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Full text of "Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv zu Colmar. Im Auftrage der Stadtverwaltung herausgegeben von dem Stadtarchivar .."

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Veröffentlich... 
aus dem 
Stadtarchiv zu 



Colmar 




Colmar (Germany) 
Stadt- Archiv 



»13 




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Inhalt. 



Seite 

1. Geschichte des Archivs der Stadt Colmar 1 

2. Verordnungen des Rates von Colmar aus den Jahren 1362 bis 
1432 13 

3. Die Angelegenheit der Reichsstädte des Elsass am Reichstage 

und vor dem Schiedsgerichte zu Regensburg (1663—1673) . . 85 




x ;,^V 505807 

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Vorbemerkung. 

Die vorliegende Publikation wurde durch einen Beschluss des 
Colmarer Stadtrates vom 28. Februar 1907 ins Leben gerufen. 

Sie bezweckt, einzelne interessante Teile des Stadtarchivs den 
Freunden der heimischen Geschichte zugänglich zu machen. Die 
in Betracht kommenden Archivalien sollen, je nach ihrer Natur, im 
Wortlaut oder in Auszügen oder in zusammenfassenden Darstellungen 
veröffentlicht werden. 

Die einzelnen Hefte werden in grösseren Zwischenräumen er- 
scheinen nach Massgabe der vorhandenen Geldmittel und Arbeitskräfte. 

Mit der Herausgabe wurde der derzeitige Stadtarchivar beauf- 
tragt; der Inhalt dieses ersten Heftes ist auch von ihm allein be- 
arbeitet worden. 

Das beigegebene Porträt des Anton Schott ist die Reproduktion 
eines i. J. 1680 von Melchior Küsell von Augsburg gestochenen Bildes, 
das an der Spitze der i. J. 1685 zu Regensburg gedruckten Leichen- 
predigt für Schott steht. Dies Bild wurde uns von seinem Besitzer, 
Herrn Stadtbibliothekar A. Waltz, freundlichst zur Verfügung gestellt. 



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Geschichte 

des 

» 

Archivs der Stadt Colmar 




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Geschichte des Archivs der Stadt Colmar. 



Das Archiv der ehemaligen Reichsstadt Colmar ist so alt wie die Selb- 
ständigkeit der Gemeinde und besteht also seit dem Anfange des drei- 
zehnten Jahrhunderts, da von jeher das Bedürfnis vorhanden war, die 
Urkunden über die städtischen Eigentums- und Rechtsverhältnisse zu 
sammeln und vor der Vernichtung zu schützen. 

Über die Schicksale des Archivs im Mittelalter haben wir nur 
spärliche Nachrichten. Aus dem Kaufhausbuche des Jahres 1434 er- 
fahren wir, dass die Stättmeister von Zeit zu Zeit einige Tage in der 
„Schreiberei" zubrachten, um daselbst „die Briefe zu suchen und zu 
sondern.* 1 

Das älteste uns erhaltene Verzeichnis des Stadtarchivs wurde im 
Jahre 1495 von dem Stadtschreiber Conrad Wickram verfertigt. Die 
Archivalien befanden sich damals in einem eigens dafür erbauten Ge- 
wölbe im neuen Kauthause und waren in zwei Behältnissen verwahrt, 
in einer „Arcke" mit fünf Laden und einem neuen „Kensterlin" mit 
sieben Laden. Bei ihrer Verteilung in diese zwölf Fächer hatte man 
sich bestrebt, die gleichartigen Stücke zusammenzulegen, doch war keine 
übersichtliche Ordnung durchgeführt worden. Wickram gibt nur ganz kurz 
den rechtlichen Inhalt derjenigen Urkunden an, welche damals noch 
eine praktische Bedeutung hatten, wobei er das Datum nie und den 
Ausstelter nur selten nennt; Akten und Amtsbücher lilsst er unerwähnt. 

Ausser den Schriften der Stadt barg das Archiv noch allerhand 
Urkunden, welche von Adligen der Umgegend in seinem feuerfesten 
Gewölbe hinterlegt waren. 

Das von Conrad Wickram angelegte Register erwies sich bald 
als ungenügend, weshalb der Rat in seiner Sitzung vom 17. März 1517 
„um gemeinem Nutz und Notdurft willen" verordnete, dass der Obrist- 
meister, zwei Stättmeister und der Schultheiss mit der Hilfe des alten 



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Stadtschreibers Vincenz Wickram oder seines Nachfolgers Ulrich Misierer 
sämtliche Freiheitsbriefe, Handfesten und Schriften der Stadt durch- 
sehen, ordnen und verzeichnen sollten. Ein jeder von ihnen rausste 
sich durch einen Eid dazu verpflichten, an allen Werktagen zwei 
Stunden auf diese Arbeit zu verwenden und, wenn er etwa durch 
Krankheit oder Geschäfte verhindert wäre, sich durch einen anderen 
Herrn von der Meisterschaft oder den Dreizehnern vertreten zu lassen. 
Diejenigen Schriften, deren Inhalt am Besten geheim bliebe, sollten 
sie in ein besonderes Behältnis legen. 

Das Resultat der Neuordnung des Archivs Wiir das von der Hand 
Ulrich Misierers geschriebene Register, ein Folioheft von 96 Seiten. 
Die Archivalien lagen nunmehr in neunzehn Laden, welche eben so 
viele Abteilungen bildeten und mit den Buchstaben A bis T bezeichnet 
wurden. Solche Gruppen waren z. B. Freiheiten, Zinsbriefe, Riedbriefe, 
Reichstagsabschiedo etc.; innerhalb derselben waren die einzelnen 
Stücke grösstenteils chronologisch geordnet. Der Inhalt ist im neuen 
Repertorium genauer angegeben als im älteren des Jahres 1495: der 
Aussteller der Urkunde wird stets genannt, und das Datum meist nach 
Jahr und Tag angeführt. In den Abteilungen, welche ein geringeres 
praktisches Interesse hatten, werden die Urkunden nicht einzeln auf- 
gezählt, sondern unter einem allgemeinen Stichworte zusammengefasst. 

Während die Verwaltung des Archivs bisher zu den ausdrück- 
lichen Aufgaben des Stadtschreibers gehört hatte, wurde im Jahre 
1638 das besondere Amt eines Rcgistrators geschaffen. Diesor Beamte 
hatte sich durch einen Eid zu verpflichten, „der Stadt Archiv, Kanzlei, 
Briefe, Handfesten, Freiheiten, Schriften, Rechnungen und Anderes in 
tieissige und treuliche Registratur und gute Ordnung und Verzeichnis 
zu bringen, dabei alle Heimlichkeiten der Stadt, es seie von Reden, 
Rathen oder Briefen und dergleichen, nichts ausgenommen, zu ver- 
hehlen und nicht zu eröffnen ewiglich, und niemanden Uber besagtes 
Archiv oder andere angedeute vertraute Schritten zu führen." Als 
Besoldung erhielt er jährlich 100 Gulden in Geld, 10 Viertel Frucht, 
3 Klafter Holz und freien Sitz und Behausung. 

Der erste unter diesen Bedingungen angenommene Registrator 
war Johann Balthasar Schneider. Derselbe war im Jahre 1612 zu 
Colmar geboren, hatte die Lateinschule zu Mömpelgard besucht und 



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dann an der Universität Strassburg die Rechte studiert. Neben seinem 
besonderen Dienste hatte der Registrator noch mancherlei wichtige 
Geschulte für die Stadt zu übernehmen: so machte er im Jahre 1642 
eine Reise an den französischen Hof, um Steuerfreiheit für die von 
Colmarer Bürgern im französischen Territorium besessenen Güter zu 
erwirken. Im Jahre 1045 begab er sich als Abgesandter Colmars auf 
den Westfälischen Friedenskongress und vertrat daselbst während der 
langwierigen Verhandlungen die Interessen der Stadt mit Nachdruck 
und Gewandtheit. Als seine Rückkehr sich verzögerte, wurde er durch 
Hans Michel Schott, den Sohn des verdienstvollen früheren Stadt- 
schreibers Anton Schott, am Archive ersetzt. Der neue Registrator 
starb indessen schon nach zwei Jahren an den Folgen eines gefähr- 
lichen Falles, den er in seinen Berufsgeschäften getan. 

Der nächste Archiv Verwalter, von dem wir Kunde haben, ist 
Heinrich Klein. Er stammte aus Leipzig und war der jüngere Bruder 
des Magisters Joachim Klein, der seit der Wiederherstellung des evan- 
gelischen Gottesdienstes zu Colmar durch den schwedischen Feld- 
raarschall Gustav Horn das Predigeramt daselbst versah. Der Em- 
pfehlung seines Bruders hatte es wohl Heinrich Klein zu verdanken, 
dass ihn Johann Balthasar Schneider als Sekretär auf den Westfälischen 
Friedenstag mitnahm. Nachdem er dann noch die Universitäten Basel, 
Strassburg und Leipzig besucht, wurde ihm im Jahre 1650 die Colmarer 
Registratur übertragen. Er behielt dieselbe sechzehn Jahre lang und 
bekleidete später die höchsten städtischen Ämter, namentlich auch 
dasjenige des Obristmeisters. 

Heinrich Klein gebührt das Verdienst, das erste ausführlichere 
Inventar des Stadtarchivs aufgestellt und in einen stattlichen Folio- 
band von 620 Seiten verzeichnet zu haben. An der Spitze seines 
Werkes, das anscheinend im Jahre 1(562 abgeschlossen wurde, steht 
der Spruch: „Acta praedecessorum ideo scriptum commendantur, ut 
posteri ipsa ruminando pertractant.es ad eorum laudabilia facta ferventius 
excitentur (Andreas Presbyter Ratisponensis in Chron. Bavaric. p. 2). u 
Da das Archiv damals in drei grossen Schränken mit zusammen 112 
Laden untergebracht war, so konnte es in zahlreiche Abteilungen zer- 
logt und dadurch erst übersichtlich geordnet werden. Eine streng 
logische Gruppierung der einzelnen Teile ist allerdings auch von Klein 



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nicht durchgeführt worden. Das zum Klonischen Inventar gehörige 
umfangreiche Namen- und Sachregister, das wir nur in einer späteren "~ 
Abschrift von der Hand des Sohnes de« Verfassers besitzen, ist inso- 
fern mangelhaft, als die Wörter unter den einzelnen nach den Buch- 
staben bezeichneten Rubriken nicht immer alphabetisch geordnet sind. 

Auf Heinrich Klein folgte im Jahre 1666 als Registrator der 
Lizentiat der Rechte Anton Schott, der am 25. Juni 10M6 geborene 
Sohn des früheren Registrators Hans Michel Schott. Er konnte sich 
indessen nicht lange seinen Amtsgeschäftcn zu Colmar widmen, da er 
schon im folgenden Jahre als Deputierter der Stadt auf den Reichstag 
nach Regensburg geschickt wurde und vom Anfange des Jahres 1669 
an auch die Gesamtheit der verbündeten Städte des Elsasses daselbst 
vertrat. In einem Briefe an den Colmarer Magistrat vom 14. März 
1671 betonte er die Notwendigkeit der Ernennung eines neuen Re- 
gistrators „wegen Erhaltung der Archiv als der Stadt grösstes Kleinod." 

Im Jahre 1672 wurde denn auch die Registratur wiederum be- 
setzt und zwar mit dem früheren Vogte von Heilig-Kreuz Samuel 
Röttlin. Da Röttlin zugleich auch das Syndikat oder die Stadtschreiberei 
verwaltete, stellte sich im Laufe der Zeit wiederum das Bedürfnis einer 
Trennung beider Ämter ein. 

Auf den Wunsch des Intendanten des Elsasses verlieh der Rat 
von Colmar im Jahre 1688 die Registratur dem Ratsprokurator Johann 
Heinrich Klein, einem Sohne Heinrich Kleins. In einem späteren Schreiben 
des Magistrats an den Intendanten heisst es ausdrücklich, dass Klein dies 
Amt erhalten habe „wegen seiner Bekehrung zur katholischen Religion." 
Wir sehen, wie sich in der Geschichte des Archivs die Geschicke der 
Stadt wiederspiegeln: die ehemalige freie Reichsstadt hatte jetzt, den 
Winken der französischen Behörden zu gehorchen. 

An archivalischen Arbeiten besitzen wir von der Hand des Johann 
Heinrich Klein ausser einer Abschrift des Werkes seines Vatersein Roper- 
torium des Archivs der Gutlcutpflege, welche damals dem Spital ein- 
verleibt wurde. 

Als Klein im Jahre 1697 starb, bewirkte der Intendant De la 
Grango die Verleihung der Registratur an seinen Sekretär Louis 
Dumontet, der schon mehrere Jahre die an Gebühren recht einträg- 
liche städtische Gerichtsschreiberei von Colmar inne hatte. Da 



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Dumontet nicht zu Colmar wohnte, licss er die Verrichtungen seiner 
Ämter daselbst durch Gehilfen besorgen. Es entsprach dies dem 
französischen Verwaltungsbrauche, wie er sich aus der Käuflichkeit 
der Ämter ergeben hatte. Diese Käuflichkeit war auch für die städti- 
schen Ämter im Elsass zu Gunsten des königlichen Fiskus eingeführt 
worden, doch hatte die Stadt Colmar die freie Verfügung über die- 
selben für eine hohe Summe wieder an sich gekauft. 

In der Folgezeit ging die Gerichtsschreiberei mitsamt der Regi- 
stratur durch mehrere Hände. Es wurde damit wie mit einem Spe- 
kulationsobjekte geschachert, wenn auch der Magistrat die jedesmaligen 
Übertragungen zu genehmigen hatte. So verpachtete Dumontet beide 
Ämter im Jahre 1711 für sechs Jahre an Adam Siffert, Advokaten am 
Hohen Rate des Elsasses, um einen jährlichen Zins von tausend Livres. 
Siffert hatte indessen nur als Kommis Duinontet's zu fungieren. Der 
Pachtvertrag verpflichtete ihn u. a., „de travailler diligemment ä la 
registrature des titres et papiers concernant cette ville dans l'archive 
d'icelle en presence de Tun des magistrats nomm6 et prepose ä cet eft'et." 

Während der Pachtzeit Sift'erts wechselten die nominellen In- 
haber beider Ämter mehrmals. Auf Dumontet folgte im Jahre 1711 
Pierre Berthier, auf diesen in demselben Jahre Anton Joseph Madame, 
Advokat am Hohen Rate des Elsasses, und auf letzteren im Jahre 1713 
Johann Jakob Freytag, gleichfalls Advokat an diesem Gerichtshofe. 
In der Bcstallungsurkunde für Freytag als Registrator bedingt der 
Magistrat aus, dass das Amt mit grösserer Sorgfalt und Pünktlichkeit 
als bisher verwaltet werde. Freytag versah vom Tage seiner Ernenn- 
ung an selbst den Registraturdienst und übernahm später auch die 
Gerichtsschreiberei persönlich. 

Zu dem Mangel an eigenen Beamten war noch ein mehrmaliger 
Umzug gekommen, um das Archiv im Laufe der Zeit ganz in Ver- 
wirrung zu bringen. Im Jahre 1698 hatten diejenigen Schriften, welche 
sich im Rathausc zum Wagkeller befanden, nach dem Gewölbe im 
Kaufhaus und anderswohin geschafft werden müssen, um dem könig- 
lichen Hohen Rate Platz zu machen, und bei dem Einfall des kaiser- 
lichen Generals Mercy ins Ober-EIsass im Jahre 1700 war das Colmarer 
Archiv nach Schlettstadt geflüchtet worden. 

Die arge Verwahrlosung des Archivs kam im Jahre 1719 bei 



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einer genaueren Besichtigung an den Tag: es zeigte sich sogar, dass 
etliche Schriftstücke durch Fäulnis und andere durch Mäusefrass zer- 
stört waren. Der Magistrat beschloss deshalb in seiner Sitzung vom 
17. April 1719 zur Hebung dieser Missstande zwei Archivare (archivaires) 
anzustellen, einen katholischen und einen protestantischen, um der 
gesetzlichen Vorschrift der Parität zu genügen, und bestimmte als (ie- 
halt für jeden 300 Livres, 6 Klafter Holz und 300 Wellen. Die Wahl 
fiel auf Matthias Hütfei, den Sohn des Bürgermeisters von Kaysersberg, 
und Nikolaus Röttlin, den Sohn des früheren Syndikus Sarauel Röttlin. 
Als Röttlin bald darauf von der Bürgerschaft zum Stättmeister gew ählt 
wurde, ersetzte ihn der Lizentiat der Rechte Johann Franz Ruffelmann 
am Archive. Zufolge einer Verordnung des Staatsrats vom 28. No- 
vember 1721 über die Liquidation der Schulden der Stadt Colmar 
durfte indessen auf die Dauer nur ein einziger Archivar beibehalten 
werden, weshalb Rutfelmann im Jahre 1726 von seinem Amte zurück- 
treten musste. 

Dem Archivar Hüftel allein lag es nunmehr ob, die oft gestörte 
Ordnung des Archivs wiederherzustellen und ein neues Repertoriura 
abzufassen. Die Archivalien befanden sich damals in mehreren Räumen } 
des Wagkellers und des anstossenden Augustinerklosters. Hüftel be- 
gann seine Arbeit im Jahre 1719 und vollendete sie im Jahre 1733. 
Sein Repertoriura füllt einen mächtigen Folioband von über 1600 Seiten 
an; es wurde in drei Exemplaren ausgefertigt, wovon das eine für das 
Archiv, das andere für den Syndikus und das dritte für den königlichen 
Prätor bestimmt war. Dazu kam noch im folgenden Jahre ein aus- 
führliches Sach- und Namenregister in einem besonderen Bande. Im 
Laufe seiner 54 Jahre langen Dienstzeit ergänzte Hüftel sein Werk 
noch durch verschiedene Nachträge; wir besitzen ausserdem von ihm 
ein eingehendes Inventar der älteren Akten der Gerichtsschreibcrei 
sowie Indices zu einer Reihe von Ratsbüchern. Auch das Spitalarchiv 
wurde von ihm neu geordnet und repertorisiert. Alle diese Arbeiten 
sind in deutscher Sprache abgefasst. Matthias Hüftel starb hochbe- 
tagt im Jahre 1773, nachdem er neben seinem Amte auch lange Jahre 
als Ratsherr und Zunftmeister der Küferzunft zum Riesen gewirkt. 

Das Ilüftelsehe Repertoriura des Stadtarchivs hat den Inhalt des 
Kleinschen, auch wo er fehlerhaft war, meist wörtlich übernommen, 



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doch ist es, abgesehen von der Fortsetzung bis zur Mitte des 18. Jahr- 
hunderts, durch die Aufnahme mehrerer in jenem nicht erwähnter 
Archivteile weit vollständiger geworden. So zählt es auch die ver- 
schiedenen Reihen der im sogenannten Rechnungsgewölbe verwahrten 
Amtsbücher und Rechnungen kurz auf und verzeichnet auch die 
Archive der Herrschaften Heilig- Kreuz und Hohlandsberg sowie das- 
jenige des St. Petersstiftes. Die Stadt Colmar hatte die Herrschaft 
Hcilig-Kreuz im Jahre 15)56 von der Witwe des kaiserlichen Schatz- 
meisters Jakob Villinger und die Güter des Colmarer St. Petersstiftes 
im Jahre 157o von der Stadt Bern erkauft; im Jahre 1714 hatte sie 
zwar das St. Petersstift gegen die Herrschaft Hohlandsberg umgetauscht, 
doch war ihr ein Teil des Stiftsarchivs verblieben. 

Nach dem Tode Hüffels wurde der Lizentiat der Rechte Christian 
Friedrich Birkel auf die Empfehlung des Intendanten De Blair im 
Jahre 1773 zu seinem Nachfolger ernannt. Birkel entstammte einer 
angesehenen Colmarer Familie und hatte sich mehrere Jahre als 
Sekretär des königlichen französischen Ministers Follard am bayerischen 
Hofe aufgehalten. Er blieb im Dienste bis zu seinem im Jahre 1811 
T eingetretenen Tode. Er gehörte, wie sein Vorgänger, dem Rate an 

und stand an der Spitze der Gärtnerzunft zum Haspel ; später begegnet 
er uns auch als Hilfsrichter am Kriminalgericht des oberrheinischen 
Departements. 

Wenn das Stadtarchiv in den Stürmen der französischen Revo- 
lution nicht unterging, so haben wir dies vermutlich seinem Hüter 
Birkel zu verdanken. Die Augenzeugen jener Zeit berichten, dass an 
dem 21. Juli 1793, dem Tage der Annahme der neuen Konstitution, 
„Bücher und Schriften von den Stadtgerechtigkeiten" als Symbole der 
alten Knechtschaft öffentlich verbrannt wurden. Wir lesen ferner im 
„Rcgistro des deliberations du Conscil general de la commune de 
Colmar" folgendes Protokoll: „S6ance du 29. brumaire de l'an 2. de 
la R6publique franyaise: Sur ce qu'il a et6 repr6sente par le procureur 
de la commune qu'il est instruit qu outre les titres de feodalitö livr6s 
aux Hammes le 17 [sie!] juillet, il doit encoro exister dans les archives 
de la ville des pieces rappelant l'esclavage et la superstition de nos 
peres, quo quelque difticile que puisse en etre la recherche, eile est 
necessaire, puisque dans le regne de la liberte il ne doit rester aueun 



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vestige de l'ancien despotisme nobiliaire ou saeerdotal — lc Conseil 
general de la comrnuiio arröte que le citoyen archiviste fera les recherches 
lesplus scrupuleuses dans lcsarebives de la ville pour rassembler tousles 
titres qui ne pouvant servir ä constater des proprietes rappeleraient un 
despotisme quelconque, pour etre livres aux Hammes un jourde decade." 

Da nun allem Anscheine nach kaum etwas Wertvolles damals 
zu Grunde ging, so ist wohl anzunehmen, dass es Birkel gelang, die 
seiner Obhut anvertrauten Schütze vor der Vernichtung zu bewahren, 
indem er irgend welche wertlosen Bande und Pergamente der damaligen 
Zerstörungswut opferte. 

Nach dem Tode Birkeis erhielt der frühere städtische Sekretär 
Franz Xaver Leib die Archivarstelle. Von seiner Tätigkeit am Archive 
ist nichts bekannt; er hat dieselbe wohl nicht lauge, ausgeübt, da er 
in den zwanziger Jahren als erster Beigeordneter des Bürgermeisters 
in den Akten erscheint. 

Das Archiv hatte seit der Neugestaltung aller Verhältnisse seine 
praktische Bedeutung grösstenteils cingebüsst, und infolgedessen war 
auch das Interesse der Stadtverwaltung an demselben erlahmt. Erst 
im Jahre 1837 wurde wieder ein Archivar angestellt, und zwar war ^ 
dies Louis Hugot, ein Schüler der „Ecolc des Chartes", der schon als 
„Archiviste de la Couronne" in Paris tütig gewesen war. Von dem 
Jahre 1841 an verwaltete er zugleich auch die Stadtbibliothek. Hugot 
war ein Mann von vielseitiger Bildung und feinem Kunstsinne und 
trug viel zur Hebung des geistigen Lebens im damaligen Colmar bei: 
wir verdanken ihm vor Allem die Gründung des Schongauer-Museums. 

Als der neue Archivar sein Amt antrat, fand er die Archivalien 
völlig verwahrlost auf dem Speicher der städtischen Metzig vor. Er 
veranlasste ihre Überführung nach d^m Räume über der Lyceums- 
kirche, von wo sie i. J. 1850 nach dem früheren Unterlindenkloster 
geschatft wurden. 

Hugot starb i. J. 1864. Suchen wir festzustellen, was er in den 
27 Jahren seiner Amtsdauer für das Archiv geleistet hat, so finden 
wir nur Ansätze zur Neurepertorisierung einzelner Archivteilc. Diese 
Spuren seiner Tätigkeit zeugen von einer tüchtigen Schulung im 
Archivfache und lassen uns bedauern, dass seine Fähigkeiten dem 
Archive nicht besser zu statten gekommen sind. Zur Herstellung des 



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von den vorgesetzten Behörden unablässig geforderten summarischen 
Inventars konnte er sich wohl deshalb nicht entschliessen, weil er 
eine solche oberflächliche Arbeit für einen Rückschritt gegenüber den 
Leistungen seiner Vorgänger hielt. 

Hugot's Nachfolge am Archiv übernahm sein früherer Schüler 
und Gehilfe Xavier Mossmann, dessen Begeisterung für die historischen 
Studien durch eine langjährige Tätigkeit als kaufmännischer Buchhalter 
nicht hatte unterdrückt werden können. Mossmann machte sich mit 
Eifer daran, den Plan seines Meisters zu verwirklichen, nämlich ein 
sogenanntes analytisches Inventar des ihm anvertrauten Archivs an- 
zufertigen. 

Hüffel hatte bei der Abfassung seines Repertoriums den prakti- 
schen Zweck vor Augen gehabt, ein Nachschlagebuch für die Bedürf- 
nisse der Verwaltung zu schaffen. Wenn auch sein Werk für seine 
Zeit recht verdienstlich war und jetzt zur allgemeinen Orientierung 
über den Bestand des alten Archivs noch immer zu gebrauchen ist, 
so kann es doch den heutigen Anforderungen der Archivbenützer, 
denen es um sichere Auskunft in historischen Fragen zu tun ist, nicht 
< mehr genügen. Es sind darin weder die Daten, noch die Inhaltsan- 
gaben stets zuverlässig; namentlich aber weist die Aufzählung der 
Archivalien in einigen Abteilungen neben Ungenauigkeiten auch 
grössere Lücken auf. Was eben die damalige Zeit nicht mehr 
interessierte, glaubte Ilüffel nicht eingehend behandeln zu müssen. 
So kommt es, dass wir auf dürftige Angaben wio z. B. folgende stossen: 
„Rechnung-Gewölb, Scrinium B, Lad. 19. Müntz-Sachen Nr. 1: Edicta, 
Mandata, Declarationes et similia von verschieden Römischen König 
undt Keyseren auch Keyserlicher Regierung von vielen Jahren hero 
des Müntzweßens halb ergangen." Als Beispiel für die Lückenhaftig- 
keit des Hütteischen Repertoriums möge nur erwähnt werden, dass 
eine die Signatur R. G. S. B. 37 führende Sammlung von Urfehden, 
welche* allein an mittelalterlichen Urkunden gegen ein halbes Tausend 
Stücke enthält, überhaupt nicht eingetragen ist. 

Die Absicht Mossmanns ging nun dahin, den für die Geschichts- 
forschung wesentlichen Inhalt des gesamten Archivs möglichst genau 
zu verzeichnen. Er wollte für jede Urkunde ein ganz ausführliches 
Regest abfassen, den Inhalt der einzelnen Aktenreihen in zusammen- 



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hängenden Abhandlungen darstellen und zu den verschiedenen Amts- 
büchern Indices anlegen, welche auf alles irgendwie Wissenswerte 
hinweisen sollten. Die Arbeit konnte allerdings in dieser umständlichen 
Weise nur langsam fortschreiten, besonders da der Archivar noch 
durch andere dienstliche Obliegenheiten vielfach in Anspruch ge- 
nommen wurde. 

Als Mossmann im Jahre 1893 starb, hatte er sein Werk noch 
nicht zu Ende gebracht, aber doch einen beträchtlichen Teil davon 
ausgeführt. Sein Nachfolger, Dr. phil. Eugen Waldnor, arbeitete an 
dem neuen Inventare weiter, indem er sich zunächst den von Hüffel 
am meisten vernachlässigten Archivtoilen zuwandte. Er mu-sste in- 
dessen im Jahre 1900 seinen Beruf aus Gesundheitsrücksichten auf- 
geben, worauf Herr Spitaldirektor Dr. rer. pol. August Hertzog das 
Archiv einige Zeit im Nebenamte verwaltete. Im Jahre 1903 wurde 
wieder ein Archivar angestellt in der Person des Herrn Dr. phil. Ernst 
Hauviller. Derselbe bekleidete dies Amt viertehalb Jahre lang. Nach 
seinem Austritt aus dem Dienste der Stadt Colmar übernahm der Ver- 
fasser dieser Zeilen wiederum die Leitung des Archivs. 

Was die materielle Ordnung und die Aufstellung der Archivalien 
betrifft, so möge noch erwähnt werden, dass sie im Jahre 1872 von 
dem Unterlindengebäude in einen Flügel des Stadthauses verbracht 
wurden, der früher zur Aufbewahrung des Bezirksarchivs gedient hatte. 
Der hier angewiesene Raum war so klein und zum Teil so schlecht 
beleuchtet, dass eine ordentliche und übersichtliche Aufstellung nicht 
möglich war. Erst im Jahre 19U6 wurden die Räumlichkeiten den 
Bedürfnissen entsprechend erweitert. Bei dieser Gelegenheit ver- 
schwanden auch die alten stattlichen Schränke, welche in ihren zahl- 
reichen Schubladen die Schätze des Archivs wohl über zwei Jahr- 
hunderte geborgen hatten. 



Den reichen Bestand des Archivs will ich hier nur kurz andeuten 
Über den Schriften der Reichsstadt Colmar muss in der ersten Hälfte 
des 13. Jahrhunderts ein ungünstiges Geschick gewaltet haben, da aus 
dieser Zeit gar nichts mehr erhalten ist. Wenn auch die Neben- 



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arehive viel weiter zurückreichen, so stammt das älteste zweifellos 
zum städtischen Hauptarchive gehörende Schriftstück erst aus dem 
Jahre 1255. Es ist eine Originalurkunde des Königs Wilhelm, durch 
welche derselbe den Bürgern von Colmar die ihnen von den früheren 
Königen und Kaisern erteilten Privilegien im Allgemeinen bestätigt. 
Die nächstfolgende Königsurkunde ist das ausführliche Stadtrecht, das 
Rudolf von Habsburg i. .1. 1278 den Bürgern von Colmar verlieh. Vom 
Ende des 13. Jahrhunderts an beginnt das Archiv reichhaltiger zu 
werden und schwillt dann mit jedem Jahrhundert mehr an. 

Aus dem 14. Jahrhundert sind besonders die Landfriedensbünd- 
nisso und die Urkunden zur Geschichte der Verfassungskämpfe zu 
nennen, aus dem 15. die Akten über die Einfälle der Armagnakcn und 
über die Burgunderkriege. Der Bauernkrieg, die Reformation und die 
Gegenreformation, der dreissigjährige Krieg, die Besitznahme des 
Elsasses durch Frankreich: kurz, alle wichtigen Epochen der elsässi- 
schen Geschichte haben einen bedeutenden schriftlichen Niederschlag 
in unserem Archive hinterlassen. Eine stattliche Sammlung bilden 
namentlich die Reichs- und Städtetagsakten vom 15. bis zum 1 7. Jahr- 
hundert. Von einzelnen grösseren Abteilungen wären zu erwähnen: 
Landvogtei, Münzwesen, Städtisches Eigentum, Zünfte, Klöster, Juden 
etc. Durch ihre prächtigen Majestätssiegel ausgezeichnet sind die 
Quittungen der Reichssteuer, welche bis zum Jahre 1296 zurückgehen. 
Kunstgeschichtlichen Wert haben die Urkunden der von der Stadt 
verwalteten St. Martinsbaupfiege; sie sind vom Jahre 1263 an sorgsam 
aufbewahrt worden. 

Bei der Aufzählung der zahlreichen Amtsbücher gebührt dem auf 
Pergament geschriebenen alten Rotbuch die Ehrenstelle : es enthält die 
wichtigeren Ratsbeschlüsse vom Jahre 1362 au. Die auf Pergament- 
rollen angelegten Verzeichnisse der Bürgeraufnahmen beginnen schon 
1361, die Ratslisten 1408. Die Kaufhausbücher oder städtischen Rech- 
nungen setzen im Jahre 1^92 ein, die eigentlichen Ratsprotokolle 1429, 
die Missivenprotokolle 1442, die Kontraktprotokolle 1512. Die Eid- 
büchcr, deren ältestes noch dem 15. Jahrhundert angehört, belehren 
uns im Einzelnen über die Organisation der städtischen Verwaltung. 
Die vielen Steuer- und Zollregister bieten Stoff zu interessanten volks- 
wirtschaftlichen Untersuchungen. 



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Neben seinem alten Grundstöcke birgt das Colniarer Stadtarchiv, 
wie schon erwähnt, noch die Archive der Herrschaft Heiligkreuz und 
des St. Petersstiftes sowie Teile desjenigen der Herrschaft Hohlandsberg. 
Dazu sind seit der französischen Revolution die Schritten mehrerer 
Zünfte und Gesellschaften gekommen ; auch wurden gelegentlich 
Archivalien durch Schenkung oder Kauf erworben. Im Jahre 1906 ist 
ferner das alte Colmarer Spitalarchiv in den Räumen des Stadtarchivs 
deponiert worden. 

Die älteste Heilig-Kreuzer Originalurkunde ist eine Hülle des 
Papstes Athanasius IV. aus dem Jahre 1154, durch welche derselbe 
das Kloster Heilig-Kreuz in den besonderen Schutz des heiligen Stuhles 
nimmt und ihm alle vom Papste Leo IX. verliehenen Privilegien be- 
stätigt. 

Von hohem Werte für die Colmarer Urgeschichte ist das Archiv 
des Benediktinerstiftes St. Peter zu Colmar. Die im Jahre 1714 unter 
dem Drucke Ludwigs XIV. von der Stadt Colmar vorgenommene Ver- 
äusserung des Stiftes wurde im Jahre 1793 durch das Distriktsgericht 
zu Colmar rückgängig gemacht, worauf die Stadt mit den Stiftsgütern 
auch den Hauptbestand des Stiftsarchivs zurückerhielt. Dasselbe be- 
lehrt uns namentlich über das Verhältnis der Gemeinde zu ihrem ur- 
sprünglichen Gerichts- und Grundherrn, dem Prior des Klosters Peter- 
lingen in der Schweiz, welches die später als St. Petersstift bezeich- 
nete Besitzung zu Colmar schon im Jahre 97.'i inne hatte. Die älteste 
Originalurkunde dieser Abteilung ist ein von Kaiser Konrad II. im 
Jahre 1027 ausgestelltes Diplom, das dem Gotteshause Peterlingen 
seinen Besitz zu Colmar bestätigt. 

Diese kurzen Andeutungen mögen hier zur allgemeinen Orien- 
tierung über das Colmarer Stadtarchiv genügen. Von ihm berichtete 
der Generalinspektor der französischen Archive i. J. 18(57 an den 
Minister des Innern: „Le depöt de Colmar compte au nomine des 
plus riches et des plus importants de France." Dasselbe lässt sich 
heute auch in Bezug auf Deutschland sagen. 



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1 

- 

2. 

Verordnungen 

des 

Rates der Stadt Colmar 

1362—1432. 



(Aus dem ältesten Stadtbuche gezogen). 



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— 13 — 



Verordnungen des Rates von Colmar 

ans den Jahren 1362 bis 1432. 



Vorwort. 

Die Rats Verfassung für Colmar, welche der elsässische Landvogt 
Burggraf Burkhard von Magdeburg im Jahre J360 aufstellte und Kaiser 
Karl IV. am 15. August 1361 bestätigte, machte den vieljährigen inneren 
Wirren der Stadt auf längere Zeit ein Ende.') Das durch heftige Partei- 
kilmpfe erschütterte Gemeinwesen kam nunmehr zur Ruhe und hatte 
eine feste Grundlage für eine gedeihliche Entwicklung. 

Der neue Geist zeigte sich bald in einer sorgfältigeren Verwaltung 
der städtischen Geschäfte und namentlich in der Anlage von ordent- 
lichen Amtsbüchern auf der Kanzlei. Seit dem Ende des Jahres 1361 
wurden genaue Verzeichnisse der Bürgeraufnahmen geführt und von 
1362 an die Beschlüsse des Rates niedergeschrieben. 

Beiderlei Aufzeichnungen sind uns noch im Stadtarchiv erhalten, 
und zwar die ersteren auf den Original- Pergamentrollen, die letzteren 
in einem besonderen Bande. Dieser besteht aus 106 Pergamentblättern 
in Quartformat und ist mit Holzdeckeln versehen, welche mit rotem 
Leder überzogen und mit messingenen Knöpfen verziert sind. Neben 
protokollierten Ratsbeschlüssen, welche teils Verordnungen, teils Straf- 
urteile und zwar hauptsächlich Verbannungen enthalten, stehen darin 
noch Schotten listen, Abschriften einzelner Urkunden, Notizen über Münz- 
prägungen und über die Rechnungsablegung von städtischen Beamten 
sowie mancherlei Anderes. 

') Afossmann: Recherchen sur la Constitution de la commune ä Colmar. Colmar 
1878. S. 83— 87. Waldner: Artikel Colmar in: Das Reichsland Klsass-Lothringcn, 
hrsgb. vom statist. Bureau des Ministeriums tür E.-L. III. S. 178. 



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- 14 - 



Der Codex selbst wird a» verschiedenen Stellen desselben erwähnt 
als der stette büch, als ratbüch oder unser statt ratzbuch. 
Die hierfür auch vorkommende dialektische Form rotbuch wurde von 
späteren Registratoren mit der Farbe des Einbandes in Zusammenhang 
gebracht und in Rotes Buch (Ii vre rouge) verwandelt. Zur Unter- 
scheidung von einem anderen Archivbande mit rotem Umschlage, einer 
im Jahre 1488 vom Stadtschreiber Konrad Wickram angelegten Samm- 
lung von archivalischen Auszügen über wichtige Rechts- und Ver- 
waltungsangelegenheiten, hiess unser Buch das alte Rotbuch. 

Die darin ursprünglich verzeichneten Ratsbeschlüsse weisen, soweit 
sie datiert sind, die Jahreszahlen 1362 bis 1481 auf; aus späterer Zeit 
stammen nur noch wenige Einschiebsel. Der älteste und grösste Teil 
des Buches ist von einer Hand aus der zweiten Hälfte des 14. Jahr- 
hunderts geschrieben, und zwar sind die Protokolle nicht etwa im Laufe 
ihrer Abfassung eingetragen worden, sondern die Sammlung scheint auf 
einmal und erst im Jahre 1386 zu Stande gekommen zu sein. Dafür 
spricht der einheitliche Charakter der Schrift und der Umstand, dass 
die Ratsbeschlüsse von 1362 bis 1386 in chronologisch bunter Reihe auf 
einander folgen. Man sieht allerdings dem Kompilator die Absicht an, 
eine chronologische oder eine sachliche Ordnung herzustellen, aber er 
hat keine von beiden konsequent durchgeführt. Von den archivalischen 
Quellen, aus denen er schöpfte, ist nichts mehr vorhanden; ausführ- 
liche Protokollbücher über die Ratssitzungen sind erst vom Jahre 
1429 an erhalten. 

Angelegt wurde unser Buch ohne Zweifel von dem damaligen 
Stadtschreiber. Es war dies wohl jener Waltherus Fulweis, notarius 
Columbariensis, der am Matthiastage 1384 zum Bürger aufgenommen 
wurde. 1 ) Dass mit der Benennung notarius Columbariensis der 
Stadtschreiber gemeint ist, geht wohl daraus hervor, dass derselbe Aus- 
druck in den Bürgerlisten des Jahres 1376 von einem Cünradus Löckelin 
gebraucht wird, der in einem Spruchbrief aus dem Jahre 1379 als 
unser stettschriber erwähnt wird. 2 ) Wie dem auch sei, so scheint 
jedenfalls der erste Schreiber unseres Stadtbuches, den wir hier mit 
A bezeichnen wollen, nicht lange iin Amte gewesen zu sein, denn 

») S. Bürgcrlistcm. «) E. 23, 1. 



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— 15 



seine Handschrift findet sich sonst nur noch in den Burgerlisten der 
*• Jahre 1385—1387 vor. 

Die nachfolgenden Stadtschreiber haben das Werk ihres Vor- 
gangers fortgeführt, indem sie die leer gebliebenen Blätter des Bandes 
und die freien Stellen schon beschriebener Seiten ausfüllten. Doch 
wurden die Aufzeichnungen im Laufe der Zeit immer spärlicher, und 
nur die Schöftenlisten weisen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts eine 
zusammenhängende Folge auf. Während der erste Schreiber, wie es 
scheint, alle ihm zugänglichen älteren Ratsbeschlüsse sammelte, so 
haben seine Nachfolger nur noch diejenigen in das Stadtbuch auf- 
genommen, deuen sie eine grössere Bedeutung beimassen. Dass die 
Eintragung manchmal auf den besonderen Befehl des Rates geschah, 
wird an einigen Stellen ausdrücklich hervorgehoben. Von dem zweiten 
Drittel des 15. Jahrhunderts an empfing die alte Sammlung von Rats- 
beschlüssen nur noch selten einen Zuwachs, und ein Vergleich mit 
den Ratsprotokollbüchern zeigt, dass selbst Wichtiges nicht mehr 
regelmässig beigefügt wurde. 

Was die Schrift der Fortsetzung des alten Stadtbuches betrifft, 
< so rühren die Protokolle der Jahre 1387 bis 1403, mit Ausnahme einer 
Verordnung von 1399, von einem hiermitB bezeichneten Schreiber her, von 
dem wir nichts wissen, als dass er auch Walther hiess. 1 ) Die späteren Ein- 
träge wurden von verschiedenen Händen gemacht, z.B. von dem im Jahre 
1409 Bürger gewordenen Stadtschreiber Claws von Appen wiler, die 
meisten jedoch von einem Schreiber C, dessen Schriftzfige auch sonst 
in den städtischen Registern vom Jahre 1429 an während zwei Jahr- 
zehnten vorkommen, der aber noch einige ältere Verordnungen (von 
1407, 1411 und 1413) in das Stadtbuch einfügte. Er ist wohl identisch 
mit dem Stadtschreiber Johannes Oescwin von Wynnyngen, der im 
Jahre 1432 das Colmarer Bürgerrecht empfing. Der Umstand, dass 
dieser langjährige Colmarer Stadtschreiber aus dem an der Mosel bei 
Koblenz gelegenen Winningen stammte, zeigt, wie vorsichtig man 
bei der Verwertung archivalischer Quellen für die Dialektforschung 
sein muss. 



'> S. das Stadtbucli selbst. S. 159. 



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— 16 - 



Da die gesetzgebende Tätigkeit des Rates in den nächsten 
Jahren nach Beendigung der Verfassungskämpfe eine sehr fruchtbare 
war, und ihre Ergebnisse dauernde Geltung behielten, so wurde die 
Niederschrift derselben geradezu für das städtische Rechtsbuch ange- 
sehen. Wenn es in der Verfassungsurkunde vom Jahre 1424 heisst, 
man solle jedes Jahr am Sonntag nach der Ratssatzung das recht- 
büche off offenen cantzeln künden, das mengliche wisse, 
warn ach er sich halten solle, so ist damit jedenfalls unser 
altes Stadtbuch gemeint.') In dem Berichto über den Aufruhr, welcher 
die Verfassungsänderung des Jahres 1424 zur Folge hatte, heisst es ja aus- 
drücklich, die aufständischen Bürger hätten sich auch des Ratsbuches be- 
mächtigt. 2 ) Noch eine im Jahre 1470 erlassene und im Bande 11 ) selbst 
stehende Verordnung bestimmt, dass jedes Jahr bei der Rutsänderung 
dis rottbuch dem neuen Rate ganz vorzulesen sei, damit sich jedes 
Mitglied inn sinem sprechen und sust darnach zu richten wisse. 

Das Recht der autonomen Gesetzgebung der Reichsstadt Colmar 
gründete sich auf die von König Rudolf im Stadtrecht vom Jahre 1278 
den Bürgern erteilte Befugnis, „Einungen über sich selbst zu setzen". 
Diese Einungen waren unter Strafandrohung erlassene Rechtsvor- > 
Schriften; auch die Strafen selbst und namentlich die Geldbussen 
werden öfters mit diesem Worte bezeichnet. Das Recht, Einungen 
aufzustellen, wurde der Stadt von König Karl IV. im Jahre 1347 
ausdrücklich bestätigt und insbesondere dem von der Gemeinde ge- 
wählten Rate übertragen. *) Bei wichtigen Entscheidungen, wo es 
galt, im Einklang mit der öffentlichen Meinung zu bleiben, gesellte 
sich der Rat noch die einen weiteren Bürgerausschuss bildenden 
Schöffen bei. 

Die legislative Kompetenz des Colmarer Rates bewegte sich 
natürlich innerhalb der durch das Rudolfinische Privileg und die all- 
gemeinen Reichsgesotze gezogenen Schranken. Darüber hinausgehende 
Ratsbeschlüsse wurden von dem Reichsoberhaupte wieder aufgehoben. 
Dies geschah z. B. im Jahre 1354 mit einem städtischen Gesetz in 
Betreff der Verfügung über das Gut eines Mörders. 1 ) Die im Jahre 

n Mossmann: Constitution 93. 2 ) Mossmann: Memoire... sur une insurrection 
survenue a Colmar en 1424. Colmar 1882. — S. 20. ») S. 198. *) Mossmann : 
Constitution 52. *) Mossmann a. a. O. 62— 63. 



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17 - 



1367 vom Rate beschlossene Milderung der alten Strafe für Verwundung 
bedurfte der besonderen Erlaubnis des damaligen Reichsverwesers, 
des Herzogs Wenzel von Luxemburg. 1 ) 



Von dem verschiedenartigen Inhalte des alten Stadtbuches 
veröffentliche ich hier nur den wichtigsten Teil, nämlich die Verord- 
nungen, und diese auch nur bis zum Jahre 1432. Ich habe die Grenze 
hier gezogen, um noch die ausführlichen Bestimmungen über die 
Zünfte aufnehmen zu können, und weil für eine Sammlung von 
Verordnungen aus späterer Zeit nicht mehr unser Band, sondern die 
Ratsprotokollbücher die Hauptquelle bilden würden. Jüngere Ab- 
änderungen wurden von mir nur berücksichtigt, wenn sie noch dem 
15. Jahrhundert angehören, und zwar wurden sie zwischen Klammern 
gesetzt. ' 

Was die Art und Weise der Veröffentlichung betrifft, so mache 
ich einen Unterschied zwischen den Aufzeichnungen des Schreibers A 
und denen der folgenden. Erstere habe ich genau in ihrer Reihen- 
folge gelassen, nicht als ob ich sie als ein einheitliches Werk betrach- 
tete, sondern weil viele undatiert sind, und es oft zweifelhaft erscheint, 
ob das zunächst vorausgehende oder folgende Datum auch für sie 
gilt oder nicht. Dagegen wurden die von den späteren Schreibern 
gebuchten Ratsbeschlüsse, welche sämtlich datiert sind, von mir 
chronologisch geordnet. Nur zwei Nachträge des Schreibers B, die 
Formel des Judeneides 2 ) und eine Verordnung vom 23. Juni 1381, 3 ) 
habe ich an ihren Stellen in der ersten Gruppe belassen. 

Bei der Edierung des Textes habe ich mich möglichst genau 
an die Orthographie des Originals gehalten, also auch den Consonan- 
tismus unverändert gelassen. Nur in einigen Punkten, wie bei der 
Wiedergabe der Ziffern und der Daten, dem Gebrauch von u, v, i, j 
und der Anwendung einer von der heutigen abweichenden Inter- 
punktion, habe ich die von Weizsäcker im ersten Bande der Deutschen 
Reichstagsakten aufgestellten Regeln befolgt. 

Schwierigkeiten machen bei einer solchen Publikation immer 
die über den Vokalen stehenden Buchstaben und Zeichen. Ich habe 

•) Hier unten S. 43. «) Hier unten S. 54. ») S. 59. 

2 



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- 18 — 



ein möglichst getreues Bild der Handschrift zu geben versucht und nur 
zur Vereinfachung des Druckes folgende Abänderungen vorgenommen. 

Für den ü-Laut, den die Schreiber unseres Ratsbuches mit u 
und darübergesetztem Punkt oder kleineu wagerechten Strich oder 
circumflexartigen i wiedergeben, wobei alle drei Zeichen durcheinander 
und ohne konsequente Unterscheidung der Quantität des Vokals ange- 
wandt werden, habe ich ein einheitliches ü gewählt. 

Wenig folgerichtig durchgeführt ist im Originaltexte auch die 
Differenzierung der e-Laute durch einen Punkt, einen Circumflex oder 
zwei nebon einander stehende Punkto über dem e, weshalb ich von der 
Reproduktion dieser Zeichen überhaupt Abstand genommen habe. 
Bei den Schreibern B und C sind dieselben übrigens nur selten anzu- 
treffen, bei A dagegen begegnet der Punkt häufiger, namentlich über 
der Tonsilbe der Wörter: gelt, kleger, metziger, reben, recht, 
stette, weg, wechssei, sechs, es, weler, gegen, weder, 
geben, gesetzet, sweren, vert und den Üonjunctiven: breche, 
hette, kerne, tete etc. 

Nicht angegeben in unserem Abdruck ist ferner die vereinzelte 
Bezeichnung der Länge des a durch ein zweites, darübergesetztes a, 
wie sie sich in der Schrift C bei den Wörtern began, kram und 
rat findet, lieber das a in letzterem Worte setzt der Schreiber B 
manchmal den Haken, den er sonst für das übergeschriebene v (resp. 
u) gebraucht. 

Die Abkürzungen habe ich stets im Sinne des Schreibers auf- 
gelöst; so wurde in der Schrift A dz und wz mit das und was 
wiedergegeben, weil diese Wörter, wo sie unverkürzt vorkommen, 
fast immer mit s geschrieben sind. 

Offenbare Schreibversehen habe ich stillschweigend berichtigt; 
im Zweifel jedoch, oder wenn eine wiederkehrende Eigentümlichkeit 
des Schreibers vorliegt, wurde nichts geändert. 



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- 19 - 



1362-1386. 

3 * Anno domini MCCC L XII crastino Johannis Baptiste wart er- 
teilt und erkant einhelleclich, wer von der stat zü Colmer louffet, 
es sie man oder wip, von schulde wegen oder das sü den lüten 
das ire empfürent, ist das die eigen oder erbe oder ander güt 
hinder in laut in der stat, das mögent die den sü denne schuldig 
sint oder den sü das ire empfüret bant das eigen oder das erbe 
und das güt wol frönen und mit dein gerichte dar uff kommen, 
als das gerichte denne erteilt. 1362 Juni 25. 

Anno predicto sabbato ante Margarechte virginis wart ein- 
helleclich erteilt, weles burgers oder seldeners kint zü Colmer würt 
geslagen, da das kint nüt vogtber ist und von eim geslagen würt 
der vogtber ist, dar über sol das gerichte noch die echte we nüt 
richten, wand der rat sol dar über und dar nach als es erfaren 
ist erkennen eine besserunge, ist das es eim burgermeister geclaget 
würt. 1362 Juli 9. 

Anno predicto feria tertia einte festuni nativitatis Marie wart 
erteilt und erkant, wa ein lnntman über einen burger oder seidener 
messer zügket, der sol bessern zchen pfunt und so vil me als denne 
der rat über in erkennet nach der getat so er tut. Ist aber das 
der lantman der das messer gezügket het dem burger oder seidener 
4. nüt het verwundet und entrinnet der in || eins burgers oder seldeners 
hus, und würt denne der lantman hinder ym verbotteu von dem über 
den der lantman das messer gezügket het, so sol yn der burger oder 
seidener in des hus er ist haben als ob in der weibel verbotten hette. 
Ist aber das der burger oder seidener in des hus er ist daz messerzukgen 
für in vertröstet der 10 lib. als ein lantman bessern sol, so sol der 
burger oder seidener fürbasser nüt me haft sin. Ist aber das der lant- 
man burger oder seidener gewundet het, so mag den lantman ein ieglich 
burger oder seider hinder dem verbieten in des hus er entrinnet, oder er 
sol in aber her uß lassen nemmen in das gericht, wand der lantman 

* Die Zahlen Hin Rande bezeichnen die Seiten der Handschrift. 



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— 20 — 



sol keinen friden denne zemalc haben an dcheinen Stetten anc in j 
kilchen. 1362 September 6. 

Eodem tempore wart erteilt und erkant, wer uff des andern 
matten fort e das er es billich tön sol oder in sin korn fort oder 
in die Ouwe, da bessert ie das vihes houbt l lib. dn. halber dem 
schultheissen und dem meister und halber der stat. Und sol der 
des das vi he ist dem sinen schaden ufrichten. Und mag das ein 
ieglicher der es sieht übersagen bi sinem eyde. Und was eim 
schaden geschieht, da sol man erber lüte zu schigken, die dar über 
erkenneiu was des schaden sie. 

Anno LXX secundo sabbato ante Bartholoiney wart erkant, 
wer mit jagende iemant keinen schaden tete in sinen reben, in 
gerten oder in der Ouwe, der bessert ein halb jar für die stat und 
mag das abkouft'en. 1312 Augunt 21. 

5. Der rat het erkant, das nieman in das korn noch in die sete 
vareu sol mit pherden noch mit vihe. Ist aber das ieman sete von 
ym selber het, der mag sine pherit dar in füren also das er das 
pferit an der hant füre. Were aber das dar über iemant dehein 
schade geschähe oder dem andern in sin korn oder sete füre, da 
bessert ie des vihes houbt, als dicke es geschieht, l lib. d. halber 
dem schultheissen und dem meister und halber der stat, und sol 
dnrtzü dem sinen schaden abheben dem der schade geschehen ist. 

Anno LX secundo sabbato post beati Nicolay episcopi da wart 
erkant, das kein vischer zö Coliner umb einen frömden man vische 
sol koutten, wand das man sü einen ieglichen frömden man sol 
lassen selber verkouffen, es were denne das einre nüt tütsch kende, 
dem mag einre wol helffen und für in reden. Und sol ouch nieman 
mit dem andern gemein haben denne zwene, und süllent ouch die 
vischer zü Coliner umb einander keine vische koutten. Wer 
dirre stücke dcheins verbreche, der bessert 1 lib. d. als dicke 
es geschieht, halber dem schultheissen und dem meister und halber 
der stat. 1302 Dezember 10. 



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- 21 - 



Anno LX sexto sabbato post üylarii da wart erteilt und er- 
kant, das keine fröwe vische sol veile haben in dem merket noch 
verkouffen. Es sol ouch nieman under den vischern in disem 
banno umb den andern deheine vische kouffen. Wer dirre stügke 
deheins verbreche, der bessert l üb. d. halber dem schultheissen 

6. und dem meister und halber der stat. 1360 Januar 17. 

