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Full text of "Quellenbuch zur Schweizergeschichte. Für Haus und Schule"

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BOUGHT WITH THE INCOME 
FROM THE BEQUEST OF 
CHARLES SUMNER, LL.D., 


OF BOSTON, 
(Class of 1830,) 


FOR 


+ BOOKS RELATING TO 


POLITICS AND FINE ARTS.” 


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Quellenbuch 


zur 


Schweizergeſchichte. 


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Quellenbuch 


zur 


5chweizergeſchichte. 


.. — + 


Für 
Haus und Sdule 


bearbeitet von 


Dr. Wilhelm Oechsli. 





Br; 


u 
Zürich 

Druck und Berlag von Friedrich Schultheß 
1886. 


N 18 








Vorwort. 


— — — 


Um Mißverſtändniſſen vorzubeugen, ſei hier gleich eingangs 
bemerkt, daß das vorliegende Buch keinerlei Anſpruch darauf erhebt, 
wiſſenſchaftlichen Zwecken zu dienen. Es verdankt ſeine Eutſtehung 
lediglich pädagogiſchen Motiven und will in erſter Linie ein Hilfs— 
mittel für den hiſtoriſchen Unterricht, in zweiter ein belehrendes und 
anregendes Haus⸗ und Volksbuch, eine Ergänzung zu jedem Lehr— 
und Handbuch der vaterländischen Gejchichte fein. 

Die Erkenntnis, daß die Heranziehung der Quellen in hohem 
Grade zur Belebung und Fruchtbarmahung des hiftorifchen Unter- 
richte beiträgt, drängt fich jedem Lehrer von ſelbſt auf; zahlreiche 
und zum Teil vorzügliche Hilfsmittel ftehen ihm in diefer Hinficht 
für die Gejchichte der alten Welt und Deutfchlands zu Gebote. 
Wie nahe lag daher der Gedanke, die reihen Schäße, welche, mehr 
oder weniger nur dem Fachmann zugänglich, in unfern vaterländifchen 
Duellenpublifationen zerftreut find, für Schule und Haus zu ſam— 
meln, die Urkunden, auf denen die fchmeizeriiche Eidgenoſſenſchaft 
beruht, die Relationen, auf welche die hiftorifche Forſchung die heu- 
tige Darftellung ihrer Vergangenheit bafirt, wenigftens auszugsweife 
in reifen zur Kenntnis zu bringen, denen die Gelegenheit zum 
jelbftändigen Studium der Quellen fehlt! Aber auch dem Fach— 
fehrer wird eine bequeme Zujammenftellung derjenigen Quellenjtüde, 
die fih zur Verwertung für den Unterricht eignen, nicht unwill— 
fommen fein. 

Die getroffene Auswahl muß fich jelber rechtfertigen. Manches 
Stüd, das der Herausgeber jelber nur ungern in der Sammlung 
vermißt, Fonnte nicht aufgenommen werden, da der vom Verleger 
aus triftigen Gründen etwas Fnapp zugemeffene Raum jo ſchon um 
ein Bedeutendes überfchritten ift. Im ganzen wird es jchwerlich 
eine wichtige Tatjache der Schweizergefchichte geben, die nicht darin 
durch eine Urkunde, eine oder mehrere zeitgenöffiiche Schilderungen 
in Profa oder Poefie, oder durch Schriftſtücke mithandelnder Per— 
jonen illuftrirt wäre. Die Urkunden, die zum größten Zeile unferer 
unvergleihlihen „Sammlung der eidgenöſſiſchen Abſchiede“ 


ı. 


4 


entnommen find, bieten wohl in ihrer Gefamtheit eine fo volljtändige 
Überficht der bundesrechtlichen Entwidlung der Schweiz, wie fie für 
Schule und Haus auch nur wünfchbar ericheint, während die Aus: 
züge aus den Chroniken zugleih eine Art Chreftomathie unferer 
nationalen Geihichtichreibung big ins 16. Jahrhundert bilden. 

Da das Bud) zunächſt zum Borlefen in Familie und Schulen 
aller Stufen beftimmt ift, mußten jelbftverftändlich alle fremdſprachigen 
Stüde ing Deutfche übertragen werden; diefelben find im Drude 
durch Antigua als folhe gekennzeichnet. Wofern anerfannt gute 
Überjegungen vorhanden waren, wurden diejelben benußt, immerhin 
unter Vergleihung mit dem Driginaltert und mit den notwendig 
erachteten Änderungen ; wo der Überfeger nicht mit Namen genannt 
ift, ſtammt die Übertragung von Unterzeichnetem. Nur mit Bedauern 
entjchloß ich mich zur Modernijirung der deutfchen Texte, da mir 
wohl bewußt ift, wie viel diejelben dadurch verlieren. Allein die 
Erfahrung in der Schule bewies mir, daß der Schüler beim An- 
hören oder Leſen hiſtoriſcher Stüde nicht mit ſprachlichen Schwierig- 
feiten zu Fämpfen haben darf, wenn fie auf ihn Eindrud machen 
jollen. Bloß bei den Liedern glaubte ich eine Ausnahme machen 
zu follen, da durch cine Modernifirung das Wefen derfelben zerftört 
würde und ein mangelhaftes Berftändnis von Seiten des Schülers 
mir als das Heinere Übel erfchien; durch die zahlreichen erflärenden 
Noten juchte ich dem legtern jo gut als möglich abzuhelfen. Auch 
bei den Proſaſtücken beichränfte ich mic übrigens auf eine Art 
nterlinenrüberfegung, um die Eigenart der Quellen möglichft zu 
in 

Die Orthographie ſchließt fi) an das ſchweizeriſche Rechtſchreibe⸗ 
büchlein an, mit Ausnahme der unverändert aufgenommenen Stüde, 
die möglichſt in der urſprünglichen Schreibweiſe wiedergegeben ſind. 
Mit eckigen Klammern wurden erklärende Zuſätze von den in runden 
Klammern eingeſchloſſenen Parentheſen, die in den Quellen ſelbſt 
vorkommen, unterſchieden. 

Zum Schluß habe ich noch den Vorſtehern der Stadtbibliothek 
Winterthur, Hrn. Altrektor Dr. Geilfus und Hru. Dr. Hafner, 
für die mannigfache Förderung, die fie mir bei diefer und andern 
Arbeiten zu teil werden ließen, meinen herzlichiten Dank abzuftatten. 


Winterthur, im Juli 1885. 


Dr. Wilhelm Oechsli. 


Erſter Teil. 


Vorgeſchichte. 


1. Die Pfahlbauten im See Praſias in Makedonien. 
Die Gefchichten des Herodot, überfegt vou Yange. ‚Buch V. 16. 


Herodot, der bekannte griechische Geschichtschreiber (geb. 484 v. Chr. in 
Halikaroass in Kleinasien) gibt aus der Zeit der Perserkämpfe im 5. Jahrhundert v. Chr. 
eine Beschreibung von Bewohnern des Sees Prasias in Makedonien (des heutigen Sees 


—* Butkowo am Struma), die eine treffende Analogie zu den Pfahlbauern der Schweiz 
ildet, 


Sie aber um den Berg Pangäos ' und die Doberer ?® und die 
Agrianer? und die Odomanter? und die an dem See Prasias, 
die wurden von dem Megabazos? gar nicht bezwungen. Er 
Aversuchte zwar, auch die zu unterwerfen, die in dem See 
selber wohnen auf folgende Art: Mitten im See stehen zu- 
sammengefügte Gerüste auf hohen Pfählen und dahin führt vom Lande 
nur eine schmale Brücke. Und die Pfähle, auf denen die Gerüste ruhen, 
richteten in alten Zeiten die Bürger insgemein auf; nachher aber machten 
sie ein Gesetz und nun machen sie also: für jede Frau, die einer 
heiratet, holt er drei Pfühle aus dem Gebirg, das da Orbélos“ heisst, 
und stellt sie unter; es nimmt sich aber ein jeder viele Weiber. Sie 
wohnen aber daselbst auf folgende Art: Es hat ein jeder auf dem 
(Gerüst eine Hütte, darin er lebt, und eine Falltür durch das Gerüst, 
die da hinuntergeht in den See. Die kleinen Kinder binden sie bei einem 
Fuss an mit einem Seil, aus Furcht, dass sie hinunter rollen. Ihren 
Pferden und ihrem Lastvieh reichen sie Fische zum Futter. Deren ist 
eine so grosse Menge, dass wenn einer die Falltür aufmacht und einen 
leeren Korb an einem Strick hinunter lässt in den See und zieht ihn 
nach kurzer Zeit wieder herauf, so ist er ganz voll Fische. 








! Jetzt Pirnari-Gebirge, links von der Mündung des Strama. — ? Völkerschaften 
in Makedonien. — ®? Feldherr des Perserkönigs Darius. — * Jetzt Perim, Gebirg links 
vom mittleren Struma. 


I 


2, Der Sieg der Wigoriner bei Agen. 107 v. Chr. 
a. Nah Livius Epitomä, Bud 65. 


Titus Livius (geb. 59 v. Chr. zu Padua, gest. 17 n. Chr.), der berühmte römische 
Historiker, schrieb die ganze römische Geschichte bis auf seine Zeit in 142 Büchern, 
von denen jedoch bloss 35 erhalten sind, während von den übrigen nur dürftige Inhalts- 
angaben (perioch® oder epitoma) vorhanden sind. Zu deu letztern gehört nachfolgende 
Notiz über die Helvetierschlacht: 


Der Konsul Lucius Cassius wurde von den Tigurinern, Galliern, 
Bewohnern eines Gaues der Helvetier, die aus ihrem Lande ausgezogen 
waren, im Gebiet der Nitiobrogen ! mit seinem Heere niedergehauen. 
Die Soldaten, welche diese Niederlage überlebten, trafen mit den Feinden 
ein Abkommen, dass sie nach Stellung von Geiseln und Abtretung der 
Hälfte aller ihrer Habe unversehrt entlassen wurden, 


b. Nach Orofins Buch V., Kap. 15, 16. 


Orosius, ein spanischer Priester, der im Anfang des 5. Jahrhunderts lebte, schrieb 
einen Abriss der Weltgeschichte in 7 Büchern, der lange als Leitfaden zum Geschichts- 
unterricht diente. 


In denselben Zeiten des Jugurthinischen Krieges verfolgte ferner der 
Konsul Z. Cassius in Gallien die Tiguriner bis zum Ozean, wurde je- 
doch von denselben in einem Hinterhalt umzingelt und niedergehauen; 
desgleichen wurde Lucius Piso, welcher das Konsulat bekleidet hatte 
und Legat ?® des Konsuls Cassius war, getötet. Ü. Popillius, der andere 
Legat, gab, damit nicht der Rest des Heeres, welcher sich in das Lager 
geflüchtet hatte, vernichtet würde, durch einen äusserst schimpflichen 
Vertrag den Tigurinern Geiseln und die Hälfte aller Habe. Nach Rom 
zurückgekehrt, wurde er aber deshalb, weil er den Tigurinern Geiseln 
gegeben hatte, von dem Volkstribunen Cülius vor Gericht gefordert und 
floh in die Verbannung. 


3. Cäſar und die Helvetier. 58 v. Chr. 
Cäſars Gallifcher Krieg, über. von Köchly Buch I. Kap. 1—29. 


Gajus Julius Cäsar (geb. 100, ermordet 44 v. Chr.), Schöpfer des römischen Kaiser- 
reiches, schilderte seine eigenen Taten in den „Memoiren“ (Commentarii) über „den Gal- 
lischen Krieg“ und über „den Bürgerkrieg“. Erspricht darin von sich, wie von einem 
Dritten; dem Anschein nach macht sich darin nirgends eine beschönigende Eigenliebe 


! Die Nitiobrogen waren ein gallischer Stamın, der an der mittlern Garonne um 
seine Hauptstadt Aginnum (heute Agen) herum wohnte. Frühere Herausgeber des 
Livios lasen, auf eine schlechte Handschrift gestützt: im Gebiet der Allobrogen (im 
heutigen Savoyen), weshalb J. v. Müller sich den Ozean des Orosius als den Genfersee 
dachte und die Schlacht an diesen verlegte, S. Gisi, Quellenbuch zur Schweizergeschichte, 
p. 211 f. 


® Tinterfeldherr. 


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breit. Aber es ist die Frage, ob diese Beschönigung nicht zwischen den Zeilen liege, 
ob Cäsar nicht vieles verschweigt, was ihn in weniger vorteilhaftem Lichte hätte er- 
scheinen lassen; ob er nicht vieles anders darstellt, als es wirklich geschehen ist, um 
seinen Feinden und Neidern in Rom keine Blösse zu geben. So haben nenere Forscher 
gerade in seiner Geschichte des helvetischen Feldzuges mancherlei Widersprüche entdeckt 
und die Glaubwürdigkeit derselben stark in Zweifel gezogen. (8. Rauchenstein, der 
Feldzug Cäsars gegen die Helvetier. 1882). 


1. Gallien im weitern Sinne zerfällt in drei Teile: den einen be- 
wohnen die Belgier, den zweiten die Aquitanier, den dritten die Völker- 
schaften, welche in ihrer eigenen Sprache Celten, in der unsrigen Gal- 
lier heissen. Jeder dieser drei Stämme hat seine besondere Sprache, 
Einrichtungen, Gesetze. Von ihnen allen die Tapfersten sind die Belgier; 
denn einmal kommen sie mit dem Wohlleben und der Bildung der Pro- 
vinz am wenigsten in Berührung und ist der Handelsverkehr und die 
Einfuhr von Luxusartikeln bei ihnen überaus spärlich, sodann stossen 
sie unmittelbar an die Germanen jenseits des Rheins und liegen mit 
ihnen beständig im Kriege. Und das ist's auch, weshalb die Helvetier 
mannhafter sind, als die übrigen Gallier, weil sie fast tagtäglich mit 
den Germanen sich herumschlagen, bald bei Verteidigung des eignen 
Gebietes, bald bei Einfällen in das Gebiet der Germanen. — — — 


2. Bei den Helvetiern war ein gewisser Örgetorie durch Adel 
und Reichtum der erste Mann im Staate. Er wollte sich zum König 
machen. In dieser Absicht traf er im Konsulatjahr des Marcus Messala 
und Marcus Piso [61 v. Chr.) ein geheimes Abkommen mit den Geschlech- 
tern und bewog dann die Gemeinen zu dem Beschluss der Auswanderung 
in Masse; bei ihrer überlegenen Tapferkeit würde es für sie eine Kleinig- 
keit sein, sich ganz Gallien zu unterwerfen. Man schenkte ihm um so 
leichter Gehör, weil Helvetien allenthalben von natürlichen Schranken 
eingeschlossen ist; auf der einen Seite vom breiten und tiefen Rhein- 
strom, welcher das helvetische Gebiet von Germanien trennt, auf der 
andern vom hohen Juragebirg zwischen dem Sequanerlande und Hel- 
vetien, auf der dritten vom Leman-See und dem Rhodanus |Rhone|, 
welcher unsere Provinz von Helvetien trennt. So vermochten sie ihre 
Streifzüge nicht gehörig auszudehnen und nur mit grosser Schwierigkeit 
ihre Nachbarn zu bekriegen; und das war es, was diese kriegerischen 
Gesellen durchaus nicht verschmerzen konnten. Im Hinblick auf ihre 
Kopfzahl, ihren kriegerischen Ruhm und ihre Tapferkeit ward ihnen ihr 
Land zu enge, welches sich doch 240 Meilen ' in die Länge und 
180 Meilen in die Breite erstreckt. 


3. Durch diese Gründe nicht weniger als durch den Einfluss des 
Orgetorix bestimmt, beschlossen sie, die notwendigen Vorbereitungen zum 
Auszuge zu treffen, eine möglichst grosse Zahl von Zugtieren und Karren 
zu beschaffen, so viel Land als möglich zu bestellen, um auf dem Zuge 
ausreichenden Vorrat an Korn zu haben, mit den benachbarten Staaten 


! Römische Meilen zu 1000 Doppelschritten — 1,,, Kilometer. Die oben ange- 
gebenen Masse — 855 km und 266 km sind viel zu gross. In Wirklichkeit betrugen 
die Distanzen höchstens 278km — 180 Meilen und 118 km — 80 Meilen. Siche Gisi, 
Quellenbuch p. 398. 


8 


die Friedens- und Freundschaftsbündnisse zu erneuern. Zur Ausführung 
alles dessen hielten sie zwei Jahre für hinlänglich; auf das dritte Jahr 
setzten sie den Auszug durch Volksbeschluss fest. Mit der Ausführung 
ward Orgetorix beauftragt. Er übernahm für seine Person die Sendung 
an die Nachbarstaaten. Auf dieser Rundreise bestimmte er den Se— 
quaner ' Casticus, den Sohn des Catamantalödis, sich in seinem Vater- 
lande des väterlichen Trones zu bemächtigen. Sein Vater nämlich war 
lange Jahre König der Sequaner gewesen und als solcher vom römischen 
Senat ausdrücklich anerkannt worden. Ebenso bestimmte er zu gleichem 
Versuche den Häduer? Dumnorix, der gerade damals das höchste 
Staatsamt bekleidete und bei den Gemeinen sehr beliebt war. Letzterem 
gab er auch seine Tochter zur Frau. Beiden bewies er, es sei nicht 
schwer für sie, ihr Vorhaben durchzusetzen; denn er selbst sei gewiss, 
den Oberbefehl über sein Volk zu erhalten, und die Helvetier seien un- 
zweifelhaft der mächtigste gallische Stamm; zugleich gab er ihnen sein 
Wort, mit seinen Mitteln und seinem Kriegsheere ihr Königtum zu unter- 
stützen. Nach dieser Verabredung tauschten sie ein eidliches Versprechen 
aus und gaben sich nun der Hoffnung hin, es werde ihnen als Königen 
der drei mächtigsten und kräftigsten Stämme gelingen, durch diese ganz 
Gallien sich zu unterwerfen. 


4. Diese Umtriebe wurden den Helvetiern verraten. Nach ihrer Sitte 
ward Orgetorix festgenommen und vor Gericht gestellt; wurde er ver- 
urteilt, so hätte ihn die Strafe des Feuertodes treffen müssen. Aber auf 
den angesetzten Gerichtstag berief Orgetorix von allen Seiten seine sämt- 
lichen Hörigen, an zehntausend Köpfe, und liess auch seine sämtlichen 
Lehnsleute und Schuldner, deren er eine grosse Menge hatte, ebenda 
sich einfinden. Durch diese Leute verhinderte er das Zustandekommen 
des Gerichtes. Darüber gewaltige Aufregung: die Bürgerschaft griff zu 
den Waffen, um das Recht aufrecht zu erhalten; die Behörden boten 
das Landvolk in Masse auf. Da starb Orgetorix, und nach der Annahme 
der Helvetier liegt der Verdacht vor, dass er selbst Hand an sich 
gelegt hat. 


5. Nach seinem Tode beharrten die Helvetier nichtsdestoweniger 
bei ihrem Entschluss der Auswanderung. Als sie die nötigen Vorbereitungen 
getroffen zu haben glaubten, so äscherten sie alle ihre Städte, etwa 12, 
ihre Dörfer, etwa 400, sonst alle einzelnstehenden Gehöfte ein, und ver- 
brannten alles Korn, welches sie nicht mitführen wollten, um, der Hoffnung 
auf Rückkehr bar, allen Gefahren um so bereitwilliger Trotz zu bieten. 
Jeder sollte auf drei Monate Mehl von Hause mitnehmen. Ihre Nachbarn, 
die Rauraker?, Tulinger, Latoviker, bestimmten sie zu dem gleichen 
Entschluss, ihre Städte und Dörfer zu verbrennen und mit ihnen auszu- 
ziehen. Endlich nahmen sie die Bojer? bei sich und in ihren Bund auf, 


! Die Sequaner waren die westlichen Nachbarn der Helretier und wohnten zwi- 
schen Jura und Saone in der Franche-Comte. 


® Die Häduer sassen westlich von der Saone in der Bourgogne. 
® Wohnhaft um Basel. Die Wohnsitze der Tulinger und Latoviker sind unbekannt. 
* Ein keltisches Volk, von dem Böhmen (Bojenheim) seinen Namen empfing. 


9 


welche sich jenseits des Rheines niedergelassen, dann Noricum ! überzogen 
und Noreja? belagert hatten. ; 


6. Es gab überhaupt zwei Strassen, auf denen die Helvetier ihre 
Heimat verlassen konnten: die eine, eng und schwierig, durch das 
Sequanerland zwischen dem Jura und dem Rhodanus, so dass kaum ein 


Karren binter dem andern fahren konnte — ausserdem wurde sie von 
überhängenden Gebirgshöhen beherrscht, so dass sie leicht von einer 
Handvoll Leute verlegt werden konnte — , die andere - durch unsere 


Provinz?, viel gangbarer und bequemer. Der Rhodanus nämlich, welcher 
zwischen den Helvetiern und den jüngst unterworfenen Allobrogern die 
Grenze bildet, hat auf mehreren Punkten gangbare Furten. Die letzte 
Grenzstadt der Allobroger zunächst Helvetien ist Genava |Genf]. Von 
dieser Stadt führt eine Brücke ins Land der Helvetier. Sie glaubten die 
Allobroger entweder bei ihrer noch andauernden Unzufriedenheit mit der 
römischen Herrschaft in Güte bestimmen oder mit Gewalt zwingen zu 
können, ihnen durch ihr Gebiet freien Durchzug zu gestatten. Nachdem 
alle Vorbereitungen getroffen waren, bestimmten sie einen Tag zur all- 
gemeinen Versammlung am Ufer des Rhodanus. Dieser Tag war der 
28. März im Konsulatjahr des Lucius Piso und Aulus Gabinius [58 v. Chr. . 


- 


7. Auf die Meldung, die Helvetier wollten durch unsere Provinz 
ihren Zu& antreten, beschleunigte Cäsar seine Abreise von der Stadt 
[Rom], eilte in starken Tagereisen ins jenseitige* Gallien und kam bei 
(senava an. Er ordnete sofort in der ganzen Provinz starke Aushebungen 
an — es stand im ganzen im jenseitigen Gallien eine einzige Legion — 
und liess die Brücke bei Genava abbrechen. Als die Helvetier seine 
Ankunft erfuhren, so ordneten sie die Vornehmsten ihres Volkes als Ge- 
sandte an ihn ab; an der Spitze dieser Gesandtschaft standen NMammeius 
und Verxwclötius. Diese erklärten, sie seien willens, in Frieden durch 
die Provinz zu ziehen, weil sie keinen andern Weg hätten; sie bäten 
um seine Erlaubnis dazu. Cäsar hatte nicht vergessen, dass die Helvetier 
einst den Konsul Lucius Cassius erschlagen, sein Heer besiegt und unter 
das Joch geschickt hatten. Schon deshalb, glaubte er die Erlaubnis ver- 
sagen zu sollen; überdies musste er sehr bezweifeln, dass so entschiedene 
Feinde bei Gestattung des Durchzugs durch die Provinz strenge Manns- 
zucht halten würden. Um jedoch bis zum Eintreffen der ausgehobenen 
Soldaten Zeit zu gewinnen, antwortete er den Gesandten, er wolle sich 
die Sache in Ruhe überlegen, sie möchten getälligst zum 13. April 
wieder kommen ®. 


' Norieum, das Land der Noriker, umfasste etwa das heutige Österreich, Steier- 
mark, Kärnthen und Salzburg. 

® Wahrscheinlich der Flecken Neumarkt in Steiermark. 

* Die römische Provinz Gallien umfasste vor Cüsar's Eroberungen nur den süd- 
östlichen Teil des Landes, etwa das, was eine Linie von Genf nach Toulouse gezogen, 
abschneidet. 

* Die Römer unterschieden das „diesseitige“ Gallien, d. i. die h. Lombardei, vom 
„jenseitigen“, Frankreich. 

> Der Geschichtschreiber Dio Cassius berichtet freilich, Cäsar babe ihnen geradezu 
Hoffnung gemacht, er werde ihnen den Durchzug gestatten. 


10 


8. Unterdessen liess er durch seine Legion und die aus der Provinz 
bereits eingetroffenen Soldaten vom Lemansee längs des Rhodanus bis 
zum Jura, der das Sequanerland von Helvetien trennt, in einer Strecke 
von 19 Meilen einen Wall von 16 Fuss Höhe und einen Graben ziehen '. 
Diese ganze Verschanzung entlang verteilte er Posten und legte Redouten 
an, um dem Feinde nötigenfalls desto leichter den Übergang verwehren 
zu können. Als nun der mit den Gesandten verabredete Tag heran- 
gekommen war und die Gesandten zu ihm zurückkehrten, so erklärte er 
ihnen: es sei gegen Brauch und Herkommen des römischen Volkes, wenn 
er irgendwem den Durchgang durch die Provinz gestatten wolle; einen 
etwaigen gewaltsamen Versuch werde er zurückzuweisen wissen. Die 
Helvetier, in dieser Hoffnung getäuscht, versuchten teils auf gekoppelten 
Booten und mehreren eigens dazu gebauten Flössen, teils durch die 
Furten des Rhodanus, wo er am flachsten war, herüberzukommen, bis- 
weilen bei Tage, öfters des Nachts. Sie vermochten aber bei der Stärke 
der Verschanzung und den Geschossen der jedesmal rasch herbeigezogenen 
Truppen nirgends durchzudringen und standen daher von diesen Ver- 
suchen ab. 


9, So blieb nur noch die eine Strasse durch das Sequanerland übrig, 
die sie jedoch ohne Bewilligung der Sequaner wegen der Enge des 
Passes nicht einschlagen konnten. Es gelang ihnen nicht, von sich aus 
diese Bewilligung zu erhalten; sie schickten daher Gesandte an den 
Häduer Dumnorix, um durch seine Vermittlung die Sequaner zu gewinnen. 
Dumnorix hatte durch seine Persönlichkeit und sein Geld grossen Einfluss 
bei den Sequanern und war zugleich mit den Helvetiern befreundet, 
weil er eine Helvetierin, die Tochter des Orgetorix, zur Frau hatte; 
ferner ging er damit um, die Verfassung umzustürzen und sich zum 
König zu machen, und suchte deshalb so viele Staaten als möglich durch 
gute Dienste in sein Interesse zu ziehen. Er übernahm daher die Sache, 
bestimmte die Sequaner, den Helvetiern den Durchgang zu gestatten, 
und vermittelte zwischen ihnen die gegenseitige Stellung von Geiseln, 
wodurch die Sequaner den Helvetiern den ungehinderten Durchzug durch 
ihr Gebiet, die Helvetier den Sequanern die Aufrechthaltung strenger 
Mannszucht auf dem Marsche garantirten. 


10. Cäsar erfuhr, die Helvetier seien willens, durch das Land der 
Sequaner und der Häduer in das Land der Santonen? einzuwandern. 
Dieses grenzt an das Land der Tolosaten?, welches letztere bereits zur 
Provinz gehört. Er erkannte die grosse Gefahr, welche eintretenden 





! Diese Verschanzung lief am linken Rhoneufer bis zu der Stelle, wo gegenüber 
am rechten Ufer heutzutage das Fort de l’Ecluse liegt und das Juragebirge bis un- 
mittelbar an den Finss herab sich erstreckt. Übrigens hat man sich dieselbe keineswegs 
als zusammenbängend längs der ganzen Uferstrecke von 28km zu denken, da die felsige 
Beschaffenheit der letztern an den meisten Stellen eine Befestigung völlig überflüssig 
machte. 


® Wohnhaft in der h. Saintonge (nördlich von Bordeaux, zwischen Gironde und 
Charente), die nördlichen Nachbarn der Nitiobrogen, welche die Helvetier 107 heim- 
gesucht hatten. 


*? Die Umwohner von Toulouse, 


11 


Falls für die Provinz entstehen musste, wenn sich in der Nachbarschaft 
ihres offenen und getreidereichen Grenzlandes ein so kriegerischer und 
den Römern feindseliger Volksstamm niederliesse. Er liess daher den 
Legaten [Unterfeldherr] Titus Labienus als Befehlshaber in den ange- 
legten Verschanzungen zurück; er selbst reiste in starken Tagereisen 
nach Italien, hob dort zwei neue Legionen aus und zog die drei alten 
aus ihren Winterquartieren bei Aquileja ! heran. Mit diesen fünf Legionen 
beeilte er sich, auf dem kürzesten Weg über die Alpen in das jenseitige 
Gallien zu kommen. — — 


11. Die Helvetier hatten sich bereits mit ihren Massen durch den 
Pass und das Gebiet der Sequaner hindurchgezogen, waren dann ins 
Häduerland gekommen und verwästeten dort die Felder. Die Häduer 
ausser Stande, sich und ihr Eigentum zu schützen, schickten Gesandte 
an Cäsar und baten um Hilfe. — — Ebenso flüchteten sich die Allobroger, 
welche jenseits des Rhodanus Dörfer und Besitzungen hatten, zu Cäsar 
und erklärten, es sei ihnen nichts als der nackte Erdboden übrig geblieben. 
Durch alles dieses fühlte sich Cäsar verpflichtet, nicht erst zuzuwarten, 
bis die Helvetier die ganze Habe der Bundesgenossen aufgezehrt hätten 
und in das Santonenland gekommen wären. 


12. Der Arar |Saone] mündet auf der Grenze zwischen dem 
Häduer- und Sequanerland in den Rhodanus; er hat ein so ausserordentlich 
langsames Gefälle, dass man kaum erkennen kann, nach welcher Richtung 
er fliesst. Die Helvetier waren beschäftigt, ihn mittelst Flössen und ge- 
koppelten Booten zu überschreiten. Als Cäsar durch seine Streifscharen 
erfuhr, dass Dreiviertel der Helvetier den Fluss schon überschritten 
hätten, der vierte Teil sich noch diesseits befände, so brach er um die 
dritte Nachtwache? mit drei Legionen aus dem Lager auf und erreichte 
jenen Teil, welcher den Fluss noch nicht überschritten hatte. Er griff 
die Feinde unvorbereitet und keines Überfalls gewärtig, wie sie waren, 
sofort an und machte einen grossen Teil von ihnen nieder; der Überrest 
suchte sein Heil in der Flucht und warf sich in die nächsten Wälder. 
Es war dies der sogenannte Tiguriner-Stamm. Das ganze helvetische 
Volk nämlich besteht aus vier Stämmen. Gerade jener Stamm war einst 
zur Zeit unserer Väter ausgezogen, hatte den Konsul Lucius Cassius 
erschlagen und sein Heer unters Joch geschickt. So musste, sei es durch 
Zufall, sei es nach einem Ratschluss der unsterblichen Götter, eben jener 
Teil der Helvetier zuerst büssen, welcher dem römischen Volk einst 
einen so bedeutenden Schlag beigebracht hatte. Cäsar rächte übrigens 
durch diesen Sieg nicht nur eine das Vaterland, sondern auch ihn per- 
sönlich berührende Unbill. Die Tiguriner hatten nämlich in jener Schlacht 
zugleich mit dem Cassius auch dessen Legaten Lucius Piso, den Gross- 
vater von Cäsars Schwiegervater Lucius Piso, erschlagen ®. 


# 


' Am Nordufer des Golfes von Triest, damals die erste Stadt im Norden des 
adriatischen Meeres. 

® Von Mitternacht bis 3 Uhr morgens. 

> Andere Geschichtsschreiber berichten ausdrücklich, nicht Cäsar, sondern sein 


Unterfeldherr Labienus, der von ihm mit Truppen abgesandt wurde, habe die Tigariner 
vernichtet. 


12 


13. Um die Hauptmasse der Helvetier zu erreichen, liess Cäsar 
nach diesem Treffen eine Brücke über den Arar schlagen und führte 
auf derselben das Heer hinüber. Seine plötzliche Annäherung machte 
auf die Helvetier grossen Eindruck, indem sie sahen, dass er den Fluss- 
übergang in einem Tage bewerkstelligt hatte, welchen sie selbst mit 
Mühe und Not in zwanzig Tagen fertig gebracht hatten. Sie ordneten 
daher eine Gesandtschaft an ihn ab, deren Haupt jener Divwico war, 
welcher im Feldzug gegen Cassius an der Spitze der Helvetier gestanden 
hatte. Dieser stellte dem Cäsar vor: «Wolle das römische Volk mit den 
Helvetiern Frieden machen, so seien sie bereit, dahin zu ziehen und 
dort sich anzusiedeln, wo ihnen Cäsar Land anweise; beharre er aber 
darauf, den Krieg gegen sie fortzusetzen, so möge er an die einstige 
Niederlage der Römer und an die altererbte Tapferkeit der Helvetier 
denken. Er habe zwar unversehens einen Stamm angegriffen, während die 
anderen jenseits des Flusses diesen nicht unterstützen konnten. Er möge 
aber deshalb keine zu hohe Meinung von sich haben und die Helvetier 
nicht unterschätzen. Sie seien von ihren Vätern und Ahnen her gewohnt, 
mehr der Tapferkeit als der List zu vertrauen und nicht in Überfällen 
ihre Stärke zu suchen. Er möge sich daher in Acht nehmen; es könnte 
sonst leicht ihr jetziger Lagerplatz nach einer Niederlage der Römer 
und der Vernichtung ihres Heeres benannt oder für alle Zeiten bekannt 
werden !.» 


14. Cäsars Antwort lautete also: «Er habe keineswegs jenes Ereignis 
vergessen, dessen die helvetischen Gesandten gedächten: im Gegenteil 
gerade darum sei er vollkommen entschieden. — — — Gesetzt aber, 
er wolle auch jene alte Schmach vergessen, würde er ebenso ihre jüngste 
Unbill vergessen können? Gegen sein Verbot hätten sie den Durchzug 
durch die Provinz gewaltsam zu erzwingen gesucht; Häduer, Ambarrer, 
Allobroger hätten sie gemisshandelt. — — — Trotz alledem sei er 
dennoch bereit, mit ihnen Frieden zu machen, wenn sie erstens ihm 
durch Geiseln Bürgschaft für die Erfüllung ihrer Versprechungen geben 
und zweitens den Häduern für sich und ihre Bundesgenossen wegen der 
an ihnen verübten Unbilden, sowie gleicherweise auch den Allobrogern 
(renugtunng leisten wollten.» Divico antwortete: «Die Helvetier hätten 
von ihren Vorfahren gelernt, Geiseln zu nehmen, nicht zu geben. Das 
wisse das römische Volk auch sehr gut.» Mit dieser Antwort ver- 
abschiedete er sich. 


15. Am folgenden Tage brachen sie von da auf. Cäsar tat dasselbe 
und nahm seine ganze Reiterei an die Spitze, um die Marschrichtung 
des Feindes beobachten zu lassen. Diese Reiterei — etwa 4000 Pferde 
stark — war aus Kontingenten der ganzen Provinz, der Häduer und 
ihrer Bundesgenossen zusammengesetzt. Sie drängte etwas zu hitzig 
auf die feindliche Nachhut und geriet mit der Reiterei der Helvetier 
auf ungünstigem Terrain ins Gefecht, wobei einige von den Unsrigen 





! Ob wohl Divico ein solcher Prahler war, ob Cäsar nicht vielmehr die Worte des 
Helvetiers absichtlich so zugestutzt bat, dass sie den römischen Stolz reizen mussten? 


13 





auf dem Platze blieben. Dies Gefecht machte die Helvetier übermütig: 
hatten sie doch mit 500 Reitern eine so grosse Übermacht geworfen! 
Sie machten daher von nun an von Zeit zu Zeit mit grosser Keckheit 
Halt, ja sie begannen selbst durch Angriffe ihrer Nachhut die Unsrigen 
zu necken. Cäsar liess sich auf kein Gefecht ein und begnügte sich für 
den Augenblick damit, den Räubereien, Fouragirungen und Plünderungen 
des Feindes Einhalt zu tun!. So marschirte man etwa vierzehn Tage 
lang, so dass immer zwischen der feindlichen Nachhut und unserer Vorhut 
ein Abstand von höchstens fünf oder sechs Meilen war. 


23. Es fehlten nur noch zwei Tage, dass die Truppen ihr Korn zu 
fassen hatten, und Bibracte?, die wohlversehene Hauptstadt der Häduer, 
war nur 18 Meilen entfernt. Cäsar glaubte daher, für die Verpflegung 
sorgen zu müssen, bog am folgenden Tage von den Helvetiern ab und 
schlug den Weg nach Bibracte ein. Das wurde den Feinden durch Aus- 
reisser des Lucius Ämilius, eines Decurionen? der gallischen Reiter, 
verraten. Die Helvetier bildeten sich vielleicht ein, dass die Römer aus 
Furcht abzögen; vielleicht schmeichelten sie sich auch, die Römer von 
ihrer Verpflegung abschneiden zu können. Genug, sie änderten ihren 
Plan, kehrten um und begannen unsere Nachhut zu drängen und zu necken. 


24. Als dies Cäsar bemerkte, führte er seine Truppen auf die 
nächste Höhe und schickte die Reiterei vor, um den Feind aufzuhalten. 
Er selbst stellte unterdessen auf der Hälfte des Abhanges seine vier 
alten Legionen in drei Treffen auf; auf dem Kamme der Höhe dagegen 
liess er die beiden neu ausgehobenen Legionen aus dem diesseitigen 
Gallien und die sämtlichen Hilfstruppen Stellung nehmen, so dass der 
ganze Berg besetzt war; Tross und Gepäck liess er auf einen Platz 
vereinigen und diesen von den oben auf der Höhe aufmarschirten Truppen 
verschanzen. Unterdessen hatten auch die Helvetier, welche mit allen 
ihren Karren gefolgt waren, ihren Tross auf einen Platz vereinigt; sie 
selbst warfen in gedrängten Haufen unsere Reiterei zurück und rückten 
dann in festgeschlossener Linie gegen unser erstes Treffen an. 


25. Cäsar liess zuerst sein eigenes Pferd, dann die aller Übrigen 
entfernen: die Gefahr sollte für alle gleich sein, niemand auf Flucht 
rechnen können; dann liess er nach einer kurzen Ansprache zum Gefecht 
vorgehen. Da die Soldaten ihre Pilen * von oben nach unten warfen, so 
brachen sie mit leichter Mühe Lücken in die feindliche Linie. Sofort 
griffen sie dann zum Schwert und stürzten sich auf den Feind. Den 
Galliern aber war besonders folgender Umstand für das Handgemeng 
hinderlich: ein Pilum durchbohrte nicht selten mehrere Schilde und 


I Wie war das möglich, da Cusar stets anderthalb Stunden hinter dem mindestens 
& Stunden langen Zug der Helvetier marschirte ? 

® Bibracte ist nach der Annahme der meisten Gelehrten das heutige Autun in der 
Bourgogne. Napoleon III. entscheidet sich in seiner Geschichte Cüsars für den Mont 
Beuvray, 13km westlich von Autun, wo die Überreste einer keltischen Stadt gefunden 
worden sind. 

® Führer einer Decurie, d.h. einer Abteilung von 10 Mann. 

* Wurfspiesse, mit denen die Römer gewöhnlich den Kampf eröffneten, 


14 


heftete sie aneinander; hatte sich nun dabei das Eisen umgebogen, 30 
konnte man das Pilum nicht wieder herausziehen, die Leute konnten 
ihren linken Arm nicht frei bewegen und wurden dadurch im Gebrauch 
der Waffen gehindert. Viele zogen es daher vor, nachdem sie lange den 
Arm geschüttelt hatten, den Schild fahren zu lassen und ohne Schutzwaffe 
zu kämpfen. Endlich nach schwerem Verluste begannen sie langsam zu 
weichen und sich auf eine etwa eine Meile entfernte Höhe zurückzuziehen, 
wo sie sich von neuem aufstellten. Die Unsrigen rückten ihnen nach. 
Unterdessen waren die Bojer und Tulinger, welche, ungefähr 15,000 Mann 
stark, die feindliche Nachhut bildeten und den Tross deckten, im Anmarsch 
den Unsrigen in die ungedeckte Flanke gekommen und griffen diese an; 
und als die Helvetier auf der Höhe dies sahen, gingen auch sie wieder 
vor und erneuerten das Gefecht. Die Römer machten durch eine 
Schwenkung Front nach beiden Seiten, das erste und zweite Treffen 
gegen die schon geschlagene und geworfene Hauptmacht, das dritte 
Treffen gegen die eben erscheinenden Truppen. 


26. So wurde der Kampf auf beiden Fronten lange und heftig fort- 
gesetzt. Als endlich die Feinde den Unsrigen nicht länger widerstehen 
konnten, so zogen sich die einen völlig auf die Höhe zurück, die anderen . 
zu dem Tross und zu den Karren. In dem ganzen Kampfe, der von der 
siebenten Stunde !' bis Sonnenuntergang dauerte, hatte kein Feind uns 
den Rücken gezeigt. Und noch bis tief in die Nacht hinein dauerte das 
Handgemeng bei dem grossen Gepäck. Sie hatten nämlich aus ihren 
Karren eine Wagenburg gebildet und empfingen die Unsrigen von dieser 
herab mit ihren Geschossen, während einige, zwischen den Rädern der 
Karren aufgestellt, ihre Wurfspiesse von unten her schleuderten. So 
wurden uns viele Leute verwundet. Nach langem Kampfe bemiächtigten 
sich die Unsrigen des Trosses und des Lagers. Dabei fiel Orgetorix’ 
Tochter und einer seiner Söhne in ihre Hände. Es waren nach diesem 
Kampfe noch ungefähr 130,000 Menschen übrig; diese brachen sofort 
auf, marschirten ohne Aufenthalt noch die ganze Nacht und kamen am 
vierten Tage in das Gebiet der Lingonen®. Die Unsrigen hatten sie 
nicht verfolgen können, weil sie durch die Sorge für die Verwundeten 
und die Bestattung der Gefallenen drei Tage lang aufgehalten wurden. 
Dafür schickte Cäsar Boten mit einer schriftlichen Aufforderung an die 
Lingonen: sie sollten den Helvetiern weder durch Kornlieferung noch 
sonst irgendwie Vorschub leisten; täten sie es, so werde er mit ihnen 
verfahren, wie mit den Helvetiern. Er selbst rückte diesen nach Verlauf 
der drei Tage mit seinem ganzen Heere nach. 


27. 28. Die Helvetier, dadurch aufs äusserste gebracht, schickten 
Gesandte an Cäsar, um ihre Unterwerfung anzutragen. Diese trafen Cäsar 
auf dem Marsche, warfen sich /hm zu Füssen und baten unter Tränen 
flehentlich um Frieden. Cäsar befahl ihnen, an ihrem gegenwärtigen 
Lagerplatze seine Ankunft abzuwarten. Sie gehorchten. Als Cäsar dort 


! Von morgens 6 Uhr an gerechnet, also etwa um 1 Uhr mittags. 


? Die Lingonen wohnten nördlich von den Häduern auf dem Plateau von Langres, 
welches von ihnen den Namen hat. 


15 


angelangt war, verlangte er von ihnen die Stellung von Geiseln, sowie 
die Auslieferung der Waffen und der zu ihnen übergelaufenen Sklaven. 
— — —. Den Helvetiern, Tulingern und Latovikern gebot er, in ihre 
verlassene Heimat zurückzukehren, und weil sie nach Vernichtung aller 
ihrer Früchte daheim nichts zu essen hatten, so wies er die Allobroger 
an, ihnen das nötige Korn zu liefern; ihre niedergebrannten Städte und 
Dörfer hatten sie selbst wieder aufzubauen. Er handelte so !vornehmlich 
aus dem Grunde, weil er nicht wollte, dass das Land der Helvetier ver- 
lassen bliebe; es hätten sonst leicht die Germanen von jenseits des Rheins 
sich durch die Güte des Bodens bestimmen lassen, in Helvetien einzu- 
wandern, und wären so die nächsten Nachbarn der Provinz Gallien und 
der Allobroger geworden. Den Häduern gestattete er auf ihr Ausuchen, 
die tapfern Bojer bei sich aufzunehmen. Die Häduer wiesen ihnen Land 
an und gewährten ihnen später gleiche staatsbürgerliche Rechte. 


29. Man fand im Lager der Helvetier Verzeichnisse in griechischer 
Schrift und brachte sie Cäsar. In diesen Verzeichnissen war die ge- 
samte Zahl der Ausgewanderten namentlich aufgeführt, und zwar der 
Waffenfähigen besonders, und wieder die Weiber, Kinder und Greise 
besonders. Nach diesen einzelnen Rubriken belief sich die Zahl der Hel- 
vetier auf 263,000 Köpfe, die der Tulinger auf 36,000, die der Latoviker 
auf 14,900, die der Rauraker auf 23,000, die der Bojer auf 32,000, 
alles in allem gegen 368,000 Köpfe, unter ihnen gegen 92,000 Waffen- 
fähige!'. Die Zahl der in die Heimat Zurückkehrenden betrug nach der 
von Cäsar angeordneten Zählung 110,000. 


4. Der Aufſtand der Helvetier gegen Vitellius. 69 n. Chr. 
Zacitus Hiftorien, Buch I, Kap. 67—69, überfegt von Gutmann. 


Cornelius Tacitus (geb. um 54 n. Chr., gest. um 120 n. Chr.), der grösste aller 
römischen Geschichtschreiber, verfasste zuerst die Lebensbeschreibung seines Schwieger- 
vaters Julius Agricola, des Eroberers von Britannien (97 n. Chr.). Daun folgte im Jahr 98 
die „Germania“, die wertvollste Quelle über die Zustände des alten Deutschlands. Unter 
Trajan schrieb er die „Historien“, welche die Geschichte des Kaiserreichs von 69—96 
n. Chr. enthalten, wovon jedoch bloss noch das erste Drittel vorhanden ist, und endlich 
sein reifstes Werk, die „Annalen“, eine chronologische Darstellung der Geschichte des 
Kaiserreichs vom Tode des Augustus (14 n. Chr.) bis zum Tode Neros (68 n. Chr.), 
wovon noch das erste und letzte Drittel erhalten sind. 


Noch mehr Beute und Blut verschlang C’äcina. Diesen ungestümen 
Kopf hatten die Helvetier gereizt, ein gallischer Stamm, einst durch 
Schlachten und Helden, dann durch seines Namens Gedächtnis berühmt; 


! Wie wenig man in Rom selber diesen Zahlenangaben Cäsars traute, geht daraus 
hervor, dass kein anderer Geschichtschreiber dieselben wiederholt; Appian spricht von 
200,000, Orosius gar nur von 157,000 Köpfen. Man hat überhaupt in Zweifel gezogen, 
dass das ganze Volk ausgewandert sei, weil dasselbe mit dem Tross eine weit unbehif- 
lichere Masse gebildet baben müsste, als die Helvetier in Cäsars Darstellung erscheinen. 


16 


von Galbas Ermordung nichts wissend, weigerten sie sich der Herrschaft 
des Vitellius. Die Veranlassung zum Kriege war Habsucht und Hass der 
einundzwanzigsten Legion '; sie hatte Geld geraubt, das zum Sold einer 
Burgbesatzung bestimmt war, welche vormals die Helvetier mit eigenem 
Volk und eigenen Kosten unterhielten. Hierüber entrüstet, fingen die Hel- 
vetier die Briefe auf, die im Namen des germanischen Heeres an die panno— 
nischen ? Legionen abgingen, und setzten einen Hauptmann nebst etlichen 
Soldaten in Gewahrsam. Cäcina dürstend nach Krieg, ging darauf aus, 
das erste beste Vergehen, ehe man es bereue, zu rächen. Eilig wurde 
das Lager abgebrochen, die Gefilde verheert; ausgeplündert ein in langem 
Frieden wie zu einer Stadt angewachsener Ort®, seiner Heilquellen wegen 
ein vielbesuchter Belustigungsaufenthalt. An Rätiens Hilfsvölker schickte 
er Botschaft, sie sollten die Helvetier, welche gegen die Legion sich 
stellten, im Rücken angreifen. 

Diese, trotzig vor der Gefahr, verzagt in der Not, hatten im ersten 
Tumulte den Claudius Severus zum Anführer gewählt; aber da war 
keine Kenntnis des Krieges, keine Ordnung in den Reihen, keine Ein- 
helligkeit in der Beratung. Eine Schlacht gegen Veteranen war verderblich, 
eine Belagerung unsicher, weil die Mauern vor Alter zerfallen waren. 
Hier Cäcina mit einem gewaltigen Heer, dort die rätischen Geschwader 
und Kohorten®, und die Jugend der Rätier selbst, waffengewohnt und 
nach Kriegsregeln geübt; überall Verheerung und Gemetzel; jene in der 
Mitte, unstet mit weggeworfenen Waffen: viele, verwundet oder umher- 
schweifend, flohen auf den Bötzberg. Alsbald wurden sie von einer ein- 
stürmenden Kohorte der Thrazier* heruntergejagt, dann von Germanen 
und Rätiern verfolgt und in den Wäldern umher, ja selbst in Schlupf- 
winkeln niedergemacht. Tausende fielen und Tausende wurden zu Sklaven 
verkauft. Und als man nach allgemeiner Verwüstung mit förmlichem 
Heerzuge gegen Avenches, die Hauptstadt des Landes, rückte, kamen 
Abgesandte, den Ort zu übergeben, und die Übergabe ward angenommen. 
Den Julius Alpinus, einen der Obersten, als Anstifter des Krieges, 
bestrafte Cäicina mit dem Tode; die andern überliess er der Gnade oder 
Härte des Vitellius. 

Nicht leicht ist zu sagen, ob die Gesandten der Helvetier den Kaiser 
oder die Soldaten unversöhnlicher angetroffen. Diese fordern den Unter- 
gang der Hauptstadt und halten den Gesandten Mordgewehre und Fäuste 
vors Antlitz. Vitellius sogar enthielt sich drohender Worte nicht, als 
Claudius (Cossus, einer der Gesandten von bekannter Rednergabe, aber 
mit wohlangebrachter Zaghaftigkeit seine Kunst verbergend, die Gemüter 
der Soldaten desto wirksamer besänftigte, wie denn der gemeine Haufe, 





! Die XXI. Legion, zubenannt die „räuberische*, stand in Vindonissa (Windisch) 
um die Rheingrenze schützen zu helfen. 


® D.i. die Legionen in Pannonien, einer römischen Provinz, welche das heutige 
Ungarn südwestlicb von der Donau, nebst Krain, Kroatien und Slavonien umfasste. 


® Baden im Aargau. 


%4 Die Hilfstruppen, welche die Römer aus den Provinzen bezogen, zerfielen in 
„Kohorten*®. 
> Hilfstruppen aus Thrazien, dem heutigen Rumelien in der Türkei. 


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von plötzlichem Eindruck hingerissen, so geneigt zu Mitleid ist, als er 
in Wut unbändig gewesen war. Unter strömenden Tränen und beharr- 
licher Steigerung ihrer Bitten erhielten sie Verzeihung und Schonung 
der Stadt. 


6. Columban und Gallus. 610 -614. 
Leben des heiligen Gallus, überjegt von Potthaſt, p. 6—15. 


Die lateinische J.ebensbeschreibung des hl. Gallus ist das ülteste der st. gallischen 
Geschichtswerke. Dieselbe scheint um das Jahr 771 von einem unbekannten Mönch ver- 
fasst zu sein, der dabei allerdings weniger den Zweck verfolgte, eine getreue Aufzeichnung 
der Erlebnisse des berühmten Gottesmannes zu geben, als vielmehr denjenigen, durch 
Schilderungen der ihm zugeschriebenen Wunder die gläubigen Seelen zu erbauen. 


ber der König [Theodebert von Austrasien] beschwor den 
Mann Gottes [Columban], in seinem Reiche zu bleiben, 
älindem er versprach, dass er annehmliche und den Knechten 
Gottes passende Örter ausfindig mache, wo sie, wäre ihre 
Wohnung dort aufgeschlagen, viele Seelen für das himm- 
liche Reich gewinnen könnten. Der Mann Gottes wog mit Be- 
dacht diese Versprechungen ab und erwiderte darauf: er wolle der 
Bitte des Königs willfahren, dennoch aber unter keinen Umständen die 
fest beschlossene Reise aufgeben. Nun überliess ihm der König die 
Wahl, wenn er irgendwo einen passenden Ort aufsuchen wolle; bei dieser 
Nachforschung kamen sie an den Fluss Zindimacus', folgten dessen 
Lauf und erreichten eine Burg, Namens T’uregum?. Von dort gelangten 
sie nach dem Weiler, den das Volk Tucconia® nennt und der oben am 
See von Turegum gelegen ist. Dieser Ort gefiel, aber es missfielen die 
verkehrten Gewohnheiten der Bewohner. Grausamkeit und Bosheit herrschten 
unter ihnen, und sie waren dem Aberglauben der Heiden ergeben. Als 
daher die Knechte Gottes unter ihnen ihren Wohnsitz genommen hatten, 
lehrten sie dieselben Gott den Vater und den Sohn und den heil. Geist 
anbeten. Denn Gallus, dessen Wunder zu erzählen wir mit Christi Gnade 
uns bemühen werden und der dem Manne Gottes Columbanus, wie schon 
gesagt ist, von Beginn seines Klosterlebens an nachfolgte und an seinen 
Mühen teilnahm, dieser begann hier die Tempel der Heiden niederzubrennen 
und die Heiligtümer der Götter in den See zu versenken. Als diese nun 
ihre Tempel verbrannt sahen, ergriffen sie gegen jene die Waffen des 
Hasses, der so sehr ihre Herzen entflammte, dass sie nach gepflogener 
Beratung Gallus, den Mann Gottes, töten und Columbanus mit Schimpf 
und Schande aus ihrem Gebiete treiben wollten. Da der hl. Columbanus 
dieses vernahm, betete er: «Gott, Herr des Himmels, nach dessen Willen 
die ganze Welt gelenkt wird, schlage mit Unheil jenes Volk, damit, was 
es Übles deinen Knechten zudenkt, auf sein Haupt falle. Lass verderben 
ihre Kinder; mag, wenn sie das mittlere Alter erreichen, Dummheit und 





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Oechsli, Quellenbuch. 2 





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18 


Wahn ihr Teil sein, so dass sie von Schulden erdrückt, sich bekehren 
und ihre Schmach erkennen.» — — 

Hierauf zog er fort — — und erreichte mit den Jüngern den Flecken 
Arbona '!, wo sie einen Priester, Namens Willimar, trafen. — — Dort 
erfreuten sie sich zur Ehre Christi sieben Tage hindurch an göttlichen 
Unterhaltungen. Nach Verlauf derselben erfuhren sie von demselben 
Priester, dass in der Nähe eine zerstörte Stadt, Namens Pregentia? sei, 
welche durch die Fruchtbarkeit des Bodens und die Nähe des Sees zu 
einem passenden Aufenthalt für die Knechte Gottes werden könne. Als 
sie dieses gehört hatten, sehnten sie sich darnach von ganzem Herzen. 
Der Mann Gottes Columbanus bestieg zur Kundschaft mit Gallus, seinem 
trefflichsten Schüler, und einem andern Diakon ein Schiff und begab sich 
zur Stadt. Dort nun errichtete sich die Hand der Brüder Wolnungen 
und betete inständig zu Christus für jenen Ort. Ebendaselbst verehrte 
das abergläubische Volk drei eherne und vergoldete Götzenbilder, denen 
es mehr anhing und mehr Gelübde brachte, als dem Schöpfer der Welt. 
Deshalb trug der Mann Gottes Columbanus aus Verlangen, den Aber- 
glauben derselben zu vernichten, dem Gallus auf, eine Rede an das Volk 
zu halten, weil jener unter den andern sich durch Zierlichkeit der latei- 
nischen Sprache und auch in der Redeweise jenes Volkes hervortat. Denn 
dasselbe hatte sich zahlreich versammelt zu der herkömmlichen Feier- 
lichkeit im Tempel, mehr verwundert über den Anblick der Fremdlinge, 
als andächtig aus Ehrfurcht vor dem Gottesdienste. Dieser Versammlung 
berieselte der Auserwählte Gottes Gallus die Herzen mit Honig träufelnden 
Worten, indem er sie ermahnte, sich zu bekehren zu ihrem Schöpfer Jesus 
Christus, dem Sohne Gottes. — — Hierauf zerschmetterte er vor den 
Augen aller die weggenommenen Götzenbilder an den Felsen und schleu- 
derte sie in die Tiefe des Sees. Da bekannte ein Teil des Volkes seine 
Sünden und glaubte, der andere ging zornig und aufgebracht in voller 
Wut von dannen. Und es segnete der Mann Gottes Columbanus Wasser, 
weihete damit die verunreinigten Örter und gab so der Kirche der 
h. Aurelia die frühere Ehre zurück. Und es verweilte dort der fremde 
Kämpfer Christi mit seinen Jüngern während dreier Jahre. Sie übten 
nach Art der Bienen den Geist in verschiedenen Künsten: unter ihnen 
pflegte der Erwählte Gottes, Gallus dem schuppentragenden Völkchen 
Nachstellungen zu bereiten, und oft erfreute er durch Christi Bescherung 
die Brüder, wenn er ihnen emsig des Lebens Notdurft darreichte. — — 

Die Menschen aber, welche ihre Predigten verachteten, unternahmen 
es, ihnen wegen der Zertrümmerung ihrer Götter Leid zuzufügen. Sie 
begaben sich nämlich zu Kunzo, dem Herzog dieses Landes, und hinter- 
brachten ihm trügerische Anklagen in Verbindung mit dem Geist der 
Lüge, indem sie sagten, dass wegen jener Fremdlinge die öffentliche Jagd 
in dieser Gegend zu Grunde gerichtet sei. Er sendete, wie man sagt, 
einen Boten an jene ab und befahl ihnen, von dort wegzuziehen. Und 
um die Unbilden gegen die Knechte Gottes zu vergrössern, wird ihnen 
eine Kuh gestohlen und in die Verborgenheit der Wildnis geführt. Als 
zwei Brüder sich aufmachten, diese zu suchen, trafen sie die Räuber 


' Arbon am Bodensee. — ? Bregenz. 


19 


selbst. Nun verbindet man mit dem Diebstahl einen Mord, indem von 
ihnen die Diener Christi getötet und ausgeplündert werden. Als die 
Schandtat vollführt war, werden jene lange in der Wildnis gesucht, 
jedoch endlich entseelt aufgefunden und unter Wehklagen zur Klause 
zurückgeführt. Da sprach der hl. Columbanus, gezwungen durch das be- 
ständige Drängen seiner Widersacher und durchdrungen vom Schmerz 
über die Leichen der Brüder zu seinen Genossen: «Wir haben hier eine 
goldene Schale, aber voll von Schlangen gefunden. Ihr aber betrübet 
euch nicht; denn Gott, dem wir dienen, wird seinen Engel senden, der 
uns zum König Italiens führen und ihn sanftmütig stimmen wird, auf 
dass er uns einen ruhigen Ort gewähre.» Von dieser Reise der Knechte 
Christi hielt eine Fieberplage Gallus, den Erwählten Gottes, zurück. 
Denn gerade auf dem Punkte der Abreise warf er sich zu den Füssen 
seines Abtes und bekannte, dass er wegen Schwäche nicht fortziehen 


könne. — — Deshalb wurde dann dem eigenen Gutdünken überlassen, der 
so lange unter der Leitung anderer erzogen war. — — Nachdem die Tren- 


nung vollzogen war, wird der erwähnte Gastfreund, der Priester Willimar, 
von Gallus, dem Knechte Gottes, mit Netzen und einem Schiffe aufgesucht, 
und es erneuert sich die beklommene Trauer, als man die Art und Weise 
der Trennung bespricht; und dabei bittet ihn Gallus um Obdach und 
Hilfe in seiner Schwachheit. Er wurde mit Freude aufgenommen, alle 
Liebe ihm erwiesen und den beiden Klerikern Maginold und Theodor 
aufgetragen, dass sie für ihn sorgten und ihn in der Nähe der Kirche 
pflegten. Als dieses mit Eifer besorgt war, wurde er durch die Gnade 
Christi gesund und für grössere Kämpfe aufbewahrt. 


Hierauf wurde ein gewisser Diakon Hiltibodus, der treue Genosse des 
vorgenannten Priesters und ausgezeichnet vor andern durch Kunde jener 
Wildnis, von dem Erwählten Gottes Gallus mit diesen Worten angegangen: 
«Mein Sohn! Hast Du jemals in der Abgeschiedenheit dieser Wildnis 
einen geeigneten Ort gefunden, darauf zu bauen ein Bethaus und eine 
passende Wohnung? Voll heftigen Verlangens ist meine Seele, während 
meines Lebens in der Einsamkeit zu verharren, da der Psalmist uns er- 
mahnt und spricht: ««Siehe, fliehend habe ich es aufgeschoben, und ich 
verblieb in der Einsamkeit und erwartete den, der mich gesund mache.» 
Erwidernd sprach zu ihm der Diakon: «Mein Vater! Diese Wildnis 
ist rauh und wasserreich, hat hohe Berge und enge Täler und verschie- 
denes Getier, sehr viele Bären und Herden von Wölfen und Schweinen. 
Ich befürchte, sie möchten über dich herfallen, wenn ich dieh dorthin 
führe.» Der Mann Gottes aber antwortete: «Ist Gott für uns, wer mag 
wider uns sein? Der Daniel aus der Löwengrube gerettet hat, ist auch 
mächtig, mich aus der Hand der wilden Tiere zu befreien.» Da der er- 
wähnte Levit [Kirchendiener] dessen Beharrlichkeit sah, sprach er: «Am 
nächsten Tage wollen wir in die Geheimnisse der Wälder dringen, ob 
wir vielleicht einen passenden Ort finden. Denn ich vertraue der Güte 
des Schöpfers.» — — 


Nach gewohnter Weise also verharrte der Mann Gottes während 
dieses Tages im Gebete, ohne Speise zu sich zu nehmen. Mit Anbruch des 
andern Morgens aber begaben sie sich unter Gebet auf den Weg. Als 
nun die dreimal dritte Stunde des Tages verflossen war, forschte der 


2 nn 


Levit, ob der Mann Gottes sich erquicken wolle; er hörte jedoch von 
diesem, dass er nichts zu sich nehmen werde, bevor ihm durch Christi 
Gnade ein Ort geoffenbaret würde, wo er seine Wohnung aufschlagen 
könne. Man treibt deshalb von neuem die schon ermüdeten Glieder an 
und gelangt endlich an ein Flüsschen, Namens Petrosa [Steinach]. Dort 
bietet sich ihnen eine Ruhestätte für die Nacht, da sich eine Menge 
schuppentragenden Getiers zeigt. Denn sie gelangten zu dem Orte, wo 
sich das Flüsschen vom Berge herunterstürzt und eine Höhlung im Felsen 
gebildet hatte. Das mitgebrachte Netz wird hineingesenkt, und nicht 
wenige Fischlein werden gefangen, Feuer wird vom Leviten dem Stein 
entlöckt und eine erquickende Mahlzeit bereitet. Unterdes suchte der 
Mann Gottes das gewohnte Gebet, wobei er mit dem Fuss an einen 
Dornbusch stiess und niederfiel; als der Diakon ihm aufzuhelfen sich 
bestrebte, vernahm er die Worte: «Lass mich; dies ist meine Ruhe 
ewiglich; hier will ich wohnen, denn es gefällt mir wohl.» Und als er 
sich vom Gebet erhoben hatte, machte er aus einer Haselrute ein Kreuz 
und befestigte daran eine Kapsel, in welcher sich Reliquien der heiligen 
Jungfrau der Jungfrauen, des heiligen Desiderius und des erhabenen 
Heerführers Mauritius befanden. Hierauf erneuern beide ihr Gebet, und 
der Mann Gottes sprach demütig flehend: «Herr Jesu Christe, Schöpfer 
der Welt, der Du durch das Siegeszeichen des Kreuzes dem Menschen- 
geschlecht zu Hilfe gekommen, gib zur Ehre Deiner Auserwählten, dass 
jener Ort zu Deinem Lobe bewohnbar sei.» Das Gebet zieht sich bis zum 
Abend hin, und die Speise wird mit Danksagung eingenommen. — -- Als 
es aber Morgen geworden war, sagte der Diakon zu ihm: «Vater, was 
willst du, dass wir heute tun?» Jener erwiderte: «Ich bitte dich, mein 
Sohn, zürne nicht meinen Reden; lass uns hier diesen Tag noch bleiben.» 
— — Hierauf durchforschten sie Tal und Berg und fanden einen Wald 
zwischen zwei Bächen, eine anmutige Ebene und einen Ort, der zur Er- 
richtung einer Zelle einlud. Nach dem Beispiele des hl. Jakob sprach, 
im Geiste die künftige Wohnung voraussehend, Gallus, der Erwählte 
Gottes: «Wahrlich, der Herr ist an diesem Orte.» 


7. Der Stiftungsbrief der Fraumünfterabtei Zürich. 21. Juli 853. 
Aus dem Yateinifchen überjegt von G.v. Wyß, Gefchichte der Abtei Zürich, p. 15. 


Im Namen der heiligen und unteilbaren Dreieinigkeit. Ludwig von 
Gottes Gnade König: Wenn wir von den irdischen Dingen, die uns 
durch die göttliche Güte zu teil geworden, aus Liebe zu Gott und 
königliche Sitte geziemend zu erfüllen, an die Stätten der Heiligen 
schenken, so glauben wir klärlich, dass uns dies nützlich sei, den Lohn 
ewiger Vergeltung zu erlangen. Deswegen sei der Beflissenheit aller, 
der heiligen Kirche Gottes und uns Getreuer, gegenwärtiger und zu- 
künftiger, kundgetan, wie wir zum Heil der Seele des allerdurchlauchtigsten 
Kaisers, unseres Ahnen Karls, und Ludwigs. unseres erhabenen Herrn 
und Vaters, sowie unserer selbst, auch um des ewigen Lohnes unserer 


21 


geliebtesten Gemahlin und Kinder willen, unsern Hof Zürich, gelegen 
im Herzogtum Alemannien im Lande Thurgau, mit allem, was bei dem- 
selben liegt, oder dazu gehört, oder anderswo davon abhängt, das heisst 
das Ländchen Uri, mit Kirchen, Häusern und andern darauf stehenden 
Gebäuden, mit Eigenen jedes Geschlechtes und Alters, mit gebautem und 
und unangebautem Lande, mit Wäldern, Wiesen und Weiden, mit stehenden 
und fliessenden Gewässern, Wegen, Ausgängen und Eingängen, mit Er- 
worbenem oder zu Erwerbendem, mit allen Zinsen und den verschiedenen 
Gefällen, überdies auch unsern Forst, Albis genannt, und alles, was an 
jenen Orten unseres Rechtes und Besitzes und Eigen ist und gegenwärtig 
zu unsern Handen gehörig erscheint, ganz und vollständig übergeben 
unserm Kloster, gelegen in demselben Flecken Zürich, allwo der heilige 
Felix und die heilige Regula, die Blutzengen Christi, dem Leibe nach 
ruhen. 


Welches uns nämlich in der Meinung zu beschliessen gefallen hat, 
dass von nun an in Zukunft daselbst jederzeit ein Leben geistlicher 
Frauen nach Vorschrift der Regel und klösterliche Gemeinschaft, nach 
klösterlicher Sitte geordnet, gepflegt werde, und dass um der Ausstattung 
willen, womit wir diese, von uns den bereits vorgenannten Blutzeugen 
gewidmete Stätte bedacht haben, um so bereitwilliger Gottesdienst da- 
selbst geübt und um so eifriger und reichlicher Gottes Barmherzigkeit 
und gnädiges Urteil über uns und alle unsere Sünde angefleht werde. 

Wir wollen auch, dass unserer sämtlicher Getrenen Ergebenheit 
wisse, dass wir, bewogen durch väterliche Liebe, das vorgenannte Kloster 
mit allem, was dazu gehört, und mit unserer Schenkung an den ge- 
nannten Orten unserer geliebtesten Tochter Hildigard zu Eigentum 
überlassen haben, damit sie, soviel sie das mit Gottes Gnade vermag, 
die Familie, die in dem genannten Kloster Gott dienet und ihrer Herr- 
schaft unterworfen ist, zu Übung der Regel und Befolgung klösterlicher 
Zucht anhalte, sie nähre und die ihr überlassenen Orte nach Kräften in 
Aufnahme und Verbesserung bringe, mehre und bessere. 

Endlich befehlen und ordnen wir an, dass kein öffentlicher Richter 
noch Graf, noch irgend wer von richterlicher Gewalt an den genannten 
Stätten und in allem, was dazu gehört, weder Freie noch Eigene, die 
daselbst wohnhaft sind, anzufechten, zu beeinträchtigen oder Bürgen von 
ihnen zu fordern oder irgend welche Leistungen oder Bussen und Bann- 
geld von ihnen zu verlangen oder irgend welche unrechtmässige Gewalt 
ihnen jemals anzutun sich erlaube; sondern dass jenes alles unter unserm 
Schutz und festen Schirm, mit den Vögten, die daselbst gesetzt sind, 
auf immerwährende Zeiten verbleibe. 

Und damit dies Zeugnis unserer Schenkung und Zusicherung desto 
stäter gehalten und in künftigen Zeiten von allen, der heiligen Kirche 
Gottes und uns Getreuen, gegenwärtigen und zukünftigen, desto wahrer 
geglaubt und sorgfältiger bewahrt werde, so haben wir dasselbe mit 
unserer eigenen Hand darunter beglaubigt und mit Aufdrückung unseres 
Siegelrings zu bezeichnen befohlen. 

Das Zeichen des ruhmwürdigsten Herrn und Königs Ludwig. 
Ich Comeatus der Notar unterzeichne als Stellvertreter 
des Radleicus. 


ID 
to 


Gegeben am 12. Tage vor Anfang August. Unter Christi Gnade 
im zwanzigsten Jahre der Regierung des durchlauchtigsten Herrn und 
Königs in Ostfranken, Ludwigs, in der ersten Indiktion ‘. Geschehen in 
Regensburg der Stadt. In Gottes Namen, der uns gnädig ist, Amen!» 


8. König Konrad I. in St. Gallen. 911. 


Etteharts IV. Casus Sancti Galli, überjett von Meyerv. Knonau, I. 14. 16. 


Ekkehart IV., der letzte grosse Gelehrte des Klosters St. Gallen, schrieb um 1050 
die Geschichte seines Gotteshauses in lateinischer Sprache, indem er an ein älteres von 
dem Zürcher Ratbert um 880 verfasstes Werk anknüpfte und dasselbe bis auf die 
Regierung des Abtes Notker (971—975) herabführte. Die exakte Geschichtsforschung 
hat Ekkebarts Klosterchronik zahlreiche Irrtümer nachgewiesen; auch mag ihn die 
Teudenz, sein Gottesbaus gegenüber Angriffen, die zu seiner Zeit auf dasselbe gemacht 
wurden, durch Schilderung seiner glorreichen Vergangenheit zu verherrlichen, zu manchen 
Einseitigkeiten verleitet haben. Dennoch ist er in Folge der Lebendigkeit und Anschau- 
lichkeit seiner Erzäblung einer der vorzüglichsten Geschichtschreiber des Mittelalters; 
und ihm vor allem hat das Kloster St. Gallen es zu verdanken, wenn das kräftige 
Geistesleben, welches im 9. und 10. Jahrhundert seine Insassen beseelte, nicht der Ver- 
gessenheit anheimgefallen ist. 


Nicht viele Zeit nachher feierte C'huonrad, damals König, zu Kon- 
stanz des Herren Geburtsfest. Am selben Tage nach Tisch, als ihm der 
Bischof die abendlichen Prozessionen jener drei Tage beim heiligen @allus? 
lobte, sagte der König: «O, dass wir doch dort wären! Und weshalb 
werden wir, mein Herz, nicht morgen früh dorthin gehen?» Alsbald 
werden die Schiffe bereitet, und nachdem der König dieselben früh mit 
den Bischöfen und dem übrigen Gefolge bestiegen, erreichte er um Mittag 
unser Ufer, und indem er dem heiligen Gallus mit Frohlocken sich 
näherte, wurde er unter Verkündung neuer Lobgesänge ruhmvoll an der 
Stätte empfangen. Und nachdem er drei Nächte in aller Fröhlichkeit an 
dem Örte verbracht, kam er endlich am vierten Tage bei Nacht nach 
Arbon. Es wäre lange zu sagen, mit welchen Ergötzlichkeiten er diese 
Tage und Nächte verlebt hat, vorzüglich bei dem feierlichen Aufzuge 
der Kinder; diesen liess er Äpfel mitten auf dem Estrich der Kirche 
vorstreuen, und da er auch nicht eines der kleinsten sich bewegen, noch 
nach den Früchten seine Aufmerksamkeit richten sah, bewunderte er 
deren Zucht. Als er am Tage der Kindlein 28. Dez.| mit zwei Bischöfen 
zur Tischstunde auch in den Speisesaal der Brüder eingetreten war, und 
mehrere fröhliche Worte zu den vor ihm sich erhebenden gesprochen 


' Die Indiktion, auch Römer-Zinszahl genannt, ist eine aus der Römerzeit her- 
stammende, im ganzen Mittelalter und zum Teil bis in die neuste Zeit gebräuchliche 
Nebendatirung der Urkunden. Sie gibt an, die wie vielte Stelle ein gegebenes Jahr 
inderhalb einer bestimmten Zeitperiode von 15 Jahren einnimmt. Bei der Berechnung 
der Indiktion geht man auf das Jabr 3 vor Christi Geburt zurück; danach ist das 
Jahr 853 das erste Jahr im 57. Indiktionscyklus. — * D. h. im Kloster St, Gallen, 


23 


hatte, sagte er: «Mit uns werdet ihr, ihr möget wollen oder nicht, zu 
teilen haben.» Den Dekan aber, welcher seinetwegen vom Tische des 
Abtes zu gehen sich anschickte, umarmend und zurückhaltend, setzte er 
sich nieder, und das ihm Vorgesetzte zu sich nehmend, sagte er, alle 
ringsum sich betrachtend und anlachend: «Lasst uns inzwischen hieran 
teilnehmen.» Er schickte aber auf das geschwindeste zu Salomon ', der- 
selbe möchte nicht darzu kommen, sondern ein jeder für den andern Tafel 
halten. Als er dann dem Probste befahl, dass ihm nichts, als das, was 
den Brüdern bereitet wäre, vorgesetzt werde, sagte dieser: «O0 König, 
unser Unglück! Dass du nicht den folgenden Tag abwartetest; denn 
morgen werden wir vielleicht Brot und enthülste Bohnen haben, aber 
heute nicht also.» «Fürwahr,» sprach jener, «auch morgen wird sich Gott 
über euch erbarmen können.» Indem hernach die Kinder der Reihe nach 
lasen? und vom Lesepult herabstiegen, hob sie der König zu sich auf 
und legte ihnen goldene Münzen in den Mund, und als einer der kleineren 
unter ihnen das Gold heftig schreiend wieder spie, sagte er: «Der wird, 
wenn er das Leben behält, einmal ein guter Mönch sein.» Als er sich 
endlich vom Tische erhob, sprach er freudig vieles zu den Brüdern und 
ermahnte sie, bester Hoflnung zu sein, weil, wenn er am Leben bliebe, 
er solche Tischgenossen fröhlich machen wollte. Er ging also zu den 
Seinigen zurück, nachdem er vor Salomon und allen sich gerühmt, dass 
er niemals fröhlicher ein Gastmahl gehalten habe. — — 

Als der König einen Abend und eine Nacht fröhlich verbracht hatte, 
wird er, indem er um Tagesanbruch eine Versammlung der Brüder sich 
erbittet, weil aller Stimmen günstig fallen, ein eingeschriebener Bruder. 
Er teilte einem jeden der Brüder ein Pfund Silbers zu, damit er es für 
die Kleidung behalte. Den Knaben verordnete er drei Tage zum Spielen, 
sowohl für jene Zeit gerade, als für die Zukunft, und nachdem er in die 
Kirche des heiligen Gallus hineingegangen war, bekleidete er die Altäre 
mit Decken. — — , 

Endlich betritt er das Bethaus des seligen, durch römische Macht- 
vollkommenheit zum Heiligen erhobenen Othmar — denn es waren seine 
Vorfahren, welche denselben gequält hatten —, und er stellte sich an 
dessen Altar, als wäre er selbst bei den Ereignissen zugegen gewesen, 
als den Schuldigen dar; er besänftigte auch mit Decken, mit Gold und 
Silber den Heiligen. Aber es befanden sich auch um Stammheim, das 
dem hl. Othmar von Karl geschenkte Dorf, gewisse Örtlichkeiten, welche 
noch im Rechte des Königs standen. Konrad aber hatte alles, was da- 
selbst dem königlichen Schatze gehörte, ganz in die Hand des Vogtes 
auf des hl. Othmars Altar übergeben und mit seinem Siegel bekräftigt. 
Und zu Salomon gewendet, sprach er: «Unter der Verabredung, dass 
unsere eingeschriebenen Brüder für unser gestriges Mahl die von Karl 
festgestellte Woche des Festes dieses meines Herrn auch zu meinem 
Gedächtnisse reichlicher schmausend feiern sollen» — und lächelnd sagte 
er: «Denn auch ich will heute als eingeschriebener Bruder mit den 


! Bischof von Konstanz und Abt von St. Gallen. — ? Während des Mables wurde 
vorgelesen aus der heiligen Schrift, den Kirchenvätern etc. Damals, als am Kindleinstag, 
von den Schülern. 


24 


Brüdern den Imbiss nehmen und unsere Bohnen aus dem Meinigen 
pfeffern.» Über diesem selben Altare werden von den Brüdern dem Könige 
rasch Messen gehalten. Früh steht bereit das Mahl; es füllt sich an der 
Saal; kaum war gekommen der Vorleser zum Satze ein Mal. Die Liebe, 
die nichts Falsches tut, verschmähte die Zucht mit freiem Mut. Niemand 
sprach, das oder jenes sei nie geschehen, obschon es vorher niemals ge- 
hört war oder gesehen, nie von einem Mönch in dem Haus war erfahren. 
Den Geruch von Wild und von Fleisch sie gewahren. Tanzend die Gaukler 
springen; Saiten klingen zum Singen. Niemals hatte des Gallus Saal nur 
durch sein Zutun solch Bacchanal. Der König unter dem Tosen so laut 
auf die ernsteren Brüder schaut; über der einen verzogene Mienen lacht 
er, dass ihnen solche Dinge ungewohnt schienen. — — — Am Abend 
geht der König hinweg, begleitet von den tränenerfüllten Lobsprüchen 
seiner Brüder. Wenn ihm weiteres Lehen vergönnt sei, hatte er ver- 
sprochen, werde er denselben nicht nur noch einmal Wohltaten erweisen. 


9. Motker, Ratbert und Tuotilo. 9. Iahrhundert. 
Eftebart, III, 33, 34, überjegt von Meyer v. Kuonan. 


Notker, Ratbert, Tuotilo, diese drei waren, obschon sie in ihren 
Wünschen ein Herz waren, doch durch die Natur, so wie das geschieht, 
unähnlich. Notker, von Körper, nicht im Geiste, schlicht, in der Stimme, 
nicht in der Seele, stammelnd, in göttlichen Dingen erhaben, in Wider- 
wärtigkeit geduldig, zu allem mild, war ein scharfer Aufseher in der 
Zucht der Unserigen; bei plötzlichen und unvermuteten Dingen schüchtern, 
war er im Beten, im Lesen, im Dichten sehr fleissig, und damit ich im 
kurzen die Gaben seiner ganzen heiligen Erscheinung zusammenfasse, 
er war ein Gefüss des heiligen Geistes, wie es zu seiner Zeit nirgends 
reichlicher sich zeigte. 

Aber Tuotilo war in weit anderer Weise gut und nützlich, ein 
Mensch von Muskelarmen und von allen Gliedern so, wie Fabius'!, die 
Athleten auszulesen lehrt. Er war beredt, von heller Stimme, zierlich in 
erlabener Arbeit und ein Künstler in der Malerei, ein Musiker, sowie 
auch seine Genossen, aber vor allen in der Art aller Saiteninstrumente 
und Rohrpfeifen: denn er unterrichtete auch die Söhne der Edeln auf 
den Saiten in einem vom Abte dazu bestimmten Raume. Ein geschickter 
Bote in die Ferne und Nähe, war er in Bauten und in seinen übrigen 
Künsten erfolgreich, des Zusammenfügens der Worte in beiden Sprachen ? 
mächtig und von Natur darin tüchtig. im Ernste und im Scherz der- 
gestalt gemütlich, dass einst unser Karl? denjenigen gescholten hat, 
welcher einen Menschen von solcher Naturanlage zum Mönche gemacht 


' Der römische Schriftsteller Marcus Fabius Quintilianus. — * Lateiu und Deutsch. 
— 3 Kaiser Karl III., der Dicke, 


25 


habe. Aber unter diesem allem war er, was anderem voransteht, im Chore 
tätig, im Verborgenen voller Tränen, Verse und Melodien zu schaffen 
vermögend. — — ZBRatbert aber schritt zwischen den beiden in der Mitte 
einher. Vom Jugendalter an ein Meister der Schulen, ein verständlicher 
und wohlwollender Lehrer, in den Zuchtmitteln strenger, selten, weniger 
noch als die Brüder, den Fuss aus dem Klosterinnern hinaus bewegend, 
nur zwei Schuhe das Jahr hindurch besitzend, Ausflüge dem Tode gleich 
benennend, mainte er oft unter Umarmungen den reisefertigen Tuotilo, 
dass derselbe sich hüten möchte. In den Schulen geschäftig, vernach- 
lässigte er sehr häufig die Gebetsstunden und Messen, indem er sagte: 
<(sute Messen hören wir, indem wir lehren, sie zu halten.» Und während 
er die Straflosigkeit das grösste Verderben eines Klosters genannt hat, 
kam er doch zum Kapitel nur, wenn er gerufen wurde, weil, wie er 
sagte, ihm das gewichtigste Amt, zu kapiteln und zu strafen, gegeben 
worden sei. 


10. Ekkehart II. bei der Herzogin Hadawig auf dem Hohentwiel. 
Ekkehart X. 90—94, überjegt von Meyer von Knonan. 


Hadawig, die Tochter des Herzogs Heinrich, nach ihrem Manne 
Pnrchard als Witwe im herzoglichen Amte über die Schwaben !, wäh- 
rend sie auf dem Ziel wohnte, eine überaus schöne Frau, war weit 
und breit den Ländern schrecklich, weil sie für die Ihrigen von allzu 
grosser Strenge war. Da dieselbe einmal in ihrer Jugend dem griechi- 
schen Kaiser Konstantin verlobt war, war sie durch Gesandte desselben, 
welche hiezu geschickt worden waren, in der griechischen Wissenschaft 
ganz vorzüglich gebildet. — — Diese war einmal als Witwe, um zu 
beten, zum heiligen Gallus gekommen. Indem Abt Purchard sie festlich 
aufnahm und als seine Nichte durchaus mit Geschenken zu beehren sich 
vorbereitete, sagte sie, sie wolle keine andern Gaben, ausser Ekkehart 
als Lehrer für sich, wenn er ihr denselben nach dem Twiel auf eine 
Zeit gewähren wollte. Denn weil derselbe Portner war, hatte sie selbst 
am Tage vorher mit ihm hiezu heimlich sich verabredet. Während nun 
der Abt das zwar im Verdruss zugestand, und der Oheim davon abriet ?, 
hatte jener doch nichstdestoweniger, was er gebeten war zu tun, durch- 
gesetzt. Als er am verabredeten Tage mit Ungeduld erwartet nach dem 
Twiel kam, führte sie ihn, indem sie ihm in höherem Grade, als er 
selbst wollte, eine Aufnahme bereitete, in sein Gemach, an der Hand 


' In Wirklichkeit hatte sie bloss den Titel, nicht aber das Amt elnes Herzogs. — 
® Da der Abt Purchard schon 971 zurückgetreten und Ekkehart I., Ekkeharts II. Oheim, 
im Januar 973 gestorben war, Hadwig aber erst im November 973 Witwe wurde, kann 
diese Darstellung unmöglich richtig sein. Ekkehart schrieb hanptsächlich aus dem 
Gedächtnis nieder, was er von Jugend an im Kloster hatte erzühlen hören; so sind die 
zahlreichen Irrtümer, die sich bei ihm finden, leicht erklärlich. 


26 


als ihren Meister, wie sie selbst sagte. Da pflegte sie bei Nacht und 
bei Tage mit irgend einer vertrauten Zofe zum Lesen einzutreten. Dort 
fanden auch häufig Dienstmannen und Krieger, ferner Fürsten des Landes 
die beiden, wie sie dem Lesen oder Ratschlägen nachgingen. Indem 
jedoch jene Frau bei ihren strengen und sehr wilden Gewohnheiten den 
Mann oft erbitterte, bewirkte sie, dass er zuweilen viel lieber zu Hause, 
als bei ihr, geblieben wäre. So geschah es bei einem Rücklaken und 
dem Vorhang seines Bettes, welche er selbst nach seiner demütigen 
Denkart abzunehmen befahl, dass sie den Diener, welcher die Gegen- 
stände abnahm, peitschen liess, und kaum gab sie auf viele Bitten des 
Meisters hin zu, dass derselbe nicht an Haut und Haar geschunden 
wurde. Wann Ekkehart entweder bei Festzeiten, oder wann es ihn ge- 
lüstete, einen Besuch zu machen, nach Hause ging, so war es rühmens- 
wert, wie grossen Aufwand sie dem Manne auf Schiffen nach Steinach ! 
vorausschickte, indem sie ihm stets etwas neues in Zierstücken, entweder 
für ihn selbst zum Gebrauche, oder als Gabe dem Gallus darzubringen, 
als scharfsinnigste Minerva selber vorher einrichten liess. — — — 

Ekkehart geht, begleitet von dem ihm gleichnamigen Diakon, dem spä- 
tern Dekan, und von dem Knaben Purchard, dem spätern Abte, seinen 
Vettern, nach dem Twiel. — — Am andern Tage dann, als die Her- 
zogin mit der Morgendämmerung, wie sie da zu tun pflegten, das 
Schweigen nach der Regel, wovon sie auch selbst eine sorgfältige 
Beobachterin war, zu Ende geführt hatte, ging sie zu dem Lehrmeister, 
um mit ihm zu lesen. Und als sie sich gesetzt hatte, befrug sie Ekke- 
hart unter andern Dingen, wozu jener Knabe gekommen sei, indem der 
Knabe selbst dabei stand. «Wegen des Griechischen», sagte Ekkehart, 
«meine Herrin! Ich habe Euch denselben, der auch in andern Dingen 
manches weiss, hergebracht, damit er von Eurem Munde etwas sich 
merken könnte.» Der Knabe selbst aber, schön von Aussehen, brachte, 
weil er im Versmass sehr fertig war, so sein Begehren vor: 

„Fast sprech’ ich, Herrin, Latein; Grieche noch möcht ich sein.“ 
Darüber ergötzte sich jene, sowie sie neuer Dinge begierig war, so 
sehr, dass sie ihn an sich zog und küsste und näher zu sich auf 
einen Fussschemel setzte. Sie forderte nun neugierig von ihm, dass er 
ihr noch mehr Verse unvorbereitet machen möchte. Da aber versetzte 
der Knabe, eines solchen Kusses gleichsam ungewohnt, indem er seine 
beiden Lehrer anschaute, die folgenden Worte: 
„Nicht ganz kann ich mich richten, würdige Verse zu dichten; 
„Süss hat der Kuss mir geschmeckt, als mich die Fürstin erschreckt.“ 
Sie jedoch brach in ein Gelächter aus, weit entfernt von ihrer gewöhn- 
lichen Strenge; endlich stellte sie den Knaben vor sich hin und lehrte 
ihn die Antiphon: «Maria et flumina», welche sie selbst ins Griechische 
übertrug, so singen: 
„Thalassi ke potami, eulogiton kyrion,* ® 





! St. Gallens Hafenplatz, zwischen Arbon und Rorschach, nachher dorch das letztere 
in Schatten gerückt. — ?* Schlechtes Griechisch; die Übersetzung lautet: „Meere und 
Flüsse, preiset den- Herrn.“ 


—— — — — —— — — — — 


27 


Und oft unterrichtete sie ihn nachher, wann sie freie Zeit hatte, indem 
sie ihn zu sich rief und Verse aus dem Stegreif von ihm forderte, im 
Griechischreden, und zeigte ihm ihre Zuneigung in vorzüglicher Weise. 
Endlich auch beschenkte sie ihn, als er wegging, mit einem Horaz und 
einigen andern Büchern, welche unsere Büchersammlung noch heute 
enthält. 


11. Die goldene Handvefe der Stadt Bern. 15. April 1218. 


Das lat. Orig. abgedr. bei Zeerleder, Url. f.d. G. der Stadt Bern I p. 182, und in 
den Fontes Rerum Bernensium II p. 2. 


Am 15. Januar 1274 bestätigte König Rudolf von Habsburg eine ihm von der 
Stadt Bern vorgelegte umfassende Freibeitsurkunde, die wegen des daran hängenden 
Siegels aus Goldblech die „goldene“ Handveste genaunt wurde und angeblich von 
Kaiser Friedrich 11. im Jahr 1218 ausgestellt worden war. Die Ächtbeit dieser Urkunde 
ist in neuerer Zeit aus verschiedenen Gründen stark in Zweifel gezogen worden. Sei es 
non, dass sie wirklich aus dem Jahre 1218 stamme oder erst 1273 angefertigt wurde, 
um eine Gewähr für die tatsächlich bestehenden Freibeiten der Stadt zu bilden, jedenfalls 
gibt sie ein treues Bild des im 13. Jahrhundert in Bern geltenden Stadtrechtes und ist 
durch die Bestätigung König Rudolfs die rechtliche Grundlage für die Reichsfreiheit 
der Zähringerstadt geworden. 


Friedrich von Gottes Gnaden König der Römer und allezeit Mehrer 
des Reiches und König von Sizilien seinen lieben Getreuen, dem Schult- 
heissen, Rat und sämtlichen Bürgern von Bern in Burgund seine Gnade 
und alles Gute. Da Herzog Bertold von Zähringen die Burg Bern erbaute 
mit aller Kreiheit, mit welcher Herzog Konrad Freiburg im Breisgau 
erbante, und mit Freiheit begabte nach dem Rechte der Stadt Köln unter 
Bestätigung Kaiser Heinrichs und mit Zustimmung sämtlicher Fürsten 
der Krone des römischen Reiches, welche anwesend waren, wollen wir 
euch und allen, die gegenwärtigen Brief in Ewigkeit sehen werden, kund 
tun, dass wir in Kraft königlicher Hoheit dieselbe Burg Bern und alle 
Bürger, die jetzt daselbst wohnen oder später dahin ühersiedeln werden, 
in unsere und des römischen Reiches Herrschaft und Schirm empfangen 
haben, indem wir euch und eure Nachkommen von allen Steuern und 
Diensten, mit welchen ihr beschwert waret, frei und ledig machen, aus- 
genommen jedoch den Zins eurer Häuser und Hofstätten, nämlich von 
jeder Hofstatt von 100 Fuss Länge und 60 Fuss Breite 12 Pfennige 
gemeiner Münze, jedes Jahr vom Lehen des Reiches’ zu bezahlen. Mit, 
der Bezahlung dieses Zinses wollen wir, dass ihr und eure Nachkommen 
unserseits und von Seiten aller unserer Nachfolger oder unserer Stell- 
vertreter von allen andern Steuern und Diensten befreit seid, und diese 
Freiheit und Immunität bestätigen wir euch und euren Nachkommen aus 
königlicher Machtvollkommenheit. 

Wir versprechen auch euch und euren Nachkommen festiglich, dass 
wir die Burg Bern mit aller Ehre und allem ihr zugehörenden Rechte 
in unserer und des Reiches Herrschaft behalten und sie und euch niemals 


Basen... 


28 


durch Verleihung, Verkauf, Tausch oder auf irgend eine Weise unserer 
oder des römischen Reichs Gewalt entfremden oder entziehen werden, 
sondern wir wollen, dass ihr auf dem Grund und Eigen des Reiches 
frei und ohne Steuer sitzet und auch des Lehenrechtes, wie andere 
Getrene und Diener des Reiches, geniesset und eine Minze frei habet 
und einen Markt von 15 Tagen, nämlich am Fest des hl. Georg und 
nachher 8 Tage, und am Fest des Michael und nachher 8 Tage. Und 
ich erlasse allen zu der Zeit des öffentlichen Marktes Ankommenden den 
Zoll und verspreche aus königlicher Freiheit Frieden und Sicherheit für 
Leib und Gut derselben, sowohl im Kommen als im Gehen, ausgenommen 
denjenigen, welcher an einen Bürger freventlich Hand anlegt. Und wenn 
einer der Kaufleute während der Marktzeit beraubt würde, werde ich, 
wenn er den Räuber nennt, entweder für Rückerstattung sorgen oder 
Ersatz leisten. Wir wollen auch, dass alle Kaufleute für die Zeit des 
öffentlichen Marktes auf den Strassen oder dem Boden des Reiches, wo 
sie immer wollen, ausser auf dem Eigentum der Bürger für sich Buden 
und Zelte aufschlagen mögen ohne Kosten und Widerrede. Und wenn 
irgend ein Streit zur Marktzeit zwischen einem Bürger und den Kauf- 
leuten entstünde, soll er nicht unserem oder unseres Statthalters Gericht 
zustehen, sondern nach dem Gewohnheitsrecht der Kaufleute und ins- 
besondere dem der Kölner von den Bürgern entschieden werden. — — — 


Wir beschliessen und versprechen euch auch dies, dass weder wir 
noch einer unserer Nachfolger euch Schultheissen, Leutpriester, Schul- 
meister, Küster, Räte, Weibel oder irgend einen Beamten setzen sollen: 
sondern, welche ihr euch mit gemeinem Rate vorsetzt, die sollen wir 
bestätigen. Ihr könnt auch jedes Jahr den Schultheissen und die Räte 
oder auch alle Beamte der Stadt, verändern und andere wählen, den 
Leutpriester ausgenommen. — — — — 


Niemals auch sollt ihr mit uns oder mit irgend einem, der euer 
Herr sein wird, weiter ziehen Kriegens halb, als dahin, von wo ihr in 
der folgenden Nacht wieder nach Hause zurückkehren möget. Wenn aber 
ener Herr in die Stadt kommt, sollen die Ritter und Gäste in den Häusern 
jener beherbergt werden, welche Gäste zu empfangen pflegen. Wenn 
aber die Häuser jener nicht genügen, sollen sie auch anderwärts be- 
herbergt werden ohne Schaden der Bürger. 

Ausserdem gewähren wir euch in königlicher Güte, dass ihr Getreide, 
Wein und alle andern Dinge frei kaufen und verkaufen möget, wann 
immer es euch gefällt, ohne Erschwerung und Einschränkung. Ein jeg- 
licher der Bürger kann auch sein Haus, Eigen und alles, was er hat, 
verzehren, verkaufen und geben, wem er will, ohne alle Erschwerung 
und Widerrede. — — . 

Jedermann, welcher in diesen Ort kommt und bleiben will, soll frei 
sitzen und wohnen dürfen. Wenn er aber jemandes”’ Knecht ist und den 
Herrn verläugnet, soll ihn der Herr binnen Jahresfrist mit sieben nahen 
Verwandten desselben überführen, dass/er sein Knecht sei; andern Falls 
er, wenn er nach Verfluss von Jahr und Tag nicht überwiesen ist," frei 
in der Stadt wohnen soll, und fürderhin nicht gehalten ist, ihm oder 
irgend einem zu folgen. Wenn er aber des Herren geständig ist, soll 
ihn der entweder innerhalb Jahresfrist wegholen oder ihn in der Stadt 


29 


als frei zurücklassen. Wenn er aber binnen Jahresfrist nicht fortgeholt 
wird, soll er nach Verfluss des Jahres fortan frei wohnen dürfen. 


Wer immer das Bürgerrecht in der Stadt zu erhalten wünscht, soll, 
welches Standes er auch sei, alle Rechte der Stadt erfüllen, es sei denn, 
dass er mit gemeinem Rat der Bürger ausgenommen und ledig ge- 
sprochen wird. 

Kein Auswärtiger kann gegen einen Bürger Zeugnis ablegen, sondern 
nur ein Bürger gegen einen andern Bürger, und jedes Zeugnis soll mit 
zwei ehrbaren Zeugen vorgebracht werden, und zwar von solchen, die 
es gesehen und gehört haben. — — — — — — 

\Wer immer innerhalb der Grenzen und des Friedens der Stadt einen 
tötet, soll ohne alle Widerrede enthauptet werden. Wenn er aber im 
Zorn einen verwundet, hat er die Hand verloren. Wenn indes der An- 
geklagte entweicht und nicht gefangen wird, und zum dritten mal ge- 
laden, nicht vor Gericht erscheint, hat er sich damit selber überwiesen 
und verurteilt. Und dann sollen Schultheiss und Rat mit sämtlichen 
Bürgern das Haus desselben von Grund aus zerstören. Aber das Bauholz 
sollen sie Jahr und Tag auf der Hofstätte unversehrt liegen lassen, und 
nach Ablauf des Jahres mögen die Erben desselben das Haus wieder 
aufbauen, wenn sie wollen, und frei besitzen, nachdem sie jedoch dem 
Richter zuvor drei Pfund bezahlt. — — — 

Jeder Bürger kann Klage erheben gegen den, welcher einen Bürger 
in der Stadt getötet hat, und wegen des Totschlags mit ihm, wenn er 
leugnen will, den Zweikampf beginnen; auch wenn der Erschlagene nicht 
sein Verwandter ist. Wer immer in der Stadt einen des Nachts frevent- 
lich angreift und verwundet, hat, angeklagt, die Hand verloren. Wenn 
er aber leugnen will und der Geschädigte ihn nicht überweisen kann, 
kann er, wenn er will, mit demselben den Zweikampf aufnehmen. Dieses 
ist aber das Recht des Zweikampfes. Wenn einer einen andern wegen 
einer zugefügten Wunde anklagt, so hat der Angeklagte, falls er be- 
siegt wird, die Hand verloren. \Wenn aber der, welcher ihn anklagt, 
besiegt wird, soll er jede Waffe, die er auf sich hat, mit drei Pfund 
lösen. Wenn aber einer einen des vollbrachten Totschlags anklagt, so 
hat der Angeklagte, wenn er besiegt wird, den Kopf verloren. Wenn 
aber der, welcher anklagt, besiegt wird, hat er die Hand verloren. — — — 


Ausserdem setzen wir aus königlicher Freiheit fest, dass alle Bürger, 
welche in der Stadt oder ausserhalb sich verehelichen, welches Standes 
sie auch seien, einander gleich sein sollen in allen Rechten. Und nach 
dem Hinschied des einen, soll das andere alle Güter desselben, welche 
es hinterlassen, nach Erbrecht frei und ruhig besitzen. Auch darf der 
Herr der Stadt nicht hindern, noch verbieten, dass die Gattin des Ver- 
storbenen oder der Gatte der Verstorbenen sich wieder verehelichen mit 
wem sie wollen, nach ihrem Willen. Wenn zwei sich verehelichen und 
Kinder bekommen, sollen die Kinder derselben nach dem Tode beider 
Eltern alle Güter der Eltern nach Erbrecht ohne alle Widerrede frei 
besitzen. — — — 

Wer immer das 14. Altersjahr zurückgelegt hat, kann alle bürger- 
lichen Rechte ausüben und gültiges Zeugnis vor Gericht ablegen, wie 
ein anderer. Alle, welche jetzt in der Stadt unter 15 Jahren alt sind 


30 


und später sein werden, sollen stets im 15. Jahre schwören, alle Rechte 
und Freiheiten der Stadt treu zu beobachten, und dem römischen Reich 
und dem Herrn des Reiches, sowie ihren Mitbürgern und Geschworenen 
Treue und Wahrheit in allem zu bewahren. 


Zuletzt verleihen und bestätigen wir euch und allen euren Nach- 
kommen aus königlicher Machtvollkommenheit alle die vorgenannten Rechte 
und Freiheiten, sowie auch alle diejenigen, mit welchen Herzog Konrad 
von Zähringen Freiburg im Breisgau erbaute und mit Freiheit begabte 
nach dem Recht der Stadt Köln, indem er mit 12 seiner namhaftesten 
Diener auf das Allerheiligste den Eid leistete und dazu seine rechte Hand 
in die Hand eines freien Mannes legte an Eides statt, dass er und seine 
Nachkommen ihnen dieselben Rechte stets und unverbrüchlich halten und 
in keiner Weise verletzen würden: sowie auch jene Rechte und Frei- 
heiten, welche Herzog Bertold, euer ehemaliger Herr, euch gegeben und 
bestätigt hat, und dazu alle Rechte und Freiheiten, welche in euren 
Rödeln und denen der Freiburger enthalten sind, oder jene, welche ihr bis 
Jetzt zum gemeinen Nutzen und zur Ehre euerer Stadt und zur Erhaltung 
und Mehrung der Ehre des Reiches euren Schriften und Rödeln mit ge- 
meinem und verständigem Rate hinzuzufügen beschlossen habt. — — — — 
Damit dies aber von unserer und unserer Nachfolger Seite fest und stät 
bleibe und in Ewigkeit unverletzt, haben wir euch und euren Nachkommen 
gegenwärtige Handveste schreiben und geben und mit dem goldenen 
Siegel unserer königlichen Hoheit bestätigen lassen. Gegeben zu Frank- 
furt im Jahre 1218, am 15. April in der sechsten Indiktion. 


12. Offnungen. 








a. Aus dem Engelberger Hofrodel vom Schluß des 13. Jahrhunderts. 
Grimm, Reistümer I S. 1. 
Ayies ind die Nechte, die das Gotteshaus von Engelberg bat in 
Ai em Amte und in den Höfen im Zürichgau, die dem Gottes— 
Ahaus angehören: 

Erjtens, dag ein Abt von Engelberg zweimal im Jahre aus: 
fahren joll auf feine Höfe im Mat und im Herbſt und foll mit ihm führen feinen 
Kaplan und einen Propjt ! und einen Yeutpriefter von Stans, wenn er will, und 
einen Mitter, wen er will, mit zwei Windipielen, mit einem Wogelhund und 
einem Habicht, und wenn er einreitet, jo joll die Meierin? des Hofes, auf den 





Vropft hieß im einem Kloſter der Stellvertreter des Abtes; ihm lag insbejondere 
die ölonomiſche Verwaltung der Kioftergüter ob, — ? Die Frau des Meiers. Die zu- 
fammenbängende Beſitzung eines geiftlihen oder weltlichen Grundherrn hieß der „Bor“. 





31 


er dann da kommet, ihm entgegenfommen vor den Hof und foll ihn empfangen 
und joll in einer Hand tragen ein Brot und in der andern ein Huhn; das 
Huhn gehöret dem Habicht und das Brot den Hunden. Und joll man ihm 
und jeinem Gejinde, das hier genannt ift, Fleiſch von einem jungen Widder 
und einem Schwein geben, und Hühner genug und fein anderes Fleiſch, und 
guten Eljaßer und feinen Yandwein. Auf welchem Hof er auch das Mlittags- 
mahl nimmt, will er zu Nacht wieder da bleiben, jo joll jeglihe Schup- 
pojje, die zu dem Hof gehört, ein Huhn geben und von dem Gerichtstag 
jonft feinen Schaden haben. 

Auch joll man zum Maiengerichtstag und zum Herbjtgerichtstag acht 
Tage vorher laden, und wer zwijchen Neuß und Rhein dem Gotteshaus eigen 
iſt, die jollen alle auf den Gerichtstag herfommen und darnach alle die, die 
von dem Gotteshaus Erbe ! oder Yehen haben. Wer aber nicht herkäme und 
das verfäumte, wie bievor gejchrieben ift, derjelbe es büßen mit drei Schilling 
Pfenning, und wenn des Gotteshaufes Bote die Buße zu Haus und zu Hof 
fordert, wer ihm dann die vorgenannte Buße nicht entrichtet, der joll fie zwie— 
fach geben. 

Es joll auch auf des vorgenannten Gotteshanjes Höfen niemand wohnen, 
als des Gotteshanfes eigene Yeute. — — 


Dazu haben des Gotteshaufes eigene Leute das Necht, daß fie die Yehen, 
die fie von dem Gotteshaufe haben, daR fie damit ihre Kinder, die dem 
Gotteshauje eigen find, verheiraten jollen in die Genofjame ? mit des Abtes 
Hand ? oder des Propftes, den er an jeine Statt jest, und foll fie daran 
der vorgenannte Abt nicht hindern. Auch joll das obengejchriebene Yehen ein 
Gotteshausmann von dem andern erben bis zum neunten Gejchlecht, und wo 
ein Mann unferes Gotteshaujes ftirbt, wer den nach Recht erben joll umd 
des Gotteshaufes eigen ift, der foll geben das befte Haupt [Vieh], das 
der Dann hatte, da er in das Todbett fam, und jein ganzes Gewand, 
wie er zur Kirche ging, von rechter |Yeibleigenjchaft [wegen]. Wir haben 
auch in unjern Handvejten und Briefen, wer ohne Yeibeserben ftirbt, daß wir 
den erben jollen. — — 


Ein Zeil der dazu gehörigen Güter bildete den „Frohn- oder Herrenbof“. Befaßte 
ſich der Grundherr nicht jelbjt mit der Bewirtſchaftung desjelben, jo überließ er ihn feinem 
Rermwalter, dem „Meier“ gder „Keller“ Zo wurde der „Frohnhof“ zum „Meier- 
bof*“ oder „Kelnbof”. Zu jedem Frohnhof gehörten eine mebr oder weniger große 
Anzahl Heinerer Bauernhöfe, Schnppoſſen oder „Huben” genannt, auf weldhen die 
dem Herrn zu Grundzinſen und Fronden verpflichteten Hörigen oder Yeibeigenen ſaßen. 

Im Gegenfag zum „echten“ Eigentum“, welches dem Herrn zuftand, nannte man 
das erbliche Beſitzrecht des Hörigen an jein Gut das „Erbe“. — ? Die Genoffenichaft 
der zum Hofe gehörigen Yeute. — ? Da der Hörige nur ein abgeleitetes Befitrecht batte, 
fo mußte er das Gut, auch wenn er es erbte, aus der Hand des Grundherrn empfangen, 
Diefe Belehnung geſchah meift in feierlicher Weiſe, mittelft Überreihung eines Reiſes, eines 
Halmes oder einer Erdicholle mit Nafen ıc. 


PIE DORINT TITTEN IT Treten 


32 


b. Anderer Engelberger Hofrodel (wahrjdeinlidd aus der Mitte des 
14. Jahrhunderts). 


Grimm a. a. O. 82.2 fi. 


Dies ſind auch des Gotteshauſes Rechte: Wenn ein Abt erwählt wird und 
beſtätigt, jo ſollen ihm alle Talleute, die über vierzehn Jahre [alt] ſind, ſchwören, 
ſeinen Nutzen, ſeine Ehre zu fördern, ſeinen Schimpf und Schaden zu wenden, 
ſein Gericht zu ſchirmen, ſein Recht zu ſprechen und zu behalten, demſelben 
Herren gehorſam zu ſein ohne alle Gefährde, wie Gotteshausleute von Rechts— 
wegen tun ſollen bis an ihr Ende, oder an das Ende des Herren Herrſchaft. 

Es iſt auch zu wiſſen, wenn ein Gotteshausmann ſeinen Herren verrät 
an Leib oder an ſeinen Ehren, oder ſeinen Ungenoſſen! [zur Ehe] nimmt 
oder ein Gotteshpausmann ein Gotteshausweib zu Tode erichlägt, deifen Yeib 
und Gut iſt dem Gotteshaus verfallen und nicht dem Ammann, bis auf des 
Abtes Gnade. — — 

Wenn aud ein Mann jtirbt, der nicht mit jeinen Kindern geteilt hat, 
und Kinder hinterläßt, die ehlich find, jo joll das Gotteshaus zu Falle nehmen 
das beſte Haupt, das er hinterläßt, und jollen feine Kind ihr Erbe damit 
empfangen haben. Wenn auch mehr Söhne, als einer, bei einander find, 
und der ältere jtirbt, jo joll wieder dem Gotteshaus das beſte Haupt zu 
Falle werden; ftürbe aber der jüngere, jo wird dem Gotteshaus fein Fall, 
jofern fie nicht mit einander geteilt haben. 

Das Gotteshaus erbt auch alle, die ohne Yeibeserben fterben, es jeien 
Frauen oder Männer; und teilt der Water mit dem Sohn, und ftirbt der 
Vater, jo erbt ihn das Gotteshaus; ftirbt auch der Sohn, jo erbt ihn auch 
das Gotteshaus. Wenn auch ein Mann jtirbt, der eine ebliche Frau binter- 
läßt und feine Stinder, da erbt das Gotteshaus den halben Teil alles Gutes, 
jo jie mit einander hatten bis zu jenem Tod, und joll auch die Frau den 
andern halben Zeil erben. — — Die frau joll auch voraushaben das bejte 
Bett und alles verjchnittene Gewand, das er hinterläßt. — — 

Es joll auch Feiner außer unferen Gotteshausleuten, in diefem Tale 
erben. — — In diejen Grenzen find alle Gerichte dem Gotteshaufe über 
des Gotteshaufes Yente und Gut, und joll niemand im dieſen Grenzen auf 
dem Horne blajen noch Gewild fällen, noch fejten Bau machen ohne des 
Gotteshauſes Willen, noch liegende Güter verfaufen noch hingeben auswärtigen 
Leuten, und joll aud) niemand ein Gut haben in diejen Grenzen, außer der 
es empfangen babe vom Abte oder von dem, der zu Gericht fitet am des 


D. h. eine Frau, die micht zu den Hörigen des gleihen Herm gehört. Solche 
„Ungenoſſenehen“ wurden lange aufs jchärfite verboten, weil die Kinder nah dem ur 
Iprünglich geltenden Nechte dem Herm der Mutter und nicht dem des Baters zufielen. 





33 


Abtes Statt, und wenn einer [ein] Gut gefauft hat und es nicht im Jahresfriſt 
vom Abte empfängt oder von dem, der an jeiner Statt zu Gericht fit, oder 
wenn einer Gotteshausgüter über ein Jahr ungezinjet hat, die Güter find 
dem Gotteshaus ledig verfallen bis auf des Abtes Gnade. 

Es joll auch fein Gotteshbausmann Peib oder liegend Gut von 
binnenzichen ohne des Abtes Willen und Gunſt. 

Es jollen auch des Gotteshaufes Yeute ihre Zinje entrichten, Ziger!, 
Käje, Zinspfenning zu St. Gallen Tag, die Eier zu Oftern, die 
Milcheimer? zu Pfingften, die Maienjteuer auf St. Yohannistag. Es 
ift auch Gewohnheit, jo man die Ziger und Käſe zinfet, daß ein Abt fünf 
ehrbare Männer erwählt, die die Ziger und Käſe jchäten bei dem Eid, den 
jte dem Gotteshaus getan haben; und jo die jprechen bei dem Eid, dafı 
man die Ziger nehmen folle, jo ſoll man jie nehmen. Wollte aber der Abt 
fie nicht nehmen, jo joll der, dem der Ziger ilt, 7 Schill. 4 Pfenn. für 
jeglichen Ziger geben umd zu den Heiligen jchwören, daß er damit gezinfet 
babe. Die Ziger follen gemachet jein mit der Milch, die des Jahres von 
Mitte Mat bis an St. Gallen-Tag gemolfen worden ift, ohne alle Gefährde, 
und in jeglichen Ziger ſſoll man] legen 16 Pfund und zwei alte Becher 
Salzes, So auch die Schäter ſprechen, daß die Käſe zu nehmen jeien, die 
ſoll man nehmen, oder aber der, der die Käſe zinfet, joll geben 3 Schill. 
4 Penn. umd zu den Heiligen jchwören, daß er damit gezinfet habe. Und 
wer jeinen Zins nicht entrichtet an den vorgejchriebenen Tagen, der ſoll es 
büßen mit 3 Schilling. Auch ſoll ein Milcheimer gemachet jein mit der 
Milch, wie fie von der Kuh gemolfen wird; die joll man aufwallen lafien 
und did machen und nicht gerinnen machen und nicht abrahmen, und joll ein 
ſechs alte Maß haltenden Kübel füllen. 

Es joll auch ein jeglih Haus, da fahr und Tag eine Haushaltung 
gewejen it, ein Faſtnachthuhn geben. 

Wer auch von dem Gotteshaus Erbleben bat, der joll ein Tagewerf 
tun, ein Mann mäben und eine Frau fchneiden; wer das nicht tut, der joll es 
büßen mit 3 Schill., und außerdem das Tagwerf tum. — — 

Des Gotteshaujes Yeute jollen auch nichts aufſetzen noch ablaffen ohne 
des Herrn Willen. — — Es ſoll auch niemand Vogt jein über unfere Yeute 
in dem Tal, als ein eingejeffener Talmanı. — — Des Gotteshaujes Gut 
joll niemand bauen noch haben als ein eingejejfener Gotteshausmann. — — 
Es joll auch niemand urteilen über der Gotteshauslente Erbe und des Gottes- 
hauſes Eigen, als die, die unjeres Gotteshauſes find. 





! Die fefte aus der geronnenen Milch gewonnene Maſſe. Der Ziger tft früher das 
Hauptprodult der ſchweizeriſchen Milchwirtſchaft geweſen, während der Käſe nur eine ge 
ringe Speife war. — * Über die Bereitung der Milcheimer ſiehe unten. 


Oeschsli, Quellenbuch. 3 


34 


Die Zebnten der Schafe [anbetreffend], joll der, der zehn jcherbare 
Lämmer hat, das befte für ſich jelber haben, und darnach das beſte als 
Zehnten geben; der fünfe hat, der joll ein halbes geben, der aber unter fünfen 
bat, der gibt für ein jcherbares 2 Pferminge. — — 


e. Aus der Offnung von Baflerftorf. Um 1400, 


Grimm, Weistümer. IV. 8.279. 


AUS jind dies die Gerichte und die Nechte, hohe Gerichte und 
BE niedere, Zwing und Bann’, die gehören dem Haus zu Kyburg 
NLA und auc der Bauerjame zu Bajferftorf, wie fie das von 
— alters hergebracht und gehalten haben, und ſoll man die Rechte 
zweimal in dem Jahr im Herbſt und im Mai offnen und erzählen. 

Item, wenn ein Vogt zu Baſſerſtorf am erſten Herbſtgericht zu Gericht 
ſitzet, ſo ſoll er zuerſt fragen, was Recht ſei. Dann ſollen die Hausgenoſſen 
urteilen in Betreff eines Weibel und ſollen den kieſen und nehmen und mit 
Handmehr wählen, wenn auch dann an demſelben Tag des Weibels Jahr 
aus iſt; täte aber ein Weibel, was er nicht tum follte, jo mögen ihn die von 
B. zu Maien ändern. Welcher auch je Weibel wird, der joll erftens ſchwören, 
dem Herren feine Nechte zu behalten und der Bauerfame ihr Holz und Feld 
zu behüten, wie bisher Sitte und Gewohnheit geweien ift. — — — — 

tem iſt das Recht zu B.: wenn man richten will im Mai und im 
Herbit, das foll man tun zur Tageszeit, und joll man zu dem Gericht läuten 
dreimal nad) einander, doch daß zwijchen jedem Zeichen jo lang ungeläutet 
bleibe, daß fid) einer aus feinen Gütern begeben und zu dem Gericht kommen 
möge. Welcher aber inwendig des Dorfzaung geſeſſen ift, kommt der nicht zu 
dem Gericht, eh daß der Vogt jitet, umd man drei mal geläutet, wenn dann 
der Vogt fitt, jo foll der, jo dann nicht da iſt, 3 Schill. Pfenn. Buße geben 
dem Vogt. 

Welcher auch aufeshalb des Dorizauns gejeffen ift und dem verfündet 
wird zu dem Gericht, kommt der, dieweil die Offnung geſchieht, jo gibt er 
nichts, kommt er nach der Offmung, fo ift er dem Vogt mit 3 Schill. Penn. 
verfallen; wäre ihm aber nicht verfündet worden, jo wäre er ledig, und joll 
es der geben, der ihm hätte verkimden jollen. — — 





YD. 5. das Necht zu zwingen, zu gebieten und zu verbieten. S. S. 35. N. 5. 


3D 


13. Aus dem habsburgifchen Urbarbuch. 1303—1311. 


Herausgegeben von Pfeiffer, in der Bibliothek des Stuttgarter lit. Vereins. 1850, 
S.94 fi., 130 f., 172, 213 fi. 


Das beite Gefamtbild der verfchiedenartigen Steuern und Abgaben des Mittelalters 
und zugleich einen Überblick über die weitausgedehnten Befitungen Öftreichs in den ſchwei— 
zeriſchen Yanden gibt das habsburgiihe Urbar!, welches auf König Albrechts Befehl in 
den Jahren 1303—1311 durch feinen erjten Schreiber, Meifter Burfhard von Frikke, 
aufgenommen wurde, Dasfelbe entbält nicht bloß, wie andere Urbarien weltlicher und geift- 
licher Herrſchaften, Zinfe des Grundherren von verliehenen Eigengütern, jondern im Folge 
er verfchiedenartigen Stellungen der Habsburger auch die Abgaben und Steuern der Freien 
an den Yandarafen, der Gotteshausleute an den Kaſtvogt und die Einkünfte von öffentlichen 
Gerichten, Zöllen und andern Hobeitsrechten. 


a. Die Redtung über den Hof zu Gersan. 


Das jind die Nugungen und Rechte, die die Herrichaft hat in dem Hofe 
zu Gerſowe. 

Derjelbe Hof, der Habsburger Eigen iſt, hat 6 Huben und 7 Schup— 
pofien?. Diejelben Huben und Schuppoffen und andern Güter, die in den 
Hof gehören, zahlen jährlich al8 Zins: 33 Ziger der Übereinkunft gemäß, 
deren jeglicher 4 Schill. wert fein joll, 31 Lämmer, deren jegliches 18 Penn. 
wert jein ſoll, 6 Gaishäute, deren jegliche 18 Pfenn. gelten joll, 50 Ellen 
graues Tuch, deren jegliche Elle 1 Schill. wert fein foll, 3000 Albeln ?, deren 
jedes Hundert 1 Schill. wert fein joll, und 31 Stanbalchen“, deren jegliche 
3 Pfenn. joll gelten. — Da liegt auch eine Mühle, die zahlt jährlich als 
Zins 1000 Albeln, die 10 Schill. gelten ſollen. — Der Fluochacker zu 
Hergenswile zinst jährlih 5 Schill. — Da liegt auch ein Hof, der dem 
Gotteshaus von Muri eigen ift; über den und über die Yeute, die den Hof 
bauen, und fein Gut, ijt die Herrichaft Vogt. Diefelben Yeute und die Yeute 
des Herrenhofes zahlen weder mehr noch minder denn 13 Pfund jährlich als 
Steuer von ihrem Yeib und von ihrem Gut. Die Herrichaft nimmt auch 
da von ihrem eigenen Mann als Fall das bejte Haupt, ohne eines, das er 
bat, daS gejpaltene Füße hat. Dasjelbe tut fie dem, der ihr eigen Gut inne 
bat, wenn er auch nicht der Herrichaft gehört. Die Herrichaft hat da Twing 
md Bann’ umd richtet Dieb und Frevel“?. 





’ Das Wort „Urbar“ fommt vom mittelbocdhdentichen „erbern“, — bervorbringen, und 
bedeutet urfprünglich das zinstragende Grundſtück, dann die Zinfen und Einkünfte eines 
Srundherren und endlich auch joviel wie Urbarbuch, ein Verzeichnis der Zinsgüter, Abgaben 
und Gefälle. — * Die Hube war ein größeres Bauerngqut von 30 bis 40 Yucharten, die 
Schuppoſſe ein Meineres, das den dritten oder vierten Teil einer Hube bildete, alſo etwa 
10 Jucharten umfaßte. — Gangfiſche. — * Eine Art Fiiche, vielleiht Weißfelhen. —? D. h. 
die Gewalt zu zwingen, zu gebieten und zu verbieten. Gewöhnlich umfaßte diefelbe die 
niedere Gerichtsbarkeit, die Civilrechtspflege und Polizei. — ® D.t. fie beſitzt 
de hohe Gerichtöbarkeit. Unter „Dieb“ (die Dieb- Diebſtahl) und „Frevel“ find 








36 
b. Die Redtung zu Hinderlappen [Anterlafen]. 


Dies find die Nugungen und Rechte, die die Herrichaft hat an Yeuten 
und an Gut in der Herrichaft von Hinderlappen, die gekauft ift von 
denen von Eſchibach. 

Zu Hinderlappen in der Stadt, die die Herrſchaft als Erbe! hat von 
dem Gotteshaus von Hinderlappen, liegen Hofftätten?, die zahlen der Herrichaft 
jährlich Zins 2'/, Pfund und 6 Pfenning, und gibt man wieder dem Gottes- 
haus aus demfelben Zins von der Eigenſchaft der Hofftätten jährlih 3 Pfund 
Wade. 

Die Burger zu Hinderlappen haben bis zu der Stunde, da fie die 
Herrichaft faufte, Feine Steuer gegeben. Sie haben aber feit dem Mal, 
da jie gefauft worden find, bis auf die Zeit, da diefe Schrift geihab, zu 
Hülfe an den Kauf gegeben 140 Pfund. Die Herrichaft hat da Twing umd 
Bann umd richtet Dieb und Frevel. Da liegen auch zwei Feſten; die Burg 
zu Ujpunnen und eine Matte dabei und die Palme, die der Herrichaft 
eigen find. 

Zu Grindelwalt liegen 13 alte Lehen, die die Herrichaft von dem 
Reich zur Lehen hat. Die und andere Güter, die darzu gehören, zahlen der 
Herrichaft jährlih als Zins 13 Pfund, 18 Schill. und 3 Pfenm., 13 Biger, 
deren jeglicher 10 Schill. wert jein joll, 12 Schweine, deren jegliches 12 Schill. 
wert jein joll, 20 Widder, deren jeder 4 Schill. wert fein joll, 25 Mütt 
Gerfte, 25 Mitt Haber und 3 Viertel Bohnen Thuner Maß und ift dasjelbe 
Mat ein Neuntel größer, als das Yuzernermaf. Es gibt jedermann ein Faft- 
nachthuhn. Die Herrichaft hat da Twing und Bann und richtet Dieb und 
Frevel. Die Yeute, die auf denjelben Gütern gejeffen find, und andere haben 
unter dem von Eſchibach als Steuer in einem Jahr gegeben zum meijten 
10 Pfund, zum mindeften 6 Pfund. — Da liegt auch ein Berg, der der 
Herrichaft eigen ift, der heikt Buosalpa [Bufalp]. Auf dem Berge find 5 Gaden- 
ſtätte Sennhütten], da hat die Herrichaft das Necht, daß fie um Mitte Augften 
nehmen joll all das Meulchen?, das im fünfthalb Tagen in denjelben Senn: 
bütten wird, und ift das Mulchen zum mindeften ein Pfund wert. — — 


e. Das Amt zu Freiburg im Üdtland. 


In der Stadt zu Friburg bat die Herrichaft das Recht, daß man 
ihr geben joll je zu St. Martins-Mefje als Zins einen Schilling Lauſanner 





nämlich alle ſchwereren Bergeben, als Diebſtahl, Friedensbruch, — Totſchlag x. 
begriffen, wegen deren es „dem Mann an den Leib gebt” oder die höchſte Buße gezaählt 
wird. — 

ı D.i. als erbliches Lehen. — ? Baupläge. — ? D. i. die Mild, die an einen Tage 
gemollen wird, und alles, was daraus gewonnen werden kann, Käfe, Butter, Ziger u. f. w. 


37 


Penminge von jeder Hofftatt, die in der Yänge 100 Fuß, in der Breite 60 Fuß 
baben joll. Davon wird nun zumal nicht mehr, als 6 Pfund und 14 Schill. 
Yaufanner; denn da find 24 Hofftätten von demjelben Zinje frei, die 24 
Hofftätten des Rates find. Da find auch andere Hofftätten, die Yehen find 
von Nümwenburg, von denen aud fein Zins [ein]geht; die liegen in der Vor— 
ftadt. — Da ift auch ein Zoll, der hat in gemeinen Jahren der Herrichaft 
gegeben zum meijten 113 Pfund und 6 Schill. Yaufanmer, zum mindeften 
38 Pfund und 6 Schill, Yaufanner. Das meifte konnte man jeit dem Male 
von dem Zolle nie mehr gewinnen, weil Mäuler und Roſſe die Straße nicht 
mehr gebraucht haben. 

Die Herrſchaft hat auch in der Stadt zu Friburg Twing umd Bann 
und alle Gerichte und richtet auch da Dieb und Frevel. An denjelben Gerichten 
nimmt der Schultheiß die Buße von 3 Schill. und 3 Pfunden. Was darüber 
gebüßt wird, das foll der Herrichaft werden, die mag auch niemand anders 
ablaffen, als die Herrichaft. Die Herrfchaft mag zu Friburg in der Stadt 
jegen und entjegen den Schultheifen und den Rat, wenn es ihr paßt oder 
fie will. Sie leiht auch die Kirche zu Friburg, die bringt über den Pfaffen 
wohl 20 Mark Silber oder mehr‘. 


d. Das Amt des Tales Glarus. 


Das find die Zinfe und Nutungen, welche die Herzoge von Ofterreich, 
die Kaſtvögte find über das Gotteshaus zu Schennis und Meier und 
Tögte zu Glarus, haben und haben follen an Yeuten, an Gut und an 
Gerichten, die da gehören in das Yand zu Glarus und in die Höfe, die hie- 
nach gejchrieben ftehen. 

In den Hof zu Schennis, von dem der vierte Teil der Herrichaft 
eigen ift und die Herrichaft über [die] drei [andern] Teile Vogt ift, gehören der 
Hof zu Benfen und Yeute und Gut, die dem Hof zu Schennis auf dem 
Bühl, der zuerft auf der Hofjtatt in dem Bache lag, pflichtig find. Der 
vergenannte Hof zu Schennis zinjet der Herrichaft jährlich 130 Schafe; 
davon gehen 7 Schafe ab, weil das Waffer, das die Yint heifet, von den 
Adern fo viel von dannen geführt hat, davon 7 Schafe zu Zins gingen. Der 
vorgenannten Schafe ſoll jegliches 3'/, Schill. gelten, ausgenommen 26 Schafe, 
die Yaubichafe heißen, von denen ſoll jegliches 18 Pfenn. gelten. — Man joll 
auch wiſſen, dak unter den vorgenannten Schafen 70 find, zu deren jedem 
man einen Pferming geben joll; die heißen Treibpfenninge und werden dem, 
der die Schafe treiben und übergeben joll; und verlieret er ein Schaf, das 
muß er bezahlen. Er [der Hof zu Schermis] zinfet auch jährlich 16 Kühe, 





— — 


D.i. die der Kirche gewidmeten Güter bringen über die Beſoldung des Prieſters 
hinaus fo viel ein. 


38 


deren jede 12 Schill. wert fein joll, 2 Kühe oder 30 Schill. und eine Kuh, 
die joll 21 Schill. Pfenn. gelten. Er zinjet auh 3 Schweine, von denen zwei 
je 12 Schill. gelten und das dritte 10 Schill. Penn. Er zinjet auch 84 ge: 
räucherte Fijche, von denen jeder 3 Pfenn. gelten foll. Er zinjet auch 48 Käſe, 
von denen jeder 2 Pf. gelten joll. Er zinjet auch 15'/, Hühner. Er zinfet 
auch 2 Vierteil und drei Teile eines Vierteils Salz; da gilt ein Vierteil 
gemeinlich 3 Schill. Er zinfet auch 30 Vierteil Haber. Er zinjet auch 36 Ellen 
graues Tuch, von denen jede einen Schill. gelten jell. Er zinjet auch 6 Pfund, 
6 Schill. und 3 Pfenn. Davon gehen 10 Schill. ab von den Mühlen, die 
da nicht mehr gehen, und ein Pfund ımd 4 Schill. von dem Schaden, den 
man an den Adern hat, die das Waffer weggeführet hat. Er zinfet auch 
24 Fiſche, die Albehen heiten; von denen joll jeder 2 Pfenn. gelten, und 
4 Schill. Pf., heißen Fiichpfenninge, und ein Pfund Pfeffer, das gilt ein Pfund 
3 Schill. Die Herrichaft hat da Twing und Bann und richtet Dieb und Frevel. 
Der vorgenannte Hof zinfet auch Schindeln, um die Burg zu Windeggt, 
die der Herrichaft eigen ift, zu deden. Der Tagwan? der Yeute zu Schennis 
hat innert 10 Fahren in einem fahr zum meiften 15 Pfund Pf., zum 
mindejten 11 Pfund Steuer gegeben. Sie haben auch in denjelben Jahren 
in einem Jahr zum meiften nicht mehr als 7 Schill. Buße und ein Vierteil 
Butter gegeben, in einem andern, Jahre zum mindeften ein Pfund Pf. 

Der Hof zu Benken, der oben gejchrieben ſteht, zinjet jährlich 8 Schafe, 
von denen jedes 4 Schill. gelten joll. Er zinfet auch 2 Rinder, von denen 
jedes 12 Schill. gelten joll. Er zinjet auch 2 Schweine, von denen jedes 
10 Schill. gelten jo, 6 Hühner, 1 Roßeiſen und 10'/, Pfund 10 Pfenn. 

Die Burg zu Wandelberg gehört in den vorgenannten Hof zu Benfen 
und ift Herrn Bilgerins von Wagenberg rechtes Yehen von der Herrichaft — 
Der Tagwan der Leute zu Denken hat innert zehn Jahren in einem Jahre 
zum meijten 85 Pfund, zum mindeten im einem andern Jahre 53 Pfund 
Steuer gegeben. Sie haben auch in denjelben zehen Jahren ein Jahr zum 
meiften 5 Pfund Buße, ein anderes Jahr zum mindejten 2 Pfund 7 Schill. 
gegeben. — Der Tagwan der eigenen Yeute bat innert zehn Jahren ein Jahr 
zum meijten 35 Pfund Steuer, zum mindeften ein anderes Jahr 20 Pfund 
gegeben — — 


Die Rechtung zu Glarus. 


Die Herzoge, die Meier und Vögte zu Glarus ſind, ſollen von 
Meieramts wegen den Fall auf den Wechtagen und auf den Friſchingen? 
und allenthalben nehmen, außer auf den Huben; da nimmt das Gotteshaus 


Niederwindeck auf der rechten Seite der Linth. — * Hier fo viel wie Gemeinde. — 
»So wurden in Glarus gewiffe Grundſtücke von geringerem Umfang genannt. 


von Sedingen die Fälle. Es ift auch ein Streit um dasjelbe Amt, ob der 
Meier oder das Gotteshaus die Fälle nehmen foll. Die Fälle und die Wifat ! 
fteigen manches Jahr auf 20 Pfund, manches Jahr auf weniger; man mag 
es aber wohl verleihen um 16 Pfund jährlid. Der Kornzehnten in 
Yinttal, der in das Meieramt gehöret, der ift manches Jahr verliehen um 
10 Pfund, mandes um 11 Pfund, mandes um 12 Pfund Pfenn. Der 
junge Zehnten? erträgt zuweilen 3 Pfund, zuweilen weniger; man mag 
aber den Kornzehnten und den jungen Zehnten verleihen um 16 Pfund. Da 
liegen auch Rütinen?, Hofitätten und andere Güter, die auch in das Meieramt 
gehören, die zinſen jährlih 5 Pfund und 5 Schill., 43 Käſe, deren jeder 
2 Penn. gelten joll zu allen Zeiten, 3 Schafe, deren jedes 4 Schill. gelten 
jol. Die Fifhenz in der Lint gehört auch in das Meieramt, die ift 
zumeilen verliehen um 15 Schill. Pfenn. Das Meieramt bat auch das Recht: 
wer einen Bären fängt, der joll dem Meier die rechte Hand an dem Bären 
bis an den Ellbogen geben. Der Meier hat auch da iiber Yeute und über Gut 
Twing und Bann und richtet der Vogt Diebe und Frevel. Die Vogtei ift 
aber Yehen vom Reiche und das Meieramt vom Gotteshaus zu Sedingen. — — 


39 


e. Das Amt Surfee, 


die Stadt zu Surfee, die der Herrichaft eigen iſt, da liegen 
Hofftätte und Gärten, die der Herrichaft jährlih 7'/, Pfund 
Pfenn. zinfen. Da liegt auch eine Mühle, die zinfet jährlich 
4) Mütt Kernen. Die Herrihaft hat da Twing und Bann und 
richtet Dieb und Frevel. 

Die Burger von Surfee haben von alter Gewohnheit nicht mehr jährlich 
denn 10 Mark Silber Steuer gegeben. Seit aber die Herrſchaft 
begann, Yand und Yeute zu Faufen, jo haben jie, wie andere 
Städte der Herrſchaft, jährlich mehr geftenert als 10 Marf; 
denn fie haben in gar manchen Jahren, wie ſchwer es ihnen auch fiel, jedes 
Jahr 20'/, Mark gegeben. Sie ſprechen auch, daß fie e8 auf ihren Eid 








Wiſat bedeutet Gefchenfe, welche die Hörigen u Feitzeiten dem Herrn darbradhten. 
— 2? 8 gibt ſehr verfhiedenartige Zehnten. Der Großzehnt begreift alle Arten des 
Getreides und der Halmfrüchte, als Kaizen, Roggen, Faſen. Dinkel, Gerſte, Haber, ſamt 
——— und Stroh; hiezu gehört auch der Weinzehnt. Der Riütti-, Neubrud-, 

eugereute, Rovalze nt ift der Zehnten von meuen Kulturen, von neu angebauten 
Yand. Der Hen- oder Emdzehnten wird vom Ürtrag des micht der Aderwirtichaft 
dienenden, fonbern ausſchließlich zum Graswuchs beſtimmten M dattlandes entrichtet, und 
war der Heugehnten vom erſten jährlihen Schnitt, der Emdzehnten vom zweiten 
Schnitt. Statt des Zehntens vom Brasertrag der Brachmweiden wird der junge (Nascens 
oder Blut») Zehnten gegeben, d. h. der Zehnte von der Frucht Des Viehes, das jenen 
fonfumirt hat. Der Fleine Zehnten umfaßt Gartengewächſe, Obſt, Kraut, Rüben, Hanf, 
Flachs, Nüſſe, Kaſtanien, Bohnen, Erbſen, Hirſe u. ſ. w. Dieſer Zehnten wird an einigen 

rten auch der naffe ahnen genannt (Eidgen. Abich. Bd. IT. 2, p. 1602), — * Durch 
Reuten urbar gemachte Grundjtüde. 





4) 


nehmen, daß fie ein Jahr 28 Mark gegeben haben und geſchah das aber nie 
mehr, als ein Jahr. Die Kirche zu Surjee leiht die Herrichaft, die bringt 
über die Pfründe und über die „Pfaffheit" hinaus wohl 70 Mark, und ift 
bewidmet mit 15 Schuppoffen, darüber die Herrichaft Vogt if. — — 


f. Das Amt Wintertur, 


Dies find Gut, Zinje, Steuern, Nutungen und Rechte, die die Herrichaft 
hat in dem äußern Amt und in der Stadt zu Wintertur. 

Der Kelnhof zu Ellinfon, der eigen iſt der Herrichaft, zinjet 6 Mütt 
Kernen, ein Malter Haber Ziricher Maß, 10 Schill. Pfenn. für ein Schwein, 
2 Herbit- und ein Faſtnachthuhn und zu Oftern 50 Eier. Er ſoll aud) alle 
Dienfte tun nach der Herrichaft Gnaden. Da ift aud) eine Wideme!, die 
entrichtet al8 Vogtrecht? 4 Mütt Kernen Zürcher Map. — Da liegen aud) 
freier Yeute Güter, die entrichten auch al8 Vogtrecht 6 Mütt Kernen 
Züriher Maß. — Da liegt aud eine Hofftatt und ein Gütlein, das zinjet 
ein Schwein, das 3 Schill. wert fein joll, 5 Eier und ein Faſtnachthuhn. — 
Da liegt auch eine Schuppos, die zinfet 3'/, Mütt Sternen, 2 Herbft: und 
ein Faftnachthuhn und 18 Eier. — — Da ift auch eine Mühle, die eigen ift, 
die zinjet 12 Mütt Kernen Züriher Maß, 2 Schweine, die beide 16 Schill. 
wert fein jollen, 4 Herbſt- und 1 Faſtnachthuhn. Bon den vorgenannten freien 
Yenten und Vogtleuten gibt jeglicher ein Faſtnachthuhn. Die Derrichaft bat 
da Twing und Bann und richtet Diebe und Frevel. Die Yeute, die auf den 
vorgenannten Gütern gejejfen find, haben in einem Jahr zum meiften 13 Pfund, 
zum mindeiten 8 Pfund Steuer gegeben. Sie gaben aud) ein Jahr 17 Pfund, 
und gejchah das nie mehr und mag auch nicht wohl mehr geichehen, denn die 
Leute möchten es nicht erleiden. 

Der Kelnhof zu Richembach Rickenbach), der eigen ift der Herrichaft, 
der zinjet 15%/, Mütt Kernen, 5 Malter Haber Winterturer Maß, 3 Schweine, 
von denen jeglides 10 Schilling wert ſein foll, 18 Pfenninge fiir Werg, 
8 Hühner und 100 Eier. — Da ift auch ein anderer Kelnhof, der eigen ift, 
der zinjet 15 Mütt Kernen, 5 Malter Haber, 3 Schweine, deren jegliches 
10 Schilling wert fein joll, 18 Pfenn. für Werg, 8 Hühner und 100 Eier, 
Bei Richembach liegt ein Hof, beift im Gerüte, der zinjet 6 Mütt Kernen 
Winterturer Maß, 2 Malter Haber desjelben Maßes und ein Schwein, das 
10 Schill. gelten joll, IS Penn. für Werg, 4 Hübner und 50 Eier. — In 
dem Dorfe zu Michenbach liegen dann noch 7 Huben und eine Mühle, 
die man aud für eine Hube zählet, und 11 Schuppoſen. Da zinfet jede Hube 


'} Das einer Pfarrlirche gewidinete Gut. — ? Eine Abgabe der Freien und Gottes: 
hausleute an den Inhaber der Vogtei, die man als Militärpflichteriag erklärt. 


41 


5 Mütt und ein Bierteil Kernen, Winterturer Maß, ein Schwein, das 
10 Schill. wert fein joll, und 35 Eier und 3 Hühner. Jede von den 
Schuppoſſen zinfet 11 Vierteil Kernen, ein Huhn und 12 Eier. 

Die vorgenannten Huben und Schuppoffen find der Herrſchaft eigen. 
Da ift auch eine Hofftatt in der Gaffen, die zinfet 2 Schill. Pfenn. Da liegt 
auch eine Wieje, deren Heu führt man zu Hofe, davon wird wohl jährlid) 
bis auf 8 Fuder. Bei der Wieſe liegt eine Rüte, die zinfet 2 Vierteil Kernen. 
Es gibt auch jedermann em Faftnachthuhn. Die Herrichaft hat da Twing 
und Bann und richtet Dieb und Frevel. Die Yeute desjelben Dorfes haben 
in einem Jahre zum meijten 13 Pfund, zum mindeften 4 Pfund Steuer 
gegeben. — — j 

In dem Dorfe zu Sehein [Seen] liegt ein Kelnhof, der Yehen ift von 
St. Gallen, der zinjet in zwei “Jahren jedes Jahr 20 Miütt Kernen, ein 
Malter Haber, einen Mütt Bohnen, Züricher Maf, ein Schwein, das 8 Schill. 
wert jein ſoll, 10 Hühner, 105 Eier; in dem dritten Jahre 15 Miütt Kernen, 
ein Malter Haber, einen Mütt Bohnen, 8 Hühner und 80 Eier und auch ein 
Schwein, das 7 Schill. gelten ſoll. — Da liegt auch eine halbe Schuppos, ꝛc. 
— — — Es gibt jedermann ein Faftnachthuhn. Die Leute tun der Herr: 
haft alle Dienfte na Gnaden. Die Herrfchaft hat da Twing und Bann 
umd richtet Dieb und Frevel. Diejelben Yeute haben in einem Jahre zum 
meiften 18 Pfund, zum mindeften 11 Pfund Steuer gegeben. Sie gaben 
auch ein Fahr 27 Pfund, und geſchah das nie mehr und mag auch nicht 
wohl mehr geichehen, denn die Yente möchten es nicht erleiden. 

An den vorgenannten Gütern und an andern Gütern, die die Herridaft 
an die Pfründen auf dem Heiligenberge! gegeben hat, da behält ſich 
die Herrſchaft jelber die Ehre und die Gewalt vor, dar fie die Pfründen und 
die Kirche leihen joll und niemand anders, da die Herrichaft rechte Stifter 
iind. Diejelbe Kirche erträgt wohl an 10 Marf. Der Pfründen find viere; 
von denen erträgt eine an 5 Mark, die andere an 6 Marf, die dritte an 
8 Marf, die vierte an 4 Darf. Die Herrichaft behielt fich jelber die Vogtei 
über die Kirche und über die Pfründen und über die Güter, die dazu gehören, 
vor, und von derjelben Vogtei nimmt die Herrichaft Steuer von den Yeuten, 
die die Güter bauen. — — 

Zu Eſchaberg [Ejchenberg bei Wintertur] liegen zwei Schuppofien, 
die eigen find, die zinſen 30 Schilling Zürcherpf. und 3 Schilling Wacht— 
pfenning?. Der Hof zu Iberg, der eigen ift der Herrichaft, zinfet einen Mütt 
Kernen, 5 Malter Haber, Zürcher Maß, 3 Schill. Pf., ein Schwein, das 
8 Schill. gelten ſoll, 3 Hühner und 30 Eier. — — — Der Hof in dem 


. Ehemaliges Chorherrenftift bei Wintertur, — .* Abgabe, die an den Burgwächter 
für Bewachung der Burg entrichtet wurde, 


42 


Tanne Thaa bei Oberfeen], der eigen ift, zinjet 6 Vierteil Kernen, ein 
Malter Haber, Winterturer Maß, ein Schwein, das 10 Schill. gelten foll, 
ein Huhn und 12 Eier. — Eine Schuppos zu Sneytal!, zinfet 2 Mütt 
Kernen. Die [feitgejegte Vogtjteuer, die da von dem freien Eigen und von 
zwei Widemen zu Obra-Sehein [Oberjeen] [ein]geht, beträgt 2 Pfund 
und 18 Pf. Die Herrichaft hat einen halben Zehnten zu Ejchaberg, ber 
beträgt 5 Mütt Kernen, Winterturer Maf. Es gibt jedermann ein Faftnadht: 
huhn. Die Yeute, die auf den vorgenannten Gütern gejejfen find, haben als 
Steuer eines “Yahres zum meiften 11 Pfund, zum mindeften 9 Pfund gegeben. 
Sie haben aud) ein Jahr 18 Pfund gegeben, und geſchah das nicht mehr 
und mag auch nicht wohl mehr geichehen, denn die Yeute könnten es nicht 
erleiden. 

Der Kelnhof zu Velthein, der eigen ift der Herrichaft, zinjet 16 Meütt 
Kernen, 6 Malter Haber, 4 Mütt Roggen, 2 Mitt Faſtmus?, Winterturer 
Maß, 3 Schweine, deren jedes 5 Schill. wert fein foll, und 110 Eier, 
12 Hübner. — Da liegen auch 10 Schuppofen u. ſ. w. — — — Da liegen 
auch Weingärten, die haben als halben Teil 40 Saum zum meiften, 15 Saum 
zum mindeften eingebracht. — Der Hof zu Aderen [Aderwieje in 
Veltheim], der eigen ift, zinfet 3 Mütt Kernen, ein Malter Haber, Zürcher 
Maf, ein Schwein, das 10 Schill. gelten fol, 4 Hühner und 45 Eier. — Zu 
Yimper [Yindberg bei Wintertur) ift ein Hof, der eigen ift, der zinjet 
4 Mütt Kernen, 2 Malter Haber, Winterturer Maß, ein Schwein, das 
10 Schill, gelten fol, 3 Hühner und 30 Eier. — Da ift auch eine Schup- 
pofje, die eigen ift, die zinfet 7'/, Vierteil Kernen, 6 Vierteil Roggen, einen 
Mitt Faſtmus, ein Huhn und 10 Eier und 2 Schill. Wachtpfenminge auf 
die Burg. Sie zinjet auch den Knechten, die des Weines hüten in der Trotte, 
als Futter 2 Vierteil Haber, Züriher Maf, und 2 Hühner. — — — Die 
Herrihaft hat da Twing und Bann und richtet Dieb und Frevel. Sie leihet 
aud die Kirche zu Velthein, die bringt über den Pfaffen hinaus 8 Mark 
Silber. Die Yeute der vorgeichriebenen Höfe und des Dorfes zu Velthein 
haben in einem Jahre zum meiften 15 Pfund, zum mindeften 7 Pfund 
Steuer gegeben. Sie haben auch ein Jahr 28 Pfund gegeben, und geſchah 
das nie mehr umd mag auch nicht wohl mehr gejchehen, denn die Leute 
möchten es nicht erleiden. 

Die Hube zu dem niedern Orringen [Unter-Obhringen], die der 
Herrichaft eigen ift, zinjet 28 Mitt Kernen, 6 Malter Haber, 6 Mitt Noggen, 





! Wahrfcheinlih im Schneifel oder Schneislet, wie die Straße ob der Höhewies 
in Seen im Winterturer Wald noch beute heit (Mitteilg. des Hrn. Pfarrer Meifter im 
Seen). — ? Eigentlich Faftenfpeife ; man verftand darunter Früchte von Olpflanzen, Bohnen 
und andere Hiljenfrüchte. 


43 


und 2 Mütt Faſtmus, Züriher Maß, 8 Schweine, deren jedes 7 Schill. 
wert jein joll und 4 Pfenn. minder, 17 Hühner, 170 Eier. Die Höfe zu dem 
Orringen, deren Eigenfchaft nach Krüzlingen [Rlofter Kreuzlingen im Thurgau] 
gebört, gaben der Herrichaft als feitgejegte Vogtſteuer ein Pfund Penn. 
Dasjelbe Pfund ift hernach in Steuermeife aljo hoch getrieben worden, 
daR fie und die Yeute, die zu dem niedern Hofe zu Orringen gehören, mit 
denen jie bisher gewöhnlich geiteuert haben und noch fteuern, zum meiften 
12 Pfund, zum mindeften 8 Pfund gegeben haben. Sie haben auch ein Jahr 
20 Pfund gegeben und gejchah das nie mehr und mag auch nicht wohl mehr 
geichehen, denn die Yeute möchten es nicht erleiden. Die Herrſchaft hat da 
Twing und Bann und richtet Dieb und Frevel Es gibt auch jedermann ein 
Faſtnachthuhn. 

Die Burg zu Wülfelingen und Leute und Gut, die die Herrſchaft 
von Habsburg von alters her gehabt hat in den Dörfern zu Wülfelingen und 
zu Buoch, ſind in das Amt zu Wintertur gelegt und alle die Güter und 
Rechte, die zu den vorgenannten Dörfern gehören, und das iſt geſchehen ſeit 
der Zeit, daß die Herrſchaft von Habsburg und von Kyburg einen Herren 
gehabt haben. — — — An dem Büele Brühlberg zwiſchen Wülflingen 
und Wintertur] liegen Rütinen, die zinſen 7 Mütt Kernen. An der Halden 
liegt auch ein Weingarten und die Halde jelber gehört zu dem Turm der Burg 
zu Wülflingen, was alles der Herrichaft eigen ift. — — Es gibt auch jeder: 
mann, der die Hölzer nugnieffet, ein Huhn, und heißt das Holzhuhn. Das Dorf 
zu Wilflingen und das zu Buoch dienen jährlich gen Kyburg zur Oftern mit 
200 Eiern. Die Herrichaft hat an beiden Dörfern Twing und Bann und 
richtet Dieb umd Frevel. Die Herrichaft leihet auch die Kirchen beidefamt zu 
Wülfelingen und zu Buoch, und die zu Wiilfelingen bringt über den Pfaffen 
30 Mark und die zu Buoch wohl an 18 Mark. Die Keller jeder der beiden 
Kirchen follen den Pflegern der Herrichaft je in vierzehn Tagen einmal ein 
Mittageifen geben, jo er da richten will mit 3 Pferden. Die Yeute der vor: 
genannten Dörfer haben in einem “fahre zum meijten 12 Pfund, zum mindeften 
7 Pfund Steuer gegeben. Sie haben auch ein Jahr 16 Pfund gegeben, 
und geſchah das nie mehr und mag auch nicht mehr gejchehen, denn die Yeute 
möchten e3 nicht erleiden. 

Zu Wingarten!, da find 1'/, Hube und find der Herrichaft eigen, die 
zinfen 15 Mütt Kernen, 6 Mütt Schmaljaat Züricher Maf, 7 Hühner, 75 Eier, 
3 Schill. Pfenn. auf die Burg als Wachtpfenning und 6 Vierteil Haber den 
Knechten, die des Weines hüten in der Trotte. — — Da liegt auch ein Wein: 
garten, der eigen ift der Herrjchaft und der um den Halbteil hingeliehen ift; 


| Berihwundener Ortsname; jo hieß der Weinberg am füdöftlihen Abhang des 
Lindberges. 


4 


der hat als Halbteil in einem Jahre zum meiſten 61 Saum, zum mindeſten 
30 Saum eingebracht. Die Herrſchaft hat da Twing und Bann und richtet 
Dieb und Frevel. Die vorgenannten anderhalb Huben geben jährlich in den 
Weingarten 15 Fuder Miſt. 

Zu Wintertur und darin ſind 4 Kelnhöfe und 9 Huben, die der 
Herrſchaft eigen find. [Folgen die Leiſtungen jedes Hofes und jeder Hube]. 
Bon den vorgenannten 4 Kelnhöfen und 9 Buben gibt jegliche jährlich) 
10 Fuder Mift in den Weingarten zu Wingarten. Es gibt jedermann ein 
Faſtnachthuhn. Die Herrichaft hat da Twing und Bann umd richtet Diebe 
und Frevel. Die Yeute von Wingarten und von den vorgenannten Kelnhöfen 
und Huben haben in einem Jahre zum meiften 22 Pfund, zum mindejten 
8 Pfund Steuer gegeben. Sie haben auch ein Jahr 30 Pfund gegeben und 
geichah das nie mehr und mag auch nicht wohl mehr geichehen, denm die Yeute 
möchten es nicht erleiden. 

Zu Wintertur liegen auch Gärten, Wiefen und Ader; die entrichten 
bejonderen Zins, wie hienach geichrieben fteht, c. — — — 


Die Rechtung in der Stadt zu Wintertur. 


Dies find Nugungen und Rechtungen, die die Herrichaft hat in der Stadt 
zu Wintertur. 

Der Hauszins zu Wintertur und das Markrecht“!, das auf Wein- 
gärten und auf Adern liegt, bringen 10 Pfund, 5 Schill. und 7'/, Penn. 
Züricher ein. Das Maß an Korn wird jährlih auf 15 Pfund geihägt. Es 
gibt jeder Saum Wein, den man vom Zapfen jchenkt, als Tavernengeld 
6 Pfenning. 

Von den Brotbädern gibt jeglicher, der feiles Brot bädt und an dem 
rechten Markte fitet den Bach zu Wintertur hinauf und hinunter, zu Weih— 
nachten 10 Schill., am St. Johannestag auch 10 Schill. Wer in den Gaffen 
oder in den Vorſtädten geſeſſen ift, der gibt zu Weihnachten 6 Schill. und 
auch am St. Johannestag 6 Schill. Der Zins heift die Pfiftri?. 

Ein jeglicher Fleiſchhacker, der Fleiſch feil bat, gibt zu Weihnachten 
2 Schill. und an St. Yobannestag auch 2 Schill. 

Ein jeglicher gibt von zu verfaufenden Häufern oder Hofftätten dem 
Schultheißen 2 Maß Wein und den Burgern 1 Vierteil Wein. 

Die Zinfe und die Nutungen, die oben geichrieben ſtehen, ſammelt der 
Schultheiß ein und von denjelben Zinjen und Nugungen und von 26 Pfunden, 
die ihm der Zoller jährlich gibt von dem Zoll, und von den Nugungen, jo 





Die Abgabe von den in der Mark, d. h. im Umfang von Wintertur gelegenen 
Gütern. — * Bon lat. pistrina, Bäckerei. 





— — — — — 


— —— 


— — — 


45 


er in der Stadt hat und unten geſchrieben ſtehn, entrichtet der Schultheiß alle 
Jahre der Herrſchaft gewöhnlich bis auf 72 Pfund. 


Dies find die Nutungen, die der Zoller hat, wovon er 26 Pfund gibt: 
der Zoll, die Münze, Bankſchilling“ und Fronwage?. 


Die Herrichaft hat da Twing und Bann und richtet Dieb und Frevel. 
Die Herrichaft leihet auch die Kirche zu Wintertur; die erträgt an Korn 
110 Stüde? und 10 Pfund Züricher und Opfer! und Seelgeräte ®. 


Die Burger von Wintertur haben von fejtgejetter und alter Gewohnheit 
ber 100 Pfund Pfenm. gegeben. Diejelbe Steuer hat ihnen die Herrichaft 
erhöht, jo dar fie in einem Jahr zum meiften 150 Marf Silber, zum min: 
deiten 60 Marf Silber gegeben haben, ohne die Steuer, jo fie bei dem Eide 
gaben, da fie den 15. und den 20. Teil ihres fahrenden und liegenden Gutes 
gaben, wovon fie die Summe jet nicht wiffen. Der Schultheiß leihet auch 
das Hirtenamt und nimmt davon als Ehrihag® 5 Schill. oder 6 oder 
zumeilen um 10 Schill. Der Schultheik joll auch von dem äußeren Amt einen 
Forſter jegen, der nimmt feinen Yohn von jeder Ziege zu Maien 2 Pfenning 
und zur Ernte von dem Mann, der zu jchmeiden hat, eine Garbe. 


Dan foll auch wifjen, daß 9 Vierteil Zürder Maß 8 Vierteil Winter- 
turer Maß tun. So tun 10 Ymmi ein Bierteil. 


Bemerkung. — Die gewöhnlichen Geldforten in Oberdeutichland waren zur Zeit 
der Abfaffung des Urbars die Pfenninge oder Denare [An]. Man rechnete nad 
Marten, Pfunden, Schillingen und Pfenningen; aber nur der Pfenning war 
wirklich vorhanden; Schillinge, Pfunde und Markt dagegen waren bloße Rechnungsmünzen. 
Das Verhältnis vom Pfenning zum Schilling und vom Schilling zum Pfund war un- 
veränderlih: 12 Pfenninge machten 1 Schilling, 20 Schilling oder 240 Pfenninge 
1 Pfund. Dagegen wechielte das Verhältnis des Pfundes zur Mark, welch letstere ein be 
ſtimmtes Gewicht hatte, mit der Zeit bedeutend. Schillinge und Pfenninge wurden nicht 
gewogen, jondern gezäblt; die Mark dagegen wurde gewogen. Zur Zeit der Abfaffung des 
Urbars galt die Mark Feinfilber [244,, Gramm) 50 Schillinge oder 2, Pfund. Das 
Gramm Silber zu 20 Gt. angenommen, befaß die Mark mithin einen Metallwert von 
circa 49 Fr., das Pfund einen folhen von 19 Fr. 60 Et., der Schilling einen folchen 
von ca. 98 Et., der Pfenning einen folhen von ca. 8 Et... Die im Urbar angegebenen 
Preife werfen ein Yicht auf den damaligen wirklichen Geldwert. Der Preis einer Kuh 


'* Die Abgabe der Bäder und Mebger von den Brot- und Fleiſchbänken. — ? Die 
öffentliche Wage. — * entweder = Miütt oder dann der zehnle Teil einer Mark Silber. — 
+ Opfer — bie einer Kirche, befonders bei der Seelmefle zum Gedächtnis eines Verſtorbenen 
dargebradjte Babe. — * Seelgeräte ift alles, was man zum Heil der Seele (feiner oder der 
anderer) einer ee Anftalt für Seelmeſſen u. drgl. vermadt, ſodann legtwillige 
Schenkungen und Bermäcdtniffe überhaupt. — * Sonjt eine Gebühr, die bei Veräußerung 
eines Gutes oder bei fonftiger Veränderung desjelben, fei e8 durch Kauf oder Todesfall 
des Befiters, an den Zins- oder Pehensherrn zu entrichten ift. 





46 


varürt zwifchen 12—21 Schilling, alfo zwifchen 11 Fr. 76 Et. und 20 Fr. 58 Ct., der— 
jenige eines Schafes von 18 Pfenn. = 1 Fr. 44 Et. bis 31, Schill. = 3 Fr. 43 Ets., 
der eines Schweines von 2, Schill. = 2 Fr. 5 Cs. bis 15 Schill. = 14 Fr. 70 Ct. 
Der Mütt Haber erfcheint zu 18 Pienning = 1 Fr. 44 Ct. angeichlagen; das Malter 
Kernen, Rüdlinger Maß, zu 3 Schill. = 2 Fr. A Et., Menger, Sulger und Beringer 
Maß zu 6 Schill. = 5 Fr. 88 Et., die Elle graues Tuh zu 1 Schill. = 8 Ct., die 
Eile Leinwand zu 3 Pfenn. = 24 Ct., das Fuder Heu zu 1 Schill. = 98 Et., der Napf 
Butter [7’, Bund] zu 20 Penn = 1 Fr. 60 Et., das Stüd Käfe zu 1—3 Pienn. — 
8—24 Üt., der Ziger zu 3—10 Schill. = 2 Fr. 9 bis 9 Fr. 80, das Pfund Pfeffer 
zu 1 Pfund 3 Schill, = 22 Fr. 54 Ct. Maß und Gewicht wechielten in ihrer Größe 
von Yandihaft zu Yandichaft. Das Züricher Getreide-Biertel maß ca. 20,, Yiter, aljo der 
Mütt — 4 Viertel = ca. 82 Liter, das Malter = 4 Mütt = 16 Viertel = circa 
330 Yıter. 

Die Münzen verfchlechterten fih im 14. Jahrhundert mit ſolcher Rafchheit, daß ſchon 
1334 in Bern 3.8. 4 Pfund und 1377 5 Pfund 12 Schilling, 1421 ſogar 12 Pfund 
auf die Mark Silber gingen. 1387 batte das Pfund in Züri etwa noch den Wert von 
11 Fr. 55 Et., 1425 noch einen folden von ca. 6 ‚Fr. 20 Er., in Bern fogar nur einen 
folden von 4 Fr. 30 Ct. 


Zweiter Teil. 


Die Bildung der ſchweizeriſchen Eidgenofenfdaft. 


14. Der £reiheitsbrief der Urner von König Heinrich (VII.. 
26. Mai 1231. 


Das lat, Original bei Tſchudi Chron. I. 125.' 


Heinrich, von Gottes Gnaden König der Römer und allezeit Mehrer 
des Reichs, seinen Getreuen, allen im Tale Uri niedergelassenen Leuten, 
denen der gegenwärtige Brief erzeigt wird, seine Gnade und alles Gute! 
Des Willens, allzeit das zu tun, was zu enrem Nutzen und Vorteil dienen 
kann, haben wir euch hiemit von dem Besitze des Grafen Rudolf von 


! Bei der —— dieser und der nächstfolgenden Urkunden wurde die Ver- 
deutschung von J. Meyer, Gesch. des schweiz. Bundesrechtes I. zu Rate gezogen. 


47 


Habsburg losgekauft und befreit und versprechen euch, dass wir euch 
niemals weder durch Verleihung noch durch Verpfändung von uns ver- 
äussern, sondern euch stets zu unsern und des Reiches Diensten hand- 
haben und schirmen wollen. Wir ermahnen daher eure Gemeinde mit 
aufrichtigster Zuneigung, dass ihr in Betreff! der Einforderung unserer 
Vogteisteuer und ihrer Bezahlung glaubet und tut, was unser Getreuer 
Arnold von Baden [? de Aquis] euch in unserm Namen sagen und zu tun 
heissen wird, auf dass wir eure bereitwillige Treue loben dürfen, weil 
wir ihn mit Vorwissen unseres Rates zu euch abzuordnen für gut ge- 
funden haben. Gegeben zu Hagenau am 26. Mai in der vierten Indiktion. 


15. Der Zreiheitsbrief der Schwizer von Kaifer Friedrich IL. 
Dezember 1240, 


Das lat. Original abgebrudt von Wartmann im Archiv für ſchweiz. Geſch. XIII. p. 117. 


Friedrich von Gottes Gnaden, Kaiser der Römer, allezeit Mehrer 
des Reiches, König von Jerusalem und Sizilien, allen Leuten des Tales zu 
Schwiz, seinen Getreuen, seine Gnade und alles Gute! Nachdem wir 
Briefe und Boten von eurer Seite empfangen und uns durch dieselben 
eure Bekehrung zu uns und angenommene Ergebenheit bewiesen und 
kundgetan worden ist, kommen wir eurem lautern Willen mit gnädiger 
und gütiger Zuneigung entgegen und loben eure Ergebenheit und Treue 
nicht wenig deshalb, weil ihr den Eifer, den ihr allezeit für uns und 
das Reich gehabt habt, durch wirksame Tat gezeigt habt, indem ihr 
unter unsere und des Reiches Fittige, sowie ihr gehalten waret, Zuflucht 
genommen habt, als freie Leute, die allein auf uns und das Reich Auf- 
sehen haben mussten. Dieweil ihr also aus freien Stücken unsere und 
des Reiches Herrschaft erwählt habt, empfangen wir eure Treue mit 
offenen Armen und erwiedern eure aufrichtige Zuneigung mit der Lauter- 
keit unserer Gunst und unseres Wohlwollens, indem wir euch unter unsern 
und des Reiches besondern Schutz nehmen. So dass wir zu keiner Zeit 
gestatten werden, euch aus unserer und des Reiches Herrschaft und Hand 
zu veräussern oder zu entziehen. Indem wir euch dessen Sicherheit geben, 
möget ihr euch freuen, die Fülle der Gnade und Gunst, welche ein 
gütiger Herr auf seine Untergebenen und Getreuen ausgiessen soll, in 
allem erreicht zu haben, so lange ihr in unserer Treue und Diensten 
verharrt. Gegeben bei der Belagerung von Faenza im 1240. Jahre des 
Herrn, im Monat Dezember der vierzehnten Indiktion. 





48 


16. Breve des Papſtes Innocenz IV. gegen Schwiz, Sarnen 
und Luzern. 28. Auguft 1247, 


Das lat, Original bei Wartmann, Ardiv XII p. 126. 


Innocentius, Bischof, Knecht der Knechte Gottes, unserm geliebten 
Sohne, dem Propst der Kirche zu Ölemberg', vom Orden des hl. Augustin, 
im Bistum Basel, Gruss und apostolischen Segen. Durch Mitteilung unseres 
geliebten Sohnes, des edeln Mannes Audolf des Ältern, Grafen von 
Habsburg, haben wir vernommen, dass die Leute der Orte Subritz und 
Sarmon?® im Konstanzer Bistum, welche ihm nach erblichem Rechte zu- 
gehören, von der Treue und dem Gehorsam gegen ihn freventlich ge- 
wichen sind und Friedrich, dem einstigen Kaiser, nach unserem gegen 
ihn und seine Begünstiger gefällten Urteil der Ausschliessung aus der 
Gemeinschaft der Gläubigen, leichtfertig angehangen haben, und, obwol 
sie hernach, von heilsamern Ratschlägen geleitet, durch Eidleistung be- 
kräftigt haben, dass sie fortan in der Herrschaft des genannten Grafen 
beharren und wider ihn weder jenem Friedrich noch irgend einem andern 
den mindesten (Fehorsam leisten werden, so stehen sie doch mit verdamm- 
licher Verachtung jenes Eides und des gegen die Anhänger und Be- 
günstiger des vorgenannten Friedrich verhängten Bannspruchs, mit Hint- 
ansetzung endlich der Treue, indem sie sich jeder Herrschaft entziehen, 
dem vorgenannten Friedrich gegen jenen und die Kirche nach Kräften 
und Vermögen bei. Dieweil es aber billig ist, dass der Fluch über die- 
jenigen komme, welche ihn lieben, und dass der Segen von denen, die 
ihn nicht wollen, genommen werde, verfügen wir: Sofern sich die Sache 
so verhält und die vorgenannten Leute nicht von demselben Friedrich 
innerhalb einer von Dir ihnen anzusetzenden passenden Frist zur Einheit 
der Kirche zurückkehren und sich befleissen, dem Grafen als ihrem derart 
in Ergebenheit verharrenden Herrn zu gehorchen, wie sie verpflichtet 
sind, so sollst Du sie, sowie auch die Leute der Stadt Luzern, wenn 
Du festgestellt hast, dass sie mit jenen verkehren und dem vorgenannten 
Friedrich anhangen, als _ dem Urteil des Bannes unterliegend erklären 
und die genannten Orte und die Stadt Luzern mit dem Urteil des /nter- 
diktes belegen und bewirken, dass beide Urteile kraft unserer Macht- 
vollkommenheit, das Hindernis der Appellation an uns bei Seite gesetzt, 
bis zu angemessener Genugtuung unverbrüchlich beobachtet werden, indem 
Du im übrigen dabei verfahren wirst, wie es Dir gut scheint. Gegeben 
zu Lyon am 28. Aug. im fünften Jahre unseres Pontifikats. 


! Das Kloster Ölemburg liegt bei Reiningen im Sundgau. — ? So schreibt die 
päpstliche Kanzlei missverständlich statt Switz und Sarnon. 


49 


17. Der ewige Bund der Waldflätte vom 1. Auguft 1291. 
Tas lat. Original im Archiv Schwyz, abgedrudt in den Eidgen. Abſchieden J. S. 241. 


Im Namen Gottes Amen. 1. Man sorgt für Ehrbarkeit und ist auf die 
öffentliche Wohlfahrt bedacht, wenn man Bündnisse zu gebührendem 
Bestand der Ruhe und des Friedens befestigt. Jedermann möge daher 
wissen, dass die Leute des Tales Uri und die Landsgemeinde des Tales 
von Schwiz und die Gemeinde der Waldleute des unteren Tales', in 
Anbetracht der Arglist der Zeit, damit sie sich und das Ihrige eher zu 
verteidigen und besser im gebührenden Stande zu bewahren vermögen, 
in guten Treuen versprochen haben, sich gegenseitig beizustehen, mit 
Hilfe, mit jeglichem Rat und jeglicher Gunst, mit Leib und Gut, inner- 
halb der Täler und ausserhalb, mit ganzer Macht und aller Anstrengung, 
gegen alle und einzelne, welche ihnen oder irgend einem von ihnen 
irgend welche Gewalttat, Beschwerde oder Beleidigung zufügen und gegen 
ihr Leib und Gut irgend etwas Böses im Schilde führen würden. 2. Und 
anf jeglichen Fall hat jede Gemeinde der andern versprochen, ihr bei- 
zuspringen, wann es nötig sein wird, Hilfe zu leisten, und in eigenen 
Kosten, so weit es erforderlich sein wird, dem Angriff Böswilliger zu 
widerstehen und Beleidigungen zu rächen, indem sie hierüber einen leib- 
lichen ® Eid darauf geleistet haben, dies ohne Hintergedanken zu halten, 
und die alte eidlich bekräftigte Gestalt des Bundes durch Gegenwärtiges 
erneuern. 3. So jedoch, dass jedermann nach dem Stande seines Ge- 
schlechtes gehalten sein soll, seinem Herrn nach Gebühr gehorsam zu 
sein und zu dienen. 

4. Wir haben auch in gemeinsamem Ratschlag und mit einhelligem 
Beifall einander versprochen und beschliessen und verordnen, dass wir 
in den vorgenannten Tälern keinen Richter, der dies Amt um irgend 
welchen Preis oder um Geld irgendwie erkauft hätte oder der nicht unser Ein- 
wohner oder Landsmann wäre, in irgend welcher Weise an- oder aufnehmen. 

5. Wenn aber zwischen irgend welchen Eidgenossen Streit entstünde, 
sollen die Einsichtigsten von den Eidgenossen herzutreten, um die Miss- 
helligkeit zwischen den Parteien zu schlichten, wie es ihnen zu frommen 
scheint, und dem Teil, welcher jene Richtung verschmähen würde, sollen 
alsdann die andern Eidgenossen Gegner sein. 

6. Über dies alles aber wurde zwischen ihnen festgesetzt, dass, wer 
einen andern vorsätzlich und ohne Schuld tötet, falls er ergriffen wird, 
das Leben verlieren soll; er sei denn im Stande, die Unschuld in betreff 
der genannten Missetat zu erweisen, wie es seine verruchte Schuld er- 
fordert, und wenn er etwa entweichen würde, soll er niemals zurückkehren. 
Die Hehler und Schirmer des genannten Missetäters sollen aus den Tälern 
verbannt sein, bis sie von den Verbündeten absichtlich zurückberufen 
werden. 7. Wenn aber jemand einen von den Eidgenossen am Tage 
oder in der Stille der Nacht vorsätzlich durch Feuer schädigen würde, 
soll der nimmer für einen Landsmann gehalten werden. 8. Und wenn 





! D. bh. Nidwaldens, das ursprünglich allein dem Bunde angehörte. Obwalden schloss 
sich später an, indem man auf dem Siegel Nidwaldens die Worte beifügte: Et Vallis 
Superioris, „und des obern Tales“. — * D. h. mit aufgehobenen Schwörfingern. 


Oechsli, Quellenbuch. 4 


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jemand den genannten Missetäter schirmt und verteidigt innerhalb der 
Täler, so soll er dem Geschädigten Genugtuung leisten. 9. Ferner, 
wenn einer von den Verbündeten einen andern des Gutes beraubt oder 
in irgend einer Weise schädigt, so soll das Gut des Schuldigen, wenn 
es innerhalb der Täler gefunden werden kann, mit Beschlag belegt 
werden, um den Geschädigten der Gerechtigkeit gemäss Genugtuung zu 
verschaffen. 10. Überdies soll keiner den andern pfänden, er sei denn 
offenkundig sein Schuldner oder Bürge, und dies soll nur geschehen mit 
besonderer Erlaubnis seines Richters. Ausserdem soll jeder seinem Richter 
gehorchen und, falls es nötig wäre, selber in dem Tale den Richter 
nennen, vor welchem er eigentlich zu Recht stehen soll. 11. Und wenn 
einer dem Urteil sich widersetzt und in Folge seiner Hartnäckigkeit 
jemand von den Eidgenossen geschädigt wird, so sind sämtliche Ver- 
bündeten gehalten, den vorgenannten Widerspenstigen zu zwingen, dass 
er Genugtuung leiste. 

12. Wenn aber Fehde oder Zwietracht zwischen irgend welchen 
Eidgenossen entstehen würde und ein Teil der Streitenden sich weigert, 
Recht oder Genugtuung anzunehmen, sind die Verbündeten verpflichtet, 
dem andern zu helfen. 

13. Diese obengeschriebenen zu gemeinem Wohle und Heile ver- 
ordneten Bestimmungen sollen, so Gott will, auf ewig dauern, und zum 
Beweis dessen ist auf Verlangen der Vorgenannten gegenwärtige Urkunde 
gefertigt und mit den Siegeln der drei vorgenannten Gemeinden und 
Täler bekräftigt worden. Geschehen im Jahre des Herrn 1291, zu Anfang 
des Augustmonats. 


18. Dreijähriges Bündnis zwifchen Zürich, Ari und Schwiz 
gegen Ofreich. 16. Oktober 1291. 


Staatsarhiv Zürich, abgedr, in den Eidgen. Abfhieden J. S. 22. 


* 


Illen, die dieſen Brief ſehen oder leſen hören, finden wir, der 
Nat umd die Burger insgemein von Zurich, und wir Herr 
Arnold der Meier von Silennun !, Yandammanı, und die 
Yandleute insgemein von Ure umd wir Herr Chuonratab Iberg, 
Yandammann, und die Yandleute insgemein von Zwiz, im Konſtanzer Bis- 
tum, daß wir zufammen geichworen haben, von mm an bis Weihnachten und 
von da auf drei Jahre, einander zu ſchirmen, zu raten und zu belfen gegen 
männiglich mit diefen Bedingungen, wie biernady gejchrieben fteht. Was 
immer gejchehen ift bis auf diefen Tag, darin jind wir nicht aneinander 
gebunden. Hätte auch irgend ein Herr einen Mann, der jein ift, im einen 
oder andern Teile, der joll ihm dienen, in der Gewohnheit, wie vor des 








I Silenen. 


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Königes! Zeiten und nah Recht. Wenn jemand ihn weiter nötigen will, 
den follen wir jehirmen. Wenn auch irgendwo der eine oder andere Teil 
eine Feſte belagern will ohne der andern Rat und Willen, dazu find die 
andern nicht verbunden. Iſt aber, daß ein Schade gejchieht im die Feſte? 
mit Brand, mit Naub oder mit Gefangennehmung, da jind wir einander 
verbunden, zu raten umd zu helfen gegen den, der es nicht vergütet nach 
Recht. Wenn jemand denen von Ure oder denen von Swiz in ihr Yand 
fahren? wollte, das jollen wir die von Zurich wehren mit aller unjerer 
Macht. Meöchten wir aber dem nicht wehren, darum follen wir ihn an— 
greifen mit Raub, mit Brand und mit allem, was wir darzu tun mögen. 
Wäre auch, daß die von Zurich jemand anreiten * wollte an ihre Stadt, an 
ihre Reben oder an ihre Bäume und die vermiüften wollte, das jollen wir 
von Ure und von Swiz wehren mit aller unjerer Macht, und mit Raub 
und mit Brand follen wir ihn angreifen. Iſt auch, daß jemand von ung 
führt, der uns nicht gehorjam fein will, den foll der andere Teil nicht jchir: 
men, ehe er wieder gehorjam wird. Iſt auch, daß wir, die einen oder an- 
dern, zu jemand ſchwören, dann ift der andere Teil nicht dazu gebunden. 
Auch haben wir von Ure und von Swiz, von Zurich jehs Mann genommen, 
Herm Ruodolfen den Müllner, Herrn NRüedigen Manefjen den 
ältern, und Herrn Ruodolfen von Beggenhoven, Ritter, Herm Walt: 
bern von St. Petri, Herrn Wernhern Bibirlin und Herrn Chuon: 
taten Ehrieg, Bürger. So haben wir die Burger von Zurich drei 
Mann von Ure genommen, Herm Wernhern von Attigenhufen, 
Herrn Burfarten, den alten Ammann, und Herrn Chuonraten den 
Meier von Dertfhon? und von Swiz drei Mann, Herm Chuonraten 
den Yandammann ab berg, Herrn Ruodolfen den Stonfaher umd 
Herrn Ehuonraten Hunnen. Die zwölfe ſollen nad ihrem Ermefjen 
von jedem der beiden Zeile dienen und helfen heißen, wie man ihrer denn 
bedarf, ohne die Bedingungen, die hievor gejchrieben jtehen. Und wenn von 
diejen zwölfen einer oder irgend welche jterben in dieſer Jahrzahl, jo find 
die andern auf ihren Eid gebunden, einen andern zu geben binnen vierzehn 
Tagen an des Geftorbenen ftatt. Und darum, daß dies ſtät bleibe dieſe 
Jahrzahl aus, wie hievor gejchrieben fteht, jo hängen wir, der Nat und die 
Burger von Zurich, die Yandleute von Ure, und wir die Yandleute von Swiz 
unre Siegel an drei gleiche Briefe, die darum gegeben umd gemachet jind 
zu einer rechten öffentlichen Urkunde. Diejer Brief ward zu Zurich gegeben 
an St. Gallen Tag, in dem Jahre, da von Gottes Geburt waren zwölf- 
bundert und ein und neunzig Jahre, da die Indiktion V war. 


— — — 


Nämlich König Rudolfs. — * Tſchudi lorrigirt: von der Feſte, was allerdings 
eber einen Sinn gibt. — ? Fahren — ziehen, einfallen. — * Zu Roß angreifen. — 
’ Eritielden. 








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19. Heinrich VII. [VIII] befiätigt den Schwizern den von Kaifer 
Friedrich Il. erhaltenen Freiheitsbrief. 3. Iumi 1309. 


Das lat. Original im Archiv Schwiz, abgedr. bei Wartmann, Archiv X. S. 14. 


Heinrich von Gottes Gnaden König der Römer und allezeit Mehrer 
des Reichs. Durch den Inhalt von Gegenwärtigem anerkennen und ge- 
stehen wir öffentlich, das Schreiben des Herrn Friedrich, des Kaisers 
der Römer, unseres Vorgängers göttlichen Angedenkens, weder durch- 
gestrichen noch abgekratzt, sondern von jedem Fehl und Verdacht frei 
gesehen zu haben, dessen Inhalt von Wort zu Wort als folgender erkannt 
wird: Friedrich von Gottes Gnaden etc. [folgt der Text der Urkunde Nr. 15). 

Wir bestätigen daher den Inhalt und die Form jenes Schreibens 
und bekräftigen es, indem wir Gegenwärtiges mit dem Siegel unserer 
königlichen Hoheit beglaubigen. Geschehen und gegeben zu Konstanz 
im Jahre des Herrn 1309 den 3. Juni in der siebenten Indiktion im 
ersten Jahre unserer Herrschaft. 


20. Heinrich VII. erklärt Unterwalden für reidhsummittelbar. 
3. Juni 1509. 
Das lat. Original im Ardhiv von Obwalden, abgedr. bi Wartmann a.a.D. ©. 146. 


Heinrich von Gottes Gnaden König der Römer, allezeit Mehrer des 
Reiches, gemeinen Leuten im Tal /nterwalden, seinen Getrenen, seine 
Gnade und alles Gute. Indem wir euren untertänigen Bitten gnädiglich 
willfahren, bestätigen wir euch alle Freiheiten, Rechte, Vorrechte und 
Gnadenverleihungen, welche euch durch die Güte der hochseligen römischen 
Kaiser und Könige, unserer Vorgänger, zugestanden worden sind, mit 
unserer Gunst und bekräftigen sie durch den Schirm gegenwärtiger 
Schrift, die mit dem Siegel unserer königlichen Hoheit beglaubigt worden 
ist, so lange ihr in unserer und des Reiches Treue und Diensten ver- 
harret. Gegeben zu ÄAonstanz, im Jahre des Herrn 1309, den 3. Juni 
in der siebenten Indiktion, im ersten Jahre unserer Herrschaft. 


21. Heinrich VII. befreit Uri, Schwiz und Ulnterwalden von 
jeder auswärtigen Gerichtsbarkeit. 3. JZuni 1309. 


Das lat. Original im Archiv von Obwalden, abgedr,. bei Wartmann a. a. O. S. 146, 


Heinrich von Gottes Gnaden König der Römer, allezeit Mehrer des 
Reiches, gemeinen Leuten im Tal Uhnterwalden [des Tales in Schwiz, 


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im Tal Urach'], seinen Getreuen, seine Gnade und alles Gute. Von dem 
Wunsche beseelt, euren Besorgnissen abzuhelfen und auf eure Erleichterung 
zu denken, gewähren wir euch aus Gnaden durch gegenwärtige Schrift, 
dass ihr, wofern nämlich denen, die gegen euch klagen, das schuldige 
Recht nicht verweigert wird, in keiner Rechtssache oder Angelegenheit 
vor das Gericht eines weltlichen Richters ausserhalb der Grenzen des 
genannten Tales, mit Ausnahme jedoch des Hofgerichtes unserer Majestät, 
gezogen werden dürfet, wofern ihr bereit seid, vor unserem Landvogt 
innerhalb der Grenzen desselben Tales zu Recht zu stehen und zu tun, 
was die richterliche Gewalt verfügt. Gegenwärtiges soll jedoch nur 
Geltung haben, so lange es unserm Willen wohlgefällt. 


22. Schlacht am Morgarten. 15. Mov. 1315. 


Aus der lat. Chronik Johanns von Wintertur, herausgegeben v. &. von Wyß, S. 71, 
mit Benugung der Überfegung von Freuler, S. 73. 


Der Franziskaner-Mönch Johannes, geboren um 1300 zu Wintertur und daher 
Vitoduranus genannt, verlebte daselbst seine Jugend, sah als Knabe den Herzog Leopold, 
in dessen Gefolge sich auch sein Vater befand, 1315 von der Schlacht am Morgarten 
heimkehıen, trat später in den Franziskanuerorden und lebte in verschiedenen Klöstern, 
so 1340—47 in Lindau am Bodensee. Hier begann er 1340 eine lateinische Chronik zu 
schreiben, indem er seine Erzählung mit der Regierung Kaiser Friedrichs II. anhob und 
sie bis auf seine Zeit herunterführte. Im Vordergrunde seines Werkes stehen der Papst 
und die Bettelorden; aber auch politische Ereignisse, Feuersbrünste, Lundplagen, Ver- 
brechen und seltsame Begebenheiten aller Art, die er erlebt oder die ihm zu Ohren 
kamen, finden darin ihre Stelle. So ist Vitodurans Chronik kein eigentliches Geschichts- 
werk, sie besteht mehr aus vereinzelten Anekdoten und Notizen, denen der innere Zu- 
sammenhang fehlt; aber sie gibt getreulich wieder, was in dem Kreise, in dem der 
Mönch sich bewegte, als Tageskunde oder Überlieferung, als Eindruck, Empfindung oder 
Begierde lebte und webte. Vom Jahre 1348, wo die Chronik schliesst, verschwindet 
auch jede Spur vom Verfasser. Doch ist es wahrscheinlich, dass er sein Lebensende in 
Zürich zubrachte, wo das Manuskript seines Werkes sich erhielt. 


Zu dieser Zeit im Jahre des Herrn 1315 entzog sich ein Bauernvolk, 
welches in den Tälern, genannt Schwiz, wohnte und überall von beinahe 
himmelhohen Bergen geschirmt war, im Vertrauen auf die starke Schutz- 
wehr seiner Berge dem Gehorsam, den Steuern und den gewohnten Dienst- 
leistangen, die es dem Herzog Liipold schuldete, und rüstete sich zum 
Widerstande gegen ihn. Das wollte der Herzog nicht hingehen lassen; 
in grossem Zorn sammelte er um St. Martinsfest ein Heer aus den ihm 
untertänigen Städten und andern in der Nähe gelegenen, die ihm Hilfe 
leisteten, wie man sagt, 20,000 kriegsbereite Männer, um jene gegen ihn 
aufrührerisch gewordenen Bergleute zu bekämpfen, zu berauben und zu 
unterjochen. In diesem Heere hatte der Herzog Lüpold die stärkste, aus- 
gewählteste, kampferfahrenste und unerschrockenste Ritterschaft. Es 





! Das Schreiben ist für die drei Täler gleichlautend abgefasst worden. 





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kamen also die Männer dieses Heeres einmütig wie ein Mann zusammen, 
um jene Bauern, die mit Bergen als Mauern umgeben waren, gründlich 
zu bändigen und zu demütigen, und sie meinten ihres Sieges, der Ein- 
nahme jenes Landes und seiner Beraubung und Plünderung so völlig 
sicher zu sein, dass sie Stricke und Seile mit sich führten, um daran 
die Beute an Schafen und Vieh weg zu führen. Als jene dies hörten 
und in grosse Furcht gerieten, befestigten sie die schwächeren Stellen 
des Landes und, wo zu ihnen ein Zugang sein konnte, mit Mauern und 
Wällen und auf andere Weisen, wie sie konnten, und empfahlen sich in 
Gebeten, Fasten, Prozessionen, Bittgängen Gott und besetzten alle Berg- 
gipfel, und es wurde den einzelnen, bei welchen ein Durchpass stattfinden 
konnte, in Auftrag gegeben, die Bergsteige, durch die ein Weg zu ihrem 
Lande führen konnte, besetzt zu halten und da zu wachen, wo sie gesehen 
hatten, dass der Weg zwischen den Bergen enge sei. Und sie taten, wie 
ihnen befohlen worden war, und es schrie das ganze Volk in grosser 
Inbrunst zum Herrn, und sie demütigten ihre Seelen in Fasten, die Männer 
und ihre Weiber, und riefen einmütig zu Gott, dass doch nicht ihr Vieh 
zur Beute und ihre Frauen zur Verteilung und ihre Ortschaften zur Aus- 
rottung und ihre Ehre und Mannhaftigkeit zur Befleckung hingegeben 
werden möchten. Daher beteten sie zum Herrn von ganzem Herzen, dass 
er auf sie als sein Volk sehe, und sprachen: «Herr, Gott des Himmels 
und der Erde, siehe an ihren Hochmut und blicke auf unsere Demut und 
zeige, dass du die nicht verlässest, welche auf dich vertrauen, und de- 
mütige die, welche auf sich vertrauen und sich ihrer Tugend rühmen.» 


Dieses aber sagten sie, indem sie Busse taten, und wegen ihrer 
Widerspenstigkeit baten sie aus allen Kräften um Gnade und Frieden 
durch einen Herrn, den Grafen von Toggenburg, einen an Geist und 
Körper ausgezeichneten Mann, welcher sich zum Vermittler beider Teile 
aufwarf und bestrebt war, den Frieden zwischen ihnen herzustellen und 
den ganzen Streit beizulegen. Nachdem dieser, um den Nutzen beider 
Parteien zu betreiben, viel und redlich gearbeitet hatte, richtete er bei 
dem Herzog Lüpold doch nichts aus, weil dieser, gegen die Schwizer 
allzu erbost und von allzu grosser Wut entflammt, die ihm durch den 
Grafen von Toggenburg angebotenen demütigen Bedingungen nicht an- 
nehmen, sondern sie nur zermalmen und mit ihrem Gut vernichten wollte. 
Als die Schwizer dies hörten, wurden sie von Furcht und Zittern ge- 
schlagen. Es griffen also die Schwizer zu ihren Kriegswaffen und legten 
sich an die Orte, wo der Weg eng war und der Pfad zwischen bergichten 
Stellen hinleitete, und wachten da Tag und Nacht. 


Am Tag des hl. Otmars nun suchte der Herzog Lüpold mit seinen 
Kriegern zwischen einem Berge und einem See, Zgerisee genannt, in 
das Land einzudringen, wurde aber wegen der Steilheit und Höhe des 
Berges daran verhindert. Fast alle die edlen Ritter stellten sich nämlich, 
von Begierde und Hofinung auf die zu erfahrenden Dinge entbrannt, kühn 
im Vordertreffen auf; aber sie hatten nicht die Fähigkeit oder Möglich- 
keit, den Berg hinanzureiten; denn die Fusssoldaten konnten kaum dort 
fest auftreten oder Fuss fassen. Die Schwizer aber wussten durch ÖOffen- 
barung des erwähnten Grafen voraus, dass sie auf jener Seite angegriffen 
werden würden, und kannten die Hemmungen und Hindernisse der Feinde 


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wegen der Schwierigkeit des Zugangs zu ihrem Lande; deshalb rennen 
sie mutig und beherzt aus ihren Verstecken gegen sie hinunter und fallen 
sie wie Fische, die im Zuggarn eingeschlossen sind, an und machen sie ohne 
allen Widerstand nieder. Sie waren nämlich nach ihrer Gewohnheit an 
den Füssen mit gewissen Instrumenten, mit Fusseisen angetan, mittelst 
deren sie leicht auf noch so abschüssigen Bergen fest auftreten und auf 
der Erde Fuss fassen konnten, während die Feinde und die Pferde der 
Feinde ihre Füsse durchaus nicht zu stellen vermochten. Es hatten auch 
die Schwizer in den Händen gewisse Mordwaffen, die in jener Volks- 
sprache Helnbarten genannt werden und sehr furchtbar sind, mit welchen 
sie die noch so stark bewaffneten Gegner wie mit einem Schermesser 
zerteilten und in Stücke hieben. Da war nicht ein Kampf, sondern in 
Folge der angeführten Ursache so zu sagen nur ein Schlachten des Volkes 
Herzogs Lüpolds durch jene Bergleute, wie einer zur Schlachtbank ge- 
führten Herde. Niemanden verschonten sie, noch auch bemühten sie sich 
einige zu fangen, sondern sie schlugen alle tot ohne Unterschied. Die- 
jenigen aber, welche von ihnen nicht getötet wurden, ertranken im See, 
durch welchen sie den Händen derselben zu entfliehen wähnten, in der 
Hoffnung, ihn durchschwimmen zu können. Einige vom Fussvolk, welche 
hörten, dass ihre tapfersten Kämpfer von den Schwizern so grausam tot 
geschlagen würden, warfen sich, vor Schrecken vor einem so schauder- 
haften Tode sinnlos und verwirrt, in den See und wollten sich lieber in 
die Tiefe des Wassers versenken, als so schrecklichen Feinden in die 
Hände fallen. Es sollen aber in jenem Gemetzel 1500 Mann der Schärfe 
des Schwertes erlegen sein, ohne diejenigen, die im genannten See er- 
tranken. Wegen der dort zu Grunde gegangenen Ritterschaft war in 
den umliegenden Landen lange Zeit die Ritterschaft dünner gesät; denn 
fast einzig Ritter kamen dort um und andere von den Jugendjahren an 
in den Waffen geübte Edle. Diejenigen aber, welche andere Wege zur 
Einnahme des Landes eingeschlagen hatten, entgingen den blutgierigen 
Händen der Feinde; denn als sie hörten, dass die andern von den Feinden 
so grausam niedergehauen würden, liessen sie alles im Stich und flohen, 
das Leben zu retten. Aus einzelnen Städten, Burgen und Flecken wurden 
mehrere getötet, und deshalb verstummte überall die Stimme der Freude 
und des Jubels, und wurde nur die Stimme des Weinens und Wehklagens 
gehört. Aus der Stadt Wintertur aber kam keiner um, ausser einem 
Bürger, welcher sich von den andern getrennt und sich zu seinem Unheil 
den Edeln angeschlossen hatte; die übrigen kehrten alle mit heilem 
Körper und ganzer Habe nach Hause. Unter ihnen kam auch der Herzog 
Lüpold zurück und schien halbtot vor übermässiger Trauer. Das habe 
ich mit eigenen Augen gesehen, weil ich damals ein Schulknabe war 
und mit andern ältern Schulknaben meinem Vater vor das Tor mit 
nicht geringer Freude entgegenlief. Mit Recht aber erschien das Antlitz 
des Herzogs Lüpold traurig und verstört, weil er den Kern und die Blüte 
seines Heeres beinahe eingebüsst hatte. Dies aber geschah, da sein Bruder 
Friedrich inzwischen in Östreich weilte, im Jahre des Herrn 1315, am 
15. November am St. Otmars-Fest. Als der Kampf vorüber war, zogen 
die Schwizer den Getöteten und Ertrunkenen die Waffen aus, beraubten 
sie auch ibrer übrigen Habe und bereicherten sich sehr an Waffen und 


-— OO — — — nr — — 


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Geld, und sie beschlossen, an jenem Tage für den von Gott erhaltenen 
Sieg einen Fest- und Feiertag jedes Jahr in Ewigkeit zu begehen. 


23. Der drei Waldfätte Bund vom 9. Dezember 1315. 
Arhiv Schwiz, abgedr. in den Eidgen. Abſchieden J. S. 24. 


In Gottes Namen Amen. 1. Da menjchlicher Sinn blöde und ver- 
gänglich [ift], dag man der Sachen und der Dinge, die langwährend und ftät 
bleiben jollten, jo leicht und fo bald vergiffet, deshalb jo ift es nützlich und 
notwendig, dab man die Sachen, die den Yeuten zu Frieden und zu Gemach! 
und zu Nutz und zu Ehren aufgejeget werden, mit Schrift und mit Briefen 
wilfend umd kund gemachet werden. Darum fo fünden und eröffnen wir, die 
Yandleute von Ure, von Swiz und von Underwalden alfen denen, 
die diefen Brief lefen oder lefen hören, 2, daß wir darum, dak wir uns 
verjehen und hüten gegen die Härte und Strenge der Zeit und wir deſto 
bejjer mit Friede und mit Gnaden bleiben möchten und wir unſern Yeib umd 
unſer Gut defto befjer bejchirmen und behalten möchten, jo haben wir uns 
mit Treuen und mit Eiden emiglich und ftätiglich zufammen verfichert und 
und gebunden aljo, daß wir bei unferen Treuen ımd bei unferen Eiden ge- 
fobt und geſchworen haben, einander zu belfen und zu raten mit Yeib und 
mit Gut in unjeren Koften innerhalb [des] Yandes und auferhalb, wider alle 
die und wider einen jeglichen, der uns oder einem von uns Gewalt oder Unrecht 
täte oder tun wollte an Yeib oder an Gut, 3. und geſchähe darüber einem 
von ums ein Schade an feinem Leib oder an feinem Gut, dem jollen wir 
beholfen jein des bejten, jo wir mögen, daß es ihm vergütet oder zurüd: 
erjtattet werde in Minne oder im Recht ?. 

4, Wir haben auch das uns auferlegt bei demjelben ide, daß ſich 
feines von unjeren Yändern, noch irgend einer von uns beberren oder irgend 
einen Herren nehmen joll ohne der andern Willen und obne ihren Nat. 
5. Es ſoll aber ein jeglicher Menſch, es ſei Weib und Dann, jeinem rechten 
Derren oder jeiner rechten Derrichaft glimpflicher Dienfte geborfam fein, ohne 
die oder den Herren, der eines der Yänder mit Gewalt angreifen wollte oder 
unrechter Dinge nötigen wollte; dem oder denen joll man dieweil feinen 
Dienst tum, jo lang jie mit den Yändern ungerichtet find ®, 6. Wir find auch 
darin übereingefommen, daß Feines der Yänder noch der Eidgenoſſen einer 
einen Eid oder eine Zufage zu den Auferen * tue obne der andern Yänder 





‚. + Rube, vrgl. Ungemah. — * D. b. durch gütlichen Vergleich oder Durch richter- 
lichen Entſcheid. — * Nicht Friede gemacht haben. — * Auswärtigen, Fremden. 


m ED — —rer T,, — 













































57 


oder Eidgenofjen Nat. 7. Es foll auch feiner unferer Eidgenofjen irgend ein 
Geipräh * mit den Auferen haben ohne der andern Eidgenoffen Rat oder 
ohne ihre Erlaubnis, dieweil daß die Yänder unbeherret find. 8. Wäre auch 
jemand, der eines der Yänder verriete oder hingäbe oder der vorgejchriebenen 
Dinge eines bräche oder iüberträte, der foll treulos und meineid fein, und joll 
jein Yeib und jein Gut den Yändern verfallen fein. 9. Dazu find wir überein: 
gefommen, daß wir feinen Richter nehmen noch haben jollen, der das Amt 
faufe mit Pfenningen oder mit anderm Gute, und der auch unſer Yandınann 
nicht jei. 

10. Wäre auch das, daß ſich eine Mißhelligkeit oder ein Krieg anhöbe 
oder erftünde unter den Eidgenoffen, darzu follen die Beften und die Wigigften 
fommen und follen den Krieg und die Mifhelligfeit jchlichten und beilegen nad) 
Minne oder nad) Recht. Und wenn einer von beiden Teilen das verweigerte, 
jo jolfen die andern Eidgenofjen dem andern zur Minne und zum Recht be- 
bilflich fein auf jenes Schaden, der da ungehorjam iſt. 11. Würde auch ein 
Zwiſt oder ein Krieg zwijchen den Yändern, und wollte eines von ihnen von 
dem andern weder Minne noch Recht annehmen, jo joll das dritte Yand das 
gehorjame jchirmen umd ihm zu Minne oder Necht behilflich jein. 

12. Wäre aud), daß der Eidgenofjen einer den andern totjchlüge, der 
joll auch den Yeib verlieren, er möge denn bewähren, da über ihn geurteilet 
wird, daß er es aus Notwehr für feinen Yeib getan habe. 13. Iſt aber, 
daß er entweicht, wer ihn dann hauſet, hofet ? oder jchirmet innerhalb des 
Yandes, der joll von dem Yande fahren und foll nicht wieder in das Yand 
fonımen, bis daR ihn die Eidgenoffen mit gemeinem Mate wieder einladen. 
14. Wäre aud) das, daß der Eidgenofjen einer den andern böswillig oder 
freventlich brennte, der joll nimmermehr Yandınann werden, und wer ihn 
baufet oder hofet oder herbergt, der joll jenem feinen Schaden vergüten. 
15. Wäre auch das, daß unjerer Eidgenoffen einer den andern mit Raub 
oder anders ohne Recht jchädigte, findet man von deſſen Gut etwas innerhalb 
des Yandes, damit joll man dem Stläger feinen Schaden vergüten. 16. Es 
joll auch niemand den andern pfänden, er jei dann Schuldner oder Bürge, 
und ſoll es dennoch nicht tun, außer mit feines Richters Erlaubnis. 17. Es 
ſoll auch ein jegliher Dann jeinem Richter gehoriam jein und jeinen Richter 
zeigen innerhalb des Yandes, vor dem er zu Necht jtehen ſoll. 18. Wenn auch 
einer dem Gericht miderftünde oder ungehorfam wäre und von jenem 
Ungehorſam der Eidgenofjen einer in Schaden käme, jo jollen ihn die Eid: 
genofjen zwingen, dak den Schadhaften ihr Schaden von ihm vergütet werde, 
19. Und damit daß die vorgefchriebene Zicherheit? und die Bedingungen 


' Unterredung, Verhandlung. — ? In feinem Haus oder Hof anfnimmt. — ? Ber: 
fiherung, Gelöbnis, Vertrag. 


58 


ewig und ftät bleiben, jo haben wir die vorgenannten Yandleute und Eidgenoffen 
von Ure, von Swiz und von Underwalden unjere Siegel gehängt an diejen 
Brief, der ward gegeben zu Brunnen, da man zählte von Gottes Geburt 
dreizehnhundert Jahre und darnach in dem fünfzehnten Jahre, an dem nächſten 
Dienftag nah St. Niklaus Tag. 


24. Erſter Friede der drei Waldfätten mit öſtreich. 
19. Iuli 1318. 


Eidgenöffifhe Abſchiede J. S.24. 


Allen denen, die diefen Brief ſehen oder leſen hören, tun Fund und 
erflären wir, die gemeinen Yandleute in den Waldftätten zu Ure, zu Ewiz 
und zu Underwalden, daß wir von des Krieges wegen, jo wir hatten mit 
den bocdhgeborenen Fürſten und Herren, den Derzogen von Oſterrich, einen 
getreuen guten Frieden angenommen und gegeben haben, ohne alle Gefährde, 
allen, es feien Herren, Ritter, Piaffen, Burger oder Knechte, Weiber oder 
Kinder, wie die auch beiken, die den vorgenannten Herren, den Herzogen von 
Ofterrich und ihren Dienern angebören, von jest an bis Ende Mai, des näch— 
ften, der nun fommet, und den Tag inbegriffen, und find darin überein- 
gekommen insgemein, obne alte Gefährde, mit den edeln Herren und Rittern, 
Herrn Deinrich von Griefenberg, Herm NRuodolf von Arburg und 
Herrn Hartmann von Ruoda, Pflegern und Amtleuten der vorgenannten 
Derren Derzoge, unter den Bedingungen, wie hienach geichrieben fteht. — — 

‚Zum erjten jo erflären wir, daß die vorgenannten Herren, die Herzoge 
von Oſterrich, ihre Höfe, die in unſern vanden gelegen ſind, die ſie inne hatten 
zu Kaiſer Heinrichs VIII. geiten, innehaben, entſetzen und beſetzen! ſollen 
während dieſes Friedens, mit den Yandleuten, da die Höfe gelegen find, mit 
Steuern, mit Zinfen und mit Gerichten, wie es bisber gemwöbnlich geweſen 
it. Und geichäbe es auch, dar in diefem felben Frieden irgendwelche Pfründen 
oder Yeben ledig würden, die die vorgenannten Herzoge oder jemand anders 
vor dem Kriege leiben joltten oder verlieben batten, daran ſollen wir fie nicht 
irren mit feinen Dingen, die ibnen ſchädlich fein oder werden möchten. Es jell 
auch männiglich, es ſeien Klöſter, Pfaffen, Laien, Weib oder Mann, wie ſie auch 
beißen, die irgend welche Giner oder Einkünfte in unſern Yanden und reiten, die 
uns angebören, baben, ihre Güter und ibre Einkünfte genießen und haben 
in dieſem Frieden, wie jie auch ver dem Kriege taten. Auch jellen wir, die 


ı Fin Gut befegen mit Leuten S Leute darauf ſetzen; entiegen, bielen ihren Beſitz 
entzirben, 


59 


vorgenannten Landleute von Ure, Swiz und von Underwalden und die bei 
uns figen, alle unfere Güter genieken, wo die gelegen find in der Herrſchaft 
Gewalt draußen, wie auch jie bier innen, gänzlih, wie wir vor der Fehde 
taten. Würde aber jemand daran verhindert mit irgendwelchen Dingen, der 
jell darüber das Recht juchen und fordern im dem Land umd im dem Gericht, 
da er den Schaden hat. Würde aber der da rechtlos gelaffen, der foll jein 
Hecht anderswo juchen, wo er will. — — 

Was auch für Schulden aufgelaufen find, jeit der Krieg angefangen 
ward, die foll man bezahlen und berichtigen, ohne alle Gefährde auf beiden 
Zeiten, ohne das, was in Raubes Weije oder von Gefangennahme oder von 
Brandes wegen bergefommen ift. Was aber alte Schuld vor dem Krieg 
gewejen iſt, darım ſoll niemand den andern nötigen, mit feinen Dingen, die: 
weil der Friede währet, er tue es denm gerne !. 

Wir erflären auch, daß wir uns einzeln oder inSgemein niemand zu 
etwas verpflichten oder behilflich jein jollen während diejes Friedens, was 
den vorgenannten Herzogen und ihren Dienern jchädlich jein möchte. — — 

Wir find auch auf beiden Seiten übereingefommen, und haben einander 
gelobt, daß niemand den Frieden abjagen joll von jett am bis zu dem Ziel, 
auf das er gemacht ift und mie vorgejchrieben ſteht. Es ift auch feſtgeſetzt 
und gelobt, daR die vorgenannten Herren die Herzoge und ihre Diener in 
diefem jelben Frieden ung nicht beläftigen oder angreifen jollen mit feinen 
geiftlichen oder weltlichen Gerichten, noch bi8 dahin auf unſern Schaden oder 
unjere Schmach jinnen oder etwas tun, was uns insgejamt ſchädlich wäre. 
Würden auch Yeute oder Gut genommen oder weggetrieben durch Raub oder 
Diebjtahl über die Grenzen, wie fie uns bejtimmt find, das jollen der vor: 
genannten Herzoge Amtleute aufhalten und anhalten, wenn fie das vernehmen, 
bis daß uns darüber Recht wird. 

Wäre es auch, daß jemand wider den Frieden handelte, auf der einen 
oder andern Seite, außer Yandes oder in dem Yand, das joll niemand an: 
derem irgend wie zum Schaden gereichen, außer dem, der die Tat begeht, 
und joll man über ihn richten als über einen friedbrüchigen Mann, er ſühnte 
es denn innerhalb acht Tagen. 

Dean joll auch wiſſen, daß männtglich Friede haben ſoll, in unjere Yänder 
aus- und einzufahren, mit Kauf und ohne Kauf zu uns und von uns ohne alle Ge: 
fährde, außer denen, welche den Totichlag mit der Hand getan haben. — — 

Wir jollen auch Friede haben, zu ihnen zu fahren bis zu diefen Grenzen: 
gen Yuzerren, joweit der Burger Gericht geht, und gen Zug in die Stadt umd 
gen Egre? und von Egre die Strafe, die durch den Wald geht bis gen 
Zug. Wir jollen auch Friede haben gen Glarus und gen Weſen und bis 


D. h. der Schuldner braucht nur zu bezahlen, wenn ev es gern will, — * Aegeri, 


60 


gen Inderlappen in die Stadt. An diejen jelben Stätten follen wir Friede 
haben, hin- und herzufahren über Yand und über Zee, von den vorgenannten 
Herren den Herzogen von Ofterrih und von allen ihren Dienern und von 
jedermann ohne alle Gefährde. 


25. Zur Sage von der Befreinng der Waldfätte. 
a. Juſtinger. Um 1420, 


uftingers Bernerchronif, beransgeg. von Studer, ©. 45. 


Im Jahre 1420 erhielt Konrad Auftingtr, gewejener Stadtichreiber von Bern, 
von Rat und Zweibundert den ebrenvollen Auftrag, der Stadt „vergangene und große 
Sachen“ der Wahrheit gemäß aufzuzeichnen. Auftinger unterzog fih der Aufgabe und 
ichrieb die Chronil Berns von feiner Gründung bis zum Jahr 1421. Sonſt tft von feinem 
Leben weiter nichts befannt. 


Da, vor alten langen Zeiten, ehe dak Bern geftiftet ward, hatten die 
drei Waldftätten, Schwiz, Uri, Unterwalden, große Kriege, des erjten mit der 
Herrſchaft von Kyburg, darnach mit der Herrihaft von Habsburg, zuletzt 
mit der Derrichaft von Oſtreich. Und war der Kriege Urfprung: Als die 
von Shwiz und von Unterwalden zugebören follten einer Herrichaft von 
Habsburg und Uri an das Gotteshaus zum Frauenmünfter Zürich, 
nun hatten jich die von Uri von Alters her verbunden mit den andern zwei 
Waldftätten. Nun war Urjache des Krieges, daß der Herrichaft ihre Vögte 
umd ihre Amtleute, jo fie in den Yändern batte, über die rechten Dienfte [hin- 
aus] neue Nechte und neue Fünde fuchten und über die alten Yeiftungen 
(hinaus), die fie dem Neich, von dem fie verſetzt waren, getan hatten; aud) 
waren die Amtleute gar freventlich gegen fromme Yeute, Weiber, Töchter und 
Jungfrauen, und wollten ihren Mutwillen mit Gewalt treiben, was aber die 
ehrbaren Yeute auf die Yänge nicht ertragen mochten: und widerſetzten ſich 
alfo den Amtleuten. Alſo erhob fich große Feindſchaft zwiichen der Derrichaft 
und den Yändern, und jtärfte jich die Herrſchaft wider die Yänder. Die 
von Schwiz juchten auch eifrig Dilfe bei ihrer rechten Herrſchaft, dem rö— 
miſchen Reich, dem fie auch zugehören und das mit guten Majeftätsbriefen 
wohl beweilen; dazu taten die von Zchwiz vor alten Zeiten eine große Dilfe 
einem römischen Könige gen Eligurt! und des Weges hin und waren da jo 


D. i. Hericourt. Es liegt dieſer Bemerkung die verſchwommene Erinnerung an 
einen Kriegszug König Rudolfs von Habsburg gegen Beſançon im — 1289 zu Grunde, 
auf weldem 1200 ar ihn begleiteten umd ſich auszeichneten. . Kopp, Geſch. der 
eidg. Bünde, II. .4i, 


We 


61 


mannlih, daß ihnen der König an ihr rotes Panner das heilige Neich gab, 
d. i. alle Waffen und Inſtrumente der heiligen Marter unferes Herren Jeſu 
Ebhrifti. Und da nun die Herrichaft von Habsburg jo lange Zeit gefrieget 
hatte gegen die Waldftätte, daß fie zulegt mild wurde, da fuchte fie Hilf und 
Rat bei der Herrichaft von Oftreih. Da fam es alfo, dag die Herridaft 
von Öjtreih denen von Habsburg eine Summe Geldes gab 
um ihre Gerehtjame, und aljo gewann eine Herrſchaft von Oſtreich 
Recht an die Waldftätten; wie viel aber der Geredtjame waren, 
das hab ich eigentlih nicht vernommen; darum fo laß id es 
bleiben. Da nun das etwas Zeit gewährt, da ſuchten der Herrichaft Amt- 
leute abermals neue Fünde und fremde Zumutungen, die aber die Yänder 
nicht leiden mochten. Alfo erhob ſich Krieg zwifchen der Herrſchaft Öftreich 
und den Waldftätten lange Zeit, und es erwehrten fich die drei Waldftätte 
der großen Herrichaft, wiewohl fie niemand hatten, der ihnen behilflich wäre; 
Yuzern, Zug, Glarus, Entlibuch, Unterfee und was an fie jtieß, gehörte alles 
der Herrichaft zu, und das trieben fie fo lange, bis daR die Herrichaft fie 
überziehen wollte und fie mit Kraft bezwingen. Dies währte jo lange, bis daß 
man zählte 1315 Jahr. Da war zu den Zeiten Herzog Lüpold von Oftreich, 
der jammelte fich mit feiner Macht, mit Herren, Rittern und Snechten, feinen 
Dienern, und fie zogen mit großem Volfe gen Egeri und dachten, wo fie 
fümen in das Yand gen Schwiz. Da ward geraten: an Morgarten unterm 
Sattel. [Folgt die Erzählung der Schlaht am Morgarten.] 


b. Felix Hemmerlin, um 1450. 
De Nobilitate et Rusticitate Dialogus, Bl. CXXX. 


Felix Hemmerlin, der unglückliche Zürcher Chorherr, schrieb gegen Ende des alten 
Zürichkrieges (1448—50) eine lateinische Streitschrilt „De nobilitate et rusticitate* 
(äber den Adel und die Bauerschaft), worin er seinem leidenschaftlichen Hass gegen 
das schweizerische Bauernvolk uuverhüllten Ausdruck gab. Insbesondere strotzt das 
vorletzte Kapitel 33: „über die Völker, welche Schwizer oder Schweizer genannt werden,* 
von den wütendsten Ausfällen gegen die Schwizer. 


Einst war ein Graf von Habsburg, welchem das Haus der Herrschaft, 
der erlauchten Herzoge von Östreich nämlich, seinen Ursprung verdankt, 
der natürliche Gebieter der Schwizer in dem genannten Tale Art und 
hatte in einem Schloss Lowerz einen Burgvogt eingesetzt, der in seinem 
Namen das ganze Tal regieren sollte. Dieser wurde von zwei Schwizern 
erschlagen, weil er ihre Schwester verführt hatte. Und als der Graf 
dieselben für ihre Freveltat zu bestrafen beschlossen hatte, verschworen 
sich mit jenen beiden zwei andere Schwizer, ihre Verwandten, gegen 
ihren Herrn. Hierauf mit diesen zehn andere, und mit diesen zwanzig, 
und nach und nach kündeten alle Bewohner jenes Tales ihrem Herrn 
den Gehorsam völlig auf, verbanden sich unter einander und zerstörten 
das genannte Schloss, dessen Spuren noch heute mitten in einem See 


62 


sichtbar sind, und legten so den ersten Grund zu der Eidgenossenschaft. 
Dies vernahmen benachbarte Bergleute, welche gewöhnlich Unterwaldner 
genannt werden, — — und, während ihr Herr, ein Edler von Landenberg, 
zu Weihnachten die Frühmesse besuchte, drangen sie in sein Schloss 
Sarnen, vertrieben ihn und zerstörten zuletzt das Schloss und verbündeten 
sich mit den genanuten Schwizern gegen ihren Herrn. Hernach . 
zerstörten die Luzerner das Schloss Rotenburg und verbündeten 'sich 
mit den vorgenannten Schwizern und mit diesen Eidgenossen hierauf die 
Berner. Dann die Stadt Zug, dann das Tal Uri, welches unter der 
Herrschaft der Äbtissin von Zürich stand. Dann verbanden sich die Leute 
vom Tal Glarus, welche unter der Herrschaft der Äbtissin von Säckingen 
gestanden hatten, mit ihnen. Dann schlossen sich die Zürcher der Eid- 
genossenschaft an, unter Vorbehalt des kaiserlichen Rechtes, an das sie 
als Reichsstadt gebunden waren. — — 


e. Die Sage von dem Schüsen Tofo, Um 1200. 
Überiegt aus dem Latein. des Saro Grammaticus, Hist. Dan. 1. X. p. 184 (ed. 1610). 


Saxo, zubenannt der Grammatiker, ein dänischer Geistlicher (F 1204), schrieb im 
12. Jahrhundert eine grosse Geschichte seines Vaterlandes, die freilich durchaus sagenhaft 
ist, da er seinen Stoff fast ausschliesslich aus alten Liedern und mündlicher Überlieferung 
schöpfte. Unter seinen Erzählungen hat diejenige vom Schützen Toko und dem König 
Harald Blauzahn (936— 986) eine gewisse Bedeutung für die Schweizergeschichte erlangt, 
da man in ihr das Prototyp für die Tellssage gefunden zu haben glaubt. 





y — in gewisser Toko, der längere Zeit in des Königs Sold ge— 
— standen, hatte sich im Dienst, in welchem er seine Kameraden 
an Eifer übertraf, manche zu Feinden seiner Tugenden ge- 
macht. Derselbe rühmte sich zufällig in einem Gespräch, 
welches er, etwas trunken, mit Zechgenossen hatte, er sei durch reichliche 
Übung im Bogenschiessen so erfahren, dass er einen auch noch so kleinen 
Apfel, der in einiger Entfernung auf einen Stock gelegt würde, im ersten 
Schusse treffen wolle. Diese Äusserung ward zunächst von seinen Neidern 
aufgefangen und kam auch dem Könige zu Ohren. Aber alsbald ver- 
wandelte die Gottlosigkeit des Fürsten das Selbstvertrauen des Vaters 
in eine Gefahr für den Sohn. indem er befahl, das süsseste Pfand seines 
Lebens an des Stockes Statt hinzustellen. Und wenn der Urheber des 
Versprechens demselben den aufgelegten Apfel nicht im ersten Pfeilschuss 
vom Haupte) schösse, so werde er sein eitles Prahlen mit dem eigenen 
Kopfe büssen. So nötigte der Befehl des Königs den Soldaten, Grösseres 
zu vollbringen, als er versprochen. da die Nachstellungen fremden Neides 
die in der Trunkenheit hingeworfene Äusserung übel auslegten. 

Aber seine unerschütterliche Mannhaftigkeit, obwohl in die Schlingen 
des Neides verstrickt. liess das gerechte Selbstvertrauen seiner Seele 
nicht sinken. Ja, er nahm das Wagestück mit um so grösserer Zuversicht 
auf sich, je schwieriger es war. Daher ermahnte Toke den zur Stelle 
geschafften Jüngling eifrig, mit unbewegten Ohren und ungebeugtem 


63 


Haupte so standhaft als möglich den heranschwirrenden Pfeil zu erwarten, 
damit er nicht durch eine leichte Körperbewegung die Erfahrung der 
wirksamsten Kunst zu schanden mache. Ausserdem liess er ihn, in der 
Absicht, die Furcht zu mindern, sein Antlitz abkehren, damit er nicht 
durch den Anblick des Geschosses erschreckt werde. Hierauf nahm er 
drei Pfeile aus dem Köcher heraus und traf mit dem ersten, den er auf 
die Sehne legte, das vorgesetzte Ziel. — — Der König aber fragte den 
Toko, warum er mehrere Pfeile aus dem Köcher herausgezogen habe, 
da er doch das Glück des Bogens nur einmal, nicht mehr und nicht 
weniger, habe versuchen dürfen. «Um an dir», erwiderte er, «den Fehl- 
schuss des ersten mit der Spitze der andern zu rächen, damit nicht 
meiner Unschuld Strafe, deiner Gewalttat aber Straflosigkeit zu teil 
geworden wäre.» 


d. Das alte Tellenlied. Um 1474. 


Yilientron II S. 100. Tobler, Schweizerifche Volkslieder J. ©. 3 f. 


Im Jahre 1477, nah der Schlacht von Nancy, verfaßte ein Unbelannter ein Lied 
„vom Urjprung der Eidgnoſchaft“ von 29 Strophen. Dabei fcheint er jedoch 
ältere Yieder in dasjelbe aufgenommen zu haben, da fi Strophen darin finden, die nach 
ihrem Inhalt im Jahre 1474 gedichtet worden fein müflen. Zu diefen ältern Beftandteilen 
gebören wohl aud die erften 9 Stropben, die wabricheinlich einft ein eigenes Ganzes aus- 


gemacht haben und das ältefte Tellenlied find, das wir befigen. 


1. Von der eidgnofchaft jo wil ich heben an, 
desglichen bort ! noch nie fein man; 
in? ift gar wol gelungen, 
h band ein wiſen feften pund; 
ih mil üch fingen den rechten grund, 
wie die eidgnoſchaft ift entſprungen. 


2. Ein edel land, quot recht als der fern, 
das lit beichloffen zwüſchen berg 
vil fefter dann mit muren. 
Do buob fih der pund zuom erften an, 
fi band den jachen wislich getan 
m einem land, beißt Ure. 


3. Nun mertent, lieben berren quot, 
wie fich der pund zuom erſten anhuob, 
and land üch mit verbrießen: 
mie einer muoßt fim eignen fun 
an epfel ab der fcheitel ſchon 
mit finen benden fchiefien. 


4. Der landvogt ſprach zuo Wilhelm Tell: 
„nun Inog, daß dir din kunſt mit fel, 
„und vernim min ved gar eben ?®: 
„trifft du in nit am erften ſchutz, 
„fürwar es bringt dir Heinen mut 
„und foftet dir din leben.“ 


5. Do bat er got tag und nacht, 
daß er den epfel zuom erften traf; 
es kond ſi fer verdrießen, 

Das glüd hatt er von gotes kraft, 
daß er von ganzer meifterichaft 
jo hoflih ® konde ſchieſſen. 


6. Alsbald er den eriten ſchutz hat gtan, 
ein pfil hat er in fin göller getan: 
„bett ich min find erichofien, 
fo batt ich das in minem muot — 
ich fag dir für die warheit guot — 
ich wölt dich han erjchoffen.“ 


' hörte — * ihnen — * genau — * konnte — »geſchickt. 


64 


7. Domit macht fich ein großer ftoß !, 8, Übermuot tribend fi im land — 
do entiprang der erſt eidgenoff, böjer gwalt der wert nit lang — 
fi wolten die landvögt vertriben; alſo findt man's verichriben. 
die ſchüchten weder got noch fründ: das hand des fürften vögt getan, 
wenn eim gefiel wib oder find, drumb ift er umb fin berrichaft fan ? 
jo woltend fi muotwill triben. und us dem land vertriben. 


9. Alfo meld ich üch den rechten grund: 
fi jchwuorend alle ein trüwen pund, 
die jungen und ouch die alten. 
Got laß ft lang in eren jtan 
firbaß bin als’ noch bishar: 
jo welln wir's got lan walten! 


e. Aus dem weißen Bud zu Sarnen. Um 1470. 
Geichichtsfreund XIII. 68 ff. 


Eine hbandiriftliche Urtundenfammlung im Archiv von Obwalden, um ihres Einbandes 
willen das weiße Buch genannt, enthält unter anderm auch eine eidgenöffiihe Chronik 
von unbelannter Hand, die als Datum ihrer Abfaffung jelber die Regierungszeit des Fürften 
Galeazzo Maria Sforza von Mailand (1467— 1474) angibt. Diefelbe fängt mit der ſchon 
völlig fagenhaften Überlieferung über die Entftehung des Walpftättebundes an und endet 
mit den erjten Kämpfen der Eidgenofjen um Bellinzona und das Ejchental, 


Der Anfang der drei Yänder Uri, Schwiz und Unterwalden, wie fie da 
gar ehrlich hergekommen jind. 

Zum erjten, jo ift Uri das erjte Yand, das von einem römiſchen Reich 
empfangen hat, daß ihnen gegönnt ift, da zu reuten und da zu wohnen. Denmad) 
jo find Römer gefommen gen Unterwalden; denen hat das römiſche Neid) 
auch da gegönnt zu reuten und da zu wohnen; damit find fie gefreiet und be- 
gabet. Darnach find gefommen Yente von Schweden gen Schwiz, da 
derer daheim zu viel war; die empfingen von dem römtjchen Reich die Frei- 
heit und wurdeh begabet, da zu bleiben, zu reuten und da zu wohnen. 

Und jind die vorgenannten drei Yänder aljo lange Zeit und viele Jahre 
in guter Ruhe geſeſſen, bis daß die Grafen von Habsburg in die Nähe 
diefer Yänder famen: diejelben Grafen, die gaben in etlicher Zeit den Grafen 
von Zirol ihre Töchter umd ihre Kinder zu dem Saframent der heiligen 
Ehe und machten große Freundichaft zufammen. Da nun das viele Jahre 
und lange Zeit gewähret hatte, da ward ein Graf Rudolf von Habsburg 
zu einem römiſchen König gejegt; derjelbe König Rudolf ward jo mächtig, 
daß er alle die Yande um ihn an ſich zog, nämlich das Thurgäu, das Zürichgäu 
und Nargäu und was in den Yanden war, mit Hilfe jeiner Freunde von 





' Streit, Aufruhr — ? gelommen — * wie, 


— u TE 


65 


Tirol, und was da [rings] um war und darum, fo half er da den Grafen 
von Tirol, daß fie Herzoge würden zu Öftreich in den Yanden. 

Und als derjelbe König Rudolf etliche Jahre König war, da fuhr er zu 
mit jeinen weifen Räten und ſchickte in die Yänder und ließ mit ihnen reden 
und gab ihnen gute Worte und bat fie, dak fie ihm umtertänig wären zu des 
Reiches Handen, jo wollte er ihnen eine befcheidene Steuer zumuten, dem 
Reich zu geben und niemand anders, und wollte fie auch zu des Neiches 
Handen jchirmen, als des Neiches Getreue, umd fie getreulich mit frommen 
Yeuten bevogten zu des Reiches Handen, und vom Weich nicht verlaffen, und 
dabei jo wollte er fie bei allen ihren Rechten, Freiheiten, Gnaden und altem 
Herkommen bleiben lafjen und anders nicht bejchweren. Das gingen ihm die 
Länder ein. Das beftund nun bei jeinem Yeben wohl, und [er] hielt, was er 
ihnen verjprochen hatte, und tät ihnen gütlich. 


Da nun derjelbe König Rudolf abging, da wurden die Vögte, die er den 
Ländern gegebeu hatte, hochmütig und ftreng, und täten den Yändern ungütlich 
und je länger, je ftrenger wurden jie und muteten den Yändern mehr, denn 
fie follten [zu], und meinten, jie müßten tun, was fie wollten, was die Yänder 
nicht ertragen mochten. Das bejtund jo lang, bis daß des Königs Gejchlecht 
ausitarb. Da erbten der Grafen Frauen und Kinder von Tirol, und die, fo 
von dem Geſchlecht Habsburg bergefommen waren, — — — an Yanden und 
an Yeuten das Thurgäu und das Zürichgäu und das Aargäu und andere 
Yande, Schlöffer, Yeute und Güter, was denen won Habsburg gewejen war. 


In den Zeiten waren Edelleute im Thurgau und in dem Nargäu, die 
auch gern große Herren gewejen wären; die fuhren zu und wurben bei den 
Erben um die Vogteien, und daß man ihnen leihe, die Yänder zu bevogten, 
und gaben gute Worte, fie wollten des Reichs getreue Vögte jein, und war 
das ein Geßler, der ward Vogt zu Uri und zu Schwiz, und einer von 
Yandenberg zu Unterwalden. Denen ward num die Vogtei verliehen, 
daR fie die Yänder mit Treuen jollten bevogten zu des Neihs Handen. Sie 
täten aber das nicht; denn fie wurden je länger, je ftrenger, und hatten die 
Yänder vorher hochmütige Vögte gehabt, jo waren die nachherigen noch über: 
mütiger und taten den Yeuten großen Drang an. Sie beichagten ! einen bie, 
den andern da und trieben großen Mutwillen und anders, als fie gelobt und 
verbeifen hatten, und gingen Tag und Nacht damit um, wie fie die Yänder 
vom eich bringen möchten, ganz in ihre Gewalt. Sie liefen auch Burgen 
und Häuſer machen, worauf fie die Yänder als [leibjeigene Leute beherrichen 
möchten, und zwangen aljo fromme Leute und täten ihnen viel zu Yeide. — — 





ı Geld von einem erpreifen. 
Oechsli, Quelleubuch. 5 


66 


Nun war auf Sarnen einer von Pandenberg Vogt, zu des Reiches 
Handen. Der vernahm, daß einer im Melchi! wäre, der hätte einen hüb— 
ſchen Zug mit Ochfen. Da fuhr der Herr zu umd jchiefte einen, feinen Knecht, 
dahin und hieß die Ochſen ausfpannen und ihm die bringen und hieß dem 
armen Mann jagen, Bauern jollten den Pflug ziehen, und er mollte die 
Ochſen haben. Der Knecht, der tät, was ihn der Herr geheißen hatte, umd 
ging bin und wollte die Ochſen ausſpannen und die gen Sarnen treiben. 
Nun hatte der arme Mann einen Sohn; dem gefiel das nicht, und [er] wolite 
ihm die Ochjen nicht gern laffen, und als des Herren Knecht das Joch an- 
griff und die Ochſen ausfpannen wollte, da ſchlug er mit dem Treibiteden 
drein umd ſchlug dem Knecht des Herren einen Finger entzwei. Der Knecht, 
der befand fich übel und lief heim und klagte feinem Herren, wie es ihm 
gegangen war. Der Herr ward zornig und wollte e8 dem übel eintreiben. 
Der mußte entrinmen; der Herr ſchickte nach jeinem Vater und hieß ihn gen 
Sarnen führen auf das Haus und blendete ihn und nahm ihm, was er hatte, 
und tät ihm groß Übel. 

In der Zeit war ein Biedermann in Alzellen, der hatte eine hübfche 
Frau, und der, [welcher] damals da Herr war, der wollte die rau haben, es 
wäre ihr lieb oder leid. Der Herr fam nad Alzellen in ihr Haus; der 
Mann war im Holz. Der Herr zwang die rau, daß fie ihm ein Bad machen 
mußte, und jprach, fie müffe mit ihm baden. Die Frau bat Gott, daß er jie 
vor Schanden behüte, und dachte, Gott verlaffe die Seinen nie, die ihn in 
Nöten anrufen. Der Mann, der kam indejjen und fragte fie, was ihr fehle. 
Sie ſprach: „der Herr ift hier und bat mich gezwungen, daß ich ihm ein Bad 
machen mußte,” Der Dann ward zornig und ging bin und jchlug den Herren 
zur Stunde mit der Art tot und erlöste jeine Frau von Schanden. 

In denjelben Zeiten war einer zu Schwiz; hieß der Stoupader 
und ſaß zu Steinen diesjeits der Brücke; der hatte ein hübſches Steinhaus 
gemacht. Nun war der Zeit ein Geßler da Vogt, in des Neiches Namen ; 
der fam auf einmal und ritt da vorbei und rief dem Stoupacher und fragte 
ihn, wen die hübjche Herberge wäre. Der Stoupacher antwortete ihm umd 
jprad) traurig: „Gnädiger Herr, fie ift Euer und mein Lehen,“ und durfte 
nicht ſprechen, daß fie jein ſei. Alto fürchtete er den Herren. Der Herr ritt 
dahin. Nun war der Stoupacher ein weiler Mann und auch wohlmögend. 
Er hatte auch eine weije Fran und nahm jich der Sache an und hatte jeinen 
großen Nummer umd war voll Sorge vor dem Herren, daR er ihm Yeib und 


' Etterlin, welcher die Erzäblung des weißen Buches in fein Werk binübernabm, ver- 
wandelte den Namen „Melchi“ in „Melchtal“. Beides iſt aber nicht ıdentiih. Das 
Melchi ıft vielmehr ein Stück Yand unterhalb der Flüelilapelle gegen Sarnen bin. In dem 
hochgelegenen Melchtal jelber wird kein Aderbau getrieben, S. Anzeiger fir ſchweiz. Ge 
ſchichte und Altertumskunde 1867. 76. 


67 


Gut nähme. Die Frau, die ward deffen inne umd tät, wie Frauen tun, und 
hätte gern gewußt, was ihm fehle, oder warum er trauere; er leugnete ihr 
das. Zuletzt drang fie mit großer Bitte in ihn, daß er ihr feine Sache zu 
erfennen gebe, und ſprach: „Zue jo wohl und jage mir deine Not; wiewohl 
man jpricht, Frauen geben falte Räte, wer weiß, was Gott tun will?" Sie 
bat ihn jo oft in ihrer Vertraulichkeit, dak er ihr jagte, was jein Kummer 
war, Sie fuhr zu und ftärfte ihn mit Worten und ſprach: „Des wird guter 
Rat," und fragte ihn, ob er zu Uri jemand müßte, der ihm fo vertraut 
wäre, daß er ihm feine Not Flagen dürfte, und fagte ihm von der Fürſten 
Gejchlecht und von der Zur Frauen Geſchlecht. Er antwortete ihr und jprad): 
ja, er wiſſe e8 wohl, und dachte dem Nat der Frau nach umd fuhr gen Uri 
und lag da, bis daß er einen fand, der auch ſolchen Kummer hatte. Sie hatte 
ihn auch geheißen fragen zu Unterwalden; denn fie meinte, da wären auch 
Yeute, die nicht gern ſolchen Drang hätten. 

Nun war des armen Mannes Sohn von Unterwalden entwichen und 
war nirgends ficher, der dem Knecht des von Yandenberg mit dem Treibftecfen 
den Finger entzwei geichlagen hatte; darum fein Water vom Herren geblendet 
war, und es reute ihn jein Vater, und er hätte den gern gerochen. Der kam 
auch zu dem Stoupacher, und kamen alfo ihrer drei zufammen, der Stoupader 
von Schwiz und einer der Fürſten von Urt, und der aus Melche von 
Unterwalden, und Elagte jeglicher dem andern jeine Not und feinen Kummer, 
und wurden zu Hat und jchwuren zuſammen. Und als die drei einander ge- 
ſchworen hatten, da juchten fie und fanden einen nid dem Wald, der ſchwur 
auch zu ihnen, und fanden nun und wieder heimlich Yeute, die zogen fie an 
ih und jchwuren einander Treu umd Wahrheit, und ihr Leib und Gut zu 
wagen und ſich der Herren zu wehren, und wenn jie etwas tum und vornehmen 
wollten, jo fuhren fie fir den Myten Stein hin Nachts an ein End, heift 
im Rüdli. Da tagten fie zufammen und [es] brachte ein jeglicher von ihnen 
Yeute mit ſich, denen fie trauen mochten, und trieben das ziemlich lang und 
immer heimlich und tagten der Zeit nirgends anders, denn im Rüdli. 

Das fügte es fih auf einmal, daß der Landvogt, der Geßler, gen Uri 
fuhr, und nahm ſich vor und ftedte einen Steden unter die Yinde zu Uri 
und legte einen Hut auf den Steden und hatte dabei einen Knecht und tät 
ein Gebot, wer da vorbeigienge, der folle [vor] dem Hut [fich] neigen, als wäre 
der Herr da, und wer das nicht täte, den wollte er ftrafen und ſchwer büßen, 
und jollte der Knecht darauf warten, und den anzeigen. Nun war da ein red: 
Iider Dann, hieß der Thäll; der hatte auch zu dem Stoupacher geſchworen und 
ſeinen Gejellen. Der gieng num ziemlich oft vor dem Steden auf und ab und 
wollte [fich vor] ihm nicht neigen. Der Knecht, der des Hutes hütete, der ver- 
Hagte ihn dem Herren. Der Herr fuhr zu und beſchickt den Tallen und fragte 
ihn, warum er jeinem Gebot nicht gehorjam wäre und täte, was er geboten 





68 


hätte. Der Thall, der ſprach: „Es ift geichehen ohne Gefährde ! denn ich habe 
nicht gewußt, daß es Euer Gnade jo hoch ärgern jollte; denn wäre ich migig, 
To hieße ich anders und nit der Tall”. Nun war der Tall gar ein guter 
Schütze; er hatte auch hübſche Kinder. Die beichite der Herr zu, fih und 
zwang den Tallen mit feinen Knechten, daß der Tall einem feiner Kinder einen 
Apfel ab dem Hanpte ſchießen mufte; denn der Herr legte dem Kind den 
Apfel auf das Haupt. Nım jah der Thall wohl, daR er beberret war und 
nahm einen Pfeil und ftedte ihn in fein Gölfer; den andern Pfeil nahm er 
in eine Hand und jpannte feine Armbruft umd bat Gott, daß er ihm jein 
Kind behüte, und ſchoß dem Kind den Apfel ab dem Haupt. Es gefiel dem 
Herren wohl, und [er] fragte ihn, was er damit meinte. Er antwortete ihm 
und hätte es gern zum bejten ausgeredet. Der Herr ließ nicht ab, er molite 
wijfen, was er damit meinte, Der Tall, der fürdhtete den Herren und 
beforgte, er wolle ihn töten. Der Herr, der verftund feine Sorge und ſprach: 
„Sage mir die Wahrheit, ich will dich deines Lebens ſichern umd dich nicht 
töten!" Da ſprach der Tall: „Da hr mich gefichert habt, jo will id Eud) 
die Wahrheit jagen, und es ift wahr, hätte mir der Schuß gefehlt, daß ich 
mein Kind erjchoffen hätte, jo würde ich den Pfeil in Euch oder der Euern 
einen gejchoffen haben.“ Da ſprach der Herr: „Da mm dem aljo ift, jo ift 
es wahr, ich habe dich gefichert, daR ich dich nicht töten will," und hieß ihn 
binden und ſprach, er wolle ihn an ein Ende legen, daß er weder Sonne noch 
Mond nimmermebhr jehe. Und die Knechte nahmen ihn in einen Nauen und 
legten jein Schiefzeug auf das Hinterded und ihn gebunden und gefangen und 
fuhren den See hinab, bis an den Aren. Da kam ihnen jo ſtarker Wind entgegen, 
daß der Herr und die andern alle fürchteten, fie müßten ertrinfen. Da ſprach 
einer unter ihnen: „Herr, Ihr jeht wohl, wie es geben will. Tut jo wohl 
und bindet den Tallen auf. Er ijt ein ftarfer Mann und fan auch wohl 
fahren, und heißet ihn, daß er uns belfe, daß wir von binnen kommen.“ Da 
jprach der Herr: „Willſt du dein Bejtes tun, jo will ich dich losbinden, daß 
du uns allen belfeft.” Da ſprach der Tall: „Ja Herr, gern,” und ftund an 
das Steuer und fuhr dahin und jchaute allezeit dabei auf fein Schiefzeug. 
Denn der Herr lie ihn umngebunden gehen. Und da der Tall kam bis an 
die „ze Zellen Platten“, da rief er fie alle an und ſprach, daß jie alle 
jet zögen; kämen fie an der Platte vorbei, jo hätten fie das Böfe überftanden. 
Aljo zogen fie alle feſt, und da ihn däuchte, daß er zu der Platte kommen 
möchte, da ſchwang er den Nauen hinzu und nahm jein Schtefzeug und jprang 
aus dem Nauen auf die Platte und ſtieß den Nauen von ſich und lief fie 
ihwanfen auf dem Zee und lief durch die Berge hinaus, jo feſt er mochte, 
und lief durch Schwiz bin jchattenhalb, durch die Berge bis gen Küßnach in 





D. i. ohne böfe Abfiht; Gefährde = Arglift, Hinterlift, Tücke. 


die hohle Safe. Da war er vor dem Herren und wartete da, und als fie 
geritten famen, da jtund er hinter eine Staude und jpannte feine Armbruft 
und ſchoß einen Pfeil in den Herren umd lief wieder zurüc hinein gen Uri 
dur die Berge. 

Da demnach, da ward Staupachers Gefellichaft jo mächtig, daß fie an— 
fingen, den Herren die Häufer zu brechen, und jo fie etwas tum wollten, jo 
fuhren fie zu tagen in Trenchi!, und wo böſe Türmlein waren, die brachen 
fie, umd fingen zu Uri zuerft an, die Häufer zu brechen — nun hatte derjelbe 
Derr einen Turm angefangen unter Steg? auf einem Bihel, den wollte er 
nennen Twing Uri, und andere Häuſer —, damah Schwandau und 
etlihes zu Schwiz und etliches zu Stans und namentlic) das auf dem Ro 
berg; das ward nachher durd) eine Jungfrau gewonnen. Nun war nad) dem 
allem das Haus zu Sarnen fo mächtig, daß man das nicht gewinnen mochte, 
und war der Herr, der da Herr war, ein übermütiger, hoffährtiger, ftrenger 
Mann und tät den Yeuten großen Drang an und fuhr zu und machte, wenn 
Feſttage famen, jo mußte man ihm Gejchenfe bringen, je darnad) einer Gut 
hatte, einer ein Kalb, einer ein Schaf oder einer eine Speckſeite, und aljo 
zwang er die Yeute mit Steuern und hielt jie hart. Nun waren der Eib- 
genofjen jo viel heimlich worden, daß fie zufuhren und mit einander anzettelten, 
daß fie auf eine Weihnacht, jo man ihm wieder ſchenken und Gutjahr bringen 
jolfte, daß jie je einer mit dem andern gehen follten. — — Sie jollten aber 
feine Wehre tragen anders, denn einer einen Steden. Und aljo famen ihrer viele 
hinein in die Küche zu dem Feuer. Nun waren die andern ihrer viele unter: 
balb der Mühle in den Erlen verborgen und hatten mit einander abgemacht, 
werm die im Haus däuchte, daß ihrer jo viel wären, daß fie die Tore offen 
behalten möchten, jo ſollte einer hinaus gehen und jollte ein Hörnlein blajen; 
dann jollten die in den Erlen auf jein und ihnen zu Hilfe fommen. Das täten 
die im Haus; da fie däuchte, daß ihrer genug wären, da ging einer in einen 
Balten [Balfon?] und blies fein Hörnlein, was ihr Wahrzeichen war, Nun 
war es zu der Tageszeit, als inan die Gejchenfe brachte, dag der Herr in 
der Kirche war. Da nun die, jo in den Erlen lagen, das Hörnlein hörten, 
da liefen fie durch das Waffer, daß die niederjten jchier nirgends Waſſer 
hatten, und liefen hinten hinauf und an das Haus und gewannen das. Das 
Geſchrei kam zu der Kirche. Die Herren erjchrafen und liefen fort den Berg 
hinauf und famen vom Yand. 

Demnad haben die drei Yänder ſich mit den Eiden, jo die heimlich zu- 
ſammen gejhworen hatten, jo jehr geftärkt, daß derer jo viele geworden waren, 
daf fie Meifter wurden. Da ſchwuren fie zufammen und machten einen Bund, 


69 


t Mo dies Seitenftüd zum Rütli zu fuchen it, ift noch nicht feftgeftellt. Der Name 
ſcheint verfhollen zu fein. — * Amſteg. 


70 


der den Yändern bisher wol hat erſchoſſen, und ermwehrten ſich der Herren, 
daß ſie's nicht mehr jo hart hatten, und gaben ihnen, was fie ihnen jchuldig 
waren, wie das der Bund noch heut zu tage enthält, und tagten da gen Bedeu: 
ried, jo fie etwas zu tun hatten. [m Folgenden geht der Verfaffer auf den 
Beitritt Yuzerns zur Eidgenoffenjchaft über, ohne der Schlaht am Morgarten 
auch nur mit einer Silbe zu gedenfen]. 


26. Wie der Herzog von Oſtreich Soloturn belagert hat. 1318. 
Suftinger, ©. 51. 


a man zählte 1318 Jahre, hatte der Herzog von Oftreich großen 
Krieg mit denen von Soloturn, fo fehr, daß er vor Soloturn 
zog und die Stadt belagerte mit großer Macht, und lag da wol 
zehn Wochen. Es hatten auch die Feinde oberhalb der Stadt Soloturn 
eine Brücke über die Aare gemacht, auf daß fie die Stadt an allen Enden 
nötigen möchten. Nun hatten die von Bern dahin gejandt vierhundert 
Mann, die lagen da um Sold, die fi) gar mannlich hielten und der Feinde 
Werfe, Bliden und Katzen! zerbradhen. Nun kam ein Yandregen und eine 
ftarfe Waffergröße, und die Feinde fürchteten, daß die Waffergröße ihnen ihre 
Brücke zerbrechen und dahin führen würde. Und aljo gingen der Feinde gar 
viele und wollten die Brücke bejorgen und bejchweren, daß fie das Waſſer 
nicht von dannen führe. Nun waren der Feinde gar viele auf der Brüde, 
und die Stärfe des Waſſers kam jo feft, daß es die Brücke niederftieß, und 
die Feinde fielen in das Waſſer und hielten ji auf den Bäumen und Hölzern, 
wo fie mochten, und es fonnte ihnen niemand helfen, und [fie] trieben gegen 
die Stadtbrüde. Das fahen die von Soloturn, wie es ihren Feinden jetzt 
gieng, und geboten allen den Ihren, daß ihnen niemand fein Yeid täte weder 
an Yeib noch an Gut, und waren da zur Stunde mit großen Schiffen und 
halfen ihren Feinden heraus und jandten fie wiederum dem Herzog. — — 

Als nun der Herzog jah, daß er nichts jchaffen Fonnte, da ließ er in 
die Sache reden und jchied von dannen und- fuhr gen Bern; da wurden die 
Sachen alle gerichtet. 








ı Biden find Wurfmaſchinen, Katen Schirmdächer. 


71 


27. Der Luzerner Bund. 7. Nov. 1332. 


Eidgen. Abid. I. S. 256. 


