Veröffentlich...
aus dem
Stadtarchiv zu
Colmar
Colmar (Germany)
Stadt- Archiv
»13
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Inhalt.
Seite
1. Geschichte des Archivs der Stadt Colmar 1
2. Verordnungen des Rates von Colmar aus den Jahren 1362 bis
1432 13
3. Die Angelegenheit der Reichsstädte des Elsass am Reichstage
und vor dem Schiedsgerichte zu Regensburg (1663—1673) . . 85
x ;,^V 505807
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Vorbemerkung.
Die vorliegende Publikation wurde durch einen Beschluss des
Colmarer Stadtrates vom 28. Februar 1907 ins Leben gerufen.
Sie bezweckt, einzelne interessante Teile des Stadtarchivs den
Freunden der heimischen Geschichte zugänglich zu machen. Die
in Betracht kommenden Archivalien sollen, je nach ihrer Natur, im
Wortlaut oder in Auszügen oder in zusammenfassenden Darstellungen
veröffentlicht werden.
Die einzelnen Hefte werden in grösseren Zwischenräumen er-
scheinen nach Massgabe der vorhandenen Geldmittel und Arbeitskräfte.
Mit der Herausgabe wurde der derzeitige Stadtarchivar beauf-
tragt; der Inhalt dieses ersten Heftes ist auch von ihm allein be-
arbeitet worden.
Das beigegebene Porträt des Anton Schott ist die Reproduktion
eines i. J. 1680 von Melchior Küsell von Augsburg gestochenen Bildes,
das an der Spitze der i. J. 1685 zu Regensburg gedruckten Leichen-
predigt für Schott steht. Dies Bild wurde uns von seinem Besitzer,
Herrn Stadtbibliothekar A. Waltz, freundlichst zur Verfügung gestellt.
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Geschichte
des
»
Archivs der Stadt Colmar
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i
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Geschichte des Archivs der Stadt Colmar.
Das Archiv der ehemaligen Reichsstadt Colmar ist so alt wie die Selb-
ständigkeit der Gemeinde und besteht also seit dem Anfange des drei-
zehnten Jahrhunderts, da von jeher das Bedürfnis vorhanden war, die
Urkunden über die städtischen Eigentums- und Rechtsverhältnisse zu
sammeln und vor der Vernichtung zu schützen.
Über die Schicksale des Archivs im Mittelalter haben wir nur
spärliche Nachrichten. Aus dem Kaufhausbuche des Jahres 1434 er-
fahren wir, dass die Stättmeister von Zeit zu Zeit einige Tage in der
„Schreiberei" zubrachten, um daselbst „die Briefe zu suchen und zu
sondern.* 1
Das älteste uns erhaltene Verzeichnis des Stadtarchivs wurde im
Jahre 1495 von dem Stadtschreiber Conrad Wickram verfertigt. Die
Archivalien befanden sich damals in einem eigens dafür erbauten Ge-
wölbe im neuen Kauthause und waren in zwei Behältnissen verwahrt,
in einer „Arcke" mit fünf Laden und einem neuen „Kensterlin" mit
sieben Laden. Bei ihrer Verteilung in diese zwölf Fächer hatte man
sich bestrebt, die gleichartigen Stücke zusammenzulegen, doch war keine
übersichtliche Ordnung durchgeführt worden. Wickram gibt nur ganz kurz
den rechtlichen Inhalt derjenigen Urkunden an, welche damals noch
eine praktische Bedeutung hatten, wobei er das Datum nie und den
Ausstelter nur selten nennt; Akten und Amtsbücher lilsst er unerwähnt.
Ausser den Schriften der Stadt barg das Archiv noch allerhand
Urkunden, welche von Adligen der Umgegend in seinem feuerfesten
Gewölbe hinterlegt waren.
Das von Conrad Wickram angelegte Register erwies sich bald
als ungenügend, weshalb der Rat in seiner Sitzung vom 17. März 1517
„um gemeinem Nutz und Notdurft willen" verordnete, dass der Obrist-
meister, zwei Stättmeister und der Schultheiss mit der Hilfe des alten
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Stadtschreibers Vincenz Wickram oder seines Nachfolgers Ulrich Misierer
sämtliche Freiheitsbriefe, Handfesten und Schriften der Stadt durch-
sehen, ordnen und verzeichnen sollten. Ein jeder von ihnen rausste
sich durch einen Eid dazu verpflichten, an allen Werktagen zwei
Stunden auf diese Arbeit zu verwenden und, wenn er etwa durch
Krankheit oder Geschäfte verhindert wäre, sich durch einen anderen
Herrn von der Meisterschaft oder den Dreizehnern vertreten zu lassen.
Diejenigen Schriften, deren Inhalt am Besten geheim bliebe, sollten
sie in ein besonderes Behältnis legen.
Das Resultat der Neuordnung des Archivs Wiir das von der Hand
Ulrich Misierers geschriebene Register, ein Folioheft von 96 Seiten.
Die Archivalien lagen nunmehr in neunzehn Laden, welche eben so
viele Abteilungen bildeten und mit den Buchstaben A bis T bezeichnet
wurden. Solche Gruppen waren z. B. Freiheiten, Zinsbriefe, Riedbriefe,
Reichstagsabschiedo etc.; innerhalb derselben waren die einzelnen
Stücke grösstenteils chronologisch geordnet. Der Inhalt ist im neuen
Repertorium genauer angegeben als im älteren des Jahres 1495: der
Aussteller der Urkunde wird stets genannt, und das Datum meist nach
Jahr und Tag angeführt. In den Abteilungen, welche ein geringeres
praktisches Interesse hatten, werden die Urkunden nicht einzeln auf-
gezählt, sondern unter einem allgemeinen Stichworte zusammengefasst.
Während die Verwaltung des Archivs bisher zu den ausdrück-
lichen Aufgaben des Stadtschreibers gehört hatte, wurde im Jahre
1638 das besondere Amt eines Rcgistrators geschaffen. Diesor Beamte
hatte sich durch einen Eid zu verpflichten, „der Stadt Archiv, Kanzlei,
Briefe, Handfesten, Freiheiten, Schriften, Rechnungen und Anderes in
tieissige und treuliche Registratur und gute Ordnung und Verzeichnis
zu bringen, dabei alle Heimlichkeiten der Stadt, es seie von Reden,
Rathen oder Briefen und dergleichen, nichts ausgenommen, zu ver-
hehlen und nicht zu eröffnen ewiglich, und niemanden Uber besagtes
Archiv oder andere angedeute vertraute Schritten zu führen." Als
Besoldung erhielt er jährlich 100 Gulden in Geld, 10 Viertel Frucht,
3 Klafter Holz und freien Sitz und Behausung.
Der erste unter diesen Bedingungen angenommene Registrator
war Johann Balthasar Schneider. Derselbe war im Jahre 1612 zu
Colmar geboren, hatte die Lateinschule zu Mömpelgard besucht und
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dann an der Universität Strassburg die Rechte studiert. Neben seinem
besonderen Dienste hatte der Registrator noch mancherlei wichtige
Geschulte für die Stadt zu übernehmen: so machte er im Jahre 1642
eine Reise an den französischen Hof, um Steuerfreiheit für die von
Colmarer Bürgern im französischen Territorium besessenen Güter zu
erwirken. Im Jahre 1045 begab er sich als Abgesandter Colmars auf
den Westfälischen Friedenskongress und vertrat daselbst während der
langwierigen Verhandlungen die Interessen der Stadt mit Nachdruck
und Gewandtheit. Als seine Rückkehr sich verzögerte, wurde er durch
Hans Michel Schott, den Sohn des verdienstvollen früheren Stadt-
schreibers Anton Schott, am Archive ersetzt. Der neue Registrator
starb indessen schon nach zwei Jahren an den Folgen eines gefähr-
lichen Falles, den er in seinen Berufsgeschäften getan.
Der nächste Archiv Verwalter, von dem wir Kunde haben, ist
Heinrich Klein. Er stammte aus Leipzig und war der jüngere Bruder
des Magisters Joachim Klein, der seit der Wiederherstellung des evan-
gelischen Gottesdienstes zu Colmar durch den schwedischen Feld-
raarschall Gustav Horn das Predigeramt daselbst versah. Der Em-
pfehlung seines Bruders hatte es wohl Heinrich Klein zu verdanken,
dass ihn Johann Balthasar Schneider als Sekretär auf den Westfälischen
Friedenstag mitnahm. Nachdem er dann noch die Universitäten Basel,
Strassburg und Leipzig besucht, wurde ihm im Jahre 1650 die Colmarer
Registratur übertragen. Er behielt dieselbe sechzehn Jahre lang und
bekleidete später die höchsten städtischen Ämter, namentlich auch
dasjenige des Obristmeisters.
Heinrich Klein gebührt das Verdienst, das erste ausführlichere
Inventar des Stadtarchivs aufgestellt und in einen stattlichen Folio-
band von 620 Seiten verzeichnet zu haben. An der Spitze seines
Werkes, das anscheinend im Jahre 1(562 abgeschlossen wurde, steht
der Spruch: „Acta praedecessorum ideo scriptum commendantur, ut
posteri ipsa ruminando pertractant.es ad eorum laudabilia facta ferventius
excitentur (Andreas Presbyter Ratisponensis in Chron. Bavaric. p. 2). u
Da das Archiv damals in drei grossen Schränken mit zusammen 112
Laden untergebracht war, so konnte es in zahlreiche Abteilungen zer-
logt und dadurch erst übersichtlich geordnet werden. Eine streng
logische Gruppierung der einzelnen Teile ist allerdings auch von Klein
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nicht durchgeführt worden. Das zum Klonischen Inventar gehörige
umfangreiche Namen- und Sachregister, das wir nur in einer späteren "~
Abschrift von der Hand des Sohnes de« Verfassers besitzen, ist inso-
fern mangelhaft, als die Wörter unter den einzelnen nach den Buch-
staben bezeichneten Rubriken nicht immer alphabetisch geordnet sind.
Auf Heinrich Klein folgte im Jahre 1666 als Registrator der
Lizentiat der Rechte Anton Schott, der am 25. Juni 10M6 geborene
Sohn des früheren Registrators Hans Michel Schott. Er konnte sich
indessen nicht lange seinen Amtsgeschäftcn zu Colmar widmen, da er
schon im folgenden Jahre als Deputierter der Stadt auf den Reichstag
nach Regensburg geschickt wurde und vom Anfange des Jahres 1669
an auch die Gesamtheit der verbündeten Städte des Elsasses daselbst
vertrat. In einem Briefe an den Colmarer Magistrat vom 14. März
1671 betonte er die Notwendigkeit der Ernennung eines neuen Re-
gistrators „wegen Erhaltung der Archiv als der Stadt grösstes Kleinod."
Im Jahre 1672 wurde denn auch die Registratur wiederum be-
setzt und zwar mit dem früheren Vogte von Heilig-Kreuz Samuel
Röttlin. Da Röttlin zugleich auch das Syndikat oder die Stadtschreiberei
verwaltete, stellte sich im Laufe der Zeit wiederum das Bedürfnis einer
Trennung beider Ämter ein.
Auf den Wunsch des Intendanten des Elsasses verlieh der Rat
von Colmar im Jahre 1688 die Registratur dem Ratsprokurator Johann
Heinrich Klein, einem Sohne Heinrich Kleins. In einem späteren Schreiben
des Magistrats an den Intendanten heisst es ausdrücklich, dass Klein dies
Amt erhalten habe „wegen seiner Bekehrung zur katholischen Religion."
Wir sehen, wie sich in der Geschichte des Archivs die Geschicke der
Stadt wiederspiegeln: die ehemalige freie Reichsstadt hatte jetzt, den
Winken der französischen Behörden zu gehorchen.
An archivalischen Arbeiten besitzen wir von der Hand des Johann
Heinrich Klein ausser einer Abschrift des Werkes seines Vatersein Roper-
torium des Archivs der Gutlcutpflege, welche damals dem Spital ein-
verleibt wurde.
Als Klein im Jahre 1697 starb, bewirkte der Intendant De la
Grango die Verleihung der Registratur an seinen Sekretär Louis
Dumontet, der schon mehrere Jahre die an Gebühren recht einträg-
liche städtische Gerichtsschreiberei von Colmar inne hatte. Da
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Dumontet nicht zu Colmar wohnte, licss er die Verrichtungen seiner
Ämter daselbst durch Gehilfen besorgen. Es entsprach dies dem
französischen Verwaltungsbrauche, wie er sich aus der Käuflichkeit
der Ämter ergeben hatte. Diese Käuflichkeit war auch für die städti-
schen Ämter im Elsass zu Gunsten des königlichen Fiskus eingeführt
worden, doch hatte die Stadt Colmar die freie Verfügung über die-
selben für eine hohe Summe wieder an sich gekauft.
In der Folgezeit ging die Gerichtsschreiberei mitsamt der Regi-
stratur durch mehrere Hände. Es wurde damit wie mit einem Spe-
kulationsobjekte geschachert, wenn auch der Magistrat die jedesmaligen
Übertragungen zu genehmigen hatte. So verpachtete Dumontet beide
Ämter im Jahre 1711 für sechs Jahre an Adam Siffert, Advokaten am
Hohen Rate des Elsasses, um einen jährlichen Zins von tausend Livres.
Siffert hatte indessen nur als Kommis Duinontet's zu fungieren. Der
Pachtvertrag verpflichtete ihn u. a., „de travailler diligemment ä la
registrature des titres et papiers concernant cette ville dans l'archive
d'icelle en presence de Tun des magistrats nomm6 et prepose ä cet eft'et."
Während der Pachtzeit Sift'erts wechselten die nominellen In-
haber beider Ämter mehrmals. Auf Dumontet folgte im Jahre 1711
Pierre Berthier, auf diesen in demselben Jahre Anton Joseph Madame,
Advokat am Hohen Rate des Elsasses, und auf letzteren im Jahre 1713
Johann Jakob Freytag, gleichfalls Advokat an diesem Gerichtshofe.
In der Bcstallungsurkunde für Freytag als Registrator bedingt der
Magistrat aus, dass das Amt mit grösserer Sorgfalt und Pünktlichkeit
als bisher verwaltet werde. Freytag versah vom Tage seiner Ernenn-
ung an selbst den Registraturdienst und übernahm später auch die
Gerichtsschreiberei persönlich.
Zu dem Mangel an eigenen Beamten war noch ein mehrmaliger
Umzug gekommen, um das Archiv im Laufe der Zeit ganz in Ver-
wirrung zu bringen. Im Jahre 1698 hatten diejenigen Schriften, welche
sich im Rathausc zum Wagkeller befanden, nach dem Gewölbe im
Kaufhaus und anderswohin geschafft werden müssen, um dem könig-
lichen Hohen Rate Platz zu machen, und bei dem Einfall des kaiser-
lichen Generals Mercy ins Ober-EIsass im Jahre 1700 war das Colmarer
Archiv nach Schlettstadt geflüchtet worden.
Die arge Verwahrlosung des Archivs kam im Jahre 1719 bei
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einer genaueren Besichtigung an den Tag: es zeigte sich sogar, dass
etliche Schriftstücke durch Fäulnis und andere durch Mäusefrass zer-
stört waren. Der Magistrat beschloss deshalb in seiner Sitzung vom
17. April 1719 zur Hebung dieser Missstande zwei Archivare (archivaires)
anzustellen, einen katholischen und einen protestantischen, um der
gesetzlichen Vorschrift der Parität zu genügen, und bestimmte als (ie-
halt für jeden 300 Livres, 6 Klafter Holz und 300 Wellen. Die Wahl
fiel auf Matthias Hütfei, den Sohn des Bürgermeisters von Kaysersberg,
und Nikolaus Röttlin, den Sohn des früheren Syndikus Sarauel Röttlin.
Als Röttlin bald darauf von der Bürgerschaft zum Stättmeister gew ählt
wurde, ersetzte ihn der Lizentiat der Rechte Johann Franz Ruffelmann
am Archive. Zufolge einer Verordnung des Staatsrats vom 28. No-
vember 1721 über die Liquidation der Schulden der Stadt Colmar
durfte indessen auf die Dauer nur ein einziger Archivar beibehalten
werden, weshalb Rutfelmann im Jahre 1726 von seinem Amte zurück-
treten musste.
Dem Archivar Hüftel allein lag es nunmehr ob, die oft gestörte
Ordnung des Archivs wiederherzustellen und ein neues Repertoriura
abzufassen. Die Archivalien befanden sich damals in mehreren Räumen }
des Wagkellers und des anstossenden Augustinerklosters. Hüftel be-
gann seine Arbeit im Jahre 1719 und vollendete sie im Jahre 1733.
Sein Repertoriura füllt einen mächtigen Folioband von über 1600 Seiten
an; es wurde in drei Exemplaren ausgefertigt, wovon das eine für das
Archiv, das andere für den Syndikus und das dritte für den königlichen
Prätor bestimmt war. Dazu kam noch im folgenden Jahre ein aus-
führliches Sach- und Namenregister in einem besonderen Bande. Im
Laufe seiner 54 Jahre langen Dienstzeit ergänzte Hüftel sein Werk
noch durch verschiedene Nachträge; wir besitzen ausserdem von ihm
ein eingehendes Inventar der älteren Akten der Gerichtsschreibcrei
sowie Indices zu einer Reihe von Ratsbüchern. Auch das Spitalarchiv
wurde von ihm neu geordnet und repertorisiert. Alle diese Arbeiten
sind in deutscher Sprache abgefasst. Matthias Hüftel starb hochbe-
tagt im Jahre 1773, nachdem er neben seinem Amte auch lange Jahre
als Ratsherr und Zunftmeister der Küferzunft zum Riesen gewirkt.
Das Ilüftelsehe Repertoriura des Stadtarchivs hat den Inhalt des
Kleinschen, auch wo er fehlerhaft war, meist wörtlich übernommen,
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doch ist es, abgesehen von der Fortsetzung bis zur Mitte des 18. Jahr-
hunderts, durch die Aufnahme mehrerer in jenem nicht erwähnter
Archivteile weit vollständiger geworden. So zählt es auch die ver-
schiedenen Reihen der im sogenannten Rechnungsgewölbe verwahrten
Amtsbücher und Rechnungen kurz auf und verzeichnet auch die
Archive der Herrschaften Heilig- Kreuz und Hohlandsberg sowie das-
jenige des St. Petersstiftes. Die Stadt Colmar hatte die Herrschaft
Hcilig-Kreuz im Jahre 15)56 von der Witwe des kaiserlichen Schatz-
meisters Jakob Villinger und die Güter des Colmarer St. Petersstiftes
im Jahre 157o von der Stadt Bern erkauft; im Jahre 1714 hatte sie
zwar das St. Petersstift gegen die Herrschaft Hohlandsberg umgetauscht,
doch war ihr ein Teil des Stiftsarchivs verblieben.
Nach dem Tode Hüffels wurde der Lizentiat der Rechte Christian
Friedrich Birkel auf die Empfehlung des Intendanten De Blair im
Jahre 1773 zu seinem Nachfolger ernannt. Birkel entstammte einer
angesehenen Colmarer Familie und hatte sich mehrere Jahre als
Sekretär des königlichen französischen Ministers Follard am bayerischen
Hofe aufgehalten. Er blieb im Dienste bis zu seinem im Jahre 1811
T eingetretenen Tode. Er gehörte, wie sein Vorgänger, dem Rate an
und stand an der Spitze der Gärtnerzunft zum Haspel ; später begegnet
er uns auch als Hilfsrichter am Kriminalgericht des oberrheinischen
Departements.
Wenn das Stadtarchiv in den Stürmen der französischen Revo-
lution nicht unterging, so haben wir dies vermutlich seinem Hüter
Birkel zu verdanken. Die Augenzeugen jener Zeit berichten, dass an
dem 21. Juli 1793, dem Tage der Annahme der neuen Konstitution,
„Bücher und Schriften von den Stadtgerechtigkeiten" als Symbole der
alten Knechtschaft öffentlich verbrannt wurden. Wir lesen ferner im
„Rcgistro des deliberations du Conscil general de la commune de
Colmar" folgendes Protokoll: „S6ance du 29. brumaire de l'an 2. de
la R6publique franyaise: Sur ce qu'il a et6 repr6sente par le procureur
de la commune qu'il est instruit qu outre les titres de feodalitö livr6s
aux Hammes le 17 [sie!] juillet, il doit encoro exister dans les archives
de la ville des pieces rappelant l'esclavage et la superstition de nos
peres, quo quelque difticile que puisse en etre la recherche, eile est
necessaire, puisque dans le regne de la liberte il ne doit rester aueun
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vestige de l'ancien despotisme nobiliaire ou saeerdotal — lc Conseil
general de la comrnuiio arröte que le citoyen archiviste fera les recherches
lesplus scrupuleuses dans lcsarebives de la ville pour rassembler tousles
titres qui ne pouvant servir ä constater des proprietes rappeleraient un
despotisme quelconque, pour etre livres aux Hammes un jourde decade."
Da nun allem Anscheine nach kaum etwas Wertvolles damals
zu Grunde ging, so ist wohl anzunehmen, dass es Birkel gelang, die
seiner Obhut anvertrauten Schütze vor der Vernichtung zu bewahren,
indem er irgend welche wertlosen Bande und Pergamente der damaligen
Zerstörungswut opferte.
Nach dem Tode Birkeis erhielt der frühere städtische Sekretär
Franz Xaver Leib die Archivarstelle. Von seiner Tätigkeit am Archive
ist nichts bekannt; er hat dieselbe wohl nicht lauge, ausgeübt, da er
in den zwanziger Jahren als erster Beigeordneter des Bürgermeisters
in den Akten erscheint.
Das Archiv hatte seit der Neugestaltung aller Verhältnisse seine
praktische Bedeutung grösstenteils cingebüsst, und infolgedessen war
auch das Interesse der Stadtverwaltung an demselben erlahmt. Erst
im Jahre 1837 wurde wieder ein Archivar angestellt, und zwar war ^
dies Louis Hugot, ein Schüler der „Ecolc des Chartes", der schon als
„Archiviste de la Couronne" in Paris tütig gewesen war. Von dem
Jahre 1841 an verwaltete er zugleich auch die Stadtbibliothek. Hugot
war ein Mann von vielseitiger Bildung und feinem Kunstsinne und
trug viel zur Hebung des geistigen Lebens im damaligen Colmar bei:
wir verdanken ihm vor Allem die Gründung des Schongauer-Museums.
Als der neue Archivar sein Amt antrat, fand er die Archivalien
völlig verwahrlost auf dem Speicher der städtischen Metzig vor. Er
veranlasste ihre Überführung nach d^m Räume über der Lyceums-
kirche, von wo sie i. J. 1850 nach dem früheren Unterlindenkloster
geschatft wurden.
Hugot starb i. J. 1864. Suchen wir festzustellen, was er in den
27 Jahren seiner Amtsdauer für das Archiv geleistet hat, so finden
wir nur Ansätze zur Neurepertorisierung einzelner Archivteilc. Diese
Spuren seiner Tätigkeit zeugen von einer tüchtigen Schulung im
Archivfache und lassen uns bedauern, dass seine Fähigkeiten dem
Archive nicht besser zu statten gekommen sind. Zur Herstellung des
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von den vorgesetzten Behörden unablässig geforderten summarischen
Inventars konnte er sich wohl deshalb nicht entschliessen, weil er
eine solche oberflächliche Arbeit für einen Rückschritt gegenüber den
Leistungen seiner Vorgänger hielt.
Hugot's Nachfolge am Archiv übernahm sein früherer Schüler
und Gehilfe Xavier Mossmann, dessen Begeisterung für die historischen
Studien durch eine langjährige Tätigkeit als kaufmännischer Buchhalter
nicht hatte unterdrückt werden können. Mossmann machte sich mit
Eifer daran, den Plan seines Meisters zu verwirklichen, nämlich ein
sogenanntes analytisches Inventar des ihm anvertrauten Archivs an-
zufertigen.
Hüffel hatte bei der Abfassung seines Repertoriums den prakti-
schen Zweck vor Augen gehabt, ein Nachschlagebuch für die Bedürf-
nisse der Verwaltung zu schaffen. Wenn auch sein Werk für seine
Zeit recht verdienstlich war und jetzt zur allgemeinen Orientierung
über den Bestand des alten Archivs noch immer zu gebrauchen ist,
so kann es doch den heutigen Anforderungen der Archivbenützer,
denen es um sichere Auskunft in historischen Fragen zu tun ist, nicht
< mehr genügen. Es sind darin weder die Daten, noch die Inhaltsan-
gaben stets zuverlässig; namentlich aber weist die Aufzählung der
Archivalien in einigen Abteilungen neben Ungenauigkeiten auch
grössere Lücken auf. Was eben die damalige Zeit nicht mehr
interessierte, glaubte Ilüffel nicht eingehend behandeln zu müssen.
So kommt es, dass wir auf dürftige Angaben wio z. B. folgende stossen:
„Rechnung-Gewölb, Scrinium B, Lad. 19. Müntz-Sachen Nr. 1: Edicta,
Mandata, Declarationes et similia von verschieden Römischen König
undt Keyseren auch Keyserlicher Regierung von vielen Jahren hero
des Müntzweßens halb ergangen." Als Beispiel für die Lückenhaftig-
keit des Hütteischen Repertoriums möge nur erwähnt werden, dass
eine die Signatur R. G. S. B. 37 führende Sammlung von Urfehden,
welche* allein an mittelalterlichen Urkunden gegen ein halbes Tausend
Stücke enthält, überhaupt nicht eingetragen ist.
Die Absicht Mossmanns ging nun dahin, den für die Geschichts-
forschung wesentlichen Inhalt des gesamten Archivs möglichst genau
zu verzeichnen. Er wollte für jede Urkunde ein ganz ausführliches
Regest abfassen, den Inhalt der einzelnen Aktenreihen in zusammen-
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hängenden Abhandlungen darstellen und zu den verschiedenen Amts-
büchern Indices anlegen, welche auf alles irgendwie Wissenswerte
hinweisen sollten. Die Arbeit konnte allerdings in dieser umständlichen
Weise nur langsam fortschreiten, besonders da der Archivar noch
durch andere dienstliche Obliegenheiten vielfach in Anspruch ge-
nommen wurde.
Als Mossmann im Jahre 1893 starb, hatte er sein Werk noch
nicht zu Ende gebracht, aber doch einen beträchtlichen Teil davon
ausgeführt. Sein Nachfolger, Dr. phil. Eugen Waldnor, arbeitete an
dem neuen Inventare weiter, indem er sich zunächst den von Hüffel
am meisten vernachlässigten Archivtoilen zuwandte. Er mu-sste in-
dessen im Jahre 1900 seinen Beruf aus Gesundheitsrücksichten auf-
geben, worauf Herr Spitaldirektor Dr. rer. pol. August Hertzog das
Archiv einige Zeit im Nebenamte verwaltete. Im Jahre 1903 wurde
wieder ein Archivar angestellt in der Person des Herrn Dr. phil. Ernst
Hauviller. Derselbe bekleidete dies Amt viertehalb Jahre lang. Nach
seinem Austritt aus dem Dienste der Stadt Colmar übernahm der Ver-
fasser dieser Zeilen wiederum die Leitung des Archivs.
Was die materielle Ordnung und die Aufstellung der Archivalien
betrifft, so möge noch erwähnt werden, dass sie im Jahre 1872 von
dem Unterlindengebäude in einen Flügel des Stadthauses verbracht
wurden, der früher zur Aufbewahrung des Bezirksarchivs gedient hatte.
Der hier angewiesene Raum war so klein und zum Teil so schlecht
beleuchtet, dass eine ordentliche und übersichtliche Aufstellung nicht
möglich war. Erst im Jahre 19U6 wurden die Räumlichkeiten den
Bedürfnissen entsprechend erweitert. Bei dieser Gelegenheit ver-
schwanden auch die alten stattlichen Schränke, welche in ihren zahl-
reichen Schubladen die Schätze des Archivs wohl über zwei Jahr-
hunderte geborgen hatten.
Den reichen Bestand des Archivs will ich hier nur kurz andeuten
Über den Schriften der Reichsstadt Colmar muss in der ersten Hälfte
des 13. Jahrhunderts ein ungünstiges Geschick gewaltet haben, da aus
dieser Zeit gar nichts mehr erhalten ist. Wenn auch die Neben-
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arehive viel weiter zurückreichen, so stammt das älteste zweifellos
zum städtischen Hauptarchive gehörende Schriftstück erst aus dem
Jahre 1255. Es ist eine Originalurkunde des Königs Wilhelm, durch
welche derselbe den Bürgern von Colmar die ihnen von den früheren
Königen und Kaisern erteilten Privilegien im Allgemeinen bestätigt.
Die nächstfolgende Königsurkunde ist das ausführliche Stadtrecht, das
Rudolf von Habsburg i. .1. 1278 den Bürgern von Colmar verlieh. Vom
Ende des 13. Jahrhunderts an beginnt das Archiv reichhaltiger zu
werden und schwillt dann mit jedem Jahrhundert mehr an.
Aus dem 14. Jahrhundert sind besonders die Landfriedensbünd-
nisso und die Urkunden zur Geschichte der Verfassungskämpfe zu
nennen, aus dem 15. die Akten über die Einfälle der Armagnakcn und
über die Burgunderkriege. Der Bauernkrieg, die Reformation und die
Gegenreformation, der dreissigjährige Krieg, die Besitznahme des
Elsasses durch Frankreich: kurz, alle wichtigen Epochen der elsässi-
schen Geschichte haben einen bedeutenden schriftlichen Niederschlag
in unserem Archive hinterlassen. Eine stattliche Sammlung bilden
namentlich die Reichs- und Städtetagsakten vom 15. bis zum 1 7. Jahr-
hundert. Von einzelnen grösseren Abteilungen wären zu erwähnen:
Landvogtei, Münzwesen, Städtisches Eigentum, Zünfte, Klöster, Juden
etc. Durch ihre prächtigen Majestätssiegel ausgezeichnet sind die
Quittungen der Reichssteuer, welche bis zum Jahre 1296 zurückgehen.
Kunstgeschichtlichen Wert haben die Urkunden der von der Stadt
verwalteten St. Martinsbaupfiege; sie sind vom Jahre 1263 an sorgsam
aufbewahrt worden.
Bei der Aufzählung der zahlreichen Amtsbücher gebührt dem auf
Pergament geschriebenen alten Rotbuch die Ehrenstelle : es enthält die
wichtigeren Ratsbeschlüsse vom Jahre 1362 au. Die auf Pergament-
rollen angelegten Verzeichnisse der Bürgeraufnahmen beginnen schon
1361, die Ratslisten 1408. Die Kaufhausbücher oder städtischen Rech-
nungen setzen im Jahre 1^92 ein, die eigentlichen Ratsprotokolle 1429,
die Missivenprotokolle 1442, die Kontraktprotokolle 1512. Die Eid-
büchcr, deren ältestes noch dem 15. Jahrhundert angehört, belehren
uns im Einzelnen über die Organisation der städtischen Verwaltung.
Die vielen Steuer- und Zollregister bieten Stoff zu interessanten volks-
wirtschaftlichen Untersuchungen.
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Neben seinem alten Grundstöcke birgt das Colniarer Stadtarchiv,
wie schon erwähnt, noch die Archive der Herrschaft Heiligkreuz und
des St. Petersstiftes sowie Teile desjenigen der Herrschaft Hohlandsberg.
Dazu sind seit der französischen Revolution die Schritten mehrerer
Zünfte und Gesellschaften gekommen ; auch wurden gelegentlich
Archivalien durch Schenkung oder Kauf erworben. Im Jahre 1906 ist
ferner das alte Colmarer Spitalarchiv in den Räumen des Stadtarchivs
deponiert worden.
Die älteste Heilig-Kreuzer Originalurkunde ist eine Hülle des
Papstes Athanasius IV. aus dem Jahre 1154, durch welche derselbe
das Kloster Heilig-Kreuz in den besonderen Schutz des heiligen Stuhles
nimmt und ihm alle vom Papste Leo IX. verliehenen Privilegien be-
stätigt.
Von hohem Werte für die Colmarer Urgeschichte ist das Archiv
des Benediktinerstiftes St. Peter zu Colmar. Die im Jahre 1714 unter
dem Drucke Ludwigs XIV. von der Stadt Colmar vorgenommene Ver-
äusserung des Stiftes wurde im Jahre 1793 durch das Distriktsgericht
zu Colmar rückgängig gemacht, worauf die Stadt mit den Stiftsgütern
auch den Hauptbestand des Stiftsarchivs zurückerhielt. Dasselbe be-
lehrt uns namentlich über das Verhältnis der Gemeinde zu ihrem ur-
sprünglichen Gerichts- und Grundherrn, dem Prior des Klosters Peter-
lingen in der Schweiz, welches die später als St. Petersstift bezeich-
nete Besitzung zu Colmar schon im Jahre 97.'i inne hatte. Die älteste
Originalurkunde dieser Abteilung ist ein von Kaiser Konrad II. im
Jahre 1027 ausgestelltes Diplom, das dem Gotteshause Peterlingen
seinen Besitz zu Colmar bestätigt.
Diese kurzen Andeutungen mögen hier zur allgemeinen Orien-
tierung über das Colmarer Stadtarchiv genügen. Von ihm berichtete
der Generalinspektor der französischen Archive i. J. 18(57 an den
Minister des Innern: „Le depöt de Colmar compte au nomine des
plus riches et des plus importants de France." Dasselbe lässt sich
heute auch in Bezug auf Deutschland sagen.
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2.
Verordnungen
des
Rates der Stadt Colmar
1362—1432.
(Aus dem ältesten Stadtbuche gezogen).
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Verordnungen des Rates von Colmar
ans den Jahren 1362 bis 1432.
Vorwort.
Die Rats Verfassung für Colmar, welche der elsässische Landvogt
Burggraf Burkhard von Magdeburg im Jahre J360 aufstellte und Kaiser
Karl IV. am 15. August 1361 bestätigte, machte den vieljährigen inneren
Wirren der Stadt auf längere Zeit ein Ende.') Das durch heftige Partei-
kilmpfe erschütterte Gemeinwesen kam nunmehr zur Ruhe und hatte
eine feste Grundlage für eine gedeihliche Entwicklung.
Der neue Geist zeigte sich bald in einer sorgfältigeren Verwaltung
der städtischen Geschäfte und namentlich in der Anlage von ordent-
lichen Amtsbüchern auf der Kanzlei. Seit dem Ende des Jahres 1361
wurden genaue Verzeichnisse der Bürgeraufnahmen geführt und von
1362 an die Beschlüsse des Rates niedergeschrieben.
Beiderlei Aufzeichnungen sind uns noch im Stadtarchiv erhalten,
und zwar die ersteren auf den Original- Pergamentrollen, die letzteren
in einem besonderen Bande. Dieser besteht aus 106 Pergamentblättern
in Quartformat und ist mit Holzdeckeln versehen, welche mit rotem
Leder überzogen und mit messingenen Knöpfen verziert sind. Neben
protokollierten Ratsbeschlüssen, welche teils Verordnungen, teils Straf-
urteile und zwar hauptsächlich Verbannungen enthalten, stehen darin
noch Schotten listen, Abschriften einzelner Urkunden, Notizen über Münz-
prägungen und über die Rechnungsablegung von städtischen Beamten
sowie mancherlei Anderes.
') Afossmann: Recherchen sur la Constitution de la commune ä Colmar. Colmar
1878. S. 83— 87. Waldner: Artikel Colmar in: Das Reichsland Klsass-Lothringcn,
hrsgb. vom statist. Bureau des Ministeriums tür E.-L. III. S. 178.
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Der Codex selbst wird a» verschiedenen Stellen desselben erwähnt
als der stette büch, als ratbüch oder unser statt ratzbuch.
Die hierfür auch vorkommende dialektische Form rotbuch wurde von
späteren Registratoren mit der Farbe des Einbandes in Zusammenhang
gebracht und in Rotes Buch (Ii vre rouge) verwandelt. Zur Unter-
scheidung von einem anderen Archivbande mit rotem Umschlage, einer
im Jahre 1488 vom Stadtschreiber Konrad Wickram angelegten Samm-
lung von archivalischen Auszügen über wichtige Rechts- und Ver-
waltungsangelegenheiten, hiess unser Buch das alte Rotbuch.
Die darin ursprünglich verzeichneten Ratsbeschlüsse weisen, soweit
sie datiert sind, die Jahreszahlen 1362 bis 1481 auf; aus späterer Zeit
stammen nur noch wenige Einschiebsel. Der älteste und grösste Teil
des Buches ist von einer Hand aus der zweiten Hälfte des 14. Jahr-
hunderts geschrieben, und zwar sind die Protokolle nicht etwa im Laufe
ihrer Abfassung eingetragen worden, sondern die Sammlung scheint auf
einmal und erst im Jahre 1386 zu Stande gekommen zu sein. Dafür
spricht der einheitliche Charakter der Schrift und der Umstand, dass
die Ratsbeschlüsse von 1362 bis 1386 in chronologisch bunter Reihe auf
einander folgen. Man sieht allerdings dem Kompilator die Absicht an,
eine chronologische oder eine sachliche Ordnung herzustellen, aber er
hat keine von beiden konsequent durchgeführt. Von den archivalischen
Quellen, aus denen er schöpfte, ist nichts mehr vorhanden; ausführ-
liche Protokollbücher über die Ratssitzungen sind erst vom Jahre
1429 an erhalten.
Angelegt wurde unser Buch ohne Zweifel von dem damaligen
Stadtschreiber. Es war dies wohl jener Waltherus Fulweis, notarius
Columbariensis, der am Matthiastage 1384 zum Bürger aufgenommen
wurde. 1 ) Dass mit der Benennung notarius Columbariensis der
Stadtschreiber gemeint ist, geht wohl daraus hervor, dass derselbe Aus-
druck in den Bürgerlisten des Jahres 1376 von einem Cünradus Löckelin
gebraucht wird, der in einem Spruchbrief aus dem Jahre 1379 als
unser stettschriber erwähnt wird. 2 ) Wie dem auch sei, so scheint
jedenfalls der erste Schreiber unseres Stadtbuches, den wir hier mit
A bezeichnen wollen, nicht lange iin Amte gewesen zu sein, denn
») S. Bürgcrlistcm. «) E. 23, 1.
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seine Handschrift findet sich sonst nur noch in den Burgerlisten der
*• Jahre 1385—1387 vor.
Die nachfolgenden Stadtschreiber haben das Werk ihres Vor-
gangers fortgeführt, indem sie die leer gebliebenen Blätter des Bandes
und die freien Stellen schon beschriebener Seiten ausfüllten. Doch
wurden die Aufzeichnungen im Laufe der Zeit immer spärlicher, und
nur die Schöftenlisten weisen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts eine
zusammenhängende Folge auf. Während der erste Schreiber, wie es
scheint, alle ihm zugänglichen älteren Ratsbeschlüsse sammelte, so
haben seine Nachfolger nur noch diejenigen in das Stadtbuch auf-
genommen, deuen sie eine grössere Bedeutung beimassen. Dass die
Eintragung manchmal auf den besonderen Befehl des Rates geschah,
wird an einigen Stellen ausdrücklich hervorgehoben. Von dem zweiten
Drittel des 15. Jahrhunderts an empfing die alte Sammlung von Rats-
beschlüssen nur noch selten einen Zuwachs, und ein Vergleich mit
den Ratsprotokollbüchern zeigt, dass selbst Wichtiges nicht mehr
regelmässig beigefügt wurde.
Was die Schrift der Fortsetzung des alten Stadtbuches betrifft,
< so rühren die Protokolle der Jahre 1387 bis 1403, mit Ausnahme einer
Verordnung von 1399, von einem hiermitB bezeichneten Schreiber her, von
dem wir nichts wissen, als dass er auch Walther hiess. 1 ) Die späteren Ein-
träge wurden von verschiedenen Händen gemacht, z.B. von dem im Jahre
1409 Bürger gewordenen Stadtschreiber Claws von Appen wiler, die
meisten jedoch von einem Schreiber C, dessen Schriftzfige auch sonst
in den städtischen Registern vom Jahre 1429 an während zwei Jahr-
zehnten vorkommen, der aber noch einige ältere Verordnungen (von
1407, 1411 und 1413) in das Stadtbuch einfügte. Er ist wohl identisch
mit dem Stadtschreiber Johannes Oescwin von Wynnyngen, der im
Jahre 1432 das Colmarer Bürgerrecht empfing. Der Umstand, dass
dieser langjährige Colmarer Stadtschreiber aus dem an der Mosel bei
Koblenz gelegenen Winningen stammte, zeigt, wie vorsichtig man
bei der Verwertung archivalischer Quellen für die Dialektforschung
sein muss.
'> S. das Stadtbucli selbst. S. 159.
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Da die gesetzgebende Tätigkeit des Rates in den nächsten
Jahren nach Beendigung der Verfassungskämpfe eine sehr fruchtbare
war, und ihre Ergebnisse dauernde Geltung behielten, so wurde die
Niederschrift derselben geradezu für das städtische Rechtsbuch ange-
sehen. Wenn es in der Verfassungsurkunde vom Jahre 1424 heisst,
man solle jedes Jahr am Sonntag nach der Ratssatzung das recht-
büche off offenen cantzeln künden, das mengliche wisse,
warn ach er sich halten solle, so ist damit jedenfalls unser
altes Stadtbuch gemeint.') In dem Berichto über den Aufruhr, welcher
die Verfassungsänderung des Jahres 1424 zur Folge hatte, heisst es ja aus-
drücklich, die aufständischen Bürger hätten sich auch des Ratsbuches be-
mächtigt. 2 ) Noch eine im Jahre 1470 erlassene und im Bande 11 ) selbst
stehende Verordnung bestimmt, dass jedes Jahr bei der Rutsänderung
dis rottbuch dem neuen Rate ganz vorzulesen sei, damit sich jedes
Mitglied inn sinem sprechen und sust darnach zu richten wisse.
Das Recht der autonomen Gesetzgebung der Reichsstadt Colmar
gründete sich auf die von König Rudolf im Stadtrecht vom Jahre 1278
den Bürgern erteilte Befugnis, „Einungen über sich selbst zu setzen".
Diese Einungen waren unter Strafandrohung erlassene Rechtsvor- >
Schriften; auch die Strafen selbst und namentlich die Geldbussen
werden öfters mit diesem Worte bezeichnet. Das Recht, Einungen
aufzustellen, wurde der Stadt von König Karl IV. im Jahre 1347
ausdrücklich bestätigt und insbesondere dem von der Gemeinde ge-
wählten Rate übertragen. *) Bei wichtigen Entscheidungen, wo es
galt, im Einklang mit der öffentlichen Meinung zu bleiben, gesellte
sich der Rat noch die einen weiteren Bürgerausschuss bildenden
Schöffen bei.
Die legislative Kompetenz des Colmarer Rates bewegte sich
natürlich innerhalb der durch das Rudolfinische Privileg und die all-
gemeinen Reichsgesotze gezogenen Schranken. Darüber hinausgehende
Ratsbeschlüsse wurden von dem Reichsoberhaupte wieder aufgehoben.
Dies geschah z. B. im Jahre 1354 mit einem städtischen Gesetz in
Betreff der Verfügung über das Gut eines Mörders. 1 ) Die im Jahre
n Mossmann: Constitution 93. 2 ) Mossmann: Memoire... sur une insurrection
survenue a Colmar en 1424. Colmar 1882. — S. 20. ») S. 198. *) Mossmann :
Constitution 52. *) Mossmann a. a. O. 62— 63.
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1367 vom Rate beschlossene Milderung der alten Strafe für Verwundung
bedurfte der besonderen Erlaubnis des damaligen Reichsverwesers,
des Herzogs Wenzel von Luxemburg. 1 )
Von dem verschiedenartigen Inhalte des alten Stadtbuches
veröffentliche ich hier nur den wichtigsten Teil, nämlich die Verord-
nungen, und diese auch nur bis zum Jahre 1432. Ich habe die Grenze
hier gezogen, um noch die ausführlichen Bestimmungen über die
Zünfte aufnehmen zu können, und weil für eine Sammlung von
Verordnungen aus späterer Zeit nicht mehr unser Band, sondern die
Ratsprotokollbücher die Hauptquelle bilden würden. Jüngere Ab-
änderungen wurden von mir nur berücksichtigt, wenn sie noch dem
15. Jahrhundert angehören, und zwar wurden sie zwischen Klammern
gesetzt. '
Was die Art und Weise der Veröffentlichung betrifft, so mache
ich einen Unterschied zwischen den Aufzeichnungen des Schreibers A
und denen der folgenden. Erstere habe ich genau in ihrer Reihen-
folge gelassen, nicht als ob ich sie als ein einheitliches Werk betrach-
tete, sondern weil viele undatiert sind, und es oft zweifelhaft erscheint,
ob das zunächst vorausgehende oder folgende Datum auch für sie
gilt oder nicht. Dagegen wurden die von den späteren Schreibern
gebuchten Ratsbeschlüsse, welche sämtlich datiert sind, von mir
chronologisch geordnet. Nur zwei Nachträge des Schreibers B, die
Formel des Judeneides 2 ) und eine Verordnung vom 23. Juni 1381, 3 )
habe ich an ihren Stellen in der ersten Gruppe belassen.
Bei der Edierung des Textes habe ich mich möglichst genau
an die Orthographie des Originals gehalten, also auch den Consonan-
tismus unverändert gelassen. Nur in einigen Punkten, wie bei der
Wiedergabe der Ziffern und der Daten, dem Gebrauch von u, v, i, j
und der Anwendung einer von der heutigen abweichenden Inter-
punktion, habe ich die von Weizsäcker im ersten Bande der Deutschen
Reichstagsakten aufgestellten Regeln befolgt.
Schwierigkeiten machen bei einer solchen Publikation immer
die über den Vokalen stehenden Buchstaben und Zeichen. Ich habe
•) Hier unten S. 43. «) Hier unten S. 54. ») S. 59.
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ein möglichst getreues Bild der Handschrift zu geben versucht und nur
zur Vereinfachung des Druckes folgende Abänderungen vorgenommen.
Für den ü-Laut, den die Schreiber unseres Ratsbuches mit u
und darübergesetztem Punkt oder kleineu wagerechten Strich oder
circumflexartigen i wiedergeben, wobei alle drei Zeichen durcheinander
und ohne konsequente Unterscheidung der Quantität des Vokals ange-
wandt werden, habe ich ein einheitliches ü gewählt.
Wenig folgerichtig durchgeführt ist im Originaltexte auch die
Differenzierung der e-Laute durch einen Punkt, einen Circumflex oder
zwei nebon einander stehende Punkto über dem e, weshalb ich von der
Reproduktion dieser Zeichen überhaupt Abstand genommen habe.
Bei den Schreibern B und C sind dieselben übrigens nur selten anzu-
treffen, bei A dagegen begegnet der Punkt häufiger, namentlich über
der Tonsilbe der Wörter: gelt, kleger, metziger, reben, recht,
stette, weg, wechssei, sechs, es, weler, gegen, weder,
geben, gesetzet, sweren, vert und den Üonjunctiven: breche,
hette, kerne, tete etc.
Nicht angegeben in unserem Abdruck ist ferner die vereinzelte
Bezeichnung der Länge des a durch ein zweites, darübergesetztes a,
wie sie sich in der Schrift C bei den Wörtern began, kram und
rat findet, lieber das a in letzterem Worte setzt der Schreiber B
manchmal den Haken, den er sonst für das übergeschriebene v (resp.
u) gebraucht.
Die Abkürzungen habe ich stets im Sinne des Schreibers auf-
gelöst; so wurde in der Schrift A dz und wz mit das und was
wiedergegeben, weil diese Wörter, wo sie unverkürzt vorkommen,
fast immer mit s geschrieben sind.
Offenbare Schreibversehen habe ich stillschweigend berichtigt;
im Zweifel jedoch, oder wenn eine wiederkehrende Eigentümlichkeit
des Schreibers vorliegt, wurde nichts geändert.
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1362-1386.
3 * Anno domini MCCC L XII crastino Johannis Baptiste wart er-
teilt und erkant einhelleclich, wer von der stat zü Colmer louffet,
es sie man oder wip, von schulde wegen oder das sü den lüten
das ire empfürent, ist das die eigen oder erbe oder ander güt
hinder in laut in der stat, das mögent die den sü denne schuldig
sint oder den sü das ire empfüret bant das eigen oder das erbe
und das güt wol frönen und mit dein gerichte dar uff kommen,
als das gerichte denne erteilt. 1362 Juni 25.
Anno predicto sabbato ante Margarechte virginis wart ein-
helleclich erteilt, weles burgers oder seldeners kint zü Colmer würt
geslagen, da das kint nüt vogtber ist und von eim geslagen würt
der vogtber ist, dar über sol das gerichte noch die echte we nüt
richten, wand der rat sol dar über und dar nach als es erfaren
ist erkennen eine besserunge, ist das es eim burgermeister geclaget
würt. 1362 Juli 9.
Anno predicto feria tertia einte festuni nativitatis Marie wart
erteilt und erkant, wa ein lnntman über einen burger oder seidener
messer zügket, der sol bessern zchen pfunt und so vil me als denne
der rat über in erkennet nach der getat so er tut. Ist aber das
der lantman der das messer gezügket het dem burger oder seidener
4. nüt het verwundet und entrinnet der in || eins burgers oder seldeners
hus, und würt denne der lantman hinder ym verbotteu von dem über
den der lantman das messer gezügket het, so sol yn der burger oder
seidener in des hus er ist haben als ob in der weibel verbotten hette.
Ist aber das der burger oder seidener in des hus er ist daz messerzukgen
für in vertröstet der 10 lib. als ein lantman bessern sol, so sol der
burger oder seidener fürbasser nüt me haft sin. Ist aber das der lant-
man burger oder seidener gewundet het, so mag den lantman ein ieglich
burger oder seider hinder dem verbieten in des hus er entrinnet, oder er
sol in aber her uß lassen nemmen in das gericht, wand der lantman
* Die Zahlen Hin Rande bezeichnen die Seiten der Handschrift.
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sol keinen friden denne zemalc haben an dcheinen Stetten anc in j
kilchen. 1362 September 6.
Eodem tempore wart erteilt und erkant, wer uff des andern
matten fort e das er es billich tön sol oder in sin korn fort oder
in die Ouwe, da bessert ie das vihes houbt l lib. dn. halber dem
schultheissen und dem meister und halber der stat. Und sol der
des das vi he ist dem sinen schaden ufrichten. Und mag das ein
ieglicher der es sieht übersagen bi sinem eyde. Und was eim
schaden geschieht, da sol man erber lüte zu schigken, die dar über
erkenneiu was des schaden sie.
Anno LXX secundo sabbato ante Bartholoiney wart erkant,
wer mit jagende iemant keinen schaden tete in sinen reben, in
gerten oder in der Ouwe, der bessert ein halb jar für die stat und
mag das abkouft'en. 1312 Augunt 21.
5. Der rat het erkant, das nieman in das korn noch in die sete
vareu sol mit pherden noch mit vihe. Ist aber das ieman sete von
ym selber het, der mag sine pherit dar in füren also das er das
pferit an der hant füre. Were aber das dar über iemant dehein
schade geschähe oder dem andern in sin korn oder sete füre, da
bessert ie des vihes houbt, als dicke es geschieht, l lib. d. halber
dem schultheissen und dem meister und halber der stat, und sol
dnrtzü dem sinen schaden abheben dem der schade geschehen ist.
Anno LX secundo sabbato post beati Nicolay episcopi da wart
erkant, das kein vischer zö Coliner umb einen frömden man vische
sol koutten, wand das man sü einen ieglichen frömden man sol
lassen selber verkouffen, es were denne das einre nüt tütsch kende,
dem mag einre wol helffen und für in reden. Und sol ouch nieman
mit dem andern gemein haben denne zwene, und süllent ouch die
vischer zü Coliner umb einander keine vische koutten. Wer
dirre stücke dcheins verbreche, der bessert 1 lib. d. als dicke
es geschieht, halber dem schultheissen und dem meister und halber
der stat. 1302 Dezember 10.
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Anno LX sexto sabbato post üylarii da wart erteilt und er-
kant, das keine fröwe vische sol veile haben in dem merket noch
verkouffen. Es sol ouch nieman under den vischern in disem
banno umb den andern deheine vische kouffen. Wer dirre stügke
deheins verbreche, der bessert l üb. d. halber dem schultheissen
6. und dem meister und halber der stat. 1360 Januar 17.
Dartzü het der rat erkant, das kein vischer noch niemant
anders die da gesaltzene vische veile hant ir vische, als sü ein
logel ufslahent, mit lenger veile süllent haben denne untz an den
dritten dag, es erloube in denne die schouwer. Wer das brichet,
der bessert 1 üb. d. halber dem schultheissen und dem meister und
halber der stat.