Dartzü het der rat erkant, das kein vischer noch niemant 
anders die da gesaltzene vische veile hant ir vische, als sü ein 
logel ufslahent, mit lenger veile süllent haben denne untz an den 
dritten dag, es erloube in denne die schouwer. Wer das brichet, 
der bessert 1 üb. d. halber dem schultheissen und dem meister und 
halber der stat. 

Der rat hat erkant, wer zu Colmer ein tonne heringes oder 
ein logel mit vischen ufslüge ane die schouwer die dar über 
gesetzet sint, wer das ouch tut und wie dicke das geschieht, da 
bessert ie die tone oder ein logel mit vischen 2 lib. d. halber dem 
schultheissen und dem meister und halber der stat. 

Eodcm die et anno wart erteilt und erkant, wer es das ein 
lantman in die stat gen Colmer züge mit sinem gute und er ouch 
in dem lande güt hette, den mag man pfenden umb zinse in der 
stat, ob er ieman schuldig were, als sesse er ym lande, und sol 
ouch das sin umb soüche zinse dar umb er in dem lande macht 
hette zu pfendende und mit anders. Actum anno LX secundo sabbato 
post Nicolay. 1362 Dezember 10. 

7. Anno domini LX tertio crastino epyphanie domini wart erteilt 
und erkant, das nieman sol zu Colmer spilen uff dehein eigen noch 
uff dcheinon bürgen, uff deheinen eit noch uff dehein pfant das nüt 
zu gegen lit noch roten noch mit triben das den pfenning giltet. 
Man spilet aber wol uff soüche pfant die uff dem brette oder da 
zü gegen ligont ane geverde. Wer dis brichet, der bessert 5 
lib. d., dem schultheissen und dem meister 1 lib. und der stat das 
überige.* 1363 Januar 7. 

* Am Rande sind drei Würfel gezeichnet. 



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- 22 — 



Eodem die wart erteilt, das dehein oleman der varher niestet 
die selben varher ussewendig der stat sol verkouften. Sü süllent 
die gewonheit da mitte halten in alle die wisc als die brotbegker 
tünt und die selbe besserunge liden, welcr es verbreche. 

Anno predicto feria quarta ante palmarum da wart erteilt, wa 
einem weibel einer empfolhen würt und ym der gefangen einen 
bürgen wil geben, so sol der weibel einen erbern burger oder seider 
dartzü ziehen, und mag denne der weibel selb ander den wol des 
übersagen das er bürge ist worden, ob es einre misseichen wolte. 

1363 März 22. 

8. Anno domini MCCCLX tertio post fest um corporis Christi da 

würdent diso nachgeschriben stügke einhelliclich erteilt und erkant 
in offenem rate, das man nieman kein holtz zu deheinem buwe sol 
geben, er habe denne einen solichen nüwen bu von gründe uff' da 
zü dem minnesten zwey erütze an dem buwe sint, oder zü solichem 
buwe das ein recht hus heisset mit gcbelen. Zü dem buwe sol 
man geben eime drie böme und zü deheim alten buwe nür. 

1WX Juni 2/fJ 

[Es were denn das die rete yernant türer erloubten noch ge- 
legentheit der Sachen. Und sol ouch der stette zymberman und 
wergkmeister söllich holtz so man den lüten ye ze zyten gipt selber 
houwen oder sine kneebt und nit die lütc den dann sollich holtz 
geben wurt. Und sol man ouch demselben zymberman geben von 
ye dem stumpft' 1 s. d. nippen und den Rietförstern 4 d. ze 
stumpfflöse ] 

Werne die burger holtz gent in dem walde, der sol es selber 
zü dem buwe brachen dartzü es im geben ist, und sol dehein ander 
holtz umb deheinen zimberman noch umb niemant anders lehenen 
dar uff* das der zimberman oder iemant anders das holtz von dem 
walde dar für nemme. Dartzü sol er ouch mit nammen keinem 
zimberman noch niemant anders die afterslagen zü koutt'ende geben. 
Und wer das brichet, so sol der zimberman und ouch der der daz 
holtz kouft het ieglicher bessern 5 lib. d., dem schultheissen und 
dem meister 1 lib. und das überige der stat. 



! 

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— 23 — 



Dartzü hat der rat erkant, weme die burger also buholtz gent 
also vor stat, der sol es vorbuwen in jar und in tage. Wer das 
nüt endete, der bessert die obgenant besserung, und sol das holtz 
dar nach der stette sin. Actum crastino beatorum Symonis et Jude 
apostolorum anno LXXXV. 1386 Oktober 29. 

9. Es ist ouch erkant, das man den die trotten hant, da eim ein 
bette böse ist, sol geben einen böm der zü eirae bette güt ist. 
Ist aber die trotte also böse das es die erkennent an die es ge- 
setzet ist das er fürbasser darff, so mögent sü im geben einen 
böm der zu zweyn betten gut ist, und des jares sol man im nüt 
nie geben und zu keiner tennenen trotten sol man nüt geben. 

Man sol ouch nieman dehein holfte in deheinen kelre geben, 
der kelre sie denne zwenzig schuhe wit und lang. 

Wa ein buhoff ist da sol man zwein einen böm geben zu 
zwein trögen, da es notdürftig ist, ane geverde. 

Als Vendehcin über den walt gesetzet ist, wem da die burger 
holtz geut, das sol er den lüten zöigen, und sol das sin ane ge- 
verde solich holtz das zü dem buwe güt ist ane geverde. Und sol 
man im geben zü lone so er einen böm zöiget 1 s. d , von zwein 
böimen 18 d., von drin böimen 2 s. Und sol nieman nüt da 
höwen denne das er in zöiget. 

Der rat het erteilt, wer in der stette weide vert nach holtze, 
also dicke es besehicht, und Aver das tut ane des rates urlop, der 
bessert f> lib. und einen monat für die stat ane gnade. Und 
sol ouch der alte eynung da mitte stete beliben, das ist von ieg- 
lichem stumpfe den einer abehiewe o lib. Und vellet der besserung 
dem schultheisscn und dem meister 1 lib. und das ander der stat, 
und sol das holtz das er abhöwet der stette bezalen. Actum 
crastino beate Katherine virginis. 

10. Anno LX tertio sabbato post festum corporis Christi da wart 
erteilt und erkant utt" den eit, wa ein schedelich man oder wip 
gefangen würt, wele fröwe, wie genant die ist, den schultheisscn, 



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— 24 - 



meister oder den rat für den schedelichen man oder wip bittet, 
der sol man die stat angnade einen monade verbieten, und sol 
sü doch der schultheiss, meister und rat der bette nüt eren, 
wand der rat es gelobt hat zü haltende. 1SU8 Juni 3. 

Es wart ouch erteilt, wele fröwe, wer die ist, die in kilchen 
der vor oder in der stat eim manne bettelet oder gilet, die sol 
einen raonat ane gnade vor der stat sin, es were denne ein 
kindelin das ein fündellin were, doch so sol das selbe keine tön 
ane eins burgermeisters urlob. Werne aber der rat erloubet zu 
bettelen, das mag eine wol tün. 

Es sol kein koch kein swin abnemmen noch brügen, es sie 
denne vorhin versuchet das es schöne sie von der melziger 
meister oder von den die dar über gesetzet sint und gesworn 
hant. Weier das brichet, der bessert 1 lib. als dicke das be- 
schicht, halber dem schultheissen und dem meister und halber 
der stat. 

Der rat hat erkant von der köche wegen die da gesotten 
und gebroten fleisch verkouffent, das die kein fleisch vor den 
fleischbenken kouffen süllent das pfünnig ist. Wer das brichet 
oder den lüteu sust pfynnig fleisch git zü koutfendc, der bessert 
ein halb jar, und mag das abkouffon, und dem schultheissen und 
dem meister 1 lib. Actum vigilia Syraonis et Jude apostolorum. 

11. Der rat hat erkant, das kein varendc tochter keinen riffian 

noch lieben man haben sol in der gassen, und sol ouch keiner 
nachtes by ir ligen. Weier das breche, da bessert er einen 
monat von der stat, und mag den abkouflen, und 1 lib. d., und 
die tochter ouch 1 lib. also dicke es geschieht. Und würt der 
besserung dem schultheissen und dem meister 10 s. und das 
überige der stat. 

Der rat hat erkant, das ie die zunft vier nagkete man ane 
harnesch zü füre sol schigken mit geschirren, wenne für uß kerne, 
das sü denne biderbetlichen lösebent. 



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- 25 — 



Der rat hat erteilt und erkant, wer den andern dem weibel 
empfelhen wil für schulde, das er nüt fürbasser für me sol 
empfelhen denne er dunket das er ym schuldig sie, es sie bi 1 
lib. oder by zwein pfunden me, ane geverde, uff rechenungc. 
Und sol ouch das der weibel fragen by sinera cide den der im 
einen emphilhet, was er im schuldig sie, da für sol er in ouch 
haben. Wer das brichet, der bessert zwei pfunt dem schult- 
heissen und dem nieister 10 s. und das überige der stat. 

12. Anno domini MCCCLXIII in vigilia Mathie apostoli da wart 
erteilt und erkant, das nieman dem andern sin holtz sol abe 
höwen weder frömdcn lüten noch heimschen burgern. Wer 
das über füre, der besseret den eynung den der rat gesetzet 
hat und so vil als der rat erkennet, und mag yn ein ieglichcr 
der es sehe rügen. Und sol keinre der nüt eygens holtzes het 
mit deheinem schiffe noch karriche kein holtz her in füren, er 
füre es denne eim andern umb Ion, ane geverde, öderer nemme 
es denne in sinera eigenen holtze, wand unser herren nüt wellent 
das iemant dem andern, er sie frömde oder heimesch, sin holtz 
solle abhöben noch nemraen. Wer ouch den lüten ir züne 
abe brichet oder stegholtz höwet, weler dirre stügkc deheins 
verbricher, der bessert ein halb jar für die stat und mag das 
abkouffen, und sol man den schaden gimc ablegen. 

1363 Februar 23. 

Der rat hat erkant, das nieman der holtz umb taglon höwet 
oder sust in die höltzer get, der sol uß deheinem holtze deheinen 
rebstegkeu, deheine stange noch baut mit im tragen. Er sol nüt 
anders denne eine welle dürres holtzes und einfcltig riß zfi 
bürnende mit ym tragen ane geverde. Weier das brichet in 
welem holtze das beschehe in unserm banne, der bessert ein 
vierteil jares für die stat und mag das abkouffen, und sol dar 
zu dem dem er den schaden getan hat sinen schaden ablegen. 
Actum sabbato ante festurn nativitatis domini anno LX Villi. 

1369 Dezember 22. 

13. Der rat hat erkant, das nieman, wer der ist, kein holtz noch 



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steine zwischent der stette graben füren noch legen sol. Wer 
das verbreche, der bessert von ie dem huft'cn alle tage 1 üb. 
halber dem schultheissen und dem meister und halber der stat. 
Actum feria quarta ante festum penthecostes anno LXIIII. 

1304 Mai 8. 

Der rat hat erkant, das man nieman sol erloubeti dohein 
vihe in das Riet ze slahende in deheinen weg, es tüge dennc 
der gnntze rat und die Zunftmeister das sü erkennent, das es 
weger sie getan denne vermitten. und doch also, wem es er- 
loubet würt, das der sine briefe gebe das es im durch bette er- 
loubet sie und kein recht dar zühabe. Actum vigilia penthecostes 
anno LXIIII. 1304 Mai 11. 

Eodem die wart erkant, das nieman wer korn in dem 
merketc veile treit und verkouffen wil, das der noch sin geheisse 
kein korn kouffen soll, wand unser herren wcllent mit das ieman 
der korn kouft'et deheins verkoutten sol, und mag das ein ieglicher 
rügen, ob es iemant verbreche, und bessert von ie dorn vierteil 
1 lib. als 'dicke es geschieht, halber dorn schultheissen und dem 
meister und halber der stat. 

14. Anno domini MCCCLXIII sabbato post exaltationis sanete 

crucis wart erteilt und erkant, das nieman, er sie ziegler oder 
ander lüte, deheinen grünt sol nemmen in dem Lusse und in 
dem Dornach ane alleine so vil das erber lüte in der stat zu 
kleibcnde bedürffent, und hafencr mögent ouch wol da nemmen 
ir notdurft. Und wer das brichet, der bessert 1 lib. d. halber dem 
schultheissen und dem meister und halber der stat. 

Ist aber daz ieman grundes bedarff, der mag wol nomen 
ynwendig der langen brugken an dem stosse in der llle. 

1303 September 10. 

Anno predicto crastino animarum wart erkant, das niemant 
dehein geferwet gewant sol veile haben an dem dornstage an 
deheinen Stetten denne alleyne uuder der wotlouben. 

1303 November 3. 



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^ Es sol ouch nieman dehein gro noch wiß tüch an deheinen 

Stetten veile haben an dem dornstage denne alleine in der 
Augustiner hoff. Wer dise stügke brichet, da bessert ie der snit 
5 s. halber dem schultheissen und dem meister und halber der stat. 

15. Crastino Oswaldy anno LXIIII da wart erteilt und erkant, 

wer gewant snidet, er sie frömde oder heimesch, der sol es in 
der wotlöben veile haben, er möge denne nüt gestan in der 
louben, oder under der kürsencr louben oder an den laden. 
Weier das brichet, der bessert 5 s. Straßburger halber dem 
schultheissen und dem meister und halber der stat. 

1364 August 6. 

Der rat hat erkant, das nieman gegen den kolener zü velde 
sol louffen und kolen vor dem thor umb sü kouffen. Wer das 
brichet, als dicke das beschicht, der bessert zü ie dem male 1 
Hb d. halber dem schultheissen und dem meister und halber der 
stat. Actum feria tertia post dominicam raisericordia domini 
anno predicto. 1364 April 9. 

Anno predicto sabbato ante dominicam jubilate da wart er- 
kant, das man deheinen edeln man oder edele fröwe zu burger 
sülle empfahen, sü swerent denne 5 jar burger ze sinde und 
der stette gehorsam zü sinde mit iren vestineu mit lüte und mit 
güte, ane wider die herren von den sü belehenet sint, und süllent 
des ir briefe geben. 1364 April 13. 

Der rat hat erkant, das man keinen ußburger nie empfohen 
sol, er gebe denne e 3 guldin und 18 Straßburger. Und ein 
pfaffe, ein edelinan oder ein jude w r elre da burger werden wil, 
der sol geben 5 guldin und 18 Strassburger. Actum sabbato post 
beati Barnabc apostoli anno LXX primo. tSti Juni 14. 

16. Eodem die wart erkant, were das ein burger oder burgerin 

vom lande hie burger wolte werden, der sol ouch sweren 5 jar 
burger hie zc sinde, und sol man sins gewerffes warten zü dem 
huse da er burger uffe ist, und sol dem rate gehorsam sin. Ist 



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aber das ein edel man oder ein burger sust in die stat zühet 
und mit burger würt, ist das der sitzet als ein seidener sitzen 
toi, des sol er geniessen. Woltent aber sü briefe oder helffe in 
das lant, da sol der edelraan der stetto mit sinem briefe geloben 
gehorsam zu sindo, und der burger dem rate Sicherheit geben 
für das gewerff die fünf jar uß und gehorsam zu sinde. Zü 
glicher wise, ob ieman von dem lande her in zühet und ein zunft 
empfahen wil und als ein solder sitzet, der sol das nechste ge- 
werff geben und mag denne ziehen war er wil. 

Der rat hat erkant einhelliclich, wa ein man oder ein wip 
edel oder unedel, burger wil werden, der nüt jar und tag seßhaft 
hie ist gewesen, der sol geben als ein lantman. Wa aber einrc 
oder eine burger wil werden und jar und tag seßhaft hie ist ge- 
wesen als ein seidener, der sol geben zwischent winnacht und 
vastnacht 13 s. Wa aber eins burgers sun sich endert und der 
in dem jare dar nach burger wil werden, der git 3 s. Actum 
feria tertia post bcati Anthonii anno LXIII. 136H Januar 24. 

[Wer aber sust im jare burger werden wil one zwüschcn, 
winacht und vastnach und jare und tag hie seßhafft gewesen 
ist, der git 6' » s d. rappen, zwen helbling für einen pfcnnig. 
Actum citra festum Penthecostcs anno domini MCCCCXLV. 

III» Mai Uff] 

Es ist erkant, was burger wir von dem lande haut, die hant 
alle gesworn fünf jar burger ze sinde. Nu mag der einre sterben 
und behebt sin wip das burgrecht, die sol Sicherheit gen fünf 
jar uß der stat das gewertf zii gebende nach sinem todc, ob sü 
einen man nemme, das sü doch das zil uß das gewerff gebe. 
Were aber das sus ein fröwe vom lande burgerin würde, und die 
dar nach einen man nemme, die sol aber die fünf jar uß das ge- 
werff geben und das versichern so sü burgerin würt. Actum 
dominica post purificationis Marie anno domini MCCCLXVIII. 

13U8 bebruar H. 

17. Der rat het erkant, welr burger von Colmer hinnanthin für 

rae usser der stat ziehen wil durch sine notdurft und der sin 



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v 



recht zü Colmer behaben wil, der sol für meister und rat gan 
und urlobe von yneu neramen und sol sprechen: ich wil min 
recht zu Colmer behaben als ein ander ußburger und dienen 
miner zünfte und min gewerff geben. Wer das tüt, der sol zu 
Colmer sin recht haben. Wer dar über usser der stat züge und 
sin recht nüt behöbe als vor stat, der het kein recht zü Colmer 
und ist ym umbeholffen. Actum sabbato ante Bartholomey anno 
LXXII. Vil2 August 21. 

Der rat het erkant, wer zü Colmer seßhaft ist und anderswo 
burger ist und von dem gemant würt das er solte mit yn reise 
ziehen, da wellent unser herren nüt, das sü mit irem libe iemant 
dienent denne der stat. Wolte dar über deheinre von der stat 
ziehen oder ungehorsam sin, der sol niemer me in der stat seß- 
haft werden. Actum die beatorum Petri et Pauli apostolorum 
annoLXV. 1X65 Juni 29. 

Sabbato ante dominicam jubilate anno LXIIII wart erteilt 
und erkant, das alle die die offene wechsseler sint süllent dryo 
tage in der wochen am erstage, am dornstage und am fritage 
untz ze mittem tage in der wechsselouben sitzen und ir benke 
da haben. Und süllent in iren hüsern deheinen wechssei tön, 
den nc so verre ob er in der wechssellouben vil geltes haben 
18. muß oder einen || grossen wechssei bestünde, so mag er wol heim 
gan, aber er sol die wile mit sinem wibeoder mit sinen kinden den 
bang in der louben besitzen. Weier das brichet, der bessert von ic 
dem tage ein pfunt Pfenninge halber dem schultheissen und dem mei- 
ster und halber der stat. Sü süllent ouch von ie dem guldin nüt me 
von den lüten zü gewinne nemmen in der stat denne zwenc 
Straßburger und von eim pfunde Straßburger drie pfenninge. 
Es sol ouch nieman frömde noch heimsche heimlich in der stat 
wechssei triben denne offenlich in der louben. Wele dis brechen, 
der bessert ouch als vor stat. Doch so mag ein ieglicher, wer 
der ist, zü Colmer guldin, franken oder Straßburger kouffen der 
er selber bedartf zü siner notdurft, also das er sü nüt wider 
vorkouffe uff merschatz. 130 t April IX. 



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Der rat het erkant, das nieman zu Colmer, wer der ist, 
kein silber bürnen sol noch nieman kein esse in siuem huse 
haben dar ynne man silber bürnet denne alleine goltsmide, die 
mögent silber bürnen das su notdurftig sint zu irem wergke. 
Wand unser herren wellent das nieman kein silber bürue denne 
der der von dem rate dartzü gesetzet ist. Und der sol ouch 
das silber das er bürnet zeichenen mit der stette zeichen das 
im empfolhen ist, und sol ouch nieman keinen pfenning der gut 
und genge ist bürnen in deheinen weg. Wer das dar über dete 
und dise ding nüt hielte als vor stat, der bessert ein jar für die 
stat und mag das abkouffen und dem schultheissen und dem 
meister 5 lib. d. Actum feria quinta post Uodalrici anno 
LXXVIII. 1378 Juli 8. 

20. Der rat hat erkant, wer veltpferit in die Stütöwe siecht 

oder tribet nü oder hie nach, der bessert von ie dem pferde 1 
lib. dn. halber dem schultheissen und dem meister und halber 
der stat. 



Der rat het erkant, das alle würte zu Colmer uff einen dag 
süllent schenken einrehande win als menig vesselin sü mögent 
das eins wines ist, und sol ouch die vessele verungelten als vil 
dar in gat, es sient die mossen und alles was dar in gat. Were 
aber das deheiner uff einen dag andern win uftete denne eins 
wins oder aber den win nüt gerwe verungeltete als vil in die 
vaß gat, der sol ieglicher, also dicke der stücke deheins ver- 
brochen würt, bessern einen monat für die stat, das mag er ab- 
kouffen ic die woche mit eim pfund pfenninge, und dartzü dem 
schultheissen und dem meister ein pfunt. 

Der Rat bftt erkant, wer zu Colmer win schenket, der sol 
alle sine messe, mosse, halbe mosse anderwarbe vechen bi dem 
ere das Blotzhein von dem rate empfolhen ist. Und sol ouch 
dehein würt anders den li'iten win geben denne in zinnene kannen 
die gevechet sient und das zeichen habent von den burgern. 
21. Das zeichen ist | Andres Gloggener empfolhen. Und süllent 



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alle die kannon und meß die sü hant veclien und gerecht haben 
in viertzehen tagen den nechsten. 

Wele würt aber ieraant deheinen win gebe in kannen die 
nüt gefechet sint oder das nüwe zeichen nüt hettent, als es der 
rat gemacht het, oder die messe nüt anderwarbe nach dem ere 
gefechet hettent, der bessert 10 s. von ie dem messe halber dem 
schultheissen und dem meister und halber der stat, und mag diü 
ein ieglicher rügen. 

Ist ouch das ein würt einem win git in einer kannen die 
nüt gezeichent ist, da mag der dem der win brocht ist die kanne 
nemen und für einen meister tragen das der die besserung 
nemme, und mag ouch die kanne selber behaben ob er wil. Es 
sol ouch kein würt in gelten noch in hültzenen kannen den lüten 
win geben die bi ym zerent in sinem huse. Actum in die exal- 
tationis saneto crucis anno LXIIII. 1364 September 14. 

Dartzü hat der rat erkant, were es das deheinem würte 
kannen gesetzet würden zu pfände, die sol er bienander haben 
und besliessen. Wa die under andern sinen kannen funden 
würdeut, der sol es bessern als vor stat. Actum feria sexta post 
beati Nicoly anno LXV. 1365 Dezember 12. 

22. Der Rat hat erkant das kein würt nieman sol win geben 

nach dem glögkelin in sinem huse, es were denne das frömde 
lüte oder knechte die gewönlich über nacht bi yra legent, den 
mag er wol win geben. Dartzü mag ouch ein ieglicher würt 
den lüten ussewendig sins huses win geben nach dem glögkelin 
mit liechtern. Wele heimesch man oder knecht dar über nach 
dem glögkelin in eins würtes huse funden würde, der bessert 
ein nacht gan. 

Der rat hat erkant, wa sich von ieman funden würde der 
gebranten win under andern win tete, der sol bessern 5 lib. d. 
halber dem schultheissen und dem meister nnd halber der stat 



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— 32 — 



und dartzü ein halb jar für die stat, das mag er abkouffen. 
Actum dominica ante Symonis et Jude apostolorum anno LXX. 

1370 Okiober 27. 

Der rat hat erkant, das dehein würt der win schenket 
deheine varende tochter selb ander mit eim manne legen sol 
noch enthalten in sinem huse, sü sient frömde oder heimesch. 
Wer das dete, da bessert der würt von ie dem par lütes 1 lib. 
d. halber dem schultheissen und dem meister und halber der stat. 

23. Der rat hat erkant einhelleclichen uffen den eit, das kein 

würt der win schenket zü Colmer und win zu dem zappfen git 
für ein mossenlang vaß mit wine nüt me vesselin legen sol denne 
vier vesselin, und sol kein würt kein vesselin han das under 
vier amen sie, es sie der win den sü in dem lande kouffentoder 
in der stat. Doch were das fuder 25eraig oder me, da mögent 
die wirto wol fürlegen 5 vesselin, doch also das kein vaß under 
vier amen sie. Dartzu so sol ouch kein wirt überal keinen win 
in sinem kelre haben denne den win den er schenken wil, und 
sol ouch dartzu kein würt keinen win überal in sinen kelre legen 
noch usziehen ane die leiterer. Und hant ouch die leiterer ir 
ieglichen an den heilgeu gesworn eim ungelter ze sagende tege- 
lich wie vil sü eim würte vesselin inlegent, und hant dar umb 
iren Ion. Dartzü sol kein würt keinen win heim tragen noch 
heissen tragen in vesselin noch in omen noch in gelten, es sie 
tag oder nacht. Und sullent ouch die würte zu Colmer alle ir 
vesselin mit wine zu sammene in den kelre legen, und sol keinre 
keins hie obenan in dem huse haben ligen noch anderswa. Und 
was wine die würte kouffent in dem lande oder in der stat, also 
balde der win in ire vaß kunt und gen Colmer inkommen ist, 
so süllent sü den selben win an deheinen Stetten verkouffen noch 
niemant zu koutfende geben vor irem kelre noch anderswa, es 
sie denne das der win e verungeltet und verstebelet sie. Was 
gesinneter vesselin die würte hant da massen ane stant, die 
süllent sü verungelten und vcrstebclen ane vier masse ungever- 
lich. Und wer dirre stügke deheins verbreche, wie dicke das 
geschehe von wem das were, der bessert 5 lib. d., dem schult 



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. beissen und dem meister 1 lib. und der stat das überige. Und 

wele wirt eira ungelter hohe redet oder übel zu spreche, wer 
der were, der bessert die selbe besserunge. Actum die dominica 
ante Barnabe apostoli auno LXXVII. 1377 Juni 7. 

24. Der rat hat erkant von der winsticher wegen, das da ein 
ieglicher winsticher zü Colmer nüt nie ncmmen sol zü stichgelt 
denne 4 pfeninge von eim füder wins von ie der hant, und sol 
das gelt werden einem geswornen winsticher und niemant anders. 
Und süllent die wirte bi den die geste sint nüt anders nemmen 
denne ein stichmosse von eira füder wines oder von vier tüdern 
eine mosse und von sechs füdern oder von echtewen oder rae 
zwo mossen. [Doch söllent und mögont die winsticher von den 
frömdeu nemen 6 d. von eime füder wins.] 

Wa ein winsticher einen gast hin füret in einen kelre wiu 
zü kouffende, wennc denne der selbe winsticher nüt me wines 
enweiü zü kouffende, so sol er bi sinem eide einen andern win- 
^ sticher fragen, ob er deheinen win wisse den man verkouften 

welle. Sprichet er denne jo, so sol er mit dem gaste gan in den 
kelre der ym gezöiget würt, und was wines dar ynne verkoufft 
würt, da süllent die beide winsticher das stichgelt mittenander 
teilen. Dartzü were es sache das ein einfaltig man, der den 
louff nüt enwüste wie er sinen win bieten solto, ist da das einr 
einen winsticher fraget wie de louff sie, das sol ein winsticher 
einem sagen by sinem geswornen eyde ungeverlichen. 

Es ist ouch zü wissende, das niemant, wer der ist, keyncn 
win verkouffen sol ane einen geswornen winsticher. Und wer 
das dar über tcte, der bessert ein pfunt alter, halber dem schult- 
heissen und dem meister und das halbe der stat. Und der stat 
süllent das die winsticher by irem eide rügen, wa sü das emp- 
hndent. Actum feria tertia post Martini episcopi anno LXXVIIII. 

1379 November 15. 

25. Der rat hat ouch erkant, was wine sü frömden lüten kouffent, 
das süllent sü fürbringen und sagen, das der stette ir zol werde 

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und das sich da von von dem rechten geheischet. Actum sabbato 
ante Laurentii anno LXXXV. 1385 Augunt 5. 

Der rat und die Zunftmeister ieglicher sich selbe dritte hant 
cinhclleclichen erteilt und erkant uft den eyt, wer eine lantveste 
vor sinem huse het und die mit abe brichet in disen nechsten 
vierzehen tagen und den grünt gelich sleiffet und ebenet, der 
bessert dar nach alle tage 5 s., wand man wil das mit nammen 
alle lantvestin ab sient, und sol niemer keyne rac gemacht 
werden. Und vellet die besserung halber dem schultheissen und 
dem meister und halber der stat. Doch so het meister und rat 
drye dar Aber gesetzet, die erkennen süllent wa lantvesten not- 
dürftig sint zü habende. Actum dominica post Urbani anno 
LXIIII. 1364 Mai 26. 

Der rat hat erkant, das man alle herten die nüt recht stant 
anders setzen sol, als die heissent die der rat dar über ge- 
gesetzet hat 

Der rat hat erkant von des mistes wegen der in der stat 
lit, da hat der rat zwene über gesetzet die durch die atat gant 
umbendumbe, das die alle ding von dem miste besehent. Und 
wa die zwene erkennent das man keinen mist da machen sol 
oder da sü heissent den mist dannan tün, des sol menglich ge- 
horsam sin. Und wer den mist nüt dannan tete nach dem als 
es geheissen ist und hie nach geschriben stat, der bessert alle 
Tage 10 8. als dicke es geschieht, halber dem schultheissen und 
dem meister und halber der stat. Actum die dominica post 
Michahel anno LXXV. 1375 September 30. 

Der rat hat erkant, wer über viertzehen jar alt ist und 
nüt swert hinnant erstage ze nacht, der sol für die stat varen 
und niemer her in kommen, und sol ouch dehein recht haben, 
und sol man ym umbeholffen sin das jar uß, er swere denne 
ee. Actum sobbato post corporis Christi. 

Der rat hat erkant, das niemant keyne vagatte noch 
kumber in den bach schütten sol noch an die stette da die 
synnen sint. Wer daz dete, der bessert 5 s. als dicke es geschieht. 



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Dartzu hat der rat erkant, das nieman vor dem glögkelin 

* oder nach der torglogken deheinen Kübel noch uDflot in keinen 
bach schütten sol. Wer das brichet, der bessert 5 8., und sol 
dis menglich rügen, und sol der wergkmeister die beche da 
mitte besseren. Und sol ouch nieman in die graben noch under 
die watloube nüt schütten, wände man sol die vegatten für die 
thor tragen oder füren. Wer das nüt endüt, der bessert ouch 
5 s. Wer ouch dem andern keinen unflot, es sie vegatte oder 
ander kuraber, für sin hus oder thor schüttet, der bessert die 
selbe besserunge und gehört die besserunge der stette. 

29. Der rat hat erkant, wer den winzieheren über ir seile vert 
mit karrichen oder mit wegenen, so sü win in lassent, der 
bessert iO s. halber dem schultheissen und dem meister und 
halber der statt. Und geschehe ouch da von kein schade, den 
sol er dartzü uftrichten. Actum die beatorum Pctri et Pauly 
apostolorum anno LXIIII. 1364 Juni 29. 

* Der rat hat erkant, das dehein varende tochter nachtes 
für die stat sol gan zü deheinera riffian noch zü niemant 
anders inwendig den crützen. Wil sü hin uß gan, das mag sü 
ussewendig den crützen tün. Wa das verbrochen würde, der sol 
man ein jar die stat verbieten. Ist aber das ein riffian eine 
twinget das sü nachtes zft ym hin uß muß, der sol die 
selbe besserunge ouch liden. Actum feria secunda post beatorum 
Petri et Pauly apostolorum anno LXIIII. 1364 Juli 1. 

Der rat hat erkant, das kein riffian zü Colmer, er sie wer 
er welle, kein recht zu Colmer haben sol und sich ouch mit 
keinem rechten beholffen sol noch mag in deheinen weg. Actum 
feria secunda post purificationis Marie virginis anno LXXXVI. 

1386 Februar 5. 

30. Der rat und die zunftmestere ieglicher selb ander hant 
einhelleclichen erteilt und erkant uff den eyt, wer iemer me 
deheinen gefangenen heimlichen in die stat fürte oder gefangen 



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- HB - 



leit ane des schultheissen, meister und rates urlop, er were 
edel oder unedel, pfaft'e oder leygc, der sol besseren fünf jar 
ane gnade für die stat, und sol dar nach an des rates gnade 
ussewendig der stat beliben. Actum feria secunda post beatorum 
Pctri et Pauly apostolorum anno LXIIII. 1364 Juli 1. 

Anno predicto et eodem die wart erteilt und erkant, wer 
in der Ouwe, in garten, uff dem velde, an körne, in den reben, 
in wasser, an vischen deheinen schaden tut nachtes oder tages, 
er sye knabe, wip oder man, der sol besseren einen monat für 
die stat ussewöndig den crützen und vor Steinebrugke usse- 
wendig der brugken bi Blienswilr. Und so er her wider in wil, 
so sol er geben ein pfunt pfenning halber dem schultheissen 
und dem raeister und halber der stat, und mag den monat dar 
zu abkouffen, ob er wil. Und diesen eynung mag ein ieglicher 
rügen der es sieht. 

31. Der rat hat erkant, wa einre dem andern für den rat 
gehütet, kunt er nüt für den rat dem dar gebotten ist und 
verantwürtet sich, so sol es ein gebot sin. Und wenne er driewarbe 
gewartet drie rete als man urteil sprechen sol, und das yme 
der weibel darnach geseite, richtet er sich nüt von dem kleger, 
so het er sin ding erklaget und sol ym der meister denne richten. 
Actum crastino beati Oswaldy anno LXIIII. 1304 August 6. 

32. Anno domini MCCC LXIIII feria quinta ante beati Thome 
apostoli da erteiltent die meistere, der rat, die zunftmeistere und 
die schöffel einhelliclichen uff den eit, wa der vier meister einre 
zü kerne da iemant mit dem andern kriegete oder messer 
zugketent oder über einander louffen woltent, oder ob es ym 
sust für kerne und geseit würde, das er nach in sante und sü 
beidersite bete das sü nüt zü den dingen zü stunt deten, des 
soltent sü im volgen. Wolt aber deheinre under in des durch 
bette willen nüt tun, so mag der meister sü manen irs eides das 
sü dar zü nüt tügent, und ietweder teil das recht von dem 
andern nemme. Weier da ungehorsam were, so er von dem 
meister gemant würt oder ob er sust gesprochen hette gegen 



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- 37 



» dem meister: ich wil dar zu nüt tön, und dar über dar zu dete, 

wer die werent, der bessert ioglicher zwey jar für die stat ane 
alle gnade. 1364 Dezember 19. 

Zü gelicher wise wer ungehorsam ist eira burgermeister 
oder dem rate, so er gemant würt, der sol ouch besseren zwey 
jar für die stat und mag die abkouffen. [Deßglichen wem von 
einem stettemeister der stette fride gebotten würt und er den 
überfert, der bessert ouch dieselbe besserunge und sovil me als 
dann der rat bekennet nach gelegenheit und gestalt der Sachen.] 

33. Der rat hat erkant, wa einre den andern zihet das er yra 
umb schulde oder umb ander sache phant habe erloubet, da 
sol der der inen da zihet ym jenen oder löikenen und das 
recht da für tun, ob er ym missegicht, er möge in denne erzügen. 

Der rat und die schöffel hant erkant, wa einre dem andern 
pfant hat erloubet, ist denne das hus oder hoff beslossen und 
> nüt hin in mag kommen, so mag der der die plant nemmen wil 

zü eim schultheissen oder zu eim meister gan, wer im denne 
der nechste ist, und sol ym der einen weibel geben, wenne er 
in vordert, und sol im der weibel das hus oder hoff uftün oder 
ufbrechen, und das er da pfant möge genommen, und tüt dar 
an dehein unrecht. Actum feria secunda post beati Nicolay 
episcopi LXV, 1365 Dezember 8. 

Der rat und die scheffel hant erkant, wa einre dem andern 
sine pfant erloubet, der mag in angriffen an sinem varenden 
gute. Gicnge ym dar an üt abe, so mag er in an sinen ligenden 
gutem angriffen mit gerichte, es were denne das er ym ligendes 
und varendes erloubet hette an ze griffende, ane alle geverde. 
Actum feria quarta ante Nicoli episcopi anno LXVI. 

1366 Dezember 2. 

34. Der rat hat erkant, wa einre an dem gerichte einem uaser 
taget, und ein weibel sprichet bi sinem eide das ym usserttaget 
sie, und das der weibel einem richten wolte und das eins 



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weren wolte, es were fröwe oder man, der bessert ein unhulde. * 
Zu gelicher wise wa einem gut das ge frön et were uügetragen 
würde, wer das tut, der bessert einen vrefel. Würde aber er 
das güt geheissen wider in tragen und daz nüt endete, der 
bessert ouch ein unhulde. Actum die sabbato post beati Hilarii 
anno domini MCCC LXVI. 13U6 Januar 17. 

35. Der rat hat erkant, das die underköifter die eigen und 

erbe oder was es ist verkouffent und kouffent, die süllent nüt 
me von dem pfunde nemmen denne zwene StraUburger Pfenninge, 
von dem der da kouffet einen und von dem der verkouffet 
ouch einen. . 

Zu gelicher wise süllent die köiffelerin die da gewant und 
husrat veile hant nüt me nemmen denne von dem pfunde vier 
[sehs] Pfenninge, von dem der da kouffet zwene [drige] und 
von dem der da verkouffet ouch zwene fdrige] und nüt me. 
Wer das verbreche, der bessert ein pfunt Pfenninge halber dem w 
schultheissen und dem meister und halber der stat. Actum in 
die beati Mathie apostoli. [Ouch hat der rat erkand, das sü 
keine gemeineschaft mit enander haben sollend, und söllent 
ouch nüt umb enander kouffen noch umb nieman in der stat 
von solicher koufschatz als vor stat. Und die stücke band sü 
gesworn ze haltende.] 

Der rat hat erkant von der underköuffer wegen, das der 
enkeinre mag alleine nieman übersagen von eigen oder von 
erbe, es sage denne me lütes dar umb, das den rat dunke das 
es wol überseit sie. Aber umb einen kouff der umb bar gelt 
geschieht, da mag er in dem nechsten monade wol umb sagen, 
aber dar nach sol er alleine nieman über sagen. Actum sabbato 
post Jacobi apostoli anno domini MCCC LXX. 1370 Juli 27. 

37. Der rat hat erkant, das man von einem füder wins zu 

kelre miete nüt me sol geben denne 18 Straßburger, es were 
denne das einre eyme me gelobte zu gebende. 



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Der rat hat erkant, das alle schaffener der tümherreu, der 
klöster oder der höfe die an dem gerichte die lüte ansprechent 
und recht von ynen nemment, wer die sint, münche oder welt- 
liche lüte, die süllent ouch wider urabe den lüten das recht 
vor retten oder gerichten tun von der schaffenye wegen, der 
schaffener er ist. Actum feria tertia post dorainicam oculy 
anno LXVI. 1366 März 10. 

38. Der rat hat erkaut, das nieman uff deheinen tag mit me 
lütes sol gan die er uff tage bittet denne mit sechssen, es sie 
denne das es im der burgermeister erloube. Dar nach denne 
die sache ist, also sol er ym lüte erlouben. Actum sabbato ante 
dominicam letare anno domini LXVI. 1366 März 14. 

- 

Der schultheisse, die meistere, der rat und die zunftmeistere 
hant einhelleclichen erteilt und erkant uff den eyt, das niemant 
zü Colmer, er sie edel oder unedel, burger oder seidener, oder 
der seßhaft oder sine wonnunge zü Colmer hat, uff deheine stunde 
noch tage, wa die werent, ussewendig oder inwendig der stat 
weder riten, varen noch gan sol das wider die stat von Colmer 
ist oder deheinen burger noch seidener von Colmer, und ouch 
wider die selben burger noch seidner oder wider die stat von 
Colmer uff den selben tagen und stunden, wa die werent, nüt 
reden noch sü tön noch werben süllent in deheine wise. Und 
wer dis breche und hie wider tote, der bessert ein jar für die 
stat ussewendig den erützen ane gnade, meister und rat erloube 
denne eime uff tage zu ritende oder zu gande ungeverlich. 
Actum sabbato post beati Gally anno LXXVIII. 

1378 Oktober 23. 

39. Der rat hat erkant, das nieman keinen frömden schnider 
von dem lande in sin hus sol setzen und ouch kein schnider 
das antwergk sol triben, er habe denne die zunft. Wer das 
brichet, der bessert einen monat für dio stat, und mag den ab- 
kouffen, halber dem schultheissen und dem meister und hcilber 
der stat. Actum feria sexta post beatorum Petri et Pauly 
apostolorum. 



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Doch so mag eiu ieglichcr einen schnider in hin hus dingen m 
und bi ym haben, der ym selber und sinem gesinde machet 
und niemant anders. 

Der rat hat erkant, wa fürbotten würde das niemant in 
keyne stat varen solte oder in das lant und das einr breche, 
dem sol man umbeholffen sin, und sol dar zü bessern 5 lib. d., 
dem schultheissen und dem meister zwei pfunt und der stat 
das überige. Actum sabbato post beate Angnetis anno LXVII. 

1307 Januar 23. 

40. Der rat und die scheffel hant einhelleclich erteilt und 

erkant uff den eyt, wele burger oder seidener zü Colmer, wip 
oder man, edel oder unedel, pfaffe oder leye, von der stat züge 
und anderswo bürger würde umb soliche sache, das er ander 
gerichte oder recht, geistlich oder weltlich, uff unser burger 
oder seidener suchen wolte, der sol niemer nie kein recht zü 
Colmer gewinnen und sol ouch niemer me da seßhaft werden. 
Und was schaden die von ym nemment die er mit andern ge- V- 
richten angritten het, den schaden sol er in dar zü ablegen, und 
mag des schaden kommen utf alles sin güt, es sie uff ligende 
oder uff varende güt das er het in dem banne. Were aber das 
dar nach der enkeinre, es were wip oder man, vor in die stat 
züge, der soll alle tage der stat fünf pfunt besseren untz an 
die stunde das er wider usser der stat zühet und ouch gime sinen 
schaden abgeleit. Actum die dominica in qua cantatur oculy 
anno domini LXVII. 1367 März 21. 

Der rat hat erkant, were das ein burger oder seidener 
zü Colmer den andern angriffen oder schedigen wolte, es were 
mit gerichte oder ane gerichte, der sol vorhin sin burgrecht 
ufgeben und sol ouch vorhin ussewendig der stat sin gewesen jar 
und tag. Weier dar über in der jarfrist unsere bürgere oder 
seidenere schedigette oder angriffe, oder were das ein ander 
burger oder seidener ym des hülffe, der sol ouch ussewendig 
der stat jar und tag sin und sin burgrecht und recht ufgeben 
haben. Weier dis breche, der sol fünf jar bessern für die stat 



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und mag die abkouften, und dar nach sol er nüt me zü Colmer 
seßhaft sin. Actum in vigilia beatorum Petri et Pauly apostolorum. 

41. Der rat hat erkant, wer nachtes gat nach dem glögkelin 
ane Hecht, er sie edel oder unedel, pfaflfe oder leye, der sol 
bessern achte tage für die stat und mag die abkouften mit eim 
pfunt d. Und vellet die besserung der stette und dar zu dem 
schultheissen und dem meister 10 s. 

Der rat hat erkant, wer ungewonlichen swert, es sie in 
sinem huse oder anderswa oder wa er ist, und würt sin der 
überseit von iemande wer die sint, bürgere oder seidener, die 
es nüt durch vigentschaft rügent, der sol bessern ein halb jar 
für die stat und fünf pfunt pfeninge dem schultheissen und sant 
Martin und mag das halbe jar abkouften. Actum feria tertia 
post palmarum anno domini LXVII. 1367 Aprä 13. 

Der rat hat erkant, das diese swüre bogkes zwers, bogkes 
snodc, bogkes zwüdeloch, bogkes gesingeloch sint gantze und 
ungewonliche swüre, aber bogkes singke, bogkes gesingke oder 
bogkes gesingkeloch, bogkes arsloch sint halber ungewonliche 
swüre. Wa aber einre zu den selben swüren zü nemmet 
das verch das heilig oder den snurt, das süllent alles unge- 
wönliche swüre sin, und sol maus bessern als vor die besserunge 
was. Were aber das einre swüre bogkes schedel, bogkes kopff 
oder semliche swüre die den gelich sint und das verch dar zü 
nemmet das heilig oder den snurt und die swüre alsus zwigülte, 
der bessert 5 s. und viertzehen tage für die stat, die mag er 

42. abkouften. Were aber das einre als böse swüre tete | die hie 
nüt geschriben sint, oder got oder sin müter oder die heiigen 
schülte, das sol an dem rate stau. Und wer dise swüre nüt zü 
besseren het, den sol man bürnen durch die bagken. Actum 
sabbato post beati Jacoby apostoli anno domini LXXII. 

1372 Juli 31. 

Der rat hat erkant, daz ein schultheisse, wer er denne sie, 
einen knecht sol haben und nüt me in den walt zü farende mit 



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ei in karrich oder mit eim wcgellin, der ym holtz zu bürnende , 
fürt, durch das die clöstere ungenötiget blibent. Und sol der 
knecht an den heiigen sweren, das er keyu holtz sol nemmen 
das güt zu bu wende sie. Und sol oueh nieman kein holtz 
geben noch lüren heimlich noch offenlich denn alleyne dem 
schultheissen, und sol ouch dar zu nüt me fiiren denne der 
schultheisse bedarff zu siner notdurft zu bürnende und zu keinen 
andern dingen. Wa der knecht dirre stügkc deheincs ver- 
breche, das solte man an sinem übe und an sinem gute wartende 
sin. Actum in vigilia corporis Christi. 

43. Der rat hat einhellich erteilt und erkant uff den cyt, wa 
zü Colmer einre den andern zü tode siecht oder wa es unsern 
burgern beschehe, er habe es getan vor dirre date oder dar 
nach, der mag nüt wider in die stat kommen e das er mit den 
clegern und dem schultheissen übereiu kommet. Wenne er mit 
den beiden überein kommen ist, dar nach sol er der stat bessern 
ussewendig den erützen fünf jar die er dar nach usse sol sin, 

und mag die abkouffen. Actum die beati Mathei apostoli anno * 
domini LXVII. 1367 September 21. 

Der rat hat erkant, als vor ein besscrunge was, werc das 
einre einen zu Colmer zü tode slüge, der mag nüt wider in die 
stat kommen, er komme denne ee mit dem schultheissen und 
den klegern überein, dartzü sol er bessern 5 jar, die mag er 
abkouffen; da hat der rat sithar erteilt und erkant, wer das ein 
lantman einen burger oder seidener zu Colmer verwundete eine 
wunde die luper were und dar umb er zü ochte würde getan, 
der sol ouch dartzü bessern fünf jar für die stat und die mag 
er abkouffen, uud dartzü sol ouch bessern 10 lib. d. für das 
messer zugken. 

44. Anno domini MCCC LXVII die Mathei apostoli et ewange- 
liste het der rat erkant, wer das iemant mit dem andern zu 
kriege kerne oder sust sin vient were, und dar nach mit einem 
ufsatze einen, zwene oder drie oder wie vil ir were zu yme 
nemine und iemant überlieffent, oder wer das von sinen wegen 



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tete, wa sich das vindet, der sol ieglicher bessern fünf jar für 
die stat ane die besserunge die sü umb ir getat sust bessern 
süllent, und die fünf jar mag er abkoutten und vellet das an 
die mure. 1367 September 21. 

So het ouch der rat erkant von der lüpen wunden wegen, 
das uns unser herre der hertzog unser herre der vicarie erloubet 
het zü milterende, wer da die wunden tut, der sol sin von der 
stat untz an des klegers gnade, und wenne er mit dem überein 
kunt, so mag er her in gan. Möchte aber er mit dem kieger 
nüt überein kommen, das er zu strenge wolte sin, wenne denue 
die wunde geheilet das der scherer nüt me zu ym gat, wil es 
denne der kieger nüt enbern, so sol der schuldige dar nach ein 
halb jar usse sin, und denne so stat die besserunge an dem 
rate und was die erkennent, das süllent sü beidesite halten 
nach dem als die wunden gewesen sint. Actum die Mathoy 
apostoli et ewangeliste anno doraini LXVII. 

1367 September 21. 

45. Der rat hat erkant von der ofenbrot wegen, das man die 

also bachen und weren sol das ein brot sol also gross sin, was 
usser einem Vierlinge weissen mag werden, also sol es sin. 
Wolte aber ieman pfenninge da für nemmen, was denne ein 
vierling weissen giltet, so vil pfenninge sol man ym für ie das 
brot geben. Actum die sabbato post festum pasce anno LXVIIL 

1368 April 15. 

Der rat hat erkant, were es das ein man, wer der were, 
eim sin wip enweg fürte oder aber hinnanthin nie, es were wip 
oder man, bi der une sesse, den es verkündet würde in den 
achte tagen, und wolte er da von nüt lassen, da bessert man 
und wip ir iegeliches besunder zwei jar, ein jar ane gnade und 
das ein jar mügent sü abekouffen mit i:Uib. alter pfenning, und 
die vallent an die mure. 

Und wer dem andern sin wip vorbehebet, der bessert ouch 
die selbe besserunge. Actum in vigilia beati Bartholomey apostoli 
anno domini MCCC LXX primo. 1371 Auymt 23. 



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46. Der rat hat erkant, als vor eine besserunge was, wa ieiuan 
da einre eime sin elich wip schiltet oder hör und übel zü spreche, 
so ir man zü gegen stünde und es horte, das der bessern sol 
ein jar, und das jar mag man abekouft'en, und sol das an die 
mure vallen. Actum die Agathe virginis anno domini MCCC 
LXX. 1370 Februar 5. 

Doch so ist nü erteilet, das man so vil me bessern sol zem 
jare als der rat erkennet. Actum sabbato ante Michahelis anno 
domini MCCC LXX primo. 1371 September 27. 

Der rat hat erkant, wer von sinen rechten verkündet würt, 
der mag noch ensol nieman me keins rechten gehelften. Were 
aber das iemant dem. selben kein unzucht oder üt tete, der sol 
es bessern als eim andern. Und daz der der die getat tüt nüt uß- 
jehen, er habe kein recht und er sülle es nüt bessern. Actum 
sabbato ante Martini episcopi anno LXXI. 1371 November 8. 

47. Der rat hat erkant von der müller wegen, als gewönlichen 
M as das ie der müller sinem brotbecken der zü ym mül jer- 
lichen gab zwey pfunt pfening geltz, und das ouch daz ein 
miete und eine schenke was, da hant die müller iren bresten 
dem rate furgeleit und crzalt und das sü es nüt erzügen 
möchtend nach den kosten gehaben, da ist erkant das das abe sol 
sin und das keyn müller keinem brotbecken nüt sol geben noch 
schenken noch mieten heimlich noch oftenlich. Wer das breche, 
als dicke das beschicht, also dicke bessert er fünfzehen pfunt 
Pfenninge die zü Colmer genge und geneme sint, als der briefl 
wiset den die müller dar über inne hant, der ouch umb die 
selbe sache in sinen krefteu bliben sol nach des rates erkant- 
nisse. Actum in vigilia beati Andree apostoli anno LXX primo. 

1371 November 29. 

Dar zü sol ouch kein müller deheinem brotbeeker nüt 
füren, er male bi im oder nüt, weder mit pferden noch mit 
karrichen, noch in kein pferit lihen. Wer das brichet, der 
bessert als vor stat. 



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48. Der rat hat erkant, das man allen koufmanschatz in den 

* koufhus sol füren. Wer dar über deheinen koufschatz in 

sin hus lat füren und dar inne lat verkouffen, der bessert 
zwei pfunt alter pfenning halber dem schultheissen und dem 
meister und halber der stat, also dicke es geschieht, er sie 
frömde oder heimesche. Actum vineula Petri anno LXX. 

1370 August 1. 

Der rat hat erkant, das nieman, wer der ist, er sie frömde 
oder heimesch, nüt kouften noch verkouffen sol ane einen under- 
köiffer solich gut als in das koufhus gehört, was das ist. Wer 
das brichet, der bessert fünf phunt pfenninge und sol so vil me 
als es denne der rat erkennet, als dicke es geschieht, zwey 
pfunt dem schultheissen und dem meister und das ander der 
stat. Actum die Anthonii anno LXX secundo. 

1372 Januar 17. 

Der rat hat erkant uff den eit, das dehein würt, wer der 
ist und geste empfohet, umb sinen gast nüt kouffen sol überal 
C. weder lützel noch vi), es sie von saltze, von isen oder was 

koufmanschatz es ist; und sol man ouch das füren in das 
koufhus. Und wer das dar über dete, wele würt das were, der 
bessert zwey pfunt Straßburger als dicke das beschicht, dem 
schultheissen und dem meister 10 s. und der stettc das überige. 
[Alle vorgeschriben stück söllent die würtc sweren, und ouch 
kein gast in das lant wisen win ze kouffende und mit inen ouch 
nüt mit ze ritendc und ouch nüt irem gesinde daz ze bestellende.] 

50. Es ist zu wissende von des jarmorketes wegen, das der 

merket weren sol vier tage und sol anfallen an sant Martins 
abende, und sol ouch der fride weren drie tage vor dem merket 
und drie tage darnach, also das der fride zehen tage were. 

* 

Der rat hat erkant, wa iemant, wer der ist, me kornes 
usser der stat fürte denne sin Wortzeichen seit oder schiben 
saltzes oder was von semlichem getregede ist, das sol man ym 
netnmen und sol ouch das also lange behalten untz das er von 



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ie dem sacke oder schiben saltzes, oder was es were das er 
also uß wolte füren, geben het ein pfunt Pfenninge halber dem » 
schultheissen und dem meister und halber der stat. 

51. Der rat hat erkant, were das iemant, wer der were, de- 
heinen husrat usser der stat zü Colmer fürte heimlich oder 
6ffenlich, uff' wassern oder zu den toren uß, in schiften oder uff 
karrichen, in vassen oder anders oder wie das hin uß keine, 
wer das dete und das uß fürte oder es uß schütte gefürt, der 
bessert ein halb jar für die stat, und mag das abkoutten, und 
zehen pfunt pfenninge halber dem schultheissen und dem meister 
und halber der stat. Actum sabbato post ascensionem domini 
anno LXX quinto. 1376 Juni 2. 

Der rat hat erkant von der besserung wegen die der stat 
vellet, das man da mitte eira wcrgkraeister der der stette Werk- 
meister ist überein sol kommen, und das kein meister überal 
deheime der alsus der stat besserunge vervallen were kein zil 
sol geben noch sin kein macht haben, denne wie es ein wergk- 
meister ußrichtet das sol meister und rat wolgefallen. Actum W 
in vigilia Philippi et Jacobi apostolorum anno LXX primo. 

