit des Boft- und Telegraphengeheimnifies ift gewäbrleiftet.
Art. 37. Der Bund übt die Oberauffiht über die Straßen und Brüfen, au deren
Erhaltung die Eidgenofienfchaft ein Intereſſe hat.
Die Zummen, welche dem im Art. 30 bezeichneten Kantonen mit Rükſicht auf ihre
internationalen Alpenftraßen zufommen, werden von der Bundesbebörde zurüfbebalten,
wenn diefe Straßen von den betreffenden Kantonen nicht in gebörigem Buftande unter:
halten werden,
Art. 38. Dem Bunde fteht Die Ausübung aller im Münzregale begriffenen Rechte zu-
Die Münzprägung geht einzig vom Bunde aus,
Er beitimmt den Münzfnß und erläßt allfällige Borfchriften über die Tarifirung
fremder Münzſorten.
Art. 39. Der Bund iſt befugt, im Wege der Gefezgebung allgemeine Vorſchriften
iiber die Ausgabe und die Einlöfung von Banknoten zu erlaffen,
Er darf jedoch keinerlei Monopol für die Ausgabe aufftellen und ebenfo keine Nechts-
verbindlichkeit fiir die Annahme derielben ausiprechen.
Art. 40, Die Feitlezung von Map und Gewicht ift Bundesſache.
Tie Ausführung dev bezüglichen Geſeze geſchieht durch die Kantone unter Aufſicht
des Bundes.
Art. 41. Fabrilation und Berfauf des Schießpulvers im Umfange der Eidgenoffen:
ſchaft ſtehen ausichlieglich dem Bunde zır.
AS Schießpulver nicht brauchbare Sprengfabrifate find im Regal nicht inbegriffen.
Art. 42. Die Ansgaben des Bundes werden beftritten:
a. ans dem Ertrag des Bundesvermögens;
b. aus dem Ertrag der ſchweizeriſchen Grenzzölle;
e. aus dem Ertrag der Poft- und Telegrapbenvermwaltung ;
d. aus dem Ertrag der Bulververwaltung ;
e. aus der Hälfte des Brutto Ertrages der von den Kantonen bezogenen Militär:
pflichterſazſteuern;
f. aus den Beiträgen Der Kantone, deren nähere Regulirung, vorzugsweiſe nad)
Maßgabe der Steuerfraft derjelben, der Bundesgeſezgebung vorbehalten ift.
Art. 43. Jeder Kantonsbürger iſt Schweizerbürger.
Als ſolcher kann er bei allen eidgenöſſiſchen Wahlen und Abftimmungen an feinem
Wohnfize Antheit nehmen, nachdem er fich iiber feine Stimmberedhtigung gehörig aus—
gewieſen bat.
Nemand darf in mehr als einem Nanton politiſche Rechte ausüben.
Der niedergelaffene Schweizerbürger genicht an feinem Wohnfize alle Mechte der
Kantonsbürger und mit Dielen auch alle Nechte der Gemeindsbürger. Der Mitantheil an
553
Bürger- und Korporationsgütern, ſowie das Stimmrecht in rein bürgerlichen Angelegen-
beiten find jedoch hievon ausgenommen, 68 wäre denn, daß die Nantonalgefezgebung etwas
Anderes beftimmen würde.
In kantonalen und Gemeindeangelegenbeiten erwirbt er das Stimmrecht nach einer
Niederlaffung von drei Monaten.
Die kantonalen Gefeze über die Niederlaffung und das Stimmrecht der Niedergelaffenen
in den Gemeinden unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes.
Art. 44. Nein Nanten darf einen Rantonsbürger ans feinem Gebiete verbannen
(verweilen) oder ihn des Bilrgerrechtes verluſtig erflären.
Die Bedingungen für die Ertheilung des Bürgerrechts au Ausländer, ſowie diejenigen,
unter welchen ein Schweizer zum Zwele der Erwerbung eines ausländiichen Bürgerrechts
auf fein Bürgerrecht verzichten lann, werden durch die Bundesgeſezgebung geordnet.
Art. 45. Jeder Schweizer bat das Recht, ſich innerhalb des fehmweizeriichen Gebietes
an jedem Orte niederzulaffen, wenn ev einen Heimatichein oder eine andere gleichbedeutende
Ausmweisichrift befizt.
Ausnahmsweiſe kann Die Niederlaffung denjenigen, welche in Folge eines ftrafgericht-
tichen Urtheils nicht im Beſize der bürgerlichen Nechte und Ehren find, verweigert
oder entzogen werden,
Weiterhin kaun die Niederlaffung denjenigen entzogen werden, welde wegen
ſchwerer Vergehen wiederholt gerichtlich beftraft worden find, ſowie denjenigen, welche
dauernd der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Yaft fallen und deren Heimatgemeinde, be
ziehungsweiſe Heimatlanten, eine angemeſſene Unterftüzung troz amtlicher Aufforderung
nicht gewährt.
In Kantonen, wo die örtliche Armenpflege beftebt, darf die Geſtattung der Nieder:
lafjung fir Rantonsangebörige au die Bedingung gefmüpft werden, daß diefelben arbeits:
fähig und au ihrem bisherigen Wohnorte im Heimatfanton nicht bereits in dauernder
Weiſe der öffentlichen Wobltbätigfeit zur Yaft gefallen feien.
Jede Ausweilung wegen Berarmung muß von Zeite der Hegierung des Nieder:
laffungsfantons genehmigt und der beimatlichen Regiernng zum voraus angezeigt werden.
Der niedergelaffene Schweizerbürger darf von Zeite des die Niederlaſſung geftattenden
Kantons mit feiner Bilvgichaft und mit feinen andern befondern Yaften behufs der Nieder:
lafjung belegt werden. Ebenſo darf die Gemeinde, im welcher er feinen Wohnfiz nimmt,
ihm nicht anders befteuern als den Ortsbürger.
Ein Bundesgefez wird das Maximum der fiir die Niederlaflungsberwilligung zu ent-
richtenden Kanzleigebübr beftimmen.
Art. 46. In Beziehung auf die zivilrechtlichen Verhältuiſſe ftehen die Niedergelaffenen
in der Regel unter dem Rechte und der Geſezgebung des Wohnfizes,
Die Bundesgeſezgebung wird über die Anwendung dieſes Grundſazes, ſowie gegen
Doppelbeftenrung die erforderlichen Beltimmmugen treffen,
Art. 47. Ein Bundesgeſez wird den Unterfchied zwiſchen Niederlaffung und Aufent:
halt beftimmen und dabei gleichzeitig über die politischen umd bürgerlichen Rechte der
ſchweizeriſchen Aufentbalter die nähern Vorſchriften aufitellen,
Art. 48, Ein Bundesgeſez wird über die Koſten der Verpflegung und Beerdigung
armer Angeböriger eines Kantons, welche in einem andern Kanton frank werden oder
fterben, die nöthigen Beſtimmungen treffen.
Art. 49. Die Slanbens- und Gewiſſensfreiheit iſt unverlezlich.
Niemand darf zur Theilnahme an einer Religionsgenoffenichaft, oder an einem re
ligiöfen Unterricht, oder zur Vornahme einer veligiöfen Handlung gezwungen, oder wegen
Glaubensanſichten mit Strafen irgend weicher Art belegt werden,
554
Ueber die veligiöfe Erziehung der Kinder bis zum erfüllten 16. Altersjahr verfügt ım
Sinne vorfiehender Grundſäze der Inhaber der väterlichen oder vormundfchaftlichen Gewalt.
Die Ausübung bürgerlicher oder politifcher Rechte darf durch keinerlei Rorfchriften
oder Bedingungen firchlicher oder veligiöfer Natur beichränft werden.
Die Hlaubensanfichten entbinden nicht von der Erfüllung der bürgerlichen Pflichten.
Niemand ift gehalten, Steuern zu bezahlen, welche Speziell für eigentliche Kultuszwele
einer Religionsgenofienfchaft, der er nicht angehört, anferlegt werden, Die näbere Aus-
führung diefes Grundſazes ift der Bundesgeſezgebung vorbehalten.
Art. 90. Die freie Ausübung gottesdienftliher Handlungen ift innerhalb den
Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung gewährleiſtet.
Den Kantonen fowie dem Bunde bleibt vorbebalten, zur Handhabung der öffent
fihen Ordnung und des Friedens unter dein Angehörigen der verichiedenen Religions
genoffenfchaften, ſowie gegen Eingriffe kirchlicher Behörden in die Nechte der Bürger und
des Staates die geeigneten Maßnahmen zu treffen.
Anftände ans dem öffentlichen oder Privatrechte, welche iiber die Bildung oder Tren-
nung von Religionsgenoflenichaften entfiehen, können auf dem Wege der Beichmwerdeführung
der Entfcheidung der zuftändigen Bundesbehörden unterftellt werden,
Die Errihtung von Bisthiimern auf fchweizerifchem Gebiete unterliegt der Ge:
nehmigung des Bundes.
Art. 51. Der Orden der Jehniten und die ihm affiliirten Geſellſchaften dürfen in
feinem Theil der Schweiz Aufnahme finden, und es ift ihren Gtiedern jede Wirkfamfeit
in Kirche und Schule unteriagt.
Diefes Verbot kann durch Bundesbeſchluß auch auf andere geiftlihe Orden ausgedehnt
werden, deren Wirkſamkeit ftaatsgefährlich ift oder den Frieden der Konfeffionen ftört.
Art. 52. Die Errichtung neuer und die Wiederherftellung aufgebobener Klöfter oder
religiöfer Orden ift unzuläßig.
Art. 53. Die Feftftellung und Benrkundung des Civilſtandes ift Sache der bürger—
lihen Behörden, Die Bundesgefezgebung wird bierüber die nähern Beftimmungen treffen,
Die Verfügung über die Begräbnißpläze fteht den, bürgerlichen Behörden zu. Die
haben dafür zu jorgen, daß jeder Verftorbene fchiklich beerdigt werden kam.
Art. 54. Das Recht zur Ehe ftebt umter dem Schuze des Bundes.
Dieſes Recht darf weder aus kirchlichen oder ökonomiſchen Rükſichten, noch wegen
bisherigen Berbaltens oder aus andern polizeilichen Gründen beichräntt werben.
Die in einem Kantone oder im Auslande nach der dort geltenden Gefezgebung ab-
geichloffene Ehe Toll im Gebiete der Eidgenoflenichaft ald Ehe anerfannt werden,
Durch den Abſchluß der Ehe erwirbt die Fran das Heimatrecht des Mannes.