Der rat hat erkant, wer zu Colmer ein tonne heringes oder
ein logel mit vischen ufslüge ane die schouwer die dar über
gesetzet sint, wer das ouch tut und wie dicke das geschieht, da
bessert ie die tone oder ein logel mit vischen 2 lib. d. halber dem
schultheissen und dem meister und halber der stat.
Eodcm die et anno wart erteilt und erkant, wer es das ein
lantman in die stat gen Colmer züge mit sinem gute und er ouch
in dem lande güt hette, den mag man pfenden umb zinse in der
stat, ob er ieman schuldig were, als sesse er ym lande, und sol
ouch das sin umb soüche zinse dar umb er in dem lande macht
hette zu pfendende und mit anders. Actum anno LX secundo sabbato
post Nicolay. 1362 Dezember 10.
7. Anno domini LX tertio crastino epyphanie domini wart erteilt
und erkant, das nieman sol zu Colmer spilen uff dehein eigen noch
uff dcheinon bürgen, uff deheinen eit noch uff dehein pfant das nüt
zu gegen lit noch roten noch mit triben das den pfenning giltet.
Man spilet aber wol uff soüche pfant die uff dem brette oder da
zü gegen ligont ane geverde. Wer dis brichet, der bessert 5
lib. d., dem schultheissen und dem meister 1 lib. und der stat das
überige.* 1363 Januar 7.
* Am Rande sind drei Würfel gezeichnet.
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- 22 —
Eodem die wart erteilt, das dehein oleman der varher niestet
die selben varher ussewendig der stat sol verkouften. Sü süllent
die gewonheit da mitte halten in alle die wisc als die brotbegker
tünt und die selbe besserunge liden, welcr es verbreche.
Anno predicto feria quarta ante palmarum da wart erteilt, wa
einem weibel einer empfolhen würt und ym der gefangen einen
bürgen wil geben, so sol der weibel einen erbern burger oder seider
dartzü ziehen, und mag denne der weibel selb ander den wol des
übersagen das er bürge ist worden, ob es einre misseichen wolte.
1363 März 22.
8. Anno domini MCCCLX tertio post fest um corporis Christi da
würdent diso nachgeschriben stügke einhelliclich erteilt und erkant
in offenem rate, das man nieman kein holtz zu deheinem buwe sol
geben, er habe denne einen solichen nüwen bu von gründe uff' da
zü dem minnesten zwey erütze an dem buwe sint, oder zü solichem
buwe das ein recht hus heisset mit gcbelen. Zü dem buwe sol
man geben eime drie böme und zü deheim alten buwe nür.
1WX Juni 2/fJ
[Es were denn das die rete yernant türer erloubten noch ge-
legentheit der Sachen. Und sol ouch der stette zymberman und
wergkmeister söllich holtz so man den lüten ye ze zyten gipt selber
houwen oder sine kneebt und nit die lütc den dann sollich holtz
geben wurt. Und sol man ouch demselben zymberman geben von
ye dem stumpft' 1 s. d. nippen und den Rietförstern 4 d. ze
stumpfflöse ]
Werne die burger holtz gent in dem walde, der sol es selber
zü dem buwe brachen dartzü es im geben ist, und sol dehein ander
holtz umb deheinen zimberman noch umb niemant anders lehenen
dar uff* das der zimberman oder iemant anders das holtz von dem
walde dar für nemme. Dartzü sol er ouch mit nammen keinem
zimberman noch niemant anders die afterslagen zü koutt'ende geben.
Und wer das brichet, so sol der zimberman und ouch der der daz
holtz kouft het ieglicher bessern 5 lib. d., dem schultheissen und
dem meister 1 lib. und das überige der stat.
!
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— 23 —
Dartzü hat der rat erkant, weme die burger also buholtz gent
also vor stat, der sol es vorbuwen in jar und in tage. Wer das
nüt endete, der bessert die obgenant besserung, und sol das holtz
dar nach der stette sin. Actum crastino beatorum Symonis et Jude
apostolorum anno LXXXV. 1386 Oktober 29.
9. Es ist ouch erkant, das man den die trotten hant, da eim ein
bette böse ist, sol geben einen böm der zü eirae bette güt ist.
Ist aber die trotte also böse das es die erkennent an die es ge-
setzet ist das er fürbasser darff, so mögent sü im geben einen
böm der zu zweyn betten gut ist, und des jares sol man im nüt
nie geben und zu keiner tennenen trotten sol man nüt geben.
Man sol ouch nieman dehein holfte in deheinen kelre geben,
der kelre sie denne zwenzig schuhe wit und lang.
Wa ein buhoff ist da sol man zwein einen böm geben zu
zwein trögen, da es notdürftig ist, ane geverde.
Als Vendehcin über den walt gesetzet ist, wem da die burger
holtz geut, das sol er den lüten zöigen, und sol das sin ane ge-
verde solich holtz das zü dem buwe güt ist ane geverde. Und sol
man im geben zü lone so er einen böm zöiget 1 s. d , von zwein
böimen 18 d., von drin böimen 2 s. Und sol nieman nüt da
höwen denne das er in zöiget.
Der rat het erteilt, wer in der stette weide vert nach holtze,
also dicke es besehicht, und Aver das tut ane des rates urlop, der
bessert f> lib. und einen monat für die stat ane gnade. Und
sol ouch der alte eynung da mitte stete beliben, das ist von ieg-
lichem stumpfe den einer abehiewe o lib. Und vellet der besserung
dem schultheisscn und dem meister 1 lib. und das ander der stat,
und sol das holtz das er abhöwet der stette bezalen. Actum
crastino beate Katherine virginis.
10. Anno LX tertio sabbato post festum corporis Christi da wart
erteilt und erkant utt" den eit, wa ein schedelich man oder wip
gefangen würt, wele fröwe, wie genant die ist, den schultheisscn,
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— 24 -
meister oder den rat für den schedelichen man oder wip bittet,
der sol man die stat angnade einen monade verbieten, und sol
sü doch der schultheiss, meister und rat der bette nüt eren,
wand der rat es gelobt hat zü haltende. 1SU8 Juni 3.
Es wart ouch erteilt, wele fröwe, wer die ist, die in kilchen
der vor oder in der stat eim manne bettelet oder gilet, die sol
einen raonat ane gnade vor der stat sin, es were denne ein
kindelin das ein fündellin were, doch so sol das selbe keine tön
ane eins burgermeisters urlob. Werne aber der rat erloubet zu
bettelen, das mag eine wol tün.
Es sol kein koch kein swin abnemmen noch brügen, es sie
denne vorhin versuchet das es schöne sie von der melziger
meister oder von den die dar über gesetzet sint und gesworn
hant. Weier das brichet, der bessert 1 lib. als dicke das be-
schicht, halber dem schultheissen und dem meister und halber
der stat.
Der rat hat erkant von der köche wegen die da gesotten
und gebroten fleisch verkouffent, das die kein fleisch vor den
fleischbenken kouffen süllent das pfünnig ist. Wer das brichet
oder den lüteu sust pfynnig fleisch git zü koutfendc, der bessert
ein halb jar, und mag das abkouffon, und dem schultheissen und
dem meister 1 lib. Actum vigilia Syraonis et Jude apostolorum.
11. Der rat hat erkant, das kein varendc tochter keinen riffian
noch lieben man haben sol in der gassen, und sol ouch keiner
nachtes by ir ligen. Weier das breche, da bessert er einen
monat von der stat, und mag den abkouflen, und 1 lib. d., und
die tochter ouch 1 lib. also dicke es geschieht. Und würt der
besserung dem schultheissen und dem meister 10 s. und das
überige der stat.
Der rat hat erkant, das ie die zunft vier nagkete man ane
harnesch zü füre sol schigken mit geschirren, wenne für uß kerne,
das sü denne biderbetlichen lösebent.
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- 25 —
Der rat hat erteilt und erkant, wer den andern dem weibel
empfelhen wil für schulde, das er nüt fürbasser für me sol
empfelhen denne er dunket das er ym schuldig sie, es sie bi 1
lib. oder by zwein pfunden me, ane geverde, uff rechenungc.
Und sol ouch das der weibel fragen by sinera cide den der im
einen emphilhet, was er im schuldig sie, da für sol er in ouch
haben. Wer das brichet, der bessert zwei pfunt dem schult-
heissen und dem nieister 10 s. und das überige der stat.
12. Anno domini MCCCLXIII in vigilia Mathie apostoli da wart
erteilt und erkant, das nieman dem andern sin holtz sol abe
höwen weder frömdcn lüten noch heimschen burgern. Wer
das über füre, der besseret den eynung den der rat gesetzet
hat und so vil als der rat erkennet, und mag yn ein ieglichcr
der es sehe rügen. Und sol keinre der nüt eygens holtzes het
mit deheinem schiffe noch karriche kein holtz her in füren, er
füre es denne eim andern umb Ion, ane geverde, öderer nemme
es denne in sinera eigenen holtze, wand unser herren nüt wellent
das iemant dem andern, er sie frömde oder heimesch, sin holtz
solle abhöben noch nemraen. Wer ouch den lüten ir züne
abe brichet oder stegholtz höwet, weler dirre stügkc deheins
verbricher, der bessert ein halb jar für die stat und mag das
abkouffen, und sol man den schaden gimc ablegen.
1363 Februar 23.
Der rat hat erkant, das nieman der holtz umb taglon höwet
oder sust in die höltzer get, der sol uß deheinem holtze deheinen
rebstegkeu, deheine stange noch baut mit im tragen. Er sol nüt
anders denne eine welle dürres holtzes und einfcltig riß zfi
bürnende mit ym tragen ane geverde. Weier das brichet in
welem holtze das beschehe in unserm banne, der bessert ein
vierteil jares für die stat und mag das abkouffen, und sol dar
zu dem dem er den schaden getan hat sinen schaden ablegen.
Actum sabbato ante festurn nativitatis domini anno LX Villi.
1369 Dezember 22.
13. Der rat hat erkant, das nieman, wer der ist, kein holtz noch
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- 26 -
steine zwischent der stette graben füren noch legen sol. Wer
das verbreche, der bessert von ie dem huft'cn alle tage 1 üb.
halber dem schultheissen und dem meister und halber der stat.
Actum feria quarta ante festum penthecostes anno LXIIII.
1304 Mai 8.
Der rat hat erkant, das man nieman sol erloubeti dohein
vihe in das Riet ze slahende in deheinen weg, es tüge dennc
der gnntze rat und die Zunftmeister das sü erkennent, das es
weger sie getan denne vermitten. und doch also, wem es er-
loubet würt, das der sine briefe gebe das es im durch bette er-
loubet sie und kein recht dar zühabe. Actum vigilia penthecostes
anno LXIIII. 1304 Mai 11.
Eodem die wart erkant, das nieman wer korn in dem
merketc veile treit und verkouffen wil, das der noch sin geheisse
kein korn kouffen soll, wand unser herren wcllent mit das ieman
der korn kouft'et deheins verkoutten sol, und mag das ein ieglicher
rügen, ob es iemant verbreche, und bessert von ie dorn vierteil
1 lib. als 'dicke es geschieht, halber dorn schultheissen und dem
meister und halber der stat.
14. Anno domini MCCCLXIII sabbato post exaltationis sanete
crucis wart erteilt und erkant, das nieman, er sie ziegler oder
ander lüte, deheinen grünt sol nemmen in dem Lusse und in
dem Dornach ane alleine so vil das erber lüte in der stat zu
kleibcnde bedürffent, und hafencr mögent ouch wol da nemmen
ir notdurft. Und wer das brichet, der bessert 1 lib. d. halber dem
schultheissen und dem meister und halber der stat.
Ist aber daz ieman grundes bedarff, der mag wol nomen
ynwendig der langen brugken an dem stosse in der llle.
1303 September 10.
Anno predicto crastino animarum wart erkant, das niemant
dehein geferwet gewant sol veile haben an dem dornstage an
deheinen Stetten denne alleyne uuder der wotlouben.
1303 November 3.
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^ Es sol ouch nieman dehein gro noch wiß tüch an deheinen
Stetten veile haben an dem dornstage denne alleine in der
Augustiner hoff. Wer dise stügke brichet, da bessert ie der snit
5 s. halber dem schultheissen und dem meister und halber der stat.
15. Crastino Oswaldy anno LXIIII da wart erteilt und erkant,
wer gewant snidet, er sie frömde oder heimesch, der sol es in
der wotlöben veile haben, er möge denne nüt gestan in der
louben, oder under der kürsencr louben oder an den laden.
Weier das brichet, der bessert 5 s. Straßburger halber dem
schultheissen und dem meister und halber der stat.
1364 August 6.
Der rat hat erkant, das nieman gegen den kolener zü velde
sol louffen und kolen vor dem thor umb sü kouffen. Wer das
brichet, als dicke das beschicht, der bessert zü ie dem male 1
Hb d. halber dem schultheissen und dem meister und halber der
stat. Actum feria tertia post dominicam raisericordia domini
anno predicto. 1364 April 9.
Anno predicto sabbato ante dominicam jubilate da wart er-
kant, das man deheinen edeln man oder edele fröwe zu burger
sülle empfahen, sü swerent denne 5 jar burger ze sinde und
der stette gehorsam zü sinde mit iren vestineu mit lüte und mit
güte, ane wider die herren von den sü belehenet sint, und süllent
des ir briefe geben. 1364 April 13.
Der rat hat erkant, das man keinen ußburger nie empfohen
sol, er gebe denne e 3 guldin und 18 Straßburger. Und ein
pfaffe, ein edelinan oder ein jude w r elre da burger werden wil,
der sol geben 5 guldin und 18 Strassburger. Actum sabbato post
beati Barnabc apostoli anno LXX primo. tSti Juni 14.
16. Eodem die wart erkant, were das ein burger oder burgerin
vom lande hie burger wolte werden, der sol ouch sweren 5 jar
burger hie zc sinde, und sol man sins gewerffes warten zü dem
huse da er burger uffe ist, und sol dem rate gehorsam sin. Ist
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aber das ein edel man oder ein burger sust in die stat zühet
und mit burger würt, ist das der sitzet als ein seidener sitzen
toi, des sol er geniessen. Woltent aber sü briefe oder helffe in
das lant, da sol der edelraan der stetto mit sinem briefe geloben
gehorsam zu sindo, und der burger dem rate Sicherheit geben
für das gewerff die fünf jar uß und gehorsam zu sinde. Zü
glicher wise, ob ieman von dem lande her in zühet und ein zunft
empfahen wil und als ein solder sitzet, der sol das nechste ge-
werff geben und mag denne ziehen war er wil.
Der rat hat erkant einhelliclich, wa ein man oder ein wip
edel oder unedel, burger wil werden, der nüt jar und tag seßhaft
hie ist gewesen, der sol geben als ein lantman. Wa aber einrc
oder eine burger wil werden und jar und tag seßhaft hie ist ge-
wesen als ein seidener, der sol geben zwischent winnacht und
vastnacht 13 s. Wa aber eins burgers sun sich endert und der
in dem jare dar nach burger wil werden, der git 3 s. Actum
feria tertia post bcati Anthonii anno LXIII. 136H Januar 24.
[Wer aber sust im jare burger werden wil one zwüschcn,
winacht und vastnach und jare und tag hie seßhafft gewesen
ist, der git 6' » s d. rappen, zwen helbling für einen pfcnnig.
Actum citra festum Penthecostcs anno domini MCCCCXLV.
III» Mai Uff]
Es ist erkant, was burger wir von dem lande haut, die hant
alle gesworn fünf jar burger ze sinde. Nu mag der einre sterben
und behebt sin wip das burgrecht, die sol Sicherheit gen fünf
jar uß der stat das gewertf zii gebende nach sinem todc, ob sü
einen man nemme, das sü doch das zil uß das gewerff gebe.
Were aber das sus ein fröwe vom lande burgerin würde, und die
dar nach einen man nemme, die sol aber die fünf jar uß das ge-
werff geben und das versichern so sü burgerin würt. Actum
dominica post purificationis Marie anno domini MCCCLXVIII.
13U8 bebruar H.
17. Der rat het erkant, welr burger von Colmer hinnanthin für
rae usser der stat ziehen wil durch sine notdurft und der sin
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v
recht zü Colmer behaben wil, der sol für meister und rat gan
und urlobe von yneu neramen und sol sprechen: ich wil min
recht zu Colmer behaben als ein ander ußburger und dienen
miner zünfte und min gewerff geben. Wer das tüt, der sol zu
Colmer sin recht haben. Wer dar über usser der stat züge und
sin recht nüt behöbe als vor stat, der het kein recht zü Colmer
und ist ym umbeholffen. Actum sabbato ante Bartholomey anno
LXXII. Vil2 August 21.
Der rat het erkant, wer zü Colmer seßhaft ist und anderswo
burger ist und von dem gemant würt das er solte mit yn reise
ziehen, da wellent unser herren nüt, das sü mit irem libe iemant
dienent denne der stat. Wolte dar über deheinre von der stat
ziehen oder ungehorsam sin, der sol niemer me in der stat seß-
haft werden. Actum die beatorum Petri et Pauli apostolorum
annoLXV. 1X65 Juni 29.
Sabbato ante dominicam jubilate anno LXIIII wart erteilt
und erkant, das alle die die offene wechsseler sint süllent dryo
tage in der wochen am erstage, am dornstage und am fritage
untz ze mittem tage in der wechsselouben sitzen und ir benke
da haben. Und süllent in iren hüsern deheinen wechssei tön,
den nc so verre ob er in der wechssellouben vil geltes haben
18. muß oder einen || grossen wechssei bestünde, so mag er wol heim
gan, aber er sol die wile mit sinem wibeoder mit sinen kinden den
bang in der louben besitzen. Weier das brichet, der bessert von ic
dem tage ein pfunt Pfenninge halber dem schultheissen und dem mei-
ster und halber der stat. Sü süllent ouch von ie dem guldin nüt me
von den lüten zü gewinne nemmen in der stat denne zwenc
Straßburger und von eim pfunde Straßburger drie pfenninge.
Es sol ouch nieman frömde noch heimsche heimlich in der stat
wechssei triben denne offenlich in der louben. Wele dis brechen,
der bessert ouch als vor stat. Doch so mag ein ieglicher, wer
der ist, zü Colmer guldin, franken oder Straßburger kouffen der
er selber bedartf zü siner notdurft, also das er sü nüt wider
vorkouffe uff merschatz. 130 t April IX.
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Der rat het erkant, das nieman zu Colmer, wer der ist,
kein silber bürnen sol noch nieman kein esse in siuem huse
haben dar ynne man silber bürnet denne alleine goltsmide, die
mögent silber bürnen das su notdurftig sint zu irem wergke.
Wand unser herren wellent das nieman kein silber bürue denne
der der von dem rate dartzü gesetzet ist. Und der sol ouch
das silber das er bürnet zeichenen mit der stette zeichen das
im empfolhen ist, und sol ouch nieman keinen pfenning der gut
und genge ist bürnen in deheinen weg. Wer das dar über dete
und dise ding nüt hielte als vor stat, der bessert ein jar für die
stat und mag das abkouffen und dem schultheissen und dem
meister 5 lib. d. Actum feria quinta post Uodalrici anno
LXXVIII. 1378 Juli 8.
20. Der rat hat erkant, wer veltpferit in die Stütöwe siecht
oder tribet nü oder hie nach, der bessert von ie dem pferde 1
lib. dn. halber dem schultheissen und dem meister und halber
der stat.
Der rat het erkant, das alle würte zu Colmer uff einen dag
süllent schenken einrehande win als menig vesselin sü mögent
das eins wines ist, und sol ouch die vessele verungelten als vil
dar in gat, es sient die mossen und alles was dar in gat. Were
aber das deheiner uff einen dag andern win uftete denne eins
wins oder aber den win nüt gerwe verungeltete als vil in die
vaß gat, der sol ieglicher, also dicke der stücke deheins ver-
brochen würt, bessern einen monat für die stat, das mag er ab-
kouffen ic die woche mit eim pfund pfenninge, und dartzü dem
schultheissen und dem meister ein pfunt.
Der Rat bftt erkant, wer zu Colmer win schenket, der sol
alle sine messe, mosse, halbe mosse anderwarbe vechen bi dem
ere das Blotzhein von dem rate empfolhen ist. Und sol ouch
dehein würt anders den li'iten win geben denne in zinnene kannen
die gevechet sient und das zeichen habent von den burgern.
21. Das zeichen ist | Andres Gloggener empfolhen. Und süllent
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alle die kannon und meß die sü hant veclien und gerecht haben
in viertzehen tagen den nechsten.
Wele würt aber ieraant deheinen win gebe in kannen die
nüt gefechet sint oder das nüwe zeichen nüt hettent, als es der
rat gemacht het, oder die messe nüt anderwarbe nach dem ere
gefechet hettent, der bessert 10 s. von ie dem messe halber dem
schultheissen und dem meister und halber der stat, und mag diü
ein ieglicher rügen.
Ist ouch das ein würt einem win git in einer kannen die
nüt gezeichent ist, da mag der dem der win brocht ist die kanne
nemen und für einen meister tragen das der die besserung
nemme, und mag ouch die kanne selber behaben ob er wil. Es
sol ouch kein würt in gelten noch in hültzenen kannen den lüten
win geben die bi ym zerent in sinem huse. Actum in die exal-
tationis saneto crucis anno LXIIII. 1364 September 14.
Dartzü hat der rat erkant, were es das deheinem würte
kannen gesetzet würden zu pfände, die sol er bienander haben
und besliessen. Wa die under andern sinen kannen funden
würdeut, der sol es bessern als vor stat. Actum feria sexta post
beati Nicoly anno LXV. 1365 Dezember 12.
22. Der Rat hat erkant das kein würt nieman sol win geben
nach dem glögkelin in sinem huse, es were denne das frömde
lüte oder knechte die gewönlich über nacht bi yra legent, den
mag er wol win geben. Dartzü mag ouch ein ieglicher würt
den lüten ussewendig sins huses win geben nach dem glögkelin
mit liechtern. Wele heimesch man oder knecht dar über nach
dem glögkelin in eins würtes huse funden würde, der bessert
ein nacht gan.
Der rat hat erkant, wa sich von ieman funden würde der
gebranten win under andern win tete, der sol bessern 5 lib. d.
halber dem schultheissen und dem meister nnd halber der stat
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und dartzü ein halb jar für die stat, das mag er abkouffen.
Actum dominica ante Symonis et Jude apostolorum anno LXX.
1370 Okiober 27.
Der rat hat erkant, das dehein würt der win schenket
deheine varende tochter selb ander mit eim manne legen sol
noch enthalten in sinem huse, sü sient frömde oder heimesch.
Wer das dete, da bessert der würt von ie dem par lütes 1 lib.
d. halber dem schultheissen und dem meister und halber der stat.
23. Der rat hat erkant einhelleclichen uffen den eit, das kein
würt der win schenket zü Colmer und win zu dem zappfen git
für ein mossenlang vaß mit wine nüt me vesselin legen sol denne
vier vesselin, und sol kein würt kein vesselin han das under
vier amen sie, es sie der win den sü in dem lande kouffentoder
in der stat. Doch were das fuder 25eraig oder me, da mögent
die wirto wol fürlegen 5 vesselin, doch also das kein vaß under
vier amen sie. Dartzu so sol ouch kein wirt überal keinen win
in sinem kelre haben denne den win den er schenken wil, und
sol ouch dartzu kein würt keinen win überal in sinen kelre legen
noch usziehen ane die leiterer. Und hant ouch die leiterer ir
ieglichen an den heilgeu gesworn eim ungelter ze sagende tege-
lich wie vil sü eim würte vesselin inlegent, und hant dar umb
iren Ion. Dartzü sol kein würt keinen win heim tragen noch
heissen tragen in vesselin noch in omen noch in gelten, es sie
tag oder nacht. Und sullent ouch die würte zu Colmer alle ir
vesselin mit wine zu sammene in den kelre legen, und sol keinre
keins hie obenan in dem huse haben ligen noch anderswa. Und
was wine die würte kouffent in dem lande oder in der stat, also
balde der win in ire vaß kunt und gen Colmer inkommen ist,
so süllent sü den selben win an deheinen Stetten verkouffen noch
niemant zu koutfende geben vor irem kelre noch anderswa, es
sie denne das der win e verungeltet und verstebelet sie. Was
gesinneter vesselin die würte hant da massen ane stant, die
süllent sü verungelten und vcrstebclen ane vier masse ungever-
lich. Und wer dirre stügke deheins verbreche, wie dicke das
geschehe von wem das were, der bessert 5 lib. d., dem schult
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. beissen und dem meister 1 lib. und der stat das überige. Und
wele wirt eira ungelter hohe redet oder übel zu spreche, wer
der were, der bessert die selbe besserunge. Actum die dominica
ante Barnabe apostoli auno LXXVII. 1377 Juni 7.
24. Der rat hat erkant von der winsticher wegen, das da ein
ieglicher winsticher zü Colmer nüt nie ncmmen sol zü stichgelt
denne 4 pfeninge von eim füder wins von ie der hant, und sol
das gelt werden einem geswornen winsticher und niemant anders.
Und süllent die wirte bi den die geste sint nüt anders nemmen
denne ein stichmosse von eira füder wines oder von vier tüdern
eine mosse und von sechs füdern oder von echtewen oder rae
zwo mossen. [Doch söllent und mögont die winsticher von den
frömdeu nemen 6 d. von eime füder wins.]
Wa ein winsticher einen gast hin füret in einen kelre wiu
zü kouffende, wennc denne der selbe winsticher nüt me wines
enweiü zü kouffende, so sol er bi sinem eide einen andern win-
^ sticher fragen, ob er deheinen win wisse den man verkouften
welle. Sprichet er denne jo, so sol er mit dem gaste gan in den
kelre der ym gezöiget würt, und was wines dar ynne verkoufft
würt, da süllent die beide winsticher das stichgelt mittenander
teilen. Dartzü were es sache das ein einfaltig man, der den
louff nüt enwüste wie er sinen win bieten solto, ist da das einr
einen winsticher fraget wie de louff sie, das sol ein winsticher
einem sagen by sinem geswornen eyde ungeverlichen.
Es ist ouch zü wissende, das niemant, wer der ist, keyncn
win verkouffen sol ane einen geswornen winsticher. Und wer
das dar über tcte, der bessert ein pfunt alter, halber dem schult-
heissen und dem meister und das halbe der stat. Und der stat
süllent das die winsticher by irem eide rügen, wa sü das emp-
hndent. Actum feria tertia post Martini episcopi anno LXXVIIII.
1379 November 15.
25. Der rat hat ouch erkant, was wine sü frömden lüten kouffent,
das süllent sü fürbringen und sagen, das der stette ir zol werde
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und das sich da von von dem rechten geheischet. Actum sabbato
ante Laurentii anno LXXXV. 1385 Augunt 5.
Der rat und die Zunftmeister ieglicher sich selbe dritte hant
cinhclleclichen erteilt und erkant uft den eyt, wer eine lantveste
vor sinem huse het und die mit abe brichet in disen nechsten
vierzehen tagen und den grünt gelich sleiffet und ebenet, der
bessert dar nach alle tage 5 s., wand man wil das mit nammen
alle lantvestin ab sient, und sol niemer keyne rac gemacht
werden. Und vellet die besserung halber dem schultheissen und
dem meister und halber der stat. Doch so het meister und rat
drye dar Aber gesetzet, die erkennen süllent wa lantvesten not-
dürftig sint zü habende. Actum dominica post Urbani anno
LXIIII. 1364 Mai 26.
Der rat hat erkant, das man alle herten die nüt recht stant
anders setzen sol, als die heissent die der rat dar über ge-
gesetzet hat
Der rat hat erkant von des mistes wegen der in der stat
lit, da hat der rat zwene über gesetzet die durch die atat gant
umbendumbe, das die alle ding von dem miste besehent. Und
wa die zwene erkennent das man keinen mist da machen sol
oder da sü heissent den mist dannan tün, des sol menglich ge-
horsam sin. Und wer den mist nüt dannan tete nach dem als
es geheissen ist und hie nach geschriben stat, der bessert alle
Tage 10 8. als dicke es geschieht, halber dem schultheissen und
dem meister und halber der stat. Actum die dominica post
Michahel anno LXXV. 1375 September 30.
Der rat hat erkant, wer über viertzehen jar alt ist und
nüt swert hinnant erstage ze nacht, der sol für die stat varen
und niemer her in kommen, und sol ouch dehein recht haben,
und sol man ym umbeholffen sin das jar uß, er swere denne
ee. Actum sobbato post corporis Christi.
Der rat hat erkant, das niemant keyne vagatte noch
kumber in den bach schütten sol noch an die stette da die
synnen sint. Wer daz dete, der bessert 5 s. als dicke es geschieht.
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Dartzu hat der rat erkant, das nieman vor dem glögkelin
* oder nach der torglogken deheinen Kübel noch uDflot in keinen
bach schütten sol. Wer das brichet, der bessert 5 8., und sol
dis menglich rügen, und sol der wergkmeister die beche da
mitte besseren. Und sol ouch nieman in die graben noch under
die watloube nüt schütten, wände man sol die vegatten für die
thor tragen oder füren. Wer das nüt endüt, der bessert ouch
5 s. Wer ouch dem andern keinen unflot, es sie vegatte oder
ander kuraber, für sin hus oder thor schüttet, der bessert die
selbe besserunge und gehört die besserunge der stette.
29. Der rat hat erkant, wer den winzieheren über ir seile vert
mit karrichen oder mit wegenen, so sü win in lassent, der
bessert iO s. halber dem schultheissen und dem meister und
halber der statt. Und geschehe ouch da von kein schade, den
sol er dartzü uftrichten. Actum die beatorum Pctri et Pauly
apostolorum anno LXIIII. 1364 Juni 29.
* Der rat hat erkant, das dehein varende tochter nachtes
für die stat sol gan zü deheinera riffian noch zü niemant
anders inwendig den crützen. Wil sü hin uß gan, das mag sü
ussewendig den crützen tün. Wa das verbrochen würde, der sol
man ein jar die stat verbieten. Ist aber das ein riffian eine
twinget das sü nachtes zft ym hin uß muß, der sol die
selbe besserunge ouch liden. Actum feria secunda post beatorum
Petri et Pauly apostolorum anno LXIIII. 1364 Juli 1.
Der rat hat erkant, das kein riffian zü Colmer, er sie wer
er welle, kein recht zu Colmer haben sol und sich ouch mit
keinem rechten beholffen sol noch mag in deheinen weg. Actum
feria secunda post purificationis Marie virginis anno LXXXVI.
1386 Februar 5.
30. Der rat und die zunftmestere ieglicher selb ander hant
einhelleclichen erteilt und erkant uff den eyt, wer iemer me
deheinen gefangenen heimlichen in die stat fürte oder gefangen
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leit ane des schultheissen, meister und rates urlop, er were
edel oder unedel, pfaft'e oder leygc, der sol besseren fünf jar
ane gnade für die stat, und sol dar nach an des rates gnade
ussewendig der stat beliben. Actum feria secunda post beatorum
Pctri et Pauly apostolorum anno LXIIII. 1364 Juli 1.
Anno predicto et eodem die wart erteilt und erkant, wer
in der Ouwe, in garten, uff dem velde, an körne, in den reben,
in wasser, an vischen deheinen schaden tut nachtes oder tages,
er sye knabe, wip oder man, der sol besseren einen monat für
die stat ussewöndig den crützen und vor Steinebrugke usse-
wendig der brugken bi Blienswilr. Und so er her wider in wil,
so sol er geben ein pfunt pfenning halber dem schultheissen
und dem raeister und halber der stat, und mag den monat dar
zu abkouffen, ob er wil. Und diesen eynung mag ein ieglicher
rügen der es sieht.
31. Der rat hat erkant, wa einre dem andern für den rat
gehütet, kunt er nüt für den rat dem dar gebotten ist und
verantwürtet sich, so sol es ein gebot sin. Und wenne er driewarbe
gewartet drie rete als man urteil sprechen sol, und das yme
der weibel darnach geseite, richtet er sich nüt von dem kleger,
so het er sin ding erklaget und sol ym der meister denne richten.
Actum crastino beati Oswaldy anno LXIIII. 1304 August 6.
32. Anno domini MCCC LXIIII feria quinta ante beati Thome
apostoli da erteiltent die meistere, der rat, die zunftmeistere und
die schöffel einhelliclichen uff den eit, wa der vier meister einre
zü kerne da iemant mit dem andern kriegete oder messer
zugketent oder über einander louffen woltent, oder ob es ym
sust für kerne und geseit würde, das er nach in sante und sü
beidersite bete das sü nüt zü den dingen zü stunt deten, des
soltent sü im volgen. Wolt aber deheinre under in des durch
bette willen nüt tun, so mag der meister sü manen irs eides das
sü dar zü nüt tügent, und ietweder teil das recht von dem
andern nemme. Weier da ungehorsam were, so er von dem
meister gemant würt oder ob er sust gesprochen hette gegen
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» dem meister: ich wil dar zu nüt tön, und dar über dar zu dete,
wer die werent, der bessert ioglicher zwey jar für die stat ane
alle gnade. 1364 Dezember 19.
Zü gelicher wise wer ungehorsam ist eira burgermeister
oder dem rate, so er gemant würt, der sol ouch besseren zwey
jar für die stat und mag die abkouffen. [Deßglichen wem von
einem stettemeister der stette fride gebotten würt und er den
überfert, der bessert ouch dieselbe besserunge und sovil me als
dann der rat bekennet nach gelegenheit und gestalt der Sachen.]
33. Der rat hat erkant, wa einre den andern zihet das er yra
umb schulde oder umb ander sache phant habe erloubet, da
sol der der inen da zihet ym jenen oder löikenen und das
recht da für tun, ob er ym missegicht, er möge in denne erzügen.
Der rat und die schöffel hant erkant, wa einre dem andern
pfant hat erloubet, ist denne das hus oder hoff beslossen und
> nüt hin in mag kommen, so mag der der die plant nemmen wil
zü eim schultheissen oder zu eim meister gan, wer im denne
der nechste ist, und sol ym der einen weibel geben, wenne er
in vordert, und sol im der weibel das hus oder hoff uftün oder
ufbrechen, und das er da pfant möge genommen, und tüt dar
an dehein unrecht. Actum feria secunda post beati Nicolay
episcopi LXV, 1365 Dezember 8.
Der rat und die scheffel hant erkant, wa einre dem andern
sine pfant erloubet, der mag in angriffen an sinem varenden
gute. Gicnge ym dar an üt abe, so mag er in an sinen ligenden
gutem angriffen mit gerichte, es were denne das er ym ligendes
und varendes erloubet hette an ze griffende, ane alle geverde.
Actum feria quarta ante Nicoli episcopi anno LXVI.
1366 Dezember 2.
34. Der rat hat erkant, wa einre an dem gerichte einem uaser
taget, und ein weibel sprichet bi sinem eide das ym usserttaget
sie, und das der weibel einem richten wolte und das eins
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weren wolte, es were fröwe oder man, der bessert ein unhulde. *
Zu gelicher wise wa einem gut das ge frön et were uügetragen
würde, wer das tut, der bessert einen vrefel. Würde aber er
das güt geheissen wider in tragen und daz nüt endete, der
bessert ouch ein unhulde. Actum die sabbato post beati Hilarii
anno domini MCCC LXVI. 13U6 Januar 17.
35. Der rat hat erkant, das die underköifter die eigen und
erbe oder was es ist verkouffent und kouffent, die süllent nüt
me von dem pfunde nemmen denne zwene StraUburger Pfenninge,
von dem der da kouffet einen und von dem der verkouffet
ouch einen. .
Zu gelicher wise süllent die köiffelerin die da gewant und
husrat veile hant nüt me nemmen denne von dem pfunde vier
[sehs] Pfenninge, von dem der da kouffet zwene [drige] und
von dem der da verkouffet ouch zwene fdrige] und nüt me.
Wer das verbreche, der bessert ein pfunt Pfenninge halber dem w
schultheissen und dem meister und halber der stat. Actum in
die beati Mathie apostoli. [Ouch hat der rat erkand, das sü
keine gemeineschaft mit enander haben sollend, und söllent
ouch nüt umb enander kouffen noch umb nieman in der stat
von solicher koufschatz als vor stat. Und die stücke band sü
gesworn ze haltende.]
Der rat hat erkant von der underköuffer wegen, das der
enkeinre mag alleine nieman übersagen von eigen oder von
erbe, es sage denne me lütes dar umb, das den rat dunke das
es wol überseit sie. Aber umb einen kouff der umb bar gelt
geschieht, da mag er in dem nechsten monade wol umb sagen,
aber dar nach sol er alleine nieman über sagen. Actum sabbato
post Jacobi apostoli anno domini MCCC LXX. 1370 Juli 27.
37. Der rat hat erkant, das man von einem füder wins zu
kelre miete nüt me sol geben denne 18 Straßburger, es were
denne das einre eyme me gelobte zu gebende.
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Der rat hat erkant, das alle schaffener der tümherreu, der
klöster oder der höfe die an dem gerichte die lüte ansprechent
und recht von ynen nemment, wer die sint, münche oder welt-
liche lüte, die süllent ouch wider urabe den lüten das recht
vor retten oder gerichten tun von der schaffenye wegen, der
schaffener er ist. Actum feria tertia post dorainicam oculy
anno LXVI. 1366 März 10.
38. Der rat hat erkaut, das nieman uff deheinen tag mit me
lütes sol gan die er uff tage bittet denne mit sechssen, es sie
denne das es im der burgermeister erloube. Dar nach denne
die sache ist, also sol er ym lüte erlouben. Actum sabbato ante
dominicam letare anno domini LXVI. 1366 März 14.
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Der schultheisse, die meistere, der rat und die zunftmeistere
hant einhelleclichen erteilt und erkant uff den eyt, das niemant
zü Colmer, er sie edel oder unedel, burger oder seidener, oder
der seßhaft oder sine wonnunge zü Colmer hat, uff deheine stunde
noch tage, wa die werent, ussewendig oder inwendig der stat
weder riten, varen noch gan sol das wider die stat von Colmer
ist oder deheinen burger noch seidener von Colmer, und ouch
wider die selben burger noch seidner oder wider die stat von
Colmer uff den selben tagen und stunden, wa die werent, nüt
reden noch sü tön noch werben süllent in deheine wise. Und
wer dis breche und hie wider tote, der bessert ein jar für die
stat ussewendig den erützen ane gnade, meister und rat erloube
denne eime uff tage zu ritende oder zu gande ungeverlich.
Actum sabbato post beati Gally anno LXXVIII.
1378 Oktober 23.
39. Der rat hat erkant, das nieman keinen frömden schnider
von dem lande in sin hus sol setzen und ouch kein schnider
das antwergk sol triben, er habe denne die zunft. Wer das
brichet, der bessert einen monat für dio stat, und mag den ab-
kouffen, halber dem schultheissen und dem meister und hcilber
der stat. Actum feria sexta post beatorum Petri et Pauly
apostolorum.
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Doch so mag eiu ieglichcr einen schnider in hin hus dingen m
und bi ym haben, der ym selber und sinem gesinde machet
und niemant anders.
Der rat hat erkant, wa fürbotten würde das niemant in
keyne stat varen solte oder in das lant und das einr breche,
dem sol man umbeholffen sin, und sol dar zü bessern 5 lib. d.,
dem schultheissen und dem meister zwei pfunt und der stat
das überige. Actum sabbato post beate Angnetis anno LXVII.
1307 Januar 23.
40. Der rat und die scheffel hant einhelleclich erteilt und
erkant uff den eyt, wele burger oder seidener zü Colmer, wip
oder man, edel oder unedel, pfaffe oder leye, von der stat züge
und anderswo bürger würde umb soliche sache, das er ander
gerichte oder recht, geistlich oder weltlich, uff unser burger
oder seidener suchen wolte, der sol niemer nie kein recht zü
Colmer gewinnen und sol ouch niemer me da seßhaft werden.
Und was schaden die von ym nemment die er mit andern ge- V-
richten angritten het, den schaden sol er in dar zü ablegen, und
mag des schaden kommen utf alles sin güt, es sie uff ligende
oder uff varende güt das er het in dem banne. Were aber das
dar nach der enkeinre, es were wip oder man, vor in die stat
züge, der soll alle tage der stat fünf pfunt besseren untz an
die stunde das er wider usser der stat zühet und ouch gime sinen
schaden abgeleit. Actum die dominica in qua cantatur oculy
anno domini LXVII. 1367 März 21.
Der rat hat erkant, were das ein burger oder seidener
zü Colmer den andern angriffen oder schedigen wolte, es were
mit gerichte oder ane gerichte, der sol vorhin sin burgrecht
ufgeben und sol ouch vorhin ussewendig der stat sin gewesen jar
und tag. Weier dar über in der jarfrist unsere bürgere oder
seidenere schedigette oder angriffe, oder were das ein ander
burger oder seidener ym des hülffe, der sol ouch ussewendig
der stat jar und tag sin und sin burgrecht und recht ufgeben
haben. Weier dis breche, der sol fünf jar bessern für die stat
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und mag die abkouften, und dar nach sol er nüt me zü Colmer
seßhaft sin. Actum in vigilia beatorum Petri et Pauly apostolorum.
41. Der rat hat erkant, wer nachtes gat nach dem glögkelin
ane Hecht, er sie edel oder unedel, pfaflfe oder leye, der sol
bessern achte tage für die stat und mag die abkouften mit eim
pfunt d. Und vellet die besserung der stette und dar zu dem
schultheissen und dem meister 10 s.
Der rat hat erkant, wer ungewonlichen swert, es sie in
sinem huse oder anderswa oder wa er ist, und würt sin der
überseit von iemande wer die sint, bürgere oder seidener, die
es nüt durch vigentschaft rügent, der sol bessern ein halb jar
für die stat und fünf pfunt pfeninge dem schultheissen und sant
Martin und mag das halbe jar abkouften. Actum feria tertia
post palmarum anno domini LXVII. 1367 Aprä 13.
Der rat hat erkant, das diese swüre bogkes zwers, bogkes
snodc, bogkes zwüdeloch, bogkes gesingeloch sint gantze und
ungewonliche swüre, aber bogkes singke, bogkes gesingke oder
bogkes gesingkeloch, bogkes arsloch sint halber ungewonliche
swüre. Wa aber einre zu den selben swüren zü nemmet
das verch das heilig oder den snurt, das süllent alles unge-
wönliche swüre sin, und sol maus bessern als vor die besserunge
was. Were aber das einre swüre bogkes schedel, bogkes kopff
oder semliche swüre die den gelich sint und das verch dar zü
nemmet das heilig oder den snurt und die swüre alsus zwigülte,
der bessert 5 s. und viertzehen tage für die stat, die mag er
42. abkouften. Were aber das einre als böse swüre tete | die hie
nüt geschriben sint, oder got oder sin müter oder die heiigen
schülte, das sol an dem rate stau. Und wer dise swüre nüt zü
besseren het, den sol man bürnen durch die bagken. Actum
sabbato post beati Jacoby apostoli anno domini LXXII.
1372 Juli 31.
Der rat hat erkant, daz ein schultheisse, wer er denne sie,
einen knecht sol haben und nüt me in den walt zü farende mit
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ei in karrich oder mit eim wcgellin, der ym holtz zu bürnende ,
fürt, durch das die clöstere ungenötiget blibent. Und sol der
knecht an den heiigen sweren, das er keyu holtz sol nemmen
das güt zu bu wende sie. Und sol oueh nieman kein holtz
geben noch lüren heimlich noch offenlich denn alleyne dem
schultheissen, und sol ouch dar zu nüt me fiiren denne der
schultheisse bedarff zu siner notdurft zu bürnende und zu keinen
andern dingen. Wa der knecht dirre stügkc deheincs ver-
breche, das solte man an sinem übe und an sinem gute wartende
sin. Actum in vigilia corporis Christi.
43. Der rat hat einhellich erteilt und erkant uff den cyt, wa
zü Colmer einre den andern zü tode siecht oder wa es unsern
burgern beschehe, er habe es getan vor dirre date oder dar
nach, der mag nüt wider in die stat kommen e das er mit den
clegern und dem schultheissen übereiu kommet. Wenne er mit
den beiden überein kommen ist, dar nach sol er der stat bessern
ussewendig den erützen fünf jar die er dar nach usse sol sin,
und mag die abkouffen. Actum die beati Mathei apostoli anno *
domini LXVII. 1367 September 21.
Der rat hat erkant, als vor ein besscrunge was, werc das
einre einen zu Colmer zü tode slüge, der mag nüt wider in die
stat kommen, er komme denne ee mit dem schultheissen und
den klegern überein, dartzü sol er bessern 5 jar, die mag er
abkouffen; da hat der rat sithar erteilt und erkant, wer das ein
lantman einen burger oder seidener zu Colmer verwundete eine
wunde die luper were und dar umb er zü ochte würde getan,
der sol ouch dartzü bessern fünf jar für die stat und die mag
er abkouffen, uud dartzü sol ouch bessern 10 lib. d. für das
messer zugken.
44. Anno domini MCCC LXVII die Mathei apostoli et ewange-
liste het der rat erkant, wer das iemant mit dem andern zu
kriege kerne oder sust sin vient were, und dar nach mit einem
ufsatze einen, zwene oder drie oder wie vil ir were zu yme
nemine und iemant überlieffent, oder wer das von sinen wegen
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tete, wa sich das vindet, der sol ieglicher bessern fünf jar für
die stat ane die besserunge die sü umb ir getat sust bessern
süllent, und die fünf jar mag er abkoutten und vellet das an
die mure. 1367 September 21.
So het ouch der rat erkant von der lüpen wunden wegen,
das uns unser herre der hertzog unser herre der vicarie erloubet
het zü milterende, wer da die wunden tut, der sol sin von der
stat untz an des klegers gnade, und wenne er mit dem überein
kunt, so mag er her in gan. Möchte aber er mit dem kieger
nüt überein kommen, das er zu strenge wolte sin, wenne denue
die wunde geheilet das der scherer nüt me zu ym gat, wil es
denne der kieger nüt enbern, so sol der schuldige dar nach ein
halb jar usse sin, und denne so stat die besserunge an dem
rate und was die erkennent, das süllent sü beidesite halten
nach dem als die wunden gewesen sint. Actum die Mathoy
apostoli et ewangeliste anno doraini LXVII.
1367 September 21.
45. Der rat hat erkant von der ofenbrot wegen, das man die
also bachen und weren sol das ein brot sol also gross sin, was
usser einem Vierlinge weissen mag werden, also sol es sin.
Wolte aber ieman pfenninge da für nemmen, was denne ein
vierling weissen giltet, so vil pfenninge sol man ym für ie das
brot geben. Actum die sabbato post festum pasce anno LXVIIL
1368 April 15.
Der rat hat erkant, were es das ein man, wer der were,
eim sin wip enweg fürte oder aber hinnanthin nie, es were wip
oder man, bi der une sesse, den es verkündet würde in den
achte tagen, und wolte er da von nüt lassen, da bessert man
und wip ir iegeliches besunder zwei jar, ein jar ane gnade und
das ein jar mügent sü abekouffen mit i:Uib. alter pfenning, und
die vallent an die mure.
Und wer dem andern sin wip vorbehebet, der bessert ouch
die selbe besserunge. Actum in vigilia beati Bartholomey apostoli
anno domini MCCC LXX primo. 1371 Auymt 23.
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46. Der rat hat erkant, als vor eine besserunge was, wa ieiuan
da einre eime sin elich wip schiltet oder hör und übel zü spreche,
so ir man zü gegen stünde und es horte, das der bessern sol
ein jar, und das jar mag man abekouft'en, und sol das an die
mure vallen. Actum die Agathe virginis anno domini MCCC
LXX. 1370 Februar 5.
Doch so ist nü erteilet, das man so vil me bessern sol zem
jare als der rat erkennet. Actum sabbato ante Michahelis anno
domini MCCC LXX primo. 1371 September 27.
Der rat hat erkant, wer von sinen rechten verkündet würt,
der mag noch ensol nieman me keins rechten gehelften. Were
aber das iemant dem. selben kein unzucht oder üt tete, der sol
es bessern als eim andern. Und daz der der die getat tüt nüt uß-
jehen, er habe kein recht und er sülle es nüt bessern. Actum
sabbato ante Martini episcopi anno LXXI. 1371 November 8.
47. Der rat hat erkant von der müller wegen, als gewönlichen
M as das ie der müller sinem brotbecken der zü ym mül jer-
lichen gab zwey pfunt pfening geltz, und das ouch daz ein
miete und eine schenke was, da hant die müller iren bresten
dem rate furgeleit und crzalt und das sü es nüt erzügen
möchtend nach den kosten gehaben, da ist erkant das das abe sol
sin und das keyn müller keinem brotbecken nüt sol geben noch
schenken noch mieten heimlich noch oftenlich. Wer das breche,
als dicke das beschicht, also dicke bessert er fünfzehen pfunt
Pfenninge die zü Colmer genge und geneme sint, als der briefl
wiset den die müller dar über inne hant, der ouch umb die
selbe sache in sinen krefteu bliben sol nach des rates erkant-
nisse. Actum in vigilia beati Andree apostoli anno LXX primo.
1371 November 29.
Dar zü sol ouch kein müller deheinem brotbeeker nüt
füren, er male bi im oder nüt, weder mit pferden noch mit
karrichen, noch in kein pferit lihen. Wer das brichet, der
bessert als vor stat.
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48. Der rat hat erkant, das man allen koufmanschatz in den
* koufhus sol füren. Wer dar über deheinen koufschatz in
sin hus lat füren und dar inne lat verkouffen, der bessert
zwei pfunt alter pfenning halber dem schultheissen und dem
meister und halber der stat, also dicke es geschieht, er sie
frömde oder heimesche. Actum vineula Petri anno LXX.
1370 August 1.
Der rat hat erkant, das nieman, wer der ist, er sie frömde
oder heimesch, nüt kouften noch verkouffen sol ane einen under-
köiffer solich gut als in das koufhus gehört, was das ist. Wer
das brichet, der bessert fünf phunt pfenninge und sol so vil me
als es denne der rat erkennet, als dicke es geschieht, zwey
pfunt dem schultheissen und dem meister und das ander der
stat. Actum die Anthonii anno LXX secundo.
1372 Januar 17.
Der rat hat erkant uff den eit, das dehein würt, wer der
ist und geste empfohet, umb sinen gast nüt kouffen sol überal
C. weder lützel noch vi), es sie von saltze, von isen oder was
koufmanschatz es ist; und sol man ouch das füren in das
koufhus. Und wer das dar über dete, wele würt das were, der
bessert zwey pfunt Straßburger als dicke das beschicht, dem
schultheissen und dem meister 10 s. und der stettc das überige.
[Alle vorgeschriben stück söllent die würtc sweren, und ouch
kein gast in das lant wisen win ze kouffende und mit inen ouch
nüt mit ze ritendc und ouch nüt irem gesinde daz ze bestellende.]
50. Es ist zu wissende von des jarmorketes wegen, das der
merket weren sol vier tage und sol anfallen an sant Martins
abende, und sol ouch der fride weren drie tage vor dem merket
und drie tage darnach, also das der fride zehen tage were.
*
Der rat hat erkant, wa iemant, wer der ist, me kornes
usser der stat fürte denne sin Wortzeichen seit oder schiben
saltzes oder was von semlichem getregede ist, das sol man ym
netnmen und sol ouch das also lange behalten untz das er von
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ie dem sacke oder schiben saltzes, oder was es were das er
also uß wolte füren, geben het ein pfunt Pfenninge halber dem »
schultheissen und dem meister und halber der stat.
51. Der rat hat erkant, were das iemant, wer der were, de-
heinen husrat usser der stat zü Colmer fürte heimlich oder
6ffenlich, uff' wassern oder zu den toren uß, in schiften oder uff
karrichen, in vassen oder anders oder wie das hin uß keine,
wer das dete und das uß fürte oder es uß schütte gefürt, der
bessert ein halb jar für die stat, und mag das abkoutten, und
zehen pfunt pfenninge halber dem schultheissen und dem meister
und halber der stat. Actum sabbato post ascensionem domini
anno LXX quinto. 1376 Juni 2.
Der rat hat erkant von der besserung wegen die der stat
vellet, das man da mitte eira wcrgkraeister der der stette Werk-
meister ist überein sol kommen, und das kein meister überal
deheime der alsus der stat besserunge vervallen were kein zil
sol geben noch sin kein macht haben, denne wie es ein wergk-
meister ußrichtet das sol meister und rat wolgefallen. Actum W
in vigilia Philippi et Jacobi apostolorum anno LXX primo.