1371 April 30. 

52. Der rat hat erkant, wa ein burger oder seidener zü Colmer 
einen verwunte oder zu tode slüge, da sol der schultheisse noch 
nieraant anders ym sin hus vorhin besliessen, als etwenne ge- 
schehen ist, es sie denne das es mit urteil vor eim rate geschehe, 
oder das er vor gerichte umb einen totslag mit der glogken 
berüffet oder zü ochte mit urteile werde getan. Alle die wilc 
dis mit der urteil nüt erteilt ist, so sol eins burgers oder selde- 
ners lip und güt fride haben, als ouch der stette friheit von 
alterhar ist gewesen. Würde ieman dar über sin hus beslossen 
e das es mit urteil erteilt würt, so lange als er des gesumet würt 
und sin güt wolte enweg füren untz die urteil geschieht, also 
hange sol man ym ouch nach der urteil stunde und zil geben, 
das er sin güt mag füren war er wil. Actum vigilia Philippi et 
Jacobi apostolorum anno LXX primo. 1371 April 30. 



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53. Der rat hat erkant, das kein metziger in ainem huse kein 

gantz kalb noch mit deheins kalbes verkouffen sol. Er sol es 
her uß tragen und under den benken ho wen und rieh und arm 
da von geben so vil als es denne vordert und bedarff, als verre 
das gelangen mag. Und was kelber sü kouffent in dem lande 
oder in der stat, das süllent sii höwen und menglichem da von 
geben als Vorbescheiden ist und gelangen mag ane geverde. 
Wer das brichet, der bessert zehen Schilling dem schultheissen 
und dem meister und zehen Schillinge der stette. 

Der rat hat ouch erkant, das die metziger sönt deheim 
closter dehein gantz kalb geben, doch mag er in ein halb kalb 
geben. Wer das brichet, der bessert die vorgenant besserung. 

54. . Der rat hat erkant von der metziger wegen, alles das vihe 

das uften unser Riet gangen ist, es stände in dörffern oder anderswo 
wa sü das hant, das sönt sü hie höwen und nüt hin uß ver- 
kouffen. Und hant das geswom und sönt sü ouch einander des 
rügen, ob es deheinre überfüie. Weier ouch under in anderswo 
rinder kouffet und har brechte die er wider verkouffen wil, das 
sol er nüt uff die weide triben denne in graben und uff die 
Semden. Was sü aber uff die weide tribent und das die weide 
nüsset, das süllent sü bi dem selben eide hie slahen. Was ouch an- 
der lüte in der stat rinder hat kouft die in das Riet und uff 
unser weide gangen ist, das süllent sü mit frömden lüten zu 
kouffende geben, und süllent hie geslagen werden. Weier dis 
überfüre, der bessert von ie dem rindes houbt ein pfunt Pfenninge 
halber dem schultheissen und dem meister und halber der stat 
und einen monat für die stat, den mag er abkouffen. Actum in 
vigilia penthecostes anno LXX primo. 1371. Mai 24. 

Der rat hat ouch erkant, wer dehein stinkende fleisch veile 
hat, es sie grüne oder geröuehet, der bessert ein pfunt alter 
pfeninge halber dem schultheissen und dem meister und halber 
der stat und ein halb jar für die stat und mag das abkouffen, 
und sol man das selbe fleisch begraben. Und wa die schöwer 
heissent fleisch neher geben, das süllent sü ouch tun. 



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55. Der rat hat ouch crkant, wer sin fleisch mit eira andern 
netze oder borsen decket, denne mit dem netze und borsen das 
von dem selben rinde kommen ist, wer das tete, der bessert ein 
halb jar für die stat, und mag das abkouffen mit siben pfunden 
alter pfenning, und zehen Schilling dem schultheissen und dem 
meister und das überige der stat. 

Der rat hat erkant von der metziger wegen, da etliche 
under in clagende warent, das raetziger werent under in die 
drie benke hettent oder zwene und die selber bestalt und be- 
setzet hettent und die nieman lihen woltent, und da von so müstcnt 
etliche under den metzigern ane fleisch höwen sin, die doch recht 
under der zünfte hant, das hat der rat für sich genommen und 
hat dar über geurteilet durch friden willen, das sü recht dunket, 
das ein ieglicher metziger wol mag me benke haben denne einen 
und ouch benke kouffen, ob es einre zü geltende het, doch mit 
der gedinge, das kein metziger uff keinem banke me fleisch 
höwen sol denne uff' einem banke und nüt me. Doch so mag 
einre einen gemeinder nemmen und mag mit gemeineren sine 
andern benke bestellen, der recht het under der zünfte. Wa 
aber einre eim das nüt tön wolte, so süllent sü mit nammen die 
benke lihen utnb einen jerlichen zins als recht und gewönlich 
ist, der ouch recht het under der zünfte, wand man nüt wil das 
kein metziger fleisch sol höwen uft zwein benken; er sol uff 
einem banke höwe und uff keinem banke me. Und wer dirro 
stügke deheins verbreche, der bessert ein halb jar für die stat, 
und mag das abkouffen, und zwei pfunt halber dem schultheissen 
und dem meister und halber der stat. 

56. Der rat hat erkant, das kein metziger noch niemant anders 
kein vihe sol slahen in die Ouwe noch uff die egerden denne 
alleine uff die Semeden. Dartzü hat ouch der rat erkant, das 
man kein vihe sol slahen zwüschent die graben. Wer das 
brichet, da bessert ie das houbet vihes ein pfunt alter halber 
dem schultheissen und dem meister und halber der stat. 

Der rat hat erkant von der metziger wegen, wcler da 
spinne widern fleisch höwet, der oder die süllent kein scheffln 



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v fleisch dar under höwen und süllent oueh iegliehom fleische sinen 

sundern bank haben, und süllent oueh das alle jur sweren zu den 
heiligen zü haltende. Dartzü so süllent ouch die motziger die 
schaft' oder die spinwider die sü schnident und verkouffen wellcnt 
in kein wasser werften, und wenne sü uUgesehunden wordent. 
so süllent si sü ufhenkeu und an den nageln weschen ungever- 
lich und under die metzige tragen. Und wie sü das spinwidern 
fleisch gend, so süllent sü das scheitln fleisch vier lib. 1 d. neher 
geben ; und die bagken und köppfe und hing und leber die süllent 
sü ussewendig der metzige höwen. Und was fleisehos sü howen 
wellent. das süllent sü eins malcs früge her ul5 tragen, das es die 
schöwer gesehen mügeut: und süllent ouch die bögke ussewendig 
der metzige höwen. Und wer sü fraget, weles spinwidern oder 
scheft'in fleisch sie, das süllent sü im sagen bi dem selben eide; 
und süllent ouch kein ander netze noch fleisch uflegen das mit 
dar zü gehört; und sol ouch kein fleisch höwen, er habe denne 
e die vorgenanten stügke gesworn zü haltende. Actum feria 
tertia ante beati Bartholome}* apostoli anno LXXX tertio. 

^ i;ss;t August tu. 

57. Der rat hat erkant uff den eyt von der metziger wegen, 

alles das swiniu fleisch, das Schottin fleisch und das spin widerin 
fleisch, das die metziger zü Colmer slahent, das süllent sü nüt 
saltzen in deheinen weg, denne das sü es höwen süllent under 
der metzigen. Wer aber das sü des selben fleisches zü vil 
hettent, so mögent die schöwer in wol erlouben ungcveiiich ilas 
su das selbe fleisch wol mügeut saltzen, des sü zü vil betten ge- 
hebt. Und das selbe fleisch das in also erloubet ist zü saltzende. 
das süllent sü lassen ligen und es nüt verkoutten nutzen zü 
Ostern, und das es oueh denne dürre und trugken sie als es von 
rechte sin sol. Und wer dis verbreche, als dicke das beschehe, 
der bessert fünf pfunt, dem schultheissen und dem meister zwey 
pfunt und der stat drü pfttnt. 

Der rat het ouch erkant von der metziger wegen, alles das 
vihe das sü stände haut in der stat zü Oohner, es sie das vihe 
das in unserm Riete gangen ist oder ob irern höwe gestanden 

t 



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- 50 — 



sint in iren stellen, das sol alles in der stat zu Colraer ge- 
böwen werden, und süllent os nüt hin uß füren zu verkouffende 
in deheinen weg. Wer das breche, der bessert ein pfunt, halber 
dem schultheissen und dem meister und halber der stat, und 
einen monat fiir die stat und mag das abekouffen. 

58. Der rat hat erkant, das kein metziger noch nieraant anders 

kein vihe sol frömden lüten zü kouffende geben, das uff unserre 
weide ist gegangen oder hie erzogen würt. Und sol ouch dehein 
metziger dehein vihe das er kouffet fürbasser deheinem frömden 
wider zu kouffende geben, wände man es zu Colmer höwen sol. 
Wer das brichet, der bessert von ie des vihes houbet ein pfunt 
alter pfenninge halber dem schultheissen und dem meister und 
halber der stat. 



61. Der rat hat erkant, das niemant an keinem dornstag noch 
an dßr mitwochen des obendes untz an den dornstag zft vesper 
zit keino tilen, reiffe noch buholtz uff kouffen süllent uff raerschetzen 
und wider verkouffen. Wer das breche, der bessert ein pfunt 
Pfenninge halber dem schultheissen und dem meister und halber 
der stat, und einen monad für die stat und mag den abkouffen. 

Der rat hat erkant von der schöffcl wegen die ufgesetzet 
sint, das die selben schöffen die in schöffens wise zü einer sache 
gezogen werdent umb schulde umb die selbe sache nüt sweren 
süllent. Aber zu andern Sachen so sü zü gezogen werdent, dar 
umb süllent su sweren, ob es an sü gezogen würt, als ouch 
andere bürgere tünt, ane geverde. 

62. Der rat hat erkant, das dehein gremper noch gremperin, 
weder heimsch noch frömde, nüt über al kouffen sol von eß- 
haftigem dinge e man unsem herren got zü fronemessc gehebt 
hat. Und wer das brichet, der bessert ein pfunt alter, halber 
dem schultheissen und dem meister und halber der stat. 

[Darnach ist erkant, das sü nüt kouffen sollent ee das die 
betteglock vor niittage lütet, by der vorgeturnt bosserunge.J 



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— 51 — 



r ' Sü mögent aber wol nusse kouffen da vor, ob sü wellent. 

Dartzü süllent ouch die gremper nüt me denne zwey mitten- 
ander gemeine han. Wer das brichet, die besserent glicher wise 
als vor geschriben stat. 

Dartzü hat der rat ouch erkant, das die gartener umb de- 
heinen frömden gartener nüt kouffen süllent über al. Wer das 
brichet, der bessert als vorgeschribon stat, es were denne, das 
es der frömde man untz zu mittemetage veile hette, so mag es 
menglich kouffen. 

63. Der rat hat erkant, das kein lantvogt, wer der ist, niemanne 
mag noch sol wider in füren, der in der stette besserunge ist, 
er habe usser der stat gesworn oder nüt. Were aber das dar 
über ein lantvogt iemande her wider in fürte, der sol zu 9tunt 

' wider uß varen usser der stat und niemer wider in kommende 

sin, sin zil habe sich denne e verlouffen. Actum quarta post 
diem penthecostes anno domini MCCCLXX secundo. Vi72 Mai 19. 

• 

Der rat hat erkant, das niemant dem andern sinen botten, 
knecht oder kellerin nüt under dingen sol vor dem zile, wien- 
nachten und süngechten. Und wer das tete oder breche, der 
bessert ein halb jar für die stat, und mag das abkouffen, und dem 
schultheissen und dem meister ein pfunt. Doch so mag ein ieg- 
licher sinen botten dingen in sinem huse, der im da dienet. 

64. Der rat hat erkant uff den cyt, wer das iemant zü Colraer, 
wer der were, der zü Colmer sin wonunge hat oder von Colmar 
bürtig ist, er were edel oder unedel, von unserre kriege wegen 
die wir nü hant oder hie nach gewinnen möchtent, von uns ent- 
wichen woltent, dar umb das er keinen kosten und arbeit mit 
der stat von irre kriege wegen liden wolte, wer das dete, der 
bessert zehen jar für die stat ane gnade und sol dar zü zü Colmar 
niemer recht me gewinnen. Wer aber das iemant von uns ent- 
wiche und uns kriegen wolte und unsern vigenden gegen der 
stat beholffen sin, der sol niomer me da seßhaft werden noch 
niemer me in die stat kommen und kein recht me da haben; 



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- r>2 - 



und \va man sins gutes üt vindct oder weiß, das sol man an- 
griffen und den costen da mitte hellten gelten. Actum crastino 
beati Martini episcopi anno domini MCCCLXX secundo. 

1372 November 12. 

Und wer das breche und darüber her in in die stat ritte, der 
die ding als vorgeschoben stat verbrochen hette, den sol man 
haben und sol man ouch von ym richten als von eim verzalten 
manne, und sol in ouch nit helffen ob der krieg bericht were. 

(>. r >. Der rat hat erkant, wer das iemant der bi dem rate sitzet 

oder des rates oder Zunftmeister ist ein heinlich urleil das mit 
namen bi dem eyde vorborten were zu verewigende, iemande 
seite und die von ym uß kernen, das sich küntlich fünde von 
erbern lüten, wer der were, der bessert zwey jar für die stat 
ane gnade. Dartzü wer das ieman der des rates ist oder Zunft- 
meister wider dehein urteil das geschehen were in dem rate, das 
eim die stat verbotten were oder die stat einen gefangen hette, 
den lantvogt oder deheinen herreu bete oder würbe wider die 
urteile die da werent geschehen, wer das tete, die in dem rate 
sitzent, der bessert ein jar ane gnade für die stat. 

Der rat hat erkant, wer das ein man oder ein knabe, er 
were jung oder alt, ieinans tochter oder ein wip oder frowe umb 
die e anspreche vor geistlichem gerichte, und die tochter oder 
die frowe der e mit dem rechten lidig würde, da sol der man 
oder der knabe in iren schaden ablegen den sü sin von der 
anspräche wegen gebebt hant: und sol dartzü bessern fünf jar 
ane gnade für die stat. 

Zu gelieher wise, ob ein frowe oder ein tochter einen man 
oder knaben anspreche umb die e und der lidig würde als vor 
stat, die besseren t ouch als vor stat. 

H7. Der rat hat erkant von der brotbecker wegen, das alle 

brotbecker zu Colmcr brot süllent veile haben teglich under den 
brotbenken und an iren laden frage und spote, und mügent ouch 
»»in ieglich brot umb einen Pfenning bachen, doch mit der gedinge, 



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das das halbe brot das sü bachent stebeler wert süllent sin; und 
also mügent sü stebeler wert und pfeninges wert bienander haben. 
Und süllent ouch müt nammen das kirnin brot und das simelin 
brot bachen und mit böllins noch halb böllin. Und alle die die 
des rates oder Zunftmeister sint, die süllent und inügent bi iren 
eiden, so su der stat getan haut, alle zit sehöwen früge und spotc 
under den brotbenken und an allen laden und tünt dar an kein 
unrecht. Und die sehöwer süllent dar umb doste minie mit 
sehöwen, und süllent ouch sehöwen früge und ze vesper zit, das 
ist zwurent in dem tage; und süllent ouch brot haben alle zit, 
das dar an kein breste sie. Und wer dirre stügke deheins ver- 
breche oder ze kleine buche, wie dicke das geschehe und des 
gerüget würde, der bessert ein pfunt pfenning halber dem schult- 
heissen und dem meister und halber der stat und einen monat 
für die stat, den mag man abkoutt'en mit einem pfunt d., das 
vellet an die mure. Und süllent sü dar umb ulikünden; und 
welre die pfant werte, der bessert die selbe bosscrunge. 

68. Der rat hat erkaut von der zünfte aller wegen in der stat 

zu Colmcr, die dicke stösse haut gehebt wider einander, das ein 
zunft etlichen empfohet der ir antwerk nüt enkan noch tribet, 
da sol hinnanthin keine zunft einen empfohen der nüt ir antwerk 
tribet, also das die nieder keinen snider süllent empfohen noch 
keinen andern der under ir zunft nüt gehöret. Und alle zünfte 
süllent niemant empfohen denne die die von rechtes wegen under 
sü gehörent und ir antwerk tribent. Wer das dar über tete, 
das sol ab sin, und sol das nüt helften, das einre jar und tag 
under einre zünfte gewesen ist, wand mit naraen was antwerkes 
einre ist, under die zunft sol einre varen und under kein ander 
zunft. Actum die sabbato ante Jacoby apostoli anno LXXIII. 

1313 Juli 23. 

Der rat hat erkant, das nieman kein langraesser noch swert, 
wer der ist, in der stat zfl Colmer tragen sol denne die des rates 
sint und der stette diener und knechte, als es har kommen ist. 
Wer darüber ein langmesser oder ein swert trüge, wer der were, 
der bessert zwey pfunt alter pfenninge halber dem schultheissen 



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- 54 - 



und dem meister und halber der stat, das vellet an die mure; 
und den lantlüten sol man ir messer nemmen und nüt wider 
geben. Wa aber erber lüte, ritter oder knechte, swert oder 
langemesser trügent, da sol man die würtc umb pfenden bi den 
sü zü herbcrgc sint, die sullcnt in ouch sagen, das sü die messer 
abtügent. 

70. Der rat hat orkant von der judcn wegen die in der stat 
zü Colmer seßhaft sind oder her nach da setihaft werdent, das 
die selben juden oder was juden gut uß lihent, das die ein pfunt 
pfeninge nüt hoher lihen süllent denne umb zwene Pfenninge den 
die zü Colmer in der stat seßhaft sint. Wer aber das sü icmant 
ein pfunt hoher lühent denne umb zwene Pfenninge, das mag 
ein ieglicher für den meister bringen oder für den rat, und die 
süllent ouch den juden besenden und in solich haben, das in 
benüge von dem pfunde zwene ze nemmende. Wa aber der 
jude des ungehorsam wolte sin, so ist er togelich vervallen zwei 
pfunt alter pfening ze besserung, dem schultheissen und dem 
meister das halbe und der stat das andcrhalbe, und süllent sü 
da für pfenden und die bcsserunge nemmen teglich so dicke und 
so vil das der cristen mönsche von dem juden unclaghaft würt 
nach dem als vorgeschoben stat, ane alle geverde. Actum 
sabbato post Mathei apostoli anno domini MCCCLXXIIII. 

1874 September 28. 

Derrathaterkanteinhelleclich, welerjude oder jüdin hinnant- 
hin zü uns in unser stat züge, oder die nü zemale by uns seß- 
haft sint, wenne denne die von uns zügent, so süllont sü ge- 
loben und sweren, was sü mit den unsem untz uff den selben 
dag zü schaffende oder sü anzesprechende hant, dar umb süllent 
sü recht von in nemmen und geben vor unserm rate oder dem 
gerichte in unser stat; und sol in ouch nüt lassen von uns 
ziehen noch sin burgrecht ufnemmen, er gelobe und swere 
denne e die vorgeschriben ding zü haltende. Actum feria sexta 
post Anguetis virginis anno LXXX sexto. 1880 Januar 20. 

71. Der juden eyd: Als dich der ansprichet, des bist du un 
schuldig, als gewerlieh dir der got helffe der geschaffen hat 



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— 55 - 



himel und erden, lob und gras, wasser, für, luf't, tuft und alle fruht. 
Und ob du liegest in dem eyde, so müsse dir niemer ze heltte 
kommen die gcsctzde die got gab herrn Aloysey uf dem berge 
Synagy an der steynen tofelen. Und ob du liegest in dem eyde, 
so müsse dir niemer ze heltte kommen die heiigen namen die 
do geschriben stand in den ffiinf buchen herrn Mosey. Und ob 
du liegest in dem eyde, so müsse din gebein niemer rüwen do 
rüwende ist Aberham, Jsack und Jacob, und müssest malatz 
werden als Jessy und Abey, und müsse dich das ertrich verslinden 
als Dotam und Abiron. Und ob du liegest in dem eyde, das 
du crystan sterbest. 

72. Der rat hat erkant, es sol nieman zü Colmer, wer der sye, 

- 

burger oder seidener, pfaffe oder leye, das saltz das er in sinem 
huse bruchen will an deheincn Stetten kouffen denue in dem 
koufhuse oder umb die gremper. Und süllent die gremper an 
deheinen Stetten kein saltz kouffen denne in dem koufhuse. 
Wer das brichet, als dicke es beschicht, der bessert zwey pfunt 
Pfenninge halber dem schultheissen und dem meister und halber 
der stat. 

Der rat hat erkant von des saltzes wegen, was saltzes har 
kunt gen Colmer, es sie von burgern oder von lantlüten, das 
süllent sü in der stat zü Colmer niemant zü kouftende geben 
denne der stat. Wer aber das die stat des saltzes nüt bödörfte, 
so sol man in crlouben das saltz enweg zü fürende, und sol 
sechs Pfenninge von der schiben nemmen und von eim vierteil 
saltzes nün Pfenninge; doch so sol man das saltz viertzehen 
tage in dem koufhuse haben stände. 

73. Dar zü hat der rat erkant, das man kein vihe sol slahen 
zwischent die graben. Wer das tete, der bessert als der rat 
erkennet. 

Als vor eine besserunge was von wes wegen man unge- 
sungen was, und dem gebotten was usser der stat zü varende, 
wer das nüt endete und man dar über von siuen wegen unge- 



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sanken was, das der bessern sol ei» pfunt dem schultheissen 
und dem meister. Dar zu hat oueh der rat erkant, das er 
ouch dar zü bessern sol ein pfunt der stnt, und sol man ouch 
die besserung nemuien und sü nüt varen lan. 

74. Der rat hat einliellceh erkant ufteu den cyt, das nieman, 

wer der sie, es sient vischer oder ander lüte, in dem nüwen 
graben vor Steinebrugke thor und in den graben hinder Widen 
untz an Theinhein thor, beide in dem ussern graben und in 
dem inneren, in den selben graben nüt vischen sol in den allen 
weder tages noch nachtes. Und sol ouch nieman in denselben 
graben keinen pfol slahen noch fach machen noch keinre 
bände gewendc über al. Dartzü sol ouch nieman mit keinen 
schiffen faren in die selben graben, und sol ouch niemant kein 
schitV dar in stellen w eder tages noch nachtes. Wer dirre stücke 
deheins verbreche, der were wer es vvolte, der bessert ein halb 
jar für die stat, und mag das abkoutten, und so vil nie als es 
der rat erkennet und die getat ist, und zwei pfunt halber dem 
schultheissen und dem meister und halber der stat, und sol 
man die besserunge nüt varn lan. Actum die dominica ante 
Barnabe apostoli anno LXXV. 137 ö Juni 10. 

To. Der rat bat erkaut und ouch der schultheisse, die meistere, 

die zunftmeistere, und erteilt utten den eyt und haut es oueh 
gelobt bi geswornem eyden zü haltende ungeverlich, das sü 
niemant der ussewendig der stat zü Colmer sitzent, er sie 
herre, ritter oder knechte, arm oder rieh, dehein holtz geben 
sülleut usser unsern weiden, es sie in dem Nidern walde oder 
in dem Xüwelende, das zü buwende oder zü trotten oder zu 
geswistorden gut were. Und haut ouch das gelobt bi geswornen 
eiden zü haltende gegen allermenglich ussewendig der stat zü 
Colmer aue alle geverde. Actum feria tertia ante Michahelis 
archangeli anno LXX octavo. 1378 September '2#. 

7ti. Der rat hat erkant, als vor eine besserunge was, wer ein 

messer zugkete, das der einen monat für die stat bessern solte, 
und vvenne einre her wider in wolte, so bessert er fünf Schilling 



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I 



— 57 - 

dem schultheisseu und der stat, wolle über eiiiro den monat 
abkouffen, so gab er ein pfunt und fünf Schilling; da hat der 
rat sithar erkant mit den Zunftmeistern uff den eyt, alle ein- 
helleclichen: Wer da ein messer zugket, er sie rieh oder arm, 
den sol man uß künden, und wenne er also uß gekündet wurt, 
so sol einre bi der tagezit uß varen und niemer wider in die 
stat kommen, er habe denne e gegeben ein pfunt Straßburger 
und drittenhalben Schilling der stat und dem schulthcissen 
drittenhalben Schilling, und sol oueh einre uß sweren als ouch 
vor. Woltc aber einre in der stat beliben, der sol das selbe 
gelt geben, wand unser herren nüt wellent, das iemant den 
monat abkouffe als vor. Actum die sabbato post octavam penthe- 
costes anno LXXVIII. 137* Juni 19. 

Der rat hat erkant, es sol kein ahercr, fröwe oder man, 
in deheinen ban gan des tages so man gestritten hat, noch die 
wile das korn uffen den ackern lit. Wer das breche, der 
bessert einen monat für die stat und fünf Schilling Pfenninge. 

Es sol ouch dehein varende man korn noch ander garwen mc 
samenen an den torn. Und weleknechtsines herren, sinsjungherren 
oder sins nieisters korn deheinem varenden manne git, da bessert 
ein knecht, als dicke es denne beschicht, ein pfunt pfenninge. 

Es sol ouch kein hirte uffen die acker varen denne an 
dem dritten dage so das korn abekunt. Und welher aherer 
funden würde, er sie frömde oder heimesch, der bessert als es 
vor stat, und vcllet die besserunge halber dem schultheissen 
und dem meister und halber der stat. 

79. Der rat hat einhellcclichen erkant, das alle die closter- 

frowen die usscr den clostern zu Colmer gelouffen sint oder hie 
nach louffende werdent, das die zu Colmer in der stat noch 
innewendig den erützen nüt wonhaft noch sin süllent; und sol 
ouch die selben niemant husen noch hofen heimlich noch öffen- 
lichen. Wer das darüber tete, wer der were, er were tröwe 
oder man, der bessert fünf pfunt alter pfenning, als dicke es be- 



77. 

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- 58 - 



schiebt, dem schultheissen und dem meister zwey pfuut und 
der stat das ander; wände unser herren nüt wellent, das der 
selben ußlouffenden nurinen keine zu Colmer noch indewendig 
den criitzen nüt sient. Actum feria tertia ante beati Urbani 
pape anno domini MCCC LXXX prirno. Und sol ouch bessern 
ein jar für die stat und mag das abkouflen. 1S81 Mai 21. 

80. Der rat hat einhelleclichen erkant uflen den eyt, das 
nieman zu Colmer, er sio wer er welle, pfafle oder leye, keine 
zamme tube vohen sol mit deheinen siegen. Dartzü sol ouch 
nieinant, wer der ist, er sie frömde oder heimesch, deheine 
zamme tube vohen uff dem velde mit deheinem garne noch an 
deheinen Stetten, wand unser herren nüt wollent, das man 
deheine zamme tube vohen sol mit deheinen dingen. Und sint 
ouch har über gesetzet von dem rate zwene die des warten sülleut. 
Und wer deheine tube vienge mit deheinem slage oder sust, 
wie sü denne gefangen würdent, der bessert ein halb jar für 
die stat, und mag das abkouffen, und ein pfunt Pfenninge dem 
schultheissen und dem meister das halbe. Und wer zamme 
tuben vohet mit garne an dem volde, wa es denne geschieht, 
der bessert ein jar für die stat, und mag das abkouflen, und 
zwei pfunt dem schultheissen und dem meister. Und mag man 
einen ieglichen frömden man für die besserunge haben, und mag 
es ouch ein ieglicher rügen, wer es sieht. 

81. Der rat hat einhelleclichen erkant uflfen den eyt, wer da 
stirbet zu Colmer, er sie edel oder unedel, man oder wip, pfaffe 
oder leye, das da sin bestes kleit vallen und werden sol an sant 
Martins bu in unser stat, das er denne verlat. Wer aber das 
sin bestes kleit stünde, so süllent es die fründc lösen und es 
an sant Martins bu geben: ein roß lösen mit zehen guldin, ein 
pantzer mit vier guldin. Und was die pfaffen besserent, da sol 
man sü ußkünden, und vellet die besserunge sant Martin, und 
sol mau sü inen nüt varen lan. Actum feria tertia post beati 
Michahelis anno LXXX secundo. 1382 September SO. 

83. Der rat hat erkant, das die so in dem köfhuse sitzent 

keine gemeinschaft mitt niemant haben süllent heimlich noch 



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- 59 - 



offcnlich, und sol ouch keinen koufmanschatz triben über al, 
und süllent ouch keine miete von niemant nemmen weder 
wenig noch vil. Dartzü süllent sü ouch keinen kouff machen 
mit nieman ane einen underköuffer. Und was pfenninge sü em- 
pfahent ym koufhuse, die süllent sü zu stunt in die kisten legen, 
und süllent ouch das gelt uff den kisten empfahen und niergent 
anderswa, die wile der der in die pfenning git zü gegen ist. 
Und sol ouch keinen kouff machen, die wile der des das gut 
ist zü Colmer in der stat ist; wol mögent sü einen kouff machen, 
ob es inen empfolhen ist, mit eim underköiffer, so der nüt in 
der stat ist des das güt ist. Und sol ze ieglichem kouffe das 
glicheste und das beste reden nieman zü liebe noch zü leide, 
und nieman kein Wortzeichen geben denne usser siner hant ane 
den ungelter, ob es ym empfolhen würt; und nachtes in dem 
koufhuse zü ligende uiigeverlichen, und söllent ouch das sweren 
alle jare. 

85. Anno domini MCCC LXXX primo die dominica ante festum 

nativitatis Johannis Baptisto do hat der rat, die Zunftmeister 
und die scheffel cinhelklichen erteilt und erkant: Wo die vier 
meistere oder iemau in den reten von des rates und der stette 
wegen der stette notturft rettend, es were mit herren, Stetten 
oder gegen weme das were, und den selben die als von der 
stett wegen rettend smehlichen geantwürt wurde, oder darumb 
bekumbert und geschediget würdent, den oder die, wer die 
werend, sol der rat und die stat verantwürten und beholffen 
sin und ouch do vor schaden behüten. t38l Juni 23. 

95. Der rat hat erkant, das ein ieglicher bumeister der da ge- 

setzet würt über den ziegelhoff und über den bu und die besse- 
runge und unzücht pfenning in zcnemtnende, das der sweren 
sol einem stettcschriber alle w r oehen ungevcrlich verschriben zü 
geben was ym vallet von Unzucht und von besserungen, und 
ouch gekündet. Und dar zü sol er ouch sweren, das er kein 
after slage noch althotz nemmen sol; und was von afterslagen 
vellet oder von altem holtze, es sie von brugken oder von an- 
dern dingen, wa es denne vellet, das sol er alles füren uff den 



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— 60 - 



ziegclhoff bi sinem geswornen eido, anc geverde, der stelle zu 
bürnende. Dartzü sol er ouch deheinen bu tun liberal und ouch 
nüt kouffen noch verkouffen uff dem ziegelhoff noch ob dem 
ziegelhoff, ungeverlieh, ane der dryer willen die meister und rat 
dar zü gesetzet hat. Und sol ouch alle monade den selben drin, 
oder wenne sü es an in vorderent, rechenunge tun was er inge- 
nommen und ußgeben hat; und die selben drye und ouch der 
bumeister süllent jares eine rechenunge har umb vor dem 
rate tun als gewönlieh ist. 

07. Der rat hat erkant von der hirten wegen die zu Colmer 

sitzent, das der emkeinre mit me schoff sol haben noch uff unser 
weide gan denne drissig schoff ane alleine lembere die das jar 
da von vallent, und süllent ouch niemant me kein schoff ent- 
halten. Und weler hirte über die summe me schoff hette und dis 
verbreche, da bessert ie das schoff fünf Schilling alter, halber 
dem schultheissen und dem meister und halber der stat. 

118. Der rat hat erteilt und erkannt einhelleclich uff den eit: 

Wer das ein lantman, wer der were, über ein burger oder sei- 
dener louffen wolte und im übel tun an sinem übe, und es der 
lantman vor an den burger oder seidener brechte, das klintlieh 
funden würde, so mag sich der gesessen man gegen dem lant- 
man weren und ouch einen ieglichen burger oder seidener sins 
eides manen, das sü im beholffen sient gegen dem lantman. 
Und was denne dem lantman geschieht, da sol kein besserunge 
darüber gan; doch also das es der lantman brocht habe an den 
gesessen man, und ouch das fürbringet mit erbern lüten die da 
bi werent. Were aber das niemant da by gewesen were, so mag 
es der burger oder seidener mit sinem eide behaben, das es an 
in brocht sie von dem lantmanne. Und wele burger oder seide- 
ner der alsus sins eides gemant würde dem geseßen manne gegen 
dem lantmanne nüt beholffen were, da bessert ein ieglicher ein 
jar und mag das abkouffen. Und ist das der lantman den burger 
oder seidener verwundet, so sol man ouch den lantman künden 
in die ochte, und sich der richter sins gutes underziehen das er 
hat in dem banne zü Colmer, als gewonlich ist. Doch ist zü 



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- 61 - 



wissende, werc das ein burger oder seidener oder ein gesessen 
man über einen lantman louffen wolte und im übel tun an sinem 
übe, dartzft sol man ym umbeholffen sin, und sol ouch nieman 
manen das man im dar zu helfte. Und was der burger oder 
seidener oder der gesessen mau dem lantman, so es an in brocht 
were, detent, das solle nt die burger oder seidener bessern als 
es gewonlich ist und harkommen. Doch so mag ein iegliclier 
burger oder seidener dar zu louffen ungeverlich scheiden, das 
dem lantman kein lait geschehe, so es an in brocht ist; und 
wer das tut, der tüt kein unrecht. Were ouch das ein burger 
oder seidener sin reeht oder burgrecht ufgeben wolte und sin 
gut, was er denne bette, enweg geben und das vergeben, und dar 
nach mit einem ufsatze einen burger oder seidener slahen wolte 
oder erstechen, da sol die gäbe keine kraft haben übcral, und 
sol man von ym und von sinem gute richten, ob er deheinen 
114. schaden tüt, |l in der wise als vor ist bescheiden, und sol in 
das nüt helffen ob er sin güt vorhin enweg het geben. Doch so 
mag ein ieglicher burger oder seidener sin güt enweg geben, 
wenne oder wie dicke er wil ungeverlichen, als denne der stette 
zu Colmer reeht und gewonheit ist. Actum feria tertia post 
dominicam letare anno domini M CCC LXX secundo. 

1372 März 9. 



116. Anno domini M CCC LXX secundo feria quarta ante domi- 

nicam letare da hat der rat und die scheffel erkant uffen 
den eyt: Wer zu Colmer burger oder seidener ist oder in der 
stat sin wonunge het, er sie edel oder unedel, und einem herren, 
fründen oder gesellen dienen wolte einen krieg, oder ob er sust 
einen angriff an sinen vigenden tun wolte, die süllent ir recht 
und ir burgrecht uf'gen und süllent ouch mit wiben und mit 
kinden drie tage vorhin, e sich der krieg an het gehebt oder 
der angriff besehenen ist, usser der stat zu Colmer ziehen un- 
vcrzögenlich mit eins burgenneisters urlop und willen und ouch 
niemer in die stat kommen, es werent da zwischent friden ge- 
macht oder nüt, der krieg dar umb sü usse sind sie denne ee 
gentzlich versünet und gerichtet; so mögent denne die die alsus 



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— 62 — 

hin uß kommen wcrcnt mit wiben und mit kindon wol her wider 
in varen und nüt ee. Und wennc sü ouch her wider in kontinent, 
so süllent die man oder die knaben die vogtber sint zu stunt in 
den zwein tagen sweren meister und rat gehorsam zu sinde, 
als ander burger und seidener tönt. Wa das öberfaren würde, 
von wem das beschehe, der bessert ein jar an gnade usser der 
stat als dicke als es beschiebt. Und wer das die stat oder die 
bürgere von sins angriffes und kriegs wegen in deheinen schaden 
komment, den schaden soll er der stat abheben, und sol man 
dar umb sinen lip und sin gut anreichen untz der schade ufge- 
richt würt; und sol in das nüt helffen, ob er sin gut vor enweg 
hette geben oder verendert in deheinen schirm, ane alle geverde. 
Wolt ouch iemant, wer der were, er were ein burger oder sei- 
dener oder eins burgers sun, sinem herren, fründe oder gesellen 
sine vestin helffen weren, der sol sich ouch der stat enteingen 
und die ding zu* glicher wise als vor ist bescheiden halten. Wa 
das von im verbrochen würde, die süllent in die vorgeschriben 
pene verfallen sin, und sünderlichen de fröwen die usser der 
stat gefaren werent und gezogen, die süllent in der besserunge 
117. nüt wider in die stat kommen heimlich noch offenlich. || Wer 
sü darüber in der stat huset oder hofet, der besseret fünf 
pfunt alter als dicke es geschieht. Doch ist zu wissende, das 
ein ieglicher zu Colmer der seßlehen hat sinem herren sine 
vestin wol mag helffen weren ungeverlich, also das es beschehe 
mit urlobe meister und rates zu Colmer. Dar zü mag ein ieg- 
licher reisen usser lande das ussewendig Eilsaß ist, also das die 
reisen ungeverlich sient und ein offen reise sie und nüt heimlich; 
den oder die gat die besserunge nüt an. 1372 März 3. 

Der rat hat einhelleclieh erteilt und erkant, das niemant, 
wer der ist, sol noch mag des rates oder Zunftmeister werden 
zu Cohner, er sie har gezogen vor dirre dato oder dar nach, 
er sie denne e fünf jar zu Colmer seßhaft gewesen mit huse. 
Actum feria quarta post beati Grcgorii anno LXXX sexto. 

1386 März 14. 



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1387-1432. 

25. Anno domini M CCC LXXXVII feria tertia ante beati Ur- 

bany pape do wart einhelleklich erteilt und erkant, das kein 
würt, kein winsticher noch nicraan anders der ze Colraer geseßen 
ist mit keinem frömden manne in das lant riten oder gan sollend, 
win ze kouffende, lützel noch vil. Und wer das verbreche, der 
bessert 5 Ib., dem schultheissen und dem meister 1 lb. und das 
überige der stette. 1387 Mai 21. 

75. Der rat hat erkant von der weide und des Rietes wegen, 
als man Diebolt von Ratzenhusen etwie manig jar erloubt hat, 
das die von Orüssenhein mit irem vihe do fürent, do hat der 
rat umb erkant, das man ime das mit me erlouben sol. Actum 
feria sexta post beati Georgii anno LXXX VIII. 1888 April 24. 

y 

58. Der rat hat erkant von der metziger wegen umb das rint- 

fleisch, als do har gewönlich ist gewesen, das sü zweygerhand 
rintfleisch uff eime banke under enander hiewent, do ist rat und 
Zunftmeister obgesessen und hant einhelleklichen erteilt und 
erkant, das alle metziger ze Coliner hinannthin nüt me zweiger 
hand rintfleisch under enander uf eime banke howen söllent. 
Doch were es sache, das einre zweiger hande rintfleisch höwen 
wolte, das mag er wol tun uf eime banke, also das er eins nach 
dem andern höwe und nüt undereuander. Und wer das überfüre, 
der bessert eiu pfunt nüwer phenning; und söllent das die 
schöwer by iren eyden förderlichen fiirbringen. Actum ipso die 
beate Margarethe virginis anno LXXX VIII. 1388 Juli 15. 

76. Der rat hat einhelleklich erteilt und erkant, das man 
nieman in den spittal nemmen sol ze pfrftndnern, er sy denne 
von alterhar ze Colmer gewesen und hie erzogen und erborn. 
Actum feria sexsta post Bartholomey anno LXXX VIII. 

1388 Augmt 28. 



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77. Der rat hat crkant, das nicman fromdcs im lande in unsere 

weide dehein swin ze aekcran slahcn sol. Wer das tete, do 
söllent die swin der stette sin und niemant anders. Actum sab- 
bato post nativitatem Marie anno LXXXVIII. 1388 September 12. 



34. Der rat hat einhelleklichen erteilt und crkant von der 

cinse wegen der angester, was köiffe do umb angster vor acht- 
zehen jarn besehehcn sint, das man do cinsen sol einen guldin 
für zwelff* Schilling angester, oder so vil geltes für die zwelff 
Schilling angester die als gut sint als ein guldin. Was köiffe aber 
umb angester under ahtzehen jarn besehenen sint, do sol man 
Zinsen einen guldin für sehtzehen Schilling angester, oder ouch 
so vil geltz für die sehtzehen Schilling angester die als gut sint als 
ein guldin. Actum feria sexsta post inventionem sancte crucis 
anno domini M CCC LXXX nono. 1389 Mai 7. 

25 Der rat und die zunftmeistcre hau erteilt und erkaut, das 

keine zunft, kein wurt noch niemant anders keinen winrüfter 
machen sol, denne das meistere und rat erkennen sol, wer darzft 
nutze und güt ist. Datum dominica ante Urbany anno LXXX 
nono. 1389 Mai 23. 



32. Der rat und die zunftmeistere haut einhelleklichen erteilt 

und crkant, das kein schultheisse ze Colmer niemandes rede vor 
den reten noch vor dem gerihte ze Colmer tun sol, lutzel noch 
vil, umb deheinerleigo sache. Actum dominica ante Urbany anno 
LXXX nono. 1389 Mai 23. 



82. Der rat und dio zunftmeistere band einhelleklichen erteilt 

und erkant uff" den cid und ouch das gelobt ze haltende: Wer 
der were der wider die stat ze Colmer tete oder getan hette 
vor dirro date oder do nach, und dio stat oder die burger ze 
Colmer von sinen wegen schaden und unlust genommen und 
enpfangen betten, das die niemer me keine reht ze Colmer haben 
noch gewinnen söllent in deheinen weg. Actum sabbato ante 
festum penthecostes anno LXXX nono. 1389 Juni 



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84. Anno domini M CCC LXXXX feria tertia ante beate Katherine 

virginis to hat der rat erteilt und bekant von der gerwer wegen, 
urab das leder so sü veil haut und ze merkte tragend, das das 
selb leder trueken und dürre sin sol. Und welre das verbreche 
und überfüre, der bessert von yeglichem stücke leders ein pfunt 
phenning halber dem schultheissen und dem meister und halber 
der stat. 

Ze glicher wise hat der rat erkand, wel Schuhmacher 
grüne oder naß leder urab die gerwer koufft, der bessert die 
selb besserung. 

Darzü hat der rat erkand, das die Schuhmacher die schuhe 
so sü verkouffent an dem donrstag ustragen söllent vor prime, 
oder die wile man prime lütet. Und welre darnach schühe us 
trüge ze merkete, der bessert ein pfunt phenning halber dem 
schultheissen und dem meister und halber der stat. 

Ze glicher wise sollend die gerwer ir leder das sü an dem 
donrstage verkouffen wellen ouch us tragen zu den ziten als 
die schühraacher. Und wer das verbreche, der bessert die selb 
V besserung. 1390 November 22. 

59. Anno domini M CCC LXXXX secundo sabbato ante nativitatem 

Johannis Baptiste do hat der rat einhelklichen erteilt und erkand 
von der metziger wegen, umb die gemeineschaft so sü lang zit mit 
enander gehebt hant, das sü die selbe gemeineschaft furbasser mit 
enander haben mögent, also was eynung oder gelubde sü gegen 
enander gehebt band, wie die gewesen sint, von fleisches wegen, als 
meistere und rat fürkomen ist, das zwene gemeiner uüt me eins tnges 
höwen sollend denn ein rint, das sü den selben eynung und glubde 
gentzlich ablassen sollend und in nü und hie nach nüt me halten. 
Und wie vil Heisches zwene gemeiner oder einre besundereinstages 
verhöwen und verkouffen mögend, das sü das wol tün mögend und 
söllend ouch darumb von niemand gestroffet noch gehindert werden. 
Darzft hat der rat erkand, was rintfleischs die metziger höwend, das 
sü do uf einen dag nut zweygerhande rintfleisch uf eime banke 
höwen noch by enander haben söllend. Und wo sü die schöwer das 
fleisch heissend neher geben, das söllend sü ouch tün. Und 
söllend dis alle jar sweren ze haltende. 1392 Juni 22. 

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78. Der rat und die Zunftmeister hand einhelkliclien erteilt und 

erkant, w er das yemand, wer der were, der sin lip oder sin gut 
frömdet oder gebe an ein closter und do mitt der stett ir gewerff 
oder den abzog enpfuren wolte, das der oder die, w er die werent, 
iren abzog, das ist fünft" gewerff, der stett geben sollend, es 
werend denn soliche lüte die abzog von rehtz wegen nüt geben 
söllend oder edellute, die gat die sache nüt an. Actum sabbato 
post festum nativitatis Marie virginis gloriose anno domini 
LXXXX secundo. 1392 September 14. 

66. Der rat hat erkand von der brotbecker wegen, umb die 

swin so sü in legent und inestent, das sü do die swebschen swin 
ziehen söllent ein dritteil jars und welschin sw in ein viertel jars und 
nütkurtzer. Dazu söllent ouch die brotbecker nüt me swine haben ze 
male denn zwelffe, und söllent ouch keine inore haben ze zühten noch 
swin die für den hirten gant. Und wer der stücke deheins verbreche, 
der bessert von yeglichem swine zwey pfund, der stett das halb 
und dem schultheisscn und dem meistere das anderhalbe. 

Darzü söllent ouch die brotbecker das krüsch nüt hoher 
geben denne einen sesterfol umb vier pfenning. Wer das ver- 
breche, der bessert die selb besserung. Actum sabbato ante beati 
Michahelis LXXXX tertio. 1393 September 27. 

[Auch söllent es die müller ze glicher wise halten als die 
brotbecker. Actum ipsa die beati Jacobi apostoli anno CCCC 
septirao. 1407 Juli 2fi.] 

19. Der rat hat erkant mit den Zunftmeistern einhelklichen uf 

den eyd von aller würte wegen ze Colmer die w r in schenkent, 
das kein würt koinen win in sinen kelre legen sol, er hab in 
denne ee verungelt und verstebelt. Und sol ouch vor ab sagen, 
wie er den win geben w r elle, das er in darufif verungelten könne, 
und sol in do nach nüt hoher geben denne er verungelt ist. 
Darzü söllend ouch die würte ze mole mit me wins in legen 
denne 30 omen oder 31 omen ungeverlich, doch mag er dar 
under wol in legen. Und söllent ouch die leiterer keinen win 
den würten in legen, sü haben denne ein Wortzeichen von dem 
ungelter, das sü wussent das der win verungelt und verstebelt 



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sy, des ouch die leiterer zu den heiigen gesworn band. Doch 
wenne es komct das ein würt in dem hindersten vasse stecket 
und aber der ander win aller us ist, so mag er aber so vil 
wins in legen als denn Vorbescheiden stat und nüt ee. Und wel 
würt dirre stücke deheins verbreche und uberfüre, der bessert 
die alte besserung, das ist 5 lb. und dar zu zwey jar für die 
stat, die mag er abkouffen. Actum sabbato ante beate Katherine 
virginis anno LXXXX tertio. 1393 November 22. 

74. Anno domini LXXXX septimo sabbato post beatorum Phi- 

lippy et Jacoby apostolorum do hat der rat und die Zunftmeister 
einhelklichen erteilt und erkant, als gewönlich do har gewesen 
ist uf den meygtag in das Nüwelende ze varonde mit wegen 
und karrichen und ouch ze ffts, meigen ze holende, do ist mit 
urteil bekant, das menglich, nieman usgenommen, mit keinem 
wagen, karrichen noch pferdon furbasser nie nü noch hie nach 
in den walt varen soll; wand man och das meinet ze haltende. 
Und wer das überfüre, das müste er swerlichen bessern. Actum 
ut supra. 1397 Mai 5. 

86. Anno domini LXXXX septimo do hat der rat und die zunft- 

meistere einhelklichen erteilt und erkant von aller der wegen 
so korn in dem merkte ze Colmer veil hant, es sy fröwe oder 
man, das die inen selben noch nieman von iren wegen kein 
korn und ouch weder haber noch gersten kouffen söllent, denne 
so vil sü bedörffent ze essende zu irre notturft, also das sü es nüt 
widerverkouffent. Darzü söllent ouch sü niemant, wer der ist, 
keinrehande korn und ouch weder habern noch gerste kouffen 
weder heimschen lüten noch frömden. Darzü söllent ouch sü do 
mitte keinem heimschen ingesessen manne noch fröwen kein korn 
und ouch weder habern noch gersten in iren hüsern oder hinder 
in hinnanthin me enthalten, weder durch früntschaft oder umb 
Ion. Und söllent ouch mit nammen keinem frömden manne noch 
fröwen fürbasser me kein gelt weder uff korn, habern oder 
gersten, das hinder in in iren hüsern lit oder stat, lihen ee es 
verkouft würt. Und die selben stücke hant sü alle zu den heiigen 
gesworn ze haltende. Und weler man oder fröwe der stücke 



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doheins verbreche und überfüre, die sol man uff offnem kantzel 
ze Colmer mein cidig und erlös künden. Und hinder welen man 
oder fröwe ieman fremder lüte ir korn sehüttent, den sol es nie- 
mant abtün noch verkouffen denne mit der m üssende und willen 
der das korn ist. Und wer das verbreche, wer der were, der 
bessert zwey jar für die stat, und mag die abkouffen, und darzü 
funff pfunt halber schultheisse und meistere und halber der stat, 
und sol darzü dem sin korn verkouft und abgeton ist allen sinen 
schaden von des kornes wegen abtragen. Actum ut supra sabbato 
ante nativitatem Marie virginis gloriose. 1397 September 1. 

69. Anno doinini MCCCXCVIIII sabbato ante t'estum Johannis 

Baptiste da hat der rat erteilt und erkant, daz man disen eynung 
in der stette bttch schriben sol. wand ouch der selb eynung vor 
dirre date lange zit erteilt und ouch gehalten ist. Und ist daz: 
wer da lat spilen in syme huse, wer der ist, es sient würtc oder 
ander lüte, niemant usgenomen, der bessert zwey pfunt alter 
Pfenninge halber dem schultheissen und dem meister und halber 
der stat. Zü glicher wise, wer die sint die als spilent in den y 
selben hüsern, der bessert iegelicher ein pfunt alter pfenninge 
halber dem Schultheißen und dem meister und halber der stat. 
Actum ut supra. * 1399 Juni 21. 

59. Anno domini CCCC priino uff den zinstag von sand Law- 

rentien dag do hat der rat erteilt und erkant von aller metziger 
wegen zü Colmer, wer der were der pfinnig fleisch höwet under 
der metzige, der ieglicher besunder sol bessern vier pfunt alter 
Pfenning halber dem schultheissen und dem meister und halber 
der stat, und sol darzü ieglicher besunder bessern usser der stat 
an des ratz gnade. 1 1401 August 9. 

41. Do hat ouch der rat erkant, wer von fromden lüten als 

funden wurt die keine roht ze Colmer hant, der bessert iegli- 
cher ein pfunt halber schultheissen und meister und halber der 
stat. Actum sabbato post beati Andree anno domini CCCC tertio. 

1403 Dezember 1. 



* Am Rande sind drei Würfel tfezeidmet. 



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_^ 52. Anno domini MCCCC septimo die dominica ante beati An- 

dreo apostoli da hat der rat einhelleclichen erteylt und bekant 
von der metziger wegen, das sie scheffin und spinwiderin fleisch 
uff zwein beneken und nit undereinander houwen söllent. Und 
wer sie ouch fraget, welhes spinwiderin oder scheffln fleisch sige, 
das söllent sie ime sagen. Dartzü söllent ouch sie die schoffe 
oder spinwider die sie schnident und verkouffen wöllent in kein 
wasser werften, denn wenn sie ußgeschunden werdent, so söllent 
sie die zu stunt uffhencken und an den nageln weschen und 
under die metzige tragen. Und wie sie das spinwiderin fleisch 
gent, so söllent sie das scheffin fleisch vier pfunt eins Pfennings 
neher geben. Und die backen, köpffc, lunge und leber söllent sie 
ouch innewendig der metzigen houwen und mögent das unge- 
wegen verkouffen, also wenn sie kein ander fleisch me hant. 
Und was fieisches sie houwen wöllent, welcherleye fleisch das 
ist, keins ußgenommen, das söllent sie früge eins mols heruß 
tragen, das es die schouwere gesehen mögent. Wo sie ouch die 
schouwere das fleisch heissent neher geben, das söllent sie ouch 

^ tön. Ouch söllent sie die böcke ußwendig der metzigen höwen. 

Dartzü söllent sie kein ander fleisch noch netze ufflegen das nit 
darzü gehört. Besunder söllent ouch die metziger nit zweyer- 
hande rintfleische undereinander houwen, doch so mögent sie 
wol zweyerhande rintfleisch uff eim bancke houwen, aber ye 
eins noch dem andern und nit undereinander. Beschee aber daz 
eim metziger an einem morgen oder an einem obent ein qwalle 
oder ein halbe syte rintfleisches über blibe, und es nit verkouffen 
möchte, und aber geschouwet ist, das mag er morndes under 
anderm rintfleische wol houwen ungeverlich, also das bede rint- 
fleische uff einen pfennig geschowet sigent. 

1407 November 27. 

95. Der rat hat erkant, das ein yeglicher bumeister der do ge- 

setzt wurt über den ziegeloffen und über den bu ze Colmer lip- 
lich zu den hoiligen sweren sol, koyne affter slage, nuwe oder 
alt holtz, kein brukholtz, steyno oder anders nut ussgenomen, 
das denn der stettc ist und ir zugehöret, mit nemen sol; denne 



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was von sollichem holtze der stette vellet, es sy uuwe holtz , 
oder alt holtz, oder von stoynen oder andern dingen, wo das 
har komet, ez sye von brücken oder von andern dingen, das 
sol er allos füren uft' den ziegelotton oder in der stette hoff", wo 
es denne hin gehöret, und das der stette gehalten getruwelich 
uff das beste, und ouch nieman mit da von geben, by syme ge- 
# swornen eyde ungeverüch. Ouch sol er keinen nuwen bu tun 

denne mit rate und wissende der dryer so imrac die rete zuge- 
bent. Darzü sol ouch ein yeglich bumeister sin selbes fürunge 
uff der stette werg nüt haben. Mit nameu sol ouch der selbe 
buwemeister alle wuchen zu den vieren in das kouffhus gon und 
den verreehenen was er die wuche verbuwen hatt, ungeverlich, 
das 8öllent ouch sü imine bezalen. Und als sol ouch der selbe 
bumeister ein büch machen, daryu er alle wuche das so er ver- 
buwet schribet, und darumb alle jare vor den reten ein reche- 

96. nunge tun. Und was er ab dem ziegelofen || verkouftet, es sye 
kalck, ziegelen oder der kleinen gebranten steyne, das sol er 
den vieren ymme koutthuse verreehenen getruwelich by dem 
vorgeschriben syme eyde; und allen costen so zu dem buwe der T 
stette gat uff das nehste ze ziehende ungeverlich. Und sol man 

irame jerlich ze lone geben 5 lb. Argentinenses. Actum die sabbati 
ante beate Margarethe virginis anno domini millesimo quadrin- 
gentesimo octavo. 1408 Juli 14. 