Durch die nachfolgende Ehe der Eltern werden vorchelich geborne Kinder derfelben
legitimirt.
Jede Erhebung von Brauteinzugsgebühren oder andern ähnlichen Abgaben iſt unzuläßig.
Art. 59—57 gleich alt Art. 45—17.]
Art. 58. Niemand darf feinem verfaffungsmäßigen Nichter entzogen, und es dürfen
daher feine Ausuahmsgerichte eingeführt werden,
Die geiftliche Gerichtsbarleit iſt abgeſchafft.
Art. 59. Der aufrechtſtehende Schuldner, welcher in der Schweiz einen ſeſten Wohnſiz
bat, muß für perſönliche Anſprachen vor dem Richter feines Wohnortes geſucht, und es
darf Daher für Forderungen auf das Vermögen eines ſolchen außer dem Kanton, in
welchen er wohnt, fein Arreſt gelegt werden.
Borbebalten bfeiben mit Bezug auf Ausländer die Beſtimmungen bezüglicher Staats:
verträge.
Der Schuldverhaft ift abgeichafft.
[Art. 60—63 gleih alt Art. 48, 49, 51, 52.]
Art. 64. Dem Bunde fteht die Sefezgebung zur:
über die perfönliche Handlungsfäbigfeit,
über alle anf den Handel und Mobiliarverfchr bezüglichen Rechtsverhältniſſe (Obtt-
gationenrecht, mit Inbegriff Des Handels- und Wechſelrechts),
über das Urheberrecht an Werfen der Yiteratur und Kunſt,
über das Betreibungsverfahren und das Konkursrecht.
Die Nechtiprechung felbit verbleibt den Kantonen, mit Vorbehalt der dem Bundes»
gericht eingeräumten Kompetenzen.
Art. 65. Die Todesftrafe iſt abgeſchafft.
Die Beitimmungen des Mitttärftrafgefezes bleiben jedoch in Nriegszeiten vorbehalten.
Körperliche Strafen find unterfagt. !
Art. 66. Die Bundesgeſezgebung beftimmt die Schranken, innerhalb welcher ein
Schweizerbürger feiner politiſchen Rechte verluftig erllärt werden lann.
Art, 67. Die Bundesgeſezgebung trifft die erforderlichen Beftimmungen über die
Austieferung der Augellagten von einem Kanton an den andern; die Auslieferung lann
jedoch für politiiche Vergeben und fir Preßvergeben nicht verbindlich gemacht werden.
[Art, 68 gleich alt Art. 56.)
Art. 69, Dem Bunde fteht die Sefezgebung über Die gegen gemeingefährliche Epi-
demien und Viehſeuchen zu treffenden gefundbeitspolizeilichen Verfügungen zu.
[Art. 70 gleich alt Art. 57.]
Zweiter Abſchnitt.
Bundesbehörden.
I. Sundesverfanmlung.
Art. 71. Unter Borbehalt der Nechte des Volkes und der Kantone (Art. 89 und 121)
wird die oberfte Gewalt des Bundes durch die Bırndesverfammlung ausgeübt, welche aus
zwei Abtheilungen bejteht :
A, aus dem Nationafratb;
B. aus dem Ständerath.
A. Noationalrath.
(Art. 72 und 73 gleich alt Art. 61 und 62.]
Art, 74. Ztimmberechtigt bei Wablen und Abftimmmumgen ift jeder Schweizer, der
das 20. Altersjabr zurifgelegt bat und im Uebrigen nach der Geſezgebung des Kantons,
in welchem er feinen Wohnſiz bat, nicht vom Allivbürgerrechte ausgeſchloſſen ift.
Es bleibt jedoch; der Gefezgebung des Bundes vorbehalten, über diefe Stimmberechtigung
einheitliche Borichriften aufzuſtellen.
Art. 75. Wahlfähig als Mitglied des Nationalrathes ift jeder ſtimmberechtigte
Schweizerbürger weltlichen Standes,
(Art. 76—79 gleich alt Art. 65—68.)
Art. 69 Tantet im Folge der am 18, Mai 1879 angenommenen Revifion jetst
folgendermaßen:
Wegen politiſcher Vergehen darf kein Todesurtheil gefällt werden.
Körperliche Strafen find nuterſagt.
B. Ständerath.
Art. SO—83 gleich alt Art. 69-72. Bloß tft in Art. 82 der Ausdrud „Geſandte“
des alten Art. TI erſetzt durch „Abgeordnete“,
C. Beingniffe der Bnmdesverfammlung.
[Art. 84 gleich alt Art. 73.]
Art. 5. Die Gegenftände, welche in den Geſchäftskreis beider Räthe fallen, find
insbeſondere folgende:
1) Befeze über die Organiſation und Die Wablart der Bundesbehörden.
2) Befeze und Beſchlüſſe über Diejenigen Gegenftände, zu deren Negelung der Bund
nad Maßgabe der Bundesverfaflung befugt it.
3) Beſoldung und Entſchädigung der Dlitglieder der Bundesbehörden und der Bundes—
lanzlei; Errichtung bleibender Beamtungen und Beftimmung ihrer Gehalte,
4) Wahl des Bundesratbes, des Bundesgerichtes, des Kanzler, ſowie Des Generals
der eidgenöffiichen Armee. .
Der Bundesgefezgebung bleibt vorbehalten, auch die Vornahme oder Beſtätigung
weiterer Wablen der Bundesverſammlung zu übertragen.
5) Bünduiſſe und Verträge mit dem Auslande, fomwie die Gutheißung von Verträgen
der Kantone unter fih oder mit dem Auslande. Solche Verträge der Kantone gelangen
iedoch nur damı an die Bundesverfammlung, wenn vom Bundesrath oder einem andern
Kanton Einſprache erhoben wird.
6) Mafregeln für die äußere Sicherheit, für Behauptung der Unabhängigkeit und
Neutralität der Schweiz, Kriegserllärungen und Friedensichlüffe.
7) Garantie der Berfaſſungen und des Gebietes dev Kantone; Intervention in Folge
der Garantie; Mafregeln für die innere Zicherheit, für Handhabung von Ruhe und
Ordnung; Amneſtie und Begnadigung.
8) Maßregeln, welche die Handhabung der Bundesverfaſſung, Die Garantie ber
Kantonalverfafiungen, die Erfüllung der bundesmäßigen Verpflichtungen zum Zwele haben.
M Berfüigungen über das Bundesheer.
10) Aufſtellung des jährlichen Voranſchlages und Abnabme der Ztaatsrehnung, To
wie Beichlüffe über Aufnabme von Anlehen.
11) Die Oberanfficht iiber die eidgenöffiihe Berwaltung und Rechtspflege.
12) Beichwerden gegen Enticheidungen des Bundesrathes über Apminiftrativftveitig:
feiten (Art. 113).
13) Rompetenzitreitigfeiten zwiichen Bundesbehörden.
14) Revifion der Bundesverfaffung.
Art. 86 und 87 gleich alt Art. 75 und 76.)
Art. 88. Im Nationalvath und Ständeratb enticheidet die abjolute Mehrheit der
Ztimmenden.
Art. 89, Für Bundesgefeze und Bundesbeſchlüſſe ft die Zuſtimmung beider Rätbe
erforderlich.
Bırndesgefeze, ſowie allgemein verbindliche Bundesbeſchlüſſe, Die nicht dringlicher Natur
find, follen überdies dem Rolle zur Annahme oder Berwerfung vorgelegt werden, wenn
es von 30,000 ftimmbercchtigten Schweizerbürgern und von acht Rantonen verlangt wird.
Art. WO, Die Buudesgeſezgebung wird bezüglich der Formen und Friſten der Volls
abftimmumg das Erforderliche feititellen.
Art. 91 gleich alt Art, 79.)
557
Art, 92, Jeder Rath verhandelt abgeſondert. Ber Wahlen (Art. 85, Ziffer 4),
bei Ausübung des Begnadigungsrechtes und fiir Entſcheidung von Kompeteuzſtreitigleiten
(Art. 85, Ziffer 13) vereinigen fich jedoch beide Räthe unter der Yeitung des Präfidenten
des Nationatratbes zu einer gemeinichaftlichen Berhandlung, jo daß die abſolute Mehrheit
der flimmenden Mitglieder beider Räthe enticheidet.
[Art. 93 und 94 gleich alt Art. 81 und 82.)
Il. Bundesrath.
[Art. 95—101 gleih alt Art. 83—9.]
(Art. 102 gleich alt Art. W} mit Ausnahme von Ziffer 1, 2, 6, T und 13, welche
folgendermaßen lauten :]
1) Er leitet die eidgenöfftichen Angelegenheiten, gemäß den Bırndesgefezen nnd
Bundesbeſchlüſſen.
2) Er hat für Beobachtung der Verfaſſung, der Geſeze und Beſchlüſſe des Bundes, ſo—
wie der Vorſchriften eidgenöſſiſcher Konlordate zu wachen; er trifft zur Handhabung der—
ſelben von ſich aus oder auf eingegangene Beſchwerde, ſoweit die Beurtheilung ſolcher Re—
firrfe nicht nach Art. 113 dem Bundesgerichte übertragen iſt, die erforderlichen Verfügungen.
6) Er hat diejenigen Wahlen zu treffen, welche nicht der Bundesverſammlung und
dem Bırndesgerichte oder einer andern Behörde übertragen werden.
7) Er prüft die Berträge der Nantone unter fih oder mit dem Anslande und ge
nebmigt diefelben, ſoſern fte zuläßig find. (Art. 85, Ziffer 5.)
13) Er prüft die Gefeze und Verordnungen der Kantone, welche feiner Genehmigung
bedürfen; er überwacht diejenigen Zweige der Nantonalverwaltung, welche feiner Aufſicht
unterftellt find. *
JArt. 103 und 10gleich alt Art, 91 und 92,]
III. Bundeskanzlei,
(Art. 105 gleich alt Art. 93.]
IV. Organifation und Befugniffe des Bundesgeridts.
Art. 106. Zur Ausübung der Nechtspflege, ſoweit diefelbe in den Bereich des Bundes
fällt, wird ein Bundesgericht aufgeitellt.
Für Benrtbeilung von Straffällen (Art. 112} werden Schwurgerichte (Jury) gebildet.