1371 April 30.
52. Der rat hat erkant, wa ein burger oder seidener zü Colmer
einen verwunte oder zu tode slüge, da sol der schultheisse noch
nieraant anders ym sin hus vorhin besliessen, als etwenne ge-
schehen ist, es sie denne das es mit urteil vor eim rate geschehe,
oder das er vor gerichte umb einen totslag mit der glogken
berüffet oder zü ochte mit urteile werde getan. Alle die wilc
dis mit der urteil nüt erteilt ist, so sol eins burgers oder selde-
ners lip und güt fride haben, als ouch der stette friheit von
alterhar ist gewesen. Würde ieman dar über sin hus beslossen
e das es mit urteil erteilt würt, so lange als er des gesumet würt
und sin güt wolte enweg füren untz die urteil geschieht, also
hange sol man ym ouch nach der urteil stunde und zil geben,
das er sin güt mag füren war er wil. Actum vigilia Philippi et
Jacobi apostolorum anno LXX primo. 1371 April 30.
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53. Der rat hat erkant, das kein metziger in ainem huse kein
gantz kalb noch mit deheins kalbes verkouffen sol. Er sol es
her uß tragen und under den benken ho wen und rieh und arm
da von geben so vil als es denne vordert und bedarff, als verre
das gelangen mag. Und was kelber sü kouffent in dem lande
oder in der stat, das süllent sii höwen und menglichem da von
geben als Vorbescheiden ist und gelangen mag ane geverde.
Wer das brichet, der bessert zehen Schilling dem schultheissen
und dem meister und zehen Schillinge der stette.
Der rat hat ouch erkant, das die metziger sönt deheim
closter dehein gantz kalb geben, doch mag er in ein halb kalb
geben. Wer das brichet, der bessert die vorgenant besserung.
54. . Der rat hat erkant von der metziger wegen, alles das vihe
das uften unser Riet gangen ist, es stände in dörffern oder anderswo
wa sü das hant, das sönt sü hie höwen und nüt hin uß ver-
kouffen. Und hant das geswom und sönt sü ouch einander des
rügen, ob es deheinre überfüie. Weier ouch under in anderswo
rinder kouffet und har brechte die er wider verkouffen wil, das
sol er nüt uff die weide triben denne in graben und uff die
Semden. Was sü aber uff die weide tribent und das die weide
nüsset, das süllent sü bi dem selben eide hie slahen. Was ouch an-
der lüte in der stat rinder hat kouft die in das Riet und uff
unser weide gangen ist, das süllent sü mit frömden lüten zu
kouffende geben, und süllent hie geslagen werden. Weier dis
überfüre, der bessert von ie dem rindes houbt ein pfunt Pfenninge
halber dem schultheissen und dem meister und halber der stat
und einen monat für die stat, den mag er abkouffen. Actum in
vigilia penthecostes anno LXX primo. 1371. Mai 24.
Der rat hat ouch erkant, wer dehein stinkende fleisch veile
hat, es sie grüne oder geröuehet, der bessert ein pfunt alter
pfeninge halber dem schultheissen und dem meister und halber
der stat und ein halb jar für die stat und mag das abkouffen,
und sol man das selbe fleisch begraben. Und wa die schöwer
heissent fleisch neher geben, das süllent sü ouch tun.
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55. Der rat hat ouch crkant, wer sin fleisch mit eira andern
netze oder borsen decket, denne mit dem netze und borsen das
von dem selben rinde kommen ist, wer das tete, der bessert ein
halb jar für die stat, und mag das abkouffen mit siben pfunden
alter pfenning, und zehen Schilling dem schultheissen und dem
meister und das überige der stat.
Der rat hat erkant von der metziger wegen, da etliche
under in clagende warent, das raetziger werent under in die
drie benke hettent oder zwene und die selber bestalt und be-
setzet hettent und die nieman lihen woltent, und da von so müstcnt
etliche under den metzigern ane fleisch höwen sin, die doch recht
under der zünfte hant, das hat der rat für sich genommen und
hat dar über geurteilet durch friden willen, das sü recht dunket,
das ein ieglicher metziger wol mag me benke haben denne einen
und ouch benke kouffen, ob es einre zü geltende het, doch mit
der gedinge, das kein metziger uff keinem banke me fleisch
höwen sol denne uff' einem banke und nüt me. Doch so mag
einre einen gemeinder nemmen und mag mit gemeineren sine
andern benke bestellen, der recht het under der zünfte. Wa
aber einre eim das nüt tön wolte, so süllent sü mit nammen die
benke lihen utnb einen jerlichen zins als recht und gewönlich
ist, der ouch recht het under der zünfte, wand man nüt wil das
kein metziger fleisch sol höwen uft zwein benken; er sol uff
einem banke höwe und uff keinem banke me. Und wer dirro
stügke deheins verbreche, der bessert ein halb jar für die stat,
und mag das abkouffen, und zwei pfunt halber dem schultheissen
und dem meister und halber der stat.
56. Der rat hat erkant, das kein metziger noch niemant anders
kein vihe sol slahen in die Ouwe noch uff die egerden denne
alleine uff die Semeden. Dartzü hat ouch der rat erkant, das
man kein vihe sol slahen zwüschent die graben. Wer das
brichet, da bessert ie das houbet vihes ein pfunt alter halber
dem schultheissen und dem meister und halber der stat.
Der rat hat erkant von der metziger wegen, wcler da
spinne widern fleisch höwet, der oder die süllent kein scheffln
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v fleisch dar under höwen und süllent oueh iegliehom fleische sinen
sundern bank haben, und süllent oueh das alle jur sweren zu den
heiligen zü haltende. Dartzü so süllent ouch die motziger die
schaft' oder die spinwider die sü schnident und verkouffen wellcnt
in kein wasser werften, und wenne sü uUgesehunden wordent.
so süllent si sü ufhenkeu und an den nageln weschen ungever-
lich und under die metzige tragen. Und wie sü das spinwidern
fleisch gend, so süllent sü das scheitln fleisch vier lib. 1 d. neher
geben ; und die bagken und köppfe und hing und leber die süllent
sü ussewendig der metzige höwen. Und was fleisehos sü howen
wellent. das süllent sü eins malcs früge her ul5 tragen, das es die
schöwer gesehen mügeut: und süllent ouch die bögke ussewendig
der metzige höwen. Und wer sü fraget, weles spinwidern oder
scheft'in fleisch sie, das süllent sü im sagen bi dem selben eide;
und süllent ouch kein ander netze noch fleisch uflegen das mit
dar zü gehört; und sol ouch kein fleisch höwen, er habe denne
e die vorgenanten stügke gesworn zü haltende. Actum feria
tertia ante beati Bartholome}* apostoli anno LXXX tertio.
^ i;ss;t August tu.
57. Der rat hat erkant uff den eyt von der metziger wegen,
alles das swiniu fleisch, das Schottin fleisch und das spin widerin
fleisch, das die metziger zü Colmer slahent, das süllent sü nüt
saltzen in deheinen weg, denne das sü es höwen süllent under
der metzigen. Wer aber das sü des selben fleisches zü vil
hettent, so mögent die schöwer in wol erlouben ungcveiiich ilas
su das selbe fleisch wol mügeut saltzen, des sü zü vil betten ge-
hebt. Und das selbe fleisch das in also erloubet ist zü saltzende.
das süllent sü lassen ligen und es nüt verkoutten nutzen zü
Ostern, und das es oueh denne dürre und trugken sie als es von
rechte sin sol. Und wer dis verbreche, als dicke das beschehe,
der bessert fünf pfunt, dem schultheissen und dem meister zwey
pfunt und der stat drü pfttnt.
Der rat het ouch erkant von der metziger wegen, alles das
vihe das sü stände haut in der stat zü Oohner, es sie das vihe
das in unserm Riete gangen ist oder ob irern höwe gestanden
t
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sint in iren stellen, das sol alles in der stat zu Colraer ge-
böwen werden, und süllent os nüt hin uß füren zu verkouffende
in deheinen weg. Wer das breche, der bessert ein pfunt, halber
dem schultheissen und dem meister und halber der stat, und
einen monat fiir die stat und mag das abekouffen.
58. Der rat hat erkant, das kein metziger noch nieraant anders
kein vihe sol frömden lüten zü kouffende geben, das uff unserre
weide ist gegangen oder hie erzogen würt. Und sol ouch dehein
metziger dehein vihe das er kouffet fürbasser deheinem frömden
wider zu kouffende geben, wände man es zu Colmer höwen sol.
Wer das brichet, der bessert von ie des vihes houbet ein pfunt
alter pfenninge halber dem schultheissen und dem meister und
halber der stat.
61. Der rat hat erkant, das niemant an keinem dornstag noch
an dßr mitwochen des obendes untz an den dornstag zft vesper
zit keino tilen, reiffe noch buholtz uff kouffen süllent uff raerschetzen
und wider verkouffen. Wer das breche, der bessert ein pfunt
Pfenninge halber dem schultheissen und dem meister und halber
der stat, und einen monad für die stat und mag den abkouffen.
Der rat hat erkant von der schöffcl wegen die ufgesetzet
sint, das die selben schöffen die in schöffens wise zü einer sache
gezogen werdent umb schulde umb die selbe sache nüt sweren
süllent. Aber zu andern Sachen so sü zü gezogen werdent, dar
umb süllent su sweren, ob es an sü gezogen würt, als ouch
andere bürgere tünt, ane geverde.
62. Der rat hat erkant, das dehein gremper noch gremperin,
weder heimsch noch frömde, nüt über al kouffen sol von eß-
haftigem dinge e man unsem herren got zü fronemessc gehebt
hat. Und wer das brichet, der bessert ein pfunt alter, halber
dem schultheissen und dem meister und halber der stat.
[Darnach ist erkant, das sü nüt kouffen sollent ee das die
betteglock vor niittage lütet, by der vorgeturnt bosserunge.J
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— 51 —
r ' Sü mögent aber wol nusse kouffen da vor, ob sü wellent.
Dartzü süllent ouch die gremper nüt me denne zwey mitten-
ander gemeine han. Wer das brichet, die besserent glicher wise
als vor geschriben stat.
Dartzü hat der rat ouch erkant, das die gartener umb de-
heinen frömden gartener nüt kouffen süllent über al. Wer das
brichet, der bessert als vorgeschribon stat, es were denne, das
es der frömde man untz zu mittemetage veile hette, so mag es
menglich kouffen.
63. Der rat hat erkant, das kein lantvogt, wer der ist, niemanne
mag noch sol wider in füren, der in der stette besserunge ist,
er habe usser der stat gesworn oder nüt. Were aber das dar
über ein lantvogt iemande her wider in fürte, der sol zu 9tunt
' wider uß varen usser der stat und niemer wider in kommende
sin, sin zil habe sich denne e verlouffen. Actum quarta post
diem penthecostes anno domini MCCCLXX secundo. Vi72 Mai 19.
•
Der rat hat erkant, das niemant dem andern sinen botten,
knecht oder kellerin nüt under dingen sol vor dem zile, wien-
nachten und süngechten. Und wer das tete oder breche, der
bessert ein halb jar für die stat, und mag das abkouffen, und dem
schultheissen und dem meister ein pfunt. Doch so mag ein ieg-
licher sinen botten dingen in sinem huse, der im da dienet.
64. Der rat hat erkant uff den cyt, wer das iemant zü Colraer,
wer der were, der zü Colmer sin wonunge hat oder von Colmar
bürtig ist, er were edel oder unedel, von unserre kriege wegen
die wir nü hant oder hie nach gewinnen möchtent, von uns ent-
wichen woltent, dar umb das er keinen kosten und arbeit mit
der stat von irre kriege wegen liden wolte, wer das dete, der
bessert zehen jar für die stat ane gnade und sol dar zü zü Colmar
niemer recht me gewinnen. Wer aber das iemant von uns ent-
wiche und uns kriegen wolte und unsern vigenden gegen der
stat beholffen sin, der sol niomer me da seßhaft werden noch
niemer me in die stat kommen und kein recht me da haben;
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und \va man sins gutes üt vindct oder weiß, das sol man an-
griffen und den costen da mitte hellten gelten. Actum crastino
beati Martini episcopi anno domini MCCCLXX secundo.
1372 November 12.
Und wer das breche und darüber her in in die stat ritte, der
die ding als vorgeschoben stat verbrochen hette, den sol man
haben und sol man ouch von ym richten als von eim verzalten
manne, und sol in ouch nit helffen ob der krieg bericht were.
(>. r >. Der rat hat erkant, wer das iemant der bi dem rate sitzet
oder des rates oder Zunftmeister ist ein heinlich urleil das mit
namen bi dem eyde vorborten were zu verewigende, iemande
seite und die von ym uß kernen, das sich küntlich fünde von
erbern lüten, wer der were, der bessert zwey jar für die stat
ane gnade. Dartzü wer das ieman der des rates ist oder Zunft-
meister wider dehein urteil das geschehen were in dem rate, das
eim die stat verbotten were oder die stat einen gefangen hette,
den lantvogt oder deheinen herreu bete oder würbe wider die
urteile die da werent geschehen, wer das tete, die in dem rate
sitzent, der bessert ein jar ane gnade für die stat.
Der rat hat erkant, wer das ein man oder ein knabe, er
were jung oder alt, ieinans tochter oder ein wip oder frowe umb
die e anspreche vor geistlichem gerichte, und die tochter oder
die frowe der e mit dem rechten lidig würde, da sol der man
oder der knabe in iren schaden ablegen den sü sin von der
anspräche wegen gebebt hant: und sol dartzü bessern fünf jar
ane gnade für die stat.
Zu gelieher wise, ob ein frowe oder ein tochter einen man
oder knaben anspreche umb die e und der lidig würde als vor
stat, die besseren t ouch als vor stat.
H7. Der rat hat erkant von der brotbecker wegen, das alle
brotbecker zu Colmcr brot süllent veile haben teglich under den
brotbenken und an iren laden frage und spote, und mügent ouch
»»in ieglich brot umb einen Pfenning bachen, doch mit der gedinge,
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das das halbe brot das sü bachent stebeler wert süllent sin; und
also mügent sü stebeler wert und pfeninges wert bienander haben.
Und süllent ouch müt nammen das kirnin brot und das simelin
brot bachen und mit böllins noch halb böllin. Und alle die die
des rates oder Zunftmeister sint, die süllent und inügent bi iren
eiden, so su der stat getan haut, alle zit sehöwen früge und spotc
under den brotbenken und an allen laden und tünt dar an kein
unrecht. Und die sehöwer süllent dar umb doste minie mit
sehöwen, und süllent ouch sehöwen früge und ze vesper zit, das
ist zwurent in dem tage; und süllent ouch brot haben alle zit,
das dar an kein breste sie. Und wer dirre stügke deheins ver-
breche oder ze kleine buche, wie dicke das geschehe und des
gerüget würde, der bessert ein pfunt pfenning halber dem schult-
heissen und dem meister und halber der stat und einen monat
für die stat, den mag man abkoutt'en mit einem pfunt d., das
vellet an die mure. Und süllent sü dar umb ulikünden; und
welre die pfant werte, der bessert die selbe bosscrunge.
68. Der rat hat erkaut von der zünfte aller wegen in der stat
zu Colmcr, die dicke stösse haut gehebt wider einander, das ein
zunft etlichen empfohet der ir antwerk nüt enkan noch tribet,
da sol hinnanthin keine zunft einen empfohen der nüt ir antwerk
tribet, also das die nieder keinen snider süllent empfohen noch
keinen andern der under ir zunft nüt gehöret. Und alle zünfte
süllent niemant empfohen denne die die von rechtes wegen under
sü gehörent und ir antwerk tribent. Wer das dar über tete,
das sol ab sin, und sol das nüt helften, das einre jar und tag
under einre zünfte gewesen ist, wand mit naraen was antwerkes
einre ist, under die zunft sol einre varen und under kein ander
zunft. Actum die sabbato ante Jacoby apostoli anno LXXIII.
1313 Juli 23.
Der rat hat erkant, das nieman kein langraesser noch swert,
wer der ist, in der stat zfl Colmer tragen sol denne die des rates
sint und der stette diener und knechte, als es har kommen ist.
Wer darüber ein langmesser oder ein swert trüge, wer der were,
der bessert zwey pfunt alter pfenninge halber dem schultheissen
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und dem meister und halber der stat, das vellet an die mure;
und den lantlüten sol man ir messer nemmen und nüt wider
geben. Wa aber erber lüte, ritter oder knechte, swert oder
langemesser trügent, da sol man die würtc umb pfenden bi den
sü zü herbcrgc sint, die sullcnt in ouch sagen, das sü die messer
abtügent.
70. Der rat hat orkant von der judcn wegen die in der stat
zü Colmer seßhaft sind oder her nach da setihaft werdent, das
die selben juden oder was juden gut uß lihent, das die ein pfunt
pfeninge nüt hoher lihen süllent denne umb zwene Pfenninge den
die zü Colmer in der stat seßhaft sint. Wer aber das sü icmant
ein pfunt hoher lühent denne umb zwene Pfenninge, das mag
ein ieglicher für den meister bringen oder für den rat, und die
süllent ouch den juden besenden und in solich haben, das in
benüge von dem pfunde zwene ze nemmende. Wa aber der
jude des ungehorsam wolte sin, so ist er togelich vervallen zwei
pfunt alter pfening ze besserung, dem schultheissen und dem
meister das halbe und der stat das andcrhalbe, und süllent sü
da für pfenden und die bcsserunge nemmen teglich so dicke und
so vil das der cristen mönsche von dem juden unclaghaft würt
nach dem als vorgeschoben stat, ane alle geverde. Actum
sabbato post Mathei apostoli anno domini MCCCLXXIIII.
1874 September 28.
Derrathaterkanteinhelleclich, welerjude oder jüdin hinnant-
hin zü uns in unser stat züge, oder die nü zemale by uns seß-
haft sint, wenne denne die von uns zügent, so süllont sü ge-
loben und sweren, was sü mit den unsem untz uff den selben
dag zü schaffende oder sü anzesprechende hant, dar umb süllent
sü recht von in nemmen und geben vor unserm rate oder dem
gerichte in unser stat; und sol in ouch nüt lassen von uns
ziehen noch sin burgrecht ufnemmen, er gelobe und swere
denne e die vorgeschriben ding zü haltende. Actum feria sexta
post Anguetis virginis anno LXXX sexto. 1880 Januar 20.
71. Der juden eyd: Als dich der ansprichet, des bist du un
schuldig, als gewerlieh dir der got helffe der geschaffen hat
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himel und erden, lob und gras, wasser, für, luf't, tuft und alle fruht.
Und ob du liegest in dem eyde, so müsse dir niemer ze heltte
kommen die gcsctzde die got gab herrn Aloysey uf dem berge
Synagy an der steynen tofelen. Und ob du liegest in dem eyde,
so müsse dir niemer ze heltte kommen die heiigen namen die
do geschriben stand in den ffiinf buchen herrn Mosey. Und ob
du liegest in dem eyde, so müsse din gebein niemer rüwen do
rüwende ist Aberham, Jsack und Jacob, und müssest malatz
werden als Jessy und Abey, und müsse dich das ertrich verslinden
als Dotam und Abiron. Und ob du liegest in dem eyde, das
du crystan sterbest.
72. Der rat hat erkant, es sol nieman zü Colmer, wer der sye,
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burger oder seidener, pfaffe oder leye, das saltz das er in sinem
huse bruchen will an deheincn Stetten kouffen denue in dem
koufhuse oder umb die gremper. Und süllent die gremper an
deheinen Stetten kein saltz kouffen denne in dem koufhuse.
Wer das brichet, als dicke es beschicht, der bessert zwey pfunt
Pfenninge halber dem schultheissen und dem meister und halber
der stat.
Der rat hat erkant von des saltzes wegen, was saltzes har
kunt gen Colmer, es sie von burgern oder von lantlüten, das
süllent sü in der stat zü Colmer niemant zü kouftende geben
denne der stat. Wer aber das die stat des saltzes nüt bödörfte,
so sol man in crlouben das saltz enweg zü fürende, und sol
sechs Pfenninge von der schiben nemmen und von eim vierteil
saltzes nün Pfenninge; doch so sol man das saltz viertzehen
tage in dem koufhuse haben stände.
73. Dar zü hat der rat erkant, das man kein vihe sol slahen
zwischent die graben. Wer das tete, der bessert als der rat
erkennet.
Als vor eine besserunge was von wes wegen man unge-
sungen was, und dem gebotten was usser der stat zü varende,
wer das nüt endete und man dar über von siuen wegen unge-
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sanken was, das der bessern sol ei» pfunt dem schultheissen
und dem meister. Dar zu hat oueh der rat erkant, das er
ouch dar zü bessern sol ein pfunt der stnt, und sol man ouch
die besserung nemuien und sü nüt varen lan.
74. Der rat hat einliellceh erkant ufteu den cyt, das nieman,
wer der sie, es sient vischer oder ander lüte, in dem nüwen
graben vor Steinebrugke thor und in den graben hinder Widen
untz an Theinhein thor, beide in dem ussern graben und in
dem inneren, in den selben graben nüt vischen sol in den allen
weder tages noch nachtes. Und sol ouch nieman in denselben
graben keinen pfol slahen noch fach machen noch keinre
bände gewendc über al. Dartzü sol ouch nieman mit keinen
schiffen faren in die selben graben, und sol ouch niemant kein
schitV dar in stellen w eder tages noch nachtes. Wer dirre stücke
deheins verbreche, der were wer es vvolte, der bessert ein halb
jar für die stat, und mag das abkoutten, und so vil nie als es
der rat erkennet und die getat ist, und zwei pfunt halber dem
schultheissen und dem meister und halber der stat, und sol
man die besserunge nüt varn lan. Actum die dominica ante
Barnabe apostoli anno LXXV. 137 ö Juni 10.
To. Der rat bat erkaut und ouch der schultheisse, die meistere,
die zunftmeistere, und erteilt utten den eyt und haut es oueh
gelobt bi geswornem eyden zü haltende ungeverlich, das sü
niemant der ussewendig der stat zü Colmer sitzent, er sie
herre, ritter oder knechte, arm oder rieh, dehein holtz geben
sülleut usser unsern weiden, es sie in dem Nidern walde oder
in dem Xüwelende, das zü buwende oder zü trotten oder zu
geswistorden gut were. Und haut ouch das gelobt bi geswornen
eiden zü haltende gegen allermenglich ussewendig der stat zü
Colmer aue alle geverde. Actum feria tertia ante Michahelis
archangeli anno LXX octavo. 1378 September '2#.
7ti. Der rat hat erkant, als vor eine besserunge was, wer ein
messer zugkete, das der einen monat für die stat bessern solte,
und vvenne einre her wider in wolte, so bessert er fünf Schilling
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dem schultheisseu und der stat, wolle über eiiiro den monat
abkouffen, so gab er ein pfunt und fünf Schilling; da hat der
rat sithar erkant mit den Zunftmeistern uff den eyt, alle ein-
helleclichen: Wer da ein messer zugket, er sie rieh oder arm,
den sol man uß künden, und wenne er also uß gekündet wurt,
so sol einre bi der tagezit uß varen und niemer wider in die
stat kommen, er habe denne e gegeben ein pfunt Straßburger
und drittenhalben Schilling der stat und dem schulthcissen
drittenhalben Schilling, und sol oueh einre uß sweren als ouch
vor. Woltc aber einre in der stat beliben, der sol das selbe
gelt geben, wand unser herren nüt wellent, das iemant den
monat abkouffe als vor. Actum die sabbato post octavam penthe-
costes anno LXXVIII. 137* Juni 19.
Der rat hat erkant, es sol kein ahercr, fröwe oder man,
in deheinen ban gan des tages so man gestritten hat, noch die
wile das korn uffen den ackern lit. Wer das breche, der
bessert einen monat für die stat und fünf Schilling Pfenninge.
Es sol ouch dehein varende man korn noch ander garwen mc
samenen an den torn. Und weleknechtsines herren, sinsjungherren
oder sins nieisters korn deheinem varenden manne git, da bessert
ein knecht, als dicke es denne beschicht, ein pfunt pfenninge.
Es sol ouch kein hirte uffen die acker varen denne an
dem dritten dage so das korn abekunt. Und welher aherer
funden würde, er sie frömde oder heimesch, der bessert als es
vor stat, und vcllet die besserunge halber dem schultheissen
und dem meister und halber der stat.
79. Der rat hat einhellcclichen erkant, das alle die closter-
frowen die usscr den clostern zu Colmer gelouffen sint oder hie
nach louffende werdent, das die zu Colmer in der stat noch
innewendig den erützen nüt wonhaft noch sin süllent; und sol
ouch die selben niemant husen noch hofen heimlich noch öffen-
lichen. Wer das darüber tete, wer der were, er were tröwe
oder man, der bessert fünf pfunt alter pfenning, als dicke es be-
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schiebt, dem schultheissen und dem meister zwey pfuut und
der stat das ander; wände unser herren nüt wellent, das der
selben ußlouffenden nurinen keine zu Colmer noch indewendig
den criitzen nüt sient. Actum feria tertia ante beati Urbani
pape anno domini MCCC LXXX prirno. Und sol ouch bessern
ein jar für die stat und mag das abkouflen. 1S81 Mai 21.
80. Der rat hat einhelleclichen erkant uflen den eyt, das
nieman zu Colmer, er sio wer er welle, pfafle oder leye, keine
zamme tube vohen sol mit deheinen siegen. Dartzü sol ouch
nieinant, wer der ist, er sie frömde oder heimesch, deheine
zamme tube vohen uff dem velde mit deheinem garne noch an
deheinen Stetten, wand unser herren nüt wollent, das man
deheine zamme tube vohen sol mit deheinen dingen. Und sint
ouch har über gesetzet von dem rate zwene die des warten sülleut.
Und wer deheine tube vienge mit deheinem slage oder sust,
wie sü denne gefangen würdent, der bessert ein halb jar für
die stat, und mag das abkouffen, und ein pfunt Pfenninge dem
schultheissen und dem meister das halbe. Und wer zamme
tuben vohet mit garne an dem volde, wa es denne geschieht,
der bessert ein jar für die stat, und mag das abkouflen, und
zwei pfunt dem schultheissen und dem meister. Und mag man
einen ieglichen frömden man für die besserunge haben, und mag
es ouch ein ieglicher rügen, wer es sieht.
81. Der rat hat einhelleclichen erkant uflfen den eyt, wer da
stirbet zu Colmer, er sie edel oder unedel, man oder wip, pfaffe
oder leye, das da sin bestes kleit vallen und werden sol an sant
Martins bu in unser stat, das er denne verlat. Wer aber das
sin bestes kleit stünde, so süllent es die fründc lösen und es
an sant Martins bu geben: ein roß lösen mit zehen guldin, ein
pantzer mit vier guldin. Und was die pfaffen besserent, da sol
man sü ußkünden, und vellet die besserunge sant Martin, und
sol mau sü inen nüt varen lan. Actum feria tertia post beati
Michahelis anno LXXX secundo. 1382 September SO.
83. Der rat hat erkant, das die so in dem köfhuse sitzent
keine gemeinschaft mitt niemant haben süllent heimlich noch
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offcnlich, und sol ouch keinen koufmanschatz triben über al,
und süllent ouch keine miete von niemant nemmen weder
wenig noch vil. Dartzü süllent sü ouch keinen kouff machen
mit nieman ane einen underköuffer. Und was pfenninge sü em-
pfahent ym koufhuse, die süllent sü zu stunt in die kisten legen,
und süllent ouch das gelt uff den kisten empfahen und niergent
anderswa, die wile der der in die pfenning git zü gegen ist.
Und sol ouch keinen kouff machen, die wile der des das gut
ist zü Colmer in der stat ist; wol mögent sü einen kouff machen,
ob es inen empfolhen ist, mit eim underköiffer, so der nüt in
der stat ist des das güt ist. Und sol ze ieglichem kouffe das
glicheste und das beste reden nieman zü liebe noch zü leide,
und nieman kein Wortzeichen geben denne usser siner hant ane
den ungelter, ob es ym empfolhen würt; und nachtes in dem
koufhuse zü ligende uiigeverlichen, und söllent ouch das sweren
alle jare.
85. Anno domini MCCC LXXX primo die dominica ante festum
nativitatis Johannis Baptisto do hat der rat, die Zunftmeister
und die scheffel cinhelklichen erteilt und erkant: Wo die vier
meistere oder iemau in den reten von des rates und der stette
wegen der stette notturft rettend, es were mit herren, Stetten
oder gegen weme das were, und den selben die als von der
stett wegen rettend smehlichen geantwürt wurde, oder darumb
bekumbert und geschediget würdent, den oder die, wer die
werend, sol der rat und die stat verantwürten und beholffen
sin und ouch do vor schaden behüten. t38l Juni 23.
95. Der rat hat erkant, das ein ieglicher bumeister der da ge-
setzet würt über den ziegelhoff und über den bu und die besse-
runge und unzücht pfenning in zcnemtnende, das der sweren
sol einem stettcschriber alle w r oehen ungevcrlich verschriben zü
geben was ym vallet von Unzucht und von besserungen, und
ouch gekündet. Und dar zü sol er ouch sweren, das er kein
after slage noch althotz nemmen sol; und was von afterslagen
vellet oder von altem holtze, es sie von brugken oder von an-
dern dingen, wa es denne vellet, das sol er alles füren uff den
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ziegclhoff bi sinem geswornen eido, anc geverde, der stelle zu
bürnende. Dartzü sol er ouch deheinen bu tun liberal und ouch
nüt kouffen noch verkouffen uff dem ziegelhoff noch ob dem
ziegelhoff, ungeverlieh, ane der dryer willen die meister und rat
dar zü gesetzet hat. Und sol ouch alle monade den selben drin,
oder wenne sü es an in vorderent, rechenunge tun was er inge-
nommen und ußgeben hat; und die selben drye und ouch der
bumeister süllent jares eine rechenunge har umb vor dem
rate tun als gewönlieh ist.
07. Der rat hat erkant von der hirten wegen die zu Colmer
sitzent, das der emkeinre mit me schoff sol haben noch uff unser
weide gan denne drissig schoff ane alleine lembere die das jar
da von vallent, und süllent ouch niemant me kein schoff ent-
halten. Und weler hirte über die summe me schoff hette und dis
verbreche, da bessert ie das schoff fünf Schilling alter, halber
dem schultheissen und dem meister und halber der stat.
118. Der rat hat erteilt und erkannt einhelleclich uff den eit:
Wer das ein lantman, wer der were, über ein burger oder sei-
dener louffen wolte und im übel tun an sinem übe, und es der
lantman vor an den burger oder seidener brechte, das klintlieh
funden würde, so mag sich der gesessen man gegen dem lant-
man weren und ouch einen ieglichen burger oder seidener sins
eides manen, das sü im beholffen sient gegen dem lantman.
Und was denne dem lantman geschieht, da sol kein besserunge
darüber gan; doch also das es der lantman brocht habe an den
gesessen man, und ouch das fürbringet mit erbern lüten die da
bi werent. Were aber das niemant da by gewesen were, so mag
es der burger oder seidener mit sinem eide behaben, das es an
in brocht sie von dem lantmanne. Und wele burger oder seide-
ner der alsus sins eides gemant würde dem geseßen manne gegen
dem lantmanne nüt beholffen were, da bessert ein ieglicher ein
jar und mag das abkouffen. Und ist das der lantman den burger
oder seidener verwundet, so sol man ouch den lantman künden
in die ochte, und sich der richter sins gutes underziehen das er
hat in dem banne zü Colmer, als gewonlich ist. Doch ist zü
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wissende, werc das ein burger oder seidener oder ein gesessen
man über einen lantman louffen wolte und im übel tun an sinem
übe, dartzft sol man ym umbeholffen sin, und sol ouch nieman
manen das man im dar zu helfte. Und was der burger oder
seidener oder der gesessen mau dem lantman, so es an in brocht
were, detent, das solle nt die burger oder seidener bessern als
es gewonlich ist und harkommen. Doch so mag ein iegliclier
burger oder seidener dar zu louffen ungeverlich scheiden, das
dem lantman kein lait geschehe, so es an in brocht ist; und
wer das tut, der tüt kein unrecht. Were ouch das ein burger
oder seidener sin reeht oder burgrecht ufgeben wolte und sin
gut, was er denne bette, enweg geben und das vergeben, und dar
nach mit einem ufsatze einen burger oder seidener slahen wolte
oder erstechen, da sol die gäbe keine kraft haben übcral, und
sol man von ym und von sinem gute richten, ob er deheinen
114. schaden tüt, |l in der wise als vor ist bescheiden, und sol in
das nüt helffen ob er sin güt vorhin enweg het geben. Doch so
mag ein ieglicher burger oder seidener sin güt enweg geben,
wenne oder wie dicke er wil ungeverlichen, als denne der stette
zu Colmer reeht und gewonheit ist. Actum feria tertia post
dominicam letare anno domini M CCC LXX secundo.
1372 März 9.
116. Anno domini M CCC LXX secundo feria quarta ante domi-
nicam letare da hat der rat und die scheffel erkant uffen
den eyt: Wer zu Colmer burger oder seidener ist oder in der
stat sin wonunge het, er sie edel oder unedel, und einem herren,
fründen oder gesellen dienen wolte einen krieg, oder ob er sust
einen angriff an sinen vigenden tun wolte, die süllent ir recht
und ir burgrecht uf'gen und süllent ouch mit wiben und mit
kinden drie tage vorhin, e sich der krieg an het gehebt oder
der angriff besehenen ist, usser der stat zu Colmer ziehen un-
vcrzögenlich mit eins burgenneisters urlop und willen und ouch
niemer in die stat kommen, es werent da zwischent friden ge-
macht oder nüt, der krieg dar umb sü usse sind sie denne ee
gentzlich versünet und gerichtet; so mögent denne die die alsus
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hin uß kommen wcrcnt mit wiben und mit kindon wol her wider
in varen und nüt ee. Und wennc sü ouch her wider in kontinent,
so süllent die man oder die knaben die vogtber sint zu stunt in
den zwein tagen sweren meister und rat gehorsam zu sinde,
als ander burger und seidener tönt. Wa das öberfaren würde,
von wem das beschehe, der bessert ein jar an gnade usser der
stat als dicke als es beschiebt. Und wer das die stat oder die
bürgere von sins angriffes und kriegs wegen in deheinen schaden
komment, den schaden soll er der stat abheben, und sol man
dar umb sinen lip und sin gut anreichen untz der schade ufge-
richt würt; und sol in das nüt helffen, ob er sin gut vor enweg
hette geben oder verendert in deheinen schirm, ane alle geverde.
Wolt ouch iemant, wer der were, er were ein burger oder sei-
dener oder eins burgers sun, sinem herren, fründe oder gesellen
sine vestin helffen weren, der sol sich ouch der stat enteingen
und die ding zu* glicher wise als vor ist bescheiden halten. Wa
das von im verbrochen würde, die süllent in die vorgeschriben
pene verfallen sin, und sünderlichen de fröwen die usser der
stat gefaren werent und gezogen, die süllent in der besserunge
117. nüt wider in die stat kommen heimlich noch offenlich. || Wer
sü darüber in der stat huset oder hofet, der besseret fünf
pfunt alter als dicke es geschieht. Doch ist zu wissende, das
ein ieglicher zu Colmer der seßlehen hat sinem herren sine
vestin wol mag helffen weren ungeverlich, also das es beschehe
mit urlobe meister und rates zu Colmer. Dar zü mag ein ieg-
licher reisen usser lande das ussewendig Eilsaß ist, also das die
reisen ungeverlich sient und ein offen reise sie und nüt heimlich;
den oder die gat die besserunge nüt an. 1372 März 3.
Der rat hat einhelleclieh erteilt und erkant, das niemant,
wer der ist, sol noch mag des rates oder Zunftmeister werden
zu Cohner, er sie har gezogen vor dirre dato oder dar nach,
er sie denne e fünf jar zu Colmer seßhaft gewesen mit huse.
Actum feria quarta post beati Grcgorii anno LXXX sexto.
1386 März 14.
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1387-1432.
25. Anno domini M CCC LXXXVII feria tertia ante beati Ur-
bany pape do wart einhelleklich erteilt und erkant, das kein
würt, kein winsticher noch nicraan anders der ze Colraer geseßen
ist mit keinem frömden manne in das lant riten oder gan sollend,
win ze kouffende, lützel noch vil. Und wer das verbreche, der
bessert 5 Ib., dem schultheissen und dem meister 1 lb. und das
überige der stette. 1387 Mai 21.
75. Der rat hat erkant von der weide und des Rietes wegen,
als man Diebolt von Ratzenhusen etwie manig jar erloubt hat,
das die von Orüssenhein mit irem vihe do fürent, do hat der
rat umb erkant, das man ime das mit me erlouben sol. Actum
feria sexta post beati Georgii anno LXXX VIII. 1888 April 24.
y
58. Der rat hat erkant von der metziger wegen umb das rint-
fleisch, als do har gewönlich ist gewesen, das sü zweygerhand
rintfleisch uff eime banke under enander hiewent, do ist rat und
Zunftmeister obgesessen und hant einhelleklichen erteilt und
erkant, das alle metziger ze Coliner hinannthin nüt me zweiger
hand rintfleisch under enander uf eime banke howen söllent.
Doch were es sache, das einre zweiger hande rintfleisch höwen
wolte, das mag er wol tun uf eime banke, also das er eins nach
dem andern höwe und nüt undereuander. Und wer das überfüre,
der bessert eiu pfunt nüwer phenning; und söllent das die
schöwer by iren eyden förderlichen fiirbringen. Actum ipso die
beate Margarethe virginis anno LXXX VIII. 1388 Juli 15.
76. Der rat hat einhelleklich erteilt und erkant, das man
nieman in den spittal nemmen sol ze pfrftndnern, er sy denne
von alterhar ze Colmer gewesen und hie erzogen und erborn.
Actum feria sexsta post Bartholomey anno LXXX VIII.
1388 Augmt 28.
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77. Der rat hat crkant, das nicman fromdcs im lande in unsere
weide dehein swin ze aekcran slahcn sol. Wer das tete, do
söllent die swin der stette sin und niemant anders. Actum sab-
bato post nativitatem Marie anno LXXXVIII. 1388 September 12.
34. Der rat hat einhelleklichen erteilt und crkant von der
cinse wegen der angester, was köiffe do umb angster vor acht-
zehen jarn besehehcn sint, das man do cinsen sol einen guldin
für zwelff* Schilling angester, oder so vil geltes für die zwelff
Schilling angester die als gut sint als ein guldin. Was köiffe aber
umb angester under ahtzehen jarn besehenen sint, do sol man
Zinsen einen guldin für sehtzehen Schilling angester, oder ouch
so vil geltz für die sehtzehen Schilling angester die als gut sint als
ein guldin. Actum feria sexsta post inventionem sancte crucis
anno domini M CCC LXXX nono. 1389 Mai 7.
25 Der rat und die zunftmeistcre hau erteilt und erkaut, das
keine zunft, kein wurt noch niemant anders keinen winrüfter
machen sol, denne das meistere und rat erkennen sol, wer darzft
nutze und güt ist. Datum dominica ante Urbany anno LXXX
nono. 1389 Mai 23.
32. Der rat und die zunftmeistere haut einhelleklichen erteilt
und crkant, das kein schultheisse ze Colmer niemandes rede vor
den reten noch vor dem gerihte ze Colmer tun sol, lutzel noch
vil, umb deheinerleigo sache. Actum dominica ante Urbany anno
LXXX nono. 1389 Mai 23.
82. Der rat und dio zunftmeistere band einhelleklichen erteilt
und erkant uff" den cid und ouch das gelobt ze haltende: Wer
der were der wider die stat ze Colmer tete oder getan hette
vor dirro date oder do nach, und dio stat oder die burger ze
Colmer von sinen wegen schaden und unlust genommen und
enpfangen betten, das die niemer me keine reht ze Colmer haben
noch gewinnen söllent in deheinen weg. Actum sabbato ante
festum penthecostes anno LXXX nono. 1389 Juni
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84. Anno domini M CCC LXXXX feria tertia ante beate Katherine
virginis to hat der rat erteilt und bekant von der gerwer wegen,
urab das leder so sü veil haut und ze merkte tragend, das das
selb leder trueken und dürre sin sol. Und welre das verbreche
und überfüre, der bessert von yeglichem stücke leders ein pfunt
phenning halber dem schultheissen und dem meister und halber
der stat.
Ze glicher wise hat der rat erkand, wel Schuhmacher
grüne oder naß leder urab die gerwer koufft, der bessert die
selb besserung.
Darzü hat der rat erkand, das die Schuhmacher die schuhe
so sü verkouffent an dem donrstag ustragen söllent vor prime,
oder die wile man prime lütet. Und welre darnach schühe us
trüge ze merkete, der bessert ein pfunt phenning halber dem
schultheissen und dem meister und halber der stat.
Ze glicher wise sollend die gerwer ir leder das sü an dem
donrstage verkouffen wellen ouch us tragen zu den ziten als
die schühraacher. Und wer das verbreche, der bessert die selb
V besserung. 1390 November 22.
59. Anno domini M CCC LXXXX secundo sabbato ante nativitatem
Johannis Baptiste do hat der rat einhelklichen erteilt und erkand
von der metziger wegen, umb die gemeineschaft so sü lang zit mit
enander gehebt hant, das sü die selbe gemeineschaft furbasser mit
enander haben mögent, also was eynung oder gelubde sü gegen
enander gehebt band, wie die gewesen sint, von fleisches wegen, als
meistere und rat fürkomen ist, das zwene gemeiner uüt me eins tnges
höwen sollend denn ein rint, das sü den selben eynung und glubde
gentzlich ablassen sollend und in nü und hie nach nüt me halten.
Und wie vil Heisches zwene gemeiner oder einre besundereinstages
verhöwen und verkouffen mögend, das sü das wol tün mögend und
söllend ouch darumb von niemand gestroffet noch gehindert werden.
Darzft hat der rat erkand, was rintfleischs die metziger höwend, das
sü do uf einen dag nut zweygerhande rintfleisch uf eime banke
höwen noch by enander haben söllend. Und wo sü die schöwer das
fleisch heissend neher geben, das söllend sü ouch tün. Und
söllend dis alle jar sweren ze haltende. 1392 Juni 22.
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78. Der rat und die Zunftmeister hand einhelkliclien erteilt und
erkant, w er das yemand, wer der were, der sin lip oder sin gut
frömdet oder gebe an ein closter und do mitt der stett ir gewerff
oder den abzog enpfuren wolte, das der oder die, w er die werent,
iren abzog, das ist fünft" gewerff, der stett geben sollend, es
werend denn soliche lüte die abzog von rehtz wegen nüt geben
söllend oder edellute, die gat die sache nüt an. Actum sabbato
post festum nativitatis Marie virginis gloriose anno domini
LXXXX secundo. 1392 September 14.
66. Der rat hat erkand von der brotbecker wegen, umb die
swin so sü in legent und inestent, das sü do die swebschen swin
ziehen söllent ein dritteil jars und welschin sw in ein viertel jars und
nütkurtzer. Dazu söllent ouch die brotbecker nüt me swine haben ze
male denn zwelffe, und söllent ouch keine inore haben ze zühten noch
swin die für den hirten gant. Und wer der stücke deheins verbreche,
der bessert von yeglichem swine zwey pfund, der stett das halb
und dem schultheisscn und dem meistere das anderhalbe.
Darzü söllent ouch die brotbecker das krüsch nüt hoher
geben denne einen sesterfol umb vier pfenning. Wer das ver-
breche, der bessert die selb besserung. Actum sabbato ante beati
Michahelis LXXXX tertio. 1393 September 27.
[Auch söllent es die müller ze glicher wise halten als die
brotbecker. Actum ipsa die beati Jacobi apostoli anno CCCC
septirao. 1407 Juli 2fi.]
19. Der rat hat erkant mit den Zunftmeistern einhelklichen uf
den eyd von aller würte wegen ze Colmer die w r in schenkent,
das kein würt koinen win in sinen kelre legen sol, er hab in
denne ee verungelt und verstebelt. Und sol ouch vor ab sagen,
wie er den win geben w r elle, das er in darufif verungelten könne,
und sol in do nach nüt hoher geben denne er verungelt ist.
Darzü söllend ouch die würte ze mole mit me wins in legen
denne 30 omen oder 31 omen ungeverlich, doch mag er dar
under wol in legen. Und söllent ouch die leiterer keinen win
den würten in legen, sü haben denne ein Wortzeichen von dem
ungelter, das sü wussent das der win verungelt und verstebelt
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sy, des ouch die leiterer zu den heiigen gesworn band. Doch
wenne es komct das ein würt in dem hindersten vasse stecket
und aber der ander win aller us ist, so mag er aber so vil
wins in legen als denn Vorbescheiden stat und nüt ee. Und wel
würt dirre stücke deheins verbreche und uberfüre, der bessert
die alte besserung, das ist 5 lb. und dar zu zwey jar für die
stat, die mag er abkouffen. Actum sabbato ante beate Katherine
virginis anno LXXXX tertio. 1393 November 22.
74. Anno domini LXXXX septimo sabbato post beatorum Phi-
lippy et Jacoby apostolorum do hat der rat und die Zunftmeister
einhelklichen erteilt und erkant, als gewönlich do har gewesen
ist uf den meygtag in das Nüwelende ze varonde mit wegen
und karrichen und ouch ze ffts, meigen ze holende, do ist mit
urteil bekant, das menglich, nieman usgenommen, mit keinem
wagen, karrichen noch pferdon furbasser nie nü noch hie nach
in den walt varen soll; wand man och das meinet ze haltende.
Und wer das überfüre, das müste er swerlichen bessern. Actum
ut supra. 1397 Mai 5.
86. Anno domini LXXXX septimo do hat der rat und die zunft-
meistere einhelklichen erteilt und erkant von aller der wegen
so korn in dem merkte ze Colmer veil hant, es sy fröwe oder
man, das die inen selben noch nieman von iren wegen kein
korn und ouch weder haber noch gersten kouffen söllent, denne
so vil sü bedörffent ze essende zu irre notturft, also das sü es nüt
widerverkouffent. Darzü söllent ouch sü niemant, wer der ist,
keinrehande korn und ouch weder habern noch gerste kouffen
weder heimschen lüten noch frömden. Darzü söllent ouch sü do
mitte keinem heimschen ingesessen manne noch fröwen kein korn
und ouch weder habern noch gersten in iren hüsern oder hinder
in hinnanthin me enthalten, weder durch früntschaft oder umb
Ion. Und söllent ouch mit nammen keinem frömden manne noch
fröwen fürbasser me kein gelt weder uff korn, habern oder
gersten, das hinder in in iren hüsern lit oder stat, lihen ee es
verkouft würt. Und die selben stücke hant sü alle zu den heiigen
gesworn ze haltende. Und weler man oder fröwe der stücke
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doheins verbreche und überfüre, die sol man uff offnem kantzel
ze Colmer mein cidig und erlös künden. Und hinder welen man
oder fröwe ieman fremder lüte ir korn sehüttent, den sol es nie-
mant abtün noch verkouffen denne mit der m üssende und willen
der das korn ist. Und wer das verbreche, wer der were, der
bessert zwey jar für die stat, und mag die abkouffen, und darzü
funff pfunt halber schultheisse und meistere und halber der stat,
und sol darzü dem sin korn verkouft und abgeton ist allen sinen
schaden von des kornes wegen abtragen. Actum ut supra sabbato
ante nativitatem Marie virginis gloriose. 1397 September 1.
69. Anno doinini MCCCXCVIIII sabbato ante t'estum Johannis
Baptiste da hat der rat erteilt und erkant, daz man disen eynung
in der stette bttch schriben sol. wand ouch der selb eynung vor
dirre date lange zit erteilt und ouch gehalten ist. Und ist daz:
wer da lat spilen in syme huse, wer der ist, es sient würtc oder
ander lüte, niemant usgenomen, der bessert zwey pfunt alter
Pfenninge halber dem schultheissen und dem meister und halber
der stat. Zü glicher wise, wer die sint die als spilent in den y
selben hüsern, der bessert iegelicher ein pfunt alter pfenninge
halber dem Schultheißen und dem meister und halber der stat.
Actum ut supra. * 1399 Juni 21.
59. Anno domini CCCC priino uff den zinstag von sand Law-
rentien dag do hat der rat erteilt und erkant von aller metziger
wegen zü Colmer, wer der were der pfinnig fleisch höwet under
der metzige, der ieglicher besunder sol bessern vier pfunt alter
Pfenning halber dem schultheissen und dem meister und halber
der stat, und sol darzü ieglicher besunder bessern usser der stat
an des ratz gnade. 1 1401 August 9.
41. Do hat ouch der rat erkant, wer von fromden lüten als
funden wurt die keine roht ze Colmer hant, der bessert iegli-
cher ein pfunt halber schultheissen und meister und halber der
stat. Actum sabbato post beati Andree anno domini CCCC tertio.
1403 Dezember 1.
* Am Rande sind drei Würfel tfezeidmet.
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_^ 52. Anno domini MCCCC septimo die dominica ante beati An-
dreo apostoli da hat der rat einhelleclichen erteylt und bekant
von der metziger wegen, das sie scheffin und spinwiderin fleisch
uff zwein beneken und nit undereinander houwen söllent. Und
wer sie ouch fraget, welhes spinwiderin oder scheffln fleisch sige,
das söllent sie ime sagen. Dartzü söllent ouch sie die schoffe
oder spinwider die sie schnident und verkouffen wöllent in kein
wasser werften, denn wenn sie ußgeschunden werdent, so söllent
sie die zu stunt uffhencken und an den nageln weschen und
under die metzige tragen. Und wie sie das spinwiderin fleisch
gent, so söllent sie das scheffin fleisch vier pfunt eins Pfennings
neher geben. Und die backen, köpffc, lunge und leber söllent sie
ouch innewendig der metzigen houwen und mögent das unge-
wegen verkouffen, also wenn sie kein ander fleisch me hant.
Und was fieisches sie houwen wöllent, welcherleye fleisch das
ist, keins ußgenommen, das söllent sie früge eins mols heruß
tragen, das es die schouwere gesehen mögent. Wo sie ouch die
schouwere das fleisch heissent neher geben, das söllent sie ouch
^ tön. Ouch söllent sie die böcke ußwendig der metzigen höwen.
Dartzü söllent sie kein ander fleisch noch netze ufflegen das nit
darzü gehört. Besunder söllent ouch die metziger nit zweyer-
hande rintfleische undereinander houwen, doch so mögent sie
wol zweyerhande rintfleisch uff eim bancke houwen, aber ye
eins noch dem andern und nit undereinander. Beschee aber daz
eim metziger an einem morgen oder an einem obent ein qwalle
oder ein halbe syte rintfleisches über blibe, und es nit verkouffen
möchte, und aber geschouwet ist, das mag er morndes under
anderm rintfleische wol houwen ungeverlich, also das bede rint-
fleische uff einen pfennig geschowet sigent.
1407 November 27.
95. Der rat hat erkant, das ein yeglicher bumeister der do ge-
setzt wurt über den ziegeloffen und über den bu ze Colmer lip-
lich zu den hoiligen sweren sol, koyne affter slage, nuwe oder
alt holtz, kein brukholtz, steyno oder anders nut ussgenomen,
das denn der stettc ist und ir zugehöret, mit nemen sol; denne
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was von sollichem holtze der stette vellet, es sy uuwe holtz ,
oder alt holtz, oder von stoynen oder andern dingen, wo das
har komet, ez sye von brücken oder von andern dingen, das
sol er allos füren uft' den ziegelotton oder in der stette hoff", wo
es denne hin gehöret, und das der stette gehalten getruwelich
uff das beste, und ouch nieman mit da von geben, by syme ge-
# swornen eyde ungeverüch. Ouch sol er keinen nuwen bu tun
denne mit rate und wissende der dryer so imrac die rete zuge-
bent. Darzü sol ouch ein yeglich bumeister sin selbes fürunge
uff der stette werg nüt haben. Mit nameu sol ouch der selbe
buwemeister alle wuchen zu den vieren in das kouffhus gon und
den verreehenen was er die wuche verbuwen hatt, ungeverlich,
das 8öllent ouch sü imine bezalen. Und als sol ouch der selbe
bumeister ein büch machen, daryu er alle wuche das so er ver-
buwet schribet, und darumb alle jare vor den reten ein reche-
96. nunge tun. Und was er ab dem ziegelofen || verkouftet, es sye
kalck, ziegelen oder der kleinen gebranten steyne, das sol er
den vieren ymme koutthuse verreehenen getruwelich by dem
vorgeschriben syme eyde; und allen costen so zu dem buwe der T
stette gat uff das nehste ze ziehende ungeverlich. Und sol man
irame jerlich ze lone geben 5 lb. Argentinenses. Actum die sabbati
ante beate Margarethe virginis anno domini millesimo quadrin-
gentesimo octavo. 1408 Juli 14.