97. Anno CCCC octavo feria quinta ante festum nativitatis 
Christi do hett der rat einhelliclich erteilt und bekant von der 
rathosen wegen, das man do eime ieglichen meistcr zu ieglichcr 
zit, als man sii teilt, und ouch dorn schultheissen mit mo tftchs 
geben sol denne eime zwo eleu, und eim ratzherren oder eim 
Zunftmeister anderhalb ele und mit nie. 1408 Dezember 20. 

71. Anno CCCC undecirao sexta post beati Kiliani da hat der 

rate bekant, das die judon alles ir gewichte wo mit 
sie fleisch oder anders wegent und ouch iro eleu jerlichen 
vechen und recht haben sollcnt als Christen. Darzü söllent sie 
ouch, was fleisches sie don Christen zü kouttende gebent, yeg- 
lichs pfnnt eins hclbelings neher geben denn es die cristen 



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metziger gebeut, und ouch nit nie denn juden bedörttent. 
Wcllichs daz brichet, der bessert 5 Ib., zwey pfunt dem schult- 
heissen und dem meister, daz überige der stette. 

1411 Juli 10. 

53. Anno XIII sexta post Corporis Cristi da hat der rate er- 

kaut, das die metziger jerlichen zu pfingsten aneheben und daz 
Heisch untz sant (lallen tag neuer geben sollent, mit namen ein 
pfunt rintfieisches umb l'/s d., scheffln, swynyn und kalbfieisch 
4 Ib. umb 7 d. und hemmelin Heisch 1 lb. umb 2 d.; und nach 
sant Gallen tag 4 lb. rintfloisch.es, hemmelins und swynyns 
umb 7 d. und kalbfleisch ein pfunt umb zwen pfennynge. Und 
sie sollent alle vorgeschriben stücke alle jare sweren zu haltende, 
es wore denn das es inen die rete üt fürer oder anders er- 
loubtent. 141H Juni M. 

85. Anno domini millesimo CCCC vicesimo primo teria tortia 

post festum nativitatis Christi da hatt der rat und die zunft- 
meistere meiern bresteu ze versehende einhelleklich erkaut, 
das die stube zem loche gentzlich absin und niemer keine 
trinckstube doselbs nie werden sol. Sunder sol niemer kein 
söliche aberstube ze Colmer me usgetroget noch gehalten werden 
denn alleinc der rechte ziinffte stuben und die stube zer krönen 
und zem wockellcr, die ouch von alterher gewesen sindt. 
Ouch mögen t die pfafl'en und priesterschatft ein sunder stube 
anderswo denn zem loche haben. Es sol aber kein leige der 
ze Colmer seßhatt't ist, er sie edel oder unedel, kein stuberecht 
niemer mit inen halten noch haben in dcheinen weg. Darzü 
sollent ouch der ackcrlute, der reblüte noch andere knaben 
keine sunder stube me haben, entpfohen noch lehenen, denn ob 
sü by einander zeren wellent, söllent sü in offner würtshüser 
gon. Und wer der stücke deheins verbreche, der bessert als 
dick das beschicht ein jor ane alle gnade für die statt und 
darzu ein jor, das mag er abkoufTen. 1421 Dezember SO. 

85. Uff den selben tag hatt der rat und zunftmeistere erkant, 

das der ackerlüte, der reblüte noch keine andere knaben noch 



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knechte keine künige vor winaehten nie haben noch raachen 
söllent deheins wegs. Welliche zunft ouch uff den zwölfften 
obent künige machen wellent, die raögent in uff ire stub'en haben 
und imune do zucht bieten und schencken. Sü söllent aber nüt 
mit imme umb noch afterwegen riten noch gon in künigßwise; 
doch mögent sü wol ze nacht von der Stuben untz hein mit 
imme gon ungeverlich. Und wer der stücke deheins verbreche, 
der bessert ein jor für die statt und mag das abkouffen. Dise 
vorgenanten stücke und ordenungc sint mit urteile in dis büch 
getan sehriben, umb das es nü und hienoch gehalten und bliben 
werden solle. 

75. Anno domini millesimo CCCC vicesimo septimo do hatt 

der ratt einhelleklich erkant, das daz gesselin zwüschent den 
von sanct Johannse und dem spittal, das in die armegasse gott, 
und die eygenschaft nü und hie noch des spittals sin, und das daz 
der spittal vermachen und daruff buwen mag waz im denue 
nottdurftig ist. 1427. 

86. Anno domini millesimo CCCC vicesimo octavo die sabbati 

ante conversionem beati Pauli do hatt meister und rat einhellck- 
lichen erkant, das nieman zc Colmer keinen abzog nie geben 
sol, umb das der gezog im lande ouch dester fryer gegen inen 
gehalten werde. Und mag ein yeglicher also vor sanct Martins 
tag mit sime geleiten gewerff enweg ziehen; und wer ouch untz 
uff die liechtmeß in die stat zühet, den sol man ze gewerff 
legen und danoch nüt, untz das man das gemeine gewerff leit. 

1428 Januar 24. 

167. Der rat und die zunftmeistere hant erkant, das dehein 

würt so zu Colmer seßhaft ist fürbasser mee keinen win uß 
ungesynneten vassen schencken sol; und sie söllent ouch sölliche 
ire schenckvaß hynnanthin alle fronefasten synnen. Wenn und 
wie dicke sie ouch ire vaß lant binden und andere tugen oder 
böderae darin stossen, do söllent sie dieselben vaß zu stundt 
und ee sie daruß schenckent wider synnen. Und wellicher das 
verbreche und nit hielte, der bessert als dicke das beschicht 
fünff pfunt, dem schultheissen und dem meister ein pfunt und 



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- 73 — 



das überige der stette; er bessert ouch sovil me als der rate 
erkennet, nachdem die sache beschicht. Und sol ouch das 
menglich, wer söllichs empfindet, by dem eyde so er meistern 
und reten getan hat rügen. 

Es sol ouch dehein würt an eim füder wins so er in der 
statt oder ußwendig koufft hat, fürbasser me zu gewynne nemen 
dann zwölff Schillinge pfennyge über den costen so er damitte 
untz uff den ligeringe im kelre gehept hat. Und wellicher das 
verbreche, der bessert ouch fünff pfunt als vor stat; und sol 
ouch ye einer den andern by sinem eyde rügen, wa er das 
ervindet. 

Ouch sol nyemant, er sige edel oder unedel, clöstere, pfaffe 
oder leyge, der zu Colmer sitzet, hynnanfürme keinen win uß 
ungesynneten vassen schencken. Wellicher aber kein gesynnet 
vaß nett, der mag uß eim ungesynneten vaße schencken; so 
balde aber der win ußkomot und der winrüffer den win ußge- 
rüffet hat, so sol er das vaß in den nehsten achte tagen dar- 
nach synnen, und das ungelt so sich da von gebürt zu stundt 
by sinem eyde in das kouft'huü geben. Und wer das überfüre, 
der bessert die obgeschriben besserunge. 

Es sol ouch nyemant zu Colmer, er sige geistlich oder welt- 
lich, edel oder unedel, nyemant keinen win weder uff das velt, 
uff Stuben oder in iren hüsern weder sinem gesinde noch andern 
umb gelt geben. Aber vergeben und ungerechent mag er eim 
yeglichen durch früntschafft und gesellen* willen win schencken 
und geben. Und wellicher darüber yeraant anders win gebe 
als vor stat, der bessert als dicke es beschicht zwey pfunt, dem 
schultheissen und dem meister ein pfunt und das ander 
der stette. Und sol ouch ye eins das ander by sinem eyde 
rügen. 

Aber habent rat und zunfftmeistere erkant, was kouffman- 
schatz zem thore herin gefiirt würt, und das man aber nit durch 
füren denn hie lassen wil, das sol man in das kouffhuß füren 
und nyergent anderswohin. Wer das darüber enthielte, der 
bessert es nach der rete erkenutuisse. 

* Verschrieben für gefallen. 



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— 74 - 



Es sol ouch nyemant, der zu Colmer scßhafft ist und aber , 
kein offen gadcra hat und tegelichs nit zu offenem gaden und 
veylem kouffc sitzet, keinerleyge kouffmanschatz in sin hu Ii 
füren oder anders enthalten denn im kouffhuse. Und wer das 
168. verbreche, so dicke das beschicht, der bessert fünff pfunt, 
dem schultheissen und dem meister ein pfunt und das überige 
der stette. 

Wer ouch also zu gadem und veylem kouffe sitzet, der sol 
keiner über ein pfunt ysens und ein vardel schürlitztüchs in 
sinem huse haben, uud aber das überige im kouffhuse. Wer das 
überfüre, der bessert drü pfunt, dem schultheissen und dem 
meister ein pfunt und das ander der stette. 

Wer ouch also zu gadem sitzet, der sol kein gut, so er 
sammenthafft verkoufft und eins vicrlings oder darüber swer 
ist, in sime huse oder gadem wegen, dann das an der wagen 
im kouffhuse wegen lassen, ußgenomen hartz, bly, kride oder 
deßglich; das und was under eim Vierlinge eins zenteners ist 
mag er wol in sinem huse wegen. Wer das brichet, der bessert 
drü pfunt als vorgeschriben ist. V" 

Ouch sol man im kouffhuse nyemant under einem Schillinge 
ysens und under einem halben vierteil eins vardel schürlitztüchs 
zü kouffende geben, es were daun das eintzige tüch da legent, 
die mag man wol heimschen oder fremden zü kouffende geben. 

Es sol ouch nyemant kein wolle so verkouffet würt anders- 
wo wegen dann im kouffhuse, umb das yederman glichs beschee. 
Und wer das breche, der bessert drü pfunt als ob stat. 

Es sol ouch nyemant der zü Colmer seßhafft ist, er sige 
geistlich oder weltlich, saltz uöwendig der statt Colmer kouffen; 
denn wer das darüber anderswo kouffte, der bessert drü pfunt 
als vor, so dicke das beschicht. 

Der rat hat ouch erkant, das kein grempe noch gremperiu 
zü Colmer keinerleye dinge das zü gremperyc gehört in der 
statt Colmer, vor dem das die glocke zehen siecht, kouffen sol. 
Und sol ouch das nyemant von ireu wegen tun noch bestellen, 
es sige am Sonnentage noch keinem tage in der wochen. Und 



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was ouch nach mittemtage harkompt, das sollen t sie noch 
nyemant von iren wegen ouch nit kouffen untz morndes als die 
glocke 10 siecht. Denn wer das breche, der bessert 1 lb. 
halber dem schultheissen und dem meister und halber der stette. 
Actum vigilia beate Margarethe virginis anno domini MCCCC 
XXX primo. 1431 Juli 14. 

Was ouch die gremper ußwendig der statt Colmer kouffent, 
das söllent sie hie zu Colmer verkouffen und nyergent anderswo. 
Und wellicher oder welliche das breche, der bessert fünff pfunt, 
dem schultheissen und dem meister ein pfunt und das überige 
der stette; und mag das menglich rügen. 

169. Ouch sol nyemant zü Colmer, er sige cristen oder jude, 

keinerleye eßhafftig ding kouffen, das er uff merschatz wider 
verkouffen wil. Dann wer das verbreche, der bessert ein pfunt. 

Es sol ouch nyemant, er sige heimsch oder fremde, sunder- 
lich am donrstag söllichs dings nit kouffen, ee das man das 
glöckelin lütet das dartzü geordent ist zu lütende. 

Was ouch kouffmanschatz in das kouffhuß komet, wil einer 
das hinweg füren, der sol globen by truwen an eydes statt, 
das daz nit hie verkouffet, verwechselt noch dehein fürworte 
bescheen oder yemant das zu schicken geverlieh gelopt und ver- 
sprochen sige, damit der stette ir zolle en tragen werden möge. 

Als da har ettewas breste und irrsal under den zünfften 
gewesen ist, deßhalb das etteliche zünffte empfiengent, da aber 
andere zünffte meindent das sie mit inen dienen und under sie 
gehören söltent, da zü besorgende was, wo das nit forderlich 
fürkomen würde, das villicht unwille da von ufterstan möchte; 
das und anders züversehen, als dann billich und notturfftig ist, 
so habent meistere und rete, die zunfftmeistere und schöffele 
geraeinlich söllichs zürn besten für hant genomen, als inen 
dann das zü tünde gebürte, und sint dirre nachgcschribcn stücke 
und artikele durch nutz und notturfft willen der stette und der 
gemeinde zü Colmer überkomen und habent ouch einhelleclich 
erkant, das daz nü und hie nach bliben und gehalten werden 
sol, als dann hie nach underscheiden stat. Und ist dise orde- 



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nunge angefangen, uffgesetzt und ouch in das ratbuch zu setzende ^_ 
erkant worden uff rnittewoeh sant Veltins tag anno domioi 
MCCCCXXX secundo. 1482 tebruar 13* 

Des ersten hant sie erkant: Welliche zunfft ein yeglicher 
uff diß zijt zü Colmcr hat, by der sol er ouch fürbasser bliben 
und die haben, doch also ob ein antwerckman ein ander zunfft 
nett denn sins antwerckes, und hett aber sins antwerckes zunfft 
ein ordenunge, gesetzde oder besserunge, da durch söllich ir 
ordenunge in eren gehalten und der so darinne missetete ge- 
straffet würt, so sol derselbe antwerckman der uff die zijt ein 
ander zunfft hett söllich ordenunge und gesetzde halten mit allen 
penen, puneten und artikeln, als dann desselben antwercks gc- 
wonheit und harkomen ist, one allen inntrag. 
170. Wellicher aber hynnan türme vom lande har in komet, den 

sol man vor dem rate fragen, wes er sich begane wolle, und so 
er das geseit, sol er ein zunfft empfohen under die die gehörent 
die söllichs tribent, des er sich dann meint zü begande, als dann 
hie nach luter underscheiden würt. Doch also, ob er hernach 
über kurtz oder über lang ützit anders anevienge, es were ein Y 
antwerck oder gewerbe, so sol er sin erste empfangen zunfft 
lassen und die zunfft empfohen under die die gehörent, die söllichs 
tribent das er ime dann fürgenomon hett anzüvohen. Und sol 
sie ouch daran nit irren noch schirmen, das er zü anefange ein 
ander zunfft empfangen undgehept hett; dann die erste empfangen 
zunfft da wider nit reden noch tön sol deheins wegs. 

Als dann ouch untz har harkomen und gewonlich gewesen 
ist, das eins yeglichen burgers sün empfohen möchte welliche 
zunfft er wölte, damit ouch etteliche zünffte gekrencket wurdent, 
das sol hynnanthin abe sin und gehalten werden in die wise als 
hie nach stat, nemlich, das eins burgers sün der sich sins eygens 
oder gülte begat, kein antwerck noch gewerbe tribet, der mag 
wol empfohen wellicho zunfft er wil ; aber eins burgers sün der 
ein antwerck kau und tribt, der sol mit namen sins antwercks 
zunfft empfohen und die haben, tribet er aber gewerbe, so sol 
er öch die zunfft empfohen darin sölliche werbende lüte gehörent. 

* Der Veitinstag 1432 ist ein Donnerstag! 



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♦ 



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Und umb das die zünffte und menglich wissen mögent, under 
welliche zunfft ein yeglicher, er sige heimsch oder fremde, ge- 
höre und welliche zunfft einer also empfohen söllc oder nit, so 
ist geordent und besetzet, das ein yeglicher nach sinem wesen 
und gewerbe ein zunfft empfohen sol, als das hie nach luter 
underscheiden ist. 

Des ersten: Wer geverwet gewaut, güldin tüchere, syden 
tilchere, wiß oder grouw und arraß zu gadem snident; ouch alle 
die so vom lande harin koment, sich ires eygens oder gülte be- 
gandt und kein antwerck noch gewerbe tribent; dartzft die so 
stahel. ysen, scgesen oder sicheln veyl hant, kouffent und ver- 
kouffent, die gehörent alle under die koufflüte. 

Wellicho herberge haltent, die wurte so win schenckent, 
winsticher, winrüffer und die so den lüten win umb Ion schenckent 
und ouch die köche gehörent alle under die winlüte. 

Wer ackerbuwe tribet und den pflüg füret, die gehörent 
under die ackerlüte. 
171. Wellicher korn, gemüse und deßglich zü mercket affter 

wegen füret, koufft und verkoufft, die karricher und die geswornen 
kornmesscr gehörent under die kornlüte. 

Wellicher rebewerck tribet mit der hendc und sich des 
allermeist begat ungeverlich, die gehörent under die rebelute. 

Wer uff den kouff oder umb lone brot bachet oder veyl 
hat, es sigent wißbrotbacher oder hußfürer und oflater, die ge- 
hörent under die brotbecker. 

Alle metziger, kutteler, scherer und bader gehörent under 
die metziger. 

Wellieher kürsenwerck tribet, mit der hende machet, oder 
ouch die so gemacht kürsenwerck insunders veyl hant, gehörent 
under die kürsener. 

Welliche schuhe machent und veyl hant und ouch die att- 
büsser und satteler gehörent under die Schuhmacher. 

Alle rot und wiß gerwer und ouch die bermenter gehörent 
under die gerwer. 

Welliche sich mit der segesen allermeist begant, die gehö- 
rent under die nieder. 



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- 78 — 

Was specerye, wahs, schürlitztüch, schcrtor, buckschin, 
gugerell, gam, bendel, lösche, alantlcder oder hangenden kram ^ 
veyl hat, dartzü alle schriber die nit gefrijet sint, die moler, 
w ürffeler, teschenmacher und seckeler oder die die glesere veyl 
hant, gehörent uniter die kremer. 

Wer tüch machet, bönwüllin, wüllin oder lynyn tüchere 
wöbent, die verwer, wollenslaher, die kember, walker und hüte- 
raacher, die tüch ribent oder kartent, gehörent under die grouwe- 
tüchere; doch söllent sie kein tüch weder nu noch harnach 
scheren anders dann das sie riben wöllent. 

Alle smyde, es sigent goltsmide, hübschmide, slosser, kupffer- 
smide, kesseler. messersmide, kannengiesser, spengeler, gürteler, 
güfenmacher, wagener, harnescher, armbroster und swertfeger 
gehörent under die smyde. 

Wer gartenwerck buwet oder gemüse zu mereket füret, 
koufft und verkoufft und ouch karrichcr die des begerent, ge- 
hörent under die gartener. 
172 Wer mülewerck tribet oder grcmperye, gehörent under die 

muller. v 

Wer vaß, bechere, mossen, holtzschfthe, blospalg, sunder 
hültzin geschirre machent oder veyl hant, dartzü die kisten- 
macher, treyger, syber und leyterer gehörent under die küffer. 

Die vische vahent, veyl hant, kouftent und verkouffent, ge- 
hörent under die vischer. 

Die Steinmetzen, murer, zicgeler, decker, zymberlüte, oley- 
macher, hafener und glaser gehörent under die Steinmetzen. 

Wer snyderwerck tribet und die tüchscherer gehörent under 
diesnider, also das ir keiner die beiden antwerck tribc; und söllent 
ouch mit naraen die tüchscherer dehein tüch riben noch karten. 

Doch so ist in söllicher diser ordenunge nemlichen und 
vorab ußgesetzt und berett, das ein yeglicher gemeiner tagwaner 
der des ersten ein zunff't empfohen wil under den komlüten, den 
medem oder den gartenern empfohen mag welliche zunfft er 
under den drigen wil, und doch darumb von den andern zünfften 
unbetedinget und ungepfendet bliben. 



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Ouch habent meistere und rat, als vor stat, der stette und 
gemeinden nutz, so von jare zü jare in künfftigen zijten daruß 
gan und wahsen möchte, angesehen und bedacht, das wenig lüte 
zü Colmer siut die kouffmanschatz oder gewerbe tribent, dann 
das etteliche so manigerleye veyl habent, damit sich doch, ob das 
gesündert wurde, als vor zijten ouch gewesen ist, vil lütes ge- 
bessert, began und so statthafTt werden möchte, das sie der statt 
dester baß und nie gedienen köndent. Und habent daruff be- 
dcchteclichen geratslaget, geordent und fürgenomen, was ein 
yeglicher, der kouffmanschatz oder gewerbe triben wil, hynnan 
fürme veyl haben sol und nüt anders; sunder umb das menglieh 
riche und arme ein glichs bescheen und man dester rechter Pfen- 
nige wert vinden möge. 

Des ersten : Wer geverwet gewant kouffen und verkouffen 
wil zü gadem, der mag geverwet tüch, guldin tüch und sydin 
173. tüch ouch seygat und arraß tüchere | veyl haben und niidt 
anders. 

Wer wiß oder grouwe verkouffen oder kouffen wil, der sol 
ouch nüdt anders veyl haben denn wiß und grouwe. 

So mögent die kremere veyl haben specerye, allerleye 
varwe, schürlitztüch, scherter, buckschin, gugerell, bendel, garn, 
wahß, bly, zynne, fleschen, wißblech, geslagen golt oder silber, 
lengolt, gelisemete hüte, viltz, lösche, alantleder wiß und geverwet 
und deßglich. 

Die kremer die hangenden kram veyl habent söllent ouch 
nüt anders veyl haben denn gürtel, seckel, frouwen hüben, 
viltzhüte, schöiben hüte, hentschühe gefütert oder ungefütert, 
allerleyge gesmide, es sige möschin oder yserin, pflegele und 
was dartzü gehört, geyselriemen und deßglich. 

Die ysenlüte söllent m'id anders veyl haben denn stahel, 
ysen, pflügysen, seche, swartz blech und sturtz, allerhande nagel 
die unverzynnet sint, dartzü segesen und sicheln. 

Die lynweter söllent veyl haben lynyn tüch, zwilich, trilich, 
ingoß, tischlachen und hantqwehelen und nüdt anders. Ouch sol 
nyemant söllicher obgeschribener stücke weder sniden noch in 



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— 80 — 



stücken von hant verkouffen oder veyle haben, er sitze dann 
zü offenem gadem, darinne er söliichs wol sniden oder von hant 
verkouffen mag. 

Die gremper söllent veyl haben allerleye gemütze, saltz, 
schandeln, unschlit, smere, kese, ancken, oley, zigcrn, senffe, 
heringe, bückinge, bolchen, huntfische, stockvisohe und deßglichen. 
Doch als die metziger untz har in der vasten gewonheit gchept 
hant bolchen, huntfische und wiger karpffen und ouch andere 
gesaltzene vische veyl zu habende, da' söllent sie furbasser in 
der vasten nudt anders veyl haben denn wiger vische die in 
körben harkoment, also das sie die kouffent als das gewonlich 
und harkomen ist. 

Als daun ouch ettewiemanig antwerckman gremperye oder 
ander gewerbe zu sinem antwerck tribt, urab das dann menglich 
eins glichen pfennyng werts destcr baß und neher bekomen 
möge, sunder ouch das ein yeglich antwerck deste redelicher 
und völleclicher gehalten und getriben werde, so sol hynnant- 
174. hin | ein yeglich antwerckman der söliichs tribet entweders sin 

antwerk lassen und das gewerbe oder gremperye triben, oder aber «r 
sin antwerck triben und die gremperye oder das gewerbe lassen, 
dann er nit me dann einerleye fürhant nemen und triben sol. 

Doch mag menglich so zu Colmer seßhaftt ist, er sige ant- 
werckman oder audere, sammenthafft kouffen und verkouffen was 
ime dann gefüglich ist, doch das er in der statt nudt samment- 
hafft verkoufft denn im kouffhuse, als dann daz gewonlich ist. 

Und sol dise ordenunge angehept werden zu haltende uff 
pfingsten nehstkuntt'tig. 

Anno domini millesimo CCCC XXXII feria quarta post bea- 
torum Viti et Modesti martyrum do habent meister, Zunftmeister 
und ratt erkant: Wo ein rieh oder arm man ze schaffende hatt 
und botten bedarff, wellicher von dem rate erkant wurt mit dem 
ze ritende, der sol es ouch tün in des selben costc der des botten 
bedarff, und sol sich ouch des mit widern. 

Desglichen welicher von der stette wegen zü eime botten 
erkant wurt ze ritende, der sol sich ouch des nit widern. 




1432 Juni 18. 



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Sach- & Namenregister 



Abzug 66, 72. 

Acht (echtewe), Die 19. 

Aechtung 42. 46, 60. 

Aehrenlese 57. 

Angster (Münze) 64. 

Armegasse 72. 

Au (Ouwe) 20, 36, 48. 

Augustincrhof 27. 

Ausbürger 27, 29 



Bauholz, Abgabe von 22—23, 56. 

Baumeister 59—60, 69—70. 

Besserungen (Bussen) Einziehung 46, 59. 

Bettel 24. 

Blienswilr 36. 

Blotzhein 30. 

Botendienst, Verpflichtung zu 80. 

Branntwein 31. 

Brotbftck er 22, 44, 52 - 53, 66. 

Brotbänke 52-53. 

Brote, Grösse der 43. 

Brotschauer 53. 

Bürgerrecht 27, 28, 29, 34, 40, 54, CO - 62. 
Bürgschaft 22. 



Dienstboten, Verbot die — anderen ab 

spenstig zu machen 51. 
Dorn ach 26. 



Edelleutc 27, 28, 66. 
Eheanspruch 52. 
Ehebruch 43. 

Ehefrau, Beschimpfung einer 44. 

Eichung (vechen) der Weinmasse 30—31, 

der Gewichte 70—71, Synnen der Fässer 

72-73. 
Eilsass 62. 

Einung 23, 25, 36, 65, 68. 



Fahrende Töchter (Dirnen) 2t, 32, 35. 

Fahrt in eine Stadt oder in das Land 40. 

Fehden, Beteiligung der Bürger an aus- 
wärtigen 61—62. 

Feindseligkeiten gegen die Stadt oder ihre 
Bürger 39, 40, 51- 52, 64. 

Feldfrevel 36. 

Feuerwehr 24. 

Fischer 20, 21. 56 

Fischhandcl 20, 21, 80 

Fleischbänke 24, 47, 48. 

Fleischschauer 24, 47, 49, 63, 65, 69 

Fleischtaxc 71. 

Franken (Münze) 29. 

Fremde in der Stadt 29, 68. 

Frevel (Busssatz) 38. 

Friede der Stadt 37, 45, 46. 

Friedlosigkeit 20. 

Frönung 19, 38. 



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Gärtner 51. 

Gefnngcnhaltung, Widerrechtliche 35-36. 
Gerber 65. 

Gerichtswesen 19, 36, 37, 89, 40, 46, 52. 

(». nueli Ruth.) 
Gesellen (Knaben) 71-72. 
Gewerf 27, 28, 29, 66, 72. 
Gloggener Andrea 30. 
Goldschmiede 30. 
Grcinper 50, 51, 5;"», 74—75, 80. 
Grüssenhein 63. 



nafner 26. 

Hausrat, Ausfuhr von — verboten 40. 

Käuferin von Gewand und — 38 
Herdschan 34. 
Hirten 57, 60, 66. 
Holzhandel 50. 



III 26. 



Jagd 20. 
Jahrmarkt 45. 
St. Johann 72. 

Juden 27, 54, 54-55 (Eid), 70-71. 



Ranzel, Öffentliche 6S. 

Kaufhaus 45. 55, 58-59, 70 (die vier im -), 
73—75, 80. 

Kaufleute, Bezeichnung der Waren, welche 
die verschiedenen — teil halten dürfen 
79-80. 

Kellermiete. 38- 

Kirchen als Freistetten 20. 

Klöster 42, 47, 57, 66. 

Klosterfrauen, Ausgesprungene 57—58. 



Köche 24. 
Kohlenhandel 27. 

Könige auf den Zunftstuben 71 -72. 

Kornhandel 26, 67-68. 

Kreuze als Grenz/eichen des Stadtfriedens 
35, 36, 39, 42, 57, 58. 

Kriegslasten. Beteiligung der Einwohner- 
schaft an den — der Stadt 51. 

Kürschiierlaube 27. 



Landleute 19, 21, 27, 28, 42, 54, 60-61. 

Landvogt 51, 52. 

Lnngebrücke 26. 

Landfesten vor den Häusern 34. 

Lebensmittel, Wiederverkauf der — auf 

Mehrschatz verboten 75. 
Leiterer 32, 66—67. 

Licht, Verbot Nachts ohne — auszugehen 41. 
Lusse 26. 



Maicnholen im Wald 67. 

St. Martin 41. — sbau 58. 

Meister (Burger — oder Stettmeistcr) 36, 37, 

39, 56, 59, 61, 70. 
Messerzucken 19, 36, 12, 56—57. 
Metzger 21, 47-50, 63, 65, 68, 69, 71. 
Metzig 49, 69. 
Mist in der Stadt 34. 
Müller 44, 66. 



Neuland (Nuwelende) 5(5, 67. 
Niederwald 56. 



Öhnann 22. 



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< 

83 — 



Pfaffen 27, 58, 71. 
Pfandrecht 31, 37. 

Pfennige, Alte 33, 45, 47, 48, 50, 53, 54, 57, 
60, 62, 68. Neue 63. Rappen 22, 28. 
Strassburger 27, 29, 38, 45, 57, 70. 



Rat, Gerichtsbarkeit des - s 19, 25, 36, 37, 

41, 43, 44, 45, 46, 52, 73. 
Ratbuch s. Stadtbuch. 

Ratsherren und Zunftmeister sollen vor 
ihrer Wahl fünf Jahre in Colmar sesshaft 
gewesen sein 62. 

Ratshosen 70. 

Ratzenhusen, Diebolt von 63. 

Rechtlosigkeit 44. 

Ried 26, 47, 49, 63. 

Riedförstcr 22. 

RifHan (Frauenwirt) 24,35. 

4 

Salzhandel 45, 55, 74. 

Schädliche Leute, Fürbitte für — den Frauen 

verboten 23 — 24. 
Schaffner der Domherren, Klöster und 

Höfe 39. 

Schneider, Verbot fremde — zu dingen 

39 — 40. 
Schöffen 36, 37, 40, 50, 59, 61, 75. 
Schuhmacher 65. 
Schuldenrecht 19, 21, 25, 37, 50. 
Schulthciss 36, 37, 39, 41, 42, 46, 56, 64, 70. 
Schweinemast 22, 66. 

Schwerttragen nur den Ratsherren und 

Dienern der Stadt erlaubt 53 — 54. 
Schwüre (Flüche) 41. 

Seidener (s. auch Bürgerrecht) 28, 39, 40, 
52, 61. 



Semm (Semden) 47, 48. 
Sesslehen 62. 

Silberschmelzen verboten 30. 

Spiel 21, 68. 

Spital 63, 72. 

Stadtbuch 68, 72, 76. 

Stadtgraben 26, 35, 47, 48, 55, 56. 

Stadthof (Werkhof) 70. 

Stadtmauer(Befe8tigungskosten)43, 44, 53,54. 

Stadtschreiber 59. 

Stadtzeichen 30, 31. 

Stebeler (Münze) 53. 

Stcinebrugkc 36. 

Steinebrugkethor 56. 

Streit, Tätlicher 36, 42, 60 - 62. 

Stutnu, 30. 

Synnen, Die 34. 



Taubenfang verboten 58. 
Theinheinthor 56. 
Todfall an den St, Martinsbau 58. 
Todschlag 42, 46, 61. 

Trinkstuhcn (/.em loche, zer kröne, zem 

wockeller) 71. 
Trotten 23. 

Tuchhandel 26, 27, 77, 79. 



Ungehorsam gegen den Bürgermeister 36, 37. 
Ungeld, Ungelter 30, 32, 33, 59, 66, 73. 
Ungesungen (im Interdikt) 55 — 56. 
Unhulde (Busssatz) 38. 
Unterkäufer 38, 45, 59. 



Vagatte (Kehricht) und Unflat, Fortschaf- 
fung 34 — 35. 



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- 84 — 



Vendchciu {Waldaufseher) 23. 
Verwundung 19, 42, 43, 46, 60. 
Vicarie (ReichsverweRcr) 43. 



Wage im Kaufhaus 74. 

Waldfrevel 23, 25. 

Wallaube (Tuclilatibe) 26, 27, 35. 

Wechsellaube 29. 

Wechsler 29. 

Weibel 19, 22, 25, 36, 37. 

Weide 20 (Viel.schaden), 26, 30, 47 - 50, 55, 

57, 60, 63, 64 (ackeran). 
Weinhandel s. Wirte und Weinsücher. 
Weinrufer 64, 78. 
Weinsticher 33, 63. 
Wcinzieher 85. 
Weinzoll 33. 



Werkmeister 22, 35, 46. 
Witlen 56. 

Wirte 30 - 33, 45, 63, 64, C6 - 67, 68, 
72 - 73. 



Ziegelhof 59 — 60. 
Ziegelofen 69 — 70. 
Ziegler 26. 

Zimmermann, Städtischer 22. 
Zoll 75. 

Zollbetrug 45 — 46. 

Zünfte, Aufnahm« in die 53. Zugehörig- 
keit der verschiedenen Gewerbetreiben- 
den zu den einzelnen — n 75 — 80. 

Zunftmeister 34, 35, 36, 39, 52, 56, 57, 59, 
62, 63 & ff. 

Zunftrecht 28, 29. 



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i 



Die Angelegenheit 



der 



Reichsstädte des Elsass 



am Reichstage und vor dem Schiedsgerichte 



zu 



Regensburg 



(1663—1673). 



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Inhalt. 



Seite 

Vorwort 87 

Einleitung: Das Verhältnis zwischen Frankreich und den elsässisehen Reichs- 
städten nach dem Westfälischen Frieden. — Beschickung des Reichstags 
durch dieselben 89 

I. Ernennung einer Deputation durch den Reichstag zur Verhandlung mit dem 

französischen Pleuipotentiar Gravel in der elsässisehen Angelegenheil. — 
Memorial der Vereinstädte zur Darlegung ihrer Beschwerden. — Direkte 
Auseinandersetzungen zwischen ihren Deputierton und Gravel in Betreff 
der Landvogteireehte. (16G3— 1664) 93 

II. Vorschlag der Vereinstädte, die Schlichtung des Streites einein Schiedsgerichte 

zu übertragen. — Neue Klagen derselben über die Anmassung der Ge- 
richtshoheit durch Frankreich. — Schreiben des Reichs an Ludwig XIV. — 
Annahme des Schiedsgerichts durch den König. (1664—1667) 110 ^_ 

III. Eröffnung des Schiedsgerichts. — Weigerung Frankreichs, die Aufhebung 

des den Städten auferlegten Eides der Treue zuzulassen. — Vorschlag 
einer neuen Eidlbrniel durch das Schiedsgericht. (1607—1669) 132 

IV. Verwerfung des Vorschlags des Schiedsgerichts durch Frankreich. — Schieds- 

spruch über die Natur der dein König unter der Bezeichnung Landvogtei 
abgetretenen Rechte. (1670-1672) 152 

V. Die elsässische Frage am Wiener Hofe. — Gerüchte von einem bevorstehen- 

den Ueberfall der elsässisehen Städte durch Ludwig XIV. — Versuche, 
das Schiedsgericht wieder in Tätigkeit ?.\\ bringen. — Fortgesetzte Klagen 
über die Schädigung der Städte durch Frankreich. (1672—1673) 167 



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Vorwort. 

Das Archiv der Stadt Colmar besitzt eine umfangreiche Samm- 
lung von Berichten, welche die Abgeordneten des elsassischen Städte- 
bundes am Reichstage zu Regensburg über ihre Tätigkeit in den Jahren 
1663 bis 1673 an den Colmarer Magistrat sandten. Die Reichhaltig- 
keit dieser Korrespondenz, die nur wenige Lücken aufweist, hat mich 
veranlasst, ihren wesentlichen Inhalt, so weit er den zwischen Frank- 
reich und den clsässischeu Reichsstädten wegen der Landvogteirechte 
ausgebroeheneu Streit betrifft, hier kurz darzustellen. 

Die über diesen Streit zu Regensburg geführten Verhandlungen 
sind allerdings schon wiederholt geschildert worden und zwar zuletzt 
und am gründlichsten von Dardot in seinem hauptsächlich auf 
französischen Akten beruhenden Werke La question des die villes 
imperiales d'Alsace . . . 1048-1080 (Paris et Lyon 1899). Dennoch 
erschien es mir nicht überflüssig, auch das immerhin manches 
Neue bietende Material des Cohnarer Stadtarchivs den Geschichts- 
forschern mitzuteilen, besonders da unsere Stadt damals die Führung 
des elsässischcn Stadtcbundes übernommen hatte, und ihren Depu- 
tierten die gemeinsame Vertretung oblag. Rocholl hat in seinem Buche 
Zur Geschichte der Annexion des Elsass durch die Krone Frankreichs 
(Gotha 1888) nur einen kleinen Teil der zu Colmar verwahrten Briefe 
benützen können, da die Hauptmasse erst spater von mir aufge- 
funden wurde. 

Mögen auch alle Versuche, die elsüssiche Frage auf friedlichem 
Wege zu lösen, schliesslich an dem Widerstände Frankreichs ge- 
scheitert sein, so ist es doch nicht ohne Interesse, die einzelnen Wand- 
lungen einer Angelegenheit zu verfolgen, welche länger als ein Jahr- 
zehnt das ganze öffentliche Leben unserer Vorfahren beherrscht und 
auch die europäische Politik vielfach beschäftigt hat. 

Was die Form meiner Darstellung angeht, so habe ich die 
Terminologie der Briefe möglichst beibehalten, namentlich wenn so 



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- 88 — 



bequeme Ausdrücke vorkamen wie das Wort Vereimtädte zur Be- 
zeichnung der verbündeten Reichsstädte des Elsasses und das davon ab- 
geleitete Adjektiv vereimtädtisch. Bei der Inhaltsangabe längerer 
Denkschritten habe ich zur Vermeidung einer allzu schwerfälligen 
Sprache manchmal die direkte Rede statt der indirekten gebraucht. 

Da die von mir bearbeitete Korrespondenz nach dem alten Ka- 
lender datiert ist, so sind auch in meiner Abhandlung sämtliche Daten 
nach diesem Kalender angegeben worden, es sei denn, dass ein bei- 
gefügtes st. n. ausnahmsweise den neuen Stil bedeute. 



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> 

V 



Einleitung. 

Das Verhältnis zwischen Frankreich and den elsftsslschen Reichsstädten 
nach dem Westfälischen Frieden. — Beschickung des Reichstags durch dieselben. 

Ohne auf die viel erörterten Bestimmungen des Westfälischen 
Friedensvertrags nochmals naher einzugehen, will ich hier nur daran 
erinnern, dass in den Paragraphen 73 und 74 der souveräne Besitz 
der Landvogtei über die zehn elsässischen Reichsstädte von dem 
Hause Österreich und von dem Kaiser und dem Reiche an Frankreich 
abgetreten wurde, während der Paragraph 87 diesen Städten den 
Fortbestand ihrer Reichsunmittelbarkeit ausdrücklich sicherte. Der in 
diesen Bestimmungen liegende Widerspruch offenbart sich uns deutlich, 
wenn wir bedenken, dass die zuletzt vom Hause Österreich verwaltete 
Landvogtei ein altes Reichsamt war, ein der Rcichsgewalt zur Hand- 
habung gewisser Schutz- und Aufsichtsrechte dienendes Organ. Wie 
war es also möglich, dass die Befugnisse dieses Amtes unabhängig 
vom Reiche von einem fremden Herrscher ausgeübt würden? Das auf 
dem Papiere geschaffene Verhältnis zwischen den Städten und dem 
Nachbarstaate hätte nur dann in der Wirklichkeit bestehen können, 
wenn der König von Frankreich, wie ursprünglich beabsichtigt war, 
die Landvogtei nicht als freies Eigentum, sondern als Reichslehen 
empfangen hätte. Jetzt aber schlössen sich die Souveränität des Land- 
vogts und die Reichsunmittelbarkeit der unter ihm stehenden Städte 
gegenseitig aus, und beide Teile mussten bei der konsequenten Ver- 
teidigung ihrer Rechte notwendig in Konflikt mit einander geraten. 

Dass die zu Münster erfolgten Abmachungen über das Elsass 
das Ergebnis eines vorläufigen Kompromisses zwischen der französi- 
schen und der kaiserlichen Politik waren und deshalb mit Absicht un- 
klar formuliert wurden, ist von den beteiligten Diplomaten wiederholt 
zugestanden worden. So sprach sich der kaiserliche Rat Volmar im 
Jahre 1653 zu Regensburg den Vertretern der elsässischen Städte 
gegenüber in diesem Sinne aus und versicherte, dass die französischen 



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— 90 - 

Bevollmächtigten selbst geäussert hätten, es würde die .Sache des 
Stärkeren sein, die unklaren Fliedensartikel „nach seinem Gutdünken 
auszulegen."* 

Die allgemeinen politischen Verhältnisse brachten es mit sich, 
dass Frankreich in den ersten Jahren nach dem Friedensschlüsse seine 
Absicht, die elsässischen Reichsstädte ganz zu unterwerfen, zunächst 
weniger hervortreten Hess. Den ersten wichtigen Schritt zu dieser 
Unterwerfung machte es erst im Jahre 1658 durch die Errichtung der 
hohen Justizkammer zu Ensishehn für seine elsässischen Besitzungen, 
unter welchen das Gründungsedikt auch die Landvogtei der zehn 
Reichsstädte nannte. Die betroffenen Städte protestierten zwar gegen 
die über sie angemasste Gcrichtshoheit, doch hinderte dies Ludwig XIV. 
nicht, bei der Übertragung der höchsten Gerichtsbarkeit über seine 
elsässischen Gebietsteile an das Parlament zu Metz, wie sie durch 
das Edikt vom 6. Februar [st. n.] 1662 erfolgte, nicht mehr die Land- 
vogtei, sondern die einzelnen Städte namentlich zu bezeichnen. Es 
waren dies bekanntlich Hagenau, Colmar, Schlettstadt, Weissenburg, 
Landau, Oberehnheim, Kaysersberg, Münster, Rosheim und Türkheira. 

Einen bedeutenden Erfolg errang die französische Regierung im *~ 
Januar 1662, als sie die zur Präsentation des Herzogs von Mazarin 
als Landvogt nach Hagenau berufenen Vertreter der Städte zwang, 
dem Könige einen Huldigungseid zu leisten. Die Städte hatten sich 
lange gegen diese gefährliche Neuerung gewehrt, indem sie dem Her- 
kommen gemäss nur dem Landvogte und dem Unterland vogte die üb 
liehen Eide schwören wollten, doch gaben sie schliesslich den Droh- 
ungen Mazarins nach, wobei Hagenau mit dem Beispiel des Gehorsams 
voranging, während Colmar am längsten widerstand. Die Eidformel, 
über die man sich nach langen Verhandlungen einigte, wurde von 
einem Teil der Deputierten auf lateinisch, von den anderen auf deutsch 
gesprochen. Die Städte gelobten darin, dem Könige in Frankreich 
alle Schuldigkeiten, zu denen sie auf Grund der im Münsterschen 
Frieden demselben von dem Kaiser, dem Reich und dem Hause Oster- 
reich abgetretenen Landvogtei Hagenau verpflichtet seien, mit Treue 
abzustatten. 

* Colmarer Stadtarchiv: Hoiclistajrsakteii, Brief v. 17. Januar 1(553. 



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- 91 — 



Eine weitere Benachteiligung erblickten die Bürgerschaften darin, 
dass der neue Landvogt seinem nach altem Brauche in Reversform 
gegebenen Versprechen, ihnen ihre alten Freiheiten zu erhalten, die 
Klausel beifügte : entant qu'ils [les privilöges] n e prej udicieront 
point aux droits ccdes au Roy par le traite de Munster. 

Als der Kaiser Leopold einen Reichstag auf den Sommer 1662 
nach Regeusburg ausschrieb, hielt der elsässische Zehnstädtebund vom 
1. bis zum 8. April eine Tagung zu Strassburg ab, um über die Be- 
schickung dieses Reichstags und das Verhalten der Städte gegenüber 
dem neulichen Vorgehen Frankreichs zu beraten.* Es wurde beschlossen, 
dem Kaiser einen ausführlichen Bericht über den Präsentationsakt 
zu Ilagenau sowie das Edikt über die Kompetenz des Metzer Parla- 
mentes zu übersenden und Beides auch den Kurfürsten mitzuteilen. 
Bei der gemeinsamen Abfassung des Berichtes weigerte sich die Stadt 
Hagenau die Erwähnung zuzulassen, dass sie zuerst und ohne Wissen 
ihrer Verbündeten einen Vergleich mit dem Landvogt eingegangen 
sei, und als sie es nicht durchzusetzen vermochte, dass diese Tatsache 
mit Stillschweigen übergangen würde, rief sie ihre Vertreter von Strass- 
burg ab und löste das Band, das sie seit drei Jahrhunderten mit den 
anderen Städten verknüpfte. An Stelle Hagenaus trat nun Colmar 
an die Spitze des Bundes, und unter seinem Vorsitze wurden die Be- 
ratungen fortgeführt. In Betreff des Reichstags beschloss man, eine 
gemeinsame Deputation der neun Städte hinzusenden, und zwar wurden 
dazu der Colmarer Syndicus Philipp Schultz und der Schlettstadter 
Bürgermeister Johann Georg Heinrichs gewählt, doch blieb es jeder 
Stadt vorbehalten, zur Vertretung ihrer besonderen Interessen noch 
einen eigenen Gesandten auf ihre Kosten diesen Beiden zuzugesellen. 
Auf der Reise nach Regeusburg sollte Heinrichs den Kurfürsten von 
Bayern, Schultz dagegen die Rheinischen Kurfürsten aufsuchen, um 
ihnen die clsässischeu Städte bestens zu empfehlen. 

Die in der nächsten Zeit zwischen den Magistraten vereinbarte 
Instruktion für die Reichstagsgesandten trug diesen auf, dahin zu 
arbeiten, dass die Angelegenheit der Hagenauischen Landvogtei im 
Reichstage zur Sprache käme, und dass ein Beschluss darüber gefasst 

* Colmarer Stadtarchiv; J 22, No 13. 



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- 92 — 



würde. Falls die Versammlung den neuen Eid und die Klausel en 
tant nicht guthiesse, so sollten sie es zu erreichen suchen, dass die 
Sache zwischen Frankreich und dem Roich ausgetragen und die Städte 
in integrum restituiert würden. 

Der Syndikus Schultz unternahm bereits Ende Mai seine Reise 
zu den Rheinischen Kurfürsten, um ihnen die Drangsale der Elsässer 
zu schildern und sie um ihre Unterstützung bei den bevorstehenden 
Verhandlungen zu bitten. 



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l 

Ernennung einer Deputation durch den Reichstag zur Verhandlung mit dem 
franzosischen Plenlpotentlar Gravel In der elsassischen Angelegenheit. — Me- 
morial der Vereinstädte zur Darlegung Ihrer Beschwerden. — Direkte Aus- 
einandersetzungen zwischen ihren Deputierten und Gravel In Betreff der Land- 
vogtelrechte. (1668-1664). 

Die Eröffnung des Reichstags verzögerte sich über ein halbes 
Jahr, und erst im Januar 1663 erfolgte sie in förmlicher Weise. 

Die Deputierten der verbündeten Städte, denen Colmar noch als 
Spezialgesandten seinen Stättmeister Daniel Schneider beigab, brachen 
in den ersten Tagen des Monats Februar aus dein Elsass auf und 
kamen am 15. dieses Monats in Rcgensburg an. 

Sie machten zunächst eine Reihe von Besuchen bei den ein- 
flussreichen Persönlichkeiten und traten namentlich in enge Beziehung 
zu der kaiserlichen Gesandtschaft, an deren Spitze der Erzbischof von 
Salzburg stand. Von dieser Seite wurde ihnen im Vertrauen das 
* Schreiben mitgeteilt, durch welches der Kaiser im März 1662 dem Kur- 

türstcnkollegium angezeigt hatte, dass die zehn Reichsstädte im Elsass 
von der Krone Frankreich zu einem neuen Huldigungseid gezwungen 
worden seien, dass er aber entschlossen sei, dieselben bei ihrer Reichs- 
unmittelbarkeit zu erhalten, um der vom Münsterschen Friedensschluss 
und von seiner Wahlkapitulation ihm auferlegten Verpflichtung nach- 
zukommen. Von dem kaiserlichen Kommissar Cranc erfuhren die 
Deputierten ferner, wie übel es der Kaiser aufgenommen habe, dass 
die Städte in ihrer gefährlichen Lage ihn nicht durch einen Abge- 
sandten um Hilfe gebeten, sondern dem Könige von Frankreich ge- 
huldigt hätten. Auf ihre Versicherung, es sei an den Kaiser geschrieben 
worden, aber keine Antwort darauf erfolgt, erwiderte Crane, man dürfe 
sich am kaiserlichen Hofe bei der grossen Anzahl von Geschäften nicht 
auf blosse Schreiben verlassen, sondern müsse selbst seine Angelegen- 
heit mit Eifer und Nachdruck betreiben. 

Am Reichstage hatten die Verhandlungen bereits begonnen und 
drehten sich in der nächsten Zeit hauptsächlich um die vom Kaiser 
begehrte Hilfe gegen die Türken. Der Colmarer Magistrat war der 



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— 94 — 



Ansieht, die Elsässer sollten ihre Beteiligung hieran ausdrücklieh von 
der Erlangung des Reichsschutzes abhängig machen, doch befürchteten 
die Deputierten, ein solcher Vorbehalt möchte von dem Kaiser und dem 
Reich als Trotz aufgefasst werden. Nach langwierigen Debatten liess 
sich das Reich zur Bewilligung von Hülfsgeldem herbei, und es stellte 
die Höhe derselben in einem Beschlüsse vom 13. Mai fest: der Anteil 
der einzelnen Stande war ganz verschieden, da in „Hilf- und Kollekt- 
sachen" der Wille der Majorität für die Minorität nicht bindend war. 
Von den Vereinstädten hatten einige, wie Colmar und Schlettstadt, 25 
Römermonate angeboten, andere dagegen weniger; ihr Gesamtbeitrag 
belief sich auf 15276 Gulden, wovon 4200 allein auf Colmar und 3600 
auf Schlettstadt entfielen. Bei der Abstimmung hatte die Stadt Colmar 
ihre Erschöpfung durch die langen Kriegsjahre schildern und hervor- 
heben lassen, dass die flauptquelle ihres früheren Wohlstandes, der 
Weinhandel, „sich von da gar weggezogen und besorglich nimmer- 
mehr wiederzubringen sei." Neben anderen Ausgaben müsse sie als 
Grenzstadt „für die auch zur besten Friedenszeit äussert benötigte 
Garnison jährlich in die 15000 f. anwenden, die Bau- und Fortifi- 
cationskosten zu geschweigen." ^ 

Das Votum der einzelnen Vereinstädte konnte deshalb verschieden 
ausfalle?», weil die zehn Städte beim Reichstage nicht als eine Gesamt- 
heit betrachtet, sondern als besondere Reichsstände getrennt aufge- 
rufen wurden. 

Als zweiten Gegenstand seiner Beratungen sollte der Reichstag 
die Massregeln zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit des Reiches 
vornehmen, und dann sollte als dritte Aufgabe die Untersuchung der 
Beschwerden einzelner Reichsstände folgen. Die Vertreter der elsässi- 
schen Städte suchten nun durchzusetzen, dass die Landvogteifrage schon 
bei dem zweiten Punkte zur Sprache käme, indem sie darauf hin- 
wiesen, dass es sich dabei um den Fortbestand von Reichsgliedern 
und demnach um die Sicherheit des Reiches selbst handle. Sie richte- 
ten deshalb am 18. Juni ein Memorial an den Kaiser und erinnerten 
ihn daran, dass sein Vater im Jahre 1653 die Erörterung derselben 
Angelegenheit auf dem Reichstage angeordnet hatte, und dass sie da- 
mals erledigt worden wäre, wenn nicht der Tod des französischen Ge- 
sandten dazwischen gekommen wäre. Sollte jetzt kein Vergleich da- 



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- 95 — 



rüber mit Frankreich zu Stande gebracht werden, so würden die Seiner 
Majestät anvertrauten Städte für das römische Reich verloren sein. 
In einem anderen, vom 24. Juli datierten Schreiben baten sie das 
reichsstädtische Kollegium am Reichstag, ihnen zu helfen und dadurch 
zu verhindern, dass dies ohnehin schon geschwächte Kollegium noch 
zehn getreue Mitglieder verlöre. Es sei durchaus nötig, dass der 
Reichstag endlich einmal die Rechte des Landvogts genau bestimme 
und sie von den allgemeinen Rechten des Reiches über die Städte 
unterscheide. 

Für die Unterstützung ihrer Sache zählten die Elsässer auch auf 
Schweden, und in der Tat erwies sich Herr Snoilsky, der schwedische 
Gesandte für Bremen, als ihr besonderer Gönner. Bei einer am 26. 
Juli erfolgten Zusammenkunft mit den Vertretern Colmars nahm er 
Bezug auf ein Schreiben, das diese Stadt an den König von Schweden 
gesandt hatte, und erklärte, er sei instruiert, ihr dem Friedensvertrag 
gemäss beizustehen. 

Mittlerweile war auch der französische Depute pUnipotentiaire 
Gravel in Regensburg eingetroffen, und am 14. Juli hatten die 
vereinstädtischen Deputierten ihre erste Audienz bei ihm. Um ihren 
Auftraggebern nicht zu prä judizieren, redeten sie, wie die anderen 
Reichsstände, ihn lateinisch an; er antwortete aber französisch. Er 
fing selbst an, von den neuen Zöllen im Elsass zu sprechen, und meinte, 
der König habe das Recht, dieselben nach Belieben zu ändern, da die 
Souveränität über das Land auf ihn übergegangen sei. Frankreich 
habe die Zölle nur deshalb gesteigert, um verschiedene Fürsten und 
Stände zu nötigen, die ihrigen herabzusetzen und dadurch den Handel 
überhaupt zu fördern. 