In Gottes Namen. Amen. 1. [wie 1. im Bund der drei Waldftätte von 
1315). 2. Darum jo finden und [erjöffnen wir, der Schultheif, der Nat 
umd die Burger insgemein der Stadt zu Yuzern, die Yandleute von Uri, 
von Schwiz und von Unterwalden allen denen, die diefen Brief jehen 
oder lejen hören, dag wir [folgen die Worte von 2. im Bund von 1315] ge- 
ihworen haben, einander zu belfen und zu raten mit Yeib und mit Gut, in 
all dem Recht und mit all den Bedingungen, wie hienach gejchrieben fteht. 


3. Zum erften jo haben wir der Schultheiß, der Rat umd die Burger 
zu Yuzern vorbehalten den bochgebornen unjern Herren, den Herzogen von 
Oftreich, die Gerechtjame und die Dienfte, die wir ihnen von rechtswegen 
tun follen, und ihre Gerichte in der Stadt und in dem Amte zu Yuzern, wie 
wir von Alters und von guter Gewohnheit der Stadt zu Yuzern herfommen find, 
gegen Burger und gegen Gäfte, ohne Gefährde. "Dazu haben wir vorbehalten 
unferer Stadt und den Näten alle ihre Gerichte und ihr gute Gewohnheit 
auch gegen Burger und gegen Säfte, wie fie von Alters berfommen find. 
4. Darnach haben aber wir, die vorgenannten Yandleute zu Uri, zu Schwiz 
und zu Unterwalden auch ung jelbjt vorbehalten unſerm hochgebornen Herren 
den Kaifer und dem heiligen römischen Neiche die Yeiftungen, die wir 
ihnen tun jollen, wie wir von alter und guter Gewohnheit herkommen find, 
und behalten auch ung ſelbſt, jeglicher Waldftatt insbeſondere in ihrer Yandınarf 
und in ihren Grenzen ihre Gerichte und ihre gute Gewohnheit [vor], wie wir 
von Alters berfommen find. 5. Und ſoll auch uns, den vorgenannten 
Burgern von Yuzern gegen die Waldleute, und uns den vorgenannten 
Yandleuten zu Uri, zu Schwiz und zu Unterwalden gegen die Burger von 
Yuzern, dieſelbe Gerechtſame genügen, wie vorgejchrieben jteht, ohne alle 
Gefährde. 6. Gefchähe [es] aber, da vor Gott jei, daR jemand den einen 
oder andern von ung außen oder innen hierüber nötigen oder bejchiweren 
wollte oder angreifen oder jchädigen, welchen dann der Schaden geichieht, die 
jolfen fich darüber erfennen bei dem Eide, ob man ihnen Unrecht tue, und 
erfennt jich dam der Mehrteil unter ihnen, daß ihnen Unrecht geichieht, fo 
iollen jie die andern mahnen, beide, die Stadt zu Yuzern die Waldleute und 
jegliche Waldftatt im befondern, und auch die vorgenannten Waldleute umd 
jeglihe Waldjtatt im befondern die Burger von Yuzern, und da jollen wir 
denn einander wider Herren und wider märmiglich bebilflich fein mit Yeib 
und mit Gut, wir die Burger von Yuzern den vorgenannten Waldleuten in 
unſern Koften, und auch wir die ehgenannten Yandleute den Burgern von 


12 


Yuzern in unfern Koften, mit guten und ganzen Treuen ohne alle Gefährde. 
7. Wäre auch, daß irgend eine Mißhelligleit oder Krieg ſich erböbe oder 
entjtände unter ung den vorgenannten Eidgenofjen, dazu ſollen unter uns die 
Beiten umd die Wigigften fommen und jollen den Krieg und die Mifhelligfeit 
ichlichten und beilegen nad) Minne oder nad) Hecht, und wenn einer von beiden 
Zeilen fich deifen weigerte, jo jollen die Eidgenoffen dem andern Teil zur 
Minne oder zum Recht behilflich fein auf des Teiles Schaden, der da um: 
gehorfam ift. 8. Wäre auch, daß die drei Yänder unter einander in Streit 
gerieten, wofern denn zwei Yänder einhellig werden, zu denen ſollen auch 
wir, die vorgenannten Burger von Luzern ftehen und das dritte Yand weijen 
helfen, daß es mit den zweien einhellig werde; es wäre denn, daß wir die 
vorgenannten Burger von Yuzern etwas dazmwiichen fünden, mas die zmei 
Länder beſſer und angemefjener däuchte, 


9. Wir find auch übereingefommen, daß weder wir die vorgenannten 
Burger von Luzern für die ehegenannten Yandfeute zu Uri, zu Schwiz und 
zu Unterwalden, noch auch wir diejelben Yandleute für die Burger von Yuzern 
Pfand jein jollen, 10. und daß auch niemand unter uns den vorgenannten 
Eidgenoffen jich mit bejondern Eiden oder mit irgend welchen bejondern Eiden 
oder mit irgend welchen bejondern Gelübden jich mit jemandem, weder draußen 
noch drimmen, verbinden joll ohne der gemeinen Eidgenofjen Wiffen und Willen. 


11. Es joll auch fein Eidgenofje unter uns den andern pfänden, er 
jei denn Schuldner oder Bürge und foll dasjelbe auch dann nicht tun, außer 
mit Gericht und mit Urteil. 12. Wenn jemand unter diefen Eidgenofjen dem 
Gericht widerftünde oder ungehorſam wäre und von deſſen Ungehorſam der 
Eidgenoffen einer zu Schaden käme, jo ſollen ihn die Eidgenoffen zwingen, 
daß den Geichädigten ihr Schade von ihm vergütet werde. 13. Wäre auch, 
daß der Eidgenoffen einer fürderbin den Leib verwirfte, jorweit, daß er von 
jeinem Gericht darum verichrieen würde, wofern das dem andern Gericht ver- 
fündet wird mit des Yandes offenen Briefen und Ziegel oder der Stadt zu 
Yuzern, jo joll man dem auch da verjchreien in demjelben Recht, als er dort 
verjchrieen ift; und wer den darnach wiſſentlich haufet oder bofet oder ihm 
zu ejjen oder zu trinfen gibt, der ſoll in derjelben Schuld jein ohne das Eine, 
daß es ibm nicht an den Yeib geben joll, obne alle Gefährde. 14. Dazu fo 
jind wir einhelliglich übereingefommen ; wer von den Eidgenofien dies alles und 
jegliches im bejondern, wie es bievor gejchrieben iſt, nicht ftät hält und das 
übertritt in irgend einer Weiſe, der joll meineid und treulos jein, alles ohne 
Gefährde. 


15. Und hierüber, daß dies alles und jegliches im beſondern von uns 
allen und von jeglichem unter uns im beſondern ſtät und ungekränkt bleibe, 
wie es hievor mit ausdrücklichen Worten feſtgeſetzt iſt, darum haben wir der 
vorgenannte Schultheiß, der Rat und die Burger von Luzern unſerer Ge— 


73 


meinde Siegel und jegliches der vorgenannten Yänder jein Siegel ar diejen 
Brief gehängt zu einer wahren Urkunde diefer vorgejchriebenen Sachen. Ge— 
geben zu Yuzern an dem nächiten Samstag vor Martinstag, da man zählte 
ven Gottes Geburt 1330 Fahr, darnach in dem andern Sabre. 


28. Brunifche Umwälzung in Zürich, 7. Iuni 1356. 


8 Aus dem Jahrbuch Eberhard Müluers (bevausgeg. von Ettmüller in den Mittel. der 
antiqu. Gefellihaft in Zürih II. Br. S. 74 ff.) 


Eberhard Miülner, Ritter und Schultheiß von Zürih, ein Geſinnungsgenoſſe 
Rudolf Bruns, von 1340 an bis zu feinem 1382 erfolgten Tode mit wenigen Unter: 
bredungen Mitglied des ftädtiichen Rates, fchrieb ein Jahrbuch in deuticher Sprade, in 
welchem er die „Kriege und Yäufe“, welche die Zilrcher von 1336 bis 1355 gehabt hatten, 
aufzeichnete. Mülners Chronik ift nicht nur wertvoll wegen der Treue ihrer Aufzeich- 
nungen; fie ift auch die Ältefte unferer Stadtgefchichten und als foldhe der Anfang der 
eigentlichen jchweizeriichen Geichichtichreibung. 


Anno domini 1336, an dem fiebenten Tag des Brachmonats geſchah 
ein großer Auflauf zu Zürich in der Stadt. Der Rat ward geändert und 
entſetzt, und wurden die Öewaltigen alle herabgeftopen, und ward der erjte 
Burgermeifter gejegt, hieß Rudolf Brun. Derjelbe war 24 fahre 
Wurgermeifter zu Zürih. Es wurden auch dazumal Zünfte gemacht, die 
vormals zu Züri) nie gewejen waren, Es wurden auch die alten Rats— 
berren und, die die Gewalt geführt hatten, aus der Stadt Zürich vertrieben 
und mußten aud die Stadt verfchiwören auf ein genanntes Ziel, und auch 
bis fie genug täten und die Buße vollitändig geleiitet würde, die ihnen auf- 
erlegt war wegen des großen Mutwillens, den jie mit armen Yenten getrieben 
batten, und von der böfen unrechten Gewalt wegen, daf fie den Bürgern fein 
Recht geben wollten, und wegen anderer Sachen, die denn eine ganze Ge— 
meinde von Zürich an fie anzufprechen hatte. Diejelben unjere vertriebenen 
Burger von Zürich zogen mehrteils gen Rapperswil unter den Grafen 
von Habsburg, mit dem wir im guter Freundſchaft zu fein wähnten. 


b. Aus Bitodurans Chrenil, überfeßt von Freuler p. 167. 


Hierauf nach Verlauf weniger Zeit um das Jahr 1337! der Fleisch- 
werdung des Herrn, gährte ein grosser und gefahrvoller Aufstand in 


S. Vitoduran unrichtig für 1336, 


74 


der Stadt Zürich aus der Quelle der Ungerechtigkeit empor. Als näm- 
lich die Räte der Stadt, wie ihnen zur Last gelegt wurde, die gemein- 
samen Nutzniessungen und Gewinnste der Stadt, die ergibig und zahl- 
reich sind, in betrüglicher Weise sich lange zugeeignet und frevelhafte, 
unvernünftige, für sie selbst zwar vorteilhafte und gewinnreiche, für 
die Gesamtheit aber schädliche und verderbliche Gesetze erlassen hatten 
und dagegen niemand Einsprache zu erheben oder sie rückgängig zu 
machen wagte, fiel eines Tages fast die ganze Einwohnerschaft der 
Stadt, als sie dieselben gemeinsam versammelt fand, mit blinder Wut 
und grosser Heftigkeit über sie her. Sie aber, vielleicht zuvor gewarnt 
und benachrichtigt, oder weil sie es von selbst merkten, ergriffen ver- 
dutzt schnell die Flucht in die verschiedenen umliegenden Häuser und 
entgingen den Händen des aufrührerischen Volkes. Hätten sie dies nicht 
getan, so wären sie zu ihrem Verderben der Gemeinde in die Hände 
gefallen. Und nicht zum Wunder, da viele, ja unzählige sozusagen 
wenige überfallen hatten. Am folgenden Tag kam die ganze Bürger- 
gemeinde im Hof der Minderbrüder [Barfüsser]) zusammen und urteilte, 
jene müssten für ihre begangenen Frevel nach Recht und Gesetz mit 
den verdienten Strafen belegt werden. Und nicht mit Unrecht, da ihre 
Verstocktheit und ihre seit langer Zeit eingewurzelte Bosheit dies erheischte. 
Aus dem Mund der Gemeinde erging daher gegen sie das Wort, dass 
sie vor der ganzen Menge einen Eid leisten und mit lauter Stimme be- 
kräftigen und versprecheu sollten, sie wollten mit Fleiss vollführen, was 
ihnen zur Sühne ihrer Übertretungen an Last oder Arbeit überbunden 
würde, indem man ihnen dies verhehlte, bis sie den erzwungenen Eid 
geleistet hätten. Wie sie dies hörten, ermattete das Herz eines jeden 
nur zu sehr vor Schrecken. Denn auf allen Seiten waren sie in der 
Enge nnd wussten in ihrer grossen Verwirrung nicht, was sie wählen 
sollten. Endlich, von Furcht genötigt, weil der Befehl der Gewalt drängte, 
verpflichteten sie sich durch die Fessel des Eides, sich der Strafe zu 
unterziehen, welche jenen gut scheinen würde. Man legte ihnen daher 
auf, dass sie unverzüglich die Stadt verlassen und dieselbe verschwören, 
an fremde, ihnen angewiesene Orte ziehen und daselbst bis zu dem 
ihnen vorgesteckten Ziel der Busse verweilen sollten. Sie büssten nun 
für das Geschehene die einzelnen nach dem Erfordernis ihrer schwereren 
oder leichteren Verschuldung und nach der Art und dem Umfang ihrer 
Missetaten, indem sie dem einen vorschrieben, dass er in einem ihm ge- 
nannten Land oder Ort während zwei, dem andern während drei, dem 
dritten während fünf Jahren bei den Einwohnern oder Eingebornen jenes 


Ortes oder Landes als Ansässe wohne und in keiner Weise inzwischen 
heimkehre. 


Nachdem dieselben diese Beschlüsse angehört, gingen sie mit ver- 
wundetem und verwirrtem Herzen weg, sagten den Ihrigen mit bittern 
Tränen Lebewohl und verliessen die Stadt Zürich und begaben sich 
an verschiedene Orte, so dass sie unter den Nationen zerstreut und von 
einander getrennt waren. Doch hatten sie sich nicht an die ihnen an- 
gewiesenen Orte begeben, um zu erfüllen. was sie versprochen hatten, 
weil sie gegen den Eid nach eigener Willkür handelten und ihn miss- 
achteten und völlig kraftlos machten. Als dies die inwärtigen oder ver- 


mt 


75 


bliebenen Bürger Zürichs hörten. beschlossen sie, aufgebracht, dass jene 
unwiderruflich verbannt und für immer aus der Stadt ausgeschlossen 
sein sollten. Sobald aber die Auswärtigen oder Vertriebenen sahen, dass 
sie von jenen ohne Hoffnung auf Rückkehr ausgeschlossen und ausge- 
stossen seien, bemühten sie sich, gegen sie einen Krieg anzuzetteln, und 
zogen sich, um dies nachdrücklicher und kräftiger tun zu können, mit 
ihren Familien, die sie endlich zu sich genommen hatten, in die Stadt 
Rapperswil zurück, welche ihnen einst von dem Herrn, dem Grafen 
Johann von Habsburg, verpfändet worden war. Und damit sie den 
Inwärtigen einen starken Feind und sich selbst einen Vorkämpfer er- 
weckten, der Schutz und Hilfe zu bringen vermochte, stachelten sie den 
genannten Grafen von Habsburg an, und übergaben ihm die Stadt Rap- 
perswil, soweit sie dazu die Macht hatten. Als sich nun diese Zwietracht 
und Trennung der Bürger anf einige Zeit in die Länge zog, geschah 
es, dass einige inwärtige Bürger den auswärtigen, wie man vermutete, 
zugetan, wegen Verrates an der Stadt verzeigt wurden. Sie wurden so- 
gleich mit Enthauptung bestraft. Dass sie unschuldig und von dem Fehl- 
tritt des Verrates frei und fremd gewesen, haben viele bezeugt. Zu 
jener Zeit wurde auch einer aufgegriffen, der, von den Auswärtigen hiezu 
abgeschickt, in ein Haus der Stadt Zürich Feuer anlegte. Sie gaben 
ihm auf der Stelle den wohlverdienten Tod. 

Zu derselben Zeit warben die Inwärtigen auch Söldner, mit welchen 
sie zwei- oder dreimal mit Macht vor der Stadt Rapperswil erschienen 
und vom See aus durch Maschinen auf den Schiffen Steine gegen die 
Stadt schleuderten, aber ihr dadurch nur wenig zu schaden vermochten. 

Eines Tages wurde auch der Bürgermeister, Namens Brun, ein 
Mann, mit der Blüte der Tugenden aufs reichste geschmückt, vor jener 
Stadt von einem, der ihm den Tod zudachte und bereiten wollte, schwer 
verletzt. Aus dessen Händen wurde er, als dieser ihn, da er eben zum 
Schiff zurückkehren wollte, von hinten verfolgt und mit einem Schuss 
verwundet hatte, durch seine Diener, die, zwölf an der Zahl, nur auf 
ihn Acht zu geben hatten, rasch entrissen. Dieser Bürgermeister entwand 
sich auch einmal daselbst, wie man sagt, zwölf Feinden, die ihn zu töten 
suchten, indem er ihnen rühmlichen Widerland leistete, die Wut ihrer 
Bosheit und Verwegenheit vereitelte, und sich mannhaft verteidigte. Als 
nun die Inwärtigen den Auswärtigen vor der Stadt die Grösse ihres 
Ruhmes und ihrer Hoheit gezeigt, die Gemüsegärten zertreten und ver- 
wüstet, auch alle dort befindlichen Früchte ausgezogen und ausgerissen 
hatten, kehrten sie triumphirend nach Zürich zurück. 


29. Der erſte geſchworene Brief zu Zürich. 16. Juli 1336. 
Abgedr. bei Tſchudi, I. S. 341 ff. und in der bein. Bibliothek VI. ©. 1 ff.) 


In dem Yob der heiligen Dreifaltigkeit fei fund allen denen, die diefen 
Brief jehen oder leſen hören, daß ih Rudolf Brun, Burgermeifter, der Nat 


76 


und die Burger gemeiniglich der Stadt Zürich, Gott zu Yobe und unferer 
Stadt Zürich zu Nutz und Frommen zu Nate worden jind, und haben in 
Züri eine Zunft und ein neues Gericht erhoben, von der großen Beichwerden 
wegen, jo Ritter, Edelleute, arme und reiche Burger von Zürich hatten und 
aud lange geduldet haben, von der Gewalt der Räte, die den Yeuten ihre 
Klagen und ihre Nechtsjachen micht richteten, außer wenn fie wollten. Dazu 
hielten fie arme Yente jchmählich und hart mit ihren Worten, fo fie wegen 
ihrer Nechtsjachen vor fie kamen. Auch ward der Burger Ungeld * und unfer 
Stadtgut aljo verzehrt, ohne daß jie jemand davon irgend welche Rechnung 
gaben. Und von diefer und mancherlei anderer Beichwerden wegen, jo die 
Burger lange gehabt hatten und auch weiterhin zu fürchten waren, jo haben 
wir einhellig mit guter Worbetrachtung und mit gemeinem Rate aller unferer 
Burger von Zürich die Gewalt aller Näte abgeworfen, alſo daß in Zürid) 
nimmer ein Nat mehr fein joll mit vier Nittern und mit acht Burgern von 
den Beften, wie bisher gewöhnlich gewejen war, jondern, daß man einen 
Burgermeifter und einen Mat von Nittern, von Burgerm und von ben 
Handwerfen zu Zürich haben fol, wie hienach geichrieben fteht. 

Es ſoll auch derfelben feiner, jo nämlich in den Näten bisher gemwejen 
find, ſowie feines ihrer Kinder, jo jett gerade leben, in einen Nat oder eine 
Zunft fommen, alſo daß er etwa ein Zunftmeifter werde, wodurd er in den 
Rat von Zürich fäme, nie und nimmer von jegt an. Und joll auch feiner 
von ihnen um irgend welcher Sache willen je zu den Burgern ? zu Rate gejendet 
werden. Aber ihre Söhne, die mag man wohl zu den Burgern zu Nat 
jenden, wofern der Burgermeifter und Rat darein willigen, ohne Gefährde. 
Auch find in diefer Sache ausdrücklich ausgenommen die, jo den Burgern in 
ihrer Neuerung und der Aufitellung unjerer Gerichte zu Hilf und zu Troſt 
famen; die und deren Kinder mögen wohl des Nates von Zürich jein und 
werden ohne alle Widerrede und Verzug. 

Diezu find wir die Burger von Zürich gemeiniglich übereingefommen, 
dak alle Burger von Zürich, fie feien Ritter, edel oder unedel, Weiche oder 
Arme, wie jie Gott geordnet bat, ſchwören jollen, dem vorgenannten Burger: 
meijter, oder wer immer Burgermeifter von Zürich wird, zu dienen und ihm 
und dem Wat von Zürich gehorfam zu ſein und getrenlich mit Leib und Gut 
zu raten und zur beifen gegen alle die, welche ſich ihnen und ihren Gerichten 
widerjegen wollten, und aber beionders vor allen Dingen joll man einem 
Burgermeifter, wer immer Metjter wird, aber insbejondere nun dieſem Meifter, 
jo oben genannt ift, ſchwören, alſo daß fein Eid vor allen Eiden gehe, und 
daß man ibm diene und geborjam ſei in allen Sachen bis zu jeinem Tode, 
jedoch dem Reich und unſeren Gotteshäujern an ihren Nechten unbejchabdet. 


!t Abgabe von Einfuhr und Verkauf von Yebersmitteln, Getränken ꝛc. — D. h. 
im den Großen Rat. 


17 


Und wenn er aber geftorben ift, jo joll man von den vier verftändigen Männern, 
jo die Burger von Zürich eben jegt erwählet haben, das find: Herr Hein- 
rih Biber, Herr Nüediger Maneß, Ritter, Jakob Brun und 
Johannes von Hottingen, dieweil derjelben viere einer lebt, nad) dem 
vergeichriebenen Rechte einen andern Burgermeiſter erfiejen. 

Es joll auch der vorgenannte Burgermeifter oder wer immer zum Meifter 
erforen wird, einen vorgeiprocenen Eid jchwören, die Zünfte, die Burger, 
Ritter, Edelleute, Arme, Weiche und alle Burger von Zürich getreulich zu 
behüten und zu bewahren mit Yeib und mit Gut, jo gut er kann und mag, 
und gleich zu richten, dem Armen wie dem Neichen, ohne alle Gefährde. 

Dies ift die Neuerung der Gerichte unferer Stadt Zürich und der Zünfte, 
jo num gejeget find umd immer ewiglich aljo mit Gerichten und guter Ge— 
wohnheit feſt umd ſtät bleiben follen. 

Des erften: Ritter, Edelleute, Burger, die ihre Renten [gel- 
tend guot] haben, Kaufleute, Gewandichneider!, Wechsler, Gold- 
ihmide und Salzleute, die foll man nennen Konftaffel, und joll 
man aus ihnen ehrbare Yeute in den Nat jeken und follen eines Burger- 
meiſters warten und des Stadt-Panners. 

1. Darnad) Krämer und die in Kramgejchäften wandern [nach kram 
ires koufes varen], die jollen eine Zunft und ein Panner haben. 

2. Tuchſcherer, Schneider md Kürſchner haben eine Zunft und 
ein Banner, 

3. Weinjhenfen, Weinausrufer, Faßzieher, Sattler, 
Maler und Unterfäufer jollen auch zujammen eine Zunft haben und 
ein Banner, 

4. Pfifter [Bäder] und Müller follen eine Zunft haben und ein 
Banner. 

5. Wollenweber, Wollenjhläger, Grautucher und Hut— 
macher jollen eine Zunft und ein Banner haben. ° 

6. Yeinweber, Yeinwandhändfler und Bleicher jollen eine 
Zunft und ein Panner haben. 

8. Schmide, Schwertfeger, Kannegießer, Glodner, Speng- 
ler, Waffenſchmide, Scherer und Bader haben alle eine Zunft und 
ein Banner. 

8. Gerber, Weiflederer und Pergamenter find eme Zunft 
und haben ein Panner. 

9, Metzger und die Vieh und Rinder auf dem Yande Faufen 
und zu der Mebg treiben, haben auch eine Zunft und ein Panner, 

10. Schuhmacher haben eine bejondere Zunft und ein Banner, 


ı D. bh. Tuchhändler, die das Tuch im Detail verkaufen. 


er 


18 


11. Zimmerleute, Maurer, Wagner, Dredsler, Holz- 
füäufer, Faßbinder und Nebleute, die in unfer Stadt wohnhaft find, 
haben gemeinjam eine Zunft und ein Panner. 

12. Fiſcher, Sciffleute, Karrer, Seiler und Träger, die 
jollen eine Zunft und ein Banner haben. 

13. Gärtner, Oler und alle Grempfer jollen eine Zunft umd ein 
Panner haben. 


— — — Und melde Handwerfe zuſammengeſchrieben find in eine 
Zunft, da joll man jedes Halbjahr aus einem Handwerk einen Zunftmeifter 
nehmen und kieſen. — — Wann au ein Zunftmeifter von feiner Zunft 
erforen wird, den joll die Zunft dann dem Burgermeiſter angeben, und foll 
derjelbe Zunftmeifter dann geloben, dem Burgermeifter untergeben und ge- 
horſam zu fein und jeinen Nugen und feine Ehre zu fördern ohne alle Ge- 
fährde, Wer ein halbes Jahr Zunftmeifter gewejen ift, der kann es das 
andere Halbjahr nicht werden; aber im andern Halbjahr darf einer mwohl 
[wieder] Zunftmeifter werden, jo ein halbes Jahr vergangen ift, wenn er 
von feiner Zunft dazu erforen wird. Wer auch zu einem Zunftmeifter er- 
foren werden joll, der joll em eingejeffener ehrbarer Burger bei jeinem Hand— 
werk jein und Ehre und Gut, Wit und Verftand haben und von der Mehr- 
beit der Wähler feiner Zunft erforen werden auf den Eid, und ſoll man 
feinen dazu nehmen, der. neulich in die Stadt gefommen ift, damit unſere 
Stadt dejto eher bei weijem und gutem Mate und Gerichte und bei gutem 
Frieden jein möge. 


Dies ift der Rat von Zürih: Zum erften foll der Burgermeifter zwei— 
mal im Jahr, vor St. Johannesfeft zur Sonnenwende und vor 
St. Johannesfeſt zu Weihnachten, vor jedem Ziele vierzehn Tage, 
ohne Gefährde aus dem abgehenden Rate zwei Ritter oder Edelfnechte und 
vier, die ihn bei feinem Eid die allerbejten dünken, fiefen, daß fie ihm helfen 
einen Rat kieſen. Und diejelben ſechſe und aud) der Burgermeifter, die jollen 
dann 6 Ritter oder Edelfnechte an der Ritter ſtatt Fiefen und 7 ehrbare 
Burger von der Konftaffel; dero werden 13. Dazu fiefen 13 Zünfte, die 
wir zu Zürich haben, jegliche Zunft auch einen Zunftmeiſter, wie oben gejagt 
it, und gehen die 13 Zunftmeijter auch in den Kat, jo daß jährlich zweimal 
im Fahre je 26 dem Rat von Zürich ſchwören jollen, wie es Sitte umd 
Gewohnheit und altes Herkommen ift. — — Es joll auch eines jeden ab- 
gehenden Rates Amtsdauer ausgehen an St. Johannestag zu Nacht, es jei 
an der Sonnwende oder zu Weihnachten, jo man Mette zu Mitternacht läutet, 
und zu derjelben Stunde joll aber des angehenden Rates Amtsdauer und 
Gewalt anfangen, damit, wenn irgend ein Ding in umjerer Stadt am Tag 
oder des Nachts vorfiele, man wiſſen möge, wer e8 richten oder ſtellen jolle. 
Und jo ſoll man jährlich zweimal im Jahr, bei dem Eide, den Nat und die 


79 


Zunftmeifter ändern, ohne allen Verzug und wen man zum Nate von Zürich 
fiejet, er jei Ritter oder Edelmann, Burger oder Zunftmeifter, der foll ein 
eingejejfener ehrbarer Burger von Zürich fein ohne alle Gefährde. Es ſoll auch 
niemand irgend welche Miete [Babe] nehmen von einer Wahl wegen des Rates, 
und two das jemandem mit ehrbaren Yeuten bewiejen würde, und den Meifter 
und Nat däuchte, daß es bewiejen jei, den ſoll man als meineid aus dem 
Kate ſtoßen, umd er fell dazu Zürich verlaffen und nimmer in die Stadt 
fommen. — — — 

Wann immer aud ein Knabe 20 Jahr alt wird oder vorher, wenn es 
den Burgermeifter gut dünft, er jei von Rittern, Edelleuten, von Burgern 
oder von Handwerkern in Zürich, der ſoll diefen Brief beſchwören und aud) 
die Eide, jo die Burger jett und dem Meifter gejchworen haben, [fie] ftät zu 
halten und fein Ding nimmer dawider zu tun. — — Wäre auch, daß jemand 
diefem Brief ımd den Artifeln, die darin gejchrieben ftehn, in irgend welcher 
Weiſe zumiderhandelte und zumiderhandeln machte, und das dem Burger: 
meifter und dem Rate fund getan würde, der joll meineidig jein und joll 
ſein Burgerrecht verloren haben und joll dazu nimmer nach Zürich in die 
Stadt fommen. 

Diefe vorgejchriebenen Artifel umd Gejete habe ich der vorgenannte 
Burgermeifter, der Rat und die Gemeinde, alle unjere Burger gemeiniglich von 
Züri um guter Gerichte willen, um des Friedens und Schirmes unſerer 
Veiber und unjerer Güter und um des gemeinen Nutzens und Bedürfniſſes 
unfer Stadt Zürih willen, mit Gunft und Willen unjerer Gnädigen Frau 
Elsbeth, von Gottes Gnaden Äbtiſſin unſeres Gotteshaufes zu Zürich, 
und mit dem weijen Mate des Ehrwürdigen Herren Grafen Krafft von 
Toggenburg, des Probſtes, umd aller jeiner Chorherren des Kapitels 
in unferer Probftet Zürich, gefett und verordnet, ewiglich zu bleiben, wie oben 
geichrieben fteht. — — — 


Der Laupener Streit. 21. Iumi 1339. 
Aus dem „Conflictus Laupensis*, herausgegeben von Studer, Juſtinger, p. 305. ff. 


Um die Mitte des 14. Jahrhunderts entwarf ein unbekannter Berner, wahrscheinlich 
ein Geistlicher, eine lebensvolle Erzählung vom „Zaupener Streit“ in lateinischer Sprache, 
welche als die einzige ausführliche zeitgenössische Schilderung die Hauptquelle für 
jenen wichtigen Abschnitt der bernischen Geschichte bildet. 


And der oft genannte Herr Gerhard von Valengin, welcher 
besonders Raub, Mord und Gewalttat gegen die Berner im 
Schilde führte, sagte, da alle andern vorgenannten Herren 
und Grafen noch ruhig waren, vor den übrigen den Bernern 
ab und fügte diesen durch Brand und Raub, durch Mord und Hinterlist 
viel Übles zu und war stets darauf bedacht, ihnen noch mehr anzutun. 





80 


Und als Herr Peter Graf von Aarberg den Herrn Gerhard von Valengin 
oder seine Helfer bei solchen Übeltaten, welche er den Bernern zufügte, 
schirmte und in seine Stadt aufnahm und ihnen gestattete, daselbst in 
seiner Feste frei ein- und auszugehen, was er nicht hätte tun dürfen 
vermöge eines Versprechens, welches er den Bernern in offenen Briefen 
gegeben hatte, da, als die Berner sahen, wie der Herr von Aarberg 
wider das erwähnte Versprechen so ein Begünstiger des Herrn Gerhard 
von Valengin war, und sie sich für all die Übeltaten desselben Herrn 
Gerhard zu rächen wünschten, zogen sie nach Sonnenuntergang am 
heiligen Pfingsttage genannten Jahres [16. Mai 1339] in Waffen aus, 
marschirten die Nacht hindurch und belagerten den Grafen von Aarberg 
mit ihren Maschinen und Leuten, konnten ihn aber nicht überwinden. 
Da erhoben sich die Freiburger und alle obenerwähnten Grafen zum 
Beistand des Grafen von Valengin sowol, wie des Herrn von Aarberg, 
ohne Scheu, einmütig und offen, versammelten sich mit all ihren Leuten 
und Helfern, welche sie auftreiben konnten, mit Maschinen, Katzen, 
Wagen und Pferden und legten sich nach Feindesweise vor die königliche 
Burg und Stadt zu Zaupen am Vorabend des Barnabastages genannten 
Jahres [10. Juni]. Bei dieser Belagerung befanden sich die Freiburger 
mit all ihrer Mannschaft, der Graf von Nenxenburg mit den Seinen und 
vielen auserlesenen Rittern, welche er aus Burgund mit sich geführt 
hatte, der Graf von Nidau mit seinen Leuten und mit 140 Helmen, 
starken, in Waffen versuchten und erprobten Rittern von Adel, welche 
er im Elsass und in Schwaben ausgesucht und ausgewählt hatte, der 
Graf von @reyerz, Gerhard von Valengin, Herr Johann, der einzige 
Sohn Herrn Zudwigs von Savoyen, des Herrn der Waadt, der Herr von 
Montenach, ein jeglicher mit Mannschaft. Herr Eberhard aber, Graf 
von Ayburg, kam mit seiner Mannschaft nicht zur Belagerung, sondern 
er griff die Stadt Bern von einer andern Seite, nämlich von Osten mit 
Brand, Raub und Mord an. Die Vögte der Herzoge von Ostreich aber 
hatten sich schon mit der Mannschaft, die sie im Aargau hatten, vereint 
und standen im Begrifl, zu dieser Belagerung zu kommen. Diese alle 
lagen also zwölf Tage mit ihren Leuten vor der Burg und Stadt Laupen, 
indem sie mit ihrer Menge und Macht und in mannigfachem Schmucke 
neuer und kostbarer Gewänder prahlten. Es waren nämlich, wie es all- 
gemein heisst, 16 000 Mann bewaffnetes Fussvolk und 1000 in Eisen 
gewappnete Ritter oder Helme. An Wein und Lust herrschte bei der 
Belagerung Überfluss, Überfluss auch an andern Dingen und mannigfacher, 
zrosser Übermut. Schon verschworen sich aber alle Feinde der Berner 
and beschlossen mit einem Eidschwur, ohne Gnade und Erbarmen Stadt 
und Burg zu Laupen von Grund aus zu zerstören, und alle ihre Bewohner 
an Stricken und Seilen, die zum Hängen zugerüstet waren, eines schnöden 
Todes sterben zu lassen, die Stadt Bern selber aber von Grund aus zu 
vertilgen; oder aber es wollte ein jeder von ihnen ein Haus, welches 
jeglicher für sich und seine Nachkommen schon ausgewählt hatte, als 
Beute in Besitz nehmen und es zu ewigem Rechte besitzen, nachdem 
sämtliche Männer und Weiber, Erwachsene und Kinder daselbst gänzlich 
ausgerottet oder samt und sonders ausgetrieben sein würden, wie die 
Berner hernach des Bestimmtesten vernommen haben. 





81 


Es war aber zu jener Zeit Schultheiss in Bern Herr Johannes von 
Bubenberg, Ritter, der Altere; die Heimlicher waren: Burckhard von 
Bennenwyl, Burkhard der Werkmeister, Johannes von Seedorf, 
Berchtold Glockner und Peter von Kruntzingen, und die Venner: 
Rudolf von Muleren, Peter von Balm, Peter Wentschatz und Johannes 
von Herblingen. Diese gingen mit den Räten und Zweihundert von Bern 
mit grosser Sorgfalt zu Rate, wie und auf welche Weise sie Widerstand 
leisten könnten und die Sache zu gutem Ende geführt würde. Es war 
auch zu jener Zeit von Seite der Berner Vogt in Laupen Herr Anton 
von Blankenburg, Ritter. Aber Hauptmann und Befehlshaber daselbst 
war Herr Johannes von Bubenberg, Ritter, der Jüngere, mit Meister 
Burkhard, dem Werkmeister, und Meister Peter von Krantzingen. Und 
ein Panner von Bern war in Laupen, welches Rudolf von Muleren mit 
600 Mann trug und führte, die demselben sowol aus der Stadt Bern, 
als auch aus solchen beigegeben worden waren, welche zu der Stadt 
Laupen gehörten und in der Stadt Zuflucht gesucht hatten. Der Leut- 
priester von Bern aber, Bruder T’heobald, hatte seine Untergebenen als 
ein getreuer Vater und Seelsorger öffentlich in der Kirche aufs liebe- 
vollste unterwiesen und treulich ermuntert und ermahnt, als getreue Söhne 
der heiligen Kirche im Gehorsam gegen den heiligen apostolischen Stuhl 
und die römische Kirche stets fest zu beharren und eher den leiblichen 
Tod und den Verlust alles zeitlichen Gutes von den vorgenannten Feinden 
zu erdulden, als gegen die apostolischen Gebote und gegen die wider 
den vorgenannten Herrn Ludwig, der sich für den römischen Kaiser 
ausgab, ergangenen apostolischen Urteile den oben genannten Feinden zu- 
zustimmen und anzuhängen, auf dass sie nicht die göttliche Majestät 
beleidigten, die Gnade und den Gehorsam des apostolischen Stuhls und 
die Einheit der Kirche von sich stiessen, ihre eigenen Seelen durch Ver- 
dammnis verlören und sich nicht des Gottesdienstes, des kirchlichen Be- 
gräbnisses und der übrigen Sakramente der Kirche in irgend einer Weise 
unwürdig machten oder zu machen versuchten. Deshalb waren die Berner, 
die von ihrem Leutpriester in solcher Treue und Gehorsam unterwiesen 
und ermahnt wurden, damit sie solchem Unheil entgingen und getreue 
Söhne der heiligen Kirche blieben, bereit, alles Unglück zu erdulden, 
welches ihnen von den oft genannten Feinden an Leib oder an Gut zu- 
stossen konnte, da sie gutes Vertrauen auf die himmlische Hilfe setzten. 

Weil aber die Berner, welche in Bern waren, fürchteten, sie könnten 
durch die Belagerung der vorgenannten Feinde in einer Stunde Schloss 
und Stadt Laupen verlieren und überdies alle die Vorerwähnten, welche 
die Stadt und das Schloss hüteten, getötet oder von den Feinden ge- 
fangen weggeführt werden, vertrauten sie sich in gemeinsamen Gebeten 
der Hilfe des Herrn und empfahlen sich Gott mit Almosen und Kreuz- 
gingen. Und nachdem sie tausend Bewaffnete aus den Waldstätten, 
nämlich aus Schwiz, Uri und Unterwalden, und von denen im Hasle 
und den Junkern von Weissenburg an sich gezogen, rückten die Berner 
in Gegenwart des Junkers Johann von Weissenburg bewaffnet mit ihren 
Pannern aus, vom höchsten bis zum geringsten auswendig gezeichnet 
mit dem aus weissem Tuch gefertigten Zeichen des heiligen Äreuzes, 
und kamen nach Laupen, um Schloss und Stadt und ihre daselbst ein- 


Oechsli, Quellenbuch, 6 


12227 


— 


82 


geschlossenen und belagerten sechshundert Mann vom Tode zu befreien. 
Es zog auch mit den Bernern der gute Hirte aus, der seine Seele auch 
selber für seine Schafe hingeben wollte, der vorgenannte Bruder Theobald, 
der Leutpriester von Bern vom Orden der Deutschbrüder, und er trug 
den wahren Führer und den alleinigen rechten Hirten im heiligen Sakra- 
ment mit sich, unsern Herrn Jesus Christus, damit er sich abermals für 
die Berner opfere. Derselbe fiel aber alsbald den vorgenannten Feinden 
in die Hände, und sie entehrten ihn mit nenen Gotteslästerungen und 
Schmähungen, wie einst die Juden, und verachteten ihn mit Spott nach 
der Weise des Herodes. 


Da die Berner aber sahen, dass eine gewaltige Menge der Feinde 
ihnen gegenüber stehe, traten sie alle zu einem Haufen zusammen, 
und stellten sich, gleichsam zu einem kleinen Keil geschart, an einem 
kleinen Hügel auf. Und da sie nicht wagten, die Feinde anzugreifen, 
erblickten sie dieselben, wie sie die Zelte verliessen und sich zur Schlacht 
bereiteten, wie die Glut des Feners aus den angezündeten Zelten empor- 
stieg, wie die neuen Ritter vor ihnen spotteten, indem sie die Schwerter 
in die Luft warfen, und wie sie plötzlich in feindlichem Anlauf auf sie 
zukamen. Und etwa 2000 Berner, welche das sahen, wandten sich voll 
Schrecken zur Flucht gegen den Forstwald, um den starken Händen der 
Feinde zu entkommen; unter diesen befanden sich einige Wehrlose; es 
waren aber auch manche darunter, die für tüchtig zum Kampf und 
kräftig gehalten wurden. Die übrigen Berner aber, welche deren Flucht 
nicht sahen, — ihre Zahl mochte gegen 3000 Mann betragen — blieben 
bei einander stehen und harrten der Feinde. Und auf jener Seite wurden 
diejenigen, welche aus den obgenannten Waldstätten waren, von den 
Feinden, die Ritter waren, mit furchtbarer Gewalt umzingelt; auf der 
andern Seite aber wurden die Berner von den Freiburgern und anderem 
Fussvolk feindlich angegriffen. Die Berner aber zerbrachen sozusagen 
nach der Weise Simsons die Fesseln jeglicher Furcht, empfingen die 
gegen sie anstürmenden Freiburger und nahmen ihnen alsbald sämtliche 
Fahnen, indem ihre Pannerträger und viele andere erschlagen und das 
übrige Fussvolk samt und sonders in klägliche Flucht gejagt wurde. 
Und denen zu Hilfe sich wendend, welche von den Rittern umzingelt 
waren, "töteten sie unverweilt sämtliche oder schlugen sie in die Flucht. 
Die Zahl der Erschlagenen aber war, wie es allgemein hiess, 1500 Mann; 
darunter befanden sich Herr Johann, Sohn des Herrn Ludwig von Savoyen, 
des Herrn der Waadt, Herr Rudolf, Graf von Nidau, Herr @erhard 
von Valengin, Herr Johannes von Maggenburg, Ritter, Schultheiss von 
Freiburg und mehrere andere Ritter und Edle. Die übrigen aber ent- 
kamen auf der Flucht. Und es nahmen die Berner den Feinden sieben 
und zwanzig Fahnen und achtzig gekrönte Helme ab mit der Beute von 
den Getöteten. 

Da die Berner aber nur sich und die Ihrigen mit der Mässigung 
schuldloser Fürsorge verteidigen wollten, standen sie von der Verfolgung 
der Flüchtigen ab. Diejenigen aber, welche sich im Schloss und in der 
Stadt Laupen befanden, wussten von der Schlacht und der Gegenwart 
der Ihrigen und ihrem Siege nicht das Geringste, bis die Berner, nachdem 
alle Feinde getötet oder in die Flucht geschlagen worden, bei ihnen ein- 


83 


zogen und ihnen meldeten, was geschehen war. So also führten die Berner 
voll Freude, mit Gottes Wink und Beistand befreit, die den Feinden 
abgenommene Lade des Herrn, den Herrn Jesum Christum, den rechten 
Führer und Hirten, der durch sie von neuem geopfert worden, mit Jubel 
nach Hause und statteten Gott für ihre und der Ihrigen Befreiung den 
Dank ab, indem sie beschlossen, den Tag, der 10 000 Märtyrer, an 
dessen Vorabend [21. Juni] dies geschehen war, unter sich festlich zu 
begehen und an diesem Tag in alle Zukunft den Armen ein reiches 
Almosen zu geben. 

Auf der andern Seite aber dürsteten die Freiburger und ihre Helfer, 
die Feinde der Berner, voller Schmerz über ihre und der Ihrigen Einbusse 
und Schande, noch nach Rache an den Bernern und verwüsteten bis zum 
nächsten Osterfest [16. April 1340] das bernische Gebiet nach Kräften 
mit Brand und Raub und töteten die Leute, die sie überraschten, ohne 
Erbarmen. Und die erlauchten Herzoge von Östreich und ihre Vögte 
leisteten nun den Freiburgern Hilfe. Die Soloturner, Bieler, die Städte 
Murten und Peterlingen fielen alle von den Bernern ab und gewährten 
ihnen weder Lebensmittel noch Hilfe. Sogar die Thuner fielen von den 
Bernern ab, welche sie doch in Wort und Schrift für ihre Herrn anzusehen 
und zu halten gewohnt waren, und töteten ihnen, indem sie ihnen mit 
den Freiburgern einen Hinterhalt legten, vier Mann. So wurden die 
Berner, von den Menschen verlassen, ringsum bekämpft und konnten 
keine Vorräte an Lebensmitteln, namentlich an Wein und Milchspeisen, 
beschaffen, ausser wenn sie solche mit den Pannern, in bewaffneten Haufen 
aus Schloss und Stadt Spiez in ihre Stadt nach Bern führten. Von 
solchen Leiden wurden sie von allen Seiten bis zum damals bevorstehenden 
Osterfest beständig heimgesucht und bedrängt. 

Und nachdem die Berner Verschiedenes und Mancherlei ihren Feinden 
angetan, zogen sie in der heiligen Woche nach Palmsonntag in Waffen 
aus und kamen zu der Stadt des Grafen von Kyburg, welche Hutwil 
heisst. Und der vorgenannte Schultheiss Herr Johannes von Bubenberg 
eilte mit dem Panner und den übrigen bernischen Rittern den andern, 
welche ihnen zu Fuss nachfolgten, voraus. Bevor aber das Fussvolk dazu 
kam, erstürmten diejenigen, welche zu Pferd vorausgeritten waren, die 
Stadt, legten Feuer an dieselbe, plünderten und brannten sie gänzlich 
nieder, wobei einige, welche die Stadt hüteten, getötet und die andern 
gefangen weggeführt wurden. 

Am Dienstag nach der Osterwoche [24. April 1340] zogen die Berner 
allein mit Fahnen und Waffen aus und rückten gegen die Stadt Freiburg. 
Und die gegen sie ausziehenden Freiburger wandten vor dem Angesicht 
der Berner den Rücken. Und die Berner verfolgten dieselben auf ihrer 
Flucht bis zum Stadttor, und es fielen an jenem Tage von den Frei- 
burgern siebenhundert Mann, die auf der Flucht vor den Waffen der 
Berner im Fluss ertranken. Damals auch war in jenem Siege Anführer 
der Berner ihr treuster Helfer und gleichsam gewaltigster Löwe, der 
vor dem Angriff keines Tieres zurückschreckt, noch sich entsetzt, Herr 
Rudolf von Erlach', Ritter. — — Aber am nächsten darauffolgenden 


! Bekanntlich schreibt Justinger und nach ihm alle Spätern Erlach auch die Führung 
in der Schlacht von Laupen zu, während unsere Quelle davon schweigt und ibn nur 





84 


Donnerstag [Apr. 27.] zogen sie wieder gen Freiburg, plünderten den 
Teil der Stadt, der @alteren heisst, sowie alle Häuser bis zur Brücke 
der Stadt und steckten sie in Brand. Es wurden aber die Freiburger 
in solche Angst versetzt vor dem Angesicht der Berner, dass mehrere 
von ihnen gesehen wurden, wie sie das, was sie hatten, auf einer andern 
Seite der Stadt zum Tor hinaustrugen und scheinbar aus der Stadt flohen. 
Und die Berner stifteten, um den Ruhm dieses Sieges nicht sich, sondern 
dem allmächtigen Gott zuzuschreiben und Gott für die Getöteten und 
Erschlagenen Sühne zu leisten, eine immerwährend zu feiernde Messe 
im Hospital der Armen. — — — Weil nun die Berner mit so grossem 
Ruhm irdischen Glückes unter ihren Feinden standen, dass ..... man 
allenthalben sagte: «Gott sei offenbar für die Berner und kämpfe für 
ihr Recht, und es scheine, dass Gott in Bern Burger sei», da endlich 
die Feinde und Gegner der Berner durch die Menge der Unfälle und 
die Schande ermüdet und gebrochen, die Berner aber von den vielen 
Mühen und Quälereien niedergebeugt waren, kehrten alle Feinde und 
Gegner der Berner zum Frieden und zur Eintracht zurück. 


31. Die Mordnacht von Zürich. 23. Februar 1350. 


Aus der Chronit Eberhard Mülners, Antiqu. Mitteilungen. Bd. II. S 76.) 






BIN nno domini 1350, desſelben Jahres an St. Matthäus Abend des 
2 N Ziwölfboten [23. Zebr.] um die Mitternacht famen im unfere Stadt 
YA k Zürich gefallen Graf Hans von Habsburg mit feinen Dienern 
und Helfern, mit denen wir nichts wußten zu jchaffen zu haben als Gutes, 
und wähnten, wir follen einensgetreuen Frieden mit ihm haben. Es fam aud) 
mit ihm in unfere Stadt Herr Beringer von Hohenlandenberg mit viel 
andern feiner Helfer, mit dem wir einen guten Frieden hatten. Es kamen aud) 
mit ihn ein Zeil unſerer Burger, die wegen ihrer Miſſetat ausgewieſen waren 
und gejchworen hatten, in unſere Stadt Zürich nicht zu fommen, eh fie ihre 
Buße voll geleiftet hätten, die ihnen gegeben war nad der Richtung und 


bier erwähnt. Man hat in dem „damals auch“ (tunc quoque) eine Bestätigung Ju- 
stingers finden wollen, indem man den Worten den Sinn unterlegte: „auch damals“, 
wie bei Laupen nämlich ; andere lassen dagegen das „auch“ einfach die Rede fortleiten ; 
wieder andere erblicken in der Stelle eine spätere Randglosse, die von einem Abschreiber 
in den Text genommen wurde; der „Conflictus* ist nämlich nicht in der Urschrift, 
sondern nur in einer Abschrift aus dem 15. Jahrhundert erbalten. Sei es nun, dass 
die Stelle ein nachberiges Einschiebsel ist oder ursprünglich im Texte stand, immer 
fällt der Umstand, dass Rudolf von Erlach gerade hier, aber nicht bei Laupen erwähnt 
wird, gegen die Tradition schwer ins Gewicht, zumal im 14. und 15. Jahrbundert bei 
Auszügen des Panners gewöhnlich das Oberhaupt der Stadt im Frieden auch das im 
Kriege war; dagegen mag wohl v. Erlach sich unter den dem Schultbeissen unter- 
stebenden Hauptleuten befunden und sich iu der Schlacht besonders ausgezeichnet haben, 


200... A u ee ne ni u 


85 


nach des Ausfpruches Meldung, jo unfer gnädiger Herr Kaiſer Ludwig, römischer 
König, umd Herzog Albrecht von Öftreich getan hatten, deren offenen 
Brief wir auch darüber hatten. Troß alledem wurben diefelben unfere aus- 
gewiejenen Burger an den vorgenannten Grafen von Habsburg und verhieken 
ihm, unjere Stadt hinzugeben, was doch Gott verhinderte. Dieſe Vorge- 
jhriebenen alle wollten alſo nachts bei jchlafender Zeit ohne Abſage die 
Stadt Zürich eingenommen haben; fie wollten auch ermordet haben Ruodolf 
Brunen, den Burgermeifter, und alle, die feiner Teil waren; aljo half 
Gott dem Burgermeifter und den Seinen, daß fie des inne wurden, und daf 
fie jich erwehrten mit großer Arbeit, und fe] ward gefangen Graf Hans von 
Habsburg, Ulrich von Bonftetten und mancher feiner Diener. 

Es murden auch durch gerichtliche Urteil verderbt in unferer Stadt 
die hienach Gejchriebenen. Diefe Nachgefchriebenen wurden alle auf Räder ge- 
ſetzet: Des erften Heinrih Schüpfer, Oftringer, der Dietel, Dietel Schent, 
Krieg, Heinz Wasmer, Windegger, Kieni von Matingen, der Affo, Johannes 
ab dem Hus, Wernli Bilgri, Uoli Schafli, Nügger ab dem Tor, Johaunes 
von Schlatt, Küeni us der Owe, Yohannes von Heranberg, Fritihis Sohn 
ab Üetenwis, Heini von Bufjenhart. 

Dieje Nachgejchriebenen wurden alle enthauptet: Des erften Heinrich 
Wigant, Ruodolf Brojo, Johannes Friburger, Ruodolf Räuel, Ruodolf Senno, 
Oremus Andreas Keller, des Wifen Knecht, Sigrift von Küsnach, der Grün— 
delle, Claus Bilgri, der Tughen, der Fiſchli, Claus von Bufenhart, Hans 
der Goldbacher, Heini, Arnolt, des von Yandenberg Knechte. 

Diefe Nachgefchriebenen verloren das Yeben auf frifher Tat: Herr Be: 
ringer von Yandenberg, Herr Ruodolf Biger, Herr Wir, Ritter, Uolrich von 
Magingen, Freiherr, Yütpold Gaffer, Chorherr zu Embrach, Uolrih Schafli, 
Heinrih Störri, Truchjef von St. Gallen, des Franzen Sohn ab dem Tor, 
Ruodolf Bilgri, Lofer, Herrn Wifjen des Ritters Knecht, Hans von Glarus, 
Heinrich der alt Schüpfer, Nüedi Schüpfer, fein Sohn, und des Schüpfers 
Knecht, Johannes Störri, Heinrich Räuel. 

Diefe fielen auf der Seite der Zürcher und wurden erjchlagen: Des 
erften Herr Nuodolf Maneß, Schulherr der Propftei zu Zürich, Johannes 
Heinz Sinower, Baumeifter, Jakob Maneß, Krämer, Ruodolf Binder, Ruodolf 
Geijo, Rifli Zurter, H. Sumer, Hans Michelmann, Kuoni Biechli. 

In derjelben Nacht waren auch die Burger von Rapperswil mit der 
Macht, jo fie damals haben mochten, und aud die Yeute aus der March 
mit Schiffen ausgefahren und wollten aud gen Zürich fein und ihrem Herrn 
von Habsburg geholfen haben. Und da fie wohl auf den halben Zeil herab— 
gekommen [waren], da wurden fie gewarnt und hörten auch zu Zürich in der 
Stadt ftürmen. Ihnen ward auch zu mifjen getan, daß [es] ihrem Herrn 
mißlungen war; aljo fehrten fie wieder um und fuhren beim. 


a N F- re 
“e, * 2 


86 


32. Der Zürcher Bund. 1. Mai 1351. 
Staatsarchiv Zürich, abgedr. Eidgen. Abſch. I. S. 260. 


Rip: N. m Namen Gottes Amen, 1. Wir der Burgermeifter, die Räte und 
J die Burger insgeſamt der Stadt Zürich, der Schultheiß, der 
2 2 Rat und die Burger insgeſamt der Stadt Luzern, die Ammänner, 
us die Landleute insgeſamt der Länder zu Uri, Schwiz und 
Unterwalden, tun kund allen, die dieſen Brief ſehen oder leſen hören, 
daß wir mit gutem Rat und mit verſtändiger Vorbetrachtung, um guten 
Friedens und der Schirmung unſeres Leibes und Gutes, unſerer Städte, 
unſerer Länder und Leute, um Nutz und Frommens willen des geſamten 
Landes ein ewiges Bündnis und Freundſchaft vereinbart, zuſammen gelobt 
und geſchworen haben leibliche! und öffentliche gelehrte? Eide auf die Hei— 
ligen für uns und alle unſere Nachkommen, die hiezu ausdrücklich ewig ver— 
bunden und begriffen ſein ſollen, miteinander ein ewiges Bündnis zu halten 
und zu haben, das auch jetzt und hernach unwandelbar, unverbrüchlich und in 
allen Dingen unverjehrt mit guten Treuen ftät und feft ewiglich bleiben ſoll. 

2. Und da aller vergänglichen Dinge vergeffen wird und der Yauf diefer 
Welt vergeht und in der Zeit der Jahre viele Dinge geändert werden, des- 
halb jo geben wir die vorgenannten Städte und Yänder einander von dieler 
getreuen ejellichaft und ewigem Bündnis ein erfennbares Zeugnis mit 
Briefen und mit Schrift, aljo, daß wir einander getreulich beholfen und be- 
raten fein jollen, joweit ung Yeib oder Gut reichen mag, ohne alle Gefährde, 
gegen alle die und wider alle die, jo uns an Yeib oder an Gut, an Ehren, an 
Freiheiten, mit Gewalt und ohne Recht Unfug, Unluſt, Angriffe, Kränkungen, 
irgend welchen VBerdruß oder Schaden antäten, uns vder jemand, jo in dieſem 
Bündnis ift, jet oder hernach, innerhalb der Ziele und Kreiſe, als hienach 
gefchrieben fteht. 

3. Das ift des erften, da die Nar entipringet, was man nennt an 
Grimſlen, und die Nare ab für Hasli, für Bern hin und immer weiter 
abwärts der Mar nach bis an die Stätte, da die Mar in den Rhein gebt, 
und den Rhein wieder aufwärts bis an die Stätte, da die Thur in den Rhein 
geht, und diejelbe Thur immer weiter aufwärts bis am die Stätte, da fie 
entipringt, und von dem Urjprung und derjelben Stätte die [gerade] Richtung 
durch Churwalden? aufwärts bis an die Veſte zu Ringgenberg* und 
von derjelben [Bejte] Ringgenberg hinüber, jenjeits des Gotthards hin bis auf 
den Plattifer? und von da bis auf den Dötijel® und von dem Döijel 






D. i. mit Aufhaltung der \ Schwörfinger, — * D. i. vorgeſprochene. — ? Nätien, 
Graubünden. — * Bei Trons. — * Monte Piottino, den die | Schlucht des Dazio grande 
durchbricht. — * Wahrfcheinlih der Deifchberg beim Dorfe Sar im Oberwallis, 


> Ss 


87 


wieder hinüber bis an den Grimfel, da die Aar entipringt. 4. Wäre aber, 
daß im diefen vorbenannten Zielen und Kreifen jemand, jo in diefem Bindnis 
it, im irgend einer Weiſe je ohne Hecht von jemand angegriffen oder ge- 
ihädigt wiirde, an Yeuten oder an Gut, darum jo mag und foll der Rat 
oder die Gemeinde der Stadt oder des Yandes, jo dann gejchädiget ift, in 
Betreff des Schadens ſich erfennen auf ihren Eid, und wes fich dann derſelbe 
Nat oder die Gemeinde oder der Mehrteil der Stadt oder des Yandes, fo dann 
geichädiget ift, auf den Eid erfennet, in Bezug auf Hilfe oder Angriff, auf 
irgend eine Sache, jo dann notwendig iſt, darum foll und mag der Rat oder 
die Gemeinde derjelben Stadt oder des Yandes, jo dann gejchädiget ift, die 
andern Städte und Yänder, jo in diefem Bündniſſe find, mahnen. 5. Und 
gegen wen dann die Mahnung gejchieht mit des Rates oder der Gemeinde 
der Stadt und des Yandes gewiſſen! Boten oder Briefen an die Räte und 
Gemeinde der Städte, die Ammänner, die Gemeinde oder die Kirchen der 
vorgenannten drei Yänder, ohne alle Gefährde, gegen den und gegen die jollen 
ihnen die andern Städte und Yänder, jo dann gemahnt find, bei den Eiden 
unverzüglich behoffen und beraten fein mit ganzem Ernft und mit allen Sachen, 
wie die es nötig haben, die fich dann um Hilfe erfannt und gemahnt haben, ohne 
alle Gefährde; umd ſoll unter uns den vorgenannten Städten umd Yändern 
niemand gegen die andern diefem Bündnis, dieſer Mahnung und der Hilfe 
auf irgend eine Weiſe ſich entziehen oder ausweichen, mit Worten noch mit 
Verfen, fein Ding fuchen noch betreiben, wodurd) die Hilfe, um die dannzumal 
gemahnt ift, aufgelöst oder zu nichte gemacht werden möchte, ohne alle Ge- 
fäbrde. Und ſoll auch jede Stadt und jegliches Yand diefelbe Hilfe in ihren 
eigenen Koften leiften ohne alle Gefährde. 


6. Wäre auch, daf gegen und oder gegen jemand, jo in diefem Bildnis 
it, irgend ein jäher Schaden oder Angriff geſchähe, da man jähe Hilfe nötig 
bätte, da ſollen wir zu allen Zeiten ungemahnt, unverzüglid) zufahren und 
Ihaffen, wie das gerächt und vergütet werde, ohne allen Verzug. 

7. Wäre aber, daf die Sache jo groß wäre, daß man eines Auszuges 
oder einer Belagerung bedürfte, werm dann deshalb irgend eine Stadt oder 
ein Yand unter uns von jemand, jo in diefem Bindnis ift, mit Boten oder 
mit Briefen ermahnt wird, dann follen wir unverzüglich zu tagen kommen 
zu dem Gotteshaus, der Abtei zu Einfiedeln, und da zu Mate werden, 
was uns dann das allernütlichite dinfe, auf daß dem oder denen, jo dann 
um Hilfe gemahnt haben, unverzüglich geholfen werde, ohne alle Gefährde. 

8. Wäre auch, daß man jemand belagern würde, jo joll die Stadt oder 
das Yand, jo die Sache angeht und die dannzumal gemahnt haben, die Koften 


' Sichern, beglaubigten. 


88 


einzig tragen, jo von Werfen oder von Werfleuten der Belagerung halber 
daraufgehen, ohne alle Gefährde. 


9. Wäre auch, daß jemand, wer der wäre, irgend weldhe, ſo in dieſem 
Bündniſſe find, angriffe oder ſchädigte ohne Necht, und derjelbe außerhalb den 
vorgenannten Zielen und Streifen gejeffen wäre, wenn es dann der Fall wäre, 
daß der oder die, jo den Angriff oder den Schaden getan haben, in die Ge— 
walt unferer vorgenannten Eidgenoffen kommen, denfelben oder die alle, ihre 
Helfer und Diener, Yeib und Gut foll man haftbar machen und angreifen 
umd fie weilen, daß fie denfelben Schaden und Angriff erjegen und vergüten, 
unverzüglich, ohne alle Gefährde. 


10. Wäre auch, daß wir die vorgenannten von Zürich in Streit oder 
Mifheltigfeiten gerieten mit den vorgenannten unfern Eidgenoffen von Yuzern, 
von Uri, von Schwiz und von Unterwalden insgefamt oder mit einem von 
ihnen im bejondern, was Gott lang abwende, darum jollen wir zu tagen 
kommen zu dem vorgenannten Gotteshaus zu Einfiedeln, und foll die Stadt 
Luzern und die Yänder, fie alle insgefamt oder eines von ihnen im bejondern, 
jo dann Streit mit uns denen von Zürich bat, zwei ehrbare Männer dazu 
jegen, und auch wir zwei. Diefelben vier jollen damı ſchwören zu den Heiligen, 
die Sache und die Streitigkeiten unverzüglich zu jchlichten in Minne oder 
nad Recht, und wie die vier oder der Mehrteil unter ihnen dann urteilen, 
das jollen wir auf beiden Seiten bejtändig balten, ohne alle Gefährde. 
11. Wäre aber, daß die vier, jo dazu ernannt werden, ſich gleich teilten umd 
uneins würden, jo jollen fie bei den Eiden, jo jie geichworen haben, innerhalb 
unjerer Eidgenofjenichaft einen gemeinen! Mann zu ihnen kieſen und nehmen, 
der fie in der Sache als Schiedsrichter tauglich und unparteiifch dünkt, und 
welchen fie dazu Fiefen, den follen die, im deren Stadt oder Yand er geſeſſen 
ift, bitten und weiſen, daß er jich der Sache mit den vieren annehme und 
nit jeinem Eid fich verpflichte, fie zu jchlichten, ohne alle Gefährde. 


12. Es joll auch fein Yaie den andern, jo in diefem Bündnis find, 
Geldſchuld halber vor ein geiftliches Gericht laden; denn jedermann joll von 
dem andern Recht nehmen an den Stätten und in dem Gericht, da der Be- 
Hagte dann jerhaft ift und bingehöret. 13. Und joll man auch dem da un— 
verzüglich richten auf den Eid, ohne alle Gefährde. 14. Wäre aber, daß er 
da rechtlos gelafjen würde und das offenbar wäre, fo mag er jein Recht wol 
fürbas ſuchen, wie er es dem bedarf, ohne alle Gefährde. 15. Es joll auch 
niemand, jo in diefem Bimdnis ift, den andern haftbar machen, noch [auf 
jein Gut] Beſchlag legen, außer den rechten Schuldner oder Bürgen, jo 


! Unparteiifchen. 


89 


ihm darum gelobt hat, ohne alle Gefährde. 16. Wir find auch einhelliglich 
darin übereingetommen, daß feine Eidgenoffen, jo in diefem Bündniſſe find, 
um irgend eine Sade für einander Pfand fein follen, ohne alfe Gefährde, 


17. Wäre auch, daf jemand, jo in diefem Bündnis ift, das Yeben ver- 
wirfte, jo weit er von jeinem Gerichte darum verjchrien würde, wofern das 
dem andern Gerichte verfündet wird mit der Stadt oder des Yandes ver: 
jiegelten Briefen, jo joll man ihn auch da verjchreien in demfelben Gerichte, 
wie er auch dort verjchrien ift, ohne alle Gefährde. 18. Und wer ihn danad) 
wiffentlich haufet oder „hofet”, ihm zu eſſen oder zu trinken gibt, der joll in 
derjelben Schuld fein, alfo, daß es ihm jedoch nicht an das Yeben gehen joll, 
ohne alle Gefährde. 


19. Auch haben wir insgefamt ums felber vorbehalten und verabredet: 
wäre es, daß wir inggefamt oder von unferern Städten oder Yändern irgend 
eines im bejondern uns irgendwohin mit Herren und Städten weiter verforgen 
und verbinden wollten, das mögen wir wohl tun, aljo daß wir jedoch dies 
Bimdnis vor allen Binden, die wir hienach annehmen würden, gegen einander 
ewiglich ftät und feft halten follen mit allen Sachen, wie fie in diefem Brief 
feſtgeſetzt und verjchrieben find, ohne alle Gefährde. 


20. Es ift auch ausdrücklich feftgefegt: wäre es, daß jemand Herrn 
Rudolfen Brun, Ritter, der jet Zürich Burgermeifter ift, oder welcher 
immer da Burgermeifter wird, die Räte, die Zünfte und die Burger insgeſamt 
derjelben Stadt fränfen oder bekümmern mwirde an ihren Gerichten, an ihren 
Ziünften und an ihren Gejegen, die fie gemacht haben und in dieſem Bündnis 
begriffen find, mern wir die vorgenannten von Yuzern, von Uri, von Schwiz 
oder von Unterwalden darum ermahnt werden, von einem Burgermeiſter allein 
oder von einem Nat von Zürich, mit eines Burgermeiſters oder des Rates 
von Zürich befiegelten Briefen, jo jollen wir ihnen unverzüglid auf den Eid 
beholfen und beraten fein, daß der Burgermeifter, die Räte und die Zünfte bei 
ihrer Gewalt, bei ihren Gerichten und bei ihren Geſetzen bleiben, wie fie es 
bisher in dies Bündnis gebracht haben, ohne alle Gefährde. 

21. Wir, die vorgenannten von Zürich, haben uns jelber vorbehalten 
und ausgenommen unferm Herrn, dem König, und dem heiligen Römijchen 
Reiche die Yeiftungen, die wir ihnen tun jollen, wie wir von alter guter 
Gewohnheit herkommen find, ohne alle Gefährde. 22. Dazu haben wir aus- 
genommen unferen Eidgenofjen die Binde und Gelübde, jo wir vor dieſem 
Bindnis getan haben, ohne alle Gefährde. 23. Aber wir die vorgenannten 
von Yuzern, von Uri, von Schwiz und von Unterwalden haben 
auch ung jelber ausgenommen die Gelübde und Bündniſſe, jo wir vorher mit 
einander haben, daß die diefem Bündniſſe auch vorgehen jollen, ohne alle 
Gefährde. 24. Dazu haben wir obgenannte von Yuzern vorbehalten und 


% 


ausgenommen den hochgeborenen, unfern Herrn, den Herzogen von Öftreic, 
die Yeiftungen und Dienfte, die wir ihnen von rechtswegen tun follen, und 
ihr Gericht in unferer Stadt, wie wir von alter guter Gewohnheit herfommen 
jind, ohne alle Gefährde. 25. Wir die vorgenannten Yandleute von Urt, von 
Schwiz und von Interwalden haben aud vorbehalten und ausgenommen 
unjerm durchlauchtigen Herren, dem König, und. dem heiligen römijchen Reiche 
die Yeiftungen, jo wir ihm tun follen, wie wir von alter guter Gewohnheit 
berfommen jind, ohne alle Gefährde. 


26. Dabei foll man bejonders wiffen, daß wir ausdrücklich feftgefett und 
ausbedungen haben, gegen alle die, jo in diefem Bindniffe find, daß jegliche 
Stadt, jegliches Yand, jegliches Dorf, jeglicher Hof, jo jemand zugehört, der 
in diefem Bündniſſe ift, bei ihren Gerichten, bei ihren ‘Freiheiten, bei ihren 
Handfeften ', bei ihren Nechten und bei ihren guten Gewohnheiten gänzlid) 
bleiben jollen, wie fie es bisher geführt und gebracht haben, alfo daß niemand 
den andern daran kränken noch hindern foll, ohne alle Gefährde. 27. Es ijt 
auch im bejondern fetgejett, auf dak dies Bündnis Jungen und Alten und 
all denen, fo dazu gehören, immer mehr defto wiffentlicher ſei, daß wir je zu 
zehn Fahren auf Anfang Mai, vorher oder nachher, wie es unter ums den 
vorgenannten Städten und Yänder jemand von dem andern fordert, bei umjeren 
Eiden dies Gelübde und Bündnis erleuchten und erneuern follen mit Worten, 
mit Schrift und mit Eiden und mit allen Dingen, fo dann notwendig find. 
Was aud) denn von Männern und Knaben zu den Zeiten über jechszehn 
Jahre alt ift, die follen dann fchwören, dies Bündnis auch ftät zu halten, 
ewiglich, mit allen Stüden, wie in diefem Brief gejchrieben fteht, ohne alle 
Gefährde. 28. Wäre aber, daß die Erneuerung nicht alfo geihähe zu denjelben 
Zeiten und es fich um irgend einer Sache willen ſäumen oder verzichen würde, 
jo foll das doch diefem Bündnis unſchädlich jein, da es ausdrüclich ewiglich, 
jtät und feft bleiben joll, mit allen Stüden, jo vorgeichrieben ftehen, ohne alle 
Gefährde. 


29. Wir haben auch einmütiglich mit guter Vorbetrachtung uns ſelbſt 
vorbehalten, wenn wir zu unſerm gemeinen Nutzen und Bedürfnis über irgend 
ein Ding einhellig mit einander, jetzt oder ſpäter, je anders zu Rate würden, 
als in dieſem Bündnis jetzt verſchrieben und feſtgeſetzt iſt, es ſei zu mindern 
oder zu mehren, daß wir dazu alle mit einander wol Macht und Gewalt 
haben ſollen, wenn wir darüber alle, die in dieſem Bündniſſe dann ſind, ein— 
hellig zu Rat werden und übereinkommen, was uns nützlich und füglich dünkt, 
ohne alle Geführde. 


Freiheitsbriefen. 





9 


30. Und hierüber zu einer offenen Urkunde, daß die Vorgejchriebene 
Alles num umd hienach ewiglih, wahr und jtät bleibe von uns und allen 
unjern Nachfommen, darum fo haben wir die vorgenannten Städte und Yänder 
von Zürich, von Yuzern, von Uri, von Schwiz und von Unterwalden unſere 
Siegel öffentlich gehängt an diejen Brief, der gegeben ift zu Züri an 
St. Walpurgis:- Tag Anfangs Mai, da man zählte von Gottes Geburt 
dreizehnhumdert und fünfzig Jahre, darnach in dem erſten Sabre. 


33. Das Treffen bei Tütwil. 26. Der. 1351. 


a. Aus Mülners Jahrbuch S. 80, 


Dies mwährte alfo, daß der Herzog immer gegen uns friegte bis auf den 
heiligen Tag zu Weihnachten. Da zogen wir von Zürich aus mit dem Haufen 
und mit aller Macht, die wir haben mochten in unferer Stadt Zürich, ohne 
andere unjere Eidgenoffen, und zogen hinab gen Baden zu den Bädern. 
Da waren uns etliche angezeigt, die zu unferem Schaden da lagen und uns 
auch viel zu leid taten und getan hatten. Diefelben wollten wir gefangen 
baben. Da waren wir zu jpät ausgefahren, daß wir uns ihrer verfäumt hatten. 
Aljo brachen wir die Häufer bei den Bädern und verwilteten, was uns 
werden mochte; dies geichah am heiligen Tag des Nachts. Und aljo zogen 
wir die Yintmag hinunter bis gen Freudenau in den „Spit”, und die Reuß 
wieder aufwärts bis gen Baden zu dem Galgen. Da hatten die Feinde unfer 
gewartet mit einem großen Volk zu Roß umd zu Fuß wohl bei viertaujend 
Mann, wohl gerüftet, und griffen uns da trogig und fed an. Aljfo gingen 
wir an einander mannlih und mit befonnenem Mut umd fochten da mit 
einander zu Roß umd zu Fuß wohl eine Stunde in die Nacht [hinein]. Das 
geihah an St. Stefanstag, da die Sonne untergehen wollte, und half Gott 
denen von Zürich, daR fie obfiegten und nicht mehr als 60 Mann verloren. 


b. Ans Diessenhofens Chronik (Böhmer fontes IV. p. 84). 


Heinrich Truchsess von Diessenhofen, aus einem thurganischen Adelsgeschlecht, 
welchrs in engen Beziebungen zum östreichischen Fürstenbause stand, 1325 Chorberr 
zu Beromünster, 1333— 37 Kaplan am päpstlichen Hofe zu Avignon, von 1341 bis zu 
seinem 1376 erfolgten Tode Domberr zu Konstanz, schrieb eine lateinische Geschichte 
seiner Zeit von 1316 bis 1361, welche vor allem die kirchlichen Ereignisse ins Auge 
fasst, daneben aber anch eine Menge wichtiger Nachrichten für die Geschichte des Reiches 
und diejenige der schweizerischen Lande im besondern enthält; natürlich steht der 
Chronist auf östreichischer Seite, 


92 


Die vorgenannten Zürcher zogen mit ihren Helfern gegen Baden 
aus und verbrannten daselbst alle Gasthäuser diesseits des Wassers. 
Hierauf sammelten sich die Leute des vorgenannten Herrn Albert, Herzogs 
von Östreich, aus Stadt und Schloss Baden und den benachbarten Städten 
und Landschaften und Dörfern im Aargau und schlugen am St. Stefanstag 
des vorgenannten Jahres die vorgenannten Zürcher mit ihren Helfern in 
die Flucht und töteten dreihundert, während die übrigen die Waffen 
wegwarfen und schimpflich nach Zürich flohen. 


34. Aus dem Glarner — 4. Juni 1352.' 
Eidg. Abſchiede J. S. 273 f. 


In Gottes Namen Amen. 1. Ich Rudolf Brun, Ritter, Burgermeiſter, 
und wir die Räte und die Burger insgeſamt der Stadt Zürich, Ich Johannes 
von Attingenhuſen, Ritter, Landammann, und die Landleute insgeſamt zu 
Uri, und wir die Amtleute und die Landleute insgeſamt zu Schwiz und 
zu Unterwalden zu beiden Seiten des Kernwalds, und wir der Ammann 
und die Landleute insgeſamt zu Glarus tun insgeſamt fund allen, die 
diefen Brief jehen oder lejen hören und erklären öffentlich: daß wir unſerer 
großen Notdurft und guten Friedens halber insgemein unferer Städte und 
Yänder, zur Sicherheit und zur Schirmung unferer Yeiber und Güter eine 
getrene Freundichaft und ein ewiges Bündnis vereinbart und einander gelobt 
und gejchtworen haben, einander zu raten und zu helfen nach den Stüden 
und Artikeln, wie hienach gejchrieben ſteht. 


2. Des erjten fprechen wir von Zürich, von Uri, von Schwiz und von 
Unterwalden, wo das wäre, daß [jemand] den Yandlenten von Glarus insgemein 
oder jemandem unter ihnen in den Zielen und Kreiſen, wie ihre Yandınarf geht, 
irgend einen Schaden, Abbruc oder Angriff zufügte, an ihrem Yeib oder an 
ihrem Gut, ohne Recht, darüber mögen fie fich erfermen auf den Eid, und 
weſſen fie ji da in ihrem Nat erfennen, insgejamt oder der Mehrteil unter 
ihnen, auf den Eid in Betreff der Hilfe, deren fie benötigt jind, darım mögen 
fie uns mahnen mit ihren Briefen oder gewiſſen Boten an die Räte unjerer 
Städte und Yänder. 


Im Juli 1450 wurde ein neuer Bund der vier Orte mit Glarus unter Zurüd- 
datirumg auf den Tag des eriten Bundes (4. Juni 1352) aufgerichtet, welcher mit dem 
Zürcher Bund faft wörtlich übereinftimmt; nur wird in Art. 19 Glarus blos die Befugnis 
zugeftanden, fih mit Bern, Luzern und Zug zu verbinden ; für weitere Bündniſſe 
bedarf es dagegen jeweilen der Erlaubnis der Eidgenoffen. S. Abſchiede II. ©. 862. 


93 


3. Und wenn wir aljo um Hilfe von ihnen gemahnt werden, fo jolfen 
wir ihnen unverzüglich in ihren Landmarken beholfen und beraten jein mit Yeib 
und mit Gut und in unfern eigenen Koften, joweit, bis ihnen der Schaden, 
jo ihnen ohne Recht geichehen ift, ganz und gar vergütet und erjetst werde. 
4. Wäre aber, daß ihnen irgend ein Schade oder Angriff plöglich zuftiehe, 
weshalb jie auch plöglicher Hilfe benötigt wären, jo follen wir auch unverzüglich 
und ungemahnt unjere ehrbare Hilfe zu ihnen jenden, ihnen beholfen und be- 
raten jein mit Yeib und mit Gut, jo weit wir vermögen, aljo daß fie des 
Schadens dannzumal ganz und gar ledig werden, ohne alle Gefährde. 5. Wäre 
aber, daß uns die vorgenannten Eidgenofjen von Züri, von Uri, von Schwiz 
und von Unterwalden insgejamt oder den Mehrteil unter uns dinfte, und 
mir ung auf den Eid erfennten, daß die Beichwerde und die Sache, darım 
dann die vorgenannten unjere Eidgenoffen von Glarus gemahnt hätten, ganz 
ungerecht und unredlich jei, darin follen fie uns dann gehorfam fein und 
fih davon weiſen laffen, ohne allen Verzug, damit fie und auch wir aus 
feinen und unredlichen Sachen dejto minder in große Kriege und Schäden 
fommen. 


6. Hiegegen fprechen wir die vorgenannten: der Ammann und die Land: 
leute insgejamt zu Glarus und geloben auch insgejamt bei den Eiden, jo wir 
darum getan haben: wo das wäre, daß irgend ein Schaden oder Angriff ohne 
Hecht den vorgenannten unfern Eidgenoffen von Zürich, von Uri, von Schwiz 
und von Unterwalden gejchähe, ihnen insgejamt oder ihrer einem bejonders, 
an ihrem Yeib oder an ihrem Gut, wenn wir dann darum gemahnt werden 
mit Boten oder mit Briefen von der Stadt oder dem Yand, jo dann der 
Angriff geichehen ift, nachdem als ſich dann die Räte oder Gemeinde der 
Stadt oder des Yandes auf den Eid zu mahnen erfenmen, insgefamt oder der 
Mebrteil unter ihnen, jo jollen wir unfere ehrbare Hilfe unverzüglich dazu 
jenden, ihnen beholfen und beraten fein mit mit Yeib und mit Gut, an allen 
Stätten, da jie uns hinmahnen, jo weit, daß ihnen ganz und gar vergütet 
und erjett werde der Angriff und der Schade, darum fie dannzumal gemahnt 
haben, ohne alle Gefährde. Und die Dienfte und Hilfe follen wir auch tum in 
unjern eigenen Koften, ohne alle Gefährde. 


— — — 8. Es ijt auch abgeredet, daß wir die vorgenannten Yand- 
leute von Glarus uns fürbas nad feiner Seite hin ftärfen noch verbinden 
jolfen, weder jet noch jpäter, weder mit Herren, Städten noch mit Yändern, 
außer mit guter Gunſt, Wiffen und Willen der vorgenannten unferen Eid- 
genoſſen insgejamt von Zürich, von Uri, von Schwiz und von Unterwalden. 
9. Aber diejelben unjere Eidgenoffen insgejamt oder im bejondern mögen ſich 
wohl fürbas ſtärken und verbinden, mit wen fie wollen, und jollen wir die 
von Glarus fie daran nicht hindern, weder jetzt noch jpäter, mit feinen Sachen, 
ohne alle Gefährbe. Und wohin fie ſich verbinden, dahin jollen wir uns auch 





94 


unverzüglich mit ihnen verbinden, ohne alle Widerrede, wenn fie e8 von uns 
fordern, ohne alle Gefährde. — — — 

— — — 11. Wäre auch, daß wir, die vorgenannten Yandleute von 
Glarus mit unfern den vorgenannten Eidgenoffen allen insgeſamt wegen einer 
Sache je in Streit gerieten, jo jollen wir darüber zu tagen kommen gen Ein: 
jiedeln dem Klofter und die Sache zum Austrag bringen nach den Artifeln 
und Bedingungen, wie diefelben unjere Eidgenofjen in ihren alten Bund- 
briefen um ſolche Sachen jett gegeneinander verjchrieben haben. 12. Gerieten 
wir aber von Glarus je in Streit mit einem von den vorgenannten unjern 
Eidgenoffen im befondern, jo jollen wir darüber auch zu tagen fommen: mit 
denen von Zürich gen Pfäffikon, am Zürichſee gelegen, mit denen von 
Schwiz auf Bergern!, mit denen von Urt auf Merchern? und mit denen 
von Unterwalden gen Brunnen, und mit welchen unter ihnen wir aljo 
in Streit gerieten, das jollen dann die andern Eidgenoffen Gewalt haben 
endgiltig zu jchlichten und, weſſen fie dann insgeſamt oder der Mehrteil 
unter ihnen fich darüber erkennen nad Recht oder in Minne mit beider Teile 
Wiſſen, dem follen wir die von Glarus und auch die, welche dann Streit 
mit uns haben, gänzlich gehorjam fein und ung aljo vom Kriege weijen 
lafjen. — — 


35. Die Stadt Bug ward gewonnen. Iumi 1352, 


Aus Mülners Jahrbuh S. 82. 


Dies mwährte alfo bis zum achten Tag Brachmonats des vorgenannten 
Jahres [1352], da fandten die von Zürich 1600 Mann vor die Stadt Zug. 
Alfo famen auch andere unjere Eidgenoffen daher, und da wir aljo vor der 
Stadt lagen bis zum 15. Tag, da ftürmte man die Stadt, bis fie die Stadt 
übergaben und zu ums jchwuren, das Bindnis aljo zu halten, wie wir und 
andere unjere Eidgenoffen dasjelbe geihworen hatten. Und aljo warteten wir 
dennoch drei Tage, ob der Herzog die Stadt entjchütten wollte, weil uns die 
von Zug gebeten hatten. Sie ſchickten auch ihre Botjchaft zu dem Herzogen, 
wenn er fie in drei Tagen entjchütten wollte, jo wären fie ihres Eides ledig, 
was aber der Herzog nicht tum mochte. Alfo zog jedermann wieder heim und 
[wir] befegten die Stadt, wie es ums notwendig war und ung gut bedünkte. 
Und auf daß fie defto mehr Glimpf zu dem Bilndnis bätten, bebielten die 
von Zug dem Herzogen alle feine Rechte vor, Steuer, Zins, Gilt und alle 
Herrlichkeit und meinten, er jollt es ihnen deſto eher gönnen; aber jie taten 





! Pragel. — * Ennetmärch im Urmerboden. 


95 


ihm danach feinen Dienft mehr, und gaben ihm auch weder Zins, Gülten 
noch anderes; denn fie nahmen es jelber ein umd ließen die Herrichaft 
mangeln. 


36. Der Zuger Bund, 27. Juni 1352 
Abi. I. S. 275. 


iſt eine faſt wörtliche Copie des Zürcher Bundes. Der Eingang lautet: In 
GN. A. Wir, der Burgermeifter, die Räte und die Burger insgefamt der 
Stadt Zürich, der Schultheiß, der Rat und die Burger insgefamt der Stadt 
zu Yuzern, der Rat und die Burger insgefamt der Stadt Zug und alle, 
jo zu demjelben Amt Zug gehören, die Ammänner und die Yandleute ins— 
gejamt der Yänder zullri, u Schwiz und zulinterwalden tun Fund ac. 


37. Der Berner Bund. 6. März 1353. 
Abi. I. S. 2385. 


In Gottes Namen, Amen. 1. Wir der Schultheif, der Rat, die Zwei: 
hundert und die Burger insgemein der Stadt zu Bern, in Uechtland 
gelegen, die Yandammänner und die Yandleute insgemein der Yänder zu Uri, 
zu Shwiz und zu Unterwalden tun kund ac. Das folgende wörtlich 
wie im Zürcherbunde; mur fällt die Begrenzung eines beſtimmten Kreiſes 
weg, innerhalb deſſen die Hilfeleiftung ftattfindet]. 4. Und jobald die Mah— 
nung geichieht, jo jollen alle, die in diefem Bündnis find, unverzüglich ihre 
ebrbare Botichaft zu Tagen jenden in das Kienholz! und da zu Rate 
werden, wie denen, jo deun um Hilfe gemahnt haben, unverzüglich bei 
den Eiden geholfen und geraten werde mit ganzem Ernſt und mit allen 
Sachen, wie denen nötig ift, die fich dannzumal um Hilfe erfannt und ge 
mahnt haben, ohne alle Gefährde, aljo dak der Schaden und der Angriff, jo 
an ihnen gejchehen ift und darım fie dannzumal gemahnt haben, gerochen, 
vergütet und erfegt werde, ohne Gefährde. 5. Und haben auch wir, die 
vorgenannten von Bern Gewalt, die vorgenannten Walditätte, unjere Eid- 
genofjen, zu mahnen gegen alle die und an alle Stätten, jo uns und alle 


ı Weiler bei Brienz. 





96 


unfere Burger und die unfer Yehen, Pfand oder Eigen find, fchädigen wollten 
oder angreifen, umd von niemand anders wegen, ohne alle Gefährde. Und 
gegen die joll man ung beholfen fein in all der Weije, wie da vorgejchrieben 
jteht, ohne alle Gefährde. 

6. Und wenn auch wir die vorgenannten Waldftätte alle drei, oder eine 
von uns im bejondern, alfo um Hilfe gemahnt werden von den vorgenannten 
von Bern und wir ihnen die Hilfe fenden über den Brüning, wie in dem 
Kienholze auf dem Tag in Betreff der Sache erkannt worden ift, darım 
unjere Boten da beieinander gewejen find, jo jollen wir die Hilfe bis gen 
Unterjeen in unjern Koften leiften, und von der erften Nacht in Unterfeen 
an jollen die vorgenannten von Bern jeglichem der Unfern, jo wir ihnen ge- 
waffnet gejendet haben, alle Tage, dieweil fie die in ihrem Dienfte haben 
wollen, einen großen Tourney! an feine Koften geben, und joll auch ung das 
von ihnen genügen, und jollen das tun, bis daß die Unjern wieder von ihrem 
Dienft bis gen Unterſeen kommen und nicht weiter, ohne alle Gefährde. 
7. Wäre au, daß wir die vorgenannten von Bern dereinſt unjere Hilfe 
jenden würden den vorgenammten Waldjtätten allen oder einer von ihnen im 
bejondern, nach der Mahnung und Erkenntnis, wie oben gejchrieben ift, die- 
jelbe Hilfe follen wir ihnen auch in unfern Koften leijten bis gen Unterſeen, 
und von der erjten Nacht in Unterjeen an jollen die vorgenannten Walpdftätte 
jeglihem der Unjern, fo wir ihnen gewaffnet gejendet haben, alle Tage, Die: 
weil jie die in ihrem Dienft haben wollen, einen großen Tourney an feine 
Koſten geben und joll auch uns das von ihnen genügen, und follen das tum, 
bis daß die Unfern wieder von ihrem Dienjt bis gen Unterjeen fommen und 
nicht weiter, ohne alle Gefährde. 

8. Wäre au, dak ung den vorgenannten Eidgenofjen irgend ein Nach: 
teil oder Schaden geichähe oder irgend welche Ungebühr von jemandem zu- 
ftieße, die uns gemeinſam beträfe, darum wir einbellig und gemeinschaftlich 
einen Auszug oder eine Belagerung vereinbaren und bejchliegfen wirden, den 
Auszug oder die Belagerung jollen wir die vorgenannten von Bern und aud) 
die Waldftätte in unfern eigenen Koften tun, ohne alle Gefährde. 

9. Und wäre auch, daß wir aljo einen gemeinichaftlichen Krieg bekämen, 
der ung gemeinjam beträfe, wo wir, die vorgenannten von Bern oder die 
Waldſtätte, dann gegen die Feinde zögen umd fie jchädigten, an welchen Stätten 
das wäre, darum joll feiner von ung, die in diefem Bündnis find, dem andern 
irgendwelche Koſten bezahlen noch erjtatten, ohne alle Gefährde. 

10. Würe au, daß wir, die von Bern, die Feinde hie oben um uns 
[herum] angriffen und jchädigten, wenn wir dann die Waldftätte mahnten, jo 
jolfen fie aud) danieden um fich [herum] förderlich die Feinde angreifen und 


' Gros tournois hießen in Tours geprägte Silbermiluzen, die 1 Schilling wert waren. 


rw 


97 


ſchädigen, foweit fie fünnen. Und von desjelben Angriffs wegen follen wir 
ihnen noch fie uns feine Koften rechnen, zahlen noch erjtatten. 11. Und 
gleicher Weife, griffen auch wir, die vorgenannten Waldftätte, die Feinde bie- 
nieden bei uns an umd jchädigten die, wenn wir dann die obgenannten von 
Bern, unſere Eidgenoffen, mahnten, jo follen fie auch da oben um ſich [herum] 
förderlichft die Yyeinde angreifen umd jchädigen, jo weit fie fünnen, und von 
desjelben Angriffs wegen follen wir ihnen noch fie uns feine Koften rechnen, 
bezahlen noch erjtatten, ohne alle Gefährde. 

12. Es joll auch niemand dem andern in diefem Bindnis irgend welche 
Koften bezahlen noch erftatten, [für einen Zug] gen Aargau, er jei dahin 
gemahnt oder nicht. 

13. Wäre auch, dak man jemand befagern würde, jo joll die Stadt 
oder das Yand, jo die Sache angeht und die dannzumal gemahnt haben, die 
Koften allein tragen, jo von Werfen oder von Werfleuten von der Belagerung 
wegen darauf gehen, ohne alle Gefährde. 

14. Wir die vorgenannten von Bern haben auch im bejondern abge- 
redet: wäre es, daß denen von Zürich oder von Yuzern, die jetzt mit 
den obgenannten Waldftätten Eidgenofjen find, jemand einen Nachteil, Angriff 
oder Schaden zufügte, darım fie dann diejelben Waldftätte, ihre Eidgenoffen, 
mabnen wirden und die auch ihnen ihre Hilfe leiften wollten, wohin aud) 
dann die vorgenannten Waldftätte, unfere Eidgenoffen, uns mahnen, dahin ſollen 
wir unſere ehrbare Hilfe unverzüglich mit denjelben unſern Eidgenofjen jenden 
und mit ihnen ziehen an jegliche Stätte, wo auch jie hinziehen, und ihnen da 
ihre Feinde angreifen und jcehädigen helfen an allen Stätten, bei demjelben 
Auszug oder anderswo, da wir es tum fünnen, mit guten Treuen ohne alle 
Sefährde, und diejelbe Hilfe jollen wir auch tun in unfern Koſten. 15. Wäre 
aber, daß wir, die von Bern, auch von jemand angegriffen oder gejchädigt 
würden, und wir die obgenannten Waldftätte, unjere Eidgenofjen, darum 
mahnten, wofern dann auch diejelben Waldjtätte die von Zürich oder die von 
Yuzern, fie beide oder eine von beiden, ihre Eidgenofjen, mahnten, und die 
mit ihnen zögen und ihnen behilflich wären, unjere Feinde zu jchädigen, bei 
demjelben Auszug oder anderswo, da jollen wir denjelben von Zürich oder 
denen von Yuzern auch feine Kojten bezahlen noch erjtatten. 

[Die weitern Beftimmungen entjprechen den Artikeln 10—19, 21—30 
des Zürcher Bundes, aus dem fie zum Teil wörtlich herübergenommen jind.] 


Oeehsli Qnellenhurh. 7 





98 


38. Das Beichsheer vor Zürich. Sept. 1354. 


Aus Mülners Jahrbuch S. 86 f. 


In diefen Tagen fam der Römijche König, Karolus von Böheim, 
mit viel Volfes und mit großer Macht, mit viel Fürſten und Herren und 
mit des Reiches Städten, und legte ji) auch vor unſere Stadt Zürih an 
die Glatt, da der Herzog vorher gelegen war. Da brach er auf und zog 
hinüber zu dem Kaltenftein gen dem See. Alſo brach Herzog Albrecht 
von Öftreich auch auf zu Rapperswil, und famen zu einander, der König 
und der Herzog, bei dem Kaltenftein, und aljo zogen fie da miteinander mit 
großer Macht und großer Gewalt und legten ji vor unfere Stadt an die 
Kloſen und verbrannten und verwüfteten alles, was vor der Stadt war, 
was fie nicht vorher verwüftet hatten, umd jchlugen die Neben aus, und an 
dem Samstag, da es des heiligen Kreuzes Tag im Herbft [14. Sept.) war, 
da zogen fie oben durh Hottingen und ob Fluntern hin und ver: 
wüſteten, was fie fanden, und lagerten bei der Spannweid am äußern 
Yegigraben und lagen da vor unferer Stadt mit großer Gewalt. 

Dies find der Fürften, der Herren und der Städte Namen, die jelber 
vor Zürich gelegen find und die uns auch abgejagt hatten; es find da auch 
etliher Herren und Städte Namen, die vorher mit dem Herzog vor unferer 
Stadt gelegen find und die nun zumal mit dem Könige und mit dem Her— 
zogen nicht vor uns lagen: Des erjten der Römiſche König Karolus, Herzog 
Albrecht von Oftreih, Markgraf Yudwig von Brandenburg, Graf 
Eberhard von Würtemberg, der des Herzogs Kriegshauptmann war, 
Graf Ludwig von Öttingen, Graf Friedrich von Öttingen, abermals 
Graf Friedrich von Öttingen, zwei Grafen von Schmalenegg, Graf 
Friedrich von Ortenburg, der Burggrafvon Nürnberg, zwei Grafen 
von Tettnang, Graf Eberhard und Graf Heinrich von Nellenburg, 
Graf Wilhelm von Kirchberg, zwei Grafen von Fürſtenberg, Graf 
Nudolf und Graf Hartmann von Werdenberg, der Graf von Mag: 
berg, des Grafen Diener von Savoyen, der Graf von Hochberg, drei 
Grafen von Thierftein, Graf Ymer von Straßberg, der Graf von Ky— 
burg, der Graf von Neuenburg, der Graf von Nidau, Graf Peter von 
Aarberg, Graf Haman von Froburg, der Graf von Zoller, der Bi: 
ihof von Würzburg, der Biſchof von Freiſing, der Biichof von Bam— 
berg, der Bilchof von Bajel, der Biichof von Konjtanz, der Bilchof 
von Cur, der Herzog von Urslingen, Derzog Friedrich von Ted, 
und dabei viel Herren, Ritter und Knechte, die hie nicht gejchrieben find. 

An St. Bartholomäusabend (23. Aug.) zogen die von Konſtanz aus zu 
König Karolus und Herzog Albrecht von ſtreich anno 1354. Dieſe nach— 
gejchriebenen Städte find auch mit dem Herren vor Zürich gelegen. Straß: 


99 


burg, Bafel, Freiburg im Breisgau, Breifah, Neuenburg, 
Soloturn, Konftanz, Schaffhbaufen, Bern und Wil und viel 
andere Städte, die vorher mit dem Herzog vor Zürich gelegen waren, deren 
Namen bie nicht alle gefchrieben ftehen. 

Da man nun alfo vor unferer Stadt Zürich lag mit aller Macht und 
großer Gewalt, da pflanzten wir zu Zürich des Neiches Panner auf und 
mahnten den Kaiſer, daß wir doc anders niemandem zugehörten, als dem 
beiligen Reich, dawider wir auch nimmer handeln wollten; wir wollten ihm 
auch gern gehorjam fein als einem Römiſchen Könige zu des Reiches Handen, 
weil wir das von Billigfeits: und Rechtswegen täten. Und da der Kaiſer 
unjern Glimpf! hörte und ſah, daß wir gern gehorjam fein wollten, da 
brad das Heer mit einander auf umd 309 hinweg. Unſere Stadt Zürich 
hatte e8 aud) nötig, daß wir mehr Gnade hätten beim Kaiſer, als wir hätten 
beim Herzog von Öſtreich und den Seinen, und daß wir befjere Freunde 
an Herren und Städten hatten, die vor uns lagen; denn derjelbe Herzog hätte 
uns gern jehr wehe getan, denn es war ihm gänzlich zuwider, daß der Kaiſer 
aufbrach und er von dannen ziehen mußte. 


39. Der — 7. Okt. 1370. 
Eidgen. Abichiede I. ©. 301. 


1. Wir der Burgermeifter, die Räte, die Zunftmeifter und alle Burger 
insgefamt der Stadt Zürich, der Schultheiß, der Nat und alle Burger ins- 
geiamt der Stadt zu Yuzern, der Ammann, der Nat und alle Burger ins— 
gefamt der Stadt Zug, zu Aegeri und alle die in dasjelbe Amt Zug 
gebören, die Ammänner und alle Yandleute insgejamt der drei Yänder Uri, 
Schwiz und Unterwalden tun fund allen denen, die diefen Brief jehen 
oder lejen hören, daß wir mit gemeinem Mat umd mit guter Vorbetrachtung 
um des Nutens und Bedürfniffes und guten Friedens willen unfer und des 
Yandes übereingefommen jind, insgefamt und einhelligli, dre Ordnung umd 
und Gejete, wie hienach geichrieben ſteht. 

2. Des erften haben wir gejeget: Wer mit eigenem Herd, mit jeiner 
eigenen Perjon oder mit jeinem Gefinde ‚fiten und mohnbaft jein will in 
diejen vorgenannten Städten und Yändern, er jei Pfaff oder Yaie, edel oder 
ımedel, die der Herzoge von Öftreich Nat oder Dienft gelobt oder gejchworen 
haben, die alle jollen auc, geloben und jchwören, unjere, der vorgenammten 


' Angemefjenes, artiges Benehmen. 





106 


Städte und Länder, Nugen und Ehre zu fördern umd mit guten Treuen zu 
warnen vor all dem Schaden, fo fie [etwas] vernähmen, was den vorgenannten 
Städten oder Yändern insgefamt oder im bejondern in irgend einer Weije 
Nachteil oder Schaden bringen möchte, und joll fie davor fein anderer Eid, 
den fie jemandem getan haben oder noch täten, jchirmen, ohne alle Gefährde. 

3. Was auch Pfaffen in unſerer Eidgenofjenichaft, in Städten oder in 
Yändern, wohnhaft find, die nicht Burger, Yandleute noch Eidgenofjen find, 
die jolfen fein fremdes Gericht, [weder ein] geiftliches noch weltliches, ſuchen 
noch anrufen gegen jemand, jo in diefen vorgenannten Städten oder Yändern 
ift. Denn fie follen von jeglihem Recht nehmen an den Stätten und vor 
dem Richter, da er anſäßig ift, es wäre dann im Betreff einer Ehe oder 
in geiftlichen Sachen, ohne alle Gefährde. 4. Welcher Pfaff aber dawider 
handelt, da ſoll die Stadt oder das Yand, da derjelbe Pfaff wohnhaft ift, 
verhüten und verforgen mit ihrer ganzen Gemeinde, daß demjelben Pfaffen 
niemand zu eſſen oder trinfen gebe, [ihn weder) Haufe noch hofe, mit ihm 
weder Kauf noch Widerfauf noch eine andere Gemeinjchaft mit ihm habe, 
ohne Gefährde, und ſoll auch derjelbe Pfaffe in niemandes Schirm fein, 
[weder] umjerer Städte noch Länder, all die Weile, bis er von den fremden 
Gerichten läßt und auch den Schaden erjett hat, den der Beklagte genommen 
hat der fremden Gerichte wegen, ohne alle Gefährde. 

5. Wäre auch, daß jemand, fo in dieſen vorbenannten Städten und 
Yändern wohnhaft ift, den andern ohne Recht angriffe und jchädigte, mit 
Pfändung oder andern Sachen, auf deffen Yeib und Gut jollen die, bei denen 
er wohnhaft ift, greifen, ihn dazu nötigen und anhalten, daß er den Schaden 
gänzlich erjege und vergüte, da unfere gejchworenen Briefe weijen, daß nie- 
mand den andern ohne Net jchädigen joll. 

6. Wäre aud), daß irgend ein Paie umter uns den andern mit fremden 
Gerichten beunruhigte, geiftlihen oder weltlichen, wegen weltliher Sadıe, 
wie der Beklagte davon zu Schaden kommt, das foll ihm der Kläger erjegen; 
denn jedermann joll von dem andern Necht nehmen vor dem Richter, da der 
Beklagte anſäßig ift, wie unfere Yandesbriefe weijen. 

7. Es foll auch niemand, der unter uns den vorbenannten Städten 
und Yändern anfähig ift, feine Sache oder Anfprache jemandem in irgend 
einer Weife geben, davon jemand bevrängt werden möchte, bei der Strafe, 
jo vor und hienach gejchrieben ſteht, ohne alle Gefährde. 

8. Wäre aber, daß jemand in diefen vorgenannten Städten und Yän- 
dern jein Burgrecht oder fein Yandrecht aufgäbe und hernach jemand unter 
uns mit fremden Gerichten, geiftlichen oder weltlichen, beunruhigte und jchä- 
digte, der ſoll doch nimmermehr wieder in diejelbe Stadt oder in das Yand 
fommen, ehe er dem Beklagten gänzlich allen Schaden erjegt, den er von 
des fremden Gerichtes wegen genommen hat, ohne alle Gefährde. 


101 


9. Wir find auch einhelliglich übereingefommen, daß wir alle Straßen 
von der ftiebenden Brücke [Teufelsbrüde] bis gen Zürich zu allen Seiten in 
unferer ganzen Eidgenoſſenſchaft ſchirmen jollen und wollen, er jei Gaſt, 
Yandmann oder Burger, fremd oder einheimifch, wie fie [auch] heißen, daß die 
mit ihrem Yeib und mit ihrem Gut in allen unfern und derer, jo zu ung 
gehören, Gerichten und Gebieten jicher reifen, daß fie ohne Recht niemand 
befümmern, hindern noch jchädigen ſoll. Wer aber dawiderhandelt, da jollen 
wir alle einander beholfen und beraten fein, wie der dazu angehalten werde, 
dak er den Schaden und Angriff erjege und vergüte, jo weit jein Leib und 
jein Gut es bejtreiten mag, ohne alle Gefährde. 

10. Und als daher zu etlichen Zeiten von Städten und von Ländern 
Yeute ausgezogen find und andere Yeute angegriffen umd gepfändet, gejchädiget 
baben, davon jehr großer Schaden fommen möchte, und den Schaden zu ver: 
büten, haben wir einhelliglich feftgefett, meinen und wollen nicht, daß von diejen 
vorgenannten Städten und Yändern jemand einen Yauf oder Auszug mache, 
mit Pfändung oder andern Sachen jemand jehädige, außer mit Erlaubnis, 
Willen und Wiffen: zu Zürich eines Burgermeifters und des Rates, zu 
Yuzern des Schultheißen und des Nates, in Zug des Ammanns und des 
Rates umd in den obgenannten drei Yändern Uri, Schwiz und Unterwalden 
der Ammänner und der Räte, in jeder Stadt und jedem Yand bejonders, da 
die anſäßig find, die den Angriff tum wollen oder getan haben. 11. Wer 
aber damwider handelt, daß jemand zu Schaden fommt, den und die jollen 
die Stadt oder das Yand, bei denen er wohnhaft ift, anhalten und nötigen 
an Yeib und an Gut, daß er den Angriff und den Schaden erjege, und 
gänzlich vergüte, unverzüglich, ohne alle Gefährde. 

12. Aber in diefen Sachen haben wir die von Zürich uns jelber aus- 
genommen und vorbehalten unſere Frau die Abtiffin und ihr Gotteshaus, 
in umjerer Stadt gelegen, und auch unfern Herren, den Biſchof von Konftanz, 
jein geiftlich Gericht und andere Gelübde, jo er mit uns und wir mit ihm 
vereinbart haben und unſere Briefe zu beiden Seiten weiſen; jo lang die 
währen, ohne alle Gefährde. 13. So haben aber wir die vorgenannten 
Burger von Yuzern uns jelber in diefen Sachen vorbehalten und ausge 
nommen unjere Herren und ihr Gotteshaus in dem Hof zu Yuzern, auch ohne 
Gefährde. 

14. Wäre auch, daß wir dieſer vorgeſchriebenen Stücke eines nun oder 
jpäter mindern oder mehren wollten, das mögen wir wohl tum, wenn wir die 
vorgenannten Städte und Yänder allefamt oder der Mehrteil unter ung 
übereinfommen und zu Nat werden, und auch alſo, daß dies Geſetz und alles, 
was in dieſem Brief gejchrieben fteht, unschädlich fein joll allen unfern Binden 
und Eiden, vielmehr diefe gänzlich bleiben jollen in aller Kraft, wie unfere 
geichwornen Bundesbriefe weijen, ohne alle Gefährde. 





102 


15. Und darüber, daß dies alles jest und in fünftigen Zeiten beftändig 
und unverletst bleibe, jo haben wir die vorgenannten von Zürich, von Yuzern, 
und von Zug unferer Städte gemeines Siegel und wir, die vorbenannten von 
Uri, von Schwiz und von Unterwalden unſerer Yänder gemeines Siegel 
öffentlich an diefen Brief gehängt, uns und allen unfern Nachkommen zu einer 
Bezeugung der vorgejchriebenen Dinge, der gegeben ift an dem nächjten Montag 
nad St. Yeodegars:Tag, des heiligen Bifchofs, da man zählte von Chriftus 
Geburt dreizehnhundert Jahre, darnach in dem fiebenzigften Fahre. 


40. Die Schlacht bei Sempach. 9. Juli 1386. 


A. ſtreichiſche Berichte. 
1. Gregor Hagen. Um 1395. 


Abgedrudt bei Gehrig, die Winkelriedfrage, S. 58. 


Gregor Hagen, ein Öftreiher, von deſſen Pebensumftänden fehr wenig befannt ift, 
begann um 1393 eine Chronik zu fchreiben, die er dem Herzog Albrecht III. (F 1395) 
widmete. 


v2 
En 


Pe in grobes Bauernvolf, die Schweizer geheifen, das dem Rechte 
* nach denen von Oſtreich angehört, dieſelben töriſchen Bauern be— 
e mächtigten jich etlicher Städte in Schwaben, die Herzog Yeupolten 
angehörten. Herzog Yeupolt gedachte um jein väterlich Erbe in rechter Weiſe zu 
fechten, und bejammelte fich mit feinen Herrn, Nittern und Knechten, die er 
dazumal bei jich hatte, von der Etih, von Schwaben, und zog mit feinem 
Panier gen Sempach; doc war der hochgeborne Fürſt nicht gebörig geordnet 
zum Streite. Er jandte einen Haufen voraus, die fanden die Schweizer vor 
Augen auf dem Felde. Da waren etliche zu fe und eilten ohne Ordnung 
auf den Feind. Da war auch des edeln Fürften Panier, denen ging es aud) 
zum erjten wohl. Danach hörte der edle Fürſt ein Hägliches Geſchrei: „O 
rette Oſterreich, rette!“ und ſah das Panier gar ſehnlich ſchweben, gleich als 
wollte es untergehen. Da ruft der beherzte Fürſt all ſeine Ritter und Knechte 
an, daß ſie mit ſamt ihm von den Roſſen ſtiegen und Ritter und Knechte 
retteten. An demſelben Dienſt waren etliche gar träge. Alſo ſtieg der edele 
Fürſt von ſeinem Roß und lief die Feinde an gar ritterlich mit ſeinen getreuen 





103 


Rittern und Knechten, kühn wie ein Yeo !, Etliche hielten zu Roß und jchauten 
eine Weile dem Kampfe zu und begannen hernach zu fliehen. Noch hätte man 
den edeln Fürſten wol mit dem Yeben davon gebradt. Der jpradh: „Er wollte 
(ieber jterben mit Ehren, als ehrlos leben auf Erden“ umd focht wider die 
Feinde mit all feinen getreuen Rittern und Knechten, und [fie] töteten manchen 
Feind, bis die Feinde die Oberhand gewannen und der lobejame Fürft jeinen 
Geiſt Gott dem Allınächtigen in feine Hände empfehlen mußte. Und aljo fielen 
die Starken in dem Streit und find die ftreitbaren Wappen untergegangen, 
und wurden mit dem Fürften gute Ritter und Knechte mehr al3 Hundertzwanzig 
erichlagen. 


2. Zwinger von Königshofen. Um 1390. 
Abgedr. bei Gehrig, ©. 58. 


Jalob Twinger von Königshofen, ein Straßburger Geiftlicher, geb. 1346, get. 1420, 
fchrieb in den Fahren 1382—1390 eine Chronik, die er 1400 zu einem größern Werte 
erweiterte. 


Da machte fich der Herzog auf mit einem großen Volf, gegen 700 Yanzen 
gutes berittenes Volf, und [fie] zogen vor das Städtlein Sempach und wollten 
das geftürmt umd wieder gewonnen haben, weil es von dem Herzog abgefalfen 
war. Und viele Schweizer lagen in demfelben Städtlein zur Yandwehr. Und 
wäre es, daß der Herzog dasjelbe Städtlein nicht gewinnen möchte, jo wollte 
er aber, wie man jagte, das Korn und die Früchte um dasjelbe verheert und 
abgemäht haben den Schwizern zu Yeide. Und darım hatte der Herzog aud) 
bei fich gegen 200 Mähder mit ihren Senjen und ihrem Geräte, das dazu 
gehörte. Dies erfuhren die von Yuzern, von Schwiz, von Urad und 
von Unterwalden und machten jich auch auf mit 2000 gewaffneten Fuß— 
gängern, und waren die von Bern und von Zürich) da nicht bei ihnen. Und 
da die beiden Heere einander anfichtig wurden, da war der Herzog und ein 
Zeil jeines Bolfes fo gierig zum Streit, daß fie zu Fuß abjahen von ihren 
Hengiten, und gaben die ihren Knechten zu halten und eilten ungeordnet je 
einer vor dem andern zu den Schwizern. Auch waren unter des Herzogen 
Volk viel junge Edelleute; die wollten Ritter geworden jein und ihre Tapferkeit 
bemeijen, und eilten auch unvorfichtig den andern voran und jchrieen über die 
Schwizer: „man jollte die Buben erjtechen.“ Inzwiſchen hatten die Schwizer 
ihren „Spitz“ gemacht und ſich wohl geordnet zum Streite und ftellten ſich 
zur Wehre und ftritten da mit einander auf einem ebenen ‘Felde vor Sempad), 
daß auf beiden Seiten ritterlich gefochten ward. Nun war es dazumal der 





ı D.i. Löwe, Anfpielmmg auf feinen Namen, 


104 


heifefte Tag des Jahres, und von der Die und Arbeit in dem Streite 
wurden die Herren alsbald ermüdet und ſchwach, da fie in ihrem Harniſche 
erfticlen wollten. Deshalb ward den Herren alsbald der Drud abgewonnen 
und [fie] fingen an, völlig zu unterliegen. Da das die andern von des Her— 
zogen Volk, der Mehrteil, die noch da auf ihren Hengften hielten und zu 
Nate wurden, was zu tum wäre, jahen, wie es ihren Gejellen ging in dem 
Streite, da fehrten fie bald wieder um und rannten davon. Da dies etliche 
Herrn in dem Streite jahen, da brachen fie ſich aus dem Streite und fchrien 
und riefen nach ihren Hengften und wollten auch davon gerannt fein. Da 
waren die Knechte mit den Hengften vorher mweggeflohen, daß viele der Herren 
nicht mochten zu ihren Hengften fommen. Die wurden da alsbald ereilet und 
von den Schwizern auch erſchlagen. Hiemit war der Streit vollendet umd 
fiegten die Schwizer über die Herren und behaupteten das Feld. 


B. Schweizeriſche Berichte. 


1. $uftinger Um 1420. 


Heransgeg. von Studer, ©. 163. 


Und da die Eidgenoffen mit denen von Zürich aljo gefriegt hatten, 
da vernahmen jie, daß der Herzog mit großer Macht gen Sempad ziehen 
wollte. Da erlaubten die von Zürich den Eidgenoffen, heimzufahren. Und da 
es num ward am Montag, der da war der neunte Tag Heumonats, zog der 
obgenannte Herzog Yüpolt von Öftreich mit großer Herrſchaft [Herrenmacht] 
und mit großer Macht vor Sempach. Alſo zogen diefelben Eidgenoffen, jo zu 
Zürich) gewejen waren, von Yuzern, Uri, Schwiz und Unterwalden aus gegen 
Sempad, wohl bei 1300 Dann. Und da die Feinde auf beiden Seiten ein- 
ander jahen, da jcharten fie jich auf dem Acer umd zogen alfo mit Vorbedacht 
auf weitem Felde gegeneinander. Die Herren waren ungejtüm gegen die Eid- 
genofjjen; die hatten jich jo nahe [aneinander] geſchmiegt und fochten mit dem 
„Spige” und nahmen zuerft großen Schaden. Bald liefen die Eidgenofjen 
von dem Spite und liefen in die Herrn umd fchlugen jo greulich mit den 
Hallbarten, daß nichts vor den Streichen jtand halten mochte. Alsbald gab 
Gott den Eidgenoffen das Glück, daß fie objiegten und das Feld mit großen 
Ehren behaupteten. Und ward der obgenannte Fürft von Öftreich, viele große 
Herren, Ritter und Knechte mit ihm erichlagen. Und waren der Feinde wohl 
4000 zu Roß und zu Fuß. Da ward groß Gut gewonnen an Harniſch, an 
Kleidern, an Kleinodien und an andern Sachen. Und verloren die Eidgenoffen 
bei 120 Mann, und führten mit ihnen ab der Wahlftatt das Panner von 


105 


Tirol, das Panner von Ochſenſtein, des Markgrafen! Banner, derer von 
Scaffhaufen Banner, derer von Mellingen Banner, und viele Fähnlein, die 
fie nicht erfannten. 


2, Bericht einer Zürderdhronif. Um 1438? 
Aus G. v. Wyß „Über eine Zürderchronit aus dem 15. Jahrhundert“. 


Unter den Handichriften der Zürcher Stadtbibliothek befindet fih eine von einem Un— 
befannten im Jahre 1476 geichriebene Chronik, welche von Rudolf von Habsburg bis 1420 
reiht und wahrſcheinlich nur die Abichrift eines ältern im Jahre 1438 verfaßten Wertes 
it. Dieſelbe ift namentlich bemerkenswert, teil fie die frühefte Aufzeichnung der Tat 
Winlelrieds enthält. 


In den Zeiten und Tagen, al$ die von Zürich und andere umfere liebe 
getreue Eidgenofjen in dem Felde lagen, da zog Herzog Yütpolt von Oftreich 
mit einer großen Herrichaft vor Sempach, das Städtlein, und drohte diejen, 
[fie] zu henfen und zu ertränfen, und vermwiftete da, was vor der Stadt war, 
und [jie] mähten ihnen das Korn ab und jpotteten ihrer dabei und riefen in 
die Stadt, dak man den Mähdern zu Morgen brächte. Unterdejfen da kamen 
die Eidgenofjen mit vier Hauptpannern von Luzern, von Schwiz, von Uri 
umd von Unterwalden. Da fam die Herrichaft den Berg herab mit einem 
großen Gejchrei und warfen mit Steinen und mit hartem Angreifen, daß der 
Eidgenoffen wohl 60 Mann getötet wurden, ehe daß der Herrichaft irgend 
etwas geſchah, und derer von Yuzern Panner war untergegangen von großer 
Not wegen. Und da Fam Herzog Yütpold und mwähnte, die Seinen hätten ob: 
gefiegt, und wollte Ritter geworden jein. Und da half der allmächtige ewige 
Gott den getrenen Eidgenoffen, dak fie objiegten mit großer Arbeit und die 
Herren erjchlagen wurden und auch mit ihnen Herzog Yüitpold von ſtreich. 
Dazu half uns ein getreuer Mann unter den Eidgenoſſen. 
Da der ſah, daß es ſo übel ging und die Herren mit ihren 
Glänenund Spießen immer die vorderſten niederſtachen, ehe 
man jie allda erlangen möchte mit den Hallbarden, da drang 
der ehrbare fromme Mann voran und jahte jo viel Spieße, 
als er ergreifen mochte, und drüdte fie nieder, daß die Eid- 
genojjen die Spieße alle abſchlugen mit den DHallbarden umd 
da an fie famen, und tröftete fie und gab ihnen Freude und 
rief und fprad: „Ste fliehen alle dahinten.“ Und da wurden 
viel Grafen und Ritter und Knechte erjchlagen und viele Edelleute; denn fie 
wollten feinen armen Mann bei ich lafjen, denn fie wollten die Schwizer 


' Des Markgrafen von Hochberg. 


106 


jelber töten. Und da fiel Herzog Yütpold von Öftreich und mit ihm wohl 
676 Mann. Und es wurden aud) viele in den Hölzern tod gefunden und er- 
ftieten auch viele. Ihrer ward auch wohl gehütet bis an den dritten Tag '. 
Und dazumal ward den Eidgenoffen großes Gut an Silber und Gold, an 
Harnifchen und an Pannern. Merfe die Banner. Ein Panner von Tirol; 
des von Ochſenſtein Banner; des Markgrafen Banner, von Mümpelgard [ein 
Panner]; der Geſellſchaft? Panner; ein Panner ab der Etſch; derer von Frei— 
burg Banner im Breisgau; derer von Schaffhaufen Banner; derer von Yenz- 
burg Panner; des von Hajenberg Panner; des Grafen von Salm Panner. 
Und da verloren die Eidgenofjen nicht mehr, als 113 Mann. Der Banner 
find 11, die fie dazumal gewannen. Da ward aud Friede gegeben bis zum 
dritten Tage, dak man die Toten möchte von dannen bringen in ihre Yänder. 
Und diefer Streit geihah in dem Jahre, da man zählte von Gottes Geburt 
1386 Jahre amı 9. Tag Heumonats an einem Montag früh um die achte 
Stunde. Und aljo bangen diejelben Banner noch heutzutage zu Schwiz in 
der Kirche und zu Yuzern bei den Barfüßern. 


3. Aus Halbjuters Sempaderlied. Um 14707 


Abgedrudt bei Lilienkron, die bift. Volkslieder, S. 125; im Auszug bei Tobler, 
Schweizeriiche Volkslieder II. S. 15. 


Der Name Winkelrieds ericheint zuerit in einem Piede, deffen Eriftenz zwar in der 
vollftändigen Geftalt erit nad dem Jahre 1530 bezeugt iſt. Als Verfaſſer wird in der 
Schlußſtrophe ein Halbiuter von Yuzern genannt, der es gemacht habe, als er „ab der 
Schlacht” gefommen ſei. Wirklich bat im Jahr 1382 ein Halbiuter in Puzern gelebt; aber 
aus triftigen Gründen wird bente allgemein angenommen, daß das große 67 Strophen 
umfaffende Lied nicht ein uriprüngliches einheitliches Ganzes gebildet bat, fondern ans 
verichiedenen älteren Liedern zufammengefetst und erweitert ift, weshalb es nicht wohl einem 
Beitgenoffen der Schlacht zugeichrieben werden kann. Nun ift aber die Exiſtenz eines 
jüngeren Halbiuters wohl bezeugt, welcher 1455 als Bürger in Yuzern erfcheint, von 
1441—64 fogar Mitglied des Großen Rates war und den alten Zürichirieg, ſowie die 
Schlacht von Grandſon mitmachte und erft nach 1476 ftarb, und es ift fein Grund vor— 
handen, ihm die lrbeberichaft des Yiedes abzuftreiten, da nachgewielen worden ift, daß 
„ab der Schlacht kommen“ zu jener Zeit fo viel bedeutete, als „von der Gedenkfeier der 
Schlacht” kommen. Auch wäre es denfbar, daß mit der Schlacht nicht diejenige von 
Sempach, jondern die von Grandion gemeint ift, jo daß wir alsdann die Entjtehung 
des Picdes unmittelbar nah dem Sieg bei Grandfon auzuſetzen hätten. 





! Die Sieger pflegten das Schlachtfeld drei Tage lang zu behaupten. — * Einer 
Rittergefellichaft, aber welcher? 


ie eh 7 Br tan DIE 


10. An einem mäntag früe 17. 


do man die mäder ſach! 

iegt muoßen ? in dem toume, 
dapen in’ we beſchach. 

be, do fi gemäjet hand, 

man g'lobt* in z'morgenbrote 
vor Sempad uf dem Yand 


il. Gar bald ruoft Hans von Küßnacht 18. 


gen Sempach in die ftat: 
„gend nun den mädern z'eſſen, 
denn fi find an dem mad; 

be, das wend die mäder han, 
und tuond ir das nit balde, 

ir werdind fin? fchaden han!“ 


12. Do antwurt im geichwinde 19. 


| ein burger uf der ftat: 
„wir werd ft jchlan um d’grinde 
gar ſchwer in irem mad, 
be, inen gen ® ein morgenbrot, 
daß ritter und ouch knechte 
am mad wird ligen tot!“ 


13. „Wenn kumt das ſelbig morgenbrot, 20. 


das ir uns wellend gen?“ 
„wann wir die küew gemellen, 
fo ſond' ir's wol verien ®; 
be, wir wend dich richten an, 
daß mer etwa menger 

den löffel wird fallen lan!“ 


14. Gar bald fie das vernamend 21. 


von Sempach uß der burg, 
daß d'eidgnoſſen famend. 
Do reit der von Hafenburg, 
be, er ſpähet in dem ban®; 
Do fah er bi einandern 
meng eidgenoſſen ftan. 


ts 
21 


16. Er tet zum leger’" feren, 
gar bald er zuo in ſprach: 
„ab, gnädiger fürft und berre, 
betend ir bit üwer gemach!, 
be, allein uf diſen tag! 
das völfli hab ich beſchouwet, 
fi find gar unverzagt. 


rn > . 


107 


Do redt einer von Ochfenftein: 
„Halenburg, haſenherz!“ 

im antwurt der von Hafenburg: 
„dine wort bringend mir jchmerz; 
be, ich ſag dir bi trüwen min: 
man fol noch hüt wol ſehen, 

wer der zeger '? werde fin!“ 


Si bundend uf ir beime 

und woltend s' fürhin !"® tragen; 

vo'n Schuochen 19 huwend ® 8’ d'ſchnäbel, 
man bet gefüllt zwen wagen. 

be, der adel wolte vornen dran, 

die armen gmeinen puren 

muoßtend dabinden ſtan. 


Zuoſamen fi num ſprachend: 

„das völkli iſt alſo Mein; 

ſöltind unſer puren ſchlahen, 

unſer lob das wurde klein, 

he, man ſpräch: die puren hand's getan.“ 
die fromen eidgenoſſen 

ruoftend got im himel an: 


„Ad richer Chriſt von himel, 
durch dinen herten tod 

hilf hüt ung armen fündern 
uß difer angft und not, 

be, und tuo ung biftaı, 
unſer land und lite 

in Schirm und ſchutz behan!“ 


Do fi ir bet '® volbrachtend 

got zuo lob und ouch zuo eer 

und gotes liden gedachtend, 

fant inen got der herr 

be, ſtrenge!“ herz und mannesfraft 
und daß fi tapfer kartend '* 

iez gegen der ritterichaft. 


. Des adels ber was veite, 


ir ordnung did und breit, 
verdroß die fromen gefte; 

ein Winkelriet der feit: 
„be, wend ir's g’niehen ' lan 
min arme find und frouwen, 
fo wil ih ein frefel ? b'ſtan. 


ı Sab. — ? der Muße pflegen, von der Arbeit ruhen, — ? ihnen. — * gelobte, ver 
ſprach. — ? davon. — ° geben. — ? follt. — ® vernehmen. — ? Bahn, Weg. — !9 Lager. 
— 1! Ruhe — 1! zaghafter, feiger. — 2 vorwärts. — ' Schuhen. — hieben. — 


16 Gebet. — ' ſtark. — '* fehrten, fih wandten, — '? entgelten. — *0 fühne Tat, — 


108 


28, Trüwen, Tieben eidgnoffen, 
min leben verlür ich mit; 
fi hand ir ordnung bichloffen, 
wir mögend's in brechen mit: 
be, ich wil ein inbruch han, 
des wellind iv min geichlechte 
in cwileit g’nießen lan!“ 


29. Hiemit fo tet er faſſen 
ein arm vol fpießen b’hend, 
den finen macht er ein gafien, 
fin leben bat ein end; 
be, er bat eins löumwen muot, 
fin tapfer manlich fterben 
was den vier waldfteten guot. 


30, Alſo begunde brechen 
des adels ordnung bald 
mit houwen und mit ftechen. 
got finer ſeelen walt! 
be, wo er das nit het getan, 
muoßt menger from eidgnoſſe 
fin leben verloren han. 


31. 


33. 


Sie Ichluogend unverdroffen 

und ftachend mengen man 

und ruoftend, die fromen eidguoflen, 
einandern trülich an. 

He, den löuwen! e8 fer verdroß, 
der ftier fieng fih an jperren, 

dem löuwen gab er ein ftoß. 


Der löuw fieng an zuo maumen ! 
und treten hinder fich ®; 

der ftier ftarzt* fine bramen ® 
und.gab dem löuwen ein ftich, 
be, daß er gar fum entrann: 
„ih fag dir, ruche löuwe, 

min weid muoßt mir bie lan!“ 


. Halbjuter unvergeſſen, 


alfo ift er genant, 

zuo Puzern iſt er gejeflen 

und was gar wol erfant®, 

be, er was ein biderman: 

dis lied hat er gemachet, 

als er ab der ſchlacht ift fan ?. 


41. Die Schlacht bei Mäfels. 9. April 1388. 


Nah dem Fahrtsbrief vom 2. April 1389; Blumer, Urkundenfammlung zur Geſchichte 
des Kantons Glarus I. S. 306 ff. 


Am 2, April 1389 beichloffen die Glarner, ihren Sieg durch einen alljährlichen Kreuz- 
gang nach Näfels zu feiern. Die dabei errichtete Urkunde, der fogen. „Fabrtsbrief“, 
wird gegemmwärtig no alle Jahre am Näfelſer Fabrtsfefte verleien. 






oo, 
* 


FA der Mitte Auguſt zogen unſere guten Freunde und getreuen lieben 
Eidgenofjen von Zürich, Uri, Schwiz und unfere Yandsleute von 


u Glarus vor die Stadt Weſen umd gewannen die an dem nächjten 


Freitag nach unjerer lieben Frauen Tag im Auguft [17. Aug. 1386] mit 
vedlichen Dingen, und [es] jchwuren die von Weſen zu den Eidgenoffen [auf] 
immer [und] ewig, dieweil Grund und Grat ſtünde!. Das bejtand aljo ohne 


' Der Löwe ift das Habsburger Wappen, — ? brilllen. — ° zurüd. — * praeteritun 
pon fterzen — ſtarr emporrichten. — ® Brauen. — * befannt. — 7 gelommen. 


Sprichwörtliche Redensart; Grund — Ebene, Grat — Berg, 


109 


Frieden und ohne Richtung bis zu dem nächiten St. Gallen-Tag [16. Oft.]; 
darnach da ward ein Friede gemacht von etlichen Neichsitädten bis zu unferer 
fieben Frauen-Tag der Lichtmeß |2. Febr.]. Und [es] ward derjelbe Friede 
verlängert bis zur alten Faftnacht [16. Febr. 1388]. 

Darnach da gieng der Krieg wieder an und [es] famen viel frommer 
redliher Yeute von unſerm Yand Glarus in die Stadt Wejen und wollten die 
inne haben und bejchirmen zu Handen der Eidgenojjen, und dag auch unfer 
Yand Glarus in defto beijerem Schirm und Ruhe bleiben möchte. Und als 
jih die Unjern auf derer von Wejen Eid und Ehre verlaffen hatten, jo haben 
etliche von Weſen ein großes Übel und Mord gegen die Unſern angezettelt 
und mit heimlichen Dingen; da gaben jie unfern tötlichen Feinden Anweiſung 
und Anleitung mit böjen Dingen. Alfo in der nächſten Fronfaſten bei be- 
ginnender Faſten am Samstag [22. Febr.) in dem Jahr, da man zählte 
nad) Chriſtus Geburt 1388 Jahre, in der Nacht, unverjehens und ungewarnter 
Dinge, famen unjere Feinde in die Stadt Weſen und wurden ihnen die Tore 
aufgetan, da doch die Unſern wähnten bei guten Freunden in ihrer Ruhe zu 
jein. Alfo wurden in derjelben Nacht viel frommer Yeute hingegeben und 
jämmerlich ermordet, da jie nachts in ihren Betten lagen und jchliefen. Etliche 
famen kümmerlich daven mit dem Leben; nicht viel waren derjelben. 

Darnad auf die nächiten Oftern an dem meunten Tag im April, am 
Donnerstag in der Oftermoche des gemeldeten Jahres, da beſammelten fich unjere 
tötfichen Feinde, die vorgenannte Herrichaft von Öftreich, mit 15 000! Dann 
zu Roß und zu Fuß und zogen gen Näfels in unfer Yand und brachen uns durch 
unjere Yegi und durch umjere Wehren, wogegen der Unſern nicht mehr als 
vierthalbhundert Mann ftanden; von denen waren bei dreifig Mann von 
unjern guten Freunden umd lieben getreuen Eidgenofjen von Schwiz, die 
jie den Unſern zu Hilf und zu Troft gejchieft hatten. Und [es] töteten unfere 
Feinde ung manchen frommen Mann, und |e8] wurden unfere tötlichen Feinde 
von den Unſern bejtanden und angegriffen bei der Rauti mit Hilfe des all- 
mächtigen ewigen Gottes und jeiner lieben Mutter aller Gnaden und unjern 
getreuen lieben Nothelfern St. Fridli und St. Hilarius und allem himmlischen 
Heer und dritthalbtaufend Mann erjchlagen und viel im See ertränft. Wie 
viel derjelben am Zahl jei, mag man eigentlich nicht wijfen. Es lamen auch 
derer der Mehrteil um, die da Anftifter und Anzettler und verdächtig, den 
vorgenannten Mord angetragen zu haben, waren, welcher den Unſern zu 
Veen gejchehen und widerfahren ift. 


ı Nach öftreichiichen Quellen 5—6000. — * Nach öftr. Qu. 4—500. 


110 


42. Der Semparherbrief. 10. Iuli 1393. 
Eidgendffiihe Abſchiede, I. S. 327. 


1. Wir, der Burgermeifter, der Rat und die Burger insgefamt der 
Stadt Züri, die Schultheifen, Räte und Burger insgefamt der Städte 
Yuzern, Bern und Soloturn, der Ammann, der Rat umd die in das 
Amt Zug insgefant gehören, die Ammmänner und die Yandleute insgejamt 
der drei Yänder Uri, Schwiz und Unterwalden, der Ammann und die 
Landleute insgefamt zu Glarus, verfünden allen Menjchen, die dieſen Brief 
jehen, leſen oder lejen hören: Da wir in einem offenen tötlichen Krieg find 
geweſen mit der Herrichaft von Oftreich und den Ihrigen von mannigfaltiger 
vedlicher Forderung und Anſprache wegen, die gegen diejelbe Herrichaft geltend 
gemacht worden vor Zeiten, darum auch gefochten und angegriffen [worden] ift 
vor Sempad, haben wir hierin einhelliglih um unjer aller Nutz und Be— 
dürfnis, Frieden und Gemad) willen beftinmet und angeordnet, etliche Stücklein 
gegeneinander feftiglich zu halten, jett und hernach, wie fie in diefem Brief 
erläutert ftehen für künftige Einfälle und Übergriffe, unjere Gelübden, Binden, 
Eiden und Briefen, wie wir zufammen ewiglich verbunden find, jest und 
hernach unſchädlich und gänzlich unvorgreiflic). 

2. Zum erjten meinen wir, daß jegliche Stadt, jegliches Yand in um- 
jerer Eidgenoffenjchaft bei den Eiden, jo wir unſern Städten und Yändern 
geichworen haben, ausdrüdlich anordne und verjpreche, auch das ebenjo ein- 
beifiglih zu halten in diefem Brief, daß fein Eidgenoß dem andern oder 
denen, die zu ihnen gehören, insgemein oder irgend einem von ihnen im be- 
jondern fortan freventlich oder mit Gewalt im ihre Häufer laufen und je- 
mandem das Zeine darin nehmen folle, es ſei im Krieg, im Frieden oder 
in Sühne !, damit wir alle fürbas ebenjo friedlich und gütlich miteinander 
leben und einander in unfern Sachen ebenfo getreulich zu Hilf und zu Troft 
fommen, wie wir früher getan haben und noch tun follen, ohne alle Gefährde. 
3. Wer uns auch Kauf bringet, dejjen Yeib und Gut joll bei uns ficher fein. 
Dazu follen wir für einander nicht Pfand jein in feiner Weiſe. 

4. Und wohin wir fürderhin ziehen werden mit offenem Panner gegen 
unjere Feinde, es jei gemeinjchaftlich oder eine Stadt oder Yand im bejondern, 
alfe, die jo danı mit dem Panner ziehen, die jollen auch dann beieinander 
bleiben, wie biderbe Yeute und unjere Vorfahren von jeher getan haben, welche 
Not uns oder ihnen [auch] denn begegnet, es fei in einem Gefechte oder in 
andern Angriffen. 5. Wäre aber, daß irgend einer davon flüchtig würde 
oder irgend etwas überträte, was in diefem Briefe gejchrieben jteht, bejonders, 


' Friede — Waffenftillftand, Siühne — Verföhnung, Friede. 


111 


daß jemand dem andern, wie davor [geichrieben fteht], durch fein Haus liefe 
oder in was für andern Dingen er übelhandelte, weshalb er angefchuldigt 
oder angeflagt würde als zu ftrafen mach diefem Briefe, und ſich daran 
ſchuldig erfände mit redlicher Kundfchaft zweier ehrbarer unbejcholtener Männer 
vor denen, zu denen er gehört und die darüber zu richten haben, deſſen Yeib 
md Gut ſoll denjelben, die über ihn zu richten haben und da er hingehöret, 
und niemand anderem unter uns verfallen fein, auf ihre Gnade. Und die 
jollen auch den dafür beftrafen umverzüglih, je nach dem ſich die Schuld 
findet ımd fie jich über ihn erfennen, und jollen dies tun bei den Eiden, fo 
jie der Stadt oder dem Yand, da fie find, gejchworen haben, und jo weit, 
daß ein jeglicher daran ein Beifpiel nähme, fich vor joldhen Dingen zu hüten. 
Und wie jegliche Stadt und jegliches Yand den Seinen dafür ftraft, damit 
jollen die andern fich begnügen ohne alles Wideriprechen. 

6. Dabei ift unſer aller Meinung, wenn einer verwundet, geſchoſſen 
und geworfen würde, es wäre in einem Öefechte oder bei andern Angriffen, 
oder was ihm [auch] geſchähe, daß er unfähig wäre, fich jelber zu mehren 
oder andern zu helfen, der joll aljo bleiben bei den andern, bis daß dieſe 
Not ein Ende hat, und foll darım nicht flüchtig gejchäßt werden, daß er 
weder fich jelbft noch jemand anderem zu ftatten kommen mag, und foll 
man ihn darum unbefümmert laffen an jeinem Yeib und an jeinem Gut. 


7. Es ift auch zu willen, dak in dem obgenannten Gefechte der Feinde 
viele entwichen, da das Feld behauptet ward, die alle auf der Wahlftatt und 
in der Nähe geblieben wären, hätten die Unfern, jo dabei waren, ihnen nad)- 
gefolgt und nicht geplündert, ehe daß der Streit gänzlich gewonnen [und] zu 
Ende [geführt] wurde. In jolchen Dingen ift gejehen [worden], jo ehrbare Yeute 
ein Feld behaupteten, daß fie Yeibes und Gutes zu ficher fein wollten und 
viele unter ihnen, wie davor, plünderten, daß ſich inzwiichen die Entwichenen 
wieder jammtelten und ihnen Yeib und Gut und das Feld wieder abgewannen. 
Da meinen wir einhelliglich, jo oft uns ſolche Not träfe in fünftigen Seiten, 
daR jeglicher jein Möglichites tue, als ein Biedermann die Feinde zu jchädigen 
und das Feld zu behaupten ohne allen Vorjag zu plündern, es jei in Feſten, 
Städten oder auf dem Yand, bis zur Stunde, dak der Kampf ein Ende nimmt 
und gewonnen wird, daß die Hauptleute allen erlauben zu plündern, dann mag 
männiglich plündern, die dabei geweſen find, fie jeien bewaffnet oder unbewaffnet, 
und den Plumder joll jeglicher den Hauptleuten einhändigen, unter die er gehöret, 
umd die jollen ihn unter diejelben, die unter fie gehören und dabei gewejen 
iind, nad) Marchzahl ! gleich und redlich teilen. Und wie fie den Plunder 
unter die Ihren teilen, damit jollen jie und männiglich wohl zufrieden jein, 


' Nah Berhältnis der Kopfzahl. 


112 


9. Und da der alfmächtige Gott mit feinem göttlichen Munde geſprochen 
bat, daß jeine Häufer des Gebetes Häufer jollen geheiken werden und auch 
durch ein Frauenbild aller Menſchen Heil erneuert und gemehret [worden] ift, 
jegen wir Gott zu Vob [feft], daß feiner von uns ein geſchloſſenes Kloſter, 
Kirche oder Kapelle, aufbreche oder in die offenen gebe, um zu brennen, zu 
verwüften oder das zit nehmen, was darin ift, was zu der Kirche geböret, 
heimlich oder öffentlich; e8 wäre denn, daß unſere Feinde oder ihr Gut in 
einer Kirche gefunden würde; das mögen wir wohl angreifen und jchädigen. 

10. Wir jegen auch umjerer lieben Frauen zu Ehren [fejt], daß Feiner 
unter uns eine rau oder Tochter mit gewaffneter Hand ftechen, jchlagen 
noch ungewöhnlich behandeln joll, damit fie uns ihre Gnade, Schirm und 
Hut gegen alle unſere Feinde zufliehen laffe; es wäre denn, dar eine Tochter 
oder eine Fran zu viel Gejchrei machte, was uns Schaden bringen möchte 
gegen unſere Feinde, oder jich zu Wehre ftellte oder einen anfiele oder würfe, 
die mag man wol dafür ftrafen, wie es dann gelegen ift, ohne Gefährde. 

11. Zuletzt iſt unſere ganze einhellige Meinung, da feine Stadt oder 
Yand unter uns insgeſamt, noch irgend welche, die darin find, bejonders einen 
Krieg fürderhin anfange, mutwillig obne Grund oder Urjache, die dawider be- 
gangen ſei, unerkennet! nach Weifung der gejchwornen Briefe, wie jegliche 
Stadt und Yand zujammen verbunden find. 

12. Und alſo ſollen dieje vorgejchriebenen Ordnungen und Satungen 
fürderhin in Kraft bleiben für uns und unſere Nachlommen und follen [wir] 
einander dabei halten in guten Treuen feftiglich, jo oft es notwendig wird. 
Mit Urkunde diefes Briefes befiegelt mit unſern anhängenden Siegeln, und 
gegeben an dem zehnten Tag Heumonats, da man zählte von Ehriftus Ge— 
burt dreizehnhundert neunzig und drei Jahre. 


43. Glarus kauft fi von Serkingen los. 17. Iuli 1395. 


Blumer, Urkundenſammlung I. ©. 388. 


Wr, Claranna von der Hohenflingen, von Gottes Gnaden 
Abtiffin, und wir das gefamte Kapitel, Frauen und Herren des Stiftes 
des Gotteshaufes St. Fridlis zu Sedingen, im Stonftanzerbistum gelegen, 
tun männiglich fund mit diefem Brief, daß wir mit Nat weijer Yeute, mit 
guter Vorbetradhtung für uns, unjer Gotteshaus und alle unſeres Gottes: 
hauſes Nachkommen, die wir fejtiglich hiezu binden, alle die Schaf-, Kub-, 


Ohne daß nad Vorſchrift der Binde vorher ein Ertenntnis darüber ergangen wäre. 


—r — — — — 
be — * 


113 


und Käs-Zinſen, klein und groß, ſo wir und unſer Gotteshaus zu Glarus 
in dem Land und zu Urnen und, was zu Glarus gehört, irgendwo haben, 
verlauft und recht und redlich zu kaufen gegeben haben für einen ſteten ewigen 
Kauf den weiſen beſcheidenen Leuten, dem Ammann und den Landleuten ge— 
meinlich zu Glarus, jegliches Schaf eines in das andere um neun Schilling 
Pfenning!, jegliche Kuh eine in die andere um ein Pfund Pfenning und 
jeglichen großen Käs um ſechs Pfenning und je zwei fleine Käſe um fünf 
Penninge, ımd hie ift dies als zu Summa gejchlagen und gerechnet, und [fie] 
baben uns gegeben aljo für jegliches Pfund Pfenning Zins dreizehn Gulden 
und je zwanzig Plapparte für einen Gulden; desjelben Geldes wir alles ins- 
gejamt von ihnen bezahlt find und ift in unferes Gotteshaufes befondern offen- 
baren Nuten gefommen. Auch haben wir den obgenannten von Glarus und 
allen ihren Nachkommen emwiglich verliehen all die Zehnten, Fälle, Nugungen 
und Zinjen, jo wir oder unjer Gotteshaus zu Glarus in dem Yand oder zu 
Ober-Urnen und was zu Glarus gehört, irgend haben, mit allen Rechten 
und Nugungen, wie wir und unjer Gotteshaus diejelben Zehnten, Fälle, 
Nugungen und Zinjen und die Güter, ab denen jie gehen, von Alter her bis 
jest gehabt, gebracht und genofjen haben, um einen beftändigen, ewigen Zins, 
jährlich” um zwei und dreißig Pfund Pfenning gewöhnlicher Zürcher Münze; 
denjelben Zins fie uns und unjern Nachkommen jährlih ohne allen unjern 
Schaden zu Züri) in der Stadt auf St. Andreastag richten und bezahlen 
jollen, und joll auch dieſer Zins, diejelben zwei und dreißig Pfund den vor: 
benannten von Glarus und ihren Nachkommen nimmermehr erhöht, gemehret 
noch gemindert werden von uns, noch unferm Gotteshaus, noch von irgend 
einer Äbtiſſin, noch dem Kapitel, Frauen und Herren des ehgenannten Gottes: 
banjes, noch von unſern Nachkommen, noch von niemand anders von unſer 
wegen, ohne Gefährde. 

Wir verzichten aud) gänzlich für uns, unjer Gotteshaus und unferes 
Gotteshaufes Nachfommen auf alle Gerechtiame, Forderung und Anſprache, 
jo wir oder umnjer Gotteshaus oder Nachkommen an die Obgenannten von 
Glarus und ihr Yand und am ihre Nachkommen von der vorgenannten 
verfauften Güter wegen über die obgenannten zwei und dreißig Pfund hinaus 
mit geiftlichen oder weltlichen Gerichten oder ohne Gericht im irgend einer 
Weiſe je gewinnen möchten. Wir geloben auch für uns und unſer Gottes- 





ı Als Scheidemünze dienten damals in der Schweiz die Hallerpfenninge und Doppel: 
Pienninge. 2 Hallerwaren 1 [Doppel-Bfenning, 6 Pfenning 1 Schilling, 20 Schillinge ein 
Fund. S. S. 45. Nach einer Übereinkunft von 1387 follte in Vorderöſtreich, Zitrich, Bern etc. 
das Pfund gleich einem Gold-Gulden geichlagen werden, der damals 3,305 Gr, Feingebalt 
batte. Da der Gulden mithin ca. 11', Art. wert war, fo batte der Schilling noch ca. 
57 Cts., der Pfenning nicht ganz 10 und der Haller nicht ganz 5 Ets. heutigen Metall» 
wert. Die Blapparte waren eine Zilbermünze, die hier der Nechnungsmünze Schil- 
Ing gleichgefetst erjcheint. 

Oechsli, Quellenbuch. 3 


— 


114 


haus und Nachkommen, für diefen vorbenannten Kauf und Yehen und, was 
diefer Brief weist, den Obgenannten zu Glarus und allen ihren Nad)- 
fommen Wäbrichaft zu leiften und fie daran fortan nimmer zu bindern, zu 
benmmen noch zu irren, weder heimlich noch öffentlich, weder mit Gericht nod) 
obne Gericht, und fürbas nichts anzufprechen noch jemand anders über jie 
zu weijen, der jie von unjer und unjeres Gotteshaujes wegen anſpräche oder 
befümmerte mit irgend welchen Finden oder Nechtsbehelfen in irgend einer 
Weiſe. — — 


44. Der Appemeller Krieg. 


Aus der fogenannten Klingenberger Chronik S. 156 ft. 


Eine der wichtigften Cuellen für die Schweizergefchichte der eriten Hälfte des 15. Yabr- 
bunderts ift eine anonpme Chronik, welde vom Herausgeber Dr. Henne ohne ge- 
nügenden Grund einem Angebörigen des tburganiichen Adelsgeichlechtes der Klingen- 
berge zugeichrieben wurde. Dieſelbe ift in zwei Abichriften aus den Nabren 1462 und 
1479 erbalten; in den frübern Teilen wiederbolt fie bloß ältere Zürcher Chronilen, ins- 
beiondere das Jahrbuch Eberbard Mülners; Die Fortſetzung dagegen, die in zulammen- 
bängender Erzäblung bis 1444 reicht, iſt entichieden öftreichiich gefärbt umd fcheint im 
Rapperswil entitanden zu fein. 


a. Wie fi) die Appenzeller empörten wider den Herrn von St. Gallen. 


In diefen Tagen erbob jich zum erften der Appenzeller Yauf, daß 
jie fih empörten wider den Abt zu St. Gallen umd wider das Gotteshaus 
und wollten dem weder Steuer, Zinje, noch Fälle geben, noch irgend etwas 
tun, noch pflichtig fein, was jie von Alters ber dem Abt und dem Gottes- 
baus zu Zt. Gallen getan batten und von rechtäwegen jchuldig waren. Zie 
beflagten fich vor dem vorgenannten Abt, wie er ihnen großen Überdrang täte 
mit viel Sachen, er und jeine Amtleunte, und Gewalt und Mutwillen mit 
ihnen trieben wider Recht. Alſo empörten fie jich gänzlich wider den Abt 
und wider die Zeinen und braden ibm jein Schloß zu Appenzell und er- 
ftacben ibm die Zeinen. Alſo verband sich derjelbe Abt mit den jieben Städten, 
die dazumal einen Bund mit einander batten, das ift Konftanz, Über- 
lingen, Buchhorn, Yindau, Ravensburg, Wangenum St. Gallen, 
um deifen willen, daß fie ibm bülfen, die von Appenzell und die Seinen 
wieder geberiam machen, und daß fie ibm täten, was ſie ibm und dem 
Gottesbaus Zt. Gallen von rechtswegen pflichtig und ſchuldig wären. 


b. Wie die fichen Städte verloren mit den Appenzellern. 15. Mai 1408. 


Anno domini 1403 an dem fünfzebnten Tag des Maien unterlagen 
die ſieben Stadte, als fie auszogen und die von Appenzell dazu anbalten 


115 


wollten, dak fie dem Abt von St. Gallen gehorfam wären und ihm täten, 
was fie ihm nach göttlichem Nechte jchuldig wären. Und [es] zogen aljo 
auf den obgenannten Tag die fieben Städte aus und molften über die von 
Appenzell und wollten fie jchädigen und dem Abt von St. Gallen helfen. 
Und da jie an den Speicher famen, da lagen die von Appenzell auf dem 
Berg und liefen gegen die Städte mit Steinen und mit einem großen heftigen 
Geichrei. Alſo nahmen die Städte die Flucht und wurden ihrer mehr denn 
dritthalbhundert Mann erichlagen. Die von Schwiz und die von Glarus 
lagen zu Yoch, zwiſchen St. Gallen und dem Speicher und halfen auch denen 
von Appenzell. Bald darnach hielten fi die von St. Gallen zu denen von 
Appenzell. 


e. Wie der Herzog von Öftreid) wider die Appenzeller und St. Galler 
in den Krieg Fam. 


Als num die von Appenzell die Städte da befiegt hatten, da wurden fie 
erſt mannlich und keck und griffen alfenthalben um ſich und machten einen 
Bımd mit denen von Schwiz und Glarus und griffen Edel und Unedel 
an, ihre Nachbarn, und nahmen jedermann an zu Yandleuten. Sie nahmen 
den Edeln ihre eigenen Yeute wider ihren Willen und halfen denen, daß jie 
ihren Herren weder Steuer, Zins noch anders gaben, und machten fie un: 
gehorſam. Alſo jah ein jeder dem andern zu und ließ e8 gehen, bis es ihnen 
zulegt ganz und gar bejchwerlich war und ward, und daß fie fi) notwendig 
wehren mußten, oder die Appenzeller hätten ſie alle vertrieben, was jie doch 
bei Zeiten wohl verbütet hätten, wollten jie einander treu geholfen haben. 
Alſo riefen die Yandsherren in dem Thurgau und anderswo den Herzog 
von Oftreich dringend um Hilfe an, — denn fie waren weitaus in der 
Mehrzahl der Herrſchaft von ſtreich Diener — daß er den Adel nicht alſo 
vertreiben ließe, da er doch des Adels und des Yandes ein Haupt wäre umd 
alle jeine Vorfahren des Yandes Beichirmer [gewejen] wären. Sie ritten auch) 
täglih dem Grafen Hermann von Sulz nah und dem Grafen Hans 
von Lupfen, die des Herzogs Yandvögte waren, daß fie dem Herzog be- 
mögen, daß er ſich des Krieges annehme und ihnen zu Dilfe käme. Der vor: 
genannte Abt war auch derer von Wintertur Burger; diejelben wollten 
auch ihrem Burger helfen und hatten auch im Zinn, den nicht zu verlaffen. 
Alfo wäre der Herzog immer gern des Krieges müßig gegangen; da ward 
das Gejchrei aljo groß, von dem Adel und von den Städten, daß er fich des 
Krieges unterzog und den auch beftiglih an die Hand nahm. Und jobald 
der Herzog den Krieg auf jih nahm und er darein Fam, da wollten die 
Eden im Thurgau auch alle Sold von ihm haben, jollten jie ihm behilflich 
jein, die ihm doch mehrteils dahinter gebracht hatten; denn der Herzog wollte 





116 


ji) lang des Krieges mit nichten annehmen, bis daß ihm Herren und Städte 
zufchwüren. Als nun der Herzog gegen die von Appenzell und gegen die von 
St. Gallen und gegen die Ihren zog und es ihm mißlang, wie hienach ge- 
jhrieben fteht, und die Edlen im Thurgau und anderswo Gut von ihm 
haben wollten und ihm niemand dienen wollte, er hätte denn feinen Sold, 
denen zu lieb er in den Krieg gefommen war, und ihnen zu Hilfe und um 
ihretwillen, da ward er unwillig und reute ihn jein großer Schaden, den er 
ohne Dank empfangen hatte, und die Untreue von den Edlen. Aljo ward fo 
gemach zu dem Striege getan, daß derer vorn Appenzell Yäufe und Macht je 
länger je größer ward, daß jchier das ganze Yand um fie herum zu ihnen 
ſchwur und daR fie dem Herzog viel Yente und Yand und den andern ab- 
brachen, wie es ein Teil auch hienach jagen wird. 


d. Der Herzog von Öftreih Ing vor St. Gallen. 


Anno domini 1405, am Fronleichnamsabend [17. Juni], da lag 
der junge Herzog Friedrih von Öftreih vor St. Gallen und 
wollte da um die Stadt [herum] verwüften und verderben. Und als fie auf- 
braden und abziehen wollten, da bielten fie jih gar umordentlih, und da 
das die von St. Gallen und, die bei ihnen waren, jaben, da eilten jie den 
Herren nad umd erjtachen da manchen der redlichjten Ritter und Knechte, jo 
unter den Herren waren, edel und umedel, dak der Herren wohl 36 Mann 
umfamen. Und da die Herren faben, daß die von St. Gallen und ihre Delfer 
ihnen folche Not bereiteten, da ordneten fie jih zum Streite und hätten gern 
mit ihnen geichlagen. Aber die von St. Gallen und, die bei ihnen waren, 
wollten nicht mit den Herren fechten und wollten ſich auch nicht zu ihnen im 
die Ebene begeben, jondern fie waren auf den Bergen; denn der Herzog hatte 
einen großen Zug von Herren, Rittern und Knechten und Städten. Alſo zogen 
fie ungefochten gen Arbon. — — Deren Namen, die erjtochen wurden: Graf 
Hans von Tierjtein, Herr Dans von Klingenberg, Ritter, Herr Hermann von 
Yandenberg, den man nannte Zchudi, Ritter, einer von Hallwil, einer von 
Wolffurt, Peter von Abensberg. 


e. Tie Schladt an dem Stoß. 17. Juni 1405. 


Auf denjelben Tag batte auch der vorgenannte Herzog von Oftreich 
bei zwölfbundert Mann, Ritter und Knechte umd auc von den Städten, ge: 
ordnet, Die jellten gen Appenzell zieben. Und alie zogen jie von Altftätten 
aus dem Nbeintal den Stoß binauf gen Appenzell, und da fie an die Yeki 
kamen, da bieben fie die Vetzi auf: denn da war niemand, der ihnen das 
wehrte. Alſo zogen fie durch Die vetzi den Berg binauf und, da fie vielleicht 


117 


einen Armbruftihuß von der Yeti bergauf famen, da lagen der Appenzeller 
bei vierhundert oben auf dem Berg und hatten ihre Schuhe ausgezogen; denn 
es regnete und war jehr naß umd wild Wetter. Und fie liefen aljo den Berg 
berab mit einem großen Gejchrei gegen die Herren und warfen mit Steinen 
unter fie und liefen auch Steine und anderes unter jie herablaufen. Alſo 
waren ihnen die Armbrüfte unnütz geworden von Näffe und Kälte, und konnte 
niemand ſchießen und nahmen aljo die Flucht den Berg wieder herab, Und 
da jie wieder durch die Letzi jollten, da waren fie vorher zu begierig gewejen 
hinein [zu fommen], jo daß fie die Yegi nicht weit genug aufgehauen hatten, 
und ward das Gedränge jo groß, daß ihrer viel da umfamen in dem Yoch. 
Alſo flohen fie wieder bis gen Altjtätten, und ward der Herren und der 
Städte, die bei ihnen waren, in derjelben Flucht erftochen und erjchlagen bei 
vierthalbhundert Dann. 

Mit diefen Bauern bielt e8 Graf Rudolf von Werdenberg; den 
hatte der Herzog vertrieben, und er war bei den Appenzellern und lief auch 
aljo mit ihnen zu Fuß, wie ein anderer Bauer; denn fie wollten nicht, daß 
er einen Wappenrod oder etwas anderes trüge, als ihrer einer; dem fie 
trauten ihm nicht aller Dinge a Derjelbe Graf Rudolf ftärfte die 
Appenzeller jehr. 

Deren Namen, die da fielen auf des Herzogs Seite. Es fielen von 
Wintertur erbare redliche Yeute, die ihren Harniich trugen, 95 Mann. Die: 
jelbe Stadt hatte den jchwerften Verluft. Bon Feldfirch fielen wohl SO Mann. 
tem Herr Sigmund von Schlandensberg ab der Etich, war Bogt zu Feld: 
firh; Goßwig von Ems, Ulrich von Rofenberg von Bernang aus dem Nheintal, 
Hans von Sehen, Walther von Gachnang, Nichertshofer von Bernang, 
Yaurenz von Sal, war Schultheiß zu Winterthur, Oswald von St. Johann. 

In diejen Tagen hatten die Eidgenoffen einen befiegelten gejchworenen 
srieden mit der Herrſchaft von Öftreich und taten dennoch denen von 
Appenzell viel Vorſchub mit Yeuten umd Hilfe; doch fie meinten, es liefen nur 
greiwillige, denen fie es nicht wehren fönnten. Sie nahmen aud) der Herrichaft 
Yeute und Yand, welche die von Appenzell gewannen und ihnen das gaben, 
und meinten, der Friede wäre darım nicht gebrochen , — — 


f. Um dieje Zeit herrſchten die Appenzeller gewaltig und war ihr 
Ubermut groß. 


Anno domini 1407, um dieje Zeit und davor herrichten die Appenzeller 
alfenthalben in dem Yand und waren wider alle Herrichaften und befonders 


' Bezieht fih auf die mittlere March, welde die Appenzeller X Oftreih entriffen und 
den Schwizern ſchenlten. 





tm 


rider die, die ihnen gelegen waren und denen fie beifommen mochten. In 
rem Thurgau umd dafelbft ringsum verbrannten fie die Burgen und brachen 
Se nieder. Es war in denjelben Tagen ein Yauf in die Bauern gekommen, 
daR fie alle Appenzeller jein wollten, und wollte jich niemand gegen jie wehren. 
Die von Feldkirch und das ganze Yand hatte zu denen von Appenzell ge- 
Tworen; jie brachen auch dafelbft Montfort, Tofters und viele Feſten 
dajelbſt ringsum. Item, fie zogen über den Arlberg und über Yanded 
binaus, ohne daß ihnen das jemand wehrte; denn die Bauern wollten alle 
gern Appenzeller fein und es war ein gar mwunderlicher Yauf; doch währte er 
nicht lang. tem Altjtätten, Rheined und das ganze Nheintal batte 
alles gen Appenzell gejchworen, und Wil im Thurgau. Die von Yandenberg 
und die Edlen im Thurgau wurden alle Burger zu Zürich und gaben dem 
Herzogen von Öftreich feinen Dienft auf, der doch mır um ihretwillen in den 
Krieg gekommen war, wie vorfteht, und vertraute ihrer feiner ſich jelber noch 
jeiner Feſte jo wohl, daß er jih darin finden oder befriegen ließe. Und hatten 
ſich doch alle verjorget und jo wehrhaft und jo männlich gejtelft, als wollten 
fie dem römischen Reich widerfteben. 


45. Aus dem Burg- und Landrecht der Appenzeller mit Zürich, 
Luzern, Uri, Schwiz, Unterwalden, Zug und Glarus. 
24. Nov. 1411. 


Eidgen Abihiede I S. 341. 


Wir der Ammann und die Yandleute insgejamt des Yandes zu Appen- 
zell tun fund allen denen, die dieſen Brief jeben oder leſen hören, dak wir 
mit gutem Nat und beitändiger Vorbetrachtung zu Nur und zu Ehren unjeres 
Yandes und Leute, und zum Frommen des gefamten Yandes, der fürfichtigen 
weiſen, des Burgermeiſters, der Räte und Burger insgejamt der Stadt Zürich, 
des Echultbeißen, der Näte und Burger insgefamt der Ztadt Yuzern, der 
Ammänner und der Yandleute insgefamt der Yänder zu Urt, zu Schwiz 
und zu Unterwalden, des Ammanns, der Räte und Burger von Zug 
und des Amtes insgeſamt, die zu Zug gebören, und des Ammanns und der 
Yandleute zu Glarus Burger und Yandleute worden jind und haben 
das von ihnen insgefamt an ums genommen und empfangen mit den Be— 
dingungen, wie bienach geichrieben find. 

Des erften, wäre, daß die obgenannten Städte und Waldftätte, fie 
alle oder eine Ztadt oder ein Yand unter ibnen bejenders, nun oder hernach, 


u 


119 


mit jemand, wer der [auch] wäre, Mifhelligfeit und Krieg hätten oder gewännen, 
welde Stadt oder Yand dann der Krieg anbetrifit und angeht, die dann die 
andern Eidgenofjen zu mahnen haben nach ihrer Bundbriefe Weijung, diejelben 
haben auch die Gewalt, uns die Vorgenannten, den Ammann und die Yand- 
leute zu Appenzell oder unfern Ammann bejonders auch um Hilfe zu mahnen, 
und jollen dann wir diejelben von Appenzeli denen, jo da gemahnt haben, und 
auch allen andern ihren Eidgenoffen nad) der Mahnung unverzüglich und ohne 
alle Widerrede mit unſern Yeibern und mit unſern Gütern und mit unjerer 
Macht, die wir dann haben mögen, zu ihnen oder anders wohin, dahin wir 
dann gemahnt find, ziehen und ihnen beholfen und beraten fein und darzu 
unjer Beſtes tun, als ob die Sache unjer wäre, ohne alle Gefährde. Und 
jolfen auch die Hilfe gänzlich in unſere Koften tun, jo oft diefer Fall eintritt, 
ohne der Eidgenofjen Schaden, ungefährlich. 

Würe auch, daß wir die VBorgenannten von Appenzell mit jemand, wer 
die [auch] wären, jest oder hernach Streit und Krieg hätten oder befämen 
und uns dünfte, daß wir dabei der Eidgenofjen Hilfe bedürften, das mögen 
wir den vorgenannten Städten und Yändern mit unfern Boten oder Briefen 
in ihren Räten verfünden und zu wiſſen tum. Dünkt dann ihre Räte in 
Städten oder in Ländern oder die Boten, die dazu von ihnen geſchickt werden, 
dak wir die Vorgenannten von Appenzell nach Gelegenheit der Sache von 
ihnen Hilfe bedürfen, wie viel fie uns dann bewaffnete Männer von ihren 
Städten und Yändern zu Hilfe jenden, damit ſollen wir uns begnügen und 
jolfen wir dann einem jeglichem von den Söldnern alle Tage vier Kreuzplap: 
part ! Sold geben, all die Weile, jo fie in unſerm Dienft find, und ſoll der 
Sold mit dem Tage anfangen, jo die Söldner von ihren Hänfern jcheiden, 
ungefährlid. — — 

Auch jollen wir, die vorgenannten Yandleute zu Appenzell, feinen Krieg 
anfangen umd auch niemandem außerhalb der Eidgenofjenschaft in feinem Krieg 
beholfen und beraten jein, ohne der obgenannten Städte und Waldftätten Rat, 
Wiſſen und Willen, ohne Gefährde. — — 

Würden auch die obgenammten Städte und Waldftätte künftig je mit 
einander mißhellig und ftreitig oder unter ihnen eine Stadt oder ein Yand 
bejonders (mas Gott ewiglich wende), dieſer Streitigfeiten und Mißhelligkeiten 
jollen wir die vorgenannten Yandleute zu Appenzell uns in feiner Weiſe an: 
nehmen, jondern auf beiden Teilen jollen wir in den Sachen niemandem be- 
bitflich noch beiftändig fein, es wäre denn, daß wir unſere ehrbaren Boten in 
diefen Sachen jchidten, ob wir die mit Freundſchaft vergleichen möchten; das 
mögen wir wohl tun, ohne Gefährde. 


’ Eine Silbermünze, welche 1421 zu 15 Haller angeſchlagen wurde, etwa 40 Cs, im 
erte. 


120 


„stem, jo haben wir die Vorgenannten zu Appenzell alle insgejamt und 
unter uns jeglicher bejonders, was Männer oder Knaben find, die jechzehn 
Jahr alt und älter find, gelehrte Eide zu Gott umd zu den Heiligen mit 
aufgehobenen Händen geihworen, daß wir alle und, die zu uns gehören, und 
ein jeglicher von uns im bejondern, den vorgenannten Städten und Wald— 
ftätten allen und der Mehrheit der Städte und Yänder unter ihnen gehorjam 
jein jollen, ohne Gefährde. Und bei denjelben Eiden haben wir gelobt und 
verheißen, ihren und aller ihrer Burger und Yandleute, die jett zu ihnen allen 
oder zu einer Stadt oder [einem] Yand im bejondern gehören oder hernach 
aljo zu ihnen gehören werden, Schaden zu verhüten umd zu wenden und 
ihre Ehre und ihren Nugen zu fördern, jo weit wir fünnen oder mögen. — — 


46. Die Eroberung des Aargaus. April/Mai 1415. 


Juſtinger, herausgeg. von Studer, S. 224 fi. 


IND) a num der König und das Concilium fanden, daf der Papſt ver: 


jtohlen von dannen gekommen war, und [daS] durch Herzog Friedrich 
7) getan und gejchehen war, da wurden fie zornig und betrübt, weil die 
Sache und das Fortführen wider Gott und alle Chrijtenheit war und eine Zer- 
ftörung des Conciliums. Da mahnte der König alle Neichsjtädte, bejonders die 
von Bern, von Zürich und alle Eidgenojjen, daß fie ihm behilflich 
wären wider Herzog Friedrich, der ein Zerſtörer wäre der heiligen Chriftenbeit. 
Deshalb taten die von Bern und alle Eidgenoffen ihre Botjchaft zum König 
gen Konjtanz und vor das Concilium, und gaben denen lauter zu verftehen 
den Frieden und Friedbrief, den jie hätten mit dem vorgenannten Herzog 
Friedrich von Oftreich, und fürchteten, jollten fie dawider etwas tun, das 
möchte ihnen verwiejen werden; da fie doch in diefen und anderen Dingen 
ihren Ehren gern genug täten. Da antwortete ihnen der König vor dem Con- 
clio und vor allen Fürſten: die Eidgenofjen möchten es mit Ehren wohl tun. 
Da er ein Zerſtörer der Ehriftenheit und des heiligen Gonciliums fei, jo ſollte 
und möchte jedermann jein Feind darıım fein; dazu ſei von güttlichem Recht 
in allen Binden, Frieden und Briefen der Stuhl von Nom und das römische 
Neich immer ausgenommen und vorbehalten. Und das erfannte das Concilium 
und alle Fürften, geiftliche und weltliche, jo da waren, auf ihren Eid, daR die 
Eidgenoffen und jedermann gegen Herzog Friedrich von Oftreich und, was zu 
ihm gehörte, mit Ehren und Hecht friegen und ziehen möchten, ihn angreifen 
und jchädigen als einen Feind Gottes und aller Chriftenheit. 





121 


Aljo jchieden der Eidgenoffen Boten von dannen und brachten die Sadıen 
an die Ihren, wie jie von Konftanz geichieden waren. Und wie das war, daß 
die von Bern zu denjelben Zeiten in großen Streitigfeiten waren mit Herrn 
Burkhart von Manſperg, des Herzogs Yandvogt, von viel Sachen wegen, 
darın er die von Bern unfreundlich bielt, — — — weshalb man doch mit 
Ehren und mit Glimpf wohl zu den Sachen getan hätte, wollten dennoch die 
von Bern feinen Angriff tun, bis daß fie vom König und Goncilio ſonach 
gemahnt wurden und auch von ihnen erfannt, daß man's mit Gott und Ehren 
wohl tun möchte und jollte. 


Alfo wurden die von Bern zu rat, daß fie dem heiligen Concilio und 
dem römischen Neiche dienen wollten und gehorjam fein, umd zogen aus mit 
großer Macht vor Zofingen und belagerten die Stadt umd jchoffen mit 
Büchſen und anderm Geſchütz dermaßen, daß die von Zofingen fürchteten, fie 
verlören ihre Stadt, und zu Unterhandlungen griffen und die von Bern um 
Gnade und Freundichaft erjuchten. Alfo ward vereinbart, daß fie fich denen 
von Bern ergaben, und [fie] wurden empfangen und angenommen zu des 
Reichs Handen, aljo daß jie denen von Bern mit allen Kriegen und Kriegs: 
dienten gehorfam fein und in allen Sachen bebolfen jein follten und die Stadt 
Zofingen derer von Bern offene Stadt und Schloß fein joll, wie dies alles 
die Briefe, jo die von Zofingen hierüber beſchworen und verjiegelt haben, lauter 
weijen [18. Apr. 1415]. — — Es fuhr auch ein Panner von Bern vor 
Aarburg. Die ergaben fie auch an die von Bern. — — 

Danach zogen die von Bern vor Aarau und jchoffen mit der großen 
Büchſe in die Stadt; fie ſchoſſen auch heraus; doch zuletzt juchten fie auch 
Gnade. Und da die vorgenannten Städte alle im Margau an der Miffetat 
ihres Herrn unjchuldig waren, darım jo hatte man Erbarmen mit den Städten 
und mit Yand und Yeuten. Aljo ergaben ji) die von Aarau an die von Bern 
und jchiwuren, denen gehorjam zu jein mit allen Diensten, Herrlichfeiten und 
Yeiftungen, wie fie ihrer Herrſchaft von ſtreich gehorfam und dienftbar 
gewejen waren. 


Danad) zogen die von Bern vor Yenzburg, darnad) vor Brugg. Die 
beiden Städte ergaben fih an die von Bern und ſchwuren denen auch ge: 
berjam zu fein und untertänig, wie fie der Herrichaft von Oftreich gemejen 
waren. — — Danach ward gewonnen Ruod die Veſte und Hallwil ver: 
brannt. Auch ward gewonnen Yiebegg und Troftberg, und ergabe ſich 
Hans Rudolf von Rinach und der von Yiebegg mit ihren Veſten an die 
von Bern. — — 

Und als man vor Brugg lag, da ward die Weite Habsburg aud 
berannt und ergab ſich Heinrich von Wolen an die von Bern mit der 
vorgenannten Befte unter den Bedingungen, wie der Yiebegger und Hang 
Rudolf von Rinach vorher getan hatten. — — 


_ — u 


Und als die von Bern in dem Aargau aljo friegten ſiebzehn Tage, da 
gewannen fie auch fiebenzehn gemauerte Schlöffer, es jeien Städte oder Veſten, 
die gen Bern huldigten oder verbrannt wurden. 

Um diefelbe Zeit waren die von Zürich ausgezogen am nächjten 
Donnerftag nah Mitte April [18. Apr.] vor Mellingen, und lagen da drei 
Zage. Da gaben fie die Stadt auf und ergaben ſich an die von Zürid. — — 
Danach zogen die von Zürich und von Yuzern vor Bremgarten und 
lagen da vier Tage; es kamen auch dabin die von Schwiz und von Zug. 
Und am vierten Tag ergaben fie jih und mit allen Rechten, jo der Herzog 
über fie hatte; damit jollen fie den Eidgenoffen gehorjam fein nach Yaut der 
Briefe. 

Um diejelbe Zeit zogen die von Luzern vor Surfee. Die ergaben ſich 
aud an die von Yuzern, nach Yaut der Briefe, jo darım gemacht wurden. 
Sie hätten fich auch lieber an die von Bern ergeben, hätten fie jemanden 
dahin gefandt; was aber die von Bern um derer von Yuzern willen unter: 
wegen ließen. 

ALS num die von Bern von Brugg heimwärts zogen, da wäre man gerne 
fofort vor Wildegg gezogen. Da famen der Eidgenoffen Boten und mahnten 
die von Bern, vor Baden zu ziehen und ihre Hilfe und Büchjen dahin zu 
jenden; darum blieb der Zug vor Wildegg umnterwegen. Und aljo jandten die 
von Bern ihre große Büchſe mit etlichen Schügen voraus; und jandte man 
ihnen, den Schügen und der Büchſe, nad) mehr denn taufend gewappnete 
Männer mit dem Banner von Bern. — — 


Alſo ward Baden belagert von allen Eidgenoffen. Und da man bei drei 
Wochen da lag, da übergaben fie die Stadt mit den Bedingungen: möchte 
fie Herzog Friedrich von Öftreich, der doch im Yand war, entjchütten, dieweil 
man vor der Veſte läge, jo jollten fie ledig fein. Alfo belagerte man die Leite, 
und ging männiglich in der Stadt aus und ein nach feinem Willen. Es war 
auch auf der Vefte Herr Burfart von Manſperg, der Herrichaft Land— 
vogt, und hatte bei ſich viel ebrbare Yeute und gute Geſellen. — — 

Als num die von Bern der Mahnung umd Bitte der Eidgenojfen wegen 
ihre gute Botichaft und Dilfe zu Roß und zu Fur mit ihren Büchſen und 
Schügen gen Baden gejandt hatten, da hatten die Eidgenoſſen angeordnet, 
daß etliche freiwillige Gefellen von Zürich, von Yuzern und bejonders Schügen 
zum Erfer an der Veſte Feuer hineinſchießen und brennen jollten. Aljo erhob 
jich ein Geläuf, und fam das Gejchrei unter die von Bern, man wolle die 
Veſte ftürmen. Da zogen die von Bern berzu, jo müd fie auch waren, und 
jtürmten gegen die Veſte und litten Würfe und Schüffe, und ward die Veite 
jo lang genötigt, daß alle die müde wurden, jo auf der Befte waren. Am 
nächjten Morgen früh ward ein Tag angejett zwifchen dem von Manfperg 
und den Eidgenoffen, daß man ihn acht Tage rubig jollte figen laffen, und 


123 


würde er inzwijchen micht entjchüttet, jo ſolle er die Veſte den Eidgenoffen 
überantworten, aljo dak man ihn mit feiner Habe ruhig follte abziehen laſſen; 
was aber der Herrichaft von Oftreich angehörte, das follte da bleiben. Das 
geſchah. Und nach den acht Tagen zog er ab und gab die Veſte im der 
Eidgenoffen Hand, und die Briefe, jo man in der Veſte fand, wurden gen 
Yuzern geführt. — — Alſo ward die Veſte erobert, und ward gebrochen am 
Fingfttag und am Montag drauf |20, Mai] in der Frühe verbrannt. 


+. Aus dem Burg- und Landredht von Ernen und Münſter 
im Wallis mit Luzern, Uri und Unterwalden. 
14. Oktober 1416. 


Abſchiede I. S. 354 ff. 


In Gottes Namen Amen. Da menjchlicher Sinn blöde und vergänglic) 
iſt, . . .. To ift es nützlich und notwendig, daß die Sachen, die den Leuten 
zum Frieden, zum Nutzen, zu Gemach und zu Ehren aufgeſetzt werden, mit 
Schrift und mit Briefen zu wiſſen und kund getan werden. Darum verkünden 
und eröffnen wir, die Leute insgemein der zwei Kirchhören Ernen und Münſter 
und des ganzen Zehntens vom Döß! aufwärts in Wallis ... mit 
diejem Brief, daß wir fir uns und unfere Nachkommen, die ausdrücklich 
ereiglich hiezu verbunden jein jollen, ein ewiges Burgrecht und Yandrecht 
angenommen haben, aljo dak wir ewige Burger und Yandleute geworden 
ind der Ehrbaren, Weijen, der Stadt Yuzern und der zwei Yänder Uri 
und Unterwalden, und haben auch dasjelbe Burgrecht und Yandrecht jo 
eben für uns und unfere Nachfommen, leibliche und öffentliche gelehrte Eide mit 
aufgehobenen Fingern zu den Heiligen geſchworen, der Stadt Yuzern und 
der zwei Yänder Uri und Unterwalden .. . . Nuten und Ehre zu fürdern 
und ihren Schaden und Schimpf treulich zu wenden. — — — 

In dieſem Burgrecht und Yandrecht ift ausdrücklich abgeredet und be- 
dungen: wäre es, daß die von Bern mit uns den Übgenannten von Wallis 
dereinft Ztreit befämen, was Gott lang wende, da jollen die obgenannten 
zwei Yänder Uri und Unterwalden, unjere lieben Yandleute, die VBorgenannten 
von Bern freundlich bitten, daß fie uns die Obgenannten von Wallis bei dem 
bleiben laffen, dazu wir Recht haben, und fich von uns mit dem echt be- 
gnügen. Mlöchte aber das nicht jein, da jollen die obgenannten zwei Yänder 
die von Bern, ihre Eidgenofjen, mahnen nach Inhalt ihrer gejchwornen Bund: 


Deiſchberg. S. S. 86, 


ent 
. 


24 


rer, daß fie ſich von ung den Obgenannten von Wallis mit einem Rechte 
dezaugen. — — Und was für Koften die obgenannten zwei Yänder oder 
es um beiondern dadurch je baben werden, dieje Koften jollen wir die 
Serzenannten von Wallis geben. — — 

Auch ift zu willen: als wir der vorgenannten Stadt Yuzern und auch 
der zwei Yänder Urt und Unterwalden Burger und Yandleute geworden find, 
And mir darauf getrenlich und freundichaftlich mit ihnen in das Yand Eſchen— 
tal gezogen, ibnen dasjelbe Yand Eſchental gewinnen zu helfen. Darauf 
baden aber die Vorgenannten von Yuzern und die zwei Yänder und andere 
idte Edgenoſſen uns die Freundichaft getan und haben ung einen fiebenten 
Teil Desielben Yandes Ejcbental gelaffen mit Nuten und mit Schaden. — — 
ereT dit abgeredet: wäre, daß es fich da fügte, daß die von Yuzern und 
> zmer Yänder mebr in dasſelbe Yand Ejchental ziehen würden, dann und 
"Nein mögen die von vuzern umd Die zwei Yänder uns die Obgenannten 
we Zulis wobl mabnen, zu ibmen im dasjelbe Yand Eſchental zu ziehen. 
> bald wir gemabnt werden von den Borgenannten von Yuzern und den 
jet vindern, jo jollen wir die Übyenaunten von Wallis mit unferer freund- 
*burtiihen ebrbaren Macht in Das obgenamıte Yand Eſchental ziehen zu den 
Tergenanmten von Yuzerm und den zwei Yündern, unjern lieben Burgern und 

zudiemten, umd ibnen umd uns die von Eſchental weiſen und zwingen helfen, 
rc gut und ermitlich wir mögen, odne Geführte. — — — Wäre au 
daß die Obgenannten von Yuzern und Die zwei Yänder Uri umd Unterwalden 
dereinſt alte wollten und begebrten, ins Echental zu zteben mit ihren Pannern 
umd mit ibrer Macht, und fie dequemer dauchte, Durch unſer, der Obgenannten 
ven Wallis ... Gediet. zu zieben, als andersive, das mögen fie wohl tun, jo oft 
ibnen Das paft, doch Dur ſie ums den Obgenannten von Wallis bezahlen jollen, 
was jte vom llmern eſſen oder trinken, und auch, daß fie jonjt niemanden 
ren uns etwas freventiich nebmen, Es iſt auch ausdrücklich abgeredet, daß 
die Obgenannten von Yuzerm und Die zwei Lander Urt und Umterwalden 
memand anders durch umer. der Odgenannten ven Wallis, Gebiet befriegen 
nech dadurchzieden ſollen. dann mit widerem, der Obgenanmen von Wallis, 
Wilben und Summit, edne allein das GSedental. wie veritebt. 
Es iſt auch anadrınftid und deenders adgeredet im allen Sachen und 
SWerten. Daß wir de Vergenanttten ven Weuis von Dieter Zeit an ums weiter 
—*8 weder mit Burgrecht. med mit Landrecht, noch 


Du 
nırun)s bin verbinde 
* 


r 
.. 
» * — 2 
Art irgend einer Art Bundnie. ander mit Deren, oc zıit Stadten noch mit 
yäzder. chre Eleudrio wid guten Wruen uad Rüfen und Giumit der Vor: 
zen wIeren un ur nur wre “ ar. - . %% 2* Yfore, 
KIETEER Den Yen and Der yet Lander Vin ze linermelten — — 


Ye sn uam . u. 
AS RR sinne. Vi die Olnsmarnen po Nıyerm um die zwei Yänder 
en um fein Zrüd, 


7 
J 


125 


Ahnliche, großenteils wörtlich gleichlautende Burg- und Pandrechte jchloffen 
Yızern, Uri und Unterwalden mit den Zehnten Naters und Brieg (8. Aug. 
1417), dem Behnten Viſp (17. Aug. 1417), der Stadt Sitten und den 
Yeuten von Gradetih und Siders (12. Oft. 1417).] 


8. Die Befreiung der fehwizerifchen Freifchar in Domo d'Oſſola. 
November 1425. 
Juftinger ©. 280. 


Hernach nun, als jedermann heimfam, ward einer vom andern getadelt, 
nämlich die, jo beim Gefechte ! gewejen waren, tadelten etlihe von Schwiz, 
fie wären umd jeien nicht bei ihnen gemwejen, noch wären jie jo mannbaft, 
daß fie bei ihmen hätten fein dürfen im folcher Not. Solche unfreundliche 
Reden und Vorwürfe, jo denen von Schwiz geſchah, heimlich oder öffentlich, 
von denen, die bei dem Gefecht waren, verdroß die von Schwiz und war 
ihnen unleidlih. Darum taten ſich viel fromme? Gejellen zu Schwiz zu- 
jammen, heimlich und ohne Wiffen und Erlauben des Yandes Schwiz; der 
Gejellen waren bei fünfhundert Mann. Und machten ji) auf und zogen 
gen Thum? und gewannen die Stadt und nahmen fie ein. 

Deshalb 309 des Herzogen Volk von Mailand zu in allen Yanden und 
belagerte die Stadt ımd die von Schwiz darin und hüteten alle Wege und 
Tritte, daß fie nirgends fortfommen möchten. Solcher Not wegen jandte 
gemeines Yand von Schwiz, damit die Ihren da nicht verdürben, ihre Bot- 
haft aus an alle Eidgenoffen und baten und mahnten [bei] aller Bundſchaft, 
Freundſchaft und Yiebe, daß fie ihnen und den Ihren in diefer Not zu Hilfe 
fümen. Alfo famen gen Bern zwei alte ehrbare Männer von Schwiz am 
Freitag, jo da ward Allerjeelentag |2. November] in dem Jahr, als man 
zählte von Gottes Geburt 1425 Jahre, und flagten Räten, Schultheigen und 
Zweihunderten ſolche Not, die auf ihnen und den Ihren laftete, baten und 
ermabnten [bei] aller Freundichaft und Yiebe, daß man ihnen und den Ihren 
beförderlich zu Hilfe kommen möchte, oder die Ihren müßten verderben; da 
fie doch auf niemand beſſeren Troft jegten, denn auf umjere Herren zu Bern. 
Alfo ward ihnen geantwortet, dak man ihnen und den Ihren behilflich jein 
wolle mit Yeib und mit Gut; und ward gedadıt an die alte Freundichaft, daß 
die von Schwiz vor langer Zeit unjeren Borfahren in ihren großen Nöten 


! In der Schlacht bei Arbedo 1422, die für die Eidgenoffen unglücklich ausgefallen 
mar. — * Tiichtig, wader. — Domo vV’Offola, 


a 


126 


zu Yaupen in dem Streit auch behilflich geweſen feien, wie man das in diejer 
Ehronif oben lauter bejchrieben findet. 

Alfe schrieb man aus in Städte und Yänder und machte jich bereit und 
zog aus hernach am nächſten Dienjtag, jo St. Yienhartstag [6. November] 
war, und jegte man zu Hauptleuten Rudolf Hofmeifter, Edelknecht, 
Schultheiß zu Bern, Ulrid von Erlad und Niklaus von Gijenftein 
und Hegel von Yindtnad, der war Venner; und denjelben Dienjtag 
zog man gen Thun, tags darauf am Mittwoch gen Unterjeen, am 
Domnerstag gen Hasle; und da man furz vorher große Kriege mit denen 
von Wallis ziemlich manches Jahr gehabt hatte ', darum jandte man Bot- 
jchaft gen Wallis, nämlih Rudolf von Ringoltingen und Hans Miühli- 
bad, fie zu bitten, daß ihr Wille jein wolle, daß wir durch ihr Yand zögen, 
und [fie] uns zu faufen geben wollten. Das war derer von Wallis Wille, 
aljo, daß man dafür jorgte, dag niemand der Ihren bejchädiget würde und 
man jedermann das Seine bezahlte. Das ward alles wohl bejorget und 
gehalten. Alfo zog man am ‚Freitag bis gen Guttannen, am Samstag 
bis gen Wallis gen Münfter und gen Gejtelen; dajelbjt blieb man auch 
den Zonntag und wartete man “auf die von Soloturn. Die kamen mit 
ihrem Panner wohlgerüftet. tem tags darauf am Montag, jo der fiebente 
Tag war, da man ausgezogen war, zog man gen Binn, am achten, Dienjtags, 
gen Betich?, am neunten Tag, Mittwochs, gen Thum und da blieb man 
denjelben Mittwoh, am Donnerstag, den Freitag, den Samstag bis am 
Zonntag früb. Alſo wurden unſere Derren gar wohl empfangen von allen 
Eidgenofjen vor Thum. Und tät der Eidgenoffen Rede Utz, derer von Schwiz, 
Schreiber und Hauptmann jo ernftlib und jo dantberlih, dak manchem 
Mann die Augen naß wurden. Wlan jchägte auch unjer Volk ven Bern bei 
fünftaufend gewappneter Männer. Unſer waren auch mehr, als der andern 
Eidgenoſſen aller waren. Die Walliſer baben auch jeitber oft gejagt, daR fie 
in den Engpäſſen die Zaumroffe obne andere Roſſe zäblten, und deren 
waren fünfzehnhundert. Aljo wurden die von Schwiz entjchüttet mit Gewalt 
und webrbafter Hand, wesbalb alle Feinde zurüchwichen. 


49. Die Flucht der Zürcher bei Pfäffikon. 4.5. Nov. 1440. 


Aus Fründ's Chronik, berausg. ven Kind. S. 64. 
Unter der ſchweizeriſchen Geſchichtswerken aus Dem 15. Yabrbimdert nimmt die Chronik 
des Hand Fründ über den alten Zurichkrieg einen berverragenden Platz ein, da der Ber- 


’ 14T wegen der in Bern verburgerden Raren. — Baceno 2 im Antigoriotal. 


127 


fafler in den von ihm befchriebenen Greigniffen felbft mithandelnder Augenzeuge war. 
zründ war nämlich, obwohl ein geborner Yuzerner, beim Ausbruch der Streitigkeiten 
zwiſchen Zürich und Schwiz von letterem als Yandichreiber berufen worden und verblich 
in diefer ehrenvollen Stellung, die ihn zum Vertrauten des leitenden Staatsmannes der 
Schwizer, des Ital Neding, machte, bis 1453. Im Jahre 1457 fiedelte er als Gerichts— 
Ihreiber wieder nach Luzern über, wo er vor 1469 ftarb. 


Sn Freitag früh nad) Allerheiligentag [4. Nov.] da zog männiglich 
| X aus der March von Yachen hinauf auf den Ekel, und zogen da 
— die zwei Panner von Schwiz und von Glarus zuſammen und 
wurden da einhelliglich zu Rat, daß man gegen die von Zürich, ihre Feinde, 
ziehen und ſie angreifen und ſchädigen ſollte an Yand, Leuten, Yeib und Gut. 

Indeſſen waren mın die von Uri und von Unterwalden ausgezogen 
mit ihren Pannern und hatten fich unterm Egel bei der Sihlbriüde bei 
den Häufern im Felde gelagert und jandten ihre Botſchaft herauf auf den 
Ekel vor die Gemeinde am Freitag, ald man zu Rate ward, gegen die von 
Zürih zu ziehen, wie vorjteht. Die redeten nun eifrig in ſolcher Meinung: 
wir follten auf dem Unjern bleiben und nicht gegen die von Zürich ziehen, 
und daß wir ihnen zu verjtehen gäben, was wir gegen jie fiir Beſchwerden 
hätten; damit wollten fie jich gern befafjfen und ihr Beſtes dazu tun; und 
redeten viel ſolcher Worte. Und unter andern Worten redeten die Boten: fie 
wollten nirgendswohin mit denen von Schwiz und von Glarus ziehen, nad)- 
dem, wie fie die Sachen verftünden, und redeten eben grob. Warum und 
weshalb die Boten jolches redeten, mag ich nicht eigentlich wiljen. Als fie num 
viel Redens getrieben... ., da ward ihnen geantwortet: fie hätten zu Bilftein ! 
wohl veritanden, was für Bejchwerden die von Schwiz gegen die von Zürich) 
hätten, desgleichen vormals; aber ihnen möchte feine ganze, vollfommene Ant- 
wort von Zürich, noch von ihnen ihretwegen je werden. Alſo hätten jie ihnen 
abgejagt und wären ihre offenen Feinde und mollten Gott den Allmächtigen 
zu Hilfe nehmen und ihren Sachen nachgehen und zu Ende kommen, anders 
jo wäre nicht mehr daran. Alſo jchieden die Boten von dannen wieder 
binumter zu den Ihren an die Sihlbrücke. 

Und aljo nach einer Weile da brad das Volf auf in dem Namen Gottes 
mit Pfeifen und fröhlihem Mut und zog dahin vom Ekel gegen Entnau? 
hinauf ob denen von Uri und Unterwalden hin und nahmen die Sachen allein 
an die Hand, und jchätte man das Volk unter beiden Pannern über 2000 
Mann, und auf Entnau, da jchwuren alfe die, jo da noch dem Hauptmann 
nicht geſchworen hatten, und rüjteten ſich die Yeute mit Hauptgejchter ? und 





! Ein Ort in der Nähe von Yachen, wo am 2. November erfolglofe Bermittlungsverfuche 
der Gidgenoffen ftattgefunden hatten. — * An der Nordweitjeite des Etzels. — ꝰ Helm, 


„0 regen 


128 


Wehren und ftiegen von den Pferden; und [es] waren bei 200 Mann über den 
hoben Egel hinüber geordnet, und ſes] taten ſich die Yeute auf beiden Seiten 
auseinander vor den Pannern hin mit dein Hauptmann und zogen dann hinab 
in derer von Zürich Gebiet, mannhaft, durch Heden, durch Gräben, über Stod 
und Stein; gleicher Weife, wie da große Lawinen gehen, aljo wälzten fie fich 
vorwärts Und [es] kamen die 200 Mann alsbald jenfeits des Etzels dem Haufen 
zuvor umd zogen dann hinab bis auf den Boden, da man cs nennt auf 
Moſen. Da lief man dur die Häufer und raubte man das, jo man dann 
da fand, Hühner, Schweine und jolden Faſel; das hatte alles den Hals ver: 
loren. Nun begann es um Veſperzeit zu jein, da die Sonne begann unter: 
zugehen, und waren die Yeute hungrig und müde und lagerten fich auf Moſen, 
jhränzten da die Yäden von den Häufern und fiengen bie und da am die 
Hütten und die Ställe zu [verbrennen Auch ſchickte man am Abend einen 
Harft rückwärts an die Schindellegi, die die Brücke, auch etliche Häufer und 
Hütten daſelbſt verbrannten. Alſobald jchieten die von Uri und von Unter: 
walden ihre reitenden Boten nad) auf Mofen, daß man gemach täte; fie hätten 
ihre Abjagebriefe auch geichrieben, weshalb ſich die Zache verzogen hätte; 
aber jie wären auf dem Wege, zu uns zu ziehen. Und bald da famen die 
zwei Boten mit den Briefen und beide Banner den Briefen nad) und zogen 
auch zu dem Volk auf Mojen. Aljo liefen die Boten jogleich vorwärts hinab 
mit den Briefen gen Pfäffikon zu denen von Zürich. Indeſſen ward man 
zu Nat, daß man die Nacht auf Moſen bleiben follte, wie auch gejchah. 

Nun waren die von Zürich desjelben Tages von Pfäffifon aus dem Dorf 
beraufgezogen oben an das Dorf auf den weißen Ader. Da ftanden fie num, 
da man fie wohl jah, ein großes, jchönes, mwohlgerüftetes Volk; die Zonne 
chen nämlich am Abend eben in fie, und [es] haben die gejagt, jo dazumal 
bei ihnen und den Ihren da noch waren, daß man fie außerhalb des Dorfes 
zählte, als fie dazumal hinauszogen, daß ihrer 7000 Dann wären, und [fie] 
hatten viele große Haufen Holzes da zujammengelegt und die Hecken und 
Zäune zerbrechen, und noch verjah fich niemand eines andern, als daR fie 
da derer von Schwiz und Glarus fich wehren und jie da beftehen wollten. 

Nach Mitternacht da biek Ammann Neding, Hauptmann, von Gefell- 
ichaft zu Gefellfchaft jich jedermann rüften und zubereiten. Wollte auch jemand 
etwas eſſen, der möchte es tun, auf daß man die von Zürich früh bei Tages: 
anbruch angriffe. Alfo war jedermann willig und brünftig gegen das Volk und 
feften Mutes, und [es] war ein wildes Getöfe, Spieße und Hallbarten, Pfeifen 
und Trommeln, und [es] war ein wildes Getümmel, bis dag der Tag anbrad) 
und man mit den Pannern beganı wegzuzieben, 

Als es mın jo viel Tag wurde, daß man von Miojen hinab gen Präffifon 
gegen die von Zürich ziehen wollte, da man fie am Abend gejehen hatte und 
man fie wähnte zu finden, und das Volk ſich bereitet hatte zu fechten, jo fam 


— — — — — 





129 


die Mähre, daß die von Zürich da weg ſeien, und ſie flöhen. Man wollte es 
nicht glauben; alſo liefen die Geſellen hinaus und ſahen hinab. Als es da noch 
früb am Morgen war, da ſah man vor Pfäffikon jo viel Schiffe am Land, 
und [jolche], die vom Yand ftießen mit Yeuten, die fie zählten, daß ihrer 52 
wären, die dahinfuhren über den See an das andere Ufer und dann hinunter 
gen Züri. Nun redete der eine hin, der andere ber; der eine jprach: jie 
zögen weg; der andere Sprach: fie flöhen nicht; etliche jprachen: fie wollten 
jie berausloden und einen Hinterhalt legen. Es war aud fo früh, daß man 
keine Spieße, Waffen noch Harnifche gewahren fonnte, Als nun jedermann 
bereit war und man aufbrad) und dahinzog, jo lommt Botichaft, daß die 
Hofleute ziemlich alle zu Bfäffifon im Haus! jeien und daß die von Zürich 
von ihnen gewichen wären, und baten da, dak man ihrer fchonen und ihnen 
ihre Häuslein nicht verbrennen, noch fie ungewöhnlich ſchädigen möchte; fie 
wollten jich ergeben und huldigen und tum, was jie tun follten. Alfo zog man 
immerdar vorwärts bis hinab auf den weißen Ader ob Pfäffifon, da die von 
Züri) gelegen waren und die Haufen Holzes lagen; da machte man Halt. 
Da ritt Ammann Neding und etliche mit ihm hinein in das Dorf vor die 
Burg zu Pfäffifon und redete mit ihnen dermaßen, daß fie ibm zufagten, fie 
wollten fich ergeben, und dak man zu ihnen jchiete, jo mwollten fie ſchwören. 
Alſo fehrte er um und ritt wieder hinaus zum Volk und jagte ihnen, daß 
das Haus Pfäffifon und die Yente erobert wären, wie ihr denn bievor gehört 
babt. Und darauf ſchickte man die Yeute hinein in die Burg und nahm die 
Yeute in Eid, und [es] jchwuren die Yente, denen von Schwiz mit aller Ge- 
rechtijame gewärtig zu fein, jo die von Zürich da gehabt hätten, und auch 
anderes, wie es denn notwendig war und ihre Eide weiſen. 


50. Die Erſtürmung der Schanze am Hirzel. 24. Wai 1443. 


Fründs Chronik, ©. 134 fi. 


Den Eidgenofien ward auch wohl fundgetan, wie daß die von Zürich 
eine große, mächtige und ftarfe Yeti gemachet und daran Jahr und Tag ge 
baut hätten am Hirzel, [das] ift am Horgerberg, bier diesfeitS gegen Zug 

. umd daß ein großes Volk am derjelben Letzi läge.... Und am 
Freitag früh brachen fie auf und zogen wieder zurüd gegen Zug und von da 


D. i. in der Burg. 
Oechsli. Quellenbuch. 9 


130 


gegen Finfterfee und da über die Stege, daß fie über die Sihl famen, einen 
großen, weiten und harten, böjen Weg gegen diejelbe Lee zu, da fie's auch 
meinten mit Gottes Hilfe zu juchen und anzugreifen... . Indem da die 
vorgenannten frommen und notvejten Yeute, die Eidgenofien von Yuzern, 
Uri und Unterwalden ihre Botſchaft gefandt [hatten] zu ihren Eidgenofjen 
von Schwiz hinab gen Freienbach umd zu andern, daß fie zu ihnen herauf- 
ziehen jollten, wie oben fteht, und fie aljo wider den Hirzel, da die Pete und 
die Feinde waren, hinzogen, da hätten fie gerne gewacht und ein Feldlager 
geichlagen und auf ihre Eidgenofjen gewartet. Alſo wurden die Feinde an der 
Yete ihrer gewahr; das war mun am Abend eben, da die Feinde iiber dem 
Nachtmahl jagen. Da fuhren fie auf und liefen auf die Letze und auf die 
Raine hervor, daß fie der Eidgenoffen anfichtig wurden und beide Teile ein- 
ander jahen, und daß die Feinde auf der Yege zu rufen begannen gegen der 
Eidgenofjen Knechte, die da zuvorderſt hin und her liefen: „Wohl ber!” und 
dabei böfe, wüfte und unfaubere Worte. Das reizte num der Eidgenofjen Knechte 
und [es] drücte fie auch die Schmach, daß fie ihnen jo nahe das Dorf 
Blidenjtorf verbrannt hatten, auch das Rufen und die böjen Worte, und daß 
fie fich jo üppiglich und wunderlich gegen fie geberdeten ; und riefen gleich zurück 
zu den Pannern, daß fie [heranzögen; denn fie wollten fie angreifen und [es] 
ihnen nicht länger jparen. Und wiewol ihre Hauptleute gerne gejehen hätten, 
daß fie des Abends nicht angegriffen, jondern ihre Eidgenoſſen erwartet hätten, 
und fich jegliche Gemeinde verfammelte umd jich unterredete und zulett zu- 
jammen an einen Ring ftunden, da fruchtete nichts, was man redete; denn 
das Volk wollte immer dran. 

Und aljo in dem Namen Gottes, welcher bejfer mochte, der tat auch 
auch beffer, und von dem Ring [gings] an die Letze und gegen die Feinde hin 
und [fie] zogen den Rain hinauf und griffen fie mannhaft an umd zogen mit 
den Pannern herzu und drücken redlich nach, doc ganz ungeordnet, einer bie, 
der andere dort; und bejonders griffen ſie's an am allerhärteften, wo der 
Grendel ! und die Letze und die Schutzwehr am allerjtärfiten war md am 
allerwehrbaftejten und wohl verjehen und wo jie am allerhärtejten und aller- 
mübjeligiten zu gewinnen war, und fochten, ftachen und jchlugen und ftritten 
mannhaft gegen die Feinde und gegen die Letze. Und die Feinde hatten auch 
viel gute Büchſen, Steinbüchjen und Handbüchſen, Tarrasbüchſen? und viel 
anderes gutes [Kriegs|-Zeug und Gejchüg bei ſich und eine große mächtige 
ſtarke Yeße vor ihnen, die ungewöhnlich wehrhaft gemacht war, und wehrten 
jich auch mannhaft, keck und redlich als biderbe Yeute, und trieben das Gefecht 
jo lang und ftreng mit einander, bis daß der Eidgenofjen Knechte durch die 





' Eigentlich Riegel, dann die Ballen, womit die Ausgänge von VBerihanzungen gefperrt 
wurden, — ? Feſtungslanonen. 


131 


Vege auf der rechten und der finfen Seite einbrachen ; und jchlugen ineinander 
zu beiden Seiten, daß da große Not und Arbeit war, wie jo viel Leute je 
leiden mochten oder ich je vernommen habe; und half Gott der Allmächtige 
den vorgenannten ftrengen und frommen Eidgenofjen, die er nie verlieh, daß 
jie mit den Pannern durd die Yege und den Grendel bineindrücten und die 
Feinde in die Flucht jchlugen. Ich mag e8 fchreiben mit Wahrheit, und hätte 
ich es nicht gejehen, wie fejt und ftarf der Grendel und die Yege an dem 
Ende war, da die größte Not und alles Geſchütz hingerichtet war, ich möchte 
es kaum glauben. Aljo eilten ihnen die Eidgenofjen nach durch die Letze umd 
den Hirzel hinauf und jchlugen und ftachen fie zu Hauf nieder zu Tode und 
jagten jie hinaus über den Berg umd den Hirzel gegen Horgen hin und neben 
ab in die Hölzer und Stauden, den einen hie, den andern dort. Es gingen 
auch die Stiche und Streide und das Geſchütz jo ftarf, wie der Hagel auf 
ein Schindeldach, und befonders in den Amarellenbäumen oberhalb der Yete 
in den Gärten. Man bürte auch das Schiefen und das Schlagen in der 
Ferne, und bejonders das Schießen oberhalb Freienbach, da man die Warte 
hatte. Und das ift wahr; und trieben das bis in die Nacht, daß fie der 
Feinde feinen mehr erreichen fonnten noch mochten und der Nacht wegen 
nicht mehr nachlaufen fonnten. Auch legten fie von Stund an Feuer in die 
Häufer auf der Letze, wo fie hindurch famen, und verbrannten fie, daß viele 
der Feinde darin blieben, und half Gott der Allmächtige und feine würdige 
Mutter, die reine Magd Maria, den frommen Eidgenofjfen von Yuzern, Uri 
und Unterwalden, daß fie über ihre Feinde objtegten. 


51. Die Schlacht bei St. Jakob an der Sihl. 22. Iuli 1433. 


. Aus der fogen. Klingenberger Chronik, ©. 316 fi. 


Fa derſelben Woche [nach dem 16. Juli) zogen die Eidgenojjen von 
DES laris, Schwiz, Zug, Yuzern, Uri und Unterwalden 

eu abermals mit all ihrer Diacht und, was zu ihnen gehörte in dem 
Aargau, im Gaſter und, wo jie zu gebieten hatten, ſo daß ihrer im ganzen 
gegen 16000 Mann waren, aus) und famen aljo zuſammen in dem Freien 
Amt und wurden zu Nat, daß jie abermals gegen die von Zürich ziehen 
wollten und die schädigen, und hoben am Albis an zu bremnenrumd zu ver- 
müften, was jie vorher hatten ftehen laſſen. Alſo, da es nun St. Maria 
Magdalenentag — an einem Montag [22. Juli] war, zogen fie herab gen 
Rieden! in das Dorf bei dem Galgen. Als mm denen von Zürich [ihre] 








t Albisrieden. 





132 


Kıumdichaft kam, daß die Eidgenoffen zu Rieden lägen, da eilten jie hinaus 
zu Roß umd zu Fuß, alle ungeordnet, und famen aljo zuſammen unter der 
Yinde bei den Bänken!, indem da gar niemand eine Ordnung unter ihnen 
gemacht hatte, weder Fein noch groß. Daher ward nun derer von Zürich 
Hauptmann, Türing von Hallwil, ſehr zornig über die von Zürich, 
daß fie ohne Ordnung aljo zogen, und jprach zur etlichen von Zürich, welche 
die Gewalt führten: „Ihr habt mir alle gefchworen, und bin euer" Haupt- 
mann, wenn ihr wollt; wenn es euch aber nicht gelegen ift, jo bin ich nicht 
euer Hauptmann; denn ihr folget mir nicht und tut, was euch gefällt.“ 
Alfo hielten die Edeln vielleicht mit 500 Pferden daſelbſt bei den Bänken. 
Da befahb mm Hans von Rechberg mit mehreren Geſellen das Volk? 
und fam wieder zu den Edlen und zu denen von Zürich und fagte, daß 
er fie auf 6000 wohl gerüftete und ftreitbare Bauern ſchätze, und riet 
auch da bei feinen Ehren, daß ihn das Befte däuchte, daß die von Zürich alle 
nit einander zu der Stadt zügen, jo wollten jie mit den Neifigen zu ihnen 
reiten und fehen, ob fie ihnen etwas Böjes zufügen möchten. Wenn es ihnen 
dann gelegen wäre, jo wollten fie dennoch ohne Schaden wohl zu der Stadt 
zu ihnen kommen. Aljo ward nun demjelben Nate des von Rechberg gefolget, 
und hieß man die von Zürich über die Sihl und über die Brücke hineinziehen. 
Da hatten fie gute Grendel und Wehren, und hieß man fie ſich da zurüften 
mit guten Streifbüchjen und mit anderm Zeug und dajelbjt warten. Da 
taten nun die von Zürich) nicht, was die Edeln mit ihnen ausgemacht hatten, 
und zogen alfo gegen die Stadt umd lagerten ſich außerhalb der Sihl und 
auperhalb des Siechenhaufes in einer großen Wieſe. Alſo war es nun 
desjelben Tages gar heit, und trug man denen von Zürich aus der Stadt 
Wein in Gelten und Flaſchen zu. Es war auch eine Hede und ein Gejtäud 
um die Wieje herum, jo daß man fie nicht jehen fonnte. 

Alſo ritten nım die Edeln und die Reifigen über das Sihlfeld zu dem 
Haufen und Scharmügelten ernftlich mit ihnen und wichen und lockten fie aljo 
nach ſich. Alſo meinten jie, ſie joliten die von Zürich finden, wo fie hingeordnet 
waren, umd da fie im die Nähe von St. Jakob famen, da der Sieden Haus 
ift, da fahen fie außerhalb des Siechenhaufes in der Wieje die von Zürich 
bei einander im Feld ftehen. Darüber erjchrafen nun die Edeln, daß die von 
Zürich nicht die Ordnung hielten, die man gemachet hatte, und an der Wehre 
waren, da man fie hingewieſen hatte. Dennoch waren fie jo fromm und redlich 
in der Mehrzahl und ftiegen zu ihnen zu Fuß ab und liefen ihre Pferde 
laufen und traten ihre Sporen ab und richteten ſich ein, zu fechten, und 
meinten, fie wollten da mit ihnen fechten. Nun batten die Edeln wohl ge- 


! Am Scheidewege der Straßen nach Altſtetten nud Aibisrieden. — * Nämlich die 
Eidgenoſſen. 


133 


jehen, daß es fehr ungleich war, da die Eidgenoffen viel mehr Volf hatten, 
denn die von Zürich, umd waren auch weit bejfer gerüftet und geordnet, 
umd zogen ihnen auch gleich auf dem Fuße nad. Da nun die Edeln von 
ihren Pferden ftiegen und ihre Sporen abhieben und zu denen von Bürich 
ftunden, da liefen die Eidgenoffen gleich heran, ungeordnet, Nun wollten derer 
von Zürih Schützen ſchießen. Da rief der Bürgermeifter, Herr Rudolf 
Stüſſi, fie follten nicht jchießen, es wären Freunde, und [je] liegen ihre 
Armbrüfte wieder aus. Daher jagte man nun dazumal öffentlih und als 
Wahrheit, die Eidgenoffen hätten ihrer bei zweihundert oder mehr mit roten 
Kreuzen! geordnet, die voran laufen jollten, damit die von Zürich wähnen 
jollten, e8 wären Freunde, und hätten vorne rote Kreuze und hinten weiße 
und einen Tannaft unter dem Gürtel, und meinten auch die von Zürich, daß 
fie die alfo tot gefunden hätten, und es jei die volle Wahrheit. So redeten 
die Eidgenoſſen eifrig dawider und meinten, das follte ſich niemals erfinden. 
Das jei nun oder ſei nicht, das laſſe ich aljo bleiben. 

Da num die Eidgenofjen heranliefen, da hatten ſich die von Zürid) an 
eine jehr unmwehrhafte Stätte gelagert. Alfo mieten die von Zürich nieder [zum 
Sebet] und meinten, fie wollten da fechten. Als fie nun wieder aufftanden, da 
ftablen fie sich hinten weg und hoben an zu fliehen gegen die Stadt über 
die Sihlbrücke hinein, und wer befjer mochte, der tät auch beifer. Als das 
die Frommen fahen, die gern ihr Beſtes getan hätten, edel und umedel, die 
gern ihr Yeib und Yeben da gewagt hätten, da jchrien jie und riefen ihnen zu. 
Aber da half fein Ermahnen und fein Rufen; die Flucht war in die Leute 
gekommen, daß niemand bleiben wollte; ob man fie viel oder wenig mahnte, 
es wollte niemand jtand halten. Da nun die Frommen fahen, daß die Ihren 
aljo ihändfich flohen und fich niemand wehren wollte, noch bei ihnen bleiben, 
da mußten fie auch weichen; denn da die Eidgenoffen die Flucht jahen, da 
wurden jie erſt fed und mannhaft und warfen, jchojfen, jchlugen und jtachen 
in jie. Alſo welcher zu jeinem Pferd kommen mochte, der ritt; der das nicht 
mochte, der ging, und tät jedermann, wie er denn mochte. Alſo wichen ihrer 
viele miteinander, mit wehrender Hand, die fich männlich und ritterlich wehrten, 
die auch aljo bei der Gegenwehr erftechen und erfchlagen wurden. Viele wurden 
auch auf der Flucht erichlagen, die fich nie wehrten, Es wurden auch am 
jelben Tage viele alte Leute erftochen, die hinausgegangen waren und ſchauen 
wollten, wie es den Ihren ging, und ohne Waffen gingen; denn fie waren 
um feines Fechtens willen hinausgekommen. Und da es alſo an ein Fliehen 
ging, da waren jie alt und jchwach und mochten nicht entweichen, jo daß jie 
ntedergeritten, geftochen und gejchoffen wurden und erfchlagen ; denn jedermann 
batte jolche Not zu fliehen, dak niemand des andern Acht hatte, und flohen 


' Dem Abzeichen der Oftreicher im Gegenfag zum weißen Kreuz der Eidgenoffen, 





134 


auch in die Stadt. Alfo eilten ihnen die Eidgenoffen, vielleicht gegen 300, 
nach bis unter das Tor und erftachen fie auch bis an das Tor. Da batte 
man num zu Zürich das Tor zugejchlagen und die Grendel, bis daR Die 
Yeute Mord an dem Tore jehrieen und man das Tor mit Not auftat. Aljo 
drücten nun die rechten Panner und der Haufe [der Eidgenojfen] nicht nad), 
wie aber die von Zürich wähnten, daß fie täten; denn hätten fie nachgedrückt 
und geeilt, nachdem die Flucht und der Schreden in das Volk gekommen 
war, jo hätten jie denen von Zürich den größten Schaden getan, der ihnen 
je geichab von Anfang ihrer Stadt oder [den] je ein Mann gehört oder ge- 
denfen mag, umd es wäre mißlich, dar fie die Stadt dazu abgelaufen und ge- 
wonnen hätten; denn es war feine Wehre gerüftet. Dazu hatte man jich ſolcher 
Dinge nicht verſehen. — — Alſo erftachen nun die Eidgenoſſen die von 
Züri und die Ihren bis an das Tor. Man meinte auch, daß ihrer etliche 
in dem Gedränge bis in die Stadt kämen. Alfo ſchoß man dennod ab den 
Mauern und ab den Türmen jo fejt zu ihnen, daß jie die Toten nicht aus: 
ziehen konnten bei der Stadt, außer daß jie ihrer etliche in die Häuſer zogen 
und fie da auszogen, und zündeten die Häufer an umd die Toten damit, und 
liegen es alles da brennen. Alſo brammten die Eidgenofien alles nieder, was 
bie Diesjeit$ der Zihl war gen der Stadt bis an den Graben, und ver- 
wüſteten und nahmen alles, was jie da fanden. — — — 

Der Edeln Namen, die da gefallen, jind: Junker Albrecht von Buß— 
nang, Freiherr, Hansvon Neuenhaujen, Pans von Mettelhaujen 
und vielleicht gegen dreißig oder vierzig Reiſige zu Pferd und Fremde mit 
ihnen, It. von Zürih aus der Stadt: Herr Rudolf Stüſſi, Nitter 
und Burgermeifter, Ulrih von Yommis, Konrad Mayer, Panner: 
meijter, trug derer von Zürich Fähnlein, Peter Kilchmatter, der alte 
Hagnauer, Heinrih Uſſikon, der Stadtichreiber [Graf] von 


Züri. 


52. Ifenhofers Schmachlied auf die Gidgenoſſen. 1443. 


Abgedrudt bei Yilienfvon I. ©. 383, gekürzt bei Tobler, Voltslieder II. S. 23. 


„Es wurden auch zu Diefer Zeit mancherlei „Piedlin” zu Rapperswil und zu Zürich 
denen von Schwiz gelungen, daraus viel Widerwillens entitand und man ihnen andere 
Yieder himmieder fang.” Tſchudi IT. S. 358. Ein foldhes Yied ift das folgende, als deſſen 
Verfaffer fich der Ritter von Iſenhofen nennt, ein Öftreicher, der 1436 Vogt zu Feld— 
firh war. 





135 


1. Wol uf, ich hör ain nüw gebön !, 5. Nun luogend zuo ich felber, 
der edel vogel fang! Zürich, in üwer ftatt, 

Ich trüm?, es fom ain ganze fchon ®, da lüejend küe und kelber '®, 
unmetter bät fin gang * wie man’s !° verboten hat! 
gerichsnet > uf der haide, Nütend uf den grunde, 

die bluomen find erfroren, der das unfrut gebirt! 

dem adel alld ze laide ir gelebend ?° noch die ftunde, 
bänd puren zefamen geſchworen. daß es lich fröwen wirt! 

2. Die wullen ftud zeberg gedrudt ®: 6. Die Puren tribend wunder ?", 
das ſchafft der ſunnen glanz. ir übermuot iſt groß! 
den puren wirt ir gwalt gezudt: Schwiz und Glaris befunder, 
das tuot der pfawenfchwangz ? nieman ift iv genoß ?. 

Blüemi ®, laß din filejen ® Sie tragend iez die frone ® 
gang hain, hab din gemach '®, für ritter und für fnecht; 
es gerät !' die Herren milejen ! wirt in ?* mum der lone, 
trinf uß dem mülibad ! das ift nit wider recht. 

3. Belibift dur dahaima, 7. Ich mein iez die von Berne: 
da betift quoti waid, tuond ouch, als üch denn dünkt: 
dich betrüepti nieman, „uns zündt ain nilwer fterne, 
und beichäch dir nüt zelaid ! baiter iſt fin funf“! 

Du gerätft !? zewit ußbrechen Ir haind vil mengen puren, 
das tuot '* dem adel zorn; gewunn es finen gang, 

laſt nit von dinem ftechen fi brächen lich durch die muren, 
man Schlecht '° dich uf die horn! fie fparten e8 nit lang, ® 


4. Du hält ain fart '° din Schwanz geredt 8. Bafel, du macht ?* dich fröwen, 


bin an den Bürichiee. wan ? dir wirt jchier ?* din Ion: 

damit fo bäft du fie erfchredt, macht du die ſpis nit töwen *® 

die ſchmach, die tuot in me! man git dir purgation, 

Wer nun den andren hab betrogen ? die rumet dir din magen, 

ib reden als !” die toren: darnach wirft du geſund! 

mich dunkt, der pund hab fich gebogen, Man muoß dir vil vertragen, 39 

den A händ zſamen geichworen. wan du bift in dem bund ®', 

! Ton, Melodie. — ? traue, hoffe. — ? Schönheit, Klarheit. — * feinerfeits. — ® ge- 
bericht. — in die Höhe gedrängt. — ? der Pfauenſchwanz, das öftreichiiche Parteizeichen. 
* Bliemi, ein Kubname, foviel als Schweizertub. — % brüllen. — ' halt dich ruhig. — 
"fängt an, — '* bemühen, beläftigen. — '* fängit an. — '* verurjacht. —— 1? jchlägt. — 
einmal. — "wie. — * d. h. eidgenöſſiſch Geſinnte. — * wie ſehr man es auch 
verboten hat: nämlich den Eidgenoſſen günſtige Geſinnungen zu äußern. — » Rerlebet. — 
! treiben es außerordentlich, tun ſehr groß. — »* ihres Gleichen, ihnen ebenbürtig. — 


” die Helmkrone, das Abzeichen des Adels. — * ihnen, — ** Ihr Berner, tut auch, 
als ob euch ein neuer Stern zündete! Aber eure eigenen Bauern würden auch bald 
durch eure Mauern brechen, tenn e8 jo fortginge, — ?* magſt. — 27 denn, — es bald, — 
# verbauen. — 3° mit dir Geduld haben. — *' Bafel hatte 1441 einen 2Ojährigen Bund 
mit Bern und Soloturn geichloffen. 


136 


10. Das Ergöm ! tet ain böfen ſchwauk.? 15. Wan kämin wir für '? die herren, 


des ? fait man im Hain er, io betin wir uns ermwegen, ® 
darzuo haind fi des wenig dank, wir müeßtind mwiderferen ®!, 

man getrumet in mit me. dahain der küegen *? pflegen! 
Bremgarten, Mellingen, Baden, unfer berrichaft wurd denn knecht, 
es ift an üch nit müm: flain ichmal wurd unfer gebiet: 
iv forchtend llainen jchaden, well der küng von uns das recht, 
und bredhend üwer trüm! * fo fom gen Bedennied! 


11. Rapperſchwil, nun halt dich veſt, 16. „Da mellen wir ım loſen l 
din fromfeit ® ſchwebt dir ob ®, ſprechend Die melferfnaben. 
wan dur häft ie? getan das beit, die tnüw gend in es durch Die bofen, 
behab ® din quotes ob! gram röd ficht man ſi tragen. 
ich main ouch die von Wintertur, Jr was ain michel taile, 
erſchrelend nit von tröwen °; batbe junge und alt je 
guot gräben haind ir umb die mur, tüng, got geb dir haile, 
des mugend ir üch frömwen! wan fie müegt ’% din gemalt. 


12. Nun lond ich nit verbriehen 21. Wer unrecht welle temmen ?? 
der arkeit, jo ir band: dem rat ich zuo dem fchinpf **! 
des mugend ir genießen, wend ir es recht befennen, 
ir band gebiet '% vor ſchand. jo haind ir quoten glimpf ®. 
Man zeit üch für die fromen, '' Ru werend bi zit, ir fromen, 
der eren gan !* üch got! der puren unvernunft, 
es wird noch kürzlich fomen, wan °° wend ir's nit verfomen ®', 
daß mengem gelit '* fin jpot! "4 8 wirt ain große zunft! 
14. Der fing erfordert ie ® ſin lüt 24. Es figend ftet oder puren, 
und ouch darzuo fin land, Hain ift der umderichaid: 
das recht er für die fürften büt, es tail ain wenig muren, ?? 
das tuot den puren and !*, es iſt im allen laid!* 
Ir Übermuot der ift nit fin, fie wären ſelb gern berren, 
wan das lit an dem taq: und find im ® doch ze grob! 
„wir weln im rechtes geborlam fin '? füng, du ſolt in's * weren, 
nach unſer pundbrief Tag I*!" jo meret ſich din lob, 
' Aargau. — ? Streich. — ’ desbalb, — * Bremgarten, Mellingen und Baden hatten 


vor Ausbruch des Krieges dem öſtreichiſchen Yandvegt und Zürich versprochen, zu ihnen zu 
halten, übergaben ſich aber fofort den Eidge nolien, als Diele ım Aargau eribienen. Man 
ipottete Schon 1415 über fie, wert fie ſich zu Schnell ergeben bätten. — > Rrapbeit, Tapfer« 
feit. — ® über dir. — immer. — * behalte, — droben. — ihr babı euch bebütet. — 
man zählt euch zu Den Tapfern. — * die Ebre gönnet euch. — '* Darmiederliegt, 
aufbört. — '* beide Ztädte waren gut öftreichtich gefinnt. — +5 König Friedrich forderte 
den Margan zurück und bot Den Eidgenoſien Recht auf Die Kurfürſten. Darauf biekten die 
Eidgenoſſen eine Tagſaßung zu Beckenried. — 1 web. — 7 zu Recht ftchen. — '* gemäß 
dem Inbalt unserer Bundeésbriefe; Daß die Fidgenoiten den König vor ibr Bundesrecht 
gefordert bätten, iſt wohl nur eine veripottende Übertreibung des Tichters. — "vor. — 
2° parein ergeben. — * surädgeben, vergüten. — *t Rühe. — # ibnen, 2% großer. — 
20 ſowol junge als alte, — ** bemübt, perdricht. — 9 eindämmen. — ® . Kampfipiel. — 
9 Beiugnis. Recht. — " run, — * wollt ibr ibnen nicht zuvorlommen. — ** mag ſie 
ein bischen Mauern von einander trennen. — » nämlich daß Friedrich III. die Reichs: 
gewalt befigt. — * dafür. — *ibnen es. — 


RT 


137 
3. Ban es hört ! dinem adel vertriben find die fromen 
und Diner berichaft zuo '. als ® von der puren ſpot, 
Erſchütt? den Pfawenwadel, das ir haind's ingenomen, 7 
es wirt in noch ze fruo, * nun helf's uns rechen got! 
Man much das unfich * ftönben, 
fo belibt das eßen rein; 28. Der diſes liedli hat gemadht, 


Mit pfifen und mit tönben ® 
fiiert man die brute hain! 


der ift von JIſenhofen. 
die puren hatten fin fain acht, 
wan* er faß binder dem ofen. 


27. Man bat in lang vertragen Er loſet ivem vate, 
gewalt und übermuot: uud mas fi weltin triben, 
ain fürſten hainds erfchlagen, an einem abend ſpate, 
darzuo mäng edel bluot, er hät's nüt muot zverſchwigen. 


53. Zwei Schreiben über die Kapitulation der Feſte Greifenſee. 
27. Mai 1444. 


Piitgeteilt von Th. v. Liebenau im Anzeiger für Schweizergeih. I. S. 302. 


J 


„Rudolf Bramberg, Hauptmann, der Venner, Rät und Hundert von 
Yızern, wie wir zu Feld liegen’, jchreiben 1444 Dienftag den 26. Mai „ven 
fürfichtigen mweifen, dem Schultheißen und Nat zu Yuzern, unfern gnädigen 
lieben Herren": „stem, von des Schloffes wegen ift Rudolf Bramberg, 
jegt unjer Hauptmann hinab zu dem Haus gegangen und hat das beichaut 
und uns gejagt, wie daß unfere Knechte von den Eidgenoffen durch den innern 
Swinger gegraben hätten und auf zwei Enden an die rechte Mauer gekommen 
jeien, daß wir getrauen, daß fie hinfür ficher werfen mögen ohne die Schirme 
und daß das Haus mit Gottes Hilfe joll bald erobert werden. Die Feinde 
in dem Haus haben auch geftern abend mit den Unſern geredet, und dünkt 
uns, jie begehrten vielleicht Gnade. Aber dar ſolches Erfolg gewinne, defjen 
verjehen wir uns nicht.“ 


' denn das kommt .... zu. — * Schüttle. — *es kommt ihnen noch zu früh. — 
* Ungeziefer. — ® blajen, flöten, — * jo. — ihre Beſitzungen babe fie eingenommen, — 
“ 
deun, 


138 


1. 


Den fürfihtigen, weifen, dem Schultheißen und Rat zu Luzern, unſern 
gnädigen lieben Herren. 

Unjere freundlichen willigen Dienjte allzeit zuvor, gnädige, liebe Herren. 
Wir tum euch zu wiſſen, daß geftern die Feinde auf dem Haus begehrten 
mit den Eidgenoffen zu reden, daß man fie aufnehme !. Alfo wurden die 
Eidgenoffen zu rat, daß das jedermann an jeine Gemeinde bringen folite. 
Alſo haben auch alle Eidgenoffen ihre Gemeinden gehalten, jegliher Ort 
insbejondere, und iftinunjer Gemeinde das Mehrgeworden, 
daß man das Haus, Yeute und Gut verbrennen folle, wenn 
wir e$ erobern mögen, und man fie weder auf Gnade nod 
Ungnade aufnehmen jolle, und war unjerer Gemeinde Urſache: wenn 
wir letztes Jahr Negensberg gewannen und Grüningen, fruchtete uns das 
wenig. Alfo, da jedermann jeine Gemeinde gehalten hatte, da famen der 
Eidgenoffen Hauptleute, die denn nun zumal im Felde find, zufammen und 
lagen die von Shwiz auch jehr auf der Meinung, wie aud 
wir, um deswillen, daf es weit in den Yanden erjhalle und 
unfere Feinde defto erfhrodener würden, Jedoch ward von allen 
Orten das Mehr, daß man mit ihnen auf dem Haus reden jollte: wäre es 
der all, daß fie fich übergeben wollten als verurteilte tote Yeute an das 
Schwert auf der Eidgenofjen Ungnade ohne alle Gnade, jo wolle man fie 
aljo herausnehmen und nicht anders. Das ward auch aljo mit ihnen geredet. 
Aljo antwortete der Hauptmann Hans von Yandenberg für jich jelber und 
bat die Eidgenofjen, daß fie jo wohl täten und ihn aufnähmen auf Gnade, 
jo wollten er und alle von Yandenberg jich gegen die Eidgenoſſen verpflichten, 
nummer mehr wider fie zu tun. Möchte aber das nicht fein, da man dann 
jie alle auf Ungnade aufnehme und man jie 3 Tage leben ließe, daß fie 
beichten, büßen umd bereuen fünnten. Möchte das auch nicht jein, jo wollten 
jie eher im Haus fterben. Alſo jchieden die Hauptleute von ihnen und haben 
ihnen noch feine Antwort gegeben, und werfen unſere Kuechte nichts deſto 
minder. Was nun die andern Eidgenojien weiter tun, wollen wir auch tun, 
und was ums weiter begegnet, wollen wir euch willen lajjen. Gegeben am 
Mittwoch nah Eraudi [27. Mai] im 44. Jahre. 


? Ihnen die Übergabe geſtatte. 








139 


54. Belagerung von Zürich. Juni bis Auguf 1444. 


Aus Gerold Edlibachs Chronik, herausgegeben von Ufteri. S. 54 fi. 


Gerold Edlibach, geb. 1454 in Zürich, geit. 1530, in Folge der zweiten Heirat feiner 
Mutter mit Hans Waldınann deifen Stiefiobn, ſeit 1473 Mitglied des Großen und feit 
1487 des Kleinen Rates der Stadt, was er mit einem furzen Unterbruch zur Zeit des 
Sturzes feines Stiefvaters bis 1524 blieb, begann 1485 eine Gefchichte des alten Zürich: 
krieges zu ſchreiben, der er daun auch die Ereigniffe feiner Zeit anfügte. 






ZW St. Johannes Baptiften Tag [24. Juni] anno domini 1444 da 

J kamen gemeine Eidgenoffen mit all ihrer Macht und legten fich vor 
NR Zürich, was doc) die größte Torheit war, die fie kaum je begingen, 
er. meinten das mit ihrer eigenen Gewalt zu gewinnen und lagen alfo davor 
10 Wochen und drei Tage. Und lagerten die von Bern und von Zug mit jamt 
der Herrichaft Baden und dem Amt Waggental [Freiamt] vor der Fleinen 
Stadt an der Sihl und um Selnau herum. Die von Yuzern lagen allein bei 
den Ftratten am Zürichberg; jo lagen die von Schwiz und Glaris zu 
Hottingen im Boden; auch hatten die von Uri und Unterwalden ihr 
Heer und Yager geichlagen um die Spitalicheuer und um Stadelhofen. Da 
mm die Eidgenoſſen aljo vor Zürich lagen, da fam der Tag nie, ohne daß 
man an etlichen Orten mit den Eidgenoffen ſcharmützelte; denn dazumal waren 
gar viele fede Gejellen, Fremde und auch Einheimifche, die täglich) aus der 
Stadt liefen umd ihr Heil an Eidgenofjen verjuchten. — — 

Ich vernehme als wahr von frommen, ehrbaren, alten, glaubhaften Yeuten, 
die jelbjt mit ihrem Yeib bet diefen Sachen geweſen find, daß die Ordnung 
von den Fremden gemacht wurde umd nicht von den Einheimiichen, und war 
die Urſache alſo. Da es an der Sihl jo übel gegangen war vor dem böfen 
Frieden! umd jedermann in die Stadt floh, da forderte der Markgraf? alle 
Schlüffel zu allen Toren; die wurden ihm, und [er] behielt alfo dieſelben 
Schlüffel in feiner Gewalt den Krieg hindurch, dieweil die Eidgenoffen vor 
der Stadt lagen, was mun viele der ehrbaren Yeute in Zürich verdroß und 
tie jehr befüimmerte. Und alfo machte man die erjte Ordnung umd machte mit 
aliden der Näte neue Näte von Edlen und Unedlen, von Fremden und Ein- 
beimischen, und deren waren nicht mehr denn zwölfe, ... und aljo erwählten 
die zwölf Räte Hanſen von Nechberg zu einem oberjten Hauptmann der 
ganzen Stadt Zürich. Demnach gab man ihm vier Hauptleute zu, die nach 


Böſer Frieden heißt der Waffenftillftand, der auf die Schlacht von Et. Jalob an 
der Sihl felgte, während deſſen die vergeblichen FFriedensunterbandlungen zu Baden ftatt- 
fanden. — ? Der Darfgraf von Röteln, der vornehmfte der Öftreichifchen Edeln, die Zürich 
ju Hufe gezogen waren, 


140 


ihm die größten fein jollten, auch von den Fremden und von den Edlen, und 
verteilte man diejelben mit ihrem Volk auf die vier Tore, nämlich auf [das] 
Rennmwegertor einen Hauptmann, der mit feinem zubeicherten Wolf das 
bewachte und behütete; das andere war im Niederdorf, das hatte nun 
auch jeinen Hauptmann mit feinem Volf; das dritte Tor war im Neumarkt, 
das auch mit einem Hauptmann und jeinem Wolf gehütet ward, und das 
Yindentor an der Kirchgaſſe hatte feinen Hauptmann, aus dem Grund, daf 
dasjelbe Tor am allermindeften gebraucht und geübt ward. Doc je waren 
dennoch Yeute, die darüber wachten; denn man hielt die Heinen Türlein auch 
täglich offen und brauchte die. Das vierte Tor war nun auf Dorf, das 
hatte auch jeinen Hauptmann mit feinem eigenen Zug, der das auch gelobt 
batte zu bewachen, wie denn die andern auch getan hatten, tem jo waren 
zu den Heinen Toren, als [dem] Kägistürlein und Wollishoferstür: 
fein, auch Leute hingeordnet, die zu hüten und zu bewachen; doch hatten fie 
feine Hauptlente. Weiter jo wurden da alle Zünfte mit ſamt etlichen vom 
Bürichjee und von Höngg und, woher fie denn waren, in die Türme und in 
die Vollwerfe, die damals zu beiden Seiten auf der Stadt Gräben gemacht 
[worden] waren, [hingeordnet], die zu bewachen und zu büten... Wenn man 
auf die Wache gehen jollte und davon, was gewöhnlich zu Mittag war, jo 
läutete man die Biürgerglode; dann jo famen andere auf die Wade und 
wurden die andern frei und ledig bis wieder zu Mittag, Man verbot auch 
alle Gloden zu läuten, die zu Zürich in der Stadt waren, ausgenommen die 
vorgenannte Bürgerglode; die ließ man auch ab zu läuten, und daß ich es 
weiter jage, da gieng feine Glocke mehr denn allein die Zeitglode; die ward 
auch geftellt, jo daß nur der Zeiger gieng, und das gejchah nun um des 
willen, daß die Eidgenofjen ihre Sache deſto minder zu handeln und zu Ichiden 
müßten nach der Stunde im Tag oder des Nachts. . . Viele der Eidgenoffen 
meinten, man hätte Büchſen daraus gegoffen, und jchrien viele Spottworte 
der Glocken halber in die Stadt; aber fie vernahmen hernach wohl, ob jie 
vergofjen waren oder nicht, da man Freude fäutete, wie du wohl” hören wirft. 
.... Ale Tore der Stadt ftunden Tag und Nacht ſtets offen, diemweil 
die Eidgenofjen davorlagen, doch verjehen mit ihren vier Hauptleuten . . . 
Immer lagen auf beiden Stadtgräben, der Heinen und großen [Stadt], über 
600 gewwappnete Männer in den Bollwerfen. Ich hab aud weiter ver- 
nommen, wie daß man auf der Stadt Graben vor [dem] Rennwegertor manchen 
ichönen Tanz gehalten habe, dieweil die Eidgenoffen vor Zürich gelegen jeien. 


Ich vernehme auch ferner von den Alten, die jelber bei viel Dingen ge: 
wejen find, daß einmal ungefähr 16 gute Gejellen fich erhoben und aus der 
Stadt Zürich über die Allmend im Hard und nach Altftetten liefen und 
da drei Fuder Wein fanden, die man vom Niederland den Eidgenofjen in 
ihr Yager führen wollte. Denjelben Wein nahmen die 16 Mann von Zürich 


A — nam re — — — — — — — u — 


L——T 


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141 


md fingen bei dem Wein fieben Mann, die da den Wein führten, umd 
brachten aljo den Wein und diejelben Gefangenen durch der Eidgenofjen Heer 
mit Liſten in die Stadt Zürich. Alfo liefen die 16 Mann den Wein in der 
Ztadt ausrufen und jchenften den aus auf der niederen Brüce beim Rathaus, 
Aber es begab jich nicht lange nachher, daß die Eidgenofjfen drei ehrbare 
Burger von Zürich fingen; da ward ein Bergleid) gemacht, daß die von 
Bürih ihre jieben Gefangenen ledig laſſen follten, jo wollte man ihre drei 
Mann ihnen mit gefunden Yeib auch wieder geben; aljo wurden die Ge— 
jangenen auf beiden Seiten ledig gelaffen und den Ihren übergeben. 

In der Beit, als denn die Eidgenoffen Zürich belagert hatten zu beiden 
Zeiten, da ſchlugen jie eine Brüde über die Yımmat zu Wipfingen, daß 
ſie Wandel und Weg von einem Yager zum andern haben möchten. Da ward 
von einer Gemeinde von Zürich beichloffen und das vor die Obrigfeit gebracht, 
dar man den Eidgenofjen etwas Schmach antım möchte; Dieweil jo viel gutes 
Volk zu Zürich in der Stadt liege, jo wäre ihre Meinung und Wille, dieweil 
die Eidgenoſſen ohne alle Hut und Ordnung nad ihrer guten Kundſchaft 
Bericht ungewarnet lägen, an einem Morgen ein Schiff mit guten gleichen 
wohl gerüfteten Knechten hinab an die obgemeldete Brüce zu ſchicken und die 
abzuwerfen, und dann |[jollten] die in der Stadt desjelben Morgens mit jo viel 
Yeuten, als ie [gut] däuchte, hinaus [gegen] die Eidgenoffen ziehen und die in 
ihrem Yager früh vor Tag aufheben und unverjehens überfallen, die dann vor 
der Heinen Stadt lägen. Aber da das die Gewaltigen hörten, da wollten fie 
durchaus nichts mit der Sache zu IMIre baben; aljo blieb das unterwegen 
und ward nichts aus der Sache. — — — 

Item hernach begab es ſich, daß etliche junge mutwillige Gejellen jich 
eines Abends aufmachten, und liefen von Zürich aus der Stadt und zogen 
über den Albis und nahmen den Eidgenofjen wohl bei 40 Haupt gehörntes 
Lieh und zogen da bei den heiligen drei Königen durch der Eidgenofjen Yager, 
ohne daß man ihnen je nachfragte, wer und von ‚wannen fie wären, und 
brachten das alſo hinein gen Zürich ohne alles Entgelten niit guter Ruhe. Und 
ebenjo begab es ſich aber hernach, daß die jungen Bürger von Zürich jtählerne, 
raub zugehauene Stifte hatten machen laſſen, und wollten es unternehmen, den 
Eidgenoſſen vor der Heinen Stadt die Hauptbüchſen abzulaufen, mit denen fie 
damals viel aus dem Talacker in die Stadt geichoffen hatten, und ihnen 
mit den obgemeldeten Stiften die Zündlöcher verichlagen, damit fie unnütz 
würden und man fie wieder neu gießen müßte. Alfo liefen jie hinauf zu den 
Büchjen ; aber die Eidgenofjen wurden deſſen gewahr und vermochten das zu 
wehren, jo daß die Bürger ihrem Anjchlag nicht nachlommen mochten, und 
mußten aljo die Büchſen unvernagelt bleiben. Doch jo ſcharmützelte man auf 
beiden Seiten mehr denn zwei ganze Stunden, und [es] jagen etliche ehrbare 
Yeute, daß über jechstaufend Schützen mit Armbrüften und Büchſen auf "beiden 


142 


Seiten gegeneinander geicheffen hätten, und kam doch niemand um auf derer 
von Zürich Seite, außer ein lediger von Geroldseck; der wollte zu viel; alſo 
fam er um vor dem Wollishofertörlein..... Aber was von den Eidgenoſſen 
umfam, ift mir micht zu wiſſen getan werden, und kann das auch niemand 
erfahren, denn, wenn fie da viel Yeute verloren bätten, jo veritecdten jie es 
gleich, dak das niemand vernehmen mochte. Aber wunder muß ich jagen, wie 
die Eidgenofjen unſägliches großes Gut in die Stadt Zürich vericheffen ; 
gejchah doc davon wenig Schaden, denn man findet, daß nie einem Menjchen 
viel Yeid am Leib geihab, außer allein einem Priefter, der ward erſchoſſen 
in einem Haus im Münjterbof, und ein Wächter in einem Turm und eine 
Henne mit viel jungen Hühnern; und das war faſt der größte Schaden, der 
mit den Hauptbüchjen in Zürich geichab. 


55. Die Schlacht bei St. Jakob an der Birs. 26. Auguſt 1444. 


Aus der Zährlarichrift der hiſt. Gefellicbaft zu Baſel: Die Schlacht bei Zt. Jalob 
in den Berichten der Zeitgenoffen. 


A. Schweizeriiche Beridte. 


1. Die Chorherren von Neuenburg. 


Zwei Chorherrn von Neuchätel, die auf dem Konzil zu Basel gewesen waren und 
nnn aus Furcht vor den Armagnaken heimreisten, Antoine de Chauvirey und Henri 
Purry de Rive, begegneten unterwegs den Eidgenossen, wie uns der letztere in dem 
von ıhm verfassten Abschnitte der französischen Chronik der Chorherren von Neuen- 
burg erzählt. Über diese letztere siehe unten: Karl der Kühne vor Grandson. 


Sehr erstaunt und betrübt waren wir, da wir diese so kleine, im 
übrigen fröhliche und einnehmende Schar fanden: niemals sah man eine 
schönere und feinere Mannschaft. Von den Unsern waren da fünfzig 
unter dem Befehl Alberts von Tissot, des tapfern Ritters, der uns grosse 
Freude und Zufriedenheit über unsere nnvermutete Ankunft bezengte; 
er benachrichtigte davon alsbald einige der vornehmsten Eidgenossen: 
diese ersuchten uns, ihnen von den uns in bezug auf Basel bekannten 
Dingen Kunde zn geben. Darauf stellten wir ihnen vor, dass das Heer 
des Dauphins fünfundzwanzig bis dreissigtausend streitbare Armagnaken 
stark sei, die Berge und Täler in der Umgegend der Stadt und rings 
um dieselbe plünderten, und es scheine ein übermenschliches Unternehmen, 
mit so geringer Macht gegen eine so erschreckliche Menge die Tore er- 
reichen zu wollen. Einer der genannten Herren Eidgenossen (und es 
schien dieser Ritter nach seiner stattlichen, würdevollen und stolzen 
Haltung Ansehen zu geniessen) erwiederte: «Wenn es morgen also ge- 


143 


schehen muss und wir die genannten Hindernisse nicht mit Gewalt durch- 
brechen können, so befehlen wir unsere Seelen Gott und unsere Leiber 
den Armagnaken.» 


2. Hans Sperrer der Brüglinger. 


Hand Sperrer, genannt der Brüglinger, war ein Zunftmeifter der Brotbedenzunft 
in Balel und verfaßte 1446 eine Beichreibung des St. Natoberkrieges. Wahricheinlih war 
er einer von der Bürgerichar, welche den Eidgenoſſen während der Schlacht hatte zu Hilfe 
len wollen. 


... Und aljo machte e8 jich, daß unſere Eidgenoffen von Bern und von 
Soloturn und ſonſt von allen Orten der Eidgenoffenichaft vor Farnsberg 
lagen, und lagen die librigen Eidgenoffen vor Zürich. Und als nun das böfe 
Tolf um uns lag an dem Blauen und da herum an dem Gebirge bis gen 
Pratteln — da lag der Ktapitäne einer wohl mit 300 oder 400 Pferden —, da 
nun das Volk der Eidgenoſſen jehr mutwillig war ımd auch nicht wußte, daß 
des böſen Volks jo viel war, da machten fi wohl 1300 zu einander und 
machten Hauptleute und jchwuren da den oberjten Hauptleuten, nicht über 
Pratteln oder Muttenz hinaus zu kommen, dann den Berg zu Hilfe zu nehmen, 
wenn ſie bedrängt würden, daß fie wohl ohne Schaden wieder zu dem Volk 
fommen möchten. Alfo zogen jie an einem Dienftag bei Anbruch der Nacht 
von Farnsberg und famen um die Mitternacht gen Yieftal und blieben bei 
taufend vor der Stadt. Die übrigen famen hinein und nahmen da auch die 
Tüchtigften, daß ihrer bei 1500 ward, und hielten ſich vor und in der Stadt 
jo lange auf, daß ihrer die Schinder ! inne wurden; denn fie hatten ihre’ Warten 
bi8 zum guten Haus. Und als fie ihrer inne wurden, da machten fie fich auf 
die Säule und zogen alfe auf die Matte und jchieten ihre Botichaft zu allen 
‚Herren, wie jie ringsum lagen, und entboten ihnen, daß die Schweizer im 
Felde wären. Und alſo griffen die Eidgenoffen das Volf an zu Pratteln 
und nahmen die Schinder die Flucht, und eilten ihnen die Eidgenofjen nach, 
ein jeder, jo ſchnell er laufen fonnte, und hielten fich zumal ohne Ordnung und 
woliten niemand folgen. Denn meine Herren von Bajel hatten einen Diener, 
genannt Friedrich, war von Straßburg; der hatte das Volf geſchätzt, denn er 
war von Yieftal ausgeſchickt, dat er jehen jollte, wie es ſich machen wollte, 
Der fagte ihnen und bat fie, daß fie nicht weiter zögen, denn des Volks wäre 
zu viel. Den erjtachen fie darum, daß er fie in Gutem warnete, und jo famen 
fie an die Birs. Da jahen fie die Harfte vor ihnen zu Gundeldingen? 