97. Anno CCCC octavo feria quinta ante festum nativitatis
Christi do hett der rat einhelliclich erteilt und bekant von der
rathosen wegen, das man do eime ieglichen meistcr zu ieglichcr
zit, als man sii teilt, und ouch dorn schultheissen mit mo tftchs
geben sol denne eime zwo eleu, und eim ratzherren oder eim
Zunftmeister anderhalb ele und mit nie. 1408 Dezember 20.
71. Anno CCCC undecirao sexta post beati Kiliani da hat der
rate bekant, das die judon alles ir gewichte wo mit
sie fleisch oder anders wegent und ouch iro eleu jerlichen
vechen und recht haben sollcnt als Christen. Darzü söllent sie
ouch, was fleisches sie don Christen zü kouttende gebent, yeg-
lichs pfnnt eins hclbelings neher geben denn es die cristen
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metziger gebeut, und ouch nit nie denn juden bedörttent.
Wcllichs daz brichet, der bessert 5 Ib., zwey pfunt dem schult-
heissen und dem meister, daz überige der stette.
1411 Juli 10.
53. Anno XIII sexta post Corporis Cristi da hat der rate er-
kaut, das die metziger jerlichen zu pfingsten aneheben und daz
Heisch untz sant (lallen tag neuer geben sollent, mit namen ein
pfunt rintfieisches umb l'/s d., scheffln, swynyn und kalbfieisch
4 Ib. umb 7 d. und hemmelin Heisch 1 lb. umb 2 d.; und nach
sant Gallen tag 4 lb. rintfloisch.es, hemmelins und swynyns
umb 7 d. und kalbfleisch ein pfunt umb zwen pfennynge. Und
sie sollent alle vorgeschriben stücke alle jare sweren zu haltende,
es wore denn das es inen die rete üt fürer oder anders er-
loubtent. 141H Juni M.
85. Anno domini millesimo CCCC vicesimo primo teria tortia
post festum nativitatis Christi da hatt der rat und die zunft-
meistere meiern bresteu ze versehende einhelleklich erkaut,
das die stube zem loche gentzlich absin und niemer keine
trinckstube doselbs nie werden sol. Sunder sol niemer kein
söliche aberstube ze Colmer me usgetroget noch gehalten werden
denn alleinc der rechte ziinffte stuben und die stube zer krönen
und zem wockellcr, die ouch von alterher gewesen sindt.
Ouch mögen t die pfafl'en und priesterschatft ein sunder stube
anderswo denn zem loche haben. Es sol aber kein leige der
ze Colmer seßhatt't ist, er sie edel oder unedel, kein stuberecht
niemer mit inen halten noch haben in dcheinen weg. Darzü
sollent ouch der ackcrlute, der reblüte noch andere knaben
keine sunder stube me haben, entpfohen noch lehenen, denn ob
sü by einander zeren wellent, söllent sü in offner würtshüser
gon. Und wer der stücke deheins verbreche, der bessert als
dick das beschicht ein jor ane alle gnade für die statt und
darzu ein jor, das mag er abkoufTen. 1421 Dezember SO.
85. Uff den selben tag hatt der rat und zunftmeistere erkant,
das der ackerlüte, der reblüte noch keine andere knaben noch
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knechte keine künige vor winaehten nie haben noch raachen
söllent deheins wegs. Welliche zunft ouch uff den zwölfften
obent künige machen wellent, die raögent in uff ire stub'en haben
und imune do zucht bieten und schencken. Sü söllent aber nüt
mit imme umb noch afterwegen riten noch gon in künigßwise;
doch mögent sü wol ze nacht von der Stuben untz hein mit
imme gon ungeverlich. Und wer der stücke deheins verbreche,
der bessert ein jor für die statt und mag das abkouffen. Dise
vorgenanten stücke und ordenungc sint mit urteile in dis büch
getan sehriben, umb das es nü und hienoch gehalten und bliben
werden solle.
75. Anno domini millesimo CCCC vicesimo septimo do hatt
der ratt einhelleklich erkant, das daz gesselin zwüschent den
von sanct Johannse und dem spittal, das in die armegasse gott,
und die eygenschaft nü und hie noch des spittals sin, und das daz
der spittal vermachen und daruff buwen mag waz im denue
nottdurftig ist. 1427.
86. Anno domini millesimo CCCC vicesimo octavo die sabbati
ante conversionem beati Pauli do hatt meister und rat einhellck-
lichen erkant, das nieman zc Colmer keinen abzog nie geben
sol, umb das der gezog im lande ouch dester fryer gegen inen
gehalten werde. Und mag ein yeglicher also vor sanct Martins
tag mit sime geleiten gewerff enweg ziehen; und wer ouch untz
uff die liechtmeß in die stat zühet, den sol man ze gewerff
legen und danoch nüt, untz das man das gemeine gewerff leit.
1428 Januar 24.
167. Der rat und die zunftmeistere hant erkant, das dehein
würt so zu Colmer seßhaft ist fürbasser mee keinen win uß
ungesynneten vassen schencken sol; und sie söllent ouch sölliche
ire schenckvaß hynnanthin alle fronefasten synnen. Wenn und
wie dicke sie ouch ire vaß lant binden und andere tugen oder
böderae darin stossen, do söllent sie dieselben vaß zu stundt
und ee sie daruß schenckent wider synnen. Und wellicher das
verbreche und nit hielte, der bessert als dicke das beschicht
fünff pfunt, dem schultheissen und dem meister ein pfunt und
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das überige der stette; er bessert ouch sovil me als der rate
erkennet, nachdem die sache beschicht. Und sol ouch das
menglich, wer söllichs empfindet, by dem eyde so er meistern
und reten getan hat rügen.
Es sol ouch dehein würt an eim füder wins so er in der
statt oder ußwendig koufft hat, fürbasser me zu gewynne nemen
dann zwölff Schillinge pfennyge über den costen so er damitte
untz uff den ligeringe im kelre gehept hat. Und wellicher das
verbreche, der bessert ouch fünff pfunt als vor stat; und sol
ouch ye einer den andern by sinem eyde rügen, wa er das
ervindet.
Ouch sol nyemant, er sige edel oder unedel, clöstere, pfaffe
oder leyge, der zu Colmer sitzet, hynnanfürme keinen win uß
ungesynneten vassen schencken. Wellicher aber kein gesynnet
vaß nett, der mag uß eim ungesynneten vaße schencken; so
balde aber der win ußkomot und der winrüffer den win ußge-
rüffet hat, so sol er das vaß in den nehsten achte tagen dar-
nach synnen, und das ungelt so sich da von gebürt zu stundt
by sinem eyde in das kouft'huü geben. Und wer das überfüre,
der bessert die obgeschriben besserunge.
Es sol ouch nyemant zu Colmer, er sige geistlich oder welt-
lich, edel oder unedel, nyemant keinen win weder uff das velt,
uff Stuben oder in iren hüsern weder sinem gesinde noch andern
umb gelt geben. Aber vergeben und ungerechent mag er eim
yeglichen durch früntschafft und gesellen* willen win schencken
und geben. Und wellicher darüber yeraant anders win gebe
als vor stat, der bessert als dicke es beschicht zwey pfunt, dem
schultheissen und dem meister ein pfunt und das ander
der stette. Und sol ouch ye eins das ander by sinem eyde
rügen.
Aber habent rat und zunfftmeistere erkant, was kouffman-
schatz zem thore herin gefiirt würt, und das man aber nit durch
füren denn hie lassen wil, das sol man in das kouffhuß füren
und nyergent anderswohin. Wer das darüber enthielte, der
bessert es nach der rete erkenutuisse.
* Verschrieben für gefallen.
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Es sol ouch nyemant, der zu Colmer scßhafft ist und aber ,
kein offen gadcra hat und tegelichs nit zu offenem gaden und
veylem kouffc sitzet, keinerleyge kouffmanschatz in sin hu Ii
füren oder anders enthalten denn im kouffhuse. Und wer das
168. verbreche, so dicke das beschicht, der bessert fünff pfunt,
dem schultheissen und dem meister ein pfunt und das überige
der stette.
Wer ouch also zu gadem und veylem kouffe sitzet, der sol
keiner über ein pfunt ysens und ein vardel schürlitztüchs in
sinem huse haben, uud aber das überige im kouffhuse. Wer das
überfüre, der bessert drü pfunt, dem schultheissen und dem
meister ein pfunt und das ander der stette.
Wer ouch also zu gadem sitzet, der sol kein gut, so er
sammenthafft verkoufft und eins vicrlings oder darüber swer
ist, in sime huse oder gadem wegen, dann das an der wagen
im kouffhuse wegen lassen, ußgenomen hartz, bly, kride oder
deßglich; das und was under eim Vierlinge eins zenteners ist
mag er wol in sinem huse wegen. Wer das brichet, der bessert
drü pfunt als vorgeschriben ist. V"
Ouch sol man im kouffhuse nyemant under einem Schillinge
ysens und under einem halben vierteil eins vardel schürlitztüchs
zü kouffende geben, es were daun das eintzige tüch da legent,
die mag man wol heimschen oder fremden zü kouffende geben.
Es sol ouch nyemant kein wolle so verkouffet würt anders-
wo wegen dann im kouffhuse, umb das yederman glichs beschee.
Und wer das breche, der bessert drü pfunt als ob stat.
Es sol ouch nyemant der zü Colmer seßhafft ist, er sige
geistlich oder weltlich, saltz uöwendig der statt Colmer kouffen;
denn wer das darüber anderswo kouffte, der bessert drü pfunt
als vor, so dicke das beschicht.
Der rat hat ouch erkant, das kein grempe noch gremperiu
zü Colmer keinerleye dinge das zü gremperyc gehört in der
statt Colmer, vor dem das die glocke zehen siecht, kouffen sol.
Und sol ouch das nyemant von ireu wegen tun noch bestellen,
es sige am Sonnentage noch keinem tage in der wochen. Und
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was ouch nach mittemtage harkompt, das sollen t sie noch
nyemant von iren wegen ouch nit kouffen untz morndes als die
glocke 10 siecht. Denn wer das breche, der bessert 1 lb.
halber dem schultheissen und dem meister und halber der stette.
Actum vigilia beate Margarethe virginis anno domini MCCCC
XXX primo. 1431 Juli 14.
Was ouch die gremper ußwendig der statt Colmer kouffent,
das söllent sie hie zu Colmer verkouffen und nyergent anderswo.
Und wellicher oder welliche das breche, der bessert fünff pfunt,
dem schultheissen und dem meister ein pfunt und das überige
der stette; und mag das menglich rügen.
169. Ouch sol nyemant zü Colmer, er sige cristen oder jude,
keinerleye eßhafftig ding kouffen, das er uff merschatz wider
verkouffen wil. Dann wer das verbreche, der bessert ein pfunt.
Es sol ouch nyemant, er sige heimsch oder fremde, sunder-
lich am donrstag söllichs dings nit kouffen, ee das man das
glöckelin lütet das dartzü geordent ist zu lütende.
Was ouch kouffmanschatz in das kouffhuß komet, wil einer
das hinweg füren, der sol globen by truwen an eydes statt,
das daz nit hie verkouffet, verwechselt noch dehein fürworte
bescheen oder yemant das zu schicken geverlieh gelopt und ver-
sprochen sige, damit der stette ir zolle en tragen werden möge.
Als da har ettewas breste und irrsal under den zünfften
gewesen ist, deßhalb das etteliche zünffte empfiengent, da aber
andere zünffte meindent das sie mit inen dienen und under sie
gehören söltent, da zü besorgende was, wo das nit forderlich
fürkomen würde, das villicht unwille da von ufterstan möchte;
das und anders züversehen, als dann billich und notturfftig ist,
so habent meistere und rete, die zunfftmeistere und schöffele
geraeinlich söllichs zürn besten für hant genomen, als inen
dann das zü tünde gebürte, und sint dirre nachgcschribcn stücke
und artikele durch nutz und notturfft willen der stette und der
gemeinde zü Colmer überkomen und habent ouch einhelleclich
erkant, das daz nü und hie nach bliben und gehalten werden
sol, als dann hie nach underscheiden stat. Und ist dise orde-
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nunge angefangen, uffgesetzt und ouch in das ratbuch zu setzende ^_
erkant worden uff rnittewoeh sant Veltins tag anno domioi
MCCCCXXX secundo. 1482 tebruar 13*
Des ersten hant sie erkant: Welliche zunfft ein yeglicher
uff diß zijt zü Colmcr hat, by der sol er ouch fürbasser bliben
und die haben, doch also ob ein antwerckman ein ander zunfft
nett denn sins antwerckes, und hett aber sins antwerckes zunfft
ein ordenunge, gesetzde oder besserunge, da durch söllich ir
ordenunge in eren gehalten und der so darinne missetete ge-
straffet würt, so sol derselbe antwerckman der uff die zijt ein
ander zunfft hett söllich ordenunge und gesetzde halten mit allen
penen, puneten und artikeln, als dann desselben antwercks gc-
wonheit und harkomen ist, one allen inntrag.
170. Wellicher aber hynnan türme vom lande har in komet, den
sol man vor dem rate fragen, wes er sich begane wolle, und so
er das geseit, sol er ein zunfft empfohen under die die gehörent
die söllichs tribent, des er sich dann meint zü begande, als dann
hie nach luter underscheiden würt. Doch also, ob er hernach
über kurtz oder über lang ützit anders anevienge, es were ein Y
antwerck oder gewerbe, so sol er sin erste empfangen zunfft
lassen und die zunfft empfohen under die die gehörent, die söllichs
tribent das er ime dann fürgenomon hett anzüvohen. Und sol
sie ouch daran nit irren noch schirmen, das er zü anefange ein
ander zunfft empfangen undgehept hett; dann die erste empfangen
zunfft da wider nit reden noch tön sol deheins wegs.
Als dann ouch untz har harkomen und gewonlich gewesen
ist, das eins yeglichen burgers sün empfohen möchte welliche
zunfft er wölte, damit ouch etteliche zünffte gekrencket wurdent,
das sol hynnanthin abe sin und gehalten werden in die wise als
hie nach stat, nemlich, das eins burgers sün der sich sins eygens
oder gülte begat, kein antwerck noch gewerbe tribet, der mag
wol empfohen wellicho zunfft er wil ; aber eins burgers sün der
ein antwerck kau und tribt, der sol mit namen sins antwercks
zunfft empfohen und die haben, tribet er aber gewerbe, so sol
er öch die zunfft empfohen darin sölliche werbende lüte gehörent.
* Der Veitinstag 1432 ist ein Donnerstag!
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- 77 —
Und umb das die zünffte und menglich wissen mögent, under
welliche zunfft ein yeglicher, er sige heimsch oder fremde, ge-
höre und welliche zunfft einer also empfohen söllc oder nit, so
ist geordent und besetzet, das ein yeglicher nach sinem wesen
und gewerbe ein zunfft empfohen sol, als das hie nach luter
underscheiden ist.
Des ersten: Wer geverwet gewaut, güldin tüchere, syden
tilchere, wiß oder grouw und arraß zu gadem snident; ouch alle
die so vom lande harin koment, sich ires eygens oder gülte be-
gandt und kein antwerck noch gewerbe tribent; dartzft die so
stahel. ysen, scgesen oder sicheln veyl hant, kouffent und ver-
kouffent, die gehörent alle under die koufflüte.
Wellicho herberge haltent, die wurte so win schenckent,
winsticher, winrüffer und die so den lüten win umb Ion schenckent
und ouch die köche gehörent alle under die winlüte.
Wer ackerbuwe tribet und den pflüg füret, die gehörent
under die ackerlüte.
171. Wellicher korn, gemüse und deßglich zü mercket affter
wegen füret, koufft und verkoufft, die karricher und die geswornen
kornmesscr gehörent under die kornlüte.
Wellicher rebewerck tribet mit der hendc und sich des
allermeist begat ungeverlich, die gehörent under die rebelute.
Wer uff den kouff oder umb lone brot bachet oder veyl
hat, es sigent wißbrotbacher oder hußfürer und oflater, die ge-
hörent under die brotbecker.
Alle metziger, kutteler, scherer und bader gehörent under
die metziger.
Wellieher kürsenwerck tribet, mit der hende machet, oder
ouch die so gemacht kürsenwerck insunders veyl hant, gehörent
under die kürsener.
Welliche schuhe machent und veyl hant und ouch die att-
büsser und satteler gehörent under die Schuhmacher.
Alle rot und wiß gerwer und ouch die bermenter gehörent
under die gerwer.
Welliche sich mit der segesen allermeist begant, die gehö-
rent under die nieder.
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- 78 —
Was specerye, wahs, schürlitztüch, schcrtor, buckschin,
gugerell, gam, bendel, lösche, alantlcder oder hangenden kram ^
veyl hat, dartzü alle schriber die nit gefrijet sint, die moler,
w ürffeler, teschenmacher und seckeler oder die die glesere veyl
hant, gehörent uniter die kremer.
Wer tüch machet, bönwüllin, wüllin oder lynyn tüchere
wöbent, die verwer, wollenslaher, die kember, walker und hüte-
raacher, die tüch ribent oder kartent, gehörent under die grouwe-
tüchere; doch söllent sie kein tüch weder nu noch harnach
scheren anders dann das sie riben wöllent.
Alle smyde, es sigent goltsmide, hübschmide, slosser, kupffer-
smide, kesseler. messersmide, kannengiesser, spengeler, gürteler,
güfenmacher, wagener, harnescher, armbroster und swertfeger
gehörent under die smyde.
Wer gartenwerck buwet oder gemüse zu mereket füret,
koufft und verkoufft und ouch karrichcr die des begerent, ge-
hörent under die gartener.
172 Wer mülewerck tribet oder grcmperye, gehörent under die
muller. v
Wer vaß, bechere, mossen, holtzschfthe, blospalg, sunder
hültzin geschirre machent oder veyl hant, dartzü die kisten-
macher, treyger, syber und leyterer gehörent under die küffer.
Die vische vahent, veyl hant, kouftent und verkouffent, ge-
hörent under die vischer.
Die Steinmetzen, murer, zicgeler, decker, zymberlüte, oley-
macher, hafener und glaser gehörent under die Steinmetzen.
Wer snyderwerck tribet und die tüchscherer gehörent under
diesnider, also das ir keiner die beiden antwerck tribc; und söllent
ouch mit naraen die tüchscherer dehein tüch riben noch karten.
Doch so ist in söllicher diser ordenunge nemlichen und
vorab ußgesetzt und berett, das ein yeglicher gemeiner tagwaner
der des ersten ein zunff't empfohen wil under den komlüten, den
medem oder den gartenern empfohen mag welliche zunfft er
under den drigen wil, und doch darumb von den andern zünfften
unbetedinget und ungepfendet bliben.
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— 79 -
Ouch habent meistere und rat, als vor stat, der stette und
gemeinden nutz, so von jare zü jare in künfftigen zijten daruß
gan und wahsen möchte, angesehen und bedacht, das wenig lüte
zü Colmer siut die kouffmanschatz oder gewerbe tribent, dann
das etteliche so manigerleye veyl habent, damit sich doch, ob das
gesündert wurde, als vor zijten ouch gewesen ist, vil lütes ge-
bessert, began und so statthafTt werden möchte, das sie der statt
dester baß und nie gedienen köndent. Und habent daruff be-
dcchteclichen geratslaget, geordent und fürgenomen, was ein
yeglicher, der kouffmanschatz oder gewerbe triben wil, hynnan
fürme veyl haben sol und nüt anders; sunder umb das menglieh
riche und arme ein glichs bescheen und man dester rechter Pfen-
nige wert vinden möge.
Des ersten : Wer geverwet gewant kouffen und verkouffen
wil zü gadem, der mag geverwet tüch, guldin tüch und sydin
173. tüch ouch seygat und arraß tüchere | veyl haben und niidt
anders.
Wer wiß oder grouwe verkouffen oder kouffen wil, der sol
ouch nüdt anders veyl haben denn wiß und grouwe.
So mögent die kremere veyl haben specerye, allerleye
varwe, schürlitztüch, scherter, buckschin, gugerell, bendel, garn,
wahß, bly, zynne, fleschen, wißblech, geslagen golt oder silber,
lengolt, gelisemete hüte, viltz, lösche, alantleder wiß und geverwet
und deßglich.
Die kremer die hangenden kram veyl habent söllent ouch
nüt anders veyl haben denn gürtel, seckel, frouwen hüben,
viltzhüte, schöiben hüte, hentschühe gefütert oder ungefütert,
allerleyge gesmide, es sige möschin oder yserin, pflegele und
was dartzü gehört, geyselriemen und deßglich.
Die ysenlüte söllent m'id anders veyl haben denn stahel,
ysen, pflügysen, seche, swartz blech und sturtz, allerhande nagel
die unverzynnet sint, dartzü segesen und sicheln.
Die lynweter söllent veyl haben lynyn tüch, zwilich, trilich,
ingoß, tischlachen und hantqwehelen und nüdt anders. Ouch sol
nyemant söllicher obgeschribener stücke weder sniden noch in
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— 80 —
stücken von hant verkouffen oder veyle haben, er sitze dann
zü offenem gadem, darinne er söliichs wol sniden oder von hant
verkouffen mag.
Die gremper söllent veyl haben allerleye gemütze, saltz,
schandeln, unschlit, smere, kese, ancken, oley, zigcrn, senffe,
heringe, bückinge, bolchen, huntfische, stockvisohe und deßglichen.
Doch als die metziger untz har in der vasten gewonheit gchept
hant bolchen, huntfische und wiger karpffen und ouch andere
gesaltzene vische veyl zu habende, da' söllent sie furbasser in
der vasten nudt anders veyl haben denn wiger vische die in
körben harkoment, also das sie die kouffent als das gewonlich
und harkomen ist.
Als daun ouch ettewiemanig antwerckman gremperye oder
ander gewerbe zu sinem antwerck tribt, urab das dann menglich
eins glichen pfennyng werts destcr baß und neher bekomen
möge, sunder ouch das ein yeglich antwerck deste redelicher
und völleclicher gehalten und getriben werde, so sol hynnant-
174. hin | ein yeglich antwerckman der söliichs tribet entweders sin
antwerk lassen und das gewerbe oder gremperye triben, oder aber «r
sin antwerck triben und die gremperye oder das gewerbe lassen,
dann er nit me dann einerleye fürhant nemen und triben sol.
Doch mag menglich so zu Colmer seßhaftt ist, er sige ant-
werckman oder audere, sammenthafft kouffen und verkouffen was
ime dann gefüglich ist, doch das er in der statt nudt samment-
hafft verkoufft denn im kouffhuse, als dann daz gewonlich ist.
Und sol dise ordenunge angehept werden zu haltende uff
pfingsten nehstkuntt'tig.
Anno domini millesimo CCCC XXXII feria quarta post bea-
torum Viti et Modesti martyrum do habent meister, Zunftmeister
und ratt erkant: Wo ein rieh oder arm man ze schaffende hatt
und botten bedarff, wellicher von dem rate erkant wurt mit dem
ze ritende, der sol es ouch tün in des selben costc der des botten
bedarff, und sol sich ouch des mit widern.
Desglichen welicher von der stette wegen zü eime botten
erkant wurt ze ritende, der sol sich ouch des nit widern.
1432 Juni 18.
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Sach- & Namenregister
Abzug 66, 72.
Acht (echtewe), Die 19.
Aechtung 42. 46, 60.
Aehrenlese 57.
Angster (Münze) 64.
Armegasse 72.
Au (Ouwe) 20, 36, 48.
Augustincrhof 27.
Ausbürger 27, 29
Bauholz, Abgabe von 22—23, 56.
Baumeister 59—60, 69—70.
Besserungen (Bussen) Einziehung 46, 59.
Bettel 24.
Blienswilr 36.
Blotzhein 30.
Botendienst, Verpflichtung zu 80.
Branntwein 31.
Brotbftck er 22, 44, 52 - 53, 66.
Brotbänke 52-53.
Brote, Grösse der 43.
Brotschauer 53.
Bürgerrecht 27, 28, 29, 34, 40, 54, CO - 62.
Bürgschaft 22.
Dienstboten, Verbot die — anderen ab
spenstig zu machen 51.
Dorn ach 26.
Edelleutc 27, 28, 66.
Eheanspruch 52.
Ehebruch 43.
Ehefrau, Beschimpfung einer 44.
Eichung (vechen) der Weinmasse 30—31,
der Gewichte 70—71, Synnen der Fässer
72-73.
Eilsass 62.
Einung 23, 25, 36, 65, 68.
Fahrende Töchter (Dirnen) 2t, 32, 35.
Fahrt in eine Stadt oder in das Land 40.
Fehden, Beteiligung der Bürger an aus-
wärtigen 61—62.
Feindseligkeiten gegen die Stadt oder ihre
Bürger 39, 40, 51- 52, 64.
Feldfrevel 36.
Feuerwehr 24.
Fischer 20, 21. 56
Fischhandcl 20, 21, 80
Fleischbänke 24, 47, 48.
Fleischschauer 24, 47, 49, 63, 65, 69
Fleischtaxc 71.
Franken (Münze) 29.
Fremde in der Stadt 29, 68.
Frevel (Busssatz) 38.
Friede der Stadt 37, 45, 46.
Friedlosigkeit 20.
Frönung 19, 38.
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Gärtner 51.
Gefnngcnhaltung, Widerrechtliche 35-36.
Gerber 65.
Gerichtswesen 19, 36, 37, 89, 40, 46, 52.
(». nueli Ruth.)
Gesellen (Knaben) 71-72.
Gewerf 27, 28, 29, 66, 72.
Gloggener Andrea 30.
Goldschmiede 30.
Grcinper 50, 51, 5;"», 74—75, 80.
Grüssenhein 63.
nafner 26.
Hausrat, Ausfuhr von — verboten 40.
Käuferin von Gewand und — 38
Herdschan 34.
Hirten 57, 60, 66.
Holzhandel 50.
III 26.
Jagd 20.
Jahrmarkt 45.
St. Johann 72.
Juden 27, 54, 54-55 (Eid), 70-71.
Ranzel, Öffentliche 6S.
Kaufhaus 45. 55, 58-59, 70 (die vier im -),
73—75, 80.
Kaufleute, Bezeichnung der Waren, welche
die verschiedenen — teil halten dürfen
79-80.
Kellermiete. 38-
Kirchen als Freistetten 20.
Klöster 42, 47, 57, 66.
Klosterfrauen, Ausgesprungene 57—58.
Köche 24.
Kohlenhandel 27.
Könige auf den Zunftstuben 71 -72.
Kornhandel 26, 67-68.
Kreuze als Grenz/eichen des Stadtfriedens
35, 36, 39, 42, 57, 58.
Kriegslasten. Beteiligung der Einwohner-
schaft an den — der Stadt 51.
Kürschiierlaube 27.
Landleute 19, 21, 27, 28, 42, 54, 60-61.
Landvogt 51, 52.
Lnngebrücke 26.
Landfesten vor den Häusern 34.
Lebensmittel, Wiederverkauf der — auf
Mehrschatz verboten 75.
Leiterer 32, 66—67.
Licht, Verbot Nachts ohne — auszugehen 41.
Lusse 26.
Maicnholen im Wald 67.
St. Martin 41. — sbau 58.
Meister (Burger — oder Stettmeistcr) 36, 37,
39, 56, 59, 61, 70.
Messerzucken 19, 36, 12, 56—57.
Metzger 21, 47-50, 63, 65, 68, 69, 71.
Metzig 49, 69.
Mist in der Stadt 34.
Müller 44, 66.
Neuland (Nuwelende) 5(5, 67.
Niederwald 56.
Öhnann 22.
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83 —
Pfaffen 27, 58, 71.
Pfandrecht 31, 37.
Pfennige, Alte 33, 45, 47, 48, 50, 53, 54, 57,
60, 62, 68. Neue 63. Rappen 22, 28.
Strassburger 27, 29, 38, 45, 57, 70.
Rat, Gerichtsbarkeit des - s 19, 25, 36, 37,
41, 43, 44, 45, 46, 52, 73.
Ratbuch s. Stadtbuch.
Ratsherren und Zunftmeister sollen vor
ihrer Wahl fünf Jahre in Colmar sesshaft
gewesen sein 62.
Ratshosen 70.
Ratzenhusen, Diebolt von 63.
Rechtlosigkeit 44.
Ried 26, 47, 49, 63.
Riedförstcr 22.
RifHan (Frauenwirt) 24,35.
4
Salzhandel 45, 55, 74.
Schädliche Leute, Fürbitte für — den Frauen
verboten 23 — 24.
Schaffner der Domherren, Klöster und
Höfe 39.
Schneider, Verbot fremde — zu dingen
39 — 40.
Schöffen 36, 37, 40, 50, 59, 61, 75.
Schuhmacher 65.
Schuldenrecht 19, 21, 25, 37, 50.
Schulthciss 36, 37, 39, 41, 42, 46, 56, 64, 70.
Schweinemast 22, 66.
Schwerttragen nur den Ratsherren und
Dienern der Stadt erlaubt 53 — 54.
Schwüre (Flüche) 41.
Seidener (s. auch Bürgerrecht) 28, 39, 40,
52, 61.
Semm (Semden) 47, 48.
Sesslehen 62.
Silberschmelzen verboten 30.
Spiel 21, 68.
Spital 63, 72.
Stadtbuch 68, 72, 76.
Stadtgraben 26, 35, 47, 48, 55, 56.
Stadthof (Werkhof) 70.
Stadtmauer(Befe8tigungskosten)43, 44, 53,54.
Stadtschreiber 59.
Stadtzeichen 30, 31.
Stebeler (Münze) 53.
Stcinebrugkc 36.
Steinebrugkethor 56.
Streit, Tätlicher 36, 42, 60 - 62.
Stutnu, 30.
Synnen, Die 34.
Taubenfang verboten 58.
Theinheinthor 56.
Todfall an den St, Martinsbau 58.
Todschlag 42, 46, 61.
Trinkstuhcn (/.em loche, zer kröne, zem
wockeller) 71.
Trotten 23.
Tuchhandel 26, 27, 77, 79.
Ungehorsam gegen den Bürgermeister 36, 37.
Ungeld, Ungelter 30, 32, 33, 59, 66, 73.
Ungesungen (im Interdikt) 55 — 56.
Unhulde (Busssatz) 38.
Unterkäufer 38, 45, 59.
Vagatte (Kehricht) und Unflat, Fortschaf-
fung 34 — 35.
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- 84 —
Vendchciu {Waldaufseher) 23.
Verwundung 19, 42, 43, 46, 60.
Vicarie (ReichsverweRcr) 43.
Wage im Kaufhaus 74.
Waldfrevel 23, 25.
Wallaube (Tuclilatibe) 26, 27, 35.
Wechsellaube 29.
Wechsler 29.
Weibel 19, 22, 25, 36, 37.
Weide 20 (Viel.schaden), 26, 30, 47 - 50, 55,
57, 60, 63, 64 (ackeran).
Weinhandel s. Wirte und Weinsücher.
Weinrufer 64, 78.
Weinsticher 33, 63.
Wcinzieher 85.
Weinzoll 33.
Werkmeister 22, 35, 46.
Witlen 56.
Wirte 30 - 33, 45, 63, 64, C6 - 67, 68,
72 - 73.
Ziegelhof 59 — 60.
Ziegelofen 69 — 70.
Ziegler 26.
Zimmermann, Städtischer 22.
Zoll 75.
Zollbetrug 45 — 46.
Zünfte, Aufnahm« in die 53. Zugehörig-
keit der verschiedenen Gewerbetreiben-
den zu den einzelnen — n 75 — 80.
Zunftmeister 34, 35, 36, 39, 52, 56, 57, 59,
62, 63 & ff.
Zunftrecht 28, 29.
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i
Die Angelegenheit
der
Reichsstädte des Elsass
am Reichstage und vor dem Schiedsgerichte
zu
Regensburg
(1663—1673).
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Inhalt.
Seite
Vorwort 87
Einleitung: Das Verhältnis zwischen Frankreich und den elsässisehen Reichs-
städten nach dem Westfälischen Frieden. — Beschickung des Reichstags
durch dieselben 89
I. Ernennung einer Deputation durch den Reichstag zur Verhandlung mit dem
französischen Pleuipotentiar Gravel in der elsässisehen Angelegenheil. —
Memorial der Vereinstädte zur Darlegung ihrer Beschwerden. — Direkte
Auseinandersetzungen zwischen ihren Deputierton und Gravel in Betreff
der Landvogteireehte. (16G3— 1664) 93
II. Vorschlag der Vereinstädte, die Schlichtung des Streites einein Schiedsgerichte
zu übertragen. — Neue Klagen derselben über die Anmassung der Ge-
richtshoheit durch Frankreich. — Schreiben des Reichs an Ludwig XIV. —
Annahme des Schiedsgerichts durch den König. (1664—1667) 110 ^_
III. Eröffnung des Schiedsgerichts. — Weigerung Frankreichs, die Aufhebung
des den Städten auferlegten Eides der Treue zuzulassen. — Vorschlag
einer neuen Eidlbrniel durch das Schiedsgericht. (1607—1669) 132
IV. Verwerfung des Vorschlags des Schiedsgerichts durch Frankreich. — Schieds-
spruch über die Natur der dein König unter der Bezeichnung Landvogtei
abgetretenen Rechte. (1670-1672) 152
V. Die elsässische Frage am Wiener Hofe. — Gerüchte von einem bevorstehen-
den Ueberfall der elsässisehen Städte durch Ludwig XIV. — Versuche,
das Schiedsgericht wieder in Tätigkeit ?.\\ bringen. — Fortgesetzte Klagen
über die Schädigung der Städte durch Frankreich. (1672—1673) 167
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Vorwort.
Das Archiv der Stadt Colmar besitzt eine umfangreiche Samm-
lung von Berichten, welche die Abgeordneten des elsassischen Städte-
bundes am Reichstage zu Regensburg über ihre Tätigkeit in den Jahren
1663 bis 1673 an den Colmarer Magistrat sandten. Die Reichhaltig-
keit dieser Korrespondenz, die nur wenige Lücken aufweist, hat mich
veranlasst, ihren wesentlichen Inhalt, so weit er den zwischen Frank-
reich und den clsässischeu Reichsstädten wegen der Landvogteirechte
ausgebroeheneu Streit betrifft, hier kurz darzustellen.
Die über diesen Streit zu Regensburg geführten Verhandlungen
sind allerdings schon wiederholt geschildert worden und zwar zuletzt
und am gründlichsten von Dardot in seinem hauptsächlich auf
französischen Akten beruhenden Werke La question des die villes
imperiales d'Alsace . . . 1048-1080 (Paris et Lyon 1899). Dennoch
erschien es mir nicht überflüssig, auch das immerhin manches
Neue bietende Material des Cohnarer Stadtarchivs den Geschichts-
forschern mitzuteilen, besonders da unsere Stadt damals die Führung
des elsässischcn Stadtcbundes übernommen hatte, und ihren Depu-
tierten die gemeinsame Vertretung oblag. Rocholl hat in seinem Buche
Zur Geschichte der Annexion des Elsass durch die Krone Frankreichs
(Gotha 1888) nur einen kleinen Teil der zu Colmar verwahrten Briefe
benützen können, da die Hauptmasse erst spater von mir aufge-
funden wurde.
Mögen auch alle Versuche, die elsüssiche Frage auf friedlichem
Wege zu lösen, schliesslich an dem Widerstände Frankreichs ge-
scheitert sein, so ist es doch nicht ohne Interesse, die einzelnen Wand-
lungen einer Angelegenheit zu verfolgen, welche länger als ein Jahr-
zehnt das ganze öffentliche Leben unserer Vorfahren beherrscht und
auch die europäische Politik vielfach beschäftigt hat.
Was die Form meiner Darstellung angeht, so habe ich die
Terminologie der Briefe möglichst beibehalten, namentlich wenn so
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- 88 —
bequeme Ausdrücke vorkamen wie das Wort Vereimtädte zur Be-
zeichnung der verbündeten Reichsstädte des Elsasses und das davon ab-
geleitete Adjektiv vereimtädtisch. Bei der Inhaltsangabe längerer
Denkschritten habe ich zur Vermeidung einer allzu schwerfälligen
Sprache manchmal die direkte Rede statt der indirekten gebraucht.
Da die von mir bearbeitete Korrespondenz nach dem alten Ka-
lender datiert ist, so sind auch in meiner Abhandlung sämtliche Daten
nach diesem Kalender angegeben worden, es sei denn, dass ein bei-
gefügtes st. n. ausnahmsweise den neuen Stil bedeute.
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>
V
Einleitung.
Das Verhältnis zwischen Frankreich and den elsftsslschen Reichsstädten
nach dem Westfälischen Frieden. — Beschickung des Reichstags durch dieselben.
Ohne auf die viel erörterten Bestimmungen des Westfälischen
Friedensvertrags nochmals naher einzugehen, will ich hier nur daran
erinnern, dass in den Paragraphen 73 und 74 der souveräne Besitz
der Landvogtei über die zehn elsässischen Reichsstädte von dem
Hause Österreich und von dem Kaiser und dem Reiche an Frankreich
abgetreten wurde, während der Paragraph 87 diesen Städten den
Fortbestand ihrer Reichsunmittelbarkeit ausdrücklich sicherte. Der in
diesen Bestimmungen liegende Widerspruch offenbart sich uns deutlich,
wenn wir bedenken, dass die zuletzt vom Hause Österreich verwaltete
Landvogtei ein altes Reichsamt war, ein der Rcichsgewalt zur Hand-
habung gewisser Schutz- und Aufsichtsrechte dienendes Organ. Wie
war es also möglich, dass die Befugnisse dieses Amtes unabhängig
vom Reiche von einem fremden Herrscher ausgeübt würden? Das auf
dem Papiere geschaffene Verhältnis zwischen den Städten und dem
Nachbarstaate hätte nur dann in der Wirklichkeit bestehen können,
wenn der König von Frankreich, wie ursprünglich beabsichtigt war,
die Landvogtei nicht als freies Eigentum, sondern als Reichslehen
empfangen hätte. Jetzt aber schlössen sich die Souveränität des Land-
vogts und die Reichsunmittelbarkeit der unter ihm stehenden Städte
gegenseitig aus, und beide Teile mussten bei der konsequenten Ver-
teidigung ihrer Rechte notwendig in Konflikt mit einander geraten.
Dass die zu Münster erfolgten Abmachungen über das Elsass
das Ergebnis eines vorläufigen Kompromisses zwischen der französi-
schen und der kaiserlichen Politik waren und deshalb mit Absicht un-
klar formuliert wurden, ist von den beteiligten Diplomaten wiederholt
zugestanden worden. So sprach sich der kaiserliche Rat Volmar im
Jahre 1653 zu Regensburg den Vertretern der elsässischen Städte
gegenüber in diesem Sinne aus und versicherte, dass die französischen
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— 90 -
Bevollmächtigten selbst geäussert hätten, es würde die .Sache des
Stärkeren sein, die unklaren Fliedensartikel „nach seinem Gutdünken
auszulegen."*
Die allgemeinen politischen Verhältnisse brachten es mit sich,
dass Frankreich in den ersten Jahren nach dem Friedensschlüsse seine
Absicht, die elsässischen Reichsstädte ganz zu unterwerfen, zunächst
weniger hervortreten Hess. Den ersten wichtigen Schritt zu dieser
Unterwerfung machte es erst im Jahre 1658 durch die Errichtung der
hohen Justizkammer zu Ensishehn für seine elsässischen Besitzungen,
unter welchen das Gründungsedikt auch die Landvogtei der zehn
Reichsstädte nannte. Die betroffenen Städte protestierten zwar gegen
die über sie angemasste Gcrichtshoheit, doch hinderte dies Ludwig XIV.
nicht, bei der Übertragung der höchsten Gerichtsbarkeit über seine
elsässischen Gebietsteile an das Parlament zu Metz, wie sie durch
das Edikt vom 6. Februar [st. n.] 1662 erfolgte, nicht mehr die Land-
vogtei, sondern die einzelnen Städte namentlich zu bezeichnen. Es
waren dies bekanntlich Hagenau, Colmar, Schlettstadt, Weissenburg,
Landau, Oberehnheim, Kaysersberg, Münster, Rosheim und Türkheira.
Einen bedeutenden Erfolg errang die französische Regierung im *~
Januar 1662, als sie die zur Präsentation des Herzogs von Mazarin
als Landvogt nach Hagenau berufenen Vertreter der Städte zwang,
dem Könige einen Huldigungseid zu leisten. Die Städte hatten sich
lange gegen diese gefährliche Neuerung gewehrt, indem sie dem Her-
kommen gemäss nur dem Landvogte und dem Unterland vogte die üb
liehen Eide schwören wollten, doch gaben sie schliesslich den Droh-
ungen Mazarins nach, wobei Hagenau mit dem Beispiel des Gehorsams
voranging, während Colmar am längsten widerstand. Die Eidformel,
über die man sich nach langen Verhandlungen einigte, wurde von
einem Teil der Deputierten auf lateinisch, von den anderen auf deutsch
gesprochen. Die Städte gelobten darin, dem Könige in Frankreich
alle Schuldigkeiten, zu denen sie auf Grund der im Münsterschen
Frieden demselben von dem Kaiser, dem Reich und dem Hause Oster-
reich abgetretenen Landvogtei Hagenau verpflichtet seien, mit Treue
abzustatten.
* Colmarer Stadtarchiv: Hoiclistajrsakteii, Brief v. 17. Januar 1(553.
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Eine weitere Benachteiligung erblickten die Bürgerschaften darin,
dass der neue Landvogt seinem nach altem Brauche in Reversform
gegebenen Versprechen, ihnen ihre alten Freiheiten zu erhalten, die
Klausel beifügte : entant qu'ils [les privilöges] n e prej udicieront
point aux droits ccdes au Roy par le traite de Munster.
Als der Kaiser Leopold einen Reichstag auf den Sommer 1662
nach Regeusburg ausschrieb, hielt der elsässische Zehnstädtebund vom
1. bis zum 8. April eine Tagung zu Strassburg ab, um über die Be-
schickung dieses Reichstags und das Verhalten der Städte gegenüber
dem neulichen Vorgehen Frankreichs zu beraten.* Es wurde beschlossen,
dem Kaiser einen ausführlichen Bericht über den Präsentationsakt
zu Ilagenau sowie das Edikt über die Kompetenz des Metzer Parla-
mentes zu übersenden und Beides auch den Kurfürsten mitzuteilen.
Bei der gemeinsamen Abfassung des Berichtes weigerte sich die Stadt
Hagenau die Erwähnung zuzulassen, dass sie zuerst und ohne Wissen
ihrer Verbündeten einen Vergleich mit dem Landvogt eingegangen
sei, und als sie es nicht durchzusetzen vermochte, dass diese Tatsache
mit Stillschweigen übergangen würde, rief sie ihre Vertreter von Strass-
burg ab und löste das Band, das sie seit drei Jahrhunderten mit den
anderen Städten verknüpfte. An Stelle Hagenaus trat nun Colmar
an die Spitze des Bundes, und unter seinem Vorsitze wurden die Be-
ratungen fortgeführt. In Betreff des Reichstags beschloss man, eine
gemeinsame Deputation der neun Städte hinzusenden, und zwar wurden
dazu der Colmarer Syndicus Philipp Schultz und der Schlettstadter
Bürgermeister Johann Georg Heinrichs gewählt, doch blieb es jeder
Stadt vorbehalten, zur Vertretung ihrer besonderen Interessen noch
einen eigenen Gesandten auf ihre Kosten diesen Beiden zuzugesellen.
Auf der Reise nach Regeusburg sollte Heinrichs den Kurfürsten von
Bayern, Schultz dagegen die Rheinischen Kurfürsten aufsuchen, um
ihnen die clsässischeu Städte bestens zu empfehlen.
Die in der nächsten Zeit zwischen den Magistraten vereinbarte
Instruktion für die Reichstagsgesandten trug diesen auf, dahin zu
arbeiten, dass die Angelegenheit der Hagenauischen Landvogtei im
Reichstage zur Sprache käme, und dass ein Beschluss darüber gefasst
* Colmarer Stadtarchiv; J 22, No 13.
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würde. Falls die Versammlung den neuen Eid und die Klausel en
tant nicht guthiesse, so sollten sie es zu erreichen suchen, dass die
Sache zwischen Frankreich und dem Roich ausgetragen und die Städte
in integrum restituiert würden.
Der Syndikus Schultz unternahm bereits Ende Mai seine Reise
zu den Rheinischen Kurfürsten, um ihnen die Drangsale der Elsässer
zu schildern und sie um ihre Unterstützung bei den bevorstehenden
Verhandlungen zu bitten.
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l
Ernennung einer Deputation durch den Reichstag zur Verhandlung mit dem
franzosischen Plenlpotentlar Gravel In der elsassischen Angelegenheit. — Me-
morial der Vereinstädte zur Darlegung Ihrer Beschwerden. — Direkte Aus-
einandersetzungen zwischen ihren Deputierten und Gravel In Betreff der Land-
vogtelrechte. (1668-1664).
Die Eröffnung des Reichstags verzögerte sich über ein halbes
Jahr, und erst im Januar 1663 erfolgte sie in förmlicher Weise.
Die Deputierten der verbündeten Städte, denen Colmar noch als
Spezialgesandten seinen Stättmeister Daniel Schneider beigab, brachen
in den ersten Tagen des Monats Februar aus dein Elsass auf und
kamen am 15. dieses Monats in Rcgensburg an.
Sie machten zunächst eine Reihe von Besuchen bei den ein-
flussreichen Persönlichkeiten und traten namentlich in enge Beziehung
zu der kaiserlichen Gesandtschaft, an deren Spitze der Erzbischof von
Salzburg stand. Von dieser Seite wurde ihnen im Vertrauen das
* Schreiben mitgeteilt, durch welches der Kaiser im März 1662 dem Kur-
türstcnkollegium angezeigt hatte, dass die zehn Reichsstädte im Elsass
von der Krone Frankreich zu einem neuen Huldigungseid gezwungen
worden seien, dass er aber entschlossen sei, dieselben bei ihrer Reichs-
unmittelbarkeit zu erhalten, um der vom Münsterschen Friedensschluss
und von seiner Wahlkapitulation ihm auferlegten Verpflichtung nach-
zukommen. Von dem kaiserlichen Kommissar Cranc erfuhren die
Deputierten ferner, wie übel es der Kaiser aufgenommen habe, dass
die Städte in ihrer gefährlichen Lage ihn nicht durch einen Abge-
sandten um Hilfe gebeten, sondern dem Könige von Frankreich ge-
huldigt hätten. Auf ihre Versicherung, es sei an den Kaiser geschrieben
worden, aber keine Antwort darauf erfolgt, erwiderte Crane, man dürfe
sich am kaiserlichen Hofe bei der grossen Anzahl von Geschäften nicht
auf blosse Schreiben verlassen, sondern müsse selbst seine Angelegen-
heit mit Eifer und Nachdruck betreiben.
Am Reichstage hatten die Verhandlungen bereits begonnen und
drehten sich in der nächsten Zeit hauptsächlich um die vom Kaiser
begehrte Hilfe gegen die Türken. Der Colmarer Magistrat war der
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Ansieht, die Elsässer sollten ihre Beteiligung hieran ausdrücklieh von
der Erlangung des Reichsschutzes abhängig machen, doch befürchteten
die Deputierten, ein solcher Vorbehalt möchte von dem Kaiser und dem
Reich als Trotz aufgefasst werden. Nach langwierigen Debatten liess
sich das Reich zur Bewilligung von Hülfsgeldem herbei, und es stellte
die Höhe derselben in einem Beschlüsse vom 13. Mai fest: der Anteil
der einzelnen Stande war ganz verschieden, da in „Hilf- und Kollekt-
sachen" der Wille der Majorität für die Minorität nicht bindend war.
Von den Vereinstädten hatten einige, wie Colmar und Schlettstadt, 25
Römermonate angeboten, andere dagegen weniger; ihr Gesamtbeitrag
belief sich auf 15276 Gulden, wovon 4200 allein auf Colmar und 3600
auf Schlettstadt entfielen. Bei der Abstimmung hatte die Stadt Colmar
ihre Erschöpfung durch die langen Kriegsjahre schildern und hervor-
heben lassen, dass die flauptquelle ihres früheren Wohlstandes, der
Weinhandel, „sich von da gar weggezogen und besorglich nimmer-
mehr wiederzubringen sei." Neben anderen Ausgaben müsse sie als
Grenzstadt „für die auch zur besten Friedenszeit äussert benötigte
Garnison jährlich in die 15000 f. anwenden, die Bau- und Fortifi-
cationskosten zu geschweigen." ^
Das Votum der einzelnen Vereinstädte konnte deshalb verschieden
ausfalle?», weil die zehn Städte beim Reichstage nicht als eine Gesamt-
heit betrachtet, sondern als besondere Reichsstände getrennt aufge-
rufen wurden.
Als zweiten Gegenstand seiner Beratungen sollte der Reichstag
die Massregeln zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit des Reiches
vornehmen, und dann sollte als dritte Aufgabe die Untersuchung der
Beschwerden einzelner Reichsstände folgen. Die Vertreter der elsässi-
schen Städte suchten nun durchzusetzen, dass die Landvogteifrage schon
bei dem zweiten Punkte zur Sprache käme, indem sie darauf hin-
wiesen, dass es sich dabei um den Fortbestand von Reichsgliedern
und demnach um die Sicherheit des Reiches selbst handle. Sie richte-
ten deshalb am 18. Juni ein Memorial an den Kaiser und erinnerten
ihn daran, dass sein Vater im Jahre 1653 die Erörterung derselben
Angelegenheit auf dem Reichstage angeordnet hatte, und dass sie da-
mals erledigt worden wäre, wenn nicht der Tod des französischen Ge-
sandten dazwischen gekommen wäre. Sollte jetzt kein Vergleich da-
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rüber mit Frankreich zu Stande gebracht werden, so würden die Seiner
Majestät anvertrauten Städte für das römische Reich verloren sein.
In einem anderen, vom 24. Juli datierten Schreiben baten sie das
reichsstädtische Kollegium am Reichstag, ihnen zu helfen und dadurch
zu verhindern, dass dies ohnehin schon geschwächte Kollegium noch
zehn getreue Mitglieder verlöre. Es sei durchaus nötig, dass der
Reichstag endlich einmal die Rechte des Landvogts genau bestimme
und sie von den allgemeinen Rechten des Reiches über die Städte
unterscheide.
Für die Unterstützung ihrer Sache zählten die Elsässer auch auf
Schweden, und in der Tat erwies sich Herr Snoilsky, der schwedische
Gesandte für Bremen, als ihr besonderer Gönner. Bei einer am 26.
Juli erfolgten Zusammenkunft mit den Vertretern Colmars nahm er
Bezug auf ein Schreiben, das diese Stadt an den König von Schweden
gesandt hatte, und erklärte, er sei instruiert, ihr dem Friedensvertrag
gemäss beizustehen.
Mittlerweile war auch der französische Depute pUnipotentiaire
Gravel in Regensburg eingetroffen, und am 14. Juli hatten die
vereinstädtischen Deputierten ihre erste Audienz bei ihm. Um ihren
Auftraggebern nicht zu prä judizieren, redeten sie, wie die anderen
Reichsstände, ihn lateinisch an; er antwortete aber französisch. Er
fing selbst an, von den neuen Zöllen im Elsass zu sprechen, und meinte,
der König habe das Recht, dieselben nach Belieben zu ändern, da die
Souveränität über das Land auf ihn übergegangen sei. Frankreich
habe die Zölle nur deshalb gesteigert, um verschiedene Fürsten und
Stände zu nötigen, die ihrigen herabzusetzen und dadurch den Handel
überhaupt zu fördern.