Art. 107. Die Mitglieder des Bırndesgerichts uud die Erfazmänner werden von der
Bundesperlammlung gewählt. Bei der Wahl derfelben foll daranf Bedacht genommen
werden, daß alle drei Nationalipradben vertreten ſeien.
Tas Gefez beitimmt die Organifation des Bundesgerichtes und feiner Abtheilungen,
die Zahl der Mitglieder und Erſazmänner, deren Amtsdauer und Bejoldung.
Art. 108, In das Bundesgericht lann jeder Schweizerbürger ernannt werden, ber
in den Nationalrath wählbar tft.
Die Mitglieder dev Bundesverſammlung und des Bundesrathes und die von dieſen
Behörden gewäblten Beamten können nicht gleichzeitig Mitglieder des Bırndesgerichtes fein,
Die Mitglieder des Burndesgerichtes dürfen feine andere Beamtung, ſei es im Tienfte
der Eidgenoffenichaft, fer «8 in einem Nantone, befleiden, noch irgend einen andern Beruf
oder Gewerbe treiben.
(Art. 109 gleich alt 100,|
558
Art. 110. Das Bımdesgericht beurtbeilt zivilrechtliche Streitigkeiten:
1) zwiichen dem Bunde uud den Kantonen;
2) zwilchen dem Bunde einerfeits und Korporationen oder Privaten andererſeits,
wenn der Streitgegenftand eine Durch die Bundesgeiezgebung zu beftimmende Be-
deutung bat und wenn dieſe Norporationen oder Privaten Kläger find;
3) zwiſchen den Kantonen unter fidh;
4) zwiſchen den Kantonen einerfeitS und Norporationen oder Privaten andererjeits,
wenn der Streitgegenftand von einer durch die Bundesgeſezgebung zu beitimmenden
Bedentung ift und eine Partei es verlangt.
Das Bundesgericht urtheilt ferner über Anftäude betreffend Heimatloſigkeit, ſowie
ber Bürgerrechtsftreitigkeiten zwiſchen Gemeinden verjchiedener Nantone.
Art. 111. Das Bımdesgericht ift verpflichtet, Die Beurtheilung auch anderer Fälle
zu übernehmen, wenn dasielbe von beiden Parteien angerufen wird und der Streitgegen-
ftand von einer dur die Bundesgeſezgebung zu bejtimmenden Bedeuting it.
Art. 112. Das Bundesgericht urtbeilt mit Zuziebung von Geſchwornen, welche über
die Thatfrage abiprechen, in Straffällen :
1) über Hochverrath gegen die Eidgenofjenichaft, Aufruhr und Gewaltthat gegen die
Bundesbehörden ;
2) über Berbreden und Bergehen gegen das Völkerrecht ;
3) über politiiche Verbrechen und Bergeben, die Urjache oder Folge derjenigen Un—
ruhen find, durch welche eine bewafinete eidgenöffiihe Intervention verurfacht
wird, md
4) in Füllen, wo von einer Bundesbehörde die von ihr ernannten Beamten ibm
zur ftrafrechtlichen Beurtheilung überwieſen werden.
Art. 113. Das Bundesgericht urtheilt ferner:
1) über Ntompetenzlonflitte zwiichen Bındesbebörden einerjeits und Nantonalbebörden
anderfeits;
2) über Streitigteiten ftaatsrechtliher Natur zwiichen Kantonen;
3) über Beſchwerden betreffend Berlezung verfaflungsmäßiger Rechte der Bürger, fo-
wie über folde von Privaten wegen Berlezung von Kontordaten und Staats-
verträgen.
Borbehalten find die Durch die Bundesgefezgebung näher feitzuftellenden Adminiſtrativ—
ftreitigfeiten.
In allen diefen Fällen find jedoch die von der Bundesverſammlung erlaffenen Geſeze
und allgemein verbindlichen Beichlüffe, Sowie die von ibr genehmigten Staatsverträge für
das Bundesgericht maßgebend.
Art. 114. Es bleibt der Bundesgeſezgebung iüberlaffen, außer den in den Artikeln
110, 112 und 113 bezeichneten Gegenſtäuden auch noch andere Fälle in die Kompetenz
des Bundesgerichtes zu legen, insbefondere die Befugniffe feftzuftellen, welche ihm nad
Erlaffung der im Art. 64 vorgefehenen eidgenöfftichen Geſeze behnfs einheitlicher An—
wendung derjelben zu libertragen find.
V. Verſchiedene Befimmungen.
Art. 115—117 gleich alt Art. 108—110.)
, 559
Dritter Abſchnitt.
Nevijion der Bundesverfafjung.
Art. 118—120 glei alt Art. 111—113.]
Art. 121. Die revidirte Bundesverfaſſung tritt in Kraft, wenn fie von der Mehrheit
der an der Abſtimmung theilnebmenden Bürger und von der Mehrheit der Kantone an-
genommen tft.
Bei Ausmittlung der Mehrheit der Kantone wird die Stimme eines Halblantons
als halbe Stimme gezäblt.
Das Ergebniß der Volksabſtimmung in jedem Kantone gilt als Standesftimme desjelben.
241. Anerkennungs- und Gewährleiltungsurkumde der immer-
währenden Mentralität der Schweiz und der Unverleßbarkeit
ihres Gebiets. 20. November 1815.
Repertorium der Abſchiede IT. S. 812.
Jachdem der Beitritt der Schweiz zu der in Wien am 20. März
1815 von den Mächten, welche den Pariſer Vertrag unterzeichnet
haben, ausgeftellten Erklärung, den Miniftern der kaiferlichen und
töniglichen Höfe durch die Urkunde der jchweizeriichen Tagjazung vom 27.
daranf folgenden Mai gehörig fund gemacht worden: jo jtand der Ausfertigung
der Urkunde über die Anerkennung und Gewährleiſtung der immerwährenden
Nentralität der Schweiz im ihren neuen Grenzen, jo wie dieje durch obige
Erklärung beſtimmt find, nichts im Wege. Inzwiſchen haben die Mächte es
für rathſam erachtet, die Unterzeichnung diefer Urkunde bis auf den heutigen
Tag zu verjchieben, um die Veränderungen berüfjichtigen zu fünnen, welde
die Nriegsereigniffe und die in Folge derfelben zu treffenden Anordnungen
in den Grenzen der Schweiz hervorbringen, und die Modififationen, welche
ebenfalls rüfjichtlich jener Verfügungen eintreten möchten, die das der Wohlthat
der Neutralität der Eidgenoffenichaft theilhaft gemachte Yandesgebiet betreffen.
Nachdem nun diefe Veränderungen durch die Beſtimmungen des Parifer-
Vertrags vom heutigen Tag feitgefezt worden find, jo ertheilen die Mächte,
welche die Wiener Erflärung vom 20. März unterzeichnet baben, durch die
gegenwärtige Urfunde eine fürmliche und rechtsträftige Anerfennung der immer—
währenden Neutralität der Schweiz, und jie gewährfeiften derjelben auch den
unverlezten und unverlezbaren Bejtand ihres Gebietes in feinen neuen Grenzen,
wie jolche theils durch die Urkunde des Wienercongrejfes theils durch den
Parijervertrag vom heutigen Tage feſtgeſezt find, und wie fie es noch ferner jein
werden, in Folge der Verfügungen des als Beilage auszugsweiſe mitfolgenden
Protofoll8 vom 3. November, worin zu Gunſten der Eidgenoffenichaft ein
560
neuer Gebietszuwachs von Savoyen her für die Ausrundung und Öffnung
des Gebiet des Kantons Genf zugefichert wird.
Die Mächte anerkennen und gewährleiften gleihmäßig die Neutralität
derjenigen Theile von Savoyen, welchen durch die Urkunde des Wiener-
congrefjes vom 29. März 1815 und durch den Parijer-Bertrag vom heutigen
Tage der Genuß der jchweizerifchen Neutralität auf gleiche Weife zugefichert
wird, als wären jie Bejtandtheile dieſes Yandes.
Die Mächte, welche die Erklärung vom 20, März unterzeichnet haben,
anerfennen durch die gegenwärtige vechtsfräftige Urkunde, daß die Neutralität
und Unverlezbarfeit der Schweiz, jo wie ihre Unabhängigkeit von jedem
fremden Einfluß dem wahren Intereſſe aller europäischen Staaten entjpreche.
Sie erflären, daß feinerlei den Nechten der Schweiz binfichtlich auf ihre
Neutralität und die Unverlezbarkeit ihres Gebiets nachtheilige Folgerung auf
diejenigen Ereigniſſe gegründet twerden könne moch jolle, weldye den Durch—
marjch der alliirten Truppen über einen Theil des Schweizerbodens veranlaft
haben. Diejer durch freie Zuſtimmung der Kantone in den Vertrag von
20. Mai bewilligte Durchmarſch war eine natürliche Folge des offenen Bei-
tritt3 der Schweiz zu den Grundſäzen, welche die Mächte in dem von ihnen
unterzeichneten Bundesvertrag vom 25. März zu Tage gelegt hatten.
Es anerkennen die Mächte mit Vergnügen, daß die Bewohner der Schweiz
in jenem Zeitpunft der Prüfung bewiejen haben, daß fie für das gemeine
Wohl und zu Unterftüzung einer Sache, für welde alle Mächte ſich zu
gemeinfamer Anftrengung vereint hatten, große Opfer zu bringen wuhten,
nnd daß die Schweiz denmach auch jene Vortheile zu erhalten verdient bat,
die ihr theils die Verfügungen des Wienercongrejies, tbeils der Parijer-
vertrag vom heutigen Tage und die gegenwärtige Urkunde zujichern , welder
beizutreten alle europäiſchen Mächte jollen eingeladen werden.
Zu Beträftigung des Objtehenden ward gegenwärtige Erklärung aus—
geftellt und unterzeichnet zu Paris am 20. November des Gnadenjahrs 1815.
Defterreid: Der Fürft von Metternid.
Der Freiherr von Weſſenberg.
Franfreid: Richelieu.
Großbritannien: Caſtlereagh.
Wellington.
Portugal: Der Graf von Palmella.
D. Joachim Lobo da Silveira.
Preußen: Der Fürſt von Hardenberg.
Der Freiherr von Humbold.
Rußland: Der Fürſt von Raſumoffsky.
Der Graf Capo d'Iſtria.
ER >
561
Merbefferungen und Nachträge.
Seite 44, Zeile 5 von oben ift zu lefen „zu Wintertur und darum“ jtatt „darin“.
Seite 62, Titel ift zu lefen ed. 1644 ftatt 1610.