Kurze Zeit darauf, am 3. August, mussten sich die Deputierten 
mit einer Beschwerde an Gravel wenden und zwar über das rechts- 
widrige Vorgehen des Unterlandvogtcs Marquis de Ruze, der sowohl 
die Städte Münster und Türkheim also auch Colmar auf die Klage des 
Prälaten zu Münster jüngsthin vor die Landvogteikammer nach Hage- 
nau zitiert und jenen beiden bei 2000 Pfund Strafe verboten hatte, 
den Prälaten am Reichskammergericht zu Speier zu verklagen. Dies 
stimme nicht mit der von Gravel selbst gegebenen Erklärung überein, 
dass das königliche Edikt, welches die zehn Städte der Jurisdiktion 



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des Metzer Parlamentes unterwarf, aufgehoben sei. Der französische 
Gesandte erwiderte, dass dies Edikt allerdings kassiert sei, dass aber 
die Städte dennoch in gewissen Fällen die Gerichtsbarkeit der Kammer 
zu Hagenau über sich anerkennen müssten, weil es früher auch unter 
dem Hause Osterreich so gehalten worden sei: diese Kammer sei 
z. B. zuständig bei Klagen eines Bürgers wider die städtische Obrig- 
keit, und die Appellation gehe von Hagenau nach Ensishcim und von 
dort nach Metz. Um zu verhindern, dass die Angelegenheit vor den 
Reichstag gebracht würde, erbot er sich jedoch, dem Marquis de Ruz6 
zu schreiben, alles in suspenso zu lassen. Er forderte seine Be- 
sucher auch auf, zur Besprechung der Landvogteirechte so oft zu ihm 
zu kommen, als sie wollten. Schliesslich sprach er seine Unzufrieden- 
heit darüber aus, dass sein König durch die Schrift über die Eidleis- 
tung zu Hagenau im ganzen Reiche denigriert würde. Die verein- 
städtischen Deputierten hatten nämlich gleich nach ihrer Ankunft zu 
Regensburg den ausführlichen Bericht über diesen Vorgang drucken 
lassen und ihn nunmehr an alle Gesandten am Reichstag verteilt.* 

Auf die erneuten Vorstellungen wegen der Ansprüche der Land- 
vogteikamraer erklärte Gravel am 10. September, dass er deshalb so- 
wohl an den Hof als an den Unterlandvogt geschrieben habe und auf 
die bevorstehende Reise des Landvogts in das Elsass vertröstet worden 
sei. Der Herzog von Mazarin würde auch bereits angekommen sein, 
wenn er nicht in eine gefährliche Krankheit verfallen wäre, „massen 
ihm dann in einem Tag dreimal die Ader geschlagen worden." 

Die Debatten über die Reihenfolge der vom Reichstag zu be- 
handelnden Materien benutzte das städtische Kollegium, um die Er- 
örterung der Landvogteifrage den beiden höheren Kollegien zu 
empfehlen. In seinem am 18. September veröffentlichten Konklusuni 
erinnerte es au das beim letzten Reichstag nicht mehr zum Austrag 
gekommene Anliegen der elsässischen Städte und sprach den Wunsch 
aus, dass dasselbe beim zweiten Propositionspunkte vorgenommen 
würde. Doch weder das kurfürstliche noch das fürstliche Kollegium 

* Die meisten der hier erwähnten Druckschriften aus jeuer Zeit sind im Catalogue 
de la Bibliotheque Chaut'four (Colmar 1889) und in der Bibliographie 
de la Ville de Col m a r (Colmar 1902) von A. Waltz verzeichnet. Sic haben 
mir erlaubt, einzelne Lücken in der Korrespondenz der RcichstagBgcsandten 
auszufüllen. 



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- 97 - 



zeigte sich geneigt, auf diesen Vorschlag einzugehen. Da also wenig 
Aussicht vorhanden war, auf dem gewöhnlichen Wege zum Ziele zu 
gelangen, so entschlossen sich die Elsässer, den Reichslag zu bitten, 
für ihre Angelegenheit eine ausserordentliche Deputation aus allen 
drei Kurien zu ernennen, wie dies schon im Jahre 1653 geschehen 
war. Das städtische Kollegium stellte am 22. September einen dahin 
zielenden Antrag im Plenum und setzte auch seine Annahme durch, 
namentlich auf das eifrige Verwenden der das städtische Direktorium 
führenden Stadt Regensburg, während im Fürsten rat einige Stimmen 
dagegen waren. Die zehn Städte wurden nun aufgefordert, eine aus- 
führliche Darstellung ihrer Beschwerden und Begehren dem Reichs- 
direktorium vorzulegen. Im definitiven Reichsgutachten vom 23. Ok- 
tober 1663 lautet die betreffende Stelle folgendermassen : „Und wegen 
deren zehen Reichsstädten im Elsass auf förmliche Eingebung ihrer 
Gravaminum eine Deputation aus denen dreien Rcichsräten zu ver- 
ordnen sein solle, umb mit dem anwesenden königl. französischen Herrn 
Plenipotentiario deshalben dem Instrumento pacis und kais. Wahl- 
kapitulation gemäss zu handien." Der Fürstenrat hatte sieh lange 
gegen die Erwähnung der Wahlkapitulation gesträubt, da sie Frank- 
reich gegenüber überflüssig sei. Die Colmarer Abgesandten sprachen 
aber in einem Briefe an ihren Magistrat die Ansieht aus, dass das 
fürstliche Kollegium bei der angestrebten neuen Form der Kapitulation 
die Einrückung der zehn Städte gern fortgelassen hätte, was jetzt 
nicht mehr angehe. Der Beschluss des Reichstags wurde durch die 
kaiserliche Resolution vom 5. Februar [st. n.] 1664 bestätigt. 

Während die versammelten Reichsstände die Zeit mit ziemlich 
fruchtlosen Verhandlungen hinbrachten, waren die Türken siegreich 
vorgedrungen und hatten am 17. September 1663 die wichtige Festung 
Ncuhäusel im nördlichen Ungarn eingenommen. Der Kaiser Leopold, 
der bisher vergebens Truppen vom Reiche gefordert hatte, erschien 
zur Beschleunigung dieser Hilfe im Dezember persönlich zu Regens- 
burg, wo sich auch der Kurfürst von Mainz, Johann Philipp von 
Schönborn, und andere Fürsten einfanden. Am 24. Januar 1664 kam 
es endlich zu einem Reichsgutachten, laut dessen die beiden höheren 
Kollegien das Triplum an Mannschaft, den dreifachen Ansatz der 
Reichsmatrikel, die Städte aber zum Teile weniger bewilligten. Colmar 

7 



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und die Mehrzahl der anderen Städte des Elsasses verstanden sich 
nach langem Widerstreben schliesslich auch zu dem Triplum, und 
zwar zu dem Duplum in Mannschaft und dem dritten Simplum in Geld, 
doch sprachen sie bei ihrer Abstimmung ausdrücklich die Hoffnung 
aus, dass ihre Bereitwilligkeit die Reichslasten zu tragen, die Erörte- 
rung ihres Anliegens fördern werde. üer einfache Römermonat in 
Mannschaft betrug für Colmar vier Mann zu Ross und dreissig zu Fuss. 
Ein Reiter samt Ross und Ausrüstung kostete damals 90 Gulden Werbe - 
geld, ein Fussknecht mit Gewehr 6, das einfache Kontingent Colmars 
also 540. Der Unterhalt des letzeren wurde auf 2016 Gulden im Jahre 
geschützt, in welcher Summe jedoch die Besoldung der Offiziere und 
die Ausgaben für den General- und Artilleriestab nicht inbegriffen waren. 

Bei den bevorstehenden Verhandlungen über ihre Angelegenheit 
beabsichtigten die Vereinstädte, sich hauptsächlich auf ihre im Jahre 
1647 gedruckte Deduktion der Landvogteirechte zu stützen, da diese 
Schrift, wie sie angaben, dem Westfälischen Friedensvertrag als Grund- 
lage gedient hatte. Sie Hessen sie deshalb im Jahre 1663 zu Nürn- 
berg von neuem drucken und fügten eine Anzahl kaiserlicher Privi- 
legien als Belege bei. Auch die Akten des Prozesses, den der Abt 
von Münster mit den Städten Colmar, Münster und Türkheim führte, 
übergaben sie zu gleicher Zeit dem Drucke. 

Dem Begehren des Reichstages gemäss arbeitete die vercin- 
städtische Deputation, deren Seele der Colmarer Syndikus Schultz war, 
eine Denkschrift aus und überreichte sie am 16. Januar 1664 dem 
Kurfürsten von Mainz in seiner Eigenschaft als Direktor der Reichs- 
versammlung. Der Kurfürst versprach, die Eingabe den Ständen durch 
die „Reichsdiktatur" mitzuteilen und das Äusserste zu tun, um die 
elsässischen Städte bei ihrer Reichsunmittelbarkcit zu erhalten. 

In ihrem in deutscher Sprache abgefassten Memorial danken die 
Bittsteller für das am 2.1 Oktober 166:5 diktierte Rcichskonklusum, 
wonach auf die Darlegung ihrer Beschwerden hin mit dem französi- 
schen Plenipotentiar verhandelt werden solle. Sio erinnern daran, 
dass sie einen ausführlichen Bericht über den Präsentationsakt zu 
Ilagenau an den Kaiser gesandt und ihn auch gedruckt an alle Stände 
verteilt haben. Zur besseren Orientierung übergeben sie jetzt noch 
eine auf zahlreiche Dokumente sich stützende Ausführung der Land- 



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- 99 - 



vogteirechte, welche bei der Redaktion des Friedensinstrumentes dem 
Paragraphen Teneatur rex zu Grunde gelegt wurde. Vergleicht 
man das alte Herkommen mit dem Verhalten Frankreichs in letzter 
Zeit, so findet man drei für die Städte höchst gefährliche Neuerungen : 

1) Dem früheren landvögtischen Revers ist am Schlüsse die 
Klausel beigefügt worden: en tant qu'üs ne prejudicieront point aux 
droits cedes au Roy etc. 2) Man hat den Städten neben dem alten 
dem Landvogte geschuldeten Eid noch einen besonderen Eid der Treue 
für den König von Frankreich aufgezwungen, ungeachtet die Bürger- 
schaften jährlich unter freiem Himmel dem Kaiser und dem Reiche 
Treue und Gehorsam schwören. 3) Obgleich die Städte von alters her 
ihren Gerichtsstand nur bei den höchsten Reichsgerichten hatten und 
stets zur Unterhaltung des kaiserlichen Kammergerichts beisteuerten, 
sucht sie jetzt der Unterlandvogt der Gerichtsbarkeit der für die Land- 
vogteidörfer bestellten Kammer zu Hagenau zu unterwerfen, eines 
Untergerichts, von dem die Appellationen an die königliche Justiz- 
kammer zu finsisheim und in dritter Instanz an das Parlament zu Metz 
gehen. So hat der Unterlandvogt nicht nur auf* die Klage des von 
Frankreich beförderten Reichsprälaten zu Münster im Gregorienthai 
die Städte Colmar, Münster und Türkheini vor die Landvogteikaramer 
zitiert, sondern auch einen am Kammergericht zu Speier anhängig ge- 
machten Prozess zwischen dem genannten Prälaten und den Städten 
Münster und Türkheim avoziert und den beiden letzteren bei Strafe 
von 2000 Pfund verboten, den Prozess dort weiterzuführen, wie dies 
die beiliegenden gedruckten Dokumente ausweisen. 

In Anbetracht dieser Übergriffe bitten die elsässischcn Städte 
das Reich, sich ihrer nachdrücklich anzunehmen und die Deputation, 
welche mit dem französischen Plenipotentiar verhandeln soll, bald 
zu ernennen. Dem Friedensvertrage gomäss besitze Frankreich in 
Betreff der Landvogtei keine anderen Rechte als früher das Haus 
Österreich, nur sei dieser Besitz ein absoluter und unwiderruflicher. 
Es möge eine Scheidung zwischen den allgemeinen Reichsrechten und 
den besonderen Landvogtcirechten in der Güte erfolgen. Schliesslich 
betonen die Bittsteller noch, dass Alles, was sie beim Präsentationsakt 
zu Ilagenau getan, nur mit dem Vorbehalt der Bestätigung durch das 
Reich geschehen sei. 



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100 — 



Dom schleppenden Geschäftsgänge beim Reichstag entsprechend 
wurde dies Memorial erst am ;">. Marz diktiert. Seine Verfasser hatten 
allerdings zuvor Exemplare davon verteilt und in besonderen Audienzen 
bei dem Bischof von Strassburg und den Kurfürsten von Bayern 
und von Trier die Unterstützung dieser Fürsten erbeten und zugesagt 
erhalten. 

Allen Einwendungen zum Trotze füllte die Landvogteikammer 
ein Urteil im contumaciam wider Colmar, Munster und Türkheim 
und Hess es den drei Städten am 23. Februar durch einen königlichen 
Huissicr insinuieren. Die vereinstädtischen Deputierten zu Regensburg 
erhoben ohne Verzug Klage darüber bei dem Kaiser und den ver- 
sammelten Stünden und begehrten Schutz für die mit der Exekution 
bedrohten Bürgerschaften. In dem Schreiben an den Kaiser wiesen 
sie darauf hin, dass, wenn der Krone Frankreich neben ihren anderen 
Rechten auch noch die Gerichtsbarkeit zugestanden würde, dem heiligen 
römischen Reiche bei den elsässischen Städten überhaupt nichts mehr 
übrig bliebe. 

Das städtische Kollegium nahm sich, wie immer, am nachdrück- 
lichsten der Sache an und drang in einem Konklusum vom IG. März 
darauf, dass die beschlossene Wahl einer Deputation ob periculum 
in mora manifestum et praesentisshnum endlich einmal stattfände. 



Wenige Tage später traf die Kunde von einem neuen Vorstoss 
Frankreichs gegen die kommunalen Freiheiten im Elsass zu Regens- 
burg ein. Der Landvogt Herzog von Mazarin war persönlich in den 
Städten erschienen und hatte mehrere Forderungen an die Räte ge- 
stellt, namentlich dass sie die Jurisdiktion der Landvogteikammer über 
sich anerkennen und ihm selbst das Recht einräumen sollten, die 
Zeughäuser, Magazine und Befestigungswerke zu beaufsichtigen und 
die kirchlichen Angelegenheiten zu ordnen. Colmar hatte diese Zu- 
mutungen entschieden zurückgewiesen und Mazarin auf die Verhand- 
lungen vertröstet, welche hierüber zu Regensburg zwischen dem Reich 
und dem französischen Plenipotentiar bevorstanden.* Dem Beispiele 
Colmars folgten dann auch Münster, Wcissenburg und Landau, während 

* Wal diu* r: Colmar et 1c Ünc de Mazarin cn K5T.4. (Mullionsc 1900). 



V 



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— 101 — 



Schlettstudt und die andere» katholischen Städte dem Zwange nach- 
gaben und sich sogar zur Aufnahme französischer Einquartierungen 
verpflichteten. In Münster drohten die Franzosen mit dem Feuer und 
dem Schwert und gingen auch wirklich zu Gewalttätigkeiten über, 
indem der Unterlandvogt den Stadtschreiber beim Hals ergriff, und 
ein junger Student aus Reichenweier, namens Riegger, welcher der 
Stadt als Dolmetscher diente, wegen angeblicher Spionage und Auf- 
wiegelei gefangen genommen und nach Breisach abgeführt wurde. 

So wie die vereinstädtischen Deputierten die Berichte von diesen 
Geschehnissen erhielten, teilten sie dieselben jedesmal sofort dem 
Kaiser und dem Reiche mit und gingen ausserdem noch eine Reihe 
einflussreicher Fürsten im besonderen um Hilfe an. In einem dem 
Reichsdirektorium am 21. März übergebenen und noch an demselben 
Tage diktierten Memorial baten sie die Stände, den König von Frank- 
reich sowohl durch ein direktes Schreiben als auch durch mündliche 
Remonstration bei seinem Flcnipotentiar zu Regensburg um Einstellung 
des Hagen auischen Prozesses und der Forderungen des Landvogtes 
zu ersuchen. In einer direkten Eingabe an den Kurfürsten von Mainz, 
der nicht nur als Kurerzkanzlcr, sondern auch als Verbündeter Frank- 
reichs grossen Einfluss auf die Regelung der elsässischen Frage besass, 
stellten die Veroinstädte geradezu die Alternative, man solle entweder 
sich ihrer unverzüglich annehmen oder aber, wenn sie vom Reiche 
verlassen sein sollten, ihnen dies bedeuten, damit so viele Tausend 
Menschen wegen ihrer Treue zu dem heiligen römischen Reiche nicht 
in Ruin und in Leib- und Lebensgefahr gerieten. Ein kaiserliches 
Reskript vom 5. April [st. n.] ersuch to denn auch das Reichsdirek- 
toriuni, die Angelegenheit der elsässischen Städte baldigst vor die 
Reichsräte zu bringen und beraten zu lassen, „durch was Mittel diesen 
Reichsstädten in solchen ihren Beschwerden geholfen und mithin des 
heiligen Reichs hierunter versierendes hohes Interesse erhalten werden 
möge. u 

Das städtische Kollegium verwandte sich wieder eifrig für die 
Elsässer, indem es am 29. März eine aus den Vertretern von Regens- 
burg, Augsburg und Strassburg bestehende Abordnung an den Kaiser 
sandte und ihn bat, mit den Reichsständen an den König von Frank- 
reich zu schreiben und ferner dahin zu wirken, dass eine Reichs- 



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- 102 — 



deputation ohne Verzug mit dem französischen Gesandten in Konterenz 
trete. Zugleich überreichten die Abgeordneten eine Denkschrift über 
den Verlust, den das Reich und insbesondere das dritte Kollegium durch 
die Lostrennung der wohlhabenden elsässischcn Städte erleiden würden. 
Der Kaiser versprach, der Notdurft gemäss zu handeln. 

Am :J0. März einigten sich die drei Kollegien endlich über die 
Bildung einer Deputation aus ihrer Mitte und beauftragten dieselbe, 
sich noch an dem nämlichen Tage zu Gravel zu begeben. Sie be- 
schlossen auch, im Namen des Kaisers und des Reiches au Ludwig 
XIV. zu schreiben. Zur Vermeidung von Weiterungen wurde die 
Deputation ebenso zusammengesetzt wie die auf dem vorigen Reichs- 
tag zu demselben Zwecke ernannte. Von den Kurfürsten waren Mainz, 
Bayern, Sachsen und Brandenburg dabei vertreten, von den katholi- 
schen Fürsten das Stift Regensburg, Bayern und die schwäbischen 
Prälaten, von den protestantischen Fürsten das Erzstift Magdeburg, 
Sachsen- Weimar und die Wetterauischen Grafen, von den Reichsstädten 
Köln und Regensburg. Die Reichsdeputation entledigte sich indessen 
weder an diesem, noch an den folgenden Tagen ihres Auftrags, indem 
die dazu bezeichneten Personen, wie die Colmarer Abgesandten nach * 
Hause berichteten, bei den Kurfürsten von Mainz und von Trier und 
dem Kaiser selbst „durch Gastieren sind divertiert worden." In Wirk- 
lichkeit hatte der Kurfürst von Mainz die Verzögerung veranlasst, um 
inzwischen selbst mit Frankreich zu verhandeln. Auf das wiederholte 
Drängen des kaiserlichen Hofes und des städtischen Direktoriums ver- 
sicherte er, dass die elsässischen Städte ausser Gefahr seien, und dass 
in der Sache schon genug getan worden sei. Sein Premier-Minister 
Boyneburg Hess sich öffentlich im Kurfürstenrat vernehmen, „wann 
er auch 100000 Reichsthaler jährliche Pensionen hätte von Frank- 
reich, dass er dennoch solche deren Franzosen Prätensionen und 
Prozedurer. nicht billigen könne, und das Reich dieselben nimmermehr 
approbieren werde." 

Nachdem der Kaiser am 18. April [st. n.J nochmals ein Reskript 
deshalb an das Reichsdirektorium gerichtet, verfügte sich die Depu- 
tation am 11. April endlich zu dem französischen Gesandten. Sie 
teilte ihm die Beschwerden der elsässischen Städte schriftlich mit und 
forderte ihn auf, „die bishero geführten Prozeduren durch des Königs 



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— 103 - 



Autorität abzustellen und die Hauptsache ad Imperium et pacia 
consortes zu verweisen." (iravel antwortete, dass sein König nur 
die im Friedensvertrag ihm abgetretenen Rechte des Hauses Österreich 
beanspruche, und versprach, die Beschwerden an Seine Majestät ge- 
langen und sich hernach weiter vernehmen zu lassen. 

Somit war wenigstens die Ausführung des einen Teiles des Reichs- 
beschlusses in Angritt' genommen ; schwieriger war es, die Abschickung 
des Schreibens an den König durchzusetzen. Die veroinstädtischen 
Deputierten übergaben deshalb ein Memorial nach dem anderen dem 
Reichstage, dem Kaiser und einzelnen Ständen und schilderten, wie 
die Lage im Elsass taglich gefährlicher würde. Auf die Nachricht, 
dass der Herzog von Mazarin der Stadt Colmar unter Androhung einer 
Geldstrafe von 3000 Pfund und der Gefangennahme des Magistrats 
befohlen habe, vor der Kammer zu Hagenau zu erscheinen und die 
Anrufung des Kammergerichts zu Speier zu unterlassen, verfassten 
die drei Kollegien am 23. April den Brief an den König und legten 
ihn dem Kaiser vor. Sie beschlossen auch, an den Abt von Münster 
zu schreiben, um ihn von dergleichen Prozessen abzumahnen. 

Am 30. April fand beim Kurfürsten von Mainz zwischen ihm, 
(iravel und den drei Deputierten der elsässischeu Städte eine lange 
Konferenz statt. Das Ergebnis war, dass Gravel sich verpflichtete, 
die Einstellung aller „Violentien" wider Colmar zu bewirken und die 
prinzipiellen Fragen in Regensburg zu erörtern, sei es mit der Reichs- 
deputation oder einem Ausschuss aus derselben oder den Interessenten 
selbst. Der Kurerzkanzler betonte aber wiederholt, dass alle Verein- 
barungen der Ratifikation durch das Reich vorbehalten bleiben müssten, 
da die Elsässer auf eigene Hand mit der Krone Frankreich nichts ab- 
maehen könnten. 

In der folgenden Zeit gerieten die Verhandlungen wieder ins 
Stocken, weil man allenthalben mit der Ausrüstung der Truppen für 
der Türkenkrieg beschäftigt war. Der Kaiser war schon am 28. April 
von Regensburg abgereist, und der Kurfürst von Mainz folgte am 
1. Mai seinem Beispiel. Auch Gravel und der Colmarcr Syndikus 
Schultz wurden durch den Krieg in Anspruch genommen, indem jener 
die durchziehenden französischen Hilfstruppen zu empfangen hatte, 
dieser aber von dem Oberrheinischen Kreis als Kriegskommissar zum 



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- 10} - 



Kurfürsten von Mainz und nach Frankfurt geschickt wurde. Schultz 
übernahm diesen Auftrag hauptsächlich deshalb, weil er freien Zutritt 
zum Kurerzkanzlcr erhielt und dabei hoftte, im elsassischen Interesse 
wirken zu können. Johann Philipp gab ihm auch am 7. Juni noch- 
mals die nachdrückliche Versicherung, dass Colmar nichts zu be- 
fürchten habe: die französischen Truppen seien aus dem Elsass fort 
und es würden keine anderen mehr hinkommen. 

In der Tat war Ludwig XIV dem Rate Gravels, den französischen 
Einfluss im Reich jetzt nicht durch die Unterwerfung der elsässischen 
StÄdte zu gefährden, gefolgt und hatte dem Herzog von Mazarin die 
Einstellung der Feindseligkeiten geboten. 

Im Münstertale aber dauerten die Gewalttaten der Franzosen 
nichtsdestoweniger fort. Mazarin hatte am 5. Mai drei Kompagniecn 
Kavallerie in die zur Stadt Münster gehörenden Ortschaften gelegt, 
und sein Untcrlandvogt hatte einen Haftbefehl gegen die vor der Ver- 
folgung geflüchteten Bürgermeister erlassen. Münster beklagte sich 
daraufhin schriftlich beim französischen König und schickte einen be- 
sonderen Abgesandten zum Kurfürsten von Mainz, um dessen Beistand 
zu erbitten. Dieser Abgesandte, Ambrosius Schneider, ein Bruder des 
Colmarer Stättmeisters, traf am 17. Juni in Mainz ein und musste sich 
zunächst am kurfürstlichen Hofe mit dem allseitigen Bedauern über 
die schlimme Lage seiner Auftraggeber begnügen. Herr von Schön- 
born, der Bruder des Kurfürsten, äusserte ihm gegenüber, mit einer 
so mächtigen Krone wie Frankreich müsse man behutsam umgehen, 
und die Städte würden wohl etwas nachgeben müssen. Schneider 
wurde durch diese Worte sehr bestürzt und erwiderte: „Ihr Gnaden, 
es stehet solches nicht bei den Städten, was nachzulassen ; und 
so das wider all Verhoffen geschehen sollte, würd die Immedietät 
gewiss Schiffbruch leiden müssen, massen die Experienz genugsam 
bezeuget, dass, so man den Franzosen ein Finger erlaubet, sie den 
ganzen Leib nehmen." Am 22. Juni hatte der Münsterer Abgesandte 
Audienz beim Kurfürsten selbst. Dieser erklärte, dass ihm die Be- 
drängnis der Städte herzlich leid tue, bedauerte aber, nicht helfen 
zu können, da er keine Armee habe. Doch versprach er, sowohl an 
M. de Lionno als an Gravel zu schreiben, um seine Autorität zu 
interponieren. 



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— 105 - 



Während der Abwesenheit des Deputierten Schultz von Regens- 
burg war sein College Daniel Schneider unablässig bemüht, die Ab- 
schickung des vom Reichstag entworfenen Schreibens an Ludwig XIV. 
zu veranlassen. Mehrere Gesandte, mit denen er darüber sprach, 
machten aber Bedenken geltend und meinten, dies Verfahren würde 
den König nur erbittern, und sein Plenipotentiar, dem doch die ganze 
Angelegenheit übertragen sei, würde eine persönliche Beleidigung 
darin erblicken. So wandte sich denn die vereinstädtische Deputation 
auf den Rat Snoilskys auch wegen der neuerlichen Vorkommnisse im 
Elsass wieder an Gravel und übergab ihm am 16. Juni eine Be- 
schwerdeschrift über die Einquartierung im Münstertal und die daselbst 
verübten Gewalttaten. 

Die Audienzen, welche Schneider in der nächsten Zeit beim 
französischen Diplomaten hatte, brachten die Erörterung der Land- 
vogteifrage um keinen Schritt weiter. In einer derselben erhielt er 
einen Brief des Marquis de Ruzc mitgeteilt, worin dieser berichtete, 
dieColmarer wären ihm, demBeauftragten eines so mächtigenMonarchen, 
letzthin mit einer solchen Arroganz begegnet, als ob sie der Senat 
von Venedig wären und 30000 Manu hinter sich hätten. Am 18. Juli 
überreichte Schneider dem Gesandten Gravel eine lateinische Auf- 
zählung der Landvogteirechte über die zehn verbündeten Reichsstädte 
im Elsass. Sie hat folgenden Inhalt: 

I. Frühere Rechte des Kaisers und des Reichs: 1) Ernennung 
des Landvogts. 2) Vorstellung des Landvogts den zu Hagenau 
versammelten Städtevertretern durch Präsentationsschreiben und 
Kommissäre. 3) Ausstellung der Quittungen über die jährliche Reichs- 
steucr unter kaiserlichem Siegel. 

II. Amtsvorrichtungen des Landvogts: 1) Leistung des Eides ver* 
mittelst Reversalien, welche in ihrem Wortlaut mit den früheren überein- 
stimmen müssen. 2) Ernennung des IJnterlandvogts. 3) Ernennung des 
Schultheisscn von Hagenau. 4) Der Landvogt soll die Städte vor Gewalt 
schützen, ihnen ihre Rechte und Freiheiten erhalten und ausser der 
jährlichen Reuhssteuer ^nichts von ihnen fordern. ;")) Wenn er Streit 
mit einer Stadt hat, soll er denselben vor die anderen bringen; wenn 
er mit allen in Konflikt ist, hat das Reich die Sache zu entscheiden. 



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— 106 — 



C) Er darf sich keine Gerichtsbarkeit über die Städte anmassen, noch 
dieselben vor ein auswärtiges Gericht laden. 

III. Amtsverrichtungen des Unterlandvogts: Er soll 1) einen 
gleichen Revers wie der Landvogt beschwören; 2) der jährlichen 
Ratsänderung in den Städten als einfacher Zuschauer beiwohnen 
(doch verhindert sein Ausbleiben die Vornahme der Ratsänderung 
nicht); 3) nach der Eidleistung zu Hagenau den Umritt durch die 
Städte halten. 

IV. Leistungen der Städte: Sie sollen 1) auf die schriftliche 
Aufforderung des Kaisers, jetzt des Königs, zur Präsentation in Hagenau 
erscheinen; 2) dem Landvogt den üblichen Eid schwören; 3) dem 
Unterland vogt jährlich den Tag der Ratsänderung anzeigen ; 4) dem 
Unterlandvogt, wenn er auf diese Anzeige hin erscheint, fünf und 
seinen Dienern einen Goldgulden zu Colmar entrichten; 5) die jähr- 
liche Reichssteucr gegen eine Quittung des Kaisors bezahlen. 

Erst nach der am 25. Juli erfolgten Rückkehr des Colmarer 
Syndicus Schultz wurden die Verhandlungen der vereinstädtischen 
Deputierten mit Grave! wieder mit mehr Nachdruck betrieben. Die 
Städte stellten als die drei Hauptpunkte ihrer Forderungen auf : 
Kassierung des zu Hagenau ihnen abgenommenen Treueides, Korri- 
gierung der Revcrsalien durch Auslassung der neuerlich eingefügten 
Klausel en taut nnd Abstellung der durch Frankreich über sie 
angemassten Jurisdiction und Disposition in müitaribus et ecdesiastici*. 

Mit der Erörterung der Gerichtsbarkeit als des wichtigsten 
Punktes wurde in einer Konferenz vom 6. August der Anfang gemacht. 
Gravel behauptete, ans den ihm vorliegenden Akten ergebe sich, dass 
der Landvogt früher tatsächlich über mehrere Städte zu Gericht ge- 
sessen sei. Uebrigens beanspruche Frankreich die Gerichtsbarkeit 
nicht für alle, sondern nur für gewisse Fälle. Sein Hauptargument 
war, dass der Landvogt dieselben Rechte wie über Hagenau, der 
Hauptstadt der Landvogtei, auch über die anderen Städte besitze, 
es sei denn, dass das Gegenteil ausdrücklich von jeder derselben be- 
wiesen werde. Die vereiustädtischen Deputierten entgegneten darauf, 



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— 107 - 



dass der Landvogt notorisch Rechte zu Hagenau besitze, welche er 
^ den anderen Städten gegenüber nie ausgeübt habe; auch könne der 
Umstand, dass Hagenau aus Nachlässigkeit verschiedener Rechte ver- 
lustig gegangen sei, den übrigen Städten nicht Eintrag tun. Sie baten 
um Mitteilung der angezogenen Akten und um nähere Bezeichnung 
der Fälle, für welche der Landvogt die Gerichtsbarkeit beanspruche. 
Gravel versprach dies, als aber der Schreiber der Städte bei ihm 
erschien, um Abschrift von den Akten zu nehmen, wies er denselben 
immer wieder unter neuen Vorwänden ab. Bald schützte er Unwohl- 
sein infolge einer grossen „Debauche* mit dem Marquis de Richelien 
vor, bald hicss es, die Papiere befänden sich in der Stube seines 
krank daniederliegenden Sekretärs und man könne ihm nicht zumuten, 
sie dort zu holen. 

In einer Konferenz vom 22. August wurden die Privilegien be- 
sprochen, welche die Städte von der Gewalt des Landgerichts und 
von anderen fremden Jurisdiktionen befreiten. Gravel verfocht die 
Ansicht, diese Privilegien bezögen sich nur auf den Gerichtsstand 
der Bürger in erster Instanz, nicht aber auf die Appelationen und 
4 nicht auf die Falle, in denen die Städte als solche Partei seien und 

deshalb nicht auch Richter sein könnten; zudem sei die Präfektorial- 
Kammcr nirgends ausdrücklich genannt. Seine elsässischen Gegen- 
partner erwiderten aber, es sei ganz selbstverständlich, dass die 
städtischen Obrigkeiten die Gerichtsbarkeit über ihre Bürger besässen ; 
der Hauptinhalt der Privilegien bestehe vielmehr in der gänzlichen 
Exemption der Obrigkeiten sowohl als der Bürger und Einwohner 
von ailen Untergerichteu, zu denen auch die Präfektorial- Kammer 
gehöre. Die Ansprüche der Städte stutzten sich übrigens weniger 
auf diese Privilegien als auf ihre Reichsunmittelbarkeit, auf Grund 
deren sie nie eine andere höhere Instanz über sich anerkannt hätten 
als das Reichskammorgericht oder den kaiserlichen Hofrat. Selbst 
wenn Frankreich in der Gerichtshoheit mit dem Reiche coneurrieron 
würde, wio dies der Herzog von Mazarin grundlos vorgebo, so könnte 
die Gerichtsbarkeit nicht vom Landvogt, sondern nur von den höchsten 
Parlamenten ausgeübt werden, da ja nach der französischen Auffassung 
der König in Bezug auf die Landvogtei an die 'Stelle von Kaiser und 
Reich, der Landvogt aber an die Stelle des Hauses Oesterreich ge- 



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treten sei, dieses aber sich niemals Loncurrentiam jttrudictionhi cum 
imperio habe anmassen können. Grave] selbst musste die Richtig- 
keit dieser Bemerkung zugeben. 

Die Verhandlungen mit Frankreich waren für die Elsasser 
dadurch erschwert worden, da9s Sehlettstadt und die anderen katho- 
lischen Städte, wie schon erwähnt wurde, in einem Accord mit dem 
Landvogt sich dessen Forderungen gefügt hatten. Die Colmarer Abge- 
sandten auf dem Reichstag und selbst ihr Schlettstadter Kollege, der 
Bürgermeister Heinrichs, waren hierüber sehr aufgebracht und hatten 
bei den betreffenden Städten angefragt, ob sie ganz vom Reiche abge- 
fallen seien, und somit die der Deputation aufgetragene Kommission 
erloschen sei. Am 4. August sandten dann Schlettstadt, Oberehnheira, 
Kayserberg, Rosheim und Türkheim ein gemeinsames Schreiben 
folgenden Inhalts nach Regensburg. Obgleich sie die vier vom Herzog 
Mazarini proponierten Punkte unter gewissen Bedingungen angenommen 
so hätten sie doch in den mündlichen Verhandlungen darüber die 
Rechte des Reichs und die künftige Vereinbarung zwischen dem Reich 
und dem König von Frankreich vorbehalten. Sie ersuchten deshalb 
die Deputirten, kraft der ihnen erteilten Gewalt dahin zu wirken, 
dass bei dem bevorstehenden Vergleiche die Reichsunmittelbarkeit 
der Städte erhalten und das gesamte städtische Corpus unzertrennt 
bleibe. 

In den nächsten Wochen drängten andere Ereignisse die elsässische 
Angelegenheit zu Regensburg wieder in den Hintergrund, der Fricdens- 
schluss des Kaisers mit den Türken und die darauf folgende Entlassung 
der Kriegsvölker und Abrechnung wegen der Kriegskosten, vor allem 
aber die Belagerung der Stadt Erfurt durch Kur-Mainz mit Hülfe 
französischer Truppen. Der letztere Vorgang rief grosse Erbitterung 
im Reiche hervor, namentlich bei den Protestanten, und Gravel 
flüchtete sich mehrmals vor den an ihn ergehenden Reklamationen 
auf das Land. Diese Stimmung der evangelischen Reichsstände be 
nützten die vier protestantischen Städte im Elsass, um denselben 
nochmals die kirchliche Seite ihres Konfliktes mit Frankreich in 
einem Memorial darzulegen und zu zeigen, dass der Anspruch des 
Landvogts, die konfessionellen Verhältnisse in den Reichsstädten zu 
ordnen, im Fliedensinstrument nicht begründet sei. Die Städte seien 



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— 109 - 

zwar mit der Wiederherstellung der Lage des Jahres 1624 ganz ein- 
verstanden, allein für etwaige illiquidierte Fälle könnten sie Frank- 
reich nicht als Richter anerkennen, sondern solche Fälle müssten 
dem Friedensvertrage gemäss auf dem Wege des Vergleichs 
erledigt werden. 



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II. 



Vorschlag der Vereinstädte, die Schlichtung des Streites einem Schieds- 
gerichte zu übertragen. — Neue Klagen derselben Ober die Anmassung der 
Gerichtshoheit dureh Frankreich. — Schreiben des Reichs an Ludwig XIV. — 
Annahme des Sehledsgerichts durch den König. (1664—1667.) 

Da die vereinstädtischen Deputierten in ihren wiederholten Kon- 
ferenzen mit dem französischen Gesandten nichts ausrichteten und 
ausserdem befürchteten, der Reichstag möchte zu Ende gehen, ohne 
dass eine Entscheidung in ihrer Angelegenheit gefallen sei, so machten 
sie am 27. September 1664 den Vorschlag, die Schlichtung des Streites 
wegen der Landvogtei einem Schiedsgerichte zu Qbertragen, doch so, 
dass das Ergebnis vom Reiche bestätigt würdo. Gravel erhob wegen 
des letzteren Punktes einige Bedenken, versprach aber, an den Hof 
zu berichten. 

Am 31. Oktober teilte er dann Schultz und Heinrichs mit, der 
König sei mit einem gütlichen Vergleiche und der Ernennung von 
Schiedsrichtern einverstanden, doch wolle er zuvor von den Städten 
die Erklärung haben, dass sie das anerkennten, was der Herzog von 
Mazarin beim Präsentationsakt zu Hagenau mit ihnen allen und jüngst- 
hin im Elsass mit einigen von ihnen abgemacht habe. Man könnte mit den 
Städten nichts verhandeln und müsste immer wieder von vorn anfangen, 
wenn sie stets von den einmal gefassten Beschlüssen abwichen. Die Ver- 
treter der Städte entgegneten, sie könnten diese Zumutung nicht ver- 
stehen, da, wenn man ihr willfahren würde, der König schon alles 
hätte, was seine Minister je begehrt, und es also keines ferneren 
Vergleiches mehr bedürfte. Gravel meinte darauf, der Streit müsse 
auch mit den noch nicht „akkordierten" Städten ausgetragen werden, 
und gerade dafür erbiete sich der König Schiedsrichter zu ernennen. 
Man erwiederte ihm, dass sowohl der Akt zu Hagenau als auch der 
jüngste Akkord mit dem ausdrücklichen Vorbehalt der Ratifikation 



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durch das Reich geschehen sei. Es liege im eigenen Interesse des 
Königs, dass die Sache mit dem Reiche selbst, das ja als eigentlicher 
Inhaber der streitigen Rechte Hauptpartei sei, endlich einmal geregelt 
würde. Ob der Treueid von den Städten zu leisten sei, hänge von 
der Interpretation des Friedensvertrags ab, welche eben einem Schieds- 
gericht anheimgestellt werden solle. Gravel gab schliesslich im Ver- 
trauen zu, dass der Herzog von Mazarin und der Intendant Colbert 
ihren ganzen Einfluss am Hofe für die Aufrechterhaltung der fraglichen 
Akkorde autböten, dass er selbst aber hoffe, die Sache mit der Zeit 
in Ordnung zu bringen. Er versicherte, dass den Städten keine Ge- 
fahr drohe, und dass die französischen Truppen Befehl hätten, aus 
Ungarn und Erfurt direkt nach Frankreich zu marschieren. Seinen 
Bemühungen sei es jetzt auch gelungen, die Freilassung des ge- 
fangenen Rieggor beim König zu erwirken. 

Das Protokoll dieser Konferenz, doch ohne die vertraulichen 
Aeusscrungcn Gravels übersandten die elsässischen Deputierten auch 
den akkordierten Städten, welche ihnen wenig zuverlässig erschienen, 
und sprachen dabei die Erwartung aus, dass dieselben bei dem Ent- 
schlüsse beharren wurden, mit den anderen Vereinstädten gemeinsame 
Sache zu machen. In einem Schreiben vom 1. Dezember [st. n.] er- 
neuerten denn auch die fünf Städte die im August abgegebene Erklärung. 
Diese Haltung der katholischen Magistrate war durch die persönlichen 
Verhandlungen mit dem Colmarer Stättmeister Daniel Schneider be- 
einflusst worden. Letzterer hielt sich nämlich seit dem Monat Oktober 
im Elsass auf, kehrte aber am Jahresschlüsse wieder nach Regensburg 
zurück, als sein Kollege Schultz nach Colmar schrieb, er könne die 
grosse Arbeit nicht allein bewältigen, Herr Heinrichs verrichte aber 
nichts. Die Rückfahrt Schneiders erfolgte wegen einer besonderen 
Reisegelegenheit über Nürnberg und fiel sehr mühsam aus, insofern 
die Kutsche öfters mit Winden aus dem Kote gehoben und den Pferden 
die Füsse aus den Löchern gehauen werden mussten. 

Die letzten Erklärungen des französischen Gesandten riefen eine 
ziemlich schroffe Meinungsverschiedenheit zwischen dem Syndikus 
Schultz und seinen Colmarer Auftraggebern hervor. Schultz meinte, 
Frankreich werde bei seinem jetzigen „blühenden Glück" die Kassierung 
des Ilagenauer Eides nie zugeben, selbst wenn das Reich einen solchen 



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Beschluss fassen würde, woran er sehr zweifle, da dasselbe seine 
Autorität nicht werde prostituieren wollen. Man müsse daher sein Ab- 
sehen wenigstens auf eine Einschränkung des Eides richten und durch- 
zusetzen suchen, dass er 1) nicht wiederholt werden, 2) keine Unter- 
tänigkeit, sondern eine blosse Klientschaft ausdrücken und 3) der 
Reich8unmittelbarkeit der Städte keinen Eintrag tun solle. Zu Colmar 
dagegen bestand man auf einer gänzlichen Aufhebung des Eides und 
beteuerte, eine blosse Beschränkung vor Gott, der Posterität und dem 
eigenen Gewissen nicht verantworten zu können. Schultz erwiderte 
hierauf, er habe seinen Vorschlag auf den Rat von hohen Gönnern 
gemacht. Wenn die Restriktion des Eides unverantwortlich sei, so sei 
die von Seiten der Stadt geschehene Ablegung desselben noch viel 
unverantwortlicher, weshalb der Vorwurf auf sie zurückfalle. Man 
stehe eben vor einer Tatsache, welche kaum mehr rückgängig zu 
machen sei. AlsderMagistrat von Colmar dann später seinen Abgesandten 
befahl, die Einschränkung des Eides nicht selbst vorzuschlagen, sondern 
dies dem Reiche zu überlassen, versprachen sie in ironischem Tone, 
ihrer Instruktion nachzukommen und abzuwarten, „was das Reich er- 
finden, und wie profunde es der Sachen nachdenken werde." Das 
Reich sei ein ganz ander Ding, als es sich die Herren zu Colmar 
vorstellten ; es tue nur, was ihm die Interessierten angeben. Sie selbst 
hätten ja die Restriktion nicht direkt Frankreich vorschlagen, sondern 
den Reichsdeputierten im Vertrauen an die Hand geben wollen. 

Um kein Mittel unversucht zu lassen, sich den französischen 
Gesandten günstig zu stimmen, unternahm es auch die vereinstädti- 
sche Deputation auf den Rat des Kur-Mainzischen Direktors Bertram, 
ihm „mit einem Regali zu begegnen". Allein für solche Argumento 
zeigte sich Gravel weniger zugänglich als die Diplomaten des heiligen 
Reichs. Als ihm Schultz ein schönes Säckchen mit 200 Dukaten als 
eine geringe Nikiausgabe für seinen jungen Sohn anbot, wies er das 
Geschenk trotz allen Zusprechens zurück und versicherte, dass er 
und die Seinen von keinem Könige oder Fürsten je eine Verehrung 
angenommen hätten. 

Der fruchtlosen Verhandlungen mit dem Plenipotentiar Ludwigs 
XIV. müde, beschlossen die Städte sich wieder direkt an das Reich 



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- 113 - 

^ zu wenden, zumal die Ueborgriffe der Franzosen im Elsasse fort- 
dauerten. Als nämlich Wcissenburg mit dem Bischof von Speier in 
Streit war, massto sich Frankreich die Entscheidung an und legte eine 
Besatzung in die Stadt. Schultz verfässte ein ausführliches Memorial, 
um den Stand der elsässischen Frage dem Kaiser und dem Reiche 
darzulegen, uud holte dafür den Rat der vornehmsten Gesandten beim 
Reichstag ein. Er wählte die lateinische Sprache, damit die Schrift 
nicht übersetzt zu werden brauchte, wenn sie dem französischen Hof 
mitgeteilt würde. Am 28. Januar 1665 wurde das Memorial dem 
Kur-Mainzischcn Reichsdirektorium zu Regensburg exhibiert, nachdem 
es schon mehrere Tage zuvor an den Kurfürsten selbst geschickt 
worden war. 

In dieser Donkschrift schildern die Vereinstädte zunächst kurz 
den ganzen Verlauf ihrer Angelegenheit am Reichstage und erinnern daran, 
dass das Schreiben des Reichs an den König von Frankreich zwar 
entworfen, aber nicht abgesandt worden sei, und dass auf die am 
II, April 1664 dem königlichen Plenipotentiar von der Reichsdeputatiou 
übergebene Besch werdeschrift keine Antwort erfolgt sei. Inzwischen 
^ hätten ihre Abgesandten versucht, direkt mit Gravel zu verhandeln, 

aber trotz mehrerer Zusammenkünfte gar nichts erreicht. Darauf 
hätten sie beantragt, den Streit durch Schiedsrichter gütlich beilegen 
zu lassen. Der König habe auf den Bericht Gravels in diesen Vor- 
schlag eingewilligt, doch nur unter der Bedingung, dass die Städte 
zuvor guthiessen, was der Herzog von Mazarin mit ihnen allen im 
Jahre 1662 zu Hagenau und mit einigen von ihnen jüngsthin abge- 
macht habe. 

Die Städte können indessen, so fährt die Denkschrift fort, die 
Rechtsgültigkeit ihrer Zugeständnisse an den Landvogt nicht aner- 
kennen, da dieselben, wie die genauere Schilderung der Vorgänge 
zeigt, durch Gewalt erzw ungen und nur mit dem ausdrücklichen Vor- 
behalt der Bestätigung durch das Reich gemacht worden sind. Aber 
selbst wenn dies nicht geschehen wäre, so würde der eingegangene 
Vergleich doch ungültig sein, da es sich um Rechte des Reichs handelt, 
über welche die Städte überhaupt nicht verfügen konnten. Alle 
Neuerungen Frankreichs, die Forderung des Treueids für den König, 
die Abänderung der alten Reversalien des Landvogts, der Anspruch 

8 



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- 114 - 



auf die (lerichtshoheit und auf die Leitung der kirchlichen und mili- 
tarischen Angelegenheiten, auf (Jrund dessen der Stadt Weissenburg 
neulich eine Besatzung aufgezwungen wurde, Verstössen gegen den 
Westphälischen Friedensvertrag, da dem Könige nur die Rechte der 
früheren Landvögte aus dem Hause Oesterreich übertragen worden 
sind, diese aber die genannten Befugnisse tatsächlich nie besessen 
haben. Dass ihnen insbesondere das Besatzungsrecht nicht zukam, 
geht aus dem Umstände- hervor, dass die Truppen, welche Kaiser 
Ferdinand II. i. .1. 1629 nach Colmar, Schlettstadt und Oberehnheim 
legte, in nichts dem Landvogt unterstanden. 

Aus der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaute des West- 
phälischen Friedensvertrags ergiebt sich deutlich, dass nicht die Sub- 
stanz der Landvogtei, die Summe der darin begriffenen Rechte, son- 
dern bloss ihr Besitztitel verändert wurde. Dem französischen Könige 
sind keine anderen Befugnisse übertragen worden als diejenigen der 
früheren Landvögte, nur besitzt er dieselben nicht mehr kraft einer 
widerruflichen kaiserlichen Verleihung, sondern als dauerndes und 
souveränes Eigentum. Dies ist durch die Klausel Ita turnen ausgedrückt, 
welche die königliche Souveränität keineswegs auf die Städte selbst, 
ausdehnt. Es wäre ja ein offenbarer Widerspruch, wenn es in dem- 
selben Paragraphen hiesse, die Städte sollten reichsunmittelbar bleiben 
und doch unter der Oberhoheit Frankreichs stehen; durch eine solche 
Deutung würde man den zahlreichen klugen Männern, welche die 
Friedensverhandlungen führten, den grössten Schimpf antun. 

Dass aber Frankreich aus der ewigen Dauer und der Unab- 
hängigkeit seines Landvogteibesitzes die beanspruchten Rechte ab- 
leiten dürfe, können die Städte selbst nicht einsehen ; doch überlassen 
sie die Entscheidung darüber dem unparteiischen Urteile der Teil- 
nehmer am Friedensvertrag oder anderer Rechtsgelehrter. Der König 
selbst sei ja mit dem Kaiser und den Reichsständen übereingekommen, 
etwaige Streitigkeiten wegen des Münstersehen Friedens durch einen 
gütlichen Vergleich zu schlichten. 

Daher ersuchen die Bittsteller die Kurfürsten, Fürsten und Stände, 
im Namen des Reichs an den König von Frankreich zu schreiben und 
durch Gravel und sonst auf alle Weise dahin zu wirken, dass Seine 
Majestät ohne weitere Rücksicht auf die den Städten abgenötigten 



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— 115 — 



Zugestandnisse Schiedsrichter für einen freien und gütlichen Vergleich 
der Angelegenheit ernenne. Sie selbst erklaren sich bereit, ihrerseits 
Schiedsrichter vom Reiche anzunehmen oder mit dessen Zustimmung 
solche zu wählen. 

Dies Memorial sandten die Vereinstädte auch an den Kaiser nach 
Wien mit einem Schreiben, worin sie nochmals inständig um Schutz 
baten und betonton, ein wie grosses Interesse das heilige römische 
Reich dabei habe, „dass nicht 10 Städte, die in der Matrikul und ihrer 
Reichs-Anlage teils denen vornembsten Fürstenthumben im Reich 
gleich, auch wohl bevor gehalten, nunmehr im Friedenstand, also gleich- 
sam in Portu, auf einmal mögen vom Reich gelassen werden." 

Das städtische Kollegium am Reichstag vertrat wieder mit Eifer 
die Sache seiner Angehörigen und forderte in einem Konklusum vom 
17. Februar die beiden höheren Räte dringend auf, die Erledigung der 
elsässischen Angelegenheit nicht weiter verzögern und es dahin kommen 
zu lassen, n dass die Remedierung zu spät und vergeblich in Zukunft 
gesucht werde." Es Hess auch eine dahin gehende Bitte durch eine 
Deputation, bestehend aus den Vertretern von Regensburg, Cöln und 
Ulm, dem Erzbischof von Salzburg als kaiserlichen Legaten vortragen 
und ihm das Memorial der Vereinstädtc sowie ein von Hagenau an 
den Reichstag gerichtetes Schreiben Uberreichen. In letzterem führten 
die Hagenaucr darüber Klage, dass Frankreich beanspruche das Schult- 
heissenamt zu besetzen und dem Rate zumute, die Urteile in Kriminal- 
sachen im Namen des Königs zu sprechen, und erörterten die Wider- 
sprüche und Misstände, welche entstehen würden, wenn der Reichs- 
schultheiss, der im Namen des heiligen Reichs sein Amt ausüben soll, 
ein geschworener Minister der Krone Frankreich wäre. 

Beide Memorialien wurden am 28. Februar lb'Oö durch die 
Reichskanzlei diktiert. Um dem ihrigen eine grössere Verbreitung 
zu verschaffen, Hessen es die vereinstädtischen Deputierten zu Regens- 
burg drucken. 

Bei den nunmehr am Reichstage stattfindenden Beratungen über 
die elsässische Frage entschloss man sich, die Angelegenheit der Lehen 
von Metz, Toul und Verdun mit derselben zu verbinden, da Beides 
bereits zu Münster in einem Schreiben an den König von Frankreich 
zusammen vorgebracht worden war. Auf das Betreiben der Elsässer 



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— 116 — 



gab das stadtische Kollegium diese Verbindung erst zu, als die höheren 
Kollegien versicherten, dass die Landvogteisache dadurch keine 
Stunde verzögert würde. Am 8. März fasste dann der Reichstag den 
Beschluss, die Beschwerden der zehn elsassischen Vereinstädte und 
speziell der Stadt Hagenau durch die für diese Sache bereits früher 
vom Reiche bezeichneten Deputierten dem königlichen französischen 
Plenipotentiar zuzustellen und hierüber, sowie über die vorigen 
Mcmorialien, eine königliche Resolution zu begehren, ausserdem aber 
den König von Frankreich selbst in einem Schreiben von Reichs 
wegen um diese Resolution zu ersuchen und ihm die Erledigung der 
Beschwerden etlicher Rcichsstände wegen ihrer Lehen von den Bis- 
tümern Metz, Toul und Verdun zu empfehlen. 

Bevor dieser Reichsschluss zur Ausführung kam, sahen sich 
sowohl Hagenau als Colmar veranlasst, neue Klagen an das Reich 
und den Kaiser zu richten. In einer am 20. April [st. n.] bei der 
Reichskanzlei eingereichten Schrift schilderten der Magistrat und der 
Rat von Hagenau, wie am 1. April der Unterland vogt im Rat er- 
schien, das Protokoll der am 2. März vorgenommenen Wahl eines 
regierenden Stättmeisters zerriss, den abgesetzten Stättmeister 
nach Entfernung des neuen eigenhändig auf den Präsidentenstuhl 
zurückführte und die Auslieferung des Stadtsiegels und der Archiv- 
und Torschlüssel erzwang. Nicht einmal während der Besetzung der 
Stadt durch den Feind seien sie derart vergewaltigt worden. In Be- 
treff der Colraarer Angelegenheit dagegen meldete ein am 11. April 
exhibiertes vereiustädtisches Memorial, dass nicht allein die Land- 
vogteikamraer zu Hagenau, sondern jetzt auch der königlicho Rat 
zu Ensisheim sich der Gerichtsbarkeit Uber die Städte anmasse und 
gegen die Stadt Colmar, ihre Bürger und Beamten, welche diese 
Gerichtsbarkeit nicht anerkennen wollten, Kontuniazurteile fälle und 
Arreste und Repressalien beschliesse. Er beanspruche nicht nur die 
Kompetenz der höchsten Reichsgerichte, sondern gehe noch weit 
darüber hinaus, da er den Städten entgegen den Reichkonstitutionen 
und ihren Spezialprivilcgien nicht einmal mehr die erste Instanz 
zugestehe. 