Kurze Zeit darauf, am 3. August, mussten sich die Deputierten
mit einer Beschwerde an Gravel wenden und zwar über das rechts-
widrige Vorgehen des Unterlandvogtcs Marquis de Ruze, der sowohl
die Städte Münster und Türkheim also auch Colmar auf die Klage des
Prälaten zu Münster jüngsthin vor die Landvogteikammer nach Hage-
nau zitiert und jenen beiden bei 2000 Pfund Strafe verboten hatte,
den Prälaten am Reichskammergericht zu Speier zu verklagen. Dies
stimme nicht mit der von Gravel selbst gegebenen Erklärung überein,
dass das königliche Edikt, welches die zehn Städte der Jurisdiktion
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des Metzer Parlamentes unterwarf, aufgehoben sei. Der französische
Gesandte erwiderte, dass dies Edikt allerdings kassiert sei, dass aber
die Städte dennoch in gewissen Fällen die Gerichtsbarkeit der Kammer
zu Hagenau über sich anerkennen müssten, weil es früher auch unter
dem Hause Osterreich so gehalten worden sei: diese Kammer sei
z. B. zuständig bei Klagen eines Bürgers wider die städtische Obrig-
keit, und die Appellation gehe von Hagenau nach Ensishcim und von
dort nach Metz. Um zu verhindern, dass die Angelegenheit vor den
Reichstag gebracht würde, erbot er sich jedoch, dem Marquis de Ruz6
zu schreiben, alles in suspenso zu lassen. Er forderte seine Be-
sucher auch auf, zur Besprechung der Landvogteirechte so oft zu ihm
zu kommen, als sie wollten. Schliesslich sprach er seine Unzufrieden-
heit darüber aus, dass sein König durch die Schrift über die Eidleis-
tung zu Hagenau im ganzen Reiche denigriert würde. Die verein-
städtischen Deputierten hatten nämlich gleich nach ihrer Ankunft zu
Regensburg den ausführlichen Bericht über diesen Vorgang drucken
lassen und ihn nunmehr an alle Gesandten am Reichstag verteilt.*
Auf die erneuten Vorstellungen wegen der Ansprüche der Land-
vogteikamraer erklärte Gravel am 10. September, dass er deshalb so-
wohl an den Hof als an den Unterlandvogt geschrieben habe und auf
die bevorstehende Reise des Landvogts in das Elsass vertröstet worden
sei. Der Herzog von Mazarin würde auch bereits angekommen sein,
wenn er nicht in eine gefährliche Krankheit verfallen wäre, „massen
ihm dann in einem Tag dreimal die Ader geschlagen worden."
Die Debatten über die Reihenfolge der vom Reichstag zu be-
handelnden Materien benutzte das städtische Kollegium, um die Er-
örterung der Landvogteifrage den beiden höheren Kollegien zu
empfehlen. In seinem am 18. September veröffentlichten Konklusuni
erinnerte es au das beim letzten Reichstag nicht mehr zum Austrag
gekommene Anliegen der elsässischen Städte und sprach den Wunsch
aus, dass dasselbe beim zweiten Propositionspunkte vorgenommen
würde. Doch weder das kurfürstliche noch das fürstliche Kollegium
* Die meisten der hier erwähnten Druckschriften aus jeuer Zeit sind im Catalogue
de la Bibliotheque Chaut'four (Colmar 1889) und in der Bibliographie
de la Ville de Col m a r (Colmar 1902) von A. Waltz verzeichnet. Sic haben
mir erlaubt, einzelne Lücken in der Korrespondenz der RcichstagBgcsandten
auszufüllen.
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zeigte sich geneigt, auf diesen Vorschlag einzugehen. Da also wenig
Aussicht vorhanden war, auf dem gewöhnlichen Wege zum Ziele zu
gelangen, so entschlossen sich die Elsässer, den Reichslag zu bitten,
für ihre Angelegenheit eine ausserordentliche Deputation aus allen
drei Kurien zu ernennen, wie dies schon im Jahre 1653 geschehen
war. Das städtische Kollegium stellte am 22. September einen dahin
zielenden Antrag im Plenum und setzte auch seine Annahme durch,
namentlich auf das eifrige Verwenden der das städtische Direktorium
führenden Stadt Regensburg, während im Fürsten rat einige Stimmen
dagegen waren. Die zehn Städte wurden nun aufgefordert, eine aus-
führliche Darstellung ihrer Beschwerden und Begehren dem Reichs-
direktorium vorzulegen. Im definitiven Reichsgutachten vom 23. Ok-
tober 1663 lautet die betreffende Stelle folgendermassen : „Und wegen
deren zehen Reichsstädten im Elsass auf förmliche Eingebung ihrer
Gravaminum eine Deputation aus denen dreien Rcichsräten zu ver-
ordnen sein solle, umb mit dem anwesenden königl. französischen Herrn
Plenipotentiario deshalben dem Instrumento pacis und kais. Wahl-
kapitulation gemäss zu handien." Der Fürstenrat hatte sieh lange
gegen die Erwähnung der Wahlkapitulation gesträubt, da sie Frank-
reich gegenüber überflüssig sei. Die Colmarer Abgesandten sprachen
aber in einem Briefe an ihren Magistrat die Ansieht aus, dass das
fürstliche Kollegium bei der angestrebten neuen Form der Kapitulation
die Einrückung der zehn Städte gern fortgelassen hätte, was jetzt
nicht mehr angehe. Der Beschluss des Reichstags wurde durch die
kaiserliche Resolution vom 5. Februar [st. n.] 1664 bestätigt.
Während die versammelten Reichsstände die Zeit mit ziemlich
fruchtlosen Verhandlungen hinbrachten, waren die Türken siegreich
vorgedrungen und hatten am 17. September 1663 die wichtige Festung
Ncuhäusel im nördlichen Ungarn eingenommen. Der Kaiser Leopold,
der bisher vergebens Truppen vom Reiche gefordert hatte, erschien
zur Beschleunigung dieser Hilfe im Dezember persönlich zu Regens-
burg, wo sich auch der Kurfürst von Mainz, Johann Philipp von
Schönborn, und andere Fürsten einfanden. Am 24. Januar 1664 kam
es endlich zu einem Reichsgutachten, laut dessen die beiden höheren
Kollegien das Triplum an Mannschaft, den dreifachen Ansatz der
Reichsmatrikel, die Städte aber zum Teile weniger bewilligten. Colmar
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und die Mehrzahl der anderen Städte des Elsasses verstanden sich
nach langem Widerstreben schliesslich auch zu dem Triplum, und
zwar zu dem Duplum in Mannschaft und dem dritten Simplum in Geld,
doch sprachen sie bei ihrer Abstimmung ausdrücklich die Hoffnung
aus, dass ihre Bereitwilligkeit die Reichslasten zu tragen, die Erörte-
rung ihres Anliegens fördern werde. üer einfache Römermonat in
Mannschaft betrug für Colmar vier Mann zu Ross und dreissig zu Fuss.
Ein Reiter samt Ross und Ausrüstung kostete damals 90 Gulden Werbe -
geld, ein Fussknecht mit Gewehr 6, das einfache Kontingent Colmars
also 540. Der Unterhalt des letzeren wurde auf 2016 Gulden im Jahre
geschützt, in welcher Summe jedoch die Besoldung der Offiziere und
die Ausgaben für den General- und Artilleriestab nicht inbegriffen waren.
Bei den bevorstehenden Verhandlungen über ihre Angelegenheit
beabsichtigten die Vereinstädte, sich hauptsächlich auf ihre im Jahre
1647 gedruckte Deduktion der Landvogteirechte zu stützen, da diese
Schrift, wie sie angaben, dem Westfälischen Friedensvertrag als Grund-
lage gedient hatte. Sie Hessen sie deshalb im Jahre 1663 zu Nürn-
berg von neuem drucken und fügten eine Anzahl kaiserlicher Privi-
legien als Belege bei. Auch die Akten des Prozesses, den der Abt
von Münster mit den Städten Colmar, Münster und Türkheim führte,
übergaben sie zu gleicher Zeit dem Drucke.
Dem Begehren des Reichstages gemäss arbeitete die vercin-
städtische Deputation, deren Seele der Colmarer Syndikus Schultz war,
eine Denkschrift aus und überreichte sie am 16. Januar 1664 dem
Kurfürsten von Mainz in seiner Eigenschaft als Direktor der Reichs-
versammlung. Der Kurfürst versprach, die Eingabe den Ständen durch
die „Reichsdiktatur" mitzuteilen und das Äusserste zu tun, um die
elsässischen Städte bei ihrer Reichsunmittelbarkcit zu erhalten.
In ihrem in deutscher Sprache abgefassten Memorial danken die
Bittsteller für das am 2.1 Oktober 166:5 diktierte Rcichskonklusum,
wonach auf die Darlegung ihrer Beschwerden hin mit dem französi-
schen Plenipotentiar verhandelt werden solle. Sio erinnern daran,
dass sie einen ausführlichen Bericht über den Präsentationsakt zu
Ilagenau an den Kaiser gesandt und ihn auch gedruckt an alle Stände
verteilt haben. Zur besseren Orientierung übergeben sie jetzt noch
eine auf zahlreiche Dokumente sich stützende Ausführung der Land-
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vogteirechte, welche bei der Redaktion des Friedensinstrumentes dem
Paragraphen Teneatur rex zu Grunde gelegt wurde. Vergleicht
man das alte Herkommen mit dem Verhalten Frankreichs in letzter
Zeit, so findet man drei für die Städte höchst gefährliche Neuerungen :
1) Dem früheren landvögtischen Revers ist am Schlüsse die
Klausel beigefügt worden: en tant qu'üs ne prejudicieront point aux
droits cedes au Roy etc. 2) Man hat den Städten neben dem alten
dem Landvogte geschuldeten Eid noch einen besonderen Eid der Treue
für den König von Frankreich aufgezwungen, ungeachtet die Bürger-
schaften jährlich unter freiem Himmel dem Kaiser und dem Reiche
Treue und Gehorsam schwören. 3) Obgleich die Städte von alters her
ihren Gerichtsstand nur bei den höchsten Reichsgerichten hatten und
stets zur Unterhaltung des kaiserlichen Kammergerichts beisteuerten,
sucht sie jetzt der Unterlandvogt der Gerichtsbarkeit der für die Land-
vogteidörfer bestellten Kammer zu Hagenau zu unterwerfen, eines
Untergerichts, von dem die Appellationen an die königliche Justiz-
kammer zu finsisheim und in dritter Instanz an das Parlament zu Metz
gehen. So hat der Unterlandvogt nicht nur auf* die Klage des von
Frankreich beförderten Reichsprälaten zu Münster im Gregorienthai
die Städte Colmar, Münster und Türkheini vor die Landvogteikaramer
zitiert, sondern auch einen am Kammergericht zu Speier anhängig ge-
machten Prozess zwischen dem genannten Prälaten und den Städten
Münster und Türkheim avoziert und den beiden letzteren bei Strafe
von 2000 Pfund verboten, den Prozess dort weiterzuführen, wie dies
die beiliegenden gedruckten Dokumente ausweisen.
In Anbetracht dieser Übergriffe bitten die elsässischcn Städte
das Reich, sich ihrer nachdrücklich anzunehmen und die Deputation,
welche mit dem französischen Plenipotentiar verhandeln soll, bald
zu ernennen. Dem Friedensvertrage gomäss besitze Frankreich in
Betreff der Landvogtei keine anderen Rechte als früher das Haus
Österreich, nur sei dieser Besitz ein absoluter und unwiderruflicher.
Es möge eine Scheidung zwischen den allgemeinen Reichsrechten und
den besonderen Landvogtcirechten in der Güte erfolgen. Schliesslich
betonen die Bittsteller noch, dass Alles, was sie beim Präsentationsakt
zu Ilagenau getan, nur mit dem Vorbehalt der Bestätigung durch das
Reich geschehen sei.
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Dom schleppenden Geschäftsgänge beim Reichstag entsprechend
wurde dies Memorial erst am ;">. Marz diktiert. Seine Verfasser hatten
allerdings zuvor Exemplare davon verteilt und in besonderen Audienzen
bei dem Bischof von Strassburg und den Kurfürsten von Bayern
und von Trier die Unterstützung dieser Fürsten erbeten und zugesagt
erhalten.
Allen Einwendungen zum Trotze füllte die Landvogteikammer
ein Urteil im contumaciam wider Colmar, Munster und Türkheim
und Hess es den drei Städten am 23. Februar durch einen königlichen
Huissicr insinuieren. Die vereinstädtischen Deputierten zu Regensburg
erhoben ohne Verzug Klage darüber bei dem Kaiser und den ver-
sammelten Stünden und begehrten Schutz für die mit der Exekution
bedrohten Bürgerschaften. In dem Schreiben an den Kaiser wiesen
sie darauf hin, dass, wenn der Krone Frankreich neben ihren anderen
Rechten auch noch die Gerichtsbarkeit zugestanden würde, dem heiligen
römischen Reiche bei den elsässischen Städten überhaupt nichts mehr
übrig bliebe.
Das städtische Kollegium nahm sich, wie immer, am nachdrück-
lichsten der Sache an und drang in einem Konklusum vom IG. März
darauf, dass die beschlossene Wahl einer Deputation ob periculum
in mora manifestum et praesentisshnum endlich einmal stattfände.
Wenige Tage später traf die Kunde von einem neuen Vorstoss
Frankreichs gegen die kommunalen Freiheiten im Elsass zu Regens-
burg ein. Der Landvogt Herzog von Mazarin war persönlich in den
Städten erschienen und hatte mehrere Forderungen an die Räte ge-
stellt, namentlich dass sie die Jurisdiktion der Landvogteikammer über
sich anerkennen und ihm selbst das Recht einräumen sollten, die
Zeughäuser, Magazine und Befestigungswerke zu beaufsichtigen und
die kirchlichen Angelegenheiten zu ordnen. Colmar hatte diese Zu-
mutungen entschieden zurückgewiesen und Mazarin auf die Verhand-
lungen vertröstet, welche hierüber zu Regensburg zwischen dem Reich
und dem französischen Plenipotentiar bevorstanden.* Dem Beispiele
Colmars folgten dann auch Münster, Wcissenburg und Landau, während
* Wal diu* r: Colmar et 1c Ünc de Mazarin cn K5T.4. (Mullionsc 1900).
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Schlettstudt und die andere» katholischen Städte dem Zwange nach-
gaben und sich sogar zur Aufnahme französischer Einquartierungen
verpflichteten. In Münster drohten die Franzosen mit dem Feuer und
dem Schwert und gingen auch wirklich zu Gewalttätigkeiten über,
indem der Unterlandvogt den Stadtschreiber beim Hals ergriff, und
ein junger Student aus Reichenweier, namens Riegger, welcher der
Stadt als Dolmetscher diente, wegen angeblicher Spionage und Auf-
wiegelei gefangen genommen und nach Breisach abgeführt wurde.
So wie die vereinstädtischen Deputierten die Berichte von diesen
Geschehnissen erhielten, teilten sie dieselben jedesmal sofort dem
Kaiser und dem Reiche mit und gingen ausserdem noch eine Reihe
einflussreicher Fürsten im besonderen um Hilfe an. In einem dem
Reichsdirektorium am 21. März übergebenen und noch an demselben
Tage diktierten Memorial baten sie die Stände, den König von Frank-
reich sowohl durch ein direktes Schreiben als auch durch mündliche
Remonstration bei seinem Flcnipotentiar zu Regensburg um Einstellung
des Hagen auischen Prozesses und der Forderungen des Landvogtes
zu ersuchen. In einer direkten Eingabe an den Kurfürsten von Mainz,
der nicht nur als Kurerzkanzlcr, sondern auch als Verbündeter Frank-
reichs grossen Einfluss auf die Regelung der elsässischen Frage besass,
stellten die Veroinstädte geradezu die Alternative, man solle entweder
sich ihrer unverzüglich annehmen oder aber, wenn sie vom Reiche
verlassen sein sollten, ihnen dies bedeuten, damit so viele Tausend
Menschen wegen ihrer Treue zu dem heiligen römischen Reiche nicht
in Ruin und in Leib- und Lebensgefahr gerieten. Ein kaiserliches
Reskript vom 5. April [st. n.] ersuch to denn auch das Reichsdirek-
toriuni, die Angelegenheit der elsässischen Städte baldigst vor die
Reichsräte zu bringen und beraten zu lassen, „durch was Mittel diesen
Reichsstädten in solchen ihren Beschwerden geholfen und mithin des
heiligen Reichs hierunter versierendes hohes Interesse erhalten werden
möge. u
Das städtische Kollegium verwandte sich wieder eifrig für die
Elsässer, indem es am 29. März eine aus den Vertretern von Regens-
burg, Augsburg und Strassburg bestehende Abordnung an den Kaiser
sandte und ihn bat, mit den Reichsständen an den König von Frank-
reich zu schreiben und ferner dahin zu wirken, dass eine Reichs-
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deputation ohne Verzug mit dem französischen Gesandten in Konterenz
trete. Zugleich überreichten die Abgeordneten eine Denkschrift über
den Verlust, den das Reich und insbesondere das dritte Kollegium durch
die Lostrennung der wohlhabenden elsässischcn Städte erleiden würden.
Der Kaiser versprach, der Notdurft gemäss zu handeln.
Am :J0. März einigten sich die drei Kollegien endlich über die
Bildung einer Deputation aus ihrer Mitte und beauftragten dieselbe,
sich noch an dem nämlichen Tage zu Gravel zu begeben. Sie be-
schlossen auch, im Namen des Kaisers und des Reiches au Ludwig
XIV. zu schreiben. Zur Vermeidung von Weiterungen wurde die
Deputation ebenso zusammengesetzt wie die auf dem vorigen Reichs-
tag zu demselben Zwecke ernannte. Von den Kurfürsten waren Mainz,
Bayern, Sachsen und Brandenburg dabei vertreten, von den katholi-
schen Fürsten das Stift Regensburg, Bayern und die schwäbischen
Prälaten, von den protestantischen Fürsten das Erzstift Magdeburg,
Sachsen- Weimar und die Wetterauischen Grafen, von den Reichsstädten
Köln und Regensburg. Die Reichsdeputation entledigte sich indessen
weder an diesem, noch an den folgenden Tagen ihres Auftrags, indem
die dazu bezeichneten Personen, wie die Colmarer Abgesandten nach *
Hause berichteten, bei den Kurfürsten von Mainz und von Trier und
dem Kaiser selbst „durch Gastieren sind divertiert worden." In Wirk-
lichkeit hatte der Kurfürst von Mainz die Verzögerung veranlasst, um
inzwischen selbst mit Frankreich zu verhandeln. Auf das wiederholte
Drängen des kaiserlichen Hofes und des städtischen Direktoriums ver-
sicherte er, dass die elsässischen Städte ausser Gefahr seien, und dass
in der Sache schon genug getan worden sei. Sein Premier-Minister
Boyneburg Hess sich öffentlich im Kurfürstenrat vernehmen, „wann
er auch 100000 Reichsthaler jährliche Pensionen hätte von Frank-
reich, dass er dennoch solche deren Franzosen Prätensionen und
Prozedurer. nicht billigen könne, und das Reich dieselben nimmermehr
approbieren werde."
Nachdem der Kaiser am 18. April [st. n.J nochmals ein Reskript
deshalb an das Reichsdirektorium gerichtet, verfügte sich die Depu-
tation am 11. April endlich zu dem französischen Gesandten. Sie
teilte ihm die Beschwerden der elsässischen Städte schriftlich mit und
forderte ihn auf, „die bishero geführten Prozeduren durch des Königs
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Autorität abzustellen und die Hauptsache ad Imperium et pacia
consortes zu verweisen." (iravel antwortete, dass sein König nur
die im Friedensvertrag ihm abgetretenen Rechte des Hauses Österreich
beanspruche, und versprach, die Beschwerden an Seine Majestät ge-
langen und sich hernach weiter vernehmen zu lassen.
Somit war wenigstens die Ausführung des einen Teiles des Reichs-
beschlusses in Angritt' genommen ; schwieriger war es, die Abschickung
des Schreibens an den König durchzusetzen. Die veroinstädtischen
Deputierten übergaben deshalb ein Memorial nach dem anderen dem
Reichstage, dem Kaiser und einzelnen Ständen und schilderten, wie
die Lage im Elsass taglich gefährlicher würde. Auf die Nachricht,
dass der Herzog von Mazarin der Stadt Colmar unter Androhung einer
Geldstrafe von 3000 Pfund und der Gefangennahme des Magistrats
befohlen habe, vor der Kammer zu Hagenau zu erscheinen und die
Anrufung des Kammergerichts zu Speier zu unterlassen, verfassten
die drei Kollegien am 23. April den Brief an den König und legten
ihn dem Kaiser vor. Sie beschlossen auch, an den Abt von Münster
zu schreiben, um ihn von dergleichen Prozessen abzumahnen.
Am 30. April fand beim Kurfürsten von Mainz zwischen ihm,
(iravel und den drei Deputierten der elsässischeu Städte eine lange
Konferenz statt. Das Ergebnis war, dass Gravel sich verpflichtete,
die Einstellung aller „Violentien" wider Colmar zu bewirken und die
prinzipiellen Fragen in Regensburg zu erörtern, sei es mit der Reichs-
deputation oder einem Ausschuss aus derselben oder den Interessenten
selbst. Der Kurerzkanzler betonte aber wiederholt, dass alle Verein-
barungen der Ratifikation durch das Reich vorbehalten bleiben müssten,
da die Elsässer auf eigene Hand mit der Krone Frankreich nichts ab-
maehen könnten.
In der folgenden Zeit gerieten die Verhandlungen wieder ins
Stocken, weil man allenthalben mit der Ausrüstung der Truppen für
der Türkenkrieg beschäftigt war. Der Kaiser war schon am 28. April
von Regensburg abgereist, und der Kurfürst von Mainz folgte am
1. Mai seinem Beispiel. Auch Gravel und der Colmarcr Syndikus
Schultz wurden durch den Krieg in Anspruch genommen, indem jener
die durchziehenden französischen Hilfstruppen zu empfangen hatte,
dieser aber von dem Oberrheinischen Kreis als Kriegskommissar zum
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Kurfürsten von Mainz und nach Frankfurt geschickt wurde. Schultz
übernahm diesen Auftrag hauptsächlich deshalb, weil er freien Zutritt
zum Kurerzkanzlcr erhielt und dabei hoftte, im elsassischen Interesse
wirken zu können. Johann Philipp gab ihm auch am 7. Juni noch-
mals die nachdrückliche Versicherung, dass Colmar nichts zu be-
fürchten habe: die französischen Truppen seien aus dem Elsass fort
und es würden keine anderen mehr hinkommen.
In der Tat war Ludwig XIV dem Rate Gravels, den französischen
Einfluss im Reich jetzt nicht durch die Unterwerfung der elsässischen
StÄdte zu gefährden, gefolgt und hatte dem Herzog von Mazarin die
Einstellung der Feindseligkeiten geboten.
Im Münstertale aber dauerten die Gewalttaten der Franzosen
nichtsdestoweniger fort. Mazarin hatte am 5. Mai drei Kompagniecn
Kavallerie in die zur Stadt Münster gehörenden Ortschaften gelegt,
und sein Untcrlandvogt hatte einen Haftbefehl gegen die vor der Ver-
folgung geflüchteten Bürgermeister erlassen. Münster beklagte sich
daraufhin schriftlich beim französischen König und schickte einen be-
sonderen Abgesandten zum Kurfürsten von Mainz, um dessen Beistand
zu erbitten. Dieser Abgesandte, Ambrosius Schneider, ein Bruder des
Colmarer Stättmeisters, traf am 17. Juni in Mainz ein und musste sich
zunächst am kurfürstlichen Hofe mit dem allseitigen Bedauern über
die schlimme Lage seiner Auftraggeber begnügen. Herr von Schön-
born, der Bruder des Kurfürsten, äusserte ihm gegenüber, mit einer
so mächtigen Krone wie Frankreich müsse man behutsam umgehen,
und die Städte würden wohl etwas nachgeben müssen. Schneider
wurde durch diese Worte sehr bestürzt und erwiderte: „Ihr Gnaden,
es stehet solches nicht bei den Städten, was nachzulassen ; und
so das wider all Verhoffen geschehen sollte, würd die Immedietät
gewiss Schiffbruch leiden müssen, massen die Experienz genugsam
bezeuget, dass, so man den Franzosen ein Finger erlaubet, sie den
ganzen Leib nehmen." Am 22. Juni hatte der Münsterer Abgesandte
Audienz beim Kurfürsten selbst. Dieser erklärte, dass ihm die Be-
drängnis der Städte herzlich leid tue, bedauerte aber, nicht helfen
zu können, da er keine Armee habe. Doch versprach er, sowohl an
M. de Lionno als an Gravel zu schreiben, um seine Autorität zu
interponieren.
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— 105 -
Während der Abwesenheit des Deputierten Schultz von Regens-
burg war sein College Daniel Schneider unablässig bemüht, die Ab-
schickung des vom Reichstag entworfenen Schreibens an Ludwig XIV.
zu veranlassen. Mehrere Gesandte, mit denen er darüber sprach,
machten aber Bedenken geltend und meinten, dies Verfahren würde
den König nur erbittern, und sein Plenipotentiar, dem doch die ganze
Angelegenheit übertragen sei, würde eine persönliche Beleidigung
darin erblicken. So wandte sich denn die vereinstädtische Deputation
auf den Rat Snoilskys auch wegen der neuerlichen Vorkommnisse im
Elsass wieder an Gravel und übergab ihm am 16. Juni eine Be-
schwerdeschrift über die Einquartierung im Münstertal und die daselbst
verübten Gewalttaten.
Die Audienzen, welche Schneider in der nächsten Zeit beim
französischen Diplomaten hatte, brachten die Erörterung der Land-
vogteifrage um keinen Schritt weiter. In einer derselben erhielt er
einen Brief des Marquis de Ruzc mitgeteilt, worin dieser berichtete,
dieColmarer wären ihm, demBeauftragten eines so mächtigenMonarchen,
letzthin mit einer solchen Arroganz begegnet, als ob sie der Senat
von Venedig wären und 30000 Manu hinter sich hätten. Am 18. Juli
überreichte Schneider dem Gesandten Gravel eine lateinische Auf-
zählung der Landvogteirechte über die zehn verbündeten Reichsstädte
im Elsass. Sie hat folgenden Inhalt:
I. Frühere Rechte des Kaisers und des Reichs: 1) Ernennung
des Landvogts. 2) Vorstellung des Landvogts den zu Hagenau
versammelten Städtevertretern durch Präsentationsschreiben und
Kommissäre. 3) Ausstellung der Quittungen über die jährliche Reichs-
steucr unter kaiserlichem Siegel.
II. Amtsvorrichtungen des Landvogts: 1) Leistung des Eides ver*
mittelst Reversalien, welche in ihrem Wortlaut mit den früheren überein-
stimmen müssen. 2) Ernennung des IJnterlandvogts. 3) Ernennung des
Schultheisscn von Hagenau. 4) Der Landvogt soll die Städte vor Gewalt
schützen, ihnen ihre Rechte und Freiheiten erhalten und ausser der
jährlichen Reuhssteuer ^nichts von ihnen fordern. ;")) Wenn er Streit
mit einer Stadt hat, soll er denselben vor die anderen bringen; wenn
er mit allen in Konflikt ist, hat das Reich die Sache zu entscheiden.
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C) Er darf sich keine Gerichtsbarkeit über die Städte anmassen, noch
dieselben vor ein auswärtiges Gericht laden.
III. Amtsverrichtungen des Unterlandvogts: Er soll 1) einen
gleichen Revers wie der Landvogt beschwören; 2) der jährlichen
Ratsänderung in den Städten als einfacher Zuschauer beiwohnen
(doch verhindert sein Ausbleiben die Vornahme der Ratsänderung
nicht); 3) nach der Eidleistung zu Hagenau den Umritt durch die
Städte halten.
IV. Leistungen der Städte: Sie sollen 1) auf die schriftliche
Aufforderung des Kaisers, jetzt des Königs, zur Präsentation in Hagenau
erscheinen; 2) dem Landvogt den üblichen Eid schwören; 3) dem
Unterland vogt jährlich den Tag der Ratsänderung anzeigen ; 4) dem
Unterlandvogt, wenn er auf diese Anzeige hin erscheint, fünf und
seinen Dienern einen Goldgulden zu Colmar entrichten; 5) die jähr-
liche Reichssteucr gegen eine Quittung des Kaisors bezahlen.
Erst nach der am 25. Juli erfolgten Rückkehr des Colmarer
Syndicus Schultz wurden die Verhandlungen der vereinstädtischen
Deputierten mit Grave! wieder mit mehr Nachdruck betrieben. Die
Städte stellten als die drei Hauptpunkte ihrer Forderungen auf :
Kassierung des zu Hagenau ihnen abgenommenen Treueides, Korri-
gierung der Revcrsalien durch Auslassung der neuerlich eingefügten
Klausel en taut nnd Abstellung der durch Frankreich über sie
angemassten Jurisdiction und Disposition in müitaribus et ecdesiastici*.
Mit der Erörterung der Gerichtsbarkeit als des wichtigsten
Punktes wurde in einer Konferenz vom 6. August der Anfang gemacht.
Gravel behauptete, ans den ihm vorliegenden Akten ergebe sich, dass
der Landvogt früher tatsächlich über mehrere Städte zu Gericht ge-
sessen sei. Uebrigens beanspruche Frankreich die Gerichtsbarkeit
nicht für alle, sondern nur für gewisse Fälle. Sein Hauptargument
war, dass der Landvogt dieselben Rechte wie über Hagenau, der
Hauptstadt der Landvogtei, auch über die anderen Städte besitze,
es sei denn, dass das Gegenteil ausdrücklich von jeder derselben be-
wiesen werde. Die vereiustädtischen Deputierten entgegneten darauf,
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dass der Landvogt notorisch Rechte zu Hagenau besitze, welche er
^ den anderen Städten gegenüber nie ausgeübt habe; auch könne der
Umstand, dass Hagenau aus Nachlässigkeit verschiedener Rechte ver-
lustig gegangen sei, den übrigen Städten nicht Eintrag tun. Sie baten
um Mitteilung der angezogenen Akten und um nähere Bezeichnung
der Fälle, für welche der Landvogt die Gerichtsbarkeit beanspruche.
Gravel versprach dies, als aber der Schreiber der Städte bei ihm
erschien, um Abschrift von den Akten zu nehmen, wies er denselben
immer wieder unter neuen Vorwänden ab. Bald schützte er Unwohl-
sein infolge einer grossen „Debauche* mit dem Marquis de Richelien
vor, bald hicss es, die Papiere befänden sich in der Stube seines
krank daniederliegenden Sekretärs und man könne ihm nicht zumuten,
sie dort zu holen.
In einer Konferenz vom 22. August wurden die Privilegien be-
sprochen, welche die Städte von der Gewalt des Landgerichts und
von anderen fremden Jurisdiktionen befreiten. Gravel verfocht die
Ansicht, diese Privilegien bezögen sich nur auf den Gerichtsstand
der Bürger in erster Instanz, nicht aber auf die Appelationen und
4 nicht auf die Falle, in denen die Städte als solche Partei seien und
deshalb nicht auch Richter sein könnten; zudem sei die Präfektorial-
Kammcr nirgends ausdrücklich genannt. Seine elsässischen Gegen-
partner erwiderten aber, es sei ganz selbstverständlich, dass die
städtischen Obrigkeiten die Gerichtsbarkeit über ihre Bürger besässen ;
der Hauptinhalt der Privilegien bestehe vielmehr in der gänzlichen
Exemption der Obrigkeiten sowohl als der Bürger und Einwohner
von ailen Untergerichteu, zu denen auch die Präfektorial- Kammer
gehöre. Die Ansprüche der Städte stutzten sich übrigens weniger
auf diese Privilegien als auf ihre Reichsunmittelbarkeit, auf Grund
deren sie nie eine andere höhere Instanz über sich anerkannt hätten
als das Reichskammorgericht oder den kaiserlichen Hofrat. Selbst
wenn Frankreich in der Gerichtshoheit mit dem Reiche coneurrieron
würde, wio dies der Herzog von Mazarin grundlos vorgebo, so könnte
die Gerichtsbarkeit nicht vom Landvogt, sondern nur von den höchsten
Parlamenten ausgeübt werden, da ja nach der französischen Auffassung
der König in Bezug auf die Landvogtei an die 'Stelle von Kaiser und
Reich, der Landvogt aber an die Stelle des Hauses Oesterreich ge-
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treten sei, dieses aber sich niemals Loncurrentiam jttrudictionhi cum
imperio habe anmassen können. Grave] selbst musste die Richtig-
keit dieser Bemerkung zugeben.
Die Verhandlungen mit Frankreich waren für die Elsasser
dadurch erschwert worden, da9s Sehlettstadt und die anderen katho-
lischen Städte, wie schon erwähnt wurde, in einem Accord mit dem
Landvogt sich dessen Forderungen gefügt hatten. Die Colmarer Abge-
sandten auf dem Reichstag und selbst ihr Schlettstadter Kollege, der
Bürgermeister Heinrichs, waren hierüber sehr aufgebracht und hatten
bei den betreffenden Städten angefragt, ob sie ganz vom Reiche abge-
fallen seien, und somit die der Deputation aufgetragene Kommission
erloschen sei. Am 4. August sandten dann Schlettstadt, Oberehnheira,
Kayserberg, Rosheim und Türkheim ein gemeinsames Schreiben
folgenden Inhalts nach Regensburg. Obgleich sie die vier vom Herzog
Mazarini proponierten Punkte unter gewissen Bedingungen angenommen
so hätten sie doch in den mündlichen Verhandlungen darüber die
Rechte des Reichs und die künftige Vereinbarung zwischen dem Reich
und dem König von Frankreich vorbehalten. Sie ersuchten deshalb
die Deputirten, kraft der ihnen erteilten Gewalt dahin zu wirken,
dass bei dem bevorstehenden Vergleiche die Reichsunmittelbarkeit
der Städte erhalten und das gesamte städtische Corpus unzertrennt
bleibe.
In den nächsten Wochen drängten andere Ereignisse die elsässische
Angelegenheit zu Regensburg wieder in den Hintergrund, der Fricdens-
schluss des Kaisers mit den Türken und die darauf folgende Entlassung
der Kriegsvölker und Abrechnung wegen der Kriegskosten, vor allem
aber die Belagerung der Stadt Erfurt durch Kur-Mainz mit Hülfe
französischer Truppen. Der letztere Vorgang rief grosse Erbitterung
im Reiche hervor, namentlich bei den Protestanten, und Gravel
flüchtete sich mehrmals vor den an ihn ergehenden Reklamationen
auf das Land. Diese Stimmung der evangelischen Reichsstände be
nützten die vier protestantischen Städte im Elsass, um denselben
nochmals die kirchliche Seite ihres Konfliktes mit Frankreich in
einem Memorial darzulegen und zu zeigen, dass der Anspruch des
Landvogts, die konfessionellen Verhältnisse in den Reichsstädten zu
ordnen, im Fliedensinstrument nicht begründet sei. Die Städte seien
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zwar mit der Wiederherstellung der Lage des Jahres 1624 ganz ein-
verstanden, allein für etwaige illiquidierte Fälle könnten sie Frank-
reich nicht als Richter anerkennen, sondern solche Fälle müssten
dem Friedensvertrage gemäss auf dem Wege des Vergleichs
erledigt werden.
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II.
Vorschlag der Vereinstädte, die Schlichtung des Streites einem Schieds-
gerichte zu übertragen. — Neue Klagen derselben Ober die Anmassung der
Gerichtshoheit dureh Frankreich. — Schreiben des Reichs an Ludwig XIV. —
Annahme des Sehledsgerichts durch den König. (1664—1667.)
Da die vereinstädtischen Deputierten in ihren wiederholten Kon-
ferenzen mit dem französischen Gesandten nichts ausrichteten und
ausserdem befürchteten, der Reichstag möchte zu Ende gehen, ohne
dass eine Entscheidung in ihrer Angelegenheit gefallen sei, so machten
sie am 27. September 1664 den Vorschlag, die Schlichtung des Streites
wegen der Landvogtei einem Schiedsgerichte zu Qbertragen, doch so,
dass das Ergebnis vom Reiche bestätigt würdo. Gravel erhob wegen
des letzteren Punktes einige Bedenken, versprach aber, an den Hof
zu berichten.
Am 31. Oktober teilte er dann Schultz und Heinrichs mit, der
König sei mit einem gütlichen Vergleiche und der Ernennung von
Schiedsrichtern einverstanden, doch wolle er zuvor von den Städten
die Erklärung haben, dass sie das anerkennten, was der Herzog von
Mazarin beim Präsentationsakt zu Hagenau mit ihnen allen und jüngst-
hin im Elsass mit einigen von ihnen abgemacht habe. Man könnte mit den
Städten nichts verhandeln und müsste immer wieder von vorn anfangen,
wenn sie stets von den einmal gefassten Beschlüssen abwichen. Die Ver-
treter der Städte entgegneten, sie könnten diese Zumutung nicht ver-
stehen, da, wenn man ihr willfahren würde, der König schon alles
hätte, was seine Minister je begehrt, und es also keines ferneren
Vergleiches mehr bedürfte. Gravel meinte darauf, der Streit müsse
auch mit den noch nicht „akkordierten" Städten ausgetragen werden,
und gerade dafür erbiete sich der König Schiedsrichter zu ernennen.
Man erwiederte ihm, dass sowohl der Akt zu Hagenau als auch der
jüngste Akkord mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Ratifikation
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durch das Reich geschehen sei. Es liege im eigenen Interesse des
Königs, dass die Sache mit dem Reiche selbst, das ja als eigentlicher
Inhaber der streitigen Rechte Hauptpartei sei, endlich einmal geregelt
würde. Ob der Treueid von den Städten zu leisten sei, hänge von
der Interpretation des Friedensvertrags ab, welche eben einem Schieds-
gericht anheimgestellt werden solle. Gravel gab schliesslich im Ver-
trauen zu, dass der Herzog von Mazarin und der Intendant Colbert
ihren ganzen Einfluss am Hofe für die Aufrechterhaltung der fraglichen
Akkorde autböten, dass er selbst aber hoffe, die Sache mit der Zeit
in Ordnung zu bringen. Er versicherte, dass den Städten keine Ge-
fahr drohe, und dass die französischen Truppen Befehl hätten, aus
Ungarn und Erfurt direkt nach Frankreich zu marschieren. Seinen
Bemühungen sei es jetzt auch gelungen, die Freilassung des ge-
fangenen Rieggor beim König zu erwirken.
Das Protokoll dieser Konferenz, doch ohne die vertraulichen
Aeusscrungcn Gravels übersandten die elsässischen Deputierten auch
den akkordierten Städten, welche ihnen wenig zuverlässig erschienen,
und sprachen dabei die Erwartung aus, dass dieselben bei dem Ent-
schlüsse beharren wurden, mit den anderen Vereinstädten gemeinsame
Sache zu machen. In einem Schreiben vom 1. Dezember [st. n.] er-
neuerten denn auch die fünf Städte die im August abgegebene Erklärung.
Diese Haltung der katholischen Magistrate war durch die persönlichen
Verhandlungen mit dem Colmarer Stättmeister Daniel Schneider be-
einflusst worden. Letzterer hielt sich nämlich seit dem Monat Oktober
im Elsass auf, kehrte aber am Jahresschlüsse wieder nach Regensburg
zurück, als sein Kollege Schultz nach Colmar schrieb, er könne die
grosse Arbeit nicht allein bewältigen, Herr Heinrichs verrichte aber
nichts. Die Rückfahrt Schneiders erfolgte wegen einer besonderen
Reisegelegenheit über Nürnberg und fiel sehr mühsam aus, insofern
die Kutsche öfters mit Winden aus dem Kote gehoben und den Pferden
die Füsse aus den Löchern gehauen werden mussten.
Die letzten Erklärungen des französischen Gesandten riefen eine
ziemlich schroffe Meinungsverschiedenheit zwischen dem Syndikus
Schultz und seinen Colmarer Auftraggebern hervor. Schultz meinte,
Frankreich werde bei seinem jetzigen „blühenden Glück" die Kassierung
des Ilagenauer Eides nie zugeben, selbst wenn das Reich einen solchen
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Beschluss fassen würde, woran er sehr zweifle, da dasselbe seine
Autorität nicht werde prostituieren wollen. Man müsse daher sein Ab-
sehen wenigstens auf eine Einschränkung des Eides richten und durch-
zusetzen suchen, dass er 1) nicht wiederholt werden, 2) keine Unter-
tänigkeit, sondern eine blosse Klientschaft ausdrücken und 3) der
Reich8unmittelbarkeit der Städte keinen Eintrag tun solle. Zu Colmar
dagegen bestand man auf einer gänzlichen Aufhebung des Eides und
beteuerte, eine blosse Beschränkung vor Gott, der Posterität und dem
eigenen Gewissen nicht verantworten zu können. Schultz erwiderte
hierauf, er habe seinen Vorschlag auf den Rat von hohen Gönnern
gemacht. Wenn die Restriktion des Eides unverantwortlich sei, so sei
die von Seiten der Stadt geschehene Ablegung desselben noch viel
unverantwortlicher, weshalb der Vorwurf auf sie zurückfalle. Man
stehe eben vor einer Tatsache, welche kaum mehr rückgängig zu
machen sei. AlsderMagistrat von Colmar dann später seinen Abgesandten
befahl, die Einschränkung des Eides nicht selbst vorzuschlagen, sondern
dies dem Reiche zu überlassen, versprachen sie in ironischem Tone,
ihrer Instruktion nachzukommen und abzuwarten, „was das Reich er-
finden, und wie profunde es der Sachen nachdenken werde." Das
Reich sei ein ganz ander Ding, als es sich die Herren zu Colmar
vorstellten ; es tue nur, was ihm die Interessierten angeben. Sie selbst
hätten ja die Restriktion nicht direkt Frankreich vorschlagen, sondern
den Reichsdeputierten im Vertrauen an die Hand geben wollen.
Um kein Mittel unversucht zu lassen, sich den französischen
Gesandten günstig zu stimmen, unternahm es auch die vereinstädti-
sche Deputation auf den Rat des Kur-Mainzischen Direktors Bertram,
ihm „mit einem Regali zu begegnen". Allein für solche Argumento
zeigte sich Gravel weniger zugänglich als die Diplomaten des heiligen
Reichs. Als ihm Schultz ein schönes Säckchen mit 200 Dukaten als
eine geringe Nikiausgabe für seinen jungen Sohn anbot, wies er das
Geschenk trotz allen Zusprechens zurück und versicherte, dass er
und die Seinen von keinem Könige oder Fürsten je eine Verehrung
angenommen hätten.
Der fruchtlosen Verhandlungen mit dem Plenipotentiar Ludwigs
XIV. müde, beschlossen die Städte sich wieder direkt an das Reich
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^ zu wenden, zumal die Ueborgriffe der Franzosen im Elsasse fort-
dauerten. Als nämlich Wcissenburg mit dem Bischof von Speier in
Streit war, massto sich Frankreich die Entscheidung an und legte eine
Besatzung in die Stadt. Schultz verfässte ein ausführliches Memorial,
um den Stand der elsässischen Frage dem Kaiser und dem Reiche
darzulegen, uud holte dafür den Rat der vornehmsten Gesandten beim
Reichstag ein. Er wählte die lateinische Sprache, damit die Schrift
nicht übersetzt zu werden brauchte, wenn sie dem französischen Hof
mitgeteilt würde. Am 28. Januar 1665 wurde das Memorial dem
Kur-Mainzischcn Reichsdirektorium zu Regensburg exhibiert, nachdem
es schon mehrere Tage zuvor an den Kurfürsten selbst geschickt
worden war.
In dieser Donkschrift schildern die Vereinstädte zunächst kurz
den ganzen Verlauf ihrer Angelegenheit am Reichstage und erinnern daran,
dass das Schreiben des Reichs an den König von Frankreich zwar
entworfen, aber nicht abgesandt worden sei, und dass auf die am
II, April 1664 dem königlichen Plenipotentiar von der Reichsdeputatiou
übergebene Besch werdeschrift keine Antwort erfolgt sei. Inzwischen
^ hätten ihre Abgesandten versucht, direkt mit Gravel zu verhandeln,
aber trotz mehrerer Zusammenkünfte gar nichts erreicht. Darauf
hätten sie beantragt, den Streit durch Schiedsrichter gütlich beilegen
zu lassen. Der König habe auf den Bericht Gravels in diesen Vor-
schlag eingewilligt, doch nur unter der Bedingung, dass die Städte
zuvor guthiessen, was der Herzog von Mazarin mit ihnen allen im
Jahre 1662 zu Hagenau und mit einigen von ihnen jüngsthin abge-
macht habe.
Die Städte können indessen, so fährt die Denkschrift fort, die
Rechtsgültigkeit ihrer Zugeständnisse an den Landvogt nicht aner-
kennen, da dieselben, wie die genauere Schilderung der Vorgänge
zeigt, durch Gewalt erzw ungen und nur mit dem ausdrücklichen Vor-
behalt der Bestätigung durch das Reich gemacht worden sind. Aber
selbst wenn dies nicht geschehen wäre, so würde der eingegangene
Vergleich doch ungültig sein, da es sich um Rechte des Reichs handelt,
über welche die Städte überhaupt nicht verfügen konnten. Alle
Neuerungen Frankreichs, die Forderung des Treueids für den König,
die Abänderung der alten Reversalien des Landvogts, der Anspruch
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auf die (lerichtshoheit und auf die Leitung der kirchlichen und mili-
tarischen Angelegenheiten, auf (Jrund dessen der Stadt Weissenburg
neulich eine Besatzung aufgezwungen wurde, Verstössen gegen den
Westphälischen Friedensvertrag, da dem Könige nur die Rechte der
früheren Landvögte aus dem Hause Oesterreich übertragen worden
sind, diese aber die genannten Befugnisse tatsächlich nie besessen
haben. Dass ihnen insbesondere das Besatzungsrecht nicht zukam,
geht aus dem Umstände- hervor, dass die Truppen, welche Kaiser
Ferdinand II. i. .1. 1629 nach Colmar, Schlettstadt und Oberehnheim
legte, in nichts dem Landvogt unterstanden.
Aus der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaute des West-
phälischen Friedensvertrags ergiebt sich deutlich, dass nicht die Sub-
stanz der Landvogtei, die Summe der darin begriffenen Rechte, son-
dern bloss ihr Besitztitel verändert wurde. Dem französischen Könige
sind keine anderen Befugnisse übertragen worden als diejenigen der
früheren Landvögte, nur besitzt er dieselben nicht mehr kraft einer
widerruflichen kaiserlichen Verleihung, sondern als dauerndes und
souveränes Eigentum. Dies ist durch die Klausel Ita turnen ausgedrückt,
welche die königliche Souveränität keineswegs auf die Städte selbst,
ausdehnt. Es wäre ja ein offenbarer Widerspruch, wenn es in dem-
selben Paragraphen hiesse, die Städte sollten reichsunmittelbar bleiben
und doch unter der Oberhoheit Frankreichs stehen; durch eine solche
Deutung würde man den zahlreichen klugen Männern, welche die
Friedensverhandlungen führten, den grössten Schimpf antun.
Dass aber Frankreich aus der ewigen Dauer und der Unab-
hängigkeit seines Landvogteibesitzes die beanspruchten Rechte ab-
leiten dürfe, können die Städte selbst nicht einsehen ; doch überlassen
sie die Entscheidung darüber dem unparteiischen Urteile der Teil-
nehmer am Friedensvertrag oder anderer Rechtsgelehrter. Der König
selbst sei ja mit dem Kaiser und den Reichsständen übereingekommen,
etwaige Streitigkeiten wegen des Münstersehen Friedens durch einen
gütlichen Vergleich zu schlichten.
Daher ersuchen die Bittsteller die Kurfürsten, Fürsten und Stände,
im Namen des Reichs an den König von Frankreich zu schreiben und
durch Gravel und sonst auf alle Weise dahin zu wirken, dass Seine
Majestät ohne weitere Rücksicht auf die den Städten abgenötigten
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Zugestandnisse Schiedsrichter für einen freien und gütlichen Vergleich
der Angelegenheit ernenne. Sie selbst erklaren sich bereit, ihrerseits
Schiedsrichter vom Reiche anzunehmen oder mit dessen Zustimmung
solche zu wählen.
Dies Memorial sandten die Vereinstädte auch an den Kaiser nach
Wien mit einem Schreiben, worin sie nochmals inständig um Schutz
baten und betonton, ein wie grosses Interesse das heilige römische
Reich dabei habe, „dass nicht 10 Städte, die in der Matrikul und ihrer
Reichs-Anlage teils denen vornembsten Fürstenthumben im Reich
gleich, auch wohl bevor gehalten, nunmehr im Friedenstand, also gleich-
sam in Portu, auf einmal mögen vom Reich gelassen werden."
Das städtische Kollegium am Reichstag vertrat wieder mit Eifer
die Sache seiner Angehörigen und forderte in einem Konklusum vom
17. Februar die beiden höheren Räte dringend auf, die Erledigung der
elsässischen Angelegenheit nicht weiter verzögern und es dahin kommen
zu lassen, n dass die Remedierung zu spät und vergeblich in Zukunft
gesucht werde." Es Hess auch eine dahin gehende Bitte durch eine
Deputation, bestehend aus den Vertretern von Regensburg, Cöln und
Ulm, dem Erzbischof von Salzburg als kaiserlichen Legaten vortragen
und ihm das Memorial der Vereinstädtc sowie ein von Hagenau an
den Reichstag gerichtetes Schreiben Uberreichen. In letzterem führten
die Hagenaucr darüber Klage, dass Frankreich beanspruche das Schult-
heissenamt zu besetzen und dem Rate zumute, die Urteile in Kriminal-
sachen im Namen des Königs zu sprechen, und erörterten die Wider-
sprüche und Misstände, welche entstehen würden, wenn der Reichs-
schultheiss, der im Namen des heiligen Reichs sein Amt ausüben soll,
ein geschworener Minister der Krone Frankreich wäre.
Beide Memorialien wurden am 28. Februar lb'Oö durch die
Reichskanzlei diktiert. Um dem ihrigen eine grössere Verbreitung
zu verschaffen, Hessen es die vereinstädtischen Deputierten zu Regens-
burg drucken.
Bei den nunmehr am Reichstage stattfindenden Beratungen über
die elsässische Frage entschloss man sich, die Angelegenheit der Lehen
von Metz, Toul und Verdun mit derselben zu verbinden, da Beides
bereits zu Münster in einem Schreiben an den König von Frankreich
zusammen vorgebracht worden war. Auf das Betreiben der Elsässer
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gab das stadtische Kollegium diese Verbindung erst zu, als die höheren
Kollegien versicherten, dass die Landvogteisache dadurch keine
Stunde verzögert würde. Am 8. März fasste dann der Reichstag den
Beschluss, die Beschwerden der zehn elsassischen Vereinstädte und
speziell der Stadt Hagenau durch die für diese Sache bereits früher
vom Reiche bezeichneten Deputierten dem königlichen französischen
Plenipotentiar zuzustellen und hierüber, sowie über die vorigen
Mcmorialien, eine königliche Resolution zu begehren, ausserdem aber
den König von Frankreich selbst in einem Schreiben von Reichs
wegen um diese Resolution zu ersuchen und ihm die Erledigung der
Beschwerden etlicher Rcichsstände wegen ihrer Lehen von den Bis-
tümern Metz, Toul und Verdun zu empfehlen.
Bevor dieser Reichsschluss zur Ausführung kam, sahen sich
sowohl Hagenau als Colmar veranlasst, neue Klagen an das Reich
und den Kaiser zu richten. In einer am 20. April [st. n.] bei der
Reichskanzlei eingereichten Schrift schilderten der Magistrat und der
Rat von Hagenau, wie am 1. April der Unterland vogt im Rat er-
schien, das Protokoll der am 2. März vorgenommenen Wahl eines
regierenden Stättmeisters zerriss, den abgesetzten Stättmeister
nach Entfernung des neuen eigenhändig auf den Präsidentenstuhl
zurückführte und die Auslieferung des Stadtsiegels und der Archiv-
und Torschlüssel erzwang. Nicht einmal während der Besetzung der
Stadt durch den Feind seien sie derart vergewaltigt worden. In Be-
treff der Colraarer Angelegenheit dagegen meldete ein am 11. April
exhibiertes vereiustädtisches Memorial, dass nicht allein die Land-
vogteikamraer zu Hagenau, sondern jetzt auch der königlicho Rat
zu Ensisheim sich der Gerichtsbarkeit Uber die Städte anmasse und
gegen die Stadt Colmar, ihre Bürger und Beamten, welche diese
Gerichtsbarkeit nicht anerkennen wollten, Kontuniazurteile fälle und
Arreste und Repressalien beschliesse. Er beanspruche nicht nur die
Kompetenz der höchsten Reichsgerichte, sondern gehe noch weit
darüber hinaus, da er den Städten entgegen den Reichkonstitutionen
und ihren Spezialprivilcgien nicht einmal mehr die erste Instanz
zugestehe.