Seite 106, Titel 3 ift zu leſen: Um 1476? ftatt 14707
Seite 131, Titel 51 iſt zu leſen: 22. Juli 1443 ftatt 1433.
Seite 159, Titel 62 ift zu leſen: 11. Juni 1474 flatt 1476,
Seite 2362, Titel a ift wegzulaſſen ed. Struve.
Seite 352 (Paufannervertrag) ift nad dem zweiten Abſatz hinzuzufügen:
Zum vierzehnten ift angejehen, dag fein Teil jeine jegt zuge-
jprodenen Städte, Feftungen, Yandeund Yeuteirgendandern
Sürften, Herren, Städten, Yauden und Communen, wer aud)
die jein möchten, weder Kaufs-, Taufhs-,nohirgend anderer
Weife und Gejtalt übergeben jolle, alles damit ein Teil den andern
fremder, ungelegener und bejchwerlicher Nachbarſchaft überhebe, und ein jeder
derjelben entladen jein und bleiben möge.
Zum fünfzehnten ift bedacht, daß beide Teile in diejen ihren anſtoßenden
Yanden feine neuen Befeftigungen gegen einander bauen noch machen,
dazu bei einer Meile Weges gegen die Grenzen und Anftögen feine Kriegs—
ritftungen beſammeln noch halten jollen. — — —
Oechsli, Quellenlsuch, 36
IN
14.
jr
15.
16.
Benutzte Quellen.
.Die Geſchichten des Herodotos, überſetzt von F. Lange. 2. verb. Aufl, Breslau
1824.
Giſi, Quellenbuch zur Schweizergeſchichte. Eine Sammlung aller anf die
hentige Schweiz bezüglichen Stellen der griechiſchen und römiſchen Autoren, Bd. I.
Bern 1869.
Gajns Julius Cäſars Memoiren über den galliſchen Krieg, deutſch von H. Köchly
und W. Rüſtow. Stuttgart 1866.
Cajus Cornelins Tacitus Werke, nen überſetzt von H. Gutmann. 2 Bde.
Zürich 1847,
Leben der Äbte Gallus und Otmarvon Sanktgallen, überſetzt von Dr. U. Votthaſt
(die Geſchichtſchreiber der deutſchen Vorzeit, VIII. Jahrh. Bd. T) Berlin 1857.
. G. v. Wyß, Geſchichte der Abtei Zürich (Mittheilungen der Autiquariſchen Geſell—
ſchaft in Zürich, Bd. VIII.) Zürich 188118568.
.Etkeharts IV, Casus Saneti Galli, überſetzt von G. Meyer v. Knonan Geſchicht—
ſchreiber der deutſchen Vorzeit). Leipzig 1878.
. Zcerleder, Urkunden für die Geſchichte der Stadt Bern und ihres frübeften Gebietes.
3 Bde. Bern 1899-1851.
Fontes Rerum Bernensium. Berns Geichichtsquellen. Bd. I. — ITI. Bern 1877 — 1882.
. Grimm, Weisthümer. 5 Thle. Göttingen 18401866,
Tas habsburg öftreihiihe Urbarbuch, berausgeg. v. F. Pfeiffer (Bibliothet des
Piterar. Vereins in Stuttgart XIX. Ztuttgart 180.
Aegidii Tschudii Chronicon Helvetienm, herausgeg. von J. N. Melin. 2 Bde.
Baſel 1734 175.
.Wartmann, die königlichen Freibriefe für Uri, Schwyz und Unterwalden von 1231
bis 1316 im Archiv für Schweizeriſche Geſchichte, herausgeg. anf Veran
ſtaltung der allgemeinen geſchichtforſchenden Geſellſchaft der Schweiz, Bd. XIII.
Zürich 1802.
Meyer, Geſchichte des Schweizeriſchen Bundesrechtes. 2 Bde. Winterthur 1876—1878.
Amtliche Sammlung der ältern Eidgenöſſiſchen Abſchiede, herausgeg.
auf Auordnung der Bundesbehörden, bearbeitet von G. Meyer von Knonan, A. Ph.
Segeſſer, D. U. Fechter, J. K. Krütli, J. A. Pupilofer, J. Kaiſer, J. Etridler,
J. Vogel, K. Deſchwanden, M. Kothing, J. B. Külin. 8 Bde. 1856— 1882
Joannis Vitodurani Chronicon. Die Chronik des Minoriten Johannes von Winter—
thur, herausgegeben durch G. v. Wyß im Archiv für ſchweiz. Geſchichte Bd. XI
Zürich 1855.
Die Chronik Fohannun's von Winterthur, ins Deutſche überſetzt von B. Freuler,
heransgeg. vom Convent der Bürgerbibliothek von Winterthur. 1866.
Die Berner-CEhronik des Conrad FJuſtinger. Nebſt vier Beilagen, herausgeg.
von Dr. G. Stnder. Bern 1871.
Malleoli, Felicis, vnlgoe hemmerlin. De Nobilitate et Rustieitate Dialogus.
Ejnsdem de Switensimn ortu, nomine, confederatione. 151 Bl. kl. fol Ohne
Tradert und Datum.)
4.
563
. Saxonis Grammatici Historiae Danicae libri XVI, Stephanus Johannis Ste-
phanius rec. Sorae 1644 {nicht 1610, wie irrtümlich Seite 62 fteht).
. d. Lilieneron, die bifterifchen Volkslieder der Dentfchen vom 13. bis 16. Jahrhnudert.
4 Bde. Leipzig 1865-69,
2. Tobler, Schweizerische Volkstieder (Bibliothek älterer Schriftwerfe der deutſcheu Schweiz,
heranusgeg. von Bächtold ımd Better, Bd. IV. und V.). Fraueufeld 1882—1894.
. Die Chronik im weiſſen Buche zu Sarnen, veröffentlicht durch Staatsarchivar
Meyer v. Knonan, im Geſchichtsfreund, Mittheilungen des hiſt. Vereins der
fünf Orte Bd. XIII. Einfiedeln 1857.
24. Die beiden älteſten deutſchen Jahrbücher der Stadt Zürich, beransgeg. von
L. Ettmüller, in den Mittheilungen der autiquar, Geſellſchaft in Zürich, Bo. II.
Zürich 1844.
. Helvetifche Bibiiothef, beftchend im hiſtoriſchen, politifchen und critiſchen Bey—
trägen zu den Geſchichten des Schweitzerlandes. 6 Stücke. Zürich 1735—1741.
. Heinricus de Diessenhofen in den Fontes Rerum Germanicarum, Geſchichtsquellen
Dentichlands, herausgeg. von J. F. Böhmer, Br. IV. Stuttgart 1808.
. Gehrig, Die Wintelried-Frage (Beilage zum Nahresbericht über das Gymmaſium
Burgdorf 1882/85). Burgdorf 1883.
28. G. v. Wyß, Über eine Zürcherchronik aus dem 15. Jahrhundert und ihren Schlacht:
bericht von Sempach. Zürich 1802,
. Urkundenfammlung zur Gefchichte des Kantons Glarus, herausgeg. von Dr,
J. Blumer. Bd. 1 und 2, Glarus (ohne Datum),
. Die Hlingenberger Ehronif, wach der von Tichudi befeffenen und vier andern
Handichriften, heransgeg. von Dr. Henne von Sargans. Gotha 1861,
. Die Chronik des Hans Fründ, beransgeg. von Ch. X. Kimd. Chur 1875.
. Anzeiger für jchmweizeriiche Gefchichte. Neue Folge. Bd. I. Bern 1870-1873,
. Gerold Edlibachs Chromil, fopirt von Koh. Martin Uſteri, auf Beranjtaltung
der antiquar. Geſellſchaft in Zürich dem Druck übergeben. Zürich 1847,
. Die Schladt bei St. Jakob in den Berichten der Zeitgenoffen. Säcnlarſchrift
der hiſtor. Gefellichaft zu Balel. Bafel 1844.
Viſcher, Geichichte der Univerfität Bafel von der Gründung 1460 bis zur Reformation
1529. Bajel 1860,
Die Urkunden der Belagerung und Schladht von Murten, im Auftrage des
Feſtcomites auf die vierte Säcularfeier gefammelt von G. F. Udfenbein. Frei—
burg 1876.
. Fragment historique de la Chronique des Chanoines de Nenchätel im
Schmweizerifhen Geſchichtsforſcher, Bd. VIII. Bern 1831.
. Etterlin, Kronica von der loblihen Eydtgnoſchaft, ihr harkomen nnd ſuſt feltzam
ſtrittenn und gefchichten. Bafel 1507,
. Depöches des ambassadeurs Milanais sur les campagnes de Charles-Le-
Hardi. Publ. par F. de Gingins La Sarra. 2 tom. Paris-Genöve 1858.
. Diebold Schillings Beichreibung der Burgundiſchen Kriegen. Bern 1743,
. Füßli, Joh. Waldmann Ritter, Burgermeifter der Stadt Zürich. Zürich 1780,
42. ‘Helvetia, Dentwirdigleiten für die XXII Freiſtaaten der ſchweiz. Eidgenofienfchaft,
beransgeg. von J. A. Baltbafar. 5 Bor. Zürich u. Aarau 1823— 1830.
3. Diebold Schillings des Lncerners Schweizer-Chronit. Lucern 1802.
. Beichreibung des Waldnanniihen Auflauf von einem Beitgenoffen, mitgetheilt
von M. v. Etürler, im Archiv für ſchweiz. Sefchichte. Bd. IX. Zürich 1859.
Codex Diplomatieus. Sammlung der Urkunden zur Geſchichte Cur Nätiens uud
564
der Republik Branbiinden, bevansgeg. von Th. n. K. von Moor. 4 Bde. Eur
15481864.
;. Urkunden zur Berfaſſungsgeſchichte Graubündens, heransgeg. von C. Yedlin (als
Fortfegung zu Moors Codex Diplomaticus V. Bd.), 1. u. 2. Heft. Chur 1883/1884.
. Balerius Anshelm's, genannt Rüd, Berner Chronik, beransgeg. von Etierlin
und Wyß. 6 Bor. Bern 1825—1833.
Die Berner-Chronik des Balerius Anshelm, herausgeg. vom bift. Verein des
Kantons Bern. Bd. I. Bern 1884,
. Historia belli Suitensis sive Helvetiei, auet. Bilibaldo Pirckeimero im The-
saurus Historiae Helveticae. Tiguri 1735.