Trotz des fortwährenden Drängens der elsässischcn Abgesandten 
verstrichen nach dem Reichsschluss vom 8. März 1665 mehrere Wochen, 



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— 117 — 



> bis die Rcichsdcputntion sich zu Gravel begab. Diese Verzögerung 

wurde, wie es hiess, dadurch hervorgerufen, dass das Kur-Mainzische 
Direktorium Gravel versprochen hatte zu warten, bis er auf das 
Memorial der Städte, das er sich unter der Hand verschafft und an 
seinen Hof geschickt hatte, eine königliche Erklärung erhalten habe. 

Inzwischen beauftragte der Kaiser in einem Reskript vom 
1. April [st. n.] seinen Legaten zu Regensburg, den Kur-Mainzisehen 
Direktor Bertram zur Entwertung des Briefes an den König aufzu- 
fordern und die elsässischen Städte zu standhafter Treue zu ermahnen 
und sie zu versichern, dass er Alles zu ihrer Erhaltung aufbieten 
werde. Als der Legat den vercinstädtischen Deputierten den Bescheid 
des Kaisers mitteilte, antworteten dieselben, dass die Städte von ihrer 
Treue gegen das Reich nie lassen würden, wenn sich Kaiser und 
Reich ihrer annähmen, klagten aber darüber, dass sie während ihres 
zweijährigen Aufenthalts zu Regensburg noch so wenig ausgerichtet 
hätten. Der Kaiser ersuchte ausserdem noch die Kurfürsten in einem 
direkten Schreiben, ihre Abgeordneten dahin zu instruieren, dass die 
Regelung der elsässischen Angelegenheit nicht weiter verschoben und 
die bedrängten Städte aus ihrer Notlage befreit würden. In seiner 
Resolution über das Reichskonklusum erklärte er sich auch mit der 
Absendung eines Schreibens an den König von Frankreich einver- 
standen und sprach den Wunsch aus, von den Ständen zu erfahren, 
„wie sie vermeinen, dass selbiges zu Erhebung des vorgezielten 
Zwecks einzurichten sein möchte." 

Am 26. April verfügte sich endlich die ebenso wie im vorigen 
Jahre zusammengesetzte Reichsdeputation zu Gravel. Sie übergab 
ihm die neuen Besch werdeschriften der elsässischen Städte und be- 
deutete ihm, dass das Reich beschlossen habe, wegen des Landvogtei- 
geschäfts auch an den König von Frankreich zu schreiben. Gravel 
erwiderte, die vereinstädtischen Deputierten hätten weder in ihrem 
ersten Gespräch mit ihm, noch in dem ersten städtischen Memorial 
von der Rückgängigmachung des zu Hagenau geleisteten Eides ge- 
sprochen. Als sie dieses Begehren in ihrem zweiten Gespräche vor- 
gebracht hätten, habe er an seinen König geschrieben und zur 
Antwort erhalten, Seine Majestät werde sich vor der Anerkennung des 
Hagonauer Eides von Seiten der Städte in keinen Vergleich mit ihnen 



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— 118 — 



einlassen. Das frühere Verhältnis der Städte zur Landvogtei sei da- 
durch verändert, dass der König die Landvogtei nicht unter den 
gleichen Bedingungen wie Oesterreich besitze, sondern mit voller 
Souveränität. Das Bestreben der Elsässer gehe einzig dahin, Feind- 
schaft zwischen Frankreich und dem Reiche zu stiften. 

Die Antwort der vereinstädtischen Deputierten auf diesen Be- 
scheid Gravels erfolgte in einem lateinischen Memorial, das am 29. 
Mai der Reichskanzlei zugestellt und an1 3. Juni diktiert wurde. 
Die elsässischen Städte, so erklären ihre Vertreter, hätten nicht aus 
Feindschaft gegen Frankreich den ihnen zugefügten Schaden bei 
Kaiser und Reich angezeigt, sondern weil sie als unmittelbare Reichs- 
stände durch ihr Gewissen und ihren Kid dazu verpflichtet gewesen 
seien. Auch hätten sie niemals Anklage gegen den König erhoben, 
sondern stets nur die Bitte ausgesprochen, derselbe möge seinen 
Ministern alle weiteren Hebelgriffe im Elsass verbieten und den Streit 
durch gütlichen Vergleich dem Friedensvertrag gemäss beilegen lassen. 
Ihr Bestreben gehe also vielmehr dahin, einem Konflikt zwischen 
Frankreich und dem Reiche vorzubeugen. Was den Hagenauer Eid 
betreffe, so hätten die vereiustädtischen Deputierten, als sie den fran- 
zösischen Gesandten am 14. Juli 1663 zum ersten Male besuchten, 
allerdings nicht davon gesprochen, weil dieser Besuch bloss ceremo- 
niellen und nicht geschäftlichen Charakter gehabt habe. Aber schon 
bei der zweiten Zusammenkunft, am 4. August desselben Jahres, 
hätten sie die Angelegenheit vorgebracht, und seitdem immerfort 
wiederholt und auch in mehreren von der Reichsdiktatur veröffent- 
lichten Memorialicn dargelegt, dass der Eid nicht bestehen bleiben 
könne. Bereits in den nächsten Tagen nach der erzwungenen Eid- 
leistung, also schon vor der Eröffnung des Reichstags, hätten die 
Städte dem Kaiser den ganzen Sachverhalt berichtet und dann auch 
bei den Kurfürsten gegen die erlittene Gewalt protestiert. Der Kaiser 
habe im März 1662 deshalb an die Kurfürsten geschrieben, und die 
Sache sei an den Reichstag verwiesen worden. Die Städte (iberlassen 
demnach jetzt dem Reiche die Entscheidung, ob der Ilagenauer Eid 
ohne Schaden für ihre Reichsunmittelbarkeit in Kraft bleiben könne, 
und bitten nochmals, man möge nach so vielen Reichsschlüssen und 
kaiserlichen Reskripten endlich einmal das Schreiben an den König 
von Frankreich abgehen lassen. 



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_ n<j _ 



i . Diese Antwort auf Gravcls Erklärung sowie die letzte Beschwerde- 

schrift über die Ensisheimer Prozesse Hessen die elsassischen Deputierten 
in den nächsten Tagen zusammen zu Regensburg drucken; auch das 
deutsche Memorial, welches sie vor anderthalb Jahren an das Reich 
gerichtet, wurde jetzt durch den Druck veröffentlicht, 

Arn 29. Mai hatten Schneider und Schultz wieder eine Audienz 
bei dem französischen Gesandten und stritten anderthalb Stunden mit 
ihm wegen des Hagenauer Eides, ohne zu einer Übereinstimmung zu 
gelangen. Das letzte Wort Gravcls war, es sei sonnenklar, dass die 
Städte den Eid zu leisten hätten ; die Übrigen Punkte seien allerdings 
etwas zweifelhaft, und es würde sich davon reden lassen! 

Auf das Drängen des Kaisers, der Interessenten und des städti- 
schen Kollegiums konnte der Reichstag jetzt nicht mehr umhin, sich 
wieder mit der elsassischen Angelegenheit zu beschäftigen. Er beschloss 
am 3. Juni, nächstens in allen drei Kollegien darüber zu beraten. 
Durch diesen Bcschluss sowie durch das letzte vereinstädtischo Memorial 
wurde der königliche Plenipotentiar gewaltig alarmiert, wie die Colmarer 
Deputierten nach Hause berichten. Er fuhr bei allen Gesandten in 
der Stadt herum und suchte die Sache mit Worten zu „unterbauen". 

Die Beratungen im Reichstag zogen sich längere Zeit hin, da 
in den drei Kollegien verschiedene Meinungen herrschten. Der Vor- 
schlag einiger „treuen Patrioten" aus dem Städterat, man solle die 
Memorialien der Elsässer genau untersuchen, über den Eid, die vier 
Propositionspunktc und die Gerichtsbarkeit einen Reichsschluss machen 
und nur ratione Uliquidorum Schiedsrichter begehren, wurde 
von den höheren Kollegien zurückgewiesen. Aber auch über den 
Wortlaut des Schreibens an den König hatte man Mühe sich zu 
einigen, indem die Kurfürsten jeder schärferen Fassung widerstrebten. 
Am 9. August 1665 kam endlich das Schreiben im Plenum zu Stande. Es 
ist im Namen des gesamten Reichs in lateinischer Sprache abgefasst 
und hat folgenden Inhalt. 

Die zehn verbündeten Reichsstädte im Elsass haben sich sowohl 
bei dem Kaiser und seinem obersten Kommissar beim Reichstage, 
dem Erzbischofe von Salzburg, als auch bei den Ständen beklagt, 
dass sie entgegen der im Friedensvertrag ihnen vorbehaltenen Reichs- 
uumittelbarkeit von den Beamten der Ilagenauer Landvogtei und 



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- 120 - 



von anderen königlichen Ministem bedrängt, der '(Gerichtsbarkeit des ^ 
Reiches entzogen und zu einem ungewohnten Huldigungseid gezwun- 
gen würden, wie die beiliegenden Mcmorialien zeigen, und dass 
ihnen von den königliehen Zollpäehterri neue oder ungewöhnlich hohe 
Zölle trotz ihrer Privilegien abgefordert würden. Ausserdem htiben 
sieh die Reichsstände, welche Lehen von den an Frankreich abge- 
tretenen Bistümern Metz, Toul und Verdun haben, beschwert, dass 
man e9 unternehme, die königliche Gerichtsbarkeit auch ausserhalb 
des Gebietes der Bistümer über sie auszudehnen. 

Da die versammelten Stände aber wissen, dass dem Könige zu 
sehr an der Aufrechtcrhaltung des Münstorschen Friedens gelegen ist, 
als dass er eine Verletzung desselben erlauben könnte, so bitten sie 
Hin, den Streit über die Rechte des Reichs und der Landvogtei durch 
einen gütlichen Vergleich schlichten zu lassen, zu diesem Zwecke 
Schiedsrichter zu ernennen, was auch von Seiten des Reiches und 
der elsässischen Städte geschehen soll, und seinen Beamten jedes 
rechtswidrige Vorgehen gegen die Städte und die Lehnsträger zu 
verbieten. ■ 

Am Schlüsse wird noch ausdrücklich erwähnt, dass dies Schreiben 
zwischen dem Kaiser, seinem Kommissar und den Reichsständen 
vereinbart worden sei. 

Von dem ersten Beschlüsse des Reichstages, in der elsässischen 
Angelegenheit an den König zu schreiben, bis zur Abfassung des 
Briefes waren also über sechzehn Monate verstrichen. Neue Schwie- 
rigkeiten machte die Ausfertigung des Schriftstücks, insofern die 
Evangelischen beim Titel des Erzbischofs von Salzburg als Lega- 
ten anstatt der Formel sanetae sedis apostolicae nur sedis 
Romana: gebrauchen wollten. Der Streit wurde dadurch gehoben, ^ 
dass der Erzbisehof auf die Erwähnung seines Legatentitels verzichtete. 
Auch auf Seiten Gravels stiess man auf neue Hemmnisse, indem er 
sich weigerte, die Beilagen anders als in lateinischer Sprache anzu- 
nehmen. „Es quälet dieses Geschäft einem das Mark aus den Beinen, — 
schreibt der Colmarer Stättmeister Schneider — und wann man schon 
einen Scopulum überstiegen, so erwachsen alsbald andere." Um 
keine Zeit zu verlieren, cntschloss man sich die deutschen Memorialien 
wegzulassen; und so wurde denn endlich am 24. August das Schreiben 



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— 121 - 

des Reiches an Ludwig XIV. samt den drei letzten lateinischen 
Beschwerdeschriften der Vereinstädte und den zwei der Stadt Hagenau 
dem französischen Gesandten offiziell überreicht. Derselbe versprach, 
seinen Bruder damit an den Hof zu schicken und durch ihn dort 
ausführliche Information erteilen zu lassen. 

In der nächsten Zeit hiess es, Gravel wolle das Landvogtei- 
geschäft ausserhalb von Regensburg verhandeln hissen, was bei den 
Elsassern grosse Bestürzung hervorrief. Der Colmarer Syndikus 
Schultz, der sich damals in eigenen und in Kreisangelegenheiten 
längere Zeit zu Frankfurt aufhielt und dazwischen auch mit seiner 
Frau die Badekur zu Wiesbaden gebrauchte, reiste deshalb zum 
Kurtürsten von Mainz und bat ihn, die Krone von Frankreich von 
diesem Vorhaben abzubringen. Die Verlegung des Schiedsgerichts 
würde den Städten grosse Kosten verursachen, da sie ihre Schieds- 
richter dann unterhalten müssten; vor Allem aber käme man fern 
vom Reichstage zu keinem definitiven Ergebnis, „indem bei 
den Städten caput et cauda negotii autoritas et consensun 
imperii sein müsse". Der Kurfürst glaubte nicht, dass Frankreich 
wirklich einen Ortswechsel beabsichtige, versicherte aber, dass er einem 
etwa dahin zielenden Vorschlag entgegentreten würde. Er zeigte sich 
in vielen Punkten den Städten so günstig gesinnt, dass Schultz aus 
der zweistündigen Audienz den Eindruck mitnahm, es sei an seinem 
aufrichtigen Wohlwollen nicht zu zweifeln. 

Im Elsass gab die französische Verwaltung den Städten immer 
wieder Anlass zu neuen Klagen; so wurde jetzt den Colmarern ein 
Zoll für die durch das königliche Territorium in ihre Stadt geführten 
Trauben dem Herkommen entgegen gefordert. Daniel Schneider, 
dem in Abwesenheit seines Kollegen Schultz die Besorgung der 
vereinstädtischen Geschäfte oblag, teilte die neue Belästigung Colmars 
dem österreichischen Gesandten Hocher mit, und dieser versprach, 
bei seiner bevorstehenden Anwesenheit am Hofe dem Kaiser die 
Angelegenheit vorzutragen und ihm überhaupt die Vereinstädte 
bestens zu empfehlen. 

Gravel, bei dem sich der Colmarer Deputierte am 5. Oktober 
gleichfalls beschwerte , zeigte sich bestürzt und versicherte , der 
Intendant Colbert habe ernstlichen Befehl erhalten, keine Ursache zu 



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- 122 — 

ferneren Klagen zu geben, sondern gute Nachbarschaft mit den € 
Städten zu pflegen. Auf das Vorbringen Schneiders, Colbert habe 
sich Colmar gegenüber defectu potestatht entschuldigt, erwiderte 
er, es müsse wohl wahr sein, dass die Befugnisse dieses Beamten 
sich nicht auf die Zollsachen erstreckten, sonst würde er es nicht 
selbst eingestehen. Die Fermiers geniraux unterstanden aller- 
dings nur der Grand' ferim in Paris, und in dem ganzen Königreich 
habe kein Intendant etwas mit ihnen zu tun. Wie dem auch sei, 
sobald ausführlicher Bericht von Colbert eingelaufen, werde er selbst 
an don königlichen Hof schreiben. Sodann vertraute der französische 
Gesandte seinem Besucher unter dein Siegel der Verschwiegenheit 
an, dass die Antwort des Königs auf das Schreiben des Reichs 
nunmehr eingetroffen sei, und dass Seine Majestät sich darin zu 
einem gütlichen Vergleich erbiete und Schiedsrichter bezeichne. Dies 
seien aus dem Kurfürstenkollegium Mainz und Cöln, aus dem Fürstcn- 
kollegium Bremen und Kassel. 

Dasselbe erfuhr Schneider am 11. Oktober von dem Kur- 
Mainzischen Direktor Bertram. Dieser meinte, man könne das 

* 

Landvogteigcschäft wohl der Entscheidung der bezeichneten Stünde * 
übergeben und zur Vermeidung von Weitläufigkeiten von der Ernennung 
weiterer Schiedsrichter absehen. Der Vertreter Colmars bestand 
aber darauf, dass auch das städtische Kollegium, um dessen Mitglieder 
es sich gerade handle, Schiedsrichter wählen solle. 

Auch Gravel sprach sich einige Tage darauf Schneider gegen- 
über in demselben Sinne wie Bertram aus. Die Vereinstädte, äusserte 
er, hätten sich stets erboten, ihr Anliegen den Reichsständen anheim- 
zugeben; da nun der König deren vier als Schiedsrichter bezeichnet 
habe, so -wollten sie auf gleichem Fusse mit ihm stehen und ebenso 
viele ernennen. Hierdurch würde aber die Angelegenheit wieder ins 
Stocken geraten. Der Colmarer Stättmeister erwiderte, nicht nur die 
Städte, sondern das Reich selbst würde an der einseitigen Wahl von 
Schiedsrichtern durch Frankreich Anstoss nehmen. 

In einer am 23. Oktober 1665 abgehaltenen Konferenz machte 
der königliche Plenipotentiar den Deputierten Schneider und Heinrichs 
in Gegenwart des Herrn Bertram Vorwürfe, dass die elsässischen Städte 
abermals durch eine Deputation bei Kur-Mainz Klage geführt, und 



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- 123 - 



da-ss Hagenau dem Reiche neue Beschwerdeschriften Überleben habe. 
Wenn man täglich neue Memorialien einreiche, so könne er sich 
in keine Verhandlungen mehr einlassen. Schneider erklärte, dass er 
von einer Deputation an den Kurfürsten nichts wisse. Herrn Schultz, der 
sich in Privatangelegenheiten zu Frankfurt aufhalte, habe er allerdings 
aufgefordert, dem Erzkanzler aufzuwarten, um dessen Ansicht zu ver- 
nehmen, nicht aber um Klagen vorzubringen. Was die Stadt Hagenau 
betreffe, so hätten die vereinstädtischen Abgesandten keine Kommission 
von ihr. 

Durch solche Finten, meinte der Colmarer Abgesandte in einem 
Brief o an seine Auftraggeber, bezwecke Gravel lediglich, die Über- 
gabe des königlichen Schreibens möglichst lange zu verschieben. Den 
schwedischen Gesandten Snoilsky, der ihn deshalb zur Rede stellte, 
versicherte der französische Diplomat, dass der einzige Grund, warum 
die Antwort seines Königs noch nicht publiziert werde, der Wunsch 
der Schiedsrichter selbst sei, zuvor die Ankunft der an sie gerichteten 
Partikular-Schreiben vom Hofe zu erwarten. Weshalb diese noch nicht 
eingetroffen, wisse er nicht. Dass die Beschwerden im Elsass sich häufen, 
* geschehe gegen seinen Willen ; er habe wiederholt deshalb an Colbert 

geschrieben, aber bis jetzt noch keine genügende Antwort erhalten. 
Er vermute, dass die Zollpächter auf eigene Faust gehandelt haben. 

Als Gravel am 7. November auf einer Hochzeit mit Schneider 
zusammen war, verwies er ihn auf diese Erklärungen an Snoilsky 
und trank ihm zu mit den Worten: „Monsieur, ne perdez pointla patie-nce, 
le retardement xera ricompeme par une bonne resolution." Einige Tage 
darauf teilte er ihm in einer Audienz mit, dass er seinen Bruder express 
nach Paris geschickt habe, um, falls Colbert propria autoritate nicht zu 
remedieren vermöge, die Sache dem Könige selbst von Mund zu Mund 
vorzutragen. Es solle den Fermiers, wenn sie ohne königlichen Befehl 
gehandelt, nichts geschenkt werden. Um seinen guten Willen zu zeigen, 
holte Gravel den Brief des Königs hervor und licss ihn Schneider 
durchlesen. 

Am 28. November konnte endlich nach Colmar berichtet werden, 
dass die Antwort Ludwigs XIV. auf das Schreiben des Reichs nunmehr 
der Reichskanzlei (ibergeben worden sei. In diesem vom 18. September 
[st. n.J datierten Schriftstück spricht der König zunächst seine Ver- 



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- 124 - 



wunderung aus über die vom Reiche ihm mitgeteilten Klagen, welche 
die zehn Städte im Elsass und die Lehnsträger der Bistümer Metz, 
Toul und Verdun gegen seine Minister erhoben haben. Bei genauerer 
Untersuchung derselben und reiflicher Prüfung der bis jetzt von Gravel 
auf seinen Befehl erteilten Antworten hatten die Stünde ohne Zweifel 
eingesehen, dass diese Klagen entweder nicht wohl begründet sind oder 
sich auf Verhältnisse beziehen, die eine zwiefache Auslegung zulassen. 
Um indessen sein so oft bezeugtes Verlangen nach Aufrechterhaltung 
des Münsterschen Friedens nochmals zu bekunden, gebe er zu, dass 
durch unparteiische Leute die vorgebrachten Beschwerden untersucht 
und die Streitigkeiten dem Friedensvertrage gemäss geschlichtet würden. 
Hierzu habe er die guten Dienste der Kurfürsten von Mainz und von 
Köln, der Krone Schweden als Reichsstandes und des Hauses Hessen 
erbeten. Auch werde er seinen Beamten befehlen, keine Veranlassung 
zu ferneren Klagen zu geben. Im Übrigen verweise er die Stände in 
dieser Sache an seinen Bevollmächtigten Gravel. 

Die Reichsstände und besonders der Fürstenrat nahmen daran 
Anstoss, dass das königliche Antwortschreiben in französischer und 
nicht, wie es der bisherige Brauch erforderte, in lateinischer Sprache 
abgefasst war. Die Elsässer befürchteten, es möchten Ungelcgenheiten 
hieraus entstehen, indem künftighin das Reich auch bei der deutschen 
Sprache würde bleiben wollen. 

Es handelte sich jetzt darum, auch von Seiten des Reichs Schieds- 
richter zu bestimmen. Gravel gab seinen früher hiergegen erhobenen 
Einspruch in einer Unterredung mit Schneider ausdrücklich auf. Die 
Ernennung sollte zwar durch das Reich erfolgen, doch wurden die 
beteiligten Städte aufgefordert, einen Vorschlag zu machen. Auf den 
Rat des immer noch zu Frankfurt weilenden Syndikus Schultz nahm 
man Kur-Mainz, Kur-Sachsen, (isterreich und die Stadt Regensburg 
in Aussicht. Wenn die Städte den Kurfürsten von Mainz, der schon 
von Frankreich zum Schiedsrichter erwählt war, auch ihrerseits dazu 
bezeichneten, so geschah es, damit er als Reichskanzler und Direktor 
den Vortritt behielte und keine Streitigkeiten hierüber entstünden. Der 
Kurfürst war anfangs gewillt, der Aufforderung der Elsasser zu ent- 
sprechen, doch am 13. Januar 1666 Hess er Schultz wissen, dass er 
dies aus wichtigen Gründen nicht tun könne. Die drei anderen Stände 



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dagegen sagten ihre Mitwirkung zu. Anstatt Kur-Mainz suchten nun 
die Städte den Erzbischof von Salzburg zu gewinnen, doch dieser 
entschuldigte sieh, indem er darauf hinwies, dass er als kaiser- 
licher Kommissar ihnen besser dienen könnte, wenn er freie Hand be- 
hielte. Schliesslich trat der Bischof von Konstanz in die Lücke ein. 
Er wurde hauptsächlich von den Lchnsträgern der drei Bistümer, 
welche bei der Wahl des Schiedsgerichts mit den elsässischcn Städten 
gemeinsame Sache machten, als ausschreibender Fürst des schwä- 
bischen Kreises dazu gewünscht. 

Die vereinstädtischen Deputierten gaben am 26. Januar 1666 ein 
Memorial beim Reichstag ein, worin sie die vom französischen König 
zu Schiedsrichtern ernannten Stände unter dem Vorbehalt der Zu- 
stimmung durch das Reich als solche anerkannten und diesem auch 
die Wahl der anderen Schiedsrichter anheimstellten, sich aber erboten, 
bei einigen Ständen deshalb anzufragen. Am 7. März wurde darauf 
in allen drei Kollegien beschlossen, dass die Schiedsrichter von den 
Vereinstädten vorgeschlagen und vom Reiche ermächtigt werden 
sollten. Auf den Antrag der Städte bezeichnete dann der Reichstag 
am 9. März Kur-Sachsen, das Haus Österreich, den Bischof von Kon- 
stanz und die Stadt Regensburg; zugleich beschloss er, die Namen 
Herrn Gravel durch das Reichsdirektorium mitzuteilen und ihn zu 
fragen, ob er die unmittelbare Reichsritterschaft im Elsass, welche 
einige Beschwerden beim Reiche vorgebracht habe, auch zum Schieds- 
gericht zulassen wolle. Das Reichsgutachten hierüber wurde, nach- 
dem sein Wortlaut noch mehrfache Veränderungen erfahren, am 7. 
April dem Erzbischof von Salzburg zur Erwirkung einer kaiserlichen 
Resolution eingehändigt. Letztere kam auch bald in Regensburg an 
und enthielt die Ratifikation des Reichsgutachtens. Beides konnte nun- 
mehr dem französischen Gesandten überreicht werden. Dieser be- 
mängelte jedoch die Fassung der Schriftstücke und begehrte, dass 
dieselben nochmals in die Reichskollegien gebracht und abgeändert 
würden* Schliesslich einigte man sich dahin, dass die Wahl der vier 
Schiedsrichter Gravel nur mündlich notifiziert werden sollte, was auch 
am 22. Mai durch das Reichsdirektorium geschah. 

* Die Korrespondenz der Deputierten mit Colmar hat hier einige Lücken. — 
S. Bardot a. a. O. IM. 



- 126 - 



Es verstrichen nun mehrere Wochen, ohne dass eine Antwort 
von Seiten Frankreichs erfolgte. Der Grund davon war, dass Ludwig * 
XIV. sich weigerte, das Haus Oesterreich als Schiedsrichter anzu- 
erkennen. Gravel eröffnete den Deputierten Schultz und Heinrichs 
arn 2. August, dass er schon vor längerer Zeit die Resolution des 
Königs erhalten habe, und dass derselbe sich mit der Wahl der 
Schiedsrichter bis auf Oesterreich einverstanden erkläre. Der Kaiser 
sei in dem Streite selbst Partei und könne deshalb nicht als Haupt 
des Hauses Oesterreich zugleich Richter sein. Der Erzbischof von 
Salzburg habe dies auch eingesehen, als er sich wegen seiner Eigen- 
schaft als kaiserlicher Kommissar weigerte, das Schiedsrichteramt 
zu übernehmen. Der Beschluss des Königs sei bereits dem Kur- 
Mainzischen Direktorium mitgeteilt worden, doch sei er noch nicht 
veröffentlicht, weil man die Sache in Ordnung zu bringen suche, 
ohne den Kaiser zu beleidigen. 

Da eine direkte Rekusation Oesterreichs vermieden werden sollte, 
so fand Gravel keinen andern Ausweg, als in der bald darauf abge- 
gebenen offiziellen Antwort darauf zu bestehen, dass das Schiedsgericht 
nur aus den vier von Frankreich bezeichneten Reichsständen gebildet « 
werden solle. 

Die hierdurch geschaffene Lage wurde am 10. August zwischen 
den elsassischen Deputierten und dem österreichischen Gesandten 
Hocher ausführlich besprochen. Letzterer meinte, „er müsse be- 
kennen, dass es ein Geschäft sei, dazu einer fast sonderbare Erleuchtung 
vom heiligen Geist gebrauche, wann er nicht anstossen wolle." Be- 
stünden der Kaiser und das Reich auf ihrer Wahl, wofür sie genug 
Gründe hätten, so möchte Frankreich dies vielleicht gern sehen, 
weil aus dem Schiedsgericht nichts würde; gäben sie aber nach, so 
wäre es wider ihre Ehre uud Reputation. Er wisse recht wohl, dass 
es den Franzosen nur um die Ausschliessung des Hauses Oesterreich 
zu tun sei, und dass man dasselbe nur zur Vermeidung eines allzu 
grossen Anstosses nicht direkt zurückgewiesen habe. Es sei ihm 
zwar noch keine Instruktion vom Hofe zugegangen, doch glaube er, 
der Kaiser „werde sich bei der Sache verhalten wie ein Vater 
und lieber etwas an seiner Reputation leiden und wegen seines 
Hauses vom Arbitrio wieder abstehen als sehen wollen, dass aus dem 



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- 127 - 



Geschäft bei diesem Reichstag nichts werde, und die Städte unter 
der Bedrängnis stecken bleiben." 

Da der freiwillige Rücktritt Oesterreichs indessen lange auf 
sich warten liess, so wurden inzwischen mancherlei Verhandlungen 
zwischen den beteiligten Parteien gepflogen. Üie Reichsstädte des 
oberen Elsasses hielten deshalb eine Tagung zu Colmar ab und 
erklärten in der dort vereinbarten Instruktion für ihre Deputierten zu 
Regensburg, dass sie es bei den vier von Frankreich ernannten 
Schiedsrichtern in Gottes Namen wollten bewenden lassen. Ein 
anderer, von Pfalz- Veldenz als Lehensinteressenten gemachter Vor- 
schlag ging dahin, dass Frankreich sowohl als das Reich je zwei 
ihrer Schiedsrichter ausschalten sollten. 

Um die bald ins Stocken geratene Angelegenheit wieder in 
Fluss zu bringen , richteten die vereinstädtischen Abgesandten im 
Namen ihrer Auftraggeber am 20. Oktober 1666 eine lateinische Denk- 
schrift an das Reich. Sie drückten darin ihr Befremden aus, dass der 
französische König, entgegen dem römischen Recht und dem bei allen 
gesitteten Völkern geübten Gebrauche die beiderseitige Wahl des 
Schiedsgerichts nicht zugeben wolle, und stellten die Entscheidung 
hierüber den Ständen anheim, indem sie noch einmal darauf hinwiesen, 
dass ihre bedrängte Lage eine baldige Abhilfe erheische. 

Wenn Philipp Schultz, der Verfasser des Memorials, welcher 
seit der im Juni 1666 erfolgten Abreise Schneiders die Verhandlungen 
zu Regensburg selbständig führte und bei der Colmarer Ratsänderung 
im August dieses Jahres zum Stättmeister go wählt worden war, es 
jetzt nicht mehr für zweckmässig hielt, der früher empfangenen 
Instruktion gemäss sich dem Begehren Frankreichs zu fügen, so ver- 
liess er sich auf eine ihm neuerdings gegebene bestimmte Versicherung 
Kochers, dass das Haus Oesterreich freiwillig zurücktreten werde, 
um einem anderen Reichsstande Platz zu machen. Ueber die Einzel- 
heiten dieser Unterhandlungen wurde eigentlich nur Colmar auf dem 
Laufenden erhalten, und Schultz mahnte sogar seinen Kollegen Heinrichs 
wiederholt zur Vorsicht in den Berichten an die Schlettstadter. „Ich 
sehe aus derselben Leute Schreiben wohl, dass sie die Sache nicht 
begreifen, vacilliren in ihren Schreiben und werden über die geringste 
vorfallende Verhinderung kleinmütig." 



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— 128 - 

Wahrend sich immer neue Schwierigkeiten der Bildung des 
Schiedsgerichts entgegenstellten, mehrton sich im Elsass die Konflikte 
zwischen den Städten und den französischen Behörden. Namentlich 
Colmar beschwerte sich über fortwährende Belästigungen durch den 
Intendanten Colbert. In Weisseiiburg setzte der Unterland vogt unbe- 
fugterweise einen Stadtvogt ein, worauf der Rat letzterem die Aus- 
übung seines Amtes verbot. Diese Vorgänge veranlassten die 
vereinstädtischen Deputierten wiederholt, sich an den königlichen 
Plenipotentiar zu wenden, um seine Vermittlung anzurufen. Von einer 
am 2. Januar 1667 bei Gravel gehabten Audienz berichtet Schultz: 
„Im Uebrigen haben wir einander mit lustigem Gespräch aufgehalten, 
so viel als jemalen. Unter anderem ist auch vorkommen, dass die 
Landvogtei hiebevor durch 50 000 f. an das Haus Oesterreich kommen. 
Ich habe darauf im Namen der Stadt Colmar, doch auf Ratifikation 
und allein im Scherz offeriert, wann der König die Landvogtci-Jura 
nur allein auf Colmar quittieren wolle, dass man würde auf Mittel be- 
dacht sein, f)0000 f. dafür zu geben. Er aber hat hingegen 500000 f. 
gefordert, und so sind wir des Kaufs nicht eins worden." 

Nachdem in den ersten Tagen des Jahres 1G67 der Rücktritt 
des Kaisers vom Schiedsgericht kundgegeben worden war, kam am 16. 
Januar ein Reichsgutachten in der elsässischen Angelegenheit zu Stande. 
Es heisst darin, das Reich habe bei Erwägung des letzten Vorschlags 
des französischen Königs befunden, „dass ihm von der allbereits ge- 
schehenen Nomination wieder abzustehen disreputierlich und vcrkloiner- 
lich sein würde", und deshalb beschlossen, dabei zu beharren. Da nun 
aber das Haus Oesterreich „solchen Arbitrii aus gewissen seithoro 
vorgefallenen Ursachen gern entübrigt soin möchte", doch unter der 
Bedingung, dass auf den Vorschlag der Interessenten ein anderer 
Rcichsfürst surrogiert und die kaiserliche Resolution darüber eingeholt 
würde, so habe das Reich den Bischof von Eichstädt zum Schieds- 
richter bezeichnet. 

Ueber die Person des neu zu wählenden Schiedsrichters, der 
ein Katholik und ein Mitglied des Fürstenrats sein musste, hatten 
sich die Interessenten schon seit mehreren Wochen geeinigt. Der 
Bischoß von Eichstädt trug zuerst Bedenken, das Schiedsrichteramt 
zu übernehmen, gab aber schliesslich den an ihn gerichteten Bitten nach. 



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— 120 — 



>. Dic kaiserliche Bestätigung des Reichsgutachtens wurde am 12. 

Miliz den Ständen mitgeteilt, worauf der definitive Reichsschluss am 
17. Marz dem französischen Gesandten vom Reichsdirektorium zuge- 
stellt werden konnte. Gravel versprach, dic Zustimmung seines 
Königs baldigst zu erwirken. 



Während das Landvogteigesehaft sich endlos hinschleppte, er- 
regte damals ein innerhalb des Colmarer Magistrats ausgebrochener 
Konflikt grosses Aufsehen nicht nur im Elsass, sondern auch zu Regens- 
burg und selbst am kaiserlichen flofe. Der Colmarer Deputierte Daniel 
Schneider, der neben seiner Gesandtschaft am Reichstage und seiner 
Stättmeisterwörde noch die einträglichen Aemter eines St. Peters- 
pflegers und eines französischen Syndikus inne hatte, war im Juni 
1666 gegen den Willen seiner Auftraggeber nach Hause zurückge- 
kehrt. Es wurde ihm deshalb am 11. Dezember durch Ratsbeschluss 
die St. Peterspflege genommen und von seiner Syndikats-Bestallung 
50 Kronen abgezogen. Da er sich aber weigerte, diesem und anderen 
Ratsbeschlüssen zu gehorchen und direkt an den Kaiser appellierte, 
ausserdem aber seine Kollegen in den Ratssitzungen beschimpfte und 
verschiedene andere Exzesse beging, so sprach ihm der Schöffenrat am 
4. Februar 1667 seine sämtlichen obrigkeitlichen Aemter und Ehren- 
stellen ab. Die Exekution erfolgte noch an demselben Tage, indem 
der Widerspenstige mit Waffengewalt aus seiner Wohnung zu St. Peter 
ausgetrieben, und ihm alle amtlichen Akten weggenommen wurden. 
Obgleich die Stadt Strassburg ihre Vermittlung anbot, und der Kaiser 
selbst zur Versöhnung riet, kam es zu einem Prozess am Reichshof- 
rat, der sich mehrere Jahre hinzog. 

An Stelle Schneiders wurde der städtische Archivverwalter Anton 
Schott, Licentiat der Rechte zum Spezialdeputierten der Stadt Colmar auf 
dem Reichstag ernannt. Er erhielt zugleich den Auftrag, in Wien dahin zu 
wirken, dass die Schneidcrschc Sache nach Colmar zurückverwiesen 
würde. Dem Philipp Schultz, der für seinen abgesetzten Kollegen Partei er- 
griffen hatte, sollte er diese Haltung im Namen des Magistrats vorwerfen. 

Schott kam am 24. Mai 1667 in Regensburg an und machte in den 
nächsten Tagen Besuche bei den vornehmsten Diplomaten. Alle 
sprachen von Schneider und wunderten sich, dass dieser Mann, der 
stets bescheiden aufgetreten war, „sich dergcstalten übernommen 

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— 130 — 



habe." Schultz hioss seinen neuen Kollegen willkommen und er- 
klärte ihm, er billige Sehneiders Exzesse zw ar keineswegs, doch könne 
er nicht finden, dass dessen Vergehen gross genug sei, um die Ent- 
ziehung sämtlicher Ehrenstellen zu rechtfertigen. Gravel Hess sich 
mit Schott gleich bei seinem Antrittsbesuche in eine Erörterung über den 
Huldigungseid der Städte ein; er betonte namentlich, dass das Domi- 
nium supremum seinem Könige von dem Kaiser und dem Reich abge- 
treten worden sei, und dass keine Souveränität ohne die entsprechende 
Fidelität der Untergebenen bestehen könne. Schliesslich meinte er in 
Bezug auf das Haus Oesterreich: „Nous acons eu un fort hon pre- 
decesseur, qui n'a rien omtJi pour son atantage; u und fügte hinzu: „Je 
sah bien que vous avez den chicaneurx entre vom autres, mah ne chica- 
nez pas, si vous roulez stortir de l'affaire." 

Da sich seine Legitimation beim Rcichsdirektorium wegen der 
Abwesenheit des Kur-Mainzischen Prinzipalgesandten verzögerte, fuhr 
Schott am 4. Juni zu Schiff nach Wien. Hier verfocht er an den 
massgebenden Stellen das Interesse seiner Vorgesetzten gegen die 
Umtriebe Schneiders in einer Reihe von Denkschriften und in münd- 
liehen Darlegungen. Er wurde zweimal vom Kaiser Leopold empfangen 
und trug demselben nicht nur diese Streitsaohe, sondern auch das Land- 
vogteigeschäft ausführlich vor. Der Kaiser zeigte sich sehr gnädig, Hess 
die Stadt Colmar seiner Gewogenheit versichern und versprach, beim 
bevorstehenden Schiedsgericht alles aufzubieten, um die Rcichsunmittel- 
barkeit der Städte zu erhalten. Was die Schncidersche Angelegenheit 
betreffe, so wünsche er, dass sie zur Zufriedenheit des Magistrats be- 
endigt werde, wenn er auch der Justiz nicht vorgreifen könne. Als 
besondere Auszeichnung Hess er Schott eine goldene Kette samt 
einem Gnadenpfennig mit seinem Bildnis überreichen. 

Der leidige Konflikt innerhalb des Colmarer Magistrats war da- 
mals besonders gefährlich, wie Schultz wiederholt von Regensburg aus 
berichtete. Es sei zu bedauern, dass jetzt, wo Frankreich beim Schieds- 
gericht grosse Schwierigkeiten machen werde, und die Städte alle 
ihre tüchtigen Leute nötig hätten, „die Stadl Colmar ein Bellum in- 
testinum führe, und zween aus ihrer Mitte in conspectu Ihrer kaiserlichen 
Majestät gegen einander stehen und gleichsam wie zween Hausdülmen 
auf einem Mist sich herumbeissen. Auf Seiten Frankreichs gebraucht 

. 



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— 131 - 



man sich dessen allbereit meisterlich, wie dann den Herren Arbitri* 
in die Ohren gelegt wird, dass einige Städte ihre Bürger tyranni- 
sieren, und daher der König der Jurisdiktion zu ihrem Schutz sich 
annehmen müsse; allegieren das Exempel Herrn Schneiders als 
Stättmeisters und repräsentieren, dass es eines geringen und armen 
Bürgers Gelegenheit und Vermögen nicht seiu würde, wann er Un- 
recht leiden sollte, das Recht und seine Rettung von Wien oder durch 
langwierigen Prozess von Speier zu holen. 



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III. 

Eröffnung" des Schiedsgerichts. — Weigerung Frankreichs, die Aufhebung* 
des den Städten auferlegten Eides der Treue zuzulassen. — Vorschlag einer 
neuen Eidformel durch das Schiedsgericht. (1667-1669) 

Die Antwort Frankreichs auf den Reiehsschluss wegen des 
Schiedsgerichts wurde erst am 2.'5. Mai 1667 dem Reichsdirektorium zu 
Regensburg verkündet und lautete auf Annahme der vorgeschlagenen 
Stände, insbesondere des Bischofs von Eichstädt an Stelle Österreichs. 
Die von den acht Ständen zum Schiedsgericht delegierten Räte hielten 
zunächst einige vorbereitende Sitzungen ab und bestimmten am 16. Juli, 
dass die ZusammenKünfte auf dem Rathause stattfinden sollten, und dass 
das Verfahren schriftlich sein solle, indem sich die Schiedsrichter der 
deutschen, die Parteien hingegen der lateinischen Sprache zu bedienen 
hätten. Als dann Gravel das Rathaus als Tagungsort verwarf, wurde 
das Kur-Mainzische Quartier dafür ausersehen. 

Die feierliche Eröffnung des Schiedsgerichts erfolgte am 13. 
September 1667 im Dominikanerkloster zu Regensburg, woselbst der 
Dompropst Franz Konrad von Stadion, Kur- Mainzischer Prinzipal- 
Abgesandter und Reichsdirektor, seine Wohnung hatte. An einem 
Tische inmitten des Zimmers sassen die subdelegierten Schiedsrichter, 
rechts davon Gravel und der landvögtische Rat Dr. Vering, links die 
Vertreter der bischöflichen Lehnsträger und daneben die Depu- 
tierten Schultz, Schott und Heinrichs wegen der Vereinstädte im Elsass 
und der Stadt Colmar im besondern. Der Kur-Mainzische Gesandte 
Hettinger, welcher den Vorsitz führte, frug die Parteien, ob sie bereit 
seien, „zu den Traktaten zu schreiten"? 

Gravel antwortete in lateinischer Sprache, der König habe ihn 
beauftragt, folgende zwei Vorschläge zu machen, über welche er vor 
allem Andern eine Entscheidung begehre: 1) Die Verhandlungen 
möchten so geführt werden, dass über keine Angelegenheit an das 
Reich berichtet würde, bevor man darüber einig geworden sei. Wollte 
man nämlich wegen jeder auftauchenden Schwierigkeit an das Reich 
berichten, so entstünde die grösste Weitläuh'gkeit. 2) Der König 



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wünsche, dass der von den .Städten ihm geleistete Eid der Treue 
nicht wieder in Frage gezogen werde. Er lasse aber erklären, dass 
er diesen Eid nicht auf die Reichsunmittelbarkeit, welche den Städten 
im Münster'schen Frieden vorbehalten wurde, sondern nur auf die 
Landvogtei beziehe. Die Oberherrlichkeit über die Landvogtei sei 
ihm zugleich mit derjenigen über die Landgrafschaft abgetreten 
worden. Wenn er die eine anzweifeln Hesse, so wäre auch die andere 
gefährdet. 

Philipp Schultz erwiderte darauf im Namen der Städte: Von 
den Postulaten Gravels betreffe das erste die Form der Verhandlungen, 
das andere aber die Substanz des Geschäfts. Er stelle die Entschei- 
dung dem Schiedsgerichte anheim, das ja gerade zur Schlichtung von 
Meinungsverschiedenheiten eingesetzt worden sei. Er danke aber für 
die Erklärung, dass der den Städten abgenötigte Eid, der die wichtigste 
von allen Streitfragen bilde, ihrer Reichsunmittelbarkeit keinen Ein- 
trag tun soll. Der Streit sei zwar genugsam aus den Verhandlungen 
des Reichstags bekannt, damit aber die Angelegenheit in rechter 
Ordnung vorgenommen werde, übergebe er dem Schiedsgericht hier- 
► mit im Namen der Vereinstädte eine Schrift über die Landvogtei mit 

einer Anzahl gedruckter Urkunden. 

Diese von Schultz selbst verfasstc Schrift zerfällt in zwei Teile : 
der erste enthält ein Verzeichnis der Rechte, durch welche dio Land- 
vögte und die Städte von Alters her mit einander verbunden gewesen 
seien, im zweiten werden die von Frankreich neuerdings dem Her- 
koramen zuwider beanspruchten Rechte aufgezählt. Als zur ersteren 
Gruppe gehörig werden genannt: 

1) Das besondere Recht der Landvogtei oder der Protektion. 
2) Die Ernennung des Oberlandvogts und 3) des Unterlaudvogts. 
4) Die jährliche Entrichtung eines Schutzgeldes durch die Städte, 
wovon jedoch Weissenburg, Landau und Türkheim befreit sind. 5) 
Der Bezug der Hälfte des Umgeldes von Colmar durch den Landvogt. 
6) Die Ausstellung von Reversen durch den Ober- und den Unter- 
landvogt, vermittelst welcher dieselben eidlich versprechen, die Frei- 
heit und die Privilegien der Städte zu beschützen. 7) Der Eid des 
beschränkten Gehorsams, den die Städte dem Ober- und dem Unter- 
landvogt leisten. An Stelle dieser Eide gibt Weissenburg ein blosses 



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Versprechen ab; Landau ist von dem Eide für den Unterlandvogt 
befreit. 8) Das auf besonderem Privileg beruhende Recht der Städte, 
die zwischen dem Landvogte und einer von ihnen ausgebrochenen 
Streitigkeiten durch gemeinsamen Schiedsspruch der übrigen zu 
schlichten. 9) Die an den Unterlandvogt zu richtende Anzeige von 
der jährlichen Ratserneuerung. Erscheint derselbe nicht, so wird die 
Ratswahl doch an dem bestimmten Tage vorgenommen; ist er aber 
zugegen, so hat er weder Stimme noch Einsprache. Von dieser An- 
zeige sind Weissenburg und Landau befreit; Oberehnheim beruft den 
Unterlandvogt nur auf den Tag, an dem die gesamte Bürgerschaft 
dem Reiche Treue schwört. 

Ausser diesen alten Rechten werden jetzt von Frankreich noch 
folgende Forderungen gestellt: 

1) Ein dem König unmittelbar zu leistender Eid der Treue. 
2) Eine wesentliche Änderung der Reverse durch Einsclüebung der 
höchst nachteiligen Klausel en tant. 3) Das Recht, über die kirch- 
lichen Angelegenheiten zu entscheiden. 4) Die Verfügung über das 
Kriegswesen, namentlich das Recht zu befestigen und Besatzung einzu- 
legen. 5) Die zum Teil für das Metzer Parlament, zum Teil für den 
Ensisheimer Provinzial Rat und zum Teil für die Hagenauer Landvogtei- 
Kanimcr beanspruchte Konkurrenz in der Gerichtsbarkeit mit den 
höchsten Reichsgerichten. 6) Freier Durchzug und Quartier für die 
königlichen Truppen. 7) Die Gegenwart des Oberlandvogts bei der 
jährlichen Ratswahl. 8) Die Ernennung des Stadtvogtes von Weissen- 
burg und 9) des Reichsvogtes zu Kaysersberg, Münster und Türkheim. 
10) Die Steigerung der Zölle und die Erhebung derselben von Holz 
und Gegenständen, welche zum Acker- und Rebbau dienen, von Trauben, 
Mist etc. 

Am Schlüsse der Schrift bemerken noch die neun unterzeichneten 
Städte, dass sie die aufgezählten Punkte allein auf sich bezogen haben 
wollen, da ihnen die Verhältnisse zu Hagenau nicht bekannt seien. 

Die nächste Sitzung des Schiedsgerichts fand ohne Berufung der 
Parteien am 1. November statt. In Betreff' des ersten französischen 
Postulats wurde beschlossen, Gravcl anzuzeigen, dass die Schiedsrichter 
nur im äussersten Notfalle an das Reich berichten wollten, aber wegen 
etwaiger „Emergentien u nicht im Allgemeinen darauf verzichten könnten. 



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— 135 - 



Das zweite Postulat lasse man einstweilen dahin gestellt. Da die Städte 
den Eid wirklich geschworen, also Ren nicht mehr Integra sei, so be- 
gehre das Schiedsgericht von ihnen eine Antwort auf Gravels Dekla- 
ration, dass der Eid ihrer Reichsunmittelbarkcit nicht schaden soll. 

In dem am 13. November den Schiedsrichtern übergebenen Me- 
morial bestanden die vereinstädtischen Deputierten zwar auf der Auf- 
hebung des Eides, da sie aber wussten, dass sie mit dieser Forderung 
nicht durchdringen würden, wie sie wiederholt nach Colmar schrieben, 
so legten sie zugleich die Rationen Umitandi juramenti dar. Der fran- 
zösische Plenipotentiar hat öffentlich erklärt, - so führt das Memo- 
rial aus — dass der von den Städten dem König geleistete Eid ihrer 
Reichsunmittelbarkcit keinen Eintrag tun soll. Dasselbe haben die mit 
der Abnahme des Eides im Jahre 1662 beauftragten Kommissare ver- 
sprochen, indem sie hinzufügten, dass dieser Eid nicht zu wiederholen 
sei, da der König von Frankreich und die Städte niemals stürben. 
Hieraus ergibt sich deutlich, dass nur ein Juramentum dientelare vor- 
liegt, nicht alier ein Juramentum mbjectionis et fidelitatis, wie ihn die 
Städte allein dem Kaiser und dem Reiche schulden und jährlich leisten. 
Trotzdem haben die königlichen Beamten in ihrem Auftreten im El- 
sass der von Frankreich gegebenen Versicherung bisher wenig ent- 
sprochen. In der Voraussicht der nachteiligen Folgen haben die Städte 
auch stets gegen den abgenötigten Eid, der den Bestimmungen des west- 
fälischen Friedensvertrags widerstreitet, energisch protestiert. Auf 
Grund der Landvogtei nämlich, deren alte Rechte dem Könige über- 
tragen wurden, haben die Städte immer nur zwei Eide geschworen, 
den einen dem Oberlandvogt und den andern dem Unterlandvogt; 
einen dritten aus diesem Verhältnis abgeleiteten Eid hat weder das 
Reich, noch der Kaiser, noch Oesterreich je beansprucht. Da die ver- 
einstädtischen Deputierten von ihren Prinzipalen die Anweisung er- 
halten haben, mit allem Nachdruck die Aufhebung des erzwungenen 
Eides zu fordern, so wollen sie sich hiermit ihres Auftrags entledigt 
haben. 

Ueber die Natur des geleisteten Eides waren übrigens die beiden 
Colmarer Deputierten Philipp Schultz und Anton Schott verschiedener 
Meinung. Ersterer hielt denselben pro juramento fidel itath quanwis non 
formall, letzterer wollte ihn nicht als solchen gelten lassen, weder 



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- 130 - 

subjectiv, noch objcctiv. Subjectiv sei er es nicht, da die Städte einen 
Eid der Treue weder ablegen wollten, noch konnten; objectiv sei er 
es nicht, du sie nur schwuren, dem Könige cum frdelitate dasjenige zu 
leisten, wozu sie auf Grund des Friedensvertrags verpflichtet seien, 
die Fidelita» also einen blossen Modus bezeichnete, Objekt des Eides 
aber die Erfüllung ihrer Verpflichtungen war. 

Die Schiedsrichter kamen in den nächsten Wochen öfters zu- 
sammen, ohne so bald über die Antwort auf Gravels Deklaration einig 
zu werden. Die Mehrzahl hielt es für zweckmassig, den Eid zunächst 
unerörtert zu lassen und die übrigen Gravamina tamquatu eflectus illius 
juramenti zu untersuchen: Ein definitiver Heschluss wurde erst am 
21). Januar 1008 gefasst und dann am 19. Februar den Parteien in 
feierlicher Sitzung verkündigt, Mit dem ersten Vorschlage Frankreichs, 
dass vor erzielter Uebcreinstimmung nicht an das Reich zu berichten 
sei, erklärte sich das Schiedsgericht, im Gegensatz zu seiner früheren 
Ansicht, jetzt einverstanden. In Betreff des zweiten Punktes wurde 
folgender Spruch gefällt. Da die Städte nur geschworen haben, ihren 
auf dem Friedensvertrage beruhenden Verpflichtungen nachzukommen, 
die meisten Streitigkeiten mit den königlichen Beamten aber über die 
Frage entstanden sind, welches diese Verpflichtungen seien, so lässt 
man es bei der königlichen Deklaration über die Fortdauer der städ- 
tischen Reichsunmittelbarkeit bewenden und erachtet es für unnötig, 
sich weiter mit diesem Punkte aufzuhalten, um so mehr, als den 
Städten deshalb wohl kein Schaden droht, und die königlichen Minister 
den produzierten Akten nach versprochen haben, dass der Eid nicht 
wiederholt werden solle. Das Schiedsgericht hofft, der königliche Plo. 
nipotentiar werde nunmehr auch „zu den Traktaten schreiten." Dr. 
Vering, den Gravcl mit seiner Vertretung beauftragt hatte, nahm den 
Schiedsspruch ad referendum an. 

Es verstrich nun beinahe ein Vierteljahr, ohne dass man sich 
auf Seiten Frankreichs daraufhin vernehmen liess. Erst auf die dring- 
enden Vorstellungen des Schiedsgerichts wurde endlich am 7. Mai 1668 
der lange erwartete Bescheid veröffentlicht, und zwar zeigte er eine 
wesentliche Aendcrung in dem bisherigen Verhalten Frankreichs. Der 
König, erklärte Gravel, halte es für das Angemessenste, dass man die 
Eidformel dem Friedensvertrag entsprechend gestalte, und würde sich 



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— 137 — 

mit dem bereits empfangenen Eide nicht begnügen, falls sich heraus- 
stellen sollte, dass derselbe seiner (icrichtshoheit (xupremae jurisdictioni) 
Eintrag täte. Die Zumutung, dass er nicht berechtigt sein soll, den 
Eid wiederholen zu lassen, sei mit der ihm abgetretenen Souveränität 
(superioritaa) unvereinbar. Er habe daher seinem Gesandten befohlen, 
sich in keine andere Erörterung einzulassen, bevor dieser Punkt voll- 
ständig erledigt sei. 