Trotz des fortwährenden Drängens der elsässischcn Abgesandten
verstrichen nach dem Reichsschluss vom 8. März 1665 mehrere Wochen,
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> bis die Rcichsdcputntion sich zu Gravel begab. Diese Verzögerung
wurde, wie es hiess, dadurch hervorgerufen, dass das Kur-Mainzische
Direktorium Gravel versprochen hatte zu warten, bis er auf das
Memorial der Städte, das er sich unter der Hand verschafft und an
seinen Hof geschickt hatte, eine königliche Erklärung erhalten habe.
Inzwischen beauftragte der Kaiser in einem Reskript vom
1. April [st. n.] seinen Legaten zu Regensburg, den Kur-Mainzisehen
Direktor Bertram zur Entwertung des Briefes an den König aufzu-
fordern und die elsässischen Städte zu standhafter Treue zu ermahnen
und sie zu versichern, dass er Alles zu ihrer Erhaltung aufbieten
werde. Als der Legat den vercinstädtischen Deputierten den Bescheid
des Kaisers mitteilte, antworteten dieselben, dass die Städte von ihrer
Treue gegen das Reich nie lassen würden, wenn sich Kaiser und
Reich ihrer annähmen, klagten aber darüber, dass sie während ihres
zweijährigen Aufenthalts zu Regensburg noch so wenig ausgerichtet
hätten. Der Kaiser ersuchte ausserdem noch die Kurfürsten in einem
direkten Schreiben, ihre Abgeordneten dahin zu instruieren, dass die
Regelung der elsässischen Angelegenheit nicht weiter verschoben und
die bedrängten Städte aus ihrer Notlage befreit würden. In seiner
Resolution über das Reichskonklusum erklärte er sich auch mit der
Absendung eines Schreibens an den König von Frankreich einver-
standen und sprach den Wunsch aus, von den Ständen zu erfahren,
„wie sie vermeinen, dass selbiges zu Erhebung des vorgezielten
Zwecks einzurichten sein möchte."
Am 26. April verfügte sich endlich die ebenso wie im vorigen
Jahre zusammengesetzte Reichsdeputation zu Gravel. Sie übergab
ihm die neuen Besch werdeschriften der elsässischen Städte und be-
deutete ihm, dass das Reich beschlossen habe, wegen des Landvogtei-
geschäfts auch an den König von Frankreich zu schreiben. Gravel
erwiderte, die vereinstädtischen Deputierten hätten weder in ihrem
ersten Gespräch mit ihm, noch in dem ersten städtischen Memorial
von der Rückgängigmachung des zu Hagenau geleisteten Eides ge-
sprochen. Als sie dieses Begehren in ihrem zweiten Gespräche vor-
gebracht hätten, habe er an seinen König geschrieben und zur
Antwort erhalten, Seine Majestät werde sich vor der Anerkennung des
Hagonauer Eides von Seiten der Städte in keinen Vergleich mit ihnen
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einlassen. Das frühere Verhältnis der Städte zur Landvogtei sei da-
durch verändert, dass der König die Landvogtei nicht unter den
gleichen Bedingungen wie Oesterreich besitze, sondern mit voller
Souveränität. Das Bestreben der Elsässer gehe einzig dahin, Feind-
schaft zwischen Frankreich und dem Reiche zu stiften.
Die Antwort der vereinstädtischen Deputierten auf diesen Be-
scheid Gravels erfolgte in einem lateinischen Memorial, das am 29.
Mai der Reichskanzlei zugestellt und an1 3. Juni diktiert wurde.
Die elsässischen Städte, so erklären ihre Vertreter, hätten nicht aus
Feindschaft gegen Frankreich den ihnen zugefügten Schaden bei
Kaiser und Reich angezeigt, sondern weil sie als unmittelbare Reichs-
stände durch ihr Gewissen und ihren Kid dazu verpflichtet gewesen
seien. Auch hätten sie niemals Anklage gegen den König erhoben,
sondern stets nur die Bitte ausgesprochen, derselbe möge seinen
Ministern alle weiteren Hebelgriffe im Elsass verbieten und den Streit
durch gütlichen Vergleich dem Friedensvertrag gemäss beilegen lassen.
Ihr Bestreben gehe also vielmehr dahin, einem Konflikt zwischen
Frankreich und dem Reiche vorzubeugen. Was den Hagenauer Eid
betreffe, so hätten die vereiustädtischen Deputierten, als sie den fran-
zösischen Gesandten am 14. Juli 1663 zum ersten Male besuchten,
allerdings nicht davon gesprochen, weil dieser Besuch bloss ceremo-
niellen und nicht geschäftlichen Charakter gehabt habe. Aber schon
bei der zweiten Zusammenkunft, am 4. August desselben Jahres,
hätten sie die Angelegenheit vorgebracht, und seitdem immerfort
wiederholt und auch in mehreren von der Reichsdiktatur veröffent-
lichten Memorialicn dargelegt, dass der Eid nicht bestehen bleiben
könne. Bereits in den nächsten Tagen nach der erzwungenen Eid-
leistung, also schon vor der Eröffnung des Reichstags, hätten die
Städte dem Kaiser den ganzen Sachverhalt berichtet und dann auch
bei den Kurfürsten gegen die erlittene Gewalt protestiert. Der Kaiser
habe im März 1662 deshalb an die Kurfürsten geschrieben, und die
Sache sei an den Reichstag verwiesen worden. Die Städte (iberlassen
demnach jetzt dem Reiche die Entscheidung, ob der Ilagenauer Eid
ohne Schaden für ihre Reichsunmittelbarkeit in Kraft bleiben könne,
und bitten nochmals, man möge nach so vielen Reichsschlüssen und
kaiserlichen Reskripten endlich einmal das Schreiben an den König
von Frankreich abgehen lassen.
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_ n<j _
i . Diese Antwort auf Gravcls Erklärung sowie die letzte Beschwerde-
schrift über die Ensisheimer Prozesse Hessen die elsassischen Deputierten
in den nächsten Tagen zusammen zu Regensburg drucken; auch das
deutsche Memorial, welches sie vor anderthalb Jahren an das Reich
gerichtet, wurde jetzt durch den Druck veröffentlicht,
Arn 29. Mai hatten Schneider und Schultz wieder eine Audienz
bei dem französischen Gesandten und stritten anderthalb Stunden mit
ihm wegen des Hagenauer Eides, ohne zu einer Übereinstimmung zu
gelangen. Das letzte Wort Gravcls war, es sei sonnenklar, dass die
Städte den Eid zu leisten hätten ; die Übrigen Punkte seien allerdings
etwas zweifelhaft, und es würde sich davon reden lassen!
Auf das Drängen des Kaisers, der Interessenten und des städti-
schen Kollegiums konnte der Reichstag jetzt nicht mehr umhin, sich
wieder mit der elsassischen Angelegenheit zu beschäftigen. Er beschloss
am 3. Juni, nächstens in allen drei Kollegien darüber zu beraten.
Durch diesen Bcschluss sowie durch das letzte vereinstädtischo Memorial
wurde der königliche Plenipotentiar gewaltig alarmiert, wie die Colmarer
Deputierten nach Hause berichten. Er fuhr bei allen Gesandten in
der Stadt herum und suchte die Sache mit Worten zu „unterbauen".
Die Beratungen im Reichstag zogen sich längere Zeit hin, da
in den drei Kollegien verschiedene Meinungen herrschten. Der Vor-
schlag einiger „treuen Patrioten" aus dem Städterat, man solle die
Memorialien der Elsässer genau untersuchen, über den Eid, die vier
Propositionspunktc und die Gerichtsbarkeit einen Reichsschluss machen
und nur ratione Uliquidorum Schiedsrichter begehren, wurde
von den höheren Kollegien zurückgewiesen. Aber auch über den
Wortlaut des Schreibens an den König hatte man Mühe sich zu
einigen, indem die Kurfürsten jeder schärferen Fassung widerstrebten.
Am 9. August 1665 kam endlich das Schreiben im Plenum zu Stande. Es
ist im Namen des gesamten Reichs in lateinischer Sprache abgefasst
und hat folgenden Inhalt.
Die zehn verbündeten Reichsstädte im Elsass haben sich sowohl
bei dem Kaiser und seinem obersten Kommissar beim Reichstage,
dem Erzbischofe von Salzburg, als auch bei den Ständen beklagt,
dass sie entgegen der im Friedensvertrag ihnen vorbehaltenen Reichs-
uumittelbarkeit von den Beamten der Ilagenauer Landvogtei und
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von anderen königlichen Ministem bedrängt, der '(Gerichtsbarkeit des ^
Reiches entzogen und zu einem ungewohnten Huldigungseid gezwun-
gen würden, wie die beiliegenden Mcmorialien zeigen, und dass
ihnen von den königliehen Zollpäehterri neue oder ungewöhnlich hohe
Zölle trotz ihrer Privilegien abgefordert würden. Ausserdem htiben
sieh die Reichsstände, welche Lehen von den an Frankreich abge-
tretenen Bistümern Metz, Toul und Verdun haben, beschwert, dass
man e9 unternehme, die königliche Gerichtsbarkeit auch ausserhalb
des Gebietes der Bistümer über sie auszudehnen.
Da die versammelten Stände aber wissen, dass dem Könige zu
sehr an der Aufrechtcrhaltung des Münstorschen Friedens gelegen ist,
als dass er eine Verletzung desselben erlauben könnte, so bitten sie
Hin, den Streit über die Rechte des Reichs und der Landvogtei durch
einen gütlichen Vergleich schlichten zu lassen, zu diesem Zwecke
Schiedsrichter zu ernennen, was auch von Seiten des Reiches und
der elsässischen Städte geschehen soll, und seinen Beamten jedes
rechtswidrige Vorgehen gegen die Städte und die Lehnsträger zu
verbieten. ■
Am Schlüsse wird noch ausdrücklich erwähnt, dass dies Schreiben
zwischen dem Kaiser, seinem Kommissar und den Reichsständen
vereinbart worden sei.
Von dem ersten Beschlüsse des Reichstages, in der elsässischen
Angelegenheit an den König zu schreiben, bis zur Abfassung des
Briefes waren also über sechzehn Monate verstrichen. Neue Schwie-
rigkeiten machte die Ausfertigung des Schriftstücks, insofern die
Evangelischen beim Titel des Erzbischofs von Salzburg als Lega-
ten anstatt der Formel sanetae sedis apostolicae nur sedis
Romana: gebrauchen wollten. Der Streit wurde dadurch gehoben, ^
dass der Erzbisehof auf die Erwähnung seines Legatentitels verzichtete.
Auch auf Seiten Gravels stiess man auf neue Hemmnisse, indem er
sich weigerte, die Beilagen anders als in lateinischer Sprache anzu-
nehmen. „Es quälet dieses Geschäft einem das Mark aus den Beinen, —
schreibt der Colmarer Stättmeister Schneider — und wann man schon
einen Scopulum überstiegen, so erwachsen alsbald andere." Um
keine Zeit zu verlieren, cntschloss man sich die deutschen Memorialien
wegzulassen; und so wurde denn endlich am 24. August das Schreiben
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des Reiches an Ludwig XIV. samt den drei letzten lateinischen
Beschwerdeschriften der Vereinstädte und den zwei der Stadt Hagenau
dem französischen Gesandten offiziell überreicht. Derselbe versprach,
seinen Bruder damit an den Hof zu schicken und durch ihn dort
ausführliche Information erteilen zu lassen.
In der nächsten Zeit hiess es, Gravel wolle das Landvogtei-
geschäft ausserhalb von Regensburg verhandeln hissen, was bei den
Elsassern grosse Bestürzung hervorrief. Der Colmarer Syndikus
Schultz, der sich damals in eigenen und in Kreisangelegenheiten
längere Zeit zu Frankfurt aufhielt und dazwischen auch mit seiner
Frau die Badekur zu Wiesbaden gebrauchte, reiste deshalb zum
Kurtürsten von Mainz und bat ihn, die Krone von Frankreich von
diesem Vorhaben abzubringen. Die Verlegung des Schiedsgerichts
würde den Städten grosse Kosten verursachen, da sie ihre Schieds-
richter dann unterhalten müssten; vor Allem aber käme man fern
vom Reichstage zu keinem definitiven Ergebnis, „indem bei
den Städten caput et cauda negotii autoritas et consensun
imperii sein müsse". Der Kurfürst glaubte nicht, dass Frankreich
wirklich einen Ortswechsel beabsichtige, versicherte aber, dass er einem
etwa dahin zielenden Vorschlag entgegentreten würde. Er zeigte sich
in vielen Punkten den Städten so günstig gesinnt, dass Schultz aus
der zweistündigen Audienz den Eindruck mitnahm, es sei an seinem
aufrichtigen Wohlwollen nicht zu zweifeln.
Im Elsass gab die französische Verwaltung den Städten immer
wieder Anlass zu neuen Klagen; so wurde jetzt den Colmarern ein
Zoll für die durch das königliche Territorium in ihre Stadt geführten
Trauben dem Herkommen entgegen gefordert. Daniel Schneider,
dem in Abwesenheit seines Kollegen Schultz die Besorgung der
vereinstädtischen Geschäfte oblag, teilte die neue Belästigung Colmars
dem österreichischen Gesandten Hocher mit, und dieser versprach,
bei seiner bevorstehenden Anwesenheit am Hofe dem Kaiser die
Angelegenheit vorzutragen und ihm überhaupt die Vereinstädte
bestens zu empfehlen.
Gravel, bei dem sich der Colmarer Deputierte am 5. Oktober
gleichfalls beschwerte , zeigte sich bestürzt und versicherte , der
Intendant Colbert habe ernstlichen Befehl erhalten, keine Ursache zu
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ferneren Klagen zu geben, sondern gute Nachbarschaft mit den €
Städten zu pflegen. Auf das Vorbringen Schneiders, Colbert habe
sich Colmar gegenüber defectu potestatht entschuldigt, erwiderte
er, es müsse wohl wahr sein, dass die Befugnisse dieses Beamten
sich nicht auf die Zollsachen erstreckten, sonst würde er es nicht
selbst eingestehen. Die Fermiers geniraux unterstanden aller-
dings nur der Grand' ferim in Paris, und in dem ganzen Königreich
habe kein Intendant etwas mit ihnen zu tun. Wie dem auch sei,
sobald ausführlicher Bericht von Colbert eingelaufen, werde er selbst
an don königlichen Hof schreiben. Sodann vertraute der französische
Gesandte seinem Besucher unter dein Siegel der Verschwiegenheit
an, dass die Antwort des Königs auf das Schreiben des Reichs
nunmehr eingetroffen sei, und dass Seine Majestät sich darin zu
einem gütlichen Vergleich erbiete und Schiedsrichter bezeichne. Dies
seien aus dem Kurfürstenkollegium Mainz und Cöln, aus dem Fürstcn-
kollegium Bremen und Kassel.
Dasselbe erfuhr Schneider am 11. Oktober von dem Kur-
Mainzischen Direktor Bertram. Dieser meinte, man könne das
*
Landvogteigcschäft wohl der Entscheidung der bezeichneten Stünde *
übergeben und zur Vermeidung von Weitläufigkeiten von der Ernennung
weiterer Schiedsrichter absehen. Der Vertreter Colmars bestand
aber darauf, dass auch das städtische Kollegium, um dessen Mitglieder
es sich gerade handle, Schiedsrichter wählen solle.
Auch Gravel sprach sich einige Tage darauf Schneider gegen-
über in demselben Sinne wie Bertram aus. Die Vereinstädte, äusserte
er, hätten sich stets erboten, ihr Anliegen den Reichsständen anheim-
zugeben; da nun der König deren vier als Schiedsrichter bezeichnet
habe, so -wollten sie auf gleichem Fusse mit ihm stehen und ebenso
viele ernennen. Hierdurch würde aber die Angelegenheit wieder ins
Stocken geraten. Der Colmarer Stättmeister erwiderte, nicht nur die
Städte, sondern das Reich selbst würde an der einseitigen Wahl von
Schiedsrichtern durch Frankreich Anstoss nehmen.
In einer am 23. Oktober 1665 abgehaltenen Konferenz machte
der königliche Plenipotentiar den Deputierten Schneider und Heinrichs
in Gegenwart des Herrn Bertram Vorwürfe, dass die elsässischen Städte
abermals durch eine Deputation bei Kur-Mainz Klage geführt, und
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da-ss Hagenau dem Reiche neue Beschwerdeschriften Überleben habe.
Wenn man täglich neue Memorialien einreiche, so könne er sich
in keine Verhandlungen mehr einlassen. Schneider erklärte, dass er
von einer Deputation an den Kurfürsten nichts wisse. Herrn Schultz, der
sich in Privatangelegenheiten zu Frankfurt aufhalte, habe er allerdings
aufgefordert, dem Erzkanzler aufzuwarten, um dessen Ansicht zu ver-
nehmen, nicht aber um Klagen vorzubringen. Was die Stadt Hagenau
betreffe, so hätten die vereinstädtischen Abgesandten keine Kommission
von ihr.
Durch solche Finten, meinte der Colmarer Abgesandte in einem
Brief o an seine Auftraggeber, bezwecke Gravel lediglich, die Über-
gabe des königlichen Schreibens möglichst lange zu verschieben. Den
schwedischen Gesandten Snoilsky, der ihn deshalb zur Rede stellte,
versicherte der französische Diplomat, dass der einzige Grund, warum
die Antwort seines Königs noch nicht publiziert werde, der Wunsch
der Schiedsrichter selbst sei, zuvor die Ankunft der an sie gerichteten
Partikular-Schreiben vom Hofe zu erwarten. Weshalb diese noch nicht
eingetroffen, wisse er nicht. Dass die Beschwerden im Elsass sich häufen,
* geschehe gegen seinen Willen ; er habe wiederholt deshalb an Colbert
geschrieben, aber bis jetzt noch keine genügende Antwort erhalten.
Er vermute, dass die Zollpächter auf eigene Faust gehandelt haben.
Als Gravel am 7. November auf einer Hochzeit mit Schneider
zusammen war, verwies er ihn auf diese Erklärungen an Snoilsky
und trank ihm zu mit den Worten: „Monsieur, ne perdez pointla patie-nce,
le retardement xera ricompeme par une bonne resolution." Einige Tage
darauf teilte er ihm in einer Audienz mit, dass er seinen Bruder express
nach Paris geschickt habe, um, falls Colbert propria autoritate nicht zu
remedieren vermöge, die Sache dem Könige selbst von Mund zu Mund
vorzutragen. Es solle den Fermiers, wenn sie ohne königlichen Befehl
gehandelt, nichts geschenkt werden. Um seinen guten Willen zu zeigen,
holte Gravel den Brief des Königs hervor und licss ihn Schneider
durchlesen.
Am 28. November konnte endlich nach Colmar berichtet werden,
dass die Antwort Ludwigs XIV. auf das Schreiben des Reichs nunmehr
der Reichskanzlei (ibergeben worden sei. In diesem vom 18. September
[st. n.J datierten Schriftstück spricht der König zunächst seine Ver-
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wunderung aus über die vom Reiche ihm mitgeteilten Klagen, welche
die zehn Städte im Elsass und die Lehnsträger der Bistümer Metz,
Toul und Verdun gegen seine Minister erhoben haben. Bei genauerer
Untersuchung derselben und reiflicher Prüfung der bis jetzt von Gravel
auf seinen Befehl erteilten Antworten hatten die Stünde ohne Zweifel
eingesehen, dass diese Klagen entweder nicht wohl begründet sind oder
sich auf Verhältnisse beziehen, die eine zwiefache Auslegung zulassen.
Um indessen sein so oft bezeugtes Verlangen nach Aufrechterhaltung
des Münsterschen Friedens nochmals zu bekunden, gebe er zu, dass
durch unparteiische Leute die vorgebrachten Beschwerden untersucht
und die Streitigkeiten dem Friedensvertrage gemäss geschlichtet würden.
Hierzu habe er die guten Dienste der Kurfürsten von Mainz und von
Köln, der Krone Schweden als Reichsstandes und des Hauses Hessen
erbeten. Auch werde er seinen Beamten befehlen, keine Veranlassung
zu ferneren Klagen zu geben. Im Übrigen verweise er die Stände in
dieser Sache an seinen Bevollmächtigten Gravel.
Die Reichsstände und besonders der Fürstenrat nahmen daran
Anstoss, dass das königliche Antwortschreiben in französischer und
nicht, wie es der bisherige Brauch erforderte, in lateinischer Sprache
abgefasst war. Die Elsässer befürchteten, es möchten Ungelcgenheiten
hieraus entstehen, indem künftighin das Reich auch bei der deutschen
Sprache würde bleiben wollen.
Es handelte sich jetzt darum, auch von Seiten des Reichs Schieds-
richter zu bestimmen. Gravel gab seinen früher hiergegen erhobenen
Einspruch in einer Unterredung mit Schneider ausdrücklich auf. Die
Ernennung sollte zwar durch das Reich erfolgen, doch wurden die
beteiligten Städte aufgefordert, einen Vorschlag zu machen. Auf den
Rat des immer noch zu Frankfurt weilenden Syndikus Schultz nahm
man Kur-Mainz, Kur-Sachsen, (isterreich und die Stadt Regensburg
in Aussicht. Wenn die Städte den Kurfürsten von Mainz, der schon
von Frankreich zum Schiedsrichter erwählt war, auch ihrerseits dazu
bezeichneten, so geschah es, damit er als Reichskanzler und Direktor
den Vortritt behielte und keine Streitigkeiten hierüber entstünden. Der
Kurfürst war anfangs gewillt, der Aufforderung der Elsasser zu ent-
sprechen, doch am 13. Januar 1666 Hess er Schultz wissen, dass er
dies aus wichtigen Gründen nicht tun könne. Die drei anderen Stände
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dagegen sagten ihre Mitwirkung zu. Anstatt Kur-Mainz suchten nun
die Städte den Erzbischof von Salzburg zu gewinnen, doch dieser
entschuldigte sieh, indem er darauf hinwies, dass er als kaiser-
licher Kommissar ihnen besser dienen könnte, wenn er freie Hand be-
hielte. Schliesslich trat der Bischof von Konstanz in die Lücke ein.
Er wurde hauptsächlich von den Lchnsträgern der drei Bistümer,
welche bei der Wahl des Schiedsgerichts mit den elsässischcn Städten
gemeinsame Sache machten, als ausschreibender Fürst des schwä-
bischen Kreises dazu gewünscht.
Die vereinstädtischen Deputierten gaben am 26. Januar 1666 ein
Memorial beim Reichstag ein, worin sie die vom französischen König
zu Schiedsrichtern ernannten Stände unter dem Vorbehalt der Zu-
stimmung durch das Reich als solche anerkannten und diesem auch
die Wahl der anderen Schiedsrichter anheimstellten, sich aber erboten,
bei einigen Ständen deshalb anzufragen. Am 7. März wurde darauf
in allen drei Kollegien beschlossen, dass die Schiedsrichter von den
Vereinstädten vorgeschlagen und vom Reiche ermächtigt werden
sollten. Auf den Antrag der Städte bezeichnete dann der Reichstag
am 9. März Kur-Sachsen, das Haus Österreich, den Bischof von Kon-
stanz und die Stadt Regensburg; zugleich beschloss er, die Namen
Herrn Gravel durch das Reichsdirektorium mitzuteilen und ihn zu
fragen, ob er die unmittelbare Reichsritterschaft im Elsass, welche
einige Beschwerden beim Reiche vorgebracht habe, auch zum Schieds-
gericht zulassen wolle. Das Reichsgutachten hierüber wurde, nach-
dem sein Wortlaut noch mehrfache Veränderungen erfahren, am 7.
April dem Erzbischof von Salzburg zur Erwirkung einer kaiserlichen
Resolution eingehändigt. Letztere kam auch bald in Regensburg an
und enthielt die Ratifikation des Reichsgutachtens. Beides konnte nun-
mehr dem französischen Gesandten überreicht werden. Dieser be-
mängelte jedoch die Fassung der Schriftstücke und begehrte, dass
dieselben nochmals in die Reichskollegien gebracht und abgeändert
würden* Schliesslich einigte man sich dahin, dass die Wahl der vier
Schiedsrichter Gravel nur mündlich notifiziert werden sollte, was auch
am 22. Mai durch das Reichsdirektorium geschah.
* Die Korrespondenz der Deputierten mit Colmar hat hier einige Lücken. —
S. Bardot a. a. O. IM.
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Es verstrichen nun mehrere Wochen, ohne dass eine Antwort
von Seiten Frankreichs erfolgte. Der Grund davon war, dass Ludwig *
XIV. sich weigerte, das Haus Oesterreich als Schiedsrichter anzu-
erkennen. Gravel eröffnete den Deputierten Schultz und Heinrichs
arn 2. August, dass er schon vor längerer Zeit die Resolution des
Königs erhalten habe, und dass derselbe sich mit der Wahl der
Schiedsrichter bis auf Oesterreich einverstanden erkläre. Der Kaiser
sei in dem Streite selbst Partei und könne deshalb nicht als Haupt
des Hauses Oesterreich zugleich Richter sein. Der Erzbischof von
Salzburg habe dies auch eingesehen, als er sich wegen seiner Eigen-
schaft als kaiserlicher Kommissar weigerte, das Schiedsrichteramt
zu übernehmen. Der Beschluss des Königs sei bereits dem Kur-
Mainzischen Direktorium mitgeteilt worden, doch sei er noch nicht
veröffentlicht, weil man die Sache in Ordnung zu bringen suche,
ohne den Kaiser zu beleidigen.
Da eine direkte Rekusation Oesterreichs vermieden werden sollte,
so fand Gravel keinen andern Ausweg, als in der bald darauf abge-
gebenen offiziellen Antwort darauf zu bestehen, dass das Schiedsgericht
nur aus den vier von Frankreich bezeichneten Reichsständen gebildet «
werden solle.
Die hierdurch geschaffene Lage wurde am 10. August zwischen
den elsassischen Deputierten und dem österreichischen Gesandten
Hocher ausführlich besprochen. Letzterer meinte, „er müsse be-
kennen, dass es ein Geschäft sei, dazu einer fast sonderbare Erleuchtung
vom heiligen Geist gebrauche, wann er nicht anstossen wolle." Be-
stünden der Kaiser und das Reich auf ihrer Wahl, wofür sie genug
Gründe hätten, so möchte Frankreich dies vielleicht gern sehen,
weil aus dem Schiedsgericht nichts würde; gäben sie aber nach, so
wäre es wider ihre Ehre uud Reputation. Er wisse recht wohl, dass
es den Franzosen nur um die Ausschliessung des Hauses Oesterreich
zu tun sei, und dass man dasselbe nur zur Vermeidung eines allzu
grossen Anstosses nicht direkt zurückgewiesen habe. Es sei ihm
zwar noch keine Instruktion vom Hofe zugegangen, doch glaube er,
der Kaiser „werde sich bei der Sache verhalten wie ein Vater
und lieber etwas an seiner Reputation leiden und wegen seines
Hauses vom Arbitrio wieder abstehen als sehen wollen, dass aus dem
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Geschäft bei diesem Reichstag nichts werde, und die Städte unter
der Bedrängnis stecken bleiben."
Da der freiwillige Rücktritt Oesterreichs indessen lange auf
sich warten liess, so wurden inzwischen mancherlei Verhandlungen
zwischen den beteiligten Parteien gepflogen. Üie Reichsstädte des
oberen Elsasses hielten deshalb eine Tagung zu Colmar ab und
erklärten in der dort vereinbarten Instruktion für ihre Deputierten zu
Regensburg, dass sie es bei den vier von Frankreich ernannten
Schiedsrichtern in Gottes Namen wollten bewenden lassen. Ein
anderer, von Pfalz- Veldenz als Lehensinteressenten gemachter Vor-
schlag ging dahin, dass Frankreich sowohl als das Reich je zwei
ihrer Schiedsrichter ausschalten sollten.
Um die bald ins Stocken geratene Angelegenheit wieder in
Fluss zu bringen , richteten die vereinstädtischen Abgesandten im
Namen ihrer Auftraggeber am 20. Oktober 1666 eine lateinische Denk-
schrift an das Reich. Sie drückten darin ihr Befremden aus, dass der
französische König, entgegen dem römischen Recht und dem bei allen
gesitteten Völkern geübten Gebrauche die beiderseitige Wahl des
Schiedsgerichts nicht zugeben wolle, und stellten die Entscheidung
hierüber den Ständen anheim, indem sie noch einmal darauf hinwiesen,
dass ihre bedrängte Lage eine baldige Abhilfe erheische.
Wenn Philipp Schultz, der Verfasser des Memorials, welcher
seit der im Juni 1666 erfolgten Abreise Schneiders die Verhandlungen
zu Regensburg selbständig führte und bei der Colmarer Ratsänderung
im August dieses Jahres zum Stättmeister go wählt worden war, es
jetzt nicht mehr für zweckmässig hielt, der früher empfangenen
Instruktion gemäss sich dem Begehren Frankreichs zu fügen, so ver-
liess er sich auf eine ihm neuerdings gegebene bestimmte Versicherung
Kochers, dass das Haus Oesterreich freiwillig zurücktreten werde,
um einem anderen Reichsstande Platz zu machen. Ueber die Einzel-
heiten dieser Unterhandlungen wurde eigentlich nur Colmar auf dem
Laufenden erhalten, und Schultz mahnte sogar seinen Kollegen Heinrichs
wiederholt zur Vorsicht in den Berichten an die Schlettstadter. „Ich
sehe aus derselben Leute Schreiben wohl, dass sie die Sache nicht
begreifen, vacilliren in ihren Schreiben und werden über die geringste
vorfallende Verhinderung kleinmütig."
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Wahrend sich immer neue Schwierigkeiten der Bildung des
Schiedsgerichts entgegenstellten, mehrton sich im Elsass die Konflikte
zwischen den Städten und den französischen Behörden. Namentlich
Colmar beschwerte sich über fortwährende Belästigungen durch den
Intendanten Colbert. In Weisseiiburg setzte der Unterland vogt unbe-
fugterweise einen Stadtvogt ein, worauf der Rat letzterem die Aus-
übung seines Amtes verbot. Diese Vorgänge veranlassten die
vereinstädtischen Deputierten wiederholt, sich an den königlichen
Plenipotentiar zu wenden, um seine Vermittlung anzurufen. Von einer
am 2. Januar 1667 bei Gravel gehabten Audienz berichtet Schultz:
„Im Uebrigen haben wir einander mit lustigem Gespräch aufgehalten,
so viel als jemalen. Unter anderem ist auch vorkommen, dass die
Landvogtei hiebevor durch 50 000 f. an das Haus Oesterreich kommen.
Ich habe darauf im Namen der Stadt Colmar, doch auf Ratifikation
und allein im Scherz offeriert, wann der König die Landvogtci-Jura
nur allein auf Colmar quittieren wolle, dass man würde auf Mittel be-
dacht sein, f)0000 f. dafür zu geben. Er aber hat hingegen 500000 f.
gefordert, und so sind wir des Kaufs nicht eins worden."
Nachdem in den ersten Tagen des Jahres 1G67 der Rücktritt
des Kaisers vom Schiedsgericht kundgegeben worden war, kam am 16.
Januar ein Reichsgutachten in der elsässischen Angelegenheit zu Stande.
Es heisst darin, das Reich habe bei Erwägung des letzten Vorschlags
des französischen Königs befunden, „dass ihm von der allbereits ge-
schehenen Nomination wieder abzustehen disreputierlich und vcrkloiner-
lich sein würde", und deshalb beschlossen, dabei zu beharren. Da nun
aber das Haus Oesterreich „solchen Arbitrii aus gewissen seithoro
vorgefallenen Ursachen gern entübrigt soin möchte", doch unter der
Bedingung, dass auf den Vorschlag der Interessenten ein anderer
Rcichsfürst surrogiert und die kaiserliche Resolution darüber eingeholt
würde, so habe das Reich den Bischof von Eichstädt zum Schieds-
richter bezeichnet.
Ueber die Person des neu zu wählenden Schiedsrichters, der
ein Katholik und ein Mitglied des Fürstenrats sein musste, hatten
sich die Interessenten schon seit mehreren Wochen geeinigt. Der
Bischoß von Eichstädt trug zuerst Bedenken, das Schiedsrichteramt
zu übernehmen, gab aber schliesslich den an ihn gerichteten Bitten nach.
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>. Dic kaiserliche Bestätigung des Reichsgutachtens wurde am 12.
Miliz den Ständen mitgeteilt, worauf der definitive Reichsschluss am
17. Marz dem französischen Gesandten vom Reichsdirektorium zuge-
stellt werden konnte. Gravel versprach, dic Zustimmung seines
Königs baldigst zu erwirken.
Während das Landvogteigesehaft sich endlos hinschleppte, er-
regte damals ein innerhalb des Colmarer Magistrats ausgebrochener
Konflikt grosses Aufsehen nicht nur im Elsass, sondern auch zu Regens-
burg und selbst am kaiserlichen flofe. Der Colmarer Deputierte Daniel
Schneider, der neben seiner Gesandtschaft am Reichstage und seiner
Stättmeisterwörde noch die einträglichen Aemter eines St. Peters-
pflegers und eines französischen Syndikus inne hatte, war im Juni
1666 gegen den Willen seiner Auftraggeber nach Hause zurückge-
kehrt. Es wurde ihm deshalb am 11. Dezember durch Ratsbeschluss
die St. Peterspflege genommen und von seiner Syndikats-Bestallung
50 Kronen abgezogen. Da er sich aber weigerte, diesem und anderen
Ratsbeschlüssen zu gehorchen und direkt an den Kaiser appellierte,
ausserdem aber seine Kollegen in den Ratssitzungen beschimpfte und
verschiedene andere Exzesse beging, so sprach ihm der Schöffenrat am
4. Februar 1667 seine sämtlichen obrigkeitlichen Aemter und Ehren-
stellen ab. Die Exekution erfolgte noch an demselben Tage, indem
der Widerspenstige mit Waffengewalt aus seiner Wohnung zu St. Peter
ausgetrieben, und ihm alle amtlichen Akten weggenommen wurden.
Obgleich die Stadt Strassburg ihre Vermittlung anbot, und der Kaiser
selbst zur Versöhnung riet, kam es zu einem Prozess am Reichshof-
rat, der sich mehrere Jahre hinzog.
An Stelle Schneiders wurde der städtische Archivverwalter Anton
Schott, Licentiat der Rechte zum Spezialdeputierten der Stadt Colmar auf
dem Reichstag ernannt. Er erhielt zugleich den Auftrag, in Wien dahin zu
wirken, dass die Schneidcrschc Sache nach Colmar zurückverwiesen
würde. Dem Philipp Schultz, der für seinen abgesetzten Kollegen Partei er-
griffen hatte, sollte er diese Haltung im Namen des Magistrats vorwerfen.
Schott kam am 24. Mai 1667 in Regensburg an und machte in den
nächsten Tagen Besuche bei den vornehmsten Diplomaten. Alle
sprachen von Schneider und wunderten sich, dass dieser Mann, der
stets bescheiden aufgetreten war, „sich dergcstalten übernommen
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habe." Schultz hioss seinen neuen Kollegen willkommen und er-
klärte ihm, er billige Sehneiders Exzesse zw ar keineswegs, doch könne
er nicht finden, dass dessen Vergehen gross genug sei, um die Ent-
ziehung sämtlicher Ehrenstellen zu rechtfertigen. Gravel Hess sich
mit Schott gleich bei seinem Antrittsbesuche in eine Erörterung über den
Huldigungseid der Städte ein; er betonte namentlich, dass das Domi-
nium supremum seinem Könige von dem Kaiser und dem Reich abge-
treten worden sei, und dass keine Souveränität ohne die entsprechende
Fidelität der Untergebenen bestehen könne. Schliesslich meinte er in
Bezug auf das Haus Oesterreich: „Nous acons eu un fort hon pre-
decesseur, qui n'a rien omtJi pour son atantage; u und fügte hinzu: „Je
sah bien que vous avez den chicaneurx entre vom autres, mah ne chica-
nez pas, si vous roulez stortir de l'affaire."
Da sich seine Legitimation beim Rcichsdirektorium wegen der
Abwesenheit des Kur-Mainzischen Prinzipalgesandten verzögerte, fuhr
Schott am 4. Juni zu Schiff nach Wien. Hier verfocht er an den
massgebenden Stellen das Interesse seiner Vorgesetzten gegen die
Umtriebe Schneiders in einer Reihe von Denkschriften und in münd-
liehen Darlegungen. Er wurde zweimal vom Kaiser Leopold empfangen
und trug demselben nicht nur diese Streitsaohe, sondern auch das Land-
vogteigeschäft ausführlich vor. Der Kaiser zeigte sich sehr gnädig, Hess
die Stadt Colmar seiner Gewogenheit versichern und versprach, beim
bevorstehenden Schiedsgericht alles aufzubieten, um die Rcichsunmittel-
barkeit der Städte zu erhalten. Was die Schncidersche Angelegenheit
betreffe, so wünsche er, dass sie zur Zufriedenheit des Magistrats be-
endigt werde, wenn er auch der Justiz nicht vorgreifen könne. Als
besondere Auszeichnung Hess er Schott eine goldene Kette samt
einem Gnadenpfennig mit seinem Bildnis überreichen.
Der leidige Konflikt innerhalb des Colmarer Magistrats war da-
mals besonders gefährlich, wie Schultz wiederholt von Regensburg aus
berichtete. Es sei zu bedauern, dass jetzt, wo Frankreich beim Schieds-
gericht grosse Schwierigkeiten machen werde, und die Städte alle
ihre tüchtigen Leute nötig hätten, „die Stadl Colmar ein Bellum in-
testinum führe, und zween aus ihrer Mitte in conspectu Ihrer kaiserlichen
Majestät gegen einander stehen und gleichsam wie zween Hausdülmen
auf einem Mist sich herumbeissen. Auf Seiten Frankreichs gebraucht
.
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man sich dessen allbereit meisterlich, wie dann den Herren Arbitri*
in die Ohren gelegt wird, dass einige Städte ihre Bürger tyranni-
sieren, und daher der König der Jurisdiktion zu ihrem Schutz sich
annehmen müsse; allegieren das Exempel Herrn Schneiders als
Stättmeisters und repräsentieren, dass es eines geringen und armen
Bürgers Gelegenheit und Vermögen nicht seiu würde, wann er Un-
recht leiden sollte, das Recht und seine Rettung von Wien oder durch
langwierigen Prozess von Speier zu holen.
4
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III.
Eröffnung" des Schiedsgerichts. — Weigerung Frankreichs, die Aufhebung*
des den Städten auferlegten Eides der Treue zuzulassen. — Vorschlag einer
neuen Eidformel durch das Schiedsgericht. (1667-1669)
Die Antwort Frankreichs auf den Reiehsschluss wegen des
Schiedsgerichts wurde erst am 2.'5. Mai 1667 dem Reichsdirektorium zu
Regensburg verkündet und lautete auf Annahme der vorgeschlagenen
Stände, insbesondere des Bischofs von Eichstädt an Stelle Österreichs.
Die von den acht Ständen zum Schiedsgericht delegierten Räte hielten
zunächst einige vorbereitende Sitzungen ab und bestimmten am 16. Juli,
dass die ZusammenKünfte auf dem Rathause stattfinden sollten, und dass
das Verfahren schriftlich sein solle, indem sich die Schiedsrichter der
deutschen, die Parteien hingegen der lateinischen Sprache zu bedienen
hätten. Als dann Gravel das Rathaus als Tagungsort verwarf, wurde
das Kur-Mainzische Quartier dafür ausersehen.
Die feierliche Eröffnung des Schiedsgerichts erfolgte am 13.
September 1667 im Dominikanerkloster zu Regensburg, woselbst der
Dompropst Franz Konrad von Stadion, Kur- Mainzischer Prinzipal-
Abgesandter und Reichsdirektor, seine Wohnung hatte. An einem
Tische inmitten des Zimmers sassen die subdelegierten Schiedsrichter,
rechts davon Gravel und der landvögtische Rat Dr. Vering, links die
Vertreter der bischöflichen Lehnsträger und daneben die Depu-
tierten Schultz, Schott und Heinrichs wegen der Vereinstädte im Elsass
und der Stadt Colmar im besondern. Der Kur-Mainzische Gesandte
Hettinger, welcher den Vorsitz führte, frug die Parteien, ob sie bereit
seien, „zu den Traktaten zu schreiten"?
Gravel antwortete in lateinischer Sprache, der König habe ihn
beauftragt, folgende zwei Vorschläge zu machen, über welche er vor
allem Andern eine Entscheidung begehre: 1) Die Verhandlungen
möchten so geführt werden, dass über keine Angelegenheit an das
Reich berichtet würde, bevor man darüber einig geworden sei. Wollte
man nämlich wegen jeder auftauchenden Schwierigkeit an das Reich
berichten, so entstünde die grösste Weitläuh'gkeit. 2) Der König
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wünsche, dass der von den .Städten ihm geleistete Eid der Treue
nicht wieder in Frage gezogen werde. Er lasse aber erklären, dass
er diesen Eid nicht auf die Reichsunmittelbarkeit, welche den Städten
im Münster'schen Frieden vorbehalten wurde, sondern nur auf die
Landvogtei beziehe. Die Oberherrlichkeit über die Landvogtei sei
ihm zugleich mit derjenigen über die Landgrafschaft abgetreten
worden. Wenn er die eine anzweifeln Hesse, so wäre auch die andere
gefährdet.
Philipp Schultz erwiderte darauf im Namen der Städte: Von
den Postulaten Gravels betreffe das erste die Form der Verhandlungen,
das andere aber die Substanz des Geschäfts. Er stelle die Entschei-
dung dem Schiedsgerichte anheim, das ja gerade zur Schlichtung von
Meinungsverschiedenheiten eingesetzt worden sei. Er danke aber für
die Erklärung, dass der den Städten abgenötigte Eid, der die wichtigste
von allen Streitfragen bilde, ihrer Reichsunmittelbarkeit keinen Ein-
trag tun soll. Der Streit sei zwar genugsam aus den Verhandlungen
des Reichstags bekannt, damit aber die Angelegenheit in rechter
Ordnung vorgenommen werde, übergebe er dem Schiedsgericht hier-
► mit im Namen der Vereinstädte eine Schrift über die Landvogtei mit
einer Anzahl gedruckter Urkunden.
Diese von Schultz selbst verfasstc Schrift zerfällt in zwei Teile :
der erste enthält ein Verzeichnis der Rechte, durch welche dio Land-
vögte und die Städte von Alters her mit einander verbunden gewesen
seien, im zweiten werden die von Frankreich neuerdings dem Her-
koramen zuwider beanspruchten Rechte aufgezählt. Als zur ersteren
Gruppe gehörig werden genannt:
1) Das besondere Recht der Landvogtei oder der Protektion.
2) Die Ernennung des Oberlandvogts und 3) des Unterlaudvogts.
4) Die jährliche Entrichtung eines Schutzgeldes durch die Städte,
wovon jedoch Weissenburg, Landau und Türkheim befreit sind. 5)
Der Bezug der Hälfte des Umgeldes von Colmar durch den Landvogt.
6) Die Ausstellung von Reversen durch den Ober- und den Unter-
landvogt, vermittelst welcher dieselben eidlich versprechen, die Frei-
heit und die Privilegien der Städte zu beschützen. 7) Der Eid des
beschränkten Gehorsams, den die Städte dem Ober- und dem Unter-
landvogt leisten. An Stelle dieser Eide gibt Weissenburg ein blosses
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Versprechen ab; Landau ist von dem Eide für den Unterlandvogt
befreit. 8) Das auf besonderem Privileg beruhende Recht der Städte,
die zwischen dem Landvogte und einer von ihnen ausgebrochenen
Streitigkeiten durch gemeinsamen Schiedsspruch der übrigen zu
schlichten. 9) Die an den Unterlandvogt zu richtende Anzeige von
der jährlichen Ratserneuerung. Erscheint derselbe nicht, so wird die
Ratswahl doch an dem bestimmten Tage vorgenommen; ist er aber
zugegen, so hat er weder Stimme noch Einsprache. Von dieser An-
zeige sind Weissenburg und Landau befreit; Oberehnheim beruft den
Unterlandvogt nur auf den Tag, an dem die gesamte Bürgerschaft
dem Reiche Treue schwört.
Ausser diesen alten Rechten werden jetzt von Frankreich noch
folgende Forderungen gestellt:
1) Ein dem König unmittelbar zu leistender Eid der Treue.
2) Eine wesentliche Änderung der Reverse durch Einsclüebung der
höchst nachteiligen Klausel en tant. 3) Das Recht, über die kirch-
lichen Angelegenheiten zu entscheiden. 4) Die Verfügung über das
Kriegswesen, namentlich das Recht zu befestigen und Besatzung einzu-
legen. 5) Die zum Teil für das Metzer Parlament, zum Teil für den
Ensisheimer Provinzial Rat und zum Teil für die Hagenauer Landvogtei-
Kanimcr beanspruchte Konkurrenz in der Gerichtsbarkeit mit den
höchsten Reichsgerichten. 6) Freier Durchzug und Quartier für die
königlichen Truppen. 7) Die Gegenwart des Oberlandvogts bei der
jährlichen Ratswahl. 8) Die Ernennung des Stadtvogtes von Weissen-
burg und 9) des Reichsvogtes zu Kaysersberg, Münster und Türkheim.
10) Die Steigerung der Zölle und die Erhebung derselben von Holz
und Gegenständen, welche zum Acker- und Rebbau dienen, von Trauben,
Mist etc.
Am Schlüsse der Schrift bemerken noch die neun unterzeichneten
Städte, dass sie die aufgezählten Punkte allein auf sich bezogen haben
wollen, da ihnen die Verhältnisse zu Hagenau nicht bekannt seien.
Die nächste Sitzung des Schiedsgerichts fand ohne Berufung der
Parteien am 1. November statt. In Betreff' des ersten französischen
Postulats wurde beschlossen, Gravcl anzuzeigen, dass die Schiedsrichter
nur im äussersten Notfalle an das Reich berichten wollten, aber wegen
etwaiger „Emergentien u nicht im Allgemeinen darauf verzichten könnten.
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Das zweite Postulat lasse man einstweilen dahin gestellt. Da die Städte
den Eid wirklich geschworen, also Ren nicht mehr Integra sei, so be-
gehre das Schiedsgericht von ihnen eine Antwort auf Gravels Dekla-
ration, dass der Eid ihrer Reichsunmittelbarkcit nicht schaden soll.
In dem am 13. November den Schiedsrichtern übergebenen Me-
morial bestanden die vereinstädtischen Deputierten zwar auf der Auf-
hebung des Eides, da sie aber wussten, dass sie mit dieser Forderung
nicht durchdringen würden, wie sie wiederholt nach Colmar schrieben,
so legten sie zugleich die Rationen Umitandi juramenti dar. Der fran-
zösische Plenipotentiar hat öffentlich erklärt, - so führt das Memo-
rial aus — dass der von den Städten dem König geleistete Eid ihrer
Reichsunmittelbarkcit keinen Eintrag tun soll. Dasselbe haben die mit
der Abnahme des Eides im Jahre 1662 beauftragten Kommissare ver-
sprochen, indem sie hinzufügten, dass dieser Eid nicht zu wiederholen
sei, da der König von Frankreich und die Städte niemals stürben.
Hieraus ergibt sich deutlich, dass nur ein Juramentum dientelare vor-
liegt, nicht alier ein Juramentum mbjectionis et fidelitatis, wie ihn die
Städte allein dem Kaiser und dem Reiche schulden und jährlich leisten.
Trotzdem haben die königlichen Beamten in ihrem Auftreten im El-
sass der von Frankreich gegebenen Versicherung bisher wenig ent-
sprochen. In der Voraussicht der nachteiligen Folgen haben die Städte
auch stets gegen den abgenötigten Eid, der den Bestimmungen des west-
fälischen Friedensvertrags widerstreitet, energisch protestiert. Auf
Grund der Landvogtei nämlich, deren alte Rechte dem Könige über-
tragen wurden, haben die Städte immer nur zwei Eide geschworen,
den einen dem Oberlandvogt und den andern dem Unterlandvogt;
einen dritten aus diesem Verhältnis abgeleiteten Eid hat weder das
Reich, noch der Kaiser, noch Oesterreich je beansprucht. Da die ver-
einstädtischen Deputierten von ihren Prinzipalen die Anweisung er-
halten haben, mit allem Nachdruck die Aufhebung des erzwungenen
Eides zu fordern, so wollen sie sich hiermit ihres Auftrags entledigt
haben.
Ueber die Natur des geleisteten Eides waren übrigens die beiden
Colmarer Deputierten Philipp Schultz und Anton Schott verschiedener
Meinung. Ersterer hielt denselben pro juramento fidel itath quanwis non
formall, letzterer wollte ihn nicht als solchen gelten lassen, weder
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subjectiv, noch objcctiv. Subjectiv sei er es nicht, da die Städte einen
Eid der Treue weder ablegen wollten, noch konnten; objectiv sei er
es nicht, du sie nur schwuren, dem Könige cum frdelitate dasjenige zu
leisten, wozu sie auf Grund des Friedensvertrags verpflichtet seien,
die Fidelita» also einen blossen Modus bezeichnete, Objekt des Eides
aber die Erfüllung ihrer Verpflichtungen war.
Die Schiedsrichter kamen in den nächsten Wochen öfters zu-
sammen, ohne so bald über die Antwort auf Gravels Deklaration einig
zu werden. Die Mehrzahl hielt es für zweckmassig, den Eid zunächst
unerörtert zu lassen und die übrigen Gravamina tamquatu eflectus illius
juramenti zu untersuchen: Ein definitiver Heschluss wurde erst am
21). Januar 1008 gefasst und dann am 19. Februar den Parteien in
feierlicher Sitzung verkündigt, Mit dem ersten Vorschlage Frankreichs,
dass vor erzielter Uebcreinstimmung nicht an das Reich zu berichten
sei, erklärte sich das Schiedsgericht, im Gegensatz zu seiner früheren
Ansicht, jetzt einverstanden. In Betreff des zweiten Punktes wurde
folgender Spruch gefällt. Da die Städte nur geschworen haben, ihren
auf dem Friedensvertrage beruhenden Verpflichtungen nachzukommen,
die meisten Streitigkeiten mit den königlichen Beamten aber über die
Frage entstanden sind, welches diese Verpflichtungen seien, so lässt
man es bei der königlichen Deklaration über die Fortdauer der städ-
tischen Reichsunmittelbarkeit bewenden und erachtet es für unnötig,
sich weiter mit diesem Punkte aufzuhalten, um so mehr, als den
Städten deshalb wohl kein Schaden droht, und die königlichen Minister
den produzierten Akten nach versprochen haben, dass der Eid nicht
wiederholt werden solle. Das Schiedsgericht hofft, der königliche Plo.
nipotentiar werde nunmehr auch „zu den Traktaten schreiten." Dr.
Vering, den Gravcl mit seiner Vertretung beauftragt hatte, nahm den
Schiedsspruch ad referendum an.
Es verstrich nun beinahe ein Vierteljahr, ohne dass man sich
auf Seiten Frankreichs daraufhin vernehmen liess. Erst auf die dring-
enden Vorstellungen des Schiedsgerichts wurde endlich am 7. Mai 1668
der lange erwartete Bescheid veröffentlicht, und zwar zeigte er eine
wesentliche Aendcrung in dem bisherigen Verhalten Frankreichs. Der
König, erklärte Gravel, halte es für das Angemessenste, dass man die
Eidformel dem Friedensvertrag entsprechend gestalte, und würde sich
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mit dem bereits empfangenen Eide nicht begnügen, falls sich heraus-
stellen sollte, dass derselbe seiner (icrichtshoheit (xupremae jurisdictioni)
Eintrag täte. Die Zumutung, dass er nicht berechtigt sein soll, den
Eid wiederholen zu lassen, sei mit der ihm abgetretenen Souveränität
(superioritaa) unvereinbar. Er habe daher seinem Gesandten befohlen,
sich in keine andere Erörterung einzulassen, bevor dieser Punkt voll-
ständig erledigt sei.