. Der Schwabentiieg vom Jahr 1499, befungen duch Nikolaus Schradin,
Schreiber zu Fucern, im Geſchichtsfreund, Bd. IV, Einfiedeln 1847,
. Meyer, die Schlacht bei Fraſtenz, im Archiv für Schweiz. Gefchichte Bd. XIV.
Zürich 1864.
52. Acta des Tyroler-Kriegs, in der Rätia, Mittheilungen der geichichtforfchenden
Geſellſchaft von Granbiinden, herausgeg. von C. v. Moor und Chr. Kind. Jahr—
gang IV. Chir 1869.
.Glutz-Blotzheim, Geſch. der Eidgenoffen vom Tode des Birgermeifters Waldmann
bis zum ewigen Frieden mit Frankreich (IJ. v. Milllers Gefchichten Schweiz. Eid-
genofienfchaft 5. Theil 2. Abth.) Züri 1816.
. Hottinger, Huldreih Zwingli und feine Zeit. Zürich 1842.
5. Pauli Jovii Novocomensis Episcopi Nucerini historiarum sui temporis tomi 2.
Basileae 1567.
;. Guicciardini, la Historia d'Italia. Vinegia 1568.
. Joannis Trithemij Spanheimiensis Annalium Hirsaugiensium tomi II. Typis
monast. S. Galli 1690 (nicht ed. Struve, wie ©. 282 irrtümlich ftebt).
58, Soliloquium Wimphelingii pro pace Christianorum et pro Helvetis nt
resipiscant. (Zürich. Orell 1754).
59. Turmair's, Jobs., gen. Aventinus, fämmtliche Werte, herausgeg. von der t.
Alad. der Wiffenichaften. Bd. I. Minden 1880,
Macchiavelli, Il Principe e Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio. Fi-
renze 1857.
1. Opere di Niecolö Macchiarvelli, cittadino e segretario Fiorentino. 8 tomi.
1796 — 1799.
. Huldreih Zwingli's Werke, Erfte vollftändige Ausgabe durh M. Schnler.
und Joh. Schnltheß. 8 Bde. Zürich 1828—1842, nebſt Supplement, daſ. 1861.
. Niflaus Manuel, heransgeg. von Dr. J. Bächtold (Bibliothek älterer Schrift-
werfe der deutichen Schweiz, Bd. II) Frauenfeld 1878.
. Johann Keßlers Sabbata. Chronik der Jahre 1523—1539, berausgeg. von Dr.
E. Gößinger. 2 Teile. (Mittheihuingen zur vaterländ. Gefchichte, herausgeg. vom
bift. Verein in St. Gallen, V—AX.) St. Ballen 1866— 1868,
>. Egli, Altenfammlung zur Gefchichte der Zürcher Neformation in den Jahren 1519
bis 1533, Birich 1879.
. Bullingers Neformationsgefchichte, herausgeg. von Hottinger und Vögeli. 3 Be.
Franenfeld 1838— 1840,
7. Ruchat, Histoire de la Reformation de la Suisse depuis l’an 1516. 6 tomer
Geneve 1727—1728,
. Gilg Tſchndi, der Cappeler-strieg 1531, in Balthafars Helvetia, Bd. IT. Aarau 1826.
.Johann Salat, Chronik der ſchweizeriſchen Reformation, im Archiv für die ſchweize—
91.
92.
565
riſche Reformationsgeſchichte, herausgeg. auf Verauſtaltung Des ſchweizeriſchen Pins:
vereius, Bd. I. Solothurn 1868.
70. Bonivard, les Chroniques de Genöve. 2 tomes. Genöve 1831.
Roget, Histoire du Peuple de Gen&ve depuis la Röforme jusq’ü l’Escalade.
7 tomes. Genöve 1870—1883,
Corpus Reformatorum. Joannis Calvini opera quai supersunt, omuia
ed. Guil. Baum, Ed, Cunitz, Ed. Reuss. vol. I-XXVIIIL Brunsvigae
1863 bis 1885.
. Epistolae Tigurinae 1531—1558, Parkerianae Societatis auspieiis editae.
Cantabrigiae 1848.
Des Nitters Fort. Sprecher von Bernegg Geichichte der bündnerifchen Kriege
und Unruhen, nach dem Latein. bearbeitet von F. v. Mohr. 2 Theile. Chur 1856
bis 1857.
75. Briefe dentwirdiger Schweizer, herausgeg. vom bift. Verein der V Orte. Yuzern 1875.
. Mörikofer, Geſchichte der enangeliichen Flüchtlinge in der Schweiz. Yeipzig 1876,
Ernit, Das Verhältniß zwiſchen der zürcherischen Kirche und Schule im 18. Fahr:
hundert. Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung 1883, Nr. 294 fi.
Morell, Die helvetiſche Geſellſchaft. Winterthur 1863.
Schweizeriihes Mufeum. Jahrgang 1816. 6 Hefte. Aarau, Sauerländer.
. Bemerkungen über die Regierung der Grafihaft Kyburg von Job, K. Eicher, Land—
pogt von Kyburg von 17171723, mitgetheilt durch Friedr. Wyß im Archiv fiir
Schweiz. Geſch. Bd. IV. Zürich 1846.
. Olivier, Etudes d’Histoire Nationale: Major Davel, Voltaire à Lausanne , la
Revolution Helvötique. Lausanne 1842.
Sammlung der Bürgerl. und Policey-Gejeze Yobl. Stadt und Yandihaft Zürich.
5 Bde. Zürich 1757—1779.
. Hottinger, Beiträge zur Gefchichte des letzten Deceuniums der alten Eidgenofienichaft,
im Archiv für Schweiz. Gefchichte Bd. 1. Zürich 1843.
Yeben und Briefwechfel von Albrecht Rengger, herausgeg. v. F. Wydler. 2 Bde.
Züri 1847.
. Hottinger, Borlefungen über die Geſchichte des Untergangs der ſchweizeriſchen Eid-
genoffenichaft der dreizehn Orte. Zürich 154.
. Eorrefpondenz des Generals Brune. Actenftüde zur Geichichte der franzöftichen An:
vafion im die Schweiz im Jahr 1798 aus dem Nachlaß des Generals Brime, mit-
getheilt von M. v. Stürler, im Archiv für Schweiz. Geichichte Bd. XII, XIV
und XVI. Zilrih 1858— 1868.
v. Erlad), Zur berniichen Kriegsgeichichte des Jahres 1798. Sammlung meift ungedr,
Altenftüde. Bern 1881.
. Boffelt, Europäiiche Annalen. Jahrgang 170%. Tübingen 1798,
. Entwurf der neuen belvetijchen Staatsverfaſſung, aus Auftrag der Zürcheriſchen
Gantons-Berfammlung gedrudt. Zürich, April 1798,
90. Tageblatt der Gelege und Defrete der geſetzgebenden Räthe der helvetiſchen
Republit. 6 Bde. Bern, Nationalbuchdrideren 1800,
Der fchmeizeriihe Republikaner, herausgeg. von Eſcher und Uſteri. 3 Bde.
Zürich, Fuzern, Bern 1798— 1799,
Bulletin officiel du Directoire Helvetique et des autorites du Canton du
Leman, tome III. ı Aoüt 1798—31, Oet. 1798. Der erfte Band (1. Febr. bis
28. April 1798) erichten fucceffive unter den Titeln: Peuple Vaudois, Bulletin
oftieiel (Nr. 1—11), Bulletin ofliciel (Nr. 12—26), Courier de tons les jours
et Bulletin oflieiel (Nr. 27—74); der zweite (1. Mai—31. Juli) als: Journal
566
.
Is,
90.
im,
101,
12,
108.
104,
1m.
196,
107.
108.
109,
110,
111.
112.
du Corps Legislatif et Bulletin oficiel (Nr. 1—60), Journal du Corps Le-
gislatif et Bulletin ofhieiel du Canton du Leman (Nr. 61-62), Journal du
Corps Legislatif et Bulletin oflieiel des autorites du Canton dn Leman
Nr. 63—75), Bulletin ofliciel du Directoire Helvötique et des antorites du
Leman (Nr. 76— 78).
Zſcholke, Hiſtoriſche Denfwürdigfeiten der helvetiihen Staatsummwälzung. 3 Bde.
Winterthur 1803— 1805.
Hilty, Öffentliche Vorlefungen über die Helvetit. Bern 1878,
David Heh, Job. Caſpar Schweizer, eingeleitet und beransgeg. von J. Bächtold.
Berlin 1884,
. Monnard, Seichichte der Eidgenofien während des 18, und der erften Decennien
des 19, Jahrhunderts (J. v. Müllers ꝛc. Gefchichten ſchweizeriſcher Eidgenoflenfchaft.
Bd. XI—-XV) 5 Theile. Zürich 1847—1853.
. vd. Murolt, Hans von Reinhard, Birgermeifter des eidgen. Standes Zürich und
Fandammanı der Schweiz. Zürich 1839,
Nepertorium der Abfchiede der eidgen. Tagfagungen vom Fahre 1803 bis
Ende des Jahres 1813, mit einem Bande Urkunden. Bern 1842-1843.
Dfficielle Sammlung der von dem grofien Rath des Cantons Zürich gegebenen
Geſetze. BP. I Zürich 1804.
Amtlihe Sammlung der neuern Eidgen. Abichiede, herausgeg. auf An-
ordnung der Bundesbehörden: Repertorium der Abichiede der eidgen. Tagfazungen
aus den Jahren 1814 bis 1848, bearbeitet von W. Fetſcherin. 2Bde. Bern 1874— 1876.
Dändliker, Der Uftertag und die politifche Bewegung der Dreißiger Jahre im
Kanton Zürih. Zürich 181.
Protokoll der erften Konferenz des katholiſchen Sonderbundes, abgehalten den
13. und 14. Herbitmonat 1843 im Bade Nothen bei Luzern, heransgegeben von
8. Herzog. Bern 1846,
Dffizielle Zammlung der das fchmeiz. Staatsrecht betreffenden Aftenftüde,
Bd. III, enthaltend den Zeitraum vom Yahr 1837 bis Ende des Jahres 1848. 1849.
Neue Zürcher Zeitung, Jahrgang 1847 und 1848.
Seneral G. 9. Durfonr, Der Zonderbunds-Krieg und die Ereigniſſe von 1896, ein-
geleitet durch eine biogr. Skizze, herausgeg. von E. Sayous. 3. Aufl. Bafel 1882,
Bericht über den Entwurf einer Yundesverfaffung vom 8. April 1848, erftattet
von der am 16. Auquft 1847 von der Tagfatung ernannten Revifionstommiffion
(Dr. Kern und 9. Driep).