Hier also erhob der König, wie es Schultz und Schott in ihren 
Berichten an den Colmarer Magistrat betonten, zum ersten Male aus- 
drücklich den Anspruch auf die Souveränität und die höchste Gerichts- 
barkeit (Iber die Städte. Die elsässischen Deputierten verfassten also- 
bald eine Entgegnung und ubergaben sie am 25. Mai den Schieds- 
richtern. Sie gestehen darin, dass sie den Sinn der letzten Deklaration 
Gravcls nicht recht begreifen. Dieselbe setzt nämlich voraus, die 
Städte seien durch den Friedensvertrag zu einem Eide gegen den 
König verpflichtet, während sie dies doch in ihrem Memorial vom 
13. November 1667 widerlegt haben. Ferner gebraucht sie zum ersten 
Male öffentlich die Ausdrücke Superioritas und auprema Jurutdictio, 
welche sich nicht auf das Verhältnis zu Schutzbefohlenen, sondern zu 
Untertanen beziehen. Diese Auffassung der Gegenpartei steht im Wider- 
spruch sowohl mit den Bestimmungen des Friedensvertrags über die 
Abtretung der Landvogtei als mit dem neulichen Versprechen, dass 
der Eid der Reichsunmittelbarkeit der Städte keinen Eintrag tun soll. 
Letztere kann nämlich nur dann fortdauern, wenn die Superiorita* und 
die suprema JtinsdkUo dem Reiche unversehrt erhalten bleiben. 

In einem vom 17. Juni datierten Schreiben wandten sich die 
Vertreter der elsässischen Städte nochmals direkt an den Kaiser und 
baten ihn, die Schiedsrichter und namentlich Kur-Mainz durch ein 
Monitorium zu beschleunigter Tätigkeit aufzufordern. Obgleich schon 
beinahe zehn Monate seit der Eröffnung des Schiedsgerichts verflossen 
seien, so sei von den zehn Streitpunkten noch nicht einmal der erste, 
die Eidfrage, erledigt. Wörden aber die Streitigkeiten vor dem bevor- 
stehenden Schlüsse des Reichstags nicht beigelegt, so müssten die 
Städte „endlich zu ihrem und des heiligen Reichs augenscheinlichen 
Nachteil und Schaden erliegen." Sie baten ferner den Kaiser, ent- 
weder durch seinen Residenten am französischen Hofe oder durch den 



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französischen Residenten an seinem Hofe die Angelegenheit befördern 
zu lassen. 

Das Schiedsgericht nahm seine Verhandlungen am 30. Juni 1608 
endlich wieder auf. Es bcschloss, Gravel zu einer mündlichen 
Konferenz zu entbieten und folgende Proposition an ihn zu richten. 
Man halte es zwar für das Beste, den Eid einstweilen auf sich beruhen 
zu lassen und zunächst Materien, auf die er sich bezieht, zu 
untersuchen. Sollte aber der König darauf bestehen, dass jener Punkt 
zuerst vorgenommen werde, so würde man gern vernehmen, „worauf 
sowohl ratione formen als auch sonsten königlichen französischen 
Teils das Absehen gerichtet seie". Die geplante Konferenz fand auch 
wirklich am 4. Juli statt, doch erschien Gravel nicht persönlich, 
sondern Hess sich durch Dr. Vering vertreten. Letzterer erklärte, 
der König habe allerdings ursprünglich gewünscht, dass der von den 
Städten geschworene Eid als einein schuldiger Weise erfolgte Leistung 
nicht wieder in Frage gestellt werden sollte. Da aber die Städte die 
Gültigkeit dieses Eides anfechten, so kann es der König nicht mehr 
dabei bewenden lassen, sondern er erwartet von der Billigkeit der 
Schiedsrichter, dass sie diesen Punkt genügend aufklären, bevor sie 
zur Besprechung der Materien übergehen, auf welche sich der Eid 
bezieht. Mit dem souveränen Besitz der Landvogtei hat der König 
von dem Kaiser und dem Reich auch das Recht erworben, von den 
einzelnen Gliedern der Landvogtei das Homagium zu fordern. Weil 
indessen die Städte in ihren Schriften die Gewalt des Königs allein 
auf die kleinen Dörfer beschränken und ihm über sich kein reales 
Recht, sondern ein blosses Schutzrecht zugestehen wollen, so sieht sich 
Seine Majestät um so mehr veranlasst, den Eid in eine der Abtretung 
entsprechende Form bringen zu lassen, um dadurch eine Gewähr für 
die Treue der Bürgerschaften zu erhalten. 

Auf diese Erklärung Dr. Verings hin beschloss das Schiedsgericht 
am II. Juli, es solle das Kur-Mainzischc Direktorium mit Gravel 
reden und dessen endliche Meinung vernehmen. Seinem Berichte 
hierüber an den Colmarer Rat fügte der Abgeordnete Schott die 
Bemerkung bei: „Ich vermeinte, man sehe allbereit genugsam, was 
Gravels Intention sei, wann man nur auch einmal ex parte arbitru 
sagte, was dessen Meinung ist. Es ist eben ein verschüttet Wesen, 



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so in ipsht tradatibus pacificationte übersehen worden, deswegen es 
jetzt übel zurecht zu bringen, dass den Städten dadurch nicht ein 
Pnejudiz zuwachse". 

Einige Tage darauf unterbreitete (Jravel den Schiedsrichtern 
eine neue, in lateinischer Sprache abgefasste Eidformel, welche 
an die Stelle der alten treten sollte. Die Städte sollten schwören, 
dem Allerchristlichsten Könige treu und gehorsam zu sein in allem, 
wozu sie auf Grund der Seiner Majestät im Friedensvertrag mit 
voller Souveränität (cum omni supremo dominii jure) abgetretenen 
Landvogtei verpflichtet seien, den Herzog von Mazarin als Landvogt 
anzuerkennen und demselben den gebührenden Gehorsam zu leisten. 

Als Antwort auf die letzten französischen Forderungen übergaben 
die elsässischcn Deputierten am 12. August dem Schiedsgerichte 
wiederum eine Denkschrift. In Betreff des den Städten abgenötigten 
Eides verweisen sie auf ihre früheren Memorialien und bemerken, 
dass sie bisher aus Rücksicht auf den König und seine Minister den 
Vorgang zu Hagenau möglichst schonend dargestellt haben. Sollte 
man sie aber dazu zwingen, so würden sie den gegen die Städie 
ausgeübten Zwang genauer schildern. In Frankreich, so fahren sie 
fort, schwören die königlichen Untertanen nur eine Art von Eid, 
nämlich den der Treue. Wenn man nun den gleichen Eid auch von 
den elsässischcn Städten fordert, so zeigt dies, dass man dieselben 
den königlichen Untertanen gleichsetzt. Ob aber die Eigenschaft 
eines reichsunmittelbaren Standes, welche den Städten durch den 
Paragraphen Teneatur zweifellos zugesichert ist, mit derjenigen eines 
französischen Untertanen in demselben Subjekt vereinbar ist, möge 
jeder Vernünftige selbst beurteilen. 

Aus dem Paragraphen Teneatur ergibt sich auch, dass das dem 
König abgetretene Dominium xupremum über die Landvogtei keines- 
wegs die Souveränität über die Reichsstädte seihst bedeutet, sondern 
dass mit diesem Ausdruck nur die Unabhängigkeit und ewige Dauer des 
zugesprochenen Besitzes gemeint sein kann. Zu verwerfen ist namentlich 
Verings ungewöhnliciieliezeichnungdcrStädtealsGlieder der Landvogtei, 
da diese Bezeichnung zu Missverständnissen Anlass gibt, indem sie die 
Städte auf die gleiche Stufe setzt mit den der Landvogtei direkt 
unterworfenen Dörfern. Das Verhältnis der Städte zur Landvogtei 



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— 140 — 



ist lediglich dasjenige von Klienten zu ihrem Protektor, welches nach 
dem übereinstimmenden Urteile der Rechtsgelehrten zu keinem Eide 
verpflichtet. Der Umstand, dass dem Prolektor nebenbei in der einen 
oder anderen Stadt noch einige Jura realia zustehen, ändert nichts 
an dieser Sachlage. 

Die Schrift schliesst mit der Bitte um Aufhebung des Ilagenauer 
Eides und um Wiederherstellung der alten Form des dem Landvogte 
geschuldeten Eides. 

Als mehrere Wochen verstrichen, ohne dass die Verhandlungen 
in der clsässischen Angelegenheit fortschritten , beklagten sich die 
vereinstädtischen Deputierten in einem Schreiben vom 30. September 
1668 abermals bei den Schiedsrichtern, dass seit der Übergabe ihres 
letzten Memorials sechs Wochen, seit dem Zusammentreten des 
Schiedsgerichts aber bereits ein Jahr verflossen sei, ohne dass noch 
ein einziger Streitpunkt entschieden worden. Da nun beide Parteien 
in ihren Memorialien ihre Ansichten so ausführlich dargelegt hätten, 
dass nichts Neues mehr gesagt werden könne, auch der französische 
Gesandte, falls er auf die letzte Schrift der Städte etwas hätte 
erwidern wollen, genug Zeit dazu gehabt hätte, so mögen die Schieds- 
richter Gravel auffordern, etwaige Bemerkungen baldigst noch 
vorzubringen, und sodann einen Schiedsspruch in Betreff des Eides 
fällen. 

Einige Tage darauf kam die Sache der elsässischen Städte im 
Reichstage selbst wieder zur Sprache. Es wurde nämlich am 7. Oktober 
über den Schluss des Reichstags beraten und in einem Reichsgutaehten 
eine Frist von drei oder vier Monaten für die Erledigung aller Materien 
festgesetzt. Der Städterat verlangte dabei, „dass den zwischen den 
königlichen französischen Ministris und den zehn Reichs- Vereinstädten 
im Elsass nunmehr über Jahr und Tag sab arbitrio bestehenden 
Differentien förderlichst und zwar noch vor Erledigung dieses Reichs- 
tags ihre Erörterung gegeben und solches dem Reichs-Concluso inseriert 
werde". Die beiden höheren Kollegien weigerten sich aber diese 
Klausel in das Reichsgutachten aufzunehmen, da es sonst das Ansehen 
gewinnen würde, als ob man die Schiedsrichter verklagen wollte, 
und auch die Gegenpartei, welche sich doch nicht an die Beschlüsse 
des Reichstags binden lasse, dadurch nur irritiert würde. Auf ihren 



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Vorschlag wurde indessen beschlossen, dass im Namen des ganzen 
Reiches das Direktorium dem französischen Plenipotentiar den Wunsch 
des Städterates mitteilen und ihn zugleich um Beschleunigung der 
Verhandlungen ersuchen sollte. 

Dem Kur-Mainzischen Gesandten Hettinger, der anfangs wenig 
Eifer in dieser Sache zeigte, verehrten die elsässischen Deputierten 
eine Summe von 100 Talern in der Erwartung, dnss es besser gehen 
werde, „wanns geschmiert ist". Hettinger entledigte sich denn auch 
seines Auftrags am 18. Oktober. Gravel nahm den kürzlich erfolgten 
Tod des von Kur-Köln delegierten Schiedsrichters von Altenhofen 
zum Vorwande zu einer neuen Verzögerung und erklärte, er werde 
seine Antwort auf die Schrift der Gegenpartei erst dann vorbringen, 
wann Kur-Köln wieder im Schiedsgerichte vertreten sei. 



Im Elsass war damals zwischen den französischen Behörden und 
der Stadt Colmar ein neuer Jurisdiktionsstreit ausgebrochen, der so 
ernster Natur war, dass die vercinstädtischen Deputierten einen aus- 
führlichen Bericht darüber dem Schiedsgerichte am 4. November 
übergaben. Sie schildern darin, wie neulich neben einem Bürger von 
Colmar sogar der ganze Magistrat und Rat mit Wissen und Willen 
der königlichen Minister vor das Gericht des Freiherrn von Schwendi, 
des Inhabers der französischen Lehensherrschaft Hohlandsberg, zitiert 
wurden, weil der Magistrat einen Hohlandsbergischen Untertan wegen 
der im Colmarer Gebiete gegen die Stadt ausgestossenen Schmähworte 
zu einer Geldstrafe von 15 Pfund verurteilt hatte, und weil ein über 
das Gebahren des Schmähers aufgebrachter Bürger demselben einige 
Faustschläge versetzt hatte. Als darauf der Magistrat die an ihn 
und seinen Bürger ergangene Vorladung mit Protest zurückwies, hielt 
der Hohlandsbergische Amtmann nichtsdestoweniger eine Gerichts- 
sitzung ab, hob den Colmarer Spruch auf, verurteilte den Magistrat 
zur Bezahlung der Kosten und den Bürger zu hundert Pfund Geldstrafe, 
liess des letzteren Trauben im Herrschaftsgebiete einsammeln und 
drohte ihm mit dem Verkauf seiner Reben für den Fall der Zahlungs- 
weigerung. Der Colmarer Magistrat beschwerte sich wiederholt bei 
den französischen Behörden im Elsass über dies unerhörte Attentat 
auf seine Rechte, doch wurde ihm zur Antwort, dass er der Zitation 



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gehorchen solle, und dass er in Zukunft keinen königlichen Untertan, 
der sich auf dem Stadtgebiete vergangen habe, bestrafen dürfe. 

Um diese Zeit ereignete es sich auch, dass zwei Angehörige 
der Herrschaft Hohlandsberg einen Untertan des Bischofs von Stras- 
burg- auf dem Colmarcr Gebiete überfielen und fast zu Tode schlugen. 
Als der Misshandelte seine Angreifer zu Colmar verklagte, wurde 
dem Colmarcr Magistrate von den königlichen Beamten unter An- 
drohung von Repressalien verboten, die Täter vor das städtische 
Gericht zu laden. 

Nun ist es aber nicht nur ein völkerrechtlicher Brauch, dass 
ein Delinquent an dem Orte gerichtet wird, wo er sein Vergehen 
begangen hat und ergriffen worden ist, sondern es besteht noch seit 
Jahrhunderten zwischen Colmar und der Herrschaft Hohlandsberg 
sowie anderen Nachbarn ein bis jetzt stets gehaltener Vertrag, 
wonach ein Untertan des einen Teils, der in dem Gebiet des anderen 
gefrevelt hat, dem letzteren ausgeliefert werden soll. Dass das 
Hohlandsbergische Gericht keinerlei Kompetenz über die Reichsstädte 
besitzt, braucht nicht weiter erörtert zu werden, da in den früheren 
Mcmorialien zur Genüge bewiesen worden ist, dass selbst der Land- 
vogteikammer zu Hagenau und dem Provinzialrat zu Ensisheim keine 
solche zukommt. Es ist um so weniger denkbar, dass der König von 
Frankreich diese Vorgänge billigt, als er in seinem Schreiben an die 
Reichsstände vom 18. September 1665 erklärt hat, seine Beamten im 
Elsass hätten Befehl erhalten, während der Dauer des Schiedsgerichts 
sich aller Eingriffe in die Rechte des Reichs und der Städte zu 
enthalten. 

Am Schlüsse der Schrift werden die Schiedsrichter dringend 
gebeten, dem Könige die neuen Beschwerden Colmars mitzuteilen 
und selbst die ihnen unterbreiteten Streitfragen baldigst zu entscheiden. 

Gravcl veröffentlichte endlich am 7. November die schon lange 
von ihm begehrte Erklärung, nachdem der Kurfürst von Köln seine 
Stimme im Schiedsgerichte dem Kur-Mainzischen Gesandten Hettinger 
übertragen hatte. Er suchte noch einmal in ausführlicher Weise und 
unter Beiziehung archivalischer Belege zu beweisen, dass die an Frank- 
reich übergegangenen Landvogteirechte die Städte zu einem Eide der be- 
schränkten Untertänigkeit verpflichteten (homagium UmUate mbjedivum), 



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und betonte, dass sein Herr diesen Eid nicht als Rechtsnachfolger 
Österreichs, sondern des Kaisers und des Reichs beanspruche. Für 
seine Behauptung, die französische Krone sei in jeder Hinsicht an die 
Stelle des Kaisers gegenüber der Landvogtei getreten, bringt er unter 
anderen Argumenten namentlich folgende vor: Der König ernennt den 
Landvogt, was früher nur der Kaiser konnte; er beruft die Städte zur 
Präsentation des Landvogts durch Mandate, welche von alters her 
den bezeichnenden Namen Gehorsamsbriofe führen ; vor allem aber 
bezieht er die Reichssteuer, die früher nur der Kaiser vermöge seiner 
Souveränen Gewalt erheben konnte. Dass aber der Kaiser den Städten 
auf Grund der Landvogtei wirklich einen Huldigungseid abforderte, 
geht aus mehreren Schreiben hervor, worin er ihnen befiehlt, diesen 
Eid dem Landvogt an seiner Statt zu schwören. 

Während der weiteren Verhandlungen des Reichstages, welche 
sich damals um die Organisation der Landesverteidigung drehten, 
zogen die vereinstädtischen Deputierten die elsässische Angelegenheit 
abermals in die Erörterung, und sie setzten es jetzt auch gegen einige 
kurfürstliche Stimmen durch, dass in einem Reichsgutachten vom 13. 
November das neuliche Vorgehen der französischen Beamten gerügt, 
und der Wunsch ausgesprochen wurde, dass das Schiedsgericht vor 
dem Ausgang des Reichstags die ihm unterbreiteten Streitigkeiten end- 
gültig schlichten möge. Auch der Kaiser liess durch den Grafen von 
Weissenwoltf, der seit dem Tode des Erzbischofs von Salzburg das 
Amt des kaiserlichen Kommissars interimistisch versah, den Schieds- 
richtern eine ernstliche Ermahnung zugehen, und ausserdem ersuchte 
er die Reichsstände in einem besonderen Reskript, „dass sie umb des 
Reichs dabei versierenden Interesse willen sich dieses Werks mit allem 
Ernst und Eifer annehmen und bei dem französischen Plenipotentiario 
Gravel auf alle Weiss und Weg daran sein wollten, indem Wir ihnen, 
den Ständen, diesfalls das Arbitrium auf sein des Gravels Begehren 
eingeraurabt, dass er denselben auch seines Orts gebührende Folg 
leisten wollte, damit diese Differenzen . . . noch vor Endigung des 
Reichstags ohnfehlbar erörtert werden möchten." 

Zur Abfassung der Antwort auf Gravels letzte Erklärung brauchten 
die vereinstädtischen Deputierten diesmal längere Zeit, da jener sich 
auf einige Dokumente gestützt hatte, von denen sie sich erst Ab- 



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Schriften aus dem Elsass beschaffen mussten. So konnten sie ihre 
schriftliche Antwort erst am M.Dezember denSchiedsrichtern einhändigen. 

Sie setzen in derselben noch einmal auseinander, dass das von 
dem Kaiser und dem Reich dem Könige von Frankreich übcrlassene 
Dominium supremum in praefecturam den Inhalt der vom Hause Öster- 
reich ihm abgetretenen Landvogtei nicht erweitere, sondern, wie schon 
mehrmals gezeigt, nur eine Veränderung des Besitztitels bedeute. Es 
sei ja im Paragraphen Teneatur des Friedensvertrags deutlich gesagt, 
dass der König sich mit den Rechten des Hauses Österreich begnügen 
und darüber hinaus keine Oberhoheit über die Reichsstädte verlangen 
solle. Nach dieser allgemeinen Bemerkung weisen sie Punkt für Punkt 
die Argumente Gravels zurück und bestreiten unter anderm, dass das 
Recht des Königs, den Landvogt zu ernennen, oder die sogenannten 
Gehorsamsbriefe ihrem Inhalte nach irgend einen Anspruch auf den 
Huldigungseid begründen. Was die Ableitung der Souveränität des 
Königs über die Städte aus dem Empfang der früher nur dem Kaiser 
direkt geschuldeten Reichssteuer betrifft, so entgegnen sie, dass diese 
Reichssteuer nie zur Landvogtei gehört hat und deshalb auch über- 
haupt nicht an Frankreich abgetreten worden ist. Daran ändert der 
Umstand nichts, dass Colmar im Jahre 1653 durch einen Gewaltakt, 
durch die Wegnahme der Stadtherde, zur Bezahlung der Reichssteuer 
an den Landvogt gezwungen wurde. Übrigens haben auch schon 
Privatpersonen die städtischen Reichssteuern von den Kaisern über- 
wiesen erhalten, ohne damit die geringste Oberhoheit zu bekommen. 
Ebensowenig bedeutet das angebliehe Vorhandensein von einigen 
Schreiben, in denen die Landvögte mit der Entgegennahme der 
Huldigung für den Kaiser betraut werden. In diesem Falle handelten 
eben die Landvögte nicht kraft ihrer Amtsgewalt, sondern eines be- 
sonderen Auftrags. Dieser Eid hatte jedenfalls mit dem durch so viele 
Klauseln eingeschränkten Landvogteieide nichts zu tun, sondern war 
der von den Städten als unmittelbaren Reichsständen dem Reichs- 
oberhaupt auch jetzt noch geschuldete Huldigungseid. Die Behaup- 
tung Gravels, die Städte täten dadurch, dass sie dem Könige huldigten, 
ihrer Reichsunmittelbarkeit keinen Eintrag, lässt sich nicht aufrecht 
erhalten. Es ist offenbar, dass man nicht zu gleicher Zeit Reichsstand 
und Untertan eines fremden Fürsten sein kann. 



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Um eine Beschleunigung der schiedsrichterlichen Tätigkeit zu 
erzielen, wandten sich die elsässischen Städte nochmals direkt an den 
Kurfürsten von Mainz und entsandten den Deputierten Anton Schott 
zu ihm nach Würzburg. Auch Österreich hatte unter der Hand zu 
diesem Schritte geraten. Schott wurde am 20. Dezember vom Kur- 
fürsten empfangen und bat denselben, das Schiedsgericht zu baldiger 
Beschlussfassung zu veranlassen und bei der Krone Frankreich dahin 
zu wirken, dass die Sache nicht länger aufgehalten und gar so schwer 
gemacht würde. Der Kurfürst erwiderte, dass er bereits seiner Ge- 
sandtschaft befohlen habe, „das Werk nach aller Möglichkeit zu be- 
fördern, alle Weitläufigkeit abzuschneiden und die Sache also zu er- 
örtern, dass es vor Gott, der kaiserlichen Majestät und dem römischen 
Reiche zu verantworten wäre." Was seine Vermittelung beim franzö- 
sischen Hofe betreffe, so wolle er gern alles tun, was möglich sei. 
Er Hess sich das letzte vereinstädtische Memorial geben und erkundigte 
sich ausführlieh nach den Vorgängen im Elsass. Am folgenden Tage 
wiederholte er Schott gegenüber, den er beide Tage zur Tafel zog, seine 
vorigen Erklärungen und versprach, zur Beförderung der Angelegen- 
> heit eine erneute Instruktion an seine Deputierten ergehen zu lassen. 

Man solle aber auch Schweden und Hessen-Kassel antreiben. 



Als Schott, der bisherige Spezialgesandte der Stadt Colmar, am 
Schlüsse des Jahres 1668 nach Regensburg zurückkehrte, erwartete 
ihn die Aufgabe, an Stelle des Philipp Schultz die Vertretung des 
elsässischen Städtebundes zu übernehmen. Schon lange Zeit hatten 
Misshelligkeiten zwischen dem Magistrate zu Colmar und dem zu 
Regensburg weilenden Stättmeister Schultz bestanden, und zwar hatten 
sie ihren Grund darin, dass letzterer das Vorgehen der Stadt gegen 
Daniel Schneider entschieden tadelte. Auch das Verhältnis zwischen 
Schultz und Schneiders Nachfolger Schott gestaltete sich nicht derart, 
wie es im Interesse ihrer gemeinsamen Arbeit gelegen hätte. So kam 
es, dass der durch langjährigo Erfahrung mit der elsässischen Frage 
gründlich vertraute Diplomat den Dienst der vereinstädtischen Sache 
aufgab und das vom Herzog von Württemberg ihm angebotene Amt 
eines geheimeu Regimentsrats und Vize-Kanzlers annahm. Beim Reichs- 
tage hatte er seit längerer Zeit nicht nur die Stimmen der neun ver- 

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bündeten Städte, sondern auch diejenigen von Strassburg, Frankfurt 
und Worms geführt. 

Nach dem Rücktritt des Deputierten Schultz fiel die ganze Last 
der Geschäfte auf Anton Schott, da der zweite vereinstädtischc Ab- 
geordnete, der Schlettstadter Stättmeister Heinrichs, wenig leistete. 
Schott hatte nicht nur an den Verhandlungen des Reichstags und des 
Schiedsgerichts teilzunehmen, sondern auch noch für die Stadt Colmar 
in dem am Reichshofrat schwebenden Prozess gegen Daniel Schneider 
mitzuwirken. Der Colmarer Magistrat übertrug ihm nun auch den 
Titel und das Gehalt eines zweiten Syndikus. Seine Auftraggeber ge- 
statteten ihm, auf ihre Kosten Frau und Kinder bei sic h zu halten, 
wie dies auch Schultz getan hatte. Als Jurist und Diplomat war 
Schott ebenso tüchtig wie sein Vorgänger, und ausserdem nahm er 
noch als geborener Colmarer an dem Schicksale seines Heimatlandes 
einen stärkeren persönlichen Anteil als jener, der nicht aus dem Elsass 
stammte, sondern im Jahre HJ57 von Worms nach Colmar berufen 
worden war. Er fühlte sich, wie er oft beteuert, nicht nur vor seinen 
Zeitgenossen, sondern auch vor der lieben Posterität für seine Tätig- 
keit verantwortlich. In seiner Auffassung der Landvogteifrage stimmte 
er nicht immer mit Schultz überein. So betonte er in dem letzten 
vereinstädtischen Memorial, welches bereits sein eigenes Werk war, 
dass die Reichssteuer von der Landvogtei unabhängig sei, und machte 
später seinem Vorgänger den Vorwurf, dass er diese Steuer unter den 
von den Städten dem Könige zugestandenen Landvogteirechten aufge- 
zählt und noch dazu als Schutzgeld bezeichnet habe. Am kaiserlichen 
Hofe erfreute sich Schott einer grossen Beliebtheit. Schon früher war 
er, wie wir gesehen haben, vom Kaiser ausgezeichnet worden, und 
jetzt erhielt er noch ohne seine Veranlassung die Würde eines Comes 
palatinm verliehen, und zwar wurde ihm die etliche hundert Gulden 
betragende Taxe für das Diplom von dem Kaiser und dem Erzkanzler 
aus besonderer Gunst erlassen. 

In dem Landvogteistreite versuchten es die Schiedsrichter nun- 
mehr, durch mündliche Konferenzen mit den Parteien eine Verständig- 
ung herbeizuführen. In einer am 19. Februar 11569 mit Gravel abge- 
haltenen Konferenz erklärten sie, dass die von Seiten Frankreichs ein- 
gereichten Informationen keineswegs den Beweis erbracht hätten, dass 



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die Städte ira Verhältnis der Untertänigkeit zum Könige stünden, wie 
es die königlichen Beamten im Elsass zu glauben schienen. Letztere 
Auffassung widerspreche dem Friedensvertrage, der den Städten ihre 
Reichsunmittelbarkeit vorbehalte. Das Schiedsgericht hoffe deshalb, 
der König in Frankreich werde keinerlei Subjektion aus dem ihm 
geleisteten Eid ableiten. Gravel erwiderte, die den Städten im Friedens- 
vertrage vorbehaltene Reichsunmittelbarkeit solle allerdings nicht an- 
getastet werden, doch werde der König von dem ihm übertragenen 
Dominium mpremum über die Landvogtei nicht das Geringste preis- 
geben und nicht zulassen, dass die Rechte der Städte auf Kosten der 
seinigen erweitert würden. Die gesamte Jurisdiktion und die Superiori- 
tät, welche hohen Rechte von dem Reiche an Frankreich abgetreten 
worden seien, wären ohne die entsprechende Subjektion völlig nichtig. 
Die Schiedsrichter hätten sich durch die Scheingründe der Städte über- 
reden lassen, ohne die Argumente des anderen Teiles zu beachten. 
So dürfe nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass der Friedens- 
vertrag einen Widerspruch enthalte. Auch sei nicht ersichtlich, warum 
der städtische Eid keine Subjektion bedeuten könne, wenn es sich 
► herausstellen sollte, dass sich eine solche mit Folgerichtigkeit aus dem 

Dominium supremum ergebe. 

Da es Gravel im Grunde nur darauf ankam, eine baldige Ent- 
scheidung zu verhindern und die Sache möglichst lange hinzuschleppen, 
so behielt er sich das Recht vor, in schwierigen Fragen den König 
um Instruktion anzugehen. In den nächsten Monaten entzog er sich 
denn auch durch mancherlei Ausflüchte allen weiteren Verhandlungen 
mit den Schiedsrichtern und vertröstete sie schliesslich auf die An- 
kunft des vom Hofe begehrten Bescheides. 

Bei all diesen Erörterungen zeigte sich immer wieder, dass 
über den Widerspruch, der zwischen der Reichsunmittelbarkeit der 
Städte und der Souveränität des Königs über die Landvogtei bestand, 
nicht hinwegzukommen war, namentlich wenn beide Teile jeden 
Kompromiss zurückwiesen, wie dies tatsächlich der Fall war. Als die 
Schiedsrichter am 23. März 1669 den Deputierten Schott zu ihren 
Beratungen zuzogen und über die Meinung seiner Auftraggeber wegen 
des Eides befrugen, erwiderte er, dass die Städte nicht von der Eid- 
formel abweichen könnten, welche früher dem Hause Oesterreich und 



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noch im Jahre 1653 dem Prinzen d'IIarcourt gegenüber gebraucht 
wurde. Durch Leistung eines auf den König gerichteten Huldigungs- 
eides würden sie ihre Reichsunmittelbarkeit über Bord werfen. 

Wahrend so die Verhandlungen Uber die Landvogteifrage wieder 
ins Stocken geraten waren, gelangten neue Beschwerden über die fran- 
zösischen Beamten im Elsass nach Regensburg. Zwischen dein Land- 
vogt zu Hagenau und dem Magistrate von Weisscnburg war ein Kon- 
flikt ausgebrochen, weil letzterer einen vom Stadtgerichte verurteilten 
Bürger an der Appellation an die Landvogteikammer verhinderte, in- 
dem er die Kompetenz dieser Kammer mit Recht bestritt. Die verein- 
städtische Deputation beklagte sich im Februar 1069 beim Schieds- 
gericht über die Eingriffe der Landvogtei in die Gerichtsbarkeit des 
Rates von Weissenburg sowie über die Umtriebe des vom Landvogte der 
Stadt aufgedrungenen Stadtvogtes. Als Weissenburg nichtsdestoweniger 
mit Gewalt bedroht wurde, brachten die Deputierten die Angelegen- 
heit nochmals in einem Memorial vom 10. Mai beim Schiedsge- 
richt vor. 

Auch Colmar hatte wieder neue Drangsale auszustehen. Unter 
dem Vorwande, dass eine ansteckende Seuche dort herrsche, hatte 
der Intendant Colbert seit dem Ende des Jahres 1668 die Stadt durch 
bewaffnete Grenzwachen vollständig absperren lassen, so dass jeder 
Verkehr gehemmt war, und nicht einmal die notwendigsten Lebens- 
mittel mehr herbeigeschafft werden konnten. Vergebens bezeugten 
die Aerzte und Chirurgen der Stadt in einem eidlich bekräftigten 
Attest, dass keinerlei Seuche vorhanden sei. Schott, der den Auftrag 
erhielt, die Aufhebung der „Blokade" zu erwirken, wusste sich keinen 
Rat, „denn klagt man bei dem Reich oder ferners bei dem Arbitrio, 
so wird man nur ärger und lässt uns also über einander krepieren ; 
schweigt man dann still, so ist es wieder also*'. Er versuchte es, die 
Sache vor den Reichstag zu bringen, doch riet der Kur Mainzische 
Direktor von einer direkten Klage beim Reiche ab. Nunmehr baten 
die Colmarer den Kaiser um seine Vermittlung bei Ludwig XIV. und 
ersuchten den Kurfürsten von Mainz, sich beim Intendanten Colbert, 
der damals in Worms weilte, für sie zu verwenden. Auch Gravel 
wurde veranlasst, seinen Einfluss bei Colbert geltend zu machen. 
Durch alle diese Schritte erreichte es Colmar endlich im Mai 1669, 
dass ihm „der freie Pass wieder verstattet wurde." 



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Von Hagenau lief gleichfalls in diesem Jahre 1669 eine Be- 
schwerde gegen die französischen Behörden nach der anderen in 
Regensburg ein. Bald zwang man dem Rat einen Stilttmeister auf; 
bald mussten die Strafurteile statt im Namen des Kaisers in dem- 
jenigen des französischen Königs vollzogen werden ; bald sah sich die 
Gemeinde im Besitze ihres Forstes bedroht, indem ihr der Nachweis 
ihres uralten Eigentum» auferlegt wurde. 

Die Aufforderungen von Seiten der Schiedsrichter zur Wieder- 
aufnahme der Verhandlungen konnte Gravel auf die Dauer doch nicht 
unberücksichtigt lassen, und so übergab er denselben endlich am 2. 
August die schon längst erwartete Antwort auf ihre letzten Erklärungen. 
Er wiederholte darin seine alten Argumente und betonte noch einmal 
den Uebergang der Rechte des Kaisers und des Reichs an die Krone 
Frankreich, wobei er sich besonders auf die Klausel ita tarnen berief. 
Die Städte hielten es für unnötig, eine schriftliche Erwiderung einzu- 
reichen, da sie Gravel dadurch nur die erwünschte Gelegenheit ver- 
schafft hätten, die Sache wiederum auf die lange Bank zu schieben. 
In einer Sitzung des Schiedsgerichts vom 10. September erklärte denn 
auch der Deputierte Schott, in Gravels Schrift seien zwar einige 
Punkte enthalten, die einer Berichtigung bedürften, da aber das letzte 
vereinstädtische Memorial schon genug Argumente hierzu böte, so 
trügen die Städte Bedenken, „sich mit weiterer Schriftwechsluug auf- 
zuhalten und sich mit einem so mächtigen König gleichsam in einen 
Procesaum Hbellarium einzulassen, zumalen da sie nichts begehrten, als 
dass man sie bei dem klaren Buchstaben des Inxtrumenti pacis erhalten, 
und dessen wirklichen Genuss ihnen zukommen lassen sollte." Er 
erinnerte daun noch daran, dass Frankreich sich mit den erlangten 
Zugeständnissen nie begnüge. Der Vergleich mit dem Grafen von 
Harcourt vom Jahre 1653 sei vom Herzog von Mazarin im Jahre 1661 
umgestossen worden; nunmehr wolle man sich auch nicht mehr mit 
dem zufrieden geben, was Mazarin damals von den Städten erzwungen, 
und vermutlich würden neue Zugeständnisse nach einigen Jahren 
wieder neue Ansprüche hervorrufen. 

Dem französischen Gesandten wurde der Entschluss der Städte, 
„ad acta prior a zu submittieren", von dem Schiedsgericht angezeigt, 
worauf er erklärte, dass er es auch dabei bewenden lasse. 



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Die Schiedsrichter berieten nun in den folgenden Wochen über 
eine für beide Parteien annehmbare Lösung der Streitfrage und er- 
kundigten sich dabei wiederholt unter der Hand nach der Meinung 
der elsassischen Deputierten. Schliesslich stellten sie eine Eidformel 
auf und erläuterten dieselbe in einer vorausgeschickten Deklaration. 
Beides wurde am 24. November 1669 dem königlichen Plenipotentiar 
und am 4. Dezember den Städten schriftlich eröffnet. Die Eidformel 
hat folgenden Wortlaut: 

„Wir deß Heil. Köm. Reichs ohnmittelbahrer Freyer Stadt N. N. 
zu diesem Actu absonderliche Deputirte und Gevollmächtigte schwören 
der AUerchristlichsten Königl. Mayt. in Franckreich und Navarra & c. 
im Nahmen vorgedachter Städte dasjenige , worzu dieselbe wegen 
der in Krafft deß Münsterischen Friedenschlusses von Ihrer Kayserl. 
Mayt., dem Röm. Reich und Ertz Hauß Oesterreich cum omni mpremo 
dominii jure abgetrettener Landvogtey Hagenau gehalten seind, ge- 
• treulich und gehorsamlich zu leisten und darwider nichts zu thun, 
wie auch höchsternandter Ihrer Königl. Mayt. darzu jederzeit ordent- 
lich praesentirten Gevollmächtigten die vermög obberührten Frieden- 
schlusses schuldige Rechte guter zimlicher Dingen zu entrichten." 

In der beigefügten Erklärung heisst es, der Eid für den König 
hatte ohne Beeinträchtigung der königlichen Rechte unterbleiben 
können. Da aber Seine Majestät diesen Eid wünsche, und „es mit 
besagter Landvogtey durch mehrberührten Friedenschluss in andern 
Stand gerathen", so halte es das Schiedsgericht für das Beste, dass 
der Eid in der vorgeschlagenen Form und in deutscher Sprache von 
den Deputierten derjenigen Städte, bei welchen es üblich, geschworen 
werde und zwar immer nur bei dem Regierungsantritt eines jeden 
Königs. Hierfür möge Seine Majestät eine schriftliche Assekuration 
erteilen, dass dieser Eid den Städten an ihrer Reichsunmittelbarkeit 
nicht schaden soll. Dagegen sollen die Eide für den Landvogt und 
den Unterlandvogt als nunmehr überflüssig aufgehoben werden. 
^Jedoch aber, weilen von denen jenigen Juribux, worauff die vorge- 
schlagene Formula juramenti in genere sich beziehet, annoch specialiter 
zu reden ist, ergiebet sich von Selbsten, dass ehe und bevorn erstbe- 
sagte Jura determinirt, mehr angeregte Formula allerseits unver- 
fänglich seyn solle." 



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Die vereinstädtisehen Deputierten hatten sieh gegen diese Auf- 
hebung der Landvogtei, wie sie tatsächlich vom Schiedsgerichte vor- 
geschlagen wurde, sowie gegen die Beibehaltung der Worte „gehor- 
samlich" und „cum omni supremo dominii jure u in der Eidformel mit 
Entschiedenheit gewehrt, doch wurde ihnen geantwortet, sie würfen 
die Kerne weg und behielten die Schalen zurück. Die Landvogtei 
werde nicht erst jetzt aufgehoben, sondern habe schon bei der Ab- 
tretung an Frankreich eine wesentliche Veränderung erfahren. Was 
früher eine Landvogtei gewesen, sei jetzt ein Dorna ine de France; und 
kein Mensch könne den König von Frankreich daran hindern, die 
Landvögte ganz zu beseitigen und ihre Befugnisse einem beliebigen 
Parlamente zu übertragen. Man begreife nicht, „warum die Städte 
die Landvögte so ernstlich verlangen, indem sie sich damit nur mehr 
Flagella aufladen." Durch die Erwähnung des Dominium supremum in der 
Eidformel solle eben hervorgehoben werden, dass dasselbe sich allein 
auf die Landvogtei und nicht auf die Städte selbst beziehe. 

Als nach dem Empfang der schiedsrichterlichen Erklärung 
die elsässischen Städte ihre Deputierten nochmals beauftragten, 
unter der Hand dagegen zu protestieren, dass dem alten Herkommen 
zuwider das Institut der Landvögto und somit die denselben geleisteten 
Eide und von ihnen ausgestellten Reverse aufgehoben würden, er- 
widerte man auf Seiten der Schiedsrichter, „wenn die Städte je lieber 
zwei als ein Jurament schwören wollten, sollten sio sich doch nur 
gedulden, bis Mr. Gravel sich erkläre; dann wohl zu erachten, dass er 
mit dieser Deklaration sich nicht werde begnügen lassen, da dann 
dio Städte gar wohl werden zu ihrer Intention kommen können, weil 
man eine Sach viel eher schlimmer als besser machen kann." 

Da die Vertreter beider Parteien den Spruch des Schiedsgerichts 
ad referendum annahmen, so konnte bis zum Eintreffen der offiziellen 
Instruktionen nicht weiter darüber verhandelt werden. Auch ging 
Gravel nicht auf den Vorschlag ein, einstweilen mit der Erörteruug 
der übrigen Punkte fortzufahren. 



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IV. 

Verwerfung des Vorschlags des Schiedsgerichts durch Frankreich. — 
Schiedsspruch Ober die Natur der dem König unter der Bezeichnung Land- 
vogtel abgetretenen Rechte. (1670—1672) 

Die Angelegenheit der elsässisehen Reichsstädte beschäftigte 
damals vor allen anderen die politischen Kreise Deutschlands, wie 
der „mittlere" Landgraf von Hessen-Homburg, der sich im Januar 1670 
auf der Durchreise nach Wien zu Regensburg aufhielt, dem Deputierten 
Schott gegenüber versicherte. Am Kur-Mainzischcn Hofe zu Würzburg, 
woher er komme, sei wiederholt davon gesprochen worden. Er selbst 
wolle mit dem Kaiser wegen dieser Sache nachdrücklich reden, weil 
dem ganzen Römischen Reich höchlich an den elsilssischcn Städten 
gelegen sei, Ja die Konscrvation des ganzen Rheinstroms in Gefahr 
müsste gesetzt werden, wann man sie verlieren sollte". . 

In einer Zusammenkunft mit den vereinstädtischen Deputierten, 
im Februar 1670, erklärte der Kur-Mainzische Prinzipal- Gesandte 
Dompropst von Stadion, „dass, weil nunmehr die Tripel-Allianz*) 
festgestellt, man etwas besser mit einander ins Künftige werde reden 
können". Sie sollten ihm deshalb schriftlich an die Hand geben, 
nicht nur wie im Schiedsgericht mit Erfolg zu verfahren sei, sondern 
auch wie die Städte „der Allianz sich möchten getrösten können". 
Daraufhin übergaben sie ihm einen geheimen Bericht folgenden 
Inhalts : 

Es ist bekannt, dass diese Städte „als uralte getreue unmittel- 
bare Stände fast von Basel an einen Tr actum an den Rheinstrom bis 
unter Speier hinunter und also über etlich dreissig Meilen nur in 
longitudine machen und einige darunter keine geringe, sondern wohl 
fortificirte und feste Platze als Vormauern des Römischen Reichs seind, 

*) Gemeint ist die im Januar 1670 erfolgte F.rneuernng des Bundes zwischen 
Holland, England und Schweden, dem der Kaiser und der Kurfürst von Mainz 
damals beizutreten gedachten. 

t 



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- 153 - 



zumalen an Munition, Artillerie und Anderm dergestalten beschaffen, 
dass wohl ganze Armeen, wann sie auch gar ruinirt wären, dadurch 
könnten recolligirt und einem manchen benachbarten höhern Stand 
am Rheinstrom, wann sieh andere deren wider sie würden bedienen 
können, grosser Schaden könnte zugefügt werden". Die Städte haben 
jetzt um so mehr rasche Hilfe nötig, als der französische König 
vorhaben soll, sie mit Waffengewalt zu bezwingen und zu diesem 
Zwecke seinen Rückweg aus den Niederlanden durch das Elsass zu 
nehmen. 

Deshalb ist das Schiedsgericht zu veranlassen, aller Verzögerungs- 
versuche und Einwürfe ungeachtet in seiner Tätigkeit fortzufahren, 
die Eidformel definitiv festzusetzen, den Revers oder die Assekuration 
des Königs auszuarbeiten, darauf die Materialien selbst vorzunehmen 
und schliesslich einen förmlichen Schluss abzufassen. 

„Damit aber . . . dieser des . . . Arbitrii rechtmässiger Schluss 
um so viel besser beobachtet und maintenirt werden möchte, sonder- 
lich da Frankreich mit Gewalt, wie es scheint, verfahren sollte, so 
wäre vielleicht keine bessere Gelegenheit als, weilen nunmehr die 
Tripel-Allianz allerdings festgestellt und vermutlich Ihr kais. Maj. 
und einige Kurfürsten und Stände sowohl an dem Rheinstrom als 
anderer Orten sich deren bedienen möchten, dass auch dieser Städte 
halben darin gute Vorsehung geschehen möchte. Und zwar, damit 
solches mit guter Manier geschehe, so ist bekannt, dass Ihr kais. 
Maj. wegen deren V. üsterr. Erblanden , so nur dritthalb Stund 
von Colmar und Sehlettstadt angrenzen, hoch- und merklich vor sich 
selbst interessirt und Dieselbe ohnedies in deren kais. Wahlcapitu- 
lation Artic. 8 verbunden worden, diese Reichsstädte bei dem Röra. 
Reich und ihrer Immediatat zu erhalten, dass Dieselbe . . . belieben 
möchten, diese getreueste Reichsstädte ermelter Allianz zu annektiren 
und dieselbe der Garantie teilhaftig zu machen, oder, dafern der , . . 
Oberrhein. Kreis oder etliche der Kurfürsten und Stände sich dieser 
Tripel-Allianz bedienen sollten, dass diese Städte mit consideriert 
und der Garantie einverleibt, einfolgig dardurch gesichert werden 
möchten. Welches um so viel eher zu erhalten, weilen den Alliierten 
selbst wegen der Commerden sonderlieh des Weins, Brandenweins, 
Essig und Weinsteins, welche meistens aus diesen, sonderlich den 



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— 154 — 



oberen Städten, in sehr grosser Quantität in Holland, Schweden, 
England und andere angrenzende Orte verführt werden, interessirt 
sein, zumalen der Krone Schweden und anderen schon wohl bekannt 
ist, was dem Rom. Reich, dem Oberrhein. Kreis und ihnen selbst an 
Conservation dieser Frontier- Städte gelegen, und daher um so viel 
mehr incliniren werden, dieselben mit einzuschliessen. u 



Trotz des wiederholten Drängens des Schiedsgerichts wusste 
Gravel die Verkündigung der Antwort seines Königs auf den letzten 
schiedsrichterlichen Vorschlag immer wieder zu verschieben. Die 
Absicht Frankreichs, die Schlichtung des Landvogteistreites überhaupt 
zu verhindern, war so offenbar, dass der Deputierte Schott sich nicht 
scheute, den subdelegierten Schiedsrichtern selbst vorzuhalten, „dass 
gleichwohl ihr und ihrer Herren Principalen Respect darunter peric- 
litire, weil man sie dergestalten an der Nas herumführt". Der 
Kaiser ersuchte die mit dem Schiedsspruch betrauten Stände durch 
ein Monitorium nach dem anderen, ihren Gesandten zu befehlen, die 
Materie des Eides, nämlich die Landvogteirechte, baldigst zu unter- 
suchen, da man nach Erledigung dieser Frage sich leicht über die 
formelle Seite, die Fassung des Eides, würde vergleichen können. 
Nicht nur dem Elsass, sondern dem ganzen Reich und dein allgemeinen 
„Ruhestand" sei viel an der Beendigung dieses Streites gelegen. 

Inzwischen erhob auch die Stadt Hagenau wieder Klage, dass 
ihr von Frankreich mit der Auferlegung einer Garnison gedroht werde. 
Gravel, dem der Kur-Mainzische Direktor im Namen des Schiedsge- 
richts deshalb Vorstellungen machte, meinte, „es sei nicht ohne, dass 
der König sehr hoch empfinde, dass der Bürgermeister daselbst seine 
Gesundheit zu trinken so schimpflich abgeschlagen, deswegen der 
Unterlandvogt begehrt habe, dass Satisfaction geschehen möge, oder 
widrigenfalls würde der König dieselbe selbst suchen." 

Die so lange erwartete königliche Resolution wurde endlich am 
8. März 1670 dem Schiedsgerichte zugestellt. Der König, so lautete 
sie, kann aus gewichtigen Gründen den Vorschlag der Schiedsrichter 
samt der von ihnen verfassten Eidformel nicht annehmen. Er bean- 
sprucht den Eid von Seiten der Städte nicht als eine Vergünstigung, 
sondern als sein gutes Recht kraft des ihm übertragenen Dominium 



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- 155 - 



supremum. Die Schiedsrichter haben richtig erkannt, dass durch den 
Westfälischen Friedensvertrag das Wesen der Landvogtei verändert 
worden ist. Dies wollen die Städte selbst nicht zugeben, indem sie 
sich stets auf das alte Herkommen berufen, um dem König das Recht 
auf einen Huldiguugseid abzusprechen. Wo aber dies alte Herkommen 
ihrem Interesse widerstreitet, stützen sie sich auf neuere Vorgänge, 
bei denen den Landvogteircchten etwas vergeben wurde, wie dies bei 
der Amtsantretung des Prinzen von Harcourt geschehen. Der König 
hält es für unvereinbar mit seiner Würde und seinen Rechten, dass 
ihm neben der Eidformel noch die Zeit, die Art und Weise und die 
Sprache der Eidabnahine vorgeschrieben werde, und dass er eino 
schriftliche Assekuration ausstellen soll. In eine Abschaffung der Eide 
für den Landvogt und den Unterland vogt kann er deshalb nicht ein- 
willigen, weil dadurch der Bestand der ihm abgetretenen Landvogtei- 
rechte in Frage gestellt würde. Er hofft deshalb, dass die Schieds- 
richter ihren Vorschlag zurücknehmen und auf Grund des von ihm 
früher formulierten Eides der Treue und des Gehorsams den Inhalt 
(substantiell in) desselben erörtern werden. Schliesslich bezeichnet er 
es als unerlässlich, dass die Gesandten der das Schiedsrichteramt 
ausübenden Stande persönlich in Regensburg zugegen seieu. 

Letztere Forderung bezog sich auf Kur-Köln und Hessen-Kassel 
und sollte lediglich einen Vorwand zu neuen Verzögerungen abgeben, 
da Gravel bisher eingewilligt hatte, dass der Kur-Mainzische Gesandte 
auch die Stimme von Kur-Köln und der Kanzler von Brandenburg- 
Bayreuth diejenige von Hessen-Kassel führte. 

Die schriftliche Antwort der Schiedsrichter auf das königliche 
Schreiben wurde am 2. Mai Gravel übergeben. Es heisst darin, die 
französischerseits aufgestellte Eidformel sei, wie das Schieds- 
gericht schon in seinen früheren Erklärungen ausführlich gezeigt habe, 
mit der Reichsunmittelbarkeit der Städte unvereinbar, weshalb man 
es bei jenen Erklärungen nochmals bewenden lasse. Um aber einen 
Ausweg zu finden, wolle man von Gravel gern vernehmen, „was er 
vermeine, dass sonsten etwann vor ein Modus zu ergreifen, wordurch 
sowohl der Punctus juramenü als auch die übrige Grammina dem Tn- 
strumento pacis gemäss bei diesem Arbitrio dermalen erledigt werden 
mögen." 



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Auf den Wunsch Gravels, eine mündliclie Konferenz mit einer 
Deputation dos Schiedsgerichts abzuhalten, begaben «ich am 8. Mai 
die Gesandten von Kur-Mainz und von Schweden-Bremen in seine 
Wohnung. Sie drückten ihr Befremden darüber aus, dass der König 
den Spruch des Schiedsgerichts nicht annehmen wolle, obgleich er 
die bewussten Fürsten schrittlich und mündlich um Übernahme des 
Schiedsrichteramtes ersucht habe. Es wäre also unnötig gewesen, 
drei ganze Jahre hindurc h Zeit und Mühe auf diese Sache zu verwenden. 
Gravel erwiderte, der König halte die Schiedsrichter für blosse Media- 
toren und habe sich keineswegs zur Annahme Alles dessen verbunden, 
was sie ihm zumuten würden. Seine Majestät bestehe auf dem Ge- 
brauch der Worte fideles et obedientes statt der entsprechenden Adverbien 
in dem von den Städten zu leistenden Eide. Darauf entgegneten die 
Deputierten, „dass alle die französischen Argumenta irrig seien und 
quatuor terniinoit hätten, durch welche sie diese ganze Sache confun- 
dirten." Wenn der König die Absicht gehabt hätte, den Landvogtei- 
streit nicht entscheiden, sondern bloss untersuchen zu lassen, so hätte 
er „diese hoben Säulen des Römischen Reichs" nicht drei Jahre lang 
damit zu bemühen brauchen und diese Aufgabe seinem Parlament über- 
tragen können. Auf ihre Versicherung, dass die letzte Erklärung des 
Schiedsgerichts sein definitiver Besehluss sei, gab Gravel vor, in diesem 
Falle nochmals an den König berichten zu müssen, da er nicht be- 
fugt sei, sich auf die Specialia einzulassen. 

Die elsüssischen Städte hatten ihrerseits durch ein Schreiben 
vom 4. Mai den Vorschlag des Schiedsgerichts angenommen, aber 
zugleich erklärt, dass sie sich zu keinem Eide verpflichten könnten' 
bevor der Wortlaut der königlichen Assekuration festgesetzt und die 
einzelnen Landvogteirechte genau bestimmt seien. Die Worte cum 
omni mpremo dominü jure in der Eidformel Hessen sie nur mit dem 
ausdrücklichen Vorbehalte zu, dass sie sich allein auf die Landvogtei 
bezögen, nicht aber auf die Städte selbst, welche im § Teneatur davon 
ausgenommen seien. Sie sprachen auch die Bitte aus, dass die bis- 
herigen Beschlüsse des Schiedsgerichts zu einem feierlichen Rezess 
vereinigt und dann veröffentlicht würden. 

Da mit Gravel nicht weiter zu kommen war, so beschlossen die 
subdelegierten Schiedsrichter auf das Betreiben der elsässischen 



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- 157 - 



^ Deputierten, nochmals im Namen ihrer „ Prinzipalen 14 direkt an den König 
von Frankreich zu schreiben. In einer Sitzung vom 15. Juni wurde 
der Inhalt des Briefes vereinbart: Die mit dem Schiedssprüche be- 
trauten Stände berichten, dass Gravel durch das Begehren, die Eid- 
frage solle zuerst entschieden werden, und durch die Aufstellung einer 
neuen Eidformel die Verhandlungen über drei Jahre hingezogen habe^ 
ohne dass ein Resultat zu Stande gekommen sei. Sie ersuchen des- 
halb Seine Majestät selbst, ein kürzeres Verfahren einzuschlagen, 
damit die Angelegenheit ohne Zeitverlust und noch vor dem Ausgang 
des Reichstags erledigt werde. Auch die Klagen Hagenaus gegen die 
französischen Beamten im Elsass werden erwähnt. 

Der Abfertigung eines gemeinsamen Briefes traten wegen der 
Reihenfolge der Unterschriften und der Siegel unüberwindliche Schwie- 
rigkeiten entgegen. So musste schliesslich jeder Stand in seinem 
Namen au den König schreiben. Die vereinstädtischen Deputierten 
hatten die grösste Mühe, die einzelnen Schriftstücke zusammenzubringen, 
und mussten zu diesem Zwecke besondere Eilboten an verschiedene 
Höfe schicken. Erst am 31. August 1670 vermochte der Kur-Mainzische 

^ Direktor die Briefe dem französischen Gesandten zur Beförderung an 

Ludwig XIV. zu übergeben. Nur die Krone Schweden sandte ihr 
Schreiben direkt an ihren Residenten zu Paris und beauftragte ihn, 
dem Könige selbst und seinen Ministern die Sache der elsässischen 
Städte nachdrücklich zu empfehlen. 