Überſetzung des franzöftichen &corcheurs, wie die Armagnafen in Franfreich genannt 
wurden. — * Weiler flidlih von Bafel am Bruderholz. 


144 


halten. Alſo hielten die Hauptleute das Volk auf, bis daß der Mehrteil von 
ihnen zu einander fam, und wollten die Hauptleute, daß das Volk geblieben 
wäre, und mahnten jie an ihre Eide. Aber es half nichts; fie wollten nicht 
folgen und wagten fich über das Waffer und hatten zwei Boten von ſich ge 
Ihidt; die famen an das Tor, ebe man aufjchloß. Alſo ließ man fie ein, und 
famen zu dem Zunftmeifter ; das war Andreas Oſpernel. Der lieh zur Stunde 
in den Rat läuten, und ward man im kurzem zu Nat, daß man mit dem 
Panner auszog, und in einer Stunde war man vor dem Tor mit der Macht, 
und [fie] hatten eine große Begierde, dem Bolf zu Hilfe zu fommen. Aber meine 
Herren hatten ihre Späher vorausgejchieft, nämlich Konrad Dür, der dazumal 
der Neifigen Hauptmann war, und rüdten mit dem Panner vor bis zu dem 
Kappelfelein. Da fam Konrad Dür, der hatte die Haufen gejehen und der 
bat das Volk, dar fie nicht weiter zögen, und kam herzu Herr Hans Not, 
der war damals Bürgermeifter, zu Hans von Yaufen und zu den Hauptleuten 
und jagte ihnen, wie die Harfte hielten und wie ihre Abficht war. Alſo ſahen 
wir es auch jelber wohl; denn fie hielten bei Gundeldingen an dem Rain und 
hatten einen „Spit” gemacht, wenn wir über den Kreuzftein hinausgekommen 
wären, daß fie dann zwiſchen uns und die Stadt gefonmmen wären. Die übrigen, 
die rannten auf dem Main zu St. Yakob und fochten mit den Eidgenofjen. 

Alſo fam Herr Hans Not und der von Yaufen umd geboten dem: Volk, 
wieder hineinzuziehen. Wiewohl man nun ſah, daß wir nichts gegenüber dem 
Volk wären, — denn ihrer waren wohl 60 000 ftreitbares Volk, — jo bradıten 
fie doch das Volk mit Jammer wieder hinein, und gab uns Gott und jeine liebe 
Mutter das Glück, daß wir nicht weiter zogen, jonft wären wir um Yeib und 
um Gut gefommmen und um alles, was uns Gott je verlieben hat, und um die 
Stadt dazu. Alfo rückten wir mit dam Banner über die Fallbrücke ein umd 
mußten aljo unfere guten Freunde der Gnade Gottes warten und erjchlagen 
werden laſſen, was wir doch leider nicht abwenden konnten noch ver- 
mochten. — — 

Alſo fochten fie mit einander bis zur Veſper, und machten ſich die Eid: 
genoffen, jo viel ihrer noch waren, zufammen und famen in den Garten, und 
[es] zündeten die Schinder der Gutleute! Haus an und verbrannten das und 
machten ein großes Yoch durd die Mauer, die um den Garten gieng, daß fie zu 
ihnen kommen mochten, und wenn eine Schar müde oder erjchlagen war, jo fam 
die andere, daß der Herren und des böjen Volks jo viele in dem Garten er— 
ichlagen wurden, Doc der Mehrteil ward außerhalb, eh fie in den Garten famen, 
erichlagen. Denn fie hatten wohl 600 Bogner; das währte, wie wir das jeither 
durch gute Kundichaft erfahren haben, nicht jo lang, als einer der halben Stadt 
entlang geben fünnte, als fie jchen auf zwei Haufen lagen. Alfo das währte nun 





Gutleute nannte man die Ziehen, die Unbeilbar-Nranfen, die Ausfägigen u. ſ. w. 


145 


bis zur Veſper; da erdachten und brachen die Herren auf den Seiten Löcher 
in die Mauer und [ichoffen]) mit Tarrasbüchjen unter fie und verwundeten 
ihrer jo viele, daR fie erzeigten, denen das geſchah, daß oft vierzig verwundet 
wurden. Aljo gewannen fie [den Sieg über] die Eidgenoffen, und was der 
Ihren erſchlagen ward, die luden fie auf und führten fie von dannen, fie feien 
edel oder umedel .. .. und was der Eidgenoffen erjchlagen wurden, die 
blieben auf der Wahlftatt. Derer waren wohl bei zwölf» oder dreizehnhundert 
jo gerader herrlicher Männer, als wir oder die ganze Eidgenofjenichaft 
baben mochten. Alfo tags darauf am Donnerstag und am Freitag und 
Zamftag, da waren die ehrbaren Brüder zu den Barfüßern und auch andere 
fromme Yeute und vor des Delphins Volk ein oder zwei Herolde, die auch 
dabet waren, und wurden die erjchlagenen Yeute begraben und wurden größten- 
teils in ein Loch gelegt hinter der Kirche und ward dafelbft geweiht..... 
—E Meine Herren vernahmen, wie viel der Ihrigen [der Armagnafen] 
zu St. Jakob erjchlagen wurden, das erfuhren wir von den SKapitänen, daß 
ihrer über 2200 waren. , 


B. Ausländiſche Berichte, 


1. Brief des Aeneas Sylvius an Joh. Gers. 


Aus dem Lateinischen übersetzt v. Reber. 


Aeneas Sylvius Piccolomini von Siena, berühmt als Humanist und nachmaliger Pabst 
Pius II., war im Anfang eines der tätigsten Mitglieder des Basler Konzils. Während 
der Schlacht selbst befand er sich zwar nicht mehr in Basel, sondern auf dem Reichstag 
zu Nürnberg in der Umgebung des Kaisers Friedrich III.; aber hier oder durch seine 
Bekanntschaften auf dem Kgnzil mochte er rasche und sichere Kunde über die Schlacht 
erbalten haben. 


Aeneas Sylvius der Dichter, grüsst den Herrn Joh. Gers, den 
Pronotarius des Königs, den trefflichen Mann und Freund des Freundes. 

Ich weiss, dass du einen Brief von mir wünschest, um zu erfahren, 
was wir treiben; das menschliche Gemüt ist ja stets nach Neuigkeiten 
begierig. Ich würde dir auch wirklich schon lange geschrieben haben, 
wenn ich nur zuverlässige Boten hätte. Wenn aber Leute aus deiner 
Nähe herkommen, so fliehen sie mich gleichsam mit Fleiss, um nicht mit 
meinen Briefpäcklein belastet zu werden, wie eben heutzutage die Men- 
schen sehr ungefällig sind. Doch diesen Brief beschloss ich auf gut Glück 
zu entsenden, damit er dich treffe, wenn er könne, und dich mit dem 
bedeutendsten Neuen dieser Zeit bekannt mache. Ich glaube, du hast 
durch ein flüchtiges Gerücht von der Ankunft der Franzosen gehört. 
Aber nun empfange von mir die Gewissheit, und was ich dir schreibe, 
das kannst du als ein Evangelium ausbreiten, wenn du es durch meinen 
Brief bestätigt findest. In diesen Tagen kam Ludwig der Dauphin von 
Vienne und Erstgeborner des Königs von Frankreich über die Grenzen 

Oechsli, Quellenbuch, 10 


146 


des Reichs und belagerte eine Stadt, Namens Mömpelgart, welche die 
Grafen von Würtemberg vom Reich zu Lehen besitzen. Als der Delphin 
einige Zeit dort verweilt, kam er endlich mit den Burgleuten überein, 
dass ihm die Stadt auf eine gewisse Zeit übergeben werde, nach deren 
Verlauf er sie wieder frei zurückgeben wolle. — — Sobald der Dauphin 
sich Mömpelgarts bemächtigt, liess er überall seine Ankunft kund tun, 
doch nicht bei allen auf dieselbe Weise. Einigen nämlich meldete er, er 
komme dem Adel zu Hilfe, als wäre dieser in Deutschland von den 
Bürgerschaften unterdrückt. Andern aber sagte er, er sei vom Römischen 
König berufen gegen die Schweizer. Wieder einigen versicherte er, er 
komme die Rechte des Hauses Frankreich anzusprechen, welche bis an 
den Rhein sich ausdehnen, und aus letzterem Grund werde er Strassburg 
belagern. Auch wegen des Herzog Siegmund erklärte er gekommen zu 
sein. Diese Gerüchte suchte er überall zu verbreiten, nicht weil dem so 
war, sondern weil er sich dadurch Zuneigung zu erwerben hoffte. 

Auf diesen Ruf hin schickten die Adelichen des Elsass, denen die 
Herrschaft der Schweizer drückender scheint, Gesandte an den Dauphin 
und bitten ihn um Hilfe gegen die Schweizer. Über das Heer des Dauphins 
schwanken die Angaben: die höchste gibt ihm 60 000 Mann, die geringste 
25 000, die mittlere 30 bis 36 000. Zwischen dem Dauphin und den 
Elsassern wird verabredet, dass 25 000 Mann aus seinem Heere während 
dieses Winters in den Städten des Elsasses aufgenommen werden sollen, 
und der Dauphin selbst verspricht, den Zürchern und den andern Be- 
lagerten Hilfe zu bringen. Die Scharen des Dauphins, gewöhnlich Arma- 
gnaken genannt, nahten schon heran zum Entsatz einer Burg ', welche 
die Schweizer in der Nühe Basels belagerten. Die Schweizer, sobald sie 
das bemerkten, eilen, ohne den Feind abzuwarten, ihm entgegen, und 
greifen die ersten Haufen der Armagnaken an, werfen dieselben nieder 
und schlagen die meisten tot. Die Armagnaken ziehen sich langsam fliehend 
zum grösseren Heere zurück. Jene, nach Blut gierig und nach Sieg lüstern, 
suchen Ruhm und finden ihren Untergang. Sie waren bis zum Siechenhaus 
von St. Jakob gekommen, nur eine Viertelstunde von Basel entfernt; 
hier stürzte der Armagnaken ganze Macht auf die Schweizer, während 
einige vor Basels Toren stehen blieben, die Ausziehenden zu beobachten 
und zu vernichten. Ein grauser schrecklicher Kampf beginnt; und auf 
beiden Seiten fallen überaus viele. Es ist schauerlich zu hören: die 
Schweizer rissen aus ihren Leibern die blutigen Pfeile und warfen sich 
mit abgehauenen Händen auf die Feinde, und hauchten nicht eher den 
Geist aus, als bis sie ihren Mörder selbst ermordet. Einige von Spiessen 
durchbohrt und von Geschossen belastet, rannten in die Armagnaken 
hinein und rächten ihren Tod. Vier Armagnaken verfolgten einen einzigen 
Schweizer, und hatten bereits den Zerschossenen zu Boden gebracht und 
wüteten auf seinem Körper; da dringt dessen Genosse, eine Hellebarde 
erfassend, auf die vier ein, erschlug zwei, jagte die andern in die Flucht, 
und lud darauf den Halbentseelten auf seine Achseln und trug ihn, den 
Feinden zum Trotz, zu den Seinen. Hinter den Schweizern stand eine 


' der Farusboarg. 





147 


Mauer des St. Jakobgartens, durch welche sie von einer Seite sich ge- 
schützt glaubten und nur nach vorne kämpften. Die Deutschen aber, die 
bei den Armagnaken waren, brechen in den Garten, durchgraben die 
Mauer und greifen die Schweizer im Rücken an, was eine Hauptursache 
des Untergangs der Schweizer gewesen ist. Nun wird vor- und hinter- 
wärts gekämpft; Mann ringt mit Mann; nicht mehr aus der Ferne, 
sondern Aug in Auge zückt man das Schwert. Die Schweizer, gleich 
Löwen, rasen mitten in die Sieger durchs ganze Heer, schlagen, schmettern 
alles nieder, nicht als kämpften sie um den Sieg, sondern im Bewusstsein, 
ihren Tod zu rächen; die Schlacht hat vom Anbruch bis zum Neigen des 
Tages gedauert. Zuletzt sanken die Schweizer, nicht besiegt, sondern vom 
Siegen ermüdet, mitten unter den gewaltigen Feindeshaufen zusammen. 
Ein trauriger und höchst blutiger Sieg war das für die Armagnaken, 
und sie behaupteten das Feld als Überwinder nicht durch Tapferkeit, 
sondern durch Übermacht. Von den Schweizern sind nach den Berichten, 
die am höchsten gehen, 4000 untergegangen, nach den niedrigeren Be- 
richten 1500 Mann. Von den Armagnaken, behaupten einige, seien noch 
mehr vermisst worden, als von den Schweizern; an Pferden war der 
Verlust sehr gross; mehrere Deutsche, die an den Schweizern ihre Rache 
kühlen wollten, kamen ums Leben. Das Verderblichste für die Schweizer 
aber war ihr hoher Mut, oder soll man es Tollkühnheit nennen? Denn 
durch ihre Feindesverachtung wurden sie in eine Lage gebracht, aus 
der sie nicht mehr entrinnen konnten. Der Kluge fürchtet den Feind 
nicht zu sehr und verachtet ihn eben so wenig ..... 


2. Jean Chartier. 


Jean Chartier, Kantor der Kirche von St. Denis und französischer Historiograph 
um 1450, schrieb eine französische Chronik, welche die Ereignisse seiner Zeit von 1422 
bis 1461 enthält. 


Der vorgenannte Dauphin brach mit einer grossen Gesellschaft 
von Herren, Edeln und Hauptleuten auf... er kam bis Basel. Etwa 
eine Stunde vor der genannten Stadt fand er wohl 800 Schweizer, 
welche sich in einem Siechenhause verschanzten und hernach in dem 
Garten desselben, um gegen den genannten Dauphin Widerstand zu ver- 
suchen; aber er besass zu grosse Macht gegen sie. Nichts destoweniger 
verteidigten sie sich sehr tapfer, in Ansehung der geringen Anzahl Leute, 
die sie hatten, gegen ihre Gegner; sie töteten selbst den vorgenannten 
Ritter des Kaisers, Namens Bourga ! [d. i. Burkhard Mönch], und mehrere 
andere, welcher Ritter hauptsächlich diese Armee führte, wiewohl sie 
hernach endlich alle zum grössten Teil getötet oder gefangen wurden..... 
Bald nachher begannen die vom Heere des genannten Dauphins das Land 
zu plündern und grosses und ungeheures Unheil anzurichten, weshalb die 





' Vrgl. die Schlachtbeschreibung des zeitgenössischen Kaplans Erhard von Appen- 
weiler in Basel: »Herr Burkhard Mönch sah in den Garten, sprach: „Ich sehe in 
einen Rosengarten, den meine Vorfahren gesäet haben vor 100 Jahren“, ward geworfen 
zum Visir ein, dass er geführt ward gen Landsehr, danach kein Wort mehr geredet 
und starb.“ 


148 


Schweizer und Deutschen sich in Scharen versammelten und einen grossen 
Teil dieses Heeres niedermachten. Hierauf kehrte der Dauphin, da er 
sah, dass das ein arges und wunderbares Land (voyant que c’estoit un 
facheux et merveilleux pays) sei und da der, welcher sie hätte führen 
sollen und alle die Schlupfwinkel des Landes kannte, tot war, zu dem 
König, seinem Vater, nach Nancy zurück ..... . 


3. Matthieu de Coucy. 


Matthieu de Coucy, ein französischer Edelmann, schrieb um 1461 eine Fortsetzung 
der bis 1444 reichenden Ühronik des Enguerrand de Monstrelet. 


. . . Sobald er [der Dauphin] das genannte Land betreten hatte, 
beschlossen jene Gemeinen, Schweizer genannt, welche von seiner Ankunft 
hinlänglich unterrichtet waren und sich deshalb schon in grosser Zahl ver- 
sammelt hatten, einen Teil ihrer Leute dem Dauphin und seiner Truppe 
entgegenzusenden, um ihm entgegenzutreten und mit ihm zu kämpfen. 
So begaben sich wohl etwa 6000 |?] auf den Weg, und in der Tat zogen 
sie vorwärts und nahten ihren Gegnern, d. h. den Franzosen, welche ihre 
Ankunft erfahren hatten, sich sammelten und mit gutem Rat und Vor- 
bedacht beschlossen, sie im freien Felde anzugreifen und zu bekämpfen. 
Und so wie sie es beschlossen hatten, taten sie es. Es fand eine sehr 
harte und wunderbare Schlacht zwischen diesen Parteien statt, welche 
drei bis vier Stunden dauerte, bevor man sehen konnte, wer Sieger bliebe; 
denn in Wahrheit, wenn die Franzosen tapfer angriffen, verteidigten 
sich jene Gemeinen auch sehr hartnäckig und heftig. Und es wurde mir 
über diesen Gegenstand von einigen Edelleuten, welche bei dieser Schlacht 
gewesen waren und welche einst in den französischen Kriegen in meh- 
reren Schlachten und Treffen sowohl gegen die Engländer als gegen 
andere gewesen waren, gesagt, dass sie zu ihren Zeiten Leute von 
solcher Kraft in der Verteidigung, von so beleidigendem Trotz und 
kühner Todesverachtung weder gesehen noch gefunden hätten (qu'en 
leurs temps ils n’avoient veu ni trouyé aucunes gens de si grande de- 
fense, ny tant outrageux et t&meraires pour abandonner leurs vies). 
Immerhin, nachdem die beiden Parteien so fortgefahren und, wie gesagt, 
vier Stunden hindurch oder mehr mit einander gestritten hatten, be- 
gannen endlich die Schweizer zu weichen und zogen sich in einen ein- 
gehegten Weinberg, wo ganz nah ein Kloster war, welches mit Mauern 
umgeben und umschlossen war. Hier begann das Handgemenge aber- 
mals und sie kämpften und verteidigten sich sehr mutig und noch eine 
lange Zeit hindurch; aber das half ihnen nichts; denn durch die Tapfer- 
keit und Beharrlichkeit der Franzosen wurden sie endlich besiegt und 
wurden auf der Stelle ungefähr 4000 [?] von jenen Gemeinen getötet; der 
Rest rettete sich durch Flucht, so gut sie konnten. Auf Seiten der 
Franzosen wurden nur etwa sechzig |?) Mann getötet, unter welchen ein 
Edelmann, Namens Robert von Breeze, der Bruder des Herren von Varenne, 
mit einigen andern Edelleuten starb. .... 


56. Ein Gefecht auf dem Zürichſee. 29. Mai 1445. 
Friind ©, 240. 


149 


(br habt hievor wohl verftanden, wie die von Schwiz mit Nat 
und Zutun ihrer Eidgenofjen die großen Schiffe und den großen 
— lo machten, darein fie nun Büchfen legten und bejonders in 
den Floß die große Büchſe, damit ſie nun denen von Rapperswil viel 
Kummer und Schaden taten und alſo den See mit Gewalt inne hatten mit 
ihrem Zeug und namentlich mit dem Floß, der ihre große Büchſe trug, 
und womit man ſchoß vom See aus, davon man vormals nie etwas gehört hatte. 
Da nun ein altes Sprichwort iſt: Fund fand Fündlein, eine Liſt, andere 
Yılt, da dachten die von Zürich dem nad), wie fie überſchiffet und vom See 
getrieben wären und wie jie nun diefe wieder überjchiffeten und den See 
wieder einnähmen. Und Liegen fich auch zwei Flöße machen, die wohl fo 
groß oder der eine eher größer, al8 der von Schwiz, waren, auch zwei neue 
große Schiffe, die fie nun mohl mit Büchſen und mit Geſchütz verfahen, 
bejonders in den einen Floß zwei Büchjen, da die eine nad) vorne, die andere 
nah Hinten hinaus ſchoß. Nun follt ihr wiffen, daß im Herbſt die von 
Zürich zeitig mit ihren zwei erften großen Schiffen heraufgefahren waren 
früh im Nebel, daß die, jo zu Pfäffikon lagen, ihrer nie inne worden 
waren; vielmehr waren fie joweit heraufgefahren, eb ſich der Nebel verzog, 
daß fie mit der Koft [Proviant) auf Rapperswil zufamen. Doc da die von 
Präffifon ihrer gewahr wurden vor dem Nebel, da eilten fie ihnen nach; aber 
fie fuhren mit der Koft ans Yand, und jchoffen da gar lang, hart und feft 
gegeneinander. Alſo hielten die von Schwiz Tag und Nacht Hut und wachten 
auf die Schiffe, wenn fie die wieder heim gen Zürich abführen wollten, da jie 
bofften, fie jollten ihnen dann werden. Ob das die von Züri und von 
Rapperswil verftunden oder nicht, weiß ich nicht. Die Schiffe blieben immer 
zu Rapperswil bis auf diefen Tag, wie ihr hören werdet. — — Alſo auf 
Freitag vor Alferheiligen [29. Oft.] da famen auch die von Zürich mit allem 
ihrem Zeug heraufgefahren und mit ihren Yadichiffen, darin fie die Koft 
und die Speifung führten, und wurden der Schiffe alfo zwölf. Das wurde 
nun gen Pfäffiton fund getan. Da rüfteten fich die zu Pfäffikon von Stund 
an und wurden zu Rate, daß ſie's immer angreifen wollten, wie fie auch 
taten, und machten ihre Schiffe und den großen Floß bereit und fuhren den 
Feinden entgegen. 

Und gegen Mänidorf, da jie erft jo nah einander famen, daß fie ein- 
ander erreichen mochten, da griffen jie einander an mit Geſchütz und fuhren 
unter einander. Alfo hatten die von Rapperswil aud; darauf gewartet und 
famen von oben herab mit den zwei Schiffen derer von Zürich und mit einem 
Fähnlein und fchoffen auch ſtark drein, und trieben das den ganzen Tag mit 








150 


einander hart und ftreng. Alſo ward die Gans — das war ein großes jchönes 
Schiff von Pfäffiton — in Wahrheit ftarf verwüftet und durdhichoffen, auch) 
ein Zeil Yeute darin, jo daß das Schiff weichen mußte. Ebenjo war der 
Floß nicht mit Pulver noch mit Steinen verjeben; vielmehr mußten jie mit 
dem Floß aucd weichen und fuhren mit dem Floß zunächſt unterhalb Bäch 
ans Yand und liefen aus dem Floß. Die Feinde jagten ihnen nad); und 
wie ih damals vernahm, jo hatten fie fchon den Floh und die große Büchſe 
verloren gegeben. Und aljo blieb das große Schiff mitten unter denen von 
Zürich und den Feinden und widerjtand ihnen redlich. Darein und da— 
durch geihah nun mander Schuß, es jei dann unten oder oben im Schiff ; 
auch wurden Veute darin verwundet und jicher war bier Angſt und Wot. 
Alſo trieben fie das bis zum Abend jpät; damit fuhren die Yadichiffe immer 
vorwärts. Die gerüfteten Schiffe von Pfäffifon konnten micht viel tun; denn 
fie hielten [fich] außerhalb des Geſchützes, und alfo fuhren die von Zürich mit 
Gewalt und mit allem ihrem Zeug und mit ihnen die von Rapperswil hinauf 
gen Rapperswil. Dieſe fuhren auch gen Pfäffikon, zu Freienbach und allent- 
halben ans Yand, wo fie zuerft konnten, und wurden auf Seiten derer von 
Schwiz in der Gans und im großen Schiff verwundet und bejchädigt gegen 
12 Mann; da war einer aus derer von Yuzern Gebiet, einer aus der March 
und zwei von Schwiz, die erjchoffen wurden. 


57. Aus dem Ewigen Burg- umd Landrecht des Abts von 
St. Gallen mit Zürich, Luzern, Schwi; und Glarus. 
Dfäffikon, 17. Aug. 1451. 


Abi. I. ©. 864 fi. 


1. Wir, Kaſpar von Gottes Verhängung Abt und der gemeine Kon» 
vent des würdigen Gotteshaufes zu St. Gallen des Ordens Sanfti Be- 
nedifti, im Stonftanzer Bistum gelegen, dem heiligen Stuhl zu Rom un— 
mittelbar zugehörend, tun öffentlidy fund mit dieſem Brief allen, die ihn 
jehen oder lejen bören, gegenwärtigen und finftigen Leuten, denen es zu 
wiſſen nötig ift: Daß wir im unjerm gemeinen Kapitel oft und häufig gar 
eigentlich betrachtet haben, daß wir und ımjer Gotteshaus ohne Schirm der 
Weltlichen nicht bleiben noch bejtehen mögen, und wo ung und unjerm Gottes— 
haus Schirm umd Troft am allermüglichiten zu ſuchen jei, damit unſer Gottes: 
haus in Würden, Ehren und bei jeinen echten bleibe und wir und unjere 
Nachfolger dem allmächtigen Gott und den würdigen Himmelsfürften St. Gallus 
und St. Othmar darin dejto vollfommener und andächtiger dienen mögen. 


151 


Und nach gar manchem dringenden und ernftlichen Rate, jo wir oft und 
bäufig in unſerm Kapitel darım gehabt, und auch anderer unferer Freunde 
und Gönner und auch aller der Unfern, die uns und unferm Gotteshaus 
zugehören, Rates darin gepflogen haben, jo haben wir nichts anderes finden 
fünnen, als daß es uns umd unjerm Gotteshaus am nützlichſten ſei, Schirm 
und Zroft zu juchen bei den Notfeften und Fürfichtigen weifen Burgermeijtern, 
Schultheißen, Ammännern, Näten und Gemeinden dieſer nachgejchriebenen 
Städte und Yänder: nämlich Zürich, Yuzern, Schwiz und Glarus, 
als bei denen, die das Yob und die Ehre von dem allmächtigen Gott und aud) 
der Welt erlangt haben, daß fie ihre Gotteshäufer und alle ihre Priefterjchaft 
jo redlich jchüten, handhaben und ſchirmen, davon fie bei Gott und der Welt Yob und 
Ehre und ihre Gotteshäufer deſſen Nugen haben. 2. Darım..... jo haben 
wir für und und unſer Gotteshaus und alle unfere Nachfolger und alle die 
Unfern, jo unferm Gotteshaus zugehören oder künftig je zugehören werden, 
niemand ausgenommen, ..... von den obgenannten unſern guten Freunden 
von Städten ımd Yändern der obgenannten Eidgenoffen, nämlich Züri, Lu— 
zern, Schwiz und Glarus ein ewig Burgrecht und Landrecht an ung 
genommen, und nehmen das an uns fraft diefes Briefes, nämlich mit unferer 
Stadt Wil im Thurgau, den Feſten Iberg und Rorihad, der Ge- 
rechtigfeit der Burgſäßen und jonft mit allen andern Schlöffern, Tälern, Yanden 
und Yeuten, jo wir jett haben oder hinfür gewinnen, nämlich zwijchen dem 
Bodenjee und dem Zürichſee gelegen .... mit den Worten, Stüden, Punkten 
und Artifeln und jolhen rechten Bedingungen, wie hienad) gejchrieben fteht. 

— — 6. Daß wir obgenannter Abt von St. Gallen, unſer Konvent 
und all unſere Nachfolger mit der Stadt Wil ꝛc. den obgenannten unfern 
‚sreunden, den Eidgenofjen der genannten Städte und Yänder gehorfam, ge: 
wärtig und behilflich fein jollen, jo oft es der Fall iſt, daß fie unfer bedürfen 
zu allen ihren Nöten innerhalb der obgen. Seen in unjern eigenen Koften. 

T. Atem und dag die Unſern von Wil, auch berg und Rorſchach und 
die Gerechtigkeit der Burgſäßen und alle andern unfere Städte und Schlöffer, 
die wir hinfür gewinnen innerhalb der obgenannten Seen und Kreiſe der 
obgenannten Eidgenofjen von Städten und Yändern offene Häufer fein jollen 
in allen ihren Nöten, jo oft und jo viel das notwendig wird, 

8. tem, wenn wir obgenannter Abt und unfer Stonvent, unſer Gottes- 
baus und die Unſern oder unjere Nachfommen insgemein oder einzeln mit 
jemand Streit hätten oder befämen, die in diefem Burgrecht oder Yandrecht 
nicht inbegriffen wären, und unſer Widerpart Necht böte auf die vorgenannten 
Eidgenoffen von Städten uno Yändern, folches Necht follten wir eingehen und 
uns mit jenem echt gänzlich begnügen und fein anderes juchen und von 
dem Krieg lajjen, wenn wir dazu von den vorgenannten Eidgenojjen von 
Städten und Yändern ermahnt werden. — — 





152 


58. Aus dem ewigen Bindnis der Stadt St. Gallen mit den 
fechs Orten (ohne Uri und Unterwalden). 13. Zuni 1454. 
Eidgen. Abſchiede II. ©. 878 fi. 


1. Im Namen der heiligen löblichen Dreifaltigfeit, des Vaters, Sohns 
und des heiligen Geiftes, Amen. Ewige Dinge und ewige Freundſchaft ſoll 
man beftätigen und befeftigen mit Schrift, deshalb weil des Menſchen Ge- 
dächtuis und Natur franf und blöde find umd in dem Yauf der Zeit ver- 
gangener und vergänglicher Dinge bald vergeffen wird. Und darum daß dieje 
ewige Freundichaft einen guten Anfang nehme, eine bejfere Mitte und das 
alferbejte Ende, und daß folder Freumdichaft auf ewige Zeiten nimmermehr 
vergejfen werde, jo fünden und erklären Wir der Burgermeifter, die Schult- 
beißen, Ammänner, Räte, Burger und Yandleute insgemein diejer nachbenannten 
Städte und Yänder, nämlih Züri, Bern, Yuzern, Schwiz, Zug und 
das äußere Amt, fo zu Zug gehört, und Glarus, Und mir der Burger: 
meifter, die Näte umd die Burger insgemein der Stadt zu St. Gallen 
allen denen, jo diefen Brief anſehen, leſen oder hören leſen, nun und ber- 
nah, daß wir gar eigentlich angejehen und bejonders betrachtet haben ſolche 
Treue, Yiebe und Freundichaft, fo unſere Vorfahren und auch wir gar lange . 
Zeit mit einander gehabt haben, und, auf daß mın diejelbe Freundichaft zwi: 
hen ums im guten Treuen ewiglich befeftigt und bejtätigt werde, jo haben 
WIE nr eine ewige Freundſchaft mit einander gemadt .. . - 
2, alſo daß wir die obgenannten Eidgenofien von Städten und Yändern die 
obgenannten Wurgermeiiter, Nät und Burger insgemein zu St. Gallen und 
alfe ihre Nachlommen zu unſern ewigen Eidgenoffen angenommen und em— 
pfangen haben, und wir obgenannte Burgermeiſter, Rät und Burger insge: 
mein zu St. Gallen find für uns und alle unjere Nachkommen der obge- 
nannten Eidgenofien von Städten umd Yändern ewige Eidgenoſſen geworden 
mit jolchen Worten und Bedingungen, wie bienach in diefem Brief ausdrücklich 
geichrieben jtebt: Dem ift alſo: 

3. Erftens, wäre es daß wir die obgenannten Ztädte und Waldſtätten 
alle oder unter uns eine Stadt oder ein Yand beionders mun und bernad 
mit jemand . . . Mißbelligkeit und Krieg bütten oder befämen, ..... 
diefelben jollen dann Gewalt baben, uns die Vorgenannten von Zt. Gallen 

. um Dilfe zu mabnen; und jollen wir, Ddiejelben von Zt. Gallen 

. nah der Mabnung unverzüglib und obne alle Widerrede mit unjern 


Yeibern md mit umjerem Gut und mit unierer Macht .... zu ibnen 
eder anderswobin, wobin wir dann gemabut find, zieben ..... 4. und 
jollen die Hilfe gänzlich im unſern Neiten leiten. — — — 5. Wäre 


es auch, daß die ebgenannten unjern Eidgeneſſen von Zt. Gallen fürbashin 
mit jemand... . . diesſeits des Rbeines, Des Bodenſees und des Gebirgs 


153 


Streit oder Krieg befümen und fie dDäuchte, daß fie dabei unferer Hilfe benötigt 
wären, das mögen fie uns in Städten und Yändern mit ihren Boten oder 
Briefen in unſeren Näten verkünden und zu wiffen tun, dann follen wir die 
vorgenannten Eidgenoffen den obgenannten unfern Eidgenoffen von St. Gallen 
unjere Hilfe unverzüglich zujenden .... und jolhe Hilfe ſollen wir die 
obgenannten Eidgenojjen .. . . . in unjern Koſten leiften. — — 

6. Wir die Obgenannten von St. Gallen jollen auch mit niemand einen 
Krieg anfangen und auch niemand außerhalb der Eidgenofjenichaft in einem 
Krieg beholfen noch beraten jein ohne der obgenannten unjern Eidgenojjen 
von Städten und Yändern aller insgemein oder des Mehrteils unter ihnen 
Rat, Gunſt, Wilfen und Willen, 

7. Und wäre e8, daß wir... von St. Gallen mit jemandem etwas 
zu ihaffen hätten... .. und uns der oder die vor Kriegen, oder jo wir mit 
ibm oder ihnen zu friegen kämen, ſolche gleiche, völlige, billige Nechte böte, 
dag unjere obgenannten Eidgenoffen insgemein oder den Mebrteil unter ihnen 
bevünfte, daR es ihnen und uns ehrlich wäre, daß wir eines der Nechte auf: 
nehmen jollten, jo jollen wir es tun und ihnen darin gehorjam und folgjam 
jein ohne Widerrede. 

8. Wir die Obgenannten von St. Gallen oder umere Nachkommen follen 
uns auch mit niemand, weder mit Herren, noch mit Städten, jegt noch in 
fünftigen Zeiten verbinden, mit feinen Gelübden noch Eiden ohne der obge- 
nannten unjern Eidgenojjen von Städten und Yändern insgemein oder des 
Mehrteild unter ihnen Nat, Gunſt, Wiffen und Willen. — 

9. Würden aud) die obgenannten unjern Eidgenoffen, Städte und Yänder, 
fürhin je mit einander mißhellig oder uneins . . . ., was Gott ewiglich 
wende. . . ., jo mögen wir die Obgenannten von St. Gallen durch unjere 
Botſchaften ..... . wohl verfuchen, ob wir jie mit Freundſchaft mit einander 
verjöhnen möchten; möchte aber das nicht fein, was dann der Mehrteil unferer 
obgenannten Eidgenoffen in den Sachen vornimmt, das jollen wir mit ihnen 
vornehmen, wenn fie unjer dazu begehren, ohne alle Gefährde und Wider: 
rede. — — 

17. Und alſo haben wir, die obgenannten Burgermeiſter, Räte und 
Burger insgemein zu St. Gallen und unter uns jeglicher für ſich, nämlich 
alle Männer und Knaben, die ſechzehn Jahr alt und älter ſind, gelehrte Eide 
mit aufgehobenen Fingern und gelehrten Worten geſchworen zu Gott und 
den Heiligen für uns und unſern Nachkommen, das alles ... getreu, wahr, 
feit und ftät zu halten, dem nachzufommen und genug zu tun. 

18. Wir die jet genannten VBurgermeifter, Nät und Burger insgemein 
zu St. Gallen und alle unfere Nachkommen jollen auch künftighin je zu zehn 
‚Jahren, vorher oder nachher, ungefähr, wenn das von den obgenannten un- 
jern Eidgenofjen insgemein oder dem Mehrteil von uns zu tun gefordert 





u 


Lt 


md, ... . ſolche Eide und Briefe beichwören, erneuern und mit unſern 
Eiden befeitigen. 


29. Papſt Pius II. Riftet die Univerfität zu Bafel. 12. Nov. 1459. 


Aus dem Lat. überserzt von W, Fischer Gesch. der Universität Basel. S. 26 ff. 


@ius, Bischof, der Knecht der Knechte Gottes, zum ewigen Ge- 
dächtnis der Sache. Unter den verschiedenen Glückseligkeiten, 
welche der sterbliche Mensch in diesem hinfälligen Leben 

9 durch Gottes Gabe erlangen kann, verdient nicht unter die 
letzten gezählt zu werden, dass er durch beharrliches Studium die Perle 
der Wissenschaften zu erringen vermag, welche den Weg zu gutem und 
glücklichem Leben weist und durch ihre Kostbarkeit den Wissenden 
hoch über den Unwissenden emporragen lässt. Sie macht überdies jenen 
Gott ähnlich und führt ihn in die klare Erkenntnis der Geheimnisse der 
Welt ein, sie steht den Ungelehrten bei und hebt die in tiefster Niedrigkeit 
Geborenen zu den Höchsten hinauf. Daher denn der apostolische Stuhl, 
als vorsorgender Spender geistlicher und auch weltlicher Güter, als um- 
sichtiger Austeiler ehrbarer Freigebigkeit, als steter und beharrlicher 
Beförderer jeder löblichen Übung, auf dass die Menschen desto leichter 
dazu geführt werden, eine so erhabene Höhe menschlicher Bestimmung 
zu erwerben und wenn erworben wieder über andere zu ergiessen, immer 
mit Vermehrung des Gewonnenen, indem anderer Dinge Verteilung die 
Masse vermindert, aber der Wissenschaft Mitteilung, je grösser die Zahl 
derer ist, auf die sie sich erstreckt, desto mehr zunimmt und wächst, — 
jene aufmuntert, ihnen Stätten bereitet und zu gedeihlicher Erleichterung 
Hilfe gewährt. Da also, wie eine neulich von Seite unserer geliebten 
Söhne, des Bürgermeisters, Rates und der Gemeinde der Stadt Basel an 
uns gerichtete Bittschrift besagte, sie, nicht allein auf den Nutzen und 
das Gedeihen des gemeinen Wesens ihrer eigenen Stadt, sondern auch 
der andern benachbarten Gegenden bedacht, gar sehr wünschen, dass 
in besagter Stadt Basel, als einem ausgezeichneten und wohlgelegenen 
Orte, der sich einer milden Luft erfreut, wo Überfluss an Nahrungs- 
mitteln und eine Fülle aller andern zum täglichen Leben nötigen Dinge 
gefunden wird, und von der die berühmten hohen Schulen Deutschlands 
bekanntermassen ziemlich entfernt sind, durch den apostolischen Stuhl 
ein allgemeines Studium in jeder erlaubten Fakultät gestiftet und an- 
geordnet werde, damit daselbst der katholische Glaube verbreitet, die 
Einfältigen unterrichtet, Billigkeit erhalten werde, verständiges Urteil 
kräftig gedeihe, die Geister der Menschen erhellt und ihr Verstand er- 
leuchtet werden. so werden wir, in Betracht des Vorhergesagten und 
auch der ausgezeichneten anfrichtigen Treue und Ergebenheit, welche 
sie, Bürgermeister, Rat und Gemeinde anerkanntermassen gegen uns und 
die römische Kirche tragen, vom feurigen Wunsche geleitet, dass die 








155 


genannte Stadt mit den Gaben der Wissenschaft geschmückt werde, so 
dass sie Männer hervorbringe, ausgezeichnet durch Reife des Urteils, 
gekrönt mit dem Schmucke der Tugenden und gelehrt in der Weisheit 
der verschiedenen Fakultäten, und dass dort ein sprudelnder Quell der 
Wissenschaften sei, aus dessen Fülle alle die schöpfen mögen, welche 
in die Lehren des Wissens eingeweiht zu werden wünschen. Und den 
hierauf bezüglichen demütigen Bitten der besagten Bürgermeister, Rat 
und Gemeinde Gehör gebend, bestimmen wir zum Lobe des göttlichen 
Namens, zur Ausbreitung des vorbenannten Glaubens und zu Nutzen und 
Wohlfahrt des gemeinen Wesens und seiner Teile, vermöge aposto- 
lischer Machtvollkommenheit und ordnen an, dass in der Stadt Basel 
hinfort ein allgemeines Studium sei und auf alle zukünftigen Zeiten 
in Kraft bestehe in der Theologie, im kanonischen und bürgerlichen 
Kechte, wie auch in jeder andern erlaubten Fakultät und dass der bas- 
lerischen Hochschule Kanzler unser ebrwürdige Bruder Johannes sei und 
der jeweilige Bischof von Basel, und dass die daselbst Lesenden und 
Studirenden sich aller und jeglicher Privilegien, Freiheiten, Ehren, 
Exemptionen und Immunitäten erfreuen und geniessen sollen, welche den 
auf der hohen Schule unserer Stadt Bologna verweilenden und wohnhaften 
Magistern, Doktoren und Studenten bewilligt sind, und überdies erteilen 
wir dem Kanzler, den Magistern, Doktoren und Schülern der besagten 
baslerischen Hochschule durch Gegenwärtiges volle und freie Befugnis, 
nach der Weise der Hochschule in Bologna Satzungen und Ordnungen 
zu machen, welche jedoch, wenn sie zweckmässig sind, vom apostolischen 
Stuhle sollen bestätigt werden, und sollen dem die apostolischen Kon- 
stitutionen, Ordnungen und was sonst damit im Widerspruch sein mag, 
nicht im Wege stehen. 

Keinem Menschen soll es also erlaubt sein, diesem Brief unserer 
Satzung, Ordnung und Bewilligung Gewalt anzutun oder durch ver- 
nessenes Unterfangen ihm entgegenzutreten. Wenn aber einer sich dies zu 
versuchen unterstehen sollte, so wisse er, dass er den Zorn des allmäch- 
tigen Gottes und seiner seligen Apostel Petrus und Paulus auf sich laden 
würde. Gegeben zu Mantua, im Jahre der Menschwerdung des Herrn 1459, 
am Tag vor den Iden des Novembers, unseres Papsttums im zweiten Jahr. 


60. Ein Lied von der Eroberung des Thurgaus. 1460. 


rilienkron, bit. Volkslieder I. ©. 521. 


1. Der frieg der bat ſich aber ' erhebt, 2, An dem fürften von Djterrich 
die richtung ® ift ufgſchloßen 3, von ftammten hochgeboren, — 
die eidgnoßſchaft die ift erwegt !, wie daß fie wärind uncriſtenlich. 
man bats’ verlegt ’, — num mertend mich, 
das hats’ gar fer verdroßen er bat daran verloren. 
'" abermals. — * der Friede. — *ift aufgeſchloſſen, ſo daß der Krieg herauskann. — 
* bewegt, aufgeregt. — ? verklagt, nämlich beim Papſte, bei welchem Herzog Sigmund 


wegen der Wegnahme Rapperswils Bann und Interdikt gegen fie zu erwirken juchte, 


156 


3. Sie famend fin ! in bäpftlich ban, 9. Wurd !® er fih aber fumen lang 
das hand fie wol vernomen; und fürdten fines lebens: 
er hat e8 in getan zur fchand, ein ftetlin, Frowenfeld genant, 
umb lüt und land wirt angerant, 
ift er fin ? nad * komen. es wirt fih drin ergeben. 
4. Sölich Mag man bat vernon * 10. Swiz und Glarus band dar zuo ton, 
in allen eidgenoßen ; (wol uf, ir lieben herren!) 
die bull und brief die find nun kon, band die von Uri mit in gnon, 
ft ligend ſchon ins Oberlandz' fon '7; 
je Swiz und Zürich bichloßen ®, die pundichaft '° wend wir meren. 
5. Bon Underwalt Heini Wolfent 11. Alſo band fi den zug geton, 
(man lobet in ze fechten), ze Wintertur finds’ bliben; 
du bift der giellen bouptman guent, die fromen von Zitrich find zuo in kon, 
die hand fich bient, ir botfchaft 
fie wellinds’ am fürften rechen. gen Bern band fi verjchriben. 
6. Gen Rapperswil hat er fidh gleit, 12. Si famend röſch! und zugend bald ”", 
man bat in ingelaßen; fi batend drab fein gruen; 
dem fürften hat er abgefeit ?, fi famend mit eim fchönen gmwalt ®', 
gar mol bereit da in der gitalt 
ein panner ußgeftoßen *. wurdend wol jechzehentujend. 
7. Lucern ®, dur bift ein rechter fern, 13. Dießenbofen an dem Rin, 
din harnift wit ergleftet ’°, bert mit guoten muren, 
diner hilfe wend wir nit embern, es muoß der eidgenoßen fin: 
ir tüends doch gern, fi fine dar in, 
ein ganzen züg '" ir geftet !*, es fölt den adel turen ®, 
8. Wil nun der adel darzuo tuon, 14. Was bat der fürft gewunnen dran? 
fo vindt ers’ bi einandren zum babit louft er gen Hagen! 
uf einer mitt '? figen fchon ', er Soll fein brugg am Rin mer ichlan, 
vil mengen man fi wurd mit beſtan, 
ligen uf iren landen '®, man lieh im nit ein laden ®°, 
' feinetwegen. — ? deshalb. » nachher, — * vernommen. — * gelommen. — 


® eingefchteffen. — 7 Die Unterwaldner, an ihrer Spitze der Hauptmann un Wolffent, 
ſagten Oſtreich zuerſt (am 20. Sept.) Fehde an (f. Eidgen. Abſch. II. 307), weil er 
fie beim Papft verklagt habe. — * aufgepflanzt. — ® Auf Unterwalten folgte am 93, Sept. 


Luzern. — 'Paufleuchten, glänzen. — ! Kriegerſchar. — "2 Heiden, Schmiden. — '® Ebene. — 
ſchön. — 1% Der deutiche Adel prablte immer, die Bauern follten nur einmal ins ebene 
‚Feld hinaus fommen. — '* würde. — "ins Oberland zu fommen. Am 30. September 


zogen Un, Schwiz und Glarus insg Oberland, nahmen Walenjtadt, Nidberg, Freudenberg, 
und drangen bis Baduz; von hier zogen ſie nach Wintertur den Zürchern zu, die 
mittlerweile auch Oſtreich abgefagt hatten. — !* den eidgenöffiihen Bund. — "9 fchnell, 
behend, munter, — mutig, fühn, ſchnell. — *' mit einer ftattlihen Macht. — ** dauern. — 
23 sc, daran. 


157 


61. Ein Lied vom Sundganerzug. 1468. 


Pilientron I. S. 552. Tobler, Voltslieder IL ©. 43. 


. Ein liedli wil ich heben an: 


wilde mär ! han ich vernan, 

und wil man's d’eidgnoffen mit erlan, 
fo muoßtends’ aber in d’ wite fan ?; 
da mmoßtend fi ftehen und fchlan, 
das man frilih fan wol verftan. 
bumperlibum aberdran heiahan! 


7. Wol naher, die von Sanen! 


die freffind biiener und hanen !®, 

finds’ nit gioten, jo müends' dran 
zanen "+ 

biderben eidgnoſſen, wir wend üch manen, 

daß ir kömind under unfer fanen, 

fo wend mir troftlich mit lich voran. 

bumperlibum aberdran beiaban ! 


3. Si wend nit glouben an uns ban; 
nun lands’ uns frölid grifen an; 8. Wol naher, die von Underfibental '5! 
fi wellend uns fin nit erlan, die trägend halparten breit und ſchmal; 
ft jebend ?, wir dörfind nit ußer fan *; was fi treffend, das fallt je tal !6 
wir mueßends’ ein fart >an d’ grind ſchlan, menger nimt von inen ein fall. 
das hätend unfer vordern zitlich ® tan. wol ußher uß den Ländern überall, 
bumperlibum aberdran heiahan! ir vom ftetten, ziehnd dran mit fall! 

bumperlibum, aberdran heiahan! 
a ; 

s an — Ei — ſteg. .Do zugend wir über den Houwenſtein ab, 
a ee ze meng breiter vierfchrötiger Schwizerfnab; 
ir von Weggen ®, num find nit träg, i — 

menger bat im ſeckel lützel '7 hab, 
nun merfend uf, was ich üch ſäg! bh *4 ram fin 2% wol ab! 

d wenn's fändli von Tradjien ? bi EEE DEE EM — — 

* uns läg truog uf der achiel ein breiten ftab !® 
; : = damit ein ieder quot werjchaft ?° gab. 
fo ſchuchend '° wir weder wind noch reg. : . i 
/ s lib b 
bumperlibum aberdran heiahan! humperlibum aberdran heiahan 
.Da kamend wir gen Liechſtal bin, 

6. Wol naber '', die von Dürenrot, darnad) ftuond uns gen Bafel der finn; 
und bringend uns naher win und brot, wir meintend, wir wettind all binin, 
daß wir nit werdind bungers tot! do muoßt der merteil bie ußen fin. 
ziehnd friſchlich mit dem panner rot, fie ſchicktend ums aber brot und win, 
ja bi dem wend wir [jtan in not] !? drum ſchicktend wir warlich 's gelt 
und bliben lebend oder tot. binin. 
bumperlibum aberdran heiahan! bumperlibum aberdran heiahan! 

' Nachricht, Kumde. — * vergl. Note 15 beim vorigen Pied. — * fagen. — # her- 
ausfommen (aus unfern Bergen). — 5 einmal. — bei Zeiten. — ? Goldbach im Emmen- 
tal. — * Wilen, Heines Don in der Pfarrei Yananau, — * Trachjelmald. — 'o ſcheuten. — 
‘“ näber, berbei. — '? Die eingeflammerten Worte fehlen in der Handierift, find aber 
ziemlich ficher zu vermuten. — '3 Hähne, — 14 fauen, nagen. — ! Niederfimmental. — 
“nieder, zu Boden. — "7 Heine, geringe. — '* feiner, derfelben, — '?d. b. den Spieß. — 


” Bezahlung. — 


— — 


— — — 


. 


Ro ne angfreſſen warend afın, 
rrgemger was uns des hungers pin, 
zaewtend derieiben nacht neben 

dem Hin, 
ꝓerades damend wir gen Kolmar ! bin; 
Te ehem wir in die keller ın 


> zurdend me warn * balb voll win. 
fermmrlibum aberdran beiaban! 


zz, 


batten mit vil ſildergichirr darbın, 
banftend® in mit füblen in; 
Nezubt wurden wir voll wın, 
zc gung mE tugendliche um, 
eridarcıden was ung Die ſchwere pin. 
ze metatend. 68 jölt wel baib barmeit 
An ®, 
Arneerizum aberdran deiadan! 


Tu Reud wir gen Rewendan. 
22 nl man ir et arm + au: 
Te irgend wir Dune * un dader Jam, 


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15. 


in. 


IS 


Da kamend wir zum wigerhus '*, 

da namend wir die quoten Farpfen uß, 
daſelben lebtend wir im fus; 

erlih machtend zing quater dus !®, 
damit zog das gelt zum ſeckel uß, 

es machet mengem ein wilden grus. 
bumperlibum aberdran beiaban ! 


Der ichimpf !* was im beiten nun wol 
dran, 

wir woltend ein ander gattung fahen ar, 
das man baß glouben an uns möcht han: 
wir zumtend das ichlof !* immwendig an, 
das es in grund und boden verbrann; 
ddar find wir nümen ußbin faır; 

fie dattind ung gem dabeimen g’lan! !? 


Bumdertibum. unruow das fumt, was 
tuot uns? *° 

denner biir dagel deiaban abertran! 

far nun für, dinder für, troll nahen?e, 

Beterman! 

gat aer ’’ am, 

> wi man uns Ru mit erlan, 

abermal in d'wite lan, 

aberdran beiaban! 


Tatamrrairtüctef ins Zundgöm bin, 
meng feiites ſchwin. 
iz) een wänden in, 

su zmet dem Hin; 


N td) az ⁊abder 


- 24 IT £ 
Me Zrsumer dedtend: das mögend 
Ide aälte fin, 
ax Pur ır) ut & mt fümend zuo 


un? bu, 
brrabarn! 





Sr Krme 4 ımmumı2: 08 le beißen 
> > Ne 2 t TI TI men lad 
ne Br ne“ tz — ° cm guter 
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= zir Meuom jr das Sirtz 
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u 27 . m mi 'magten. — 
s ar L — * der Zruß mar 
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>, Cr Gr = r Ir waud. — 
r ni mc ur SuhNtut: der 

x Beh Ye + (bet 


y.„ 


159 
19. Da battend wir ein wilden burlebus ', fi band der kuo? ſidhar mimen g’ruoft 
die Sundgöwer hattend darob ein grus; beruf, 
im brand jagtend wir d'müſe hinuß, fi erforgtend wol aber ein folden ftruß! 


wir battend ® ouch eben wild da bus! damit ift diefes liedli uß. 


Vemerlung. Der Berfaifer diefes wilden Liedes, welches jo recht das Kriegsleben 
jener Zeit wiederipiegelt, iſt, wie aus der Aufzählung der Ortichaften in Nr. 4—8 bher- 
vorgebt, ohne Zweifel ein Berner, vermutlich ein Emmentaler. 


62. Aus der ewigen Richtung * mit — 11. Zuni 1476. 
Eidgen. Abſchiede II. S. 913. 


1. Wir Ludwig, von Gottes Gnaden König von Frankreich, tun 
männiglich kund und bekennen mit dieſem Brief: Da zwiſchen dem durchlauch— 
tigen Hochgebornen Fürſten und Herren Sigmund, Herzogen zu ſtreich, 
Steier, Kärnthen und Krain, Grafen zu Tirol ꝛc. ꝛc., unſerm lieben Oheim, 
einer- und den Fürſichtigen, Ehrſamen und weiſen gemeinen Eidgenoſſen 
von Städten und Ländern, Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwiz, 
Unterwalden, Zug und dem Amt daſelbſt und Glarus und ihren Zu— 
gewandten und Zugehörigen, unſern beſondern guten Freunden, anderſeits und 
ihren beiderſeitigen Vorfahren viel vergangene Jahre mit einander in Kriegen, 
Zweiungen, Irrungen und Streitigkeiten geweſen ſind ...... und wir 
als der, ſo das gerne beigelegt und gerichtet geſehen hätte, beider Parteien 
ind der Liebe wegen, jo wir zu ihnen haben, unſern Edlen und Ehrſamen 
andäctigen Grafen Hans von Eberftein umd Joſt von Silenen, 
Propft zu Münſter im Aargau, unjere Räte, zu den obgenannten beiden 
Parteien gefertigt und geichieft haben ..... ‚ jo jeßen wir die Übereinkunft 
und die Richtung zwifchen den obgenannten Parteien aljo und, wie das 
bienach von einem zum andern geichrieben jteht. — — — 

2. Daß hinfür beide obgenannten Parteien und alle die Ihren in ihren 
Städten und Yändern zueinander fichern Yeibes und Gutes mit Käufen und 
Verfäufen und andern getreuen unjchädlichen Gejchäften aufrecht, ehrbar und 
redlich wandeln mögen oder jollen, von jeder Partei in ſolchem Fug ungehindert. 

3. Und wenn unjers Oheims Herzog Sigmunds von Oftreich Zugehörige 
an gemeine Eidgenofjenjchaft oder ihre Zugewandten oder derjelben Eidgenoffen- 
ſchaft Zugewandte an unjern Obeim Herzog Sigmund von Öftreich oder jeine 





, tür, Tumult. — ? hielten. — der Schweizerfub. 
„Richtung“ ift ein definitiver, ewiger Friedensſchluß, während man unter Frieden 
uur — ſolchen auf Zeit, einen Waffenſtillſtand, verſteht, von „richten“ — ausgleichen, 


derſöhnen. 


160 


Angehörigen eine Forderung hätten oder jpäter erlangten, worüber die Parteien 
nicht gütlich verglichen werden könnten, daß der Kläger jeine Gegenpartei zu 
Necht und Austrag fordern joll vor den Biſchof zu Konſtanz oder die 
Stadt dajelbft oder vor den Biſchof von Baſel oder die Stadt dajelbit, 
und daß darauf die beflagte Partei dem Kläger innert einer Friſt von drei 
Monaten nad) feiner Forderung dem echte ftattgeben joll. — — — 

6. Und wenn binfür unſer Oheim Herzog Sigmund von Öftreich gegen 
die vorgenannten Eidgenoffen, Städte und Yänder, [gegen alle] insgemein oder 
einzelne, Klagen oder Streitigfeiten befäme, daß er fie dann aud) vor eines der 
obgenannten vier Nechte zu Recht und Austrag, wie das oben begriffen ſteht, 
vorfordern mag, alſo daß die auch allda rechtlich entichieden werden jollen. 
7. Und in gleicher Weiſe und in dem Fug, wenn gemeine Eidgenofjen oder 
ein einzelner Ort oder ihre Zugewandten gegen unfern Oheim Herzog Sig: 
mund Klagen befümen, daß die in vorgejchriebener Weife auch auf dem Rechts— 
weg gejtellt und da aljo rechtlich entjchieden und zu End und Austrag fommen 
jollen. — — — — 

9. Und wenn unjer Oheim Herzog Sigmund von Öftreich in feinen 
Geſchäften der Hilfe der vorgenannten Eidgenofjenjchaft benötigt würde, daß 
fie ihm die leiften wollen, wo ihnen das ehrenhalb gebührlich jein mag, in 
jeinem Sold, wie die Eidgenoffenschaft ſolche Sölde gibt im ihren eigenen 
Geſchäften. 

10. Desgleichen, wenn die vorgenannte Eidgenoſſenſchaft unſeres Oheims 
Herzog Sigmunds Hilfe in ihren Geſchäften benötigt würde, daß er ihnen 
die auch leiſten ſoll, wo ihm das ehrenhalb gebürlich ſein mag, in ihrem 
Sold, wie derſelbe unſere Oheim ſolche Sölde gibt in ſeinen eigenen Geſchäften. 

11. Und daß auch die vorgenannten Eidgenoſſen unſerem Oheim Herzog 
Sigmund von Oſtreich überantworten ſollen alle Briefe, Urbarbücher, Regiſter 
und Schriften, ſo ſie inne haben und der Herrſchaft Öftreich zuftehen, . . . . 
ausgenonmen die Briefe, Nödel oder Schriften, jo die innehabenden Yänder, 
Städte und Schlöffer der Eidgenoffen betreffen. 

12. Und daß auch beide Parteien bei allen ihren Yanden, Schlöjjern, 
Städten, Dörfern und Märkten, jo jie in vergangenen Zeiten zu ihren Danden 
erobert und eingenommen haben, bleiben jollen jest und in Zukunft, unan— 
geiprochen und unbekümmert, und daß auc feine Partei noch ihre Zugebörigen 
und Meithaften die andere Parter und ihre Meithaften an ihren Städten, 
Schlöffern und Yändern in feiner Weiſe befriegen, bejchädigen, befehden oder 
in irgend einer Weile an Yerb und Gut befümmern laffen joll. 

13. Und daß auch feine Partei fortan die Angebörigen der andern in 
Bündnis, Burgrecht, Landrecht, Schutz und Schirm... . aufnehmen joll dem 
andern Teil zu Zchaden und Unfug, es wäre denn, daß jemand mit jeinem 
bausbäblihen Zig in das Gebiet des andern zieben wollte. — — 


161 


15. Und daf fein Teil die Feinde oder Beichädiger des andern wiffentlich 
bauen, hofen, ägen, tränfen, noch ihnen irgend welchen Vorjchub oder Hilfe 
leiften und das auch niemandem geftatten joll. — — — 

17. Und daß auch von feiner der beiden Parteien und den Ihren auf 
die Gegenpartei neue Zölle noch andere Beſchwerden gelegt werden follen, 
jondern [dat fie] das gegen einander bleiben lafjen, wie die von Alters her 
genommen und gegeben worden find. — — — 

19. Und daß alle zehn Fahre von unferm Oheim Herzog Sigmund und 
jeinen Erben ſolche Richtung ihren Näten und Zugehörigen verkündet werde, 
(um davon] Kunde zu haben und fie zu vollziehen; und hinwiederum von der 
Eidgenoſſenſchaft und den Ihren alle zehn Fahre desgleihen auch geſchehen ſoll. 

20. Und bejonders, daß auch Mannsperjonen in den Städten Rhein: 
felden, Sedingen, Yaufenburg und Waldshut mit denen auf dem 
Shwarzwald und denen, jo zu der Herrichaft Aheinfelden gehören, Eide 
zu Gott und den Heiligen ſchwören jolfen, daß fie und ihre Nachkommen 
diefe Richtung getreulich halten wollen und nach Verfluß von zehn Fahren 
jolhe Eide von ihnen, jo das erfordert wird, gejchehen und geleiftet werben. 
Und jollen aucd die genannten Eidgenofjen jegt und fünftig in allen ihren 
Nöten zu denjelben vier Städten und Schlöſſern Zutritt haben. — — — 

24. Und daß aud demnach alles, fo fi in Kriegs: oder anderer Weiſe 
zwiſchen unſerm vorgenannten Obeim Herzog Sigmumd von Oſtreich umd 
jeinen Vorfahren und der Eidgenoffenfchaft und ihren Vorfahren und allen 
Ihren Zugebörigen und Zugewandten bis auf den Erlaß diejes Briefes gemacht, 
ereignet umd begeben hat, [ohne daß] dabei ‚irgend etwas ausgenommen, aus: 
geiondert und bei Seite gejett wird, bejtens und fejt gerichtet, beigelegt und 
gejühnt fein, und daß auch dem geftrads von beiden Parteien und Zugehörigen 
und Zugemwandten nachgelebt werden foll ohne Einrede und, wie das Ddieje 
Richtung begreift und weijet, bei unjeres Oheims Herzog Sigmunds von 
Oftreih Würden und Ehren und bei den Eiden, jo die Eidgenofjen ihren 
Städten und Yändern gefchworen haben, zu einem ewigen Beftande jolcher 
Richtung und dem allmächtigen Gott zu Yob. — — 


63. Aus dem Bündnis zwiſchen Ludwig XL, König von Lrank- 
reich, und den VIII Orten nebſt Freiburg und Soloturn. 
26. Oktober 1474. 


Das lat. Original Eidgen. Abſchiede II. S. 917. 


Wir Bürgermeister, Schultheissen, Ammänner, Räte und Gemeinden 
der Städte und Länder Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwiz, Uhnter- 
Oechsli, Quellenbuch. 11 





—— 


162 


walden, Zug und Glarus, von dem grossen Bund in Oberdentschland, 
und wir, die Schultheissen und Räte der Städte Freiburg und Soloturn 
tun allen, die gegenwärtigen Brief sehen werden, kund: Weil zwischen 
dem allerchristlichsten und durchlauchtigsten Herrn Zudirig, König von 
Frankreich, dem uns vor allen andern gnädigen Herrn, und uns bis auf 
diesen Tag getreue Liebe und Zuneigung und sogar ein ewiges Ver- 
ständnis bestanden hat und noch besteht, haben wir erwogen und be- 
schlossen, dasselbe Verständnis und die gegenseitige Freundschaft zu be- 
festigen und zu erweitern. — — Aus dieser Ursache also haben wir 
mit dem vorgenannten Herrn König in aufrichtigen, unverletzlichen Treuen 
dieses Verständnis und Bündnis geschlossen, wie folgt: 

Erstens dass derselbige König uns in allen und jeden Kriegen, be- 
sonders gegen den Herzog von Burgund und alle andern auf seine 
Kosten getreue Hilfe, Schutz und Schirm zukommen lassen soll. 

Ferner wird er, so lange er lebt, jedes Jahr zum Beweis seiner 
Liebe uns in seiner Stadt zu Lyon 20 000 Franken ! ausrichten und be- 
zahlen lassen, jedes Vierteljahr 5000, zu gleichen Teilen unter uns vor- 
genannte Orte zu verteilen. 

Und wenn der König selbst in seinen Angelegenheiten und Kriegen 
unserer Hilfe bedürfte und an uns ein dahin bezügliches Verlangen 
stellte, dann sollen wir ihm dieselbe mit einer Anzahl Bewaffneter leisten, 
wie es uns schicklich und möglich sein wird, wenn und wofern wir 
nicht mit eigenen Kriegen beschäftigt sind, jedoch auf seine Kosten. Der 
König aber soll jedem Bewaffneten für den Zeitraum eines Monats, 
das Jahr zu 12 Monaten gerechnet, 4'/, Gl.? bezahlen. Und wann er 
für gut halten wird, solche Hilfe zu verlangen, soll der König den einem 
jeden von ihnen für den Zeitraum eines Monats zukommenden Sold nach 
einer von den Städten Zürich, Bern oder Luzern schicken und den Sold 
für zwei andere Monate in der Stadt Genf oder in einem andern uns 
passenden und genehmen Orte auszahlen lassen; und sobald die Unsern 
ihr Haus verlassen haben werden, beginnen die drei Monate zu laufen, 
und sind ihnen alle und jede Vorrechte und Privilegien vorbehalten, 
welche die übrigen königlichen Soldaten geniessen und inne haben. 

Und wenn wir zu irgend welchen Zeiten in unsern Kriegen gegen 
und wider den Herzog von Burgund denselbigen König auffordern würden, 
dass er uns Hilfe leiste, und er seiner anderen Kriege halber uns nicht 
beistehen könnte, dann wird derselbige König, damit wir solche Kriege 
besser führen können, uns, so lange wir sie mit gewafineter Hand fort- 
setzen, jedes Vierteljahr in seiner Stadt zu Lyon 20 000 Gl. rheinisch 
bezahlen lassen unbeschadet der obbemeldeten Summe Franken. 

Und wann wir mit dem Herzog von Burgund oder einem andern 
Feinde des Königs oder von uns Frieden oder Waffenstillstand machen 
wollten, was wir auch dürfen, sind wir verpflichtet und gehalten, den- 
selbigen König ausdrücklich und besonders vorzubehalten und wie uns 





! Gemeint sind Goldfranken, von denen nach einer Wertung von 1478 vier fünf 
rh. Gl. (zu ca. 9 Fra.) gleichgesetzt werden; also 1 Fr. uugefähr = 11 heutigen Frs. 
— ? Rh. Goldgulden. 


mug "1" 


163 


zu berücksichtigen; umgekehrt ist derselbige König in allen seinen 
Kriegen mit dem Herzog von Burgund und andern, wenn und wofern er 
Frieden oder Waffenstillstand machen wollte, was er auch darf, ver- 
pflichtet und gehalten, uns, wie sich, ausdrücklich und besonders zu 
berücksichtigen und vorzubehalten. 

Und in alle dem nehmen wir unserseits unsern allerhöchsten Herrn 
den Papst, das heilige römische Reich und alle und jede aus, mit welchen 
wir bis auf diesen Tag Bündnisse, Einungen, Verständnisse oder Ver- 
bindungen geschlossen und mit Brief und Siegel bekräftigt haben; gleicher- 
weise von seiten des Königs, abgesehen vom Herzog von Burgund, gegen 
welchen der König und wir so verfahren werden, wie oben vorgesehen ist. 


64. Erläuterung des Schultheißen und Rates der Stadt Bern 
vom 6. April 1475 über die im franzöfifchen Bunde vom 
26. Oktober 1474 enthaltenen Hilfsverpflichtungen. 


Das Tat. Original Abſch. TI. ©. 921. 


Wir, Schultheiss und Räte der Stadt Bern tun allen und jeden, die 
Gsegenwärtiges sehen werden, kund: Da ein Vertrag vorausgegangen und 
gefertigt worden ist über ein zwischen dem allerchristlichsten, durch- 
lauchtigsten Herrn und Gebieter Ludwig, König von Frankreich, unserm 
sehr furchtbaren und vor allen zu verehrenden Herrn, und den gross- 
mächtigen Männern, den Herren von dem alten Bunde in Oberdeutsch- 
land einzugehendes und abzuschliessendes Freundschaftsbündnis, und ge- 
wisse Artikel... . zwischen den von seiner Majestät zu den Herren 
vom Bunde abgeordneten Gesandten und den Herren vom Bunde darüber 
aufgesetzt und dem allerchristlichsten Herrn König überbracht worden 
sind; weil jedoch die genannten Artikel wegen ihrer Allgemeinheit eine 
nicht geringe Zweideutigkeit in sich schliessen, durch welche in künftigen 
Zeiten ein Gegenstand der Zwietracht zwischen dem vorgenannten aller- 
christlichsten Herrn König und den Herren vom Bunde entstehen könnte, 
- deshalb wollte seine Majestät mit jener besondern Zuneigung, welche der 
König gegen die Herren vom Bunde hegt, um allem künftigen Streit den 
Weg zu verschliessen, bevor derselbe Bündnis- und Freundschaftsvertrag 
endgiltig abgeschlossen werde, zu genauerer Erklärung des Inhalts der 
schon genannten Artikel über den Willen und die Absicht der genannten 
Herren Eidgenossen sich Gewissheit verschaffen und verlangte, dass das, 
was in zweideutigen und allgemeinen Worten geschrieben war, deutlicher 
erklärt werde. 

Deshalb versichern wir, vorgenannte Schultheiss und Räte, ..... 

E damit der genannte Vertrag nicht unterbrochen , sondern zu 
gutem Ende abgeschlossen und jeder Zweifel und Skrupel gehoben werde, 
nachdem wir zuvor uns über Sinn und Absicht der genannten Herren 
vom Bunde gebührend unterrichtet und ihnen das Vorgenannte, welches 
in Zweifel gezogen wurde, auseinandergesetzt haben, und erläutern und 
erklären: Dass der vorgenannte allerchristlichste Herr König in keiner 


164 


Weise verpflichtet ist, sich um die Hilfeleistung an die Herren vom Bunde 
zu bekümmern, ausser wenn er vorher durch sie dazu aufgefordert wird, 
und auch nur dann gebunden ist, ihnen treuen Schutz und Schirm mit 
seinen Leuten gegen ihre Feinde zu leisten, wenn diejenigen, welche 
ihnen Fehde oder Krieg ansagen, eine solche Macht haben, dass die 
Herren vom Bunde selbst, durch dringende Not gezwungen, der Hilfe 
des Königs notwendig bedürften und nicht auf andere Weise hinreichend 
für ihre Verteidigung sorgen könnten. Und wenn die Herren von dem 
Bunde in künftigen Zeiten gegen den Herzog von Burgund die königliche 
Hilfe verlangen würden und der Herr König wegen seiner anderen Kriege 
ihnen mit seinen Leuten nicht beistehen könnte, dass er, indem er den 
vorgenannten Herren von dem Bunde die Summe von 20 000 Gl. rhein. 
zu Lyon für jedes Vierteljahr bezahlt, während dessen die Herren vom 
Bunde jene Kriege mit gewaffneter Hand führen, in keiner Weise ge- 
bunden ist, ihnen eine andere Hilfe mit Kriegsleuten zu leisten. — — 

Und überdies versprechen wir bei unserer Treue und Ehre, dass, 
so oft der König die Hilfe der genannten Herren vom Bunde anrufen 
wird, wir dafür sorgen und verschaffen werden, dass sie ihm nach dem 
Inhalt des jüngst gemachten Bündnisses mit 6000 Mann beistehen und 
zuziehen werden, gegen Bezahlung jedoch des Soldes in der in dem 
schon genannten Bündnisvertrag enthaltenen Art und Weise, unter Vor- 
behalt, dass, wenn die genannten Herren vom Bunde verlangen, dass der 
genannte Sold über die Grenzen des Königreiches an die Orte Bern, 
Zürich, Luzern oder andere gebracht werde, er auf ihre Gefahr gebracht 
werde. Und wenn etwa die genannten Herren vom Bunde auf die 
Forderung des Königs die genannte Zahl von 6000 Mann ihm nicht 
zu Hilfe schicken würden, so willigen wir ein und versprechen wir, 
dieselbe Zahl vollständig zu machen und machen uns dafür gegenüber 
dem König verantwortlich, weil nämlich in den genannten Artikeln im 
Wortlaut des genannten Vertrages irgend eine bestimmte Anzahl der 
Mannschaft nicht ausgedrückt ist, unbeschadet jedoch der seitens der 
Herren vom Bunde von ihnen und uns gemachten und in dem vom 
26. Oktober 1474 datirten Hauptbriefe ausgedrückten Vorbehalte. Zur 
Bekräftigung dieser Erklärung lassen wir diesen noch dazu gefertigten 
Brief mit dem Siegel unserer Stadt versehen, gegeben am 6. April 1475, 


65. Deit Webers Lied zur ewigen Richtung. 1474. 
Lilienkron IL S. 27. 


Unzweifelhaft der vorzüglichfte von den zablreichen Volksdichtern, welche den ſchwei— 
zerifchen Heldenrubm im 15. Jahrhundert durch ihre Pieder verberrlichten, war Veit Weber 
von ‚Freiburg im Breisgau. Obwohl von Geburt ein Öftreicher, wurde er durch die ewige 
Richtung ein Kampfgenoffe der Zchweizer, focht ibre Schlachten gegen Karl den Kühuen 


mit und fang tu ihrem Dienft und zu ihrem Yob, 


1. 


Gelobet fi der ewig got, 

daß er den frieg verrichtet bat !, 
der fang zit hat gemweret 

zwüſchen den bus von Öfterrich 
und den eidgnoffen allen glich, 
davon meng man ward beiweret! 
Des bab dank herzog Sigmund, 
daß er's bat richten laſſen, 

die glich? ouch zuo aller ſtund 


die fromen eidgnoſſen, 4. 


daß ſie fich hand als ? güietlichen vereinet ®, 
darıımb meng menſch hat gweinet 

von rechten fröuden und 

daß es darzuo ift fond®. 


. 8 wer verricht vor langer zit, 


bet nit der fürft ghan etlich Tüt, 
die es nit gerne hatten: 

fie wanten ® es umb iren nut ?; 
da nun der fürft fach *® diſen zuz®, 
do wolt er's nit geftatten. 

Er hat gar mengen edelman 

uf land und ouch im ftetten, 


die fih gern friegens namen an, >. 


daß fie gnuog davon hetten; 

den beren 19 taten fie gar vafte !! rupfen, 
er leid 1% fo vil der zupfen, 

mann !3 er fin zend !* entbledt '>, 

jo ward der arm eritredt !®, 


Wann '?” man dem fürften zoch ins fand, 





165 


Das kam dem edlen fürften für ?, 
er ſprach zuo finen väten: 

„min armen lüt ich gar verlür, 
raten, wie wir im teten ?!! 


min edel lüt wend mir nit gehorſam fine 


und jchaffend dem lande pine 

und darzuo groß unruow, 

fo gand die ſachen zuo! 

Der edel fürft ward inen gram; 

er Sprach: „ich wil fi machen zam!“ 
und tet das land verfetsen 

dem welichen berzog von Burgund ?®, 
wie er im doch des nit enqund 2; 
der jelb Fond + an fie beten 

den Hagenbadh, das wüetend jwin; 
derſelb bezwang fie jchiere ?, 

daß fie im müeßten gehorfam fin 
als ein gezemptes tiere; 

da er fie zwang nach allem finem willen 
und fie im müeßten billen ?s, 

die arm rott ward ungmuot ®7, 

er nam in lib und quot. 


Da das nu fach die ganz gemein ?*, 
beid jung, alt, groß und Hein, 

da bort man gmeinlich fagen, 

e fi wolten Burgunner fin, 

e wolt man die eidgnoffen lafjen in. 
Hie zwüfchen tet man tagen ?? 

und was der pund 3° gar wol verniet ®!, 
verrigelt und verfloffen; 


3. das bat gar mengen übel gemilet ?*, 
derielben man da feinen fand, der friegs vor wol bat gnoſſen ?%, 
die's jpil hatten ußgeben !*; der edel fürft lost widerumb fin lande; 
fie ruochten nit !?, wer es verlur, darnad tot ?* man zuo hande ®> 
darumb verdarb gar mentg bur den Hagenbach gar jchier, 
und batten fie guot leben! den unſinnigen ftier. 

' Beigelegt bat. — ? desgleihen. — ? jo. — * verglichen, verföhnt. — ® daR es dazır 
gelommen tft. — ® wendeten, hinderten. — ? um ihres Nutens willen. — * fab. — 
Fopperei, Trug. — '9 Bern wegen Mühlhauſen. — " feft, ſtark. — '® fitt, ließ über 
kb ergeben. — ' als. — '* Zähne. — bleckte, entblößte. — '% fo wurde der Arme 


(und nicht der Edle) darnieder geftredt. — 1” als, — '* vergl. über die Feigheit des Adels 


beim Sundgauerzug S. 157. — !? khümmerten ſich nicht darum. — 


20 wurde dem F. 


belannt. — ?! ratet, wie wir dem abbelfen können. — ** Bert Weber deutet bier witsig 
de Berpfändung des Elfaßes in eine Maßnahme zur Züchtigung des unrnbigen Adels um. — 
»wiewohl er ihm dasselbe nicht gönnte. — % fonnte, — % bald. — *° jibereinjtimmen, 
gehorchen. — 7 verdrießlich, zornig, betrübt. — ** die ganze Menge, das Volt. — 9 Zu- 
ammenkünfte abbalten,. — 3° die ewige Richtung. — ?! vernictet. — 9? bemilbt, verdroffen, — 
"der früher am Krieg Nuten (oder Freude) gehabt bat. — 3! tötete, — 9 auf der Stelle, 


166 


6. 


Davon ein ander frieg entiprüßt, 

ich trüw got, daß er fin mit genüßt !, 
der in bat angefangen, 

das ift der herzog von Burgynn; 
mich dunket wol in minem finmn, 

er werd im ftrid bebangen, 

fid im nu jedermann ift gram 


in tütſchem land gemeine; 9. 


das hören ich von wib und man, 

von großen und den kleinen; 

ji find all fro des bunds, der iſt beichechen, 
des bört man's alle jechen ? 

lob und dank der gotheit 

und ouch der reinen meid, 


Ir werden eidgenoffen frum, 

ih bör in landen umb und um, 
daß man fich üwer fröwet ; 

und wenn ir wellen tuon das beit, 
fo achtet nieman frönder geft, 
damit man uns bie trömer *, 
Want ir find aller manbeit voll, 
ih weiß nit üwers glichen, 

das lob ich von üch fingen fol, 

in feiner not ir nit wichen, 





fin ganz gemeind tft gar eins guoten 
willen, 

als wit® der pund tuot billen ®; 

wann ir find gzogen up, 

jo band ir feinen qrus ', 


Was ir in hand zuo leid getan, 

e daß der pund ward biloffen ſchon, 

des wend fi nit me gebenfen; 

uf üch band fi allfant gebumt, 

ie fint das pfulment!', dem man 
truwt, 

das niemer mer ſol wenken. 

Es iſt alles geweſen ſchimpf!“, 

was ſich bat ie ergangen '?; 

ir hand allwegen gefaret glimpf ''; 

nu grifen baß an ftangen '* 

daß üch der Herzog von Burgunn nit 
letze 

und ſich des leids ergetze!“, 

das ihm beſchechen iſt 

iez in kurzer friſt““. — — 


als ir gar di ® und vil beweret hande*, 12. Ir fromen eidgenoffen all, 
damit ir üwer lande dienent got mit richem ſchall, 
band gemachet aljo wit als ir bißhar hand tone !*; 
und noch tuond allezit. wann das tuot üwer land und Lit, 
fo mag es üch zuo feiner zit 
8. Ir werden eidgenofien wis, niemer mer misgone !?; 
ir band bißhar gefüert den pris und wann der ber zücht uß dem bol ?® 
mit ftriten und mit vechten, mit allen finen jungen 
das lob ſond' ir nit lam zergan! fo ſechen ir allfjamen wol, 
Der edel fürft wil mit lich dran daß im mie iſt mislungen. 
mit rittern und mit Inechten ; Des baben danf die fromen und die 
in feiner not wil er üch lan, küenen, 
es gelt lib oder quote; daß ſie's umb got verdienen! 
allweg ſo wil er bi üch ſtan Die ſinen got nit lat, 
ſo gar mit friſchem muote. als lang die welt beſtat. 
! Daß der feinen Nuten davon bat. — * jagen. — droht. — * denn. — ® oft. 
— 6 pewährt habt. — 7 ſollt. — * fomweit. — * ballen, ichallen. — '° jo habt ihr fein 
Grauſen, ihr fürchtet euch nicht. — "' Fundament. — ! Spaß, Spiel. — " was je 
geicheben ift. — "* ihr babt immer vecht gehandelt. — ** min greift beifer an die Spieße. 


ſchadlos balte, 
der Pfandlande. 


getan. - 


zieht. 


- 17 nämlich durch die Hinrichtung Hagenbachs und die Wegnahme 
19 jibel ergehn. — 9° wenn der Bär aus feiner Höhle 


167 


66. Breit Webers Lied fiber den Streit vor Hericourt. 
13. Movember 1474. 


Pilientron II. ©. 39. 


4. Der pund! der ward bejloffen 11. Darzuo vil ftett uß Schwaben, 
gar heimlich und gar fill, Schafhufen, Meinftet, Notwil, 
das bat gar mengen verdrojien, folt ih fie alle loben, 
der darımb wißt nit vil, ir ift mim lied ze vil; 
der iez wol ficht die rechten mär®, Überlingen und Bibrach, 
wie man zuolamen ziichet Navenspurg fam gegangen, 
von allen landen ber, Coſtenz man ouch da ſach. 
5. Doheim wil nieman bliben, 12. Zürich mit großem fchalle, 
das iſt ein frömder finn! Swiz, Solotern und Bern 
fie baben muot z'vertriben und Frowenfeld fam balde, 
den berzog von Burayın; Glarus, Zug und Luzern, 
man ſpricht, er fi ein jölicher man und fuft uß Swiz vil ander ftet; 
und was er hüt verbeißet, die eidgnoßn muoß man loben, 
mern ji er brücdig dran ?®, wer fie gefechen bet. 
6. Ein zug ift zſamen feret* 13. Uf fie tet man faft !! luogen, 
im Zumföw überal, es was !? von volf ein fern; 
der huf bat fich gemeret vil harneich fie antrungen, 
vor Grifort im tal, man jach fie fomen gern; 
vil me dann achtzechentuſend man, fie waren all ftarf, lang und groß, 
vil farren und vil wägen, im here han ich nit gſechen 
daß ichs’ nit zelen Fann. von größe ir genoß '?, 
T. Der edel biihof fame 14. Ein wagenburg ward gellagen 
mit Straßburg alfo quot, vor GErifort fo jatt !#, 
Zletitat er mit im name, vil zelt ſach man ufragen, 
die waren all gemuot ®; als ob c8 wer cin ftatt. 
fie batten all rot angeleit 7; Darnach gruob man die büchjen in, 
die von Colmar famen gezogen daruß ſchoß man gar jere 
in rot und blaws befleit*. — — durch die muren hin. 
10. Billingen fam gar balde 15. Das bat die Walchen '5 verdrofien 
in wiß und ouch in blo?, und ouch die Yampartar '®, 
und Walzbuot mit dem walde !0 dag man fo vil bat gichofien. 
befleit in fwarzes do; zwenzigtufent 7 famen bar 
Yindow in wiß und ouch in grüen, und wolten die wagenburg guunnen ban; 
von Baſel fam gezogen do man ir innen ift worden, 
gar menig man jo küen, da gieng man fröhlich dran. 
! Die ewige Richtung. — ? die rechte Kunde. — ° morgen brede er dasſelbe. — 
* zufammmengefommen,. — ® Sundgan. — © mutig, getvoft. — 7 votes Kleid angezogen, 
— * Ztropbe 8-10 ſchildert die Mannfchaften von Kaifersberg, Breiſach, Elfaß, Freiburg 
i. Br. cc. — ? blau. — 1 Schwarzwald, — 1 feft, ſehr. — 1? war. — 5 ihres 
leihen. — '* feſt. — * Welichen. — % Pombarden; Karl der Kühne batte zahlreiche 


Yombarden in feinem Sold. — 7 nach genauen Berichten nur 10000, nämlich SO Reiter 
und OO Fußſoldaten; ſ. Nodt, die Feldzlige Karls des Kilhnen I. 316. 


168 
16. Der reiſig zug! it balde, 24. Do man erftach die funme !® 
fie warent gar gemuot, und lagen in bluotes floh '*, 
und fachentS vor dem walde da fart !® man fich wider umbe 
glitern im harneſch quot; gen Erifort zuo dem floh 
fie ranten zuo in? in fneller il, und ſchoß man noch vil me daran. 
das ſuoßvoll zoch gar balde ®, die ir belfer folten fin geweien, 
ir was ouch alfo vilt. — — die lagen uf dem plan. 
18. Die fromen eidgenoffen 25. Sie wurden des bald innen 
die fumpten fich nit fang, zuo Erikort in dem ſloß; 
ftriten$ fie fih vermaßen >, da ftuonden fie zen zinnen 16 
ich fobs’ in mim geſang; und ruoften ein friden haruf ’7 
fie namen zuo bilf fant Urſen chen ® und baten durch got '® mit worten füch, 
und der von Bern wortzeichen ? daß man jie wolt ufnemen 9 
jant Bincenz ruoftens’ an. und in das leben Tief. 


19. Do man die Walcdhen fach ufbrechen, 2%. Der adel der was güetig 


das alfo mechtig ber, und och darzuo die ftett, 

do geriet * man fie erftechen, fie wolten nit fin wüetig 

de8 9 Fuchen !9 fie fo fer der bitt, jo man im tet ?: 

und famen ouch in große not; vierthalb hundert ließ man zem ſloß 
vil me dann dritthalbtufent haruß; 

die wurden geſlagen tot. das venli von Äſterriche 


ſtakt man zuom höchſten uß?!. 








20. Sie lagen in den hürſten!“ 29. Der uns dies liedli hat qedicht 

im feld und an der jtraß, von diſem zug jo kluog, 

nach ftreichen begond !? fie dürften, der was felber bi der geichicht, 

man fach fic alle bloß, da man die Walchen erjluog; 

fie wurden all gezogen ab; Bit Weber ift ouch er genant, 

uf farren und uf wägen zuo Friburg in Brißgowe 

leit man da ir hab. ift er gar wol erfant ?*! 

Reiterei. — * ihnen. — ? mutig, kühn. — * es waren ihrer ebenfo viele. — ® fie 
entichloffen fich kühn zum Streit, — ® ihön. — ? Wahrzeichen, Loſungswort. — * fieng 
man an. — * deshalb. — “ flohen. — '* Geſträuch, Dieficht, Hecke. — * begann. — 
2 entweder: die Menge (Summe = Anzabl, Menge) oder dann: diefelben (sume, pron. 
adj. = einige, mande,. — Fluß, Strom. — 8 kehrte. — '% da ftellten fie ſich auf 
die Zinnen des Schloſſes. — “ und riefen nad einem Frieden beraus. — '* um Gottes 
willen. — 1? ihnen eine Kapitulation geftalten. — * wegen der Bitte, Die man an fie 


richtete. — *' pflanzte man auf der Spitze auf. — *belanut. 


a | 


169 


67. Barl der Bühne. 


Aus dem Franzöſiſchen des Georges Chajtellain, abgedr. bei Ochfenbein, die Urkunden 
der Belagerung und Schlacht von Murten. ©. 417. 


Georges Chastellain (1403—1475) war ofizieller Chronist am burgundischen Hofe, 
weshalb sein günstiges Urteil über seinen Herrn mit einiger Vorsicht aufzunehmen ist. 


der Herzog Karl war kein so schlanker Fürst, wie der Vater; 
aber er war beleibt, wohl gewachsen und wohl gestaltet, 
kräftig im Arm und Rückgrat, hatte etwas starke Schultern 
und neigte vornüber, besass gute Beine und dicke Schenkel, 
lange Hände und zierliche Füsse, hatte nicht zu viel Fleisch an sich, 
noch wenig Knochen, sondern einen rüstigen und behenden und zu jeder 
Anstrengung und Arbeit wohl geeigneten Körper. Er hatte eine etwas 
rundere Form des Gesichtes, als der Vater, aber hellbraun, hatte die 
dieken, roten Lippen des Vaters, eine längliche Nase und einen braunen 
Bart, eine frische, hellbraune (esichtstarbe, eine schöne Stirn und 
sshwarzes, aufgelöstes, struppiges Haar, einen weissen und wohl ge- 
formten Hals, und schaute im Gehen zur Erde; war nicht ganz so ge- 
rade wie sein Vater, aber ein schöner Fürst und von schönem Ansehen. 
Er besass natürliche Redegabe: zuweilen war er im Beginn seines Spre- 
chens daran verhindert, sie zu äussern; aber einmal im Zuge war er 
sehr beredt. Er hatte eine schöne Stimme, ausser in der Musik, deren 
Kunst er kannte, war weise und besonnen in seinem Reden, gewählt 
und abgemessen in seinen Worten, weit mehr als der Vater; er sprach 
mit grossem Verstande und tief und fuhr nötigenfalls lange fort, war 
nichts destoweniger hitzig in seiner Sache und stürmisch in seinem Be- 
nehmen, hartnäckig in seiner Meinung, aber ein Ehrenmann und gerecht; 
in Rate war er scharfsinnig, fein und rasch für sich einnehmend. Er 
war tätig, nur zu arbeitsam, mehr als für einen solchen Fürsten gut 
war, abends und morgens, den ganzen Tag im Rate, den ganzen Tag 
beschäftigt mit Sorgen wegen irgend eines grossen Ereignisses oder 
mit Geld- oder Kriegsangelegenheiten oder mit der Fürsorge für das 
öffentliche Wohl. Er verlor wenig Stunden und beschäftigte viele Leute. 
Er liebte seine Diener sehr; war leutselig mit ihnen, war zut zu be- 
dienen und von gutem Wesen, von anhaltendem Gedächtnis und langem 
Behalten. Im Zorn war er gefährlich und in der Liebe liess er viel 
hoffen. In jedem Falle herrschte die Vernunft bei ihm vor, aber seine 
natürliche Hitze bereitete ihm starke Anfechtungen. Er war ein auf- 
richtiger und ganzer Mann; wahrhaftig und zuverlässig in seinen Worten, 
liebte die Ehre und fürchtete Gott, war der Jungfrau Maria ergeben, 
beobachtete Fasten, gab reichlich Almosen, fürchtete keines Menschen 
Stärke, noch das Schwert irgend eines Königs, war stolz und hohen 
Mutes, war, so schien es, in Eisen geboren, hatte seine Lust an Waffen 
und an Feldern, die von Harnischen starrten. Er liebte sehr die Kunst 
und das Schachspiel, spielte eifrig und um Geld, lief in den Schranken, 
besuchte Musik, war prächtig in seinem Gewande und gerne reich ge- 
schmückt ; lebte keuscher, als die Fürsten gemeiniglich tun, trank wenig 





170 » 


Wein, wenn er ihn schon von Natur liebte; aber aus Verstand liess er 
ihn, weil er ihm Fieber verursachte, und trank mit Wein gefärbtes 
Wasser, um seine Hitze zu mässigen, und war zu keiner Weichlichkeit 
und Wollust geneigt. 


68. Karl der Bühne vor Grandfon. Februar 1476. 
Aus der Chronik der Chorberren von Neuenburg (Seichichtsforicher VIII S. 208 ff.) 


Im 15. Jahrhundert entstand in Neuenburg ein grosses Geschichtswerk der romanischen 
Schweiz, an welchem nach einander 13 Chorherren des neuenburgischen Kapitels schrieben, 
anfänglich in lateinischer, später in französischer Sprache. Leider ging das Original 
in einer Feuersbrunst 1714 zu Grande, und nur wenige Fragmente davon sind in Ab- 
schriften erhalten, darunter die malerische Erzühlung der Burgunderkriege vor Hugues 
de la Pierre, welche im Schweiz. Geschichtstorscher VIII. S. 216 ff. abgedruckt ist. 


. . Als der Herzog von Burgund hörte, dass das Schloss Yverdon 
von unseren Herren |von Bern] verbrannt, geplündert und verlassen 
worden sei, wie erzählt worden ist, und dass diejenigen, welche darin 
waren, sich mit denen von Grandson zurückgezogen und beschlossen 
hatten, die Feste zu behaupten, schwur er hoch und teuer und sagte: 
«Beim hl. Georg und allen Heiligen; ich werde sie in wenig Tagen in 
meinen Händen haben», und beschloss mit dem Grafen von Romont, dem 
Herrn von Orbe und Chateau-Guyon, seine Armee und Artillerie vor 
Grandson marschiren zu lassen. Das geschah, und sie begannen die 
Belagerung und wiesen einem jeden sein Quartier an, dass es schön 
war, sie alle um die genannte Stadt herum zu sehen, und schlugen da- 
selbst in gewohnter Weise Zelte und Hütten auf; und hernach schickte 
der Herzog zu denen in der Festung, ob sie dieselbe übergeben wollten, 
welche erwiderten, dass sie darüber noch nicht beraten hätten und dass 
sie dieselbe nur auf Befehl unserer Herren übergeben würden. Des war 
der Herzog sehr übel zufrieden und gab den Befehl, ihnen recht mit 
Kanonenschüssen und andern Maschinen aufzuwarten. Das geschah so- 
wohl des Nachts als des Tags, ohne Unterlass, indem er ausserdem sagte, 
dass sie ohne Gnade über die Klinge springen müssten. Nichts desto 
minder verteidigten sich die in Grandson ebenfalls mit Kanonenschüssen 
und andern Maschinen aufs tapferste, töteten viele Burgunder und von 
andern Nationen und behaupteten Stadt und Schloss wacker, im Verein 
mit mehreren Leuten aus der Umgegend, die sich in die genannte Stadt 
zurückgezogen hatten. 

Als nun der Herzog sah, dass er die genannte Stadt und Feste 
nicht nehmen konnte, versammelte er sein ganzes Geschütz gegen die 
Stadt und liess so oft und hart Sturm gegen sie laufen, dass unsere 
Leute genötigt wurden, sich in das Schloss zurückzuziehen, wo sie mit 
Geschütz und Schiessbedarf wohl versehen waren. Desbalb drang der 
Herzog in die Stadt ein, und beim Eindringen wurde ein grosses Ge- 
metzel unter den guten Leuten angerichtet, welche geflohen waren; aber 


171 


es warden auch mehrere Hauptleute und vornehme Personen des Her- 
zogs von Burgund getötet. Und es dauerten die erwähnten Stürme acht 
ganze Tage, bevor sie die Stadt gewannen, und es warteten die von 
der Besatzung immer auf Hilfe, wie man ihnen versprochen hatte. Ander- 
seits hatten unsere genannten Herren allen ihren Freunden, Verbündeten 
und Nachbarn sagen lassen, Tag und Nacht herbeizueilen, denen in 
Grandson zu Hilfe; sonst wären sie verloren. Deshalb tat ein jeder 
seine Pflicht, um herbeizukommen, und es zogen ins Feld unsere Herren 
von Bern, Freiburg, Soloturn, Luzern; die ersteren durchzogen die 
Grafschaft Neuenburg, indem sie ihre andern Freunde und Verbündeten 
erwarteten, wie Strassburg, Zürich, Uri, Schwiz, Unterwalden, Appen- 
zell und andere Verbündete und Freunde, welche alle wacker ihre Pflicht 
taten und Tag und Nacht eilten. Und es wurde die Stadt Grandson 
an der Fastnacht 27. Febr.] im Jahre 1476 genommen. 

Und als unsere Herren Eidgenossen sahen, wie sich die Sache ver- 
hielt, befahlen sie einigen Hauptleuten, mit dreihandert Bogenschützen 
auf dem See bis nach Grandson zu fahren, um die andern zu unter- 
stützen. Das geschah, und es eilten die genannten 300 Mann, welche 
in Neuchatel waren, so sehr die ganze Nacht, dass sie von Estavayer 
auf dem See, als dem sichersten Wege, heranfuhren. Aber der Herzog 
hatte auf allen Seiten seine Anordnungen getroffen, dass man sich nicht 
in das Schloss von Grandson werfen konnte; denn sein Geschütz und 
Heer hatte nicht seines Gleichen, so dass die 300 Mann gezwungen 
wurden, nach Neuchatel zurückzukehren, ohne einen aus ihrer Mitte zu 
verlieren, wiewohl sie in grosser Gefahr schwebten. Und ihr könnt 
glauben, dass das Geschütz des Herzogs beständig von allen Seiten 
gegen das Schloss schoss, dessen Insassen sehr in Angst schwebten und 
nicht ohne Grund, indem sie sich Gott befahlen und sich wacker ver- 
teidigten; und sie machten auf den Türmen mehrere Feuerzeichen, um 
Hilfe zu erhalten. Und sie wurden auch durch einen Gesellen von der 
Besatzung benachrichtigt, welcher durch einen besondern Glücksfall ent- 
kommen war und sagte: «Gott sei ihnen gnädig, denn, wenn sie nicht 
bald Hilfe erhalten, ist alles verloren.» Aber es war für den Augen- 
blick nicht möglich, sie zu entsetzen, weil zu wenig Leute waren und 
ihre Verbündeten endlich kamen; deshalb mussten sie ein wenig warten, 
und mit Gottes Willen wäre ihnen geholfen worden. 

Als der Herzog sah, dass er die Feste nicht bekommen konnte und 
die Insassen sich tapfer verteidigten und viele seiner Leute töteten und 
ihm grossen Schaden zufügten, fiel es ihm ein, einen Ritter, namens 
Herr von Rondchamps, vor sie zu senden, welcher ihnen winkte, dass 
er den Herzog bewegen wolle, sie zu Gnaden anzunehmen auf freien 
Abzug mit ihrer Habe, wenn sie ihm jeder zehn Schillinge für die Mühe 
gäben. Worauf die von der Besatzung eine kurze Beratung hielten, 
und nachdem sie sich beraten, verlangten sie von dem genannten Herrn 
von Rondchamps noch einige Bedenkzeit, was er nicht zugeben wollte: 
sondern er sagte zu ihnen, dass der Herzog das ganze Land erobert 
habe, Neuchatel und Biel zugleich, durch den Schrecken seiner Worte, 
sie sollten keine Hilfe erwarten. Deshalb vereinbarten sich die von der 
Besatzung mit ihm, wie er es ihnen versprochen hatte, und also kamen 





172 


sie je zwei und zwei heraus, ohne Schwerter und Kolben, denn man hatte 
sie ihnen beim Verlassen des Schlosses gütlich abgenommen, wie Schafen, 
und wurden vor den Herzog geführt. Und so wie der Herzog sie kommen 
sah, fing er an zu sprechen: «Beim hl. Georg, was sind das für Leute, 
was für Neuigkeiten?» Da antwortete ein Ritter: «Sehr erhabener 
und mächtiger Ritter! es ist die Besatzung vom Schloss Grandson, die 
sich Euch auf Gnade und Erbarmen ergeben hat.» Der Herzog liess 
sie vor sich kommen, und sie begrüssten ihn ehrerbietig, da sie meinten, 
oben erwähnte Zusage zu haben, und verlangten, dass ihnen diese Zu- 
sage gehalten werde. Der Herzog hielt Rat in Betreff dieser Sache; 
die Mehrheit war dafür, sie ziehen zu lassen, die Minderheit, sie alle 
an den Bäumen aufhängen oder im See ertränken zu lassen, damit sie 
nie mehr gegen ihn streiten könnten; denn die von Yverdon und Esta- 
vayer sagten, es seien die schlimmsten, die man finden könne, und an 
ihrem Unglück schuld, und erhoben so grosses Geschrei gegen sie, dass 
von Gerechtigkeit nicht mehr die Rede war. So befahl der Herzog dem 
Generalprofossen, sie sämtlich ohne Gnade hängen und ertränken zu 
lassen. Und das geschah; teils hängte man sie an Bäumen auf, teils 
ertränkte man sie im See. Das war ein grosser Jammer ; Gott ist ihnen 
gnädig gewesen, und es war ein grosser Schmerz für unsere genannten 
Herrn. 


69. Die Schlacht von Grandfon. 2. März 1476. 


a. Aus Petermann Etterlins „Kronica von der loblichen Eydtgnoſchaft.“ 
Fol. 89-91. 


Petermann Etterlin von Luzern, seit 1495 Gerichtsichreiber daſelbſt, gab. 1507, 
hurz vor feinem 1509 erfolgten Tode, zu Baſel eine Chronik der lobt. Eidgenoſſenſchaft 
im Drud beraus, in welcher er die Burgunderfriege als Augenzenge beichreibt. 


Wa zogen mannbaft und getroft alle Eidgenofjen mit ihren offenen 
Bannern aus und famen alle zıfammen gen welſch Neuen- 
Fa burg. Desgleichen famen auch Herzog Sigmunds und derer 
von Bajel, Straßburg und derielben niedern Städte Weiter umd 
Züge and) köftlich zugezogen. Als man aljo zu Nenenburg lag, vermeinte 
man ſtets, die von Freiburg und insbejondere die von Bern, jo die Ihren 
zu Grandſon hatten, jollten Kundſchaft haben, wie doch der Herzog von 
Burgund läge, desgleichen den Ihren kundgetan haben, wie daß man käme, 
fie vedlich zu entichütten. Keines von dem war jo. Zie batten feine wahre 
sumdichaft, wie der Herzog lag, aud den Ihren feinen Troſt zugeſchickt, ... 
was den biverben Yenten leider zu großem Schaden gereichte. Denn wo jie 





einigen Troft von ihren Herren gehabt, jo hätten fie fi) nicht übergeben. Die- 
weil aber niemand zu ihnen fam, weder über See noch zu Yand, der ihnen 
Trost zuſagte, und fie aber mit einem jolchen großen mächtigen Heer, wie der 
Herzog von Burgund batte, belagert, alle Tage von ihnen genötigt und 
gedrängt wurden, da ergaben fie jih. [Sie] vermeinten, ihr Yeben hiemit zu 
friften; da gaben fie fich leider erft jelber in den Tod; denn der Herzog 
von Burgund verwirfte feine fürjtliche Ehre dajelbit an ihnen, daß er ber- 
nad) auch eines jchändlichen Todes ftarb und erjchlagen ward. Denn man 
hatte fie ihres Vebens gefichert; da jie fih aber darauf bin ergaben, ward 
jolches nicht an ihnen gehalten. — — — 

Da man nun alfo zu Neuenburg lag und niemand feine rechte Kund— 
ſchaft brachte, wie der Herzog liege, aufer daß man redete, er liege mächtig: 
(ih mit großem Volk und grauſamlichem Geſchütz, damit er fich mit jeinem 
Heere eingeichloffen habe, daß er minder zu überwinden wäre; dann liege 
er [wieder] in einer großen feften [Yager-]Statt, — wurden je die Eid- 
genofjen zu Rat, wie fie ihm doch tun und, wie fie ihn angreifen wollten 
mit dem mindeften Schaden ihrerfeits. So ward mancherlei betrachtet, ge: 
raten und ausgefonnen. Ein Teil meinte, man jollte jenjeits des Sees 
binaufziehen; dann meinten andere, man jollte ihn diesfeits und jenfeits an 
beiden Enden angreifen. Doch da ward zulett geredet, des Herzogs von 
Burgund oberjte Räte und die mächtigften Yandesherren lägen zu Baur- 
marcus in dem Schloß. Alſo ward man da alsbald zu Nat: Ddieweil die 
Herren dajelbft lägen, jo jollte man davorziehen fund] fie daſelbſt belagern. 
Sobald dann der Herzog von Burgund folches vernähme, würde er fie ent- 
ſchütten wollen, und damit bräche er jein Yager, und möchte man ihn dann 
wohl ohne Sorge des Geſchützes halb angreifen. Das alles ward aljo unter 
gemeinen Eidgenoſſen das Mehr. 

Die zogen am andern Tag im Namen Gottes vorwärts, und lag man 
diejelbe Nacht in etlichen Dörfern herwärts Vauxmarcus, deren Namen id) 
nicht weiß. Und es famen der Eidgenoffen Boten in derjelben Nacht zu 
denen von Yuzern in das Dorf, wo fie lagen, um abermals zu tagen. “Derjelbe 
Ratſchlag ward daſelbſt erſt recht beſchloſſen. — — Wie nahe die Eidgenojjen 
ihm [dem Herzog] lauch] lagen, jo hatte er hinwiederum auch feine Kund— 
Ichaft und wußte gar nichts von den Eidgenoſſen, wie es ſich wohl zeigte. 
Denn fie ftießen beiderfeit$ zufammen, ohne daß der Widerpart von dem 
andern etwas mußte. Und als mänmiglich ſich an den Natjchlag, jo vorber 
geicheben, hielt und vermeinte, man wolle jich am andern Tag vor Vaux— 
marcus lagern, rüfteten fich die von Yırzern deſto früher und bieken ihren 
Priefter Meffe halten. Alfo mitten in der Meffe zogen die von Schwiz 
durch das Dorf, da gerade die von Yuzern lagen. Die machten jich mit: 
einander auf, desgleichen andere Eidgenoſſen allenthalben, und zogen gen 


173 


—— — — 


174 


Vauxmarcus zu. Und es waren die von Shwiz, Bern und Eoloturn 
mit ihren PBannern über Vauxmarcus binaus gezogen; ob fie das wegen 
guter Herberge taten, oder warum es geſchah, mag ich nicht willen. Sie 
wußten auch [nichts davon], daß der Herzog von Burgund aufgebroden war, 
und als fie oben hin zogen am SKarthäuferflofter * vorbei, war der Herzog 
von Burgund auch auf und hatte jein Yager gebrochen. — — 

Die ſtießen alſo offenfundig beiderjeits aufeinander, "ohne daß der eine 
Zeil von dem andern etwas wußte. Nun waren mit denen von Schwiz, 
Beru und Zoloturn, wie oben jteht, aus allen Orten und jonjt viel gute 
Geſellen gelaufen, wie es denn in jolhen Zachen gern geichieht, dar ſich das 
Volk allenthalben untereinander vermifcht und ein guter Gejelle den andern 
nachzieht. Die wurden von dem burgumdiichen Heer angegriffen und litten 
große Not, che die übrigen Eidgenofjen zu ihnen famen. Denn es war jeder: 
mann ohne Willen und meinte, es wäre bei dem obgenannten Anjchlag ges 
blieben, und batte jich eim Teil zu Vaumarcus gelagert. Inzwiſchen kam 
alsbald das Gejchrei, wie die ven Schwiz, Bern, Zoloturn und andere, jo 
bei ihnen waren, von den Feinden angegriffen jeien. Da zogen alle Eid- 
genoſſen jofort jchnell nach und famen ihnen tröftlich zu Hilfe. Jetzt, da der 
Herzog von Burgund die Scharen den Berg binabziehen ſah, jhien die Sonne 
gerade auf fie, und es glikerte als wie ein Spiegel; desgleichen brüllte das 
Horn von Uri, auch die Harjtbörner von Yızern, und es war ein joldes 
Toſen, daß des Herzogs Yeute ein Grauſen darob empfingen und zurüde 
wichen. Als die frommen Eidgenoffen zujammenfamen, da zogen jie gemein- 
jam getroft gegen die Feinde dermaßen mit Schlagen, Hauen, Stechen und 
Schießen, daß der Herzog von Burgund die Flucht ergriff, wiewohl er es 
ungern tat. Denn er ritt jelber mit einem bloßen Schwert unter jeine Yeute, 
ihlug auf fie und vermeinte, fie zu zwingen, daß fie nicht fliehen ſollten. 
Aber es war alle Arbeit umſonſt; dem niemand vermochte fie zurüdzubalten. 
Zie flohen, ohne zurüdzufehen, und ließen alles dahinten, was im Yager war. 
Und [es] wurden wenig Yeute erfchlagen; denn fie wollten nicht jtehen. Doc 
ein Yandesherr, nämlich der Herr von Chateau-Guyon, der fein Panner 
jelber in Händen hatte, das auch von denen von Yuzern ritterlich gewonnen 
und in ihre Stadt geführt [ward], der ward erichlagen. Das Fähnlein iſt 
braun, weiß und bfau mit einem goldenen Zt. Andreasfrenze. Und der obge: 
nannte Derzeg von Burgund fam un alles jein Gut, jo er umd andere 
Fürſten und Herren bergeführt hatten. [Folgt die Beichreibung der Beute]. 
Und als man die Feinde über Grandſon binaus gejagt, beganı es jpät zu 
werden, daß man ibnen nicht weiter nachzieben fonnte. Da zog man wiederum 


' La Lance, ſüdwärts vom Paß von Baurmarcus, 


175 


in das Yager, da der Herzog von Burgund gelegen war, Da fand man 
feider vor dem Schloß die biderben Yeute noch alfo frifch an den Bäumen 
bängen, die der Wütrich eben hatte henfen falfen. Das war ein Häglicher, 
jämmmerlicher Anblid; da hingen zehn oder zwanzig an einem Ajt; da waren 
der Bäume viel entäftet und hingen alfefamt voll. Da hängt Vater und 
Zobn bei einander, da zwei Brüder oder jonjt ‚Freunde, und kamen die bi- 
derben Leute, die fie Fannten, ihre Freunde, Vetter umd Brüder waren, die 
fanden fie aljo elendigli da bangen. Da ward erjt Angjt und Not von 
Weinen und Klagen eines jeden um die Seinen, wie aud) wohl billig war, 
Am andern Tag früh wurden die guten Yeute alle abgenommen und im 
Barfüher:Klofter zu Grandjon begraben in einer gar großen Grube, die man 
machte, umd wurden bejtattet. Damit jo helf Gott ihren Seelen allen. 
Und ift folder Streit gejchehen an der alten Faftnacht am andern Tag 
im März, als man zählte von der Geburt unſeres lieben Herren Jeſu Chriſti 
1476 Jahr, und ward Merdon die Stadt an dem Tag aud verbrannt, 
Ich jah nie größere Faſtnacht jeitden. 


b. Brief Panigarola’s an den Herzog von Mailand über die Schlacht 
von Grandſon. 


Aus dem talieniichen: Depeches des Ambassadeunrs Milanais publ. 
par F. de Gingins La Sarra. I. S. 315, 


Zu den interessantesten Quellen über die Burgunderkriege gehören die Berichte 
der Gesandten und Botschafter, welche der Herzog von Mailaud, Galeszzo Maria Sforza, 
zu jener Zeit am Hoflager Karls des Kühuen und der Ilerzogin von Savoyen unterhielt, 
da dieselben zum Teil den Kriegsereignissen persönlich beiwohnten, so insbesondere Johann 
Peter Panigarola, welcher das Vertrauen des Herzogs von Bnrgund in hohen Grade 
besass und von ihm oft zu Rate gezogen wurde. 


Mein erlauchter Herr! Ich vermute, Eure Excellenz habe durch 
Briefe Eurer hochwolmögenden Gesandten vernommen, dass dieser Herr 
‚Karl der Kühne] von den Schweizern geschlagen worden ist; denn als 
sie das Gerücht vernahmen, flohen sie von Orbe, wo sie sich befanden, 
nach Genf und von dort aus, denke ich, haben sie geschrieben. Ich war 
am Morgen in das Lager gegangen und wollte nicht abreisen, bevor ich 
das Ende gesehen und mit dem genannten Herrn gesprochen hätte. 
Nun war der vorgen. Herr am 2. dies, am Samstag Morgen, mit dem 
Heere aufgebrochen, um sich auf einem Hügel in der Nähe eines Passes ! 
zu lagern, durch welchen man ziehen musste, um dahin zu gelangen, 





! Des Passes von Vauxmarcus, 


176 


wo die Schweizer waren. Und schon war ein Teil der Zelte aufgeschlagen, 
da stiegen die Schweizer auf einen Berg oberhalb jenes Hügels und 
griffen mit den Handbüchsen an, damit man sich dort nicht lagern könne. 
Der Herr liess einige Abteilungen Bogenschützen hinaufsteigen und lockte 
sie nach und nach von dem Berge in die Ebene herunter, wo die Artillerie 
mit den Bogenschützen in sie einschlug. An diesem Orte liess er jene 
Bogenschützen sich von der Artillerie zurückziehen und seitwärts aus- 
breiten, um die Schweizer noch mehr in das Feld zu locken, welche er 
umzingelt hatte, so dass sie im Begriffe standen, in der Mitte erdrückt 
zu werden. Die Kürassiere in den hintern Treffen und der Tross wandten 
sich zur Flucht, da sie glaubten, die vordern seien durchbrochen und 
geschlagen, und es erhob sich eine Stimme: «Rette sich wer kann», so 
dass es nicht mehr in der Gewalt des genannten Herrn stand, irgend 
jemanden zum Stehen zu bringen. Er selbst betrug sich sicherlich mit 
grossem Mute, und als er die Menge fliehen sah, ohne ein Mittel, sie 
zum Stehen zu bringen, leistete er mit einigen wenigen mitten unter 
den Feinden ein gutes Stück Widerstand und zog sich am Ende auf das 
erste Lager zurück, wo er Halt machte, um zu sehen, ob er die Seinen 
sammeln könnte. Diese waren jedoch schon zwei Stunden weit entfernt; 
und er sagte zu mir, dass er fürchte, verraten und von einigen verkauft 
zu sein, da er solche Feigheit bei den Seinen sehe, welche, ohne verfolgt 
zu werden, noch mit den Feinden, die verloren gewesen wären, wann 
sie stand gehalten hätten, handgemein zu werden, so elend geflohen seien. 
Zuletzt, als er die Feinde zum Lager kommen sah und beinahe allein 
war, entschloss er sich, zu weichen, indem er vorher alles aufbot, um 
die Seinen daselbst zu sammeln, wenn es möglich gewesen wäre. Endlich 
verliess er das Lager mit grosser Mühe, indem ihm einige Kapitäne und 
ich sagten, es sei keine Zeit mehr, daselbst zu bleiben. Seine Herrlichkeit 
begab sich nach Jougne in Burgund, drei Stunden weit von dort. Ich 
ging nach Orbe, um die Gesandten daselbst zu treffen; als ich diese 
verreist fand, ritt ich die Nacht hindurch nach Jougne und gestern hieher 
nach Nozeroy, einem burgundischen Flecken, zehn Stunden weit vom 
Lager [bei Grandson], woselbst der vorgenannte Herr sich festgesetzt 
hat, um das zu tun, was Eure Herrlichkeit unten hören wird. Denn in 
dieser Niederlage haben sowol die Kürassiere als die Bogenschützen keine 
Verluste erlitten, weil sie nicht ins Gefecht gekommen sind; vom Fussvolk 
sind nur wenige gefallen, nämlich einige von den Vordersten an jenem 
Berge und dann auf der Flucht der Artillerie. Leute von Stand sind 
etwa sieben gefallen, darunter der Herr von Chateau-Guyon, Ritter des 
goldenen Fliesses, Herr Peter von Lignana und fünf Edelleute vom 
Hofstaat des Herzogs, so viel man bis dahin hat vernehmen können. 
Der Verlust besteht in der Artillerie, welche ganz dort geblieben 
ist, mit den Bombarden, die in der Tat etwas Schönes und Ausgezeich- 
netes war, in Zelten, Hütten, Prunkgeräten und Lagerzeug, die seiner 
Excellenz würdig waren. Die Kriegskasse, Juwelen in grosser Menge 
und das Silbergeschirr sind gerettet und hieher gebracht worden. Viele 
Wagen vom Lager sind verloren, worin sich immerhin Kostbarkeiten und 
Silber in ziemlicher Menge befindet. Über diese, meint man, hätten sich 
die Schweizer hergestürzt, um die Beute zu sammeln und zu verteilen. 








177 


Denn von einem, der diesen Morgen gekommen ist, hört man, dass das 
dieser Tage gewonnene Grandson, wo jene gehängt wurden, von den 
Unsrigen, welche, wie man sagt, etwa 1000 Mann stark, es besetzt 
halten, noch behauptet wird, und dass die Schweizer, als sie das Lager 
geplündert hatten, an ihren Standort zurückgekehrt sind, und man hört 
nicht, dass sie etwas anderes seitdem getan hätten. So ist die Niederlage 
erfolgt, ohne dass man mit den Feinden handgemein geworden wäre, und 
besteht im Verlust von Hab und Gut und Geschütz und nicht in Leuten 
und Soldaten, weil sie, wie schon gesagt, flohen, ohne zu kämpfen. 

Nun hat gen. Herr, sobald er hieher gekommen war, sofort nach 
Lotringen, Burgund und allen umliegenden Orten geschrieben, dass man 
keine Soldaten passiren lasse. Vielmehr sollten alle, welche anlangten, 
zurückgeschickt werden und alle Kürassiere aus den Quartieren und von 
zu Hause sofort hieher kommen, da er sich bemüht, sie zu sammeln, so 
viele er kann. Nach Nancy und Luxemburg hat er um grosses und kleines 
Geschütz geschickt, sowie um Bombarden und Zelte, deren er eine Un- 
masse hat, sechs mal mehr, wie er sagt, als er verloren hat. Er hat um 
Geld geschickt in Menge, um den Soldaten welches zu geben, und auch 
hier versieht er sich damit, obwol sie für den ganzen Dienst ausgerichtet 
sind. Aber er will ihnen neues geben und in 15 Tagen, hat er mir ge- 
sagt, überhaupt wieder ein Lager beziehen bei einem Ort auf dem Lande 
zwei Stunden von hier, mitten in Savoyen, nahe den Schweizern und den 
Örten, wohin er ziehen wollte, und wird daselbst das ganze Lager und 
(reschütz sammeln. Dann wird er vorrücken, denn er gedenkt, sie auf- 
zusuchen, und zweifelt nicht daran, mit Gottes Gnade zu seinem Ziele 
zu gelangen, da er ihre Macht und Kriegsführung kennen gelernt habe; 
er fürchte sich nicht vor ihnen. Wenn nur der König von Frankreich 
nicht durch diese Niederlage gestärkt werde und ihm nach seiner Ge- 
wohnheit einen Streich spiele; deshalb wolle er sofort ins Feld rücken 
und ihm die Zähne weisen, indem er die Unternehmung mit Nachdruck 
betreibe. Es fehlt ihm nämlich nicht an Mut, Geld, Leuten und Mitteln, 
den Krieg zu führen. Auch ist er über diesen Vorfall nicht bestürzt, 
da er die Soldaten nicht verloren hat, aber wütend, dass diese Schweizer 
Bauern wegen der Feigheit der Seinen solche Ehre davon getragen und 
den Ruhm seiner Excellenz vermindert hätten, zu dessen Wiedergewinnung 
er, wie er sagt, im Kriege sterben oder mit grösserer Macht hervorgehen 
wolle, als zuvor. Er beauftragte mich, Eure Excellenz von allem zu 
unterrichten. 


70. Die Beute von Grandfen. 
Aus Diebold Schilling's PVBeichreibung der Burgumdiichen Kriege. S. 298. 


Am 26. Dezember 1484 legte der Gerichtsichreiber Diebold Schilling dem Rat von 
Bern eine von ihm geichriebene, mit über 600 folorirten Handzeichnungen verzierte Chromif 
der Stadt Bern in drei Pergamentbänden vor, welche hierauf „vor Rat und Burgern 

Oechsli, Quellenbuch. 12 





— — 


178 


verhört und korrigirt“ in das Stadtgewölbe zu andern Briefen und Schätzen niedergelegt 
wurde. Schilling's Werk, das noch erhalten iſt, enthält im erſten Teil eine Abſchrift der 
alten Stadtchronif von Juftinger, im zweiten eine von zwei Natsgliedern, Dittlinger 
und dem Benner Tſchachtlan verfafte Überarbeitung der Chronif $ründs und endlich 
im dritten eine von ihm ſelbſt verfaßte ausführliche Geichichte des Zeitalters der Burgqunder- 
kriege von 1468— 1454, an welchen er perfönlich teilgenommen hatte. 


Da wurden auch dem Herzogen von Burgund in dem Yager mit großer 
Mannheit alle feine Büchſen, groß und Fein, abgewonnen, und dazu grof 
Ding an Pulver und anderem Kriegszeug. Derjelben Büchjen waren an der 
Zahl 420, darunter viel große Hauptbüchſen; das andere waren mebrenteils 
Schlangen: und Steinbüchjen, und es war feine fleine Büchſe darunter. Die 
führte man alle gen Nidau und wurden da unter die Eidgenojjen und andere 
Verwandte, die damals bei den Dingen gewejen waren, geteilt; das Pulver 
und das andere Kriegszeug ward aber mehrenteils im Felde verbrannt und 
vermwüjtet, was gar übel getan war; doch ward etlichen darum ihr rechter 
Yohn, die ſich gar übel verbrannten und verjehrten. 

Dean fand auch in dem Yager, das man ihm abgewonnen batte, gar viel 
föftlicher Banner und Fäbnlein, von Gold und von Seide gemacht. Zei es, 
daß man jie im ‚Felde mit der Hand gewann, oder daß man fie] in den Kaften 
oder Yederjäden fand, es waren ihrer, groß und Hein, mehr als 600 an der 
Zahl. Diejelben Banner und Fähnlein, befonders die, jo in den Kaſten ge- 
wonnen wurden, wurden bernad gen Yuzern geführt und unter gemeine Eid: 
genofjen und andere Verwandte nah Marchzahl der Yeute geteilt, und ber- 
nach von jedermann aufgehängt oder behalten, nad jeinem Gefallen. — — 

Dazu bat man ihm auch abgewonnen alle jeine Habe, jo er und die 
Seinen im Felde gehabt baben, an goldenen und jeidenen töftlichen Tüchern und 
Gewändern, Gold, Silber und Edelgeftein, und anderes jo großes Gut und 
Neichtum, dak man davon nicht wohl jagen mag; denn wie ich nachmals von 
Yandsherren und andern frommen Yeuten mehr als einmal gehört und ver- 
nommen babe, jo haben der Herzog von Burgund umd die Seinen in Yager 
von Srandjon mehr als einer Million Goldes wert verloren, das iſt zehn 
mal bunderttaufend Gulden in einander, wovon jedoch nicht der hundertſte 
Teil an den Tag gekommen, und [das Übrige] von unehrlichen Yeuten wider 
Eid und Ehre geitohlen [worden tft]. Doch ift etwas in die gemeine Beute gen 
Yızern gekommen und erzeigt worden, wie unten jtebt. 

Man gewann auch des alten Herzogen von Burgund fieben Zelte, die 
gar fültlih waren, und dazu viel andere Zelte, die vor Grandſon aufgejchlagen 
waren; dazu ließen auch die Kaufleute und Nrämer ihre Kaufmannsichäße 
und Zpezereien fat alles zurücd, wofür ihnen auch gar wenig ward. 

Da fand man in dem Yager auch mehr als 4000 große Kolben; von 
denen hatte jeglicher bei vier Pfund Blei und waren jo lang als eine Mordarxt, 


179 


dak man mit einem wohl einen Ochjen niedergejchlagen hätte. Dazu fand man 
auch gar viele Mordärte, Spieße und andere Waffen, und bejonders mehr 
als ein Faß voll Halsitride, damit er fromme Chriftenleute aufzuhängen ge: 
dachte, was ihm dazumal von. Gottes Gnaden nicht geriet. Man fand aud) 
gar viele Handbogen und viel große Fäſſer mit Pfeilen, woran die Eijen 
größtenteils alle vergiftet waren '!, was doc) für einen jolchen mächtigen Fürften 
unehrlih war; doch achtete er das alles nichts. 

Dazu hatte er auch in dem Felde und Yager eine Münze aufgerichtet, 
und hatte alle Hoffart und Kojtbarfeit mannigfaltig bei fich gehabt, wie jich 
nahmals wol erzeigte; denn es kam in furzem dazu, daß in allen Städten 
der Eidgenofjen und andern, jowie auf dem Yande allenthalben jo viel föftliche 
jeidene Kleider und Wämmſer, dazu andere Koftbarfeiten, gemacht und getragen 
wurden, daß es jo gemein ward, wie jchlichtes Tuch und Kleider. Doc) ver- 
ging etlichen jolche Hoffart gar bald; denn mancher faufte aus der Beute 
jeidene Wämmſer und anderes, der vorher kaum ein zwilchenes Wamms- be: 
zahlen mochte. Das konnte nicht wohl zu lange währen; denn jobald diejelben 
zerriffen waren, da vermochten fie fein anderes mehr zu bezahlen. Man kann 
nch mag aber darum das nicht jchelten, noch für übel halten, denn ſolch Gut 
und Kleider find von Gottes Gnaden gar ehrlich gewonnen worden, und die 
Armen haben jo viel als die Neichen getan. 

Diefe nachgenannten Stücke und Kleinodien find gen Yuzern im die ge 
meine Beute gekommen und nichts anderes erzeigt worden: 

Des erjten an jilbernen Kannen, Platten, Schalen, Bechern und anderm 
Silbergefchirr, vergoldet und unvergoldet, was man gewogen hat und an 
den Tag gekommen ift, mehr als 4 Zentner jchwer, macht über achthundert 
Marf, ohne anderes, das man nicht erzeigt und verfauft und aus dem Yande 
geführt hat oder darin geblieben und dennoch nicht an den Tag gekommen ift; 
denn gar viel filberne Platten, Kannen und anderes wurden durch einfältige 
Yeute für Zinngeſchirr verkauft. — — 

Dann gar viel goldene, jilberne und jeidene Röcke, dazu andere köſtliche 
jeidene umd goldene Tücher und Gewänder, auch andere große Kojtbarfeit, 
was man nicht wohl beichreiben noch ſchätzen kann. Dann, des Herzogen von 
Burgund köſtlicher Stein und Diamant, den jeines großen Wertes halber 
niemand jchägen mag; ift eine halbe Baumnuß groß und eingefaßt in Gold, 
daran bangen zwei große Perlen, geformt wie zwei Birnen. Dann des Herzogen 
Degen, find im Heft eingejett jieben große Diamanten, jieben große Nubinen 
und fünfzehn große Perlen, auch jo aut und foftbar, dar man es nicht wohl 
ſchätzen kann. Darm aber ein über die Maßen köftliches Täfellein, ganz golden 


' Eine unerwieſene Beichuldigung. 


180 


mit ſechs großen und jchönen Perlen und jechs großen Rubinen, darin ein gar 
würdig und köſtlich Heiligtum ift, wie nachfolgt: Nämlich zum erjten ein 
Stüd von dem heiligen Kreuz unjeres lieben Herrn und Erhalters Jeſu 
Ehrijti, dann ein Stüd von der Dornenfrone desjelben unſers Heilands und 
Erbalters Jeſu Ehrifti, dann ein Stüc von dem’ föftlihen Speere Jeſu Chriſti, 
unfers Erlöfers und Heilandes, dann ein Stüd von der Marterrute unſeres 
lieben Herrn und barmberzigen Erhalters Jeſu Ehrifti, dann ein Stüd von der 
Martergeifel unjeres Heilands und wahren Gottes Jeſu Ehrifti, dann ein 
Stück von dem heiligen Grabe des vorgenannten unferes lieben Herrn Jeſu 
Ehrifti, dann ein Stüd von dem würdigen Rock unferes Heilands und Er- 
löfers Jeſu Ehrifti, dann ein Stück von dem Kleid, das ihm Herodes anlegte, 
da er jeine bittere Marter für uns fündige Menjchen leiden wollte, dann ein 
Stück von dem Tijchlafen, da er das Abendmahl mit feinen lieben Jüngern 
einfegte, dann ein Stüd von der Tafel Mofe, daran die zehn Gebote ftunden, 
dann ein Stüf von der Rute Narons und dazu andere unjäglich köſtliche 
Heiligtümer. 

Dann wieder ein anderes goldenes föftliches Täfellein, darin ift auch ein 
groß würdig Deiligtum, von allen zwölf Apofteln und anderes. Dann wieder 
ein anderes föftlihes Stück von Gold und Kriftall, darin ift ein Heiligtum 
von St. Andreas, dem Zwölfboten !, dann wieder ein köſtliches Pacem? mit 
einem X Ofberg von Perlmutter, dann wieder des alten Herzogen von Burgund 
Paternojter, it ganz golden, und find darin die zwölf Apojtel in Email ge- 
malt und find auch andere große Heiligtiimer daran. Damm des Herzogen von 
Burgund rechtes Siegel, ganz golden und wiegt bei einem Pfunde. Dann des 
Baftards von Burgund rechtes Siegel, ift filbern und vergoldet. Dann ein 
elfenbeinernes gejchnittenes Täfellein, ift an den zwei Flügeln der alt und 
neu Herzog von Burgund fonterfeiet, dazu viel andere Kleinode und anderes, 
was gar lang zu fchreiben wäre. Dazu wurden auch in der Stadt Bern und 
von allen andern Eidgenofjfen von Städten und Yändern und fonft allenthalben 
in der Vereinung, die bei diefen Dingen gewejen waren, aud) andere Dinge 
erbeutet, die man nicht nad) Yuzern bringen fonnte oder wollte, daraus aud) 
viel Geld gelöst und unter das gemeine Wolf geteilt ward, wie damals 
ſolches von gemeinen Eidgenojien und Verwandten bejchloffen und angeordnet 
worden war. 


I Apoftel. — * ein Agnus Dei (Gotteslamm), d. b. eine fänglich rumde Platte, auf 
der ein Lamm mit der Kreuzfahıe abgedrndt iſt, Die der Priefter nach der Meile den 
Diatonen oder dem Volle’ mit den Worten: Pax domini vobiseum (deffjriede des Herrn 
jet mit ech) zum Küſſen reiht. 


181 


7. Zwei Briefe Hans Waldmanns. 1476. 


Ochſenbein, Urkunden. ©. 202 u. 283. 


„Da nun die Eidgenofien diefe Mähre [von den nenen Rüſtungen Karis| vernahmen, 
wurden fte mit einander zn Nat, daß fie zur Sicherheit 1000 Mann ausheben und die 
gen Freiburg in die Stadt zum Zuſatz legen wollten. Alſo boben meine Herren von 
zürich 200 Mann ans umd der Hanptmann war nun Hear Hans Waldmann und 
Fähndrich Jakob Tig. So zogen fir von Zürich aus am Montag Mittfaften [20. März] 
1476 und da fie num gen Freiburg famen, waren die andern Eidgenoflen auch gefommen. 
Die wurden num untereinander zu Nat, daß fie einen oberiten Hanptmann nehmen wollten, 
Alſo ward Herr Hans Waldmann von Zürich zum oberjten Hauptmann in der Stadt 
Freiburg erwählt. Daher ſchlugen die andern Eidgenoffen alle ihre Fähnlein auf und 
zogen unter meiner Herren von Zürich Fähnlein. So lagen fie auch zu Freiburg bis 
auf die Zeit, da man Murten entieten wollte, Es ift auch zu wiffen, daß die im Zufat 
mitfamt denen von Freiburg viel und oft ausgezogen find unter meiner Herren von Zilrich 
Fähnlein, jest mit 1500 Mannen, zumeilen mehr, zumeilen minder, es jei gen Remund 
[Romont] oder gen Ruw [Rue] und an andere Orte und fih da gar ritterlich gehalten 
im viel bübichen Scharmüßeln und da gar viel Raub gewonnen umd Dielen nachher gen 
Freiburg gebracht haben.“ [Gerold Edlibachs Chronik S. 158]. 


a. Hans Waldmann an Gerold Edlibach. 16. Mai 1476. 


Nener Zeitung halb wife, mein lieber Bruder, daß der Herzog Karl 
noch ſtill liegt, wie vorher, mit feinem Bolt. Wir haben unfere fichere Kund— 
haft, 80,000 oder 70,000 Mann. Wir waren am Freitag gen Romont 
gezogen mit unferem Zug an die Stadt umd redeten mit ihmen in der Stadt, 
und lagen wohl 4000 Mann darinmen und durften ung nicht angreifen. Wir 
zogen rings berum, da wir vermeinten mit ihnen zu ftreiten; aber jie kamen 
nie aus der Stadt; doch fingen wir 5 Mann und erftachen einen. Und wiſſe, 
daß, wo wir 6000 bis 7000 Mann ftart werden möchten, wir fie juchen 
wollten, mit ihnen zu jchlagen, und wenn meine Herren von Zürich und 
andere Eidgenoffen ums eine Hilfe ſchickten, ſo weiß ich fürwahr, daß mir 
den Herzog und all jein Volt aus dem Yand jchlagen würden mit der Hilfe 
Gottes; denn fie warten unſer nirgends. Am legt vergangenen Sonntag 
iind etliche Knechte auf Naub gegangen, bei 60, von denen find 12 erjtochen, 
die andern gefangen. tem, jo jage meinem Herrn Burgermeiiter und Meifter 
Widmer, daß viel von den Eidgenofjen aus dem Zuſatz gegangen ſeien und 
lihre Zahl] ftart abnimmt. Zudem, jo wir jo lang liegen, daß mir faft 
wneins würden. Doch fo jind wir noch wohl miteinander eins; aber es will 
fich ändern, und wenn wir 600900 Mann hätten, jo wollten wir mit Gottes 
Dilfe den, Herzog und fein Wolf angreifen und aus dem Land ſchlagen. 
Darım wollte ich um Yeib und Gut wetten, und es jagt jedermanı, daß 
ihn niemand fürchten dürfe; denn der Mann it unſer eigen, und bejorgen 


182 


wir nichts, als daß er bald fliehe. Item, vergangenen Mittwoch wollten wir 
gegen ſie ziehen; da haben uns die von Freiburg gebeten, nicht auszuziehen, 
bis ihr Bote von dem Tag zu Luzern käme. Das haben wir ſo zugeſagt 
zu tun; darum ſag ſolches meinem Herren Burgermeiſter Röuſt und Meiſter 
Widmer. Denn meine Herren ſchreiben mir nichts und laſſen mich auch 
nichts wifjen; darum brauche ich ihnen auch nichts zu jchreiben; denn ich 
höre wohl, daß wir Wagbälfe find. Doch jo will ih das befte tum und 
ihnen jo viel Ehre heimbringen, wenn Gott will, und mehr tum mit eigner 
Berfon, als je einer getan hat; das muß jedermann vernehmen, und will 
dennoch kein Gold am mich henken. Nichts mehr, denn Gott behüte ung und 
alle, die uns hold find. Wir haben Nitter, die nie einen Toten geſehen 
haben, Das ift unfere Schand mehr, denn Ehr. Nichts mehr, denn halt 
mohl Haus und tu allweg das Bet, denn wills Gott, jo will ich ehrlich) 
heimkommen oder darım fterben. Darum jo behüte dich Gott treulich. Grüß 
mir meinen Herrn Burgermeifter und Meifter Widmer, den Stapfer und 
wer mir nachfrägt, und all unſer Heucgeſiude meine Hausfrau, Deine Mutter 


und meine Schweſter. 
Johans Waldmann. 


Waldmann au Bürgermeiſter und Rat der Stadt Zürich. 
17. Juni 1476, 


Strenge, fürfichtige, Ehrjame und weile, gnädigen lieben Herren. ch 
anerbiete euer Ehrjamen Weisheit meine untertänigen willigen Dienfte, und 
was ich vermag mit Yeib und Gut, jei euer Weisheit immer vor allem be- 
veit, gnädigen lieben Herren. Ich tue euer Weisheit zu wiſſen, daß die bi- 
derben Yeute zu Murten beftig bedrängt werden von dem Herzogen. Denn 
der Herzog bat bis zu ihnen gegraben an ihr Bollwerf, jo daß fie mit 
Steinen gegeneinander werfen; zudem bat er den beiten Turm im vier 
Schüſſen wiedergejchoffen, auch andere Türme und ihre Mauer ftarf zer: 
ichoffen, daß wir für jie großes Übel bejorgen. Yieben Derren, jo haben 
unſere Eidgenoffen von Bern uns im Zuſatz und die von ‚Freiburg gebeten, 
dak wir zu ihnen ziehen möchten, jo wollten fie über das Waſſer [die Saane] 
und fich in der Näbe unjerer yeinde lagern. Das haben wir mit den Worten 
abgejchlagen, wir wollten unjerer Herren warten und obne jie nichts handeln, 
und raten ihnen auch, daß fie nichts vornähmen, bis unfere Herren fümen; 
jo woltten wir nichts deito minder ein treues Auffeben auf fie haben, und 
wenn ihnen irgend etwas begegnete, es jei Tag oder Nacht, ihnen treulich 
äuzieben und Leib und Gut zu ihnen ſetzen. Ale erwarte ich, fie kommen 
den nach. Darum, gnädigen Derren, beeilt euch mit Ziehen, daß ihr nicht 
die hinterften ſeit; denn habt ihr feinen Zweifel: die Yeute find alle unſer 


— — —⸗ 
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“nt 
. 


183 


Eigen, und ſchätzt man wohl gegen drei mal jo viel Yeute als vor Grandion ; 
aber erjchrede niemand, wir wollen fie mit Gottes Hilfe alle töten; fie mögen 
uns nicht entrinnen, jo haben wir dann nad allem Wunſch nicht mehr mit 
ihnen zu jchlagen. Der ewige Gott und feine würdige Mutter und all das 
bimmlifche Heer, die geben euch Glück zu eurem Auszug und behüten ung, 
dak ihr uns alle mit großen Ehren und Freuden empfanget. Amen. Ge: 
geben am Montag nach unferes Herrn Fronleichnamstag, in der fiebenten 
Stunde nachmittags im 76. Jahre. 
Euer allerwilliger Hans Waldmann 
Hauptmann zu Freiburg. 


12. Die Berteidigung Murtens durch Adrian von Bubenberg. 
9.—22. Iumi 1476. 


Schilling, Beichreibung der Burgunder Kriege S. 307 fi. 
- Re 
In \ tie von Bern, der fleine und große Nat, waren auch Tag und Nacht 
er IA N) bei einander zu ratjchlagen, wie fie dem Wüterich von Burgund und 
—ES dem mächtigen Volk Widerſtand leiſten und zeigen möchten, und 





—— — 
* 
f 


Ihidten von den „Khrigen gen Murten bei 1500 gewappnete und ftreitbare 
Männer von der Stadt und auch von ihren Yanden und Gebieten aljo: wo ein 
Vater oder Sohn war oder ſonſt Brüder oder andere Freunde, die zu folchen 
Sachen nüte und gut waren, da wurden immer etliche von denjelben gen Murten 
gelegt, auf daß fie jicher und auch gewiß wären, daß man jie nicht verlaffen 
würde, was ihnen auch die von Bern zujagten und verhießen. Und jie gaben 
denjelben zu ihrem oberjten Hauptmann Herrn Adrian von Bubenberg, 
Ritter, Herrn zu Spiez; der ward von Näten und Zweihundert freundlich 
gebeten, jich der Sache zu unterziehen und anzunehmen, was er auc alsbald 
wilfiglich tat, unter jolchen Bedingungen, dar ihm dieſelben alle jchmören 
müßten, gehorjam zu jein, in allen Sachen, was er unter ihnen anordnete 
und fie tum hieß, und dag man ihm auch zu allen Zeiten, was er dann bedürfte 
und nötig hätte, ſchicken und ihn darin nicht im Stiche laffen wollte, Das 
ward ihm auch von Räten umd Burgern verheißen. — — 

Die von Freiburg, die fich gegen die von Bern und andern Eid: 
genojjen gar ehrlich und freundlich gehalten haben, jchicten auch aus ihrer 
Stadt einen Hauptmann mit 80 wehrhaften Männern gen Murten, da 
ihnen Murten zum halben Teil gehört. Diejelben fingen mit denen von 
Bern an, Tag und Nacht zur arbeiten, und machten vor der Stadtmauer umd 
auch unten am Ufer gar ſtarke hölzerne Bollwerfe und verforgten die Stadt 





184 


an allen Orten mit Büchſen, Pulver und anderm Zeug nad) aller Notdurft, 
und ſchickte man ihnen auch Tag und Nacht von Bern und Freiburg, was 
fie begehrten und nötig hatten. Denn der Ernft war groß; fo ging die ge- 
meine Rede dergeftalt, daß man fich wohl verjah, der Herzog würde jein 
Yager davor aufichlagen. 

Die frommen bandveiten Yeute von Straßburg, die denen von Bern 
und andern Eidgenoffen zu allen Zeiten gar getreuen Beiftand erzeigt haben, 
ichieften auch ihre eigenen Büchſenmeiſter, vier ehrliche Männer, dazu ihre 
Büchſen und anderes Sriegszeug auch gen Murten, die auch mit denen von 
Bern und andern großen Fleiß und Ernſt hatten, wie fie alle Sachen zum 
Beiten verjehen möchten. — — — 

Und als fi) mm der Herzog von Burgund mit jolcher großer Macht 
und all jeinem Kriegszeug vor Yaufanne gefammelt hatte und alle Städte 
und Schlöffer voll Volkes lagen und nichts übrig blieb, als daß man jeinen 
Mutwillen erwarten mußte, da wurde von dem Herzog und den Seinen 
jtetS und überlaut geredet: er jei vor Grandjon von böjen Bauern und armen 
Bettlern vertrieben und ihm jein großes Gut genommen ımd abgewonnen 
worden, das ihm nicht wieder werden fünnte; darum wolle er jie ftrafen und 
alle töten und erhenfen ! und zuerft mit denen, jo in Murten wären, anfangen. 

Wegen folchen Drohens und Schadens waren die von Bern und die 
Ihrigen in Murten unerichroden und wurden mur um jo mannhafter und 
beberzter ; denn fie meinten, er werde abermals großes Gut von Gold, Silber 
und andern Dingen mit fich bringen, was fie ihm abermals meinten abzu- 
gewinnen. — — Und schickten auch Dazwischen allerlei Brovifion an Büchſen, Pulver 
und andern Dingen, desgleichen Mehl, Wein, Fleiſch und anderes gen Murten, 
damit es für alle Fälle defto bejfer verjeben wäre. Der vorgenannte Haupt: 
mann von Bubenberg und andere, die bei ihm waren, schrieben auch ihren 
Herren von Bern zu allen Zeiten gar getroft, und war ſtets ihr Rat umd 
Meinung, der Eidgenofjen und anderen Zugewandten zu warten, jo wollten 
fie fich auch getroft und ritterlich halten und von Murten nicht jcheiden bis 
in den Tod, damit fie ficherlih und ehrlich entjchüttet werden möchten, 

Und aljo an einem Samstag vor der heiligen Dreifaltigteit [8. Juni] ® 
des vorgenannten Jahres brach der Herzog von Burgund mit umjäglich großer 
Macht und all jeinem Kriegszeug, Büchſen, Pulver und andern Dingen aus 
jeinem Yager und Wagenburg zu Yaufanne gegen die Statt Murten 
auf. — — 


' Brgl. dazu Panigarola an den Herzog von Mailand (Schreiben vom 12. Juni 
1476): „So viele Zchwerzer der Herzog befommen kann, läßt er aufhängen, und das 
geſchah von geſtern auf heute ſchon mit füufen.“ O bienbein, Urkunden S. 261. — 

® Schilling irrt fih indes in dieſer Sekaugabe in Wirflichfeit fand der Aufbruch 
ihen am 27. Mai ftatt (3. Odhfenbein, a, a. O. S. 221), 


L_ 
185 


Und den andern Tag, am Sonntag der heiligen Dreifaltigteit |9. uni] 
ward Murten die Stadt von dem Herzog von Burgumd berannt und be- 
lagert mit großer Gewalt und Macht. Da ließ der Hauptmann alsbald bei 
200 wehrhafte Männer hinauslanfen; die fcharmügelten mit ihnen und er: 
ftachen umd verwundeten den Feinden mehr als 50 Mann, und gejchah ihnen 
von Gottes Gnaden fein Yeid. Und den andern Tag, am Montag, ward 
Murten die Stadt ganz umlagert mit jo großer Macht, daß niemand zu 
noch von ihnen fommen konnte; nur den See hatten die von Murten inne, 
was auch denen von Bern und ihnen wohl fam. 

Das alles jchrieben und entboten der Hauptmann und andere Räte, jo 
in Murten waren, von Stund an ihren Herrn und Obern gen Bern. — — 
Alſo wurden von Stund an Räte und Zweihundert verfammelt und ward von 
denen beichlofjen, daß man beförderfich Boten in alle Städte, Yänder, Herr: 
ſchaften und Gebiete mit Briefen ausſchicken und alfenthalben ftürmen folfe, da: 
mit männiglih Tag und Nacht gen Bern fomme und die frommen Yeute in 
Murten entjchütten helfe. 

Und am Dienftag darauf, als der Herzog mit jo großer Gewalt und 
Macht vor Murten war, fing man eifrig an, zu der Stadt hin zu graben, 
und [fie] legten die zwei großen Hauptbüchſen diesfeits der Stadt, gegen 
Bern zu, da der Graf von Romont lag. Daraus ſchoß man heftig die 
Mauern nieder an demfelben Ort, und war ein groß Gejchrei von ihnen, 
und drohten ihnen, jie alle Stunden zu henfen. Es wurden auch von den 
Feinden etliche Bogenpfeile nach Murten hineingefchoffen mit papierenen Zed— 
dein. Auf einem ftand gefchrieben: „hr Bauern von Bern, übergebt die 
Stadt und das Schloß, ihr vermöget euch nicht zu halten; denn alle Häm— 
mer möchten nicht Geld genug jchlagen, daß ihr damit. erlöst wurdet ; wir 
fommen bald in die Stadt umd werden euch fangen, töten und an euren 
Gurgeln erhenken.“ — — 

Solche ſchändliche Sachen und Drohworte wurden von ihnen viel geſehen 
und gehört und dachten wenig an den allmächtigen ewigen Gott, in deſſen 
Gewalt alle Dinge ſtehen, der ſie auch alle mit einem Gedanken hätte er— 
drücken und verderben können. — — Aber der Hauptmann und die andern in 
Murten waren in der Stadt gar ſtill und ſchrien und redeten nicht laut, auf 
daß die Äußern nicht hören noch vernehmen möchten, ob ihrer wenig oder 
viel wären, und taten ihnen mit Schießen und täglichem Scharmützeln großen 
Abbruch und Schaden. Sie hatten auch, ſo lang der Herzog vor Murten 
lag, der Stadt Tore ſtets Tag und Nacht offen, und wurden nie geſchloſſen; 
denn ſie lagen in den äußern Bollwerken, die ſie ſelber gar ſtark und feſt 
gemacht hatten, Tag und Nacht und hatten große Mühe und Arbeit, wie 
ſie ſich vor einer ſolch großen Gewalt zu halten vermöchten. Sie wurden 
von dem großen Schießen und den Drohworten, die an den Zeddeln in die 





186 


Stadt geſchoſſen wurden, auch nicht befünmmert noch verzagt, jendern fie ge- 
wannen dadurch mit männlichem Bergen, wie fie denn das gen Bern jchrieben, 
fie wären davon [nur] defto fühner geworden und wollten mit der Hilfe Gottes 
ihnen dejto männlicher widerjtehn und an dem Ort jterben und genejen. — — 

Da num mit den großen Hauptbüchſen gegen die Stadt Murten heftig 
geichoffen ward und die Mauern auf der einen Zeite gar weit niedergefallen 
waren, da wurde am Dienjtag vor 10000 Nitter-Tag |18. Juni] abermals gar 
heftig gegen die Stadt aus den Hauptbüchſen gejchoffen, und wurden des— 
jelben Tages bei jiebenzig Schüffe daraus getan. Der Herzog ließ auch all 
jein Volk desjelben Tages mebr ald einmal juuftern; desgleichen tat ber 
Graf von Romont auch, md trieben das den ganzen Tag mit großem Ge— 
jchrei und Schall, damit jie die im der Ztadt Murten hätten mögen zu 
Schreden bringen. Und da es Abend ward an demjelben Tage, zwijchen 
ſechs und fieben nachmittags, fingen fie an die Stadt zu ftürmen an dem 
Ende, da die Mauern und Häujer abgejchojfen und niedergefallen waren, 
und kamen mit jo großer Macht und unfäglichem Gejchrei, daß davon viel 
zu jchreiben wäre. Sie trugen auch mit fich Yeitern, Ärte und anderes Zeug, 
das zu einem Sturme dient, und waren ihrer jo viel, daß jich einer vor dem 
andern kaum rühren fonnte, und fingen den Sturm mannlid an. 

Der Hauptmann und die andern in der Stadt hatten ſich des vorher 
wohl verjehen und eine Ordnung gemacht, daß jedermann wüßte, wohin er 
gehn und was er tum ſollte. Und alſo mit unverzagtem Mut umd ganz ftille 
nahmen jie die Sache je ritterlih an die Hand und jtellten ich zur Gegen- 
wehr, mit Schieken, Schlagen und anderm, daß die Feinde fejt zurücgetrieben 
wurden; denn fie hatten ihre guten Büchlen von der Stadt durch die Gräben 
hingerichtet, daR ihrer damit gar viel erichoflen wurden, und hatten gar gute 
Büchjenmeifter von Straßburg und auch von Bern bei jich, die ſich an jelbem 
Sturm und auch ſonſt mit Schießen gar ehrlich und fromm gebalten; des— 
gleichen auch andere getan haben, denn ich babe von dem von Bubenberg, 
dem Hauptmann, gehört und vernemmen, daß jedermann in der Ztadt mann: 
lih und willig und fein Berzagter unter ihnen war, und die Zeinen waren 
ihm auch alle geborjam, wie er jie ordnen oder tun bie, was auch ein be- 
jonderes Glück und Gnade von Gott dem Allmächtigen war; denn Gehorjam 
bringt in allen Sachen gar viel Gutes, und wo man den braucht und dazu 
Sottesfurcht bat, da mag frommmen beftändigen Yeuten nicht wohl mißlingen. 
Das ſoll jedermann bedenken und jich davon nicht weiſen lafien. 

Der Hauptmann und die Seinen batten auch in dem Graben, wo man 
ſtürmte, etwas Fußeiſen, die man Kegel nennt, gelegt und heimlich verborgen, 
worin die Feinde auch ftarf geichädigt wurden. — — Und wenn die zyeinde 
die Toten, jo von denen in der Ztadt ericheffen waren, hinweg zogen oder 
trugen, je murden dann diejelben Sieber oder Träger bei ihnen von Stund 





187 


an auch erichoffen. Und währte diefer harte Sturm mehr als drei Stunden 
nacheinander gar lang in die Nacht. So zogen fie mit großer Schande 
mieder ab und verloren bei demjelben Sturm, mit denen, die erichoffen, er: 
ihlagen und verlegt wurden, bei taufend Mann, wie man das nachmals von 
der Widerpart wohl vernahm, was aud ihr rechter Yohn und Verdienen war, 
und geichab von Gottes Gnaden denen in der Stadt nichts, darım wir dem 
allmächtigen Gott billig danfen jollen. 

Und als nun die von Bern mit den Ihren zu Gümminen waren und 
ſolch Schiefen zum Teil hörten, wiewohl fie nicht vernehmen fannten, was 
es war, da ward unter dem gemeinen Volk ein großes Murmeln, und wäre 
jedermann gern nach Murten gezogen zur Rettung und Gntjchüttung der 
Zeinen; denn jeder hatte feinen Bruder oder nächften Freunde darin liegen. 
Tas wollten die Werfen nicht geftatten umd meinten, man jolle die Eid- 
genoffen und andern Verwandten erwarten, die das auch herzlich begehrten, 
und man jchicte auch oftmals biderbe Yeute, dazu Speife und anderes nachts 
gen Murten über den See hinein, damit fie deſto befjern Troft und Auf: 
enthalt haben möchten, wiewel der Hauptmann und die andern Räte bei 
ihm zu allen Zeiten jchrieben und begehrten, Vernunft in diefen Dingen zu 
brauchen und die Eidgenofjen und Verwandten zu erwarten; jo wollten fie 
auch als biderbe Yeute tum und nichts ungelitten laſſen, damit jie ficher ent: 
jhüttet werden möchten. — — 

Der vorgenannte Hauptmann von Bubenberg hatte auch auf einmal 
vernommen und gemerkt, daß etliche bei ihm in Murten waren, die begannen, 
verdrofjen, auch ungehorjam und zaghaft zu werden. Da ließ er in der 
Stadt die ganze Gemeinde verfammeln und fing an, gar ernftlich mit ihnen 
allen von diefen Dingen zu reden, und gab ihnen zuerft mit viel vernünftigen 
und unerjchrodenen Worten zu erfennen, wo Ungehorſam und Zaghaftigkeit 
unter Völfern, daß jolches eine ganze Zerftörung Yanden und Yeuten wäre, und 
gebot ihnen allen darauf, bei ihren geichworenen Eiden, die fie ihm getan 
hatten: wenn jemand von dem andern, wer der Jauch] wäre, von Näten, 
Burgern oder ſonſt zaghafte Worte hörte, merkte oder vernähme, oder daß 
jemand, dazu er geordnet wäre, ungehorjam fein wollte, dar jie dann bei den: 
jelben Eiden ſolche unnütze Yeute alsbald erjtechen und vom Yeben zum Tode 
bringen jollten, damit die Spreuer von den Kernen und die Böjen von den 
Guten kämen, und die, welche das nicht tum wollten, die follten aber der- 
gleichen zaghafte und jchnöde Yeute zu ihm bringen, jo wolle er jie von 
Ztund an richten und durchaus nicht leben noch unter ſich wandeln laffen. 
Und wenn auch jemand dergleichen zaghafte Worte oder Werfe von ihm oder 
den Räten, die bei ihm wären, hörte oder vernähme, jo jolle man bei ihm 
und ihnen anfangen und fie auch fröhlich und ohne alle Furcht erjtechen. Er 
redete auch desgleichen mit denen von Murten, daß fie im diefen Sachen 





— ⏑—⏑ —— 


188 


feine Berräterei noch Zaghaftigkeit an ſich kommen laſſen ſellten: denn mo 
er das vernähme, heimlich oder öffentlich, ſo wolle er dieſelben ale nach ihrem 
Verdienen von Stund an richten laſſen und niemand darin ſchönen. Und nad 
jolcben Worten und Verordnungen ward jedermann geberfam und berte man 
bernach von niemandem mehr ein zagbaftes Wort. Das war alles gar ver: 
nünftig und männlich gebandelt, und man mag dabei auch merfen und verftebn: 
wire in dem Schloß Grandſon cin erfahrener und woblerprofter Haurtmann 
geweſen, der ſich nach den Kriegsläufen gerichtet bätte, es wire ibnen nicht 
jo jibel ergangen. 


73. Die Schlacht von Murten. 22. Imi 1476. 


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——⸗—4 


189 


auch mit viel ehrlichen Leuten und erzeigten ſich in allen brüderlichen Treuen 
nach ihrem beſten Vermögen. 

Und da nun die frommen handveſten Leute von Zürich auch mit ihrem 
Banner und Macht ausgezogen und auf den Beinen waren, da wurden die 
Zachen deſto länger verzogen, und wollte man um Ehre und Treue willen 
ihrer warten, wie fie auch das begehrten und auch gar bald getroft und 
mannlich nachfamen. Da waren alle Hauptleute, Venner und Räte von Städten 
und Yändern, dazu andere Bundesgenoffen und Verwandten Tag und Nacht 
bei einander, zu bedenfen und zu vatjchlagen, wie fie die Sachen nad) Ehren 
angreifen und an die Hand nehmen möchten. Denn fie waren immer in 
Zorge, der Herzog und die Hauptjchuldigen würden ihnen entrinnen, wie 
vorher vor Grandjon gejchehen war. — — 

Und aljo an einem Samstag früh, der da der hi. zehntaujend Ritter 
Tag war [22. Juni], ward einhellig verordnet und abgeredet, daß jedermann 
zuerit daS Amt der heiligen Meffe hören und Gott um Gnade und Barm- ' 
berzigfeit bitten, auch zu Morgen ejfen und ſich dann zurüften und bereiten 
jellte, Doc fand man manchen Biedermann, der weder ejfern noch trinfen 
wollte, bis die Sachen vollendet wären. Indeſſen kamen die frommen hand— 
veiten Yente von Zürich, wie oben jteht, auch mit ihrem Panner und ganzer 
Macht, und waren jehr müd und erjchöpft, da fie Tag und Nacht gezogen 
waren. So hatte es auch die ganze Nacht geregnet und war tiefer, böjer Weg 
und regnete auch Samſtags über die Mafen jtarf, aljo, daß fie dennoch mehr 
als jehshundert Mann von den Ihren in den Hölzern zurücklaſſen mußten, 
die vor rechter Müdigkeit nicht hinkommen mochten. Nichts dejto minder famen 
jie herbei und zogen von Stund an mit andern frommen Yenten mannlich 
dran und war auch ihr guter Wille und Meinung, daß man um ihretwillen 
nicht mehr warten noch feiern. jolle, was man ihnen auch zu Gutem nicht 
vergeſſen joll. 

Und alfo ward von Stund an eine Vorhut gemacht und dazu die von 
Thun und Entlibuch geordnet mit ihren Pannern und einer geeigneten Schar 
von allen andern Eidgenofjen, und ward auch derjelben Vorhut zum oberjten 
Hauptmann bejtimmt Herr Hans von Hallwil, der ein gar trefflicher 
Ritter und ein Burger von Bern war und auch mit großem Ernſt und Ver— 
nunft diefe Sachen nach Notdurft verfah. Und ward auch derjelben Vorhut 
die Neiterei zugeordnet, auf fie acht zu haben mit jamt den Büchien- und 
den Armbruftichüten, die auch bei ihnen waren, dazır auch viel lange Spieße, 
die neben ihnen auf einer Seite gingen. 

Danad) gingen alle Banner und Zeichen von Städten und Yändern mit 
einander, mit Hellenparten und Mordärten, deren über die Maßen viel waren, 
Denjelben Bannern und frommen Yeuten waren auch bei taufend Mann mit 
langen Spießen, die zu beiden Seiten neben den Pannern gingen, zugegeben 


190 


und zugeordnet, die zu bejchirmen, und auf diefelben ward aud) eine große 
und ftarfe Nachhut geordnet und gemacht, deren Hauptmann Kaſpar von 
Hertenſtein von Yuzern war, welcher dabei auch vernünftiglih handelte !. 

Und alfo nach jolhen Ordnungen zog jedermann mit männlichen Herzen 
und unerjchroden in dem Namen des allmächtigen barmberzigen Gottes, der 
hochgelobten Königin, der Magd Maria, und der heiligen zehntaufend Ritter, 
an deren Tag es auch war, und festen die von Bern befonders große Hoff— 
nung auf diejelben zehntaufend Ritter, da es ihnen vor mehr als hundert 
‚jahren beim Streit von Yaupen, der auch an demſelben Tag geihah, wohl 
und glücklich) gelungen war, da auch ihre Herzfreunde und alten Eidgenofjen 
bei ihnen waren, wie man dann das in der alten Bernerchronik gar lauter 
findet. Und zogen aljo oben durch den Buchwald gegen Diurten und auf des 
Herzogs Yager zu gegen einen Hag, da des Herzogs Vorhut war, auch in 
guter Ordnung und ganz gerüftet. Und als fie einander anfichtig wurden und 
etliche von den Vorpoften anfingen zu jharmügeln, da ward jedermann, je 
einer von dem andern, von den Eidgenofjen nach ihrem Löblichen Herfommen 
und alter guter Gewohnheit angerufen und ermahnt, dem heiligen bittern 
Verden unſers Herrn Jeſu Chrifti umd auch den zehntaufend Rittern fünf 
Pater nofter und Ave Maria mit ausgebreiteten Armen zu beten und jeine 
göttliche Gnade umd Barmherzigkeit anzurufen. Das geihah auch wohl zum 
fünften Male von jedermann mit großem Ernite. 

Es wurden auch vor dem Angriff, wie nicht unbillig war, gar viel Ritter 
geichlagen, nämlich der Herzog von Yothringen, der deifen von ganzem Herzen 
begehrte, dazu andere Grafen, Freie, Herren, Edle und andere fromme Leute. 
Deren waren über dreihundert und verdienten es nachmals wohl, 

Und bald nach dem geihah der Angriff, und ward auf beiden Seiten 
mit großen Steinſchlangen und anderen Rüchjen gar heftig geſchoſſen, was etliche 
übel entgelten mußten. Und mit unverzagtem Mute hieben die Reifigen drein 
und neben ihnen das Fußvolk, als Hellbarten, Büchjenichügen und die langen 
Spieße. Und wurden alle Ordnungen von Stund an durchbrochen und kamen 
zuerft an einen Hag, darüber man nicht fommen mochte, jo daß fie wieder 
umfehren und nebenzu durch einen engen Weg zu Roß und Fuß brechen 
mußten ?, was leider etlichen übel befam. Denn wäre derjelbe Hag nicht da 


Da Schilling es unterläßt, den Befehlshaber des Gewalthaufens anzugeben, fo jet 
bier erwähnt, dag Etterlin, der felbit an der Schlacht teilnahm, darüber folgendes fchreibt : 
„Und da man zu dem Holz fam, da begann man die Ordnung zu machen Da war ein 
ſtreuger notveſter Ritter, genannt Herr Wilhelm Herter, der damals beider Herren 
von Oſtreich und Lothringen Dienſtmann war: der ward zu einem oberſten Hauptmann 
geſetzt. Ter fina an, machte und ordnete die Ordnung.” Ansbelm IT. 18 (neue Ausgabe 
I. 336) nennt Waldmann als „obriften Hauptmann vor Murten“, was fich wohl, wie 
man allgemein annimmt, auf den Cberbefebl des Gewalthaufens bezieht. 

® Vergleiche dazu das Tagebuch des Basler Kaplans Jobannes Knebel, überfett 
ven Burtorf-FFalteiien II. £. 65: „Ritter Wilbelm Herter war Feldhauptmann und 





191 


gewejen, hätten fie bei jenem erften Angriff großes Yob und Ehre eingelegt, 
nachdem denn die Burgunder zuerjt ritterlich widerjtunden und auch in ganzer 
Ordnung waren. 

Und alfo zog jedermann mit freiem Mut gar mannhaft wider des Her- 
zogen Yager und in jeine Wagenburg mit jolhem Zchalle, daß der hoffärtige 
Burgunder Herzog und die Seinen in Flucht gerieten. Und ward der Ernit 
jo groß, daß alles, was fie erreiten und erlaufen mochten, von ihnen nieder- 
geichlagen und getötet ward, und fam auch ſolch große Angſt und Not ımter 
fie, daß gar viele von rechtem Jammer und Schreden in den Murtenjee 
reiten und laufen mußten, daß er von der Stadt Murten bis oben an das 
Moos, da er ein Ende hat, ganz voll Yeute ſtand und lag, die alle darin 
erftohen und erjchlagen wurden und fich auch jelber aus rechter Angſt und 
Not ertränfen mußten, daß die niemand wegen der Menge der Leute zählen 
‚ noch überjchlagen konnte. Und waren beinahe alles Yombarden, da diejelben 
ihr Yager bei der Stadt unter den Nufbäumen neben dem Zee hatten. 


4. Ein Lied von der zu Mancy. 5. Iannar 1477. 


Lilientron II. S. 104, Tobler IT. S. 66. 


I. Nun wend wir aber ' heben an 3. Der pund der gab vil lüte dar, 
das beft, das ıch gelernet han: der eidgenoflen ein große ſchar 
und ? wie es ift ergangen mit werbaftigen handen 
zuo Nanfen zuo, filert ev mit im 
da batends’ all ein verlangen, wol in das mweliche lande. 


2. Herzog von Yutringen, das edel bluot, 4. Zuo St. Niklausport ſtuond in der Zimt, 


er ichreib den pundgenofien quot, - da lagend vil der Walchen ® in, 
ja wie er wär gelegen fie wurdind all erichlagen. 

vor Nanſen zuo dein Herzog Karl 

mit manchem küenen degen. von Burgunn tet man's jagen. 


Ordner der Schlachtiharen, einer der Tapferiten. Aber da war auch ein Führer aus 
Schwiz, ein Pandammanı (mabricheintih nicht Kätzi, wie gewöbnlih angenommen 
wird, da derjelbe vor 1497 gar nicht Yandammann geweien zu fein eur, — fiebe Kälins 
Berzeichnig der Yandammänner von Schwiz im Geſchichtsfreund Bd. — jondern 
Dietrich in der Halden, * auch nach der Schlacht Schwiz am — 9 zu 
Freiburg vertrat It. Abſch. II. S. 602), der als ein ſehr kluger Mann den Seinen den 
Rat gab, nicht in gerader Hichtuing den Angriff zu tun, fondern um einen Hügel berum, 
den Yombarden unerwartet. Alſo ſeine Helebarde ergreifend, stieg er vom Pferde, schritt 
ſeiner Schar voran, führte fie in Ichräger Richtung gegen den Feind, jtärzte mutig auf ihn 
und errang den Sieg.“ 


' Abermalg. — ? nur cinführend, erklärend: nämlich. — * Welichen. 





192 





m rg 1. 


5. Er richt die Büchſen uf 'em plan, 12. Den vortanz folt er ban getan, 
er wont !, der pund folt fomen dar, do wolt er nit im feld beſtan, 
der won ? bat in betrogen; er fieng an zuo flieben; 

e er fih bedacht, do bequnden fie 
da bat man im überzogen. friſchlichen nach im ziehen. 

6. Er lag in einem tiefen hol ®, 13. Er g’ftedte 17 in eim graben tief, 
man zog im zuo, das wust er wol, menger man rann umde !® Tief, 
noch dennocht ® wolt er nit flichen: bi im mwolt nieman bliben; 
wol berlich # tet fin end mmost er 
er inen engegen ziehen. allein im graben vertriben ! 

7. Es was der Welfchen ungelüd ?; 14. Ja er ift ie ?% geweſen rich, 
er bat beftellet mengen ftrid, dem ficht er iez gar ungelich *', 
daran mwolt er fie ® benfen:, man bat in nafet funden; 
an finen tod nafet und bloß 
er tet gar wenig denfen. mit fin verferten ?? wunden, 

8. Sie knüwtend nider auf dem plan, ' 15. Nun fröume dich, du Hagenbac, 
fie ruoftend Marien gots muoter an du heigift leid oder ungemad, 
mit ufgebepten händen: din berr ift zuo dir fomen! 

„und kum uns zuo bilf ür ? beder gwalt 
an unſerm letten ende!“ ift üch uf erden gnomen! 

9. Sie giengend wider ? uf den plan, 16. Man leit den berzogen uf ein bar, 
fie grifiends’ wider gar frölich an man fuorte in gen Nanien zwar ?#, 
mit feiferlichem '9 vechte, je tod ward er erichlagen: 

Narl von Burgunn berzog Reinhart 
der bat vil ftolger nechte ", bat in zuo Nanien begraben. 

10. Fa fte lüffend '? Durch ftuden und dorn, 17. Man burmt ein fapellen an die ftat, 
das teten fie uß ganzem zoru, und ® da der berzog erichlagen ward, 
dann inen was jo gache "?, mit drien ** mejlen zu meren ®; 
fie Schuchend '*4 mit die wicht 2? man in 
das Tate !’ noch die lachen. der belgen dri künegen ere *®, 

11. Do er die ſcharpfen balparten fach !%, 18. Der ung das liedli nüw gefang, 
von den im zZ Murten we geichach, zwen Schwizerknaben find fie g'nant, 
dazuo die langen lanzen, fie band’8 gar wol gefungen, 
wolt er nit me Karl von Burgunn 
in irem reien tanzen, ift nümen beim gefomen! 

ı Mähnte. — * daber. — ’ Wahn. — 4 Höble, Loch, Vertiefung. — * dennod. — 

6 prächtig, ſtattlich — 7 Unglück. — * nämlich die Eidgenofien, — * wie zu Murten. — 

'" polltommen. — “! Krieger. — '* Tiefen. — ſie hatten ſolche Eile oder Begier. — 

ſcheuten. — Pot. — 6 ſah. — 17 blieb fteden. — '* und — "9 zubringen. — 

20 je, einmal. — * ungleih. — ** tötlih. — * euer. — ** wahrlich. — * nämlich. — 

6 Drei. — 37 das Andenken, die Stiftung zu vermehren. — ** weibt. — ?° den 


b. T 


reifömigen zu Ehren, 


De 
>: 
= : 


193 


75. Aus einem Schreiben Adrians von Bubenberg 
vom 24. Auguft 1477. 


Aus Füßli, Johannes Waldmann ©. 22. 


Im Auguſt 1477 fendete die eidgen. Tagfatung den Adrian von Bubenberg von 
Bern, Hans Waldmann von Zürich und den Urner Hans Imhof an Ludwig XI. 
von Frankreich, um ihm für die Freigrafſchaft um Waffenſtillſtand zu erſuchen und den 
zrieden zwifchen dem König und den Burgundern zu vermittelt. Die Geſandten berichteten 
über ibre Reife in ausführlichen Relationen, die nach ihrem Inhalt von keinem andern als 
von Adrian von Bubenberg herrühren lönnen, obſchon fie von allen drei Boten unterzeichnet 
find und früher fälſchlich Waldmann zugefchrieben wurden. Der erſte Bericht erzählt die 
Aufnahme, welche fie bei dem Herrn von Graon, dem Befehlshaber der franzöfifchen Streit 
kräfte in der Franche Tomte, fanden, den ſie vergeblich zur Einftellung der Feindſeligleiten 
gegen die Burgunder zu bewegen juchten, und endet mit folgenden für den edeln Bubenberg 
bezeichnenden Worten: 


Ä nd wiewohl uns die Herren im Abjchied viel freundliche Worte 
gaben, jo founten wir doch an ihrer Art und Weije nichts anderes 
J vermerken, als großen Unwillen, und mußten überall hören, fie 
wollten noch unjer Herr und Meijter werden. Doch laffen wir das in feinem 
Wert bejtehen, denn der gemeine Mann redet oft mehr als ihm befohlen wird. 
Aber nichts dejto minder, Gnädige Yiebe Herren! jo jeid weije und bedenfet 
eure Sachen wohl und laſſet euch von des Königs Geld und feiner Räte 
Züßigfeit nicht verführen, daß ihr Sachen tuet, die unfere Nachkommen ent: 
gelten möchten. Fürwahr die Franzoſen haben mit jolcher Behendigfeit jchon 
manches Yand betrogen und in Kummer gebracht und tun es noch täglich, daß 
ih für mein Teil wollte, wir hätten minder mit ihnen zu fchaffen, als wir 
leider haben. Da uns und unſern Vorfahren noch feine Penjion vom König 
ward, behielten wir mit getreuen Untertanen und Nachbaren Yand und Leute, 
Yieber laßt uns Teutjche bleiben; die welſche Zunge ift untren! Wir hören 
au, ihr hättet die 6000 Fußfnechte verwilliget !; das gefällt uns drei Boten 
übel; denn wir vernehmen, man werde fie an Orte in Frankreich legen 
zwiichen die Waſſer, daß fie nicht heimfommen fünnen, wenn fie wollen. — 
Und furz: Wir jehreiben Euern Gnaden die Sachen gar viel glimpflicher, als 
wir fie jehen und hören. Doc jo hoffen wir, der König werde die Dinge 
und jeine Ehre beijfer bedenken dem bisher. — — — 





' Nämlich dem König von Frankreich zur Unterwerfung der Freigraficaft. 


Oechsli, Quellenbuch. 13 


194 


1. 


2. 


76. Hans Biols Lied von der Schladyt bei Giornico. 
28. Dezember 1478. 


Lilienkron IL 5.147, Tobler II. 70. 


Hand Viol von Yuzern fang auch ein Lied von der Schlacht von Murten; fonft ift 
von feiner Perſon nichts bekannt, 


Nun merlend offenbare, 

was iez in kurzer frift ! 

gegen einem nümen jare 

je Girmis geichehen ift: 

die fhlang von Mailand ift zogen uf, 
dem ftter von Urt in fin land; 

des * ift die ſchlange fomen ze ſchand; 
num mertend uf difen ftruß! 


Bi einem Hofter da lagen 

mine herren der eidgnoſſen knecht. 
v’Mailänder begondend ? jagen: 
das fpil (das) wird uns recht! 
ein anſchlag tetend fie bebend, 
vil bald fie z'ſamen famend, 

vil fpieß und züg + fie namend, 
fie woltend geben end >, 


Sie begondend ſich befachen ®. 

mit werhaftiger Hand; 

ein lager woltends' machen 

dem ftier von Uri ins land. 

ir anfchlag der was bert und ſcharf, 
die Tütſchen begondend wichen, 

fie woltend binder fiche ? 

gen Girmis in das dorf. 


D’Meiländer das erfachen, 
fie ructend wol uf dem ban ®, 
fie begondend fere gaden ®, 
mer denn vierzechentufend man. 


fie namend für ſich!“, nun merfend das, 
den eidgnofjen wib und Kind z’erftechen, 
den jchaden woltens' rechen, 

der in geicheben was. \ 


Do fie beim Höfterli !! fahend 
den biffelstopf '? an der mur, 
v’Meiländer ir wafen namen, 
fie ftalten fih gar jur '?; 

fie bieten '* in berab mit gwalt, 
mit lüejen '® und mit boßen '*, 
als obs' in mweltind ftoßen; 

ir boffart was managfalt. 


D’Meiländer jhrumend jere, 

vor Bellenz da wär ein bol '”, 

die gräber !* wärend Iere, 

fie macdtinds’ miderum vol; 

dafür da hulf weder guot nod lift! 
fie beroubtends’ gotshus unfer frowen, 
di bernden !? böum tetends’ abhowen; 
vor in hatt man fein frift *0. 


Mit großer macht fie famend, 

fie woltend geben end. 

der eidgnojien knecht das vernamend, 
fie ruften ® fich ouch bebend. 

ir houptman gab in mis *?? und ler: 
„ib umb, ir knaben alle! 

ob ?* got mil, jo gewinnen 

wir hüte quot und er!“ 


! Bor kurzem. — * davon, dabei. — ꝰ begannen. — * mahricheinlich ift gemeint 
„reifiger Züg“ — Neiterei, oder dann Züg = Nriegszeng, Ausrüftung, Geſchütz sc. — 
> einen enticheidenden Schlag führen. — * rüften. — ' binter fi, zurüd. — * Bahn. — 
9 eiten. — ' fie nabınen ficb vor. — " Frauenkloſter in Poleggio am Eingang des Pivinen- 
tales. — '? das Umer Wappen. — '? fie jtellten fib gar grimmig. — '* badten. — 
15 brüllen. — ’* jchlagen, Hopfen, — Loch. — !* der in der Schlacht bei Arbedo (1422) 
gefallenen Eidgenoſſen. i Frucht) tragenden. — *0 Ruhe, Zicherbeit. — *rüſteten. — 
“2 Unterweiſung. — 9 wenn. 


8. Ir fromleit ! tet fich regen: 
der eidgnoffen knecht hochgemeldt ?, 
fie zugend in entgegen 
alls in demjelben feld. 
ir warent hım jehshundert man, 
gar ritterlih und gar ftille, 
nach ires herzen wille 
griffen vierzechentufend an. 


9. #?, das was ein großer grümel *, 
der Ihimpf was ungehür ®, 
„Ihüß, ftich, ſchlach in fchiimel ®, 
wir madend d’fiende tür ? 
fo gar mit ritterlihem muot,“ 
ſprach einer zuo dem andern; 
man jtrafet die Meilander 
mit einer fcharpfen rıtot. 


10. Meilender tet man erichlagen 

wol fechzechenhundert man, 

die andern tet man jagen, 

das feld man in ang'wann ®; 

man g’wann in an vil großes guot, 
acht koſtbarliche fchlangen ®, 
achtundzwanzig edlen gefangen ; 

des battends’ fröud und muot. 


11. 


12, 


14. 


195 


Bil haggenbüchſen ſchwere, 
dreihundert handbüchſen guot, 
fünfhundert armbruſt oder mere 
ließend d'Meiländer in der buot '9; 
darzuo vil mul *! und hüpſcher roß 
ließend d'Meiländer an der hetze 
den Tütſchen zuo einer leige !*; 

ei wie übel das fi verdroß! 


An derjelben ſchlacht iſt gemeien, 
Zürich das ort fo guot, 

min bern von Puzern ußerlejen, 
Uri mit friem muot 

und Schwiz alls ouch das loblich ort, 
die find geweſen bi dem ſchimpf, 

des hand all eidgnofien er und glimpf: 
fi füerend der eren ein bort. 


Sant Gotthard fol man prifen, 

er ſchwebt im land fo fri, 

er tet fin fraft bewiſen, 

den finen wonet er bi, 

als ouch den fromen Yiviner, 

die find geweſen bi derielben ſchlacht 
fo gar mit ritterlicher macht; 

des haben fi pris und er. 


17. Der dies liedli am allererftien fang, 
Hans Bio! ift er's genant. 
zuo Luzern es ze lob erflang 
den eidgenoſſen allen fant. 
er hat's gefungen uß friem muet; 
er ſpricht, es wär menger gerne rich 
und lebte ander lüten gli: 
fo vermögen wir's nit all am quot! 


77. Hans Waldheims Befuc bei Bruder Klaus. 1474, 
Abgedrudt in Balthajars Helvetia II. ©. 287 fi. 


Hans von Waldheim, Ritter und Ratsherr in Halle an der Saale, begab fib im 
Frühjahr 1474 auf eine Betfahrt nah Südfrankreich, die er nad feiner Rücklehr jelbit 


Frömmigleit im Sinne von Bravbeit, 


ihnen abgewann. — 


Tüchtigleit, Tapferleit. — * berühmt. — 
He! — + Lärm. —* der Spaß war unheimlich. — 5 auf den Schimmel? — 7 rar. — 


° Seldichlangen. — "9 in der Obhut der Eidgenoffen? oder im 


Hinterhalt? — !! Manttiere. — 1 Abjchiedsgefchent. 








— 


196 


beſchrieben hat. Da er ſchon in Halle von dem Bruder Klaus, dem heiligen Eremiten in 
Unterwalden, gehört hatte, ftattete er demfelben auf der Rüdreije einen Beſuch ab und er: 
zählt darüber folgendes: 


Darnad) famen wir in ein Dorf, genannt Kerns. Die Herberge ift bei 
dem Ammann unter der Flüe. Es ift gejchehen, als ich in der Herberge in 
des Wirts Stüblein ſaß, fette ji der Wirt zu mir und ſprach: „Outer 
Junker, warum feit ihr hieher in dies Yand gefommen? Seid ihr um Bruder 
Klauſen willen bieher fommen, den zu ſehen?“ Da jprad ih: „Ja.“ Ant— 
twortete mir der Wirt: „Es ift nicht gut zu ihm zu fommen; denn er läßt 
nicht gern einen jedermann zu ihm. Aber wolltet ihr gern Bruder Klauſen 
jehen und gerne zu ihm werden, jo will id) euch meinen Rat und Gutdünfen 
jagen; anders möget ihr nicht zu ihm fommen. ir haben in diefem Dorf 
einen Yeutpriefter; das ift bei uns ein Pfarrer. Der ift Bruder Klaufens 
Beichtvater. Wenn ihr den fünntet vermögen, daß er mit euch zu Bruder 
Kaufen gehen wollte, der fünnte euch zu ihm bringen, daß ihr ihn jehen 
möchtet und mit ihm reden.” Alſo bat ich den Wirt zur Stunde, daß er 
wollte nach dem Yeutpriejter jenden und ihm bitten laſſen, daß er auf das 
Abendeffen wollte mein Gaft jein. Das geſchah. Als wir num bei der Mahl- 
zeit ſaßen, berichtete ich den Yeutpriefter: Ich wäre von fernen Yanden gar 
vieler langer Wege dahin geraten, hätte in unfern Yanden von einem lebendigen 
Heiligen gehört, der hiefe Bruder Klaus, der hätte in jechs Jahren nicht 
gegejjen noch getrunfen, umd ich wäre darum da, daß ich ihn gerne jehen 
wollte. Und bat ihn, ich hätte verftanden, daß er jein Beichtvater wäre, und 
daß niemand zu ihm als durch ihm umd jeine Hilfe fommen fünnte, daß er 
um Gottes Willen ſich nicht wolle verdriefen noch ihm ſchwer jein laſſen, 
und auf morgen Donnerstag mit mir zu Bruder Klauſen reifen. Da ant: 
wortete er mir, er wolle es gerne tun. Alſo hub der Wirt an und ſprach: 
„Suter Junker, ihr jollt nicht gehen. Ich will euch zum Reiten einen grauen 
Hengft leihen; denn ich habe drei gar jäuberliche Hengſte in meinem Stalfe 
ftehen, derer follt ihr einen nehmen, welchen ihr wollt.“ 

Am Donnerstag nad Eraudi war der Yeutpriefter oder Pfarrer mit mir 
und meinem Knechte und mit meinen Schiffleuten bereit früh, und [wir] rei: 
jeten eine halbe Meile; in unſerm Yande wäre es eine gute Meile. Und als 
wir den Weg wohl halb gereifet hatten zu Bruder Klauſen, da jpracdh der 
Yeutpriefter zu mir, ob ich nicht auch Bruder Klauſens Frau umd feinen 
jüngften Sohn gern jehen wollte? Sprach ih: „Ja.“ Alſo wies er mir 
über ein tiefes Tal an einem Inftigen Berge eine Behaujung und ſprach: 
„Da hat Bruder Klaus gewohnet, und da wohnet noch jeine rau mit jeinem 
jüngften Sohne, und jeine andern großen Söhne, die beweibt find, die wohnen 
auch nicht fern von da." Und ſprach zu dem Schifffnaben und Jungen: 
„Yauf hin zu Bruder Klauſens Frau und jag ihr, ich will Meſſe halten: 


197 


will fie Meffe hören, daß fie komme und bringe ihren jüngften Sohn mit 
ihr.” Und wir gingen fürder und famen zu Bruder Klaujens Klaufe Daran 
haben ihm die Schweizer eine Kapelle gebaut, die hat drei Altäre. Und als 
wir jo in der Kapelle ftanden, fragte mich der Yeutpriefter, wovon ich gern 
Meife gehalten haben wollte. Sprach ich: „Yon Sankta Marien Magdalenen.“ 
Alſo trat der Yeutpriefter auf den Altar und fuchte das Officium von Sankta 
Marien Magdalenen, und als er das in dem Meßbuch gefunden hatte, da 
jah er fih um und ward Bruder Klauſens Frau gewahr mit ihrem Sohne, 
und er ging zu mir und führte mic) zu Bruder Klauſens Frau und zu ihrem 
Sohne. Alſo gab ih ihr die Hand und auch dem Sohne und bot ihnen 
einen guten Morgen. Es iſt feine Frau noch eine fäuberliche junge Frau 
unter 40 Jahren und hat ein ſäuberlich Angefiht und ein glatt Fell. 
Alſo hub ih an und ſprach: „Yiebe Frau, wie lange ift Bruder Klaus von 
euch geweſen?“ Sprach fie: „Diejer gegenwärtige Knabe, mein Sohn, der 
wird num zu St. Johannis des Täufers Tag fieben Jahr alt, und als der 
Knabe 13 Wochen alt war (das ift zu St. Gallen Tag), da ſchied Bruder 
Haus von mir umd ift jeit der Zeit noch nie mehr zu mir gefommen. Alſo 
hatte ich viele Nede mit der Frau und mit ihrem Sohne, und der Syunge 
ift grade geftaltet, wie Bruder Klaus, gleich als ob er ihm aus den Augen 
gejchnitten wäre. Alſo gab ich dem Jungen zu vertrinfen. — — — 

Bruder Klaus ift ein feiner Mann in meinem Alter, in feinen beften 
Tagen, bei fünfzig Jahren. Er hat braun Haar umd hat noch fein grau 
Haar. Er hat auch ein wohlgeftaltes, wohl gefärbtes, dürres Angeficht, und 
ift ein gerader dürrer Mann von einer lieblichen guten deutfchen Sprache. Er ift 
ein gewaltiger Amtmann in dem Yande gewejen. Er ift aud) in vielen Haupt- 
ftreiten gewejen. Die Schweizer haben Bruder laufen Tag und Nacht im 
erften, als fie fi) verwunderten, daß er nicht aß noch trank, bewachen und 
behüten und bewahren laffen, zu jehen, ob ihm jemand bei Tag oder bei 
Nacht heimlich Eſſen oder Trinken zutcüge. Man bat e8 aber noch nie er- 
fahren oder befunden, denn er nicht iſſet noch trinfet, jondern er lebt der 
Gnade des allmächtigen Gottes. Bruder Klaus, der hat dajelbft zu Unter: 
walden jeine Klauſe an einem wilden Ende unter den Alpen, da die Gemfen 
und Steinböde wohnen und laufen, was denn gar köſtlich und edel Wildpret 
ft. Bruder Mans hat auch die Gewohnheit, daß er oft einen Tag oder 
zwei, wenn er feine Beſchaulichkeit haben will, in den wilden Wald geht und 
darin allein ift. Man jagt auch in dem Yande dak Bruder Klaus oft und 
viel zu Unſerer Tieben Frauen zu Einfiedeln geyehen” wird und fein Menſch 
vernimmt von ihm unterwegens, dem er weder hin noch her begegnete. Wie er 
nun aber, oder durch welche Wege er dahin kommt, iſt Gott dem Allmächtigen 
wohl bewußt. 

Ehe ich zu Bruder laufen fan, ward mir gejagt, er hätte feine natür: 


198 


fihe Wärme bei fi}, fondern er hätte Hände, die wären jo falt wie Eis, 
auch wäre ihm fein Angeficht gelber und bleicher, denn einem Toten, den 
man follte in ein Grab legen. Er wäre auch ftetigli traurigen Mutes und 
nimmer fröhlich. Sch preche aber, daß ich der Genannten feines an ihm 
erfand. Denn er war zum erjten natürlich warm, die Hände waren ihm auch 
natürlich warn, wie einem andern Menjchen; denn Kunze, mein Knecht, und 
ich haben fie ihm zu vier oder fünf malen unſer jeglicher angegriffen, jo 
hienach gejchrieben fteht. Sein Angeficht war ihm auch nicht gelb noch bleich, 
ſondern e8 war ihm von rechter Yeibfarbe, wie einem andern lebenden, natür- 
lichen, wohlmögenden gefunden Menjchen. Er war nidyt traurigen Mutes, 
jondern in all jeinem Gejpräh, Wandeln und Handeln befunden wir ihn 
feutjelig, umgänglich, behaglich, fröhlich und zu allen Dingen freundlich. — — 

Wieder zu fommen auf meine vorige Rede und Materie. Der Yeut- 
priefter und Pfarrer von Nerns hielt Gott und uns in Bruder Klauſens 
Kapelle von Sankta Marien Magdalenen eine Meſſe. Und als die Meſſe 
aus war, da ging der Leutprieſter . .. und führte uns zu Bruder Klauſen in 
jeine Klauſe, an der Kapellen liegend. Und als wir zu ihm in jeine Klaufe 
famen, da empfing ung Bruder Klaus mit fröhlihem und lachendem Ange: 
jichte und er gab unſer jeglichen jeine Hand, die dann nicht Falt, fondern 
natürlid) warm war, und da das geſchah, bat er ung, daß wir ung ein wenig 
enthielten; er wolle dem Bolf, das die Meffe gehört hätte, zufprechen. Alſo 
ging er von uns gen die Kapelle, und tat dagegen ein Glasfenſter auf und 
jprah: „Gott gebe euch einen guten jeligen Morgen, ihr lieben Freunde 
und ihr liebes Bolt.“ Des dankten fie ihm. Alſo tat er das Glasfenfter 
wieder zu und jegte fich bei uns nieder. Alfo erzählte ich ihm, wie ich aus 
fernen fremden Yanden zu Sankta Marien Magdalenen und zu Sankta Armen 
und zu den andern lieben Heiligen geraten wäre und auch zu ihm. Als er 
das hörte, fprach er zu mir: „Ich habe meine Kapelle zu Sankta Marien 
Diagdalenen Ehre weiben laffen.“ Alſo erzählte ich ihm nun alle die Ge— 
Ihichten von Marien Magdalenen, und ich erzählte ihm jo viel, dar ihm 
jeine Augen übergingen. Darnach jagte er uns viele liebliche göttliche Yehre. 

Als nun das geichah, da hub ich an und ſprach: „Yieber Bruder Klaus, 
ih babe in unfern Yanden und aud bier gehört, ihr jollet nicht eſſen noch 
trinfen, und jollt in jehr vielen ‚fahren nicht gegejjen noch getrunfen haben. 
Wie ift es darum?“ Er antwortete mir und ſprach: „Gott weiß”. Und bub 
darnad) an und ſprach: „Es wären etliche Yeute, die jprächen, das Yeben, das 
ich führe, das möchte von Gott nicht fein, fondern von dem böjen Geifte. Darım 
jo hatte mein Herr won Koſtnitz, der Biſchof, drei Biſſen Brodes und auch 
St. Yohannisiegen gegeben und geweiht, in Meinung, wenn ich die drei gejeg- 
neten Bijfen Brot äße umd den heiligen gejegneten Trank St. Johannis tränfe, 
jo wäre es recht um mich; würde id) aber das Brot nicht ejfen und den Tranf 





199 





nicht trinfen, jo wäre es ein wahrhaftiges Zeichen, daß meine Dinge und 
Yeben mit dem böjen Geifte zugingen. Und unter andern vielen Reden hub mein 
Herr, der Biſchof von Koftnig, an, umd fragte mich, was in der heiligen 
Chriftenheit das Alterbefte und das Allerverdienftlichfte wäre. Antiwortete ich 
ihm und ſprach: Das wäre der heilige Gehorfam. Da jprach mein Herr, der 
Biſchof, alfo: „Fit der Gehorfam das Beſte und das Allerverdienftlichite, jo 
gebiete ich euch in Kraft des heiligen Gehorſams, daß ihr dieſe drei Biſſen 
Brot ejfet und diefen Trunf St. Johannis trinfet!" Alſo bat ich meinen Herrn, 
den Bifchof, er wolle mir dies erlaffen und überheben, inden mirs gar ſchwer 
und bitter peinlich zu tun wäre. Das bat ich ihn mehr als einmal. Er 
wollte mirs aber nicht erlaffen noch überheben, und ich mußte das von Ge— 
horſam [wegen] tun und das Brot efjen und den Trank trinfen. 

Alſo ſprach ich zu Bruder Klaufen: „Habt ihr aud) feit der Zeit mehr 
gegeffen noch getrunfen?" Alſo fonnte ich ihm nichts anders abfrageu, denn 
er ſprach: „Gott weiß." ! Und nach andern vielen Reden nahm ich einen güt- 
lihen Urlaub von ihm und ich befahl mich in fein inniges Gebet. Alfo gab 
er ung jeine Hand, und fchieden aljo von ihm.“ 


78. Die Tagſatzung zu Stans am 22. Dezember 1481. 
Aus Diebod Schillings Fuzernerhonif S. 9 fi. 


Diebold Schilling, der Neffe des gleihnamigen Berner Chroniften, Kaplan bei 
St. Beter in Yuzern, fchrieb zwifchen 1507—13 eine Yuzerner Chronif, wobei ihm das 
1507 im Drud berausgefommene Wert Etterlins als Grnndlage diente; doch enthätt feine 
Arbeit von 1450 an manderlei Zufäte und Ergänzungen, die ihr troß mander Irrtümer 
einen felbftändigen Wert verleihen, 


NS alle Burgundifchen Kriege abgetan, beide Vereinungen mit dem 
Papfte und auch dem König von Ungarn bejchloffen und alle 
Eidgenoffen wohl mit einander eins und zufrieden waren, umd 
aber die zwei frommen ehrlichen Städte Freiburg ımd Soloturn an- 
fänglih allein mit denen von Bern im Verftändnis waren und aber mit 
gemeinen Eidgenoſſen in den Burgundiſchen Kriegen viel Yiebes und Yeides 
erlitten, die Ihren verloren, auch den Eidgenoffen mit Treuen und gutem 
Willen zugezogen waren, wären fie aud) gern mit gemeinen Eidgenofien in 





! Einem andern Befucher, der ihn fragte: „Biſt dur der, welcher ſich rühmt, in foviel 
Jahren nichts gegefien zu haben? antwortete der Einſiedler: „Suter Vater, ich habe 
niemals gejagt und fage es wirklich wicht, daß ich nichts eſſe.“ 


A 


Rat, bei gemeinen Eidgenoſſen zu werben und bittweiie an fie zu gelangen, 
jie zu ihnen im ihren Bund zu nehmen, damit jie von Fürſten und Herren 
und andern deito höher geachtet umd ihres tröftlichen Zuziehens halber be- 
lohnet und angejehen würden. 

Und aljo auf ihren Ratſchlag ichickten die beiden Städte Freiburg und 
Zoloturn ihre trefflihe Botihaft von Ort zu Ort, erzäblten davon alfen 
Gemeinden ihr Anliegen, baten fie freundlih und mit allem Ernſt fleigiglich, 
einen Tag bierüber nach Yuzern zu leiften und ihnen darüber gute Antwort 
zu geben. Derjelbe Tag ward ibnen zu leiften zugejagt und nicht weiter, 
und jedermann [ging] darauf daheim zu Nat, ob man ihre Bitte ehren umd 
fie annehmen wolle oder nicht. Und aljo ſchickten alle Orte ihre treffliche 
Botichaft jegliches mit jeiner Antwort gen Yuzern. Da nun jedermann zu 
Luzern verjammelt war, und die von Freiburg und Zolotum allen Fleiß 
anfehrten, mit hober fleikiger Bitte, fie anzunehmen, mit viel Ermahnens, 
anzıjehen die Treue und Guttaten, Yiebes und Yeides, jo jie in den Bur- 
gundiichen Kriegen mit einander erlitten und noch fürderhin zu baben im 
Willen hätten, ward ihnen von den Städten ſolches zugejagt. Aber man 
mochte viel oder wenig tagen, die Yänder wollten ſolches weder jehen noch 
hören, und blieb die Sache alſo anjtehen, und ward von etlihen Orten 
wenig betrachtet, wie wohl die zwei Städte in den Burgundijchen Kriegen 
erihoffen waren oder in fünftigen erichießen mochten. Das aber fonnten 
Züri, Bern, Yuzern und etlihe Orte mehr wohl ermejjen und hätten 
ihnen darım gerne Dank gejagt; denn fie bejorgten, wo fie ſich an andere 
Yeute gehängt haben jollten, daß jolches einer ganzen Eidgenofjenichaft übel 
erichoffen wäre. 

Und da aljo viel Tage hierüber geleiitet und beiderjeits große Koften, 
Mühe und Arbeit gebraucht ward und jolches in feiner Weife von den Yändern 
mochte erlangt werden, wollten dennoch Züri, Bern und Yuzern die von 
Freibnurg und Zoloturn nicht ganz verjchüpfen, fo doch diejelben beiden 
Städte nicht begehrten, jich mit jemand wider die Eidgenoffen zu verbinden, 
und darauf machten die von Zürich, Bern und Yuzern ein ewig Burg: 
recht mit den beiden Städten Freiburg und Soloturn umd fie wiederum 
mit ihnen, verichrieben, verfiegelten und befeitigten jolches in der bejten Form 
und übergaben einander Die Briefe und jchrieben demnach jtets im ihren 
Miifiven einander Mitburger. Das aber vernabmen die von den Yändern 
auf Tagen und jonft, davon fie feinen Gefallen, jondern groß Verdrießen 
hatten. 

Dies Burgrecht dauerte aljo eine Heine Zeit. Die drei Länder Uri, 
Schwiz und Unterwalden fingen auch am zufammenzutagen; denn fie 
hatten an ſolchem Burgrecht ein groß Mißfallen und merklich Verdrießen, und 
insbejondere war ihre Meinung und Begehr, meine Herren von Yuzern 


201 


davon zu bringen. Doc ftanden Zug und Glarus in der Sache ftill umd 
wollten fich feiner Partei beladen, außer dann freumdliche Mittler darin zu 
jein. Umd als fie auch hierüber geratjchlaget hatten, kamen fie gen Yuzern 
und begehrten von denfelben meinen Herren von Yuzern freundlich, von ſolchem 
Burgrecht abzuftehn, denn die Binde möchten das in feiner Weije erleiden, 
und wo fie das von ihrer Bitte wegen nicht tum wollten, fo wollten fie aber 
darım ihre Mahnbriefe darlegen, wie fie auch taten; denn die drei Yänder 
wollten vor allem meinen Herren von Yuzern jolches nicht gejtatten, weil fie 
mit beiondern Bünden zujammenverbunden wären. Und wie fie zu Yuzern 
die Sache vornahmen, aljo taten fie auch zu Zürich und Bern. Ihnen ward 
aber damals feine weitere Antiwort, außer daß fich die Städte Bedenfzeit 
nahmen. 

Und als mın die drei Städte fi zu einer Antwort vereinbarten und 
bierüber ihren Ratichlag ausmachten, jette man den Yändern einen Tag an 
und gab ihnen zur Antwort, fie hofften umd getrauten nichts anders getan 
noch gehandelt zu haben, denn was den Ehren ziemte, und was fie kraft 
der ewigen Binde, e8 ſei der vier Waldftätten Bund oder andere, wohl tun 
möchten. Zudem hätten fich die biderbeu Leute von Freiburg und Soloturn 
jo ehrlich mit ihnen allen in den burgundifchen Kriegen gehalten, auch Yeib 
und Gut jo gar treulich zu ihnen gejegt, daß es billig ſei, dieweil fie ihnen 
die Ehre, ſich mit den Eidgenofjen zu verbinden, nicht gönnten, ihnen doch 
darum etwas andere Guttaten und Freundſchaft dagegen zu erweiſen. Darımı 
jo vermeinten jie und wollten ſich auch getrauen, mit Recht bei diefem Burg— 
«recht zu bleiben, und hofften auch, ihnen möchte jolches, Burger aufzunehmen, 
niemand wehren; denn fie meinten, davon nicht abzuftehen, fondern nach In— 
balt der Binde mit ihnen zu rechten, dieweil fie doch ihnen nie gewehrt 
hätten noch wehren wollten, Yand, Yeute oder Burger aufzunehmen, wo ihnen 
die beliebten. 

Da man mın dies beiderjeits lang trieb und viel Tage mit großen 
Koſten hierüber leiftete, ward ein jehr böfer Zanf und großer Streit daraus, 
und jonderlich fingen die Yänder an, meinen Herren heftig zu drohen und 
viel ſpitze Wörtlein zu geben, jolchermahen, dak dennoch meine Herren, wie 
wohl jie ihnen ſtets Recht boten, vermeinten, fie müßten ihre Stadt be- 
wahren, ein Schuggatter auf dem Wickhaus!, auch etlih Schieklöcher in 
Türmen und Mauern machten, jowol gegen den See und jonjt, was die 
Yänder erjt übel verdrof. Doch nichts deſto minder fchlugen beide Partien 
einander das Necht vor nach dem Wortlaut der Bünde. Und ward folch 


Wilhus mhd. = ein feſtes Gebäude für den Krieg, Feſtungsturm sc. In Luzern 
war das Wilhus ein feſtes bei der St. Peters Kapelle ſtehendes Haus, das der Abtei 
Engelberg gehörte. 


Recht gen Stans nid dem Wald angejeßt. Daſelbſt brachte jedermann jeine 
Sade vor das Recht; aber es kam dazu, wie viel Leute [auch] auf beiden 
Seiten waren, Vermittler und andere, daß man fich auf zwei Tagen durchaus 
nicht einigen konnte und unfreundlich abichied. Doch ward dennoch jo viel 
hierin gearbeitet, und noch ein Tag vorgeichlagen, acht Tage vor dem Weih— 
nachtstage zu Stans zu fein, was beide Parteien zujagten und auch hielten. 
Und als mm die Zeit [da war] und man abermals gen Stans fam, mollte 
jih die Sache nach viel Mühe und Arbeit zu Feiner Freundſchaft ſchicken, 
verzog jich doch bis auf St. Thomas Abend [20. Dezember), daß es je länger 
je böfer ward. 

Zu dieſen Zeiten war ein ehrlicher frommer Priejter Kirchherr zu Stans, 
hieß Herr Heini am Grund, von Yuzern gebürtig, Bruder Klaufen felig 
im Ranft jehr angenehm. Derjelbe Herr Heini verftund und merkte joviel, 
daf nichts anders, denn ein Krieg daraus werden wollte. Der ftund in der 
Nacht auf und verfügte jich jchnell zu Bruder Klaufen, legte ihm die Dinge 
vor und verzog die Sache jo lang, dak man im Schiedsgericht zu gleichen 
Stimmen geteilt umd jedermann nah Mittag willend war, heimzufahren 
und fich mit dem zu bebelfen, was er ſich dann getraute, zu feiner Recht— 
fertigung vorzubringen; denn niemand verſah ſich mehr eines andern, denn 
des Kriegs. Als man nun gegeffen und abjcheiden wollte, da Fam Herr 
Heini von Bruder laufen gelaufen, daß er jchwitte, lief allenthalben in die 
Wirtshäufer, bat die Zugeſetzten! mit weinenden Augen, ji um Gottes und 
Bruder Klaufen willen wieder zujammen zu verfügen und Bruder Klaujen 
Rat und Meinung zu vernehmen. Das gejhah nun. Was er aber brachte, 
ward nicht jedermann geoffenbaret, jondern Herrn Heinen von Bruder laufen 
verboten, das jemand außer den Zugeſetzten hund zu tum. 

Und aljo gab Gott das Glück; wie bös die Sache vor Mittag war, 
ward fie doch von diefer Botſchaft an viel bejfer und in einer Stunde ganz 
und gar verglichen und aus dem Wege gejchafft. Und alsbald ward Jo— 
bannejien Schilling jelig, meiner Herren von Yuzern Schreiber, der 
mein Vater war, bei dem ich auch jelber in Stans und jein Sub: 
ftitut war, befohlen, den Ausgleih, wie er den vorher aufgejegt hatte, 
jchriftlich zu verfaffen, wie auch eilends geichah. Und wurden aljo die 
von Freiburg und Soloturn in demselben Ausgleih aufgenommen, wie jie 
denn jegt find, und ward das Burgrecht abgetan, auch nene Briefe gemacht, 
die man nennt die Verkommnis von Stans. Desgleichen läutete man allent- 
balben Freude, und beendigte diefe Sade am St. Thomasabend 1481. Die- 
jelbe Bertommnis ward mit alfer Orten Ziegeln befräftigt und angenommen, 


I Zcdnedsricter, 





203 


auf ewige Zeiten mit den Bünden zu bejchwören. Darin aud der Brief von 
Sempach, wie man ſich in Streiten halten foll, beftätigt und begriffen wird. 


79. Die Stanfer Derkommnis. 22. Dezember 1481. 


Eidgen. Abfchiede IIT.1. ©. 69%. 


1. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geiftes. Amen, 
Wir YBurgermeifter, die Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Yandleute 
und Gemeinden insgejamt diefer hienach gemeldeten Städte und Yänder: 
namlich von Züri, Bern, Luzern, Uri, Schwiz, Unterwalden 
ob und nid dem Kermmwalde, von Zug mit dem äußern Amt, fo dazu gehört, 
und von Glarus, als die aht Orte der Eidgenofjenichaft bekennen öffentlich 
und tum fund allen denen, die diefen Brief immer jehen oder lejen hören: 

Nachdem wir denn fraft unjerer ewigen gejchwornen Bünde, die denn 
durch die Gnade und Hilfe des ewigen Gottes unjeren Vorfahren jeligen Ge— 
düchtniffes und ums bisher zu gutem Frieden, Glück und Heil erjchoffen, 
ewiglih zufammen verbunden find, und uns zufteht, mit wachender Fürſorge 
alles das zu betrachten und vorzunehmen, damit vorab diejelben unjere ewigen 
Bünde defto Fräftiger beichirmet und unfer aller Yand und Peute im gutem 
Frieden, Ruhe und Gemach erhalten werden, haben wir mit gutem Wiffen, 
einbelligem Rate und mutbarer Vorbetrachtung uns dieſer nachgemeldeten 
Sachen, Stüde und Artikel, die aljo bei unſern Ehren und guten Treuen für 
uns und alle unjere ewigen Nachfommen fürbashin ewiglich gegen einander 
unverjehrt, wahr und ftet zu halten, mit einander gütlich vereinbart und die 
zwiichen uns abgeredet, erläutert und beſchloſſen, wie hienach folgt und aus: 
drücklich enthalten ift. 

2. Des erften, dar unter uns den vorgenannten acht Orten ... . weder 
durch jich jelbft noch durch unfere Untertanen, Burger, Landleute oder durch 
jemand anders niemand den andern mit eigener Gewalt freventlich [mit 
rieg! überziehen, noch ſonſt irgendwie weder an Yeib, no an Gut, an 
Städten, Yanden, noch an Yeuten, an feinen Untertanen, Burgern, Pandleuten, 
neh an denen, jo ihnen mit ewigen Binden verwandt find oder in Gelöbnis 
fteben, irgend welchen Schaden noch Ungebühr, jemand dem andern das Seine zu 
nehmen, [ab] zu nötigen oder die Seinen abzudrängen, in irgend einer Weije vor: 
nehmen, noch das zu tum fich unterstehen joll. 3. Und wenn jemand unter uns den 
vorgenannten acht Orten insgejamt oder insbejondere, davor Gott ewiglich jei,; 
jemand dem andern an dem Seinen oder an den Seinen oder an denen, wie 
davor erläutert ift, ſolche Sachen, wie obenfteht, zufügte, vornähme oder da= 


Ba 





204 


wider täte: damit jolches dann verbütet und unſer alfer geichworne Bünde 
fräftiglich beichirmet werden, und wir alle miteinander deſto eher in brüder: 
licher Treue, Frieden, Ruhe und Gemach bleiben, welchem Orte oder den 
Seinen, wie vorjtebt, dann dies unter uns je begegnet, jo ſollen und wollen 
wir übrigen Orte alle gemeinfam dasjelbe Urt und die Zeinen, wie vorfteht, 
jo aljo bedrängt würden, vor jolcher Gewaltſamkeit und [folchen] Übermut, un— 
gehindert aller Sachen, mit guten Treuen ſchirmen, ſchützen und handhaben, 
ohne alle Gefährde. 4. Und wenn unter uns irgend welche einzelne Perſonen, 
eine oder mehrere, irgend einmal ſolchen Übermut, Aufruhr oder Gewaltſam— 
feit, wie obitebt, gegen jemand unter uns oder den Unſeren oder denen, wie 
vorher erläutert iſt, ohne Necht vornäbmen oder begingen: wer oder von 
welchem Urt unter uns die auch wären, die jelten, jo oft das gejchieht, von 
Ztund an nach ibrem Verdienen und Geftalt der Sache darım von ihrey 
Derren und Übern obne alle Verhinderung und Widerrede geftraft werden. 
5. Doc vorbebalten: wenn jemand der unſern unter uns in des andern Ge— 
richten oder Gebieten irgend welche Frevel beginge oder Aufruhr machte, mag 
man daſelbſt die Täter feftnebmen ımd die jemweilen um jelche Frevel und 
bukwürdige Sachen nach desjelben Orts umd der Gerichte dajelbft, da ſolches 
ie zu Zeiten geichiebt, Recht und Herkommen trafen und rechtfertigen [vor 
Gericht ſtellen), ohne Gefäbrde. 


6. Wir find auch übereingefommen und baben geſetzt, daß auch fürbas 
bin unter uns und in unſerer Eidgenoſſenſchaft, weder in Ztädten noch in 
Yündern niemand irgendivelde fonderbare gefäbrliche Gemeinden, Sammlungen 
oder Anträge, davon dann jemand Zchaden, Aufrubr oder Unfug entjtehen 
möchte, weder beimlich noch öffentlich vornehmen noch tun fell, ohne Willen 
und Erlauben jeiner Derren und bern, nämlich von Zürich eines Burger: 
meilters und der Räte, von Bern des Zchultbeifen und der Räte, von Yuzern 
eines Zchultbeißen, der Käte und Dundert, von Uri, Schwiz, Unterwalden, 
Zug und von Glarus der Ammänner, der Kate und ibrer Gemeinden dajelbit. 
1. Und wenn dawider jemand unter uns irgend melde ſolche gefährliche Ge— 
meinden, Beſammlungen und Anträge, wie veritebt, zu tun vornäbme, Dazu 
Hilf oder Nat täte, der und dieielben sollen alsdann nach ihrem Verſchulden 
geitrads und obne Zerbindern von ihren Herren und bern geitraft werden. 


S, Wir buben auch insbeſendere zwüchen uns abgeredet und beichlojfen, 
das fürbesbin in ımierer Gitgenere schaft und unter una bei Eid ımd Ehre 
niemand dem andern die Zeinen zu Ungeberiam aufweiſen Tell, wider ihre 
Verren und Über zu jem noch jemandem die Zeimen abzteben oder verjuchen 
widertpenittg zu machen, dadurch Die abtrünnig oder ungeborfam werden 
mochten. 9. Und went jemanden ımter uns die Zeinen widerſpenſtig fein 
wellten eder ungehborſem würden, dieielden ſellen wir einander mit guten 


205 


Treuen förderlich helfen ihren Herrn wieder gehorjam machen, nad) Yaut und 
durh Kraft unjerer gejchworenen Bundbriefe. 


10. Und da denn in dem Brief, fo vor Zeiten nach dem Streit zu Sem- 
padh im Jahre 1393 durch unſere Vorfahren jeligen Gedenfens, wie man fich 
in Kriegen und Reiſen halten jolle, jo wir mit unfern offenen Pannern zu Feld 
ziehen, etliche Artikel gejegt und beichloffen worden find: haben wir zu weiterer 
Erläuterung, uns und unjern Nachkommen zu gute, in Ddiejer ewigen Ver— 
kommnis abgeredet und bejchloffen und denjelben Artifel aljo geſetzt: Wohin 
wir fürderhin mit unjern offenen Bannern oder Fähnlein gegen unfere Feinde 
ziehen werden, gemeinjam oder umter uns eine Stadt oder ein Yand bejonders, 
alle die, jo dann mit den Pannern oder Fähnlein ziehen, die jollen auch bei 
einander bleiben als Biederleute, wie unjere Vorfahren von jeher getan haben, 
was für Not ihnen oder uns auch begegnet, es jei in Gefechten oder andern 
Angriffen, wie dann derjelbe und andere Sachen und Artikel in dem obge- 
meldeten Brief, nad) dem Sempacherſtreit gemacht, des weitern und bejtimmter 
ausgedrüdt jind. 


11. Haben wir ferner auch gejegt und beichloffen, dak vorab berjelbe 
Brief und auch der Brief, jo vor Zeiten durch unfere Vorfahren felig auch 
gemacht worden ijt, von Brieftern und andern Sachen wegen, in dem 
Jahre des Herrn 1370, mit allen ihren Punkten, Stüden, Sahen und Ar- 
tifeln, wie und in allem Maß, was diejelben beiden Briefe enthalten und 
begreifen, fürbashin unverfehrt in ganzen guten Kräften bleiben und feſt— 
gehalten und daß dabei zu ewigem Gedächtnis diejelben beiden Briefe und 
auch dieje freundliche ewige Verkommnis von nun an, jo oft wir unjere ewigen 
Bünde beſchwören, allenthalben unter uns in allen Orten öffentlich vor unfern 
Gemeinden gelefen und eröffnet werden jollen. 


12, Und damit alt umd jung unſer aller gejchrworne Binde dejto eher 
im Gedächtnis behalten mögen und denen wiſſen nachzufommen, jo haben wir 
angejeben umd verordnet, daR die fürbashin zu ewigen Zeiten und ftets in 
alfen Orten von fünf zu fünf Jahren mit gejchwornen Eiden erneuert 
werden jollen. 


13. Wir haben auch zwiichen uns lauter bejchloffen und abgeredet, wo 
und jo oft wir fürbashin gegen jemand zum Kriegen oder Reiſen kommen, 
was dann an Gut, Geld oder Brandichägen in ſolchen Kriegen oder Reiſen, 
in Schlachten oder Gefechten dereinjt mit der Hilf Gottes von uns erobert 
würde, daß folches nach der Summe und Anzahl der Yeute, jo jeglicher Ort, 
Städte und Yänder unter uns in ſolchem Zug und Gefecht gehabt hat, den 
Perjonen nad gleichmäßig geteilt werden ſoll. 14. Wenn wir aber Yan, 
Yeute, Städte oder Schlöffer, Zinfen, Nenten, Zölle oder andere Herrlichfeiten 


en 


206 


in ſolchen Kriegen eroberten oder einnähmen, die fjollen unter ung nach den 
Orten, wie von Alters ber, gleichmäßig und freundlid) geteilt werden. 15. Und 
wenn wir jolche eingenonmene Yänder, Städte, Schlöffer, Zinje, Renten, Zölle 
oder Herrlichfeiten dereinft in Folge von Unterhandlungen wieder zu löſen 
gäben um irgend eine Summe Geldes, des jei dann wenig oder viel, dasfelbe 
Geld joll auch unter uns Orten von Städten und Yändern gleihmäfig geteilt 
werden, freundlich und ohne Gefährde. 


16. Wir haben auch erläutert und hiemit ausdrücklich beſchloſſen, daß 
dieje freundliche und ewige Verfommnis uns die vielgenannten Orte und 
Städte und auch alle die, jo in unjerer Eidgenoffenichaft mit ung reifen, auch 
unfere Untertanen, Burger, Yandleute umd die, jo mit ung in ewigen Binden 
find und uns in Gelöbnig ftehen, berühren foll und |fie] darin begriffen jein 
[folfen]: ausgenommen Städte, Schlöffer, Yande und Yeute, Zinfen, Renten, 
Zölle und Herrichaften, die follen uns Orten von Städten und Yändern, wie 
vorfteht, zugehören und unter uns geteilt werden. 


17. Und in diejer freundlichen ewigen Berfommnis behalten wir uns 
jelber vor, daß dies alles, wie vorher erläutert iſt, unfer aller ewigen Bünden 
unvorgreiflih und unjchädlich fein joll und daß dabei denjelben unfern Binden 
zu Kräften und Beſchirmung diefe ewige Verfommnis nad all ihrem Anhalt 
unverjehrt gehalten werden joll, getreulich und ohne Gefährde. 

Und deſſen alles zu wahrem, feſtem und immerwährendem Urfund, jo 
haben wir obgenannte acht Orte, Zürich ꝛc., unfer aller von Städten umd 
Ländern Siegel für uns und unfere ewigen Nachkommen öffentlich an dieſer 
Briefe acht gehängt, die von Wort zu Wort gleichlauten und jeglichem Ort 
unter ung einer gegeben worden ift, am nächjten Samftag nad) St. Thomas- 
Tag des heiligen Zwölfboten, als man zählte von der Geburt Chriſti unſeres 
Herrn taufend vierhundertachtzig und ein Jahr. 


80. Aus dem Bunde mit Freiburg und Soloturn. 22. Dezember 1481. 
Eidgen. Abſchiede II. 1. S. 698 f. 


1. In Gottes Namen, Amen. Weil ſeit dem Falle des erſten Menſchen 
durch Länge der Jahre und Veränderung der Zeit die Sinnlichkeit der Ver— 
nunft hinſchleichet und es deshalb nötig iſt, zur Unterrichtung und ewigem 
Gedächtnis den Künftigen die Dinge und Sachen, die unzerſtörbar, ewig 
bleiben ſollen, dem Zeugnis ſchriftlicher Wahrheit zu befehlen, darum ſo künden 
wir der Burgermeiſter, die Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Landleute 


— 


207 


und ganzen Gemeinden von Zürih, Bern, Yuzern, Uri, Schwiz, 
Unterwalden ob und nid dem Kernwalde, von Zug mit dem äußern 
Amt, jo dazu gehört, und von Glarus als die acht Orte der Eidgenojjen- 
ihaft einesteils und wir die Schultheigen, Räte, Burger und ganzen Ge— 
meinden der Städte von Freiburg in Ochtland und von Soloturn 
andernteils allen und jeglihen Menſchen, die diefen gegenwärtigen Brief in 
fünftigen Zeiten je anjehen, leſen oder leſen hören, daf wir mit gutem Herzen 
betrachtet haben jolche Treue, Yiebe und freundliche Einhelligfeit, damit unjere 
Altvordern jeligen Andenfens in allen ihren Nöten, Gejchäften und Sachen 
getren Hilf, Yeib und Gut zujammen zu ſetzen von jeher mit einander gewohnt 
gewwejen find, darauf zu beharren und ... joldhe Yiebe und Freundſchaft zu 
mehren. So haben wir dieje ewige getreue Freundſchaft und Bündnis mit 
einander eingegangen und gemacht, jegen, machen und verbinden ung wiffentlich 
mit diefem Brief für uns und alle unfere ewigen Nachlommen in der Mei— 
nung, wie dann das hienach von Wort zu Wort ausdrüdlih enthalten ift. 
Dem ift aljo: 


2. Erftens, daß wir einander getreulich beholfen und beraten fein follen 
und wollen, mit unferm Yeib und Gut und wider männiglich, jo ung an 
Yanden, an Peuten, an Yeib, an Gut, an Ehren, an Freiheit und an unſerem 
löblihen alten Herfommen fortan zu fränfen, Krieg oder Schaden zuzufügen 
ſich unterftehen werden, . . alfo und mit jolchen rechten Bedingungen: 


3. Wenn wir die obgen. acht Orte insgemein oder ein Ort unter ung im 
bejonderen fürbashin mit jemand in Krieg gerieten, und wir die vorgenannten 
unjere getreuen lieben Eidgenofjen von Freiburg und Soloturn durch unjere 
Boten oder verfiegelteun Briefe um Hilfe mahnen werden, jo oft das gefchieht, 
jollen jie ung alsbald und fürderlichjt mit ihren Pannern und Yähnlein, wie 
wir das je begehren, ihre Hilfe und die Ihren jchiden und das tun in guten 
Treuen in ihren eigenen Koften, und was und wie viel fie ums je zu Zeiten 
ſchicken, damit jollen wir uns von ihnen gütlich begnügen. 


4. Desgleichen, wenn wir die vorgen. Städte Freiburg oder Soloturn 
fürbashin auch mit jemand in Krieg gerieten, und wir, wie vorjteht, die 
vorgen. unjere getreuen lieben Eidgenoſſen der acht Orte um uns zu leijtende 
Hilfe durch unſere Boten oder verjiegelten Briefe mahnen werden, daß fie ung 
alsdann auch fürderlichit mit den Ihren zu Hilfe kommen follen, auf ihre 
eigenen Koften, jo oft das nötig wird, im diefen hienach gemeldeten Zielen 
und Kreijen: 


5. Erjtens, um mit uns den obgen. von Freiburg anzufangen, durch 
die Grafihaft von Greyerz, jo weit und fern die geht, und von da bis 
gen Oron, von Oron gen Milden, von Milden gen Stäffis, von 


208 


Stäffis gen Grandcour, und von da bis zu oberft am Murtenjee, und 
von da hinab bis an die Brüde gen Gümminen. 


6. Und aber, um mit uns den obgen. von Soloturn anzufangen, erjtens 
oberhalb der Herrichaft zu Grendhen, da des Bistums von Bajel, der 
Stadt von Soloturn und derer von Biel hohe und niedere Gerichte zufammen- 
ftoßen, unfern von Yügliftall und da himüber in die Probſtei Münſter 
in Grandval, jo weit und fern diejelbe Probjtei geht, und von da in die Herr- 
ichaften Tierjtein, Gilgenberg und Pfeffingen, jo weit diejelben drei 
Herrichaften reichen, item von denjelben drei Herrichaften hinüber gen Schön— 
tal, jo weit und fern unfere, [derer] von Soloturn, Herrichaften Falkenſtein, 
alt und neu Behburg langen und gehn, item von Schöntal und den jett ge- 
nannten drei Herrichaften . . . bis zu der Platten auf dem niedern Hauen- 
ftein und von derjelben Platten hinüber bis in die Herrichaft Kienberg, 
jo weit diefelbe Herrichaft gebt, und von dem Schloß und der Herrichaft Kien- 
berg bis zu St. Lorenzen Brunnen ! in unferer, derer von Soloturn, Herr: 
Ihaft Gösgen, und dann von dem Urſprung desjelben St. Yorenzenbrummen 
dem Erlisbacd nad durd die Herrichaft Gösgen bis in die Aare. 7. Und 
was und wie viel uns dieſelben unjere getreuen lieben Eidgenoffen der acht 
Orte je zu Zeiten ſchicken, damit jollen und wollen wir uns von ihnen auch 
gütlih begnügen. 


9. Und wenn wir obgen. acht Orte insgemein oder einzeln die gen. 
unjere getreuen lieben Cidgenofjen von Freiburg und Soloturn jamt oder 
jonders in unjern Kriegen oder Reifen, wie vorjteht, dereinjt um ihre Hilfe 
mahnen werden und fie ung die jchiden, oder wenn jie ſonſt ungemahnt mit 
ihrer Hilfe zu uns fommen, desgleichen wenn fie in ihren Kriegen oder Reifen 
um unjere Hilfe mahnen ꝛc., was dann in jelchen Kriegen oder Reiſen .. an 
Yanden, an Yeuten, Städten oder Schlöffern, Zinfen, Renten, Zöllen oder 
andern Herrlichkeiten mit der Hilfe Gottes durch fie und ung je eingenommen 
oder erobert werden, ... daran jollen fie wie ein anderer Ort unter uns 
nach Anzahl ihre Teile nehmen . ., wie wir acht Urte das bisher jreund- 
ichaftlich gegen einander gepflegt haben. — — — 

15. Wir haben auc in diejem ewigen Bindnis ausdrücklich abgeredet 
und beſchloſſen, daß fürbashin jeder Teil und die Zeinen dem andern Teil 
und den Zeinen gütlih und freundlich feilen Nauf zugeben laſſen ſoll ohne 
weitere Beichwerung mit irgend welchen Zöllen, mit guten Treuen, obne 
Gefährde, wie es altes Herkommen iſt. 


! Yorenzenbad in der Pfr. Ober-Erlisbach, Kt. Aargau. 


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16. Wir die vorgen. von Freiburg und Soloturn wollen uns aud) 
fünftighin mit feinerlei Gelübden noch Eiden mit jemand weiter verbinden, 
außer mit der acht Orten insgemein oder des Mehrteils unter ihnen Kat, 
Wiſſen und Willen, doch vorbehalten, daß wir nad) ımjerer Stadt Recht 
Burger aufnehmen mögen, den ewigen Bünden und diejer Bereinung ohne 
Schaden. 


17. Und wenn wir jegtgenannten von Freiburg und Soloturn, wie 
vorfteht, mit jemand künftig in Krieg gerieten und uns darin Waffenftillftand, 
Friede oder ſolche Richtungen angetragen würden, da die obgen. unjere getreuen 
lieben Eidgenoffen der acht Orte insgemein oder den Mehrteil unter ihnen 
bedünfte, daß ung ſolche Waffenftillftände, Frieden oder Nichtungen nüglich 
und ehrenhaft wären, diefelben anzunehmen, darein jollen und wollen wir 
ihnen gütlih und freundlich willigen. — 


Das zürcherifche Sittenmandat vom November 1488. 


Abgedrudt bei Füßli, Johaun Waldmann ©. 141 ff. 


In Abſicht auf die Stadt: 


I. sein Burger joll in Zukunft mehr als einen Tag Hochzeit halten. 
Und er mag, iſt er ein Gejell zum Rüden ', zu demjelben Mahl die Frauen 
zum Rüden laden, ein anderer feine Zünfterinnen, jonjt niemand, vorbehalten 
jeine und der Braut Verwandte; auch darf niemand ungeladen fommen. — 
Diefen Hoczeitsgäften joll niemand mehr geben denn eine Gabe, nämlich 
die nächſten Freunde nicht über 5 Schill., Vater und Mutter allein in ihrem 
Willen freigelajien. — Es ſoll auch font niemand der Braut etwas geben 
weder zu dem Brautlauf [Hochzeitsfeft] noch zu der Morgengabe; auch 
Bräutigam und Braut oder die Freunde unter ſich jollen einander nichts 
framen in feiner Weife. — Ferner joll man in Zukunft dem Bräutigam 
nirgendswo Schenfe? halten, als auf der Stube, wohin er gehört, umd darf 
niemand dahin fommen oder geben, als die, jo zu diefer Stube oder Gefell- 
haft gehören ?, vorbehalten des neuen Paares verwandte Freunde, die von 
augerhalb der Stadt her ihnen zu Ehren fommen; denen mag man zu Eſſen 
beichiefen, alles bei zwei Darf Silbers unnachläfjiger Buße. — — — 


Auf dem Nüden war die Ztube der Konftaffel, der Gefellihaft der Adligen und 
Kaufleute. — ? Schmans oder Gelage, wobei die Gäſte zu ichenten pflegen. — * Jede 
Zunft hatte ibre , ‚Stube, d. h. ihr Geſellſchaftshaus, das ihnen ſowohl als Sitzungslokal 
für ihre offiziellen Zufammenkünfte, wie auch als Trinkſtube diente. 

Oechsli, Quellenbuch. 14 


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III. Seinem Rind jollen Götti oder Gotte mehr einbinden denn 5 Schill. 
Zürcerpfenning oder ungefähr diefen Wert. — Steine Sindbetterin joll 
fürobin eine Küchleten oder eine andere Einladung mehr halten; aud) den 
Frauen, jo an die Taufe kommen, weder zu ejjen noch zu trinfen geben, 
außer den Ehrenwein. Auch Götti und Gotte jollen feine Küchleten geben, 
vorbehalten die Frauen zum Rüden, die mögen in ihrer erften Kindbett eine 
Küchleten halten; aber die, jo die Kindbetterin einlädt, jollen ihr ganz [und 
gar] nichts jchenfen. Endlich dürfen Götti und Gotte einem Kind nicht mehr 
zum Gutenjahr geben, als einen Käs fir 8 Schill. ungefähr; abermals bei 
obiger Buße. — — 


V. Segen wir, daß binfür zu Faſtnacht und andern Zeiten die Frauen 
zum Rüden, Schneden ! oder von anderen Zünften bei zwei Marf Silbers 
Ztrafe feine Einladung unter ſich, die man Schlegel nennt, halten, jondern 
allein auf ihre Stuben, jo man fie beruft, kommen jollen, jedermann auf jeine 
Koften. Doc ift jedem eine geziemende Gafteret jeinen Freunden und quten 
Gönnern zu geben, nicht verboten. 


VI. In Anbetracht merflicher Unordnung, die in unjerer Stadt unter 
dem gemeinen Mann angefangen, der Föftlichen Kleider halb, jo ihre Frauen 
und Züchter tragen, ſolches abzuitellen haben wir verordnet, daß binfür feine 
rau noch Tochter jülberne oder vergoldete Daften, Ninglein oder Spangen, 
auch fein feiden Gewand oder Beleg an Röcken, Schuhen, Halsmänteln u. ſ. f. 
tragen follen in feiner Weiſe, ausgenommen die ‚rauen zum Nüden und 
Schneden. Auch daß ſonſt feine Frau aus der Gemeinde einen beichlagenen 
Gürtel baben joll, vorbehalten die, deren Dann 1000 GL. und darüber bat, 
daß Ddieje einen jelchen Gürtel und nicht mehr, 12 St. Wertes ungefähr, 
tragen mag. Eben dieſe mögen jeidene Verbrämungen und Belege mit Be- 
jcheidenbeit an ihrem Yeibe tragen, do ohne Haften und Spangen, wie oben 
ſteht. Wenn aber eine dawiderhandelte, daß dann ein jolcher verbotener Gürtel 
unferer gemeinen Ztadt verfallen jet. Und welche ſchon dergleichen hätten, viel 
oder wenig, daß fie jolche verfaufen oder ihren Ehmann fie verfaufen lajien 
für jein Gewerbe und Bedarf. Der Daften, Ringlein und Zeide halber gibt 
jede, Die jolche dem Verbot zuwider trägt, jedesmal 2 Mark Zilbers zur 
Rufe. - 


Betreffend die Yandidaft: 
Damit in Zukunft in unjern Grafichaften, Derrichaften und Gebieten 
auch eim geziemendes Weſen gebalten und unmäßige Noften abgetan werden, 


Auf dem Schnecken bielt die Geſellſchaft der „Schildner zum Schnecken“, die ſich 
IH aus Ratsgliedern and andern angelebenen Bürgern gebildet hatte, ibre Berfammlungen. 





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baben wir folgende Artikel, alle ber 2 Mark Silbers Buße gegen die Fehl— 
baren, verordnet: 


I. In Betreff der Hochzeiten und Schenfen: dag ein Bräutigam zu 
jenem Brautlauf und Hochzeit niemand einlade, denn, die in feinem Kirchſpiel 
jigen, insbejondere feine Nachichenfe halten joll. Auch darf niemand außerhalb 
jeines Kirchipiels an eine ſolche Schenfe gehen, niemand, jo in unjerer Stadt 
geiejfen, auswärtige Schenfen bejuchen, noch die außerhalb Geſeſſenen an die 
unjrigen fommen, ausgenommen des Bräutigams und der Braut verwandte 
Freunde. 


II. Der Artifel von den Hochzeitsgefchenfen ꝛc. lautet genam, wie das 
Stadt-Mandat.] 


III. Haben wir geſetzt: daß künftig in allen unſern Herrichaften niemand, 
weder edel noch unedel, ein Gemeinſchießen ausrufen, noch jonft ein Spiel, 
es jei mit Kegeln oder in anderer Weile, abhalten und irgend welche Ver— 
jammlung oder öffentliche Einladung veranftalten joll, ausgenommen an rechten 
öffentlichen Kirchweihen; da mag man hingehen wie von Alters ber. 


IV, Und damit diefe unfere löbliche Ordmung, jo zu gemeinem Nuten 
beiehlofjen ijt, aufrecht gehalten werde, jo haben wir einhellig erfannt: daR 
binfür fein Burgermeifter, Ratsherr oder Zunftmeiſter anbringen, raten, Bei- 
ftand oder Hilfe tun joll, ſolche Satung abzutun oder zu verlegen. Und wer 
damwiderhandelte oder riete, der joll gemeiner Stadt zwei Marl Silbers ohne 
Gnade verfallen jein. Datum Dienjtag nah St. Othmari 1488. 


82. Sturz Dans Waldmanns. 1489. 


Beihreibung des Waldmanniſchen Auflaufs von einem Zeitgenoffen, mitgeteilt von 
M. v. Stürler, Archiv für Schweizergefh. IX. ©. 279 f. 


Unter den eidgenöfftfchen Vermittlern, welche beim Waldmannifchen Aufftand zugegen 
waren, befanden fih auch Geſandte Bernd, Nur vorübergehend bielten ſich Dr. Thüring 
Aridart, der gelehrte berniiche Stadtichreiber, und Ritter Ludwig von Diesbah in Zürich 
auf, längere Zeit dagegen Anton Schöni und Urs Werder, beide Mitglieder des 
berniichen Rates. Bon einem der beiden leßteren jcheint daber ein im bermifchen Staats— 
archiv aufbewahrter ausführlicher Bericht über Waldmanns Sturz zu ſtammen, welcher, 


Quelle für diefe Ereigniffe bildet. 


Aus welcher Urſache fich diefer nachgejchriebene Handel gefügt und gemacht 
bat, ijt zu ermeffen, dag er allein jeinen Urjprung habe in der Handlung 


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des Hundetötens; denn diefelbe Handlung hat den Bauersmann mehr zu 
Unwillen gebracht, al$ irgend eine andere Sache. . .. Und daß man ab: 
nehmen möge, daß von der Hunde wegen der größte Unwille erwachſen, hat 
die Meimumg: als der Zuzug von denen vom Zee ift angefangen worden, 
find die von andern Herrichaften allein zu der Sache geneigt gewejen, zu 
ihnen zu ziehen, von der Hunde wegen, und die rauen haben ihre Männer 
dazu gereizt und geredet: wenn es am ihnen gelegen wäre, jo wollten fie 
jelber ziehen und die Hunde rächen. 

Während vierzehn Tagen ward durch die Boten der VII Orte umd 
andere Zugemwandte mit viel Müh und Arbeit jo weit unterhandelt, daß die 
Unruhe dermaßen zu Gutem gewendet wurde, daß die Aufern immerhin ge 
nötigt wurden, heimzukehren; doch dergeftalt, daß fie die von Zürid), Bürger: 
meiſter und Räte, bitten jollten, wenn jie ihnen widerjeglic) gewejen, daß jie 
das im Bejten aufnähmen, denn fie vermeinten eben [es aus] Not getan [zu 
haben], und wollten nun fortan einem Wurgermeijter und Räten zu Zürich, 
wie jie das jchuldig wären, als ihren gnädigen lieben Herren, wie frommen 
Yeuten gebühre, ftets gehorjam begegnen und erjcheinen. Doch jo war der 
Abfchied, dak den Äußern zugefagt wurde, die neuen Verordnungen von 
dannen zu tun, beförderlichjt ohne Zögern [„für und nit hinder“] dermaßen, 
daß fie damit zufrieden jein follten, und daR dieß geſchehe und getan werde 
in aller Ordnung im nächiten Monat. Und ward das den Äeußern zugejagt 
von Burgermeifter Waldmann und Meifter Oehem, dem Überftzunft- 
meijter und jeßten dieſelben zwei den Aufern, daß jolhes geichehen werde, 
ihrer beider Yeib und Gut zu Pfand denen, jo von den Äußern als Unter: 
händler in der Stadt waren. Derer find bei 80 gewejen aus allen Gegenden, 
Herrichaften und Amtern, von denen die Abrede und der Beſchluß geichab. 
Und jollte damit die Sache und der Span vertragen fein. — — 

Und wurden damit die Eidgenojjen mit Abjchieden abgefertigt, in Er: 
wartung, daß fein Unwille da erwachſen follte und es eine beigelegte Sache 
wäre. Und ward jeglichem Boten ein chriftlicher Abjchied gegeben, lautend, 
wie die Äußern von der Yandichaft fie, den Vürgermeifter und den Nat von 
Zürich, gebeten, ihnen ihr Vornehmen zu verzeihen; denn fie befenmten, Un 
recht getan zu haben, und wollten das nicht mehr tum. Und nad) ſolchem 
Abjchied find der Burgermeifter und auch die Zunftmeijter auf alle Zünfte 
gegangen, vor verjammelte Zünfte und haben da eröffnen laffen, wie die 
Sache abgeftellt jei, daß Die von der Yandichaft alle insgejamt, etliche Fuß: 
jällig flehend, ie gebeten, ihnen zu verzeihen und ihr Vornehmen zu ver- 
geben; denn fie befennten, Unrecht getan zu haben und wollten das nicht mehr 
tun. Und bevor... die Zache zum völligen Austrag gekommen und gebracht 
worden wäre, ıjt alsbald Burgermeifter Waldmann mit etlichen jeiner An- 
hänger gen Baden gefahren und dajelbit ungefähr vier oder fünf Tage bei 


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gutem Yeben verharret, Es ift auch dahin zu ihm gefommen des römischen 
Königs Botſchaft, einer der Näte Herzog Sigmunds von Oſtreich, 
die auch allda zu Baden drei Tage lang geweſen. Desgleichen war zufällig 
ein Tag bejtimmt umd angefegt gen Bern von wegen des Königs von Frank— 
reich, dahin der Burgermeifter Röiſt der Alte hingefertigt ward. — — 

Inzwiſchen wurden die vom Zürichjee von dem gemachten Abjchied unter- 
richtet, wie fie befannt haben joltten, in ihrem Vorhaben Unrecht getan zu 
haben. Und war ein großer Unwille unter ihnen und waren die, jo dabei 
geweien, .... jehr bejorgt, ihr Yeben deshalb zu verlieren. Und find abermals zu 
einer Verſammlung zufammengefommen. Und als fie dann berichtet wurden, 
daß Burgermeifter Waldınann alsbald gen Baden gefahren, Kurzweil gefucht 
und der Zufage nicht von Stund an Folge gegeben werden wollte, desgleichen 
VBürgermeifter Nöift gen Bern geritten, erwuchs bei den Äußern großer Un- 
wille und vermeinten: fie möchten wohl abnehmen, dak dem Burgermeiſter 
Waldmann ihre Sachen nicht jehr zu Herzen gingen. Und ihr Sinn und 
Rede war, ſie wollten ihn zu Baden verſcheuchen und fo weit mit ihm handeln, 
dag der Zufage nachgefommen würde. Und war das jo lautbar, daß Burger: 
meifter Waldmann von Baden heim gen Zürich geritten fam und vor Sorge 
feinen rechten Weg dahin zu reiten wagte. Inzwiſchen waren die vom Zürich— 
jee erſt völlig von dem Abjchied unterrichtet worden. Und zogen zujammen 
und ward der Unmille viel größer denn im Anfang der Sache und wollten 
in feiner Weife geftändig fein, befannt zu haben, in ihrer Handlung vorher 
Unrecht getan zu haben, jondern große Not [habe] das erheifchen [und] hätte 
ihnen Unrecht zugezogen. — — 

Und da zufällig damals eine Tagſatzung zu Schwiz ftattfand, jo daß 
gemeiner Eidgenoffen Boten von den acht Orten bei einander verjammelt 
waren, ... . machten fich diefelben Boten von Stund an auf und ritten gen Zürich), 
um zu verfuchen, in den Sachen zum Guten zu handeln. Und famen etliche 
am Dienjtag vor Mittag dahin. Als Burgermeifter Waldmann der Boten 
gewahr ward, verfügte er ich zu ihnen, um das Mittagsmahl auf der Brücke 
zum Schwert in der Herberge zu nehmen. Und als die Mahlzeit getan und 
die Ratsfnechte der Meinung waren, den Waldmann heimzugeleiten, und von 
dem Rathaus über die Brücke ihren Gang taten, gerüjtet mit ihren großen 
Schmwertern, umd mitten auf der Brüde neben das Waſſerrad gekommen 
waren, — iſt einer unter den Stuechten gegangen, genannt der Schnee: 
vogel; den hatte der Waldmann ſehr an jich gezogen; denn derjelbe war fein 
guter Menſch, ftarf den Kriegen nachgezogen; dem wollte der Waldmann, 
wie wohl es dem Kate widrig war, den Stab geben, wie es auch geichehen 
und durch ihn getan ward; derjelbe trug auch ein Schwert, wie die andern 
Knechte — find etliche von den Burgern ihnen auf der Brücke begegnet und 
haben denfelben Schneevogel wegen etlicher Worte angejchuldigt, Die er geredet 


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haben joltte: er wollte lieber bei einem frommen Schwaben fteben, als bei 
einem gebornen Züricher, denn derjelbe bleibe bei ihm, jo der Züricher von 
ihm weiche, und er wollte, welcher den Außern vom Zee Gutes rede... .., daß 
denjelben die Häupter abgejchlagen werden jolften. Und wiewol er der Worte 
nicht geftändig war, fo zogen etliche, bejonders ihrer vier, vom Yeder und 
hieben drein und ſchlugen danjelben Schneevogel alsbald zu Tod. Und hatten 
diejelben einen folchen Anhang, daß die Knechte, wiewohl jie ihre Schwerter 
trugen, nicht im Stand waren, zu jcheiden. 

Bei jolhem Auflauf, als Herr Hans Waldmann das hörte, war er 
der Meinung, aus der Herberge auch binzuzulaufen; aber er wurde durch 
die Boten der Eidgenoſſen zurüdgebalten. Und wenn er dahin gelommen, 
war die gemeine Nede, daß es ihm auch desgleichen gegangen umd geichehen 
wäre; nur daß es [noch] nicht Zeit war. Die vier Täter, jo den Schneevogel 
abgetan, machten ſich in die freiheit Aſyl), und ch derjelbe Tag verging, 
hatten diejelben joldhen Zulauf von der Gemeinde, daß Burgermeiiter und 
Räte in der Sache beichlofjen, ihnen Sicherheit zuzufagen, jo daß fie au 
demjelben Tag herausgingen. 

Am andern Tage am Mittwoch) nad Halbfaften [1. Apr.) ging der Burger: 
meifter Waldınann früh in die Waſſerkirche Meffe zu hören. Und als die Meſſe 
gehalten und er aus der Kirche ging, waren die vier auf dem Helmhaus 
vor der Waſſerkirche, jo den Totjchlag getan. Die nahm der Burgermeiſter 
an einen Ort mit freundlichen Geberden, bat ihnen mit guten Worten die 
Hand geboten und eine Weile geredet und iſt mit Erzeigung eines guten 
Gemüts von denjelben gejchieden. Hierauf hat er Beitelit, daß alle Zünfte 
zuſammen kämen, in der Abficht, von einer zur andern zu geben, und mit 
ihnen Nede zu halten, da er nämlich einen Auflauf bejorgte, von dem Unwillen 
der Gemeinde zum Teil unterrichtet war und das abzuitellen verjuchen und 
dem gerne zuvorfommen wollte. Dem es mochte wenig in der Stadt ge- 
handelt und getan werden, ohne daß er es vernahm durch die, jo er allent: 
halben bezahlt bat, auf feine Sachen zu horchen. Und ging in ſolcher Abjicht 
Anfangs in der Sciffleuten Haus und in diejelbe Zunft und hielt allda feine 
Rede; nachher auf der Zimmerleuten Haus und vor diejelbe Zunft und voll: 
führte auch da feine Rede. Inzwiſchen hatten fich der Eidgenojjen Boten, 
denen er Abends zugejagt, wenn es ihnen Morgens füglich wäre, für jie 
Großen und Kleinen Rat zu balten, auf das Nathaus begeben. Die jandten 
ihre Botichaft zu ihm und liegen ihm jagen, wie ſie auf dem Rathauſe wären 
und allda warteten. Er ward gefunden auf der Zimmerleuten Haus bei der 
jelben Zunft, und wiewohl er in andere Zünfte auch zu fommen willens war, 
jo willfahrte er den Eidgenoffen, und fam auf das Nathaus und befabl 
jofort in beide Räte zu läuten zwiſchen der fiebenten und achten Ztunde 
Morgens. Es ward auch nachher geredet, wo jein Vorhaben, auf andere 


Bi 


Zunfthäufer zu geben, vollzogen worden wäre, wäre er von etlichen nicht 
[ebendig gefommen. Es jollte aber nicht ſich alſo ſchicken. 