SHottinger, Neuenburg in feinen Nechtsverbältuiffen zur Schweiz und zu Preußen,
im Archiv fir Schweiz. Geſchichte. Bd. IX. Zürich 1853,
v. Poſchinger, Breußen im Bundestag 1851 bis 1859. Documente der 8. Preuß.
Bundestags-Gefandtichaft. 4 Theile. Leipzig 1882--1884.
Amtlihe Sammlung der Bundesgefeze und Berordnungen der ſchweiz. Eid—
genoffenihaft. Bd. V. Bern 1897. Neue Folge Bd. I-VII. Bern 1875—8.
Bundesgefez vom 31. Jannar 1874 betreffend die Revifion der Bundesverfaflung
vom 12. Sept. 1848,
Sammlung von die Schweiz betrefienden Broflamationen und Bublifationen
aus den Jahren 1755—1847 in der Stadtbibliothek Winterthur.
Briefmechiel von Jonas Furrer mit feiner Fran, umgedendt (im Befit von Hrn.
Oberſtlientenant Meyer-Furrer in Winterthur).
2
—— 7
—5
—
—
Anhaltsverzeichnis.
Erſter Teil. Vorgeſhichte
Menat Jahr
Die Pfahlbauten im See Prasias in Makedonien. |
Herodot, übericht von Yange
Der Sieg der Tigoriner bei Agen.
a. Nah Yivins Epitomä
b. Nach Drofius,
Cäsar und die Helvetier. Cäſar, überfeßt von Köchly
Der Aufstand der Helvetier gegen Vitellins. Ta—
citns, überfeßt von Gutmann s . ö
.* Columban und Gallus. Yeben des bi. Gallus,
überſetzt von Botthaft R
Der Stiftungsbrief der Fraumäusterabtei Zürich,
überfegt von G. v. Wyß
Künig Konrad I. in St. Gallen. PER IV.
überfegt von Meyer v. Knonau
Notker, Ratbert und Tuotilo
. Ekkehart II. bei der Herzogin Hadawig auf dem |
Hohentwiel. Eftebhart IV., über]. v. Meyer v. Kıronan |
Die goldene Handveste der Stadt Bern .
2. Offnungen. a. Aus dem Gngelberger Hofrodel vom
Schluß des 13. Jahrhunderts
b. Anderer Engelberger Hofrodel Mitte des
14. Jahrhunderts
ec. Aus der Offnung von Baflerftorf
. Aus dem babsburaiichen Urbarbuc.
a. Die Nechtung über den Hof zu Gerfau
b. Die Rechtung zu Hinderlappen Interlaleu
e. Das Amt zu Freiburg im üchtland
d. Das Amt des Tales Glarus
e. Das Amt Zuriee
f. Das Amt Wintertur
Il I
. |. Jahrh. v. Chr.
|
107 v. Chr.
58 v. Chr.
66 1. Chr.
s1o—hl4
21. Juli 53
Sn 911
9. Jahrh.
9737
15. April 1218
13, Jahrh.
14. Jahrh.
Um 1400
13035—1311
Zweiter Teil. Die Bildung der ſchweizeriſchen
15.
16,
Eidgenoſſenſchaft.
Der Freiheitsbrief der Urner von König Heinrich (VIEL:
Der Freiheitshbrief der Schwizer vom Kaiser Fried-
rich II.
* Ans Berfehen wurde bier die Auslaſſung eines Stücks im der Rumerirung
beachtet.
25. Mat 1231
Dezember 1240
567
47
ir
nicht
568
Nr.
18h,
17.
18.
23.
33. Das Treffen bei Tätwil.
. Schlacht am Morgarten.
Breve des Papstes Innocenz IV. gegen Schwiz,
Sarnen und Luzern .
Der ewige Bund der W aldstätte vom vs August 1901
Dreijähriges Bündnis zwiichen Züri, Urt und Schwiz
gegen Oſtreich
4%, Heinrich VII (VIID bestätigten — deu
von Kaiser Friedrich II. erhaltenen Freiheitsbrief
. Heinrich VII (VIIT) erklärt Unterwalden für reichs-
unmittelbar
. Heinrich VII (VIIE befreitjUri, Schwiz und Unfer-
walden von jeder auswärtigen Gerichtsbarkeit
Johann v. Wintertur,
überſetzt von Freuler
Der drei Waldſtätte Bund vom * Dezember 1315 >
Erſter Friede der drei Waldftätten mit Öftreich
Zur Zage von der Befreiung der Waldſtätte
a. Juſtinger ; F
b. Felix Hemmerlin ;
e. Die Sage von dem Schützen Toko.
Sarı Grammaticus .
d. Das alte Tellenlied .
e. Aus dem weißen Buch zu Sarnen
. Wie der Herzog von Öſtreich Sofoturn belagert bat.
Inſtinger
Der Luzerner Bund
.Bruniſche Umwälzung in Zürich
a. Aus den Jahrbuh Eberhard Dilnere,
b. Aus Vitodurans Chronik, überſetzt von —
. Der erfte geſchworene Brief zu Zürich.
. Der Laupener Streit.
penfis
31. Die Morduacht von Büri, "&becherd Mülner
Der Zürcher Bund ı : h
&. Aus m uiners Jahrbuch
b. Aus Diessenhofens
Chronik
4 Aus dem Glarner Bund
. Die
3, Der
31. Der !
. Das Neichsbeer vor Zürich. Mülner
39. Der Plaffenbrief .
. Die
Stadt Zug ward gewonnen, Mülner
Zuger Bund
Berner Bund
Schlacht bei Sempadh . ;
ſtreichiſche Berichte: 1. Gregor Hagen
2. Twinger v. Königshofen
Schweizeriſche Berichte:
1. Juſtinger
2. Bericht einer Zurchergronit
3. Aus Halbſuters Sempacherlied
A.
B.
Aus dem Conflictus ——
|
Menat Jahr
28. Aug. 1247
1. Aug. 1291
16. Ott. 1291
3. Juni 1309
3. Juni 1309
3. Juni 1309
15. Nov. 1315
9%. Dez. 1315
19. Juli 1318
Um 1420
Um 1450
Um 1200
Um 1474
Um 1470
1318
7. Nov. 1332
7. Juni 1336
16. Juli 1336
21. Juni 1339
23. Febr. 1350
1. Mai 1351
26. Dez. 1351
4. Juni 1352
Juni 1352
27. Juni 1352
6. März 1353
Sept. 1354
7. Ott. 1370
9. Juli 1386
Um 1395
Um 13%
Um 1420
Um 14387
Um 1476?
|
i
|
| 104
104
1
1
9
95
99
102
103
113)
06
5. Aus dem Burg- und Landrecht der Appenzeller mit Zil- |
57. Aus dem ewigen Burg- und Yandrecht des Abts ven
58. Aus dem ewigen Bündnis der Stadt St. Gallen mit
33. Aus dem Bündnis zwischen Ludwig XI., König von
569
3 I Menat Jabr Seite
Die Schlacht bei Näfels. — dem ee vom | |
2. April 1389... \ 9. April 1388 | 108
. Der Sempaderbrief . —A . 10. Juli 1393 | 110
. Glarus kauft ſich von Sedingen 8% | 17. Zuli 1395 | 112
. Der Appenzeller Krieg. Aus der fog. Klinge * rger | |
Ehronif N
a. Wie ſich die Appenzeller empörten noider den Herrn ||
von St. Gallen . . | 1401 | 114
b, Wie die fieben Städte verloren mit den Appen.
zellern (Schlacht bei Bögelinsed). . 15. Mai 1403 | 114
ec. Wie der Herzog von Oftreich wider die Appeeer
und St. Galler in den Krieg fam : 115
d. Der Herzog von Öftreih lag vor St. Ballen . 17. Juni 1405 | 116
e. Die Schlacht au dem Stoß ! ‚ 17. Juni 1405 | 116
f. Um diefe Zeit herrichten die Appenzeller gewaltig } 1407 117
rich, Luzern, Uri, Schwiz, Unterwalden, Zug und Glarus || 24. Nov. 1411 | 118
. Die Eroberung des Aargaus. Yuftinger, A Aprii/Mai 1415 | 120
. Aus dem Burg- und Landrecht von Ernen und Münfter
im Wallis mit Puzern, Uri und Unterwalden E 14. Ott. 1416 | 123
. Die Befreiung der fchwizerifchen Freiſchar im Domo
d'Oſſola. Juſtinger . Nov. 1425 | 125
. Die Flucht der Zürcher bei Bfäffiton, Fr ind ; . 14.5. Nov, 1440 | 126
. Die Erftürmung der Schanze am Hirzel Friünd j 24. Diat 1443 | 129
22. Juli 1443 | 131
1443 134
27. Mai 1444 | 137
Juni / Aug. 1444 | 139
26. Aug. 1444
. Die Schlacht bei St. Jalob an der Sihl. Klingenberg
. Alenbofers Schmadlied auf die Eidgenoffen s
53. Zwei Schreiben über die Kapitulation der Feſte Greifenfee
. Belagerung von Zürich. Gerold Edlibad ;
. Die Schladht bei St. Jalob au der Birs
A. Schweizeriiche Berichte:
1. Die Chorherren von Neuenburg . 1 142
2. Hans Sperrer der Brüglinger . . . 143
B. Ausländifche Berichte:
1. Brief des Aeneas Sylvius, an Joh. Gers,
überfegt von Reber . . ; — 145
2. Jean Chartier . j - 2 ii 147
3. Matthien de Couey . : n } . | 148
;. Ein Gefecht auf dem Zürichſee. Fründ . | 29, Mai 1445 | 149
St. Gallen mit Zürich, Luzern, Schwiz und Glarus . | 17, Aug. 1451 | 10
den fehs Orten . . | 13. Juni 1454 | 152
. Papst Pius II. stiftet die Universität Basel. über-
jegung von Bilder + 12. Nov. 1459 | 154
. Ein Pied von der Eroberung des Thurgaus | Sept. 1460 | 155
1. Ein Fied vom Sundgaurug , 0» | Juni 1468 | 167
159
. Aus der ewigen Richtung mit Öftreic) an ri | 11. Jumi 1474
570
70, Die Bente von Grandſon.
%, Schlacht bei Fussach und Haard.