Auf den' Wunsch der Schiedsrichter verfasste der Deputierte 
Schott einen übersichtlichen Bericht Uber den ganzen Verlauf der 
Verhandlungen wegen der Landvogtei und Hess ihn zu Frankfurt in 
220 Exemplaren drucken. Es ist dies die bekannte Relatio summaria ex 
acti* publicits in causa ewitatum imperialium in Alsatia unitarum. Die 
Druckschrift war im September fertiggestellt. 

Um sich die politischen Persönlichkeiten, welche bei dem Land- 
vogteigeschäft mitzureden hatten, günstig gestimmt zu erhalten, 
mussten die elsässischen Städte sie von Zeit zu Zeit mit Handgeldern 
und anderen Geschenken erfreuen; namentlich fand der heimische 
Wein bei den Herren gute Aufnahme. Wo Geld oder Wein weniger 
angebracht war, griff man zu Kunstwerken. So wurdeu dem Depu- 
tierten Schott im Oktober 1670 von der Stadt Colmar eine gemalte 



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- 158 - 



und eine geschnitzte Tafel zur Verwendung als Geschenke gesandt. ^ 
Das Schnitzwerk überreichte Schott dein Kur Mainzisehen Prinzipal-Ge- 
sandten Dompropst von Stadion; mit dem grossen Gemälde wusste er aber 
nichts anzufangen, weshalb er es zu verkaufen suchte. Er berichtete 
nämlich, dass es kein Kabinettstück, sondern ein Altarbild sei und 
sich deshalb nicht zum Geschenk eigne; Ein Evangelischer würde 
es für nichts achten, ein Katholischer aber den Verdacht hegen, es 
sei aus einer Kirche genommen worden. 

Im Laufe des Monats November 1670 trafen die gleichlautenden 
Antwortschreiben Ludwig XIV. an die Schiedsrichter endlich zu Regens- 
burg ein. Der König erklärte darin, er habe bereits in der ersten Kon- 
ferenz des Schiedsgerichts zwei unerlässliche Bedingungen durch 
seineu Plenipotentiar aufstellen lassen, nämlich, dass mau nicht an 
das Reich referieren solle, bevor die Schiedsrichter unter sich einig 
wären, und dass der von den Städten geleistete Eid nicht mehr ange- 
tastet werden dürfe, weil er unzertrennlich zu dem im Friedensver- 
trag ihm abgetretenen Dominium supremum über die Laudvogtei 
gehöre. Als aber die Städte gegen den augeblich mit Gewalt ihnen < 
abgenötigten Eid in einer Schrift protestierten, habe er eine neue dem 
Dominium supremum besser entsprechende Eidformcl vorschlagen 
lassen. Da indesssen die Deputierten der Schiedsrichter diese Formel 
nicht vollständig billigten, so möchte er gerne ihre Gründe hierfür 
vernehmen. Was die Ansicht betreffe, dass die Eidfrage leichter er- 
ledigt worden wäre, wenn man den Gegenstand des Eides zuerst ge- 
nau bestimmt hätte, so halte er selbst dafür, dass das grössere oder 
geringere Mass von Rechten an der Natur des Eides nichts ändere. 
Sollte vor der definitiven Regelung der Angelegenheit der Reichstag 
zu Regensburg zu Ende gehen, so sei er bereit, die Verhandlungen 
an einem anderen Orte fortsetzen zu lassen. 

In Bezug auf die von der Stadt Hagenau gegen die Landvogtei- 
beamten erhobenen Beschwerden glaube er nicht, dass diese Beamten 
dem erhaltenen Verbote zuwider ihre Befugnisse überschritten haben, 
doch wolle er ihnen nochmals den Befehl erteilen, nichts zu unter- 
nehmen, wozu sie nicht auf Grund ihres Amtes berechtigt seien. Es 
werde ihm allerdings von anderer Seite berichtet, dass Hagenau und 
andere Städte alle erdenklichen Ränke anwendeten, um sich der 



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Gewalt der Laodvogtci, wie sie das Haus Oesterreich gehandhabt, 
allmählich zu entziehen. 

Die schriftliche Entgegnung des Schiedsgerichts auf das könig- 
liche Schreiben wurde am 9. Dezember vom Kur-Mainzischen Direk- 
torium dem französischen Gesandten üborgeben. Die Schiedsrichter 
beziehen sich in derselben nochmals auf ihre Erklärung vom 19. Fe- 
bruar 1668, lassen es bei dem im Jahre 1662 von den Städten ge- 
leisteten Eide bewenden und fordern Gravel auf, „zu den übrigen 
Materialien und Gracaminibus zu schreiten, weilen von sich selbsten 
ergiebt, dass ehe und bevor determinirt, was die Städte respectu jrrae- 
fecturae eigentlich zu praestiren schuldig seien , angeregte Forrnula 
auch allerseits unverfänglich sein müsse." Gravel gab eine aus- 
weichende Antwort nnd schützte vor, er müsse sich um neue In- 
, struktion an den König wenden. 

Der Deputierte Schott war über diese abermalige Verzögerung 
höchst erbittert und forderte die Schiedsrichter auf, neben den Rechten 
der Städte auch ihre eigene Autorität besser zu wahren. „Es ist eben 
ein Elend, schreibt er nach Colmar, dass wir in solche Zeiten ge- 
rathen, darin das teutsche Vertrauen und rechtschaffene Resolution 
so gar darnieder liegt, und daher weder Rath noch That Platz finden 
kann." Es sei offenbar, berichtete er in einem der folgenden Briefe, 
dass Frankreich die Erörterung seiner unberechtigten Ansprüche 
verhindern und eine Entscheidung vereiteln wolle, „zuinalen weil 
nunmehro der Gewalt so gross, dass sich männiglich davor fürchtet". 

Zum Dank für ihre rastlose Tätigkeit mussten die vereinstädti- 
schen Deputierten jetzt auch noch Vorwürfe über sich ergehen lassen. 
So schrieben ihnen der Bürgermeister und der Rat von Landau, es 
wäre unnötig gewesen, so langwierige und kostspielige Verhandlungen 
zu führen, wenn man sich am Ende mit dem Hagenauer Eido zufrie- 
den gäbe, „nachdem das ganze römische Reich und sonderlich die 
Arbitri gefunden und erkannt, dass selbiger dem Instrumenta pacis und 
denen an Frankreich erwachsenen Juribus ungemäss sei". Nähme 
das Schiedsgericht bei jedem Widerspruche Frankreichs seine Beschlüsse 
zurück, so sei wenig Gutes mehr von ihm zu erwarten. 

Die von den elsassischen Städten veranlasste Intervention des 
Kaisers bei Ludwig XIV hatte auch keinen Erfolg. Am Anfange des 



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Jahres 1671 erhielt der kaiserliche Gesandte am französischen Hof, 
Graf von Windischgrätz, den Befehl, dem Könige die Angelegenheit 
der elsassischen Reichsstädte zu empfehlen und ihn um Beförderung 
der Verhandlungen beim Schiedsgericht zu bitten. Er kam diesem 
Befehle nach, doch antwortete ihm der König, wie Windischgrittz 
selbst einige Monate spater den Deputierten Schott und Heinrichs er- 
zählte, „dass er in guter Zeit von diesem Geschäft, welches ja zu 
Regensburg solle ausgemacht werden, kein Nachricht gehabt; er, 
Herr Graf, sollte sich deswegen bei Mr. de Lionne anmelden". Als 
der Gesandte sich an Lionne wandte, wusste dieser auch nicht, was 
er sagen sollte, und entschuldigte sich, dass er wegen anderer Ge- 
schäfte die Akten noch nicht habe lesen können, versprach aber, sich zu 
informieren. Auf den erneuten Befehl des Kaisers, auf eine Resolution 
zu dringen, da man dies den Städten versprochen habe, brachte der 
Gesandte die Sache abermals beim Könige vor, wurde aber wieder 
an den Minister verwiesen. „So oft er nun Mr. de Lionne zu Paris 
deswegen angesprochen, habe er sich entschuldigt, dass die Acta zu 
Versailles liegen, wann er zu Versailles gewest, habe er vorgeben, die 
Acta seien zu St. Germain (allwo sie sich auch wirklich befinden 
sollen). Und also habe man's ein gute Zeit getrieben. Er, Herr Graf, 
aber habe nicht ausgesetzt, sondern bei dem König und Mr. de Lionne 
über 15 mal [sie!] und zwar mit solcher Ernsthaftigkeit wegen dieser 
Städte angetrieben, dass endlich Mr. de Lionne ihm ein schriftlich 
Bericht gegeben habe." Dieser Bericht war ganz allgemein gehalten 
und besagte, „dass die Städte an der Hinderung selbst schuldig seien, 
indem sie dem König das begehrte Jummentum disputiren und nicht 
leisten wollten. Gravel habe den Arbitrw zu Regensburg solche Ra- 
tiones vorgestellt, welche sie ihm nicht beantworten können, und hafte 
es also gar nicht an französischer Seiten, dass die Tractaten nicht 
fortgesetzt würden; darzu der König geneigt sei und deswegen das 
Arbitrium beliebt habe." 

Bei seiner Zusammenkunft mit den elsässischen Deputierten, im 
Mai 1671, teilte ihnen Windischgrätz ferner mit, „als er einmal bei 
Mr. de Lionne gewest, habe er in seinem Zimmer auf einer Landcharten 
den Rheiustrom und das Elsass sambt dem Breisgau abgerissen an 
der Wand hangen [sehen], und als sie wegen des Elsass redeten, zeigte 



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- 161 — 



Mr. de Lionne auf das Breisgau mit Vermelden, dass, was selbigerseits 
liegt, seie noch des Kaisers, was aber auf der elsassischen Seiten liege, 
gehöre meistens dem König, und zeigte unter Andrem auf Colmar 
und sagte dabei: voici encore une bonne place, worüber der Herr Graf 
geantwortet: mais, Monsieur, cette place n'etf pas ä vous, eile est ä V Em- 
pereur et V Empire. Darauf Mr. de Lionne gesagt, er wüsste es zwar 
wohl, allein habe doch der König auch Jura dabei und seie er Prae- 
fecttis." Als Lionne einmal auf die grossen Streitkräfte des Königs in 
der Nähe desElsass anspielte, äusserte Windischgrätz, „er wolle nicht 
hoffen, dass man auf diese Städte gedenke, denn, wann der König 
nur ein Dorf davon angreife, so seie die Larv abgezogen und der 
Frieden mit dem Kaiser und dem Reich gebrochen." 

Durch seine gewöhnlichen Ausflüchte hielt Gravel die Schieds 
richter nach ihrer letzten Erklärung wiederum drei Monate hin; als 
sie aber immer nachdrücklicher eine Antwort begehrten, zeigte er 
ihnen am 1. März 1671 an, sein König könne keine der beiden vor- 
geschlagenen Eidformeln annehmen, sondern möchte zuvor die Gründe 
erfahren, warum sie die von Seiten Frankreichs aufgestellte Formel 
nicht gutheissen wollten. Der Kur-Mainzische Direktor entgegnete 
zunächst mündlich, dass sich das Schiedsgericht in keine Disputation 
hierüber einlassen könnte: die Gründe seien im Friedensvertrag uud 
in den städtischen Schriften bereits genugsam enthalten. Am 14. März 
fassten dann die Schiedsrichter den Besch luss, Frankreich nochmals 
die Wahl zu lassen, sich entweder mit dem im Jahre 1662 empfangenen 
Eide zu begnügen oder die von ihnen vorgeschlagene neue Eidformel 
anzunehmen, da sie „ein Mehrers nicht zu thun vermöchten." 

Als Gravel diesen Bescheid mitgeteilt bekam, beanstandete er 
nicht nur dessen Inhalt, sondern auch seine Bezeichnung als Kon- 
klusum. Er behauptete, beide Eide liefen wegen der ihnen beigefügten 
Erläuterung auf dasselbe hinaus, und es sei bedenklich, sie mit solchen 
Klauseln gelten zu lassen. Die von den Städten vorgebrachten Argu- 
mente halte er für unzureichend. Dem Könige gebühre ein Huldig- 
ungseid auf Grund der ihm über die Präfcktur abgetretenen Souve- 
ränität; letztere werde ihm im § Teneatur keineswegs abgesprochen, 
sondern eben bloss auf die Landvogteireehte beschränkt. Eine schrift- 
£ liehe Antwort erteilte Gravel indessen erst am 25. Mai, und zwar 

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— 162 — 



wiederholte er seine frühere Forderung, was als eine Verspottung des 
Schiedsgerichts empfunden wurde. 

Als die vereinstädtischen Deputierten sahen, dass auf diese 
Weise nicht von der Stelle zu kommen sei, beschlossen sie, sich 
wiederum direkt an das Reich zu wenden. Sie verfassten ein Memorial, 
in welchem sie den Reichstag ersuchten, sich nachdrücklich zu inter- 
ponieren, damit ein Modus tractandi vereinbart werde, der die rasche 
Erledigung der Angelegenheit ermögliche. Dies Memorial übergaben 
sie zwar am 14. Mai dem Kur- Mainzischen Direktorium, doch wurde es in 
der nächsten Zeit noch nicht diktiert, da man allerseits davon abriet. 

Durch ein kaiserliches Kreit atorium aufgefordert, machten sich 
die Schiedsrichter nach einer Pause von einigen Wochen wiederum 
an die undankbare Aufgabe, eine Entgegnung auf Gravels letzte Schrift 
aufzusetzen. Ihre Resolution wurde am 2. August 1671 dem französischen 
Gesandten eröffnet. Sic gibt einen üeberblick über die bisherigen 
Verhandlungen und erinnert daran, dass das Schiedsgericht in seiner 
Deklaration vom 19. Februar 1668 dem ursprünglichen Begehren des 
Königs, der geleistete Eid solle nicht mehr in Frage gestellt werden, 
trotz anfänglicher Bedenken entsprach, und dass auch die Städte, 
deren Hauptbeschweide gerade die Auferlegung dieses Eides gewesen 
war, es dabei bewenden lassen mussten. Nachträglich aber habe 
sich der königliche Plenipotentiar mit diesem Zugeständnis nicht 
mehr zufrieden gegeben und eine neue Eidformel vorgebracht, welche 
die Subjektion der Städte begründen und die ihnen im Friedens 
instrument vorbehaltene Rcichsunmittclbarkeit aufheben würde, während 
doch der Paragraph Teneatur bestimme, dass an Frankreich keine 
Superiorität über die Städte, sondern nur die vom Hause Oesterreich 
innegehabten Landvogteirechte übergehen sollten. An der Natur des 
Verhältnisses zwischen den Städten und dem Landvogt ändere der 
Umstand nichts, dass diese Rechte nunmehr einem souveräuen Herrn 
als unabhängiges Eigentum gehörten, wie denn auch die Kaiser, wann 
sie die Präf'ektur für sich behielten, auf Grund derselben nie einen 
besonderen Eid gefordert hätten. Eine solche Forderung sei ja auch 
von Frankreich bis zum Jahre 1662 überhaupt nicht erhoben worden. 

Da nun die Eidfrage „durch unterschiedliche Arbitral-Dekla- 
rationen dergestalten elucidirt und decidirt worden, wie man sie dein 



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— 163 - 



Instrumento pacix, auch sonsten der Sachen Beschaffenheit gemäss 
befunden, von denen hohen Herren Principalen aber ihnen, den 
Subdehgatis, ein Mehrers nicht committirt ist: Als werden Ihre könig- 
liche Majestät verhoffentlich auch in Ungutem nicht vermerken, dass 
man a parte arbiirii obverstandenermassen es nochmals dabei be- 
wenden lasse und sich darüber weiters mit Rationsvorstellung nicht 
einlassen könne, in mehrer Betrachtung, dass ohne dies solches in der- 
gleichen arbitralischen Handlungen nicht gebräuchlich". Am Schlüsse 
spricht das Schiedsgericht den Wunsch aus, der König möge zugeben, 
dass ein kürzeres Verfahren ergriffen und eine Frist von etwa zwei 
oder drei Monaten für die Erledigung sämtlicher Streitpunkte be- 
stimmt werde. 



Schon damals war allenthalben im Reich das Gerücht verbreitet, 
dass der König von Frankreich einen Ueberfall der elsässischen Städte 
plane. Der Brandenburg-Culrabachische Abgesandte Baron von Stein 
erzählte dem Deputierten Schott im Mai 1671, „dass, als er neulich 
zu Stuttgart gewest, habe er von einer gewissen vornehmen Person 
vernommen, dass H. Frischmann* ein Deduction oder Manifest ver- 
fertigt, welches bemelte Person gesehen habe, und gehe man damit 
um, wie man die Städte überrumpeln möchte". Am Wiener Hofe 
wollte man allerdings nicht an einen Gewaltstreich Ludwigs XIV. 
glauben, wie der in Geschäften seiner Stadt dort anwesende Schlett- 
stadter Syndicus Knecht berichtete, doch teilte der Reichsvizekanzler 
Graf von Königsegg diesen Optimismus nicht, sondern riet Colmar 
und Schlettstadt, sich in den Stand zu setzen, eine Belagerung so 
lange auszuhalten, bis Hilfe herbeikäme. Der Kaiser würde eher 
hundert Kriege anfangen als die Städte aufgeben. 

Die elsässischen Deputierten, welche kein grosses Vertrauen zu 
der Standhaftigkeit einiger Mitglieder des heimischen Städtebundes 
hatten, veranlassten den Kaiser, an die Gesamtheit der Vereinstädte 
ein Rescriptum adhortatorium zu richten, um dieselben aufzufordern, 
sich in keine besonderen Verhandlungen mit Frankreich einzulassen 
und alle Streitigkeiten an das Schiedsgericht zu verweisen. 



* Der französische Resident zu Strassburg. 



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— 164 — 

Unter den Angelegenheiten, welche die Gemüter im Elsass er- 
regten, befaud sich auch die Restitution der Evangelischen zu Hagenau. 
Diese Stadt weigerte sich nämlich, die Protestanten dem Westfälischen 
Frieden gemäss in ihre früheren Rechte wieder einzusetzen, obgleich 
sie von Strassburg und den vier evangelischen Vereinstädten dazu 
angehalten wurde. Der Hagenauische Gesandte zu Regensburg 
brachte sogar beim Kur-Mainzischeu Reichsdirektorium das Gesuch vor, 
„weil zu Colmar so viel catholische Burger sich befinden, und gleich- 
wohl diese Stadt pro evangelica gehalten, . . . dass man die Stadt 
Hagenau, als die so viel evangelische Burger nicht habe, auch als 
pure catholkam consideriren sollte". Die Sache gelangte zur Ent- 
scheidung an den Städterat, und dieser wies in seiner Sitzung vom 
17. Juli 1671 den Hagenauischen Gesandten mit seinem Ansinnen ab. 
„Die gesammten Herren Gesandten haben ihn dergestalten abgekapt, 
dass er gewiss sein Lobtag daran gedenken wird". Der Vertreter 
Colmars hatte in seinem Votum dargelegt, dass die grössere oder 
geringere Zahl der gemeinen Bürger für den konfessionellen Charakter 
eines Reichsstandes nicht massgebend sei. Die Stadt Colmar sei vor 
und nach dem Frieden stets ein Status pure evangelicus gewesen, wie 
denn ihr Magistrat aus lauter evangelischen Mitgliedern bestanden 
habe. Diese Eigenschaft sei ihr im Friedensvertrag bestätigt und auf 
allen Reichs- und Kreistagen stets anerkannt worden. „Und wäre an sich 
Selbsten zu wünschen, dass die Evangelischen zu Hagenau gleichwie die 
Catholischen zu Colmar tractirt würden, da es dann gewisslich besser 
hergehen und die Evangelischen sich in solchem lamentablen Stand 
daselbst nicht befinden würden. Man kanu aber nicht erachten, dass 
der Stadt Colmar zu einigem Praejudiz gereichen könne, dass sie 
den Catholischen Guts thut, sie zu Burgern annimmt und ihr 
Exercüium religionis halten lasset, dann da solches zu einigem Nach- 
theil ihres Status sich sollte anlassen wollen, würde man sich ins 
künftige besser vorzusehen haben". Für Hagenau aber werde die 
Restitution der Evangelischen durch den Friedensvertrag angeordnet, 
und es sei im Jahre 1650 zu Nürnberg bestimmt worden, dass ihnen 
freie Religionsübung gewährt, ihre Kirchen und Schulen zurückgegeben 
und die Magistratsstellen zugänglich gemacht werden sollten. 

Diese Angelegenheit hatte auch einen neuen Konflikt zwischen 
der Stadt Colmar und dem Untcrlandvogt Marquis de Ruz6 hervor- 



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- 165 - 



gerufen. Die Colrrmrer Stattmeister Heinrich Klein und Andreas 
Sandherr, welche in Hagenau erschienen, um sich beim Rate für die 
Evangelischen zu verwenden, wurden vom Unterland vogt auf schimpf- 
liche Weise behandelt und zur Stadt hinausgewiesen. Schott brachte 
diese unerhörte Verletzung des „Völkerrechts" zur Kenntnis der 
Schiedsrichter, welche ihm rieten, darüber Klage zu erheben ; Gravel 
aber bat ihn zu warten, bis der Marquis de Ruz6 auf seine Auf- 
forderung hin einen genauen Bericht eingeschickt habe. 

Auch aus anderen Orten des Elsasses kamen öfters Nachrichten 
von Reibungen zwischen den stadtischen Behörden und den französi- 
schen Beamten. So mischte sich der Herzog von Mazarin unbefugter 
Weise in den Streit der Stadt Münster mit ihrem früheren Stadt- 
schreiber, wogegen die Münsterer eine in dieser Sache vom Herzog 
an sie gerichtete Schrift vor ihrem Tor im Kot liegen Hessen. 

Die Entgegnung Gravels auf den letzten Beschluss der Schieds- 
richter wurde am 1. November 1671 bekanntgegeben. Der König be- 
dauere, so lautet sie, dass die Schiedsrichter die von ihm für seine 
r Ansprüche vorgebrachten Gründe nicht ebenso in ihre Erklärung auf- 

genommen hätten wie diejenigen der Städte, und dass sie nicht er- 
örtert hätten, warum sie die von ihm vorgeschlagene Eidformel nicht 
annehmen wollten. Doch verzichte er jetzt auf alle ferneren Einwände 
und bitte die . Schiedsrichter bloss um die Beantwortung der beiden 
folgenden Fragen: 1) Ob sie nicht darüber einig seien, dass ihm 
omnimoda superioritas sive supremum dominii jux Uber die Präfektur der 
zehn Städte des Elsasses abgetreten sei, und dass ihm dieselbe unbe- 
dingt (pure et absolute) zustehe ? 2) Was denn eigentlich der wirkliche 
Gegenstand dieser souveränen Herrschaft sei? 

In der nächsten Zeit berieten die Schiedsrichter wiederholt über 
dieses Ansuchen. Einige von ihnen waren der Ansicht, ein fernerer 
Schriftwechsel sei ihrer Autorität zuwider, und man solle Gravel ein- 
fach den Friedensvertrag vorlegen und ihm bedeuten, dass seine 
Fragen darin bereits zur Genüge beantwortet seien. Zuletzt aber ent- 
schloss man sich doch zu einer schriftlichen Antwort, und diese wurde 
am 24. Januar 1672 dem französischen Gesandten übergeben. Die 
erste Frage bejahte das Schiedsgericht, auf die zweite erklärte es, 



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— 166 — 



dass der Gegenstand der souveränen Herrschaft des Königs eben die 
Praefectura provincial'ut sei, welche zum Teil aus den Landvogtei-Dorf- 
schaften, zum Teil aber aus gewissen Rechten bei den Reichsstädten 
bestehe. Diese Rechte seien derartig, dass sie dem Könige keine der 
Reichsunmittelbarkeit und Freiheit der Städte widersprechende Superiori- 
tät geben könnten. 

Hiermit war der Krone Frankreich deutlich die verlangte Ober- 
hoheit über die elsässischen Städte abgesprochen. Die Entscheidung 
hatte aber jetzt nur noch theoretischen Wert, da die politischen Er- 
eignisse zu einer Lösung der Landvogteifrage durch die Gewalt der 
Waffen drängten. Gravel Hess sich trotz aller Aufforderungen zu 
keiner Entgegnung mehr herbei, und somit blieb dieser Spruch des 
Schiedsgerichts der letzte, den es überhaupt fällte. Anfangs hatte er 
zwar eine baldige Antwort seiner Regierung in Aussicht gestellt, später 
aber erklärte er, M. Pomponne habe ihm geschrieben, „dass wegen 
der jetzigen Kriegsexpedition und unzählig vieler anderer wichtiger 
Geschäfte er die Resolution nicht habe zu Stande bringen können." 
So waren die langwierigen Verhandlungen, wie schon längst voraus- 
zusehen war, endlich im Sande verlaufen. 



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4 

V. 

Die elsftsslsche Frage am Wiener Hofe. — Gerüchte von einem bevor- 
stehenden Ueberfall der elsässischen Städte durch Ludwig XIV. — Versuche, 
das Schiedsgericht wieder in Tätigkeit zu bringen. — Fortgesetzte Klagen 
über die Schädigung der Städte durch Frankreich. (1672—1678). 

Nachdem alle Versuche einer gütlichen Beilegung des Landvogtei- 
streites gescheitert waren, blieb den elsassischen Städten jetzt nur 
noch die schwache Hoffnung, dass der Kaiser und das Reich sich 
dennoch aufraffen möchten, sie mit Nachdruck gegen Frankreich zu 
beschützen. Der BrandenburgBayreuth-Culmbachische Kanzler Baron 
von Stein teilte den vereiustädtischen Deputierten am 24. August 1672 
mit, dass nunmehr, wie er selbst gesehen habe, die 17 000 Mann 
starke kaiserliche Armee auf dem Marsche nach dem niedersächsischen 
Kreis begriffen sei, um sich mit den Truppen der Alliierten zu ver- 
binden. Diese Rüstungen bezweckten die Erhaltung des Friedens im 
Reich und den Schutz der Reichsglieder vor fremder Gewalt. Hoffent- 
lich werde dieser Zweck eher durch gütliche Traktate als mit den 
Waffen erreicht werden können. Er selbst reise deshalb in einigen 
Tagen im Auftrage Kur-Brandenburgs und des Markgrafen, seines 
Herren, nach Wien und wolle im Vertrauen eröffnen, „dass unter 
anderen Camis componendh bereits an hohen Orten auch die verein- 
städtischen Grammina, und wie denselben wirklich abzuhelfen und 
diese Städte bei dem Reich ungekränkt zu erhalten sein möchten, in 
Consideration kommen sei; allerraassen er selbst bei einigen hohen 
fürstlichen Personen in Conferenz gcwest, alwo der Sach nachdrück- 
lich gedacht worden, und habe er darüber, weil ihm Alles bekannt 
ist, eine ausführliche Relation getan, so den Vereinstädten gewisslich 
zum Besten gereichen werde". Er rate den Städten, einen Gesandten 
nach Wien zu schicken und beim Kaiser dahin zu wirken, dass seine 
Bevollmächtigten, falls es zu Verhandlungen mit Frankreich käme, 
in der elsässischen Angelegenheit speziell instruiert würden. 

Dieser Rat war der Stadt Colmar um so erwünschter, als sie 
ohnedies beabsichtigte, den Syndikus Schott in dem Schneiderschen 



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- m - 



Prozess nach Wien zu senden, die anderen Städte aber bisher nicht 
zugeben wollten, dass der von ihnen gemeinsam besoldete Deputierte 
Regensburg verlasse Nunmehr erhielt Schott die Erlaubnis zur ge- 
planten Reise, die er auch im Anfang des Monats Oktober 1672 antrat. 
Zuvor hatte er noch den Schiedsrichtern ein vom 2. Oktober datiertes 
Memorial übergeben, in dem er die Klagen der Vereinstädte über die 
Ubergrifte des Ensisheimer Rates, die 'Erpressungen der französischen 
Zollpachter und die Durchzüge königlicher Truppen durch reichs- 
stadtisches Gebiet zusammengestellt hatte. 

Zu Wien trat Schott in enge Beziehung zu dem obersten Hof- 
kanzler Baron Ilocher, einem besonderen Gönner der elsässischen 
Städte, mit dem er in letzter Zeit öfters korrespondiert hatte. Er 
erfuhr von ihm, dass der Kaiser und der Kurfürst von Brandenburg 
jetzt überein gekommen seien, sich der Städte ernstlich anzunehmen. 
Zu dieser Zeit traf auch die Kunde von der Zerstörung der Strass- 
burger Rheinbrücke durch Conde am Wiener Hofe ein. Schott 
schreibt darüber am 28. November: 

„Baron Ilocher berichtet, dass der Kaiser des Königs in Frank- 
reich Residenten Gremonville fragen lassen, warum der König die 
Brücke zu Strassburg verbrennen lassen? Darauf er geantwortet, 
dass der König vernommen, dass der Kurfürst von Brandenburg mit 
den zehn Städten und sonderlich mit Colmar und Schlettstadt colludirn 
und deswegen zu Strassburg über die Brücke gehen wollen, deswegen 
der König solches notwendig verhindern müssen. Es habe aber der 
Baron Hocher solches auf das Äusserste widersprochen, jedoch solches 
dem Kaiser alsobald referiert, worüber geschlossen, dass dem Graf 
Montecuculi in höchster Gcheim-Ordrc erteilt werden solle, mit Kur- 
Brandenburg zu conferiren und ihm des Kaisers Resolution zu er- 
öffnen, und sobald die zehn Städte, absonderlich Colmar und Schlett- 
stadt, an die Armee einen Courner schicken werden, solle er, Monte- 
cuculi. die zehn Städte mit der ganzen Armee sekundieren und Alles, 
was zu ihrer Conservation tunlich und zu ihrer Rettung nötig ist, vor- 
nehmen. Wornach die zehn Städte sich zu richten haben; und so- 
bald sie eine Gewalt merken, sollen sie bei dem Montecuculi um 
Assistenz ansuchen. Und mit dieser Versicherung soll ich nur ab- 
reisen: wann es zur Mediation zwischen den hohen Parteien kommt, 



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- 160 — 



wolle der Kaiser dieser zehn Städte gewiss nicht vergessen. Indessen 
* solle man fleissig wachen und Alles eilends berichten". 

Schott wurde von Hocher und dem Fürsten Schwarzenberg auf- 
gefordert, selbst noch bei Gremonville vorzusprechen, wio wir aus 
einem Briefe vom 5. Dezember erfahren. „Dem nun zufolge bin ich 
gestern Nachmittag dort gewesen, da ich dann sehr höflich empfangen 
worden, und habe ich mich zwar des Praetexts einer Visite bedient, 
gleichwohl aber dabei Gelegenheit genommen, in diese Materi zu 
kommen; da er dann berichtete, dass der König in Frankreich die 
Brücke zu Strassburg notwendig müssen ruiniren lassen, weil er 
vernommen , dass die zehn Städte mit Kur-Brandenburg colludirt 
haben, und Kur-Brandenburg zu Strassburg über die Brücke dahin 
gehen wollen. Ich, Schott, widersprach dieses auts Beste. Er sagte 
aber, dass er dessen schon versichert sei, zumalen der Kaiser auf 
dieser der zehn Städte Sachen und Ausmachung derselben Differentien 
dermassen treibe, dass er auch dieses anjetzo für das meiste Gravamen 
anziehe; deswegen ja etwas daran sein müsse. Hingegen wurde von 
mir, Antonio Schott, dieser Vorwand dermassen refutirt, dass iener 
5 darmit zufrieden war". Über diese Unterredung wurde der Colmarer 

Syndikus vom Grafen von Fürstenberg, Vize-Präsidenten des Reichs- 
hofrates, im Auftrage des Kaisers ausführlich befragt. 

Während seines Aufenthaltes zu Wien gelang es Schott einen 
Vergleich zwischen dem Colmarer Magistrat und Daniel Schneider 
zu Stande zu bringen, auf Grund dessen Schneider in seine frühere 
Stättmeisterwürde wieder eingesetzt wurde. 

Der Colmarer Deputierte hatte sich auch diesmal wieder be- 
sonderer Ehrungen zu erfreuen. Er wurde vom Kaiser in Audienz 
empfangen,* von ihm abermals mit einer goldenen Kette beschenkt 
und zu seinem Rat ernannt. Das Diplom, welches hauptsächlich auf 
Schotts Verdienste und Gewandtheit bei den Verhandlungen am Reichs- 
tag und am Schiedsgericht Bezug nimmt, übertrug ihm die Vorrechte 
der wirklichen Räte, „welches sonsten, wann man nicht bei Hof 
bleibt und wirkliche Dienste leistet, nicht leicht zu geschehen pflegt". 
Am 13. Dezember brach der neue kaiserliche Rat von Wien auf und 

*) Der Bericht darüber fehlt leider, wie denn die Korrespondenz aus Wien 
mehrere Lücken aufweist 



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kam nach einer „wegen übel Wegs und angeloffenen Wassern" be- 
schwerlichen Reise in der Nacht vom 24. Dezember 1672 wiedor in 
Regensburg an. 

Aus dem Elsass waren wieder schlechte Nachrichten zu Regens- 
burg eingetroffen: Der französische Zolldirektor Sequeville schädigte 
trotz aller Einwendungen die Colmarer Bürger durch neue Zölle in 
empfindlicher Weise; der ITerzog von Mazarin hatte sich bei seiner 
letzten Anwesenheit zu Colmar und zu Schlettstadt nicht gescheut, 
die Forderung zu stellen, man solle das Schiedsgericht autgeben und 
sich mit ihm besonders vergleichen ; zu Breisach, so hiess es allgemein, 
rüsteten sich die Franzosen zu einem Überfall der Städte Colmar 
und Schlettstadt. 

Die beiden vereinstädtischen Deputierten benützten den Neu- 
jahrsbesuch, den sie am 28. Dezember dem französischen Gesandten 
Gravel machten , um diese jüngsten Beschwerden vorzubringen 
und zugleich gegen die Behauptung Grömonville's zu protestieren, 
Colmar und Schlettstadt ständen in Vorbindung mit Kur-Brandenburg 
zur Aufnahme einer Garnison, weshalb der König von Frankreich die 
Strassburger Rheinbrücke habe zerstören lassen. « 

Gravel erwiderte, sein König wisse nichts von all diesen Belästig- 
ungen der Städte, und sie geschähen gegen dessen Willen. Dagegen hielt 
er ihnen die neuesten Vergehen Hagenau's gegen den König vor. Die Ob- 
rigkeit daselbst habe, als die kaiserliche und die Kur-Brandenburgische 
Armee in der Nähe gewesen, zweimal die königlichen Siegel von gericht- 
lich versiegelten Sachen gerissen. Ferner sei vor einiger Zeit dem Herzog 
von Mazarin, der bei Nacht zu Hagenau angekommen, der Einlass in 
die Stadt verweigert worden, so dass er in einer Ziegelhütte habe 
übernachten müssen. Der König könne solche Beleidigungen nicht 
unbestraft lassen. „Es sei dem König um diese Städte gar nicht zu 
tun, und seien sie zu ringschätzig, dass der König seine Gloire dar- 
durch sollte verringern oder ihm nachreden lassen, dass er sie ohne 
Ursach surpreniren wollte; und wolle er infam sein (je vous dis que 
je veux e'tre infäme), wann der König das Geringste an dergleichen 
gedenke ; auch so gar, dass er gewiss versichern könne, wann die 
Städte auch von Selbsten sich dem König übergeben und sich des- 
wegen bei ihm anmelden wollten, dass er es nicht aeeeptiren würde. 



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- 171 — 



Der König habe drei Fines seiner Regierung: la gloire, la justice et 
Vinterest de son royaume, deren keines zulasse, dass der König dieser 
Zeit an diesen Städten einige Gewalttätigkeit vornehmen sollte." Das 
Ansuchen Mazarin's an die Städte sei ohne königlichen Befehl ge- 
schehen, und was Greraonville am kaiserlichen Hofe angegeben, sei 
eine blosse Vermutung gewesen. In Wirklichkeit habe man bei der 
Zerstörung der ltheinbrtteke gar nicht an Colmar und an Schlettstadt 
gedacht, sondern diese Zerstörung habe auf die wiederholte Bitte des 
Bischofs von Strassburg an den Prinzen von Conde stattgefunden, um 
die Kur-Brandenburgische Armee zu verhindern, in das Bistum Strass- 
burg einzufallen und dasselbe zu verwüsten. Dadurch sei auch das 
übrige Elsass von den Kriegsgräueln verschont geblieben, „gestalten 
(so er jedoch in Vertrauen sage) die mehr Verständig und Desinteressirte 
zu Strassburg solches gar wohl begreifen uud Uber diese Entreprise 
eben nicht so gar malcontent seien." 

Im Anfang des Jahres 1673 wurden verschiedene Versuche ge- 
macht, das Schiedsgericht wieder aufleben zu lassen. Der Kaiser 
forderte die vom Reiche zu Schiedsrichtern ernannten Stände in einem 
neuen Excitatorium auf, die Verhandlungen wieder aufzunehmen und 
wegen der gefährlichen Konjunkturen bald zu einem Abschluss zu 
bringen. Vor allem aber trat jetzt Schweden, der neue Bundesgenosse 
Frankreichs, entschieden für die elsässische Sache ein. 

Der Schweden-Bremische Gesandte Snoilsky war bereits im 
Januar 1672 gestorben und im September dieses Jahres durch Herrn 
von Blume, der bisher am Heidelberger Hofe geweilt hatte, ersetzt 
worden. In den ersten Wochen des Jahres 1673 hielt sich auch der 
Graf Gustav Adolf de la Gardie als ausserordentlicher Gesandter 
Schwedens zu Regensburg auf. Letzterer teilte dem Deputierten Schott 
die Instruktion mit, welche er und seine Kollegen in Betreff der elsässi- 
schen Angelegenheit von ihrer Regierung erhalten halten. Es heisst 
darin, der schwedische König fühle sich „als Garant des deutschen 
Friedens" verpflichtet, sich der Vereinstädte und besonders seiner 
Glaubensgenossen mit Nachdruck anzunehmen. Deshalb habe er 
seinem Gesandten zu Paris, dem Grafen Tott, befohlen, Ludwig XIV. 
zu bitten, die Verhandlungen beim Schiedsgericht fortsetzen zu lassen 



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- 172 — 



und sich dessen Spruch zu unterwerfen. Die schwedische Gesandt- 
schaft zu Regensburg solle bei Gravel in demselben Sinne wirken. 

Als Blume am 28. Januar das Ansuchen seiner Regierung dem 
französischen Plenipotentiar vortrug, entgegnete dieser, der König von 
Frankreich wünsche selbst die rasche Erledigung des Landvogtei- 
streites, könne aber bei der jetzigen politischen Lage, „da die Ge- 
müter ziemlich geändert und auch eines oder des anderen hohen Herrn 
Arbitri und dessen Subdelegirten Inclination nicht mehr wie vor 
diesem seie", die Entscheidung nicht mehr den bisherigen Schieds- 
richtern überlassen. Seine Majestät schlage deshalb vor, dass vier 
neue Schiedsrichter ernannt würden, je zwei von beiden Teilen. 
Einige Tage darauf erfuhr Schott indessen vom Grafen de la Gardie, 
dass das Begehren eines neuen Schiedsgerichts eine blosse Finte Gravels 
sei, wie folgender Auszug aus einem Schreiben des Grafen Tott aus 
Paris beweise: 

„Ingleichem hat er (rex Galliae) sich auch erklärt wegen der 
zehn Städte im Elsass, weilen ein Geschrei ausgesprengt worden, dass 
Ihro Majestät sollten um mehrerer Sicherheit willen auf der deutschen 
Seite gegen dieselbige einige Desseins fomentiren, bezeugend, dass 
solches Geschrei ungegründet wäre, und dass er im Geringsten nichts 
wider selbige noch andere vorzunehmen Willens wäre, so dem rechten 
Verstand des Westphälischen Friedensschlusses entgegen sein möchte; 
sondern wollte diese Sache derjenigen Schiedsleute, denen sie bereits 
übergeben wäre, rechtmässigem Aussprechen und Gutbefinden gänz- 
lich anheimgestellt haben." 

Die vereiustädtischen Deputierten verfehlten nicht, Gravel vor- 
zuhalten, dass seine Behauptung im Widerspruche mit der Erklärung 
seines König stände. „Worüber er sich etwas alterirte und sagte, 
dass er nächstens Ordre erwarte, dann die Vereinstädte hätten es am 
rechten Ort angegriffen, dass sie Schweden zum Fürsprech genommen, 
weil der König demselben nicht werde aus Händen gehen." 

Bei den Versuchen, den Frieden zwischen Frankreich, Holland 
und ihren Bundesgenossen zu vermitteln, welche im Anfang des Jahres 
1673 von schwedischer und deutscher Seite gemacht wurden, war 
auch vielfach von der elsässischen Angelegenheit die Rede. Der 
kaiserliche. Hofkanzler Hocher, der in regelmässigem Briefwechsel mit 



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— 173 — 



den vereinstädtischen Deputierten stand, schrieb darüber am 2. Februar 
aus Wien an Sehott: „Mit dem aluiesigen schwedischen Residenten 
Herrn von Puffendorf habe ich anbeut wegen der zehn Vereinstädte 
ein langen Discurs geführt, welcher aber gezweifelt, ob die Krone 
Frankreich nachgeben werde, dass man diese Sache durch die vor- 
habende Mediation abhandeln solle, weilen solche mit der holländi- 
schen und letzten entstandenen Unruhe keine Connexität habe. Darauf 
ich ihm geantwortet, dass Ihre Kais. Majestät einen sicheren und 
beständigen Frieden verlangten und darum mit bestem Fug andringeten, 
dass alle mit der Krone Frankreich habende und das römische Reich 
betreffende Strittigkeiten beigelegt werden; oder es wäre wenigist 
das Werk dahin zu richten, damit man an Seiten der Krone Frank- 
reich das Arbitrium weiters nicht hemme, sondern demselben seinen 
Lauf gestatte und den Ausspruch gelten lasse." 

Die Bedenken des schwedischen Residenten erwiesen sich nur 
zu bald als begründet. Am 9. Februar erfuhr Schott vom Grafen de 
la Gardie, dass der König von Frankreich sich Kur-Mainz gegenüber 
geweigert habe, zuzulassen, dass die elsässische Frage bei den geplan- 
ten Friedensverhandlungen zur Sprache käme. Denselben Bescheid 
Hess Ludwig XIV. einige Wochen später dem Wiener Hofe durch 
Gremonville erteilen. 

In dieser trostlosen Lage versuchten es die Verein.städto aber- 
mals, ihre Zuflucht zu den versammelten Reichsständen zu nehmen. 
Als Schott im Dezember 1672 sich zu Wien aufhielt, liess ihm der 
Kaiser den Rat geben, die Städte sollten auch noch das Reich selbst 
um seine Vermittelung bei Ludwig XIV. angehen. Der Colmaror De- 
putierte erwiderte, dass bereits vor zwei Jahren ein Memorial zu die- 
sem Zwecke abgefasst, aber wegen allerlei Bedenken noch nicht dik- 
tiert worden sei Daraufhin nahm Hocher die Schrift mit ihm durch 
und billigte sie. 

Am 24. Februar 1673 überreichte Schott das den Zeitumständen 
entsprechend abgeänderte Memorial dem Kur-Mainzischen Direktor, 
und dieser versprach jetzt, die Erlaubnis zur Diktierung sofort beim 
Kurfürsten einzuholen. In ihrer Eingabe an das Reich schilderten die - 
beiden Deputierten kurz den ganzen Verlauf der Verhandlungen beim 
Schiedsgericht mit Bezugnahme auf 23 beigefügte Aktenstücke, be- 



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— 174 — 



Schwerfen sich nochmals über die unerträglichen Belästigungen der 
elsässischen Städte durch die französischen Beamten und baten die 
Stände, den König von Frankreich zu bewegen, dass er den nunmehr 
erfolgten Deklarationen des Schiedsgerichts beistimme und die übri- 
gen Streitpunkte gleichfalls entscheiden lasse. Um dies Memorial, 
das wegen der zahlreichen Beilagen sehr umfangreich war, leichter 
verbreiten zu können, Hessen es die Verfasser zu Regensburg drucken. 
Es wurde am 4. und 5. April durch die Reichsdiktatur veröffent- 
licht, worauf der kaiserliche Kommissar versprach, es bald „in Proposition 
zu bringen." Am 13. Mai schrieb indessen Schott nach Colmar, die 
Vornahme des vereinstädtischen Memorials beim Reichstag würde 
jetzt wenig nützen, „zumalen da es nunmehr, leider, dahin kommt, 
dass der französische König von gesammten Kurfürsten, Fürsten und 
Ständen eine cathegorische Resolution haben will, ob sie sich für den 
Kaiser erklären oder sich demselben opponiren wollen, dergleichen 
nicht erhört worden, weil das Römische Reich stehet . . . Man sieht, 
wie weit es kommen, und was das gesammte Teutschland zu erwar- 
ten habe, wofern der liebe Gott nicht andere Consilia eingebet und 
die Teutschen auf bessere Gedanken bringet." f 

Im Elsasse selbst nahmen die Reibungen zwischen den Städten 
und den französischen Behörden kein Ende. Neben den neuen Zöllen 
erbitterte Colmar namentlich die Störung in seinem Besitze der Herr- 
schaft Heilig -Kreuz. Das Dominium utile cum proprietate dieser 
Herrschaft stand von alters her der Stadt zu, während die Oberhoheit 
vom Hause Oesterreich auf die Krone Frankreich übergegangen war. 
Der Vogt von Heilig-Kreuz war bisher von Colmar frei ernannt wor- 
den und gehörte stets dem städtischen Rate au. Nunmehr verlangte 
der Intendant, dass er dem König einen Eid leisten und der katholi- 
schen Religion zugetan sein müsse. Weder die Reklamationen der 
Stadt beim Intendanten zu Ensisheim noch die Vorstellungen Schotts 
bei Gravel zu Regensburg vermochten die Sache zum Ausgleiche 
zu bringen. 

Einen andern Grund der Unzufriedenheit bildeten die seit dem 
Sommer 1672 sich wiederholenden Durchzüge französischer Truppen 
durch Oberehnheim und Rosheim. Im März 1673 überreichten die 
vereinstädtischen Deputierten Gravel ein Memorial wegen dieser 



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- 175 - 



Durchzuge und wegen der Willkür der französischen Zollpächter und 
baten ihn, den König direkt zur Beseitigung dieser Mißstände zu veran- 
lassen. Sic beklagten sich insbesondere in ihrer Schrift, dass die Pächter 
die Zölle eigenmächtig erhöhten, ohne sich an den vom König autgestell- 
ten Tarif zu halten, und aus den geringfügigsten Ursachen Beschlag auf 
die Waren legten. Die Stiidte Oberehnhein und Rosheim würden 
nicht nur häufig durch die Einquartierung durchziehender Truppen 
belästigt, sondern sogar wie französische Orte im Routenverzeichnis 
genannt. Nach dem Westfälischen Friedensvertrag sei zwar den 
französischen Kriegsvölkern der Durchzug durch das Reichsgebiet 
nach den Rheinischen Festungen gestattet, nicht aber durch die Reichs- 
städte und noch weniger auf Kosten derselben. Dieses sowie ein 
wenige Wochen später in derselben Angelegenheit ihm eingehändigtes 
Memorial versprach Gravcl dem Könige zu senden, doch hatten alle 
diese Eingaben natürlich nicht mehr die geringste Wirkung. 

Vergeblich war auch der nochmalige Versuch der Elsässer, das 
Schiedsgericht wieder zur Tätigkeit anzuspornen. In einer Ende Juni 
den Schiedsrichtern zugestellten Bittschrift wiederholten sie die im 
letzten Oktober vorgebrachten Beschwerden und zeigten an, dass die 
Uebergriffe der französischen Beamten sich täglich mehrten : Obgleich 
Colmar gegen den bisherigen Gebrauch seinen neuen Vogt von Heilig- 
Kreuz dem königlichen Rat zu Ensisheim auf dessen Begehren zur 
Vereidigung vorgestellt habe, so sei er wegen seines Augsburgischen 
Glaubensbekenntnisses nicht angenommen worden. Dies sei aber eine 
Verletzung des Friedensvertrags, der in Rcligionssachen den Stand des 
Jahres 1624 fordere. Als ferner ein zu Colmar verurteilter Bürger 
Namens Joseph Hecker aus dem Gefängnis in das benachbarte fran- 
zösische Territorium entflohen und den Ensisheimer Provinzialrat um 
Schutz angegangen sei, habe dieser der Stadt verboten, die Person 
oder die Güter des Schuldigen anzugreifen, die Sache an das Land- 
vogteigericht zu Ilagenau verwiesen und sich selbst die Entscheidung 
in zweiter und letzter Instanz vorbehalten. Da nun diese Zumutungen 
nicht nur den Rechten der Städte, sondern auch denjenigen des Reiches 
zuwider seien, und der König selbst die Regelung des Jurjsdiktions- 
streits dem Schiedsgericht anvertraut habe, so möge dieses um Gottes 
willen die Verhandlungen wieder aufnehmen, Gravel um die seit mehr 



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— 176 — 

als anderthalb Jahren zurückgehaltene Erklärung ersuchen und end- 
lich einen definitiven Besch luss fassen. 



Während Gravel zu Regensburg auf alle Reklamationen der 
Elsässer stets beschwichtigende Antworten gab und jede feindliche 
Absicht Frankreichs noch immer leugnete, war die Unterwerfung 
der zehn Städte bei Ludwig XIV. bereits beschlossene Sache. Schon 
am 13. Juli traf in Regensburg die Kunde ein von einem Vorspiel der 
Vergewaltigung, deren Opfer die elsässischen Städte bald darauf werden 
sollten. Die vereinstädtischen Deputierten richteten sofort eine Klage- 
schrift über diese jüngsten Ereignisse an Gravel und baten ihn, bei 
dem Könige zu bewirken, dass der Colmar zugefügte Schaden ersetzt 
und ähnliche Vorgänge künftighin verhindert würden. 

Am 25. Juni, so berichteten sie, war der Herzog von Noailles auf 
der Reise nach Breisach mit kleinem Gefolge an Colmar vorbeigezogen, 
ohne dass der Magistrat davon wusste. Als darauf Gesandte von Col- 
mar den Herzog zu Breisach begrüssten, machte er der Stadt heftige 
Vorwürfe wegen des unterlassenen Empfangs. Am 28. Juni lagerten 
sich dann etwa 500 Reiter unter dem Befehl des Marquis von Coulanges 
auf den Wiesen und Acckern vor Colmar, besetzten eine Mühle, plün- 
derten und zerstörten die Weinbrennereien, nahmen mehrere Heu- 
wagen sowie 30 Rinder und 200 Hämmel weg und raubten das Leinen 
von der Bleiche. Sie unterstanden sich sogar, einen vorbeireitenden 
Ratsherrn in ihr Lager abzuführen und einen anderen Bürger drei 
Tage lang gefangen zu halten, indem sie ihn fälschlicher Weise be- 
schuldigten, auf einen Reiter geschossen zu haben. Diese Gewalt- 
tätigkeiten währten drei Tage, und zwar geschahen sie, wie man den 
Colmarern zu verstehen gab, auf den Befehl des über sie erbitterten 
Herzogs von Noailles. 

Den unermüdlichen Bitten der Elsässer gelang es schliesslich 
doch, das Schiedsgericht nochmals zu einer schwachen Lebensäusse- 
rung zu veranlassen. Am 26. Juli beschloss es nämlich, dem fran- 
zösischen Plenipotentiar die vereinstädtischen Memorialien durch das 
Kur- Mainzische Direktorium und speziell die Klagen wegen der Vogtei 
Heilig-Kreuz im Namen der Evangelischen durch die Schweden-Bre- 
mische Gesandtschaft übergeben zu lassen und ihn mit Bezugnahme 



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- 177 - 



auf die Deklaration Ludwigs XIV. an den Grafen Tott um Fortsetzung 
der Verhandlungen zu ersuchen. 

Der dies berichtende Brief Schotts vom 29. Juli ist der letzte, 
der von ihm aus dem Sommer 1673 im Colmarer Stadtarchiv vor- 
handen ist. Vier Wochen später besetzten und entwaffneten die 
Franzosen die zehn elsässischen Reichsstädte und machten somit den 
langjährigen Streitigkeiten über die Landvogtcirechte tatsächlich ein 
Ende. 

Die beiden Gesandten Schott und Heinrichs blieben zunächst in 
Regensburg zurück und versuchten noch weiter, im Interesse ihrer 
Auftraggeber zu wirken, doch scheinen die durch Kriegssteuern er- 
schöpften und nunmehr unter französischer Aufsicht verwalteten Städte 
nicht mehr in der Lage gewesen zu sein, sie regelmässig zu besolden. 
In einem Briefe vom 30. Dezember 1673 klagt Schott, dass er trotz 
allen guten Willens seine Unterhaltungskosten nicht aus eigenen 
Mitteln bestreiten könne und deshalb nicht wisse, was er tun soll: 
„indem ich das Vaterland wohl von Herzensgrund ungern verlasse 
und dasselbe in seiner Bedrängnis nicht wollte stecken lassen, allein 
wider Gewalt und Not ist kein Mittel noch Gesetz vorhanden." 

Die definitive Behauptung des Elsasses durch die Franzosen in 
Folge des Sieges Turennes über den Grossen Kurfürsten bei Türkheini 
machte die Vertretung des elsässischen Städtebundes am Reichstage 
fernerhin zwecklos. Der Schlettstadter Bürgermeister Heinrichs war 
schon am 5. November 1674 gestorben, sein Kollege aber, der frühere 
Colmarer Syndikus Anton Schott, ging im Jahre 1675 in den Dienst 
des Kurfürsten von Sachsen über. Aus der für ihn gehaltenen und 
im Jahre' 1685 zu Regensburg gedruckten Leichenrede erfahren wir, 
dass Schott bis zu seinem am 21. November HW4 eingetretenen Tode 
das Amt eines kursächsischen Gesandten am Reichstag versah und 
zugleich verschiedene diplomatische Aufträge mit grossem Geschicke 
verrichtete, und dass ihm unter anderen Ehren auch die Erhebung 
in den „edlen Herrenstand" durch den Kaiser zu Teil wurde. 



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