Und als die Räte zuſammenkamen, und der Eidgenofjen Boten vor 
denjelben erſchienen . . . und jolche Rede getan, wie fie die Notdurft erheifchte, 
und die Eidgenojfen ausitanden in die Fleinere Ratsſtube, famen etliche von 
der Gemeinde, bei zwölfen, und begehrten auch vor den Mat. . . Aber als: 
bald ward ein Geläuf und Geräufch vor dem Rathaus, jo groß, dak man 
wohl abnehmen mochte, dar ſich ein Auflauf begeben wollte, und daß fich etliche 
der eidgenöffiihen Boten hinab vor das Wathaus verfügten im Vorſatz, 
die zu beruhigen. Aber der Zulauf mehrte jich jo ftarf für und für, alle in 
ihrem Harnifch mit Gewehren, Arten und anderen. Und ward indeffen gleich 
von der Gemeinde gefordert: der Burgermeifter Waldmann, der Stadt- 
jhreiber, Heini Götz, der Schifflenten Zunftmeiſter, und der oberite 
Ratsknecht. . . Und als nun jolche Forderung geichab, kamen etliche der eid- 
genöffiihen Boten wiederum vor den Nat; etliche hatten genug der Gemeinde 
zu wehren, daß jie nicht hinauf in das Nathaus kämen. Und als der Burger: 
meifter von der Forderung unterrichtet ward, jtand er auf und hielt eine 
Rede zu feiner Rechtfertigung und ermahnte die Boten von den Orten... 
und rief fie an, daß fie ihn beim Recht behüten, jcehirmen und handhaben 
möchten, wie jie dies jchuldig wären laut der Binde, . . mit viel Worten. 
Und anerbot ſich zu Recht zu ftehen vor einem Bürgermeifter und dem Kleinen 
Kat oder, wenn es dajelbjt nicht füglich jei, vor dem Großen Nat, desgleichen 
vor der ganzen Gemeinde, und wenn es alles nicht jein möchte, vor den 
Boten der fieben Orte. Desgleichen taten auch die andern. . . Und auf jolche 
Rede wurden die Semeldeten ausgeftellt. Und inzwiichen war der Zulauf 
der Gemeinde jo groß geworden, dar der Eidgenoffen Boten alle zu wehren 
batten und mit großem Ernft fie zurüctreiben und drängen mußten, daß fie 
nicht hinauffommen würden, Und fam die ganze Gemeinde zufammen, daß 
ver Plag vor dem Rathauſe überftellt war, desgleichen der Fiſchmarkt und 
das Rathaus um und um allenthalben umſtellt und bewacht war. Und doc) 
wurde indejjen durch etliche Boten unterbandelt, mit großer Mühe des Ge: 
ichreies halb, und der Gemeinde das Nechtsbot zu verftehen gegeben, das vom 
Burgermeifter getan, mit Begebr, fie in einem Haus bewacen zu lafjen. ... 
Da ſchrien fie alle einhellig: „Mein, nein!" mit lauter Stimme, „fie müffen 
in den Schelmenturm; da haben fie uns oft umverdient hineingelegt”! und 
mit trogigen und frevelhaften Worten, die fie brauchten: „wolle man ihnen, 
die ſie fordern, nicht herausgeben, jo wollten jie diejelben und andere mehr 
jelber holen.“ Und drangen mit großem Ungeſtüm gegen die Tür und die 
Ratsſtiege. . . . Und wo der Eidgenofjen Boten nicht allda gewejen wären, 
jo wäre es fehr übel gegangen. Die hielten jich als fromme Piederleute ; 
derjelben ward auch jehr von der Gemeinde gejchenet, jo daß niemand fich 


215 


True 


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unterftand, irgend welche unfreumdliche Handlung gegen fie mit Worten noch 
Seberden zu üben... . Und ward durch die Boten fo viel erlangt, daß fie die, 
jo gefordert wurden, zu ihren Banden nehmen möchten zu echt; doch daß 
jie in den Turm Wellenberg geführt umd gelegt werden jollten. Und 
wurden darauf abermals ihrer drei gefordert, nämlich Meifter Yienbard 
Oechen, ein Metzger, Oberjtzunftmeifter, Hans Bieger, der Weber Zunft: 
meijter, ein Natsfnecht, namens Marti Ztrider und einer, hieß der Plübler, 
war Turmhüter des Wellenbergs und dem Waldmann jehr lieb. 

Während diefes Handels wurden der Eidgenoffen Boten berichtet, wie 
ein gemeiner Sturm ginge am Zürichiee . . . Eine Stunde nachher waren die 
Aufßern an der Stadt. Die Gemeinde hatte aber die Stadt und Tore mit 
Wachen verjehen auf Anbringen der Voten; denn wo die Äußern hinein- 
gefommen wären, hätte es wohl gejcheben fünnen, daß eine Zerſtörung der 
Stadt ftattgefunden haben möchte. 

Als dann die Geforderten von den Boten feftgenommten worden waren, 
... wurde mit der Gemeinde geredet, daß fie eine Weite machten und Sicherheit 
binauszugehen zujagten, wie auch geſchah. Da machte die Gemeinde mit dem 
Bolf eine weite Gafje, und nahmen die Voten die Verbafteten und führten 
fie hinauf gegen den Turm. Da zog eine große Menge Volks voraus und 
hintennach. Und als man fie zu Schiff brachte, fie hinüber zu führen zu dem 
Zurm, ward von der Gemeinde ein großer Einfall, daß man der Schiffe 
Untergang beſorgte. . . Und als man die Gefangenen in den Turm gebracht 
und man anfangs die böjen umd niedern Gefängniſſe öffnete, vermeinten Die 
von der Gemeinde, jogleich den Waldmann dahin zu legen. Aber von den 
Boten ward Mitleid mit ihm gehabt und führten ihn hinauf fürbas zu den 
andern Gefängnifen, jo nicht jo hart waren. . . Aber in den untern Ge— 
fängnijjen, deren drei neben einander jind und jo nieder, daß einer nicht im 
jtande ift, ji) von den Knien aufzurichten, lag im einen ein Ketzer, zwei 
waren leer. .... Und ward Waldmann von einem Boten von Bern, mit Namen 
Anton Schöni, und Yudwig Seiler, Schultheiß zu Yuzern, vom Nat- 
haus in den Turm geführt; danach die andern von den andern Boten. Und 
wiewohl der Eidgenoffen Boten Begehr und Forderung war, dieweil fie ihnen 
zu ihren Handen in Gefangenschaft [aelegt und] zu Recht zugejagt worden, 
daß man dann ihnen die Schlüffel zu den imnern Gefängniffen zu ihren 
Danden kommen laſſen jollte, wollten fie das nicht verwilligen. Wohl ward das 
zugelajien, daf einer von den Boten, Werner von Meggen von Yuzern, 
zwei oder drei Tage ungefähr mit denen, jo ihnen zu effen brachten, in den 
Zurm fuhr und das tun half, Aber darnach .. . nahmen fie den Ketzer aus 
dem böfen Gefängnis und führten ihn in einen andern Turm. Und ward 
der Waldmann an des Kegers Statt gelegt, desgleichen der Oberitzumftmeifter 
auch in eines; deshalb ftellte der Bote von vuzern jein Hinüberfahren ab. 


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Und ward hernach der Waldmann von der Gemeinde mit harter Peinigung 
vernommen, ohne alles Erbarmen gefragt, nichts geipart, jehr ſchnöde gehalten, 
mit Ejien und Trinken nicht am beiten, das Gejchirr, daraus der Ketzer ge: 
jpeist, gebraucht, feine Gnade noch Milde mit ihm gehabt, und er dermaßen 
gepeinigt, daß er fich jelber feine Hilfe hat tun mögen, mit feinen Händen 
nicht des Eſſens hat pflegen können; desgleichen wurde mit den Andern 
verfahren. — — 

Die Gemeinde in der Stadt hatte einen Hauptmann gemacht, mit Na— 
men Yazarıs Göldli, der vorher unſchuldig feiner obrigkeitlichen Stelle 
im Nat entiegt worden war. . . Und anfangs hatte feiner von den Räten mehr 
Gewalt; wurden auch in nichts gebraucht, noch zur Handlung zugezogen... .. 
Und handelte niemand, als die Gemeinde mit dem Hauptmann. . . . Nach— 
dem der Hauptmann und die Gemeinde in der Stadt e8 auf jich nahmen, 
mit dem Waldınann anfangs zu handeln, wie zum Zeil vorfteht, ward von 
den Aufern vom Ziürichfee und andern vom Hauptmann und der Gemeinde 
in der Stadt verlangt, die Ihren dabei zu haben, jo man ihn vernehmen 
und fragen täte, desgleichen fie auch in des Waldmanns Haus kommen zu 
laffen, zu Schauen, was da wäre oder was da gefunden, es jeien Briefe oder 
anderes, daR jie deffen auch Wiſſen haben möchten. Ward ihnen von der 
Gemeinde zugelaffen und von den Aufern dazu Abgeordnete gejchiekt, desgleich 
das Haus befegt mit den Äußern und den Innern, die in demfelben Haus 
nicht viel fparten, Tag und Nacht lärmten. Die Äußern nahmen auch das Haus 
Dübelftein, jo des Waldmanns war, ein zu ihren Handen, fanden viel 
guten Weins da. . . . Demnach ward von den Boten immer an einem fort 
unterhandelt, die Gemeinde in der Stadt und die Aufern zu freundlichem 
Vergleich zu bringen. Deshalb verzog ſich die Sache mehrenteil$, daR die 
Außern darauf drangen und beharrten, daß ihnen der Gefangenen Gut zum 
halben Teil werden folite, .. daß des Waldmanns und Meifter Ochens Gut 
ihnen ganz follte verabfolgt werden, zum voraus, weil diefelben zwei ihnen 
Anfangs Leib und Gut zu Pfand geiett hätten, daß ihre vorher im Anfang 
gemeldeten Beichwerden beförderlich und ohne Zögern abgejtellt werden follten: 
das jet Alles nicht gejchehen; darum, meinten fie, ſei ihnen ihr ganzes 
Gut verfallen. .... Niemand wollte abziehen und meinten, der Wald- 
mann jolle vorher jterben umd die andern auch. Und lagen da vor der Stadt 
und tranfen und afen, und das alles ohne Bezahlen. Und waren eines wilden 
Gemütes, fragten feinem Beichten nach, wären auch lieber weiter gerückt, die 
Yente zu jchädigen. 

Inzwiſchen war mit dem Waldmann mit großem Eifer gehandelt worden 
und nichts geipart, um feinen Tod zu befördern; man war der Meinung und 
Erwartung, wenn er gerichtet würde, gäbe es eine Förderung des Abzugs. 
Und am Montag vor dem Palmtag 6. April] ließ man ihn früh in dem Turm 


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jeine Beichte verrichten. Und zwiſchen der neunten und zehnten Stunde ward 
er vom Turm an den Fiſchmarkt geführt, da öffentlich vor aller Menge feiner 
Nitterfchaft beraubt und nachher fein Bekenntnis und Übeltun öffentlich vor- 
gelefen und darauf das Urteil eröffnet, daß er mit dem Schwert gerichtet 
werden jollte, und er dem Nachrichter befoblen, der ihn denmac hin— 
führte, Und waren bejtellt bei 100 guter wohlgewaffneter Männer, die ihm 
zur Hälfte vor, zur Hälfte nachgingen, damit auch alte die, jo zu den Eid: 
genofjen gehörten. Und durfte niemand jonft von der Stadt kommen; denn 
die Tore und Mauern waren bejeßt und bewacht; denn man war noch im 
großen Sorgen. Und führte man den Waldmann an den See, oberhalb der 
Waffertirche; da ward er und andere hinausgeführt zu Schiff bis außerhalb 
der Stadt und neben der Stadt auf dem Graben auf eine große Matte. 
Inmitten der Matte war ein Gerüft mannshoc gemacht. Und war die ganze 
Sammlung aller ihrer Herrichaften und Ämter da bei einander. Und war 
ein großer Nain an der Matte, daran die Peute ſaßen, jo daß der Hinterſte 
und der Vorderfte ihn mochten richten jehen. An dem Ende bei dem Gerüfte 
rüftete ibn der Nachrichter zu nach jeinem Willen und führte ihn die Treppe 
binauf auf die Diele. Da ſchlug er ihm jein Haupt ab. Und er war vom 
Anfang bis zum Ende männlid und ging jo ftolz und jo aufrecht einher, 
als er vorher je gegangen war; bat alle Menjchen, wenn er jemandem etwas 
getan, ihm das zu vergeben und jedermann, daß er Gott für ihn bitten wolle 
oder eine Meſſe bejtellen; wer des Willens ſei, möge eine Hand aufheben. 
Als das auch männiglih tat, dankte er den Yeuten mit guten Worten, mit 
Vernunft, bielt fich bis an jein Ende als ein guter, chriftgläubiger Menſch, 
geduldig und hat feine unnügen noch böfe, neidische Worte gebraucht, jondern 
immer Gott den Allmächtigen und jeine würdige Mutter Jungfrau Marta 
und die Gottes Heiligen angerufen umd ich zu dem Tode wohl gerüftet und 
iſt damit geichieden. 


83. Stiftung des Gotteshausbundes. Chur, den 29. Januar 1367. 


Ev. Moor, Samml. der Urkunden zur Gefch. Eur-Rätiens III. S. 202. 


Bien denen, die dieſen Brief jeben, lejen oder lejen bören, künden 
wir: der Defan und das gefamte Kapitel zu Chur, 
J Dienftleute, Täler und die Burger zu Chur insgejamt 
und erklären öffentlich mit diefem Briefe, daß unfer ehrwürdiger Herr Bilchof 
Peter ums allen mit jeinen Priefen entboten bat, daß wir zu ihm gen 





Zernetz kämen, da wollte er mit uns veden und zu Mat werden von feines 
Gottesbanjes wegen, was ihm und uns und dem Gotteshaus das Beſte und 
Nüglichite wäre. Da wir zu Zernetz alle zugegen waren, da baten wir alle 
gemeinfam unſern obgenannten gnädigen Herrn Biichof Peter, daR er jelber 
bei uns fein und auf feinem Bistum jiten jollte; denn er jet jo lang von 
uns jabwejend] gewejen, daß wir insgefamt und das Gotteshaus insbejondere 
davon großen Abbruch ımd Schaden empfiengen und empfangen hätten, was 
wir zu Gott vertrauten, wäre er bei uns geweſen, wir hätten es mit feiner 
Hilfe und mit unjerer Hilfe verhindert und abgewendet. Da er uns darin 
nicht folgen wollte und alſo ohne Ende und Berrichtung von uns ſchied, da 
famen wir aber alle insgefamt von des Gotteshaufes Notdurft wegen zu 
einander, das Kapitel, Rudolf von Ehrenfels, Egloff von Schauen- 
fein, Albrecht und Rudolf von Schauenjtein, Brüder, Simon 
Panigad umd ih Egloff von Juvalt, für uns und alle Gotteshausteute 
m Domleſchg md in Schams; Conradin von Marmels und 
Heinrich von Fontana für uns und alle Gotteshausleute, edel und un— 
edel, ob dem Stein [im Oberhalbjtein], Ulrich Propit, Podeitat, Ulrich 
Minüſch, Jakob von Caftelmur, Jakob Schuler, Hans von 
Stampf md Hans Saliſch von Zils, für uns und die Commune 
gemeinlihb im Val Bergell, edel und unedel, ob Port und unter Port, 
tel Plant, Jakob und Heinrich Planten, für uns und alle Planten, 
und die geſamte Commune im obern Engadin, ob PBontalt; Anfelm 
Mor, Ammann, Yuß von Zerneg, fir uns und alle Gotteshausleute, edel 
und umedel, im untern Engadin, unterhalb Pontalt; der Nat und die 
gejamten Burger der Stadt zu Chur, und insgefamt alle Gotteshausteute, 
wie und wo fie geieffen jind, ausgenommen die Gotteshauslente, die gen 
Fürſtenburg gehören. Sind wir die obgeichriebenen Kapitel, Täler, Burger 
und Dienftlente mit bedachtem Mut und guter Vorbetrachtung, einbelliglich, 
zu des Gotteshauſes Nuten, Frommen und Belferung, darin übereingefommen, 
daß wir alle, die hie geichrieben fteben, uns zufammen verbunden und gelobt 
baben, dag wir alldieweil jest unſer Herr Biſchof Peter lebt und Biſchof zu 
Chur iſt, feinen als Vifar, noch als Pfleger in weltlichen Sachen über das 
Gotteshaus zu Chur annehmen noch empfangen jolten ohne unfer aller obge: 
ihriebener gemeinem Willen, Gunſt und Nat, immer unjeres Herrn des Bi: 
ihofs Rechte und unſer aller obgejchriebener Nechte ausgenemmen und vor: 
behalten. Und wer uns darüber um diefer Zache willen in irgend welcden 
Dingen angreifen umd bemühen wollte mit Gewalt oder mit Recht, da jollen wir 
alle gemeinſam einander bebolfen jein, mit Nat, Yeıb und Gut im unſerem 
Bistum, in guten Treuen, ohne alle Gefährde. 

Es haben aud die obgeichriebenen Herren von dem Kapitel verbeigen 
und gelobt, daß jie, dieweil unjer obgeichriebener Herr Biſchof Peter unſer 


219 


220 


Biſchof ift zu Chur, [fich dem widerjegen ſollen, daß)! des Gotteshaujes Gut 
dem obgenannten Gotteshaus entfremdet werde mit Verſetzen oder mit Ver: 
faufen, ohne unſer aller Nat, Wiſſen, Willen und Gunit. i 

Es ift auch unter uns abgeredet und find wir insgefamt darin überein: 
gefommen: was an Koften und Zehrung wegen der Feſten des vorgenannten 
Gotteshaufes, die wir innebaben, auflaufen wird, fie zu jpeifen und zu be- 
jorgen, von diefem heutigen Tage an, da der Brief gegeben ift, daran jollen 
wir zum erften des Gotteshaufes Gut geben, wo wir das finden und es uns 
inne werden mag, an die vorgeichriebene Zehrung un® Koften, fo viel und jo 
weit das langen und erjchießen mag, und mo das mangelt und abgeht, jo 
jolfen wir das übrige an diefelben Koften und Zehrung bezahlen und aus- 
richten, alfo und in der Meinung, daß wir darüber ſitzen und es mit gutem 
Rat teilen und auf uns alle gemeinjam, Pfaffen und Yaien, edel und umedel, 
arm umd reich, ohne Gefährde legen follen, einem jeden nach feinen Verhält— 
nifen zu zahlen und zur geben mit guten Treuen ohne alle Gefährde. — — — 


54. Stiftung des obern oder grauen Bundes. 
Jlanz, 14. Februar 1395. 


v. Moor, Coder Diplomaticus IV. 2. 259. 


Alfen denen, die diefen Brief anjehen, lejen oder lejen hören, künden Wir, 
Johannes von Gottes Gnaden Abt des Gotteshaufes Difjentis und 
die Gemeinde desielben Gotteshauſes zu Diffentis, Ulrih Brun von 
Räzüns und jeine Yeute, Albrecht von Sar von Monfar und Die 
Tallente in Lugnetz, und erflären öffentlich mit diefem Brief für uns und 
unjere Nachkommen, für unſere Yeute umd insgemein für alle unjere Erben, 
dak mir alle insgemein und ehrbarlich, nach weilem Nat und guter langer 
Borbetrachtung ein Bündnis gütlich und freundichaftlich vereinbart haben, und 
haben dasjelbe allgemein und jeglicher von uns bejonders mit vorgeiprochenen 
Worten und mit aufgebebenen Händen geichweren, ewiglich, jtät und fejt zu 
balten alles das, was hienach geichrieben jteht: 

Zum erjten haben wir gelobt und geichworen, jeglichen Herrn und jeg- 
lichen Mann, der in dasjelbe Bündnis gebört, bei jernem Necht bleiben zu 
laſſen. Geſchähe es auch, daß ein Herr oder Mann oder wie er [auch] gebeißen 
wäre, an einem unferer obgenannten Eidgenoffen mehr juchen oder ihm Weiteres 


! An Stelle der eingellammerten Worte befindet fih im Original eine Yüde, 


ET 


221 


jumuten würde, denn jo weit er Necht bat, jo jollen wir vorgejchriebene Eid- 
genojfen denjelben Eidgenofjen, die da angefprochen werden, raten, helfen und 
beiftehn mit Peib und Gut, jo weit wir es vermögen und können, in Mecht 
und Unrecht, im guten Treuen und ohne alle Gefährde, wofern fie jich mit 
dem Recht nicht begnügen wollten. — — 

Wäre au, daß Mifheltigfeit, Streit oder Krieg entſtünde zwijchen denen, 
die zu unjerem Teil gehören und darin find, wegen Todſchlag, Stechen oder 
Schlagen und wegen anderen großen wichtigen Sachen, jo foll dennod) das 
obgeichriebene Bündnis ewiglich ftät und feſt bleiben. Sie jollen aber von 
einander ein Recht nehmen, wie es Sitte und Gewohnheit gewejen. Falls 
aber das Hecht einem von beiden Teilen nicht genehm wäre, jo jollen wir die 
obgejchriebenen Eidgenojjen, der Abt und die Gemeinde des vorgen. Gottes- 
baujes zu Diffentis zu einem Teil, Ulrih von Räzüns, alle feine Erben und 
Nahfommen, zu dem andern Zeil, Albrecht von Zar, jeine Erben und jeine 
Nachkommen mit der Talleute Räten in Yugneg zu dem dritten Teil, jeglicher 
einen gemeinen Schiedsmann dazugeben, deren Aufgabe ift, den Streit bei- 
zulegen mit der Minne; fönnten aber diejelben Schiedleute ſich nicht zu 
einer Minne vereinigen, jo ſollen jie auf ihren Eid bloßes Recht darım 
jprechen, und wenn die Schiedleute uneins würden, wie dann Zwei jich ent- 
iheiden, da joll der Dritte ſich fügen. 

Wir die obgejchriebenen Eidgenoſſen, Abt Johannes x. und insgemein 
alte unjere Yeute, wo die Jauch] feien, die zu unjerem Bund und obgenannter 
Eidgenoffenichaft gehören und darin geſeſſen find, jollen auch alle und wollen 
je zu fünf ‚jahren den ehgenannten Bund und Eid erneuern und eröffnen, 
mit jedem, die den nicht geichworen haben und zu ihren Tagen gekommen 
iind, die jollen den jchwören und jollen das ohne Gefährde tun zu Truns. 


85. Stiftung des Ichngerichtenbundes. 8. Juni 1456. 


Jedlin, Urfunden zur Berfaffungsgeih. Graubiindens S. 29, 


Allen, die diejen Brief anjehen oder lejen hören, tun wir fund und er- 
flären männiglic öffentlich mit Urkund dieſes Briefes, daR wir die nachbe- 
nannten eilf Gerichte, erjtens das Yand und Gericht zu Davos, das 
Yand umd Gericht im Prättigau zu Klojters, das Yand und Gericht zu 
Caſtels, das Yand und Gericht zu Schiers und Sewis ımd auch der 
Chorherren Gericht zu Schiers mit allen ihren Nechten und aud) das 
Gericht zu Malans und das Gericht zu Maienfeld und was dazu ge- 
bört, und auch das Yand und Gericht zu Belfort und das Yand und Ge 


22 

richt zu Curwalden und das vordere Yand und Gericht in Schanfigg 
und das Yand und Gericht in Schanfigg zu Yangwiejen: daß wir alle 
insgemein und ımmmterichiedlich einander gehuldigt und geichworen haben, wie 
dann bienach geichrieben jteht: 

Erjtens, daß wir einander dazır behilflich jein ſollen dei gejchworenen 
Eiden, wozu jemand Necht hat. 

Die obgenannten Länder und Gerichte wollen auch einem Erbherrn tun, 
wozu er dann Recht bat, jo jie von ibm vernehmen, daß er ein Erbberr iſt. 

Es ift auch abgeredet und ausbedungen: wenn wir obgenannte Yänder 
und Gerichte einen Erbherrn bekämen, daß wir doch bei einander bleiben jollen, 
bei den Eiden, wie oben gejchrieben ift, umd einander dazu helfen, wozu jemand 
Hecht bat, mit guten Irenen, ohne Sefährde, num und bernacd und uns nicht 
davon drängen laſſen. 

Es ift auch abgeredet und ausbedungen: daß wir obgenannte Yänder 
und Gerichte fürbasbin Feine Übereinkunft noch Bündnis fuchen noch machen 
jollen, ohne der genannten Yänder und Gerichte Wiſſen und Willen. Welches 
Yand umd Gericht jich Darin verfeblte, dat fie anderswo Bündniß annäbmen 
oder machten, diejelben wären dann meinetd, und jollen dann die andern Ge— 
richte und Yänder dasjelbe Gericht dafiir, daß es ſich verfehlt bätte, ftrafen 
nacb ibrer Gnade. 

Es iſt auch abgeredet und bedungen: wenn die obgenannten Yänder und 
Gerichte etwas zu Schaffen bätten, daß fte zufammen fommen wollten zu Tagen, 
jo jollen fie nach Davos fommen und den Tag leilten. — — — 

Es iſt auch abgeredet und bedumngen in dieſem Bündnis, daß man jeder- 
mann jell bleiben laſſen bei feinen Nechten und Freiheiten in guten Treuen, 
ohne alle Gefäbhrde. 

Falls wir obgen. Gerichte fürbas wollten Bünde oder Bündniſſe machen, 
wenn dies nötig würde, was dann das Mehr wird unter dieſen obgeſchriebenen 
Gerichten und Yanden, den ſoll der mindere Zeil nachfolgen. — — 

Auch iſt abgeredet und bedungen, daR wir dies Bündnis erneuern jollen 
in zwolf Jahren einmal. — 


448% = * 4 5 “ E 
Sb. Aus dem Bund der VII Orte mit dem -obern granen Bund. 
21. Inmi 1497. 
Abdichiede IE 1. S. 74 ñ. 
[Der Eingang wie im Bunde mir Freiburg und Soleturn. — Darum 
ie kunden wir, der Burgermeiſter, der Schultbeißk. Ammänner, Räte, Burger, 
vandieute und game Okmeinden ven Juri, Yuzern, Uri, Schwiz, 


Unterwalden, ob und nid dem Nermwald, von Zug mit dem äußern 
Amt, jo dazu gehört, und von Glarus, als die jieben Orte der Eid- 
genoffenichaft einesteils, und wir Ammann und ganze Gemeinde zu Dijjentis, 
Togt und Gemeinde zu Lugnetz, Ammann und Gemeinde zu Jlanz und 
in der Gruob, Ammann und Gemeinde in Oberjaren, Ammann und Ge- 
meinde zu Waltenjpurg, Ammann umd Gemeinde der Freien ob dem 
Wald’, Ammann und Gemeinde zu Flims, Ammann und Gemeinde zu 
Schlöwis, Ammann und Gemeinde zu Trins, Ammann und Gemeinde 
zu Räzüns, Ammann und Gemeinde zu Heinzenberg mit jamt Thujis 
und Katzis, Ammann und Gemeinde zu Shams, Ammann und Gemeinde 
zu Rheinwald, Ammann und Gemeinde zu Miſox und Noveredo und 
des ganzen Mijorertals, Ammann und Gemeinde zuSapien, Ammann und 
Gemeinde zu Tenna, Ammann und Gemeinde zu Tihupina, Ammann 
und Gemeinde zu Vals, alle insgemein des grauen Bundes in Ober: 
Gurwalen, andernteils, allen und jeglichen Menſchen, die diejen gegemvärtigen 
Brief anfehen ꝛc., daß mir mit gutem Herzen betrachtet haben, jolhe Treue 
und Yiebe und alle freundliche Einhelligfeit, damit unſere Altvordern jeligen 
Andenfens in allen ihren Gejchäften und anliegenden Sachen ihr getreues 
Auffeben von jeher mit einander gehabt und aljo gewohnt jind, dabei zu be- 
barren und... . jolche Yiebe und Freundichaft zu mehren. So haben wir dieje 
ewige und getreue Freundſchaft und Bündnis mit einander eingegangen und 
gemacht, jeten, machen und verbünden uns wiljentlich mit diefem Brief für 
uns und alle unjere ewigen Nachfommen in der Meimung, wie dann das 
hienach von Wort zu Wort bejonders enthalten ift. Dem iſt aljo: 

Des erften, day die obgemeldeten beiden Zeile ſich in allen ihren Sachen, 
Anliegen und Gejchäften aller Freundichaft, Treue und Förderung gegen 
einander befleißen und getröjten und ein getreues Aufjehen zujammen haben. 
Auch jolf fein Teil den andern durch jeine Städte, Schlöffer und Gebiete 
durch irgend jemand angreifen, bejchädigen, überziehen noch befümmern laſſen, 
jondern, wenn jemand, wer der Jauch] wäre, ſolches verjuchte, das nad) jeinen 
beiten Vermögen abwenden und wehren. 

Zum andern, daß beide obgenannte Teile jelber einander nicht überziehen, 
angreifen noch bejchädigen, noch den Ihren und denen, jo ihnen gehören, |das| 
geftatten, jondern jeder Teil jich gegen den andern mit dem Wecht und 
Austrag begnügen jolle, wie hernach im bejondern gemeldet wird. — — 

Desgleichen joll auch ein jeder Teil dem andern durch jeine Städte und 
Schlöſſer, Yande und Gebiete feilen Kauf zu jeiner Notdurft zugehen lajien, 
doch nicht weiter, als im feinen Yanden zu gebrauchen und nicht weiter zu 
verführen, und alſo beiderjeitS die Straßen offen und frei halten ohne Be— 


"Dd.ı ob dem Flimſerwald, die jogen, Freien von Yar. 


TEE 


224 


laftung oder Beichwerung durch irgend welche neuen Zölle oder andere Auf- 
lagen,rjondern das zu halten und zu üben, wie es von Alters Herfommen ijt. 

Es ijt auch hierin ausdrücklich bejtinumt: wenn es jich begäbe, daß einer 
von beiden Zeilen binfür künftig je fich weiter mit Herren, Städten oder 
Yanden verbinden oder verpflichten wollte, daß doch ſolches diejer Einung 
unschädlich fein und dieſe Eimung denjelben vorgehen jolle. 

Wenn auch beide Teile zufammen in Krieg oder Fehde mit jemand ge- 
raten würden, daß dann Fein Teil irgend welchen Frieden oder Waffen- 
jtillftand mit demfelben jchließen noch annehmen joll, außer der andere Teil 
ſei auch darin enthalten und begriffen. — — 


ST. Bund der VII Orte mit der Stadt Chur umd den Gottes- 
hausleuten in Churwalen. 13. Dezember 1498. 


Eidgen. Abſchiede IIL 1 2. 753. 

Tem vorigen gleichlautend. Die vertragichließenden Parteien nennen fih im Eingang: 

Wir die Burgermeijter, Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Yand- 
leute umd ganze Gemeinden von Zürich, Yuzern, Uri, Schwiz, 
Unterwalden ob und nid dem Kernwald, Zug mit dem äußern Amt jo 
dazu gebört und von Glarus, als die jieben Orte der Eidgenofjenjchaft 
einesteils, jo dann wir der Burgermeijter, der Nat, die Burger und die ganze 
Semeinde der Stadt Chur und dazu wir die nachgejchriebenen Gegenden und 
Gemeinden der Gottesbauslente zu dem Ztift zu Chur gebörend, nämlich Vogt 
und ganze Gemeinde zu Fürſtenau, Vogt und Gemeinde der vier Dörfer 
zu Ajpermont gehörend, Ammann und Gemeinde zu Cbervag, Bogt und 
Gemeinde zu Neams oberbalb Stein, Ammann und Gemeinde zum Tiefen- 
ka ſten, Vogt und Gemeinde zu Greifenjtein gebörend, Ammann und 
Gemeinde zu Ztalla, Ammann und Gemeinde zu Avers, Richter und 
Gemeinde zu Bregaglia, Unterpert und Überport !, Ammann und Ge— 
meinde zu Jürg, Ammann und Gemeinde zu Zamaden, Niditer und Ge- 
meinde zu Puſchlav, Ammanı und Gemeinde zu Zteinsberg?, Am— 
mann und Gemeinde zu Schuls, Ammann und Gemeinde zu Remüs mit 
jamt deren von Samnaun, Ammann und Gemeinde im Meünitertal, 
Ammann und Gemeinde zu Mals umter Nalven, aud Ammann und Ge— 
meinde zu Zcbanza? andernteils x. 


’®. b. ober und unterhalb la porta, der Enge dei Bromentogno. — ? Burg bei 
Ardes im Unterengadin. » Tier biidoribe Hei Schanza umiaßte Schlanders im 


Crota!: md Umgebungq. 





225 


88. Geferht bei "riefen. 12. Februar 1499. 


Aus Anshelms Berner Chronik, herausgeg. von Stierlin und Wyß. IL S. 317. 


Valerind Rüd, genannt Andhelm, geb. in der damals zur Eidgenoöſſenſchaft ge— 
börigen Stadt Rottweil in Schwaben, ſeit 1504 in Bern, wo er zuerſt als Schul 
meister und ſpäter als Stadtarzt wirkte, ein eifriger Freund der Reformation, wurde 1520 
vom Kate unter Gewährung eines Gehaltes angeftellt, um die Chronik Diebold Schillings 
bis auf feine Zeit fortzufegen, zu welchem Zwede ihm die Archive Berns nnd anderer 
Schweizerftädte geöffnet wurden. Er begann fein Werf mit einer furzen Zufammenfaffung 
der Älteren Geichichte Berns aus den bekannten Chronifen, beichrieb aber felbftändig und 
im großer Ausführlichleit die Ereigniffe von 1480—1536, indem er fich nicht auf die 
berniichen Verhältniſſe beichränfte, ſondern die ganze Eidgenoffenichaft ins Auge faßte; 
doch ift die Darftellimg der legten zehn Jahre von 1526—36 unvollendet und lückenhaft. 
Die Gewiffenhaftigkeit, mit der Anshelm die Archive bemutte, der männliche Freimut und 
warme Patriotismus, der ihm eigen war, die Größe der Zeit, die er beichreibt, fichern 
feiner Chronik wohl die erfie Stelle unter den älteren fchweizerifchen Gefchichtswerfen. 


nd aljo am Pienstag der jungen Faſtnacht, am Morgen nad) 
der Meſſe und Morgenbrot brachen die Eidgenofjen auf, zu 
Triejen, da der Rhein am dünnſten, hinüberzuziehen, zogen 
aljo den Rhein abwärts in guter Ordnung. Desgleichen zogen die König: 
lihen auf der andern Seite abwärts, auch im ftarfer Ordnung, mit gewal- 
tiger Neiterei und Geſchütz, vermeinend, den Übergang über den Rhein den 
Eidgenoffen zu verwehren. Da eilten aber die Fähnlein von Zürich und 
Zug mit ihrer Vorhut in den Rhein; da half je einer dem andern, bis bei 
jehshundert hinüber zufammen kamen, welche da verhängten Mutes ohne 
alle Ordnung den Feinden in die Seite liefen, jo gegen fie mit ihrer Orb: 
nung und Gejchüg drangen. Gewannen ihnen die Flucht, viel Gewehre 
und Schuhe, zwei Fähnlein und eine Büchle ab und erjchlugen von den 
rechten Katzbalgern über vierthalbhundert, ehe der Eidgenoffen Zeichen alle 
binzufommen mochten, Und als die Feinde durd Stauden und Stöcke einem 
Berg zu und hinauf flohen, kamen ihmen die tanfend Eidgenoffen entgegen, 
jo die Nacht durd) bei Gutenberg geftanden waren, erjchlugen ihrer auch viel. 
So famen aud) die von Appenzell mit ihrem Banner hinzu, taten ihnen 
beim Nacheilen auch merflichen Schaden. 


7 





Oechsli, Quellenbuch, 15 


PT) 


8, Schlacht bei Fußach und Haard. 20. Februar 149%. 


Uberſett ans Pirtheimers Hist, belli Suitensis (tim Thesaurus Hist. Helret. ih. IL p. 13. 


Der Nürnberger Patrizier Wilibald Pirkheimer, geb. 1470. zest. 1528, einer der 
bedontendaten Gelehrten seiner Zeit, von seiner Stadt und den Kıisera Maximilian und 
Karl V. vielfach als Ratgeber, Diplomat und Kriegsfährer verwendet. verfiiste unter 
anderm eine lateinische Beschreibung des Schwaben- oder, wie er sert. Ichweizerkriegs, 
an welchem ar als Befehlshaber des Nürnberger Kontingentes seiser Teil enommen hatte, 


Hierauf rückten die Eidgenossen' vorwärts, unterwerten den ganzen 
Wallgau bis zum Arlberg ihrer Herrschaft und zwinzren di Einwohner. 
ihren Befehlen nachzukummen, nachdem sie wiki? wr2iz til aus ihnen 
erpresst, Nachdem sie dies vollbracht, ziet-n »i- wied-rum regen die 
Kaiserlichen, welche sämtliche Streitkräfte in der Suadı Bu 42 ZUSAMMEN- 
xvzogen hatten, um die Schweizer von weiserem Verden 2.2en sıbyauhalten. 
Sobald man daher von dem — —— der Schweizer rehirt har, rufen 
die Kaiserlichen zu den Wagen ur! ermatı-m die Eırzrore, sie gegen 


. 


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die Feinde zu führen. Dach jen- ri isr Ari Fir och en- 
Innen ansvlanzen wenden: er re Delg-Drentmn roten bereblen 
St, Syaker aruzwiie. welie Ze Sri eg Soerarirs arskend- 
warn wei Br Bir) -Te engem HUT. NIIT Te Fruser 
Wervudat 2 Sowie eraırikter 9 metal ebuwi. Lass eim 
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kriegerischer Weise zurückgehen sollten. Aber dieser Befehl wurde 
ganz anders aufgenommen. Die noch eben so beherzten Krieger gerieten 
dadurch in solchen Schrecken, dass sie glaubten, er sei das Zeichen 
zur Flucht. Inzwischen nahten die Schweizer und schon griffen sie die 
Hintersten an, so weit nicht die Reiter sie daran hinderten. Es kam 
daher zur offenen Flucht, und die Feigen rissen selbst die Tapfern zum 
Fliehen hin und alle eilen auf Bregenz zu. Es war ein grosser Sumpf, 
in welchen der See zur Sommerszeit und beim Schmelzen des Schnees 
der Alpen austrat; damals entbehrte er zwar des Wassers, war aber 
ganz mit tiefem Kote angefüll. Auf der Flucht hieher verschlagen, 
versuchten sie, weil der gerade Weg nach Bregenz dort darchführte, 
ihn zu überschreiten. Aber so gross war die Breite des Grabens und 
die Tiefe des Kotes, dass ihn niemand zu überwinden vermochte. Daher 
wurden die ersten, die hineingeschritten waren, von den Nachfolgenden 
niedergetreten und so lange in grässlichem Todeskampfe von dem Unflat 
verschlungen, bis der Sumpf endlich ganz mit Leichen gefüllt war und 
auch den Nachfolgenden einen Übergang darbot. Und wiewohl die Flie- 
henden das offenbare Verderben vor sich sahen, stürzten sie sich doch, 
um dem drohenden Tod zu entgehen, in den offenbaren Untergang; die- 
jenigen aber, welche der Gegend kundig waren, vermieden die Gefahr 
des Sumpfes mit einem kleinen Umweg. 

Unterdessen drängten die Schweizer nach und hieben die Hintersten 
nieder; aber sie wurden von der Reiterei, die sie gewaltig fürchteten, 
daran verhindert, in aufgelöster Ordnung blindlings zu verfolgen. Ausser 
denen, welche der Sumpf verschlang, fielen daher nur wenige auf der 
Verfolgung; die übrigen gelangten mit heiler Haut nach Bregenz. So- 
bald sie daselbst von der Furcht vor den Feinden befreit waren, fingen 
sie an gegen die Führer zu wüten, um die eigene Schuld auf anderer 
Haupt zu werfen. Die Hauptleute wurden daher gezwungen, der Unver- 
schämtheit der Krieger zu weichen, bis jene Aufregung sich eine Weile 
ausgetobt hatte. Und wahrlich, wenn einer die Sache recht betrachten 
wollte, hat man nicht bloss diese Niederlage, sondern auch alle andern 
hauptsächlich wegen der Unbesonnenheit der Krieger und der allzugrossen 
Missachtung der Feinde empfangen, da die Schweizer stets nach Vor- 
schrift handelten und die strengste Mannszucht beobachteten, die Kaiser- 
lichen aber und die Schwaben allzusehr auf ihre Tapferkeit vertrauten; 
namentlich standen von den letztern die. Ulmer in schlechtem Rufe, als 
ob sie die Mutigsten im Schreien, im Kampf aber die Feigsten seien. 
Das steht jedenfalls fest, dass der Mut der Schwaben durch diese einzige 
Niederlage so sank, dass sie fortan mit Mühe den feindlichen Anblick 
ertrugen, obgleich es noch nicht einmal zum Handgemenge gekommen 
war. Auch war die Zahl der Untergegangenen nicht sehr gross. Denn 
nicht über 500 wurden vermisst, wiewohl einige die Zahl vermindern, 
andere sie aber vergrössern. Da jedoch jene Furcht sich einmal der 
Gemüter der Krieger bemächtigt hatte, konnte sie nicht so leicht wieder 
ausgetilgt werden. Die Schweizer aber kehrten, da sie nicht wagten, 
dem Feind entgegen zu gehen, um und zogen weg, indem sie mittler- 
weile alles mit Feuer und Schwert verheerten oder die Landleute um 
Geld brandschatzten. Hierauf gingen sie über den Rhein zurück und 





228 


legten überall an die passenden Orte Besatzungen, um die Feinde leicht 
vom Übergang ——— 


90. Schweizeriſche Mannszucht im Schwabenkrieg. 


Pirkheimer S. 14. 


on einem der gelegentlichen Beutezüge, welche im Rheintal 
hinüber und herüber gemacht wurden, erzählt Pirkheimer 
S. 14 folgenden Vorfall: 

Es geschah einmal, dass die Schweizer in Reih und 
Glied über den Rheinstrom setzten, der dort zur Winterszeit und vor 
dem Schmelzen des Schnees der Alpen, bevor er in den Bregenzersee 
tritt, manchmal voll seichter Stellen zu sein pflegt, und als die Vorderen 
schon das Ufer erreicht hatten, entstand plötzlich das Gerücht, die Feinde 
seien da. Denn die Reiter, welche auf den Posten Wache zu halten 
pflegten, ritten, als sie den Übergang der Schweizer wahrgenommen 
hatten, nach Späherart hinzu, und die Hauptleute befahlen dem Zuge 
der Ihrigen, stehen zu bleiben, bis man auskundschaften könne, was der 
Feind im Schilde führe. Ein jeder machte daher an dem Orte Halt, 
wo ihn gerade das Loos getroffen hatte, in voller Schlachtordnung, so 
dass die, welche das Ufer erreicht hatten, auch dort stehen blieben, 
die aber, welche noch im Flusse angehalten worden waren, ebenfalls 
darin verharrten, obgleich einige bis an die Schultern und das Kinn 
von der Flut benetzt wurden, da unterdessen der Rhein überall voll 
Eis strömte, dessen grosse Schollen die Krieger mit den Spiessen durch 
die Zwischenräume der Glieder ableiteten und vorwärts stiessen. Und 
so verharrten sie beinahe zwei Stunden lang, bis gemeldet wurde, es 
stecke kein Hinterhalt dahinter; sintemal sie es für schimpflich hielten, 
sich zurückziehen, ohne den Feind gesehen zu haben, für unbesonnen 
aber, weiter vorzurücken, ohne vorher Kundschaft einzuziehen. So 
strenge beobachteten sie sowohl hier als anderwärts die kriegerische 
Zucht, was ihnen zu besonderem Ruhm und Nutzen gereichte. Man 
fand nämlich auch solche, denen von der heftigen Kälte die Füsse und 
einige, denen die Hände erfroren, während sie angestrengt nächtlicher 
Weile Wache standen. Ja einige gaben sogar die Seele auf, indem sie 
es für schimpflich und schmachvoll hielten, die Glieder zu verlassen, 





91. Das Treffen beim Brwderhoß. 22. März 1499. 
Aus Schradins Reimchronik, Geſchichtsfreund IV. S. & 


Nikolaus Schradin, ſeit 1488 Ratsſubſtitut in Yuzern, beſchrieb den Schwabenkrieg 
in Reimen, die er 1500 zu Surſee im Aargau druden lich. 


*8p 


Bi 





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ren mach uf den 22. tag merzen, als ich bin bericht, 
4 | Begab fi bi Bafel uf bruderholz ein gefchicht, 
Als der vind ob 4000 ! bi einander warent verfampt 
us fungom ?, den vier vinftetten ? und andrem land. 
Gttich * von luzern, follenturn und us berner piet 
Bi 800 an zal, gerüfcht + und der Dingen gemiet ®, 

Die griffend die vind die obgemelte zal an. 

Bon eidgenoffen diefelben achthundert man 

Habent mit gottes hilf mit verr ® von bafel 

Berrudt ” dem pfawenfwanz fin vafel ®, 

So zier? mit einer flucht genomen an die hand, 

Des glich kum erhort !9 ift in feinem land. 

Erlih hand fich mit lonfen geflochen ze tod, 

Etliche hand fih vor hit getrimfen ze tod, 

Und fo oft oder did !! ih doran gedenf, 

So muß einer lachen folicher ſchwenk, 

Zunder '? dem fin golter !? mit wirt geflochet 4 oder geleit !’ 
Und einer alfo flüchet, den man hat ufgefett !6. 

Sie ließent but, Schuch '7, waffen und anders fallen, 

So bat man erichlagen ob 80 man uß in '* allen 

Und fie gon bafel an die grendel !? gejagt. 

Bon forchten warent fie fo ganz verzagt, 

Wär der weg in die heil 2% offen geftanden, 

Sie wärend geloufen zu des tüfels handen, 

Mit lonfen find fie der eidgenoffen meifter zu dem zil, 
Dann?! feiner ir ftreichen erwarten wil, 

Mit fliechen bettent fie gewonnen das gelt ®%, 

Doch zu ftrit ?3 behieltent die eidgenofjen das veld, 

On ſchaden, als ** fie einen man verlurent und nit mer. 
Zu gott fund ir lob in dankbarkeit der er ®, 

So er inen mitteilt und den fieg zufandt. 

Mit guter betrachtung habent fie das wol ertant. 





I Birfheimer gibt 6000 Staiferliche und 2000 Schweizer an. — * Sundgau. — 
> Waldshut, Yaufenburg, ZSädingen und Rheinfelden. — * gerüftet. — ° erfahren. — 
° fern, weit. — ” außer Faſſung gebracht, verwirrt, — *Nachlommenſchaft, Jungen. — 
prächtig, ſchön. — !9 erhört. — woft, häufig. — ** beſonders der. — 8 geſteppte 
Bettdecke. — geflüchtet, in Sicherheit gebracht. — '? geranbt. — 19 drauf geſetzt oder 
feindlich behandelt (orgl. auffägig)? — 97 Schuhe. — * ihnen, — Fallgatter an ben 
Toren. — ?° Hölle. — *! denn. — ?*? nämlich den Preis im Wettlauf. — 9 ım Streit, 

24 als daß. — für die Ehre. 


92. Die Schlacht im Schwaderloch. 11. April 1499, 


Anshelm S. 383 fi. 


Alſo begab es ſich am elften Tag April — es war Donnerstag nach der 
Oſterwoche — daß die Königlichen und Schwäbiichen mit großer Macht zu 


—— - 





230 


Roß und zu Fur, über 17,000 Mann !, nad) Notdurft mit Lieferung, Ge: 
wehr und Gefchüt zu einem Heerzug verjehen, aus der Au? zu Schiff und 
zu Land und aus Konftanz verfammelt waren. Sie hatten zu Konftanz die 
Brücke mit Mift überftreut, daß man die Neifigen nicht hörte, lieken aud) 
allenthalben auf den Seen bewaffnete Schiffe gegen die Beſatzungen der Eid- 
genoffen jchweben, fie am Zufammenlauf zu hindern. . . . Zogen aljo früh 
ftill zum Dorf Ermatingen, überfielen da die übel bejorgte Wache und 
und auch die unachtiame Bejatung, welche, wiewohl jie jich zu wehren ver- 
juchte, auch etliche Feinde erwürgte, doch von der Viele der Feinde jo gar 
iberdrängt wurde, daß fie über 73 Mann, vornehmlich von den Inſaſſen, 
dahinten, auch etliche in den Betten erjtochen ließ, [und] fümmerlich mit viel 
Wunden rüdwärts in ein Tobel und Holz entfloh. Von denen waren etliche 
jo erſchreckt, daß jie Schuhe, Kleider, Harnifche, Gewehre und all ihre Habe 
fallen ließen, ſchreiend: „Fliehet! Altes verloren, o weh, lieben Eidgenoſſen! 
fliehet!“ — Und da der Feldhauptmann im Schwaderloh, Rudolf Haß 
von Yuzern, zwei Halbichlangen mit zwanzig Knechten des Morgens dahin 
geichieft hatte, ward der Büchſenmeiſter jelb dritt erjtochen und die Büchſen 
von den Feinden binmweggeführt. 

Da num fein Eidgenoffe mehr vorhanden war, aßen die Schwäbiſchen 
fröhlich zu Morgen, was die Eidgenoffen gefocht und getifcht hatten, plün— 
derten dies Dorf, desgleichen Triboldingen und, nicht ohne ihren Schaden, 
Mannenbach mit Kirchen und Allen, liegen nichts undurchſucht, und waren 
jo roh, daß fie auch auf Frauen mit blanfer Waffe einhieben. . . . . Herr 
Burkard von Randeck, des Fußvolks oberjter Hauptmann, war ein jo 
grimmiger Schweizerfeind, daß er in die Kirche ritt, einen fiebenzigjährigen 
grauen bfatterlahmen Mann, vor dem Altar liegend, erjtach [und] jauchzend 
bei Gottes Marter jchwur: „er wollte an diefem Tag im Schweizerland 
räuchern und bremen, daß Gott im Negenbogen vor Rauch und Hite blin- 
zeln und die Füße an fich ziehen müſſe.“ ... Nach der Plünderung ver- 
brannten jie die vorgenannten Dörfer und räucherten, daß die zu Zell, Über- 
lingen und Yindau fröhlich meinten, das ganze Thurgau fahre, erobert, im 
Hauch zum Himmel. Bogen bernach oberhalb Ermatingen auf den Berg, 
da Nat zu halten, was weiter vorzimehmen [jeil. Da rieten die beladenen 
Kiſten- und Kirchenfeger, wieder zurückzuziehen, aber die Peeren, auf ihren 
Zieg und auf der Schweizer Flucht, als ob fie jchon alle geflohen wären, 
nunmehr das Schwaderloch auszuräumen, und vermeinten, das ganze 
Thurgäu bis gen Zürich an die Stadt jet zu gewinnen. Und aljo uneins, fuhr 


' Birtheimer bat 10000; andere dentiche Berichte ſogar bloß 4500 Landsknechte und 
IN Netter, — Reichenan, die von Peutichen bejegt war. 





231 


einer bie hinaus, der andere dort hinaus, wie nach ganz gewonnener Sache, 
ohne Sorge: jo doch etliche rieten zu ihrem Spott, man jollte Sorge tragen 
und die Feinde nicht verachten, die da ihren Schaden faum würden ungerächt 
laſſen. Sie hoben an, im „Boden“ ihre gewonnene Beute zu teilen. 

Nun während diefer Dinge war ein Sturm ausgegangen allenthalben 
durch das ganze Thurgau bis gen Zürich und Schaffhaufen. . . . Auch lief 
der Mehrteil der Geflohenen von Crmatingen zu den Hauptleuten und 
Knechten, jo in und am Schwaderlod lagen, Hagten ihmen ihre Not, 
Schmach und Schaden, dringend bittend und begehrend um Rat und Hilfe, 
die Sache zu rächen; daran wollten fie gern ihr Yeib und Leben als fromme 
Eidgenofjen jegen und lieber, jo es nicht anders fein möchte, ehrlich jterben, 
denn ehrlos leben. Darauf taten fich der neun Orte und ihre Verwandten, 
der Thurgäuer, St. Galler, Bifchofzeller ꝛc,, Hauptleute zufammen, fürnehmlid) 
Rudolf Haß, Oswald von Rotz und Stoffel Suter, fo ſchon auf- 
gebrochen waren, um zuzuziehen, beriefen ihre Knechte, ihnen ernitlich für— 
haltend und hoch ermahnend, daR fie nach löblichem Herfommen und Braud) 
ihrer frommen handveften Altvordern, die ihnen mit Heiner, aber vauber 
Hand von gewaltigen mächtigen Tyrannen ein freies Yand, Ehre und Gut 
erobert hätten, ... mehr jollten zu Herzen nehmen, . . . empfangenen Schaden 
zu rächen, ja, umd vielmehr ihre Ehre zu retten, als alle Macht und große 
Zahl ihrer Feinde vorzufchüten, jo früher immer und jett in diefem Kriege 
oft, von Gottes Gnaden, mit fleiner, aber mannlicher Hand und Zahl, wäre 
überwunden worden. Und in Anſehung diejer Dinge jollten fie ... den 
grimmen, aber flüchtigen Feinden der alten Eidgenoffen jtandhaftes, un— 
verzagtes Herz truglich erzeigen, das da eher will mannhaft und ehrlich) 
tterben, als mit zager, aber jchändlicher Flucht die Feinde frifch machen und 
ftärfen. Wann, was Gott wenden wolle, jte, die Eidgenofjen, der Flüchtigen 
Namen befämen, jo würde zu ihrer und alt ihrer Nachkommen ewigen Schande 
einer hoch und weit geachteten Eidgenoffenichaft Achtung gar in Verachtung 
fommen. Dem, jo viel an uns iſt, vorzubeugen, jo wollten fie ihr Glück auf ihren 
alten gnädigen Gott hin fröhlich wagen, gegen ihre Feinde, eh fie von Fleck 
rückten, getroft ziehen und jich da als fromme, treue Eidgenoffen beweiſen. 

Da nun diefe Meinung Allen wohl gefiel, ... machten fie mit fünf 
sehnhundert Dann, [jo] da verſammelt [waren], hinter dem Wald eine Ordnung, 
beteten, rückten dann jtill im Walde vor gen Wäldi; und nachdem fie durch 
ihre Späher, berichtet, wie die Feinde zerjtreut, ihr Geſchütz gegen das 
Schwaderloch gerichtet wäre, jchlugen jie einen Seitenweg ein, bis daß ſie 
die Feinde jehen konnten. Beteten abermals drei Paternoſter und Ave Maria; 
fuhren dann mit großem Grimme auf und Tiefen wie die wütenden Löwen 
durh den Wald den Berg ab gegen die Fähnlein, den Feinden im die 
Seite, 


232 


Als aber die Feinde die Eidgenoffen gewahr wurden, Tiefen fie auch zu: 
jammen, eine Ordnung zu machen, da neben dem Fußvolk die Neiterei — 
deren Hauptmann Graf Wolf von Fürftenberg — mit eingelegten 
Yanzen hielt, ließen ihr Gejchüig auf die Eidgenoffen ab, aljo dak vor Rauch 
fein Teil den andern ſehen mochte. Nichts defto minder drangen die Eid: 
genojjen, vom Geſchütz ungefchädigt, gewaltig vor, jchoffen, jchlugen und ftachen 
jo ritterlich drein, dan nach zwei Schlangenjchüffen der Feinde Fähnlein zuerft 
anheben, rückwärts zu weichen. Und da das ihre Meifigen erjahen, jtrengten 
jie ſich trefflih an, beitändig zu fein wider dieſe vorerjt geichlagene und 
flüchtig gemachte Handvoll Yente; ftunden hiemit ihrer etliche vom Adel, 
nämlich voran Herr Burfard umd fein Bruder, Herr Heinrich von 
Randed... und andere herzhafte Ritter, ſchnell von ihren Pferden, traten mit 
guten Spieken in die vorderjten Glieder, wehrten ſich dermaßen, daß, wo die 
andern dergleichen getan hätten, ihnen von dem fleinen Haufen nichts abzu- 
gewinnen gewejen wäre. Da jchrien die Eidgenoffen: „D'ran, d’ran! die 
Böswichte fliehen! D’ran, weidelih d'ran.“ Drüdten aljo mit ungejäumter 
Fauſt jo heftig dran, daß fie die obgenannten Ritter und die drei vorderften 
(lieder, nicht ohne Schweiß und Blut, ganz darnieder legten, und die andern 
hinten ab, wie zu Hard gelehrt, die Flucht ergriffen. Da machten die Eid: 
genojjen gejchwind zwei Haufen, einen, der Flucht nachzueilen, den andern, 
auf die Reifigen, jo gar oft umkehrten, zu halten. Jagten aljo von Triboldingen 
weg bis gen Gottlieben, und als fie das emfige Schießen aus dem Schloß 
‚da beſtrich, wurden jie von den Hauptleuten zurüdgerufen, ihr gewonnenes 
Gut zu behaupten und bei ihren Eiden, ji dahin zu begeben, gemahnt, und 
aljo hatte der große Streit ein Ende. . . . Den Reiſigen geſchah nicht viel, 
aber vom Fußvolk blieben über 1300 Mann, darunter 130 Konftanzer Bürger, 
auf der Wahlftatt liegen. — 

Da nun die Eidgenoffen zuſammen gelommen waren, fnieten fie vor allen 
Dingen nieder, dankten hoch ihrem treuen alten Gott um den großen ehrlichen 
Sieg, ihnen von ihm gnädiglich, mit Heinem Schaden ihrerjeits hier verliehen... . 
Gaben, auf Begebr derer von Konftanz, den Pfaffen und Frauen Geleite, die 
Entleibten, wo jie wollten, zu begraben. Aljo, was Namen hatte, ward hinweg 
geführt, aber der Mehrteil mußte im Feld elendiglich verweſen. Zogen nachher 
mit erretteter und gewonnener Habe wieder ab im ihr Yager, hatten nicht 
zwanzig Marmn verloren. 


vs — 


233 


93. Die Schlacht bei Fraftenz. 20. April 1499. 


Anshelm I. S. 379. 393 fi. 


Als die Eidgenoffen zu Ende Hormmg aus dem Oberland heimzogen, 
hatten fie ihre Plätze mit Beſatzungen nicht aufs befte, nur gegen einen [erjten] 
Sturm verwahrt, den Wallganern ihres gejchwornen Eides |wegen| mobl: 
vertrauend. Diefe aber, an den Eidgenofjen eidbrüchig, flochten mit Hilfe der 
Etſchleute und Schwaben, wie geihägt [wurde], eine ımeinnehmbare, zwiefache 
Yege, von rauhen [unbehauenen] Bäumen, zu Fraſtenz von der Ill bis 
an den Yanzengajtberg, mit allerhand Geſchütz und Yeuten, zu Roß und 
zu Fuß über 15000 Mann ſtark, aljo aufs befte verforgt, daß fie vermeinten, 
da, wie in einer Stadt ficher zu fein und die Eidgenoffen daraus zu befriegen. 

[Folgt die Beichreibung eines Einfalls, den die Kaiſerlichen von Fraſtenz 
aus im jchweizeriichen Rheintal machten, und der Sammlung eines eid- 
genöffiichen Heeres von 7000 Mann.) . . . Die Eidgenofjen im Oberland 
wurden am 19. Tag April — es war Freitag vor Jubilate — zu Tſchan 
zu Rat, ihre Feinde zu Fraſtenz in ihrer Letze zu bejuchen und anzugreifen. 
Deshalb gewarnt, rüfteten jich die Feinde von Stund an mit aller Notdurft 
zur Gegenwehr, die Eidgenofjen zu empfangen. Verordneten 300 Büchfen- 
ihügen auf den Yanzengaft, den Berg zu behüten, und legten in die Mitte 
des Berges 1500 mwohlgerüftete Knechte, jo die Eidgenoffen ihre Letze vorn 
anzufallen ſich unterftünden, daß fie dann herab ihnen in die Seite oder in 
den Rücken fielen. Dies waren meiit Erzfnappen, die ſich hiezu mit viel 
Rühmens jelber anerboten; hieß der „stählerne Haufe“, hatte viel Vertrauen 
darauf, Kuhmäuler zu wirgen. Dagegen, als die Eidgenoffen von diejer 
Rüftung benachrichtigt wurden, gaben fie dem friichen, friegsfundigen Heinrich) 
Wolleben von Uri, auf jeinen Nat und Begehr, 2000 willige Knechte, und 
die Panner von Urjeren und Sargans damit, um den Berg zu gewinnen, in 
die Yete zu brechen und fie zu umgeben, dar, indem das ganze Heer am 
Berg durch das Holz hinein gegen die Letze ride, der graue Bund auf den 
Troß die Nachhut hielte, und aljo hinter den Feinden alle wieder zufammen 
fommen jollten. 

Alſo nach diejem Anschlag am andern Tage früh, Samstags, brachen 
die Eidgenoffen in Gottes Namen auf, zogen gegen das Yager der Feinde 
hin, und als jie durch die alte Letze auf eine Ebene famen, da nahm obge- 
nannter Hauptmann Wolleb jeine Knechte zu ſich, zog till an den Berg zu 
einer wilden Schlucht, betete da, ftieg da durch Stauden, Stöde und Felſen 
jo rauh, daß jie einander mit Spieken binaufichieben und ziehen mußten. 
Kamen aljo mit harter Mühe hinauf. Hieß fie abermals beten, und ermabnte 
jie tröftlih, um ungezweifelte Ehre einzulegen. Damm, ehe daß jie alle hinauf 


rn DA 


234 


zufammen fommen mochten, waren der Feinde Büchſenſchützen ihrer gemahr 
worden und jchoffen gräulich auf fie. Da ducten fie ſich und Frochen auf allen 
vieren vorwärts, bis die Handſchützen abgeſchoſſen hatten und die Ihren herzu— 
famen. Drangen dann jo feit auf die jtählernen Schügen ein, daß fie zurück 
dur das Holz wichen, da ihre 1500 ftählernen Gejellen in guter ftählerner 
Ordnung jtanden, die herzu- und heranlaufenden Kuhmäuler zu empfangen. 
Alfo kämpften fie da hart mit einander, Stich um Stich, Streid um Streich, 
bis vom ftählernen Haufen zwei Glieder niedergelegt und die andern in ihre 
jtarfe Yege mit Fliehen unternahmen zu entrinnen umd auch die Ihren zu 
warnen. Und aljo, da jie den Berg hinab liefen, war indeſſen der Eidgenoſſen 
Heerzug hinzugerüct, empfing fie gerade in die Spieße; aljo daß die, welche 
vom ftählernen Haufen nicht vom Wege ſeitab jchoffen oder ſich ins Geftrüpp 
verfrochen, alle erfchlagen wurden ; und erfand fich, daß diefer ftählerne Haufe 
jo jehr vom Kuhmäuleratem zerjchmolzen war, daß von ihm nicht zweihundert 
mit Fliehen ganz geblieben waren. Und aljo hatten die redlichen Eidgenoſſen 
ohne einigen Verluſt mit diefem redlichen Vorfpiel den fteinigen Berg und 
die jtählerne Vorhut zur Morgenſuppe redlich gewonnen. 

Dierauf, al$ die Eidgenofjen zufammen gefommen waren, jchlüpften fie, 
Hommen jie, wie jie mochten, durd den durcheinander gefällten Wald, bis 
daß fie, hinter die Letze durchgebrochen, im Angeficht der Feinde ftanden. 
Taten jich ernſtlich zuſammen, beteten und rücten gemad) vorwärts; denn ihre 
Feinde, noch über 14000 [Mamn] ftart, machten da drei Haufen gegen fie, 
einen zu Roß und zwei zu Fuß, davor über 1200 Büchſenſchützen und das 
Dauptgeichüg vor und auf den Flügeln gededt. Drückten aljo gegeneinander 
in guter Ordnung; und da die Königlichen meinten zu treffen, ließen jie eine 
große Zalve auf die Eidgenoffen ab. Da hatten fie jich nieder gedudt, und 
als der Donner vergieng, wollten fie im Rauch auf und d’ran wiſchen. Da 
ruft der Hauptmann Wolleb: „Nicht, nicht, lieben Eidgenoffen, laßt noch einen 
Schuß vorübergehn, und dann jo greifet geichwind und wirffam die Webrlojen 
an!” Indeſſen liefen die Feinde noch einen größern Donnerſchlag und Hagel 
auf jie gehen; alfo daß jie vermeinten, die Eidgenofjen jollten zerichoffen und 
zerftäubt jein; denn fein Teil mochte den andern vor dem Rauch des großen 
Schiekens jehen. Da ward der getrojte Hauptmann Wolleb, als er aufrecht 
die Ordnung erhalten wollte, tötlich geſchoſſen; hieß jich bei Zeite legen und 
ermahnte die Eidgenoffen jtreng, fie ſollten getroft, obne fein zu achten, vor- 
gehen; die Sache jei gewonnen. Wünſchte ihnen Glück und empfahl ſich der 
Gnade Gottes und verichied hiemit nicht obme Yob noch Yeid der ganzen Eid- 
genofjenichaft, der er oft als ein unruhiger dreifter Kriegsmann Yob und Leid 
zugefügt hatte !. 





' Heint Wolleb und fein Bruder behaupteten, im Jahr 1491 durch Florentiner beranbt 
worden zu fein, und nahmen ſich berans, Florentiner Kaufleuten aufzulauern, fie zu über: 


Und alfo, ſchnell, eh denn die Schwäbiichen möchten wieder zum Schießen 
fommen, jchojfen, ftachen und jchlugen die Eidgenoſſen jo ftarf und jo wirkſam 
drein, daß die Königlichen und Schwaben abermals ſich mit ihren Ferſen jo 
trefflich, ja ſchändlich wehrten, daß fie, über die Ill hinaus fliehend, über 
3000 Mann auf der Wahlftatt dahinten Tiefen und über 1300 in dem 
Waſſer der Ill Ertrunfene zu Feldkirch am Nechen auflajen. Da die Feldkircher 
ihrer gewahr wurden, wurden fie jehr erfreut, vermeinend, es wären eitel 
Schweizer, bejonders da der erfte ein weißes Kreuz am fich hatte. Da aber 
die andern alle, und die, jo diefe zu Roß und zu Fuß geleiteten, vote Kreuze 
trugen, wurde ihre Freude zu jpät mit Schaden in Leid verkehrt. 

Nachdem nun die Eidgenofjen zum Imbis diejen gewaltigen Streit nur 
mit elf Dann Verluft gewonnen hatten, zogen fie zufammen in der verjagten 
Feinde ftarfe Letze. Sagten vor allen Dingen ihrem alten, gnädigen Gott 
groß Yob und Danf um die zwei großen, an diejem Morgen gewonnene Siege 
und trugen ihre Beute zu Haufen. . . . Und als nun die Eidgenoffen in der 
Yese drei Tage nach Kriegsbrauch verharrten und die überbliebenen Wall- 
gauer wiſſen mochten, was ihnen und ihrem Meineid bevorftand, wurden 
fie zu Rat, abermals die Eidgenofjen um Gnade zu erjuchen. Sandten hierauf 
ihre Priefter mit dem bi. Saframent und ihre Weiber und Kinder zu den 
Eidgenofien in die Letze, welche da knieend, Hagend, jchreiend und weinend 


235 


fallen und zu berauben, bis ihnen dies Handwerk von der Tagſatzung gelegt wurde. Auch 
fübrten fie wiederholt dem König von Frankreich Söldner zu, troß der obrigkeitlichen Ver— 
bote. Wollebs Heldentod wird in andern Quellen anders dargeftellt. Pirkheimer erzählt: 
„Es entitand alfo eine gewaltige Schlacht. Von beiden Zeiten wurde bartnädig gefochten 
umd viel Blut vergofien; alles miederhallte von dem Donner der Gefchüge, den Geſchrei 
und dem Setöfe der Trommeln, Unter den Schweizern war ein äußerſt fübner und kriegs— 
erfabrner Mann, Namens Hein rich Wolleben. Dieſer befann ſich nicht, ſein Haupt 
dem Baterland zu weihen. Er ergriff eine längere Streitaxt oder ſogen. Halbarte, ſchob 
ſie quer unter die feindlichen Speere, drückte dieſe in die Höhe und hielt, die Feinde am 
(Gebrauch der Speere verhindernd, jo lange damit an, bis er von vielen Wunden durch 
bohrt die Kräfte verlor und fterbend zur Erde fanf. Dort wurde alfo die Schlachtordnung 
der Kaiſerlichen am ftärkften erichiittert.“ Die Alta des Tyrolerkriegs (ſ. unten) laſſen Wolleb 
ſchon im erften Kampf mit den ftählernen Haufen den Tod finden: „Da it auf der Eid- 
genoflen Zeiten im erften Glied geweſen der Wolleb, und auf der Königlichen Zeite 
Yeonbard Nenn von Nentingen, zwei Hauptleute bochberübmt, vedliche qute und erfahrene 
Kriegstnechte, ... und ehe fie die Letze überhöht hatten (d. h. die die Schanze beberrichende 
Berghöhe erflommen), find fie in einer Tiefe in ein dichtes Geftrüpp von alt und neu ge- 
fälltem Holz gelommen, daß cin Mann nach dem andern hindurch Schlüpfen mußte, und als 
fte hindurch und damit über der Yetse waren und Die überböbt batten, da griffen fie an, und 
trat der Wolleb und noch einer aus der Ordnung und überichlugen quer gegeneinander 
mit ihren Spießen den Königlichen ihre Spieße im erſten Glied alle, daR fie Die nicht 
aufheben, noch brauchen fonnten: da wurden der Wolleb und der Nenn aleich eritochen, 
und war dem Wolleben vorber ein Schuß mit einer Büchſe worden durch den Hals, und 
gewannen die Eidgenofien den Sieg.“ Ta indes die Schweizerischen Zeitgenoſſen ſämtlich 
Wolleb von einem Schuffe fallen laffen und von feiner Wintefriedstat nichts berichten, fo 
mag bei Pirkheimer und den Alta der Opfertod eines andern beidenmütigen Kriegsmannes 
mit demjenigen Wollebs verwechielt, refp. vermengt worden fein. ©. Meyer, die Schlacht 
bei Fraftenz, Archiv für Schweizergeich. 1864. XIV. Bd. Z. 24 fi. 


236 


die Eidgenoffen . . . jehr demütig um Barmherzigkeit und Gnade anriefen ; 
jie aufs höchfte um Gottes Barmherzigkeit willen... ermahnend und bittend, 
ihre vorher getanen Gelübde nicht anzufehen, die fie, von ihnen nicht mit der 
begehrten Bejagung verjehen und von ihrem natürlichen Herrn beberricht, nicht 
hätten halten fünnen, jondern jich ihres erbärmlichen Elendes genügen zu 
laffen, daß fie in Mehrzahl troſt- und hilflos, ihrer Väter, Brüder, Gatten 
und Söhne durch fie beraubt, nichts mehr an Vorrat hätten, als ihre mann- 
loſe, wehrlofe Behaufung. Und dieje zum Aufenthalt der armen Wittwen und 
Waijen zu retten, jo amerböten fie jich willig und mit Danf, eine Brand- 
Ihagung nad ihrem Vermögen, ihnen nad) Gnaden aufgelegt, redlich zu ver- 
bürgen und zu bezahlen. Während diefer Bitte und Werbung biegen die Eid- 
genofjen unwirſch den Priefter mit dem Sakrament, als ungebührlich handelnden, 
jofort aufjtehn. Danach, auf gehaltenen Natjchlag, gaben jie ihnen zur Antwort : 
zumal der allmächtige Gott ihnen wider dieje ihre ungnädigen tötlichen Feinde, 
jo mit umleidlichen, unchriftlichen Schmähtvorten und Taten fie und eine ganze 
jonft friedliche Eidgenofjenichaft zu ſolcher Kriegsübung verurjacht hätten, 
guädigen Sieg verliehen hätte, wiewohl jie ſich feiner Gnaden von den 
Ihren, als Feinden, verjehen könnten, jo wollten jie, die Betrogenen, dennoch 
ihnen abermals auf getane Bitte und Begehr verzeihen und Gnade beweijen, 
und jtatt weiterer Beihädigung, zu der jie Macht und Fug zu tum hätten, 
8000 GL. nehmen, welche fie ihnen ohne Verzug verfichern follten, dazu acht 
wohlhabende, ehrliche Männer als Bürgen in ihre Hand bis zu genügender 
Entrihtung übergeben. Nachdem das alles nach der Eidgenoffen Willen voll- 
zogen war, zerriffen und verbrannten fie die Yere und zogen jiegreid ab und 
mit Freude wieder heim. 


94. Aus der Mahnung König Warimilions zum Reichskrieg 
gegen die Eidgenoffen. Freiburg im Breisgau. 22. April 1499. 


Anshelm IL ©. 42 ff. 


Maximilian, von Gottes Gnaden Nömifcher König, zu aller Zeiten 
Mehrer des Neichs ꝛc. Ihr Vieben, Getreuen! Wir haben unfern und des 
heiligen Römiſchen Neiches Kurfürften, Fürſten und Ständen das hochmütige 
und verächtliche Yornehmen der Eidgenojjen umd derer vom Granbund 
der Yänge nach in etlichen Ansichreiben angezeigt und dabei aufs höchſte ver- 
mahnt, Uns auf das allerjtärkite zu Roß und zu Fuß unter des heiligen 
Römischen Reichs Panner zuzuziehen. - = 


BE —— 2 


237 


Damit aber männiglid der Eidgenoffen unbillige Handlung, und aus 
was für unredlichem Grund ihr Eid gekommen und entjprungen jei, merken 
und Har verjtehen möge — wiewohl der leider, was zum Erbarmen 
ift, von der Welt unweislich geehret wird — fo ijt den alfo: 
Anfänglich haben fich etliche Orter in der Eidgenoſſenſchaft, nämlich die von 
Uri, Schwiz und Unterwalden wider ihre erften Eide und altes Herfommen, 
wider ihre rechten natürlichen Herren und Yandesfürjten, die Herzoge zu 
Oſtreich als Grafen der alten und edlen Fürjtentümer Habsburg und Kyburg, 
wider Gott, Ehre und Recht und alle Billigkeit, aus eigenem böjen, mutwilfigen 
Lornehmen, in Vergeſſung Gottes, ihres Glimpfs, Ehre und Eidpflicht, ſich 
aufgeworfen, zuſammengetan und mit geichworenen unvedlichen, undhriftlichen 
Eiden ſich mit einander verbunden. Auch aljo nachmals andere ihrer Umſäßen 
und Anftößer, darunter eine merfliche Anzahl von Grafen, ‚Freien, Nittern, 
Edlen und Knechten, die zuverderjt des heiligen Reichs und zum Teil des 
Fürſtentums von Habsburg Untertanen gewejen find, zu ſich zu folchem Un- 
gehorfam und Berpflichtung mit Gewalt genötigt und ihnen diejelben ihre 
natürlichen Angehörigen vor etwa viel hundert jahren abgedrungen . . . und 
ihr Blut vergoffen und [fie] mit dem Schwert erjchlagen, und von den Ihren 
und aus dem Ihren vertrieben und gänzlich ausgetilget, darzu aud) der Geift- 
lichen weltliche Befigungen und Oberberrlichkeiten an fich gezogen. Dazu haben 
Wir und weiland unfere Vorfahren Löblichen Andenfens bisher zugejehen und 
das gelitten umd wider fie nichts gehandelt, jondern verhofft, mit der Zeit 
nit Gütigfeit etwas zu erlangen. Aber fie, verhärtet und verftopft, jind aljo 
für und für durch Uneinigfeit und Zwietracht der Kurfürjten, Fürſten und 
Stände des heiligen Neichs, zum Schaden, zur Unterdrüdung und Strafe 
derfelben, aus göttlichem Verhängnis, um unfer aller Sünde willen, dermaßen 
eingewurzelt, daß Fein König noch Fürſt neben ihnen, da fie denn allzeit der 
unrechten Partei lieber, als der gerechten geholfen, außer mit merklicher Ge— 
fährdumg jeiner eigenen Negierung [hat] aushalten mögen... . Und wie 
wohl die Sachen groß und merflih, jo haben doch die Gemeldeten vom un— 
ehrlichen und umnatürlichen neu erdachten Eid an jochen ihren ungegründeten, 
undriftlichen und unehrlichen Handlungen und Hertommen nicht genug gehabt, 
jondern jett aufs neue vorgenommen und bedacht, ihren Fuß meiter in das 
beilige Reich und die deutjche Nation zu fegen, und aus eigenem Mutwillen, 
ungewarnter Sache und unbewahrter Ehre, wider alle Billigfeit, Glimpf und 
Recht, unabgejagt, wider alle Kriegsbräude, was dod weder vom Türken noch 
Heiden zu gewärtigen ift, das ganze heilige Reich anzugreifen, das zu befriegen 
und einen merflichen Teil, nämlich die vom grauen Bund, jo unmittelbar dem 
heiligen Reich zugehören und die zu diejer Zeit ihnen ganz folgen und dazu 
Diefed gegenwärtigen Kriegs Anreizer und Anfänger jind, in ihren Gehorſam 
und in den obberührten, ihren ungegründeten, unmatürlichen Eid zu drängen 








238 


und zu bringen Lijtiglich jich unterjtanden. Zu was für Verachtung, Unter: 
drüdung und verderblichem Schaden das deutjcher Nation, dem heiligen Neid) 
und der ganzen Chrijtenheit diene, mag männiglich ermeſſen, wiewohl fie 
bisher mit ihren Hiftigen Worten und Dandlungen gar viele Städte und 
Untertanen des heiligen Reichs an ich gezogen und gebracht, die jett heut: 
zutage gegen ihre Nachbarn jo grob und dem heiligen Reich ganz widerwärtig 
jind, wie die eriten Bauersleute, denen jie jtets Hilfe bewiejen. 

Deshalb ganz erichredlich zu hören wäre, jollte den böſen, groben und 
ſchnöden Bauersleuten, in denen doch Feine Tugend, adlig Geblüt, ned) 
Mäfigung, jondern allein Üppigfeit, Untreue, Haß gegen die deutiche Nation, 
ihre rechte, natürliche Herrſchaft [zu finden it], davon jie ſich, wie oben ge- 
meldet, gejchieden haben ihr Vorhaben gelingen], und eine große Schande tft 
es, länger zuzujehen und ſie nicht gebührlich darum zu ftrafen. — — — 


95. Die Schlacht an der Calven. 22. Mai 1499. 
Acta des Tyroler-Kriegs, abgedr. in Der Nätia, 1869. IV. Jahrg. S. 133 fi. 


Unter den Quellen zum ZSchwabenfrieg nimmt ein alter, von einem unbelannten 
Bilndner, Untertanen des Biſchefs von Chur, einem Angehörigen des Gottesbausbundes, 
noch 1499 geichriebener oder wenigſtens begonnener Schlachtbericht, betitelt: Acta des 
Tproler-Kriegs xc., für die auf Graubiinden bezüglichen Ereigniffe die erite Stelle ein. 


Wührend der Zeit haben die Königlichen zwiichen Yaatih und Calven 
von einem Berg an den andern über das Waffer, das aus den Münftertal 
berausrinnt, eine gar hübſche, wehrbafte, ftarfe und hohe Letze gemacht, mit 
guten Baſteien, Bollwerten umd die Schußlöcher jchräg übereinander geftellt, 
daß man dergleichen lange nie gejeben, willens, die Bünde da zu ftrafen und 
jich ihrer da zu erwehren, ſich gejtärft, gerüftet in das Mlünftertal gezogen 
und da alles verbrannt und zerjtört. Darnach an dem heiligen Pfingitfeft jind 
die drei Bünde gemeinſam und einhellig durch das Engadin in das Minftertal 
gezogen, [haben] jih Montags und Dienftags zu Münſter im Gotteshaus 
und darum verſammelt und 6300 Knechte zuſammengebracht und geratichlagt, 
wie fie die Königlichen, ihre Feinde (die damals mit einer großen Macht an 
der obgemeldeten Yege zu Yaatich, zu Mals und zu Glurns und allenthalben 
herum zu Roß umd zu Fuß wartend fagen), angreifen wollten, und haben 
aljo beichloffen, daR fie von Münſter mit dem halben Heer bei angehender 
Nacht hinter Rodund! durch das Hochgebirge (wie denn ihrer viele und be: 


' Burg oberhalb Taufers, von der no Trümmer erhalten find, 








239 


jonders die Münſtertaler diejelben ungewöhnlichen, ungebrauchten Tritte und 
Engpäjje wohl famıten) durch alle Töbel oberhalb St. Marienberg ! hinanziehen 
und ſich dann am Gebirg herabtun und gem Yaatjch zuziehen jollten. Und, 
wenn jie hinüber wären, jo wollten fie der andern bier befindlichen Hälfte ein 
Zeichen mit euer geben, wozu jie ihnen ein Haus oder Stadel bejtimmt 
hatten, und wenn fie [die Zurücgebliebenen] das brennen jähen, jo wollten 
jie [die Vorausgejandten] gegen Laatſch und die Yege zu ziehen und die ver- 
juchen, zu räumen; dann jollte der andere bleibende Teil auch getrojt von 
vorn gegen die Letze rücden, und |ite] wollten zugleich angreifen und vor allen 
Dingen die Letze wegtun und verbrennen. 

Diegem Anſchlag ward nachgelebt, und ward der Zug die ganze Nacht 
über das hohe, rauhe, wüjte Gebirg mit ungebauten Wegen und Töbeln mit 
großer Müh umd Arbeit vollbracht. Und es kamen die Knechte und ihre Führer 
und Fühnlein von einander, daß jie (wenn es not getan hätte) einander feine 
Dilfe hätten erweiſen fönnen, alfo daß ein Teil gen Schleiß und der andere 
dem Anjchlag nachkam [nämlich nach Yaatjch]. Und wurden die Gejellen ganz 
erichöpft, müde, hungrig und durſtig und ſammelten jich langjam. Und als 
jie mit ihren Fähnlein durch die Töbel zogen, war es Tag und war man 
ihrer inne worden, da man fie zu Mals im Turm und dafelbjt wohl jehen 
mochte. Nun hatten die Königlichen eine Wache gen Schleif gelegt und meinten, 
jie wollten die Bünde „überhöht” und empfangen haben. Es war aber ein 
jolch Gejchrei und jchreefenerregende Kundichaft, es kämen 30 000 Schweizer 
und die Bünde kämen, daß fein Heiner Haufe allein bleiben wollte. Und als 
die Bundsfnechte zuſammengekommen und fich ein wenig gerüftet, geordnet und 
verichnauft hatten, da gaben fie den andern (laut ihres Abjchieds von gejtern 
Nacht) das Zeichen mit dem Feuer, das fie wohl jehen Fonnten. Indeſſen 
waren die Feinde in drei Haufen geteilt, und war darzu unter der Yege gegen 
Glurns in dem Walde eine Hut mit hübjchen wohlgerüfteten Knechten gejtoßen. 
Und [die Bündner] famen dermaßen zwijchen die Feinde, daß fie nicht mehr 
abtreten mochten noch konnten; denn jie konnten das Gebirge hinauf, da fie 
mit Not und Arbeit herabgekommen waren, nicht entweichen, jondern mußten 
angreifen, jich wehren oder jchändlich jterben. 

Und als fie das jahen und ermaßen, machten fie jich jelbjt guten Troſt 
und baten Gott (in dejjen Dienjt und Namen fie da waren) um Gnade und 
barmberzige Hilfe und griffen darauf fröhlih an und machten den erjten 
Haufen flüchtig und famen damit gegen die Yege. Da wandten fie einen Teil 
der VBüchjen gegen fie und taten ihnen Schaden. Da rüdten die anderen durch 
das Tal herab gar ernitlich, ein Teil neben dem Waſſer auf der Ebene, der 


' Ein Klofter im Etſchtal bei Burgeis, 


240 


andere Teil am Berg auf der Yaatjcher Seite; der dritte rüdte durch das 
Waſſer bis an die Weichen, ımd am andern Berg und allenthalben mit einem 
Sturm gegen die Yebe heran. Da hatten ſie großen merklichen Widerſtand 
mit Geichüg, davon jie beionders gejchädigt wurden. Da war Dietrich 
Frömler von Schams, ein Hauptmann wohlgemut, friſch und durjtig beim 
Angriff, wiewohl ihm etliche, die die Sache nicht verjtanden, noch Ehren und 
Gutes gönnten, Heine Ehre, vielmehr Verräterei zulegen wollten, die hernach 
geichweigt worden find; denn viel fromme Edle und andere Knechte, die mit 
ihm gegen die Yege und auf die Schau |?] mehrmals geramnt find, jchreiben 
ihm feine Untreue, Unmännlichkeit, noch Unehre, [die er] da begangen, zu '. 
Dabei waren Hans und Nudolf von Marmels, die jich friich und ge- 
trojt hielten; inSbejondere ward Rudolf von Marmels zum andern Mal über 
eine Bajtei abgeftochen?. Da waren die andern derfelben [d. b. der Hauptlente] 
mit den Bundsfnechten, übten ſich dermaßen, daß fie die Letze eroberten, [viele 
‚seinde] erichlugen und über die Yaatjcher Brücke, darauf bei hundert Mann 
erjchlagen wurden, und durch das Waſſer, die Etſch, trieben, daß eine große 
Anzahl darin verdarb, ertrant und erftochen ward, jo daß ſich das Wafler 
davon an der Brücke jchwellte. Und ein merflicher Haufe Floh die Straße 
hinab, am Berg gen Nauders, die wurden großenteils ertränft und erftochen. 
An diefem Angriff hat der franzöfiihe Schüige mit des Trivulzio Schlangen 


' Sofort nach der Schlacht wurde nämlich gegen Dietrich Freuler, einen geboren 
Schmizer, den Hauptmann des im Münſtertal geblicbenen Hanfens, die Beſchuldigung er- 
hoben, er habe aus VBerräterei mit dem Angriff auf Die Zchanze gezögert und dadurch Die 
vorausgefandte Abteilung in große Not gebracht, Obſchon die eidgenöſſiſche Tagſatzung, vor 
welche die Sache gebracht wurde, ihn 6 Wochen nah der Schlacht von dieſem Borwuri 
frei ſprach, wurde or doch von den drei Biinden in ihrem Gebiete vogelfrei erflärt und 
irrte nun als der „Verräter von der Slurnier Schlacht“ umher. Unfere Quelle nimmt den 
unglücklichen Dann mutvoll gegen Die Anklage in Schutz. — * Auffallend iſt es, daR 
der Yieblingsheld der Biindner, Benedikt Fontana, bier nicht auch unter den 
tapfern Hauptleuten genannt wird, Nach urkundlichen Belegen befand fih ‚Fontana 
wirklich umter den Anfübrern des Gottesbausbundes bei dem Deere im Münſtertal; 
welche Rolle er aber im der Schlacht felbit geipielt bat, läßt ſich aus den zeit- 
aenöffiichen Daritellungen nicht erieben. Erit der Port Simon Lemnius ans dem 
Miünftertal, der den Schwabenkrieg in einem lateimiihen Epos „Räteis“ um 1550 ver- 
herrlichte, machte ibn zum eigentlichen Helden der Schlacht; nach ibm war es ‚Fontana, 
der gegenüber dem Zögern Freulers zum Angriff auf die Schanze drängte, gegen diefelbe 
anftürmte und vom Geſchütze bingerafft fiel, indem er feine Genoſſen fterbend ermumterte: 
„Kameraden, vorwärts gegen dem von Geſchoſſen ſtarrenden Wall! Heute iſt Rätien oder 
ſonſt nimmer! Verteidigt die Heimat!“ oder wie Campell, der bündneriſche Tſchudi, die 
Worte Fontanas in ſeiner um 1570 geſchriebenen rätiſchen Geſchichte überliefert: „Friſch 
voran meine Jungen! mit mir iſt's nur um einen Mann geſchehen; darauf ſehet nicht! 
Heute noch Rätier und Bünde oder nimmermehr!“ So viel ſcheint denn doch aus dieſen 
Zengniffen berverzugeben, daß ‚Fontana ſich unter den Tapfern befand, die den Sturm 
auf Die Schanze mit ihrem Yeben bezahlten; ſonſt hätte ihn Yemnins, defien Vater felber 
in der Schlacht mitgefämpft hatte, unmöglich zum Helden feines Gedichtes machen können. 
Die Nichterwähnung durch Die Acta iſt wohl eine rein zufällige, wie ja F— B. auch Schradin 
bei der Schlacht von Fraſtenz Wollebs mit feiner Silbe gedenkt. ©. Better, Benedikt 
Fontana, eine ſchweiz. Heldentegende, im Jahrb. für Schweizergeic. vũi S. 201 fl. 





241 


ſich redlich gehalten, getroft und wohl gejchoffen und gute Wehr getan t, des— 
gleichen Meifter Ulrih Stubenvoll, jenfeitsS des Waffers oberhalb der 
Yeße am Berg. 

Inzwiſchen war die Nachhut im Walde zum Vorichein gekommen, umd 
jind die Bundsfnechte zum Teil über fie und neben fie gekommen, die andern 
[von] unten, und haben abermals mit einander geichlagen. Und jind die 
Königlichen fieglos und flüchtig worden, und was da jung und grad geweien, 
it durch den Wald hinauf umd etliche an Glurns vorbei entrunnen. Und ift 
die behende Schar den Feinden nachgelanfen bis gen Glurns in die Stadt, 
da haben jie ihrer noch viele erjtochen, Wein auf dem Markt in Fäſſern und 
in allen Häuſern Fleiſch, Brot, Trinfen und Efjen genug gefunden. Da war 
gar nichts geflüchtet, überall feinerfei Habe; denn fie hatten ſich dermaßen 
verjehen und bewahrt, daß fie geredet hatten, fie wollten die Biinde nicht ge: 
wijier haben. Da war Salz, Geſchütz und was zur Wehre dienet, genug. 
Und während der Zeit, da die Schlacht geichehen ift, hat die Neiterei unter 
Mals auf den Wiejen gehalten und nie feinen Angriff getan; denn es waren 
ihrer jehr wenige und wollten den Bauern nicht trauen. So wollten die 
Bauern dem Adel auch nicht trauen; denn fie waren hievor uneinig worden, 
wie man das Yand bejegen und verjehen wollte. — — — 

Und an diejer Schlacht find viel Schügen gemwejen aus dem Etjchland, 
Bregenzerwälder und Wallgauer Kinedte...... und waren der König— 
lichen immer vier gegen einen Bundsmann, und [diefe] mußten Hinten und 
vornen angreifen, jich ernſtlich wehren, der vordere und hintere hatten gleic) 
zu fechten ohne Vorteil; welcher jich jäumte, der war verloren; bei 300 Mann, 
worunter 15 von Chur aus der Stadt gewejen ſind umgefommen]; dazu 
jind viele wund werden und nachher gejtorben. Da hatte das Geſchütz ihnen 
unter zweimalen neun Mann genommen und den "größten Schaden getan. 
Zie haben das Feld behalten und von den Königlichen 5000 erichlagen, von 
denen der Mebrteil ertrunfen ijt, und haben darnach etliche Vinſchgauer ge- 
jagt, jie hätten bei TOOO Mann verloren und feien ihrer 15,100° gegen die 
Binde verordnet gewejen, darımter jeien viel gute Leute und Burger allent: 
balben aus dem Etichland und Inntal geweſen. Item da find an der Yete 
viel Dandbüchjen und Hafen und jieben hübjche jchöne, wohlgerüſtete Schlangen- 
büchjen gewonnen worden, . . . wie ich die zu Chur in der Stadt nad) der 
Schlacht gejehen babe, item ein Barmer und vier Fähnlein, die in die Bünde 
gekommen jind. 


! Trivulzio, Graf von Miſox, ein bekauuter Kriegsmann jener Zeit, hatte den Bilden 
4 Schlangenbüchſen mit einem Biichienmeifter aus Frankreich geichidt. 

8000 Etſchländer, dazu AM) Büchlenfhüten und 1500 Söldner nach Ansbelm, 
10000 laut Schatzung Der Engadiner gleich nach der Schlacht, OMW nach feindlichen 
Quellen. 


Oechsli, Quellenbueh. 16 


242 


96. Briegselend im Tirol. 
Pirtheimer ©. 12. 


s geschah, dass ich zufällig während des Marsches durch ein 

grosses , aber abgebranntes Dorf [im Vinschgau] kam, an 
dessen Ende ich zwei alte Frauen antraf, welche einen Zug 
von etwa vierzig kleinen Knaben und Mädchen wie eine Vieh- 
herde vor sich hertrieben. Alle waren vom Hunger zu äusserster Magerkeit 
abgezehrt, so dass sie den Vorübergehenden durch ihren Anblick eine 
Art Grauen einflössten. Ich fragte die alten Frauen, wohin sie denn 
die bejammernswerte Schar führten. Jene aber antworteten, wie betäubt, 
indem sie vor Schmerz und Hunger kaum den Mund öffnen konnten, 
ich werde sogleich sehen, wohin die unglückliche Jugend geführt würde. 
Kaum hatten sie das gesagt, als man zu einer Art Wiese kam. Diese 
betraten sie und fingen an, auf die Knie fallend, nach Art der Tiere 
Gras abzuweiden, mit dem einzigen Unterschied, dass jene es mit den 
Zähnen abbeissen, diese aber die Nahrung mit den Händen pflückten. 
Und schon hatten sie durch die Gewohnheit die Gräser unterscheiden 
lernen und wussten, welche bitter oder fade, und welche süss oder von 
besserm Geschmacke waren. Mit Vorliebe aber wählten sie ein saures 
Gras aus, welches sie auch aus den übrigen heraus kannten. Bei dem 
so grausigen Schauspiel erstarrte ich und stand lange wie geistes- 
abwesend da. Da versetzte die Alte wieder: «Da siehst du nun, warum 
diese unglückselige Schar hieher geführt worden ist; weit besser wäre 
es für sie gewesen, wenn sie nie geboren worden wäre, als solchen 
Trübsalen zu unterliegen und ein so elendes Leben zu verbringen. Vom 
Schwerte sind ihre Väter gefallen, der Hunger aber hat ihre Mütter 
weggetrieben; die Habe ist zur Beute geworden und die Wohnungen 
sind von den Flammen verzehrt. Wir Unglücklichen sind wegen unseres 
hohen Alters hier zurückgelassen worden, damit wir diese unglück- 
seligste Jugend wie unvernünftige Tiere auf die Weide treiben, und 
so lange wir können, mit Grasessen ihr Leben fristen. Wir hoffen je- 
doch, dass jene sowohl als auch wir in kurzem von solchem Elend er- 
löst werden. Denn, obgleich ihrer doppelt so viel gewesen sind, so sind 
sie dennoch in kurzem auf diese Zahl gesunken, da täglich einige vor 
Hunger und Nahrungslosigkeit dahin schwinden, wahrlich weit glück- 
licher durch ihren schnellen Tod, als durch ein längeres Leben.» Als 
ich dies sah und hörte, konnte ich die Tränen nicht zurückhalten, in- 
dem ich mich des jammervollen Loses des Menschen erbarmte und die 
Raserei des Krieges nach Verdienen verwünschte. 





243 


7. Schlacht bei Dorner. 22. Iuli 1499. 


a. Pirkheimer &, 23, 


Der Graf von Fürstenberg hatte auf des Kaisers Befehl ein Heer 
von 14000 Fussknechten und 2000 Reitern gesammelt und schickte sich 
an, bei der Feste Dorneck unweit Basel in das feindliche Land einzu- 
brechen. Als die Schweizer, welche in der Nähe waren, die Berner 
und Soloturner nämlich, dies merkten, zogen sie selber auf der Stelle 
auch ihre Truppen zusammen und rückten in grosser Eile herbei, um 
die Kaiserlichen vom Einfall in ihre Grenzen abzuhalten. Als jedoch 
der Rat von Basel die Rüstung der Schweizer erfahren hatte, schickte 
er Boten an den Grafen, benachrichtigte ihn davon (noch war nämlich 
Basel nicht vom Reiche abgefallen) und ermahnte ihn, sich ja recht 
vorzusehen. So weit war aber der Graf davon entfernt, die freund- 
schaftliche Ermahnung gut aufzunehmen, dass er die Boten sogar mit 
Sticheleien reizte und ihnen sehr zur Unzeit Freundschaft mit den 
Schweizern .vorwarf. In auffallender Missachtung der Feinde belagerte 
er die Feste Dorneck und beschoss sie mit Büchsen, indem aller Posten- 
und Wachtdienst vernachlässigt wurde. — — 

Und als nichts weniger erwartet wurde, stürmte plötzlich ein Zug 
von etwa 2000 Feinden über einen anstossenden Hügel gegen das Lager 
an, haut diejenigen nieder, welche zuerst herbeigeeilt waren, bringt die 
übrigen in Verwirrung und dringt mit gewaltiger Anstrengung vorwärts, 
und, damit die Sache besser gelinge, hatten die Schweizer einen Betrug 
damit verbunden. Denn die Brust hatten sie mit roten Krenzen be- 
zeichnet, den Rücken aber mit weissen Zeichen versehen. Daher glaubte 
man im Anfang, es sei ein Streit unter den Kriegern und Bundesgenossen. 
Als aber alle ohne Unterschied niedergehauen wurden, salı man endlich 
zu spät ein, dass die Feinde da seien. Sogleich eilte daher der Graf 
herbei, um den Aufruhr zu stillen; ihm folgten auch einige erlauchte 
Männer; aber bevor er hatte wahrnehmen künnen, worum es sich handle, 
fiel er von Feindeshand erstochen. Einige wenige und fast waffenlose 
Veteranen taten sich zusammen und fingen an, den Feind zurück- 
zudrängen und sich tapfer zu wehren, aber vergebens; denn schon war 
jener grosse Haufe da, durch dessen Ungestüm jede Verteidigung un- 
möglich gemacht wurde. Ein grosser Teil der Veteranen wollte daher, 
auf seinem Standort beharrend, lieber ehrlich sterben, als schimpflich 
den Rücken wenden. Die übrige Mannschaft stob überallhin auseinander, 
wo sich eine Hoffnung auf Entrinnen zeigte oder geringere Gefahr 
drohte, und warf sich kopfüber in die Flucht. Die Schweizer aber ver- 
folgten sie unablässig und hörten nieht auf, die Fliehenden fortwährend 
zu verwunden und zu töten, bis das Geschrei zum Lager der Reisigen 
drang. Zuerst flog die Leibgarde des Königs (worunter sich auch etliche 
surgunder befanden) den Fliehenden zu Hilfe und fielen unerschrocken 
mit grossem Ungestiüm die Verfolger an, werfen und machen sie nieder. 
Als das die übrigen Schweizer sahen, fingen sie an, selber fliehend sich 
anf die Ihrigen zurückzuziehen: aber nur wenige entrannen dem Anprall 


nn au» 


24 


der Reisigen. Inzwischen kam auch die übrige Reiterei herbei, und 
etliches Fussvolk sammelte sich, freilich nur halb bewaffnet, zur Schlacht- 
ordnung, und alle schickten sich an, den grossen Haufen der Feinde 
anzugreifen. Aber da die Nacht schon hereinbrach und die Schweizer 
sich aus Furcht vor den Reisigen und wegen des empfangenen Schadens 
auf die Hügel zurückzogen, kehrten die Kaiserlichen, ihrer geringen 
Zahl misstrauend und aus Furcht, den Schaden mit Schaden gut zu 
machen, um, zogen ab und kamen endlich in Freundesland. In dieser 
verworrenen Schlacht wurden ungefähr 4000 Kaiserliche vermisst, und 
es fielen ausser dem Grafen von Fürstenberg noch viele erlauchte und 
ausgezeichnete Männer, darunter der Graf von Bitsch, und der Freiherr 
von Castelwart, der letzte von jener Familie. Wiewohl die Schweizer 
nach ihrer Gewohnheit die Zahl ihrer Toten vermindern, steht doch fest, 
dass sie ein nicht geringeres Unglück erlitten haben, als die Kaiser- 
lichen ', obgleich sie aus der Schlacht als Sieger hervorgingen. Wenn 
indess der Graf die Pflicht eines einsichtigen Feldherrn erfüllt hätte, 
wäre grosse Hoffnung auf einen guten Ausgang der Sache gewesen. 
Aber so hatte es der göttliche Wille beschlossen. Die Schweizer bemäch- 
tigten sich der Habe der Gefallenen und sämtlicher Geschütze, dann 
kehrten sie endlich am dritten Tage (wie sie es nach gewonnenem Sieg 
gewohnt waren) nach Hause. 


b. Schreiben der Berner Hanptlente vom Schlachtfeld bei Dorned. 
Abgedr. bei Gluß-Blowßbeim, Geſchichte der Eidgenofien S. 524 ff. 


Als wir gen Yiejtal gekommen mit großer Müh etlicher der Euern, ſind 
unjere lieben Eidgenofjen von Soloturn diefes Tags mit ihrem Banner 
heute, eine fleine Zeit vor uns mit jamt vier unferer Fähnlein, jo ihnen 
Najpar von Stein von den Euern vorzu gegeben, gen Dorned gezogen, 
aus der Urjache, daß die ‚Feinde zwei der Ihrigen heute zunächit vor der 
Stadt Yiejtal erjtochen, dazı das Schloß Dornef mit großer Macht und 
Mannichaft, trefflichem Hauptgeſchütz und Nriegszeug belagert. Deshalb [find] 
wir mit eurem Banner gleich darauf, auch die von Zürich mit einem Fähn— 
lein gegen 400 Damm, Zug mit einem Fähnlein, und etliche verirrte Rechte 
von Yuzern — nacber [find] jie [die Yuzerner] mit ihrem Panner zum 
Kampfe gefommen — nachgerücdt umd einen hohen Berg binaufgezogen. Und 
als die Feinde eine enge Strafe, da fie meinten, wir ziehen gen Dorned, 
mit Geſchütz verlegt, find wir daneben binten berum in ihr Pager gezogen, 
|baben] jie mit männlihem Gemüt angegriffen und zuerft da$ vor das Schloß 
gelegte Geſchütz, deſſen Zabl wir noch nicht gründlich wilfen, abgenommen, 


! Jedenfalls übertreibt hier Pirkbeimer ganz gewaltig, da das gesamte Heer der 
Eidgenossen kaum 4000 Maon betrug. Aushelm erwähnt bei 200 Gefallene auf der 
Schweizer Seite, Schilling „bei hunderten“, Eiterlin „mehr denn hundert“. Vrgl. auch b. 


fie den Berg hinab durch böjes Geftrüpp gejagt und unten im weiten Feld 
den rechten veifigen Zug und Fußvolk gefunden und jie mit Gewalt aus dem 
Feld gejagt, bis über die Birs, ihmen eine merfliche Zahl der Feinde er- 
ihlagen, — wie viel, wir noch nicht grimdlich wiſſen; aber zwo mächtige 
Dauptbüchjen, eine das Kätherli von Enfisheim, die andere von Straßburg, 
gewonnen — jind beide jo groß und eher mehr, als euer Gnaden Haupt— 
geſchütz — und jonft viel andere gute Büchſen mit ſamt dem Zeug und 
Steinen. Und haben die ‚Feinde angegriffen ungefähr zwiſchen fieben und 
der achten Stunde und folches bis im die Nacht getrieben. Wir haben ihnen 
auch etwas Zeichen, bejonders jagt man als Wahrheit, das Banner von 
Straßburg oder Fähnlein abgewonnen. Etliche von uns find umgekommen, 
aber nicht viel, und wund Wir danken Gott, unjerer lieben Frauen und 
jenen lieben Heiligen. Wir Tiegen unter Dorned auf der Wahlftatt im 
weiten Feld, und iſt großer Zug im Yand, und erjt diefer Tage oder Wochen 
der Herr von Naſſau mit 10,000 Mann im Rheinfelden eingezogen. Was 
uns weiter begegnen [wird], werden wir allweg euer Gnaden zu wilfen tum; 
denn noch find viel der Euern nicht bei uns, 

Datum eilends in der Nacht, bei einem fchlechten Feuer geſchrieben am 
St. Magdalenentag [22. Julius] 1499. 

Hauptleute, Venner und Räte von Bern 
vor Dorneck im Feld. 


24h 


98. Der Friede von Bafel, 22. September 1499. 
Abſchiede II. 1. S. 758 fi. 


$ 


Wir Yudwig Maria Sfortia Anglus, Herzog zu Mailand, 
Graf zu Pavia ꝛc. tun allermänniglich mit diefem Briefe fund; 

Als zwiſchen dem Alferdurchlaudtigiten Großmächtigſten Fürſten und 
Herrn, Herrn Maximilian, Römiſchem König ꝛxc. von wegen feiner Ma— 
jeſtät Grafſchaft Tirol eines- und Biſchof Heinrich zu Chur, ſeinem 
Stift und desſelben Leuten andernteils Zwietracht und Irrung entſtanden, die 
zu Aufruhr gewachſen, dermaßen, daß demnach zwiſchen königlicher Majeſtät, 
dem Bund zu Schwaben und andern ihren Mithaften und Anhüngern 
eineg- und gemeinen Eidgenofjjen, auch den Bünden in Churwalen 
und andern ihren Zugewandten und Anhängern andernteils offene Fehde und 
Krieg entjprungen, was uns aber in Treuen leid geweien ijt, darauf wir 
den Edeln, unjern Nat umd lieben Getreuen, Galeazzo VBisconti, ab 
gefertigt haben, mit ernjtlichen Befehl, allen Fleiß anzuwenden, folchen 


— — —s, — —— 


246 


Krieg und Aufruhr beizulegen und die zu Frieden und Nichtung zu bringen, 
was auch derjelbe getreulich getan und zuletzt nach viel Arbeit und merflicher 
Mühe joviel erfunden, damit er zwijchen beiden Teilen abgeredet und jie 
vereint hat, in Weile und Form, als hernach folgt: nämlich 

1) Zum erjten, daß die ſechs Gerichte im Prättigau, jo an das 
Haus Öftreich von dem von Mätſch erfauft jind und der Römiſchen könig— 
lichen Majeftät als Erzherzogen zu ſtreich vormals geſchworen haben, 
wiederum wie vorher huldigen und ſchwören und die andern zwei Gerichte, jo 
noch nit geſchworen haben, jeiner Majeſtät ſchwören ... jollen, ... doch jo, daß 
die königliche Majeftät ihnen diefes Aufruhrs halber feine Ungnade oder Strafe 
auflegen, ſondern fie gnädiglich, wie jie vorher an das Haus Öftreih in Kaufs 
weile gekommen jind, halten und bei dem Bündnis, jo jie mit denen 
von Bünden vormals gehabt haben, bleiben lajjen jollen. 

2) [Die Späne zwijchen dem Bistum Chur und dem König jollen der 
ichiedsrichterlichen Entjcheidung des Biſchofs Friedrich von Augsburg und jeiner 
Räte anheim geſtellt werden!. 

3) Zum dritten, daß alle Handlung [fo] in dieſem Krieg ergangen, es ſei 
mit Todſchlag, Wegnahme, Brand oder in anderer Weije, beiderjeits, gegen- 
einander verglichen, hin und ab- und niemand deshalb dem andern einen 
Erſatz oder Entihädigung jehuldig jein ſolle. 

4) Zum vierten der eingenommenen und eroberten Schlöſſer, Ztädte, 
Yandjchaften und Überberrlichfeiten halber foll jede Partei der andern alles 
das, jo fie ihr im diefem Krieg abgewonnen und in ihre Gewaltjame gebracht 
hat, wiederum zu [kommen] laſſen, in dem Weſen, wie es jest ijt, und Die 
Untertanen ibrer Pflicht ledig jprechen, doch ohne Verzicht und mit Vorbehalt 
der Nechte und Pflichten, jo jemand vor dem Krieg daran gebabt hat. — — 

Von des Yandesgeridhtes wegen im Thurgau mit jeinen echten 
und Zubehörde, jo bisher in Pfandſchaftweiſe vom heiligen Neid die Ztadt 
Conjtanz inne gehabt hat und die Eidgenofjen in dieſem Krieg zu ihren 
Handen gezogen und aber jet beide Parteien das zu unſern Handen geftelit 
haben, das nach unjerer Erkenntnis und Gefallen zu verwenden und hinzu: 
geben, iſt abgeredet, daß wir als der Vermittler in einem Monat, dem nächſt— 
fommenden, ohne Gefährde darüber ſprechen und erfennen jollen. Und wie 
und wohin wir ſolches Yandgericht durch unſern Spruch aljo verwenden und 
bingeben, dar es dann geftrads und ohne alle Einwände dabet bleiben und 
bejtehen joll !. 


! Tiefer Artikel enthält nichts anderes, als die Abtretung des Yandgerichtes 
an die Eidaenoffen in einer weniger Demütigenden Form, da der Herzog von Mailand, 
dem Maximilian dasſelbe zu Handen ſtellte, den Eidgenoſſen vor Abſchluß des Friedens 
die urkundliche Zuſicherung gehen mußte, daß er es ihnen zuſprechen werde, was denn 
auch durch Urkunde vom 15, Oktober 1499 geſchah. 





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5) Zum fünften, daß bei hoben Penen an Yeib und Gut dafiir gejorgt 
werde, daß fortan auf beiden Seiten die Schmähworte nicht mehr, wie bisher 
geiheben ift, geübt und gebraucht ; wer aber dasjelbe überträte, daß der durch) 
feine Obrigfeit gejtrads und ohne Vorenthalten gejtraft werden jolle. 

6) Zum jechsten, daß fortan feine Partei der andern die Ihrigen in 
Burgrecht, Schutz, Schirm, noch Verjprechen aufnehmen joll, dem andern 
Zeil zum Schaden oder Unfug, ... aud daß feine Partei noch die Ihren 
ein Schloß, Stadt oder Herrichaft unter der andern Partei mit Kauf oder 
Tauſch an jich bringen joll ohne der Yandichaft und Obrigfeit, unter der 
jolhes gelegen ift, Gunft und Willen. — — 

7) Zum fiebenten, dar alle Brandſchätze und Schaggelder der Gefangenen, 
die noch nicht bezahlt find, hin- und abjein und die Gefangenen beiderjeits 
auf eine geziemende Urfehde und bejcheidenes Koſtgeld ledig gelaffen werden 
jollen. ®, 

8) Zum achten, damit weitere Zwietracht und Aufruhr zwiichen den 
Parteien verhütet, jondern in Betreff aller Dinge rechtlicher Austrag gejucht 
und erſtattet werde, jo iſt hierin ausdrücklich, abgeredet, beſchloſſen und beider: 
jeit$ angenommen: Wenn die königliche Majeftät als Erzherzog zu Oſtreich 
oder jeiner Majeftät Erben und Nachkommen, Erzberzoge zu ſtreich, ihre 
Untertanen und HZugehörigen an einen oder mehrere Orte gemeiner Eid: 
genoffenschaft oder ihre Untertanen, Zugebörigen und Berwandten 
oder diejelben Eidgenoffen insgemein oder einzeln oder ihre Untertanen, Zu— 
gehörigen und Berwandten hinmwiederum an ihre Majeſtät als Fürft zu ſt— 
reih, ihre Erben und Nachkommen oder ihre Untertanen und Zugehörigen 
Anfprüche oder Forderungen hätten oder künftig befümen, in Betreff deren 
die Parteien nicht gütlich verglichen werden fünnten, daß der Kläger jeine 
Segenpartei zu Recht und Austrag fordern joll vor den Biſchof von Kon— 
tanz oder den Biſchof von Bafel, jo je zu Zeiten jind, oder vor Bürger: 
meijter und fleine Räte der Stadt Basel :c. [folgen noch ausführlichere 
Beitimmungen über den Rechtsgang] ... und daß auch beide Parteien und 
alle die Fhrigen ſich mit ſolchem Austrag und Recht in allen Sachen gegen: 





Auch bier wurde int einem befondern Beibricf Des Bermittlers vom 20. September 
eine Ausnahme zu Gunften der Eidgenoſſen ftipulirt, durch die fich Marimilian als der 
Beftegte betennen mußte; darin beißt es, daß der Artikel „geicheben iſt zu Ehren der 
föniglihen Majeſtät umd doch die im befondern mir zugejagt und gewollt bat, daß die 
nachgeichriebenen Summen nichts defto minder bezahlt und ausgerichtet werden jollen 
durch die, fo ſich dazu verpflichtet haben, unverhindert Durch das berübrte Kapitel: näm- 
ih die Summe von 8000 Gt. Rh., To gelobt haben die Gemeinden im Wallgau als 
Brandſchatz, item die Summe von 1100 St. Rh., fo gelobt haben die vom Bregenzer 
Wald auch als Brandihag, item die Summe von 40 GL. Rh., fo um die gleiche Ur- 
lache gelobt haben die Leute des Dorfes Dorubirn, und zulegt Die Zumme von 1000 
Gl. Rh., fo der Edel Hans von Balded zur Erledigung feiner Perſon ſchuldet.“ 


248 


eimander begnügen und ſonſt mit feinem andern Gericht anfechten, 
befümmern, noch beimjucden jollen in feinem Weg. ir gleicher Weile 
in aller Form joll diefer Austrag und Nechtfertigung zwilchen dem Bund zu 
Schwaben insgefamt oder Einzelnen, audı der Eidgenofjenichaft insgefamt 
eder Einzelnen, und ihren Zugewandten alſo gebalten und erjtattet werden 
zwölf Jahre, die nächjten nad Datum diefes Briefes, alfo daß beide Teile, 
alle die Ihren und Die zu Ihnen gehören... jich während diejer Zeit damit 
gegeneimander in allen Sachen begnügen und mit feinen andern Gerichten 
anfechten, befümmern, noch beimjuchen jollen, in feinem Lege. — 

9) Zum neunten, daß damit die königliche Majeſtät aus Gnaden auf— 
beben und abtun ſoll alle und jegliche Fehde, Ungnade, Acht, Prozeſſe und 
Beſchwerden, ſo in dem Krieg oder vor dem Krieg wider die Eidgenoſſen, 
ihre Untertanen, Zugehörigen oder Verwandten, niemand aus— 
geſondert und ausgeſchloſſen, beſchloſſen oder ausgegangen find, und daß ſonſt 
in Betreff aller andern Zaden, jo hierin nicht begriffen 
jind, beide Teile bleiben jollen, wie fie vor dem Nriege ge 
ftanden und berfommen find, alles getrenlid, ohne Argliit 
und Gefährde', — - 

Und zum Schluß alfer vorgeichriebenen Dinge, jo haben wir vorgenannter 
König Marimilian umjererjeits in ſolchem Frieden und Richtung eingeichloflen : 
unjer Haus Öftreich, den obgenannten Yudwig, Herzog zu Mailand und 
alle andern Kurfürsten, Fürften und Stände des heiligen Reichs, insbejondere 
die Biichöfe zu Straßburg und Baſel, auch die Städte Straßburg, Colmar 
und Schlettitadt ꝛc. und Mülhauſen. — Und dagegen baben wir obgemeldete 
Eidgenoffen unſererſeits im ſolchen Frieden und Richtung eingejchlojfen und 
begriffen den Alterchriftlichiten Nönig Yudwig zu Frankreich, und alle dic, 
jo mit uns in Bündnis, Einung oder Berwandtichaft jind, insbejondere den 
Hochwürdigen Kürften, Derm Gottbart, Abt des Gottesbaufes St. Gallen, 
jein Gottesbaus und desjelben Yente, die Stadt St.Gallen, das Yand 
Appenzell, die beiden Städte Schaffhauſen md Rottwil, auch 
die Bünde in Cburmwalden, jo ıms mit Bündnis und Einung verwandt 
jind. And nachdem die Stadt Bajel ibre merkliche Urſache und Anliegen, 
derenbalb fie in dieſem Krieg wider die Eidgenoffen nicht Kriegsübung vor: 


' Artikel 8 und 9 entbalten Die Hanptbefiimmunaen Des Friedens. Zie gewäbren 
indireft, mas die Eidgenoſſen im Berlauf der Friedensbverbandlungen gefordert hatten; 
daß Ne und alle ibre Untertanen, Juacberigen und Bermwandten, geift 
liche und weltliche, weder dem Reibstammergericht, noch irgend melden Stenern, 
Anschlägen, Tributen und Auflagen des Reichs unterwerfen fein ſollten, d. b. die tatiäch 
be Yostrennung der Schweiz vom Reiche. Tie Eidgenofien duldeten desbalb 
auch nicht, Daß ſie im Frieden noch „lieder des Reiches“ genannt wurden. Siehe Ulmaun, 
Geichichte Kater Maximilians 1. 





249 


genommen, der föniglichen Majeftät jelber als ihrem allergnädigften Herrn 
untertäniglich angebracht und geklagt haben, in Hoffnung, foldhes in Ungnaden 
nicht zu empfangen, bat darauf die Fünigliche Majeſtät ſolch ihre Notdurft 
und Anliegen in Gnaden bedacht und angenommen, auch zugelaffen, jie des- 
halb in dieſem Frieden auch eimzujchliegen. — — 


99. Aus dem Basler Bunde. 9. Iuni 1501. 


Eidgen. Abſchiede III.2. ©. 1291. 


Kir der Burgermeijter, die Schultheißen, Ammänner, Nüte, Burger, 
Yandleute und ganze Gemeinden gemeiner Eidgenofjenichaft, Städte und Yänder 
hienach benannt, nämlich zu Zürich ꝛc, Jreiburg und Soloturn eines- 
teils und wir, der Burgermeiiter und Rat mitfamt den Sechſern, jo man 
nennt den großen Nat, und die ganze Gemeinde der Stadt Bajel anderen- 
teils tun männiglich fund mit diefem Briefe: Daß wir bedacht haben die große 
Freundſchaft ꝛc., und alſo in jolchem Hinfür, wie bisher getreulich zu beharren :c., 
baben wir uns im dem Namen Gottes, feiner alferjeligiten Gebärerin und des 
himmliſchen Heeres eines getreuen, ewigen Bindniffes und Freundſchaft, 
ohne allen Abgang zu währen, beredet und die an: umd aufgenommen, wie 
hernach ſteht: 


2. Des erſten ſo faſſen, nehmen und empfangen wir, die obgenannte 
Eidgenoſſenſchaft von Städten und Ländern, für uns und unſere ewigen Nach— 
fommen ... eine lobliche Stadt Baſel, ihre gemeinen Burger, Yand und 
Yeute, für ich und ihre ewigen Nachkommen in unſerer Eidgenoſſenſchaft Pflicht 
und als nun hiefür unjere ewigen Eidgenoffen: alfo daR fie in der Geftalt 
und in dem, jo nun biefür von dato dieſes Briefes in Gejchäften und Händeln 
uns beide Teile berührt, zu Yieb oder Yeib erbebt und begibt... wie ein 
anderer Ort in jolcher Form zu uns gehören, ewiglich bei uns und wir 
bei ihnen bebarren und aljo geachtet jein und werden ſollen. — — — 


4. Und jo fih nun binfür irgend welche Sachen oder Gejchäfte begeben, 
die umjere gemeine Eidgenoffenichaft und eine Stadt Bajel betreffen und be- 
rühren möchten, joll diejelbe Stadt Baſel durch ihre ehrbare Botjchaft berufen 
werden, bei unfern Anwälten ! jigen und mit Nat und Tat, wie ein anderer 
Ort unſerer Eidgenofienichaft, beifen raten, bedenken und bandeln, was zu 
umer aller Nugen und Notdurft wird gebühren. -— - 


’ Taglagungsgefandten. 





en 


14. Es joll aber eine Stadt Bajel mit niemand friegeriichen Aufrubr 
anbeben, jie bringe denn zuvor ihr Anliegen und was fie dazu dränge und 
dewege, vor unſerer gemeinen Eidgenoffenjchaft Anwälte oder derjelben Obrigfeit, 
und mit unſerem oder des Mebrteils unter uns Begünftigen und Zulaffen. — — 


16. Und wenn es jich begäbe, daß eine Stadt Baſel mit jemand zu 
Unwillen füme und derjelbe auf unjere gemeine Eidgenoſſenſchaft jamt oder 
jonders Recht böte, jo joll eine Stadt Baſel jich mit ſolchem Recht begnügen 
und dem jtattgeben ohne weitere andere Kriegsübung. — — 


19. Wo es auch durch irgend ein Ungefäll dazu füme, daß unter und 
zwiſchen uns der Eidgenojlenjchaft, es wäre eins oder mehrere Orte, gegen 
und widereinander Aufrubr erwachen würde, was Gott ewiglich verhüten 
wolle, jo mag eine Ztadt Bajel durch ihre Botjchaft dabei arbeiten, ſolchen 
Aufrubr, Zweiung und Zpan beizulegen. 


20, Und wenn das je nicht jein könnte, jo joll doch diejelbe Stadt jonft 
feinem Teil bilflih wider den andern Teil auhangen, jondern ftill ſitzen, 
doch ohne Verzicht auf ihre freundliche Vermittelung, wie vorfteht, wenn die 
erichießen möchte. 


31. Wir obgenaunten Partien jollen auch einander Feilen Kauf zulafien 
und bei unſern Zöllen, Geleiten und Nutungen ſamt und ſonders, wie wir 
die von Alters ber geübt baben, bleiben und uns der Neuerungen darin ent- 
balten, damit der gemeine Kauf und Verkauf und alle quten chrbaren Gewerbe 
und Dantierungen ibren Gang deito beſſer haben mögen. 


45. Wo auch eine Stadt Baſel binfüro beabjichtigte, mit jemand Bind- 
niſſe oder andere Dilfseinungen anzunehmen, das joll fie vor gemeiner Eid- 
genoſſen Verwalter oder derjelben Übrigfeit bringen und mit ihrem oder des 
Mebrteils unter ibnen Nat und Begünitigung tun und nicht anders, dieweil 
doch in der Eidgenoffenichaft Das alſo bisber von etlichen Orten jelber gebraucht 
[werden] iſt und zu gutem einbelligem Willen und Nube dienen mag. Doch 
jo mag diefelbe Stadt mit Burger anzunehmen und empfangen ihrer Stadt 
Freiheit und Derfommen nach aud bandeln und tun wie bisher, 





nn 


——— 
— 


251 


100. Aus einem Lied über den seh Bumd. 1501. 


Yilientron II. 3. 458. 


3 Das ſolt der römſche king ban beſunnen, 5. Gemain aidgnoſſen band fich recht 


damit Bafel nit von im wer fomen, bejunnen, 

als ſich das wol gezeme! dat fie Bafel fir ain ort band gnumen; 
der Öftreicher fpott was jo groß, den Ichlüffel band fie empfangen, 

daß die von Bafel gar übel verdroß; damit fie ir land mögen bichließen, 

fie werden fich ſelbs kennen fernen. das tuot manchen Öfterreicher verdrießen, 


fie haben ir * groß verlangen. 
4. Die von Baſel betens recht ermeßen, 


daß fie der aidgnoſſen Erieg find ſtill 


geſeſſen!, 11. Es ſolt dem Breisgöw wol mißfallen, 
man wolt's dabei nit laſſen bliben; daß Baſel iſt zuo den aidgnoſſen gefallen, 
die küngiſchen triben des übermuots jo die bruck hat es verloren, 

viel, Br eher: 2 ee en 
drum inen der tier ® helfen wil, fie ift im ain ftarte maur geweien, 
der ber? tuot fin kurzwil triben. Baſel bat den aidgnoffen geſchworen. 


101. Der Schaffhaufer Bund, 10. Auguf 1501 


Eidgen. Abſchiede. III 2. ©. 1297. 


it dem Bund mit Freiburg und Soloturn faft wörtlich nachgebilvet ; 
nur fallen die Grenzbejtimmungen für die Hilfeleiftung weg und find Artikel 
19 und 20 des Basler Bundes zwiſchen 17 und 18 des Freiburger Bundes 
eingeicheben. Als Bündnis jchliekende Teile find am Eingang genannt: . 

wir, der Burgermeifter, die Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Fandleute 
und ganze Gemeinden von Zürich, Bern, Yuzern, Uri, Schwiz, 
Unterwalden ob und nid dem Kernwald, vonZug mit dem äußern Amt, 
jo dazu gehört, von Glarus, von Baſel und von Freiburg und 
Soloturn, eines und wir der Burgermeiiter, Nat, Burger und ganze 
Gemeinde der Stadt Schaffhauſen andernteils ıc. 


' Äh im dem Krieg gegen die Eidgenoflen neutral verhalten haben. — ? Uri. — 
em — ! nad) ihr, der Stadt Baſel. — ® Im Orginal feblt ein Vers. 


252 


102. Frankreich tritt Bellinzona an die Waldfätte ab. 
1. April 1505. 


Aus dem lat. ‚Friedensvertrag zu Arona. Abſch. III. 2. ©. 1305 f. 
* Anhbalt der Artikel des zwischen dem Allerchristlichsten Herrn 


unserm König der Franzosen, Herzog von Mailand etc, 
einerseits, und den grossmächtigen Männern, den Herren Eid- 





hängern insgesamt im Lager zu J,ocarno, von dem edeln ete. Herrn 
Anton de Bessey, Ritter, Landvogt von Dijon, Statthalter von Como, in 
Gegenwart und durch Vermittlung des ehrwürdigen Vaters in Christo 
und Herrn ‚Matthäus [Schinner|, Bischofs von Sitten, Präfekten und 
Fürsten von Wallis ete., und des wohlgebornen Mannes, Herrn UTrich 
von Hohensa., Freiherrn, bewerkstelligten und abgeschlossenen Friedens: 

Erstens: dass der Allerchristlichste Herr unser König jenen drei 
ersten Orten der Eidgenossen, Uri, Schwiz und Unterwalden nid dem 
Wald, Burg und Grafschaft Bellinzona abtreten, überlassen und ein- 
händigen wird mit hoher und niederer Gerichtsbarkeit, mit Grund und 
Boden, Privilegien, Immunitäten, Rechten und allen Zubehörden, ohne 
Ausnahme und Vorbehalt, so, wie sie von Alters her zu dieser Grafschaft, 
Burg und Stadt gehört haben oder zu gehören pflegten, mit samt den 
zwei jenseits des Monte Cenere gelegenen Dörfern Isone und Medaglia, 
welche Dörfer sie mit Bellinzona genommen und seitdem stets inne gehabt 
haben; so dass der Allerchristlichste König etc. für seine Majestät und 
seine Nachfolger, als Herzog von Mailand, auf solche Burg, Stadt und 
Grafschaft mit den vorgeschriebenen zwei Dörfern verzichten und die 
vorgen. drei Orte der Eidgenossen . . . mit sichern Briefen oder hin- 
reichenden und glaubwürdigen Anweisungen in ruhigen Besitz derselben 
setzen wird . . . unter Vorbehalt jedoch des Oberlehensrechtes des Reiches, 
so dass diese Schenkung seiner königlichen Majestät in ihrer übrigen 
Herrschaft und Herzogtum Mailand keinen Eintrag tun kann; vielmehr 
sollen die drei vorgeschriebenen Orte der Eidgenossen auf ihre Kosten 
solche Grafschaft vom Reich zu Lehen nehmen. 


103. Badener Verkommnis über Penfionen und Reislaufen. 
21. Iuli 1503. 
Eidgen. Abichiede III. 2. S. 1315 fi. 
Wir die Bürgermeister, Schultheißen, Ammänner, Räte ımd ganze Ge- 


meinden der löblichen Eidgenofjenjchaft, nämlih Zürich, Bern, Yuzern, 
Uri, Schwiz, Unterwalden ob und nid dem Wald, Zug und das 


253 


äußere Amt, dazu gehörend, Glarus, Bajel, Freiburg, Soloturn 
und Schaffbaufen, tun alfermänniglich fund mit diefen Briefen: daß wir 
nah) den vielfältigen Sorgen, Müh und Arbeit und Ungehorfam, [jo] uns 
jegt etliche Jahre her mit Hinlaufen der Unjern [nämlich in fremde Kriegs— 
dienfte] und in anderer Weije entjprungen, in unjern Natsfigungen, Gemeinden, 
auch durch unſere geordneten Boten auf gar manchem deshalb geleifteten Tage, 
jolhem abzubelfen, ernftlich betrachtet und zulegt im Beiſein, mit Rat und 
Zutun der fürnehmen, weijen Birgermeiiter, Ammann und Näte der Stadt 
St. Gallen und des Yandes zu Appenzell, unjerer guten Freunde 
und getreuen, lieben Eidgenoſſen ..., Botichaft zur Erhaltung unferer vor- 
genannten Eidgenofjenjchaft und aller unferer Zugewandten, zur Handhabung 
unjerer löblichen Binde und Pflichten, fo wir Eidgenoffen und Zugewandten 
insgemein und befonders zu und gegeneinander haben, damit denen in allen 
Dingen nachgelebt, nachgekommen und Gehorfam der Untertanen, auch Friede 
und ehrbares Wejen befejtigt und gemehret werden möge, jolhe Ordnung und 
Satzung in Gottes Namen einhellig, freiwillig und wiſſentlich mit einander 
angenommen ꝛc. 

Des erften, daß niemand in der Eidgenofjenichaft, er jei Burger, Yand- 
mann oder Hinterſäß, geiftlich oder weltlich, edel oder unedel, reich oder arm, 
welches Standes oder Wejens die jeien, von diejem Tag an von Kaijern, 
Königen, Fürften, Herrſchaften oder Städten, geiftlichen oder weltlichen Ständen 
und gar von niemand überall eine Penſion, Dienftgeld, Proviſion, 
Gnadengeld, Miete, Gaben noch Geſchenke haben oder nehmen ſoll, 
weder durch ſich jelber, jein Weib, Kinder, Freunde, Dienftboten noch andere, 
damit es in jeinen Nuten fommen möchte, heimlich oder öffentlich in feinem 
Weg. Und wenn jemand jolches nicht halten und ſich das mit Wahrheit er- 
finden würde, der und diejelben jollen ewiglich von ihren Ehren und Amtern, 
wenn fie jolhe haben, entjett, . . . auch zu feinen ehrlichen Sachen, wie zu 
Gericht, Nat, Kundſchaften und dergleichen Händel gebraucht, ſondern auch 
von ihren Herrn und Obern von Ztund an verhaftet und dazu am Yeib md 
Gut nach derjelben feiner Herren und Obern Erkenntnis und gutem Bedünken 
geitraft werden. — — — Doc jo iſt hierin vorbehalten, dar ein Eidgenoffe, 
auch ein Yandmann und Burger dem andern ungefährlicher Weile von feinem 
eigenen Gut wohl jchenfen und verehren mag, wie das von Altersher in 
unſerer Eidgenoſſenſchaft Sitte und Gewohnheit gewejen ift. 

Ferner merflihen Schaden und Abgang unferer Eidgenoffenichaft zu ver: 
hüten, ift bejchlojfen, dak niemand, darin wohnhaft oder angejejfen, hinaus in 
irgend eine Reiſe! oder Krieg ziehen noch kommen folt, im feinem Weg, 


' Im Sinne von Kriegsdienft, 





> 


stme Seiondere Erlaubnis und Einwilligung jeiner Herren und Obern. Und 
ne Erlaubnis ſoll aud fein Ort für jich jelbit Gewalt haben zu geben, 
me Fimtlicher Orte unferer Eidgenoffenichaft oder der Mehrheit unter ihnen 
Sort und Zulaffen. Und wer damider tut, der foll vor allen Dingen von 
nen Ehren und Amtern, wenn er ſolche bat, entjegt und ... . als ein ver- 
zıriter, ebriofer Mann geachtet und gehalten jein umd zu feinen ehrlichen 
Sachen. wie Gericht sc. gebraucht, jondern dazu auch von feinen Herren und 
Obern gefänglich eingezogen und bernach nicht anders, als gegen eine Strafe 
von fünf Gulden binausgelaifen werden. Und wenn er jolch Geld nicht hat, als- 
dann jell er dasjelbe mit fünf Wochen und Zpeilung zu Waffer und Brot 
in jolhem Gefängnis abverdienen. — — — Sofern aber joldhe Hingelaufene 
nicht wieder ins Yand fommen, .. . alsdann mag derjelben Obrigfeit auf 
ihr Gut greifen und Damit bandeln nach ihrem Gefallen. 

Und da bisher etliche Hauptleute und andere die Knechte aufgewiegelt 
umd im der Herren Dienjt genommen und binmweggeführt haben, wo joldhes 
mmer durch irgend einen mebr geichibe oder jich erfünde, daß jemand von 
denielben Hauptleuten und Anfwieglern irgend welches Geld darauf empfinge, 
mit was für Worten und Geſtalt jotches auch verfucht würde, diejelben Haupt? 
leute, Aufwiegler, Dinfübrer und Empfänger des Geldes, wo man die erreichen 
und willen mag, fell jedermann ven Stund an verbaften und jelde vom 
Yeben zum Tode obne alle Gnade richten laffen und darin niemand feine 
Einwände und Einreden brauchen, ob auch diejelben einem andern Ort unjerer 
Eidgenoſſenſchaft oder ihren Verwandten zugebörten. — — — 

Desgleichen ſoll niemand in unſerer Eidgenoſſenſchaft ſich fremder Per— 
ſonen, Sachen oder Anſprachen beladen noch annebmen ohne ſämtlicher Orte 
unſerer Eidgenoſſenſchaft oder der Mehrbeit Wiſſen und Willen, auch niemand 
keine Febde, Krieg oder Feindſchaft für ſich ſelber anfangen noch vornehmen, 
außer, wie unſere geſchworenen Bünde Verkommmniſſe und Briefe, jo unſere 
Altwordern und wir uns darüber gegen einander verſchrieben haben, zugeben. 

Und fett dieſe Ordnung jährlich, je man in Städten und Yändern Burger: 
meiiter, Zchultbeiken und Ammänner jegt, desgleichen, jo man die Binde 
beſchwört, vor den Gemeinden geleten und beichworen werden. 

Es ſollen auch Feine einzelnen Orte, eines oder mebrere, ohne jäntlicher 
Orte oder der Mebrteil unter ibnen Gunſt, Wiſſen und Gefallen diefe Ordnung 
zu ändern und nachzulaſſen Gewalt und Macht baben. 

Einen äbnlichen „Renftonenbrief” baten die Drei Binde m Cburmwalen icon 
am 2. Februar DOM aeibleren: ſ. Abich. zZ. 110, 





255 


104. Zwingli an Badian über den Pavier Zug. 1512, 
Aus dem Lateinischen überfeßt von Hottinger, Huldreih Zwingli &. 36. 


Ayla die Verleumdung der Eidgenossen sich rasch und nach allen 
% Seiten hin verbreitet und auch dasjenige, was der Erfolg als 
gerecht und schuldlos erweist, geschmäht und verdreht wird, 
3) so habe ich mir vorgenommen, dir den dermaligen Stand un- 
serer Angelegenheiten zwar kurz, aber getreu darzustellen. Ich über- 
gehe die Bedingungen, unter welchen zwischen dem allerheiligsten Statt- 
halter Christi, Julius II, und den EKidgenossen ein Bundesvertrag ge- 
schlossen worden; ich deute nur an, dass der König der Franzosen 
(dem man, während er doch Christi Kirche angriff, sehr unpassend mit 
dem Ehrentitel des «Allerchristlichsten« schmeichelte) die Venetianer 
durch anhaltenden Krieg ermüdete, in mehreren ernsten Treffen besiegte, 
ihre Städte einnahm oder verheerte; wie er das geweihte Oberhaupt der 
Kirche, einen Gegenpapst, wie man ihn nennt, aus Antrieb eines bösen 
Dämons erwählte und Bologna, die Mutter der Wissenschaften, die Amme 
des kanonischen Rechtes, und viele andere ansehnliche Städte ihm weg- 
nahm. Als zur Zeit der verflossenen Ostern der durchlauchtigste König 
von Spanien den Nachen Petri auf Gefahr drohenden Wogen treiben 
sah, jammerte ihn des Zustandes der Kirche. So schnell als möglich 
sammelte er ein Heer und schickte dasselbe den päpstlichen Scharen, 
die vom Winter her noch in Mittelitalien weilten, zu Hilfe. Kriegslustig 
und kriegskundig zieht es in Eilmärschen gegen Ravenna. Auch der 
französische Tyrann schickt eben dahin eine gewaltige Macht den Spa- 
niern und ihren Verbündeten, den Venetianern entgegen. [Folgt eine 
Schilderung der Schlacht von Ravenna, in welcher die Franzosen über 
das gefürchtete spanisch-italienische Heer den glänzendsten Sieg davon- 
trugen]. 

Hannibal nach dem Siege bei Cannä verbreitete keinen grössern 
Schrecken über Rom und Italien. Allgemeinen Jammer weckt die Furcht 
vor neuer französischer Herrschaft. Man fleht um Trost und Beistand 
von allen Seiten. Die Eidgenossen beim Anblick dieses Zustandes be- 
denken, welch gefährliches Beispiel es wäre, wenn jedem wütenden 
Tyrannen erlaubt sein sollte, die gemeinsame Mutter aller Christgläubigen ! 
ungestraft zu bekriegen. Rasch versammeln sie sich und beschliessen 
mit Eifer, die Angelegenheiten der Kirche und Italiens in bessern Stand 
zu stellen. Es erscheint als Legat? der Kardinal [Schinner], bittet, 
beschwört, der Verträge eingedenk, sogleich aufzubrechen; doch kann 
er auf den Mann nur einen Goldgulden bieten. Kaum glaublich! In 
sechs Tagen sind dennoch 20000 Mann auserlesenen Fussvolks beisammen, 
die sogleich durch Graubünden über die Etsch und durch die Engpässe 
nach Verona aufbrechen, das von den Landsknechten und Welschen be- 





‘ Rom. — ? päpstlicher Gesandter. 


Be 





. — —— 


La True 


256 


setzt war. Doch vor Ankunft der Eidgenossen hatten diese die Stadt 
verlassen. Bei dem schweizerischen Heere aber trifft der Kardinal ein 
und wird mit vielfacher Ehrenbezeugung empfangen. Auch von den 
Venetianern erhält man Kunde und bald erscheinen sie selbst, 800 ge- 
harnischte Reiter und 500 leichte. Voll frohen Vorgefühls erblicken sie 
das Heer der Eidgenossen. Man rückt an den Fluss' vor (seinen Namen 
habe ich nicht erfahren), jenseits dessen das starke französische Heer 
wohl verschanzt steht. Die Brücke, hinter welcher Valeggio liegt, war 
durch drei starke Türme geschützt. Das Geschütz der Venetianer nötigt 
die Franzosen, sie zu verlassen. Sie nehmen mit sich, was sie an Lebens- 
mitteln aufbringen können. Das Heer rückt nach Pontevico vor, wo die 
Gegner wieder einen Augenblick stand halten. Hier erhebt sich ein 
Kastell in Mitte der Brücke ’. Bis an dieses hin finden die Eidgenossen 
dieselbe abgeworfen. Im Angesichte des Feindes und unter dem Schutze 
der venetianischen Artillerie schwimmen Freiwillige hinüber, holen die 
jenseits angefahrenen Schiffe. Schnell entstelit eine Brücke. Aber das 
hinübergezogene Heer trifft schon nicht mehr die flüchtigen Franzosen. 
Nur einige Schüsse aus den Feldstücken werden ihnen nachgesendet. 
Im Bewusstsein ihrer schlechten Sache, der deutschen Unterstützung ver- 
lustig ?, den Feind, mit dem sie kämpfen haben, kennend, nirgends sich 
sicher glaubend, schliessen sie sich in Paria ein, den Ausgang der Sache 
erwartend. Eine bedeutende Ochsenherde hatten ihnen die raschesten 
der eidgenössischen Jünglinge weggefangen. Von diesen nährte sich ge- 
‘aume Zeit hindurch reichlich das Heer. 

Huldreich von Sa.x, Führer der Eidgenossen, ebenso klug als tätig, 
beschliesst, Pavia, das er durch Sturm zu nehmen, noch nicht ratsam 
findet, einstweilen einzuschliessen. Noch suchen die Franzosen den Über- 
gang über den Po * zu verwehren. Da ereignet sich ein ebenso unglaub- 
licher als spasshafter Auftritt. Bei dem französischen Heere befanden 
sich 800 Landsknechte, Überbleibsel der Niederlage bei Ravenna. Einige 
der Unsern schwimmen über den Po, am jenseitigen Ufer Massnahmen 
zur Befestigung einer Brücke zu treffen. Die Landsknechte brechen 
hervor, dies zu hindern. Die gesamte Jugend des eidgenössischen Heeres, 
erfahren im Schwimmen, Laufen, Springen, stürzt sich mit abgewor- 
fenen Kleidern, die Halbarten in der Hand, in den Po, mit den 
Feinden sich zu schlagen, von denen sie sprachen, Gott hätte ihnen die- 
selben zur täglichen Übung in der Kriegskunst gegeben. In der Tat 
erhoben sie auch, so oft sie die Landsknechte erblickten, ein kriegerisches 
Gelächter, nicht, weil sie dieselben für feige und verwerfliche Gegner 
hielten, sondern, weil sie von ihnen immer auf der Seite der Feinde ge- 
funden und öfter besiegt wurden, als sierten. Obwohl die Landsknechte 
die nacktweissen Körper sahen, flohen sie dennoch, den Pass über den 
Fluss freigebend. 


! Den Mincio. — *über den Oglio. — * Kaiser Maximilian, der noch eben Frank- 
reichs Verbündeter gewesen, fiel von demselben ab und gebot den Landsknechten, Jie 
im französischen Heere dienten, bei Strafe die Heimkehr — * Es ist wohl die Adda ge- 
meint, mit der Zwingli den Po verwechselt. 





257 


Nun rückten die Eidgenossen an Pavia heran, das eingeschlossen 
und nach wenigen Tagen auf folgende Weise genommen wird. Etwelche 
Einzelkämpfe waren vorangegangen. Sechs Franzosen hatten vier Eid- 
genossen gefordert und waren erlegen. Zwei andere riefen, was ihn 
freute, einen Glarner zum Kampfe auf. Dieser, ein Bergjäger, schoss 
mit seiner Büchse den einen nieder, den andern greift er mit dem 
Schwerte an. Es fällt auch dieser schwer verwundet durch das Schwert 
eines zweiten Glarners, der eben dazu kommt. Die Franzosen, weder 
den Mauern, noch ihrer Macht, noch weniger ihrem Mute mehr trauend, 
denken auf Flucht und wünschen durch die Landsknechte sie zu decken. 
Sie sprechen so zu denselben: «Ihr seht, wackere Kameraden, sei's 
Zufall, sei’s Schicksal, Frankreichs Kriegsglück weicht. Wir müssen 
auf Flucht denken, wenn auf Sieg nicht zu rechnen ist. Verzweiflungs- 
voll ist unsere Lage. Eurer bisherigen Tapferkeit harret hente noch 
die rühmlichste Prüfung. Leistet auch das Höchste noch! Wir, die 
schwer und leicht Bewafineten, wollen den Teil der Stadt besetzen, der 
gegen den Mincio ! sich hinzieht, ehe der Feind etwa da eindringt und 
uns den Weg zur Flucht abschneidet. So sorgen wir für die Rettung 
aller. Kann man jetzt nicht siegen, so muss man das Leben zu erhalten 
suchen, um es später zu können, wie schon Demosthenes sagte. Damit 
niemand Verrat wittere, lassen wir euch das Geschütz, das Pfand un- 
serer Hoffnung.» Die leichtgläubigen Landsknechte, den Worten trauend, 
verstatten den Abzug. Kaum aber haben die Franzosen den Mincio 
(Tessin) hinter sich, so ergreifen sie die Flucht und lassen die Lands- 
knechte im Stiche. Sobald die Bürger von Pavia dieses bemerken, ver- 
sprechen sie unter der Bedingung, mit Plündern verschont zu werden, 
jedem einzelnen eidgenössischen und venetianischen Soldaten einen Monats- 
sold. Die ersteren gelüstete nach einem Kampf mit den Landsknechten, 
aber manchen kostete diese Lust noch sauren Schweiss. Das grobe Ge- 
schütz des Belagerungsheeres war ausser der Stadt im Tiergarten auf- 
gefahren, eine Wache von hundert Mann dazu geordnet, ausgezogen aus 
den einzelnen Heerhaufen. Noch war es nicht Mittag, als Weiber und 
ältere Bürger, den Landsknechten unverdächtig, auf den Mauern er- 
schienen und Strickleitern über dieselben herunterliessen. Die hundert 
im Tiergarten mit der Wache Beauftragten, denen noch einige andere 
sich anschlossen, eilen herbei, ersteigen die Mauer und suchen ohne 
Wissen des übrigen Heeres im Innern der Stadt sich zu ordnen. Allein 
die Landsknechte haben Geschütz. sie nur ihre kurzen Waffen und ihren 
feurigen Mut. Hätten nicht die engen Gassen jene gehemmt, die Eid- 
genossen würden alle den Tod gefunden haben. Sie suchen, hinter Vor- 
sprüngen und schützenden Mauern sich augenblicklich zu bergen; dann 
aber brechen sie plötzlich hervor, bemächtigen sich zweier Stücke und 
wenden sie gegen die Feinde. So werden dieselben allmälig zurück- 
gedrängt. Jetzt ersteigt einer der Kämpfer die Mauer, verkündet Sieg 
und die Einnahme der Stadt. Man glaubt es nicht, fürchtet Hinterlist 





' Vielmehr den Tessin. 
Oechsli, Quellenbuch, 17 


+ 


258 


und verbietet, der Mauer sich zu nähern. Endlich durch das fortwährende 
Stentorgeschrei bewogen, wagen einige die Mauer zu ersteigen. Umsonst 
widerstehen noch die Landsknechte. Sie ermatten und werden an den 
Fluss getrieben. Von 800 werden nur 50 lebend gefangen. Unterdessen 
ziehen die Eidgenossen durch das Tor ein. Die venetianische Reiterei 
verfolgt die Fliehenden, kann aber nur wenige noch erreichen. Jetzt 
erschallt ein Geschrei durch die Stadt: «Julius! Die Schweizer sind 
Sieger!» Am dritten Tag ergibt sich auch die Besatzung des Kastells. 
Acht Mauerbrecher, zehn Feldschlangen, zehn Stücke kleineren Geschützes 
werden erobert. Einige hatten früher den Venetianern gehört. Nun bei 
ihrem Anblick umarmen, benetzen sie dieselben mit Tränen, küssen das 
Wappen des hl. Markus. So hatte der schimpfliche Verlust sie geschmerzt. 

Die übrigen Städte senden Botschaften, ergeben sich dem Kardinal 
und den Eidgenossen. Auch Genua wird durch die Spanier erobert und 
Asti anerkennt, mit gebundenen Händen um Friede flehend, der heiligen 
Liga Gewalt. Ganz Italien, Liguriens Küstenland, die Lombarden sind 
frei durch die Eidgenossen. «Diesen verdanken wir», gestehen sie, «was 
einst dem Titus Qninctius das befreite Griechenland». Durch Städte, Flecken, 
Dörfer wiederhallt die Posaune, läuten die Glocken. Gelehrte, Geist- 
liche, Prediger rufen von den Kanzeln herunter: «Das Volk Gottes 
seid ihr. Ihr habt die Feinde der Braut des Gekreuzigten gedemütigt.« 
Das Heer, einige Tage zu Pavia verweilend, unterdrückte einen Auf- 
stand, den ich übergehe, weil die Sache ein gutes Ende nahm. Dann 
eilen Boten nach allen Seiten, damit die Angelegenheiten Mailands ge- 
ordnet werden. 

In Baden ist nun die eidgenössische Tagsatzung zusammengetreten 
und folgende Gesandtschaften haben sich dabei eingetunden: Sr. Heilig- 
keit des Papsts Julius II., des Kaisers, des Kardinals St. Po- 
tentianä ', Legaten a Latere, des Königs von Spanien, des Königs von 
Frankreich (diese halb im Verstohlenen), des Herzogs von Savoyen, 
des Herzogs von Lothringen, der Venetianer, der Mailänder; alle mit 
ihren eigentümlichen Wünschen und Absichten. Hier muss man der 
Menschen Vorsicht und Schlauheit studiren; wie sie einander in Ver- 
legenheit zu bringen versuchen, um in der Verwirrung desto sicherer 
den eigenen Vorteil zu verfolgen; wie sie dieses zu wünschen vorgeben, 
um das Gegenteil zu erhalten. Vorzüglich schürzt der Kaiser den Knoten. 
Er hatte in der Stille beschlossen, Maximilian, den Sohn des vertrie- 
benen Herzogs Ludwig Sforza auf den Fürstenstuhl wieder einzusetzen. 
Jetzt zu allgemeiner Verwunderung rückt er mit der Behauptung her- 
vor, die Lombardei, als Reichslehen, dürfe von niemandem, als dem 
Öberhaupte des Reiches ihren Herrscher empfangen. Wenig gefällt 
dieses den Eidgenossen. «Der Kaiser — sagen sie — hat verheissen, 
uns mit Reiterei zu unterstützen; er hat es aber bei schönen Worten 
bewenden lassen. Die Last des Krieges haben wir, der Papst, die Ve- 
netianer getragen. Jetzt will er, der nichts getan hat, den Gewinn 
davon ziehen.» Doch kommt es nicht zum förmlichen Streite. Eine an- 


' M. Schinner, 


250 
dere Gresandtschaft des heiligen Vaters Julius und der Kardinäle trifft 
ein. Sie bringt den Eidgenossen den Ehrentitel: «Befreier der Kirche.» 
Willkommen ist ihnen derselbe, willkommen der Beisatz: Sie mögen 
bitten, was sie wollen, das Heiligste soll ihnen gewährt sein. Der 
grüssere Teil, ja alle bitten um das Recht, das Bild des Gekreuzigten 
im Banner zu führen, die Glarner wünschen dasjenige des Auferstandenen. 
Am Ende erfolgt der Beschluss, Maximilian, den Sohn Ludwigs, auf 
den väterlichen Tron zurückzuführen. 

Ausführlicher würde ich dir geschrieben haben, mein geliebter Vadian, 
denn nicht der hundertste Teil ist dieses, hätten nicht dringende Ge— 
schäfte mich abgehalten. Beurteile den hingeworfenen Brief mit Nach- 
sicht, er musste die Arbeit von nicht mehr als drei Stunden sein.« 


105. Papſt Julius II. verleiht den Schweizern den Titel 
„Berteidiger der Freiheit der Kirche“. 5. Juli 1512. 


Die Tat. Bulle in den Abjchieden III. 2. S. 632 fi. 


Julius, Bischof, Knecht der Knechte Gottes, zu ewigem Gedächtnis 
dieser Sache. Wenn auch die römischen Päpste allen Getreuen und 
Ergebenen des apostolischen Stuhls ihre milden Gaben willig darzureichen 
gewohnt sind, erachten wir es doch wahrlich für würdig, ja wahrlich 
gebührend, dass denjenigen, welche für die Beschirmung der Freiheit 
der Kirche und ganz Italiens mit ausserordentlicher Begierde und Er- 
gebenheit, mit allen Kräften und aller Anstrengung Leib und Leben 
preiszugeben sich nicht gescheut haben, das mit um so freigebigerm Ge- 
müte gewährt werde, wodurch ihnen Ehre und Ruhm zu Teil wird und 
die Zeichen ihrer Tugenden und Verdienste überall gezeigt werden, 
auch sie selbst hiedurch um so inbrünstiger in gewohnter Treue und Er- 
gebenheit beharren, uud andere, durch ihr Beispiel angereizt, ermuntert 
werden, dem vorgenannten Stuhl treuen Gehorsam zu leisten, da man 
weiss, dass sie von demselben Stuhl grössere Beweise seiner Freigebigkeit 
empfangen haben. Da also neulich auf Anstiften des Säers böser Werke, 
welcher die Verkehrten ' und die Feinde der christlichen Religion unter- 
stützt, dem die der Verderbnis verfallenen Menschen dienen, die rö- 
mische Kirche von einem unheilvollen und verderblichen Schisma und 
ganz Italien von Wirren und vom häftesten Joche der Parteien heim- 
gesucht wurden und es nicht ohne Grund fürchtete, dass es Tag für Tag 
mehr heimgesucht und dass das ungenähte Gewand des Gottessohnes 
zerrissen werde und der Nachen Petri versinke, da haben unsere ge- 
liebten Söhne, die Schweizer [Helvetii] in unserem und des vorgenannten 


! Ich folge hier der Übersetzung Anshelms, da das im Original stehende perver- 
seque keinen rechten Sinn gibt. 


260 


Stubles Solde, kriegend unsere Bundesgenossen, so unerschrocken,, herr- 
lich, tapfer und ruhmvoll alle Hindernisse überwunden und (refahren 
verachtet und sich als treue Helden so löblich und trefllich gehalten. 
dass niemand zweifelt, dass durch ihre Stärke, Treue und Kraft, indem 
ihnen zleichsam die Rechte des Herrn voranging, fast in einen Augenblick 
das vorgenannte Schisma zerstoben, die Freiheit der Kirche wieder ge- 
wonnen, und Italien von dem unerträglichen Joche der Knechtschaft 
befreit worden ist. Den Fussstapfen der römischen Päpste. unserer Vor- 
gänger, folgend, welche diejenigen, die sich gegen die vorgenannte Kirche 
wohl verhalten, mit Ehren erhöht und mit ausgezeichneten Beinamen ge- 
schmückt haben, zu eigenem Lob und ihrem Rulhme und zum Zeugnis 
der Dankbarkeit der römischen Kirche, und von dem Wunsche beseelt, 
den vorgenannten Schweizern nach ihrem Verdienste angemessenen Dank 
zu beweisen, bezeichnen und schmücken wir nach dem Rat unserer ehr- 
würdigen Brüder, der Kardinäle der heiligen römischen Kirche, und aus 
apostolischer Machtvollkommenheit die vorgenannten Schweizer mit dem 
Titel und der Ehre der „Beschirmer der Freiheit der Kirche‘ |defen- 
sores ecelesiastic# libertatis]| und wollen und erkennen, dass sie auf 
ewige Zeiten Beschirmer der Freiheit der Kirche genannt und geheissen 
werden, und verleihen und spenden ilnen nach dem Rat derselben 
Brüder und aus derselben Machtvollkommenheit in Wahrheit zum Zei- 
chen ihrer Treue und Tugenden zwei Fahnen, Banner genannt, für die 
zwölf Gegenden oder Teile, welche sie selbst Kantone heissen, mit un- 
sern und der vorgenannten Kirche Schlüsseln, Wappen und Abzeichen, 
deren sie sich auf ewig bedienen und erfreuen mögen, und welche wir 
durch unsern geliebten Sohn Matthäus, des Titels Priester von St. Poten- 
tiana, Kardinal, unsern Legaten a Latere' in den lombardischen Landen, 
ihnen zuzustellen in andern Briefen von uns befohlen haben. So mögen 
die vorgenannten Schweizer, vom Guten zum Bessern [fortschreitend], 
unter dem Beistand der göttlichen Gnade auch in Zukunft löblich han- 
deln und Schutz und Schirm der vorgenannten römischen Kirche, ihrer 
Mutter, auf sich nehmen und sich befleissen, dass sie ausser unserem 
und des genannten Stuhles Segen und Dank vom Spender der himm- 
lischen Gaben den Ruhm ewiger Seligkeit und auf Erden unvergäng- 
liches Lob erwerben. 


! Legaten a latere sind Kardinäle, welche von der Seite (a latere) des Papstes 
abgeschickt werden, um bei besonderen Veranlassungen die Stelle des Oberhauptes 
der Kirche zu vertreten. 


261 



































106. Eine ſchweizeriſche Tagfakımg zur Zeit der Machthöhe der 
Eidgenoflenfchaft. Auguſt / September 1512. 


I. Baden. 11. Auguft 1512. 
Abſchiede IIL.2. ©. 638 fi. 


a. Auf diefem Tage ift der Baillif [Yandvogt] von Yothringen er- 
jhienen und hat im Namen feines Fürften angebradht: Es gebe die Nede, 
daß einige Eidgenoffen durch defien Gebiet dem König von Frankreich zuziehen 
und daß der Fürſt ihnen biefür Durchpaß geftattet habe. Yetteres jei unrichtig, 
der Durchzug jei wider jein Wiffen und Willen gejchehen und er habe, jobald 
er davon Bericht erhalten, . gegen ſolchen Durchzug ftrenge Verbote erlaffen 
und auch eimige jeiner Untertanen, die deſſen ungeachtet nad) Frankreich ziehen 
wollten, gefangen gelegt und werde fie ftrafen. Er bitte daher die Eidgenoſſen, 
ihn für entſchuldigt zu halten und zu glauben, daß er jich Feineswegs gegen 
fie jegen wolle. Ferner werde geredet, es befinde fich fein Bruder beim König 
von Frankreich. Das jei wahr; bei der Teilung der Yandjchaft jet nämlich 
jeinem Bruder derjenige Teil zugefallen, welcher von dem König von Frankreich 
lehubar jei, weshalb derjelbe jich feiner Yehenspflicht nicht entziehen fünne, 
was der Herzog die Eidgenojjen zu bedenfen bitte. 


b. Der Papſt bat eine löbliche Eidgenoffenfchaft um ihre getreuen guten 
Dienfte ehrenvoll begabet, nämlich mit einem Schwert, Hut! und zwei 
Banner, mit Freiheiten nach Inhalt der Bulle, Man jell auf nächſtem Tag 
entjcheiden, wo man diefe Gejchenfe zu gemeiner Eidgenojjenichaft Handen 
verwahren wolle. 


c. Auf diefem Tag ijt eine Botjchaft des Königs von Spanien er: 
ihienen mit dem Begehren, die Eidgenofjen möchten in den Bund mit den 
Bapjt, dem König von Spanien und der Herrichaft Venedig eintreten und 
denjelben auf ewig, oder wenn diejes nicht fein möchte, auf drei Jahre oder 
auf jo lange, als der Bımd zwifchen den drei genannten währe, abichliegen. 
Auch möchten die Eidgenoffen trachten, den Streit zwiſchen kaiſerlicher Majeftät 
und Venedig zu vergleichen, damit dann alle fünf Staaten in Einung und 
Bündnis mit einander treten fünnten. Man möchte diefen Gegenftand be- 
förderlich in Behandlung nehmen, denn der König von Spanien liege mit jo 
ihweren Koſten zu Felde, daß es ihm beinahe unerträglich ſei. 


' Durch die Verleihung von Schwert uud Hut, den Abzeichen höchſter ftaatlicher Wiirde, 
anerlannte der Papſt ſinnbildlich die im Schwabenkrieg errungeue ſtaatliche Selbſtändigkeit 
der Schweiz. S. Giſi, Anteil der Eidgenoſſen an der europäiſchen Politik. S. 63. 


262 


d. Ferner ift erichienen eine Berichaft des Herzog® von Savoyen, der 
Dechant von Colmar, und bat begebrt, die Aufrichtung der Vereinung zwiſchen 
den Eidgenoiten und dem Herzog möchte befördert werden. Dabei bat jie den 
Herzog verantiwertet wegen der Rede, daß er dem König von Frankreich wider 
uns anbange und demtielben Beiftand tue, mit weiterm Begehren, man möchte 
ibm erlauben, zwichen dem Konig und uns einen Frieden zu unterhandeln, 
es geichebe das mit gutem Sillen und in guten Treuen. Darüber will man 
auf dem näciten Tage Anmrert geben. e. Derielbe javegice Bete bat unterm 
anderm angezogen, der Kardinal ren Zitten liege mit den rüpftlichen Truppen 
un Yande Zaroren, mas cbne Schaden der armen Yeute daſelbſt micht abgebe. 
Auf fein Begebdren wird dem Kardinal geichrieben, er möchte jene Truppen 
anderswebin verizgen und tvericrgen, daß Die, welche durch Savoyen ziehen, 
gebubriih bezetlen und Die Leute dajelbn nicht beichädigen, denn der Herzog 
bobe ums bderens eine greke Zumme Geldes gegeben und müſſe noch mehr 
geten Sena man feine Untertanen jo beichidigt würden, jo wäre er außer 
Zterte, kınza Terrflibtungen nadbzutenmen. Die Veten, welche der Büchſen 
men som Cardiral ven Zitten geben, fclen ibm vieles auch mimdlich 


(Senf zu bringen wire. Da mın daraus großen Nuten 
gz zizder bez, Fo wird mit den Kürten des Kaifers Darüber geredet. Dieje 
sr Derumommen, den Segenftand an farrertibe Mateitit zu bringen in der 
3. 08 werde vom ibrer Zeite amidige Aummert felgen. Die ſpaniſche 
> zutrrtde Beriduft, mi denen iesfslis auch geredet werden ift, find 
* 


g. Es Mt mc Anzug gefallen bezüglich der Meñe von Won, wie dieſelbe 


Ir 


J 


b Die kaiſerticden Rate beden bdegedtt. „mir ihnen niederzufitzen und 
bh Burgund Asia zu on“ auch auf kaüerliche Majeſtät 


wenn: — ib ar or 10% : 
Kreis ums en zu daben bee of — wir ſeien zu dieſer Zeit 
— — ir at M vor sure Kaarye R 

az ame eitärten laden un) been Sau fette Ielimacht, wellten aber 
2 Bexiören — und auf garten I Anmert geben. 


L „an de mh Erohrun Des Sermurms Watland Meier Tag all- 
re an DE Er Dan see RI ze eier und fach zu eutkhliehen, 
m ms FM he ne Der az ers ser Wand in dasſelbe 
I digen wi a re Besen ar) Veoezbeswer auf vergebaltenen 


Eee -α. Safran Sum Tas Se zu Baden erichienen 
ee Eee ne U SE Ds Dee Railand ehren— 


BEE EL EN Re Ra Der DE Sr N AND RTL 
— a RL Pt ae derfaßt und beider: 
ea a We ar ae Eee rs To Tewfelbe 
RATTE ED TE Der I Der dieſelben vor⸗ 





zubringen, fi) darüber zu beraten, und auf den Tag, fo darum auf Sonntag 
nah St. Verenatag 5. Sept.] nächſt, nachts, wiederum hie zu Baden in der 
Herberge zu fein angefegt ift, endgültig zu antworten und die Dinge zu be- 
ihließen, angejeben, daß der Handel feinen langen Verzug leiden mag, wie 
die Boten das wiſſen zu jagen." Man ſoll auf den angejegten Tag alle 
Kapitel, neue und alte, welche zwiichen den Herzogen von Mailand und uns 
Eidgenofjen bisher gewejen find, herbringen, damit man diejelben einjehen 
und daraus ziehen möge, was den jetigen Verhältniſſen angemeſſen zu fein jeheint. 


k. Eine Botichaft der Herrichaft Venedig hat bei uns um ein Bündnis 
geworben ; wir haben geantwortet, wir jeien mit faijerlicher Majeftät in Ver: 
einung, und da diefe und Venedig noch etwas Widerwärtigfeit gegeneinander 
haben, jo fönnen wir, bevor dieje ausgetragen, in feine VBereinung mit Venedig 
treten. Wir haben aber unſere Vermittelung angetragen und die faijerliche 
Borihaft habe übernommen, diefen Antrag an ihre Herren zu bringen und 
auf den nächjten Tag zu antworten. Deshalb möge der venetianiſche Gejandte 
dieje Meinung auch an jeine Herrichaft berichten; denn jobald wir von beiden 
Parteien die Einwilligung haben, werden wir mit allem Fleiße an das Wert 
gehen, und gelinge der Verſuch, jo werde Venedig auch der Vereinung halb 
gute Antwort finden. 


263 


I. Baden, 6. September 1512. 
Abſchiede IIL2. 3.647. 


a. Der Herzog von Yothringen hat ſich abermals ſchriftlich anerboten, 
zwiichen den Eidgenoffen und dem König von Frankreich über einen Frieden 
zu unterhandeln. Man hat ihm von diefem Tag aus freundlich gedankt, aber 
weiter nichts geantwortet, als man hoffe, daß mit der Zeit die Sache, jo 
Gott wolle, jich auf irgend einem Wege zu Frieden und Ruhe wenden werde, 


g. Die jpanifhen nnd venetianijchen Voten werden mit ihrem 
auf festem Tag getanen Anbringen mit freundlichen Worten abgefertigt: Wir 
Eidgenofjen jeien in Vereinung mit dem römijchen Kaiſer und dem Papit und 
gegen den König von Frankreich „mit merflichen Geſchäften beladen“, weshalb 
uns zu diefer Zeit nicht füglich fei, weitere Vereinungen zu machen. 


h. „Darauf hat der ſpaniſche Bote angebracht, des erjten, daß es nicht 
der Wille feiner Päpftlichen Heiligfeit, Faiferlicher Majeftät, jeines Herrn und 
Königs und der Venediger ei, Herzog Marimilian einzufegen, jondern Herzog 
Karl !; darum wolle fein König die 300,000 Dufaten Koſten geben und fortan 





I Den nachmaligen Karl V., den Enfel Kaiſer Marimilians und König Ferdinands 
von Spanien, 





264 


jährlich 50,000 Dulaten Benfion dazu, diemeil mir Eidgenoffen Krieg mit 
den Franzoſen haben, [damit wir] ums alsdann in den heiligen Bund jchiden 
und über den König von Frankreich ziehen, denn fie jeien Willens, ihn aus 
aller Welt zu treiben; darum wolle jein Herr und König uns eine Penſion 
geben, wie päpftl. Ht., und daß wir jolches Anerbieten ſchriftlich abfaſſen. 
Sit man bei voriger Antwort geblieben, doch hat man diefe Meinung beim: 
zubringen angenommen. 


k. Als päpftlicher Bote ift ein Auditor der Rota erjchtenen und hat 
vier Artifel angebradt: 1. Der Papſt mahne uns höchlich, weder durd den 
Herzog von Savoyen, nod) andere dem König von Frankreich Gehör zu geben, 
2. Der Papft begehre, da er noch einige Gejchäfte in Italien habe, eine An- 
zahl unferer Knechte in feinen Dienft zu nehmen und habe jelbe von unjern 
Hauptleuten im Feld verlangt, die aber hiefür feine Vollmacht hätten. Da 
die Sache Eile habe, jo möchten wir jenen Gewalt geben, jeiner Heiligfeit zu 
entiprechen ; die Knechte werden nur gegen den Herzog von Ferrara gebraucht 
werden. 3. Er vernehme, wir Eidgenoffen ſeien im Handel, den Herzog 
Marimilian in Mailand einzufegen; da der Bote nicht wilfe, ob dies der 
Wille des Papſtes jei, jo möchte man die Sache verjchieben; wäre das aber 
nicht möglich, wenigſtens die Städte Parma und Piacenza, die der Papit als 
Gut der Kirche eingenommen, vorbehalten; geſchähe diejes nicht, jo proteftirt 
er auf diefen Fall jchriftlich und verfichert, die Ungnade des Papftes werde 
folgen. Zollte nichts deſto weniger die Einfegung Marimilians erfolgen, jo 
möchte man ibm doch zur Bedingung ftellen, daß er diefer Städte wegen die 
Kirche niemals befeinde oder bekümmere. 4. Bezüglich der ausftehenden Sölde 
derer, die in päpftlichem Dienft geitanden, hat der Bote nach vielen Worten, 
dar der Papſt nichts ſchuldig jei, erflärt, jeiner Deiligfeit wolle das uns Eid- 
genoffen zum Enticheid anbeimiegen, boffend, wir werden zu gleichem Schluſſe 
fommten. 


m. Die Boten, welche von Mailand herausgefommen, haben verlangt, 
daß jeder Ort 50 Gulden für Erbauung ven Schanzen ꝛc. nah Lauis 
[Yugano) ſchicke. Es wird beſchloſſen, daß diejes Geld auf den Tag zu Yuzern 
gefertigt werden joll, Damit es ohne Verzug bineinfomme. Auch joll auf Freitag 
nach Matthäi jeder Ort zwei Zentner Pulver zu Uri haben. 

n. Auf diefem Tag find erichienen Faiferlicher Majeftät Boten, Herr 
Hans von Yandau, Dar Ulrich von Habsperg, Rudolf von 
Blumenegg und Jobannes Storch ımd haben im Namen des Kaifers 
verlangt, daß wir Gidgenoffen feine Vereinigung mit den Venedigern, Die 
gegen ibn in Feindſchaft ftehen, machen, dagegen mögen wir wohl mit dem 
bi. Bund an dem Vermittlungsverfuch Teil nehmen. Bezüglich der Einjegung 
Herzog Maximilians in Mailand fajfe der Kaiſer das gejcheben, doch jo, daß 


z un — me 
er 
F 


265 


er nicht als Herzog, jondern nur als Gubernator eingefett werde Dis zum 
Reichstag, der auf nächite hl. drei Könige fein werde und mo ferner über die 
Sache werde gehandelt werden. Was wir der Kriegsfoften wegen handeln, 
taffe faiferliche Majeftät geichehen; aber der drei Pläge Yauis, Yuggarıs und 
Domo wegen begehre er, daß bis zum Neichstag nicht vorgefahren werde. 
Bezüglich eines Zuges nad) Burgund haben die Boten abermals Vollmacht, 
mit uns darüber zu verhandeln. Auch begehrt der Kaijer, daß wir mit dem 
König von Spanien eine Vereinung eingehen möchten und entjchufdigt ſich 
betreffend die Heirat zwijchen Erzherzog Philipp und der Tochter des Königs 
von Franfreih. — Man bat das Verlangen erneuert, daß der Kaiſer den 
Yandsfnechten verbiete, zum Künig von Frankreich zu ziehen, und daR er die, 
welche bereits dort jind, abfordere. Einen Zug nach Frankreich zu tun, hat 
man zur Zeit mit freundlichen Worten abgeichlagen. 


p. Unjere Bundesgenoffen vom Wallis haben begehrt, daß wir, wenn 
wir Penfionen oder Ktoftenerjag erhielten, jie bedenken möchten ; unſere Bundes— 
genoffen, die Bündner, welche Beltlin und Eleven innehaben, begehren, 
dak man fie dabei bleiben faffe, zumal das Gotteshaus Chur da Gerechtig: 
feiten habe, wofür es auch lange Zeit eine Penfion von 300 Gulden gehabt 
babe. Es wird auf Hinterfichbringen mit ihnen verabjchiedet, daR, wofern jie 
die beiden Herrichaften wieder zu dem Herzogtum kommen lafjen, man ihnen 
von der Penſion jährlich 1000 Dufaten zutommen Taffen und daran fein wolle, 
daß dem Gotteshaus Chur jeine Penfion auch gebeffert werde, fo daß der, 
welcher das Yand inmehabe, ihm jährlich 400 Gulden gebe. 


r. Dem römifchen Boten ift geantwortet, bisher haben die Obrigkeiten 
feine Vollmacht gegeben, dem König von Frankreich zu „loſen“; was ihnen 
fürderhin gefallen werde, möge man nicht willen. Das Begehren des Papites 
um Knechte gegen den Herzog von Ferrara wolle man heimbringen, 

s. Alle unfere Herrſchaften! begehren, wenn wir bei einem Frieden Penfion 
und Kriegsfoftenerfag erhalten, möchten wir fie daran auch teilnehmen laſſen. 
Das will man heimbringen. 

t. „Schwert, Barmer, Hut und Bullen find geteilt, wie ſolches die Boten 
willen. * 

y. Artikel und Abredung zwiichen der Mailändiichen Botichaft 
und uns Eidgenojjen, auf dem Tag zu Baden an Marti Geburtstag 
18. Sept.) verfaßt: 

1. Wir Eidgenoſſen wollen, wie ſchon auf dem vorigen Tag angegeben, 
die Herrſchaften Lauis [Yugano|, Luggarus Locarno) und Domo d'Oſſola) 


Nämlich die gemeinen Untertanenländer. 


266 


mit aller Zubehörde, wie fie von After her befeffen worden, nichts aus- 
genommen. — — 

2. Der Herzog oder der Staat von Mailand foll uns an unsere Roften 
und Mihe 150,000 Dufaten geben, 25,000 auf den 1. Januar nächithin und 
fortan jedes Jahr ebenfo viel, bis die ganze Summe bezahlt ift. 

3. Soll und der Herzog und der Staat von Mailand auf ewige Zeiten 
jährlih auf 1. Januar 40,000 Dufaten Penfion nad Züri oder Yuzern 
legen. Die erſte Penfion verfällt vom 1. Januar nächſthin über ein Jahr. 

4. Wir Eidgenoffen und die Unfern jollen im ganzen Herzogtum Mai- 
land bis an den Stadtgraben zu Mailand zollfrei fein nad Mafgabe der 
alten Kapitel. — — 

5. Dagegen jollen wir Eidgenofjen den Herzog und das Herzogtum 
ſchirmen und ihnen auf Begehren Hilfe leiften nach Notdurft; doch ſoll er der 
Hilfsmannſchaft Sold geben, wie folgt: einem Hauptmann 10, einem Yütiner ! 
6, einem Venner 6 Sölde, für einen einfachen Sold 4'/, Gulden... Bruch— 
zahlen zwiichen Auszug und Heimfehr für ganze Monate gerechnet. 

6. Wenn wir Eidgenoffen jelbjt mit ſchweren und großen Kriegen oder 
Gejhäften beladen wären, jo follen wir jolher Hilfleiftung ledig fein. Auch 
ſoll dieſelbe ſtets von uns verlangt und das Annehmen von Knechten ohne 
unjer Wilfen und Willen nicht geftattet fein. 

7. Wenn wir des Herzogs Hilfe zu unfern Kriegen bedürfen, jo joll er 
uns mit 500 Pferden, zur Hälfte jchweren, zur Hälfte leichten, in feinen 
eigenen Koften beiftehen. 


107. Die Belagerung von Movara. Iumi 1513. 


Aus Pauli Jovii Historiae sui temporis, Bafel 1567. I. 361 ff., Buch XI. 


Paolo Giovio [lat. Paulus Jovius], 1483— 1552, seit 1516 in Rom lebend, erbielt 
durch die Gunst der Päpste Musse, um in einem grossen lateinischen Werke die Ge- 
schichte seiner Zeit zu schreiben, wobei er am römischen Hofe Gelegenheit hatte, seine 
Notizen aus dem Mund der vornehmsten Teilnehmer und Augenzeugen zu schöpfen. So 
verfasste er seinen Bericht über die Schlacht von Novara nach den Mitteilungen, welche 
ihm die beiden französischen Feldherrn Tremoille und Trivulzio machten. 


N N die Schweizer von den Rüstungen und dem Alpenübergang 
der Franzosen Kunde erhielten, sagen sie eine Tagsatzung 
an, geben ihre Meinungen ab und sind mit wunderbarer Ein- 
stimmigkeit aller Orte der Ansicht, Sforza sei um jeden Preis 
zu AAN Die allerentschlossensten Männer werden zu Hauptleuten 
für den zu führenden Krieg gewählt, vor allem Zohensax, erlaucht durch 





Lieutenant. 


er 


267 


seinen alten Adel und damals wegen der Vertreibung der Franzosen aus 
Italien in vorzüglichem Ruhme strahlend, welche mit fliegenden Fahnen 
alsbald nach Italien eilen. Überall werden Krieger eingeschrieben, obgleich 
kein Sold geboten wird und kein Geld vorhanden ist, was niemals vorher 
geschehen war, indem sie mit solcher Lust ihre Namen gaben, dass es 
wunderbar scheinen konnte, dass der neue, das alte Bündnis treuer 
Frenndschaft bedeckende Hass so stark geworden war.... Zu allererst 
überschritten die Anführer von Uri, Schwiz und Unterwalden, welche 
sie Ammänner nennen, als die nächsten an Italien, die Alpen, angetrieben 
durch die besondere Sorge auch um ihre eigenen Besitzungen. Denn indem 
sie in den frühern Kriegen den Franzosen Bellinzona entrissen und jüngst 
Lugano besetzt, hatten sie ihre Oberherrlichkeit nach Italien ausgedehnt, 
welche sie sowohl des grossen Vorteils, als auch des öffentlichen Ansehens 
halber um jeden Preis bewahren zu müssen glaubten. Diesen folgten in 
zusammenhängendem Zuge die übrigen Scharen aus Glarus, Zug, Luzern, 
Schaffhausen und endlich nach einiger Zeit die Banner der Zürcher 
und Berner, der angesehensten und mächtigsten Orte. Im letzten Zug, 
bei welchem sich 5000 auserlesene Fussknechte befanden, war Hohensax, 
welchem man befohlen hatte, wegen der Anordnungen hinsichtlich der 
Lebensmittel auf dem Marsche, soweit es auf kurzem Wege geschehen 
könne, durch Graubünden zu eilen. — — 

Zur gleichen Zeit war Sforza, bestürzt über die ungünstigen Berichte 
von dem wankenden Ligurien und durch den unerwarteten Abfall des 
Saecamoro Visconti ', mit den ersten Scharen der Schweizer nach Novara 
geeilt, um in der zuverlässigen Stadt sicher vor Verrat die ankommenden 
Heerhaufen zu erwarten. . . Schon flogen die französischen Feldherrn von 
Turin zur Belagerung Novaras herbei. . . . Mit grossem Aufwand von 
Geschütz wurden die Mauern von Novara beschossen, eben so sehr zum 
grossen Schrecken der Bürger, wie zur merklichen Fröhlichkeit der 
Schweizer. Denn diese verachteten mit seltener Einstimmigkeit und un- 
erschrockenen Gemütes, wiewohl die Mauer niedergeschossen und weithin 
offen war, die Stärke des so grossen, wohlversehenen Heeres und die 
Drohungen der Franzosen so sehr, dass sie erklärten, sie werden inwendig 
keinen Wall, wie sonst Kriegsbrauch ist, und durchaus keinerlei Schutz- 
wehren errichten, um den Ansturm des angreifenden Feindes aufzuhalten. 
Umsonst beschwor sie Silvio Sabello, sie möchten wenigstens gestatten, 
dass durch die Hände der italienischen Soldaten und der Bürger hinter 
dem eingestürzten Mauerstück ein Quergraben gezogen werde. Das Gleiche 
forderten auch die übrigen kriegskundigen Grossen Sforzas. Aber mit 
stolzer Stirne wiesen sie diese Bitten zurück, und Jordian von Unter- 
walden, ein Hauptmann von trefflichem hohem Mute, wandte sich zu ihnen 
und sprach: «Höret auf, erlauchte Männer, euch zu fürchten und über 
den Ausgang des Krieges so bekümmert zu sein. ... Wenn nur die 
mit eitelm Prahlen so tapfern Franzosen so viel Mut und Kampflust 
haben, dass sie es wagen, näher heranzukommen und durch die offene 


' Saccamoro Visconti, der militärische Befehlshaber in Mailand, erklärte sich für 
den König von Frankreich. 


268 


Mauer hereinzudringen!» Sie werden dann erfahren, wie die schweizerischen 
Heerscharen die Feinde zu empfangen pflegen.» Um die Kühnheit der 
Franzosen, welche in Schlachtordnung vorgerückt waren und prahlten, 
sobald das Zeichen gegeben würde, werden sie stürmen und keinen ver- 
schonen, zu verlachen und zu verspotten, verhingen sie sogar die Lücken 
der niedergeworfenen Mauer mit Betttüchern, die sie an Querstangen 
aufspannten, so dass die in der Stadt herumgehenden Krieger und die 
Wachestehenden weder vom Feinde erblickt, noch daher mit sicherm 
Schusse von den kleinern Geschützen auf sie gezielt werden konnte. 
Gleich darauf schickten sie einen Trompeter, der die sichernden Abzeichen 
eines friedlichen Unterhändlers zur Schau trug, mit einer Botschaft zu 
den Befehlshabern der Feinde. Die Schweizer baten nämlich nicht un- 
passend zum Scherz, die französischen Geschützmeister möchten doch 
das Abschiessen der Geschütze einstellen, um so viel unnütze Kosten für 
Schwefel, Pulver und Kugeln zu sparen; da die weithin niedergeschossenen 
Mauern denen, die stürmen wollten, nicht bloss an einem Orte einen Zu- 
gang zu ebener Erde böten, und drinnen keinerlei Schutzwehren, welche 
selbst die in gevierter Ordnung Eindringenden aufhalten könnten, errichtet 
und zugerüstet seien. Daher sollten sie, sicher vor jedem Hinterhalt, 
worauf die Schweizer, auf die wahre Tapferkeit vertrauend, ganz und 
gar nicht bauten, wenn die Franzosen und Deutschen Männer seien, 
Waffen und Gemüter in Bereitschaft setzen, um sich unter den günstigsten 
Bedingungen mit den wenigen Truppen zu messen, bevor die stärkern 
Hilfsscharen ihres Volkes, welche nicht mehr ferne seien, ihnen zu un- 
gelegener Zeit einträfen. 

Darauf erwiederte Trirulzio strenge: Die Schweizer, die sonst zu 
ihrem Vorteil nirgends unverschämt oder töricht zu sein pflegten, würden 
recht und klug tun, wenn sie aufhörten, für den seiner Städte beraubten 
und von seinen Freunden und Verbündeten verlassenen Sforza zu kämpfen 
und zu toben. . . . Sie sollten, wenn sie bei Verstande wären und für 
Weib und Kind gut sorgen wollten, was er wegen seiner besondern 
Freundschaft und wohlwollenden Gesinnung gegen ihr Volk sehr wünsche, 
der alten und neuen Freundschaft mit den Franzosen eingedenk sein 
und zur rechten Zeit sich umsehen, ob ihnen, die zwischen ihren schnee- 
bedeckten Alpen fast aller Dinge ermangelten, anderswoher, als aus 
Frankreich, im Krieg und im Frieden regelmässige und überreiche Jahr- 
gelder zufliessen werden. «Was,» sagte er, «wird aus den Plänen derer, 
welche so hartnäckig und töricht wüten, werden, wenn wir den Krieg 
in die Länge ziehen wollen, da wir an Zufluss von Lebensmitteln und 
Geld, was euch beides eben mangelt, an Völkern, die zur Treue zurück- 
kehren, Überfluss haben. Auch hätte ich nicht geglaubt, dass sie so un- 
sinnig wären und ihr Leben so wenig achten würden, dass sie uns, die - 
wir mit verschanztem Lager bewehrt, mit so viel Geschützen und mit 
den stärksten Hilfstruppen der Deutschen und Gaskogner versehen und 
durch so grosse Reiterei verstärkt sind, lieber angreifen und auf der 
Stelle die Strafe für die wilde Unbesonnenheit bezahlen, als mit dreifachem 
Sold und sichern und reichen Geschenken zu den Frauen nach Hause 
kehren wollen; was alles im Überfluss sofort auf königliches Wort er- 
folgen würde, wenn sie den Sforza, wie sie vorher mit Recht seinen anf 





Erden verhassten und im Himmel verdammten Vater überliefert haben, 
sogleich in seine Hände lieferten oder ihn durch sichere Übergabe der 
Stadt und Wegziehen der Besatzung seinem Schicksal überliessen.» Nachdem 
der Trompeter dies zurückzumelden geheissen und mit Geld beschenkt 
worden, kehrte er zu den Seinigen in die Stadt zurück. 

Als aber diese Antwort den Führern berichtet wurde und sich als- 
bald durch die einzelnen Scharen verbreitete, konnten die Hauptleute und 
Venner, weit davon entfernt, dass irgend einer davon beunruhigt worden 
wäre, sich vor wilder Tapferkeit, wie sie diesen kühnen Herzen an- 
geboren und anerzogen war, kaum eines Ausfalls enthalten; wiewohl 
einige, wie man glaubt, vom französischen Gelde bestochen, in ihrer 
Meinung schwankten und auseinander setzten: Vorsichtige und Viel- 
beschäftigte müssten die sichern Belohnungen des angebotenen Friedens 
einem so zweifelhaften und so schweren Kriege vorziehen. Darauf legte 
sich nämlich Trivulzio mit allem Fleisse, die Wildheit der Hartnäckigen 
durch geheime Spenden teilweise zu besänftigen. — — 

Unterdessen wird dem von grosser Sorge gequälten und bei jedem 
Gerücht sich fürchtenden Maximilian gemeldet, die Hilfe der Schweizer 
sei in den genannten Zügen im Anmarsch, Hohensax aber sei auf der 
Strasse von ('omo nach Gallarate gelangt.... Gleichzeitig erhalten auch 
Tremoille und Trivulzio über den Anmarsch der Feinde durch Späher Kunde. 
Es wird daher ein Kriegsrat zusammenberufen und in bündigen Worten bei 
der Beratung gestritten, ob es vorteilhaft sei, das Lager rückwärts zu ver- 
legen und es weiter von der Stadt an sicherem Orte aufzuschlagen oder mit 
dem leicht beweglichen Teil des Heeres die neuen Feinde, während sie ohne 
(Geschütz, ohne Reiter in aufgelöstem Zuge herbei eilten, im offenen Felde 
anzugreifen. Dieser Meinung war insbesondere Robert von NSedan, während 
Tremoille, unentschieden, sie nicht abwies. . . . Aber Trivulzio, der vor 
der neuen Kraft des hartnäckigen und feurigen Volkes zurückscheute, 
bewies, dass jede Entscheidung durch ein Treffen vermieden werden 
müsse, weil für den gehofften siegreichen Ausgang nachteilig oder sicherlich 
nicht notwendig. «Die unbändigen Kräfte,» sagte er, «welche mit dem 
wuchtigsten Angriff nicht ohne viel Blut und Verlust durchbrochen werden 
können, lösen sich meist durch nützliches Hinhalten und sicheres Zögern 
auf. Das wird uns zu grossem Vorteil geschehen, wenn wir das Lager 
von hier nach dem Flecken Riotta, etwa eine Stunde von der Stadt, 
verlegen.». . . Nichts schien von einem so grossen Feldherrn, welcher 
an Erfahrung in den italienischen Angelegenheiten, an Kenntnis der 
Gegend and Ehre des Alters die Franzosen übertraf, ohne Überlegung 
versichert zu werden, zumal da er urteilte, das Lager sollte auf seinen 
Gütern, in einer ihm bekannten und eigen zugehörigen Wiese am Mora- 
flusse aufgeschlagen werden. Deshalb schwieg Sedan, und selbst die 
Tapfern und Kampfbegierigen traten der Ansicht Trivulzios bei. Daher 
machten sie mit Vermeidung jedes (reräusches alles zum Aufbruch bereit, 
liessen von der Belagerung ab und steckten das Lager bei Riotta aus. 


270 | 


108. Die Schlacht bei Movara. 6. Iumi 1513. 


Jovü Hist. I. ©. 371 fi. 


So gelangten die Schweizer, ohne dass sie auf dem Marsche einen 
Feind, der ihnen entgegengerückt wäre, erblickten, nach Novara unter 
lautem Jubel und zur grossen Freude aller. Als sie, reichlich mit Wein 
beschenkt, gefrühstückt hatten und kaum eine Stunde Frist der Ruhe 
gegönnt worden war, gingen die neuen Hanptleute in den Rat. Denn 
die frühern, welche vorher zugeschaut hatten, wie die Feinde zurück- 
gingen und die Geschütze wegführten, hatten schon vernommen, dass 
sie sich bei Riotta gelagert hätten, und, von den Eingeborenen über die 
Beschaffenheit des Ortes, die Lage der Felder, die Untiefe, das Ufer und 
die Biegungen des hinströmenden Flusses unterrichtet, waren sie der 
Ansicht, man solle, bevor die Feinde weiter von der Stadt zurückwichen, 
sofort tapfern Mutes den Angriff auf das Lager wagen. ... Denn sie 
hatten erfahren, dass andere französische Heerhaufen und Reitergeschwader 
die Alpen überschritten hätten. Da erhob sich vollends Graf von Zürich, 
ein Mann von hervorragendem Ansehen, und sagte: «Wollet nicht, un- 
besiegte Brüder, durch Verschieben es verschulden, dass der mit kräftigem 
Mute unternommene Plan durch ungelegenes Warten auf Hohensax und 
die Hilfstruppen verdorben werde. Denn derselbe wird namentlich durch 
Schnelligkeit sicher und von glücklichem Ausgange sein. Und nichts 
anderes brauchen wir, wenn wir einen rechten und tüchtigen Beschluss 
fassen, als rasches Handeln, damit wir nicht eine so schöne Gelegenheit, 
welche sich uns darbietet und hoffen lässt, die Sache zu gutem Ende zu 
bringen, aber in einem kurzen Augenblick vereitelt werden kann, träge 
verpassen. Denn auch wenige Scharen von unbezwinglicher Tapferkeit 
werden genügen, um die Feinde zu erdrücken, während sie glauben, wir 
werden nichts wagen, bevor Hohensax zu uns stösst. Machen wir uns 
daher ihren Irrtum zu Nutze und bringen wir über die in sorglosem 
Hochmut und trügerischer Meinung Befangenen durch den unerwarteten 
Angriff unversehens Schrecken, sichere Niederlage und Flucht!» Jetzt 
pflichten alle Hauptleute und Venner bis auf den letzten ohne Zögern 
dem Graf, als er seine Rede schloss, bei; sie fassen mit würdevollem 
Ernst Beschluss über die Art und Weise, die Schlacht zu beginnen; und 
den Soldaten wird befohlen, den Leib mit Speise und Ruhe zu erquicken, 
und nach Mitternacht sich unter den Fahnen zu sammeln; was dann ge- 
schehen sollte, würden die Hauptleute vor dem Morgenrot befehlen !. 


! Guieciardini 8. 553: „Nie fasste die schweizerische Nation einen stolzeren, kühneren 
Entschluss: wenige gegen viele, ohne Reiter und ohne Geschütz gegen ein in diesen 
Dingen äusserst starkes Heer, durch keine Not bewogen, da Novara von der Gefahr 
befreit war und sie auf den nüchsten Tag eine nicht geringe Verstärkung von Soldaten 
erwarteten, zogen sie es aus freien Stücken vor, denjenigen Weg zu versuchen, anf 
welchem die Sicherheit geringer, aber die Hoffnung auf Ruhm grösser war, als den, 
auf welchem ibuen der grösseren Sicherheit halber kleinerer Ruhm zu Teil geworden 
wäre,“ 


Maximilian aber, welcher, ängstlichen und matten Gemütes, das Äusserste 
fürchtete, richtete sich jetzt erst wieder auf und ermannte sich, be- 
wunderte die hellstrahlende Ergebenheit des Volkes gegen sich und seinen 
so feurigen Mut, umarmte die einzelnen Hauptleute und versicherte diesen 
weitläufig, er werde denen, welchen er Herrschaft, Glück und Heil ver- 
danke, es reichlich vergelten. 

Die schweizerischen Anführer aber liessen, indem sie etwas anderes 
vorgaben, als was vorbereitet wurde, die ganze Nacht in der Stadt herum 
Trommeln schlagen, um den Spähern, wenn solche in der Nähe waren, 
den Anschein eines Auszugs zu bieten, und dadurch die Feinde, welche, 
wie man wusste, den ganzen Tag in Waffen gestanden hatten, auch noch 
die Nacht hindurch in Schlachtordnung auf den Pferden zu halten. Im 
übrigen wird allen befohlen, den Körper mit Speise und Schlaf zu stärken 
und das Tageslicht zu erwarten, damit ein jeder seine Tapferkeit im 
schönsten Wettstreit um die Ehre am hellen Sonnenlicht an den Tag 
legen könne; auf der andern Seite aber würden die Feigen nicht unge- 
straft wagen, den Rücken zu wenden oder die Glieder zu verlassen. 
Denn das sind die strengsten Gesetze der Schweizer, dass die, welche 
aus Furcht Schimpfliches und eines tapfern Mannes Unwürdiges versuchen, 
unter den Augen des zuschauenden Heeres von den nächsten Kameraden 
auf der Stelle niedergehauen werden. So siegt die grössere Furcht über 
die kleinere, und aus Furcht vor einem ehrlosen Tode wird ein ehren- 
voller nicht geschent. 

Kurz vor Tagesanbruch wählen die Anführer aus sämtlichen Truppen 
(es betrugen diese gegen 9000 Mann Fussvolk) Tausend von bewährter 
Tapferkeit aus, welche die acht Falkonette ' decken und Maximilian und 
seine Reiter, deren nur wenige, aber vom höchsten Adel waren, begleiten 
sollten. Die übrigen dehnen sich zu zwei Schlachthaufen aus und rücken 
auf verschiedenen Wegen ohne jeden Trommellärm in gänzlich  still- 
schweigendem Zuge gegen den Feind. Aber Trivulzio, welcher, wiewohl 
er für einen Feldherrn von altbewährter Klugheit galt, doch nicht glaubte, 
dass die wenigen und ermüdeten Fusssoldaten vor der Ankunft des 
Hohensax gegen die stärksten Truppen ausrücken oder irgendwie das 
Schlachtenglück versuchen würden, scheuchte, sobald er erfuhr, dass der 
Schlachthaufe der Feinde in Sicht sei, Tremoille und die andern Anführer 
auf, befiehlt, die Trompete zu blasen, die Geschütze gegen den Feind 
zu richten und alles, was er durch Erfahrung und Kriegskunst gelernt 
hatte, für die dringende Gefahr vorzunehmen. So kurz war die Zeit zu- 
gemessen, und so kampfbereit der Mut der Feinde, dass die französischen 
Ritter, welche einen grossen Teil des Tages und der Nacht, auf die 
Befehle gespannt, unter den Waffen gestanden und erst spät, als ge- 
meldet wurde, zu Novara sei alles ruhig, sich in die Zelte zur Ruhe 
zurückgezogen hatten, kaum Zeit hatten, die Rosse anfzuzäumen und die 
Helme anzulegen. Dennoch begegnete die leichte Reiterei, weil rascher 
kampffertig, auf dem ausgedehnten sehr langen linken Flügel noch zu 
rechter Zeit den tausend herankommenden Schweizern, welche zur Ver- 


271 


! Kleine Geschütze, welche 1'/,- bis 2pfündige Kngeln schossen. 


212 
meidung des feindlichen Geschützes, da schon von demselben auf sie ge- 
schossen wurde, auf einem viel gewundenen Umweg an den Moratluss 
eilten, um hierauf, nach Überschreitung der Brücke, den Rücken des 
Feindes und die Zelte anzugreifen. Es war nämlich jenes Flüsslein, wie- 
wohl sanften Laufes, wenn er durchwatet werden musste, doch dem be- 
schuhten und schon im Kampfe begriffenen Fusssoldaten unbequem, weil 
es bis an die Mitte der Hüfte reichte. Als daher die Schweizer auf offenem 
Wege zu der Brücke vorrückten, fingen sie an, von der feindlichen Ar- 
tillerie seitwärts beschossen und von dem durch das Bachbett und längs 
der beiden Ufer hereinbrechenden Ansturm der Reiter heftig bedrängt 
zu werden. Da änderte aber Jakob Mutti! von Altorf mit Geistesgegenwart 
den Plan und heisst den Maximilian, der in Folge des Angriffs der 
Albanesen ! in grosser Gefahr schwebte, die Schlacht verlassen und so- 
gleich in die Stadt zurückkehren, um das der Unfreundlichkeit des Ge- 
schickes ausgesetzte Oberhaupt des Krieges für den gehofften Sieg zu 
erhalten. Zwei Hauptleute mit eben so viel Rotten ergreifen seine Zügel, 
nehmen ihm den Helmbusch ab, werfen ihm einen geringen Mantel über, 
um sein Herzogsgewand zu bedecken, führen ihn heimlich aus der Schlacht 
weg und nötigen ihn, in dicht geschartem Reitergeschwader nach der 
Stadt zurückzukehren. So von dieser Sorge befreit, ordnet Mutti die 
wankende Schar der Seinigen, die schon drei Falkonette verloren hatte, 
nimmt die Verwundeten in die Mitte, treibt die vorgedrungenen Albanesen, 
sie gewaltsam durchbrechend, mit heftigem Anprall zurück und schlägt 
sie aufs Haupt, nachdem der Anführer des albanesischen Geschwaders, 
ein edler Grieche, gefallen. Im gleichen Anprall dringt er zum Lager 
der Feinde vor, haut den Tross nieder, bringt die wachehaltenden Soldaten 
in Verwirrung und bemächtigt sich des Gepäckes. Aber kurz bevor dies 
von Mutti vollbracht wurde, fiel ein anderer Haufe, welcher einen längern 
Weg durch hochaufgeschossene Saatfelder eingeschlagen und deshalb 
keinen Schaden vom Geschütz empfangen hatte, den Feinden in die Seite. 
Hier stand die dreigeteilte französische Schlachtordnung: auf dem Flügel 
befehligte Za Tremoille, auf dem andern Robert |von Sedan]; Trirulzio 
überwachte die Mitte, und ganz in der Nähe, zwischen den Reiter- 
geschwadern, hatte sich die Phalanx der Deutschen hinter einen mässigen 
Graben zurückgezogen. . . . Gegen diese wandten sich nun die Schweizer 
mit entflammtem Mute, weil sie einsahen, dass der Sieg ihnen alsdann 
leicht sein werde, wann sie den Kern des feindlichen Heeres mit dem 
Keil durchbrochen hätten. Als dies die französischen Feldherrn aus 
nächster Nähe gewahrten, liessen sie sogleich die Geschütze gegen die 
dichten Reihen richten, weite Lücken in dieselben reissen, und bald die 
gepanzerten Reiter mit heftigem Ungestüm dem ermattenden Heerhaufen 
in die Seite fallen. In diesem Getümmel fallen kämpfend der Hauptmann 
der Berner ?, von einer Kugel vorn ins Gesicht getroffen, und der Ammann 
von Zug. Nichts, weder der Tod ihrer Anführer, noch ihre eigene Gefahr, 
noch das entsetzliche Niederschmettern ihrer Genossen, entmutigt jedoch 


! Die Albavnesen dienten als leichte Reiterei in den italienischen Söldnerheeren. — 
% Benedikt Weingarten, 


et et ie a —— 





273 


diese Krieger; sie scharen sich vermöge ihrer Disziplin enger zusammen 
und ordnen sich zu einem «Igel» [in globum], treiben die Reiter mit 
gewaltiger Kraft in die Flucht, und sogleich, wie sie vorher beschlossen 
hatten, überschreiten sie den Graben und greifen die Deutschen an. Hier 
entstand alsbald ein blutiger furchtbarer Kampf; auf beiden Seiten 
wurden indes keine Stimmen, sondern nur das schaurige Getöse der 
Waffen und das leise Gestöhne der Sterbenden laut. Die Deutschen 
kämpften aufs heftigste, um die im vorigen Jahr am Tessin nieder- 
gehanenen Kameraden zu rächen und den vor 14 Jahren beim Schwarz- 
wald [?] im Baslergebiet ’ verlorenen Kriegsruhm durch neue Ehren wieder 
zu gewinnen. Die Schweizer aber fochten mit gleicher Tapferkeit und 
Kraft, um ihre alten persönlichen Feinde, die, aus Deutschland flüchtig, 
zur Schande des Kaisers sich in französischem Solde schlugen, endlich 
einmal zu vernichten. 

Unterdessen, während mit den Deutschen Mann an Mann gekämpft 
wurde, meldete man dem La Tremoille und Trivulzio, das Gepäck sei 
genommen, und die Wächter des Lagers niedergehanuen und alles im 
Rücken voll Verwirrung und Blut. Dies Gerücht brachte die Gemüter 
der Franzosen derart in Verwirrung, dass ein grosser Teil der Reiter 
fortrannte, um die Beute den Schweizern wieder zu entreissen, während 
ein jeder, voll Sorge um Gepäck und Habseligkeiten, sich umschaute. 
Fast im gleichen Augenblick zeigte sich auf der andern Seite der dritte 
Schlachthaufen der Schweizer in der Fronte. Dieser hatte sich, während 
die Geschütze von den Franzosen auf die entgegengesetzte Seite ver- 
geblich abgefeuert wurden, weil er listiger Weise zwischen den Bäumen 
zur Täuschung des Feindes untaugliche Knechte, die den Schein von 
Bewaffneten erwecken sollten, zurückgelassen hatte, allmälig seitwärts 
herangeschlichen, die Körper zur Erde geneigt und die grösseren Spiesse 
bei den Spitzen fassend, um die vorbeifliegenden Kugeln zu vermeiden. 
So sehr verachteten sie die einschlagenden Geschosse und so gewaltig 
war das Ungestüm ihres Angriffs, dass das französische und gaskognische 
Fussvolk, dessen Führer fiel, und mit diesen die zwei Geschwader der 
Gennesen und Piemontesen alsbald niedergeworfen und zerstreut und 
obendrein die Geschütze genommen und von den Siegern den Fliehenden 
in den Rücken gewendet wurden. Als dies die übrigen Reiter sahen, 
nämlich dass die Geschütze, auf welche die Franzosen in allen Kriegen 
stets mehr Vertrauen, als auf ihre Arme und ihre Tapferkeit, gesetzt 
hatten, von den Feinden erobert, die Deutschen beinahe vernichtet, die Zelte 
genommen seien und die Feinde alles niedermachten und sich weithin des 
Lagers bemächtigten, wandten sie, zwischen Scham und Furcht schwan- 
kend, den Rücken. Da alle verzagten, versuchen die Feldherrn, sie selbst 
auch in misslicher Lage unerschrocken genug, die in Unordnung geratenen, 
bei dem verworrenen Geschrei der Kameraden sich wendenden Reihen 
zu ordnen, zum Stehen zu bringen und zum Kampfe zu zwingen. Sie 
ermahnen die Hauptleute und Fahnenträger, die Furcht abzulegen und 
wenigen, ermüdeten und schon durch Wunden geschwächten Bauern eine 


! Gemeint ist die Schlacht bei Dorneck. 
Oechsli, Quellenbuch. 18 


274 


Weile stand zu halten, während die Leichtbewaffneten sie umzingeln, die 
Deutschen die Wucht des Kampfes aushalten und die Schlacht auf allen 
Punkten hergestellt würde. Aber, ungerührt durch dies Zureden der er- 
mahnenden und befehlenden Feldherrn, stürzen sich die Reiter in die 
schimpflichste Flucht; denn schon waren die Schweizer, die sich des 
Lagers bemächtigt hatten, obwohl ihr Führer Mutti, von einem Geschoss 
hingerafft, umgekommen war, mit blutdürstiger, wilder Tapferkeit den 
Reitern in die linke Seite gefallen. Zur Rechten aber und im Rücken 
bedrängte der grössere Schlachthaufe die Erschrockenen und Verwirrten 
mit gefällten Spiessen. Als aber die Deutschen, die sich, wiewohl 
mehr als die Hälfte erschlagen, zwei Fahnen verloren und ihr Anführer 
Fleuranges schwer verwundet worden war, eine Zeit lang aufs zähste 
gewehrt hatten, sich von der Reiterei verlassen, das übrige Fussvolk 
allenthalben vernichtet und die Geschütze genommen sahen, hoben sie, 
weil die Flucht schimpflich und höchst unsicher schien, nach ihrer Sitte 
die Spiesse in die Höhe als Zeichen der Ergebung und baten den sieg- 
reichen Feind um Gnade. In diesem schweren Getümmel trieb Robert 
von Sedan, von ohnmächtigem Schmerz gereizt, um seinen in so grosser 
Lebensgefahr schwebenden Söhnen Fleuranges und Jamets Hilfe zu 
bringen, mit den gepanzerten Reitern einen gewaltigen Keil in den Heer- 
haufen der Feinde und drang mitten in denselben, richtete die unter den 
Leichen liegenden und von vielen Wunden entstellten Söhne auf und hob 
sie in die Höhe, so dass sie, halb entseelt wie Lasten auf dem Nacken 
der Pferde weggetragen, zum grössten Ruhm der Liebe und kriegerischen 
Tugend des Vaters, für die schon in künftigen Kriegen bestimmten Ehren 
erhalten blieben. So brachten die Schweizer, in dreifachem Heerhaufen 
kämpfend, im Zeitraum von anderhalb Stunden sowohl eine denkwürdige 
Schlacht, als auch einen sehr schweren Krieg zu Ende. 


(Das Folgende aus Guicciardini 8. 555.) 


Die Schlacht dauerte ungefähr zwei Stunden unter sehr schweren 
Verlusten auf beiden Seiten; von den Schweizern starben etwa 1500, 
von ihren Feinden eine weit grössere Zahl: einige sagen 10,000; aber 
von den Deutschen kam der grössere Teil während des Kampfes um, von 
dem französischen und gaskognischen Fussvolk dagegen auf der Flucht; 
es rettete sich fast die ganze Reiterei, da die Schweizer sie nicht ver- 
folgen konnten; hätten diese Pferde gehabt, so hätten sie dieselbe mit 
Leichtigkeit vernichtet; mit so grossem Schrecken zog sie sich zurück. 
Den Siegern fielen alles Gepäck, 22 Stück grobe Geschütze und alle zu 
ihrem Gebrauch bestimmten Pferde als Beute anheim. Triumphirenden 
gleich kehrten die Sieger am nämlichen Tag nach Novara zurück und 
init solchem Ruhm durch die ganze Welt, dass manche es gewagt haben, 
in Anbetracht der Seelengrösse des Vorsatzes, der augenscheinlichsten 
Verachtung des Todes, der Kühnheit des Kampfes und des Glückes im 
Erfolge diese Tat fast all den denkwürdigen Dingen voranzustellen, die 
man von den Römern und Griechen liest. 





109. Der Appenzeller Bund, Zürich 17. Dezember 1513 
Eidgen. Abſchiede III. 2. S. 1361. 


lautet mit unbedeutenden Änderungen dem Schaffhauſer Bund fat wörtlich 
gleih. Als vertragichliegende Parteien werden am Eingang erwähnt: „wir, 
der Burgermeijter, die Schultheißen, Ammänner, Räte, Burger, Yandleute und 
ganze Gemeinden von Zürich, Bern, Yuzern, Uri, Schwiz, Unter- 
walden ob und nid dem Wald, Zug mit dem äußern Amt, jo dazu ge- 
hört, Glarus, Bajel, Freiburg, Soloturn und Schaffhauſen 
eines: und wir der Yandammann, Rat, Yandleute und ganze Gemeinde des 
Yandes zu Appenzell andernteils.” — 

Bei dem Artilel, der die Hilfeleiftung feftjegt, wird diefelbe von Seite 
der Eidgenoffen gegenüber den Appenzellern durch folgenden Zufag eingeſchränlt: 

„Und doch jollen fie [die Eidgenofjen] uns [Appenzellern] die Hilfe zu tum 
nicht weiter jchuldig fein, denn innerhalb unjerer Yandmarfen, fie täten es 
denn gerne. 


110. Die Schlacht bei Warignans. 13. September 1515. 
Aus Guicciardini, La Historia d'Italia, Venedig 1568, Buh XII ©. 602 fi. 


Francesco Guicciardini, geb. 1482 zu Florenz, erwarb sich im Staatsdienst seiner 
Heimat and des Papster eine gründliche Kenntnis der damaligen Weltverhältuisse und 
binterliess bei seinem Tode [1540] eine Grscbichte Italiens von 1494 bis 1532, die ibm 
den Ruhm des klassischen Geschichtschreibers seines Landes eingetragen hat. 


> achdem der Autor eine feurige Rede, Schinners berichtet hat, 
WE: worin derselbe die Eidgenossen zum Kampfe aufforderte, 
} R 


DIN 
Ya‘ 
1V Wie fährt er fort: 


Kt tg) Erhitzt durch diese Rede griffen sie plötzlich wütend zu 
ihren Waffen, und als sie ausserhalb des Römertores waren und ihre 
Haufen in Schlachtordnung gestellt hatten, machten sie sich, obwohl nicht 
viel vom Tage übrig war, auf den Weg gegen das französische Heer 
mit solcher Fröhlichkeit und solchem Lärm, dass, wer nichts anderes 
gewusst hätte, für gewiss gehalten haben würde, dass sie irgend einen 
grossen Sieg errungen hätten. Die Hanptleute spornten die Soldaten zur 
Eile an. Die Soldaten erinnerten sie daran, sobald man sich dem Quartier 
der Feinde nähere, sofort das Zeichen zur Schlacht zu geben; sie wollten 
die Walstatt mit Leichen bedecken, sie wollten an diesem Tage den 
Namen der deutschen Fussknechte auslöschen, insbesondere jener, welche, 
den Tod sich weissagend, als Abzeichen schwarze Banner trügen. In 
solcher Kampfwut gelangten sie in die Nähe des französischen Lagers, 
als nur noch zwei Stunden von diesem Tage übrig waren, und begannen 

















* 


316 


die Schlacht, indem sie auf die Artillerie und Schutzwehren losstürmten. 
Kaum waren sie so stürmend angelangt, so hatten sie die ersten Ab- 
teilungen niedergerannt und durchbrochen und einen Teil des Geschützes 
gewonnen. Aber, da sich ihnen die Reiterei und ein grosser Teil des 
Heeres entgegenstellte und der König selbst, umgeben von einer tapfern 
Schwadron Edelleute, sich ihnen entgegenwarf, wurde ihre so grosse Wut 
ein wenig im Zaum gehalten, und eine wütende Schlacht begann. Mit 
wechselndem Glücke und unter den schwersten Verlusten der französischen 
Kürassiere, die zum Weichen gebracht wurden, danerte der Kampf fort 
bis um Mitternacht, indem schon einige der französischen Hauptleute tot 
auf dem Platze blieben und der König selbst von vielen Lanzenstichen 
getroffen war. Da weder der eine noch der andere Teil aus Ermattung 
die Waffe mehr in der Hand halten konnte, liess man von einander ab ohne 
Trompetensignal, ohne Befehl der Hauptleute, und die Schweizer schickten 
sich an im gleichen Lager zu übernachten, indem man einander nicht 
mehr bekämpfte, sondern gleichsam mit stillschweigend vereinbarter Waffen- 
ruhe den nächsten Tag erwartete. Aber da der erste Angriff der Schweizer 
so glücklich gewesen war und der Kardinal ihnen, als sie ausgeruht 
hatten, Lebensmittel aus Mailand zuführen liess, eilten berittene Boten 
durch ganz Italien, um zu melden, die Schweizer hätten das Heer der 
Feinde in die Flucht geschlagen. Der König liess das, was von der Nacht 
übrig blieb, nicht unnütz verstreichen; denn die Grösse der Gefahr er- 
messend, richtete er sein Augenmerk darauf, die Artillerie auf günstigen 
Punkten rückwärts und in gehöriger Ordnung aufzustellen, die Lands- 
knechte und Gaskogner wieder zu Schlachthanfen und die Reiterei zu 
Schwadronen neu zu ordnen. 

Darüber brach der.Tag an, bei dessen Beginn die Schweizer, die 
nicht nur das französische Heer, sondern alle Kriegsvölker Italiens ver- 
eint verachtet hätten, mit dem gleichen Ungestüm und mit grösster Ver- 
wegenheit die Feinde angriffen. Von diesen tapfer, aber mit grösserer 
Vorsicht und besserer Ordunng empfangen, wurden sie teils von der 
Artillerie, teils von dem Pfeillhagel der Gaskogner überschüttet, auch 
von der Reiterei angefallen, so dass sie vorn und auf den Seiten mör- 
derische Verluste erlitten. Und bei Sonnenaufgang erschien plötzlich 
Alviano'!, welcher, während der Nacht vom König gerufen, sich sofort 
init der leichten Reiterei und dem beweglicheren Teil des Heeres auf 
den Weg gemacht hatte und anlangte, als der Kampf am härtesten und 
furchtbarsten war und die Dinge sich zur grössten Not und Gefahr an- 
liessen. Indem ihm der Rest des Heeres nach und nach folgte, griff er 
mit grossem Ungestüm die Schweizer im Rücken an. Wiewohl diese fort- 
während mit grösster Kühnheit und Tapferkeit fochten, verzweifelten sie 
dennoch, da sie so rüstigen \Viderstand und die unvermutete Ankunft 
des venetianischen Heeres sahen, daran, den Sieg gewinnen zu können, 
liessen — die Sonne stand schon mehrere Stunden über der Erde — 
zur Sammlung blasen, nahmen die Geschütze, welche sie mit sich geführt 
hatten, auf den Rücken, wendeten die Heerhaufen, indem sie fortwährend 
die gewohnte Ordnung beibehielten, und zogen langsamen Schrittes gegen 


’ Der Befehlshaber des venetianischen Heeres. 





wenn 


Mailand zu, unter solchem Erstaunen der Franzosen, dass vom ganzen 
Heere niemand, weder vom Fussvolk noch von der Reiterei, gewagt hätte, 
sie zu verfolgen. Nur zwei Fähnlein derselben, welche in einem Land- 
hause Zuflucht gesucht, wurden darin von den leichten venetianischen 
Reitern verbrannt. Der Rest des Heeres kehrte, gänzlich in seiner 
Schlachtordnung und immer die gleiche Kampfwut in Gesicht und Augen 
zeigend, nach Mailand zurück, indem sie in den Gräben, wie einige 
sagen, fünfzehn Stück grobes Geschütz zurückliessen, welches sie im 
ersten Zusammentreffen genommen hatten, weil sie keine Gelegenheit 
hatten, es mit sich zu führen. — Unter allen Menschen war nur eine Stimme, 
dass seit langen Jahren in Italien keine wildere und schrecklichere 
Schlacht stattgefunden habe. Denn da durch den Sturm, mit welchem die 
Schweizer den Angriff eröffneten, und hierauf durch die Verwirrung der 
Nacht die Reihen beider Heere sich aufgelöst hatten und man im Ge- 
tümmel ohne Befehl, ohne Zeichen kämpfte, war alles rein dem Zufall 
anheimgegeben; der König selbst, welcher oftmals in Gefahr gewesen, 
hatte seine Rettung mehr der eigenen Tapferkeit und dem Zufall zu ver- 
danken, als dem Beistand der Seinigen, von welchen er oftmals in Folge 
der Verwirrung der Schlacht und der nächtlichen Finsternis verlassen 
worden war: so dass Trivulzio, der Feldherr, der so viele Dinge gesehen 
hatte, versicherte, das sei keine Schlacht von Menschen, sondern von 
Riesen gewesen; die achtzehn Schlachten, an denen er teilgenommen, 
seien im Vergleich mit dieser Kinderspiel gewesen, und er zweifle nicht, 
dass ohne die Beihilfe des Geschützes der Sieg den Schweizern geblieben 
wäre, welche im ersten Ansturm in die Verschanzungen der Franzosen 
gedrungen waren, den grössern Teil des Geschützes genommen und immer 
mehr Boden gewonnen hatten; auch war von nicht geringer Bedeutung 
die Ankunft Alviano’s, welcher, da er zu einer Zeit, wo die Schlacht noch 
zweifelhaft war, unvermutet erschien, den Franzosen Mut und den 
Schweizern Schrecken einflösste, da sie glaubten, er habe das ganze 
venetianische Heer bei sich. Die Zahl der Toten, wenn sie je in einer 
Schlacht ungewiss war, wie beinahe immer in allen, war in dieser am 
ungewissesten, indem die Menschen, die einen aus Leidenschaft, die andern 
aus Irrtum, in ihren Berichten sehr von einander abwichen; einige be- 
haupteten, es seien mehr als 14,000 Schweizer umgekommen; andere 
sprachen von 10,000, die mässigsten von 8000; es fehlte auch nicht an 
solchen, welche die Zahl auf 3000 beschränken wollten; lauter geringe 
Lente unbekannten Namens. Aber von den Franzosen starben in der 
nächtlichen Schlacht Franz. der Bruder des Herzogs von Bourbon, 
Ymbercourt, Sancerre, der Fürst von Talmont, der Sohn La Tremoille's, 
Bussy, der Neffe des Kardinals von Rohan. der Graf von Sasarth, 
Catelarth von Savoyen, Busiechio und Muy. welcher die Fahne der Edel- 
leute des Königs trug, alles Personen erlancht durch Geburt oder Grüsse 
der Besitzungen oder, weil sie ehrenvolle Grade im Heere bekleideten: 
und von der Zahl ihrer Toten redete man aus den gleichen Gründen 
verschieden, indem die einen behaupteten, es seien ihrer 6000 um- 
umgekommen, andere dagegen, nicht mehr als 3000, unter welchen einige 
Hauptleute des deutschen Fussvolks. 


278 


111. Der ewige Friede mit Frankreich. 
Freiburg. 29. — 1516. 


Eidgen. Abſchiede III. 2. ©. 1406. 


Air Franciscus, von Gottes Gnaden König zu Frankreich, 
Herzog zu Mailand, Herr zu Genua und Graf zu Ati an einem, und 
wir die Burgermeifter, Schultheigen, Ammann, Räte, Gemeinden, Burger, 
Pandleute und Einwohner der Städte, Yänder und Herricaften gemeiner 
Eidgenofjenfhaft des großen alten Bundes oberdeutjder 
Yande, nämlich von Züri, Bern, Yuzern, Uri, Schwiz, Unter: 
walden ob und nid dem Kernwald, Zug mit dem äußern Amt, 
Glarus, Bajel, Freiburg, Soloturn, Schaffhauſen und Appen- 
zell, mitfamt dem Herren Abt und der Stadt St.Gallen, auch dem 
Hauptmann, Meyern, Gaftellanen und Yandleuten der drei Bünde in 
Churmwalen und der Yandichaft Wallis und der Stadt ——— 
dem andern Teil, tun fund und zu wiſſen mit dieſem Brief: — — —— 

— — — Zum erften jollen durch dieje nachfolgenden Mittel hin: * 
abſein und gänzlich befriedet, gerichtet und geſchlichtet ſein alle Fehden, Feind— 
ſchaften, desgleichen alle Handlungen, Klagen und Anſprachen, ſo aus ſolchem 
Krieg von Anfang bis auf dieſen Tag ſich zwiſchen beiden Teilen verlaufen 
und begeben haben, es ſei mit Todſchlag, Raub, Brand oder auf andern 
Wegen. — — — 

Zum fünften ſollen den Kaufleuten und Untertanen, jo von unſerer Eid- 
genofjenichaft find, vorbehalten fein und bejtätigt werden alle Privilegia und 
beiondern Freiheiten in der Stadt Wyon, wenn ihnen irgend welche von den 
Königen von Franfreih jeligen Andenfens find gegeben und verliehen 
[worden]. — — 

Zum jechsten, damit die gemeldeten unjere guten Freunde die Eid— 
genofjen unjerer füniglichen Majejtät Gutwilligfeit gegen fie ſpüren, jo wolfen 
wir aus eigenem freiem Willen denjelben Herren den Eidgenoffen zum Erſatz 
der Koften und des Schadens, fo jie bei der Belagerung der Stadt Dijon 
gehabt, bezahlen . . die Summa vierbunderttaufend Kronen mit der Zonne, 
gut an Gold und des Zchlags von Frankreich, desgleichen zum Erſatz der 
Noften in dem Yand Italien, [io] durch diejelben Herren die Eidgenofjen 
und ihre Verwandten empfangen, wollen wir obgemeldeter König ihnen lauter 
bezablen dreibunderttaufend der gleichen Nronen ...., mit welhen Summen 
die obgenannten Herren Eidgenoſſen nichts weiter an uns zu fordern noch 
anzuiprechen haben ſollen von jolcher Beſoldung oder andern Koſten wegen, 
[jo] den vergangenen Krieg berühren. — — 


279 


Zum fiebenten ..... Belonders ift zur beffern Erläuterung und Be- 
ftätigung dieſes Friedens befchloffen: wenn in fünftigen Zeiten zwijchen ung 
beiden Parteien als der Obrigfeit oder unjern Yanden, Yeuten und Unter— 
tanen irgend welcherlei Streit oder Mißverſtändniſſe entjtünden, davor Gott 
jei, darum ſoll feine Partei gegen die andere etwelche friegerifche Empörung 
vornehmen, fondern [es] foll folder Handel und Span freundlic) oder recht— 
fh nah Laut und Sag der nachgejchriebenen Kapitel vorgenommen und 
ausgetragen werden. 

Zum adten .... jollen wir obgemeldete Eidgenoffen für uns jelber 
noch unjern Untertanen in feiner Weije bemilligen noch zulaffen, irgend 
welchen Fürften, Herren und Gemeinden zuzulaufen, die ihn, gemeldeten 
König, in feinem Königreich Frankreich, feinem Herzogtum Mailand, der 
Herrihaft Genua, Grafichaft Afti oder andern feinen innehabenden Yanden 
und Erdreichen diesjeits und jenſeits des Gebirges zu jchädigen oder zu über- 
ziehen vermeinten, jondern das zum höchiten bei Yeib und Gut verbieten, und, 
wenn etliche das überjehen, trogdem hinlaufen, nad) Vermögen zurüdrufen 
und heimfordern und nach ihrem Verdienen jtrafen. 

Zum neunten jo jollen die Unjrigen beider Zeile und unjere Bundes- 
genofjen in beider Zeile Yanden, Herrichaften und Streifen gefeffen, Kaufleute, 
Boten, Diener, Pilger, Untertanen und Verwandte, in was Wiürden, Staat 
und Weſen die find, mit ihren Peibern, Gütern, Kaufmannfchaften, in allen 
unfern Yanden und Gebieten allenthalden, wo das ift, frei und ficher zu und 
von einander gehen, handeln und wandeln und ihr Gewerbe und Gejchäft 
üben und brauchen ohne irgend welche Beleidigung und Schmach, auch ohne 
irgend welche Neuerung der Hölle und andere Erjchwerungen, anders, als 
von Alters her Sitte und Brand) geweſen ift. 

Zum zehnten, aus bejonderer Gutwilligfeit, jo wir vielgemeldeter König 
zu den obgemeldeten Herren den Eidgenoffen tragen, jollen und wollen wir 
ihnen, nämlich den dreizehn Orten und jedem Ort bejonders, dazu auch der 
Yandichaft Wallis zweitaujend Franken freiwillig geben umd jährlich in der 
Stadt Yyon ausrichten. . . . Aber betreffend die Binde in Ehurwalen, die 
wollen wir halten in aller Maß, wie jie von dem allerchriitlichiten letzten 
König Yudwig dem Zwölften feligen Andenfens gehalten worden find !. tem 
und zu demjelben jagen wir den obgenannten dreizehn Orten der Eidgenofjen- 
haft zu Ehren und gutem Gefallen über die obgenannte Summe noch zwei- 
taujend Franken jährlich zu bezahlen, wie jie die umter ihre Zugewandten, 
wie hernach fteht, geteilt haben, nämlich dem Herrn Abt zu St. Gallen, feinen 
Sotteshausleuten und der Grafihaft Toggenburg jehshundert Franken, der 


' Nab dem Bündnis von 1509 erhielten die drei Bünde 6000 Franken Jahrgelder. 


IL 


280 


Stadt St. Gallen vierhundert Franfen, der Stadt Mühlhauſen vierhundert 
Franken, den Untertanen der Grafichaft Greierz jechshundert Franfen. — — 

Zum zwölften wegen der Schlöffer Lowertz [Yugano] und Lucaris [Yo- 
carno], auc des Maintals mit aller Zugehör, ift abgeredet, daß wir vorge- 
nannter König unjern guten Freunden, den Eidgenoffen, die Wahl gelafjen 
haben, daß fie ſich in Jahresfriſt erläutern mögen, ob fie diejelben Schlöffer 
und Yande behalten oder dreimalhunderttaufend Kronen dafür nehmen wollen. 
Wo fie dann das Geld an die Hand nehmen werden, jo joll nicht allein 
verftanden werden Lowertz, Yucaris und das Maintal, jondern auch das 
Beltlin, Eläfen und andern Pläte und Yande, jo zu dem Herzogtum Mailand 
gehört haben ..., ausgenommen die Stadt und Schloß Bellen; mit aller 
Bugehör, fo in unjern, derer von Uri, Schwyz und Unterwalden nid dem 
Wald, Handen bleiben follen. 


112. Aus der Vereinung zwifchen König Franz I. von Frankreich 
und den zwölf Orten (ohne Zürich) nebR ihren Zugewandten. 
Zusern. 5. Mai 1521. 


Abſchiede IV. ta. ©. 1491 fi. 


Il. Weiter find wir übereingefommen, fonfordirt und haben beichloffen 
mittelſt gedachten Bündniffes, Vereinung und Verpflichtung, daß jo oft und 
viel oft gemeldeter alferchriftlicher König in feinem Königreih, Herzogtum 
Mailand, der Herrichaft Genua und in allen Erdreichen und Herrſchaften, 
fo er inne hält und befigt, diesfeits und jenjeitS des Gebirges, angefprengt, 
angefallen, verlett oder zu Slrieg bewegt würde durch männiglih, er fei ein 
Fürft oder ein anderer, welcherlei Würde, Eigenfchaft oder Standes der fei, 
niemand ausgenommen, und ob er gleich mit größerer Würde bervorrage, 
er zur Echirmung und Handhabung feines genannten Königreich®, Herzog: 
tums, auch anderer Erdreiche und Derrichaften eine Zahl von gewaffneten 
Fußlnechten der Eidgenoffen, jo viel er will, nehmen, befommen und auf: 
brechen laſſen) möge, doch nicht minder denn jechstaufend, auch nicht mehr 
denn jechzehntaufend, es geichehe denn durch Verwilligung unjerer Herren der 
Eidgenoffen, und ihre Hauptleute (Männer guten Leumunds und von Tüchtig- 
feit) aus alfen Orten und umjern ewigen Bundesgenofien ... auslejen nad 
feinem Gefallen, doch in jeinen Koften. Und derjelben Knechte |jo] zuvor be: 
gehrt [worden], melde Hauptleute und Fußfnechte zum Dienſt und zur 
Hilfe gemeldeten chriftlichiten Königs ziehen wollen, die jollen wir die ge: 
nannten Eidgenoſſen in feiner Weiſe verhindern, behalten oder irren, jondern 


rs, tet PETE 
% 
L 


281 


die ohne allen Verzug und Entſchuldigung zugehn und zuziehen laffen in 
zehn Tagen, nachdem fie auf erfter Tagſatzung gefordert worden. Und 
[eg] jollen dieſelben Hauptleute und Knechte im Dienft des Königs bleiben 
und beharren, jo lang der Krieg währet und jo lang es ihm gefällt, follen 
auch von ums, ihren Obern, nicht zurücdberufen werden, bis der ganze Krieg 
geichehen und vollendet ift, und ſollen bejoldet werden in des gedachten Königs 
Koſten nach gewöhnlichen Brauch, — — 

IV. Er joll auch jolde Hauptleute und Knechte während des Krieges 
nicht von einander teilen, jondern fie jollen bei einander bleiben. Doc mag 
er jie außer dem Kriege von einander teilen und an mancherlei Orte, Städte 
und ESchlöffer zur Bewachung und Bejchirmung jolcher Orte, Städte und 
Schlöffer jenden. 

V. Sie ſollen gedachten chriftlichjten König nicht verbunden jein, auf 
dem Meer, jondern allein auf dem Erdreich) zu dienen, unter der Bedingung, 
daß der allerchriftlichite König von Feinden bejchwert oder angejprengt fei. 

VII. Und wenn wir genannte Herren die Eidgenoffen...... mit Krieg 
verirt oder wir von einem Yürften oder einem andern Herrn, wer der fei... 
angefochten oder angejprengt würden, alsdann ſoll vorgenannter chriftlichfter 
König, jo lang der Krieg mwähret, ... uns vermeldeten Eidgenofjen ſchuldig 
jein (wenn er aufgefordert wird), ... zu geben zweihundert Yanzen, ſamt 
zwölf Stück Büchſen ... in feinen Koften, mit aller Notdurft und Munition. 
Und weiter zum Aushalten gedachten Krieges, und fo lang der währet, ſoll 
derjelbe chriftlichite König geben und zahlen laffen uns Herren den Eid— 
genoffen in der Stadt Yyon für jeglich Vierteljahr 25000 Goldfronen, er fei 
mit Kriegen beladen oder nicht. — — 

IX. Ferner ift fonfordirt und übereingefommen: wenn der genannte 
riftlichjte König oder wir genannte Herren die Eidgenoffen vielleicht friegen 
würden wider etliche ihrer Feinde, jo foll feine Partei beiderſeits Berhand- 
lungen oder Frieden, Freundſchaft oder Waffenftillftand eingehen mit ge- 
nanntem Feind, e8 fei denn daß fie das vorher der andern Partei zu wilfen 
tue und diejelbe in ſolchem Frieden, Freundſchaft oder Stillftand vorbehalte 
und eimbegreife. 

XI. Zum festen ... ſoll derſelbe chriftlichjte König zur Erzeigumg 
einer Befejtigung feiner Yiebe und Gutwilligleit geben und auszahlen laſſen 
alle fahre, jo fang gegenmärtiger Bund währet, einem jeden Ort ge 
nannter unjerer Eidgenoffenichaft taufend FFranfen über die Summe der zwei— 
tauſend Franlen, die jeder Ort von dem chriftlichiten König zu empfangen und 
zu haben gewohnt ift, hinaus, Ferner joll der chriftlichfte König unfern Zu 
gewandten jährlih, jo lange gegenwärtiger Bund währet, über die” gemeine 
Penſion, jo jolhe unfere Zugewandten jet empfangen, hinaus zu Mehrung 
jolder Benfion den halben Teil der Summe der gemeinen Penjion geben. — — 


282 


113. Ausländifche Zrteile Über die Schweizer des XV. umd 
XVI. Iahrhunderts. 


a. Zrithemins in den Hirſchauer Annalen. 


Annales Hirsaugienses ed. Struve II. 572. 


Trithemius oder Tritheim, eigentlich Johannes Heidenberg von Trittenheim {bei Trier), 
geb. 1462, 1483 Abt zu Sponheim bei Kreuznach, seit 1506 Abt eines Klosters zu 
Würzburg, wo er 1516 starb, war einer der berühmtesten und vielseitigsten Gelebrien 
des damaligen Deutschlands, Er schrieb unter anderm eine „Chronik des Klosters Hirschau 
bis 1513*, die inves in Wirklichkeit eher eine Weltgeschichte ist. Das Folgende bezieht 
sich auf den Schwabenkrieg: 


Ob die Fidyenossen eine gerechte oder ungerechte Ursache zum 
Krieg gehabt haben. kommt mir, der ich nicht die Stelle eines Richters 
einnehme, zu entscheiden nicht zu. Aber das sare, das schreibe und 
überliefere ich schriftlich der Nachwelt, was alle heute wissen, die mit 
uns in Deutschland leben, und alle sagen. welche die Sitten der Schweizer 
kennen, dass sie Leute sind, von Natur übermütig, den Fürsten feind, 
aufrührerisch und schon seit langer Zeit widerspenstig und ungehorsam 
gegen ihre Herren, von Verachtung gegen andere, von Anmassung in 
sich selbst erfüllt, im Krieg hinterlistig und Liebhaber des Betrugs, im 
Frieden nie recht beständig, dass sie der Gerechtigkeit in dem, was sie 
von Rechts wegen schuldig wären, nichts nachfragen, namentlich darin, 
wo es sich um ihre angemasste Freiheit handelt. Ich sage indes, dass 
sie im Kriege nicht nur herzhaft, sondern auch klug und sich gegenseitig 
in aller Not treuste Helfer sind und keiner den andern in der Gefahr 
verlässt und auch der Reiche den Armen nicht verachtet. 


b. Wimphelings Gebet um den Frieden der Chriften und für die 
Helvetier, daß jie ſich belehren. 


Solilogium Wimphkelingü, Zürich 1784. 


Wimpheling, Jakob, geb. 1450 in Schlettstadt, studirte Philosophie nnd Theologie, 
lebte abwech-elud bald als Lebrer und Schriftsteller, hald als Prediger oder Mönch in 
Heidelberg, Strassburg, Basel, Freiburg und Schlettstadt, wo er 1528 starh. Zu seinen 
literarischen Erzeugnissen gehört auch das merkwürdige Selbstgespräch oder Gebet zur 
Bekehrung der Schweizer, das er um 1504 an den Kurfürsten von Mainz richtete. 


So viel ich, Hochwürdigster Vater, Sitten und Gemüt der Helcetier 
mit Fleiss betrachtet habe, vermute ich, dass sie nicht sowohl mit Waffen- 
zewalt als mit frommen Ermahnungen wieder zur Einheit des heiligen 
Reiches und zum Gehorsam gegen die römischen Könige gebracht werden 
können. Da nämlich dieses Volk sonst nicht gänzlich gottlos ist, fürchte ich, 
dass es aus blosser Unwissenheit des göttlichen Gesetzes, welches Gehor 
sam befiehlt. schwerlich ohne Verderben seiner Seelen, in den Abgrund des 





283 


Irrtums und des Ungehorsams gestürzt ist. Daher habe ich aus Erbarmen 
mit seiner Einfalt das Selbstgespräch herausgegeben, Gott bittend, dass 
jenes Volk endlich erleuchtet werde, zum Reich, von dem es getrennt 
ist, zurückkehre, Könige und Fürsten anerkenne, Gehorsam leiste, an den 
gerechten Kriegen gegen die Feinde der Deutschen teilnehme, damit auch 
die Verwegenheit der Tyrannen, die sich bis dahin auf seine Hilfe ge- 
stützt haben, vermindert und die Wut der treulosen Türken mit glück- 
licherem Erfolge gebändigt werde. Vielleicht mag dieses unser Gebet 
bewirken, dass der Aufruhr des unerfahrenen Volkes gegen den König 
und die übrigen Fürsten nicht länger fortwuchert, zum Ruin und Spott 
aller gerechten Gewalt und der geistlichen Freiheit. Dazu, glaube ich, 
würde nicht wenig beitragen, wenn nach deinem Sinn das Studium der 
göttlichen Schriften sich täglich ausbreitete. Denn dieselben lehren ja, 
Gott dürfe nicht verkleinert und den Fürsten des Volkes nicht geflucht 
werden. Besser sei Gehorsam als Opfer. Und wie die Sünde der Zauberei 
sei Widerstreben, und wie das Verbrechen des Götzendienstes nicht 
gehorchen wollen. Und dass dem Kaiser zu geben sei, was sein ist; und 
dass Ehre, Steuern, Abgaben der Obrigkeit nicht vorenthalten werden 
sollen. Und ebenso flehe ich, dass zuallererst flehentliche Gebete für alle 
Menschen, für die Könige und alle, die auf die Höhe gestellt sind, ver- 
anstaltet werden; dazu wagen die Prediger bei den Helvetiern und ihren 
Verbündeten kaum zu ermahnen, ja nicht einmal am Schluss dcr Predigten 
des Königs und der Fürsten mit Namen zu gedenken. — — — — 


[Folgt das Gebet.) 


XI. Kap. Beim Gefangennehmen von Feinden ist grössere Menschlichkeit 
bei den Türken und Böhmen zu finden als bei den Schweizern. 


Gib ihnen ein Herz von Fleisch und nimm ihnen das Herz von Stein. 
Gib, dass sie wenigstens einige Menschlichkeit unter den Waffen walten 
lassen. Gib ihnen die Frömmigkeit, damit sie nicht sofort niederhauen, 
sondern die Feinde, die sich demütig ergeben, gefangen nehmen und 
wegführen, sie des Lösegeldes wegen annehmen, das Gold dem Leichnam 
vorziehen. Das pflegen sogar die Völker der Türken zu tun, die einst 
Sigmund von Ungarn und bald nachher dem römischen König, die von 
ihnen gefangen worden, gestatteten, unverletzt zu uns heimzukehren. 
Das taten auch die Böhmen [Hussiten] nenlich. . . . Grösser also scheint 
in dieser Beziehung die Frömmigkeit bei den Türken und Böhmen zu 
sein, als bei diesen starken, drohenden, grimmigen. stolzen, waflenlieben- 
den, stets zum Krieg bereiten, von der Wiege an zum Kampf erzogenen, 
an Christenblut sich weidenden und durch die Zwietracht der Könige 
reich gewordenen Wilden, die keinen Fürsten, keine Gesetze ehren, die 
keine gesunde Vernunft walten lassen, sondern von einer gewissen 
Raserei in den Abgrund getrieben werden; welchen umsonst das Gesetz 
gegeben wird; deren Gesetze sind: Willkür, Begierde, Zorn, Ungestüm, 
Heftigkeit, Raserei; deren Urteile und Entscheidungen so gefällt werden: 
wenn einer von ihnen den Finger ausstreckt, halten auch die andern die 
ihrigen in die Höhe; und wann ein Völklein das Kriegspanner aufpflanzt, 


284 


sind die näher \Wohnenden auf der Stelle ünd dann einer nach dem 
andern verpflichtet, zu folgen und sich anzuschliessen, und so kann auf 
den Antrieb des schändlichsten Räubers oder eines Rache- oder Geld- 
gierigen im Nu ein Heer von unzähligen überaus starken Männern ge- 
sammelt werden, um die auch noch so unschuldigen Nachbarn und Christen 
zu vertilgen und zu vernichten. 


XII. Kap. Ihre Gesetze und Vorschriften sind genau genommen 
drei, wie man sagt: «Wir wollen nicht; wir wollen; man muss.» 


Darüber hat sich Papst Pius II. in Übereinstimmung mit uns sehr 
beklagt: sie seien von Natur hochfahrende Leute, welche sich nicht der 
Gerechtigkeit fügen wollen, sondern dass die Gerechtigkeit ihnen dienstbar 
sei, und nichts halten sie für recht, ausser wenn es ihren phantastischen 
Köpfen angemessen zu sein scheint. Und wie könnten jene das Rechte 
und Billige wahrhaft kennen, die nicht in den Philosophen, nicht in den 
Gesetzen des Kaisers, sondern nur in den Waffen, im Krieg ihr ganzes 
Leben bewandert sind. Es schweigen ja unter den Waffen die Gesetze. 


XII. Gib ihnen, Herr Gott, dass sie nicht den Basilisken, nicht 
den Stieren, nicht den Bären, nicht den Wildschweinen, nicht den Greifen, 
nicht den Steinböcken nachfolgen !, sondern den Adlern und den Löwen, 
die aus angeborner Milde die zu Boden Geworfenen zu schonen wissen. 
Gib ihnen königliche Herzen, grossmütige Seelen, edeln Willen und hoch- 
herzige, herrliche Gefühle, auf dass sie nicht von einem Wort oder Wink 
zum Zorne entflammt werden, Rache suchen, kostbares Leben morden, 
auf dass sie nicht deine Priester in Fesseln schlagen oder in die Ver- 
hannung treiben. Gib ihnen diese Frömmigkeit, dass sie nicht einen 
Menschen wegen der geringsten Schmähung, wie dieselbe ihm auch ent- 
schlüpft sei, in den Kerker stossen, zum Seile schleppen und hinführen, um 
ihn an den Galgen zu flechten; auf dass sie nicht wegen der leichtfertigen 
Worte eines einzigen geschwätzigen Menschen oder wegen eines unsichern 
und falschen Gerüchtes (wie es neulich über den ins Wasser getauchten 
Farren und das Pferd entstanden ist), sich alsbald waffnen, um die Hütten 
der Elenden zu verbrennen, die Felder mit Feuer und Schwert zu ver- 
wüsten, um Menschen, die an dich, frommer Christ! glauben, aufs grau- 
samste und unmenschlichste zu erschlagen. 


XIV. Gib ihnen die Milde der Fürsten, die Sanftmut der Kaiser 
und die Frömmigkeit der Könige. — — — 


XVII. Nicht sind dir oder einem Julius oder einem Augustus oder 
auch den Kaisern unserer Zeit, einem Friedrich und Maximilian (nichts 
ist sanftmütiger als diese) jene Wilden älmlich, die voll Schroffheit und 
Zorn alsbald zu den Waffen stürzen, wenn irgend einer wagt, das Ge- 
brüll einer Kuh auszustossen oder aus Einfalt die schönen Federn des 
jJunonischen Vogels* auf seinem Haupte zu tragen. — — 


' Anspielung anf die Wappentiere in den eidgenössischen Paunern — ! Der Pfau 
Ist der Juno heilig. 





285 


XX. Nicht stimmen mit der Lehre des heiligen Thomas noch mit der 
des gelehrtesten Aristoteles diejenigen überein, welche die wilde Staats- 
form dieses Volkes der Monarchie des ganzen römischen Reiches oder der 
Aristokratie der herrlichsten Städte desselben vorziehen. Es gibt jedoch 
Brüder, welche predigen, verfechten und behaupten, diese Herrschaft 
des unleidlichen Pöbels und dieser Ungehorsam und Aufruhr gegen alle 
Häupter der christlichen Vereinigung sei dir, Gott, gemäss und vertrage 
sich mit dem Heil ihrer Seelen. — -— 


e. Pirkheimer über die Kriegsfunjt der Schweizer. 