. Das Treffen beim Bruderhots,
2, Die
Fraukreich, und den VIII Orten nebst Freiburg
und Soloturn
. Erläuterung des Sc hultheissen und Rates der Stadt
Bern über die im französischen Bund vom 26. Okt.
1474 enthaltenen Hilfsverpflichtungen
>. Beit Webers Yied zur ewigen Richtung
Veit Webers Yied über den Ztreit bei Hericonrt
Karl der Kühne. Georges Chaftellain
Karl der Kühne vor Grandson. Chronit der Cbor-
berren von Neuenburg
9. Die Schlaht von Graudſon
a. Aus Petermann Etterlins Rronica“
b. Brief Panigarola'san den Herzog von Mailand
Aus Diebold Zchillings
Burgundiſchen Kriegen
. Zwei Briefe Hans Waldmauns
a. Hans Waldmann an Gerold Edlibach
b. Waldmann an Bürgermeiſter und Nat der
Züri
Die Berteidigung Diurte 1$ durch Adrian von Bubenberg.
Schilling
Die Schlacht von Murien. Diebold Schillung
Ein Lied von der Schlacht zu Nancy
Stadt
5. Aus einem Schreiben Adrians von Bubenberg
Hans Biols Yied von der Schlacht bei Giornico
Hans Waldheims Beſuch bei Bruder Klaus
Die Tagfagung zu Stans. Diebold Schillings
Luzernerchronik
. Die Stanſer Berlommnis
. Aus dem Bunde mit Freiburg und ofotucn
. Das zürdheriihe Zittenmandat vom November 1488
Sturz Hans Waldmanns. Bermerbericht
Stiftung des Gottesbausbundes
. Stiftung des obern oder grauen Bundes
Stiftung des Jehngerichtenbundes
. Aus dem Bund der VII Orte mit dem obern graue n Bund
. Bund der VII Orte mit der
Stadt Chur und den
Gottesbauslenten in Churwalen
Gefecht bei Triefen. Anshelms Berner Chronit
Pirkheimers
Hist. belli Suitensis .
. Schweizerische Mannszucht im Schwabenkrieg.
Pirfbeimer 3 i j i j
Schradius Neimchromit
Schlacht im Schwaderloch. Anshehm
93. Die Schlacht bei Fraſtenz. Anshehm
94. Aus der Mahnung König Maximiliaus zum Reichstrieg
gegen die Eidgenoſſen. Anshehm
95. Die Schlacht an der alven, Acta des Eurofer- Kriegs
N Menat Jahr
I}
| 26. Oft. 1474
6. April 1475
" Juni 1474
Februar 1476
13. Nov. 1474 |
| 2. März 1406 |
| 16. Mai 1476
17. Juni 1476
9.22. Juni 1476
22. Juni 1476
5. Ranuar 1477
‚24. Auguft 1477
| 28. Dez. 1478
| 1474
22. Dez. 1481
Dez. 1481
Dez. 1481
Nov. 1488
April 148%
24. Jan. 1367
14. Febr.
| 8. Juni 1436
21.
2.
22.
3. Dez. 1408
pen
IS
. ehr. 14
. April 1499
. April 14406
. April 1499
22, Mai 1499
1395 |:
Juni 1497 | i
Febr. 140 |
. März 1499 |
Erite
161
113.
Dritter Teil.
114.
115.
116,
117.
118.
-119.
;, Kriegselend im Tirol.
7. Schlacht bei Dorned .
7. Die Belagerung von Novara.
. Der Appenzeller Bund
Pirtheimer
a. Pirkheimer .
b. Schreiben der Berner Hauptleute
98, Der Friede von Baſel
99, Aus dem Basler Bunde P
100. Aus einem Lied iiber der Basler Bund
101. Der Schaffhaufer Bund 2
102, Frankreich tritt Bellinzona au die W aldstätte *
103. Badener Verkommnis über Penſionen und Reislaufen
104. Zwingli an Vadian über den Pavier Zug.
Überſetzt von Hottinger j
105. Papst Julius II. verleiht deu Schweizern den Titel
„Verteidiger der Freiheit der Kirche“
. Eine ſchweizeriſche Tagſatzung zur * der Wadthohi
der Eidgenoſſenſchaft.
I. Baden. 11. Auguſt 1512 . : 1 .
II. Baden. 6. September 1512 . i j A
Jovius
Die Schlacht bei Novara. Jovius u. Guicciardini
Die Schlacht bei Marignano. Guicctardiui
. Der ewige Friede mit Frankreich
2, Aus der Bereinung zwiſchen König Frauz 1 von Frant.
reich und den zwölf Orten (ohne Zürich) nebſt ihren
Zugewandten
Ausländiſche Urteile über bie
XVI. Jahrhunderts
-a. Tritbemius in den Hirschaner ——
b. Wimphelings Gebet um den Frieden der
Christen und für die Helvetier, dass sie sich
bekehren
ec. Pirkheimer über
Schweizer ?
.d. Aventin über die Schweizer
Macchiavelli
f. Guieciardini
weizer des XV, und
Schweiz
die Kriegskunst der
©
Die Zeit der Glanbensfpaltung.
Beatus Rhenanus an Zwingli
Zwingli an Mykonius
Zwingli an Bertold Haller in Bern
Aus Niklaus Mannels Faftnachtipiel von Han
und Ehrifti Gegeuſatz i
Yutber und die Schmweizerfiudenten in Jena, Ans Rep.
lers Zabbata
Aus Zwinglis göttlicher Vermahuuug au die Sqwizer,
daß ſie ſich vor fremden Herren hüten und entladen
| Monat Yabr
22, Juli 1499
22. Scpt. 1499
| 9. Juni 1501
1501
| 10. Auguft 1501
11, April 1503
21. Juli 1503
|
I
|
|
4. Ott. 1512
5. Juli 1512
| Aug. Sept. 1512|
uni 1513
6. Juni 1513
| 17. Dez. 1513
13. Sept. 1515
29. Nov. 1516
\ 5. Mai 1521
| 6. Dez. 1518
"24. Juli 1520
20. Dez. 1521
261
| 263
266
270
275
275
278
280
282
. Bon Hulbreichen Zuoingli
. Oekolompad an —— während der Dispu-
. Die 67 Theſen Zwinglis zur Difputation in Zürich
. Urteil des Zürcheriſchen Rates nach gehaltener Diiputation
. Obwalden au Züri auf deſſen Einladung zu der Dir
fpntation über Bilder und Meſſe .
Stiftung des Zonderbundes der V Orte
. Aufhebung der Leibeigenſchaft im Kanton Zürich }
. Bon M. Ulrich Zwinglis vielfältiger Müh und Arbeit.
Bullinger ; —
Keßlers Sabbata
tation zu Baden
. Atihultbeiß Hans H ug an Schultheiß und Rat zu
Yuzern über die Difputation zu Baden
. Ein Katholik über die Disputation in Bern .
. Aus einem Brief Thomas Murners in Luzern
- Die Kappeler Milchſuppe.
. Aus dem erften Kappelerfrieben . i
. Aus dem Religionsgespräch zu Marburg. Aus
Juni 1520, BIN:
‚ Collins Bericht
- Die Schlacht bei Kappel.
. Die Rettimg des zürderiihen Panners bei Kappel.
. Luther über das Marburger Gespräch *
. Zwingli über die Proviantiperre.
. Aus Zminglis Plan eier der *
Bulliunger
noſſenſchaft
8 ul ti inger
Gilg Tihudis Kappelerkrieg .
. Zwinglis Tod. Aus Salats Chronif
. Aus dem zweiten Yandfrieden
. Der Tod Philipp Bertheliers.
Aus Bonivards
Chroniques de Geneve
. Aus dem fünfundzwanzigjährigen Surgrt Berns und
reiburgs mit Genf .
. Aus dem Frieden von St. Julien
. Die Bürgergemeinde von Genf nimmt die Refor-
mation an und führt den Schulzwang ein
‚. Calvin an Farel über seine Zurückberufung
nach Genf
. Farel an Calvin über Servet
. Der Berner Stadtschreiber Zurkinden« an Calvi in
. Johanna Gray an Bullinger .
. Aus dem — zu Lauſanne m ——
und Bern .
. Aus dem Vortrag einer Geſandiſchafi der vier evan⸗
geliſchen Städte in den katholiſchen Orten
. Der Goldene oder” Borromäiſche Bund — den
VII tatholiſchen Orten
) Menat Iabr cite
Januar 1523 | 306
' 29. jan. 1523 ı 311
) |
25. Dt. 1523 | 312
8. April 1524 | 313
| 18. Mai 1525 | 315
| 316
152331 319
li i
| Mai 1526 | 320
. | 3. Juni 1526 | 321
Januar 1528 | 322
| 27. Febr. 1524 | 325
Juni 1529 | 326
\ 26. Juni 1524 | 327
ı
| 2. Ott. 1520 | 328
329
| Pfingften 1531 | 330
Juni 1581 | 330
11. Ott. 1531 | 333
| 11. Ott. 1531 | 386
| 11. Ott. 1531 | 338
| 20. Nov. 1531 | 339
123. Auquft 1519 | 341
\ 8. Febr. 1526 | 3483
. 19. Ott. 1530 | 34
31. Mai 1536 | 3H
21. Ott. 1540 | 345
| 8. Sept. 1553 | 346
| 10. Febr. 1554 | 347
Juni 1553 349
| 30. Dt. 1564 | 351
Nov. 15855 358
5. Olt. 1586 | 356
* Wurde aus Berfehen in Fraktur gedrudt ftatt in Antiqua,
159.
160.
161.
162.
163.
164,
165.
166,
167.
168,
169,
170,
. Aus Brune's Korrespondenz
14, Bern am 4. und 5. März 1798.