Hier also erhob der König, wie es Schultz und Schott in ihren
Berichten an den Colmarer Magistrat betonten, zum ersten Male aus-
drücklich den Anspruch auf die Souveränität und die höchste Gerichts-
barkeit (Iber die Städte. Die elsässischen Deputierten verfassten also-
bald eine Entgegnung und ubergaben sie am 25. Mai den Schieds-
richtern. Sie gestehen darin, dass sie den Sinn der letzten Deklaration
Gravcls nicht recht begreifen. Dieselbe setzt nämlich voraus, die
Städte seien durch den Friedensvertrag zu einem Eide gegen den
König verpflichtet, während sie dies doch in ihrem Memorial vom
13. November 1667 widerlegt haben. Ferner gebraucht sie zum ersten
Male öffentlich die Ausdrücke Superioritas und auprema Jurutdictio,
welche sich nicht auf das Verhältnis zu Schutzbefohlenen, sondern zu
Untertanen beziehen. Diese Auffassung der Gegenpartei steht im Wider-
spruch sowohl mit den Bestimmungen des Friedensvertrags über die
Abtretung der Landvogtei als mit dem neulichen Versprechen, dass
der Eid der Reichsunmittelbarkeit der Städte keinen Eintrag tun soll.
Letztere kann nämlich nur dann fortdauern, wenn die Superiorita* und
die suprema JtinsdkUo dem Reiche unversehrt erhalten bleiben.
In einem vom 17. Juni datierten Schreiben wandten sich die
Vertreter der elsässischen Städte nochmals direkt an den Kaiser und
baten ihn, die Schiedsrichter und namentlich Kur-Mainz durch ein
Monitorium zu beschleunigter Tätigkeit aufzufordern. Obgleich schon
beinahe zehn Monate seit der Eröffnung des Schiedsgerichts verflossen
seien, so sei von den zehn Streitpunkten noch nicht einmal der erste,
die Eidfrage, erledigt. Wörden aber die Streitigkeiten vor dem bevor-
stehenden Schlüsse des Reichstags nicht beigelegt, so müssten die
Städte „endlich zu ihrem und des heiligen Reichs augenscheinlichen
Nachteil und Schaden erliegen." Sie baten ferner den Kaiser, ent-
weder durch seinen Residenten am französischen Hofe oder durch den
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französischen Residenten an seinem Hofe die Angelegenheit befördern
zu lassen.
Das Schiedsgericht nahm seine Verhandlungen am 30. Juni 1608
endlich wieder auf. Es bcschloss, Gravel zu einer mündlichen
Konferenz zu entbieten und folgende Proposition an ihn zu richten.
Man halte es zwar für das Beste, den Eid einstweilen auf sich beruhen
zu lassen und zunächst Materien, auf die er sich bezieht, zu
untersuchen. Sollte aber der König darauf bestehen, dass jener Punkt
zuerst vorgenommen werde, so würde man gern vernehmen, „worauf
sowohl ratione formen als auch sonsten königlichen französischen
Teils das Absehen gerichtet seie". Die geplante Konferenz fand auch
wirklich am 4. Juli statt, doch erschien Gravel nicht persönlich,
sondern Hess sich durch Dr. Vering vertreten. Letzterer erklärte,
der König habe allerdings ursprünglich gewünscht, dass der von den
Städten geschworene Eid als einein schuldiger Weise erfolgte Leistung
nicht wieder in Frage gestellt werden sollte. Da aber die Städte die
Gültigkeit dieses Eides anfechten, so kann es der König nicht mehr
dabei bewenden lassen, sondern er erwartet von der Billigkeit der
Schiedsrichter, dass sie diesen Punkt genügend aufklären, bevor sie
zur Besprechung der Materien übergehen, auf welche sich der Eid
bezieht. Mit dem souveränen Besitz der Landvogtei hat der König
von dem Kaiser und dem Reich auch das Recht erworben, von den
einzelnen Gliedern der Landvogtei das Homagium zu fordern. Weil
indessen die Städte in ihren Schriften die Gewalt des Königs allein
auf die kleinen Dörfer beschränken und ihm über sich kein reales
Recht, sondern ein blosses Schutzrecht zugestehen wollen, so sieht sich
Seine Majestät um so mehr veranlasst, den Eid in eine der Abtretung
entsprechende Form bringen zu lassen, um dadurch eine Gewähr für
die Treue der Bürgerschaften zu erhalten.
Auf diese Erklärung Dr. Verings hin beschloss das Schiedsgericht
am II. Juli, es solle das Kur-Mainzischc Direktorium mit Gravel
reden und dessen endliche Meinung vernehmen. Seinem Berichte
hierüber an den Colmarer Rat fügte der Abgeordnete Schott die
Bemerkung bei: „Ich vermeinte, man sehe allbereit genugsam, was
Gravels Intention sei, wann man nur auch einmal ex parte arbitru
sagte, was dessen Meinung ist. Es ist eben ein verschüttet Wesen,
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so in ipsht tradatibus pacificationte übersehen worden, deswegen es
jetzt übel zurecht zu bringen, dass den Städten dadurch nicht ein
Pnejudiz zuwachse".
Einige Tage darauf unterbreitete (Jravel den Schiedsrichtern
eine neue, in lateinischer Sprache abgefasste Eidformel, welche
an die Stelle der alten treten sollte. Die Städte sollten schwören,
dem Allerchristlichsten Könige treu und gehorsam zu sein in allem,
wozu sie auf Grund der Seiner Majestät im Friedensvertrag mit
voller Souveränität (cum omni supremo dominii jure) abgetretenen
Landvogtei verpflichtet seien, den Herzog von Mazarin als Landvogt
anzuerkennen und demselben den gebührenden Gehorsam zu leisten.
Als Antwort auf die letzten französischen Forderungen übergaben
die elsässischcn Deputierten am 12. August dem Schiedsgerichte
wiederum eine Denkschrift. In Betreff des den Städten abgenötigten
Eides verweisen sie auf ihre früheren Memorialien und bemerken,
dass sie bisher aus Rücksicht auf den König und seine Minister den
Vorgang zu Hagenau möglichst schonend dargestellt haben. Sollte
man sie aber dazu zwingen, so würden sie den gegen die Städie
ausgeübten Zwang genauer schildern. In Frankreich, so fahren sie
fort, schwören die königlichen Untertanen nur eine Art von Eid,
nämlich den der Treue. Wenn man nun den gleichen Eid auch von
den elsässischcn Städten fordert, so zeigt dies, dass man dieselben
den königlichen Untertanen gleichsetzt. Ob aber die Eigenschaft
eines reichsunmittelbaren Standes, welche den Städten durch den
Paragraphen Teneatur zweifellos zugesichert ist, mit derjenigen eines
französischen Untertanen in demselben Subjekt vereinbar ist, möge
jeder Vernünftige selbst beurteilen.
Aus dem Paragraphen Teneatur ergibt sich auch, dass das dem
König abgetretene Dominium xupremum über die Landvogtei keines-
wegs die Souveränität über die Reichsstädte seihst bedeutet, sondern
dass mit diesem Ausdruck nur die Unabhängigkeit und ewige Dauer des
zugesprochenen Besitzes gemeint sein kann. Zu verwerfen ist namentlich
Verings ungewöhnliciieliezeichnungdcrStädtealsGlieder der Landvogtei,
da diese Bezeichnung zu Missverständnissen Anlass gibt, indem sie die
Städte auf die gleiche Stufe setzt mit den der Landvogtei direkt
unterworfenen Dörfern. Das Verhältnis der Städte zur Landvogtei
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ist lediglich dasjenige von Klienten zu ihrem Protektor, welches nach
dem übereinstimmenden Urteile der Rechtsgelehrten zu keinem Eide
verpflichtet. Der Umstand, dass dem Prolektor nebenbei in der einen
oder anderen Stadt noch einige Jura realia zustehen, ändert nichts
an dieser Sachlage.
Die Schrift schliesst mit der Bitte um Aufhebung des Ilagenauer
Eides und um Wiederherstellung der alten Form des dem Landvogte
geschuldeten Eides.
Als mehrere Wochen verstrichen, ohne dass die Verhandlungen
in der clsässischen Angelegenheit fortschritten , beklagten sich die
vereinstädtischen Deputierten in einem Schreiben vom 30. September
1668 abermals bei den Schiedsrichtern, dass seit der Übergabe ihres
letzten Memorials sechs Wochen, seit dem Zusammentreten des
Schiedsgerichts aber bereits ein Jahr verflossen sei, ohne dass noch
ein einziger Streitpunkt entschieden worden. Da nun beide Parteien
in ihren Memorialien ihre Ansichten so ausführlich dargelegt hätten,
dass nichts Neues mehr gesagt werden könne, auch der französische
Gesandte, falls er auf die letzte Schrift der Städte etwas hätte
erwidern wollen, genug Zeit dazu gehabt hätte, so mögen die Schieds-
richter Gravel auffordern, etwaige Bemerkungen baldigst noch
vorzubringen, und sodann einen Schiedsspruch in Betreff des Eides
fällen.
Einige Tage darauf kam die Sache der elsässischen Städte im
Reichstage selbst wieder zur Sprache. Es wurde nämlich am 7. Oktober
über den Schluss des Reichstags beraten und in einem Reichsgutaehten
eine Frist von drei oder vier Monaten für die Erledigung aller Materien
festgesetzt. Der Städterat verlangte dabei, „dass den zwischen den
königlichen französischen Ministris und den zehn Reichs- Vereinstädten
im Elsass nunmehr über Jahr und Tag sab arbitrio bestehenden
Differentien förderlichst und zwar noch vor Erledigung dieses Reichs-
tags ihre Erörterung gegeben und solches dem Reichs-Concluso inseriert
werde". Die beiden höheren Kollegien weigerten sich aber diese
Klausel in das Reichsgutachten aufzunehmen, da es sonst das Ansehen
gewinnen würde, als ob man die Schiedsrichter verklagen wollte,
und auch die Gegenpartei, welche sich doch nicht an die Beschlüsse
des Reichstags binden lasse, dadurch nur irritiert würde. Auf ihren
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Vorschlag wurde indessen beschlossen, dass im Namen des ganzen
Reiches das Direktorium dem französischen Plenipotentiar den Wunsch
des Städterates mitteilen und ihn zugleich um Beschleunigung der
Verhandlungen ersuchen sollte.
Dem Kur-Mainzischen Gesandten Hettinger, der anfangs wenig
Eifer in dieser Sache zeigte, verehrten die elsässischen Deputierten
eine Summe von 100 Talern in der Erwartung, dnss es besser gehen
werde, „wanns geschmiert ist". Hettinger entledigte sich denn auch
seines Auftrags am 18. Oktober. Gravel nahm den kürzlich erfolgten
Tod des von Kur-Köln delegierten Schiedsrichters von Altenhofen
zum Vorwande zu einer neuen Verzögerung und erklärte, er werde
seine Antwort auf die Schrift der Gegenpartei erst dann vorbringen,
wann Kur-Köln wieder im Schiedsgerichte vertreten sei.
Im Elsass war damals zwischen den französischen Behörden und
der Stadt Colmar ein neuer Jurisdiktionsstreit ausgebrochen, der so
ernster Natur war, dass die vercinstädtischen Deputierten einen aus-
führlichen Bericht darüber dem Schiedsgerichte am 4. November
übergaben. Sie schildern darin, wie neulich neben einem Bürger von
Colmar sogar der ganze Magistrat und Rat mit Wissen und Willen
der königlichen Minister vor das Gericht des Freiherrn von Schwendi,
des Inhabers der französischen Lehensherrschaft Hohlandsberg, zitiert
wurden, weil der Magistrat einen Hohlandsbergischen Untertan wegen
der im Colmarer Gebiete gegen die Stadt ausgestossenen Schmähworte
zu einer Geldstrafe von 15 Pfund verurteilt hatte, und weil ein über
das Gebahren des Schmähers aufgebrachter Bürger demselben einige
Faustschläge versetzt hatte. Als darauf der Magistrat die an ihn
und seinen Bürger ergangene Vorladung mit Protest zurückwies, hielt
der Hohlandsbergische Amtmann nichtsdestoweniger eine Gerichts-
sitzung ab, hob den Colmarer Spruch auf, verurteilte den Magistrat
zur Bezahlung der Kosten und den Bürger zu hundert Pfund Geldstrafe,
liess des letzteren Trauben im Herrschaftsgebiete einsammeln und
drohte ihm mit dem Verkauf seiner Reben für den Fall der Zahlungs-
weigerung. Der Colmarer Magistrat beschwerte sich wiederholt bei
den französischen Behörden im Elsass über dies unerhörte Attentat
auf seine Rechte, doch wurde ihm zur Antwort, dass er der Zitation
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gehorchen solle, und dass er in Zukunft keinen königlichen Untertan,
der sich auf dem Stadtgebiete vergangen habe, bestrafen dürfe.
Um diese Zeit ereignete es sich auch, dass zwei Angehörige
der Herrschaft Hohlandsberg einen Untertan des Bischofs von Stras-
burg- auf dem Colmarcr Gebiete überfielen und fast zu Tode schlugen.
Als der Misshandelte seine Angreifer zu Colmar verklagte, wurde
dem Colmarcr Magistrate von den königlichen Beamten unter An-
drohung von Repressalien verboten, die Täter vor das städtische
Gericht zu laden.
Nun ist es aber nicht nur ein völkerrechtlicher Brauch, dass
ein Delinquent an dem Orte gerichtet wird, wo er sein Vergehen
begangen hat und ergriffen worden ist, sondern es besteht noch seit
Jahrhunderten zwischen Colmar und der Herrschaft Hohlandsberg
sowie anderen Nachbarn ein bis jetzt stets gehaltener Vertrag,
wonach ein Untertan des einen Teils, der in dem Gebiet des anderen
gefrevelt hat, dem letzteren ausgeliefert werden soll. Dass das
Hohlandsbergische Gericht keinerlei Kompetenz über die Reichsstädte
besitzt, braucht nicht weiter erörtert zu werden, da in den früheren
Mcmorialien zur Genüge bewiesen worden ist, dass selbst der Land-
vogteikammer zu Hagenau und dem Provinzialrat zu Ensisheim keine
solche zukommt. Es ist um so weniger denkbar, dass der König von
Frankreich diese Vorgänge billigt, als er in seinem Schreiben an die
Reichsstände vom 18. September 1665 erklärt hat, seine Beamten im
Elsass hätten Befehl erhalten, während der Dauer des Schiedsgerichts
sich aller Eingriffe in die Rechte des Reichs und der Städte zu
enthalten.
Am Schlüsse der Schrift werden die Schiedsrichter dringend
gebeten, dem Könige die neuen Beschwerden Colmars mitzuteilen
und selbst die ihnen unterbreiteten Streitfragen baldigst zu entscheiden.
Gravcl veröffentlichte endlich am 7. November die schon lange
von ihm begehrte Erklärung, nachdem der Kurfürst von Köln seine
Stimme im Schiedsgerichte dem Kur-Mainzischen Gesandten Hettinger
übertragen hatte. Er suchte noch einmal in ausführlicher Weise und
unter Beiziehung archivalischer Belege zu beweisen, dass die an Frank-
reich übergegangenen Landvogteirechte die Städte zu einem Eide der be-
schränkten Untertänigkeit verpflichteten (homagium UmUate mbjedivum),
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und betonte, dass sein Herr diesen Eid nicht als Rechtsnachfolger
Österreichs, sondern des Kaisers und des Reichs beanspruche. Für
seine Behauptung, die französische Krone sei in jeder Hinsicht an die
Stelle des Kaisers gegenüber der Landvogtei getreten, bringt er unter
anderen Argumenten namentlich folgende vor: Der König ernennt den
Landvogt, was früher nur der Kaiser konnte; er beruft die Städte zur
Präsentation des Landvogts durch Mandate, welche von alters her
den bezeichnenden Namen Gehorsamsbriofe führen ; vor allem aber
bezieht er die Reichssteuer, die früher nur der Kaiser vermöge seiner
Souveränen Gewalt erheben konnte. Dass aber der Kaiser den Städten
auf Grund der Landvogtei wirklich einen Huldigungseid abforderte,
geht aus mehreren Schreiben hervor, worin er ihnen befiehlt, diesen
Eid dem Landvogt an seiner Statt zu schwören.
Während der weiteren Verhandlungen des Reichstages, welche
sich damals um die Organisation der Landesverteidigung drehten,
zogen die vereinstädtischen Deputierten die elsässische Angelegenheit
abermals in die Erörterung, und sie setzten es jetzt auch gegen einige
kurfürstliche Stimmen durch, dass in einem Reichsgutachten vom 13.
November das neuliche Vorgehen der französischen Beamten gerügt,
und der Wunsch ausgesprochen wurde, dass das Schiedsgericht vor
dem Ausgang des Reichstags die ihm unterbreiteten Streitigkeiten end-
gültig schlichten möge. Auch der Kaiser liess durch den Grafen von
Weissenwoltf, der seit dem Tode des Erzbischofs von Salzburg das
Amt des kaiserlichen Kommissars interimistisch versah, den Schieds-
richtern eine ernstliche Ermahnung zugehen, und ausserdem ersuchte
er die Reichsstände in einem besonderen Reskript, „dass sie umb des
Reichs dabei versierenden Interesse willen sich dieses Werks mit allem
Ernst und Eifer annehmen und bei dem französischen Plenipotentiario
Gravel auf alle Weiss und Weg daran sein wollten, indem Wir ihnen,
den Ständen, diesfalls das Arbitrium auf sein des Gravels Begehren
eingeraurabt, dass er denselben auch seines Orts gebührende Folg
leisten wollte, damit diese Differenzen . . . noch vor Endigung des
Reichstags ohnfehlbar erörtert werden möchten."
Zur Abfassung der Antwort auf Gravels letzte Erklärung brauchten
die vereinstädtischen Deputierten diesmal längere Zeit, da jener sich
auf einige Dokumente gestützt hatte, von denen sie sich erst Ab-
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Schriften aus dem Elsass beschaffen mussten. So konnten sie ihre
schriftliche Antwort erst am M.Dezember denSchiedsrichtern einhändigen.
Sie setzen in derselben noch einmal auseinander, dass das von
dem Kaiser und dem Reich dem Könige von Frankreich übcrlassene
Dominium supremum in praefecturam den Inhalt der vom Hause Öster-
reich ihm abgetretenen Landvogtei nicht erweitere, sondern, wie schon
mehrmals gezeigt, nur eine Veränderung des Besitztitels bedeute. Es
sei ja im Paragraphen Teneatur des Friedensvertrags deutlich gesagt,
dass der König sich mit den Rechten des Hauses Österreich begnügen
und darüber hinaus keine Oberhoheit über die Reichsstädte verlangen
solle. Nach dieser allgemeinen Bemerkung weisen sie Punkt für Punkt
die Argumente Gravels zurück und bestreiten unter anderm, dass das
Recht des Königs, den Landvogt zu ernennen, oder die sogenannten
Gehorsamsbriefe ihrem Inhalte nach irgend einen Anspruch auf den
Huldigungseid begründen. Was die Ableitung der Souveränität des
Königs über die Städte aus dem Empfang der früher nur dem Kaiser
direkt geschuldeten Reichssteuer betrifft, so entgegnen sie, dass diese
Reichssteuer nie zur Landvogtei gehört hat und deshalb auch über-
haupt nicht an Frankreich abgetreten worden ist. Daran ändert der
Umstand nichts, dass Colmar im Jahre 1653 durch einen Gewaltakt,
durch die Wegnahme der Stadtherde, zur Bezahlung der Reichssteuer
an den Landvogt gezwungen wurde. Übrigens haben auch schon
Privatpersonen die städtischen Reichssteuern von den Kaisern über-
wiesen erhalten, ohne damit die geringste Oberhoheit zu bekommen.
Ebensowenig bedeutet das angebliehe Vorhandensein von einigen
Schreiben, in denen die Landvögte mit der Entgegennahme der
Huldigung für den Kaiser betraut werden. In diesem Falle handelten
eben die Landvögte nicht kraft ihrer Amtsgewalt, sondern eines be-
sonderen Auftrags. Dieser Eid hatte jedenfalls mit dem durch so viele
Klauseln eingeschränkten Landvogteieide nichts zu tun, sondern war
der von den Städten als unmittelbaren Reichsständen dem Reichs-
oberhaupt auch jetzt noch geschuldete Huldigungseid. Die Behaup-
tung Gravels, die Städte täten dadurch, dass sie dem Könige huldigten,
ihrer Reichsunmittelbarkeit keinen Eintrag, lässt sich nicht aufrecht
erhalten. Es ist offenbar, dass man nicht zu gleicher Zeit Reichsstand
und Untertan eines fremden Fürsten sein kann.
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Um eine Beschleunigung der schiedsrichterlichen Tätigkeit zu
erzielen, wandten sich die elsässischen Städte nochmals direkt an den
Kurfürsten von Mainz und entsandten den Deputierten Anton Schott
zu ihm nach Würzburg. Auch Österreich hatte unter der Hand zu
diesem Schritte geraten. Schott wurde am 20. Dezember vom Kur-
fürsten empfangen und bat denselben, das Schiedsgericht zu baldiger
Beschlussfassung zu veranlassen und bei der Krone Frankreich dahin
zu wirken, dass die Sache nicht länger aufgehalten und gar so schwer
gemacht würde. Der Kurfürst erwiderte, dass er bereits seiner Ge-
sandtschaft befohlen habe, „das Werk nach aller Möglichkeit zu be-
fördern, alle Weitläufigkeit abzuschneiden und die Sache also zu er-
örtern, dass es vor Gott, der kaiserlichen Majestät und dem römischen
Reiche zu verantworten wäre." Was seine Vermittelung beim franzö-
sischen Hofe betreffe, so wolle er gern alles tun, was möglich sei.
Er Hess sich das letzte vereinstädtische Memorial geben und erkundigte
sich ausführlieh nach den Vorgängen im Elsass. Am folgenden Tage
wiederholte er Schott gegenüber, den er beide Tage zur Tafel zog, seine
vorigen Erklärungen und versprach, zur Beförderung der Angelegen-
> heit eine erneute Instruktion an seine Deputierten ergehen zu lassen.
Man solle aber auch Schweden und Hessen-Kassel antreiben.
Als Schott, der bisherige Spezialgesandte der Stadt Colmar, am
Schlüsse des Jahres 1668 nach Regensburg zurückkehrte, erwartete
ihn die Aufgabe, an Stelle des Philipp Schultz die Vertretung des
elsässischen Städtebundes zu übernehmen. Schon lange Zeit hatten
Misshelligkeiten zwischen dem Magistrate zu Colmar und dem zu
Regensburg weilenden Stättmeister Schultz bestanden, und zwar hatten
sie ihren Grund darin, dass letzterer das Vorgehen der Stadt gegen
Daniel Schneider entschieden tadelte. Auch das Verhältnis zwischen
Schultz und Schneiders Nachfolger Schott gestaltete sich nicht derart,
wie es im Interesse ihrer gemeinsamen Arbeit gelegen hätte. So kam
es, dass der durch langjährigo Erfahrung mit der elsässischen Frage
gründlich vertraute Diplomat den Dienst der vereinstädtischen Sache
aufgab und das vom Herzog von Württemberg ihm angebotene Amt
eines geheimeu Regimentsrats und Vize-Kanzlers annahm. Beim Reichs-
tage hatte er seit längerer Zeit nicht nur die Stimmen der neun ver-
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bündeten Städte, sondern auch diejenigen von Strassburg, Frankfurt
und Worms geführt.
Nach dem Rücktritt des Deputierten Schultz fiel die ganze Last
der Geschäfte auf Anton Schott, da der zweite vereinstädtischc Ab-
geordnete, der Schlettstadter Stättmeister Heinrichs, wenig leistete.
Schott hatte nicht nur an den Verhandlungen des Reichstags und des
Schiedsgerichts teilzunehmen, sondern auch noch für die Stadt Colmar
in dem am Reichshofrat schwebenden Prozess gegen Daniel Schneider
mitzuwirken. Der Colmarer Magistrat übertrug ihm nun auch den
Titel und das Gehalt eines zweiten Syndikus. Seine Auftraggeber ge-
statteten ihm, auf ihre Kosten Frau und Kinder bei sic h zu halten,
wie dies auch Schultz getan hatte. Als Jurist und Diplomat war
Schott ebenso tüchtig wie sein Vorgänger, und ausserdem nahm er
noch als geborener Colmarer an dem Schicksale seines Heimatlandes
einen stärkeren persönlichen Anteil als jener, der nicht aus dem Elsass
stammte, sondern im Jahre HJ57 von Worms nach Colmar berufen
worden war. Er fühlte sich, wie er oft beteuert, nicht nur vor seinen
Zeitgenossen, sondern auch vor der lieben Posterität für seine Tätig-
keit verantwortlich. In seiner Auffassung der Landvogteifrage stimmte
er nicht immer mit Schultz überein. So betonte er in dem letzten
vereinstädtischen Memorial, welches bereits sein eigenes Werk war,
dass die Reichssteuer von der Landvogtei unabhängig sei, und machte
später seinem Vorgänger den Vorwurf, dass er diese Steuer unter den
von den Städten dem Könige zugestandenen Landvogteirechten aufge-
zählt und noch dazu als Schutzgeld bezeichnet habe. Am kaiserlichen
Hofe erfreute sich Schott einer grossen Beliebtheit. Schon früher war
er, wie wir gesehen haben, vom Kaiser ausgezeichnet worden, und
jetzt erhielt er noch ohne seine Veranlassung die Würde eines Comes
palatinm verliehen, und zwar wurde ihm die etliche hundert Gulden
betragende Taxe für das Diplom von dem Kaiser und dem Erzkanzler
aus besonderer Gunst erlassen.
In dem Landvogteistreite versuchten es die Schiedsrichter nun-
mehr, durch mündliche Konferenzen mit den Parteien eine Verständig-
ung herbeizuführen. In einer am 19. Februar 11569 mit Gravel abge-
haltenen Konferenz erklärten sie, dass die von Seiten Frankreichs ein-
gereichten Informationen keineswegs den Beweis erbracht hätten, dass
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die Städte ira Verhältnis der Untertänigkeit zum Könige stünden, wie
es die königlichen Beamten im Elsass zu glauben schienen. Letztere
Auffassung widerspreche dem Friedensvertrage, der den Städten ihre
Reichsunmittelbarkeit vorbehalte. Das Schiedsgericht hoffe deshalb,
der König in Frankreich werde keinerlei Subjektion aus dem ihm
geleisteten Eid ableiten. Gravel erwiderte, die den Städten im Friedens-
vertrage vorbehaltene Reichsunmittelbarkeit solle allerdings nicht an-
getastet werden, doch werde der König von dem ihm übertragenen
Dominium mpremum über die Landvogtei nicht das Geringste preis-
geben und nicht zulassen, dass die Rechte der Städte auf Kosten der
seinigen erweitert würden. Die gesamte Jurisdiktion und die Superiori-
tät, welche hohen Rechte von dem Reiche an Frankreich abgetreten
worden seien, wären ohne die entsprechende Subjektion völlig nichtig.
Die Schiedsrichter hätten sich durch die Scheingründe der Städte über-
reden lassen, ohne die Argumente des anderen Teiles zu beachten.
So dürfe nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass der Friedens-
vertrag einen Widerspruch enthalte. Auch sei nicht ersichtlich, warum
der städtische Eid keine Subjektion bedeuten könne, wenn es sich
► herausstellen sollte, dass sich eine solche mit Folgerichtigkeit aus dem
Dominium supremum ergebe.
Da es Gravel im Grunde nur darauf ankam, eine baldige Ent-
scheidung zu verhindern und die Sache möglichst lange hinzuschleppen,
so behielt er sich das Recht vor, in schwierigen Fragen den König
um Instruktion anzugehen. In den nächsten Monaten entzog er sich
denn auch durch mancherlei Ausflüchte allen weiteren Verhandlungen
mit den Schiedsrichtern und vertröstete sie schliesslich auf die An-
kunft des vom Hofe begehrten Bescheides.
Bei all diesen Erörterungen zeigte sich immer wieder, dass
über den Widerspruch, der zwischen der Reichsunmittelbarkeit der
Städte und der Souveränität des Königs über die Landvogtei bestand,
nicht hinwegzukommen war, namentlich wenn beide Teile jeden
Kompromiss zurückwiesen, wie dies tatsächlich der Fall war. Als die
Schiedsrichter am 23. März 1669 den Deputierten Schott zu ihren
Beratungen zuzogen und über die Meinung seiner Auftraggeber wegen
des Eides befrugen, erwiderte er, dass die Städte nicht von der Eid-
formel abweichen könnten, welche früher dem Hause Oesterreich und
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noch im Jahre 1653 dem Prinzen d'IIarcourt gegenüber gebraucht
wurde. Durch Leistung eines auf den König gerichteten Huldigungs-
eides würden sie ihre Reichsunmittelbarkeit über Bord werfen.
Wahrend so die Verhandlungen Uber die Landvogteifrage wieder
ins Stocken geraten waren, gelangten neue Beschwerden über die fran-
zösischen Beamten im Elsass nach Regensburg. Zwischen dein Land-
vogt zu Hagenau und dem Magistrate von Weisscnburg war ein Kon-
flikt ausgebrochen, weil letzterer einen vom Stadtgerichte verurteilten
Bürger an der Appellation an die Landvogteikammer verhinderte, in-
dem er die Kompetenz dieser Kammer mit Recht bestritt. Die verein-
städtische Deputation beklagte sich im Februar 1069 beim Schieds-
gericht über die Eingriffe der Landvogtei in die Gerichtsbarkeit des
Rates von Weissenburg sowie über die Umtriebe des vom Landvogte der
Stadt aufgedrungenen Stadtvogtes. Als Weissenburg nichtsdestoweniger
mit Gewalt bedroht wurde, brachten die Deputierten die Angelegen-
heit nochmals in einem Memorial vom 10. Mai beim Schiedsge-
richt vor.
Auch Colmar hatte wieder neue Drangsale auszustehen. Unter
dem Vorwande, dass eine ansteckende Seuche dort herrsche, hatte
der Intendant Colbert seit dem Ende des Jahres 1668 die Stadt durch
bewaffnete Grenzwachen vollständig absperren lassen, so dass jeder
Verkehr gehemmt war, und nicht einmal die notwendigsten Lebens-
mittel mehr herbeigeschafft werden konnten. Vergebens bezeugten
die Aerzte und Chirurgen der Stadt in einem eidlich bekräftigten
Attest, dass keinerlei Seuche vorhanden sei. Schott, der den Auftrag
erhielt, die Aufhebung der „Blokade" zu erwirken, wusste sich keinen
Rat, „denn klagt man bei dem Reich oder ferners bei dem Arbitrio,
so wird man nur ärger und lässt uns also über einander krepieren ;
schweigt man dann still, so ist es wieder also*'. Er versuchte es, die
Sache vor den Reichstag zu bringen, doch riet der Kur Mainzische
Direktor von einer direkten Klage beim Reiche ab. Nunmehr baten
die Colmarer den Kaiser um seine Vermittlung bei Ludwig XIV. und
ersuchten den Kurfürsten von Mainz, sich beim Intendanten Colbert,
der damals in Worms weilte, für sie zu verwenden. Auch Gravel
wurde veranlasst, seinen Einfluss bei Colbert geltend zu machen.
Durch alle diese Schritte erreichte es Colmar endlich im Mai 1669,
dass ihm „der freie Pass wieder verstattet wurde."
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— 149 -
Von Hagenau lief gleichfalls in diesem Jahre 1669 eine Be-
schwerde gegen die französischen Behörden nach der anderen in
Regensburg ein. Bald zwang man dem Rat einen Stilttmeister auf;
bald mussten die Strafurteile statt im Namen des Kaisers in dem-
jenigen des französischen Königs vollzogen werden ; bald sah sich die
Gemeinde im Besitze ihres Forstes bedroht, indem ihr der Nachweis
ihres uralten Eigentum» auferlegt wurde.
Die Aufforderungen von Seiten der Schiedsrichter zur Wieder-
aufnahme der Verhandlungen konnte Gravel auf die Dauer doch nicht
unberücksichtigt lassen, und so übergab er denselben endlich am 2.
August die schon längst erwartete Antwort auf ihre letzten Erklärungen.
Er wiederholte darin seine alten Argumente und betonte noch einmal
den Uebergang der Rechte des Kaisers und des Reichs an die Krone
Frankreich, wobei er sich besonders auf die Klausel ita tarnen berief.
Die Städte hielten es für unnötig, eine schriftliche Erwiderung einzu-
reichen, da sie Gravel dadurch nur die erwünschte Gelegenheit ver-
schafft hätten, die Sache wiederum auf die lange Bank zu schieben.
In einer Sitzung des Schiedsgerichts vom 10. September erklärte denn
auch der Deputierte Schott, in Gravels Schrift seien zwar einige
Punkte enthalten, die einer Berichtigung bedürften, da aber das letzte
vereinstädtische Memorial schon genug Argumente hierzu böte, so
trügen die Städte Bedenken, „sich mit weiterer Schriftwechsluug auf-
zuhalten und sich mit einem so mächtigen König gleichsam in einen
Procesaum Hbellarium einzulassen, zumalen da sie nichts begehrten, als
dass man sie bei dem klaren Buchstaben des Inxtrumenti pacis erhalten,
und dessen wirklichen Genuss ihnen zukommen lassen sollte." Er
erinnerte daun noch daran, dass Frankreich sich mit den erlangten
Zugeständnissen nie begnüge. Der Vergleich mit dem Grafen von
Harcourt vom Jahre 1653 sei vom Herzog von Mazarin im Jahre 1661
umgestossen worden; nunmehr wolle man sich auch nicht mehr mit
dem zufrieden geben, was Mazarin damals von den Städten erzwungen,
und vermutlich würden neue Zugeständnisse nach einigen Jahren
wieder neue Ansprüche hervorrufen.
Dem französischen Gesandten wurde der Entschluss der Städte,
„ad acta prior a zu submittieren", von dem Schiedsgericht angezeigt,
worauf er erklärte, dass er es auch dabei bewenden lasse.
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- 150 —
Die Schiedsrichter berieten nun in den folgenden Wochen über
eine für beide Parteien annehmbare Lösung der Streitfrage und er-
kundigten sich dabei wiederholt unter der Hand nach der Meinung
der elsassischen Deputierten. Schliesslich stellten sie eine Eidformel
auf und erläuterten dieselbe in einer vorausgeschickten Deklaration.
Beides wurde am 24. November 1669 dem königlichen Plenipotentiar
und am 4. Dezember den Städten schriftlich eröffnet. Die Eidformel
hat folgenden Wortlaut:
„Wir deß Heil. Köm. Reichs ohnmittelbahrer Freyer Stadt N. N.
zu diesem Actu absonderliche Deputirte und Gevollmächtigte schwören
der AUerchristlichsten Königl. Mayt. in Franckreich und Navarra & c.
im Nahmen vorgedachter Städte dasjenige , worzu dieselbe wegen
der in Krafft deß Münsterischen Friedenschlusses von Ihrer Kayserl.
Mayt., dem Röm. Reich und Ertz Hauß Oesterreich cum omni mpremo
dominii jure abgetrettener Landvogtey Hagenau gehalten seind, ge-
• treulich und gehorsamlich zu leisten und darwider nichts zu thun,
wie auch höchsternandter Ihrer Königl. Mayt. darzu jederzeit ordent-
lich praesentirten Gevollmächtigten die vermög obberührten Frieden-
schlusses schuldige Rechte guter zimlicher Dingen zu entrichten."
In der beigefügten Erklärung heisst es, der Eid für den König
hatte ohne Beeinträchtigung der königlichen Rechte unterbleiben
können. Da aber Seine Majestät diesen Eid wünsche, und „es mit
besagter Landvogtey durch mehrberührten Friedenschluss in andern
Stand gerathen", so halte es das Schiedsgericht für das Beste, dass
der Eid in der vorgeschlagenen Form und in deutscher Sprache von
den Deputierten derjenigen Städte, bei welchen es üblich, geschworen
werde und zwar immer nur bei dem Regierungsantritt eines jeden
Königs. Hierfür möge Seine Majestät eine schriftliche Assekuration
erteilen, dass dieser Eid den Städten an ihrer Reichsunmittelbarkeit
nicht schaden soll. Dagegen sollen die Eide für den Landvogt und
den Unterlandvogt als nunmehr überflüssig aufgehoben werden.
^Jedoch aber, weilen von denen jenigen Juribux, worauff die vorge-
schlagene Formula juramenti in genere sich beziehet, annoch specialiter
zu reden ist, ergiebet sich von Selbsten, dass ehe und bevorn erstbe-
sagte Jura determinirt, mehr angeregte Formula allerseits unver-
fänglich seyn solle."
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— —
Die vereinstädtisehen Deputierten hatten sieh gegen diese Auf-
hebung der Landvogtei, wie sie tatsächlich vom Schiedsgerichte vor-
geschlagen wurde, sowie gegen die Beibehaltung der Worte „gehor-
samlich" und „cum omni supremo dominii jure u in der Eidformel mit
Entschiedenheit gewehrt, doch wurde ihnen geantwortet, sie würfen
die Kerne weg und behielten die Schalen zurück. Die Landvogtei
werde nicht erst jetzt aufgehoben, sondern habe schon bei der Ab-
tretung an Frankreich eine wesentliche Veränderung erfahren. Was
früher eine Landvogtei gewesen, sei jetzt ein Dorna ine de France; und
kein Mensch könne den König von Frankreich daran hindern, die
Landvögte ganz zu beseitigen und ihre Befugnisse einem beliebigen
Parlamente zu übertragen. Man begreife nicht, „warum die Städte
die Landvögte so ernstlich verlangen, indem sie sich damit nur mehr
Flagella aufladen." Durch die Erwähnung des Dominium supremum in der
Eidformel solle eben hervorgehoben werden, dass dasselbe sich allein
auf die Landvogtei und nicht auf die Städte selbst beziehe.
Als nach dem Empfang der schiedsrichterlichen Erklärung
die elsässischen Städte ihre Deputierten nochmals beauftragten,
unter der Hand dagegen zu protestieren, dass dem alten Herkommen
zuwider das Institut der Landvögto und somit die denselben geleisteten
Eide und von ihnen ausgestellten Reverse aufgehoben würden, er-
widerte man auf Seiten der Schiedsrichter, „wenn die Städte je lieber
zwei als ein Jurament schwören wollten, sollten sio sich doch nur
gedulden, bis Mr. Gravel sich erkläre; dann wohl zu erachten, dass er
mit dieser Deklaration sich nicht werde begnügen lassen, da dann
dio Städte gar wohl werden zu ihrer Intention kommen können, weil
man eine Sach viel eher schlimmer als besser machen kann."
Da die Vertreter beider Parteien den Spruch des Schiedsgerichts
ad referendum annahmen, so konnte bis zum Eintreffen der offiziellen
Instruktionen nicht weiter darüber verhandelt werden. Auch ging
Gravel nicht auf den Vorschlag ein, einstweilen mit der Erörteruug
der übrigen Punkte fortzufahren.
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IV.
Verwerfung des Vorschlags des Schiedsgerichts durch Frankreich. —
Schiedsspruch Ober die Natur der dem König unter der Bezeichnung Land-
vogtel abgetretenen Rechte. (1670—1672)
Die Angelegenheit der elsässisehen Reichsstädte beschäftigte
damals vor allen anderen die politischen Kreise Deutschlands, wie
der „mittlere" Landgraf von Hessen-Homburg, der sich im Januar 1670
auf der Durchreise nach Wien zu Regensburg aufhielt, dem Deputierten
Schott gegenüber versicherte. Am Kur-Mainzischcn Hofe zu Würzburg,
woher er komme, sei wiederholt davon gesprochen worden. Er selbst
wolle mit dem Kaiser wegen dieser Sache nachdrücklich reden, weil
dem ganzen Römischen Reich höchlich an den elsilssischcn Städten
gelegen sei, Ja die Konscrvation des ganzen Rheinstroms in Gefahr
müsste gesetzt werden, wann man sie verlieren sollte". .
In einer Zusammenkunft mit den vereinstädtischen Deputierten,
im Februar 1670, erklärte der Kur-Mainzische Prinzipal- Gesandte
Dompropst von Stadion, „dass, weil nunmehr die Tripel-Allianz*)
festgestellt, man etwas besser mit einander ins Künftige werde reden
können". Sie sollten ihm deshalb schriftlich an die Hand geben,
nicht nur wie im Schiedsgericht mit Erfolg zu verfahren sei, sondern
auch wie die Städte „der Allianz sich möchten getrösten können".
Daraufhin übergaben sie ihm einen geheimen Bericht folgenden
Inhalts :
Es ist bekannt, dass diese Städte „als uralte getreue unmittel-
bare Stände fast von Basel an einen Tr actum an den Rheinstrom bis
unter Speier hinunter und also über etlich dreissig Meilen nur in
longitudine machen und einige darunter keine geringe, sondern wohl
fortificirte und feste Platze als Vormauern des Römischen Reichs seind,
*) Gemeint ist die im Januar 1670 erfolgte F.rneuernng des Bundes zwischen
Holland, England und Schweden, dem der Kaiser und der Kurfürst von Mainz
damals beizutreten gedachten.
t
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zumalen an Munition, Artillerie und Anderm dergestalten beschaffen,
dass wohl ganze Armeen, wann sie auch gar ruinirt wären, dadurch
könnten recolligirt und einem manchen benachbarten höhern Stand
am Rheinstrom, wann sieh andere deren wider sie würden bedienen
können, grosser Schaden könnte zugefügt werden". Die Städte haben
jetzt um so mehr rasche Hilfe nötig, als der französische König
vorhaben soll, sie mit Waffengewalt zu bezwingen und zu diesem
Zwecke seinen Rückweg aus den Niederlanden durch das Elsass zu
nehmen.
Deshalb ist das Schiedsgericht zu veranlassen, aller Verzögerungs-
versuche und Einwürfe ungeachtet in seiner Tätigkeit fortzufahren,
die Eidformel definitiv festzusetzen, den Revers oder die Assekuration
des Königs auszuarbeiten, darauf die Materialien selbst vorzunehmen
und schliesslich einen förmlichen Schluss abzufassen.
„Damit aber . . . dieser des . . . Arbitrii rechtmässiger Schluss
um so viel besser beobachtet und maintenirt werden möchte, sonder-
lich da Frankreich mit Gewalt, wie es scheint, verfahren sollte, so
wäre vielleicht keine bessere Gelegenheit als, weilen nunmehr die
Tripel-Allianz allerdings festgestellt und vermutlich Ihr kais. Maj.
und einige Kurfürsten und Stände sowohl an dem Rheinstrom als
anderer Orten sich deren bedienen möchten, dass auch dieser Städte
halben darin gute Vorsehung geschehen möchte. Und zwar, damit
solches mit guter Manier geschehe, so ist bekannt, dass Ihr kais.
Maj. wegen deren V. üsterr. Erblanden , so nur dritthalb Stund
von Colmar und Sehlettstadt angrenzen, hoch- und merklich vor sich
selbst interessirt und Dieselbe ohnedies in deren kais. Wahlcapitu-
lation Artic. 8 verbunden worden, diese Reichsstädte bei dem Röra.
Reich und ihrer Immediatat zu erhalten, dass Dieselbe . . . belieben
möchten, diese getreueste Reichsstädte ermelter Allianz zu annektiren
und dieselbe der Garantie teilhaftig zu machen, oder, dafern der , . .
Oberrhein. Kreis oder etliche der Kurfürsten und Stände sich dieser
Tripel-Allianz bedienen sollten, dass diese Städte mit consideriert
und der Garantie einverleibt, einfolgig dardurch gesichert werden
möchten. Welches um so viel eher zu erhalten, weilen den Alliierten
selbst wegen der Commerden sonderlieh des Weins, Brandenweins,
Essig und Weinsteins, welche meistens aus diesen, sonderlich den
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— 154 —
oberen Städten, in sehr grosser Quantität in Holland, Schweden,
England und andere angrenzende Orte verführt werden, interessirt
sein, zumalen der Krone Schweden und anderen schon wohl bekannt
ist, was dem Rom. Reich, dem Oberrhein. Kreis und ihnen selbst an
Conservation dieser Frontier- Städte gelegen, und daher um so viel
mehr incliniren werden, dieselben mit einzuschliessen. u
Trotz des wiederholten Drängens des Schiedsgerichts wusste
Gravel die Verkündigung der Antwort seines Königs auf den letzten
schiedsrichterlichen Vorschlag immer wieder zu verschieben. Die
Absicht Frankreichs, die Schlichtung des Landvogteistreites überhaupt
zu verhindern, war so offenbar, dass der Deputierte Schott sich nicht
scheute, den subdelegierten Schiedsrichtern selbst vorzuhalten, „dass
gleichwohl ihr und ihrer Herren Principalen Respect darunter peric-
litire, weil man sie dergestalten an der Nas herumführt". Der
Kaiser ersuchte die mit dem Schiedsspruch betrauten Stände durch
ein Monitorium nach dem anderen, ihren Gesandten zu befehlen, die
Materie des Eides, nämlich die Landvogteirechte, baldigst zu unter-
suchen, da man nach Erledigung dieser Frage sich leicht über die
formelle Seite, die Fassung des Eides, würde vergleichen können.
Nicht nur dem Elsass, sondern dem ganzen Reich und dein allgemeinen
„Ruhestand" sei viel an der Beendigung dieses Streites gelegen.
Inzwischen erhob auch die Stadt Hagenau wieder Klage, dass
ihr von Frankreich mit der Auferlegung einer Garnison gedroht werde.
Gravel, dem der Kur-Mainzische Direktor im Namen des Schiedsge-
richts deshalb Vorstellungen machte, meinte, „es sei nicht ohne, dass
der König sehr hoch empfinde, dass der Bürgermeister daselbst seine
Gesundheit zu trinken so schimpflich abgeschlagen, deswegen der
Unterlandvogt begehrt habe, dass Satisfaction geschehen möge, oder
widrigenfalls würde der König dieselbe selbst suchen."
Die so lange erwartete königliche Resolution wurde endlich am
8. März 1670 dem Schiedsgerichte zugestellt. Der König, so lautete
sie, kann aus gewichtigen Gründen den Vorschlag der Schiedsrichter
samt der von ihnen verfassten Eidformel nicht annehmen. Er bean-
sprucht den Eid von Seiten der Städte nicht als eine Vergünstigung,
sondern als sein gutes Recht kraft des ihm übertragenen Dominium
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supremum. Die Schiedsrichter haben richtig erkannt, dass durch den
Westfälischen Friedensvertrag das Wesen der Landvogtei verändert
worden ist. Dies wollen die Städte selbst nicht zugeben, indem sie
sich stets auf das alte Herkommen berufen, um dem König das Recht
auf einen Huldiguugseid abzusprechen. Wo aber dies alte Herkommen
ihrem Interesse widerstreitet, stützen sie sich auf neuere Vorgänge,
bei denen den Landvogteircchten etwas vergeben wurde, wie dies bei
der Amtsantretung des Prinzen von Harcourt geschehen. Der König
hält es für unvereinbar mit seiner Würde und seinen Rechten, dass
ihm neben der Eidformel noch die Zeit, die Art und Weise und die
Sprache der Eidabnahine vorgeschrieben werde, und dass er eino
schriftliche Assekuration ausstellen soll. In eine Abschaffung der Eide
für den Landvogt und den Unterland vogt kann er deshalb nicht ein-
willigen, weil dadurch der Bestand der ihm abgetretenen Landvogtei-
rechte in Frage gestellt würde. Er hofft deshalb, dass die Schieds-
richter ihren Vorschlag zurücknehmen und auf Grund des von ihm
früher formulierten Eides der Treue und des Gehorsams den Inhalt
(substantiell in) desselben erörtern werden. Schliesslich bezeichnet er
es als unerlässlich, dass die Gesandten der das Schiedsrichteramt
ausübenden Stande persönlich in Regensburg zugegen seieu.
Letztere Forderung bezog sich auf Kur-Köln und Hessen-Kassel
und sollte lediglich einen Vorwand zu neuen Verzögerungen abgeben,
da Gravel bisher eingewilligt hatte, dass der Kur-Mainzische Gesandte
auch die Stimme von Kur-Köln und der Kanzler von Brandenburg-
Bayreuth diejenige von Hessen-Kassel führte.
Die schriftliche Antwort der Schiedsrichter auf das königliche
Schreiben wurde am 2. Mai Gravel übergeben. Es heisst darin, die
französischerseits aufgestellte Eidformel sei, wie das Schieds-
gericht schon in seinen früheren Erklärungen ausführlich gezeigt habe,
mit der Reichsunmittelbarkeit der Städte unvereinbar, weshalb man
es bei jenen Erklärungen nochmals bewenden lasse. Um aber einen
Ausweg zu finden, wolle man von Gravel gern vernehmen, „was er
vermeine, dass sonsten etwann vor ein Modus zu ergreifen, wordurch
sowohl der Punctus juramenü als auch die übrige Grammina dem Tn-
strumento pacis gemäss bei diesem Arbitrio dermalen erledigt werden
mögen."
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Auf den Wunsch Gravels, eine mündliclie Konferenz mit einer
Deputation dos Schiedsgerichts abzuhalten, begaben «ich am 8. Mai
die Gesandten von Kur-Mainz und von Schweden-Bremen in seine
Wohnung. Sie drückten ihr Befremden darüber aus, dass der König
den Spruch des Schiedsgerichts nicht annehmen wolle, obgleich er
die bewussten Fürsten schrittlich und mündlich um Übernahme des
Schiedsrichteramtes ersucht habe. Es wäre also unnötig gewesen,
drei ganze Jahre hindurc h Zeit und Mühe auf diese Sache zu verwenden.
Gravel erwiderte, der König halte die Schiedsrichter für blosse Media-
toren und habe sich keineswegs zur Annahme Alles dessen verbunden,
was sie ihm zumuten würden. Seine Majestät bestehe auf dem Ge-
brauch der Worte fideles et obedientes statt der entsprechenden Adverbien
in dem von den Städten zu leistenden Eide. Darauf entgegneten die
Deputierten, „dass alle die französischen Argumenta irrig seien und
quatuor terniinoit hätten, durch welche sie diese ganze Sache confun-
dirten." Wenn der König die Absicht gehabt hätte, den Landvogtei-
streit nicht entscheiden, sondern bloss untersuchen zu lassen, so hätte
er „diese hoben Säulen des Römischen Reichs" nicht drei Jahre lang
damit zu bemühen brauchen und diese Aufgabe seinem Parlament über-
tragen können. Auf ihre Versicherung, dass die letzte Erklärung des
Schiedsgerichts sein definitiver Besehluss sei, gab Gravel vor, in diesem
Falle nochmals an den König berichten zu müssen, da er nicht be-
fugt sei, sich auf die Specialia einzulassen.
Die elsüssischen Städte hatten ihrerseits durch ein Schreiben
vom 4. Mai den Vorschlag des Schiedsgerichts angenommen, aber
zugleich erklärt, dass sie sich zu keinem Eide verpflichten könnten'
bevor der Wortlaut der königlichen Assekuration festgesetzt und die
einzelnen Landvogteirechte genau bestimmt seien. Die Worte cum
omni mpremo dominü jure in der Eidformel Hessen sie nur mit dem
ausdrücklichen Vorbehalte zu, dass sie sich allein auf die Landvogtei
bezögen, nicht aber auf die Städte selbst, welche im § Teneatur davon
ausgenommen seien. Sie sprachen auch die Bitte aus, dass die bis-
herigen Beschlüsse des Schiedsgerichts zu einem feierlichen Rezess
vereinigt und dann veröffentlicht würden.
Da mit Gravel nicht weiter zu kommen war, so beschlossen die
subdelegierten Schiedsrichter auf das Betreiben der elsässischen
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^ Deputierten, nochmals im Namen ihrer „ Prinzipalen 14 direkt an den König
von Frankreich zu schreiben. In einer Sitzung vom 15. Juni wurde
der Inhalt des Briefes vereinbart: Die mit dem Schiedssprüche be-
trauten Stände berichten, dass Gravel durch das Begehren, die Eid-
frage solle zuerst entschieden werden, und durch die Aufstellung einer
neuen Eidformel die Verhandlungen über drei Jahre hingezogen habe^
ohne dass ein Resultat zu Stande gekommen sei. Sie ersuchen des-
halb Seine Majestät selbst, ein kürzeres Verfahren einzuschlagen,
damit die Angelegenheit ohne Zeitverlust und noch vor dem Ausgang
des Reichstags erledigt werde. Auch die Klagen Hagenaus gegen die
französischen Beamten im Elsass werden erwähnt.
Der Abfertigung eines gemeinsamen Briefes traten wegen der
Reihenfolge der Unterschriften und der Siegel unüberwindliche Schwie-
rigkeiten entgegen. So musste schliesslich jeder Stand in seinem
Namen au den König schreiben. Die vereinstädtischen Deputierten
hatten die grösste Mühe, die einzelnen Schriftstücke zusammenzubringen,
und mussten zu diesem Zwecke besondere Eilboten an verschiedene
Höfe schicken. Erst am 31. August 1670 vermochte der Kur-Mainzische
^ Direktor die Briefe dem französischen Gesandten zur Beförderung an
Ludwig XIV. zu übergeben. Nur die Krone Schweden sandte ihr
Schreiben direkt an ihren Residenten zu Paris und beauftragte ihn,
dem Könige selbst und seinen Ministern die Sache der elsässischen
Städte nachdrücklich zu empfehlen.