Hist. belli Suitensis. 2. 11 


[Nach der Schilderung der Burgunderkriege fährt er fort]: Die 
Schweizer ruhten inzwischen vom Kriegslärm aus. Denn keine Macht 
war so gross, dass sie nach der Unterdrückung des Burgunders hätte 
wagen dürfen, jene herauszufordern. Sie liessen zwar wiederholt bald 
dem Maximilian, bald dem Franzosen auf ihre Bitten Hilfe zugehen; 
nicht nur deshalb, weil sie ihre Jungmannschaft in kriegerischer Zucht 
zu üben wünschten, sondern auch, weil sie beide fürchteten oder eher 
hassten und der Erfolg jedes Teiles ihren Argwohn erregte. Und in 
Wahrheit haben alle Deutschen die Waffen und die (@efechtsart, die 
sie jetzt anwenden, von den Schweizern empfangen, indem sie die 
Schilde wegwarfen, deren sie sich vorher nach der Sitte aller Nationen 
bedienten. Durch die Erfahrung lernten sie nämlich, dass jene der Pha- 
lanx und der Gewalt der Spiesse in keiner Weise widerstehen können. 
Und deslıalb sind bis auf meine Zeit diejenigen, welche Spiesse, Hall- 
barten und Schwerter trugen, Schweizer genannt worden, wenn sie auch 
mitten in Deutschland geboren waren, bis endlich wegen des Hasses 
gegen die Schweizer der Name «Landsknechte», d.i. Soldaten aus dem 
Lande, aufzutauchen und berühmt zu werden begann. 


d. Aventin über die Schweizer. 


— 


Aventins Werke J. Urſachen des Türkenlrieges S. 219. 


Joh. Turmair, geb. 1477 zu Ahensberg in Baiern nnd daher Aventinus genannt, 
gest. 1534, schrieb als bairischer Hufhistoriograph eine vortrefliche bairische Geschichte 
sowohl in lateinischer als in deutscher Sprache, welche ihm den Ruhm des „deutschen 
Herodot* eintrug. Ausserdem verfasste er zahlreiche kleinere hixtorisch-patrintische 
Schriften, darunter 1526 eine s«lche über die Ursachen des Türkenkrieges, in welcher 
er der Schweizer folgendermassen gedeukt: 


Es liegt am Tag, wo Gerechtigkeit ist, da ist auch Fried und 
Einigkeit, da setzt man in Nöten Leib und Leben zusammen, hat jeder- 
mann genug. . . . Wo es gleich zugeht und Gerechtigkeit regiert, be- 
schwert keiner den andern, wie man denn von den] Schweizern sieht, 
die das beste Regiment bei uns und gegen sich selbst (lass sich's nur 


286 


keiner zum Zorn gereichen) halten. Wo Ungerechtigkeit ist, da ist kein 
Friede, kein Glück noch Einigkeit, will immer einer besser sein, denn 
der andere; da ist kein Verschonen, Schirmen noch Schützen des armen 
Manns, macht unwillige, verzagte und verzweifelte Leute, die nur be- 
gehren, dass alles über und über gehe. 


Mochiavelli. 


Niccolo Macchiavelli (1469 —1527), der berühmte Florentiner Staatsmann und 
Schriftsteller, gedeukt in seinen Werken: dem „Fürsten“, der „Kriegskunst* und den 
„Abb+ndlungen über die erste Dekade des Livius“, der Schweizer häufig. Folgendes 
sind einige der bezeichnendsten Stellen: 







ei 51 prineipe cap. XII: «Und aus Erfahrung sieht man die be- 

I waffneten Republiken die grössten Fortschritte machen, die 
Söldnerarmeen aber nie anderes als Schaden anrichten; und 
bez x weit schwerer gerät eine mit eigenen Waffen bewafinete 
Republik unter die Gewalt eines ihrer Bürger, als eine mit fremden 
Waffen bewaffnete. Rom und Sparta blieben viele Jahrhunderte bewaffnet 
und frei. Die Schweizer sind aufs stärkste bewaffnet und äusserst 
frei [armatissimi e liberissimil. — — — 


ar HE 


Discorsi I, cap. 12. [Macchiavelli weist in treffender Weise nach, dass 
die weltliche Herrschaft des Papsttams das Haupthindernis für eine 
Einigung Italiens ist]. «Da die Kirche also nicht so mächtig gewesen ist, 
sich ganz Italiens bemächtigen zu können, aber auch nicht gestattet hat, 
dass sich ein anderer seiner bemächtigte, ist sie die Ursache gewesen, 
dass es nicht hat unter ein Haupt kommen können, sondern unter 
mehreren Fürsten und Herrn geblieben ist, woraus solche Uneinigkeit 
und Schwäche entstanden, dass es so weit gekommen ist, die Beute nicht 
bloss mächtiger Barbaren, sondern eines jeden, der es angreift, zu sein. 
Das verdanken wir andern Italiener der Kirche und niemand anderm. 
Und wer die Wahrheit dessen durch untrügliche Erfahrung recht schnell 
einsehen wollte, der müsste so viel Gewalt haben, dass er den Sitz des 
römischen Hofes mit der Macht, die er in Italien besitzt, in die Lande 
der Schweizer verlegen könnte, welche heute das einzige Volk sind, das 
sowohl in Bezug auf Religion als auf militärische Einrichtungen den 
Alten gemäss lebt: und er würde sehen, dass die traurigen Sitten jenes 
Hofes in kurzer Zeit mehr Unordnung in jenem Lande anrichten würden, 
als irgend ein anderes Unglück, das zu irgend einer Zeit daselbst sich 
ereignen könnte. u 


Discorsi II, cap. 4. Wer die alte Geschichte beobachtet hat, findet, 
wie die Republiken drei Arten sich zu vergrössern haben. Die eine ist 
die gewesen, welche die alten Toskaner d. i. die Etrusker] beobachteten. 
einen Bund von mehreren Republiken zusammen zu bilden, wo keine der 
andern weder an Macht noch an Rang voransteht, und beim Landerwerb 
sich die andern Städte zu Bundesgenossen zu machen, in ähnlicher Weise, 
wie das zu dieser Zeit die Schweizer tun. — — 


re en TIEREN 





Die andere Art ist, Bundesgenossen anzunehmen, doch nicht so 
weit, dass nicht einem der Vorrang des Befehls, der Sitz des Reiches 
und der Name der Unternehmungen bliebe, welche Art von den Römern 
beobachtet wurde. Die dritte Art ist, sich unmittelbar Untertanen, und 
nicht Bundesgenossen zu machen, wie die Spartaner und die Athener 
taten. Von diesen drei Arten ist diese letztere völlig nutzlos; wie man 
sieht, dass sie es bei den beiden obgenannten Republiken war, die sich 
durch nichts anderes zu Grunde richteten, als durch die Erwerbung jener 
Herrschaft, die sie nicht behaupten konnten. Denn, die Sorge übernehmen, 
Städte mit Gewalt regieren zu müssen, namentlich solche, welche gewohnt 
waren, frei zu leben, ist eine schwere und mühselige Sache. — — 


[Folgt der Nachweis, dass das Verfahren Roms, soweit die Erfahrung 
reiche, einzig zur Bildung eines grossen Reiches durch eine Republik 
geeignet sei. Der oben angeführte Weg der Bünde, wie die Toskaner, 
die Achäer und Ätoler lebten und wie heute die Schweizer leben, ist 
nach dem der Römer der beste; denn, wenn man sich damit nicht sehr 
vergrössern kann, so hat das zwei Vorteile im Gefolge, den einen, dass 
man sich nicht leicht Krieg zuzfeht, den andern, dass man das, was man 
bekommt, leicht behält. Der Grund warum eine solche Republik sich 
nicht [stark] vergrössern kann, liegt darin, dass sie zersplittert ist und 
mehrere Sitze hat, was bewirkt, dass sie nur schwer beraten und be- 
schliessen können. Es bewirkt auch, dass sie nicht begierig sind zu 
herrschen; da nämlich viele Gemeinwesen an der Herrschaft Anteil haben, 
schätzen sie eine solche Erwerbung nicht so sehr, wie eine Republik 
tut, welche hofft, sie ganz zu geniessen. . . . Man sieht auch durch die 
Erfahrung, dass eine solche Art zu verfahren, eine bestimmte Grenze 
hat; und kein Beispiel gibt es, welches zeigt, dass sie überschritten 
worden wäre; und diese ist bis auf zwölf oder vierzehn Gemeinwesen 
zu verbinden, hierauf nach keiner Erweiterung mehr zu streben. Denn, 
da sie sich bis auf einen Grad verbunden haben, dass sie glauben, sich 
gegen jedermann verteidigen zu können, suchen sie keine grössere Herr- 
schaft; teils weil die Notwendigkeit sie nicht zwingt, mehr Macht zu 
haben, teils weil sie aus den obenangeführten Gründen in den Eroberungen 
nichts nützliches erblicken. Sie müssten nämlich eines von zwei Dingen 
tun; entweder in der Aufnahme von Bundesgenossen fortfahren; diese 
Menge aber würde Verwirrung anrichten; oder sie müs.«ten sich Unter- 
tanen machen; weil sie aber darin Schwierigkeiten erblicken und nicht 
viel Nutzen, sie zu behaupten, geben sie nichts darauf. Deshalb, wenn 
sie zu so grosser Zahl gekommen sind, dass sie meinen, in Sicherheit zu 
leben, wenden sie sich zu zwei Dingen, einmal Schutzbefohlene auf- 
zunehmen und Beschirmungen zu übernehmen, und durch dieses Mittel 
von allen Seiten her Geld zu ziehen, welches sie leicht unter sich ver- 
teilen können. Das andere ist, für andere Krieg zu führen und von diesem 
oder jenem Fürsten, der sie für seine Unternehmungen anwirbt, Sold zu 
nehmen; wie man sieht, dass hente die Schweizer tun. 


cap. 12. Entweder halte ich mein Land bewaffnet, wie die Römer 
oder wie es die Schweizer tun, oder ich halte es unbewafinet, wie 
es die Karthager taten oder wie es die Könige von Frankreich und 


_— 





288 


die Italiener tun. In diesem Fall soll man den Feind fern vom Hause 
halten; denn, da deine Kraft im Geld und nicht in Männern besteht, 
bist du verkauft, sobald dir der Weg zu jenem versperrt ist, und nichts 
versperrt dir ihn so sehr, wie der Krieg zu Hause ....... Aber 
wann die Reiche bewaffnet sind, wie Rom bewaffnet war oder wie es 
die Schweizer sind, so sind sie um so schwieriger zu besiegen, je mehr 
du dich ihnen näherst; denn diese Staatenkörper können mehr Kräfte 
aufbringen, um einem Einfall zu widerstehen, als sie können, um andere 
anzugreifen... .. Es ist leicht, die Schweizer ausser der Heimat zu 
besiegen, wohin sie nicht mehr als einige dreissig- oder vierzigtausend 
Mann schicken können; aber sie zu Hause zu besiegen, wo sie hundert- 
tausend sammeln können, hält äusserst schwer. 


cap. 16. Die Schweizer, welche die Lehrmeister des modernen 
Krieges sind |i maestri delle moderne guerre], tragen, wenn sie mit den 
Franzosen zu Felde ziehen, vor allen Dingen Sorge, sich auf die Seite 
zu stellen, damit die befreundete Reiterei, wenn sie geworfen würde, 
nicht anf sie stosse. — — 


cap. 22. |Macchiavelli erzählt, dass Franz L., als er auf die Eroberung 
Mailands auszog, die Hilfe der Florentiner und des Papstes Leo X. gegen 
die Schweizer angesucht habe]. Papst Leo willfahrte dem König nicht, 
sondern liess sich (wie man sagt) von seinen Räten überreden, indem sie 
ihm bewiesen, wenn er neutral bliebe, liege in diesem Entschluss der 
sichere Sieg; denn für die Kirche passe es, weder den König, noch die 
Schweizer in Italien gewaltig werden zu lassen, sondern, wenn man es 
wieder zur alten Freiheit erleben wolle, sei es nötig, es von der Knecht- 
schaft des einen und der anderen zu befreien. Und weil es nicht möglich 
sei, den einen und die andern, jeden für sich oder alle beide zusammen, 
zu besieren, so müsse man einen durch den andern überwinden lassen, und 
dann sollte die Kirche mit ihren Freunden sich auf den werfen, welcher 
Sieger bliebe. 

Dell’ arte delle guerre lib. II. (Opere 1796, t. IV. S. 64). Ich 
will bloss von der Art der gegenwärtigen Bewaffnung reden. Es haben 
die Fussoldaten zu ihrer Verteidigung eine Brust von Eisen und zum 
Angriff eine neun Ellen lange Lanze, die sie Spiess nennen, mit einem 
Schwert zur Seite, das am Ende eher rund, als spitz ist. Das ist 
die gewöhnliche Bewaffnung des heutigen Fussvolkes, denn es gibt nur 
wenige, welche den Rücken und die Arme, und niemand, der das Haupt 
bewehrt hätte: und diese wenigen tragen statt des Spiesses eine Hall- 
barde, deren Schaft, wie ihr wisst, drei Ellen lang ist und ein wie ein 
Beil geformtes Eisen hat. Sie haben Büchsenschützen unter sich, welche 
mit der Gewalt des Feners jene Stelle versehen, welche vor Alters die 
Schleuderer und Bogenschützen versahen. ‚Diese Art der Bewaffnung ist 
von den deutschen Völkern erfunden worden, hanptsächlich von den 
Srehveeizern, welche, arm, wie sie sind, und des Willens frei zu leben, 
genötigt waren und es noch sind. mit dem Ehrgeiz der Fürsten Deutsch- 
lands zu kämpfen, welche, bei ihrem Reichtum Reiter unterhalten konnten, 
was jene Völker aus Armut nicht vermögen. Daher geschah es, dass sie, 
da sie sich zu Fuss gegen Feinde zu Pferd verteidigen wollten, wieder 





289 


zu den Schlachtordnungen des Altertums greifen und Waffen ausfindig 
machen mussten, welche sie vor dem Ansturm der Reiter schützen könnten. 
Diese Notwendigkeit hat bewirkt, dass dieselben die antiken Ordnungen 
entweder behalten oder wiedergefunden haben, ohne welche, wie jeder 
Einsichtige bestätigt, das Fussvolk gänzlich untauglich ist, Sie wählten 
deswegen die Spiesse zur Waffe, die nicht nur äusserst tauglich sind, 
die Reiter auszuhalten, sondern auch sie zu besiegen. Und vermöge dieser 
Waffe und dieser Schlachtordnung haben die Deutschen [d. h. die Schweizer] 
solche Kühnheit angenommen, dass ihrer fünfzeln- oder zwanzigtausend 
jede noch so grosse Anzahl Reiter angreifen würden, wovon in den 
letzten 25 Jahren genug Versuche gesehen worden sind. Und die Bei- 
spiele ihrer auf diese Waffen und diese Schlachtordnung gegründeten 
Tapferkeit sind so gewaltig gewesen, dass, seitdem König Karl! nach 
Italien gezogen ist, jede Nation sie nachgeahmt hat; dergestalt, dass 
die spanischen Heere zu einem sehr grossen Ruf gelangt sind. 


f. Gnicciardini. 


La Historia d’Italia. Venedig 1568. S. 480. Buch X.a. 1511. S. 480, 


Die Schweizer sind die gleichen, welche von den Alten Helvetier 
genannt wurden, ein Geschlecht, welches in Bergen höher als der Jura 
wohnt, .... von Natur tapfere bäurische Menschen und infolge der 
Unfruchtbarkeit des Landes eher Hirten als Ackerbauer. Sie wurden 
einst von den Herzogen von Östreich beherrscht, gegen welche sie sich 
schon vor sehr langer Zeit empörten, und regieren sich jetzt selbst, indem 
sie keine Miene machen, weder den Kaiser noch die andern Fürsten an- 
zuerkennen. Sie sind in dreizehn Völker (sie nennen dieselben Kantone) 
geteilt, von denen jedes sich mit eigenen Behörden, Gesetzen und Ord- 
nungen regiert. Sie veranstalten jedes Jahr oder öfters, je nachdem das 
Bedürfnis eintritt, eine Beratung der gemeinsamen Angelegenheiten, indem 
sie sich an diesem oder jenem Orte versammeln, welchen die Abgeordneten 
jedes Kantons bestimmen; sie heissen nach dem Branche Deutschlands 
diese Versammlungen Bundestage, an welchen über Krieg, Frieden, Bünd- 
nisse, über die Begehren derer, welche bitten, man möchte ihnen durch 
Staatsbeschluss Söldner bewilligen oder Freiwilligen gestatten, ihnen zu- 
zulaufen, sowie über die im Interesse aller liegenden Dinge beraten wird. 
Wann die Kantone durch Staatsbeschluss Söldner bewilligen, wählen sir 
selbst unter sich einen obersten Hauptmann, dem das Heer mit den 
Fahnen im Namen des Staates übergeben wird. Gross haben den Namen 
dieses so schrecklichen und ungebildeten Volkes die Einigkeit und der 
Waffenrulhm gemacht, womit sie infolge ihrer natürlichen Tapferkeit 
und der Disziplin ibrer Schlachtordnungen nicht nur ihr Land immer 
kraftvoll verteidigt, sondern auch ausserhalb ihrer Heimat die Kriegskunst 


! Es ist König Karl VIII. von Frankreich gemeint, welcher 1494 mit einem Ileere, 
‚lessen Kern 6000 Schweizer bildeten, Neapel eroberte. 


Oechsli, Quellenbuch, 19 


2% 


mit höchstem Ruhme ansgeübt haben. Und dieser wäre noch unvergleich- 
lich grösser gewesen, wenn sie dieselbe für die eigene Herrschaft und 
nicht für Sold und zur Ausbreitung der Herrschaft anderer ausgeübt 
hätten, und wenn sie hochherzigere Ziele vor Augen gehabt hätten, als 
die Begierde ach Geld. Von Liebe dazu verführt, haben sie die Gelegenheit 
verloren, ganz Italien furchtbar zu werden; denn, da sie nur als Mietsoldaten 
aus der Heimat auszogen, haben sie von ihren Siegen keine Frucht für 
den Staat davon getragen... .. Zu Hause scheuen sich die Vornehmen 
nicht, Geschenke und ‚Jahrgelder von den Fürsten anzunehmen, um bei 
den Beratungen ihre Partei zu ergreifen und zu begünstigen. Indem sie 
dadurch die öffentlichen Angelegenheiten mit dem Privatnutzen verknüpft 
haben und käuflich und bestechlich geworden sind, hat sich unter ihnen 
selbst Zwietracht eingeschlichen. Nachdem sie damit angefangen, dass 
das, was die Mehrheit der Kantone auf den Tagsatzungen beschloss, 
nicht von allen befolgt wurde, sind sie zuletzt vor wenig Jahren in 
offenen Krieg miteinander gekommen zur höchsten Verminderung des 
Ansehens, das sie überall besassen. 


Dritter Teil. 


Die Beit der Glanbensfpaltung. 


114. Beatus Rhenanıs an Zwingli. 6. Dezember 1518. 
Überfegt aus dem Pateinifchen, &. Zwinglis Werte VII. &. 57. 


Beatus Rhenanus, eigentlich Bilde, von Schlettstadt (1474—1547), eiu hervor- 
ragender deutscher Hnmanist, der in Basel, Strassburg und Schlettstadt lebte, unterhielt 
mit Zwingli einen eifrigen Briefwechsel. Leider scheint der Brief Zwinglis, auf den das 
nachfolgende Schreiben die Antwort ist, nicht erhalten zu sein. 


.. . Der Kardinal! scheint mir nicht sehr zuverlässig zu sein; 
denn er ist ja selber einer von jener Komödie, wenn anders nicht das 
nglück seinen Geist verwandelt hat. Über Luther haben wir noch nichts 
erfahren. Wir haben reichlich gelacht über den Ablasskrämer, welchen 
du in deinem Brief so fein beschrieben hast. Sie geben den Kriegsführern 


! Matthäus Schinner. Zwingli setzte anfänglich Hoffnungen auf den ihm befreundeten 


Kirchenfürsten wegen einer Reformation der Kirche. Der cursiv gedruckte Satz ist im 
Original griechisch, 








291 


Ablassbriefe für die, welche im Kriege umkommen werden. Wie abge- 
schmackt ist dies und der päpstlichen Legaten unwürdig! Was wird 
nicht endlich noch ausgesonnen, damit sich Italien unseres Geldes be- 
mächtige? Wahrlich, nicht für des Lachens, sondern eher des Weinens 
wert halte ich dies. Denn nichts ist, was mich mehr schmerzt, als dass 
ich allenthalben das Christenvolk mit Zeremonien, die nicht zur Sache 
gehören, ja mit reinen Possen beschwert sehe. Und ich finde keine andere 
Ursache, als dass die Priester, durch jene scholastischen und sophistischen 
Theologen betrogen, heidnische und jüdische Lehre lehren. Ich spreche 
von der Masse der Priester. Denn es ist mir nicht verborgen, dass du 
und deinesgleichen die reinste Weisheit Christi aus den Quellen selbst 
dem Volke vortragen, nicht die durch die scotischen und gabrielischen ! 
Auslegungen verdorbene, sondern die von Augustin, Ambrosius, Cyprian, 
Hieronymus? echt und lauter auseinandergesetzte. Es schwatzen jene, 
wenn sie an dem Orte stehen, wo das Volk alles, was gesagt wird, 
für die Jauterste Wahrheit hält, einfältiges Zeug von der päpstlichen 
(sewalt, von der Sündenvergebung, vom Fegfeuer, von erfundenen 
Wußadern der Heiligen, von der Belehnung?, von Erwerbungen, Ge- 
lübden, von den Höllenstrafen, vom Antichrist. Ihr dagegen, wenn ihr 
vor versammelter Gemeinde predigt, zeiget die gesamte Lehre Christi 
kurz, wie anf einer Tafel geschrieben: Deshalb sei Ohristus von Gott 
auf Erden gesendet worden, damit er uns den Willen seines Vaters lehre, 
auf dass er zeige, dass diese Welt, das heisst Reichtümer, Ehren, Herr- 
schaft, Wollust und anderes derart, gänzlich verachtet werden müsse, 
das himmlische Vaterland dagegen mit ganzer Seele zu suchen sei; damit 
er uns Friede und Eintracht und die schöne Gemeinschaft aller Dinge 
(denn nichts anderes ist das Christentum) lehre, wie sie nur immer der 
den grossen Propheten beizuzählende Plato einst in seiner Republik ge- 
träumt zu haben scheint... .. Aber wohin reisst, mich das Feuer des 
Schreibens, dass ich, der ich einen vertraulichen Brief begonnen, zu 
deklamiren anfange, gleichsam meiner vergessend. Möchte doch Helvetien 
viele deinesgleichen haben! So könnte es doch endlich leicht geschehen, 
dass unsere Landsleute bessere Sitten annähmen. Sicherlich ist das Volk 
Jeder Besserung fähig, wenn es nur nicht solcher beraubt wird, welche 
Christum lehren können und wollen. Lebe wohl. Basel, am St. Niklaustag 1518. 

Aufschrift: Dem ausgezeichneten Manne, Herrn Muldreich Zwinglius, 
dem Priester zu Unserer lieben Frauen zu Kinsiedeln, dem unvergleich- 
lichen Freunde. 


! Scotus (F 1308) und Gabriel Biel (F 1495) waren berühmte scholastische Tbeologen 
des Mittelalters. — ? Kirchenväter aus dem 3. u. 4. Jahrb. — * Belehnung der Kirche 
mit weltlichen Gütern. 


292 


115. Zwingli an Mykonius. 24. Juli 1520. 
Überſetzt aus dem Pateinifhen, Zwinglis Werte VII. 142. 


NS] einem Gemüt, teuerster Mykonius, ist bange vor unseren 
Zeiten, in welchen alles auf und nieder wogt, alles durch- 
einander wirbelt, so dass von keinem das natürliche Ant- 
litz zu erkennen sei; im Gegenteil alles sei so verworren, 
dass nichts das Hanpt in die Höhe richten könne, von dem nicht das 
(regenteil aus dem Horizonte emportauchen würde; daher schwebt einem 
jeden scharfblickenderen Geiste mit der aufkeimenden Hoffnung zugleich 
auch Furcht vor den Augen. Längst ist allen, welche die Reinheit 
der Menschheit lieben, die Hoffnung aufgegangen, dass jene gebildeten 
Jahrhunderte wiederkehren werden, in welchen man hoffen darf, dass 
beinahe alle auch im Volke unterrichtet sind; allein diese Hoffnung 
wird durch die hartnäckige Unwissenheit, um nicht zu sagen Unverschämt- 
heit gewisser Leute ins (regenteil verkehrt, die alles eher leidet, als dass 
sie etwas Gelehrtes und Schönes zuliesse, damit nämlich der Makel 
jener Unwissenheit nicht zum Vorschein komme. Diese unterstützt Mars, 
der immer den Denkenden abhold ist. Es ist auch nicht geringe Hoffnung 
aufgegangen, dass Christus und das Evangelium wieder auferstehen 
werden, da nicht wenige rechtschaffene und gelehrte Männer mit Rudern 
und Segeln, wie man sagt, darauf losgesteuert sind, dass sie die Saat zur 
Reife und Frucht brächten. Aber der Anblick des Unkrautes, welches der 
Feind den Schlafenden und Unachtsamen nachgesät hat [Matthäus 13, 24], 
entmutigt sie; und da es die Wurzel schon allzutief getrieben habe, sei 
zu fürchten, dass es auch die Wurzeln des Getreides umklammert halte, 
so dass dieses schon .nicht ohne Gefahr davon gereinigt werden könne. 
Auf welche Weise also da zu helfen sei, sagst du? Höre Christum, der 
spricht: «Lasst beides wachsen bis zur Zeit der Ernte u. s. w.» So 
muss, vorsichtigster Mykonius, das Gold im Feuer geläutert, so das Silber 
vom Gestein gereinigt werden; so hat Christus den Aposteln gesagt: 
«Auf Erden werdet ihr Drangsal haben»; und wiederum: «Und ihr 
werdet von jedermann gehasst sein um meines Namens willen»; und: 
ses kommt die Stunde, da jeder, der euch tötet, meinen wird, Gott einen 
Dienst zu tun.» . . . So werden uns (ich spreche als Christ) nie solche 
fehlen, welehe Christum in uns verfoleen, auch wenn sie im Namen 
Christi aufs prächtigste einhergehen. . . . Ein Kriegsdienst ist das Leben 
des Menschen auf Erden: daher muss der, mit den Paulinischen Waffen 
versehen, tapfer in der Schlachtreihe kämpfen, welcher des Ruhmes teil- 
haft werden will... . Und wann du dagegen den Einwurf erhebst: 
«Was sollen wir die unserer Treue Anvertrauten lehren. da wir sehen, 
dass die Arbeit umsonst ist, da keine oder nur sehr wenige dem Evan- 
welium oder der apostolischen Lehre gehorchen ?>» Um so angestrengter, 
sage ich, musst du arbeiten, damit du diese köstliche, von der Menge 
verachtete oder vernachlässigte und doch in ihrer Schönheit strahlende 
Perle so vielen als möglich zeigest, damit sie, von Begierde darnach er- 
griffen, alles verkaufen und jene erwerben, Hat Christus nicht gesagt, 





295 


dass der Same sich in vier Teile gesondert habe, von denen nur einer 
anf gutes Erdreich gefallen sei? .... Denn dass ich dir auch dieses 
offenbare: Ich glaube, wie die Kirche aus Blut entstanden ist, so kann 
sie anf keinem andern Wege, als durch Blut, wieder erneuert werden. ... 
Niemals wird die Welt mit Christus zusammengehen, und die Verheissung 
jener Vergeltung Christi ist mit Verfolgungen verbunden. Er hat die 
Seinen wie Schafe mitten unter die Wölfe gesendet. Siehe zu, Bruder, 
auf welchem Weg du hoffen kannst, ein Schaf Christi zu sein; sicherlich 
dann, wenn dir, der du für Christi Ruhm alles tust, alles leidest, das 
gottlose Geschlecht der Wölfe den Tod androht, wenn sie die Zähne 
fletschen, dich mit den Klauen zerfleischen. 

Für Zuthers Leben fürchte ich wenig, für seine Seele nichts, auch 
wenn er vom Blitzstrahl jenes Jupiters getroffen wird. Nicht dass ich 
den Bann verachte, aber weil ich glaube, dass jene Verdammungen eher 
den Leib als die Seele treffen, wenn sie ungerecht sind. Ob billig oder 
unbillig mit Luther gehandelt werde, steht nicht bei uns zu entscheiden. 
Du weisst jedoch selber, welcher Ansicht ich bin. Ich will mich dieser 
Tage an den päpstlichen Kommissär Wilhelm ' wenden, und wenn er die 
vede anf diese Sache bringt, wie er kürzlich getan hat, werde ich ihm raten, 
dass er den Papst ermahne, den Bann nicht zu erlassen, weil ich glaube, 
dass dies sehr in seinem Interesse liege. Denn wenn er erlassen wird, ver- 
mute ich, die Deutschen werden mit dem Bann auch den Papst verachten. 

Du aber sei guten Mutes; nie werden unserer Zeit solche fehlen, 
die Christum anfrichtig lehren und gerne das Leben für ihn hingeben, 
auch wenn ihre Namen nach diesem Leben bei den Menschen aufs ärgste 
gelästert werden sollten, was ja von jeher‘ der Fall gewesen ist, als: 
«er war ein Ketzer, ein Verführer, ein Taugenichts». Bei denen, die so 
sprechen, gelten sie eben als Verführer, und doch sprechen sie die 
Wahrheit. Was mich anbetrifit, so habe ich mich längst darein ergeben 
und erwarte alles Schlimme von allen, Geistlichen, meine ich, und L.aien, 
Christum nur um dies eine flehend, dass er mir günne, alles mit männ- 
lichem Mute zu tragen, und dass er mich, sein irdenes Geschirr , zer- 
breche oder fest mache, nach seinem Gefallen. Wenn ich in den Bann 
getan werde, werde ich des Hilarius*, des gelehrtesten und heiligsten 
Mannes eingedenk sein, welcher von Gallien nach Afrika verwiesen 
wurde, und des Lueius®?, der, vom römischen Stuhl vertrieben, mit grossen 
Ehren zurückkehrte. Nicht dass ich mich jenen vergleichen wollte; aber 
ich werde mich an ihnen trösten, die, weit besser als wir, so lane das 
Unwürdigste ertragen haben; und wenn man sich anders rühmen dürfte, 
so würde ich mich freuen, für den Namen Christi Schmach zu leiden. 
Aber, wer glaubt, er stehe, sehe zu, dass er nicht falle! Von Lnther 
habe ich noch beinahe nichts gelesen; aber was ich bis jetzt geschen 
habe, irrt, glaube ich, nicht in der evangelischen Lehre. Du weisst in 
dieser Sache, weshalb ich ihn hauptsächlich gepriesen habe: weil er 
nämlich das Seine mit gewichtigen Zeugen bekräftigt. — — 


! Wilhelm a Falconibus, Sekretär des päpstlichen Legaten Anton Puceins, — 
® Kirchenvater des 4. Jahrh., der als Gegner der Arianer von Kaiser Constantius ver- 
folgt wurde. — * Lucius I., römischer Bischof 252.258. 


re 


294 


116. Zwingli am Bertold Haller in Bern. 29. Dogember 1521. 


Überfegt ans dem Yateinifchen. Zwinglis Werte VIL 2.180. 


.. . Du hast schon einige Male verlangt, dass ich dir die Predigten 
über den Glauben und über die Heiligenverehrung sende; ich habe dir 
deswegen nicht willfahrt, weil ich sie nie niedergeschrieben habe, was 
vielleicht einer, der mit unsern Arbeiten nicht bekannt ist, abscheulich 
finden mag. Du aber, der diese von Sehen und Hören kennt, wirst es 
mir zu Gute halten; sobald ich indessen so viel Musse habe, werde ich 
mich bemühen, deinen Wünschen, wenn nicht genug zu tun, doch etwelcher- 
massen zu entsprechen. Du führe indessen das, was du von mir forderst, 
mutig durch, damit deine wilden Bären durch Anlıören der Lehre Christi 
anfangen zahm zu werden; dies Geschäft muss aber, wie ich glaube, 
äusserst vorsichtig in Angriff genommen werden. Denn es geht nicht an, 
bei den Deinigen so zu verfahren, wie bei den Unsern; da nämlich die 
Ohren der Deinigen jetzt noch zu zart sind, darf man sie nicht plötzlich 
mit der so scharfen Wahrheit ausputzen (was auch Christus, wie ich 
glaube, gefühlt hat, als er verbot, die Perlen vor die Schweine zu 
werfen); denn sie könnten sich gegen dich wenden und dich mit grosser 
Wut zerreissen, ja das Evangelium Christi auf immer’ verabschenen. 
Deshalb muss man diese Bären sanft streicheln und ihrem Sprung ein 
wenig ausweichen, bis sie, durch unsere Geduld und unerschrockene 
Herzensbeständigkeit überwunden, zahm gemacht sind. Auch Petrus 
gab etwas nach, als er sagte: „Aber jetzt weiss ich, Brüder, dass ihr 
dies aus Unkenntnis getan habt»; und Paulus ebenso, indem er die 
Galater mit Milch und nicht mit fester Speise nährte. Alle Apostel wichen 
der Wildheit, indem sie, obwohl mit Striemen bedeckt, den [jüdischen] 
Rat nicht hartnäckig überschrieen; aber vom Predigen liessen sie nicht 
ab. So bitte ich dich, sei allen alles, damit Uhristus nicht mit dir ver- 
trieben werde. Erhalte uns Christum bei den Deinen; sei geduldig, damit 
du nicht mit mir in übeln Ruf kommest. \Wiewohl das, womit jene mich 
schamlos besudeln, aufs unverschämteste erfunden ist; denn wir haben 
weder etwas mit dem Franzosen, noch mit dem Kaiser vor andern Sterb- 
lichen gemein, ausser den einigen Christus, von dem ich nicht weiss, ob 
er ihnen so sehr am Herzen liegt, da sie Himmel und Erde vermengen 
und alles mit Aufruhr und Gemetzel erfüllen. Grüsse in meinem Namen 
meine Freunde Tremp, Sebastian |Meyer], Valerius |Anshelm], dieser ein 
Arzt der Leiber, jener ein solcher der Seelen, Thomas Wittenbach, 
meinen teuersten Lehrer, wenn er etwa zu euch kommt, und nimm alles 
in Gutem auf. Lebe wohl, Bruder in Christo. 


295 


117. Aus Niklaus Mannels Faftnachtfpiel von Papſts und Chrifi 
Gegenfab. 1522, 


Nillans Manuel, herausgeg. von J. Bächtold 2. 108 fi. 


Cläiwe Pfluog (ein Bauer) ſpricht: 

„Better Rüede, was lebens iſt nun vorhand ? 

„Dich dankt, es fig aber neimas ! nüws 
im land. 

„Wer iſt der quot fromm bidermanıt, 

„Der da ein gramen rod treit an 

„Und uf dem jchlechten ejel fit 

„Und treit ein fron, von dörnen geipitt ? 

„Es iſt fein boffart in im nit, 

„Sin bofgefind im des zügnuß git: 

„Die im nachgand, hinkend und friechen, 

„Die armen blinden und feldfiechen ?. 

„Scheum, was ’ armer lüten gand im nach! 

„Ich mein, daß er nieman verichmadh. ® 

„Die armen ftintender ellenden lüt, 

„Sie bend doch fein gelt und gend im gar 
nüt. 

„Das iſt doch ein ellende unluſtige ſchar 

„And gand ouch fo gar gottsjämerlich dahar: 

„Der lam, der ander blind, der dritt waſſer 
jüchtig ! 

„Und figt aber der guot man fo herzlich 
züchtig, 

„So ganz Ihämig und einfeltig uf dem tier. 

„Lieber min etter ? Rüedi, wie gfallt er dir? 

„Lieber etter, weistu, wer er iſt, 

„Ad, jo ſag mirs onch durch Jeſum Ehrift ! 


Rüede Vogelneſt (ein anderer Bauer): 
„Etter Cläiwe, ich befennen # im vaſt? wol, 
„Darumb ich's dir ouch billichen jagen fol! 
„Er iſt unſer böchfter ſchatz und bort, 

„Er ift des ewigen vaters wort, 

„Das in dem anfang was bi gott, 


„Do er alle Ding beichaffen wott, 

„Himmel und erden, tag und nacht. 

„on in tft ganz nüt gemacht, 

„Noch das firmament, noch der erdenfloß: 

„Er ijt der jun des lebendigen gotts. 

„Er iſt der ſüeß, mild und recht demüetig, 

„Zröftlich, fröfich, barmberzig und güetig 

„Heilmacher der welt, Herr Jeſus Chrift, 

„Der am crüg für ums geitorben ift, 

„Ein künig aller fünig, berr aller herren, 

„Den vuch die freft der bimel eren, 
Cläiwe Prluog: 

„Verden pluojt willen ® ift das der? 

„Wenn er halb als hoffertig wer, 

„Als unfer Kilchherr 9 und fin faplaıı, 

„So ſähe er der bettler feinen an. 

„Was gemeint der alt glatzet“ fiſcher darmit, 

„Daß er fo dapfer neben im dahar tritt, 

„Und ouch die anderen biderben lüt? 

„Weist dur och, was doch das ſelb bedüt? 
Rüede Vogelneit: 

„zer alt filcher, das tft fant Peter, 

„Der herr Jeſus hat fein trumeter, 

„Blind und lam find fin trabanten, 

„Und die in ein jun gottes erfanten, 

„Das warend fchlechı M einvaltig lüt; 

„Die pfaffen Ichagtend in gar niit 

„Und widerjteebtend im alle zit, 

„So jtraft er fie umb iren git 

„Und ander jüntiih wis und berden, "? 

„Er found nie eins mit inen werden. 

„Darumb ſie in allwegen verſtießend 

„Und zuoletzt am krütz ermörden ließend. 


Die zwiſchen kam der bapſt geritten in großem triumph in harniſch, 
mit großem kriegszüg zuo voß und fuoß mit großen panern amd fenlinen 


von allerlei nationen lüt. 


Ein eidgnojfen gwardi # all in ſiner farb, 


„etwas. — ? Ausſätzigen. — ? wie viel. — * verichmähe. — * Gevatter. — * fenne. 
? jehr. — * Schwur, etwa „Bob Belten!” — * Pfarrer. — '" glaglöpfige. — ſchlicht. 


2 Seherden. — 1? Garde, 


296 


trumeten, pajunen !, trummen?, pfifen, fartonen?, jchlangen, frowen und 
buoben und was zum frieg gehört, vichlich, hochprachtlich, als ob er der tür: 


fiich feifer wär. Do jprad) aber 
Cläiwe Pfluog: 
„Better Riüede, und wer iſt aber der groß 
leiſer, 
„Der mit im bringt ſo vil kriegiſcher pfaffen 
und reiſer“ 
„Mit jo großen mechtigen hochen roſſen, 
„So mencherlei wilder ſeltſamer boſſen ?, 
„So vil multier mit gold, ſamet beziert, 
„Und zwen ſpicherſchlüſſel im paner fiert #7 
„Das nimpt mich frömbd und mechtig wunder, 
„Wärind nit fovil pfaffen darımder, 
„Zo meinte ich Doch, es wärind Türken und 
beiden 
„Mit denen foltiamen Tappen und wilden 
fleiden : 
„Der rot, der ichwarz, der brun, der blam, 
„Und etlich ganz ſchier efelgram, 
„Der wiß und fchwarz in ägriften 7 wis, 
„Und band darneben ouch großen fliß, 
„Daß jeder cin beiondre fappen hab; 
„Der ein in longfads * wis binden ab, 
„Der ander wie ein pfaunenſtil, 
„Der dritt groß holzſchuoch tragen wil; 
„Rot bitet, ſchwarz büet und die flach, breit, 
„Der dritt zwen ſpitz am huet uftreit ?. 
„Das find doch wärlich wild faſſnachtbutzen !®, 
„Die fih doch jo gar ſeltſamlich mutzen ". 
„Wie große richtumb ſchint an diſen herren! 
„sb gloub, es möcht all fürſten übermeren. 
„Und warum treit er dri hüpſcher guldiner 
kronen? 
„Das ſag mir, daß dir got trülichen well 
fonen ! 
Rüede Bogelneft : 
„Das weiß; ich ouch und fan dir's jagen, 
„Man muoß in uf den achslen tragen 
„Und wit darfür gehalten werden, 
„Daß er fig ein gott uf der erden; 


„Darumb treit er der kronen dri, 
„Daß er über all herren fi 

„Und fig ein ftattbalter Jeſu Chrift, 
„Der uf dem ejel geritten ift. 


Cläiwe Pflug: 
„Das möcht wol ein hoffertig ftatthalter fin ! 
„Das lit heiter am tag umd iſt ougeuſchin. 
„Das find doch warlich zwo unglich perfonen ! 
„Des ewigen gotts fun treit ein dörne fronen 
„Und iſt dev armuet geliebt und hold; 
„So ift fing ftatthalters kronen gold 
„Und benitegt fich dennocht nit daran, 
„Er wil dri ob einandren han. 
„Zo ift Chriftus fridfam, demiletig und 
milt, 
„So iſt der bapft kriegſch, rumoriſch und 
wild 
„Und ritet daher ſo kriegſch und fri, 
„Grad als ob er voller tüflen ft. 
„Die hand in ouch om allen zwifel befefien ! 
„Es rimt ſich grad wie kochen und falz 
meſſen, 
„Des bapſts und demnach Chriſtus exempel! 
„Sch wond, '? er fölte ietz ſton im tempel 
„Und predgen das enangelium fri 
„On alle eignen fünd '> und alle triegern; 
„So predgend iets vaft alle fine pfafſen, 
„Wie fie fin und iren nutz mögend ſchaffen. 
„Zin muß, fin eer fürderet er alle ftund, 
Tie göttlich eer ſtoſſet er zuo grund, 
„So vil er mag und jo vil an im ill. 
„Sie bruchend ven? und alle lift, 
„Damit man fonfe vil ablafbrief. 
„OD wäre der fee noch fo tief 
„Und lägind fie darın am grund, 
„Das wäre ein glüdjelige ſtund! 
„Sie ftond am fanzel ie und Itegend, " 
„Daß fich ganze wend und bollwerk biegend! 


ı sojamıen, — ° Trommeln, 3 Kartaunen, eine Art Geſchütz. — * Neisläufer, 
Zoldaten. — * Burſchen, Buben, * Der Papit führt zwei Schlüflel im Banner. — 
Elſter. — * Nichenfad. ° Manuel veripottet Hier die verschiedenen geiftlichen Ge 
wänder, Möndsfutten ꝛc. — !° Faitnachtmasten. — '! pugen, Ihmüden, — 12 meinte, — 


3 Erſindungen, Kniffe. — '* lügen, 


FE 


297 


118. Zuther und die Schweizerfiudenten in Jena. 1522. 


Aus Keßlers Sabbata, herausgeg. von Götzinger J. S. 145. 


Johannes Kehler, geb. 1502 zu St. Gallen, jtudirte zu Bajel und Wittenberg Theo- 
logie, griff aber nach feiner Rückkehr in die Baterftadt zum Sattlerhandwerf, um nicht 
untätig jein zu müſſen und weil er glaubte, ein Prediger des göttlichen Wortes dürfe in 
Zukunft aus feinem Amt feinen Ermwerbszweig mehr machen. Er wirfte eifrig für die 
Reformation in St. Gallen, indem er feit Neujahr 1524 vor einem ftetS wachſenden 
Kreife von Bürgern die Bibel auslegte, betrieb aber daneben rüftig fein Handwerk, bis 
er 1537 zum Yebrer au der Yateinichule und 1542 zum Stadtpfarrer berufen wurde. Er 
jtarb 1574. Ummittelbar nach feiner Rückkehr aus Wittenberg hatte er die Gefchichte der 
großen religiöien Bewegung, deren Zeuge und Anhänger er war, aufzuzeichnen begonnen 
und führte diefelbe bis 1539 fort; er gab feiner fchlichten treuherzigen Chronik den Namen 
Sabbata, weil er nur die Feiertage und Feierſtunden zu ihrer Abfaſſung benutzte. 


Die fann ich nicht laſſen (ob es auch vielleicht Heinfüg und gar find- 
lich jcheinet), wie mir und einem meiner Gejellen Martinus [Yuther], als 
er aus jeiner Gefangenjchaft wiederum gen Wittenberg reiten wollte, begegnet 
ift, bie zu verzeichnen. Als denn wir, von Studirens wegen der heiligen 
Schrift gen Wittenberg reifend, gen Jena im Yand Thüringen (weiß Gott 
in einem wüſten Gewitter) gekommen jind, haben mir nad) viel Umfragens 
in der Stadt um eine Herberg, da wir über Nacht blieben, feine erhajchen, 
noch erfragen können; alfenthalben ward uns Herberge abgejchlagen, denn es 
war Faſtnacht, jo man nicht viel Sorge für die Pilger und Fremdlinge trägt. 
Sind wir aus der Stadt wieder gefehrt, vorwärts zu gehn, ob wir ein Dorf 
erreichten, da man uns doc beherbergen wollte. In dem, jo begegnete uns 
unter den Tor ein ehrbarer Mann, ſprach uns freundlich zu, fragend, wo 
wir doch jo jpät hin wollten, da wir in feiner Nähe weder Haus noch Hof, 
da man ums behielte, vor finjterer Nacht erreichen möchten. Zudem jei es 
ein fehl- und irreführender Weg, deshalb er uns raten wollte, allbie zu 
bleiben. Antworteten wir: „Yieber Bater, wir find bei allen Wirtshäuſern 
geweien, dahin man uns bin- und hergewiejen hat; alfenthalben aber hat man 
uns abgewiejen und verjagt, müſſen alſo mothalber fürbas ziehen." Sprad 
er, ob wir auch im Wirtshaus zum Schwarzen Bären gefragt hätten; jprachen 
wir: „Es ift uns mie begegnet. Yieber, jaget, wo finden wir dies?" Da 
zeigt er es ung ein wenig vor der Stadt. Und wie wir den jchwarzen Bären 
jaben, jiehe, wie uns vorher alle Wirte Herberg abgejchlagen, alſo fam bie 
der Wirt unter die Türe, hielt uns auf und anerbot fich jelbjt, uns zu be- 
herbergen, gutwillig [und] führte uns in die Stube, 

Da fanden wir einen Mann bei dem Tiich allein jigend und ein Büchlein 
vor ihm liegend; der grüßet uns freundlich, hieß uns zu ihm an den Tiſch 
hervor jigen (denn unſere Schuhe waren, bie mit Derlaub zu jchreiben, jo 


298 


voll Kot und Schmuß, daß wir vor Kneten aus Scham nicht fröhlich in die 
Stube hereintreten durften, und drüdten ums heimlich bei der Tür auf em 
Bänklein nieder), Da bot er uns zu trinfen, was wir ihm nicht abichlagen 
fonnten. Nachdem wir feine Freundlichkeit und Holdfeligfeit erfahren, ſetzten 
wir uns zu ihm (mie er uns geheigen) an feinen Tiſch, bejtellten auch eine Maß 
Wein aufzutvagen, damit wir der Ehre wegen wiederum zu trinfen böten, ver- 
meinten aber nicht anders, denn es wäre ein Weiter, jo er nach Yandes- 
gewohnheit da ſaß in einem voten Lederkäppel, in bloßen Hofen und Wanıs, 
ein Schwert an der Seite, mit der rechten Hand auf des Schwertes Knopf, 
mit der andern das Heft umfangend. Bald fing er an zu fragen, von 
wannen wir gebirtig wären; doch gab er jich jelbjt Antwort: „hr jeid 
Schweizer, von wannen jeid ihr aus dem Schweizerland ?" Antworteten 
wir: „von St. Gallen“. Sprad er: „Wollt ihr denn (wie ic) vernehme) nad) 
Wittenberg, jo findet ihr gute Yandsleute, nämlich Doktor Dieronimum Schurpfen 
und jeinen Bruder Doktor Auguftinum.” Zagten: „Wir haben Briefe an 
ſie.“ Da fragten wir ihm wieder: „Mein Derr, wiſſet ihr nicht uns zu 
befcheiden, ob M. Yuther jegt zu Wittenberg oder an welchen Ort er doch 
jet?" Antwortete er: „Ich hab gewiſſe Nundicaft, daß der Yuther jetzt 
nicht zu Wittenberg iſt; er joll aber bald dahin fommen. Philippus Melanchthon 
aber iſt da, lehret die griechiihe Sprach, jo aud) andere, die Hebräiſch Lehren, 
welch beide er uns in Treuen vaten wollte zu jtudiren, da fie, die heilige 
Schrift zu verftehen, vor allem notwendig ſind.“ Zprechen wir: „Gott jet 
gelobt, denn wir wollten (jo Gott unſer Yeben friften würde) nicht ruhen, 
bis wir den Mann jehen und hören werden. Dem wir haben jeinetwegen 
unjere Fahrt unternommen“. ... Nach ſolchen Worten fragt er: „Wo habt 
ihr vormals ſtudirt?“ Antwort: „Zu Baſel.“ Sagt er: „Wie fteht es 
zu Bajel, iſt Erasmus Moterodamus noch dajelbit, was tut er?" „Mein 
Herr (jprachen wir), es ijt uns nichts anders befannt, denn es ftehe wohl; 
jo ijt Erasmus auch da; was er aber handle, iſt jedermann unbekannt und 
verborgen, da er ſich gar till und heimlich hält.“ Diefe Worte nahmen uns 
gar wunder am dem Weiter; ... zudem redete ev dazwijchen etliche lateinijche 
Norte, daß ung wollte bedinten, er wäre eine andere Perjon, denn ein ge 
meiner Reiter. „Yieber", fragt er uns, „was hält man im Schweizerland 
von dem Luther?“ „Mein Herr, es find (mie allenthalben) mancherlei Mei- 
nungen ; etliche können ihn nicht genugjam erheben und Gott danken, daß er 
jeine Wahrheit durch ihn geoffenbaret und die Irrtümer zu erfennen gegeben 
bat; etliche aber verdammen ihn als einen unleidlichen Neger, und vor allem 
die Geiſtlichen.“ Sprach er: „Ich verjehe mich dejien wohl, es jeien Die 
Pfaffen.“ Unter ſolchem Geſpräch ward er ums gar heimlich; jo daß mein 
Geſell das Büchlein, das vor ihm lag, aufhob, und es aufſperrte. Da war 
es ein hebräiſcher Pialter; da legte er es bald wieder nieder, und der Neiter 


a 





299 


behielt das, woraus uns mehr Zweifel zufiel, wer er doc) wäre, und jprad) 
mein Gejelle: „Ich wollte einen Finger von der Hand geben, daß ich mic) 
auf dieſe Sprache verſtünde.“ Antwortete er: „Ihr möget e8 wohl begreifen, 
wo ihr anders Fleiß anwendet; denn auch ich begehre die, weiter zu erlernen, 
und übe mic täglich darin.“ 

Nachdem der Tag ganz hinunter und es jehr dunfel ward, fam der 
Wirt vor den Tiih, wie er unjer hoch Verlangen umd Begierde nach dem 
M. Yuther vernommen. Sprach er: „Yiebe Gejellen, euch wäre es gelungen, 
wo ihr vor zwei Tagen bier gewejen wäret; denn bie ijt er an dem Tiſch 
gejeffen und (zeigt mit dem Finger) an dem Ort.“ Das verdroß uns jehr 
und zürnten, daß wir uns verjäumt hätten; ... doch jpradhen wir: „Nun 
freut uns doch, daß wir in dem Haus, an dem Tiſch, da er gejejfen, find“! 
Des mochte der Wirt wohl lachen und ging damit zu der Tür hinaus. Nach 
einer Kleinen Weile ruft mich der Wirt vor die Stubentür hinaus, zu ihm 
zu kommen. Erjchraf id) und bedachte mich, was ich verunſchicket oder weſſen 
ih unjchuldig verdadht würde, Da ſprach der Wirt zu mir: „Dieweil ich 
euch in Treuen erfenne, daß ihr den Yuther zu hören und jehen begehret, der 
iſt's, jo bei euch ſitzet.“ Die Worte nahm ich gejpöttweije auf und jprad): 
„Ja, Derr Wirt, ihr wolltet mich gern foppen und meine Begierde mit des 
Yuthers Trugbild erjättigen.” Antwortete er: „Er iſt es gewiß; doch tu 
nicht dergleichen, als ob du ihn dafür hafteft und kenneſt.“ Ich ließ dem 
Wirt Necht, ich konnte es aber nicht glauben. Ich ging wieder in die Stube, 
jegte mich wieder zu dem Tiſch, hätte es auch meinem Gejellen gern gejagt, 
was mir der Wirt eröffnet hatte. Endlich wandte ich mich gegen ibn, raunte 
heimlich [ihm zu], der Wirt hätte mir gejagt, der jei der Yuther. Er wollte 
es auch, wie ich, nicht bald glauben und ſprach: „Er hat vielleicht gejagt, 
es jei der Hutten und haft ihm nicht recht verſtanden.“ Dieweil mich nun 
die Neiterfleidung und Geberde mehr an den Hutten, denn an dem Yuther 
als einen Mönchen gemahnte, Lie ich mich bereden, er hätte geiprochen: er 
ift der Hutten, da die Anfänge beider Namen jchier zujammenflingen. Des: 
halb, was ich fürderhin redete, geſchah, als ob ic) mit Herrn Ulrich von Hutten, 
Ritter, redete. 

In dem allem kamen ihrer zwei Kaufleute, die auch allda übernacht 
bleiben wollten, und nachdem fie jich entkleidet und entjpornt, legte einer 
neben jich ein uneingebundenes Buch; fraget Martinus, was es fr ein Buch 
wäre. Sprad er: „Es ijt Doktor Yuthers Auslegung etliher Evangelien 
und Epifteln, erjt neu gedrucdt und ausgegangen, habt ihr die nicht gejehen ?“ 
Sprah Martins: „Sie jollen mir auch bald werden." Da fprad) ber 
Wirt: „Nun füget euch zum Tiſch, wir wollen eſſen!“ Wir aber jprachen 
und baten den Wirt, er möchte jich mit uns leiden und uns etwas Beſon— 
deres geben. Sprach der Wirt: „Yiebe Gejellen, jeget euch nur zu den 


300 


Herren an den Tiſch; ich will euch ziemlich halten.“ Da es Martinus hörte, 
jpradh er: „Kommet herzu, ich will die Zehrung mit dem Wirt jchon ab- 
tragen." 

Unter dem Eſſen tat Martinus viel gottjelige freundliche Reden, daß 
die Kaufleute und wir vor ihm verftummten, mehr auf feine Worte, denn 
alle Speiſen achtend. . .. Indem fam der Wirt neben uns, jprach heimlich: 
„Habt nicht Sorge für die Zehrung. Martinus hat das Nachtmahl für euch 
ausgerichtet.” Das freute uns jehr, nicht des Geldes und des Genießens 
wegen, jondern daß uns diefer Mann gaftjvei gehalten hatte. Nach dem 
Nachtmahl jtanden die Kaufleute auf, gingen in den Stall, die Noffe zu ver- 
jehen. In dem blieb Martinus allein bei uns in der Stube; da dankten 
wir ihm für feine Verehrung und Spende, ließen uns dabei merfen, daß wir 
ihn für Ulrich von Hutten hielten. Er ſprach aber: ch bin es nicht." Zur 
Hand kommt der Wirt, ſpricht Martinus: „Ich bin dieſe Nacht zu einem 
Edelmann geworden ; denn dieje Schweizer halten mic; für Ulrich von Hutten.“ 
Sprad der Wirt: „Ihr jeid es nicht, aber Martimus Luther.“ Da lächelte 
er mit jolchem Scherz: „Die halten mich für den Dutten, ihr für den Yuther, 
ich jollt wohl bald Vlarkolfus ! werden“, umd nad) ſolchem Geſpräch nahm 
er ein hoch Bierglas und ſprach nad des Yandes Brauch: „Schweizer, 
trinten wir noch einen freundlichen Trumf zum Segen!" Und wie id das 
Glas von ihm empfangen wollte, änderte er das Glas, bot dafür einen Krug 
mit Wein, jprechend: „Das Bier ift euch unheimiſch und ungewohnt, trinfet 
den Wein!" Indem ftund er auf, warf den Wappenrod auf feine Achjeln 
und nahm Urlaub, bot ung jeine Hand und ſprach: „So ihr gen Wittenberg 
fommet, grüßet mir den Dr. Hieronimum Schurpfen.“ Sprachen wir: „Wir 
wollten es willig tun; ja wie jollen wir euch nennen, daß er den Gruß von 
euch verstehe?" Sprach er: „Saget nicht mehr, denn: der kommen jolt, 
läßt euch grüßen; jo verfteht er die Worte bald.“ Alſo ſchied er von uns 
[und ging] zu feiner Ruhe. — — — 

Am Samftag darnach find wir bei dem Dr. Hieronimo Scurpfen em- 
gefehrt, auch unjere Briefe zu überantivorten. Wie man uns in die Stube ruft, 
jiehe, jo finden wir Martinum gleicher Maßen, wie zu Jena, bei ihm Philip- 
pus Melanchthon, Yuftus Jodocus J Jonas, Nikolaus Amsdorf, Dr. Auguſtin 
Schurpf, erzählend, was ſich in ſeiner Abweſenheit zu Wittenberg verlaufen 
habe. Er grüßt uns und lächelt, zeigt mit dem Finger und ſpricht: „Dies 
iſt der Philipp Melanchthon, von dem ich euch gejagt habe;“ da fehret ſich 


' Anjpielung anf das bekannte Bollsbud aus dem 15. Jahrhundert: „Salomon und 
Martolf“, in welchem der lettere als cine Art Eulenjpiegel ericheint, der felbjt den weiſen 
Salomon überlijtet. 





301 


Philippus gegen ums, fraget viel, und fo mandherlei der Läufe halb, des 
wir ihm, jo viel wir mußten, Beſcheid geben. Aljo verbrachten wir denjelbigen 
bei ihnen, unjerjeitS mit Freuden und großem Verlangen. 


119. Aus Bwinglis göttlicher Dermahnung an die Schwizer, daß 
fie ih vor fremden Herren hüten umd entladen. Mai 1522. 


Zwingli's Werfe IL. 2. S. 289 fi. 


„Unſere Altwordern haben aus feiner andern, als güttlicher Kraft ihre 
‚Feinde überwunden und fich in Freiheit gejegt, haben auch joldhes immer an 
ſich treulich erfannt mit großer Dankbarkeit und Yiebe. ... Dazu haben auch 
unſere Altvordern nicht um Yohn Chriftenleute totgeichlagen, jondern um 
Freiheit allein geftritten, dantit ihr Yeib, Yeben, Weib und Kind eimem üp— 
pigen Adel nicht jo jämmerlich zu allem Mutwillen unterrvorfen wäre. Welcher 
‚sreiheit Gott jelber günftig ift, wie er bezeugt hat, indem er alle Kinder 
Israels aus Ägypten geführt hat, darım daf fie die ägyptiſchen Könige und 
Bolt ungnädiglih und ſchmählich hielten, ... auch, indem er fie darnach, da 
jie nach einem König fchrien, von den Mifbräuchen und der Gewalt der 
Könige berichtete, ohne Zweifel fie vor der Herrichaft warnend. — — 

Darum hat ihnen Gott immer Sieg, Ehre und Gut gemehrt, jo gewiß, 
jo oft, daß fein Herr fie nie überwunden hat, jo ftarf ift er nie geweſen; 
was ohne Zweifel nicht menjchlichen Vermögens ift, jondern göttlicher Kraft 
und Gnade. Ja, wo fie ihr Vaterland beichirmt haben und ihre Freiheit, 
wie am Meorgarten, zu Sempach, zu Näfels in Glaris, da vierthalbhundert 
fünfzehntaujfend eines Tags zum elften mal angegriffen und zum legten in 
die Flucht gejchlagen — bei denen auch ihr Frommen von Schwiz dreißig Mann 
gehabt habt — ja nod) an viel Orten, da jie angegriffen umd immer mit 
Freud und Ehren wiederum heimgefommen, jet gar nabe an zweihundert 
Jahre ruhig geweien jind und ungeſchändet. — — 

Da nun leider jeit einiger Zeit etliche unter ums kindiſch genug ihrer 
jelbjt vergejjen, Gottes vergejfen, ſich von ihrer Begierde haben führen laſſen, 
bat der Teufel, aller Frommen Feind, gleich wie zum erjten der Gejchöpfe 
die Schlange, aljo zu unſern Zeiten die fremden Herren aufgerichtet, daß fie 
mit uns aljo jprächen: „Ihr ftarfen Helden, jolfet nicht in euerm Yand und 
Gebirge bleiben; was wollt ihr mit dem rauhen Yande? Dient uns um 
reihen Sold! Wird euch großen Namen und Gut gebären und wird eure 
Stärke den Menſchen Fund umd gefürchtet!" Gleich wie der Teufel zu Eva 


302 


ſprach durch die Schlange: „Ahr werdet wie die Götter.” ... Alfo find fie 
mit einer einfältigen Eidgenoffenichaft umgegangen, ihren Nuten juchend, bis 
jie uns in folche Gefahr und unfreumdfiche Hand gebracht, daß wir ungeachtet 
des Vaterlands größere Sorge haben, wie wir ihnen das Ihre, Neich und 
Gewalt, behalten, als unjere eigenen Häufer, Weib und Kind. Und das wäre 
alles Flein, wo uns nit Schand und Schaden damit Hand in Hand ginge. 
Wir haben in Menfchengedenfen zu Neapel, Novara, Mailand größeren 
Schaden im der Herren Dienft empfangen, denn dieweil eine Eidgenoffenfchaft 
geftanden ift; und find im eigenem Krieg immer jiegbaft gewejen, in fremden 
oft fieglos. 

Das aber alles zu bejorgen ift aufgebracht worden von denen, jo ihren 
eigenen Nuten mehr denn den gemeinen angejehen haben; und es kommt doch 
der Schaden der Gemeinichaft ins Haus; ja es wächst von Tag zu Tag 
immer mehr Geiz, Woltuft, Mutwille, Ungeborfam; wir legen denn ein an- 
deres Kleid an umd tuen die Augen auf, daß wir die Gefährlichkeit, jo darauf 
jteht, jehen und verhüten. Deren Gefährlichfeiten die erfte und 
größte ift, dak wir den Zorn Gottes damit Schwer auf uns 
laden. ... Es joll auch eim jeglicher die Gefahr des Krieges an ſich ſelbſt 
bedenfen, wenn mit ihm gehandelt würde, wie er mit andern Chriftenmenjchen 
handelt, daR, wo ein fremder Söldner dir in dein Yand gewaltig zöge, deine 
Matten, Äcker, Weingärten verheerte, deine Rinder und Vieh hinweg triebe, 
allen Hausrat zuſammen bände umd hinweg führte, deine Söhne vorher im 
Angriff, jo fie ſich und dich beichirmten, erjchlagen hätte, deine Töchter mit 
Gewalt motzüchtigte und jchändete, deine liebe Hausfrau, jo herfür geht und 
zu den Füßen fällt, dir und ihr Gnade begehrend, mit den Füßen hinſtieße, 
und dich, frommen alten Knecht, in deinem eigenen Haus und Gemach ver: 
borgen liegenden, hervorzöge und dich im Angejicht deines Weibes jämmerlich 
erjtäche, unangefehen dein zitternd ehrjam Alter, deiner frommen Hausfrau 
Jammer und Klage, und zulett erjt Haus und Hof verbrannte. So meinteft 
du, wo ſich der Himmel nicht auftäte und Feuer fpiee, und das Erdreich jich 
nicht zerriffe und jolche Böſewichte verichlucte, jo wäre fein Gott; und jo du 
aber dergleichen einem andern tuft, meinft du, es jei Kriegsrecht. — — 

Die andere Gefahr, die uns der Herren und ihres Kriegens halber 
bevorfteht, ift, Dak daraus niedergedrüdt wird die gemeine Ge- 
rechtigkeit, als gar ein alt geiprochen Wort: Leges silent inter arma, 
das ift, wo die Waffen Oberhand haben, da müſſen die Geſetze ſtill ſtehn 
und jchweigen. Auch ift das Wort „Nriegsrecht“ nichts anderes denn Ge— 
walt. Brauch es, wie du willſt, und befimm es, wie du willſt, es ijt nichts 
anders denn Gewalt. Noch werfen fie entgegen: Man muß die Ungebor- 
jamen mit Gewalt und Waffen zwingen, wo jie dem Rechten nicht folgen 
wollen,” ... a wenn man mit Striegen nur dieſelben träfe oder jeder die 


Seinen, fo ungehorfam find, zum Gehorſam in ziemlichen Dingen zwänge, 
ginge es feinen Weg. Was redeft du aber dazu, dak du Geld nimmft umd 
einem fremden Herrn bilfft, ein anderes unverjchuldetes Yand mit Gewalt 
berauben, einnehmen, verheeren? ja etwa Herren bilfft, denen gar nicht ziemt 
zu Eriegen, als Bijchöfen, Päpften, Abten und andern Geiftlichen allein um 
Geldes willen? So wir aber hriftlic) von der Sache reden follten, jo ziemt 
uns das Kriegen in feiner Weiſe. Wir jollen aus der Yehre Ehrifti Gott 
bitten für die, fo uns übel reden und verfolgen und nad) einem Badenftreic) 
den andern auch darbieten. Denn jo werden wir Söhne des himmlischen 
Vaters. 

Weiter fchaden die Herren gemeiner Gerechtigfeit, indem ihre Gaben 
eines jeden Mannes, jei er jo weiſe als er wolle, Vernunft und Tugend 
verblenden, wie Mojes lehrt: „Die Gaben verblenden die Augen der Weijen 
und verfehren die Worte der Gerechten.“ O web, was mag uns hie in den 
Sinn fommen? Ohne Zweifel das, daß fo mancher wohlfönnende biderbe 
Mann ums ift verblendet worden, daß er all feine Worte, Vernunft und 
Sinn darauf gelegt hat, daß er einem Herm feinen Nugen und Yob fürdern 
möchte; damit die Einfältigen durch feine ſüßen, aber jchädlichen Worte ver- 
feitet würden, feiner Meinung nachzufolgen. Auch ift zu bejorgen, daß ein 
großer Teil derjelben einander die Hand bieten und helfen, es ſei vor Gericht, 
im Rat, an Gemeinden, dadurch ein lauterer und rechter Handel zumeilen 
getrübt und gebeugt werden müffe, davon Jeſajas droht: „Weh euch, Die 
jagen, das Bös jei gut und das Gute fei bös, die die Finfternis zu einem 
Yiht und das Yicht zu einer Finfternis machen.“ Wann die da jagen: 
„Bir müffen aber Herren haben; wir find ein armes Volk, haben ein rauhes 
Yand“, fo ift es wahr: je man fich nicht begnügen will mit ziemlicher Nah— 
rung und Kleidung, muß es irgend woher fommen. Wenn aber feiner ſich 
weiter ftredte, als er Dede hat, bevürfte e$ der Worte nicht. Denn der 
Kaiſer Julius hat, nachdem er die Helvetier (derem größter Teil wir in der 
Eidgenoffenschaft find) überwand, verordnet, daß ihr Yand wieder angebaut 
werde, darum daß es fruchtbar wäre. Wie wäre es geichehen, daß es nicht 
mehr fruchtbar wäre und vor jechszehneinhalbhundert Fahren fruchtbar geweſen 
wäre. Ja, es ijt fruchtbarer an fchönen, mannbaften Yeuten, denn fein Yand 
auf dem Erdboden ift, und fruchtbar genug, diejelbigen zu ernähren, jo wir 
nur mit ihm vorlieb nähmen. 

Ferner jo verbfendet uns der Herren Geld, dak wir wenig achten den 
Verluſt unſeres eigenen FFleiiches und Blutes, mur daß den Herren gedient 
werde; auch wenig des ganzen Regiments, ob aller Ungehorjam erwächst 
und man wm die Obrigkeit gar nichts gibt; womit aber mit der Zeit aller 
Schirm der Tugend niedergelegt wird und alle Nache des Übeln. Much er- 
wächst daraus mit der Zeit, daß die Neisläufer mit Gewalt die Obrigfeit 


303 


re 


304 


unter ſich zwingen werden und fchalten, wie fie wollen. Much werden fie ung 
zwingen zu halten, was wir nicht jehuldig find, umd jprechen, wir jeien es 
jchuldig, und uns verblenden, dak wir umjern gemeinen Nuten nicht erfennen 
mögen, noch unjern Borteil und Recht ermeffen und uns daran halten dürfen. 
Verſteht mich aljo: So ein Herr mit einem Nat oder einer Gemeinde öffentlich 
einen Handel vornimmt, da es fich aber micht ziemt, weder Miet noch Gaben 
zu nehmen, und er heimlich mit Gaben jein Vornehmen durchjegt: wenn Die: 
jelben jeine Gaben offenbart und die Untreue und Hintergehung entdedt wird, 
ift man ihm micht nur nichts jchuldig, jondern man mag jolche Untreue aud) 
an ihm rächen nach den menjchlichen echten. Und laß dich das nicht wunder- 
nehmen; du findeft die päpftlichen Rechte darüber ; und wenn ſchon der Papſt 
jelbft es tut, ift man ihm nichts jchuldig. ... Bier wird Eure Frommheit 
verftehen, daß ich einmal vecht geredet habe, wiewohl es mir in Haß verkehrt 
ward, da ich ſprach: „Ich wollte, dak man durd des Bapites Bereinigung 
ein Yoch geftochen und jie dem Boten auf den Rücken gegeben hätte, beim- 
zutragen !." Das däuchte jedermann ein unbillig Ding; und redete ich aber 
jolhes aus oben angezeigtem Grund; denn ich wußte, daß der Papit mit 
heimlichen Penjionen umgegangen war und man ihm darım nichts jchuldig 
war. Aljo verfteht es von einem jeglichen Herrn. — — 

Die dritte Gefahr ift, daß man böje Sitten mit fremden: 
Geld uud Krieg hbeimbringt und pflanzet. Das jehen wir eigent- 
lich; denn die Unſern find nie heimgefommen aus fremden Kriegen, jie hätten 
“denn mit fich etwas Neues gebracht an Kleidung ihrer jelbit und ihrer Weiber, 
an Speis, an Trank Unmaß, neue Schmwüre; und mas fie jündliches jehen, 
das lernen jie gern; alfo daß zu beiorgen ift, laſſe man nicht von freinden 
Herren, man werde noch jchädlichere Yafter mit der Zeit erlernen. Es wird 
auch alle Frauenzucht davon ſchwächer und unfrommer. ... Es ift auch zu 
bejorgen, es werde mit der Zeit viel abgehn an Manmnbaftigteit, wiewohl 
wir desjelben noch nicht inneworden jind; dennoch jo erlindet man in der 
Wolluft; denn ſanft Yeben wird nicht gern verlaffen. ... Was meint ihr, 
daß zulett aus den goldenen Hemdlein werde, Fingerringen, jeidener Klei— 
dung? Sektor hielt jeinem Bruder Alerander jcharf vor, daß er immer jo 
weichlich gelebt habe, annehmend, es babe ihn dazu gebracht, daß er vor 
jeinem Feind Menelaus geflohen wäre. 

Die vierte Gefahr, daß die Derrengaben großen Haß und 
Untreue unter uns gebären. Deun es ijt von Natur des Glückes 
Sejell der Haß, daß, wo man Glück hat, die Mikgunft gleich darnad) fommt ; 


Als Zürih 1521 kraft des 1515 geichloffenen Bındes vom PBapft zum Zuzug af 
geiordert wurde, 


aa — — 


305 


noch viel mehr wird man neidiſch, da einer ſo viel vor den andern gewertet 
wird; und ſo aber die Not kommt, iſt je ein biderber Mann des andern 
wert, und beſchirmen das Vaterland die allerſchlichteſten viel mannhafter denn 
die Gejtreiften ! zum öfteren Mal. Und nad) ſolcher Mißgunſt kommt auch 
Uneinigfeit und Unwillen derer, die da jagen: „Geh du voran, tu du Dies, 
tu du das, fannft du mehr Geld auflefen, lies auch mehr Streiche auf." End: 
lich, Krieg fremder Herren und Geld ijt eine Schule aller Yafter und Mutter, 
die uns ins Alter nichts anderes gebiert, al$ verfümmertes Gewiſſen. 

Die legte Gefahr ijt, dag man bejorgen muß, man fomme 
zulegt in der Herren Hände, entweder derer, die Freundſchaft mit 
uns haben, oder aber derer, die uns Feind find. Denn was ift nicht zu 
fürdten, da Hoffart, Weichlichfeit, Neid und Zwietracht jo ftarf find; auch, 
jollte e8 dazu kommen, daß man uns mit dem Maß gemejjfen wird, mit dem 
wir gemejfen haben, wir möchten unfern Jammer nicht genug beweinen .. 
davor uns Gott behüte. 

Darum, fronme, weife getreue liebe Ehrenleute von Schwyz! ermahne ich 
euch beim Yeiden und Erlöjen Jeſu Chriſti, umjeres Herren, bei aller Ehre, 
jo der allmäcdhtige Gott unjern frommen Altvordern je bewiejen hat, bei dem 
Schweiße und der übeln Zeit, die fie gehabt haben um unjerer Freiheit willen. 
Hütet euch vor der fremden Herren Geld, das uns umbringen würde, und 
tut das, dieweil es noch geſchehen mag, und folget nicht denen, jo da jprechen, 
es Fünne nicht geichehen. Es jteht noch wohl in einer Eidgenojfenjchaft; der 
Unwille, der jich unter uns erzeigt, iſt nur ein Blast ?, gleich wie zwijchen 
zwei Ehemenjchen oder Brüdern oft gejchieht, nicht eine ſtarke Feindſchaft. 
Dazu haben wir jo große Stärke an Yeuten als je, Gott behüte fie! Und 
es wird der Sad) leichtlicd) Nat, jo man fie trenlich und handlich vornehmen 
wird. Ihr habt dazu günftig unſere frommen Yeute von Zürich, Stadt und 
Gebiet, zu denen ich mich verjehe, daß fie hinfür fein Herr vermögen werde, 
da fie etwas mit ihm jolch jchädlidher Gejtalt handeln oder fich dazu ver: 
binden werden; Gott befeftige fie in gutem Vorhaben! Dazu eure frommen 
Zugewandten ?, deren Ehrbarfeit fremden Herren auch ganz entgegen ift. 
Und fo ihr auch wiederum im die Fußſpur unferer frommen Altwordern treten 
würdet, habe ich feinen Zweifel, es wirde euch eine gemeine Eidgenofjenichaft 
folgen. . . Yafjet euch micht befümmern den Abgang der Neichtümer. Es 
ift ei armer Neichtum, darım einer umkommen muß. Solcher Reichtum ift 
nichts anders denn ein Yeim, darin man gefangen wird gleich wie die Vögel. 
Yafjet euch auch nicht befümmern den Abgang fremder Hilfe, jondern jprecht 


! Diejenigen, deren Nleidung bunte Streifen aufweist (die Neihen 4 — ſchnell 
vorübergebendes Unwetter, — ? Mit Zürich hatten auch die Bündner den Kriegszug für 
Aranfreih ausgeichlagen. 

Oechsli, Quellenbuch. 20) 


306 


mit dem heiligen Paulus: „Wenn Gott an unferer Seite jtehen wird, wer 
wird wider uns jein?” Wie haben unjere Vorfahren getan, deren noch viel 
weniger waren, als unjer jett ift; man bedarf der Yege zu Art und Näfels 
nicht mehr; der Rhein ift jett die Yere. Wiewohl das alles nichts ift, es 
behüte denn Gott jein Volk. . . . Es ſchadet nichts, daß der Widerftrebenden 
viel find; Gott ijt ftärfer denn fie alle. Höre man nur nicht auf mit ängft- 
(ihem Gebet ihn anzurufen; er wird uns wohl rechten Zinn und Berjtand 
geben, und vom Böſen zum Guten fehren. Das tut Gott. Amen. 


120. Die 67 Theſen Bwinglis zur Difputation in Zürich. 
Jannar 1523. 
Zwinglis Werte L S. 155 fi. 


1. Alle, jo reden, das Evangelium jei a ohne die Bewährung der 
Kirche, irren amd ſchmähen Gott. 

2. Summa des Evangeliums ift, daß unfer Herr Ehriftus Jeſus, wahrer 
Gottes Sohn, uns den Willen feines himmlischen Vaters fund getan und 
mit jeiner Unſchuld vom Tod erlöst und Gott verfühnt hat. 

3. Daher der einzige Weg zur Seligfeit Chriftus ift aller, die je 
waren, find und werden, 

4. Welcher eine andere Türe jucht oder zeigt, der irrt, ja ift ein Mörder 
der Seelen und ein Dieb. 

5. Darum alle, jo andere Yehren den Gvangelio gleich) oder höher 
mejjen, irren, willen nicht, was Evangelium iſt. 

6. Dem GChriftus Jeſus ift der Wegführer und Hauptmann, allem 
menschlichen Geichlecht von Gott verheifen und auch geleitet. 

7. Daß er ein ewig Heil und Haupt jet aller Gläubigen, die fein 
veichnam jind, der aber tot ift umd nichts vermag ohne ibn. 

8. Aus dem folgt, daß alle, jo in dem Haupt leben, Glieder und Kinder 
Gottes find; umd das ijt die Kirche oder Gemeinſchaft der Deiligen, eine 
Hausfrau Chriſti. Ecelesia catholica. 

9. Zum andern, daß wie die leiblichen Glieder ohne Verwalten des 
Hauptes nichts vermögen, alſo in dem Yeib Chriſti niemand etwas vermag 
ohne jein Haupt Chriſtum. 

10, Wie der Menſch toll fit, jo die Glieder etwas ohne das Haupt 
wirfen, [wie ſie fich jelber reißen, verwunden, jchädigen: alio, wem die Glieder 
Ehrifti etwas ohne ihr Haupt Chriſtum verfuchen, jind ſie toll, jchlagen 
und beichweren jich jelbjt mit unweiſen Gejegen. 


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307 


11. Daher jehen wir der jogenannten Geiftlichen Satungen von ihrer 
Pracht, Neichtüimern, Ständen, Titeln, Gejegen eine Urſache aller Unfinnigfeit 
jein; denn fie ſtimmen nicht mit dem Haupte überein. 

13. Ro dem Gehör gegeben wird, lernt man lauter und flar den 
Willen Gottes und wird der Menſch durch feinen Geift zu ihm gezogen und 
in ihn verwandelt. 

14. Darum alle Chriftenmenfchen ihren höchften Fleiß anfehren ſollen, 
dat das Evangelium Chrifti einzig gepredigt werde allenthalben. 

16. Im Evangelium lernet man, daß Menfchenlehre und Satungen 
zu der Seligfeit nichts nügen. 


Vom Papſt. 

17. eDak Chriftus ein einziger ewiger oberjter Priefter ift, daraus er- 
meſſen wird, daß, die jich für oberjte Priefter ausgegeben haben, der Ehre 
und Gewalt Ehrifti widerftreben, ja fie zurückſetzen. 

Von der Meſſe. 

18. Daß Ehriftus, fich jelbft einmal aufgeopfert, in die Ewigfeit ein 
ausreichendes uud bezahlendes Opfer ift, für aller Gläubigen Sünde; daraus 
ermefjen wird, daß die Meſſe nicht ein Opfer, jondern ein Wiedergedächtnis 
des Opfers ift und eine Verficherung der Erlöfung, die Ehriftus uns be- 
wieſen bat. 

Bon der Fürbitte der Heiligen. 

19. Daß Chriftus ein einziger Mittler ift zwiſchen Gott und uns. 

20. Daß uns Gott alle Dinge will in feinem Namen geben; daraus 
entjpringt, daß wir auferhalb diejer Zeit feines Meittlers bedürfen, denn 
jeiner. 

21. Daß, jo wir für einander auf Erden bitten, das in der Geitalt 
tun, daß wir allein daranf vertrauen, dak uns durd Chriftum alle Dinge 
gegeben werden. 

Bon den guten Werfen. 

22. Daß Ebrijtus unſere Gerechtigkeit ift, daraus wir ermeſſen, daR 
unfere Werfe ſoweit gut find, foweit jie Chrifti, joweit fie aber unſer, nicht 
recht, nicht gut find. 

Vom Gut der Geiſtlichen. 

23. Daß Chriftus die Habe und Pracht diefer Welt verwirft; daraus 
ermejjen wird, daR die, jo Neichtum an fich ziehen in feinem Namen, ihn 
größlich ſchmähen, fo jie ihm zu einem Deckmantel ihres Geizes und Mut: 
willens machen. 

Vom Speijeverbot. 
24. Daß ein jeder Chrift zu den Werfen, die Gott nicht geboten hat, 


308 


unverbunden ift, darf alle Zeit alle Speiſe effen; daraus gelernt wird, daß 
Käfe- und Butterbriefe ' eine römiſche Gejchwindigfeit find. 


Bom Feiertag und Wallfahrten. 
25. Daß Zeit und Ort den Ehriftenmenjchen unterworfen jind und der 
Menſch nicht ihnen; daraus gelernt wird, daR die, jo Zeit und Ort anbinden, 
die Chriften ihrer ‘Freiheit berauben, 


Bon Kutten, Kleidung, Zeichen. 
26. Daß Gott nichts mißfälliger ift, als Gleisen; daraus gelernt wird, 
daß alles, jo ſich verichönt vor Menſchen, eine jchwere Gleisnerei und Ver— 
ruchtbeit ift. Dier fallen Nutten, Zeichen, Platten ? :c. 


Bon der geiftlihen Ehe. 
28. Daß alles, jo Gott erlaubt oder nicht verboten hat, recht ijt; daraus 
gelernt wird, daß die Ehe allen Menjchen jich zieme. 
29. Daß alle, die man geiſtlich nennt, fündigen, wenn fie, nachdem fie 
inne worden find, daß ihnen Gott Neinheit zu halten abgejchlagen hat, ſich 
nicht mit der Ehe vorjehen. 


Nom Gelübde der Neinbeit. 
30. Daß die, jo Neinheit verheißen, närrifch oder kindiſch zu viel auf 
fid nehmen; daraus gelernet wird, daß, die jolche Gelübde abnehmen, frevent- 
lih an den frommen Menſchen fahren. 


Bon dem Bann. 

31. Daß den Bann fein einzelner Menſch jemand auflegen mag, jon: 
dern die Kirche, das ijt die Gemeinjchaft derer, unter denen der Bannwürdige 
wohnet, mit jamt dem Wächter, das ift der Pfarrer. 

32. Daß man allein den bannen mag, der öffentlich ärgert. 


Von unredhtfertigem Gut. 
33. Daß unredtfertig Gut nicht Tempeln, Klöftern, Mönchen, Pfaffen, 
Nonnen, jondern den Dürftigen gegeben werden joll, jo es dem redjten Be: 
jiger nicht zurüderftattet werden mag. 


Bon der Obrigfeit. 


34. Die jogenannte geiftliche Gewalt bat feinen Grund ihrer Pracht 
aus der Yehre Chriſti. 





' Die Kirche gewährte gegen gewiſſe Taren die Erlaubnis zur Faſtenzeit Käſe und 
Butter zu genteßen. — ? Die Tonſur. 


— — ⸗— — — 





309 


35. Uber die weltliche hat Kraft und Befeftigung aus der Yehre umd 
Tat Ehrifti. 

36. Alles, jo der geiftlih genannte Stand ihm zuzugehören Nechtes 
oder Rechtesichirms halber vorgibt, gehört den Weltlichen zu, wenn fie Ehriften 
jein wollen. 

37. Ihnen find alle Chriften jchuldig gehorjam zu fein, niemand aus: 
genonmen. 

38. Sofern fie nichts gebieten, was wider Gott ift. 

39. Darım jollen alle ihre Geſetze dem göttlihen Willen gleichförmig 
jein, aljo daß fie den Bedrückten beſchirmen, ob er ſchon nicht klagte. 

40. Sie mögen allein mit Hecht töten, auch allein die, jo öffentlich 
Ärgernis geben (Gott unerzürnt, der heiße denn ein anderes). 

41. Wenn fie recht Rat und Hilfe leiften denen, fir die fie Rechnung 
geben werden vor Gott, fo jind diefe auch ihnen fchuldig, leibliche Hand- 
reichung zu tum. 

42. So fie aber ungetreu und außer der Schnur Chrifti fahren würden, 
mögen fie mit Gott entjegt werden. 

43. Summa, deſſen Neich iſt am allerbeiten und fejtejten, der allein 
mit Gott herrſchet, und deffen am allerböjejten und unftäteften, der aus feinem 
Gemüt [herricht]. 

Bom Gebet. 

44, Wahre Anbeter rufen Gott im Geift und wahrhaft an, ohne alles 
Geſchrei vor den Menfchen. | 

45. Gleisner tun ihre Werte, daß fie von den Menſchen gejehen werden ; 
nehmen aud) den Yohn in diefer Zeit! ein. 

46. So muß immer folgen, daß Tempelgeſang oder Geſchrei ohne Au— 
dacht und nur um Lohn entweder Ruhm jucht vor den Menſchen oder Gewinn. 


Vom Ärgernis. 
47. Yeiblihen Tod foll der Menſch eher leiden, als daß er einen 
Chriſtenmenſchen ärgere oder ſchände. 
48. Wer aus Blödigfeit oder Unwiſſenheit jich will ohne Urjache ärgern, 
den joll man nicht frank oder Klein bleiben laſſen, jondern ihn ftarf machen, 
daß er nicht für Sünde halte, was nicht Sünde tft. 


Bon Nachlaſſen der Sünde. 


0. Gott läßt allein die Sünde nah, durch Chriftum Jeſum feinen 
Sohn, unjern alleinigen Herren. 





'» b. auf Erden, jtatt im Jenſeits. 





— 


310 


51. Welcher ſolches der Kreatur zumißt, zieht Gott ſeine Ehre ab und 
gibt ſie dem, der nicht Gott iſt; iſt eine wahre Abgötterei. 

52. Darum die Beichte, ſo dem Prieſter oder Nächſten geſchieht, nicht 
für ein Nachlaſſen der Sünde, ſondern für eine Ratforſchung vorgegeben 
werden joll. 

53. Aufgelegte Bußwerke, fommend von menschlichen Yatjchlag (aus- 
genommen den Bann), nehmen die Sünde nicht hin, werden aufgelegt andern 
zum Schreden. 

54. Chriftus bat ’all unſere Schmerzen und Arbeit getragen. Welcher 
nun Bußwerken zumißt, was allein Chriſti ijt, der irrt und ſchmäht Gott. 

55. Welcher irgend eine Sünde dem reuigen Menſchen nachzulafjen 
jäumte, wäre nicht an Gottes, noch Petri, fondern an des Teufels ftatt. 

56. Welcher etlihe Sünde allein um Geldes willen nachläßt, ift St 
mons und Balaams Gejell und des Teufels eigentlicher Bote. 


Bom Fegfeuer. 


57. Die wahre beilige Schrift weiß fein Fegfeuer nach dieſen Zeiten. 

58. Das Urteil der Abgefchiedenen tft allein Gott befannt. 

59. Und je minder uns Gott davon hat wiſſen lajfen, je minder wir 
ung davon zu willen unternehmen jollen. 

60. Wenn der Menfch für die Geftorbenen jorgfältig Gott anruft, ihnen 
Gnade zu beweifen, verwerfe ich das nicht; doch davon Seit bejtimmen (jieben 
„jahre um eine Todſünde) und um Gewinnes willen lügen, ift nicht menſch— 
li, jondern teufliich. 


Bon der Priejterjchaft. 


61. Von dem Charakter (Weihe), deſſen die Priefter in den letten 
Zeiten find inne worden, weißt die göttliche Schrift nichts. 

62. Sie erfennt auch feine Priefter, denn die jo das Gotteswort ver- 
finden. 

63. Denen heißt jie Ehre entbieten, das ift leibliche Nahrung reichen. 


Bon der Abjtellung der Mißbräuche. 


64. Alle, fo ihre Irrung erfenmen, joll man nicht laſſen entgelten, jon- 
dern fie im Frieden fterben laſſen, und bernad das Ztiftsgut chrijtlich ver 
wenden. 

65. Die jo fie nicht ertennen wollen, mit denen wird Gott wohl han- 
dein. Darum joll man ihren Berjonen feine Gewalt antun, es wäre denn, 
dar fie jo ungebührlich verführen, daß man deſſen nicht entbehren möchte. 

66, Es jollen alle geitlichen Vorgejegten fich eilends erniedrigen und 


311 


allein das Kreuz Chrifti, nicht die Kiften ! aufrichten; oder fie ftürzen um, 
denn ich jage dir: Die Art fteht am Baum. 

67. Wenn jemand begehrte, Gejpräch mit mir zu balten von Zinſen, 
Zehnten, von ungetauften Kindlein, von der Firmung, jo erbiete ich mid) 
willig, zu antworten. 

Hier unterjtehe ſich feiner zu ftreiten mit Sophijterei oder Menjchentand, 
jondern komme an die Schrift (die Schrift atmet den Geift Gottes), die zu 
einem Nichter zu haben, damit man die Wahrheit entweder finde oder, jo 
fie gefunden ijt, wie ich hoffe, behalte. Amen. 

Das walte Gott! 


121. Urteil des Zürcheriſchen Rates nach gehaltener Difpntation. 
29. Januar 1523. 


Egli, Aktenſammlung zur Gefchichte der Zürcher Neformation S. 114. 


SE Na denn im jegt verfloffenen Jahre und jeither viel Zwietracht und 
a | Biweiung jich zwiſchen denen erhoben, jo auf der Kanzel das 

— Gotteswort den gemeinen Menjchen verkünden ; da etlich gemeint, 
das gu treulich gepredigt zu haben, andere fie [aber] geichelten 
haben, als ob fie nicht geichicft und frömmiglich gehandelt, und dagegen aud) 
die andern wiederum die Verführer und gar Neger genannt, Die aber immer 
mit göttlicher Schrift einem jeden, der es begehre, Beſcheid zu geben fich er: 
boten haben ꝛc. — jo nun beinahe vor einem Jahre unferes guädigen Herrn 
von Konftanz ehrwürdige Botſchaft ſolcher Sachen halb in der Stadt Zürich 
vor einem Bürgermeijter, Heinem und großem Kat gemejen und hiervon allerlei 
geredet worden, ift dazumal verabichiedet worden, daß unfer gnädiger Herr von 
Konjtanz daran fein wolle, in jeinem Bisſtum die Gelehrten (dazu die in andern 
anitoßenden Bistümern), Prälaten und Brädifanten zu berufen, zu raten und 
zu helfen und mit denjelben zu handeln, damit ein einhelliger Beſchluß ge: 
ichehe und männiglich fi) wühte zu halten, So aber bisher von unſerm 
gnädigen Herren von Konftanz, vielleicht aus merklichen Urſachen, nichts des 
halb bejonders vollendet worden iſt und die Widerwärtigleit ſich fort und 
fort unter EChriftlichen und Weltlichen erhebt — jo haben ein Birgermetiter, 
Rat und der Große Nat in dem Namen Gottes um Friedens und chriftlicher 





’ Die Gelblajten, 


— 
Eu 


312 


Einigfeit willen diefen Tag angefegt und dazu unſers gnädigen Herrn von 
Konſtanz lobwirdige Botjchaft vermocht, wofür fie ihren Gnaden hoben und 
fleifigen Dank jagen; biezu alle Yeutpriefter, Pradifanten und Seelforger 
insgemein und jeden bejonders durch ihre offenen Briefe aus aller ihrer 
Yandichaft in ihre Stadt vor fich beſchickt, bejchrieben und berufen und be- 
ichloffen, die, jo einander anfchuldigen und Ketzer fchelten, gegen einander zu 
verhören, welche als die Gehorfamen erjcheinen. 

Dieweil aber M. Ulrich Zwingli, Chorherr und Prädifant zum Großen 
Münſter, vorher viel übel nachgeredet, verleumdet und bejchuldigt worden ift, 
jo hat fich auf jein Erbieten und feine offen vorgehaltenen Artikel niemand 
wider ihn erhoben oder mit der gerechten göttlichen Schrift es unternommen, 
ihn zu überwinden. Und da er die, jo ihn als Keter angejchuldigt, zu mehren 
Dialen hervor zu kommen aufgefordert und ihm niemand irgend welche Kekerei 
bewiejen hat, haben fich darauf die genannten Biürgermeifter, Nat umd der 
Große Rat der Stadt Zürich, um große Unruhe und Zwietracht abzuitellen, 
nad) gehaltenem Nate erkannt, entſchloſſen und ift ihre ernjtliche Meinung, 
dag M. Ulrid Zwingli fortfahren [jolle] und fortan, wie bis— 
ber, das heilige Evangelium und die rechte göttlide Schrift 
verfünde, fo lang und viel, bis er eines bejjern beridtet 
werde Es follen auch alle andern ihre Yeutpriejter, Seel- 
jorger und PBrädifanten in ihro Stadt Yandjdhaften und 
Herridhaften nichts anderes vornehmen noch predigen, denn 
was jie mit dem heiligen Evangelium und jonft mit redter 
göttliher Schrift bewähren mögen, desgleichen einander fortan im 
feiner Weiſe bejudeln, verfegern, noch andere Schmähworte zureden. Denn, 
welche bierin ungehorſam erjcheinen und dem nicht genug fäten, diejelben 
würde man dermaßen halten, daß jie jeben und befinden müßten, unvecht 
getan zu haben. 


122. Obwalden an Zürich auf deffen Einladung zu der Difputation 
über Bilder und Meſſe. 25. Oktober 1523. 


Eidgen. Abſchiede IV. 1.a. 2. 345. 


uch zu dienen jind wir allzeit gutwiltig; aber wir haben nicht 
2 | jenderlich hoch gelehrte Veute, aber fromme ehrbare Priejter, die 
| uns die beiligen Evangelien und andere heiligen Schriften aus- 
legen, wie unjern Altvordern das auch ausgelegt worden ift und die heiligen 
Päpſte und das Nonzilium uns jolches geboten hat. Dem wollen wir nad)- 





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313 


gehn und glauben bis an unſer Ende und eher den Tod darum leiden, fo 
lang bis ein Papſt und ein Konziltum das widerruft; denn wir meinen 
nimmer, daR es uns zuftehe, das zu Ändern, was vor alten Zeiten jo ordent 
ih mit der ganzen Chriftenheit bejchtoffen worden ijt, mit Geiftlichen und 
Weltlichen; wir wollen auch nicht glauben, daß unjer Herrgott dem Zwingli 
jo viel Gnaden getan habe, mehr denn den lieben Heiligen und Yehrern, die 
alte Tod und Marter gelitten haben um des Glaubens willen; denn wir 
vernehmen nicht befonders, dar er aljo ein geiftliches Yeben führe vor an- 
dern, als [vielmehr], daR er auf Unruhe geneigt fei, mehr denn zu Frieden 
und Ruhe. Darum jo wollen wir niemand zu ihm jchiefen, noch zu andern 
jeines gleichen; denn wir geben ihm feinen Glauben, und daß es wahr sei, 
jo find wir des Willens: hätten wir ihn und erfände ſich, daß von ihm 
geredet würde, jo wollten wir ihm den Yohn geben, daR er es nimmer mehr 
täte. Nichts mehr, denn jeid Gott befohlen. 


125. Stiftung des Somderbundes der V Orte. 8. April 1524. 
Eidgen. Abſchiede IV. 1. a. S. 410, 


Die Boten der V Orte an Bern: 


Euch ijt wohl wiſſend, wie daR auf jüngft vergangenen Tagſatzungen 
vielmal von den gejandten Katsboten unſerer Eidgenoffen wegen der jchäd- 
lichen böjen Srrung des Yuthers oder Zwinglis, auch ihrer gemeinfamen 
trüglichen und zum Teil fegerifchen Lehre gehandelt, auch wie eine Botjchaft 
von den eilf Orten [dabei euer Botichaft auch geweſen ift] zu euern und 
unjern Eidgenofjen von Zürich geichiedt, und was mit ihnen geredet, auch 
was jie darauf schriftlich und mündlich zur Antwort gegeben, und [wie] jest 
auf dem jüngft vergangenen Tage zum fetten abgeredet und vereinbart 
mworden it, daß jegliches Ort auf den nächjttünftigen Tag lautere Antwort 
geben joll, ja oder nein, ob es dieje Huſſiſche Irrung ausreuten und wehren 
helfen wolle oder nicht ꝛc,, wie das der Abjchied zugibt. Und jo wir denn 
täglich jehen und merfen, daß dieje neue leichtfertige Yehre von Tag zu Tag 
ji) mehrt, da des Menjchen Eigenſchaft ſonderlich geneigt iſt zu neuen 
Dingen und mutwilliger Freibeit und Üppigfeit, wie das Vieh ohne Gejet 
und Ordnung zu leben; dieweil dann ... mit Vermmft wohl mag 
gejeben und gemerft werden, wozu dieſe neue Lehre uns Eidgenofien 
dienen und gereichen werde, aber wahrlich zu nichts Gutem, jondern gewiß 
folgt aus ſolcher Verfehrung des heiligen Gotteswortes und it zum Teil 
vorhanden der Ordnung der hl. chrijtlichen Kirche Zerjtörung, altes Gottes: 


314 


dienftes Verachtung, Gottes und feiner auserwählten Mutter, der Jungfrau 
Marie, Verkleinerung, der lieben Heiligen Berjpottung, der Seelen der arınen 
Ehriftgläubigen und aller unferer Vorfahren Bergeffung, und in Zumma 
eine Zerrüttung geiftlicher und weltlicher Obrigfeit. ... Wir wollen aber 
biemit um ſolche Irrung, jo ja ven unjern Altvordern, von chriftlichen 
stirhenverfammlungen, von viel heiligen Vätern und Yehrern unter Hilfe 
und Wirkung des heiligen Geiftes oftmals für Ketzerei erflärt und erfannt 
und ſtets ausgerottet und unterdrückt worden ift, jest gar nicht diſputiren, 
iſt auch verboten und nicht von Nöten. 

Auf ſolches alles fo haben wir die fünf Orte Tagleiftung zu Beden- 
ried bejchloffen und gehalten, jeder Bote feiner Herren und Obern Willen 
und Meinung eröffnet und aljo einmütig erfunden und uns dazu entjchloffen, 
bei chriſtlicher Kirchenordnung wie von alters ber, und bei dem alten wahren 
rechten Chrijtenglauben zu bleiben auch dieſe Intberijche, zwingliſche, 
bujfiiche, irrige, verfebrte Yehre in allen unſern Gebieten und 
Obrigfeiten auszurotten, zu wehren, zu ftrafenund zuunter- 
drüden, jo weit und fern unjer Vermögen fteht; find auch un: 
gezweifelter, ftarler Doffmmg und Vertrauens zu Gott dem Allmächtigen, 
der werde ums durch Mittel und Fürbitte feines eingebornen Sohns, auch 
feiner wiürdigiten Ghebärerin, der Jungfrau Maria, umd aller lieben Engel 
und Heiligen Dervortreten uns wenige nicht verlaffen, ſondern uns, wie früher 
unjere Altvordern, die auch etwa in Heiner Zahl große Taten getan, feine 
Gnade, Hilfe und Beiftand erzeigen. 

Dieweil aber euere Yandichaft und Gebiet allentbalben an die unſern 
ſtößt ımd die Euern, auch die Unſern, täglich zufammen wandeln und wohnen 
und fich immer wohl mit einander vertragen baben, wie frommen Eidgenofjen 
und guten Nachbarn zuftebt, und wir uns auch deijen fürobin verjehen ; wo aber 
jolcher Intberiicher Dandel bei euch und den Euern bervorbreden jollte, wie 
wir jedoch nicht boffen, würde das große Unrube, Umvillen und böje Nach— 
barſchaft, auch große Zwietracht und viel Böjes bringen, wie ihr jelbjt er: 
meſſen möget. Und darnm ſolches zu verbiten und ihm zuvorzukommen, 
getreue liebe Eidgenoſſen, ſo ermahnen wir euch erſtlich, ihr wollet betrachten 
und bedenken, wie großes Yob, Glück, Sieg und Ehre euere und unſere Alt: 
vordern vor Zeiten in ſolchem unſerm alten Glauben erlangt und bekommen 
haben, dabei, in wie großer Einigkeit, Friede und Ruhe in ſolchem Glauben 
unſere Vorfahren gelebt; dagegen jo wollet ermeſſen, was jetzt in dieſem 
neuen Glauben und Irrung vorgehe und wie es ſtehe, wie großer Neid, 
Haß, Unfreundſchaft, Zwietracht, auch alle Veichtfertigkeit daraus entſpringt, 
welches Glück wir jetzt haben, welche Einigkeit und Freundſchaft ſolches unter 
uns Eidgenoſſen bringe: der Vater iſt wider ſein Kind, Bruder wider 
Bruder, je ein Ort wider den andern, und es iſt zu beſorgen, daß durch 


— 
315 


die Strafe Gottes ſolches ein allerböſeſtes Ende mit ſich bringen werde. 
Darum, getreue liebe Eidgenoſſen, wiewohl wir vernommen, daß ſolche Ir 
rung und Mißglauben auch etwas unter euch gewurzelt und ſeinen Samen 
geſät, hoffen wir doch, daß die fromme Tapferkeit und die Handveſten und 
voraus der Mehrteil ſtärker ſind und bei dem alten Glauben bleiben werden, 
und iſt darauf an euch, als unſere beſonders getreuen lieben Eidgenoſſen, 
unfere allerhöchite und ernjtlichjte Bitte, Erjuchen und Begehr, daß euch nicht 
von uns jondert noch fern haltet, jondern zu uns ftcht umd euch unjerm 
Vorhaben und Willen gleichförmig macht und verbelfet, das Beſte zu tun, 
ſolchen Mißglauben und Zwietracht zu wnterdrüden und zu wehren... Das 
wird, jo Gott will, ohne Zweifel euch und ums zu großem Yob, Ehre, aud) 
gemeiner Eidgenofjenihaft zum Frieden, Ruhe und wieder zur Cinigfeit 
dienen und vor allen Dingen den allerhöchiten Gott damit bewegen, uns 
gnädig und barınberzig zu jein, und wir bitten, ihr wollet auf nächjtlinftigen 
Tag bei eurer Botſchaft uns gute Antwort zuſchicken und ihnen befehlen, zu 
uns zu jtehen. 

Wenn dann euch etwas Beichwerde und Yaft von geiftlicher Obrigfeit 
anläge und widerwärtig wäre, wie und in welcher Gejtalt das ijt, da wollen 
wir mitſamt euch und, jo Gott will, mit andern Orten, jo aud zu uns 
jtehen werden, darüber figen und ratichlagen, was dann notdürftig, uns allen 
müglic und ehrbar ift, damit wir deſſen entladen werden. Denn wir tragen 
nicht minder denn ihr an viel Dingen auch Bejchwerde und Mißfallen; es 
it aber wohl in anderer Weije abzuftellen, denn aljo mit ſolcher böjer 
Irrung. 


124. Aufhebung der Leibeigenſchaft im Kanton Zürich. 
18. Mai 1525. 


Egli, Aktenſammlung Nr. 724; vrgl. Nr. 726 ©. 337. 


Der Yeibeigenjchaft halb haben unfere Herren das höchſt angejehen, 
daß mir alle Kinder Gottes find und brüderlich gegen einander leben jollen ; 
darum iſt geratichlagt, daß wir unſere leibeigenen Leute folcher Eigenjchaft 
freifagen, umd ihnen die Yyälle, Geläſſe und Ungenoſſame, jo von Yeib- 
eigenſchaft herrühren, erlaffen wollen, in Hoffnung, unfere biderben Yeute werden 
jolches gegen Gott und ung in Treuen auf andere Wege erjegen. Se wir 
aber niemand gern das Zeine hingeben, wollen wir mit andern Herren, fo 
eigene Leute in unſeren Gebieten haben, beförderlich reden, ob fie joldyes 
auch gleicher Form nachlaifen. 


316 


125. Don M. Alrich Zwinglis vielfältiger Miüh und Arbeit. 


Bıllingers Neformationsgefhichte 1. S. 300. 


Heinrich Bullinger, der berühmte Nachfolger Zwingli's am Großmiünfter in Zürich, 
geb. 104 zu Bremgarten, geſt. 1575, fand neben den vielfachen Beſchäftigungen feines 
Amtes und feiner tbeologiichen Arbeiten noch Muße, fih in das Studium der vater 
ländiſchen Bergangenheit zu vertiefen, und verfaßte eine große Chronif, welche in zwei 
Abteilungen zerfällt, die eidgenöſſiſche Geſchichte, von den frühbeften Zeiten bis 
zur Reformation, und die Reformationsgeſchichte von 1519 bis 1532. Die leßtere, 
in welcher Bullinger als Augenzeuge und Mitbandelnder berichtet, ift won befonderem 
Werte. Die Wärme und Herzlichkett der Darſtellung, die gründliche Forſchung, die vela 
tive Unbefangenbeit Des Urteils auch in lonfeſſionellen Dingen erheben fie zu einem un— 
ſerer beiten hiſtoriſchen Worte. 


M. Ulrich Zwingli ift im Eſſen und Trinken gar ein mäßiger Menjch 
und jonft auch einer ftarfen gefunden Kompflerion, nicht fchwermütig, ſondern 
eines freien, fröhlichen Gemüts geweſen, dak er feine große und vielfältige 
Arbeit, insbejondere durch Gottes Gnade und bejondere Hilfe wohl hat aus- 
halten mögen; zudem er dann die Muficam gebraucht bat zur Erlabung 
und Ergögung des bejchwerten Gemiüts, wie er dam auch zu diefem Erde 
bin jeine ehrbare Geſellſchaft gottfeliger und freundlicher Leute und ergetliche 
und nutzbare Geſpräche zu feinen Zeiten gehabt, ſonſt aber aller Stunden, 
daß er fie wohl anmwende und gebrauche, auf das allerfleigigite geachtet bat, 
daß ihm and) nicht eine ohne Nuten entginge oder verbürbe. Früh tt er 
aufgeftanden. Biel hat er bei Nacht ausgerichtet mit Schreiben, doch auch 
nur dann, wenn er mit Gejchäften, die feinen Aufjchub noch Verzug leiden 
mochten, überladen war. Sonſt befliß er fich immer rechter notwendiger 
Ruhe. 

Das Predigen an Sonn- und Feiertagen, auch in der Woche hat er 
alle Zeit ſelber zu ſeinen Tagen und Stunden verrichtet und hat ſelten andere 
an ſeiner ſtatt zu predigen angeſtellt, er wäre denn krank geweſen, was 
ihm wenig begegnete, oder mit gar großen und notwendigen Geſchäften über 
laden. In ſeinen Predigten war er ganz fleißig, einfach und verſtändlich, 
alſo daß ihn männiglich gern hörte, und ein großer Zulauf des Volkes zu 
ihm war. Wenn er nicht predigte, war anderer Lehren und Predigen nicht 
ſo wert als das ſeine gehalten. Denn im Lehren war er gar verſtändlich 
und gut zu merken, im Strafen ganz ernſthaft und erſchrecklich, doch väter— 
lich, im Vermahnen gar inbrünſtig und eindringlich und im Tröſten ſehr 
anmutig und lieblich. Sein Geſpräch war auch anmutig und lieblich, denn 
er redete gar ländlich und war dem fremden angenommenen Geklapper, der 
kanzleiiſchen Verwirrung und Pracht der unnützen Worte ungünſtig. Das 


TE u 3 vi Tun | am uud nn re 


317 
Gebet vor der Kirche hielt er mit großem Ernft, vermahnte jtreng zum Gebet 
und betete auch bejonders viel und jtet. 

Alle Tage, ausgenommen Feiertage und Freitags, profitierte, d. i. las 
er in der Schrift des alten Tejtamentes, erflärte in offener Yeltion den Text 
der Siebzig ', fonferirte ihn gegen den hebrätjchen und zeigte jeinen rechten 
Sinn und Gebrauh an. Solche Arbeit allein wäre einem gelehrten, ge- 
ſchickten und viel geübten Mann ſchwer genug geweien. Darum wurden auch 
nad) jeinem Tod zwei Perfonen angeftellt, fein Amt zu verwalten, Heinrich 
Yullinger, daß er Pfarrer und Prädifant, und Theodorus Bibliander, daß 
er Profejior oder Yejer des alten Teftamentes wäre. 

Viel Arbeit und Müh hat er auch mit der Schule gehabt, dar fie recht 
eingerichtet und man die Jugend darin nüglich lehrte. Atem, daß bin und 
ber auf die Pfarren oder PBrädifaturen geſchickte Perſonen geordnet würden, 
von welchen er dann wegen mancherlei Sachen viel angeftrengt wurde. Nicht 
mindere Arbeit, Sorge und Unrube hat er mit bejondern und auch allgemeinen 
öffentlichen Diſputationen gehabt, ... mit den Voten des Biſchofs von Kon— 
ftanz, mit den Yesmeiftern, Mönchen, Pfaffen und Chorherren zu Zürich, 
mit Franzisco Yamberto, mit Joachim am Grüt Unterfchreiber, mit Eck und 
Faber, der Zeit als zu Baden difputirt wurde, Da beitund er beionders 
große Gefahr umd doch erhielt er weislich mit der Hilf Gottes Frieden in 
gemeiner Eidgenojjenichaft, welchen etliche gerne verfehrt hätten. Er mußte 
auch vom Zehnten dijputiren; item öffentlich md zum andern Mal zu 
Züri wider männiglih im jahre 1523, zu Anfang und Ausgang des 
‚sahres. Großen Ruhm hat er erlangt von der Dijputation, die er zu Bern 
half fertigen und die er zu Marburg ver den Fürften, vor dem Adel und 
vor den Gelehrten mit Doftor Yuther jelber gehalten hat. tem zum dritten 
und vierten, ja zu öfteren Malen hat er im bejondern und öffentlich diſpu— 
tirt mit den Täufern und fie gewaltig überwunden. In dem Diiputiren 
hatte er bejondere Gnade. Denn er lie feine Widerſacher nicht hin- und 
berichweifen und allerlei hineinziehen, jondern hielt jie zur Sache, verwarf 
unnötige Neden, war geihwind, ihnen ihre Argumente wider fie jelber zu 
richten, und drang nur immer auf die Schrift, machte es alles kurz. 

Briefe hat er hin und her jo viel gejchrieben, nämlich nach Deutichland, 
Frankreich, Italien und in andere Yande, in denen allen ev Kundſchaft und 
jeine Gönner und Freunde hatte, daß jemand ſich wundern möchte, ob zwei, 
die nur fertig mit Schreiben wären, gefunden werden möchten, was Zwingli 
allein inmitten anderer jo vielfältiger Gejchäfte ordentlich) ausgerichtet hat. 
Ihm iſt von fernen und viel Orten, von Fürften, Herren, Edeln, Gelehrten 


' Der Septuaginta, der alten griediichen Bibelüberfegung. 


318 


und Angelehrten viel gefchrieben worden. Der hat diejes, der andere anderes 
von ihm begehrt. Andere haben ihm allerlei quarstiones vorgelegt, die andern 
ihm vielerlei Arten, die heilige Schrift zu erklären, vorgetragen. Viele haben 
fonft ihre Not und Anliegen erzählt und jeines treuen Nates begehrt. Denen 
bat er immer willig wieder gejchrieben und geantwortet, daß jie zufrieden, 
nit Verminderung, ihm treulich gedankt haben. Gar viele Briefe hat er 
unaufgefordert hin und her, micht allein in der Eidgenofjenichaft, jondern 
außerhalb die Eidgenoffenjchaft an gelehrte, befondere Perjonen, an denen 
viel gelegen war, geichrieben, der evangelijchen Mehrheit allenthalben aufzu- 
beifen, Zetten und Irrtümern zu wehren. Von diefen Briefen jind viele zu 
Nafel gedrudt in dem Buch, genannt Epistole Zwingli und Oecolampadii. 
Der Bücher find vier, noch jind von den Epijteln jehr viele binterbalten, unter- 
drückt und verloren. Iu Zonderbeit aber bat er mit dem Drud und Truden 
große Arbeit gebabt. Darüber beflagt er jich jelbit in jeinen Büchern. Schaffte 
aber viel Nugen damit. 

Der tägliche Überlauf von Reichen, Armen, Einbeimiicen und fremden, 
bei Tag und Nacht, war ibm ſehr bejchwerlich. Die, welde vertrieben 
waren von des Glaubens wegen, loben zu ibm, als einem Bater. Biele 
gingen ib an um Beförderung bei einem ebrjamen Kat ron Zirich und 
bei andern geebrten vornehmen gewaltigen Yeuten, Niemand lie$ er unge 
troſtet von ſich. Jedermann empfing er gar freundiih, Und mem er mit 
mehr vermochte, erzeigte er ſich dech als der, weider sen Yen Vers rien, 


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319 


Schrift geübt, wiewohl er mit dazu Graecos und Latinos autores classicos 
auch fleißig las. Viele Bücher hat er in Latein und Deutſch zum Druck 
geichrieben, ... daß, wenn er diefe 11 Jahre, die er zu Zürich Gott und 
der Kirche gedienet, nichts anderes getan, denn allein dieje Bücher geichrieben, 
niemand mit Wahrheit jagen möchte, daß er wenig getan hätte. 


126. Don Huldreichen Bwingli. 


Keßlers Sabbata. 


J. S. 169. anno 1523. Huldrich Zwingli, aus der Grafichaft Toggen- 
burg, zum Wildenhaus genannt gebürtig, nach Yeibes Form eine jchöne tapfere 
Perjon [von] ziemlicher Länge, jein Angeficht freundlich und votfarben, nad) 
dem Gemüt in geiftlihen und weltlichen Händeln Hug, fürjichtig und rat- 
ihlägig, eines ehrbaren Wandels, daß von feinen Widerwärtigen ihm nichts 
mag vorgeworfen werden, denn daß er jeine Erquickung empfängt in ehrbarem 
Gebrauch des Saitenfpiels. 

II. ©. 324. a. 1531 nad) Zwinglis Tod. Seine Art zu reden war... 
unfalſch, pur, verjtindig und nicht zu viel gefliffen, noch auf die Schau- 
jtellung zugepußt, alles jchlicht und männiglichem zu verftehen; gar nichts 
lag bie oder jchlich auf dem Boden, alles lebte, und mit Tapferkeit etlicher- 
mapen zufammengefügt, ging es leicht durch ich weiß nicht was fiir eine Lieb: 
liche Kraft den Hörenden zu Herzen. In der Schrift war jein Urteil un— 
falſch, jcharf, heilig und nicht zu vergleichen, hatte eine wunderbare Geſchick— 
lichkeit, der Schrift Geheimmis hervorzubringen, eine wunderbare Einfalt und 
Yeichtigfeit, diejelbe zu handhaben, wunderbar, wie treffend und verjtändig 
er aus einer Sprady in die andere weiß zu verdolmetichen. . . . Steiner tt, 
der eines aus dem andern Fräftiger ſchließe, denn diefer Menſch, feiner, der 
den Pfeil gegen den Widerpart jchärfer abdrüde, oder himvieder wunderbarer 
den ausfchlage, der gegen ihn angelegt iſt. . . . Welcher beluftiget doch ſtatt— 
licher, welcher bewegt heftiger? lobt mit weniger Falſch? welcher beredet 
tapferer? welcher vermahnet inbrünftiger? Mlle Dinge find bei diejem 
Menſchen aufs höchſte gelommen. So haben nun die Römer in der Wohl 
vedenheit ihren Tullium [Cicero], in der Freibeit wieder zu erlangen Brutum; 
die Griechen erheben die Ihren, es ſeien Kaiſer, Negierer oder Gejetgeber, 
Themiſtoclem, Periclem, Lycurgum und Solonem; wie viel wahrhafter und 
gerechter jollen wir unjern Zwinglium ... mit etwas beiliger Dantbarteit 
rübmen, als den, der nad) größter Übung gottjeligen Wandels wiederum zu 
erlangen Freiheit umd Güte umd heilige Yehren zu erneuern wunderbarlich 


320 


gebt hat. . . Denn in diefem Menjchen it gewejen eine inbrünftige Yiebe 
zur Gerechtigfeit, eine bremmende Übung der Billigteit und eine unerjättliche 
Begierde nad) der Wohlfahrt jeines Vaterlandes. 


127. Ocholampad an Zwingli während der Difputation zu Baden. 
Mai 1526. 


Aus dem Lateiniſchen Zwinglis Werte VII S. 511 fi. 


18. Mai. Seid auch ihr guten Mutes, Brüder! Wir werden von dem 
Herrn Hilfe empfangen; er wird die Seinen nicht verlassen. In der 
ersten Zusammenkunft werde ich aus Leibeskräften darauf dringen, dass 
wir uns an einem geeigneten Orte versammeln können; ich hoffe aber 
auch, dass dir Schaffhausen, wenn das übrige sicher ist, nicht missfallen 
werde. Vor dem Mittagsmahl werden wir nicht gerufen werden. In der 
Kirche, sagen sie, seien Sitze zugerüstet. Bertold |Haller] ist noch nicht 
gekommen, auch Hess von Appenzell nicht. Die Gegner aber sind zahl- 
reich; Gott Lob. Ich habe den Brief an Bertold gelesen und er hat mir 
gefallen. Wir werden nichts von dem unterlassen, was du befiehlst, wenn 
wir disputiren müssen. Aber wir werden, wenn irgend möglich, der Dispu- 
tation ausweichen aus dem einzigen Grunde, damit uns nicht Unheil daraus 
erwachse, dass ihr nicht anwesend seid. Möchte es doch irgend einen 
Weg geben, auf dem ihr hieher gebracht werden könntet; aber ich 
möchte euch in keiner Weise in Gefahr bringen. Lebet wohl. 


22. Mai. Sei gegrüsst in Christo, mein Bruder. Die für uns besorgten 
Basler Bürger haben den Befehl geschickt, uns der Disputation zu ent- 
halten. Aber der Bote kam nicht zeitig genug. Gestern morgen nämlich 
haben wir, wie du gehört hast, Gottlob, nicht unglücklich, begonnen. 
Wie verdriesst es sie, mich reden hören zu müssen. Mein Bürgermeister 
und mein Rat haben entschlossen gehandelt, indem sie den übrigen Ge- 
sandten ernstlich drohten, wenn sie mir nicht in dem, was nötig ist, 
Gelegenheit zum Reden gäben; daher habe ich gute Hoffnung, dass man 
uns hernach grössere Billigkeit zu Teil werden lasse. Übrigens laufen 
weder wir noch ‚unsere Sache Gefahr, da der Herr seine Ehre, die wir 
rein zu erhalten wünschen, nicht verlassen wird. Du sei einstweilen 
guten Mutes. Wir haben das Gespräch nicht gut so lenken können, dass 
wir die Disputirenden an einen andern Ort hätten ziehen mögen. . .. 
lebe wohl und bete, dass die Sache ein gutes Ende nehme. 


23. Mai. Die Gnade Christi sei mit dir, mein Bruder. Jetzt sind 
wir nicht sowohl unser- als deinetwegen besorgt. Denn, weil die Berner 
jenen Beschluss gutgeheissen, wie du wissen wirst, und dich öffentlich 
tadeln, dass du mit so sicherm Geleite hier nicht habest erscheinen 
wollen, so finde ich und einige wohlgesinnte Brüder, dass du, wenn es 





en 


321 


anders ohne Gefahr geschehen kann, der Disputation nicht fern bleiben 
solltest. Wir fürchten nicht für die Sache. Sogar unsern Gegnern ist die 
Unverschämtheit Ecks lästig... .. Wie wenn die Sicherheitsbriefe für 
dies Mal die Verschwörungen der fünf Orte und der Berner zu nichte 
machten, ... und du ein Geleite von 50 vertrauten Männern mitbrächtest ? 
ausserdem könntest du auch eigene Speisen mitbringen. Denn ich sehe 
nicht ein, wie wir mit Schriften oder auf andere Weise den Gegnern 
den Mund stopfen können. Wenn das nicht möglich ist, so sehe ich nicht 
ein, auf welche Weise sich je wieder eine ähnliche Gelegenheit darbieten 
soll. Wenn du Gefahr leidest, so werden wir alle mit dir leiden. Aber 
vielleicht hast du mehr erfahren, als ich selber weiss. Siehe zu, was zum 
Ruhme des Evangeliums Christi gereicht, dem unser Leben, soweit es 
uns noch beschert bleibt, geweiht sein soll. Lebe wohl. 


12. Juni, von Basel. Gnade und Friede von Christus, mein Bruder. 
Wir sind glücklich nach Hause gelangt, dringend erwartet und beglück- 
wünscht von allen Frommen. Ich fürchte aber, dass es [nur] eine Freude 
von Stunden sein und dass der Satan sie in Betrübnis verkehren wird. 
Noch hat man uns das Predigen nicht verboten, was im Abschied die 
Grossen der Schweizer den Gesandten aufgetragen haben sollen. Wir 
müssen zu Christus beten, dass er die Seinigen nicht verlasse, und bald 
den Satan unter seinen Füssen zermalme. Habe Dank für deine zahl- 
reichen Briefe und Grüsse nach Baden, durch welche mich der Herr nicht 
wenig ermuntert und gestärkt hat. Die Gesandten von Basel haben kein 
Exemplar der Disputation erlangen können, was den Meisten hier gar 
unangenehm ist. Diesen Brief fand ich zu Hause. Urbanus'! hat die 
Freundschaft noch nicht gekündigt. Lebe wohl. 


128. Altfehultheiß Hans Hug an Schultheiß und Rat zu Luzern 
fiber die Difpntation zu Baden. 3. Zuni 1526. 


Abſchiede IV. 1a S. 911. 


Ich füge eurer Weisheit zu wiſſen, daß die Diiputaz ftreng vor fich geht 
für und für, und daß Doktor Ed jeine Schlußreden noch bisher nicht zu Ende 
gebracht hat. Nämlich jo find Die zwei erſten Schlufreden ausgemacht und 
beichlojien, und auf heute jo wird die dritte Schlußrede auch beichloffen, und 
dabei [melde ich euch], daß D. Ed durch die hl. Schrift noch bisher jeine 
Artifel jo redlich [aufrecht] erhalten, daß fi) darcb zu verwundern und gar 
mandem gefällig ift, und [es] jteht von Gottes Gnaden wohl. Denn wahrlich), 


' Urbanus Rhegius, Prediger zu Augsburg. Oekolompad spielt hier auf den zwischen 
den deutschen und schweizerischeu Reformatoren ausgebrocheneu Abendinahlsstreit an. 


Oechsli, Quellenbuch. 21 


322 


wie viel allenthalbenher der lutheriſchen Pfaffen find, jo gelüftet doch feinen 
und darf feiner auf die Kanzel kommen gegen D. Eden; fie fcheuten die 
Kanzel, wie der Teufel das Kreuz. Denn wo D. Defolampadius von Bajel 
nicht wäre, jo hielte ich dafür, alle Pfaffen ftünden jo jchändlid [da], als 
feine Yeute je beftanden find, daß ihrer feiner auf die Kanzel kommen dürfte; 
aber ohngezweifelt hoffe ih, die Sache werde zu gutem Ende gebradt. ... 
Item zu Aarau ijt einer gefangen genommen worden, der hat geredet, die Eid- 
genoſſen hätten fiebentaufend Gulden genommen, daß fie den neuen Glauben 
und das Evangelium unterdrücen follen. Darum haben meiner Herren Boten 
ihn berechtigen laffen; der hat einen Widerruf getan, daß ers erlogen habe 
und nichts davon wifje. tem der Prädifant zu Bern [Bertold Haller] ift 
bie gewejen, und wiewohl jeine Herren von Bern gejchrieben, daß er Antwort 
geben jolle um alles, was er gepredigt habe wider den alten Glauben, nichts 
dejto minder, als D. Ef ihn gefragt in der Dijputaz, was er halte umd 
glaube, ob in dem Saframent des Altars der wahre Fronleichnam und das 
Blut Chrifti gegenwärtig fei oder nicht, darauf hat er feine Antwort geben 
wollen. Alſo hat man ihn heimgeſchickt und denen von Bern deshalb gejchrieben. 
Es ift Bubenwerk; fie find alle frijch; aber jett, da dieſe Buben unter die 
Gelehrten gefommen find, jo fünnen jie weder „gigg* no „gaggen“; denn 
jie ftehen ganz im Unrecht da. Item ich ſchicke E. W. eine Abjchrift der Ar- 
tifel, jo die grauen Bündner angenommen haben; damit ihr wohl ermejjen 
möget, was aus diefen Dingen werden wollte, wenn man nicht wehren würde. 
tem auf heut Abend ift der Artifel berührend die Fürbittung der Jungfrau 
Mariä und aller Heiligen auch bejchloffen und auf morgen jo füngt man an, 
an die Bilderftürmer zu rühren. ch bin ganz guter Hoffmung, es ſoll dieje 
Difputaz zu allem Guten erjchießen. 


129. Ein Batholik über die Difputation in Bern. Zanuar 1528. 


Aus dem Pat.; Ruchat, Histoire de la Reformation de la Suisse. II. ©. 519 fi. 


Der Priester Jakob Müller von Soloturn, ein eifriger Altgläubiger, welcher der 
Disputation zu Bern beiwohnte, schrieb am 19. Januar 1528 einen lateinischen Brief 
über dieselbe an einen ihm befreundeten Chorherrn in Mainz. 







—— 


ZEN) wunderst dich, denke ich, was sich denn zugetragen habe, 
N AN dass ich euch so spät schreibe. Wisse, dass die Ursache 
=) ein Afterkonzilium oder Gespei (Gespräch wollte ich sagen) 
ea der Lutherischen oder vielmehr der Zwinglischen Ketzer 


ee GE | 







gewesen ist, das zu Bern abgehalten wurde. Wie sehr auch die 
Geschäfte drängten, zumal die Chorherrnpfründe beim hl. Mauritius, 





323 


welche mir vor zwei Monaten mein zu Rom im Solddienst befindlicher 
Bruder verschafft hat (die Mühwaltung der Soldaten ist mir nämlich 
zu Rom erspriesslicher gewesen, als die der Kardinäle), wie sehr auch, 
sage ich, diese und andere Geschäfte mich drängten, beliebte es mir 
doch, sie liegen zu lassen und zu sehen, wo die Raserei hinauswolle 
und wie viel unsern Bischöfen an der Kirche gelegen sei. Was soll ich 
aber sagen? Wir jammern teils über die Geschicklichkeit der Ketzer, 
teils über die Nachsicht der Fürsten; vielfach klagen wir auch das Ver- 
hängnis an. Aber was ich meinerseits zu sagen pflege, das hat sich mir 
in dieser Versammlung der Ketzer aufs vollste bewahrheitet. Es geht 
abwärts mit unserer Sache einzig in Folge unserer Trägheit, und weil 
unsere Kirchenhäupter keine wissenschaftlich gebildeten Männer heran- 
ziehen. ’ 

Einige der uns getreuen Erhalter Berns und zwar gerade diejenigen, 
bei welchen bisher die Oberleitung des Staates stand, hatten bewirkt, 
dass auch die Bischöfe, welche in ihrem Gebiete die kirchliche Hoheit 
besitzen, sogar unter Beifügung von Drohungen zu ihrer Disputation ge- 
laden wurden, aber in keiner andern Hofinung, als dass sie Gelehrte 
mitbrächten, welche die Ketzer widerlegen würden. Aber was geschah ? 
Keiner von ihnen kam entweder selber oder schickte Gelehrte. Der 
Lausanner sandte einige Franzosen; aber bevor es zum Kampfe kam, 
rief er sie wieder zurück. Einige Tage nachher kam ein gewisser 
Augustinerbruder; sie grüssten ihn als Provinzialen und hiessen ihn 
Träger; aber bei dem war wohl etwelche Maulfertigkeit, jedoch keinerlei 
Gelehrsamkeit und echte Beredsamkeit zu finden. Sobald nämlich Beweise 
aus der Schrift gefordert wurden, wollte er lieber abreisen, als dispu- 
tiren. Ich meinerseits habe in ihm nichts gesehen, als einen unverschämten 
Mönch, obwohl andere ich weiss nicht was von ihm rühmen. Mit mehr 
Geschrei, aber keineswegs mit grösserer Gelehrsamkeit polterte ein 
Dominikaster einige Tage hindurch aus der Schrift, aber, mit welchem 
Glücke, magst du aus folgendem abnehmen. Um zu beweisen, dass der 
Papst auch das Haupt der Kirche sei, führte er an, dass er dies von 
Petrus empfangen habe, welcher deshalb vom Herrn Aephas, d. i. Kopf! 
genannt worden sei; so nämlich, sagte er, habe er es in Wörterbüchern 
gelesen. Siehe! solche Vorkämpfer haben wir; und da verwundern wir 
uns noch, dass wir von der Menge verachtet werden und allenthalben 
viele von uns abfallen. Es disputirten ausserdem drei oder vier Priester 
samt einem Schulmeister, den sie Buchstab heissen. Kein übler Mann, 
wie es schien, der allein mehr Eifer für die Verteidigung der Kirche 
und der Schriften der Väter an den Tag legte, als alle, welche in jener 
Versammlung waren. Aber seine Kräfte reichten nicht aus. Alle die dir 
bekannten Gründe, welche unsere Faber, Eck, Roflensis? — keineswegs so 
bestimmt und scharf, wie es nötig gewesen wäre — gegen die Ketzer ge- 
sammelt haben, brachte er mit Umsicht vor. Aber höre die Standhaftig- 


! Der Mönch verwechseite das griechische Wort Kephale (Kopf) mit dem syrischen 
Kephas, welches „Stein, Fels“ bedeutet. — * Joh. Rofensis, eiu englischer Bischof, der 
gegen Luther schrieb, 


324 


keit der Prälaten und des Kapitels von Bern. Da, der eine oder andere 
ausgenommen, niemand von ihnen jene Artikel der Ketzer nicht als 
gotteslästerlich erkannte, haben sie dennoch ein jeder alle unterschrieben, 
und zwar in versammeltem Kapitel, bloss weil die unwissenden Bestien 
nichts Ketzerisches daran auszusetzen hatten. Wenn sie Herz oder auch 
nur mittelmässige Geschicklichkeit besessen hätten, so wäre unsere Partei 
in Bern noch so stark gewesen, dass sie, wenn nichts anderes, doch die 
Disputation ein ganzes Jahr hindurch hätten hinausziehen können. Aber 
so leiden wir die verdiente Strafe für die Verachtung der Wissenschaften 
und die Vernachlässigung der Studien. — — 

Du wünschest vielleicht, dass ich dir über die Ketzer schreibe; aber 
was soll ich mir und dir Schmerz verursachen? Ich will von wenigen 
schreiben. Leicht war der Kampf für sie, da ihnen keine gerüsteten 
Gegner gegenüberstanden. So bereit habe ich sie nicht gesehen, dass, 
wenn geschickte und in der Schrift bewanderte Männer gegenwärtig ge- 
wesen, diese, wenn nicht in allem gesiegt (denn wer vermöchte diejenigen 
zu besiegen, die geschwätziger sind, als alles korinthische Erz? zumal 
da unsere Sache nicht in allen Punkten klar aus der Schrift bewiesen 
werden kann), doch den Erfolg jener zweifelhaft gemacht hätten. O wenn 
nur ein Erasmus sich ihnen entgegengestellt hätte! Denn oft sah ich 
sie über ihre Antworten nicht einig; ich sah ängstlich den einen dem 
andern zuflüstern, was er sagen solle; ich sah sie in Verlegenheit über 
den rechten Sinn gewisser Stellen. So hätten sich einem unterrichteten 
und gewandten Disputator die geeignetsten Handhaben geboten, sie in 
Verwirrung zu bringen, ihr Ansehen zu vermindern und so die Ver- 
heerungen, die sie angerichtet haben, wieder gut zu machen. \Wiewohl 
sie indes, wenn sie Männer gegen sich gehabt hätten, sich vorsichtiger 
und besonnener benommen haben würden. Es waren einige unter ihnen, 
welche nur durch Zwinglis Heftigkeit und Zorn angestachelt werden 
konnten. Denn jener war beständig in der Hitze. Und es würde uns zum 
Nutzen und Vorteil gereicht haben, und wir hätten sein Ansehen ver- 
mindert. Doch ist dies Ungetüm gelehrter, als ich glaubte. Der gross- 
nasige Oekolampar scheint ihn in den Propheten und in der hebräischen 
Sprache zu übertreffen, keineswegs aber an Reichtum des Geistes und 
an Klarheit der Rede; doch ist er ihm im Griechischen gewachsen, wenn 
nicht überlegen. 

Was nun hinter dem Betrüger (apito stecke, konnte nicht beurteilt 
werden; denn er hat wenig gesprochen. Häufiger der.Schnapphahn Bieer, 
der, wenn er dem Zwingli und Oekolampad an Gelehrsamkeit und Sprach- 
kenntnis gleichkäme, für uns mehr zu fürchten sein würde. So schwer 
gerät die kleine Bestie in Wallung, und so lichtvoll bringt er seine 
Sachen vor. Du siehst, wie ungleich unsere Sache den kampfgeübten 
Ketzern gegenüber vertreten war. Wohl belferten diese oder jene Priester, 
welche im Singen der Vigilien, aber nicht im Disputiren geübt sind; 
jener gute Schulmeister Buchstab war eben allzuwenig in den Buchstaben 
der Wissenschaft zu Hause. 

Welchen Ausgang aber hatte die Disputation? Es ist schmachvoll 
für unsere Umsicht. Als die Disputation am 25. Januar beendet war, 
erging ein Beschluss beider Räte, dass alle Altäre, Bilder, Messen und 


325 


was zum Gottesdienst und den Zeremonien der Kirche gehört, in der 
Stadt Bern und allen ihrer Herrschaft untertänigen Dörfern und Landen, 
wo die Mehrheit des Volkes das nicht [sonst] täte, beseitigt und nie 
wieder angenommen werden sollen. O, über unsere Zeiten und Sitten, 
über unsere Sorglosigkeit! Wie leicht hätte dieses Übel abgewendet 
werden können, wenn unsere Bischöfe so grosse Liebhaber der Studien, 
als der Dirnen wären. Aber du wirst sagen: ist denn keine Hoffnung 
mehr, das Unterfangen der verruchten Ketzer zu hemmen? Sicherlich sehr 
wenig. Du kennst den unerschrockenen Mut dieses Volkes, welches nichts 
anderes auf die verkehrte Bahn gebracht hat, als dass eben niemand 
Tauglicher gegen die Ketzer aufzutreten gewagt hat. Die Luzerner samt 
einigen Häuptern der Länder haben sich in der Tat eifrig Mühe gegeben, 
sicherlich eifriger, als alle Bischöfe, um jenes zu hintertreiben. Aber da 
unsere Partei mit so schlechten Verteidigern zum Vorschein gekommen 
ist, so hat die rohe Menge geurteilt, dass sie auch ohne Wahrheit seien, 
und der mehrere Teil hat den bessern besiegt. Denn die Zürcher ver- 
mögen alles bei ihnen; du weisst, wie geübt in Listen und von welch 
unvergleichlicher Beharrlichkeit diese sind. Was mögen nun die andern 
tun? Du weisst, dass auch der Rat von Basel aus Furcht vor seinem 
Volke, welches Oekolampad nicht sowohl durch Gelehrsamkeit, als durch 
seine Heuchelei berückt, nichts dagegen vermag. Das Gleiche wird in 
kurzem auch bei den andern notwendig eintreten. Ich meinerseits fürchte 
das eine, dass in kurzem die Schweizer das Joch des Papstes abschütteln 
werden, gleich wie sie schon längst das des Kaisers abgeschüttelt haben. 
Und möchten nur Konstanz und andere Reichsstädte das Beispiel nicht 
befolgen! 


130. Aus einem Brief Thomas Murners in Luzern. 
27. Februar 1529. 


Eidgen. Abſchiede 1V. 1b. 8.73. 


Der befannte Franzisfanermöndh Thomas Murner von Straßburg hatte durch feine 
ſatiriſchen Schmäbfchriften fih in Händel verwidelt, im Folge deren er nach Yuzern flob, 
wo er Anftellung und Schub fand. Von bier aus fchrieb er zur Zeit des Abſchluſſes des 
Ferdinandeiſchen Bündniſſes folgenden Brief: 


„Wir find jest handfeſter denn unſer Yebtag nie; unjere Yänder find zu 
seldfirch auf dem Tag gewejen ! und kennen den Herzogen von Savoyen gar 


wohl; wir geben nicht einen Pfifferling um die ‚Zürcher, Berner, die evange- 
liichen Sadpfeifer. Gott wird ums nicht verlaffen, es iſt fein erfchrodener 


' Um mit Öftreich den Sonderbund abzuſchließen. 





326 


Mann unter und; das Blut im Yeib wallet ihnen wider die ungläubige 
Schelmerei. Ich bejorge mehr, als ichs begehre, wir werden bald laufen !; 
denn die Schwizer haben uns jchon ermahnt und gebeten, ein treues Aufieben 
auf fie zu haben; die im after, von Wejen ꝛc. haben ihnen gemeldet, jie 
wollen die alte Dirne von Einfiedeln bald aus der Kirche hinauswerfen ; 
unterjtehen fie jich deifen, jo ift dem Frieden der Boden aus, jo wollen wir 
fie um die Grinde jchlagen, dak ihnen das Bild der würdigen Mutter Gottes 
wohl in Vergeſſenheit geraten wird. Wiffet, lieber Vetter, daf der Basler Abfall 
und Aufruhr fie ganz und gar erzürnt bat. Unſere Herren haben genug zu 
wehren, jo ergrimmt ijt jedermann über die Ketzerei; fie jagen, fie wollten 
die Städte wohl wieder gläubig machen; bei dem Allmächtigen, die Weiber 
find zorniger, als die Männer. Gott jei gelobt, wir find mannhaft, und es 
jteht wohl um uns. Dürfen Bern, Zürich ausländische Städte, wie Konjtanz, 
wider den Bund annehmen, jo dürfen wir beide Negimente?, den ſchwäbiſchen 
Bund, Savoyen, Wallis ꝛc., das übrige verfteht ihr jelber wohl. Die Glocke 
ift gegoffen, wir werden fie bald läuten, daß der Ton weit erjchallen joll.... . 
Wir wollen den Glauben bald miteinander teilen mit langen Spießen und 
guten Hellenparten, wollen fie nicht anders. Wir hätten gerne Frieden; aber 
der neue Glaube hat die Art, daß er ſich jelber feine Ruhe läßt und andere 
Yeute auch nicht ruhig läßt. 


Die Bappeler Milchſuppe. Juni 1529. 


Bullinger II. ©. 182 f. 


un war es in den V Orten jehr teuer und großer Mangel und 
Hunger. Im Zürcher fonnte man einen Mitt Kernen um 
einen Gl., eine Maß Wein um einen halben Bagen haben. 
Deshalb liegen ſich etliche freundliche Gefellen aus den V Orten mit Fleiß 
über die Wache hinaus, die wurden dann gefangen, vor den Hauptmann ge= 
führt und mit Brot bejchenft und wieder heim geichidt. 

Auf eine Zeit nahmen viel tapfere Gejellen von den V Orten eine 
große Mutte mit Milch und stellten fie mitten auf die Grenzmark, jchrien 
den Zürchern zu, fie hätten da wohl einen guten Broden Milch, aber nichts 
darein zu broden. Da liefen redliche Gejellen von den Zürchern hinzu mit 





! D.b. zum Krieg ausziehen. — * Die öſtreichiſchen Regierungen zu Junsbrud und 
Enfisheim im Elſaß. 





Brot und brodten ein, und lag jeder Teil auf feinem Erdreich und aßen bie 
Milch miteinander. Wenn dann einer über die halbe Mutte hinausgriff und 
ab, ſchlug ihm der andere Teil im Scherz auf die Hände umd fagte: Friß 
auf deinem Erdreich. Und ſolche Scherze gejchahen noch mehrere, daß, da es 
dem Stabtmeifter von Straßburg, Jakob Sturm, der aud unter den 
Schiedleuten war, zu Ohren fam, er jagte: „Ihr Eidgenoffen jeid wunderbare 
Leute; wenn ihr ſchon uneins jeid, jo ſeid ihr eins umd vergeht der alten 


Freundſchaft nicht." 


327 


132. Aus dem erfien Bappelerfrieden. 26. Juni 1529. 
Eidgen. Abſchiede IV1b. ©. 1478 ff. 


1. Des erften, von wegen des göttlichen Wortes; dieweil niemand zum 
Glauben gezwungen werden ſoll, daß dann die Orter und die Ihrigen dazu 
auch nicht genötigt [werden]; aber die Zugewandten und die Bogteten, wo 
man mit einander zu herrichen hat, anlangend, wo diejelben die Mefje ab- 
geſtellt und die Bilder verbrannt oder abgetan, da dieſelben an Leib, Ehre 
und Gut nicht geftraft werden follen; wo aber die Meſſe und andere Here 
monien noch vorhanden, die follen nicht gezwungen, auch feine Prädifanten, 
jo es nicht durch den Mehrteil bejchloffen würde, aufgejtellt oder gegeben 
werden; jondern was unter ihnen den Sirchgenofjen, die auf: oder abzutun, 
desgleichen mit der Speije, jo Gott nicht verboten zu ejjen, gemehret wird, 
Dabei joll es bis auf der Kirchgenoffen Gefallen bleiben, und fein Teil dem 
andern jeinen Glauben weder befehden noch ftrafen. 


2. Zum andern, von wegen des Ferdinandeiſchen Bundes und Ver: 
einung, dieweil denn diejelbe allein des Glaubens halber aufgerichtet, und jetst 
aber durh uns Schiedleute ausgemacht worden ift, daß fein Teil den andern 
des Glaubens halber zwingen, befehden noch haſſen |jolfe], jo joll diejelbe Ver— 
einung alsbald zu umjern, der Schiedleute der fünf Orte, nämlich) [von] 
Glarus, Freiburg, Soloturn, Schaffhaujen und Appenzell, Handen 
vor allem Abrüden aus dem Felde gegeben und liberantwortet werden, und 
diejelbe unnüg, hin, tod und ab fein, und fein Teil fie und dergleichen fortan 
gebrauchen, und wegen der andern Burgrechte und Bündniſſe, jo neulich auf: 
gerichtet, joll auf Tagen in Beratung gezogen werden, wie man ji) in denjelben 
halten wolle, doc) den Burgrechten, jo die beiden Städte Zürich und Bern unter 
ſich jelbft und mit andern gemacht, auf jeden Fall ohne Abbruch und unſchädlich. 


3. Zum dritten, von wegen der Penjionen, Mieten, Gaben und 
Schenkungen von Königen, Fürften und Herren nimmermehr [jolcdhe] zu nehmen, 


328 


haben die die obgen. jehs Städte Züri), Bern, Bafel, St. Gallen, Mühl— 
haufen und Biel ſamt andern ihren Verwandten hoch und ernftlich gebeten, 
dak fie die fünf Orte und ihre Gemeinden fich aller Fürften und Herren, 
auch dero Neifen, Penfionen, Mieten und Gaben gänzlich entziehen und [jte] 
abtun und unferes Vaterlands acht haben. — — — 

5. Zum fünften, weil etlihe Orte gen Bedenried oder an andere Ende 
zu Tagen fich verfügen, daß nun fortan weder die vier Waldftätten noch andere 
Städte, jo Burgrecht mit einander haben, nicht mehr um irgendweldde Sachen, 
jo gemeine Eidgenofjen betreffen, an irgend eim Ende ſich zuſammen verfügen ; 
denn es ijt zu bejorgen, daß auf die Yänge nichts Gutes daraus entjpringen 
möchte. — — 


133. Aus dem Religionsgefpräd) zu Marburg. 2. Oktober 1529. 


Überfegt aus Rudolf Collins Bericht, in Zwinglis Werten 4. S. 176 ff. 


Rudolf Collinus (1499 - 1578), eigentlich am Büel, geb. zu Gundelingen im Kanton 
Luzern, Professor des Griecbischen am Karolinum in Zürich, begleitete Zwingli nach 
Marburg und verfasste einen lateinischen, aber mit deutschen Worten nntermischten 
Bericht über das Religionsgespräch, dem er als Augenzeuge beigewohnt. 


Zwingli behandelt hierauf Kap. 6 Joh., vorzüglich das: «Der Geist 
ist's, der da lebendig macht, das Fleisch ist gar nichts nütze» ... Aus 
der Folge der Worte beweist er aufs stärkste, dass das gegessene Fleisch 
nichts nütze. . . «Gott giht Licht und verbreitet nicht Finsternis. Daher 
sagt er nicht: «Das ist mein Leib», wirklich fleischlich, da die Schrift 
dem widerstraitet. Die Orakel der Diimonen sind dunkel, nicht die Christi. 
Die Seele geniesst den Geist, also nicht das Fleisch.» 

Luther: « «Bruder» wird aus der Schrift als «Vetter» erwiesen ; 
aber dies: «Das ist mein Leib» kann nicht als bildliche Redensart er- 
wiesen werden. Wenn Gott es mich hiesse, würde ich Holzäpfel geistlich 
geniessen. Denn wo immer das Wort Gottes ist, da ist das Geniessen 
geistlich. Also, wenn er den leiblichen Genuss hinzugefügt hat mit den 
Worten: «Das ist mein Leib», wird man es glauben müssen: Wir essen 
im Glauben diesen Leib, welcher für uns dahingegeben wird. Der Mund 
empfängt den Leib Christi; die Seele glaubt den Worten, weil sie den 
Leib isst». 

Zwingli: «Aus der Schrift wird bewiesen, dass das Bezeichnete [oft] 
für das Zeichen steht: aus Ezechiel, jdem Wort] Passah Exod. 12, 27. 
Also, da in zweifelhaften Stellen der Schrift eine Vergleichung nötig ist, 
ist den ähnlichen Stellen zu glauben». Er wirft ihm Rhetorik und fingirte 
Beweise vor, wenn er sage: «Wenn Gott dieses oder jenes befehlen würde»; 
denn wir wissen, dass Gott dieses oder solches nicht befiehlt. . . . Gott 
heisst uns nicht Unbegreifliches tun. Maria z. B. frägt: «Wie kann das 
geschehen?» und, erst, nachdem sie Gewissheit erhalten, glaubt sie. Aber 


— — — a — u A | 


329 


hier in Kap. 6 [Ev. Joh.] haben die Jünger am leiblichen Genuss ge- 
zweifelt, weil er selbst den geistigen lehrt. 

Luther: «Das aus Ezechiel und das Passah sind Allegorien ; Deutelei; 
keine Bezeichnung ist es. Wir sagen nicht, dass durch unsere Worte 
der Leib herbeigebracht werde; aber von der Einsetzung Christi sagen 
wir: es sind nicht unsere Worte, sondern die des Herrn. Der Mund ist 
nicht mein, die Zunge ist nicht mein, sondern Christi: ich sei ein Bub 
oder Schalk. . . . Ich disputire nicht, ob «ist» «bedeutet» sei, sondern 
ich bin zufrieden, dass Christus sagt: «Dies ist mein Leib». Da kann der 
Teufel nicht dafür. Das will ich, dass die Worte nicht in meine Gewalt 
kommen, sondern in der Gewalt und dem Geheiss Gottes bleiben. Die 
Seele geniesst auch den Leib; denn Leib ist auch leiblich im Worte. 
Wenn ich frage, verliere ich den Glauben; ich werde zum Narren darob. 
Warum macht ihr nicht auch eine bildliche Redensart aus: «Er fuhr auf 
in den Himmel?» Weil ihr den lautern Worten glaubt und Gott die 
Ehre gebt». 

Zwingli: «Wir ersuchen euch ebenfalls, dass ihr Gott die Ehre gebt 
und die Petitio Prinzipii aufgebt. Wo wird euer Satz bewiesen. Ich 
werde diese Stelle [Johannes 6] nicht unerschüttert und so leichtfertig 
behandelt aufgeben. Ihr werdet mir anders singen». 

Luther: «Du sprichst gehässig». 

Zwingli frägt, ob er glaube, dass Joh. 6 Christus den Unwissenden 
hat zu Hilfe kommen wollen. 

Luther: «Ihr wollt es überböldern. Diese Rede ist hart. Die Juden 
sprechen von Unmöglichem und Absurdem. Aber lassen wir das fahren, 
was nichts zur Sache tut». 

Zwingli: «Nein, Nein; dieser Ort bricht euch den Hals ab». 

Luther: «Rühmt euch nicht zu sehr, ihr seid in Hessen und nicht 
in der Schweiz. Die Hälse brechen nicht also.» Und mäkelte noch anders 
an dieser Rede herum und beklagte sich aufs heftigste.. Und doch hat 
I.uther ein ähnliches Wort in dem Buch gegen die himmlischen Propheten 
gebraucht, indem er sagte: «Lass uns dem Schalk an die Gurgel,» indem 
er den Karlstadt meinte. 

Zwingli entschuldigte sich: es sei das nach unserm Dialekt ge- 
sprochen. Es gebe verschiedene Redensarten so ete. Der Fürst [Philipp 
von Hessen] nahm mit Nicken und Worten die Entschuldigung an. 


154. Luther über das Marburger Gefpräd). 


Überſetzt aus dem Lateiniſchen. Zwinglis Werte 4. S. 1%. 


Wenn die Saframentirer prablen, ich ſei zu Marburg befiegt worden, 
tum jie nach ihrer Sitte; denn fie find nicht blos lügneriſch, jondern die Yüge, 
die Berftellung und Heuchelei jelber, was Karlſtadt und Zwingli durch ihre 
Zaten und Schriften bezeugen. — — 





330 


Sie haben mit vielen Worten verjprochen, jie wollten mit uns jagen, 
Ehrifti Yeib jei wahrhaft im Abendmahl gegenwärtig, aber geiftig, nur damit 
wir geruhten, fie Brüder zu nennen und fo die Eintracht zu beucheln. Dies 
bat Zwingli offen unter Tränen vor dem Yandgrafen und allen, mit dieſen 
Worten: „Es find feine Yeute auf Erden, mit denen ich lieber wollte einig 
jein, denn mit den Wittenbergern.” Mit höchftem Eifer und Fleiß haben fie 
dahin gejtrebt, daß ſie mit uns einträchtig jchienen, jo dak fie nie dies Wort 
von mir ertragen fonnten: „Ihr habt einen andern Geift, als wir." Cie 
entbrannten ganz und gar, jo oft fie dies hörten. Zulegt haben wir das zu— 
geftanden, dar im lebten Artikel fejtgefett werde, daß jie zwar nicht unſere 
Brüder jeien, aber dennoch unſerer chriftlichen Yiebe (die wir ja auc dem 
‚Feinde Schulden) nicht beraubt fein jollten. So find fie äuferft unmutig, daß 
fie den Namen von Brüdern nicht haben erlangen fünnen, jondern als Ketzer 
abziehen mußten, jo jedoch, daß wir einjtweilen in unſeren gegenjeitigen 
Schriften Ruhe halten, ob vielleicht Gott ihnen das Herz öffne. 


135. Zwingli über die Proviantfperre. Pfingftien 1531. 
Bullinger II. ©. 388. 


| 28 Ind am Pfingſttag ward öffentlich in den Kirchen Zürichs dieſes 
—8 —— Mandat vom Abſchlag der Proviants ausgerufen. Was nun etlichen 


gefiel, etlichen mißfiel. Und als Zwingli desſelben Tags predigte, 
redete er unter andern Worten alſo: „Welcher ſo verwegen iſt, daß er den andern 
unter Augen lügen heißt, dem iſt notwendig, daß er Wort und Fauſt mit einander 
gehen laſſe. Denn ſchlägt er nicht, ſo wird er geſchlagen. Alſo ſchlägt ihr von 
Zürich den V Orten den Proviant ab als Übeltätern. Da ſolltet ihr nun den 
Streich folgen laſſen und die armen Unfchuldigen nicht aushungern. Dieweil ihr 
aber ſtille ſitzet, als hättet ihr nicht genugiame Urſache zur Strafe, und jchlaget 
ihnen nicht$ deſto minder Speiſe und Trank ab, fo nötiget ihr fie, euch zu 
Itrafen und zu jchlagen. Das wird auch geichehen!” 





136. Ans Zwinglis Plan einer Amgeſtaltung der Eidgenofenfhaft. 
Juni 1531. 
Eidgen. Abſchiede IV. 1b. S. 104 fi. 


1112. Erſtlich ift das Beite, dag man jie zum alfereheften angreife, aus 
diefen Urfachen. Zu diefer Zeit fteht Mailand mit ihnen übel. Der König von 


331 


Frankreich will jich feiner Partei anhängig machen. Der Kaiſer iſt in Deutich- 
land in die Patſche geraten, und fie haben aljo feine Hilfe weder von Eid- 
genofjen noch von Fremden; fie find auch mit Geſchütz und anderer Notdurft 
zu diefer Seit noch nicht gerüjtet, welches fie mit der Zeit beſſer befommen, 
und es find viel fromme Yeute unter ihnen, denen ihr Herz bejjer zu ums 
als zu ihnen jteht. 


3. Da man jie jetst mit Abjchlagen des Proviants angegriffen hat, ift es 
nicht genug und auch ums nicht förderlich. Urſach: 1. Die Unfern, deren Ge: 
winn und Gewerbe unter die V Orte gebt, werden bald müde fein. 2, Die 
Ihren dürfen in der Gemeinde nicht reden. Darum muß man ie 
mit Abjtogen von den Vogteien oder mit Serausgeben der Bünde oder 
mit Überziehen gehorjam machen. So nun das Überziehen vielen zu ſchwer 
jein will, jo muß eines der beiden andern an die Hand genommen werden, 
Will man die Binde von ihnen fordern, muß Teilung der Dinge, jo man 
miteinander hat, mitlaufen und nachher Artikel und Kapitel gemacht werden, 
wie man nebeneinander bleiben möge, gleich wie man Kapitel gegen andere 
anftoßende Herren hat. So fie aber damit nichts an der Macht gemindert, 
jondern jo ſtark als je würden, deshalb von ihnen geteilt jein erjt gefährlich 
würde, dat man täglich Angriffs von ihnen gewärtig fein müßte, jo wäre 
nichts befieres, als fie ausftoßen aus den gemeinen Vogteien, und jo das zu 
tun in den welichen VBogteien nicht füglich, geichehe es in denen hier draußen. 
Aljo hat man die Appenzeller auch ums Aheintal geftraft. 


4, Wie aber den andern Orten, Städten und Yändern hierin zu tum jei, 
müſſen ji Zürich und Bern umſehen. . . Nehmen nun die zwei Städte die 
andern Orte auch zu jich, jo folgt viel Verwirrung; denn die V Orte werden 
ohne Unterlaß bei den übrigen werben, und es käme mit der Zeit dazu, daß 
man mit den übrigen Orten in Hetze liegen müßte, wie jet mit den fünfen. 
Darum wird das Bejte fein, daß die Orte, jo miteinander im Handel find, 
auf die VBogteien greifen, doch mit Vorbehalt der Gerechtigkeit eines jeden 
Ortes, das auch Teil an denjelben Logteien bat. 


IV. 1. Darum jollen Zürich und Bern dazu jehen, daß — fintemal ihre 
Macht zwei Teile (jo aller Eidgenoffen Macht in drei geteilt wird) find — 
ja, wie es jett mit den Borländern ſteht, find fie wohl jechs Teile von ſieben 
— daß fie den Vorteil dermaßen in die Hände faſſen, daß fie nicht folgen 
müffen, jo die fünf Orte etwas abzumehren jich unterjtänden. Das wird 
aber aljo zugehen müſſen, daß die zwei Ztädte ftets einhellig jeien; jo werden 
fie an der Eidgenojjenjchaft ſein gleich wie zwei Ochſen vor dem Wagen, Die 
an einen ‘och ziehen; demm es wird feine Sache weder in der Eidgenoſſen— 
ichaft noch davor gehen, die zwei Städte jeien denn dabei. — — 


332 


3. Sie jollen auch jehen, dar fie fich eng mit den äußern, wohl gelegenen 
Städten verbinden und befreunden, ohne alle Orte, ausgenommen Bafel und 
Ktonftanz; die zwei jollen»fie vor andern neben jich dareingehen laſſen, doc 
daß fie des Hofes feien, aber nicht der Herr, dar fie an der Hand geführt, 
aber nicht ſelbſt geben. 


4... . ihre [der V Orte] Macht ift num fortan, jo alle Striege mit dem 
Geſchütz ausgerichtet werden, jo flein, daß man ihrethalben nicht Angjt haben 
darf; denn die Städte find gerüfteter als fie. — — 


V. Es ift auch ihr, der V Orte, Unvermögen, zu regieren, eine notwendige 
Urſache, daß man ſich von ihnen teilen muß. Denn wo Brüder miteinander 
haushalten und einer unter ihnen nicht hausbalten fann, jondern nur vertut, 
miüſſen fie teilen und fich ändern, oder aber der Vertuende brächte jie alle zu 
Armut. Daß aber fie nicht regieren können, bewährt all ihr Handeln in 
deutſchen und welichen Vogteien. In den melichen Yanden haben jie die Vog— 
teien zu Grunde gerichtet mit Geld nehmen um die Urteile und Appellationen, 
daß es jo jchändlich zugeht, dak fein Frommer ohne große Schmerzen es ſehen 
und hören fann. In den deutſchen Vogteien iſt es auch in Brauch gefommen ; 
zudem tun fie in die Vogteien entweder hochmütige und geizige oder mutwillige 
und üppige Vögte; jene rupfen, unterjchlagen, führen bin, gucken und betteln, 
daß der fünförtichen Vögte männiglich müde [ijt], und jo man von den 
V Orten ungeteilt bleibt, folgt mit der Zeit, daß auch ein Abjchen vor den 
Städten gehabt wird; denn auch von diejen fahren etliche den Fünförtiſchen 
gleih. — — — 


VI. So jie alfo bleiben joliten in ihrem Wert, blieben ihnen aud) die 
V Stimmen; damit würden fie wiederum alle Gewalt und Anhang derer, 
die Gottes Wort widrig find, an fich ziehen in den gemeinen Vogteien ; dein 
fie würden immer vermögen, alle Dinge zu verleihen, urteilen, ausiprechen 
und walten nad ihrem Willen; damit würde ein jeder jagen: ich jehe wohl, 
wer den V Orten anbanget, der jchafft das Seine, und demnach ſich zu ihnen 
halten. Es ift auch zu bedenfen, daß fie immer 10 Jahre nacheinander be: 
vogten, da wohl zu bedenfen ift, wie jie ihre Sachen befejtigen. Und da jemand 
denfen möchte: fie werden nicht mehr zufammenraunen, jondern das Ned 
vor Augen haben, jag ich, daß das nicht geſchieht; denn das ift in allen 
Beijpielen erfunden, daß nachdem der Haß und Hochmut in den Aufwuchs 
kommt, daß er nicht mehr nachläßt; deshalb nichts anders zu erwarte |jtebt], 
als ihr Herr oder der Mächtigere zu jein, oder aber ihr Knecht und ıninder. 

VII. 1. Wo nicht von ihnen geteilt oder fie in eine ſolche Minderung 
gebracht werden, daß fie Die zwei Städte 3. und B. fürchten, jo wird gewiß 
in diefen Yanden ein todjchädliches Parteien, wie in Italien Guelph und 





333 


Gibelin ift. Denn die V Orte werden nicht nachlaffen, an fich zu hängen in 
den Vorlanden umd Partei zu machen, auch diejelbe zu äufnen. 


2. Summa junmarum, wer nicht ein Herr fein fann, dem ijt es billig, 
daß er ein Knecht jei. 


137. Die Schlacht bei Bappel. 11. Oktober 1531. 
| Bullinger II. ©. 124. 


Das alles verzog fich, bis es fajt um die 4 war und die Sonne fich 
neigte, daß man achtete, fürohin gejchehe fein Angriff mehr. Und die Haupt- 
leute der V Orte, jobald jie auf die Höhe gefommen waren, auch wuhten, daf 
das Panner von Zirih auch zum Fähnlein gekommen war, ritten fie bin 
und ber, das Volf zu bejichtigen und ein rechtes Nachtlager zu jchlagen. Wie 
num der gemeine Mann der V Orte ſah, daß die Hauptleute ein Yager 
zu Schlagen gedachten, gefiel es ihm übel, geſchahen allerlei ungeſchickte Reden, 
die Hauptleute und großen Hanjen fürchteten ich, wollten den Fuchs nicht 
beißen. Und man würde die Sade, wo man nicht angriffe, verderben. 

Es mar aber ein handfefter Yandmann von Uri, Hans Jauch, gemeinlic) 
Vogt Jauch genannt, ein guter Büchſenſchütze, welcher etliche vertraute Yeute zu 
jich genommen und jich in das Buchwäldii gewagt und gelajjen hatte, zu erfahren 
und bejichtigen, wie doch die Zürcher lägen. Da ift er am nächjten an fie 
berangefommen, bat geiehen, wie jie etliche Büchſen gerüftet zu verändern, 
und daR fie mit Leuten gar nicht verjeben, jondern ihrer wenig waren, dazu 
unachtjam, daß fie alfo den Wald leer und offen gelaffen haben. Darauf er 
flugs jolches angezeigt, und daß es Zeit jei anzugreifen, man möge aud) zum 
nächſten auf und an fie ohne großen Schaden des Gejchüges kommen. Da 
hat Jakob Troger, Hauptmann von Uri, im Beifein der andern Hauptleute 
geredet: „Mein lieber Gevatter Vogt, dieweil man fich nunmehr darein er- 
geben bat, das Nachtlager bier zu jchlagen und man jchon zerjtreut ijt, jo 
bejtehe du nicht darauf, daß man erft jo ſpät angreife. Es weiß männiglich 
mohl, daß das Spät-Angreifen unſern Vorfahren in Neapel und zu Mailand 
nicht wohl erichejfen ift. Das möchte es uns auch an dieſem Abend. Und jo 
wir denn jollten einen Schaden erleiden, jtünde darauf, wir würden alles das 
verlieren, was unfere Altvordern uns gewonnen baben. Denn unjere Feinde 
würden unjer feineswegs jchonen. Darım iſt diefe Sache, als eine jehr große 
Sache, und die uns auf der Wage liegt, wohl zu ermeffen.” Kaſpar Göldli, 
Hütter, ein geborner Zürcher (des Hauptmanns Göldli von Zürich leiblicher 
Bruder umd der zu Fraftenz und Dornach im Schwabenfrieg der Zürcher 





334 


Hauptmann gewefen, mit Ehren heimgefonmen war), der damals ein von 
Zürich Verbannter war und unter den V Orten fich eine gute Zeit aufgehalten 
hatte und darum auch jet mit ihnen ziehen müſſen, ſprach: „Yieße man jich 
die von Zürich jammeln, jo fennte er jie wohl, daß die V Ort dann mit ihnen 
genug zu jchaffen haben würden. Und es jtünde eben darauf, daß, wo die 
V Otte diefen Abend die Zürcher nicht jchlügen, jo würden die Zürcher morgen 
die V Orte jchlagen ; danach möge man fich ficherlich zu richten haben.” Und 
als noch weiter auch von andern Dingen biezu geredet ward, ſprach Vogt 
auch und etliche andere bei ihm: „Laſſet uns doch mur ein Scharmügel ver: 
ſuchen!“ umd jchrien: „Welche redlicher Eidgenoffen wert jind, die laufen ung 
nach." Hiemit folgten ihnen viele Büchjenichügen, auch die Eichentaler, und 
ſonſt auch viel redliche Yente aus den V Orten, insbeiendere aber Unterwaldner 
hinein in den Wald. Doch hat man jelche alte nicht über 300 Mann geſchätzt. 
Als ſolches die Hanptleute der V Orte jahen, mujterten fie in Eile alles Bolt 
bei den Pannern und ftellten jih auf dem Acer bei ihrem Geſchütz gegen 
den Wald bin in ihre Ordnung, daß ſie mit Gewalt auch durch den Wald 
auf die Zürcher drückten. 

Als nun diefe Dinge geichaben, wollten die Zürcher ihren Ratſchlag 
(dak man nämlich einen Haufen Volkes hinüber an den Mündbühl führen 
jollte) volljtreden ; umd ward aber der obere Haufen oder ein Teil aus dem 
Volk und Haufen, wie er auf Scheuren jtand, gegen das Kloſter, und nicht 
der bintere, gegen den Graben, wie abgeredet, abgeführt; welches ein großer 
Fehler war und einen bedeutenden Schaden, nicht nur Verwirrung brachte. 
Denn das Geſchütz (oder etliche Stücke), das davor jtund, war jett gerüftet 
zur Fahrt, und nicht mehr zum Schießen gegen den Angriff; jo zog das 
Fähnlein von Kyburg ſamt einem guten Teil des Volkes über den Graben, 
und ward der Ort, von wo dieje von dannen geführt wurden, los und ledig 
gegen den Feind; es folgte auch hieraus der Anfang der Flucht, wie fich 
bald zeigen wird. 

Dieje Dinge alle gewahrten die V Orte im Wald; deshalb drangen die 
Schüten der V Orte gegen das Sennhaus, verfuchten auch, durch die Matte 
auszubrechen. Zolches ward ihnen verwehrt durch die Hafenichügen der Zürcher 
mit gewaltigem Schießen. Deshalb Liegen die Fünförttichen einen Yärmen rüd: 
wärts gegen die Banner und den Gewalthaufen geben, und ſchoſſen damit 
auch ihr Handgeſchütz auf die Zürcher ab, Diejelben batten ſich niedergelegt 
auf den Boden, daß das Geſchütz über fie binausginge Da jie aljo eine 
Weile lagen, jchrien etliche Zürcder: „Was liegen wir da alſo, wollen wir 
uns ermüden laffen? Warum laufen wir den Feind nicht getroft an?" In— 
demſelben liefen die Fünförtiichen an dem Teil des Waldes, der an das Moos 
jtößt, aus dem Wald und über das Moos gegen die Ordnung der Zürcher mit 
ihren Spießen und audern Gewehren. Die Zürcher aber wijchten vom Boden 


335 


auf, die Feinde zu empfangen. Es waren aud) gar redliche getrofte Yeute von 
Stadt umd Yand Zürich; zuvorderft am Feind ftand Hauptmann Yavater mit 
jeinem Spieß vorn an der Ordnung gegen das Moos, am Angriff; der ſprach: 
„Biderbe Yeute, jeid Gottes und meiner Herren eingedenf und haltet euch wie 
redliche Leute!“ M. Ulrich Zwingli hatte eine Halbarte, ſtund auch wohl 
vorn, und wie er in diefen Dingen ftill war und grad vor dem Angriff ernſtlich 
fragte: woher doch der Feind käme? jprach Bernhard Sprüngli, Burger von 
Züri: „Me. Ulrich iprechet dem Volk zu und ftärfet es." Sprach M. Ulrich 
Zwingli zu denen, die bei und um ihn ftanden: „Biderbe Yente, jeid getroft 
und fürchtet euch nicht. Müffen wir gleich leiden, jo tft die Sache gut. Be— 
jehlet euch Gott; der kann unjer und der Unjern pflegen. Gott walte über fie!“ 

Die Knechte aber der V Orte, die den Anlauf und Angriff taten, waren 
jtarfe, tapfere und wohlgerüftete Männer, jchrien den Zürchern zu: „Wohlber, 
ihr Ketzer und ihr Stelchdiebe, da finden wir euch!" Die Zürcher fchrien den 
Fünförtiſchen zu: „Ihr Verräter und Fleiſchverkäufer, jeid ihr hie?” Hiemit 
ging es an mit heftigem Stechen, Schlagen und auch Werfen mit Steinen, 
von beiden Teilen. Und wurden viel mit Steinwerfen gejchädigt. Und als 
jetst der Angriff und Streit eine Weile gewähret und die Fünförtiſchen nicht eine 
jtarfe Ordnung hatten — denn derer, die anliefen, waren nicht über 300, 
wie obgemeldet —, dazu ein jeder aus dem Wald und durd) das Moos lief, 
wie er mochte, mußten die Fünförtiſchen (derem vorderfte fajt niedergeftochen 
[waren] von den Zürchern) etwas zurücktreten ; welches auch zum andern Mal 
geichah, alſo dar etliche jich verjahen, der Sieg wolle jich neigen auf der 
Zürder Seite. Und dieweil davor der Angriff und das Zurückweichen der 
Fünförtiihen da unten an dem Moos war, geichah es, daß der Zürcher Haufe 
und Ordnung dahinab fich dem Moos zuſenkte. Dahinten aber gegen die 
Brüce über den Mühlegraben war eine große Verwirrung der Zürcher. Denn, 
da etliche (wie oben gemeldet) an den Münchbühl ziehen follten und grad in 
ihrem Abzug der Angriff geſchah, waren jie ob dem Angriff erjchroden, und 
nahmen ihrer etliche die Flucht; etliche wenige eilten wiederum von dem 
Graben zum Angriff. Welches alles die Fünförtiſchen aus dem Wald jehen 
mochten und darum jich wiederum ftärkten, und einander zuſchrien: „Tapfer 
dran, redliche Eidgenoſſen, jeht ihr nicht, daR die Neger fliehen!” Denen ward 
von den Zürchern vorne, die nicht wußten, wie es hinten ging, geantwortet: 
„Ihr lüget als Böswichte.“ Aber die Flucht wuchs hinten immerdar heftig, 
umd ward auch gemehret durch einen Verräter Oswald Yuft von Baar 
(der auch hernach darum zu Zürich gerichtet ward), welcher ſich hinten unter 
die Zürcher gejtellt hatte umd immerdar jchrie: „Fliehet, fromme Zürcher, 
fliehet, ihr jeid verraten, euer Gebein kommt nicht davon!“ 

Wie auch die Zürcher vorn am Angriff heftig gegen das Moos (wie 
oben gemeldet) drücten auf die Zünförtiichen, kamen fie mit ihren Gewehren in- 





— Br 


336 


einander. Und wifchte einer der Fünförtifchen mit einem kurzen Gewehr den 
Zürchern unter die Spieße, fie noch mehr zu verhindern, ward aber nieder: 
gelegt. Und wiewohl von etlichen Zürchern gejchrien wurde: „Drücfet nicht jo 
heftig, daß mir ung rühren können“, auch Jos Brennwald, Burger von 
Zürich, nach kurzen Gewehren jchrie, war es doch alles vergebens. ES drückte 
auch heftig mit dem Panner vorwärts der Pannerherr Schwizer und jdhrie: 
„Redlich dran, biderbe Yeute!" In dem allem drangen hervor durd das 
Eicher, gegen das Sennhaus, ungeichädigt die V Orte mit den Bannern und 
dem rechten Gewalthaufen und famen ganz den Zürchern, die noch ftunden, 
in die Seite; etliche der V Orte eilten der Pinten und dem Graben zu, die 
übrigen Zürcher zu hinterziehen, jo daß es dahin fam, daß, was noch an 
Zürchern vorn ftund und fich wehrte, mehrteils (denn auch etliche davon ge- 
fommen find) von den Fünförtiſchen niedergelegt wurde, und der hintere Teil, 
was hinter dem Panner war, die Flucht ergriff. Auf welche auch das Nach— 
drüden und Nacheilen der V Orte eifrig anging. 


138. Die Rettung des zürcheriſchen Panners bei Bappel. 


Aus Gilg Tihudis Kappelerkrieg, abgedrudt in Balthafars Helvetia II. S. 19. 


Gilg Aegidius) Tſchudi, der beriihmte Gefchichtsichreiber, geb. 1505 zu Glarus, empfing 
jeinen erften Unterricht von Zwingli, ftudirte ın Bafel und Paris und verfaßte 1528 eine 
Beihreibung Rätiens, welche gedrudt wurde. Nachdem er verichiedene hohe Stellumgen in 
feiner Heimat befleidet und auch als Hauptmann in franzöfiichen Dienften geweſen, wurde 
er 1558 Yandammann in feinem Heimatlanten, verlor aber, weil er al$ Katholife in immer 
ichrofferen Gegenſatz zur reformirten Mehrheit feiner Yandsleute trat, 1562 diefe Stellung 
und widmete fih fortan bis zu feinem 1572 erfolgten Tode fat ausſchließlich der Abfaſſung 
feiner zwei großen biftorifchen Werte, der Gallia Comata und dem Ehronicon 
Helveticum, auf weld) leterem fein Ruhm als Geichichtsichreiber beruht. Obgleich die 
neuere Gefchichtsforichung ihm vielfache Irrtümer nachgewieſen bat und insbefondere feine 
Darftellung vom Uriprung der Eidgenoſſenſchaft, die Jahrhunderte lang Die berrichende 
geweſen ift, nur auf einer gefchicten Verknüpfung der Urkunden mit den fagenhaften Über- 
Iieferungen und freien Erfindungen des Autors berubt, fo befigt doch Tſchudis Werk un— 
vergänglichen Wert ſowohl wegen feiner literariſchen Bedeutung, als der erften großen 
Nationalgeihichte der Schweiz, als auch wegen der zablreichen jet zum Teil verlorenen 
Urkunden, deren Wortlaut es uns erbalten bat. Obichen alle fpätern Bearbeiter der 
Zchmweizergeichichte auf Tſchudis Chronicon fußten, wurde dasfelbe erft 1734 von dem 
Basler Jielin herausgegeben, fo weit es vollendet war, d. b. bis zum Jahre 1470. Für 
die Sefchichte der folgenden Jahre bis auf feine Zeit berumter hat Tſchudi umfaſſende 
Sammlungen von Urkunden und zahlreiche biftoriiche Fragmente binterlaffen, die nur zum 
feinen Teile gedruckt find. Tichudis ausführliche, im übrigen ziemlich parteiiſche Geſchichte 
des Kappelerfrieges, aus welcher das Nachfolgende entnommen ift, gebört nicht zu 
diefer Fortſetzung, fondern bildet eine eigene Schrift. 


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—— — —— — 


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337 


Alfo nahmen die von Zürich die Flucht über den Albis auf Zürich zu, 
liegen alles Geſchütz dahinten; deren waren 19 Stüde auf Rädern und eine 
große Zahl Hafen und Handgeſchütz, viel Harnifch und Gewehr, auch eine 
große Menge Proviant. Man eilte ihnen nach bis an den kleinen Albis. Da 
trieb fie [die Fünförtifchen] die finftere Nacht ab, daß fie wieder zurückzogen 
bis auf die Wahlftatt. Da blieben fie drei Tage liegen nad) Kriegsbraud), 
warteten allda, ob jemand fommen wollte, feinen Schaden zu rächen. 

Der Pannermeifter von Zürich, diefer Zeiten ein gar unruhiger Daun, 
als er tötlich wund war und jah, dak ihr Ding wollt ſchwanken, ſchrie er: 
„Ach! wie will es der Stadt Zürich jo übel ergehn!” Alſo ward ihm nod) 
eine Wunde; biemit fiel er. Da war fein VBortrager bei ihm, Hans Kambli 
genammt, und wie derjelbe jah, dak der Pannermeifter der Wunden fterben 
mußte, griff er nach dem Panner; aber der Pannermeifter hielt's ftarf in den 
Händen. Kambli jprah: „Herr Pannerherr! Yafjet mir das Panner gehn. 
Ihr ſehet wohl, dag eures Dings nicht mehr ift.” Aus Erjchredung oder 
Erftummung des Todes hielt er's hart ımd ließ es nicht gehen. Da riß es 
ihm der Vortrager Kambli mit Gewalt aus den Händen und ward dadurch 
jo lang verjäumt, daß die fünförtifchen Knechte auf ihn eilten !, daß fie ihn ſehr 
vermwundeten und insbejondere ihm etliche Schüffe und Stiche in feine Schenfel 
wurden, daß er fallen und bleiben mußte, wiewohl er nicht ftarb; dem man 
führte ihn nad) der Tat al8 Gefangenen ab der Wahlftatt nach der Stadt 
Zug und ließ ihn arznen, wie aud) andere mehr. Da aber derjelbe Kambli 
jab, dak er das Panner nicht mehr jchirmen mochte von feiner ſchweren 
Wunden wegen, ruft er zu den Seinen: „Iſt irgend ein frommer Zürcher 
da, der getraue unferer Stadt Panner davon zu bringen? Da antwortete ihm 
einer aus dem Greifenfeer-Amt, Ulrich Denzler genannt: „Gebet es mir, 
ich bin behend; ich hoff es davon zu bringen.” Da bot er ihm das Banner, 
als jetst die Flucht ftarf angegangen war. Der Pannermeifter fam um, wie 
objteht, und blieb der VBortrager auf der Wahlftatt verwundet, und brachte 
der Denzler das Banner davon; doch ließ er fein Schwert dahinten ſamt 
andern Gewehr und Waffen im Fliehen. 





! Bullinger S. 130: Einer der Feinde fiel ihm mit feiner Hand an des Panners 
Ne: ein anderer fiel ihm in den Damaft und zehrte unten ein Stüd darans. Kambli 
aber brachte den einen mit jeinem Schwert von der Stange und fchrie im Gefecht mithinzu: 
„Helfet, fromme Zürcher, belfet meiner Herren Ehre und Zeichen retten!“ Die Macht der 
Feinde aber war jo ftark, daß Kambli anhub zu Boden zu gehn. Da lief Adam Näf 
von Vollenweid aus dem freien Amt mit einem Schwert hinzu und bieb dem andern, der 
das Panner auch gefaltet hatte, feinen Kopf vom Körper, daß das Blut in das Banner 
ſpritzte. Es lief auch hinzu Junler Thumyſen mit feiner Hellenbarte und machte unter 
den ‚zeinden, mit Hilfe Adam Näfs, jo viel Weite und Raum, daß Kambli mit dem 
Panner wiederum auf und zum Gehen fommen mochte.“ 


Oechsli, Quellenbuch. 22 


338 


139. Zwinglis God. 


Aus Johann Salats Chronit der fchweizerifchen Reformation, Archiv für die 
ſchweizeriſche Reformationsgeſchichte I. S. 310. 


Johann Salat, gebürtig von Surſee, ſeit 1525 Gerichtsſchreiber in Luzern, im zweiten 
Kappelerkrieg Feldſchreiber der fünförtiſchen Truppen im Aargau, ein heftiger Gegner der 
Reformation, die er auch in Spott- und Schmähliedern angriff, verfaßte im Auftrag der 
VOrte in den Jahren 1530—35 eine ausführliche Chronik der Reformation von 151725434, 
wie er meinte „ohne Rachſal ımd Zorn“, was ihm freilich bei feiner leidenichaftlichen 
Natur nicht iiberall gelungen: ift. 


Die, fo den Feind in die Flucht gefchlagen, eine jo ritterliche, ſchwere, 
jaure Arbeit vollbracht und ihre tapfern Yeiber dergeftalt gebraucht, daß fie 
nicht weit zu laufen gerichtet [waren], jondern blieben ſamt andern müden, 
ihweren, alten, zu laufen unvermögenden auf der Wahljtatt, bliefen, juchten 
ihre Kräfte wieder, gingen hin und her al$ die zornigen wütenden Löwen, ... 
mit Beſchauung und Erfennung vollbradter Tat, da denn fo mancher hand- 
fefter, tapferer, redlicher Dann jetzt lag, fterbend, tod und wund. Da redete 
bie und da einer, in feinem Blute röchelnd, mit halb entgangnem Yeben, einen 
Ehrenmann an umd gab ſich zu erfennen. Da ftrengte man ſich denn an, die 
bei ihrem Hinfcheid zum wahren, alten Ehriftenglauben zu befehren, mit Beicht 
und Empfang der Saframente, was auch von etlichen angenommen ward. 
In ſolchem, nun auch vorne, da der Zürcher Ordnung geftanden war, ward 
Zwingli gefunden, auf feinem Angeficht liegend, der noch nicht mit befondern 
Stichen nod Wunden verlegt war, dermaßen, daß er, fo er Yuft und Atem hätte 
haben mögen, noch von danmen gefommen wäre, welches die alten Chrijten 
bedünft; kehrten ihn um, fchüttelten ihn, lannten ihn jedoch nicht. Tat er feine 
Augen auf, jah um fi. Da ward er gefragt, ob er beichten wolle. Schüttelte 
er feinen Kopf und jchüttelte fi, gab zu verftehen, dar er die Beichte nicht 
wolle. Darauf haut ein redlicher alter Chriſt mit einem Schlachtſchwert drein, 
Zwingli unter dem Kinn in den Hals; des Streich ftarb er. Indem famen 
num etliche herzu, jo Zwingli in ſeinem Yeben gefannt hatten, bejchauten ihn, 
juchten auch nad) befondern Wahrzeichen an feinem Yeib und fanden, daß dies 
der Zwingli war, den fie wahrlid) mit mancherlei Neden nad jeinem Tod be- 
grüßten, mit vielen Titeln, die ihm alle wohl gemäß waren, nicht mit wenig hohem 
Danfjagen zu Gott dem Allmächtigen, daß der rechte Grund, Urfprung, Anfang, 
Urfache und Verfchulder alles diefes Übels, Elends, Jammers und Angft jetst da 
lag, röchelnd in feinem verpefteten Blut; dein doch Gott die Gnade getan hat, 
vielfeicht, weil er ein Priefter gewefen, daß er von biderben Ehrenleuten, unter 
ihnen und in deren Beijein ftarb; jonft wäre es fein Wunder gewejen, es 
wären mehr Teufel bei jeinem Ende gewejen, dem Kriegsleute im Felde 


339 


waren. Alfo kamen fort und fort den ganzen Abend viele der alten Chriften 
zu ihm über jeinen toten Yeichnam, zu bejchauen den, der fürwahr mehr Un- 
frieden, Unruh, Angft, Not und Jammer angerichtet hat, als alle Fürften, 
Herrn, Stände und Städte nie hätten zu Wege bringen mögen, der nun da 
lag und von ihren Händen als von Gott dazu verordneten Inſtrumenten 
jeiner Bosheit Yohn empfangen hatte. Da lag jett der Vogt aller Eidge- 
nojjen und von den Gnaden Gottes alle feine Anfchläge bei ihm in Endfchaft. 


140. Aus dem zweiten Landfrieden. 20. Movember 1531. 
Eidgen. Abſch. IVIb. ©. 1567 ff. 


I. a. Zum erften jo ſollen und wollen wir von Zürich unfere getreuen 
lteben Eidgenoffen von den fünf Orten, desgleichen auch ihre lieben Mitburger 
und Yandleute von Wallis und alle ihre Meithaften, fie ſeien geiftlich oder weltlich, 
bei hrem wahren ungezmweifelten hrijtliden Glauben jegt und ber- 
nad in ihren eigenen Städten, Yanden, Gebieten und Herrlichfeiten gänzlich un— 
gearguirt und ungebifputirt bleiben laffen, alle böfen Finde, Ausflüchte, Ge- 
fährden und Arglift vermieden und hintangeſetzt. b. Hinwiederum jo wollen 
wir von den fünf Orten unjere Eidgenoffen von Zürich) und ihre eigenen Mit— 
verwandten bei ihrem Glauben aud) bleiben laſſen. 

c. Wir von den fünf Orten behalten uns in diefem Frieden lauter vor 
alle, die uns ſamt und jonders mit Burg- und Landrecht oder in anderer 
Weije verwandt find, auch die, jo uns Hilfe, Rat, Beiftand und Zuzug be- 
wiejen und getan haben ..... d. Himviederum jo behalten wir von Zürich) 
ung vor, daß die, jo ung Hilfe, Rat, Beiftand und Zuzug getan vor und 
in diefem Krieg, ... daß auch die in diefem Frieden begriffen fein follen. 

e. Weiter jo behalten wir von den fünf Orten ung vor und dingen lauter 
aus die aus den freien Ämtern im Nargan, Bremgarten md Mel: 
Lingen, jo ji) denen von Bern anhängig gemacht, ihnen zugezogen und ung zu 
überziehen Fürſchub getan; desgleichen geben fie den Bernern noch Aufenthalt ; 
deshalb ihnen der Frieden vielleicht nicht annehmbar fein, zudem unfer Be— 
dürfnis zur Ausführung des Krieges gegen die Berner erfordern will, daf 
man dajelbft Durchzug haben möge; deshalb wir fie jegt zumal im dieſem 
Frieden nicht einbegreifen laſſen. 

f. Desgleichen behalten wir auch lauter vor die von Rapperswil, 
Zoggenburger, Gaftler und die von Wefen, jo unfere Eidgenofjen von 
Züri nichts angehn, noch Jihnen] verwandt find, die in dieſem Frieden aud) 
ausgeſchloſſen und nicht begriffen jein jollen, doch dak nad Gnaden, in 
HBiemlichfeit mit ihnen gehandelt [werden jolle], mit Strafe oder mit Recht. 


PER 


340 


II. a. Zum andern fo follen wir zu beiden Teilen einander bei allen 
unfern Freiheiten, Herrlichfeiten und Gerechtigfeiten, jo wir in den gemeinen 
Herrjhaften und Bogteien haben, von männiglichem ungehindert, gänz- 
(ih bleiben laſſen. b. Es ift auch lauter zwilchen uns zu beiden Teilen 
abgeredet und bejchloffen, wenn in denjelben gemeinen SHerrichaften etliche 
Kirhhören, Gemeinden oder Herrihaften, wie die genannt werden möchten, 
die den neuen Glauben angenommen und auch dabei bleiben wollten, daß fie 
es wohl tun mögen. c. Wenn aber etliche derjelben, jo den neuen Glauben 
angenommen und wieder davon abzuftehn begehrten und den alten wahren 
chriſtlichen Glauben wieder annehmen wollten, daß fie zu demfelben freie Er- 
laubnis, von männiglich ungehindert, guten Fug, Macht und Gewalt haben 
jolfen. d. Desgleichen, wenn jemand in gemeldeten Herrichaften wäre, jo den 
alten Glauben noch nicht verleugnet, e8 wäre heimlich) oder öffentlich, daR 
diefelben auch unangefochten und ungehaßt bei ihrem alten Glauben bleiben 
ſollen. e. Wenn auch diejfelben, e8 wäre an einem oder mehr Orten, die 
fieben Saframente, das Amt der heiligen Meſſe und andere Ordnungen der 
hriftlichen Kirchenzeremonie wieder aufrichten und haben wollten, dak fie das 
auch tum follen und mögen und dasjelbe fo wohl halten, als der andere Teil 
die Prädifanten. f. Sie jollen auch die Kirchengüter und was den Pfründen 
zugehört, nach Marchzahl nit dem Priefter teilen und das übrige dem Prä- 
difanten verabfolgen. g. ES joll auch fein Teil den andern von des Glaubens 
wegen weder bejudeln noch ſchmähen, und wer dagegen tun würde, daß der— 
jelbige je von dem Vogte daſelbſt darum geftraft werden ſoll je nach Geftalt 
der Sache. — — 


IV. Zum vierten jo jolfen und wollen wir von Zürich uns der neu 
aufgerichteten Burgrechte, jo wir mit jemand in unferer Eidgenoffenichaft 
oder ausländiichen Herren oder Städen gemacht, müfjigen und follen die 
unferes Teils hin, tot und abgetan werden, laut unferer geſchwornen Binde, 
dieweil diefelben geſchwornen Bünde ſolche Burgrechte nicht erleiden, wo wir 
anders Eidgenofjen fein wollen; darum fo follen und wollen wir diefelben Burg- 
rechtsbriefe mit jamt dem vorher aufgerichteten Yandfrieden und dem darüber 
gemachten Beibrief, jo auch hiemit tot und abfein und nichts mehr gelten 
jolfen, den fünf Orten von Stund an und unverzüglich zu ihren Handen 
aushingeben. 


V.a. Zum fünften jo folfen und wollen wir von Zürich umjern ge- 
treuen lieben Eidgenoffen von den fünf Orten den Teil, jo wir von den 
dritthalbtaufend Kronen, jo gemeldete unfere Eidgenoffen von den fünf Orten 
uns jamt unjern Mithaften vermöge des damals abgeredeten Yandfriedens 
an unjere Koften gegeben, empfangen, wieder aushingeben und fie darum 
gütlich bezahlen, b. Es follen auch alle die, jo in diefem Frieden einbegriffen, 





341 


jo von ſolchem Gelde, den dritthalbtaufend Kronen empfangen, jo viel ihnen 
daran geworden, das auch wieder geben. — — 


141. Der Tod Philipp Berthelier's. 23. Auguf 1519. 
Aus dem franz. des Bonivard, les Chroniques de Gendve II. cap. 28 S. 360 ff. 


Frangois de Bonivard, geb. 1499, seit 1513 Prior von St. Victor zu Geuf, wurde 
wegen seiner Anhänglichkeit an die Freiheit der Stadt vom Herzog von Savoyen 1530 
in die unterirdischen Kerker von Chillon gesperrt und erst 1536, als die Berner das 
Schloss eroberten, befreit. 1546 begann er im Auftrag der kalvinistischen Regierung 
die Abfassung einer Chronik von Genf und starb 1570. 






Als der Herzog sah, dass das noch nicht geschah, [dass die Bürger- 
14 schaft von Genf ihr Burgrecht mit Freiburg nicht aufgab], weil 
ihm die Partei der «Eidgenossen» seinen ganzen Fang störte, 
beschloss er, ihre Gesellschaft zu sprengen. Und weil durch 
den Vergleich [mit Freiburg] ausgemacht worden war, dass der Herzog 
nichts an der bischöflichen Gewalt und Gerichtshoheit ändern dürfe, 
wagte er nichts in seinem Namen zu tun; aber er bediente sich dabei 


des Bischofs als eines Werkzeugs und schickte den genannten Bischof 


nach Genf mit fünf- oder sechshundert Kriegsknechten, um folgende 
Heldentaten auszuüben. 


Am 20. August, einem Samstag, um 4 Uhr Nachmittags, kam er 
[der Bischof] mit seiner Truppe in Genf an, weil man ihm, da sie ihn 
für ihren Fürsten hielten, die Tore nicht zu schliessen wagte. Zuerst 
hielt er sich an diesem Tag und dem folgenden Sonntag ruhig, gab 
aber Acht auf Berthelier, den er für den Leithammel der Herde hielt. 
Dieser, obgleich er von mehreren deshalb gewarnt wurde, kümmerte sich 
nicht darum, sondern liess nicht ab, überallhin zu kommen und zu gehen 
wie vorher, so dass man hätte sagen können, er fliehe den Tod nicht, 
sondern laufe ihm nach. 


So wurde er am folgenden Montag vom Vidomne !, den eine Anzahl 
Soldaten des Bischofs begleiteten, etwa um 6 Uhr angetroffen; dieser 
Vidomne nahm ihn namens des Herrn von Genf gefangen, und nahm 
ihm sein Schwert ab, worauf Berthelier stolz zu ihm sagte: «Besinnt 
euch, was ihr mit diesem Schwerte tut; denn ihr werdet Rechenschaft 
darüber ablegen müssen». So wurde er indes nach der Insel geführt, 
wo er eingeschlossen und den ganzen Tag von einer grossen Anzahl 
bischöflicher Kriegsknechte bewacht wurde. Und der Bischof hob seinen 
Prozess gegen ihn an nicht nach den Rechten und Freiheiten der Stadt, 


' Der vom Herzog von Savoyen gesetzte Beamte, der im Namen des Bischofs in 
Geuf Gericht bielt. 





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342 


welche besagen, dass jeder eines Verbrechens angeklagte Laie den Syn- 
dies * überliefert werden solle, um ihm seinen Prozess zu machen, als 
den rechtmässigen Richtern dieser Angelegenheit; sondern er setzte einen 
Profossen ein, um dies Amt auszuüben, einen Greis von Chambery, der 
indes damals in Genf wohnte und sein ganzes Leben Zähneausreisser 
gewesen war, Namens Johann Desbois. Dieser kam auf den Befehl 
des Bischofs auf die Insel, um Berthelier zu verhören; aber er wollte 
keine Antwort in seine Hände ablegen, indem er sagte, dass er nicht 
sein rechtmässiger Richter sei. Und um zu beweisen, dass er sich frei 
von jeder Furcht fühle, schrieb er an die Wand des Gemaches, wo er 
sich befand: «Non moriar sed vivam, et narrabo opera Domini» Ich 
werde nicht sterben, sondern leben und die Werke des Herrn lobpreisen]. 

Man sagte auch zu ihm, wenn er den Herrn von Savoyen um Gnade 
bitten wollte, würde er sie ihm gewähren; aber er wollte das nimmer 
und zog es vor zu sterben. Aber am folgenden Morgen kehrte der Pro- 
foss zurück und führte mit sich die ganze Bande Kriegsknechte mit 
ihren Hauptleuten, welche der Bischof herbeigeführt hatte; diese lagerten 
sich in guter Ordnung, um die Insel und die Brücke zu bewachen. Dann 
begann der genannte Profoss, Berthelier abermals aufzufordern, in seine 
Hände Antwort abzulegen, was er ihm wie vorher verweigerte, und nun 
füllte der genannte Profoss sein ebenso törichtes als elendes Urteil, in- 
dem er sagte, dass er ihn sowohl für seine vergangenen Missetaten, wie 
für den Ungehorsam, den er jetzt seinem Fürsten beweise, dazu ver- 
urteile, enthauptet zu werden; sein Körper solle an dem Galgen von 
Champel und sein Kopf im Plainpalais aufgehangen und seine Güter zu 
Gunsten des Fürsten eingezogen werden. 

In betreff der beiden ersten enthalte ich mich zu erklären, ob er 
es mit Recht tat; denn darüber hätte man im Zweifel sein können; aber 
das letzte, die Gütereinziehung, geschah unmittelbar gegen das Stadt- 
recht, welches besagte, dass für kein Verbrechen die Güter der leidenden 
Person eingezogen werden dürften. Dessenungeachtet geschah dies mit 
Berthelier, und was schlimmer ist, man machte ihm einen Beichtvater 
und den Henker zum Geschenk. Er hielt indes dem Beichtvater keine 
langen Reden. Deshalb ergriff ihn der Henker, führte ihn vor den Platz 
der Insel, wo er keine andere Rede hielt, ausser dass er rief: «Ah! 
Ihr Herren von Genf!» dann kniete er nieder und wurde enthauptet, 
sein Körper auf einen Karren gelegt, auf dem sich auch der Henker 
befand, der seinen Kopf hielt. Und der genannte Wagen wurde mitten 
durch die Stadt gezogen, begleitet von mehreren Kriegsknechten, und 
der Henker schrie an einem fort: «Seht da den Kopf des Verräters 
Berthelier!« Dann brachte man das Haupt und den Körper an die vom 
Richter bezeichneten Orte. Seine Güter gab der Bischof (obgleich sie 
eingezogen waren) auf die Bitte mehrerer Leute wieder den Kindern 
heraus, die noch klein waren, unter der Bedingung jedoch, dass sie die 
Stadt verlassen sollten und niemals darin wohnen, aus Furcht, sie möchten 
darin das gleiche Unkraut säen, wie der Vater. 


! Dem städtischen Magistrat. 


343 


142. Aus dem fünfundzwanzigjährigen Burgrecht Berns und 
Freiburgs mit Genf, 8. Februar 1526, 
Abſchiede IV. 1. a. ©. 1507. 


Wir, die Schultheifen, Räte und Burger der zwei Städte Bern umd 
Freiburg an einem und wir die Syndics, Räte und Burger der Stadt 
und Gemeinde zu Genf, dem andern Teil, tum fund und zu wiſſen ..... 

1) daß wir... jede Stadt in der andern von uns drei Städten 
fir ung und unfere Nachfommen ... ein aufrechtes und redliches Burgrecht 
auf: umd angenommen und empfangen, ... ung auch alſo einander wifjentlich 
zu rechten und eingejeffenen Burgern empfangen und nehmen, alſo daß wir 
zu Gott und den Heiligen mit aufgehobenen Händen ... ſchwören follen, 
nämlich jegliche Stadt von uns der andern Treue und Wahrheit zu Leiften, 
ihren Nuten, ihre Ehre und Frömmigkeit zu fördern und Schaden zu wenden 
und alles das zu tum, fo treuen Burgern gebührt. 

2) Damit aber Hilfe und Beiftand, [fo] einander zu beweiſen liſt), ge- 
nau beftinmmt jei, ift zwifchen uns folgende Erläuterung abgeredet und be- 
ihloffen: Wo fih in fünftigen Zeiten während dieſes Burgrechts begäbe, 
daß einer oder mehrere, wer die wären oder fein würden, jo obgemeldete Syn- 
dics, Rät und Burger der Stadt und Gemeinde zu Genf an Leib, Ehre 
und Gut, an Yand und Leuten, Herrichaften, Freiheiten, guten Gewohnheiten 
und altem Herkommen wider Necht und Billigfeit fchtwächen, verlegen, ſchädigen 
und mit irgend andern Saden, Gewalt, Frevel, Angriff, Mutwilfe oder 
Überfall . . . herausfordern und beleidigen wollte, alsdann jo jollen wir obgen. 
Schultheißen, Räte und Burger der Städte Bern und Freiburg bei unjern 
geihworenen Eiden ermejjen, erwägen und erfennen, ob ein folcher Angriff, 
Beleidigung, Überfall und andere Nötigung wider Recht umd Billigfeit ge- 
ihehen, und wo fich dann ... erfände, daß ſolches wider Necht und Billigfeit 
und mit Gewalt begegnen und wider gemeldete von Genf vorgenommen werde, 
alsdann jo jollen wir obgemeldete von Bern und Freiburg gedachten von 
Genf... . notwendige Hilfe, Zuzug, Beiftand ımd Schirm nad unfern 
Vermögen, doch in ihren, derjelben von Genf, Koſten und Bejoldung beweifen. 

3) Hinwiederum haben wir obgemeldete Syndics, Rät und Burger der 
Stadt und Gemeinde zu Genf gelobt und zugefagt, gedachten Schultheiken, 
Näten, Burgern und Gemeinden der Städte Bern und Freiburg, [jo fie] 
gleicher Geftalt angegriffen, überfallen, genötigt und befümmert [würden], 
nad unferm Vermögen, mit Yeib und Gut, auch in unſern eigenen Koften 
und Bejoldung behilflich und beiftändig zu fein. — — 

18) Desgleichen behalten wir die von Genf aud vor unferm aller: 
guädigften Herrn, den Bifchof von Genf und feine rechtlich erwählten Nach— 


344 


folger, die wir für unfere Oberherren in aller Gewalt und Obrigkeit aner: 
fennen. 

19) Zudem find hier ausdrüdtich und eigentlich) vorbehalten der fürft- 
(ichen Durchlaucht von Savoyen, auch der eben genannten bifchöflichen Hoch— 
würdigfeit Freiheiten, Gerechtigfeiten, Gewalt, Obrigfeiten und Herrlichkeiten, 
die fie haben möchten, ohne Abbruh, Schaden und Schwächung derjelben, 
fraft dieſes Briefs. 


143. Aus dem Frieden von St. Julien. 19. Oktober 1530. 
Abſchiede IV. 1. b. S. 1501 fi, 


— — — 2, Ferner, wenn es fich fügte, daß außerhalb des Herzogs 
[von Savoyen] Yand und Gebiet die Seinen gegen die Genfer oder ihre 
Güter mit Worten oder Werfen frevelhafte Hand anlegten, und es nachher 
dem Herzog zu Klage käme, er auch den Täter ergreifen [joll, um ihn] als- 
dann in aller Form, Weife und Maß, wie oben gehört und ausdrüdlich er- 
läutert ift, zu ftrafen und bierin gar niemandes zu jchonen. 

3. Solches alfo feit, ftät und unwandelbar zu halten, ſoll gejagter unjer 
guädiger Herr von Savoyen für fich und feine Nachkommen beiden Städten 
Bern und Freiburg in Unterpfands- und Einbunds-Weife einſetzen und 
verpfänden das Yand genannt die Waadt, mit all dem echte, jo er jetzt 
daran bat, oder er und die Seinen in künftiger Zeit befommen und inne- 
haben möchten, nichts ausgenommen noch vorbehalten, dergeftalt, wo er alio, 
wie vorfteht, um Recht angerufen und er demjelben nachher jäumig mürde, 
und ich ſolches rechtlich erfände, daf alsdanı das Yand der Waadt den 
beiden Städten heimgefallen jet. 


144. Die Bürgergemeinde von Genf nimmt die Beformation an 
und führt den Schulzwang ein. 31. Mai 15536. 


Überfegt aus dem Frauzöfiihen; Roget, Hist. du Peuple de Geneve L S. 2. 
h) J = p 


Hier ist versammelt die Bürgergemeinde bei Glocken- und Trom- 
petenschall, so wie es Gewohnheit ist und durch die Stimme des ersten 
Syndie’s, Claude Savoye, ist der Beschluss des täglichen Rates und der 
Zweihundert die Art zu leben betreflend vorgelegt und hernach mit 
lauter Stimme gefragt worden, ob jemand wäre, welcher etwas gegen 








345 


das Wort und die Lehre sagen könnte und wollte, welche uns in 
dieser Stadt gepredigt wird, der solle es sagen, und ob nicht alle 
nach dem Evangelium und dem Worte Gottes, sowie es uns seit der 
Abschaffung der Messe gepredigt worden ist und alle Tage gepredigt 
wird, leben wollen, ohne mehr nach Messe, Bildern, Götzen oder andern 
päpstlichen Missbräuchen, welche es auch seien, trachten zu wollen. 
Worauf ohne Einrede, mit Einstimmigkeit insgemein beschlossen, fest- 
gesetzt und Gott mit in die Höhe erhobenen Händen gelobt und ge- 
schworen worden ist, dass wir alle, einhellig, mit Gottes Hilfe in diesem 
heiligen Gesetze des Evangeliums und dem Worte Gottes leben wollen, 
so wie es uns verkündet worden ist, des Willens, alle Messen und 
andern päpstlichen Zeremonien und Missbräuche, Bilder und Götzen zu 
lassen, in Eintracht und Gehorsam der Gerechtigkeit zu leben. 

Daselbst ist auch der Artikel über die Schulen vorgelegt und darüber 
mit Einstimmigkeit beschlossen worden, dass man sich bemühen solle, 
einen dazu tauglichen Mann zu bekommen, und dass man ihn so besolde, 
dass er die Armen nähren und lehren könne, ohne von ihnen irgend 
welche Bezahlung zu verlangen, und auch, dass ein jeder gehalten sei, 
seine Kinder zur Schule zu schicken und sie lernen zu lassen, und dass 
alle Schüler und auch die Lehrer gehalten seien, ihren Sitz in der 
grossen Schule zu nehmen, wo der Rektor und seine Baccalaurei sein 
werden. 


145. Catvin an Farel über feine Zurückberufung nad) Genf. 
Straßburg, den 21. Oktober 1540. 


Aus dem Yateinifchen; Calvini Opera ed. Baum etc. vol. XI. p. 90. 


ch zweifle nicht, dass du mich bei den Brüdern bestens ent- 
schuldigt hast, welche mich brieflich ermahnten, [nach Genf] 
zurückzukehren, weil ich ihnen nichts geantwortet habe. Du 
Ben weisst ja, dass mein Gemüt deswegen zwei Tage lang in 
solcher Verwirrung schwebte, dass ich halb von Sinnen war. ... Jedes- 
mal, wenn ich mir ins Gedächtnis zurückrufe, wie elend ich mich dort 
befunden habe, kann ich nicht umhin, von ganzer Seele zu schaudern, 
wenn von meiner Zurückberufung die Rede ist. Ich will von jener Un 
ruhe nicht reden, von der wir beständig hin- und hergeworfen wurden, 
seit ich dir als Amtsgenosse beigesellt worden war: ich weiss ja, dass 
mir, wohin ich mich auch zurückziehe, endlose Mühsalen bevorstehen, 
dass, wenn ich Christo leben will, diese Welt für mich immer stürmisech 
sein wird, dass das gegenwärtige Leben zum Kampfe bestimmt ist. 
Aber wenn ich überdenke, von was für Qualen damals mein Gewissen 
gemartert wurde und in welchen Sorgen es schwebte, so verzeihe mir, 
wenn ich diesen Ort als für mich verhängnisvoll fürchte. Du bist mir 





- rer mg „er ee un * — re 2 


Sr, Then 5 Fr ni Saba a a a ee, 
a 5 5 Ü = 


mit Gott der beste Zeuge, dass ich mich durch keine andere Fessel 
dort so lange habe zurückhalten lassen, als weil ich das Joch der Be- 
rufung, das ich mir vom Herrn auferlegt wusste, nicht abzuschütteln 
wagte. So lange ich daher so gebunden war, habe ich lieber das Ausserte 
ertragen, als dem Gedanken einer Veränderung meines Aufenthaltes in 
meiner Seele Raum gegeben, der mich sonst oft beschlich. Aber da ich 
einmal durch die Wohltat Gottes frei geworden bin, wer könnte mich 
tadeln, wenn ich nicht gerne von neuem in den Strudel tauche, der sich 
mir als unheilvoll erwiesen hat? Wird mich nicht vielmehr jedermann 
allzugrossen Leichtsinns zeihen, wenn ich mich mit Wissen und Willen 
kopfüber hineinstürze. Selbst wenn ich mich durch keine persönliche 
Gefahr abschrecken liesse, so denke ich doch kaum, dass mein Dienst 
ihnen den Genfern]! von Nutzen sein würde. Denn bei dem Geiste, der 
die Meisten dort beseelt, werde ich sie nicht ertragen können, noch sie 
mich. ... Und, um die Wahrheit zu gestehen, selbst wenn mir alle 
Hindernisse aus dem Wege geräumt würden, ich habe die Kunst, die 
Menge zu regieren, ich weiss nicht durch welche Entwöhnung vergessen. 
Hier habe ich nur mit wenigen zu tun, von denen mir überdies die 
Mehrzahl nicht sowohl als ihrem Hirten gehorcht, sondern mich als ihren 
Lehrer achtet. 


146. Farel an Calvin über Servet. 8. September 1553. 


Aus dem Yateinifchen; Calv. op. XIV. p. 612. 


Wunderbar ist Gottes Fügung in betreff des Servet, dass er dorthin 
Inach Genf] gekommen ist. Möge er zur Erkenntnis kommen, so spät 
es auch sei. Das wird sicherlich ein grosses Wunder sein, wenn er 
den Tod erleidet, ernstlich zu Gott bekehrt, und einmal des Todes stirbt, 
den er viel tausendmal verdient hat; wenn er sich bemüht, alle An- 
wesenden zu erbauen, er, der den schon Gestorbenen, wie den Lebenden 
und selbst den Künftigen zu schaden sich bestrebt hat. Grausam, ja 
Beleidiger Christi und der gottesfürchtigen Lehre und wahre Feinde 
der Kirche werden die Richter sein, wenn sie gegen die schauderhaften 
Gotteslästerungen des verruchten Ketzers unempfindlich bleiben, mit 
denen er sich an der göttlichen Majestät vergriffen und versucht hat, 
das Evangelium Christi zu stürzen und alle Kirchen zu verderben. Aber 
ich hoffe, Gott werde bewirken, dass die, welche gepriesen werden, dass 
sie Diebe und Heiligtumsschänder so wohl zu strafen wissen, ein Ver- 
halten beobachten werden, welches ihnen auch in dieser Sache gerechtes 
l.ob einträgt, indem sie denjenigen sterben lassen, der so lange aufs 
hartnäckigste in seinen Ketzereien beharrte und so viele ins Verderben 
vestürzt hat. Wenn du wünschest, das Grässliche der Strafe zu mildern, 
so übst du das Amt eines Freundes an deinem tötlichsten Feind. Aber 
ich bitte dieh, verfahre so, dass nicht leicht mehr einer es wagt, neue 
Lehren an die Öffentlichkeit zu bringen und so lange alles ungestraft 





urn. 


347 


zu verwirren, wie jener es getan hat. . . Nicht wenige pflichten ge- 
wissermassen der Sekte der Wiedertäufer bei, welche Missetäter durch- 
aus nicht wollen, dass die Gottlosen aus dem Wege geräumt werden, 
damit ihnen gestattet sei, ungestraft ihre Schändlichkeiten zu lehren 
und zu befolgen; sie wollen, dass man mit den Ketzern nicht anders 
verfahre, als dass man sie machen lasse, wie wenn kein Unterschied 
wäre zwischen dem Amt eines Geistlichen und dem der Obrigkeit. Wenn 
der Papst die Frommen wegen Ketzerei verdammt und wütende Richter 
ungerechterweise gegen Unschuldige die Strafe verhängen, die den 
Ketzern gebührt, welcher Unsinn ist es, daraus zu schliessen, dass man 
die Ketzer nicht vernichten dürfe, um den Gläubigen zu helfen! Sicher- 
lich haben jene solches sich und andern mit einer vormals unerhörten 
Beweisführung raten wollen, der Balın zuwider, die alle Diener des Herrn 
einschlugen, und haben sich dadurch gleichsam selber den Ketzern bei- 
gesellt. Ich meinerseits, da ich den Ausspruch des heiligen Paulus las, 
er fliehe den Tod nicht, wenn er etwas verschuldet habe, habe mich 
öfters ausdrücklich bereit erklärt, das Todesurteil zu erdulden, wenn 
ich etwas gegen die gottesfürchtige Lehre gelehrt hätte. Und ich habe 
hinzugefügt, dass ich jede Todesqual verdienen würde, wenn ich einen 
vom Glauben und der Lehre Christi abwendig machte. Gewiss kann ich 
in betreff anderer keine andern Gefühle hegen, als was ich über mich 
selbst verhänge. 


147. Der Berner Stadtfchreiber Burkinden an Calvin, nachdem 
ihm dieſer fein Buch zur Rechtfertigung der Hinrichtung Servets 
überfandt hatte. 10. Februar 1554. 


Aus dem Yateinifchen; Calv. opera. XV. S. 20 ff. 


— — Ich gestehe dir gerne, dass auch ich zu der Zahl derjenigen 
gehöre, welche, sei es aus Unwissenheit oder aus allzu grosser Schüchtern- 
heit, wünschen, das Schwert so selten als möglich als Zwangsmittel 
gegen die Widersacher des Glaubens angewendet zu sehen, sei es, dass 
sie mit Vorsatz, sei es, dass sie aus Unwissenheit irren. Und mich be- 
wegen dazu nicht so sehr die Stellen der Schrift, welche jene anführen, 
um die Schärfe des Schwertes von der Behandlung der Religionssachen 
fern zu halten, als die erstaunlichen Beispiele, die zu unserer Zeit bei 
der Bestrafung der Wiedertäufer vorgekommen sind. Ich habe hier eine 
achtzigjährige Greisin mit ihrer Tochter, der Mutter von sechs Waisen, 
zum Tode führen sehen, die nichts anderes verschuldet hatten, als dass sie, 
von der so einleuchtenden und beim Volke beliebten Lehre der Wiedertäufer 
hingerissen, die Kindertaufe leugneten. Und das niemand zum Unheil als 
zu ihrem eigenen; denn es war keine Gefahr, dass die beiden Weiblein 
unsern Erdkreis mit der falschen Lehre ins Verderben stürzen würden. Mit 


348 


diesem einen Beispiel von vielen will ich mich begnügen, welches mich 
so sehr erschüttert, dass ich fürchte, die Obrigkeiten bleiben nicht inner- 
halb der Schranken, in welche du sie weisest, dass sie nämlich nur die 
scheusslichsten Zerstörer des Glaubens und der Religion zur Hinrichtung 
schleppen. Wenn du hoffst, dies erreichen zu können, sträube ich mich nicht 
dagegen; aber ich fürchte (ohne Grund vielleicht), es möchten auch die 
leichten Irrtümer für todeswürdig gehalten werden, wenn nicht die Obrig- 
keiten in der Furcht des Herrn stark sind und mit genauem Urteil unter- 
scheiden zwischen denen, die von Eifer, aber nicht dem rechten Verstande 
gemäss getrieben werden, und denen, die vorsätzlich die friedlichen Kir- 
chen Christi mit neuen gottlosen Lehren quälen; und ich will lieber, dass 
auch in letzterem Fall die Obrigkeiten sowohl als ich aus Unerfahren- 
heit zu grosse Milde und Schüchternheit walten lassen, als dass wir zu 
sehr zur Strenge des Schwertes neigen. Dies ist, wie ich sehe, auch 
deine Meinung, da du vieles von jenem strengsten Recht des Schwertes 
ausnimmst und ihm nur das Verruchteste zuweisest. Und denke nicht, 
dass ich dies zu Gunsten Servets sage, des gottlosen und schmähsüchtigen 
Menschen — ich wollte indess, er wäre eines andern Todes gestorben — 
sondern, weil ich das böse Beispiel und den Irrtum fürchte, der nur 
allzu sehr zur Grausamkeit geneigt ist, vor welcher ich solchen Abscheu 
hege, dass ich lieber wollte, mein Blut würde vergossen, als dass es 
sich mit dem Tode eines nicht im äussersten Grade Schuldigen befleckte. 
Da ich einmal von einem Ratsherrn gefragt wurde, warum ich die Todes- 
urteile gegen die unglücklichen Wiedertäufer nicht unterzeichne, er- 
wiederte ich ilım, er solle aus der Zahl derselben irgend einen auf Leib 
und Leben anklagen, welcher die Gebote der Ehe befleckt, öffentlich 
das Volk zum Abfall aufgereizt und jene Schandtaten begangen habe, 
die einige unter dem Deckmantel der Religion heimlich zugelassen hätten ; 
jene Einfalt und Unwissenheit scheine mir der Nachsicht, nicht des Todes 
würdig, und andere Zwangsmittel seien gegen diese, als gegen jene an- 
zuwenden; man dürfe nicht alle ohne Unterschied zum Tode führen. 

Es gibt sodann noch einen andern Grund, warum ich vor der Hin- 
richtung derselben zurückscheue. Ich sehe, dass nur einige wenige auf 
diese Weise vernichtet werden können, ganze Völkerschaften aber 
nicht; ich aber wünschte die Strafgesetze so beschaffen, dass ihre Strenge 
nicht gegen wenige scharf, gegen die Menge aber stumpf sind. Ich 
glaube nämlich, dass heutzutage keines Fürsten oder Freistaates Strenge 
so unbengsam und unmenschlich ist, um ganze Scharen Volkes wegen 
irgend einer Abweichung von der Religion mit dem Schwerte ausrotten 
zu wollen, im Namen des Rechtes und der Obrigkeit, nicht mit den 
Waffen und offener Gewalt. Auch können die Menschen nicht wissen, 
welche Augenblicke jedem Irrenden zur Sinnesänderung bestimmt sind, 
und mancher kann, da man seine Busse nicht abwartet, getötet werden, 
der in kurzem der Kirche nicht zur Last, sondern zur Zierde gereicht 
haben würde. Die Meisten sind ja von solcher Gemütsart, dass sie sich 
wohl leiten, nicht aber schleppen lassen und wir haben manche bei der 
Erwähnung der Todesstrafe sich erst recht verstocken sehen, die sonst 
wohl hätten mit sich reden lassen. 

Dies hat der wohlweise Rat von Basel eingesehen und ist in diesen 





349 


Dingen so verfahren, dass meines Wissens keiner wegen Religionssachen 
um sein Haupt gebisst worden ist. Sie haben die Unglücklichen eine 
Weile an gelegener Stätte eingesperrt gehalten, wo die Geistlichen und 
andere gute Männer Zutritt hatten, um sie mit Menschlichkeit von ihrem 
Irrtum abzubringen. Auch wir haben, betroffen über die grausamen 
Exempel, angefangen, milde zu werden. Du siehst auch, mit welcher Er- 
bitterung und beinahe mit den Waffen in unseren erlauchten Republiken, 
nicht um den Kern, sondern um die Schale der Religion gestritten 
worden ist. Ich sehe eine jede ihre Zeremonien mit solcher Hartnäckig- 
keit verteidigen, dass um ein weniges die Bünde, der Friede, die Ein- 
tracht und die durch Christi Blut besiegelte Gemeinschaft zusammen- 
stürzen und der wilde Kriegsgott eher sein Signal ertönen lässt, als 
dass eine der andern nachgibt oder sie wenigstens ihrer Freiheit ge- 
niessen lässt. So dass, wohin ich mich wende, es mir nötig scheint, 
die Schwerter der Obrigkeiten eher abzustumpfen als zu schärfen. 
Aber wozu dies alles? Damit du siehst, was du übrigens auch 
ohne jemandes Ermahnung tust, wie wahr es ist, was du schreibst, dass 
viele sonst nicht zu den Schlechtesten zählende Menschen fürchten, es möchte 
durch die leiseste Zustimmung seitens der Diener des göttlichen Wortes 
der Zorn der Obrigkeiten in dieser Sache nur allzusehr angefacht werden, 
während sie in der Verfolgung der schwersten und überwiesensten Frevel- 
taten sehr langsam sind. Ich füge bei, dass wir den Papisten nichts 
Angenehmeres tun können, als wenn wir, nachdem wir ihre Wut dem 
Abscheu preisgegeben haben, nun selbst dulden, dass die Arbeit des 
Henkers im eigenen Hause neu auflebt. ... Ich wollte, dass der erste 
Teil deines Buches über das Recht des Schwertes, welches die Obrig- 
keiten zur Züchtigung der Ketzer sollen in Anspruch nehmen dürfen, 
nicht in deinem, sondern deines Rates Namen herausgekommen wäre, 
welcher der Verteidiger seiner Tat hätte sein können. Ich sehe nicht ein, 
wie du bei den Leuten von gelassenem Gemüt irgend welchen Dank 
dafür ernten sollst, dass du fast geflissentlich zuerst von allen es unter- 
nommen hast, diesen, soweit ich aus den vorläufigen Urteilen heraus- 
merke, so ziemlich jedermann verhassten Gegenstand zu behandeln. 


148. Johanna Gray an Bullinger. JZuni 1553. 


Überſetzt aus dem Patein.; Epistole Tigurin®, herausgeg. von der Parker-Society. ©. 3. 


Johanna Gray, eine Urenkelin König Heinrichs VII. von England, berühmt durch 
ihre Schönbeit, Tugend, Bildung und ibr unglückliches Geschick, wurde 1553 nach dem 
Tode Eduard VI. von den protestantischen Grossen zur Königin von England ausge- 
rufen, um die Tronfolge der katholischen Maria zu hindern, und deshalb von dieser, 
trotzdem sie erst siebzehn Jahre alt war, samt ihrem Gemahl am 12. Februar 1554 
aufs Blutgerüste geschickt. 


Du darfst die späte Erfüllung einer Pflicht nicht tadeln, zumal 
wenn sie nicht aus Nachlässigkeit versäumt worden ist. Ich bin ja in 


RER N = _ EX 


350 


weiter Ferne von dir, der Briefboten sind wenige und ich komme spät 
zu den Neuigkeiten; aber nun, da ich ihn habe, den Boten, durch dessen 
Hand meine Briefe dir und die deinigen mir überliefert zu werden 
pflegen, habe ich meine Pflicht nicht versäumen dürfen, dir so eilig als 
möglich durch Wort und Schrift das Beste zu wünschen und Dank zu 
sagen. Denn so gross ist dein Ansehen bei allen, so gross, wie ich ver- 
nehme, die Wirkung deiner Predigt, so gross, wie diejenigen zu sagen 
pflegen, welche dich kennen, die Reinheit deines Wandels, dass nicht 
nur durch deine Worte, sondern auch durch die Sitten deines Lebens 
sowohl die fremden und auswärtigen Nationen, als das Land, welches 
du selbst bewohnest, eher zu einem guten und glückseligen Leben an- 
gespornt werden; denn du bist, wie Jakobus’ sagt, nicht bloss ein em- 
siger Herold und Prediger des Evangeliums und der heiligen Gebote 
Gottes, sondern auch ein wahrer Ausführer und Vollender desselben ; 
und im Leben vollbringst du das, was du mit Worten vorschreibst, indem 
du dich nicht selber betrügst. Nicht fürwahr gleichst du denen, die ihr 
äusseres Gesicht im Spiegel betrachten, und sobald sie weggegangen 
sind, vergessen, welches seine Form gewesen ist; sondern wahr und auf- 
richtig predigst du und bist durch deinen Lebenswandel andern ein Bei- 
spiel und Vorbild, dass sie das befolgen, was du befiehlst und tust. 

Aber was schreibe ich solches an deine Hochwürden, da meine Un- 
wissenheit so gross ist, dass sie weder deine Frömmigkeit gebührend 
loben, noch die Reinheit deines Lebens genügend preisen, noch, wie es 
sich geziemt, deine verehrungs- und bewunderungswürdige Lehre aus- 
drücken kann. Denn, um dich, wie es die Wahrheit verlangt, zu loben, 
müsste ich die Beredsamkeit eines Demosthenes oder den Redefluss eines 
Cicero besitzen; so gross sind ja deine Verdienste, dass ihre Auseinander- 
setzung sowohl genügende Zeit als auch eine mehr als kindliche Geistes- 
schärfe und Feinheit der Rede erforderte. Denn in dir hat sich, wie 
es offenbar ist, Gott so sehr gefallen, dass er dich für sein Reich, wie 
für diese Welt geschaffen hat; in diesem irdischen Gefängnis verbringst 
du deinen Lebenslauf, wie wenn du gestorben wärest; da du doch lebst 
und zwar nicht bloss in erster Linie Christo, ohne welchen kein Leben 
sein kann, und sodann dir, sondern auch unendlich vielen andern, 
welche du, so Gott will, za der Unsterblichkeit, die du selbst erlangen 
wirst, nachdem du aus diesem Leben geschieden sein wirst, zu führen 
aus Kräften dich bestrebst und bemühst; und damit deine Frömmigkeit 
das vollbringe, was sie wünscht, will ich ohne Unterlass zu Gott, dem 
Allmächtigen, dem Spender alles Guten, beten, und nicht aufhören, seine 
göttlichen Ohren zu belästigen, auf dass du möglichst lange diesem 
Leben erhalten bleibest. 

Dies habe ich mit mehr Kühnheit, als Klugheit an dich geschrieben ; 
aber so gross sind die Wohltaten, welche du mir erwiesen hast, der du 
an mich die Unbekannte zu schreiben, und, was zur Zierde des Geistes 
und zur Ausbildung der Scele nötig ist, an die Hand zu geben geruht 
hast, dass ich mit Recht der Nachlässigkeit geziehen werden und pflicht- 
vergessen scheinen könnte, wenn mich nicht in jeder Weise deiner und 
deiner Verdienste eingedenk erwiese. Auch habe ich gute Hoffnung, du 
werdest dieser, meiner mehr als weiblichen Kühnheit, dass ich, eine 


351 


Jungfrau an den Mann, und eine Ungelehrte an den Vater der Wissen- 
schaft, zu schreiben wage, verzeihen, und meiner Unwissenheit zu gute 
halten, dass ich dich mit ernsteren Dingen Beschäftigten mit meinem 
Geschwätz, Tand und kindischem Geschreibsel zu stören mich nicht 
scheue. . . . Es bleibt mir aber noch übrig, trefllichster Mann, dich aufs 
eifrigste zu bitten, in meinem Namen jenen berühmten, durch Gelehr- 
samkeit, Frömmigkeit und Würde ausgezeichneten Bibliander, den ich 
zwar nicht kenne, herzlich zu grüssen. Denn so gross ist, wie ich höre, 
der Ruf seiner Gelehrsamkeit in unserem Vaterlande, und so berühmt, 
wie ich vernehme, sein Name bei allen wegen der ihm von Gott ver- 
liehenen „besondern Geistesgaben, dass ich, so geringe Kenntnis ich mir 
auch erworben habe, gezwungen bin, ich wolle oder nicht, der Frömmig- 
keit und Aufrichtigkeit eines solchen (wenn ich mich nicht täusche) uns 
vom Himmel gesandten Mannes meine Verehrung zu bezeugen, und ich 
bitte Gott, dass solche Säulen der Kirche, wie ihr seid, sich lange guter 
Gesundheit erfreuen mögen. So lange mir aber vergönnt ist, zu atmen, 
werde ich nicht ablassen, deiner Hochwürden das Beste zu wünschen, 
wegen der mir erwiesenen Güte Dank zu sagen und für dein Wohlergehen 
zu beten. Lebe wohl, gelehrtester Mann. Deiner Frömmigkeit ergebenste 
Johanna Gray. 


149. Aus dem Stchiedsvertrag zu ZLanfanne zwiſchen Savoyen 
und Bern. 30. Oktober 1564. 


Eidgen. Abſchiede IV 2. ©. 1498 ff. 


... Da jo haben wir den Begriff und Inhalt oftgemeldeter jüngft hievor 
in der Stadt Bafel aufgeftellten Vergleihspunfte, desgleichen . . . das, fo in 
der Stadt Bern und zu Murten und jegiger Zeit zu Lauſanne von der viel- 
gedachten javoyifchen Yande . . . wegen durch uns umd gleicherweije durch 
beider Zeile bevollmächtigte Anwälte zu chlieglicher und endgültiger Verband: 
(ung und Erläuterung gekommen iſt ... auf das Kürzeſte in diefer Schrift 
ftellen und abfaflen lajfen, unter welchem die Artifel des vielgemeldeten Ver— 
gleiches ... . aljo lauten: 

Nämlich, daß die Herren der Stadt Bern dieje hienach bejtimmten Herr- 
ichaften, Yande und Flecken, mit Namen die ganze Herrſchaft Ger, dazu den 
Zeil und alles das, jo fie jenfeits des Sees in der Herrichaft Chablais 
erobert, desgleichen alles das, fo fie in der Herrichaft Genevois eingenommen 

. umd bisher innegehabt und beherrichet haben, aber zuvor jegiger Fürftl. 
Durdl. zu Savoyen Vorfahren Löblichen Gedächtniffes gewejen find, mit aller 
Gerechtigkeit und Zubehörde . . . wieder von Handen geben, auf diefe und 
alle ihre Forderung, Gerechtſame und Anjprache, die ſie oder ihre Nad)- 


Ten 


352 


fommen ... . an diefelben vorgen. Herrichaften und Pande ... haben jollten 
oder mochten, gänzlich . . . verzichten, . .. und diefelben Herrſchaften ... 
der Hochgenannten Fürftl. Durchlaucht zu Savoyen einräumen, übergeben und 
zuftellen jollen. ... . 

Hingegen ſoll der übrige Teil der ganzen Yandichaft Waat jamt der 
ganzen Herrichaft und Vogtei Neus (Nyon), desgleihen die Flefen und 
Herrichaften VBivis, Turn (La Tour), Chillon und Neuenitadt 
(Villeneuve), die diesſeits des Sees gelegen und zuvor zu der Herrichaft 
Chablais gehört haben, jamt aller Herrlichkeit, Gerechtigkeit und Zubehör... ., 
denfelben Herren der Stadt Bern als ihr rechtes Eigentum bleiben, aljo daß 
jie und ihre ewigen Nachkommen diejelbige Yandichaft Waat jamt den andern 
bievorgenannten Herrlichfeiten und Flecken binfüro inmehaben, beſitzen, bejeten, 
entjegen, benüßen und genießen und damit tun, handeln, jchalten und walten 
jolfen und mögen, wie mit andern ihren eigenen Yanden und Derrichaften, 
altes ohne daß oftgen. Fürftl. Durdlaucht zu Savoyen noch ihre Erben und 
Nachkommen noch jemand anders von ihretwegen bemeldete Herren von Bern 
bernah zu ewigen Zeiten und Tagen ferner darum anfechten, befümmern, 
molejtiren, noch bemühen jolle noch möge, in welcher Weiſe, Gejtalt umd Art 
das immer jein und gejchehen Fünnte oder möchte, — — — 

Zum adten haben wir die Schied$männer bedacht: daß mit der vor- 
jtehbenden Erläuterung allen einzelnen Perjonen, Edeln und Unedeln, auch 
allen Ztäden, Dörfern und Communen an ihren bejondern Gütern, Eigentums: 
rechten, Yehen, Weidgängen, Feldfahrten, Hölzern, Feldern, guten Gewohn- 
beiten, Bräuchen und Gerechtigfeiten, wie die im jegiger Zeit in Gang und 
Übung find, nichts benommen, noch vergeben jein, jondern daß männiglich, 
der TÜbrigfeit balber ungebindert, bei jeiner bergebrachten Gerectigfeit und 
Beſitzung, aud) bei feinem Brief und Siegeln bleiben joll. — — — — 


Natifilation des Königs von Frankreich. 26. April 1565. 


Karl, von Gottes Gnaden König von Frankreich, allen Gegenwärtigen 
und Nünftigen Gruß. Da über die Zwijtigfeiten, die vormals zwijchen unſerm 
jebr tenern und jebr geliebten Cheim, dem Herzog von Savoyen, und 
unfern ſehr teuern und großen Freunden, den Herren vom Kanten Bern, be: 
ftanden, nach Beranftaltung mebrerer Zufammentünfte unter ihnen, im Beifein 
der dazu bejtellten Vermittler zwiſchen den genannten jelbigen Parteien unter 
Mitwirkung unſers ordentlichen, bei unjern jebr teuern und großen Freunden 
und Eidgenoſſen, den Derren von den jchweizeriihen Binden refidirenden 
Geſandten, endlich eine Übereinkunft und ein Vertrag erzielt werden ift, nad) 
der Seftalt und den Artifeln, jo in demſelben entbalten, deilen in gebübrender 
Weiſe verglichene Überjegung bier angebängt iſt unter dem Gegenfiegel unjerer 
Kanzlei: haben wir, da bejagte Parteien uns erfuchten, den genannten Vertrag 


——— Her ER 


r ne Su 
r B [) 


353 


zu bilfigen und gutzuheißen, nachdem wir ihn unferm Rate vorgelegt haben, 
da wir die Ruhe und den Frieden der genannten zwei Parteien winjchen, 
auf das Gutachten unſeres befagten Rates bekannt und befennen durch Gegen- 

| wärtiges, daß uns befagter Vertrag angenehm ift. Zu Urkund dejjen haben 
wir Dieſem unfer Siegel beiſetzen laſſen. 


150. Aus dem Dortrag einer Gefandifchaft der vier evangelifchen 
| Städte in den kathelifchen Orten, November 1585. 


| Abſchiede IV.2. S. 896 fi. 


infonders giftige Herren, gute Freunde und getreue liebe 
= alte Eidgenofjen! Wir können nicht widerjprechen, müſſen be- 
— daß der Mehrteil unſerer frommen Altvordern fremder Fürſten und 
Herren Untertanen und deshalb ihnen Gehorfam zu leiſten pflichtig und ver— 
bunden gewejen und durch ihre Yandvögte beherrſchet, regieret und bevogtet 
worden jind, doch ein Ort mehr denn das andere, wie euch felbjt wiſſend ift. 
As aber jie und ihre Yandvögte mit ihnen unjern Vorfahren jeligen Gedenfens 
allerlei Hochmut, unbillige Gewalt, Hoffart und Stolz gerade am meisten in 
euren Yanden getrieben, hat der Allmächtige Gott, der Hoffart, Übermut, un— 
billige Gewalt nicht leiden mag, durch jeine göttliche Gnade und Kraft uns 
gemeinſam jolcher Gewalt entledigt und aljo eine Löbliche Eidgenoffenichaft vor 
andern Nationen unterm Himmel dermaßen mit Freiheiten begabet, daß die 
feinem Fürſten oder Herren mit irgend welcher Dienftbarfeit mehr unterworfen 
und zugetan, welche auch eine lange Zeit durch bejondere Vorſehung Gottes 
und unferer frommen Altvordern Fürfichtigfeit in Frieden, Ruhe und Einigkeit 
gnädiglich erhalten worden ift, und aus zufammengejegter Yiebe und Einigfeit 
den Bezirf je länger je mehr erweitert haben. — — 

Nun aber hören und vernehmen wir... ., daß Könige, Kaiſer, Fürſten, 
Botentaten und Herren gemeiner Eidgenofjenichaft, unangefehen, welcher Neligion 
und wes Glaubens ein jeder jei, ganz feind, abhold und aufjägig find, uns 
die Freiheit nicht gönnen; denn freie Völker zu jehen, ihnen gar widerwärtig 
it, aus Furcht, daß fie bei ihren Untertanen auch deito minder Gehorſam 
behalten mögen, und brächten uns deswegen gern wieder unter das Joch der 
Knechtichaft und Dienftbarkeit. Und wie ihnen der Mund jtets nach unſern 
Yanden ſchmatzet, da fie reden, der Mebrteil ſei ihr Eigentum, müſſe ihnen 
wiederum werden, das fünnen fie nicht bergen noch in fich behalten. 

Oechsli, Quellenbuch, 23 





— —— — — 


354 


.. . Und werden die Praftifen dahin gerichtet, daß man durch innerliche 
Uneinigfeit das bisherige, aufrichtige, herzliche Vertrauen zertrennen, und 
Ziwietracht, ein Samen alles Übels, unter uns ſäen [möchte], gemeine Eid— 
genoſſenſchaft allgemach zum Abfall von brüderlicher Yiebe brächte und den 
Bund oder die Glieder desjelben einesteil8 geringer machte, die übrigen gar 
unter das Joch ftürztee — — — — 

Deshalb fünnen wir nicht länger unterlaffen, ... einmal über alle Be- 
ihwerden und Anliegen freundliche und gütliche Unterredung und Geſpräch zu 
halten, der Zuverfiht und guter Hoffnung, Ihr werdet joldes zu allem Guten 
und zum Beften gejchehen zu fein verftehn, aufnehmen und erfennen. 

So viel nun uns die evangelichen Orte anlangen tut, daß wir ung mit 
andern Fürſten und Herren in Bündnis eingelaffen [haben jollen], fann man 
auch wohl vergewifjern, daß wir uns über die gemeinjamen öffentlichen be- 
fannten Binde hinaus mit feinem Potentaten, fie ſeien Könige, Fürften und 
Herren, Deutfche oder Welfche, eingelajjen haben . . ., find auch Fünftig ent- 
ſchloſſen, uns nicht leichtfertig in Bündniffe, deren wir nicht alle in gemeiner 
Eidgenoffenichaft geniefen und wegen unferes allgemeinen Vaterlandes und 
des gemeinen Nugens und Wohljtands nicht hochnotwendig bedürfen, ein- 
zulaffen, jondern gefinnt, unjern gemeinen öffentlichen Bund, jo wir zuſammen 
gelobt und geſchworen, getreulich, ehrlich, jtandhaft, mit vedlicher, männlicher 
Tapferkeit unverbrüchlich zu handhaben. Denn [es gibt] fein Volk unter der 
Sonne, mit denen wir lieber begehren zu haufen, zu handeln, Lieb und Yeid 
zu leiden, die einander auch beſſer anftünden, denn Ihr unfere treuen, lieben, 
alten Eidgenoffen. 

Und ift hierauf an Euch unfere eidgenöffische Bitte und Begehr, firohin 
nicht mehr, wie bisher, aus jonderm Gefallen und eigenem Willen in jedes 
Fürften Bindnis fich bewegen zu laffen, fondern mit gemeinem Nat, wie 
unjere Altvordern, des Vaterlandes Heil und Wohlfahrt zu befördern, damit 
unjer gewaltiger, alter, wohl hergebrachter, guter Name und Achtung, den 
andere Nationen und Völker jo hoch gepriejen, unjere ſchwer erlangte Freiheit, 
Kühnheit, Mannbeit, unſerer Vorfahren große Taten, die fremden Fürften und 
Herren, denen fie zu Sieg und Wohlfahrt gereicht, angenehm, andern aber 
ſchrecklich und furchtbar find, nicht geſchmälert und gemindert werde, jondern 
wie eine feſte Mauer wider alle feindlichen Anläufe mit Yob und Ehren 
beftehe. — — — 

Wir fünnen uns aber nicht genugſam verwundern, daß ihr alfo wider 
Senf und andere Evangelifche verhetzt und dahin getrachtet, daß der König 
[von Frankreich] den Genfiſchen den Schirm und andern, die nicht katholiſch 
jind, das Bindnis hätte aufjagen jollen. 

Denn, foviel Genf anlangt, wiſſet ihr insgemein, daß diefelbige Stadt 
eine Wehre, Vormauer und ein Schlüffel ganzer Eidgenofjenjchaft ift, und 


en — — 
wir 
ar 


355 


wenn bie verloren, foll man nicht mehr unfer Vaterland bejchloffen, fondern 
auf der allergefährlichften Seite offen nennen. — — 

Wenn wir nun von Zürich zu Stadt und Yand, ſamt uns von Bern, 
die günftige Yage diejer Stadt, Löblicher Eidgenoffenfchaft Ehre und Wohlfahrt 
bedacht und erwogen, ... haben wir nicht umhin gekonnt, eine Stadt Genf 
mit ehrenhaften Bedingungen in Schug und Schirm anzunehmen, und, damit 
ihr jeht, daß mir nichts Uneidgenöffifches noch Verborgenes gehandelt nod) 
abgeredet, jo wollen wir euch von unferer Vergleichung hiemit öffentlichen 
wifjentlichen Bericht erftatten..... Und wir find, getreue, liebe, alte Eid: 
genofjen, Zweifel frei: wo euere frommen Vorfahren von einer Stadt Genf 
erjucht worden wären, fie zu einer Vorwehre einer löblichen Eidgenofjenfchaft 
zu brauchen umd anzunehmen, fie hätten zur Erhaltung der Freiheiten und 
des Vaterlandes einen ſolchen glücdhaften Schlüffel nicht aus den Händen ge- 
lafjen. Darum bitten wir eidgenöffifch, die Anfechtungen, die euch hieran hindern 
möchten, fallen zu laffen und auf unfere, unferer Kinder Ehre, Freiheit und 
Baterland mehr zu jehen, eine Stadt Genf in Zugewandtichaft, wie andere 
Orte, anzunehmen nicht verachten, wie fie euch dann felber mehrmals erfucht 
und gebeten haben. 

Und dieweil wir dann, aus heiligem göttlihem Wort genugjam erfahren 
und gelernt haben, daß der Glaube eine freie teure Gabe Gottes durch den 
heiligen Geift den Menjchen eingegoffen wird und nicht durch Macht und 
Zwang irgend welcher Potentaten, geiftlicher noch weltlicher Menſchen, gegeben 
werden fann, auch die Gewiffen nicht mit Krieg, Wehr umd Waffen mögen 
gezwungen werden, wie das die tägliche Erfahrung mitbringt, haben unfere 
frommen Voreltern, geiftlich und weltlih, vor fahren auf allerlei gejchehene 
Klagen im Namen Gottes die heilige göttliche Schrift alten und neuen Teita- 
ment3 vor fich genommen, darans eine hriftliche allgemeine Konfefjion und 
Slaubensbefenntnis geftellt, in welcher man das heilige Vaterunſer betet, die 
12 Artifel unferes wahren chriftlichen Glaubens befennt, die heiligen 10 Ge: 
bote vollfommenlich lehrt, wie in allen chriftlichen Kirchen gebraucht wird, 
daraus man das Volf zur Furcht Gottes, Gehorfam der Obrigfeit, hriftlicher 
brüderlicher Liebe und zu allen guten Werfen treibt und ernftlich vermahnt .... 
Und mwiewohl in dem äufßerlichen Gottesdienft in der Ehriftenheit etwas 
Anderung und Ungleichheit ift, alfo daß ein Teil meint, auf die Weiſe, der 
andere auf eine andere beifer daran zu fein, jo ftimmt man doch im dem 
Hauptftüd, darauf hriftlicher Glaube gebaut, zuſammen. . . . Und mag des: 
halb ſolche äuferliche Änderung fo viel nicht auf fid) haben, daß äuferlicher 
Friede, Ruhe und Einigkeit darum nicht beftehn möge. Denn offenbar am Tag 
ift, dar etliche Orte unjerer Eidgenoffenichaft und gemeine Untertanen (wie 
auch viel Städte und Stände im Reich deutjcher Nation) in beiden Religionen 
fi freundlich mit einander halten und vertragen können. — — — 


356 


151. Der Goldene oder Borromäifce Bund zwiſchen den 
VII katholifchen Orten. Luzern 5. Oktober 1586. 
Eidgen. Abſchiede IV. 2. ©. 15% fi. 