. Aus dem Bündnis der VI latholiſchen Orte Luzern,
Uri, Schwiz, Unterwalden, Zug und Freiburg mit Kö—
nig Philipp IF. von Spanien
Teilung des Yandes Apvenzell in Inner- und Außer-Roden
Tod des Obersten Jenatsch. Aus Sprechers Ge-
fhichte der bündneriſchen Unruhen, bearb. von €.
von Mohr
. Der die Exemtion der Eidgenossense haft v vom Reiche
betreffende Artikel VI des “ep Friedens
>. Der Huttwilerbund vom 14. Mai 165: 2
. Aus der Neformation über die — Vogteien der
Eidgenofſenſchaft von 1654
. Zum erften Vilmerger Krieg:
a. Schwiz an Soloturn
b. Alfons von Sonnenberg meldet den Sieg der
Luzeruer bei Vilmergen
Aus der Abſchiedsrede des unguifhen Bruns 2
pban Sellyei an Züri i
Inhalt der Formula Consensus 3
Bittihrift eines zürcherifchen Shut aus den
Jahr 1700
Aus dem berniſchen Prachtgeſeb von 1703
Zum zweiten Bilmerger Krieg
a. Papst Clemens XI. an Luzern
b. Derselbe an den Kaiser . ; -
c. Luzern an den Papst nach der Schlacht von
Vilmergen . :
Aus dem Yarauerfricden Mwiſchen Züri, und "Bern
und den V Orten”
Der geheime Bund der tatholiſchen Orte mit Sant.
reich, genannt der Trüdlibund ’
Landvogt Eihers Bemerkungen über die Reierung
der Grafihaft Kyburg :
Das Manifeft Davels an Bern 2
Aus dem zürcheriſchen Sittenmandat vom 10. März 1755
Yandammann und Rat von Uri an Bürgermeifter und
Rat von Zürich .
Eicher (von der — an Wengger her die Stäfner
Unruhen :
Ste
Bierter Teil, Die Schweiz feit 1798.
1. Peter Ochs an Bonaparte
12, Der Minifter der fränfifchen Nepublit an die wadern
Bewohner der Schweiz und befonders an die Berner .
Nach zircheriichen
Geſandtſchaftsberichten
573
| Monat Jahr | Seite
| |
| |
| 12. Mai 1587 | 358
8. Zept. 1597 | 360
|
| 24. Jan. 1639 | 368
|
ı 24. Ott. 1648 364
14. Mai 1653 | 365
16654 | 388
27. Sept. 1655 | 369
24. Jan. 1656 | 370
Herbft 1677 | 371
30. März 1675 | 372
1700 373
| 1708 ' 374
| 1712 |
ı 15. Juli 1712 | 375
. |) 17. Juli 1712 | 376
13. Ang. 1712 | 977
K 18. Juli.
9110. Aug, 12
\ 9. Mai 1715 | 382
!
117-1723 | 384
31. März 1723 | 387
| 389
|
|
16. Ott. 17%
3. Sept. 17%
10. März 1755
| 397
|
Febr. 1798 | 399
Febr. 1798 | 400
|
|
' 12. Dez. 1797
| 4./5. März 1798 | 408
. Der Staatsftreih vom 7.
. Bonaparte kündigt der Schweiz feine Bermittlung an
., Schanenburg an das französische Direktorium
über die Kämpfe bei Fraubrunnen und im Grauholz
Aus Brune's Korrespondenz. Fortsetzung
. Der franzöfiihe Negierungstommiflfär Yecarlier legt
der Schweiz eine Kriegsſteuer von 15 Millionen auf .
. Der franzöfiihe Regierungstommilär befiehlt die unver:
änderte Annahme der beivetiihen Konſtitution
Die belvetifche Staatsverfaflung .
Verkündigung der helvetiſchen Republik
.Beſtimmung der Farben der helvetiichen Kokarde
2. Beichluß der Glarner Yandsgemeinde, die helvetiſche Ber-
ſaſſung nicht anzunehmen
. Die geſetzgebenden Räthe der einen und — —
helvetiſchen Republik au die noch nicht mit ihnen ver—
einten Kantone ; .
Der fräntiice Obergeneral an die Kantone, die der
beivetiichen Mehrheit noch nicht beigetreten find .
5. Abſchaffung des Prädifates Herr
5. Gefeg über die Amtslleidung der gefetsgebenden Näthe
und des Direftoriums
7. Vorläufige Aufhebung aller Berfonal- Feodal Rechte
Zequefter auf Klöfter, Stifte und Abteyen .
, Unbedingte Handlungsfreybeit zwiichen allen Kantonen
. Geie über das heivetiiche Staatsficgel
. Abihaffung der Tortur
2. Eine Publitation des zürcheriſchen Regie rungsftatthalters
3. Das Bollziebungsdirelterium au Rapinat
. Rapinats Antwort auf diefe und ähnliche Zufehriften
des helvetiſchen Pireftoriums
5. Aus den Beratungen des helvetiſchen Großen Rates .
. Napinat befichlt den Austritt Bay's und Pinfiers
aus dem belvetiichen Direktorium
7. Aus der Sitzung des Großen Rates der "helwetifchen
Republik am 17. Juni 1798
. Broflamation Rapinats vom 18. Inni 1798 ;
9. Ans dem Offenfiv- und Defenfiv-Bindnis zwischen der
franzöfifcben und helvetiſchen Republik
. Sehauenburg an General Jordi über die Ein.
nahme von Nidwalden
. Der Regierungstommiflär Z3ſchohle au Rengger r, den
Minifter der innern Angelegenheiten
. Botrichaft des helvetiihen Direltoriums an den Großen
Rat in Betreff des Erziehungsweiens
Die Einfetung eines helvetiichen Nationaffeftes .
. Die Schlacht bei Zürich David Heß
. Der französische Gesandte Pichon an seine Re-
gierung über das Kriegselend der Schweiz
T. Jannar 1800
| Monat Jahr
. März 1791
| März 1798
|
I @eite
407
407
"8 April 1708 | 413
| 28. März 1798 | 416
! | 417
| 12, April 1798 | 426
| 14. April 1798 | 427
| 15. April 1798 | 427
| 19. Aprit 1798 | 428
127, April 1798 | 430
"28. April 1798 | 431
3. Mai 1798 431
4. Mai 1798 | 433
8. Mai 1798 | 493
"8. Mai 1708 | 433
| 12. Mai 1798 | 434
12. Mai 1798 | 434
1 25. Mai 1798 | 434
| 9. Mai ı708 | 435
14. Mai 1798 | 436
„23. Juni 1798 | 437
| 16. Juni 1798 | 439
|
17. Juni 1798 | 440
ı 18. Juni 1798 | 443
|
19. Auguft 1798 | 446
|
| 9 Sept. 1798 | 447
N 20. Inni 1799 | 448
' 18. Nov. 1798 | 449
7. März 1799 | 457
25.26. Sept. 1799, 459
| 20. Nov. 1799 | 408
» 7. Jan. 1800 469
30. Zept. 1802 | 470
212. Aufhebung der Vermittlungsatte in Bern
13. Proflamation der wiederbergejtellten patriziſchen Re-
215. Aus dem Barifer Frieden .
217. Auf dem Memorial von Uſter
30. Aus der Antwortsnote der Tagſatzuug
33, Aus dem Bericht dervon der Tagſatzung ernannten
34. Die Bundesperfaflung vom 12. September 1848
236. Die Eröffnung der ihweizerifchen Bundesverfammlung
237. König Friedrich Wilhelm IV. an die Nenenburger
Monat Jahr | Feite
. Anfprahbe Bonaparte's an den Ausfchuß der Bel |
vetifchen Conſulta zu St. Clond . ; . , 12. Dez 1802 | 472
. Die PVermittlungs-Alte vom 19. Februar 1809 f . 19, Febr. 1803 474
. Zwei Proflamationen der zürderiihen Regierung aus \f 3. März 1807 479
der Zeit Napoleons . . "t 15. Ott. 1810 | *
. Napoleons Dekret betreffend die Einverleibung
des Wallis ur u da J 15. Nov. 1810 | 481
|’ 22. Dez. 1813 | 482
gierung der „Stadt und Republik“ Bern
. Aus der Ertlärung des Wienertongreffes über die An—
gelegenheiten der Schweiz . :
24. Chriftm. 1813| 483
20. März 1815 | 494
a Nov. 1815 | 487
— 1815 | 487
. Nov. 1830 490
. März 1832 | 4%
. Ang. 1833 | 497
. Bundesvertrag zwiſchen den XXII Kantone n der Schweiz
. Das Ziebner Konfordat vom 17. März 182
, Die Trenieny von Bajelftadt und Bafelland
Zendichreiben des Glaubenskomite's wegen der Berufung
des Dr. Strauß an ſämmtliche ee des
Kantons Zürich ;
. Ans dem Protofoll der Yuzerner Konferenz vom 13, 14.
September 1843, in welcher der Grund zum fatboliichen
Sonderbund gelegt wurde. 13.14. Sept. 1843] 500
. Sonderbimdsafte i f ; Dez. 1845 504
3. Ausmweilung des Feſuitenordens aus der Schwii iz . | 3 Sept. 1847 | 505
Zwei Briefe Jonas Furrers über die letzten Ver:
13. ‚Febr. 1839 | 498
ws + ty
= a T
handlungen mit dem Sonderbund . 28.30. Oft. 1847. 505
225. Beichluß der Tagſatzung, die Auflöfung des Sonder-
bunds mit Waffengewalt durchzuführen j 4. Nov. 1847 | 507
Der ſonderbündiſche Kriegerat begebrt öftreichiichen In—
tervention 15. Nov. 1847 | 308
22, Nov. 1847 | 509
228. Das Gefecht bei Gislikon 23. Nov. 1847 510
. Die Kollettiv-Note der Mächte vom 30, — 1847
an die ſchweizeriſche Tagſatzung. 30, Nov. 1847 | 513
7. Dez. 1847 515
18, Jan. 1848 | 518
15. Febr. 1848 |;
. Die öftreihiiche Note vom 18. Januar 1848
Aus der Antwortsnote der Tagſatzung i a |
1
)
—
.Dufonrs Armeebeſebl vom 3. Nov. 1847 i h i
|
Reviſionskommiſſion über den Entwurf der neuen Bundes
verfaſſung
e Bu 12. Sept. 1848 | 5%
Beſchluß der Tagſatzung betreffend Annahme der neuen
Bundesverfaſſung 12. Sept. 1848 | 5326
| 8, April 1848 | 523
|
! 6. Nov. 1848 | 539
Royalisten >. April 1848 544
Monat Jabr I Seite
Nr.
238, Bismard über die Neuenburger Frage nn J26. De; 1856 wer
— 124. Aprir 1957,
239, Bertrag betr. Erledigung der Neuenburger Angelegenbeit 26, Mai 1857 | 547
24), Die Bundesverfaflung vom 29, Mai 1874 : i 29, Mai 1874 | 548
. Anertennungs- und Gemwährleiftungsurftunde der immer: | |
mwährenden Neutralität der Schweiz umd der Unab—
bängigteit ihres Gebietd . E , ; .. 20. Nov. 1815 559
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