Auf den' Wunsch der Schiedsrichter verfasste der Deputierte
Schott einen übersichtlichen Bericht Uber den ganzen Verlauf der
Verhandlungen wegen der Landvogtei und Hess ihn zu Frankfurt in
220 Exemplaren drucken. Es ist dies die bekannte Relatio summaria ex
acti* publicits in causa ewitatum imperialium in Alsatia unitarum. Die
Druckschrift war im September fertiggestellt.
Um sich die politischen Persönlichkeiten, welche bei dem Land-
vogteigeschäft mitzureden hatten, günstig gestimmt zu erhalten,
mussten die elsässischen Städte sie von Zeit zu Zeit mit Handgeldern
und anderen Geschenken erfreuen; namentlich fand der heimische
Wein bei den Herren gute Aufnahme. Wo Geld oder Wein weniger
angebracht war, griff man zu Kunstwerken. So wurdeu dem Depu-
tierten Schott im Oktober 1670 von der Stadt Colmar eine gemalte
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und eine geschnitzte Tafel zur Verwendung als Geschenke gesandt. ^
Das Schnitzwerk überreichte Schott dein Kur Mainzisehen Prinzipal-Ge-
sandten Dompropst von Stadion; mit dem grossen Gemälde wusste er aber
nichts anzufangen, weshalb er es zu verkaufen suchte. Er berichtete
nämlich, dass es kein Kabinettstück, sondern ein Altarbild sei und
sich deshalb nicht zum Geschenk eigne; Ein Evangelischer würde
es für nichts achten, ein Katholischer aber den Verdacht hegen, es
sei aus einer Kirche genommen worden.
Im Laufe des Monats November 1670 trafen die gleichlautenden
Antwortschreiben Ludwig XIV. an die Schiedsrichter endlich zu Regens-
burg ein. Der König erklärte darin, er habe bereits in der ersten Kon-
ferenz des Schiedsgerichts zwei unerlässliche Bedingungen durch
seineu Plenipotentiar aufstellen lassen, nämlich, dass mau nicht an
das Reich referieren solle, bevor die Schiedsrichter unter sich einig
wären, und dass der von den Städten geleistete Eid nicht mehr ange-
tastet werden dürfe, weil er unzertrennlich zu dem im Friedensver-
trag ihm abgetretenen Dominium supremum über die Laudvogtei
gehöre. Als aber die Städte gegen den augeblich mit Gewalt ihnen <
abgenötigten Eid in einer Schrift protestierten, habe er eine neue dem
Dominium supremum besser entsprechende Eidformcl vorschlagen
lassen. Da indesssen die Deputierten der Schiedsrichter diese Formel
nicht vollständig billigten, so möchte er gerne ihre Gründe hierfür
vernehmen. Was die Ansicht betreffe, dass die Eidfrage leichter er-
ledigt worden wäre, wenn man den Gegenstand des Eides zuerst ge-
nau bestimmt hätte, so halte er selbst dafür, dass das grössere oder
geringere Mass von Rechten an der Natur des Eides nichts ändere.
Sollte vor der definitiven Regelung der Angelegenheit der Reichstag
zu Regensburg zu Ende gehen, so sei er bereit, die Verhandlungen
an einem anderen Orte fortsetzen zu lassen.
In Bezug auf die von der Stadt Hagenau gegen die Landvogtei-
beamten erhobenen Beschwerden glaube er nicht, dass diese Beamten
dem erhaltenen Verbote zuwider ihre Befugnisse überschritten haben,
doch wolle er ihnen nochmals den Befehl erteilen, nichts zu unter-
nehmen, wozu sie nicht auf Grund ihres Amtes berechtigt seien. Es
werde ihm allerdings von anderer Seite berichtet, dass Hagenau und
andere Städte alle erdenklichen Ränke anwendeten, um sich der
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Gewalt der Laodvogtci, wie sie das Haus Oesterreich gehandhabt,
allmählich zu entziehen.
Die schriftliche Entgegnung des Schiedsgerichts auf das könig-
liche Schreiben wurde am 9. Dezember vom Kur-Mainzischen Direk-
torium dem französischen Gesandten üborgeben. Die Schiedsrichter
beziehen sich in derselben nochmals auf ihre Erklärung vom 19. Fe-
bruar 1668, lassen es bei dem im Jahre 1662 von den Städten ge-
leisteten Eide bewenden und fordern Gravel auf, „zu den übrigen
Materialien und Gracaminibus zu schreiten, weilen von sich selbsten
ergiebt, dass ehe und bevor determinirt, was die Städte respectu jrrae-
fecturae eigentlich zu praestiren schuldig seien , angeregte Forrnula
auch allerseits unverfänglich sein müsse." Gravel gab eine aus-
weichende Antwort nnd schützte vor, er müsse sich um neue In-
, struktion an den König wenden.
Der Deputierte Schott war über diese abermalige Verzögerung
höchst erbittert und forderte die Schiedsrichter auf, neben den Rechten
der Städte auch ihre eigene Autorität besser zu wahren. „Es ist eben
ein Elend, schreibt er nach Colmar, dass wir in solche Zeiten ge-
rathen, darin das teutsche Vertrauen und rechtschaffene Resolution
so gar darnieder liegt, und daher weder Rath noch That Platz finden
kann." Es sei offenbar, berichtete er in einem der folgenden Briefe,
dass Frankreich die Erörterung seiner unberechtigten Ansprüche
verhindern und eine Entscheidung vereiteln wolle, „zuinalen weil
nunmehro der Gewalt so gross, dass sich männiglich davor fürchtet".
Zum Dank für ihre rastlose Tätigkeit mussten die vereinstädti-
schen Deputierten jetzt auch noch Vorwürfe über sich ergehen lassen.
So schrieben ihnen der Bürgermeister und der Rat von Landau, es
wäre unnötig gewesen, so langwierige und kostspielige Verhandlungen
zu führen, wenn man sich am Ende mit dem Hagenauer Eido zufrie-
den gäbe, „nachdem das ganze römische Reich und sonderlich die
Arbitri gefunden und erkannt, dass selbiger dem Instrumenta pacis und
denen an Frankreich erwachsenen Juribus ungemäss sei". Nähme
das Schiedsgericht bei jedem Widerspruche Frankreichs seine Beschlüsse
zurück, so sei wenig Gutes mehr von ihm zu erwarten.
Die von den elsassischen Städten veranlasste Intervention des
Kaisers bei Ludwig XIV hatte auch keinen Erfolg. Am Anfange des
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Jahres 1671 erhielt der kaiserliche Gesandte am französischen Hof,
Graf von Windischgrätz, den Befehl, dem Könige die Angelegenheit
der elsassischen Reichsstädte zu empfehlen und ihn um Beförderung
der Verhandlungen beim Schiedsgericht zu bitten. Er kam diesem
Befehle nach, doch antwortete ihm der König, wie Windischgrittz
selbst einige Monate spater den Deputierten Schott und Heinrichs er-
zählte, „dass er in guter Zeit von diesem Geschäft, welches ja zu
Regensburg solle ausgemacht werden, kein Nachricht gehabt; er,
Herr Graf, sollte sich deswegen bei Mr. de Lionne anmelden". Als
der Gesandte sich an Lionne wandte, wusste dieser auch nicht, was
er sagen sollte, und entschuldigte sich, dass er wegen anderer Ge-
schäfte die Akten noch nicht habe lesen können, versprach aber, sich zu
informieren. Auf den erneuten Befehl des Kaisers, auf eine Resolution
zu dringen, da man dies den Städten versprochen habe, brachte der
Gesandte die Sache abermals beim Könige vor, wurde aber wieder
an den Minister verwiesen. „So oft er nun Mr. de Lionne zu Paris
deswegen angesprochen, habe er sich entschuldigt, dass die Acta zu
Versailles liegen, wann er zu Versailles gewest, habe er vorgeben, die
Acta seien zu St. Germain (allwo sie sich auch wirklich befinden
sollen). Und also habe man's ein gute Zeit getrieben. Er, Herr Graf,
aber habe nicht ausgesetzt, sondern bei dem König und Mr. de Lionne
über 15 mal [sie!] und zwar mit solcher Ernsthaftigkeit wegen dieser
Städte angetrieben, dass endlich Mr. de Lionne ihm ein schriftlich
Bericht gegeben habe." Dieser Bericht war ganz allgemein gehalten
und besagte, „dass die Städte an der Hinderung selbst schuldig seien,
indem sie dem König das begehrte Jummentum disputiren und nicht
leisten wollten. Gravel habe den Arbitrw zu Regensburg solche Ra-
tiones vorgestellt, welche sie ihm nicht beantworten können, und hafte
es also gar nicht an französischer Seiten, dass die Tractaten nicht
fortgesetzt würden; darzu der König geneigt sei und deswegen das
Arbitrium beliebt habe."
Bei seiner Zusammenkunft mit den elsässischen Deputierten, im
Mai 1671, teilte ihnen Windischgrätz ferner mit, „als er einmal bei
Mr. de Lionne gewest, habe er in seinem Zimmer auf einer Landcharten
den Rheiustrom und das Elsass sambt dem Breisgau abgerissen an
der Wand hangen [sehen], und als sie wegen des Elsass redeten, zeigte
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Mr. de Lionne auf das Breisgau mit Vermelden, dass, was selbigerseits
liegt, seie noch des Kaisers, was aber auf der elsassischen Seiten liege,
gehöre meistens dem König, und zeigte unter Andrem auf Colmar
und sagte dabei: voici encore une bonne place, worüber der Herr Graf
geantwortet: mais, Monsieur, cette place n'etf pas ä vous, eile est ä V Em-
pereur et V Empire. Darauf Mr. de Lionne gesagt, er wüsste es zwar
wohl, allein habe doch der König auch Jura dabei und seie er Prae-
fecttis." Als Lionne einmal auf die grossen Streitkräfte des Königs in
der Nähe desElsass anspielte, äusserte Windischgrätz, „er wolle nicht
hoffen, dass man auf diese Städte gedenke, denn, wann der König
nur ein Dorf davon angreife, so seie die Larv abgezogen und der
Frieden mit dem Kaiser und dem Reich gebrochen."
Durch seine gewöhnlichen Ausflüchte hielt Gravel die Schieds
richter nach ihrer letzten Erklärung wiederum drei Monate hin; als
sie aber immer nachdrücklicher eine Antwort begehrten, zeigte er
ihnen am 1. März 1671 an, sein König könne keine der beiden vor-
geschlagenen Eidformeln annehmen, sondern möchte zuvor die Gründe
erfahren, warum sie die von Seiten Frankreichs aufgestellte Formel
nicht gutheissen wollten. Der Kur-Mainzische Direktor entgegnete
zunächst mündlich, dass sich das Schiedsgericht in keine Disputation
hierüber einlassen könnte: die Gründe seien im Friedensvertrag uud
in den städtischen Schriften bereits genugsam enthalten. Am 14. März
fassten dann die Schiedsrichter den Besch luss, Frankreich nochmals
die Wahl zu lassen, sich entweder mit dem im Jahre 1662 empfangenen
Eide zu begnügen oder die von ihnen vorgeschlagene neue Eidformel
anzunehmen, da sie „ein Mehrers nicht zu thun vermöchten."
Als Gravel diesen Bescheid mitgeteilt bekam, beanstandete er
nicht nur dessen Inhalt, sondern auch seine Bezeichnung als Kon-
klusum. Er behauptete, beide Eide liefen wegen der ihnen beigefügten
Erläuterung auf dasselbe hinaus, und es sei bedenklich, sie mit solchen
Klauseln gelten zu lassen. Die von den Städten vorgebrachten Argu-
mente halte er für unzureichend. Dem Könige gebühre ein Huldig-
ungseid auf Grund der ihm über die Präfcktur abgetretenen Souve-
ränität; letztere werde ihm im § Teneatur keineswegs abgesprochen,
sondern eben bloss auf die Landvogteireehte beschränkt. Eine schrift-
£ liehe Antwort erteilte Gravel indessen erst am 25. Mai, und zwar
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wiederholte er seine frühere Forderung, was als eine Verspottung des
Schiedsgerichts empfunden wurde.
Als die vereinstädtischen Deputierten sahen, dass auf diese
Weise nicht von der Stelle zu kommen sei, beschlossen sie, sich
wiederum direkt an das Reich zu wenden. Sie verfassten ein Memorial,
in welchem sie den Reichstag ersuchten, sich nachdrücklich zu inter-
ponieren, damit ein Modus tractandi vereinbart werde, der die rasche
Erledigung der Angelegenheit ermögliche. Dies Memorial übergaben
sie zwar am 14. Mai dem Kur- Mainzischen Direktorium, doch wurde es in
der nächsten Zeit noch nicht diktiert, da man allerseits davon abriet.
Durch ein kaiserliches Kreit atorium aufgefordert, machten sich
die Schiedsrichter nach einer Pause von einigen Wochen wiederum
an die undankbare Aufgabe, eine Entgegnung auf Gravels letzte Schrift
aufzusetzen. Ihre Resolution wurde am 2. August 1671 dem französischen
Gesandten eröffnet. Sic gibt einen üeberblick über die bisherigen
Verhandlungen und erinnert daran, dass das Schiedsgericht in seiner
Deklaration vom 19. Februar 1668 dem ursprünglichen Begehren des
Königs, der geleistete Eid solle nicht mehr in Frage gestellt werden,
trotz anfänglicher Bedenken entsprach, und dass auch die Städte,
deren Hauptbeschweide gerade die Auferlegung dieses Eides gewesen
war, es dabei bewenden lassen mussten. Nachträglich aber habe
sich der königliche Plenipotentiar mit diesem Zugeständnis nicht
mehr zufrieden gegeben und eine neue Eidformel vorgebracht, welche
die Subjektion der Städte begründen und die ihnen im Friedens
instrument vorbehaltene Rcichsunmittclbarkeit aufheben würde, während
doch der Paragraph Teneatur bestimme, dass an Frankreich keine
Superiorität über die Städte, sondern nur die vom Hause Oesterreich
innegehabten Landvogteirechte übergehen sollten. An der Natur des
Verhältnisses zwischen den Städten und dem Landvogt ändere der
Umstand nichts, dass diese Rechte nunmehr einem souveräuen Herrn
als unabhängiges Eigentum gehörten, wie denn auch die Kaiser, wann
sie die Präf'ektur für sich behielten, auf Grund derselben nie einen
besonderen Eid gefordert hätten. Eine solche Forderung sei ja auch
von Frankreich bis zum Jahre 1662 überhaupt nicht erhoben worden.
Da nun die Eidfrage „durch unterschiedliche Arbitral-Dekla-
rationen dergestalten elucidirt und decidirt worden, wie man sie dein
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Instrumento pacix, auch sonsten der Sachen Beschaffenheit gemäss
befunden, von denen hohen Herren Principalen aber ihnen, den
Subdehgatis, ein Mehrers nicht committirt ist: Als werden Ihre könig-
liche Majestät verhoffentlich auch in Ungutem nicht vermerken, dass
man a parte arbiirii obverstandenermassen es nochmals dabei be-
wenden lasse und sich darüber weiters mit Rationsvorstellung nicht
einlassen könne, in mehrer Betrachtung, dass ohne dies solches in der-
gleichen arbitralischen Handlungen nicht gebräuchlich". Am Schlüsse
spricht das Schiedsgericht den Wunsch aus, der König möge zugeben,
dass ein kürzeres Verfahren ergriffen und eine Frist von etwa zwei
oder drei Monaten für die Erledigung sämtlicher Streitpunkte be-
stimmt werde.
Schon damals war allenthalben im Reich das Gerücht verbreitet,
dass der König von Frankreich einen Ueberfall der elsässischen Städte
plane. Der Brandenburg-Culrabachische Abgesandte Baron von Stein
erzählte dem Deputierten Schott im Mai 1671, „dass, als er neulich
zu Stuttgart gewest, habe er von einer gewissen vornehmen Person
vernommen, dass H. Frischmann* ein Deduction oder Manifest ver-
fertigt, welches bemelte Person gesehen habe, und gehe man damit
um, wie man die Städte überrumpeln möchte". Am Wiener Hofe
wollte man allerdings nicht an einen Gewaltstreich Ludwigs XIV.
glauben, wie der in Geschäften seiner Stadt dort anwesende Schlett-
stadter Syndicus Knecht berichtete, doch teilte der Reichsvizekanzler
Graf von Königsegg diesen Optimismus nicht, sondern riet Colmar
und Schlettstadt, sich in den Stand zu setzen, eine Belagerung so
lange auszuhalten, bis Hilfe herbeikäme. Der Kaiser würde eher
hundert Kriege anfangen als die Städte aufgeben.
Die elsässischen Deputierten, welche kein grosses Vertrauen zu
der Standhaftigkeit einiger Mitglieder des heimischen Städtebundes
hatten, veranlassten den Kaiser, an die Gesamtheit der Vereinstädte
ein Rescriptum adhortatorium zu richten, um dieselben aufzufordern,
sich in keine besonderen Verhandlungen mit Frankreich einzulassen
und alle Streitigkeiten an das Schiedsgericht zu verweisen.
* Der französische Resident zu Strassburg.
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Unter den Angelegenheiten, welche die Gemüter im Elsass er-
regten, befaud sich auch die Restitution der Evangelischen zu Hagenau.
Diese Stadt weigerte sich nämlich, die Protestanten dem Westfälischen
Frieden gemäss in ihre früheren Rechte wieder einzusetzen, obgleich
sie von Strassburg und den vier evangelischen Vereinstädten dazu
angehalten wurde. Der Hagenauische Gesandte zu Regensburg
brachte sogar beim Kur-Mainzischeu Reichsdirektorium das Gesuch vor,
„weil zu Colmar so viel catholische Burger sich befinden, und gleich-
wohl diese Stadt pro evangelica gehalten, . . . dass man die Stadt
Hagenau, als die so viel evangelische Burger nicht habe, auch als
pure catholkam consideriren sollte". Die Sache gelangte zur Ent-
scheidung an den Städterat, und dieser wies in seiner Sitzung vom
17. Juli 1671 den Hagenauischen Gesandten mit seinem Ansinnen ab.
„Die gesammten Herren Gesandten haben ihn dergestalten abgekapt,
dass er gewiss sein Lobtag daran gedenken wird". Der Vertreter
Colmars hatte in seinem Votum dargelegt, dass die grössere oder
geringere Zahl der gemeinen Bürger für den konfessionellen Charakter
eines Reichsstandes nicht massgebend sei. Die Stadt Colmar sei vor
und nach dem Frieden stets ein Status pure evangelicus gewesen, wie
denn ihr Magistrat aus lauter evangelischen Mitgliedern bestanden
habe. Diese Eigenschaft sei ihr im Friedensvertrag bestätigt und auf
allen Reichs- und Kreistagen stets anerkannt worden. „Und wäre an sich
Selbsten zu wünschen, dass die Evangelischen zu Hagenau gleichwie die
Catholischen zu Colmar tractirt würden, da es dann gewisslich besser
hergehen und die Evangelischen sich in solchem lamentablen Stand
daselbst nicht befinden würden. Man kanu aber nicht erachten, dass
der Stadt Colmar zu einigem Praejudiz gereichen könne, dass sie
den Catholischen Guts thut, sie zu Burgern annimmt und ihr
Exercüium religionis halten lasset, dann da solches zu einigem Nach-
theil ihres Status sich sollte anlassen wollen, würde man sich ins
künftige besser vorzusehen haben". Für Hagenau aber werde die
Restitution der Evangelischen durch den Friedensvertrag angeordnet,
und es sei im Jahre 1650 zu Nürnberg bestimmt worden, dass ihnen
freie Religionsübung gewährt, ihre Kirchen und Schulen zurückgegeben
und die Magistratsstellen zugänglich gemacht werden sollten.
Diese Angelegenheit hatte auch einen neuen Konflikt zwischen
der Stadt Colmar und dem Untcrlandvogt Marquis de Ruz6 hervor-
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gerufen. Die Colrrmrer Stattmeister Heinrich Klein und Andreas
Sandherr, welche in Hagenau erschienen, um sich beim Rate für die
Evangelischen zu verwenden, wurden vom Unterland vogt auf schimpf-
liche Weise behandelt und zur Stadt hinausgewiesen. Schott brachte
diese unerhörte Verletzung des „Völkerrechts" zur Kenntnis der
Schiedsrichter, welche ihm rieten, darüber Klage zu erheben ; Gravel
aber bat ihn zu warten, bis der Marquis de Ruz6 auf seine Auf-
forderung hin einen genauen Bericht eingeschickt habe.
Auch aus anderen Orten des Elsasses kamen öfters Nachrichten
von Reibungen zwischen den stadtischen Behörden und den französi-
schen Beamten. So mischte sich der Herzog von Mazarin unbefugter
Weise in den Streit der Stadt Münster mit ihrem früheren Stadt-
schreiber, wogegen die Münsterer eine in dieser Sache vom Herzog
an sie gerichtete Schrift vor ihrem Tor im Kot liegen Hessen.
Die Entgegnung Gravels auf den letzten Beschluss der Schieds-
richter wurde am 1. November 1671 bekanntgegeben. Der König be-
dauere, so lautet sie, dass die Schiedsrichter die von ihm für seine
r Ansprüche vorgebrachten Gründe nicht ebenso in ihre Erklärung auf-
genommen hätten wie diejenigen der Städte, und dass sie nicht er-
örtert hätten, warum sie die von ihm vorgeschlagene Eidformel nicht
annehmen wollten. Doch verzichte er jetzt auf alle ferneren Einwände
und bitte die . Schiedsrichter bloss um die Beantwortung der beiden
folgenden Fragen: 1) Ob sie nicht darüber einig seien, dass ihm
omnimoda superioritas sive supremum dominii jux Uber die Präfektur der
zehn Städte des Elsasses abgetreten sei, und dass ihm dieselbe unbe-
dingt (pure et absolute) zustehe ? 2) Was denn eigentlich der wirkliche
Gegenstand dieser souveränen Herrschaft sei?
In der nächsten Zeit berieten die Schiedsrichter wiederholt über
dieses Ansuchen. Einige von ihnen waren der Ansicht, ein fernerer
Schriftwechsel sei ihrer Autorität zuwider, und man solle Gravel ein-
fach den Friedensvertrag vorlegen und ihm bedeuten, dass seine
Fragen darin bereits zur Genüge beantwortet seien. Zuletzt aber ent-
schloss man sich doch zu einer schriftlichen Antwort, und diese wurde
am 24. Januar 1672 dem französischen Gesandten übergeben. Die
erste Frage bejahte das Schiedsgericht, auf die zweite erklärte es,
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dass der Gegenstand der souveränen Herrschaft des Königs eben die
Praefectura provincial'ut sei, welche zum Teil aus den Landvogtei-Dorf-
schaften, zum Teil aber aus gewissen Rechten bei den Reichsstädten
bestehe. Diese Rechte seien derartig, dass sie dem Könige keine der
Reichsunmittelbarkeit und Freiheit der Städte widersprechende Superiori-
tät geben könnten.
Hiermit war der Krone Frankreich deutlich die verlangte Ober-
hoheit über die elsässischen Städte abgesprochen. Die Entscheidung
hatte aber jetzt nur noch theoretischen Wert, da die politischen Er-
eignisse zu einer Lösung der Landvogteifrage durch die Gewalt der
Waffen drängten. Gravel Hess sich trotz aller Aufforderungen zu
keiner Entgegnung mehr herbei, und somit blieb dieser Spruch des
Schiedsgerichts der letzte, den es überhaupt fällte. Anfangs hatte er
zwar eine baldige Antwort seiner Regierung in Aussicht gestellt, später
aber erklärte er, M. Pomponne habe ihm geschrieben, „dass wegen
der jetzigen Kriegsexpedition und unzählig vieler anderer wichtiger
Geschäfte er die Resolution nicht habe zu Stande bringen können."
So waren die langwierigen Verhandlungen, wie schon längst voraus-
zusehen war, endlich im Sande verlaufen.
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V.
Die elsftsslsche Frage am Wiener Hofe. — Gerüchte von einem bevor-
stehenden Ueberfall der elsässischen Städte durch Ludwig XIV. — Versuche,
das Schiedsgericht wieder in Tätigkeit zu bringen. — Fortgesetzte Klagen
über die Schädigung der Städte durch Frankreich. (1672—1678).
Nachdem alle Versuche einer gütlichen Beilegung des Landvogtei-
streites gescheitert waren, blieb den elsassischen Städten jetzt nur
noch die schwache Hoffnung, dass der Kaiser und das Reich sich
dennoch aufraffen möchten, sie mit Nachdruck gegen Frankreich zu
beschützen. Der BrandenburgBayreuth-Culmbachische Kanzler Baron
von Stein teilte den vereiustädtischen Deputierten am 24. August 1672
mit, dass nunmehr, wie er selbst gesehen habe, die 17 000 Mann
starke kaiserliche Armee auf dem Marsche nach dem niedersächsischen
Kreis begriffen sei, um sich mit den Truppen der Alliierten zu ver-
binden. Diese Rüstungen bezweckten die Erhaltung des Friedens im
Reich und den Schutz der Reichsglieder vor fremder Gewalt. Hoffent-
lich werde dieser Zweck eher durch gütliche Traktate als mit den
Waffen erreicht werden können. Er selbst reise deshalb in einigen
Tagen im Auftrage Kur-Brandenburgs und des Markgrafen, seines
Herren, nach Wien und wolle im Vertrauen eröffnen, „dass unter
anderen Camis componendh bereits an hohen Orten auch die verein-
städtischen Grammina, und wie denselben wirklich abzuhelfen und
diese Städte bei dem Reich ungekränkt zu erhalten sein möchten, in
Consideration kommen sei; allerraassen er selbst bei einigen hohen
fürstlichen Personen in Conferenz gcwest, alwo der Sach nachdrück-
lich gedacht worden, und habe er darüber, weil ihm Alles bekannt
ist, eine ausführliche Relation getan, so den Vereinstädten gewisslich
zum Besten gereichen werde". Er rate den Städten, einen Gesandten
nach Wien zu schicken und beim Kaiser dahin zu wirken, dass seine
Bevollmächtigten, falls es zu Verhandlungen mit Frankreich käme,
in der elsässischen Angelegenheit speziell instruiert würden.
Dieser Rat war der Stadt Colmar um so erwünschter, als sie
ohnedies beabsichtigte, den Syndikus Schott in dem Schneiderschen
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Prozess nach Wien zu senden, die anderen Städte aber bisher nicht
zugeben wollten, dass der von ihnen gemeinsam besoldete Deputierte
Regensburg verlasse Nunmehr erhielt Schott die Erlaubnis zur ge-
planten Reise, die er auch im Anfang des Monats Oktober 1672 antrat.
Zuvor hatte er noch den Schiedsrichtern ein vom 2. Oktober datiertes
Memorial übergeben, in dem er die Klagen der Vereinstädte über die
Ubergrifte des Ensisheimer Rates, die 'Erpressungen der französischen
Zollpachter und die Durchzüge königlicher Truppen durch reichs-
stadtisches Gebiet zusammengestellt hatte.
Zu Wien trat Schott in enge Beziehung zu dem obersten Hof-
kanzler Baron Ilocher, einem besonderen Gönner der elsässischen
Städte, mit dem er in letzter Zeit öfters korrespondiert hatte. Er
erfuhr von ihm, dass der Kaiser und der Kurfürst von Brandenburg
jetzt überein gekommen seien, sich der Städte ernstlich anzunehmen.
Zu dieser Zeit traf auch die Kunde von der Zerstörung der Strass-
burger Rheinbrücke durch Conde am Wiener Hofe ein. Schott
schreibt darüber am 28. November:
„Baron Ilocher berichtet, dass der Kaiser des Königs in Frank-
reich Residenten Gremonville fragen lassen, warum der König die
Brücke zu Strassburg verbrennen lassen? Darauf er geantwortet,
dass der König vernommen, dass der Kurfürst von Brandenburg mit
den zehn Städten und sonderlich mit Colmar und Schlettstadt colludirn
und deswegen zu Strassburg über die Brücke gehen wollen, deswegen
der König solches notwendig verhindern müssen. Es habe aber der
Baron Hocher solches auf das Äusserste widersprochen, jedoch solches
dem Kaiser alsobald referiert, worüber geschlossen, dass dem Graf
Montecuculi in höchster Gcheim-Ordrc erteilt werden solle, mit Kur-
Brandenburg zu conferiren und ihm des Kaisers Resolution zu er-
öffnen, und sobald die zehn Städte, absonderlich Colmar und Schlett-
stadt, an die Armee einen Courner schicken werden, solle er, Monte-
cuculi. die zehn Städte mit der ganzen Armee sekundieren und Alles,
was zu ihrer Conservation tunlich und zu ihrer Rettung nötig ist, vor-
nehmen. Wornach die zehn Städte sich zu richten haben; und so-
bald sie eine Gewalt merken, sollen sie bei dem Montecuculi um
Assistenz ansuchen. Und mit dieser Versicherung soll ich nur ab-
reisen: wann es zur Mediation zwischen den hohen Parteien kommt,
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wolle der Kaiser dieser zehn Städte gewiss nicht vergessen. Indessen
* solle man fleissig wachen und Alles eilends berichten".
Schott wurde von Hocher und dem Fürsten Schwarzenberg auf-
gefordert, selbst noch bei Gremonville vorzusprechen, wio wir aus
einem Briefe vom 5. Dezember erfahren. „Dem nun zufolge bin ich
gestern Nachmittag dort gewesen, da ich dann sehr höflich empfangen
worden, und habe ich mich zwar des Praetexts einer Visite bedient,
gleichwohl aber dabei Gelegenheit genommen, in diese Materi zu
kommen; da er dann berichtete, dass der König in Frankreich die
Brücke zu Strassburg notwendig müssen ruiniren lassen, weil er
vernommen , dass die zehn Städte mit Kur-Brandenburg colludirt
haben, und Kur-Brandenburg zu Strassburg über die Brücke dahin
gehen wollen. Ich, Schott, widersprach dieses auts Beste. Er sagte
aber, dass er dessen schon versichert sei, zumalen der Kaiser auf
dieser der zehn Städte Sachen und Ausmachung derselben Differentien
dermassen treibe, dass er auch dieses anjetzo für das meiste Gravamen
anziehe; deswegen ja etwas daran sein müsse. Hingegen wurde von
mir, Antonio Schott, dieser Vorwand dermassen refutirt, dass iener
5 darmit zufrieden war". Über diese Unterredung wurde der Colmarer
Syndikus vom Grafen von Fürstenberg, Vize-Präsidenten des Reichs-
hofrates, im Auftrage des Kaisers ausführlich befragt.
Während seines Aufenthaltes zu Wien gelang es Schott einen
Vergleich zwischen dem Colmarer Magistrat und Daniel Schneider
zu Stande zu bringen, auf Grund dessen Schneider in seine frühere
Stättmeisterwürde wieder eingesetzt wurde.
Der Colmarer Deputierte hatte sich auch diesmal wieder be-
sonderer Ehrungen zu erfreuen. Er wurde vom Kaiser in Audienz
empfangen,* von ihm abermals mit einer goldenen Kette beschenkt
und zu seinem Rat ernannt. Das Diplom, welches hauptsächlich auf
Schotts Verdienste und Gewandtheit bei den Verhandlungen am Reichs-
tag und am Schiedsgericht Bezug nimmt, übertrug ihm die Vorrechte
der wirklichen Räte, „welches sonsten, wann man nicht bei Hof
bleibt und wirkliche Dienste leistet, nicht leicht zu geschehen pflegt".
Am 13. Dezember brach der neue kaiserliche Rat von Wien auf und
*) Der Bericht darüber fehlt leider, wie denn die Korrespondenz aus Wien
mehrere Lücken aufweist
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kam nach einer „wegen übel Wegs und angeloffenen Wassern" be-
schwerlichen Reise in der Nacht vom 24. Dezember 1672 wiedor in
Regensburg an.
Aus dem Elsass waren wieder schlechte Nachrichten zu Regens-
burg eingetroffen: Der französische Zolldirektor Sequeville schädigte
trotz aller Einwendungen die Colmarer Bürger durch neue Zölle in
empfindlicher Weise; der ITerzog von Mazarin hatte sich bei seiner
letzten Anwesenheit zu Colmar und zu Schlettstadt nicht gescheut,
die Forderung zu stellen, man solle das Schiedsgericht autgeben und
sich mit ihm besonders vergleichen ; zu Breisach, so hiess es allgemein,
rüsteten sich die Franzosen zu einem Überfall der Städte Colmar
und Schlettstadt.
Die beiden vereinstädtischen Deputierten benützten den Neu-
jahrsbesuch, den sie am 28. Dezember dem französischen Gesandten
Gravel machten , um diese jüngsten Beschwerden vorzubringen
und zugleich gegen die Behauptung Grömonville's zu protestieren,
Colmar und Schlettstadt ständen in Vorbindung mit Kur-Brandenburg
zur Aufnahme einer Garnison, weshalb der König von Frankreich die
Strassburger Rheinbrücke habe zerstören lassen. «
Gravel erwiderte, sein König wisse nichts von all diesen Belästig-
ungen der Städte, und sie geschähen gegen dessen Willen. Dagegen hielt
er ihnen die neuesten Vergehen Hagenau's gegen den König vor. Die Ob-
rigkeit daselbst habe, als die kaiserliche und die Kur-Brandenburgische
Armee in der Nähe gewesen, zweimal die königlichen Siegel von gericht-
lich versiegelten Sachen gerissen. Ferner sei vor einiger Zeit dem Herzog
von Mazarin, der bei Nacht zu Hagenau angekommen, der Einlass in
die Stadt verweigert worden, so dass er in einer Ziegelhütte habe
übernachten müssen. Der König könne solche Beleidigungen nicht
unbestraft lassen. „Es sei dem König um diese Städte gar nicht zu
tun, und seien sie zu ringschätzig, dass der König seine Gloire dar-
durch sollte verringern oder ihm nachreden lassen, dass er sie ohne
Ursach surpreniren wollte; und wolle er infam sein (je vous dis que
je veux e'tre infäme), wann der König das Geringste an dergleichen
gedenke ; auch so gar, dass er gewiss versichern könne, wann die
Städte auch von Selbsten sich dem König übergeben und sich des-
wegen bei ihm anmelden wollten, dass er es nicht aeeeptiren würde.
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Der König habe drei Fines seiner Regierung: la gloire, la justice et
Vinterest de son royaume, deren keines zulasse, dass der König dieser
Zeit an diesen Städten einige Gewalttätigkeit vornehmen sollte." Das
Ansuchen Mazarin's an die Städte sei ohne königlichen Befehl ge-
schehen, und was Greraonville am kaiserlichen Hofe angegeben, sei
eine blosse Vermutung gewesen. In Wirklichkeit habe man bei der
Zerstörung der ltheinbrtteke gar nicht an Colmar und an Schlettstadt
gedacht, sondern diese Zerstörung habe auf die wiederholte Bitte des
Bischofs von Strassburg an den Prinzen von Conde stattgefunden, um
die Kur-Brandenburgische Armee zu verhindern, in das Bistum Strass-
burg einzufallen und dasselbe zu verwüsten. Dadurch sei auch das
übrige Elsass von den Kriegsgräueln verschont geblieben, „gestalten
(so er jedoch in Vertrauen sage) die mehr Verständig und Desinteressirte
zu Strassburg solches gar wohl begreifen uud Uber diese Entreprise
eben nicht so gar malcontent seien."
Im Anfang des Jahres 1673 wurden verschiedene Versuche ge-
macht, das Schiedsgericht wieder aufleben zu lassen. Der Kaiser
forderte die vom Reiche zu Schiedsrichtern ernannten Stände in einem
neuen Excitatorium auf, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und
wegen der gefährlichen Konjunkturen bald zu einem Abschluss zu
bringen. Vor allem aber trat jetzt Schweden, der neue Bundesgenosse
Frankreichs, entschieden für die elsässische Sache ein.
Der Schweden-Bremische Gesandte Snoilsky war bereits im
Januar 1672 gestorben und im September dieses Jahres durch Herrn
von Blume, der bisher am Heidelberger Hofe geweilt hatte, ersetzt
worden. In den ersten Wochen des Jahres 1673 hielt sich auch der
Graf Gustav Adolf de la Gardie als ausserordentlicher Gesandter
Schwedens zu Regensburg auf. Letzterer teilte dem Deputierten Schott
die Instruktion mit, welche er und seine Kollegen in Betreff der elsässi-
schen Angelegenheit von ihrer Regierung erhalten halten. Es heisst
darin, der schwedische König fühle sich „als Garant des deutschen
Friedens" verpflichtet, sich der Vereinstädte und besonders seiner
Glaubensgenossen mit Nachdruck anzunehmen. Deshalb habe er
seinem Gesandten zu Paris, dem Grafen Tott, befohlen, Ludwig XIV.
zu bitten, die Verhandlungen beim Schiedsgericht fortsetzen zu lassen
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und sich dessen Spruch zu unterwerfen. Die schwedische Gesandt-
schaft zu Regensburg solle bei Gravel in demselben Sinne wirken.
Als Blume am 28. Januar das Ansuchen seiner Regierung dem
französischen Plenipotentiar vortrug, entgegnete dieser, der König von
Frankreich wünsche selbst die rasche Erledigung des Landvogtei-
streites, könne aber bei der jetzigen politischen Lage, „da die Ge-
müter ziemlich geändert und auch eines oder des anderen hohen Herrn
Arbitri und dessen Subdelegirten Inclination nicht mehr wie vor
diesem seie", die Entscheidung nicht mehr den bisherigen Schieds-
richtern überlassen. Seine Majestät schlage deshalb vor, dass vier
neue Schiedsrichter ernannt würden, je zwei von beiden Teilen.
Einige Tage darauf erfuhr Schott indessen vom Grafen de la Gardie,
dass das Begehren eines neuen Schiedsgerichts eine blosse Finte Gravels
sei, wie folgender Auszug aus einem Schreiben des Grafen Tott aus
Paris beweise:
„Ingleichem hat er (rex Galliae) sich auch erklärt wegen der
zehn Städte im Elsass, weilen ein Geschrei ausgesprengt worden, dass
Ihro Majestät sollten um mehrerer Sicherheit willen auf der deutschen
Seite gegen dieselbige einige Desseins fomentiren, bezeugend, dass
solches Geschrei ungegründet wäre, und dass er im Geringsten nichts
wider selbige noch andere vorzunehmen Willens wäre, so dem rechten
Verstand des Westphälischen Friedensschlusses entgegen sein möchte;
sondern wollte diese Sache derjenigen Schiedsleute, denen sie bereits
übergeben wäre, rechtmässigem Aussprechen und Gutbefinden gänz-
lich anheimgestellt haben."
Die vereiustädtischen Deputierten verfehlten nicht, Gravel vor-
zuhalten, dass seine Behauptung im Widerspruche mit der Erklärung
seines König stände. „Worüber er sich etwas alterirte und sagte,
dass er nächstens Ordre erwarte, dann die Vereinstädte hätten es am
rechten Ort angegriffen, dass sie Schweden zum Fürsprech genommen,
weil der König demselben nicht werde aus Händen gehen."
Bei den Versuchen, den Frieden zwischen Frankreich, Holland
und ihren Bundesgenossen zu vermitteln, welche im Anfang des Jahres
1673 von schwedischer und deutscher Seite gemacht wurden, war
auch vielfach von der elsässischen Angelegenheit die Rede. Der
kaiserliche. Hofkanzler Hocher, der in regelmässigem Briefwechsel mit
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den vereinstädtischen Deputierten stand, schrieb darüber am 2. Februar
aus Wien an Sehott: „Mit dem aluiesigen schwedischen Residenten
Herrn von Puffendorf habe ich anbeut wegen der zehn Vereinstädte
ein langen Discurs geführt, welcher aber gezweifelt, ob die Krone
Frankreich nachgeben werde, dass man diese Sache durch die vor-
habende Mediation abhandeln solle, weilen solche mit der holländi-
schen und letzten entstandenen Unruhe keine Connexität habe. Darauf
ich ihm geantwortet, dass Ihre Kais. Majestät einen sicheren und
beständigen Frieden verlangten und darum mit bestem Fug andringeten,
dass alle mit der Krone Frankreich habende und das römische Reich
betreffende Strittigkeiten beigelegt werden; oder es wäre wenigist
das Werk dahin zu richten, damit man an Seiten der Krone Frank-
reich das Arbitrium weiters nicht hemme, sondern demselben seinen
Lauf gestatte und den Ausspruch gelten lasse."
Die Bedenken des schwedischen Residenten erwiesen sich nur
zu bald als begründet. Am 9. Februar erfuhr Schott vom Grafen de
la Gardie, dass der König von Frankreich sich Kur-Mainz gegenüber
geweigert habe, zuzulassen, dass die elsässische Frage bei den geplan-
ten Friedensverhandlungen zur Sprache käme. Denselben Bescheid
Hess Ludwig XIV. einige Wochen später dem Wiener Hofe durch
Gremonville erteilen.
In dieser trostlosen Lage versuchten es die Verein.städto aber-
mals, ihre Zuflucht zu den versammelten Reichsständen zu nehmen.
Als Schott im Dezember 1672 sich zu Wien aufhielt, liess ihm der
Kaiser den Rat geben, die Städte sollten auch noch das Reich selbst
um seine Vermittelung bei Ludwig XIV. angehen. Der Colmaror De-
putierte erwiderte, dass bereits vor zwei Jahren ein Memorial zu die-
sem Zwecke abgefasst, aber wegen allerlei Bedenken noch nicht dik-
tiert worden sei Daraufhin nahm Hocher die Schrift mit ihm durch
und billigte sie.
Am 24. Februar 1673 überreichte Schott das den Zeitumständen
entsprechend abgeänderte Memorial dem Kur-Mainzischen Direktor,
und dieser versprach jetzt, die Erlaubnis zur Diktierung sofort beim
Kurfürsten einzuholen. In ihrer Eingabe an das Reich schilderten die -
beiden Deputierten kurz den ganzen Verlauf der Verhandlungen beim
Schiedsgericht mit Bezugnahme auf 23 beigefügte Aktenstücke, be-
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Schwerfen sich nochmals über die unerträglichen Belästigungen der
elsässischen Städte durch die französischen Beamten und baten die
Stände, den König von Frankreich zu bewegen, dass er den nunmehr
erfolgten Deklarationen des Schiedsgerichts beistimme und die übri-
gen Streitpunkte gleichfalls entscheiden lasse. Um dies Memorial,
das wegen der zahlreichen Beilagen sehr umfangreich war, leichter
verbreiten zu können, Hessen es die Verfasser zu Regensburg drucken.
Es wurde am 4. und 5. April durch die Reichsdiktatur veröffent-
licht, worauf der kaiserliche Kommissar versprach, es bald „in Proposition
zu bringen." Am 13. Mai schrieb indessen Schott nach Colmar, die
Vornahme des vereinstädtischen Memorials beim Reichstag würde
jetzt wenig nützen, „zumalen da es nunmehr, leider, dahin kommt,
dass der französische König von gesammten Kurfürsten, Fürsten und
Ständen eine cathegorische Resolution haben will, ob sie sich für den
Kaiser erklären oder sich demselben opponiren wollen, dergleichen
nicht erhört worden, weil das Römische Reich stehet . . . Man sieht,
wie weit es kommen, und was das gesammte Teutschland zu erwar-
ten habe, wofern der liebe Gott nicht andere Consilia eingebet und
die Teutschen auf bessere Gedanken bringet." f
Im Elsasse selbst nahmen die Reibungen zwischen den Städten
und den französischen Behörden kein Ende. Neben den neuen Zöllen
erbitterte Colmar namentlich die Störung in seinem Besitze der Herr-
schaft Heilig -Kreuz. Das Dominium utile cum proprietate dieser
Herrschaft stand von alters her der Stadt zu, während die Oberhoheit
vom Hause Oesterreich auf die Krone Frankreich übergegangen war.
Der Vogt von Heilig-Kreuz war bisher von Colmar frei ernannt wor-
den und gehörte stets dem städtischen Rate au. Nunmehr verlangte
der Intendant, dass er dem König einen Eid leisten und der katholi-
schen Religion zugetan sein müsse. Weder die Reklamationen der
Stadt beim Intendanten zu Ensisheim noch die Vorstellungen Schotts
bei Gravel zu Regensburg vermochten die Sache zum Ausgleiche
zu bringen.
Einen andern Grund der Unzufriedenheit bildeten die seit dem
Sommer 1672 sich wiederholenden Durchzüge französischer Truppen
durch Oberehnheim und Rosheim. Im März 1673 überreichten die
vereinstädtischen Deputierten Gravel ein Memorial wegen dieser
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Durchzuge und wegen der Willkür der französischen Zollpächter und
baten ihn, den König direkt zur Beseitigung dieser Mißstände zu veran-
lassen. Sic beklagten sich insbesondere in ihrer Schrift, dass die Pächter
die Zölle eigenmächtig erhöhten, ohne sich an den vom König autgestell-
ten Tarif zu halten, und aus den geringfügigsten Ursachen Beschlag auf
die Waren legten. Die Stiidte Oberehnhein und Rosheim würden
nicht nur häufig durch die Einquartierung durchziehender Truppen
belästigt, sondern sogar wie französische Orte im Routenverzeichnis
genannt. Nach dem Westfälischen Friedensvertrag sei zwar den
französischen Kriegsvölkern der Durchzug durch das Reichsgebiet
nach den Rheinischen Festungen gestattet, nicht aber durch die Reichs-
städte und noch weniger auf Kosten derselben. Dieses sowie ein
wenige Wochen später in derselben Angelegenheit ihm eingehändigtes
Memorial versprach Gravcl dem Könige zu senden, doch hatten alle
diese Eingaben natürlich nicht mehr die geringste Wirkung.
Vergeblich war auch der nochmalige Versuch der Elsässer, das
Schiedsgericht wieder zur Tätigkeit anzuspornen. In einer Ende Juni
den Schiedsrichtern zugestellten Bittschrift wiederholten sie die im
letzten Oktober vorgebrachten Beschwerden und zeigten an, dass die
Uebergriffe der französischen Beamten sich täglich mehrten : Obgleich
Colmar gegen den bisherigen Gebrauch seinen neuen Vogt von Heilig-
Kreuz dem königlichen Rat zu Ensisheim auf dessen Begehren zur
Vereidigung vorgestellt habe, so sei er wegen seines Augsburgischen
Glaubensbekenntnisses nicht angenommen worden. Dies sei aber eine
Verletzung des Friedensvertrags, der in Rcligionssachen den Stand des
Jahres 1624 fordere. Als ferner ein zu Colmar verurteilter Bürger
Namens Joseph Hecker aus dem Gefängnis in das benachbarte fran-
zösische Territorium entflohen und den Ensisheimer Provinzialrat um
Schutz angegangen sei, habe dieser der Stadt verboten, die Person
oder die Güter des Schuldigen anzugreifen, die Sache an das Land-
vogteigericht zu Ilagenau verwiesen und sich selbst die Entscheidung
in zweiter und letzter Instanz vorbehalten. Da nun diese Zumutungen
nicht nur den Rechten der Städte, sondern auch denjenigen des Reiches
zuwider seien, und der König selbst die Regelung des Jurjsdiktions-
streits dem Schiedsgericht anvertraut habe, so möge dieses um Gottes
willen die Verhandlungen wieder aufnehmen, Gravel um die seit mehr
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— 176 —
als anderthalb Jahren zurückgehaltene Erklärung ersuchen und end-
lich einen definitiven Besch luss fassen.
Während Gravel zu Regensburg auf alle Reklamationen der
Elsässer stets beschwichtigende Antworten gab und jede feindliche
Absicht Frankreichs noch immer leugnete, war die Unterwerfung
der zehn Städte bei Ludwig XIV. bereits beschlossene Sache. Schon
am 13. Juli traf in Regensburg die Kunde ein von einem Vorspiel der
Vergewaltigung, deren Opfer die elsässischen Städte bald darauf werden
sollten. Die vereinstädtischen Deputierten richteten sofort eine Klage-
schrift über diese jüngsten Ereignisse an Gravel und baten ihn, bei
dem Könige zu bewirken, dass der Colmar zugefügte Schaden ersetzt
und ähnliche Vorgänge künftighin verhindert würden.
Am 25. Juni, so berichteten sie, war der Herzog von Noailles auf
der Reise nach Breisach mit kleinem Gefolge an Colmar vorbeigezogen,
ohne dass der Magistrat davon wusste. Als darauf Gesandte von Col-
mar den Herzog zu Breisach begrüssten, machte er der Stadt heftige
Vorwürfe wegen des unterlassenen Empfangs. Am 28. Juni lagerten
sich dann etwa 500 Reiter unter dem Befehl des Marquis von Coulanges
auf den Wiesen und Acckern vor Colmar, besetzten eine Mühle, plün-
derten und zerstörten die Weinbrennereien, nahmen mehrere Heu-
wagen sowie 30 Rinder und 200 Hämmel weg und raubten das Leinen
von der Bleiche. Sie unterstanden sich sogar, einen vorbeireitenden
Ratsherrn in ihr Lager abzuführen und einen anderen Bürger drei
Tage lang gefangen zu halten, indem sie ihn fälschlicher Weise be-
schuldigten, auf einen Reiter geschossen zu haben. Diese Gewalt-
tätigkeiten währten drei Tage, und zwar geschahen sie, wie man den
Colmarern zu verstehen gab, auf den Befehl des über sie erbitterten
Herzogs von Noailles.
Den unermüdlichen Bitten der Elsässer gelang es schliesslich
doch, das Schiedsgericht nochmals zu einer schwachen Lebensäusse-
rung zu veranlassen. Am 26. Juli beschloss es nämlich, dem fran-
zösischen Plenipotentiar die vereinstädtischen Memorialien durch das
Kur- Mainzische Direktorium und speziell die Klagen wegen der Vogtei
Heilig-Kreuz im Namen der Evangelischen durch die Schweden-Bre-
mische Gesandtschaft übergeben zu lassen und ihn mit Bezugnahme
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auf die Deklaration Ludwigs XIV. an den Grafen Tott um Fortsetzung
der Verhandlungen zu ersuchen.
Der dies berichtende Brief Schotts vom 29. Juli ist der letzte,
der von ihm aus dem Sommer 1673 im Colmarer Stadtarchiv vor-
handen ist. Vier Wochen später besetzten und entwaffneten die
Franzosen die zehn elsässischen Reichsstädte und machten somit den
langjährigen Streitigkeiten über die Landvogtcirechte tatsächlich ein
Ende.
Die beiden Gesandten Schott und Heinrichs blieben zunächst in
Regensburg zurück und versuchten noch weiter, im Interesse ihrer
Auftraggeber zu wirken, doch scheinen die durch Kriegssteuern er-
schöpften und nunmehr unter französischer Aufsicht verwalteten Städte
nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, sie regelmässig zu besolden.
In einem Briefe vom 30. Dezember 1673 klagt Schott, dass er trotz
allen guten Willens seine Unterhaltungskosten nicht aus eigenen
Mitteln bestreiten könne und deshalb nicht wisse, was er tun soll:
„indem ich das Vaterland wohl von Herzensgrund ungern verlasse
und dasselbe in seiner Bedrängnis nicht wollte stecken lassen, allein
wider Gewalt und Not ist kein Mittel noch Gesetz vorhanden."
Die definitive Behauptung des Elsasses durch die Franzosen in
Folge des Sieges Turennes über den Grossen Kurfürsten bei Türkheini
machte die Vertretung des elsässischen Städtebundes am Reichstage
fernerhin zwecklos. Der Schlettstadter Bürgermeister Heinrichs war
schon am 5. November 1674 gestorben, sein Kollege aber, der frühere
Colmarer Syndikus Anton Schott, ging im Jahre 1675 in den Dienst
des Kurfürsten von Sachsen über. Aus der für ihn gehaltenen und
im Jahre' 1685 zu Regensburg gedruckten Leichenrede erfahren wir,
dass Schott bis zu seinem am 21. November HW4 eingetretenen Tode
das Amt eines kursächsischen Gesandten am Reichstag versah und
zugleich verschiedene diplomatische Aufträge mit grossem Geschicke
verrichtete, und dass ihm unter anderen Ehren auch die Erhebung
in den „edlen Herrenstand" durch den Kaiser zu Teil wurde.
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