In dem Namen der heiligen, göttlichen, unzerteilbarlichen Dreifaltigteit 
und einigen Gottheit, Amen. Wir von Städten umd Yanden der Sieben 
Katholiſchen Orte Yoblicher Eidgenoffenfchaft verordnete Räte, auch vollmächtige 
Anwälte und Sendboten, nämlich von Yuzern Ludwig Pfyffer, Ritter, Banner: 
herr, der Zeit Schultheiß :c,, von Uri Hans Jakob Troger, Ritter, der Zeit 
Statthalter sc, von Schwiz Ehriftoffel Schorno, Ritter, Bannerherr zc., von 
Unterwalden Ob dem Wald Johans Roßacher, Yandammann und von 
Unterwalden Nid dem Wald Johans Wafer, Ritter, Bannerherr und 
Yandammann, vou Zug von Stadt und Amts wegen Heinrich Ellfiner, des 
Nats, von Freiburg Pankraz Wild ꝛc. und von Soloturn Stephan 
Schwaller, Schultheiß xc...... in der Stadt Yuzern verfammelt, tun fund 
männiglich mit diefem Brief. Nachdem denn unfere Herren und Obern und wir 
jet eine lange Zeit her nicht ohne großen Schmerz und mit bejonderem Be- 
dauern jehen müffen, welch großer Abfall von dem wahren alten Katholiſchen, 
Römiſchen, Apoftoliichen und Ehriftlichen allein jelig machenden Glauben ſich bei 
vielen Nationen und Bölfern in der ganzen Ehriftenheit, ja auch bis gar nabe 
zu unjeren Toren und Hausichwellen (leider) zugetragen, die dann den Weg 
und Fußſtapfen ihrer frommen Boreltern und den ebengemeldeten rechten wahren 
Ktatholiichen Glauben verlaffen und ſich von demjelbigen abgejondert, und 
gleichwohl dabei verhofft, der gütige Gott würde endlich ein gnädiges Genügen 
haben und jolchen Abgewichenen die Sonne der Gnaden und das Yicht der 
Wahrheit wiederum erſcheinen lajjen, das aber, ungezweifelt um unjerer jchweren 
Sünden willen, bisher nicht allein verhindert, jondern auch ausdrücklich be- 
funden und geſpürt wird, [daß] fie je länger je verjtodter und hartnäckiger 
darin werden, wie dann der Augenjchein und die tägliche Erfahrnis durch Die 
vielfältigen Praftifen, Bündniſſe und Verpflichtungen, jo fie ftetS zuſammen 
tun, folches mitbringt; aus dem nun klärlich abzunehmen |ift], daR der Fürft 
der FFinfternis folder Praftifen ein Yeiter und Führer ift, fintemal doc ie, 
unangejehen, daß jie in und unter fich jelbjt zertrennt [find], allein in dem 
einzig übereinftimmen, wie fie unſern wahren Katholiichen Glauben unterdrüden 
und ausrenten möchten. „.. Und jo Wir aber die Anjchläge umd Praftifen 
der Neugläubigen wider uns Katholiiche je mehr fih ftärten und zunehmen 
lieben], da jo haben nicht unbillig unſere Herren und Obern der Sachen 
ernftliches und forgfältiges Nachdenten gehabt, jolches alles in Anjehung und 
Betrachtung gegemmwärtiger gefährlicher und jeltfamer ſchwebender Yäufe mit 
wohlbedachten Mut und zeitigem Rat erwogen und darauf aljo einbelliglich 
für jih und ihre ewigen Nachkommen in Weis und Maßen, wie bernach 


357 


folgt, fich entjchloffen und uns, als ihren vollmächtigen Anwälten und Befehls- 
babern, in ihrem Namen zu verrichten befohlen: 

Nämlich und erftlich, jo nehmen Wir die obgenannten Sieben Katholischen 
Orte einander auf und erfennen einander für getreue liebe alte Eidgenoffen, 
Mitbürger und Yandleute, auch der Alten Katholiſchen Römiſchen Religion 
Verwandte, hiemit allen und jeden andern Glaubens- oder Neligionsbefennt- 
nijfen als irrigen und jektiichen für uns und unſere Nachkommen endgültig 
und gänzlich widerjagend. Wir erfennen ums auch weiter für wohl vertraute 
wahre herzliche Brüder, fir welche wir fürhin einander in allen Briefen, 
Anftrumenten, gemeinen bejondern Händeln, in Worten und Werfen aljo er: 
fennen, namjen und halten jollen, in maßen, als ob wir leibliche Brüder 
wären, je eines Lieb und Yeid des andern Yieb und Yeid fei. Und obgleich 
uns wohl zu wiſſen [ift], was wir im Fall zuftoßender Not fraft zufanmen- 
habender und hievor aufgerichteter Bündniffe, Burgrechte und Verſtändniſſe 
gegeneinander zu tum jchuldig und pflichtig [find] (welche dann auch darum 
biemit feineswegs widerrufen noch aufgehoben fein, jondern ſolche alle und 
jede in ihren Kräften feftiglich bejtehn und bleiben jollen), jo haben wir doch 
aus bewegenden Urjachen jolche Biindniffe und Verſtändniſſe mit gegenwärtigen 
Zutun mehren wollen; und nämlich, fintemal wir alle gemeinschaftlich bedacht 
und entichloffen, auch endgültig uns vorgenommen, bei dem wahren, unge— 
zweifelten Alten Apoftolichen, Römijchen, Katholifchen und Ehriftlichen Glauben 
vollkommen, bejtändig und fejtiglich zu verharren, darin und dabei zu leben 
und zu ſterben ..., da jo haben wir einander verjprochen und verjprechen 
aud das einander hiemit in Fraft diejes Briefs für und und unſere ewigen 
Nachkommen, die wir denn biezu fejtiglich und unwiderruflich verbinden und 
verpflichten, daß wir, die Sieben Katholischen Orte, allererftlich und zuvorderft 
bei demfelben Apoftoliichen, Römiſchen, Katholichen, Ehriftlichen Glauben ein: 
ander handhaben jollen und wollen, aljo, wann eines oder mehr Orte unter 
ung (was jedoch Gott der Allmächtige in Ewigfeit gnädiglich verhüten wolle) 
von deimjelbigen abweichen wollte, daß dann die übrigen Orte dasfelbige ein: 
zige oder mehrere Orte bei gedachten unſerm wahren Katholischen Alten 
Ehriftlihen Glauben zu bleiben und zu verharren handhaben und nötigen, 
auch die Urſächer oder Aufwiegler ſolches Abfalls, wo die ergriffen werden 
mögen, nach ihrem Verdienen ftrafen follen. 

Zu dem andern jo verjprecdhen Wir die Sieben Katholifchen Orte, daß 
wir einander bei demfelben obgenannten wahren Glauben mit aller unferer 
Macht und Vermögen Yeibs und Guts fchüten und ſchirmen helfen jollen und 
wollen wider alle die, jo uns antajten würden, niemand ausgejchloffen ; dern 
fein älteres no auch jüngeres Bündnis, jo aufgerichtet oder in künftige 
aufgerichtet werden möchte, joll uns an ſolchem Schirmen ganz [und gar] 
nicht hindern, noch darin oder dagegen irgend welche Ausrede, Finde oder 


358 


Liſt, Arguiven, noch Difputiren endlich nicht vorgewandt werden, jondern wir 
verfprechen einander Mar und ausdrüdlih: Sobald wir, es jei eins oder 
mehrere Orte unter ung von irgend einem Feind, wer der jei, gar niemand 
ausgejchloffen (der nicht unſeres alten wahren Glaubens ift) feindlicher Weije 
angetaftet oder überzogen würden, oder obgleich wohl jolcher Feind aus anderm 
gejuchtem oder erdichtetem Schein, als von des Glaubens wegen, den Krieg 
wider uns anfinge, daß alsdann wir die übrigen Orte mit aller unjerer 
Macht dem oder denjelben angetafteten oder überzogenen, wie vorgemeldet, 
mit aller unſerer Macht unverzüglich zu Hilfe fommen und aljo ihnen bei- 
jtändig fein jollen, bis daß fie aus aller Not errettet find. 

Und dieweil man aber einander nicht allein mit den Waffen, ſondern 
auch auf andern Wegen und Weifen jehädigen, verfolgen, verheeren und ver— 
derben kann und mag, jo erläutern Wir uns auch deſſen Far biemit: nämlich, 
wenn irgend einem unter uns den Sieben Katholifchen Orten von jemanden, 
jo nicht unſeres Katholischen Glaubens ift, dergleichen unleidliche Sachen be- 
gegnen, dadurch dasjelbige eine oder mehr Orte unter ung Notzwangshalb 
gedrungen würde, zuerft zu den Waffen zu greifen, wider des andern Teils 
Tyrannei und Unbill fich zu erretten, daß alsdann wir die übrigen Orte auch 
Ihuldig und pflichtig fein jollen, demfelbigen einen oder mehr Orten unter 
ung zu Hilf zu fommen, in Weis und Maß, als hievor erläutert ift, und 
als wenn fie überzogen wären. 

E3 mag auch diefes umfer chriftliches Bündnis je zu Zeiten, warn es 
die Obrigfeiten aljo für gut und notwendig anfehen würden, wohl wiederum 
verfejen und befchworen werden, damit es den ungen auch eingebildet und 
dejto minder vergeffen werde; doch mit dem Zutum, daß hierin nichts ge- 
mindert noch verändert werde, auch feine neuen Briefe aufgerichtet werden, 
londern die alten alfo in guten Kräften bleiben. 


152. Aus dem Bündnis der VI katholifchen Orte Luzern, Uri, 
Schwiz, Ilnterwalden, Zug und Freiburg mit König Philipp II. 
von Spanien. Luzern 12. Mai 1587. 


Eidgen. Abſchiede V. 1. S. 1929 ff. 


.. . Zum Vierten, fo laffen zu und bemilligen wir die verbündeten 
Orte, daß Ihre katholiſche, königliche Majeftät mit ihrem Volk zu Roß und 
Fuß, ſamt Geld, Posten, bejchirmlichen und verleglichen Waffen, Kaufmann: 
ſchatz und aller andern Waare, Hab und Gut, jo eimer bei ſich haben oder 
tragen oder fertigen möchte, durch unfere oder unjerer Untertanen Yandichaften 


ee „er er rue em 
-.: — er Fin 5 B 


359 


freien, unverjperrten Durchzug haben folfen und mögen. Und im Fall, warn 
in fünftigem Ihre Majeftät das bebürfte oder begehrte, eine Anzahl Kriegs: 
volf durch folche unjere, der Eidgenoffen, oder der Unſern Yandichaften durch- 
ziehen oder führen zu laffen, alsdann follen ihre Befehlsleute ſchuldig fein, 
jolhen Paß von uns zu begehren. Und fo wir's dann verwilligen, joll es ge 
ihehen in jo Heiner Anzahl auf das Mal, wie es dann von uns Eidgenoffen 
jelbft geordnet wird (angejehen die Enge und Unkommlichkeit der Yande), und 
daß je eine Rotte von der andern zwei Tagereifen weit abgejondert jein jolle, 
bi8 daß die begehrte Anzahl hindurchgezogen; doch daß fie alle Zölle und 
Nahrung nah Billigfeit bezahlen und auch ſonſt ſich nach Gebühr halten, 
desgleichen die hohen Gewehre nicht gleich mit ihnen ſelbſt durchführen, jondern 
in Ballen oder Kiften vermacht eine Tagereife oder zwei vor oder nach dem 
Kriegsvolf durdhfertigen follen nach der Ordnung, die wir in ſolchem Fall 
geben mögen, damit wir und die Unſern defto beifer vor allem Unfug und 
Aufruhr, jo manchmal in ſolchen Fällen vorfallen möchten, gefichert feien. — — 


Zum Neunten. Wenn denn fie, die Herren Eidgenoffen, unjere vorge: 
meldeten Bundesgenofien, von unſers wahren, alten fatholischen Glaubens 
wegen in Not umd Kriegsgefahr kämen, alsdann und im folhem Fall jollen 
und wollen wir der König ohne irgend welchen Verzug auf jedes ihres Er- 
fordern, mit alfer unferer Macht und in allen Treuen ihnen zu Hilfe kommen 
und Beiftand tun mit folcher Anzahl Geldes und Zahl Kriegsleute, als dann 
in ſolcher Not durd fie die Herren Eidgenoffen, in diefem Bündnis begriffen, 
jelbft für notwendig erfannt und von ums dem König an Geld oder Yeuten 
begehrt würde... . Wenn es aber der Fall wäre, daß fie, die Herren Eid: 
genofjen aus andern Urfachen oder Zufällen, denn von des wahren fatholijchen 
Glaubens wegen zu Krieg kämen oder jemand, wer die wären, Fürſten, Herren 
oder andre befriegen wollten, alsdann follen und wollen wir der König ihnen 
zu bejondern Gunften und Beichirmung, ohne irgend welchen Verzug und auf 
jedes ihres Erfordern, ihnen Hilfe tun und innerhalb fünfzehn Tagen ihnen 
ichaffen 2000 hifpanifche oder italienische Schügen zu Fuß, auch 100 Schügen 
zu Roß und 100 leichte Pferde (die fie alle von unſerm Gubernatoren zu 
Mailand begehren mögen). — — — 


Zum dreizehnten. Wenn ſich auch begäbe, daß bei den Herren Eid- 
genofjen, nämlich den Orten, jo in diefem Bündnis begriffen, etwa Perjonen 
der Ihrigen fich in Mißhandlung jo weit vergriffen, daß die mit Urteil und 
Recht auf die Galeeren erfennt und condemnirt würden, follen unjere des 
Königs Amtsleute ſchuldig fein, ihnen diefelbigen abzunehmen; alfo, [daf] 
wann fie_die an umjere Grenzen überantworten, fie alsdann diejelbigen em: 
pfangen und vermöge ergangenen Urteil® an Orte und Enden, da ſich das 
gebührt, jchaffen und fertigen, — — — — 


360 


Zum Finfzehnten. Dieweil dann unfere der Eidgenoffen Macht und 
Stärfe (nad göttlichem Zutun) an der Viele unſerer redlichen, tapfern, in 
Kriegen geübten, gewohnten und erfahrenen Mannjchaft gelegen (wie denn 
die vergangene Zeit mehrmalen bezeugt) und wir wenig andere Übung noch 
Unterhalt haben, da jo hat Ihre fatholiihe Majeftät aus befonderm gnädigem 
gutem Willen fich entſchloſſen und eingelaffen, zu bejjerer Erhaltung ſolcher 
Freundſchaft und Bündnis den gejagten Orten, jo in jelbiger begriffen, jährlich 
einem jeden Ort in den gemeinen Yandesjedel 1500 Kronen, je zwei Münz— 
gulden fir eine Krone gerechnet, an gutem Geld und Währung, immer nad 
dem Yauf der Zeit, unfehlbarlich zu entrichten... ... ‚serner, jo lang 
diefe Vereinung währt, immer und ftet8 von jedem Ort, fo in diefem Bündnis 
begriffen, zwei Jünglinge oder Studenten auf der hoben Schule zu Mailand 
oder Pavia freie Künſte und Tugend jamt der Sprache des Yandes zu 
lernen, in ihren der königl. Majeftät Kojten erhalten zu lafjen, und nämlich 
für jeden Studenten jährlih 70 Kronen gejagter Währung bezahlen lafjen 
an dem Ort, da fie ftudiren, damit fie aljo neben der Yehre der Tugenden 
und Künſte auch deſto geneigter werden zu ihrer Majeftät Dienft. — — 


Zum Siebzehnten und Beſchluß behalten wir ums zu beiden Teilen 
biemit vor alle älteren Bindniffe und Verftändniffe, jo wir gegen und mit 
männiglichem haben möchten. . . . . So wir [aber], bemeldete Orte der Eid- 
genoffenichaft, mit andern, jo nicht unjeres wahren fatholiichen Glaubens 
wären, in Nrieg fümen, [aus] was Urjachen auch jolches geihähe, obgleich 
jie uns oder wir jie angreifen würden, daß alsdann wir, der König, unan— 
gejehen alles Bündniſſes, jo wir zuvor mit denjelbigen hätten, ihnen, den 
Orten, [jo] uns hierin verbündet, Dilf tun ſollen und wollen, in Weis und 
Map, als oben begriffen und bejchlojjen. — — 


153. Teilumg des Landes Appenzell in Inner- und Außer-Boden. 
8. September 1597. 


Abſchied V. 1. S. 1861 fi. 


Wir nachbenennten Johannes Kelier, Burgermeifter der Stadt Zürich, 
Niklaus Piyffer, Pannerherr und des Nats der Stadt Yuzern, Rudolf Neding, 
Nitter, Yandammann und Pannerherr zu Zchwiz, Johannes Wajer, Ritter, 
Yandammanı und PBannerberr zu Unterwalden nid dem Wald, Joſt 
Pendler, Statthalter und des Nats zu Glarus, und Johann Conrad Vieyer, 
der Nechten Doktor, Burgermeifter der Stadt Schaffhauſen, befennen öffentlich 


a —— BITTE 
- * 


361 


und tun kund männiglich mit dieſem Brief: Nachdem ſich zwiſchen den 
frommen, ehrenfeſten ꝛc. Herren Landammann, Hauptleuten, Räten und ganzer 
Gemeinde der Kirchhöre und von den innern Roden des Landes Appenzell 
an einem, ſodann Herrn Landammann, Hauptleuten, Räten und Gemeinden 
von den äußern Roden des Landes Appenzell, beiderſeits unſern beſonders 
guten Freunden und getreuen lieben Eidgenoſſen, am andern Teil ſich etwas 
zeither allerlei Späne, Zwietracht, Mifhelligfeit und merklicher Widerwillen 
erhebt [hat], ... und ihnen beiderſeits von gemeiner Eidgenoſſenſchaft Ge— 
ſandten auf der Kirchhöre und innern Roden Andeutung heimgeſtellt worden, 
daß ſie, die beiden Parteien von den inneren und äußeren Roden des Landes 
Appenzell um mehr Friedens, Ruhe und [zu] verhoffender Einigfeit willen zwi: 
ichen ihnen fich von einander des Negiments umd gemeinen Guts halber, jo fie 
bisher mit einander gemein gehabt und geführt, jondern und jcheiden möchten ; 
und hierauf die beiden Parteien ſich mit einander auf Die vorangedeutete 
Sonderung und Teilung veranlaßt und verglichen, und demnach ... ung 
jechs, nämlich jede Partei drei unter uns, erforen und erbeten, fie mit und 
gegeneinander um jolche vorhabende Sonderung und Abteilung (deren fie zu 
bejorgen für jich jelbft nicht wohl eins werden möchten) zu vergleichen ... 
haben wir aus Befehl unferer Herren und Obern und auch ihnen unſeren 
lieben Eidgenofjen von beiden Teilen zu Ehren und Gefallen uns hiezu be- 
wegen laſſen. . . Sind von deswegen zu Appenzell im Hauptfleden auf Montag 
den erjten Herbſtmonat diejes laufenden Sahres zujammen gekommen; und 
nachdem wir beider Parteien Ausichüffe und Verordnete . . . gegeneinander... 
verhört . . . da haben wir nach lang und vielfältig angewandter Mühe und 
Arbeit endlich den Handel zu beider Parteien mehrer Ruhe, Heil und Wohl: 
fahrt dahin gerichtet... und gejtellt, wie hernach von einem Artifel zum 
andern folgt, nämlid) : 

Fürs Erite..... jolle diejelbige Teilung im Namen Gottes vor: 
genommen md ins Werk gefett werden, dergejtalt, daß nun binfüro unfere 
lieben Eidgenofjen von den äußern Noden, mit Namen Urnäfch, Herisau, 
Hundwil, Teufen und Trogen jamt denen von Gais und ihren Mitgenoffen 
ihr eigen Negiment und Obrigkeit für ſich ſelbſt mit Nat, Gericht und Necht, 
Hochgericht, Stock und Galgen, auch niedern Gerichten, jamt, was zu einer 
ordentlichen, fürmlichen und vollfommenen Negierung gehören mag, nad) beiter 
Gelegenheit, an Orten und Enden, da es ihnen kommlich jein wird, nad) 
ihres Yandes Freiheiten, Necht und Herkommen anftellen, führen und haben, 
gleicher Geftalt, wie ihre Meitlandleute von der Kirchhöre und den innern 
Roden das ihres Teils auch haben und führen; und doch [fell] Altes nicht 
anders dem allein ein Unterjcheiden [jein] und [fie] aber nicht von einander 
zertrennt oder abgejondert, jondern gemeines Yand heißen, auch jolche Ab: 
teilung ihnen zu beiden Zeilen an ihren Privilegien und Freiheiten... und 


362 


an dem gemeinen eidgenöffischen Bund, in dem das Land Appenzeli fteht, in 
feinem Weg nachteilig, abbrüchig oder jchädlich jein, jondern ſolche Privilegien, 
Freiheiten, Rechte und Gerechtigfeiten, wie auch der eidgenöſſiſche Bund ſich 
auf beide Teile zugleich, auf die äußern Roden ſowohl als die Kirchhöre und 
inneren Roden als jämtlich ein Ort umd Glied der Eidgenoſſenſchaft erftreden 
und auf beide Teile zugleich dienen, ohne alle Gefahr. 

Fürs andere. Belangend des gemeinen Yandes Appenzell gemeines 
Gut..., es jei das Rathaus zu Appenzell, Spital, Siehenhaus, Zeughaus, 
Ziegelhütten, Metg und anderes, jamt den Gülten, Schilling Geld, liegenden 
Gütern, Schulden und allem andern, jo dem Spital, Siechenhaus und ge- 
meinem Yand zugehört.... das alles und jedes... ſoll unſern lieben 
Eidgenoffen von der Kirchhöre und innern Roden zudienen und im ihren 
Handen bleiben, dagegen dann aber die von der Kirchhöre und inneren Roden 
ſchuldig fein, unjern lieben Eidgenoffen von den äußern Roden ihren Mit- 
landleuten insgemein für ihren gebührenden Teil und Gerectigfeit an ſolchem 
gemeinen Gut allem (darinnen man deſſen, daf die von den äußeren Roden 
an der Anzahl der Meannesperjonen die mehreren als die andern find, um 
etwas Rechnung gehabt und die Geſtalt der Sachen auf beiden Seiten ange- 
jehen hat), in eines freien Ausfaufs Weije für alle Anjprache zu geben, zu 
zahlen und verabjolgen zu laffen achtzehntaufend Pfund Geldes Tandläufiger 
Währung. — — 

Zum Sechsſsten. Betreffend die gemeinen eidgenöffiichen Zagleiftungen, 
darauf ſollen beide Teile... al$ insgemein ein Ort der Eidgenofjenichaft ihre 
Ratsbotichaften verordnen umd mit einander fchiden mögen, doch beide Ge- 
jandten nicht mehr denn eine Stimme, wie bräuchlich, haben... .. Wenn aber 
beide der innern und äußern Noden Botjchaften fich ihrer Stimmen zu Tagen 
in Sachen nicht vergleichen könnten, alsdann |jollen] beide Stimmen neben 
fich geftelft und nicht gezählt werden, wie in jolhen Fällen, wann zweifache 
Botichaften auf Tagleiftungen find, bisher bräuchlich gewejen it. — — — 

Zum Achten ift vom wegen des Panners und Siegel alſo abgeredet, 
daß nämlich das alte Panner und Siegel der Kirchhöre und den innern 
Moden bleiben und zugehören und die von Außerroden für ſich aud ein 
eigenes neues Panner und Siegel, doch mit etwas Unterfchted gegen dem 
andern und alten Panner und Siegel machen laffen mögen und jollen, da 
die von der Kirchhöre und innern Moden den halben Zeil deifen, jo das 
neue Banner und Siegel foften wird, den Auferroden wieder erjtatten. — — 


363 


154. Tod des Oberften Ienatfch. 24. Januar 1639. 


Spreders Geichichte der bündneriichen Kriege und Unruhen, nach dem Lateiniſchen 
bearbeitet von C. v. Mohr. II. ©. 281. 


Fortunat Sprecher von Bernegg, geb. 1585 zu Davos, leistete, nachdem er zu 
Orleans die Rechte studirt hatte, seiner Heimat als Staatsmann und Diplomat während 
der vielbewegten Zeit des dreissigjährigen Krieges wesentliche Dienste und zeichnete 
zugleich die wechselvollen Schicksale Bündens in jener Epoche ausführlich und ver- 
hältnissmässig unparteiisch in einem lateinischen Geschichtswerke auf, betitelt: „Ge- 
schichte der in den letzten Jahren in Rätien erregten und geführten Unruhen und 
Kriege“. Er starb 1647 zu Chur. 


Montags den 24. Januar sassen die Obersten Guler, Jenatsch und 
Travers mit den Oberstlieutenants Tscharner und Ambrosius Planta im 
Hause Lorenz Fausch’s, des Pastetenbäckers, das in der Stadt Chur, 
wenn auch etwas auf der Seite liegt, zechend beisammen. Sie hatten 
Fiedler und Spielleute zugezogen. Abends um sechs Uhr wurde Tscharner 
durch seinen Diener abgerufen. Die übrigen blieben bis zehn Uhr, wo 
ungefähr zwanzig Personen, die meisten maskirt, von Haldenstein an- 
langten, in die Stadt traten und auf dieses Haus zuschritten. Zuerst 
betrat dasselbe Rudolf Planta, Kastellan von Tarasp, des Pompejus 
Sohn, welchen Jenatsch neulich bei der Teilung des Erbes seines Oheims 
Rudolf, durch Begünstigung und Protegirung der Travers, Erben der 
Frau des Verstorbenen, gegen sich aufgebracht hatte, — und Hauptmann 
Konradin Beli. Sie näherten sich Jenatsch, welcher, um wegzugehen, 
schon aufgestanden war, mit Verbeugungen und Planta ergriff dessen 
Hand. Als Jenatsch den Gruss erwiederte, als ob er mit ihm einen 
Reigen aufführen wollte, erhielt er von Georg Thüringer einen Pistolen- 
schuss in die linke Wange, dass das Blut hinabfloss. Während er einen 
Kerzenstock ergriff, hieb ihn Bartholome Birtsch, wie Thüringer ebenfalls 
aus Haldenstein, mit umgekehrter Axt, wie man einen Ochsen schlägt, 
in den Nacken, so dass er zu Boden stürzte. Die übrigen Haldensteiner 
wiederholten die Axthiebe bis zum sechsten und der Kastellan schlug ihn 
mit einem Fausthammer in die Seite. Hierauf löschte man die Lichter 
aus. Zwei Diener Jenatsch’s hatten sich in einen Winkel verkrochen. 
Anwesend war auch Julius Otto, Freiherr von Ehrenfels und Herr zu 
Haldenstein, den Jenatsch privatim beleidigt hatte, wie ihn denn auch 
die Bewohner der Freiherrschaft Haldenstein wegen der vor fünf Jahren 
ihnen mit Gewalt aufgedrungenen Einquartierung hassten, ferner Haupt- 
mann Karl v. Salis mit zwei Söhnen, sowie die andern, welche mit 
Jenatsch gespeist hatten. Alle sahen die Tat mit an. Die Mörder nah- 
men Jenatsch’s Hut und Schwert mit sich. Am folgenden Tage wurde 
die Leiche mit kriegerischem Gepränge unter dem Zulaufe einer grossen 
Menschenmenge in der bischöflichen Kathedrale beigesetzt. 

Jenatsch's Grossvater und Vater waren evangelische Prediger ge- 
wesen und hatten ihm nur geringe Glücksgüter hinterlassen. Seine 
Studien hatte er in Zürich, wo der Rat einen Teil seines Unterhaltes 
bestritt und zu Basel, wo er Hofmeister der Söhne des Obersten Bapt. 
v. Salis war, getrieben; kehrte zuletzt wohlbewandert im Lateinischen, 


364 


Griechischen nnd den freien Künsten zurück, und da er der Gottes- 
gelahrtheit sich gewidmet hatte, stand er, wegen seines treflichen Ge- 
dächtnisses und kühnen Geistes von vielen bewundert, während dreier 
Jahre seinem Berufe als Prediger in den Bünden und dem Veltlin vor. 
Von seinen Taten hat die Geschichte viele aufbewahrt. In der Pfalz 
hatte er unter dem Grafen von Mansfeld gedient und dabei mehrfache 
Totschläge (man zählte ihrer acht) begangen. Drei jedoch, diejenigen 
des Pompejus Planta, Josephs von Capaul und des Obersten Jakob 
Ruinelli, zogen ihm den tiefsten Hass von deren Kindern und Ver- 
wandten zu. In Venedig sass er fünf Monate im Gefängnis, beschuldigt 
im Jahre 1630, wo er daselbst diente, mit dem kaiserlichen Residenten 
ein heimliches Verständnis (was auch wirklich der Fall war) unterhalten 
zu haben. Durch Dazwischenkunft des Marschalls D’Estr&ee jedoch wurde 
er wieder auf freien Fuss gesetzt. 

Im Jahre 1635 bekannte er sich öffentlich zur römisch-katholischen 
Kirche ', stand in hohen Ehren bei den französischen Agenten und an- 
fangs heimlich, später aber auch öffentlich, nicht weniger bei den Spa- 
niern und Östreichern. Er war schnell entschlossen, erfinderischen 
Geistes und stand in kühner Ausführung keinem nach. Beredt und in 
der Verstellung Meister, machte er, während bei der Austeilung der 
Jahrgelder beider Monarchen die Summen durch seine Hand gingen, 
viele selbst wider ihren Willen sich zeitweise zu Freunden. Sein Alter 
war 43 Jahre, sein Körper noch kräftig, obgleich er ein schwelgerisches, 
an Mutwillen reiches und selbst mit Ehebruch beflecktes Leben geführt 
hatte. In seinen Privatgeschäften und der Verwaltung seines Vermögens, 
das er emsig mehrte, zeigte er eine seltene Geschicklichkeit und erwies 
sich als äusserst pünktlicher Zahler. Zuletzt wollte er gleichsam als 
oberster General der Bündner, Direktor des spanischen Bündnisses und 
unumschränkter Gouverneur der Grafschaft Cleven angesehen werden 
und behielt auch letztere Stelle unter Beistand der Spanier bis zur letzten 
Stunde seines Lebens. 


155. Der die Gremtion der Eidgenoffenfchaft vom Reiche betreffende 
Artikel VI. des wefälifchen Friedens vom 24. Oktober 1648. 
Aus dem Yatein.; Abſchiede V. 2, ©. 2218. 


Na ferner die Kaiserliche Majestät auf die namens der Stadt 
Basel und ganz Helvetiens vor ihre zu gegenwärtigen Kon- 
gressen abgesandten Bevollmächtigten gebrachten Klagen über 
einige von der Reichskammer gegen die genannte Stadt und 





! Seine Söhne liess er als Protestanten erziehen, woraus wohl hervorgeht, dass 
sein Übertritt zur katholischen Kirche nur aus politischen Gründen stattfand. 


365 




































andere verbündeten Kantone der Helvetier und deren Bürger und Unter- 
tanen ausgegangene Prozesse und Executivmandate, nach Einholung der 
Meinung und des Rates der Reichsstände, in besonderem Dekrete vom 
14. Mai nächstvergangenen Jahres erklärt hat, dass vorgenannte Stadt 
Basel und die übrigen Kantone der Helvetier im Besitz so gut wie 
voller Freiheit und Exemtion vom Reiche und in keiner Weise den 
Dikasterien nnd Gerichten desselben Reiches unterworfen sind, ist 
beschlossen worden, das Gleiche in diesem öffentlichen Friedensvertrag 
zur Bestätigung und Bekräftigung aufzunehmen, und dass deshalb solche 
Prozesse mit samt den bei Anlass derselben zu irgend welcher Zeit ver- 
hängten Beschlagnahmen fortan aufgehoben und unwirksam sein sollen. 


156. Der Huttwilerbund vom 14. Wai 1653. 
Abſchiede VI. 1. ©. 168. 


Der auf der Landsgemeinde zu Sumiswald am 23. April aufgerichtete, hernach zu 
Huttwil am 30. April durch offenes Handmehr der dajelbjt verfammelten Bauern be— 
ftätigte Bundbrief wurde erſt auf der Hauptlandsgemeinde zu Huttwil am 14. Mai in 
rechte urtundliche Form gebracht und bejiegelt. 


Zu wiffen und fund ift männiglich, was ſich anno 1653 in der Herr— 
ihaft Yuzern im Entlibuch für ein Span und Streitigfeit entjtanden wider 
Ihre G. Obrigkeit der Stadt Yuzern jelbjt der Urjachen [wegen], daß fie 
ihnen viel neue Auffäge, große Strafen und Beichwernifje aufgeladen und 
gezwungen haben wider ihre Briefe und Siegel, darin fie gefandte Männer 
an ihre G. Obrigfeit geſchickt, welche freundlich, untertänig und in Gebühr 
mit großer Bitte angehalten haben, ſolcher Beichwerden jie zu entlaffen und 
abzutun, aber nicht allein nichts [haben] erlangen mögen, jondern noch aus: 
gebalget und abdrohen wollen; derowegen die Bauern erzürnt worden und 
haben zujammengejchworen, ihr Yeib und Yeben daran zu jegen, und alsbald 
ihnen feine Zinſen oder Geldſchulden mehr wollen zufommen laſſen, bis ihre 
G. Obrigkeit ihre alten Briefe und Rechtungen wieder zu Handen ſtellen, 
die jie ihnen genommen haben; darin ihre Obrigfeit ihre übrigen Untertanen 
aufmahnen wollen, fie damit zu bezwingen zu gehorjamen. Als fie aber die 
Urjache vernommen, haben fie fich in gleichen Bejchwerden auch beladen ge- 
funden, darum fie auch zu denen tm Entlebuch gejtanden und zu Wolhujen 
zuſammen gejchworen haben, weil ſie mit Bitte nichts bejonders erlangen möchten, 
was ihnen gehörte, derowegen ihre Obrigfeit übel zufrieden; darin bejchrieben 
jie gejandte Herren aus den jechs katholiſchen Orten, welche Herren gar lange 
mit dem Handel umgegangen find, und biezwijchen jchrieben fie um Hilfe 
und wird aljo der Handel je länger, je böjer, aljo daß die Ämter vor die 


366 


Stadt Puzern zogen, weil die Herren ihren erzürnten Bundesgenoffen Kriens 
und Horw ftarf und hoch gebräut haben, alles zu verderben, wenn fie nicht 
wieder zu der Stadt ſchwören wollten. Und in dem haben die dreizehn und 
etliche zugewandte Orte der Eidgenofjenichaft abgefandte Herren zu Baden 
ein ungutes, unwahrhaftes Mandat gemacht (des Inhalts, daß fie allerhand 
bochiträfliche Fehler und Mutwillen umverantwortlid), wie offenbar am Tag 
verübt, getan haben jollen), jolches über die obgenannten Anfänger im Entle- 
buch mehrteils und über alle, die ihnen behilflich jein würden, gejchehen und 
ausgehn laffen, damit fie von aller Orten Untertanen verhaftet würden und 
daß fie nicht zu ihnen fielen, aljo daß fie zu den Nachbarn zu allen Orten 
nicht wohl mehr fommen dürften, wegen des Mandats, weil fie jo hoch ver: 
fleinert und verleumdet worden, da fie ihres Yeibs und Lebens nicht wohl 
mehr ficher waren, jondern jchon gefährlich begegnet; auch dazwiſchen haben 
von vielen Orten fremde und heimijche Kriegsleute jollen auf jie einfallen, 
und darum fie mit uns Berner Bauern zu reden gefommen und abgeredet 
haben, daß wir einander fein Yeid und Schaden zufügen wollen, jondern auch 
fein fremd oder heimisch Volk durchziehen laffen, fie oder ung zu jchädigen, da- 
mit wir als getrene liebe Nachbarn mit einander handeln und wandeln fünnen, 
auch unjere Häufer, Höfe, Hab und Gut, Weib und Kinder in gutem, fried- 
lichen Ruhſtand erhalten und bleiben fünne. Und weil wir im Berner Gebiet 
oft des Willens gewejen, unſere G. H. und Opbrigfeiten zu bitten, daß fie 
unfere Beichwerden auch nachlaffen follen und abtun, wie dann vor Jahren 
im Donnerfrieg oder Span auch dergleichen hätte vereinbart fein jolfen, aber 
jchlecht gehalten worden, darum haben wir abermals gejandte Männer vor 
unfere ©. Obrigkeit gen Bern geſchickt und fie umtertänig und hoch gebeten, 
fie ſollen unjere Beſchwerden ab ung nehmen; darüber fie aber unjere Ge— 
jandte bezwungen, da fie in unjer aller Namen haben müſſen auf die Knie 
niederfallen, um Gnade bitten und annehmen, und hernach dasjelbige doch 
noch nit gehalten haben, was fie ſchon unjern Gejandten verſprochen; darım 
wir Urſache genommen, uns in alle Wege zu verjehen. Iſt darum auf den 
13./23. Tag Aprils im obgejegten 1653. Jahr zu Sumiswald eine Yands- 
gemeinde gehalten worden wegen unferes Slagartifels Punkten umd des un- 
guten Mandats, welches unfere Ehre und guten Namen antreffen täte, daran 
uns nicht wenig gelegen; darum wir aus der Herrihaft Bern, Yuzern, So- 
loturn und Bajel Gebiet und aus den hienach genannten Orten find zufammen 
gekommen, allda wir uns freundlich erſprachen wegen unjern Bejchwerden und 
jonderbaren Urjachen halber und darüber auf freiem Feld einhellig einen auf- 
gehobenen, ewigen, fteifen, ftäten und feften Eid und Bund zu dem wahren 
und ewigen Gott zufammen gejchworen haben, dieje nachfolgenden Artikel 
treulich zu halten, wie folgt: 

Im Namen der hechheiligen Dreifaltigfeit Gott, Vater, Sohn und 


Er Ze I — 


367 


heiliger Geift Amen. So haben wir zujammengeichworen in dieſem erjten 
Artikel, daß wir den erjten eidgenöfjischen Bund, jo die uralten Eidgenoffen 
vor etlich hundert Jahren zuſammen gejchworen haben, haben und erhalten 
und die IUngerechtigfeit einander abtun helfen, mit Yeib, Hab, Gut und Blut 
jhügen und ſchirmen wollen, alſo daß, was den Herren und Ubrigfeiten ge- 
bört, ihnen bleiben und gegeben werden joll, und was uns Bauern und Unter: 
tanen gehörte, joll auch uns bleiben und zugejtellt werden, dies zu aller Seits 
den Religionen unvorgreiflich und unjchädlid. 

Zum Zweiten wollen wir einander belfen alle unguten neuen Aufjäte 
von dannen tun, und joll aber jedes Orts Untertanen ihre Gerechtigfeiten 
von ihren Obrigfeiten felbit fordern; wenn fie aber einen Streit gegen ihre 
Obrigfeiten befommen möchten, jollen fie doch nicht ausziehen ohne Wifjen 
und Willen der andern Bundsgenofjen, daß man vorber könne jehen, welche 
Partei Recht oder Unrecht habe; haben unjere Bundesgenofien dann Recht, jo 
wollen wir ihnen dazu helfen; haben jie aber Unrecht, jo wollen wir fie abweijen. 

Zum Dritten, wann die Obrigfeiten wollten fremde oder einheimijche 
Völfer ung Untertanen auf den Hals richten oder legen, jo wollen wir die- 
jelben helfen zurückweiſen und dasjelbige gar nicht dulden, jondern, jo es von 
nöten wäre, wollen wir einander tröftlih und mannlich beilpringen. 

Zum Bierten. Wann aud) ein oder andere Perjonen in Städten oder 
Yanden um dieſes aufgelaufenen Handels willen von einer Herrichaft oder 
andern Yeuten eingezogen und an Yeib und Gut oder Yeben gejchädigt würden, 
jolfen alle Orter unferer Bundesgenofjen denjelben helfen mit Yeib, Hab, 
Gut und Blut erledigen und erlöjen, wie wann ’S einen jeden jelber an- 
treffen würde. 

Zum Finften, fo folle diefer unjer gejchworne Bund zu allen 10 Jahren 
neu vorgelejen und erneuert werden von den Bundsgenoffen, und jo dann 
der ein oder andere Ort eine Beſchwerde hätte, von ihrer Obrigfeit oder 
anders, jo will man alle Zeit demſelben zum Rechten behilflich jein, damit 
aljo unjern Nachkömmlingen feine Neuerung und ungebührliche Beſchwerden 
mehr aufgeladen werden fünne. 

Zum Sechsten. Es joll feiner unter uns jo vermeſſen und frech ſein, 
der wider dieſen Bundſchwur reden ſolle oder Rat und Tat geben wollte, 
wieder davon zu ſtehn und [ihn] zunichte zu machen; welcher aber dies 
überjehen würde, ein jolcher joll für eimen meineiden und treulofen Dann 
gehalten und nach jeinem Verdienen abgejtraft werden. 

Zum Siebenten. Es joll auch feines Orts Bundsgenoffen mit ihrer 
Obrigfeit diefen Handel völlig vergleichen und beſchließen, bis die andern 
unjere Bundsgenofien auch an allen Orten den Beſchluß machen können, aljo 
daß zu allen Zeilen und gleich) mit einander der Bejchluß und Frieden jolle 
gemacht werden. 


368 


157. Aus der Reformation über die gemeinen Vogteien der 
Eidgenoſſenſchaft von 1654. 


Abſchiede VI. 1. S. 1729. 


Bon der Yandvögte Wahl und Beitätigung. 






achdem aus dem unordentlichen practiciren und Eindringen auf 

die gemeinen Vogteien und Ämter anders nichts erfolget, denn 
—X daß der allmächtige Gott erzürnt wird und uns ſeine Strafe auf 
den Hals wächst; mancher ehrliche Mann, deſſen Altvordern oder er jelbjt 
um das Vaterland wohl verdient und dergleichen nicht brauchen will, vielmal 
ungefördert bleibt; diejenigen aber zu den Ämtern gelangen, welche deren am 
wenigjten wert und diejelben nicht verwalten fünnen ; aus welchen: dann folgt 
alle Unordnung und fonderlich viel Klagens und Schreiens der armen be- 
drängten Untertanen, an welchen man das jo umehrbarlid ausgelegte Geld 
wiederum einbringen und erholen will, und auch die. welche in ſolchem prac- 
tieiren fehl geichlagen und das begehrte Amt nicht erlanget, vielmals von 
gutem Stand in Verachtung, Armut, Elend und jchier gar in Verzweiflung ge- 
raten; die Yandleute aber ejfen und trinfen überflüjjig angewöhnen, und wann 
fein practieiren vorhanden, ſich deſſen auch gebrauchen wollen und ihre Werfe 
jtill ftehen lafjen, hiemit an vielen Orten in Grund verderben. Alſo haben 
wir notwendig erachtet, allen Ernft anzuwenden, ſolchem Übel zu begegnen 
und deswegen ung dejfen mit einander beredet: nämlich, daß jedes Ortes 
Obrigfeit den ihrigen Angehörigen dies Practiciren und Trölen mit höch— 
jtem Ernjt abjtriden und verbieten jolle, dergeftalt, daß auf ſolches Ende 
hin weder Geld noch Geldes Wert, weder Miet noch Gaben, weder Eijjen 
noch Trinken ausgegeben werde, auch weder Verheißungen noch Bedrohungen 
geſchehen. . . . Und wenn in Bejegung von dergleichen Sachen das Wenigſte 
gejpürt würde oder irgend welcher Zweifel oder Argwohn vorfiele, da ſoll 
eine Obrigkeit mit höchſtem Fleiß Inquisition halten und Erforſchung tun, 
nicht allein in ganzer Yandsgemeinde, jondern aud im Geheimen und von 
jonderbaren Berjonen, in Maßen und Gejtalt, als fie vermeinen, auf die Spur 
zu fommen und die Sache zu ergründen, auf welches bin denn die Obrig- 
feiten ihren Schein und Zeugnis, die Gejandten aber, jo den Yandvogt prae- 
sentiren, ihren Bericht erteilen jollen. 

Und wenn ein jolcher Erwäblter vor die Gejandten auf die badijche 
Jahrrechnung zur Beftätigung kommt und gleichwohl den Schein auflegt von 
jeiner Obrigfeit und feines Ortes Gejandte den weitern mündlichen Bericht 
gegeben haben, joll er doch zuvor und ehe nicht angenommen werden, er 


—AA ——————— — — — 


n x EEE nee — — 
* * — — 


| 369 


ihmwöre denn hienach ftehenden Eid. An welchem alfem jo Mangel erjchiene 
irgend welcher Art, ein jolcher joll nicht angenommen werden und ihm noch 
dazu feine ordentliche Obrigkeit die gebührende Strafe auflegen. 


| Praktizier-Eid aller Landvögte: 


hr ſollet ſchwören, daß Ihr zur Erlangung dieſer Landvogtei oder Amts— 
verwaltung weder Geld noch Geldes Wert, weder Speis noch Trank von 
Euch ſelbſt oder durch andere mit Eurem Wiſſen auszugeben verſchaffet habet. 


158. Zum erſten Vilmerger Krieg. 1656. 


a. Schwiz au Soloturn. 27. September 1655. 
Eidgen. Abſchiede VI. 1. ©. 1766. 


Aben da wir im Begriff geweſen, das Neſt der gottloſen Vögel, jo 
jich jelbjt vermittelt ihrer hochtragenden Geiſter und Eigenfinnig- 
u) Feit aus den Schranken unjerer wahren allein jeligmachenden 
Kathotifchen Religion verführen laffen, auszunehmen, ergibt legt verwichenen 
Mittwoch ſich, daß etwelche diejer verkehrten Buben und Tröler, deren von 
Mann, Weibsperfonen und Kindern 37 au der Anzahl, bei Naht und Nebel 
beimlicher, meineid-, abtrimniger und verjtohlener Weis abgetreten und fich 
landsflüchtig gemachet. Da wir bei diefem urplöglichen Zufall anders nichts 
(außer daß wir mit der Inquisition der Sachen fortjegen und übrigen ver: 
dächtigen Perjonen uns verfihern tun) vornehmen und noch andern TLoblichen 
Katholischen Orten darob Communication geben fünnen, weilen uns unbewuft, 
wohin fie ihren Strich genommen haben möchten, jo kommt anjeto der leidige 
Bericht und Zeitung, auch Anmutung ein, wie Euch unjere ©. L. E. beliche, 
teils aus der Ausgeflohenen in abnegiertem wahren Glauben auf des neuen 
Irrtums eingefogenen Gifts Profession (mie aus dem Concept derjelbigen, 
von wen eingejpunnen umd diktirt, wohl abzumerfen iſt) ihrer diefer von dem 
rechten Weg abgeführten Geijter, teils aber aus der Verglimpf- auch gleicher 
Anmutung, deren jich Euer und unſer E. der Stadt Zürich von ihretwegen 
unterfangen tun, zu verjtehen; Sachen, darob wir Blut weinen und Eurer 
und übriger lobl. Katholiſchen Orte hoch vernünftigen Nat und [zu] verhoffende 
Assistenz anrufen jellen, wie Euch wir hiemit ganz angelegentlid), als an 
übrige lobl. Katholische Orte auch gejchieht, darum erjuchen und zumal bitten 
Oechsli, Quellenbuch. 24 








370 


tum, dies weitausſehende Werf mit der Circumspection, welche die Importanz 
deſſen erheifcht, auch Euer ruhmwürdiger, wohl befannter quter Eifer zu tun 
pflegt, zu umfaſſen, Eidg. gemeint fein, und durch Euere Ehren Deputaticaft, 
jo auf bevorftehende nach Yuzern gejette Katholische Zuſammenlunft und heiliges 
Intent (das eben auf dergleichen End dirigiert ift) fich einfinden werden, 
uns mit Ihrer hohen Prudenz, guten Rat und Tat zu assistiren ; darauf wir 
uns jteuern und Gott den Herrn durch das Fürbitten der Allerjeligften 
Mutter Gottes demütig anrufen tum, der hiezu jeine Gnade erteilen und uns 
eingeben wolle, was zur Erhöhung jeiner Glorj und Conservation unjerer 
wahren Katholifchen Religion am dienlichiten fein mag. 


b. Alfons von Sonnenberg meldet den Sieg der Luzerner bei Bilmergen. 
24. Januar 1656. ! 


Briefe denkwürdiger Schweizer, berausgegeben vom biftorifhen Verein 
der V Orte. ©, 14. 


Dem hochgeachten wol Edlen, geftrengen Ehrennotveften, fürnehmen, für- 
fichtigen, wolweifen, Inſunders Docgeehrten Herrn Schultheis und Panerher 
Urih Thulidher zu Handen in Surfee. 


Cito, Cito, Cito? per Muri, Miünfter. 


Hoc Ehrenter Herr Schultheis, wilen wir alhie in Vilmergen den Findt 
angetroffen, und Gott Yob die ſach der gejtalt abgangen, das wir denfelbigen 
genglich verjagt, 9 ſtuckh geichüg und vil bagaſchi befummen, uf das wenigift 
in die 600 nider gemacht und wilen Herr General von Erlad ein joldat, 
ift wol zu gedenthen, jy werden den jchaden wellen rächen; aljo ijt nothwendig, 
das man fich gueter poftur halte und wan min hoch Ehrenter her guet funde, 
in dem Entlibuoch und andern Ortten gli) auch den angrif thätend; ift auch 
nothiwendig, das man unjere Eydgenojen von Friburg und Soloduhrn 
erntlich ermahne, das jy by diſer glegenheit Ihr jach auch thätend, und der 
Herzog in Savoy glichfals auch. geben um 9 vhr vohr mitnacht den 
24. Jenner 1650. 

V. H. D. Sonnenberg. 


— — —— — — — —* 


Von da an werden, wo immer möglich, Sprache und Orthographie der deutſchen 
Stücke aleihlautend mit den Originalien gegeben. 
»Eilig, Eilig, Eilig. 


371 


159. Aus der Abfchiedsrede des ungarifchen Pfarrers Stephan 
Sellyei an Zürich. Herbſt 1677. 


Aus Mörikofer, Geſchichte der enangeliichen Flüchtlinge in der Schweiz, ©. 165. 


dd 


1675 wurden 30 reformirte Prediger und Lehrer aus Ungarn von Kaiſer Leopold I. 
nach Neapel auf die Galeeren verfauft, aber auf die Verwendung der proteftantiichen 
Yänder, insbefondere Hollands und der erangeliihen Schweiz, befreit, worauf fie zunächſt 
in Zürich Zuflucht nahmen. 


Da wir auf den Neapolitantichen Galeeren an den berbiten und grau- 
jamjten Ruderbänfen mit Stetten angebunden waren, habt Ihr durd gute 
Gönner mit Euerer Sorgfalt allenthalben her und oftmals ums getröftet. Ihr 
jeid die Erſten gemwejen, die den löblichen reformirten Orten der Eidgenofien- 
Ihaft unjere Sache mit höchſtem Fleiß anbefohlen. Da wir neh auf den 
Galeeren gefangen waren, habt hr inner und aufer der Stadt Steueru 
angeftellt. Durch Euere Freigebigkeit habt Ihr andere angereizet, uns mild» 
rei Gutes zu tun. Al3 wir in Euere Stadt gefommen, habt Ihr uns wie 
Engel Gottes aufgenommen. Ihr habt je zwei und zwei in fünfzehn Herbergen 
bei Pfarrern und Profeſſoren ausgeteilt und zu Tiſchgenoſſen großgünſtig ver- 
ordnet. Ihr habt Euch nicht geichämt, uns vom Wuft der Gefangenjchaft 
und der Galeeren zu jäubern und unfere Wunden und Streihe zu majchen ; 
Ihr habt die Kranfen mit Ärzten verjorget und es an Vorſchuß nicht mangeln 
fafjen. Da die Unſrigen in zwei Abteilungen an die Generaljtaaten d. i. 
Holland] und an die evangeliichen Fürſten des Reichs abgereist, um Fürbitte 
bei dem Kaiſer einzulegen, zur Wiedereinjegung in die Kirchen nach achtzehn 
Jahren, deren fünfhundert genommen worden, habt Ihr beide Geiellichaften 
mit genugjamem Reiſegeld verjehen. Die übrigen habt Ihr unterhalten bis 
auf diejen Tag, ein jahr und fünf Monate. Ihr habt acht Männer, vier 
aus dem Rat und vier aus dem Chorberren-Ztift zu Zorg und Fürſehung 
gelegt. Nebſt einer großen Zteuer habt Ihr auch noch jolde an drei hoben 
seiten erhoben. Den Nenetianiichen Kaufleuten, welche für Yölung, Kleidung 
und Unterhalt über tauſend Taler ausgelegt, habt Ihr nebit den übrigen 
Eidgenoffen jolches zurüderitattet, und auf unjer Anbalten den Doktor Niklaus 
Zaffen, unjerer Sache Beförderer, mit 100 Dutaten beichentt.“ 


3712 


160. Inhalt der Formula Consensus. 
Aus einer Zufchrift der Zürcher Geiftlichkeit an ihre Obern vom 30. März 1675. 
Eidgen. Abichıede VI 1. 1824. 


Der Innhalt diger Formel ift ſummariſch begriffen in nachfolgenden 
Yehrfägen, Alß da gelehret wird: 


I. Daß der Hebraijche Grundtext des A. T. von Gett jelbften eingegeiftet 
und hiemit in allen, auch geringjten püncteln für gültig und authentiſch ge- 
halten werden mühe, zuwider denjenigen, welche dargebend, es jenge jelbiger 
nit authentifch, jondern von den Juden und anderen vilfaltig verfälicht worden. 
Hievon wird gehandlet in dem 1., 2., 3. Lehrſatz. 


II. Daß Gott der Herr von Ewigfeit hero feinen allgemeinen vorjag 
gehabt, fich in der zeit aller und jeder menjchen zu erbarmen, auch allen und 
jeden menjchen den Herren Chriſtum zu einem mittler zu verordnen, jondern 
allein etlicher auf dem im die ſünd gefablenen geichlächt jich zu erbarmen, 
diejelbe allein zu erwehlen und ihnen als ſchon erwehlten den berren Chriſtum 
zu einem Mittler zu verordnen. Hiervon wird gehandlet in dem 4, 5. ımd 

. Yehrjak. 

III. Daß unjerem erften Vatter Adam in währender unjchuld derjenige 
bundt der werfen, welchen Gott der Herr mit ihme gemacht, nit allein ein 
zwahren ewige, jedoch nur irdiiche, jondern ein ewige Himmeliſche glüdjeligfeit 


— 


zugeſagt habe. Hiervon handlet der T., 8. und 9. Lehrſatz. 


IV. Daß diejenige ſünd, welche unſer erſte Vatter Adam begangen, allen 
und jeden menſchen, welche da natürlicher weiß von ihm entſproſſen, un— 
mittelbar zugerechnet werde. Darvon lautet der 10., 11. und 12. Lehrſatz. 


V. Daß der Chriſtus ſein theures blut dahingegeben und geſtorben ſeyge 
nit für alle und jede, auch die verdammte, ſonder allein für die außerwelten 
menſchen, und daß auch zu derjenigen gerechtigkeit Chriſti, welche unß durch 
den glauben zugerechnet wird, gehöre nit allein ſein leiden und ſterben, ſonder 
auch die ganze gehorſamme und gerechtigkeit ſeines lebens, wormit er dem 
gejet Gottes ein foltommes genüge geleiftet. Hiervon handlet der 13., 14, 
15. und 16. Yebrjak. 

VI. Daß der äuferliche Gnadenberuf Gottes nit ſeyge zu allen und 
jeden zeiten unbedingt allgemein und durchgehend, jondern nach Gottes heiligen 
wollgefallen zu allen zeiten gewejen ſeyge, derjenigen völfer und menjchen, 
welche Gott der Herr zu jeinem gnadenbund äußerlich nit berüfft, und daß 





mu... 


373 


nichts deſto weniger diejer äuferliche alßo erflärte beruff Gottes Heilig, treulich 
und ernftlich gemeint ſeyge. Hiervon meldet der 17., 18., 19. und 20. Lehrſatz. 


VII. Daß diejenige unmöglichfeit, dem gejat Gottes zu gehorfamen, 
welche jich bey den unwidergebohrenen befindet, nit nur ein bloße fittliche, 
jonder ein natürliche unmöglichkeit jeyge, und auch mit ein jeder, der da mur 
will, glauben könne. Hiervon lautet der 21. und 22. Yehrjak. 


VII. Daß die heiligen Vätter des A. T. jälig worden feigind durch 
den glauben an Ehriftum und die Hochgelobte Heilige Dreifaltigkeit, und in 
der H. Schrift mehr weg oder mittel vor Gott gerecht zu werden nicht alß 
zween, nemlich durch die werf des gejages vor dem fündenfahl und durch den 
glauben an Ehriftum nach demjelben, und folgends auch nur ein zweyfacher 
bumdt, nemlich der werfen in dem jtand der unjchuld umd der gnaden nad) 
dem fündenfahl, angezeiget werdind, Hiervon handlet der 23. und 24. Lehrſatz. 


IX. Endlich geichicht ein jehr träffe und ernftlihe ermahnung an alfe 
und iede, welche bey und unter uns zu dem Firchen und jchuldienft gewidmet 
oder Gott dem Herren im demjelben jchon würklich dienen, bei, dem Heiligen 
wort Gottes, der Eidtgenöffiichen glaubensbefantnuß, den canonibus def synodi 
zu Dordrecht und gegenmwertiger Formel treuwlich, veit und rumeglich zu halten 
und vor allen glaubensneuwerungen fich zu vergaumen. Hiervon handlet der 
25. letjte Lehrſatz. 


161. Bittſchriſt eines zürcherifchen Schulmeifters aus dem Jahr 1700. 


Mitgeteilt von Dr. U. Ernft in der Neuen Zürcher Zeitung. 1883, Nr. 294. 


„Snädiger Herr Burgermeifter. Hoc Geachte woledle geftrenge. Ehr 
vnd Notfejte wohl vornemme, Fromme vnd Hochweiſe Allergnädigfte Derren 
vnd Vätter, 

Vor dem gnaden Thron Eüwer. Gnaden Erſcheine ich Heinrich ſchmid 
52 Syähriger ſchreiner vnd 7 Jähriger jchuldiener zu Höry. in Tiefefter Demut. 
vnd umderthänigfeit. Eier gnaden weemütig vorbringend das ich bei meinem 
Beichwerlichen jchuldienft, darben vnd verichmachten muß — wo nit Eüer 
gnaden, Einige tröpflein ihrer weltbefannten gütigfeit auff mich trieffen lajen. 
Eier gnaden ijt ohne mein andeüten zur gnüge befant, in waß fir einem 
grofen Holtzmangel wir arme höhrer (ad) das wir Entlich erhört wurde) 
ſtäckend vnd ſchwäbend, der wägen ich den allerorthen gwondlichen fchulicheiteren 
manglen muß, zu dem ijt meine gante Beſoldung aufert dem geringe ſchul— 
löhndlj 3 einige X wartgält, von der firchen Bülach, bei welicher ich mid) 


374 


mehr mohlen angemeldet, in Hoffnung glei anderen jchuldieneren betrachtet 
zumwerden, habe aber nicht mehr Als Einen eingigen thlr. zur bejerung Er: 
halten Mögen. Weil derohalben Mihr alle Hoffnung Zu Fehrnerem troft 
aller orthen abgejchnidten, als nimme ich meine Zuflucht, Zu der überflüffigen 
Brunquel der Gnaden unſers lands, zu Eüer gnaden meinen Hochgebiethenden 
Herren, auß der Tieffe meines Hergens. Diejelbe mit allen meinen Krefften 
anflehende vnd bittende, Sye in großen gnaden geruhen, Einiche bröjemiy von 
ihrem Reichen tiich auf mich umd meine Yieben finder, wegen meiner treiien 
Dienften, fallen zu lafen, damit ich nit fürters wie bijher mit guten Zähnen 
übel Beißen, vnd bei meinem bejchwerlichen Dienft hunger vnd mangel leiden 
müße. Der Barmberkige Gott jchliege Eier gnaden, ohren und bergen auf, 
mich Armen jupplifanten in meiner flehenlichen Bitt, Vätterlich zu erhören, 
wie ich dan zu ihm Mit vefter Zuverficht der Erhörung jeüfze, das er Eich 
erhöre, das der namım Gottes Jakobs Eüer gnaden jchüte, das er Eüch gebe 
was Eüer Her begehrt, und nicht weigere was Eüer Mund wiünfcet. 

Alſo bittet, vnd wünſchet Eüer gnaden gehorjamfter vnd mit leib und 
blutt ergebnefter Vndertheniger Fnecht, Heinrich ſchmid, jchreiner vnd jchuldiener 
zu Hörj.“ 


162. Aus dem bernifchen Pradtgefeh von 1703. 
Aus Morel, die heivetiiche Gefellichait. S. 15. 


„Die Perruques anlangend, jo jind diejelben denen Perjonen, jo unter 
zwanzig Jahren Alters begriffen, gänzlich verboten und abbeitellt, ausgenommen 
in denen Nothfällen. Im Uebrigen jind diejelben dahin eingezielet, daß die 
Weltlichen, jo jich deren gebrauchen, anjtändige, nicht zu lange Perrüquen in 
geziemender Maß und Bejcheidenheit tragen mögen, alſo daß jelbige vornher 
nicht über den Rabat hinabgehend und binden nicht mehr als ungefähr 3 Zoll 
über den Mantelfragen hinunterhangend ; die auf der Stirnen verböchte, lange, 
gefnüpfte oder hangende ärgerliche Zopfen-Perrüque aber, wie auch andere 
daran erjcheinende Unehrbar- oder Ntöjtlichkeiten in der Stadt zu tragen 
gänzlich verboten jein. Die Geiftlichen und Studiosi dann, jo fich aud) der 
Perruques bedienen müſſen, jüllend, um fie von den politieis recht zu unter: 
jheiden, feine andere als Heine runde Perruques tragen.“ 


RENT | 











375 


163. Zum zweiten Dilmerger Krieg. 1712, 


a. Papſt Clemens XI. an Luzern. 15. Juli 1712, 
Aus dem Lateinischen. Helvet.-Bibliothel. VI. ©. 159. 
y\ Pleliebte Söhne! Sobald Uns die unbilligen, unziemlichen und 


\ ganz und gar unerträglichen Friedensbedingungen gemeldet 
—— sind, welche Euch und den übrigen katholischen Orten 





nicht nur ne bie ins Innerste von herbem Schmerz, sondern auch von tiefstem 
Entsetzen erfüllt worden. Ein nicht geringer Trost ist indes unserm be- 
trübten Herzen dadurch zu Teil geworden, dass vier von den genannten 
katholischen Orten, nämlich Uri, Unterwalden, Schwiz und Zug, von 
gerechtester Entrüstung entflammt, und, wie es sich geziemt, vom Eifer 
für die Erhaltung der rechtgläubigen Religion beseelt, die vorgenannten 
Bedingungen gänzlich verworfen und, wenn nicht alles in den frühern 
Stand hergestellt wird, mit frommem, hochherzigem Entschluss die Würfel 
des Krieges zu versuchen beschlossen haben, bereit, eher ihre ganze 
Habe, ihre Freiheit selbst und das Leben aufs Spiel zu setzen, als Ge- 
setze anzunehmen, durch welche dem heiligen Glauben auch nur der ge- 
ringste Abbruch getan würde. Wir haben Uns heftig verwundert, dass 
Ihr, denen es vorzüglich gebührt hätte, bei dieser Entschliessung den 
andern mit dem Beispiel voranzugehen, nicht nur, wie Wir gehört haben, 
die Sache lässig geführt, sondern, was weit schlimmer ist, durch den 
falschen Namen des Friedens getäuscht, Euch völlig geneigt gezeigt habet, 
die genannten Bedingungen anzunehmen. Daher dürfen Wir, Kraft des 
Amtes der apostolischen Knechtschaft, das uns der allmächtige Gott, 
wiewohl wir seiner unwürdig sind, übertragen hat, und von dem Wunsche 
beseelt, unserem Gewissen, so gut wir können, genug zu tan, in keiner 
Weise unterlassen, Euch wiederum mit diesem unserm Schreiben, mit 
väterlicher Liebe und mit dem höchst möglichen Eifer zu ermahnen, dass 
Ihr in diesen Verträgen aufs genauste bedenkt, was Ihr tut. Denn, wo- 
fern der Friede unter jenen gottlosen und überaus harten Bedingungen 
geschlossen wird, was kann den katholischen Orten je Schlimmeres und 
Gefährlicheres zustossen, als der Friede selber? Erstens wird durch den 
Abschluss desselben der rechtgläubigen Religion die grösste Wunde ge- 
schlagen, die sie empfangen kann; sodann fällt auf Euer Gemeinwesen, 
Eure Würde und Achtung der schimpflichste Makel der Schande, und 
endlich werden den Katholiken durch die höchste Unbill und Ungerech- 
tigkeit zahlreiche und bedeutende Städte entrissen; es werden Euren 
heftigsten Feinden die Zugänge geöffnet, damit sie Euch noch grössere 
Übel zufügen, und Euer Aller Freiheit und Heil wird offenkundig aufs 
Spiel gesetzt. Und selbst wenn jene nicht Willens wären, solche Dinge 
zu wagen, so wird doch Gott in dem gerechten Ratschluss seiner Vor- 
sehung ihnen diesen Vorsatz eingeben, um auf diese Weise die Sühne 
für die Vernachlässigung seiner Religion von denen, die sie vernachlässigt 





376 


haben, zu fordern. Deshalb ermahnen wir Euch wiederholt und beschwören 
Euch beim allmächtigen Gott, dass Ihr, eingedenk der alten Frömmigkeit 
und der ausgezeichneten Tugend Eurer Altvordern, welche um der 
Religion willen so oft ihr ruhmreiches Blut vergossen und mit göttlicher 
Hilfe glänzende Siege über die Feinde davongetragen haben; eingedenk 
der Liebe, die Ihr dem Vaterlande, den Kindern und Euch selbst zu 
erweisen habet; eingedenk endlich der Pflicht, die Ihr Gott, der Kirche 
und dem orthodoxen Glauben schuldet, alles aufbietet, die Beratungen 
und Verhandlungen über einen derartigen Frieden, wenn nicht billige 
und gerechte Bedingungen gestellt werden, gänzlich zu hintertreiben und 
zu vereiteln, und in gegenseitiger Übereinstimmung des Willens und 
Strebens mit den übrigen katholischen Orten alles mit Eifer rüstet, was 
zur Dämpfung der Vermessenheit der Gegner und zur völligen Wieder- 
herstellung dessen, was seither verwegen geändert worden ist, notwendig 
scheint. Vor allem aber hütet Euch mit allem Fleisse, dass nicht durch 
Euer Tun oder Lassen irgend welcher auch noch so kleine Nachteil der 
Religion und der Kirche zugefügt werde, und verteidigt ihre Rechte mit 
Verachtung jeder Gefahr, mit beharrlichem und tapferem Mute, indem 
Ihr auf den Euer Vertrauen setzet, dessen Rechte über allen gefunden 
wird, die ihn hassen. Wir nehmen uns fernerhin, mit allen weltlichen 
und geistlichen Hilfsmitteln, die in unserer Macht stehen, auch mit neuen 
Bemühungen bei den katholischen Fürsten Euer aus Kräften an, und 
werden nie ablassen, Euch beizustehen, wie Ihr von Unserem Ehrwürdigen 
Bruder Jakob, Erzbischof von Ephesus, und dieses heiligen Stuhles 
Nuntius, mündlich sattsam vernehmet, geliebte Söhne, welchen wir unter- 
dessen den apostolischen Segen aufs liebreichste erteilen. Gegeben zu 
Rom am 15. Juli im 12. Jahre unseres Papsttums. 


. Derfelbe an den Kaifer. 17. Juli 1712, 
Aus dem Yateinifhen. Helvet. Bibliothef. VI. S. 169. 


Geliebtester Sohn in Christo. Durch das letzte Schreiben aus Hel- 
vetien werden Wir bedeutet, dass die Berner und Zürcher im Vertrauen 
auf ihre Stärke und durch ihre glücklichen Erfolge derart gänzlich auf- 
geblasen sind, dass sie den katholischen Orten durchaus unbillige und 
völlig unerträgliche Friedensbedingungen vorschreiben, und dass dieselbigen 
Orte aus Furcht vor schwererem Unglück, und der Hilfe der katholischen 
Fürsten beraubt, nicht weit davon entfernt sind, jene Bedingungen an- 
zunehmen. Erschüttert durch die Grösse der drohenden Gefahr haben 
wir geglaubt, mit höchstmöglichem Eifer wiederum Deine Majestät er- 
mahnen, beschwören und um des Herrn willen anflehen zu sollen, wie 
wir sie ermahnen, beschwören und anflehen, Du mögest der dort in 
höchster Gefahr schwebenden rechtgläubigen Religion, auf welche es die 
Ketzer vor allem abgesehen haben, so schnell als möglich beistehen und 
wirksame Hilfe bringen. . . Erhebe Dich also so bald als möglich 
zu Schirm und Schutz der gerechtesten Sache, ergreife willig die aus- 
gezeichnete Gelegenheit, die sich Dir darbietet, Dich um jene Gläubigen, 


377 


um die Religion, die Kirche, das Reich selbst verdient zu machen und, 
strenge Dich mit allem möglichen Fleiss an, dass die Ketzerei das, was 
sie sich verwegen angemasst hat, wieder fahren lasse und alles in den 
frühern Stand zurückstelle, um Dir grosses Lob von den Menschen, noch 
weit grösseren Lohn aber von Gott zu erwerben. . . . Übrigens 
haben wir unserm geliebten Sohn, seiner Eminenz, dem Kardinal Piazza 
aufgetragen, Dir ein Mehreres über diesen Gegenstand auseinander zu 
setzen und bitten Dich, Du wollest ihm vollen Glauben schenken. — — 


e. Luzern an den Papit nad) der Schlacht von Bilmergen. 13. Auguft 1712. 
Aus dem Yatein. überfept im Schweiz. Mufeum. 1816. IV. ©. 59 fi. 


Heiligster Vater! Die drei Briefe Eurer Heiligkeit, von denen der 
erste an die fünf katholischen Orte, die übrigen an uns allein gerichtet 
waren, haben wir mit grösster Ehrfurcht geöffnet, aber mit eben so 
grosser Betrübnis des Herzens lasen wir darin die Beschuldigung, als 
hätten wir, von eitler Furcht ergriffen, unsere Pflicht nicht erfüllt, der 
wahren Religion die tiefste Wunde geschlagen, und durch diese Feigheit 
uns selbst mit Schmach und Schande bedeckt. Diese treulose, immerdar 
fortdauernde Anschwärzung bei E. H. ist es, was uns ausserordentlich 
schmerzt und kränkt. Denn selbst die Feinde, auch gegen Feinde gerecht, 
wagen es nicht, uns solcher Fehler zu beschuldigen, und für das Gegen- 
teil spricht doch wohl laut genug unser Blut, welches reichlich in wieder- 
holtem Kampfe mit den Feinden geflossen. Der ungünstige Erfolg des 
ersten Treffens ! muss lediglich der Kampflust und dem Eifer unserer 
Truppen zugeschrieben werden, welche, auf die Befehle der Anführer 
nicht achtend, zügellos und unbesonnen auf die Feinde losstürmten. Und 
wie hätte die zweite Schlacht ? anders als höchst unglücklich sich endigen 
können? Das Volk, durch die Geistlichen vorzüglich, unter dem Deck- 
mantel der Religion, zur Empörung verleitet, kündigte seinen recht- 
mässigen Obern den Gehorsam auf, drohete, raubgierig und wütend, den 
Anführern Mord, unserer Stadt aber Zerstörung und Verderben, und 
entzog uns hierdurch ohne Zweifel den Segen des Himmels. Auf diesen 
Gedanken musste wenigstens jeder kommen, der da sah, wie, nachdem 
bereits das ganze feindliche Heer geschlagen war, ein nur unbedeutender 
Haufen desselben noch widerstand, endlich die Unsrigen, die sich einer 
wilden Verwirrung überliessen, angriff, sie scharenweise vor sich her 
Jagte, und zuletzt — wer sollte es glauben? — unser ganzes Heer in 
die Flucht trieb, während unsere Obersten und Hauptleute, die alle, mit 
Ausnahme weniger, verwundet oder getödtet wurden, fruchtlos sich ent- 
gegenstellten, und durch Worte und Schläge die fliehenden Soldaten 
wieder zu sammeln umsonst sich bemüheten. So weit ist es nun gekommen, 
dass jene Kantone, die vorher von Friedensunterhandlungen nichts hören 


! der sogen. „Staudenschlacht* bei Bremgarten 26. Mai 1712. — ? bei Vilmergen 
am 25. Juli. 





378 


wollten, jetzt die weit schlimmeren, von den Feinden vorgeschriebenen 
Friedensbedingungen die ersten angenommen und dadurch uns ebenfalls 
zur Annahme genötigt haben. Nicht uns also messe man die Schuld bei! 
Mit dem Stand Uri, von welchem der lügenhafte Berichterstatter E. H. 
versicherte, er huldige der Ansicht der übrigen für die Fortsetzung des 
Krieges gestimmten Kantone, fühlten wir die drückende Lage, als es uns 
an Lebensmitteln gebrach, Gold und Silber, des Krieges Nerve, uns 
mangelte, und die katholischen Fürsten und unsere übrigen Bundes- 
genossen mit eigenem Missgeschick rangen, als der Herr Nuntius stets 
mit vollem Munde uns Unterstützung verhiess, aber bis auf den heutigen 
Tag nur leere Hände darbot, und zuletzt einzig die Hoffnung auf Gott 
uns übrig blieb... Dem Frieden, zu welchem die gegenwärtigen Verhält- 
nisse und Umstände uns zwingen, fügen wir uns, unwilligen Herzens; wir 
trinken den bittern Kelch mit gedemütigtem, doch immer noch ent- 
schlossenem Sinne. Sobald Recht ımd günstige Gelegenheit es wieder 
gestatten, werden wir freudiges Mutes, was Männern geziemt, leisten, 
und vor aller Welt Beweise unserer Gottesfurcht und Vaterlandsliebe 
ablegen; nie soll man uns der Versänmung dessen anklagen können, was 
wir der katholischen Religion, dem Vaterlande, dem Ruhme unserer Vor- 
eltern und der Erwartung der Nachkommenschaft schuldig sind. Zu diesem 
Ende wagen wir, auf die Güte Eurer Heiligkeit vertrauend, die demütige 
und inständigste Bitte, E. H. möchte gnädigst eine Verordnung zu er- 
lassen geruhen, dass die Klöster unsers Kantons, deren Äbte und Vor- 
steher jährlich, in Pracht und Wohlleben und durch kostbare Bauten, 
eine ungeheure Summe Geldes verschwenden, einen bestimmten Teil ihrer 
jährlichen Einkünfte, als freiwillige Gabe, zur Wiederherstellung unsers 
öffentlichen Schatzes beisteuern, und dass zugleich das Einkommen unserer 
einträglichsten Pfarrpfründen, auf welche bei künftigen Erledigungsfällen 
Pfarrverweser auf sechs Jahre, mit hinlänglichem Unterhalte, gesetzt 
werden könnten, zur Verteidigung der katholischen Religion in unsere 
Staatskasse fliesse, 

Endlich ersuchen wir E. H. dringendst, den Herrn Nuntius (’arraceioli 
von seiner hiesigen Stelle abzurufen und aus der Schweiz zu entfernen. 
Denn er trägt die ganze Schuld unsers Unglücks; er hat auch die Fort- 
setzung dieses Krieges mit gesetzwidrigem und ungestümem Eifer be- 
trieben, durch Aufhetzung der Geistlichen vermittelst eines anhaltenden 
Briefwechsels, durch Aufwiegelung des unruhigen Pöbels, der keine Rechte 
des Krieges anerkennt, und durch die Beihilfe anderer berüchtigter Per- 
sonen, mit welchen der gemeldete Herr Nuntius, dessen Amtswürde wir 
übrigens in aller Demut verehren, die Massregeln zur Führung dieses 
Krieges festgesetzt und verabredet hatte, ohne den vernünftigen Vor- 
stellungen weiser Männer Gehör zu geben. Auf solche Art hat er uns 
in die gegenwärtige unglückliche Lage gestürzt, den wahren Glauben in 
die grösste Gefahr, und unsern Staat, durch den Aufruhr der Untertanen, 
an den Rand des Unterganges geführt. Es ist uns daher unmöglich, 
fernerhin mit gehörigem Vertrauen unsere Anliegen dem heiligen Stuhle 
durch eben jenen Mann zu eröffnen und mitzuteilen, der uns, wenn nicht 
in das äusserste Verderben gebracht, doch gewiss einen unersetzlichen 
Schaden zugefügt hat. Indessen wollen wir nun dieses alles, so wie die 


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379 


vielen andern unrühmlichen Schritte, die sich der Herr Nuntius bei ver- 
schiedenen Anlässen erlaubte, mit Stillschweigen übergehen, um Eurer 
Heil. nicht länger beschwerlich zu fallen, deren heilige Füsse wir mit 
tiefster Verehrung küssen, auf ewig verharrend E. H. 
Untertänigste und gehorsamste Söhne und Diener, 
Schultheiss und Rat der Stadt und Republik Luzern 
in der Schweiz. 
Gegeben zu Luzern, den 13. August 1712. 


164. Aus dem Anrauerfrieden zwifchen Zürich und Bern und 
den V Orten. 18. Iuli, 9. und 10. Auguf 1712, 


Abſchiede VI. 2b. S. 2330 fi. 


Erjtens jolle den beiden loblichen Orten Zürich und Bern verbleiben 
die ganze Srafihaft Baden fammt allen darin liegenden und dazu gehörigen 
Städten, Orten, Yand und Yeuten, worumter die Stadt Bremgarten 
gleichfallS gemeint und begriffen ift, zufammt allen andern Landesherrlichen 
Rechten und Gerechtigkeiten. .... Ferner folle in den freien Ämtern 
von nun an eine Landmarch-Ligne gezogen werden von Yunfhofen an bis auf 
Fahrwangen, alfo daß, was unterhar diefer Ligne, den beiden loblichen Orten 
Zürich und Bern allein, mit Vorbehalt foblihen Orts Glarus habenden 
Nechtens verbleiben, was aber ob diejer ermelter March:Ligne, den regierenden 
foblihen Orten zudienen. . . . Hiebei aber verjprechen beide lobliche Orte 
Zürich und Bern, die Katholiichen in diefen erzählten Städten ımd Yanden 
bei einer volltommenen freien Übung ihrer Religion; desgleichen auch die darin 
ſich befindenden Stifte und Ktlöfter bei ihren Hab und Gütern, Necht und 
Gerechtigfeiten, Einkünften, Zins und Zehenden, ... verbleiben zu lajjen, zu 
Ihügen und zu jchirmen, ..... auch den Loblichen fünf katholiſchen Orten 
ſowohl als allen der Eidgenoffenichaft An: und Zugehörigen fünftig, wie 
vorhin bejchehen, freier Handel und Wandel, in Kraft der Binden jederweilen 
den freien Paß und Repaß, aud Zu- und Durchfuhr aller Sad): und Waaren 
ohne neuerliche Beichwerde und Auflage durch die abgetretene Yand zu ge: 
jtatten. — — 

Dann jo jolle auch zum Anderen beiden loblihen Ständen Zürich und 
Bern überlaffen bleiben (jedoch mit Vorbehalt loblihen Orts Glarus habenden 
Hechtens) die Stadt Rapperswyl ſammt der Brugg, Hof und Zoll und 
übriger Zugehörd nach Inhalt der den erjten Augufti dies Jahrs von 
beiden loblihen Ständen Zürich und Bern mit Schuftheiß und Rath zu 
Rapperswyl gejchloffener Capitulation, wie auch das gegemüberjtehende Dorf 
Hurden .. . mit der Erläuterung, daß ermeltes Hurden und Einwohner 


380 


bei ihrer freien und ohngehinderten fatholiichen Religionsübung, geift- und 
weltlichen ?sreibeiten . . . rubig verbleiben . . .; dabei auch verglichen 
worden, daß zu ermeltem Hurden feine Fortificationes oder Schanzen gegen 
einander gemacht werden jollen, und die neu aufgeworfenen gejchleift werden, 
um die vertrauliche Nachbarſchaft wiederum dejto fteifer einzurichten und zu 
behalten. 

tem, jo ſoll auch Drittens loblicher Stand Bern in die Mitregierung 
im Thurgen, Rheinthal, Sargans und übrigem Bezirk der Freien 
Ämtern aufgenommen fein, aljo daß jelbiger von mm an dajelbitige Be- 
pogtigungen auf loblihen Stands Zürich Ausbedienung anzutreten haben jolte. 

Und weil beide loblichen Orte Züri) und Bern das Thurgen und 
Nheinthal zu gemeinfamer Regierung mit denjenigen loblichen Orten, melde 
jelbige vorber beherrichet, wiederum abtreten werden, mit Beding, daß vorharo 
jowohl der Religion als der Regierung halber die gebührende Parität 
wirflichen zu Werf gerichtet werde, alfo ift Viertens hierum abgeredet, verglichen 
und geſchloſſen, dar künftige Streitigkeiten in den gemeinen Herrichaften zu 
vermeiden und eine gerechte und friedfame Negierung zu führen, die Evan- 
geliichen gleich wie die Katholischen der Religion und Gottesdienſts halber und 
was jelbigem anhanget, in den gemeinen Herrichaften, in welchen beide Re— 
figionen fich befinden, im einem ganz gleichen Nechten ftehen und was jeder 
von beiden Religionen zu derjelben Übung in partieulari zugehöret, derjelben 
verbleiben und fie deſſen ohnweigerlich zu genießen haben. So follen auch 
in hohen Regalien, item wann es wm allgemeine Regierungs-, Policei-, 
Yands- und Kriegsordnung zu thun, fünftighin die Majora nichts enticheiden, 
jondern wo darüber ohngleihe Meinungen wären, jollen, gleichwie im 
denen die Religion anfehenden Gefchäften, vderethalb der eine Theil ver: 
meinte, daß es die Neligion nicht berühre, der andere Theil aber es für eine 
Neligionsjache dargibet, weder von den mehreren loblichen regierenden Orten, 
noch viel weniger von den nachgefezten Yandvögten nichtS decidirt oder darüber 
geiprochen, jondern damit bis auf aller regierender Orte Zuſammenkunft ge- 
wartet und alsdann durch gleiche Säte beider Keligionen zu güt- oder recht: 
lichem Austrag geichritten werden. In allen andern Sachen aber follen die 
regierenden Orte wie hiebevor handeln, erfennen, richten und urtheilen, und 
ein Mehr ein Mehr jein und verbleiben. 

Und gleich wie man zugibt, daß die katholische Geiſtlichkeit ſammt allem, 
was ihren Gottesdienſt und Kirchenzucht betrifft, item die Ehefachen und was 
dem foro matrimoniali anhanget, vor dem befannten Nichter ihrer Religion 
beurtheilet werden, eben aljo ſollen auch die evangeliichen Pfarrer und Seel: 
jorger jammt allen, was derjelben Gottesdienst und Kirchenzucht betrifft, dar- 
unter auch die Beitell- und Haltung der Schulen begriffen, gleid) der Judi— 
catur über die Ehejachen, dem Richter ihrer Religion, nämlich der Stadt 


3 ET 
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381 
Zürich auch allein unterworfen jein; die Schulmeifter aber in allen andern 
Sachen aufert was die Inſtitution und Religionsdocirung betrifft, dem welt- 
fihen Richter unterworfen bleiben. Auch wo die eine oder andere Religion 
verlangte, daß die Schule gejündert wurde, oder aber eine neue aufrichten 
wolfte, jolfe jolches derjelben auf eigenen Koften zu thun bewilliget fein. 

Es jolle auch fein Theil an des andern Neligions-Ceremonien und Ge- 
bräuchen oder was immer jeiner Glaubensbefeuntnig nicht gemäß tft, infonderheit 
auch nicht zu Haltung des andern Theils Feſt- und Feiertagen verbunden fein, 
und gleichwie die Katholiichen in ihrem Gottsdienjt, Geremonien und Pro: 
cejfionen nicht gehindert, beſchimpfet noch beleidiget werden, eben aljo jollen 
auch die Evangelifchen in ihrem Gottesdienft, Kirchengebräuchen und Bere 
monien nicht gehindert, bejchimpfet noch beleidiget werden. ..... Dannethin 
jo war auch angejehen und geordnet, daß zu Verhütung bejorglicher Ohn— 
ordnung für das Künftige die Kirche zur Verrichtung des Gottesdienftes an 
Sonntagen von denen, die jelbige zuerjt gebrauchen, denen fo der anderen 
Religion find, vom Frühling bis in den Herbit um 8 Uhren und vom Herbſt 
bis in den Frühling jpäteft um 9 Uhren überlaffen, es wäre dann Sache, 
daß fie fi) unter einander mit beidjeitigem Belieben... einer andern Stunde 
verglichen hätten; ... jedem Theil auch zu Verrichtung des Ordinari- und Ertra- 
Ordinari Gottendienfts durch die Wochen derjelben Gebrauch ohngehindert 
geftattet werden; zu ſolchem End wo man feine eigenen Kirchenſchlüſſel und 
Meßmer hat, und derer begehrt wurden, ſolche dem begehrenden Theil zudienen 
jolfen, ... aud) den Evangeliichen an jolchen Orten, wo fie mit feinen eigenen 
Taufſteinen verfehen, jelbe zu eigenem Gebrauch in die Stirche hinzuzujezen 
ohne einiche Hindernig geitattet werden, zugleich) auch jeder Religion ein be- 
jonderer proportionirter Kirchhof, ihre Todten nach ihrer Religionsmanier zu 
begraben, vermwilliget jein ſolle. . . . Dafern auch ein- oder anderjeitige Religions: 
genofjen eine gemein befizende Kirche im eigenen Koften vergrößern wollten, 
jolfe jolches ihnen ohngehindert gejtattet werden; jedoch jo, daß der Bau alfo 
geführet, daß jo viel als möglich in Zeit des Bauens fein Iheil an jeiner 
Neligionsübung verhindert, auch der Katholischen Altäre und Zacrifteien nichts 
benachtbeiliget werden; alfo aud, wann die Gvangeliichen um beſſerer 
Ktommlichfeit willen eine nächſt gelegene Kirche, darin ihre Neligion geübt 
und bejuchen wollten, jolle ihnen jolches ohngehindert zugelajfen jein. — — — 

Mithin dann auch der Yandsfrieden von Anno 1531 aufgebebt, todt und 
abjein, dagegen aber die diesmalige Befriedigung künftighin der Yandsfrieden 
heißen und die Yandvögte jowohl als alle geift- und weltliche Gerichtsherren 
und Golfatores zu diejem neuen Yandsfrieden verpflichtet und verbunden jein 
ſollen. 

Damit dann auch in Verwaltung der Juſtiz die Ohnparteilichkeit deſto 
beſſer Plaz finden möge, jo ſollen die Ehrenſtellen, Ämter und oberkeitliche Be— 


—— — — — 


382 


dienungen von nun an aus beiden Religionen beftellt werden, aljo daß gleich 
wie der Yandichreiber im Thurgen fatholiicher Neligion bleibt, hargegen jederzeit 
der Yandammann evangeliicher Religion fein. — — — 

So ift auch gut befunden und beabredet worden, daß künftighin bei 
alfen haltenden gemeinen Tagleiftungen in Neligions- und Standsſachen all- 
wegen ein evangelifcher und ein fatholischer Protocollift zugleich in die Seſſion 
abmittirt, derojelben führende Protocolle jeweilen gegen einander gehalten und 
conformirt, folglich dann das aljo Berglichene in gemeinen Sejfionen abgelejen 
werden jolle. Übrige, ſowohl Civil: als Militärbedienungen, als da find 
Untervögte, Yandrichter, Weibel, Yandgerichtsdiener, item Redner, Yand- umd 
Duartierhauptleute, Hauptleute jeder Religion ohne Unterfchied gleich viel be- 
jtellt werden. .... So jollen aud die Waiſen mit Vögten ihrer Religion 
bejorget ... werden. 

Wann dannethin lobliche regierende Orte (welches aber Gott ewig wende) 
in Krieg gegeneinander zerfielen, jo folle fein Theil, er mache gleich die Majora 
aus oder nicht, mögen die gemeinen Unterthanen mahnen, jondern dieje fich 
neutral halten und feintwederem Theil weder Volk, Geld, Munition oder 
Proviant geben oder einih andern Vorfchub thun, anders als mit Gebet zu 
Gott zu derojelben Wiederverein- und Befriedigung. .... Zu deſto jicherer 
Berhütung dann aller Ohnbeliebigfeiten und reizenden Anläfjen, folle fünftighin 
alles verhaßte Schmüzen und Schmähen von Geiſt- und Weltlihen in und 
außert der Kirchen, mund- und jchriftlich, bei höchfter Ohngnad verboten und 
abgejtraft werden; auch jolle bei gemeinen und jonderbaren Zufammenfünften, 
es jei im Neden, Schreiben und vergleichen die eine Neligion evangeliich und 
die andere Fatholifch genenmet und betitelt werden. Übrigens dann jolle auch 
in Juſtizſachen, Succeſſion, Erbichaften und Collocationen die Einten gleich 
den Anderen ohne Unterfchied der Religion gebalten und angejehen, auch bei den 
Yehensverlethungen feinem der Neligion halber etwas zugemuthet werden. — — 


165. Der geheime Bund der katholiſchen Orte mit Frankreich, 
genannt der Trücklibund, gefclofen zu Soloturn 
den 9. Mai 1715. 
Abſchiede VII. 1. ©. 1379. 


Wir Frank Carl von Vintimille... Graf du Luc,... . Ihrer Ma- 
yeſtet Pottichaffter in der Eydtgnoſchaft . . . erflären in krafft des gewalts, jo 
uns von dem König den ein und zwengigften hornung dies Jahrs 1715 ge- 
geben worden... ., daß weylen die nun underjchribne und bejchworne Pindtnus 





Pr —r ME 3 Ve —— 
. 
= 7 


383 


hauptſächlich zur widerherſtellung der Catholicitet, und handhabung des 
Eydtgnoſiſchen Standts ins gemein zihlet, Ihrer Mayeſtet Intention und 
meinung ſeye, es dahin zu bringen, daß die Ohrt und Stände proteſtierender 
Religion eben in diſe Pündtnuß eintretten; weylen aber ſolches nicht geſchehen 
kan, ehe und bevor die Glider, aus welchen der lobliche Eydtgnoſſiſche Standt 
beſtehet, ſich einanderen eine volkommene Justiz halten, wegen denen ſachen, 
die heütiges Tags denſelben zertheilen; verſpricht der König für Ihne, für 
den Herrn Delphin, und für die Könige ſeine Nachfahrer, alle ſeine officien, 
oder alle jeine macht anzuwenden, umb die Partheyen jo geſchwind als es wird 
möglich fein, zu verleithen, oder fie zu nöthigen zu widerheritellung der Ca- 
tholieitet in allem dem, jo fie lefthin verlohren hat, und zu erneiierung einer 
Pündtnuß zwijchen beyden Religionen die handt zu geben, welche denen vor- 
gehenderen Pindnuffen, die dem loblichen Eydtgnoffiihen Standt ins gemeit 
vereinen, neüe jtärfe geben. 


Zu diſem endt, bij dem Allmächtigen Gott belieben wird, die Intention 
des Königs zu jegnen, wird Ihro Mayeſtet die Ohrt Zürich und Bern in 
dife man bejchloffene Pündtnus nicht annemmen, es jeye dan, daß jie zu einer 
vollfommen restitution, umd zu widerherjtellung der alten verirägen und 
Pündtnuſſen eimwilligen. 

Was die andere Ohrt und Stände gleicher Neligion anbetrifft, welche 
an dem leſten frieg feinen theyl gehabt haben, werden jelbige auch nicht in 
obgedachte Pündtnuſ können eingelaſſen werden, fie verjprechen dan, fie wollen 
beyden erjteren Ohrten weder directé noch indirecte helfen, da man diejelbe 
zu gedachter restitution und widerherjtellung wird nöthigen wollen. — — — 

Wan es geichehe (jo Gott abwenden molle), daß der König, der Herr 
Delphin oder die Könige Ihre Nachfahrere zu bilff kommen müßten dem Eydt- 
gnoſſiſchen Standt ins gemein, denen Catholiſchen Ohrten, der Republiq Walliſ, 
oder einigem Standt in particular, jo im gegenwertiger Pündnuſ begriffen 
jeind, wird jolches anderſt nicht gefchehen, als auff erjuchen des Standts, oder 
derer Ständen, welche vermeinen werden, Ihrer Mayeftet, des Herren Delphins, 
oder deren Königen Ihrer Nachfahreren hilff vonnöthen zu haben. 

Der König gibt zu, ehe und bevor feine macht den Eydtgnoffiichen 
boden betrette, mit dem Begerenden, oder denen Begerenden, zu berahten, jo- 
wohl über die bejchaffenheit und anzahl des succurs, jo wird vermilliget 
werden, als über die route oder weg, welchen dijer succurs wird nemmen 
follen. — — — 

Wan man in felbigem einige conquestes madet, was gattung und 
natur fie jein können, werden der König, Herr Delphin, oder die Könige 
deren Nachfahrere, weder under dem vorwand der friegsföften, noch feinem 
anderen vorwand nichts Davon behalten fünnen, und werden jelbige erobe- 








384 


rungen dem Standt, oder denen Ständen, welche den succurs werden be- 
gehrt haben, zugeftelt werden. — — 


166. Landvogt Eſchers Bemerkungen über die Regierung der 
Graffchaft Kyburg. 117—1723. 
Heransgeg. v. Wyß im Archiv für ſchweiz. Geichichte IV. 249 fi. 


Biirgermeifter Joh. Kafp. Eicher, von Zürich, geb. 1678, geft. 1762, einer der treff- 
lichften Staatsmänner, welche die Stadt im 18. Jahrhundert gehabt bat, hinterließ eine 
eigenhändig geichriebene Darftellung der Erfahrungen, die er als Yandvogt von Kyburg 
von 1717—1723 in feiner amtlihen Tätigkeit gemacht hatte. Diefe Schrift, ausgezeichnet 
durch die humanen und gefunden Anſchauungen, die der Verfaffer darin äußert, gewährt 
zugleich ein getreues Bild der Rechtspflege und Berwaltung, wie fie im Kanton Zürich 
im legten Jahrhundert gehandhabt wurden. 






N as Aınt eines Yandvogts auf Kyburg beftehet eigentlich darin, daß 
a | er jeiner hohen Obrigfeit jura, Mandat, Sak- und Ordnungen 
PR bandhabe, dem Böjen nachfrage, jelbiges den Geſetzen oder der 
Norhourft gemäß jtrafe, den Unterthanen, welche ſich anmelden, oder für die 
er es jonjt nothwendig findt und die er bejchiefen joll, getreuen, vorfichtigen 
Rath erteile, wo immer möglich verhüte, daß fie nit in Prozeß und Streit 
verfallen; wann aber ungeachtet jeiner Müh Streit entjteht, daß er jelbigen 
nach den Kegeln, den Gefegen umd der Billigfeit entſcheide. In Summa, 
ein Yandvogt joll jein ein Water des Yandes und jorgen, jchaffen und ar- 
beiten, daR die Unterthanen in guter Zucht, Ordnung und Ginigfeit unter: 
einander leben, mithin ein jeder bei dem Zeinigen gejchügt werde. Wer die 
Yandvogtei Kyburg anfiehet als ein Gewerb, dur) den man müfje reich 
werden, und deswegen bei den vorkommenden Gejchäften abmift, welchen 
Weg er den meijten Gewinnt oder Verdienſt davon zu erwarten habe, der 
verfehlt überall des Zweds oder vielmehr, der hat einen faulen Zwed, das 
Yicht und Recht wird ihm finjter; er ift nit wertb, daß er den jchünen Namen 
eines Vogtes oder Vaters des Yandes trage. ... Es joll ein Yandvogt 
jedermann umfonjt den freien Zugang zu ihm vergünftigen, die Yeute mit 
Gedult und Weil verhören, dabei aufmerfam und in Worten und Werfen 
die Unterthanen traftiren als jolche, von welchen im Notbfall das gemeine Vater: 
land mit Yeib und Gut muß bejchügt werden. Sie jind Commilitones, nit 
Servi. — — — 

Durch die oberfeitlichen jogenannten Buß- Mandat find unferen Yand- 
leuten alle öffentlichen Recreationes verboten, da doch bei offentlichen Ber: 


385 


jammlungen jelten etwas Schandbares vorgehet. . . . Weil man aber diejes 
nit faſſet, und das offentliche Tanzen, Keglen, die Kilbinen und andere der— 
gleichen Luftbarfeiten den jungen Yeuten gänzlich will verboten haben, juchen 
fie heimliche Luft, figen in Schläufwinfel zum Spielen, treiben allerlei Yeicht- 
fertigfeiten in Kammeren, Hölzeren ꝛc., jaufen fich voll, bei müßigen Tagen 
figen die Alten zufammen und vertreiben die Zeit mit Yiegen [Yügen], Hinder— 
reden ꝛc., dardurch das Yandvolf übel verderbt und jonderbar bei jungen Yeuten 
gar viel ohnzeitige, fie in äußerten Ruin ftürzende Ehen veranlaßt werden. 
Hieran find eine große Schuld die Herren Pfarrer, welche in den synodis 
dergleichen Berbott an M. G. H. begehren, und vermeinen dabei einen gott- 
jeligen Eifer zu bejcheinen. Weil nun freilich bejfer wäre, jedermann wird 
nichts thun als beten und arbeiten, anbei alle Luſt der Welt meiden, wider- 
Ipricht ihnen niemand gern, fonderbar, da der Yajt nit auf den Legislatorem, 
jondern auf die Yandleute kommt, und aljo ift man mit dergleichen Mandaten 
freigebig. Ob aber jolches nüglih und recht jeie, werden folgende Reflexiones 
aufheitern. Insgemein, was bei geringer Geldbuß verboten wird, trudt nur 
die armen Leuth; die Reichen fehren jich wenig daran. Das Trinken in Wirthg- 
häuſern am Sonntag, Tanzen an Hochzeiten und Brautmählern ꝛc. wird durch 
die Mandat in der Stadt nit verwehrt; mur der arme Bauersmann muß 
fi zwingen laſſen. Geiftliche und weltliche Herren auf dem Yand trinfen 
täglih Wein, halten ihre Zujammenfünfte, mehrenteils auch an den Sonn- 
tagen; ihren Kindern find erlaubt allerhand recreationes. Wie es darbei 
oft zugehe, ijt befannt. Dem Yandvolf ift es nit verborgen. Aber wenn ein 
mühſeliger Hausvater, Bauernjohn oder Knecht, der die ganze Woche feinen 
Moment zu feiner recreation übrig hat, auch feinen Wein fiehet, an den 
Sonntagen nad) der Predigt eine Maaß Wein im Wirthshaus trinfet oder 
mit feinen Ccetaneis [Altersgenofjen] die oder dieſe Necreation vornimmt, oder 
an Hochzeiten und andern Jahrstagen tanzet zc., muß er angefehen werden 
als ein heillofer Mann, und das Geld, daraus er follt Brot kaufen, der 
Obrigkeit zu Buß bezahlen. — — 

Es wird auch durch dergleichen Verbott den jungen Yeuten viel Muth, 
item Luft und Liebe zum Vaterland benommen ; fie urtheilen, in andern Yan- 
den jei mehr ‘Freiheit al8 bei und. Sie werden dardurch nit tugendhaft ge- 
macht, jondern nur argliftig ihre Fehler zu bedenken umd gleichjam verleitet 
zu Schanden. ... Ein frifcher, freier Muth ift auch moraliter allzeit beſſer, als 
ein verichlagenes, jchalfhaftes Herz, welches durch allzuftrengen, äußerlichen 
Zwang gemeinflid in den natürlichen Menjchen erwedt wird... . . .. Nach dem 
magis et minus find unfere Mandat den Mönchsregeln zu vergleichen ... 
Selbft unfere jonft eifrigen Reformatores find in diefen Punkten gar nit 
juperftitio8 umd fo ftreng gewejen, als man jeg ift. Offentliche Yuftbarfeit 
beichädiget fürwahr niemand, weder an Ehr, Yeib noch Gut. Daß unſere 

Oechsli, Quellenimeh. 25 


— J 


Zürichbietler minder aufgeweckt und auch in Kriegen nit ſo munter als andere 
Eidgenoſſen, kommt nit wenig bar von ibrer mönchiſchen Lebensart, darzu 
die Mandat fie zwingen. — — 

Die in Ao. 1722 ausgegangenen beiden großen Bußmandat, das einte 
für die Statt und Burger, das ander für die Yandichaft und Yandleuth, machen 
in dem Articul der Kleider Hoffabrt einen gar deutlichen Unterjchied zwijchen 
den Nurgeren und Bauren, verbietet diefen legteren gar viel Sachen, die es 
den Burgern erlaubt: jonderbar werden die Weiber der Yandleute gezwungen 
zu einer recht ſpöttiſchen Kleidung. Nachdem ich diefes hab müſſen Taffen 

rudlicieren. bat zu Elgg und im äufferen Amt jelches erwedt einen gar böſen 
len, wie umm in der Tat eine jelde distinetion jebr odies tft und gleich 
iıme ein opprobrium der Yandleute mit sich fübret, um jo mehr, als an 
emigen Dieter Orten jigen Burger, die an Mittlen den Yandleuten bei weiten 
zur zufemmen. Du it nun leicht zu erachten, wann das Weib eines bemitt- 
leten Yandmann!, der ewwan noch derzu ein ebrenbuftes Amt befleidet, bat 
mitten adlegen und mit mebr derfen brauchen Die Sierratben, jo fie zuwor 
Kragen und Ab gleichſtelen den Mayer, Webinzegen die Frau eines Bur 
ze, Ver an Mittien und am Rang vie xringer geweſen, alö der Land— 
zerz, Kb mogen darin dütinguieren uıd ver der andern prangen, mas dies 
für Nerdmmt dei dergleihen Yeren eomwmft, weiber Verdruß noch it ver: 
ehrt werden — dir Noto Zierberkr ımd Iburgäuer, ſo unfere 
var duriier sunigesher ned geriet Ir dem !% zfenmen, daß eine ge: 
wire or VÜmeiiz ver Zitieren, wie lei il. ledige Mittel 
ee er Auer Tier der mmertbeise weiter fee Yurger warı ibr 
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387 


167. Das Manifeſt Davels an Bern. 31. Mäy 1723. 
Aus dem Franz. bei Olivier, Etudes d’Histoire ©. 10 fi. 





5 —— 


— dle, Erlauchte und Hohe Herren. — Ein Augenblick ernst- 
| [a haften Nachdenkens über euer Verhalten gegen das Waadt- 
NE land wird euch von selbst überzeugen, dass ihr in Folge 

— euer Ungleichheit, Anmassung und tyrannischen Regierung 
der Hoheit über das Waadtland entsetzt seid, welches den Entschluss ge- 
fasst hat, in Zukunft keinen Befehl von euch mehr anzuerkennen, ohne 
dass irgend ein Drohwort oder Versprechen, von welcher Beschaffenheit 
es auch sei, irgend etwas daran ändern könnte. 

Wir werden unsere Grenze bei der Gümminenbrücke festsetzen, da 
wir unsern Befreiungsplan nicht soweit ausgedehnt haben, um euch in 
euerer Hauptstadt zu beunruhigen, welche dies in bezug auf euch bleiben 
wird; wofern ihr wenigstens uns durch euere Bewaffnung keinen Anlass 
bietet; dann freilich werden wir dem Kriegsrecht Folge geben. — — 

Unsere Absicht beschränkt sich gegenwärtig darauf, euch der Herr- 
schaft über das Waadtland zu entledigen, das ihr misshandelt und in 
unerträgliche Not gestürzt habt. 

Man hat euch durch offene und anonyme Briefe von dem schmäh- 
lichen Benehmen euerer Landvögte in Kenntnis gesetzt, mit dem Aner- 
bieten, sich zu stellen, um die gerechten Beschwerden und Anklagen zu 
verfechten; das hat einen Befehl an euren Schatzmeister bewirkt, [die 
Sache] zu untersuchen, welcher völlig davon überzeugt worden ist. Und die 
Folge davon ist nur eine verschlimmerte Fortsetzung von Veruntreuungen 
und ungeheuerlichen Bussen gewesen, die Bürger und Einwohner derart 
niedergedrückt und zu Grunde gerichtet haben, dass es zum Erstaunen 
ist, dass man es bis heute hat ertragen können. 

Ihr habt alle bürgerlichen, politischen und geistlichen Ämter, die 
von euren Landvögten abhängen, dem Meistbietenden käuflich gemacht. 

Ihr habt Landvögte hergesendet, um die Rechtspflege zu verwalten, 
die nicht die oberflächlichste Kenntnis vom Recht erworben haben noch 
besitzen. 

Eure Landvögte und hohen Kammern vervielfältigen und verlängern 
die Prozesse der Städte, öffentliche und private, ins Endlose. Keine 
Änderung oder Besserung, zeigt sich; jedes Jahr wird es schlimmer, 
daher ist es endlich zum Äussersten mit dieser verderblichsten Herrschaft 
gekommen. 

Ihr führt jedes Jahr irgend eine nene Auflage oder neue Zölle ein, 
und ihr belastet Gemeinden und Private mit dem Unterhalt aller Land- 
und Reichsstrassen. 

Ihr habt den Handel zu Grunde gerichtet, da eure Unfähigkeit 
zum Regieren bewirkt hat, dass alle guten Münzen fast aus dem Lande 
verschwunden sind. 

Die Rechte und Freiheiten mancher Städte des Waadtlandes sind 
nach und nach vernichtet worden. — — — 















388 


Eure Kommissäre, unterrichtet von euren Absichten, unterwerfen 
diejenigen, die sich nicht gut zu verteidigen wissen, den Fendalabgaben 
und Zehnten. 

Ihr habt, so viel es euch möglich gewesen ist, die waadtländischen 
Offiziere, welche sich bemühten, in benachbarten Landen die Waffen zu 
tragen, daran verhindert, zu Stellen zu gelangen; und wann ihr Ver- 
dienst euch bekannt war und sie fast unfehlbar auf dem Wege waren, 
zu avanciren, habt ihr ihnen schlimme Händel angerichtet, um ihnen die 
Möglichkeit, unter den Waffen zu avanciren, zu rauben, damit enere 
Bürger von Bern alle Stellen bekämen. — — 

Ihr habt ein allgemein missbilligtes Verfahren gegen die Geist- 
lichkeit eingeschlagen, durch die angebliche Reform, welche eure Ab- 
geordneten von weltlichem Stande und zweifelhaftem Lebenswandel 
unternommen haben. Die Akademie von Lausanne wurde für blühend 
und wohlbestellt gehalten. Es waltet darin sogar ein vortrefllicher Geist, 
der an fremden Höfen geglänzt und ehrenvolle Preise davon getragen 
hat; statt Beweise der Auszeichnung zu empfangen, wurde sie zuerst 
die Zielscheibe von Verfolgungen und dem gebieterischen Befehle aus 
gesetzt, eure Artikel zu unterzeichnen, was sie zu tun nicht umhin ge- 
konnt hat aus Rücksicht auf das öffentliche Wohl '!. Diese blühende 
Akademie hat die ganze Bürde eurer einfältigen und rohen Herrschaft 
erfahren. 

Ihr lässt euch Jahre lang bitten, um geringe Reparaturen an 
Pfarmhäusern und Kirchen vorzunehmen. Die Schatzmeister, die ins Land 
kommen, beschränken sich auf die Untersuchung der Keller, und würden 
nicht eine Viertelstunde um gehen, um ihre Aufmerksamkeit der Reparatur 
einer Kirche zuzuwenden, wo es auf die Köpfe des Pfarrers und der 
Zuhörer regnet. 

Alle Kirchengüter, welche dem Gottesdienst gewidmet worden waren, 
sind den Domänen Euerer Excellenzen einverleibt worden. Ihr Gebrauch 
ist in erster Linie für die weltlichen Pensionen bestimmt. Die Herren 
Professoren und Pfarrer sind auf den Ausschuss eurer Keller |zu ihrem 
Unterhalt] angewiesen. Ihr setzt die Pfarrer auf die leichtfertigste Weise 
ein und ab; ihr vergesst, dass man mit einem Stande solchen Charakters 
nicht so umgehen darf. — — 


! Es bezieht sich dies auf den Zwang zur Unterzeichnung der sogenannten Con- 
sensusformel, wodurch Bern dem Eindringen des freieren Geistes der französischen 
Hugenotten zu wehren suchte. 


339 


168. Aus dem zürcerifcen Sittenmandat vom 10. März 1755. 


Sammlung der Bürgerl, und Policeg-Gefeze Yobl. Stadt und Landſchaft Zürich. 
IL S. 201 ff. 


Wir Burgermeifter, Nlein- und Grofje Räthe, jo man nennet die Zwey: 
hundert der Stadt Zürich, thun fund männiglich hiemit: Daß wir in Kraft 
Unjerer aufhabenden Pflichten, ... in Beherzigung fo vieler täglich im 
Schwang gehenden Sünden und Yaftern, befonderbar wegen der jchnöden Ge— 
ringbaltung der Unſerm Vaterland mildiglich befchehrten Wohlthaten, Uns ge: 
nöthiget gejeben, theils diejen einreifjenden Sünden und Yaftern den Riegel zu 
jtoffen, theils durch jchleunige und ungegleichsnete Buß den Zorn des Höchiten 
von Uns abzuwenden, gegenmwärtiges zum Nuzen Unſerer lieben Burgerichaft 
angejehenes Mandat wiederum ausfertigen zu laffen; und ift man Unſer Will 
und Meinung, daß jeder männiglich ſich jorgfältig hüte vor Yäfterung der 
heiligen und hohen Majeſtät GOttes, vor Mißbrauch Seines hohen und 
theuren Namens, und der heiligen Sacramenten, vor Gottes-vergefjener Über- 
jehung des Eids, vor dem je länger je mehr bei ungen und Alten überhand 
nehmenden Fluchen und Schweeren, wie auch vor Yachsnen ! und abergläubifchem 
Segnen; geftalten Wir die Fehlbare, je nach Geſtaltſame der Sachen, mit 
Geld: oder andern Strafen, Stillftand?, Erden- Kuß, oder aud) gar an Yeib 
und Peben abbüſſen werden. 

Dan joll fi die Heiligung des Tags des HErrn eifrig angelegen 
jeyn laffen, durch fleiffige Bejuchung der Predigten Göttlichen Worts, und 
der Eatechijationen, injonderheit Ddieje leztere von erwachlenen Söhnen md 
Töchtern, auch vor-in-und nach der Predigt, desgleichen währender Zudienung 
des Sacraments des heiligen Taufs, und Verrichtung des Gejangs, ſich des 
unanjtändigen Schwäzens und unnöthigen Hinauslaufens unter dem Gejang 
gänzlich) enthalten. — — — 

Auch joll niemand wer der ijt, ohne erhaltene Erlaubnuß und Zeichen 
von dem jeweiligen Herrn Prasidenten in der Reformation an einem 
Sonntag aus der Stadt weder reiten, fahren noch gehen, darunter auch die- 
jenige begriffen jind, deren Hochzeiten verkündet werden: Wie Wir dann aud) 
ferner alle, jo Kutſchen, Yittieren, oder Schiffe darzu lehnen, zu gleicher Ber: 
antwortung zu ziehen gefinnet find: Nebſt dem auch jonderbar verboten jeyn 
joll, das neuerdingen unter den Gejellichaften aufgefommene Halten der Mittag- 
Mahlzeiten und Vijitenmachen vor- und in währender Abend-Predigt, auch 


, Mit Zaubermitteln heilen, beſprechen. — ? D. i. mit Citiren vor den Stillftand, 
die Kirchenpflege. 


3m. 


aller anderer Zufammenfunften und Gejellihaften, jowol in Wirths: und 
Schenthäufern, als Zünften; jodann auch das in Schwang gekommene un- 
anftändige Herumtragen der Spaniſchbrodten und Kichlenen an einem Sonntag 
vor vollendeter Abend-Predigt, dardurch dann etwann leider! der Gottesdienft 
verjaumet, und der Tag des Herrn unverantwortlich entheiliget wird, bey 
fünf und zwanzig Pfunden unabläßlicher Buß. 

Ferner jollen die Wächter bey den Thoren vor der Abend- Predigt, bey 
Straf der Gefangenfchaft, Suspension oder gar nach Beichaffenheit der Sachen 
gänzlicher Erlaffung des Dienfts, niemanden aus der Stadt laſſen. Es jolfen 
aud bis nad) geendigter Abend-Predigt die Grändel bey dem Schänzlein, und 
bey dem Schüzenhaus, jamt dem Stadelhofer Wafferthor, wie auch das Thörlein 
zu Wollishofen und Hottingen bey hoher Straf und Ungnad niemand mehr, 
wer er ſeyn möchte, geöffnet werden, auch alle Unfere Bürger, Manns: und 
Weibs-Perjonen um minderer Unordnung und allerhand Ungelegenheit willen 
in ihren Pfarren, und nicht auffer der Stadt zur Kirchen gehen; die fremde 
Yand- und Bilgerfuhren an den Sonntagen vor zwölf Uhren ohne genommene 
Erlaubnuß nicht hinweg fahren mögen, die Einheimjche aber ſich deſſen gänzlic) 
müfjigen, zumalen auch alle und jede, e$ jeyen Manns- oder Weibs-Perjonen, 
Kinder, Knechte oder Mägde, welche währenden Sonntäglichen Predigten ohne 
erhebliche Urjach auf der Gaſſe angetroffen werden, für das erfte mal um 
drey Pfunde gebüffet, und jo jolches von einer Perjon zum andern oder 
mehrmalen gejchehen wurde, ſolche Fehlbare je nach der Sachen Bejchaffenheit 
mit doppelter Buß, diejenige aber, jo die Buß nicht zu bezahlen haben, mit 
Gefangenſchaft beleget werden. 

Gleichergeſtalten foll in den währenden Dienftags- Predigten alles Fahren, 
Holzicheiten und andere Arbeit, wie nicht weniger das Gehen auf die Jagd 
in der Zeit, da fie gehalten wird, und das Auswäjchen der Wäfchen an den 
Dienftagen gänzlich verbotten, auch an denen wmochentlichen Abend-Gebetts- 
Tagen, als am Mittwochen und Zamftag, die Eonftaffel-Zunft-Gefellichafts- 
und Wirthshäufer zu allen Bürgerlichen Zufammenfünften gänzlich beſchloſſen 
jeyn; da mithin jedermann kräftigſt erinmert ift, der Ehrbarfeit zu jchonen, 
und feine Ärgernuf über diefen Punkten zu geben; und follen an einem Mitt- 
wochen feine andere, als die von jelbigen Tags gefchehenen Wahlen, her- 
rührende Mahlzeiten gehalten werden. — — — 


. Und weilen Wir mit herzlihem Miffallen verjpüren müſſen, daß 
ungeachtet alles ernftlihen Verwarnens und Zuſprechens die übermachte 
Nleider-Hoffart zu grojfer Verderbnuß und umviderbringlihem Schaden 
Unferer Bürgerichaft, und des ganzen Yands in allen Ständen, je länger je 
mehr überhand nehme, haben Wir eine äufferfte Nothdurft zu jeyn erachtet, 
hierinnen von neuem ein eifriges Einfehen zu thun, und wollen deswegen, daß 


391 


jedernann ſich einer ehrbaren und feinem Stand geziemenden Kleidung, 
jonderlich in das Haus des Herrn, an Sonn: und Werktagen befleifie. 

Daher ift Unfer ernftlicher Befehl, dak alle Frauen und Töchtern, welche 
zu dem Tiſch des HErrn gehen, und annod) gewohnt find, das Tüchlein zu 
tragen, weiterhin anftändige Tüchlein in die Kirchen tragen; diejenigen aber, 
jo das Tüchlein nicht mehr tragen wollen, jchwarze glattburatene gebundene 
Nadtröfe und Fürgürtlein von gleichem Zeug, in alle Kirchen und Predigt- 
Stunden tragen jollen. Was den Kopfgerujt anbelangt, joll derjelbe, ſowol 
als die Halstücher, ſchwarz und ganz glatt, ohne Spize und Franſen ein- 
gerichtet jeyn, auch aus nichts anders als Flor oder Taffet bejtehen mögen ; 
da hingegen das Tragen der Mantilles, offenen Volantes, Obrenbehänfen, 
wie nicht weniger das Pudern umd Kräufen der Haaren bey dreyßig Pfunden 
Buß gänzlich verbotten ſeyn foll. — — — 

Ferner iſt Unſer ermftlicher Befehl und Meinung, daß die Weibs- 
Perfonen und Töchtern, Junge und Alte, ſich müfjigen und enthalten jollen, 
des Tragens aller ftählener und anderer Hals-Zieraten, in die Kirchen, aus: 
genommen einem ehrbaren jchwarzen Halsbändlein, oder einfachen goldenen 
Kettemlein, daran nichts angehängt; desgleichen aller unanftändigen Ent- 
blöffungen, jowol inner als auffer dem Haufe des Herrn, bey fünfzehen 
Pfunden Buf. 

Sodann it ferner Unjer ernftlicher Will, daß für alle und jede Weibs- 
Perjonen, und bey allen vorfallenden Anläfen, es bey dem Tragen des wollenen 
und baummollenen Zeugs, des jchwarzen und rothen Tuchs, der feidenen halb: 
und floret-feidenen Etoffes, aud) gros de tour und brochirten Taffets, für 
das künftige fein erlaubtes Nerbleiben haben; hingegen alles andere gefärbte 
Tuch, die allzufoftbare Persienne, der Brocard, und andere foftlid) brochirte 
Zeuge, alle ſammetene, alle gefarbete, oder mit Spizen bejezte, umd mit ſeidenem 
oder anderm Pelz gefüterte Mantilles, wie auch das (sarnieren der Röken, 
gänzlich und bey fünfzig Pfunden Buß verbotten ſeyn joll. 

Wie Wir dann aucd jedermann alles Tragen der Spizen, jeidener jo 
wol, als leinener, auch blondines, und von Gaze, item allerley Franſen, 
woran es immer ſeyn möchte, bey Einhumdert Pfunden Buß auf das ernftliche 
verbieten, zumalen jolches Verbott auch auf die Umferige, jo fich auf der Yand- 
ſchaft, oder in Babenfährten befinden, gemeint ſeyn joll; mit der Ausnahm 
jedoh, daß Wir denen Weibs-Perjonen, auf Zujehen hin, an den Riemen 
ihrer Kappen und Häublenen, bejcheidenliche Gattungen einfacher Spizen, 
welche nicht mehr als höchitens einen Zoll breit find, zu tragen zugelaſſen 
haben wollen. 

Ingleichem ſoll auch abgefennt jeyn alles und jedes genähete Zeug auf 
Zeiden oder Leinwat, und woran es immer jeyn wolle, gelüchertes Kammer— 
tuch, gemodelte und geblumte Mouseline, wie nicht weniger das Tragen der 





392 


von Gold und Silber geftiften Schuhen und Pantoffeln, alles Tragen ber 
Neiffe und aller fteif ausgedehnten Unterröfen in die Kirchen gänzlich, und 
deren Mifbrauc auf der Gaffen, bey fünf und zwanzig Pfunden Buß; in- 
zwijchen mag auf Zufehen bin, das Tragen der undurchbrochenen genäbeten 
Halstüchern frey ftehen und bemwilliget jeyn. 

Dann verbieten Wir auch fürehin alles Ernfts, jowol Manns: als 
Weibs-Verfonen, das Tragen aller Perlen, Edelgefteinen, Carniöl, Gejundheits- 
Steinen, Elements:Steinen, Perlemutter, auch alle Gattungen anderer guter 
oder faljcher Steinen und Glasflüffen, einig die Eryftallene Hembderfnöpfe und 
die ſchwarzen Steine, auf Zufehen hin, hiervon ausbedungen, von was Ge: 
jtalt oder jonftiger Farb, auch wovon ſolche immer feyn mögen, bei Confis- 
cation und Einhundert Pfunden Buß. Item die föftliche, mit Schmelz-Arbeit 
gezierte, mit Schiltfrott gefaßte, mit goldenen Nägeln bejchlagene und gemwürfte 
Bücher, die neuaufgefommene von Silber polirte, auf Kleinode, Kettemlein, 
an Ningen, und andere auf Gold gejezte Steinlein, alle abhangende Contre- 
faitlein und andere Figuren; denen Manns: und Weibs-Perjonen die Massiv- 
goldene Saf-Uhren, jamt den Massiv-goldenen Tabatieren und Degengefäfjen, 
gänzlih und bey Confiscation. Wie dann weiter all- und jedes gold- und 
jilber-fädene Zug, es ſey mm gut oder faljch, und von was Gattung, oder 
woran es immer jeyn mag, bei allen und jeden Anläjen, mit der alleinigen 
Ausnahm der bordierten Hüten zu Pferd. Desgleihen jolcher, und dann in 
weiterm auch noch der gold» und filber-füdenen Knöpfen auf den Mufterungen, 
und bey dergleichen Anläfen für die Herren Officiers eines bejcheidenlichen 
bordierten Pferdgerufts ; jeglicher diejer obspecifieirter Artifeln bey fünfzig 
Pfunden Buf. 

Allen Unfern Mägden, und allhier in Koft und Yohn ftehenden Dienjten, 
ſowol verburgerten als einheimſchen und fremden, verbieten Wir das Tragen 
aller halb: und ganz-jeidener Kleidern, Brüften und Corsets, von ſeidenem 
Damaſt, an Sonn und Werktagen ; mithin auch infonderheit das jeit einiger 
Zeit unter ihnen aufgefommene Tragen der Reiff- und anderer fteif-ausgedehnten 
Röfen: Item die foftliche Halstücher, daS Tragen der Volantes und Man- 
tilles, und das unanftändige Kräuſen und Pudern der Haaren gänzlich und 
zu jeden Zeiten bey zehen Pfunden Buß; und ift hierbey Unſere heiter-aus— 
gedrufte Meinung und Gebott, daß felbige in die Kirchen, über die Kappen 
oder Häublein nichts anders als ein baummollen weiſſes Kopftuch zu tragen 
befügt jeyn jollen. 

Allen und jeden Manns Perfonen befehlen Wir, daß jolche in alle Kirchen, 
bürgerliche Bötter, und für die Tribunalien jhwarze Mäntel und glatte Krägen, 
auch an den hoben Feſten, ſowol in der Franzöſiſch- als Teutſchen Kirchen, 
Yeidhüte; diejenige aber, jo des Grofjen Raths find, bey dergleichen heiligen 
Anläjen und andern solennen Tagen, die die Krägen tragen, bey fünfzehen 


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393 


Pfunden Buß: Mithin aber aller und jeder Kleidern von Sammet, Castor 
und Atlas, der Vestes und SHojen von gefarbetem und ausgejchnittenem 
Sammet, desgleichen der geftiften Sachen, auch gemodelt- und geblitmt-jeidener 
Kleidungen gänzlich und bey fünfzig Pfunden Buß fich müffigen und enthalten, 

Es ſollen auch alle Unſere Verburgerte, in fremden Kriegs-Dienften ic) 
befindenden Officiers, jamt ihren Frauen und Kindern, allen in diefem Mandat 
enthaltenen Verordnungen ſich durchaus gefliffenlich zu unterziehen und Folge 
zu leiften pflichtig, und nichts al8 das Tragen der Negiment3-Uniformes hie: 
von ausgenommen jeyn. Auch ordnen Wir, daß denen aus der Fremde wieder 
heimkommenden jungen Verburgerten, ihre aus fremden Yanden anher gebrachte 
und hierinn abgefennte Ktleidungen, nicht länger als eine Zeit von ſechs Wochen 
zu tragen verwilliget jeyn foll; und zwaren all- und jedes bey obausgejezter Buß. 

Denen geiftlichen Exspectanten und Studenten gebieten Wir, daß jelbige 
ſich einer ehrbaren jchwarzen Kleidung befleiffen, und feine jeidene, noch mit 
weiſſem oder andern, auch jchwarz-feidenem Zeug gefüterte Kleider oder Camifol 
haben, mithin fie die Exspectanten in die Collegia, bey Disputationen, oder 
andern Anläjen bejcheivenliche dife Krägen, die Studenten hingegen glatte 
Krägen und Mäntel tragen; alle und jede aber aller anderer Allemodereyen, 
und die Zeit ber aufgefommenen ihrem Stand ganz unanftändigen gefarbeten 
Kleidern ſich gänzlich müfjigen; in der ausdrüflichen Meinung, daß die Un: 
gehorfame nicht allein von Unjern Verordneten zur Auffiht nach Verdienen 
abgejtraft, jondern annoch denen verordneten Examinatoribus zu gleid) jcharfer 
Reprehension gelaidet werden ſollen. — — 

So iſt auch Unfer ernjtlicher Will, das alle Neuerungen, fie ſeyen 
bierinn verbotten oder nicht, zumalen nicht alles ausgeſezet werden fan, gänzlich 
und bey fünf und zwanzig Pfunden, auch je nach deren Bejchaffenheit ver: 
mehrter Buß verbotten jeyn follen. — — — 

Des Schlittenfahrens halber ift Unſer Befehl und Meinung, 
dag jolches, auffer in dem Tall aufftoffender Reiſen und Gejchäften, gänzlich 
verbotten jeyn joll, bey zwanzig Pfunden unnachläfliher Buß, jo oft. einer 
darmwider handeln wurde. 

Das Danzen an Hochzeiten, Brautmählern und andern vffentlichen 
Anläfen, wie auch das aufs neue wieder jtarf einreiffende Ürten-tragen und 
Badenjchenfen wollen Wir bey zwanzig Pfunden Buß verbotten haben. 

Und demnach die Berehrungen, jo ein Hochzeiter oder Braut ihren 
Brüdern, Schweitern, Schwägern umd Gejchweyen, auch Götti und Gotten, 
Braut- und Bräutigams-Führern thut, je länger ie höher fteigen; fo ift hiemit 
Unfer ernftgemeinter Will und Befehl, daß ſolche, jie jeyen nun an Geld, 

' oder Gelds: Werth, bey fünfzig Pfunden Buß verbotten ſeyn jolfen. — — — 

Der Ehren-Mahlzeiten halber, auf Gonftaffel und Zünften, ijt 

Unjere Meinung, daß der, jo eine Mahlzeit giebt, aufjer denen Zünftern, 


394 


gar und ganz niemand andern zu laden befügt jeyn joll, als Eltern, Kinder, 
Brüdern und Schmägern; in dem heitern Verftand, dak darbey alles Ge- 
flügel, Confect, Zuferwerf, und fremder Wein, ſowol als das ftarf einreifjende 
Thee- und Gaffe-Trinfen auch Tabafrauchen gänzlich verbotten ſeyn joll: 
Sonderheitlich aber gehet unſer ernitlicher Befehl dahin, daß jowol die Ehren- 
Säfte, als auch die Abwarten, ſich fünftighin des die Zeit her jo weit ge- 
triebenien Überfizens, auch danahen flieffenden gar unanftändigen Jolens und 
Wüehlens gänzlich enthalten: Es jollen auch alle andere von erlangten Ehren- 
Stellen herrührende Privat-Mahlzeiten, jie werden gleich auf den Zünften, 
Gejellihafts-Häufern, Wirths- oder Privat-Häujern gehalten, gänzlich, bey fünf 
und zwanzig Pfunden Buß verbotten jeyn. — — — 

Weiter wollen Wir, daß alle Schent- und Trinf- Häufer nad) der 
Thor-Glogg bejchloffen jeyn jollen; in der Meinung, daß derjenige, jo über 
die Zeit aus zu trinfen geben würde, zwanzig Pfunde, und jede Perſon die 
er jezt, fünf Pfunde Buß bezahlen joll. Dannethin verbieten Wir auch den 
Mifbraud des Tabaks, und follen diejenigen, jo auf den Gaffen und 
Strafen, wie auch diejenigen, welche in den Wirths- und Schenfhäufern zu 
offenen Fenſtern hinaus, auch vor denen Yäden hier in der Stadt, es jeyen 
gleih Burger oder Yandleute, desgleichen in den Ställen und Scheuren, und 
bey dem Tröjchen Tabak rauchen, von Unſern Verordneten mit Geld-Buß oder 
Gefangenichaft unausbleiblich gejtraft werden. — — — 

Das Fahren jomwol im eigenen als Yehngutjchen und Chatjen, in 
Unjerer Stadt und denen Vorftädten, verbieten Wir hiermit gänzlih, und 
zwar bey fünfzig Pfunden unnachläßlicher Buß. 

Weil Wir auch wahrnehmen müſſen, daß die Zeit her das übermäflige 
Yeidtragen zu groffen Koften Anlaß gegeben, und allzuweit erjtrefet worden, 
ift Unſer Will und Meinung, daß für Eltern, Groß Eltern, Ehegenoſſen, er- 
wachſene Kinder, und Kinds-Kinder, höchſtens ein Jahr lang; für erwachſene 
Geſchwiſterte ein halbes Jahr; für Oncles und’ Tantes aber eine fürzere 
Zeit, das Yeid getragen; hingegen für Neveux, Nieces und Geſchwiſterte— 
Kinder, nur das kleine Yeid gebraucht, und getragen werden möge; auch jollen 
die Dienfte, und zwar nur diejenige, jo wirklich und bejtändig in dem Haufe 
wohnen, einig und allein bey Abfterben des Hausvaters oder der Hausmutter 
ganz ſchwarze Kleider tragen, mithin für die längite Yeid- Zeit mehrers nicht 
als eine einige ſchwarze Stleidung zu empfangen haben. 

Endlich verordnen und gebieten Wir auch Hoch Obrigkeitlich, daß jeder- 
mann vor dem ärgerlichen Ausftreuen verleumderiicher Shmäh- umd Läſter— 
Schriften, wie nicht weniger vor dem Tadel Unſerer beftgemeinten Mandaten, 
Urtheilen und Erkanntnuſſen, jorgfältig sich hüte, umd des einen jo wol als 
des andern gänzlich enthalte; geitalten Wir denen darwider handelnden mit 

äufferftem Eifer nachforſchen, und die in Erfahrung bringende je nad) Be: 








3% 


findnuß der Sachen Beichaffenheit alles Ernſts anfehen werden: Auch, jo der 
ein als andere dergleihen Schmäh- und Yäfter- Schriften antreffen und finden 
jolfte, wird er jelbige alfobald unnüz machen, und niemandem zeigen, nod) 
davon etwas eröffnen; widrigenfall® Wir einen folchen für den Thäter ſelbſt 
halten, und darnach abbüffen würden. 


169. Landammann und Rat von Uri an Bürgermeifter und Rat 
von Zürich. 16. Oktober 1790, 


Archiv für fchweizeriiche Geſchichte. I. S. 310 f. 


Uns ift unter der Aufichrift „a Monsieur Monsieur le Landammann d’Uri 
pour le Conseil et Communes du pays“ von dem berüchtigten jchändlichen 
Schweizer-Efub in Paris eine gedrudte Zufchrift zufommen, intitulirt: „Lettre 
aux Communes des Villes, Bourgs et Villages de la Suisse et de ses 
Allies, ou l’Aristocratie Suisse devoilee*, welche Euh U. G. L. A. E. 
gewiß auch jchon zu Geficht gefommen ift. Dieſes abermaligen vermwegenen 
Schrittes des verruchten Clubs Euch Tit. ungejäumt zu benachrichtigen, fanden 
wir in unjerm reblichen, treuen Bruderherzen Pflicht. Und wir thun auch ein 
Gleiches mit eben diefer Post zu Euern und unjern %. E, von Bern, Luzern 
und Freiburg beobachten. Ihr U. ©. L. A. E. könnt in Euerm eigenen Herzen 
es bejjer lejen, al8 wir es zu bejchreiben vermögen, wie dieje jo böswichteriſche 
Aufwieglungsichrift, wahres Mord: und Brand-Libell, von uns werde an- 
gejehen worden jein. 

Mit Urteil und Recht haben wir dieß Fibell zum Feuer durd Scharf: 
rihter8 Hand verdammt, der fünftigen Donnerstag dasjelbe zu Altorf ver 
brennen joll. In dieſem ift unjre fromme Hauptabjicht, eine ganze Welt zu 
belehren, wie fteif und unausjeglich die jchweizerifchen hohen Obrigfeiten an- 
einander bangen, wie fürchterlich und ſchwer ihre vereinte heilige Herrfcherhand 
auf den Scheitel aller derjenigen fallen würde, die zu Meajeftätsverlegung an 
den Pandesfürften ſich verirren thäten. — — — 

Dahero haben wir angefehen, in unjerm ganzen Land von allen Kanzeln 
durch ein Mandat Allen und Jeden, wes Standes, Wirdens und Weſens 
auch die jeien, zu befehlen, alle Aufwieglungsfchriften, jo ihnen durch irgend 
einen Weg zufommen möchten, von Stund an dem Herrn Richter des Yands 
einzuhändigen, als lieb einem jeden fein werde Vermeidung hochobrigfeitlicher 
Straf und Ungnad. 

Nun warn wir aber zu gemeiner Ruhe und Sicherheit das Zuträglichite 
zu jein erachten, wenn in eidgenöſſiſchem Namen bei feiner Allerchriſtl. Majeftät 


U. 


396 


auf die Auslieferung diefer Böswichter des Clubs vermöge des 8 15 des 
Schirmbündniſſes von 1777 gedrungen würde, jo thun wir Euch Tit. diejen 
unmaßgeblichen Vorſchlag, geben Eud) zugleich zu erwägen, ob nicht gut wäre, 
den Amtsleuten der gemeinen Herrſchaften jcharfe Aufjicht wegen Einftreuung 
gefährlicher Schriften zu befehlen, und empfehlen Euch ſammt uns in engit 
brüderlihe Umarmung grundmüthigſt Gottes heiligfter Bewahrung. 


170. Eſcher (von der Linth) an Rengger über die Htäfner 
Unruhen. 3. September 1795. 
Aus Wydler, Leben und Briefwechſel von Albrecht Nengger. I. S. 204. 


Baden, den 3. September 1795. 


Wie oft hätte ich in den legten Zeiten Deinen Rath, Deinen Troft nötbig 
gehabt, aber ic kannte Deine Gejchäfte zu gut, um mich deßwegen an Dich zu 
wenden. Jetzt ift mir wieder leichter ums Herz. Noch vor acht Tagen war 
alie8 gegen die Urbeber umferer Unruhen mörderifch geftimmt — man aber, 
Gott jei Dank, und bejonders auch dem alten Yavater, der Himmel und 
Erde gegen die Blutegel in unjerer Negierung bewegte, joll wenigitens fein 
Blut fliegen. Daß man die Harlefinade begeht, diefe Männer aufs Schaflot 
zu führen und da das Schwert über ihnen zu jchwingen, mag ich am Ende 
noch wohl leiden. Genug, daß ihnen ihr Kopf bleibt, der ihnen wohl auch 
einjt Mittel an die Hand geben wird, andere als bloße Kterferluft einzuatınen. — 
Aber was nun weiter die Folge fein wird, das iſt wichtig; hoffentlich ift die 
Regierung jo erichredt, daß fie von ſich aus und ihrer jelbit wegen auf Ber: 
bejferung einiger der wichtigſten Staatögebrechen denten wird. Freilich wird 
das nur ein Palliativ fein; allein bis die Menjchen lernen ohne blutige 
Komvulfionen ihre großen Haushaltungen vernünftiger einzurichten, ſehe ich 
doch einftweilige Palliativfuren nicht ungen. Mit Füßli war ich in den 
legten Zeiten nicht unzufrieden. Freilich deflarirte er fich nicht ganz offen, 
wirfte aber darıım und ohne die Magnaten durch direften Widerjpruch noch 
mebr zu erbittern, fehr viel. In einigen bejondern Unterredungen wurden wir 
recht gute Freunde. — Auch unjer Uſteri betrug ſich — für mich um: 
erwartet — gut und vernünftig in diefer Gejchichte. Er blieb eingezogener als 
ich, weil er jah, daß wir zu ifolirt feien; aus bloßer Vernunft unterließ er 
mebrere Schritte, die ich erft dann eintellte, als ich den Kopf angejtopen 
hatte; allein im feiner Privatunterhaltung war er dagegen jo fieberhaft, daß 
wenn er diefe Stimmung beibehält, bis er jelbit aus Pflicht reden muß, er jeden 
guten Eindrud feiner vortrefflichen Dentungsart in feiner Wirkung jelbft hemmt; 


—— — — — Eh 


397 


wenn Du doch hierin auf ihn wirken fünnteft! In diejer Rückſicht gewährt 
mir mein fühlerer Charakter große Vorzüge vor Ufteri. Daß der alte Yavater 
bei feinem ehemaligen Wüthen wider die Franken jett ſich jo eifrig der guten 
Sache annimmt, jeheint vielen der auffallendfte Widerjpruch zu jein — man 
ift aber hierin ungerecht gegen ihn. Er wüthete eigentlich nur wider den Königs— 
mord und wider die Nevolutionsregierung — ganz wie Dr. Ujteri, beide find 
Girondiſten — jett erblicte er im unfern Verhafteten, was er einjt im König 
und den Schlachtopfern der Nevolutionstribimale ſah, Menjchen, die den Tod 
nicht verdient haben. — Konnte er aljo konſequenter handeln, als ſich für 
beide ins Feld zu laſſen? Und ich darf wohl jagen: ohne ihn lägen nun 
unſere Inſurgenten im diefer Stunde — Morgens 8 Uhr — in ihrem Bfute. 
Predigten, Bittjchriften, Beſuche jeder Art wandte der wadere Hans Kafpar- 
an, um die Unſchuld zu retten. Er war der erſte, der öffentlich jagte, dieje 
Inſurgenten wären, diefen Fehler abgerechwet, vortreffliche Gatten, mufterhafte 
Hausväter, gute Bürger, — das jagte er, ohne auf das Toben der Blutdürftigen 
zu achten, letten Sonntag laut ab der Kanzel. — Er habe meinen Segen! — 
Sein Bruder, Rathsherr Yavater, war gleich eifrig wie Hans Kaſpar und 
weckte vielleicht den Eifer Füßli's, vecht herzhaft hervorzutreten. Auch Zunft: 
meifter Bürfli jei uns in diefer Hinficht geehrt. — Da ich von Zürich) 
wegjagte, jobald ich das Urteil kannte, ſelbſt ehe die Sejjion aus war, jo 
fann ich Div nichts Näheres über die Individuen, die mitgewirkt, angeben; 
willſt Du, jo geſchieht's ein andermal. 


— —— 


Vierter Teil. 
Die Schweiz ſeit 1798. 


171. Peter Ochs an Bonaparte. 12. Dezember 1797. 


Überfetst von Hottinger, Vorlefungen über die Geſchichte des Untergangs ber 
ſchweiz. Eidgenoffenfchaft der dreizehn Orte. S. 290 ff. 


Es ist schon viel für mich gewonnen, wenn Sie selbst wissen, dass, 
insofern die Schweiz ihre vorgebliche Verfassung behält, in Frankreich 
sich noch oft die Ereignisse vom Vendemiaire und Fructidor erneuern 
müssen. Diese innige Überzeugung ist es, die mich endlich bewogen hat, 


he... ce: 





398 


selbst für eine Revolution tätig zu sein, deren Notwendigkeit ich besser 
einsehe, als wohin sie uns führen werde. Ein zweiter wesentlicher Punkt 
ist die Frage, ob wir die föderative Staatsform beibehalten sollen, die 
Östreich so sehr gefällt, oder die Einheit einführen, das einzige Mittel, 
aus der Schweiz eine getreue und ehrliche Bundesgenossin der französi- 
schen Republik und eine Schutzmauer für dieselbe längs eines Teiles 
ihrer Grenzen zu machen. Mit dem grössten Vergnügen habe ich gesehen, 
dass auch Sie die Ansichten der Patrioten teilen. Was nun aber die 
Weise der Ausführung betrifft, so bedürfen wir vorzüglich des Rates und 
der Unterstützung. Das Ergebnis unseres Briefwechsels und unserer 
Unterredungen geht dahin, dass eine Nationalversamnılung erforderlich 
'sei und zu deren Schutze die Aufstellung eines Armeekorps in ihrer Nähe; 
allein über die Art und Weise, wie die Einberufung dieser Versammlung 
zu Stande zu bringen sei, wissen wir vorderhand uns nicht zu raten. 
Die Mehrzahl, bekannt mit dem Geiste ihrer Kaste, wünscht eine Er- 
klärung der französischen Regierung, und in der Tat, dieselbe könnte 
leicht so ausgestellt werden, dass Jedermann zugestehen müsste, Frank- 
reich sei berechtigt, eine Verfassungsänderung zu verlangen. Sollte man 
dies aber nicht tun wollen, so erlaube ich mir hier einige andere Ge- 
danken Ihrer Prüfung zu unterwerfen. 


1. Ich wünsche, dass es mir erlaubt würde, meinen Freunden durch 
einige doppelsinnige Phrasen zu verstehen zu geben, dass sie Unter- 
stützung finden werden, wie z. B. dem schönsten Tage muss die Morgen- 
röte vorhergehen, oder jedem grossherzigen Vertrauen folgt früher oder 
später die Vergeltung. 


2. Sollte man Zürich zu wissen tun, dass die wegen politischer 
Vorgänge verlangte Amnestie auch auf die Stäfner sich erstrecken müsse. 


3. Nachdem ich in meinem Kanton durch eine einleitende Rede 
alle Gemüter werde vorbereitet haben, werde ich im versammelten Rate 
von der Notwendigkeit sprechen, den Unterschied zwischen Bürgern und 
Untertanen fallen zu lassen. Ich werde meine zwei Schwäger beauftragen, 
den ausdrücklichen Antrag zu stellen, unsern Untertanen die Freiheit 
und das Bürgerrecht, dessen die Städter geniessen, zu erteilen..... 


4. Es wird gut sein, wenn Frankreich seine unbestreitbaren Rechte 
auf das Münstertal, Erquel und Biel gelten macht. 


5. Ebenso, wenn es die in der Stadt und dem Kanton Basel ge- 
legenen Häuser und Grundstücke des ehemaligen Bistums Basel in Anspruch 
nimmt. 


6. Ferner muss dasselbe seine Garantie der Freiheiten des Waadt- 
landes in Anwendung bringen. 


7. Die italienischen Vogteien sollen Bittschriften einreichen, und 
von Mailand aus es nicht gehindert werden, dass die Cisalpiner mit ihnen 
fraternisiren. 


8. Das demokratisch gewordene Basel kann dann den Waadtländern, 
den Bewohnern der italienischen Vogteien und des Gebietes des Abtes 
von St. Gallen antragen, mit ihm gemeinsam eine Nationalversammlung 
zu errichten. Es kann die Glaruer und Appenzeller, die Waadtländer und 


Pie * ll — — en et in a TEE ner — — —— — —— — — 


399 


Neuenburger einladen, teil zu nehmen. Unzweifelhaft werden, wenn dieses 
stattgefunden hat, auch Luzern, Unterwalden, und allmälig die gesamte 
übrige Schweiz sich anschliessen. 


9. Die französischen Agenten müssen revolutionäre Schriften unter 
das Volk werfen und allen Regierungen bestimmt erklären, dass Frank- 
reich diejenigen, welche an den Verbesserungen der Zustände des Vater- 
landes arbeiten, in seinen Schutz nehme. Diese Erklärung ist aus Gründen, 
die ich mündlich entwickeln werde, durchaus vonnöten. Sie kann indes 
offieiell oder im Vertrauen geschehen. Das erstere findet statt, wenn sie 
an den Vorort Zürich zu Handen sämtlicher Regierungen gerichtet wird; 
das letztere, wenn die Agenten hier an diese, dort an jene Hauptperson 
in den einzelnen Kantonen schreiben. Ich anerbiete mich, den Entwurf 
eines solchen vertraulichen Schreibens vorzulegen. 


Ich ende, indem ich Ihnen, Bürger General, wiederhole, dass nur, 
wenn mit den Anstrengungen der Patrioten die Unterstützung Frank- 
reichs sich vereinigt, die Rettung jener und das Gelingen der Revolution 
ohne zu gewaltige Erschütterungen möglich sind. 


Ohne diese Übereinstimmung sehe ich entweder eine Teilung der 
Schweiz, oder die neue Befestigung der wütendsten Oligarchie voraus. 
Man muss Teilhaber der letzteren gewesen sein, um sie zu kennen. 


172. Der Minifter der fränkifchen Republik an die wakern 
Bewohner der Schweiz und befonders an Die Berner. 
Anfangs Februar 1798. 


Flugblatt, Ztadtbibliothef MWintertur. 


Schon hat die Stunde der Unabhängigkeit für euere Mitbürger des 
Waadtlandes gejchlagen, und fie war nicht die Stunde euerer Freyheit! Eure 
Brüder haben das Joch eines hafjenswürdigen Deipotismus abgeworfen, und 
eure Stirne brandmarft noch das Mal der Knechtihaft! — Wer kann euch) 
hindern, euch zu der Freyheit aufzuſchwingen, die euch angeboten ift? Welche 
unbefannte Gewalt bewaffnet euch gegen euch jelbjt umd macht euch zum 
Werkzeuge eurer Unterdrüder ? Nicht zufrieden, die Gleichheit, die euch winkt, 
von euch zu ſtoßen, wollt ihr fie euern Brüdern rauben, die fie errungen 
haben. Warum verlanget ihr nicht lieber, gleich ihnen, die Nechte, welche 
euch die Natur verliehen hat? Waget es, fie zu fordern, und. wieder frey, 
wieder Schweizer zu werden. — — — 

Ja, euere Obrigfeiten betrügen euch, wenn jie euch die Freyheit als 


eine mordjüchtige und blutdürftige Gottheit ſchildern. . . .. Euere Obrigfeiten 
betrügen euch, warn fie euch verjichern, dat eine heilfjame Wiedergeburt nur 
unter Schmerzen und Unglück gejchehen könne. .... Euere Obrigfeiten be— 


400 


trügen euch, wenn fie mit frecher Stirne euch verfündigen, daß die franzöftiche 
Republik ſich eueres Bodens bemächtigen wolle. Die franzöſiſche Re— 
publif ift zu groß, um auf Koſten eines Bundsgenoſſen, eine 
ungeredhte Vergrößerung zu wollen, deren fie nicht bedarf. Sie 
ift zu edelmüthig, umfich für einen Schuß bezahlt zu maden, 
den jie für jedes unterdrüdte Volf bereit hält. Sie fennt in 
Helvetien nur einen Feind, und diejer ift noch vielmehr der Eurige. Es 
ift der Magiftrat von Bern, diejer wahnfinnige Tyrann, der jich gegen euch 
einer langen und barbarijchen Unterdrückung, gegen Frankreich mancherlei 
treulofer und jchändficher Complotte jchuldig gemacht hat; und der endlich 
ein Verbrecher an allen helvetiihen Cantonen wird, deren Sicherheit er auf 
das Spiel jekt. 

Erwachet endlid), brave Einwohner der Schweiz, erwachet aus euerem 
Zodesihlummer! Ahmet nach euern Mitbürgern im Waadtlande, euern 
Brüdern in Bajel! Die Waffen, womit eure Tyrannen euch ausgerüftet 
haben, und die bejtimmt waren, mit dem Blute eurer Brüder getränft zu 
werden, fehret fie gegen eure Beberricher! Alsdann werdet ihr, befreyt von 
einer langen Tyrannei, euch felbft eine Regierung geben fünnen, an der nichts 
euch hindert, felbjt Antheil zu nehmen. Dann werdet ihr nicht mehr im 
Schweiß eueres Angefichts für eine Fleine Anzahl übermüthiger Familien ar: 
beiten, die jich der Früchte eueres Fleißes anmaßen. . . Alsdann werdet ihr, 
vereinigt unter einer weijen Berfafjung, die euer Werf jeyn wird, end- 
lich die glücklichen Früchte der Freyheit und Gleichheit einerndten, die man 
bisher in euerem Yande faum dem Nahmen nad) gefannt hat. Erjt wann 
ihr euch würdig gemacht habt, jie zu genießen, werdet ihr fühlen, wie jüRe, 
wie beglüdend jie find, 

J. Mengaud. 


173. Aus Brune's Rorrefpondeny. Februar 1798. 


Überjetst aus dem Franzöſiſchen. Herausgegeben von W. v. Stürler im Archiv für 
Schweiz, Geſchihte Bd. XII. &. 232 f. Bd. XIV. &. 175 ff. und Bd. XVI. ©. 179 fi. 


6. Febr. 1798. Brune an das französische Direktorium. — Ich 
habe mich zu vagen Unterhandlungen entschlossen, bis der General 
Schauenburg die Position von Biel besetzt hat; dann werden die Oli- 
garchen tun, was Sie von ihnen verlangen, oder meine Expedition wird 
nur noch ein Handstreich sein; ich glaube indessen, dass sie halb aus 
Furcht‘ halb aus Gewissensbissen sich selber exekutiren werden, ohne es 
zum Kampfe kommen zu lassen; im letztern Fall, um so schlimmer für 





— 
— — — 
ur — 


401 


sie. .... Ich fange an im Lande geheime, Verständnisse zu unter- 
halten, die mir Erfolg versprechen; morgen oder später werde ich Ihnen 
reichlichere Aufschlüsse geben; in diesem Augenblicke liegt mir am 
meisten daran, dass Schauenburg in Biel anlange und dass ich Ihren 
Verfassungsplan für die Schweiz erhalte. 


12. Febr. Brune an Schauenburg. — Dieses Land [die Waadt) 
hat soeben für seine Rechnung das Verfassungsprojekt, welches ihm von 
Paris geschickt worden ist, angenommen; ich verhehle indessen nicht, 
dass die Berner hier nicht so verabscheut werden, als sie es sein 
sollten. ... Die Berner werden heute zwei Abgeordnete zu mir schicken ; 
ich werde die Zeit dieser Konferenzen benutzen, um den Vorwand zu 
haben, Sie durch einen Offizier einzuladen, keine Bewegung zu machen; 
durch dieses sehr einfache Mittel werden wir im stande sein, in Über- 
einstimmung und auf die Minute zu handeln, wenn sie nicht aufrichtig 
entschlossen sind, den Willen des Direktoriums auszuführen. 


17. Febr. Brune an das Direktorium. — — Die Verzögerungen, 
welche die Notwendigkeit der Ausführung Ihres Willens entgegensetzt, 
weit davon entfernt, die Streitkräfte des Feindes zu vermehren, bewirken 
vielmehr ihre Auflösung durch die Langeweile, die Ermüdung und das Rä- 
sonniren seiner buntscheckigen Milizen. Die französische Streitmacht da- 
gegen verstärkt sich mit jedem Tag. Seien Sie versichert, Bürger Direk- 
toren, dass ich es weder an Klugheit noch an Kühnheit werde fehlen 
lassen. ... Als ich vor acht Tagen die Linie inspizirte, traf ich in Moudon 
einen Herrn Herrenschwand von Murten, einen schon bejahrten Mann, der 
Friedensworte an mich richtete. Da ich mir diesen Zwischenfall zu nutze 
machen wollte, um mir die Zeit und die Mitt! zu verschaffen, meine 
Verbindungen zu sichern, lud ich diesen Privatmann ein, nach Payerne 
zu kommen, wo ich Musse hätte, mit ihm zu konferiren. .... Unsere 
Konversation bewegte sich in Allgemeinheiten, wobei er mir immer Recht 
gab, und endigte seinerseits mit der Bitte um eine Konferenz mit zwei 
bernischen Deputirten, welche von dem grossmächtigen Rat nach Payerne 
geschickt würden. Dieser Rat und Herr v. Erlach haben mich um einen 
Pass ersucht für die Herren Oberst T'scharner und Altseckelmeister 
Frisching; ich habe ihnen willfahrt. ... Sie sind vorgestern abend 
in Payerne angekommen ... und ich habe gestern mit ihnen konferirt. 
Sie gestehen mir die sofortige Abschaffung der Oligarchie und die 
Herstellung der Freiheit und Gleichheit zu; sie streiten über den Sinn 
des Wortes Einheit und verbinden damit hartnäckig eine Idee von 
Bund.... Es sind in dieser Verhandlung zugestandene Punkte genug, 
um sie hinauszuziehen, und ablehnbare Forderungen genug, um sie 
nach Belieben abzubrechen. Einstweilen sind die Soldaten in der besten 
Stimmung; sie bekunden laut das Verlangen, sich zu schlagen; und 
diesen Abend haben die Herren von Bern unter ihren Fenstern Kor- 
poräle hören können, die sich über die Teurung der Lebensmittel be- 
klagten und ausriefen: «Vorwärts nach Bern; da werden wir solche 
billig finden !» 


18. Febr. Brune an Direktor Barras. — Es ist mir, als ob ich 
dich sagen höre, mein teurer Barras: «Was macht Brune? Warum ist 
Oechsli, Quellenbuch, 26 


402 


er nicht in Bern? Er verliert Zeit.» .... Aber ohne Munition, Ka- 
nonen, Kavallerie und Artillerie, was hättet ihr von mir gesagt, wenn 
ich marschirt wäre, wenn ich euch verraten und mich entehrt hätte... . 
In zwei Tagen werde ich in Bereitschaft sein. Es blieb mir nur noch 
übrig, mit Schauenburg eine prompte Verbindung herzustellen. Zu 
diesem Zweck habe ich eine Konferenz mit zwei Abgesandten von Bern 
angenommen, die mir sicheres Geleite für einen Offizier gewährt haben, 
welcher abgegangen ist, um mit Schauenburg Rücksprache zu nehmen. 
Ich schicke die Konferenz dem Direktorium; ich habe nur unbestimmt 
gesprochen, um nichts abzuschliessen; aber wenn ihr nur eine Ande- 
rung im helvetischen Staate und die Unabhängigkeit des Waadtlandes 
wollt, habt ihr nicht nötig, einen Tropfen Blut zu vergiessen. .... 
Was ihr wünschtet, geschähe. In der Tat werden dadurch 1) Truppen 
verfügbar, 2) die in ihrem Innern bewegte Schweiz ist ausser stand, 
euch zu schaden, 3) die Mächte werden keinen Vorwand haben, sich in 
irgend etwas in die nene Ordnung der Dinge einzumischen, 4) ein langer 
Krieg und langer Hass wird im Entstehen erstickt. Auf jeden Fall 
werde ich vom 7. auf den 8. [Ventose, d. h. 25. auf 26. Febr.| meinen 
Angriff kombinirt mit demjenigen Schauenburgs beginnen, wofern ihr 
mir nicht neue Ordre gebt. 


22. Febr. Das Direktorium an Brune. Sie müssen, ohne allen 
weitern Verzug, Ihren Plan, auf Bern zu marschiren, ins Werk setzen. 
Sie werden die in der Depesche des Direktoriums vom 29. Pluviose er- 
wähnte Aufforderung zur Übergabe voranschicken, indem Sie hinzufügen, 
dass, wenn Sie den geringsten Widerstand erfahren und ein einziger 
Tropfen französischen Blutes vergossen wird, die Mitglieder der bernischen 
Regierung mit ihren Köpfen sowohl als mit ihren Gütern dafür haften 
werden, und dass Sie das unerbittlichste und eklatanteste Strafgericht 
dafür werden ergehen lassen. — 


24. Febr. Brune an das Direktorium. — Bürgerdirektoren. Der 
Angriff, statt am achten dieses Monats begonnen zu werden, wie ich 
Ihnen durch einen ausserordentlichen Courrier angekündigt hatte, kann 
erst am 10. [28. Febr.) stattfinden, weil die Schwierigkeit der Ver- 
bindungen infolge des reichlichen Schneefalls grösser geworden ist. ... 
Die Truppen unter dem Befehl Schauenburgs sind so zerstreut von diesem 
Orte |Neuenstadt| bis nach Basel, dass es unmöglich wäre, sie in weniger 
als drei Tagen zusammenzuziehen, selbst in Eilmärschen. — — 


25. Febr. Brune an Frisching und T'scharner. — Der gute 
Wille, den Sie mir bezeugen, mit Frankreich die alte Freundschaft wieder 
anzuknüpfen, welche Sie mit ihm verband, erfordert, dass ich Sie ein- 
lade, sich am 9. d. [27. Febr.) in Payerne einzufinden. Da ich mit 
Vollmachten versehen bin, ist es unerlässlich, dass Sie es auch seien. 
Gegenwärtiges wird Ihnen als Pass dienen. Sie haben wohl die Güte, 
einen solchen dem Überbringer dieses zu gewähren, der sich nach Basel 
zum Gesandten Mengaud begibt. 

Gleiches Datum. Brune an Schauenburg. — Nachdem ich reiflich 
das Ganze unseres Angriffs überlegt, habe ich eingesehen, dass wir beim 
Marsche nach Bern Freiburg und Soloturn nicht hinter uns lassen dürfen. 


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403 


Ich gebe Ihnen daher den Befehl, Soloturn am 10. dies [28. Febr.) an- 
zugreifen. ... Ist Soloturn eingenommen, so verlieren Sie keinen Augen- 
blick, um auf Bern zu marschiren. — — 


Am 28. Febr. stellte Brune an die bernischen Gesandten das Verlangen, dass die 
Regierung von Bern sofort zu Gunsten einer provisorischen abdanke und ihre Truppen 
entferne mit dem Versprechen. dass falls diese Bedingungen erfüllt würden, seine 
Truppen den Schweizerboden nicht betreten würden, und gewährte zur Beratung dieser 
Forderung einen Waffenstillstand bis zum 1. März. Das hinderte ihn nicht, gleichzeitig 
am 28. Februar von Payerne aus eine Proklamation „an die Vülker des Kantons Bern 
und der andern Orte der helvetischen Eidgenossenschaft‘‘ zu erlassen, in welcher fol- 
gende Stellen vorkommen: 

Die braven Soldaten, die ich die Ehre habe zu kommandiren, sind 
gezwungen, einen Teil eures Gebietes zu betreten; schöpfet daraus 
keinen Ärgwohn, sie sind enre Freunde, eure Brüder; sie stehen unter 
den Waffen gegen die Tyrannei, die ench unterdrückt. Wenn sie die- 
selbe bestrafen, so brennen sie nur vor Begierde, euch das ruchlose 
Joch derselben zerbrechen zu helfen... .... Eure Bedrücker, eure grau- 
samsten Feinde geben sich die Mühe, euch die Furcht einzuflösen, dass 
die französische Republik diesen Anlass ergreifen werde, um ihr Gebiet, 
auf Kosten des euern zu vergrössern. 

Eure edein und hochherzigen Seelen werden diese hinterlistigen 
Einflüsterungen von sich weisen. 

Nein, die französische Republik will nichts von alledem sich 
aneignen, was zur helvetischen J— gehört. Weder der 
Ehrgeiz noch die Habgier werden den Schritt entehren, den ich heute 
in ihrem Namen tue, und nicht als Eroberer, nur als Freund der 
würdigen Nachkommen Wilhelm Tells, nur um die schuldigen Räuber 
eurer Souveränetät zu strafen, befinde ich mich in diesem Angen- 
blicke mitten unter euch. 

Fern sei also von euch jede Sorge über eure persönliche Sicher- 
heit, euer Eigentum, euren Gottesdienst, eure politische Unabhängig- 
keit, über die Integrität eures Gebietes; die französische Regierung, 
deren Organ ich bin, verbürgt sie euch; und ihre Befehle werden 
gewissenhaft von meinen Waffenbrüdern beobachtet werden; ich 
schwöre darauf bei ihrer Liebe zur Freiheit und bei dem Ruhm, 
mit dem sie sich, für dieselbe kämpfend, bedeckt haben. 

Seid frei! Die französische Republik ladet euch dazu ein; die 
Natur befiehlt es euch; und um es zu sein, braucht ihr nur zu 
wollen ! 


174. Bern am 4. amd 5. Mäu 1798. 
Nach zürcheriſchen Gefandtichaftsberichten, Eidgen. Abichtede VIIL 2. 716 f. 


Am 2. Januar 1798 waren Repräfentanten der acht alten Orte ohne Zug, fowie von 
von Freiburg und Soloturn zu einer außerordentlichen Konferenz in Bern zuſammen— 
getreten und tagten dafelbjt bis zum 5. März. Der zürcheriſche Repräſentant Hans Konrad 


D 


404 


Wyß, der ihm beigegebene Kriegsrat Hans Konrad Eſcher, ſowie der Legationsietretär 
‘ob. Jat. Pavater jandten über die Verhandlungen und jonftigen Zuftände in Bern Be- 
richte nach Haufe, die ein anſchauliches Bild von der in der Zähringerftadt in jenen Tagen 
berrichenden Railofigleit und Verwirrung geben. 


DD) cn, 4. März 1798, morgens halb 9 Uhr. — Unſer liebes Vater- 
MIZ {| land eilt mit furchtbar jchnellen Schritten feiner politiichen Auf- 
DM Lölung, jeiner Vernichtung in Hinficht auf Freiheit und Un— 
abbängigteit entgegen.; es ift der Wille Gottes. Alle Umftände, die unjer 
Unglüf und — ich muß mir den Ausdrud erlauben — die unjere jchande- 
volle Zernichtung bewirken, vereinigen ſich. Mit jedem Augenblide vermehrt 
ji die Verwirrung. Nicht nur will in diefen jo enticheidenden Augenbliden 
niemand mehr geborchen, es will niemand mehr befehlen; alle gegenfeitigen 
Bande jcheinen aufgelöst zu fein. Welch’ ein fürchterlicher Tag war der 
gejtrige; beinahe den ganzen Tag auf dem Rathhaus umd den Straßen, von 
welchen Begegniffen mußte ich Zeuge jein. Banden von Soldaten drangen 
ins Rathhaus, oft ohne einen Offizier; bald Der, bald Diefer führte das Wort, 
bejchwerte ich über die Offiziere und daß fie von ihnen verlajfen, verrathen 
geweſen. Solche Klagen wurden von Compagnien angehört, deren Hauptleute 
an ihrer Spike todt geblieben find. Andere drangen mit Ungeftiim auf das 
Rathhaus und verlangten vor den Kriegsrath gelafien zu werden. Sie wollten 
Waffen, Munition und dak man ihnen Offiziere gebe. Für alle Forderungen 
fanden fie ſtets, wie gerecht und billig, gemeigtes Gehör; aber eraltirt und 
unglüdlich verblendet jollte alles auf das erjte Wort, das ab ihren Yippen 
fiel, in bejter Ordnung daitehen. Auf den Straßen führten fie die gleichen 
Reden, äußerten die nämlichen Bejchwerden. Auf der Stelle verjammelte ſich 
immer eine Menge Volles um fie und Bürger predigten einer Menge Zuhörer, 
der Eine Dies, der Andere etwas anderes, aber niemals den Tert, der allein 
in diefen ſchwerſten Augenbliden die Gemüthsftimmung Aller vereinigen und 
lenken jollte. Ungeachtet aller meiner Vorftellungen gelang es mir nicht, meine 
Herren Repräjentanten und einen Theil der Kriegsrätbe für diejenige Stimmung 
zu lenfen, die in diefem Augenblide jo dringend erforderlich gewejen wäre. 
Berns Schickſal mag mm in wenigen Stunden eine Wendung nehmen, wie 
es immer will, ich weiche nicht von der Stelle und erachte meines Standes 
und meiner hoben Prinzipalen Ehre wie meine Pflicht nicht verfannt zu 
haben. — Ihro Gnaden Zteiger hat mit Muth und Würde gejtern der 
böchiten Verſammlung angezeigt und durchaus verlangt, wenn es zu einer 
Gapitulation kommen ſolle, jo verbete er jih, daß jeiner darin im mindejten 
Erwähnung geichebe. Er werde jein Schickſal mit Nube auf alle Weije 
erwarten. 





— — 
—R 


405 


Am gleichen Tage, abends 4 Uhr. — Höchſt unglücklich iſt es zu ſehen, 
wie ſehr man ſich bemüht, dem berneriſchen, mit wenigen Ausnahmen ſo 
tapfern und wohl geſinnten Volk Mißtrauen gegen die Regierung und ſeine 
Offiziere beizubringen, durch Vorſpiegelung, daß es von der erſtern verkauft 
und von den letztern verrathen ſei. Dergleichen perfide Inſinuationen finden 
ſo ſehr Gehör, daß unter einem Theile des Volkes dadurch bereits eine Art 
von Fanatismus bewirkt worden iſt. Zwei wackere hieſige Stabsoffiziere ſind 
dieſen Morgen bereits traurige Opfer dieſer Volkswuth geworden, indem ihre 
gegen den überlegenen Feind bezeigte Vorſicht und Behutſamkeit nicht ihrer 
Klugheit, ſondern einem Einverſtändniß mit den Franken zugeſchrieben ward. 
Herr Oberſt Ryhiner ward auf dem Bärengraben von ſeinen eigenen Leuten 
erſtochen, ſo daß er nach wenigen Stunden verſchied, und Herr Oberſt Stettler 
ward ungefähr zu gleicher Zeit gleich außerhalb der Stadt von einigen Sol— 
daten ſeines Bataillons angefallen, auf die unmenſchlichſte Weiſe zerfleiſcht und 
ihm mehrere Kugeln durch den Leib geſchoſſen. Indeß iſt der Rädelsführer 
dieſer Schandthat hieher gebracht worden, und man redet von prompter und 
ſcharfer Execution gegen denſelben. 

Am gleichen Tage, abends 8 Uhr. — Ich eile Euer Gnaden von den 
in mehrern Rückſichten ſeit einigen Stunden günſtiger eingetretenen Umſtänden 
die förderſamſte Anzeige zu geben. Die Beruhigung hier in der Stadt und 
bei den Truppen, eine Stimmung, die für dieſe entſcheidenden Augenblicke 
angemeſſen iſt, ſcheint allmälig durch Gottes Güte die Oberhand zu gewinnen, 
und vielleicht iſt noch Rettung und eine erträgliche Behandlung der Stadt und 
des Standes Bern möglich. Seit etwa 9 Uhr hat es vielen vereinigten Be— 
mühungen gelingen fünnen, dieje günstige Wendung zu bewirfen und nun hoffe 
ich, die neuorganifirte Negierung werde vollends der guten Sache des Vater: 
lands wieder aufhelfen und der abichenlich anarchiſchen Stimmung von zwei 
Tage, die jo manmnigfaltiges Unheil veranlaft bat, auch unter allen Um: 
jtänden, die hier auf uns warten mögen, ein Ende gemacht haben. Um 
10 Uhr ward nach rührender feierlicher Abdankung der alten Negierung, die 
neue aus hundertundvier Gliedern und einem Präfidenten, nämlich Herr 
Zedelmeifter Friſching, als proviſoriſch gewählt. Herr Tillier ift jogleich nad) 
Murten zu dem General Brune mit diefer Nachricht abgereist, wodurd nun 
alle jeine Forderungen erreicht jein jollten. Bor wenigen Augenblicken kömmt 
die Verabicheidung, er wolle in Perjon und im Begleit zweier Compagnien 
Huſaren und zweier Füfiliercompagnien der neuen Organijation der Regierung 
jelbjt beimohnen, vorher aber müßten alle bernerifchen und eidgenöjjiichen 
Milizen abgedanft umd entlaſſen fein. Euer Gnaden will ich ohne einige Be— 
merfung diefe Zumuthung in ihren Folgen beurtheilen laſſen. Dieſelbe ift aud) 
mit einmiüthiger Stimme verworfen worden, und zudem hat ſich die Negierung 
ſchon in Activität gejett. 


406 


Bern, 5. März 1798, morgens nad 10 Uhr. — Diejen Morgen um 
3 Uhr fam Herr Oberft Tillier zurüd, und welch” bedauerliche Erklärung des 
Generals vernehmen nun Euer Gnaden. Brune befteht auf jeiner Forderung, 
Bern wenigftens auf einen Monat mit etwa jehshundert Dann franzöfiicher 
Truppen zu bejegen, ja da Brune jein Ultimatum nicht einmal fchriftlich dem 
Herrn Tillier behändigen wollte, jo erachten Euer Gnaden die Abjichten diejes 
Generals auf Bern ımd wahrlich auf die ganze Schweiz. Herr Sedelmeifter 
Friſching befammelte jchen gleich nach 3 Uhr die neue Regierung. Auf der 
Stelle nahm man den einmüthigen Beſchluß, dieſer harten, jo ungemein gefahr: 
vollen Zumuthung jich nicht zu unterziehen, jondern das Außerjte zu wagen. 
Ungefähr um 4 Uhr erhielten wir die Anzeige, daß von Murten aus die 
Franzoſen angegriffen und die Feindfeligfeiten angefangen haben. Das Schidjal 
Berns und das unferige wird nun von dem Succef der auch von diejer Seite 
angebebten Feindjeligfeiten abhangen. Während der ganzen Nacht bat man 
hier den Donner der Kanonen von der untern Gegend ber, vermuthlich bei 
Burgdorf, Derzogenbuchjee, Wangen, Fraubrunnen und der Enden deutlich 
vernehmen fünnen. In diejer, nun vielleicht in wenigen Stunden entjcheidenden 
Yage befinden wir ums bier, umd Euer Gnaden können fich die Wirkung der: 
jelben in hiefiger Stadt und bei deren Eimwohnern denken. Wird ſich Die 
Regierung für das Nachgeben verftehen, jo find zuverläffig alle Offiziere bei 
den Truppen das erjte jchauervolle Opfer des Nachgebens, und geſchieht es 
nicht, gelingt e8 aber den Franzoſen, die bernerifchen und eidgenöffischen 
Truppen zu jchlagen, jo kann man fich der Stadt Bern und unjer aller 
Schickſal vorstellen. Der Wuth der franzöfiichen Truppen, ihrem heißen Ver— 
langen ji) der Stadt Bern zu bemächtigen wird, wann fie ihre Abjichten 
erreicht haben, nichts heilig jein und unabjehbares Elend und die jchauervolliten 
Auftritte jteben zu envarten. Ein anjehnlider Zeil der Einwohner Berns ijt 
mit einem beroischen Mut auf Alles gefaht und ftellt ſich aud das ſchrecken— 
volljte Begegniß als ihr bevorjtehendes Schidjal vor Augen. Die Vorjehung 
allein kann durch glüclich lenfende Umſtände unfer Schickſal in etwas lindern. 
... Schon lange jab ich für mein teures Vaterland fein bejferes, glüdlicheres 
Schickſal vor, und unjere Yage, unjer Benehmen jehmerzte, kränfte mich tief. 
Mit jedem Augenblik kömmen Wagen mit Verwundeten an, ich darf nicht 
hoffen, dieſen Brief zu enden und noch weniger, daß derjelbe Euer Gnaden 
fünne behändigt werden. 





* 


407 


175. Schauenburg an das franzöfifche Direktorium fiber die Kümpfe 
bei Franbrunnen und im Grauholz am 5. März 1798, 


Überfegt aus dem Franzöſiſchen: Erlach, zur bernifchen Kriegsgeichichte. S. 844. 


Bürgerdirektoren ! 


angezeigt, dass ich mit ——— Streitkräften auf Bern zu 
marschiren im Begriffe stehe. — — 





Den 15. [Ventose, d. h. den 5. März] um 5 Uhr morgens setzten 
wir uns in Marsch. Wir trafen auf den Feind in dem Holz, welches 
sich hinter Schalunen befindet. Es entspann sich ein ziemlich heftiges 
Gewehrfeuer zwischen der 14. Halbbrigade leichter Infanterie und den 
bernischen Truppen, die Kanonen bei sich hatten. Sofort liess ich die 
zwei Stücke ‚Geschütz und die Haubitze, die der Vorhut beigegeben 
waren, vorrücken, und nach kurzem Widerstande zog sich der Feind 
zurück und nahm Stellung auf den Höhen vor Fraubrunnen; hier lei- 
stete er starken Widerstand. Wir wurden wieder genötigt, neue Dis- 
positionen zu treffen, um ihn aus dieser zweiten Stellung hinauszuwerfen. 
Er formirte sich hierauf hinter Urtenen, wo er wiederum stand hielt. Aus 
diesem Posten vertrieben, zog er sich in ziemlich guter Ordnung zurück 
und stellte sich zwischen Felsen und einem grossen Tannenwald auf, 
welche jene Höhen von Altimerchingen * krönen. Die Landstrasse von 
Soloturn nach Bern bildet ein Defil&, welches diese Höhen durchschneidet. 

Der Feind hatte in dieser Stellung zu seiner Rechten Felsen und 
zur Linken den Wald und Sümpfe; er hatte die Vorsicht gehabt, an- 
sehnliche Verhaue anzulegen, um die Jaandstrasse zu sperren; er hatte 
sich hinter diesen Verhauen versteckt, von denen aus er ein äusserst 
lebhaftes Feuer unterhielt. Die 14. Halbbrigade leichte Infanterie und 
die 89%. Linie wurden verwendet, um diese furchtbare Stellung zu er- 
stürmen; der Kampf dauerte mehr als eine Stunde. Der Brighdechef 
Ruby, der Kommandant der Vorhut, liess durch drei Kompagnien vom 
2. Bataillon von der 89. die Felsen erklettern; ein Bataillon von der 
14. Halbbrigade und ein Halbbataillon von der 89. drangen durch die 
Sümpfe, um den Feind auf seiner Linken zu umgehen; gleichzeitig be- 
strich die leichte Artillerie die Landstrasse; es herrschte in diesen ver- 
schiedenen Bewegungen ein so glückliches Zusammenwirken, dass der Feind, 
von vorn und auf den Seiten angegriffen, sozusagen, mit einem Male 
umzingelt war. Er verlor viele Leute dabei und löste sich völlig auf 
mit Hinterlassung seines ganzen Geschützes; hierauf sammelte er sich 
noch einmal auf den Höhen vor Bern, wo sich ein fünftes Gefecht ent- 
spann. Die Husaren vom 7. und 8. Regiment stürmten tapfer auf die 


* Verschreibung Schauenburgs für Allmendholz, es ist das (Grauholz geweint. 


Fur m 
A: 


408 

Kanonen ein, und es ist kein Zweifel, dass, wenn Bern nicht in diesem 
Augenblick Abgeordnete geschickt hätte, um zu kapituliren, alle seine 
Truppen kriegsgefangen worden wären, und die Vorhut, welche ihnen 
jeden Rückzug abgeschnitten hätte, würde in Bern eingedrungen sein, 
bevor man Zeit gehabt hätte, die Tore zu schliessen. Ich gestand Bern 
die gleiche Kapitulation zu, wie Soloturn. Wir zogen um 1 Uhr nach- 
mittags darin ein. — — 

Ich kann keinen genauen Bericht über die Kanonen und Pulver- 
wagen abstatten, die wir genommen haben. Überall, wo wir Artillerie 
fanden, haben wir uns ihrer bemächtigt. Ich schlage die Zahl auf etwa 
25 Stücke an, jeden Kalibers. Die Berner haben in diesen verschiedenen 
Kämpfen viel Leute verloren. Wir haben mehrere Offiziere gefangen 
genommen. Ich muss indes zur Steuer der Wahrheit sagen, dass 
es erstaunlich ist, wie Truppen, welche seit zweihundert Jahren keinen 
Krieg geführt haben, mit Tapferkeit fünf Gefechte nach einander 
bestanden und, kaum aus einer Stellung vertrieben, eine neue einzu- 
nehmen im stande waren. 


176. Aus Brune's Borrefpondenn. März 1798. 
Fortſetzung. 


7. März. Brune an den Direktor Barras. — Am 12. [2. März] 
wurde Freiburg erstürmt und kapitulirte Soloturn, am 15. |5. März] 
wurde die Brücke von Neueneck erstürmt, wie die von Lodi [?| und 
Bern kapitulirte, kurz der helvetische Feldzug hat stattgefunden, wie 
ich ihn dem General Bonaparte durch meinen Brief vom 30. Pluviose 
angekündigt hatte. Obgleich der Krieg grosse Verheerungen angerichtet 
hat und die Plünderung auf hüchste getrieben worden ist ', hoffe ich 
die Gemüter wieder zu beruhigen; sagt mir, was ihr wünschet, dass ich 
tun soll. 

Gleiches Datum. Brune an das Direktorium. — Unternehmer, 
Lieferanten, Kommissäre etc. hatten schon einige öffentliche Kassen in 
Beschlag genommen. Sofort nach meiner Ankunft habe ich die Siegel 
anlegen lassen. Ich weiss noch nicht, was sie enthalten; aber man sagt, 
mir, dass nahe an 4 Mill. darin sein können. Wollen Sie, dass ich 
sie Ihnen schicke; wollen Sie, dass ich Kriegssteuern erhebe, und wie 
hoch sollen sie sich belaufen?! was werden Sie mit den bernischen 
Schuldtiteln machen, die sich, sagt man, auf nahe zu 18 Mill. livres 
belaufen! 

Gleiches Datum. Brune an General Bonaparte. — Mein General 
Bonaparte; sobald ich mich im stande gesehen habe zu handeln, habe 


ı Nach amtlicher Schatzung erlitten Bern und die Ortschaften ringsum durch Plün- 
derung und Zerstörung der Soldaten einen Schaden von über 4 Mill. Frkn. 


er — ——— — 


409 


ich meine Kräfte gesammelt, nm zu treffen, wie der Blitz: denn da die 
Schweiz eine Pflanzschule von Soldaten ist und ihre Wohnungen eine 
ungehenre Kaserne, hatte ich alles von. den Vorpostengefechten zu 
fürchten. Jch habe sie durch Unterhandlungen beseitigt, von denen 
ich wusste, dass sie von Seiten der Berner nicht aufrichtig gemeint 
seien |sic!], und als ich endlich meinen Entschluss fasste, habe ich ihn 
mit einer Schnelligkeit ausgeführt, die mir den Erfolg gesichert hat. — — 


11. März. Der franzüsische Kriegsminister an den General 
Schauenburg. — Ich melde Ihnen, dass es die Absicht des Direktoriums 
ist, dass unsere Truppen von dem Lande ernährt werden, welches 
Sie besetzt halten, und dass alle Kriegsmunition, Kanonen, Hau- 
bitzen etc., deren Sie sich bemiichtigt haben werden, sogleich nach 
Hüningen geschickt werden sollen. — — 


12. März. Das Direktorium an Brune, — Es |das Direktorium] 
zweifelt nicht daran, dass der Kurier zu gleicher Zeit die Nachricht 
von der gerechten Züchtigung bringt, die Sie den Oligarchen haben zu 
teil worden lassen, und von den Geldentschädigungen, die Sie der 
Republik auf Kosten ihrer Feinde verschafft haben werden. — — 


16. März. Brune an die Bewohner des Kantons Bern. — 
Bürger, eine Tyrannei, die um so unerträglicher war, als sie .einige 
Formen der Freiheit angenommen hatte, lastete schon lange auf euch; 
einige Menschen, die sich Frei und Weise nannten, hatten euch geknechtet 
und irre geführt. Sie haben euch bewaffnet, um ihre Anmassung zu 
sichern, und haben euch derart getäuscht, dass ihr die Franzosen, deren 
Freundschaft ihr einst suchtet und deren Triumphe ihr teiltet, als Feinde 
ansahet, und dass sie durch Beleidigungen und verbrecherische Angriffe 
sich genötigt gesehen haben, gegen euch ihre unbesiegliche Tapferkeit 
zu erproben. 


Ihr habt gesehen, welchen Gebrauch die republikanischen Franzosen 
von dem Siege gemacht haben. Zur Vergeltung ihres vergossenen Blutes 
entledigen sie euch eurer Tyrannen und bringen euch diese Freiheit 
wieder, welche euer Abgott war und die eure oligarchischen Räte ganz 
verstümmelt hatten. Brüder, euer Irrtum hat sich verflüchtigt; ihr seht 
in uns nur noch Brüder, welche alle eure Leiden gut machen wollen 
und die darnach trachten, euer Glück und eure Unabhängigkeit unver- 
änderlich festzustellen ete. 


17. März. Brune an das Direktorium. — Zuerst, Bürger Direk- 
toren, wünschten Sie für die Schweiz eine einzige, eine und unteilbare 
Jtepublik, aber in Ansehung einiger Schwierigkeiten der Verfassung, 
welche die Grundlagen dazu entwarf, und vielleicht in Erwägung der 
nachbarlichen Wirkungen einer grossen politischen Maschine, deren 
Bewegungen rasch und einheitlich wären, und vor der wir uns stets 
mehr zu hüten hätten, als dass wir uns ihrer bedienen könnten, habt ihr 
gedacht, dass die Gesamtheit Helvetiens drei unabhängige Itepubliken 
bilden könnte; die Ausführung dieses Plans vollzieht sich heute. Die 
eine der drei Republiken, bestehend aus dem gesamten Teil der Schweiz, 


410 


der französisch spricht, ist schon fast ganz gebildet.... Da die Rhone 
einen grossen Teil dieser Repnblik durchläuft, . . habe ich dieses Land 
Rhodanien genannt; so wird man sagen können: Die Rhodanier, die 
Rhodanische Republik. Da es nicht in eurer Absicht liegt, die kleinen 
Kantone, nämlich: Uri, Schwiz, Unterwalden, Zug und Glarus zu 
beunruhigen,.... werden sie unter sich einen Bund bilden, ... dem 
die Graubündner sich werden anschliessen können. Nichts spricht da- 
gegen, dass man dies Land den TZe/lgau oder das Land Tells nennt; 
man würde sagen: die Tellgoviten; die Hauptstadt wäre Schwiz oder 
Altorf. Die dritte Republik, die wichtigste infolge ihrer Ausdehnung, 
ihres Handels und ihrer Bevölkerung, wird zwölf Kantone oder Depar- 
tements haben; die Hauptstadt könnte Luzern oder Zürich sein, man 
würde dies Land elvetien nennen; es wird leicht sein nach dem, was 
ich getan habe, die Gemüter darauf vorzubereiten, darin das Verfassungs- 
projekt des Hrn. Ochs einzuführen. — — 


Gleiches Datum. Drune an Direktor Barras. — Die Raben 
folgen den Feldlagern, um die Leichen zu verzehren, und die Lieferanten, 
um den Unterhalt der Truppen aufzuzehren und das Geld der Besiegten 
zu vergeuden. Ich halte festen Stand, damit ihr den Nutzen aus 
meiner Expedition zieht. Dies gefrässige Geschlecht wird aufschreien, 
aber es wird mich nicht einschüchtern; es ist eine Horde von Kom- 
missären, Geldwucherern, welche euch mittelst der Formen bestehlen 
wollen; aber diesmal wird die Form die Sache nicht davon tragen. Ich 
erwarte eure Befehle für die Kriegssteuern. 


Gleiches Datum. Brune an Thun, Burgdorf, Lenzburg ete. — 
Bürger. Gemäss der guten Ordnung, die in eurer Gemeinde herrscht, 
und der Begierde, die ihr bezeugt, euch zu regeneriren, erkennt die 
Grosse Nation, deren Repräsentant in diesen Landen ich bin, mit Ver- 
gnügen euch für ihre Brüder an und versichert euch ihrer Freundschaft 
und ihres Schutzes. ... Infolge euerer Bitte werde ich keine Truppen 
im Kriegszustande in eure (iemeinde schicken, aber ich lade euch ein, 
den Baum der Freiheit zu pflanzen und durch eure Liebe zur Freiheit 
wieder zu echten Nachkommen Wilhelm Tells zu werden. 


18. März. Der französische Kriegsminister an Brune. — Ich 
bemerke Ihnen, dass es notwendig ist, dass Sie mir die Mittel kund 
geben, die Sie bei den verschiedenen Kantonen angewendet haben, um 
den Unterhalt der Truppen zu sichern; da es die Absicht des Direk- 
toriums ist, dass diese Lieferungen so wenig als möglich der Republik 
zur Last fallen, ist es gut, dass ich die schon ins Werk gesetzten Mass- 
regeln kenne, bevor ich ihm die Anwendung von Jteqnisitionen vor- 
schlage. 


19. März. Desportes, französischer Gesandter in Geuf, an Brune. — 
Es ist Ihnen ohne Zweifel wohlbekannt, dass die Republik Genf sich 
anschickt, ihre Vereinigung mit Frankreich auszusprechen. Da es 
unerlässlich ist, sofort nach der Ausserung dieses Wunsches eine bewaff- 
nete Streitmacht in Gienf einrücken zu lassen, um seine vollkommene 





411 


Ruhe und die Polizei aufrecht zu erhalten, habe ich, Bürger General, 
unsere Regierung benachrichtigt, dass ich in Anbetracht der Eintracht, 
die unter den Genfern herrscht, von Ihnen nur 1) ein vollständiges Ba- 
taillon, 2) eine Schwadron, 3) eine Kompagnie leichte Artillerie mit 
zwei Achtpfündern und einer Haubitze verlangen werde. — — 


Gleiches Datum. Drune an den bernischen Öberstkriegskommissär 
Jenner. — Bürger Kommissär. Binnen 24 Stunden werden die Summen, 
welche etwa dem Staatsschatze entzogen worden sind, um anderswo ver- 
wahrt zu werden, in das Salzgewölbe gebracht sein, wo sich schon eine 
Geldniederlage unter Siegel befindet, Sie werden mir von den hesondern 
öffentlichen Kassen, sowie von den öffentlichen Leder- und Kleider- 
magazinen des Staates Bern Kenntnis geben, alles unter Ihrer Verant- 
wortlichkeit. Sie werden sich mit dem Schatzmeister des Staates verstän- 
digen, um mir gleicherweise binnen 24 Stunden Rechnung abzulegen 
über die Schuldforderungen Berns an England oder jeden andern 
Staat Europa’s unter seiner persönlichen Verantwortlichkeit. Die Schuld- 
titel müssen sofort zu mir gebracht werden. 


Gleiches Datum. Brune an die provisorische Regierung von 
Freiburg. — Alle Kontributionen an Geld sind suspendirt. Die provi- 
sorische Regierung wird mir unter ihrer Verantwortlichkeit Rechenschaft 
ablegen über den Stand des Stautsschatzes, der Schuldtitel und be- 
sondern dem Staate gehörenden Aussen binnen 24 Stunden nach Em- 
pfang des Gegenwärtigen. Ich muss auch die Äleider- und Ledermaga- 
zine kennen lernen. 


20. März. Brune an den Generalkommissär und den Chef des 
Generalstabs. — Dem Generalkommissär und dem Chef des General- 
stabs wird befohlen, bei der Verifikation gegenwärtig zu sein, welche 
der Kriegszahlmeister der Armee mit dem Staatsschatz von Bern vor- 
nehmen wird. Dieser Staatsschatz muss sofort nach der Verifikation in 
Fässer verpackt werden, um gemäss deu weiteren Befehlen, die ich 
darüber verfügen werde, forttransportirt zu werden. 


25. März. Brune an die provisorische Regierung von Luzern. — 
Ich schicke Ihnen die Verfassung und die verschiedenen darauf bezüg- 
lichen Reglemente. Die Grosse Nation erwartet nur den Augenblick, da 
die Verfassung Helvetiens in Kraft gesetzt sein wird, um ihre Truppen 
von seinem Gebiet zurückzuziehen. (lücklich diese grosse und’ hoch- 
herzige Nation, dass sie ihre Stärke nur für die Befreiung und 
das Glück ihrer quten Freunde und Verbündeten in Helvetien ent- 


faltet hat! 


Am gleichen Tag. Brune an das französische Direktorium. — 
Ich schicke Ihnen alle [bernischen] Schuldtitel, die ich mir habe ver- 
schaffen können; sie sind sehr beträchtlich und lauten nicht bloss auf 
England, sondern auch auf andere Mächte, wie Östreich, Dänemark und 
verschiedene deutsche Staaten. ... Was die Summen anbetrifit, über 
die ich verfügt habe für die Bedürfnisse der Truppen, so belaufen sie 
sich auf 900,000 Liv. ... Es wird soviel im Staatsschatz bleiben, um 


412 


den Bedarf der Truppen, die der General Schauenburg kommandirt, zu 
bestreiten, bis die Brandschatzungen, die reichlich sein dürfen und 
deren Höhe Sie bestimmen werden, eingehen, um diese Bedürfnisse 
weiterhin zu bestreiten, wenn dies notwendig ist. Der Überschuss des 
Schatzes wird nach Mainz transportirt werden; ich werde meinem Nach- 
folger die Ordre dazu hinterlassen. Ich schicke Ihnen auch ein Ver- 
zeichnis der Guthaben des Kantons Freiburg, sowohl auf die Einwohner 
des Landes, als auf die Fremden und Frankreich. Sie werden gleich- 
zeitig die Liste der dem Feinde abgenommenen Geschütze empfangen; 
sie besteht aus 293 Kanonen verschiedenen Kalibers, 38 Haubitzen und 
32 Mörsern. Der General Schauenburg ist mit der Überführung dieser 
Feldstücke nach Hüningen und Carouge beauftragt; 163 sind schon 
befördert. — — 


27. März. Brune an das französische Direktorium. — Ich sende 
Ihnen einen Bestand der freiburgischen Krieyskasse. Die Verifikation des 
Berner Geldes ist noch nicht fertig; mein Nachfolger wird Ihnen das 
Resultat übermitteln. ... Der General Schauenburyg wird, was im 
Schatze nach Abzug des Bedarfs für die Truppen unter seinem Kom- 
mando übrig bleibt, nach Mainz schicken. 

Der Bürger Junod, Bataillonschef in den waadtländischen Truppen, 
führt die drei Bären in den Gräben Berns nach Paris; es sind ein 
Männchen, Weibchen und ein Junges; diese Tiere sind von gewaltigem 
Wuchs und bei gutem Befinden. Der führende Offizier hat sie Steiger, 
Weiss etc. getauft. ! 

Es gibt hier keine künstlerischen und wissenschaftlichen Gegen- 
stände, die das herrliche französische Museum bereichern könnten. 
Indessen existirt auf der Bibliothek, die unter Siegel gelegt ist, wie 
auch die andern Monumente, ein JFelief der Schweiz, nach welchem 
man in diesem Augenblick eine sehr schöne und ausführliche geographische 
Karte herstellt.,.. Es existirt auch im gleichen Gewahrsam ein Her- 
barium des berühmten Haller und eine grosse Anzahl sehr merkwürdiger 
Manuskripte, unter anderm eine Chronik von Froissard, mehrere grie- 
chische und lateinische Klassiker und eine vielleicht einzige Sammlung 
alter französischer Romandichter. /hre Kommissäre werden unter 
diesen Gegenständen die auswählen können, welche der französischen 
Kunstliebhaberei und der Forschungen der Gelehrten wert sind. 

Ich veröffentliche heute einen Abschiedsbrief an das helvetische 
Volk. . . . Ich kann Sie versichern, Bürger Direktoren, dass dies Volk 
gut und freiheitsfreundlich ist. Es existirten namentlich im Norden Vor- 
urteile, die uns wenig günstig waren; ich glaube, dass es mir gelangen 
ist, diese wackern Leute eines Bessern zu belehren und ihnen ebenso 
viel Liebe als Achtung für die grosse Nation einzuflössen, die ihnen die 
Freiheit wieder gibt. — — 


— — — — — 


! Steiger nach dem ehrwürdigen Schultheissen des gefallenen Bern, Weiss nach 
dem letzten beruischen Oberkommwandanten der Waadt. 








413 


177. Der franzöfifche Regierungskommiflär Lecarlier legt der 
Schweiz eine Kriegsſteuer von 15 Millionen auf. 
8. April 1798. 


Poffelts Annalen 1798. II. 228 fi. 


Der Negierungscommiffair bei der Armee der fränkischen Nepublif in der 
Schweiz, 


Erwägend, daß e8 die höchjte Gerechtigkeit jey, daß die fränkiſche 
Republifichleunig die Shadloshaltung für die beträdhtliden 
Koften erhalte, weldhe die Sendung einer Armee in die 
Schweiz veranlaft hat, die dazu beftimmt ift, die Freunde der Freiheit 
zu bejchügen und den Herausfoderungen der Dligarchie ein Ende zu machen ; 


Erwägend, daß diefe Schadloshaltung jih nicht einzig auf den 
Unterhalt der Armee, welche ſich auf dem helvetiſchen Boden befindet, 
beihränfen, fondern jolche Reſultate darbieten joll, daß die Verantwort- 
lichfeit, die auf den alten Regenten lag, nicht vergeblich jei: 


Erjucht den Obergeneral zu befehlen, wie folgt: 


Artifel 1. ES wird von den Kantonen Bern, Freiburg, Solothurn, 
Yucern und Zürich eine Kriegs: Stener von 15 Millionen fränf, Livres, 
und von dem Kapitel in Yucern und den Abteien St. Urban ımd 
Einjiedeln eine Kriegs-Steuer von 1 Million erhoben. 


Art. 2. Diefe Kriegs-Steuer wird ausgetheilt, wie folgt: 


Der Kanton Bern zahlt . . . 6 Millionen. 
. „ Freiburg 2.2.2 2 
= „ Solothurn un, 2. 2 R 
u; „ Lucern a v 
* „Ziürich se en — 

Art.3. Dieſe Summe wird nach Fünfteln bezahlt, nemlich: das erſte Fünftheil 
innerhalb 5 Tagen von der Foderung an; das zweite Fünftheil in den 25 
folgenden Tagen; das dritte Fünftheil in den 20 erſten Tagen des folgenden 
Monats; und die zwei letzten Fünftheile in den 40 folgenden Tagen, ſo daß 
die völlige Zahlung in 3 Monaten geſchehen ſey. 


Art. 4. Die Kriegs-Steuer von 15 Millionen wird einzig durch die 
alten Regenten, in welchen Kantonen ſie wohnen und wo auch ihre 
Güter liegen mögen, durch die Familien der erwähnten Regenten 
und durch die Schazmeifter der Regierungen bezahlt. 


414 


Art. 5. Man verfteht unter den alten Regenten diejenigen, welche zur 
Zeit des Einmarfches der fränfifchen Armee in die Schweiz das Stimm- 
oder Gerichtöbarfeits-Hecht bei irgend einer der damals vorhandenen Gemalten 
hatten. Dergleichen find die Mitglieder der Räthe, die Yand-Vögte ꝛc. ꝛc. 
Art. 6. Man verjteht unter Familien der Regenten: 
1. die Familien, die man Patrizier nannte, und die ein ausjchliesliches 
Recht zu den Negierungs-Stellen hatten ; 
2, die eriftirenden Individuen, welche Mitglieder der Negierung waren, 
fi) aber vor dem Anfange des Krieges davon entfernt haben. — — — 


Art. 10. Die Verwaltungs: Kammern werden, bei der Vertheilung, auf das 
gröfere und geringere Vermögen jehen, jo daß das Überflüffige immer ver- 
hältnißmäſig ftärfer angelegt werde, als das Mittelmäfige. Sie können auch, 
bis zum Belange des ganzen Vermögens, diejenigen Individuen anlegen, von 
welchen man weiß, daß fie einen thätigern Antheil an der Veranlaffung des 
Krieges genommen haben ; aber mit Vorbehalt der gemeinjchaftlihen Bürgichaft 
aller Steuermäfigen, im alle der zu den beftimmten Zeitpunkten nicht er- 
folgten Bezahlung. — — — 


Art. 15. Die Yieferungen jeder Art, welche der fränkiſchen Armee, zufolge 
gejezmäßiger und gehörig erwiejener Requifitionen, gemacht wurden, jollen im 
jedem Kanton auf die ganze Maſſe der ihm angejezten Kriegs-Steuer gut- 
geichrieben, und nach dem Inhalt ihres Betrags von den drei legten Fünfteln 
abgezogen werden. 


Art. 16. Es wird fein Abzug für die Summen gemadt, die 
in den Kajjen der alten Regierungen gefunden, nod für irgend 
eine Art Yieferung, weldhe aus den Magazinen gemacht wurde, nod) 
für die VBorfchüffe, die unter dem Namen öffentliher Fonds befannt find. 


Art. 17. Alle Güter der Steuermäfigen find von mun am bis zur gänz- 
lichen Erlegung der gefoderten Steuer für unveräußerlich erflärt. Sie können 
nur in Verſaz gegeben werden. 


Art. 18. In Ermanglung der Bezahlung auf die beftimmte Zeit, werden 
jchleunige und ftrenge Masregeln gegen jeden Steuermäfigen ergriffen werden ; 
von izt an werden 12 Geijjeln aus dem Kanton Bern, und 8 aus dem 
Kanton Solothurn genommen werden. 


Art. 19. Die Geifjeln aus dem Kanton Bern find [folgen 12 Namen]; 
die aus dem Kanton Solothurn find [folgen 8 Namen]. Die bejagten Geiffeln 
werden nah Strasburg oder Hüningen geführt werden. 


Art. 20. Nebit obigen Verfügungen wird auch zur Bewährung der 
öffentlihen Kafjen und der Borjchüjje, die unter dem Namen 


si a > 





415 


öffentliher Fonds befannt find, in den Kantonen Solothurn, Frei— 
burg, Lucern und Zürich geichritten, umd * der Bewähruug 
das Weitere beſchloſſen werden. 


Art. 21. Es wird in jedem Kantons-Haupt-Ort eine beſondre Kaffe er- 
richtet werden, um die Kriegd-Steuer zu erheben, und der Betrag davon wird 
nad und nach in die Kaſſe des Haupt-Zahlmeifters auf die Befehle des Haupt: 
Commifjair-Ordonnateurs gebracht werden. 


Gejchehen zu Bern, den 19. Germinal, Jahr 6 der fränfischen Republik. 
Unterzeichnet: Lecarlier. 


Der Ober-General der fränkischen Armee in Helvetien befiehlt, daR die 
Verfügungen des obigen Bejchluffes nach ihrer Form und ihrem Inhalt voll- 
zogen, in beiden Sprachen gedruft, und, wo es erfoberlich ift, fund gemacht 
und angejchlagen werden. 


Im Haupt-Quartier Bern, den 19, Germinal, Jahr 6 der fränfijchen 
Nepubtif. 
Unterzeihnet: Shauenburg. 


Aus der diejen Erlaß begleitenden Proflamation Yecarliers an das 
Scweizervolf. 


Flugblatt. Stadtbibl. Wintertur. 


„An die Bürger Helvetiens. 


Bürger! Erjchrefet nicht über die Kriegs-Steuer, welche in enerm Yand 
erhoben werben ſoll. . . . Keiner von euch wird die Gefinmungen der Freund— 
Ihaft und der guten Nachbarfchaft, welche die franzöfische Regierung gegen die 
ichweizerifche Nation beleben, in Zweifel ziehen, jowie auch feiner bezweifeln 
wird, daß die ehemalige Oligarchie alle Kräfte angewandt habe, um die 
Schweiz zu Feinden der großen Nation zu machen. Es ift wahr, daß 
ihre Anftrengungen vergeblich gemwejen. Aber nichts defto weniger mußte man 
diejelben hindern, und die kräftigften Zurüftungen gegen eine undantbare und 
treuloje Regierung veranftalten. Und gewiß wird man nicht finden, daß man 
die Folgen des Sieges zu weit ausdehne, wenn die Befiegten 
die Kriegs-Koften bezahlen müjjen. — — 

Die beftimmte Kriegs-Steuer, welche man Frankreich als Schadloshaltung 
ihufdig ift, muß entweder von der ganzen Schweiz bezahlt, oder nur von 
denen getragen werden, welche die Regierungs-Stellen befleideten, und theils 
jelbjt, theils mittelft des Einflufjes derjenigen, jo mit ihnen gleiche Meynungen 
und gleiche Vortheile hatten, die Urjache des Krieges gewejen find. 





416 


Der erjtere Weg wäre an ſich jelbft ungerecht und den Grunbfägen der 
franzöfischen Negierung zuwider, welche die Verirrung der Wölfer niemals mit 
den Ungerechtigfeiten und den Verbrechen der Regierung verwechielt. 

Man muß fi alfo an das andere Mittel halten, wodurd die erforder- 
liche Schadloshaltung einzig auf diejenigen fällt, welche zur ſchweizeriſchen 
Oligarchie gehörten. — — 


178. Der franzöfifche Regierungskommiffär befiehlt die unver- 
änderte Annahme der heivetifchen Konfitution. 
28. Mäu 1798. 


Flugblatt Stadtbibl. Wintertur. 
Freiheit, Gleichheit. 


Franzölifhe Republik. 

Der Eommiffair der Regierung bey der Armee der Franzöfiihen Republif in 
Helvetien: 

TEN la dem Vernehmen nach der Eifer, mit welchen in mehrern Cantonen 
| A die Annahme des Schweiteriichen Eonftitutions-Plans erfolgt ift, 
a hin und wieder Zweifel über den eigentlichen Snnbhalt der ange- 
nommenen VBerfaffungs-Afte erweden fünnte, — zumahl in einigen Cantonen 
lediglich und allein der erfte in der ganzen Schweiz ausgeftreute und in beyder 
Sprachen gedrufte Projekt angenommen, in andern aber eint und andere Be- 
ftimmungen defjelben abgeändert worden find, — 

Da jede Art von Ungewißheit über einen jo wmejentlichen Punft die 
aller bedenklichften Folgen nach fich ziehen Fünnte, — 

Da endlid) die Umftände fich jo verhalten, daß jeder Verzug von dem 
gefährlichiten Einfluß auf den Erfolg der Helvetiichen repräfentativen Negierungs- 
Berfaffung jeyn müßte, und man diejelbe wirklich kaum gejchwind genug ins 
Werf jeßen kann, — 

So ergeht von Seite des Eingangs erwähnten Commiſſairs das Anſuchen 
an den fommandierenden Generalen, nachitehende Befehle zu ertheilen: 

1) Die Annahme der Schweizerischen Conftitution fann fi) einzig auf 
das dierfällige erſte im deutjcher und franzöfischer Sprache gedrufte, und in 
der ganzen Schweiz befannt gemachte Projekt beziehen. 

2) Alle in gedachtem Projekt angebrachten Abänderungen müßen als 
völlig ungejchehen betrachtet werden. 








417 


3) Einzig joll dem von der Yandes-Eintheilung handelnden Artifel bey- 
gefügt werden, daß das Oberland einen Canton, und die Stadt Thun 
dejfen Hauptort ausmachen wird. 

4) Den früheren Beitimmungen gemäß werden fich die Deputierten zum 
gejezgebenden Corps am 10ten diefes Monats in der Stadt Arau einfinden. 

5) Das gejetgebende Corps kann mit jeinen Berathungen den Anfang 
maden, jobald nur ein einziges über die Hälfte jeiner bereits erwählten 
Glieder vorhanden it. Es wird allervorderft die Umabhängigfeit der Schwei- 
zerifchen Nation, und ihre Verfaſſung in eine einzige, unzertheilbare, demo- 
fratiihe und repräjentative Nepublit proflamiren, und fodann den Con— 
jtitutiongaft feyerlich verlejen laſſen. 

6) Sobald das gejetgebende Corps in Beitand fommt, wird es den 
fommanbdirenden General von jeiner Errichtung benachrichtigen. — — 

8) Der Siz des gefezgebenden Corps ift nur provijoriic nach Arau 
beftimmt worden, und kann von demfelben nach Lu zern verlegt werden, jobald 
jich diefer Kanton für die Annahme der Conftitution erflärt haben wird. 

Alle gegenwärtiger Schrift zumiderlaufende Maaßnahmen jollen ohne 
alle Wirffamfeit feyn. . 

Bern am 8. Germinal im 6ten Jahre der Franzöſ. einen umd unzer— 
theilbaren Republif. 

Le Carlier. 

Der fommandierende General ertheilt den Befehl, daß alle in obftehendent 
geforderten Verfügungen ihrem ganzen Innhalt und Umfang nad) in Ausübung 
gejezt, in beyden Sprachen gedruft, und an allen Orten befannt gemacht und 
angejchlagen werden jollen. 


Hauptquartier Bern am Pten Germinal im VI. Jahr der Fr. Rep. 
Schauenburg. 


179, Die helvetifche Staatsverfaſſung. 


Nah dem „Entwurf der neuen belvetifhen Staatsverfaffung, ans Auftrag der Zürcheriſchen 
Eantons-Berfammlung gedrudt“, 6, April 1798, Vollftändige Abdrücde der 
helv. Verfaffung bei Hilty, VBorlefungen Über die Helvetif, Bluntichli, 
Geſch. des Schweiz. Bundesrechts, u. |. w. 


Erſter Titel. 
Hauptgrundſätze. 


1. Die helvetiſche Republik macht Einen unzertheilbaren 


Staat aus. Es giebt keine Grenzen mehr zwiſchen den Cantonen und den 
Oechsli. Quellenbuch. 27 


umierweorfenen Yanden, noch zwiichen einem Canton und dem andern. Die 
Einbeit des Baterlands und das allgemeine Intereſſe vertritt Fünftig das 
cwache Band, welches fremdartige, ungleiche, in feinem Berhältnifje jtehende, 
fleinlichen Yofalitäten umd einbeimiichen Vorurtheilen unterworfene Theile zu- 
jammenbielt, und aufs Geratbewobl leitete. Ze lange alle einzelne Theile 
ſchwach waren, mußte auch das Ganze ſchwach ſeyn. Die vereinigte Stärte 
Aller wird künftig eine allgemeine Ztärfe bewirfen. 

2. Die Gejammtbeit der Bürger ift der Souverain oder 
Oberherrſcher. Kein Theil und fein einzelnes Recht der Oberberrichaft farm 
vom Ganzen abgerifien werden, um das Eigenthum eines Einzelnen zu werden. 
Die Regierungsform, wenn ſie auch jollte verändert werden, joll allezeit eine 
reprejentative Demofratie ſeyn. — — 

4. Die zwey Grundlagen des öffentlichen Wobls find die Sicherheit und 
die Aufklärung. Die Aufklärung ift dem Woblitand vorzuziehen. 

9. Die natürliche Freybeit des Menſchen iſt ımmeräujjerlid. Sie hat 
feine andern Grenzen als die Freyheit jedes andern, und die Verfügungen, 
welche das allgemeine Wohl unnmgänglich erbeiicht; jedoch) unter der Be— 
dingung, daß dieſe umumgängliche Nothwendigteit rechtskräftig erwiejen jei. Das 
Geſetz verbietet alle Art von Ausgelaffenbeit; es muntert auf, Gutes zu thun, 

6. Die Gewiſſensfreyheit it meingeſchränkt, jedoch muß die öffent: 
liche Aeufjerung von Religions: Meynungen die Eintracht und Ruhe nicht ftören- 
‚jede Art von Gottesdient ift erlaubt, wenn er die öffentliche Ordmung nicht 
jtört, und nicht Herrichaft oder Borzug verlangt. Jeder Gottesdienft jteht 
unter der Aufjicht der Polizey, welche das Recht bat, ſich die Yehren und 
Prlichten, die gepredigt werden, vorlegen zu laſſen. Das Verhältniß, in welchem 
irgend eine Zelte gegen eine fremde Gewalt ftehen mag, darf weder auf 
Staatsjachen, noch auf den Wobljtand und die Aufklärung des Volls Einfluß 
baben. 

7. Die Preffreybeit it eine natürliche Folge des Nechtes, das jeder 
ſich unterrichten zu laffen. 

S, Es giebt feine erblibe Gewalt, Rang noch Ehrentitel. 
Die Strafgeiege jollen jeden Titel und jedes Inſtitut unterjagen, welches an 
Erblichfeit erinnert. 

Die erblichen Ebrentitel erzeugen Hochmuth und Unterdrüdung, führen 
zur Umwiſſenheit und Trägbeit, und leiten die Meynung über die Dinge, die 
Begebenheiten und die Menſchen irrig. 

9. Der Staat bat fein Recht auf das Privat Eigentbum, ausgenemmen 
in dringenden Füllen, wenn daſſelbe zum allgemeinen Gebrauch unentbehrlich 
iſt, ımd gegen eine gerechte Entichädigung. 

10. Ein jeder, der durch gegenwärtige Ztaatsverfaffung das Einkommen 
einer Stelle oder Pfründe verliert, ſoll als Entichädigung eine lebenslängliche 


bat 


* 


419 


Rente erhalten, ausgenommen in den Jahren, in welchen ihn eine ergiebige 
Stelle oder eine Penjion auf eine billige Art entichädigt. Es jind jedoch von 
aller Entjchädigung oder Vergütung ausgefchloffen, diejenigen, welche von dem 
Augenblit an, da gegenwärtiger Entwurf einer Verfaffung befannt gemacht 
wird, ſich der Einführung einer weiſen politiſchen Gleichheit zwiichen den 
Bürgern und Unterthanen, und des Syitems der Einheit und der Gleichheit 
zwijchen den Mitgliedern des allgemeinen Vaterlands widerjegen; aufjerdem 
jolfen feiner Zeit ftrenge Maasregeln gegen diejenigen ergriffen werden, deren 
Widerftand ſich durch Arglift, Treulofigfeit oder Bosheit ausgezeichnet hätte. 

11. Die Steuern müffen zum allgemeinen Nuten angewandt werben. 
Die Auflagen müjjen mit dem Bermögen, den Einkünften und 
der Einnahme der Steuerbaren im Verhältniß ftehen; jedoch 
kann dieſes Verhältniß nicht ganz genau jeyn; eine allzu groffe Genauigfeit 
würde Urſache fein, daß die Auflagen drüdend, das Einfammeln derjelben 
foftipielig, und das Ganze dem Glück der Nation nachtheilig würde. 

12. Die Bejoldungen der öffentlichen Beamten jollen mit der Arbeit umd 
den Talenten im Verhältniß ftehen, welche ihre Stelle erfordert; es muß 
darauf Rücjicht genommen werden, in wie weit es gefährlich ift, jolche Stellen 
Leuten anzuvertrauen, die ſich leicht beftechen laſſen könnten; auch muß man 
hindern, daß fie nicht das ausfchliegliche Eigenthum der Reichen werden. 
Dieje Bejoldungen jollen in Früchten beftimmt, und jo lang als ein Beamter 
an jeiner Stelle jeyn wird, nicht vermindert werden fünnen. 

13. Kein liegendes Gut kann unveräuſſerlich erflärt werden, weder für 
eine Corporation, oder für eine Geſellſchaft, noch für eine Familie; das aus: 
ſchließliche Recht, liegende Güter zu bejigen, führt zur Sflaverey. Der Grund 
und Boden fann mit feiner Yajt, Zins oder Dienjtbarfeit be- 
Ihwert werden, wovon man ji nicht losfaufen könnte. 

14. Der Bürger ift fi) dem Vaterlande, feiner Familie und den Be— 
drängten jhuldig. Die Freundſchaft ift ihm heilig; er opfert ihr aber Feine 
jeiner Pflichten auf. Er jchwört allen perjönlihen Haß und alle Eitelfeit ab. 
Er will nur die moralische Veredlung des menjchlichen Geichlechts; er ladet, 
ohne Unterlaß, zur führen Bruderliebe ein; jein Ruhm ift die Achtung guter 
Menſchen, und jein Gewiſſen entichädigt ihn, wenn man ihm ungerechter 
Weiſe diefe Achtung verjagt. 


Zweyter Titel. 
Eintheilung des helvetiſchen Gebiets. 


* 15. Helvetien iſt in Cantone, in Diftrifte, in Gemeinden und in Sek— 
tionen oder Quartiere der grofjen Gemeinden eingetheilt. Dieje Eintheilungen 





420 


bezieben ji auf die Wahlen, die Gerichtsbarkeit und Verwaltung ; fie machen 
aber Feine Grenzen aus. 

16. Der Umfang der Cantone, Diftrifte, Gemeinden und Seftionen von 
Gemeinden kann durch das Geſetz verändert, oder berichtiget werden. 

Die Cantone find gleich, und das Yoos bejtimmt alle Jahre ihren Rang. 

17. Die Hauptjtadt der helvetiichen Republik joll durch die gejetsgebenden 
Rätbe beſtimmt werden. Einjtweilen ift die Gemeine Yucern der Hauptort. 

18. Die Graubündmer jind eingeladen, ein Theil der Schweiz zu 
_ werden, und wenn jie diefer Einladung entiprechen, jo jollen der Cantone 
einſtweilen zwei und zwanzig an der Zahl jeyn, nämlich [folgt die Aufzählung 
der Kantone mit ibren Hauptorten, die bier weggelaffen wird, weil die Kantenseintheilung 
sdeld durchgreifende Anderungen erfuhr.) 


Dritter Titel. 
Politiſcher Stand der Bürger. 


19. Alle diejenigen, welche jett würfliche Birger einer regierenden oder 
Municipalitadt, eines umterworfenen oder freyen Dorfes find, werden durch 
gegentwärtige Conjtitution Shweizer-Bürger. Ebenſo diejenigen, welche 
das ewige Dinterfährecht batten, umd alle in der Schweiz geborne Hinderfüßen. 

20. Der Fremde wird Bürger werden, wenn er zwanzig Jahre lang nad) 
einander in der Schweiz gewohnt, wenn er fich nüglich gemacht hat, und wegen 
jeiner Aufführung und Sitten günftige Zeugniffe aufweiſen kann; er muß 
aber für ſich und feine Nachkommen auf jedes andere Bürgerrecht Verzicht 
leijten. .— 

24. Ein jeder Bürger, wenn er zwanzig ‚jahre alt ift, muß ſich in das 
Bürger-Regiſter jeines Cantons einjchreiben laſſen und den Eid ablegen: 
jeinem Baterlande zu dienen, und der Zade der Freybeit 
und Gleichbeit, als ein guterumd getreuer Bürger, mit aller 
Pünktlichkeit und allem Eifer, jo er vermag, und mit einem 
gerechten Haß gegen die Anarchie oder Ausgelajjenheit, an- 
zubangen. 

Diefer Eid wird von allen jungen Bürgern, die das genannte Alter er- 
reicht haben, in der jchönen Jahreszeit, an demjelbigen Tage, in Gegenwart der 
Eltern und Übrigkeiten abgelegt, und endiget ſich mit einem bürgerlichen Feſt. 
Der Negierungs Statthalter nimmt den Eid ab, und hält eine dem Gegenitand 
des Feſtes angemeſſene Rede, . 

25. Jeder Bürgerifteingebobrner Soldat des Vaterlands; 
er kann ſich durch einen andern erjegen laſſen, went es das Gejeg erlaubt ; 
er iſt aber jchuldig, wenigitens zweyp Jahre lang unter dem auserwäblten 
Corps, jo ein jeder Canton unterbalten wird, zu dienen. Der Tag, an 
welchem die jungen Bürger die erſten Waffen erbalten, ſoll ein bürgerliches 








421 


Feſt ſeyn; der Negierungs-Statthalter bewaffnet die Augend im Namen des 
Vaterlandes. 

26. Die Diener irgend einer Religion können keine Staats-Aemter bekleiden, 
noch den Primär-Verſammlungen beywohnen. — — 


Vierter Titel. 


Von den Primär- und Wahlverſammlungen. 


28. Die Primär-Verſammlungen beſtehen aus den Bürgern und 
Bürgersſöhnen, welche ſeit fünf Jahren in derſelben Gemeinde wohnen, vom 
Tage an zu rechnen, allwo ſie erklärt haben, daß ihr Wille ſeye, ſich allda 
häuslich niederzulaſſen. — — 

Um in einer Primär- oder Wahlverſammlung zu ſtimmen, muß man 
das zwanzigfte Jahr zurücgelegt haben, 

29. Jedes Dorf oder Flecken, wo ſich hundert Bürger befinden, die das 
Stimmrecht haben, macht eine Primär-Verfammlung aus. 

30. Die Bürger eines jeden Dorfs oder Fleckens, jo nicht hundert 
jtimmfähige Bürger enthält, vereinigen fich mit denen von dem nächftgelegenen 
Flecken oder Dorf. 

31. Die Städte haben eine Primär-Verſammlung in jeder Sektion oder 
Tuartier. Die gefetgebenden Räthe beftimmen die Anzahl der Bürger. 

32. Die Primär-Berfammlungen haben Statt: 

1°. Um die Staatsverfaflung anzunehmen oder zu verwerfen. 
2°, Um alle Jahre die Glieder der Wahlverfammlung des Cantons zu 
ernennen. 
\ 33. Je auf hundert Perjonen, welche die erforderlichen Eigenschaften 
haben, um Bürgep zu jeyn, wird ein Wahlmanın ernannt. 

34. Die Namen der Erwäblten werden dem Negierungs- Statthalter zu- 
geichieft, welcher, mit Beyjtand des Präfidenten von jeder conftituirten Gewalt 
des Orts jeines Wohnjites, öffentlich Durch) das Loos die Hälfte der Ermählten 
ausſchließen läßt. 

Die übriggebliebene Hälfte macht für das Jahr das Wahlcorps aus, 

Am Tage diejer Ziehung wird ein drittes biürgerliches Feſt gefeyert und 
eine Rede gehalten, worin der Negierumngs-Statthalter die Grundfäge ausein- 
ander jegt, die da8 Wahlcorps leiten jollen, wenn es zuſammen berufen wird, 
um die ihm obliegenden Ernennungen zu machen. 

Das erjtemal hat obige Ausichliefung der Hälfte Wahlmänner durd) 
das Yoos, nicht Statt. 

39. Die Wahlforps erwählen: 

1". die Deputirten für das gejetgebende Corps, 





422 


2°, die Richter des Cantons-Gerichts. 

3". die Richter des obern Gerichtshofs. 

4°, die Mitglieder der Verwaltungsfammer; endlich die Suppleanten ge- 
dachter Richter und Verwalter. 


Fünfter Titel. 
Bon der gejeggebenden Gemalt. 


36. Die gejetgebende Gewalt wird durch zwey umnterjchiedene, abgejon- 
derte, eines von dem andern unabhängige, und jedes ein verfchiedenes Coſtume 
tragende Räthe ausgeübt. 

Dieje beyden Näthe find: 

| Der Senat, welder aus den gewejenen Direktoren und vier Deputirten 

jedes Cantons beſteht. 

Der große Rath, welcher das erſtemal aus acht Abgeordneten jedes 
Cantons beſteht; für die Folge ſoll das Geſetz die Anzahl beſtimmen, welche 
jeder Canton nach dem Verhältniß ſeiner Bevölkerung zu ernennen hat. 

37. Im dritten Jahre gegenwärtiger Staatsverfaſſung, und in der 

Folge, muß man, um in den Senat erwählt zu werden, entweder Miniſter, 
oder auswärtiger Agent, oder Mitglied des großen Rathes, oder des obern 
Gerichts, oder Regierungs-Statthalter, oder Präſident einer Verwaltungs— 
kammer, oder eines Cantonsgerichts, geweſen ſein, oder noch ſeyn. 

38. Ferner muß man verheirathet oder Wittwer ſeyn, und das Alter 
von dreißig Jahren erreicht haben; dieſe zwey letztern Bedingungen ſollen ſo— 
gleich Statt haben. — — — 

42. Um als Mitglied vom großen Rathe erwählt zu werden, muß man 
das fünf und zwanzigſte Jahr zurückgelegt haben, und im Genuß des Bürger: 
rechts ſeyn. — — 

47. Der Senat genehmigt oder verwirft die Schlüſſe des großen 
Raths. — — 

49. Die Sitzungen der beyden Räthe werden öffentlich gehalten; jedoch 
kann die Anzahl der Zuhörer in jedem Rath, die Anzahl feiner Mitglieder 
nicht überſteigen. Jeder Rath kann fich in ein geheimes Gomite verwandeln. 

50. Die geſetzgebenden Käthe genehmigen oder verwerfen, auf den Vor— 
ſchlag des Vollziehungs- Directoriums, alles, was die Finanzen, den Frieden 
und den Krieg betrifft. Sie können aber dieſe Gegenftände nicht ohne einen 
jolhen Vorſchlag des Directoriums beratbichlagen. — — 

69. In keinem Falle fünnen ſich die beyden Näthe in einen Saale 
vereinigen. 

70. Weder der eine noch der andere Rath fann aus jich ſelbſt einen 
bleibenden Ausihug ernennen, — — 


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423 


Schöter Titel. 
Bollziehungs-Direftorium. 


N 71. Die vollziehende Gewalt ift einem aus fünf Mitgliedern beftehenden 
Bollziehungs- Direktorium übertragen. 

Das Vollziehungs-Direktorium wird alle Fahre, drey Monate vor der Er: 
neuerung des geſetzgebenden Raths, folglich im Anfang des Sommers, theil- 
weile erneuert. 

72. Um als Direftor erwählt zu werden, muß man das Alter von 
40) Fahren erreicht haben, und verheirathet oder im Wittwenftand [sie!) ſeyn. 
Diefe Verfügung gilt auch chen für die nächften Wahlen. 

Bom dritten Jahr an, nachdem gegenwärtige Eonftitution eingeführt jeyn 
wird, muß man aufferdem entweder Mitglied eines der gejetsgebenden Käthe, 
oder Miniſter, oder Mitglied des obern Gerichtshofs, oder endlid) Negierungs- 
Statthalter geweſen ſeyn. 

73. Die Erwählungsart iſt für das erſte Jahr folgende: 

Einer der Räthe verfertigt durch geheimes Stimmgeben, und nach der 
abſoluten Mehrheit der Stimmen, eine Liſte von fünf Candidaten, und der 
andere Rath wählt, durch geheimes Stimmgeben und nach der abſoluten 
Mehrheit der Stimmen, in dieſer vorgelegten Liſte, den neuen Direktor. 

Das Loos entſcheidet aber, unmittelbar vor der Wahl, welcher von den 
beyden Räthen die Liſte der Candidaten verfertigt: dieſe Operation wird das 
erſte Jahr fünfmal wiederholt, und das Loos entſcheidet, wie die erſt er— 
nannten nach und nach austreten. — — 

76. Das Vollziehungs-Direktorium ſorgt, den Geſetzen gemäß, für die 
äuſſere und innere Sicherheit des Staats. Es ſchaltet über die Kriegsmacht; 
doch kann in keinem Fall das Direktorium insgeſammt, noch eines feiner Mit— 
glieder, weder während der Zeit feiner Amtsverrichtung, noch zwey Jahre lang 
nad; Endigung derjelben, die Truppen commandiren. 

77. Das Vollziehungs- Direktorium fanı jeden der beyden Räthe einladen, 
einen Gegenjtand in Betracht zu ziehen. — — 

79. Es verfiegelt die Gefete, umd läßt fie befammt machen; es bejorgt 
die Vollziehung derjelben. 

80. Es unternimmt und führt die Unterhandlungen mit dem fremden 
Mächten; aber die Verträge, welche es unterjchreibt oder unterjchreiben Läft, 
jind nicht gültig, bevor jie von den geſetzgebenden Näthen in einem geheimen 
Comité unterfucht und genehmiget worden. 

Die Verfügungen der geheimen Artifel werden ohne die Genehmigung 
der gejetsgebenden Räthe vollzogen; jie dürfen aber den öffentlichen Artikeln 
und der Verfaſſung micht entgegen jeyn. 


424 


81. Das Direktorium legt alle Jahre den gejetgebenden Räthen Rechnung 
ab, iiber die Verwendung der einem jeden Departement angewiejfenen Gelder, 
auffer denen, jo ihm für perjönliche oder geheime Ausgaben bejonders an— 
vertraut worden find. 

82. Die Ernennung, Zurücdberufung und Abjegung aller Anführer und 
Offiziere der Armee in jedem Grade, der Minifter und diplomatischen Agenten, 
der Kommiffarien der National-Schagfanımer, der Regierungs-Statthalter, des 
Präfidenten, der öffentlichen Ankläger und Schreiber des obern Gerichtshofs, 
und Ober-Einnehmer der Einkünfte der Republik, fteht ihm zu. Die Unter- 
bedienten und Unteragenten werden von denjenigen ernannt, von denen fie 
unmittelbar abhangen. — — 

84. Es find vier Minifter im Staate; der Minifter der auswärtigen 
Geſchäfte umd des Kriegsweſens; der Minifter der Gerechtigfeits-Pflege und 
der Polizey; der Minifter der Finanzen, des Handels, des Aderbaus und 
der Handwerke; der Minifter der Wiffenichaften, jchönen Künfte, der öffent: 
lichen Gebäude, Brüden und Strafjen. — — 

Das Geje kann obige Anstheilung der den Miniftern zugetheilten Ge- 
ichäfte verändern. 

Es kann die Zahl der Minifter auf ſechs, aber nicht auf fünf feftjegen, 
noch ihrer weniger als vier bejtimmen. — — 


Siebenter Titel. 
Oberfter Gerichtshof. 
N 86. Der ober ſte Gerichtshof befteht aus einem von jedem Canton 
ernannten Nichter. Alte Jahre wird der vierte Theil feiner Mitglieder ernannt, 
und zwar drey Sabre lang fünfe, das vierte Jahr aber fieben Mitglieder. 

Bier Diefer Gerichtshof richtet die Mitglieder der gejetsgebenden 
Näthe, und das Vollziehungs Direktorium. 

SS, Diejer Gerichtshof richtet ferner ohne Appellation, entweder allein, 
oder mit Zuziehung jeiner Zuppleanten, in Criminalfachen, weldye die Todes: 
jtrafe, oder die Einjperrung, oder die Deportation auf zehen Jahre oder mehr 
nach ſich ziehen. 

sy Er cafjirt auch in Civilfachen die Sprücde der untern Gerichte, 
welche aus Mangel der Competenz, wegen Berletung der Form oder der 
Staats. Berfaffung nichtig find. — — 


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Achter Titel. 
Bon der bewaffneten Mat. 


425 


! 91. Es ſoll in Friedenszeiten ein bejoldetes Truppen-Corps gehalten 
werden, welches durch freywillige Anwerbung, und im Fall der Noth, auf die 
durch das Geſetz bejtimmte Art formirt werden jolf. 

22. Es foll in jedem Canton ein Corps von auserlejenen Miligen oder 
Nationalgarden jeyn, welche alfezeit bereit find, im Nothfall zu marſchiren, 
entweder um der gejeglichen Obrigkeit Hülfe zu leiften, oder einen erften 
fremden Angriff zurüd zu treiben. — — 


Zehnter Titel. 
Cantons-Obrigfeiten. 


95. Die drey erften Obrigfeiten von jedem Canton find der Regierungs— 
Statthalter, die Verwaltungs-Kammer und das Gantons- 
Geridt. 

9%. Der Regierungs-Statthalter ftellt die vollziehende Gewalt 

| vor. — — 
| Er hat die Aufficht über alle Gewalten und Bedienten, in der Ausübung 
ihrer Aemter, und ermahnt fie an ihre Pflicht. 

Er übermadht ihnen / die Geſetze, wie auch die Befehle des Divectoriums. 

Er nimmt ihre Anmerkungen, Vorfchläge und lagen an; er ift ver: 
bunden, jich von Zeit zu Zeit in die verfchiedenen Diftrifte des Cantons zu 
begeben, um feine Aufficht auszuüben. 

Er ſelbſt kann nichts verwilligen, jondern nimmt bloß die Bittjchriften 
der Bürger an, und läft fie den gehörigen Obrigfeiten zufommen. 

Er beruft die Primär-Verſammlungen und die Wahl-Eorps zuſammen. 

Er hat den Vorſitz bey den bürgerlichen Feſten. 

Er hat das Recht, den Berathichlagungen der Gerichtshöfe, und der Ver: 
mwaltungs-Kammmer beyzuwohnen; er requirirt allda die Vollziehung der Gejeke, 
ohne aber dabey jeine Stimme zu geben. 

Er wacht für die innere Sicherheit, übt das Necht der Gefangermehmung 
aus, und jchaltet über die bewaffnete Gewalt, ohne daß er fie jelbjt comman- 
diren fann. 

Er ernennt die Präfidenten des Tribunals, der Verwaltungs-Kammer und 
der niedern Gerichte, unter den Nichtern und Verwaltern, welche das Wahl: 
Gorps gewählt hat. 

Er ernennt auch die Gerichtfchreiber, den öffentlichen Ankläger uud die 
Unter-Statthalter des Hauptorts und der Diftrifte, Er jelbft wird vom Diref: 
torium erwählt, abgefegt, oder zu einer andern Stelle berufen, 


426 


97. Das Kantons: Tribunal fpricht im erfter Inſtanz in Haupt: 
Criminalſachen, und in legter Inſtauz in allen andern Eriminal-PBrozeffen, und 
in Civil- und Bolizey-Sadhen. — — 

101. Die Verwaltungs-Rammer beforgt die unmittelbare Vollziehung 
der Gejege über die Finanzen und den Handel, die Künfte, die Handwerke, 
den Aderbau, die Yebensmittel, die Unterhaltung der Städte und der Yand- 
jtraffen. Sie befteht aus einem Präfidenten, und vier Beyſitzern, jo das 
Wahl⸗Corps erwählt, und wovon alle Jahre einer erneuert wird, — — — 


Eilfter Titel. 


Abänderung der Conftitution. 


106. Der Senat ſchlägt diefe Abänderungen vor; die hierüber gemachten 
Vorſchläge aber erhalten nicht eher die Kraft eines Schluffes, bis ſie zweymal 
defretirt worden, und zwar muß zwiichen dein erjten Dekret und dem zweyten, 
ein Zeitraum von 5 fahren verjtreichen. Dieje Schlüſſe des Senats müſſen 
hierauf von dem groſſen Rathe verworfen oder genehmiget, und im legtern 
Fall den Primär-Verfammlungen zugeſchickt werden, um fie anzunehmen oder 
zu verwerfen. 

107. Wenn die Primär-Berfammlungen diejelben annehmen, jo jind jie 
neue Grundgeſetze der Staats-Verfaſſung. — — 


180. Berkündigung der helvetifchen Republik. 12, April 1798. 


Tageblatt der Geſetze und Defrete der geießgebenden Räte der beivetiichen Republik 1798. 
I. S. 3. 


Die geſetzgebenden Räthe, auf den Antrag des Bürgers Hemmeler 

verordnen einſtimmig: 

Daß die Unabhängigkeit der ſchweizeriſchen Nation, und ihre Bildung 
in eine einzige, untheilbare, demokratiſche und repräſentative 
Kepublif verkündet, und die Verfaſſungsakte feyerlich verlefen werde. 

Beichloffen von großen Nathe den 12, April 1798. 

Angenommen vom Senat den gleichen Tag. 

Arau, den 12. April 1798. 

Dem Original gleichlautend: 


Der Zefretair des Direltoriums, Sted. 


— 





— ————— Per: S 


427 


181. Belimmung der Farben der helvctifchen Kokarde. 
14. April 1798. 


Tageblatt der Geſetze und Defrete L S. 4. 


Die gefetgebenden Räthe haben 
beichlojjen: 
Daß die Kofarde dreifarbig jeye; und zwar follen diefe Farben grün, 
roth und gelb jeyn; grün oben, roth in der Mitte, und gelb unten. 
Beichloffen vom großen Rath den 14. April 1798, 
Angenommen vom Senat den gleihen Tag. 


182. Beſchluß der Glarner Landsgeminde, die helvetifche 
Derfalung nicht anzunehmen. 15. April 1798. 
Schweiz. Republitaner 1798. ©. 13. 


In Betreff der jogenannten neuen helvetiichen Staatsverfaffung, die be: 
reits von einigen andern Cantonen angenommen, und auc uns von denſelben 
in jehr jchmeichelhaften Worten empfohlen worden, ziehen wir den großen 
Unterjchied in Betrachtung, der jowohl in Abficht des Reichthums, als in 
Abficht der Yage, zwiſchen diefen Cantonen und den unfrigen jtatt hat. Gänzlich 
mangelt e8 ung an Staatsfonds und an jährlichen Einkünften zur Bejoldung 
der neuen Negierung. Aus diefen und andern Gründen faſſen wir einmüthig 
den Entſchluß zur Beybehaltung unſrer alten Verfafjung, die ja weder ari- 
ſtokratiſch noch oligarchiich, jondern ganz einfach, ländlich und democratijch 
ijt; in der Hoffnung, daß uns deshalb Niemand eine andere Staatsverfaffung 
aufbürden, noch in unjerem friedlichen Thale in der Ruhe ftören werde; im 
Tall aber uns Jemand an unſrer jeit „Jahrhunderten ruhig geftandenen Re— 
gierungsform beeinträchtigen, oder gar feindlich anfallen wollte, jo haben wir 
ung in dem Bewußtſeyn unferer gerechten Sache, und dem Vertrauen auf 
den Gott, der umjern Vätern vor mehr als vierhundert Jahren im einer eben 
jo bedrängten Yage geholfen hat, fejt entſchloſſen, und uns alle unterm freyen 
Himmel mit Abjchwörung eines feyerlichen Eides verbunden, die von unfern 
jeligen Vätern uns mit ihrem treuen Blut erworbene Freyheit, al$ dem 
größten Theil unjers Vermögens mit Yeib, Blut und Gut bis auf's Aeußerſte 
zu verteidigen. 

Ferner daß die Büchlein der neuen Helvetiihen Staatsverfaffung ; alle 
auf die neue Megierungsform bezüglide Schriften, wie auch die Zeitungen 


a ea 


428 


von Zürich, Schaffhaufen und Chur, und alfe andere Zeitungsblätter und 
derley Schriften von nun an in Unſerm Land aberfannt, und wer entdekt 
würde, daß einer derley Schriften in Händen, und jelbe nicht abgejchaft habe, 
derjelbe alsdann der Hoheit angezeigt, und als ein meineidig treulojer Vater: 
landsverräther von dem Mealifizgericht abgeftraft werden jolle. 

Nicht minder jollen diejenigen, die dieſe neue helvetiiche Staatsverfaſſung 
vorzunehmen, an einer Yandsgemeinde oder öffentlichen VBerjammlungen an— 
rathet, oder auf öffentlichen Straßen oder Zujammenfünften, oder auf irgend 
eine Art im Geheim jelbe Conſtitution oder derley Schriften mündlid) oder 
ſchriftlich anlobte, annähme oder gut auslegte, joll auch malefiziich abgejtraft 
werden, er jey geift- oder weltlichen Standes. 


183. Die gefehgebenden Räthe der rinen und untheilbaren 
helvetifchen Republik an die noch nicht mit ihnen 
vereinten Kantone. 

Tageblatt der Gefete und Dekrete S. 11. 


Bürger und Freunde! 

Mit wahrer Betrübnis und beflemten Herzen haben wir jhen mehrere 
mahl in unfrer Verfammlung den traurigen Ton der Klage aus euern Alpen 
vernommen, der Klage über den Verluſt eurer Freiheit, welchen die Annabıne 
einer neuen Konftitution, die wir eben bejchworen, nad) jich ziehen würde. 

Diefes bewegt uns bier in Aarau zum Glück Helvetiens verſammelte 
Brüder, die wir euch mit ganzer Seele zugethan find, ein Wort der Yiebe — 
der reinjten Bruderliebe, wie Schweizer nur empfinden fünnen, die jeit meb- 
rern Jahrhunderten an ein einziges Vaterland gefnüpft jind, zu euch zu 
jprechen. Hört, Brüder, auf die Stimme der Yiebe und Freundſchaft; ver- 
ihmähet nicht die neuen Bande der Einigfeit, die wir euch freundichaftlic) 
anbieten; die Natur und der Väter Treue bat uns zu einem Volk bejtimmt. 

Brüder! Was mollt ihr euch trennen von alten Eidgenofjen, die jeit 
vierhundert Jahren jich in jeder Gefahr beigeftanden; und wo war und ift 
die Gefahr der Trennung gröffer als jezt? 

Wollt ihr die Alpen, die Thäler, dieje ftillen Zeugen ımjrer Eintracht, 
zu Zeugen des Zweifpalts, des Brudermordes umichaffen? Sollen Einigfeit 
und Tugend mın fremd in Helvetien ſeyn? 

D mie würde e8 bluten, das Herz unfrer drei Väter im Grütli, wenn 
fie mit eignen Augen jezt fähen, mit eignen Obren jezt hören würden, wie 
ihre Söhne jich entzweien, ſich jelbft entzweien, über Freiheit, iiber die heilige 
‚Freiheit, für welche fie allein lebten ? 


i 


429 


Wie wiirde es bluten, das Herz des frommen Klaus, wern er die Kinder 
jener Väter, welche er einjt jo glücklich vereinigte, gegen einander im Streit 
jehen würde — im Streit — umd für mas? 

Meynt ihr, Brüder, wir jeyen etwa nicht mehr frei, durch die Annahme der 
neuen Conftitution? Wer könnte euch, ums Himmels willen, jo irre führen! 

Dieje Eonftitution macht uns ja alle gleich, fezt uns alle unter den 
Shut eines Rechts, unter den Schug von Gejegen, die wir ums jelbit 
geben; und darinn bejteht doch das Wejen jeder Freiheit. 

Brüder! Bedentt doch recht, was ihr thut; frage doc) jeder fein eigen 
Herz, ob wir je noch jo frei geweſen find, wie wir es durch dieje Eonftitution 
nun werden ? 

Wir wiffen alle, wie und worinn eure Freiheit beftanden; wie auch 
jelbjt den Eifer, mit welchem ihr jie vertheidigen wollt, wenn man fie an- 
tajten würde; allein wir wiſſen auch, daß wenn ihr eine andere vertheidigen 
wolltet, als die ift, welche wir nun beſchworen, ihr nicht mir euch, eure 
Weiber und Kinder, jondern ener ganzes Vaterland ins Unglück ftürzet. 

Dingegen, welch jchöner herrlicher Gewinn wartet auf euch, auf uns 
alle, wenn ihr gemeinjchaftlic mit uns den ſchönen Pfad der neuen Freiheit 
betretet, welche der Himmel ung jezt jchenft! In einen einzigen Staat ver- 
eint, hat unſer Vaterland mehr Kraft im Innern, und mehr Widerftand 
gegen jeden Feind, der jeine Freiheit antaften ſollte. 

Greifet der Hand des Schickſals nicht vor, die uns bis dahin jo väter: 
lich geleitet, und glaubet mit uns daß eine einzige Nepublif unendlich mehr 
innere Kraft, als jo viel zerftüdelte Kantonen habe. 

Das alte Gebäude unfrer Verfaffung iſt ſchon lange baufällig gewejen ; 
num iſt es geftürzt, geftürzt durch die Allmacht einer jchönern Freiheit, als 
die war, welche es nur jo kümmerlich zujammenhielt. 

Kommt Brüder! Kommt, helfet uns brüderlich den neuen Bau vollenden ; 
ihlagt Hand in Hand mit uns zum Wohl des theuren VBaterlandes, und 
jeyd verfichert, daß die Stifter unſrer erften Freiheit im Grütli, hätten fie 
damahls jchon den reifen Verftand unjers Jahrhunderts gehabt, gewiß dieſe 
neue Gonjtitution, ımd feine andere bejchworen hätten, bejonders, wenn, wie 
jett, von diefem Schwur dag Heil des Vaterlandes abhieng. 

Laßt euch, Brüder, nicht bethören, nicht verführen von faljchen Gerichten 
und Vorjpiegelungen, als wenn ihr die Koften der neuen Conftitution nicht 
ertragen könntet. Ganz Helvetien fteht zujammen; alle ftehen für einen, und 
einer für alle; wir haben alle nur eine Staatsfaffe; und wie fünnte es alſo 
uns noch fehlen ? 

Laßt euch noch weniger verführen, zu glauben, als wenn dieje Conſti— 
tution der Neligion, dem Glauben unferer Väter nachtheilig jey. Die Neligion 
bleibt unangetaftet, und Gott iſt überal Gott, 


430 


Bei diefem unjerm Gott, der unſre Väter jo oft in Gefahren beichüzte, 
der unjer Vaterland jo lange vor Unglüd bewahret hat, beſchwören wir euch 
theuer und heilig: kommt in unſern Schooß, Brüder! Eilt in unſere Arme! 
Herz an Herz, Mund an Mund ſchwören wir dann den jchönen, feterlichen 
Schwur aufs neue, den Schwur eines einzigen, ungetheilten, freien Volkes: 
„Keinen Herrn als fich ſelbſt, feine andere Macht anzuerkennen, als die Ge— 
jee, welche wir zu unſerm Glücke uns ſelbſt geben!" 

Aarau, den 19ten April 1798. 

Der Präjident des groſſen Raths, 
Kuhn. 
Zimmermann, Sefretair. 
Der Präfident des Senats, 
Peter Ochs. 

Ujteri, Sefretair. 


184. Der fränkifche Obergeneral an die Kantone, die der 
helvetifchen Mehrheit noch nicht beigetreten find. 
27. April 1798. 


Republifaner 1798 ©. 35. 





ING ie üiberlegenfte Mehrheit der helvetiichen Nation hat die Konftitution 
| &.\ angenommen; ihre Gejezgeber beſchäftigen ſich unaufhörlich mit 
a den Mitteln, fie in Ihätigfeit zu verjegen. Das BVollziehungs- 
direftorium iſt eingelegt — Ehrfurcht umd allgemeines Zutrauen haben es 
umrungen — jeine Stütze ijt die fränkische Regierung, und Vollmacht ift ihm 
gegeben über Truppen zu fchalten, welche ganz Europa befiegt haben. Was 
vermöchte wohl jo groffen Borfehren die Minderzahl unmächtiger Aufrührer 
entgegenzujeßen ? 

Bürger, bört endlich einmal die Stimme der Vernunft! vereinigt euch 
unter der Fahne der helvetiſchen Konftitution! fehret zurid in den Schoos 
einer Brüderfamilie, die die Arme nach euch ausftredt! Euer Eigenthum, 
euere Neligion follen unangetaftet bleiben; die Duldung ift die erfte Tugend 
eines freien Volkes. 

Wenn ihr aber in eurer Blindheit verharret, wenn ihr nur auf Die 
Pügenftinmen des Fanatismus zu achten fortfahret, jo ftürzet ihr euch noth- 
wendigermweife in einen Abgrund von Uebeln. Aber erzittern follen fie, die 
Urheber euerer Blindheit, dieje ſtirnloſen Heuchler, die jelbjt an die Mährchen 


431 


nicht glauben, die fie euch vorſchwatzen — Eine eremplariiche Strafe wartet 
auf jie. 

Auf der einen Seite Friede und Glück — Auf der andern Seite Krieg 
und alle Qualen die ihn begleiten! Wähler! Noch habt ihr Zeit dazu. — 
Wühlet, aber — geſchwind! 

Arau, den 27. April 1798. 

Schauenburg. 


185. Abfıhaffung des Prädikats Herr. 28. April 1798. 


Tageblatt der Gefege und Defrete ©. 28. 


Die gejeßgebenden Näthe haben 

beichlojjen: 

Daß das Wort Herr bei allen Authoritäten abgejchafft bleiben; und 
daß ftatt diefem der Gleichheit widerftrebenden Ausdrude, überall das jchöne 
md fimple Wort Bürger gebraucht werden ſolle. 

Beichlojfen vom großen Rath den 25. April 1798. 

Angenommen vom Senat den 28. gleichen Monats. 


186. Gefeh über die Amtskleidung der gefehgebenden Räthe und 
des Direktoriums. 3. Mai 1798, 


Tageblatt der Gelege und Dekrete S. 40 f. 


Die gejetgebenden Näthe, nachdem fie die iiber das Coſtüme der gejek- 
gebenden Räthe und des Direftoriums niedergejegten Commiſſion vernommen, 
haben folgendes 

beſchloſſen: 
Coſtüme des Senats. 
1) In den Verſammlungen: 

a) Einen Rock von dunkelblauem Tuche, nach franzöſiſcher Art zuge— 
ſchnitten, und mit einer Reihe eng aneinander ſtehender Knöpfe, 
über die Bruſt herab zugeknüpfet; der Kragen hoch und fliegend 
und von gleicher Farbe, aber von Sammet, mit einer leichten ein- 
fachen Brodüre von Gold geftidt, die Knöpfe gelb von mittlerer 
Größe, etwas erhöht und einfad). 


432 


2) 


1) 


2) 


b) Eine ftrohgelbe Wefte in Form gewöhnlicher Gilets. 
c) Dunfelblaue Hojen, wobei aber erlaubt iſt, jtatt dieſer, Pantalons 
von gleicher Farbe mit Halbftiefeln zu tragen. 
Eine dreyfarbige jeidene Schärpe um den Yeib gewunden, die auf 
der linfen Seite durch eine einfache Schleife zufammengefügt wird, 
deren Ende herabhängen, und mit jeidenen Franſen geziert find. 
e) Einen runden jchwarzen Hut, worauf eine grüne Strausfeder be- 
fejtiget ift. 
Außer den Verſammlungen: 
Das gleiche Kleid, gleiche Hojen und Wefte, ohne zu Tragung der 
Schärpe und des runden Hutes verbunden zu jeyn. 


d 


— 


Coſtüme des großen Raths. 


In den Verſammlungen: 

Genau das Gleiche, wie der Senat, außer eine rothe Strausfeder 
ſtatt einer grünen, auf dem Hut, und den Röockkragen von gleicher 
blauer Farbe und Tuche wie der Nod. 

Außer den Verjammlungen: 

Gleich mit dem Senat, nur der Rodfragen von eben dem Tuche 

wie der Rod. 


Coſtüme des Direftoriums. 

Kleines oder tägliches Coſtüme. 

a) Ein dunfelblauer Rock von Tuche, gleich gefchnitten und mit gleichen 
Knöpfen, wie der von beiden Räthen, auf dem Kragen, den Auf- 
jchlägen der Ermel und den Rocktaſchen eine einfache Brodire von 
Gold geftict. 

b) Dunfelblaue Beinfleider, wie die Näthe. 

c) Eine weiße Wefte en gilet. 

d) Eine dreifache jeidene Schärpe mit Franſen um den Yeib ge- 
ihwungen wie die Räthe. 

e) Einen runden, auf der einen Seite aufgefchlagenen Hut, mit drei 
Strausfedern von drei Farben darauf. 

Großes Coſtüme bei Feſten, Ceremonien und groffen Audienzen. 

a) Die gleiche Kleidung wie gewöhnlih, außer die Schärpe von der 
rechten Schulter auf die linke Seite herabhängend, und bei der 
linfen Hüfte in eine Schleife geichlungen. 

b) Ein gelber Säbel an einen Säbelgehänge, das um den Yeib über 
den Nod getragen wird; das Gehäng ift von grünem Saffianleder 
und gejtickt mit Arabejque von Gold. Es wird vorn mit einem 


433 


Hafen von gewöhnlicher Form ($) zugeichloffen, und der Säbel 
hängt durch zwei jchmale Riemchen von Saffianleder an dem Gürtel, 
Beichloffen vom grofjen Rath den 2. May 1798. 
Angenommen vom Senat den 3. gleichen Monats. 


187. Borläufige Aufhebung aller Perfonat-Feodal-Redte. 
4. Mai 1798. 


Tageblatt der Geſetze und Defrete S. 45. 


SM Nie gejetgebenden Näthe, auf Einladung des Direktorium über die 
ua dringende Nothwendigfeit ſich ungejäumt mit der Unterjuchung 
IA der Feodal:Rechte zu beichäftigen, haben vorläufig das Princip 

beſchloſſen: 
Daß alle Perſonal-Feodal-Rechte aufgehoben ſeyn ſollen. 
| Beichlofjen vom groffen Rath den 4. May 1798. 
Angenommen vom Senat den gleichen Tag. 





188. Sequeſter auf Klöfter, Stifte und Abteien. 8. Mai 1798. 
Tageblatt der Geſetze und Defrete S. 50. 


Die geſetzgebenden Räthe, auf den Vorfchlag eines Mitgliedes, haben 
den Umſtänden der Sachen angemefjen gefunden, zu 

beſchlieſſen: 

Daß das ſämmtliche Vermögen aller geiſtlichen Klöſter, Stifte und Ab— 
teyen von Stunde an, ſolle mit Sequeſter belegt werden, und den Beſitzern 
und Verwaltern unter ihrer Verantwortlichkeit, und bey hoher Strafe unter- 
jagt jeyn, mehr von denjelben veräußern zu dürfen. 





189, Unbedingte DHandlungsfreiheit zwiſchen allen Bantonen. 
8. Mai 1798. 


Tageblatt der Gejege und Dekrete S. 52, 


Die gejetgebenden Räthe, auf mitgetheilte Anzeige des Vollziehungs— 
Direftoriums, daß die Verwaltungsfammer des Kantons Zürich durch eine 
Verordnung die Ausfuhr aller Yebensmittel unterfagt habe; 

Oechsli, Quellenbuch. 28 


434 


In Erwägung, daß die Conftitution Art. 1. alfe Gränzen*zwifchen den 
Kantonen aufhebt, dergleichen Ausfuhrverbote, geradezu dem Grundfage der 
Einheit und Untheilbarfeit zumiderlaufen, haben 

beſchloſſen: 

Daß die Verordnung der Verwaltungskammer von Zürich annullirt ſeyn, 
und daß ferner eine unbedingte Handlungsfreyheit zwiſchen allen Kantonen 
Platz haben, und dieſes überall publizirt werden ſolle. 


190. Geſetz über das helvetiſche Staatsſtegel. 12. Mai 1798. 
Tageblatt der Geſetze und Dekrete S. 71. 


Die geſetzgebenden Räthe, auf Einladung des Vollziehungs-Direktoriums, 
das Symbol zu beftimmen, welches es fich zu jeinem Siegel bedienen joll, 
haben 

beſchloſſen: 

Wilhelm Tell, dem ſein Knabe den Apfel am Pfeil überreicht, ſoll das 

Symbol des Siegels der helvetiſchen Republik ſeyn. 


191. Abſchaffung der Tortur. 12. Mai 1798, 
Tageblatt der Gelege und Dekrete ©. 73, 


Die gejetgebenden Räthe 
verordnen: 
Daß von jezt an in ganz Helvetien die Tortur abgejchafft jene. 


192. Gine Publikation des zürcheriſchen Regierungsfatthalters. 
Flugblatt, Stabtbibl. Wintertur. 
Freyheit. Gleichheit. 


Publication. 
Bürger! 
Da an mehrern Freyheitsbäumen noch Fähnlein wehen, welche die 
ſchwarze Farbe neben der rothen und gelben führen, und da auch noch einige 


en su 


435 


Eocarden, die aus nicht nationalen Farben zufammengejezt find, da und dort 
zum Vorſchein fommen; jo ergreife ich diefe Gelegenheit, alle Bürger zu er: 
mahnen, an Fähnlein und Cocarden ftatt der fchwarzen Farbe die grüne, 
vorgejchriebener Maßen, anzubringen. 
Republifanijher Gruß! 
Zürid) den 25. May 1798. 
Der Negierungs-Statthalter des Kantons Zürich 
Pfenninger. 


193. Das Bollziehungsdirektorium an BRapinat. 9. Mai 1798. 
Nepublitaner ©. 79, 


Bürger Commiffar! 

Das helvetiiche Vollziehungsdirectorium wird nicht eher aufhören Sie 
mit Vorftellungen anzugehen, als bis Sie den Uebeln, welche die verfchiedenen 
Theile Helvetiens bedrüden, werden Schranfen gejezt haben. Vorgeftern 
Abend ſchloß ein Detachement franzöfiicher Truppen, welche in Luzern ein- 
quartiert find, die Thore diefer Stadt und begab ſich zu fünf Bürgern, die 
e3 gefangen nahın. — Hernach verfügte es fi) auf das Stadthaus, ver- 
fiegelte dajelbft die öffentlichen Kajjen, jo wie auch diejenigen wohlthätiger 
Stiftungen, welche zum Troſt der leidenden Menjchheit beftimmt find. 

B. Commiffar, diefe Maasregeln gegen ein Volk, deifen Beichüter das 
franzöſiſche Directorium ift, find ficher eben jo jehr feinem Willen, als den 
heiligen Grundjägen der Menjchlichfeit und Gerechtigkeit zuwider. 

Das Directorium erjucht Sie, B. Commiffar, daß da der Unterhalt der 
franz. Truppen den BVBerwaltungsfammern der Kantone zukömmt, Sie diefen 
Kammern auch die Freiheit lafjen mollen, dasjenige aus den öffentlichen 
Kafjen zu entheben, was dieſer Unterhalt erfodert: dies verlangt die Ge— 
rechtigfeit, dieſes ift der allgemein befannte Wille des franz. Directoriums. 

Es verlangt von Ihnen, B. Commiffar, daß Sie Befehle ertheilen, 
damit die Caſſen frommer Stiftungen, des Hoſpitals, des Waifenhaufes umd 
anderer mehr, von den ftrengen Maasnahmen befreit bleiben, die in Bezug 
der öffentlichen Gelder getroffen mworden find. Diefe Eafjen find gar fein 
öffentliches Gut; fie haben fich durch die Gejchenfe von Partifularen, die von 
ihren Glüdsgütern einen würdigen Gebrauch zum Troſt der leidenden Menſch— 
heit gemacht haben, gebildet. — Heilig jind fie als Eigenthum der Armen, 
Kranfen und Waiſen; und auch jelbft mitten in den Schrekniſſen einer durch 
Sturm eroberten Stadt wurden fie immer verjchont. — — 


436 


194. Bapinats Antwort auf diefe und ähnliche Zufrhriften des 
helvetifchen Direktoriums. 
Republilaner S. 9%. 


Generalquartier zu Bern am 25. Floreal [14. Mail] 
im 6ten Jahr der Republik. 
Bürger Directoren! 


Ich muß den ungerechten Klagen und den Verläumdungen ein Ende 
machen, die gegen den B. Roubiere, Commifjair Ordonnateur bei der Arınee, 
verbreitet werden. Seine Verordnungen find anders nichts als Folgen der 
allgemeinen Maafregeln, weldye der Obergeneral mit meinem Vorwiſſen ge- 
troffen hat. 

Mit Unrecht macht man dem B. Rouhiere Vorwürfe über den Verkauf 
der alten Waffen und des alten Plunders, der in den Arjenalen von Bern, 
‚Freiburg und Solothurn gefunden ward; diefer Verkauf ift mit dem Über: 
general und mit dem Commandanten der Artillerie verabredet worden, ich 
war davon unterrichtet, und jeit den Vorftellungen, die ich darüber von Ihnen 
empfangen habe, ijt er eingeſtellt worden. 

Eben jo wenig hatte man Urfache, jich über die Maafregeln zu beflagen, 
die er zu Bezahlung der Contribution getroffen bat, und die gegen ihn ge- 
führte Klage über die Verhaftnehmung des B. Bay, ift durchaus falſch be- 
funden worden. ’ 

Der Obercommiffar mußte, gemäß Befehlen und Torjchriften des Minifters 
die Vorräthe fennen, die im Yand vorhanden waren. ... Er mußte Maga- 
zine zur Aufbewahrung der Yebensmittel anlegen, um auf unvorbergejebene 
Fälle bereit zu jeyn, und diefe Vorfichtsanftalt hat man für eine Bedrüdung 
ausgegeben. — — — 

Mit einem Wort, alle jeine Handlungen waren mit dem Stempel der 
Anftändigfeit, der Achtung, des Zartgefühls und einer unmwandelbaren An- 
bänglichkeit an feine Pflichten bezeichnet, und dafür überhäuft man ihn mit 
Kränfungen aller Art. Meine Pflicht gebietet mir, der fränfifchen Hegierung 
die Ränke der Intriganten, deren Anjchlägen er entgegen arbeitet, bekannt 
zu machen..... Ich verhehle Ihnen nit, Bürger Directoren, 
daß ich feſt entichlofjen bin, Befehlen der fränkiſchen Regie— 
rung Ehrfurdt zu verjhaffen. Ueberzeugen Sie ſich aljo 
von der Wahrheit, dag Sie das Recht nicht bejigen fönnen, 
den Maafregeln, die auf jener Befehle getroffen werden, 
Hindernijfe in den Weg zu legen: Ihre Amtsvollmadt be- 
ſchränkt ji auf die innere Verwaltung der helvetiſchen Re— 
publik, jie fann fi nicht weiter erjtreden. — — — 


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437 


Diejen Grundfägen zufolge, habe ich die Siegel erbrechen laffen, die der 
von Ihnen beauftragte Commiljar auf die Caſſen und öffentlichen Fonds zu 
Bern hat legen laffen, denn diefe Kafjen find das Eigenthum der fränkiſchen 
Republik. . . . Ich habe einen Beſchluß ausgefertigt, der den ohne Unterlaß 
wiederkehrenden Hinderniſſen ein Ende machen ſoll. 

Ich hoffe, Bürger Direktoren, Sie werden, nach den Erklärungen von 
Anhänglichkeit an die fränkiſche Republik und von Ergebenheit an die Grund— 
jäge ihrer Regierung, die Sie gethan haben, in Zukunft feine Verfügungen 
mehr treffen, die den Abfichten der fränkiſchen Republik zumider find; und 
Sie werden fi begnügen, Vorftellungen zu machen, welche allein fünnen 
angenommen werden. — — 

Nepublifaniicher Gruß. 
Rapinaz. 


195. Aus den Beratungen des helvetiſchen Großen Rates, 
2./3. Juni 1798, 
Republifaner ©. 154 und 157. 


2. uni. Panchaud macht eine lebhafte Schilderung von den häufigen 
gewaltthätigen Handlungen umd jelbft Mordthaten, welche im Kanton Leman 
von fränkischen Soldaten verübt worden, und fodert Hilfe gegen diejes Un— 
glüd. Billeter bejtätigt diefe Angaben, und jagt, im Kanton Zürich jeyen 
noch häufiger ähnliche Mighandlungen verübt, und fogar in einem Dorf 
7 Perfonen ermordet worden: zudem bat er wenig Hofnung für Erleichterung, 
indem die franzöfiihen Soldaten ſich laut erflären, fie fragen den Profla- 
mationen ihrer Generale und Commiſſaire nichts nah. Suter jagt, es jey 
traurig ſolche Greuelthaten von Gliedern jener Nation vernehmen zu müſſen, 
die ung befreit habe.... Derzog: es werden jo häufige und jo jcheus- 
liche Gewaltthätigfeiten begangen, daß es bald bejjer wäre, unter der Tyrannei 
zu jeufzen, als auf diefe Art frei zu fein...... Näf macht eine lebhafte 
und rührende Darjtellung von dem Drud, den Beraubungen, Schändungen 
und Mordthaten aller Art, die durch die franzöfiihen Soldaten verübt werden, 
und jagt, jelbjt die Vorftellung, daß die Gegenden, die fie auf dieſe Art be- 
handeln, ächt republifanijch gefinnt find, jey ohne Wirfung, indem die Soldaten 
zur Antwort geben, die Demofraten müjjen mit den Ariftofraten zahlen... . 
Schoch fordert, daß man fogleic 20,000 Mann anwerbe, fich aljo auf jeine 
eignen Füſſe ftelle, dieſes dann dem fränkischen Direktorium anzeige, und 
dasjelbe bitte, jeine Truppen wegzuziehen. Tröjch jagt, ehe die Franzoſen 
weggehen können, müſſen wir erft ung das Zutrauen des Volk verichaffen, 


438 


welches ganz leicht ift. Endlich wird zur Berathung der zu ergreifenden 
Maasregeln eine Commiffion niedergejezt. — — 

3. Juni. Nuzet theilt eine Proflamation des franzöſiſchen Kom— 
miffar Rapinaz mit, der zufolge fein helvetifher Bürger ohne 
Paß auſſer feinen Kanton, und nicht ohne Erlaubnißdesfran- 
zöſiſchen Kommiſſärs aufjer Yandes reifen fann, mit An— 
drohung von Gefangennehmung, Kriegsgeriht und Buße im 
Fall der Nihtbeahtung des Beſchluſſes. Secretan: Das fran- 
zöſiſche Direktorium hat uns frei erflärt, dieſe Profflamation jcheint unfrer 
Freiheit zumider zu ſeyn, daher fodre ich Unterjuchung der Sache durch eine 
Kommiſſion. Eſcher fagt, durch diefe Proflamation find alle Helvetier in 
Kantonsarreft gejezt, alfo ift wohl einleuchtend, daß fie unſrer Freiheit ent- 
gegen iſt; aber mehr noch, fie ift eben jo beſtimmt unfrer Konftitution, der- 
jenigen, die wir von den Franken empfangen haben, zumider, denn diefer 
zufolge follen feine Grenzen mehr in Helvetien ftatt haben; darum fodre ich 
Kaſſirung der Proflamation, mit Weberweifung diefes neuen Eingriffs im 
unſre Freiheit, an diejenige Kommiffion, die wir geftern wegen andern Ge— 
waltthätigfeiten der Franzoſen niedergejezt haben; denn wenn die Sachen fo 
fortgehen, jo wird es bald Zeit feyn die Frage in Umfrage zu jegen, von 
der jüngfthin unfer Präjident ſprach, „Frei leben oder fterben!“ (Geklatſch). ... 
Huber fühlt auch die Verlegung umfrer Freiheit, aber da Kaffirung eines 
jolchen Arretes eine zu ungewohnte Maasregel wäre, jo wünſche er, daß das 
Direftorium eingeladen werde, die nöthigen Maasregeln zu ergreifen, und erft 
wenn dieſe fruchtlos find, fünnen wir Verfügungen treffen. Tröſch ent- 
Ihuldigt die Proflamation, und jagt, fie diene nur zu unſrer Sicherheit. 
Carrard fühlt auch den Eingriff den unfre Freiheit leidet; allein da die 
Proflamation auch zugleich auf Fremde und Franfen ausgedehnt ift, fo fodert 
er erft eine Kommijfion.... Eicher: Freilich haben wir auch ſchon ſolche Pro- 
Hamationen fajjirt, nämlich die des Kommiſſärs Pommier, über die Werth 
beftimmung der Freiburger Thaler, die gegenwärtige aber greift num unſre 
Unabhängfeit beftimmter und weit allgemeiner an, als jene, und fodert aljo 
auch wenigitens die gleiche Energie. Zudem find wir die Gefetgeber Hel— 
vetiens, nicht Rapinaz ift es; wenn Er alſo Geſetze gibt, fo greift er in 
unfern Beruf, und wir haben aus Auftrag des Volfs allein die Pflicht auf 
uns, Gefege zu machen, alfo jollen auch wir uns jolden Eingriffen zuerft 
widerfegen, ich beharre denmad auf der gefoderten Kaſſation. Nuzet fagt: 
Eicher hat völlig Recht, wenn er jagt, es gebe uns eine fremde Macht Gejete, 
und dies laufe der Somveränität umfers Volkes entgegen..... ‚ ih fodere 
daber jogleich eine Adreife an das Direktorium, indem auch ich lieber fterben, 
als das Vaterland umterdrüft willen will. Cartier entjhuldigt die Pro- 
Namation, und findet fie darin vortheilhaft, weil durch diejelbe die Oligarchen 


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gehindert werden, im Lande herum zu ziehen, und Unruhe zu ftiften..... 
Herzog: unjere Freiheit und unfere Konftitution find durch diefe Prollamation 
mit Füſſen getreten; wir find unnüz hier, wenn wir ung Geſetze geben laſſen! 
nichtS bliebe uns übrig, als auseinander und nad) Hauje zu gehen, um über 
unfre verlohrne Freiheit zu meinen, aljo fodere ich Kafjation und Nieder: 
fegung einer Kommiffion über Päffe. Huber fagt, wir follen ja nicht auffer 
die Formen treten, fonft ftürzen wir uns in noch größere Gefahr: das Diref- 
torium bat Pflicht auf fi, uns vor äuffern Eingriffen zu fihern. Secretan 
beharrt auf einer Kommifjion, um dann erflären zu fünnen, daß diefe Pro: 
Mamation die Schweizer nichts angehe. Hüſſi fodert Theilung des 
Segenftandes, und in diefer Nükficht Unterfuchung, was davon uns allein 
angehe, um dann auch dieſes allein ausheben zu fünmen: übrigens hat er 
Ahnung, als ob uns hierdurch alle unmittelbare Kommunifation mit dem 
fränfiichen Direktorium abgejchnitten werden follte. Hüſſis Antrag wird an- 
genommen und zu der Hierzu erforderlichen Kommiffion ernannt: Kuhn, 
Nuzet, Secretan. 

Das Direktorium zeigt an, daß es vom General Schauenburg die 
Nachricht eines wichtigen Sieges der fränfifchen Republik über die,Engländer 
bei Oftende erhalten habe. Man Hatjcht und ruft bravo! 


196. Bapinat befiehlt den Austritt Bay's und Wfyffers aus dem 
helvetifchen Direktorium. 16. Juni 1798. 
Republilaner S. 227. 


Bürger Direktoren, 

Der natürliche Antheil, den ich an allem nehme, was die fränfifche Re— 
gierung, deren Stellvertreter ich in diefem Lande bin, betrifft, haben mich 
bisher überzeugt, daß die Wohlfahrt Helvetiens auf das innigſte mit ihr 
verbunden ift; ich muß daher alle Maasregeln ergreifen, welche die Vortheile 
beider Republiken zu vereinigen, im Stande find. 

Um diefen beilfamen Endzwek zu erreichen, fteht mir nur ein einziger 
Weg offen, diefer, Die obern und untern Obrigfeiten der Schweiz 
zu reformiren. Es ift durd die That erwiejen, daß der jehr entjchiedene 
Hang einiger Mitglieder des Vollziehungsdirektoriums zur Rüffehr nach der 
ehemaligen Regierungsform nur die größten Uebel nad) fich ziehen kann. ... 
Es ift dringend, es ift ummmgänglich, daß die Bürger Direktoren Pfyffer 
und Bay umverzüglich ihren Abjchied nehmen. Ebenſo nothwendig ift es, 
daß der General-Sefretär Stef, und der Minifter der auswärtigen Angelegen- 
beiten, Begos, jofort von ihren Poften abgehen. Ich werde die beiden 


440 


abgehenden Direftoren durch die Ernennung von andern 
Bürgern, deren Ergebenheit an die Franfen und Anhäng: 
lihfeitanihr Baterland befauntift, erfegen, und das Direktorium 
wird zu einer neuen Wahl eines andern General-Sefretärs und. Minifterd der 
auswärtigen Angelegenheiten fchreiten. Sie werden endlich nicht anftehen, 
den Statthalter und die Mitglieder der Yuzerner Verwaltungs: 
fammer abzurufen; die Bürger, welche fie zu erjegen berufen jcheinen, find 
die, welche ich die Ehre gehabt habe, Ihnen anzuzeigen. Der Stabsoffizier, 
der Ihnen diefen Brief überreichen wird, ſoll Ihre Antwort abwarten, und 
fein Bericht wird die Maasregeln bejtimmen, die mir meine entjchiedene 
Feſtigkeit und bejtimmter Entſchluß, Helvetien zu retten, eingiebt. 

Empfangen Sie meinen republifanifchen Gruß. 

Rapinat. 


197. Aus der Situng des Großen Rates der helvetifchen 
Republik am 17. Juni 1798. 


Republilaner S. 208 fi. 


a die Einteilung des Kantons Oberland vom Senat ver: 
worfen ward, jo fordert Eicher Rückweiſung in die gleiche Com: 
— miſſion, welche angenommen wird. 
Das Direftorium theilt den Verbalproce über die Wegnahme des 
Yuzernerfhen Nationaljhages, voneinem franzöjiihen Com- 
mijjair mit, worin das männlich feſte Betragen des Regierungsitatthalters 
mit Vergnügen bemerkt wird. 

Die Gemeinde Cheifiere bei Ollon dankt in einer Adreffe für die Auf: 
hebung der Zortur, Feudalrechte u. j. w. und bittet um äuſſerſt leichte Los— 
fäuflichfeit von den Grundzinſen. Man geht zur Tagesordnung über. 

Das Direktorium theilt eine Publifation des Commifjar Rapinat 
mit, worin derjelbe erklärt, daß alle Magazine, welde beim Ein- 
marjh der Franken in Helvetien vorhanden waren, franzd- 
jifhes Eigenthum find, daß er diefelben unterfuchen und aus den Kontris 
butionen Getraideanfäufe machen laſſen werde. 

Kuhn [von Bern] jagt, jeine Verwunderung über das Betragen der 
Franken fteige mit jedem Tage; wenn man ihre vorausgejandten Proflama- 
tionen mit gegenwärtiger und ähnlichen Publikationen vergleiche, jo empfinde 
man einen fchmerzlichen Unterfchied: fie führten doch nicht gegen alle Kantone 
Krieg und wurden in mehreren freundichaftlih empfangen, und doch machen 
fie nun ihre Spieße gegen alle gleich lang. Wann fie jchon das ftrenge 
Kriegsrecht zu ähnlichen Bevollmächtigungen in einigen Kantonen berechtigt, 





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441 


ſo iſt doch die Ausdehnung derſelben auf die übrigen höchſt ungerecht, daher 
fodere ich Niederſezung einer Commiſſion, welche die Grenzen dieſes Rechts 
unterſuche, um dann auf dieſe Kenntnis hin handeln zu können. 
Secretan [ven Yaufanne] glaubt, da dieje Publifation der Verſamm— 
lung fo ſpät mitgetheilt werde, jo foll man zur Tagesordnung übergehen. ... . 
Haas [von Bafel] findet in der Publifation nichts böjes, im Gegenteil 
dankeswürdige Vorficht von Rapinat, indem er durch diefe Sorge, die er auf 
unjere Getraidevorräthe verwenden wolle, Helvetien vor Mangel ſchützen werde. 
Laßt uns daher diefen Danf nicht verfennen und jeder an jeinem Ort mit 
Sorgfalt nachdenten, wie wir das gute Vernehmen mit der groffen Republif 
und gegenjeitiges Zutrauen wieder heritellen können: mit Mühe ſehe ich umjre 
wachjende Empfindlichkeit über jeden uns nicht ganz behaglichen Schritt der 
Franken, und eine Art Freudeäufferung, wenn neue Klagen gegen diejelben 
vor uns erjcheinen. Billeter [von Stäfa] ftimmt Haajen ganz bei und 
glaubt Spuren zu haben, daß die Oligarchen hieran Schuld feyen. Näf [von 
Haufen a. Albis] jagt: Die Franfen haben ihren vorausgefandten Proflama- 
tionen gemäß gehandelt, fie haben uns Freiheit geichenft und unfer Eigenthum 
geſchüzt; denn die Magazine find ja Eigenthum der alten Dligarchen gemejen, 
aljo haben ſie Necht auf diejelben, und ich fodere, daß das Direktorium ein- 
geladen werde, in Rükſicht diefer Magazine mit Napinat zu unterhandeln. 
Eicher! |von Züri]: wahrlid, B. Stellvertreter, der Barometer unſers 
Unabhängigfeitsgefühls, it jchreflich gejunfen: unfre dem Yande, nicht den 
Oligarchen, gehörige unentbehrliche Getraidemagazine werden als franzöfiiches 
Eigenthum erklärt, umd wir jollen ruhig zufehen und danfen für die Gnade 
die man uns erweist! Ich begreife euer Betragen nicht: noch ijt es feine 
Stunde, daß ihr dem männlichen Muthe des Statthalters von Yuzern, den er 
bei der Wegnahme des Yuzerneriichen Schates zeigte, Beifall zolltet, und jezt 
da man der ganzen Nation ihre Getraidemagazine wegnimmt, wollt ihr 
rubig zufehen? ift euch demm ein elender Schaz wichtiger als die Magazine 
Helvetiens, die uns. bei der geringiten Sperre von Zufuhr oder beim geringften 
Mißwachs vor dem Hungertod fichern? was lähmt euch denn wenigftens das 
zu thun, was noch in unjern Kräften ift, das zu thun, was wir am Statthalter 
von Yuzern mit Beifall bejchenkten? B. Stellvertreter, ich begehre, daß das 
Direftorium aufgefodert werde, gegen diefe Bemächtigung feierlich zu protejtiren 
und zu erklären, daß dadurd die helvetiiche Nation der umentbehrlichiten Mittel 
ihres Dafeyns beraubt werde. Und mun noch ein Wort fir Haas: ich erfläre 
feierlich, daß ich nie Freude empfand und nie Freude bemerkte in unjrer 
Lerfammlung, wenn Klagen über die Franken vor uns erfchienen, jondern 


' Der jpätere Urheber des Linthwerks. 


442 


daß ich jedesmal im innerjten meines Herzens darüber gefränft war ; ich gebe 
‘alfo diefe Angabe als durdaus falſch zurücd! (hier und da Beifallruf). 

Huber [von Bafel] findet die Franken ſehr forgfältig in diefer Maas: 
regel und freut fich über das Erleichternde derjelben für das Bolt, welches 
nun durch das, aus den oligarchiſchen Kontributionen zu faufende Getraide 
unterjtizt werden fan. Er denkt noch wie ehedem, und fein Barometer der 
Unabhängigkeit ift nicht geſunken; aber er vergißt nicht in den Franzoſen die 
Befreier Helvetiens zu ehren und zu jchägen. Haas ift gleicher Meinung und 
erflärt, daß er nicht Freude in der Verfammlung gejehen über das üble Be- 
tragen der Franken, aber doch jolche zu bemerken glaubte, wenn neue lagen 
gegen fie aufgeftellt wurden; er fodert aufs neue zu jorgfältiger Bewirkung 
von Harmonie auf, und begehrt, dak das Direktorium aufs neue eingeladen 
werde, das Gemählde über den Zuftand Helvetiens zu bejchleumigen; auch 
bittet er um der Ruhe des Volkes willen, und um fein Zutrauen gegen die 
Franken nicht zu jchwächen, feine auffallenden Schritte zu thun. Eufter [von 
Eſchenbach, Et. Linth] zollt dem Borfchlag von Haas feinen Beifall. Rellſtab 
[von Langnau, Zürich] erflärt, daß er nicht gleichgültig ift über diefen Verluft; 
aber dagegen ift er überzeugt, daß die Franzoſen weder den Zürcheriſchen 
Schaz nod) die Magazine weggenommen und nicht einmaf auf Zürich gefommen 
wären, wenn fie die Heinen Kantone nicht durch ihren Krieg Hingezogen hätten: 
er wünſcht auch, daß das Direktorium eingeladen werde, fich wider dieje 
Maasregel zu verwenden. 

Eicher jagt: „ich begreife nicht, was ich höre, entweder fan Huber und 
Haas, oder ich nicht recht leſen, denm ich leſe hier beftimmt: „alle Magazine, 
welche bei dem Einmarjch der franzöfifchen Truppen in die Schweiz bereits 
eriftirten, find ein erworbenes Eigenthum der franzöfifhen Republik“ und dieß, 
DB. Stellvertreter, foll aljo danfenswerthe Sorgfalt des fränkiſchen Commifjairs 
gegen die helvetifche Nation ſeyn? Wie ftehen wir dann, warn einft etwan 
Schwaben gegen ung ſperrt oder warn noch einige Hagelwetter unjre Fluren 
vermüften wie jüngfthin die Gegend von Stäfa? was find alle Schäze, die 
man ung wegnahm, gegen die dringende Unentbehrlichfeit der Magazine! ich 
erfenne euch nicht mehr, B. Stellvertreter: ſonſt waret ihr bis zur Aengjtlichfeit 
aufmerffam auf die Beihügung des Eigenthums und der Unabhängigkeit Hel- 
vetiens, und jezt wollt ihr das Wichtigfte, deſſen man euch entblöffen will, 
nicht mehr mit Eurem Muthe bejchügen! — Erhebet euch und ladet das 
Direktorium ein, mit mehr Energie, mit fraftvollerer Sprache und fefterem 
Muthe als noch nie, fich diefer Maasregel des fränkiſchen Commiffairs zu 
widerſezen, und vor der ganzen Welt dagegen zu proteftiren! — Und da 
Haas feine faljche Beihuldigung aufs neue beftätigt, jo erfläre auch ich neuer: 
dings, daß ich immer bis ins Innerſte beflemmt war, jedesmal wenn Nach— 
richten über Beeinträchtigungen von Seiten der Franken eingiengen; aber da— 


443 


gegen, daß ich jedesmal lebhafte Freude empfand, warın die Berfammlung fich 
mit unerfchrodenem Muthe folchen Verlezungen unfrer Unabhängigkeit wider: 
jezte, fich mit einem Muthe widerfezte, den ich heute vergebens unter ung fuche; 
und in Rükſicht der Beruhigung unſers Volkes; glaubt es, B. Stellvertreter, 
wir können fie durch nichts fefter begründen, al8 wenn wir demfelben zeigen, 
daß es ſich auf unjre treue Sorgfalt für fein Intereſſe verlaffen fann, und 
wenn wir die Franken von Schritten zurüfhalten, welche dafjelbe zur Unrube 
aufreizen; aljo ftimmt jelbft Klugheit mit der Gerechtigkeit zufammen, um uns 
Muth einzuflögen!" Jomini [von Bayerne] und Panchaud [von Moudon] 
ſtimmen Eſchern ganz bei. 

Weber [von Schwiz] ftimmt fir Haas und Huber und glaubt, diejes 
- Mißverftändnis zwijchen Helvetien und der fränfifchen Republik fomme von 
Leuten her, die entweder in der Anarchie ihr Glük fuchen, oder die mit dem 
gegenwärtigen Zuftand der Dinge unzufrieden find, und die alte Ordnung 
wieder herzuftellen wünſchen: in Rüdficht Rellftabs Antrag bemerft er, daß 
nun feine feinen Kantone mehr find und, daß fie jo gut SHelvetier find, als 
die Einwohner des Kantons Zürich; daß fie ſich aber gegen die Franken ver: 
theidigt haben, war reines Freiheits- und Vaterlandsgefühl und Anhänglichkeit 
an die Konftitution ihrer Väter, deren fie fich durch ihren Muth würdig bezeigt 
haben. Mit 43 Stimmen gegen 34 wird die Vertagung eines Beichluffes 
über diefen Gegenftand angenommen. 

Die Stadt Peterlingen dankt in einer Adrefje für die fFeftigfeit mit der 
die Gefezgebung immer unerfchroden die Unabhängigkeit Helvetiens ſchüze! auf 
Secretans Antrag wird Ehrenmeldung erfennt. 

Das Direktorium fodert 6000 Liv. für geheime Ausgaben. Bewilligt. 


198. Proklamation Rapinats vom 18. Zuni 1798. 
Republilaner ©. 232. Bgl. Stürler, Arhiv XVI. ©. 356. 


Der Regierungs:Commiffair bei der Armee der fränkiſchen Nepublif in 
Helvetien. 


In Betracht, daß, wenn es einerjeit wahr ift, daß die Schweiz 
bis jegt eine Eroberung der fränfifhen Armee war, es von 
der andern Seite nicht weniger wahr ift, daß es den Agenten der fränfifchen 
Regierung nicht weniger zufommt, alle Eivil- Politifche und Finanz-Operationen, 
die in Helvetien ftatthaben follen, anzuordnen ; 

In Betracht, daß alle diejenigen, welche darauf bedacht wären, irgend 
eine Maasregel, welche e8 der fränfifchen Regierung in der Schweiz zu treffen 


+44 


gefiele, dur; Anträge, Neden oder Beichlüffe zu hindern, nothiwendig Feinde 
der Freiheit diejer Nation und der Armee jind, welche ihr diefelbe zum Ge— 
ihenf gebracht haben, und nicht anders, [denn] als Soldfnechte des brittiichen 
Kabinets angejehen werden können; 


In Betracht ferner, daß die Motionen und Defrete, welche täglich von 
der gejezgebenden Gewalt Helvetiens gemacht werden, ebenfo wie die Beichlüffe 
des Vollziehungs:Direftoriums das Dajeyn einer gefährlichen und dem Wohl 
Helvetiens nachtheiligen Faktion an den Tag legen; einer Faktion, deren Theil- 
haber, in der Abjicht, ihr mehr Ausbreitung zu verfchaffen, die Zeitungs- 
jchreiber umd Drucder in Sold haben, oder jich jelbft damit abgeben, das 
Gift, das in den öffentlichen Blättern circulirt, zu diftilfiren ; 


In Betracht endlih, daß man nur in der verrätherifchen Abficht die 
Einwohner der Schweiz gegen die Franken zu erbittern, mordbrennerijche 
Motionen in der gefezgebenden Verſammlung vorbringt, oder fich’8 zum Ge- 
Ihäft macht, wenig oder gar nicht gegründete Klagen gegen die fränkiſchen 
Armeen vorzubringen, um den fo jehr gewünfchten Zwef der alten Regierungen, 
Dligarhen und Feinde Frankreichs zu erzielen, jo daß es offenbar, daß es 
dringend iſt, eine ſolche zaktion durch die Anwendung einer ftrengen, aber 
gerechten, umd durch die Umftände gebotnen Feftigkeit zu unterdrüden: 


Wird der Obergeneral aufgefordert, folgenden Befehl ergehen zu laffen: 


Art. I. Alle in dem gejezgebenden Körper gemadten Mo: 
tionen und Defrete, alle von dem helvetiſchen Direftorium 
und den Berwaltungsfammern genommenen Bejchlüfje, welde 
den entwedervondemMegierungs-Commifjair beider fränfi- 
ihen Armee in Delvetien, oder von dem Obergeneral, oder 
ihren Befehlen zufolge getroffenen Maasregeln zuwider find, 
werden für nichtig und ohne alle Wirkung erflärt. E83 ergebt 
daher an alle Obrigfeiten und an alle Einwohner Helvetiens das gemeſſenſte 
Verbott, diefe Defrete und Beſchlüſſe zu vollziehen ; im Gegentheil befiehlt 
man ihnen ausdrüflich, die von dem Commilfär, der Regierung und dem 
Obergeneral genommenen Bejchlüffe zu vollziehen und vollziehen zu machen. 


Art. IT. Alte, welche durch Reden oder Handlungen, alle Beamten, welche 
durch ihre Urtheile den Operationen der fräntiichen Regierung, oder den von 
ihren Commiffärs und dem Obergeneral genommenen Maasregefn hinderlich 
zu ſeyn fuchten, endlich alle Zeitungsjchreiber, SYournaliften, Verfaffer und 
Redakteurs öffentlicher Blätter, welche fich erlauben würden, auf eine Weije 
zu jchreiben, um die Einwohner Helvetiens gegen die Franken, und umgekehrt, 
zu erbittern, die Armee, ihre Obern und die Commiffärs der Regierung zu 
verläumden, argliftige Klagen, Beichiwerden und andere der Ordnung und 


u 


445 


Mannszucht nachtheilige Reklamationen zu verbreiten, durch Erzählung von 
Thatjachen (die, wenn jie von der Art find, daß ihnen geftenert werden kann, 
vor die Commiſſärs der Regierung, oder den Obergeneral, damit er das 
nöthige darüber verfüge, gebracht werden müſſen) das Volk gegen die Franken 
zu empören — alle dieje fo bezeichnete Perfonen ſollen ergriffen, ſogleich 
fejtgefezt, als Störer der öffentlichen Ruhe militairijch gerichtet, und ihre Preffen 
und Buchdruker-Werkzeuge zerbrochen werden. 


Art. III. Jeden Tag, an dem irgend ein öffentliches Blatt in der 
Schweiz ausgegeben wird, und von allen Buchdrufern, Zeitungsfchreibern und 
Redakteurs diejer Blätter, joll dem Commijfär der Regierung und dem Ober: 
general der fränfiichen Armee in der Schweiz ein Exemplar davon zugeichikt 
werden, damit die bejagten Zeitungen von ihnen verificirt und unterſucht 
werden, ob nichts dem vorhergehenden Artifel zumiderlaufendes darin auf- 
geftellt und erzählt wird. Der Preis des Abonnements wird von denjelben, 
jo wie von allen andern Bürgern, vierteljährlich entrichtet werden. Die Bud) 
drufer, Zeitungsichreiber und Nedakteurs find diejer Verfügung ftreng nachzu- 
fommen gehalten. 


IV. Der vorhergehende Beſchluß, der in Form eines Anjchlagzettels in 
| beiden Sprachen gebruft und zu 2000 Eremplaren in allen Gemeinden des 
| helvetijchen Gebiets befannt gemacht und angeheftet werden foll, ift den zwei 

Näthen der gejezgebenden Macht, dem helvetischen Direktorium, jowie alfen 
Verwaltungsfammern zu feiner völligen und genauen Bollziehung offiziell zu- ' 
zujchifen. Die Druffoften jollen von den Contributionen, zufolge der vom 
Commiffair-Ordonnateur en Chef ertheilten Weifungen bezahlt werden. 


Unterzeichnet: Rapinat. 
Der Obergeneral befiehlt, daß von der gegenwärtigen Fertigung 2000 
Eremplare gebruft, joldhe in allen Dauptorten der helvetiichen Cantone be- 


fannt gemacht und angejchlagen, und ihrer Form und Innhalt nach vollzogen 
werden joll. 


Zürich, den 30. Prairial Gten Jahr. 


Unterzeihnet: Shauenburg. 


446 


199. Aus dem Offenfiv- und Defenfiv-Bündnis zwiſchen der 
franzöfifchen und helvetifchen Republik. 19. Auguf 1798. 


Tageblatt S. 438 fi. 


Art. 1. Es foll zwiſchen der franzöfifchen und helvetiſchen Republik auf 
immer Friede, Freundſchaft und gutes Einverjtändnig Statt haben. 


Art. 2. Es befteht von diefem Augenblid an zwifchen beiden Republifen 
ein DOffenfiv- und Defenfiv-Bündnif. Die allgemeine Wirkung dieſes 
Bündniffes ift, daß jede der beiden Republifen im Falle eines Krieges ihre 
Berbündete zur Mitwirkung auffordern kann. Die auffordernde Macht beftimmt 
al3dann, gegen wen die Mitwirkung gefordert werde, und vermöge dieſer be- 
ftimmten Aufforderung tritt die aufgeforderte Macht gegen die genannte Macht 
oder Mächte in Krieg... . Die begehrten Truppen werden von der auf: 
fordernden Macht bezahlt und unterhalten, und im Aufforderungsfalfe foll 
feine der beiden Republifen einen Waffenftillftand oder ein Friedensbündniß 
für ſich bejonders ſchließen können. — — — — 


Art. 3. Dem zufolge garantiert die franzöfifche Republik der heivetifchen 
ihre Unabhängigkeit und die Einheit ihrer Regierung, und im Falle, daß die 
Oligarchie fuchte, die gegenwärtige Verfaffung Helvetiens umzuftürzen, fo ver- 
pflichtet fich die franzöfifche Republik, der heivetifchen auf ihr Anſuchen die 
Hülfe zu leiften, deren fie bebürfte, um über die innern oder äuffern Angriffe, 
die gegen fie gerichtet werden könnten, zu fiegen. .... Und um ihr die 
Mittel zu verichaffen, ihre Kriegsverfaffung auf den nachdruckſamſten Fuß 
einzurichten, willigt die franzöfifche Republik ein, fie wieder in den Befig ber 
Kanonen, Mörfer und Artillerieftücte zu fegen, welche ihr während des gegen- 
wärtigen Krieges weggenommen worden find, über welche die franzöfifche 
Regierung in dem Augenblicke der Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrages - 
noch verfügen fann. — — — — — 


Art. 4. Die Grenzen zwiſchen Frankreich und Helvetien werden in einem 
bejondern Vertrage beftimmt werden, welder zur Grundlage haben foll, daß 
alles;das, was einen Theil des ehmaligen Bißthums Bafel umd des Fürften- 
thums Bruntrut ausmachte, auf immer mit dem franzöfiichen Gebiet vereinigt 
bleiben wird, jo wie alle ſchweitzeriſche Zwijchenländer, welche fih in den 
Departementen des Überrheins und des Mont-Terrible eingejchloffen finden; 
mit Vorbehalt der Gegenabtretungen oder Austaufchungen, welche zur voll: 
fommenften Berichtigung der erwähnten Grenzen von Baſel bis Genf unum- 
gänglich nöthig wären, und den jchon vollftändig ausgeführten Vereinigungen 
mit dem franzöfiichen Gebiete nicht entgegen ftühnden. 





7 u 


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447 


Art. 5. Um den Verkehr der frangöfifchen Republif mit dem füdlichen 
Zeutijhland und mit Jtalien zu fichern, wird ihr der freie und immer- 
währende Gebrauch zwoer Handels- und Kriegsftrajjen zugejtanden 
werden, deren die eine durch den Norden Helvetiens den Ahein hinauf und 
längs den weftlichen und ſüdlichen Ufern des Bodenſees hingehen, die andere 
von Genf aus und durch das Departement von Montblanc, jowie dur das 
Wallis ſich hinziehen wird, um an das Gebiet der cisalpiniſchen Republik zu 
reihen, nach einer Richtung, welche beftimmt werden joll; auch ift man 
übereingefommen, daß jeder Staat die nöthigen Arbeiten zur Vollendung diejer 
Straffen auf feinem Gebiete vornehmen wird. — — — 


Art. 14. Die beiden Republifen verpflichten ich gegenfeitig, den Aus- 
gewanderten oder Hinausgejchaften beidjeitiger Nationen Feine Zuflucht zu 
geſtatten; fie verpflichten fich gleichermafjen, bei der erften Aufforderung die 
Perjonen der beidjeitigen Nationen auszuliefern, welche gerichtlich als der Ver— 
ſchwörung gegen die innere oder äußere Sicherheit des Staates, des Tod- 
ihlags, der Vergiftung, der Mordbrennerei, der Verfälſchung öffentlicher 
Schriften und des Diebftahls mit Gewalt oder Einbruch ſchuldig erklärt 
worden, oder als ſolche zufolge der von der rechtmäßigen Obrigfeit aus- 
gefertigten Verhaftbefehle verfolgt werden. — — — 


Art. 15. Es wird unverweilt zwijchen beiden Republifen ein Handels— 
vertrag geſchloſſen werden, welcher auf die vollfommenfte Gegenjeitigfeit der 
Vortheile gegründet jeyn ſolle. Bis dahin werden die Bürger beider Republifen 
gegenjeitig, wie die begünftigteften Nationen behandelt werden. 


Geſchloſſen, und unterzeichnet, Paris, den 2ten Fruftidor im bten Jahr 
der franzöfiichen einen und untheilbaren Republik. (19ten Auguft 1798). 


200. Schauenburg an General Iordi fiber die Ginnahme von 
Nidwalden am 9. September 1798. 


Aus dem Franzöfiichen. Bulletin officiel du Directoire Helvetique III. &. 410. 






Bljegen 6 Uhr Abends waren wir vollkommen Herr dieser un- 
ww glücklichen Gegend (des Tales von Stans), die zum grossen 
li Teil vom Feuer verheert und verwüstet ist. Es war unmöglich, 
RE der Wut der Soldaten Schranken zu setzen, weil mehrere 
ihrer Kameraden auf verschiedenen Posten niedergemacht worden waren. 
Wir haben viel Leute verloren, was bei der unglaublichen Hartnäckigkeit 
dieser Menschen, deren Kühnheit bis zur Raserei ging, unvermeidlich 
war. Mehrere Priester und leider! auch eine grosse Anzahl Frauen sind 


448 


auf dem Platze geblieben. Alles, was Waffen trug, ist getötet worden. 
Wir haben ungeführ 350 Verwundete. Es war einer der heissesten Tage, 
die ich je gesehen. Man schlug sich mit Keulen. Man zermalmte sich 
mit Felsstücken. Man kämpfte auf dem Wasser. Kurz man wendete alle 
möglichen Mittel an, um einander zu vernichten. Wir hatten mehrere 
Tausend Zuschauer, die von verschiedenen Kantonen herzugeströmt waren 
und deren Haltung desto niedergeschlagener wurde, je mehr wir vor- 
rückten. Ganz Unterwalden ist unterworfen. Ich werde am 26. [fructidor, 
12. September] gegen Schwiz marschiren; wenn es Widerstand leistet, 
werde ich dort ein eben so schreckliches Exempel statuiren. Die Papiere, 
die mir in die Hände gefallen sind, beweisen, dass, wenn wir nicht über 
diese Wahnsinnigen gesiegt hätten, der Aufstand in kurzem allgemein 
geworden wäre; alles hing aneinander. Aber die Anstifter sind meist 
umgekommen. Die Bauern selber, deren Augen endlich aufgegangen sind, 
bringen mir auch die andern herbei. — Das helvetische Direktorium 
hat mich um ein Kriegsgericht gebeten. Wenn unsere Regierung in seine 
Bitte einwilligt, werden diese Ruhestörer den Lohn empfangen, den sie 
verdienen. Ich hoffe, dass dies das letzte Stück Arbeit in diesem Kriege 
gewesen ist. Alle diese Vorfälle sind bejammernswert! Ungerechnet 
die einzelnen Entwaffnungen, haben wir 12 Kanonen und 6 Fahnen 
erobert. Der Brigade-Chef Delpoint ist am rechten Arme verwundet. 
Wir haben mehrere Offiziere verloren. 


201. Der Regierungskommifär Ifchokke an den 8. Bengger, 
Minifter der innern Angelegenheiten. 
Stans, 20. Juni 1799. 


Zſchokke, Denkwirdigfeiten II. 309, 


... Ich habe das Waiſenhaus von Stang, diejes ehrenvolle Denkmal 
ſchweizeriſcher Wohlthätigfeit feinesweges aufgehoben, jondern nur die Anzahl der 
darin verjorgten Kinder vermindert. Auch mitten unter den Krieges-Stürmen 
ſoll dieſe edle Anftalt erhalten werden; wenigſtens will ich nicht der fein, der 
jie auflöft. Die ‚ungeheuern Einquartirungen, der Mangel eines jchiflichen 
Plazzes zum Hofpital für die ranfen und verwundeten Vertheidiger des Vater- 
landes, das ängſtliche Anfuchen der Eltern, welche bei der Nähe des Kriegs— 
Theaters ihre Kinder zu fich zurüffoderten bis nad) verjchwundener Gefahr — 
hundert andre Umftände mehr geboten die einftweilige Einfchränfung der 
Anstalt jelbit. 

Es find auf meinen ausdrüffichen Befehl nur ſolche Kinder entlafjen 
worden, deren Eltern oder Verwandten dem B. Peſtalozzi oder mir jelbjt 
bezeugten, daß fie diejelben für einige Zeit wohl verjorgen könnten. B. Peſtalozzi 


449 


gab darauf jedem der Entlafjenen doppelte Kleidung, Wäſche, und einiges 
Geld mit. Gegenwärtig befinden fich wirflich noch in der Anftalt zweiundzwanzig 
Kinder beiverlei Geſchlechts. . . Die Kinder werden zur allerftrengjten Ord- 
nung und Neinlichfeit angehalten. Sie empfangen Unterricht im Leſen, 
Schreiben und in der Religion. Die ehrwiürdigen Väter Capuziner unterrichten 
jelbft abwechſelnd. 

Es ift für mich ein Feſt, diefe Kleinen in ihren reinlichen Zimmern bei- 
einander zu jehn. Gejundheit, Frohfinn und Unſchuld lacht ihnen aus den 
Augen. Der Anblick derjelben ift für die Wohlthäter, durch deren Milde dies 
Waiſenhaus entftand, der rührendfte Dank, Der tugendhafte Peftalozzi hat 
fih auch bier durch feine Thätigkeit ein umvergekliches Denkmal geftiftet. 


202. Botfchaft des helvetifchen Direktoriums an den Großen 
Bat in Betreff des Grziehungsweſens. 18. November 1798. 


Republikaner II. ©. 265, mit einigen Varianten bei Hilty, PVorlefungen S. 632 ff. 


Luzern, den 18. November 1798. 
Bürger Gejezgeber! 

Seit unferer Ernennung waren wir mit den umerläßlichiten Vorkehrungen 
für die Befriedigung der dringendern Bedürfnifje eines unter den Waffen 
und durch die Auflöfung aller vorigen Verhältniſſe entjtandenen Freiftaates 
beichäftiget, und fonnten, unter dem Drang der Ereignijfe und der Pflichten, 
welche auf unfere Eorge das erfte Anjpruchsrecht hatten, faum von Zeit zu 
Zeit einen Nebenblid der ſchützenden Wachjamfeit auf die Volksſchulen und 
höhern Erziehungsanitalten der helvetiichen Nation werfen. 

Allein da jetzt unfere, auf die unverjährbaren Nechte der Menjchheit ge- 
gründete Staatsverfaffung alle Hinderniffe überwunden bat, die Unwiſſenheit, 
Fanatismus und Uebelgefinntheit derjelben entgegenjezten, jo dürfen wir auch 
in denjenigen Theilen der Staatsverwaltung zu wirken anfangen, welche zwar 
nicht Gegenftand unjerer erjten Sorge jeyn fonnten, aber gewiß Ihrem und 
unfern Herzen am nächjten liegen. 

Sie ahnden gewiß jchon, Bürger Gejezgeber, daß wir von dem öffent: 
(ihen Unterricht und der Volksbildung jprechen wollen. 

Rettung, Verbefjerung und Erweiterung unferer Erziehungsanftalten, 
Erhaltung und Vervollkommnung der Veredlungsmittel unjrer Nation, find 
heilige Mittel, die um jo viel wichtiger find, je näher ihre Erfüllung das 
jegige und die kommenden Gejchlechter zugleich betrift, — und je gewiſſer 
fie allein unfre Meitbürger ſowohl zum Vollgenuß ihrer wiedererlangten 

Oechsli, Quellenbuch. 


450 


Freiheit Hinführen, als auch gegen alle fünftigen Eingriffe in ihre Rechte 
fihern fann. 

Kein Staat ift durch feine innere Einrichtung lauter aufgefordert, die 
Ausbreitung müzlicher Kenntniffe unter allen feinen Bürgern und die Ver— 
edlung des Nationalcharafters zum Hauptzwek der Bemühungen feiner Beamten 
zu machen, als derjenige, deſſen Verfaſſung allen Bürgern gleihe Rechte zu- 
jihert und den Zugang zu allen Stellen ohne Ausnahme öffnet. 

In Yändern, wo nur einige oder wenige Familien jich das Recht an— 
mafjen, Bormiünder und Führer der übrigen zu fein, iſt es begreiflich, oder 
ſelbſt Vorſichtsmaßregel, daß der Volfsunterricht als Nebenjache behandelt 
oder gar aus Furt der Aufklärung, mit welcher das Menjchengejchlecht 
miündig wird, vernadjläffigt werde. 

Aber da, wo die Volfsgunft jeden ohne Ausnahme zu den erjten Stellen 
des Staates erheben und ihm einen Einfluß verjchaffen kann, der in den 
Händen der Umwifjenheit oder des Eigennuges zum VBerderben de3 gemeinen 
Weſens wird, da die Belehrung und Ausbildung des Volkes nicht zum 
Hauptgefchäfte machen, heißt in der That, das Heil des Baterlandes auf die 
unverantwortlichite Weife aufs Spiel jegen. Wenn das Steuerruder jedem 
Schiffsmann nad) der Reihe oder irgend einem ohne Ausichlieffung eines 
einzigen in die Hände gegeben werben kann, jo ift e8 ja der ganzen Mann: 
ihaft daran gelegen, daß feiner ins Schiff trete, welchem es an Kenntniffen 
und Tiichtigfeit zur Führung des Steuers gebridt. 

Allein auch zum Wählen braucht es Einficht und Rechtichaffenbeit ; umd 
wenn es wahr ift, daß die Bejorgung der öffentlichen Angelegenheiten eines 
Volkes durch Stellvertretung, diejenige Staatsform ift, welche die Entwiklung 
aller Menſchenkräfte und ihre Vervollkommnung ins Unendliche am wirkſamſten 
befördert; jo iſt es nicht weniger auffallend, dak die Aufregung aller Yeiden- 
ihaften und der Wettjtreit aller Talente, welche jene Negierungsart veranlaft, 
nur durch allgemeine, gleihförmige und der Sittlichfeit günftige Volksbildung 
fürs gemeine Beßte wohlthätig gemacht werden kann. 

Sie werden aljo, Bürger Gejezgeber, es gewiß eine Ihrer angelegent- 
lichjten Sorgen ſeyn laffen, für die Verbejferung und Erweiterung des Er- 
ziehungswejens der Nation in Ihrer Weisheit zu jorgen, jobald die dringendften 
Bebürfniffe der Gejezgebung und Verwaltung durch Ihre Beſchlüſſe befriedigt 
jeyn werden. Ä 

Allein noch bevor Ihr einen allgemeinen und umfafjenden Blid auf 
alle Bildungsanftalten der helvetiihen Nation werdet werfen fünnen, jo ift 
es durchaus notbwendig, durch einige vorläufige Einrichtungen denjenigen 
Theil des Unterricht3 zu beleben, welcher bisher am meiften vernachläffigt 
wurde. Es ift mur zu bekannt, in welchen elenden Zuftande ſich die Volks: 
ſchulen fajt überall in Helvetien befinden. An vielen Orten find gar feine 


451 


Schulhäuſer; an andern find fie nicht hinreichend für die Bedürfniſſe des 
Unterrichts, oder höchſt unbequem eingerichtet. 

Die Schulmeifter find fchlecht bejoldet. Es fehlt ihnen an den Kennt— 
niffen und Fertigkeiten felbft, welche fie ihren Yehrlingen beibringen follen ; 
die Pehrgegenftände reichen feineswegs an die Bedürfniffe des Menſchen, der 
jeine Würde fühlen, und des Bürgers, der feine Rechte kennen, feine Pflichten 
erfüllen jol. Die Yehrart ift verfehrt, vernunftwidrig; die Schulzucht iſt 
bald zu ftreng, bald zu nachläjfig und auf alle Fälle unzureichend. Die irre 
geleiteten Begriffe des Volkes haben auch in dieſem Theile der gejellichaft- 
lichen Berhältniffe unter dem Vorwande der Freiheit, Zügellofigfeit veranlaßt, 
Frechheit erzeugt und Rohheit begünftigt. 

Es ift dringend, daß diefen Mängeln abgeholfen umd die größten Lücken 
des Volksunterrichts ausgefüllt werden. Dann erft, wenn unfere ausgebildeten 
Mitbürger jehen werden, daß ihre Veredlung und ihr Menjchenwerth ums 
am Herzen liegen, daß wir fie gerne in allen Kenntniſſen und Wiſſenſchaften 
unterrichten, die wir jelbjt als höchjt wohlthätig und nüzlich durch eigenes 
Studium fennen, wenn fie jehen, daß es uns nicht bloß daran gelegen tjt, 
fie zu gehorjamen und ruhigen Untergebenen und zu tauglichen Werkzeugen 
der Regierung zu machen, jondern, dag wir fie zur Selbftftändigfeit zu er: 
ziehen, jie zum Selbitdenfen, Selbjturtheilen, Selbfthandeln und zur Selbft- 
achtung, kurz zum Genuß eben der Vorzüge emporzuheben juchen, welche den 
gebildetejten unter ung wahre Unabhängigfeit und mit frohem Selbftgefühl 
ächte Freiheit verjchafften; dann erjt werden fie glauben, daß die Revolution 
nicht blos ein von der Yaune des Glüks herrührender Herricherwechjel, jondern 
eine wahre Wiedergeburt des Staates, eine Veränderung fei, welche auf das 
allgemeine Behte und die Achtung gegen die Menſchheit berechnet war; erft 
dann werden fie über die vorübergehenden Uebel, welche diefe Ummwälzung 
veranlaßte, weg auf den bleibenden Gewinn jehen, welcher für ihre Nach— 
kommen aus derjelben erwachjen muß. 

Ihr werdet aljo, Bürger Gejeggeber, zuerft einen Unterricht veranftalten, 
der alle Volksklaſſen umfaſſe und jeden Bürger des Staates bis auf den- 
jenigen Grad der Einficht und Fähigkeit fortbilde, auf welchem er einerjeits 
jeine Menjchenrechte und Bürgerpflichten genau kenne, und auszuüben verjtehe, 
anderjeits im einem Beruf, der ihn feinen Mitbiirgern nothwendig macht und 
ihm eine fichere Unterhaltsquelle eröffnet, mit Yuft zur Arbeit ohne Schwie- 
rigfeit fortkomme. 

Diefer bürgerliche Unterricht wird fo beichaffen fein, daß durch die 
Art, wie die nöthigften Kenntniffe den Yehrlingen beigebracht würden, die 
Seelenträfte ſelbſt geweckt und an freie ungehinderte Wirffamfeit gewohnt 
werden. Er wird nach der Verjchiedenheit des Orts, der Hülfsquellen und 
der Gejchiflichfeit der Lehrer mehr oder weniger umfaſſend jeyn und fich von 


452 


den Elementar- oder Landſchulen durch alle Grade, deren fie nach Beichaffenbeit 
der Gemeinden und nach der Menge ihrer Hiülfsquellen fähig find, bis zu 
volffommnern Realſchulen in den Hauptjtädten der Kantone erweitern. Mit 
diefen Anftalten zur bürgerlichen Bildung werden Induſtrieſchulen in den- 
jenigen Gemeinden verbunden werden, welche die Hülfsmittel dazu befigen. 

Diefer bürgerliche Unterricht wird wohlfeil, für Arme unentgeldlic 
und gleihförmig feyn müffen. Sein Zwek ift, die Gleichheit der Rechte 
gegen die Ungleichheit der Deittel, welche jene immerfort bedroht, müöglichft 
zu fichern und den Bürger mit feinen Mechten und Pflichten vertraut zu 
machen, denjelben auch in Stand zu jegen, fie mit öffentlichem und Privat: 
vortheil auszuüben. Wer denfelben nicht genoffen haben wird, oder die Kennt- 
niffe und Fähigkeiten fich nicht jonft erwarb, die er dem Bürger zu ver- 
ſchaffen beftimmt ift, jollte weder im den Urverfammlungen noch in irgend 
einem Amte zum Dienfte des Staates zugelaffen werden. Denn wodurch 
fann jeinen Mitbürgern wahrſcheinlich oder befannt ſeyn, daß er die Fähigkeit 
und den Willen habe, feine Rechte zu ihrem Beßten auszuüben, wenn er 
diefe Gewährleiftung nicht aus den öffentlichen Bürgerfchulen mitbringt. 

Allein neben dieſem allgemeinen bürgerlichen Unterricht ift eine gelehrte 
Bildung zur Erhaltung und Vervollkommnung der gefellichaftlichen Verhält— 
nifje nothwendig. Der Staat fann es nicht aufs Gerathwohl und auf die 
Privatinduftrie feiner Bürger anfommen laſſen, ob ich gejchifte Baumeijter 
und Ingenieurs, einfichtsvolfe und forgfältige Aerzte, gewiflenhafte und auf: 
geflärte Sitienlehrer, helldenkende Gefezgeber, fähige Regenten, jachfundige 
Richter umd in aufferordentlichen Umſtänden erfindungsreiche Künſtler oder 
ſinnvolle Gelehrte vorfinden werden, die dem jedesmaligen Bedürfniß auf 
eine befriedigende Art abhelfen oder den Staat aus der Verlegenheit durch 
neue Gontributionen und paffende Vorfehrungen ziehen. Nächftdem ift es 
unleugbar, daß Stilljtand Rükſchritt iſt, und daß der Unterricht, wenn er 
nicht beftändig vorwärts rüft und ſich mit den wachjenden Bedürfniffen er- 
weitert, in Verfall geräth. Alſo werden Männer erfordert, die aus der 
Sphäre ausgebreiteter und gründlicher Gelehriamfeit den populären Belehrungs- 
anjtalten immerfort neuen Nahrungsftoff und friiche Säfte zuführen. 

Ihr werdet aljo, Bürger Gejezgeber, eine zweite Klaſſe von Yehr: 
anftalten möthig erachten, Anftalten zum gelehrten Unterricht oder zur po- 
litiſchen Bildung, durd welche die ausgezeichneten Köpfe ausgebildet und in 
den Stand gejezt werden können, dem Staate in irgend einem Zweige öffent- 
licher Arbeiten, als Werzte, Nechtsgelehrte, Sittenlehrer, Beamte, Künſtler, 
Ingenieurs u. j. w. zu dienen, 

Zur Erlangung diejer Gejchitlichfeit bedarf es mannigjaltiger Vorfennt- 
nifje und Vorrüdungen, die eine bejondere Art von Schulen, Gymnajien, 
erfordern. In dieſen Vorbereitungsanftalten werden zwar zum Theil die 





453 


nämlichen Yehrgegenftände vorgetragen, welche in den Bürgerjchulen vorfamen, 
aber wifjenjchaftlich behandelt, aus ihren Gründen hergeleitet, und mit mehr 
Sorgfalt erläutert. 

Der Yehrling erhält in denjelben den Vorrath von “deen und den Grad 
von Vernunftbildung, welche er zum leichten umd fruchtbaren Erlernen irgend 
einer von jenen Gejchiklichfeiten, ohne die fein Gemeinwejen beftehen und ſich 
vervollfommmen fann, nothwendig mitbringen muß. 

Unglaublih viel an Zeit und Sraftaufwand wird dereinft gewonnen 
werden, wenn aus jenen Vorfchulen oder Gymnafien alle Yehrbegriffe und 
Uebungen verbannt ſeyn werden, die nicht bloß vorbereitend find, und alle 
angewandten Wiffenjchaften für den höhern Unterricht einer Centralſchule 
aufbewahrt werden. 

Diefe Schule wäre ein allumfaffendes Inſtitut, worin alle nüzlichen 
Wiffenfhaften und Künſte in möglichjter Ausdehnung und Bollftändigfeit 
gelehrt und durch die vereinten Nationalfräfte von den reichften Hülfsmitteln 
umringt würden. Aus diefer Anftalt gienge ein Ausſchuß der fähigften und 
verdienteften Männer hervor, welche ganz den höhern Wiffenjchaften umd der 
Erweiterung des Gebiets menjchlicher Einfiht und Kumftfähigkeit lebten. Da 
würfe niemand die Frage auf, wozu diefe oder jene Unterſuchung nüte? 
Den Forfhungen würde feine Grenze gejteft, weil man fich erinnerte, daß 
ohne Yavoifiers Erfindungen der fränfifchen Nation das Werkzeug ihrer Ber: 
theidigung und des Triumpfs über die Feinde der Freiheit gefehlt hätte. 

Die Schule, worimm der junge Bürger eine aus jenen Geſchiklichkeiten 
zu öffentlicher Arbeit erwirbe, müßte eine einzige für ganz Helvetien fein. 
Die Gründe diejes Vorfchlages, Bürger Gefezgeber, werden Ihrer Einficht 
und Waterlandsliebe nicht entgehen. Die Grundlagen unſrer Verfaffung, 
bejonders das Bedürfnif der Einheit in Grumdjägen und Gefinnungen, deuten 
alle auf eine jolche einzige Univerfität oder Gentralanftalt hin. 

Die unglüfliche Trennung der Kantone, und der Geiſt der Ausjchlieffung 
und des Eigennutzes haben zu tiefe Wurzeln gejchlagen, als daß ihre gänz- 
liche Ausrottung durch irgend ein anderes als das langjam aber ſicher mir: 
fende Mittel einer öffentlichen, allgemeinen und gleichförmigen vaterländifchen 
Erziehung bewerfjtelfigt werden könnte. Die jungen Helvetier, welche fich 
irgend einem Zweige öffentlicher Arbeiten zu widmen gedenfen, müſſen aus 
allen Gegenden der Republik in einer Gentralanftalt zujammenftrömen. Hier 
werden fie unter den Augen der Nation zu ihrer Beftimmung heranreifen. 

Hier werden fie in den “Jahren, wo der Kopf für Belehrung, das Herz 
für freundfchaftliche Gefühle offen ift, mit Jünglingen der verfchiedenften 
Kantone und Kulturgrade Verbindungen eingehen, und aus dem gemeinjchaft: 
lien begeifternden Unterrichte aufgeflärter und patriotijch gefinnter Yehrer 
Grundfäge und Entjchlüffe wieder nach Haufe tragen, welche bald in die 


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entlegenften Thäler unferes Vaterlandes Einheit der Abfichten und Gefinmungen 
verbreiten müſſen. 

Die fähigften Jünglinge werden, wenn fie dürftig find, aus den Bürger: 
ichulen auf Kojten der Nation in die Gymnaſien verpflanzt; und aus dieſen 
die vorzüglichern Köpfe nad) der Centralfchule gejchift werden, um fich da 
unter öffentlicher Aufficht in Bereinigung mit der Blüthe der helvetifchen 
Jugend, zum Dienfte des Baterlandes in allen Zweigen gemeinnüziger Ar: 
beiten auszubilden. 

Die Nation wird bei Wahlen öffentlicher Beamter nicht mehr verlegen 
feyn, auf welche Männer fie ihre Wahl fallen laſſen wolle. 

In den Jünglingen, die ihre Bildung auf der vaterländiichen Central- 
ſchule erhalten haben, wird fie die Einficht und Fähigkeit antreffen, welche 
fie von ihren höhern Beamten fordern muß, und deren Garantie fie nur in 
dem Umftand finden fann, daß derjenige, dem das Wohl der Nation anver- 
traut wird, auf der Nationallehranftalt ſchon Proben feiner Gejchiklichkeit 
und Denfart öffentlich gegeben habe. 

Diefes Inſtitut wird der Brennpunkt der intellektuellen Kräfte unferer 
Nation, das Verjchmelzungsmittel ihrer noch immerfort beftehenden einzelnen 
Völferfchaften und der Stapelort der Kultur der drei gebildeten Völker jeyn, 
deren Mittelpunkt Helvetien ausmacht. 

Es iſt vielleicht beſtimmt, deutjchen Tiefjinn mit fränkiſcher Gewandtbheit 
und italiäniſchem Geſchmack zu vermählen, und den Grundjägen der Nevolution 
durch ihre Bereinigung mit den Yehren einer Ehrfurcht gebietenden Recht— 
ichaffenheit ummiderftehbaren Eingang in die Herzen der Menſchen zu ver: 
ſchaffen. 

Denn mit allen dieſen Anſtalten zur techniſchen Bildung unſrer 
Mitbürger muß der moraliſche Unterricht gleichen Schritt halten; Kräfte 
wecken, entwikeln, üben, Fähigkeiten nähren, Fertigkeiten erzeugen, reicht zur 
Ausbildung des Menſchen nicht hin. Es muß auch für den guten Gebrauch 
dieſer geſchärften Werkzeuge, für die Toohlthätige Richtung jener Kräfte geſorgt 
werden. Bildung ohne Veredlung iſt nur die Hälfte der Erziehung. Nebſt 
Unterrichts- und Bildungsmitteln ſind Anſtalten zur Entwiklung und Schär— 
fung des ſittlichen Gefühls nicht weniger nothwendig. 

Wir fühlen es wohl, Bürger Geſezgeber, daß dringendere Geſchäfte Ihre 
Aufmerkſamkeit noch einige Zeit von den Angelegenheiten der öffentlichen Er- 
ziehung abziehen müffen und daß die Umſtände es noch nicht erlauben, an 
die Ausführung eines jo umfaffenden Plans als der oben nad) jeinen Haupt- 
umriffen gezeichnete ijt, in diefem Augenblide zu denken. 

Allen etwas muß gethan und wenigſtens einige vorläufige Maafregeln, 
welche zugleich den Weg zur künftigen, leichtern und ſchnellern Vollziehung 





—— 5 mn ur ni 
Ä m, 


455 


jenes oder eines ähnlichen Entwurfs anbahnen würden, müffen zur Abhel— 
fung der dringendften Bebürfniffe jchleunigft genommen werden. 

Unter diejen verdient das einer befjern Einrichtung und freigebigern 
Unterftügung des Yandichulenumterrichts die erjte Stelle, 

Zwar mwinjchten wir, Bürger Gejezgeber, daß es Ihnen gefallen möchte, 
durch ein bejonderes Dekret die Nothwendigfeit der Errichtung eines National: 
injtituts der Künfte und Wiejinfchaften vorläufig anzuerkennen, und 
dem Bollziehungsdireftorium die Sorge fir feine Bewerfjtelligung aufzutragen. 
Es wäre das wirfjamfte Mittel zur gänzlichen Zerftörung des Föderalismus 
und zur reellen Einführung unſrer Stonftitution; e8 würde uns in den Augen 
aller Menjchenfreunde heben, und unjrer Revolution einen Charakter von 
durchgedachter Planmäßigfeit und humaner Philofophie geben, der ihr die 
Achtung aller Freunde der Aufklärung und der Kulturfortichritte unſers Ge— 
jchlechtS abgewonnen; e3 würde endlich die Organifierung des ganzen Erziehens- 
wejens ungemein erleichtern. Wenn einmal der oberfte Punkt feftgejezt ift, 
jo lafjen fich die Stufen, die zu demfelben hinführen follen, leichter und ge: 
nauer bejtimmen. Denn dieje find Mittel zum Zwecke, und diefer muß an— 
gemwiejen jeyn, wenn jene darnach berechnet werden follen. 

Das Yuftitut würde Yehrer und Werkzeuge zur Organifierung der untern 
Anstalten berbeifchaffen und eine belebende Aufficht über diejelben verbreiten. 
Wäre nur die Nothwendigfeit desjelben, dem Prinzip nad), von dent Gejez- 
geber anerkannt, jo würde diefer Ausspruch ſchon hinreichen, den Grund dazu 
jogleich zu legen. 

Allein ein weit dringenderes Bedürfniß noch als die Errichtung der 
polytechnijchen oder encyklopädiſchen Schule, ift die Verbeſſerung des erften 
Unterrichts der jungen Bürger auf dem Yande, 

Der rettende Arm des Baterlandes muß ſich zuerjt nach diefen lallenden 
und hülfloſen Zöglingen der Natur ausftreden: die Sorge für fie iſt Die 
Schuld, die es zuerſt abtragen joll. 

Der Elementarunterricht in den Bürgerjchulen follte fich freilich auf alle 
Kenntniffe und Uebungen erjtreden, ohne welche der Menſch nie zum vollen 
Gefühl feiner Würde und Beftimmung, der Bürger nie zur genauen Kenntniß 
jeiner Rechte und Pflichten gelangt; er follte die phyſiſchen, intelleftuellen 
und moralijchen Sträfte des Syünglings bis zur Gründung der Selbftftändigfeit 
ausbilden. Er ſollte denfelben in Stand jegen, das Maaß feiner Talente 
zu jchägen und ihn zu demjenigen Beruf gehörig vorbereiten, der feinen 
Fähigkeiten am angemeflenften und zugleich für jeine Bebürfniffe hinreichend 
wäre Er müßte demnach, auffer einer genauen Anleitung zum richtigen 
Leſen, Sprechen und Schreiben in der Mutterſprache und Rechnen, ſich über 
die Anfangsgründe der franzöſiſchen Sprache für das deutjche, der deutichen 
für das franzöſiſche und beider Sprachen für das italienijche Helvetien, über 





456 


die Planimetrie, einige Kenntniß der Naturgefchichte, der Phyſik, Geographie 
und Gejchichte, die nüzlichiten Gewerbe und Handwerfe, den Bau des menſch— 
lichen Körpers, feine VBerrichtungen und die nothwendigiten Gejundheitsregeln, 
über die Hauswirthſchaft und die Buchhaltung, die Konftitution, die wichtigiten 
Geſeze, die gejellichaftlichen Verhältniſſe und die Moral verbreiten. 

Denn jeder Menſch joll ja zur Humanität, d. i. zum leichten und 
fittlihen Gebrauch feiner Kräfte in allen feinen Verhältniffen ausgebildet 
werden. 

Der Staat iſt nur Mittel zu diefem Zwek, und foll dem Bürger zu 
jeiner Erreichung verhelfen, alfo zur Bildung feiner phyſiſchen Anlagen, feiner 
finnlihen Vermögen, feines Verftandes umd jeines Willens, zur Kenntniß 
jeiner Verhältniffe zur Natur, zur Gejellichaft überhaupt und zum Staate 
insbejondere, damit er dieſe Verhältniffe zu feinem Zwek bemugen könne. 

Allein diefer Plan ift vor der Hand unausführbar und wird es noch 
lange bleiben! das vorhandene, jo mangelhaft und dürftig es ift, muß als 
der Keim behandelt werden, aus dem eine forgfältige Pflege nach und nad) 
etwas bejjeres entwideln jolt. 

Die Nachrichten, welche wir über die Fähigkeit der groffen Mehrheit der 
Landſchullehrer und die Hülfsmittel des Unterrichts eingezogen haben, erlauben 
uns in diefem Augenblide nicht, unſere Wiünfche für Unterftügung und Ver— 
befferung der Volksſchulen über die engen Grenzen des folgenden Plans 
auszudehnen, welcher fich auf Yejen, Schreiben, Nechnen, die Anfangsgründe 
der Mutterjprache, die Kenntniß der Konftitution, einige Lebungen des Ge— 
dächtniffes und der Lirtheilsfraft, vermittelft eines einzuführenden Yejebuchs 
und ausführlichen moralijchen Unterricht einfchränft, und den wir hiemit Ihrer 
einfichtsvollen Prüfung vorlegen. 

Nur noch das Verlangen fünnen wir, Bürger Gejezgeber, nicht unter: 
drüden, daß Sie uns begwältigen, diefen Plan für diejenigen Gemeinden zu 
erweitern, wo die Hülfsmittel und die Yehrer diefe Ausdehnung fordern oder 
geitatten. 

Republifaniicher Gruß. 


Der Präfident des vollziehenden Direktortums : 
Yaharpe. 


Im Namen des Direftoriums: 
der General -Sefretair, Moufjon. 


457 


203. Die Ginfegung eines helvetifchen Mationalfeftes. 
Flugblatt, Stadtbibl. Wintertur. 
Puzern, den Tten Merz 179. 
Freyheil. Gleichheit, 
Im Namen 
der belvetiihen einen und untheilbaren Republik, 


Geſetz. 
Luzern, den A4ten Mer; 1799. 

Der große Rath, nachdem er feine Commiſſion über die Vollziehung des 
Gefeges von 8. Hormung das Nationalfeft vom 12ten Aprill betreffend, an- 
gehört ; 

In Erwägung, dak am 12ten Aprill von den Stellvertretern des Volls, 
die Einheit, Untheilbarfeit und Unabhängigfeit der helvetiſchen Republik profla- 
mirt, und die repräjentative Verfaffung in Thätigfeit gebracht, umd diefer Tag 
zu einem beftändigen Nationalfet eingeſetzt wurde ; 

In Erwägung, daß Volfsfefte nicht leerer Prunf und Schall, jondern 
bedeutend und zweckmäßig jeyn ſollen; 

In Erwägung, daß fie der befte Anlaß find, Verdienſte zu belohnen, 
Tugend zu ehren, und Baterlandsliebe fortzupflanzen ; 

In Erwägung, daß fie mit Gejchmad, aber einfach, ohne große Unfoften, 
würdig und fröhlich jollen gefeyert werden, 





Hat, nad erflärter Urgenz, 
; Beſchloßen: 


1. Den 12ten Aprill ſoll in allen Gemeinden Helvetiens das Feſt der 
einen und ımtheilbaren Republik und ihrer Unabhängigkeit gefeyert werden. 


2. Am Alten des Abends, nach Sonnenuntergang, jollen in den Ge— 
meinden, wo fich Artillerie-Stücde befinden, drey Vorbereitungsihüffe gethan 
werden. 

3. Den 12ten, Morgens, bey Aufgang der Sonne, jollen Freudenſchüße 
geichehen, alle Gloden geläutet werden, und an allen ſchicklichen Orten die 
Nationalfarben wehen. 


4. Ungefähr eine Stunde hernach, oder wie es die Umſtände erlauben, 
find alfe Glaubensgenoſſen der verichiedenen Religionen eingeladen, einem dem 
Anlage anpajjenden Gottesdienfte beyzumohnen. 


458 


5. In dem Hauptorte der Republif wird fich der große Nath um 8 Uhr 
zu einer feyerlichen Situng verjammeln. In derfelben wird der im vorigen 
Jahr fürs Vaterland geichehenen ausgezeichneten Thaten, ehrenvolle Meldung 
gejchehen. Der Präfident und einige andere Mitglieder werden furze umd 
pajjende Reden halten. 

6. Der Senat wird fi) um 10 Uhr verfammeln, und feyerliche Situng 
halten, wie der große Rath. 

7. Es folf ein ausgezeichneter Ehrenplak für die fremden Minifter, im 
Innern beyder Rathſäle bereit jeyn, und diefelben zu den Sigungen eingeladen 
werden. 

8. Um 12 Uhr ſoll das Vollziehungs-Direktorium die Feyerlichfeit be- 
geben. Sein Präfident wird den in Thätigkeit gejegten Vaterlandsvertheidigern 
die Fahnen öffentlich überreichen. Die übrigen Umftändlichkeiten für dafjelbe 
jind jeinen eignen Verfügungen überlaffen. 

9. In der ganzen Republit joll die Jugend, welche im Fall ift, die 
Waffen zu empfangen, fie diefen Tag öffentlich empfangen, nachdem die Greife 
iiber 60 Jahre fie werden vor dem Altare des Vaterlandes niedergelegt haben. 

10. Hernach treten jchöne, gefittete Mädchen, in reinlichem einfachen An- 
zuge hervor, und bieten Blumen-Kränze und Sträufe den künftigen Siegern an. 

11. Die Knaben erjcheinen beym Feſte in Feyerkleidern, von ihren Yehrern 
begleitet. 

12. Das wirdige Alter, umd Bürger, die jich im verwichenen Jahre 
durch vorzügliche Thaten fürs Vaterland ausgezeichnet haben, erhalten Ehren- 
pläge am Feſte. 

13. In den Gemeinden, wo grobes Geſchütz vorhanden ift, ſollen Salven 
geichehen; die bewaffnete Mannjchaft ericheint in den Waffen, die öffentliche 
Beamten in ihrem Coſtüme. 

14. Die Feyerlichkeit jolle jo viel möglich unter freyem Hipimel begangen 
werden, 

15. Das Feſt foll, wo es die Umftände begünftigen, mit Mufit und 
Geſang belebt, und mit fröhlichen Tänzen beſchloßen werden. 

17, Männer ohne Bürgerfinn, Weiber ohne Sittſamkeit, feige Jünglinge 
und ungerathene Kinder dürfen zu Dane bleiben, 

18. Diejes Geſetz ſoll fogleih gedrucdt, in der ganzen Nepublif befannt 
gemacht, und wo es nöthig ift, angejchlagen werden, 


Der Senat an das Bollziehungs: Direktorium. 


Der Senat der einen und untheilbaren Republik Helvetiens hat den 
hievor enthaltenen Beichluß des groſſen Rathes in Erwägung gezogen und 
genehmigt. 


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Das Vollziehungs-Direktoriun bejchlieft: daß obftehendes vom großen 
Math am Aten Merz beichloßenes, und vom Senat den Tten gleichen Monats 
1799 beftätigtes Geſetz gedruct, publizirt, vollzogen, und die Original-Afte 
mit dem Siegel der Republik verwahrt werden ſolle. 


Zu druden und zu publiziren anbefohlen. 
Der Minifter der Juſtiz und der Polizey. 


204. Die Schlacht bei Zürich. 25. und 26. September 1799. 


„Die Tage des Schredens“ von David Heß, veröffentlicht von J. Bächtold ım der 
Einleitung zu „Joh. Caſpar Schweizer”. S. XLIV ff. 


David Heß (1770—1843), der Verfaſſer der „Badenfahrt“, des „Salomon Landolt“ 
und des „ob. Caſpar Schweizer“, befand fih während der zweiten Schlacht von Zürich 
auf feinem mitten in der Aktion gelegenen väterlichen Gute „Bedenbof“ in Unterjtraß und 
verewigte feine Erlebniffe während jener „Tage des Schredens“ in nachfolgender draitiicher 
Schilderung. 


Schon jeit vierzehn Tagen hieß es: bald muß es endlich etwas Neues 
geben. Die Armeen werden nicht ewig fo unthätig vor einander über ftehen 
bleiben. Die Deftreicher, die nicht anbeißen wollten, find abgezogen, die Ruſſen 
haben feine hemmenden VBorjchriften von ihrem Hof wie jene, der englijche 
Gejandte, der immer vorwärts möchte, hat direkten Einfluß auf fie; endlich 
müſſen fie doch zeigen, dak fie da find, müſſen fich auch ihren Theil Ruhm 
erwerben, wie ihre Brüder in Italien unter Sumarow. Yord Mulgrave ! hatte 
Wikham? gefchrieben, dak Suwarow den 14ten in Airolo eintreffen und über 
den Gotthard ſich mit der Armee in der Schweiz vereinigen würde, um einen 
Hauptichlag zu bewürfen. St. George ?, der mir immer über alles, was ge- 
ſchehen follte, Winke gab, hatte mich auch von einem wohl combinirten Angriff 
benachrichtigt, der erfter Tagen von allen Seiten auf die Franzoſen gefchehen 
jollte — alles war voll der größten Erwartung. 

Dienftag Abends kam Wikham, deſſen Geficht immer der Barometer der 
Geſchäfte iſt, fröhlich heim. „Morgen,“ ſagte er bei Tiſch, „geb’ ich der ruſ— 
jichen Generalität ein großes Gaftmahl und übermorgen,“ fuhr er lächelnd 
fort, „werden Sie früh aufgewect werden und etwas hören.” Wir legten uns 





1 Engliſcher Mmiſter. — 2 Der engliſche Geſandte bei der Armee der Verbündeten. 
Derjelbe hatte bei Heß im Bedenbofe Quartier genommen. — * St. George, ein mit Heß 
befreundeter Waabdtländer, war Yegationsfelretär bei Wilham, 


460 


rubig jchlafen, fanft eingewiegt von dem Gedanfen, daß endlich einmal die 
Armeen vorwärts rücden und uns wieder frei athmen faffen würden. 

Am Mittwoch, Morgens um 6 Uhr ungefähr, erwachte ich von einigen 
Kanonenſchüſſen, die ziemlich weit von der Limmat herauf tönten. Bald nachher 
fielen mehrere. Sollte es heute jchon anfangen? — jagte ich zu Nettchen 
[Frau Heß], das ſchon verfchiedene Schüffe früher als ich gehört hatte, und 
unfer Wunſch für den glüclichen Ausgang der Sache war Gebet. Daf aber 
das Schießen von der Yimmat herauf Fam und nicht auf allen Vorpoften zu 
hören war, fam mir jonderbar vor, und da Wifham Abends zuvor jo beſtimmt 
gejagt hatte, der Angriff werde den 26ten geichehen, er, der es durchaus wiffen 
mußte und feine Mahlzeit auf heut’ eingerichtet hatte: fo ftieg der Gedanke 
in mir auf, die Franzoſen fünnten das Prävenire gejpielt haben, die feinen 
Füchſe! Es war ein dicker Nebel, man konnte nichts fehen. 

Alles war im Haus bald wader. Wikham lieh ich gegen feine Gewohn— 
beit das Frühſtück in's Zimmer bringen und ritt jogleich nachher gegen Höngg, 
indeß St. George, der faft die ganze Nacht aufgeblieben war, noch an Depeichen 
arbeitete. Das Feuer ward bald heftiger und fieng auch auf der Wolfishofer 
Seite an. Der Nebel vertbeilte fich ein wenig, man fonnte die Ruſſen in den 
Weinbergen der Enge unterjcheiden und an dem Hin- und Herwallen des 
Rauchs den Gang des Waffenglüds beobachten, das immer zweifelhaft war. 

Segen 9 Uhr fam Obrift Roll von Höngg herauf und berichtete uns, 
was ich jchon lang vermuthet hatte, daß die Franzoſen angefangen hätten, und 
— was mich gar nicht erbaute — daß fie jchen früh bei Dietifon über 
die Yimmat marjchiert feten, ohne daR es den ruſſiſchen Vorpoften möglich ge: 
wejen jei, fie zu hindern, ihre Brücke zu fchlagen. Bald nachher fam Wikham 
auch zurück, machte nicht viel aus der Sache, beftand darauf, er wolle feine 
Mahlzeit geben, feine Frau könne ganz ruhig nad) der Stadt fahren, um noch 
die nöthigen Anftalten zu treffen, und jchien es fat übel nehmen zu wollen, 
als wir riethen, fie würde beffer thun, bei ung zu bleiben, weil fie von hier 
aus einen Vorfprung hätte, wenn die Sachen jchlimmer giengen. Er jette ſich 
wieder zu Pferd und gab feiner Frau Nendezvous in der neuen Wohnung in 
der Stadt. 

Unterdeijen hatten die Nuffen den Feind wieder gegen den Sihlwald 
zurücgedrängt; hingegen famen von unten herauf eine Menge ruffiiche Ver: 
wundete bei uns vorbei, das mir außerordentlich auffiel, und nur jelten waren 
einzelne gefangene oder bfefjirte Franzofen dabei. Wir theilten Branntwein 
und Brot aus, wobei uns der dazugefommene Zunftmeifter Irminger treulich half. 

Indeß wir uns mit den Verwundeten abgaben, hatte Madame Wikham 
ihre Sachen vollends in Ordnung gebracht und nahm gegen 11 Uhr Abjchied. 
St. George war vorausgeritten. Das Telestop ftand auf der Altane gerichtet. 
Nettchen jah gegen die Yimmat hinab und rief: da fieht man ein ganzes 


461 


Corps von den rothen Tartaren. Ich jchaute auch umd erfannte auf dem 
Weg, der von dem Fahr gegen Höngg binaufführt, eine Schwadron rother 
frangöfifcher Hufaren, die zwei Kanonen dedte, welche nad jedem Schuß vor- 
wärts rücten. Von diefem Augenblid an gab ich alle Hoffnung auf und war 
überzeugt, daß wir binnen wenig Stunden wieder in franzöfiichen Händen 
jein würden. Mein erfter Gedanke war, Nettchen in Sicherheit zu bringen... . . 
Es foftete einige Ueberwindung, doch überwog der Drang der Umjtände und 
meine Bitte; wir eilten nad) der Stadt, unter ficherem Geleit jah ich Nettchen 
nad) der Wohnung ihrer Freundin gehen, und ich flog wieder heim, um da 
noch die nöthigen Anftalten zu treffen; St. George fam mir bintendrein ge: 
iprengt, raffte noch wichtige Gejandtichaftspapiere zuſammen, die beinahe wären 
vergejjen worden, umarınte mich mit Thränen in den Augen und jagte wieder davon. 

Als wir unfere beften Sachen ein wenig auf die Seite gejchafft hatten 
und wir nun dem Speltafel paſſiv zujehen muRten, ward mir unausjprechlich 
wehmüthig. . . . Schon jahen wir den Feind auf dem SHönggerberg, das 
euer rüdte immer näher und einzelne Ruſſen poftirten fich ſchon in unſere 
Wiejen. Ein lautes Hurrah! tönte die Gafje herauf, da fam das grün und 
rojenrothe Dragonerregiment angefprengt, der brave engliiche Oberſt Steward 
an der Spike. Er winfte und rief, er wolle noch das Aeußerſte verjuchen. 
Eine BViertelftunde nachher fam er allein wieder zurüd und ſagte, er habe 
feine Hoffnung mehr, der Feind ſei jchon zu weit vorgedrungen und die 
Dragoner hätten nicht anbeißen wollen; und er hätte vergebens ihrem Oberſt 
mit harten Worten zugeredet und feinen Stod beinah’ an den Yeuten zer- 
ichlagen — wir jollten num unfere Thüren wohl verjchliegen und niemand 
einlaffen. Ich drücte dem wadern Mann noch die Hand, er ritt weg und 
wir ſchloſſen ung ein. 

Jetzt näherte jich das Gewühl immer mehr; Kojafen und andere Reiterei 
jagte durch unfere Allee, die Ruſſen jchoffen hinter den Bäumen und Hecken 
hervor, die Kugeln hagelten von beiden Seiten her, im Haus mar nichts 
mehr jiher und wir zogen uns in den gemwölbten Keller zurüd. Da hallte 
das Gejchrei und Schieken, bejonders die Schüffe der gezogenen Stugen noch 
ichredlicher herab. Von Zeit zu Zeit jchlichen wir uns hinauf und laufchten 
durch die Riten der Fenſterladen. Die Ruſſen vertheidigten fich wie Yöwen, 
aber ungejchict und ohne Gewandtheit. Sie zerftreuten fich zu viel und die 
Offiziere wußten fie gar nicht vortheilhaft zu ftellen. Yange hintereinander 
durfte niemand von ung droben bleiben, denn die Kugeln praliten überall an. 
Noch begehrte zu gutem Glück feiner in's Haus zu kommen; fie hatten zu 
viel mit dem Feind zu fchaffen, der ihnen noch auf den Eijen war, fonft 
hätten fie vielleicht auch bei uns jolchen Gräuel begangen, wie in vielen 
Häufern in unferer Nachbarichaft. Die Tolffühnheit, mit der fie fich Ichlugen, 
fonnte ung jet in's größte Unglüd bringen. — — — 


462 


Wie hätte ich jemals glauben fünnen, daß ich die Franken wieder herbei- 
wünfchen würde? und das that ich doch jekt, da nichts anderes zu erwarten 
war, und uns nur die gejchwinde Entjcheidung aus der fchredlichen Yage ziehen 
fonnte, in der wir uns jeit einigen Stunden befanden. Es kamen verjchiedene 
Male friiche Truppen aus der Stadt; wir hörten das wilde ruſſiſche Feld— 
geichrei, aber jie fonnten jelten weiter vordringen als bis an die Spannweid, 
vergebens wurden die Yeute zufammengetronmmelt — gegen 4 Uhr lief alles 
ruſſiſche Volk durcheinander mit fürchterlichem Geheul die Gaſſe hinab, und 
gleich hinter ihnen hörten wir das avance! avance! der Franzoſen und die 
Trommeln, die den Pas de charge [Sturmjchritt] ſchlugen. Da find jie, 
bieß es, und jegt mußten wir hinauf, und mußten fie empfangen und will- 
fommen heißen, um nicht mißhandelt zu werden. 

Ich hatte jchon zum voraus Wein genug heraufbringen lafjen; jobald 
zum erjtenmal angejchellt war, öffneten wir und boten zu trinfen au. Das 
that gute Wirkung und glüclicher Weife waren überall Offiziere voraus... . 
Es fam eine Partie Trinkluftiger nad) der andern, doch hielten fie jich nicht 
lang auf und begiengen feine Exzeſſe. Die Offiziere zweifelten, daß fie noch 
denjelbigen Abend in die Stadt fommen fünnten. Die Kanonen fenerten noch 
immer von den Wällen und man jehlug fich heftig vor den Thoren. 

Wie es zu dämmern anfieng, zogen ſich die Franzoſen, immer fechtend, 
wieder etwas zurück, verliefen unjer Gut, und mit Trommeln und Geheul 
fündeten fi) die Auffen wieder an. Nur die einbrechende Nacht machte dem 
Schießen endlich ein Ende. Die Franzoſen ſammelten fich auf dem Höngger 
und Wipfinger Berge, wo fie große Feuer anzündeten. Der Yegebach trennte 
beide Barteien. Alle umjere Yaden waren zugemacht, damit fein Yicht fichtbar 
jei und Yeute herbeilode. Dem ungeachtet kamen einige ruffiiche Parteien, 
Hopften und begehrten zu trinfen. Man reichte Wein aus dem Fenſter; da 
Offiziere mit dabei waren, hielten fie fich ordentlich und nad 9 Uhr famen 
feine mehr... . Um halb 10 Uhr fam Frau Loſer mit ihrer Tochter umd 
dem Sohn durch den Garten herauf gelaufen, jchellten an und flehten um 
Hilfe, die wir ihnen aber mit dem bejten Willen nicht geben fonnten. Be— 
joffene Ruſſen waren bei ihnen eingebrochen, zerichlugen und plünderten ihnen 
alles, verichlangen allen Branntwein, den jie noch fanden, und wollten die 
Tochter mißhandeln. Da niemand ihre Sprache verfteht, und fich mit dieſen 
wilden Beftien überhaupt nicht reden läßt, jo war auch nicht zu helfen. Die 
Mutter gieng, vom buckligten Mattis begleitet, wieder zurüd; der Sohn, dem 
fie jchen die Stiefel von den Beinen genommen hatten, folgte ihr bald nach, 
und die Tochter behielten wir bei uns, weil fie doch bier vor Mißhandlungen 
jiher war. 

Draußen war alles jtille und aus der Ferne jchallte das Gejchrei der 
Franzoſen vom Wipfinger Berg berüber, deren Feuer durd) die ſchwarze Nacht 


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emporloderten, und bin und wieder fiel ein Schuß. Pers Haus durfte ſich 
niemand wagen, denn es ſchweiften überall einzelne Marodeurs durch das 
Gut. Es iſt unbegreiflib, daß feine in's Haus begebrten. So ſchlich die 
traurige Nacht vorbei und ihre Stille verkündete deſto gewiſſer den folgenden 
Stumm. — — — 

So rubig es bei uns auf den Vorpeiten war, jo ſtürmiſch gieng es bin- 
gegen in der Stadt zu. Es war ein Yärmen und Fahren an einem fort. Die 
Verwundeten wurden in die Häufer getragen; überall mußten Yebensmittel 
für die auf allen Straßen verſammelten Soldaten berbeigeichleppt werden, und 
wo es nicht geichab, erfolgten Drobungen und Gewalttbätigfeiten. — Ich 
legte mich auf den Sopha, voll banger Zorge auf den morgenden Tag: der 
milde Schlaf wollte nicht bei mir einfebren, die innere Unrube trieb mich alle 
Viertelitunden an's Fenſter und im Daus berum. Ich wußte, wie jest Nettchen 
um mich beiorgt jein wirde. Ich hatte ihr feine Nachricht geben fünnen, die 
Ruſſen liegen niemand durch. Ich befürchtete die Plünderung der Stadt von 
den Franzoſen, wenn der Widerjtand noch lange dauern würde, und bätte fie 
doch nicht herausholen fünnen; weder da noch dort war mit Gewißheit 
Schonung zu erwarten. 

Der trübe Morgen brab an. Beide Parteien mußten noch müde jein von 
den Gräueln des vorigen Tages, denn es währte ziemlich lang, ebe jie wieder 
über einander herfuhren. Nach fieben Uhr geihaben die erjten Schüſſe. ... 
Die Ruſſen poftirten jih auf die Anhöhen und in die Weinberge, und die 
Franzoſen griffen lebhaft an. Die Affaire zog ſich bald wieder in umjer Gut 
und wir mußten im Seller Sicherheit juchen. Da ſaßen und ftanden und 
giengen wir herum, wie Geilter in Grabgewölben. . .. Ich gieng mit den 
beiden Knechten ab und zu auf Necognosziren durch die Nigen der enfter- 
laden. — — 

Unaufbörlih donnerte das Geſchütz und das Geichrei der wilden Rufen 
ward immer gräßlicher. Zuweilen machten einzelne Vorüberjtreifende die Yaden 
des Kellers auf und jpähten hinab; da fie aber vermutblich in der Dunfelbeit 
nicht3 von uns erbliden konnten, machten jie wieder zu. Zumeilen hörten wir 
oben Scheiben flingeln und die Erjchütterung der anprallenden Kugeln. . .. 
Nach und nach fiengen einzelne Ruſſen an zu pochen und anzujchellen und 
begehrten Branntwein. Wir liegen niemand berein und verrammelten die Thüre, 
bis endlich gegen halb zwei Uhr Nachmittags ein ganzes Detajchement in den 
Hof bereinftürmte und jogleich die Thüre einschlagen wollte. Ich lief mit den 
beiden Knechten hinauf und öffnete. Der ganze Zchwall drängte jich berein, 
ſchmiß, jtatt zu trinfen, die Deilcheimer um, die man ihnen mit Wein gefüllt 
darreichte, und forderte ungeftiim die Oeffnung der Zaalthüre. Ich hatte den 
Schlüſſel nicht bei mir und fürchtete, jie würden mir nachfolgen, wenn id) 
binaufgienge, den Hauptichlüffel zu holen. Ich zudte die Achſeln und molite 


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ihnen zu verftehen geben, daß ich nicht aufmachen könne. Da fuhren einige 
wie wüthend über mich ber, fetten die Bajonette auf mid an und hätten mich 
vielleicht ermordet, wenn ich ihnen, nun da alle Weigerung vergebens war 
nicht gedeutet hätte, fie jollten die Thiüre einfprengen. Das geſchah auch jogleich 
und ich mußte noch thun, als wollt’ ich dazu helfen. Im Saal mußt' ich 
ihnen die Gartenthüre öffnen, fie jelbft machten auch die Nebenzimmer mit 
Gewalt auf, umd erjt jetzt jah ich eigentlih, warum es zu thun war, da 
Dffiziere dazu famen. Sie wollten fih nämlich in's Haus förmlich poftiren 
und aus den Fenſtern jchiegen. Da gab ich alles auf. Ich glaubte alles der 
Plünderung preisgegeben und erwartete, daß die Franzoſen Granaten hinein- 
werfen würden, um das Haus anzuzünden, oder, wenn fie weiter vorrüdten, 
uns beftrafen würden, weil aus den Fenſtern, freilich ohne unjere Schuld, 
gejchoffen ward. Das alles konnte gejchehen. Ich lieh die Ruffen haufen und 
gieng wieder in den Keller, meinem Vater zu jagen, was droben vorgehe. — — — 

Beinahe eine halbe Stunde dauerte die jchredliche Erwartung, als die 
beiden Knechte, die fich mit auferordentlihem Muth und jeltener Treue für 
das Haus unter die wüthende Menge geworfen hatten, in den Seller herab- 
famen mit der beruhigenden Nachricht, die Ruſſen jeien alle wieder aus dem 
Haufe weg. Sie hatten wenig Schaden angeftellt. Den kryſtallenen Kronleuchter 
im Saal hatten fie mit den Gewehren jorgfältig ausgewichen und verjchont ; 
fo auch die großen Spiegel, in denen fie fich alle, wie Affen, wohlgefällig 
betrachteten. Oben waren fie nur in der Marguerite Stube und Klammer ge- 
wejen, hatten einiges altes Yeinenzeug, Faden und mir auf dem Söller einige 
Schuhe und Stiefel weggenommen. Von Yampenöl und Eſſig, das fie auf 
dem Ofen fanden, hatten fie ein gemijchtes Getränf gemacht und ſich damit 
erfriicht. Sie jchoffen aus den hintern Fenſtern und wurden von den Franzoſen 
auch wieder begrüßt, denn rings um die Fenſter fanden wir nachher von außen 
die Yöcher der angepraliten Kugeln. Zum guten Glüd hatten die Franzoſen 
feine Kanonen oder Haubigen in der Nähe, fonft wär’ e8 uns gewiß übel 
ergangen. Endlich fam ein ruffiicher General, der deutich ſprach, angeritten, 
ließ die Soldaten alle wieder herausjagen, vietb, die Thüren zu verrammmeln, was 
auch jogleich geſchah, und jo waren wir umbegreiflich glücklih davon gekommen. 

Jetzt ward der ruffische Widerftand immer ſchwächer, eine halbe Stunde 
nachher wichen dieſe Thiermenſchen ganz; das „avance“! der Franzoſen 
jchallte wieder vor dem Haufe und diesmal waren fie ung wirflich willfommen ; 
denn die Scenen des Entjegens mußten doch endlich ein Ende nehmen. Wir 
öffneten jogleich die Thüre und boten ungefragt zu trinfen an. Sei's dieſer 
Empfang und die wirklich ungeheuchelte Freude über das Ende der Affaire 
in unſerm Gut, die unverfennbar auf unfern Gefichtern zu lefen war, oder 
ſonſt ein glückliches Ungefähr: furz alle Franzoſen, die anliefen, waren ziemlich 
ordentlich für Yeute, die ich feit zwei Tagen gefchlagen und feit vier Monaten 


der — — — — 


u na nn 


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feinen Sold befommen hatten. Sie begehrten niemand etwas Yeids zu thun; 
einige jelbft, das muß ich zu ihrem Ruhm geftehen, waren höflich und mır 
ein paar halb Bejoffene wollten unbejcheidene Forderungen thun, die ihnen 
aber von ihren eigenen Kameraden abgejchlagen wurden. Das ijt wahr, zu 
trinfen befamen jie! Nicht in Gläfern, nicht in Flaſchen, jondern in großen 
Zubern und Eimern, die fie oft anjegten, um dejto geichtwinder den Magen 
zu füllen. Brot gab man ihnen, jo lang noch im Haus war, und als man 
ihnen jagte, es jei alles aufgegefjen, weil die Rufen ſchon einen Theil davon 
aufgezehrt hätten, jo gaben fie jich auch wieder zufrieden. In der Nachbar: 
ihaft, befonders in Wipfingen, hatten fie viel geplündert und jo ein Marodeur 
zwang uns, einen Stod und einen Degen zu faufen, die nachher aber der 
Eigenthüner wieder befam, jowie ein Buch mit vergoldeten Schloffen, das 
auch hier verfauft worden war. Einige begehrten Hemden, und da fie fich 
jonft geichloffen hielten, wollte ihnen welche geben; mehrere aber folgten, und 
wie ich über die Kommode gieng, nahmen jie, jedoch nicht eben mit Gewalt, 
ungefähr anderthalb Dugend; dann ſchloß ich wieder vor ihnen zu und fie 
führten fih ab. Wenn freilich die vielen, die unten beim Wein waren, den 
Schlich gemerkt hätten, jo hätt' ich auch mehr eingebüßt; im Taumel aber 
gaben jie nicht auf alles Acht, fie ſoffen ımd erzählten von ihren Siegen, 
darüber vergaßen fie das übrige und feiner begehrte mehr hinaufzugehen. . .. 
Das Tränken des Viehs dauerte ungefähr anderthalb Stunden, es famen 
immer mehr Offiziere ımd mit ihnen auch mehr Ordnung, bis man zulett 
die Unbejcheidenften abweifen und zulegt der ganzen Weinjchenfe ein Ende 
machen fonnte, die jonjt bis Mitternacht fortgedauert hätte. 

Fett verlangte mein Herz nach Nettchen. Die Stadt war offen; unter 
dem fichern Begleit Bailleuls, eines befannten Chef de Bataillon, der bei uns 
angeritten war, eilte ich über Trümmern und Yeichen dahin, und hielt nad) 
der furzen, aber fürchterlich verhängnifvollen Trennung das geliebte Weib 
wieder in meinen Armen. Es war ein Wiederjehen wie nad) einer Jahre 
langen Trennung — es läßt jich nicht bejchreiben. ... . Jetzt erfuhr ih am 
Morgen eine Menge Umftände, die uns Belagerten unbekannt geblieben wareı. 
Die Hotziſche Armee an der Yinth war ebenjo wie die ruſſiſche geichlagen 
worden. Bote jelbjt, der ehrwürdige Greis, ftarb, nachdem er tödtlich ver: 
wundet noch in die Hände der Feinde gefallen war... . . Eine Menge von 
unjern Bekannten waren todt, verwundet und gefangen. Die Divijion des 
General Ye Courbe hatte jich zwilchen Suwarow und Hotze hineingeworfen, 
und nun ftürmten die Franzojen am 26ten über Stäfa am See herunter, jo 
daß die Ruſſen zwiſchen zwei Feuer kamen. 

” Der Uebergang der Franzoſen über die Limmat geſchah außerordentlich 
ſchnell und beweist die unverzeihliche Nachläſſigkeit der ruſſiſchen Vorpoſten, 


die Dummheit der Offiziere und die Unbrauchbarkeit ihrer Artillerie. In der 
Oechsli, Quellenbuch. 30 


466 


Nacht hatten die Franzofen ihre Pontons ganz leiſe herbeigeführt und eine 
Menge Kanonen auf die ruſſiſchen Hauptpoften gerichtet. Mit Tagesanbruch 
fiengen die Feuerſchlünde plöglih au, Kartätſchen über den Fluß zu jpeien. 
Die aufgeichredten Ruſſen prallten zurüd und wollten mit ihren Kanonen 
antivorten; die waren aber jo ungeſchickt vertheilt, daR jie dem Feind feinen 
Schaden thaten; die Brüde war in wenig Zeit vollendet, die Franzoſen 
jtinmten berüber, wurden ſogleich handgemein mit, den Ruſſen, die ſich jeist 
mit rajender Tollkühnheit jchlugen, aber dabei jo ungeſchickt, daß die gewandten 
Feinde ihnen einen Schritt nad) dem andern abgewannen ımd jie jo bis an 
die Stadt zurücdrängten. Ebenſo ward das Yager bei Affoltern überrumpelt. 

Korſakow bededte ſich in diefen zwei Tagen auf ewig mit Schande. Ein 
Norporal hätte die Arınce beſſer führen fünnen. Als die Franzoſen ſchon über 
die Yimmat waren, blieb er immer ganz ruhig, lächelte, machte feine Diſpo— 
jittonen, jagte, er kenne jeine Yeute, er verlaffe jih auf fie und ließ nicht 
einmal die jchweren Bagagen etwas rückwärts bringen, un die Wege im 
Nüden frei zu haben. Zeine eigenen Sachen, jeine jilbernen Nachtgeſchirre, 
jeine lächerlich brillanten Equipagen, das alles blieb uneingepadt, bis am 
Mittwoch jpät in der Nacht jeine Yente, vernünftiger als er, Anftalt Dazu 
machten. Am Donnerstag Morgen jollten endlich die Wagen über die Ford) 
abgeführt werden, aber ſchon außer Hirslanden blieben die ſchweren unbehülf- 
lichen Karren ſtecken, die Fuhrleute liefen zum Teufel und wenige Franzoſen 
bemächtigten ſich auf verſchiedenen Auswegen der Stadt aller Kaſſen und Bor: 
räthe der ganzen Armee, jowie des größten Theils der plumpen Kanonen. 
Einzelne Huſaren befamen bei dieſem Fang viele hundert Youisd’or, Ordens: 
bänder mit diamantnen Kreuzen und eine Menge Koftbarfeiten, die von ihren 
Offizieren jogleidh aufgekauft wurden, 

Korjatow war jchon um 12 Uhr am 26ten mit den Franzoſen in eine 
Art von Unterhandlung getreten und hatte jich erflärt, er wolle jich zurüd- 
ziehen, was aud) jogleich geichab. Dem ungeachtet ließ er jeinen Truppen, die 
jih auf unver Zeite jchlugen, feine Nachricht davon geben, jo daß dieje noch 
immer fortwütheten, ohne zu willen, daß der Feind jchen in der Stadt war, 
der auch tüchtig von den Wällen auf unſer Haus und die ganze Gegend 
tanonirte. Hätte Korſakow diejen unverzeiblichen Fehler nicht begangen, jo 
wäre viel Nuffenblut geichent worden und wir hätten alle vingsumber viel 
weniger gelitten. Wie er für jeine Perſon das Heil in der Flucht juchen 
mußte, fannte er, der General, der ſchon jeit mehr als vier Wochen bier 
fommandirte, feinen Weg und mußte ſich erſt noch zurecht weijen laſſen, um 
aus der Falle zu kommen, 

Die Ruſſen begiengen überall abicheuliche Graujamteiten. Sie jchenten 
faſt gar feinem Gefangenen das Yeben. Als am Mittwoch Nachmittags mein 
Schwager Neinbard zu uns herauskommen wollte und nicht durchgelajien 


467 


ward, traf er gleich vor dem Thor einen Trupp Koſaken an, die zwei ge- 
fangene Franzoſen herbrachten; jie quälten und mißhandelten jie erjt, ließen 
jie dann einige Schritte vorausgehen, ſpießten fie endlich mit ihren Yanzen 
an den Boden feit und ermordeten fie auf die unmenſchlichſte Weiſe. Der arme 
Zunftmeifter Irminger ward aud) ein Opfer ihrer Grauſamkeit. Wie die 
Franzoſen am erften Abend. bis zu uns vorgedrüdt hatten, waren einige der- 
jelben in Irmingers Neben gejehen worden. Wie die Ruſſen wieder Meijter 
waren, erwilchten fie diefe Franzoſen, tödteten jie und klopften nun mit Macht 
an Irmingers Haus an, wo fie vermuthlich noch mehr Feinde verfteckt 
glaubten. Irminger, um jie zu befriedigen, fommt zur Hinterthüre heraus, 
geht mit Brot und Wein in den Händen auf fie zu und die Barbaren fahren 
über ihn bin; im nämlichen Augenblick befommt er einen Zäbelhieb über den 
Kopf, einige Bajonettftihe in den Yeıb umd bleibt todt an der Ede jeines 
Hauſes liegen. VBermuthlih hatten ihn die wüthenden Beftien für einen 
Franzoſen angejehen, weil er, aus Vorſicht, die ihm freilich übel befam, jeine 
blaue Commiſſariats-Uniform angezogen hatte. ALS jeine Frau aus dem 
Haufe ftürzte und mit dem Gejchrei des Entjeßens über den Ermordeten her: 
fiel, jchienen fie einiges Mitleid zu bezeugen. Ein Mann aus der Nachbar: 
haft ward von jeiner Wohnung von ihnen weggejchleppt und beim weißen 
Haus mit Kolben todtgejchlagen. Ein andrer, nicht weit von der Wohnung 
des erjten, befam einen Schuß in den Arm, an dem er nachher ftarb, und 
auch jein zehnjähriger Knabe war todt geichoffen. Im „Weinberg plünderten 
jie alles aus und einer der Ihiermenichen, nachdem er dem Amtmann die 
Uhr genommen hatte, z0g eine abgejchofjene Hand aus der Taſche, ſchlug ihm 
diejelbe einigemal um die Naſe und ftecte fie dann wieder ein. Auch dort ward 
der Lehenmann auf der Galerie hinterm Haufe todt gefunden. Kurz, überall 
während der Affaire und auf dem Rückzug liegen fie Blut und Entjegen 
zurüd und wiütheten unter dem Bolf, das fie zu befhügen taujend Stunden 
weither gefommen waren, ebenjo wie gegen den Feind, — — — 

Obgleich die franzöfiichen Generale ihren Soldaten bei ihrem Einbrud) 
in Zürich die Plünderung nicht geftattet hatten, jo wurden doch beinah' in 
alfen Häujern Gewaltthätigfeiten verübt, Geld, Yebensmittel und Wäſche ertrogt 
und geftohlen, Thüren und Kaſten erbrocdhen, und wie in Feindesland gehaust 
von den Brüdern, von den Freiheitsbringern. Die helvetiſchen Yegionen zeid)- 
neten ſich bei diefen Gewaltthätigfeiten am meiten aus und raubten am un— 
verjchämteften. Lavater, der janfte, fromme Yavater, der die wilden bejoffenen 
Leute vom Einbruch in ein benachbartes Haus abhielt und bereits alles Geld, 
das er bei ſich trug, hingegeben hatte, befam einen Schuß, der ihm kaum 
eines Meſſerrückens breit außer den Grenzen der ummittelbaren Tödtlichfeit 
durch den Yeib drang. Ein Bedienter neben ihm ward von der nämlichen 
Kugel am Arm verwundet. Maſſena jelbjt und verjchiedene Ztabsoffiziere 


464 


ritten durch die Stadt, um die Ordnung einigermaßen wieder herzuſtellen, 
und wo ſie Plünderer antrafen, jagten ſie dieſelben mit Klingenhieben vom 
Raub weg; aber dem ungeachtet geſchahen den erſten Abend und die ganze 
folgende Nacht Exzeſſe aller Art und die trunknen Soldaten wurden erſt 
nach und nach etwas ruhiger, nachdem fich der erfte Taumel etwas gejett 
hatte. 


205. Der franzöäfifche Gefandte Pichon an feine Regierung über 
das Briegselend der Schweiz. 20. Hovember 1799. 


Monnard, Geichichte der Eidgenofien III. S. 373. 


«Sie haben wohl sagen hören, dass die Schweiz viel zu leiden habe, 
und Sie zweifeln auch nicht daran; ich dachte mir das schon in Paris; 
aber man macht sich kaum einen Begriff davon, welchen Grad das Elend 
erreicht hat. 


«Die kleinen Kantone sind eine Wüstenei; nach zwei Aufständen, 
welche von 15,000 Franzosen mit Feuer und Schwert unterdrückt wurden, 
sind die Wechselfälle des Krieges dort häufiger und verderblicher ge- 
wesen, als sonst irgendwo. Das französische Heer ist nur binnen sechs 
Monaten drei- bis viermal im Hin- oder Hermarsche zwischen Glarus 
und dem Gotthard gestanden und hat da Dinge gethan oder gelitten, 
die fabelhaft scheinen. Zwei oder drei Divisionen haben die Wege, 
welche aus jenen Kantonen nach Bünden, an den Gotthard und zu den 
andern Pässen nach Italien führen, in allen Richtungen und mehrere 
Male gemacht. Der Soldat hat von den Vorräthen der Einwohner gelebt. 
Da es beinahe unmöglich war, Lebensmittel an diese Punkte mit einer 
den Bewegungen entsprechenden Raschheit hinzuschaffen, so musste man 
anf Kosten des Landes leben. Was man nicht aus Mitleid gab, ward 
mit Gewalt genommen. Da unsere Truppen keine einzige Ration aus 
Frankreich erhielten, so war seit einem halben Jahre alles aufgezehrt 
worden, ehe noch die Russen 25,000 Mann in diese verödeten Gegenden 
warfen. Nur Urseren hat seit einem Jahre etwa 700,000 Menschen er- 
nährt und beherbergt, was auf den Tag fast 2000 Menschen beträgt. 
Die vom Schwert verschonten Einwohner mussten ihre Weiler im Stiche 
lassen. 

«Die wohlhabendsten Kantone sind durchweg von Requisitionen er- 
drückt und erliegen unter der Last der Einquartierungen, der Unter- 
haltung der Soldaten und Pferde. Ueberall mangelt es an Futter; überall 
schlachtet man das Vieh: die Zugpferde sind zu Grunde gerichtet und 
dem Ackerbau entzogen. Im Kanton Freiburg hat ein kleines Dorf seit 
einem halben Jahre 25.000 Mann ernährt, welche während dieser ganzen 
Zeit keine einzige Ration von den Republik erhalten haben. 


«Bei einer so vollständigen Einstellung aller Leistungen unserseits 


469 


ist ein Heer von 95,000 Mann eine Geissel für Helvetien und Helvetien 
eine Geissel für dieses Heer.» 


206. Der Staatsftreidh vom 7. Januar 1800. 


Flugblatt, Stadtbibl. Wintertur, 
Freiheit. Gleichheit. 


Im Namen der einen und untheilbaren helvetiſchen Republik. 


Dekret. 


Bern, den 7. Jenner 1800. 






4] An Erwägung, daß das bisherige Vollziehungs- Direktorium eine 
Menge unzweidentiger und beftimmter Beweife feiner Unfähigkeit 
' gegeben hat, die öffentlichen Angelegenheiten zu führen ; 

In Erwägung, daß insbejondere die Bürger Yaharpe, Secretan 
und Oberlin ſich einer Verſchwörung gegen die National-Kepräfentation 
ſchuldig gemacht haben, deren inconjtitutioneller und gefährlicher Zivef aus 
den dem großen Rath vorgelegten Beweis-Schriften deutlich erhelfet ; 

In Erwägung, dab die Wohlfahrt des Vaterlandes und die Erhaltung 
der conftitutionellen National-Kepräjentation jchlechterdings nicht zulaßen, daß 
die Zügel der Negierung länger in den Händen diefer Männer bleiben; 

In Erwägung, daß die Bürger Direktoren Dolder und Savary und 
der General-Zecretair Moufjon, dur ihre Standhaftigkeit allein, die 
Ausführung jener gefährlichen Rathſchläge verhindert haben; 

In Erwägung, daß der tramrige Zuftand der Nepublif und die beinahe 
durchgängige Desorganifation der öffentlichen Gewalten, die Niederlegung der 
Negierung in fähigere Hände nothwendig machen; 

Hat der groſſe Rath, nad erflärter Dringlichkeit, beſchloſſen: 

1) Das Vollziehungs-Direftorium ift von diefem Augenblid an aufgelöst. 

2) Die Mitglieder deijelben bleiben für ihre Verhandlungen verant- 
wortlich. 

3) Den Bürgern Dolder und Savaryh iſt einzig die vollziehende 
Gewalt übertragen, bis die geſezgebenden Räthe die neuen Wahlen gemacht 
haben. 

4) Die Bürger Dohder md Savary find bei Ihrer Verantwort— 


470 


fichfeit beauftragt, die zur Sicherheit der Nationaf-Repräfentation umd zur 
Erhaltung der öffentlichen Ordnung nöthigen Mafregeln vorzufehren. 

5) Den Bürgern Dolder und Savary wird die pünftliche und 
ſchnelle Bollziehung dieſes Defrets aufgetragen. 


Der Senat an die vollziehende Gewalt: 


Der Senat der einen und untbeilbaren Republik Helvetiens bat den 
hievor enthaltenen Beſchluß des großen Raths in Erwägung gezogen und 
genehmigt. 


207. Bonaparte kündigt der Schweiz feine Vermittlung an. 
30. September 1802. 


Flugblatt, Ztadebibl. Wintertur. 


Bonaparte, erjter Conſul der franzöſiſchen Republif, an die 
XVIII Eantone der helvetiſchen Republik. 


In St. Cloud den Sten Vendémiaire, im Jahr 11. 


Bewohner Helvetiens! 

Ihr bietet jeit zwey Jahren ein betrübendes Schaujpiel dar, entgegen: 
gejegte Fraktionen baben fich eine nach der andern der Gewalt bemächtiget, 
fie haben ihre vorübergehende Herrichaft mit partheyifchen Syſtemen bezeichnet, 
welche Beweije ihrer Untanglichfeit und Schwäche waren. — 

Im Yauf des 10ten Jahrs wünſchte Euere Megierung, daß man die 
Fleine Anzahl franzöfiicher Truppen zurücziehe, die in Helvetien waren. — 
Die franzöfiihe Negierung ergriff diefen Anlak gerne, um Euere Unabbängigfeit 
zu ehren; allein bald nachher haben ſich Euere Partheyen mit neuer Wuth 
in Bewegung gejett; das Schweizerblut ift von Schweizerhänden vergoffen 
worden. — 

Ihr habet Euch drey Jahre gezanft, ohne Euch zu verftehen. Wenn 
man Euch länger Euch jelbiten überläßt, jo werdet Ihr Euch noch drey 
Jahre morden, und Euch eben jo wenig verftehen. Euere Gejchichte beweißt 
auch, dar Euere innere Kriege nie anders als durd die wirfjame Dazwiichen: 
funft von Frankreich ſich endigen lonnten. 

Es ift wahr, ich batte den Entichluß gefaßt, mich nicht mehr in Euere 
Angelegenheiten zu miſchen. Ich ſah immer Euere Negierungen mid um 
Math fragen, und ibn micht befolgen, und einigemal meinen Namen nad) 
ihren Intereſſen und Leidenſchaften mißbrauchen. 


471 


Allein ich kann, ich darf nicht unempfindlich bleiben beym Unglück, 
deſſen Raub Ihr ſeyd, ich komme auf meinen Entſchluß zurück: ich will der 
Vermittler Eueres Streites, und meine Vermittlung wird wirkſam ſeyn, wie 
es der groſſen Völker in deren Namen ich rede, würdig iſt. — 

Fünf Tage nach Eröffnung dieſer Proklamation wird der Senat ſich 
in Bern vereinigen. — 

Jede Magiſtratur, die ſich in Bern ſeit der Capitulation gebildet hatte, 
wird aufgelößt werden, und aufhören ſich zu verſammeln, oder irgend ein 
Anſehen auszuüben. 

Die Statthalter werden ſich auf ihre Poſten begeben. Alle Authoritäten, 
welche gebildet worden, werden aufhören ſich zu beſammeln. 

Die bewaffneten Truppen werden ſich zerſtreuen. 

Die erſte und zweyte helvetiſche Halb-Brigade werden die Garniſon von 
Bern ausmachen. Die Truppen, welche ſeit mehr als ſechs Monaten auf 
den Füſſen waren, können allein in Corps vereinigt bleiben. 

Endlich werden alle entlaſſene Individuen der Kriegführenden Armeen, 
die jetzt bewaffnet ſind, ihre Waffen bey der Munizipalität ihres Geburts— 
orts niederlegen. 

Der Senat wird drey Deputirte nach Paris ſchicken; jeder Canton kann 
auch Deputirte ſchicken. * 

Alle Bürger, welche ſeit drey Jahren Landammann oder Senatoren 
geweſen ſind, und Succeßiv-Plätze in der Central-Regierung hatten, können 
ſich nach Paris begeben, um die Mittel, Einigkeit und Ruhe wieder herzu— 
ſtellen, und alle Partheyen zu vereinigen, bekannt zu machen. 

Von meiner Seite habe ich das Recht zu erwarten, daß keine Stadt, 
keine Gemeinde, kein Corps den Verfügungen zuwider handeln werde, die ich 
Euch bekannt mache. 

Bewohner Helvetiens! lebet wieder auf zur Hoffnung!!! — Euer Vater 
land iſt an dem Rand des Abgrundes, es wird unmittelbar davon zurück— 
gezogen werden. — — 

Jeder vernünftige Dann muß überzeugt ſeyn, daß die Vermittlung, 
welche id über mich nehme, für Helvetien eine Wohlthat derjenigen Vor— 
jehung ift, welche mitten umter jo vielen Umftürzungen und Stöſſen immer 
über die Eriftenz und Unabhängigkeit Euerer Nation gewacht hat, und dal 
dieje Vermittlung das einzige Mittel ift, welches Euch übrig bleibt, um die 
eine umd die andere zu retten. 

Denn ift es Zeit endlich, dar Ihr bedenket, dag wenn der Patriotismus 
und die Einigkeit Euerer Loreltern Euere Nepublif gründeten, der ſchlimme 
Geiſt Euerer Faktionen, wenn er fortdauert, fie unfehlbar zu Grunde richten 


472 


wird, und der Gedanfe wäre fränfend, daß zur nämlichen Zeit, wo mehrere 
neue Republiken entjtanden find, das Schickſaal endlid das Ende einer der 
ältejten berbeygeführt habe. 

Unterzeichnet: Bonaparte. 


208. Aus der Anfpradye Bonaparte's an den Ausſchuß der 
helvetifchen Confulta zu St. Clowd. 12. Dezember 1802. 


Aus v. Muralts Yeben des Biürgermeifterd Hans von Reinhard S. 105 fi. 


„Je mehr ich über die Beichaffenheit Eueres Yandes nachgedacht habe, 
defto ftärfer ergab fich für mich aus der Verſchiedenheit jeiner Beitandtbeile 
die Überzeugung der Unmöglichkeit, es einer Gleichförmigleit zu unterwerfen; 
alles führt euch zum Föderalismus hin. 

„Welcher Unterichied waltet 3. B. nicht zwiſchen Euern Berg: und Euern 
Städtebewohnern ? 

„Solltet ihr etwa die demokratischen Kantone zwingen wollen, unter der 
gleihen Regierung wie die Städte zu leben, oder gar in den Städten, 3.8. 
zu Bern, eine reine Demofratie einzuführen gedenfen. 

„Die Einheit bedarf einer ſtehenden bewaffneten Macht; dieje will be- 
joldet jein, und dazu reichen Euere Finanzen ohne drüdende Abgaben nicht 
bin. Euer Volk erträgt nur ungerne Abgaben. Wollt Ihr es zufrieden 
jtellen, jo diürfet Ihr ibm deren wenig aufladen und feine Truppen geben. 
Vormals bezahlte das Schweizervolk nur jehr wenig Abgaben, warum joll 
es deren im Zukunft ertragen? Abgaben machen den unmittelbarjten Ein: 
druck auf das Volk, nach diejen wird es euch richten. — — 

„Die Schweiz kann feine bedeutende Rolle mehr unter den Staaten 
Europens jpielen, wie zu der Zeit, wo feine großen Nachbarn neben ihr 
jtanden, wo Frankreich in jechszig, Italien in vierzig Herrichaften eingetheilt 
war. Damals wog eine Enerer Municipalitäten an Macht einen Herzog, die 
perjönlic” unter der Fahne vereinigte Tapferkeit Euerer Völfer halbe Deere 
auf. Jetzt iſt es anders. Frankreich bejitt ein Heer von fünfmalhundert, 
Tfterreih von drei-, Preußen von zweimalhunderttaufend Mann wohl diszi- 
plinirter Truppen. Hierbei verjchwindet die Schweiz und bfeibt ihr nur 
übrig, ibre innern Intereſſen wohl zu bejorgen. 

„Euch bliebe ein einziges Mittel, um Antbeil an den Großthaten unjerer 
Zeit zu nehmen: nämlich die Lereinigung mit Frankreich. Die Schweiz 
könnte vielleicht zwei Departemente der großen Nepublif bilden. Die Natur 
verweigert Euch aber auch dieſen Ausweg. Große Bergfetten jcheiden Euch 
von dem Tyrol, von Italien und von Franfreih ab. Ihr ſollt feine thätige 


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473 


Rolle in Europa fpielen. Ihr bedürft der Ruhe, der Unabhängigfeit, und 
einer von Allen Euch ummringenden Mächten anerkannten Neutralität. Seitdem 
Wallis von Euch getrennt, und der Simplon für Frankreich offen ift, jteht 
diejen Erforderniffen nichts mehr entgegen. 

„Wie wolltet ihr eine Gentral-Regierung bilden? Dazu befitt Ihr zu 
wenig ausgezeichneter Männer. Schon einen tüchtigen Yandammann zu finden, 
würde Euch jchwer genug fallen. 

„Slücliche Ereigniffe haben mich an die Zpige der franzöfiichen Re— 
gierung berufen, und doch würde ich mich für unfähig halten, die Schweizer 
zu regieren. 

„Wäre der erjte Yandammann von Zürich, jo wären die Berner unzu— 
frieden ; wählt Ihr einen Berner, jo jchimpfen die Zürcher. Wählt Ihr einen 
Protejtanten, jo widerftreben alle Katholifen, und jo wieder umgefehrt. Wählt 
Ihr einen Reichen, jo macht er Neidifche, wählt Ihr einen verdienftvollen 
Unbemittelten, jo müßt Ihr ibn jtarf bezahlen, joll er einiger Achtung genießen. 

„Zolltet Ihr aber auch alles Erwünjchte finden, umd ic) würde Etwas 
von Euerm Yandammann fordern, das er mir nicht gewähren wollte, jo wiirde 
ich ihm mit der Abjendung von zwanzigtaujend Mann drohen und er müßte 
gehorchen. Muß ich mich hingegen an den einzelnen Kanton wenden, jo wird 
der Entjcheid von einer Behörde zur andern gejchoben, jede declinirt gegen 
mid ihre Kompetenz, und antwortet mir, kommt effet unſere Berge. Zuletzt 
muß die Tagfatıng einberufen werden, dazu bedarf e8 zweier Mionate Zeit, 
und während diejem Berjchube zieht das Gewitter vorüber, und Ihr jeid 
gerettet. Hierin liegt die wahre Politik der Schweiz. 

„Ich ſpreche zu Euch, als wäre ich felbjt ein Schweizer; für Heine 
Staaten iſt die Föderation ungemein vortheilbaft. Ich jelbit ‚bin ein geborner 
Bergbewohner (montagnard); ich fenne den hieraus entfpringenden Geift. 
Nur feine Einheit, feine Truppen, feine Gentral-Finanzen, feine Central: 
Abgaben, feine diplomatischen Agenten bei den andern Mächten, umd damit 
habt Ihr ſchon mehrere Mal hunderttaufend Franfen erjpart. 

„Die Schweiz ſoll ſich darauf bejchränfen, ihre innern Angelegenheiten 
wohl zu verwalten, fie joll der dreifachen Gleichheit, der Kantone je einer zu 
dem andern, der Stadtbewohner je die einen zu den andern, der Städte- 
und der Yandbewohner genießen, und jich dabei auf die franzöfiiche Freund— 
ſchaft jtüken. 

„Um zu Enerer Unabhängigkeit und Neutralität zu gelangen ift unter: 
läßlich, daß Ihr schnell und vor Alten ans Euere Kantone ungefähr nad) 
der ehevorigen Weiſe, Doch mit den Abänderumgen und Grundlagen organijirt, 
dag alle Kantone gleiche politiiche Rechte genießen, und daß die Städte auf 
ihre Privilegien gegen ihre ehemaligen Unterthanen und die Patricier- Familien 
auf die ihrigen, ihren Ztadtmitbürgern gegenüber, verzichten. — — 


=D mr 


474 


„Die Kantonal-Organtjationen, ich wiederhole es, müſſen auf die Zitten, 
die Religion, die Anterefjen und die Meinungen eines jeden einzelnen Kantons 
gegründet fein. Sorgt für Gejeglichfeit und für pafjende Formen. 

„Die Gemeinden in den Heinen Kantonen mögen ihre Alp-Streitigfeiten 
nad) Belieben unter ſich ausmachen, aber nie jollen fich Kantone gegen andere 
Kantone verbinden, und mit ihnen Krieg führen. Für die Söhne Wilhelm 
Tells dürfen feine Feſſeln gejchmiedet werden. 

„Die größern Städte und Kantone ſollen bei ihrer Organifation Die 
Intereſſen ihrer Induſtrie zu Mathe ziehen, daneben mit böhern Einjichten 
und nad ihrer angeſtammten Nedlichfeit (probite) regieren, dann wird es 
ihnen nad) und nach gelingen, ihre Oekonomie für die befcheidenen Bedürfniſſe 
ihrer Kantone wieder herzuitellen. 

„Sind einmal diefe Rantonal-Grundlagen feitgejegt, jo wird es jehr leicht 
jein, ich über diefe Punkte des allgemeinen Verbandes zu verftändigen. Wo 
weder Armee noch Ober-Tribunal aufzuftellen, und wenig Diplomatie zu 
organijiren ift, geht die Sache ſchnell.“ 


209. Die Bermittlungs-Akte vom 19. Februar 1803. 


Nach der offiziellen Überfegung in der Sammlung der Geſetze des Kantons Zürid. I. S. 3. 
Das franzöftiche Original im Repertorium der Abichiede 1803— 1815, 


* 


Urkunden S. 1 fi. 


Bonaparte, Erjter Conſul der Fränftjchen und Präfident der 
Italieniſchen Republik, an die Shmeizer. 


Helvetien, der Zwietracht preis gegeben, war mit feiner Auflöſung bedroht. 
In fich ſelbſt konnte es die Mittel nicht finden, um wieder zu einer verfafjungs- 
mäffigen Ordnung zu gelangen. Die alte Gewogenbeit der Fränftichen Nation 
für dieſes achtungswerthe Wolf, welches ſie vor furzem noch durd ihre Waffen 
verteidigt, und durch ihre Verträge als unabhängige Macht hatte anerfennen 
laffen; das Intereſſe Frankreichs und der Italieniſchen Republik, deren 
Grenzen die Schweiz bedeckt; das Anſuchen des Senats; das der Demokra— 
tiſchen Cantone; der Wunſch endlich des geſammten helvetiſchen Volls: haben 
es Uns zur Pflicht gemacht, als Vermittler zwiſchen den Partheyen auf— 
zutreten, die es trennen. 

Zu dem Ende haben Wir die Senatoren Barthelemy, Röderer, 
Fouché, und Demeunier beauftragt, mit jechs und fünfzig Deputirten 
des helvetiichen Senats, der Städte und Cantone, in Unterredung zu treten. 
Die Beantwortung der Frage: Ch die Schweiz von der Natur jelbft zu einer 


— — —— 


m. 


475 


Bundes Verfaſfung beftimmt, anders als durch Gewalt unter einer Central- 
Regierung erhalten werden könnte; die Ausfindigmachung derjenigen Staats: 
form, die mit den Wünſchen jedes Cantons am meiften übereinftinmute: Die 
Heraushebung defjen, was den in den neuen Cantonen entftandenen Begriffen 
von Freyheit und Wohlfahrt am beften entipräche; endlich dann in den alten 
Cantonen die Vereinbarung derjenigen Einrichtungen, die durch die ‚Zeit ebr- 
würdig geworden waren, mit den wiederhergeftellten Nechten des Volks: — 
Dies waren die Gegenftände, die der Unterfuchung und Berathichlagung unter: 
worfen werden mußten. 

Ihre Wichtigkeit jowohl, als das Schwierige derjelben, haben Uns be- 
wogen, zehn Ausgeichoffene beyder Partheyen, nemlich: die Bürger von Afiry, 
Gluz, Jauch, Monod, Reinhard, Spreder, Stapfer, Ufteri, 
von Wattenwyl und Vonflüe, in eigner Perjon zu vernehmen; und 
Wir haben das Nefultat ihrer Berathichlagungen, theils mit den verfchiedenen 
Vorjchlägen der Cantonal-Deputationen, theils mit denjenigen zuſammen ge- 
halten, was fih aus den Unterredungen diefer Deputationen mit den come 
mittirten Senatoren ergeben hatte. 

Nachdem Wir auf diefe Weife alle Mittel erfchöpft haben, um das In— 
terejje und den Willen der Schweizerifchen Nation fennen zu lernen; jo wird 
von Uns, in der Eigenfchaft eines Bermittlers, umd ohne andere Abjicht, 
als die Wohlfahrt der Völferjchaften zu erzweden, über deren Angelegenheiten 
Wir abzufprechen hatten, jo wie ohne Verlegung der Schweizeriſchen Un— 
abhängigkeit, folgendes feſtgeſezt: 


[Folgen in Kapitel I—XIX. die Verfaſſungen der Kantone: Appen— 
zell, Nargau, Baſel, Bern, Freiburg, Glarus, Graubünden, 
Yuzern, St.Gallen, Schaffbaujen, Shwiz, Soloturn, Tejfin, 
Thurgau, Unterwalden, Uri, Waadt, Zug und Zürich]. 


Bapitel XX. 
Bundes-Berfafjung. 
Erfter Titel. Allgemeine Verfügungen. 


Art. 1. Die neunzehn Cantone der Schweiz, als: Appenzell, Aargau, Bafel, Beru, Fry— 
burg, Glarus, Granbündten, Yuzern, St. Gallen, Schafhauſen, Schwyz, Solothurn, Teifin, 
Thurkau, Unterwalden, Uri, Waadt, Zug und Zilrich, find unter fich, gemäß den in ihren 
befondern Berfaffungen aufgeitellten Grundſätzen, verbindet. Sie Übernehmen gegenseitig 
die Sewährleiftung für ihre Verfaſſung, ibr Gebiet, ihre Freyheit und Unabhängigfeit, 
ſowohl gegen auswärtige Mächte, als gegen die Angriffe eines Gantons, oder einer be- 
jondern Parthey. 


Art. 2. Die Truppen- und Geldbeyträge, welche für die Vollziehung diefer Gewähr— 
leiftung erforderlich jeyn möchten, werden von jedem Gantone nad — Berhältniſſe 
gelieſert. 


476 


Zu fünfzehntaufend zwenhundert und drey Mann wird liefern: Bern 2292, Zürich 
1929, Waadt 1482, St. Gallen 1315, Argau 1205, Graubündten 1200, Teiftn 902. 
Luzern 867, Thurgau 835, Fryburg 620, Appenzell 486, Solothurn 452, Baſel 409, 
Schwyz 301, Glarus 241, Schafhanfen 233, Unterwalden 191, Zug 125, Urt 118 Mann, 

An einer Summe von viermalbimdert und neunzigtanfend fünfbundert und fieben 
Schweizerfranfen wird bezahlen: Granbündten 12000, Schwyz 3012, Unterwalden 1907, 
Urt 1184, Teifin 18039, Appenzell 9728, Glarus 4823, Zug 2497, Zt. Gallen 39451, 
Yuzern 26016, Thurgau 25052, Fryburg 18591, Bern 9169, Zürih 77153, Waadt 
59273, Argau 52212, Zolotburn 1897, Zchafbanfen 9327, Bajel 2040 Franten. 


Art. 3. Es giebt in dev Schweiz weder Untertbanenlande mehr, noch Borrechte der 
Orte, der Geburt, der Perfonen oder Familien. 


Art. 4. Jeder Schweizerbürger ift befugt, feinen Wohnfiz in einen andern Canton 
zu verlegen, und feinen Gewerb dafelbit frey zu treiben: er fann Die politiichen Rechte, 
gemäß den Geſetze des Kantons, in dem er fich niederläßt, erwerben ; aber diefelben nicht 
zu gleicher Zeit in zweyen Gantonen ausüben, 


Art. 5. Die ehemaligen Zugs- und Abzugsrechte find abgeihafit. Für den freyen 
Umlauf der Pebensmittel, des Viehes, und der Handelswaaren, wird die Gewährleiſtuug 
gegeben. Im Innern der Schweiz fönnen feine örtlichen oder allgemeinen Eingangs-, 
Durhpaß- oder Zollgebiibren eingeführt werden. Die äuffern Grenzzöfle gehören den an 
das Ausland ftoffenden Cantonen zu; jedoch ſollen die Tarife der Tagſatzung zur Ge— 
nehmigung vorgelegt werden. 


Art. 6. Feder Canton behält die Zölle bey, die zur Ausbeſſerung der Wege, Heer 
ftraßen, und Flußufer beftimmt find. Die Tarife bedürfen ebenfalls der Genchmigung 
der Tagſatzung. 


Art. T. Die in der Schweiz verfertigten Münzen haben einen gleichen Gehalt, der 
von der Tagſatzung zu beſtimmen iſt. 


Art. 8. Kein Canton kann, weder einem geſezmäßig verurtheilten Verbrecher, noch 
einem Bellagten, der nach den geiezlichen Formen belangt wird, eine Freyſtatt geben. 


Art. 9. Die Anzabl befoldeter Truppen, die ein Canton unterhalten fann, ift auf 
zweyhundert Mann beichränft. 


Art. 10. Jedes Bündniß eines einzelnen Kantons mit einem andern Cantone, ober 
mit einer auswärtigen Macht, ift verboten, 


Art. 11. Die Regierung, oder Die aefetgebende Behörde reines jeden Kantons, die 
ein Defret der Tagſatzung übertveten wiirde, fann als aufrübreriih vor ein Gericht ge: 
zogen werden, das aus den Präfidenten der peinlichen Gerichtshöfe aller andern Cantone 
zufammengeiet werden Toll, 


Art. 12. Die Kantone üben alle Gewalt ans, die micht ausdrücklich der Bundes— 
bebörde übertragen ift. 


Zwepter Titel, Vom Direltorial-Canton. 


Art. 15. Die Tagſatzung verfammelt ſich wechſelsweiſe von einem Jahr zum andern; 
zu Fryburg, Bern, Solothurn, Baſel, Zürich und Luzern. 

Art. 14. Die Cantone, von denen dieſe Städte die Hauptorte find, werden nach ber 
Reihe Direftorial Cantone Tas Direltorial Jahr fängt mit dem erfien Jenner am, 


477 


Art. 15. Der Direktorial Canton forgt für die Wohnung der Depntierten ben der 
Tagſatzung, und für ihre Ehrenwache; er beftreitet die Sitzungskoſten. 


Art. 16. Der Schultheiß oder Burgermeifter des Direltorial-Cantens, verbindet mit 
feinem Titel denjenigen eines Yandammanns der Zchmweiz; er bat das Siegel der 
belvetiichen Republit in Berwahrung; er lann ſich nicht aus der Stadt entfernen. Der 
große Ratb feines Kantons ſezt ihm ein befonderes Gehalt aus, und beftreitet die mit 
diefer obrigteitlihen Würde verbundenen aufferordentlichen Ausgaben. 


Art. 17. Die fremden Gefandten übergeben dem Landammann der Schweiz ihre 
Ereditive, oder Zurüdberufungsichreiben, und wenden ſich für die Unterhandlungen an ihn. 
Er ift ebenfalls die Zwiſchenbehörde für die übrigen diplomatifchen Berbältnifie. 


Art. 18. Ben Eröffnung der Tagſatzung macht er derielben feine amtliche Anzeige 
über den Zuſtand der innern und äuſſern Bundesangelegenbeiten. 


Art. 19. Rein Canton kann in feinem Innern mehr als fünfhundert Mann Milizen 
aufbieten, und in Bewegung fegen, ohne den Yandammann der Schweiz davon benach— 
riehtigt zu haben. 


Art, M. Im Fall eines Aufftandes im Innern eines Cantons, oder irgend eines 
andern dringenden Bedürfnifies, läßt der Yandammanı Truppen von einem Canton in 
den andern marichiren, jedoh nur auf Verlangen des grofien oder Heinen Raths des 
Hülfe begehrenden Kantons, und auf Einbolung des Gutachtens vom Heinen Ratbe des 
Tireltorials-Gantons ; mit dem Vorbehalte, daß nach Unterdrückung der Feindieligleiten, 
oder bey fortdauernder Gefabr, die Tagſatzung von ihm zufammenberufen werde. 


Art. 21. Wenn zu der Zeit, da feine Tagſatzung verfammelt it, Streitigleiten zwi— 
ichen zweyen oder mehreren Gantonen entjtehen ſollten, ſo wendet man ſich au den Yand- 
ammann der Schweiz, der je nach der gröſſern oder geringen Dringlichkeit der Umſtände, 
entweder Schiedsrichter zum Bermitteln ernennt, oder die Erörterung bis zur nächſten 
Tagſatzung ausjext. 


Art. 22. Er warnt die GCantone, wenn ihr inneres Betragen die Ruhe der Schweiz 
gefährdet, oder irgend etwas unregelmäßiges, und dem Bundesvertrage oder ihrer be- 
ſondern Verfaſſung zuwider laufendes, bey ihnen ftatt findet. In diefem Fall kann er 
die Zufammenberufung des grofien Ratbs, oder da, wo die höchſte Gewalt unmittelbar 
von dem Wolke ausgeiibt wird, diejenige der Yandsgemeinde verorduen. 


Art. 23, Der Yandammann der Schweiz fan nöthigen Falls Auficher zur Unter 
juchung der Heerftrafien, Wege und Flüſſe abjenden. Gr ordnet dringende Arbeiten, die 
dahin gehören, an, und läßt fie im Falle der Noth unmittelbar, und auf Koften deilen, 
dem es zulommen mag, ausführen, wenn fie in der vorgeichriebenen Zeit nicht angefangen, 
oder vollendet find. 


Art. 24. Seine Unterjchrift gibt den Damit befleideten Akten das Anfehen umd den 
Charalter von Nationalaften., 


Dritter Titel, Bon der Taglabung. 


Art. 25. Jeder Canton jendet einen Abgeordneten zur Tagfatung, dem einer oder 
zwey Räthe beygeordnet werden fönnen, die, im Falle von Abweſenheit oder Krankheit, 
feine Stelle einnehmen, 


Art. 26. Die Abgeordneten bey der Tagfatung baben beſchränkte Vollmachten und 
Inſtrultionen, Denen zuwider fie nicht fiimmen können. 


478 


Art. 27. Der Sandammann der Schweiz ift von Rechts wegen Deputirter des 
Direltorial- Eantons, 


Art. 28. Die meunzehn Abgeordneten, aus denen die Tagſatzung beſteht, machen 
insgefamt fünf und zwanzig Stimmen bey den Beratbichlagungen aus. 

Die Abgeordneten der Gantone, deren Volksmenge einmal bumberttaufend Seelen 
itberfteigt, al$ die von Bern, Zürih, Waadt, St. Gallen, Aargau, und Graubündten, 
haben jeder zwey Stimmen. 

Die Abgeordneten der Cantone, deren Vollsmenge weniger als einmal bunderttaufend 
Seelen beträgt, als die von Teffin, Yuzern, Thurgau, Fryburg, Appenzell, Zolothurn, 
Bafel, Schwyz, Glarus, Schafhaufen, Unterwalden, Zug, und Uri, baben jeder nur eine 
Stimme. 


Art. 29. Die Tagſatzung verfammtelt ſich unter dem Borfit des Yandammanns der 
Schweiz, den erſten Montag im Brachmonat; ibre Zitungszeit kann fich nicht über einen 
Monat binans erftreden, 


Art. 31. Die Kriegserklärungen, Friedensichlüffe und Bündniſſe geben von der Tag— 
ſatzung aus; jedoch ift die Zuftimmung von drey Viertbeilen der Kantone dazu erforderlich. 


Art. 32. Die Taglatung allein ſchließt Haudelstraftate und Verkommniſſe über den 
auswärtigen Dienft ab. Sie bevollmächtigt Die Cantone, wenn es der Fall ift, mit einer 
fremden Macht über andere Gegenflände befonders zu unterbandeln. 


Art. 33. Ohne ibre Einwilligung können im keinem Canton Anwerbungen für eine 
auswärtige Macht ftatt haben, 


Art. 34. Die Tagſatzung befieblt die Stellung des im zweyten Artifel für jeden 
Canton fejtgefezten Iruppentontingents, fie ernennt den General, der fie anflibren fol, 
und trifft überdies alle nöthigen Verfügungen für die Sicherheit der Schweiz, und für 
die Vollziehung der übrigen Borfchriften Des erften Artitels. Das nemliche Recht ftebt 
ihr zu, wenn der Ausbruch von Unruhen in einem Canton die Ruhe der Übrigen Cantone 
bedrodt. 


Art. 35. Ste bat die auflerordentlihen Gefandten zu ernennen und abzuienden. 


Art. 36. Sie enticheidet über Streitigkeiten, die zwiſchen den Cantonen entfteben, 
wenn diefelben auf dem Wege der Vermittlung nicht baben können beygelegt werden. Zu 
dem Ende bildet fie fih, nachdem ihre ordentlichen Geſchäfte abgetban find, im einen 
Syndilat, wobey jeder Depntirte dennzumal nur eine Stimme bat, und für feine daherigen 
Berrichtungen feine Fnftruftionen erhalten kann. 


Art. 38. Ein Kanzler und ein Ztaatsjchreiber, welche die Tagſatzung für zwey 
Jahre zu ernennen bat, und die auf dem von ihr feſtgeſetzten Fuße von dem Direftorial- 
Kanten befoldet werden, folgen jedesmal dem Staatsſiegel und den Protofollen. 


Art. 39. Die Berfafiungsurfunde jedes Kantons, auf Pergament geichrieben, und 
mit dem Cantons-Siegel verjehen, wird in den Archiven der Tagſatzung niedergelegt. 


Art. 40. Durch die gegenwärtige Bırndesafte, fo wie durch die befondern Verfaſſungen 
der neunzehn Cantone, werden alle frübern Berfügungen, die denfelben zuwider laufen 
könnten, aufgehoben, und in allem, was die innere Einrichtung der Gantene, und ibre 
gegenfeitigen Verhältniſſe betrifft, können feine Rechte auf den ebemaligen politijchen Zu— 
jtand der Schweiz begründet werden. 


210. Zwei Proklamationen der zürcheriſthen Regierung aus der 
Zeit Napoleons. 


Flugblätter, Stadibibl. Wintertur, 


479 


I. 


WIN, Burgermeifter und Räthe des Eydsgenöſſiſchen 
Standes Zürich entbieten Unſern G. Y. Cantons-Angehörigen Unſern ge— 
neigten Willen, und geben ihnen anmit folgendes zu vernehmen: 

Bereits unterm 27ſten Septembris 1803 hat die erſte, in Freyburg ver- 
genokichaft, eine Militar-Capitulation mit Frankreich abgeichlofien. — — 

Die würflihe Vollziehung diejer Kapitulation joll nunmehr mit Thätig- 
feit betrieben, und ſomit zu Aufftellung der vier zu errichtenden Regimenter 
nah den Grundjäten der Gapitulation möglichjt beygetragen werden. — — 

Bereits ijt eine beträchtliche Anzahl von Bürgern des hiefigen Cantons 
zu Stabsofficiers- Hauptmanns- und andern Officters-Stellen ernennt worden, 
und mehrere Hundert Mann aus Unſerm Canton haben, unter vortheilhaften 
Bedingnilfen, Dienfte bey den neun zu errichtenden Schweizer-Regimentern 
genohmen. 

Um inzwijchen den auf Beförderung des Kaiſerlich-Franzöſiſchen Dienſts 
abzielenden Einleitungen in biejigem Canton auch weiterhin den bejten und 
chnelfeften Fortgang zuzufichern, — fordern Wir andurch Jedermann, ins- 
bejondere aber alle und jede Beamtete in Uinjerm Canton, und zum voraus 
die ſämmtlichen Gemeindsbehörden, nachdrücklichſt auf, alle ſchicklichen Mittel 
anzumenden, welche zu Erreichung diejes Endzweds führen, und zu Be- 
günftigung der Werbung für den Dienft Er. Majeftät des Franzöſiſchen 
Kaijers dienen fünnen. Wir werden Uns bierüber von Unferer verordneten 
Werbungs-Commifjion von Zeit zu Zeit genaue Berichte, und nach den ver: 
ſchiedenen Bezirken geordnete tabellariiche Ueberfichten, was in jeder einzelnen 
Gemeinde an Mannjchaft geleiftet worden, und welche Gemeinden diekfalls 
noch mehr oder minder zurück find, — vorlegen laffen, und jolhe Gemeinden, 
Behörden, Beamtete oder Partifularen, die ſich im dieſer Rückſicht durch 
Ihätigfeit und Eifer hervorthun würden, mit landesväterlicher Zufriedenheit 
und Wohlgefallen anjehen. 

Hingegen wird Jedermann auf das Ernitlichjte verwarnt, durch Worte 
oder Handlungen den Fortgang der Werbung zu behindern, den Werb- 
commando's und ihren VBerrichtungen auf irgend eine Weife entgegen zu ar: 
beiten, oder jolche Yeute, die nach ihrer Yage und Verhältniſſen im den Dienft 
Zr. Kaiſerlichen Majejtät von Frankreich zu treten im Falle find, davon ab: 


480 


zubalten, zumahlen ein foldhes Betragen dem oder denen, die fich deffelben 
ihuldig machen wirden, die ftrengfte Verantwortung und Strafe zuziehen 
würde: Allein — wir wollen die pünktlichſte Nachachtung Unferer andurd 
geäufferten Willensmeynung viel cher von den vaterländifchen Gefinnungen 
und dem eigenen Pflichtgefühl Unſerer ©. L. Cantons-Angehörigen erwarten. 

Geben in Unjerer Rathsverfammlung Dienftags den ten Merz 1807. 


11. 


Bon Sr. Ereellenz, dem Herrn Yandammann der Schweiz, jind ums, jo 
wie den übrigen vV. Ständen der Eydsgenofichaft, diejenigen Beichwerden be- 
fannt gemacht worden, welche von der franzöfiichen Regierung über die Nieder: 
lage von Englijden Manufactur- und von Golonialwaaren in 
der Schweiz geführt werden. — Da biermit zugleich die jehr dringende und 
nachdrükliche Aufforderung verbunden war, die erjteren diefer Waaren mit 
Confijcation, und die legteren mit Sequeſter und mit ähnlichen Ab- 
gaaben wie diejenigen, welche durch den K. K. franzöfiihen Tarif vom 12ten 
Septembris 1810 feftgejetst jind, zu belegen, jo haben wir aus den wich— 
tigften höheren Nüffichten uns bewogen gefunden, die nöthigen Einleitungen 
zum Bezug der Abgaben zu treffen, einftweilen und bis jolches gejchehen aber, 
alle im biefigen Canton befindlichen, allfähligen Vorräthe von Englischen 
Manufactur-Waaren und von biernächit jpeciell benannten Colonial-Waaren 
mit einem umbedingten Sequefter zu belegen, der in allen jeinen Iheilen jo 
lange fortdauern joll, bis durch einen neuen Regierungsbeſchluß, je nach der 
Natur und Beichaffenheit der Waaren, entweder die Confifcation derjelben 
oder die Aufhebung des Sequefters verfügt wird: 

Yange Baumwolle aus Brafilien, Gujana, Surinam und Demerary. 
Yevantiiche Baumwolle, welche über Meer fonımt. Ditto, welche über Yand 
fommt. Alle andere Baummolle. Nober Zuder. Raffinirter Zucer. Hysvin-Tbee. 
Grün-Thee. Alles andere Thee. Kaffe. Indigo. Kakao. Cochenille. Weißer 
Pfeffer. Schwarzer Pfeffer. Gewöhnlicher Zimmet. ‘Feiner Zimmet. Gewürz: 
Nelken, Mußkatnüße. Mahagonyholz. Fernambukholz. Kampeichenholz. Gemahl— 
nes Färbeholz. Amerikaniſche Potaſche. Amerikaniſche ungegerbte Felle. Fiſchthran. 
Stockfiſch. Gedörrte Fiſche. Elfenbein. Schildkrottſchaale. Perlmutter. Amerika— 
niſches Reis. Catjon. Vanille. Rothe China. Gelbe China. Graue China. Rha— 
barber. Ipecacuana. Sumac. Ingwer. Piment. Cassialignea. Casse ou cune 
pur. Rocou; Orseille. Indianiſcher Safran. Gumi von Sennegal. Ditto 
arabiicher. Ditto türfifcher. Ditto Gayac. Ditto Copal. Ditto Lak in Blättern. 
Ditto resine elastique. Ditto Amoniaf. Ditto Sagapenum. Gumi Elemi. 
Gumi Gutt. Gumi Oppoponax. Gayac-Holz. Holz-Cayenne Satine. 
Winde Quercitron. Holz-Palusandre. Rothholz. Roth Sandelholz. Aloe- 


481 


Holz. Griesholz. Holz Rodes. Eitronenfarb Sandelholz. Brafilienholz und 
Spän. Holz-Calliatons. Tamaristenholz. 

Denmad fordern wir alle unfere Angehörigen bey ihren bürgerlichen 
Prlihten auf, diejenigen allfähligen Vorräthe, welche jie von Englischen 
Manufactur- und oben jpeciell benannten Colonial-Waaren, jey es für eigene 
oder fremde Rechnung, bey Handen haben, genau und gewißenhaft, mit be: 
ftimmter Bemerkung, auf weßen Rechnung jelbige jeyen, — ſchriftlich anzu: 
zeigen, umd jich nicht, durch irgend eine Verheimlichung, Veräußerung oder 
Veränderung derjelben, der verdienten Verantwortung und Strafe auszufegen, 
indem die mit diefem Gejchäft eigens beauftragte Commißion von uns völlig 
begwältigt ijt, nöthigenfalls alle, zur Entdefung der Wahrheit führenden 
Mittel zu ergreifen. 

Die dießfälligen Erklärungen follen dem BVBollziehungsbeamten jeder Ge- 
meinde jchriftlich eingegeben werden, und zwar in der hiejigen Stadt unfehlbar 
im Yaufe des morndrigen Tags, in Winterthur bis Mittwoch Mittags um 
12 Uhr, und auf der Yandjchaft bis Mittwoch Abends. Diejelben ſollen ber- 
nad) von den Gemeindammännern umverweilt den Obervollziehungsbeamten, 
und von diejen ebenfalls ohne Verzug und zwar jpäteftens und bey Verant- 
wortung insgejammt bis Freytags den 19ten Oftober Vormittags um 7 Uhr 
an unſere Staats-Canzley eingejendet werden, 

Geben in unjerer Rathsverfammlung Montags den 15ten Octobris 1810. 


211. Napoleons Dekret betreffend die Ginverleibung des Wallis. 
15. Hovember 1810. 
Aus Hilty, Öffentliche Vorlefungen über die Helvetil. ©. 72. 


apoleon, in Betracht, dass die Simplonstrasse, welche das 
| Kaiserreich mit unserm Königreich Italien verbindet, mehr 
| als 60 Millionen Menschen nützlich ist und dass sie unserer 
di Schatzkammer von Frankreich und Italien mehr als 18 Mil- 
lionen Franes gekostet, und das alles unnütz verwendet wäre, wenn der 
Handel hinüber nicht sicher und bequem könnte getrieben werden; in 
Betracht, dass die Walliser von allem dem, was sie bei Eröffnung dieses 
grossen Werkes eingegangen sind, nichts erfüllt, zugleich um der Anarchie, 
die in diesem Lande herrscht, ein Ende zu machen und die Anmassung 
auf Vorrechte abzuschneiden, welche ein Teil über den andern behauptet, 
hat beschlossen : 

1) Wallis ist mit dem Kaiserreich vereinigt; 

2) der Bezirk heisst von jetzt an Departement du Simplon; 

3) ein Commissär wird es sofort in Besitz nelımen und unterdessen 
verwalten. 





Oechsli, Quellenbuch. 31 


212. Aufhebung der Dermittlungsakte in Bern. 
22. Dezember 1813. 


Flugblatt, Stadtbibl. Winterthur, 


Wir Schulthbeig, Klein und Grojje Räthe des Canton 
Bern, thun fund biemit: 

Daß Wir in Betrahtung die allierten Mächte die Neu- 
tralität der Shweiz nicht zugegeben jondern mitibren Trup- 
pen in grojjer Uebermadt das Gebiet des Kantons. würflid) 
betreten haben; in Betrahtung Allerboddiejelben jih ganz 
bejtimmt gegen Seine Ercellenz den Herrn Yandammann der 
Schweiz erklärt haben, daß die Bermittlungs-Afte und Die 
Folgen derjelben mit ihrem grojjen Zwed, der Befreyung 
der Völker und der Freyheit der Schweizeriihen Nation un— 
verträglid jeye; in Betradhtung dadurd der vormalige Can: 
ton Bern und dejjelben rehtmäßige einzig durch fremde Ge- 
walt gejtürgte Regierung in alle ihre wohlbergebradten 
Rechte zutrittet 


beihlojjen und verordnet: 

1) Die Bermittlungs-Afte vom Jahr 1803, ſoll ſoviel den Canton Bern 
betrift, aufgehoben ſeyn. 

2) Wir, der in Folge derjelben erwählte Große Rath als die gegen- 
wärtige oberjte Yandes-Behörde des Gantons Bern legen hiermit Unſere Ge— 
walt fürmlih ab und übergeben diejelbe wieder an Schultheiß Räth und 
Burger der Stadt und Hepublid Bern als den rechtmäjjigen Yandesherrn, 
weicher vor dem Zeitpunkt Unjerer Umwälzung Jahrhunderte lang den Frey— 
jtaat Bern mit Glück und mit Ruhm regiert bat. 

Es werden mithin jämmtliche Beamtete und Angehörige zu Stadt ımd 
Yand von Ihren Eyden gegen Uns anmit entbunden, und aufgefordert, Die 
gegen Uns nun aufgelösten Berhältniffe mit der wieder eintretenden alt her: 
gebrachten Negierung Schultheiß Räthe und Burger der Stadt und Nepublid 
Bern jogleich wieder anzufnüpfen und das Uns ertheilte Zutrauen mın Ihnen, 
als ihren künftigen Yandespätern zu jchenfen. — - 

Geben im Unſerer Großen Rathsverſammlung in Bern, den 22ten 
December 1813. 


453 


213. Proklamation der wiederhergefellten patrizifchen Regierung 
der „Stadt und Republik“ Bern. 24. Chriftmonat 1813. 


Flugblatt, Stabebibl. Wintertur. 


Schon jind 11 Jahre verfloffen jeitdem Unſer Vaterland, durch die damals 
freye Meufferung unjers Willens und unjrer Kraft wieder hergeftellt, und unfer 
ehrwürdige Staaten-Berein, auf der Tagſatzung zu Schwyz aufs nene wieder 
jollte bejhworen werden: als uns der franzöfiihe Kaifer durch die Vermitt- 
lungs-Afte eine willführliche Eintheilung der Schweiz, und mit derjelben die 
ihme beliebige Verfaſſung aufgedrungen. 

Was wir uns durch Llebermacht gezwungen jeit derjelben Zeit haben 
müſſen gefallen laffen, wie man uns die wichtigften Theile unſerer Grenzen 
entriffen, wie wir uns fremden, unferm Wohl entgegengejegten Polizey-Gejezen 
unterwerfen, fremder Groberungsjucht dienen, und mit übermäfjigen Beläfti- 
gungen zu den entfernteften Kriegen die Söhne unjeres Vaterlandes aufopferen 
müſſen, das ift euch Yiebe und Getreue nur zu bekannt. 

Den Befreyern von Europa, den H. H. allierten Mächten verdankt aljo 
auch unjer Yand die Fühigfeit wieder an Heilung feiner Wunden in ungetrübter 
Ruhe zu arbeiten — Die Vermittlungs-Afte it aufgehoben, und am deren 
jtatt joll das Werf vollendet werden, das wir im “fahre 1802, mit edler 
Ruhe, ernftem feftem Sinn, und ohne Einwirkung einiger Yeidenjchaften be- 
gonnen hatten. 

Der Tit. Cantons-Rath hat die ihme übertragene Regierung niedergelegt. .. 
Wir haben nun, einer in Unſerer Großen Raths-Berfammlung heute den 
24. dies niedergejezten Hohen Standes-Commißion die Yeitung der Gejchäften 
bis zur nächjt bevorjtehenden Ergänzung des Souverainen Rathes übertragen ; 
und befehlen, allen Adminiſtrativ- und Civil-Unterbehörden und Beamteten, 
jowohl im dermaligen Canton Bern, als in den abgeriſſenen Theilen 
deſſelben, Waadt und Argäum, mit der gröften Wachlamfeit und 
Thätigfeit für Ruhe und Ordnung zu forgen, in aufferordentlichen Fällen 
aber jih an Hochdiejelbe zu wenden. 

Bon Empfang diejer Publikation an ſollen die beyden Regierungen in 
Argäum und Waadt fowohl als alle ihre Unterbeamten die mit Einnahme 
öffentlicher Gelder beauftragt find, ihren Cafjen-Beftand mit authentijchen Be- 
legen unterftüzt feftiezen, und jelbigen jo wie alle noch eingehenden Gelder, 
unter perjönlicher Verantwortlichkeit den betreffenden, zu Unſeren Berfügungen 
bereit halten, desgleichen befehlen Wir aud dar alle Mititair-Vorräthe an 
Waffen, Pulver ꝛc. ꝛc. von nun an verjieglet, unverändert gelaſſen und für 
getrene Berwahrung derjelben gejorget werden. 

Da mın die Armeen der H. H. allierten Mächten bey ihrem Durchmarſch 
durch die Schweiz auch unjern Canton betreten, jo befehlen Wir hiemit allen 


484 


Unſern Unterthanen, ſelbige freundſchaftlich aufzunehmen, und das von 
den Tit. Offizieren und Quartiermeiſtern geforderte willig gefolgen zu laſſen. 

Die alte ehrwürdige, durch Jahrhunderte von wachſendem Wohlſtand 
bewährte Verfaſſung des Cantons Bern ſoll immerhin die Grundlage des 
künftigen Staatsgebändes bleiben, allein bey Ergänzung des Groſſen Rathes 
werden Wir von höbern und allgemeinen Grumdjägen ausgehen, die dem Staat 
eine ausgedebntere Grundlage und jomit für die Zukunft eine mebrere Feſtigkeit 
gewähren jolfen. Männer von Bildung und Fäbigkeiten aller Stände jollen 
aus allen Theilen des Gantons nicht nur von der Regierung nicht ansge- 
ichlofien, jondern da aufgeiucht, und zu unmittelbarem Antheil an Regierungs— 
Geſchäften gezogen werden, wo fie ihre Brauchbarfeit, ihre Rechtichaffenheit und 
ihre Geſinnungen thätig werden bewährt haben: und überdieß joll eine be- 
deutende Anzahl Familien jowohl aus dem Argäuw und der Waadt, als aus 
dem gegenwärtigen Berner-Gebiet in das Burger-Mecht von Bern aufgenommen 
werden. 

Wir wollen alle bisher gejeßlidy getroffene Yosfäufe von Zehnden, 
Bodenzinjen u. dgl. in Kraft bejteben laſſen. 

Mach der Weife Unſerer in Gott ruhenden Negiments-VBorfabren werden 
wir bißherige Verirrungen vwäterlich überjehben und zu feiner perjönlichen 
Ahndung zieben. - 


214. Aus der Erklärung des Wienerkongrefes über die 
Angelegenheiten der Schweiz. 20. Mürz 1815. 


Repertorium der Abichtede 1SI4—1848. IL S. 786, 


Die Mächte, welche berufen find, zu Erfüllung des Gten Artikels des 
Parijervertrags vom 30, Mai 1814 durch ihre Dazwiſchenkunft die Berbält: 
niffe der Schweiz feitjezen zu belfen, überzeugt, daß das allgemeine Staaten: 
interefje zu Gunften der jehweizerijchen Eidgenofjenichaft die Anerkennung einer 
immerwährenden Neutralität erheifcht, und gejinnt, durch Rükerſtattungen und 
VÜberlaffungen von Yandesgebiet ihr die, für die Zicherftellung ihrer Un— 
abhängigfeit und für die Handhabung ihrer Neutralität erforderlichen Meittel 
darzureichen, — 

Nachdem Sie über Die Intereſſen der verſchiedenen Nantene alle erforder: 
lichen Erkundigungen geſammelt und die ihnen durch die jchweizeriiche Ge— 
Jandtichaft vorgetragenen Begehren in Betracht gezogen babe, 

Erflären: 

Daß, jobald die jchweizeriiche Tagſazung zu den in dem gegenwärtigen 

Bergleich feitgefegten Bedingungen ihre Zuftimmmmg in guter und geböriger 


455 


Form wird ertheift haben, eine Urkunde ausgefertigt werden joll, welche von 
Seite aller Mächte die Anerkennung und Gewährleiftung dev immerwähren: 
den Neutralität der Schweiz innerhalb ihrer neuen Grenzen enthalten, 
und einen Bejtandtheil derjenigen Urkunde -bilden wird, die in Vollziehung des 
32ſten Artifel8 des obbenannten Parifer Friedensſchluſſes vont 30. Mai die 
Anordnungen dieſes Vertrages vervollftändigen joll. 


Bergleid). 


Art. 1. Der unverlezte Beſtand der neunzehn Kantone, wie jid) Die 
jelben im Zeitpunft der Übereinkunft vom 29. Chriftmonat 1813 als Staats 
förper befanden, wird als die Grundlage des jchweizertichen Bundesſyſtems 
anerfannt. 


Art. 2. Das Wallis, das Gebiet von Genf, das Fürftenthum Neuen: 
burg jind der Schweiz einverleibt und werden drei neue Kantone bilden ; 
das vormals zum Kanten Waadt gehörige Dappenthal wird demſelben 
zurüfgegeben. 


Art. 3. Auf den von der Eidgenoffenichaft geäuferten Wunſch für die 
Einverleibung des Bisthums Bajel umd in der Abjicht, das Schikſal diejes 
Yandes endlich feitzujezen, erklären die Mächte, es joll das genannte Bisthum 
und die Stadt Biel mit ihrem Gebietsumfang künftighin ein Beitandtheil des 
Kantons Bern jein. Hievon ausgenommen jind nur folgende Bezirfe |folgt 
die Aufzählung der Gebiete, die den Kantonen Bajel und Neuenburg 
zugeteilt wurden]. 


Art.d.... Die dazwiichen kommenden Mächte werden . . . ihre gute 
Verwendung eintreten lafjen, um für die Stadt Genf, gegen Zavoyen bin, 
eine angemeſſene Gebietserweiterung zu erhalten, 


Art. 6. Zu Feſtſezung gegenfeitiger Entjchäduiffe werden die Kantone 
Aargau, Waadt, Teſſin und St. Gallen den alten Kantonen Schwyz, Unter- 
walden, Uri, Glarus, Zug und Appenzell (Inner-Rhoden) eine Summe be: 
zahlen, die zum Behuf öffentlicher Unterrichtsanftalten und zu Bejtreitung der 
Yandesverwaltung (jedoch vorzüglich für den erjten Gegenftand) in den ge- 
nannten Nantonen verwendet werden joll. — — 

1. Die Kantone Aargau, Waadt und St. Gallen bezahlen den Kantonen 
Schwyz, Unterwalden, Uri, Zug, Glarus und Appenzell (Inner Rhoden) ein 
Capital von fünfmalhunderttauſend Schweizerfranfen. —- — 

4. Der Kanton Tejjin wird dem Kanton Uri alljährlich die Hälfte des 
Ertrags der Zölle im Yivinerthal bezahlen, — — — 





486 


Nahträglihe Berfügungen zum 5. Artikel der Erklärnug des Wiener- 
fongrefies, den Kanton Genf betreffend, vom 29. März 1815. 


An Ihre Ercellenzen die Herren Bevollmädtigten von Eng: 
land, Ofterreih, Preufen und Rußland, beim 
Congreß in Wien. 


Der unterzeichnete Staatsminiſter und Bevollmächtigte Sr. Majeſtät des 
Königs von Sardinien hat ſeinem erhabenen Gebieter das Verlangen der 
hohen verbündeten Mächte zur Kenntniß gebracht, daß gegen Savoyen hin 
dem Kanton Genf einige Gebietsabtretungen geſchehen möchten, und er hat Ihm 
auch den deßhalb entworfenen Plan vorgelegt. Se. Majeſtät, jederzeit will 
fährig, Ihren hoben und mächtigen Verbündeten Beweife zu geben von Ihrer 
Danfbarfeit und von Ihrem Verlangen, zu thun, was Ihnen angenehm jein 
kaun, haben die jehr natürliche Abneigung, Sich von guten, alten und treuen 
Unterthanen zu trennen, überwunden und den Unterzeichneten bevollmädtigt, 
für eine Gebietsabtretung zu Gunften des Kantons Genf einzumilligen, wie 
jolche in dem beiliegenden Protofolle vorgefchlagen ift, und unter den nach: 
folgenden Bedingungen: 


1. Daß die Provinzen Chablais und Faucigny und alles von 
Ugine nördlich gelegene, Sr. Majeftät zugehörige Yand in der durd alle 
Mächte gewährleifteten ſchweizeriſchen Neutralität einbegriffen fein 
jolfen; das heißt, daß, jo oft die der Schweiz benachbarten Mächte ſich im 
Zuftande wirklich ausgebrocdhener oder unmittelbar bevorftehender Feindſelig— 
feiten befinden werden, die Truppen Er. Majeftät des Königs von Sardinien, 
welche allfällig in jenen Provinzen ftehen möchten, ſich zurüfziehen und dafür, 
wenn es nothwendig ift, ihren Weg durch das Wallis nehmen fünnen; daß 
feine andere bewaffnete Truppen irgend einer Macht jich dort aufhalten oder 
durchziehen können, mit Ausnahme derjenigen, welche die jchweizeriiche Eid. 
genoſſenſchaft daſelbſt aufzuftellen für gut finden würde. — — — 

Bon St. Marjan. 

Genehmigt in der Sizung vom 29. März durch die Herren Bevollmäch 
tigten der Mächte, die den Vertrag von Paris unterzeichnet haben, deren 
Unterichriften folgen: 

[Folgen die Unterichriften der Bevollmächtigten Oftreihs, Spaniens, 
Franfreihs, Großbritanniens, Portugals, Preußens, Ruß— 
lands und Schwedensſ. 


457 


215. Aus dem Barifer Frieden. 20. November 1815. 
Repert. der Abſchiede Il. S. 815. 


Art. 1.3. Um eine unmittelbare Verbindung zwijchen dem Kanton 
Genf und der Schweiz berzuftellen, joll derjenige Teil der Yandichaft Ger, 
welcher öftlidh von dem Leman, jüdlid vom Gebiet des Kantons Genf, nörd- 
lich durch den Kanton Waadt und wejtlid) durch den Yauf der Berfoy und 
einer Yinie, welche die Gemeinden Collex-Boſſy und Meyrin in fich begreift, 
die Gemeinde Ferney aber bei Frankreich läht, begrenzt wird, au den ſchweize— 
riſchen Bundesſtaat abgetreten werden, um jelchen dem Kanton Genf einzu- 
verleiben. — — — 

Art. 3. Da die Feftungswerfe von Hüningen die Stadt Baſel 
beftändig im Unruhe verjezt haben, jo jind die hohen contrabirenden Meächte, 
um der Schweiz einen neuen Beweis Ihres Wohlwollens und Ihrer Bor 
jorge zu geben, unter ſich übereingefommen, die Feſtungswerke von Hüningen 
niederreigen zu laſſen, und die franzöfiiche Megierung macht ſich aus dem 
nämlichen Beweggrumd anheiichig, fie niemals wieder herzuftellen, und wenig: 
jtens auf eine Entfernung von drei Meilen von der Stadt Bajel feine andern 
eftungswerte an ihrer Statt zu errichten. 

Die Neutralität der Schweiz joll anf das Gebiet ausgedehnt werden, 
welches nördlich einer Yinie liegt, die von Ugine ausläuft (diefe Stadt mit 
einbegriffen) jüdtwärts am See von Annecy vorbei, über Faverge bis Yecheraine 
und von da bis zum See von Bourget nnd zur Rhone bingeht, jo wie es 
durd) den Art. 92 der Schlufacte des Wienercongrefies mit den Provinzen 
von Chablais ımd Faucigny geichehen ift. 


216. Bundesvertrag zwiſchen den XXII. Bantonen der Schweiz. 
Zürich, 7. Auguft 1815. 


Repert. der Abichiede II. S. 695 fi. 


sm Namen Gottes des Allmäcdhtigen! 


1. Die XXI fonmveränen Kantone der Schweiz, als: Züri, Bern, Yucern, Uri, 
Schwyz, Unterwalden, Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Baſel, Schaii- 
banien, Appenzell beider Rhoden, St.Gallen, Graubünden, Aargau, 
Thurgau, Tefſſin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf, vereinigen fich durch 
den gegenwärtigen Bund zur Behauptung ihrer Freibeit, Unabhängigkeit und Zicherbeit 
gegen alle Angriffe fremder Mächte, und zur Handbabung der Ruhe und Ordnung tm 
Innern. Sie gewäbhrleiften ſich gegenfeitig ihre Verfaſſungen, jo wie diefelben von den 
oberſten Bebörben jedes Kantons, in Uebereinſtimmung mit den Grundſäzen des Buudes— 
vertrags, werden angenommen worden fein, Zie gemährleiften fi) gegenieitig ihr Gebier, 


488 


2. Zu Handhabung dieſer Gewährleiſtung und zu Behauptung der Neutralität der 
Schweiz wird aus der waffenfähigen Mannfchaft eines jeden Rantons, nah dem Ber- 
hältuig von 2 Mann auf 100 Seelen Bevölkerung, ein Contingent gebildet. Die Truppen 
werden von den Kantonen geliefert, wie folgt: 

Zürih 3858 Mann, Bern 4584 Mann ...., Un 236 Mann .... Total 32,886 
Dann. Diefe vorläufig angenommene Scala joll ven der nächſt bevorftehenden ordent- 
lihen Tagſazung durchgefehen und nach obigem Grundſaz berichtigt werden. 

3. Die Geldbeiträge zu Beftreitung der Kriegsfoften und anderer Ausgaben des 
Bundes werden von den Kantonen nach folgendem Verhältniß entrichtet: 

Zürich 77,155 Franfen, Bern 91,69 Fr...., Uri 1184 Fr.... Total 540,108 
Franken. — — — 

Zu Beftreitung der Kriegskoſten foll überdieß eine gemeineidgenöffiihe Kriegscafie 
errichtet werden, deren Gehalt bis auf den Betrag eines doppelten Geldcontingents an- 
wachſen foll. 

Diefe Kriegscaffe foll ausihlieglih nur zu Militärkoſten bei eidgenöffiihen Auszügen 
angewendet, und in fich ergebenden Fällen die eine Hälfte der Ausgaben durch Einziehung 
eines Geldcontingents nad der Scala beftritten, und die andere Hälfte aus der Kriegs: 
caffe bezahlt werden. 

Zu Bildung diefer Kriegscaſſe foll eine Eingangsgebühr auf Waaren gelegt werden, 
die nicht zu den nothwendigſten Bedirfniffen gehören. 

Diefe Gebühren werden die Gränzfantone beziehen, und der Taglazung alljährlich 
darüber Rechnung ablegen. — — 

4. Im Fall äußerer oder innerer Gefahr hat jeder Kanton das Recht, die Mitftände 
zu getrenem Aufſehen aufzufordern. Wenn in einem Nanton Unrnhen ausbrechen, fo 
mag die Regierung andere Kantone zur Hülfe mahnen, doch foll fogleih das Vorort davon 
benachrichtigt werden; bei fortdauernder Gefahr wird die Tagfazung, auf Anfuchen der 
Regierung, die meitern Maßregeln treffen. 

Im Fall einer plözlihen Gefahr von Außen mag zwar der bedrohte Kanton andere 
Kantone zur Hülfe mahnen, doch ſoll jogleih das Vorort davon in Kenntniß gefezt werden; 
diefem liegt ob, die Taglazung zu verfammeln, welcher alle Verfügungen zur Sicherheit 
der Eidgenoffenfchaft zuſtehen. 

Der oder die gemabnten Kantone haben die Pflicht, dem mahnenden Hilfe zu leisten, 

Im Fall äußerer Gefahr werden die Koften von der Eidgenoflenichaft getragen; 
bei innert Unruhen liegen diefelben auf dem mahnenden Kanton, e8 wäre denn Sache, 
daß die Tagfazung wegen befondern Umftänden eine andere Beftimmung trefien wiirde. 

5. Alle Ansprüche und Ztreitigkeiten zwischen den Nantonen über Gegenftände, vie 
nicht duch den Bundesvertrag gewäbrleiftet find, werden an das erdgenöffiihe Recht 
gewiefen. Der Gang und die Form diefer Rechtshandlung find folgendermaßen feftgejest: 
[Folgen ausführliche Beftimmungen über die Beftellung eidgenöſſiſcher Schiedsgerichtel. 

6. Es fjollen unter den einzelnen Kantonen feine, dem allgemeinen Bund oder den 
Rechten anderer Kantone nachtheilige Verbindungen geichloffen werden, 

7. Die Eidgenoſſenſchaft huldigt dem Grundſaz, daß fo wie es, nach Anertenmung 
der XXII Kantone, feine Untertbanentande mehr in der Schweiz gibt, jo könne auch der 
Genuß der politischen Rechte nie das ausſchließliche Privilegium eimer Claffe der Kantons 
bürger fein. 

8. Die Tagſazung beforgt, nach den Vorfchriften des Bundesvertrags, die ihr von 
den fonveränen Ständen übertragenen Angelegenheiten des Bundes. Sie befteht aus den 
Geſandten der XXII Kantone, weiche nad ihren Inſtructionen ftimmen. Jeder Kanton 


489 


hat eine Stimme, welche von einem Geſandten eröffnet wird. Sie verfammeln fih in 
Hauptitadt des jeweiligen Vororts, ordentlicher Weife alle Jahre am erften Montag im 
Heumonat, außerordentlicher Weife, wenn das Vorort diefelbe ausichreibt, oder auf das 
Begehren von fünf Kantonen. 

Der im Amt ftebende Bürgermeifter oder Schultheiß des Vororts führt den Borfiz. 

Die Tagſazung erflärt Krieg umd schließt Frieden; fie. allein errichtet Bündniſſe mit 
auswärtigen Staaten; doch find für Diele wichtigen Verhandlungen drei Viertheile der 
Kantonsftimmen erforderlih. In allen iibrigen Verfügungen, die durch den gegemmärtigen 
Bund der Tagfazung übertragen find, enticheidet die abſolute Mehrheit. 

Handelsverträge mit auswärtigen Staaten werden von der Tagſazung geſchloſſen. 

Militär-Capitulationen und Berträge über öconomiſche und Polizeigegenftände mögen 
von einzelnen Kantonen mit ausmärtigen Staaten geichloifen werden, Sie follen aber 
weder dem Bundesverein, noch bejtehenden Bündniſſen, noch verfaffungsmäßigen Rechten 
anderer Kantone zumider fein, und zu diefem Ende zur Kenntniß der Tagſazung ge 
bracht werben. 

Eidgenöffiihe Geſandten, wenn deren Abordnung nothwendig erachtet wird, werden 
von der Tagfazuıg ernannt und abberufen. 

Die Tagfazung trifft alle erforderlichen Maßregeln fir Die Äußere und innere Sicher: 
heit der Eidgenofienichaft. Sie beftimmt die Organifation der Contingentstruppen, ber: 
fügt über derfeiben Anfftellung und Gebrauch, ernennt den General, den Generalftab 
und die eidgenöffiihen Oberften. Sie ordnet, ım Einverſtäudniß mit den Kantons- 
regierungen, die Aufſicht über die Bildung und Ausrüſtung des Militärcontingents au. 


9. Bei auferordentlihen Umftänden, und wenn fie nicht fortdanernd verfammelt 
bleiben fanır, hat die Tagſazung die Befugniß, dem Vororte befondere Vollmachten zu 
ertbeilen. Sie kann auch derjenigen Bebörde des Vororts, welche mit der eidgenöfftfchen 
Geſchäftsführung beauftragt tft, zu Beſorgung wichtiger Bundesangelegenheiten, eidsgenöf- 
füche Repräfentanten beiordnen; im beiden ‚Fällen find zwei Drittbeile der Stimmen ex: 
forderih. — — — 

10. Die Yeitung der Bundesangelegenheiten, wenn die Taglazung nicht verfammelt 
ift, wird einem Bororte, mit den bis zum Jahr 1798 ausgeibten Befuguiffen, übertragen. 

Das Vorort werhielt unter den Kantonen Zürich, Bern und Fucern, je zu zmei 
jahren un, welche Kehrordnung mit dem erften Jannar 1815 ihren Anfang genommeıt bat. 

Dem Borort ift eine eidgenöffiiche Kanzlei beigeordnet; diefelbe befteht aus einem 
Kanzler und einem Ztaatsfchreiber, die von der Tagſazung gewählt werden. 

11. Für Lebensmittel, Yandeserzeugniffe und Naufmannswaaren ift der freie Kauf, 
und für diefe Gegenftände, jo wie auch fiir das Bich, die ungehinderte Aus- und Durch— 
fuhr von einem Kanton zum andern gefiert, mit Vorbehalt der erforderlichen Polizei 
verfiiqungen gegen Wucher und jchädlichen Vorkauf. 

Dieſe Polizeiverfügungen follen für die eigenen Rantonsbirger und die Einwohner 
anderer Kantone gleich beſtimmt werden. 

Die dermalen beftehenden, von der Tagſazung genehmigten Zölle, Weg- und Brüken— 
gelder verbleiben in ihrem Beftand. Es fünnen aber ohne Genehmigung der Tagſazuug 
weder neue errichtet, noch die beitehenden erböbt, noch ihr Bezug, wen er auf beftimmte 
Jahre beichränft war, verlängert werden. 

Die Abzugsrechte von Kanton zu Kanton find abgeſchafft. 

12. Der Feortbeftand der Ktlöfter und Gapitel, und die Zicherheit ihres Eigenthums, 
fo weit es von den Kantonsregierumgen abhängt, find gemährleiftet; ihr Vermögen ift, 
glei anderm Privargut, den Stenern und Abgaben unterworfen, 


® 


40 


15. Sowohl gegenmwärtiger Bındesvertrag, ale auch die Kantonalverfaſſungen Sollen 
in das eidgenöffiihe Archiv niedergelegt werben. 


Die XXII Kantone fonftitwiren ſich als ſchweizeriſche Eidgenoiicn- 
Ibaft; fie erflären, daß fie frei und ungezwungen in diefen Bund tre 
ten, dDenfelben im Glük wie im Unglül als Brüder und Eidarnoffen 
getreulih balten, infonders aber, daß fie von nun an alle daraus 
entftebenden Pflichten und Berbindlihfeiten gegenfeitig erfüllten 
wollen; und damit eine für das Wohl des gefammten Batcerlandes jo 
wichtige Handlung, nah der Zitte der Bäter, eine beilige Gewähr 
ſchaft erbalte, so ift dieſe Bundesurfunde nıcht allein durch die bevoll- 
mädtigten Geſandten eines jeden Standes unterzeichnet und mit dem 
neuen Bundesiniiegel vericben, ſondern nob durch einen theuren 
Eid zu Gott dem Allmächtigen feierlich befräftiget worden. 


217. Aus dem Memorial von Ufer. 


Aus Dändlifer, der Uſiertag, Beilage. 


Ehrerbietige Vorftellung der Yandesverjanmmlung des Kantons 
Zürich, abgehalten zu Ufter, Montags den 22. November 1830. 


Hohwohlgeborner, Hochgeachteter Junker Amtsburgermeifter! 
Hochgeachtete, Hochzuverehrende Herren und Übere! 





EI 8 iſt allgemein befannt, daß die in den legten Tagen des abge: 
— wichenen July für ganz Europa höchſt wichtigen, in Frankreich 
RL E Statt gefundenen Vorfälle auch in unſerm gemeinjamen Vater— 
fande, und bejonders auch in unſerm Kanton, die verjchiedenen Begehren und 
Wiünjche, die jeit dem Jahre 1814 durch die Ereignijje in Schlummer ein- 
gewiegt wurden, aufgewect haben, welche gegenwärtig am der Tagesordnung 
find. Allgemein ift in unferm Kanton der Wunſch und das Begehren nad) 
Berfafjungs-Aenderung und Erleichterungen. Mit geipannter Erwar— 
tung jab man der durd die Verſammlung der ein und dreyßig großen Käthe in 
Uſter herbeygeführten außerordentlichen großen Nathsjigung entgegen; einerjeits 
darum, weil Erzeile zu befürchten jtunden, welche Eigenthum und perjönliche 
Zicherbeit hätten gefährden fünnen, anderjeits darum, weil man allgemein 
mit bewegtem Gemüthe auf die Wahrung der Bolfsrechte achtet. Der erjte 
Punkt ift, Gott ſey Danf! durch die, der Stellung des großen Rathes ange: 
meſſene würdige Haltung bejeitigt; hingegen ermangelten in dem zweyten Punkt 
Viele derjenigen energiichen Sprade, welde einzig geeignet iſt, verlorene 
Volks-Rechte wieder ins Yeben zu rufen, weßwegen auch Viele, im Vertrauen 












“72 








491 


auf den großen Math, einigermaßen entmutbigt werden mußten. Gänzliche 
Entmuthigung im Vertrauen auf dieje hohe Behörde ift eingetreten, nachdem 
das Reſultat der Verhandlungen der vom großen Rathe niedergejegten Kom: 
miffion befannt wurde. Was imdejfen die höchfte Yandesbehörde hiezu jagen 
werde, ift zur Stunde noch nicht befannt. Indeſſen ift zu erwarten, Hoch— 
diejelbe werde einen jolchen Antrag nicht genehmigen. Da übrigens, went 
man berücjichtigt, daß die Mehrheit diefer Commifjion aus Yandbürgern be- 
ftanden ift, die Vertheidigung und Sicherung der Volks-Rechte auf einem be- 
denflichen Fuße jteht, jo fanden viele Freunde der Ordnung und Gejeglichkeit 
jih bewogen, bey der jich laut ausfprechenden Gährung des Volfes, bey den 
anlodenden Beijpielen in benachbarten Kantonen und in der Gewißheit, daß 
unter diefen Umſtänden nächftens gewaltſame Ausbrüche folgen würden, eine 
Volksverſammlung in Uſter zu veranftalten und von derjelben, jomohl durd) 
Anhörnng der Einzelnen, als durd ein Gefammtmehr ihre Wünfche zu ver: 
nehmen. Das verfammelte Volt, wenigftens zwölf taufend Männer an der 
Zahl, hat in der Ueberzeugung: 


1. Daß in Freiftaaten das Volk, oder die Gejammtheit der freyen Bürger 
der Souverain ift, folglih nur mit ihrem Willen die Verfaffung 
abgeändert werden darf: 

2. Daß die Dringlichfeit einer Reviſion und verjchiedene Veränderungen 
des Grundgejetes — der Verfaſſung — nicht nur von dem geſammten 
zürcherifchen großen Rathe eingefehen, jondern auch von der Mehrzahl 
der Staatsbürger anerfannt wird: 

3. Daß weder in der Ao. 1814, ohne fürmliche Sanftion des Volfes 
eingeführten Verfaffung, noch im Weſen des Repräjentations-Syftem 
eine unbedingte Bevollmächtigung der gegenwärtigen großen Näthe 
liege, diefe Abänderung ohne die Sanftion des Volfes vorzunehmen: 

+4 Daß die bisherigen Schritte dieſer Volksdeputirten feine genügende 
Garantie geben, daß die neue Verfaſſung dem Geifte der Zeit, dem 
Wejen eines freyen Staates und dem Willen des Volfes gemäß 
abgefaft und demielben zur Sanftion und zur Beſchwörung vorge- 
legt werde: 


5. Daß die Verfaſſung nur dann von Dauer und Haltbarkeit jeyn kann, 

wenn fie den Wünfchen und Forderungen der Mehrzahl entipricht: 
6. Daß die Volksſtimmung über dieſes heiligite Intereſſe eines freyen 
Bürgers noch auf feine geeignete Weiſe ſey erforſcht worden, vielmehr 
der Mangel einer Proflamation und die bisher umterlaffene Eröffnung 
eines Weges, jeine Anfichten einzugeben, zu zeigen jcheint, daß man 
fie nicht kennen molle: 


492 


7. Daß es jich vorerft um die Ausmtittelung eines angemeffenen Reprä- 
jentations-Verhältnifjes und einer freyen Wahlart handeln müfje; 
daß zwar die Bevölkerung den allein richtigen Maaßſtab für jenes 
Verhältniß darbiete, indefjen zur Zeit auch noch auf Bildung und 
Vermögen Rückſicht zu nehmen jey, ferner die Rechte eines freyen 
Bürgers erheiihen, dat die Wahlen zum größten Theil von ihm 
ausgehen: 

8. In der Ueberzeugung endlich, dag der Antrag der großen Raths— 
Kommiſſion diefe Erfordernife nicht erfüllt, vielmehr der Volfswille 
jich immer lauter dagegen ausipreche und die Ruhe des Staates eine 
Zeit: und Zwedgemäßere Abänderung dringend erheiſcht; — für gut 
befunden und beichloffen: Eine Dentichrift an den großen Rath zu 
erlaffen und die allgemein ausgeiprochenen Begehren und Wünſche 
an jeinen Vorftand in aller Ehrerbietigteit zu bringen. 

Das allgemein berrichende Begehren, das dem Bolfe, jeinem echt und 

jeinem Intereſſe am nächſten Liegt, ift mut: 

1. Eine verhältnigmäßige Nepräjentation im großen Rathe; 

2. Ein bejjeres Wahliyiten. 

In Bezug auf den erjten Punkt iſt das bejtimmte Begehren heute ein- 
müthig bejchloffen worden, dap von nun an der große Rath aus zwey Dritt: 
theilen von Yandbürgern umd zu einen Drittbeile aus Stadtbürgern Zürichs 
bejeßt werde. — — - 

In Bezug auf den zweiten Punkt, das Wahlſyſtem betreffend, begehrt 
die Verfanunlung einmüthig, dag durch die Verfaſſung fejtgejetst werde: 

1. Daß fünf Sehstheile der von den, dem Yande zufallenden zwey 

Drittheilen jederzeit durch die Zünfte direfte gewählt werden. 

2. Soll die Amtsdauer auf 3 ‚Jahre reduzirt werden; die Ausgetretenen 
aber wieder wählbar jeyn. 

3. Die Wählbarteit joll vom Vermögen gänzlich unabhängig jeyn und 
bleiben. 

4. Sollen alle die Förderung und Weinheit der Wahlen hemmenden 
Vorkehrungen und Umtriebe ausgemerzt und überhaupt die Wahl: 
polizey erneuert werden. 

5. Sollen die bisherigen Abrufungswahlen abgeichafft werden. 

6. Den Anſäßen joll geftattet werden, an ihrem Wohnorte das Wahl— 
recht auszuüben. 

Mit der Befriedigung dieſer beyden Hauptforderungen findet das Yand- 
volf ſein nächſtes und heiligſtes Intereſſe für den gegenwärtigen bewegten 
Moment befriedigt. Da es aber einmal genöthigt war, im einer Yandesver: 
lammlung aufzutreten, jo bat es auch für Pilicht erachtet, die allzugrellen 
Mängel der Berfafjung und Gefege aufzudecken und von jeinen Stellvertretern 


u 


495 


befriedigende Abhülfe zu verlangen. Diejenigen Punfte, über welche die 
Verſammlung einmüthig beichlojjen bat, Abhülfe zu begehren, beitehen in 
folgendem : 


1. 


Daß in Bälde eine gänzliche Nevifion der Verfaffung und der Kan— 
tonalgejege in allen Zweigen überhaupt in Zuzug von Rechtskundigen 
und Yandesfundigen angehoben werde. 

Daß ein Verfahren gejetlich werde, wie in Folgezeit die Verfaſſung 
nach dem Gejittungsitand umd den gemeinen Bedürfniffen zu ändern jey. 
Daß die jett gewünfchte Verfaſſung und alle fünftigen organijchen 
Berfaffungsänderungen nur nach erhaltener Sanftion des Volkes in 
den Urverſammlungen in Kraft und Wirffamfeit treten jollen. 


4. Trennung der Gewalten im Staat in allen Stufen. 


Preffreiheit, als ftetes Grundgejek. 

Deffentlichkeit des großen Naths-Protofolls und nad) dem Yofal be- 
dingte Deffentlichfeit der großen Raths-Verhandlungen. 

Das Necht, Beichwerden und Wiünjche des Volfes an den großen 
Rath zu bringen, oder ein geſetzlich gefichertes Petitions-Recht. 
Wahl der Amtsitatthalter durch den Heinen Rath, der Gerichtspräft- 
denten durch das Übergericht. Vorſchlag zu Amtsrichterftellen durch 
Wahl-Korps und periodiiche Ernenerungen aller diejer Stellen je zu 
drey Jahren. 


.Freye Wahl der Gemeindrathspräfidenten und Friedensrichter, der 


Semeindammänner nach einem Dreyer-Vorſchlag der Gemeinden durch 
den Kleinen Rath und periodijche Erneuerung diefer Stellen und Vor- 
Ichläge, je zu drey Jahren. 


Mit diefem beftimmten Begehren der Berfaffungsverbeiferung ver: 
bindet die Yandesverfammlung nachfolgende allgemeine Wünſche: 


— 


2 


3. 


Aufhebung des Zunftzwanges. 

Aufhebung des bisherigen Kaſernendienſtes und rechts- und zweck— 
mäßigere Verlegung der Montierungsſteuer. 

Bedingte frühere Entlaſſung vom Militärdienſt ohne Abbruch der 
Landesbewaffnung. 

Verminderung der Getränk,, der Stempel-, jo wie der meiſten indirekten 
Abgaben. 

Aufhebung des Zuchtſtieren Geſetzes. 


. Verſchmelzung der Yandjägeritener mit den allgemeinen StaatSausgaben 


und Verminderung dieſes Korps. 

Aufhebung der Porten: und Kaufbauszölle gegen volle Entſchädigung. 
Berücdfichtigung der an verjchiedenen Orten allzu läftigen Zehnten— 
bezüge. 


.Geſetzliche Herabſetzung des Zinsfußes von 5 auf 4%. 


Aufbeburg des cr Auıms. 
.. 2erinderung der jesiger Arreiimm Ürtmung. 
2. Seregliches Kate ter Srhmemeriden, ihren Zeeljorger aus einem 

TIreverreriäisy nat verzmmegumgpemer Trobepredigt zu wählen. 

13. Zrezielle Deffentlic?eit der Sunazsrehmung zu Handen der Gemeinden. 
14 Gegen vie Erleicteneny der imiireften Steuern gerechte und richtige 

Bermögensbeitenerung. 

In. Als emer der wideruer Niüorde durchgreifende Verbeiferung im 

Schulweſen. 

Sabrend der Berbandlungen edtger beſtirunter Begehren und allgemeiner 
Eomibe And ven einzelnen Seiten nadielgende ſpezielle Bemerkungen 
zu> Bimiche ausgeiprochen und an die Beriummmiung begehrt worden, die: 
rien an uire bebe Regierung einzurcichen: 

1. Keviiion des Yosfanfägeieges der modenen umd naſſen Zehnden und 

Kerperatiensreht, Das Zedndenlestaufs Kapital zu verzinjen. 

2. Geſetzliche Regulirung der Amritengelder. 

Ein durchgreifendes Sees, dezüglich auf Anlegung umd Unterhaltung 

der Ztraken und Fußwege. 

4. Milderumg der seriterdmung, namentiib Zicherung gegen Willfür 
der Forſtbeamten. 

>. Da ven vericiedenen Zeiten Beichwerden gegen das Entjtehen von 
Webmaſchinen gefübrt und bereits Drobungen gegen diejelben aus- 
geiprochen werden jind, je wird der Große Rath erjucht, dieſe Sache 
an Hand zu nebmen, Erperten auszuſenden, Unterſuch zu balten, 
die Klage des Volkes anzuberen amd dur eine Bekanntmachung die 

Anbandnabme dem Publikum anzızeigen und den Betrieb derjelben 

einzuitellen. 

Berrogen dur den rubigen, aber feiten Willen des Volles, jedoch nicht 
ohne bange Erwartungen, baben die zabireihen Wänner, welche in Uſter die 
Klagen des Volkes eimvernabmen, und dasielbe zur Geduld und Ruhe be- 
mwogen baben, ſich zur Abfaffung der vorliegenden Denkſchrift entichloffen, 
welche jie, obne alle andere Abficht, als dem Xaterlande zu nügen, in den 
Schooß einer weiten und gerechten Regierung legen, und dabei die lieber: 
yengung auszuſprechen wagen, daß mur eine durrchgreifende Verbeflerung der 
Verfaflung und danernde Abbülfe der Beichwerden, die ven Woche zu Woche 
größer werdende Gübrung und Unzufriedenbeit zu ftillen vermögen. Bietet 
bingegen die bobe Regierung zur Yölung des Wortes, welches obige Männer 
der Verſammlung zu Uſter gaben: „Es tell Abbülfe verſchafft werden!“ 
die väterlibe Hand, jo kann Hochdieſelbe nenerdings auf dDauerbafte Rube, 
ſowie auf die Irene ibres Volkes züblen und ji auf deilen ummandelbare 
Anbänglichteit und freudige Dingebung von Gut uud Blut in jeder Yage 


ws 


495 


verlaſſen. Aber jo wie ji das Volk früher und am jenem Tage gezeigt hat, 
ift beftinmmt anzunehmen, daß bei der Nichtentſprechung feines Verlangens, 
es mit dem nämlichen Muthe, aber vielleicht nicht mit der nämlichen Ruhe 
jeine Wünſche wiederholen werde. Zur Ueberzeugung, wie allgemein der Wunſch 
von Verfafjungs-Verbefjerung fer, nehmen jene Männer die Freiheit, von 
12,000 anmejenden Bürgern mur einige tauſend Unterfchriften im Namen der 
Uebrigen beizulegen. 

Schließlich bitten wir Hochdieſelben im Namen des Volkes, die Verſicherung 
vollfommener Hochachtung zu genehmigen. 


Alſo unterzeichnet in Zürich, den 24. November 1830, 


Im Namen der in Uſter verjammtelt gewejenen, wenigjtens 
zwöfftaufend Cantonsbürger, die Abgeordneten: 


Im Namen und aus Auftrag der ganzen Bürgerjchaft Winterthurs: 
G. A. Hirzel, Stadtrath. Troll, Rector. Rieter, 
J. R. Heller, Lehrer an der Stadtichule. 
Im Namen der Gemeinde Zolliton, Oberamt Zirid) : 
Ihommann, Major, von Zollikon. 
Für die Oberämter Wädenſchweil und Meilen (beide Seeufer): 
Hieftand, Gemeindammann. J. Steffan, Hauptmann. 
Joh. Brändlin von Stäfa. 
Für das Oberamt Griningen: Zollinger, Arzt in Dürnten. 
Im Namen der Abgeordneten des Oberamtes Andelfingen: 
Dr. Maag in Feuerthalen. 


218. Das Siebner Bonkordat vom 17. März 1832. 


Nepertorium der eidgenöffiichen Abichiede I. S. 406, 


In Ermanglung näherer Beitimmungen des Bundesvertrags über Um— 
fang und Folgen einer Gewährleiftung der Verfaffung und in der durch den 
$ 6 des Bundesvertrags begründeten Berechtigung haben die eidgenöffiichen 
Stände Yucern, Züri, Bern, Solothurn, St.Gallen, Aargau 
und Thurgau folgendes Concordat unter fic) geſchloſſen: 


Art. 1. Indem die vorgenannten, dem gegenwärtigen Goncordat bei- 
tretenden Stände ihre auf dem Grundſatz der Volfsjonveränität beruhenden, 
in dem eidgenöſſiſchen Archiv niedergelegten Verfaſſungen gegenjeitig gewähr— 
leijten, verheigen jie biedurch jowohl die dem Volk jedes Kantons nad) feiner 


406 


Berfaffung zuftehenden Nechte und Freiheiten, als die verfaſſungsgemäß auf- 
gejtellten Behörden jedes Kantons und ihre verfaflungsmäßigen Berugnifie 
aufrecht zu erhalten. Sie gewährleijten ſich ferner, daß Anderumgen dieſer 
Verfaſſungen einzig im der durch jede Verfaſſung ſelbſt feſtgeſezten Weiſe 
vorgenommen werden können. 


Art. 2, Wenn in einem der beitretenden Kantone wegen Verfaſſungs— 
verlezungen Zerwürfniffe entjtehen, welche die allgemeine Ruhe desjelben ge- 
fährden, jo üben, nach fruchtlos verjuchter Vermittlung, die übrigen im Gon- 
cordat begriffenen Kantone insgejammt das Schiedsrichteramt aus. Die Schieds- 
richter haben ſtrenge nach dem Sinne der beftehenden Verfaffung zu urteilen 
und fünnen in derjelben feinerlei Beränderungen vornehmen. 


Art. 3. Zu Bildung des Schiedsgerichtes fendet jeder der beitretenden 
Stände (mit Ausnahme des jelbjt betheiligten Kantons) einen von jeiner 
oberjten Kantonsbehörde gewählten Schiedsrichter, Dieje Schiedsrichter find 
an feine Inſtruction gebunden. 


Art. 4. Der betheiligte Stand ift pflichtig, jih dem Spruche zu unter— 
ziehen, den die concordirenden Stände nöthigenfalls vollitrefen. 


Art. 5, Durch die verbeikene Garantie anerfennen die beitretenden 
Stände ihr Recht und ihre Pflicht, einander Schuz und Schirm zu leiften 
und umter Anzeige au den Vorort einander jelbjt mit bewaffneter Macht 
einzeln oder in Gemeinschaft zu Hülfe zu ziehen, um Ruhe, Ordnung und 
Verfaffung, wo diefe gefährdet fein follten, aufrecht zu erhalten. 


Art. 6. Gegenmwärtiges Concordat wird mit ausdrüflihem Vorbehalt 
aller aus dem bejtehenden Bundesvertrag bervorgehenden Rechte und Pflichten 
der beitretenden Kantone ſowohl gegen die gefammte Eidgenofjenjchaft als gegen 
die einzelnen übrigen Stände abgejchloffen. Sobald der Bundesvertrag der 
Eidgenofjen revidirt und in demjelben die angemefjenen Beſtimmungen über 
Umfang und Wirkung der Garantie der Verfafjungen aufgenommen jein 
werden, tritt dieſes Concordat als erlojhen außer Kraft und Wirkſamkeit. 


Protofoll über eine nachträgliche Verabredung. 


... 5. jedem Stand der Eidgenoffenichaft ift der Beitritt zu diejem 
Concordat vorbehalten. 


497 


219. Die Trennung von Bafeltadt und Bafelland. 
26. Auguſt 1833. 


Repertorium der eidgen. Abichiede II. S. 870. 


Die eidgenöfjiihe Tagfazung 

in Betrachtung, daß die VBeichlüjje der Tagjazung vom 14. Herbftimonat 
und 5. Weinmonat 1832 über die Angelegenheiten des Kantons Bajel, in- 
folge beharrfichen Widerftandes der Behörden des Kantons Bajel-Stadttbeil, 
in ihren wejentlichiten Beſtimmungen nicht vollzogen worden ; 

in Betrachtung aber, daß es der Tagjazung nach Artifel VIIT des 
Bundesvertrags obliegt, diejenigen allgemeinen Gefahren des Vaterlandes zu 
bejeitigen, von welchen es durch eine längere Fortdauer der Wirren im Kan— 
ton Bajel bedroht ijt, und daß zu diejem Ende ein dauerhafter Zuſtand 
öffentlicher Ordnung daſelbſt begrimdet werden muß; 

in Betrachtung, daß die neueften Ereigniffe im Stanton Bajel Ber: 
änderungen der oben erwähnten Tagſazungsbeſchlüſſe gebieten, eine Wieder: 
vereinigung beider Yandestheile aber in der nächiten Zeit unausführbar ge- 
worden ift: 

beſchließt: 

Art. 1. Der Kanton Bafel wird in ſeinem Verhältniß zum Bunde, 
wie bisanhin, einen einzigen Staatsförper bilden, in Bezug auf die 
öffentliche Verwaltung hingegen, jedoch unter Vorbehalt freiwilliger Wieder: 
vereinigung, in zwei bejondere Gemeinmwejen geteilt. 


Art. 2. Der eine Yandestheil befteht aus der Stadt Bajel, mit Inbegriff 
ihres Stadtbannes, und den am rechten Rheinufer gelegenen Gemeinden des 
Kantons. Er wird jih Kanton Bajel-Stadttheil nennen. 

Der andere Yandestheil bejteht aus dem gejammten übrigen Gebiete des 
Kantons Bafel, mit der Bezeihnung: Kanton Baſel-Landſchaft. 

An diefer Gebietsansicheidung kann feine Veränderung vorgenommen 
werden. 


Art, 3. Jeder der beiden Yandestheile wird jeine eigene Verfaſſung 
haben; dieje Verfaffungen unterliegen der Anerkennung und Gewährleiftung 
der Eidgenofjenichaft. — — 


Art. 7. In der Tagjazung jollen beide Yandestheife in gleichen Nechten 
repräjentirt werden. Den Vorſiz führen Baſel-Stadttheil und Bajel-Yandichaft 
"in jährlichen Wechjel. Wenn im einzelnen Falle feine Verftändigung zwijchen 
beiden Yandestheilen für eine gemeinſame Inſtruction erfolgt, jo zählt die 


Standesſtimme nicht. 
Occhsli, Quellenbuch. 32 


J er 


498 


Art. 9. Das geſammte Staatseigenthum des Kantons Bajel an Capitalien, 
Gefällen, Gebäuden, Kriegsmaterial u. j. w., ohne irgend eine Ausnahme, 
und ausdrüflid mit Inbegriff der Kirchen-, Schul: und Armenfonds, joll 
auf billigen Fuße zwiichen beiden Yandestheilen ausgejchieden und vertheilt 
werden. [Folgen nähere Beſtimmungen über die Art, wie die Ausjcheidung 
zu vollziehen ift.] 

Art. 11. Die militärische Bejezung des Kantons Bajel-Yandichaft wird 
aufhören, jobald jeine Verfaffung im Umfang des ganzen landjchaftlichen 
Gebietes eingeführt und, nad) amtlicher Erklärung der eidgenöfjischen Com— 
miffarien, Ruhe und Ordnung dajelbft zurüfgefehrt fein werden. Gleiches 
wird im Kanton Bajel-Stadttheil geſchehen, nachdem er allen aus gegen- 
wärtigem Beſchluß hervorgehenden, jowie überhaupt jeinen bundesgemäßen 
Verpflichtungen Genüge geleiftet und die Eidgenoffenjchaft dadurch Sicherheit 
erhalten haben wird, dag Ruhe und Ordnung aud) von Seite diejes Yandes- 
tbeiles nicht weiter gefährdet jeien. 


220. Sendfchreiben des Glaubenskomite's wegen der Berufung 
des Dr. Strauß an fämtliche Birchgemeinden des 
Bantons Züri. 13. Februar 1839. 


vithogr. Flugbl., Stadtbibl. Wintertur. 
An den vereinten rejp. Stilljtand und Gemeindrath. 


zit. 





ie Berufung des Dr. D. F. Strauß, von Yudwigsburg, an den 
theologiſchen Yehrjtuhl der Dogmatif unjerer Hochſchule, durch 
I den H. Negierungsrath, ift eim für die ungeheure Mehrzahl der 
Bewohner des Kantons Zürich zu erjhütterndes Ereigniß, als daß ſich nicht 
alle Gemüther, wie durd) eleftriichen Schlag getroffen, mit Entjegen erfüllt 
jähen. — 

In allen Gegenden des Kantons, in den vielfachen Berührungen des 
Vebens, zeigte ſich unverfennbar das tief verlegte Gefühl, des von der H. 
Negierung, vielleicht ihr unbewuft, verjuchten Übergriffes, in die verfaffungs- 
mäßigen Nechte unjerer Landeskirche, bloß um der jubjektiven Überzeugung 
der Mebrheit ihrer jegigen Mitglieder, in der heiligjten Sache der Menſchheit, 
zu fröhnen; gegen einen pojitiven biftorischen göttlichen Glauben, einen, wenn 
and) durch ſcharfſinnige Dialeftif geniegbaren menjchlihen Glauben zu 





499 


jubftitwiren, und denfelben bei dem Volk des Kantons Zürich, durch Berufung 
eines Schismatifers, Eingang zu verjchaffen. 

Sie wäre wahrlich ein entartetes Geſchlecht die jekige Generazion des 
Kantons Zürich, wenn irgend eine weltliche Macht es vermögen ſollte, ihr ihren 
Glauben an einen Weltheiland, Erlöfer und Seligmader, zu nehmen, den 
Glauben, in welchem ihre Väter, im Yeben und im Tode, Beruhigung, Troft 
md Ermunterung gefunden, fie jelbft in den manigfaltigen Wechjeln menſch— 
licher Begegniffe und Schidjale, jo zahlreihe Spuren dieſer unausſprechlich 
göttlichen Wohlthaten empfunden und noch täglich empfindet. 

rei geboren, und gewohnt, ihre Gefühle ohne Schen auszudrüden, fühlt 
jie ſich beleidigt, gefränft in den heiligiten Nechten der Menſchheit durch eine 
in den Annalen der Gejchichte beijpiellofe Verfügung über ihre religiöje Zu: 
funft, und wie Ein Mann und Eine Seele fteht fie auf, die ganze Bevöl- 
ferung des Kantons Zürich, und jpricht als Freiin des Vaterlandes zu ihrer 
Regierung: „Ich will in meinem evangeliich-reformirten Glaubensbekenntniß 
fernerhin unmwandelbar beharren, und fordere von Euch, geſtützt auf unfern 
Palt, daß Ihr den Dr. Strauß von Yudwigsburg entlafjet, und an den 
theologiichen Yehrjtuhl der Dogmatik einen vechtgläubigen Theologen berufet.‘ 

Um aber auf gejeglichem Wege hierzu zu gelangen, die Angelegenheit 
als rein religiös, in feinerlei Beziehung zur Politik, zu halten, hat eine Ver— 
jammlung zu Wädenjchweil, von Deputirten aus 29 Gemeinden Statt gefunden, 
und nad) einläßlicher Erörterung der hochwichtigen heiligen Sache gefunden, daß 
fie die Amitiative zur Bildung von Kirch-, Bezirfs- und Zentralvereinen zu 
ergreifen habe, indem jie jich dafiir an die Stillftände und Gemeindräthe der 
Slirchgemeinden wendet, damit von da aus die Organijation diefer Komité 
vor jich gebe. — — 

Die Kirchgemeindstomite werden ihre Ausſchüſſe an die Bezirksvereine 
inftruiren; die Bezirfsvereine werden das Nämliche in Bezug auf die Abord- 
nung in den Zentralverein, vornehmen... . Um aber den Ausdrud des Ge— 
ſammtwillens des ganzen Kantons zu fernen, ift ein Zentralverein nothwendig, 
welcher in legter Inſtanz das ganze Volk des Kantons Zürich vertritt und 
die einzuleitenden Schritte bejorgt ; dieſer wird die Mittel und Wege berathen, 
welche einzufchlagen find, um die Entferming des Dr. Strauß vom theol. 
Vehrjtuhle der Dogmatik zu erzielen; er wird auf Garantien denfen, welche 
die Wiederholung ähnlicher Verjuche vereiteln, und zugleich in Bezug anf die 
Schule, die fih nach vielfach geflofienen Äußerungen, auf dem Wege der 
jrreligiofität befinden joll, die nöthig erachteten Forderungen ftellen; er wird 
in Unterjuchung ziehen, wie Verbefferungen in unſern kirchlichen Verhältniſſen 
auf die unantajtbarfte Grundlage unjers hriftlich-evangeliicy-reformirten Glau— 
bensbefenntnijies bin, vorgenoinmen werden können. — — 


500 


221. Aus dem Protokoll der Luzernerkonferenz vom 13./14. 
September 1845, im welcher der Grund zum katholifchen 
Sonderbund gelegt wurde. 


Heransgeg. von 8. Herzog. 2. W. 


IT. Über einen Antrag des Herrn Staatsjhreibers Meyer, 
die Tit. Deputationen möchten ſich ausſprechen, inwiefern 
das Bolf ihrer Kantone geneigt und geſtimmt jei, allfällige 
energiihe Schritte der Kantonsregierungen mit aller Ent: 
ihiedenheit und Aufopferung zu unterftüßen. 

Es jprachen jich die Tit. Deputationen von Yuzern, Uri, Schwyz, 
Obwalden und Freiburg jämmtlich dahin aus, dar fie hierüber beſtimmte 
Inſchlüſſe nicht zu geben im Falle jeien; die Abgeordneten von Uri und 
Schwyz wünſchten gerade durch das Netultat der Konferential-Berathung 
dem Bolfe Anlaß zu geben, jeine Anficht entichieden auszufpredhen, um eine 
jefte Grundlage des Handelns für die Negierung zu gewinnen, und ſprachen 
die Zuverfiht aus, dar gehörig über den Stand der Sache belehrt und des 
Yeiftandes ihrer Miteidgenoffen aus den betreffenden Kantonen verjichert, 
das Volk jeine Regierung mit aller Energie unterftügen wiirde, Weniger 
bejtimmt wurde dieje Erflärung von der Abordnung von Obwalden gegeben. 
Die Abordnung von Nidwalden dagegen äußerte, es habe jich in Nidwalden 
allgemein die Anficht gebildet, der Kloſterhandel jei ein verlorner Handel, 
der durch einen Tagſatzungsbeſchluß entjchieden jei. Zwar fühle man allgemein 
dejfen Unrecht und habe durch die Gefandtichaft auf allen Tagjagungen es 
ausgejprochen, allein weitere Schritte würden beim Volk, das die Klojter- 
angelegenheit als eine iolirt jtehende betrachtet und durch ſchwere Erfahrungen 
belehrt, den Frieden liebe, weniger Anklang finden. Die Abordnung von Zug 
erflärte jich über die Stimmung ihres Volfes, jo viel ihr befamnt jei, ebenfalls, 
daß bei der erponirten Yage des Kantons Zug und der faft fichern Ausficht auf 
ein größeres Unglüd, das Zuger'ſche Volk jchwerlich geneigt fein werde, einen 
Zuftand friedlichen Glückes den ungewiſſen Folgen weiterer Schritte zum 
Opfer zu bringen. 

III. Über ven Hauptgegenftand der Berathung, nämlid) über 
die in Folge des Tagjakungsbejhlujjfes vom 31. Augftmonat! 
und der dagegen eingegebenen Proteftation der bundes— 
getreuen Stände vorzunehmenden weitern Mafregeln äußerten 
jich die Tit. Deputationen im Wejentlichen folgendermaßen: 

Die Abordnung von Yırzern war in diefer Beziehung getheilter Mei— 
mung. Herr Negierumgsitatthalter Siegwart-Müller ſprach jich dahin 


Die Narganer Klofterfrage ans Abſchied und Traltanden fallen zu laffen. 


501 


aus: Die mannigfaltigen Bedrückungen, welche die Katholiken in jo mannig: 
faltigen Alten der neuern Zeitgeſchichte erlitten, wie die Aufhebung der 
aargauiſchen Klöfter, die Unterdrüdumg der Thurgauer Klöfter, die Verfolgung 
der Statholifen in allen paritätiichen Kantonen hätten die fatholifchen Stände 
längft berechtiget zum Aeußerſten zu jchreiten; allein es fei Pflicht, ſelbſt dem 
offenbaren Bundesbruc gegenüber, jo lang als möglich auf dem Wege des 
Friedens zu bleiben, und erft, wenn die friedlichen Meittel erichöpft jeien, 
weiter zu gehen. Sein individueller Vorſchlag gebe deßhalb dahin: 

1) Auf dem Wege der Belehrung auf die verirrten Bundesbrüder mod) 
einmal einzumirfen umd zwar möchten die fonferirenden Abordnungen ihren 
Inſtruktionsbehörden ein Manifeft an die gefammmte Eidgenofjenjchaft zu er: 
lafjen vorichlagen, worin alle rechtswidrigen Bedrückungen, welche die Katho> 
lifen in neuerer Zeit im Aargau, Thurgau, Zürich, Bern, Glarus erlitten, 
mit Rückſicht auf die alten Yandfriedensverträge, die theils als natürliches 
Recht, theils nach dem Buchſtaben, wenn auch nicht nach) dem Geifte und 
der Anwendung der j. g. regenerirten Berfaffungen fortwährend rechtliche 
Geltung haben, jowie auf Art. XII des Bundes und die Folgen, welche 
eine Außerrechtlaſſung dieſes einzigen Schuges der fatholiichen Konfeſſion und 
ihrer Intereſſen in dem gegenwärtigen Staatsrecht der Schweiz nach ſich 
ziehen müßte, dargeftellt würde, worauf begründet, die Nechte der Katholiten 
zurüdgefordert würden, unter der Drohung, dag im Falle fort: 
dauernder Verweigerung, den bundesgetreuen Ständen nidts 
übrig bleibe, als die Gemeinjhaftmitden übrigen aufzuheben. 

2) Möchte eine außerordentliche Tagjagung etwa auf den Frühling, wo 
durch die zu hoffende Wirfung eines ſolchen Manifeſtes, die Stimmung und 
viekeicht die Perjonen in mancher Inſtruktionsbehörde geändert jein dürften, 
einberufen werden, um über die Begehren der fatholifchen Stände zu ent: 
jheiden. Dabei jollte man aber nicht ftehen bleiben, jondern von den In— 
jtruftionsbehörden die Bezeihmung und Bevollmächtigung von Abgeordneten 
zu einer beftändigen Konferenz auswirfen, der die Yeitung diejer An— 
gelegenheit übertragen würde, jo wie die Anordnung einiger mili: 
tärifcher Vertheidigungsmaßregeln. Wenn die katholischen Stände 
fejt auftreten, jo werde es niemand wagen, jie anzugreifen, ein einzelner 
Stand werde gegen fie nicht zu Felde ziehen, ein Tagſatzungsbeſchluß werde 
niemals zu Stande fommen. Auch werden jich bei ernfthaften Ausjichten auf 
wirkliche Kollifion Mittler genug finden. Bajeljtadt und Neuenburg jcheinen 
jich diefe Rolle vorbehalten zu haben. Auch St. Gallen werde ſich in der 
Yage befinden. Wagen dagegen die fonjervativen Stände ihrer Proteftation 
feine weitere Folge zu geben, jo werden nicht mur die fonjervativen und 
fatholiichen Elemente in den großen Kantonen erdrüct werden, jondern der 
Nadifalismus werde neu geftärft auch im die von ihm bisher wenig berührten 


502 


Kantone mit feinen antifozialen und antifirchlichen Tendenzen unaufhaltſam 
dringen. 

Die HB. Schultheiß Rüttimann und Staatsichreiber Meyer pflicd 
teten der Anficht des Hrn. Statthalter Siegwart in allen Theilen bei, mit 
Ausnahme der Drohungen mit Trennung, melde fie in das 
Manifeft nicht aufnehmen wollen. — — — 

Die Abordmung von Uri entwidelte vorzüglich die Anficht, daß bei allen 
Handlungen des Nadifalismus jeit 1831 ein jo eflatanter offenbarer Bundes: 
bruch nicht vorhanden geweſen fei, wie er jett durd den Tagſatzungsbeſchluß 
vom 31. Auguft vorliege, daß der gegenwärtige Moment daher der geeignete 
jei, den bejtändigen Vexationen der Katholiken ein Ende zu machen, und die 
drohende Gefahr der gänzlichen Unterdrüdung der Fatholiihen Stände abzu— 
wenden. Daß der Moment einerjeits günftig jei, durch die größere Macht 
und kompakte Maffe, welche die fonjervativen Stände gegenwärtig bejigen, 
anderjeitS nothiwendig, weil die Ehre und die Selbfterhaltung den fatholiichen 
Ständen nad ihrer Erklärung vom 31. Auguft in der Tagjagung feinen 
Ausweg mehr laſſe, als zu energifchen Mitteln zu greifen; endlich jet der 
Moment ummviederbringlich, weil dur ein Stillftehen oder einen Rückzug die 
moraliiche Kraft der fonjerpativen Kantone gebrochen werde, und in der preis: 
gegebenen fatholiichen Bevölferung der paritätiihen Kantone ihnen eine mäd)- 
tige Hülfe verloren gehe. Halbe Mafregeln fünnen nur jchaden, Entſchiedenheit 
werde gegenüber dem Wadifalismus den Sieg auch ohne Waffengewalt 
fichern, wie die Erfahrung lehre. . . Einftimmigfeit thue aber vor allem 
North, und die Abordnung von Ury müſſe vor allem auf diefe dringen und 
hinzielen. Unter dieſer Vorausjegung jtimme fie grundſätzlich der Anſicht 
des Hru. Negierungsftatthalters Siegwart bei. ® 

Die Abordnung von Schwyz erklärt ſich ebenfalls mit der Anficht des 
Herrn Siegwart einverjtanden. Nur zu entjchiedenen und energiihen Schritten 
fünne Schwyz mithelfen. Die Ehre der Stände laffe nah dem Auf: 
treten derjelben an der Tagſatzung, nach dem Auffehen, welches die Einbe- 
rufung diefer Konferenz in der ganzen Schweiz erregt, nach der ganzen Yage 
der Dinge feine halbe Mafregeln mehr zu. Belehrung jolle allerdings nod) 
verjucht werden, aber mit der Belehrung müſſe die beftimmte Drohung ver- 
bunden werden und derjelben müſſe, werm die Forderung verweigert werde, 
Folge gegeben werden... .. or der anfcheinenden Uebermacht ſoll man ſich 
nicht fürchten, die alten Eidgenoffen jeien oft im Falle geweſen mit einem 
meit überlegenen Feinde zu kämpfen und dann jet ihr Wahlſpruch geweſen, 
ihre Gegner nicht zu zählen, aber auch nicht zu verachten. 

Die Abordnung von Nidwalden vermahnte in eindringlichem Vortrage 
in Hinficht auf ihre Zuftruftion und die perjönliche Anficht der Herren De- 
putirten von allen vorgeſchlagenen Mafregeln ab und beantragte, auf der am 


— — FE 
503 
31. Auguft abgegebenen Proteſtation ..... jtehen zu bleiben. Die Abordnung 


weist auf die Uebermacht, die Hilfsquellen und die Entjchloffenheit der gegen: 
überftehenden Kantone hin, auf die Folgen, welche die vorgejchlagene Maß— 
regel, der nothwendig Folge gegeben werden müßte, über dieje Stände bringen 
würde, auf den umvermeidlichen Sieg des Radikalismus, die Vernichtung der 
Selbitjtändigfeit der Fleinen Kantone und die Einführung der Einheit. Sie 
zählt die Unglüdsfälle, welche namentlich) Nidwalden durch Einnehmung einer 
Separatftellung betroffen und glaubt, die abgegebene Protejtation führe nicht 
nothwendig weitere Schritte mit jich, die unterbleiben fünnen, weil eine un: 
mittelbare Gefahr die Neligion und die Ynftitutionen der verfammelten Kan- 
tone noch nicht bedrohe. 

Die Abordnung von Oberwalden ging von der Anficht aus, daß es 
feineswegs bloß um die Klöfter jich handle, ſondern daß der Bund und die 
Intereſſen der fatholiichen Neligion in Frage jtehen. Ein Bundesbrucd, den 
man binnehme, werde als Nechtfertigung aller nachfolgenden dienen. ... 
Die Vorjchläge des Herrn Regierungsraths Siegwart findet die Abordnung 
paffend, kann aber auch zu andern gemeinfamen Mafregeln ftimmen, nur hält 
jie dafür, daß etwas geichehen müſſe. . . Wenn auf diejer Konferenz nichts 
zu Stande kommen jollte, jo würde diek der größte Schlag fein, den die 
fonjervativen Kantone jeit 1831 erlitten. 

Die Abordnung von Zug entwidelt in jehr einläßlichem Vortrage ihre 
Anfihten. Der Kanton Zug werde immer zum echt des Bundes und der 
katholiſchen Kirche unerjchüitterlich ftehen. Allein nur mit großer Bedenflichkeit 
habe man daſelbſt die gegenwärtige Stonferenz und deren Folgen geiehen. 
Zug babe durch feine vorgeichobene Yage ... bejonders Pflicht, mit Vorficht 
zu Werfe zu gehen umd auf die unausbleiblichen Folgen hinzuweiſen, welche aus 
jedem Verjuche einer Separatftellung für die an Macht und Hülfsquellen weit 
zurückſtehenden fonjervativen Kantone erwachſen würden. Zug müßte deren erſtes 
Opfer werden. Man ſoll ſich nicht dem Wahne hingeben, durch Einnehmung 
einer Separatjtellung die übrigen Stände zu ſchrecken. Nicht die Radifalen allein, 
jondern das allgemeine Gefühl des Bedürfniffes der Ruhe und des Friedens, 
welche wejentlich zur Bildung des Zwölf Stände-Beichluffes mitgewirkt, würde 
jich mit Entjchiedenheit gegen die aus einer Separatftellung bervorgehende Stö— 
rung diefer Ruhe gewiß fiegreich erheben. Die Gefahr der Bedrohung der Selbſt— 
ftändigfeit der Kantone jei noch nicht nahe, fie werde genährt durch das vorge: 
ichlagene Auftreten. Auch dürfte die Ausicheidung in ein fatholiiches Yager und 
reformirtes Yager dem Intereſſe der fonfervativen Stände nicht zuträglich fein 
und die Vermittler Stellung der Stände Bajel-Ztadt und Neuenburg müſſe 
jehr bezweifelt werden, vielmehr dürften beim beten Willen dieje Stände 
zum vermitteln nicht einmal Zeit finden. ... Der Abgeordnete hält dafür, 
daß man bei der eingegebenen Proteftation mit Ehren jtehen bleiben könne, 


504 


jeine perjönliche Anficht gehe nicht dahin, die Güter des Friedens ungewiſſem 
Erfolge preis zu geben, jondern immer in loyaler Haltung zu bleiben. 

Die Abordnung von Freiburg bedauerte, dak der Kanten Freiburg 
ſich abgejondert und in ſchwieriger Stellung befinde, glaubt aber, daß etwas 
und zwar mit Einmuth gethan werden ſolle. Immerhin biete der Tagjagungs- 
beihluk vom 31. Augftmonat durd feine Unförmlichkeit Anlaß genug, jelben 
immer wieder auf die Bahn zu bringen. Der Abgeordnete wäre perſönlich 
der Anjicht des Herrn Siegwart geneigt, wünjchte jedoch) die Drohung wegzulaffen 
oder zu modifiziven, will jedoch die Borjchläge an den Großen Rath bringen. 


222. Sonderbundsakte. Dezember 1845. 
Nepertorium der Abichiede 1814—1848, I. S. 459. 


1. Die Kantone Yucern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, 
Freiburg, Wallis verpflichten fi), jo wie einer oder mehrere aus ihnen 
angegriffen würden, zur Wahrung ihrer Zouveränitäts: und Territorialredjte 
den Angriff gemäß dem Bundesvertrag vom 7. Auguft 1815, jowie gemäß 
den alten Binden, gemeinichaftlich mit allen zu Gebote ftehenden Mitteln 
abzuwehren. z 

2. Die Kantone werden jich über die zwekmäßigſte Weiſe, ſich gegen- 
jeitig in Kenntniß von allen Vorfällen zu erhalten, verftändigen. Somie ein 
Kanten von einem bevorjtehenden oder erfolgten Angriffe fichere Kenntniß 
erhält, ift er bereits als bundesgemäh aufgemahnt anzujehen und verpflichtet, 
die nad) Umſtänden erforderliche waffenfähige Mannjchaft aufzubieten, ohne 
geradezu die officielle Mahnung des betreffenden Kantons abzuwarten. 

3. Ein Kriegsrath, bejtehend aus einem Abgeordneten aus jedem der 
oben genannten Stände, mit allgemeinen und ſoviel möglich ausge: 
dehnten Bollmadten von der Negierung verjeben, bat die oberjte 
Yeitung des Kriegs zu bejorgen. Er wird bei einem bevorftehenden oder 
erfolgten Angriffe zufammentreten. 

4. Der Kriegsrath mit den ihm ertheilten Vollmachten hat im alle der 
Roth alle zur Bertheidigung der betreffenden Kantone erforderlihen Maßregeln 
zu treffen. Wo die Gefahr nicht jo dringender Natur ift, wird er ſich mit 
den Regierungen diefer Kantone in Rükſprache jezen. 

5. In Beziehung auf Bejtreitimg der durch ſolche Truppenaufgebote 
erwachlenen Koften wird als Regel angenommen, daf der mahnende Kanton 
die often des von ihm verlangten Truppenaufgebots zu bejtreiten bat. Vor— 
behalten bleiben jedoch jolche Fälle, wo bejondere Gründe vorhanden find, 
daR ein bejonderer Maßſtab der Vertheidigung einzutreten habe. Andere Kojten, 


che 


505 


= 


die im gemeinjchaftlichen Intereſſe dem einen oder andern Kanton erwachſen 
jind, jollen von allen jieben Kantonen nach der eidgenöffiichen Geldſcala ge: 
tragen werden. 


223. Ausweifung des Icefuitenordens aus der Schweiz. 
3. September * 


Offizielle Sammluug III. S. 313. 


Die eidgenöſſiſche Tagſatzung, 

in Betracht, daß dem Bunde nach Art. J und VIII der Bundesalte 
unbeſtreitbar das Recht zuſteht und die Pflicht obliegt, für die innere Sicherheit 
und die Handhabung der Ruhe und Ordnung in der Eidgenoſſenſchaft die 
erforderlihen Maßnahmen zu treffen: 

in Betracht, daR der in einzelnen Kantonen aufgenommene Jeſuiten— 
orden diefe Ruhe und Ordnung gefährdet, und daß bejonders aud) die Be: 
rufung desjelben in einen vorörtlichen Kanton fich als umverträglic mit der 
Ruhe und Ordnung in der Eidgenoſſenſchaft herausgeftellt hat, 

beichliegt: 

1. Die Jeſuitenangelegenheit it von Bundeswegen zu behandeln. 

2. Demgemäß werpen die hohen Stände Yuzern, Schwyz, Frei- 
burg und Wallis eingeladen, die Jeſuiten aus ihrem Gebiete zu entfernen. 

3. Jede fünftige Aufnahme des Jeſuitenordens in die Kantone der 
Eidgenoffenichaft ijt von Bundeswegen unterjagt. 


224. Zwei Briefe Ionas Furrers über die lehten Verhandlungen 
mit dem Sonderbund, Ende Oktober 1847. 
(Gütigft mitgeteilt von Hrn. Oberftl. Meyer - Furrer in Wintertur). 
1. 


Bern, 28. Oftober 1847. 
Yiebe Frau! 






Jus Deinem geftrigen Briefchen erjehe ic mit Vergnügen, daß ihr 
— euch wohl befindet; ich rathe dir ernſtlich, daß du dir ſo viel 
als möglich Bewegung gebeſt, theils mit häuslichen Geſchäften, 
theils mit Beſuchen oder jonftigen Ausgängen bejonders in dieſer frifchen 
vuft. Sch thue das nämliche auch; denn bey Gejchäften, wie die meinigen, 
hat man das Blut auch häufig weit oben, — 


506 


Ich begreife wohl, dak man bey Euch immer jehr unruhig ijt über die 
Stille der Tagſatzung und den Mangel eines Entjcheides. Allein jeder Ver— 
nünftige wird einjehen, daß die Tagſatzung nicht eine Erecution bejchliekt, bis 
fie einigermaßen gerüftet ift; es bedarf ungeheure Vorbereitungen, bis ein 
Heer von 50—80,000 Dann jchlagfertig ijt. Das ift der Grund, warum 
wir die Sache wo immer möglich noch eine Woche hinausfchleppen wollen; 
es wird indeh faum angehen. 

Heute Abend haben wir mit den Sonderbündlern noch eine Conferenz, 
um zu jehen, ob es möglich jey, auf irgend eine Weiſe die Grundlage eines 
Friedens zu gewinnen. Zu diefer Eonferenz jind von unfrer Seite abgeordnet 
Näf, Kern, Munzinger und ich. 

Adien, meine Liebe! Herzlichen Gruß an Did) und die lieben Kinder ıc. 


Il. 


Bern, 30. Oktober 1847. 
Yiebe Frau! 


Auch dein Geftriges beweist mir Ener Wohlbefinden; daß du über 
vieles unruhig und ängftlich bift, begreife ich; allein ich fann dich nicht er- 
heitern, da wir hier natürlich in jo ftürmijchen Zeiten auch unendliche Sorgen 
haben. Indeß bien wir immer mit Hoffnung, Muth und Vertrauen in 
die Zukunft, das Bewuhtjein eines edlen Zwedes in uns tragend. Die vor: 
geftrige Conferenz war eine ernjte und feyerliche; denn es war das lekte 
freundichaftliche Zufammenfeyn; allein es fam zu nichts, weil die Gegner 
jogar auf die Aarganifchen Klöſter zurückkommen wollten. Geſtern entlud ſich 
das Gewitter in der Tagjagung, indem die Gegner die Entlaffung der Truppen 
verlangten und wir fie verweigerten, worauf fie ſogleich abreisten. Mit diejem 
ift eine Art Kriegszuftand eingetreten, obwohl wir den CErecutionsbejchluf 
erjt in einigen Tagen faffen werden aus Gründen, welche dir bereits befannt 
jind; inzwifchen werden wir gegen allfällige Angriffe uns in Bereitichaft 
jegen. Du mußt nicht jogleich erichreden, wenn allenfall$ die Nachricht ein- 
ginge, daß die Yiberalen da oder dort den Kürzern gezogen hätten. Denn 
in der Schweiz gibt e$ des Terrains wegen nicht große Schlachten, jondern 
an vielen Punkten einzelne Kämpfe; und es ift wohl möglich, daß wir erjt 
etwas ſpäter überall Mleifter werden, wenn alle unſre Maffen concentrirt 
jind. Wir haben jett auch die diiponible Yandwehr aufbieten laſſen, jo daß 
unfre Armee ca. 30,000 Mann betragen wird. Ich melde dir alles diejes 
zu deiner jegigen und Fünftigen Beruhigung. — 

Yebe wohl, liebe Frau! Herzlichen Gruß an Alle ꝛc. 








507 


225. Beſchluß der Tagſahung, die Aufläfung des Sonderbunds 
mit Waffengewalt durchzuführen. Bern, 4. November 1847. 


Flugblatt, Stadtbibl. Wintertur. 


Die eidgenöjjiihe Tagjakung, 

in Betrachtung, daß durch den Beſchluß vom 20. Heumonat diejes Jahres 
das Separatbiindnis der fieben Stände: Yuzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, 
Zug, Freiburg und Wallis als mit den Beitimmmmgen des Bundes unver: 
täglich und demgemäß als aufgelöst erflärt worden ift; daß die erwähnten 
Kantone fir die Beachtung diejes Beſchluſſes verantwortlich gemacht wurden, 
und dar fich die Tagjagung vorbehalten hat, wenn die Umſtände es erfordern, 
die weitern Mafregeln zu treffen; 

in Betrachtung, daß die Gejandtichaften der Sonderbundsfantone jchon 
unterm 22. Heumonat die Erflärung abgaben, daß ſie jene Schlugnahme 
nicht anerfennen ; 

in Betrachtung, dar die erwähnten Kantone ſchon vor dem 20. Juli, 
jowie nachher außerordentliche militärifche Nüftungen getroffen, Feldbefeſtigungen 
aufgeworfen, Waffen und Munition aus dem Auslande bezogen haben, offen: 
bar zum med, um fich der Vollziehung der durch die Tagſatzung gefaßten 
Schlußnahmen jelbft mit Waffengewalt zu widerjegen ; 

in Betrachtung, daß die gleichen Kantone auch den Beichluß vom 
11, August, durch welchen jie ernſtlich gemahnt wurden, Alles zu unterlajfen, 
was den Yandfrieden ftören könnte, nicht beachtet, jondern nach wie vor dem- 
jelben durch Herftellung von Verfchanzungen und Fortjegung ihrer außer: 
ordentlichen NRüftungen den Schlufnahmen der Tagſatzung entgegengehandelt 
haben ; 

in Betrachtung, daß den von der Tagjagung ernannten eidgenöffiichen 
Repräjentanten der Zutritt vor den Inſtruktionsbehörden und vor den Lands— 
gemeinden der betreffenden Kantone verweigert, die Verbreitung der verſöhn— 
lihen und freundeidgenöſſiſchen Proflamation beinahe überall verboten und 
im Kanton Luzern ſogar als ein Verbrechen mit Strafe bedroht worden ift; 

in Betrachtung, daß either gemachte Bermittlungsvorfchläge von den 
nämlichen jieben Ständen zurücgemwiejen wurden, und alle Bemühungen, die- 
jelben auf friedlichen Wege zur Anerfenmung und Erfüllung bejchworner 
Bundespflichten zurüctzuführen, erfolglos geblieben find; 

in Betrachtung, daß die Gejandtichaften diefer Stände unterm 29, Wein- 
monat die Tagſatzung und die Bundesftadt verlaffen und daß die mehr- 
erwähnten Kantone durch jolchen Aft in Verbindung mit den gleichzeitig ab 
gegebenen Erklärungen und feither getroffenen militärischen Anordnungen fich 
gegenüber der Eidgenoffenichaft in offenen Kriegszuftand verjegt haben; 


508 


in Betrachtung, daR nad Alleın diefem es Gebot des Bundes und 
Pflicht der Tagjagung ift, den von ihr auf, Grundlage bundesrechtlicher Vor- 
ichriften gefaßten Beichlüffen Nachachtung zu verjchaffen und alle bundes- 
mäßigen Mittel anzumenden, um einem jolchen die innere und äußere Sicherheit 
der Eidgenoffenichaft bevrohenden Zuftand entgegenzutreten ; 

in Anwendung der Artikel I, VI umd VIII des Bundesvertrags, 

beſchließt, was folgt: 

1) Der Beſchluß der Tagfagung vom 20. Heumonat laufenden Jahres 
über Auflöjung des unter den Kantonen Yuzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, 
Zug, Freiburg und Wallis abgejchloffenen Sonderbundes ift durch Anwendung 
bewaffneter Macht in Vollziehung zu jegen. 

2) Der Überbefehlshaber der eidgenöfjischen Truppen ift mit der Aus- 
führung diefes Beichluffes beauftragt. 

3) Die Tagjatung behält jich vor, die weiter erforderlichen Maßnahmen 
zu treffen. 

4) Der eidgenöffische Vorort ift angemwiefen, gegenwärtigen Beſchluß dem 
Oberbefehlshaber der eidgenöffiihen Truppen, dem eidgenöfjischen Kriegsrate 
und ſämmtlichen Rantonsregierungen unverzüglich mitzuteilen. 

Alſo beſchloſſen in unferer Sigung, zu Bern, den 4. Wintermonat 1847. 


In deren Namen 
Der Präjident des Negierungsrates des eidgenöſſiſchen Vorortes Bern, 
Präfident der Tagſatzung: 
Ochſenbein. 
Der eidgenöſſiſche Staatsſchreiber: 
Schieß. 


226. Der ſonderbündiſche Kriegsrat begehrt öſtreichiſche 
Intervention. 15. Hovember 1847. 
Nene Zürcher Zeitung 1847, Beilage zu Ar. 343. 


Yuzern, den 15. November 1847. 
Erzellenz! 
Mit Vergnügen erjehen wir aus der uns unterm 11. November über— 
mittelten Note, daß Ze. Maj. der Kaiſer die Stellung, welche die T Kantone 
eingenommen haben, anerfennen, und feine Schuld für die Folgen, welche 


509 


für die Schweiz fommen werden, denfelben beimejjen. — Indem wir Namens 
der 7 Stände unfern wärmften Danf für diefe mwohlwollende Anerfennung 
ausjprechen, fünnen wir nicht wnhin, nochmals diejenige Bemerkung fallen 
zu laſſen, welche wir in unjerm Schreiben vom 13. d. au Ihre Erzellenz uns 
erlaubten — die Bemerkung nämlih, daß der mächtige Kaijerftaat 
Defterreih in Folge Anerfennung unjerer redtlihen Stellung 
nicht ermangeln wird, diejenigen Mafregeln beförderlih zu er- 
greifen, welche geeignet jind, uns von der drohenden Unter— 
drüdung zu jihern und uns im unferer rechtlichen Stellung zu 
erhalten. 
Genehmigen ꝛc. 
Namens des Vllörtigen Kriegsrathes, 
der Präſident: 
(Sig.) Siegwart-Müller. 
Der Sefretär: 
(Sig.) B. Meyer. 


227. Dufours Armeebefehl vom 22. November 1847. 


Neue Zürcher Zeitung 1847. Nr. 327. Vgl. Dufour, der Sonderbunds Krieg S. 9, 


Eidgenöfjiihe Wehrmänner! 

Ihr werdet in den Kanton Yuzern einrüden. Wie Ihr die Grenzen 
überjchreitet, jo laßt Euern Groll zurück und denft nur an die Erfüllung der 
Pflichten, welche das Vaterland Euch auferlegt. Zieht dem Feinde kühn 
entgegen, jchlagt Euch tapfer und jteht zu Eurer Fahne bis zum legten 
Blutstropfen! Sobald aber der Sieg für ums entichieden ijt, jo vergeſſet 
jedes Nachegefühl, betragt. Euch wie großmüthige Krieger, denn dadurd be- 
weist Ihr Eueren wahren Muth. Thut unter allen Umftänden, was ich) 
Euch ſchon oft empfohlen habe. Achtet die Kirchen und alle Gebäude, welche 
dem Gottesdienft geweiht find! Nichts befledkt Eure Fahne mehr, als Be- 
feidigungen gegen die Religion. Nehmt alle Wehrlofen unter Euern Schuß ; 
gebt nicht zu, daß diejelben beleidigt oder gar mißhandelt werden. Zerſtört 
nichts ohne Noth, verſchleudert nichts; mit einem Worte, betragt Euch jo, 
daß Ihr Euch ftets Achtung erwerbet und Euch jtets des Namens, den Ihr 
traget, würdig zeiget! 

Der Oberbefehlshaber: W. 9. Dufour. 


510 


228. Das Gefecht bei Gislikon. 23. November 1848. 


Schreiben eines eidgenöfftihen Wehrmannes in der Neuen Zürcher Zeitung vom 
27. November 1847, 


Schon vom Dorfe Roth aus wollte ich Ahnen einen Bericht über die 
wichtigen Ereigniffe der leiten Tage, den ich unmittelbar nach dem Kampfe 
bei Gyſikon im Bivouak niederjchrieb, zukommen laſſen, allein es fand ſich 
dafür fein Bote. Heute ſchreibe ich Ihnen aus dem Jeſuitenkollegium zu 
Yuzern, und obwohl nun meine Nachrichten ziemlich verjpätet find, jo dürften 
fie Ihnen dennoch willfommen jein, da bis jest faum etwas ausführliche und 
zufammenhängende Nachrichten von Augenzeugen nad) Zürich gelangt fein 
fönnen. Noch iſt freilich mein Gemüth von dem Erhabenen und Schredlichen 
des Kampfes und jeiner Folgen tief ergriffen, dennoch will ich mich möglichit 
fammeln, um nichts Wejentfiches zu übergehen. Sie fünnen ji auf meine 
Darjtellung um jo eher verlaffen, als meine militäriiche Stellung mich nicht 
an eim einzelnes Korps und jeine Bewegungen fejlelte, jondern mir Ge— 
(egenheit verjchaffte, mich frei an die entjcheidenden Punkte zu begeben. Der 
beifefte Tag in dem Kampfe gegen den Sonderbund ift vorüber, und Gott 
jet Danf! jiegreich bejtanden, was noch übrig bleibt, dem theuren Vaterland 
jeine innere Einigfeit und Unabhängigfeit vom Jeſuitismus zu erringen, wird 
hoffentlich feine Menjchenleben mehr koſten. 

Am 22. d. Abends lag die ganze zum Angriffe bei Gislikon beſtimmte 
Macht im Freienamte von Muri bis Dietweil beifammen, die ganze Divifion 
Ziegler, in Schönau und Sins der beträchtlichjte Theil derjelben. Die 
Nacht mußte wachend zugebracht werden; die Vorräthe für die Truppen 
fonnten erjt am Morgen anlangen, nachdem die Märjche jchon begonnen 
hatten. Frühe Morgens wurde aufgebrochen. Die Divijion theilte ſich; die 
größere Abtheilung blieb auf der Seite von Dietweil, während 5 Bataillone 
der Brigade Egloff (Ginsberg, Häusler, Zuppinger, Benz, Basler), die 
Zürcher Zmwölfpfünder:Batterie, die Berner Zwölfpfünder-Haubigen, Solo: 
thurner-Artillerie und übrige Zpeztalwaffen über eine oberhalb der zerjtörten 
Sinſerbrücke während der Nacht gejichlagene Schiffbrüde ſetzten. Mit diejen 
Truppen jollten ſich jpäter diejenigen von Dietweil oberhalb der Gislifer- 
brüce vereinigen, zu welchem Ende hin eine zweite Schiffbrücke ziemlich weit 
oberhalb dem Gisliferzolihaufe gejchlagen wurde. Unangefochten rückte die 
Brigade Egloff durch das Zugergebiet bis an die Yuzernerjche Grenze vor, 
und vernahm von Ferne den Kanonendonner der nach Arth und Küsnacht 
in anderer Richtung vorrüdenden Divifion Gmür. 

Der Kampf begann bei dem erften Iuzernerjchen Dorfe Donau, von 
wo das Terrain dem Gegner die günftigften Pofitionen darbot. Die Höbe 


u rg EEE vw. X 
— 


511 


hinterhalb Honau war von der feindlichen Artillerie beſetzt, welche ein wirt: 
james Feuer unterhielt. Bald aber war die Zürcher-Batterie in ginftiger 
Höhe aufgefahren und flößte dem Feinde ſolchen Reſpelt ein, daß vorgedrungen 
werden fonnte; indeſſen hatte das Bataillon Ginsberg ſchon einen Schwer: 
verwundeten zu beklagen. Man gelangte nunmehr am die zweite Höhe von 
Gislifon, wo die Vereinigung mit den von Dietweil her kommenden 
Truppen hätte ftattfinden jollen; allein dieje lettere wurde durch das von 
den jtarfen Befejtigungen bei der Gisliferbrüde herfommende Feuer größten- 
theil3 verbindert, und erſt jpäter konnte das Bataillon Fäſi von dort ber 
unter ziemlichem Berlufte vorrüden. 

Auf der Höhe des Dorfes Gislifon waren Unterwaldner-Scharfichügen 
in jicherem Hinterhalte, in den Wäldern auf dem Bergrücen der Yandfturm, 
vor dem Dorfe jelbjt die feindliche, jtarf bedeckte Artillerie. Allmählig wurde 
bier der Kampf zur völligen Schlacht, die leider auch von unjerer Seite nicht 
wenige Opfer an Bermwundeten und Todten foftete. Beinahe alle Bataillone 
der Brigade Egloff famen bier nad) und nad) ins Feuer, voran die Thur- 
gauer Scharfihügen. Schon war indejjen die Gisliferhöhe genommen, die 
Solothurner-Artillerie aufgepflanzt, als der Feind mit ſolcher Macht vor- 
drang und von der Schanze zu Gislifon einen jolchen Kartätjchenhagel ent- 
jendete, daß einen Augenblid lang der Sieg unentihieden blieb, ja 3 Stiüde 
der Solothurner-Artillerie mit ihrer nicht mehr Stand haltenden Bedeckung 
und mit bedeutenden Verluſte weichen mußten. Da rücten die Berner Zwölf— 
pfünder im Galopp vor, das Bataillon Benz, voran der unerjchrodene Haupt- 
mann Steinemann mit jeinen Jägern rechts, jicherte jeine Stellung, und 
der nun beginnende Kugel- und Kartätichenregen brachte den Feind nicht nur 
zum plöglichen Weichen, jondern nöthigte ihn, die Werfe bei der Gislifer- 
brüce zu verlajfen. Auch die Solothurner-PBiecen konnten wieder Stellung 
nehmen. Der Sieg war entjchieden, und die feindlichen Truppen, nicht mehr 
Stand haltend, wichen im immer wilderer Flucht bis nach Yuzern. Es galt 
jegt nur noch die Höhen von den Unterwaldner-Schügen und Yandftürmern 
zu jäubern. 

Leicht hätte noch am gleichen Abend Yuzern eingenommen werden können, 
allein die Vorficht gebot, vorerft die Vereinigung mit den übrigen Truppen 
zu Dietweil zu bewirken und ſich des Bordringens der übrigen Divifionen 
in anderer Richtung zu vergewiffern. Man rückte noch bis über das Dorf Noth 
vor. Aber einen jchredlichen Anblie bot überall das Schlachtfeld dar. Hatten 
icon die pfeifenden Kugeln, die zujammenjtürzenden Bäume, die vorbei ge- 
tragenen Zodten und Verwundeten die Seele desjenigen, der zum erjten Dial 
auf einem Schlachtfelde ſich befand, jtarf bewegt, jo konnte man ſich des 
Grauens faum erwehren, als hinter uns das Feuer aus mehreren Wohmmngen 
zu Gisliton hoch empor loderte; hier am Boden lagen Stuger, Flinten, 





512 
Tſchalo's, Mützen, Säbel, Kugeln, Berwundete, Todte, dort ein zerjchoffenes 
Pferd auf drei Füßen im Todeskampfe umberftolpernd. Beim Zollhaufe zu 
Gislikon bot jih das Bild der Zerftörung dem Betrachtenden am furchtbarften 
dar. Das Haus war mit zertrümmerten Geräthichaften angefüllt, vor dem: 
jelben jtand eine verlaffene Yuzernerfanone, welche ſofort vernagelt wurde; am 
Wege zwei Todte, ein dritter noch halb lebend. Außerhalb Roth wurde bi- 
vonafirt. Allmählig jammelten ſich alle Truppen, auch die den Berg durch— 
jtreifenden Jäger und Schügen, die bisweilen oben auf dem Berge mit denen 
der Divifion Gmiür zuſammengeſtoßen waren. 

Der vortrefflichen Yeitung des Hrn. Divifionstommandanten Ziegler, 
jeinem, ſowie des Hrn. Brigadiers Egloff perjönlihem Muthe, der Ueber— 
legenheit der Artillerie, der braven Haltung ſämmtlicher Truppen ift der Sieg 
und die Ehre des Tages nebſt des Allmächtigen höhern Lenkung zu verdanfen. 
Ich kann die Zahl umjerer Todten und Verwundeten auch jett noch nicht 
genau angeben; ich denfe, wir haben gegen 20 Todte und vielleicht bis auf 
60 Verwundete. Auch der Verluſt der Gegner, von denen jich namentlich 
die Unterwaldner auszeichneten, ijt nicht genau befannt; aus den Folgen zu 
ihliegen, nur aus dem, was man unterwegs ſah, und in Yuzern jett ver- 
nimmt, muß er jehr groß gewefen jein. 

Während der dem Kampfe folgenden Nacht wurde das Dorf Roth hart 
mitgenommen: die hungernden Wehrmänner gingen nad) Yebensmitteln aus; 
Käſe, Butter, auch Schweine, Ziegen :c., was ſich vorfand, wurde herbeige- 
ichleppt. Yeider konnte auch das Zertrümmern und Abbrennen mehrerer Hänjer 
nicht verhindert werden. Nach dem Kampfe regte ſich in mancher Bruft eine 
Nacheluft, die auch bier in Yuzern manche Unordnung zur Folge hatte; be- 
jonders iſt Diek bei denjenigen der Fall, die vor zwei Jahren in dieſem 
Kanton jo arg mißhandelt wurden. 

Schon während der Nacht war ein Parlamentär erichienen, und am 
Morgen erfolgte die bejtimmte Uebergabe Yuzerns. Die Gefangenen aus 
dem Bataillon Fäſi langten zugleich mit dem Parlamentär an und wurden 
mit Jubel begrüßt. Durch die geftern von Männern, Weibern und Kindern 
verlaffenen, jetst wieder belebten Dörfer zogen die Truppen nad) Yuzern. 
Ueberall wehte die weiße Fahne, überall brachte man zu ejjen und zu trinfen. 
Aber was für ein Getümmel geitern und heute noch in Yırzern war, davon 
fann man fich feinen Begriff machen. Im wahren Sinne des Wortes hätte 
man auf den Köpfen herumgehen fünnen, denn gegen die Nacht rückten drei 
Divifionen ein. Der unerlaubten Selbjthülfe, dem Plündern und ungebühr- 
lichen Betragen wird fräftigft gefteuert. Siegwart: Müller und Bernhard 
Meier find fort. Die Sonderbimdstruppen ſollen blaß vor Schreden nad) 
Luzern geflüchtet, die Unterwaldner einzeln aufgelöst, ohne Führung, unter 
Verwünjchungen gegen die Stifter ihres Elendes heimgezogen, die fremden 


— 


515 


Offiziere ihrer Epaufettes und Degen beraubt umd beichimpft worden fein; 
der Haß und die Verwünſchungen des Volks gegen die Entflohenen und die 
Jeſuiten machten jich Yuft. Es jollen gegen 400,000 Franken noch mit auf 
die Reife gegangen jein. Unter diejen Berhältniffen werden Unterwalden 
und Schwyz jchwerlih mehr Stand halten. Auch verlaffene, entwaffnete 
Wallifer ftehen rathlo8 auf den Straßen. Es iſt aljo ein baldiges Ende des 
unjeligen Sonderbundes zu hoffen! 


229. Die Bollektiv-Hote der Mächte vom 30. Movember 1847 
an die frhweizerifche Tagſatzung. 


Neue Zürder Zeitung 1847. ©. 1462, 


Der Unterzeichnete, Gejandte Sr. Majeftät des Königs der Franzoſen 
bei der jchweizeriichen Eidgenojfenschaft, hat von jeiner Negierung den Auf— 
trag erhalten, Sr. Erzellenz dem Präfidenten der ſchweizeriſchen 
Tagfagung und dem Herrn PBräfidenten des Kriegsraths 
des Sonderbunds die folgende Mittheilung zu machen: 

Die Negierung des Königs, von dem lebhafteften Wunfche bejeelt, alle 
Theile Europa’s im Genufje der Wohlthaten des Friedens zu jehen, durd)- 
drungen von den aufrichtigen Gefühlen der Freundichaft für die ſchweizeriſche 
Nation und getreu den Verpflichtungen, welche Franfreich, als eine der Mächte, 
die den Wienervertrag von 1815 unterzeichnet haben, gegenüber der ſchweiz. 
Eidgenoffenjchaft übernommen, hat mit dem tiefjten Bedauern den Anfang 
eines Bürgerfrieges zwijchen den Kantonen, welche die Eidgenofjenichaft bilden, 
gejehen. In dem Wunſche, das Ihrige zu thun und ihre guten Nathichläge 
eintreten zu laffen, um die Anftände zu heben, welche die Quelle diejer Feind- 
jeligfeiten gewejen jind, hat die Negierung des Königs ſich diesfalls mit den 
Regierungen von Defterreih, Großbritannien, Preußen und Ruß— 
land in Verbindung gejett, und da fie dieſe Negierungen von denjelben 
Motiven durchdrungen fand, jo hat jie in Uebereinftimmung mit ihren Alliirten 
beichlofien, ein gemeinfames VBermittlungsanerbieten der fünf Mächte zu 
machen, in der Abficht, den Frieden und die Eintracht unter den Kantonen, 
aus welchen die jchweizeriiche Eidgenoſſenſchaft zuſammengeſetzt ift, wieder 
berzuftellen. Der Unterzeichnete iſt demnach beauftragt, in Bezug auf diejen 
Gegenjtand die Vermittlung Frankreichs in Verbindung mit derjenigen der 
übrigen vier Mächte anzubieten. 

Wenn, wie die Regierung des Königs hofft, Diefes Anerbieten angenommen 


wird, jo würde eine jofortige Einftellung aller Feindfeligfeiten zwiichen den 
Oechsli, Quellenbuch. 33 


514 


friegführenden Parteien jtattfinden, welche bis zum endlichen Abſchluſſe der 
nachfolgenden Unterhandlungen dauern würde. Ju diefem alle wäre es 
überdies nothrvendig, unverzüglich eine Konferenz zu halten, zuſammengeſetzt 
aus einem Nepräfentanten von jeder der fünf Mächte, einem Nepräfentanten 
der Tagſatzung ımd einem Nepräfentanten des Sonderbunds. — — 

Folgendes wären die Bedingungen, welde die Regierung des Königs 
zur Herftellung des Friedens vorjchlüge. 

Erjtens würden die jieben Kautone des Sonderbundes jih an den heil. 
Stuhl wenden, um bei ihm anzufragen, ob es nicht im Intereſſe des Friedens 
und der Religion rathſam jei, dem Orden der Jeſuiten jede Niederlafjung 
in dem Gebiete der ſchweizeriſchen Eidgenofjenichaft zu unterjagen, unter Vor- 
behalt einer gerechten und hinreichenden Entihädigung für alle Bejigungen 
in Yandgütern und Gebäuden, die fie zu verlaffen hätten. 

Zweitens würde die Tagſatzung in Beftätigung ihrer frühern Erflä- 
rungen die Verpflichtung eingehen, die Unabhängigkeit und die Souveränetät 
der Kantone, wie jolhe durch den Bundesvertrag garantirt ijt, in feiner 
Weife zu beeinträchtigen; in Zukunft den Kantonen, welche durd Einfälle 
der Freiſchaaren bedroht wären, einen wirkſamen Schu zu verleihen und 
eintretenden Yyalls feinen neuen Artikel in die Bundesafte auf: 
zunehmen ohne Zuftimmung aller Bundesglieder. 

Drittens, die jieben Kantone des Sonderbunds würden dann ihr Separat- 
bündniß förmlich und wirklich auflöfen. 

Viertens und jchlieglich würden beide Parteien, jobald die Jeſuitenfrage, 
wie es im Artifel 1 angegeben ift, ihre endliche Erledigung gefunden hätte, 
ihre betreffenden Streitfräfte entlaffen und wieder ihre ordentliche und fried- 
liche Haltung einnehmen. 

Der Unterzeichnete ijt beauftragt, die lebhafte Hoffnung der Negierung 
des Königs auszudrüden, daß diejer billige Vorſchlag bereitwilligft von beiden 
friegführenden Parteien angenommen werde. Er iſt überdieß beauftragt, um 
eine jchnelle Antwort der Tagjatung nachzuſuchen. 

Der Unterzeichnete bittet Se. Erzellenz den Präfidenten der Tagſatzung 
die Verſicherung feiner Hochachtung entgegenzunehmen. 


Baſel, den 30. November 1847. 


Der Gefandte von Frankreich: 
Graf von Bois-Ie-Comte. 


NB. Eine gleichlautende Note wurde der Tagſatzung vom öftreichiichen 
Geſandten eingereicht. 


515 


230. Aus der Antwortsnote der Tagſahung. 7. Dezember 1847. 


. Obgleid) die Tagjagung für die Aufmerffantfeit, welche die hohen 
Mächte der Schweiz zu widmen geruhen, ſehr dankbar ift, fo fann fie dennoch) 
das ihr gemachte Anerbieten nicht annehmen, jowohl weil die von der Re— 
gierung des Königs und feinen Alliirten vorausgejfegten Thatjachen nicht 
eriftiren oder zu eriftiren aufgehört haben, als auch hauptiächlich, weil der 
Grundſatz jelbft der vorgefchlagenen Vermittelung ich weder mit der Stellung, 
welche die Verträge der jchweizeriichen Nation in Europa zuerfannt haben, 
noch mit der Verfaffung der Eidgenoffenichaft verträgt. 

Der Zwed der VBermittelung ift, dem Bürgerkrieg in der Schweiz ein 
Ende zu machen und eine Ausjühnung zwiſchen der Tagjagung und dem 
Sonderbund zu bewirken. Dieje Vermittlung jest das Dafein des Separat: 
bündnifjes, das Dafein zweier Eriegführenden Parteien voraus, 

Wir haben aber das Vergnügen Ew. Erzellenz mitzutheilen, daß die 
reindfeligfeiten jeit mehreren Tagen gänzlich aufgehört haben, daR es demnach 
in der Schweiz weder friegführende Parteien, noch Bürgerkrieg gibt, daß die 
jieben Kantone, die den Sonderbund bildeten, auf denjelben ausdrücklich ver: 
zichtet, daß fie ihre Truppen verabichiedet haben und diejelben entwaffnet 
wurden, daß ein beträchtlicher Theil der eidgenöffiichen Armee verabjchiedet 
worden ift, daß die Truppen, die noch im Dienft ftehen, als Freunde in den 
jieben Ständen aufgenommen wurden, welche ſie hauptfächlich in der Abficht 
bejegt halten, um die Ordnung aufrecht zu erhalten und die Perfonen und 
das Eigenthum vor der Race der Anhänger des Sonderbumdes zu ſchützen, 
die gegen diejenigen aufgebracht find, durch welche jie auf unwürdige Weiſe 
fanatifirt, ind Unglück geführt und hintergangen wurden. 

Es iſt fein eigentlicher Bürgerkrieg, den die Schweiz zu beklagen hatte; 
es war fein Krieg zwifchen den Kantonen, fondern die fompetente eidgenöffiiche 
Behörde mußte zur bewaffneten Erefution fchreiten, um ihren Bejchlüffen 
Nachachtung zu verihaffen, um ein verfaffungswidriges, der Eidgenofjenjchaft 
nachtheiliges und mit ihrem Beſtand unverträgliches Bündniß aufzulöfen, um 
eine rebellische Faktion zur Pflicht zurückzuführen, die Ordnung und Ruhe 
und die innere Sicherheit der Schweiz berzuftellen, wie der Yundesvertrag 
es ihr zur Pflicht macht. — — 

Wir wollen jelbft, ohne es zuzugeben, für einen Augenblik annehmen, 
daß der Sonderbund bejtehe und die Feindſeligleiten fortdauern. Jedoch auch 
bei diefer Vorausſetzung erlauben weder das internationale, noch das eidge- 
nöfjische Necht der Tagjakung, das ihr gemachte Yermittelungsanerbieten 
anzunehmen. — — — 

Da der Sonderbund ein durch eine ausdrüdliche Beftimmung des Bındes- 
vertrages verbotenes Bündniß war, eine die Eidgenofjenjchaft jelbjt auflöjende 


516 


Verbindung, jo kann er nie als die Gegenpartei der Kantone, welche die 
Mehrheit der Tagſatzung bilden, angefehen werden; man darf ihn nicht der 
Eidgenofjenichaft entgegenjeken, man fan den ſonderbündiſchen Kriegsrath 
nicht der eidgenöſſiſchen Behörde, noch die Nepräfentanten des Sonderbundes 
den Nepräjentanten der Tagſatzung und weniger noch denen der fünf Mächte 
gleichſtellen; der Präfident des jonderbimdiichen Kriegsrathes fann oder fonnte 
vielmehr nicht mit dem WPräfidenten der Tagſatzung in eine Yinie geftelft 
werden. Wäre dem nicht jo, jo gäbe es zwei Eidgenojjenjchaften in der 
Schweiz, zwei oder mehrere Separatbindniffe, das heißt, es gäbe feine Eid— 
genoffenschaft mehr. Indem nun die Bermittelung den Sonderbund, und was 
damit zufammenhängt, mit der Eidgenofjenfchaft und ihren Behörden in eine 
Linie jtellt, . .. ftellt fie einen Grundfag auf, den die Schweiz nicht anerfennen 
fann, ohne einen Selbſtmord an ſich zu begehen, nämlich den Grundjag, daß 
e8 zwei einander gegenüberjtehende Eidgenofjenjchaften gäbe und daß der 
Sonderbund unter den europätjchen Staaten Plat genommen hätte, Wäre 
diejes der all, jo wiirde die Tagſatzung mit aller Macht gegen einen jolchen 
Eingriff in die Integrität der Schweiz, gegen eine jo auffallende Verletzung 
ihrer Rechte und Verträge proteftiren. 

Nein, der Zonderbund war und konnte nichts anders ſein, als eine 
faftioje Minderheit in der jchweizeriichen Eidgenojjenichaft ; die Kantone fteben 
jich nicht wie unabhängige und fremde Mächte gegenüber, wie 3. B. Frank— 
reich und England, jondern fie verhalten ji) zu einander wie die Glieder 
eines, durch ein geimeinfames Band verbundenen Körpers. Diejer Körper, die 
Eidgenoffenichaft, hat allen Kantonen gemeinjame Intereſſen; jo hat die Schweiz 
eine allgemeine Verfaffung, den Bundesvertrag, der über den Kantonalver— 
fafjungen fteht, wie die eidgenöfjiihe Zouveränetät derjenigen der Kantone vor: 
angeht; fie hat eine allgemeine Berfammlung, die Tagſatzung, wo die Beichlüffe 
mit Stimmenmehrheit gefaßt werden, nicht mit Einmuth, wie in den Kon- 
grejjen der Fürſten; fie bat eine eidg. Behörde, welche wejentlich die voll- 
ziehende Gewalt ausübt ; eine Haupttadt, den Vorort ; eine Armee, eine Fahne, 
ein Siegel, Eigenthum, Einkünfte ꝛc., kurz alles, was zu einer Negierung ge- 
bört; die Tagſatzung entjcheidet über Krieg und Frieden; fie allein gebt Ver- 
bindungen mit fremden Mächten ein.... Nicht die Kantone find bei den euro— 
päiſchen Staaten repräjentirt, jondern die Eidgenoſſenſchaft . . .; bei der Eid- 
genoſſenſchaft und nicht bei den Kantonen find die Gefandten, die Minifter umd 
die Gejchäftsträger der fremden Mächte aftreditirt; die Bevölferung der 22 Kan- 
tone bilden, trog der Verjchiedenheit des Urſprungs, der Sitten, der Lokalinſti— 
tutionen und der Neligion nur eine und diejelbe Nation, die ſchweizeriſche Nation. 
Nie war feit den Jahrhunderten, da die Eidgenoffenichaft beiteht, die Souveränität 
der Kantone eine abjolute und durchaus unbeſchränkte; fie war immer mir 
eine relative, dem Ganzen, der Eidgenoflenichaft, untergeordnete. — — — 


517 


Den Grundſatz der angebotenen Vermittelung annehmen, das heift von 
Macht zu Macht mit dem Sonderbund unterbandeln, biefe die durch die 
Verträge anerkannte und gewährleiftete Integrität der Schweiz gefährden, 
hieße den eidgenöffischen Bundesvertrag, der nur eine Eidgenoffenichaft, eine 
Tagſatzung, einen Vorort, einen eidgenöffiichen Kriegsrath anerkennt und 
welcher im Artifel 8 feftjett, dat bei alfen Angelegenheiten, wo der Vertrag 
nicht andere Beitimmungen aufftellt, die abſolute Mehrheit enticheidet — 
verlegen; hieße das Band zerreiken, welches die Kantone zu einem Föderativ: 
Staat vereiniget; hieße dieſe jchweizeriiche Nation, welche mit ihrem Blute 
die Unabhängigkeit erfämpfte, die von Europa jeit Jahrhunderten, jo wie 
durch die Wienerverträge von 1815 anerfannt wurde,... auflöfen, kurz es 
hieße die Schweiz in zwei Eidgenoffenfchaften trennen, was ihr Verderben 
herbeiführen umd im europäiichen Gleichgewicht und in den Verhältniffen der 
Mächte zu einander eine Störung verurfachen würde, deren Folgen ſchwer 
zu berechnen jind. 

Ihre Erzellenz wird demnach begreifen, welche jchmerzliche Ueberraſchung 
e3 der Tagſatzung verurfachen mußte, in der Anerbietung des Hrn. Bois-le-Comte 
den Präjidenten des jonderbimdiichen Kriegsrathes in eine Yinie mit dem 
Präfidenten der eidgenöſſiſchen Verſammlung, dem Haupt der Eidgenoffenichaft, 
geftellt zu jehen. Ein Rebell dur eine Negierung der rechtmäßigen Behörde 
gleichgeftellt! Gewiß, Herr Minijter, wenn der Gejandte Sr. Majeftät ung 
nicht die beftimmte Berficherung gegeben hätte, dah die Negierung Sr. Ma: 
jejtät von den aufrichtigften Gefühlen der Freundſchaft für die ſchweizeriſche 
Nation bejeelt ift, jo wäre die Stellung, welche die Regierung offiziell dem 
Erpräfidenten des ehemaligen Rathes eines aufgelösten Bindniffes anweist, 
geeignet, die jeltjamften Vermuthungen hervorzurufen, wie diejenige der Abjicht, 
den Sonderbund wieder aufleben zu laſſen oder demſelben zu Hülfe zu fommen. 
In der Mehrzahl der eidgenöffiichen Stände würden ſich feine Magiftrate 
finden, welche ſich dazu verjtehen fünnten, in einer Konferenz mit einem In— 
dividuum zu jigen, welches vor der gerechten Entrüftung der Bürger der 
Kantone, die er in das Bündniß traurigen Andentens getrieben hat, fliehen 
mußte. Das Nationalgefühl würde jich tief verlegt fühlen durch den Ge- 
danfen, daß es anders jein könnte. — — — 

Eine Vermittelung oder jede andere Intervention iſt um ſo weniger 
begründet, da die Ereigniſſe, die ſich in der Schweiz zugetragen, auf keine 
Weiſe die Sicherheit der Nachbarſtaaten gefährdet haben. . . Die Schweiz, 
befliffen, ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, hat glücklicherweiſe 
auch die Macht es zu thun. Die Mafregeln, die jie zur jchnellen Herjtellung 
der Ruhe und Ordnung im Yande, zur Aufrechtbaltung ihrer innern und äußern 
Sicherheit zu ergreifen wußte . . . die Militärkräfte, welche die Eidgenoffen- 
ichaft entwicelt hat, der Muth, die Einficht, die Mannszucht ihrer Wehr— 


re 


518 


männer, die wohlwollenden Gefinnungen, welche die Bevölferungen der Schweiz 
gegen die andern Nationen begen, die Klugheit und Energie, welche die Be: 
börden an den Tag gelegt haben, find für die Nachbarländer und ganz 
Europa die beſte Bürgichaft gegen die Gefahren, am deren Dafein man 
allein in Folge ungenauer oder unvollftändiger Angaben, die nur zu oft aus 
trüben Quellen geſchöpft wurden, glauben fonnte. . 

Wir ergreifen diejen Anlaß ꝛc. 


— — nn — 


231. Die öſterreichiſche Uote vom 18. Jannar 1848. 


Neue Zürcher Zeitung 1848. S. 102. 


Neuenburg, den 18. Jenner 1848. 


.... Als die kaiſerlich öſterreichiſche Regierung fich mit den Megierungen 
von Frankreich, Großbritannien, Preußen und Nufland dahin einver— 
ftand, daß jie gemeinschaftlich der Schweiz ihre freundichaftliche Vermittelung an 
bieten würden, that jie diejes, nicht in der Abjicht allein, dem in jenem Yande 
ausgebrochenen Bürgerkrieg ein Ziel zu ſetzen, jondern fie hatte dabei aud) 
den Zweck im Auge, den oberjten Grundjag, auf welchem der Schweizerbund 
berubt, zu wahren und zu jchirmen, den Grundjag nämlid der Souveränität 
der 22 Kantone, welche unter ſich, als ſouveräne Staaten den unter 
dem Namen des Schweizeriihen Bundespertrags befannten Al— 
ltanztraftat, im welchem obige Bezeichnungen ausdrücklich gebraucht find, 
abgeichloffen haben. 

Deutlich haben die Mächte ihre diehfällige Meinung zu erfennen gegeben, 
als fie das Begehren jtellten, daß von Zeite der Tagſatzung fürmlid aner- 
fannt und erflärt werde: feine Veränderung dürfe in der Bundes: 
akte gemacht werden anders, als unter Zuſtimmung eines 
jeden der fouveränen 22 Kantone. — — — 

Unter Mitwirkung der Mächte bat der jchweizeriiche Bund in den Jahren 
1814 und 1815 jich wieder fonftitwirt. Dieſe Mitwirfung allein war es, 
durch welche damals mehrere Kantone, namentlih Schwyz, Appenzell J.Rh. 
und Unterwalden nid dem Wald ich beftimmen ließen, wieder in den Bund 
der Schweizer einzutreten; und jie thaten diejes erjt, nachdem fie von der 
Tagjagung, wie von den Mächten jelbjt, die Verficherung erhalten hatten, 
daß ihre Souveränität und ihre Neligion durch ihren Anfchluß an den Bund 
niemals irgend einen Abbruch zu erleiden haben würden. 

Und als jpäter diejelben Mächte . . dem neu geregelten Bunde beden- 
tende Gebietsvermehrungen, und die bejtändige Neutralität jeines Bodens 


519 


gewährten, thaten jie es mit Hinblick auf die weentlihen Grundlagen des 
eben geichleffenen Bundes, und in dem Vertrauen, daß diefe Grundlagen 
unverbrüchlid) würden heilig gehalten werden. — — — 

Und wenn mithin die Mächte, welche ihren Verpflichtungen gegen die 
Schweiz getreulich nachfommen, hinwiederum von ihr verlangen, daß fie die 
Grundlagen, auf die jene Verpflichtungen Bezug nehmen, heilig halte, jo 
üben jie lediglich ein nicht zu beftreitendes Recht aus, ein Recht, welches jie 
denjelben Verträgen entnehmen, auf welche jich die eigenen Mechte des Schweizer: 
bundes gründen. 

Im Angefichte der Ereignijje, welche jih in der Schweiz zugetragen 
haben, und dejlen, was heute in diefem Yande vorgeht, fühlen jich die Mächte 
gedrungen, von obigem Rechte Gebrauch zu machen; denn jie jehen, und 
fönnen im jenen Begebenheiten nichts anderes jehen, als einen beflagensmwertben 
Bürgerkrieg, welcher inmitten des Bundes zwiichen zwölf und zwei halben 
jowveränen Kantonen einerſeits und jieben nicht minder jouveränen Kantonen 
anderjeitS zum Ausbruch gefommen, und unverkennbar gegen die Kantonal: 
jowveränität, d. h. gegen die Grundlage des Schweizerbundes und feiner 
Stellung in Europa gerichtet geweſen ift. 

Bewogen durch dieje Betrachtungen, hat ſich der kaiſerliche Hof mit den 
Höfen von Berlin, Paris und St. Petersburg, welche gleih ihm 
die wechjeljeitig zwiichen der Schweiz und den Mächten eingegangenen Ver- 
pflichtungen achten und geachtet jehen wollen, einverftanden, und im Einklang 
mit ihnen zu erklären bejchloffen: 

1) Daß die Kantonafjonveränität nicht als beſtehend anerkannt werden 
fann im jenen Kantonen, welche durch die Truppen anderer Kantone mili— 
täriſch bejegt jind, und unter dem Drude der Mafregeln jtehen, von denen 
jene Beſetzung begleitet ijt; 2) daß der Schweizerbund, als in regelmäßiger 
und traftatgemäßer Yage ſich befindend, nicht eher wird angefehen werden 
fönnen, als bis die erwähnten Kantone, ihrer völligen Unabhängigfeit wieder: 
gegeben, ihre Negierungsbehörden vollfommen frei werden haben beſtellen 
fünnen; 3) daß die Rückkehr auf den militärischen Friedensfuß in allen Kan— 
tonen die nothwendige Bürgichaft ihrer wechieljeitigen und allgemeinen Freiheit 
ift; 4) daß feine Veränderung in der Bundesafte gültig gemacht werden kann, 
es ſei denn unter einftinmiger Genehmigung aller Staaten, welche den Bund 
bilden. 

Indem der f. k. Hof diefe Erklärung zu Tag fürdert, hat er das Be— 
wußtjein, die heiligen Geſetze der Gerechtigkeit nicht minder, als die weſent— 
lichen Grundlagen des jchweizeriihen Bundes unter jeinen Schuß zu nehmen, 
Er wünſcht in der Schweiz nichts anderes, als den innern Frieden des 
Yandes und die Erhaltung des inmigen Verbandes zwiſchen den Kantonen, 
ans denen der Bund befteht. Er hegt die tieffte Achtung für die Würde wie 


520 


fir die Unabhängigfeit der Schweiz. Nie hat er der regelmäßigen und ver- 
jaffungsgemäßen Bervollfommmung der Ynftitutionen des Bundes ein Hinderniß 
in den Weg gelegt. Zugleich hat er aber immer gemeint, daß die Souveränität 
und die Unabhängigfeit der einzelnen Kantone im Innern der Schweiz nad) 
den Beitinnmungen der Bundesafte eben jo aufrichtig und treu heilig gehalten 
werden müſſen, als es die Souveränität und die Unabhängigkeit der Schweiz 
jelbjt, inmitten von Europa, jind. Die Verbindlichfeiten der Mächte gegen 
die jchweizeriiche Eidgenoffenichaft und jene der Eidgenojjenjchaft gegen die 
Mächte, jind wechjelfeitig und auf diejelben Traftate gegründet. Winden die 
einen wicht treilich beobachtet, jo wären unvermeidlic die andern gefährdet 
und juspendirt, und die Mächte, welche der Schweiz die ihr bisher gewährten 
Vorzüge verbürgt haben, bejäßen das umftreitige Necht, nur mehr die Prlichten, 
welde ihnen als Glieder des großen europäiſchen Staatenverbandes obliegen 
und das Wohl ihrer eigenen Yänder zu Mathe zu ziehen, 
Der Unterzeichnete ergreift diefen Anlaß ꝛc. 
Freiherr v. Kaijersfeld. 


NB. Zwei gleichlautende Noten wurden au von Preußen und Frank— 
reich der Tagſatzung übermittelt. 


232. Aus der Antwortsnote der Tagfakung. 15. Februar 1848. 


Neue Zürcher Zeitung 1848, Beilage zu Nr. 48, 










[7 u x Eh = „. N er 5 24 
N N (8 gegen Ende des vorigen jahres Ew. Exzellenz allerhöchſte 


KRAAS der Schweiz eine freundichaftliche Vermittlung zur Bejeitigung 
des damaligen, unruhigen Zuftandes anzubieten, mußte die Tagjagung unter 
Verdankung der darin ausgejprochenen, wohlmeinenden Abjicht jene Vermitt- 
lung ablehnen. Indem ſie dieſe Pflicht erfüllte, hegte jie die Erwartung, 
daß die Verhältniffe der Eidgenoſſenſchaft nun zu feiner weitern diplomatijchen 
Mittheilung Stoff und Veranlaffung darbieten. Obwohl fie auch jetzt dieſer 
Anſicht ift, fo entnahm jie aus der neuen Kolleftiv-Note vom 18. Januar 
1848 mit Bedauern, daß fie fich in ihrer Erwartung geivrt hatte. Der Herr 
Präfident der Tagſatzung, an den diefe Note perſönlich addreifirt iſt, hat der 
Verſammlung davon Kenntniß gegeben, und die lettere hält jich um fo mehr 
verpflichtet, ihre Anficht darüber auszufprechen, weil in derjelben über die 
rechtliche Stellung der Schweiz zum Auslande und über ihre innere Organi- 
jatton Prinzipien ausgefprochen werden, welche die Tagſatzung nicht mit Stilf- 
ihmweigen hinnehmen tann. 





521 


[Die Antwort widerlegt an Hand des Wortlautes der Verträge von 1814 
und 1815 umd ihrer Geichichte die Auffaſſung der Mächte, als ob fie durch 
ihre Mitwirkung bei der Refonftituirung der Schweiz in den Jahren 1814 
und 1815 mit ihr in eine vertragsgemäße Wechjelbeziehumg der Art getreten 
wären, daß fie berechtigt jeien, die hauptjächlichen Grundlagen der jchweize- 
riſchen Bundesorganifation in ihren Schuß zu nehmen md, fofern jie die 
jelben für gefährdet erachteten, ibrerjeits von den Verpflichtungen zurückzutreten, 
welche fie gegen die Schweiz übernommen haben, und fährt dann fort:] 

Aus diejen denfwiürdigen Ereigniffen und dem Haren Wortlaut der an- 
geführten Akten jchöpft demnach die Tagſatzung die vollendete Ueberzeugung, 
daß die Bundesverfaflung jelbft niemals garantirt und daß jomit die der 
Schweiz zugeficherte Neutralität nie an die Bedingung gewilfer Formen der 
Bundes-Einrichtungen geknüpft wurde. 

Dieje rechtliche Auffaffung wird nicht im mindeften durch die in der 
Note vom 18. Januar berührte Behanptung widerlegt, daß mehrere Kantone 
durch die Mitwirkung der hohen Mächte beftimmt worden jeien, ſich der 
Bundesafte anzuschließen... Die Tagſatzung der Jahre 1814 und 1815 
hat ſich mit allen Kräften angeftrengt, jene Kantone zum Anjchluß an den 
Bundesvertrag zu beftimmen; fie hat dabei diefelben zu belehren verjucht, 
daß der Bundesvertrag ihre Souveränetät nicht mehr bejchränfe, als das 
gemeinjame Intereſſe verlange; aber nie hat fie einem Stande die Zuficherung 
ertheilt, daß der Bundesvertrag zu feiner Zeit werde verändert werden. 
Ebenfo iſt der Tagſatzung befannt, daß die hohen Mächte fie durch ähnliche 
Vorftellungen und Ermahnungen bei den drei Ständen, welche jich dem Bunde 
lange nicht anfchliegen wollten, unterftügten. Allein e8 dürfte jchwer fein zu 
beſtimmen, welchen Antheil diefe Bemühungen in Verbindung mit dem Drang 
der Umftände und den energiichen Schritten der Tagfagung an dem Entſchluß 
jener Stände gehabt haben. So viel iſt hiſtoriſch gewiß, daß diejes alles 
bei Unterwalden nicht zum Ziele führte, jondern daß diefer Stand erjt in 
Folge einer militärischen Offupation durch die Eidgenoffenichaft jich dem 
Bunde anjchlof. Auch kann es wohl feinem Zweifel unterliegen, daß jene 
drei Stände wegen der Einwirkung der fremden Mächte gewiß in fein anderes 
Nechtsverhältnig zum Auslande traten, als die geſammte übrige Eidgenoffen- 
haft. Die Tagſatzung fann dieſen Gedanten nicht jchöner ausdrüden, als 
diejes in den beiden Noten der hohen Mächte vom 8. April und 28. Yuli 
1815 an den Stand Nidwalden mit folgenden Worten geſchah: „Sie, die 
verbündeten Monarchen, fennen nur Eine Schweiz, nur Schweizer deifelben 
Bundes, derjelben Eintracht, derjelben Verpflichtung. Sie werden immer 
alles weit von jich entfernt halten, was eine unglücklicherweiſe bejtehende 
Trennung auch nur einen Augenblid verlängern oder eine Gefährdung des 
Bundes nad) ſich ziehen fünnte,“ — — 


522 


[Es wird im weitern der Gefichtspunft zurüdgewiejen, daß die in der 
Note berührte Gebietsvermehrung die Auffaffung der Mächte rechtfertige). 

Obwohl nun... die Eidgenoffenichaft im Bewußtſein ihrer Gedichte 
und ihrer Intereſſen weit entfernt ift, eine Bundesverfaflung anzujtreben, in 
welder die Souveränetät der Kantone und der füderative Charakter der 
Schweiz bejeitigt würden, jo glaubt jie doch das jedem Staate inhärirende, 
freie Konftituirungsrecht als die Grumdbedingung jeder nationalen Selbit: 
ftändigfeit wahren zu follen, als ein Recht, auf das jie nie verzichtet hat. 
Aus demjelben Grunde muß fie auch jedes jpezielle Schutzverhältniß, welches 
in der Note in Bezug auf einzelne Kantone oder die Organifation des Bundes 
geltend gemacht werden will, entfchieden ablehnen. 

.... Indem die Tagſatzung ſich im Allgemeinen auf ihre frühere, 
ausführliche Antwort:Note vom 6. Dezember 1847 bezieht, muß fie wieder: 
holt der Auffaſſung entgegentreten, daß zwölf und zwei halbe jouveräne Stände 
gegen jieben jouveräne Stände einen Krieg geführt und dadurch deren Sou- 
veränetät unterdrüdt haben. Die Eidgenojjenjchaft war nad fruchtlofer An- 
wendung aller friedlichen Mittel gemöthigt, ein durd die Bundesafte unzwei- 
deutig unterfagtes und den Frieden der Schweiz bedrohendes Separatbündniß 
aufzulöfen und die rechtmäßige Bundesgewalt geltend zu machen. — — — 

Ob Veränderimgen in der Bundesverfaffung mit Einftimmigfeit oder 
mit einer gewilfen Mehrheit von Ständen vorgenommen werden können, ift 
eine Frage, welche mit dem der Eidgenofjenichaft unverfümmert zuftehenden 
Konftituirungsrechte aufs engjte zufammenhängt und deren Enſcheidung daher 
nicht Sache anderer Staaten jein kanun. Die Art und Weije der Vervoll- 
kommnung der politiichen Inſtitutionen der Schweiz ift demnach eine Aufgabe, 
welde die Kantone unter ſich zu löjen haben, da fie in der jelbitftändigen 
Fortbildung ihrer Bundeseinrichtungen durd feine Staatsverträge bejchräntt 
worden find. 

Wenn auch die Eidgenojfenjchaft in legter Inſtanz jederzeit auf ihr 
gutes Recht und ihre Kraft verwieſen ift, jo kann jie gleichwohl nicht zugeben, 
daß die ausdrüdlichen Garantien, welche in den angeführten Staatsverträgen 
enthalten find, einjeitig zurücgezogen werden; ſie hegt übrigens das volle 
Vertrauen, daß die Gerechtigkeitsliebe der hohen Mächte jene Garantien in 
dem ganzen Umfange anerfennen werde, in welchem fie nad dem klaren 
Wortlaute jener Verträge erlaſſen wurden. 

Gleichwie jie aber auf der einen Seite diejes geltend macht, jo hat jie 
auf der andern Seite den fejten Willen und das Intereſſe, fremden Staaten 
in internationalen Beziehungen feinen Stoff zu begründeten Beichwerden 
darzubieten. — — — 

Die Tagſatzung hat noch eine Pflicht zu erfüllen, indem fie Ew. Er- 
zellenz allerhöchſter Negierung deren Wünſche verdankt, welche diejelbe dem 


523 


innern Frieden des Yandes und der Erhaltung des innigen Verbandes zwi- 
ichen den Kantonen darbringt; nicht minder verdankt die Tagjagung auch die 
in der Note ausgejprochene Geſinnung der Achtung für die Würde und Unab— 
hängigfeit der Schweiz. Es wird ihr ernftes Beftreben fein, an der Reali— 
jirung jener Wünſche zu arbeiten, und jie hegt die Ueberzeugung, es werde 
diefe Aufgabe ihr defto eher gelingen, je mehr die Unabhängigkeit der Schweiz 
nad) den Worten der Neutralitätsafte vom 20. November 1815 als „Unab: 
hängigfeit von jedem fremden Einfluß“ ihre volle Anerkennung 
finden wird. 


233. Aus dem Bericht der von der Tagfakung ernannten 
Bevifionskommiffion über den Entwurf der neuen 
Bundesverfaffung vom 8. April 1848. 






Verfaßt von den NRedaltoren des Entwurfs, Dr. Kern und 9. Drüey. 

IN i: außerordentlichen Ereigniffe, welche gerade zur Zeit, als die 
| AN Kommiſſion mitten in ihren Berathungen war, im dem ung um: 
Re gebenden Yändern eingetreten find, konnten nicht unbeachtet bleiben ; 
aber jie konnten nicht zur Folge haben, der Schweiz ynjtitutionen zu em: 
pfehlen, welche mit unjern Nationaldharafter unvereinbar wären, oder den 
natürlichen Entwicklungsgang jchweizerifcher Ideen zu überjpringen. Dagegen 
hatten dieje Ereigniffe den Einfluß, daß jie das Gefühl lebendig machten, die 
Schweiz jei in der Ausübung ihres freien Rechtes von Außen her auf feine 
Weije gehemmt, während jene Ereigniffe gleichzeitig von der Entwidlung des 
Geiſtes Zeugniß ablegten, und die Möglichkeit zeigten, Ideen ins Yeben zu 
führen, welche zu andern Zeiten von Manchem als Utopien betrachtet worden 
wären. Das it in der That der Charakter und der Zwed der Ynftitutionen : 
Den Ideen und den Bedürfniffen der Zeit zu entiprechen, indem man das 
Vergangene benutt und der Zukunft einen neuen Weg öffnet. Es widerjpricht 
ebenjo jehr dem Gejege der Entwidelung, wenn man über das Alter, in 
welchem jich die Gejellichaft befindet, hinausgeht, al$ wenn man mit Gewalt 
hinter demjelben zurücbleiben will. Kein Rückſchritt, aber aud) feine Sprünge. 
Wenn es einen Zuftand der Dinge gibt, in welchem ſich die Schweiz nicht 
mehr befindet, jo gibt es auch einen, im welchem jie zur Zeit noch nicht 
ift. Die Schweiz bildet nicht mehr, wie vor der Nevolution von 1798, eine 
bloße Allianz fonveräner Staaten, verbündet, um fich gegenfeitig Hülfe zu 
feiften gegen Angriffe von Außen umd gegen Unruhen im Innern, welche 





524 


nichts Gemeinfames hatte, als was durchaus nothwendig war, um dieſen 
Zwed zn erreichen, und wo die volle Unabhängigkeit vorbehalten war, mit 
Ausnahme weniger Fälle, bei welchen die Minderheit der Mehrheit ſich unter: 
werfen mußte. Die Eidgenoffenjchaft ijt nicht mehr bloß eine Allianz, wobei 
die Tagſatzung mehr ein Kongrek von Somveränen, als eine beliberirende 
Verfammlung war, und wo die Gejchäfte mehr auf dem Wege der Leberein- 
funft, als auf dem Wege von Beichlüffen ſich erledigten. Nicht nur find 
diefe Zeiten weit hinter uns, indem die helvetiiche Republif, die Mediations- 
afte, der Bundesvertrag und die fortichreitende Entwicelung einen andern 
Zuftand herbeigeführt haben; jondern das jchweizerifche Wolf iſt weit hinaus 
über die beftehenden Bırndeseinrichtungen. Und doch ichlieken dieje eine jtär- 
fere Bundesgewalt in ſich, als die ältern Allianzen, indem fie, abgejehen 
von Hülfeleiftung in Fällen von Gefahr, die Somveränetät der Kantone in 
mehrfacher Beziehung bejchränfen, eine Yandesarmee, gemeinfame Finanzen 
aufjtellen, Bundesbehörden organifiren, deren Entjcheidung jich die Minderheit 
zu unterziehen bat, indem jie jogar die Bundesautorität über die Kantonal— 
jouveränetät jtellen, wie im Art. 3 des Bundes, wonad die Tagſatzung alle 
Maßregeln treffen kann, welche jie für die innere oder äußere Sicherheit der 
Schweiz nothwendig findet, was, wie man bei verjchiedenen Gelegenheiten 
gejeben, eine Art von eidgenöffischer Omnipotenz in fich ſchließt. 

Dieje Ynftitutionen gemügten nicht mebr, weil fie nicht genug echte 
garantirten, weil fie nicht genug Intereſſen zur gemeinfamen Sache machen, 
weil die Bundesbehörden übel organifirt und in ihrer Thätigkeit gehemmt 
jind, und befonders weil die Behörden ausichlieglich aus den Kantonen, oder 
vielmehr ihren Negierungen, und feineswegs aus dem jchweizerijchen Wolfe 
in jeiner Geſammtheit hervorgehen; weil diejelben daher nur eines der 
Elemente der Eidgenofienichaft, das Fantonale repräfentiren, während das 
nationale oder allgemeine Element fein eigenes und direltes Organ bat. 
Die Unruhen, welche jeit mehreren Jahren in der Schweiz ftattgefunden, 
haben zu einem großen Theil ihre Quelle in dem Mifverhältniffe, welches 
zwijchen den Bındeseinrichtungen und den Ideen und Bedürfniſſen des 
ſchweizeriſchen Volkes beiteht. 

Aber wenn die Schweiz ſich nicht mehr im Zuſtand der Dinge befindet, 
für welchen der Bundesvertrag vom Jahre 1815 geſchaffen war, ſo befindet 
ſie ſich, nach der Anſicht der Kommiſſion, doch auch nicht in einem Zuſtande, 
wie ihn eine Einheitsregierung, eine neue helvetiſche Republik vorausſetzen 
müßte. Eine einheitliche und untheilbare Republik müßte, wenn ſie ihren 
Zweck erreichen und nicht ein Baſtardföderalismus ſein ſoll, die Kantone mit 
ihren politiſchen, bürgerlichen, finanziellen und militäriſchen Inſtitutionen ver— 
ſchwinden laſſen, um einer einheitlichen Regierung Platz zu machen, welche 
alle Zweige des ſozialen Lebens zu umfaſſen hätte. Mit einem Worte, das 


525 


fantonale Element würde unter dem Einheitsſyſteme verjchiwinden, wie das 
nationale Element wenn nicht zerftört (dem es ift ungerjtörbar), aber doch 
verborgen, gewiſſermaßen erftickt wird, unter der Herrichaft einer bloßen Allianz 
von Staaten. So große Fortſchritte nun der nationale Geift gemacht bat, 
jo ift doch auch der Kantonalgeift noch tief eingeprägt in der Schweiz. Was 
gegenwärtig in Frankreich und andern Einheitöjtaaten vorgeht, wo der Pro- 
vinzialgeift troß Allem, was jeit Jahrhunderten gejchehen ijt, um ihn zu 
unterdrücen, und jelbjt zu vernichten, doch von Zeit zu Zeit wieder hervor: 
tritt, beweist hinlänglich, daß es nicht gelingen würde, denfelben in der Schweiz, 
wo er noch in der Baſis der Ymftitutionen liegt umd fich im Beſitz der 
Bundesgewalt befindet, zu zerſtören. Es würde vielleicht gelingen, das Ein- 
heitsſyſtem einzuführen, aber nicht, es zu behaupten. Der unmwiderftehbare 
Strom einer ftarfen Reaktion aller Unzufriedenheiten würde nicht erinangeln, 
alle Dämme zu durchbrechen, und den Unitarismus in kurzer Zeit wieder 
wegzuſchwemmen. Es rührt dieß daher, weil in der Natur der Dinge neben 
dem Gejet der Einheit auch ein Geſetz der Theilung oder Gliederung befteht, 
oder vielmehr, weil beide zujanınen nur Eines find und die Organijation 
bilden. Die Einheit ohne Glieder ift eine leere Maſſe, die Glieder ohne 
Einheit find ohnmächtig. Wird die Schweiz ſpäter zum Einheitsſyſtem ge- 
langen, oder mit andern Worten, werden in derjelben in Zukunft jtatt mehr 
oder weniger jouveräner Kantone nur noch Dijtrifte oder andere Territorial- 
eintheilungen als Glieder eines organifirten Körpers vorhanden jein? Es 
ift möglid. Aber dieje Zeit fcheint uns noch nicht gefommen zu jein. Der 
Kantonalismus hat zu tiefe Wurzel, hundertjährige Gewohnheiten haben zu 
viel Macht, um eine jolche Umgeftaltung zu verwirffihen, ohne eine Krifis 
bervorzurufen, für welche die Schweiz, wenn nicht alle Anzeichen trügen, 
feineswegs hinreichend vorbereitet ift. 

Ein Föderativfyften, welches die beiden Elemente, welche nun einmal 
in der Schweiz vorhanden find, nämlich das nationale oder gemeinfame und 
das fantonale oder bejondere, achtet, welches jedem dieſer Elemente gibt, was 
ihm im Syntereffe des Ganzen und feiner Theile gehört, welches fie ver- 
jchmelzt, vereinigt, welches die Glieder dem Ganzen, das Kantonale dem 
Nationalen unterordnet, indem jonft feine Eidgenoffenfchaft möglich wäre und 
die Kantone in ihrer Vereinzelung zu Grunde gehen müßten; — das iſt's 
was die jegige Schweiz bedarf, das iſt's, was die Kommiſſion anftrebte in 
dem Entwurf einer Bundesverfajfung, den fie der Tagjakung vorzulegen die 
Ehre hat; das ijt der Grundgedanfe der ganzen Arbeit, der Schlüffel zu 
allen Artifeln. 


526 


234. Die Bundesverfaſſung vom 12. September 1848. 
Repertorium der eidgen. Abſchiede IL. S. 764. 


Im Samen Gottes ded Allmädtigen! 
Die Shweizerifhe Eidgenoſſenſchaft, 
in der Abficht, den Bund der Eidgenoffen zu befeftigen, die Einheit, Kraft und Ehre 
der ſchweizeriſchen Nation zu erhalten und zu fördern, bat nachſtehende Bundesverfaffung 
angenommen : 


Erſter Abſchnitt. 
Allgemeine Beſtimmungen. 


Art. 1. Die durch gegenwärtigen Bund vereinigten Völlerſchaften der zwei und 
zwanzig ſouveränen Kantone, als: Zürich, Bern, Lucern, Uri, Schwyz, Unter— 
walden (ob und nid dem Wald), Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, Baſel 
(Stadt und Land), Schaffhauſen, Appenzell (beider Rhoden), St.Gallen, Grau— 
bünden, Aargau, Thurgau, Teſſin, Waadt, Wallis, Neuenburg und Genf, 
bilden in ihrer Sefammtheit die Schweizerifhe Eidgenoſſenſchaft. 

Art. 2. Der Bund bat zum Zwei: Behauptung der Unabhängigkeit des Baterlandes 
gegen Außen, Handhabung von Ruhe und Ordnung ım Innern, Schuz der freiheit und 
der Rechte der Eidgenoffen und Beförderung ihrer gemeinfamen Wohlfahrt. 

Art. 3. Die Kantone find ſouverän, joweit ihre Souveränität nicht durch die Bundes 
verfaſſung beichränft ift, und üben als ſolche alle Nechte aus, welche nicht der Bundes- 
gewalt übertragen find. 

Art. 4, Alle Schweizer find vor dem Geſeze gleich. Es gibt in der Schweiz keine 
Untertbanenverbältniffe, keine Vorrechte des Orts, der Geburt, der Familien oder Berfonen. 

Art. 5. Der Bund gemwäbrleiftet den Kantonen ihr Gebiet, ihre Souveränetät innert 
den Schranten des Art. 3, ihre Berfaffungen, die Freibeit, die Rechte des Volles und 
die verfafjungsmäßigen Rechte der Bürger gleich den Rechten und Befugnifien, weiche das 
Volt den Behörden übertragen hat. 

Art. 6. Die Kantone find verpflichtet, für ihre Berfaffungen die Gewährleiſtung des 
Bundes nachzufuchen. 

Der Bund übernimmt diefe Gewährleiſtung, infofern : 

a) fie nichts den Vorſchriften der Bundesverfaflung Zımpiderlaufendes enthalten; 

b) fie die Ausübung der politischen Rechte nach republifaniichen (repräfentativen 

oder demecratiichen) ‚Formen fichern ; 

ce) fie vom Volle angenommen worden find und revidirt werden fünnen, wenn die 

abjolnte Mehrheit der Bürger es verlangt. 

Art, 7. Beſondere Bindniffe und Verträge politiichen Inhalts zwiihen den Kantonen 
find unterfagt. 

Dagegen fteht ihnen das Hecht zu, Verkommniſſe über Gegenftände der Geſezgebung, 
des Gerichtsweſens und der Verwaltung unter ſich abzuſchließen; jedoch haben ſie dieſelben 
der Bundesbehörde zur Einſicht vorzulegen, welche, wenn dieſe Berkommniſſe etwas dem 
Bunde oder den Rechten anderer Kantone Zuwiderlaufendes enthalten, deren Vollziehung 
zu hindern befugt iſt. Im entgegengeſezten Falle find die betreffenden Kantone berechtigt, 
zur Vollziebung die Mitwirkung der Bundesbehörden anzuſprechen. 

Art. 8. Dem Band allein ſteht das Hecht zu, Krieg zu erflären und Frieden zu 
ſchließen, Bündniſſe und Staatsverträge, namentlich Zoll- und Handelsverträge mit dem 
Auslande einzugeben. 


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527 


Art. 9. Ausnahmsweiſe bleibt den Rantonen die Befugniß, Berträge über Gegen- 
fände der Staatswirtbihaft, des nachbarlichen Verlehrs und der Polizei mit dem Aus— 
lande abzuichliegen; jedoch dilrfen Diefelben nichts dem Bunde oder den Rechten anderer 
Kantone Zuwiderlaufendes enthalten. 

Art. 10, Der amtliche Berkehr zwiihen Kantonen und auswärtigen Staatsregierungen, 
jowie ihren Stellvertretem, findet durch Vermittlung des Bundesrathes ftatt. 

Ueber die im Art. 9 bezeichneten Gegenftände können jedoch die Kantone mit den 
untergeordneten Behörden und Beamten eines auswärtigen Staates in unmittelbaren 
Verlkehr treten. 

Art, 11. Es dürfen feine Milttärcapitnlationen abgeſchloſſen werben. 

Art, 12, Die Mitglieder der Bundesbehörden, die eidgenöffiihen Civil- und Militär- 
beamten und die eidgenöffiichen Repräfentanten oder Commiflarien dürfen von auswärtigen 
Regierungen weder Benfionen oder Gehalte, noch Titel, Gefchenfe oder Orden annehmen. 

ind fie bereits im Befize von Penfionen, Titeln oder Orden, fo. haben fie für ihre 
Amtsdauer auf den Genuß der Penfionen und das Tragen der Titel und Orden zu 
verzichten, 

Untergeordneten Beamten und Angeftellten dann jedoch vom Bundesrath der Fort— 
bezug von Penfionen bewilligt werden. 

Art. 13. Der Bund ift nicht berechtigt, ſtehende Truppen zu halten. 

Ohne Bewilligung der Bundesbehörde darf fein Kanton oder in getheilten Kantonen 
fein Yandestheil mehr als 300 Mann ftebende Truppen haften, die Yandjägercorps nicht 
inbegriffen. 

Art. 14. Die Kantone find verpflichtet, wenn Streitigkeiten unter ihnen vorfallen, 
ſich jeder Selbfthülfe, fowie jeder Bewaffnung zu enthalten und jich der bundesmäßigen 
Entſcheidung zu unterziehen. 

Art. 15. Wenn einem Kanton vom Auslande plözlich Gefahr droht, fo ift die Re— 
gierung des bedrohten Kantons verpflichtet, andere Kantone zur Hülfe zu mabnen, unter 
gleichzeitiger Anzeige an die Bundesbehörde und umvorgreiflih den ſpätern Verfügungen 
diefer leztern. Die gemahnten Kantone find zum Zuzuge verpflichtet. Die Koften trägt 

| die Eidgenofienichaft. 

Art. 16. Bei geftörter Ordnung im Innern, oder wenn von einem andern Kantone 
Gefahr droht, hat die Negierung des bedrohten Kantons dem Bundesrathe fogleih Keuntnig 
zu geben, damit diefer innert den Schranfen feiner Competenz (Art. W, Nr. 3, 10 und 11) 
die erforderlichen Daßregeln treffen oder die Bundesverfammlung einberufen kann. In 
dringenden Fällen ift die betreffende Regierung befugt, unter fofortiger Anzeige an den 
Bundesrath, andere Kantone zur Hilfe zu mahnen, und die gemahnten Stände find zur 
Hilfeleiftung verpflichtet. 

| Wenn die Rantonsregierung außer Stande ift, Hülfe anzufpreden, fo fann, und 
wenn die Sicherheit der Schweiz gefährdet wird, jo ſohl die competente Bundesbehörde 
von ſich aus einfchreiten. 

In Fällen eidgenöſſiſcher Intervention forgen die Bundesbehörden für Beachtung der 
Vorichriften von Art. 5. 

Die Koften trägt der mahnende oder die eidgenöfftiche Intervention veranlaffende 
Kanton, wenn nicht die Bundesverlammlung wegen beionderer Umſtände etwas Anderes 
beichlicht. 

Art. 17. In den durch Art. 15 und 16 bezeichneten Fällen iſt jeder Kanton ver 
pflichtet, den Truppen freien Durchzug zu geſtatten. Diefe find fofort unter eidgenöffiiche 
Yeitung zu Stellen. 

Art. 18. Jeder Schweizer ift wehrpflichtig. 


528 


Art. 19. Tas Bundesheer, welches ans den Contingenten der Kantone gebildet 
wird, beitebt: 

a) aus dem Bundesauszug, wozu jeder Kanton auf IM Zeelen ſchweizeriſcher Be— 

völferung 3 Maun zu ftellen bat; 

b) aus der Hejerve, deren Beitand die Hälfte des Bundesauszugs beträgt. 

In Zeiten der Gefahr kann der Bund auch iiber Die übrigen Streitkräfte (die Yand- 
wehr) eines jeden Kantons verfügen. 

Die Mannjhaftsicala, welche nach dem bezeichneten Maßitabe das Contingent für 
jeden Kanton feſtſezt, it alle zwanzig Jahre einer Reviſion zu unterwerfen. 

Art. M. Um in dem Bundesheere die erforderliche Gleihmäßigkeit und Dienſtfähigleit 
zu erzielen, werben folgende Grundſäze feftgeiezt: 

1. Ein Bundesgefez beitimmt die allgemeine Organilation des Bundesheeres. 

2, Der Bund übernimmt: 

a) den Unterricht der Genietruppen, der Artillerie und der Cavallerie, wobei jedoch 
den Kantonen, welche dieſe Waffengattungen zu ftellen haben, die Lieferung 
der Pierde obliegt; 

b) die Bildung der Inſtructoren für die übrigen Waffengattungen ; 

ec) für alle Waffengattungen den höhern Milttärunterricht, wozu er namentlich 
Militärſchulen errichtet und Zuſammenzüge von Truppen anordnet; 

d) die Leferung eines Theiles des Kriegsmaterials. 

Die Centraliſation des Militärunterrichts kann nöthigenfalls durch die Bundesgeſez- 
gebung weiter entwidelt werden. 

3. Der Bund überwadt den Militärunterricht der Infanterie und der Scharfichlizen, 
fowie die Anſchaffung, den Bau und Unterhalt des Kriegszeugs, welches die Kantone zu 
liefern haben. 

4. Die Milttärverorbnungen der Kantone dürfen nichts enthalten, was der eidgenöſ— 
ſiſchen Militärorganifation und den den Kantonen obliegenden bundesmäßigen Ber- 
pflichtungen entgegen ift, und müſſen zu diepfälliger Prüfung dem Bundesratbe vorgelegt 
werden. 

5. Alle Truppenabtheilungen im eidgenöfftichen Dienfte führen ausſchließlich die eid- 
genöfftiche Fahne. 

Art. 21. Dem Bunde ſieht das Recht zu, im Intereſſe der Eidgenoſſenſchaft oder 
eines großen Theiles derfelben auf Koſten der Eidgenofienichaft öffentliche Werte zu er: 
richten oder die Errichtung derfelben zu unterſtüzen. 

Zu diefem Zwele it er anch befugt, gegen volle Entfhädigung das Recht der Er: 
propriation geltend zu machen. Die näbern Beitimmungen bierüber bleiben der Bundes— 
gefezgebung vorbehalten. 

Die Bundesverfammlung kann die Errichtung öffentlicher Werfe umterfagen, welche 
die militärischen Intereſſen der Eidgenoflenichaft verlegen. 

Art. 22. Der Bund iſt befugt, eine Univerfität und eine polgtechnifche Schule zu 
errichten. 

Art. 23. Das Zollweien it Sache des Bundes. 

Art. 24. Dem Bunde fteht das Recht zu, die von der Tagfazıng bewilligten oder 
anerkannten Yand- und Warlerzölle, Weg- und Brilfengelder, verbindliche Kanfbaus- und 
andere Gebühren diefer Art, mögen diefelben von Kantonen, Gemeinden, Corporationen 
oder Privaten bezogen werden, gegen Entihädigung ganz oder tbeilweile aufzubeben. Die- 
jenigen Zölle und Weggelder, weiche anf dem Tranfit laften, follen jedenfalls im ganzen 
Umfange der Eidgenofienichaft und zwar gleichzeitig eingelöst werden. 


529 


Die Eidgenoſſenſchaft hat das Recht, an der fchmeizeriichen Grenze Eingangs-, Ans» 
gangs- und Durdgangszölle zu erheben. 

Sie iſt berechtigt, gegenwärtig für das Zollweſen beftimmte Gebäulichleiten an der 
ichweizerifchen Grenze gegen Entihädigung entweder als Eigenthum oder miethweiſe zur 
Benuzung zu übernehmen, 

Art. 25. Bei Erhebung der Zölle follen folgende Grundſäze beachtet werden: 

1. Eingangsgebühren: 

a) Die für die inländiiche Induſtrie erforderlichen Stoffe find im Zolltarif mög- 
lichft gering zu tariren. 

b) Ebenfo die zum nothwendigen Pebensbedarf erforderlihen Gegenftände. 

c) Die Gegenftände des Luxus unterliegen der höchſten Taxe. 

2. Durchgangsgebühren, und in der Regel auch die Ausgangsgebühren, find möglichit 
mäßig feftzufezen. 

3. Durh die Zollgefezgebung find zur Sicherung des Grenz und Marktvertehrs 
geeignete Beftimmungen zu treffen, 

Dem Bımde bleibt immerhin das Recht vorbehalten, unter außerordentlichen Um- 
ftänden, in Abweichung von vorftehenden Beftimmungen, vorübergehend befondere Maß- 
nahmen zu treffen, 

Art. 26. Der Ertrag der Eingangs-, Ausgangs- und Durchgangszölle wird folgender- 
maßen verwendet: 

a. Jeder Kanton erhält 4 Bazen auf den Kopf nah dem Mafftab der Gefanmt: 
bevölferung, welche nach der Volkszählung von 1838 berechnet wird. 

b, Wenn ein Kanton biedurch flir die nach Art. 24 aufgehobenen Gebiihren nicht 
binlänglicdh gedeft wird, fo hat er noch fo viel zu beziehen, als erforderlich ift, um ihn 
für diejelben Gebühren nah dem Durchichnitt des Reinertrages der fünf Jahre, 1842 bis 
und mit 1846, zu entichädigen. 

c. Die Mehreinnahme fällt in die Bundescaife. 

Art. 29. Für Pebensmittel, Vieh- und Kaufmannswaaren, Yandes- und Gewerbs 
erzeugniſſe jeder Art find freier Kauf und Verkauf, freie Ein-, Aus« und Durchfuhr von 
einem Kanton in den andern gewährleiftet. 

Borbehalten find: 

a. In Beziehung auf Kauf und Verkauf das Salz: und Pulverregal. 

b. Polizeifihe Verfügungen der Kantone über die Ausübung von Handel und Ge— 
werbe und über die Benuzung der Straßen. 

ce. Berfügungen gegen ſchädlichen Vorkauf. 

d. Borübergebende janitätspolizeiliche Maßregeln bei Seuchen. 

Die in Hit. b. und c. bezeichneten Verfügungen müſſen die Kantonsbürger und die 
Schmweizerbürger anderer Kantone gleich behandeln. Sie find dem Bundesrathe zur Prü— 
fung vorzulegen und dürfen nicht vollzogen werden, che fie die Genehmigung desfelben 
erhalten haben, 

e. Die von der Tagſazung bewilligten oder anerfannten Gebühren, welche der Bund 
nicht aufgehoben bat (Art. 24 und 31). 

f. Die EConfumogebühren auf Wein und andern geiftigen Getränfen, nad Vorſchrift 
von Art. 32, 

Art. 30. Der Bundesgejezgebung bleibt vorbebaften, binfichtli der Abichaffung be- 
ftebender Vorrechte in Bezug auf Transport von Perfonen und Waaren jeder Art zwi 
chen den Kantonen und im Innern derjelben auf dem Wafler und auf dem Lande, die 
nöthigen Verfügungen zu treffen, jo weit die Eidgenoſſenſchaft hiebei ein Intereſſe hat. 

Oechsli, Quellenbuch. 34 


530 


Art. 31. Der Bezug der im Art. 29, lit. e. bezeichneten Gebühren ſteht unter 
der Auffiht des Bundesraths. Sie dürfen nicht erböht und der Bezug derjelben darf 
ohne Genehmigung der Bundesverfammlung, wenn er auf eine beftimmte Zeit beichränft 
war, nicht verlängert werden. 

Die Kantone dürfen weder Zölle, Weg: noch Brüfengelder unter irgend welchem 
Namen neu einführen. Bon der Bundesverfammlung können jedoch auf beftimmte Zeit 
folhe Gebühren bewilligt werden, um die Errichtung öffentlicher Werte zu umnterftüzen, 
welche im Sinne des Art. 21 von allgemeinem Intereſſe für den Berfehr find und ohne 
ſolche Berilligung nicht zu Stande kommen könnten. 

Art. 32. Die Kantone find befugt, außer den nad Art. 29, lit. e. vorbehaltenen 
Beredhtigungen, von Wein umd andern geiftigen Getränfen Conjumogebübren zu erheben, 
jedoh unter folgenden Beichräntungen: 

a. Bei dem Bezug derfelben fol der Tranfit in feiner Weiſe beläftigt und der Ber- 
fehr überhaupt jo wenig als möglich gehemmt und mit feinen andern Gebihren belegt 
werben. 

b. Werden die für den Berbraud eingeführten Gegenftände wieder aus dem Kanton 
ausgeführt, fo find die bezahlten Confumogebühren ohne weitere Beläftigung zurüfzuer- 
ftatten, J 

c. Die Erzeugniſſe ſchweizeriſchen Urſprungs find mit niedrigern Gebühren zu belegen 
als diejenigen des Auslandes. 

d. Eonfumogebühren auf Wein und andern geiftigen Getränken jchmeizeriichen Ur— 
iprungs dürfen da, wo foldhe Schon beftehen, nicht erhöbt, und in Kantonen, melde nod 
feine beziehen, nicht eingeführt werden. 

e. Die Gefeze und Verordnungen der Kantone Über den Bezug der Conjumogebühren 
find der Bundesbehörde vor Vollziehung derfelben zur Gutheißung vorzulegen, damit die 
Nichtbeachtung vorftehender Grundfäze verhindert werden kann. 

Art. 33. Das Poftweien im ganzen Umfange der Eidgenofjenfchaft wird vom Bunde 
übernommen unter folgenden Vorſchriften: 

1. Die gegenwärtig beftehenden Poftverbindungen dürfen im Ganzen ohne Zuftim- 
mung der betheiligten Kantone nicht vermindert werben, 

2. Die Tarife werden im ganzen Gebiete der Eidgenoſſenſchaft nad den gleichen 
möglichſt billigen Grundfäzen beitimmt. 

3. Die Unverlezbarkeit des Poſtgeheimniſſes ift gewährleiſtet. 

4, Fir Abtretung des Poftregals leiftet der Bund Entihädigung, und zwar nad 
folgenden nähern Beftimmungen: — — — — 

Art. 34. Bei der Berwaltung des Zolle und Poftweiens find die Angeftellten größten- 
theild aus den Einwohnern derjenigen Kantone zu wählen, fir welche fie bejtimmt find. 

Art. 35. Der Bund übt die Oberauffiht über die Straßen und Brüfen, an deren 
Erhaltung die Eidgenoffenichaft ein Intereſſe bat. 

Die nad) Art. 26 und 33 den Kantonen für Zölle und Bolten zulommenden Sunmen 
werden von der Bundesbehörde zurüfbebalten, wenn diele Straßen und Brüfen von den 
betreffenden Kantonen, Corporationen oder Privaten nicht in gebörigem Zuftand unter— 
halten werden. 

Art. 36. Dem Bunde fteht die Ausübung aller im Münzregale begriffenen Rechte zu. 

Die Miünzprägung durch die Kantone hört auf und geht einzig vom Bunde aus, 

Es iſt Sache der Bundesgefezgebung, den Münzfuß feftzufezen, die vorhandenen 
Münzforten zu tarifiren und die nähern Beftimmungen zu treffen, nach welchen die Kan- 
tone verpflichtet find, von den von ihnen geprägten Münzen einichmelzen oder umprägen 
zu laffen. 





531 


Art. 37. Der Bund wird auf die Grundlagen des beftehenden eidgenöſſiſchen Con- 
cordats für die ganze Eidgenoffenfchaft gleiches Maß und Gewicht einführen. 

Art. 38, Fabrication und Berkauf des Schießpulvers im Umfange der Eidgeuoffen- 
ſchaft fteben ausichließlih dem Bunde zu. 

Art. 39. Die Ausgaben des Bundes werden beftritten: 

a) and den Zinfen' der eidgenöffiichen Kriegsfonds; 

b) aus dem Ertrag der fchweizeriichen Grenzzölle; 

c) aus dem Ertrag der Poſtverwaltung; 

d) aus dem Ertrag der Pulververwaltung; 

e) aus Beiträgen der Kantone, welche jedoch nur in Folge von Beichlüffen der 
Bundesverfammlung erhoben werden können. 

Solche Beiträge find von den Kantonen nad Verhältniß der Geldſcala zu leiften, 
melde alle zwanzig Fahre einer Nevifion zu unterwerfen iſt. Bei einer ſolchen Revifion 
jollen theils die Bevölterung, theild die Vermögens- und Erwerbsverhältniffe der Kantone 
zur Grundlage dienen. 


Art. 40. Es foll jederzeit wenigftens der Betrag des doppelten Geldcontingentes für 
Beftreitung von Militärkoften bei eidgenöfftichen Aufgeboten baar in der Bundescaffe liegen. 


Art. 41. Der Bund gemährleiftet allen Schmweizern, welche einer der chriſtlichen Con- 
feffionen angehören, das Recht der freien Niederlaffung im ganzen Umfange der Eid- 
genoſſenſchaft, nach folgenden nähern Beſtimmungen: 


1. Keinem Schweizer, der einer der chriftlichen Confeffionen angehört, fann die Nieber- 
laffung in irgend einem Kanton verweigert werben, wenn er folgende Ausweisichriften 
befizt: 

a) einen Heimatichein oder eine andere gleihbedeutende Ausweisichrift; 

b) ein Zeugniß fittlicher Aufführung ; 

e) eine Beſcheinigung, daß er in bürgerlichen Rechten und Ehren jtebe ; 
und wenn er auf Verlangen fi ausweiſen fann, daß er durch Vermögen, Beruf 
oder Gewerbe ſich und feine Familie zu ernähren im Stande fei. 
Naturalifirte Schweizer müffen überdieß die Beicheinigung beibringen, daß fie 
wenigftens fünf Fahre lang im Beftze eines Kantonsbürgerrechts fich befinden, 

2, Der Niedergelaffene darf von Seite des die Niederlaffung geftattenden Kantons 
mit feiner Bürgſchaft und mit feinen andern befondern Laſten bebufs der Niederlaffung 
belegt werden. 

3. Ein Bundesgeſez wird die Dauer der Niederlaflungsbewilligung, ſowie das 
Marimum der zu Erlangung derfelben an den Kanton zu entrichtenden Kanzleigebübren 
beitimmeit. 

4. Der Niedergelaffene genießt alle Rechte der Bürger des Kantons, in welchem er 
fih niedergelaffen hat, mit Ausnahme des Stimmrechts in Gemeindeangelegenheiten und 
des Mitantheils an Gemeinde- und Gorporationsgütern. Insbeſondere wird ihm freie 
Gewerbsausübung und das Recht der Erwerbung und Beräußerung von Piegenichaften 
zugefichert, nah Maßgabe der Gefeze und Berordnungen des Kantons, die in allen diefen 
Beziehungen den Niedergelaffenen dem eigenen Bürger gleih halten follen. 

5. Den Niedergelaffenen anderer Kantone können von Seite der Gemeinden feine 
größern Leiftungen an Gemeindelaften auferlegt werben, als den Niedergelaffenen bes 
eigenen Kantons. 

6. Der Niedergelaffene fann aus dem Kanton, in welchem er niedergelafien ift, weg- 
gewiejen werben: 

a) durch gerihtliches Strafurtheil; 


532 


b) dur Berfügung der Polizeibehörden, wenn er die bürgerlichen Rechte und Ehren 
verloren hat, oder ſich eines unfittlihen Pebensmwandels fchuldig macht, oder durch 
Berarmung zur Laſt fällt, oder fchon oft wegen Uebertretung polizeilicher Vor— 
ſchriften beftraft werden mußte. 

Art. 42. Jeder Kantonsbürger ift Schweizerbürger. Als folder lann er in eidge- 
nöffiihen und kantonalen Angelegenheiten die politifchen Rechte in jedem Kanton ausüben, 
in welchem er miedergelafjen if. Er kann aber diefe Rechte nur unter den nämlichen 
Bedingungen ausüben, wie die Bürger des Kantons und in Beziehung auf die lantonalen 
Angelegenheiten erft nach einem längern Aufenthalte, deſſen Dauer durch die Kantonal- 
gefezgebung beftimmt wird, jedoch nicht über zwei Fahre ausgedehnt werben darf. 

Niemand darf in mehr als einem Kanton politifche Rechte ausüben. 

Art. 43. Kein Kanton darf einen Bürger des Bürgerrechts verluftig erklären. 

Ausländern darf fein Kanton das Bürgerrecht ertheilen, wenn fie nicht aus dem 
frühern Staatsverband entlaflen werben. 

Art. 44. Die freie Ausübung des Gottesdienftes ift den anerfannten chriſtlichen Con- 
fefftonen im ganzen Umfange der Eidgenofjenichaft gemäbrleiftet. 

Den Kantonen, fowie dem Bunde, bleibt vorbehalten, fiir Handhabung der öffent- 
lichen Ordnung und des Friedens umter den Confeſſionen die geeigneten Maßnahmen zu 
treffen. 

Art. 45. Die Preßfreiheit it gewährleiftet. 

Ueber den Mißbrauch derielben trifft die Kantonalgefezgebung die erforderlichen Be- 
ftimmungen, welche jedoch der Genehmigung des Bundesratbs bedürfen. 

Dem Bunde fteht das Recht zu, Strafbeftimmungen gegen den Mißbrauch der Preſſe 
zu erlaffen, der gegen die Eidgenoſſenſchaft und ihre Behörden gerichtet ift. 

Art. 46. Die Bürger haben das Recht, Vereine zu bilden, fofern ſolche weder in 
ihrem Zwel, noch in den dafür beftimmten Mitteln rechtswidrig oder ftaatsgefährlich find. 
Ueber den Mißbrauch diefes Rechts trifft die Kantonalgefezgebung die erforderlichen Be- 
ftimmungen. 

Art, 47. Das Petitionsredt ift gemäbhrleiftet. 

Art. 48. Sämmtlihe Kantone find verpflichtet, alle Schweizerbürger chriftlicher Con- 
feffion in der Geſezgebung fomohl als im gerichtlichen Verfahren den Bürgern des eigenen 
Kantons gleich zu halten, 

Art. 49. Die rechtsträftigen Eivilurtheile, die in einem Kanton gefällt find, jollen 
in der ganzen Schweiz vollzogen werden können. 

Art. 50. Der aufrechtftehende ſchweizeriſche Schuldner, welcher einen feften Wohnſiz 
bat, muß für perfönliche Anfprachen vor dem Richter feines Wohnortes geſucht, und es 
darf daber für Forderungen auf das Vermögen eines foldhen außer dem Kanton, in 
welchem er wohnt, kein Arreſt gelegt werden. 

Art. 51. Alle Abzugsrechte im Innern der Schweiz, ſowie die Zugrechte von Bür- 
gern des einen Kantons gegen Bürger anderer Kantone find abgeſchafft. 

Art. 52. Gegen die auswärtigen Staaten beftebt Freizügigkeit, unter Vorbehalt des 
Gegenrechtes. 

Art. 53. Niemand darf ſeinem verfaſſungsmäßigen Gerichtsſtand entzogen, und es 
dürfen daher feine Ausnahmsgerichte eingeführt werden. 

Art. 54. Wegen politifher Vergeben darf fein Todesurtbeil gefällt werben. 

Art. 55. Ein Bundesgefez wird über die Auslieferung der Angellagten von einem 
Kanton an den andern Beftimmnngen treffen; die Auslieferung kann jedoch fir politifche 
Bergeben nicht verbindlich gemacht werben. 


533 


Art. 56. Die Ansmittlung von Birgerrechten für Heimatlofe und die Maßregeln 
zur Verhinderung der Entftehung neuer Heimatlofen find Gegenftand der Bundesgefez- 
gebung. 

Art. 57. Dem Bunde fteht das Mecht zu, Fremde, melde die innere oder äußere 
Sicherheit der Eidgenoſſenſchaft gefährden, aus dem fchrweizeriichen Gebiete wegzumeifen. 

Art. 58. Der Orden der Fefuiten und die ihm affiliirten Gefellfhaften dirfen in 
feinem Theile der Schweiz Aufnahme finden. 

Art. 59. Die Bundesbehörden find befugt, bei gemeingefährlichen Seuchen gefund- 
heitspolizeiliche Verfügungen zu erlaffen. 


Zweiter Abſchnitt. 
Bundesbehörden. 


I. Bundesverfanmlung. 


Art. 60. Die oberfte Gewalt des Bundes wird durch die Bundesverfammlung aus- 
geübt, welche aus zwei Abtheilungen befteht: 
A. aus dem Nationalrath; 
B. aus dem Ständerath. 


A. Nationalrath. 


Art. 61. Der Nationalrath wird aus Abgeordneten des fchweizerifchen Volkes gebildet. 
Auf je 20,000 Seelen der Gefammtbevöllerung wird ein Mitglied gewählt. 

Eine Bruchzahl iiber 10,000 Seelen wird für 20,000 Seelen berechnet. 

Jeder Kanton und bei getheilten Kantonen jeder der beiden Landestheile hat mwenig- 
ftens ein Mitglied zu wählen. 

Art. 62. Die Wahlen für den Nationalrat find directe. Sie finden in eidgenöfftichen 
Wahltreifen ftatt, welche jedoch nicht aus Theilen verfchiedener Kantone gebildet werden 
fönnen, 

Art. 63. Stimmberechtigt ift jeder Schweizer, der das zwanzigfte Altersjahr zur: 
gelegt hat und im Uebrigen nach der Gefezgebung des Kantons, in welchem er feinen 
Wohnfiz hat, nicht vom Activbürgerrecht ausgefchloffen ift. 

Art. 64. Wahlfähig als Mitglied des Nationalrathes ift jeder ftimmberectigte 
Schweizerbiürger weltlichen Standes. 

Naturalifirte Schweizerbürger müſſen feit wenigftens fünf Jahren das erworbene 
Bürgerrecht befizen, um wahlfähig zu fein. 

Art. 65. Der Nationalrath wird auf die Dauer von drei Jahren gewählt, und es 
findet jeweilen Geſammterneuerung ftatt. 

Art. 66. Die Mitglieder des Ständerathes, des Bundesrathes und vom lettern ge- 
wählte Beamte können nicht zugleich Mitglieder des Nationalratbes jein. 

Art. 67. Der Nationalrath wählt aus feiner Mitte für jede ordentliche oder außer- 
ordentliche Sizung einen Präfidenten und Vicepräſidenten. 

Dasjenige Dlitglied, welches während einer ordentlichen Sizung die Stelle eines 
Präfidenten befleidete, ift für die nächftfolgende ordentliche Sizung weder als Präfident 
no als Vicepräfident wählbar. Das gleihe Mitglied kann nicht während zwei ummittel- 
bar auf einander folgenden ordentlihen Sizungen BVicepräftdent fein. 

Der Präſident hat bei gleich getbeilten Stimmen zu enticheiden; bei Wahlen übt er 
das Stimmrecht aus, wie jedes Mitglied. a 

Art, 68, Die Mitglieder des Nationalvathes werden aus der Bundescaffe entſchädigt. 


534 


B. Ständerath. 


Art. 69. Der Ständerath befteht aus 44 Abgeordneten der Kantone. Yeder Kanton 
wählt zwei Abgeordnete; in den getheilten Kantonen jeder Yandestbeil einen Abgeordneten. 

Art. 70, Die Mitglieder des Nationalratbes und des Bundesrathes können nicht 
zugleich Mitglieder des Stänberathes fein. 

Art, 71. Der Ständerath wählt für jede ordentliche oder außerordentlihe Stzung 
aus feiner Mitte einen Präfidenten und Picepräfidenten. 

Aus den Gefandten desjenigen Kantons, aus welden für eine ordentliche Sizung 
der Präfident gemäblt worden tft, kann für die nächitfolgende ordentliche Sizung weder 
der Präfident, noch der Bicepräfident gewählt werben. 

Gefandte des gleichen Kantons können nicht während zwei unmittelbar auf einander 
folgenden ordentlichen Sizungen die Stelle eines Vicepräſidenten befleiden. 

Der Präfident hat bei gleich getheilten Stimmen zu enticheiden; bei Wahlen übt er 
das Stimmrecht aus wie jedes Mitglied. 

Art. 72, Die Mitglieder des Stänberathes werden von den Kantonen entichädigt. 


C. Befugniffe der Bundeöverfammlung. 


Art. 73. Der Nationalrath und der Ständerath haben alle Gegenftände zu behandeln, 
melde nad Inhalt der gegenwärtigen Berfaffung in die Competenz des Bundes gebören 
und nicht einer andern Bundesbehörde zugefchieden find. 

Art. 74. Die Gegenftände, welche in den Geichäftsfreis beider Räthe fallen, find 
ingbefondere folgende: 

1. Geſeze und Beichlitffe zur Ausführung der Bundesverfaffung, wie namentlich Ge— 
feze über Bildung der Wablfreife, über Wablart, über Organifation und Geſchäftsgang 
der Bundesbehörden und Bildung der Schmurgerichte. 

2. Beloldung und Entihädigung der Mitglieder der Bundesbehörden und der Bundes— 
tanzlet; Errichtung bleibender Beamtungen und Beſtimmung ihrer Gehalte. 

3. Wahl des Bımdesratbes, des Bundesgerichtes, des Kanzlers, des Generals, des 
Chefs des Stabes und eidgenöffiicher Repräfentanten, 

4. Anerlennung auswärtiger Staaten und Regierungen. 

5. Bindniffe und Verträge mit dem Auslande, fowie die Gutheißung von Verträgen 
der Kantone unter fich oder mit dem Auslande. Solche Verträge der Kantone gelangen 
jedboh nur dann an die Bundesverfammlung, wenn vom Bundesrath oder einem andern 
Kanton Einſprache erhoben mird. 

6. Mafregeln für die äußere Sicherheit, für Behauptung der Unabhängigkeit und 
Neutralität der Schweiz, Kriegserflärungen und Friedensſchlilſſe. 

7. Garantie der Berfaffungen und des Gebietes der Kantone; Intervention in Folge 
der Garantie; Mafregeln fiir die innere Sicherheit, für Handhabung ven Rube und 
Ordnung; Amneftie und Begnadigung. 

8. Mafregeln, welche die Handhabung der Bundesverfaffung, die Garantie der 
Kantonalverfaffungen, die Erfüllung der bundesmäßigen Verpflichtungen und den Schu; 
der durch den Bund gemäbrleifteren Rechte zum Zwele haben. 

9. Gefezliche Beftimmungen über Organifation des eidgenöfftfchen Militärweſens, über 
Unterricht der Truppen und über Leiftungen der Kantone; Verfügungen über das Bundesheer. 

10. Feſtſezung der eidgenöfftihen Mannſchafts- und Geldicala; gefezliche Beftim- 
mungen über Bermaltung und Verwendung der eidgenöfftihen SKriegsfonds, Erhebung 
directer Beiträge der Kantone; Anteiben; Voranſchlag und Rechnungen. 


535 


11. Gefeze und Beichlüffe iiber Zölle, Poftweien, Münzen, Maß und Gewicht, Fabri- 
cation und Verlauf von Schiekpulver, Waffen und Munition. 

12. Errichtung öffentlicher Auftalten und Werte und hierauf beziigliche Erpropriationen. 

13. Gefezliche Verfügungen fiber Niederlaffungsverhäftniffe; über Heimatlofe, Fremden- 
polizei und Sanitätsweſen. 

14. Die Oberaufficht über die eidgenöfftiche Verwaltung und Rechtspflege. 

15. Beichwerden von Kantonen oder Bürgern über Verfügungen des Bundesrathes. 

16. Streitigkeiten unter den Kantonen, welche ftaatsrechtlicher Natur find. 

17. Competenzftreitigteiten insbefondere darüber: 

8) ob ein Gegenftand in den Bereich des Bundes oder der SKantonal- 
fonveränität gehöre; 

b) ob eine frage fin die Competenz des Bundesrathes oder des Bunbes- 
gerichtes falle. 

18. Revifion der Bundesverfaffung. 

Art. 75. Die beiden Räthe verfammeln fich jährlich ein Mal zur ordentlichen Sizung 
an einem durch das Reglement feftzufezgenden Tage. 

Sie werden außerordentlich einberufen durch Beſchluß des Bundesrathes, oder wenn 
ein Biertheil der Mitglieder des Nationalrathes oder fünf Kantone es verlangen. 

Art. 76. Um gültig verhandeln zu können, ift die Anmefenheit der abfoluten Mehrheit 
der Mitglieder des betreffenden Rathes erforderlich. 

Art. 77. Im Nationalrath und im Ständerath entfcheidet die Mehrheit der 
Stimmenden, 

Art. 78, Für Bundesgefeze und Bundesbeſchlüſſe ift die Zuftimmung beider Räthe 
erforderlich. 

Art. 79, Die Mitglieder beider Räthe ftimmen ohne Inſtructionen. 

Art. 80. Feder Rath verhandelt abgefondert. Bei Wahlen (Art. 74, Nr. 3), bei 
Ausübung des Begnadigungsrehtes und für Enticheidung von Competenzftreitigfeiten ver- 
einigen fich beide Räthe unter der Peitung des Präfidenten des Nationalrathes zu einer 
gemeinfchaftlihen Verhandlung, fo daß die abfolute Mehrheit der ftimmenden Mitglieder 
beider Räthe entfcheibet. 

Art. 81. Jedem der beiden Räthe und jedem Mitglied derfelben fteht das Bor- 
ſchlagsrecht (die Initiative) zu. 

Das gleiche Recht können die Kantone durch Correſpondenz ausülben. 

Art. 82. Die Sizungen der beiden Räthe ſind in der Regel öffentlich. 


II. Bundesrath. 


Art, 83. Die oberſte vollziehende und leitende Behörde der Eidgenoſſenſchaft iſt ein 
Bundesrath, welcher aus fieben Mitgliedern befteht. 

Art. 84. Die Mitglieder des Bundesrathes werden von der Bundesverfammlung 
aus allen Schmweizerbürgern, welche als Mitglieder des Nationalrathes wählbar find, auf 
die Dauer von drei Jahren ernannt. Es darf jedoch nicht mehr als ein Mitglied aus 
dem nämlichen Kanton gemäblt werden. 

Nach jeder Gefammterneuerung des Nationalrathes findet auch eine Gefammterneuerung 
des Bundesrathes ftatt. 

Die in der Bmifchenzeit ledig gewordenen Stellen werden bei der nädhftfolgenden 
Sizung der Bundesverfammlung fir den Reſt der Amtstaner wieder befezt. 

Art. 85. Die Mitglieder des Bundesrathes dürfen feine andere Beamtung, jet e8 
im Dienfte der Eidgenoffenfhaft, fei e8 in einem Kantone, beffeiden, noch irgend einen 
andern Beruf oder Gewerbe treiben. 


536 


Art. 86. Den Borfiz im Bundesrath führt der Bundespräftdent, welcher, ſowie auch 
der Bicepräfident, von den vereinigten Räthen aus den Mitgliedern desjelben für die 
Dauer eines Jahres gemählt wird. 

Der abtretende Präfident ift für das nächitfolgende Jahr weder als Präfident, noch 
als Nicepräfident wählbar. Das gleiche Mitglied kann nicht während zwei unmittelbar 
auf einander folgenden Fahren die Stelle eines Vicepräfidenten befleiden. 


Art. 87. Der Bundespräfident und die fibrigen Mitglieder des Bundesrathes be: 
ziehen einen jährlichen Gehalt aus der Bundescaffe, 


Art. 88. Um gültig verhandeln zu können, müſſen wenigftens vier Mitglieder des 
Bundesrathes anweſend fein, 


Art. 89. Die Mitglieder des Bundesrathes haben bei den Verhandlungen der beiden 
Abtheilungen der Bundesverſammlung berathende Stimme und auch das Recht, über 
einen in Berathung liegenden Gegenſtand Anträge zu ſtellen. 


Art. 90. Der Bundesrath bat inner den Schranken der gegenwärtigen Verfaſſung 
vorzüglich folgende Befugniffe und Obliegenbeiten: 

1. Er leitet die eidgenöffiichen Angelegenheiten, gemäß der Bundesgefeze nnd Bundes- 
beichlüffe. 

2. Er bat für Beobachtung der Berfaffung, der Gefeze und Beichliffe des Bundes, 
ſowie der Vorſchriften eidgenöffiicher Concordate zu wachen; er trifft zu Handhabung der- 
jelben von ſich aus oder auf eingegangene Beſchwerde die erforderlichen Verfügungen. 

3. Er wacht für die Garantie der Kantonalverfaffungen. 

4. Er ſchlägt der Bundesverfammlung Gefeze und Beichliiffe vor und begutachtet 
die Anträge, welche von den Räthen des Bundes oder von den Kantonen an ihn gelangen, 

5. Er vollzieht die Bundesgefeze und Bundesbeſchlüſſe, die Urtheile des Bundes 
gerichtes, ſowie die Vergleiche oder frhiedsrichterlichen Sprüche über Streitigkeiten zwiichen 
Kantonen, 

6. Er bat diejenigen Wahlen zu treffen, welche nicht durch die Verfaſſung der 
Bımdesverfammlung und dem Bundesgericht oder durch die Gefezgebung einer andern 
untergeordneten Behörde übertragen werden. 

Er ernennt Commiffarien für Sendungen im Innern oder nad Außen. 

7. Er prüft die Verträge der Kantone unter fih oder mit dem Auslande, und ge- 
nehmigt diefelben, fofern fie zuläffig find. (Art. 74, Nr. 5.) 

8. Er wahrt die Intereſſen der Eidgenoffenfchaft nah Außen, wie namentlich ibre 
völferredtlihen Beziebungen, und beforgt die auswärtigen Angelegenheiten itberbaupt. 

9. Er wacht für die äußere Sicherheit, fiir die Behauptung der Unabhängigkeit und 
Neutralität der Schmeiz. 

10. Er forgt für die innere Sicherheit der Eidgenoſſenſchaft, fiir Handhabung von 
Rube und Ordnung. 

11. In Fällen von Dringlichkeit ift der Bundesrath befugt, fofern die Räthe nicht 
verfammelt find, die erforderliche Truppenzahl aufzubieten und über folche zu verfügen, 
unter Vorbehalt unverzüglicder Einberufung der Bundesverfammlung, fofern die auſge— 
botenen Truppen zweitaufend Mann iüberfteigen oder das Aufgebot länger als drei Wo- 
hen dauert. 

12. Er beforgt das eidgenöfftihe Militärwefen und alle Zmeige der Bermaltung, 
welche dem Bunde angehören, 

13. Er prüft die Geſeze und BVerordnungen der Kantone, welche feiner Genehmigung 
bedürfen; er überwacht diejenigen Zmeige der Kantonalverwaltung, welche durch den Bund 
ſeiner Aufſicht unterftellt find, wie das Militärweſen, Zölle, Straßen und Brüfen, 








— 


537 


14. Er forgt fir die Berwaltung der Finanzen des Bundes, für die Entwerfung 
des Voranichlages und Die Stellung der Rechnungen über die Einnahmen und Ausgaben 
des Bundes. 

15. Er bat die Aufficht über die Geſchäftsführung aller Beamten und Angeftellten 
der eidgenöfftichen Verwaltung. 

16. Er erftattet der Bundesverfammlung jemweilen bei ihrer ordentlichen Sizung 
Rechenſchaft über feine Verrichtungen, ſowie Bericht über den Zuſtand der Erdgenoffenichaft 
im Innern ſowohl ala nah Außen, und wird ihrer Aufmerkfamfeit diejenigen Maßregeln 
eınpfeblen, welche er zur Beförderung gqemeinfamer Wohlfahrt für dienlich erachtet. 

Er hat auch befondere Berichte zu erftatten, wenn die Bundesverſammlung oder eine 
Abtbeilung derielben es verlangt. 

Art. 9. Die Gefchäfte des Bıurndesrathes werden nach Departementen unter die 
einzelnen Mitglieder vertheilt. Diefe Eintheilung hat aber einzig zum Zwel, die Prilfung 
und Beſorgung der Geſchäfte zu fördern; der jeweilige Enticheid geht von dem Bundes» 
rathe als Behörde aus. 

Art. 92. Der Bundesrath und feine Departemente find befugt, fiir befondere Ge— 
ſchäfte Sachkundige beizuziehen. 


III. Bundeskanzlei. 


Art. 9. Eine Bırndesfanzlei, welcher ein Kanzler vorftebt, beforgt die Kanzlei- 
geichäfte bei der Yundesverfammlung und beim Bundesrath. 

Der Kanzler wird von der Bundesverfammluug auf die Dauer von drei Jahren je 
weilen gleichzeitig mit dem Bundesrath gewählt. 

Die Bundeskanzlei fteht unter der beiondern Aufficht des Bundesrathes. 

Die näbere Organifation der Bundeskanzlei bleibt der Bundesgefezgebung vorbehalten. 


IV. Bundesgeridt. 


Art. 9. Zur Ausübung der Rechtspflege, ſoweit diefelbe in den Bereich des Bundes 
fällt, wird ein Bundesgericht aufgeftellt. 

Fir Beurtheilung von Straffällen werden Schwurgerichte (Jury) gebildet. 

Art. 5. Das Bundesgericht befteht aus eilf Mitgliedern nebft Erſazmännern, deren 
Anzahl durch die Bundesgefezgebung beftimmt wird. 

Art. 96. Die Mitglieder des Bundesgerichtes und die Erfazmänner werden von der 
Bundesoerfammlung gemäblt. Ihre Amtsdauer ift drei Jahre. Nah der Geſammt— 
ernenerung des Nationalrathes findet auch eine Gefanımternenerung des Bundesgerichtes ftatt. 

Die in der Zwifchenzeit lediq gewordenen Stellen werden bei der nächſtfolgenden 
Sizung der Bundesverſammlung für den Reſt der Amtsdauer wieder befezt. 

Art. 97. In das Bundesgericht kann jeder Schweizerbürger ernannt werden, der in 
den Nationalrath wählbar ift. 

Die Mitglieder des Bundesrathes und die von ihm gewählten Beamten fünnen nicht 
zugleih Mitglieder des Bundesgerichtes fein. 

Art. 98, Der Präfident und der Vicepräfident des Bundesgeridhtes werden von der 
Bundesverſammlung aus den Mitgliedern desfelben je anf ein Jahr gewählt. 

Art. 99. Die Mitglieder des Bırndesgerichtes werden aus der Bundescaffe durch 
Taggelder entichäbdiat. 

Art. 100. Tas Bundesgericht beftellt feine Kanzlei. 

Art. 101. Das Bundesgericht urtheilt als Civilgericht: 


1. über Streitigkeiten, welche nicht ſtaatsrechtlicher Natur find: 
a) zwifchen Kantonen unter ſich; 
b) zwifchen dem Bund und einem Kanton; 

2. über Streitigkeiten zwifchen dem Bund einerfeits und Corporationen oder Privaten 
anderfeits, wenn diefe Eorporationen oder Privaten Kläger find und der Streitgegenftand 
von einem beträchtlichen durd die Bundesgefezgebung zu beftimmenden Werthe ift; 

3. über Streitigkeiten in Bezug auf Heimatlofigfeit. 

In den unter Nr. 1, lit. a. und b., bezeichneten Fällen gefchieht die Ueberweiſuug 
an das Bundesgericht dur den Bundesrath. Wenn diefer die Frage, ob ein Gegenftand 
vor das Bundesgericht geböre, verneinend beantwortet, jo enticheidet hierüber die Bundes- 
verfammlung. 

Art. 102. Das Bundesgericht ift verpflichtet, auch die Beurtheilung anderer Fälle 
zu Übernehmen, wenn dasfelbe von beiden Parteien angerufen wird und der Streitgegen« 
fand von einem beträchtlichen, durch die Bundesgefezgebung feftzufezenden Werthe ift. 
Dabei fallen jedoch die Koften ausschliehlih auf Rechnung der Parteien. 

Art. 103. Die Mitwirkung des Bundesgerichtes bei Beurtheilung von Straffällen 
wird durch die Bundesgeſezgebung beftimmt, welche über Berfezung in Auflagezuftand, 
itber Bildung des Aififen- und Kaffationsgerichts das Nähere feftfezen wird. 

Art. 104. Das Affifengeriht, mit Zuziebung von Geſchwornen, melche über die 
Thatfrage abſprechen, urteilt: 

a. in Fällen, wo von einer Bundesbehörde die von ihr ernannten Beamten zur ftraf- 
rechtlichen Beurtheilung überwiefen werben; 

b. über Fälle von Hocverrath gegen die Eidgenoffenfchaft, von Aufruhr und Ge— 
waltthat gegen die Bundesbehörden; 

e. über Berbrehen umd Bergeben gegen das Völlerrecht; 

d. über politifche Verbrechen und Vergeben, die Urfache oder Folge derjenigen Un— 
ruben find, durch welche eine bewaffnete eidgenöſſiſche Antervention veranlaßt worden ift. 

Der Bundesverfanmlung fteht das Recht zu, binfichtlich folder Verbrechen und Ber- 
gehen Amneftie oder Begnadiqung auszufprecen. 

Art. 105. Das Bundesgericht urtheilt im Fernern über Verlezung der durch die 
Bundesverfaffung garantirten Rechte, wenn hierauf bezügliche Klagen von der Bundes- 
berfammlung an dasfelbe gewiefen werden. 

Art. 106. Es bleibt der Bundesgefezgebung überlaffen, außer ben in den Art. 101, 
104 und 105 bezeichneten Gegenftänden auch noch andere Fälle in die Competenz des 
Bundesgerichtes zu legen. 

Art. 107. Die Bundesgefezgebung wird das Nähere beftimmen: 

a. iiber Aufftellung eines Staatsanmaltes; 

b. ilber die Verbrechen und Vergeben, welche in die Competenz des Bundesgerichtes 

fallen, und über die Strafgefeze, welche anzuwenden find; ’ 
. über das Verfahren, welches mündlich und öffentlich fein fol; 
d. über die Gerichtsfoften. 


[<) 


V. Verſchiedene Befimmungen. 


Art. 108. Alles, was ſich auf den Siz der Bundesbehörden bezieht, iſt Gegenſtand 
der Bundesgeſezgebung. 

Art. 109. Die drei Hauptſprachen der Schweiz, die deutſche, franzöſiſche und italieniſche, 
find Nationalfpraden des Bundes, 

Art. 110, Die Beamten der Eidgenoffenihaft find für ihre Gefchäftsführung ver- 
antwortlich. Ein Bundesgefez wird diefe Verantwortlichkeit näher beftimmen, 





539 


Dritter Abſchnitt. 
Revifion der Bundesverfafjung. 


Art. 111. Die Bundesverfaffung kann jederzeit vevidirt werben. 

Art. 112. Die Revifion geichiceht auf dem Wege der Bundesgefezgebung. 

Art. 113. Wenn eine Abtheilung der Bundesverfammlung die Revifion beichließt 
und die andere nicht zuftimmt, oder wenn finfzigtaufend ftimmberechtigte Schweizerbürger 
die Revifion der Bundesverfaffung verlangen, jo muß im einen wie im andern Falle die 
Frage, ob eine Revifion ftattfinden foll oder nicht, dem fchweizerifchen Volle zur Abftum- 
mung vorgelegt werden. 

Sofern in einem diefer Fälle die Mehrheit der ſtimmenden Schweizerbürger ſich be: 
jabend ausfpricht, fo find beide Räthe neu zu wählen, um die Mevifion zur Hand zu 
nehmen. 

Art. 114. Die repidirte Bundesverfaſſung tritt in Kraft, wenn fie von der Mehrheit 
der ftimmberedhtigten Schweizerbürger uud von der Mehrheit der Kantone angenommen ift. 


235. Beſchluß der Tagfakung betreffend die Annahme der neuen 
Bundesverfaſſung. 12. Herbfimonat 1848. 


Nepertorium der Abfchiede II. 783. 


ie eivgenöffiihe Tagfazung, nah Prüfung der Verbal— 
procefje und der übrigen Acten, welche in Betreff der Abſtimmung 

uüber die Bundesverfaffung der jchweizerifchen Eidgenoffenichaft, wie 
biejelbe aus den Berathungen der Tagjazung vom 15. Mat bis und mit 
dem 27. Brachmonat 1848 hervorging, aus fänmtlichen Kantonen an den 
Vorort eingefandt worden find; 

Erwägend . . . . daß aus der vorgenommenen genauen Prüfung ſämmt— 
licher Verbalproceſſe über die in allen Kantonen ſtattgehabte Abſtimmung 
hervorgeht, es ſei die in Frage liegende Bundesverfaſſung der ſchweizeriſchen 
Eidgenoſſenſchaft von fünfzehn ganzen Kantonen und einem halben 
Kanton, welche zuſammen eine Bevölkerung von 1,897,887 Seelen, alſo die 
überwiegende Mehrheit der ſchweizeriſchen Bevölkerung und der Kantone, re— 
präjentiren ', angenommen worden, ..... 








! Aus dem Kommiffionalberiht an die Tagſatzung gebt folgendes Nähere über die 
Abftimmung hervor: 


Im Kanton Zürich nahmen an 25,119; verwarfen 2517 Stimmen. 
fr ra ern J „ 10,972 * 3357 J 
Luzern A „ 15,890 11,121 
— J Solothurn „4,599 „ 2834 „ 

” [23 Bajel abt [1 " 1,364 ” 186 [23 


beſchließt: 

Art. 1. Die Bundesverfaſſung der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft, wie 
ſolche aus den Berathungen der Tagſazung .... hervorgegangen und ... 
in ſämmtlichen Kantonen der Abſtimmung unterſtellt worden iſt, iſt anmit 
feierlich angenommen und wird als Grundgeſez der ſchweizeriſchen Eidgenoſſen— 
ſchaft erflärt. 

Art. 3. Die Tagjazung wird die zur Einführung der Bundesverfaſſung 
erforderlichen Beſtimmungen fofort von ſich aus treffen. 

Alfo gegeben in Bern, den zwölften Herbitmonat des Jahres achtzehn 
hundert vierzig und act. 


236. Die Eröffnung der fchweizerifchen Bundesverfammlung. 
6. Movember 1848. 


Neue Zircher Zeitung vom 9. November 1848. 


BP ern, 6. November. Noch jelten mag wohl unfre ernjthafte, alte 
ähringerſtadt ein jo fetliches Anjehen gehabt haben wie heute. 

Schon am frühen Morgen wedte Kanonendonner die Einwohner 
ı Schlafe, und von da entjtand reges Veben auf den Gaffen und in 
den Häufern. Um 9 Uhr rief der majeftätiiche Ton der Gloden vom Münfter: 
thurme und demjenigen der jogenannten franzöfiichen Kirche herab die Mit- 
glieder des National: und Ständerathes je nach ihren verjchiedenen Konfejfionen 





Im Kanton Bafelland nahmen au 3,669; verwarfen 431 Stimmen. 


»„  » Schaffhaufen „ „ 4,273 or 8 
" * t. Gallen „ 16,893 „ 8072 R 
‚»  Margau i „ 20,699 . Bi 5 

} Thurgau 5 ‚ 13,384 , 20 — 
Waadt P „ 15,535 3,535 a 

‚» Neuenburg , 5,481 ; 04  „ 


die Bırndesverfaflung „im Namen des freiburgiichen Volkes und als Kepräfentant deilelben“ 
an. Iun Graubünden ergaben fich bei der Abjtimmung nach Gemeinden 54 dafiir und 
12 Ztimmen dagegen. 

Schwyz verwarf mit 3454 gegen 1168, Zug mit 1780 gegen 808, und Wallis 
mit A171 gegen 2704 Stimmen. In Uri verwarf die Pandsgemeinde „mit großer Mebr- 
beit”, desgleihen die Yandsgemeinden von Nid- und Obwalden, fowie von Appen- 
zelt J.Kh. Am Teſſin ſprachen ſich 21 Kreife gegen und 11 Kreife nur bedingt für 
die Annabme aus. Die 6, verwerfenden Kantone repräfentirten eine Bevölferung von 
22,371 Seelen, 








541 


zum feierlichen Gottesdienfte in die beiden genannten Kirchen. Die Predigt 
die ung nur etwas zu lang fchien, mochte nahe an 2 Stunden gedauert haben, 
ald nach deren Beendigung die beiden hohen Behörden jich bei dem Rathhauſe 
wieder zufammenfanden, das troß feiner vielhundertjährigen Banfälligfeit recht 
feſtlich aufgeſchmückt ausſah. Unter Kanonendonner und den Geläute aller Glucken 
jegte der Zug fich jodann von da aus durch Die reich mit Fahnen, Inſchriften ıc. 
verzierten Gaſſen nad den Situngslofafen der beiden Körperichaften hin. Bor 
dem Ständerathhauje, dem ehemaligen Situngslofal der Tagjatung, begrüften 
die uniformirten Knaben des Waifenhaufes den von der Stadtmufif und dem 
Studentenforps in Waffen begleiteten impofanten Zug mit den militärifchen 
Ehrenbezeugungen, Trommelwirbel, Präjentiren der Gewehre und Senfen der 
Fahne. Hier jonderten die beiden Behörden fi ab; der Ständerath be- 
309g das Lokal der Behörde, mit welcher er eine gewiſſe Aehnlichfeit von 
frühern Zeiten her behalten haben mag, und der Nationalrath begab ſich 
in die freundlichen, mit Geſchmack, wenn auch einfach deforirten Räume des 
großen Saales des Cafino, vor dejfen Pforte das ſchmucke Knaben-Kadetten— 
forp& der ſogenannten grünen Schule, en haies aufgeftellt, ihn empfing. 
Nachdem die Deputirten Plat genommen, begrüßte der Alterspräfident Herr 
alt Yandammann Sidler von Zürich die Berfammlung mit der nachfolgenden 
herzlichen und mit tiefer Gemüthsbewegung angehörten Anrede: 

„Dochgeehrte Herren Nationalräthe! Wenn irgend etwas in meinen Veben 
geeignet war, mir Herz und Geift zu erheben, jo ift e$ der gegenwärtige Mo— 
ment, beim Anblick diefer hohen Verſammlung, die ich als Alterspräfident zu 
präfidiren die Ehre habe. Ja jeien Sie mir aus tief bewegter Brujt als 
jchweizerifche Nationalräthe gegrüßt — gegrüft als Volfsmänner, die durd) 
Namen, durch Gefinnung, durch Kenntniffe, durch vaterländiiche Wirkſamkeit, 
durch unmittelbare Wahl von Seite des Volfes, durch die Beſtimmungen der 
Bundesverfaffung zunächit berufen find, die ſchweizeriſche Bevölferung in ihrer 
Geſammtheit, in ihrer neuen engern Verbindung, in ihrer nationalen Einheit 
zu vertreten. 

„Unfer heißgeliebtes Vaterland, das mehr als bisanhin unſer gemeinfames 
Vaterland geworden ift, hatte in der neueſten Zeit eine harte Prüfung zu 
beſtehen; es mar von Innen und von Außen bedroht, es jollte in feinem 
Entwillungsgange, in feinen lebensfrifchen, naturgemäßen Strebungen nad) 
Fortſchritt und Vervollkommnung gelähmt, gehindert werden. So vielfach es 
aber zu Erzielung eines ſolchen Stillſtandes — ja ſelbſt Rückgangszuſtandes 
angefeindet und gefährdet wurde, jo ging es dennoch jiegreih aus Sturm 
und Krifis hervor; dasielbe unterlag nicht nur nicht, es erhob, erneuerte, 
verjüngte ſich. Wir dürfen jeine Wiedergeburt, feine Auferftehung, jeinen 
Oftertag feiern. 

„Die erfolgte Neugejtaltung unjeres jtaatlichen Grundgeſetzes jteht als 


Er — 9 
l 


542 


ein äuferft wichtiges Ereigniß da, als ein Ereignif, das weit folgereicher 
werden wird, al$ man es auf den einen erften Blick überjieht. Ein großer 
Zeitabjchnitt der Schweizergeihichte ift dadurch abgejchlofjen, ein neuer, em 
wejentlich neuer beginnt. Die Jahrhunderte dur bis zur gegemmwärtigen 
Verjaffung mit geringem Unterbruch gedauerte Epoche beinahe unbejchräntter 
Kantonsjouveränität liegt hinter uns, die frei aus dem Willen der großen 
Mehrheit der ſchweizeriſchen Bevölkerung hervorgegangene Epoche größerer 
Zentralität, mehrerer Gleichförmigfeit und Uebereinftimmung in freifinnigen 
Grundlagen, fejterer Verbindung der einzelnen Theile zu einem organijchen 
Ganzen, näherer Verbrüderung aller Schweizer zu einem Volfe nimmt ihren 
Anfang. — — — — 

„Die Schweiz war vielleicht nie, nach Innen und Außen zugleich in einer 
günſtigeren Lage als dermalen. Den auswärtigen Staaten gegenüber befinden 
wir uns in vollfommener Unabhängigkeit. Gekrönte Häupter, durch Revo— 
lutionen verſchwunden oder erſchüttert, und mit ihren Völkern im Kampfe, 
haben aufgehört, unſere Selbſtkonſtituirung zu überwachen. Es gibt für fie 
in den eigenen Yändern genug zu thun. Bezüglich der innern Yage des Vater- 
landes berechtigt die neue Bundesverfafjung zu zuverläßigen Hoffnungen. 
Schon dadurd, daß fie, frei von fremder Einmiſchung, rein von ung aus- 
gegangen, und unmittelbar vom Wolfe jelbft angenommen wurde, erhält fie 
einen entjchiedenen Werth und verjenft ihre Wurzel tief in jchweizeriichen Boden. 

Ich will hier der mannigfachen Vorzüge, die jelbe gegenüber dem Bundes- 
vertrag von 1815 bietet, nicht umftändlich erwähnen... Einiges laffe ich 
indefjen nicht gerne unberührt. Ich laffe nicht gerne unberührt, daß für die 
Zukunft feine Militärfapitulationen der Kantone mit dem Auslande 
abgeichlofjen werden fünnen, So verjchwindet doch einmal das Aergerniß, daß 
Schweizer den Fürſten zu Unterdrüdung ihrer Völker Hülfe leiſten! Ich 
laſſe nicht gerne unberührt, daß das Militärwejen gröftentbeils, das 
das Zollweien, das Poftwejen, das Münzmwejen, dag Map: umd 
Gewihtwejen gänzlich zentralifirt find. Ich laſſe nicht gerne unberührt, 
daß die Preffreibeit, das Vereinsrecht, das Petitionsredht, das 
Recht der freien Niederlafjung gemwährleiftet erfcheinen. Ich laſſe nicht 
gern unberührt, daß die freie Ausübung des Gottesdienjtes dem aner- 
fannten chriftlichen Stonfejfionen auf dem ganzen Gebiete der Eidgenofienichaft 
zugejtanden wird. Freilich würde die Erweiterung diejes Nechtes auf noch 
andere Konfeſſionen dem Zeitfortichritt und einer erleuchteten Auffaffung lirch— 
licher Anftitutionen angemejjen gewejen fein; denn in das Heiligthum der 
religiöjen lLleberzeugung und in das Dandeln nach derjelben joll der Staat, 
infofern die allgemein anerfannten Geſetze des Nechtes und der Moral nicht 
verlegt werden, nicht eingreifen. Ich lafje nicht gern unberührt, daß das 
Recht der Wiederabänderung der gegenwärtigen Berfajjung 


543 


auf erleichtertem, gejetlihem Wege, nach dem Willen der Mehrheit des 
Schweizervolfs förmlich anerkannt ift. Diejes Recht gelte uns als das aller: 
wichtigfte, durch dasjelbe kann die nationale Entwidlung der Schweiz mit 
dem Fortſchritt der Zeit ſtets im Einklang erhalten werden. Erſt durch diejes 
Recht ift das Schweizervolf ganz unverkümmert in fein Konftituirungsrecht ein- 
gejett und frei und würdevoll bingeftellt auf die dem einzelnen Menjchen, 
wie den Staaten und der geſammten Menfchheit angewiejene Bahn fortge- 
ſetzter Vervolllommnung. Hierüber jpreche ich den lauten “yubel meines Herzens 
aus und, ich weiß, ich täufche mich nicht, wenn ich vorausſetze, es werde 
dieſer Jubel bei Ihnen, wie bei der großen Mehrheit der jchweizerijchen Be: 
völferung lebhaften, freudigen Wiederhall finden. 

„Daß bei der Nevifionsarbeit oft jichtbar das weniger Gute dem Befjern 
vorgezogen wurde, gereicht dem Werk nicht zum Vorwurf. Kein Billiger, 
Keiner, der weiß, wie jchwer joldhe Dinge zu Stande fommen, wird es ta- 
deln, daß, um nicht das Ganze zu gefährden, der Nothwendigfeit einer Ber: 
einigung die erforderliche Nechnung getragen worden. Das Gewonnene iſt 
übrigens feine ſchwächliche Halbheit, es iſt ein mächtiger Schritt vorwärts, 
ein bedeutſam weiterer Schritt vorwärts, als der Revijionsentwurf von 1832; 
die Bundesverfajfung trägt offenbar das Gepräg einer vorgerüdten jtaatlichen 
Organijation in der Nichtung nach mehr Einheit und mehr Nationalität. 
Wer hätte wohl vor einem Jahr eine Verfafjungsverbefjerung in jolchem 
Maße erwarten dürfen? Wo man es mit dem Willen der Menjichen und 
den Dingen der Wirklichkeit zu thun hat, können Umgeſtaltungen jelten einem 
ichnelten, hohen Gedanfenflug folgen. Mag man für jhöne und große Ideen 
noch jo ſehr erglühen, man darf jie im praftiichen Yeben nur als jtermum- 
glänzte Zielpunfte betrachten, glücklich, wenn e3 einem gelingt, ſich in ihrer 
Richtung zu bewegen, überglüdlich, wenn man jich ihnen einigermaßen wahr- 
nehmbar nähern kann. Der Revifionsarbeit konnte unter unſern Verhältnifjen 
fein anderer Standpunkt, als der Standpunft der Transaktion, der Verſöhnung 
und Ausgleihung verjchiedener Intereſſen angewiejen jein. Es durfte jich nicht 
darım handeln, das möglichjt Vollkommene nad) Ideen zu entwerfen ; hingegen 
war nothwendig, das zu erforichen, zu erfennen und zu formuliren, was den 
vorhandenen Begriffen und Bebürfniffen der meiften Kantone und der Mehrheit 
des Schweizervolfes entiprehend war. Und diejer Zwed wurde, wie es die 
Abftimmung über die Annahme der Bundesverfajjung erwahrt hat, auf jehr 
befriedigende Weije erreicht. Danf, warmer Danf der Einfiht, dem praftijchen 
Verftand und der gegeneitigen, verjühnlichen Nachgiebigfeit der verehrten 
Männer, denen die Bundesrevifion zunächſt oblag! Ihre Namen werden 
auf den Blättern der Schweizergeichichte nicht erlöſchen! ...... Der 
Alterspräfident erklärt die Sigung des jchweizerijchen Nationalrathes für 
eröffnet." — — — — 


544 


Abends ſchwamm die Stadt in einem wahren Lichtmeer. Auch fein ein- 
ziges Haus war zurücdgeblieben, und die alte ernjthafte Zähringerftadt jchien 
in einen einzigen folofjalen Zauberpalaft umgewandelt zu fein. Bejonders 
glänzend war die Beleuchtung des Kaſino, auf welchem felbjt die Dachkanten 
mit taufenden von Yichtern gejchmüct waren, und diejenige der Kuppel des 
Münfterthurmes, auf welcher ein folofjales Flammenfreuz in wundervollen 
Glanze ftrablte. 


237. König Friedrich Wilhelm IV. an die Neuenburger Royaliften. 
5. April 1848. 


Hottinger, Neuenburg ın feinen Rechtsverhältnifien zur Schweiz und zu Preußen. 
Arhiv für Schweiz. Geſch. IX. 80. 


Neuenburger. Die in euerm Vaterlande vorgefallenen Ereignisse 
haben mich innig betrübt; mit Rührung aber erfuhr ich die edle 
Charakterfestigkeit aller derjenigen, die ihrem Eide unentwegt getreu 
geblieben sind. Ich bezeuge diesen loyalen Männern, deren Treue nichts 
erschüttern konnte und die Europa das schöne Beispiel der Heilighaltung 
des Eides und bürgerlicher Tugenden gegeben haben, meine Achtung. 

Mein einziges und angelegentliches Streben, wie dasjenige meiner 
königlichen Vorgänger ging dahin, euer Land, über dessen Schicksale 
zu wachen die Vorsehung mir aufgetragen hat, glücklich zu machen. 
Ich liebe das neuenburgische Volk, es hat meine aufrichtige Zuneigung: 
allein die gegenwärtigen Zustände Europa’s treten für den Augenblick 
der Betätigung des Wohlwollens, das ich für dasselbe empfinde, hemmend 
entgegen. 

Die Eide, womit sie mir verbunden sind, haben meine getreuen 
Untertanen verhindert, an den Angelegenheiten ihres Vaterlandes unter 
einer Oberbehörde, die sie nicht als legitim betrachten können, teil zu 
nehmen. Dieser Entschluss ist ein ehrenvoller Beweis der Treue, womit 
sie mir zugetan sind. Ich billige daher vollkommen ihr Verfahren. Nichts- 
destoweniger glaube ich im Interesse ihres Vaterlandes, so gut wie 
in ihrem eigenen, sie durch das gegenwärtige Schreiben bevollmäch- 
tigen zu sollen, nur ihre eigene Stellung und das Wohl des Landes 
zu berücksichtigen, ohne durch die Bande, die zwischen mir und 
ihnen bestehen, sich hindern zu lassen. Das lebhafte Interesse, das ich 
an ihrem Vaterlande nehme, und meine Zuneigung zu ihnen sind die 
einzigen Gründe dieser Erklärung. 

Ich werde Kommissarien ernennen und bevollmächtigen, um mit der 
eidgenössischen Bundesbehörde in Unterhandlung zu treten und sie dahin 
zu instruiren, Hand bieten zu allem, was beitragen kann zum Wohle 
eines Landes, dessen Los stets der Gegenstand meiner aufrichtigen 
Teilnahme sein wird. 





238. Bismardk über die Menenburger Frage. 
Aus Boihinger, Preußen im Bundestag ILL. 60 fi. 


Frankfurt, 26. Dezember 1856. Es ift jeltiam genug, daß unſer 
deutſcher Bundesgenoffe Ofterreich, der jelbft jo viel über die Schweiz zu 
flagen hat, der einzige Staat ift, der Anftrengungen macht, uns wider unſern 
Willen zurüdzubalten, und die deutfchen Cabinette gegen uns einzunehmen. 
Unter meinen Collegen findet diejes Verhalten eine ziemlich ungetheilte Miß— 
bilfigung ; die meiften, und wie es jcheint, auch ihre Negierungen, fajfen die 
Frage nachgerade weniger aus dem Neuenburger Standpuntte auf, als aus 
dem einer Erefution gegen den übermuth der Schweizer Demokratie. Die 
und am meiften befreumdeten jagen, daR fie es in unjerem Intereſſe beflagen 
würden, wenn wir jet noch die Gelegenheit verlieren jollten, eine glänzende 
Rolle durchzuführen, und dadurch wieder eine angejehene Stelle im Europätjchen 
Mathe einzunehmen. Wenn jest die Schweiz auf unjer Begehren einfach 
einginge, die Gefangenen freiließe, und wir demnächſt auf Neuenburg ver: 
zichteten, jo werde die Schweiz die Yadıer auf ihrer Zeite haben. Gerade 
die preußiſch Gefinnten umter den biefigen Diplomaten mahnen mit Ungednld, 
dag wir Ernjt machen follen, und hören mit Bejorguiß von der Vertagung 
unjerer Mobilmachung auf den 10., dann auf den 15. und auf den 25. Ja— 
nuar. Sch halte ihnen entgegen, daß wir vor dem März nicht operiren 
fönnten, und daß jeder Tag, den wir unnöthig unter Waffen zubringen, ung 
100,000 Thaler tofte. 

Für das Verhalten Öfterreihs gibt man folgende Erklärung: Das 
Hauptmotiv fei die Eiferjucht gegen uns, das Gefühl, in zweiter Yinie zu 
jtehen, während Preußen jeine Macht entfalte, und nähere Beziehungen zu 
Süddeutſchland und zu Frankreich dabei begründe. Dieſem Übeljtande und 
demjenigen, daß Frankreich vielleicht Genf! bejegt, dadurch zu begegnen, 
daß auch ſterreich in Teſſin oder Graubündten Poſition nehme, 
werde man durch Geldmangel abgehalten. Letzterer ſei wiederum aufs Äußerſte 
geſtiegen, weil die den Gemeinden der ganzen Monarchie zwangsweiſe auf— 
erlegten Antheile an der Nationalanleihe von den Gemeinden und Privaten 
wegen Mangels an baarem Gelde nicht realiſirt werden könnten. Man ſei 


Vrgl. dazu die mündliche Außerung Bismarcks bei Buſch, Graf Bismarck und 
feine Pente II. 47: „In Paris war Napoleon ſehr nett und liebenswürdig. Zwar in 
den Wirnfch des Königs, durch Elſaß und Yothringen marſchiren zu dürfen, könnte er 
nicht willigen, da das im ‚zranfreich zu wiel Aufregung bervorenfen würde. Zonft aber 
billigte er das Unternehmen volllommen. Es lönnte ibm nur lieb fein, wenn das 
Neft von Demofraten ausgenommen würde“. 

Oeehsli, Quellenbuch. 35 


n46 


deshalb genöthigt, an eine neue Anleihe im regelmäßigen Wege zu denfen umd 
Bruck |der öfterreichifche Finanzminifter] habe auf das Entſchiedenſte dagegen 
protejtirt, „dan auch nur Ein öfterreichiiches Bataillon gerührt werde, weif 
jonft die Nationalanleihe auf 60 heruntergeben werde, die Gemeinden alſo 
noch weniger im Stande wären, ihre Zeichnungen vderjelben zu verfilbern, 
und eine neue Anleihe dann auch nicht höher angebracht werden könne“. 
Paris, 24. Aprit 1857. Poſchinger Seite 91]. — — Ich erlaube 
mir, vorbehaltlid) fernerer Berichterftattung, über meinen Aufenthalt in Paris 
einjtweilen auf dasjenige zurückzukommen, was mir in Betreff der Neuen: 
burger Angelegenheit von den Mitgliedern der dortigen Gonferenz ! gejagt 
worden ift, namentlich in den legten Tagen vom Grafen Walemwsfi [dem 
franzöfiihen Mlinifter der auswärtigen Angelegenheiten] und dem General 
Kiſſeleff [dem rujfischen Botjchafter in Paris]. Letzterer gab mir ver: 
traulich einige Details über die Discuffionen, welde ohne Theilnahme 
Preußens umd der Schweiz zwifchen den Vertretern der übrigen vier Groß— 
mächte jtattgefunden hatten. Er jagte, daß er jelbft, feinen Inſtruktionen und 
jeinen perjönlichen Sympatbien entſprechend, die Ddiesjeitigen Auffaffungen 
jederzeit als der legte vertreten habe, die Oppofition dagegen jei ſtets von 
England ausgegangen, obſchon er jich jelbit von Yord Cowleys [des 
englischen Bevollmächtigten] wiederholten Bemühungen, jeine Inſtruktionen im 
Sinne unjerer Bedingungen modificirt zu ſehen, habe überzeugen können. 
Die nächjte Unterftügung habe der engliihe Widerſpruch regelmäßig bei 
Öfterreich gefunden. Graf Walewsti habe bei jedem Puukte den Verſuch 
gemacht, dem Engliſchen Widerjpruch Terrain abzugewinnen, im Ganzen und 
jchließlih habe er jein Verhalten dem Bedürfniffe untergeordnet, die Be— 
ziehungen Frankreichs zu England nicht zu compromittiren. Graf Walewski 
jelbft jagte mir über diefen Punkt, als ich ihn das legte Mal ſah, daß es 
mutzlos jei, Forderungen an die Schweiz zu jtellen, gegen welche die letstere 
einer entjchiedenen Unterſtützung Englands ſicher jei; denn in der Schweiz 
jei man überzeugt, dak England e8 zu Zwangsmahregeln gegen die Eid- 
genoffenjchaft nicht werde fommen laffen, und daß feine der übrigen Mächte 
um diejer Frage willen es zum Bruch mit England treiben werde. — -- 


' Am 5. März 1857 begammen in Paris unter dem Borfig des Grafen Walsh 
die Verhandlungen der Vertreter der Großmächte über die Regulirung der Neuenburger 
Angelegenbeit. 


547 


239. Vertrag betreffend Erledigung der Heuenburger Angelegenheit. 
Paris, 26. Mai 1857. 


Amntlihe Sammlung der YBundesgefege und Berorduungen V. S. MJ fi. 


hre Majejtäten der Kaifervon Oeſterreich, der Kaifer 

von Frankreich, die Königin des vereinigten König- 
E reeichs von Großbritannien und Jrland, der Kaifer 
aller Neußen, 

von dem Wunjche bejeelt, den allgemeinen Frieden vor Störung zu be- 
wahren und zu diefem Ende die internationale Stellung des Fürftenthums 
Neuenburg und der Grafichaft Balengin mit den Forderungen der Ruhe 
Europa’s in Einklang zu bringen, haben, 

nachdem Seine Majeftät der König von Preußen, Fürſt von 
Neuenburg und Graf von Valengin, jeine Abficht kundgegeben hat, zu oben 
erwähntem Zwele den Wünſchen Seiner Alliirten entgegenzufommen, vie 
ſchweizeriſche Eidgenoſſenſchaft eingeladen, fi) mit den vorgenannten: 
Majeftäten über die geeignetften Beſtimmungen zur Erreichung diejes Zwekes 
zu verjtändigen. 

Dem zufolge jind Ihre genannten Majeftäten und die jchweizeriiche Eid- 
genofjenfchaft dahin übereingefommen, einen Vertrag abzujchließen, und haben 
zu Ihren Bevollmächtigten ernannt [Folgen die Namen der Bevollmächtigten], 
welche, nad) vorheriger Meittheilung ihrer, im gehöriger Ausfertigung befun- 
denen VBollmachten, über folgende Artitel übereingefommen find: 

Art. 1. Se. Majeftät der König von Preußen willigt ein, auf ewige 
Zeiten für fich, feine Erben und Nachfolger auf die Souveränetätsrechte zu 
verzichten, welche ihm der Art. 23 des am 9. Juni 1815 im Wien abge: 
ichlojfenen Vertrags auf das Fürſtenthum Neuenburg und die Graffchaft 
VBalengin einräumt. 

Art, 2. Der Staat Neuenburg, fortan ſich jelbft augehörend, fährt fort, 
ein Glied der fchweizerijchen Eidgenofjenjchaft zu bilden, mit den gleichen Rechten 
wie die übrigen Kantone, und gemäß dem Art. 75 des obgedadhten Vertrags. 

Art. 3. Der jchweizerifchen Eidgenoſſenſchaft bleiben alle Koften zur 
Yajt, welche ihr durch die Ereigniffe im September 1856 verurfacht worden 
jind. Der Kanton Neuenburg kann nur wie jeder andere Kanton, und nad) 
Verhältniß jeines Gefdfontingentes angehalten werden, zur Dekung derjelben 
beizutragen, 

Art. 5. Für alle politiichen und militärtichen Verbrechen und Vergeben, 
welche zu den lezten Ereigniffen in Beziehung jtehen, wird volle und gänzliche 
Anmmejtie ertheilt, und zwar zu Gunften aller Neuenburger, Schweizer oder 
Fremden; und namentlich auch zu Gunften der Milizen, welche jich durch 





48 


Entfernung ins Ausland der Waffenpflicht entzogen haben. Eine kriminelle oder 
forreftionelle Klage, eine Klage auf Schadenerjaz kann weder durch den Kanton 
Neuenburg, noch durch irgend eine Korporation oder Perfon gegen diejenigen 
angehoben werden, weldye unmittelbar oder mittelbar an den September: 
Ereigniſſen theilgenommen haben. Die Ammejtie joll ſich gleichfalls auf alle 
politiichen umd Preßvergehen erjtreden, welche vor den Scptember-Ereigniffen 
jtattgefunden haben, — — 


238. Die Bundesverfaffung vom 29. Mai 1874. 


Abgedrudt nach dem Bundesgeſez betreffend die Nevifton der Bundesverfaflung vom 
31. Januar 1874. 


Erſter Abſchnitt. 


Allgemeine Beſtimmungen. 


Anfang, Art. 1-11 find unverändert, wie in der Verfaſſung von 1848.) 

[Bei Art. 12 iſt hinzugefügt]: Im jchweizeriichen Heere dürfen weder Orden getragen, 
noch von auswärtigen Negierungen verlichene Titel geltend gemacht werden, 

Das Annehmen folder Auszeichnungen ift allen Offizieren, Unteroffizieren und Zol 
daten unterſagt. 

(Art. 13—17 unverändert, nur ift in Art. 16 das Zitat (Art. 90) xc. zu erſetzen durch 
Art. 102, Ziff. 3, 10 und 11]. 

Art. 18. Feder Schweizer iſt wehrpflichtig. 

Wehrmänner, welche in Folge des eidgenöffiihen Mititärdienftes ihr Leben verlieren 
oder dauernden Schaden an ihrer Gefundheit erleiden, haben für fih oder ihre Familien 
im Falle des Bedürfniſſes Anſpruch auf Unterjtüzung des Bundes. 

Die Wehrmänner follen ihre erſte Ausrüftung, Belleidung und Bewaffnung unent- 
geltlich erhalten. Die Waffe bleibt unter den durch die Bımdesgefezgebung aufzuitellenden 
Bedingungen in den Händen des Wehrmannes, 

Der Bund wird über den Mitlitärpflichterfaz einheitliche Beftimmungen aufſiellen. 

Art. 19. Das Bundesheer beiteht: 

a. aus den Truppenkörpern der Kantone; 

b. aus allen Schweizern, welche zwar nicht zu diefen Truppenkörpern gebören, aber 

nichts defto weniger mulitärpflichtig find, 

Die Verfügung über das Bundesheer mit Jnbegriff des gefezlih dazu gebörigen 
Kriegsmaterials ftebt der Eidgenoffenfchaft zır. 

In Zeiten der Gefahr hat der Bund das ausschließliche und unmittelbare Berfiigungs- 
recht auch über die nicht im das Bundesheer eingetheilte Mannſchaft und alle übrigen 
Streitmittel der Kantone. 

Die Kantone verfügen über die Wehrkraft ihres Gebietes, ſoweit fie micht Durch ver- 
faſſungsmäßige oder gqefezlihe Anordnungen des Bundes beichräntt find. 

Art. 20, Die Gefezgebung über das Heerweien ift Sache des Bundes. Die Aus- 
führımg der bezüglichen Gefeze in den Kantonen geicbiebt, innerhalb der durch die Bundes— 
geſezgebung fetzufezenden Grenzen und unter Anfficht des Bundes, durch die fantonalen 
Bebörden. 





549 


Der geſammte Militärunterricht und ebenfo die Bewafſnung it Sache des Bundes. 

Die Beihaffung der Befleidung und Ausrüſtung und die Sorge für deren Unterhalt 
it Sache der Kantone; die daherigen Koften werden jedoch den Kantonen vom Bunde 
nad einer von ihm aufzuftellenden Norm vergütet. 

Art. 21. So weit nicht militärifche Gründe entgegenftchen, follen die Truppenlörper 
aus der Mannschaft desielben Kantons gebildet werden. 

Die Zufammenfezung diefer Truppenlörper, die Fürlorge für die Erhaltung ibres 
Beſtandes und die Ernennung und Beförderung ihrer Offiziere ift, unter Beachtung der 
durch den Bund aufzuftellenden allgemeinen Vorſchriften, Zache der Kantone. 

Art. 22, Der Bund hat das Hecht, die in den Kantonen vorhandenen Waffenpläze 
und die zu militäriichen Zweken beitimmten Gebäude ſammt Zubehörden gegen billige 
Entihädiqung zur Benuzung oder als Eigentbum zu übernehmen. 

Tie Normen für die daherige Entihädiqung werben durch die Bundesgefezgebung 
geregelt. j 

[|Art. 23 gleih alt Art. 21.] 

Art. 24. Der Bund hat das Recht der Oberaufficht über die Wafferbau- und Forft- 
polizei im Hochgebirge. 

Es wird die Korvektion und Berbauung der Wildwaffer, jowie die Aufforftung ibrer 
Duellengebiete unterftüzen und die nötbigen fchüzenden Beſtimmungen zur Erhaltung dieſer 
Werke md der Schon vorhandenen Waldungen aufftellen. 

Art. 25. Der Bund ift befugt, gefezliche Beſtimmuugen über die Ausübung der 
Fiſcherei und Jagd, namentlich zur Erhaltung des Hochwildes, fowie zum Schuze der 
für die Land- und Forftwirtbichaft nüzlichen Bögel zu treffen. 

Art. 26. Die Gefezgebung über den Bau und Betrieb der Eifenbahnen ift Buudesſache. 

Art. 27. Der Bund ift befugt, außer der beftehenden polytechniihen Schule, cine 
Univerfität und andere böbere Unterrichtsanftalten zu errichten oder ſolche Anftalten zu 
unterſtüzen. 

Die Kantone ſorgen für genügenden Primarunterricht, welcher ausſchließlich unter 
ſtaatlicher Leitung ſtehen ſoll. Derſelbe iſt obligatoriſch und in den öffentlichen Schulen 
unentgeltlich. 

Die öffentlichen Schulen follen von den Angehörigen aller Betenntniffe ohne Beet: 
trächtigung ihrer Glaubens⸗ und Gewiſſensfreiheit beincht werden können. 

Gegen Kantone, welche diefen Berpflichtungen nicht nachlommen, wird der Bund die 
nöthigen Berfügungen treffen, 

Art. 28. Das Zollweſen ift Zache des Bundes. Derfelbe hat das Recht, Ei und 
Ausfuhrzölle zu erheben, 

Art. 29. Ber Erhebung ver Zölle follen folgende Grundſäze beachtet werden: 

1) Eingangsgebübren : 

a. Die für die inländifche Induſtrie und Yandwirtbichaft erforderlichen Stoffe 
find im Bolltarife möglichit gering zu taxiren. 

b. Ebenfo die zum mötbigen Pebensbedarf erforderlichen Gegenſtände. 

€. Die Gegenftände des Yurus unterliegen den höchſten Taxen. 

Diele Grundſäze find, wenn nicht zwingende Gründe entgegenftehen, auch bei Ab: 
ſchliegung von Handelsverträgen mit dem Anslande zu befolgen. 

2) Die Ausgangsgebühren find möglichft mäßig feftzuiezen. 

3) Durch Die Bollgefezgebung find zur Zicherung des Wrenz und Marktvcrtehrs 
geeignete Beftimmmmgen zu treffen. 

Tem Bunde bieibt immerhin das Hecht vorbehalten, ter außerordentlichen Um— 


550 


ftänden, unter Abweichung von vorftehenden Beftimmungen, vorübergehend befondere Maß: 
nahmen zu treffen. 

Art. 30. Ter Ertrag der Zölle fällt in die Bundeskaſſe. 

Die * Kantonen bisher bezahlten Entſchädigungen für die losgekauften Zölle, Weg 
und Brülengelder, Kaufhaus⸗ und audern Gebühren dieſer Art fallen weg. 

Ausnahmsweiſe erhalten die Kantone Uri, Graubünden, Teſſin und Wallis, mit Rül— 
ficht auf ihre internationalen Alpenftraßen, eine jährliche Entihädigung, welde, in Wür— 
digung aller Berhältniffe, feitgeftellt wird wie folgt: 


Fri... 0. Fr. 80,000 
„ Graubünden „. „200,000 
„ Icfn 2. 2 2 00u.200,000 


„ Wallis... u. 0,000 

Für Beſorgung des Schneebruches auf dem St. Gotthard erhalten die Kantone Urt 
und Teſſin eine jährliche Entihädigung von zufammen Franken 40,000 für jo lange, als 
die Straße Über den Bergpaß nicht Durch eine Eifenbahn erjezt fein wird. 

Art. 31. Die Freiheit des Handels und Der Gewerbe ift im ganzen Umfange der 
Eidgenofienichaft gemäbrleiftet, 

Vorbehalten find: 

a. Das Salz und Pulverregal, die eidgenöffiichen Zölle, die Eingangsgebühren von 
Bein und geiftigen Geträuken, fowie andere, vom Bunde ausdrüftih anerkannte 
Verbrauchsitenern, nah Maßgabe des Art. 32. 

b. Santtätspolizeilihe Maßregeln gegen Epidemien und Viehſeuchen. 

c. BVerfiigungen über Ausführung von Handel und Gewerben, über Beftenerung des 
Sewerbebetriches und iiber die Benuzung der Straßen, 

Diefe Berfügungen dürfen den Grundſaz der Handels: und Gewerbefreiheit ſelbſt 

nicht beeinträchtigen. ! 

Art. 32. Die Kantone find befugt, Die im Art. 31, litt. a erwähnten Eingangs: 
gebühren von Wein und andern geiftigen Getränken unter folgenden Beichränfungen zu 
erheben : 

a. Bei dem Bezug derfelben foll der Tranſit in keiner Weife beläftigt und der Ber- 

fehr überhaupt fo wenig als möglich gehemmt und mit feinen andern Gebühren 
belegt werden. 


ı Zeit der Volksabſtimmung vom 25. Oltober 1885 lautet Art. 31 folgendermaßen: 


Art, 31. Die Freiheit des Handels und der Gewerbe ift im ganzen Umfange ber 
Kidgenoffenichaft gewährleiſtet. 

Vorbehalten find: 

a. Das Zalz und Pulverregal, die eidgenöffischen Zölle, die Eingangsgebübren von 
Wein amd andern geiſtigen Getränfen , ſowie andere von Bunde ausdrücklich 
anerkannte Berbrauchsiteuern, nach Mahgabe des Art. 32, 

b. Die Fabrikation und der Berlanf gebrannter Waffer, nad 
Maßgabe des Art. 32 bis, 

ec. Das Wirtbihaftsweien und der Kleinhbandel mit geiftigen Ge» 
tränfen, in dem Sinne, daß die Kantoneauf dem Wege der Se 
ſetzgebung Die Ausübung des Wirtbihaftsgewerbes und des 
Kleinhbandels mit geiftigen Getränken den durch das öffentlide 
Wohl geforderten Befhräntungen unterwerfen fünnen. 

d. Zamitätspolizeitihe Mafregeln gegen Epidemien und Bichfeichen. 

e. Berfügnugen Über Ausübung von Handel und Sewerben, über Beltenerung des 
Gewerbebetriebes und über die Benugung der Straßen. Tiefe Verfügungen dürfen 
den Grundſatz der Handels- und Gewerbefreibeit ſelbſt nicht beeinträchtigen, 


551 


b. Werden die fiir den Gebrauch eingeführten Gegenſtände wieder aus dem Kanten 
ausgeführt, fo find die bezahlten Eingangsgebühren ohne weitere Beläftigung 
zuriifzuerftatten, 

e. Die Erzengniffe ſchweizeriſchen Urfprungs find mit niedrigen Gebühren zu be 
legen als diejenigen des Auslandes, 

d. Eingangsgebühren auf Wein und amdern geiftigen Getränken fchweizeriichen Ur 
jprungs dürfen da, wo folche ſchon beftehen, nicht erhöht, und in Kantonen, welche 
noch feine beziehen, micht eingeführt werden. 

e. Die Gefeze und Verordnungen der Kautone über den Bezug der Eingangsgebühren 
find der Bundesbehörde vor Vollziehung derfelben zur Gutheißung vorzulegen, 
damit die Nichtbeachtung vorfiehender Grundſäze verhindert werden fan, 


Mit Ablauf des Jahres 1890 ſollen alle Eingangsgebühren, melde dermalen von 
den Kantonen erhoben werden, ſowie ähnliche von einzelnen Gemeinden bezogene Gebühren 
ohne Entſchädigung dahinfallen. ! 

Art. 33. Den Kantenen bleibt es anheimgeftellt, die Ausübung der wiſſenſchaft— 
lichen Berufsarten von einem Ausweile der Befähigung abhängig zu machen, 

Auf dem Wege der Bundesgeſezgebung ift dafliv zu forgen, daß derartige Ausweiſe 
für die ganze Eidgenoffenfchaft gültig erworben werben können, 

Art. 34. Der Bund iſt befugt, einheitliche Beitimmmmgen über die Verwendung von 
Kindern in den Fabrilen und über die Dauer der Arbeit erwachlener Perſonen in den; 
ſelben aufzuſtellen. Ebenſo it er berechtigt, Borichriften zum Schuze der Arbeiter gegen 
einen, die Geſundheit und Sicherheit gefährdenden Gewerbebetrieb zu erlaffen, 


! Dur die am 28. Oftober 1885 angenommene Reviſion ift zwiichen Art. 32 und 33 
ein neuer Art. 32 bis eingefiigt worden: 

Art. 32 bis, Der Bund iſt befugt, im Wege der Sefeggebung Bor: 
Schriften über die Fabrikation und den Verkauf gebrannter Waſſer zu 
erlaffen. Bei dieſer Geſetzgebung folten diejenigen Erzeugniffe, welche 
entweder ausgeführt werden oder eine den Genuß ausſchließende Zu- 
bereitung erfabren baben, feiner Befteuerung unterworfen werde, 
Das Brennen von Wein, Obſt und deren Abfällen, von Enzianwurzeln, 
Wachbholderbeeren und äbnlihen Stoffen fällt betreffend die Fabri— 
fation und Beftenerung nicht unter Die Bundesgeſetzgebung. 

Nah dem Wegfall der in Artilel 32 der Bundesverfaffung er» 
wähnten Eingangsgebübren auf geiftigen Getränfen kann der Handel 
mit foldben, welche nicht gebrannt find, von den Kantonen feinen be- 
fondern Steuern unterworfen werden, noch andern Befhränfungen 
als denjenigen, welde zum Schutze vor gefälichten oder gefundbeits- 
fhädlihen Getränken notbwendig find. Jedoch bleiben hiebei in Be— 
tresf des Betrichs von Wirtbfchaften und des Kleinverlaufs von Quan— 
titäten unter zwei Yiter Die den Kantonen mach Artifet 31 zuftebenden 
Kompetenzen vorbebalten. 

Die aus der Beftenerung des Berfaufs gebrannter Waller erzielten 
Reineiunabmen verbleiben den Kantonen, in welden fie zum Bezug 
gelangen. 

Die Reineinnabmen des Bundes aus der inländifhen Fabrikation 
und ans dem entiprehbenden Zollzufchlag auf eingeführte gebrannte 
Waſſer werden unter die fämmtlihen Nantone nah Berbältniß der 
Durch die jeweilige legte eidgenöſſiſche Bollszäblung ermittelten fat 
tiihen Bevölterung vertbeilt. Bon den daherigen Einnahmen haben 
die Kantone wenigftens 10 %, zur Belämpfung des Alkoholismus im 
feinen Urfaden und Wirfungen zu verwenden, 


Der Geichäftsbetrieb von Auswandernngsagenturen und von Privatunternehmungen 
im Gebiete des Verſicherungsweſens unterliegt der Anfficht und Geſezgebung des Bundes. 

Art. 35. Die Errichtung von Spielbanfen ift unterſagt. Die zur Zeit beftebenden 
Zpielbäufer müfen am 31. Dezember 1877 gejchloffen werden, 

Allfällig jeit dem Anfange des Jahres 1871 ertheilte oder erneuerte Konzeffionen 
werden als ungültig erflärt. 

Der Bund kann auch in Beziehung auf die Yotterien geeignete Maßnahmen treffen. 

Art. 36. Das Poſt- und Telegrapbenweien im ganzen Umfange der Eidgenoſſenſchaft 
it Bundesſache. 

Der Ertrag der Poft- und Telegraphenverwaltung fällt in die eidgenöſſiſche Kaſſe. 

Die Tarife werden im ganzen Gebiete der Eidgenoffenfchaft nach den gleichen, mög: 
fichit billigen Grundſäzen beftimmt. 

Die Unverlezlichteit des Boft- und Telegraphengeheimnifies ift gewäbrleiftet. 

Art. 37. Der Bund übt die Oberauffiht über die Straßen und Brüfen, au deren 
Erhaltung die Eidgenofienfchaft ein Intereſſe hat. 

Die Zummen, welche dem im Art. 30 bezeichneten Kantonen mit Rükſicht auf ihre 
internationalen Alpenftraßen zufommen, werden von der Bundesbebörde zurüfbebalten, 
wenn diefe Straßen von den betreffenden Kantonen nicht in gebörigem Buftande unter: 
halten werden, 

Art. 38. Dem Bunde fteht Die Ausübung aller im Münzregale begriffenen Rechte zu- 

Die Münzprägung geht einzig vom Bunde aus, 

Er beitimmt den Münzfnß und erläßt allfällige Borfchriften über die Tarifirung 
fremder Münzſorten. 

Art. 39. Der Bund iſt befugt, im Wege der Gefezgebung allgemeine Vorſchriften 
iiber die Ausgabe und die Einlöfung von Banknoten zu erlaffen, 

Er darf jedoch keinerlei Monopol für die Ausgabe aufftellen und ebenfo keine Nechts- 
verbindlichkeit fiir die Annahme derielben ausiprechen. 

Art. 40, Die Feitlezung von Map und Gewicht ift Bundesſache. 

Tie Ausführung dev bezüglichen Geſeze geſchieht durch die Kantone unter Aufſicht 
des Bundes. 

Art. 41. Fabrilation und Berfauf des Schießpulvers im Umfange der Eidgenoffen: 
ſchaft ſtehen ausichlieglich dem Bunde zır. 

AS Schießpulver nicht brauchbare Sprengfabrifate find im Regal nicht inbegriffen. 

Art. 42. Die Ansgaben des Bundes werden beftritten: 

a. ans dem Ertrag des Bundesvermögens; 

b. aus dem Ertrag der ſchweizeriſchen Grenzzölle; 

e. aus dem Ertrag der Poft- und Telegrapbenvermwaltung ; 

d. aus dem Ertrag der Bulververwaltung ; 

e. aus der Hälfte des Brutto Ertrages der von den Kantonen bezogenen Militär: 

pflichterſazſteuern; 

f. aus den Beiträgen Der Kantone, deren nähere Regulirung, vorzugsweiſe nad) 

Maßgabe der Steuerfraft derjelben, der Bundesgeſezgebung vorbehalten ift. 

Art. 43. Jeder Kantonsbürger iſt Schweizerbürger. 

Als ſolcher kann er bei allen eidgenöſſiſchen Wahlen und Abftimmungen an feinem 
Wohnfize Antheit nehmen, nachdem er fich iiber feine Stimmberedhtigung gehörig aus— 
gewieſen bat. 

Nemand darf in mehr als einem Nanton politiſche Rechte ausüben. 

Der niedergelaffene Schweizerbürger genicht an feinem Wohnfize alle Mechte der 
Kantonsbürger und mit Dielen auch alle Nechte der Gemeindsbürger. Der Mitantheil an 


553 


Bürger- und Korporationsgütern, ſowie das Stimmrecht in rein bürgerlichen Angelegen- 
beiten find jedoch hievon ausgenommen, 68 wäre denn, daß die Nantonalgefezgebung etwas 
Anderes beftimmen würde. 

In kantonalen und Gemeindeangelegenbeiten erwirbt er das Stimmrecht nach einer 
Niederlaffung von drei Monaten. 

Die kantonalen Gefeze über die Niederlaffung und das Stimmrecht der Niedergelaffenen 
in den Gemeinden unterliegen der Genehmigung des Bundesrathes. 

Art. 44. Nein Nanten darf einen Rantonsbürger ans feinem Gebiete verbannen 
(verweilen) oder ihn des Bilrgerrechtes verluſtig erflären. 

Die Bedingungen für die Ertheilung des Bürgerrechts au Ausländer, ſowie diejenigen, 
unter welchen ein Schweizer zum Zwele der Erwerbung eines ausländiichen Bürgerrechts 
auf fein Bürgerrecht verzichten lann, werden durch die Bundesgeſezgebung geordnet. 

Art. 45. Jeder Schweizer bat das Recht, ſich innerhalb des fehmweizeriichen Gebietes 
an jedem Orte niederzulaffen, wenn ev einen Heimatichein oder eine andere gleichbedeutende 
Ausmweisichrift befizt. 

Ausnahmsweiſe kann Die Niederlaffung denjenigen, welche in Folge eines ftrafgericht- 
tichen Urtheils nicht im Beſize der bürgerlichen Nechte und Ehren find, verweigert 
oder entzogen werden, 

Weiterhin kaun die Niederlaffung denjenigen entzogen werden, welde wegen 
ſchwerer Vergehen wiederholt gerichtlich beftraft worden find, ſowie denjenigen, welche 
dauernd der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Yaft fallen und deren Heimatgemeinde, be 
ziehungsweiſe Heimatlanten, eine angemeſſene Unterftüzung troz amtlicher Aufforderung 
nicht gewährt. 

In Kantonen, wo die örtliche Armenpflege beftebt, darf die Geſtattung der Nieder: 
lafjung fir Rantonsangebörige au die Bedingung gefmüpft werden, daß diefelben arbeits: 
fähig und au ihrem bisherigen Wohnorte im Heimatfanton nicht bereits in dauernder 
Weiſe der öffentlichen Wobltbätigfeit zur Yaft gefallen feien. 

Jede Ausweilung wegen Berarmung muß von Zeite der Hegierung des Nieder: 
laffungsfantons genehmigt und der beimatlichen Regiernng zum voraus angezeigt werden. 

Der niedergelaffene Schweizerbürger darf von Zeite des die Niederlaſſung geftattenden 
Kantons mit feiner Bilvgichaft und mit feinen andern befondern Yaften behufs der Nieder: 
lafjung belegt werden. Ebenſo darf die Gemeinde, im welcher er feinen Wohnfiz nimmt, 
ihm nicht anders befteuern als den Ortsbürger. 

Ein Bundesgefez wird das Maximum der fiir die Niederlaflungsberwilligung zu ent- 
richtenden Kanzleigebübr beftimmen. 

Art. 46. In Beziehung auf die zivilrechtlichen Verhältuiſſe ftehen die Niedergelaffenen 
in der Regel unter dem Rechte und der Geſezgebung des Wohnfizes, 

Die Bundesgeſezgebung wird über die Anwendung dieſes Grundſazes, ſowie gegen 
Doppelbeftenrung die erforderlichen Beltimmmugen treffen, 

Art. 47. Ein Bundesgeſez wird den Unterfchied zwiſchen Niederlaffung und Aufent: 
halt beftimmen und dabei gleichzeitig über die politischen umd bürgerlichen Rechte der 
ſchweizeriſchen Aufentbalter die nähern Vorſchriften aufitellen, 

Art. 48, Ein Bundesgeſez wird über die Koſten der Verpflegung und Beerdigung 
armer Angeböriger eines Kantons, welche in einem andern Kanton frank werden oder 
fterben, die nöthigen Beſtimmungen treffen. 

Art. 49. Die Slanbens- und Gewiſſensfreiheit iſt unverlezlich. 

Niemand darf zur Theilnahme an einer Religionsgenoffenichaft, oder an einem re 
ligiöfen Unterricht, oder zur Vornahme einer veligiöfen Handlung gezwungen, oder wegen 
Glaubensanſichten mit Strafen irgend weicher Art belegt werden, 


554 


Ueber die veligiöfe Erziehung der Kinder bis zum erfüllten 16. Altersjahr verfügt ım 
Sinne vorfiehender Grundſäze der Inhaber der väterlichen oder vormundfchaftlichen Gewalt. 

Die Ausübung bürgerlicher oder politifcher Rechte darf durch keinerlei Rorfchriften 
oder Bedingungen firchlicher oder veligiöfer Natur beichränft werden. 

Die Hlaubensanfichten entbinden nicht von der Erfüllung der bürgerlichen Pflichten. 

Niemand ift gehalten, Steuern zu bezahlen, welche Speziell für eigentliche Kultuszwele 
einer Religionsgenofienfchaft, der er nicht angehört, anferlegt werden, Die näbere Aus- 
führung diefes Grundſazes ift der Bundesgeſezgebung vorbehalten. 

Art. 90. Die freie Ausübung gottesdienftliher Handlungen ift innerhalb den 
Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung gewährleiſtet. 

Den Kantonen fowie dem Bunde bleibt vorbebalten, zur Handhabung der öffent 
fihen Ordnung und des Friedens unter dein Angehörigen der verichiedenen Religions 
genoffenfchaften, ſowie gegen Eingriffe kirchlicher Behörden in die Nechte der Bürger und 
des Staates die geeigneten Maßnahmen zu treffen. 

Anftände ans dem öffentlichen oder Privatrechte, welche iiber die Bildung oder Tren- 
nung von Religionsgenoflenichaften entfiehen, können auf dem Wege der Beichmwerdeführung 
der Entfcheidung der zuftändigen Bundesbehörden unterftellt werden, 

Die Errihtung von Bisthiimern auf fchweizerifchem Gebiete unterliegt der Ge: 
nehmigung des Bundes. 

Art. 51. Der Orden der Jehniten und die ihm affiliirten Geſellſchaften dürfen in 
feinem Theil der Schweiz Aufnahme finden, und es ift ihren Gtiedern jede Wirkfamfeit 
in Kirche und Schule unteriagt. 

Diefes Verbot kann durch Bundesbeſchluß auch auf andere geiftlihe Orden ausgedehnt 
werden, deren Wirkſamkeit ftaatsgefährlich ift oder den Frieden der Konfeffionen ftört. 

Art. 52. Die Errichtung neuer und die Wiederherftellung aufgebobener Klöfter oder 
religiöfer Orden ift unzuläßig. 

Art. 53. Die Feftftellung und Benrkundung des Civilſtandes ift Sache der bürger— 
lihen Behörden, Die Bundesgefezgebung wird bierüber die nähern Beftimmungen treffen, 

Die Verfügung über die Begräbnißpläze fteht den, bürgerlichen Behörden zu. Die 
haben dafür zu jorgen, daß jeder Verftorbene fchiklich beerdigt werden kam. 

Art. 54. Das Recht zur Ehe ftebt umter dem Schuze des Bundes. 

Dieſes Recht darf weder aus kirchlichen oder ökonomiſchen Rükſichten, noch wegen 
bisherigen Berbaltens oder aus andern polizeilichen Gründen beichräntt werben. 

Die in einem Kantone oder im Auslande nach der dort geltenden Gefezgebung ab- 
geichloffene Ehe Toll im Gebiete der Eidgenoflenichaft ald Ehe anerfannt werden, 

Durch den Abſchluß der Ehe erwirbt die Fran das Heimatrecht des Mannes. 

Durch die nachfolgende Ehe der Eltern werden vorchelich geborne Kinder derfelben 
legitimirt. 

Jede Erhebung von Brauteinzugsgebühren oder andern ähnlichen Abgaben iſt unzuläßig. 

Art. 59—57 gleich alt Art. 45—17.] 

Art. 58. Niemand darf feinem verfaffungsmäßigen Nichter entzogen, und es dürfen 
daher feine Ausuahmsgerichte eingeführt werden, 

Die geiftliche Gerichtsbarleit iſt abgeſchafft. 

Art. 59. Der aufrechtſtehende Schuldner, welcher in der Schweiz einen ſeſten Wohnſiz 
bat, muß für perſönliche Anſprachen vor dem Richter feines Wohnortes geſucht, und es 
darf Daher für Forderungen auf das Vermögen eines ſolchen außer dem Kanton, in 
welchen er wohnt, fein Arreſt gelegt werden. 

Borbebalten bfeiben mit Bezug auf Ausländer die Beſtimmungen bezüglicher Staats: 
verträge. 


Der Schuldverhaft ift abgeichafft. 

[Art. 60—63 gleih alt Art. 48, 49, 51, 52.] 

Art. 64. Dem Bunde fteht die Sefezgebung zur: 

über die perfönliche Handlungsfäbigfeit, 

über alle anf den Handel und Mobiliarverfchr bezüglichen Rechtsverhältniſſe (Obtt- 
gationenrecht, mit Inbegriff Des Handels- und Wechſelrechts), 

über das Urheberrecht an Werfen der Yiteratur und Kunſt, 

über das Betreibungsverfahren und das Konkursrecht. 

Die Nechtiprechung felbit verbleibt den Kantonen, mit Vorbehalt der dem Bundes» 
gericht eingeräumten Kompetenzen. 

Art. 65. Die Todesftrafe iſt abgeſchafft. 

Die Beitimmungen des Mitttärftrafgefezes bleiben jedoch in Nriegszeiten vorbehalten. 

Körperliche Strafen find unterfagt. ! 

Art. 66. Die Bundesgeſezgebung beftimmt die Schranken, innerhalb welcher ein 
Schweizerbürger feiner politiſchen Rechte verluftig erllärt werden lann. 

Art, 67. Die Bundesgeſezgebung trifft die erforderlichen Beftimmungen über die 
Austieferung der Augellagten von einem Kanton an den andern; die Auslieferung lann 
jedoch für politiiche Vergeben und fir Preßvergeben nicht verbindlich gemacht werden. 

[Art, 68 gleich alt Art. 56.) 

Art. 69, Dem Bunde fteht die Sefezgebung über Die gegen gemeingefährliche Epi- 
demien und Viehſeuchen zu treffenden gefundbeitspolizeilichen Verfügungen zu. 

[Art. 70 gleich alt Art. 57.] 


Zweiter Abſchnitt. 
Bundesbehörden. 


I. Sundesverfanmlung. 


Art. 71. Unter Borbehalt der Nechte des Volkes und der Kantone (Art. 89 und 121) 
wird die oberfte Gewalt des Bundes durch die Bırndesverfammlung ausgeübt, welche aus 
zwei Abtheilungen bejteht : 

A, aus dem Nationafratb; 
B. aus dem Ständerath. 


A. Noationalrath. 

(Art. 72 und 73 gleich alt Art. 61 und 62.] 

Art, 74. Ztimmberechtigt bei Wablen und Abftimmmumgen ift jeder Schweizer, der 
das 20. Altersjabr zurifgelegt bat und im Uebrigen nach der Geſezgebung des Kantons, 
in welchem er feinen Wohnſiz bat, nicht vom Allivbürgerrechte ausgeſchloſſen ift. 

Es bleibt jedoch; der Gefezgebung des Bundes vorbehalten, über diefe Stimmberechtigung 
einheitliche Borichriften aufzuſtellen. 

Art. 75. Wahlfähig als Mitglied des Nationalrathes ift jeder ſtimmberechtigte 
Schweizerbürger weltlichen Standes, 

(Art. 76—79 gleich alt Art. 65—68.) 


Art. 69 Tantet im Folge der am 18, Mai 1879 angenommenen Revifion jetst 
folgendermaßen: 

Wegen politiſcher Vergehen darf kein Todesurtheil gefällt werden. 

Körperliche Strafen find nuterſagt. 


B. Ständerath. 


Art. SO—83 gleich alt Art. 69-72. Bloß tft in Art. 82 der Ausdrud „Geſandte“ 
des alten Art. TI erſetzt durch „Abgeordnete“, 


C. Beingniffe der Bnmdesverfammlung. 

[Art. 84 gleich alt Art. 73.] 

Art. 5. Die Gegenftände, welche in den Geſchäftskreis beider Räthe fallen, find 
insbeſondere folgende: 

1) Befeze über die Organiſation und Die Wablart der Bundesbehörden. 

2) Befeze und Beſchlüſſe über Diejenigen Gegenftände, zu deren Negelung der Bund 
nad Maßgabe der Bundesverfaflung befugt it. 

3) Beſoldung und Entſchädigung der Dlitglieder der Bundesbehörden und der Bundes— 
lanzlei; Errichtung bleibender Beamtungen und Beftimmung ihrer Gehalte, 

4) Wahl des Bundesratbes, des Bundesgerichtes, des Kanzler, ſowie Des Generals 
der eidgenöffiichen Armee. . 

Der Bundesgefezgebung bleibt vorbehalten, auch die Vornahme oder Beſtätigung 
weiterer Wablen der Bundesverſammlung zu übertragen. 

5) Bünduiſſe und Verträge mit dem Auslande, fomwie die Gutheißung von Verträgen 
der Kantone unter fih oder mit dem Auslande. Solche Verträge der Kantone gelangen 
iedoch nur damı an die Bundesverfammlung, wenn vom Bundesrath oder einem andern 
Kanton Einſprache erhoben wird. 

6) Mafregeln für die äußere Sicherheit, für Behauptung der Unabhängigkeit und 
Neutralität der Schweiz, Kriegserllärungen und Friedensichlüffe. 

7) Garantie der Berfaſſungen und des Gebietes dev Kantone; Intervention in Folge 
der Garantie; Mafregeln für die innere Zicherheit, für Handhabung von Ruhe und 
Ordnung; Amneſtie und Begnadigung. 

8) Maßregeln, welche die Handhabung der Bundesverfaſſung, Die Garantie ber 
Kantonalverfafiungen, die Erfüllung der bundesmäßigen Verpflichtungen zum Zwele haben. 

M Berfüigungen über das Bundesheer. 

10) Aufſtellung des jährlichen Voranſchlages und Abnabme der Ztaatsrehnung, To 
wie Beichlüffe über Aufnabme von Anlehen. 

11) Die Oberanfficht iiber die eidgenöffiihe Berwaltung und Rechtspflege. 

12) Beichwerden gegen Enticheidungen des Bundesrathes über Apminiftrativftveitig: 
feiten (Art. 113). 

13) Rompetenzitreitigfeiten zwiichen Bundesbehörden. 

14) Revifion der Bundesverfaffung. 

Art. 86 und 87 gleich alt Art. 75 und 76.) 

Art. 88. Im Nationalvath und Ständeratb enticheidet die abjolute Mehrheit der 
Ztimmenden. 

Art. 89, Für Bundesgefeze und Bundesbeſchlüſſe ft die Zuſtimmung beider Rätbe 
erforderlich. 

Bırndesgefeze, ſowie allgemein verbindliche Bundesbeſchlüſſe, Die nicht dringlicher Natur 
find, follen überdies dem Rolle zur Annahme oder Berwerfung vorgelegt werden, wenn 
es von 30,000 ftimmbercchtigten Schweizerbürgern und von acht Rantonen verlangt wird. 

Art. WO, Die Buudesgeſezgebung wird bezüglich der Formen und Friſten der Volls 
abftimmumg das Erforderliche feititellen. 

Art. 91 gleich alt Art, 79.) 


557 


Art, 92, Jeder Rath verhandelt abgeſondert. Ber Wahlen (Art. 85, Ziffer 4), 
bei Ausübung des Begnadigungsrechtes und fiir Entſcheidung von Kompeteuzſtreitigleiten 
(Art. 85, Ziffer 13) vereinigen fich jedoch beide Räthe unter der Yeitung des Präfidenten 
des Nationatratbes zu einer gemeinichaftlichen Berhandlung, jo daß die abſolute Mehrheit 
der flimmenden Mitglieder beider Räthe enticheidet. 


[Art. 93 und 94 gleich alt Art. 81 und 82.) 


Il. Bundesrath. 


[Art. 95—101 gleih alt Art. 83—9.] 

(Art. 102 gleich alt Art. W} mit Ausnahme von Ziffer 1, 2, 6, T und 13, welche 
folgendermaßen lauten :] 

1) Er leitet die eidgenöfftichen Angelegenheiten, gemäß den Bırndesgefezen nnd 
Bundesbeſchlüſſen. 

2) Er hat für Beobachtung der Verfaſſung, der Geſeze und Beſchlüſſe des Bundes, ſo— 
wie der Vorſchriften eidgenöſſiſcher Konlordate zu wachen; er trifft zur Handhabung der— 
ſelben von ſich aus oder auf eingegangene Beſchwerde, ſoweit die Beurtheilung ſolcher Re— 
firrfe nicht nach Art. 113 dem Bundesgerichte übertragen iſt, die erforderlichen Verfügungen. 

6) Er hat diejenigen Wahlen zu treffen, welche nicht der Bundesverſammlung und 
dem Bırndesgerichte oder einer andern Behörde übertragen werden. 

7) Er prüft die Berträge der Nantone unter fih oder mit dem Anslande und ge 
nebmigt diefelben, ſoſern fte zuläßig find. (Art. 85, Ziffer 5.) 

13) Er prüft die Gefeze und Verordnungen der Kantone, welche feiner Genehmigung 
bedürfen; er überwacht diejenigen Zweige der Nantonalverwaltung, welche feiner Aufſicht 
unterftellt find. * 


JArt. 103 und 10gleich alt Art, 91 und 92,] 


III. Bundeskanzlei, 
(Art. 105 gleich alt Art. 93.] 


IV. Organifation und Befugniffe des Bundesgeridts. 


Art. 106. Zur Ausübung der Nechtspflege, ſoweit diefelbe in den Bereich des Bundes 
fällt, wird ein Bundesgericht aufgeitellt. 

Für Benrtbeilung von Straffällen (Art. 112} werden Schwurgerichte (Jury) gebildet. 

Art. 107. Die Mitglieder des Bırndesgerichts uud die Erfazmänner werden von der 
Bundesperlammlung gewählt. Bei der Wahl derfelben foll daranf Bedacht genommen 
werden, daß alle drei Nationalipradben vertreten ſeien. 

Tas Gefez beitimmt die Organifation des Bundesgerichtes und feiner Abtheilungen, 
die Zahl der Mitglieder und Erſazmänner, deren Amtsdauer und Bejoldung. 

Art. 108, In das Bundesgericht lann jeder Schweizerbürger ernannt werden, ber 
in den Nationalrath wählbar tft. 

Die Mitglieder dev Bundesverſammlung und des Bundesrathes und die von dieſen 
Behörden gewäblten Beamten können nicht gleichzeitig Mitglieder des Bırndesgerichtes fein, 

Die Mitglieder des Burndesgerichtes dürfen feine andere Beamtung, ſei es im Tienfte 
der Eidgenoffenichaft, fer «8 in einem Nantone, befleiden, noch irgend einen andern Beruf 
oder Gewerbe treiben. 

(Art. 109 gleich alt 100,| 


558 


Art. 110. Das Bımdesgericht beurtbeilt zivilrechtliche Streitigkeiten: 

1) zwiichen dem Bunde uud den Kantonen; 

2) zwilchen dem Bunde einerfeits und Korporationen oder Privaten andererſeits, 
wenn der Streitgegenftand eine Durch die Bundesgeiezgebung zu beftimmende Be- 
deutung bat und wenn dieſe Norporationen oder Privaten Kläger find; 

3) zwiſchen den Kantonen unter fidh; 

4) zwiſchen den Kantonen einerfeitS und Norporationen oder Privaten andererjeits, 
wenn der Streitgegenftand von einer durch die Bundesgeſezgebung zu beitimmenden 
Bedentung ift und eine Partei es verlangt. 

Das Bundesgericht urtheilt ferner über Anftäude betreffend Heimatloſigkeit, ſowie 

ber Bürgerrechtsftreitigkeiten zwiſchen Gemeinden verjchiedener Nantone. 

Art. 111. Das Bımdesgericht ift verpflichtet, Die Beurtheilung auch anderer Fälle 
zu übernehmen, wenn dasielbe von beiden Parteien angerufen wird und der Streitgegen- 
ftand von einer dur die Bundesgeſezgebung zu bejtimmenden Bedeuting it. 

Art. 112. Das Bundesgericht urtbeilt mit Zuziebung von Geſchwornen, welche über 
die Thatfrage abiprechen, in Straffällen : 

1) über Hochverrath gegen die Eidgenofjenichaft, Aufruhr und Gewaltthat gegen die 

Bundesbehörden ; 

2) über Berbreden und Bergehen gegen das Völkerrecht ; 

3) über politiiche Verbrechen und Bergeben, die Urjache oder Folge derjenigen Un— 
ruhen find, durch welche eine bewafinete eidgenöffiihe Intervention verurfacht 
wird, md 

4) in Füllen, wo von einer Bundesbehörde die von ihr ernannten Beamten ibm 
zur ftrafrechtlichen Beurtheilung überwieſen werden. 

Art. 113. Das Bundesgericht urtheilt ferner: 

1) über Ntompetenzlonflitte zwiichen Bındesbebörden einerjeits und Nantonalbebörden 
anderfeits; 

2) über Streitigteiten ftaatsrechtliher Natur zwiichen Kantonen; 

3) über Beſchwerden betreffend Berlezung verfaflungsmäßiger Rechte der Bürger, fo- 
wie über folde von Privaten wegen Berlezung von Kontordaten und Staats- 
verträgen. 

Borbehalten find die Durch die Bundesgefezgebung näher feitzuftellenden Adminiſtrativ— 

ftreitigfeiten. 

In allen diefen Fällen find jedoch die von der Bundesverſammlung erlaffenen Geſeze 
und allgemein verbindlichen Beichlüffe, Sowie die von ibr genehmigten Staatsverträge für 
das Bundesgericht maßgebend. 

Art. 114. Es bleibt der Bundesgeſezgebung iüberlaffen, außer den in den Artikeln 
110, 112 und 113 bezeichneten Gegenſtäuden auch noch andere Fälle in die Kompetenz 
des Bundesgerichtes zu legen, insbefondere die Befugniffe feftzuftellen, welche ihm nad 
Erlaffung der im Art. 64 vorgefehenen eidgenöfftichen Geſeze behnfs einheitlicher An— 
wendung derjelben zu libertragen find. 


V. Verſchiedene Befimmungen. 


Art. 115—117 gleich alt Art. 108—110.) 


, 559 


Dritter Abſchnitt. 


Nevijion der Bundesverfafjung. 
Art. 118—120 glei alt Art. 111—113.] 

Art. 121. Die revidirte Bundesverfaſſung tritt in Kraft, wenn fie von der Mehrheit 
der an der Abſtimmung theilnebmenden Bürger und von der Mehrheit der Kantone an- 
genommen tft. 

Bei Ausmittlung der Mehrheit der Kantone wird die Stimme eines Halblantons 
als halbe Stimme gezäblt. 
Das Ergebniß der Volksabſtimmung in jedem Kantone gilt als Standesftimme desjelben. 


241. Anerkennungs- und Gewährleiltungsurkumde der immer- 
währenden Mentralität der Schweiz und der Unverleßbarkeit 
ihres Gebiets. 20. November 1815. 


Repertorium der Abſchiede IT. S. 812. 


Jachdem der Beitritt der Schweiz zu der in Wien am 20. März 
1815 von den Mächten, welche den Pariſer Vertrag unterzeichnet 
haben, ausgeftellten Erklärung, den Miniftern der kaiferlichen und 
töniglichen Höfe durch die Urkunde der jchweizeriichen Tagjazung vom 27. 
daranf folgenden Mai gehörig fund gemacht worden: jo jtand der Ausfertigung 
der Urkunde über die Anerkennung und Gewährleiſtung der immerwährenden 
Nentralität der Schweiz im ihren neuen Grenzen, jo wie dieje durch obige 
Erklärung beſtimmt find, nichts im Wege. Inzwiſchen haben die Mächte es 
für rathſam erachtet, die Unterzeichnung diefer Urkunde bis auf den heutigen 
Tag zu verjchieben, um die Veränderungen berüfjichtigen zu fünnen, welde 
die Nriegsereigniffe und die in Folge derfelben zu treffenden Anordnungen 
in den Grenzen der Schweiz hervorbringen, und die Modififationen, welche 
ebenfalls rüfjichtlich jener Verfügungen eintreten möchten, die das der Wohlthat 
der Neutralität der Eidgenoffenichaft theilhaft gemachte Yandesgebiet betreffen. 
Nachdem nun diefe Veränderungen durch die Beſtimmungen des Parifer- 
Vertrags vom heutigen Tag feitgefezt worden find, jo ertheilen die Mächte, 
welche die Wiener Erflärung vom 20. März unterzeichnet baben, durch die 
gegenwärtige Urfunde eine fürmliche und rechtsträftige Anerfennung der immer— 
währenden Neutralität der Schweiz, und jie gewährfeiften derjelben auch den 
unverlezten und unverlezbaren Bejtand ihres Gebietes in feinen neuen Grenzen, 
wie jolche theils durch die Urkunde des Wienercongrejfes theils durch den 
Parijervertrag vom heutigen Tage feſtgeſezt find, und wie fie es noch ferner jein 
werden, in Folge der Verfügungen des als Beilage auszugsweiſe mitfolgenden 
Protofoll8 vom 3. November, worin zu Gunſten der Eidgenoffenichaft ein 





560 


neuer Gebietszuwachs von Savoyen her für die Ausrundung und Öffnung 
des Gebiet des Kantons Genf zugefichert wird. 

Die Mächte anerkennen und gewährleiften gleihmäßig die Neutralität 
derjenigen Theile von Savoyen, welchen durch die Urkunde des Wiener- 
congrefjes vom 29. März 1815 und durch den Parijer-Bertrag vom heutigen 
Tage der Genuß der jchweizerifchen Neutralität auf gleiche Weife zugefichert 
wird, als wären jie Bejtandtheile dieſes Yandes. 

Die Mächte, welche die Erklärung vom 20, März unterzeichnet haben, 
anerfennen durch die gegenwärtige vechtsfräftige Urkunde, daß die Neutralität 
und Unverlezbarfeit der Schweiz, jo wie ihre Unabhängigkeit von jedem 
fremden Einfluß dem wahren Intereſſe aller europäischen Staaten entjpreche. 

Sie erflären, daß feinerlei den Nechten der Schweiz binfichtlich auf ihre 
Neutralität und die Unverlezbarkeit ihres Gebiets nachtheilige Folgerung auf 
diejenigen Ereigniſſe gegründet twerden könne moch jolle, weldye den Durch— 
marjch der alliirten Truppen über einen Theil des Schweizerbodens veranlaft 
haben. Diejer durch freie Zuſtimmung der Kantone in den Vertrag von 
20. Mai bewilligte Durchmarſch war eine natürliche Folge des offenen Bei- 
tritt3 der Schweiz zu den Grundſäzen, welche die Mächte in dem von ihnen 
unterzeichneten Bundesvertrag vom 25. März zu Tage gelegt hatten. 

Es anerkennen die Mächte mit Vergnügen, daß die Bewohner der Schweiz 
in jenem Zeitpunft der Prüfung bewiejen haben, daß fie für das gemeine 
Wohl und zu Unterftüzung einer Sache, für welde alle Mächte ſich zu 
gemeinfamer Anftrengung vereint hatten, große Opfer zu bringen wuhten, 
nnd daß die Schweiz denmach auch jene Vortheile zu erhalten verdient bat, 
die ihr theils die Verfügungen des Wienercongrejies, tbeils der Parijer- 
vertrag vom heutigen Tage und die gegenwärtige Urkunde zujichern , welder 
beizutreten alle europäiſchen Mächte jollen eingeladen werden. 

Zu Beträftigung des Objtehenden ward gegenwärtige Erklärung aus— 
geftellt und unterzeichnet zu Paris am 20. November des Gnadenjahrs 1815. 


Defterreid: Der Fürft von Metternid. 

Der Freiherr von Weſſenberg. 
Franfreid: Richelieu. 
Großbritannien: Caſtlereagh. 

Wellington. 
Portugal: Der Graf von Palmella. 

D. Joachim Lobo da Silveira. 
Preußen: Der Fürſt von Hardenberg. 

Der Freiherr von Humbold. 
Rußland: Der Fürſt von Raſumoffsky. 


Der Graf Capo d'Iſtria. 


ER > 


561 


Merbefferungen und Nachträge. 


Seite 44, Zeile 5 von oben ift zu lefen „zu Wintertur und darum“ jtatt „darin“. 

Seite 62, Titel ift zu lefen ed. 1644 ftatt 1610. 

Seite 106, Titel 3 ift zu leſen: Um 1476? ftatt 14707 

Seite 131, Titel 51 iſt zu leſen: 22. Juli 1443 ftatt 1433. 

Seite 159, Titel 62 ift zu leſen: 11. Juni 1474 flatt 1476, 

Seite 2362, Titel a ift wegzulaſſen ed. Struve. 

Seite 352 (Paufannervertrag) ift nad dem zweiten Abſatz hinzuzufügen: 

Zum vierzehnten ift angejehen, dag fein Teil jeine jegt zuge- 
jprodenen Städte, Feftungen, Yandeund Yeuteirgendandern 
Sürften, Herren, Städten, Yauden und Communen, wer aud) 
die jein möchten, weder Kaufs-, Taufhs-,nohirgend anderer 
Weife und Gejtalt übergeben jolle, alles damit ein Teil den andern 
fremder, ungelegener und bejchwerlicher Nachbarſchaft überhebe, und ein jeder 
derjelben entladen jein und bleiben möge. 

Zum fünfzehnten ift bedacht, daß beide Teile in diejen ihren anſtoßenden 
Yanden feine neuen Befeftigungen gegen einander bauen noch machen, 
dazu bei einer Meile Weges gegen die Grenzen und Anftögen feine Kriegs— 
ritftungen beſammeln noch halten jollen. — — — 


Oechsli, Quellenlsuch, 36 


IN 


14. 


jr 
15. 


16. 


Benutzte Quellen. 


.Die Geſchichten des Herodotos, überſetzt von F. Lange. 2. verb. Aufl, Breslau 


1824. 

Giſi, Quellenbuch zur Schweizergeſchichte. Eine Sammlung aller anf die 
hentige Schweiz bezüglichen Stellen der griechiſchen und römiſchen Autoren, Bd. I. 
Bern 1869. 

Gajns Julius Cäſars Memoiren über den galliſchen Krieg, deutſch von H. Köchly 
und W. Rüſtow. Stuttgart 1866. 

Cajus Cornelins Tacitus Werke, nen überſetzt von H. Gutmann. 2 Bde. 
Zürich 1847, 

Leben der Äbte Gallus und Otmarvon Sanktgallen, überſetzt von Dr. U. Votthaſt 
(die Geſchichtſchreiber der deutſchen Vorzeit, VIII. Jahrh. Bd. T) Berlin 1857. 


. G. v. Wyß, Geſchichte der Abtei Zürich (Mittheilungen der Autiquariſchen Geſell— 


ſchaft in Zürich, Bd. VIII.) Zürich 188118568. 


.Etkeharts IV, Casus Saneti Galli, überſetzt von G. Meyer v. Knonan Geſchicht— 


ſchreiber der deutſchen Vorzeit). Leipzig 1878. 


. Zcerleder, Urkunden für die Geſchichte der Stadt Bern und ihres frübeften Gebietes. 


3 Bde. Bern 1899-1851. 
Fontes Rerum Bernensium. Berns Geichichtsquellen. Bd. I. — ITI. Bern 1877 — 1882. 


. Grimm, Weisthümer. 5 Thle. Göttingen 18401866, 


Tas habsburg öftreihiihe Urbarbuch, berausgeg. v. F. Pfeiffer (Bibliothet des 
Piterar. Vereins in Stuttgart XIX. Ztuttgart 180. 

Aegidii Tschudii Chronicon Helvetienm, herausgeg. von J. N. Melin. 2 Bde. 
Baſel 1734 175. 


.Wartmann, die königlichen Freibriefe für Uri, Schwyz und Unterwalden von 1231 


bis 1316 im Archiv für Schweizeriſche Geſchichte, herausgeg. anf Veran 
ſtaltung der allgemeinen geſchichtforſchenden Geſellſchaft der Schweiz, Bd. XIII. 
Zürich 1802. 

Meyer, Geſchichte des Schweizeriſchen Bundesrechtes. 2 Bde. Winterthur 1876—1878. 
Amtliche Sammlung der ältern Eidgenöſſiſchen Abſchiede, herausgeg. 
auf Auordnung der Bundesbehörden, bearbeitet von G. Meyer von Knonan, A. Ph. 
Segeſſer, D. U. Fechter, J. K. Krütli, J. A. Pupilofer, J. Kaiſer, J. Etridler, 
J. Vogel, K. Deſchwanden, M. Kothing, J. B. Külin. 8 Bde. 1856— 1882 
Joannis Vitodurani Chronicon. Die Chronik des Minoriten Johannes von Winter— 
thur, herausgegeben durch G. v. Wyß im Archiv für ſchweiz. Geſchichte Bd. XI 
Zürich 1855. 

Die Chronik Fohannun's von Winterthur, ins Deutſche überſetzt von B. Freuler, 
heransgeg. vom Convent der Bürgerbibliothek von Winterthur. 1866. 

Die Berner-CEhronik des Conrad FJuſtinger. Nebſt vier Beilagen, herausgeg. 
von Dr. G. Stnder. Bern 1871. 

Malleoli, Felicis, vnlgoe hemmerlin. De Nobilitate et Rustieitate Dialogus. 
Ejnsdem de Switensimn ortu, nomine, confederatione. 151 Bl. kl. fol Ohne 
Tradert und Datum.) 


4. 


563 


. Saxonis Grammatici Historiae Danicae libri XVI, Stephanus Johannis Ste- 


phanius rec. Sorae 1644 {nicht 1610, wie irrtümlich Seite 62 fteht). 


. d. Lilieneron, die bifterifchen Volkslieder der Dentfchen vom 13. bis 16. Jahrhnudert. 


4 Bde. Leipzig 1865-69, 


2. Tobler, Schweizerische Volkstieder (Bibliothek älterer Schriftwerfe der deutſcheu Schweiz, 


heranusgeg. von Bächtold ımd Better, Bd. IV. und V.). Fraueufeld 1882—1894. 


. Die Chronik im weiſſen Buche zu Sarnen, veröffentlicht durch Staatsarchivar 


Meyer v. Knonan, im Geſchichtsfreund, Mittheilungen des hiſt. Vereins der 
fünf Orte Bd. XIII. Einfiedeln 1857. 


24. Die beiden älteſten deutſchen Jahrbücher der Stadt Zürich, beransgeg. von 


L. Ettmüller, in den Mittheilungen der autiquar, Geſellſchaft in Zürich, Bo. II. 
Zürich 1844. 


. Helvetifche Bibiiothef, beftchend im hiſtoriſchen, politifchen und critiſchen Bey— 


trägen zu den Geſchichten des Schweitzerlandes. 6 Stücke. Zürich 1735—1741. 


. Heinricus de Diessenhofen in den Fontes Rerum Germanicarum, Geſchichtsquellen 


Dentichlands, herausgeg. von J. F. Böhmer, Br. IV. Stuttgart 1808. 


. Gehrig, Die Wintelried-Frage (Beilage zum Nahresbericht über das Gymmaſium 


Burgdorf 1882/85). Burgdorf 1883. 


28. G. v. Wyß, Über eine Zürcherchronik aus dem 15. Jahrhundert und ihren Schlacht: 


bericht von Sempach. Zürich 1802, 


. Urkundenfammlung zur Gefchichte des Kantons Glarus, herausgeg. von Dr, 


J. Blumer. Bd. 1 und 2, Glarus (ohne Datum), 


. Die Hlingenberger Ehronif, wach der von Tichudi befeffenen und vier andern 


Handichriften, heransgeg. von Dr. Henne von Sargans. Gotha 1861, 


. Die Chronik des Hans Fründ, beransgeg. von Ch. X. Kimd. Chur 1875. 
. Anzeiger für jchmweizeriiche Gefchichte. Neue Folge. Bd. I. Bern 1870-1873, 
. Gerold Edlibachs Chromil, fopirt von Koh. Martin Uſteri, auf Beranjtaltung 


der antiquar. Geſellſchaft in Zürich dem Druck übergeben. Zürich 1847, 


. Die Schladt bei St. Jakob in den Berichten der Zeitgenoffen. Säcnlarſchrift 


der hiſtor. Gefellichaft zu Balel. Bafel 1844. 


Viſcher, Geichichte der Univerfität Bafel von der Gründung 1460 bis zur Reformation 


1529. Bajel 1860, 

Die Urkunden der Belagerung und Schladht von Murten, im Auftrage des 
Feſtcomites auf die vierte Säcularfeier gefammelt von G. F. Udfenbein. Frei— 
burg 1876. 


. Fragment historique de la Chronique des Chanoines de Nenchätel im 


Schmweizerifhen Geſchichtsforſcher, Bd. VIII. Bern 1831. 


. Etterlin, Kronica von der loblihen Eydtgnoſchaft, ihr harkomen nnd ſuſt feltzam 


ſtrittenn und gefchichten. Bafel 1507, 


. Depöches des ambassadeurs Milanais sur les campagnes de Charles-Le- 


Hardi. Publ. par F. de Gingins La Sarra. 2 tom. Paris-Genöve 1858. 


. Diebold Schillings Beichreibung der Burgundiſchen Kriegen. Bern 1743, 
. Füßli, Joh. Waldmann Ritter, Burgermeifter der Stadt Zürich. Zürich 1780, 
42. ‘Helvetia, Dentwirdigleiten für die XXII Freiſtaaten der ſchweiz. Eidgenofienfchaft, 


beransgeg. von J. A. Baltbafar. 5 Bor. Zürich u. Aarau 1823— 1830. 


3. Diebold Schillings des Lncerners Schweizer-Chronit. Lucern 1802. 
. Beichreibung des Waldnanniihen Auflauf von einem Beitgenoffen, mitgetheilt 


von M. v. Etürler, im Archiv für ſchweiz. Sefchichte. Bd. IX. Zürich 1859. 
Codex Diplomatieus. Sammlung der Urkunden zur Geſchichte Cur Nätiens uud 


564 


der Republik Branbiinden, bevansgeg. von Th. n. K. von Moor. 4 Bde. Eur 
15481864. 


;. Urkunden zur Berfaſſungsgeſchichte Graubündens, heransgeg. von C. Yedlin (als 


Fortfegung zu Moors Codex Diplomaticus V. Bd.), 1. u. 2. Heft. Chur 1883/1884. 


. Balerius Anshelm's, genannt Rüd, Berner Chronik, beransgeg. von Etierlin 


und Wyß. 6 Bor. Bern 1825—1833. 
Die Berner-Chronik des Balerius Anshelm, herausgeg. vom bift. Verein des 
Kantons Bern. Bd. I. Bern 1884, 


. Historia belli Suitensis sive Helvetiei, auet. Bilibaldo Pirckeimero im The- 


saurus Historiae Helveticae. Tiguri 1735. 


. Der Schwabentiieg vom Jahr 1499, befungen duch Nikolaus Schradin, 


Schreiber zu Fucern, im Geſchichtsfreund, Bd. IV, Einfiedeln 1847, 


. Meyer, die Schlacht bei Fraſtenz, im Archiv für Schweiz. Gefchichte Bd. XIV. 


Zürich 1864. 


52. Acta des Tyroler-Kriegs, in der Rätia, Mittheilungen der geichichtforfchenden 


Geſellſchaft von Granbiinden, herausgeg. von C. v. Moor und Chr. Kind. Jahr— 
gang IV. Chir 1869. 


.Glutz-Blotzheim, Geſch. der Eidgenoffen vom Tode des Birgermeifters Waldmann 


bis zum ewigen Frieden mit Frankreich (IJ. v. Milllers Gefchichten Schweiz. Eid- 
genofienfchaft 5. Theil 2. Abth.) Züri 1816. 


. Hottinger, Huldreih Zwingli und feine Zeit. Zürich 1842. 
5. Pauli Jovii Novocomensis Episcopi Nucerini historiarum sui temporis tomi 2. 


Basileae 1567. 


;. Guicciardini, la Historia d'Italia. Vinegia 1568. 
. Joannis Trithemij Spanheimiensis Annalium Hirsaugiensium tomi II. Typis 


monast. S. Galli 1690 (nicht ed. Struve, wie ©. 282 irrtümlich ftebt). 


58, Soliloquium Wimphelingii pro pace Christianorum et pro Helvetis nt 


resipiscant. (Zürich. Orell 1754). 


59. Turmair's, Jobs., gen. Aventinus, fämmtliche Werte, herausgeg. von der t. 


Alad. der Wiffenichaften. Bd. I. Minden 1880, 
Macchiavelli, Il Principe e Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio. Fi- 
renze 1857. 


1. Opere di Niecolö Macchiarvelli, cittadino e segretario Fiorentino. 8 tomi. 


1796 — 1799. 


. Huldreih Zwingli's Werke, Erfte vollftändige Ausgabe durh M. Schnler. 


und Joh. Schnltheß. 8 Bde. Zürich 1828—1842, nebſt Supplement, daſ. 1861. 


. Niflaus Manuel, heransgeg. von Dr. J. Bächtold (Bibliothek älterer Schrift- 


werfe der deutichen Schweiz, Bd. II) Frauenfeld 1878. 


. Johann Keßlers Sabbata. Chronik der Jahre 1523—1539, berausgeg. von Dr. 


E. Gößinger. 2 Teile. (Mittheihuingen zur vaterländ. Gefchichte, herausgeg. vom 
bift. Verein in St. Gallen, V—AX.) St. Ballen 1866— 1868, 


>. Egli, Altenfammlung zur Gefchichte der Zürcher Neformation in den Jahren 1519 


bis 1533, Birich 1879. 


. Bullingers Neformationsgefchichte, herausgeg. von Hottinger und Vögeli. 3 Be. 


Franenfeld 1838— 1840, 


7. Ruchat, Histoire de la Reformation de la Suisse depuis l’an 1516. 6 tomer 


Geneve 1727—1728, 


. Gilg Tſchndi, der Cappeler-strieg 1531, in Balthafars Helvetia, Bd. IT. Aarau 1826. 
.Johann Salat, Chronik der ſchweizeriſchen Reformation, im Archiv für die ſchweize— 


91. 


92. 


565 


riſche Reformationsgeſchichte, herausgeg. auf Verauſtaltung Des ſchweizeriſchen Pins: 
vereius, Bd. I. Solothurn 1868. 


70. Bonivard, les Chroniques de Genöve. 2 tomes. Genöve 1831. 


Roget, Histoire du Peuple de Gen&ve depuis la Röforme jusq’ü l’Escalade. 
7 tomes. Genöve 1870—1883, 

Corpus Reformatorum. Joannis Calvini opera quai supersunt, omuia 
ed. Guil. Baum, Ed, Cunitz, Ed. Reuss. vol. I-XXVIIIL Brunsvigae 
1863 bis 1885. 


. Epistolae Tigurinae 1531—1558, Parkerianae Societatis auspieiis editae. 


Cantabrigiae 1848. 

Des Nitters Fort. Sprecher von Bernegg Geichichte der bündnerifchen Kriege 
und Unruhen, nach dem Latein. bearbeitet von F. v. Mohr. 2 Theile. Chur 1856 
bis 1857. 


75. Briefe dentwirdiger Schweizer, herausgeg. vom bift. Verein der V Orte. Yuzern 1875. 
. Mörikofer, Geſchichte der enangeliichen Flüchtlinge in der Schweiz. Yeipzig 1876, 


Ernit, Das Verhältniß zwiſchen der zürcherischen Kirche und Schule im 18. Fahr: 
hundert. Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung 1883, Nr. 294 fi. 

Morell, Die helvetiſche Geſellſchaft. Winterthur 1863. 

Schweizeriihes Mufeum. Jahrgang 1816. 6 Hefte. Aarau, Sauerländer. 


. Bemerkungen über die Regierung der Grafihaft Kyburg von Job, K. Eicher, Land— 


pogt von Kyburg von 17171723, mitgetheilt durch Friedr. Wyß im Archiv fiir 
Schweiz. Geſch. Bd. IV. Zürich 1846. 


. Olivier, Etudes d’Histoire Nationale: Major Davel, Voltaire à Lausanne , la 


Revolution Helvötique. Lausanne 1842. 
Sammlung der Bürgerl. und Policey-Gejeze Yobl. Stadt und Yandihaft Zürich. 
5 Bde. Zürich 1757—1779. 


. Hottinger, Beiträge zur Gefchichte des letzten Deceuniums der alten Eidgenofienichaft, 


im Archiv für Schweiz. Gefchichte Bd. 1. Zürich 1843. 
Yeben und Briefwechfel von Albrecht Rengger, herausgeg. v. F. Wydler. 2 Bde. 
Züri 1847. 


. Hottinger, Borlefungen über die Geſchichte des Untergangs der ſchweizeriſchen Eid- 


genoffenichaft der dreizehn Orte. Zürich 154. 


. Eorrefpondenz des Generals Brune. Actenftüde zur Geichichte der franzöftichen An: 


vafion im die Schweiz im Jahr 1798 aus dem Nachlaß des Generals Brime, mit- 
getheilt von M. v. Stürler, im Archiv für Schweiz. Geichichte Bd. XII, XIV 
und XVI. Zilrih 1858— 1868. 

v. Erlad), Zur berniichen Kriegsgeichichte des Jahres 1798. Sammlung meift ungedr, 
Altenftüde. Bern 1881. 


. Boffelt, Europäiiche Annalen. Jahrgang 170%. Tübingen 1798, 
. Entwurf der neuen belvetijchen Staatsverfaſſung, aus Auftrag der Zürcheriſchen 


Gantons-Berfammlung gedrudt. Zürich, April 1798, 


90. Tageblatt der Gelege und Defrete der geſetzgebenden Räthe der helvetiſchen 


Republit. 6 Bde. Bern, Nationalbuchdrideren 1800, 

Der fchmeizeriihe Republikaner, herausgeg. von Eſcher und Uſteri. 3 Bde. 
Zürich, Fuzern, Bern 1798— 1799, 

Bulletin officiel du Directoire Helvetique et des autorites du Canton du 
Leman, tome III. ı Aoüt 1798—31, Oet. 1798. Der erfte Band (1. Febr. bis 
28. April 1798) erichten fucceffive unter den Titeln: Peuple Vaudois, Bulletin 
oftieiel (Nr. 1—11), Bulletin ofliciel (Nr. 12—26), Courier de tons les jours 
et Bulletin oflieiel (Nr. 27—74); der zweite (1. Mai—31. Juli) als: Journal 


566 


. 


Is, 


90. 


im, 


101, 


12, 


108. 


104, 
1m. 


196, 


107. 


108. 


109, 


110, 


111. 


112. 


du Corps Legislatif et Bulletin oficiel (Nr. 1—60), Journal du Corps Le- 
gislatif et Bulletin ofhieiel du Canton du Leman (Nr. 61-62), Journal du 
Corps Legislatif et Bulletin oflieiel des autorites du Canton dn Leman 
Nr. 63—75), Bulletin ofliciel du Directoire Helvötique et des antorites du 
Leman (Nr. 76— 78). 

Zſcholke, Hiſtoriſche Denfwürdigfeiten der helvetiihen Staatsummwälzung. 3 Bde. 
Winterthur 1803— 1805. 

Hilty, Öffentliche Vorlefungen über die Helvetit. Bern 1878, 

David Heh, Job. Caſpar Schweizer, eingeleitet und beransgeg. von J. Bächtold. 
Berlin 1884, 


. Monnard, Seichichte der Eidgenofien während des 18, und der erften Decennien 


des 19, Jahrhunderts (J. v. Müllers ꝛc. Gefchichten ſchweizeriſcher Eidgenoflenfchaft. 
Bd. XI—-XV) 5 Theile. Zürich 1847—1853. 


. vd. Murolt, Hans von Reinhard, Birgermeifter des eidgen. Standes Zürich und 


Fandammanı der Schweiz. Zürich 1839, 

Nepertorium der Abfchiede der eidgen. Tagfagungen vom Fahre 1803 bis 
Ende des Jahres 1813, mit einem Bande Urkunden. Bern 1842-1843. 
Dfficielle Sammlung der von dem grofien Rath des Cantons Zürich gegebenen 
Geſetze. BP. I Zürich 1804. 

Amtlihe Sammlung der neuern Eidgen. Abichiede, herausgeg. auf An- 
ordnung der Bundesbehörden: Repertorium der Abichiede der eidgen. Tagfazungen 
aus den Jahren 1814 bis 1848, bearbeitet von W. Fetſcherin. 2Bde. Bern 1874— 1876. 
Dändliker, Der Uftertag und die politifche Bewegung der Dreißiger Jahre im 
Kanton Zürih. Zürich 181. 
Protokoll der erften Konferenz des katholiſchen Sonderbundes, abgehalten den 
13. und 14. Herbitmonat 1843 im Bade Nothen bei Luzern, heransgegeben von 
8. Herzog. Bern 1846, 

Dffizielle Zammlung der das fchmeiz. Staatsrecht betreffenden Aftenftüde, 
Bd. III, enthaltend den Zeitraum vom Yahr 1837 bis Ende des Jahres 1848. 1849. 
Neue Zürcher Zeitung, Jahrgang 1847 und 1848. 

Seneral G. 9. Durfonr, Der Zonderbunds-Krieg und die Ereigniſſe von 1896, ein- 
geleitet durch eine biogr. Skizze, herausgeg. von E. Sayous. 3. Aufl. Bafel 1882, 
Bericht über den Entwurf einer Yundesverfaffung vom 8. April 1848, erftattet 
von der am 16. Auquft 1847 von der Tagfatung ernannten Revifionstommiffion 
(Dr. Kern und 9. Driep). 

SHottinger, Neuenburg in feinen Nechtsverbältuiffen zur Schweiz und zu Preußen, 
im Archiv fir Schweiz. Geſchichte. Bd. IX. Zürich 1853, 

v. Poſchinger, Breußen im Bundestag 1851 bis 1859. Documente der 8. Preuß. 
Bundestags-Gefandtichaft. 4 Theile. Leipzig 1882--1884. 

Amtlihe Sammlung der Bundesgefeze und Berordnungen der ſchweiz. Eid— 
genoffenihaft. Bd. V. Bern 1897. Neue Folge Bd. I-VII. Bern 1875—8. 
Bundesgefez vom 31. Jannar 1874 betreffend die Revifion der Bundesverfaflung 
vom 12. Sept. 1848, 

Sammlung von die Schweiz betrefienden Broflamationen und Bublifationen 
aus den Jahren 1755—1847 in der Stadtbibliothek Winterthur. 

Briefmechiel von Jonas Furrer mit feiner Fran, umgedendt (im Befit von Hrn. 
Oberſtlientenant Meyer-Furrer in Winterthur). 


2 
—— 7 
—5 


— 
— 


Anhaltsverzeichnis. 


Erſter Teil. Vorgeſhichte 


Menat Jahr 


Die Pfahlbauten im See Prasias in Makedonien. | 


Herodot, übericht von Yange 
Der Sieg der Tigoriner bei Agen. 


a. Nah Yivins Epitomä 


b. Nach Drofius, 

Cäsar und die Helvetier. Cäſar, überfeßt von Köchly 
Der Aufstand der Helvetier gegen Vitellins. Ta— 
citns, überfeßt von Gutmann s . ö 
.* Columban und Gallus. Yeben des bi. Gallus, 
überſetzt von Botthaft R 

Der Stiftungsbrief der Fraumäusterabtei Zürich, 
überfegt von G. v. Wyß 

Künig Konrad I. in St. Gallen. PER IV. 
überfegt von Meyer v. Knonau 
Notker, Ratbert und Tuotilo 


. Ekkehart II. bei der Herzogin Hadawig auf dem | 
Hohentwiel. Eftebhart IV., über]. v. Meyer v. Kıronan | 


Die goldene Handveste der Stadt Bern . 


2. Offnungen. a. Aus dem Gngelberger Hofrodel vom 


Schluß des 13. Jahrhunderts 

b. Anderer Engelberger Hofrodel Mitte des 
14. Jahrhunderts 

ec. Aus der Offnung von Baflerftorf 


. Aus dem babsburaiichen Urbarbuc. 


a. Die Nechtung über den Hof zu Gerfau 

b. Die Rechtung zu Hinderlappen Interlaleu 
e. Das Amt zu Freiburg im üchtland 

d. Das Amt des Tales Glarus 

e. Das Amt Zuriee 

f. Das Amt Wintertur 


Il I 
. |. Jahrh. v. Chr. 
| 


107 v. Chr. 
58 v. Chr. 
66 1. Chr. 
s1o—hl4 


21. Juli 53 


Sn 911 


9. Jahrh. 


9737 
15. April 1218 


13, Jahrh. 
14. Jahrh. 


Um 1400 
13035—1311 


Zweiter Teil. Die Bildung der ſchweizeriſchen 


15. 
16, 


Eidgenoſſenſchaft. 
Der Freiheitsbrief der Urner von König Heinrich (VIEL: 
Der Freiheitshbrief der Schwizer vom Kaiser Fried- 
rich II. 


* Ans Berfehen wurde bier die Auslaſſung eines Stücks im der Rumerirung 


beachtet. 


25. Mat 1231 


Dezember 1240 





567 


47 
ir 


nicht 


568 


Nr. 
18h, 


17. 
18. 


23. 


33. Das Treffen bei Tätwil. 


. Schlacht am Morgarten. 


Breve des Papstes Innocenz IV. gegen Schwiz, 

Sarnen und Luzern . 

Der ewige Bund der W aldstätte vom vs August 1901 
Dreijähriges Bündnis zwiichen Züri, Urt und Schwiz 

gegen Oſtreich 


4%, Heinrich VII (VIID bestätigten — deu 


von Kaiser Friedrich II. erhaltenen Freiheitsbrief 


. Heinrich VII (VIIT) erklärt Unterwalden für reichs- 


unmittelbar 


. Heinrich VII (VIIE befreitjUri, Schwiz und Unfer- 


walden von jeder auswärtigen Gerichtsbarkeit 
Johann v. Wintertur, 
überſetzt von Freuler 

Der drei Waldſtätte Bund vom * Dezember 1315 > 


Erſter Friede der drei Waldftätten mit Öftreich 


Zur Zage von der Befreiung der Waldſtätte 
a. Juſtinger ; F 
b. Felix Hemmerlin ; 
e. Die Sage von dem Schützen Toko. 
Sarı Grammaticus . 
d. Das alte Tellenlied . 


e. Aus dem weißen Buch zu Sarnen 


. Wie der Herzog von Öſtreich Sofoturn belagert bat. 


Inſtinger 
Der Luzerner Bund 


.Bruniſche Umwälzung in Zürich 


a. Aus den Jahrbuh Eberhard Dilnere, 
b. Aus Vitodurans Chronik, überſetzt von — 


. Der erfte geſchworene Brief zu Zürich. 
. Der Laupener Streit. 


penfis 


31. Die Morduacht von Büri, "&becherd Mülner 


Der Zürcher Bund ı : h 

&. Aus m uiners Jahrbuch 

b. Aus Diessenhofens 
Chronik 


4 Aus dem Glarner Bund 


. Die 
3, Der 
31. Der ! 
. Das Neichsbeer vor Zürich. Mülner 
39. Der Plaffenbrief . 

. Die 


Stadt Zug ward gewonnen, Mülner 
Zuger Bund 


Berner Bund 


Schlacht bei Sempadh . ; 
ſtreichiſche Berichte: 1. Gregor Hagen 
2. Twinger v. Königshofen 
Schweizeriſche Berichte: 
1. Juſtinger 
2. Bericht einer Zurchergronit 
3. Aus Halbſuters Sempacherlied 


A. 


B. 


Aus dem Conflictus —— 








| 








Menat Jahr 


28. Aug. 1247 


1. Aug. 1291 
16. Ott. 1291 
3. Juni 1309 
3. Juni 1309 
3. Juni 1309 


15. Nov. 1315 
9%. Dez. 1315 
19. Juli 1318 


Um 1420 
Um 1450 


Um 1200 
Um 1474 
Um 1470 


1318 
7. Nov. 1332 
7. Juni 1336 


16. Juli 1336 


21. Juni 1339 
23. Febr. 1350 
1. Mai 1351 

26. Dez. 1351 


4. Juni 1352 
Juni 1352 
27. Juni 1352 
6. März 1353 
Sept. 1354 
7. Ott. 1370 
9. Juli 1386 
Um 1395 
Um 13% 


Um 1420 
Um 14387 
Um 1476? 








| 
i 
| 
| 104 


104 
1 
1 


9 
95 


99 


102 
103 


113) 
06 


5. Aus dem Burg- und Landrecht der Appenzeller mit Zil- | 


57. Aus dem ewigen Burg- und Yandrecht des Abts ven 


58. Aus dem ewigen Bündnis der Stadt St. Gallen mit 


33. Aus dem Bündnis zwischen Ludwig XI., König von 


569 


3 I Menat Jabr Seite 
Die Schlacht bei Näfels. — dem ee vom | | 





2. April 1389... \ 9. April 1388 | 108 
. Der Sempaderbrief . —A . 10. Juli 1393 | 110 
. Glarus kauft ſich von Sedingen 8% | 17. Zuli 1395 | 112 
. Der Appenzeller Krieg. Aus der fog. Klinge * rger | | 
Ehronif N 
a. Wie ſich die Appenzeller empörten noider den Herrn || 
von St. Gallen . . | 1401 | 114 
b, Wie die fieben Städte verloren mit den Appen. 
zellern (Schlacht bei Bögelinsed). . 15. Mai 1403 | 114 
ec. Wie der Herzog von Oftreich wider die Appeeer 
und St. Galler in den Krieg fam : 115 
d. Der Herzog von Öftreih lag vor St. Ballen . 17. Juni 1405 | 116 
e. Die Schlacht au dem Stoß ! ‚ 17. Juni 1405 | 116 
f. Um diefe Zeit herrichten die Appenzeller gewaltig } 1407 117 


rich, Luzern, Uri, Schwiz, Unterwalden, Zug und Glarus || 24. Nov. 1411 | 118 





. Die Eroberung des Aargaus. Yuftinger, A Aprii/Mai 1415 | 120 
. Aus dem Burg- und Landrecht von Ernen und Münfter 

im Wallis mit Puzern, Uri und Unterwalden E 14. Ott. 1416 | 123 
. Die Befreiung der fchwizerifchen Freiſchar im Domo 

d'Oſſola. Juſtinger . Nov. 1425 | 125 
. Die Flucht der Zürcher bei Bfäffiton, Fr ind ; . 14.5. Nov, 1440 | 126 
. Die Erftürmung der Schanze am Hirzel Friünd j 24. Diat 1443 | 129 


22. Juli 1443 | 131 

1443 134 
27. Mai 1444 | 137 
Juni / Aug. 1444 | 139 
26. Aug. 1444 


. Die Schlacht bei St. Jalob an der Sihl. Klingenberg 
. Alenbofers Schmadlied auf die Eidgenoffen s 
53. Zwei Schreiben über die Kapitulation der Feſte Greifenfee 
. Belagerung von Zürich. Gerold Edlibad ; 
. Die Schladht bei St. Jalob au der Birs 
A. Schweizeriiche Berichte: 

1. Die Chorherren von Neuenburg . 1 142 

2. Hans Sperrer der Brüglinger .  . . 143 
B. Ausländifche Berichte: 

1. Brief des Aeneas Sylvius, an Joh. Gers, 








überfegt von Reber . . ; — 145 

2. Jean Chartier . j - 2 ii 147 

3. Matthien de Couey . : n } . | 148 

;. Ein Gefecht auf dem Zürichſee. Fründ . | 29, Mai 1445 | 149 


St. Gallen mit Zürich, Luzern, Schwiz und Glarus . | 17, Aug. 1451 | 10 





den fehs Orten .  . | 13. Juni 1454 | 152 

. Papst Pius II. stiftet die Universität Basel. über- 
jegung von Bilder + 12. Nov. 1459 | 154 
. Ein Pied von der Eroberung des Thurgaus | Sept. 1460 | 155 
1. Ein Fied vom Sundgaurug , 0» | Juni 1468 | 167 
159 


. Aus der ewigen Richtung mit Öftreic) an ri | 11. Jumi 1474 


570 


70, Die Bente von Grandſon. 


%, Schlacht bei Fussach und Haard. 


. Das Treffen beim Bruderhots, 
2, Die 


Fraukreich, und den VIII Orten nebst Freiburg 
und Soloturn 


. Erläuterung des Sc hultheissen und Rates der Stadt 


Bern über die im französischen Bund vom 26. Okt. 
1474 enthaltenen Hilfsverpflichtungen 


>. Beit Webers Yied zur ewigen Richtung 


Veit Webers Yied über den Ztreit bei Hericonrt 
Karl der Kühne. Georges Chaftellain 

Karl der Kühne vor Grandson. Chronit der Cbor- 
berren von Neuenburg 


9. Die Schlaht von Graudſon 


a. Aus Petermann Etterlins Rronica“ 

b. Brief Panigarola'san den Herzog von Mailand 
Aus Diebold Zchillings 
Burgundiſchen Kriegen 


. Zwei Briefe Hans Waldmauns 


a. Hans Waldmann an Gerold Edlibach 

b. Waldmann an Bürgermeiſter und Nat der 
Züri 

Die Berteidigung Diurte 1$ durch Adrian von Bubenberg. 

Schilling 

Die Schlacht von Murien. Diebold Schillung 

Ein Lied von der Schlacht zu Nancy 


Stadt 


5. Aus einem Schreiben Adrians von Bubenberg 


Hans Biols Yied von der Schlacht bei Giornico 
Hans Waldheims Beſuch bei Bruder Klaus 
Die Tagfagung zu Stans. Diebold Schillings 
Luzernerchronik 


. Die Stanſer Berlommnis 
. Aus dem Bunde mit Freiburg und ofotucn 
. Das zürdheriihe Zittenmandat vom November 1488 


Sturz Hans Waldmanns. Bermerbericht 
Stiftung des Gottesbausbundes 


. Stiftung des obern oder grauen Bundes 


Stiftung des Jehngerichtenbundes 


. Aus dem Bund der VII Orte mit dem obern graue n Bund 
. Bund der VII Orte mit der 


Stadt Chur und den 
Gottesbauslenten in Churwalen 

Gefecht bei Triefen. Anshelms Berner Chronit 
Pirkheimers 
Hist. belli Suitensis . 


. Schweizerische Mannszucht im Schwabenkrieg. 


Pirfbeimer 3 i j i j 
Schradius Neimchromit 


Schlacht im Schwaderloch. Anshehm 


93. Die Schlacht bei Fraſtenz. Anshehm 
94. Aus der Mahnung König Maximiliaus zum Reichstrieg 


gegen die Eidgenoſſen. Anshehm 


95. Die Schlacht an der alven, Acta des Eurofer- Kriegs 


N Menat Jahr 


I} 
| 26. Oft. 1474 


6. April 1475 
" Juni 1474 


Februar 1476 


13. Nov. 1474 | 


| 2. März 1406 | 


| 16. Mai 1476 


17. Juni 1476 


9.22. Juni 1476 

22. Juni 1476 
5. Ranuar 1477 
‚24. Auguft 1477 
| 28. Dez. 1478 
| 1474 


22. Dez. 1481 
Dez. 1481 
Dez. 1481 
Nov. 1488 
April 148% 
24. Jan. 1367 
14. Febr. 
| 8. Juni 1436 
21. 


2. 
22. 


3. Dez. 1408 


pen 
IS 


. ehr. 14 


. April 1499 
. April 14406 


. April 1499 
22, Mai 1499 


1395 |: 


Juni 1497 | i 


Febr. 140 | 


. März 1499 | 


Erite 


161 


113. 


Dritter Teil. 


114. 
115. 
116, 
117. 


118. 


-119. 


;, Kriegselend im Tirol. 
7. Schlacht bei Dorned . 


7. Die Belagerung von Novara. 


. Der Appenzeller Bund 


Pirtheimer 


a. Pirkheimer . 
b. Schreiben der Berner Hauptleute 


98, Der Friede von Baſel 

99, Aus dem Basler Bunde P 

100. Aus einem Lied iiber der Basler Bund 

101. Der Schaffhaufer Bund 2 

102, Frankreich tritt Bellinzona au die W aldstätte * 
103. Badener Verkommnis über Penſionen und Reislaufen 
104. Zwingli an Vadian über den Pavier Zug. 

Überſetzt von Hottinger j 
105. Papst Julius II. verleiht deu Schweizern den Titel 


„Verteidiger der Freiheit der Kirche“ 


. Eine ſchweizeriſche Tagſatzung zur * der Wadthohi 


der Eidgenoſſenſchaft. 

I. Baden. 11. Auguſt 1512 . : 1 . 
II. Baden. 6. September 1512  . i j A 
Jovius 
Die Schlacht bei Novara. Jovius u. Guicciardini 


Die Schlacht bei Marignano. Guicctardiui 


. Der ewige Friede mit Frankreich 
2, Aus der Bereinung zwiſchen König Frauz 1 von Frant. 


reich und den zwölf Orten (ohne Zürich) nebſt ihren 
Zugewandten 

Ausländiſche Urteile über bie 
XVI. Jahrhunderts 

-a. Tritbemius in den Hirschaner —— 

b. Wimphelings Gebet um den Frieden der 
Christen und für die Helvetier, dass sie sich 
bekehren 

ec. Pirkheimer über 
Schweizer ? 
.d. Aventin über die Schweizer 
Macchiavelli 
f. Guieciardini 


weizer des XV, und 
Schweiz 


die Kriegskunst der 


© 


Die Zeit der Glanbensfpaltung. 


Beatus Rhenanus an Zwingli 

Zwingli an Mykonius 

Zwingli an Bertold Haller in Bern 

Aus Niklaus Mannels Faftnachtipiel von Han 
und Ehrifti Gegeuſatz i 

Yutber und die Schmweizerfiudenten in Jena, Ans Rep. 
lers Zabbata 

Aus Zwinglis göttlicher Vermahuuug au die Sqwizer, 
daß ſie ſich vor fremden Herren hüten und entladen 


| Monat Yabr 


22, Juli 1499 


22. Scpt. 1499 
| 9. Juni 1501 
1501 
| 10. Auguft 1501 
11, April 1503 
21. Juli 1503 
| 
I 
| 
| 


4. Ott. 1512 


5. Juli 1512 


| Aug. Sept. 1512| 





uni 1513 
6. Juni 1513 
| 17. Dez. 1513 
13. Sept. 1515 
29. Nov. 1516 


\ 5. Mai 1521 


| 6. Dez. 1518 
"24. Juli 1520 
20. Dez. 1521 





261 
| 263 
266 
270 
275 
275 
278 


280 


282 


. Bon Hulbreichen Zuoingli 
. Oekolompad an —— während der Dispu- 


. Die 67 Theſen Zwinglis zur Difputation in Zürich 
. Urteil des Zürcheriſchen Rates nach gehaltener Diiputation 
. Obwalden au Züri auf deſſen Einladung zu der Dir 


fpntation über Bilder und Meſſe . 
Stiftung des Zonderbundes der V Orte 


. Aufhebung der Leibeigenſchaft im Kanton Zürich } 
. Bon M. Ulrich Zwinglis vielfältiger Müh und Arbeit. 


Bullinger ; — 
Keßlers Sabbata 


tation zu Baden 


. Atihultbeiß Hans H ug an Schultheiß und Rat zu 


Yuzern über die Difputation zu Baden 


. Ein Katholik über die Disputation in Bern . 
. Aus einem Brief Thomas Murners in Luzern 
- Die Kappeler Milchſuppe. 
. Aus dem erften Kappelerfrieben . i 

. Aus dem Religionsgespräch zu Marburg. Aus 


Juni 1520, BIN: 


‚ Collins Bericht 


- Die Schlacht bei Kappel. 
. Die Rettimg des zürderiihen Panners bei Kappel. 


. Luther über das Marburger Gespräch * 
. Zwingli über die Proviantiperre. 
. Aus Zminglis Plan eier der * 


Bulliunger 


noſſenſchaft 
8 ul ti inger 


Gilg Tihudis Kappelerkrieg . 


. Zwinglis Tod. Aus Salats Chronif 
. Aus dem zweiten Yandfrieden 
. Der Tod Philipp Bertheliers. 


Aus Bonivards 
Chroniques de Geneve 


. Aus dem fünfundzwanzigjährigen Surgrt Berns und 


reiburgs mit Genf . 


. Aus dem Frieden von St. Julien 
. Die Bürgergemeinde von Genf nimmt die Refor- 


mation an und führt den Schulzwang ein 


‚. Calvin an Farel über seine Zurückberufung 


nach Genf 


. Farel an Calvin über Servet 

. Der Berner Stadtschreiber Zurkinden« an Calvi in 
. Johanna Gray an Bullinger . 

. Aus dem — zu Lauſanne m —— 


und Bern . 


. Aus dem Vortrag einer Geſandiſchafi der vier evan⸗ 


geliſchen Städte in den katholiſchen Orten 


. Der Goldene oder” Borromäiſche Bund — den 


VII tatholiſchen Orten 




















) Menat Iabr cite 
Januar 1523 | 306 
' 29. jan. 1523 ı 311 
) | 
25. Dt. 1523 | 312 
8. April 1524 | 313 
| 18. Mai 1525 | 315 
| 316 
152331 319 
li i 
| Mai 1526 | 320 
. | 3. Juni 1526 | 321 
Januar 1528 | 322 
| 27. Febr. 1524 | 325 
Juni 1529 | 326 
\ 26. Juni 1524 | 327 
ı 
| 2. Ott. 1520 | 328 
329 
| Pfingften 1531 | 330 
Juni 1581 | 330 
11. Ott. 1531 | 333 
| 11. Ott. 1531 | 386 
| 11. Ott. 1531 | 338 
| 20. Nov. 1531 | 339 
123. Auquft 1519 | 341 
\ 8. Febr. 1526 | 3483 
. 19. Ott. 1530 | 34 
31. Mai 1536 | 3H 
21. Ott. 1540 | 345 
| 8. Sept. 1553 | 346 
| 10. Febr. 1554 | 347 
Juni 1553 349 
| 30. Dt. 1564 | 351 
Nov. 15855 358 
5. Olt. 1586 | 356 


* Wurde aus Berfehen in Fraktur gedrudt ftatt in Antiqua, 


159. 


160. 
161. 


162. 
163. 


164, 


165. 


166, 


167. 
168, 
169, 


170, 


. Aus Brune's Korrespondenz 
14, Bern am 4. und 5. März 1798. 


. Aus dem Bündnis der VI latholiſchen Orte Luzern, 


Uri, Schwiz, Unterwalden, Zug und Freiburg mit Kö— 
nig Philipp IF. von Spanien 

Teilung des Yandes Apvenzell in Inner- und Außer-Roden 
Tod des Obersten Jenatsch. Aus Sprechers Ge- 
fhichte der bündneriſchen Unruhen, bearb. von €. 
von Mohr 


. Der die Exemtion der Eidgenossense haft v vom Reiche 


betreffende Artikel VI des “ep Friedens 


>. Der Huttwilerbund vom 14. Mai 165: 2 
. Aus der Neformation über die — Vogteien der 


Eidgenofſenſchaft von 1654 


. Zum erften Vilmerger Krieg: 


a. Schwiz an Soloturn 

b. Alfons von Sonnenberg meldet den Sieg der 
Luzeruer bei Vilmergen 

Aus der Abſchiedsrede des unguifhen Bruns 2 

pban Sellyei an Züri i 

Inhalt der Formula Consensus 3 

Bittihrift eines zürcherifchen Shut aus den 

Jahr 1700 

Aus dem berniſchen Prachtgeſeb von 1703 

Zum zweiten Bilmerger Krieg 

a. Papst Clemens XI. an Luzern 

b. Derselbe an den Kaiser . ; - 

c. Luzern an den Papst nach der Schlacht von 
Vilmergen . : 

Aus dem Yarauerfricden Mwiſchen Züri, und "Bern 

und den V Orten” 

Der geheime Bund der tatholiſchen Orte mit Sant. 

reich, genannt der Trüdlibund ’ 

Landvogt Eihers Bemerkungen über die Reierung 

der Grafihaft Kyburg : 

Das Manifeft Davels an Bern 2 

Aus dem zürcheriſchen Sittenmandat vom 10. März 1755 

Yandammann und Rat von Uri an Bürgermeifter und 

Rat von Zürich . 

Eicher (von der — an Wengger her die Stäfner 

Unruhen : 


Ste 


Bierter Teil, Die Schweiz feit 1798. 


1. Peter Ochs an Bonaparte 
12, Der Minifter der fränfifchen Nepublit an die wadern 


Bewohner der Schweiz und befonders an die Berner . 


Nach zircheriichen 
Geſandtſchaftsberichten 


573 











| Monat Jahr | Seite 
| | 
| | 
| 12. Mai 1587 | 358 
8. Zept. 1597 | 360 
| 
| 24. Jan. 1639 | 368 
| 
ı 24. Ott. 1648 364 
14. Mai 1653 | 365 
16654 | 388 
27. Sept. 1655 | 369 
24. Jan. 1656 | 370 
Herbft 1677 | 371 
30. März 1675 | 372 
1700 373 
| 1708 ' 374 
| 1712 | 
ı 15. Juli 1712 | 375 
. |) 17. Juli 1712 | 376 
13. Ang. 1712 | 977 
K 18. Juli. 
9110. Aug, 12 
\ 9. Mai 1715 | 382 
! 
117-1723 | 384 
31. März 1723 | 387 
| 389 
| 
| 





16. Ott. 17% 


3. Sept. 17% 


10. März 1755 
| 397 

| 

Febr. 1798 | 399 


Febr. 1798 | 400 
| 


| 


' 12. Dez. 1797 


| 4./5. März 1798 | 408 


. Der Staatsftreih vom 7. 
. Bonaparte kündigt der Schweiz feine Bermittlung an 


., Schanenburg an das französische Direktorium 


über die Kämpfe bei Fraubrunnen und im Grauholz 
Aus Brune's Korrespondenz. Fortsetzung 


. Der franzöfiihe Negierungstommiflfär Yecarlier legt 


der Schweiz eine Kriegsſteuer von 15 Millionen auf . 


. Der franzöfiihe Regierungstommilär befiehlt die unver: 


änderte Annahme der beivetiihen Konſtitution 
Die belvetifche Staatsverfaflung . 
Verkündigung der helvetiſchen Republik 


.Beſtimmung der Farben der helvetiichen Kokarde 
2. Beichluß der Glarner Yandsgemeinde, die helvetiſche Ber- 


ſaſſung nicht anzunehmen 


. Die geſetzgebenden Räthe der einen und — — 


helvetiſchen Republik au die noch nicht mit ihnen ver— 
einten Kantone ; . 
Der fräntiice Obergeneral an die Kantone, die der 
beivetiichen Mehrheit noch nicht beigetreten find . 


5. Abſchaffung des Prädifates Herr 
5. Gefeg über die Amtslleidung der gefetsgebenden Näthe 


und des Direftoriums 


7. Vorläufige Aufhebung aller Berfonal- Feodal Rechte 


Zequefter auf Klöfter, Stifte und Abteyen . 


, Unbedingte Handlungsfreybeit zwiichen allen Kantonen 
. Geie über das heivetiiche Staatsficgel 

. Abihaffung der Tortur 

2. Eine Publitation des zürcheriſchen Regie rungsftatthalters 
3. Das Bollziebungsdirelterium au Rapinat 

. Rapinats Antwort auf diefe und ähnliche Zufehriften 


des helvetiſchen Pireftoriums 


5. Aus den Beratungen des helvetiſchen Großen Rates . 
. Napinat befichlt den Austritt Bay's und Pinfiers 


aus dem belvetiichen Direktorium 


7. Aus der Sitzung des Großen Rates der "helwetifchen 


Republik am 17. Juni 1798 


. Broflamation Rapinats vom 18. Inni 1798 ; 
9. Ans dem Offenfiv- und Defenfiv-Bindnis zwischen der 


franzöfifcben und helvetiſchen Republik 


. Sehauenburg an General Jordi über die Ein. 


nahme von Nidwalden 


. Der Regierungstommiflär Z3ſchohle au  Rengger r, den 


Minifter der innern Angelegenheiten 


. Botrichaft des helvetiihen Direltoriums an den Großen 


Rat in Betreff des Erziehungsweiens 
Die Einfetung eines helvetiichen Nationaffeftes . 


. Die Schlacht bei Zürich David Heß 
. Der französische Gesandte Pichon an seine Re- 


gierung über das Kriegselend der Schweiz 
T. Jannar 1800 


| Monat Jahr 


. März 1791 
| März 1798 
| 











I @eite 


407 


407 
"8 April 1708 | 413 
| 28. März 1798 | 416 
! | 417 
| 12, April 1798 | 426 
| 14. April 1798 | 427 
| 15. April 1798 | 427 
| 19. Aprit 1798 | 428 
127, April 1798 | 430 
"28. April 1798 | 431 
3. Mai 1798 431 
4. Mai 1798 | 433 
8. Mai 1798 | 493 
"8. Mai 1708 | 433 
| 12. Mai 1798 | 434 
12. Mai 1798 | 434 
1 25. Mai 1798 | 434 
| 9. Mai ı708 | 435 
14. Mai 1798 | 436 
„23. Juni 1798 | 437 
| 16. Juni 1798 | 439 
| 
17. Juni 1798 | 440 
ı 18. Juni 1798 | 443 
| 
19. Auguft 1798 | 446 
| 
| 9 Sept. 1798 | 447 
N 20. Inni 1799 | 448 
' 18. Nov. 1798 | 449 
7. März 1799 | 457 
25.26. Sept. 1799, 459 
| 20. Nov. 1799 | 408 
» 7. Jan. 1800 469 
30. Zept. 1802 | 470 


212. Aufhebung der Vermittlungsatte in Bern 
13. Proflamation der wiederbergejtellten patriziſchen Re- 


215. Aus dem Barifer Frieden . 


217. Auf dem Memorial von Uſter 


30. Aus der Antwortsnote der Tagſatzuug 
33, Aus dem Bericht dervon der Tagſatzung ernannten 
34. Die Bundesperfaflung vom 12. September 1848 


236. Die Eröffnung der ihweizerifchen Bundesverfammlung 
237. König Friedrich Wilhelm IV. an die Nenenburger 


Monat Jahr | Feite 
. Anfprahbe Bonaparte's an den Ausfchuß der Bel | 
vetifchen Conſulta zu St. Clond . ; . , 12. Dez 1802 | 472 
. Die PVermittlungs-Alte vom 19. Februar 1809 f . 19, Febr. 1803 474 
. Zwei Proflamationen der zürderiihen Regierung aus \f 3. März 1807 479 
der Zeit Napoleons .  . "t 15. Ott. 1810 | * 
. Napoleons Dekret betreffend die Einverleibung 


des Wallis ur u da J 15. Nov. 1810 | 481 
|’ 22. Dez. 1813 | 482 


gierung der „Stadt und Republik“ Bern 


. Aus der Ertlärung des Wienertongreffes über die An— 
gelegenheiten der Schweiz . : 


24. Chriftm. 1813| 483 





20. März 1815 | 494 
a Nov. 1815 | 487 
— 1815 | 487 
. Nov. 1830 490 
. März 1832 | 4% 
. Ang. 1833 | 497 


. Bundesvertrag zwiſchen den XXII Kantone n der Schweiz 


. Das Ziebner Konfordat vom 17. März 182 
, Die Trenieny von Bajelftadt und Bafelland 


Zendichreiben des Glaubenskomite's wegen der Berufung 
des Dr. Strauß an ſämmtliche ee des 
Kantons Zürich ; 

. Ans dem Protofoll der Yuzerner Konferenz vom 13, 14. 
September 1843, in welcher der Grund zum fatboliichen 
Sonderbund gelegt wurde. 13.14. Sept. 1843] 500 
. Sonderbimdsafte i f ; Dez. 1845 504 
3. Ausmweilung des Feſuitenordens aus der Schwii iz . | 3 Sept. 1847 | 505 


Zwei Briefe Jonas Furrers über die letzten Ver: 


13. ‚Febr. 1839 | 498 





ws + ty 
= a T 












handlungen mit dem Sonderbund . 28.30. Oft. 1847. 505 

225. Beichluß der Tagſatzung, die Auflöfung des Sonder- 
bunds mit Waffengewalt durchzuführen j 4. Nov. 1847 | 507 

Der ſonderbündiſche Kriegerat begebrt öftreichiichen In— 
tervention 15. Nov. 1847 | 308 
22, Nov. 1847 | 509 
228. Das Gefecht bei Gislikon 23. Nov. 1847 510 


. Die Kollettiv-Note der Mächte vom 30, — 1847 
an die ſchweizeriſche Tagſatzung. 30, Nov. 1847 | 513 
7. Dez. 1847 515 
18, Jan. 1848 | 518 
15. Febr. 1848 |; 


. Die öftreihiiche Note vom 18. Januar 1848 
Aus der Antwortsnote der Tagſatzung i a | 


1 

) 

— 

.Dufonrs Armeebeſebl vom 3. Nov. 1847 i h i 
| 





Reviſionskommiſſion über den Entwurf der neuen Bundes 
verfaſſung 


e Bu 12. Sept. 1848 | 5% 
Beſchluß der Tagſatzung betreffend Annahme der neuen 
Bundesverfaſſung 12. Sept. 1848 | 5326 


| 8, April 1848 | 523 
| 
! 6. Nov. 1848 | 539 








Royalisten >. April 1848 544 


Monat Jabr I Seite 


Nr. 

238, Bismard über die Neuenburger Frage nn J26. De; 1856 wer 
— 124. Aprir 1957, 

239, Bertrag betr. Erledigung der Neuenburger Angelegenbeit 26, Mai 1857 | 547 

24), Die Bundesverfaflung vom 29, Mai 1874 : i 29, Mai 1874 | 548 


. Anertennungs- und Gemwährleiftungsurftunde der immer: | | 


mwährenden Neutralität der Schweiz umd der Unab— 
bängigteit ihres Gebietd . E , ; .. 20. Nov. 1815 559 


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